[][][][][]
CATECHJSMVS-
MJLCH/
Oder
Der Erklaͤrung des Chriſt-
lichen
Catechiſmi

Sechſter Theil/

Begreiffend den Dritten Articul
des Vralten Apoſtoliſchen/ auch
Niceniſchen Glaubens/
Zu Straßburg im Muͤnſter gepredi-
get/ und auff inſtaͤndig frembder begehren
in Truck gegeben/



Straßburg: /
In Verlegung Fridrich Spoors.
M. DC. LVII.

[][]DEDICATIO.

Dem Reichs-Wohl-Edlen/
Geſtrengen Herrn
Adolph Duͤmlern/
Der Hochloͤblichen Cron Schweden
geweſenen Rittmeiſtern/
Meinem großguͤnſtigen hochgeehrten Herrn
und Goͤnner/

Goͤttliche Gnad/ geiſt- und leiblichen Segen von
Gott dem Vater/ durch Jeſum Chriſt im
Heiligen Geiſt/ Amen.


REichs-Wohl-Edler Geſtrenger ꝛc. Wol-
te Gott/ daß alle das Volck des HErren
Num. 11.
29.

weiſſagete! So lautet der innigliche und
tieffſinnige Wundſch des groſſen Manns Got-
tes Moſe/ im 11. Cap. ſeines 4. Buchs. Dann
als er aus Göttlichem Befelch das Synedrium und oberſte
Cammergericht von zwey und ſiebentzig Maͤnnern beſtellt/
ſie fůr die Stifftshuͤtten gefůhret/ daß der HErr von ſeinem
Geiſt nehme/ und auff ſie legete/ durch deſſen Vberkunfft
und Beruhung ſie angefangen mit verwundern zu weiſſagẽ ꝛc.
und ihrer Rathſtellen Proben zu thun; vnterdeſſen aber ſich
begeben/ daß Eldad und Medad/ die im Laͤger zuruck geblie-
):( 2ben/
[]DEDICATIO.
ben/ daſelbſt auch geweiſſaget/ Joſua daruͤber geeifert/ und ge-
ſagt zu Moſe: Wehre ihnen/ es wird allzugemein werden!
Darauff bricht Moſe in dieſe Wůndſch-Wort aus/ in ſeiner
Sprache heiſſet es: [...]Wer will geben? Jſt ein
hebraiſmus, gleich wie Jon. 3. Mi Jodeah?Wer weiß?
Wolte Gott? Die Hebreiſche Sprache pflegt fragsweiſe auß-
zuſprechen/ was wůndſchweiſe zu verſtehen. Res voti, das
jenige/ was er wuͤndſchet/ iſt weiſſagen: heiſſet zwar ſeinem
erſten/ urſpruͤnglichen/ natuͤrlichen und gemeinen Verſtande
nach ſo viel als zukuͤnfftige Sachen aus goͤttlicher/ unfehlba-
rer Offenbarung von Chriſto/ ſeinem Reich und deſſen fatis
verkůndigen/ wie Eſaias/ Daniel/ David ꝛc. Paulus und Jo-
hannes im Neuen Teſtament gethan. Es pfleget aber die
Schrifft dieſes Wort in noch weitern Verſtand außzudeh-
nen/ und heiſſet demnach ferner weiſſagen ſo viel als 2. Got-
tes Rath und Willen/ wie Er in ſeinem Wort geoffenbaret/
verſtehen/ erklaͤren und außlegen. Dann gleich wie Aaron
Exod. 7. der Prophet Moſis genennet worden/ dieweil er ſein
Mund und Außleger war: Alſo die Schrifft nach der Glau-
bens-regul außlegen/ das heiſſet weiſſagen/ Rom. 12. ja die
gantze heilige Schrifft wird deßwegen Προφητικὸς λόγος, ein Pro-
phetiſches Wort genennet. 3. Weiſſagen heiſſet den erklär-
ten Rath/ Ruhm und Willen Gottes/ mit herrlichen/ außerle-
ſenen/ apophthegmatiſchen Worten/ auch wohl in allerhand
Zungen und Sprachen außlegen/ darvon ſingen und ſagen/
nicht nur mit lebendiger Stimm/ ſondern auch mit muſica-
liſchen Jnſtrumenten; in welchem Verſtand Saul unter die
Propheten/ die vom Huͤgel Gottes/ von der Schul/ weiſſagend
herab gangen/ mit Pſalter/ Paucken/ Pfeiffen und Harffen
gezehlet worden/ 1. Sam. 10. \& 19. ſonderlich 1. Chron. 26 die
1. Chron.
2. 4.
Kinder Aſſaph/ Heman und Jedithun/ die Propheten mit
Pſalmen/ die da weiſſagen zu Danck und Lob dem

HEr-
[]DEDICATIO.
HErren. Jm Neuen Teſtament waren ſolche Wunder-
Propheten aus göttlicher/ unmittelbaren Erleuchtung/ die je-
nige/ deren der Apoſtel gedenckt 1. Cor. 14.


In ſpecie heiſſet weiſſagen die Theologiam, die Köni-
gin aller Wiſſenſchafften profitiren/ lehren/ verfechten/ auß-
wuͤrcken/ ſo wohl auff der Cantzel in der Kirch/ als auff der Ca-
theder in der Schul/ daher die Studioſi Theologiæ im Alten
Teſtament Propheten-Kinder genennet; im N. Teſtament
ſind es die Propheten und Lehrer/ von welchen Epheſ. 4. ge-
ſchrieben ſtehet/ daß Chriſtus als er gen Himmel gefahren/
Gaben fuͤr ſie empfangen. Solche Propheten ſind geweſt
Hieronymus, Auguſtinus, Chryſoſtomus, Lutherus, und ſo
fort an. Weiſſagen heiſſet in Koͤniglichen/ Fuͤrſtlichen Cantz-
leyen/ bey offentlichem Rathſitz/ in Gerichtſtuben gleichſam
als oracula ἔμψυχα, gute/ vernuͤnfftige/ kluge und nuͤtzliche
Raͤthe und Einſchlaͤge geben/ das Recht vom Vnrechten un-
terſcheiden/ die juſtitiam adminiſtriren/ in welchẽ Verſtande
der beruͤhmte Prophet Heman 1. Chron. 26. wird genennet
der Schauer des Koͤnigs in den Worten Gottes
das Horn zu erheben/
das iſt/ wie er ſtreiten und regieren
ſoll. Sonderlich gehoͤret hieher was Salomon in ſeinem
panareto, Prov. 16. von dem Munde des Koͤnigs geruͤhmet/
Weiſſagung ſeye in demſelben;Keſem heiſſet ins ge-
mein ein iede ſcharffſiñige Gedanck/ Raͤtzel/ ſententz/ Sprich-
wort/ ſonderlich aber prophetia, eine Weiſſagung. Jſt in demEſa. 3, 2.
Mund/ ſchwebet auff der Zung/ in den decretis, legibus, ju-
diciis,
die man außſpricht/ des Koͤnigs/ der ein Koͤnig iſt/
nicht ein Scherge/ Dan. 11. nicht ein hoͤltzener Goͤtze auffm
güldenen Thron/ wie Zedekias geweſt/ der von ſeinen Raͤthen
als Rath-Sclav dependirt. Am wenigſten ein Tyrann/
wie Ahab/ wie Pharao/ Antiochus, Herodes, aus deren Mun-
de blutdůrſtige conſilia, tyranniſche Vrtheil/ naͤrriſche decre-
):( 3ra, und
[]DEDICATIO.
ta, und alſo Narrheit gegangen. Sondern in dem Munde
eines vernuͤnfftigen/ rechtſchaffenen/ frommen Königs/ der-
gleichen erſchienen in dem Munde des Königs Salomons/
aus welchem gefloſſen das ſcharffſinnige Vrtheil/ in Sachen
eines ſtreitigen lebendigen Kindes zwiſchen zwey Weibern/ da
er aus der verwirreten Sachen anders nicht kommen kan/ be-
fihlet er ein Schwert herzubringẽ/ damit das muͤtterliche Hertz
zu verwunden/ zu ergruͤnden/ zu finden und recht zu treffen.


Dergleichen Exempel gemeldter Scharff ſinnigkeit leſen wir mehr in den
Hiſtorien/ ſonderlich wird erzehlt von Claudio Druſo Cæſ. (apud Cluver. p. 268.)
daß/ als einsmahls ein Weib fuͤr ihn kommen/ welche ihren Sohn nicht
fuͤr den ihren erkennen und annehmen wolte/ hat er ſie zur Bekaͤntnuͤß der War-
heit getrieben durch einen Befehl/ ſie ſolten einander zur Ehe nehmen/ worauff
aus natuͤrlichem abſcheue auff beyden Theilen die Warheit an Tagesliecht kom-
men. Von Alphonſo dem weiſen Koͤnig in Arragoniâ; Es war ein alt Geſetz
und Ordnung in Hiſpanien/ wann ein Herr oder Hauß-Vater eine leibeigene
Magd beſchlieff/ und dieſelbe von ihm ein Kind bekaͤm/ daß die Mutter alß dann
die Freyheit haben ſolte. Ein ſolcher Fall begab ſich unter Koͤnig Alphonſo;
Aber da die Magd einen Sohn geboren/ und das Spaniſche Recht ihrer Freyheit
halben anruffte/ laͤugnete der Herr/ daß er Vater zum Kinde waͤre/ konte deſſen
auch nicht uͤberwieſen werden. Da erdachte Koͤnig Alphonſus dieſen Fund/ er
hieß das Kind/ nach dem es entwoͤhnet war/ oͤffentlich feil bieten und verkauffen.
Es war einer da/ der bote ein zimlich Geld fuͤr das Knaͤblein/ ward ihm auch dar-
umb zuerkant. Der Vater des Kindes ſtund nicht weit davon/ und als er ſahe/
daß das Kind dem Kaͤuffer geliefert ward/ giengen ihm erſtlich die Augen uͤber/
letzlich konte er den Schmertzen des Gemuͤths nicht laͤnger ertragen/ bekante/ das
Kind waͤre ſein/ moͤchte derowegen nicht verkaufft werden. Da faͤllet Koͤnig
Alphonſus ein Vrtheil/ erkante dem Vater ſeinen Sohn/ und der Mutter die
Freyheit zu/ nach Hiſpaniſchem Recht. Confer exempla Rudolphi I. apud Iuſt.
Lipſ. in monit. polit. p. 135. \& Iacob. Reg. Angl. apud Thuan. l. 135. p.
1207. Von Ca-
rolo V.
von dem Lutherus tom. 5. Ien. fol. 281. geſchrieben/ daß er ſoll geſagt ha-
ben/ wann die Pfaffen fromm waͤren/ ſo duͤrfften ſie keines Luthers. Was iſt das
anders geſagt/ dann wie Salomon ſagt: Des Koͤnigs Lippen weiſſagen? dann
Seine May: will damit ſo viel anzeigen/ daß der Luther ſey der Pfaffen Ruthe/
und habens auch wohl verdienet/ und ſeyen nicht recht in ihrem Weſen. Von Kaͤy-
ſer Ferdinando II. der/ als Ioh. Ieſſenius nach Wien gefaͤnglich gebracht/ und aber
durch einen Tauſch mit einem Jtaltaner widerumb loß gelaſſen worden/ an die
Wand des Kaͤrckers folgende Buchſtaben geſchrieben: I. M. M. m. M. dieſe
Buchſtaben haben unterſchiedliche nach ſeinem Abzuge geſehen/ aber niemand
konte ſie außlegen. Der einige Ferdinandus, nach dem er darzu kommen/ wie
erzehlet wird/ hat die Sache troffen/ und alſo außgeleget? Imperator Matthias
Menſe Martio Morietur.
Kaͤyſer Matthias wird in dem Mertz ſterben. Vnd alſo-
bald Kreide genommen/ und darneben geſchrieben: Ieſſeni mentiris, Malâ Morte
Morieris!
Jeſſeni du leugeſt/ du wirſt eines boͤſen Todes ſterben! Wann dieſes
Ieſſenius
[]DEDICATIO.
Ieſſenius erzehlete/ pflegte er hinzu zu ſetzen: Vt ego mentitus non ſum, ita Fer-
dinandus operam da bit, ne vates vanus ſit.
Gleich wie ich nicht gelogen habe/ alſo
wird Ferdinandus Fleiß ankehren/ daß er nicht die Vnwarheit geweiſſaget
habe. Beydes hat ſich begeben: Der Kaͤyſer Matthias iſt in dem Mertz von die-
ſer Welt geſchieden. Ieſſenius iſt auch zur Todes-Straff gezogen worden.


Weiſſagen heiſſet philoſophiren/ die Natur und dero
Geheimnuͤß/ gute Sitten und Policey-Verfaſſung aus be-
waͤhrten Hiſtorien/ und in den ſelben göttliche providentz for-
ſchen und andern vortragen/ auch wohl mit ſchoͤnen carmini-
bus,
Gedichten und Liedern dieſelbe nach poëtiſcher Art zieren
Job war freylich ein Prophet/ nicht nur dazumahl/ da er von
Chriſti Aufferſtehung propheceyet/ ſondern auch in ſeinem ſehr
ſchoͤnen compendio phyſico von c. 36. biß c. 42. David war
ein Prophet/ nicht nur Pſ. 2. \& 110. ꝛc. ſondern auch/ da er allePſ. 2, 22.
Creaturen/ ſonderlich im 148. Pſ. in gewiſſe Chor abtheilt und
Gott zu loben befihlet/ da er ſeine Pſalmen nach poëtiſcher
Art/ alios trimetro, alios tetrametro beſchrieben/ wie JoſephIoſeph.
l.
7, 12.

bezeuget. Aſſaph war ein Prophet/ nicht nur zu andern Zeiten/
ſondern auch Pſ. 78. Ich will meinen Mund auffthunPſ. 78, 2.
zu Spruͤchen/ und alte Geſchichte außſprechen/ und
wer wolte Salomon/ dem Weiſeſten den Titul eines Prophe-
ten abſprechen/ wann die Schrifft ſeine philoſophi herrlich
heraus ſtreicht/ 1. Reg. 4.

1. Reg. 4,

Was Moſes gewuͤndſchet/ das iſt zwar dazumahl klar
und wahr worden/ aber nur Tropffenweiſe; Die zwey und ſie-
bentzig Maͤnner tretten auff und weiſſagen/ was ſie aber/ auff
welche Art und Weiſe ſie geweiſſaget/ meldet die Schrifft
nicht/ den Rabbinen laſſen wir hievon ihre Gedichte. Ver-
muthlich iſt/ ſie werden in einem ſchoͤnen præludio auff die
Pfingſt-Propheten/ Act. 2. die magnalia Dei außgeſprochen/
und zu ihren kuͤnfftigen Rathſtellen fpecimina abgelegt/ und
Proben gethan haben. Vollkommenlich aber/ herrlich und
uͤberfluͤſſig in den Zeiten des Neuen Teſtaments/ auff das erſte
Pfingſt-Feſt/ nach der Aufferſtehung und Him̃elfahrt Chriſti/
da ſich
[]DEDICATIO.
da ſich Gott der H. Geiſt reichlichſt ergoſſen uͤber die Jůnger
des HErren/ daß ſie in allen Sprachen die herrlichen Thaten
Gottes außgeredet/ der heroiſche Apoſtel St. Petrus deutet
Act. 2, 16.
17. 18.
mit Fingern darauff und ſpricht: Das iſts/ das durch
den Propheten Joel zuvor geſagt iſt: Vnd es ſoll
geſchehen in den letzten Tagen/ ſpricht Gott: Jch
wil außgieſſen von meinem Geiſt auff alles Fleiſch/
und euere Soͤhne und euere Toͤchter ſollen weiſſa-
gen/ und euere Juͤnglinge ſollen Geſichte ſehen/ und
euere Eltiſten ſollen Traͤume haben/ und auff meine
Knechte und auff meine Maͤgde will ich in denſelbi-
gen Tagen von meinem Geiſt außgieſſen/ und ſie
ſollen weiſſagen.
Vber welche Wort D. Lutherus ſee-
liger in ſeinem Commentario uͤber den Propheten Joel
tom 8. VVitteberg. folgende Anmerckungen beygetragen:
Diß Wort (außgieſſen) wird recht außgeleget und
verſtanden von einem groſſen reichen Vberfluß [und]
Menge. Dann nach dem das Wort bißher nur
allein in einem kleinen Winckel des Juͤdiſchen Lan-
des geweſen iſt/ dadurch der H. Geiſt die Hertzen der
Heiligen oder Glaͤubigen zu allen Zeiten erleuchtet
und regieret hat/ ſo ſoll nun das Evangelium durch
die Apoſtel in allen Sprachen und Landen ver-
kuͤndiget/ und der H. Geiſt auch den Heyden gege-
ben werden.


Ob nun wohl in ſolchem hohen Grad und Liecht dieſer
Gnaden-Guß nicht fort und fort continuiret/ ſondern gleich
andern auſſer-ordentlichen Ampts- Gaben/ nach dem die
Chriſtliche Kirch in aller Welt außgebreitet worden/ verlo-
ſchen/ ſo iſt doch die ſubſtantz und das Weſen des chariſmatis
der
[]DEDICATIO.
der Gabe der Propheceyung in gewiſſer Maß geblieben.
Dieſe Gab/ ſchreibt Lutherus,iſt nicht gar verloſchen/Luth. l. cit.
p.
349.

dann von der Apoſtel Zeit an bißher iſt in der Kir-
chen allwege eine Wiſſenſchafft und Erkaͤntnuͤß der
zukuͤnfftigen Dinge etlicher maſſen geweſt/ durch
welche die Gottſeeligen und Chriſten ihr Leben und
Wandel deſto fleiſſiger regieret/ Linderung des Vn-
gluͤcks vom Vater im Himmel/ mit gewiſſer Hoff-
nung der Erloͤſung/ gewartet haben.
Sonderlich
wann das Wort weiſſagen ſo viel heiſſet als die Schrifft auß-
legen/ verſtehen/ appliciren/ Troſt/ Heil/ Leben/ Warnung
daraus ſchoͤpffen/ die groſſe Thaten Gottes mit Mund und
Feder růhmen und außſprechen/ ſo hat es hieran auch anfangs
in der erſten Kirchen nicht gemangelt/ da ſo gar auch die Bar-
bariſchen Voͤlcker/ namentlich die Teutſchen die H. Schrifft
in der Hebreiſchen Sprach geleſen/ wie Hieronymus ruͤhmet/Hieron.
tom. 3. ep.
ad Suniam
\& Fretel.

da die edlen Tugend-Kronen/ die Gottesgelehrte Weiber Læ-
ta, Furia, Salvia \&c.
an welche Hieronymus unterſchiedliche
Sendbriefe und dedicationes laſſen abgehen/ dem Verſtande
der H. Schrifft embſig obgelegen/ (Si viri de ſcripturis quære-
rent, mulieribus non loquerer, ſcribit idem Hieronymus ad
Principiam)
da * Melania durch ſcharffes diſputiren die Kaͤtzer* apud
Spond. an-
no 434,
n.
2.

bekehret; biß der Guckguck den groſſen Wider Chriſt und ſeine
Schwartzſagenden Anhang außgebruͤtet/ welche/ auff daß ſie
deſto ruͤhiger und muͤſſiger der Menſchen Tage pflegen/ deſto
ſicherer ihre fimbrias erweitern/ und ihre Scheuren erfuͤllen/
die Glaubens-Gnugſamkeit gar eng geſponnen/ und verur-
ſacht daß die arme/ getruckte/ in der Babyloniſchen Gefaͤng-
nuͤß jaͤmmerlich geaͤngſtigte/ verlaſſene Kirch ſeuffzen und kla-
gen müſſen aus Pſal. 74. Wir ſehen nicht mehr die Zeichen
groß/ und kein Prophet uns prediget mehr/ Kirchen und
Schulen ſtehn oͤd uud bloß/ man lehrt nicht mehr geſunde Lehr.
):( ):(Es hat
[]DEDICATIO.
Es hat ſich aber der Vater aller Barmhertzigkeit uͤber Teutſch-
land in dem letzten Welt-Abend erbarmet/ und demſelben eine
helle Abend-Roͤthe und helles Liecht beſcheret; Die Weiſſa-
gung hat ſich widerumb herfuͤr blicken laſſen in Luthero ſon-
derlich/ dem außerwehlten Ruͤſtzeug Gottes/ deme/ wer ſeine
Propheceyung von Teutſchland mit der heutigen ſcheinbaren
und traurigen experientz vergleicht/ niemand leichtlich dieſel-
be allerdings wird abſprechen können. Der auch ſampt ſeinen
getreuen paraſtaten und eiſerigen Nachfolgern die lange Bar-
bariſche Nacht und dero Geſpenſt/ ſonderlich das Blind-
maͤußſpiel des eingeflochtenen Koͤhlers-Glaubens beſchämet
und vertrieben; Vnd waͤre gut geweſt/ wann ſolcher Fleiß
waͤre allezeit und allenthalben ſecundirt worden: Aber der
unzeitige Eifer des jungen Joſua hat ſich zeitlich mit herfuͤr
gethan/ der auch geruffen. Wehre ihnen! Wie ſolt ieder-
man ohne Vnterſcheid jung und alt/ Burger und Bauren/
Mann und Weib weiſſagen/ die Schrifft außlegen/ alle Ge-
heimnuͤſſen der Chriſtlichen religion faſſen wollen oder auch
muͤſſen/ welche confuſion wird daraus entſtehen? biß endlich
die ſchwartzſagende Nacht- monſtra nach einander/ der Gal-
lioniſmus, Syncretiſmus \&c.
mit ihren höchſtſchädlichen
Fruͤchten faſt unmerckſam eingeſchlichen/ davon in dem re-
form
irten Gruß und Widergruß außfůhrlich gehandelt wor-
den. Nun aber iſt es einmahl Gottes Ordnung/ Eines iſt
noͤthig/
dem allein und fuͤrnemlich abzuwarten/ andere
Welt-Geſchäffte ſind parerga und Neben-Wercke; Sollen
dieſe geſegnet ſeyn/ ſo muß das Liecht der gruͤndlichen Erkaͤnt-
Matt. 6, 24.nuͤß Gottes vorher leuchten/ Matth. 6. Trachtet am erſten
nach dem Reich Gottes/ und nach ſeiner Gerech-
tigkeit/ ſo wird euch das ander alles zufallen.
Ο῾ ἀναγι-
νώσκων νοείτω, Wer Gottes Wort liſet/ der mercke drauf/
er lerne es auch verſtehen! Mein Wundſch iſt Moſis
Wundſch:
[]DEDICATIO.
Wundſch: Wolte Gott/ daß alle das Volck des HEr-
ren weiſſagte!
Mich freuet von Hertzen zu erfahren/ daß
noch/ wiewohl ſehr rare und wenige Chriſtliche fromme Her-
tzen ſind/ denen euſſerſt angelegen/ wie das Wort Gottes ins
gemein/ alſo auch der liebe Catechiſmus/ und in demſelben
das uralte Apoſtoliſche Symbolum nicht nur zu hören/ ſon-
dern auch zu leſen/ auch eigentlich/ ſattſam und gruͤndlich zu
verſtehen/ damit der Sathan durch ſeine boßhafftige ſtrate-
gemata
und arge Kriegs-Liſt ihnen die teſſeram militarem,
das Loſungs-Wort nicht raube und entziehe. Vnter andern
ſtrategematibus und Kriegs-Liſten/ damit ein Feind den an-
dern verfaͤhrt und verfuͤhrt/ wird auch von den politicis ge-
zehlet der boßhafftige und tuͤckiſche Wort-Raub/ da ein Feind
ſeinem Feinde die teſſeram militarem, das Wort-Zeichen ab-
gewinnet und abſtihlet/ auff daß er demſelben unter dem
Schein der Freundſchafft deſto baß zukommen und uͤberman-
nen moͤchte. Als zum Exempel der Hertzog von Savoy dieapud Thu-
an. l. 129.
ann.
1602.

Statt Genev mit allerhand Kriegs-Liſten unterſtanden zu
occupiren/ hat ſichs begeben/ daß Bringnoletus der Oberſte
auff die Mauren und Wälle heimlich geſtiegen/ der erſten
Schildwacht mit Bedrauung des Todes das Wort abge-
zwungen/ da er das Wort zur Außbeut davon gebracht/ und
außgepreſſet/ dem er einen Weg als den andern den Reſt gege-
ben/ und einer Runde nach der andern das Liecht außgeblaſen/
ermordet/ ſeinen Soldaten/ die unterdeß auff ſonderbaren
Kunſt-Leytern hinauff geſtiegen/ Platz gemacht/ waͤre auch/ ſo
der Boß abgangen/ Genev unverſehens ůberrumpelt worden/
wo nicht ein Knabe/ der einer Rund die Latern vorgetragen/
entrunnen/ und den Anſchlag geoffenbaret/ und in der Statt
alarma gemacht haͤtte. Eben das thut auch der oberſte Rot-
tenmeiſter und Seelen-Moͤrder/ der Sathan/ der raubet das
Wort-Zeichen der Chriſtlichen religion, und verbirget unter
):( ):( 2ſeinen
[]DEDICATIO.
ſeinen Fahnen allerhand Seeten und Jrrthumb/ die allegiren
alle das Apoſtoliſche Symbolum fuͤr ſich/ Sub ipſis paucis
Auguſt, l.
de fid. \&
Symb. c.
1.
verbis in ſymbolo conſtitutis pleriq; hæretici venena ſua
occultant,
ſchreibt Auguſtinus. Dringet man aber auff
den rechten ſenſum, Sinn und Verſtand/ ſo findet man den
Betrug/ darumb Auffſicht/ Vnterſcheid und Rettung von
nõthen.


Gar keinen Fehler kan ich begehen/ wann ich unter ſolche
auffmerckſame nicht nur Hoͤrer/ ſondern auch Leſer/ und ſtand-
hafften/ Chriſt-klugen Vorfechtern beſagten Apoſtoliſchen
Glaubens auch E. Geſtrengkeit zehle/ als welche/ nach
dem ſie das weltliche Kriegsweſen/ in deren ſie ihren Fahnen
offt im Felde loͤblich geſchwungen/ das Schwert in mancher
harten occaſion ritterlich gefuͤhret/ endlich quittiret/ nach
dem donirten rude gegriffen/ und ſich zu einer Chriſt-ſeeligen
Ruhe begeben/ in welcher ſie ohne Ruhe/ des wahren Gottes-
dienſtes und deſſen gottſeeligen Vbungen abwartend/ das
Wort Gottes in offentlichen Verſamlungen embſig hoͤrend/
auch neben andern meine bißher in Truck gegebene Predigten/
denen ich/ weil einmahl die Hand an die Preß geleget/ und ich
nicht zuruck kan/ ſondern aus Vrſachen die in den vorigen
Vorreden angezeiget worden/ dem Werck den Lauff laſſen
muß/ daheim zu Hauß fleiſſig leſend/ andaͤchtig nachdenckend/
und alſo weiſſagend zur ewigen/ allerſeeligſten himmliſchen
Ruhe ſich bereitet. Johann Herold/ der ſich ſonſt diſcipulum
nennet/ fůhret in ſeiner Poſtillen dieſes Exempel ein: Es war/
ſchreibt er/ ein Edelmann/ der gab ſeinem Sohn die drey Leh-
ren auff/ Erſtlich ſoll er ſich vor boͤſer Geſellſchafft huͤten: Zum
andern/ mit den Froͤlichen ſoll er froͤlich ſeyn/ und mit den
Weinenden weinen: Zum dritten ſoll er taͤglich eine Meß hoͤ-
ren. Nach dieſen dreyen gegebenen Lehren commendirt er
den Sohn gen Hof einem Koͤnige/ und ſtirbt daruͤber. Deſ-
ſelben Koͤnigs Gemahl gieng mit ihrem Herren Koͤnig zu-
weilen
[]DEDICATIO.
weilen froͤlich zur Tafel/ zuweilen traurig und weinend. Der
junge Hofmann hielt feines Vaters regul, und ſtellet ſich ge-
gen der traurigen Koͤnigin traurig/ und gegen der frölichen
frölich. Das mercket nun einer/ der ihn abguͤnſtig war/ und
verklagt ihn heimlieh bey dem Koͤnige/ als ob er umb die Koͤ-
nigin buhlete; Der König gibt Achtung drauff/ und befindet/
ſo offt die Koͤnigin lachet/ daß der Juͤngling/ ſo fuͤr der Tafel
ſtund und auffwartete/ auch lache/ und ſo offt ſie weinet/ daß er
mitweine; Daraus wird ſein Verdacht geſtärcket/ und be-
gehret von dem Klaͤger Rath/ wie er den Jůngling/ der ihm
von ſeinem Vater ſo fleiſſig befohlen war/ heimlich hinrichten
moͤchte laſſen? Der Beſchluß iſt/ man ſoll den Kalckbrennern
gebieten/ der erſte/ ſo morgens fruͤh ſich werde bey ihnen im
Namen des Königs anmelden/ den ſollen ſie alßbald in Ofen
werffen und verbrennen. Als der Morgen anbricht/ ſchicket
der Koͤnig dieſen Jůngling zu den Kalckbrennern/ weiß nicht
was daſelbſten außzurichten/ der Juͤngling oder Juncker pa-
r
irt/ und reutet dem Kalck-Ofen zu/ wie er aber zu einem Wal-
de ſich nahet/ höret er in einem Dorff zum Gottesdienſt laͤu-
ten/ da fiel ihm ſeines Vaters Lehr ein/ daß er taͤglich Meſſe
hoͤren ſolte/ und reutet der Kirchen zu/ ſteiget ab vom Roß/ und
wohnet dem Gottesdienſt biß zum Ende bey; Nach verrich-
tetem Gottesdienſt gibt er ſich widerumb auff den Weg; Mit-
lerzeit aber war dem/ der ihn angegeben hatte/ ſo jäh nach des
Juͤnglings Tode/ daß er nicht anders vermeynte/ er waͤre
ſchon im Rauch auffgangen/ laufft derohalben hin zu den
Kalckbrennern/ und fraget ſie im Namen des Koͤniges/ ob ſie
das verrichtet/ was ihnen von Jhrer Majeſtät waͤre an befoh-
len/ antworten ſie darauff: Nein: Aber ietzt wollen wirs ver-
richten/ und nehmen den Herrn/ und werffen ihn flugs in
Ofen; Wie nun der aus der Meß hinkommen/ thun ſie ihm
nichts/ weil ſie allein Befelch hatten/ den erſten/ der ſich im
Namen des Koͤnigs anmelden wuͤrde/ zu verbrennen. Das
):( ):( 3erfuhr
[]DEDICATIO.
erfuhr eilends der Koͤnig/ und fraget vom Juͤngling/ warumb
er lache und weine/ wann ſein Gemahl lachet und weinet/ und
warumb er nicht ſtracks ſey den Kalckbrennern zugeritten/
ſondern hab einen Abſprung auff die Seiten genommen? Da
faͤhet der Juͤngling an zu dem Koͤnige die drey reguln zu erzeh-
len/ welche ihm ſein Vater am Tod-Bette fuͤrgeſchrieben.
Daruͤber verwundert ſich der Koͤnig/ erkennet ſeine Vnſchuld/
und war ihm hinfuͤran mit groͤſſern und mehrern Gnaden ge-
wogen als zuvor iemahls. Bißher das Exempel. Georg
Scherer der Lojolit/ nach dem er in ſeiner Poſtill in den fůnff-
ten Predigt des erſten Sontags nach der Heiligen drey König
Tag/ erſterzehlte Legend erzehlt/ ſchreibet er ferner/ es habe dem
Lutheriſchen Superintendenten Sigefrido Sacco, Thumpre-
dicanten zu Magdeburg/ ſo wohl gefallen/ daß ers in ſeine
Poſtillen geſetzt; gleichwohl gefaͤlſchter Weiſe; Dann da
der diſcipul ſagt von der Meß/ kratzet er die Meß aus/ und
ſetzet dafuͤr die Predigt/ als wann der Vater ſeinem Sohn be-
fohlen hätte taͤglich Predigt zu hören/ und daß der Sohn mit
Anhoͤrung einer Predigt ſein Leben ſalviret haͤtte. Reime
dich/ wo hat man vor hundert Jahren alle Tage durch die
gantze Wochen geprediget? Vnd weil das Gelaͤut im Dorffe/
welches der Jůngling bey dem Wald gehöret/ am Werck-Tag
geſchehen/ wird es eine Meß/ und nicht eine Predigt bedeutet
haben. Alſo haben die Lutheriſchen auch das Sprichwort
veraͤndert/ das ihnen ietzt lauten muß: Predigt hoͤren
verſaͤumet nichts.
Vnd nicht: Kirchen gehen verſaͤu-
met nichts. Gerad/ als wann kein anderer Gottesdienſt waͤre
als Predigt hören. Ein Churfuͤrſt von Sachſen hat im
1547. Jahr auch Predigt gehoͤret/ iſt aber darůber vom Kaͤy-
ſer Carl gefangen/ und am lincken Wang mit einer zim-
lichen Schramm bezeichnet worden. Dieſe Predigt hat
ihm viel verſäumet/ und auffgehalten in der Flucht auff
Witten-
[]DEDICATIO.
Wittenberg zu. Biß hieher der Lojolit/ und verlogene
Sycophant; Verlogen/
in dem er in die Welt hinaus
ſchreyen und ſchreiben dörffen/ es waͤre der Churfuͤrſt Johann
Friederich Chriſtloͤblichſt. Andenckens ůber der Predigt ge-
fangen und verwundet worden; und darff noch ſolches aus
Sleidano beweiſen wollen/ der zwar meldet/ daß er vor der
Schlacht/ und wie es die Vmbſtaͤnde geben/ fruͤh Morgens
eine Predigt gehöret/ ſpat aber hernach/ ſintemahl die
Schlacht biß in die Nacht hinein gewaͤhret/ gefangen und
verwundet worden. Ein Sycophant/ in dem er weiland
Herrn D. Sacco ſeel eine Verfälſchung zumeſſet; Gerade/
als waͤre es unrecht/ die in Predigten allegirte exempla nach
der hypotheſi des ietzigen Standes/ Zeit und auditorii zu
accommodiren/ bevorab/ wann es apologiſche exempla
und ſinnreiche Gedichte ſind; Jnmaſſen dann auch vorer-
zehltes Exempel ein apologus und Parabel geweſen/ dadurch
die weiße antiquitaͤt dieſe Lehr andeuten wollen/ daß Predigt
gehen nicht ſaͤume. Welches Sprichwort bey E. Geſtr.
ohn Zweifel manch mahl auch ein wahr Wort worden. Be-
ſagter/ und bißher billich geruͤhmte Eifer Fleiß und Begierde
zu weiſſagen/ das iſt/ den Schatz uͤber alle Schaͤtze/ Gottes
Wort wohl faſſen/ verſtehen/ den Glauben daraus zu ſtärcken/
Troſt/ Heil/ Leben und Seeligkeit daraus zu ſchoͤpffen/ iſt
auch die jenige motiv geweſt/ die E. Geſtrengk. dieſen
ſechſten Theil der Catechiſmus-Milch zu dediciren und ge-
buͤhrlich zu præſentiren mich bewogen. Wie ich nun der
großguͤnſtigen und wohlgeneigten acceptation dieſes ſchlecht-
papiernen Ehren-Geſchencks mich verſichert halte/ alſo
bitte ich von dem Allerhoͤheſten Geber alles guten/ Er wolle
E. Geſtr. ſampt dero Wohl-Edlen/ Tugendreichen Hauß-
Ehre und hertzlieben einigen Wohl-Adelichen Gottſeeligen
Toͤchterlein geben/ was ihr Hertz begehrt/ und erfuͤllen ihre
Anſchlaͤge/
[]DEDICATIO.
Anſchlaͤge/ und nach geendetem weiſſagen das himmliſche
wahr haben/ nach dem Glauben die ſeelige Schau/ nach
dem dunckeln Wort das helle Liecht der unendlichen Glori
und Herrligkeit/ die uns GOTT der Vater durch Chriſtum
bereit/ deme ſey Lob/ Ehr und Preiß in Ewigkeit.

Geſchrie-
den dritten Martii, Anni 1657.
E. Geſtr.
Gebett- und Dienſtgefliſſener
Johann-Conrad Dannhawer/
der H. Schrifft Doctor, Profeſſor
und Prediger im Muͤnſter.


Bericht
[]An den Chriſtlichen Leſer.

Bericht an den Chriſtlichen Leſer/


Von derextenſionund Erweiterung des Apo-
ſtoliſchen Symboli.


DEmnach meinSigalion,welchen ich den neuenſyn-
cret
iſchen conſilien vor ſechs Jahren entgegen geſetzt/ biß dato
eine geſchweigende Sigalion geblieben/ und ſich niemand denſel-
ben anzufallen erkuͤhnet/ auſſer der/ in demſelben begriffenen trilanx oder
dreyfachen Tafel des Apoſtoliſchẽ Glaubens/ (nicht ohn imitation, weiland
H. D. Pappi ſel. in defenſ. anti-Sturm. III. p. 104.) an welche ſich nicht nur
H. Samuel Mareſius ein reformirter Lehrer in Niederland gerieben/ deme
aber in fine Hodomoriæ ſpir. Calviniani ſatisfaction geſchehen: ſondern
auch ὁ δει̃να N. N. daran zu Ritter werden wollen/ deme die extenſion und
Erweiterung des Apoſtoliſchen Glaubens ein Dorn in Augen wordẽ/ und
deroſelben einen weit-extendirten und außgedaͤhnten unnoͤthigen diſcurs
entgegen geſetzt/ veranlaſſet durch etliche wenige Staͤublein/ damit Siga-
lion
ſeine allzuzarte theſin obiter beruͤhret p. 171. Er aber dieſelbe mit
Kieſelſteinen beantwortet/ nach dem Lateiniſchen Sprichwort:
Pulvere qui viſus lædere, ſaxa tulit.
Als hab ich fuͤr eine Nothdurfft erachtet/ dieweil auch die bißher im vierten/
fuͤnfften und ſechſten Theil der Catechiſmus-Milch weitlaͤuffiger außge-
fuͤhrte Erklaͤrung fuͤr eine friedenſtoͤrende Erneuerung und unnoͤthige Er-
weiterung moͤchte angeſehen und gehalten werden/ auff Anmahnungen
Chriſteiferiger Theologen eine kleine Schutz-Rede vorher zu fuͤgen/ dem
Chriſtlichen Leſer allerhand Scrupel/ die ihm moͤchten beygebracht wer-
den/ zu benehmen. Zuvorderſt koͤnte ich mich deſſen allen nicht anneh-
men/ wann es nicht unter meinem Namen und præſidio waͤre außkom-
men/ ſintemal nicht ich/ ſondern mein damaliger Reſpondens derſelbẽ Ta-
bell auctor geweſen: Koͤnte mich auch damit ſchuͤtzen/ daß beſagte Ta-
bellen weiter nicht gezielet/ als den Syncretiſten den Vnterſcheid zu zeigen
zwiſchen den dreyfachen Glaubens-Bekaͤntnuͤſſen/ wie dieſelbe heutiges
Tages
von allerſeits Lehrern angenommen und verſtanden wird/ dazu
waren mir keiner Patrum teſtimonia und widerholeten conſens der al-
ten allgemeinen Kirch/ ſondern allein der beruͤhmten/ geuͤbten und bewaͤhr-
ten neuern Lehrern von noͤthen/ daß dannenhero Succenſor manchen ſtol-
):( ):( ):(tzen
[]Bericht
tzen Lufft ſtreich gethan: Damit er aber ſehe/ daß man ſich vor ſeinem blin-
den und lamen nicht fuͤrchte/ ſo leſe und bedencke er was folget. Alfantze-
reyen/ paratragœdien/ unblutige Stich/ hoͤhniſches ſchertzen und Mißdeu-
Aug. è l. 3.
contra Pe-
til. c.
1.
tungen ſchencke ich den Kirchen-Frieden/ und uͤberlaſſe ichs ungeaͤfert ei-
nem hoͤhern Gericht/ als der ichs laͤngſt mit Auguſtino gehalten: Si vel-
lem pro maledictis maledicta rependere, quid aliud quàm duo maledici
eſſemus, ut ii, qui nos legerent, alii deteſtatos abjicerent ſanâ gravitate,
alii ſuaviter haurirent malevolâ voluntate. Ego quandoque cuique
vel dicendo vel ſcribendo reſpondeo, etiam contumelioſis criminatio-
nibus laceſſitus, quantum mihi Dominus donat, frenatis atque coërci-
tis vanæ indignationis aculeis, auditori lectorivè conſulens, non ago ut
efficiar homine conviciando ſuperior, ſed errorem convincendo ſalu-
brior.
Vnd greiffe nun die Sache ſelbſt an.


Meine veranlaſſende Wort waren dieſe: Fuit nuper, qui eadem
principia ſecutus auſus eſt ſcribere: Omnia dubia in diſſidio religionis
clara erunt, ſi ut litera ſonat, verba catechetica ſumpſerimus: per quod
caput ex Photinianis Chriſtiani, ex Papiſtis catholici, ex Calvinianis
Lutherani, omnes fratres \& unus in Chriſto fient.
Das iſt: Es hat ſich
neulich einer gefunden/ der vorgenanten principien gefolget/ und ſchreiben
doͤrffen: Es werden alle zweifelhafftige Puncten inreligions-
Streit klar und lauter werden/ wann wir die Catechiſmus-
Wort nehmen und verſtehen werden/ wie der Buchſtabe lau-
tet: Durch welches Hauptſtuck aus Photinianern Chriſten/
aus Papiſten Catholiſche/ aus Calviniſten Lutheraner/ alle
Bruͤder und einer in Chriſto werden werden.
Denſelben eine
Farb anzuſtreichen/ wird zur Entſchuldigung vorgegeben/ litera ſey von
dem literali ſenſu,die Wort wie ſie lauten/ nicht von bloſſen Wor-
ten/ ſondern von mitverſtandenen Erklaͤrung nach der Schrifft und Kir-
chen-conſens zu verſtehen. Daß die aͤrgeſten Kaͤtzer offt mit den
herrlichſten
Symbolisſich behelffen/ und dieſelbe den Worten
nach angenommen/ den Verſtand aber nach ihrer Meynung
gedeutet/ reimet ſich auff ſolchen Fall nicht/ auff das/ was in der
Frage iſt; Dann ein anders iſt/ das
Symbolumnach den
Worten/ wie ſie lauten/ erklaͤren/ ein anders/ ſich der Worte
annehmen/ und ſie doch nicht recht deuten.
Jſt eine ſolche Farb/
die ſich leicht zerblaſen laͤſſet; Sintemahl ſonat \& ſignificat zwey Dinge
ſind:
[]an den Chriſtlichen Leſer.
ſind: Viel Dinge bedeuten ohne Wortlaut; und viel Wortlauten ohne
eigentliche Bedeutung. Litera ſonat ſtehet im Text/ nicht ſignificat.
Vnd waͤr zumal ein unnoͤthiges conſilium irenicum geweſt/ dadurch alle
Zweifel/ alle religions-Spaltungen außgeklaͤret werden moͤchten/ zu ſagen/
wann Photinianer/ Paͤpſtler/ Calviniſten den Glauben in ſchrifftmaͤſſigen
und der reinen antiquitaͤt gemaͤſſem Verſtand annehmen/ das iſt/ wann
alle dieſelbe recht glaubeten/ ſo wuͤrden ſie alle gute Chriſten/ Catholiſch und
und Lutheraner werden. Jſt eben/ als ſagte man: Wann alle in facto
recht-informirte Juriſten nach den rechtverſtandenen regulis juris ihre
proceꝛ fuͤhreten/ und nach denſelben auch alle Referenten und Richter
urtheilen wuͤrden/ ſo wuͤrde die juſtitia nimmer geſchwaͤcht/ und alle Par-
teyen einig werden. Wann alle Menſchen klug waͤren/ ſo geb es keine
Phantaſten in der Welt. Wer weiß das nicht? Wiewohl/ wann auch
gleich alle Photinianer den Chriſtlichen Glauben nicht nur nach dem
Wortlaut/ ſondern auch nach dem ſchrifftmaͤſſigen und uralten ſechshun-
dert-jaͤhrigen damahl außgewirckten Verſtand annehmeten/ ſo wuͤrden
doch darumb die Photinianer noch keine Chriſten werden/ dann ſie wuͤr-
den den Verſtand der ſatisfaction und Gnugthuung Chriſti (als welche
erſt im eilfften ſeculo von Abailardo angefochten worden/ den abzutrei-
ben neue Erklaͤrungen von noͤthen ſeyn) nicht annehmen wollen/ und
ſich/ ob ſie gleich alles andere bekenneten/ durch Verlaͤugnung dieſes
Grund-Punctens aus dem Chriſtenſtand ſetzen: Es wuͤrden auch die
Paͤpſtler keine Catholici werden/ wann ſie gleich den literalem ſenſum
Symboli
behielten/ allweil ſie lange nach dem ævo der ſechs hundert Jahr
noch auff den heutigen Tag den Antichriſt fuͤr Gottes Statthalter ange-
nommen: Ebenmaͤſſig/ weil im Apoſtoliſchen Symbolo (ſo viel daſſelbe
anlangt) des Heiligen Abendmahls mit keinem außgetruckten Wort ge-
dacht wird/ wuͤrden die Calvinianer noch nicht in die Gemeinſchafft der
Lutheraner angewuͤntſchet werden/ wann ſie glauben alle Glaubens-
Articul/ wie die Wort dem alten Verſtande nach lauten/ ſintemahl
Berengarii boͤſer Wind nach dem ævo der ſechs hundert Jahr das Liecht
des rechten Verſtandes per accidens angeblaſen. So viel von der ange-
ſtrichenen Farb. Folgt der Paralogiſmus und Schluß-Fehler.


Alle die jenige/ welche das Apoſtoliſche nach den authorn der Er-
ſten ſechs hundert Jahr erklaͤrete Symbolumoder das gantze alte
corpus Symbolicum,als die vollkommene/ gnugſame/ un-
veraͤnderliche/ des Grund-Glaubens bezielende
regul,Ver-
):( ):( ):( 2faſſung
[]Bericht
faſſung aller zur Seeligkeit noͤthigen Grund-Lehren/ auff
welchen als den gnugſamen Grund des Glaubens viel alte
Leute getaufft ſind/ und das Abendmahl empfangen/ welches
auch die Chriſtlichen fuͤnffhundert-jaͤhrige
Conciliaund hei-
lige Vaͤter fuͤr gnugſam und vollkommen gehalten/ erklaͤret
und darinn beruhet/ welches die Biſchoffe bey ihrem Antritt
bezeichnet. Welcher/ ſage ich/ ſo gethanes
Symbolumver-
mehret durch Zuſaͤtze/ Schluͤſſe und neue Einfaͤlle ſolcher fuͤr-
gegebenen nöthigen Glaubens-Lehren/ die in alten
Symbo-
lis
weder mit hellen Worten zu finden/ noch mit richtigen
Folgen daraus folgen/ ſo von keinem einigen alten
auctore
undPatrein dem Wort-Verſtande desSymboligefunden
und verthädiget/ auff welche auch ſie
extendenten ſelbſt/ ja
kein Menſch iemahl getaufft worden/ ohne welcher Bekaͤnt-
nůß vieler million Chriſten und Märtyrer/ auch viel tauſend
in unſern Kirchen/ ſonderlich die Einfältigen auff den Doͤrf-
fern ſeelig worden; derſelbe iſt ein
Novator,ein Vrheber einer
Erneuerung/ Trenner und Hinderer des Kirchen-Friedens.

Das thut (ὁ δει̃να) N. N. der auctor noviter extenſæ fidei, Er vermeh-
ret das Apoſtoliſche Symbolum mit ſo gethanen Zuſaͤtzen/ als da ſind/
daß ich glaube/ beym Anfang des Symboli ſo viel heiſſe/ daß ich ver-
ſtehe/ gebe Beyfall und eigne mir zu/ was in der Canoniſchen
Schrifft ſtehet/ die alleine die einige
reguldes Glaubens. Jch/
der ich kurtz zuvor nichts war/ von Natur ein Zorn-Kind/ leer
von Furcht/ Zuverſicht und Vertrauen zu Gott/ bin nicht
allein von Gott abgewandt/ ſondern wider Gott/ glaube daß
ein dreyfacher Gott ſey nach den Perſonen/ und daß dieſer
Vnterſcheid nach der
Metaphyſicamuͤſſe verſtanden/ und
der/ ſo es aus der Canoniſchen Schrifft nicht erkennet/ dieſer
Sache Beyfall gibt/ (ſonderlich die Langhoſen/ ſo umb Ham-
burg her wohnen) und durch Hoffnung ihme zueignet/ nicht
ſolle ſeelig werden.
Et in Jeſum unum unicum Dominum
noſtrum,
Vnd in Jeſum unſern einen/ einigen HERRN/
(dann
[]an den Chriſtlichen Leſer.
dann ob wohl dieorientalesdas Wortunumgehabt nach
Ruffin.ſo haben ſie doch nicht noch ein Wort/ dasunicum
geheiſſen/ gebraucht/ undunicumauch nicht zu dem Wort
Dominumohne Mittel geſetzt/ ſondern entweder geſagt:Fi-
lium Dei unicum,
oderunigenitum, unum Jeſum,oder
unum Dominum Jeſum Chriſtum,oderunum Chriſtum.
Da imSymbologeſagt wird: Seinen eingebornen Sohn/
man verſtanden/
in quo ſumma ſit unio(die vielleicht uͤber die
Einigkeit gehet/ da der Sohn im Vater und eins mit ihme iſt.

Joh. 10.) ut inde κοινωνία idiomatum vel reciproca ad perſonam, quâIoh. 10, 30.
realiter h. e. verè \& reipsâ utriusque naturæ proprietates in perſonâ
Chriſti communicant, vel non reciproca ad naturam axiomatum divi-
norum majeſtatis omnipotentiariæ ac infinitæ cœlo terraq́ue ſuperio-
tis,
und was des Dinges mehr iſt. Daß Chriſtus warhafftig zur
Hellen ohne Wort-Blum und triumphirend gefahren. De-
rowegen/ ſo iſt ein ſolcher
extenſoreinNovator,Vrheber
einer Erneuerung und Friedens-Trenner oder Hinderer des
Kirchen-Friedens.


Wie? Wann ich dem ſuccenſori die concluſion und den End-
Schluß paſſteren ließ? Vrheber einer Erneuerung iſt fuͤr ſich ſelbſt kein
boͤſer Name/ es haben ihn getragen Chriſtus und ſeine Apoſtel/ S. Paulus
bringet neue Goͤtter zu Athen daher/ die Homouſiani, unter welchen Atha-
naſius
der Fuͤrnehmſte (dann ja auch die () Arianer mit der antiquitaͤt
ſtoltziglich gepranget und gepralet.) Jn deren Chor auch Lutherus und
ſeine Mit-reformanten gehoͤrig. Es iſt ie die Reformatio und Erneue-
rung ein Werck des Heiligen Geiſtes/ uns hoch befohlen/ wie im Leben/
alſo auch in der Lehr/ 2. Cor. 3. ſonderlich/ wann der Sathan allerhand2. Cor. 3, 18.
neue Fuͤnde/ und namentlich den zur apoſtaſi verleytenden Syncretiſm um
erdenckt/ die Statt Gottes zu bekriegen/ ſo ſind auch neue Arten der fortifi-
cation,
Schantzen und Vorwerck von noͤthen. Non ait Apoſtolus * ver-* ita Au-
guſt. tract.
97. in Ioh.

borum novitates: ſed addit: profanas: Sunt enim \& doctrinæ reli-
gionis congtuentes verborum novitates.
Sonſt moͤgen unnoͤthige


() à conſpiratione cum doctrinâ priſcâ ſe Collucianiſtas dixere. Dion.
Alexand. \& Luciani
συμψηγισμῷ gaudentes, contra Athanaſianos ob novum
homouſii commentũ novitatis dam narunt, vide Spond. ann. 311. 3. Dionyſ. Petav.
tom. 2. Theol. dogm. l. 1. c. 8. p. 42. Gothofr. ad Philoſtorg. diſſert. ad l. 2. c.
158. 16.


):( ):( ):( 3unge-
[]Bericht

ungegruͤndete neue Einfaͤlle billich taxiret werden/ deren/ die aus Vberwitz/
wie man pflegt zu ſagen/ das Magnificat wollen corrigiren (fuͤr diſperſit
ſuperbos,
ſetzen ſuper bovem.)


Den Vorſatz ſtoͤſſet umb die inſtantia von dem Zuſatz der Formul/
der vom Sohn außgehet. Wider welchen die Griechen eben mit
des ſuccenſoris Anklag die Lateiniſche Kirch beſchweret und angefochten/
vorgebend/ die Lateiner ſeyen Novatores und Friedenſtoͤrer/ als die dem
gnugſamen/ vollkommenen/ unveraͤnderlichen Apoſtoliſchen Symbolo,
wider das Epheſiniſche anathema, einen ſolchen Zuſatz gegeben/ welcher
weder im Niceniſchen noch Conſtantinopolitaniſchen Symbolo zu fin-
den. Jn Photii Encyclicâ Epiſt. welche Dionyſius Petavius tom. 2.
dogm. l. 7. c.
2. widerholet/ ſtehen dieſe harte Wort: Præter illa, quæ
commemoravimus, inquit, abſurda, ſacrum etiam, \& ſanctum Symbo-
lum, cui ſynodica omnia, \& œcumenica ſuffragia inexpugnabile ro-
bur addiderunt, adulterinis rationibus \& non ſinceris ſermonibus, non
ſine incredibili audaciâ falſare aggreſſi ſunt: O mali Dæmoni s machi-
namenta! Spiritum ſanctum non ex Patre ſolùm; ſed etiam è Filio
procedere vaniſſimè prædicantes.
Wovon auch zu leſen Jeremias wei-
land Patriarch zu Conſtantinopel in ſeiner Antwort an die Tuͤbingiſche
Theologos p. 58. nach dem er das Niceno-Conſtantinopolit aniſche Sym-
bolum
widerholet/ da allein ſtehet: Der vom Vater außgehet/
ruͤhmet er daſſelbe mit dieſem Zeugnuͤß: Οὑτος ὁ τῆς ἀληϑου̃ς πίϛεως ϑη-
σαυρὸς, Diß iſt der Schatz des wahren Glaubens/ der mit dem
Heiligen Geiſt verſigelt iſt/ daß nicht iemand etwas davon
nehme/ noch etwas frembdes hinein fuͤhre. Dieſes iſt das
Goͤttliche/ heiligſte und allerſeits vollkommene Zeichen unſe-
rer Gottesfurcht/ dieſes iſt der Graͤntz-Stein unſers Chriſten-
thumbs/ nemlich dieſe aller Heiligen Vaͤter Bekaͤntnuͤß.

Confer Gerh. Joh. Voſſ. diſſert. 3. de trib. Symb. theſ. 16. p. 63. 86. 87. 90.
Leonem Allatium de Eccleſ. orient. \& occident. perpet. conſenſ. l. 2. c. 2.
p.
485. So wird es auch ſchwer hergehen/ wann durch eine wichtige Folge
beſagte formula aus dem Symbolo ſolte gezogen werden wollen: Vnd ob
wohl etliche auch Griechiſche Vaͤter allegirt werden moͤchten (deren Wort
doch anders von den neuen Græcis gedeutet worden) ſo wird doch ſchwer-
lich aus denſelben zu erweiſen ſeyn/ daß ſie ſolchen Zuſatz in dem Wort-
Verſtande des Symboli gefunden: Vnd wie viel tauſend einfaͤltige Chri-
ſten und Maͤrtyrer ſind vor und ohn dieſen Zuſatz ſeelig worden? Sind
darumb
[]an den Chriſtlichen Leſer.
darumb alle die Lehrer/ die gemeldten Zuſatz angehenckt/ boßhafftige Nova-
tores
und Trenner des wahren heiligen Friedens zu ſchelten geweßt?


Der Nachſatz wird per omnia durch und durch nicht geſtanden/ daß
der in meiner Tafel geſchehene Zuſatz mit benamſten qualitaͤten behafftet;
Ich traue dieſelbe wohl nicht nur durch conſequentz aus dem Schrifft-
und Rein-antiquitaͤtmaͤſſigen Verſtand des Symboli richtig zu folgern/
alles nach dem Modell und Anweiſung des erklaͤrlichen Decalogi ange-
zeigt und mit mehrern deducirt in meiner hermeneuticâ ſacra p. 460.
\& ſeqq.
Glaub ich an Gott als einen Vater und Schoͤpffer/ ſo glaube
ich zugleich meine Nichtigkeit/ Elend/ und mit barmhertzigen Vaters-
Augen angefehenen Jammer und Elend/ darinn ich geboren. Hindert
nichts/ daß die Augſpurgiſche Confeſſion einen abſonderlichen Articul
von der Erb-Suͤnde gefaſſet/ dann ja auch das ſiebende Gebott vom letzten
abgeſondert/ und doch jenes Verbott noch in dieſem begriffen. Glaub
ich an Vater/ Sohn und Heiligen Geiſt/ als drey Perſonen/ und wie ſie
die H. Schrifft nennet/ drey (perſoͤnliche) Zeugen/ ſo glaub ich auch
einen dreyfaltigen Gott/ drey Perſonen/ die (nach Art einer Perſon)
realiter, thaͤtlich/ und nicht nur Namens-Sinn-Bilds- und Gedan-
ckensweiſe von einander unterſchieden/ wiewohl dieſes eben nicht in actu
ſignato
mit Schul-terminis von und bey iederman vorzutragen. Es
iſt eine Weiſe fuͤrhanden/ dadurch man ſolche Dinge auch dem gemeinen
Manne lactificiren und leicht fuͤrtragen kan/ wavon im reformirten
Salve mit mehrem pag. 680. Glaub ich an Jeſum Chriſtum meinen
Herren/ ſo glaube ich auch nach der Schrifft Außlegung einen einigen
Herren/ 1. Cor. 8. Eph. 4. 1. Tim. 2. Glaube ich die hoͤchſte/ verſtehe1. Cor. 8, 6.
Eph. 4, 5.
1. Tim.
2,
15.

die perſoͤnliche Einigkeit (welcher maſſen der Vater und Sohn nicht unus
oder einer ſind und heiſſen) ſo glaub ich die Gemeinſchafft der Naturen
und Eigenſchafften/ deren voͤlligere Erklaͤrung (wiewohl eben nicht in
Schul-terminis, doch) verſtaͤndlich/ auch dem gemeinen Mann kan
inſinuirt und eingebildet werden. Glaube ich eine Hoͤllenfahrt Chriſti/
wie die Wort und Ordnung der Symboliſchen Articul lauten und fol-
gen/ ſo glaube ich eine ſolche Hoͤllenfahrt/ die nach der Begraͤbnuͤß vor der
Aufferſtehung ſich begeben/ und demnach eine (nicht mehr leidende/ ſon-
dern) ſiegende Hoͤllenfahrt/ vide Reform Salve p. 413. ſondern auch den-
ſelben mit auctoritaͤt der Vaͤter zu belegen/ etliche ſpecimina ſind allbereit
abgelegt in Chriſteid. p. 414. \& ſeqq. Vnd ſollen/ geliebts Gott/ der-
gleichen in folgenden actibus Chriſteidos mehr folgen. Vnd ob gleich
auch
[]Bericht
auch der alten Vaͤter keiner an die heutige neue Zuſaͤtze gedacht haͤtte; Folgt
darumb nicht/ daß dieſelbe aus ihren Worten nicht zu ſchlieſſen waͤren:
Die Propheten haben an Jeſum von Nazareth nicht gedacht/ da ſie ihre
Prophetiſch-Evangeliſche oracula getraͤufflet/ noch gleichwohl ſagt
St. Petrus/ daß von Jeſu von Nazareth zeugen alle Pro-
pheten/ ꝛc.


Einwurff: Keine vollkommene/ gnugſame/ unaͤnderliche
regulleidet einigen Zuſatz. Antwort: Keine abſolutè vollkom-
mene nicht; aber die ſo nur debitè! ſonſt wuͤrden unrecht dran ſeyn ge-
weſt die Conſtantinopolitani Patres, wann ſie dem Niceniſchen Symbolo
etliche Zuſaͤtze angefuͤgt. Was iſt das alſo genante Athanaſianum Sym-
bolum
(ſonſt von den Feinden des Symboliſchen Zuſatzes Sathanaſia-
num
genennet) welches alſo gefaſſet (nach Lutheri Meynung tom. 8.
Witteberg. fol. m.
383. daß ich nicht weiß/ ob ſind der Apoſtel
Zeit in der Kirche des Neuen Teſtaments etwas wichtigers
und herrlichers geſchrieben ſey
) anders als ein Zuſatz des Niceni-
ſchen Symboli? Dieſe Lehr von der Heiligen Dreyeinigkeit iſt noͤthig/
nicht allein darumb/ daß ohne dieſelbe kein recht Erkaͤntnuͤß
Gottes ſeyn kan/ ſondern auch umb des anruffens und Ge-
betts willen/
ſchreibt Lutherus ferner. Es haben zwar auch vorzeiten
Athanaſius und Hilarius gemeynet/ man ſolle dem Niceniſchen Symbolo
nichts weiters anfuͤgen/ deren Wort Gerh. Joh. Voſſ. diſſert. 2. de trib.
Symb. theſſ. 11. p.
45. angezogen; Aber als hernach Macedonius und an-
dere Woͤlfe eingeriſſen/ hat die Noth Eiſen gebrochen/ und hat Chriſti
Schaf-Stall muͤſſen erweitert werden. Hinc Gregor. Nazianz. epiſto-
lâ ſecundâ ad Celidonium, explicandum quiddam à Patribus Nicenis

ἐλλιπῶς εἰρημένον, minus plenè dictum, addens: περὶ του̃ ἀγίου πν [...]ματος,
διὰ τὸ μηδὲ κεκινῆσϑς τηνικαῦτα τετὶ τὸ ζήτημα, ὅτι μίας ϑεότητος εἰδέν [...]-
χρὴ τὸν Πατέρα, καὶ τὸν [...]ὸν, καὶ τὸ ἅγιον πνε̃υμα. Proptereà, quòd
quæſtio nondum excitata \& agitata fuerat, unam eandemq́;
Patris, \& Filii, \& Spiritûs S. Deitatem eſſe agnoſcendam.
Cum hæretici fraudulenter dicerent, ſe nihil aliud de fide, præter quod
fuerat Niceæ definitum, ſuſcipere velle, iisdem literis S. Leo Imperato-
rem admonuit, haut ſatis eſſe ad perfectam fidei confeſſionem his tem-
poribus Nicenum tantummodò Symbolum profiteri, in quo non de
humanitate Chriſti, ſed de divinitate potiſſimùm actum eſſet; in Con-

cilio
[]an den Chriſtlichen Leſer.
cilio verò Chalcedonenſi tractatum ſit de verâ \& perfectâ ipſius huma-
nitate: ac proinde, ſicut verum Deum \& verum hominem Chriſtum
unum confiteri fideles deberent, ita pariter aſtringi omnes utram que
Synodum ſuſcipere ac profiteri. Hæc poſt Baronium Spondanus
ann.
457, 7. Aus gleichdringender Nothdurfft hat auch Carolus M. ſeine
Confeſſion (welche er fidem Catholicam genennet) dem neu-entſtan-
denen Jrrthumb/ Elipandi und Felicis orgelitani den Ranck abrennen
wollen/ da er nicht allein etliche mahl der Trinitaͤt gedacht/ ſondern auch
außtrucklich dieſe Wort zu- und eingeſetzt: Verus in utraque
ſubſtantiâ Dei Filius, non putativus, ſed verus, non adop-
tione, ſed proprietate.
Was ſonſt von den fuͤnffhundert- oder
ſechshundert-jaͤhrigen Beruhigungen in der declaration der damahligen
Vaͤter und Concilien angebracht wird/ daſſelbe iſt abgelehnet/ und von
ſuccenſore unberuͤhret geblieben in Sigalione p. 175. \& ſeqq. Symbola
ſind ihrer Natur nach nicht adæquirte und außſchoͤpffende Bekaͤntnuͤſſen
aller Grund-Lehren/ ſondern allein der jenigen Graͤntz-Lehren/ dadurch die
rechtglaubige Kirch von iederweilen neu-entſtandenen Jrrthumb zu un-
terſcheiden geweſt. In epilog. Auguſt. Confeſſionis extant iſta:
Præcipuos articulos, doctrinæ ſummam, dogmata quæ vi-
debantur neceſſariò dicenda, è quibus tamen alia facilè
judicari queant, prætermiſſis multis brevitatis ſtudio, in-
formatione latiore, ſi quid deſideraretur, non denegatâ.


Einwurff: Ich will zu allen/ die in dieſen Landen woh-
nen/ ihrer Wiſſenſchafft mich beruffen haben/ ob ſie bißhero/
wann ſie Morgens und Abends ihren Glauben betrachtet
bey den Worten/ Jch/
(Egoiſt ſonſt nicht in Lateiniſchen/
und iſt was neues/ wiewohl daß es in dem Worte
Credobe-
griffen/ das iſt nicht zweifelhafftig) die Natur der Erb-Suͤn-
de/ und daß ſie beſtehe nicht allein in der Beraubung/ ſondern
auch in der Widerſetzung wider GOTT/ und daß aus den
Buͤchern/ da etliche
apocryphiſche und Canoniſche/ die letzten
alleine/ (und alſo nicht aus dem
catecheſidasSymbolum)
diereguldes Glaubens ſey. Wann ſie aber gebettet oder
geſagt: Jch glaube/ daß ſie eine ſolche Meynung gehabt/ ich
erkenne/ was in der Schrifft lautet/ (und alſo auch
Bdellium,
):( ):( ):( ):(Urim,
[]Bericht
1. Cor. 15,
29.
Urim, Thummim, Ophir,Gog und Magog/ vonHyſſopo,
Hedera Jonæ
Todentauff/ 1. Cor. 15. uñ mit wenigẽ/ was ſchweres
in der Schrifft iſt/ verſteh ich) ich geb auch Beyfall/ ergreiffe es
und ziehe mit Zuverſicht (daß Tobi
æHund mit dem Schwan-
tze geſpielet/ und in Salomonis Schiffe Elephanten geweſen)
es auff mich.
Antwort: Die Allfentzerey mit dem Ego uͤbergehe ich;
warne allein vor dem ſuccenſore die jenigen/ die klaͤreren und mehr empha-
t
iſchen Verſtands haben/ das Ego hinzu ſetzen! Virgilius latiniſſimus
iſt hie nicht ſicher mit ſeinem ille ego! die uͤbrigen nugæ ſind Lufftſtreiche;
Aus den bloſſen Worten/ à Deo averſus \& adverſus Deo, iſt weder bloß
die Natur der Erb-Suͤnde/ nach dero Beſtand in Beraubung oder Wi-
derſetzung außgetruckt. Scriptura Canonica tanquam fidei unica re-
gula
ſchleuſt die ihre ſubordinirte ſchrifftmaͤſſige/ Symboliſche Glaubens-
regul ſo wenig aus/ als wenig/ wann ich ſage/ der Sonnen Lauff ſeye die
einige regul der Zeit/ ich damit die horologia Statt- und Stund-Vhren
will außgeſchloſſen haben. Die Wort: Ich erkenne/ verſtehe ꝛc.
ſo zu den folgenden Worten gehoͤren/ Gott Vater ꝛc. werden fallaciter
den vorhergehenden/ was in der Schrifft lautet ꝛc. gezogen. Jch
ſage nicht/ daß ein ieder Glaubens-Bekenner ſage: Ich verſtehe alles/
was in der Canoniſchen Schrifft lautet.
Sondern/ was ich
von Gott Vater ꝛc. verſtehe/ deſſen bin ich beredet aus Got-
tes Munde/ welcher Mund Gottes in den Canoniſchen
Schrifften lautet.
Bdellium, Urim, Thumim ſind nicht Gottes
Mund ſelbſt. Tobiæ Hunds-Schwantz ſpielet in einem apocryphiſchen
Buch. Gefpoͤtt mag ich hie mit Geſpoͤtt nicht vergelten.


Einwurff: Es wuͤrde gar unbillich ſeyn/ wann nur die/
die der
Logicmaͤchtig wären (undIdeasſchreiben könten)
den Glauben verſtehen koͤnten.
Antwort: Wer ſagt das? Es
wuͤrde warhafftig auch gar unbillich ſeyn/ wann nur die jenige/ die die
ſechshundert-jaͤhrigen Patres und Symbola conciliorum (aus welchem
die unverfuͤhrliche declatation und diſcretion des Apoſtoliſchen Symboli
zu erhalten) wiſſen den Glaubẽ verſtehen koͤnten. Sonſt hat Gott auch den
Idioten eine natuͤrliche logic eingepflantzet: Vnd beduͤrfften ſie hie keine
groͤſſere Kunſt/ als ſie beym Pfennig rechnen/ anwenden: Jſt zu erbar-
men/ daß auch ein Jdiot und Bauer in Vnterſcheid der Muͤntz ſo accurat
und
[]an den Chriſtlichen Leſer.
und genau ſeyn kan/ in Sachen ſeines Ackers- oder Ochſen-Kauffs/ aber
muthwillig/ blind-einfaͤltig in Vnterſcheidung der Luͤgen und Warheit in
Sachen die ewige Seeligkeit betreffende. Jm uͤbrigen hat Papſt Leo
(denen die auff den Zuſatz der Formul DE FILIO gedrungen und ge-
ſagt: Si quis neſcierit, vel ita non crediderit, num ſalvus
eſſe poterit?
) Klaͤrlich geantwortet: Quisque ad hoc ſenſu
ſubtiliori pertingere poteſt, \& id ſcire, aut ita ſciens, credere
noluerit, ſalvus eſſe non poterit. Sunt enim multa, è qui-
bus iſtud unum eſt, ſacræ fidei altiora myſteria, ad quorum
indagationem pertingere multi valent: multi verò aut
ætatis quantitate præpediti, non valent: \& ideò, ut prædixi-
mus, qui potuerit, \& noluerit, ſalvus eſſe non potuerit.
vide Voſſ. de trib. Symb. p.
72.


Einwurff: Wer will auff dieſen Tag heute ſo hoffaͤrtig
ſeyn/ ſich einzubilder/ daß er aller Spruͤche der Bibel richtige
Erklärung wuͤſte? Vnd ſind auch wohl auff unſern
Univer-
ſit
aͤten zweyCollegen in einerFacultaͤt/ die in Erklaͤrung al-
ler Spruͤche ůberein kommen?
Antwort: Doch muß man in
Grund-Lehren gefaßt und einig ſeyn/ auffs wenigſte in einem und dem
andern Grund-Spruch/ damit des Glaubens ἀσφάλεια und Gewißheit
nicht ſincke. Es moͤchten ſolche ſchaͤdliche Gloſſen ſeyn/ (zum Exempel
die von Calvino Judentzenden) daß man ſie nicht alſo frey paſſiren und
dulden koͤnte. Wahr iſt darneben auch/ was unſer D. Joh. Pappus ange-
mercktan Eſa. 60. Legentibus Patrum ſive Scriptorum Eccle-
ſiaſticorum libros manifeſtum ſit, nullam unquam exor-
tam fuiſſe hæreſin, quin Eccleſiæ ejusmodi interpretationis
donum concederetur, ut quod anteà in iisdem locis expli-
candis priores non vidiſſent, vel certè non notaſſent, poſte-
riores certaminibus illis impliciti, ſic demonſtrarint, ut
legentibus illa nihil magis mirum videri poſſit, quam ea-
dem illa à prioribus non fuiſſe annotata.


Einwurff: Es bleibet demnach noch die Frage/ welche
dann dieſe zur Einigkeit der Kirchen gehörige Glaubens-
Lehren ſeyn/ und ſonderlich/ wo ſie ordentlich erzehlet und

deter-
[]Berichtan den Chriſtlichen Leſer.
determiniret ſeyn? Es waͤre zwar zu wuͤndſchen/ daß ſie
einen
extendirtenCatalogumzu ihren Glaubens-Lehren
uͤber die ſo im
Symboloſeyn/ belieben/ daß ſie durch Spruͤche
der Schrifft ſolchen vorſtellen koͤnten/ dem auff ſolchem Fall
die
deciſionleicht fallen wuͤrde. So viel aber mir bewuſt/
habe ich dergleichen Spruͤche noch nie anziehen gehõret/ und
zweifele auch/ ob hinfuͤro moͤchten von einem Bibliſche
Spruͤche gefunden werden.
Antwort: Diß waͤre ein fuͤrtreff-
licher Vortheil fuͤr die Herren Walenburchios, mit denen Succenſor in ein
Horn blaſet. Vide illos de miſſione proteſt. \& ib. annexis motivis c. 4.
\& in princip. fidei examine
1. §. 9. Die auch ſonſt mit [...]οῦ δεῖνα principiis
gar wohl fortkommen/ und das Thor zum Lutheriſchen Schaf-Stall bald
werden finden koͤnnen. Er ſehe aber zu/ wie erſich/ ſalvâ ſuâ hypotheſi,
aus deroſelben laqueis außſtricke! Jch ſtehe/ Gott Lob/ bey dieſer Frage
nicht bloß oder wehrloß. vide reformirten Salve in der vierten
Frage p. 176. \& ſeqq. \& p. 201.




Eingangs-
[1]

Eingangs-Predigt/


Vber den dritten Articul des Apoſtoliſchen
und Niceniſchen Glaubens/
Von der ſuͤndlichen Vnart des
Fleiſches.


TEXTUS.
Johan. 3. ſpricht Chriſtus unſer Herr
zu Nicodemo:

Was vom Fleiſch geboren wird/ das iſt Fleiſch. ()

GEliebte in Chriſto: Wann S. Paulus der außerwehlte
Ruͤſtzeug Gottes in der Epiſtel an die Roͤmer im viertenRom. 4, 17.
Capitel den heroiſchen groſſen Glauben Abrahams auff
das herrlichſte ruͤhmend vnd heraus ſtreichend vnter an-
dern ſchreibt: Abraham habe dem geglaubet/ der
da ruffet dem das nicht iſt/ daß es ſey/
ſo ſihet er zwar
fuͤrnemlich auff die hypotheſin,auff den damaligen Zuſtand des
heiligen Patriarchen Abrahams/
da er noch kein Kind gehabt von
ſeinem Leib vnd doch die Verheiſſung empfangen/ daß in ſeinem Samen
ſollen geſegnet werden alle Voͤlcker auff Erden/ er ſoll ein Abraham vnd
Vater vieler Voͤlcker werden; Auff dienihilitudinem Abrahamicam,
auff die Vnvermögligkeit vnd Nichtigkeit der Krafft Kinder
zu gebären:
Nichts war derſelbe in ſeinen Kraͤfften/ er war allbereit
hundert Jahr alt/ zu alt vnd kalt dazu/ ſein Leib/ wie auch ſeiner Sara der
unfruchtbaren alten Matronen/ erſtorben zur Kinder-Zucht/ ja ſonderlich/
da er ſeinen Sohn Jſaac ſchlachten ſolt/ der ſchon in ſeinem Hertzen er-
ſtorben geweſen/ da war nichts; noch gleichwol hab er geglaubt/ τὸ εἶναι,
daß es ſey und unfehlbar ſeyn werde/ es ſeye Gott nur vmb ein kraͤfftiges/
ſegenreiches Ruff-Wort zu thun/ ſo ſeye es da! er koͤnne auch den toden
Jſaac wiederumb aus der Aſche zum Leben aufferwecken/ vnd alſo ſeiner
Verheiſſung Krafft geben.


Sechſter Theil. AEs ſihet
[2]Eingangs-

Es ſihet aber auch der Apoſtel ſamt dem Vater Abraham zuruͤck
auff die nihilitudinem macrocoſmi,auff die Nichtigkeit der groſſen
Welt/
in deren ſie verborgen vnd vergraben gelegen vor der Erſchoͤpffung/
dann von Ewigkeit her war keine Welt/ keine Creatur/ Deus tunc ubi
nunc in ſe, quoniam ſibi ſufficit ipſe,
Gott allein war eben wo er ietzt
auch iſt/ welcher keines andern bedarff/ ſondern in ihm ſelber vergnuͤget iſt.
Aber Gott der Herr hab ein kraͤfftiges Fiat geſprochen/ ſo ſeye die erſte
maſſa aus dem Loch vnd Nacht-Winckel der Nichtigkeit herfuͤr geſprun-
gen/ wie ein Knecht aus ſeinem Neſt und Winckel herfuͤr kreucht/ wann
ihn der Herr auffwecket vnd ihm ruffet/ daß er komme: Erſtlich zwar
lag der groſſe ungeſtalte/ gemengte Klumpen Himmel und Erden und
Vid. Grot:
de verit. re.
lig. Chriſt.
p.
20.
Elementen uͤber einem Hauffen/ war alles noch oͤde/ finſter und leer/ die
Welt lag da als ein groſſes Ey/ das war aber noch nicht außgebruͤtet/
darumb hab ſich der Geiſt Gottes uͤber die Waſſer und den Klumpen
geleget/ geſetzet/ Er ſey darauff geſchwebet/ anders nicht als ein Vogel oder
Henn uͤber den Eyern/ dieſelbe außgebruͤtet/ alles lebend und webend ge-
macht/ ein iedes nach ſeiner Art/ ſo ſey es allererſt recht gut geweſen und
gut geprieſen worden/ alles durch ein eintziges Ruff-Wort/ Fiat, es werde/
und es ward alſo. Darauff ſahe Abraham/ darauff gruͤndete er ſeinen
Glauben: Hat Gott Himmel und Erden aus nichts erſchaffen koͤnnen/
wie ſolt Er ihm auch nicht koͤnnen Samen geben/ und gleichſam aus
Steinen Kinder erwecken?


Es ſihet aber S. Paulus allhier ſamt Abraham freylich auch auff
die nihilitudinem microcoſmi communem,auff die Nichtigkeit und
Vntuͤchtigkeit des Menſchen ingeſamt/
wie ſo gar es war ſey/ was
Pſal. 39, 6.
\&
12.
mit ſonderbaren affecten in Pſal. 39. zum zweyten mal außgeſprochen
wird: Ach wie nichts ſind doch alle Menſchen! Ach wie nichts
ſind doch alle Menſchen!
Ja freylich nichts vor der Erſchoͤpffung/
nichts in der Erſchoͤpffung/ nichts nach der Erſchoͤpffung. Vor etzlich
tauſent Jahren war noch kein lebendiger Menſch im Weſen/ vor dem
ſechſten Schoͤpff-Tage war noch kein Menſch auff Erden. Jn der Er-
ſchoͤpffung/ da Gott der Herr die Hand angelegt/ war zwar ein
unfoͤrmlicher Klumpen da/ ein leimen maſſa, aber die war untuͤchtig/ daß
ein Menſch daraus werden ſolte. Gott muſte ein Wort ſprechen/ ſo
wurde ihm ein lebendiger Geiſt eingeblaſen/ er wurde mit dem goͤttlichen
Ebenbild gezieret/ vnd alſo etwas gutes. Nichts nach der Erſchoͤpffung/
nemlich nach dem Suͤnden-Fall/ da iſt der Menſch recht homo nihili
worden/
[3]Predigt.
worden/ ein untuͤchtiger/ kein-nuͤtzer/ ohnmaͤchtiger/ loſer Menſch/ zu allem
recht-gutem erſtorben/ da iſt das ejulate, das Ach vnd Wehe angangen/
Ach wie gar nichts ſind doch alle Menſchen/ ꝛc. ſolte nun der Menſch
wiederumb etwas werden/ da war von Noͤthen ein Ruff-Wort einer
gluxenden Brut-Henne/ einer lebendigen Krafft des heiligen Geiſtes/
dadurch dieſes Ey außgehecket/ außgebruͤtet/ flick gemacht/ nemlich virtus
\& gratia Spiritus ſancti vivifica \& ſanctifica,
die leb- und heiligmachende
Krafft und Gnade des heiligen Geiſtes.


Von dieſem hohen himmliſchen Geheimnuͤs/ der Heiligung des
heiligen Geiſtes/ welche uns im dritten Articul unſers Chriſtlichen Glau-
bens zu erkennen und zu bekennen fuͤrgehalten wird/ ietzt und hinfort durch
Gottes Gnade zu handlen/ wollen wir zuvor mit der Philologiâ carnis,
das iſt/ mit der Erkaͤntnuͤs des Fleiſches/ unſerer nichti-
gen/ untuͤchtigen/ ſchnoͤden und ſůndlichen/ verfluchten und
verdamten Vnart/
das fundament und Grund legen/ auff daß wir
hernach im Gegentheil verſtehen moͤgen/ wie hoch wir des Heil- und heilig-
machenden Gnade des heiligen Geiſtes benoͤthiget. Gott ſegne den
Anfang durch ſeinen Geiſt. Amen.


WAs vom Fleiſch geboren wird/ das iſt Fleiſch/ ſpricht
unſer Herr vnd Heiland zu Nicodemo/ dem zwar groſſen/
auff dem Stul Moſis sitzenden Rabbi/ aber groben igno
rant
en/ der zwar nach Art der Phariſeer vom Himmels-Lauff/ von des
Himmels Zeichen/ von dem fato viel gewuſt zu ſagen/ und ſich ſelbſt noch
nicht erkant/ auſſer ſeinem Hauſe curios vnd fuͤrwitzig geweſen/ aber das
innerſte ſeines argen Hertzen-Hauſes noch nicht ergruͤndet/ einem groſſen
einbildenden/ groß-heiligen Phariſeer/ ſonderlich der Schuͤſſel und Becher
rein gehalten/ die Haͤnde/ ſo offt er vom Marckte kommen/ gewaſchen/ als
der ſich beſorgte/ er haͤtte irgend unheilige Zoͤllner und Suͤnder als ein to-
des Aaß beruͤhret/ und ſich verunreiniget/ unter deſſen gedacht er nicht an
ſein inwendiges/ an den inwendigen garſtigen Wuſt und Vnflat ſeines
Hertzen. Summa/ daß er Fleiſch ſey vom Fleiſch geboren/
den fuͤhret der groſſe Meiſter in Jſrael/ und Rabbi uͤber alle Rabbi in ſeine
hohe Schul/ und lehret ihn/ was er zuvor nicht gewuſt/ daß nemlich alles/
was vom Fleiſch geboren wird/ Fleiſch ſeye/ Fleiſch und Blut
koͤnnen das Himmelreich nicht ererben/ es muß eine neue Wiedergebaͤrung
und Heiligung des Geiſtes vorgehen; ohn dieſelbe koͤnne niemand das
Reich Gottes ſehen: Es hat ſonſt das Wort Fleiſch in heiliger Schrifft
A 2vie/
[4]Eingangs-
viel und mancherley Bedeutungen/ welche alle namhafft zu machen und
zu erzehlen unnoͤthig; dißmal ſind allein die jenigen Stellen und Zeug-
nuͤſſen fleiſſig zu beobachten/ in welchem Fleiſch ſo viel heiſt als die böſe/
ſuͤndliche/ unartige/ verdamte Natur des Menſchen nach
dem Fall/
bey deren wir drey Stuͤck nach Beſchreibung des heiligen
Geiſtes zu bedencken haben/ Φύσιν, ἕξιν, κρ [...]σιν, das iſt/ Die Natur und
Vnart des Fleiſches
ſelbſt/ deroſelben Waͤrung/ und die darauff
folgende goͤttliche Zorn-Straffe.


Jſt demnach das Fleiſch/ davon allhier Chriſtus redet/ oder die
fleiſchliche Natur des Menſchen/ der alte fleiſchliche Adam/ davon der
Gen. 6, 3.Herr klagt: Die Menſchen/ ſpricht Er:wollen ſich meinen
Geiſt nicht mehr ſtraffen laſſen/ dann ſie ſind Fleiſch.
1. Ein
todes/ ohnmaͤchtiges/ krafftloſes Fleiſch; dann was iſt Fleiſch ohne Seel?
Ein toder Leichnam/ ein Toden-Aaß/ das iſt auch Fleiſch ohne Geiſt. Ein
ſchwaches Fleiſch/ ein kein-nuͤtzes Fleiſch in goͤttlichen Sachen/ conſe-
quenter
ſtaarblind/ lahm/ taub/ ſtumm und breſthafftig/ dem das goͤtt-
Rom. 3, 23.liche Ebenbild/ der Ruhm in Gott mangelt/ denn wir ſind allzu-
mal Suͤnder/ und mangeln des Ruhms/ den wir an GOTT

2. Cor. 3, 18.haben ſollen/ dort aber ſchauen wir alle die Klarheit des HEr-
ren/ wie in einem Spiegel/ mit auffgedecktem Angeſichte/ und
wir werden verkläret in daſſelbige Bilde/ von einer Klarheit
zu der andern/ als vom HErren/ der der Geiſt iſt. Wie wir

1. Cor. 15,
49.
getragen haben das Bilde des irdiſchen Menſchen; Alſo wer-
1. Cor. 2,
14.
den wir auch tragen das Bilde des himmliſchen. Da iſt kein
Erkaͤntnuͤs der Goͤttlichen Geheimnuͤſſen/ kein Beyfall/ keine natuͤrliche
Luc. 18, 34.Faͤhigkeit/ keine glaubige/ zuverſichtliche Benamſung des Herrn Jeſu/
1. Cor. 12. 3.denn niemand kan Jeſum einen HErren heiſſen/ ohn durch
den heiligen Geiſt.
Jam ignoti nulla cupido, wo es an der Erkaͤnt-
nuͤs eines Dinges mangelt/ da iſt kein Sehnen noch Begierd/ wo kein
Matt. 7, 16.
17. 18. \&
20.
guter Baum iſt/ da ſind auch keine guten Fruͤchte: Kan man auch
Trauben leſen von den Dornen/ oder Feigen von den Diſteln?
Ein ieglicher guter Baum bringet gute Fruͤchte/ aber ein fau-
ler Baum bringet arge Frůchte; ein guter Baum kan nicht
arge Fruͤchte bringen/ und ein fauler Baum kan nicht gute

Fruͤchte
[5]Predigt.
Fruͤchte bringen/ darumb an den Fruͤchten kan man ihn erken-Ioh. 15, 5.
nen; Jch bin der Weinſtock/ ſagt der Herr Chriſtus: Wer in
mir bleibet/ und ich in ihm/ der bringet viel Fruͤchte/ was nicht
Rom. 14, v.
ult.

aus dem Glauben iſt/ das iſt Suͤnde; und ohne Glauben iſts
unmoͤglich GOTT gefallen; Wer zu GOTT kommen
Heb. 11, 6.
will/ der muß glauben daß er ſey; den Vnreinen/ ſagt der Apoſtel:Tit. 1, 15.
und Vnglaubigen iſt alles unrein/ beyde ihr Sinn und Ge-
wiſſen/ ſie ſagen ſie erkennen GOTT/ aber mit den Wercken
verleugnen ſie es.


Die Vnwiedergeborne thun zwar τὰ τοῦ νόμου, was das Geſetz auß-
weiſet/ aber dieweil es nicht iſt in Gott gethan/ nicht aus dem Glauben/
aus der Liebe (welche Gottes Gabe iſt) entſpringet/ nicht zu Gott und1. Ioh. 4, 7.
Gottes Ehr/ nicht goͤttlich/ nach der Regul des goͤttlichen Wortes gethan/
ſo iſts fuͤr Gott nicht wol gethan/ iſt kein Gott wolgefaͤlliges Werck:
Es iſt kein Gold/ ſondern Meſſing: hell Waſſer in einem unſaubern Ge-
faͤß/ iſt und wird unſauber. Man hoͤre hiervon den Herren ſelbſt reden/
Wenn ihr herein kommet/ ſpricht Er/ zu erſcheinen für mir/ werEſa. 1, 12.
fordert ſolches von euern Haͤnden/ daß ihr auff meinen Vor-
hof tretet? bringet nicht mehr Speiß-Opffer ſo vergeblich/
das Raͤuchwerck iſt mir ein Greuel; denn wer einen Ochſen
c. 66, 3.
ſchlachtet/ iſt eben als der einen Mann erſchluͤge: Wer ein
Schaf opffert/ iſt als der einem Hund den Halß breche. Wer
Speiß-Opffer bringet/ iſt als der Saͤu-Blut opffert. Wer
des Weyrauchs gedencket/ iſt als der das Vnrecht lobet.


Sonſt iſt das Fleiſch lebend/ webend und wuͤrckend gnug zum boͤſen/
ſeine Fruͤchte werden der Laͤnge nach erzehlet/ daß es ſeyn: Ehebruch/Gal. 5, 19.
Hurerey/ Vnreinigkeit/ Vnzucht/ Abgoͤtterey/ Zauberey/
Feindſchafft/ Hader/ Neid/ Zorn/ Zanck/ Zwytracht/ Rotten/
Haß/ Neid/ Sauffen/ Freſſen/ und dergleichen.
Es iſt tuͤckiſchIer. 17, 9.
und liſtig/ das fleiſchliche Hertz iſt ein trotzig und verzagt Ding/
wer kan es ergruͤnden?
Ja es iſt das Fleiſch ein gantz letzer umbge-
kehrter Decalogus; ein grober ignorant in goͤttlichen Sachen/ und darzu
gantz verdroſſen himmliſche Sachen zu verſtehen/ lieber gehet es mit
Wuͤrffeln/ als der Bibel/ mit Bretſpiel/ als dem Bet-Buch umb.
A 3Chriſtus
[6]Eingangs-
Chriſtus bezeuget ſolches ſelber/ als Er ſeine Juͤnger gefraget/ was ſie von
Matt. 16, 17ſeiner Perſon halten/ Simon Petrus aber antwortet: Du biſt Chriſtus
des lebendigen Gottes Sohn.
Spricht der HErr: Simon/ dein
Fleiſch und Blut hat dir das nicht offenbaret/ ſondern mein
Vater im Himmel.
Fleiſch oder ein fleiſchlicher Menſch iſt ein Spoͤtter
Gen. 6, 3.und Richter Gottes vnd ſeines Worts/ er will daſſelbige nicht leiden;
Die Menſchen wollen ſich den Geiſt Gottes nicht mehr ſtraf-
2. Cor. 10, 3fen laſſen/ denn ſie ſeynd Fleiſch. Ein rebell vnd Him̃el-ſtuͤrmender
cyclops, der ſich Gott und ſeinem Wort freventlich widerſetzet/ und ſpricht:
Ier. 44, 16.Nach dem Wort das du im Namen des HErren uns ſageſt/
wollen wir nicht thun/ ſondeꝛn wollẽ thun nach alle dem Wort/
das aus unſerm Munde gehet.
Ein Goͤtzen Knecht/ Luͤgner/ Sabbath-
Ezech. 8,
3. \&
8.
Schaͤnder. Solte der Menſch/ wie dort der Prophet Ezechiel/ koͤnnen die
Wand und Mauren des Hertzens durchgraben/ und darinn alle Winckel
durchſchauen/ O was Greuel! wie viel Goͤtzen! wie ſcheußlich wuͤrde da
herfuͤr ſcheinen das groſſe idolum, das da heiſſet Philavtia der Selbſt-
Col. 2, 18.Buhl. Es iſt das Fleiſch ein auffgeblaſener/ geſchwulſtiger/ hoffaͤrtiger
Vnflat. Ein Neid-Wurm/ Zaͤncker und Staͤncker/ Moͤrder und Tod-
1. Cor. 3, 3.
Gal.
5, 19.
ſchlaͤger/ ſintemal Eifer/ Zanck und Zwietracht unter euch ſind/
ſeyd ihr denn nicht fleiſchlich/ und wandelt nach menſchlicher
Weiſe?
Es iſt ein geiles/ unzuͤchtiges Fleiſch; ſo bald man es fuͤttert/
Rom. 13, 14
2, Pet. 2, 10.
\&
18.
ſo ſchaumet es. Darumb wartet des Leibes alſo/ daß er nicht geil
werde/ allermeiſt aber die/ ſo da wandeln nach dem Fleiſche in
der unreinen Luſt/ denn ſie reden ſtoltze Wort/ da nichts iſt/
und reitzen durch Vnzucht zur fleiſchlichen Luſt die jenigen/
die recht entrunnen waren/ und nun in Jrthumb wandeln.

Matt. 26, 41Ein faules und traͤges Fleiſch zur Arbeit; Der Geiſt iſt zwar willig/
aber das Fleiſch iſt ſchwach:
ſchwaͤtz- und tadelhafftig/ allen boͤſen
Ioh. 8, 15.Laſtern und Begierden ergeben: iſt fleiſchlich geſinnet/ will mans
Rom. 8, 5.gleich außfuͤhren aus den verderblichen Egypten/ ſo ſehnet es ſich immer
Rom. 8, 7.wieder nach ſeinen vorigen Fleiſch-Toͤpffen/ iſt ein Feind Gottes/ widerſtre-
Gal. 5, 17.bet ſeinem Willen/ Wort und Ordnung; die Quell aller Laſter und Vn-
1. Pet. 2, 11.tugend/ dadurch das Hertz vergifftet/ und zu einem Goͤtzen-Hauß worden/
Matt. 15, 18.zu einem Baſilisken-Neſt/ zu einer Otter-Mutter/ daraus Ottergezuͤcht
entſprin-
[7]Predigt.
entſpringt/ zu einem Huhrhauß/ zu einem ſtinckenden offenen Grab/ einem* Vide
compara-
tionẽ ho-
minis cum
beſtiis in-
ſtitutam à
Chryſoſt.
hom. 23. ad
Popul. An-
tioch. Baſi-
lium ho-
mil. 10. in
Hexaë-
mer.

Stall voller wilden/ grimmigen/ garſtigen * Beſtien/ nichts kan ſo ab-
ſcheulich erdacht werden/ das fleiſchliche Hertz iſt noch abſcheulicher.


Belangend die ἕξιν die Währung des Fleiſches/ ſo iſt daſſelbe
kein ſolch wandelbar Ding/ deſſen man ſich leichtlich entladen/ das da
kuͤnte irgend in einem Bad außgeſchwitzet/ oder mit Feuer außgebrennet
werden/ ſondern es iſt ein malum neceſſarium, ein nothwendiges/ ange-
bornes/ unwandelbares Vbel/ ein unheilſamer Auſſatz/ eine Mohren-
Schwaͤrtze/ die nicht zu weiſſen. Kan auch ein Mohr ſeine Haut
wandeln/ oder ein Parthel ſeine Flecken? ſo koͤnnet ihr auch
guts thun/ weil ihr des böſen gewohnet ſeyd/ denn da ihr der
Ier. 13, 23.
Suͤnden Knechte waret/ waret ihr frey von der Gerechtigkeit.Rom. 6, 20
Ε᾽υπερίςατον, das hart anklebt und wie ein Kuͤriß am Leib anliegt/ ἀκατά-Hebr. 12, 1
παυςον, ein unruhiges Vbel/ das dem Menſchen Tag und Nacht keine Ruhe2. Pet. 2, 14.
laͤſt/ ſondern im̃er reitzet/ locket uñ treibet zum boͤſen/ und das gute verleydet.
Denn die Leute laſſen ſich die Suͤnde nicht wehren/ locken an
ſich die leichtfertigen Seelen/ haben ein Hertz durchtrieben
mit Geitz/ verfluchte Leute/ verlaſſen den richtigen Weg/ und
gehen irre.


Zwar durch die heilige Tauff und Wiedergeburt wird die ſchnoͤde
Vnart des Fleiſches ſo fern gezaͤhmet vnd gehaͤmmet/ daß ſie das Regi-
ment und Herrſchafft verlohren/ der Wuſt deſſelben wird mit dem Kleid
der Gerechtigkeit Jeſu Chriſti bedecket/ die Schuld und Straff-Pflicht
vergeben/ ſo wird und ſoll deſſelben Boßheit durch taͤgliche Toͤdtung des
Fleiſches immer ie mehr gebrochen und hindertrieben: Aber die gifftige/
boͤſe Natur bleibet noch/ quillet noch/ auch der wiedergeborne Menſch iſt1. Reg. 21,
25.

verkaufft unter die Suͤnde/ nicht auff die Art und Weiſe wie Ahab/ der ſich
ſelbſt muhtwillig unter die Suͤnde verkaufft/ [...] ſondern/ wie Jo-
ſeph/ der in die Hafft gezwungen worden/ Joſeph ward zum KnechtPſ. 105, 17,
verkaufft. Es wohnet auch in den wiedergebornen Menſchen die ſuͤnd-
liche Vnart/ das Hertz iſt ein Neſt der boͤſen Luſt-Seuch/ aber der Geiſt
Gottes wohnet im Hertzen/ als in einem Tempel/ der bricht und hindert des
Fleiſches Willen. Wie manchmal in einem Hauß ein frommer Mann
und boͤſes Weib beyſammen wohnet/ aber der Mann laͤſt das Weib nicht
Meiſter ſeyn. Das ſtinckende Fleiſch liegt noch da; gleich wie Pharao
zwar im rothen Meer erſaͤufft worden/ aber der garſtige Leichnam lag noch
am
[8]Eingangs-
am Vfer/ gleich wie ein Dieb/ der ihm das Mauſen angewoͤhnet/ wann er
Vide Zei-
leri
tragi-
ſche Ge-
ſchichten/
p. 185.
gleich vom Stricke und Galgen erloͤſet worden/ ſo laſſet er doch nicht von
ſeiner Diebs-Art ab/ inmaſſen hiervon ein denckwuͤrdiges Exempel im
Frantzoͤſiſchen Geſchichten/ bey Zeilero zu leſen.


Hierauff folget nun Κρίσις meritum \& reatus,die wolverdiente
Straff-Pflicht/
nemlich exilium cœli, es iſt das Fleiſch als ein Ban-
1. Cor. 15,
50.
dit vom Himmelreich und aller Gemeinſchafft himmliſcher Guͤter außge-
ſchloſſen/ zum ewigen Tod verurtheilt und verdammet/ denn Fleiſch
Gal. 5, 19.
\&
21.
und Blut koͤnnen das Reich Gottes nicht ererben; Offenbar
ſeyn die Wercke des Fleiſches/ von welchen iſt zuvor geſagt/

Rom. 8, 6.daß wer ſolche thut/ kan das Reich Gottes nicht erben. Dann
fleiſchlich geſinnet ſeyn iſt der Tod/ aber geiſtlich geſinnet ſeyn
iſt Leben und Friede.
Das Fleiſch muß geſaltzen werden/ ſonſt blei-
bets thumb; Es muß verbrennet werden/ entweder durch das heilig-geiſt-
liche Opffer-Feuer der taͤglichen Reu/ und Toͤdtung deſſelben/ oder durch
Marc. 9, 49.das unaußloͤſchliche hoͤlliſche Feuer/ Es muß alles mit Feuer geſal-
tzen werden/
der Stab iſt uͤber das Fleiſch gebrochen/ crucifige, crucifige,
creutzige/ creutzige ihn. Gleich wie Chriſtus nach Gottes Rath gecreutziget
worden/ und des jenigen Laſts/ den er als ein bajulant auff ſich ans Creutz
genommen/ und auff dem Holtzgeopffert/ entgelten muͤſſen/ alſo iſt er das
Gal. 5, 1.Exemplar: So beſtehet nun in der Freyheit/ damit uns Chri-
ſtus befreyet hat/ und laſſet euch nicht wiederumb in das knech-
tiſche Joch fangen.
Nach demſelben muß unſer alte Menſch wie-
Rom. 6, 6.derumb gecreutziget werden/ dieweil wir wiſſen/ daß unſer alter
Menſch ſamt ihm gecreutziget iſt/ auff daß der ſuͤndliche Leib
auffhoͤre/ daß wir hinfort der Suͤnde nicht dienen/
nach dem
Gal. 6, 14.Exempel Pauli/ welcher ſaget: Es ſey ferne von mir ruͤhmen/ denn
allein von dem Creutz unſers HErren Jeſu Chriſti/ durch wel-
chen mir die Welt gecreutziget iſt/ und ich der Welt.


Diß iſt alſo diephyſiologiaund Beſchreibung des Fleiſches
ohne Rhetoriſche exaggeration und weitgeſuchtes Verkuͤnſtlen/ iſt die lau-
tere/ einfaͤltige/ in Gottes Wort gegruͤndete Warheit/ uñ mangelt noch bey
weitem viel. Der ſelbſt Betrug iſt allzugroß; die Boßheit liegt allzutieff/ wer
kans ergruͤnden? Wo biſtu denn nun/ du elender/ freyer und frecher Wille/
den der
[9]Predigt.
den der Pelagianiſche Jrr-Geiſt allzuhoch erhoben? Wir ſind von Natur
alleſamt zwar etwas/ haben ein natuͤrliches Weſen und Leben/ natuͤrlichen
freyen Willen zu thun und zu laſſen in euſſerlichen Sitten und burgerli-
chen/ haͤußlichen Sachen/ was recht iſt und dem Goͤttlichen Wort ge-
maͤß/ da haben wir wiewol ein ſehr geſchwaͤchten freyen Willen/ und dem-
nach die Wahl des guten und boͤſen: Da David geſuͤndiget hatte/ hieß
der Herr durch den Propheten Gad ihn erwehlen entweder drey Jahr
Theurung/ oder drey Monden flucht fuͤr ſeinen Widerſachern und fuͤr1. Chron.
22, 12. \&
13.

dem Schwert ſeiner Feinde/ oder drey Tage das Schwert des Herren/
und Peſtilentz im Lande; da erwehlete ihm David/ und ſprach: Jch will
in die Hand des HErren fallen/ denn ſeine Barmhertzigkeit
iſt groß;
Alſo ſprach auch Petrus zu Anania/ da er etwas vom Gelde
des Ackers entwendet hatte: Haͤtteſtu ihn doch wol mögen behal-Act. 5, 4.
ten/ da du ihn hatteſt/ und da er verkaufft war/ war es auch
in deiner Gewalt.
Alſo ſagt auch Paulus: So iemand ſich laͤſt1. Cor. 7, 36.
37. 38.

duͤncken/ es wolle ſich nicht ſchicken mit ſeiner Jungfrauen/
weil ſie eben wol mannbar iſt/ und es will nicht anders ſeyn/
ſo thue er was er will/ er ſůndiget nicht/ er laſſe ſie freyen.
Wenn einer aber ihm feſt fuͤrnimbt/ weil er ungezwungen iſt/
und ſeinen freyen Willen hat/ und beſchleuſt ſolches im Her-
tzen/ ſeine Jungfrau alſo bleiben zu laſſen/ der thut wol. End-
lich/ welcher verheyrathet/ der thut wol/ welcher aber nicht
verheyrathet/ der thut beſſer.


Belangend auch die euſſerliche pædagogi oder Zucht und Hand-
Leitung zum guten/ kan der Menſch Gottes Wort ſuchen oder begehren:
Sihe/ es kommet die Zeit/ ſpricht der HERR HERR/Amos, 8,
11, 12.

daß ich einen Hunger ins Land ſchicken werde/ nicht einen
Hunger nach Brod/ oder Durſt nach Waſſer/ ſondern nach
dem Wort des HErren zu hoͤren/ daß ſie hin und her/ von
einem Meer zum andern/ von Mitternacht gegen Morgen
umblauffen/ und des HErren Wort ſuchen/ und doch nicht
finden werden.
Von der Koͤnigin aus Arabien leſen wir/ da das1. Reg. 10, 1.
2. \&
3.

Gerichte Salomo von dem Namen des Herren fuͤr ſie kommen/ daß
ſie kommen gen Jeruſalem mit einem ſehr groſſen Zeug ihn zu verſuchen
mit Raͤtzeln; und da ſie zum Koͤnige Salomo hinein kam/ ſtehet geſchrie-
Sechſter Theil. Bben
[10]Eingangs-
ben/ redet ſie mit ihm alles/ was ſie fuͤrgenommen hatte. Ferner daſſelbe
Marc. 6, 20.Wort/ wann ers gefunden/ kan ers mit Freuden ein- und annehmen:
Herodes furchte Johannem/ dieweil er wuſte/ daß er ein frommer und
heiliger Mann war/ und gehorchet ihm in vielen Sachen/ und hoͤret ihn
Act. 13, 7.gerne. Der falſche Prophet/ ein Juͤde mit Namen Bar Jehu/ in der Statt
Paphos/ als Barnabas und Saulus allda hinkamen/ rieff er ſie zu
Act. 24, 24.ſich/ und begehrte das Wort Gottes zu hoͤren; Nach etlichen Tagen/
nemlich nach der Verhoͤrung des gefangenen Pauli/ kam Felix mit ſei-
nem Weibe Druſilla/ die eine Juͤdin war/ und fordert Paulum/ und hoͤ-
ret ihn von dem Glauben an Chriſto. Dahin gehoͤren alle Anmah-
nungen zum euſſerlichen Gehorſam/ welche umbſonſt und vergebens we-
ren/ ſo der Menſch allerdings keinen freyen Willen haͤtte/ man vermahnet
ja keinen Baum zum Frucht-tragen/ noch das Feuer zum brennen:
Es gehoͤret hieher alles loben und lohnen/ alles ſchelten und ſtraffen; kein
Hund wird geſcholten oder belohnet/ wann er billet/ das iſt alſo ſeine Na-
tur: Deßgleichen alle conſilia, deliberationes und Berathſchlagungen;
niemand wird begehren im Rath dieſe Frage fuͤrzubringen/ ob die Sonn
auffſteigen oder niedergehen ſoll? ſie hat ihren unveraͤnderlichẽ natuͤrlichen
Lauff/ der laſt ſich durch mein berathſchlagen weder foͤrdern noch haͤmmen.


Bißhieher iſt der Menſch etwas durch die Erfchoͤpffung worden/
aber nichts iſt er von Natur im geiſtlichen Leben. Er liegt da als das
Ioh. 15, 5.Weiſſe und Dotter in der Eyer-Schal/ kan ſich ſelbſt nicht gebaͤren/ ma-
Ioh. 3, 5.chen/ bruͤten/ außbrechen/ ſondern durch den/ der ſagt: Ohne mich koͤn-
net ihr nichts thun/
durch Waſſer und Geiſt muß er wieder geboren
Luc. 15, 24.werden; Es muß die geiſtliche Henn durch die Krafft ſeines Heiligen
Eph. 2, 3. 8.Geiſtes ihn außbruͤten. Vnd welches noch aͤrger iſt/ der Menſch von
Col. 2, 13.Art und Natur/ vnd folgends boͤſer Gewohnheit und Werck iſt noch nicht
ſo gut als ein Kuͤchlin/ ſondern er iſt eine feindſelige Kroͤte/ gifftige
Spinn/ unnuͤtze Lauß; ja noch nicht ſo gut als dieſe/ dann ſie ſind ſolch
Geſchoͤpff/ die in ihrer Ordnung geblieben/ ihr Gifft iſt Gottes Creatur/
ſie haben ſich an Gott nicht verſuͤndiget: aber der Menſch iſt durch die
Suͤnde dermaſſen zugerichtet/ daß er ein Feind Gottes worden von Na-
tur/ und welches das alleraͤrgeſte iſt/ ſo mangelts ihm am γνῶϑι σεαυτὸν,
er kennet ſich ſelbſt nicht/ er weis und glaubet es nicht/ daß es ſo uͤbel mit
Pſal. 39, 6.
\&
12.
ihm ſtehe/ er ſteckt im Selbſt-Betrug biß uͤber die Ohren. Ach wie ſo
gar nichts ſind doch alle Menſchen.
Er iſt tod in Suͤnden/ ſoll er
lebendig werden/ ſo muß der Herr ſagen: puella ſurge, ſtehe auff vom
Schlaff
[11]Predigt.
Schlaff der Suͤnden und aller Vngerechtigkeit: Er iſt blind in geiſtlichen
Sachen; dann der natuͤrliche Menſch vernimmet nichts vom1. Cor. 2, 14.
Geiſt Gottes/ es iſt ihm eine Thorheit/ und kan es nicht erken-
nen/ wañ er wird von geiſtlichen Sachen gefraget.
Er iſt gebuͤcket
zur Erden und geneiget zu lauter irrdiſchen Sachen/ wie jenes Weib/ das
einen Geiſt der Kranckheit hatte achtzehen Jahr/ und war krumm/ daßLuc. 13, 11.
ſie nicht wol auffſchen konte/ ſoll ſie ſich auffrichten/ ſo muß der Herr
auffloͤſen. Er hat ein ſteinern unbeweglich Hertz/ darein man nichts
ſchreiben oder bilden kan/ iſt gleich jener Hebreiſchen Niobe des LothsGen. 19,
26.

Weib/ ſo in eine Saltz-Seul verwandelt worden/ ſoll ein fleiſchernes HertzPlin. l. 36. 7.
quæ quo-
tidiano ſo-
lis radio
tacta cre-
pat.

daraus werden/ ſoll er reden/ ſo muß er gleich der Memnons-Seul von
der himmliſchen Sonn angeleuchtet werden.


Er iſt ein arger Baum/ der keine gute Fruͤchte bringen kan/ er iſt gleich
dem verdorreten und verfluchten Feigen-Baum/ welcher verdorret war
biß auff die Wurtzel/ ſoll er Fruͤchte tragen/ ſo muß er in den Baum desMarc. 11,
20.

Lebens/ in den ſafftigen Oel-Baum Chriſtum eingepfropffet werden.
Eine verwelckte/ abgeſchmackte Blum/ ſo die liebliche Paradeiß-Farb und
Geruch verlohren/ ſoll dieſelbe gruͤnen/ muß es durch ein Goͤttlich miracul
geſchehen/ wie geſchehen an dem duͤrren Stab Aarons. Thut ein ſolcherNum. 17, 8.
Menſch was dem Geſetz euſſerlich gemaͤß/ ſo iſts doch noch lang kein Gott
wolgefaͤlliges Werck/ ſondern nur ein Bild eines rechten/ lebendigen/
glaubreichen/ Chriſtlichen Wercks/ ein gemaltes Werck/ ein Affen-Sp[i]el/
es fleuſt nicht aus Gott in Gott/ und iſt nicht in Gott und Goͤttlich
gethan. Dann was nicht aus Glauben geſchicht/ das iſt fuͤrRom. 14,
23,

Gott Suͤnde und Greuel/ ohne wahren Glauben iſt GottHebr. 11, 6.
unmoͤglich zu gefallen. Ein Vater hat kein Belieben an einem toden
Kinde/ ſondern wann es leibet und lebet/ fuͤr ihm lieblich ſpielet: ein Co-
mœdien-Spiel iſt ſo angenem nicht/ als eine froͤliche Hiſtorie ſelbſt/ die-
ſelbe zu genieſſen/ und ſich damit zu beluſtigen: Die Stimm eines toden/
lebloſen Seiten-Spiels/ vorab wann kein ſonderbarer Geiſt in demſelben
erſcheinet/ iſt bey weitem ſo angenehm nicht/ als eine liebliche Jungfraͤu-
liche Menſchen-Stimm/ nichts/ pfleget man zu ſagen/ iſt uͤber eine Men-
ſchen-Stimm. Vnd ob ſchon eine Metz/ daran ſich ein Ehemann ver-
ſehen und verhuret/ ſchoͤn von Geſtalt/ artig von Sitten und Gebaͤrden/
anmuthig von Lippen und Reden/ ſo hat doch die Ehefrau ein Greuel ab
derſelben/ ſie moͤchte dieſelbe verſpeyen/ mag ſie nicht fuͤr Augenſehen: Vr-
ſach/ die Perſon iſt nicht verſoͤhnet und angenehm. Solche Beſchaffenheit
B 2hat es
[12]Eingangs-
hat es mit allen Wiedergebornen/ und derſelben ſchein-guten Wercken fuͤr
Gottes Angeſicht; Dem Allerhoͤheſten iſt zuwider liebloſer Glaube/ glaub-
loſe blinde Liebe/ ohndaͤchtiges Gebet/ Ampts-Gaben ohne die Furcht Got-
tes/ Cantzel-Comœdianterey und pralen der Gaben/ die groſſe miracul der
Matt. 7, 21.Wunder-Maͤnner/ die da ſagen: Herr/ Herr! und thun doch den
Phil. 3, 8.Willen nicht des himmliſchen Vaters. St. Paulus nennet ſeine vorige/
Phariſeiſche Geſetz-Gerechtigkeit σκύβαλον, Koth und Vnluſt. Die
heidniſche/ unwiedergeborne Lucretia hat den Namen bey den Roͤmern
gehabt der Keuſchheit/ die wiedergeborne/ Juͤdiſche Suſanna hat auch
denſelben Ruhm erhalten: aber jenes war ein Affen- und gebildete
Keuſchheit: dieſe war das Weſen und Leben der Keuſchheit ſelbſt. Jener
Selbſt-Mord kam aus Schand-Flucht und Ehr-Sucht: Were dieſe/ wie
verdammet/ alſo auch hingerichtet worden/ ſo were es ein edele Maͤrtyrer-
Tugend geweſen.


Dieſes iſt alſo die Lehre vom freyen Willen; ob und was er vermag/
wie weit er ſich erſtrecke/ und laut demnach unſer Glaube: Jch weiß zwar/
daß ich in euſſerlichen/ weltlichen/ buͤrgerlichen/ ſittlichen/ haͤußlichen Sa-
chen/ und alſo in dem untern refier der menſchlichen Haͤndel und Ge-
ſchaͤfft einen noch uͤbrigen/ wiewol ſehr geſchwaͤchten und verfinſterten
freyen Willen/ freye Willkuͤhr/ freye Wahl habe zu thun und zu laſſen das
euſſerliche gute und boͤſe. Aber ich glaub darneben/ daß ich aus eigener
Vernunfft noch Krafft nicht glauben/ noch zu Jeſu Chriſto meinem
Herren kommen/ ſondern der Heilige Geiſt/ ꝛc.


Hæc regia via! das iſt abermal der Mittel-Weg zwiſchen zwey ge-
faͤhrlichen Jrr-Wegen/ dort des ſtoltzen/ phariſeiſchen/ paͤpſtiſchen Jrr-
wiſch/ der die Kraͤfften von freyem Willen allzuhoch erhebt/ halt zwar da-
fuͤr/ daß ohn die erleuchtende/ vorkommende/ auffweckende/ goͤttliche Gnad
der Menſch ſich ſelbſt zu bekehren/ zum Glauben und Himmelreich zu
helffen nicht vermag/ aber die Krafft in actu primo, die wohne dem Men-
ſchen noch bey/ die werde durch die auffweckende Gnad wuͤrcklich gemacht;
gleich wie der Menſch von Natur hat die Krafft und Macht etwas zu
Ierem. 38,
12. 13.
ſehen/ ſoll er aber wuͤrcklich ſehen/ ſo gehoͤret ein Liecht dazu: Jeremias
habe zwar nicht koͤnnen aus ſeiner Gruben ſelbſt herauff ſteigen/ aber da
ihm Ebedmelech das Seil gereichet/ ſo hab er ſelbſt mitgewuͤrcket/ und ihm
Act. 12, 7.
\& ſeqq.
heraus geholffen: Petrus im Geſaͤngnuͤs habe zwar wuͤrcklich nicht koͤn-
nen heraus gehen/ aber er hab doch die natuͤrliche Krafft behalten heraus
zu gehen/ alsbald der Engel ihn an die Seite geſchlagen/ daß er von den
Ketten loß worden/ ſo ſeye dieſelbe Krafft wuͤrcklich gemacht worden/ und
iſt alſo
[13]Predigt.
iſt alſo der paͤpſtiſche Glaube dieſer: Jch glaube an den heiligen Geiſt/
als einen halb-wuͤrckenden/ halb-lebendigmachenden Geiſt: Jch glaube/
daß ich aus eigener Vernunfft uñ Krafft/ mir gelaſſen/ gute Gott-wolgefaͤl-
lige/ ruͤhmliche Werck thun/ dazu bedarff ich keines heiligen Geiſtes nicht/
neben der fuͤrgehenden Gnad des heiligen Geiſtes an Jeſum Chriſtum
glauben/ der heilige Geiſt hat mich zwar beruffen/ aber ich hab mitgewuͤr-
cket/ ich habe das meine darzu gethan/ mein Glaube/ ſo fern er menſch-
lich iſt/ iſt er ein Werck meines freyen Willens/ ſo fern er ein Werck der
Gnadẽ Gottes/ ſo geſchiehet alles zu groͤſſerer Ehre Gottes/ das iſt/ meiner
Ehr. Jſt eine falſche Lehr/ deren die H. Schrifft widerſpricht/ ſo offt ſieden
Menſchen nach dem Fall beſchreibt/ als einen geiſtlich-toden Menſchen/Luc. 15, 24.
dieſer mein Sohn/ ſagt ſie/ war tod/ und iſt wie der lebendig
worden/ er war verlohren/ und iſt funden worden. Vnd auch
Eph. 2, 1.
\&
3.

euch/ die ihr tod waret/ durch Vbertretung und Suͤnde/ unter
welchen wiꝛ auch alle weiland unſern Wandel gehabt haben in
den Lůſten unſers Fleiſches/ und thaten den Willen des Flei-
ſches/ und der Vernunfft/ und waren auch Kinder des Zorns
von Natur/ gleich wie auch die andern. Gott hat euch mit
Col. 2, 13.
Chriſto lebendig gemacht/ da ihr tod waret in den Suͤnden/
und in der Vorhaut euers Fleiſches/
ſolte ein ſo gethane tode Menſch
lebẽ/ ſo muß Chriſtus ſagẽ: Puella ſurge,Toder/ ich ſage dir/ ſtehe auff

Marc. 5, 41.

Hier der Zwingliſche Jrrgeiſt/ derſelb untertruckt den freyen
Willen auch in weltlichen/ ſittlichen/ haͤußlichen/ natuͤrlichen Sachen/
kompt mit dem Stoiſchen/ fataliſchen/ vorzielenden/ vorruͤhrenden/ und un-
vermeidlichen/ unwiderſtreblichen Noth-Zwang auffgezogen. Stuͤnde
es bey Calvino (was Lutherus de ſervo Arbitrio geſchrieben/ iſt kein
Glaubens-Articul/ bekennen gern/ daß er in gewiſſen phraſibus zu weit
gangen/ jaber hernach wie Auguſtinus retractirt.) wuͤrde er auch den
Namen liberi arbitrii aus der Kirch anßmuſtern/ er uͤberlaſſet dem Men-
ſchen mehr nicht/ als einem thummen/ unvernuͤnfftigen Viehe/ welches
was es thut/ das thut es ſpontè aus Trieb ſeiner Natur/ ohne gewaltſa-
men Noth-Zwang/ aber alle Willkuͤhr und freye Wahl iſt demſelben be-
nommen. Maccovius ſchreibet/ es ſeye falſch und erlogen/ daß der MenſchVid. hodo-
mor. Calv.
p.
1055.

einen freyen Willen habe gutes zu erwehlen/ es ſeye Gottes Vorſchung
zuwider; Denn/ ſpricht er: Abſolon wehlete auch zwiſchen dem Raht2. Sam. 17,
5. \& ſeqq.

Achitophel und Chuſai/ von welchen zu leſen 2. Sam. 17. Doch weil
B 3Gottes
[14]Eingangs-
Gottes Fuͤrſehung das Werck regierte/ muſte er nothwendig Huſai
Rath dem Rath Ahitophels fuͤrziehen/ in Betrachtung daß es ihm zu ſei-
Ibidem.nem Verderben geriethe. Jtem/ es ſeye auch dieſes falſch/ daß wer Macht
hat etwas zu thun oder zu laſſen/ der koͤñe auch daſſelbe thun oder laſſen; be-
Ioh. 19, 10.weiſet ſolches mit Pilato/ welcher zwar Amptswegẽ Macht hatte Chriſtum
loß zu laſſen/ doch kunte er daſſelbe nicht thun/ weil es dem ewigen Rath-
Vide hod.
Calv. pag.

1056. Pfaͤl-
tziſch An-
hang p. 68.
Schluß zuwider war. Dieſe beyde Punctẽ de ſervo arbitrio uñ vom freyẽ/
ledigen/ unveraͤnderlichen Willen oder Rath-Schluß Gottes hangen alſo
an einander/ daß keiner ohn den andern koͤnne recht oder falſch ſeyn. Kom̃t
alles her aus dem abſoluto decreto, als ob vi decreti, in Krafft deſſelben
ſchrecklichen/ unwidertrreiblichen Decrets die Außerwehlten nothwendig
glauben und gutes thun muͤſſen/ der Verworffene nothwendig ſich wider-
ſetzen muͤſte/ und laut demnach der Calviniſche Glaube alſo: Jch glaube/
daß ich nicht nur aus eigner Bernunfft und Krafft zu Chriſto nicht kom-
men kan/ ſondern daß ich allerdings auch in euſſerlichen/ natuͤrlichen/
ſittlichen/ haͤußlichen/ buͤrgerlichen Sachen/ allerdings keine Willkuͤhr/
Wahl und freyen Willen hab/ ſondern was ich thue/ gutes oder boͤſes/
das thue ich alles genoͤthiget durch den vorzielenden Rath-Schluß Got-
tes. Welche eine ſolche Lehre iſt/ ſo Gottes Wort/ der geſunden Vernunfft
und Erfahrenheit ſchnur-ſtracks engegen und zuwider.


Act. 16, 14.

Hier nun Augen/ Hertzen und Ohren auff! auff! wie Lydia die
Purpur-Kraͤmerin. Gott hat uns die Augen auffgethan/ wir ſollen
nicht ſchlieſſen/ nicht blintzlen/ ſondern das noſce te ipſum die Selbſt Spur
und Selbſt-Kundſchafft wol uͤben lernen/ ignoti nulla cupido, daran
mangelts am meiſten der gott- und geiſtloſen Welt/ der Welt-Geiſt kan
Gottes Geiſt nicht empfangen/ weil niemand ſich ſelbſt kennen will/ ſo
achtet man auch der Suͤſſigkeit der Gnaden des Heiligen Geiſtes nicht/
ja man darff wol aus dieſer Lehre Gifft ſaugen/ und ſagen: Wer wolt
nicht gerne Lutheriſch ſeyn/ da bedarffs keiner guten Werck/ der Menſch
hat keinen freyen Willen. Zwar war iſt es: hypocriſis taug nicht/ Gleiß-
ners Werck Gott hoch verdammt! Vnter des aber verdammt Gott noch
hoͤher die Gottloſigkeit/ non eſt è calcariâ ad carbonariam migrandum.
Du kanſt nicht mit der Gnade mitwuͤrckẽ/ aber du kanſt derſelben boßhaff-
tig widerſtreben: Widerſtrebeſtu nicht/ ſo wird der Geiſt Gottes dich trei-
ben zu allem guten/ ſein Wort wird Krafft haben. Eben in dem ein Ladung-
Matt. 11, 28.Wort wann er ſaget: Kom̃et her zu Chriſto alle die ihr muͤheſelig
und beladen ſeyd/
wircket ſchon die bewegende Krafft. Widerſtrebeſtu
aber/
[15]Predigt.
aber/ ſo kommeſtu unter die Rott der rohen Burſt/ daruͤber der Herr
klagt: Die Menſchen wollen ſich meinen Geiſt nicht ſtraffenGen. 6, 3.
laſſen/ worauff Gottes Zorn und Straffe folgen muß.


So offt wir zu Hauß/ auff dem Felde und Fuhrwerck/ im Huͤner-Stall
die jungen Kuͤchelein an ſehen/ ſonderlich Maͤgde und Dienſt-Botten/ ſo
mit Huͤnern/ Huͤnlein und Eyern taͤglich umbgehen/ ſolten dieſe Exempel
laſſen ihre Lehrmeiſter ſeyn/ uñ dabey ihrer Nichtig- und Vnvermoͤglichkeit
ſich eriñern/ ſeuffzen und ſagẽ mit der Jungfrauen Maria aus ihrẽ Magni-Luc. 1, 47.
\& ſeqq.

ficat vnd in demſelben Demuth und Danck lernẽ: Meine Seel erhebt
den HErren mein/ mein Geiſt thut ſich erſpringen/ in dem der
ſoll mein Heiland ſeyn/ mich ſchlechte Mäyd/ auch Nichtigkeit/
allein hat angeſehen/ in mir vollbracht/ ſein Göttlich Macht/
all Gſchlecht mir Lob verjaͤhen. Sein Nam der iſt allein be-
reit/ und thut all Welt ergoͤtzen/ die ſich in ſein Barmhertzig-
keit/ mit Furcht allzeit thun ſetzen. Dann ſein Gewalt/ von an-
der ſpalt/ ſo er ſein Arm thut regen/ was Hoffart treibt/ kein
Gwalt auch bleibt/ vom Stul thut ers bewegen. Was De-
muth/ Gdult und Hunger hat/ die will er gaͤntzlich ſpeiſen/ hoch
ſetzen ſie und machen ſatt/ damit ſein Gwalt beweiſen. Die
Reichen ſchon/ laͤſt leer hingohn/ thut ſie in Trauren ſetzen/
doch was arm iſt/ dem hie gebriſt/ will er mit Freud ergoͤtzen.


Anders als jene ſtoltze Jeſabel/ die gottloſe/ abgoͤttiſche/ ſchnoͤde Koͤ-2. Reg. 9,
30. \& ſeqq.

nigin in Jſrael/ als der Held Jehu/ der goͤttlichen Juſtitiæ executor und
Scharff-Richter/ allbereit ihren Sohn den Koͤnig Joram tod geſchoſſen/
und gen [Jſrael] gezogen/ gleiche Rach an dem Hauſe Ahab zu uͤben
auff Goͤttlichen Befehl/ ſie tanquam re præclarè geſtâ, als wenn ſie es
gar wol außgerichtet/ ihr Angeſich geſchmincket/ und ihr Haupt geſchmuͤ-
cket/ und frech zum Fenſter hinaus gegucket. Wer war Jeſabel? Was
hatte ſie fuͤr Vrſach ſich zu ſchmincken? Jehu viſirt ihr das Wappen/
und faſt ihr Articul in zwey Puncten zuſammen: Deiner Mut-
ter Jeſabel Hurerey und Zauberey wird nur groͤſſer. Sie war eine geiſt-
liche Hur/ eine Goͤtzen-Dienerin/ eine abgoͤttiſche Heydin von Sidoniâ,
Koͤnig Ethbaals Tochter/ Ahabs Gemahl/ nicht nur dieſer/ ſondern
auch venefica, eine Zauberin/ gleich wie ihre Baſe Dido den Æneam
ſoll mit einem philtro verzaubert haben/ daß er ſie maͤchtig lieb
gewon-
[16]Eingangs-
gewonnen: Alſo hat ſie auch geiſtlicher weiſe das Hertz Ahabs verzaubert
mit dem philtro ihrer glatten Wort/ daß er aus unzeitiger Weiber-Lieb/
als Siemann nicht nur neue und frembde Baals-Abgoͤtterey uͤber die
Jerobeamiſche geſtifftet/ dem Baal Berg und Waͤld geweyhet/ Tempel
und Altar gebauet/ Pfaffen mit Pfruͤnden verſehen und verpflegt/ die
Propheten des Herren verfolgt/ und greuliche Moͤrderey veruͤbet.
Noch gleichwol/ da die juſtitia erſcheinet/ deren ſie ſordidata als eine ma-
leficantin
ſolte begegnet ſeyn/ ſo butzet ſie ſich heraus/ ſchmincket ſich/ und
ſihet Jehu unter die Augen/ vermeynet ihm mit ihrer ſchoͤnen Geſtalt und
außpolierten Huren-Spiegel das Hertz zu nehmen/ daß er den gefaſten
Zorn-Eifer fallen/ daß er ſie ſeines Frauen-Zimmers und ſeiner Liebe
wuͤrdigen/ ſo wuſte war ſeyn/ was jener Heyd Carneades geſagt/ pulchri-
tudinem eſſe
ἀδορηφορητον βασιλεῖον, Schoͤne der Weiber bedarff ke[i]ner
Leib-quardi, regnum ſine ſatellitio, ſie gedachte/ er wuͤrde als ein Caval-
lier nicht ſo barbariſch mit ihr handeln.


Solch Jeſabels-Spiel ſpielet die Welt noch mit Gott im Him-
mel/ der Menſch will ſich immer beſchoͤnen/ entſchuldigen/ ſelbſt fromm
Luc. 18, 11.
\&
12.
machen/ wie der Phariſeer. Die ſchnoͤde Heucheley laͤſt ſich beduͤncken/
ſie ſey from̃ und heilig genug/ wann man nicht fluche/ ſchwehre/ ſtaͤle/ laͤſteꝛe/
hure und euſſerliche gute Werck thue/ das iſt aller ignoranten Meynung.
Prov. 30, 12.Er iſt eine Art die ſich rein duͤncket/ und iſt doch von ihrem Kot
nicht gewaſchen/
ſpricht Salomon: Das iſt die eigentliche/ innerliche
Hertzens Abgoͤtterey/ der heimliche Goͤtz/ der im Hertzen ſitzet: Wiltu Chriſti
Juͤnger ſeyn/ ſo muſtu dich ſelbſt verlaͤugnẽ/ das iſt/ dich gar fuͤꝛ nichts achtẽ
und halten/ alſo/ wenn gleich du ſelbſt oder ein ander dir ein paar Ohren
anſetzet/ und ein paar Schellen anhaͤnget/ uñ ſagt: Ey du biſt gleichwol ein
feiner Menſch/ du biſt gleichwol weiſe/ klug/ verſtaͤndig/ reich/ ſchoͤn/ herrlich/
in groſſen Ehrẽ: Ach ſo huͤte dich/ daß du fuͤr dieſem Goͤtzen nicht niederfaͤl-
leſt/ und ihn anbeteſt/ ſagend/ ſihe das iſt das guͤldene Kalb/ ſondern ſprich:
Jch bin nichts. Das heiſt ſich ſelbſt verlaͤugnen/ ich bin lauter nichts/ Gott
iſts allein. Gedenck an den 39. Pſalm/ Wie gar nichts ſind alle
Menſchen/ die ſo ſicher leben/
ſie ſind wie ein Schatte. Was iſt
ein Schatte? Nichts iſt er/ Jer. 9. Ein Weiſer ruͤhme ſich nicht/ ꝛc.
Pſal. 62. Homo vanitate vanior,ſie wegen weniger denn nichts/
ſo viel ihr ſeyn.
Ein Menſch/ er ſey ſo groß als er wolle/ ſo iſt er nicht
allein nichts/ ſondern er iſt weniger denn nichts/ ſagt der Pſalm: Ja das
noch weniger iſt/ univerſa vanitas om nis homo. Pſal. 144. Wenn alle
Nichtig-
[17]Predigt.
Nichtigkeit in der gantzen Welt auff einem Hauffen lege/ ſo iſt der Menſch
unter aller Nichtigkeit das nichtigſte/ ſihe/ das heiſſet ſich ſelbſt verlaͤugnen/
thuſtu das nicht/ ſo biſtu Chriſti Juͤnger nicht: Das heiſſet abſagen allem
dem/ das er hat/ Gal. 6. Wer ſich läſſet duͤncken/ er ſey etwas/
da er doch nichts iſt/ der betreuget ſich ſelbſt.
Ach Gott/ wenn
werden wir das lernen/ wenn werden wir anfahen rechte Juͤnger Chriſti
zu ſeyn/ wenn werden wir doch lernen in unſern Hertzen nichts ſeyn/ auff
daß Gott etwas aus uns mache.


O wie weit gefehlet/ wie nichts/ wie blind ſind doch alle Men-
ſchen/ es gehoͤret ein anderer Schmuck dazu/ gloria filiæ Regis ab intus,
gratia gallinaris,
die lebendigmachende/ wiedergebaͤrende/ gerecht- und
heiligmachende/ einwohnende/ leuchtende/ ſtaͤrckende Zeug- und Troſt-
Gnad/ dadurch das Kuͤchelein lebendig und flick gemacht wird. Wie
Gott der Herr den Anblick unſerer ſuͤndlichen Natur uns fuͤr Augen
legt/ ſo muͤſſen wir (wollen wir anders geneſen) denſelben ihm hinwie-
derumb fuͤr Augen legen. Wir leſen von dem armen/ lahmen Mann/Actor. 3, 2.
\&
8.

den St. Petrus wiederumb geſund gemacht und auffgerichtet/ daß er ſich
fuͤr die ſchoͤne Thuͤr des Tempels geleget/ und ſeinen Schaden maͤnniglich
entdecket/ und fuͤr Augen geleget/ auff daß/ wer in den Tempel gehet/ und
Gottes Barmhertzigkeit zu erlangen begehret/ auch ſeiner ſich erbarme/
und ein Allmoſen mittheile: Alſo wer heil will ſeyn von ſeinem argen/
unartigen/ verdammten Fleiſch/ der muß daſſelbe Gott im Himmel
fuͤr Augen legen/ den Greuel ſeiner boͤſen Natur erkennen/ bekennen/
bereuen/ das Fleiſch nicht mit der Hundes-Zung lecken/ ſondern auß-
ſpeyen und vermaledeyen/ Gott im Himmel umb ſein Goͤttliches
Allmoſen anſprechen/ das iſt/ umb die kraͤfftige Gnad des Heiligen Gei-
ſtes: ſprechen mit der alten Kirchen: Lehre mich thun nach deinemPſ. 143, 10.
\&
11.

Wolgefallen/ dein guter Geiſt fuͤhre mich auff ebener Bahn/
HERR erquicke mich/
mit der Kirchen des neuen Teſtaments das
Veni ſancte taͤglich anſtimmen. Ach mein Gott/ ich lege dir die euſſerſte
Verderbung meiner argen Natur fuͤr Augen/ daß ich leider in Grund und
Boden zu allem guten verdorben/ all mein dichten und trachten nur boͤß iſt
von Jugend auff/ auch das gute/ das ich gedencke zu vollbringen/ iſt alles
mit der Erb-Suͤnd vergifftet. Jch bitte dich umb deinen H. Geiſt/ ohn
welchen ich nichts guts vermag/ dir auch nichts gefaͤllig iſt/ als was von
demſelben lebet und herkommet/ daß er mich wolle heiligen gantz durch
und durch/ Leib und Seel ꝛc.


Sechſter Theil. CSo
[18]Die Erſte

So wenig ein Vater ſeinem Kind/ wann es ihn umb ein Stuͤck
Luc. 11, 11.Brod anſpricht/ daſſelbe abſchlagen kan/ ſo wenig wird er auch einem
ſolchen Geiſt-begierigen verſagen die kraͤfftige/ ſelig-lebendig- und heilig-
Pſal. 34, 7.machende Gnad des Heiligen Geiſtes. Da dieſer Elende rieff/
hoͤrets der HErr/ und halff ihm aus allen ſeinen Nöthen/

ipſe pauper clamavit, dieſer Arme. David ſaget nicht/ da dieſer gerechter
und groſſer Heilige rieff/ ſondern dieſer Elende/ auff daß wir nicht we-
gen der Vnwuͤrdigkeit kleinmuͤthig werden. Es iſt aber hierbey zu lernen
die geiſtliche Armuth des Hertzens/ Matth. 5. ſpricht unſer lieber Herr:
Selig ſeynd/ die geiſtlich arm ſind/ das Himmelreich iſt ihr/
iſt aber das gantze Himmelreich ihr/ ſo iſt auch die Gnade des Heiligen
Geiſtes ihr. Auff daß wir gleichſam flick werden/ trachten nach dem/ was
droben iſt/ und den froͤlichen Flug und Zug thun moͤgen in ſeinen himm-
liſchen Freuden-Saal.


Amen/ das iſt/ es werde war/

HErr/ ſtärcke unſern Glauben immerdar.


Die erſte Predigt/


Vber den dritten Articul/
Von dem menſchlichen Elend/ ſo des Heiligen

Geiſtes Krafft beduͤrfftig.


Apoc. 3, 17.
\&
18.

GEliebte in Chriſto: Du ſprichſt: Jch bin reich/ und
habe gar ſatt/ und darff nichts/ und weiſſeſt nicht/
daß du biſt elend und jämmerlich/ arm/ blind und
bloß: Jch rathe dir/ daß du Gold von mir kauf-
feſt/ das mit Feuer durchlaͤutert iſt/ und du reich
werdeſt/ und weiſſe Kleider/ daß du dich anthuſt/ und nicht
offenbar werde die Schande deiner Blöſſe/ und ſalbe deine
Augen mit Augen-Salbe/ daß du ſehen moͤgeſt.
Sind harte
und ſcharffe Verweiß-Worte des treuen und warhafftigen Zeugen Jeſu
Chriſti an den Engel der Gemeine zu Laodicea, und durch denſelben der
gantzen
[19]Predigt.
gantzen Gemein/ in welchen er ſchilt und ſtrafft/ 1. Jactantiam,Die
Ruhmredigkeit; Du ſprichſt ꝛc.
Wiewol auch ſie ſich moͤgen
geruͤhmet haben ihrer guten Nahrung/ wolgelegenen Ort und Ein-
kommen/ ſo ſie gehabt von der koͤſtlichen Woll und Schaͤferey/ wie davon
Strabo bezeuget/ iedoch verſtehet er fuͤrnemlich die geiſtliche GnuͤgſamkeitStrabo. l.
12.

und Vberfluß/ und daher erwachſenden Eckel/ wie auch heut zu Tag man
ſich ruͤhmet des Evangelii/ der groͤſſern Menge der Predigten/ da iſt man
ſo ſatt/ wie die Jſraeliten des Manna.


2. Jactantiæ vanitatem,des Ruhms Eitelkeit; Wann mans
beym Liecht beſihet/ ſo ſeye es ein ſtinckender Pracht/ und armer Leute
Hoffart/ der in Spittal gehoͤret; Es ſeye nichts darhinder/ es ſey lauter
Heucheley/ wie groß die euſſerliche Gnade von Gott/ ſo groß ſeye die Vn-
danckbarkeit/ in der Warheit ſeyen ſie elend und jaͤmmerlich/in ſpecie
arm/ blind und bloß: arm von Glauben/ der durchs Feuer probirt/
und deſſen freygebigen Liebes-Fruͤchten: blind vom Liecht der gnugſa-
men Erkaͤntnuͤß/ als die den Weg der Seligkeit nicht recht und gnugſam
verſtehen: bloß von dem weiſſen Ehren-Kleid der Gerechtigkeit Jeſu
Chriſti.


3. Vanitatis cauſam,die Vrſach der Eitelkeit/ nemlich die Vn-
wiſſenheit;
Sie wiſſens nicht/ daß ſie ſo elend ſeyn/ oder Muthwillens
wollen ſie nicht wiſſen; mit einem Krancken/ der die Kranckheit empfindet/
ſtehet es noch wol/ wann ers aber nicht empfindet/ ſondern noch darzu
will geſund ſeyn/ ſo iſt es deſperat: Ein Student oder Seuch-Gelehrte/
der groſſe Einbildung hat/ wie gelehrt er ſey/ der kommet nimmer zur rech-
ten voͤlligen Wiſſenſchafft/ ſondern ſeine Einbildungen ſind Daͤmpffe/ die
in der Lufft verſchwinden; Alſo auch hier; Weret ihr blind/ ſaget derIoh. 9, 41.
Herr Chriſtus zu den Juden/ ſo haͤttet ihr keine Suͤnde/ nun ihr
aber ſprecht: Wir ſind ſehend/ bleibet eure Suͤnde.


4. Endlich wird ihnen gezeiget Remedium,eine Artzney wider
die Kranckheit/
aus dem treuhertzigen Rath Chriſti: Jch rathe dir/
als der treue und warhafftige Zeuge/ daß du von mir kauffeſt/

was? Gold wider die Armuth/ ſo durchs Feuer gelaͤutert/ das die
Prob haͤlt/ den wahren Glauben wider alle Jrrthumb/ der da beſtehet wider
alle Verfolgungen; die Augen-Salb wider die Blindheit/ das noſſe
te
recht zu verſtehen/ das iſt das edle Liecht des Worts Gotttes/ welches
C 2vnſere
[20]Die Erſte
unſere Augen liecht machet; und dann weiſſe Kleider/ damit deine
Suͤnden-Schand zu bedecken. Er will ſagen: Jhr habt zu Laodicea gute
weiche ſchwartze Woll/ wie Raben ſo ſchwartz/ wie Strabo bezeuget/ aber
das gibt euch nur von auſſen warm. Es iſt euch ein ander Seelen-Kleid
Eſa. 61, 10.und Zierat von noͤthen/ die Kleider des Heils und Rock der Gerechtigkeit/
Gal. 3, 27.und das alles/ ſagt er/ kauffet von mir. Wie kauffen? Kan man dann
Eſa. 55. 1.die Gaben des Heiligen Geiſtes mit Gelde kauffen? Ach nicht umb Geld;
nicht durch unſer Verdienſt/ prompta munifica ac prolixa natura eſt
Greg. Na-
zianz o-
rat. in S.
Baptiſm.
Deus, jucundius dat, quàm alii accipiunt, ſitit ſitiri, ſagt Gregorius Na-
zianzenus;
Gott iſt eine freywillige/ freygebige und weitlangende Na-
tur/ Er gibt viel lieber als andere nehmen/ es duͤrſtet ihn gleichſam nach
unſerm Durſt/ Er will/ daß wir nach ihm Verlangen haben ſollen: ſon-
dern das Geld iſt das Rantzion-Blut Chriſti; wir kauffen nicht aus un-
Ambroſ. l.
de Ioſeph.
c.
7.
ſerm/ ſondern Chriſti Seckel/ wie es Ambroſius erklaͤret/ ſintemal der
jenige kein Geld von uns begehret/ der ſelbſt fuͤr uns ſein eigen Blut zur
Rantzion und Loͤſe-Geld gezahlet; das muͤſſen wir erlangen precatu, durch
bitten und flehen/ cùm à Deo beneficium petitur, beneficio ſe affici pu-
tat,
ſagt abermal Gregor. Nazianz. Wenn wir Gott umb eine Wol-
that bitten/ ſo nimmet er es fuͤr eine Wolthat an; Gott befiehlet uns das
jenige/ ſo wir nicht koͤnnen/ auff daß wir erkennen und wiſſen moͤgen/ was
Auguſt. de
grat: \&
l. arb. c.
16.
wir von ihm bitten ſollen/ ſchreibt Auguſtinus.


Zu welchem Ende wir uns auch bey Zeiten als die klugen
Jungfrauen einſtellen/ in der geiſtlichen tabernâ und Gaden zu kauffen/
was uns noͤthig/ Gold/ Augen-Salb und Kleider/ und daſſelbe von dem
Geiſt aller Gnaden: Wir wollen ſitzen zu Jeruſalem/ biß wir angezogen
Luc. 24,
49.
werden von der Krafft aus der Hoͤhe/ mit de Gold des Glaubens ꝛc. Geben
uns an als arme Bettler mit unſer armen Bettlers-Hand das Goͤttliche
Allmoſen zu empfahen/ und demnach zuvorderſt das γνῶϑισεαυτὸν practi-
cum,
die rechte geiſtliche Augenſalbe/ daß wir unſer Elend und Duͤrfftigkeit
recht moͤgen erkennen; Alle Gaben werden hoch gehalten/ wann man der-
Prov. 27, 7.
Luc. 15, 16.
\&
17.
ſelben Mangel hat. Eine volle Seele vertritt auch Honig:
Alsdann erkennet der verlohrne Sohn/ was er in ſeines Vaters Hauſe
gehabt/ da er der Schweine gehuͤtet: Alſo wird die Gabe des Heiligen
Geiſtes nicht erkennet/ ohne wenn die Noth da iſt/ und man derſelben
Mangel hat/ und haben wird in Ewigkeit/ wann die Verdammten heu-
len werden uͤber den Verluſt des Himmel-Brods und der Troſt-Quellen
des Heiligen Geiſtes. Der Heilige Geiſt wolle ims allen beywoh-
nen/
[21]Predigt.
nen/ daß wir vor dieſes mal unſere Duͤrfftigkeit und Mangel recht
lernen erkennen/ ſeine edle Gabe und Geſchenck hoch halten/
und deſſelben faͤhig werden moͤgen/
Amen.


WAs iſt dañ ein Menſch/ ihm gelaſſen von Natur ohne
den H. Geiſt? und warum̃ hat er ſolcher theuren Gab
des H. Geiſtes und ſeiner Gnaden-Schaͤtz ſo hoch
von noͤthen?
Wir duͤrffen nicht weit gehen/ unſer dritter Articul
gibts uns von Stuͤck zu Stuͤck an die Hand/ dann in dem wir bekennen
1. Spiritum vivificantem,den lebendigmachenden Geiſt/ ſo ver-
rathen wir uns ſelbſt/ was der Menſch aus und von ſich ſelbſt ſeye: Ein
Gott-Geiſt- und Lebloſer Menſch/
ohne Gott/ ohne Geiſt/ ohne
Leben/ das aus Gott iſt: lebendig zwar und kraͤfftig gnug und allzuviel inEph. 2, 12.
der Boßheit; auff die Art und Weiſe/ wie auch ein toder cadaver einen Ge-
ſtanck von ſich gibt/ Wuͤrme gebaͤret/ und ſcheutzlich da liegt: halb lebend
in der Natur/ was die uͤbergebliebene Paradiß-Kraͤffte belanget/ nemlich
lumen veri \& ſemen boni, das Liechtlein der Erkaͤntnuͤß/ und ein Saͤm-
lein des Guten/ dannenhero auch eine ſchwache/ verwundete Freiheit inNum. 30,
14.

ſphærâ morali, civili, œconomicâ, in euſſerlichen/ buͤrgerlichẽ Vernunffts-2. Sam. 24,
12.

Sachen; Aber alles imperfect und unvollkommen/ wie dort jener halb-
tode Menſch/ Luc. 10. Es mangelt das vollkom̃ene Liecht/ der heilige Will/1. Reg. 3, 3.
die ſchoͤne Harmoni der affecten und Vernunfft/ in ſphærâ pœdagogicâ,1. Cor. 9, 1.
in der Ordnung zur Kirchen zu gehen/ vermoͤg welcher Menſch GottesActor. 5, 4.
Wort entweder ſuchet/ oder einen Eckel dafuͤr hat/ das geſuchte und gefun-Luc. 10, 30.
dene Wort mit Luſt anhoͤret/ den Goͤttlichen Bewegungen widerſtrebetAmos 8, 11.
\&
12.

oder nicht; gleich wie ein Fenſter nicht hindert das Liecht/ ſo durch daſſelbeAct. 17, 11.
ins Gemach hinein fallen will/ und doch nicht des Liechtes oder Tages1 Reg. 10, 1.
Vrſach iſt.

Marc. 6,
20.

Aber was anlanget das Leben/ das aus Gott iſt/ das innere undAct. 13, 7.
c.
24, 24.

innigliche hoͤren und gehorchen/ die Kraͤffte der Bekehrung/ die ſind nichtAct. 7, 51.
nativ ſondern dativ, nicht unſer eigen/ in oder von unſer Natur/ ſondernMatt. 23, 37.
frembde vom Himmel herab geſtifftet/ in ſolchem Stand iſt der MenſchEph. 2, 1. 5.
gleichſam lebendig tod/ ſintemal der Menſch iſt der Gerechtigkeit geſtorben;Col. 2, 13.
Jns gemein iſt der Menſch entfrembdet und verluſtigt des Gnaden-Le-Luc. 15, 24.
bens/ des rechten Paradiß-Lebens/ des rechtſchaffenen vollkommenen hei-Rom. 3, 20.
1. Cor. 2, 14
ligen Lebens; In ſpecie und inſonderheit Liecht-loß/ er tappet wie ein Blin-2. Cor. 3, 15
der in geiſtlichen Sachen/ Verſtand-loß/ Glaubens-Articul ſind ihmLuc. 18, 34.
1. Cor. 12, 3.
C 3Boͤhmi-
[22]Die Erſte
Iob. 31, 7-Boͤhmiſche Doͤrffer/ Glaub- und Gebet-loß/ Luſt-loß/ ſintemal was einer
Luc. 13, 11.nicht weiß/ das begehret er nicht/ das Hertz trauet den Augen/ der Will
Rom. 8, 7.und alle affecten ſind auff das Jrrdiſche geneiget/ Krafft-loß. Das
Matt. 7, 18.boͤſe ohnmaͤchtige Fleiſch/ vermag nicht dem Geſetz unterthan
Ioh. 15, 5.zu ſeyn/ ein fauler Baum kan nicht gute Frůchte bringen/
Ohne mich/
ſagt Chriſtus/ koͤnnet ihr nichts thun; verſtehe άδυνα-
μὶαν, non paſſivam, nicht eine leidende Vnmoͤgligkeit/ als wañ der Menſch
ein Klotz were oder der Sathan ſelbſt/ der nicht koͤnte der Goͤttlichen Bewe-
gungen faͤhig werden/ paſſivè \& obedientialiter, durch Nicht-Widerſtre-
bung/ ſondern potentiam activam, aus eignen Kraͤfften/ welche bey dieſem
Wercke nichts uͤberall vermoͤgen; derowegen iſt von noͤthen der Lebendig-
machung Gottes des Heiligen Geiſtes.


Hier moͤchte iemand auff dieſe Gedancken gerathen/ und fragen/
warumb Gott gebiete Glauben/ Bekehrung/ Heiligkeit ꝛc. als unmoͤgliche
Dinge? Esſcheinet als ſey es ein unbillichs Begehren/ gleich des Koͤnigs
Nebucadnezars an ſeine Weiſen. Antwort/ officium nomen exigit
Dan. 2, 5.non potentiam, das Ampt erfordert die Schuld/ nicht die Moͤglichkeit/
Luc. 7, 14.iſt eben ſo wenig unrecht/ als unrecht/ wann der Herr ſagt zum toden
Gen. 1, 3.Juͤngling: Jch ſage dir/ ſtehe auff! alſo auch/ Gen. 1. Es werde
Matth. 8, 3.liecht/ und Matth. 8/ 3. Καϑαρίϑητι, ſey gereiniget/ werde rein!
Dann in dergleichen Worten befiehlet Er 1. pædagogiam externam \&
ordinem divinum,
ſeine Goͤttliche Ordnung und dero Folg/ daß man die
groben euſſerlichen Laſter meide/ und alſo obices und Riegel der Goͤtt-
lichen Gnade hinderlich hinweg thue. 2. Paſſivam non reſiſtentiam,
die Vnwiderſtrebligkeit/ daß man die Goͤttliche Bewegungen ſoll laſſen
Act. 2, 40.Krafft gewinnen/ und das Hertz einnehmen ohne Widerſtehung; dan-
2. Reg. 2,
11.
nenhero ſchreyet der Apoſtel in paſſivo σώϑητε, Laſſet euch helffen;
gleich wie der Prophet Elias fuͤr ſich aus ſeinem Vermoͤgen und Natur
nicht were gen Himmel gefahren/ aber da Gott ihm den Himmel-Wa-
gen ſendet/ da haͤtte zuvor Elias widerſtehen/ oder nicht widerſtehen koͤn-
nen/ haͤtte er ſich ſperren und ſchwer machen wollen/ ſo were er wol hierun-
ten bliebẽ. Alſo iſts auch beſchaffen mit dẽ Menſchẽ und ſeiner Bekehrung.


II. Jn dem wir bekennen Eccleſiam,eine Gemein der Hei-
ligen/ eine Chriſtliche Kirche/
das iſt ein Außſchutz aus den Men-
ſchen/ und ſehnen uns in dieſe Gemeine zur Gemeinſchafft der Heiligen/
eben in dieſem Stuͤck verrathen wir uns abermals/ daß der Menſch ihm
ſelbſt
[23]Predigt.
ſelbſt gelaſſen/ ſey außgetrieben aus dem Schutz/ Garten und Hofſtatt
Gottes/ ein Bandit/ entfrembdt von dem Leben/ das aus Gott iſt/Eph. 2, 12.
auſſer der Burgerſchafft Jſrael/ und alſo Land und Heimat-loß/
derowegen boͤchſt noͤthig und beduͤrfftig der Beruffung zu ſolcher Gemein/
zur Chriſtlichen Kirchen.


III. Jn dem wir bekennen Vergebung der Suͤnden: ſo gibt
ſich der Menſch ſelbſt an/ als einen Feind Gottes und rebellen/ der wider
ſeinen Schoͤpffer gekrieget/ und durch die ἀμνηςίαν, durch Vergeßligkeit
aller Suͤnden wiederumb muß außgeſoͤhnet werden. Dann ja der MenſchCol. 1, 21.
c.
2, 13.

von Natur iſt am gantzen Leib/ an allen Gliedern angethan mit feindſe-Rom. 6, 13.
cap.
8, 7.

ligen Waffen wider Gott und ſein Gebott/ mit Waffen der Vngerech-
tigkeit/ dann fleiſchlich geſinnet ſeyn/ oder eigentlich die KlugheitRom. 7, 15.
16. 19.

des Fleiſches iſt eine Feindſchafft wider Gott/ der Will iſt dem goͤtt-
lichen Siñ und Willen zuwider/ die affecten alle ſeynd feindſelig/ welche der
Menſch feindſeliger weiſe richtet wider den Naͤchſten/ als der das Eben-
bild Gottes iſt; gleich wann man einem Panterthier auff dem theatro in
einem Thier-Spiel/ eine Puppe nach Menſchen-Geſtalt gemacht/
vor Augen ſtellet/ ſo kan es nicht grimmig gnug wider daſſelbe wuͤten/ es
ſtoſſet alle ſeinen gifftigen Zorn wider daſſelbe aus/ zerreiſſet/ zerfetzet und
zerlumpet daſſelbe auff das allerſcheutzlichſte/ daraus abzunchmen/
welchen grimmigen Zorn daſſelbe Thier wider einen lebendigen Menſchen
ſelbſt habe und trage; alſo wann der Menſch wider ſeinen Naͤch-
ſten erzuͤrnet/ mit vergaͤlten affecten denſelben angreifft/ und auffs grim-
migſte tractiret/ ſchlaͤgt/ tritt/ ermordet/ ſo iſt daraus unſchwer abzuneh-
men/ welchen Grimm/ Groll und Feindſchafft er im Buſen trage widerIud. 16, 21.
Gott den Herrn ſelbſt/ zu des Ebenbild der Naͤchſte gebildet worden.Luc. 4, 18.
Nicht allein aber das/ ſondern es gibt ſich auch der Menſch an als einenRom. 6, 20
gefangenen/ leibeigenen Knecht/ der dem Teufel malen muß/ wie Simſon2. Pet. 2, 19.
den Philiſtern/ dann in dem er bittet umb Ablaß und Erlaſſung von ſei-Matt. 7, 18.
c.
12, 35.

nen Suͤnden-Banden/ zeiget er an/ daß er gebunden ſey/ ein Knecht der
Suͤnden aus unmeidenlicher/ natuͤrlicher Nothwendigkeit. Sintemal1. Reg. 21,
20.

Paulus/ der nach ſeiner Bekehrung ein untadelhafftes Leben gefuͤhret/Rom. 7, 14.
23.

doch ſchreibet/ daß er verkaufft ſey unter die Suͤnde; nicht als der
ſich ſelbſt activè verkaufft wie Ahab/ [...] ſondern in die HafftBernhard,
hom. 81. in
Cant.

durch die Natur genoͤthiget worden/ auch aus muthwilliger Nothwen-
digkeit/ wie ſie Bernhard nennet/ derowegen von noͤthen iſt die Gerecht-Eph. 2, 12.
fertigung.

1. Theſſ. 4,
13.

Leben;
[24]Die Erſte

IV. Jn dem wir bekennen die Aufferſtehung zum ewigen
Leben;
ſo bekennen wir/ daß wir von Natur ſeyen ſine ſolatio, Troſt-
loß/ Hoffnung-loß/ wie die Heyden/ und folgends ſchuldig und wuͤrdig
der ewigen Verdamnuß; Derowegen von noͤthen der Aufferſtehung.


Solches was bißhero beſchrieben mit bewaͤhrten Zeugnuͤſſen zu be-
Ioh. 3, 20.kraͤfftigen/ tritt uns unter Augen I. Scriptura,die Heilige Schrifft/
ſtellet uns die arme blinde Heyden vor Augen/ unſer Art in denſelben zu
beſpiegelen. Jhre Werck waren nicht aus Gott gethan/ zieleten nicht
nach Gottes Ehre/ kamen aus einer gifftigen Quell/ derſelben Elend und
Jammer legt S. Paulus vor in den Exempeln der Roͤmer/ von deren Tu-
genden zwar gantze Buͤcher außgefertiget/ nicht allein von Valerio M. dem
es aber als einem Heyden beſſer zuverziehen/ ſondern auch von dem hey-
dentzenden politico. J. Lipſio in ſeinen admirandis, aber es waren nur ſi-
vide Chri-
ſteid. art. 1.
p. 48. \&
ſeqq.
mulacra virtutis, bloſſer Schein der Tugend/ wie Moͤß ſcheinet als wer es
Gold. St. Paulus Rom. 1. gibt ihrer ſelbſt eingebildeten Weißheit den
rechten eigentlichen Namen/ nennet ſie moriam, eine Narrheit/ ἐμωράνϑη-
σαν, ſie ſind zu Narren worden; ja freylich/ daß ſie nicht nur die unver-
nuͤnfftige kriechende Thiere vergoͤttert/ ſondern gar die crepitus, des
Menſchen unterwind in den Goͤtter-Himmel ſo viel an ihnen/ erhoben.


II. Hiſtoria de Veteribus Germanis,Die Hiſtori von den
alten Teutſchen/
da war grauſame Barbarey/ gottloſes Leben/ Abgoͤt-
terey/ wilde Frechheit/ ſpielen/ ſauffen und alle Vppigkeit gar gemein/ Tag
und Nacht mit ſauffen zubringen war keine Schande/ ſie dieneten dem
Teufel/ Jrmen-Seul/ Kroͤten-Teufel und andern Greueln.


III. Experientia,Die warhafftige Erfahrung ſelbſt der
Wilden in
Americâ, wer dahin gereiſet/ der hat warnehmen koͤnnen
barbariſche unverſchaͤmte Bloͤſſe des Leibes/ Vnerfahrenheit in Kuͤnſten/
ſie dieneten dem Teufel durch Opfferung der Menſchen/ ihrem Goͤtzen dem
Chiappen zu Ehrẽ geſchlachtet/ es war eine purlauter Sathaniſche Dienſt-
barkeit/ davon bey Lerio zu leſen. Jſt alſo der Menſch ihm gelaſſen ein geiſt-
und lebenloſer Menſch/ ein ehr-liecht- und krafftloſer Menſch/ ein gottloſer/
gefangener/ troſt-uñ him̃el-loſer Menſch von Natur; Alſo ſind wir geweſen/
alſo waͤren wir/ alſo koͤnten wir ſeyn ohne den Heiligen Geiſt; und iſt bey
weitem noch nicht genug die miſeria, das Elend und Jammer des
menſchlichen Geſchlechts entworffen/ der Greuel iſt unaußſprechlich; Es
muß ja groſſe Vrſach ſeyn geweſt/ warumb uns nicht anders hat koͤnnen
geholffen werden/ als durch das Gnaden-Geſchenck des eingebornen
Sohns/
[25]Predigt.
Sohns/ und Sendung des Heiligen Geiſtes; hat alſo der Menſch des
Heiligen Geiſtes hoͤchſt von noͤthen.


Alſo verſtehen wir nun in θέσει, wie wahr/ was wir in der
Außlegung uͤber den dritten Articul bekennen: Jch glaub/ daß
ich nicht aus eigner Vernunfft noch Krafft an Jeſum Chri-
ſtum meinen HErren glauben oder zu ihm kommen kan ꝛc.

wie wahr/ was in der AugſpurgiſchenConfeſſion im andern Articul
ſtehet: Es wird bey uns gelehret/ daß nach Adams Fall alle
Menſchen/ ſo natuͤrlich geboren werden/ in Suͤnden empfan-
gen und geboren werden/ das iſt/ daß ſie alle von Mutterleibe
an voller boͤſer Lüſte und Neigungen ſeynd/ und keine wahre
Gottesfurcht/ keinen wahren Glauben an Gott/ von Natur
haben koͤnnen/ daß auch dieſelbige Seuche und Erb-Suͤnde
warhafftiglich Suͤnde ſey/ und verdamme alle die unter ewi-
gen Gottes-Zorn/ ſo nicht durch die Tauffe und Heiligen
Geiſt wiederumb neu geboren werden.


So wahr es aber iſt/ ſo wenig wills der Menſch verſtehen/ der
Menſch iſt von Natur ein Heuchler und Phariſeer/ in ſeinem eigenen
Elend blind. Es iſt leider der Menſch gleich jenem wahnſinnigen beym
Athenæo, der ſich an den See-Port geſtellet/ und geſagt: Alle Schiffe
ſind mein; reich im Sinn/ er habe ſatt von Natur/ dencket nicht einmal
uͤber ſich? Oder wie jene Harpaſte, des Senecæ Magt/ welche alſobald inSeneca ep.
50.

einẽ Augenblick nicht mehr geſehẽ/ und gemeynt nicht ſie/ ſondern das Hauß
ſey finſter. Was wir an derſelbẽ belachen/ das klebet uns allen an; niemand
meynet/ daß er der Geitzhalß ſey/ davon man predigt/ niemand meynet/ daß
er in der Predigt getroffen werde/ daß es ihn angehe/ ſihet ſeinen Naͤchſten
drum̃ an/ und gehet ihn doch am meiſten an; Es gehet dem Menſchen/ wie
des Ulyſſis Geſellen; der Menſch ſtecket im Schlam biß uͤber die Ohren/
und iſt ihm noch wol dabey/ er wuͤntſchet nicht einmal die Gabe des Heili-
gen Geiſtes; Vnd das geſchicht auch wol bey den Wiedergebornen/ daß ſie
ihr Elend nicht allerdings erkeñen und verſtehen; Sprichſtu: Jch bin wie-
dergeborẽ/ heilig gemacht/ gerecht ꝛc. ſo hab ich uͤber ſolche Duͤrfftigkeit nicht
zu klagen. Aber/ O der groſſen Vnvollkommenheit/ daruͤber St. Paulus
klagt Rom. 7. Die Funcken/ bleiben ſtets in der Aſchen liegen/ die reitzen-
de Luſt ſtecket noch in dir/ die neue Kraͤffte ſeynd zwar da/ aber gar
ſchwach/ lam; und wann wir die Warheit bekennen muͤſſen/ ſo iſt die
Sechſter Theil. DFroͤm-
[26]Die Erſte
Froͤmmigkeit bey den meiſten Phariſaiſmus, Ethniciſmus, Phariſeiſche
Schein-Heiligkeit/ eine heydniſche Erbarkeit/ iſt aber noch nicht die rechte
aus dem Heiligen Geiſt herflieſſende Kern- und Grund-Froͤmmigkeit/
gleich einem Bilde eines toden Menſchen. Was fuͤr ein Vnterſcheid iſt
unter einem Affen oder Bilde eines Menſchen und unter dem warhaffti-
gen weſentlichen Menſchen ſelbſt/ ein ſolcher Vnterſcheid iſt auch zwiſchen
einem euſſerlich-frommen/ und innerlichen/ geiſtlichen/ hertz-frommen
Menſchen/ welchen Vnterſcheid Gott weiß/ der nicht den euſſerlichen
Schein/ ſondern den Abgrund des Hertzens anſihet und richtet.


Derowegen laſſet uns in ὑποϑεσει, ein iedweder inſonderheit vor
die Hand nehmen das γνῶϑι σεαυτὸν, daß ein iedweder ſich ſelbſt lehre
recht erkennen/ durch alle prædicamenta: daß er ſey in ſubſtantiâ, ſeinem
Weſen nach ein Erden-Kloß/ in quantitate, ſeiner Wichtigkeit nach/
quantulus, O wie klein! ja gar nichts gegen Gott/ den er doch taͤglich
erzuͤrnet: qualitate, ſeiner Natur nach in geiſtlichen Sachen blind/ ohn-
maͤchtig/ tod; relatione, ſeiner Art und Geſchlecht nach ein Kind des Zorns;
actione, ſeinem thun nach ein ſtaͤter Suͤnder/ auch das gute/ das er thut/
ſeye mit Erb-Suͤnde befleckt; paſſione, in ſeinem Hertz und Gemuͤth den
paſſionen und boͤſen affecten ergeben/ die in ſeinem Hertzen den Thum-
mel-Platz haben; ubi, ſeiner leiblichen Vmbſchreibung nach ſey er da in
der Welt/ und ſtehe ſitu, dem Ort nach zwiſchen Him̃el und Hoͤlle/ wie Da-
mocles, quando,
der Zeit nach lebe er einen Augenblick gegen die Ewig-
keit gerechnet; habitu? ſeinem habit nach/ mit der Suͤnden als einem
Kuͤriß umbgeben/ ἐυπερίςατοσ ἁμαρτία, Summa ein Greuel fuͤr Gott.


Derohalben σώϑητε, laſſet uns ſitzen fuͤr die ſchoͤne Thuͤr des Tempels/
Actor. 3, 2.und ſprechen: Agnoſco, ich erkenne mein Elend; Ach Gott/ wem
ſoll ichs klagen/ daß ich ſo elend bin? Mein Hertz will mir
verzagen/ mein Suͤnd liegt mir im Sinn/ in Suͤnd bin ich
empfangen/ in Suͤnd bin ich geboren/ viel Suͤnd hab ich
begangen/ freudig kan ich nicht werden/ den Himmel anzu-
ſehen/ ſo ſchäm ich mich auff Erden ꝛc.
doleo, ich klage und ſeuffze
Rom. 7,
24.
mit St. Paulo: Ach ich elender Menſch/ wer wird mich erloͤſen
von dem Leibe dieſes Todes.
Confiteor \& contradico, ich bekenne
und widerſpreche allen Synergiſten. Sitio, mich duͤrftet nach dem Troſt-
Waſſer des Heiligen Geiſtes/ mich verlanget nach dem huͤlff-reichen
Finger Gottes/ nach dem Oel der Freuden/ nach dem himmliſchen Gnad-
Krafft-
[27]Predigt.
Krafft- und Troſt-Wind/ nach dem Liebs-Feuer/ nach dem Freuden-
Liecht/ Gott dem werthen Heiligen Geiſt/ Er durchwehe meinenCant. 4, 16.
Garten/ daß ſeine Wuͤrtze trieffen. Komm Heiliger Geiſt/
HErre Gott! Komm heiliges Liecht/ edler Hort! Komm
heilige Brunſt/ ſuͤſſer Troſt!
Amen! erfuͤll/ laß leuchten/ waͤrme/ daßMatth. 5, 3.
\&
6.

wir von dir getrieben durch Chriſtum zu Gott im Himmel kom̃en! Selig
ſeynd die da geiſtlich arm ſeynd/ dann das Himmelreich iſt ihr!
Selig ſeynd die da hungert und duͤrſtet nach der Gerechtig-
keit/ dann ſie ſollen ſatt werden!
Gott der Heilige Geiſt erwecke
ſolchen Hunger und Durſt in unſern Hertzen/ auff daß wir ſatt werden/
hier im Gnaden-Reich/ dort im Freuden-Reich Gottes/ durch Jeſum
Chriſtum/ Amen.



Die ander Predigt/


Vber den dritten Articul/
Von der Gottheit des Hei-

ligen Geiſtes.


GEliebte in Chriſto: Vnter andern ſchoͤnen und anmu-
thigen Gleichnuͤſſen/ in welchen Gott der Heilige Geiſt
ſich ſelbſt/ ſeine Majeſtaͤt und Gutthaten gleichſam con-
trafeyet und abmalet/ iſt auch die arrha, wann er ſich durch
St. Paulum ſeinen außerwehlten Ruͤſtzeug nennen laͤſſet/
ἀῤῥαβῶνα, das Pfand ἀῤῥαβῶνα τῆς κληρονομίας, das2. Cor. 3,
22.
c.
5, 5.

Pfand unſers Erbes/ das iſt/ eine Hafft-Gabe/ eine Angabe. Gott
hat uns das Pfand den Geiſt gegeben in unſer Hertz/ eine Gabe ſimpliEph. 1, 14.
citer, und ohne Beding/ und deßwegen von dem pignore oder Vnter-
pfand unterſchieden. Ein Vnterpfand wird fuͤr eine geliehene Summa
Geldes dargegeben mit dem Beding/ wann dieſes erſtattet und gelieffert
wird/ ſoll auch das Pfand wieder gegeben werden/ (wie Hieronymus
ſchreibet) da im Gegentheil die arrha die Hafft-Gabe deme/ der ſieHieron. in
Eph. 1. pag.

208.

empfangen/ eigenthuͤmlich bleibet/ iſt aber ſo zu reden/ wie eine Stuͤck
D 2Gabe/
[28]Die Ander
Gabe/ eine Angabe/ dadurch der Geber den jenigen/ der es empfaͤnget/ ver-
ſichert/ es werde die gantze Summa drauff folgen: (Dann wer in einem
contract einem etwas auff die Hand gibt/ der muß den contract feſt
halten/) Alſo iſt der Heilige Geiſt auch freylich eine freye/ fuͤrtreffliche und
reiche himmliſche Gabe des Vaters und des Sohns/ von denen er auch
Act. 2, 38.außgehet/ δωρεὰ τοῦ ἀγίου πνεύματοσ, wie St. Petrus redet: Jhr wer-
det die Gabe des Heiligen Geiſtes empfahen;
O ein theure
Gabe! iſt die Angabe ſo koͤſtlich/ was wird dann das Erb-Gut ſelbſt ſeyn?
Es muß ein theurer Schatz ſeyn/ da man hundert oder mehr Thaler
auff die Hand gibt. Aber donum arrhativum \& obſignativum,eine
ſolche Zeug- und Angabe/
Hafft-Gabe/ dadurch wir ſollen verſichert
Tettull. l.
de reſurr.
c.
51.
werden der vollkommenen Summ/ davon Tertullianus ſehr ſchoͤn redet:
Chriſtus ſequeſter Dei \& hominum appellatur, ex utriusque partis de-
poſito commiſſo, ſibi carnis quaſi depoſitum ſervat, in ſemetipſo arrha-
bonem ſummæ totius. Quemadmodum nobis arthabonem Spiritus
relinquit, ita \& à nobis arthabonem carnis accepit, \& vexit in cœlum,
pignus totius ſummæ illuc quandoque redigendæ;
Chriſtus wird der
Mittler zwiſchen Gott und Menſchen genennet/ wegen der Beylage/
ſo aus beyden Naturen zuſammen fleuſt von Geiſt und Fleiſch/ mit des
Geiſtes Erſtlingen verehret Er uns Menſchen als einer Angabe/ in Hoff-
nung die voͤllige Ernde werde darauff in jenem Leben unfehlbar folgen:
Er behaͤlt fuͤr ſich unſer das menſchliche Fleiſch/ ſo uns mit Freundſchafft
zugethan/ und von Jhm in Himmel erhoben worden.


II. In ſpecie und inſonderheit arrha amicitiæ, nuptialis, fœde-
ralis, adoptiva,
Eine Freunds-Gabe/ eine Hochzeit-Gabe oder
Mahl-Schatz/
eine Buͤndnuͤß-Gabe/ eine Liebs-Gabe; Eine Ver-
Gen. 24,
48.
ſieglungs-Gabe der Kindſchafft. Alſo hat Eleazar/ da er geſehen/
daß Gott Gnade gegeben zu ſeiner Braut-Werbung/ welche er wegen
ſeines jungen Herren Jſaacs abgelegt/ und ihn ſeines Wuntſches gewaͤh-
ret/ die Rebecca verehret mit einer guͤldenen Ohren-Spang/ Arm-Ring
oder Arm-Band/ das war eine Angabe der jenigen Guͤter/ die ſie hernach
beſitzen und erben ſolte. Da Alexander Magnus in den letzten Zuͤgen lag/
uͤberreichet er Perdiccæ einem ſeiner getreuen Kriegs-Oberſten/ den er
zu einem Reichs-Erben erkohren/ ſeinen Ring/ zur gewiſſen Anzeige/ daß
er nach ihm an das Regiment gelangen ſolte: dann er ihm ſein Koͤ-
vid. Curt.
l. 10. p.
434.
nigliches Erbe von Hertzen goͤnne; Alſo der Heilige Geiſt iſt das Pfand
oder Gabe/ dadurch uns Gott die himmliſche Kindſchafft verſiegelt/
er iſt
[29]Predigt.
er iſt der rechte Mahl-Schatz oder Braut-Gabe der geiſtlichen Ehe-
Buͤndnuͤß und Liebe zwiſchen uns und unſerm Seelen-Braͤutigam Chri-
ſto Jeſu; Er iſt die Verſicherungs-Gabe der Beſitzung des Himmel-
reichs.


III. Artha precioſiſſima,Eine ſehr köſtliche Gabe. Ein
Braͤutigam greiffet ſich an/ was ihm ſonderlich lieb iſt/ was er hoch æſti-
mirt,
lang aufgehebt/ das ſchencket er; koͤſtlich warẽ die guͤldene Geſchmeide/
die Eleazar gegeben/ die guͤldenen Spangen; noch koͤſtlicher der Purpur undGen. 24,
22. \&
48.

die guͤldene Kron/ wie auch der guͤldene Guͤrtel/ wie man allein des Koͤnigs
Freunden gibt/ eines halben Seckels ſchwer/ damit der Koͤnig Alexander
Koͤnig in Syrien/ Antiochi des Edlen Sohn/ den Juͤdiſchen Fuͤrſten Jo-
nathan den Maccabeer verehret/ und ihm ihn alſo ſubarrhirt und ver-1. Macc. 10,
20, 89.

hafft gemacht; Aber unerſchaͤtzlich koͤſtlicher iſt der theure werthe Schatz/
die Gabe uͤber alle Gaben/ der Brunn aller koͤſtlichen Geſchenck und
Gaben/ der Heilige Geiſt; Jſt der jenige Pfand-Schatz/ der uns im
dritten Articul zu erkennen/ bekennen/ glauben/ anzunehmen commendirt
und fuͤrgehalten wird/ dieweil er iſt eine Goͤttliche Gabe/ Gott und das
hoͤchſte Gut ſelbſt/ was iſt koͤſtlicher als Gott?


Wir haben heut acht Tage gehoͤret unſern euſſerſten Jammer/
Noth/ Armuth und Elend/ darinnen wir durch die Suͤnd verſencket/
ſtecken/ daß der Menſch ſeye an und vor ſich cadaver fœtidum ſine
ſpiritu,
ein todes Aaß ohne Geiſt und Leben/ exul und Bandit/ maleficant,
Troſt-loß/ gleich den wilden Leuten/ den alten Teutſchen barbariſchen
Voͤlckern/ und iſt der Jammer nicht außzuſchreiben/ umb deſſen willen
das hoͤchſte Gut vom Himmel herab geſendet/ alles darumb/ damit ein
heiß-begieriger Durſt und ſehnliches Verlangen nach dem Waſſer des
Lebens/ nach dem Freuden-Oel/ nach dem Gnaden-Winde/ nach dem
Gnaden-Feuer/ nach dem Liecht der wahren Erkaͤntnuͤß in uns angezuͤn-
det werden moͤge/ das iſt die einig noͤthige Gabe/ noͤthiger als das taͤgliche
Brod/ als die Sonn am Himmel deren beyde wir zum natuͤrlichen Le-
ben nicht entrathen moͤgen/ viel weniger koͤnnen wir der edelſten Gabe des
Heiligen Geiſtes zum geiſtlichen/ himmliſchen und rechtſchaffenen
Leben ſo aus Gott iſt/ mangeln. Zu allervorderſt muͤſſen wir die Gött-
liche
ſubſtantz und Weſen dieſer Gabe erkeñen und verſtehen lernen/
daß er ſeye eine Perſon des Goͤttlichen Weſens/ und alſo das hoͤchſte Gut/
nemlich ein gleicher ewiger GOTT mit Vater und Sohn.
Gott der Vater des Liechts ſchencke uns die Gabe ſeines Heiligen Geiſtes/
D 3daß
[30]Die Ander
daß wir ſeine Gottheit/ Majeſtaͤt/ Hoheit und Wuͤrde recht erkennen/ auff
daß er geehret und wir durch ihn zum Himmelreich erleuchtet/ bekehret und
gefuͤhret werden/ umb Chriſti Jeſu willen/ Amen.


DAß nun der werthe Heilige Geiſt keine erſchaffene und ge-
machte Creatur/ ſondern der wahre/ lebendige Gott ſeye/
mit Vater und dem Sohn
ὁμοούσιος und gleiches We-
ſens/
das zeiget unſer Niceno-Conſtantinopolitanum Symbolum
klar an; I. Nomine,mit dem Göttlichen Namen HERR;
Jch glaub in den HERREN den Heiligen Geiſt;
den
HERREN mit den groſſen Buchſtaben/ in welcher fractur Lutherus
das nomen Jehova in ſeiner Teutſchen Bibel allezeit geſchrieben und
Hebr. 1, 7.drucken laſſen zum Vnterſcheid anderer Herren/ deren viel ſeynd. Jſt
Luc. 23, 46.alſo dieſer Geiſt kein erſchaffener Geiſt/ kein Engel/ keine Seel/ kein Wind/
Ioh. 3, 8.kein bloſſer halitus, Athem oder Krafft der Seelen; viel weniger eine bloſſe
Eſa. 2, 22.Bewegung oder affect, ſondern ein ſolcher Geiſt/ der da heiſſet Jehova, wel-
Hagg. 1, 14.cher Nam iſt wie drobẽ vermeldet/ der eigentliche/ ſonderbare und unmittel-
Ezech. 13, 3.bare Namen Gottes/ der da heiſſet und iſt αυτοουσιος, μονουσιος, παντούσιος,
Prov. 29,
11.
ὑπερούσιος, ἀπειρούσιος, αειούσιος φύσει Θεὸς, der ſelbſtſtaͤndige/ einige/ we-
Rom. 11, 8.ſende/ allweſende/ hoͤchſtweſende/ unendliche und ewigwaͤrende Grundveſte/
HErr uñ Gott von Natur/ wie drobẽ dieſer Name weitlaͤufftig außgeleget.


Vnd damit es aber nicht das Anſehen habe/ als were es ein bloſſer
Menſchen-Fund und Gedicht deren zu Nicea und hernach Conſtanti-
nopel verſamleten Biſchoffe/ Vaͤter und Lehrer geweſen/ ſo fundirt ſich
dieſe Bekantnuͤß auff den klaren Buchſtaben Goͤttlichen Worts. Jn
Num. 6,
24. 25. 26.
c.
12, 6.
dem allgemeinen Aarons- und Kirchen-Segen/ da der Name Jehova
dreymal widerholet wird/ auff alle drey Perſonen und alle conſequenter
auch auff den Heiligen Geiſt zu ziehen. Der HErr der Vater/
als die Quell alles Segens/ aller guten und vollkommenen Gaben/ Sonn
Rom. 14,
17.
c. 15, 5.
c.
12, 6.
und Schild/ der ſegne und behuͤte dich: der Sohn Gottes/
als der Glantz der Herrligkeit Gottes laß ſein Angeſicht leuchten.
Der HERR der Heilige Geiſt/
als der Athem des Vaters und
2. Sam. 23,
v.
2.
Sohns/ der Freuden-Geiſt/ der Frieden-Geiſt/ erhebe ſein Antlitz
Eph. 3, 5.er hauche dich an mit Fried und Freud. Ferner in der intimation der
1. Petr. 1, 10.Propheten; Jſt iemand ein Prophet des HErren/ dem will ich
2. Petr. 1, v.
ult.
mich/ der HErr/ kund machen in einem Geſichte und im
Traum?
[31]Predigt.
Traum? Wer iſt derſelbige Jehova, der ſich den Propheten geoffen-
baret? Es iſt der Heilige Geiſt/ der durch die Propheten geredet/ wie
wir bald mehr vernehmen werden; Jn dem bekanten τρισαγίῳ und En-Eſa. 6, 3.
gel-Geſang: Heilig/ Heilig/ Heilig iſt Gott der HErre Zebaoth.
Wer iſt daſelbſt der dritte Heilige HErr? Es iſt der Heilige
Geiſt/
wie es St. Paulus in den Apoſtoliſchen Geſchichten erklaͤrt/Act. 28, 25.
Jn der Verſuchung der Kinder Jſrael in der Wuͤſten/ wer iſt derJeho-Pſal. 95, 5.
va,der HErr/ den ſie verſuchet und erbittert? Es iſt der HeiligeNum. 14,
22.

Geiſt/ der Geiſt des HErren. Hieher ziehen wir im Neuen Teſta-Eſa. 63, 10.
2. Cor.
3, 17.

ment die jenigen teſtimonia und Zeugnuͤſſe/ da der Heilige Geiſt Κύριος
oder ein Herr ἐξοχικῶς außtruͤcklich und fuͤrnemlich genennet wird.
Der HERR iſt der Geiſt/ ſpricht St. Paulus.


Es zeiget des Heiligen Geiſtes Gottheit an unſer vorhabendes Sym-
bolum, II. Idiomatibus divinis,
mit den Goͤttlichen Eigenſchaff-
ten/
die es ihm zuſchreibet/ als da iſt/ 1. Spiritualitas,die Geiſtlichkeit/
daß er iſt ein Geiſt/ verſtehe dem Namen Jehovæoder HERR
gemaͤß/ ein ſolcher Geiſt/ der da heiſſet Jehova und alſo ein unendlicher
und unermeßlicher Geiſt/ wo ſoll ich hingehen fuͤr deinem Geiſt?Pſal. 139, 7.
und hinfliehen fuͤr deinem Angeſicht? Eine zwar allmaͤch-
tige/ aber zugleich perſoͤnliche Krafft; wie der Geiſt in einem iedem Ding
die Krafft und Macht iſt/ als der Geiſt des Feuers in einer geſprengten
Mine/ des Donners/ des Erdbiedens/ des groben Geſchuͤtz/ des edlen
Weins/ des Oels und dergleichen: Was iſt ſtaͤrcker als ein Engliſcher
Geiſt? Was vermag der Geiſt des Menſchen der in ihm iſt/ er ſchwingt
manchmal ſeinen Stein-ſchweren Leib als ein leichtes Voͤgelein in dieLuc. 24, 49.
Lufft hinauff. Zerbricht nicht manchmal der Wind groſſe Baͤume?2. Tim. 1, 7.
Alſo iſt dieſer Geiſt die allmaͤchtige Krafft Gottes/ die Krafft ausAct. 10, 38.
der Hoͤhe/ damit Chriſtus ſeine Juͤnger angezogen/ der gleich einem WindEzeh 3, 12.
den Propheten Ezechiel auffgehoben und hinweg gefuͤhrt/ den ProphetenMich. 3, 8.
Micha voll Krafft gemacht/ Chriſtum in die Wuͤſten getrieben/ Philip-Matth. 4, 1.
pum von des Kaͤmmerers Wagen hinweg geriſſen/ St. Paulum als einAct. 8, 3.
c.
18, 5.

Winds-Braut in der gantzen Welt herumb gejagt und getrungen/ undRom. 8, 14.
treibt noch heutiges Tages die Kinder Gottes zu allem guten.


Geiſt iſt allen dreyen Perſonen zwar ein gemeiner Nam/
Gott iſt ein Geiſt/ aber auff eine ſonderbare Weiſe wird dieſe dritte Per-
ſon ein
[32]Die Ander
ſon ein Geiſt genennet/ nemlich ſo zu reden paſſivè ad intra quia ſpiratus,
dieweil er vom Vater und Sohn außgeblaſen/ activè ad extra, dieweil er ſich
Ioh. 3, 8.ſonderlich in geiſtlichen unſichtbaren/ unempfindlichen trieben/ und Bewe-
gungen in den Hertzen der Menſchen erzeiget. Der Wind bläſet wol/
ſpricht Chriſtus zu Nicodemo/ wo er will/ du hoͤreſt ſein ſauſen wol/
aber du weiſſeſt nicht von wannen er kommt und wohin er

Luc. 17, 20.fähret.Regnum Dei non venit cum obſervatione,Das Reich
Gottes kommt nicht mit euſſerlichen Gebaͤrden/
wie wir alle aus
den euſſerlichen Bewegungen der Seelen ſpuͤren daß eine Seele in uns
wohne/ ob wir ſie gleich mit Augen nicht ſehen koͤnnen: Wir hoͤren den
Schall/ aber wir fehen ihn nicht: Die Juͤnger Chriſti ſahen wol die feurige
Zungen/ ſie hoͤrten das ſauſen des gewaltigen Windes/ aber den Geiſt
Gottes ſelbſt konten ſie nicht anſchauen: Alſo wird ein Chriſtlicher
Menſch manchmal durch das Wort und Sacrament in Andacht entzuͤn-
det/ daß er faſt nicht weiß wie ihm geſchehen: Es entfahrt ihm manchmal
ein Wort/ das im fleiſchlichen Garten des Hertzen nicht gewachſen.
Er wird vom innerlichen Pfingſt-Wind getriben etwas gutes zurathen/
zureden und zuwuͤrcken/ die Augen ſchwim̃en bißweilen in geiſtlichen Freu-
den und Liebes-Thraͤnen/ er kan aber mit allen ſeinen fuͤnf Sinnen à priori
nicht empfinden und fuͤhlen woher/ was und wie. Der Geiſt Gottes muß
1. Ioh. 5, 6.von ihm ſelbſt zeugen durch ſein Wort/ daß der Geiſt Warheit ſey.


2. Sanctitas,die Heiligkeit/ Er iſt heilig/ κατ᾽ ἐξοχην`, vor allen
1. Sam. 2, 2.im hoͤchſten Grad/ niemand iſt heilig wie der Herr; Er iſt ein heiliger
Athem. Wie der Mund/ ſo iſt der Athem; ſtincket der Menſch im Munde/
ſo ſtincket auch der Athem/ riechet er wol/ ſo riechet auch der Athem: Alſo/
Athanaſ.
ep. ad Se-
rapion.
weil dieſer Geiſt des allerheiligſten Gottes Athem iſt/ ſo iſt Er der Aller-
heiligſte. Dannenhero ſchreibet Athanaſius: qui habet Spiritum San-
ctum, is dicat, bonus odor ſum,
Wer den Heiligen Geiſt bey ſich hat/ der
tom. 2.
p.
21.
kan und mag ſagen: Jch bin ein guter Geruch Gottes. 3. Ο῾μοουσία; daß
1. Ioh. 5, 7.er iſt ὁμοούσιος, gleiches Goͤttliches Weſens mit dem Vater und
Sohn;
dieweil er vom Vater und Sohn außgehet/ als wie der Strahl
von der Sonnen-Liecht; als wie der Strom von der Quell und Brun-
nen außfleuſſet/ und doch ein Waſſer/ eine ſubſtantz iſt mit dem Quell und
Brunnen-Waſſer/ aus welchen es herfleuſſet. Davon aber bey naͤchſtem
mit mehrerm; Spiritus Sanctus eſt ineffabilis quædam Patris Filiique
Auguſtin.
l. 5. de Trin.
c.
11.
communio, \& ideò fortaſſis ſic appellatur, quia Patri \& Filio poteſt
eadem appellatio convenire,
ſchreibet Auguſtinus, der Heilige Geiſt iſt
eine
[33]Predigt.
eine unaußſprechliche Vereinigung oder Gemeinſchafft des Vaters und
des Sohns/ und wird vielleicht deßwegen ein Geiſt genennet/ dieweil
dieſer Name dem Vater und Sohne auch kan gegeben werden.


4. Æternitas,Die Ewigkeit/ daß Er iſt ein ewiger Geiſt;
dañ daß er nicht neulich erſt erſchaffen: nicht allererſt angefangen zu ſeyn/
da er ſichtbar in der Taube/ im Athem Chriſti/ im Feuer erſchienen/ ſondern
langſt zuvor geweſt/ das bekennet unſerSymbolum in dieſen Worten/
da es ſaget/ Er habe durch die Propheten geredet/ dann der Geiſt2. Sam. 23,
v.
2.

des Herren redete durch David/ und alle Propheten ins gemein/ dahin
auch gehoͤren alle dialogi divini, alle Goͤttliche Geſpraͤch/ da der HeiligeLuc. 3, 68.
Geiſt der revelator und Verkuͤndiger geweſt; daß Er aber ewig ſeye/ einEph 3, 5.
ewiger Geiſt/ daſſelbe bekennen wir in den Worten/ der vom Vater und1. Petr. 1, 10.
11.

Sohn außgehet/ durch eine ewige proceſſion und Außgang/ wie wir2. Pet. 1, v.
ult.

naͤchſt zu erweiſen haben/ ietzs nur ſetzen als ein αἴτημᾳ und glaubwuͤr-
dige Vor-Lehr.

Hebr. 9, 14.

III. Operibus divinis,Mit den Goͤttlichen Wercken/
als da iſt die Lebendigmachung; Aus nichts etwas und das tode
lebendig machen/ aus eigener Krafft zu eigener Ehr/ die geiſtlich-tode
lebendig machen iſt ein Goͤttlich Werck; Nun iſt der Heilige Geiſt/ derEph. 1, 19.
20.

anfangs ſich uͤber das erſte Chaos/ den erſten Welt-Klumpen/ als eine
Henn uͤber die Eyer geleget/ alle Creaturen außgebruͤtet/ lebendig gemacht
was lebẽ ſolte/ und herfuͤr und ans Liecht gebracht/ wird auch am juͤngſten
Tage wiederumb alles Fleiſch durch ſein allmaͤchtiges Anhauchen wieder-Gen. 1, 2.
umb lebendig machen und auffrichten. 2. Die Heiligmachung/Pſal. 33, 6.
in der Verſamlung der Chriſtlichen Kirchen/ Vergebung der Suͤn-Ioh. 6, 54.
den/ in der Heiligen Tauffe/ dann darumb werden dieſe Werck im dritten
Articul erzehlet/ als Wercke des Heiligen Geiſtes/ in dero Anſehen und
Genuß wir in Jhn glauben ſollen; Nun iſt der Heilige Geiſt der StiffterAct, 20, 28.
des Heiligen Predig-Ampts/ der Werber und Samler der ChriſtenheitRom. 1, 4.
aus allen Voͤlckern/ der Vrheber der Gemeinſchafft der Heiligen/ der
Schatz-Herr uͤber den Ablaß der Suͤnden/ der collator und Geber des
ewigen Lebens.


IV. Cultu religioſo,Mit der Ehr des Anbetens;
wie unſer Symbolum ſaget/ der mit dem Vater und Sohn zugleich
angebetet und zugleich
mit ſolcher Ehr/ die ſich in die erſte Tafel ziehet/
geehret wird. Daß alleine der wahre lebendige Gott rechtmaͤſſiger
Sechſter Theil. EWeiſe
[34]Die Ander
Weiſe koͤnne angeruffen/ angebetet und alſo geehret werden/ iſt droben
Eſa. 42, 8.außgemachet/ und leidet die Glaubens-Regul keine inſtantz; Nun aber
Eſa. 6, 3, \&
9. Confer
iſt der Heilige Geiſt der jenige/ der da mit Vater und Sohn zugleich an-
Act. 28, 25.gebetet und geehret wird; weil wir nicht nur in ihm/ ſondern auff ſeinen
Matth. 28,
19.
Namen getaufft/ als ſeine Knechte und geweihete Tempel/ ſo ſoll Er auch
von uns als der Tempel-Herr und edle Gaſt unſer Stelen in dem Hertzen-
Tempel geehret/ angebetet und angeruffen werden; darzu dann kommt
die Suͤnde wider den Heiligen Geiſt/ die gibt auch ein argument und Be-
Pſal. 51, 6.weiß dar. Dann ſo der Menſch allein ſuͤndiget Gott in dem Himmel/
wie David bekennet im Pſal. 51. Vnd aber eine Suͤnde wider den Hei-
Act.5,[4].ligen Geiſt begangen wird/ ſo muß ja der Heilige Geiſt unwiderſprechlich
ein wahrer Gott ſeyn. St. Petrus ſchlieſſet ſelbſt alſo wider Ananiam:
Du haſt/ ſagt er/ nicht Menſchen/ ſondern GOTT gelogen:
Der jenige/ dem Ananias gelogen/ iſt der wahre Gott im Himmel/ der
jenige/ dem Ananias gelogen/ iſt der Heilige Geiſt/ darumb iſt der Heilige
Geiſt der wahre Gott im Himmel.


Act. 13, 2.

Alſo iſt Er im neuen Teſtament in der That angebetet worden/ bey
der ordination der Apoſtel/ da ſie den jenigen Geiſt angebetet/ der geredet
und ſie außgefendet. Aus dem uhralten loͤblichen Gebrauch der erſten
Chriſtlichen Kirchen haben wir noch uͤbrig das Veni Sancte Spiritus,
Komm Heiliger Geiſt ꝛc. iſt nichts anders als eine demuͤchige zu-
Iuſt. Mar-
tyr. in apo-
log.
2.
ſammen-ſtimmende Anruffung des Heiligen Geiſtes. Juſtinus Martyr
einer von den aͤlteſten Lehrern der Kirchen bezeuget klar/ Chriſtianos
σέβεϑς καὶ πρησραυει῀ν τὸν Πατέρα καὶ τὸν παρ᾽ αῦτοῦ [...]ιὸν ἐλϑόντα, καὶ τὸ πνεῦμα
προφητικὸν, daß die Chriſten ehren und anbeten den Vater und den Sohn/
der vom Vater kommet/ und den Prophetiſchen Geiſt.


Dieſes alles faſſeten die Nicener zuſammen in das Woͤrtlein JN/
Jch glaube JN.
Das objectum fidei IN oder der jenige/ JN wel-
Ioh. 14, 1.chen wir glauben ſollen/ iſt allein der einige wahre Gott/ an den ſollen
wir glauben/ als den letzten Zweck/ als das hoͤchſte Gut/ dahin wir einig
in allen unfern Geſchaͤfften Glauben und Glaubens-Vbungen zielen
muͤſſen/ da hingegen der jenige verflucht iſt/ der ſich auff Men-
Ier. 17, 5.ſchen verläſſet/ und Fleiſch fuͤr ſeinen Arm haͤlt; das heiſſet:
Jch glaube JN den Heiligen Geiſt/ das iſt/ ich glaube nicht nur/
daß ein Heiliger Geiſt ſeye: nicht nur glaube ich dem Heiligen
Geiſte/
was er mir in Gottes Wort verkuͤndiget und offenbaret; ſondern
ich glau-
[35]Predigt.
ich glaube auch JN den Heiligen Geiſt mit hoͤchſter Zuverſicht/
dem vertraue ich mich/ ihm laſſe ich mich im Leben und Tode/ hie zeitlich
und dort ewig.


Nun dieſes iſt die Gabe: Was fuͤr eine Gabe? O uͤber-
aus-köſtliche Gabe/ eine Goͤttliche unerſchaͤtzliche Gabe;
dann
was iſt koͤſtlicher/ edler und beſſer als Gott das hoͤchſte Gut? So iſt nun
dieſe edle Gabe auff ſeiten unſer Eine ſo hohe Gabe/ die lobensSir. 20, 32.
und conſequenter 1. Erkaͤntnuͤß werth. Ein weiſer Mann der
ſich nicht brauchen laͤſſet/ und ein verborgener Schatz/ wozu
ſind dieſe beyde nuͤtze?
fragt Sirach/ und fragt zwar zuvorderſt von
der theoriâ, was ein Schatz nuͤtz/ davon man nichts wiſſe? Ignoti nulla
cupido.
Was hats (zum Exempel) vor zwey hundert und mehr Jahren
die Europeiſchen Voͤlcker gebattet/ daß in Americâ (der hernach erfunde-
nen neuen Welt) koͤſtlich Gold/ Gewuͤrtz und andere Kleinodien in groſſer
Menge zu finden geweſt/ davon ſie keine Spur noch Kundſchafft gehabt?
Es meynet aber Sirach auch zugleich die ſcientiam practicam, was tau-
get ein Schatz/ den man entweder nicht brauchen darff oder zu brauchen
weiß? Was nuͤtzet das Korn eines Wucherers auff der Biene oder in der
Scheure/ wann es eingehemmet wird/ oder einen Apotheker/ wann man
die darinn beygelegte heilſame Mittel und Artzneyen nicht weiß zu appli-
cir
en und anzulegen? Alſo was hilfft uns Menſchen das Goͤttliche Va-
ter-Hertz/ die theure ranzion Chriſti Jeſu zu unſerer Erloͤſung erleget und
bezahlet/ wovon in obigen zweyen Glaubens-Articulen gehandelt worden/
ſo uns niemand darzu leitet/ niemand den Schatz ergraben und außſpuͤren
lehret/ ſo wir nicht begabet wuͤrden mit dem Heiligen Geiſt/ und deſſen
Liecht und Gnad/ ohne welchen niemand Jeſum Chriſtum einen1. Cor. 12, 3.
HERREN nennen kan.


Chriſtophorus Columbus haͤtte lang auff dem Oceano und wilden
Meer herumb ſchiffen und verirren moͤgen/ biß ihm/ ſo zu reden/ die Jndia-
niſche gebratene Taube waͤre ins Maul geflogen/ wo ihn nicht ein Jndia-
niſcher Wind haͤtte angewehet und ihm den Weg gezeiget? Alſo haͤtte uns
der himmliſche Pfingſt-Wind/ der Heilige Geiſt/ nicht angeblaſen/ ſo waͤ-
ren wir in der Finſternuͤß/ im Vnglauben und Jrrthumb/ ohne Gott/
ohne Verheiſſung/ ohne Troſt/ in der Welt geblieben/ darumb wir auch in
der Außlegung des dritten Articuls bekennen und ſagen: Jch glaub
daß ich nicht aus eigener Vernunfft noch Krafft/ an Jeſum

E 2Chriſtum
[36]Die Ander
Chriſtum meinen HErrn glauben oder zu ihm kommen kan/
ſondern der Heilige Geiſt hat mich durchs Evangelium be-
ruffen/ mit ſeinen Gaben erleuchtet ꝛc.
Dieſem allem nach iſt die-
ſes theure und werthe Goͤttliche Geſchenck der Heilige Geiſt wol wuͤrdig
und werth/ daß man ihn recht und eigentlich ohn Jrrthumb lerne erkennen
und verſtehen/ weſſen wir uns zu ihm zu verfehen/ was wir von ihm zu
hoffen und zu erwarten. Nicht nur erkennens/ ſondern auch ſchaͤtzens
werth/ und weil die Gabe unerſchaͤtzlich/ ſie ſchaͤtzen lernen/ fuͤr die allerkoͤſt-
lichſte Gabe.


Es haben vorzeiten die Roͤmiſchen Kaͤyfer ſich arm geſchencket/ groſ-
Lipſ. de
milit. p.
329. l. 2. ad-
mirand.
c.
12.
ſen luxum und Vberfluß angewendet in ihren congiariis zu ſpendiren/
ihre magnificentz andern zu erweiſen; Lipſius kan hierzu nicht gnug Wort
finden/ wann ſchon/ ſchreibet er/ ein Midas were/ der alles was er anruͤhrete/
zu Gold machete/ ſo koͤnte er doch nicht ſo viel zu wege bringen als jene ver-
ſchenckten. Iulius Cæſar hat ſeinen Soldaten einem ieden ein Ritter-Gut
eingegeben und verehret. Einmal im burgerlichen Kriege verehret er un-
ter feine Soldaten funffzehen Millionen Goldes. Auguſtus bezahlet
einem Griechen fein carmen feſtertiis centenis, das iſt/ zwey tauſent und
fuͤnff hundert Philips-Thaler. Commodus II. hat einsmals einẽ Solda-
ten bey der Statt Ravenna/ welchem der Fuß abgehauen war biß uͤber die
Cluver.
p.
492.
Knorren/ Stieffel mit Golde gefuͤllet/ verehret. Wie hoch die Feuda
und Lehen æſtimirt/ bezeuget die Erfahrung; mancher laͤſſet Gott Gott
ſeyn/ Gewiſſen Gewiſſen/ religion religion, Geiſt Geiſt/ ſetzt Leib und Seel
in ſtich/ auff daß er adeliche Lehen empfangen und erhalten moͤge.
Das ſeynd βασιλικὰ δῶρα, Koͤnigliche Geſchencke; Aber O wie gering/
ja wie gar nichtig/ wie ſo gar fluͤchtig gegen dem hoͤchſten Gut! Gott
koͤnte uns nichts hoͤhers ſchencken als den Heiligen Geiſt. Nun cum
Dei ſint omnia, habenti Deum nihil deerit, fi Deo ipſe non deſit,
ſchrei-
Cyprian.
de Orat.
Dom.
bet Cyprianns: Weil Gott alles hat/ weil alles Gottes iſt/ ſo wird dem
auch nichts mangeln/ der Gott hat/ wo er nicht ſelbſt Gotte man-
gelet oder von Gott weichet.


Es iſt dieſe Gabe nicht nur Erkaͤntnuͤß ſondern auch er-
haltens werth/
eine Krone/ die wir uns nicht muͤſſen durch Ketzer und
Schwaͤtzer/ durch Philoſophi und Phantaſy/ rauben und nehmen laſ-
ſen/ ſondern dieſelbe raͤchen/ retten und vertheidigen wider alle falſche
und widrig-glaubende. Die alte Macedonianer (Macedonius war
ein Politiſcher untheologiſcher Hofmann ein mit Gewalt und Blut-
vergieſſung
[37]Predigt.
vergieſſung eingetrungene Biſchoff zu Conſtantinopel/ ein halber
Arianer/ der erſte pnevmato-machus und Geiſt-Stuͤrmer/ welcher
Gotteslaͤſterlich außgeben/ der Heilige Geiſt were eine Creatur von Gott
dem Herrer in der Zeit erſchaffen; deme die Vaͤter zu Conſtantinopel
dieſe bißher erklaͤrte Wort entgegen geſetzt/ und damit ſeine Lehr anathe-
matiſir
et;) ſind langſt tod/ aber ihr Geiſt lebet noch in den heutigen Pho-
tinia
nern/ welche ebenmaͤſſig die Gottheit des Heiligen Geiſtes anfechten/
halten den H. Geiſt nur fuͤr eine Krafft und Wirckung Gottes/ wie Oſto-Oſtorod.
c. 4. inſtit.
p.
32.

rodus ſchreibt: der verwegene Ketzer Joh. Crell nennet den H. Geiſt Deo
ſupremo ſubordinatum,
einen untergeordneten Gott/ der dem hoͤchſtenIoh. Crell.
de Vno
Deo Patre
l. 2. ſect.
3.

Gott geunterordnet ſeye/ als media actionum divinarum cauſa, eine
Mittel-Vrſach/ durch welche die Goͤttlichen Sachen außgerichtet und
verrichtet wuͤrden. Jonas Schlichting, ein Polniſcher Edelman in ſeinem
Buch de Trinit. adverſus Meiſn. braͤcht gern die Apoſtel und die Beken-
ner zu Niceâ ſelbſt auff ſeine Meynung/ ſchreibet: Entweder die jenigen/
ſo den Apoſtoliſchen Glauben geſchrieben und zuſammen getragen/ haben
geglaubet/ daß der Heilige Geiſt Gott ſeye/ oder haben es nicht geglau-
bet: Haben ſie es geglaubet/ warumb haben ſie dann daſſelbe nicht auß-
druͤcklich im Glauben geſetzet? Haben ſie es nicht geglaubet/ warumb
ſollen dañ wirs glaubẽ? Gerad als were es nicht genug in dẽ Wort Credo,
Jch glaube/ angezeiget/ und zwar in dem Wort Gott/ welches ſie ἀπ ὸ
κοινοῦ wollẽ widerholet habẽ/ und deßwegen vorher im erſten Articul geſetzet/
weil daſſelbe allen dreyes Perſonen/ Vater/ Sohn und Heiligem Geiſt ge-
mein iſt; hernach mit dem Woͤrtlein JN: Da ſich aber hernach die
Πν [...]ματομάχοι und H. Geiſt-Stuͤrmer herfuͤr gethan/ ſo iſt ihnenklaͤrer wi-
derſprochẽ wordẽ in dieſem zu Conſtantinopel abgefaſſten Symbolo; Die
erſt-ermeldten Photinianer ſind uns weit entlegen/ wiꝛ tragen abeꝛ noch in
uns die Πν [...]ματομαχίαν, wann unſere blinde und toll-ſinnige Vernunfft
und arger Will ſich wider den H. Geiſt will aufflehnen/ und denſelben
unter ſich zwingen; und alſo nicht Gott in uns ſeyn und herrſchen laſ-
ſen. Dieſen allen ſtehet entgegen der Apoſtoliſche Fluch: So iemand/Gal. 1, 8. 9.
were es auch ein Engel/ ein anders Evangelium predigen
wird/ als wir auch verkuͤndiget haben/ der ſey verflucht.


Es iſt dieſe edle Gabe nicht nur erhaltens ſondern auch
hoch ruͤhmens werth/
gleich wie die jenigẽ præſent und Geſchencke/ die
Jacob ſeine Soͤhne hieß zu ſich nehmen/ als ſie in Egypten zogen/ Getreide
zu holen/ Joſeph damit zu verehren/ genennet werden in der Hebreiſchen
E 3Grund-
[38]Die Ander
Gen. 43, 11.Grund-Sprache zimroth haaretz, auff Teutſch das Lob der Erden/ das
iſt/ terræ κειμήλια omnium ore decantata, die edelſten Kleinodien/ ſo zu
reden/ des Landes/ umb welcher willen es allenthalben von iederman ge-
ruͤhmet wuͤrde/ des Landes beſte Fruͤchte/ Balſam/ Honig/ Wuͤrtze/ Myr-
rhen/ Datteln vnd Mandeln/ warumb nicht viel mehr hier? da ſind
zimroth haſchamajim, die edleſte Himmels-Gabe/ welche mit zuſam-
men-ſtimmenden Mund/ Hertz vnd Thaten von iederman einhelliglich
ſoll geruͤhmet/ gelobet und gepreiſet werden; weil ſich auch dieſe Perſon des
Menſchen ſo hoch angenommen/ und ſich ſo tieff herab geſencket; welches
dann auch die beſte harmonia iſt/ wann die Stimmen des Hertzen/ Mun-
des und euſſerlichen Wercks wol zuſammen gehen ohne Heucheley; der
Devt. 33, 3.
c.
4, 7.
Text unter ſolcher Melodey iſt dieſer: Wie hat doch GOTT die
Menſchen ſo lieb? Wo iſt ein Volck zu dem ſich die Goͤtter
ſo nahen?
Wie groſſe Gutthat/ daß ſich auch der Heilige Geiſt ſo tieff
herab geſencket in unſern Spital/ in unſerm Hertzen zu wohnen! Jſts
dann nicht gnug/ daß der Sohn Gottes Menſch worden/ der Vater ſeine
Hertzens-Kron angegrieffen/ und was wollen wir ſagen? obmuteſcen-
dum, obſtupeſcendum, mirandum non rimandum,
wir muͤſſen daruͤber
erſtummen/ wir verſtarren/ wir muͤſſen uns hoͤchſt daruͤber verwundern/
und koͤnnen mit vnſern Vernunffts-gruͤbeln nicht fortkommen.


Eine Gabe die nicht nur ruͤhmens/ ſondern auch anneh-
mens werth.
Jſt dieſe edle Gabe ſo ein Wunder-Geſchenck/ wer wolte
Act. 8, 18.
19.
dann dieſelbe nicht annehmen? Wie aber? Vielleicht durch Geld-Kauff/
wie Simon/ der dieſelbe kauffen wolte von den Apoſteln/ damit er ſie wieder
verkauffen koͤnte: wie hernach im Papſtumb die geiſtliche Fuggereyen/
Jahrmaͤrckte/ Marcketendereyen ſo gemeine worden/ daß ſie in Himmel
geſchrien/ auch wol zu vnſern Zeiten durch heimlichen Verſtand bey dem
Evangelio dergleichen Simonien fuͤrgangen mit præbenden/ mit voca-
tion
en/ Chur und Wahlen/ da aus Hoffnung eines Geſchencks;
die groͤſten Narren die beſten Pfarren gekriegt/ umb Zuſag eines jaͤhrlichen
Canonis: Solt dergleichen auch noch geſchehen/ ſo wirds Gottes Rach
gewiß finden/ und noch an der poſteritaͤt ſtraffen; da ſey Gott fuͤr!
ſondern durch eiferiges Gebet/ Bitt und Flehen/ deſſen Gott iederman ge-
Luc. 11, 11.
12.
waͤren will; Luc. 11. ſtehet die Verheiſſung/ Brod nicht Stein: Fiſch
nicht Schlang: Ey nicht Scorpion:
Was wollen wir aber bitten?
Wollen wir vnſere Luſt haben an Gold/ Silber/ Ehr ꝛc. O nein! dañ da iſt
uns ſo viel nicht an gelegen/ ſondern den Heiligen Geiſt/ die erſte Bitte im
Vater
[39]Predigt.
Vater unſer: daß Gottes Name bey uns geheiliget werde/
daraus alles folgen ſoll.


Er iſtdonum catholicum,eine allgemeine Gabe/ aber
die Welt kan ihn nicht empfangen/ dann ſie ſihet ihn nicht/Ioh. 14, 17.
und kennet ihn nicht/ das iſt/ ſie verſtehet nichts von ihm/ weder nach
ſeiner Perſon noch Ampt; ſo achtet ſie ihn auch nicht/ ſie trachtet nicht
nach ihm/ Welt-Geiſt und Gottes-Geiſt ſeynd ἀσύςατα, ſie koͤnnen nicht
bey einander ſtehen/ niemand kan zweyen Herren dienen. DieMatt. 6, 24.
Welt/ das iſt die Alleredelſten/ die Allerweiſeſten/ die Allerreicheſten/ ſie ver-
trauen auff ihre Weißheit/ darumb wollen ſie die himmliſche Weißheit
nicht; ſie ruͤhmen ſich ihrer Ehr/ darumb wollen ſie dieſes Liecht nicht;
ſie ergetzen ſich mit ihren Wolluͤſten/ darumb achten und trachten die nicht
nach dem Himmels-Troſt/ ſie erlangen auch die ewige Freude nicht: Sie
freuen ſich ihres Reichthumbs/ darumb wollen ſie dieſes nicht. Summa
bring her/ bring her ein Geſchenck nach dem andern/ iſt der Welt ihr Be-
gehren. Es ſchreyet alles nach Reichthumb und Geſchencke/ dieſelbe blen-
den/ ſie obligiren/ ſie ſclaviſern/ mutnegra cum murvâ faciunt rectiſſima
curva,
aber das himmliſche Geſchenck/ die Himmels-Gabe die iſt unan-
genehm/ die begehrt man nicht. Nun am Juͤngſten Tage wird der Reuer
kommen/ und wird in der heiſſen Hoͤllen-Glut die Verdammten auch frie-
ren nach dieſer Sonne.


Gott der Heilige Geiſt wolle ſelbſt ſolche Hertzen/ Sinnen/ affecten/
Begierden erwecken und beſcheren/ daß wie ſchenck-ſuͤchtig der Menſch iſt
und nur ſchreyet/ Affer, Affer! bring her/ bring her! unerſaͤttlich: alſo wir
Geiſt-begierig ſeyen: wie ein Verwundeter nach Balſam-Oel ſchreyet:
alſo wir nach dieſem edlen Himmels-Oel; wie einer der in der finſtern
tappet/ ein Blinder nach dem Liecht; wie ein Erfrorner nach der Feuer-
Hitz/ und mit was groſſem Durſt die Leute den Artzney- und Heil-Brun-
nen zulauffen/ alſo wir auch eilen mit Hirſches-Begier zu dieſer
Gnaden-Quell/ damit wir/ die wir hier haben das Pfand/ dort das voll-
kommene Erbe erlangen/ Friede und Freude im Heiligen
Geiſt/ Amen.


Die
[40]Die Dritte

Die dritte Predigt/


Vber den dritten Articul/
Von der
proceſſionund Außgehung des
Heiligen Geiſtes.


GEliebte in Chriſto: Ob wol alle ſichtbare auch lebloſe
Sap. 13, 5.Creaturen Bilder ſind ihres Schoͤpffers/ ſo mag doch ſol-
ches κατ᾽ ἐξοχν` von dem Element des Waſſers/ dem groſ-
ſen Meer/ der offenbaren See geſagt/ da ſich Gottes Ma-
jeſtaͤt/ providentz/ Regierung und Weſen ſpiegelt/ wie die
Sonn im Waſſer ſich ſelbſt pfleget abzumalen; Darumb
Herod. in
Melpom.
p. m.
252.
zu gleicher weiſe/ wie jener Darius Hyſtaſpes bey dem Herodoto auff einen
hohen Thurn ſich geſtellet/ die Weite/ Breite und Laͤnge des Meers zu
Rom. 11, 33.ſchauen und zu betrachten: ſich auch der Apoſtel St. Paulus gleichſam
auf einen Thurn/ ja auff einen Maſt-Baum geſtellet/ zu betrachten die
Tieffe des Reichthumbs und der Weißheit/ und der unbegreifflichen
Gerichte/ und unerforſchlichen Wege des Herrn/ der Heiligen Drey-
einigkeit/ und nach dem er ſich genug erſehen/ obſignirt ers mit
dieſer exclamation: ῶ βάϑος! O welch eine Tieffe! Ja freylich
βάϑος 1. Eſſentiæ \& opulentiæ,eine Tieffe des Weſens und
des Reichthumbs;
Das Meer iſt ja eine Zuſammenflieſſung aller
Eccleſ. 1, 7.Waſſer/ ein unendlicher Guß/ wie alle Waſſer aus dem Meer
flieſſen/
und Circulweiſe/ auch hinein/ und wird doch das
Meer nicht voͤller;
Die Tieffe kan kein Taͤucher finden/ kein Bley-
wurff ergruͤnden/ iſt an etlichen Orten unergruͤndlich/ ob ſchon es bißwei-
len nicht tieffer ſeyn ſoll als anderthalbe welſche Meilen; Was will man
ſagen von dem Reichthumb/ ſo im Meer verborgen/ der Schaͤtze/ Kleino-
dien/ Gold und Perlen? Alſo iſt das Goͤttliche Weſen π [...]λαγος ἂπειρον
καὶ ἀορίςον, ein unergruͤndliches/ unendliches Meer/ ein Circul/ aus wel-
chem alles und in welches wieder hinein kommet und geſchloſſen iſt/ das
hoͤchſte und alles Gut; Es iſt Ens opulentiſſimum, wie aller Reichthuͤ-
mer Vrſprung/ alſo auch die Fuͤlle/ ein Schatz/ der nicht kan erſchoͤpffet
Mich. 7, 19.
confer Ier.

51, 63. 64.
werden/ vnd ſonderlich zu vnſerm Troſt abyſlus miſericordiæ, ein Ab-
grund der Barmhertzigkeit.


2. βαϑος
[41]Predigt.

2. Βάϑος ſapientiæ,Eine Tieffe der Weißheit/ uͤber wel-
cher erſtarret Koͤnig David in ſeinem 104. Pſ. HERR/ wie ſind allePſ. 104, 24.
deine Werck ſo groß und viel/ du haſt ſie alle weißlich geordnet.


3. Βάϑος κριμάτων, die Tieffe der Gerichte; allerhand wunder-
liche motus, fata und Regierungen: wie wunderlich die Natur des toden
Meers/ welches alles/ was es antrifft/ ſubmergirt, wie Plinius bezeuget/
wie ſeltzam/ wie ungleiche fortun, der Wind-Strich/ der Wellen-Lauff/ daß
man lafiren und den Segel nach dem Wind richten/ und des Meeres
Willen ſich ergeben muß/ wie dort Act. 27. Paulus mit ſeinen Geferten wi-Act. 27, 40.
derfahrẽ? Alſo ſind die Goͤttlichẽ Gerichte ἀνεξερ [...]νητα, unbegreifflich/ wer
will ſie ergruͤnden? Wer will ſich unterſtehen außzuſprechen/ warumb die
Juden die letzten/ und die Heyden die erſten ſeyn ſollen im Himmelreich?
Warumb Gott Straßburg verſchonet/ und Magdeburg verſtoͤret?
Warumb Sodoma mit einem Feuer-Regen verbrennet und untergan-
gen/ Rom aber in voller Bluͤhte gleichſam prange? Warumb das Maß
ſeiner Goͤttlichen Langmuth ſo ungleich? Da iſt am beſten die Hand auff
den Mund legen und gewonnen geben:


4. Βάϑος ὁδῶν ἀνεξιχνιάςων; die Tieffe ſeiner unerforſch-
lichen Wege/
woruͤber auch der weiſeſte Koͤnig Salomo in Verwun-
derung gerathet/ Drey Ding/ ſagt er: ſind mir zu ſchwer/ desProv. 30,
18.

Schiffs Spur kan man nicht finden/ noch ſeine Bahn in denSap. 5, 10.
Fluthen: Alſo ſeynd auch die Wege Gottes unerforſchlich/ unerforſch-
lich der Weg der Beruffung Abrahams aus Chaldea/ des Jſraelitiſchen
Volcks/ der Apoſtel; Vnerforſchlich ſeynd die gradus der Wege/ die horæ
\& moræ,
die Zeiten und Stunden derſelben/ wie der Herr Chriſtus
ſelbſt ſolches an Tag giebet/ ſagende: Were in Tyro und SidonMatt. 11, 21.
alſo geprediget worden und ſolche Wunder geſchehen/ wie zu
Chorazin/ ſie hätten im Sack und in der Aſche Buſſe gethan.

Wunderlich iſt es/ daß Teutſchland mit dem hellen Liecht des H. Evangelii
begnadet und erleuchtet/ und nicht ſo wol Jtalien? Vnerforſchlich ſeynd
die Wege der Geburt/ die Wege des Lebens/ die Wege des Todes.


5. Βάϑος SS. Trinitatis,die Tieffe der Heiligen hochge-
lobten Dreyeinigkeit.
Bey Waſſer und Seen ins gemein findet
ſich die Quell/ der Brunn und der Strom/ in einer weſentlichen unver-
miſchten Natur: Alſo iſt Gott der Vater die Quell/ der BrunnIer. 2, 13.
Sechſter Theil. Fiſt der
[42]Die Dritte
Pſ. 68, 27.iſt der Sohn/ der da iſt der Brunn Jſrael/ der Heil-Brunn: der
Zach. 13, 1.Strom und das Gnaden-Meer iſt der Heilige Geiſt/Apoc. 22. Von
Ioh. 4, 14.dieſer Quell ſind alle Ding/ Segen/ Krafft und Safft/ durch dieſen
Apoc. 22, 1.Brunn werden uns vom Himmel herab alle Gnaden-Schaͤtze zuge-
floͤtzet und zugefuͤhret; Jn dieſen Strom muß ſich alles wieder termini-
ren/ zur Ehre des Heiligen Geiſtes/ in welchem wir ſeynd/ leben und weben/
als wie ein Schiff in dem groſſen Meer ſchwebet.


Nun meine Liebſten/ wir ſtehen mit Paulo auch auff dem Maſt-
Baum/ oder viel mehr in portu, an dem Anfurth des Meers/ zu betrachten
Βάϑος Deitatis,die Tieffe der Gottheit/ ſonderlich der dritten
Perſon in der hochgebenedeyeten Dreyeinigkeit.
Die erſte und
andere Perſon haben wir droben betrachtet/ haben neulich Βάϑος miſe-
riæ,
die unergruͤndliche Tieffe unſers Elendes/ unſerer Duͤrff-
tigkeit
demonſtrirt/ wie noͤthig unſerer lechzenden Seel dieſer Himmels-
Strom: Wir haben Βάϑος doni divini,die Tieffe der Goͤttlichen
Gabe
æſtimirt: folget doni originatio,die Entſpringung ſol-
cher Gabe/
wie ſolche Gabe außflieſſe/ iſt auch ein βάϑος und groſſes
Geheimnuͤß; Gott gebe/ daß wir ohne Schwindel daſſelbe anſchauen/
ſo viel uns davon geoffenbaret/ der Sache weder zu viel noch zu wenig
thun/ alles zu unſerer Lehr und Gottes des Heiligen Geiſtes Ehr/ Amen.


WAnn demnach in unſermSymbolo Nicæno geglauber
wird/ daß der Heilige Geiſt vom Vater und Sohn
außgehet/
ſo wird uns erſtlich klar gedeutet auff dasorigi-
natum,
wer nemlich vom Vater und Sohn außgehe/ das iſt
nun eine andere Perſon vom Vater und Sohn unterſchieden/
und zwar die Dritte; Eine Perſon/ ſag ich/ denn Außgehen iſt ein
actus perſonalis, eine ſolche Handlung oder Werck/ ſo einer Perſon zuſte-
Iob. 34, 14.het: Eine ſelbſtaͤndige/ lebendige/ Job. 34. Joh. 3. weiſe/ 1. Cor. 2. und freye
Ioh. 3, 6.Perſon/ 1. Corinth. 12. deren/ wie dieſer actus perſonalis,der Außgang
1. Cor. 2, 10.
11.
vom Vater und Sohn/ alſo auch andere perſoͤnliche Handlungen
1. Cor. 12,
11.
zugeſchrieben werden/ (Pſal. 104. Joh. 15. und 16. Actor. 20.) als da iſt
Pſ. 104, 30.die Sendung/ die Schwebung uͤber den Waſſern/ die Schoͤpffung/ die
Ioh. 15, 26.
c.
16, 13.
Heiligung/ die Bezeugung. Es terminiren ſich auch in derſelben per-
Act. 20, 28.ſoͤnliche Handlungen/ als da ſind/ die Anbetung/ lobende Erhebung/ die
Suͤnde
[43]Predigt.
Suͤnde in den Heiligen Geiſt/ lauter characteres perſonales, ſolche Kenn-
Zeichen/ die eine gewiſſe Perſon andeuten vnd anbilden. Jch ſage eine
andere Perſon vom Vater und Sohn unterſchieden/
(nicht
dem Weſen nach/ von welchem wir oben gehoͤret/ ſondern) durch den per-
ſoͤnlichen characterem und Merckmahl/ dieproceſſionund Auß-
gang:
Es iſt ja eine andere Perſon/ von welcher außgangen wird/ vnd
eine andere/ die außgehet; Dannenhero heiſſet er ἄλλος παράκλκτος, ein
anderer Troͤſter/ nicht ἄλλο ein anders Weſen. Die dritte Perſon/1. Ioh. 5, 7.
ſag ich/ dann drey ſeynd die da zeugen/ 1. Joh. 5. Die erſte Per-
ſon
ſaget: Jch/ Jch der Herr dein Gott.Die andere PerſonPſal. 2, 7.
heiſſet Du/ Pſal. 2. Hebr. 1. und 5. Die Dritte heiſſet ille, ἐκει῀νος,Hebr. 1, 5.
c.
5, 5.

Er oder derſelbige/ Joh. 15. und 16.

Ioh. 15, 26.
c.
16, 8.

II. Originatio ipſa,der Außgang an ſich ſelbſt/ Joh. 15.Ioh. 15, 26.
Das iſt nun nicht eine Schoͤpff-Handlung/ Schoͤpff-Werck
oder Thun/
dann der H. Geiſt iſt ſelbſt der Schoͤpffer/ Pſ. 33. nicht 2. ei-Pſal. 33, 6.
ne Zeugung oder Gebaͤrung/ ſintemal in der Dreyfaltigkeit nur eine
Perſon gezeuget und geboren iſt/ die heiſſet μονογενὴς, der eingeborne SohnIoh. 3, 16.
Gottes/ nicht 3. ein Gebot-Befehl undpaſſiv-Sendung/ wie der
Engel Gabriel von Gott außgangen/ eine Goͤttliche legation und Bott-Luc. 1, 19.
26.

ſchafft abzulegen; Der Heilige Geiſt iſt geſender worden/ aber nicht
als ein Diener in der Zeit/ ſondern als eine Goͤttliche/ gleich-ewige Perſon
von Ewigkeit/ dero Außgang iſt ewig. Sondern ſie heiſſe
ἐκπόρ [...]σις, ein unaußſprechlicher/ unbegreifflicher Außgang/
mehr koͤnnen wir davon nicht lallen: ἀπόρροια τοῦ Θεοῦ, wie Athanaſius
redet/ eine Außflieſſung Gottes/ wie ein Strom von einem Brunn auß-
flieſſet: und zwar proceſſio æterna, interminabilis, ad intra,Apoc. 22, 1.
Ioh.
15, 26.

eine ewige/ unendliche und untheilbare Außgehung. Daß dem
alſo/ bezeuget nicht nur das præſens ἐκπορ [...]εται, er ſaget nicht er iſt auß-
gangen oder er wird außgehen/ ſondern er gehet aus/ nemlich ewiglich/
unanfänglich/ unauffhoͤrlich;
gleich wie auch das Woͤrtlein hodie,
heute von Chriſto gebraucht wird/ da es dann keine Fortflieſſung in der
Zeit bedeutet/ ſondern eine Geburt in der Ewigkeit; Es erhaͤllet auch aus
F 2dem
[44]Die Dritte
dem ſcopo und Zweck des Herrr Chriſti/ wenn er ſaget: Jch will
euch einen andern Tröſter ſenden/ der vom Vater außgehet/

als wolte Er ſagen: Jhr habet zu thun mit dem Fuͤrſten dieſer Welt/
euere Anfechtungen werden alle Vernunfft uͤbertreffen/ euere Duͤrfftigkeit
iſt ein βάϑος miſeriæ, ein tieffes/ unergruͤndliches Jammer-Meer: Dar-
umb will ich euch keinen Engel ſenden/ der zwar auch troͤſtet/ wie Chriſto
geſchehen in ſeinem Leiden und Anfechtungen/ ſondern einen ſolchen
Geiſt/ der vom Vater außgehet/ der bey euch bleibet ewiglich.
Ein Göttlicher Geiſt/conſequenterein ewiger Geiſt/ der allen
euren Feinden gewachſen/ und geweſt ehe ſie waren/ ſeyn wird/ wann ſie
nicht mehr ſeynd/ der nicht nur βάϑος Sathanæ, die Tieffe des Sathans/
1. Cor. 2,
10. 11.
die Tieffe vnd den Abgrund des menſchlichen Hertzen/ ſondern auch die
unergruͤndliche Tieffe Gottes erforſcher.


Es iſt dieſeoriginatiound Außgehungſpiratio paſſiva,
Gen. 1, 2.eine ſolche Handlung/ ſo durch ein blaſen geſchiehet/ dann
Pſal. 33, 6.darumb heiſſet er Spiritus,ein Geiſt/ nicht ſo wol ratione eſſentiæ,
Eſa. 11, 4. 5.weil er ein weſentlicher Geiſt iſt/ ſintemal auch der Vater auff dieſe
Iob. 33, 4.
2. Theſſ.
2,
8.
Weiſe ein Geiſt heiſſt; auch nicht ſo wol ratione virtutis activæ,we-
gen der wůrckenden Krafft/
ſintemal auch der Sohn des Varers
Krafft iſt; ſondern ratione virtutis paſſivæ,weil er vom Vater
und Sohn auff eine Göttliche unbegreiffliche Weiſe geblaſen
und gehauchet wird:
welches Geheimnuͤß Chriſtus uns ſelbſt gleich-
Ioh. 20, 22.ſam abgemalet/ Joh. 20. da er ſeine Juͤnger angeblaſen/ und mit dieſem
euſſerlichen actu und anhauchen das ewige blaſen des Heiligen Geiſtes
bezeugen wollen. Es iſt aber dieſeſpiratiound blaſen nicht ein zeit-
liches/ erſchaffenes/ endliches und theilbares/ ſondern ewiges/ unmit-
theilbares/ unendliches blaſen und hauchen.
Gleich wie aus dem
Menſchen zweyerley flatus und ſpiritus gehen/ einer gehet aus dem Hertzen
und bleibet im Menſchen/ das iſt/ ſpiritus vitæ, der Lebens-Geiſt/ welchen
wir etlicher maſſen erkennen und abnehmen aus der λ᾽ειποϑυμίᾳ oder Ohn-
macht eines Menſchen/ wenn ein Menſch in Ohnmacht gerathet/ da
ſihet man was dem Menſchen mangelt/ nemlich die innern dißmal aber
verſtopffte Lebens-Geiſterlein/ welche man mit Balſam/ Roſen-Eſſig und
dergleichen Geiſt- und Geruchreichen Artzneyen renoviren/ widerholen und
erweckẽ muß: Der ander iſt accidentarius, ein zu- und abgehender Athem/
die Lufft/
[45]Predigt.
die Lufft/ ſo der Menſch durch die Lung von auſſen an ſich ziehet/ und wieder-
umb von ſich außblaſet: Alſo iſt ein ander ſpiritus, ein ander Geiſt/ der
unerſchaffene/ in Gott bleibende/ ewige Geiſt; ein ander ſpiraculum
vitæ,
der Lebens-Hauche/ der lebendige Athem/ welchen Gott dem Adam
eingeblaſen/ die vernuͤnfftige Seel.


III. Originationis origo,Die Quell und Vrſprung
ſolcher Außgehung;
das iſt nun die erſte Perſon/ die Quell derIoh. 15, 26.
Gottheit/ auſſer allem Zweifel; Aber von der andern Perſon iſt in der
Griechiſchen Kirch groſſer Streit vor alters geweſt und noch/ Ob er
nemlich auch von dem Sohn außgehe?
Daß dem alſo/ beweiſen
wir 1. aus der Art zu reden/ daß er in heiliger Schrifft genennet wird
der Geiſt Chriſti. Warumb heiſſet er der Geiſt des Vaters? Dieweil
er vom Vater außgehet; Alſo/ warvmb heiſſet er der Geiſt Chriſti? Die-1. Cor. 2, 12.
weil er von Chriſto dem Sohne Gottes außgehet.

Rom. 8, 9.

2. A miſſionis naturâ,von der Natur und Eigenſchafft
der Sendung;
principium miſſionis temporalis eſt etiam princi-
pium miſſionis æternæ,
von wem er in der Zeit geſendet wird/ von dem-
felben iſt Er auch von Ewigkeit her außgangen; Nun aber wird Er
von dem Sohn gefendet/ geſendet iſt Er worden von dem Sohn aut
per imperium, aut per originem,
entweder aus Befehl/ Gebots-
weiſe/ oder Vrſprungs-weiſe: Nicht aus Befehl und Gebot/ weil er
der Heilige Geiſt eine Perſon von gleicher Majeſtaͤt und Herrligkeit/ mit
Vater und Sohn/ der keinen Herrn oder Herrſcher uͤber ſich erkennet/ ſo
folget/ daß er vom Sohn außgehe als eine Perſon/ die von ihm ent-
ſprungen.


3. Ex παντολήψει, aus der Allnehmung/ wann der Herr
Chriſtus ſaget: Von dem meinen wird ers nehmen/ und euchIoh. 16, 14.
15.

verkuͤndigen. Alles was der Vater hat/ das iſt mein; darumb
habe ich geſagt: Er wirds von dem meinen nehmen/ und
euch verkuͤndigen. Von dem meinen/
das iſt/ von meinem We-
ſen. Wo die Weißheit herkommet/ da kommet das Weſen her; Er wirds
nehmen/
entweder in der Zeit oder von Ewigkeit her; nicht in der Zeit/
dann die Goͤttliche Weißheit iſt eine unerſchaffene/ ewige Weißheit. Wo
aber nicht in der Zeit/ ſo hat ers von Ewigkeit her.


F 34. Ex
[46]Die Dritte

4. Ex opulentiâ Filii,aus dem Reichthumb des Soh-
nes; Alles was der Vater hat/ das iſt ſein;
nun aber ſpirationem
activam,
die Blaſung hat der Vater/ derowegen auch der Sohn.


Dieſes nun iſt myſterium I. Agnoſcendum,Ein zwar ver-
borgen Geheimnuͤß/
aber zugleich ſolches Geheimnuͤß/ welches wir
ſo wol als andere Geheimnuͤſſe verſtehen můſſen/ ſo viel uns darvon
1. Timoth.
6, 16.
geoffenbaret. Es wohnet zwar Gott in einem Liecht/ da nie-
man zukommen kan/
aber per συγκατάβασιν, durch eine ſonderbare
Matt. 3, 16.Gemaͤhe und freundliche Zuneigung hat er ſich hernieder gelaſſen. Der
Himmel hat ſich auffgethan bey der Tauffe Chriſti am Jordan/ da der
Heilige Geiſt ſichtiglich in Geſtalt einer Tauben herab gefahren/ damit
wir ſchauen und ſehen moͤgen/ ſo viel gnug und von noͤthen iſt. Es ge-
hoͤret dieſes Geheimnuͤß unter die Articul/ davon Athanaſius ſaget:
Wer da will ſelig werden/ der muß vor allen Dingen dieſes
glauben; Der Vater iſt Gott/ der Sohn iſt Gott/ der Heilige
Geiſt iſt Gott/ und ſind doch nicht drey Goͤtter. Eine an-
dere Perſon iſt der Vater/ eine andere der Sohn/ eine andere
der Heilige Geiſt/ aber der Vater/ Sohn und Heiliger Geiſt
iſt ein einiger Gott/ gleich in der Herrligkeit; Der Heilige
Geiſt iſt vom Vater und Sohn nicht gemacht/ nicht geſchaf-
fen/ nicht geboren/ ſondern außgehend.
Darumb wir zwiſchen
zweyen extremis durchſeglen muͤſſen/ diſſeit liegen laſſen ignorantiam,
die grobe Vnwiſſenheit/ jenſeit curioſitatem, uͤbelfuͤhrenden Fuͤrwitz.


II. Defendendum,Wir muͤſſen ſolches Geheimnuͤß
auch vertheidigen/
nicht allein wider die Photinianer/ welche laͤugnen
und nicht zugeben wollen/ daß der Heilige Geiſt eine wahre Per-
ſon ſeye:
Sondern auch wider die halßſtarrige Griechen in der Griechi-
ſchen Kirchen/ welche in dieſem Stuͤck was beſonders gehabt und noch
haben/ daß ſie nemlich den Außgang vom Sohn laͤugnen; Ob wol auff
dem Concilio zu Florentz die Verſoͤhnung tentirt worden/ auch Genna-
dius Scholatius
der Patriarch zu Conſtantinopel/ ein Geferte Johannis
Paleologi
ſich bekehret und wider ſeine Landes-Leute den Außgang des
Heiligen Geiſtes defendirt/ ſo hat er doch nichts außrichten koͤnnen/ ſie ſind
v. Oſiand.
Cent. 15. p.

477.
auff ihrer alten Geige beharret/ und iſt ihre Meynung/ der Heilige Geiſt
gehe aus vom Vater allein/ und nicht vom Sohne; daraus per conſe-
quentiam
[47]Predigt.
quentiam folget negatio Trinitatis, die Verneinung und Verlaͤugnung
der Heiligen Dreyeinigkeit: Dann ſo der Heilige Geiſt nicht vom Sohne
außgehet/ ſo muß er der Sohn ſelbſt ſeyn; wo nicht iſt relationis oppo-
ſitio,
wo nicht der Sender dem Gefendeten entgegen gefetzt wird/ wo kein
actus internus, keine innerliche/ eigene/ perſoͤnliche/ unmittheilbare Hand-
lung/ da iſt auch kein Vnterſcheid/ ſo muͤſſen nothwendig nur zwo Per-
ſonen ſeyn.


Es hat aber der gerechte Gott bald hernach ſolche Halßſtarrigkeit an
den Griechen ſchroͤcklich geſtraffet/ dieweil ſie durch Suͤnden den H. Geiſt
erbittert/ mit der aͤuſſerſten ruin der Statt Conſtantinopel; die Mahomet/
der Groß-Tuͤrck anno 1453. mit einer Macht von vier hundert tauſenten/
und uͤber dritthalb hundert Schiff belaͤgert/ einbekom̃en/ und alſo gehauſet/
wie unſere Chriſten heutiges Tages/ dẽ garans geſpielet/ die Haupt-Kirche
zu St. Sophia zum Roß-Stall gemacht/ die Weiber auff den Altaren
gefchaͤndet/ alle des Kaͤyfers (der zutreten worden in der Flucht) Bluts-
Freunde ermordet/ der Jammer iſt mit Menſchen-Zungen nicht außzu-
ſprechen/ und iſt alſo die ſchoͤne Statt Conſtantinopel/ ſo vom Conſtan-
tino
gebauet/ 1122. Jahr in der Chriſten Hand geweſt/ von Conſtantino
dem Funffzehenden und letzten Griechiſchen Kaͤyſer der Helenæ Sohn
verlohren worden. Was war doch die Vrſach? fraget Gennadius, Vnſer
Volck hat keinem Goͤtzen gedienet/ noch den Sohn Gottes gecrentziget/
noch dennoch/ O des unertraͤglichen Schmertzens! O des unerhoͤrten
Vngluͤcks und Jammers! Wir ſeynd aller Heyden/ ja der Juͤden ſelbſt/
Knechte worden. Es hat zwar die reiffe/ uͤbermachte/ Himmel-ſchreyende
Boßheit/ die Goͤttliche Nemeſin und Rach armirt und in Harniſch ge-
jagt; aber die Verlaͤugnung des Heiligen Geiſtes hat die Waffen des
Goͤttlichen Zorns acuirt und gewetzet. Jſts wahr/ was die Hiſtorien
melden/ ſo iſts freylich nicht ſine omine und ohne ſonderbare Bedeutung
geweſt/ daß da Conſtantinus die Statt gebauet/ obſerviret ein Feuer vom
Himmel herab fallen in die Statt/ und als Mahomet ſie belaͤgert/ ſoll
man wieder ein Feuer geſehen haben/ das ſich aus der Statt erhoben und
in Himmel zugeflogen/ nemlich der Heilige Geiſt wird gegeben vom Him-
mel herab/ aber wann er verachtet wird/ ſo weichet er wieder hinweg.


Dieſes iſt uns zum Muſter und Fuͤrbild geſchehen/ daß wir an
frembden Schaden witzig werden/ und mit der Offenbarung Goͤttlicher
Geheimnuͤß nicht ſpielen/ den H. Geiſt nicht betruͤben/ nicht erbittern/
durch die Vnwiſſenheit der groben ignoranten/ die beſorglich/ wann manAct. 19, 2.
ein examen anſtellen ſolte/ ſagen wuͤrden: Wir haben auch nie ge-
hoͤret/
[48]Die Dritte
hoͤret/ ob ein Heiliger Geiſt ſey; daß wir ihn nicht betruͤben durch
ein ungeiſtlich Leben; Es iſt ein alter Paͤpſtiſcher Wahn/ als muͤſten al-
lein die Paͤbſtiſche monopolæ, die Pfaffen und Moͤnche geiſtlich ſeyn und
heiſſen: da wir doch alle den Heiligen Geiſt empfangen und geiſtlich ſeyn
ſollen: anders als unſere σαρκικοὶ und fleiſchlich-geſinnete Welt-Kinder/
die ſich wenig umb dieſen Geiſt bekuͤmmern/ Fleiſch her/ Toͤpffe Egypti/
die das irrdiſche dem geiſtlichen und himmliſchen/ das ſichtbare dem un-
ſichtbaren entgegen ſetzen; Sack voll Geld/ Keller voll Wein/ Kaſten voll
Frucht/ das ſind herrliche und koͤſtliche Gaben/ Summa:


Ambitioſus honos \& opes \& fœda voluptas:

Hæc tria pro trino Numine mundus habet.

Ehr/ Reichthumb und weltliche Freud/

Das iſt der Welt Dreyfaltigkeit.

Aber es wird der Reuer hernach kommen/ wann der Richter am Juͤngſten
Tage wird ſagen: Hi ſunt Dii tui! Da haſtu deine Goͤtter/ O du gottloſe
Welt/ die du geehret und geliebet uͤber den rechten wahren Gott! die
Luc. 16, 24.werden vergehen im Feuer: Reu in der Ewigkeit! was gebe der Schlem-
mer umb ein Troͤpfflein Troſt-Waſſer/ aber Durſt und kein Loͤſchen.


III. Myſterium admirandum,Wir müſſen uns ůber
dieſem Wunder-Geheimnuͤß verwundern/
Gott will admi-
rant
en haben/ daß er ein ſehnliches und flehenliches Verlangen nach ſich
ſelbſt anzuͤnde/ verwundern/ ſage ich/ aber nicht mit der Vernunfft gruͤ-
belen. Die Verwunderung iſt der Philoſophi und Vernunfft Mutter/ aber
der Theologi und Goͤttlichen Geheimnuͤß-Lehr Tochter: da heiſſet es
ὦ βάϑος! O unergruͤndliche Tieffe!


IV. Myſterium adorandum \& celebrandum;Wir
muͤſſen dieſes hohe Geheimnuͤß anbeten/ loben und preiſen.

Das taͤgliche geſprochen das walt Gott! iſt unſer abgekuͤrtztes Symbolum
und Glaubens-Bekaͤntnuͤß; Die Egyptier haben vorzeiten dem Nilo,
die Heſſen dem Brunn/ die Peruaner dem Meer gleichſam als Goͤttern
geopffert; Aber hier iſt das rechte Goͤttliche Meer/ dem wir unſere Hertzen
und uns gantz taͤglich opffern/ und daſſelbe anbeten ſollen.


V. Myſterium fide hauriendum,Wir muͤſſen dieſes
Glaubens Geheimnuͤß mit wahrem Glauben ſchoͤpffen/ faſ-
ſen und auffheben in unſern Hertzen;
Ach wie hat doch Gott
die Men-
[49]Predigt.
die Menſchen ſo lieb! Eine groſſe Wolthat iſt die Offenbarung ſelbſt/ dan-
nenhero ſind wir ſeine Freunde. Dieſer Titul iſt mit keinem Welt-Ioh. 15, 15.
Gut zu bezahlen. Wann ein Meiſter ſeinen Knecht oder Lehr-Jungen
ein arcanum ſeiner Kunſt offenbaret/ ſo haͤlt ers fuͤr ein groß Freundſtuͤck!
Alſo wir billich noch mehr. Groſſe Wolthat iſt die die Schen-
ckung und Sendung Gottes des Heiligen Geiſtes/
daß Gott
der Vater ſo hoch ſich und ſein Hertz angegrieffen/ nicht nur die Kron
ſeines Hertzens/ ſeinen hertzallerliebſten/ eingebornen Sohn: ſondern
auch den Athem/ Geiſt/ Krafft und Leben ſeines Hertzens gegeben/ vnd
alſo das Hertz mitgetheilet/ von warmen Hertzen zu Hertzen geſendet/ und
wie vorzeiten ſichtbar/ alſo noch heute zu Tage unſichtbar außgegoſſen/
daß wir ſchreyen und ſprechen duͤrffen: Abba! lieber Vater!

Rom. 8, 1[6].

Wann ein maleficant auff Leib und Leben mit der deſperation
ringet und ſaget: Ach Gott! der Richter iſt allzuzornig/ ich habs zu
grob gemacht; Es kaͤme aber des Richters geheimer Freund/ der des Rich-
ters Hertz weiß/ und troͤſtet ihn/ rathet ihm eine ſupplication zu ſchreiben/
er woll ihn vertretten! quantum ſolatium! behuͤte Gott/ was were das
fuͤr ein Troſt! Hier aber handelt mit uns der Geiſt Gottes/ der Hei-
lige Geiſt.
Groſſe ja uͤber-groſſe Wolthat iſt ipſa συγκάταβασις, daß
der Geiſt ſich ſchencken vnd ſenden laͤſſet/ ja ſelbſt frey-willig in den Spital
herab kommet/ der ſuͤſſe Seelen-Gaſt/ und ſich umb das menſchliche Ge-
ſchlechte verdient gemachet. O groſſe Liebe! O groſſer Troſt! Aber ieIoh. 16, 8.
groͤſſere Liebe/ ie groͤſſer Haß/ wann er verachtet wird. Nun wir das
βάϑος myſterii,die Tieffe dieſes Geheimnuͤß beſchauet mit St.
Paulo/ ſo ſchlieſſen wir auch mit demſelben: ὦ βάϑος! O welche eineRom. 11, 33.
36.

Tieffe des Reichthumbs/ beyde der Weißheit und der Erkaͤnt-
nuͤß Gottes! Von Jhm
(dem Vater) durch Jhn (den Sohn)
in Jhm (dem Heiligen Geiſt) ſind alle Ding/
Jhm ſey Ehre in Ewigkeit/

Amen.


Sechſter Theil. GDie
[50]Die Vierte

Die Vierte Predigt/


Vber den dritten Artieul/
Von dem Anblaſen und Anhauchen
des Heiligen Geiſtes.


GEliebte in Chriſto: Was die Sulamitin/ die edle Toch-
ter zu Sion/ die lieb-wutzdte/ die lieb-krancke/ wehemuͤ-
thige/ geiſtliche Braut von ihrem Braͤutigam dem himm-
liſchen Salomone ſo bruͤnſtig/ ſo ſehnlich und heiß-eiferig
gewuͤntſchet/ mit demſelben Wuntſch ihr hohes/ geiſtliches
Cant. 1, 2.Braut-Lied angeſtimmet/ ſprechend: Er kuͤſſe mich mit
dem Kuß ſeines Mundes!
Er der himmliſche Salomon/ der geiſt-
liche Seelen-Braͤutigam/ mein edelſter Schatz im Himmel und auff Er-
den! Was ſoll er thun? Soll er fulminiren und blitzen vom Berge
Sina herab/ mit Donner und Stralen ſchrecken/ verjagen/ ergeiſtern?
Nein; ſondern er kuͤſſe mich/ er hertze mich/ er liebe mich/ und minſchi-
koth
mit vielen Kuͤſſen. Ein Kuß ſaͤttiget mich nicht/ ſondern mit vielen
Gnaden-Kuͤſſen/ Ehren-Kuͤſſen/ Frieden-Kuͤſſen/ Liebes-Kuͤſſen/ ſon-
derlich mit ſeinen Honig-ſuͤſſen Evangeliſchen Kuͤſſen und ſeinen Sacra-
menten; Aber mit dem kuͤſſen ſeines Mundes/ als der mir mit Blut-
Freundſchafft zugethan/ den er in der incarnation an ſich genommen/
nicht mit frembden ſtinckendem Munde/ dafuͤr mir eckelt/ der mir nicht
Exod. 4, 10.mundet/ der ſtincket; nicht mit dem ſtammlenden Moſis-Munde/ den
Eſa. 6, 5.unreinen Lippen Eſaiæ/ mit dem unmuͤndigen Munde Jeremiæ/ ſondern
Ierem. 1, 6.ſeinen eigenen heiligem Munde/ Athem/ Kuß und Gruß!


Deſſen hat er ſie in den Tagen ſeines Fleiſches reichlich und holdſelig
gewaͤhret und hoch-troͤſtlich beſeliget/ nicht allein oſculis corporalibus,
mit leiblichen und ſittlichen Kuͤſſen; Dann ob wol wir in der Evange-
liſchen Hiſtori mit ſo viel Worten nirgend finden/ daß er iemands leiblich
gekuͤſſet; Wer kan aber laͤugnen/ daß er in ſeiner zarten Kindheit nicht auch
wie ein ander Kind ſeine Mutter gekuͤſſet/ daß er der leutſeligſte Menſchen-
Freund in der converſation den Orientaliſchen Brauch unterlaſſen/ und
Luc. 7, 45.niemand eines Gruß-Kuſſes ſolte gewuͤrdiget haben/ der doch an Simon
geſchol-
[51]Predigt.
geſcholten/ daß er ihm die Freundſchafft nicht gethan/ und mit einem
Gruß-Kuß empfangen; Sondern vielmehr oſculis myſticis, mit geiſt-
lichen Kuͤſſen/ ſolche/ die geiſtlicher Weiſe anzunehmen und zu verſtehen/
als da geweſt/ wie ins gemein alle ſeine incarnations-merita und bene-
ficia, evangelia \& ſacramenta,
ſein Verdienſt und Wolthaten/ alle ſeine
Predigten und miracula, ſo viel er deren gethan und außgeſtanden/ ſo viel
wuͤrckliche Liebs-Kuͤſſe/ baſia, das iſt/ baſes amotis, Liebes-Stuͤtzen und
Grundfeſte/ hat er außgetheilet; Sonderlich aber ziehen die lieben Alten
daher oſculum paſchale \& pentecoſtale,den Oſter- und
Pfingſt-Kuß/ der hohen/ theuren und theuer-erworbenen
Gnaden-Gabe des Heiligen Geiſtes/
von St. Johanne demIoh. 20, 19.
21.

Schos-Juͤnger Jeſu ſo fleiſſig auffgezeichnet. Dann da finden wir alle
Stuͤcke/ ſo zu einem Gruß und Liebes-Kuß gehoͤren: os ſuave,die
holdſeligen Lippen/
aus welchen gefloſſen der Gruß-Fried/ zum zwey-
ten mal/ Friede ſey mit euch! Jch bringe euch einen froͤlichen Oſter-
Tag/ Sabbathum conſcientiæ, Sabbathi ſerenum, ſereni quietem, quie-
tis delicias,
den Gewiſſens-Sabbath/ den froͤlichen Sabbath/ den Ruhe-
Sabbath/ den rechten Ruhe-Tag/ den lieblichen Sabbath/ den Frieden/Phil. 4, 7.
der höher iſt als alle Vernunfft/pacem meam,meinen/Ioh. 14, 27.
das iſt den geiſtlichen Frieden/ Hertzens-Frieden/ beſtaͤndigen Seelen-
Frieden/ paß-machenden Troſt-Frieden; pacem reſurrectionis fructum,
die Frucht der Aufferſtehung/ den Frieden/ in welchem alle geiſtliche und
himliſche Segen begrieffen; darumb ſeyd getroſt!


Wir finden hier 2. oris halitum,das Anhauchen des Mun-
des;
ſicut ii, qui ſe oſculantur (ſind Ambroſii Gedancken uͤber denAmbroſ.
in Pſ.
118.

118. Pſalm) non labiorum prælibatione contenti, ſed ſpiritum ſuum
ſibi invicem videntur infundere;
gleich wie die jenigen/ ſo einander kuͤſ-
ſen/ nicht ſich gnuͤgen laſſen mit Anruͤhrung der Lippen/ ſondern es ſchei-
net/ als wann ſie einander den Athem einhauchten; Alſo hat Chriſtus
ſeine Juͤnger/ neben dem Munde der holdſeligen Lippen/ auch mit ſei-
nem allerheiligſtem Athem angehauchet und angeblaſen: Darauff folget
dasoſculum,der Kuß ſelbſt; Was iſt das? Der Heilige Geiſt;
Nehmet hin/
ſagt Er/ den Heiligen Geiſt; gleich wie der H. Geiſt
iſt ein Kuß in der H. Dreyfaltigkeit/ der Vater und der Sohn in der hochge-
benedeyeten Gottheit/ welche die weſentliche Liebe ſelbſt iſt/ kuͤſſen ſich unter
einander mit dem Munde des Heiligen Geiſtes. Pater eſt oſculans, Filius
G 2oſcula-
[52]Die Vierte
Bernh.
ſerm. 8.
in Cant.
oſculatur, Spiritus Sanctus eſt oſculum: Der Vater iſt der Kuͤſſer/
der Sohn Gottes iſt der Gekuͤſſete/ der Heilige Geiſt iſt der Kuß/
ſind Bernhardi Gedancken; Alſo kuͤſſet der himmliſche Vater die ver-
lohrne und zerſtreuete Soͤhne mit ſeinem Gnaden-Kuß; der Sohn Got-
tes auch ſeine Juͤnger mit dem angehauchten Heiligen Geiſt/ damit er ſie
verehret und begabet/ zu einem Oſter-ſalve, Oſter-Gabe und edelſten
Oſter-Frucht/ mit dem Kuß ſeines eigenen Mundes/ von welchem der
Heilige Geiſt außgehet.


Wir wollen/ meine Liebſten/ dißmal alleine bey dem allerhei-
ligſten und holdſeligſten Gruß- und Kuß-Athem des Heiligen
Geiſtes
ſtill ſtehen/ als einer ſermon de Tempore, und ſonderlich zu
dem heutigen Evangelio gehoͤrig. Der ſieg-reiche Oſter-Fuͤrſt Jeſus
Chriſtus kuͤſſe uns auch mit dem Kuß ſeines Mundes/ daß wir davon
Fried/ Heil/ Leben/ Troſt/ Krafft/ Andacht/ Liecht/ ja der Seelen Sabbath-
Ruh empfangen/ und ihn wiederumb kuͤſſen moͤgen hier/ mit Glauben und
Gehorſam/ dort mit Ehr- und Ruhms-Kuß/ umb ſeines theuren Ver-
dienſts willen/ Amen.


ES war/ meine Liebſten/ einhalitus,ein Athem/ den der
triumphirende Oſter Fuͤrſt/ der Hertzog des Lebens/ aus ſeinem hei-
ligem Munde außgeblaſen/ und damit feine bloͤde ſchichtere Juͤn-
ger angehauchet ( [...]νεφύσησε, ab ἐμφυσάω à φῦσα vel φύοςα follis) und zwar
ohn allen Zweifel I. Verus halitus,Ein rechter/ leiblicher/
lebendiger/ menſchlicher Athem/
was Gott und Menſch einen
Athem heiſſet/ eine durch den Mund angezogene/ aͤuſſerliche geſchoͤpffte
Lufft/ ſo von den innerlichen Blaß-Baͤlgen (dann daher hat das Grie-
chiſche Wort den Namen) der Lungen wiederumb heraus geblaſen wor-
Act. 1, 3.den/ und gehoͤret unter die Τεκμήρια, damit Er erwieſen/ daß er warhafftig
wiederumb lebendig worden. Dann wann ein toder Coͤrper wieder anfahet
2. Reg. 4,
35.
Athem zu ziehen und von ſich geben/ ſo haͤlt maͤnniglich undiſputirlich/
ohnfehlbar dafuͤr/ er lebe. Gleichwol aber geſchahe folche reſpiration κατ᾽
οἰκονομίαν, willkuͤhrlich/ gleich wie er mit ſeinen Juͤngern geſſen und getrun-
cken wahrhafftig/ damit die Wahrheit ſeiner erweckten menſchlichen
Natur zu bezeugen/ aber nicht auff natuͤrliche Weiſe/ als Er zuvor
im Stande ſeiner Erniedrigung gethan/ ſintemal Er ſchon in ſeine
Herrligkeit eingangen/ und einen geiſtlichen/ himmliſchen/ verklaͤrten
Leib gehabt/ der weder Eſſen noch Trincken beduͤrfftig; Alſo hat er auch
einen warhafftigen Athem von ſich geben/ aber nicht auff ſolche natuͤrliche
Weiſe/ aus Noth der Natur/ welche zur Erkuͤhlung der natuͤrlichen Hitz
einen
[53]Predigt.
einen Athem von noͤthen hat/ daß ſie Lufft ſchoͤpffe/ ſich erkuͤhle und er-
friſche. Ein Feuer im Back-Ofen ohne Lufft verloͤſchet/ alſo das natuͤrliche
Lebens-Feuer: ſondern willkuͤhrlich und uͤbernatuͤrlich/ inmaſſen dann
auch der Menſch im Himmel droben keinen ſolchen elementariſchen Lufft
haben und denſelbigen an ſich ziehen wird.


II. Halitus vehicularis,Ein reicher/ hoͤchſtbegabter
Geiſt-Wagen/
in welchem/ auff/ mit und durch welchen der unſicht-
bare Heilige Geiſt den Juͤngern wahrhafftig gegeben/ angehauchet vnd
mitgetheilet worden/ gleich wie er in der Tauffe durchs Waſſer/ gleich wie er
in der Pfingſt-Tauffe durchs Feuer iſt gegeben und mitgetheilet worden/
alſo hier durch den Athem: Jch ſage aber bedencklich die Perſon des Hei-
ligen Geiſtes/ nicht nur die Gaben deſſelben/ dann hier ſtehet das Wort
klar: Nehmet hin den Heiligen Geiſt/ Geiſt und Gaben laſſen
ſich hier nicht treñen/ ſo werden die Gaben als accidentia in keinem coͤrper-
lichen Bilde præſentiret. Er meint eben den Geiſt der Warheit/ der vomIoh. 15, 26.
Vater außgehet/ den Er ihnen zuvor ſo treulich zugeſaget: præſentiſ-
ſimè, exhibitivè,
weſentlich und gewaͤhrlich gegenwaͤrtig. Zwar Piſcator
in ſeiner teutſchen vergiffteten Herborniſchen Bibel unterſtehet die Wort
zu verdraͤhen vnd zu verkuͤnſtlen/ Lehr 6. p. 417. Aus dem/ ſchreibet er/ daß
Chriſtus ſeine Juͤnger angeblaſen und zu ihnen geſagt: Nehmet hin
den Heiligen Geiſt ꝛc.
haben wir zu lernen/ wie die Reden von den
Heiligen Sacramenten zu verſtehen ſeyen. Dann der Blaſt oder Athem
des Herren Chriſti wird allhier der Heilige Geiſt genennet/ nicht der
geſtalt/ als wann er/ eigentlich zu reden/ der Heilige Geiſt ſelbſt/ oder mit
demſelbigen weſentlich vereinigt geweſen were/ ſondern weil er ein Zeichen
war/ damit der Herr Chriſtus ſeinen Juͤngern verhieſſe/ daß Er durch
ihre Predigten mit ſeinem Heiligen Geiſt die Hertzen der Außerwehlten
anblaſen und bewegen wolte/ dem Evangelio zu glauben: Alſo nennet
auch Chriſtus in der Einſetzung des Heiligen Abendmahls das Brod
ſeinen Leib/ und den Wein ſein Blut; nicht zwar als ob ſein Leib mit dem
Brod/ und ſein Blut mit dem Wein weſentlich vereiniget ſey: ſondern
weil diß Brod und dieſer Wein Zeichen ſeynd/ damit er verheiſſen/ daß ſein
Leib fuͤr uns in den Tod gegeben/ und ſein Blut zu Vergebung unſerer
Suͤnden am Creutz wuͤrde vergoſſen werden.


Das ſind des Fiſchers faule Fiſch/ verkuͤnſtelte Gloſſen: keinẽ menſch-
lichẽ Verſtande/ wañ er nicht ſelbſt muthwilliger weiſe die Wort draͤhẽ und
G 3kuͤnſtlen
[54]Die Vierte
kuͤnſtlen will/ kommen dieſe Gedancken in Sinn/ wann ers lieſet/ ſondern
dieſe/ nehmet hin/ das iſt mein Leib/ das iſt/ in/ mit und unter dieſem
Brod; darumb kehren wir ſeine Gloſſe umb/ gleich wie der HErr hier ſaget:
Nehmet hin den Heiligen Geiſt/ alſo ſaget Er auch dort: Neh-
met hin/ das iſt mein Leib ꝛc.
das iſt/ unter/ mit und in dieſem Brod
geb ich euch wahrhafftig meinen Leib zu eſſen. Solte ein groſſer Herr ſei-
nem Diener ein Buͤchslein darreichen und ſagen: Nim hin/ das iſt Gold;
wuͤrde er nimmermehr in dieſe abentheuerliche Gedancken gerathen/ als
ob entweder das Buͤchslein in Gold verwandelt oder ein Zeichen ſey/ da-
durch ein abweſendes Gold bedeutet wuͤrde: ſondern gedencken/ mein
Herr iſt ein frommer/ weiſer/ reicher und gutthaͤtiger Herr/ er weiß was er
redet/ und kan thun was er zuſagt/ darumb faſſe und verſtehe ich aus ſeinen
Worten ſo viel/ er gebe mir in und mit dem Buͤchslein wahrhafftiges
Gold. So und auff ſolche Weiſe haben auch Chriſti Juͤnger die Wort
des Herrn angenommen/ nehmet hin den Heiligen Geiſt/ das iſt/
unter/ in und mit dieſem coͤrperlichen Athem ſchencke und uͤbergebe ich euch
die edelſte Himmels-Gabe/ den Heiligen Geiſt/ der von mir in der Ewig-
keit außgehet und mein iſt.


Dieſes mag mir eine Gabe ſeyn! die edelſte und koͤſtlichſte Gabe/
gleich wie der Vater nichts hoͤhers gehabt/ das er uns Menſchen ſchencken
koͤnne/ als ſeinen Sohn/ alſo hat der Sohn nichts hoͤhers und koͤſtlichers
gehabt/ als den Heiligen Geiſt/ donum cariſſimum, die allertheuerſte Ga-
be/ theuer erkaufft und erworben. Dann es ja gar feſt gehalten eine ſolche
Gabe zu erlangen/ zu ſenden und zu verſchaffen/ daß er der allerheiligſte
Geiſt in dem ſtinckenden Lazaret der allerunheiligſten Seelen ſich ſencken
Ioh. 16, 7.ſolte; Jch ſage euch die Wahrheit/ es iſt euch gut/ daß ich hin-
gehe/ ſo ich nicht hingehe/ ſo kommet der Troͤſter nicht
zu euch.


III. Halitus ſymbolicus \& hieroglyphicus,Ein
Geheimnuͤß-reicher Athem/
in welchem Chriſtus der Herr uns
gar artig/ eigentlich und verſtaͤndlich wollen fuͤrbilden dieſer ſo hohen Per-
ſon Natur/ Vrſprung und Eigenſchafft. Was der Athem im Menſchen
iſt/ das iſt (nach Abſchabung und Ablaß aller Truſen und Haͤfen der an-
klebenden imperfection) der Geiſt Gottes in der Heiligen Dreyfaltigkeit:
Der Athem entſtehet aus dem Abgrund des menſchlichen Hertzens/ und
tringet durch den Mund hindurch/ wird von Hertz und Mund außgebla-
ſen:
[55]Predigt.
ſen: Alſo gehet dieſer Geiſt aus der Hertzens-Quell des himmliſchen Va-
ters durch den Mund des ſelbſtaͤndigen Worts/ und heiſſet Spiritus
Elohim, ſpiritus oris Chriſti \& labiorum,
der Geiſt Gottes/Eſa. 11, 4.
der Geiſt des Mundes Chriſti/ der Athem ſeiner Lippen.2. Theſſ. 2,
v.
8.

Der Athem iſt ordinariè und ſeiner Natur nach unſichtbar/ ſonderlich im
Sommer/ hat Wind-Art an ſich; Alſo auch der Heilige Geiſt iſt der
Himmels-Wind/ darumb ſagt Chriſtus zu Nicodemo: Der WindIoh. 3, 8.
bläſet wo er will/ bald leiſe/ bald ſtarck ꝛc.


IV. Halit us organicus \& ſymbolicus,Ein werck zeug-
licher Athem/
der die lebendige Krafft des Heiligen Geiſtes mit ſich
bringet/ der Werckzeug/ durch welchen Chriſtus in ſeinen Juͤngern zu dero
Troſt und Auffrichtung kraͤfftiglich gewircket.


Der groſſe Wunder-Prophet Eliſa/ da er den verſtorbenen Sohn2. Reg. 4,
34. 35.

der Sunamitin ſeiner Wirthin wiederumb lebendig gemacht/ legt er ſei-
nen Mund auff des Knaben Mund/ blaſet und hauchet ihn an/ alsbald
ſchnauber der Knabe ſiebenmal und that ſeine Augen wiederumb auff.
Jm Griechiſchen Text heiſſet es ἐνεφύσησεν ἀυτὸν, er hat ihn eingehauchet:
Alſo auch/ weil der Herr ſeine Juͤnger bey verſchloſſener Thuͤr/ wo nicht
gantz/ doch halb tod angetroffen ohne Glauben/ ohne Liecht/ ohne recht-
ſchaffen Leben/ im Vnglauben vom Welt-Geiſt betrogen/ ſie dachten im-
mer an ein weltlich Reich/ nun die Schuhe entfallen/ ſo war alles tod/
Hoffnung verlohren; hier werden ſie angeblaſen durch eine lebendige
Krafft/ daß ſie von der Ohnmacht ſich wieder ermuntern/ der Athem
machet liecht und hell/ es wird ein gluͤender Funcken angeblaſen/ daß es
bald ein hell Liecht daraus werde; Alſo auch dieſer Athem/ da er angetrof-
ſen blinde Thoren und traͤge Hertzen/ (halten die Oſter-Zeitung fuͤr eineLuc. 24, 25.
Maͤhr und Fabel) ein glimmendes Taͤchtlein/ hat Er ſie angehauchet/
daß hernach lumina mundi, groſſe Welt-Liechter daraus worden.


Der Athem erquicket die Ohnmaͤchtigen/ gibt Waͤrme dem erkalteten
Leibe/ kuͤhlet die groſſe Hitz; im Winter waͤrmet man die Haͤnde mit dem
Athem/ die Speiß kuͤhlet man mit dem Athem/ eine Mutter/ wañ dẽ Kinde
heiß iſt/ wañ es ſchwitzet/ ſo kuͤhlet ſie es mit ihrem zartem Athem/ ſonderlich
der Athem è ſpiritibus, von Balſam/ Augſtein und dergleichen koͤſtlichen
Oliven: Alſo weil die Juͤnger Chriſti auch da lagen beyſam̃en/ innwendigLuc. 24, 17.
21.

voller Traurigkeit und Schwermuth/ da man ihnen die Traurigkeit an den
Augen angeſehen; kalt von Liebe/ von Freude/ ſonderlich aus verwundeten
Gewiſſen/ als die beym HErrn uͤbel gehalten/ ihn verlaſſen/ verlaͤugnet/ heiß
vom
[56]Die Vierte
vom hoͤlliſchen Feuer; außwendig Furcht und Angſt/ Zagen/ Vnruh fuͤr
den Juͤden/ fuͤr welchen ſie ſich verſchloſſen/ alle Augenblick eines Vberfalls
ſich verſehen/ als die gewuſt/ wie es Petro ergangen/ da ſaſſen ſie bey-
ſammen ſchichter/ bloͤde/ ergeiſtert/ derowegen erquicket Er ſie/ und richtet
ſie auff durch einen Athem/ gieſſet gleichſam durch denſelben neue affecten
ein/ nemlich παῤῥησίαν, die Freyheit und den Muth zu reden und zu ver-
antworten.


V. Halitus ſanctificus,Ein heiligmachender Athem/
Eine geſunde Natur gibet auch einen geſunden und angenehmen Geruch
von ſich: Ob wahr was von Alexandro Magno Plutarchus ſchreibet/
daß nicht nur aus ſeiner Haut und gantzem Leibe ein lieblicher Geruch ge-
gangen/ ſondern auch aus ſeinem Munde/ καὶ τὸ ςόμα κατείχειν ἐυωδία,
welches Plutarchus ſeiner hitzigen Natur zuſchreibet/ gleich wie die aroma-
ta
und wolriechenden Gewuͤrtze/ ie hitziger/ ie wolriechender; das laſſen wir
dahin geſtellet ſeyn; Allezeit kan die Kunſt hierbey etwas thun/ wann der
Menſch wolriechende Sachen in den Mund nimmet/ ſo gehet auch ein
lieblicher Geruch heraus. Solchen lieblichen Geruch gab von ſich dieſer
Goͤttliche Athem in den ſtinckenden Apoſteln/ als Mamelucken/ ſie haben
ihren Meiſter ſtinckend gemacht/ von welchem zugerichtet ſeynd die wol-
2. Cor. 2.
15.
riechenden Gefaͤſſe/ wolriechend aber Gotte/ nicht allezeit den Menſchen/
durch boͤſe und gute Geruͤchte. Ein gut Gewiſſen koͤnnen wir allezeit haben/
aber nicht allezeit ein gut Geruͤcht.


VI. Halitus precum motivus,Ein bewegender Seuff-
zer-Athem;
Der Athem iſt die Seel der Seuffzer/ wann ein Menſch
ſeuffzen ſolte ohne hauchen/ ohne ach/ es wuͤrde ihn ſchwer ankommen;
Ein Holtzhauer/ ſo offt er uͤber einen Streich ſeuffzet/ ſo hauchet er auch.
Was iſt ein Seuffzer anders/ als ein zuſammen-gefuͤgtes Werck aus
Stimme und Athem? Alſo waren die Apoſtel zwar beyſammen ἐν ςε-
ναγμοῖς, im Seuffzen/ Ach und Weh/ ach! ach! Damit nun die Seuffzer
auch leben und Trieb habẽ und im Him̃el hinauff ſteigen moͤgen/ ſihe/ ſo bla-
ſet der Herr ſeine Juͤnger an/ und wehet ihr ſeuffzen durch/ lehret ſie nicht
nur beten/ ſondern Er vertritt ſie auch mit unaußſprechlichen ſeuffzen/ die
Beklagten machet Er behertzet in Sachen des Mißtrauens/ der Schwa-
chen Gebet ſtaͤrcket Er/ was unſauber iſt/ reiniget Er/ was unangenehm
iſt/ machet Er angenehm/ Er treibet die Hertzens-Seuffzer in die Hoͤhe/
Er als der treue/ him̃liſche Zeuge verſichert unſer Hertz von dem vaͤterlichen
Hertzen
[57]Predigt.
Hertzen Gottes/ Er erforſchet den tieffen Abgrund des Goͤttlichen Hertzens
wider unſern Vnglauben.


VII. Halitus inaugurativus,Ein Einweihungs-
Athem/
dadurch die Apoſtel zu geiſtlichen Poſaunen eingeweihet wor-
den. Daß die Poſaunen/ Drommeten und andere organa pnevmatica,
ſo durch den Athem getrieben werden/ ohne den Athem keinen reſonantz/
Schall und Hall von ſich geben/ ſondern durch den Athem erreget/ animirt
und figurirt werden muͤſſen/ iſt aus der Erfahrung gnugſam bekant/ und
ſind der exempla obhanden von den Hall-Poſaunen altes Teſtaments/Num. 10, 2.
\& ſeqq.

den zwo Ticht-Silbern/ welche nicht nur evangelia, feſtalia, jubilæa, Freu-
den-Feſte/ ſondern auch alarma mit Claret außgeblaſen/ wann das Volck
auffſtehen und ſeinem Feinde unter Augen tretten muſte. An den Po-
ſaunen fuͤr Jericho haben wir einen ſchoͤnen bey den Alten beliebten typumIoſ. 6, 16.
17.

und Fuͤrbild/ dadurch Evangelia der Rahab gepfiffen worden/ aber der
Statt Jericho der Vntergang: Alſo hat der Herr/ als der himmliſche
Organiſt dieſe Poſaunen rege und lebendig gemacht durch ſeinen Athem
und einhauchen/ daß ſie den Evangeliſchen Troſt der gantzen Welt ver-
kuͤndigen/ und ſie freundlich gleichſam damit anblaſen ſolten/ den Rebellen
aber der gottloſen halßſtarrigen Welt den Vntergang/ das ewige Ver-2. Theſſ. 1,
9.

derben/ daß ſie jenen durch den Loͤſe-Schluͤſſel ankuͤndigten Vergebung/
Verſenckung und Schenckung aller Suͤnden/ und die rechte ἀσυλίαν und
himmliſche Freyheit; dieſen aber durch den Bund-Schluͤſſel ewige Ban-
de/ biß ſie ſich bekehren; daß ſie ſeyn ſolten Evangeli, Friedens-Engel/
Friedens-Prediger/ gleich wie der Engel/ Actor. 12. Zugleich aber auchAct. 12, 7. 8.
9. 10. 11.

ὀργάγτελοι Zorn-Engel mit dem geiſtlichen Bann/ 1. Corinth. 5. alles aber1. Cor. 5,
4. 5.

nicht durch leibliche Waffen/ ſondern mit dem Geiſt des Mundes
Chriſti;
Der Herr ſaget nicht: Gehet hin und nehmet weltliche2. Theſſ.
2, 8.

Wehr und Waffen/ zwinget die Leute zum Glauben durch Schwerdt/
Gewalt/ mit tyranniſchen Schnauben. Auff ſolche Weiſe faͤnget man
keinen freyen Vogel/ durch Bruͤgel werden die Vogel nicht gefangen/ ſon-
dern durch die Evangeliſche Lock-Pfeiffe; Er ſaget nicht: Jhr ſollet einen
Bauren-Krieg anheben/ und mit Macht das Reich Chriſti weiter ma-
chen/ ſondern durch den Geiſt des Mundes Chriſti/ der die Hertzen
und das Gewiſſen angreiffet/ mit der Hoͤllen und Juͤngſten Gericht draͤuet/
Krafft hat der Bann. Summa es iſt ein Vorgericht des Juͤngſten Ge-Eſa. 30, 33.
richtes wie Tertullianus ſaget.


Sechſter Theil. HOb nun
[58]Die Vierte

Ob nun wol dieſer Athem fuͤrnemlich das Miniſterium, die Lehrer
der Kirchen/ als in gewiſſer Maß Succeſlores und Nachfolger der Apoſtel
Eſa. 58, 1.angehet/ Er der Geiſt blaͤſet in die Blaß-Baͤlge/ daß ſie die Orgel-Pfeiffen
gleichſam ſollen thoͤnend machen/ ſie ſollen ihre Stim̃e erheben als
eine Poſaune/
die ſich hierbey ihrer Ordnung zu erinnern/ daß ſie nicht
leer ſeyen/ als wie die knallenden Schweins-Blaſen/ ſo voll Erbſen ſind.


1. Cor. 8, 1.

Doch ſollen ſie nicht auffgeblaſen ſeyn durch Hoffart/ ſondern an-
geblaſen und voll vom Geiſt/ lebendig von dem Athem Chriſti/ erleuchtet
mit Erkaͤntnuͤß und Wiſſenſchafft. Jn den Schulen werden die Fuͤncklein
eingeblaſen/ daß ſie hernach groſſe Liechter der Welt werden; angeblaſen
im Gemuͤthe/ mit Troſt/ ardeat orator, ſi vult accendere plebem, wann
einer das gemeine Vojck will anzuͤnden und brennend machen/ muß er
ſelbſt zuvor brennen und leuchten; im Seuffzen und Gebet ſtarck und
tapffer/ ſonderlich odoriferi, ſie ſollen einen guten Geruch von ſich geben/
() teſte Ri-
veto in cõ-
ſult. p.
22.
niemand hoͤret gerne Worte von einem ſtinckenden Munde. () Johanna
Koͤnigin in Schottland wolte nicht geſchehẽ laſſen/ daß des Ertz Biſchoffs
Hamilthonii Speichel und Athem ihr Kind beruͤhre bey der H. Tauffe/
dann ſie wuſte daß er mit Frantzoſen angeſtecket war/ ſondern ein ieder ſoll
2. Cor. 2,
17.
ſagen koͤnnen mit St. Paulo 2. Cor. 2. Wir ſind ein guter Geruch.
1. Tim. 3, 7.Trotz dem Teufel/ trotz allen Laͤſter-Zungen; er ſoll haben ein gutes
Zeugnuͤß bey denen die drauſſen ſind.


Jedoch/ ſo iſt dieſer Athemflatus catholicus,ein allge-
Act. 1, 13.
14.
meiner Athem und Hauch/ niemand iſt davon außgeſchloſſen; in
dem ὑπερώῳ, auff dem Soͤller ſaſſen nicht nur die Juͤnger/ ſondern auch
Eſa. 57, 16.
18.
die ſo nach Emaus giengen/ die Jungfrau Maria; die allgemeine Ver-
heiſſung ſtehet da/ Eſa. 57. Es iſt da die allgemeine Nothwendigkeit zu
1. Cor. 12, 3.glauben; Jch glaube/ ſagt ein ieder in dem dritten Articul; Nie-
mand kan Chriſtum einen HErren heiſſen ohne den H. Geiſt/

niemand kan ſagen: Abba! lieber Vater! Herr! Herr! ohne
dieſen Heiligen Geiſt; ſo noth iſt uns dieſe geiſtliche reſpiration und Athe-
mung/ als noth uns die natuͤrliche iſt; Der Sorites und Schluß iſt juſt:
Niemand kommt in Himmel ohne den Schluͤſſel/ das iſt/ Vergebung der
Suͤnden: niemand erlangt Vergebung der Suͤnden ohne die Gerechtig-
keit und das Verdienſt Chriſti: niemand ergreiffet dieſes ohne den Glau-
ben: niemand hat den wahren ſeligmachenden Glauben ohne den Heili-
gen Geiſt/ und hingegen/ wer nicht hat den Heiligen Geiſt/ der hat auch
nicht den Glauben/ der erlanget auch das andere nicht.


Zwar
[59]Predigt.

Zwar der groſſe Hauff meinet/ geiſtlich ſeyn ſtehe ihn nicht zu/ ſeye
dem Stammen und Namen eine Schande/ ruͤhmet ſich der Weltlig-
keit/ der weltlichen Klugheit/ Staͤrcke ꝛc. daher es dabey bleibet/ was Chri-
ſtus ſaget: Die Welt (ſo fern ſie alſo bleibet) kan den Geiſt derIoh. 14, 17.
Warheit nicht empfahen/ dann ſie kennet ihn nicht/ und begeh-
ret ihn auch nicht. Dieſer Athem mundet nicht: was nicht nach Welt
und Geld riechet/ das iſt nauſea, das eckelt/ pfui! ſprechen ſie/ das riechet
nicht wol; Hingegen genius Politicus, der Welt-Geiſt/ der wird erkant/ das
ſtudirt man; was nach dem H. Geiſte riechet/ das iſt pfui/ pfui! was nach
der Welt riechet/ das iſt anmuthig. Daher kommen die Blaß-Baͤlge der
Welt/ dem Anhauchen Chriſti entgegẽ/ daher entſpringen ſo viel aͤrgerliche2. Sam. 14,
3.

Exempel/ daher alle Ohren-Blaͤſer/ Laͤrmen-Blaͤſer/ Vnter-Blaͤſer/ die
kalt und warm aus einem Munde blaſen/ machen/ daß groſſen Herren
und Richtern wird eine opinion eingeblaſen/ darauff dieſelbe fuſſen/ und
iſt nicht wahr/ wann mans beym Liecht beſihet; Ziba ſpielet noch ſeine2. Sam. 9,
11.
c. 16, 3.
c.
19, 27.

Comœdi/ es ſind nicht alle Zibæ geſtorbẽ/ ſtehet einem Richter uͤbel an/ wañ
man ſagen muß/ der erſte der da kommt/ der hats gewonnen; darzu ſchla-
get ſich der ander Geiſt/ der hoͤlliſche Geiſt/ des Welt-Geiſts Bruder oder
Vater mir Mord und Luͤgen/ der blaͤſet ein apertè oͤffentlich/ ohne Scheu/
und tectè heimlich/ Phariſeer waren heilige Leute/ Chriſtus muſte ſeyn1. Reg. 22,
22, 23.

der Beelzebub; So gehets noch/ manches Werck muß Heiligthumb ſeyn
und Biſam zu Gottes Ehr angeſehen/ beſihet mans recht beym Liecht/ ſo
menſchelts/ riechet nach dem Welt-Geiſt. Alſo gieng es in Sachen Lutheri
auff dem Concilio zu Trident und deſſelbẽ Sack-Pfeiffe/ da die verſamlete
Patres placet ſagen und blaſen muͤſſen/ was der Roͤmiſche Sack-Pfeiffer
ihnen eingeblaſen/ und gehet noch wol auff den heutigen Tag alſo/ was
Caiphas/ was Achitophel im Rath einblaſen/ das muß iederman mit Ja
und Amen verſiglen.


Außerwehlte Kinder Gottes/ Geiſt-faͤhige/ die da verſtehen/ wie
nothwendig dieſer Athem/ der Heilige Geiſt/ ſey zu Erhaltung des geiſt-
lichen Lebens/ die fragen/ wo iſt doch der Heilige Geiſt? Antwort: Jm
Tauff-Waſſer/ im geleſenen/ gehoͤrten und betrachteten Wort Gottes.
Der himmliſche Organiſt Chriſtus lebet noch/ der Heilige Geiſt iſt noch
nicht verſchwunden/ die geiſtlichen Blaß-Baͤlge und Poſaunen ſind noch
nicht zerbrochen/ die Apoſtoliſchen Poſaunen laſſen ihren Schall ſtets hoͤ-
ren in dem Goͤttliehen Wort/ das Wort iſt lebendig und kraͤfftig; So offt
das inſtrument, die geiſtliche Orgel geſchlagen wird durch fleiſſige Leſung/
Hoͤrung/ Betrachtung/ ſo offt blaͤſet daſelbſt der H. Geiſt; wo gute Ge-
H 2dancken
[60]Die Vierte
dancken erſcheinen/ die Fleiſch und Blut nicht geoffenbaret/ daſelbſt iſt die-
ſer him̃liſche Athem; wo Andacht zum Wort/ wo Hertz-klopffen zur Buſſe/
wo innerliche Bewegung zum Gebet/ wo Andacht im Gebet/ wo das Ver-
langen nach dem das droben iſt/ wo Kampff des Geiſtes und des Flei-
1. Reg. 17,
9.
ſches/ wo Bewegung zur Tugend/ gleich wie 1. Reg. 17. da iſt das Anblaſen
des H. Geiſtes/ hier iſt Gottes Finger! das heiſſet auch der gute Geiſt.


ἀντιπνέοντι, wehe alsdann dem Widerſtrebendem und Wider-
ſchnaubendem! gleich wie der ungluͤckſelige Felix der Landpfleger gethan/
den St. Pauli Geiſt hat angeblaſen/ erſchroͤcket und beweget/ aber er hat
ſolchen Trieb bald in Wind geſchlagẽ. Bene λαβ [...]ντες, wol allen Geiſt-faͤhi-
gen/ zu denen ſaget der Herr:Nehmet hin den H. Geiſt/ nehmets
Act. 24, 25.danckbarlich an; die laſſen ſich anwehen; Behaltet/ was ihr habt/ durch
ſtaͤtiges athemen und reſpiriren nach GOTT/ vielmehr ſoll man
Sir. 39, 17.Gottes ſich erinnern als Athem holen; bitten Gott umb die Erhaltung
des Geiſtes/ erweiſet dieſen Geiſt durch guten Geruch/ durch den Geruch
eines guten Namens/ der Gedult; wolriechende Gewuͤrtze geben einen
Geruch von ſich/ wann ſie gerieben werden/ wann Sathans Engel mit
Eccleſ. 4, 1.Faͤuſten ſchlaͤget; genieſſet den Troſt des Lebens/ des Liechts/ des Troſts
Prov. 29,
27.
alles Troſts wider das wuͤtende Schnauben des Sauls/ fluchen ſie/
ſo betet ihr/ Ner Jehova niſchmath Adam,die Leuchte des
HErrn iſt des Menſchen Athem/ die gehet durchs gantze Hertz.


Hier iſt noch ſchnaubens und keuchens Zeit/ wir ſind Tagloͤhner/ die
keuchen unter der Laſt/ der H. Geiſt vertritt aber ihr kranen/ winſeln und
kirren/ mit unaußſprechlichen ſeuffzen; Endlich nach dem Streit und
Num. 15,
24.
Wahlfahrt wird folgen die rechte Cananeiſche Ruhe im himmliſchen Ca-
naan und Luſt-Hauſe; nach dem Vorſchmack das Vollkom̃liche genieſſen/
hier Vorſchmack/ dort Genieß! nach den ſeuffzenden Athemen/ die ewige
Ruhe! hier Athem und Seuffzen/ dort ſtoltze Ruhe/ Gott und alles genug!
hier Gnaden-Kuß/ (vermenget mit Judas-Kuͤſſen) dort aber Chriſti Ehr-
und Freuden-Kuß/ nach dem Gnaden-Kuß folget der Ehren-Kuß/ Got-
tes-Kuß/ Engel-Kuß/ aller Außerwehlten Kuß/ Friede und Freude im
H. Geiſt. Das gebe uns allen der Hertzog des Lebens Jeſus Chriſtus durch
den Gruß und Kuß ſeines Mundes/ ſeinen Heiligen
Freuden- und Troſt-Geiſt/
Amen.


Die
[61]Predigt.

Die Fuͤnffte Predigt/


Vber den dritten Artieul/
Von den Ampts-Gaben des
Heiligen Geiſtes.


GEliebte in Chriſto: Wann Chriſtus unſer Herr un-
ter andern vor ſeiner Himmelfahrt ſeine dazumal zag-
haffte und bloͤde Juͤnger vertroͤſtet eines Kleides/ eines
Schmuckes/ damit ſie ſollen angezogen werden/ undLuc. 24,
49.

ſpricht: Jhr ſollet in der Statt Jeruſalem blei-
ben/ biß daß ihr angethan werdet mit Krafft aus
der Hoͤhe
So verſtehet Er dadurch/ wie unſchwer auch Einfaͤltigen
zu erachten/ keinen leiblichen/ aͤuſſerlichen/ weltlichen/ ſondern 1. Einen
geiſtlichen Seelen-Schmuck/
und zwar den Heiligen Geiſt
ſelbſt/ ſammt ſeinen Gaben/
wie Actor. 1. die Außlegung zu finden:Act. 1, 8.
Jhr werdet die Krafft des Heiligen Geiſtes empfahen/ welche
auff euch kommen wird;
Jſt eine Art zu reden im alten Teſtament/
gebraͤuchlich von den Gaben des Heiligen Geiſtes und ſeiner Außruͤſtung;
Der Geiſt des HErren zog Gideon an; Amaſai den Haupt-Iud. 6, 34.
mann unter dreyſſigen/ den Prieſter Zacharia des Prieſters1. Chron.
13, 18.

Jojada Sohn/ anzudeuten/ daß ſo nah/ ſo genau einem ein Hembd2. Chron.
24, 20.

oder ein Kleid am Leibe liegt/ ſo genau wolle ſich auch der Heilige Geiſt mit
einem Menſchen vereinbaren/ vnd wie ein Kleid Waͤrme gibt/ zieret und
verwahret/ vnd gleichſam feſt machet/ alſo thu auch der Heilige Geiſt ver-
mittelſt ſeiner Gaben/ er waͤrmet/ er verwahret/ er zieret geiſtlicher Weiſe/
und das iſt/ was der Herr durch und in dieſer Wort-Blume meynet
und verſtehet.


2. Ein fuͤrgebildetes Kleid; fuͤrgebildet in dem Propheten2. Reg. 2,
13. 14.

Elia/ deſſen entfallene/ wunderthaͤtige Mantel/ durch welchen er den Jor-
dan zertheilet/ ſeinem Juͤnger dem Eliſa ein gewiſſes Pfand-Zeichen ge-
weſt/ daß der Heilige Geiſt/ auch auff ihn hernach den Eliſa gerathen; der
H 3anti-
[62]Die Fůnffte
antitypus und das Gegentheil ſcheinet herfuͤr aus den Worten Chriſti/
Marc. 16,
17.
damit er von ſeinen Juͤngern ein valet genommen und geſagt: Die Zei-
chen aber die da folgen werden/ denen die da glauben/ ſind die:
Jn meinem Namen werden ſie Teufel außtreiben/ mit neuen
Zungen reden ꝛc.
Jnmaſſen dann auch erfolgt und gefchehen.


3. Ein erworben und verehrtes Kleid; Jſt ein Kleid/ wel-
ches ſo zu reden der himmliſche Seiden-Wurm Chriſtus erſpunnen und
gewunnen/ der weiland verachtete Wurm/ der ſich hernach in den Himmel
Pſal. 68, 13.erſchwungen/ nach dem er ſein Gewerb außgeſpunnen/ und das erworbene
Iud. 5, 30.Kleid als eine Außbeuthe außgetheilet/ laut des 68. Pſalms; diß ſind die
bunte geſtickte Kleider zur Außbeuthe/ welche die Mutter Siſſera ihrem
Frauenzimmer gegeben/ verſprochen/ hier iſt die Warheit.


4. Ein nothwendiges Kleid; Dann dieweil wir leider durch
den traurigen Fall/ ſo bald der Menſch nackend geweſt/ umb unſer Feyer-
und Ehren-ja Engel-Kleid/ dariñ/ wir fuͤr Gottes Thron haͤtten prangen/
erſcheinen und beſtehen moͤgen/ verſchertzet/ und in ein Schafs-Fell ſchlupf-
fen/ weiland Koͤnige uͤber alle Thiere/ nunmehr deroſelben Bettler derſel-
ben Haut/ Fell/ Beltz/ Wolle von denſelben borgen vnd erbettlen muͤſſen/
und alſo wehrlos auff dem Kampff-Platz dieſer Welt gelaſſen worden/ allen
widrigen Elementen und Himmels-Stuͤrmen unterworffen; ſo war vns
ja von noͤthen ein neues und anders Kleid/ damit wir durch den H. Geiſt
angezogen/ nemlich ein Buß-Rock oder Buß-Sack/ der Rock der Gerech-
Luc. 15, 22.tigkeit Jeſu Chriſti/ der erſte Rock der Wiedergeburt/ da wir Chriſtum ſelbſt
Matth. 22,
11. 12.
angezogen: das Hembde der Heiligkeit/ das hochzeitliche Kleid/ die weiſſen
Apoc. 3, 18.Kleider/ die geiſtliche armatur, der Harniſch der Warheit/ der Auffrichtig-
Eph. 6, 11.
13. 14. 15. 16.
\&
17.
keit und gerechten Sache/ der Schuh des Evangelii/ daß wir geſtiffelt
ſeyn: der unuͤberwindliche Schild des Glaubens/ das Schwert des Hei-
ligen Geiſtes.


5. Sonderlich aber ſihet er auff die herrliche ſchön-gläntzende
Act. 12, 21.Kleinodien/ die in gemeldetem Kleid herfuͤr lenchten koͤſtlicher als in He-
rodis
guͤldenem Schmuck/ das iſt auff die Apoſtoliſchen χαρισματα und
Ampts Gabẽ/
dadurch ſie die Apoſtel außſtaffieret/ getroͤſtet/ dem Teufel
und alle ſeinẽ Heer unter die Augen gangẽ/ ſeinen Schupen dẽ Trutz gebotẽ/
zerſtoͤret die Anſchlaͤge und Hoͤhe/ die ſich erhebet uͤber das Erkaͤntnuͤß Got-
tes; die alte barbariſche unteutſche und unlateiniſche Schul Lehrer neñens
gratias gratis datas,ſolche Gaben/ ſo aus Gnaden und umb-
ſonſt
[63]Predigt.
ſonſt gegeben werden/ gantz ungereimt/ gerade als weren etliche andere
Gaben des Heiligen Getſtes/ die nicht aus Gnaden ſondern aus Ver-
dienſt diſpenfirt und außgeſpendet werden; Wir nennens in unſern
Schulen diedona adminiſtrantia,Verwaltungs- oder Ampts-
Gaben/
den Zierrath der Kirchen/ damit das geiſtliche Hauß der Chriſt-
lichen Kirchen gezieret und geſchmuͤcket/ davon Epheſ. 4. und 1. Cor. 12.Eph. 4, 16.
zu leſen. Damit der H. Geiſt die Apoſtel zwar damals im hohen Grad an-1. Cor. 12,
1. \& ſeqq.

gezogen/ aber auch auff den heutigen Tag in gewiſſer Maß und Weiſe noch
in der Chriſtlichen Kirchen ſcheinen und bleiben.


Jſt die erſte claſſis und Ordnung der Gaben des Heiligen Geiſtes/
ποικιλότης χάριτος, die mancherley Art und Vnterſcheid der
Gaben/
davon wir dißmal zu reden; Nach dem wir donum perſo-
nale,
das perſönliche Gnaden-Geſchenck oder die Perſon des
Heiligen Geiſtes
Euer Liebe aus Gottes Wort recommendiret
und fuͤrgetragen; Seine Gottheit und Vrſprung oder Außgang
angezeiget; ſo folgen nun diegratiæ \& χαρίσματα, die Gaben an
ihm ſelbſt/
und zwar erſtlich dieadminiſtrantia,die angedeutete
Bau- und Verwaltungs-Gaben/
die der heilige/ freythaͤtige Geiſt
diſpenſiret zum beſten des gemeinen Weſens; Laſſet uns derowegen ſitzen/
das iſt/ ruhen von unſerm Werck in dieſem geiſtlichen Jeruſalem/ auff daß
wir auch angethan werden mit der Krafft aus der Hoͤhe/ durch Jeſum
Chriſtum/ Amen.


ZWeyerley Ampts-Gaben finden wir in heiliger Schrifft/ ſo
von dieſer hoͤchſten Quell/ dem Heiligen Geiſt/ entſprungen;
Erſtlich Extra-Eccleſiaſtica,Gaben auſſer der Kirchen/
ſo unmittelbar zu dem innern Kirchen-Bau nicht gehoͤren/ wiewol den-
ſelben auch ſerviren und Dienſt leiſten moͤgen und ſollen; das ſind nun
1. Die Obrigkeitliche Regiments-Gaben/ Weißheit/ Ver-
ſtand/ Eifer und Helden-Muth/
dann alſo leſen wir: GOTTNum. 11,
25.

nahm vom Geiſt Moſe/ und legets auff die Siebentzig/ die
fiengen an zu weiſſagen/ und hoͤrten nicht auff.
Von Joſua/Devt. 34, 9.
dann da Moſe ſeine Hand auff ihn geleget/ ſey er erfuͤllet wor-
den mit dem Geiſt der Weißheit;
Alſo auch Gideon ward an-
gezogen
[64]Die Fuͤnffte
gezogen mit dem Heiligen Geiſt/ daß er zog wider die Mi-
Iud, 6, 34.dianiter mit drey hundert Mann/ und hat in Krafft ſolches
1. Sam. 10,
6.
Anzugs einen groſſen Wunder-Sieg erhalten. Von Saul
ſtehet dergleichen: daß der Geiſt des HErren uͤber ihn gerathen/
und er ein ander Mann worden.
Was nun damals unmittelbar
und auſſer-ordentlich geſchehen/ das geſchiehet noch heutiges Tages in
gewiſſer Maß und ordnung und Weiſe/ daß auch wol mancher Efeltrei-
ber/ mancher Handwercksmann ein kluger Regent/ und alſo ein anderer
Mann werden kan/ welche Aenderung er nicht von ſich ſelbſt/ ſondern vom
Himmel herab empfangen; dann wen Gott ſchicket/ den machet er auch
geſchicket/ wiewol durch Mittel.


Exod. 31,
2. 3.

2. Sonderbare Kuͤnſte; wie klar von Bezaleel ſtehet: Jch
habe mit Namen beruffen Bezaleel/ und habe ihn erfuͤllet mit
dem Geiſt Gottes/ Verſtand und Erkantnuͤß kuͤnſtlich zu
arbeiten an Gold/ Silber/ Ertz/ kůnſtlich Steine zu ſchneiden
und zimmern am Holtz;
Was abermal damals unmittelbar und
auſſer Ordnung geſchehen/ geſchicht noch heute bey allen Kuͤnſten und
Handthierungen derer/ die mit Sinn-reichen/ gelahrten und hurtigen ge-
ſchickten Haͤnden ein Werck/ Bau/ Gemaͤld oder ander Kunſt Stuͤck auß-
arbeiten und außwircken; gleich wie nicht nur das manna Gottes Gabe
geweſt/ ſondern auch das Brod/ ſo durch den Ackerbau aus der Erden ge-
wachſen/ daruͤber der Menſch ſeinẽ Schweiß vergieſſen muͤſſen. Sonderlich
gehoͤren hieher neue/ nuͤtzliche excellent-Fuͤnde/ als die edle Truckerey fuͤr
zwey hundert Jahren/ die Gott der letztẽ Welt zur guten Nacht geſchencket/
da ſollen wir druͤber ſchreiben: Θεοςδοτον! Das iſt Gottes Gabe!
Spiritus Sanctus inventor \& autor!Dieſer Kunſt Erfinder
und Vrheber iſt Gott der Heilige Geiſt!
Da iſt Gottes Finger!
Ioh. 3, 27.Kein Menſch nimmet ihm ſelbſt/ ſondern hats von Gott/Ein Menſch
kan nichts nehmen/ es werde ihm dann gegeben vom Himmel.

Ambroſ.
in Pſ.
118.
Ambroſius fuͤhret hiervon ſchoͤne Gedancken uͤber den 118. Pſ. Eſt ſpiritus
Prophetarum, eſt ſpiritus Apoſtolorum, eſt etiam artificum ſpiritus,
ſicut Bezaleel \& Ooliab, quos implevit Dominus Spiritu Sapientiæ \&c.

Es iſt zwar der Propheten Geiſt/ es iſt der Apoſtel Geiſt/ es iſt aber auch ein
Kunſt-Geiſt/ wie der Geiſt des Bezaleel und Ahaliab/ welche Gott der
Herr erfuͤllet hat mit dem Geiſt der Weißheit.


Belan-
[65]Predigt.

Belangende aber die Chriſtliche Kirche innerhalb/ umb welche
es dem H. Geiſt ſonderlich zu thun/ ſo finden ſich dariñ ſchöneanathe-
mata
und Schätze/ damit er dieſelbe ie und allezeit gezieret/ und ſind
dieſelben abermal zweyerley/ ſonderbare/ auſſer-ordentliche Ga-
ben/
die nur eine Zeitlang waͤren/ welche anfangs in der erſten/ Apoſto-
liſchen/ neu-gepflantzten Mutter- und Milch-Kirche geleuchtet als Kleino-
dien und Edelgeſteine/ von ſonderbaren unvergleichlichen raritaͤten/ von
welchen St. Paulus einen gantzen Catalogum zuſammen gefuͤget/ na-1. Cor. 12, 1.
ſeqq.

mentlich: Das heilige von Gott angezuͤndete/ unfehlbare Liecht
der Weißheit;
in welchem die hohe/ alle Vernunfft uͤberſteigende Ge-
heimnuͤß herfuͤr gebrochen/ geoffenbaret zu unſerer Seligkeit; ſintemal2. Petr. 1, v.
ult.

keine Weiſſagung aus eigenem Willen herfür bracht/ ſondern
die heiligen Maͤnner Gottes haben geredt/ getrieben von
dem Heiligen Geiſt.


Das Liecht der Geſichte/ Traͤume und Weiſſagungen/
dergleichen bey St. Paulo/ Petro und Agabo erſchienen/ ſo auch nach der
Zeit der heiligen Apoſtel eine Zeitlang geleuchtet und mit denſelben nicht
allerdings verloſchen; daher die Gläubigen zu Samarien auff dasAct. 8, 17.
18. 19.

Gebet der beyden Apoſtel Petri und Johannis den Heiligen Geiſt
der geſtalt ſichtbarlich empfangen/ daß Simon denſelben leicht mitAct. 10. 44.
c.
11, 15.

Augen ſehen und faͤlſchen koͤnnen; AuffCorneliiHauß-Geſinde iſt
der Heilige Geiſt gefallen/ gleich wie auch auff ſie die Apoſtel/

ſcheinbarer Weiſe/ ohne Zweifel auch in einem lieblichen/ holdſeligen Feuer-
Regen/ Feuer-Thau und Feuer-Tauffe. So bald die zwölff Maͤn-Act. 19, 6.
ner zu Epheſo die Feuer-Tauffe des H. Geiſtes empfunden/ fien-
gen ſie an mit frembden Sprachen zu reden und zu weiſſagen/

wie Juſtinus Martyr in ſeinem Geſpraͤch mit dem Juden Tryphone be-
richtet. Das Liecht die Geiſter zu unterſcheiden/ Daß zum Exem-Actor. 5, 3.
c.
13, 9.

pel St. Petrus dem Anania/ der dem Heiligen Geiſt gelogen/ St. Paulus
dem Zauberer Elymas ins Hertz hinein geſehen/ und dero Tuͤck verra-
then. Das klare Liecht der mancherley frembden/ ungeſtudir-
ten Sprachen.


Heroiſcher groß-freyer Helden-Muth/ durch deſſen Trieb ſie
mit freyein Muth und freyẽ Munde getroſt die Warheit gefagt/ und was
Sechſter Theil. Jdeß-
[66]Die Fuͤnffte
deßwegen zu leiden geweſt/ zur Maͤrter-Kron ſich gleichſam gedrungen/ ihre
Act. 4, 21,
c.
5, 40. 41.
Haͤlſe umb Chriſti und des Worts Gottes willen willig und freudig dar-
gerecket/ zur Maͤrter-Kron als zu einem Tantz froͤlich geſprungen.


Die wunder-thätige Krafft/ ſo in unerhoͤrten Zeichen und
Wundern ſich vorgethan/ dadurch die Krancken geſund gemacht/ ſo ſtarck
Act. 19, 12.und kraͤfftig/ daß da ſie auch von St. Paulo die Schweiß-Tuͤcher und Kol-
ler uͤber die Krancken hielten/ die Seuche von ihnen gewichen/ vnd die boͤſen
Geiſter von ihnen außgefahren; darzu auch gehoͤret die auſſer-ordentli-
Actor. 5, 5.
c.
13, 11.
che Krafft/ gottloſe Leute zu ſtraffen/ welche St. Petrus wider dẽ Anania
und Saphira/ St. Paulus gegen Bar Jehu bewieſen/ und heiſſet dieſelbe
Gabe δύναμις ἐνεργημάτων. Diß war die jenige Feuer-Tauffe/ davon
Actor. 1, 5.
c.
2, 1.
der Herr geweiſſaget/ den Er auch herrlich und Majeſtaͤtiſch geleiſtet/
auff das Pfingſt-Feſt/ in welchem Gott der Heilige Geiſt in einem rech-
ten/ guͤldenen/ feurigen Regen ſich uͤber die Haͤupter der heiligen Apoſtel
ergoſſen/ ſie truncken gemacht/ nicht vom Wein/ ſondern von dem Heiligen
Geiſt/ die Funcken hat man damals nur geſehen/ es iſt aber darauff erfol-
get eine anmuthige/ hochtroͤſtliche/ gnadenreiche Feuers-Brunſt/ ſo in der
gantzen Welt geleuchtet und gewaͤrmet.


Dieſe Gaben/ nach dem ſie ihren Zweck erreichet und der Glaube
gepflantzet worden/ ſind laͤngſt verſchwunden/ gleich wie nach dem die Kin-
der Jſrael in das Land Canaan kommen/ und nicht mehr in der Wuͤſten
herumb gewandert/ das Manna auffgehoͤret/ und nicht mehr vom Him-
mel gefallen. Zwar nach Goͤttlicher intention ſolte dieſes Gaben-Liecht
(gleich wie das Opffer-Feuer im Alten Teſtament ſo erſtlich auff das
Opffer Aarons gefallen) in der Chriſtlichen Kirchen/ der ſubſtantz
und Weſen nach unerloſchen fortgepflantzet und fovirt werden/ wie-
wol die unmittelbare Anhauchung deſſelben auffgehoͤret/ Gottes Geiſt
wolte hinfort durch das gepredigte Wort handlen und wuͤrcken/ Spra-
chen ſollen die Kirche zieren/ aber in den Schulen erlernet: Geiſter ſollen
durch die ordentliche edle diſputir-Kunſt entſchieden: Die leibliche mi-
racul
in geiſtliche (dahin jene gezielet) verwandelt werden: Helden-Muth
() vide D.
Ioh. Papp.
Comm. in
Eſa. p.
67.
ſolte ſich herfuͤr thun/ ſo offt es die Nothdurfft erfordert/ und die ordentliche
Waͤchter-Hund einſchlaffen wurden: Die () Gabe der Weiſſagung ſolte
ſich beweifen in Erklaͤrung der dunckeln Spruͤche heiliger Goͤttlicher
Schrifft/ ſonderlich wann diefelbe durch der Jrr-Geiſter neue Schwer-
mereyen wollen angefochten werden. So folte es ſeyn/ und allzeit geblieben
ſeyn: aber es iſt beym SOLLEN verblieben/ das woͤllen iſt nicht erfolget/
der
[67]Predigt.
der Sathan hat die finſtere Nacht bald wiederumb eingefuͤhret/ in ſolcher
finſtern gemauſet/ und in derſelben allerhand Jrrwiſche und Jrr-Geiſter
außgebreitet/ davon Barbarey/ Aberglauben/ Abgoͤtterey/ Greuel uͤber
Greuel entſtanden. Zwar an Viſionen/ Traͤumen/ Erſcheinungen/ des
Geiſtes Propheceyungen/ vermeynten Wunder-Wercken iſt niemals kein
Mangel geweſt/ ſie waren aber auch darnach. St. Paulus nennet ſie2. Theſſ. 2,
10. 11.

krafftige Jrrthumb/ verfuͤhriſche Wunder und Zeichen.


Vnd ob ſchon wol im Papſtumb groß Gepraͤng und ruͤhmens iſt
von ſolchen Gaben ie und allzeit geweſen; der vermeynte Statthalter Pe-
tri/ wie er ihm den Apoſtoliſchen Sitz imputirt und zuſchreibet/ alſo auch
dieſe Apoſtoliſche Gabe Wunder zu thun/ damit prangen ſie/ daß ſie
dieſelbe unter die characteres und unfchlbare Kenn-Zeichen der wahren
Kirchen zeichnen; Wir aber geſtehen ihnen dieſe Apoſtoliſche Gabe nicht/
ſie ſtehet zu erweiſen/ wir haben groſſe Vrſachen ihren fuͤrgewendeten
Wunder-Wercken nicht zu trauen/ der Teufel iſt ein Schalck/ die Lugen-
den ſind betruͤglich. Man ſcheuet das Liecht/ were was dran/ ſolten die
groſſen Wunder-Maͤnner unter uns (als nach ihrem Sinn/ Kaͤtzern) ſol-
che Zeichen thun/ auff daß wir als die Vnglaubigen/ glaubeten/ aber das
laſſen ſie wol anſtehen/ ſie fuͤrchten die Kunſt werd ihnen auffgethan. Zu
dem werden ſolche Lehren mit dergleichen miraculen von ungeſchwunge-
nen Luͤgen beſtaͤtiget/ die dem Apoſtoliſchen Bann-Strahl unterworffen/Gal. 1, 8.
davon S. Paulus ſchreibet: Daß wañ auch ein Engel vom Him-
mel kaͤme/ der ein anders und widriges Evangelium predigen
wolte/ als er geprediget/ verdammt undverflucht ſeyn ſolle.


Wir laſſen uns Chriſtum/ die Warheit ſelbſt warnen/ der ſaget:
Sehet euch fuͤr/ es werden (ſonderlich verſtehe in den letzten Zeiten)Matth. 24,
24.

falſche Propheten auffſtehen/ und groſſe Zeichen und Wunder
thun/ daß verfuͤhret werden in den Jrrthumb (wo es muͤglich
were) auch die Außerwehlten!
und wann es gleich mit andern Ga-
ben richtig were/ ſo mangelts doch den armen Stuͤmplern an der Apoſto-
liſchen Gabe der frembden Sprachen. Wehe uns den vermeynten Kaͤ-
tzern/ ſolte die Roͤmiſche Kirche mit der δυνάμει ἐνεργημάτων mit der jenigen
Gabe außgeruͤſtet ſeyn/ dadurch Ananias getoͤdtet/ Elymas geblendet wor-Actor. 5, 5.
c.
13, 11.

den/ ſo bedoͤrffte der Papſt keinen weltlichen Arm/ er wuͤrde dem Hencker
manche Arbeit ſparen. Daſelbſt iſt aber leider offt weder ςόμα noch σοφία,
weder Sprache noch Weißheit vorhanden.


J 2Aber
[68]Die Fuͤnffte

Aber wie dem allem! ſo iſt doch die analogia und gemeſſene Gleich-
foͤrmigkeit gemeldter Gaben etlicher maſſen uͤberblieben/ und ſind demnach
die ordentliche Ampts-Gaben ſtets bey und in der wahren Chriſtlichen
Kirchen zu finden/ wiewol nicht in gleichem flor, frequentz und Grad; Es
leuchtet ja heut zu Tage/ noch unter uns/ nach dem die helle Fackel des
Evangelii wiederumb loh-hell brennt/ und von der alten Paͤpſtiſchen Vn-
ſauberkeit gereiniget worden/ die Goͤttliche Weißheit in der Lehr/
2. Tim. 2,
15.
rechter Abtheilung und Außlegung des Goͤttlichen Worts/
Gal 6, 6.
2. Tim,
2,
24.
aus den Grundſprachen/ die Gabe wol zu lehrẽ und zu unterrichtẽ/
die Gabe zu widerlegen falſche Lehrer/
Rotten und Secten und die
Geiſter/ (Luͤgen und Warheit) zu pruͤfen und zu unterſcheiden aus dem
Hebr. 5, 12.Worte Gottes/ nach der Vermahnung St. Pauli. Ja auch die Gabe
Tit. 1, 9.zu weiſſagen/ das iſt die Prophetiſchen Weiſſagungen zu erklaͤren. Vnd
wuͤrde unſerm theuren Luthero/ wer ſeine Propheceyung von Teuſchland
mit der heutigen ſcheinbaren und traurigen experientz vergleicht/ niemand
leichtlich dieſelbe allerdings abſprechen koͤnnen/ anders nicht als auff die
Art und Weiſe/ wie auch der alte Kirchen-Lehrer Athanaſius in der Kir-
chen-Hiſtori προφητικος ώνὴρ ein prophetiſcher Mann iſt genennet wor-
den. Die Wiſſenſchafft ſo wol außlaͤndiſcher/ als in der Kir-
Eſa. 50, 4.chen uͤblicher Sprachen/ die gelehrte Zung/ weißlich und kluͤglich zu
reden/ und doch nach eines iedwedem Verſtand/ daß es iederman verſte-
hen kan. Wie die Weißheit ohne Wort nicht viel taug/ alſo viel Wort oh-
ne Verſtand/ iſt nichts nuͤtz. Vox eſt prætereaq́; nihil, Es ſind bloſſe lehre
Wort ohne Verſtand/ ſonſt nichts/ pflegt man zu ſagen.


Nicht weniger auch Θυμὸς, der Heroiſche Helden-Muth/ der
Eifer-Geiſt/ und freudige Muth
im Gewiſſen-Grad/ mit aller Freu-
digkeit kluͤglich und beſcheidenlich zu reden/ es treff Biſchoff oder Bader/ biß
an den Maͤrter Platz/ es koſte Blut oder nicht. Der gluͤckſelige Fort-
gang und kraͤfftige Wůrckung;
An ſtatt der aͤuſſerlichen ſichtbaren in
die Augen-leuchtenden miraculen erzeigen ſich unter uns diewunderlichen
Bekehrungen/ die geiſtliche Blinde werden ſehend/ die geiſtliche Tauben
werden hoͤrend/ die geiſtliche Toden ſtehen auff/ ſteinerne Hertzen werden
in fleiſcherne verwandelt/ alles in Krafft des Geiſt-reichen Worts Gottes.


Wann nun dem alſo/ und wir greiffen muͤſſen/ daß ſolche Gaben
noch unter uns im Schwang gehẽ und im flor ſtehen/ durch Gottes unver-
diente Barmhertzigkeit/ ſo haben ihrelection zu behalten/ IdieVaſalli
und
[69]Predigt.
und Gottes Lehen Leute/ die Gott der HErr vor andern ſo hoch
belehnet/ mit erſt-ermeldten Gaben außſtaffiret/ und ange-
zogen mit der Krafft aus der Höhe;
daß ſie folgende drey Wort
fleiſſig und beſtaͤndig in acht nehmen: Accipe, redde, fuge!nim
an/ gib wieder und meyde.
Gleich wie alle andere Gut- und Woltha-
ten/ die uns Gott erzeiget/ uns mit dieſen dreyen Worten anreden:Hugo de
5. Victore.

Accipe beneficium: redde debitum: fugepeccatum \& ſup-
plicium;
Nim dieſe Gutthat an/ gib hingegen wieder deine
Gebuͤhr/ und meyde ſo wol die ſůndliche Vndanckbarkeit als
die darauff folgende Straffe!
Accipe,Nim dieſelbe an durch
Gebet und ordentliche Mittel; wen Gott in einen Stand beruffen/
daß er zuforderſt Gott um̃b ſeinen Heiligen Geiſt anruffe/ die ordentliche
Mittel gebrauche/ ἰδίαν δμίαμιν, das Pfund/ das ihm Gott verliehen/
bey ſich ermeſſe/ wie hoch es ſich erſtrecke/ Gott nicht verſuche; Jnſon-
derheit im Wehr-Stande/ Obrigkeit ſoll bitten umb religion, Verſtand
und Weißheit/ ſich aus den Hiſtorien vnd andern guten Mitteln fundi-Iac. 1, 5.
ren; Jm Nehr-Stande deßgleichen heiſſet es οὔρῳ καὶ εἰρεσίᾳ [...] wer was
erlangen will/ der muß neben der Arbeit Gott umb Segen bitten und erbe-
ten/ er mußzufehen/ daß er nicht nur ein Kuͤnſtler/ ſondern guten Wind
und ein heiliger Kuͤnſtler ſey/ ein Chriſtlicher Schneider/ Schuhmacher ꝛc.


Sonderlich aber im Lehr-Stande/ die das Ampt des Geiſtes fuͤh-
ren wollen/ als junge angehende Studioſi Theologiæ, daß ſie ſich ja nicht
auff die faule Seite legen/ nicht Menſchen-Tage ſuchen/ und ihnen
ſelbſt allzubald Feuer-Abend geben/ nicht ihr talent vergraben/ nicht wie es1. Cor. 12,
31.
c.
14, 1.

wol geſchicht/ wann ſie durch Traͤgheit dem freygebigen und freythaͤtigen
guten Geiſt nicht in guter Ordnung begegnet/ die Schuld auff Gott2. Tim. 1, 6.
Miror (ait
Chryſoſt.
in epiſt. ad
Hebr.) ſi
quẽ ex his
qui obti-
nent prin-
cipatũ in
Eccleſia
contigerit
ſalvari in
tantâ eorũ
deſidia.

legen/ als haͤtte Er nicht genug Gaben gegeben; Es iſt von noͤthen ζήλωσις,
der Eifer/ Strebet/ ſagt St. Paulus/ nach den beſten Gaben/ fleiſ-
ſiget euch der geiſtlichẽ Gaben;
Es iſt von noͤthen ἀναζ ωπύρωσις, eine
Auffmunterung und Erweckung der Gaben/ wann die Flamme will auß-
gehen/ muß man ſie wieder anblaſen; Gedencke nicht auff den Augen-
Dienſt der Leute/ die Augen/ die Ohren zu fuͤllen mit Stick- und Flickwerck/
wie Hieronymus von ſolchen Leuten klaget/ daß geweſen ſeyen/ die ihnen
nicht haben laſſen angelegen ſeyn/ wie ſie das Marck/ Kern/ Safft und
Krafft aus der Schrifft heraus ſaugen/ ſondern nur wie ſie dem Poͤbel die
J 3Ohren
[70]Die Fuͤnffte
Interpre-
tamur (ita
Hieron. l.
3. ad Galat.
5.) ſcriptu-
ras, ſæpe
vertimus
ſtylũ, quæ
digna le-
ctione ſũt,
ſcribimus,
\& niſi Chri-
ſti cauſa fi
ant, ſed
memoriæ
in poſte-
ros \& fa-
mæ in po-
pulos, totꝰ
labor fit
irritus, \&
erimꝰ qua-
ſi tympa-
nũ ſonans
\& cymba.
lum con-
crepans.
1. Pet. 4, 10.
1. Cor.
13,
12.
Ohren mit allerhand lieblichen und wolklingenden Worten ohne Geiſt
fuͤllen moͤchten.


Das andere Stuͤck dieſerlection heiſſet Redde,gibs wie-
der was du empfangen mit Wucher und Danck!
gedenck von
wem du es empfangen haſt/ und warumb? Dem Allerhoͤchſten zu Ehren/
dem Naͤchſten zu Dienſt und Erbauung. Daß einer dem andern
diene/ ein ieglicher mit der Gabe/ die er empfangen hat/ als
die guten Haußhalter der mancherley Gnaden Gottes/
nach
der Vermahnung Petri/ und das alles aus Liebe/ das Hertz im Leibe mit-
zutheilen/ allen Rath Gottes offenbaren/ und wie du fuͤr Gott begehreſt
zu beſtehen/ andere auch lehren/ wie geſagt/ alles aus Liebe/ nach dem
Exempel Pauli/ der ſagt: Wann ich mit Engels-Zungen redete/
und haͤtte der Liebe nicht/
das iſt/ wann die Liebe nicht das Werck
als eine Meiſterin fuͤhret/ und das geiſtliche Pfeiffen-Werck richtet/
Wann ich gleich ſonſt mit Menſchen- und Engels-Zungen
redete/ ſo were ich ein thoͤnend Ertz und eine klingende Schel-
le; vnd wann ich weiſſagen koͤnte/ und wuͤſte alle Geheim nůß
und alle Erkäntnuͤß/ und hätte allen Glauben/ alſo daß ich
Berge verſetzete/ und hätte der Liebe nicht/ ſo were ich nichts.


Das dritte Stuͤck dieſerlection heiſſet Fuge,fliehe/ meyde!
diſſeit ſuperbiam,die leidige Hoffart/ die Kunſt-Geſchwulſt/ den
ſtinckenden Gaben-Pracht; Dencke daß nichts von dir komme als Suͤn-
de/ von Gott aber komme alles was du haſt: jenſeit invidiam,den
gifftigen Neid;
Mißgoͤnne deinem Naͤchſten ſeine hoͤhere Gaben nicht/
trucke ſie nicht durch ungleiche/ unzeitige Vrtheil/ daͤmpffe die Geiſter nicht/
der Teufel iſt ohne das guten Gaben feind/ ſie ſind ihm ein Dorn in Au-
gen/ und ſind ſonderbar-begabte Maͤnner duͤnne geſaͤet; Sprich vielmehr
Num, 11,
29.
mit Moſe: Wolte Gott/ daß alle das Volck des HErren weiſſa-
get.
Fuge abuſum,huͤte dich fuͤr dem ſchnöden Mißbrauch
und Verunehrung der verliehenen Gaben/
ſo geſchicht wann Re-
genten und Obern ihrem Stad einen Schand-Flecken anhaͤngen/ Erger-
nuͤß geben; Kuͤnſtler ihre Koͤpffe auffſetzen/ wie ſie offt ſeltzame Narren-
Koͤpffe haben/ ſo bald ſie einen Pfenning verdienen/ muß er an naſſe
Wahr geleget ſeyn; das iſt der Danck. Prediger/ wann ſie uͤbel leben
und wol predigen/ ſo unterweiſen ſie Chriſtum/ wie er einen der uͤbel lebet/
ſtraffen
[71]Predigt.
ſtraffen ſolle; Da muß man mit Verwunderung ſagen: Jſt Saul
auch unter den Propheten? Jſt Saul auch unter den Pro-
1. Sam. 19,
24.

pheten/ von dem der Geiſt Gottes gewiechen?


II.Dieſelection gehet aber auch das gemeine Volck und
Zuhoͤrer an/
die ſich in Beweiſung bißher geſchehenen Fuͤrtrags ſollen
anfriſten laſſen 1. zurgratulation, daß ſie ſich freuen/ allweil ſie
die Gaben noch ſehen/ allweil ſie die Strahlen der Gnaden-Sonn noch
ſpuͤren/ Gott hertzlich dancken; So lange dieſes palladium ſtehet/ ſo
lange ſtehet die Chriſtliche Kirche.


2. Ad æſtimationem;daß ſie ſolche Gaben/ welche alsLuc. 1, 78.
1. Reg. 9,
28.
() vid. Mal-
vend. l. 4.
de Antichr.
c.
32.

Guͤter ex Uraniâ von dem Orient und Auffgang aus der Hoͤhe alles Ophi-
riſche Gold/ ſo Salomon abholen laſſen/ alle () Jndianiſche Schaͤtze und
cantica terræ weit uͤbertreffen/ nicht ſollen ſo gering ſchaͤtzen und
halten/
nicht conculciren und verachten. Eine ſchwere Suͤnde iſt es/
das Brod mit Fuͤſſen tretten/ noch ſchwerer die Gaben des Heiligen Gei-
ſtes ſchaͤnden oder ab denſelben eckeln/ wer Brod mit Fuͤſſen tritt/ iſt keines
Biſſen Brods werth/ was iſt dann der werth/ der die himmlichen Gaben
des H. Geiſtes verachtet? wiewol auch in dieſer Schaͤtzung Maß zu hal-
ten/ die Gaben von den Perſonen/ die Kleinodien von den Kaͤſtlein wol
zu unterſcheiden/ nicht wie die zu Corintho gethan/ umb der Gaben willen1. Cor. 1, 12.
die Perſonen vergoͤttern/ die προσωπομαχία gebaͤret gar bald die προσωπο-
λατρείαν, iſt lauter Greuel fuͤr Gott.


3. Ad conſervationem,daß ſie ſolchen Schatz ſollen
helffen erhalten/
durch milde Stifftungen/ der Nothdurfft unter die
Arm greiffen/ das Gaben-Liecht nicht laſſen verloͤſchen durch Geitz/ und
allerhand politiſche/ widrige Winde. Moſes muſte vorzeiten wehren/ daExod. 36, 6.
es ſo weit kommen/ daß nicht nur die Maͤnner ihre beſte Kleinodien/ ſon-
dern auch die Weiber ihre außpolirte Pracht-Spiegel zum Schmuck des
Heiligthumbs/ der Stiffts-Huͤtten und Gottes-Dienſt haͤuffig beygetra-
gen/ dann ſie der Sachen nur zu viel thaͤten. Aber ſo fern iſt man heutiges
Tages noch nicht entgroͤbet; Surdo fabula, Es iſt doch eben/ als wann
man einem Tauben ein Maͤhrlein erzehlete/ man machet ein Gelaͤchter
daraus; Jſt hoͤchſt zu beſorgen/ es werde auff die groſſe Wolfeile/ groſſe
Theurung/ gleich wie auff die ſieben gute Jahr in Egypten ſieben magereGen. 41, 29.
30. 53. 54.

Jahr erfolgen.


4. Ad
[72]Die Fůnffte

4. Ad ζήλωσιν meliorum donorum,zu eiferigen Be-
gierd/ höherer und Gott wolgefälligen heilig-machenden
Gaben;
Ampts-Gaben gefallen Gott nicht abſolutè, bloßhin
Pſ. 147, 10.wol/ Er hat keinen Gefallen an der Stärcke des Roſſes/ es koͤn-
nen auch durch Goͤttliches Anleuchten die Bileami/ die Saules/ die Ca-
japhæ weiſſagen mit dem Munde/ im Hertzen einen Schalck verbergen/
gleich den Schwanen von weiſſen Federn und ſchwartzer Haut/ uͤber wel-
che Geſellen St. Judas in ſeiner Epiſtel das Wehe außgeſchrien/ ſind
ſie gleich in der gantzen Welt bekant und beruͤhmt/ ſo wird ſie doch der
Herr nicht kennen an jenem groſſen Gerichts-Tage; dannenhero
St. Paulus/ als er einen gantzen catalogum der Ampts-Gaben vollge-
1. Cor. 12,
31.
ſchrieben/ zu Ende des 12. Capitels der erſten Epiſtel an die Corinthier
ſchreibet: Jch will euch noch einen koͤſtlichen Weg zeigen/ ſtre-
bet nach der Liebe/
daß eure Weißheit bruͤnſtig ſeye in der Liebe; nach
dem Eifer der Gottesfurcht; Die Sprache aller Sprachen iſt/ daß wir an-
derer Sprachen uns gern begeben/ und einig und allein dieſe lernen/ daß
Rom. 8, 15.wir von gantzem Hertzen ſprechen koͤnnen: Abba/ lieber Vater! Wer
dieſe Sprache kan/ der uͤbertrifft den Koͤnig Mithridatem, welcher zwey und
zwantzig Voͤlcker unter ſich gehabt/ und mit einem ieglichen in ſeiner eige-
nen Sprache reden koͤnnen; Aber die Sprache eines Chriſtglanbigen Her-
tzen hat er nicht verſtanden/ er hat nicht zu Gott ſagen koͤnnen; Abba/
lieber Vater.


Gott ſey Danck/ daß wirs verſtehen und ſagen koͤnnen! Ja
Abba/ lieber Vater!
Wir bitten dich umb den Heiligen Geiſt/ der
uns lehre Gott recht erkennen/ von Hertzen Vater ihn nennen! auff daß
Ioel. 2, 32.geſchehe/ was Joel zugeſaget im andern Capitul: Wer den Namen
des HErren anruffen wird/ ſoll errettet und ſelig werden/

und alſo endlich zur Fuͤlle und vollen Strom gelangen. Wir ſchlieſſen
() tom. 4.
in der Vor-
red uͤber dẽ
Propheten
Zachar.
mit () Luthero und ſprechen: Lieber Herr Chriſte/ gib uns deinen
Geiſt und Gaben nicht zu unſerm Ruhm/ ſondern zu Nutz und Beſſerung
der Chriſtenheit/ auff daß es gleich und recht außgetheilet werde: nemlich
uns Schande und Scham fuͤr unſer Suͤnde und Vntugend/ dir aber
Lob und Ehr/ Lieb und Danck fuͤr deine unaußſprechliche
Gnade und Gaben in Ewigkeit/
Amen.


Die
[73]Predigt.

Die Sechſte Predigt/


Vber den dritten Artieul/
Von der lebendigmachenden Gnade des
Heiligen Geiſtes ins gemein.


GEliebte in Chriſto: Nicht allein holdſelig/ ſondern
auch Geiſt- und Geheimnuͤß-reich iſt die jenige

hypotypoſisoderfigur in welcher Moſes der uraͤltiſte
Hiſtoricus die Schoͤpff-Krafft und Wuͤrckung Gottes
des H. Geiſtes beſchrieben in dieſen Worten: Veruach
Elohim merachepheth al pene hamajim,
Vnd der Geiſt GottesGen. 1, 2.
ſchwebete uͤbeꝛ den Waſſern; holdſelig und anmuthig/ ſag ich/ iſt
diefigur genommen von der Brut und Außheckung der Voͤgel/ als Ba-Baſil. l. 2.
hexaëm.

ſilius wol erwieſen; das unaußgebruͤtete Ey war an dieſem Orte das un-
geheure/ unordentliche/ ungeſtalte Chaos, Himmel und Erden/ wie dieſelbe
noch unter den Waſſern/ ohne Form/ Ornat/ Ordnung und Vnterſcheid
gelegen/ ohnmaͤchtig/ lebloß/ als ein oͤder und wuͤſter Klumpen. Der
Vogel/ der ſich druͤber gemacht/ daſſelbe außzubruͤten und lebendig zu ma-
chen/ heiſſet Ruach Elohim,der Geiſt Gottes/ dadurch keines
Wegs zu verſtehen ein außtrockender Wind/ wie es der Chaldeiſche Dol-
metſchen Onkelos außleget/ und die heutigen Geiſt-Feinde/ die Photinia-
ner fuͤr bekant annehmen/ dann damal waren noch keine meteora, weder
Regen noch kein Wind/ ein Nebel (oder waͤſſeriger Dampff) gieng auff
von der Erden/ und feuchtet das Land/ ſondern wie David bezeuget:Pſal. 33, 6.
Der Geiſt des Mundes Gottes/ der Heilige Geiſt/ der ſchwebet
uͤber dem unformlichen Waſſer-Klumpen.


Die Brut an ihr ſelbſt ſtehet in dem Hebreiſchen merachephet,
Er ſchwebete/ Gott-geziemender Weiſe ohn-coͤrperlich/ raͤumlich wan-
cken und ſchwancken. Baſilii gloſſ. lautet alſo: Συνέϑαλπε καὶ ζωογόνει
τὴν τῶν ὑδάτων φύσιν κατὰ τὴν εἰκόνα τῆς ἐπωαζούσης ὄρνιϑος, καὶ ζωτικὴν
τινα δύναμιν ἐνιεισὴς τοῖς ωοϑαλπωμένοις; gleich wie eine Henne ſich uͤber
Sechſter Theil. Kdie
[74]Die Sechſte
die Eyer ſetzt/ dieſelbe erwaͤrmet/ fruchtbar und kraͤfftig machet zur Geburt
der lebendigen heraußſchlieffenden Kuͤchlein/ alſo iſt von und durch diefen
Goͤttlichen incubitum oder Aufflager; durch diefes weben und ſchweben
alles lebend und webend worden/ was leben und weben ſolte. Das war
die vivificatio vitæ naturalis, die natuͤrliche Lebendigmachung/ damit zu
bezeugen/ daß er Gott der Heilige Geiſt auch in dem microcoſmo in
der kleinen Welt dem Menſchen ſey der Vrheber des natuͤrlichen Lebens/
auch noch heut zu Tage.


Es iſt aber auch dieſefigur zugleich einmyſteriumundty-
pus,
ein Geheimnüß-reiches Vorbild/ damit der Geiſt Gottes
ſelbſt ſein lebendigmachendes Ampt abmalen wollen/ Erſtlich in dem
Reich der Gnaden
zu dem Gnaden-Leben: geſtalt dann nicht ohn
gefaͤhr geſchehen/ daß die ergeiſterte/ halb tode und erſchrockene Juͤnger des
Herren/ da ſie vom Oel-Berge zuruͤcke nach Jeruſalem ſich begaben/
daſelbſt in einem Saal auffgehalten/ welches ὑπερῶον, das iſt ein Vogel-
oder Eyer-Neſte ſich zuſammen befunden/ da ſie auff die ἐπέλ [...]σιν, die kraͤff-
tige vnd lebendigmachende Vberkunfft des Heiligen Geiſtes gewartet/
welcher/ als er zu beſtimmter Zeit erſchienen/ ſich auff einen ieden unter
ihnen gleichſam uͤber ihn als eine Taube uͤber die rohen Eyer ſchwebend
geſetzet/ ſie zu andern Leuten/ ja zu recht-lebendigen/ getroſten/ hertzhafften
Doctorn und Welt-Lehrern bereitet und außgeruͤſtet/ uͤber welche ploͤtzliche
Enderung ſich maͤnniglich verwundern muͤſſen/ anzudeuten/ daß auff
ſolche Art und gewiſſe Weiſe der Heilige Geiſt ſeiner Kirchen zu ieden
und allen Zeiten ins kuͤnfftige erſcheinen wolle/ uͤber den Menſchen/ der
von Natur ein leeres/ untuͤchtiges/ lebloſes Ey/ (κακοῦ κόρακος κακὸν ὦον,
ein boͤſer Vogel leget ein boͤſes Ey) gerathen/ uͤber denſelben ſchweben/
gaͤntzlich mutiren und lebendig machen wolle/ zu einer neuen/ Gott wolge-
faͤlligen Natur und Creatur.


Nicht weniger/ ſo deutet auch die obernennetefigurauff die
Lebendigmachung zum ewigen ſeligen Leben/ im Reich der

Rom. 1, 4.kuͤnfftigengloriund Herrligkeit; Daß eben der Heilige Geiſt
der jenige ſey/ durch deſſen lebendigmachende Krafft/ wie alle Toden zum
Gerichte/ alſo inſonderheit die Außerwehlten zum ewigen glori-Leben und
Seligkeit ſollen aufferwecket werden.


Summa/ es iſt uns die gantze lebendigmachende Krafft und
Gnade des Heiligen Geiſtes/
davon der dritte Articul unſers
Glau-
[75]Predigt.
Glaubens eigentlich redet und handelt/ in dieſerfigurfuͤrgebildet
worden/
ſo anietzo und ins kuͤnfftige außfuͤhrlich zu tractiren und abzu-
handlen/ nach dem wir biß dato vernommen das Gnaden-Geſchenck
Gottes des Heiligen Geiſtes/ die
æſtimund Hoheit des Ge-
ſchencks/ die Důrfftigkeit des menſchlichen Geſchlechts/

ſo folget anietzo gratia ſanctificans \& vivificans,die heilig- und
lebendigmachende Gnade;
davon dißmal in genereund ins
gemein/ die
ſpecies werden in folgenden Predigten erklaͤret werden.
Er der Heilige Geiſt wolle ſchweben vber dieſer Gemein/ wie er ge-
ſchwebet uͤber den Waſſern/ alles lebend und webend machen/ in Chriſto
Jeſu/ Amen.


SO iſt nun gratia generalis \& univerſalis,die allgemeine
Gnade/ die Quell- und Haupt-Gnade/
deren wir vns
im dritten Articul zu getroͤſten haben/ und heiſſet dieſelbe die
Lebens-Gnade/
welche geglaubet worden/ aus Gottes Wort/ darinn
der Heilige Geiſt klar genennet wird ein Geiſt der da lebendigIoh. 6, 63.
Rom.
8, 2.

macht/ von den Niceniſchen Glaubens-Bekennern in den klaren auß-
gedruckten Worten/ die ſonſt in vnſerm Apoſtoliſchen Glauben nicht ſte-
hen/ aber darinnen begriffen. Jch glaube an den HErren den Hei-
ligen Geiſt/ der da lebendig machet.
Die Meinung iſt dieſe/ wann
wir erholen/ was droben von dem menſchlichen Elend und Duͤrfftigkeit
weitlaͤufftig außgefuͤhret worden: Jch armer/ elender/ gefallener Menſch/
der ich von Natur Fleiſch bin/ und zwar ein todes und kein-nuͤtzes Fleiſch/
bekenne/ daß ich durch des Heiligen Geiſtes Krafft geiſtlich lebendig wor-
den; Jch elender Bandit und Himmel-loſer Menſch zum Himmelreich
beruffen und eingeladen; Jch Gott- und Recht-loſer und verdammter
Menſch/ grrechtfertiget; Jch Erb- und Vater-loſer Menſch wiedergeborn:
Jch Troſt-loſer Menſch getroͤſtet und geſtaͤrcket: Jch Glaub- und Liecht-
loſer blinder Menſch erleuchtet: Jch Tugend- und Heil-loſer Menſch
geheiliget und geweyhet: Jch Hoffnung-loſer Menſch in das himmliſche
vivarium, die rechte Fried- und Freuden-Statt/ das Himmelreich aus
dem Vorhoff der Chriſtlichen Kirchen werde auffgenommen werden.
Jſt eben das/ was wir auch in der Außlegung des dritten Articuls
bekennen und ſagen: Jch glaube/ daß ich nicht aus eigener Ver-
K 2nunfft
[76]Die Sechſte
nunfft noch Krafft an Jeſum Chriſtum meinen HErren glau-
ben oder zu ihm kommen kan/ ſondern der Heilige Geiſt hat
mich durchs Evangelium beruffen/ mit ſeinen Gaben erleuch-
tet/ im rechten Glauben geheiliget und erhalten: gleich wie
er die gantze Chriſtenheit auff Erden beruffet/ ſamlet/ erleuch-
tet/ heiliget/ und bey Jeſu Chriſto erhaͤlt im rechten einigen
Glauben; Jn welcher Chriſtenheit er mir und allen Glau-
bigen täglich alle Sůnde reichlich vergibet/ und am Juͤngſten
Tage mich und alle Toden aufferwecken/ und mir ſammt allen
Glaubigen in Chriſto ein ewiges Leben geben wird; Das iſt
gewißlich wahr.


II. Sie iſt eine geoffenbarte Gnade in dem Wort des
Gal. 3, 2.
Ioh. 1, 12.
Rom. 8, 2.
Eph. 1, 4. 5.
2. Tim.
1, 9.
heiligen Evangelii/ davon St. Paulus feine Galater fragt/ ob ſie
den Geiſt und deſſen Gaben durch des Geſetzes Werck em-
pfangen oder durch die Predigt vom Glauben?
Sie muſtens
ihm geſtehen/ daß ſie nicht aus dem Geſetz/ ſondern aus dem Evangelio als
der Lehre des Glaubens denſelben erlanget/ als ein ſolchen geiſtlichen Gna-
den-Segen im himmliſchen Guͤtern/ welche uns Chriſtus erworben mit
ſeinem theuren Verdienſt und hochprieſterliche Bitt. Es iſt auch die
Gnade der Erſchoͤpffung eine herrliche/ theure und werthe Gabe/ dadurch
der Menſch zum natuͤrlichen Leben geboren/ mit ſchoͤnen Natur-Gaben
gezieret/ und ie laͤnger ie mehr im natuͤrlichen Leben waͤchſt/ erſtaͤrcket und
zunimmt/ die gehoͤret aber hieher in den dritten Articul eigentlich nicht/
ſondern hieher gehoͤrt die heilſame Gnade/ ſo im Evangelio geoffenbaret/
ſo aus dem Gnaden-Brunn Chriſto Jeſu gefloſſen/ welcher allein in der
Auguſtin.
cp. 95. ad
Innocent.
Canoniſchen Heiligen Schrifft den Namen der Gnaden traͤgt/ wie Au-
guſtinus
in ſeinen Streit-Schrifften wider die Pelagianer wol ange-
mercket.


Gratia creatrix,eine Schöpff-kraͤfftige Gnade. So wenig
als ein toder Menſch ſich ſelbſt kan lebendig machen: ein Stein in die
Hoͤhe fliehen/ ein Eiſen ſich empor erheben/ ohne einen Magnet/ ſo wenig
kan der Menſch ihm ſelbſt aus eigener natuͤrlichen Krafft zum geiſtlichen
Leben in Gott helffen. Jſt derowegen eine lebendigmachende Schoͤpff-
Eph. 1, 19.
Col.
2, 12.
Krafft von noͤthen/ eine uͤberſchwengliche Krafft nach der Wuͤr-
ckung ſeiner Macht und Staͤrcke/ welche er gewircket hat in

Chriſto
[77]Predigt.
Chriſto/ da er ihn von Toden aufferwecket. Ja viel ein groͤſſe-
res Werck iſt ἀνακτίζειν als κτίζειν, ἀνάπλασις als πλάσις, das Wieder-
ſchaffen/ Wieder-lebendigmachen/ als anfangs ſchaffen/ jenes koſtet den
Herrn nur ein ein iges Wort/ dieſes koſtet des Sohns Gottes eigen
Leib und Blut.


III.Eine ſolche Gnade/ welche er der H. Geiſt ſelbſt
mit ſchõnen anmuthigen und verſtändlichen Gleichnůſſen
erklaͤret/
damit wirs deſto leichter faſſen und verſtehen moͤgen/ als da iſt
1. Die Gleichnuͤß vom Brut-Vogel/ von welchem wir im Ein-
gang vernommen 2. Die Gleichnuͤß undfigurdes Athems bla-
ſen und hauchen/
der Heilige Geiſt iſt der Blaſer; Gott der Herr
blaſet dem formirten Erden-Kloß ein eine lebendige Seel. Gott der
Herr war der Blaſer des formirten Erden-Kloſſes; das objectum
der tode lebloſe Leib/ dem gibt er nicht eine ſterbliche Seele aus der Erde/
wie den andern Creaturen/ ſondern cœlitus von oben herab/ vom Himmel
blaſet er ihm ein ſpiraculum vitarum, das iſt das allerherrlichſte/ vernuͤnff-
tige/ unſterbliche Leben/ daraus wird der Menſch in animam viventem,
es leibet und lebet alles an ihm/ und wird eine andere Creatur als zuvor/
da er ohne Leben und Liecht/ als ein Klotz da gelegen: Auff ſolche Weiſe2. Reg. 4,
34. 35.

blaſet Eliſa der Prophet das verblichene Kind an/ und legt ſich auff daſ-
ſelbe/ auch Paulus thut dergleichen mit dem Eutyche, ſo werden ſie wiederAct. 20, 10.
12.

lebendig. Alſo der Sohn Gottes der erſte Geſtalt-Geber und formirer
des Menſchen/ der nimmt nicht nur menſchliche Geſtalt an ſich/ ſondern
wohnet auch unter uns Menſchen/ meſſet ſich gleichſam an dem Menſchen
an/ wird ihm gantz gleich/ ſcheuet ſich nicht ab der aͤrmlichen Geſtanck/
machet mit ſeinem hauchen und anblaſen des Heiligen Geiſtes lebendig/
wie er deſſen ein klar und ſichtbar ſpecimen gethan/ da er ſeine Juͤnger an-
gehauchet/ und mit dem Athem ihnen den Heiligen Geiſt verehret.

Ioh. 20, 22.

3. Similitudo majim mephacim,die Gleichnuͤß von
dem geſunden Tempel-Waſſer/
Ezech. 47. Es war das todeEzech. 47,
v.
1.

Meer vorzeiten nicht nur fuͤr ſich ſelbſt tod/ ſondern auch ein todwuͤrcken-
das/ peſtilentziſches/ gifftiges Meer/ darinn alle Fiſche/ ſo aus dem Jordan
gefloſſen/ ſterben und verſchmachten muͤſſen/ ja auch ein frucht-luͤgendes
und betruͤgliches Meer/ Baͤume ſtunden da/ trugen dem euſſerlichen
Schein nach ſchoͤne Fruͤchte/ wann mans aber abgebrochen und auffge-
than/ wurden ſie Aſche; Aber bey dem Propheten Ezechiel wird gedachtSap. 10, 7.
K 3eines
[78]Die Sechſte
eines friſchen/ lebendigen Tempel-Waſſers/ ſo unter der Schwell
des Tempels gefloſſen/ da es in das tode Meer kommen/ ſind die Waſſer
davon geſund worden/ ja alles was darein kommen oder geſchwummen/
Eſa. 57, 20.daſſelbe hat gelebt und gewebt: Alſo iſt die gantze Welt ein Meer/ ein
toͤdtendes Peſtilentz-Meer/ ſo alles anſtecket/ was darein kommet/ da gibt
es poma Sodomica, Sodomiſche Aepffel/ ſimulacra virtutum, das iſt/
euſſerlichen Schein der Tugenden/ Gleißners-Wercke; Aber das leben-
Ioël. 2, 28.
Ioh.
7, 38.
39.
dige Quellen-Waſſer des Heiligen Geiſtes machet alles geſund und
lebendig. Was damal Ezechiel im Geſicht geſehen/ daſſelbe iſt im Neuen
Teſtament biß auff den heutigen Tag zur wahrhafftigen Hiſtori worden;
Solten wir mit geiſtlichen erhobenen und erleuchteten Augen alle Adams-
Kinder uͤberſehen koͤnnen/ ſo wuͤrden wir lauter ſtinckende/ geiſtlich-tode
Aaß ſehen/ aber die durch den H. Geiſt in den Thier-Garten der Chriſt-
lichen Kirchen (ſo zu reden) gebracht/ ſind wiederumb lebendig worden/
alle die der Ordnung Gottes ſich nicht widerſetzet und entzogen.


Sie iſt endlich IV.eine hochloͤbliche Gnade/ wegen dero
herrlichen/ reichen und fuͤrtrefflichen
effecten, derſelbe heiſſet vita
gratiæ,
das Gnaden-Leben. Was iſt das fuͤr ein Leben/ das dieſe
Eph. 4, 21.Gnade wuͤrcket?I.Ein rechtſchaffen Weſen; Das natuͤrliche
Leben iſt zwar auch ein Leben/ aber ein elendes muͤheſames Leben/ ein ſterb-
liches/ vergaͤngliches Leben: vita ſupplicio mors eſt ſolatio, da das Leben
eine Straffe iſt/ der Tod aber ein Troſt; Aber dieſes Gnaden-Leben iſt ein
wahrhafftiges/ beſtaͤndiges/ unvergaͤngliches/ himmliſches ſeeliges Leben;


II.Das alte Leben/ ſo wir im Paradiß verloren/ daſſelbe wuͤrcket
nun dieſe lebendigmachende Gnade wieder in uns/ hier zwar inchoativè,
ſtuͤckweiſe/ es faͤhet nur an/ dort aber completivè, auff den Tag der Erſtat-
tung alles deſſen/ weſſen wir durch den traurigen Suͤnden-Fall ſind ver-
luſtiget worden.


III.Ein ordentliches/ heiliges und in der H. Schrifft
geweihetes Leben;
Mancher Menſch fuͤhret ein unordentlich/ wuͤſtes
und wildes Sau-Leben/ friſſet und ſaufft/ was ihm ſchmecket/ haͤlt keine
diet, braucht keine Artzney/ verkuͤrtzet ihm ſelbſt das Leben: Ein ſolches
Leben iſt dieſes nicht/ ſondern ein regulirtes/ beſcheidenes/ feines/ dietiſches
Matth. 4, 4.Leben/ ſo erhalten wird durch die Speiſe des Goͤttlichen Worts/ und durch
die heilſame Artzney des Heiligen Abendmahls wider die λυποϑυμίαν,
geiſtliche Ohnmacht und Kranckheit unſerer Seelen.


Gen 5, 22.
24.

IV.Ein Goͤttlich Leben/ wie dergleichen von dem Leben Henochs
geruͤhmet
[79]Predigt.
geruͤhmet wird/ da im Gegentheil die Welt lebet/ ein heydniſches/ epieu-
riſches/ viehiſches Leben/ ein Wolfs-Leben/ Hund- und Katzen-Leben/
ja ein recht teufeliſches Leben/ ein ſolcher roher Gott- und Geiſtloſer Welt-
Menſch iſt lebendig tod/ gleich wie der verlohrne Sohn/ und eine Wittwe/Luc. 15, 13.
1. Tim.
5, 6.

ſo in Wolluͤſten lebet; Hingegen iſt vnſer bißhero hochgeruͤhmtes Gna-
den-Leben ein Leben aus Gott/ mit Gott/ in Gott/ zu Gott/
ein Goͤttliches Leben gegen Gott/ wegen des guten Gewiſſens; ein ge-
rechtes Leben gegen dem Naͤchſten/ ein maͤſſiges Leben gegen ſich ſelbſt.
Es bilden ihnen zwar die paͤpſtiſche Ordens-Leute in ihren Kloͤſtern groſſe
Ding ein/ ihr Kloſter-Leben ſoll das rechte Goͤttliche Leben ſeyn: ja umb-
gekehrt! Es mangelt demſelben Leben an dem beſten Adel der Goͤttlichen
Weihe? Wo hat Gott dergleichen befohlen? der heilige Patriarch He-
noch hat auſſer Zweifel ein Goͤttliches Leben gefuͤhret/ aber in der Ehe/ in der
haͤußlichen Nahrung/ in Goͤtttlichem/ vernuͤnfftigen Gehorſam/ οὐ παρθέ-
νος ἀλλ᾽ ενκρατὴς, ſchreibt von ihm Epiphanius, er war zwar keine Jung-
frau und doch keuſch.


V.Ein huldreiches Leben; Ein erſtgebornes junges Kind
ſo noch im Blute da liget/ ſihet greßlich/ ſcheutzlich und abſcheulich aus/
aber nach dem Bade gewaͤſchet/ wanns angethan iſt/ ſo iſts holdſelig; Alſo
auch der Menſch nemlich vor der Wiedergeburt zum geiſtlichen Leben ein
Greuel/ nunmehr aber nach der Wiedergeburt delicium Patris cœleſtis,
Gottes des himliſchen Vaters ſchoͤner anmuthiger Augen-Luſt.


VI.Ein ewiges/ vollkommenes Leben/ da Schalom, Friede
und Freude und alles vollauff/ wie dann bey den Hebreern das Wort vita
Leben/ alles was gut iſt und angenehm/ begreifft.


Dieſes iſt die lebendigmachende Gnade des Heiligen Geiſtes ins
gemein; gratia ignota mundo, verborgen in Gott/ wie ein Kind inCol. 3, 3.
Mutterleibe; vor und bey der Welt ſind diß lauter Boͤhmiſche Doͤrffer/
wann der Herr ſeinen Juͤngern von ſeinem Reich geſagt/ ſo wolte es
ihnen nicht in Kopff und Sinn/ ſie verſtundens alles weltlich.


Jſt ein groß ſtuͤck unſerer Erb-Suͤnde/ daß der Menſch ſo gar nicht
verſtehet/ was des Geiſtes Gottes iſt/ das Geſetz und deſſen Erkåntnuͤß iſt
uns etlicher maſſen angeboren/ aber das Evangelium die gnadenreiche
Bottſchafft von den Gnaden-Gaben des Heiligen Geiſtes ſind unbekant/
dunckel/ und daher auch ungeachtet/ wann man von Tugenden und La-
ſtern predigt/ ſo fafſet es iederman/ aber die heilſame Gnade Gottes und
dero unerſchaͤtzlichen Schaͤtze bleiben ungeſchaͤtzet; ignoti nulla cupido,
was nicht in die Augen faͤllet/ was nicht das Fleiſch kuͤtzelt und dem Leibe2. Cor. 4, 3.
4.

wolthut/
[80]Die Sechſte
wolthut/ das achtet der Menſch nicht; dem reichen Korn-Bauer iſt ſeine
Luc. 12, 19.
c. 16, 19.
Eſth.
5, 11.
volle Scheuer die Gnade: dem Schlemmer ſein Vollauff: dem Haman
die fluͤchtige Gunſt ſeines Koͤniges. Jn der Welt/ wann einer herfuͤr
kommet ans Bret/ ein anderer wird reich/ iſt geſegnet/ das Gluͤck ſchneyet
ihm zum Fenſter hinein/ ſein Hauß ſtehet in der Sonnen/ andern iſts ver-
bauen/ den ruͤhmet die Welt als einen der in groſſer Gnade ſchwebet/ wol
dem/ dem es alſo gehet/ das iſt ein Mann! Aber die lebendig- und ſeligma-
chende Gnade/ von welcher wir ſo offt hoͤren/ die die ſchnurret fuͤr die Ohren
fuͤruͤber/ unbeherberget. Nun es wird einmal eine Zeit oder vielmehr die
Ewigkeit kommen/ da manchen wird nach dieſer Sonne frieren. Die zeit-
Luc. 12. 20.
Eſth. 7, 10.
Luc.
16. 24.
liche Gnade machet nicht ſelig: Der Korn-Bauer muſte ſeine Gnade
ploͤtzlich quittiren/ Haman muß hencken/ und was geb der Schlemmer
drumb/ daß ihm ein eintziger Gnaden-Tag moͤchte werden? Es gehen
zwar die weltliche Gluͤck-Voͤgel aus der Welt dahin/ werden mit Pomp
und Pracht begraben/ kommen aber nur deſto unſeliger in der Hoͤlle an/
gehet ihnen wie den gekroͤnten Opffer-Ochſen/ man fuͤhret ſie mit Kraͤntzen
zum blutigen Toden-Tantz.


Rechtſchaffene Chriſten und Chur-Kinder Gottes laſſen der Welt
ihre gratias temporales, ihre zeitliche Gnade/ ſprechen: Sie haben ihren
Lohn! bekommen durch Verachtung des zeitlichen Lebens eine ſehnliche
Begierde nach dem Geiſtlichen/ ſie ſehen an das natuͤrliche/ kurtze und
elende Leben als eine Wahlfahrt/ Schattẽ/ Wind/ Rauch/ Nebel/ Wolcke/
Schnee/ Waſſer/ als ein Comœdi/ Geſchwaͤtz/ wann man außgeſpielet/
ſinget man mit Auguſto, hab ich mein Perſon geſchickt gnug vertretten?
Hieron. in
Pſal.
89.
und damit iſt alles aus. Hieronymus erklaͤrets mit der Spinnenwebe/
gleich wie eine Spinne/ die ihre Faͤden ſpinnet/ hin und her laͤuffet/ webet
und wircket den gantzen Tag/ iſt zwar eine groſſe Arbeit/ aber das Werck
an ſich ſelbſt iſt nichts ſollend/ es taug nichts; alſo iſt es auch beſchaffen
mit dieſem zeitlichen Leben/ da man ſich hefftig bemuͤhet und ermuͤdet/ in
allerhand Geſchaͤfften/ wann mans beym Liecht beſihet/ iſts offt nur
Aug. l. 8.
Confeſſ.
c.
11.
Spinnen-Arbeit; Jſt dem alſo/ ſpernamus ergò nugas nugarum \&
vauitates vanitatum,
ſprechen wir billich einander zu mit Auguſtino:
ſo laſſet uns dieſe Spinnwebe/ dieſe vanitaͤten und Eitelkeit verachten/
Gen. 49,
14.
dann was zeuhet ſich Iſaſchar der beinerne Eſel vnd Laſt-Traͤger? Dero-
halben ich begehre nunmehro abzuſcheideu zu meinem Herren Jeſu
Chriſto/ ſein Sterben iſt mein Gewinn/ ich verliere nichts durch meinen
Tod/ wiewol ich alle commoda ſeculi mit dem Ruͤcken anſehen mus/ ſon-
dern ich gewinne noch/ und empfange Gnade vmb Gnade die himmeliſche
vollkom-
[81]Predigt.
vollkommene Glori-Schaͤtze. Wie der Hirſch ſchreyet nach friſchem
Waſſer/ ſo ſeuffzet meine Seele nach meinem Heiland/ Jmmanuel und
Bruder Chriſto.


Aber das wiſſe/ keiner wird leben in der ſeligen Ewigkeit/ er lebe dañ hier
in dem Gnaden Leben/ nicht im Sau Leben; Laſt uns derowegẽ dieſe theure
Gnade hoch achten/ laſſet uns verwundern uͤber der wunderſamen/ groſſen
Herrligkeit/ du wirſt die Herrligkeit Gottes ſehen/ ſpricht ChriſtusIoh. 11, 37.
zu der Martha des Lazari Schweſter/ als Er Lazarum auffwecken wolte/
nemlich die Herrligkeit ſeiner Allmacht/ daß der Schaden ſo verzweifelt-
boͤß/ und ihme ohne Goͤttliche Allmacht nicht konte abgeholffen werden; die
Herrligkeit ſeiner Weißheit/ daß Er den dem gefallenen/ geiſtlich-toden
Menſchen den Weg zum Leben wiederumb zeiget. Die Juden ſprechen:
Kunte/ der dem Blinden die Augen auffgethan/ nicht ſchaf-
fen/ daß auch dieſer nicht ſtuͤrbe?
als wolten ſie ſagen: Was weinet
und betruͤbet Er ſich lange/ warumb hat Er nicht den Tod verhuͤtet? Alſo
ſpricht auch unſere tolle Vernunfft: Warumb hat Gott den Fall nicht
verhuͤtet? Aber digito compeſce labellum, hier lege den Finger auff den
Mund/ gruͤble nicht/ ſondern vielmehr verwundere dich/ ja verwundere
dich uͤber den Reichthumb der Barmhertzigkeit/ damit Er uns gelie-Epheſ. 2, 5.
bet/ und da wir tod waren in Suͤnden/ Er uns lebendig
gemacht.


Diß ſind die Wunderwerck vnſerer Kirchen. Gehet hin undMatth. 11,
4. 5.

ſaget/ was ihr ſehet/ die Tauben hören/ die Blinden ſehen und
dergleichen;
Jm Papſtumb werden durch die miracula die Blinden
verblendet/ die Tauben betaͤubet; hier aber ſind die rechten Wunderwercke:
Die Geiſtlich-Blinde werden ſehend/ die Geiſtlich-Tode wiederumb leben-
dig durch die allmaͤchtige Krafft des lebendigmachenden Geiſtes. O un-
außſprechliche groſſe Gnade! O edler Troſt unſer Seelen! WannProv. 16, 15.
des Koͤnigs Angeſicht freundlich iſt/ das iſt Leben/ und ſeine
Gnade iſt wie ein Abend-Regen/
ſpricht Salomon: Wie viel lieb-
licher Leben/ wann das Liecht des Goͤttlichen Angeſichts einen Menſchen
beſcheinet/ und alle Noth/ Schrecken/ Angſt und Furcht vertreibet/ wann
der Than der geiſtlichen Gnaden-Gaben das tode Graß erquicket? O
Danck-Pflichte!


Eine malefitz-Perſon/ deren das Leben geſchencket/ kan ſeinem Retter
nimmer gnug dancken. Ein Kind kan ſeinen Eltern fuͤr das natuͤrliche
Sechſter Theil. LLeben
[82]Die Siebende
Leben (welches doch ein Anfang iſt zum ewigen Tode) nimmer gnug dan-
cken/ quomodo genitus poteſt regenerare genitores? ſagt Philo: wie kan
ein Sohn ſeine Eltern wieder gebaͤren? Ernehre deinen Vater/ und ob du
Ambroſ.
in c. 18.
Luc.
Gal.
5, 16.
22.
ihn ſchon ernehreſt/ ſo haſtu ihm doch noch nicht wieder gegeben den
Schmertzen und die alimenta und Nahrung/ ſchreibt Ambroſius: O wel-
chen groſſen Danck ſind wir dem Heiligen Geiſte ſchuldig! O wie viel iſt
das geiſtliche Leben herrlicher als das zeitliche? Laſſet uns demnach im
Geiſte/ in den Fruͤchten des Geiſtes leben und wandeln. Moͤgen aber
auch zwey mit einander wandlen/ ſie ſeyen dann einig unter

Amos. 3, 3.einander? ſpricht der Herr beym Propheten Amos. Laſſet uns
Rom. 14, 8.creutzigen unſer Fleiſch und Blut! Leben wir/ ſo leben wir dem
HERREN/
iſt bald geſagt/ aber ſchlecht practiciret; Laſſet uns nicht
leben der Welt/ unſerm Fleiſche/ dem Teufel! das facit iſt von St. Paulo
Rom. 8, 13.kurtz gemacht/ Rom. 8. Wo ihr nach dem Fleiſche lebet/ ſo werdet
ihr ſterben/ wo ihr aber durch den Geiſt des Fleiſches Ge-
ſchaͤffte toͤdtet/ ſo werdet ihr leben:
Das gebe uns der Geber des
Ioh. 14, 6.Lebens Jeſus Chriſtus/ der da iſt die Warheit/ der Weg und
das Leben!
Amen.



Die Siebende Predigt/


Vber den dritten Artieul/
Von der Natur/ Eigenſchafft/ Art und Beſchaffen-
heit der lebendigmachenden Gnade des Hei-
ligen Geiſtes.


Exod, 8, 19.

GEliebte in Chriſto: Das iſt Gottes Finger/ ſprechen
die Zauberer in Egypten/ da Moſes den Staub der Erden
in Laͤuſe verwandelt durch Goͤttliche Krafft/ daß alles an
Menſchen und Vieh gewuͤmmelt von Vnziefer/ ſie aber die
2. Tim. 3, 8.Zauberer Jannes und Jambres/ dergleichen durch ihr be-
ſchweren und ſchwartze Kunſt nicht konten zu wegen bringen/ ſo geben ſie
Gott die Ehre/ und ſprechen: Das iſt Gottes Finger! Jn welchen
Worten
[83]Predigt.
Worten ſie nicht allein gleichſam ohne ihren Danck und Willen ein
trophæumund Siegs-Zeichen auffrichten der Goͤttlichen
Majeſtaͤt zu Preiß und Ruhm/ als
panegyriſtæund Lob-
ſprecher der
Göttlichen Ehre; bekennen rund/ daß die Macht des
Hebreiſchen Gottes ſeye unvergleichend groß uͤber alle ihrer Goͤtter Macht
und Vermoͤgen/ es ſeye ihm ſo leicht ein Wunder zu thun/ daß Er auch nur
ein Finger darzu bedoͤrffe/ ohne Muͤhe und Arbeit/ ſie ſeye ſo klar und offen-
bar/ daß man mit Fingern darauff deuten moͤge; als wolten ſie ſagen:
Wir muͤſſen mit Fingern den Finger Gottes greiffen/ fuͤhlon und beken-
nen/ daß der Hebreer Gott maͤchtiger als unſere Goͤtter; die uͤbrigen
miracul haben wir Moſi nachgethan/ aber da es an die Laͤuſe kommet/
koͤnnen wir nicht fort/ wir ſeynd uͤberwunden und zu ſchanden worden/
was wollen wir machen? Wer kan dem Finger Gottes widerſtehen?


Sondern es ſtellen vns auch dieſelbe fuͤr Augen/ gleichſam alspæ-
dagogi,
Zuchtmeiſter und Lehrer/ ein herrliches Exempel/ Mu-
ſter und Beyſpiel/
wie auch wir den Finger Gottes in allen Wer-
cken erkennen/ ruͤhmen und preiſen ſollen; in dem Wercke der Schoͤpffung/
da ſagt David wol: Die Himmel ſind deiner Hände Werck.Pfal. 8, 4.
Wann wir unſere Augen auffheben/ Sonn/ Mond/ Sternen/ ja den gan-
tzen macrocoſmum und groſſen Welt-Bau anſchauen/ ſollen wir ſpre-
chen: Digitus DEI hîc! Hier iſt Gottes Finger/ der die Erden be-Eſa. 40, 12.
Hebr.
1, 3.

greifft mit einem Dreyling/ Er traͤget alles mit ſeinem gewaltigen
Finger; in microcoſmo, in der kleinen Welt/ dem Menſchen/ da ſehen wir
dieſen kunſtreichen Finger Gottes/ der als ein Seidenſticker gleichſam ge-
kuͤnſtelt/ gewircket und bereitet/ daß man billich mit Job ſagen mag: Dei-Iob. 10, 8.
ne Hände haben mich gearbeitet/ und gemacht/ alles was ich
umb und umb bin.


Erkennen und preiſen ſollen wir Gottes Finger in dem Werck
der
Goͤttlichen Fuͤrſehung/ Schick- und Fuͤgung/ Erhal-
tung un
d Regierung; in den wunderbarlichen Goͤttlichen Wegen/
wann offt alles umbgekehret/ den Krebsgang/ das hinderſt zu forderſt ge-
het; wie auch in den Verwirrungen der Rathſchlaͤge/ da man ſich nicht
außwicklen kan/ und aber unverhofft Raht oder Huͤlffe erſcheinet/ da heiſſet
es: digitus DEI hîc!das und da iſt Gottes Finger!Omnia
ad divinæ providentiæ regimen referantur, quæ ſtulti quaſi caſu tenerè

L 2\& nullâ
[84]Die Siebende
Auguſt. in
Pſal.
9.
\& nullâ divinâ adminiſtratione fieri putant, ſchreibet Auguſtinus: Wir
muͤſſen alles der Goͤttlichen Vorſehung und Regierung zuſchreiben/ was
die Narren meynen und dafuͤr halten/ daß es ohngefaͤhr/ ohne Vrſach und
Matt. 3, 16.ohne eintzige Regierung und Waltung Gottes geſchehe. Jn dem
Wercke der Erlöſung;
da iſt der Herr der allgemeine Welt-Hei-
land gleichſam mit Fingern gezeiget durch Gott den Heiligen Geiſt.
Ioh. 19, 5.Als Pilatus in der blutigen Paſſions-Tragœdi mit Fingern auff Jeſum
von Nazareth gedeutet/ und geſagt: Ecce homo!Sihe welch ein
Menſch!
als er ihm oben uͤber ſein Haupt mit Fingern ſchreiben und
Ioh. 19, 19.ſetzen laſſen die Vberſchrifft: Jeſus Nazarenus Rex Judæorum!
Jeſus von Nazareth der Juden Koͤnig! ſo hat man mit Warheit
ſagen koͤnnen: Hierbey und das iſt der Finger Gottes! hier geſchicht/
Act. 4, 28.was die Hand Gottes zuvor bedacht und beſchloſſen hat.


Sonderlich in dem ſonderbaren Wercke Gottes des Heili-
Luc. 11, 15.
20.
gen Geiſtes/ die Heiligung genant/ dann da Luc. am 11. der Herr
von einem Beſeſſenem den Teufel außgetrieben/ laͤſterten ihn die Phariſeer
und Schrifftgelehrten/ als haͤtte Er einen heimlichen Verſtand mit dem
Beelzebub/ und ſprechen: Dieſer treibet die Teufel aus durch
Beelzebub den Oberſten der Teufel.
Aber wie vindicirt ſich Chri-
ſtus? Er ſaget: Er treibe die Teufel nicht aus durch Beelzebub/
ſondern durch den Finger
Gottes/ das iſt/ durch den H. Geiſt/
derohalben iſt der Heilige Geiſt der Finger Gottes/ der Finger/
durch welchen die Gaben diſpenſirt und außgetheilet werden.


Darumb wir auff dieſen Finger/ ſein deuten und Wuͤrckung fleiſſige
Achtung geben/ wie in donis adminiſtrantibusund Ampts-Ga-
ben/
da wir billich ſagen: Hier iſt Gottes Mund/ Weißheit/ Rath/
Krafft/ Liecht/ hier iſt Gottes Finger; zu Anzeigung deſſen iſt auch in
der erſten Kirchen die χειροτονία und Hand-Auffhebung im Gebrauch
geweſt/ und iſt durch die ἐπίϑεσιν oder Hand-Aufflegung die jenige Per-
Act. 20, 28.ſon gezeiget und geweyhet worden/ welche der Heilige Geiſt zum Biſchoff
geſetzet; gleich als wolte man ſagen: Hier iſt Gottes Finger. Alſo
auch in donis ſanctificantibusund heiligmachenden Gaben;
Jſt der jenige Goͤttliche Gnaden-Finger/ der den Tod bedrauet/ daß er wi-
der außwuͤrgen muß; der da lebendig machet/ beruffet/ locket/ lencket/ leitet/
bietet
[85]Predigt.
bietet uns die Hand/ ziehet aus dem Abgrunde des Verderbens in Gottes
Schos/ aus der Hoͤllen in Himmel/ aus dem Tode ins Leben.


Jſt demnach von noͤthen/ daß nach dem wir naͤhermal die Krafft
dieſes Fingers ins gemein erwogen/ die lebendigmachende Krafft;
Ehe wir auff die ſpecies kommen/ auch die Natur undqualitaͤt die-
ſes Fingers/ nemlich der lebendig- und heiligmachenden
Gnade
behertzigen. Gottes Finger ruͤhre und bewege unſere Hertzen/
daß wir dadurch geleitet im Reich der Gnaden/ zum Reich der Herrligkeit
gefuͤhret und erhalten werden/ Amen.


SO iſt nun/ meine Liebſten/ die lebendigmachende Gnade
des Heiligen Geiſtes
ihrer qualitaͤt/ Art und Eigenſchafft
nach Erſtlich eine wahrhafftige Gnade/ da affect und
effect, Gedancken/ Wort und That uͤberein ſtimmen. Jn der Welt gehet
es mit weltlichen Gnaden wunderlich her/ Einer hat eines groſſen Herren
Gnade in Worten/ aber nicht im affect und Wercken; der ander hats in
affecten und Wercken/ aber nicht in Worten; der dritte hat ſie im affect,
aber nicht im effect; der vierte im affect und Werck/ aber nicht im affect,
es gehet nicht von Hertzen; hier lauter Gnade und Wahrheit/ das iſt
warhafftige Gnade von affect und effect, von Liebe und Werck.


Eine gantz unverdiente/ frey-geſchenckte Gnade; Nie-
mand kans erwerben/ noch ererben durch Wercke ſolche Gna-
de/ die uns errett vom ſterben;
conferirt/ diſpenſirt und mitgetheilet
ohne unſer rennen und lauffen/ bemuͤhen und arbeiten/ Verdienſt und
Wuͤrdigkeit/ diſpoſition oder dependentz des freyen Willens/ Χάρις ἀντὶ-
χάριτος, wie ſie St. Johannes nennet/ Gnade umb Gnade/ das iſt/Ioh. 1, 16.
lautere/ bloſſe Gnade/ nicht Gnade umb Verdienſt/ eine Gnade bietet der
andern die Hand/ eine Gnade gehet aus der andern/ eine Gnade gebaͤret
gleichſam und zeitiget die andere; Jn der Welt werden die Lehen/ die Rit-
ter-Preiß und Jungfrauen-Danck außgetheilet nach Kunſt/ nach Ver-
dienſt/ nach thurniren/ rennen und lauffen. Aber hier umbſonſt/ da ligtsRom. 9, 16.
nicht an iemands wollen oder lauffen/ ſondern an Gottes er-
barmen;
Eſau der profan-Welt-Feld- und Wald-Mann meynet/
er wolle einen Haſen erlauffen/ vnd die erſte Geburt ihme dadurch erkauf-
fen/ aber er bekommt eine Naſe/ er betreugt ſich in ſeiner eingebildeten
Hoffnung/ Jacob nimmt ihm den Segen hinweg ohne Verdienſt/ ohne
L 3Muͤhe-
[86]Die Siebende
Muͤhewaltung/ aus lauter Goͤttlicher Gnade/ Gunſt und Gewogenheit/
Gott hatte Jacob lieb in collation und Belehnung dieſes zeitlichen Se-
gens/ Eſau hat Er gehaſſet/ das iſt/ nach Art der heiligen Schrifft/ poſtha-
b
irt und jenem nachgeſetzet. Gratia non eſt gratia ullo modo, ſi non eſt
omni modo,
Stuͤck- und Stuͤmpel-Gnade iſt keine Gnade/ gantze Gna-
de iſt rechte Gnade.


Eine allgemeine allemans Gnade/ die nicht/ in Sachen un-
ſer Seligkeit betreffend/ einem Menſchen geneigter iſt als dem andern/
ſondern auff Seiten Gottes eine gleiche/ und gantz unparteyiſche Gnade/
Tit. 2, 11.dann es iſt erſchienen die heilſame Gnade allen Menſchen/
gleich wie die Sonn uͤber alle gleich leuchtet/ ſo weit ſich Gottes Barmher-
tzigkeit/ Chriſti Verdienſt außbreitet/ ſo weit gehet auch die Gnade des Hei-
ligen Geiſtes/ niemand iſt hier abſolutè und bloß außgeſchloſſen. Gleich iſt
die heiligmachende Gnade/ dann ſonſt ſind die Ampts-Gaben un-
Rom. 12, 6.
1. Pet. 4, 10.
Luc. 23, 43.
Act. 9, 5. 9.
Matth.
11,
21.
gleich; gleich iſt die ordentliche Mittel-Gnade des gepredigten
Worts und Sacramenten/
dann ſonſt auſſer dieſer Ordnung iſt die
Gnade bey dem bekehrten Schecher/ bey Paulo und denen zu Chorazin
ſcheinbarer und maͤchtiger geweſt.


An und vor ſich ſelbſt/ und ihrer eigenen innerlichen
Art nach/
dann daß in effectu die Gnade ungleich wuͤrcket/ das kommet
ex accidenti \& circumſtantia ſubjectorum, zufaͤlliger weiſe aus mehrer
paſſiv-Fuͤgligkeit bey dem einen als bey dem andern; gleich wie der Son-
nen Stralen ungleich wuͤrcken/ in dem Wachs und Erden; jenes erweicht
ſie/ dieſe verhaͤrtet ſie/ Vrſach/ die ſubjecta ſind ungleich/ alſol iſt die Be-
kehrung der Heyden freylich leichter geweſt als der Juden; der Huren und
Zoͤllner als der Phariſeer: der einfaͤltigen Leute eher als der Welt-Praller
1. Cor. 1, 27.und Welt-Weiſen; Nicht viel edle/ ſagt St. Paulus/ ſeynd beruf-
fen/ ſondern was thõricht iſt fuͤr der Welt/ das hat Gott er-
wehlet;
Selbſt-Witz/ und vorgefaſſete/ ſtarcke/ inprimirte Meynungen
ſind harte Rigel/ ſo den Geiſt Gottes ſeine Wuͤrckung ſperren; Daß aber
dem alſo/ daß ordentlicher Weiſe/ an und vor ſich ſelbſt die lebendigma-
chende Gnade gleich ſey gegen alle Menſchen geſinnet/ bey einem wie gegen
Rom. 5, 15.
20.
dem andern wuͤrcke/ das lehret St. Paulus/ da dieſe Gnade den Titul und
Namen fuͤhrt ſie ſeye περιοςευούσα, ὑπερεκπερισσευούσα ὑπερβάλλουσα, ἀνεκ-
διήγητος χάρισ, ein uͤber uns außgegoſſene/ reiche/ uͤberflieſſende/
uͤberſchwengliche/ unaußſprechliche Gnade/ ſo vielen wiederfahren/ maͤch-
tiger
[87]Predigt.
tiger als alle Suͤnde/ welches wahr ſeyn/ auch bezeuget die Gleichheit der
Jnſtrumenten oder ordentliche Mittel/ ſolcher Gnade/ nemlich das Wort
und Sacrament/ ſo dargereichet werden/ beydes den Glaubigen und Vn-
glaubigen/ wie dem Schos-Juͤnger Chriſti dem Johanni/ alſo dem Ver-
raͤhter Judæ.


Eine wahrhafftige/ kraͤfftige Gnade; Chriſtus iſt die Quell/
aus dem nichts anders flenſt als eitel Gnade und Warheit/ das iſt
eine wahrhafftige Gnade. Jn der Welt heiſſets Euer Gnaden!Ioh. 1, 14.
17.

Euer Fuͤrſtl. Gnaden! aber vielmal iſts eine Gnade ohne That/ eine Huld
ohne außloͤſchen der Schuld/ ein Wort und Hof-Gnade ohne Krafft und
Nachtruck; da hat mancher zwar Gnade bey ſeiner Obrigkeit/ hat Gunſt/
aber ſie gibt ihm weder warm noch kalt/ er genieſſet nichts/ iſt eine Schein-
Gnade/ die man bald verlieren kan; hier aber Gnade und War-
heit/
das iſt eine kräfftige Gnade/ wie das Wort Gnade verſtund
der alt-verlebte Vater Jacob/ da er zu ſeinem Sohne Joſeph ſprach:
Habe ich Gnade fuͤr dir funden/ ſo lege deine Hand unterGen. 47,
29.

meine Hůfften/ daß du Liebe und Treue an mir thuſt; wie esIoſ. 2, 14.
auch verſtanden die Kundſchaffter Joſuæ/ und der Koͤnig David.

2. Sam. 2, 6.

Eine ſolche kraͤfftige/ wuͤrckende und thaͤtige Gnade iſt
die Gnade des Heiligen Geiſtes/
ſo da wuͤrcket und handelt nicht
auff natuͤrliche Weiſe/
als ſteckte ſie im Wort wie eine Artzney in der
Buͤchſe; nicht auff bloſſeRethoriſche Art/ wie ein kluger Redner
durch feine argumenta eines Menſchen Gemuͤth einnehmen und ihn
uͤberreden kan; geſtalt man von Platone liefet/ daß er durch ſein ſuadam
und wolgeloͤſete wolgeſtimmte Zunge den Tyrannen Dionyſium auff
einen gelindern und mildern Sinn und Weg gebracht; oder wie Cicero
zu Rom mit ſeiner Zungen den gantzen Rath gelencket und geleitet wohin
er gewolt; wo dañ in dem Menſchẽ erfordert wuͤrd eine Krafft ſolches was
der Redner fuͤrbringet zu verſtehen/ und mit Vernunfft ſolches zu faſſen/
zu erwegen/ auch davon zu urtheilen/ ob der Rath gut und annehmlich oder
nicht! ſie iſt nichtductiva,nicht eine fuͤhꝛende begleitende Krafft/
was anbelanget den Aufang vor der Bekehrung. Es fuͤhret mancher einen
bey der Hand/ leitet uñ gegleitet ihn/ er aber der Gefuͤhrte und Begleitete ge-
het auch und wandelt ſeinẽ Gang zugleich mit/ ob wol ſchwaͤcher und lang-
ſamer/ als wann er allein gehen muͤſte; nichtviolenta,nicht eine
gewalt-
[88]Die Siebende
gewaltſame/ nothzwingende Wůrckung/ auff Art und Weiſe/
wie irgend ein Metzger ſein thummes Kalb zur Schlachtbanck zwinget/
ſondern ſie iſttractiva,eine liebliche/ anmuthig-ziehende
Krafft;
hyperphyſica,eine uͤbernatuͤrliche/ bloß-goͤttliche
und himliſche Krafft/
die in ſchoͤnen Wort-Blumen/ genommen von
natuͤrlichen Sachen/ Gleichnuͤßweiſe erklaͤret wird/ durch die Saat/ das
Oel/ den Wind/ den Regen/ Donner ꝛc. als kraͤfftig der Samen zur
Frucht wuͤrcket/ der Regen befeuchtet/ der Blitz die finſtere Nacht erleuch-
tet/ der Donner erſchreckt/ der Stral entzuͤndet und durchbricht/ der Wind
an- und durchwehet ꝛc. Alſo iſt auch die Wuͤrckung des H. Geiſtes/
aber mediata \& organica,durch Mittel undinſtrumentavoll-
bracht/
von welchen an andern Orten mit mehren.


Eine wachſende und zunehmende Gnade/ die ſich ie
laͤnger ie mehr vermehret; Ein Kind wird nicht in einem Augenblick voll-
kommen/ ſondern es gehoͤren unterſchiedliche actus, Bewegungen und
2. Reg. 4.
35.
Handlungen darzu/ σπορὰ, διάπλασις, ἐμψύχωσις, γένεσις, die Empfaͤng-
nuß/ Formirung/ Belebung und Geburt; Eliſa/ da er den Knaben wieder
lebendig machete/ gieng es nicht im Augenblicke her/ ſondern ſucceſſivè,
allgemaͤchlich/ er ſtund auff/ gieng einmal hie- und daher/ breitet ſich her-
nach uͤber den Knaben/ da ſchnaubete der Knabe ſiebenmal/ darnach that
er die Augen auff: Alſo auch die Gnade des Heiligen Geiſtes;
Auguſtinus theilet dieſes Wachsthumb in unterſchiedliche
gradusund Stafflen ab/ der erſte heiſſet gratia præveniens,
excitans, invitans, trahens, impellens, pulſans,
die vorkom-
mende weck-lock-ziehende/ treibende und anklopffende Gnade/

die zuͤndet das Liecht an/ die beſcheinet den Verſtand mit einem himliſchen
Gnaden-Glantz/ fanget an den Willen zu lencken/ und die aſfect in eine
Eph. 5, 14.harmoni zu bringen/ die ruffet: Wache auff der du ſchläffeſt/ ſtehe
Apoc. 3,
20.
auff von den Toden! Sihe/ ich ſtehe fůr der Thuͤr und klopffe
an/ ſo iemand meine Stimme hören/ und die Thuͤr auffthun

Luc. 19, 5.
\& ſeqq.
wird/ zu dem werde ich eingehen; Auff ſolche Weiſe klopffet der
Herr an bey Zacheo/ da Zacheus ſein Hertz nicht verrigelt/ kehrete der
Herr bey ihm ein/ und wiederfaͤhrt alsdann ſeinem Hauſe groſſes Heil.


Widerſtehet der Menſch nicht dieſer erſten Bewegung/ wie der unſe-
Act. 24, 25.lige Felix, ſo folget darauff gratia aperiens,die auffthuende Gnade/
die er-
[89]Predigt.
die erweichet das ſteinerne Hertz/ den groſſen Grab-Stein/ der fuͤr dem to-Ezech. 11,
19.
c.
36, 26.

den Hertzen ligt/ weltzet ſie ab vnd hinweg/ thut die Laͤden euſſerlicher Sinne
auff/ daß der HErr/ wie er durch den Mund des Propheten Ezechiels2. Cor. 3, 3.
zugeſaget/ das ſteinerne Hertz weg nehmen/ und ein flei-
ſchern Hertz geben/
auf daß der Finger Gottes/ der H. Geiſt/ in ſolche be-
reitete Tafel des fleiſchlichen Hertzen ſein Evangelium kraͤfftiglich einſchrei-
ben koͤnne. Jſt der Stein alſo abgeweltzet/ ſo ſtehet das Hertz offen/ und iſt
faͤhig zu empfangen was Gott der Herr hinein gieſſen und verehren
will. Ein fuͤrtrefflich ſchoͤnes Exempel deſſen haben wir an der Lydia derAct. 16, 14.
Gottſeligen Purpur-Kraͤmerin/ die auff der Meß und Marckte zu Philip-
pis gar gute Wahrẽ eingekramt. Sie kom̃t in die proſevcham in das Bet-
Hauß/ da St. Paulus eine kraͤfftige ſchoͤne Predigt abgeleget/ ſie eroͤffnet
die euſſerlichen leiblichen Ohren/ worauff der Geiſt Gottes ihr hinwieder-
umb oͤffnet die innerlichen Hertzens-Ohren zur Andacht/ fleiſſigen Auff-
mercken/ Luſt/ Liebe und Anmuth zu dem gepredigten Worte Gottes.
Widerſtrebet der Menſch nicht/ ſo folget gratia perficiens,die thaͤtigePhil. 1, 6.
c.
2, 13.

außmachende und gäntzlich vollbringende/ uͤberwindende
Gnade/
die den Willen des Menſchen uͤberwindet/ vnd wuͤrcket beyde
das Wollen/ das Vermoͤgen und das Vollbringen/ ſo iſt des Menſchen-
Hertz gewonnen: dem fuͤget ſich hernach zu das anderechoragium
gratiarum,
die herrliche ſchöne Gnaden-Cron/ von welchem ins
kuͤnfftige mit mehrerm.


Eine widerſtrebliche Gnade/ deren das menſchliche vergiff-
tete boͤſe Hertz ſich widerſetzen kan; aus eigenen Kraͤfften kan zwar der
Menſch ihm ſelbſt nicht helffen zu ſeiner Bekehrung und Seligkeit/ daher
iſt der freye Wille untuͤchtig/ erſtorben und verlohren; aber boßhafftiger
Weiſe ſolche Gnade von ſich zu ſtoſſen/ und der huͤlffreichen Gnaden-
Hand Gottes des Heiligen Geiſtes zn widerſtehen/ darzu iſt er nur allzu-
maͤchtig; Es waͤre Gotte zwar ein leichtes mit uns Menſchen zu handlen/
durch eine unwiderſetzliche und vnuͤberwindliche gewaltige Krafft/ er koͤnte
einen gottloſen Menſchen mitten in flagtanti peccato, mitten in der Furi
und Brunſt ſeiner Suͤnden gleichſam bey den Haaren herzu ziehen/ ihn
ſideriren/ erſchrecken und zu Boden ſchlagen/ wie Er mit dem ſchnauben-
den Saul procedirt; Aber Er als ein Gott und Liebhaber der Ord-
nung/ handlet mit uns Menſchen nicht zwangsweiſe/ Er noͤthiget nie-Actor. 9, 4.
5. 6.

mand abſolutè in ſeinen Himmel/ Er ziehet vns nicht/ wie die Kaͤlber
Sechſter Theil. Moder
[90]Die Siebende
Oſe. 11, 4.oder andere unvernuͤnfftige Thiere/ mit Zwang-Stricken/ ſondern mit
menſchlichem Joch und Liebes-Seilen gantz freundlich/ in und durch
heilſame von ihm ſelbſt geſtifftete Ordnung/ da geſchiehet es dann meiſten-
theils/ daß der Menſch reſiſtirt/ ſich ſperret und widerſtrebet/ Stuͤle und
Baͤncke darzwiſchen wirfft/ die Augen zuhaltet/ damit der Gnaden-Glantz
nicht einleuchte/ das Hertz verſtocket/ Riegel fuͤrſchiebet durch Verachtung
Goͤttlichen Worts/ durch vorgefaſte falſche Meynung/ durch unverſtaͤn-
Luc. 7, 30.digen Eifer/ durch Welt-Sorge/ daraus kommet Verachtung/ Verſtoſ-
Matth. 23,
37.
ſung/ Verwerffung der angebottenen Gnade/ dann das meynet St. Pau-
Act. 7, 51.
c.
13, 46.
lus in ſeinem Vorwurff/ den er den hartnaͤckigen Juͤden gethan und ge-
ſagt: Euch muſte zuerſt das Wort Gottes geſaget werden/
nun ihr es aber von euch ſtoſſet/ und achtet euch ſelbſt nicht
werth des ewigen Lebens/ Sihe/ ſo wenden wir uns zu den
Heyden.


Eine verlierliche Gnade/ deren ſich ein bekehrter Chriſt/ auch
ein Außerwehlter totaliter, gantz und gar ſich verluſtigen kan/ wiewol was
die Außerwehlte belanget/ nicht finaliter, beharrlich und endlich; Verloh-
ren kan dieſe Gnade werden aus eigener Boßheit/ nicht aber durch euſſer-
liche Gewalt/ dann es iſt ja nichts/ keine euſſerliche Macht und Gewalt/
Ioh. 10, 27.die die Außerwehlten ſcheiden koͤnne von der Liebe Gottes/ die da iſt in
Rom. 8, 38.Chriſto Jeſu/ ſo fern iſt dieſelbe unzerſtoͤrlich und unuͤberwindlich/ außge-
Iud. 16, 9.
\& ſeqq.
nommen die Suͤnde. Gleich wie dem Simſon durch keine Gewalt das
herrliche Gnaden-Geſchenck/ die Rieſen-Staͤrcke/ damit ihn Gott der
Herr begnadet/ konte genommen werden/ ohn biß er felbſt das Nazareer-
Geluͤbde gebrochen/ und offenbaret/ worinnen ſeine Staͤrcke verborgen waͤ-
re/ ſo kommt er drumb; ſo bald er die Schur bekommen/ wich der Herr
von ihm/ ſeine uͤbernatuͤrliche Krafft entgieng ihm/ er wurde den Phi-
liſtern preiß/ Philiſter uͤber dir Simfon! hieß es; die ſtachen ihm die Au-
gen aus/ und er muſte mahlen: Alſo iſt es auch beſchaffen mit den Wieder-
gebornen/ die koͤnnen die vorige uͤbernatuͤrliche ihnen gegoͤnnete Gnade/
ſo ſie einmal erlanget/ auch wiederumb von in und durch ſich ſelbſt aus
eigener Boßheit und bloß geben verſchertzen und verlieren.


Daß aber dem alſo/ davon bezeuget die Schrifft 1. mit klaren
Eph. 4, 30.Worten/ wann ſie ſagt: Der Heilige Geiſt wurde betruͤbet/ gedaͤmpffet;
1. Theſſ. 5,
19.
der unſaubere Geiſt/ welcher neben dem Heiligen Geiſte nicht wohnen kan/
Matt. 12, 43.
Hebr. 6, 6.kehre wieder ein/ und komme wieder in ſeine vorige Wohnung. 2. mit
ernſten
[91]Predigt.
ernſten Warnungen/ welche alle vergebens waͤren/ wann ein Menſch
in der Gnade Gottes alſo bekraͤfftiget und geſtaͤrcket/ daß er durchaus nim-
mermehr aus derſelben fallen koͤnte; wann durch die Vnmuͤgligkeit einer
feſt/ ſchoß-hau- und ſtoß-frey waͤre/ oder mit einem ſtarcken Bruſt-Har-
niſch und Kuͤriß dermaſſen verwahret/ daß man ihm mit keiner Wehr und
Waffen konte zukommen/ ein anderer aber warnete ihn und ſpraͤche: cave
tibi ab ictu!
huͤte dich fuͤr dem Streich oder Hieb! waͤre das nicht ver-
geblich? Solte St. Paulus zu einem heiligen ſatt-bekraͤfftigten Engel des
Liechts geſagt haben/ Lieber Engel/ huͤte dich fuͤr dem Fall/ damit es dir nicht
gehe wie den andern gefallenen Engeln der Finſternuͤß/ wuͤrde nicht der
Engel geantwortet haben/ Paule du raſeſt; Jch bedarff deiner Warnung
nicht/ ich bin in einen ſolchem ſeligen Stand befeſtiget und gekroͤnet/ daß ichEzech. 18,
24.

nimmermehr in Ewigkeit entfallen kan. Nun aber iſt ſolcher Warnungen
die Schrifft voll an die Wiedergebornen/ ſonderlich vermahnet St. Pau-Rom. 11,
20. 21. 22.

lus gar ernſtlich die Roͤmer: Sey nicht ſtoltz/ ſondern fuͤrchte dich/2. Cor. 6, 1.
dann ſo Gott der natůrlichen Zweige nicht verſchonet/ daß Er1. Tim. 1,
18.

vielleicht dein auch nicht verſchone! Gottes Guͤte iſt über dir/Act. 20, 21.
ſo fern du in der Guͤte bleibeſt/ ſonſt wirſtu auch abgehauen2. Tim. 1,
14.
c.
3, 14.

werden. 3. mit Exempeln und Beyſpielen/ mit den Exempeln
Adæ/ Sauls/ Davids/ Salomons/ die durch die Suͤnde/ Gottes HuldHebr. 12, 16.
und Gnade des Heiligen Geiſtes verlohren; Es bezeugens die ExempelGen. 3, 6. 7.
derer die Schiffbruch erlitten haben an dem Glauben als Hymenæus und1. Sam. 16,
14.

Philetas; Petri trauriger Fall iſt ein ſchreckliches Exempel! gantze Kir-Pſal. 51, 12.
chen im Orient/ die nunmehro Behauſungen ſeynd der unreinen Voͤgel1. Reg. 11, 2.
und Greuel des Alcorans; die zeugen hiervon Sonnenklar/ ſonderlich1. Tim. 1,
19. 20.

auch die Roͤmiſche Kirche auff den heutigen Tag/ die weiland eine keuſche
Jungfrau geweſen/ laͤngſt aber deflorirt und zu einer Babyloniſchen2. Tim. 2,
17.
c.
4, 10.

Damen worden.


Eine liebmachende Vereinigungs-Gnade; umb welcheMarc. 14,
68. ſeqq.

mit vielen inniglichen Seuffzen fuͤr ſeine Glaubigen der Herr Chri-
ſtus zu ſeinem himmliſchen Vater flehenlich gebeten: Heiliger Vater/Ioh. 17, 11.
17. 21. 22.
24.

erhalte ſie in deinem Namen/ heilige ſie in deiner Warheit/
dann dein Wort iſt die Warheit/ daß ſie auch in uns eins
ſeyen;
(verſtehe durch den Geiſt im Wort) daß ſie eins ſeyen (ver-
ſtehe im Geiſt) gleich wie wir im Geiſt eines ſind. Das war der
ſcopus und endliche Zweck/ dahin Chriſtus gezielet/ darumb er herab zu
M 2uns
[92]Die Siebende
uns in dieſes Jammerthal ſich niedergelaſſen/ in unſer armes Fleiſch und
Blut ſich gekleidet/ ſein Fleiſch und Blut fuͤr uns dahin gegeben/ ſein
Fleiſch und Blut im Sacrament zu genieſſen geordnet/ ſein Fleiſch und
Blut empor und in Himmel erhoben/ daß wir mit ihm und durch ihn in
die allerholdſeligſte Vereinigung mit der hochgebenedeyten Dreyeinigkeit
gezogen und auffgenommen wuͤrden. Darumb er auch endlich ſchlieſſet:
Vater/ ich will/ daß/ wo ich bin/ auch die ſeyen/ die du mir ge-
geben haſt/ daß ſie meine Herrligkeit ſehen.


Dieſes iſt der lebendigmachenden Gnade Gottes des Hei-
ligen Geiſtes
Natur/ Art und Eigenſchafft/ ſo wird ſie uns beſchrieben/
davon Euer Liebe offt hoͤret implicitè und ins gemein/ aber ſelten expli-
citè,
klar und deutlich; und iſt doch an dieſem Verſtand viel ja alles gele-
gen/ ſehr noͤthig zu wiſſen/ zu betrachten/ zu behalten und zu glauben theils
wider allerhand Jrrgeiſter/ welche eines Theils dieſe Gnade und den
freyen Willen des Menſchen/ gleichſam als zwey Pferde/ die eine Laſt zie-
hen muͤſſen/ unter ein Joch zuſammen kuplen; die da eine vermiſchte Gna-
de lehren/ aus Geſetz und Evangelio und dem freyen Willen zuſammen
geflochten und gewebet. Theils die/ welche ſo reichlich und uͤberfluͤſſig
angebottene Gnade reſtringiren/ particuliren und in die enge ziehen/
und den groͤſten Hauffen des menſchlichen Geſchlechts davon bloß auß-
ſchlieſſen/ gemeldte Goͤttliche Gnade ſo viel an ihnen ungleich machen/ und
unkraͤfftig halten/ bey den bloß-verworffenen/ hinwiederumb als waͤre ſie
unwiderſtreblich bey den bloß-außerwehlten ertichten; auch die ſo genante
bloß-außerwehlten auſſer aller Gefahr gaͤntzlichen Verluſtes der Gnade
ſetzen/ ſo gar/ daß auch David mitten in der unkeuſchen ehebrecheriſchen
Brunſt/ Gottes Gnade und ſeinen Heiligen Geiſt ſolle behalten haben/
davon aber zu anderer Zeit/ geliebt es Gott/ in der antitheſi und Gegen-
ſatz der falſchen Lehr mit mehrerm.


Sind lauter monſtra, greuliche und abſcheuliche Lehren! Glauben/
ſage ich/ ſoll man dieſe Gnade. Wahr iſt es zwar/ die Gnade des
Heiligen Geiſtes iſt nicht allezeit ſchein-offenbar und empfindlich/ das
Reich Gottes kommet nicht mit Empfindung; Mancher iſt in der Welt
reich/ und weiß es nicht; Alſo manch angefochtenes Hertz hat den Schatz
des Heiligen Geiſtes und fuͤhlet nichts; empfindet hingegen lauter Zorn
und Vngnade/ ſihet lauter Suͤnd und Vngerechtigkeit/ iſt voll Furcht und
Schrecken alles nach dem Fleiſch/ aber unter des hat er den Geiſt warhaff-
Hiob. 3, 3.tig in ſich wohnend: Dem lieben Job kam Gott fuͤr als ein grimmiger
und
[93]Predigt.
und grauſamer Feind/ darumb er auch den Tag der Geburt verfluchet/ und
ſaß doch mitten in Gottes Gnaden-Schos drinn; David ſinget hiervon
ein manches Trauer-Lied Pſal. 13. und 77. in ſeinen Thraͤnen-Pſalmen/Pſal. 13, 2. 3.
\&
77, 10.

er klaget/ er ſey verlaſſen/ er ſey vergeſſen/ Gott hab ſeine Barmhertzigkeit
verſchloſſen und vergeſſen gnaͤdig zu ſeyn/ und eben damals redet der Geiſt
Gottes durch ihn.

2. Sam. 23,
v.
2.

Gleichwol auſſer dieſem deliquio und geiſtlichen Seelen-Ohnmacht
laſſet ſich der Geiſt auch bißweilen mercken/ ſchmecken und gleichſam fuͤh-
len in heiligen/ heilſamen/ geiſtlichen Gedancken/ Andachten/ Einſprechen/
Bewegungen/ Trieb und Reitzungen zum guten/ Abmahnung vom boͤſen/
in innerlichen durch den beygelegten Samen des Goͤttlichen Worts/ kraͤff-
tigen Seelen-Geſpraͤch/ in Leibs-Thraͤnen/ darinnen die Andacht ſich er-
geuſt/ und die Augen badet/ das Hertz ſchlaͤget wie David/ wann er im Ab-
grund des Hertzens aus Betrachtung Goͤttlichen Worts einsmals leicht2. Sam. 24,
10.

und hell wuͤrde/ wann der Menſch in flagranti curſu peccati, mitten im
Wuͤten der Suͤnden-Brunſt zuruͤcke gehalten/ da ſoll man dencken:
Digitus Dei hîc!Dieſes iſt Gottes Finger! Ein guter Geiſt!
wann ſich erzeigt Anreitzung zur Tugend/ zur Gottſeligkeit/ zur bruͤderlichen
Liebe/ Verſoͤhnligkeit/ Sanfftmuth/ wann man Auffmunterung und Luſt
empfindet zum Gebet/ wann Troſt fuͤrhanden/ ſo gedencke man nicht an-
ders/ und ſoll nicht anders gedencken als digitus Dei hîc,das iſt
Gottes Finger!
dann Fleiſch und Blut offenbaret und erwecket ſolche
und dergleichen Dinge nicht. Erreget ſich eine Begierde nach dem das
droben iſt im Himmel/ entſtehet ein Eckel gegen dem/ das unten iſt auff Er-
den: ſtehet der neue Menſch im Kampff mit dem alten Menſchen/ mit
Fleiſch und Blut/ erſcheinet ein willfaͤhriger hertzlicher Fuͤrſatz eines Gott-
ſeligen Lebens/ ſo heiſſets abermal: Hier iſt Gottes Finger!


O ſchwere Suͤnde! wer da nicht ruhet in ſeinem Hertzen/ von welt-
lichen Sinnen und Begierden bey ſolcher Anlaß/ dem Heiligen Geiſte ab-
wartet/ ſondern ſein Hertz verſtocket wie Pharao/ mit einem Worte dieſemExod. 8, 19.
treuen Gnaden-Gott gleichſam den Korb gibt/ dem were beſſer/ er waͤre
nie geboren; wer durch dieſes himmliſche Feuer ſich nicht will erweichen/
erwaͤrmen/ durchtreiben und durchweyhen laſſen/ den wird nichts anders
erweichen und erwaͤrmen koͤnnen als das hoͤlliſche Feuer/ deſſen er aber
nicht zu gelachen. Alle Kranckheit kan curirt und geheilet werden/ außge-
nommen die Verachtung der Artzney.

2. Cor. 6,
1. 2.

Derowegen ſo huͤte dich O lieber Menſch/ ſo lieb dir Seel und Selig-
keit iſt/ daß du die heilſame Gnade Gottes nicht vergebens empfaheſt/ ietztRom. 11,
20.

M 3iſt die
[94]Die Siebende
iſt die angenehme Zeit! huͤte dich vor dem hoͤlliſchen Guckauch/ daß er
nicht bey dir einniſte/ du kanſt ihn bald mercken/ gleich wie den Vogel am
Ioh. 8, 44.Geſang/ alſo an Mord und Luͤgen als ſeiner Liberey/ ſeinen boͤſen Fruͤchten.
Wann dir Gedancken beykommen wider Gottes Wort/ falſche opiniones
Matth. 16,
23.
und Meynungen vom Glauben/ da ſage alsbald: Apage!heb dich
weg Sathan! du biſt mir ärgerlich;
Kommen dir ſichere Gedan-
cken ein/ daß du gedenckeſt/ es iſt nicht halb ſo boͤß/ als mans macht auff
der Cantzel/ es wird keine Noth haben/ weder vom Auffgang noch vom
Niedergang; Der Sabbath iſt fuͤr die Juden: ich bin ein freyer Chriſt/
und ſo hart an die Sabbath-Feyer nicht angeſtrenget: was ſchadet ein
Duck in die Welt thun/ mit guter Geſellſchafft unter der Burſt mitma-
chen/ mit prangen/ mit ſauffen/ mit buhlen/ mit balgen/ mit kaͤrtlen/ mit
laͤſtern ꝛc. wann es nur die Eltern/ die Præceptores, Herrſchafft nicht er-
fahret; was ſchadet ein Chriſtliches Raͤuſchlein? ein kleines Wuͤcherlein
wird nicht gleich verdammen/ wann ich meinen Naͤchſten gleich uͤber den
Toͤlpel werffe/ und ihm eins anmache/ er wirds nicht erfahren; erfaͤhret
mans gleich/ ſo heiß ich ihn luͤgen und wills nicht geredt haben; warhafftig
Fleiſches-Luſt/ Augen-Luſt/ hoffaͤrtiges Leben/ das ſind Bewegungen des
Sathans/ wo Mord und Luͤgen graſſiren/ da iſt nicht Gottes ſondern des
Teufels Finger. Wo Neid/ Haß/ Groll/ falſcher Argwohn; wo Pracht/ wo
huͤriſche Brunſten ſich erzeigen/ da heiſſet es: Eſt Pluto in vobis, agitante
caleſcitis illo!
Der Teufel wohnet in euch/ der leitet und treibet euch auch!


Huͤte dich O lieber Menſch/ daß du ſolchen theuren Schatz/ ſolche
1. Cor. 10,
12.
groſſe Gnade nicht wieder verliereſt/ wer da ſtehet/ der ſehe zu/ daß
2. Pet. 2, 22.
Matth.
7, 6.
er nicht falle; damit das letzte nicht aͤrger werde: Der Hund friſſet
wieder/ was er geſpeyet; die Saue waͤltzet ſich wieder in den
Koth/ derowegen ſoll man die edlen Perlen nicht fůr die Saͤu
werffen.
Vnd dieweil ſolche Gnade zu erlangen oder zu behalten in
unſern Kraͤfften nicht ſtehet; dieſer Pfingſt-Wind laͤſſet ſich nicht kauffen
und verkauffen/ wie die Lapplaͤnder den Wind verkauffen/ ſo muͤſſen wir
uns demſelbigen gaͤntzlich laſſen/ vnſere Hertzen ihm einig ergeben/ ie leerer
das Gefaͤß von Welt/ ie faͤhiger iſt es Gott zu empfangen/ Veni pau-
per, nihil habes, nihil noſti? ſequere me, ait Dominus, apud Auguſtinum
ſerm. 59. de verb. Dom. tam largo fonti vas inane admovendum eſt,
das
Pſal. 114, 8.iſt: Komm her/ ſpricht Auguſtinus, der du geiſtlich-arm biſt/ haſtu nichts/
findeſt nichts in dir: wolher/ folge dem Herrn Chriſto nach/ Er iſt ein
reicher voller Gnaden-Brunn/ erfordert demnach leere Gefaͤß.


Gib
[95]Predigt.

Gib mir mein Sohn dein Hertz/ ſpricht Chriſtus der Gna-
den-Koͤnig durch den Mund des Koͤnigs Salomons. Mein Sohn/
Meine Tochter Zion/ gib und ſchencke/ ich begehr dir dein Hertz nicht zu
rauben und mit Gewalt an mich zu ziehen: ich habe dir mein Hertz geſchen-
cket/ ſo ſchencke mir auch das deine. Dein Hertz das iſt die edelſte Krafft
und Kron deiner Seelen/ Sinn/ Willen/ affecten und Begierden/ zu einer
Schul/ Tempel/ Luſt-Hauß/ Gebaͤu/ Gefaͤß/ Jnſtrument und Werckzeug
der Gerechtigkeit/ MJR und keinem andern/ nicht dir/ nicht der ſchnoͤden
Welt/ am allerwenigſten dem Sathan; der Obrigkeit gib Schoß/ Zoll ꝛc.
was ihr gebuͤhrt/ andern Vorgeſetzten gib Ehre/ reverentz/ Gehorſam nach
den Reguln der andern Geſetz-Tafel/ aber mir das Hertz/ das Gewiſ-
ſen/ freyen Muth und freyen Mund. Laſſet uns erfreuen in ſolcher Gna-
de/ an andern zeitlichen Gaben mag man ſich auch erfreuen/ aber da iſt
groſſe Gefahr. Engliſche Gemuͤther muͤſſen haben die jenigen/ die ſich
ohne Hoffart erfreuen ſollen ihrer Kunſt/ Gunſt/ Ehre/ Geld/ Gut/ und
dergleichen leiblichen Gaben; aber hier iſt dergleichen nicht zu befahren. Jn
Gott kan ſich kein Menſch gnugſam erfreuen und erquicken/ ſolche Seelen-
Freude iſt an ſich ſelbſt rein und unbefleckt/ ſie ſaͤttiget das Hertz/ und ſetzet
daſſelbe in eine Goͤttliche Ruhe/ daß ein ſolch begnadetes Hertz nichts fragt
nach Himmel und Erden. Laſſet uns ſolcher theuren Gnade Gottes
troͤſten in aller Truͤbſal/ als die Traurigen und doch allzeit frölich/2. Cor. 6,
10.
vide adh. l.
Auguſtin,
in Pſal.
48.

quaſi triſtes ſemper autem gaudentes, ALS die Traurigen und doch war-
hafftig froͤlich in Gott.


Laſſet uns/ ſo wir ſolche groſſe Gnade empfangen/ auch dafuͤr hertzlich
dancken/ und in derſelben uns inniglich erfreuen. Haman ruͤhmt die groſſeEſth. 5, 11.
Koͤnigliche Gnade/ die er erlangt bey dem maͤchtigſten Koͤnige Ahaſvero,
aber was war es? ein Schatten und Bild ohne Weſen/ ohne Wurtzel/
Safft und Krafft; wie vielmehr haben uns zu freuen der Gnade bey dem
Koͤnig aller Koͤnige. Laſſet uns dieſelbe/ wiewol ſie unerſchaͤtzlich/ æſti-
m
iren als ein groſſes miracul und Wunderwerck/ daß deß Loths Weib/
die Hebreiſche Niobe, in eine felſine/ unzerfließliche/ mineraliſche Saltz-Gen. 19, 26.
Seule verwandelt worden/ das hat man allzeit fuͤr ein groß Wunder ge-
halten. Daß der Felß in der Wuͤſten in Waſſer-See und Waſſer-BrunnPſal. 114, 8.
zerfloſſen/ war ein groß Goͤttlich Wunder. Nicht ein geringeres Wunder iſt
es/ wañ Gott das ſteinharte und kalte menſchliche Hertz durch ſeine Gnad
erweichet/ in Buß-Thraͤnen zerſchmeltzet/ ohne Zwang/ Ergeiſterung/ Ver-
duſterung/
[96]Die Achte
Amos 6,
12.
duſterung/ holdſelig und anmuthig veraͤndert. Wer kan mit Ochſen
pfluͤgen auff Felſen?
fragt dort Amos: Antwort/ der HERR kan
es durch ſeinen Geiſt.


So laſſet uns bitten/ daß Er mit ſeiner Gnade wolle fortfahren uns
zu bewegen/ anzuklopffen/ auffzuwecken/ auffzuthun und zu vollbringen/
das Gute das in unſern Kraͤfften nicht ſtehet/ ihm zu Ehren/ uns zur
Seligkeit.


So růhr nun HERR mein hartes Hertze/
Weiche auff den feſten Stein/
Daß ich ja nicht halt fuͤr Schertze/
Was mich lehrt der Wille dein.
Nimm mich mir und gib mich dir/
Was von dir wend/ wend von mir/
Dann ich begehr mich zu laſſen/
Daß ich dich allein moͤg faſſen/ Amen.
()


Die Achte Predigt/


Vber den dritten Articul/
Von der beruffenden Gnade Gottes
des Heiligen Geiſtes.


GEliebte in Chriſto: Drey hoch-bedenckliche und
wichtige Stuͤcke
haben wir zu erwegen bey dem Geiſt-
und Geheimnuͤß-reichen prophetiſchen Segen Noæ/
den er unter andern uͤber ſeinen erſtgebornen Sohn
Gen. 9, 27.Japhet außgeſprochen und geſagt: [...]
GOTT breite Japhet aus/ und laß ihn wohnen in den Huͤt-
ten des Sems/
oder wie es eigentlich nach dem original-Text lautet:
Luther.
Comm. ad
h. l. fol.
156.
Gott locke Japhet/ Gott uͤberrede Japhet/ daher das Griechiſche
πει´ϑω kommen/ wie Lutherus wol ermeſſen/ uͤber dieſe Wort.
Drey
[97]Predigt.
Drey Stuͤck/ ſag ich/ ſind allhier wol in acht zu nehmen I.Erſtlich
das Göttliche Locken;
Jſt ein Gleichnuͤß genommen von den Vo-
gelfaͤngern/ die haben ihre aves illices, ihre Lock-Voͤgel und Lock-Pfeiffen/
und locken die fluͤchtigen und irrenden Voͤgel/ daß ſie ſich in ihren Vogel-
Herd begeben: Alſo wuͤntſchet/ alſo bittet/ alſo propheceyet Noah/ daß
Gott der Herr dermaleins durch die Apoſtoliſche Lock-Voͤgel und
holdſelige Evangeliſche Pfeiffe wolle pfeiffen/ locken/ beruffen und uͤber-
reden die Verlockte und im Heydenthumb gefaͤhrlich herumb-vagirende
Taube.

Oſe. 7, 11.

2. Wen werde er locken? den Japhet: Jſt eine liebliche
παρονομασἰα im Hebreiſchen/ Japhet lejephet,Gott werde locken
den loͤcklichen oder einfaͤltigen Japhet/
der ſeine Vernunfft gefan-
gen nehmen werde/ unter den Gehorſam des Glaubens; Es wird aber
hiedurch nicht præcisè und eigentlich Japhet in der Perſon verſtanden/
ſondern ſeine familia und poſteritaͤt; das ſeynd nun fuͤrnemlich wir
Teutſchen/ die wir von Thuiſco und ſeines Manni Sohne einem Herkom-
men; Tacitus ſchreibet/ daß die Alten den Thuiſconem/ der ein Gott ſey
von der Erden erſchaffen/ und ſeinen Sohn Mannum fuͤr den Vrſprung
und Vrheber dieſes Volcks gehalten/ welchem Manno ſie drey Soͤhne
zuſchreiben. Wer iſt dieſer Thuiſco/ ſo von der Erde geboren oder ge-
ſchaffen/ als Adam der erſte Menſch? Wer iſt dieſer Mannus anders/
als der Noah und ſeine drey Soͤhne/ oder vielmehr auch Gomer/ der Sohn
Japhets/ der drey Soͤhne hatte/ Aſcenas/ Riphat und Thogarma. EtlicheGen. 10, 3.
wollen unſer Geſchlecht von Aſcenas deduciren und herfletzen/ andere
glaͤublicher von Thogarma/ weil die Namen Thogarma und Germania
correſpond
iren/ auch der uralte Chaldeiſche Dolmetſch das Thogar-
ma Ezech. 27. durch das Wort Germaniam uͤerdolmetſchet. Dem ſeyEzech. 27,
14.

wie ihm wolle/ ſo iſts unſtreitig/ daß wir von dem Japhet herkommen;
Von dem ſagt Noah: Er werde in ſeinen Nachkommen gelocket
werden/ er werde ſich locken und beruffen laſſen.


3. Wohin? Zu der Huͤtten Sems/ das iſt/ zu dem geiſt-
lichen Sion/ zu der Chriſtlichen Kirchen/ aus welcher und in welcher der
Meſſias und Heiland der Welt geboren/ von dannen der Lock-Schall des
Goͤttlichen Worts außgegangen; zur wahren Kirchen/ hier einer fahren-
den Huͤtte/ die ſich von einem Ort zum andern laͤſſet bewegen/ aber von dan-
nen in die beſtaͤndige/ unzerſtoͤrliche/ himliſche Wohnung.


Sechſter Theil. NDiß
[98]Die Achte

Diß iſt/ meine Liebſten/ der ſcopus, terminus, Ziel und Zweck/ darauff
Noah mit ſeinen uralten prophetiſchen Augen gefehen/ dahin er mit ſeinem
geiſtreichen Segen gezielet/ ſo weit ſihet er hinaus? Jſt ein väterlicher
ſehnlicher Wuntſch:
Ach daß meine liebe Japhets-Kinder doch
nicht im exilio bleiben/ ſterben und verderben/ ſondern wiederumb zuruͤck
ins rechte Vaterland gelangen moͤchten! Ein kraͤfftiger/ Patriar-
chaliſcher Segen/
und zugleich Prophetiſche Weiſſagung/
Es werde warhafftig alſo geſchehen. Nun was Noah gewuͤntſchet/ das
iſt geſchehen: Dann ja freylich Gott der Herr nach der Himmelfahrt
Chriſti ſeine Lock-Voͤgel außgeſendet/ deßgleichen an der Welt Abend Lu-
therum
und ſeine Gehuͤlffen: die uns arme Japhiten beruffen/ gepfiffen/ ge-
locket/ ja wie Noah drey Tauben aus der Archen außfliegen laſſen/ den Ab-
gang des Gewaͤſſers außzuſpaͤhen; die erſte machte ſich nicht weit von
ihrem Neſte/ kam bald wieder: die andere kam eben weit davon/ blieb lange
auſſen/ biß umb Veſper-Zeit/ da brachte ſie das Oel-Blat in ihrem Mun-
de: die dritte Taube kam gar nicht wieder: Alſo die drey Soͤhne Noah;
Sem der hielt ſich zu der Huͤtten/ das ſind die Hebreer; Cham blieb gar
drauſſen/ das ſeynd die Cananiten; Aber die Japhiten ſeynd zwar eine ge-
raume Zeit fluͤchtig geweſt/ umb den Abend der Welt ſtellen ſie ſich wieder
ein/ und bringen das Evangeliſche Oel-Blat mit ſich/ werden alſo zu der
Chriſtlichen Kirchen verſammlet/ und genieſſen wir noch anietzo wuͤrcklich
unſers Groß-Vaters Segen! der da heiſſet Gratia vocans,die
beruffende Gnad oder gnaͤdige Beruffung zum Reich Chriſti/
hier in Gnaden dort in der ewigen
gloriund Herrligkeit.
Davon dißmal erbaulich zu reden wolle uns der Vater des Liechts umb
Chriſti willen mit dem Gnaden-Glantz ſeines guten Heiligen Geiſtes be-
ſcheinen/ Amen.


SO iſt nun I.die beruffende Lock-Gnade Gottes eine
warhafftige und ernſtlich-gemeynte Gnade;
Dann wie
es dem himmliſchen Vater ein groſſer Ernſt/ wann Er durch
ſeinen Mund-Botten St. Paulum/ der Welt ſeinen Willen entdecket/
1. Tim. 2, 4.ſagen und predigen laͤſſet/ 1. Tim. 2. Gott will/ daß allen Menſchen
2. Petr. 3, 9.geholffen werde/ GOTT will nicht/ daß iemand verlohren
werde!
wie es freylich dem Sohne Gottes bitter-ernſt/ und kein Spiel-
werck geweſt/ da Er fuͤr das menſchliche Geſchlecht ſchmertzlich und pein-
lich gelitten: So iſts ie freylich dem H. Geiſt ernſt mit ſeiner vocation
und
[99]Predigt.
und Beruffung/ davon wir in der Außlegung des dritten Articuls beken-
nen/ Er hab uns beruffen. Da hat keine luͤgenhafftige zwey-zuͤngige
ſinceration nicht Platz/ alles ohne Betrug/ Liſt/ alles redlich und wolge-
meynt. Abſolon ladet ſeinen Bruder Amnon zum Mahl/ er brauchet gar2. Sam. 13,
26. ſeqq.
c. 11, 14.
ſeqq.

eine liebliche Pfeiffe; Aber es war mors in ollâ, der Tod lag in den Haͤfen/
David gibt dem frommen Vria einen Brief mit/ von auſſen war er lauter
Butter/ inwendig Gifft und Galle. Das ſey fern/ daß Gottes Beruff von
gleichen falſchen Worten ſeyn ſolte/ ſondern Ja und Amen; da iſt keine
Falſchheit oder Argeliſt/ wann Er ruffet: Wendet euch zu mir/ ſoEſa. 45, 22.
werdet ihr ſelig aller Welt Ende! Kommet her zu mir alle/
die ihr muͤheſelig und beladen ſeyd/ ich will euch erquicken;
Matt. 11, 28.
Gehet hin/ ſagt Er zu ſeinen Juͤngern: in alle Welt/ lehret alle
Heyden/ und machet mir zu Juͤngern alle Voͤlcker;
ChriſtusMatth. 28,
19.

ruffet Johan. 7. mit lauter Stimme: Wen da duͤrſtet/ der kommeMarc. 16, 15.
zu mir/ und trincke/ darumb auch St. Paulus ſagt: Gott gebeutIoh. 7, 37.
allen Menſchen an allen Enden Buſſe zu thun. Das ſind lau-Act. 17, 30.
ter hertz-wolmeynende/ hertz-iringende/ im Hertzen gewachſene und nicht
bloß auff der Zungen ſchwebende Wort/ ſo vom Goͤttlichen Hertzen zum
menſchlichen Hertzen gehen.


II.Eine allgemeine unpaſſionirte Gnade/ die keine
Perſon anſihet;
Wer einem einen Baum ſchencket/ der ſchencket ihm
auch die Fruͤchte: Gott der Herr hat allen Menſchen ſeinen Sohn/ als
den Baum des Lebens geſchencket/ warumb nicht auch deſſen Fruͤchte/ die
Gaben des Heiligen Geiſtes? ſo da ſich erſtrecket/ nicht allein in genera
ſingulorum,
uͤber allerley Menſchen/ von allerley Geſchlecht und Stand/
ſondern auch in ſingula generum, uͤber alle und iede inſonderheit; nicht
nur uͤber die Außerwehlten/ ſondern auch uͤber die durch ihre eigene Schuld
Verworffenen/ wie der Herr ſolches ſelbſt bezeuget/ und ſpricht: JchEſa. 65, 2.
recke meine Hände aus den gantzen Tag zu einem ungehor-Prov. 1, 24.
ſamen Volck/ das ſeinen Gedancken nachwandelt auff einemMatth. 23,
37.

Wege/ der nicht gut iſt; geſtalt dann der liebe Gott ſich niemalAct. 14, 17.
unbezeuget gelaſſen/ ſondern ſich geoffenbaret 1. durch die Lock-
Pfeiffe der Natur/
durch die Creaturen in dem Wercke der Schoͤpf-
fung; dañ ja ſo viel Creaturen/ ſo viel ſind Stralen dieſer him̃liſchen Son-
nen; Es iſt allen Menſchen angeboren die Begierde zum hoͤchſten Gut/
N 2und der
[100]Die Achte
und der Seligkeit/ auch nach dieſem Leben/ dieweil ſie wiſſen/ daß die Seel
Matth. 19,
16.
unſterblich iſt: Nach demſelben ſehnet ſich nicht nur jener Juͤdiſche Juͤng-
Act. 16, 30.ling/ ſondern auch der Heydniſche Kerckermeiſter. Aber Blindheit ſtehet
Act. 13, 11.im Wege/ welche die Heyden ſelbſt erkennet; darumb ruffet der Menſch
Act. 17, 27.billich nach Hand-Leitern/ daß er Gott ſuche und finde; Hand-Leitern
aber ſo da fuͤhren nicht zwar ohnmittelbar zur Seligkeit/ ſondern zum
Liecht des Goͤttlichen Worts/ deroſelben ſind nun ſehr viel.


Jn uns ſeynd es dieſacra lipſana paradiſiaca,das Para-
diß-Heiligthumb/
ſo wir noch nach dem traurigen Adams-Fall uͤbrig
behalten/ das heiſſet mit zweyen Worten ſemen boni \& lumen veri,
der Samen des guten und das Liecht der Warheit/ das man
Rom. 1, 19.
20. c.
2, 14.
weiß/ daß ein Gott ſey/ dann Gott hat es uns in uns ge-
offenbaret/ damit/ daß Gottes unſichtbares Weſen/ das iſt/
ſeine ewige Krafft und Gottheit wird erſehen/ ſo man das war-
nim̃t an den Wercken/ nemlich an der Schoͤpffung der Welt;
ſintemal auch die Heyden/ die das Geſetz nicht haben/ und
doch von Natur thun des Geſetzes Werck/ dieſelbigen/ dieweil
ſie das Geſetz nicht haben/ ſind ſie ihnen ſelbſt ein Geſetz/ da-
mit daß ſie beweiſen/ das Geſetz ſey beſchrieben in ihrem Her-
tzen/
welches Heiligthumb alſo geartet/ daß es im Hertzen und Gewiſſen
den Menſchen reitzet und treibet zu forſchen und zu ehren den wiewol noch
zur Zeit unbekanten/ doch aus dem geoffenbarten Worte kantbaren Gott.
Act. 14, 17.Auſſer uns bezeugets das unſichtbare Weſen eines ſolchen Got-
tes/ der ſich uns ſichtbar gemacht/ wann er viel gutes thut ohn
unterlaß/ und vom Himmel Regen und fruchtbare Zeitung gi-
bet/ unſere Hertzen erfůllet mit Speiſe und Freuden.
Dieſe
Gutthaten ruffen alle: Quære Deum, Suche und frage nach dieſem Gott/
der ſolches ſchaffet/ lerne ihn erkennen/ daß du ihm danckbar ſeyeſt/ und
gebuͤhrlich ehreſt/ nicht nach deinem Sinn/ Wahn und Gutduͤncken/ ſon-
dern nach der Regul des geoffenbarten Willen Gottes/ auff daß du derſel-
ben Regul nach frageſt/ wo ſie in der Welt anzutreffen/ und iſt dieſelbe
nichts anders/ als das geoffenbarte Wort Gottes.


2. Mit der Lock-Pfeiffe der Vorſehung/ Erhaltung
und Regierung der Creaturen/ durch Zeichen und Wunder/

wie durch dergleichen Pfeiff gelocket wurden die Babyloniſche Bottſchaff-
ten/
[101]Predigt.
ten/ die Koͤnigin aus Reich Arabia/ durch die Weißheit Salomonis/ die2. Chron.
32, 31.

Weiſen aus Morgenland durch den ſonderbaren neuen Stern; Etliche1. Reg. 10, 1.
Matth. 2, 1.
\&
2.

ſeynd gelocket worden durch das koͤſtliche loͤbliche und gute Geruͤchte/ ſo in
die Welt erſchollen von Gott/ dadurch bekehret worden die Hur Rahab/
der Syrer Naeman/ dieſe alle ſchreyen: O Menſch/ O Adams-Kind/Ioſ. 2, 11.
wer du ſeyeſt/ ſuche das wahre Liecht/ daß du in demſelben ſeheſt die wahre2. Reg. 5, 3.
Sonn! Suche das Wort Gottes/ auff die Art und Weiſe/ wie die Wei-
ſen aus Morgenland durch den Stern ſich in die prophetiſchen Schriff-
ten/ ſo unter ihnen in den Juͤdiſchen Synagogen gewohnet und geleſen
worden/ von dannen nach Jeruſalem/ von Jeruſalem gen Bethlehem/
von Bethlehem in das Hauß des groſſen Heiden-Liechts/ ſo in die Welt
kommen/ alle Menſchen zu erleuchten/ nemlich des neugebornen Koͤnigs
der Juͤden geleitet und begleitet worden.


3. Er locket auch mit der lieblichen Wort-Pfeiffe/ durch
das gnadenreiche Evangelium;
mit welcher er bald zuerſt gepfiffen
im Paradiß und Adam zu ſich gelocket/ und in Adam alle Menſchen/ gleich
wie auch hernach in Noah/ dem andern Welt-Vater/ in welchem auffs
neue alle Voͤlcker beruffen durch den Gnaden-Bund/ den Gott mit
ihnen auffgerichtet. Gott der HErr (ſo lautet das Lied des geiſt-Geneſ. 9, 8.
ſeqq.

reichen Aſſaphs) der mächtige redet/ und ruffet der Welt vomPſal. 50, 1.
Auffgang der Sonnen biß zum Niedergang. Chriſtus undMatth. 11,
17. 28.

Johannes ſprechen: Wir haben euch gepfiffen; Eben derſelbe
Pfeiffer pfeiffet und ruffet noch: Kommet her zu mir alle/ (οὐχ ὁ
δει῀να καὶ ὁ δει῀να, ἀλλὰ πάντες, wie Chryſoſtomus ſaget: nicht einer oder
der andere/ ſondern alle) die ihr beladen ſeyt/ ob ihr auch gleich eure Laſt
nicht fuͤhlet: Alle welche von Chriſto dem Herrn Sanfftmuth und
Demuth zu lernen verbunden ſeynd. Alle/ ſage ich/ nach Goͤttlicher
intention und vorhergehenden Rath und Willen/ alle die ihr mit geiſt-
lichen Schulden-Laſt wie () jene vier hundert Maͤnner/ welche dem lieben
David nachgezogen/ behafftet/ alle Creutz- und Wall-Bruͤder/ niemand
iſt hie außgeſchloſſen/ als wer ſich ſelbſt außſchleuſt. Chriſti kraͤfftiger Gna-


‘() 1. Sam. 22, 2. videri poſſit Catilinarium conſortium, Davidi exprobrabi-
le; at non ſemper quem fortuna fecit miſerum, eundem \& improbum. Ac pecca-
rint licet inter eos nonnulli fugiendo creditorum rigidas vexationes: non tamen
peccavit David eos ſuſcipiendo in patrocinium: fuerint improbi, tamen diſciplinâ
\& exemplo Davidis meliores facti. Sunt qui conjiciunt, ad hanc militum turbam
erudiendam à Davide Pſalmum XXXIV. compoſitum fuiſſe.
()

N 3den-Zug
[102]Die Achte
Ioh. 12, 32.

den-Zug iſt univerſal, Er verſpricht: wann er werde erhöhet wer-
den/ wolle er alle Menſchen zu ſich ziehen;
Er weiß wol daß wir
aus eigenen Kraͤfften anfangs vor der Bekehrung zu ihm nicht kommen
Eſa. 35, 6.moͤgen: Aber wer nicht Fuͤſſe hat/ dem macht er Fuͤſſe: Die Lahmen macht
Actor. 3, 6.
7. 8.
Er lecken wie die Hirſche: und ſo bald Petrus den von Mutterleibe an
lahmen Menſchen befihlet er ſoll auffſtehen und wandeln/ ſo bald er ihn
bey der rechten Hand ergriffen und auffgericht/ ſo ſtehet er und ſpringt da-
Gen. 45, 21.von: Dem hinckenden Jacob ſchickt der him̃liſche Joſeph Waͤgen entgegẽ:
2. Reg. 2, 11.Eliæ ſendet er feurige Roß und Wagen/ das iſt das miniſterium. Alles
in Goͤttlicher/ heilſamer bedingter Ordnung die jenigen die ihre Buͤrde und
Muͤdigkeit erkennen/ nach der Erquickung ſich ſehnen/ ſind Troſt-duͤrfftig/
(*) vide D.
Aeg. Hũn.
ad Ioh. 6.
part. 13. d.
Chemnit.
harm. c. 56.
p.
966.
Troſt-hungerig/ Troſt-gewuͤrdigte/ die ſollen auch in eventum wuͤrcklich
erquickt werden/ die ſind die jenigen (*) τεταγμενοι und geordnete/ die der
himmliſche Vater zu ſeinem Sohne ziehen thut.


Sprichſtu: Wie reimt ſich ſo gethane Univerſalitaͤt und weite Außthaͤ-
nung des Goͤttlichen Einladen mit den vorhergehenden Worten/ da Chri-
ſtus der Herr ſeinem himmliſchen Vater einen panegyticum haltet und
Matth. 11,
25. 26.
einen Lob-Spruch zu Ehren thut/ ſprechend: Jch preiſe dich Vater
und HERR Himmels und der Erden/ daß du ſolch
(Ge-
heimnuͤß des Glaubens) den Weiſen und Klugen verborgen haſt/
und haſt es den Vnmuͤndigen offenbaret/ Ja Vater/ dann es
iſt alſo wolgefaͤllig geweſen fuͤr dir.
Das heiſſet ja das abſolu-
tum decretum
und bloſſen Goͤttlichen particular-Willen ſtarck bekraͤff-
Luc. 7, 30.tigen? Antwort nichts weniger/ Chriſtus hat ja ſeinen Willen und Rath
Gottes den Phariſeern und Schrifftgelehrtẽ geoffenbaret/ welche gemeldtẽ
Rath wider ſich ſelbſt verworffen/ und daher rechtmaͤſſiger weiſe verdammt
Matt. 11, 21.worden: Er hat denen zu Chorazim/ Bethſaida ſich gantz herrlich geoffen-
baret/ Er hat ihnen gnugſam gepfiffen/ die wenigſten aber wolten dantzen.
Darumb ruͤhmt er Gottes heilige nachfolgende gerechte Gericht/ und ſagt:
Jch preiſe dich Vater/ daß du ſolche Geheimnuͤß verborgen ()
eventualiter, das iſt/ weil ſie ihre Augen davor zugeſchloſſen/ die Decke nicht
wollen abziehen laſſen/ ſind ſie ihnen verborgen geblieben.


‘() Iuxta regulam, verba activa non ſemper propoſitum antecedaneum,
ſed eventum notant, ſicut Devt. 29, 3. Matth.
10, 34.’
()

Wem aber? Allen ſophis, allen Weiſen und Klugen ohn Vnterſcheid?
O nein! Das ſtreitet wider die Sonnenklare offenbare Warheit/ dann ja
Nicode-
[103]Predigt.
Nicodemus und die Weiſen aus Morgenland keine albere Narren ge-
weſen: ſondern den geſchwulſtigen auffgeblaſenen Welt-Weiſen/ Selbſt-
Weiſen/ den Naſen-Weiſen/ den Meiſtern von hohen Sinnen/ die ihre
Vernunfft nicht wollen gefangen nehmen unter den Gehorſam des Glau-
bens/ die witziger wollen ſeyn als Chriſtus ſelbſt. Wem iſt im Gegen-
theil der Rath Gottes geoffenbaret? den Vnmuͤndigen? welchen? viel-v. Luther.
tom. 8. Ien.
p. 336. f.
2.

leicht den muthwillig-ignoranten/ den albern ſimpliciſten/ den thummen
und ſtummen idioten und Schepſen/ denen vor der Wiſſenſchafft Goͤtt-
licher Dinge eckelt? O nein! ſonſt muͤſten wir alle Univerſitaͤten und
hohen Schulen beurlauben/ muͤſten mit Carolſtad alle Bruder Andres
werden; ſondern νηπίοις die ſich wie die Kinder gern laſſen bereden/ die wie
die unmuͤndige Saͤuglinge begierig ſind nach der lautern Milch des Evan-
gelii/ die muͤheſelig und beladen/ conſequenter Troſt- und Lehr-begierigen
Zuhoͤrern/ die ſich mit der bloſſen figur und parabel nicht contentiren/ ſon-
dern den Coͤrper ſelbſt/ Safft und Krafft aus den Geheimnuͤſſen Chriſt-
licher religion zu ſaugen ſich duͤrſtiglich ſehnen.


Jn welchem Verſtand es wol geſchehen kan/ daß ein (in Erkaͤntnuͤß
Gottes) unweiſer und einfaͤltiger Baur/ der ſonſt auff ſeinen Geitz Augen
und Hirns gnug hat/ klug und weiſe allhier heiſſe/ und im Gegentheil ein
groſſer Doctor unmuͤndig und einfaͤltig ſeye! daß nun ſolchen Selbſt-
Klugen das Geheimnuͤß Gottes vom Reich Chriſti nicht recht zu Hertzen
gehet/ iſt ihre Schuld und Gottes Gericht/ und das preiſet der Sohn Got-
tes billich an ſeinem himmliſchen Vater.


St. Paulus und die uͤbrigen zwoͤlff Botten die ruffen und ſchreyen
in der gantzen Welt: GOTT gebeut allen Menſchen Buſſe zuAct. 17, 30.
thun an allen Enden/ allen denen/ die vor dem Juͤngſten Ge-
richte werden erſcheinen muͤſſen;
Da laſſet ſich keine exceptionCol. 1, 23.
Rom.
10,
18.

erdencken/ der Apoſtoliſche Schall iſt in alle Welt außgebrochen/ und in
alle Lande/ ſie die Apoſtel ſind zwar tod/ ihr Schall iſt laͤngſt verſtimmet/
aber er lebet und webet noch in der uͤberlaſſenen Heiligthumb ihrer Send-
Briefe/ aus und durch welche noch heutiges Tages alle getreue Prediger
laden und ruffen: Καταλλάγητε, Laſſet euch verſöhnen mit Gott!2. Cor. 5,
20.

Wir predigen nicht nur generibus ſingulorum, allerley Menſchen/ nicht
nur den Außerwehlten/ welche allein Gott der Herr ohnfehlbar kennet/
ſondern unparteyiſch allen und ieden Menſchen. Miſericors DEUS,
ſchreibet Auguſtinus: vocat undique ad correctionem, vocat undiqueAuguſt. in
Pſal.
102.

ad pœnitentiam, vocat beneficiis creaturæ, vocat impertiendo tempus
vivendi,
[104]Die Achte
vivendi, vocat per lectionem, per tractationem, per intimam cogitatio-
nem, per flagellum correptionis, per miſericordiam conſolationis;
Der
barmhertzige Gott beruffet allenthalben zur Beſſerung/ Er beruffet
allenthalben zur Buſſe/ Er beruffet durch Wolthaten der Creatur/ Er be-
ruffet durch langes Leben/ Er beruffet durch leſen/ durch Abhandlung
Goͤttliches Worts/ durch innerliche Gedancken/ durch die Straff-Geiſſel/
Er beruffet auch durch die Barmhertzigkeit mit Troſt. Wer wolte dann
die noch entſchuldigen/ ſo nicht kommen wollen?


Welcher maſſen der Allerhoͤchſte ſeinen Goͤttlichen Beruff gegen
uns Menſchen hier in dieſer Welt diſpenſire und erſcheinen laſſen/ koͤnnen
wir nicht beſſer erklaͤren als in den Gleichnuͤſſen weltlicher intimationen
und Verkuͤndigungen. Zu gleicher weiſe wie groſſe Herren und Koͤnige
vorzeiten/ wann ſie eine neue Zeitung haben wollen in ihrer gantzen Herr-
ſchafft und Botmaͤſſigkeit lautbrecht machen/ ſo haben ſie (ſonderlich die
Perſianer) ihre ignes Angaros, Poſt-Feuer oder Poſt-Facklen auff den
Bergen anſtecken laſſen/ aus dero Anblick iederman auffgemuntert und
wiſſen koͤnnen/ was die Glock geſchlagen: Neben dem haben ſie auff den
Bergen præcones und Außruͤffer gehalten/ deren ie einer dem andern hat
zuruffen und die famam oder die Bottſchafft anzeigen muͤſſen/ worauff
Eſa. 52, 7.der Prophet Eſaias alludirt/ wann er ſagt: Wie lieblich ſind auff
den Bergen die Fuͤſſe der Botten/ die da Friede verkuͤndigen/
gutes predigen/ Heil verkůndigen/ die da ſagen zu Zion: Dein
Gott iſt Koͤnig:
Worauff dann ein ieder Nachbar und Freund den
andern/ Eltern ihren Kindern und Geſinde die offentliche erſchollene Zei-
tung erzehlet.


Die erſte Bottſchafft iſt eine ſtumme Bottſchafft/ und vergleichet
ſich mit dem allgemeinen Beruff der ſtummen Natur/ welche Gott der
Herr in allen ſeinen Creaturen vorgeſtellet/ Gott hat das Heer des
Himmels/ alle leuchtende Sternen als helle Lock- und Liecht-Facklen ver-
Devt. 4, 19.ordnet allen Voͤlckern unter dem gantzen Himmel; Jm Hebreiſchen Text
ſtehet das Wort [...] heiſſet auch ſo viel als ſanfft liebkoſen/ und locken:
Die andere iſt vocal, die heiligen Apoſtel und zwoͤlff Botten/ die anfangs
außgangen/ und die froͤliche Evangelia und Zeitungen von Heil/ Leben
und Segen in Chriſto Jeſu/ allenthalben kund gemacht/ und wo ihre Fuͤſſe
nicht hinlangen moͤgen/ da hat ſich ihre Stimme/ Schall und Wort er-
ſchwungen/ Chriſtlichen Regenten/ Predigern/ Hauß-Vaͤtern hat von
alters her gebuͤhrt/ und gebuͤhrt ihnen noch was ſie gehoͤret/ andern ihren
Anver-
[105]Predigt.
Anvertrauten mitzutheilen: ſo wird der Bernff und Einladung Gottes
allenthalben bekant werden/ und ſo ſoll er ſeyn nach Goͤttlicher intention,
Rath und Willen.


III.Es iſt dieſe Gnade des Heiligen Geiſtes eine freye
Gnade/
die nicht an einen einzelen Ort angefeſſelt/ ſondern der H. GeiſtIoh. 3, 8.
blaͤſet wo und wie er will/ wo und wann es ihm beliebet/ und wuͤrcket
den Glauben/ verſtehe nichtde ſubſtantiâ vocationis, ſed modis,
nicht von der Beruffung an ſich ſelbſt/ ſondern von den unter-
ſchiedlichen Arten/
gradibus,und Zeiten; deren diſpenſation und
Mittheilung er ihme fuͤrbehalten/ 1. Was anlanget diemodos,die
Arten und Weiſen der Beruffung/
ſo iſt und bleibet zwar der Beruff
univerſal und allgemein/ die Natur pfeifft immer/ Gott laͤſt ſich niemal
unbezeuget; was aber die hohe/ ſonderbare/ auſſer-ordentliche/ wunder-
thaͤtige Einladung belanget/ da iſt der Geiſt Gottes/ ein freythaͤtiger Geiſt/
gleich wie er eine ſo gethane auſſer-ordentliche Gnade niemand nicht
ſchuldig/ ſo iſt er auch dieſelbe niemand zu geben verbunden/ So thut erPſ. 147, 20.
keinen Heyden/ noch laͤſſet ſie wiſſen ſeine Rechte/ wie Er ſeinem
Volck den Juden gethan. Weren dieſe Thaten/ ſpricht Chriſtus vonMatt. 11, 21.
ſeinen Wundern/ zu Tyro und Sidon geſchehen/ wie zu Chora-
zin/ ſie hätten im Sack und in der Aſche Buſſe gethan.
Sonſt
bleibet der ordentliche Beruff/ ſo da geſchicht durch das Wort und die H.
Sacramentẽ/ ſo lange bey einer nation und Menſchen/ als lange man den-
ſelben behalt/ ehret und demſelben Folge leiſtet: Jm fall aber das widrige
geſchicht/ ſo iſt der Geiſt an kein Volck/ weniger an einigen Menſchen ge-
bunden/ Er wendet ſich zu einem andern Volck/ ſchicket einen Hunger nachMatth. 21,
43.

dem Wort/ wie es die Erfahrung und Hiſtorien Sonnen-klar an Tag
geben.


Was anlanget 2. horas inceptionis,die Stunden
und den Anfang der Beruffung;
So ziehet Er ein Volck
lang auff/ dem andern begegnet Er bald/ zu erſt den Juden/ hernach denRom. 1, 16.
Griechen/ Rom. 1. Actor. 13. Da Paulus und Silas durch PhrygiamAct. 13, 46.
c.
16, 6. 7.

und Galatiam zogen/ ward ihnen gewehret durch den Heiligen Geiſt zu
zu reden in Aſia/ deßgleichen in Myſia/ Bithynia/ aber hernach iſt doch1. Petr. 1, 1.
noch der Beruff an gemeldte Ort kommen.


Was anlanget 3. Moras commorationis,die Zeit der
Sechſter Theil. OVer-
[106]Die Achte
Verharrung/ wie lange dieſe Gnade bleibet/ ſo iſt zuvor vermeldet/
wann ein Volck das Reich Gottes von ſich ſtoſſet/ wann es dieſes depo-
ſitum,
dieſe herrliche Beylage nicht wol auffhebet/ wann Gott verlaſſen
Matth. 21,
43.
und hindan geſetzt wird/ ſo verlaͤſſet Er auch/ ſo laſt Er alsdann das Volck
A\&. 14, 16.
c.
17, 30.
tappen auff ſeinen Wegen/ εἰσ ἀπώλειαν ins Verderben hinein; Gott
Hebr. 4, 7.hat zwo Stunden/ die eine heiſſet hora ἐπισκοπῆς, die Stunde
Luc. 19, 44.oder Zeit der gnaͤdigen Heimſuchung; allweil die noch waͤret/ ſind
die Draͤuungen noch nicht peremptoriæ, da halt Gott ſeine Straffe
Ier. 18, 8.noch auff. Die andere heiſſethora ἐκδικήσεως, die Stunde oder
Ion. 3, 4.Zeit des Zorns/ der Rach und Vergeltung/ der Tag des Herrn/
dem Menſchen Tag entgegen geſetzt/ wann die ankommet/ und die Bier
reiff und zeitig/ das Suͤnden-Maß voll worden/ ſo hilfft nichts mehr/ keine
Ezech. 14,
14. confer
D. Luther.
tom. 8.
Witteb. ad
Ioël. f.
359.
Fuͤrbitt mehr/ und wann gleich die drey heiligen Maͤnner Noah/ Daniel
und Job in einer ſolchen Statt waͤren/ ſo wuͤrden ſie allein ihre eigene
Seel erretten; da gehets peremptoriè her; da muß im Augenblick die exe-
cution
ergehen/ wie bey der Verſtoͤrung der Statt Jeruſalem geſchehen.


Dieſes iſt nun alſo die beruffende Gnade/ ſchrifftmaͤſſig fuͤr-
getragen nach der regul des goͤttlichen Worts. Von dero weit abgewichen/
() quorum
ſententiã
refero in
hodomor.
Calvin.
Phantaſ. 9.
p. 1830. \&
ſeqq. pag.
1840. ſeqq.
die alſo von ſich ſelbſt genante () Reformirten/ welche von dieſer Gnade
viel anders halten/ als in Gottes Wort geoffenbaret/ machen einen Vn-
terſcheid unter der euſſerlichen/ geoffenbarten Gnade/ da Gott von auſſen
gebeut allen Menſchen Buſſe zu thun/ und ſich ſtellet/ als wolte Er alle ſelig
haben; und dann unter der innerlichen allein bey den bloß Außerwehlten
kraͤfftigen Gnade/ vermoͤg des bloſſen Vorſatz/ nach welchem er beſchloſſen
von Ewigkeit her die jenigen nur und allein ſelig zu machen/ welche Er zur
Seligkeit bloß ohne Beding erkohren/ und wie Piſcator* in der vergiffteten
Herborniſchen Bibel ſchreibet uͤber die Wort Chriſti Matth. 11. Gott
ruffe den Außerwehlten/ und bewege ihnen gleich das Hertz/ und gebe ihnen
Krafft/ daß ſie kommen koͤnnen/ die Wort aber/ die ihr muͤheſelig ſeyt/
heiſſen ſo viel/ die ihr die Suͤnden fuͤhlet/ und daruͤber ſeuffzet/ und begehret
der Gnade! Wo bleiben aber die andern/ die nicht bloß außerwehlt/ die


‘* Ad Matth. 11, 28. \& in annot. Latin. p. 122. Abutuntur hoc dicto, qui
inde volunt probare Chriſti gratiam pertinere ad omnes omnino homines, nullo
prorſus excepto, Etenim Chriſtus gratiam ſuam promittit non omnibus ſim-
pliciter hominibus ſed omnibus qui fatigati ſunt \& onerati, h. e. qui ſentiunt
onus peccati \& ex eo cupiunt levari, atque his quoque eâ demum conditione gra-
tiam ſuâm promittit. SI AD IPSVM VENERINT, h. e. in ipſum crediderint.
()

ſo kranck
[107]Predigt.

ſo kranck und ſchwach/ daß ſie auch ihren Jammer nicht fuͤhlen? denen
werden die bloſſen Schalen ohne den ſafftigen Kern angebotten.


Jſt dem alſo? ſo iſt dieſes Gnaden-Wort/ die Beruffung Gottes
eine particular Pfeiffe/ die nicht alle angehet; eine Luͤgen-Pfeiffe/ die
nicht einerley Thon und Harmoni fuͤhret; eine betruͤgliche Pfeiffe/ die
zwar lieblich pfeiffet/ aber nur daß ſie ins Garn locke und wuͤrge/ und
laut des gemeinen Vers: Fiſtula dulce canit, volucrem dum decipit
auceps,
Wann des Voglers Pfeiffe lieblich klinget/ der Vogel im Garn
mit dem Tode ringet. Was kan anders alsdann geſagt werden/ als daß
es ſey eine ungerechte Pfeiffe/ eine ungerechte Beruffung? Zum Exempel:
Es ruffet ein Koͤnig einen lahmen Bettler zu ſich und ſagt: Komm her/
empfange mein Allmoſen/ wo nicht/ ſo muſtu ſterben! Er kan nicht kom-
men/ der Koͤnig gibt ihm die Kraͤffte nicht auffzuſtehen und ſich einzuſtel-
len/ und laͤſſet hernach ihn toͤdten/ deßwegen/ daß er nicht gekommen; Jſt
das nicht Tyranney und Grauſamkeit? Niemand kan es ja laͤugnen.
Was iſts dann/ wann Gott der Herr ſolte einigen Menſchen/ der
von Natur geiſtlich-lahm und nicht kommen kan/ euſſerlich mit dem
Munde ruffen thaͤte/ ohne mitgetheilten Kraͤfften zu kommen/ hernach
denſelben dem ewigen Tod in den Rachen hinein ſchiebete/ darumb/ die-
weil er nicht gekommen! O ſchroͤckliche Lehr! euſſerlich zur Hochzeit laden
den jenigen/ den man in dem innern geheimen decret zum ewigen Tode
verworffen/ iſt eine Pariſiſche (dabey mehr Blut als Wein vergoſſen)
nicht Paradiſiſche Hochzeit.


Wie wir nun verſtanden/ was dieſe Art der Goͤttlichen Gnade ſey/
ſo folget daß man ſie auch hoch halte/ in Anſehen derer viel tauſent
Menſchen und Nationen/ ſo dieſe Gnade in dem hohen Grad nicht haben
gleich wie wir; Ach/ ſprichſtu/ dieſelbe Voͤlcker tauren mich gleichwol/ wann
Gott Apoſtel ſendete in Jndien/ in die Barbarey/ Tuͤrckey und unter
die Juden/ vielleicht wuͤrde noch der meiſte Theil/ wo nicht alle bekehret!
Aber das iſt ein unzeitiges Tauren/ die ordentliche Gnade iſt verſchertzt/
woruͤber ſie Gott den Herren nicht anzuklagen haben/ ſondern ihrer
Vorfahren Vndanckbarkeit und eigene Vnachtſamkeit und Faulheit;
gleichwol unter deß hat ſich Gott nicht unbezeuget gelaſſen/ ſie werden
gelocket durch die Pfeiffe der Natur und Goͤttlichen Vorſehung/ daraus
ſolten ſie ja ſchlieſſen/ daß ein Gott were/ der ſie wie alle andere Creaturen er-
ſchaffen/ erhalte und regiere/ und deßwegen zu ehren/ fuͤrchten und zu lieben
were; Solten/ zum Exempel/ nicht die Tuͤrcken aus der famâ und gutẽ Ge-
ruch/ ſo aus der H. Bibel (welche in der Tuͤrckey allenthalben/ wo nicht bey
O 2Chriſten
[108]Die Achte
Chriſten/ doch den Juden/ ſo unter ihnen wohnen/ ſich außbreitet) ſich lei-
ten laſſen zum rechten Liecht und Weg der Seligkeit? Jhr Gewiſſen ſagts
ihnen/ daß ſie umb der Suͤnden willen verdammt/ es ſehnet ſich umb Cur/
() ut appa-
ret è dicto
Ruſtani a-
pud Gis-
bert. Bus-
beq. ep. 3.
Sap.
5, 21.
Artzney/ Huͤlff und Rath/ reitzet ſie zu ſuchen und zu forſchen/ wo/ wie und
wann? Aber es hat auch in der Tuͤrckey die groſſe religion und () ſyncre-
tiſmus
uͤberhand genommen/ das iſt das cauterium das Brandmahl des
Gewiſſens/ dadurch alle gute affecten gehemmet werden; Jn Vnter-
laſſung deſſen ſind ſie ἀναπολόγητοι, ſie koͤnnen ſich an jenem groſſen Tage
nicht entſchuldigen/ alle Creaturen werden zum Streit außziehen wider
die Vnweiſen.


Jſt dieſe Gnade theuer und werth zu ſchaͤtzen/ ſo iſt ſie auch wuͤr-
dig daß man ſie ergreiffe/ faſſe und feſt halte/
weil die Gnaden-
Thuͤr noch offen ſtehet/ weil es noch heute heiſſet/ damit nicht ein geſtern
daraus werde/ und ſie morgen nicht mehr erſcheine/ allweil der Herr
vom Himmel herab uns noch ſeinen Wagen und Reuter ſendet uns ab-
zuholen. So wenig Elias aus eigenen Kraͤfften ſich kunte gen Himmel
hinauff erſchwingen und erheben/ weren ihm nicht feurige Roß und Wa-
2. Reg. 2. 11.gen vom Himmel herab entgegen geſendet worden/ ihn abzuholen/ ſo were
er wol herunter geblieben; eben ſo wenig kan der Menſch von und aus ſich
ſelbſt in den Gnaden-Himmel ſich empor erſchwingen; wann aber Gott
der Herr ſeinen Gnaden-Wagen des miniſterii und Predig-Ampts
entgegen ſchicket/ ſich ſelbſt bey dem Menſchen zu Gaſte ladet/ und den-
ſelben begehret auffzuladen/ und aber der geladene Menſch ſich ſelbſt nicht
ſchwer machet/ ſondern ſich auffladen laͤſſet/ ſo thut er eine ſelige Wahlfahrt
aus dem Reich der Welt/ und dero Fuͤrſten dem Teufel in Gottes Gna-
den-Reich hier zeitlich/ und Glori-Reich dort ewig.


Meynet E. L. daß es ohngefaͤhr geſchehe/ daß bey dieſen Kriegslaͤuff-
ten (mehr als vor dieſem geſchehen) aus allen Orten/ aus dem Papſtumb
und andern angeſtecktẽ Laͤndern viel Leute zu uns in Schirm/ in Dienſt uñ
Act. 2, 39.Vnterſchleiff kommen? Einmal der jenige Geiſt/ von dem St. Petrus ſa-
get: Euer iſt die Verheiſſung/ und deren die noch ferne ſind ꝛc.
der hat hie ſein Werck und Hand dabey/ Er will die Leute von dem Finſter-
nuͤß/ von den Menſchen-Satzungen zu dem Wort Gottes leiten! es iſt
wol mehrmal geſchehen/ daß groſſe gelehrte Leute/ die es nie/ ſondern viel-
mehr das widrige im Sinn gehabt/ zum Wort Gottes/ und dadurch zur
Bekehrung gebracht worden. Petrus Paulus Vergerius und Jacobus Rei-
hing/ wolten an Lutheri Lehr/ dem reinen Evangelio/ und der Augſpur-
giſchen
[109]Predigt.
giſchen Confeſſion zu Rittern werden; aber ie mehr ſie wider dieſelbe ge-
wuͤtet/ ie heller ſind ſie im nachdencken erleuchtet worden/ ie mehr ſie wollen
ableiten und verfuͤhren/ ie mehr haben ſie beruffen; ie mehr abgelocket/ ie
mehr herzu gelocket.


Wir haben dieſe theure Gnade nicht nur anzunemen/
ſondern auch danckbar zu erkennen/
umb den Beruff zu bitten/ auff
daß wer da anklopffet/ finde/ und Vermehrung der Goͤttlichen Gnaden
erlange; dieſe Gnaden-Pfeiffe hat uns arme Japhiten gelocket und beruf-
fen am Abend der Welt: Jſt ein gut Omen und Zeichen von guter Hoff-
nung hoͤhere Gnade zu erlangen. Jener blinde Bartimæus rufft Jeſu duMarc. 10,
47. ſeqq.

Sohn David erbarm dich mein/ ſo bald er ruffet/ ſtehet der
HErr ſtill/ und laͤſſet
durch ſeine Juͤnger auch ruffen/ dieſe ſagen
ihm/ er ſoll getroſt ſeyn/
es ſey bonum omen, ein gutes Zeichen/ daß
ihm der Herr geruffen/ der HErr ſaget: Was wiltu das ich dir
thun ſoll? Rabboni/
ſagt er/ daß ich ſehend werde.Dictum atque
factum,
er hat das Wort kaum außgeredet/ ſo wird er ſehend. Dieſes
geſchicht noch auff den heutigen Tag/ ruffen wir zu Gott im Himmel/
und ſchreyen wie der Hirſch nach friſchem Waſſer/ ſo antwortet Gott
der HErr vom Himmel/ und laͤſſet uns ruffen/ erleuchtet/ heiliget/ erwecket/
und gibt mehr als wir begehrẽ/ doch daß wir auch ſeyen κλητοὶ und zwar κατὰ
πρὸϑεσιν, nach dem Fuͤrſatz beruffen/ ſolche Leute/ die der GoͤttlichenRom. 8, 28.
intention und Fuͤrſatz recht an die Hand gehen/ und in der Gnad behar-Matth. 20,
16.

ren/ ſonſt ſind viel beruffen/ aber wenig ſind außerwehlet.


Hier ſoll iederman wol zuſehen/ daß man ſolches herrliches depoſi-
tum,
ſolche Beylage behalte/ ſolche hohe Gnade nicht verſchertze/ ſonderlich
denen es am mehrſten anvertrauet iſt/ daruͤber ſie dermal eins Rechen-
ſchafft geben muͤſſen; Vater und Mutter ſollen nach dem Exempel Abra-Gen. 18, 19.
hams ſolches ihre Kinder lehren/ in dem andere nationen und Voͤlcker
in der Jrre und euſſerſtem Elend ſchweben; O daß du Vater verdammt
wereſt mit deinem Geld/ das du dem Kinde erſpareſt/ wann du durch deine
Vnachtſamkeit/ die unwiderbringliche Gnade des Beruffs verſchertzeſt/
dich ſollen witzigen die jenigen Ort/ Laͤnder und Staͤtte/ die da klagen aus
dem 74. Pſalm: Wir ſehen nicht mehr die Zeichen groß/ Kir-
chen und Schulen ſtehen oͤde und bloß/ kein Prophet uns pre-
diget mehr/ man lehrt uns keine geſunde Lehr.


O 3Wie
[110]Die Achte

Wie endlich dieſe Gnaden-Pfeiffe anzunehmen/ und
danckbarlich zu erkennen iſt/ alſo
iſt im Gegentheil die frembde
Pfeiffe
des argen Fleiſches/ der ſchnoͤden Welt/ des boͤſen Geiſtes/ der
pfeifft immer einen froͤlichen Thon/ laͤſſet uns des Leibs/ der Welt und dero
Fleiſches-Luſt/ Augen-Luſt/ hoffaͤrtiges Leben brauchen/ zu fliehen;
da im Gegentheil des Heiligen Geiſtes Pfeiffe pfeiffet ein trauriges Lied/
Matt. 11, 17.im tieffen Thon/ klagt und ſagt: Wir haben euch gepfiffen/ aber
ihr habet nicht wollen tantzen;
Ach wie wehe thuts/ vergebens
pfeiffen ohne audientz! Aber am Juͤngſten Tage wird es ach und weh thun
Matth. 25,
41.
die ſchroͤckliche Pfeiffe zu hoͤren/ Diſcedite,gehet weg von mir/ ꝛc.
da wird der Reuer und zu ſpat hernach kommen.


Viel lieber hoͤret man des Satans/ des hoͤlliſchen Voglers Pfeiffe/
und gehet faſt her/ wie bey dem Pfeiffer zu Hamlen in Braunſchweig
Anno 1284. davon die Sage iſt/ wann es anders wahr/ und nicht eine
bloſſe tradition iſt ohne Grund der Warheit/ Es ſoll daſelbſt in gemeld-
tem Jahr einsmals ein Abentheurer (vielleicht der Teufel ſelbſt) ſich mit
den Burgern umb ein gewiß Geld verglichen/ und zugeſagt/ er wolte alle
Ratten und Maͤuſe aus der Statt fuͤhren/ uud ſie dieſes Vnziefers ent-
laden. Was er zugeſagt/ das geſchahe alſo: Da ihm aber die Burger ſeinen
gedingten Lohn nicht abrichten wolten/ kam er in die Statt eben umb die
Zeit/ da die Leute in der Kirchen waren/ fieng an zu pfeiffen/ da ſamleten
ſich zu ihm ein hundert und dreyſſig Kinder/ die fuͤhret dieſer Pfeiffer alle
hinaus/ in das Thal Koppenberg in den Berg hinein/ daß weder
Stumpff noch Stiel nach derſelben Zeit geſehen worden. Solche Kin-
der ſind alle Welt-Kinder/ ja die gantze Welt/ nach dem der hoͤlliſche Pfeif-
fer pfeiffet/ ſo tantzet man; Jſt eine kraͤfftige Pfeiffe/ dieweil der Menſch
zur ſelben inclinirt iſt/ wer gerne tantzet/ dem iſt gut pfeiffen/ daher kom-
mets/ daß mehr verdammt als ſelig werden; Darumb wir groſſe Vrſach
haben zu bitten/ daß Gott das gute Werck/ das er in uns angefangen/
wolle außfuͤhren/ nicht Hand abthun/ ſeinen Heiligen Geiſt nicht entziehen/
uns ſtaͤrcken/ kraͤfftigen/ gruͤnden/ biß auff den Tag Jeſu Chriſti/ da das
venite gloriæ wird angehen/ und die letzte Poſaun erſchallen;

Das
helff uns der HERR Jeſu Chriſt/ der unſer Mitler worden
iſt/ es iſt mit unſerm Thun verlohrn/ verdienen
nur eitel Zorn/
Amen.’
()

Die
[111]Predigt.

Die Neunte Predigt/


Vber den dritten Articul/
Von der wiedergebaͤrenden Gnade.


GEliebte in Chriſto: Deine Kinder werden dir gebo-
ren/ wie der Thau aus der Morgenröthe/
So
ſpricht David aus Goͤttlichen Eingeben in dem 110.Pſal. 110, 3.
Pſalm zu ſeinem Sohne/ nach dem Fleiſch/ dem
Meſſia:
Merechem miſchchar lecha, tal Ja-
ludtecha,
welche Wort zwar die ſiebentzig Griechiſchen Dolmetſcher letz
verſtanden/ wie auch/ der Lateiniſche Dolmetſch/ ἐκγαςρὸς πρὸ Φωσφόρου
ἐγέννησά σε, Jch habe dich gezeuget vor dem Morgenſterne/
und daher etlichen von den Alten Anlaß gegeben/ daß ſie mit dieſem Fehl-
Spruch die Arianer angegriffen/ und von der ewigen Geburt des Sohnes
Gottes erklaͤret. Aber () Lutherus der dẽ Zweck uñ Vmbſtaͤnde des Pſalms() v. D. Lu-
ther. tom.
7. p.
327.

geſehen/ hat es wol gegeben und verſtanden von der geiſtlichen Wie-
dergeburt.
Ja liebſter Meſſia/ du ewiger Vater/ deine Kin-Eſa. 9, 6.
der werden dir geboren werden wie der Thau aus der Mor-
genroͤthe
I. Cœlitùs,vom Himmel/ der Thau faͤllet vom Himmel
herab/ als der Speichel des Geſtirns/ der Schweiß der Sterne/ die Tochter
des Monds/ ohne unſer Zuthun/ Spur und Empfindligkeit/ Er iſt gleich-Gen. 27,
28.

ſam das Kind und Geburt der Morgenroͤthe/ Gott zeuget die Tropffen des
Thaues/ und gehet daſſelbe alſo her zu Fruͤhlings- und Herbſt-Zeit: in denMich. 5, 7.
gelinden Naͤchten/ werden die von der Erd auffſteigende ſubtile DuͤnſteIob. 38, 28.
per ἀντιπερίςασιν, durch Widerſtehung der naͤchtlichen Kaͤlte condenſi-
ret/ und zuſammen getrieben/ gerieben und gedruckt/ von der anbrechenden
Morgen-Sonne geſchmeltzet und flieſſend gemacht/ und gleichſam in der
Morgen-Lufft concipiret und empfangen/ folgends fallen ſie herab auff
Laub und Graß/ wie das Roſen-Waſſer vom Diſtillier-Helm/ ein hold-Ioh. 1, 13.
ſelig meteoron: Alſo iſt die Widergeburt der Kinder Gottes vom Him-Zah. 8, 12.
mel/ Menſchen koͤnnen keine Kinder Gottes gebaͤren/ ſo wenig als einIoh. 3, 3.
Menſch
[112]Die Neunte
Matt. 5, 36.
c.
6, 27.
Menſch von ſich ſelbſt vermag ſein Haar weiß oder ſchwartz zu machen/ ſei-
ne ſchwindſuͤchtige Leber aͤndern/ ſeiner Laͤnge eine Elle zuſetzen/ ſo wenig
kan er ſich ſelbſt oder auch andere gebaͤren zum Himmelreich.


II. Copioſè,reichlich und uͤberfluͤſſig/ der Thau faͤllet
ohnempfindlich/ ploͤtzlich aber reichlich auff die Erden/ ein gantz Land wird
uͤbergoſſen und vom Thau erquicket/ eh man ſichs verſihet/ und wer kan
zehlen die Tropffen des Morgen-Thaues? Daher die Hebreer/ wann ſie
ein groß Volck beſchreiben wollen/ das Gleichnuͤß vom Thau entlehnen;
2. Sam. 17,
12.
Alſo gab Huſai der Arachiter einen Rath/ Abſolon ſolte verſam-
len gantz Jſrael von Dan an biß gen Berſeba/ viel/ als Sand
am Meer/ ſo wollen wir/
ſagt er: David uͤberfallen/ und uͤber
ihn kommen/ wie der Thau auff die Erden fället;
Alſo auch die
Kinder Chriſti. Es moͤgen die Tyrannen wuͤten und toben/ der Teufel
zuberſten/ die Welt verfolgen/ morden/ toͤdten/ doch ſoll das Reich Chriſti
wachſen und zunehmen/ rores ſanguinei martyrum fœcundabunt agrum
Eccleſiæ,
das Maͤrtyrer-Blut wird gleichſam als ein lieblicher Thau den
Acker der Chriſtlichen Kirchen fruchtbar machen/ es ſoll allenthalben
wuͤmlen von Chriſten/ viel haͤuffiger und reicher als im Alten Teſtament/
Iud. 6, 37.Jſt gar ſchoͤn angezeiget in einem typo und Vorbild/ Jud. 6.


III. Gratioſè,aus lauter Gnaden; Der Morgen-Thau
iſt/ meine Liebſten/ ein edels Gnaden-Werck/ ſo nicht ſchroͤcket/ raßlet/ wuͤ-
Oſe. 6, 4.tet und tobet/ wie der ſtarcke Wind/ Donner und Hagel/ ſondern ein Gna-
den-Geſchenck/ ſo da erſcheinet cœlo ſereno, wann der Himmel ſchoͤn/
lieblich und hell; Wann der Himmel nicht hell und lauter iſt von boͤſen
1. Pet. 1, 3. 0
Tit.
3, 5.
Duͤnſten purgiret/ ſo fallet kein Thau; Alſo entſpringen die wiedergebornen
Kinder Gottes aus der Barmhertzigkeit Gottes/ nach dem Gott verſoͤh-
Exod. 16,
14.
net durch das Reinigungs-Opffer Chriſti. Der Thau iſt gleichſam der
Wagen/ darauff das Manna vom Himmel auff die Erde gefuͤhret wor-
den/ alſo auch das Evangelium Chriſti; Der Thau faͤllet herab ohne
Geraͤuſch/ alſo kommet das Reich Gottes/ daß man es nicht mercket.


IV. Utiliter,nuͤtzlich und fruchtbarlich;gratiæ effectu,
durch Würckung der Gnade Gottes/ es iſt alles mit Gnade ver-
Apud Cel-
lar. partit.
meteor. f.
25. p.
300.
bunden/ aus Gnade gefloſſen; der Thau befeuchtet und erquicket die Felder/
den duͤrren und lechzenden Erdboden. Als Anno 1540. ein heiſſer Som̃er
geweſt/ von ſo untraͤglicher Hitze von Oſtern biß Michaelis/ daß wenig Re-
gen von obẽ herab ſich ergoſſen/ ſo hat Gott dẽ Thau geſchicket/ der taͤglich ſo
haͤuffig
[113]Predigt.
haͤuffig gefallen/ daß die Furchen morgends voll Waſſer geweſen/ und
reiche Ernde gegeben: Alſo auch der Evangeliſche Gnaden-Thau des
Heiligen Geiſtes. Welcher maſſen dann es ſich auch verhaͤlt mit der wie-
dergebärenden Gnade Gottes des Heiligen Geiſtes/
von wel-
chem groſſen Gnaden-Werck wir dißmal zu reden haben/ als von
der lebendigmachenden Gnaden-Krafft des H. Geiſtes;

Gott wolle ſein Wort zu einem Thau machen/ dadurch unſere duͤrre
Hertzen befeuchtet/ erquicket und fruchtbar gemacht werden/ daß ihme viel
geiſtliche Kinder moͤgen geboren werden/ ihm zu Ehren/ ſein Reich zu meh-
ren/ des Satans Reich zu verſtoͤren/ Amen.


WAs nun/ meine Liebſten/ bey einer leiblichen Geburt zu beobach-
ten/ alles das erſcheinet auch in dieſem hohen/ geiſt-
lichen Gnaden-Werck des Heiligen Geiſtes;
I.DerEſa. 44, 3.
Vater und die Quell/ dieſelbe iſt der dreyeinige Gott; Er derIacob. 1, 18.
Vater des Liechts hat uns gezeuget nach ſeinen Willen/ durch1. Ioh. 3, 1.
das Wort der Warheit/ auff daß wir weren Erſtlinge ſeiner
Creaturen/
doch im folgenden Vnterſcheid; GOTT der Vater
machet ſeinem Sohne Hochzeit/ daß er ihm geiſtliche Kinder zeuge/ diePſal. 89, 29.
Engel-Luͤcken zu erſetzen; der Sohn Gottes/ Chriſtus Jeſus/ iſtPſ. 110, 3.
der ewige Vater/ und der edle Stam̃baum/ darein wir verſetzet werden/Eſa. 9, 6.
dem alten vergifften Adams-Stam̃baum entgegẽ geſetzt/ iſt auch ImagoadRom. 5, 14.
quam, das jenige Bild/ nach welchẽ und nach deſſen Muſter das edle Kind1. Cor. 15,
47.

Gottes gebildet werden ſoll. Jn den Geſchichten des Mohren-Lands wirdv. Heliod.
hiſtor. Ac-
thiop. l. 4.
\& 10. p. 157.
\&
430.

erzehlt ein ſeltzames Exempel/ ſo ſich begeben mit einer Mohren-Koͤnigin/
die in ihrem Zimmer und Gemach das ſchoͤne ſchneeweiſſe Bild der
Jungfrauen Andromeda auffgehenckt gehabt/ welches Weib ſie/ da ſie
ſchwanger worden/ und auff ſchwerem Fuß gegangen/ immer angeſchauet/
wol und tieff eingebildet/ worauff ſichs begeben/ daß wider die Natur/ Art
und Sitt der Mohren (nicht ein ſchwartzes/ ſondern) ſchneeweiſſes Kind an
die Welt geboren worden. Nun ſind wir auch von vnſerer erſten Art uud
Natur ſchwartze/ ungeſtalte/ ſcheitzliche Mohren fuͤr Gott und allen hei-
ligen Engeln/ koͤnnen uns ſelbſt von uns ſelbſt nicht anders bilden und
faͤrben/ Kan auch ein Mohr ſeine Haut wandlen? ſpricht Jere-Ier. 13, 23.
mias: Sollen wir nun ſchoͤn/ weiß/ wol und anders gebildet und wieder-Amos, 9, 7.
geboren werdẽ als die Kinder des Liechts/ die candidaten des Him̃elreichs/
Sechſter Theil. Pſo kan
[114]Die Neunte
ſo kan es anders nicht ſeyn und geſchehen als durch den holdſeligen Anblick
Hebr. 1, 3.Jeſu Chriſti/ der das Ebenbild Gottes ſelbſt iſt; der Heilige Geiſt
iſt ἐπιφερόμενος, der Mahler/ Contrafeter und Bildmacher/ durch deſſen
kraͤfftige und fruchtbare ἐπέλ [...]σιν, Vberkunfft und einwuͤrckende Vber-
Ioh. 3, 6.ſchattung der Menſch wiedergeboren; gleich wie die Jungfrau Maria
Chriſtum empfangen durch die Vberſchattung des Heiligen Geiſtes: Alſo
Luc. 11, 35.wird auch der neue Menſch durch die kraͤfftige Vberkunfft des Heiligen
Geiſtes gezeuget/ geſegnet und geboren.


II.Die Mutter iſt die Chriſtliche Kirche/ ſo von dem
Pſal. 87, 5.Wort Gottes geſchwaͤngert iſt: Gleich wie Maria iſt geweſen die Mutter
Gal. 4, 26.Chriſti/ und doch dabey eine reine Jungfrau: alſo/ wie Auguſtinus ſchrei-
Eſa. 54, 1.
c. 60, 4.
c.
49, 18.
bet/ hat Chriſtus ſeiner Kirchen gegeben im Geiſt/ was ſeine Mutter
gehabt in ihrem Leibe/ daß ſie nemlich Mutter were und Jungfrau/ Mut-
ter wegen ihrer inbruͤnſtigen Liebe/ Jungfrau wegen ihres ungefaͤrbten
Glaubens; Wie die Mutter Chriſti nicht allein unter/ ſondern auch im
Hertzen empfangen und Chriſtum getragen; Alſo auch die Chriſtliche Kir-
che/ als die geiſtliche Mutter empfaͤhet Chriſtum mit dem Munde im Sa-
crament/ im Hertzen durch den Glauben.


Auguſt. ferm. 50. de verb. Dom. Chriſtus Eccleſiæ conceſſit in ſpiritu, quod
mater ejus habuit in corpore, ut ſc. mater eſſet \& virgo: mater viſceribus cha-
ritatis, virgo integritate fidei. hæc Auguſt. Dicitur quidem phraſi Eccleſiaſtica
Eccleſia mater in regeneratione; propriè tamen Deus ipſe mater eſt Eſa. 66, 9.
Eccleſia eſt ſinus IN quo Filius DEI renaſcitur: eſt obſtetrix, nutrix, alumna.
()

III.Die leider uͤbelgeborne Mißgeburt/ ſo wiederge-
boren werden ſoll/
iſt ein Adams-Kind/ welches zwar natuͤrlicher
Weiſe geboren/ aber als ein todes Kind/ ſo tod auff die Welt kommen/
als eine unzeitige Geburt außgeſetzet/ ſo zwar lebendig gnug zum boͤſen/
ein Greuel fuͤr Gottes Augen/ ſo ſcheußlich als ein Kind ſeyn mag/ das
noch in ſeinem Blute und ſecundinis ligt/ occiſo magis quam nato ſi-
milis,
vielmehr einem ertoͤdteten als gebornen Menſchen aͤhnlich/ wie Plu-
tarchus
ſchreibet; Soll ein ſolcher Vnflat anders und beſſer gebildet wer-
Ioh. 3, 3. 5.den/ iſt die Wiedergeburt von noͤthen. Es ſey dann daß iemand
wiedergeboren werde/ ſo kan er nicht in das Reich Gottes
kommen.


IV.Die Wiedergeburt an ſich ſelbſten/ beſtehet in
einer augenblicklichen Aenderung/ da erſtlich die alte Geburt

Ioh. 12, 24.getoͤdtet/ und die neue erſchaffen wird; Wie der Samen muß
zuvor
[115]Predigt.
zuvor getoͤdtet/ der tode Menſch begraben werden/ daß er mit verklaͤrtem
Leibe wieder herfuͤr kommet: Alſo muß der alte Adam erſaͤufft/ durch dieRom. 6, 4.
Tauffe begraben werden in den Tod/ und ein neuer Menſch herfuͤr kom-
men/ eine neue Creatur. Ein Goldſchmied/ wann derſelbe ein alt abge-
nuͤtztes Geſchirr in die Hand bekommet/ ſoll ers wiedermb neu machen/
und in eine andere Form und Model gieſſen/ ſo muß er daſſelbe im Tiegel
umbſchmeltzen: Alſo gehets auch in gewiſſer maß in dieſem hohen
Goͤttlichen Wercke her.


V.Der geiſtliche/ fruchtbare/ wolgedeyende Samen/
ſo von dem Heiligen Geiſt erweckt und fruchtbar gemacht/ iſt zweyer-
ley/ Einmal der unverweßliche Same des Göttlichen Worts/

dadurch Abraham vor der Beſchneidung/ Cornelius der Hauptmann/Luc. 8, 11.
Valentinianus und andere Gottſelige catechumeni allbereit vor demIac. 1, 18.
Gebrauch und Genuß der heiligen Tauffe wiedergeboren; Der andere1. Pet. 1, 23.
Samen iſt das fruchtbare Sacrament/ das Bad der H. Tauff/Ioh. 3, 5.
dadurch ordinariè, als durch ein ordentliches Mittel die Kinder wieder-Eph. 5, 26.
geboren werden.

Tit. 3, 5.

VI.Die holdſelige Geburt/ ſo heraus kommet/ die Frucht/
iſt das wiedergeborne Kind Gottes/ iſt eine lebendige/ geiſtliche/
warhafftige Geburt; Jſt keine pictur oder Gemaͤlde/ kein Kunſtſtuͤck/ kein
ἀυτὀματον oder Vhrwerck/ wie Alberti Magni Gemaͤchte; ſondern das da
leibet und lebet/ in Bewegungen/ Athem und lebendigen Geſchaͤfften ſich/
wiewol in gewiſſen gradibus, erzeiget/ waͤchſet und zunimmet durch das
Wort/ als die reine lautere Milch und Nahrung. Es iſt dieſe Geburt
ein Kind/
mit kindlichen Tugenden begabet. 1. Ein gläubig Kind/
das da begierig iſt nach der lautern Milch/ ſich an die Bruͤſte Alten und
Neuen Teſtaments legt/ ſauget die Milch biß zur Vollkommenheit; dasEph. 4, 13.
ein gut Vertrauen hat/ fleiſſig und leutſelig/ laͤſſet eine gute Hoffnung vonRom. 8, 24.
ſich ſcheinen; ein gehorſames und gedultiges Kind unter der Ruthen/
wann es gezuͤchtiget wird; ein verſoͤhnlich/ keuſch/ demuͤthig/ freygebig
Kind/ das umb kein Laſter weiß/ gebildet nach dem Ebenbilde des Vaters
Chriſti. Es iſt dieſe Geburt 2. ein wolgeboren Edel-Kind/
ein Außerwehlter/ Verlobter Gottes/ ein Nazareer/ ein Erſt-
ling;
fuͤr der Welt zwar veracht/ wie Chriſtus in der Krippen/ aberIac. 1, 18.
werth geachtet fuͤr den Engeln und Gotte/ ein junger Koͤnig/ aber nochApoc. 14,
4.

unter dem Zuchtmeiſter.


P 23. Ein
[116]Die Neunte

3. Ein koͤnigliches Kind/ ein geborner Koͤnig des himm-
liſchen Jeruſalems und Ritter des guͤldenen Fluͤß; ein Kind des Liechts/
Epheſ. 1, 5.ein wolgeborner Freyherr/ frey von des Geſetzes Zwang und Fluch/ und
2. Petr. 1, 4.des Teufels Anſpruch. 4. Ein liebes Schoß-Kind Gottes/
Ioh. 1, 14.Gottaffectionirt/ chariſirt daſſelbe/ und zuͤchtiget mit Maſſen/ gehet ſaͤu-
berlich umb mit ihm; Es iſt ein Mitgenoß der Goͤttlichen Natur durch
die Kindſchafft/ ſitzet Gotte in dem Schoß/ auff daſſelbe quillet und
flieſſet die vaͤterliche Liebe/ Sorge/ Gnade/ Engel-Schutz/ Erhoͤrung des
Gebets; Es iſt ein Blutsfreund Chriſti nicht nur nach dem Fleiſche/ ſon-
dern auch fuͤrnemlich im Geiſt; Ein Wohn-Hauß des Heiligen Geiſtes/
an welchem Gott der Heilige Geiſt ſeine Freude und Luſt ſiehet/ in wel-
chem er auch gern wohnet; Ein Gaſt-Hauß des Heiligen Geiſtes/ in
welchem das Ebenbild Gottes wieder erſtattet wird.


5. Ein Glůcks-Kind/ ein ſeliges Kind/ wegen der Hoffnung
zu einem unvergaͤnglichen/ unbefleckten/ unverwelcklichen Erbe/ welches
von Gott dem Vater bereitet/ von Chriſto erworben/ von dem Heiligen
Geiſt zubracht und geſchencket wird/ nemlich das liebliche weit uͤber jenes
irrdiſche Honig-flieſſende und Milch-reiche Erbland Canaan/ dadurch
die Kinder Jſrael hoͤher hinauff zu zielen und zu dencken gelocket worden/
durch das perſpectiv und Spiegel des irrdiſchen Canaan/ in ein anders
himmliſches Erb-Land Canaan zu blicken und dahin ſich zu ſehnen;
einem reich Erbe/ weit uͤber Caroli V. Erbe/ der alſobald in ſeiner Empfaͤng-
nuͤß und Geburt ererbet von ſeinem Vater Philippo die Niederlaͤndiſchen
Provincien/ von ſeiner Mutter Hiſpanien und einen guten Theil Jtalien/
von ſeinem Groß-Vater Maximiliano das Ertzhertzogthumb Oeſterreich;
der mochte wol ſagen: Mir iſt ein ſchoͤn Erbtheil worden: Aber vielmehr
ein wiedergeborner Menſch; Ein Erbe/ da nichts mangelt/ ein unzerſtoͤr-
liches Erbe/ wann alle weltlichen Erbe zerſtuͤben/ Brieff und Siegel nichts
mehr gelten/ der pappirne Mam̃on zum Mamelucken wird/ ſo bleibet dieſes
Erbtheil der Heiligen im Liecht unverruckt; Ein Erbe/ welches nicht kleiner
noch geringer wird/ wegen der Menge der Beſitzer/ nicht enger wegen der
groſſen Zahl der Mit-Erben/ ſondern iſt und bleibet ſo groß in vielen als in
Auguſt. in
Pſ.
136. 149.
wenigen/ wie allen alſo einem ieglichen/ gerecht und gnug/ wie Auguſtinus
ſchreibet: Jſt alſo in der Summa die wiedergebaͤhrende Gnade
eine ſolche Gnade/ da ein armes in Grund und Boden ver-
derbtes/ geiſtlich-todes Eva-Kind durch die Gnade Gottes

des
[117]Predigt.
des Vaters/ Sohns und Heiligen Geiſtes aus dem unver-
gänglichen Samen des Goͤttlichen Worts und gnadenrei-
chen Waſſer-Bad der Wiedergeburt/ wider im Verſtand/
Hertz und Willen/ und von neuen geboren und geartet/ wird
zu einem frommen/ edlen/ koͤniglichen Gluͤck und Erb-Kind
des himmliſchen Canaans/ der ewigen Freude und Seligkeit.


O eine theure Gabe! Sehet welch eine Liebe iſt das/ Sehet1. Ioh. 3, 1.
welch eine Liebe hat uns der Vater erzeiget/ daß wir Gottes
Kinder heiſſen!
Erkennets doch/ æſtimirt es auch/ daß ihr nicht einen
Verweiß verdienet/ wie Nicodemus/ der alles gewuſt/ ohne dieſes einige
neceſſarium, welches von noͤthen zu wiſſen. Geſchicht noch manchẽ Rabbi
und weltweiſen Mañ; und mag dieſelbe wol genennet werden I. Gratia-
rum apex,
der höchſte Gnaden-Adel! Der Welt-Adel wird hoch
gehalten/ machet auffgeblaſene Hertzen; A jax und Ulyſſes ſchlagen ſich
umb die Narren-Kapp/ welcher Jovi naͤher verwand: Alexander M.
reiſet in Libyam Æthiopiæ durch Wuͤſteneyen und wilde Sandfeld/ mit
groſſem Vnkoſten/ Lebens-Gefahr und Beſchwerden/ auff daß er von Jove
Ammonio,
das iſt/ dem Teufel fuͤr einen Sohn Jovis erkant und gegruͤſſet
werde: laſt ehe ſeinem Vater Philippo Hoͤrner auffſetzen/ die Mutter zu
ſchanden werden/ als daß er ihm dieſen Titul nehmen ließ. Romulus
will eintziger noth Martis Sohn heiſſen. Laſſet ſie pralen/ ihr Pracht iſt
laͤngſt aus/ und ſchwitzen allbereit in der Hoͤllen-Glut. So pranget man
heutiges Tages mit Adel und Namen/ Herkommen und Stammen/ und
gedenckt doch ſo gar nicht zuruͤck an die natuͤrliche unflaͤtige Geburt/ deren
wir uns mehr zu ſchaͤmen als zu freuen. Was ruͤhmet ſich ein Kind/
deſſen Vater ein maleficant, ein Bandit/ ein perduell geweſt? Wir
ſchreiben uns alle von Adams Jammerthal und Evæ Grabſtein. Was
hilfft es/ wann einer ſich ſchreibet invictiſſimus, der Vnuͤberwindlichſte/
und muß ſich von einem Fieberlein uͤberwinden laſſen? Sereniſſimum,
den Allerdurchlaͤuchtigſten/ deſſen Hertz verfinſtert/ der ſich fuͤr Gottes Au-


Prima. ait Auguſtinus ſerm. 24. de temp. nativitas ex maſculo \& fœminâ;
ſecunda nativitas ex Deo \& Eccleſiâ. Ecce ex Deo nati ſunt. Vnde factum eſt,
ut habitaret in nobis. Magna mutatio! ille factus eſt caro, iſte ſpiritus! Quid
eſt hoc? qualis Dignatio, Fratres mei? Erigite animum ad ſperanda \& capienda
potiora, nolite adjicere cupiditatibus ſecularibus, precio emti eſtis, propter nos
verbum caro factum eſt: propter vos, qui erat Filius Dei, factus eſt Filius homi-
nis, ut qui eratis Filii hominum, efficeremini Filii Dei.
()

P 3gen
[118]Die Neunte

gen nicht darff ſehen laſſen: generoſiſſimum und Wolgebornen/ der doch
ſo uͤbel geboren?


Aber hier iſt die rechte [...]γένεια und Gottes-Adel/ da einer geboren
iſt aus Gott/ von Gott/ durch Gott/ in Gott/ zu Gott/
Act. 17, 28.Θεοῦγένος ἐσμὲν, Wir ſind Goͤttliches Geſchlechts/ ſo geboren wor-
den von dem alleredelſten Vater des Liechts/ durch die alleredelſten Mittel/
zu dem alleredelſten Ende und Zweck/ ad cœleſtes μονὰς, zu den ewigen
Freuden-Wohnungen; das iſt der rechte Gnaden-Adel. Welt-Edlen
1. Tim. 1, 4.iſt hoch angelegen/ den Vrſprung ihres Stammes zu erkundigen/ ſpendi-
Tit. 3, 9.ren auff genealogias, laſſen dieſelbe illuminiren/ pralen fuͤr andern damit/
Aber was finden ſie in ihren genealogiis und Stamm-Linien? beſtias
und centauros, wilde Maͤnner und barbaros, das bekuͤm̃ert ſie weniger als
2. Sam. 20,
v.
1.
wañ Pfeffer mit einvermiſcht ſich erzeigt. Sie findẽ offt Abſolones in Da-
vids Lini/ Sebas, beruͤhmte heilloſe Leute/ das iſt/ Edel von Gebluͤt/ Bauren
von Gemuͤth. Wie viel mehr liget uns ob die Erkundigung des Vr-
ſprungs und Stammes/ woher wir uns ſchreiben/ als viel mehr uns daran
1. Reg. 22,
24.
gelegen! und ob wol die Κρ [...]ίσις ſchwer/ das examen mißlich/ die Probe ge-
faͤhrlich/ die Heucheley allzugroß: Der Baals-Pfaff Zedekias will den
H. Geiſt haben/ Micha der Prophet des HErrn ſoll eine Maulſchell dafuͤr
2. Sam. 15,
7. ſeqq.
empfangen/ Abſolon will ein frommes Kind ſeyn/ und Gottesdienſt thun/
eben da er ſeine rebellion anſpinnet. Judas hat den Schein der Froͤm-
Ioh. 12, 4. 5.migkeit/ da er fuͤr die Armen ſorget; hingegen Chriſtus muß den Namen
Luc. 11, 15.haben/ er hab Gemeinſchafft mit dem Beelzebub: Maria war ſchwanger
Matt. 1, 19.in einem falſchen Argwohn/ als haͤtte ſie nicht vom Geiſt/ ſondern von
einem Ehebrecher empfangen.


Jedoch ſind Kenn- und Merck-Zeichen da/ die zwar andere/
aber uns ſelbſt nicht bethoͤren koͤnnen/ als da ſind 1. motus Spiritus S.
Rom. 8, 14.die Bewegung des Heiligen Geiſtes/ die Antreibung zum Gebet/
zu Anhoͤrung des Goͤttlichen Worts/ zum Eifer/ zur Gottſeligkeit nach der
Regul des Goͤttlichen Worts/ nicht den ſelbſt-eingebildeten/ falſch-erdich-
Matth. 18. 3.teten/ paͤpſtiſchen Gottesdienſt. 2. Indoles infantiles,die kind-
liche Art/ Sitten und Tugenden/ 3. Recht thun und nicht fre-
ventlich ſuͤndigen/
iſt der Wiedergebornen eigen character und Merck-
mahl/ dann wer aus Gott geboren iſt/ der kan nicht ſuͤndigen/
1. Ioh. 3, 9.oder Suͤnde thun/ ſpricht St. Johannes: Ohne Suͤnde iſt nie-
mand/ die Suͤnde wohnet auch in dem allerheiligſten: aber keine
Suͤnde
[119]Predigt.
Suͤnde wiſſentlich und williglich wider Gewiſſen thun ſie/ wann und ſo
lang der Samen Gottes in ihnen bleibet: gleich wie ein Organiſt nicht
fehlet/ ſo lange er nach der recht-geſtellten Tabulatur ſchlaͤget. 4. Son.
derlich charitas,die rechte/ wahre/ ungefaͤrbte Liebe/ Es moͤgen
ſich alle Chriſten zeichnen mit dem Zeichen des Creutzes/ alle in der Gemeine
antworten/ Amen/ einmuͤthiglich und einmuͤndig ſingen Alleluja/ alle ge-
taufft werden/ in die Verſamlung der Chriſtlichen Gemein kom̃en/ die Kir-
chen hauffenweiß beſuchẽ; nichts aber unter allen ſolchẽ Werckẽ unterſchei-
det Gottes und des Teufels Kinder/ als die wahre ungefaͤlſchte vom Him̃el
entzuͤndete hertzliche Liebe gegen Gott und dem Naͤchſten/ ſpricht Auguſtin.

Auguſt. ad
Laurent. c.

117.

Hingegen die Adams-Kinder ſind die Abtruͤnnigen/ Vngerathe-
nen/ Mamelucken/ die Welt-Kinder/ die ungetaufften Juden und Heyden/
welche einig nach der Welt und dem irrdiſchen trachten: Die Belials Kin-
der/ die alle gute Ordnung und diſciplin verachten: Veneris nepotuli, un-
keuſche Venus-Kinder/ Abſolones, verlorne Soͤhne/ die Cyclopen/ Rauffer/
duellanten und Stein-Helden/ die ihre arme Seel dem Teufel zur Ran-
tzion und Pfand auffſetzen/ und ſo ſie in ſolchem unſeligen Stande ohne
wahre Buſſe bleiben/ als Teufels-Kinder/ Kinder des Todes/ Selbſt-
Mord-Kinder/ dem Teufel zufahren. So wehe es einem Vater thut/
den ſeine Kinder ſtinckend machen/ ſo wehe (menſchlicher Weiſe davon
zu reden) dem Vater im Himmel! O wehe! rufft er uͤber den boß-Eſa. 1, 4.
hafftigen Samen/ die ſchaͤdlichen Kinder die zuruͤck weichen/
den HERRN verlaſſen/ den Heiligen in Jſrael läſtern.

Welches Wehe er wecket das ewige Wehe.


III. Es iſt aber auch dieſe wiedergebaͤrende Gnade eine
Anfriſtung und Trieb zu unſerm obliegenden Chriſten-
Ampt;
Varro pflegte zu ſagen/ es were einer Statt nuͤtzlich/ wann ſichVarro a-
pud Au-
guſt. l. 3. de
C. D. c.
4.

tapffere Maͤnner/ ob es ſchon nicht ſich alſo verhielte/ meyneten/ ſie weren
von den Goͤttern geboren/ damit auff ſolche Weiſe ſie zu gleichen Tugen-
den/ heroiſchen mann- und namhafften Thaten gereitzet und bewogen
wuͤrden. Was Varro der Heyde ſeines gleichen faͤlſchlich eingebildet/
das ſprechen und ruͤhmen wir uns mit Warheit! wañ derwegen mit ihrer
Verſuchung auffgezogen kommet die gottloſe verfuͤhri ſche Welt/ mit ihrem
glatten Huren-Spiegel/ wann boͤſe Geſellſchafft locket zur Babyloniſchen
Dame/ zu den admirandis ſeculi, oder was die Welt hoch ſchaͤtzet und
ruͤhmet/ ſo ſage ein Kind Gottes mit Cypriano: Nunquam opera hu-Cyprian. l.
de ſpectac.

mana mirabitur, qui ſe filium DEI cognovit; Es wird ſich einer nicht zu
ſehr
[120]Die Neunte
ſehr uͤber Menſchen- und Schatten-Werck verwundern/ wann er weiß
daß er ein Kind Gottes ſey/ apage! heb dich weg/ ſolt ich meines grund-
guten himmlichen Vaters ſeinen Namen ſtinckend machen? das ſey fer-
ne von mir! Wann dich verſuchet dein Fleiſch und Blut/ ſo antworte:
apage! weg mit dir! Jch bin ein Kind Gottes/ ich halte mich zu gut dazu/
ich bin zu hoͤhern Sachen geboren/ als daß ich der weiſſen und rothen Er-
den dienen ſoll. Was wuͤrde ein junger Edel-Knabe gedencken und ſa-
gen zu einem Bauer/ wann er ihm ruffete/ er ſolte ihm helffen arbeiten in
der Miſt-Grube/ eben das ſage du auch/ wann dich Fleiſch und Blut reitzet
zum Argen: Packe dich du Vnflath! Verſuchet dich der Sathan/ ſprich
du getroſt: Apage! packe dich Sathan! dein Exempel ſchroͤcket mich/
zuvor wareſt du ein Kind Gottes/ ietzo aber ein Hoͤllen-Burger; ſolte ich
ein Kind des Teufels werden/ und mich des himmeliſchen Erbes verluſtig
machen? da ſey Gott vor!


IV. Endlich auch Fons ſolatiorum,Ein unerſchoͤpfflicher
Troſt-Brunn/
wider die fleiſchliche ſuͤndliche Geburt/ wider Armuth/
wider Verachtung der Welt. Ein außerwehltes Chur-Kind
Gottes tröſtet ſich des vergangenen Gnaden-Wercks der
Wiedergeburt/
und gedencket an ſeine genealogi, ſeinen hohen Adel
und Stamm-Baum/ und ſpricht: Θεοῦ γένος ἐσμὲν, Wir ſind Got-
Act. 17, 28.tes Geſchlecht/ ich ruͤhme mich in dem Herrn/ ein ander mag ſich
ruͤhmen ſeines Reichthumbs/ ſeines hohen weltlichen Standes und
Stammes/ ich ruͤhme mich in dem Herrn/ damit uͤberwinde ich alle
Anfechtungen/ ſo gedachte jener heilige Maͤrtyrer Romanus genennet/ da
er zur Marter hinaus geſchleppet worden/ ſagte er:


—— abſit ut me nobilem
ſanguis parentum præſtet aut lex curiæ,
generoſa Chriſti ſecta nobilitat viros.
()

Welt-Adel frucht mich nicht/

Chriſten-Adel iſt mein Liecht.

Jch troͤſte mich inpræſensder gegenwaͤrtigen [...]δοκία Dei,
des Wolgefallen Gottes/ als der mich liebet in ſeinem geliebten
Sohne/ und vom Himmel herab/ auch umb deſſelben willen mir den Lob-
und Lieb-Spruch gethan in der heiligen Tauffe: Diß iſt mein lieber
Matt. 3, 17.Gnaden-Sohn/ an dem ich Wolgefallen habe. Es ſind
zwar
[121]Predigt.
zwar meine gute Werck unvollkommen und befleckt/ aber ſie gefallen Gott
wol; Was fuͤrchſtu dich derowegen O from̃er Chriſt in dem Schoß Got-
tes? ſagt Auguſtinus. Ey ſo kom gleich dieſe oder jene Zeitung wo ſie her
wolle/ ſolten alle Vngluͤck uͤber mein Haupt wie Hagel-Steine zuſammen
ſchlagen und auff mich ſtuͤrmen/ ſolte auch die Welt gar untergehen/ ſo ſte-
het mein Glauben feſt auff einem ſtaͤhlern Grund/ der heiſſet Kindſchafft
Gottes; Wo zehlet ein Vater alle Haar ſeines Kindes? das thut aber derLuc. 12, 7.
himmliſche Vater/ und laͤſſet keins ohn ſeinen Willen herab fallen. WoLuc. 11, 11.
13.

bittet ein Sohn den Vater umbs Brod/ daß er ihm einen
Stein darfuͤr biete? oder umb einen Fiſch/ daß er ihm eine
Schlange darbiete? Vielmehr wird der Vater im Himmel
uns alles gutes geben/ ſo wir ihn bitten.
Creutz-Ruthen ſind vaͤ-
terliche Zucht-Beſſerungs- und Artzney-Ruthen/ ſie thun wehe/ kommenHebr. 12, 5.
aber von lieber Hand/ unterdeſſen iſt und bleibt des ewigen Vaters Gut/
Jeſu Chriſti Blut/ des Heiligen Geiſtes Muth/ unſer beſtes Erb-Gut.
Sehr ſchoͤn und hochtroͤſtlich lauten die Wort im 37. Pſalm: Faͤllet einPſal. 37, 24.
Kind Gottes/ ſo wird es nicht weggeworffen/ ſondern der
HErr haͤlt es bey der Hand.
Ein Kind iſt einfaͤltig und unvorſichtig/
unſchuldig/ faͤllet bald/ und wann es faͤllet/ ſo ſtoͤſſet mans nicht alſobald
gantz zu Boden/ ſondern man richtet es wieder auff/ und haͤlt daſſelbe bey
der Hand; alſo faͤllet manchmal ein frommes Chur-Kind Gottes
in allerhand Vngluͤck/ Schaden und ſuͤndliche Schwachheiten/ aber der
Herr laͤſt ihn nicht allzutieff fallen/ will Petrus ſincken auff dem Meer/Matth. 14,
30. 31.

der Herr reichet ihm die Hand/ das er nicht verderbe.


3. In futurum,Troſt wider das zu kuͤnfftige Vngewitter/
deſſen man ſich befahrt wider den ſcheutzlichen Anblick des grimmigen To-
des/ wider die Forcht der Hoͤllen. Kinder Gottes ſeyn iſt uͤber alles!
ὑπερνικῶμεν, ſpricht St. Paulus: Wir uͤberwinden weit uͤber dasRom. 8, 37.
alles! Ein Kind Gottes ſchwebet im Glauben uͤber allen meteoris, Wol-
cken und Wettern. Es wird zwar/ ſpricht es/ geſchehen nach meines himli-
ſchen Vaters Ordnung/ ich werde durch die Todes-Schmertzen/ durch die
enge Todes-Pforte è ſecundinis, aus dem Haͤutlein und Fell des alten
Adams/ damit ich umbwickelt und gefangen geweſt/ her aus ſchlieffen/ ſter-
ben und begraben werden/ aber froͤlich wieder aufferſtehen in der andern
Wiedergeburt der Gerechten zur ſeligen Offenbarung der Kinder Gottes/
und als eine ſelige Geburt anſchauen das ewige Himmels-Liecht: das
Sechſter Theil. QAnge-
[122]Die Zehende
Angeſicht des Vaters/ das Mutter-Hertz Chriſti/ die huͤlff- und liebreiche
Hand des Heiligen Geiſtes/ der Heiligen Engel Geſellſchafft/ das ſchoͤne
Erbe; Wer kan laſſen/ daß wo er in ſolcher devotion und Gedancken er-
Phil. 1, 23.warmt/ er nicht ſolt ſagen: Cupio diſſolvi,Jch begehre auffgeloͤſet
zu ſeyn.
Transvolemus hinc! Laſſet uns dahin ſchwingen/ Gott
laß gelingen! Amen.



Die Zehende Predigt/


Vber den dritten Articul/
Von der gerechtmachenden Gnade Gottes des ge-
fallenen Menſchen/ welchem gemeldte Gnade
Gottes angeboten wird.


Gen. 3, 9.

GEliebte in Chriſto: Ajecha?Wo biſtu? ſo lautet
die Stimme des ewigen Sohns Gottes/ der in
angenommener menſchlicher Geſtalt nach dem Fall un-
ſern Eltern auff den Abend/ da der Tag kuͤhl worden war/
im Garten gangen/ und nach dem ſich Adam verſtecket/ und
das Verbergen geſpielet/ unter die Baͤum im Gartẽ/ geruffen/ Adam wo
biſtu?
Jſt zwar keine Frag-Stim̃ eines Vnwiſſenden/ als haͤtte ihn das
allſehende Auge nicht geſehen/ und als were er der Goͤttlichen providentz
Apud Au.
guſt. l. 22.
contra
Fau[st] c.1.
1.
entgangen/ wie Fauſtus Manichæus vorzeiten geſchwaͤrmet/ nicht/ ſage ich/
eine ſolche Frag- ſondern Straff-Stim̃e/ ich frage nicht/ Adam/
in welchem Ort/ ſondern in was fuͤr einem Stande du ſeyeſt/ wo dich deine
Suͤnde hingefuͤhret/ daß du deinen Gott ietzo flieheſt/ welchen du zuvor
Ambroſ. l.
de paradiſ.
c.
14.
ſucheteſt/ wie Ambroſius gloſſirt/ meynſtu/ ich ſehe dich nicht/ du elender
Tropff! Jſt eine Göttlichecitation, damit der gerechte Gott den
gefallenen Menſchen fuͤr ſeinen Thron citiret/ Rede und Antwort zu geben/
als wolter ſagen: Komm herfuͤr/ du muſt fuͤr Gericht/ du muſt erſcheinen
fuͤr dem Richter aller Welt/ ſage an/ Haſtu nicht geſſen von dem
Baum/ davon ich dir gebot/ du ſolteſt nicht davon eſſen?


Jſt eine Stimme die noch nicht erſtummet oder ver-
ſchwunden/
[123]Predigt.
ſchwunden/ ſondern eine immer-ruffende Stimme biß an
den Juͤngſten Tag
incluſivè, welche der Herr mehrmal wieder-
holet/ c. 4. Wo iſt dein Bruder Abel? Was haſtu gethan?Gen. 4, 10.
Die Stimme deines Bruders Blut ſchreyet zu mir von der
Erden/
ſie citiret und fordert mich zur Rache/ darumb cirire und fordere
ich dich fuͤr Gericht. O Cain wo biſtu? Vnd erſchallet dieſelbige Stim-
me noch biß auff den heutigen Tag in dem Hertzen und Gewiſſen eines
gefallenen ſuͤndhafften Menſchen/ und thut ſich herfuͤr auff mancherley
Weiſe durch einen freundlichen Anblick/ wie Petro geſchehen/Luc. 22, 61.
durch Exempel eigener und frembder Straffen/ da der unbekanteGen. 42,
21.

Joſeph ſeine Bruͤder hart gehalten/ Simon in die Hafft gezogen/ da fieng
dieſe Stim̃e an in der uͤbrigen Bruͤder Gewiſſen zu reden: Das haben
wir an unſerm Bruder verſchuldet/ da wir ſahen die Angſt ſei-
ner Seelen.
Es redet dieſe Stimme durch allerhand Gelegenheiten/ da-
durch der ſchlaffende Hund wird auffgewecket. () Origeni wurde eins-() apud E-
piphan.
hæreſ.
64.

mals zugemuthet/ er ſolte eine Predigt thun/ gerathet uͤber den 51. Buß-
Pſalmen Davids/ den nimmt er zum Text/ da er anfangen will zu predi-
gen/ kom̃t ihm ins Gedaͤchtnuͤß ſein begangener ſchwerer Fall/ da er durch
ein heydniſches Opffer Chriſtum verlaͤugnet/ fangt daruͤber an bitterlich
zu weinen/ ſo erbaͤrmlich/ daß das gantze auditorium mit ihm weinen
muͤſſen.


Ordentlicher Weiſe aber geſchicht ſolchecitationund Ein-
ladung zum Goͤttlichen Gerichte durch das hell-lautende Ge-
ſetz-Wort.
Mit welcher citation wir auch den hochwichtigen Arti-Act. 2, 37.
cul unſers Chriſtl. Glaubens von der Rechtfertigung hiemit an-
tretten/ als welcher Articul auch klar im Apoſtoliſchen und Niceni-
ſchen
Symbolo begriffen: Credo remiſſionem peccatorum,
Jch glaube eine Ablaß oder Vergebung der Suͤnden/ da dann
zuvorderſt von noͤthen/ daß wir zu allererſt diecitation fuͤrnehmen/ das
objectum juſtificationis,diecitirte Perſon/ die da ſoll gerecht-
fertiget werden/
beſchauen/ alles in ſeiner eigenen Art/ poſitur und Far-
ben/ worauff als dañ ex oppoſito die Krafft/ Wichtigkeit und Wuͤrdigkeit
der gerechtmachenden Gnade deſto heller wird erſcheinen. Spre-
chen demnach aus Gottes Munde: Adamubi es?O Menſch
Q 2wo biſtu?
[24[124]]Die Zehende
wo biſtu? wo ſteckeſtu? in was Stande biſtu begriffen? herfuͤr! heraus!
laß dich hie richten/ auff daß du nicht dort gerichtet werdeſt mit deinem un-
wiederbringlichen Schaden.


Daß nun/ wie das gantze Werck der Rechtfertigung eines ar-
men Suͤnders fuͤr GOTT/
ſo fern dieſelbe dem Menſchen ſoll
durch das Ampt des Geiſtes appliciret und zugeeignet werden/ als auch
diecitationund Einladung fuͤr Gottes Gerichte ein Werck und
Gnaden-Geſchaͤffte des Heiligen Geiſtes ſeye/ hat Chriſtus unſer
Ioh. 16, 8. 9.
10. 11.
Heiland ſelbſt gelehrt und verkuͤndiget/ es werde derſelbe die Welt
ſtraffen umb die Sůnde/ daß ſie nicht glauben an mich/

das iſt/ er werde kraͤfftiglich (ἐλεγξει) uͤberweiſen/ daß ſie in der Suͤnde
unter dem Reat und Straff-Pflicht Gottes lige/ ſo lang ſie nicht glauben;
umb die Gerechtigkeit/ daß ich zum Vater gehe/ daß kein anderer
Weg der fuͤr Gott allein guͤltigen Gerechtigkeit und Seligkeit ſeye/ als
der blutige Creutz-Gang/ dadurch ich zum Vater gegangen: umb das
Gerichte/ daß der Fuͤrſt dieſer Welt gerichtet/
uͤberwunden/ diſar-
m
irt und außgezogen/ und alſo alle recht an uns durch Chriſti Blut theuer
erkaufftes Eigenthumb/ verlohren/ deme wir allein zu dienen ſchuldig/ und
uns nicht mehr in vorige Tyranniſche Dienſtbarkeit des Sathans einzu-
flechten haben. Gott der H. Geiſt/ der die Welt ſtraffet umb die
Suͤnde/ aber auch gerecht und heilig machet/ wolle außforſchen und ſtraf-
fen/ daß wir durch ihn zum rechten Gnaden-Thron Chriſto gelangen/ da
Heil/ Leben und Seligkeit erlangen moͤgen/ Amen.


WAnn wir demnach fragen: Adam wo biſtu? was biſtu?
in was Stande biſtu begriffen von Natur/ durch
den Fall/ auſſer der
Gnade Gottes? ſo kan das Gewiſſen
Rom. 4, 5.aus Gottes Wort anders nicht antworten/ als: Jch bin ein armer
Suͤnder/ ungerecht und gottloß/
Gott machet aber den Suͤnder
gerecht; Vngerecht iſt er fuͤr und wider ſeinen Gott/ dem er ſeine Ehr
geraubet durch eigen-Ehrſucht/ ein rechter Ehren-Dieb worden/ in
dem er ihn nicht uͤber alle Ding gefuͤrchtet/ ſondern ſicher manche Suͤnde
vor ſeinen Augen begangen: nicht uͤber alle Ding geliebet/ ſondern Eigen-
und Fleiſches-Luſt dem hoͤchſten Gute fuͤrgezogen; nicht uͤber alle Ding
vertrauet/ ſondern offt menſchlichen Arm zu einem Gott auffgeworffen/
auff ſein Netz/ Gold und Gaben getrutzet/ Gottes Namen und Sabbath
enthei-
[125]Predigt.
entheiliget: Vngerecht auch wider ſeinen Naͤheſten/ dem er unge-
horſam geweſt/ nicht gebuͤhrlich/ ſo viel ohne Verſehrung des Gewiſſens
und ohne Abgang der Ehre Gottes (dann die erſte Tafel gehet allzeit der
andern vor) hat ſeyn koͤnnen und ſollen/ geehret/ den naͤheſten unter ihm
geaͤrgert/ durch Ergernuͤß die unſchuldigen Seelen gemordet/ den Naͤch-
ſten neben ihm gehaſſet/ angefeindet/ geneidet/ und ob irgend die Flamme
nicht allzeit außgebrochen/ ſo hat ſie doch im Hertzen gegluntzet/ ſo iſt doch
das Hertz die Moͤrder-Grube/ da es wimmelt voll boͤſer ſtratioten/ die wider
die Seele ſtreiten; Vngerecht endlich gegen ſich ſelbſt/ in dem er ſich ver-
unreiniget/ Leib und Seel beſchweret mit uͤbrigen eſſen und trincken/ ſein
Hertz iſt ein recht lupanar und Luſt-Grab voll Fleiſches-Luſt/ er iſt ſeines
eigenen Hertzens Peiniger und Moͤrder ſeiner Seelen geweſen/ und wel-
ches das aͤrgſte/ den zehenden/ ja hunderten Theil commiſſorum, omiſſo
rum, occultorum;
der begangenen Suͤnde/ des unterlaſſenen Guten und
denn der heimlichen/ verborgenen Suͤnden verſtehet man nicht/ man ver-
giſſet offt viel/ was im Goͤttlichen protocoll auffgeſchrieben ſtehet. Wer
ſich hie excipiren und außnehmen/ und allerding glaßrein ſeyn will/ der iſt
der aͤrgſte und groͤſte Suͤnder. Spricht der Menſch/ er hab keine Suͤn-
de/ ſo iſt er ein Luͤgner/ ſo wir ſagen/ wir haben keine Suͤnde/
1. Ioh. 1, 8.
10.

halten uns Engel-rein in Gedancken/ affecten/ Begierden/ ſo verfuͤh-
ren wir uns ſelbſt/
wir ſind Heuchler/ ſtoltze/ auffgeblaſene Heiligen/
und die Warheit iſt nicht in uns


Jch bin ein verklagter Suͤnder von Moſe/ durch denIoh. 5, 45.
ſchwartzen Buchſtaben/ durch das nigrum theta, der ſagt: VerfluchtDevt. 27,
26.

ſey der Menſch/ der nicht thut alles/ was im Geſetz geſchriebenGal. 3, 10.
ſtehet. Wie die Sonn/ wann ſie auff einen Koth oder Miſt-Grube
ſticht/ Geſtanck erwecket/ alſo auch der Feuer-Spiegel des allgerechteſten/
geſtrengeſten und ſchaͤrffeſten Geſetzes. Ja auch im Neuen Teſtament iſt
Paulus Moſis Dolmetſch/ der malet alle Menſchen gar ſchroͤcklich ab/Rom. 3, 10.
12. 13. 23.

er ſagt/ es ſey nicht einer/ der gerecht ſey unter allen Menſchen-Pſal. 14, 3.
Kindern/ ſie ſind allzumal Suͤnder/ und mangeln des Ruhms/
den ſie vor
Gott haben ſollen/ der vollkommenen eigenen Gerechtig-
keit/ ὑςεροῦνται τῆς δόξης, gleich einem Lauffer im ſtadio und Welt-Lauff/
wie hefftig er ſich auch bemuͤhet/ wann er einen Kuͤriß an hat/ ſo erlanget er
das Kleinod nicht: Alſo der Menſch/ wann er gleichſam mit der Suͤnde
als einẽ Harniſch und Bantzer umbgeben iſt [...]περιςάτῳ ἁμαρτίᾳ mit der in
Q 3und
[126]Die Zehende
und anhangenden Suͤnde/ wann er mit Suͤnde umbfangen. Keiner
thut guts/ auch nicht einer/ ſie ſind alle abgewichen/
hacol Sar,
gleich einem abgefallenen ſtinckenden Wein/ ſie ſind alle untuͤchtig
worden/
unnuͤtze Knechte/ bey weitem nicht ſo gut als unnuͤtze Knechte/
ihr Schlund iſt ein offenes Grab/ eine ſtinckende garſtige Schlutt/
daraus unauffhoͤrlicher Vnluſt herfuͤr ſteigt/ Otter-Gifft iſt unter
ihren Lippen/
auch die beſten Wort haben offt Gifft in ſich/ iſts nicht
allezeit in actu, ſo iſts doch in habitu, bricht die Frucht nicht allezeit aus/
ſo iſt doch die Wurtzel vorhanden/ fahren die Funcken nicht allezeit her-
fuͤr/ ſo gluntzet es doch/ erzeigen ſich die Waſſer nicht allezeit/ ſo iſt doch die
Quell da.


III.Jch bin ein überzeigter und uͤberweiſeter Suͤnder
aus dem protocoll und Handſchrifft meines eigenen Gewiſſens/ welches
wider mich zeuget/ ex actis \& probatis, ex judicio rigido \& reflexo, wann
der Menſch recht in ſich gehet/ in den Abgrund ſeines Hertzens durchbricht/
Ezech. 8, 3.
ſeqq.
wie dort Ezech. 8. da ſihet er die Greuel zum Verdruß des Herren/
wann er Jahre/ Zeiten/ Orte bedencket/ wo eine und andere Suͤnde voll-
bracht worden/ Peccata mea, ſagt Bernhardus, celare non poſſum, quo-
niam quocunque vado, conſcientia mea mecum eſt, ſecum portat,-
quicquid in eâ poſui ſive bonum ſive malum; ſervat vivo, reſtituet de-
functo depoſitum, quod ſervandum accepit.
Meine Suͤnde kan ich
nicht verhaͤlen/ dann wo ich hingehe/ da iſt mein Gewiſſen bey mir/ und
traͤget mit ſich/ was ich in daſſelbe geleget/ es ſey gut oder boͤſe; Es hebt mir
auff/ weil ich lebe/ und wird mir auch wiedergeben nach dieſem Leben/ was
es auffzuheben von mir bekommen. Da ſtehet nun der arme Menſch
ſchamroth/ er muß die Augen niederſchlagen/ und verhuͤllen/ wie Haman
Eſth. 7, 8.ſein Angeſichte verhuͤllet/ und ſich ſchaͤmen.


IV.Jch bin ein verurtheilter und verdammter Suͤn-
Ioh. 16, 8.der/ alſo folgends ſchuldig des Todes/ durch den Heiligen Geiſt/
der die Welt ſtraffet/ fuͤr GOTT/
der da iſt ein verzehrend Feuer/
Rom. 3, 20.nichts kan fuͤr ihm beſtehen/ ohne das da gantz rein und ohne Mackel iſt/
Matth. 18,
24,
Gott fordert ſein Recht und Schuld/ der Menſch iſt χρεωφηλέτης, der
groſſe Schuldner/ der nimmermehr von ſich ſelbſt bezahlen kan/ ja von ſich
2. Sam. 12, 5.ſelbſt (ἀυτοκατάκριτος) zum ewigen Tode verurtheilt und verdammt/ wie
David uͤber ſich ſelbſt das Vrtheil geſprochen und geſagt: Jch bin der
Mann
[127]Predigt.
Mann des Todes/ ich hab geſuͤndiget/ und damit den Tod
verwircket/
deme muß ein iedweder Menſch nachſprechen und alſo fol-
geren: Wer nicht thnt alles/ was im Geſetz geſchrieben ſtehet/ der iſt ver-
flucht und verdammet; Jch thu nicht alles ꝛc. derowegen ſo bin ich ver-
dammet. In domô propriâ, in propriâ familiâ, ſagt abermal Bernhar-
dus, habeo accuſatores, teſtes, judices, tortores: accuſat me conſcientia,
teſtis memoria, ratio judex, voluptas carcer, timor tortor;
Jn meinem
eigenem Hauſe hab ich meine Verklaͤger/ Zeugen/ Richter/ Peiniger: Es
verklaget mich mein Gewiſſen/ es zeuget das Gedaͤchtnuͤß/ die Vernunfft
iſt mein Richter/ die Wolluſt das Gefaͤngnuͤß/ die Furcht mein Peiniger.


V.Jch bin aus und von mir ſelbſt ein an ſich verzwei-
flender Suͤnder;
dann wer Gott zum Feinde hat/ wo will der hinaus?
was will er hoffen? wer einen ungnaͤdigen Koͤnig hat/ dem iſt niemand
hold im gantzen Lande/ vielmehr wer einen ungnaͤdigen Gott im Him-
mel hat/ dem ſind alle Creaturen zuwider und zu ſeiner Rach bereitet.
Will er zu den Engeln/ ſo ſind ſie Cherubim/ die ihm widerſtehen mitGen. 3, 24.
einem feurigen/ hauenden Schwert; will er auff ſich ſelbſt und eigene Buß
und Verſoͤhnungs-Wercke bochen/ ſo iſt es wie Wachs gegen dem Feuer/
ein bekleidtes garſtiges Kleid/ davon man Abſcheuen hat und traͤgt/ und
wie heilig ſolche Werck auch ſcheinen moͤchtẽ/ ſo ſind ſie noch keine Engliſche/
geſchwelge dann unendliche Gerechtigkeit/ dadurch der unendliche Zorn
Gottes wider die Suͤnde moͤchte geſtillet werden. Wann wir gleichLuc. 17, 10.
alles gethan haben/ was wir zu thun ſchuldig ſind/ ſo ſind wir
unnuͤtze Knechte/
ſind alſo noch nicht ſo gut/ als unnuͤtze Knechte/ weil
wir ja nicht alles gethan/ was wir zu thun ſchuldig geweſen/ meine gute
Werck die golten nicht/ es war mit ihnen verdorben/ der frey
Will haſſet
Gottes Gericht/ er war zum guten erſtorben; die
Angſt mich zu verzweifeln treib/ daß nichts dann ſterben bey
mir bleib/ zur Höllen muſt ich ſincken/
ſo lautet der allgemeine eju-
latus
des menſchlichen Geſchlechts.


VI.Ein verſöhn-faͤhiger Sůnder/ der bey Gott wieder
kan außgeſoͤhnet werden;
Dergleichen mag dem Sathan nimmer-
mehr gedeyen/ derſelbe glaubet zwar/ aber φρίττει, er erzittert; quot myſte-
ria fidei tot tormenta,
ſo viel Glaubens-Geheimnuͤßer erkennet/ ſo viel
Furcht- und Angſtgeiſſeln empfindet er. Deßgleichen iſt auch nicht weniger
als
[128]Die Zehende
als den Teufeln die Gnaden-Pforte beſchloſſen/ allen nunmehr verdamm-
ten Hoͤllen-Braͤnden/ die die Gnaden-Zeit verſaumet/ denen iſt alle Hoff-
nung abgeſagt; Aber HJE/ HJE/ HJE iſt noch Hoffnung/
HJE all Suͤnde vergeben werden/ HJE heiſſet es: Credo
remiſſionem peccatorum,
Jch glaube gewiß eine Verge-
bung der Suͤnden/ HJE
in der Chriſtlichen Kirchen/ Gott hat
alle Menſchen unter den Vnglauben beſchloſſen/
gleich als in
Rom. 11,
32.
Gal.
3, 22.
einem Kercker. Wann ein Koͤnig viel Moͤrder/ Diebe und Straſſenraͤuber
und dergleichen boͤſe Buben ins Gefaͤngnuͤß legen und ſagen ſolte/ Jch
hab dieſe ſaubere Geſellen alle miteinander in die Hafft gezogen: niemand
wird aus ſolchen Wortẽ ein andere conſequentz und Folge ſchlieſſen koͤñen
als dieſe: ad Juſtitiam, ad Nemeſin, auff daß ich ſie alle wegen ihrer Miß-
handlung abſtraffe andern zum Exempel. Aber in dem mildeſten Gnaden-
Gericht/ kom̃t gar eine andere unverhoffte conſequentz heraus/ deren man
ſich nicht haͤtte verſehen/ die lautet alſo: Auff daß er ſich ihrer aller
erbarme.


Doch mit angehengter condition der Goͤttlichen Ordnung/ ſo ſie
ſich demuͤtigen und appelliren vom Thron der Gerechtigkeit zu dem Gna-
den-Thron: wañ ſie ſich von Moſe als dem Zuchtmeiſter laſſen fuͤhren und
leiten zu Chriſto: wann ſie von den Wunden zu dem Artzt/ von dem credi-
tore
und Glaͤubiger zu dem Buͤrgen ſich begebẽ; Er der medicus ſelbſt gibt
Luc. 12, 58.
59.
einen guten Rath; So du mit deinem Widerſacher fuͤr den Fůr-
ſten geheſt/ ſo thue Fleiß an auff dem Wege/ daß du ſein loß
werdeſt/
als wolte er ſagen: Verklaget dich einer fuͤr Gerichte/ und dir
iſt nicht geheuer bey der Sache/ ſo wag es nicht/ vergleiche dich mit ihm guͤt-
lich/ mache ihn klagloß/ auff daß er dich nicht etwan fuͤr den Rich-
ter ziehe/
und mit ſcharffem Recht mit dir verfahre: und der Richter
(wann du ſachfaͤllig worden) uͤber antworte dich dem Stockmei-
ſter/ und der
Stockmeiſter werffe dich ins Gefaͤngnuͤß/ Jch
ſage dir/ du wirſt nicht von dannen heraus kommen/ biß du
den letzten Heller bezahleſt;
Aber das wird wol anſtehen biß in Ewig-
keit. Alſo wer mit Moſe will rechten/ der verlieret es richtig/ er iſt gar zu
accurat, hart und ſcharff/ er will bey einem Oertlein oder Hellerlein bezahlet
werden. Jn der Welt gewinnet mancher eine boͤſe/ faule Sache vor Ge-
richt/ da man bißweilen die kleine Diebe hencket/ die groſſen aber laͤſſet
durch-
[129]Predigt.
durch ſchlupffen. Jn Moſis Gericht nicht alſo/ darumb wer gewinnen
und nicht verlieren will/ der gebe ſich hier ſchuldig/ er ſubmittire/ er ſuche
einen wolberedten Advocaten und Fuͤrſprecher/ der ihn wider das ſtrenge
Moſaiſche Gericht vertrette.


Jſt dem alſo/ was hat ſich dann der ſtoltze/ auffgeblaſene/ geſchwulſti-
ge/ auffgebaumte Phariſeer/ duͤrffen einbilden/ daß er fuͤr Gottes AngeſichtLuc. 18, 11.
12.

getretten/ und dem Herren ſeine gute Werck in die Sonne gelegt/ ſich
glaßrein gemachet im Gebet fuͤr Gott; Was zeihen ſich die ſtoltzen/
ſcheinheiligen () Phariſeiſche (welches Tituls ſie ſich nicht mehr ſchaͤmen)() Vide
Corn. à
Lap. ad
Phil. 3. p.

589.

Papiſten/ die Halb-Suͤnder und Halb-Gerechten/ die durch eigene diſpo-
ſition,
ſo wol aus eigenen Kraͤfften des freyen Willen als zuflieſſender
Gnaden die erſte eingegoſſene Gerechtigkeit zu erlangen/ hernach nach dem
ſie gerecht worden/ durch vermeynte/ mehrſten Theils ſelbſt-erwehlte gute
Geſetz-erfuͤllende Wercke/ verdienſtlich die ewige Herrligkeit zu erwerben
vermeynen.


Das laß mir ſtoltze Heiligen ſeyn! gerade als wann einer uͤber dem
Pranger pralen wolte; Wann ein Dieb fuͤr dem malefitz-Gericht ſtoltzie-
ren/ ein Soldat fuͤr dem Standrecht auffſchneiden wolte von ſeinen
Schlachten/ Paßporten und Mannheit/ dadurch wuͤrde er den Richter
ie mehr irritiren und in Harniſch jagen. Bey Joſepho leſen wir von
Herode, daß da er wegen allerhand Muthwillen und Vnfugen wider der
Juden Geſetz und Herkommen veruͤbet/ fuͤr das Synedrium citirt und ge-
ſtellet worden/ Rede und Antwort zu geben/ ſo ſey er erſchienen nicht als
ein reus und Beklagter/ ſondern als ein praͤchtiger ſtratiot mit auffge-
buͤfften Haaren/ mit gewehrter Hand/ mit Purpur bekleidet/ dem Syne-
drio
fuͤr die Naſe geſchnellet/ als wann ers wol haͤtte außgerichtet; das
verdroß einen eiferigen Patrioten mit Namen Sameas, der ſtund mitten
unter ihnen auff/ und ſprach: Was ſoll das ſeyn? dergleichen iſt nie ge-
hoͤret worden/ daß eine malefitz-Perſon in ſolcher poſitur erſcheinen ſolte/
die Hiſtori iſt weitlaͤufftiger zu leſen bey Joſepho. Es laͤſt Gott nicht() lib. 14.
mit ſich ſpielen/ Er kan und will von keinen Menſchen-Ruhm nicht wiſ-antiq. c. 17.
ſen/ alle Werck-heilige Pralerey iſt ihm zuwider/ daß aller Mund ver-
ſtopffet werde/
ſagt St. Paulus/ damit ſich nicht iemand ruͤhme/Rom. 3, 19.
hat Gottder HErr dieſe Art der Gerechtmachung nicht aus unſern Wer-
cken/ auch denen ſo JN der Gerechtigkeit geſchehen/ erkant und geoffen-
baret. Vnd hilfft nicht allhier der eitele prætext der Goͤttlichen Gnade/ daß
alle Werck flieſſen von der Gnade/ durch Gnaden/ aus der Gnade/ die
Sechſter Theil. RGnade
[130]Die Zehende
Gnade ſeye der Samen zur Ehre/ darumb habe er ſich nicht zu ruͤhmen/
dieweil es aus Gnaden iſt.


Jſt/ ſage ein eiteler Fuͤrwand und vergebene Außflucht. Dann iſts
nicht alſo/ ob gleich ein Soldat unter einem gluͤckſeligen Oberſten und
durch ſein Gluͤck militirt und ſich wol haltet/ ſo mag er ſich doch noch ſei-
nes Wolverhaltens ruͤhmen; Eiu Holtzhauer/ wann er nur wol hauet/
ob ihm gleich die Axt geſchencket/ ſo hat er doch Ruhm und Lohn davon;
Aber hier iſt aller Ruhm gantz abgeſchnitten und außgeſchloſſen. Ja was
gedencken doch die rohe Welt-Kinder/ boßhafftige Laſter-Daͤrme und
Schand-Pecken/ welche wann ſie auch von Eltern/ Herrſchafft/ Predig-
Ampt und Richter uͤber einer und der andern Mißhandlung gefraget
werden/ nicht geſtehen wollen/ daß ſie unrecht gethan/ ſondern ihnen ehe
eine Ader nach der andern wollen aus dem Leibe reiſſen laſſen (wie ſolche
Leute manchmal reden) ehe ſie ſolten geſtehen was wahr iſt/ auch wann ſie
ἐν ἀυτο φόρῳ, auff friſcher That ertapt und die Hand im Sack erwiſcht/
Ioſ. 7, 20.
21.
zeitlicher Schmach zu entfliehen/ anders als Achan der Gott dem
Herrn die Ehr gegeben/ und ſeinem Richter Joſua rein gebeichtet und
zu ſeinem Hertzen geraͤumet. Einmal wer ſich hie in foro conſcientiæ,
im Gewiſſens-Gericht nicht ſelbſt verdammet/ der iſt ewig verdammet/
1. Cor. 11,
31.
Wann wir uns ſelber richteten/ ſo wuͤrden wir nicht gerichtet.
Gen. 3, 7.Was bilden ihnen ein die elenden Schurtzflicker/ die mit Feigen-Blaͤttern
umbgehen/ wie Adam/ und die allſehenden Augen Gottes blenden wollen?


Der Teufel hat zwoperſpectiven/ dafuͤr huͤte ſich iederman/ die
eine iſt der Phariſeiſche Spiegel/ zeiget lauter ſchoͤn Ding und
phantaſmata, lauter Heiligkeit/ Gaben/ herrliche Thaten. Wer ſich da ver-
fihet/ wird gleich jenem Narciſſo, er will recht haben/ trauet ſeinen affecten
und Paſſionen zu wol/ forſchet nicht recht/ durch den Selbſt-Betrug an-
gefuͤhret/ darff ſich wol unter die Seraphin und Cherubin hinauff erheben/
der iſt kein reus, hat kein Waſſer betruͤbt/ er waͤſchet mit eigener Hand ſeine
Matth. 27,
24.
Haͤnde wie Pilatus/ da er warten ſollen/ biß ihn Chriſtus abwaſche und
rein erkenne: ja es darff ein ſolcher auffgeblaſener Heillge nicht nur ſelbſt
ſeine Geſchwaͤr/ Druͤſen und Blattern lecken/ ſondern auch andern zumu-
then/ ſie ſollen als Hunde dergleichen thun/ oder keine Gnade haben; dem
mangelt niemand als ein Hof-Narr/ der die Warheit ſaget. Oder ob
gleich gemeldter Spiegel etwas tadelt/ ſo præſenrtirt er gar klein/ macht
aus Vergen Wartzen oder Staͤublein/ was wolt das ſeyn/ das hat ſo viel
nicht zu bedeuten/ wir ſind Menſchen/ haben Fleiſch und Blut/ ſind nicht
Engel-
[131]Predigt.
Engel-rein/ es iſt ietzt der Welt Lauff/ man muß mit machen. Wer nach
den zehen Geboten leben will/ wo will der hinkommen?


Der andere Spiegelpræſentirt die Sůnde allzugroß/
und treibt den Menſchen zur Verzweifelung/
macht die Suͤnde
ſo unermeßlich groß/ als koͤnte ſie nicht vergeben werden/ wie Cain in denGen. 4, 13.
Wahn gerathen. Denen muͤſſen wir entgegen ſetzen andere zween
Spiegel/ jenem
zwar den Geſetz-Spiegel/ das heilige Geſetz/
das repræſentiret ohne paſſion, unparteyiſch/ ohne Falſch den ſuͤndlichen
Wuſt/ Greuel und Vnluſt/ deſſen Groͤſſe/ Menge/ Schwere in allen Farben
und Vmbſtaͤnden/ verklagt/ uͤberzeigt und verdammt den Menſchen/Sap. 7, 26.
in dem muͤſſen wir uns hinden und forn auffs allexgenaueſt beſchauen.Prov. 7, 2.
Es præſentirt zwar ein wolpolirter Kunſt- und Hauß-Spiegel alles was
ihm fuͤrkommt wol und eigentlich/ viel ſchoͤner und beſſer der natuͤrliche
Augen-Spiegel/ der zarte Kugel-rundte hell-leuchtende Augen-Stern/
in deme ſich die gantze Natur abmahlet: nichts aber iſt uͤber den Aug-
Apffel Gottes/ der unbefleckte Feuer-Spiegel des Goͤttlichen Goſetzes.


Dieſem/ den Evangeliſchen Spiegel in unſerm Apoſto-
liſchen Glauben
vorgetragen/ der heiſſet: HJE all Sůnd ver-
geben werden.
Man fuͤge ſich in die Ordnung/ beſtehend in dem geiſt-
lichen Hunger und Durſt nach der Gnaden/ Aus der Tieffen ruff ichPſ. 130, 1. 3.
HErr zu dir/ ſo du willſt Suͤnde zurechnen/ O wer wird be-
ſtehen? Vater ich bin nicht werth/ daß ich dein Kind heiſſe/
Luc. 15, 21.
c.
18, 13.

mit dem Zoͤllner an die Bruſt geſchlagen/ mit Paulo geſeuffzet: HErr/Actor. 9, 6.
was wiltu/ daß ich thun ſoll? Ach ſuͤſſeſter Herr Jeſu/ ſihe mich
an mit den gnaͤdigen Augen/ damit du angeſehen Petrum in atrio, pecca-
tricem in convivio, latronem in patibulo, ut cum Petro fleam, cum
peccatrice diligam, cum latrone te æternum videam,
mit welchen du
angeſehen Petrum in Caiphas Sahl/ die groſſe Suͤnderin bey Simons
Gaſt-Mahl/ den Schaͤcher an des Creutzes Pfahl/ auff daß ich mit Thraͤ-
nen mich betruͤbe/ mit der Suͤnderin dich hertzlich liebe/ mit dem Schaͤcher
von deinem Gnaden-Blicke/ mich hie und dort ewig erquicke. Luthero iſtLuth. tom.
6. pag.
57.

hie gut ahzulernen die rechte Appellir-Kunſt.


Mich lehret die Schrifft/ daß Gott zween Stuͤle geſtellet/ einen
Richt-Stul fuͤr die Sichern und Stoltzen/ die ihre Suͤnde nicht erkennen;
und einen Gnaden-Stul fuͤr arme bloͤde Gewiſſen/ die ihre Suͤnde fuͤh-
len/ bekennen/ verzagen und Gnade ſuchen/ der Gnaden-Stul iſt Chriſtus
R 2ſelbſt/
[132]Die Eilffte
ſelbſt/ da will ich mich zuhalten/ nicht abtreiben laſſen/ da ſoll mein Hertz
und Gewiſſen zugedecket ſeyn/ ein Gewoͤlb und ſchoͤnen Himmel druͤber
ſchlagen/ der es decke/ ſchuͤtze und verthaͤdige/ das heiſt Gnade und Ver-
gebung der Suͤnden/
da ſoll mein Hertz und Gewiſſen hin kriechen
und ſicher bleiben! So wird das Aſchre haiſch, das elogium folgen;
Matth. 5, 6.Wol denen/ ſelig ſind die/ die nach der Gerechtigkeit hungerig
ſind/ die ſollen ſatt werden/
in geiſtlichen Durſt gerathen/ wie der
Hirſch von Schlangen angeſteckt/ alſo die Seel im Schwitz-Bad/ dem die
Flammen des Zorns Gottes unter die Augen geſchlagen; da wird Chri-
ſti Heiligkeit/ Gnade/ Weißheit/ Liecht/ Gerechtigkeit/ Krafft/ Erloͤſung
und Leben ſeyn; Gott erwecke unter deß Hirſch-Durſt/ damit wir ſatt
Pſal. 17, 15.werden/ ſatt in Gnaden/ wann wir erwachen nach ſeinem Bilde/
Amen.



Die Eilffte Predigt/


Vber den dritten Articul/
Vom Ablaß der Suͤnden/ das iſt: Von dem erſten
Theil der gerechtmachenden Gnade Gottes/ die da heiſſet

privativadie wegnehmende oder Suͤnden-Straff-abwen-
dende Gnade/ dadurch dem armen Suͤnder Ablaß ſeiner
Suͤnden wiederfaͤhret und geſchen-
cket wird.


GEliebte in Chriſto: Appello Cæſarem,Jch beruff
mich auff den Kaͤyſer!
ſo lautet die Apoſtoliſche ap-
pellation
St. Pauli vor dem Richter-Stul des Roͤmi-
ſchen Landpflegers Feſti zu Cæſarea abgelegt; Es ward
Act, 25, 11.dieſelbe eine rechtmäſſigeappellation, dann nach
dem er von ſeinen abgeſagten Feinden/ den Juden/ ſo von Jeruſalem zu
ſolchem Werck geordnet/ und abgeſand geweſt/ ſchwer und hart verklagt/
aber die Beweiſung nicht folgen wollen/ St. Paulus ſich ſtattlich verant-
wortet/ und demnach ex actis \& probatis, nach der regul und Lauff der
Rechten
[133]Predigt.
Rechten wol haͤtte koͤnnen erlaſſen werden: So hat er doch ein anders
erfahren muͤſſen/ daß der Gunſt-Richter Feſtus den Juden zugefallen/ ihn
nach Jeruſalem geſchleppet/ da er ſich keines andern als lauter gifft-gaͤlliger
Partheiligkeit und Feindthaͤtlichkeit zu verſehen gehabt: ſo ergreifft er das
præſidium juris naturale, das jenige Huͤlffs-Mittel/ welches ihm die Na-
tur und der Kaͤyſer gegoͤnnet/ als einem Roͤmiſchen Burger/ beruffet ſich
auff das Roͤmiſche privilegium, und ſagt: Jch ſtehe fůr des Kaͤyſers
Gerichte/ da ſoll ich mich laſſen richten/ ich beruffe mich auff
den Käyſer.


Es war aber auch gemeldte appellationeinexemplarund
Muſter uns zu gebuͤhrlicher Nachfolge auffgezeichnet/
daß ein
Chriſt/ auch wol Prediger/ rechten und Recht-Haͤndel fuͤhren/ da man ihm
das ſeine nehmen oder fuͤrhalten will/ ſondern auch gar auff Pauliniſch
an ein hoͤheres Gericht/ im Fall in dem niedrigen ihm hell und klar unrecht
geſchehen were/ appelliren koͤnne/ und ſoll darob niemand Ergernuͤß neh-
men. Jch ſage aber auff Pauliniſche Weiſe/ mit gutem Gewiſſen/ in
einer guten und gerechten Sache/ ohne unbilliche Gefaͤhrde ſeiner Gegen-
Part/ auch wol fuͤrnemlich durch den dazu geordneten appellations-Eyd/
anders als in der Welt offt appellationes vorgehen und geſtattet werden
ex conjecturâ vincibili, aus uͤberwindlicher Vnwiſſenheit/ die Zeit zu ge-
winnen/ die Partey zu ermuͤden/ da mancher unrichtiger Kopff ſich nicht
will weiſen laſſen/ in einer ungerechten Sache ſeinen Naͤchſten auffzuzie-
hen/ und bey der Naſen lang herumb zu fuͤhren/ nach der Meynung einer
guten Sache/ biß die Ganß wol geropfft/ und wol das Fleiſch darzu gefreſ-
ſen/ weder Klaͤger noch Beklagten viel uͤberbleibt/ als was man ihnen dar-
wirfft. Das laͤſſet man in foro ſoli, in weltlichen Gerichten ſo paſſiren
und hingehen/ aber im Gewiſſens-Gericht lautet es viel anders.


Sonderlich iſt dieſeappellationein ſchönes Muſter un-
ſerer Gerechtfertigung in Gottes Gericht.
Wann Moſes all-
zuhart an uns ſetzen will mit ſeinem Fluch und nigro theta, wann das
hoͤlliſche Feuer unter die Augen brennet/ wann der Menſch fuͤr Gottes
Zorn nicht weiß wo aus noch an/ wann er heulen und klagen muß:
Dem Teufel ich gefangenlig/ ꝛc. Wann er in foro legali, vor dem
Geſetz-Stul Moſis ſeine Sache verlohren/ und der Stab uͤber ihn gebro-
chen; wo hinaus? wo ſolle er dann fliehen hin/ da er koͤnne und moͤge blei-
ben? ſoll er an den Kaͤyſer appelliren? Ach das iſt viel zu wenig! der Kaͤy-Bernegg.
ad Sueton.
Aug. c.
33.

ſer ſelbſt muß ſich hie richten laſſen. Es hat zwar Auguſtus (da zuvor
R 3zu Rom
[134]Die Eilffte
zu Rom auff dem Rathhauſe man nur dreyerley Tafeln gehabt/ darauff die
Rath-Herren ihre vota geſchrieben/ auff der eine ſtund der Buchſtaben D.
bedeutet die Damnation oder Verdammung des Beklagten; auff der an-
dern A. bedeutet die Abſolution, die Loß-Zehlung/ wann der Beklagte un-
ſchuldig befunden/ und fuͤr quitt und loß zu ſprechen erkant worden; auff
der dritten N.L. non liquet, bedentet daß die Sache noch nicht klar/ ſie ſey
noch nicht außgemacht/ man muͤſſe dieſelbe zu weiterer deliberation ge-
ſtellet ſeyn laſſen:) eine außer-ordentliche/ ſonderbare Tafel mit dem
Buchſtaben I. notirt hinzu gethan/ ignotoriam genant/ die Verzeihungs-
Tafel. Aber dieſes (I.) iſt viel zu ſtumpff und zu ſchwach in dem Goͤtt-
lichen Gericht.


Wie dann? Soll der arme beklagte und beſchuldigte Vbelthaͤter ſich
Huͤlffe erholen bey der hochgebenedeyten Mutter Gottes des Herrn/
Jungfrauen Maria/ von welcher jener Fabel-Hanß Jacobus de Vora-
gine
getichtet/ daß man in allen Beſchwernuͤſſen an ſie gleichſam als an
eine Herrſcherin und Koͤnigin appelliren ſoll/ wann man auch von Gott
ſelbſt oder der Gerechtigkeit mit Vnrecht belaͤſtiget und beſchweret were.
Ach nein! Maria iſt viel zu wenig/ ſie iſt ſelbſt die Κεχαριτωμένη paſſivè, ſie
hat ſelbſt empfangen Gnad umb Gnad/ ſie muß ſich ſelbſt erfreuen uͤber ih-
ren Heiland/ ſondern einen andern Gnaden-Thron hat uns Gott vorge-
Exod. 25,
17. ſeqq.
ſtellet/ einen warhafftigen Thron/ vorgebildet im Alten Teſtament/ einen
eintzigen Gnaden-Stul/ der keinen Dagon neben ſich leidet/ das iſt der
1. Sum. 5, 3.
4.
Mittler-Thron/ der Schutz-Thron/ der Verſoͤhnungs-Thron/ der Bet-
Rom. 3, 25.Thron: Das iſt der offene Thron/ von welchem droben im erſton Articul
gehoͤret.


Dieſes iſt das ultimum refugium rei, die euſſerſte Burg und
Schirm eines beklagten und im Geſetze verdammten Suͤnders/ an die
Hoͤrner dieſes Gnaden-Throns muß er ſich halten/ der iſt mit dem Regen-
Apoc. 4, 3.bogen der Barmhertzigkeit gekroͤnet und umbgeben/ da finden wir gratiam
Hebr. 4, 16. [...]πρόσιτον, den rechten Gnaden-Stul/ dahin wir mit Freudigkeit treten/
und Gnade ſchoͤpffen koͤnnen/ und zwar die gerechtmachende Gna-
de/ zwar
privativam,die jenige Gnade/ dadurch das jenige/
ſo uns irret/ und fuͤr Gott verſtellet/ im Wege ligt/ nemlich
die leidige Suͤnde/ und dero ſchröckliche Straffe abgethan
und abgeleget wird/
heiſſet mit einem Worte: Der Ablaß der
Sůnden.
Davon wollen wir anietzo in der Furcht des Herren
handeln/ welches hochwichtige Geheimnuͤß/ daß wirs recht verſtehen/
wolle
[135]Predigt.
wolle uns Gott von oben herab im lehren und hoͤren mit ſeinem Heiligen
Geiſte erſcheinen/ umb Jeſu Chriſti unſers liebſten Gnaden-Throns wil-
len/ Amen.


SO iſt nun daspræſidium,die ſichere Burg/ feſte Hort
und Horn/ das Huͤlff- und Heil-Mittel/
ſo einem ar-
men auff den ewigen Tod verklagten/ uͤberweiſeten/ verdammten/
unter dem reat und Straff-Pflicht gefangenen Suͤnder zu ſtatt und rath
kommen ſoll/ ins gemein Gratia juſtifica,die gerechtmachende
Gnade/ die barmhertzige Gnade.
Dann da ſtehet der arme Gnad-2. Sam. 19,
32.

begierige Suͤnder nicht wie Barſillai vor David als ein getreuer unbe-
klagter Knecht oder Vnterthan fuͤr ſeinem gnaͤdigen Herren/ oder wie die
Engel fuͤr Gott; fondern als der gefallene Adam auff dem Pranger/ als
der Mundſchenck Pharaonis/ als eine elende erbaͤrmliche Perſon/ denGen. 14, 2.
hungert nach der Gerechtigkeit/ er ſehnet ſich nach Troſt/ er ſuchet AblaßTit. 3, 6.
und Vergebung ſeiner Suͤnden/ und glaubet auch nach Anweiſung
des Apoſtoliſchen Glaubens/ nicht nur daß ein Ablaß der Suͤn-
den
in der heiligen Chriſtlichen Kirch ſeye/ ſondern daß auch ihme in
particulari
ſolcher Ablaß gedeyen werde. Er glaubet nicht nur eine
Vergebung der Suͤnden/
welche der verzweifelte Franciſcus Spiera
auch geglaubt/ ja der Teufel glaubt es auch/ aber mit zittern/ als der keinen
Ablaß in Ewigkeit fuͤr ſich zu hoffen: ſondern es glaubt auch ein bußferri-
ger Menſch/ daß auch ſeine Suͤnde JHME/ JHME/ JHME
vergeben werde/ und fundirt ſolche ſeine glaubige Zuverſicht auff die Goͤtt-
liche Himmel- und Eyd-feſte Verheiſſungen/ deren das groſſe Troſt-Buch
die heilige Schrifft uͤberfluͤſſig voll iſt. Thut euer boͤſes Weſen von
meinen Augen ꝛc. Kehre wider der Abtruͤnnige Jſrael ꝛc. Wo
Eſa. 1, 16.
ſich der Gottloſe bekehret ꝛc. Bekehre dich Jſrael zu demIer. 3, 12.
HERRN deinem Gott/ nehmet dieſe Wort mit euch/ undEzech. 18,
21.

bekehret euch zum HErrn/ und ſprecht zu ihm: Vergib unsOſe. 14, 21
3. 5.

alle Suͤnde/ und thue uns wol/ ſo will ich ihr Abtretten wieder
heilen/ gern wih ich ſie lieben/ dann ſoll ſich mein Zorn von
ihnen wenden. Von Chriſto Jeſu zeugen alle Propheten/
Act. 10, 43.
daß in ſeinem Namen Vergebung der Sůnden empfahen
ſollen alle/ die an ihn glauben.


Vnd
[136]Die Eilffte

Vnd damit ein angefochten Hertz dieſe Wort ihme ſelbſt in indivi-
duo
deſto behertzter und getroſter appliciren moͤge/ hat der Herr nicht
nur die Sacramentlichen Sigell/ als medullam gratiarum, ſondern auch
dem miniſterio und Predig-Ampt als dem Ampt der Verſoͤhnung den
hochtroͤſtlichen Loͤſe-Schluͤſſel angehenckt/ auff daß ſo gewiß JCH und
kein anderer fuͤr mich getaufft: ſo gewiß JCH und kein anderer fuͤr mich
das geſegnete Brod/ welches iſt eine Gemeinſchafft des Leibes Chriſti/ den
geſegneten Kelch/ welches iſt die Gemeinſchafft des Blutes Chriſti genoſ-
ſen/ zu Vergebung der Suͤnden/ ſo gewiß JCH und kein anderer fuͤr
mich die abſolution angehoͤret und angenommen/ ſo unfehlbar gewiß ſeye
auch mir und keinẽ andern fuͤr mich/ uñ an meine ſtatt die Suͤndẽ erlaſſen.


Jſt alſo außgemacht/ daß ein ſolcher Ablaß der Suͤnden in der Chriſt-
lichen Kirchen zu hoffen/ was aber und wie dieſelbe Gnade geartet/
davon iſt noch ferners Bericht zu leiſten/ ſie iſt nemlich eine vollkomme-
ne Gnade/
ſo nicht nur uͤber alle Menſchen/ ſondern auch uͤber alle Suͤn-
den ſich außbreitet/ wie hoch/ wie lang/ wie tieff/ wie breit dieſe im̃er ſeyn moͤ-
Pſ. 103, 11.
12.
gen/ ſo iſt die Gnad noch hoͤher/ noch groͤſſer/ noch laͤnger/ noch tieffer/ noch
breiter/ So hoch der Him̃el ůber der Erden iſt/ läſt er ſeine Gna-
de walten/ uͤber die ſo ihn fuͤrchten/ ſo fern der Morgen iſt vom
Abend/ laͤſt Er unſer Vbertrettung von uns ſeyn.
Non quan-
titas criminis, nec brevitas temporis, nec horæ extremitas, nec vitæ

() ſerm. de
cœnâ.
enormitas, ſi vere pœnitentia adfuerit, excludit à veniâ, ſagt () Cypria-
nus,
weder die Groͤſſe und Schwere der Suͤnd/ noch die Kuͤrtze der Zeit/
die noch uͤbrig iſt im Leben/ noch auch die letzte Stunde des Lebens/ kan
einen Menſchen außſchlieſſen/ auſſer Gottes Gnaden-Schoß/ wann nur
die Reu und Buſſe rechtſchaffener Art iſt.


Rom, 5, 5.

Gratia effuſa,Eine auß- nicht eingegoſſene Gnade/ eine
uͤberſchwengliche Gnade (welches man von der eingegoſſenen Gnade
nicht ſagen kan) gratia ante-ſecularis,eine Gnade/ ſo geweſen iſt
2. Tim. 1. 9.vor der Zeit der Welt/ eine Gnade/ ſo dem Zorn Gottes entgegen ge-
Eph. 2, 3.ſetzet; nichts kan uͤberſchwenglich ſeyn/ was in gewiſſer Maß eingegoſſen/
nichts ewig/ was in der Zeit gegeben worden; Wie der Zorn Gottes nicht
iſt JN dem Menſchen affectivè, dem affect und der Natur nach/ ſondern
effectivè, der Wuͤrckung nach/ wann Gott der Herr uͤber einen
Menſchen erzuͤrnet/ ſo gieſſet Er keinen einwohnenden Zorn-affect JN
denſel-
[137]Predigt.
denſelben/ ſondern es ergeuſt ſich der Zorn uͤber denſelben; Alſo auch die
gerecht- und ſeligmachende Gnade iſt nicht eingegoſſen/ eingefloſſen/ ſon-
dern außgegoſſen. Eine lautere und unverdiente Gnade auff
ſeiten unſer/ ſonſt auff ſeiten Chriſti iſt ſie Chriſto ſauer genug worden zu
erwerben/ welches damit wirs wol verſtuͤnden/ hat der Apoſtel das δωρεὰν
hinzugeſetzet/ gantz umbſonſt ohn unſer mitwuͤrckenden Verdienſt/ bloß
umbſonſt/ aus lauter Guͤte und Liebe/ aus ſonderbarem Goͤttlichem affect,
den Gott gegen dem Menſchen traͤgt.

Tit, 3, 4.

Jnſonderheit/ ſo iſt dieſe Gnade eine vergeſſende Gnade
der vergangenen Schuld;
per πάρεσιν, durch die Vergebung.Rom. 3, 25.
Wann Gott gleich die Suͤnde/ offens und injuri, ſo ihme der Menſch zu-
gefuͤgt/ fuͤrkom̃t/ ſo laͤſt ers aus den Augen gehen/ per non imputationem,
er rechnets dem Suͤnder nicht zu/ gerade als wann es nie were geſchehen/Rom. 4, 8.
per ſubmerſionem, er verſenckt die Suͤnde in das unergruͤndliche Meer2. Cor. 5, 19.
ſeiner tieffſten Barmhertzigkeit/ wirfft ſie hinter ſich zuruͤck/ wie eine Wol-Mich. 7, 19.
cke und Nebel verſchwindet. Summa per omnimodam ἀμνηςείαν, durch
die gaͤntzliche Vergeſſung aller Suͤnden/ daß keiner Vbertretung mehr ſollEzech, 18,
22.

gedacht werden. Was Simei geſucht/ aber nicht vollkommen erlangt
bey David/ dann David verſpricht ihm zwar das Leben bey ſeiner Regie-2. Sam. 19,
19.

rung/ ſchencket ihm die privat-injuri, aber publicam vindictam, oͤffent-
liche Rach uͤberlaͤſſet er ſeinem weiſen Sohne; Laß ihn/ ſagt er zu Sa-1. Reg. 2, 9.
lomo/ nicht unſchuldig ſeyn/ daß er ſeine graue Haar mit Blut
hinunter zur Hoͤllen bringe.
Das ſucht und erlanget ein armer
bußfertiger Suͤnder bey Gott.


Eine ſolche Gnade/ dadurch auch die Straffen erlaſſenLuc. 1, 77.
werden/ ſo auff die Suͤnden folgen ſollen/ durch einen Durchſtrich derRom. 4, 7.
Handſchrifft aus dem Goͤttlichen Schuld-Buch/ durch HinwegnehmungCol. 1, 14.
der Schuld/ und Entledigung der Straff-Pflicht/ und hindert allhie nichtAct. 3, 19.
das nach der Straff noch folgende Creutz/ damit nach geſchehenem AblaßRom. 8, 1.
bußfertige Suͤnder noch beleget werden/ Calamitates ante remiſſionem
ſunt ſupplicia peccatorum, poſt remiſſionem verò ſunt certamina exer-
citationesq́; piorum,
ſchreibt () Auguſtinus: Creutz und Truͤbſal/ iſt zwar() l. de pec-
cat. mort.
\& remiſſ.
peccat. l, 2.
c. 83.
* in 1. Cor.

11.

eine Straffe Gottes bey denen die noch nicht mit Gott verſoͤhnet/ denen
aber die Ablaß erlanget/ iſts nichts anders dann eine Chriſtliche Vbung
der Gottesfurcht. Cum corripimur à Domino, ſagt Chryſoſtomus,
magis eſt admonitionis quàm damnationis; medicinæ quam ſupplicii,

Wann wir nach der Buſſe von dem Herren gezuͤchtiget werden/
Sechſter Theil. Sſo iſts
[138]Die Eilffte
ſo iſts uns vielmehr eine Anmahnung als verdamnuͤß/ vielmehr eine Artz-
ney als eine Zorn-Straffe. Tribulationes piorum ſunt amaræ ſagittæ
ex dulci DEI manu emiſtæ,
ſpricht Greg. Nazianz. Truͤbſal ſo die Glau-
bigen trifft/ iſt zwar ein ſcharffer bitterer Pfeil/ wird aber aus der ſuͤſſen Va-
Act. 12, 7. 8.
9. 10.
ters-Hand außgeſchoſſen. Wie der Engel als goͤttliche Raths-Bott Petro
erſchienen/ ihn auffgewecket/ darauff die Ketten von ſeiner Hand gefallen/
die euſſerſte Thuͤr ſich ſelbſt auffgethan; Alſo der Heilige Geiſt vergiebet
durch das miniſterium und Predig-Ampt als diener Gottes per ῥῦσιν,
und Errettung von der Obrigkeit der Finſternuͤß: ſo bald Petrus erwacht/
und die Thuͤr geoͤffnet wordẽ/ ſo nim̃t ihn der Engel bey der Hand/ und fuͤhrt
ihn heraus durch die erſte und ander Hut: er erlangt freyen Paß/ gehet da-
von; Alſo wird auch der arme Suͤnder quitt und loß. Man hats in Er-
fahrung bey Vnholden/ die ſich dem boͤſen Geiſt ergeben und mit Blut ver-
ſchreibẽ/ daß offtmal Obrigkeitliche Hafft und Krafft ſo viel nicht vermag/
daß nicht die Obrigkeit der Finſternuͤß maͤchtiger were/ der boͤſe Geiſt unter-
ſtehet ſich ſolche maleficanten aus der Hafft heraus zu fuͤhren/ aber ſo bald
die pœnitentz fuͤrgangen/ die abſolution geſprochen/ ſo trollet er ſich und
hat keine Macht mehr. Auff ſolche Weiß muͤſſen wir uns die Sache feſtig-
lich einbilden von der Quittantz und Ablaß der Suͤnden ins gemein.


Eine zudeckende Gnade/ ſo wol des Geſetzes/ dadurch das An-
geſicht Moſis gedecket/ daß er nicht fulminiren und blenden kan/ wie auch
die Tafeln des Geſetzes durch den Vorhang des Gnaden-Stuls. Vnſere
liebe alte Vorfahren haben diß geheimnuͤß mitten im blinden Papſtumb
gar artig eingebildet/ in unſerm Muͤnſter/ an dem Portal auff der Graͤt/
bey dem Vhrwerck/ da Sabina des Werckmeiſters Tochter mit ihrer eige-
nen Hand zwey Bilder boſſiert und außgehauen/ ſo gegen einander uͤber
ſtehen/ das eine/ ſo den Glauben bedeutet/ und in einer Hand einen Kelch
ſampt der Oſtien/ in der andern ein Creutz-Bild fuͤhret/ redet das ander an
und ſagt: Mit Chriſti Blut uͤberwind ich dich: das ander/ ſo das
Geſetz bedeutet/ verbunden uͤber den Augen/ in einer Hand die gebrochenen
Tafeln Moſis fuͤhrend/ ſagt: Daſſelbe Blut blendet mich. Als
der noch beywohnenden eingewurtzelten Erb-Suͤnden und Erb-Luſt ſo be-
Pſal. 32, 1.decket wird/ nach dem 32. Pſal. Der Mann wol ſelig iſt fuͤr Gott/dem
Rom. 4, 7.ſeine Suͤnde bedecket iſt/ wie aber? Vielleicht tectione abſorptivâ
durch eine verſchlingende Verdeckung/ wie etwan eine Klufft in
der Erden verdeckt wird/ wann man viel Grund hinein wirfft/ dieſelbe auß-
fuͤllet und alſo bedecket? Nein/ ſondern tectione 1. juridicâ,durch
eine
[139]Predigt.
eine gerichtliche Zudeckung;Gott bedecket unſere Suͤnde/ daß
er ſie nicht ſehen moͤge zur Straffe/ ſchreibt Auguſtinus uͤber den 32. Pſalm/
er bedecket dieſelbe/ daß ſie uns nicht ſchaden moͤge. 2. Medicà,durchSicut Alex,
M. percuſ.
ſo in fron-
te, Lyſima-
cho, fluen-
tẽ ſangui-
nem dia-
demate
ſuo, quod
ſibi è capi-
te detraxe-
rat, obliga-
vit \& re-
preſſit.

eine Artzney-Bedeckung/ als mit einem heilſamen Pflaſter/ da der
Artzt und Wund-Balbierer zuvor den Eiter und groͤbſten Wuſt wegnim-
met/ darnach die Wunde mit einem Pflaſter bedecket/ dadurch es dann
geſchicht/ daß zwar nicht alſobald in ſelbigen Augenblick/ ſondern all-
maͤhlig nach und nach die Wunde geheilet werde.


Eine vom Himmel verordnete und mitgetheilte Gnade/
da der himmliſche Vater aus unergruͤndlicher Liebe/ die Er gegen das
menſchliche Geſchlecht hat und traͤget/ dem armen verlohrnen Sohn aus
Gnaden wuͤrcklich vergibet/ ihn haͤlſet und kuͤſſet/ Er der groſſe creditor ihm
alle Schulden erlaͤſſet/ und ſagt durchs Wort in ſein Hertz: Sihe! alle
dieſe Schuld hab ich dir erlaſſen.
Wann der arme Suͤnder undMatt. 18, 32.
verlohrne Sohn kommet mit reuendem Hertzen/ ſo gehet alsdann das
diſputat in dem Hertzen Gottes an: Was ſoll ich aus dir machen?Oſe. 11, 8.
da ſtreitet Gerechtigkeit und Liebe mit einander/ endlich vergleichen ſie ſich
und kuͤſſen einander. Cheſed veemeth niphgaſchu, zedek va-Pſal. 85, 11.
ſchalom naſchaku, Ja die Barmhertzigkeit behaͤlt Vberhand und
ruͤhmet ſich wider das Gericht.

Iac. 2, 13.

Von dem loͤblichen und milden Kaiſer Auguſto ſchreibt () Seneca,
daß als ihm auff eine Zeit einer von ſeinen rebellen und meutmachern fuͤr-
kommen/ Namens Cinna, da hab er bey ſich ſelbſt in ſeinem Kaͤyſerlichen
Hertzen Rath gehalten/ was und wie er gegen demſelben zu verfahren/
Quid ergo, ego percuſſorem meum ſecurum ambulare patiar, Wie? ſoll
und kan ich dem das Leben ſchencken/ der mir nach Leib und Leben geſtan-
den? Sein Gemahl Livia redet ihm ein und ſagt: Handle mit ihm wie
ein Artzt/ vergib ihm/ er iſt ergriffen und bekennet ſich zur Vbelthat/ nocere
tibi non poteſt, poteſt prodeſſe famæ,
er kan dir nicht mehr ſchaden/ aber
er kan dir einen groſſen Namen machen/ daß iederman von der Kaͤyſer-
lichen Mildthaͤtigkeit und Barmhertzigkeit wird ſagen und ruͤhmen koͤn-
nen. Darauff der Kaͤyſer ſich zu ihm gewendet und geſagt: Vitam tibi


() lib. 1. de clem. c. 9. Jta \& Raniminus Rex Hiſp. conjuratoribus in ſe pe-
percit, dono, inquiens, vobis vitam experiarq́ue an vincam beneficentia, quos mi-
nis \& terroribus flectere non potui? Joh. Læt. p. 284. contra exempla Cæſaris
ἀχρή-
ςου ac implacabilis vide in hiſtoriâ Henrici VI. Imp.


S 2Cinna
[140]Die Eilffte

Cinna iterum do prius hoſti, nunc parricidæ, ex hodierno die inter nos
amicitia incipiet, Cinna
hiermit ſchenck ich dir als meinem Feind und
darzu Kaͤyſer-Moͤrder das Leben zum andern mal/ wiltu meine Gnade
annehmen/ ſo wollen wir ietzo und von ſtund an gute Freunde ſeyn.
Das thut auff gewiſſe Maß und Weiſe auch der liebe Gott/ und ſolchen
Proceß fuͤhret er mit einem armen Suͤnder in ſeiner Rechtfertigung:
Er vergibt/ laͤſſet ſich gutwillig verſoͤhnen und ſucht Freundſchafft mit
demſelben zu machen/ allein zu Ruhm und Ehr ſeiner groſſen unverdien-
ten Gnad und Barmhertzigkeit.


Chriſtus Jeſus feyret nicht bey dieſem Handel/ Er haͤlt der unend-
lichen Gerechtigkeit fuͤr ſein gehorſams Leiden/ und ſagt wuͤrcklich: Dieſer
Suͤnder hat zwar Hoͤll und Tod verwircket/ er ſolte im Zorn Gottes unter-
gehen/ er ſolte verzweifeln und verzagen; Aber ich habe fuͤr ihn gebuͤſſet/ ich
bin fuͤr ihn geſtanden/ ich habe gekaͤmpffet mit dem Tode/ daß der blutige
Schweiß mir außgegangen/ darumb miſſa eſto, er ſoll loß ſeyn! da kommt
der Heilige Geiſt/ leget Hand an/ bringet den Loͤſe-Schluͤſſel/ ſtellet ihn auff
freyen Fuß/ recht fertiget alſo den Menſchen/ ſpricht ihn aller Suͤnden loß/
und ſagt thaͤtlich/ ja auch muͤndlich zu ihm durch das Predig-Ampt: Dir
ſind deine Suͤnde vergeben! wie der Sonnen-Glantz die Wetter/ Wolcken
und Nebel diſſipirt/ ſo iſt auch die Suͤnde hinweg getrieben/ vertilget und
krafftloß gemacht/ und ſolche Gerechtigkeit verſigelt mit den Sacramenten/
das iſts/ das wir ſagen: Jch glaube eine einige Tauffe zur Ver-
gebung der Suͤnden/
dabey wir uns aber anietzo nicht laͤnger auffhal-
ten/ dieweil von der Tauffe/ wie auch vom Loͤſe-Schluͤſſel im vierten und
ſechſten Stuͤck ſoll gehandelt werden.


Gnug iſt fuͤr dieſes mal/ daß wir die theſin verſtehen/ das und was
diegratia juſtifica privativa,die gerechtmachende Straff-hin-
Gen. 3, 7.wegnehmende Gnade/ das iſt/ der Ablaß der Suͤnden ſeye? nem-
lich nicht medicina palliativa, eine heilloſe Chur eines Quackſalbers/ der
zwar die Wunde euſſerlichen verbindet/ aber die Wurtzel des Schadens
nicht hinweg nimmt: nicht ein Rock damit man den Grind euſſerlich
verdecket/ oder ein getuͤnchtes Grab/ wie Becanus, Coſterus und andere
von unſer Rechtfertigung laͤſtern. Was der Menſch deckt/ das iſt Heu-
cheley/ wie Adam und Eva Schuͤrtze macheten von Feigen-Blaͤttern/
ihre Scham und Schande zu bedecken; Was Gott deckt/ das iſt und
Becanus tom. 1. p. 365. Coſterus p. 228. contra Bellarminus agnoſcit me-
dici nam quæ vulnus regit \& ſimul curat l. de grat. primi hom. c.
6.’
()

heiſt
[141]Predigt.
heiſt juſtificatio, die rechte gruͤndliche vollbringende Gerechtmachung/ da
die vergangene Suͤnd verſchwindet/ die gegenwaͤrtige Erb-Suͤnd bedecket/
abgewendet/ folgends dero Straffe/ die Wunde allerdings ihr Regiment
verlieren/ und der Schade nach und nach durch taͤgliche mortification
und Toͤdtung des Fleiſches heil wuͤrd.


Vnd das iſt eigentlich das troͤſtliche Evangelium von dem Jubel-
Jahr Neues Teſtaments/ daß Chriſtus in die Welt gebracht/ damit man-
cher Suͤnder erquickt worden: Sey getroſt mein Sohn ꝛc. davon alleAct. 10, 43.
Propheten geprediget/ allen zerknirſchten geiſt-hungerigen und geiſt-durſti-
gen Suͤndern zu Troſt und Labſal/ daſſelbe hat er bald anfangs zu Naza-
reth ſeiner Heimat geprediget/ da er das Buch herumb warff/ fundeLuc. 4, 16.
\& ſeqq.

er den Ort/ da geſchrieben ſtehet: Der Geiſt des HERRN
iſt bey mir/ derhalben hat er mich geſalbet und geſand zu ver-
kuͤndigen das Evangelium den Armen/ zu heilen die zerſtoſſens
Hertzens ſind/ zu predigen den Gefangenen/ heute iſt dieſe
Verheiſſung erfuͤllet;
Wir ſprechen billich auch: Heute iſt dieſe
Schrifft erfuͤllet auch fuͤr euren Ohren/ wann ihrs wollet annehmen.
Welche froͤliche Botſchafft uͤber alle Zeitungen gehet/ die man mit groſſen
inniglichen Hertzens-Freuden anzunehmen/ alle vorerzehlte Verheiſſun-
gen Gott fuͤrzuhalten. Ein Soldat auff der Wahlſtatt/ wann er hoͤret/
Quartier! ich meyn/ er ſpitzet die Ohrẽ und richtet ſich wieder auff. Ein ma-
leficant,
der auff das Leben gefangen/ wann derſelbe von einiger Gnade hoͤ-
ret/ mit was Danck und Freuden nimmet ers an/ wie faſſet er alle Wort ſo
fleiſſig zu Ohren? Solte einer armen Seelen der die Gnaden-Zeit verſau-
met/ in der Hoͤllen diß Evangelium geprediget werden/ was unaußſprech-
liche Freude wuͤrde ſie empfinden? Solte den boͤſen Geiſtern dergleichen
wiederfahren/ ſie wuͤrden mit Freuden aller Marter vergeſſen/ die ſie ge-
litten haͤtten/ oder noch eine Zeit leiden muͤſten.


Als vorzeiten die gantze Juͤdiſche nation durch Hamans practicenEſth. 3, 13.
zum Tode verdammt geweſt/ was Noth/ was Jammer/ was heulen/ wasc. 4, 1. ſeqq.
Weheklagen/ Zetter-mordio, Ach und Weh war damal? Aber da ſiec. 8, 11. ſeq.
contrari-Lufft bekommen/ und die Evangelia/ die Laͤuffer aus Ahaſveric. 9, 18. ſeq.
Cantzley außgeflohen/ und eine allgemeine perdon und Ablaß der ange-
droheten Marter und Plagen außgeruffen worden/ ſo haben ſie ein ſonder
Feſt angeſtellet/ das Purim-Feſt Eſther/ da war Freude und Wonne und
Wolleben bey allen Juden; daſſelbe Feſt ſoll unſer taͤglich Feſt ſeyn.
S 3Wann
[142]Die Eilffte
Wann wir bedencken/ in was groſſer Noth wir geſtecket/ was die Kirche
klaget: Dem Teufel ich gefangen lag/ im Tod war ich verloh-
ren ꝛc.
Wie einem armen Suͤnder zumuthe/ der auff Leib und Leben ge-
fangen/ der auff der Schwaͤtz-Schul geweſt/ uͤber den der Stab gebrochen/
die traurige Botſchafft kommen/ er werde vom Leben zum Tode gerichtet
werden/ was fuͤr Schauder ihn ankomm/ wie er erſchreck fuͤr dem Anblick
des unumbgaͤnglichen Todes/ da iſt wenig Schlaff/ ſchroͤckliche Traͤume/
traurige imaginationes und Einbildungen; ſchroͤcklicher/ wann der
Iud. 16, 25.Thurnhuͤter oder Hencker ein Tyrann iſt/ und nach der Schaͤrffe alles exe-
qui
ret/ ja wann er noch ſeiner ſpottet/ wie die Philiſter des Simſons.
So/ ſagt die Kirche/ ſey es ihr ergangen/ wann ſie zuruͤck auff den vorigen
Suͤnden-Stand/ und neben ſich gedencket auff die viel nationen und
Voͤlcker/ ſo ſolcher Pein und Fluch noch unterworffen; Aber da ſie ſich
erinnert dieſes Evangelii von der gerechtmachenden Gnade/ ſo wird
ihr Heulen ploͤtzlich in ein Freuden- und Feſt-Lied verwandelt/ Nun
freuet euch lieben Chriſten gemein ꝛc.


Dieſes Evangelium muͤſſen wir nun entgegen ſetzen erſtlich Cacan-
gelio () Novatiano,
dem altenNovatianiſchen Schwarm/
der den jenigen/ ſo nach der Tauffe in ſchweren Suͤnden-Laſt/ ſonderlich in
die apoſtaſi und Abfall vom Chriſtenthumb ins Heydenthum̃ gerathen/ der
Ablaß der Suͤnden/ ſo in der Kirchen vermittelſt des Loͤſe-Schluͤſſels ge-
* Sozom.
l. 1. c.
21.
ſchicht/ gaͤntzlich abgeſtrickt. * Conſtantinus M. der Chriſt-loͤbliche Kaͤyſer
hat einen von ſolchen Schwaͤrmern/ Aceſius genant/ artig beſchlagen/ da er
deſſelben Meynung von dieſem Articul angehoͤrt und vernommen/ ſagt er
zu ihm: Aceſi, hat es die Meynung/ ſo mache dir eine Leiter biß an Him-
mel hinauff/ und ſteig und kletter allein hinauff! als wolt er ſprechen/ auff
dieſe Weiſe wirſtu allein in Himmel kommen/ niemand wird dir folgen
koͤnnen.


‘() à Novat. quem Cyprianus ep. 1. ad Cornel. nominat Miſericordiæ hoſtem
\& interfectorem pœnitentiæ.
()

2. Cacangelio papæo,dem Päpſtiſchen Zweifel-Strick/
(*) Can. 13.den die geiſtloſen Seiler im (*) Concilio zu Trident zuſammen geflickt/ und
alſo lautet: Wer da ſagt/ daß dem Menſchen zur Erlangung der
Vergebung der
Suͤnden/ von nöthen ſey/ daß er gewiß und
ohn allen Zweifel glaube/ ihm ſeyen die
Suͤnde vergeben/ der
ſoll verflucht ſeyn.
Bey dieſem Jrrthumb bleibt es nicht/ ſondern
es hangen
[143]Predigt.
es hangen an demſelben noch andere. Sonderlich der jenige/ der uns
das HJE will hinweg nehmen/ durch das leidige/ troſtloſe und ertichtete
() Feg-Feuer/ davon in der antitheſi zu ſeiner Zeit mit mehrerm. Es wird
ferner den blinden Leuten eingebildet/ es werde durch die eingegoſſene Gna-() vide ho-
domor.
pap. Phan-
taſm. 12. p.

967.

de (von welcher zu ſeiner Zeit in der antitheſi mit mehrerm) als durch ein
Liecht alle Suͤnden-Finſternuͤß vertrieben/ auch die Erb-Suͤnde/ ſo fern
ſie Suͤnde iſt/ ob gleich der unſuͤndliche fomes conſcientiæ, Gewiſſens-
Zundel noch bleibet/ gantz außgetilget. Wer hilfft aber der vergangenen
Suͤnden-Schuld/ die zwar fuͤruͤber und begangen worden/ aber doch in
Gottes Schuld-Buch auffgeſchrieben ſtehet? davon weiß das Papſtumb
nichts/ von keinem Huͤlffs-Mittel/ da iſt altum ſilentium, lauter ſtill-
ſchweigen davon bey ihnen; Zu viel/ in dem wider die Glaubens-Regul
geglaubet wird/ als wuͤrde die Suͤnde alsbald in der erſten juſtification
und Gerechtfertigung gaͤntzlich getilget/ nicht nur daß ſie uns nichts mehr
ſchade/ ſondern auch daß ſie gar nicht mehr ſeye. Das lauffet neben GottesRom. 7, 14.
15.

Wort auch wider die experientz. Es ſpuͤret ja und erfahret auch der heiligſte
Apoſtel Paulus/ daß auch nach ſeiner Wiedergeburt und erlangten Gerech-
tigkeit des Glaubens/ dennoch er unter die Suͤnde verkauffet/ thue was er
nicht wolle/ und laſſe was er nicht ſolle. Ein Dieb wird manchmal vom
Strang erloͤſet/ aber die Diebs-Art bleibet/ er laſt das Maufen nicht; Alſo
iſts auch mit dem Menſchen ins gemein beſchaffen/ die ſuͤndliche Art
bleibet biß in Tod/ wird hie nicht allerdings außgewetzet/ wiewol durch
Krafft des Heiligen Geiſtes nach und nach geſchwaͤchet werden muß. Es
laufft die widrige Lehr wider das taͤgliche Gebet aller Heiligen/ die alle zu-
ſammen ſchreyen und ſagen: Dimitte nobis,Ach Vater/ vergibMatt. 6, 12.
uns unſere Schuld! wider den Rath Gottes/ der uns Feinde hinter-
laſſen zum Kampff/ zu einer ſtaͤten Tilgung der Suͤnde biß an die letzte
ἀπολύτρωσιν, an die letzte Auffloͤſung den Tod/ da das ſterbliche und con-Hebr. 3, 18.
ſequenter auch das ſuͤndliche wird abſorbirt und verſchlungen.

1. Cor. 15,
54.

3. Cacangelio Calviniano,dem Jrrthumb des Zwing-
liſchen Jrr-Geiſtes/
der wie alles anders/ alſo auch dieſen Articul in
die Enge der particularitaͤt einziehet/ wie anderswo aus ihren Schrifften() vide ho-
domor.
Calvin.
Phant. 10.
p.
3067.

erwieſen wordẽ. Geben ſie in ihren auditoriis ein anders und widriges fuͤr/
ſo predigen ſie auff Frantzoͤſiſche Art/ ſie ſchreiben anders und reden anders.


4. Cacangelio Cainico,dem falſchen Cainiſchen Wahn/
alſo lautend/ Meine Suͤnde iſt grõſſer/ dann daß ſie mir kan ver-
geben werden!
(anders als Piſcator gedolmetſchet [...]Gen. 4, 13.
Meine
[144]Die Eilffte
Meine Straffe iſt gröſſer dann daß ich ſie ertragen koͤnne/
Luther.
Comm. h.
l. p. 67. f.
2.
welche Dolmetſchung Cain zu einen Maͤrtyrer machet/ wie Lutherus wol
erwieſen) deme aber widerſpricht unſer Apoſtoliſcher Glaube/
wann er ſagt: Jch glaube Vergebung der Suͤnden. Vnd ob
gleich das Hertz nicht allzeit verzweifelt wie Cain/ ſo zappelt es doch in
ſchweren Anfechtungen/ und ſtehet im Kampff/ kan mitten in der Hoͤllen-
Angſt nicht uͤber ſich ſehen und greiffen nach dieſem Glaubens-Articul/
die Suͤnde ſtehet dazwiſchen wie eine Maur/ es ſpricht die Vernunfft mit
Iud. 6, 13.Gideon: Jſt GOTT gnaͤdig/ warumb geſchicht mir ſolches?
Antwort: Was Gott vergeſſen/ das vergiß du auch/ grab die getoͤdtete
Suͤnde nicht wieder herfuͤr/ mach Gott nicht zum Luͤgner; man darff
Pſal. 25, 7.ſich zwar wol derſelben erinnern/ nach dem Exempel Davids und Pauli/
Devt. 9, 7.bevorab wann die cicatrices und maculæ, die Wundmahl noch fuͤrhan-
1. Corinth.
15, 9.
den: Petrus ſoll/ wie Lyranus erzehlet/ alle Nacht ſo offt er den Hahn hoͤren
kraͤhen/ auffgeſtanden und mit bittern Zaͤhren ſeines Falles ſich erinnert
2. Cor. 12. 7.haben: St. Paulus muß des Sathans Faͤuſtſchlagen noch empfinden:
Lutherum hat ſein Gewiſſen offt remordirt/ widergebiſſen und geſchmertzt/
wann er ſich des Greuels der Abgoͤtterey/ den er im Papſtumb veruͤbet/
() in Ge-
neſ. 37. fol.

311.
erinnert/ das ſchwartze boͤſe Huͤndlein/ () ſchreibt er/ der Reulin heiſſet/ waͤ-
ret dein Lebtag und hoͤret nicht auff/ wann auch ſchon die Suͤnde vergeben
iſt/ aber zur Demuth/ Gedult und Wachſam- oder Fuͤrſichtigkeit/ nicht zur
Verzweifelung: aus der memoria muß man kein pabulum infidelitatis
machen/ ſondern vielmehr dieſelbe gebrauchen zu einer Anmahnung zur
Danckbarkeit.


5. Cacangelio paralogiſtico,Der falſchen Folgerey
Rom. 6, 1.
2. 3. 12.
und boͤſen Mißbrauch; Was wollen wir hierzu ſagen? ſollen
wir dann in der
Suͤnde beharren/ auff daß die Gnade deſto
mächtiger werde? Das ſey ferne! wie ſolten wir in
Suͤnden
wollen leben/ der wir abgeſtorben ſind;
Vielmehr das widrige!
So laſſet nun die Sůnde nicht herrſchen in eurem ſterblichen
Leibe/ Gehorſam zu leiſten in ihren Luͤſten.
Das wer ſo abſurd,
als wann ein Chriſt einen Tuͤrckiſchen Sclaven gefangen heimbraͤcht/ und
er wolte ihn zum Junckern/ ſich zum Sclaven machen/ daß iſt den Sclaven
zum Herrn/ die Magd zur Frau machen/ und ihm ſelbſt eine Ruthe auff den
Ruͤcken binden. Das ſey ferne von einem geiſtlichen Heldenmuth/ vielmehr
alſo: Jſt die Suͤnde vergeben/ ſo laſſet uns danckbar ſeyn/ ſo laſſet uns
Chriſto
[145]Predigt.
Chriſto dienen/ dem Naͤchſten verzeihen/ der Friede Chriſti ſoll den SiegMatt. 18, 35.
und Preiß gewinnen/ das Hertz ringet gleichſam zwiſchen der Beleidigung
und Gedult/ Gedult und Sanfftmuth ſoll den Siegs-Lohn/ den Siegs-
Ruhm darvon tragen; So ſoll hinfuͤro die Suͤnde nicht herrſchen/ zumRom. 6, 1[.]
Schemel der Fuͤſſe ſoll ſie ligen/ biß Chriſtus das letzte conſum matum eſt
ſprechen/ und die Suͤnde verſchlingen wird in den Sieg/ und ſeine Gemei-
ne gantz vollkommen/ heilig und unſtraͤfflich darſtellen/ daß allerdings keinEph. 5, 27.
Flecken/ Runtzel oder des etwas mehr wird uͤberbleiben/ da wir das groſſeApoc. 19, 7.
Confitemini anſtimmen werden Pſ. 107. und ſingen aus dem 124. Pſal.8. Confer
Thomam
Aquin.
part. 3. q. 8.
art. 3. reſp.
ad
2.

Gott Lob und Danck Strick iſt entzwey/ wie ein Vogel des
Stricks kommt ab/ iſt unſer Seel entgangen/ und wir ſind
frey/
Lob/ Preiß/ Ehr und Ruhm ſey Gott dafuͤr in alle Ewigkeit/ Amen.



Die Zwoͤlffte Predigt/


Vber den dritten Articul/
Von dem andern Theil der gerechtmachenden
Gnade Gottes/ die da heiſſet
Poſitiva \& imputativa,die ge-
rechtgebende und zugerechnete Gnade/ dadurch der arme
Suͤnder gerecht gemacht wird.


GEliebte in Chriſto: Es ſtellet St. Paulus in der zwar
kleinen aber ſehr Lehr-reichen und wichtigen Epiſtel an
denPhilemonem einem edlen und nahrhafften Bur-
ger zu Coloſſen nach Ermeſſung D. Lutheri in der Vor-
rede daſelbſt/ ein ſchoͤnes Bild der Rechtfertigung
eines armen Suͤnders fuͤr GOTT vor/
und daſſelbe in drey
unterſchiedlichen Perſonen.I.Jn der Perſon desOneſimi,
dem Namen nach nuͤtzlich/ aber re ἀχρηςου, in der That eines unnuͤtzen
Knecht v. 11. der ſeinem Herren zu Schaden gethan v. 18. und wie Hiero-
nymus
dafuͤr haͤlt/ demſelben abgetragen/ auch hinter der Thuͤr Vrlaub
genommen/ von Coloſſen nach Rom kommen/ und da St. Paulum in der
Hafft und Banden angetroffen/ aber gleichwol hernach ſorte divinâ,
durch ein ſonderbar Goͤttliches Gluͤck und Gnaden-Geſchick ἔυχρηςος,
Sechſter Theil. TOneſi-
[146]Die Zwölffte
Oneſimus, ein rechter nutzer Knecht worden/ nach dem er von St. Paulo in
ſeinen Banden gezeuget/ und wiederumb zuruͤck geſand: da er nutz worden
nicht nur feinem Herren/ ſondern auch der gantzen Chriſtlichen Kirch/
Ignatius
in ep. ad
Eph.
ſintemal er hernach Biſchoff worden zu Epheſo/ Timotheo ſuccedirt/ von
Ignatio mit herrlichen elogiis orniret und gezieret/ gar die Maͤrterer-Kron
erlangt zu Rom unter dem Kaͤyſer Trajano. Quis ille Oneſimus
ἄχρηςος ἔυχρηςος? Wer iſt dieſer unnůtze Knecht/ dieſe unnuͤtze
Luc. 17, 10.Magd? Der Menſch nach dem Fall/ welcher wann er gleich alles
thut/ ſo iſt er doch imnuͤtz; Ach wie vielunnuͤtzer/ untauglicher iſt er/ in
dem er nicht nur omiſſivè nicht thut/ ſondern noch commiſſivè ſeinen
Matth. 18,
32. 33.
himmliſchen Vater beſtihlet/ wie dort jener Schalcks-Knecht Matth. 18.
Aber durch die Gerechtfertigung und Heiligung ἔυχρηςος, ein nuͤtzer an-
c. 25, 21.genehmer Knecht/ da heiſſet es: Komm her du getreuer Knecht.


II.Jn der Perſon ſeines HerrenPhilemons, ein holdſeli-
ger Nam/ ein hold feliger Mann/ das iſt/ liebreich/ liebthaͤtig/ freundlich/ in
Wercken der Liebe/ durch welche er die Hertzen der Heiligen/ ihre viſcera er-
quicket v. 7. freundlich in der Verſoͤhnligkeit. Ohne Zweifel wird es demſel-
ben anfangs wehe gethan haben/ da ihm ſein leibeigener Knecht entlauf-
fen/ abgetragen/ er wird erzuͤrnet ſeyn/ Boten nachgeſchicket/ und da er ihn
bekommen haͤtte/ nach Roͤmiſchem Recht/ wie er verwircket/ abgeſtrafft ha-
ben: Aber er erzeigt ſich gantz gelinde und verſoͤhnlich/ laͤſſet ſich durch die
ſponſion, interceſſion und Buͤrgſchafft St. Pauli bewegen/ daß er One-
ſimo,
nach dem er ſich gedemuͤthiget/ alles erlaſſen/ denſelben zu Gnaden
auffgenom̃en. Quis hic Philemon?Wer iſt dieſer verſöhnliche
Freund? GOTT der
φιλάνϑρωπος und Liebhaber des menſch-
lichen Geſchlechts/
der uns unſere Hertzen erquicket leiblich und geiſt-
lich/ und nach dem der Menſch gefallen/ ſich verſoͤhnlich erzeigt und erboten/
Ezech. 18,
23. 32.
Er begehre nicht den Tod des Suͤnders.


III.Jn der Perſon St. Pauli/ als der ſich geeuſſert
ſeines Rechten/
damit er erhalten/ daß Philemon auch ſich
ſeines Rechten verzeihen muß; der gleichſam Buͤrge wor-
den/
und muthet dem Philemoni zu/ er ſoll die Schuld ſeines Knechtes
ihme dem Apoſtel zurechnen/ ſtellet ſich nicht anders/ als er ſey ſelbſt Oneſi-
mus,
der ſich verfuͤndiget/ als der ander Oneſimus,ſo er dir/ ſchreibet er
an Philemon/ was Schaden gethan/ oder ſchuldig iſt/ das rechne
mir zu. Jch Paulus habe es geſchrieben mit meiner eigenen

Hand/
[147]Predigt.
Hand/ (hier haſtu die Handſchrifft) ἔγὼ ἀποτίσω, Jch will bezahlen
v. 18. 19. Als eine Mittels-Perſon und Vorbitter; Ach/ ſagt er:
Du wolleſt ihn als mein eigen Hertz annehmenv. 12. als mei-
nen Sohn/ den ich gezeuget
v. 10. als meinen lieben Bruder
und nicht mehr Knecht
v. 16. Jch habs aus Zuverſicht geſchrie-
ben/ ich weiß/ du wirſt mehr thun/ als ich ſage
v. 21. als der
dem
Oneſimoalle ſeineprivilegiaund Rechte zuſchreibet;
So du mich halteſt fuͤr deinen Geſellen
κοινωνὸν, ſo wolleſtu ihn
als mich ſelbſt annehmen
v. 17. (anders nicht/ als wann ich One-
ſimus
wer und jener Paulus; Sihe/ ich ſchenck ihm mein Recht an meine
ſtatt/ du wolleſt ihn meiner genieſſen laſſen.) Darauff uͤberwindet er Phi-
lemoni
ſein Hertz und erhaͤlt die Sach.


Wer iſt dieſer Paulus und Friedmacher in dem Wercke
des Heils/ der Gerechtfertigung?
Wir duͤrffen nur Pauli Namen
weg thun/ ſo kan alles auff Chriſtum den Apoſtel aller Apoſtel appliciret
werden/ der ſich enteuſſert ſeines Vaters Schoß/ der alle unſere Vngerech-2. Cor. 5, 21.
tigkeit ihme ſelbſt imputirt und zugerechnet/ ἐγὼ ἀποτίσω, Hie bin ich/Pſ. 40, 8.
ſagt Er/ ich bezahle/ was ich nicht geraubet habe/ Er iſt der Advo[-]Pſ. 69, 5.
cat, der dem himmliſchen Vater das Hertz uͤberwindet: Ach/ ſagt Er von
einem iedwederm Oneſimo und bußfertigen Suͤnder/ du wolteſt ihn als
mein eigen Hertz annehmen! Jch weiß/ du wirſt mehr thun/
als ich ſage/
und den Knecht zu einem Sohn dir anwuͤnſchen/ an Kind-
ſchafft auffnehmen. Vnd dann ſonderlich iſt er der jenige/ der uns alle ſeine
jura acquiſita, ſeine erworbene Rechte und Gerechtigkeit imputirt; davon
dißmal/ nemlich de gratiâ juſtificâ poſitivâ,von der gebenden
gerechtmachenden Gnade der zugerechneten Gerechtigkeit
Chriſti/ ſo auff die Vergebung der Suͤnden folget/ und das
andere Stuͤck unſerer Gerechtfertigung begreifft/
zu handeln/
wolle uns der groſſe φιλάνϑρωπος, der grundguͤtige Gott hierzu des
Heiligen Geiſtes Krafft und Schein verleihen/ daß wir dieſelbe recht ler-
nen erkennen/ ergreiffen/ appliciren/ und endlich durch dieſelbe ewig gerecht
und ſelig werden moͤgen/ umb Jeſu Chriſti
willen/ Amen.


T 2So
[148]Die Zwölffte

SO iſt nun gratia poſitiva,die gebende Gnade in dem
Bezirck unſerer Gerechtfertigung
mit einem Worte:
Juſtitiæ Chriſti imputatio,Die Zurechnung der Ge-
rechtigkeit Chriſti;
da dann die Wort recht zu verſtehen/ was hier
juſtitia,Gerechtigkeit Chriſti heiſſe/ und was da heiſſe imputatio,
die Zurechnung?juſtitia heiſſet allhier nicht die weſentliche Ge-
rechtigkeit Chriſti/
welche Er mit Vater und dem Heiligen Geiſt ge-
mein hat/ dann die iſt nicht Chriſti allein und eigen/ ſie iſt nicht communi-
cabilis ad extra,
ſie kan uns Menſchen nicht gemein gemacht werden/ ſie iſt
ein verzehrend Feuer/ ſie verdammet vielmehr/ als daß ſie gerecht machen
ſolte. So wenig die Jſraeliten fuͤr dem Berge Sinai ſtehen und hinzu
Exod. 19,
21. 22.
brechen kunten/ daß ſie der Herr nicht zuſchmetterte/ ſo wenig ein Suͤn-
der fuͤr Gottes weſentlicher Gerechtigkeit beſtehen mag; Sondern die
Gerechtigkeit Jeſu Chriſti/
die allhier in dieſem Articul zu verſtehen/
iſt activa,eine wůrckende Gerechtigkeit/ die da gerecht macht/ iſt
vide Luth,
tom. 1, fol.

42.
diejuſtitia Evangelica,die Evangeliſche Gerechtigkeit/ allein
in dem Evangelio geoffenbaret/ die Gerechtigkeit des Glaubens/
ſo allein durch den Glauben zu ergreiffen; die fuͤr GOTT geltende
Gerechtigkeit/
dieweil ſie iſt dem Verdienſt nach die allervollkommenſte;
dem valor, Gewichte und Werth nach/ die allerwichtigſte und edelſte; dem
Stande nach im Goͤttlichen Halß-Gerichte die allerguͤltigſte/ nemlich
der gantze ſo wol wuͤrckende als leidende Gehorſam Chriſti/
alle ſein Thun/ Muͤhe/ Arbeit/ Lauffen/ Rennen/ Leiden/ Blutvergieſſen/
Creutz/ Tod/ Begraͤbnuͤß/ ꝛc.


Summa/ die gantzepaſſionund das gantze heilige Leben
Chriſti/
welches zwar laͤngſt und fuͤr ſechszehen hundert Jahren con-
ſumm
irt und vollbracht/ aber ſo offt ein reuender Suͤnder kommet/ und
mit wahrem Glauben an den Gnaden-Thron appellirt/ ſo werden ſie im
Gedaͤchtnuͤß Gottes erfriſchet und neu/ und werden dem Menſchen zuge-
rechnet/ faſt auff die Art und Weiſe/ wie David den Mephiboſeth der Treu
ſeines Vaters Jonathæ entgelten laſſen/ ſeine treue Dienſte ſind neu wor-
2. Sam. 9, 6.
ſeqq.
den. Mephiboſeth lahm an Fuͤſſen/ war ein toder Hund; Was bin ich/
ſaget er zu David: dein Knecht/ daß du dich wendeſt zu einem
toden Hunde/ wie ich bin?
David that Barmhertzigkeit an ihm
umb
[149]Predigt.
umb Jonathan willen/ daß er taͤglich aß das Brod an des Koͤnigs Tiſch/
worauff er auch den confiſcirten Acker Sauls wieder beſ eſſen.


Folget II. λογισμὸς, im putatio,das Zurechnen; Jederman
verſtehet leichtlich/ woher dieſes Wort entlehnet und genommen/ nemlich
aus der Schreib-Stube der Kauffleute/ der Schaffner/ der Rentmeiſter/
da man Schulden bezahlet und machet/ Geld außleihet und wiederbrin-
get/ da geſchiehet dann/ daß wann man rechnet mit Rechen-Pfenningen/
ſo ſagt man/ dieſes iſt hundert Guͤlden/ dieſer Zahl-Pfenning thut tauſend/
nicht in ſich ſelbſt/ ſondern es wird ihm einem Rechen-Pfenning ein Du-
cat/ oder Portugaleſer zugerechnet/ anders nicht/ als wann er ſo viel thaͤte/
λογισμῷ humano, nach menſchlicher Rechnung. Alſo iſt ein ieder Menſch
der verlohrne Groſchen/ keinnuͤtz von Natur und unguͤltig/ es wird ihm aberLuc. 15, 8.
aus frembder Huld eine vollkommene Guͤlte und Werth zugerechnet.
Oder wann ein Schuldener fuͤr ſeinen creditorem kommet und bringet
einen Buͤrgen mit ſich/ der bahr außzahlet/ ſo ſihet und nimmet der credi-
tor
oder Glaubiger den debitorem und Schuldener anders nicht an/ als
haͤtte er ſelbſt bezahlet/ und ſagt: Dieſe Bezahlung ſeye nun dir zugeſchrie-
ben und zugerechnet; Alſo verhaͤlt ſichs auch in dieſem Geheimnuͤß; der
nichts-geltende/ nichts-werthe Menſch/ ein toder Hund wird fuͤr gerecht
erkennet/ des Buͤrgen Zahlung wird fuͤr ſeine Zahlung angenommen/ und
ihm angerechnet/ und daſſelbe 1. Λογισμῷ ſerio \& reali,durch eine
warhaffte/ ernſte/ thätige/ nicht erdichtete/ eingebildete Rech-
nung;
Hier iſt kein fictio juris, keine Erdichtung oder Einbildung des
Rechten ohne fundament, wie irgend auſſer der Schreib-Stube der Re-
chenmeiſter mit ſeinem ſcholar rechnet/ oder wie ein verdorbener Jud im
Sinne rechnet. Ach nein! das ſey ferne! ſonder ſo gewiß und warhaff-
tig Chriſtus vor Gott fuͤr uns zur Suͤnden gemacht/ (Gott hat den/2. Cor. 5, 21.
der von keiner Suͤnde gewuſt/ unter die Vbelthaͤter gerechnet.)Marc. 15,
28.

zum Fluch worden/ das war kein Spiegelfechten/ Er hats gefuͤhlet undGal. 3, 13.
empfunden/ und wehe uns/ wann das nicht were! ſo gewiß iſt Er fuͤr uns
worden die Gerechtigkeit/ ſo gewiß wird ſie uns zugerechnet.


2. Λογισμῷ gratioſo non debitorio,durch eine Gna-
den-Rechnung/ nicht aus Verdienſt;
St. Paulus zeiget einenRom. 4, 4,
v. Luth. de
juſtificati-
one gratiæ
in valle Io-
ſaphat in
Ioel. p.
392.
3 94. 399.

nothwendigen und mercklichen Vnterſcheid an inter im putationem ex
gratiâ \& ex debito,
unter dem Gnaden-Lohn und Pflicht-Lohn/ dem der
mit Wercken umbgehet; wer zum Exempel ſeine Schuld ſelbſt bezahlet
aus ſeinem Beutel/ dem wird ſie billich aus Schuld und Pflicht zugerech-
T 3net/
[150]Die Zwőlffte
net/ er mag die Quittung fordern von rechtswegen/ aber wer und wo iſt ein
ſolcher Bezahler iemal in der Welt geweſen? Wer aber eine ranzion zu
legen hat/ kan ſie ſelbſt nicht bezahlen/ bringet aber einen Buͤrgen/ dem ge-
ſchichts aus Gnaden/ daß der creditor und Glaubige eine ſolche gebuͤrgte
ranzion annimt. Es begehret irgend ein Ambaſſador oder Geſandte an
der Otomanniſchen und Tuͤrckiſchen Port etliche arme Chriſten-Sclaven
außzuloͤſen/ da ſtehet es noch bey dem Groß-Tuͤrcken/ oder einem Herrn
der einen ſolchen Sclaven erkaufft gehabt/ ob er ſo gethane ranzion wolle
annehmen oder nicht? thut ers/ ſo iſts ein Gnaden-Werck. Eine ſolche
Rechnung/ eine ſolche Zurechnung iſt hie auch. Ob gleich Chriſtus ranzio-
nirt
mit ſeinem Blut und Tode/ ſo geſchicht doch auff ſeiten Gottes ſolche
Annehmung aus Gnaden. 3. Λογισμῷ ſatisfactorio,durch Ge-
nugthuuns-Rechnung/
dann ſo erforderts Gottes ſtrenge Gerechtig-
keit/ einen gnugſamen Abtrag/ εἰς ἔνδειξιν τῆς δικ [...]ωσ [...]ης, zu Bezeugung
Rom. 3, 4.der Gerechtigkeit. Dann Gott macht keinen Gottloſen gerecht/ ohne Be-
Prov. 17, 15.zahlung und Außlegung eines allguͤltigen Buͤrgen.


4. Λογισμῷ juſto,durch warhafftige und gerechte Zurech-
Marc. 15,
28.
nung; Chriſtus iſt fuͤr der Welt unter die Vbelthaͤter gerechnet/ aber
iniquè, unbillicher Weiſe/ vor Gott aber juſtiſſimè, auff das allerrechteſte
und warhafftigſte. Gottes Gerechtigkeit hat den Sohn Gottes auff dem
paſſions-theatro angeſehen/ nicht nur als eine fuͤr ſich ſelbſt allerheiligſte
Perſon/ ſondern auch als einen Buͤrgen und Buͤſſer/ der ihme ſelbſt frey-
willig alle menſchliche Schulden-Laſt auff ſich geladen/ und als der groͤſte
maleficant und Vbelthaͤter da geſtanden/ und in ſolchem reſpect auch
ohne ſchonen umb unſert willen geſtrafft/ gemartert und gepeiniget
worden.


5. Λογισμῷ formali \& appropriato ad nos terminato,
durch eine zugeeignete und auff uns gerichtete Zurechnung/
Eſa. 61, 10.ſo genau als einem ein Kleid am Leibe ligt/ dann das iſt das Kleid des
Rom. 13,
14.
Heils/ und der Rock der Gerechtigkeit/ Chriſti Leben/ Vnſchuld/ Heilig-
Gal. 3, 27.keit ꝛc. iſt mein durch den Glauben/ der ſolchen angebotenen Schatz er-
greifft/ anders nicht/ als haͤtte ich Gott uͤber alles geliebet/ mich nichts
boͤſes geluͤſten laſſen/ durch den Glauben bin ich der Allerheiligſte/ weil ich
die allerheiligſte Gerechtigkeit Chriſti Jeſu angezogen/ anders nicht als
haͤtte ich ſelbſt gebuͤſſet/ So einer ſtirbet/ ſo ſind ſie alle geſtorben/
2. Cor. 5.
14.
ſpricht St. Paulus.


Daraus folget/ daß die Gerechtigkeit oder Gerechtfertigung
nicht
[151]Predigt.
nicht dem Menſchen eingegoſſen. Dann dergleichen Guß oder Einguß/
davon vorzeiten den muͤſſigen Moͤnchen im Papſtumb getraͤumet/ den ſie
aus Vnwiſſenheit der Sprachen/ in die Kirch Gottes außgegoſſen/ leidet
weder der ſtylus, die Art zu reden von derjuſtificationder Recht-
fertigung des Suͤnders für Gott/
welche niemal anders als in dem
Bild eines politiſchen Standrecht oder Blutgericht nach allen Vmbſtaͤn-
den befchrieben/ es wird gedacht des Richters/ des peinlichen Halßgerichts
Ordnung/ welche iſt das Geſetz/ des Klaͤgers Moſis/ der Zeugen des Ge-
wiſſens/ des verklagten maleficanten und ſeines Fuͤrſprechs; noch auch
leidet gemeldten Einguß der Gegenſatz der Verdamnuͤß (wo Verdam-
nuͤß iſt/ da hat die Eingieſſung oder Einpflantzung der Verdamnuͤß keinenRom. 8, 4.
Platz) ſondern eine gerichtliche Erklaͤrung/ durch welche man einen gerecht
ſpricht: da dann der Heilige Geiſt als das fac totum 1. illuminiret und
dieſen Schatz offenbaret durch das Evangelium. 2. appliciret durch den
Loͤſe-Schluͤſſel/ und durch die Heiligen Sacramenta obſigniret und ver-
ſiegelt die Gerechtigkeit/ und iſt demnach die Gerechtfertigung eines
armen Suͤnders vor Gott/ eine ſolche gerichtliche Handlung/
da der Beklagte/ in ſeinem eigenen Hertzen ůberwieſene und
verdamte arme Suͤnder/ von dem Richter aller Welt/ umb und
von wegen ſeines Bůrgen Chriſti Jeſu/ und deſſelben allgil-
tigen
ranzionundimputationoder Zueignung oder Zurech-
nung/ ſeiner des Bůrgen theuer-erworbenen Gerechtigkeit

abſolvirt/ quitt/ frey und loß geſprochen/ und fuͤr gerecht und
heilig erkennet worden.


Daß aber dem alſo/ und daß erſterwehnte und erklaͤrte Gerechtig-
keit
in Gottes Wort fundirt/ daſſelbe erſcheinet aus folgenden Sonnen-
klaren argumenten/ 1. Aus dem klaren Buchſtaben/ der HErr
Meſſias iſt unſere Gerechtigkeit/
ſpricht Jeremias/ wie ſolches zuIer. 23, 6.
verſtehen/ das erklaͤret der Prophet Eſaias: Jm HErren werden ge-Eſa. 45, 25.
recht ſeyn/ aller Same Jſrael/ nemlich wie der fuͤr ſich ſelbſt wuͤr-
ckende Mond leuchtet von/ in und durch die Sonn und dero mitgetheilten
Glantz/ welchen der Mond gleichſam anzeucht als ein Kleid. Nach der
Verheiſſung/ Dan. 9. wird die Miſſethat verſiegelt und die nichtDan. 9, 24.
zeitliche/ eingegoſſene/ wachſende/ ſondern ewige Gerechtigkeit ge-
bracht. Wie durch eines Menſchen Suͤnde die Verdamnuͤß

uͤber
[152]Die Zwoͤlffte
uͤber alle Menſchen kommen/ Adams Suͤnd und wuͤrckliche Apffel-
Biß iſt auff alle Menſchen gefallen; wie? durch irgend einen Einguß der-
ſelben Suͤnd? O nein: ſondern es iſt dieſelbe Suͤnd uns allen zugerech-
net worden/ als haͤtten wir ſie in Perſon begangen: Alſo iſt auch durch
Rom. 5, 18.eines (Chriſti des andern Adams) Gerechtigkeit die Rechtferti-
gung des Lebens uͤber alle Menſchen kommen: durch eines
Gehorſam
καταςαϑήσονται, conſtituti ſunt,ſind viel als Gerech-
1. Cor. 1, 30.te dargeſtellet worden. Chriſtus iſt uns gemacht zur Gerechtig-
keit/
verſtehe nicht bloß efficienter, weil Er uns gerecht machet/ auff
welche Weiſe auch der Vater und der Heilige Geiſt unſere Gerechtigkeit
mag genennet werden/ ſondern formaliter, dieweil ſeine Gerech-
tigkeit uns zugeeignet und durch den Glauben unſer eigen worden.
2. Cor. 5, 21.Gott der HErr hat den/ (Chriſtum) der von keiner Suͤnden
wuſte/ fuͤr uns zur Suͤnde gemacht.
Wie? Hat er ihm unſere
Suͤnde eingegoſſen? Das ſey ferne/ ſondern zugerechnet. Auff daß
auch wir wuͤrden in ihm die
Gerechtigkeit/ die fuͤr Gott gilt/
das iſt/ Er hat ebener maſſen ſeine Gerechtigkeit uns zugerechnet und zu-
gemeſſen. Welche Kern- und Macht-Spruͤche wol in das Gedaͤchtnuͤß
zu faſſen und ins Hertz zu ſchreiben ſind/ als daran der Grund/ Safft
und Krafft unſers ſeligmachenden Glaubens hafftet.


2. Aus der Abwegung der Gerechtigkeit/ zu deren Bezeu-
gung unſere Gerechtfertigung eingeſetzt/ die ſtehet da und hebt die Wage/
leget in eine Schal unſere Schuld/ das ſind zehen tauſend Pfund/ in
die andere Schal juſtitiam infuſam, gradualem, die endliche/ eingegoſſene/
proportionirte Gerechtigkeit/ und wanns gleich Adams im Stande der
Vnſchuld/ ja Engliſche Gerechtigkeit were. Da findet ſie keine proportion
nach dem Seckel des Goͤttlichen Heiligthumbs; darumb ſagt ſie: Was
ſoll der Strohhalm? ſie blaſet ihn weg/ es iſt leicht Geld/ es iſt zu leichte/
Dan. 5, 27.mene tekel,man hat ſie gewogen/ aber zu leichte funden;
Wann aber eine frembde/ nemlich die allervollwichtigſte/ theureſte Chriſti
Gerechtigkeit von unendlicher Krafft und Adel/ darauff gelegt wird/ ſo
uͤberſchlaͤget ſie/ der Glaube greiffet alſobald darnach/ fallt darauff. Auff
ſolche Weiſe wuͤrde der Menſch juſtiſſimus, der allergerechteſte/ durch eine
unendliche Gerechtigkeit. Wie aber/ durch eigene oder durch frembde Ge-
rechtigkeit? nicht durch jene/ die iſt zu wenig/ zu gering vor der unend-
lichen Gerechtigkeit und Majeſtaͤt Gottes zu beſtehen/ vor welcher auch die
heili-
[153]Predigt.
heiligen Engel des Liechts ihre heilige Fuͤſſe bedecken/ derowegen durch
dieſe/ nemlich die frembde/ welche unſer eigen-anders nicht werden kan/ ſie
werde uns dann zugerechnet.


3. Aus dem Gewiſſens-Frieden; Eine ſolche Gerechtfer-
tigkeit muß der Menſch haben fuͤr Gott/ aus welcher der Friede im Gewiſ-
ſen mit Gott herquillet/ Rom. 5. da hingegen ein Schuldener ſich nichtRom. 5, 1.
zu ſeinem Glaubiger machen darff/ er fliehet ſeinen Schuld-Glaubiger zu
Weg und Steg/ gehet eine andere Gaſſen/ in der Gaſſen da man ſchuldig
iſt/ ſtirbt es. Solcher Friede und Gewiſſens-Ruh kan und vermag keine
habitual-gradual- und endliche Gerechtigkeit zuſchaffen: wann der
Schuld-Glaͤubige ſein Recht ſtreng urgirt/ ſo contentirt er ſich nicht
mit zehen gegen tauſend/ hier gehet unendlich gegen unendlich: Wer
bezahlen ſich und ſeinen Glaubiger befriedigen will/ der muß nicht
ſtuͤmplen/ er muß biß auff den letzten Heller bezahlen/ und dem Ge-
ſetz den allerreineſten/ vollkommenſten/ genaueſten Gehorſam leiſten/
und ob ers gleich alſo leiſtet/ ſo thut er doch erſt/ was er fuͤr ſich ſelbſt
aus obligation der Schoͤpffung ſchuldig/ und mag damit ihm ſelbſt nichts
verdienen.


4. Aus Abrahams/ des Vaters aller Glaubigen Exem-Rom. 4, 3.
pel; der Glaube iſt ihm zur Gerechtigkeit zugerechnet/ das iſt/
die Gerechtigkeit Chriſti/ die Er in ſeiner Glaubens-Hand als einen wer-
then Schatz ergriffen und gehalten/ die iſt ihm dergeſtalt zugerechnet wor-
den/ als haͤtte er dem Geſetz ad ſpeculum, gantz Spiegel-rein eine vollkom-
mene Gnuͤge gethan.


Dieſes iſt das Evangelium/ πάσης ἀποδοχῆς ἄξιον! iſt abermal
eine froͤliche Bottſchafft/ ein theures und werthes Wort mit Freuden an-
zunehmen/ und zwar 1. agnoſcendum,zu erkennen und anzuſehen
als das fundament, die Grundveſte unſers Heils/ ohn deſſen Erkaͤnt-
nuͤß niemand iemal ſelig worden. Der Heilige Geiſt iſt deßwegen geſendet
und geſchencket/ daß er Chriſtum verklaͤre/ ſeine Tugenden nicht im fin-
ſtern verligen/ ſondern mit auffgedecktem Angeſicht ſpiegeln laſſe/ uns
zu erleuchten von einer Klarheit zur andern; Wahr iſt es/ es gibet viel
Schul-Fragen/ die eben nicht iederman zu wiſſen von noͤthen/ es gibt cu-
rioſa quomodo?
unnuͤtze/ unglaubige/ uͤberwitzige Wie-Fragen/
Wie ſoll das zugehen? Aber eine ſolche iſt dieſe nicht/ hier iſt von noͤ-Ioh. 3, 9.
then/ daß man frage wie? Wie werden wir in Chriſto gerecht fuͤr
Sechſter Theil. VGott?
[154]Die Zwoͤlffte
Gott? Wie iſt Chriſtus unſer Gerechtigkeit worden? zu entfliehẽ
und zu widerlegen der Kaͤtzer Hauffen. Der Papiſt bekeñet auch/ daß Chri-
ſtus ſey unſere Gerechtigkeit/ auch der Photinianer/ ja auch die Arminianer
erkennen die juſtitiam imputativam, die zugerechnete Gerechtigkeit/ aber
wie? Ja ich ſage/ daß kein Menſch iemal ſelig worden ohne Erkaͤntnuͤß
dieſes Articuls; dieſer Articul iſt des erſten gefallenen Menſchen Haupt-
Troſt geweſt/ abgebildet in dem Rocke aus Fellen vom Opffer-Vieh ge-
macht. Hinweg mit den Feigen-Blaͤttern eigener Gerechtigkeit! das
Sterb-Fell des unſchuldigen Laͤmbleins thuts/ darauff Adam ſein ſym-
bolum
und Glaubens-Bekaͤntnuͤß fundirt und gegruͤndet. Sie ſoll
Gen. 3, 20.Eva heiſſen/ ſagt er/ das iſt eine Mutter der Lebendigen/
iſt ein Name entgegen geſetzt der Todes-Draͤuung/ nicht tod ſondern
chava, lebendig! das iſt das Marck und Kern geweſt in den Opffern/ da
der opffernden Suͤnder Vngerechtigkeit iſt zugerechnet worden dem Bock/
andern Vieh und Brand-Opffern/ auff dieſelbe geleget und bekennet
worden. Hingegen die Reinigkeit und Gerechtigkeit des Meſſiæ/ durch
die reine Opffer-Thier bedeutet auff den Opfferer gelegt worden. O ein
ſeliger Wechſel! da Chriſtus von mir nimmet was mein iſt/ nemlich mei-
nen Vnflat/ und mir gibt was ſein iſt/ nemlich ſeine fuͤſſe Wunderthat.


2. Aſſentiendum,man muß dieſes groſſe Geheimnuͤß
annehmen/ und demſelben beypflichten/
auff die Art und Weiſe/
wie es beſchrieben und nicht anders mahlen laſſen/ auch keine andere Ge-
rechtigkeit/ und alſo den Schatten fuͤr die Warheit annehmen. Jſt ein
Geheimnuͤß unter allen/ deme widerſprochen wird/ ſo iſt es dieſes. Die elo-
gia
und ſchoͤne Ehren-Titul/ die man ihm gibt/ im Papſtumb ſind dieſe:
Stapletonus nennets amentiſſimam inſaniam \& ſpectrum cerebri Lu-
therani,
die allerthoͤrichſte Vnſinnigkeit und Geſpenſt des Lutheriſchen
Gehirns; Cornelius à Lapide, larvatam juſtitiam, eine vermummete Ge-
rechtigkeit/ Bailius, juſtitiam incruſtatam ſimilem ſepulchris dealbatis,
meram Chimeram,
Eine ſcheußliche Gerechtigkeit/ ein getuͤnchtes Grab;
Es ſey eben ſo viel/ als wann man von einem hinckenden Vulcano ſagte:
Er gehet gerad/ aber auff frembden/ gemachten Beinen; von einem Ther-
ſite,
er ſey ſo ſchoͤn als Abſolon/ wegen ſeiner eingebildeten Schoͤnheit.
Conzen.
ad Rom.
10. p.
396.
Adam Conzen vergleichet die zugerechnete Gerechtigkeit einem Puppen-
Spiel der Kinder/ die mit einer Puppen als mit einem lebendigen Men-
ſchen ſpielen/ ſie an- und außziehen/ ſchlaffen legen/ auffheben/ zu eſſen geben.
Ein anderer ſchreibet/ wie Chriſtus alles fuͤr die Lutheraner gethan/ gebuͤſ-
ſet/ ge-
[155]Predigt.
ſet/ gebetet und gefaſtet/ und ſie deſſen frey/ alſo ſey Er auch fuͤr ſie gen Him-Zach. 3, 2.
v. D. Gerh.
l. 2. CC.
part. 3. pag.
684.
Col.
2, 8.

mel gefahren/ auff daß ſie drauſſen in nobis, Hauß bleiben muͤſſen. Der
HERR ſchelte dich du Sathan!
Wir halten nur deſto feſter ob
dieſem Schatz wider die falſch-Apoſtoliſche Geſetz-Gerechtigkeit/ nach der
Apoſtoliſchen Vermahnung/ Sehet zu/ daß euch niemand berau-
be durch die falſche
Philoſophiaund loſe Verfuͤhrung nach
der Menſchen Lehre/ und nach der Welt Satzungen/ und
nicht nach Chriſto.


3. Unicè tenendum,man muß daſſelbe einig und al-
lein behalten/ und an daſſelbe ſich halten;
Ade! Ethnico-Pha-
riſaico legalis juſtitia mercenaria,
O du Heydniſche/ Phariſeiſche Geſetz-
verdienſtliche Gerechtigkeit/ davon ein falſcher Wahn uns leider von Na-
tur angeboren. Fragt man in dem wilden Wald einen Wald-Bauren/
in der Tuͤrckey/ Tarterey/ Heydenthumb: Wie meyneſtu deine unſterb-
liche Seele nach dieſem Leben zu verſorgen/ wie wiltu fuͤr Gott beſtehen/
dein Gewiſſen uͤberzeuget dich/ daß du wegen begangener Mißhandlung
Rach und Straffe verdienet/ wie wiltu der ewigen Straffe entgehen?
Die Antwort fallet alsbald: Ey wann ich fromm bin/ wann ich nach der
regul meines Alcorans lebe/ wann ich gute Werck thue/ Amoſen gebe/ ꝛc.
Aber was ſagt der Mund und Grund aller Warheit hierzu? Es ſeyMatt. 5, 20.
dann deine Gerechtigkeit beſſer als dieſe Phariſeiſche Gerech-
tigkeit/ ſo kanſtu nicht ins Himmelreich kommen/
nemlich eine
andere uͤber-phariſeiſche/ ja uͤber-Engliſche Gerechtigkeit von dem H. Geiſt
geoffenbaret. Ade Pſendo-Apoſtolica, Evangelico-legalis-Papiſtica
juſtitia!
Weg mit der falſch-Apoſtoliſchen/ Paͤpſtiſchen/ gemengter Ge-
ſetz-Evangeliſchen Gerechtigkeit; da heiſſet es auch: Es ſeye dann euer
Gerechtigkeit beſſer dann der Phariſeer Gerechtigkeit/ ſo koͤn-
net ihr durch dieſelbe nicht beſtehen fůr
Gott. St. Paulus gibt
allen ſelbſt-erwehlten Gerechtigkeiten/ Wercken und Verdienſten den Ab-
ſcheid/ ſo fern man mit denſelben prangen will in foro juſtificationis, in
dem Gericht Gottes. Er gibt ſolchen pralendẽ Wercken ein wuͤſt prædicat,
das heiſſet σκύβαλα, was der Hund fallen laͤſſet/ eure Gerechtigkeit iſtPhil. 3, 8.
gleich einem beſudelten/ unflätigen Tuche/ wie Eſaias ſpricht.

Eſa, 64, 6.

4. Magna fiducia \& gaudio amplectendum,man
muß daſſelbe mit groſſem Vertrauen und Hertz-begieriger

V 2Freude
[156]Die Zwölffte
Freude annehmen. Schulden-Laſt iſt eine ſchwere Laſt! dannenhero
apud Ma-
crob.
wundert ſich Kaͤyſer Auguſtus uͤber jenes Ritters Haupt-Kuͤſſen/ daß er
auff ſo einem ſanfften Kuͤſſen/ unter ſo groſſen Schulden/ ſchlaffen koͤn-
nen; Aber Erleichterung der Schuld iſt eine groſſe Freude/ mancher der
ſeine Schulden bezahlet/ der ſaget: Mir iſt ein Berg ab dem Halß. Zuvor
fliehet er ſeinen creditoren/ wie contra ein redlicher Mann gern bezahlet/
wer nichts ſchuldig iſt/ der iſt getroſt und ſtirbet getroſt: Ach wie viel ein
Rom. 5, 1.groͤſſer Vertrauen hat einer in der Gerechtfertigung/ wann er der Gerech-
Eſa. 61, 10.tigkeit den Rock der Gerechtigkeit fuͤrhalten kan/ Eſa. 61. und ſagen:
Pſ. 85, 14.Sihe mein Gott/ da iſt der Rock deines lieben Sohnes! in gar
Gen. 37, 31.einem andern Verſtand/ mit andern affecten/ als die boßhafftigen Bruͤder
Joſephs/ die aus blutduͤrſtigem Gemuͤthe/ mit verkratzter/ unverſchaͤmter
Stirn ihrem alten Vater ohne ſchen fuͤr Augen tretten/ zeigen ihm Jo-
ſephs Rock/ und ſagen: Dieſen haben wir gefunden/ ſihe obs dei-
nes Sohns Rock iſt/ oder nicht?


Auch in einer andern Meynung als vorzeiten Richardus Koͤnig in
Engelland/ nach dem er Philippum Belloavcenſem Epiſcopum im Krieg/
den er rebelliſcher Weiſe wider den Koͤnig gefuͤhret/ gefangen bekommen/
fuͤr den der Papſt Anſuchung gethan/ umb deſſen als ſeines geliebten
Sohns Erledigung/ ſo ſchicket Richardus animo indignabundo, aus
zornigem Gemuͤthe des Biſchoffs außgezogenen Kuͤriß/ Pantzer/ Waf-
fen und Kriegs-Ruͤſtung gen Rohm/ und laͤſſet dem Papſt ſagen und fra-
gen: Sihe heiliger Vater/ ob diß deines Sohns Rock ſey? ſondern aus
bußfertigem/ glaͤubigem/ freudigem/ getroſtem Gemuͤthe/ in groſſer parrhe-
ſia,
freyem Muth und freyem Munde zu ſagen: Sihe himmliſcher Va-
ter/ iſt das nicht der Rock deines Sohns/ den du mir angezogen in der hei-
ligen Tauffe/ in welchem ich erſcheine/ und meiner geiſtlichen Bloͤſſe dem
Mangel deſſen anerſchaffenen Schmuck des Goͤttlichen Ebenbilds/ den-
ſelben entgegen ſetze/ in zuverſichtlicher Hoffnung/ es habe nun alle Fehde/
Verdruß/ Haß/ Grimm ein Ende. Lieber Herr Chriſte/ (ſo lautet
tom. 4. lat.
in cap.
3.
D. Luthers Buß-Gebet) ich bin deine Suͤnde/ dein Fluch/ dein Tod/ dein
Galat.Zorn Gottes/ deine Hoͤlle: dagegen biſtu meine Gerechtigkeit/ mein Se-
gen/ mein Leben/ meine Huld Gottes und mein Himmel; du haſt auff dich
genommen/ was mein iſt/ und mir gegeben was dein iſt: So gib mich dir/
und nim mich mir! laß deine Gerechtigkeit mein ſeyn und bleiben/ daß ich
darinnen fuͤr deinem Richter-Stul prangen moͤge.


Dannenhero waͤchſet das groſſe Vertrauen/ daß man mit St. Paulo
ſagen
[157]Predigt.
ſagen kan: Quis condemnabit?Wer will verdammen?Rom. 8, 34.
Chriſtus iſt/ der gerecht machet. Da gehoͤret auch her die Freude der
geiſtlichen Geſponß der Chriſtlichen Kirchen/ Eſa. 61. Jch freue michEſa. 61, 10.
im HErren/ und meine Seele iſt froͤlich in meinem Gott!
dann Er hat mich angezogen mit Kleidern des Heils/ und mit
dem Rock der Gerechtigkeit bekleidet/ wie einen Braͤutigam
mit Prieſterlichem Geſchmuck gezieret/ und wie eine Braut
in ihrem
(von dem Braͤutigam empfangenem) Geſchmeide berdet;
nach dem Exempel des H. Bernhardi/ von deſſen Kampff wider den Sa-vid. Lyſer.
harm. pag.

137.

than wird folgends erzehlt; Er wolt alle Moͤnche uͤbertreffen in der Froͤm̃ig-
keit/ niemand war ihm fromm genug/ verlaͤſt ſich darauff; Aber er ſagt/ es
ſey ihm geweſt als were er citiret vor dem Richter-Stul Gottes/ und an-
geklagt von dem Sathan/ er haͤtte geſagt: Jch habe gethan/ was ich ver-
mocht: Der Sathan antwortet: Du biſt alles zu thun ſchuldig geweſt:
Bernhardus hat geſeuffzet: Ach Herr ich habe boͤſe gelebet! der Sathan
hat ihm die concluſion gemacht: Darumb hat Gott Plagen und
Straffen fuͤr dich: Bernhardus ſpricht wieder: Ach du guͤtiger Gott!
hier ſchlage zu/ brenne/ ſchone nur dort in Ewigkeit! hingegen der Sathan:
Nein! ſondern du ſolt hier und dort gequaͤlet werden. Da faͤhet Bern-Bernh. in
ep. 190. ad
Innocent.

hardus an: Wer will verdammen? Chriſtus hat mich gerecht gemacht ꝛc.
Recht guͤldene Wort ſind es/ die er fuͤhret: Quod ſi dixerit: Pater tuus
Adam adduxit te; Reſponde. ſed Frater meus redemit me, cut non ali-
unde juſtitia, cum aliunde reatus? alius qui peccatorem conſtituit, alius
qui juſtificat à peccato: aliter in ſemine, aliter in ſanguine: peccatum
in ſemine peccatoris, \& non juſtitia in ſanguine Chriſti? ſi mea traducta
culpa, cur non \& mea indulta juſtitia? \& ſane mihi tutior donata,
quam innata,
das iſt/ was die Chriſtliche Kirche ſinget: Wie uns hat
eine frembde Schuld/ in Adam all verhoͤnet/ alſo hat uns ein
frembde Huld/ in Chriſto all verſoͤhnet/ dadurch wir ſeyn/ von
Tod und Pein erlöſt/ ſo wir vertrauen/ in dieſem Hort des
Vaters Wort/ wem wolt fuͤr ſterben grauen?
Vnd in ſeinem
Commentario uͤber das Hohelied Salomonis: Du biſt mir zur Ge-id. in Can-
tic. ſerm.

61.

rechtigkeit gemacht von Gott! ſolte ich dann zweifeln/ ob eine (nemlich
deine) Gerechtigkeit gnug were vor beyde? Es iſt nicht ein ſolcher kurtzer
Deck-Mantel/ daß er nicht koͤnte zween bedecken.


V 35. Evan-
[158]Die Dreyzehende

5. Evangelium caſtigans;Ein recht Zucht-Evange-
Tit. 2, 11. 12.lium; Die heilſame Gnade iſt uns zwar erſchienen/ aber ſie
bringt eine Zucht-Ruthe mit ſich/ und zuͤchtiget uns/ daß wir nicht
wie der groſſe Welt-Hauff der Heuchler und Halb-Chriſten geſinnet/ aus
dem Kleide der zugerechneten Gerechtigkeit Chriſti einen Deckel der
Schalckheit machen/ und das Blut Chriſti zu einem Pflaſter der beharr-
lichen und immer-wachſenden Boßheit/ ohne derſelben hertzlich haſſen
und loſen Mißbrauch/ und alſo der widrigen calumnien wahr machen/
mit der Warheit ins Geſchrey kom̃en. Sondern gottſelig/ gerecht und
zuͤchtig leben.
Hat Chriſtus unſere ſchwere Laſt auff ſich genom̃en/ war-
umb wolten wir dann nit (wann Er uns gleich toͤdtet) ſein leichtes Creutz
Matth. 27,
32.
und Joch auff uns nehmen/ wie Simon von Cyrene? Hat Er ſelbſt uns
ſeine Gerechtigkeit geſchencket/ und uns ein rechter Oneſimus, ſehr nuͤtz
worden/ warumb wolten wir uns dann nicht ſelber nuͤtz werden durch Lie-
be und Dienſt des Naͤchſten/ aus freudigen/ luſtigen/ ungezwungenen/
freyen/ edlen Geiſt? vnd derſelb als Kinder/ nit wie die Paͤpſtiſchen Tagloͤh-
ner aus Zwang und Furcht der ſtraffen/ anders als die jenige liebloſe Ano-
neſimi
die fuͤr ſich ſelbſt ſind/ wie ein klein Reichs-Staͤttlein/ niemand bey-
ſpringen/ niemand zu Huͤlffe noch Troſt kom̃en. Vnter dem Geſind gibt es
wenig Oneſimos, treue und nuͤtze/ vielmehr ἄχρηςους, unnuͤtze Knechte und
Phil. 1, 10.
11.
Maͤgde. GOTT geb uns ſeinen Geiſt/ daß wir lauter ſeyen
und unanſtoͤſſig/ biß auff den Tag Chriſti/ erfuͤllet mit Fruͤch-
ten der Gerechtigkeit/ die durch Jeſum Chriſtum geſchehen/
zu Lob und Ehren Gottes/
Amen.



Die Dreyzehende Predigt/


Vber den dritten Articul/
Von der Goͤttlichen Buß-Ordnung.


GEliebte in Chriſto: Viel und mancherley Verſöh-
nungs-Mittel/
poſituren/ Geberden/ Weiſen
und Wege
finden wir ſo wol in profan-Hiſtorien/ als
auch in der heiligen Schrifft/ ſo die jenigen Perſonen/ die
etwas auff der Haub gehabt/ denen nach begangenen
Miß-
[159]Predigt.
Mißhandlungen nichts gutes geſchwanet/ die ſich Gott im Himmel
oder auch den Abgoͤttern zur Buſſe nach begangener Suͤnde dargeſtellet/
den himmliſchen Zorn abzuwenden/ auffrecht zu bleiben/ und Gnade zu
erlangen; ſo theils aus dem Liecht der Vernunfft erglaſtet/ theils aus des
heiligen Teufels Einblaſen und ſuperſtition erdacht/ auff die Bahn ge-
bracht/ und wuͤrcklich geuͤbet die Gewiſſen zu ſereniren und beruhigen.
1. Donaria,Geſchenck/præſentz und Verehrungen; Als die
Philiſter vom Herren dem Hebreer Gott wegen der geraubten
und profanirten Bunds-Lade hart geſchlagen waren/ und Gottes ſchwe-
re Hand auff ihnen ligend empfunden/ ſchicken ſie aus Rath ihrer Prie-
ſter zum Schuld-Opffer fuͤnff guͤldene Maͤuſe/ fuͤnff guͤldene Aerſe/ guͤl-
dene Kleinod in ein Kaͤſtlein geleget mit der Bunds-Lade zuruͤck/ ex talio-
ne,
dieweil ſie an heimlichen Orten geſchlagen/ und ihre Acker durch die
Maͤuſe verderbet worden/ 1. Sam. 6. den Hebreer Gott damit zu be-1. Sam. 6. 4.
ſeqq.

guͤtigen.


2. Magica Incantamenta,Zauberey-Mittel; aus der
ſchwartzen Kunſt/ nach der boͤſen regul:
Flectere ſi nequeo ſuperos acheronto movebo,

will Gott nicht helffen/ ſo helff der Teufel; Jn dem ſie die manes evocirt/
und die Seelen aus der Hoͤllen gelocket/ von denſelben ſich Raths zu erho-
len/ umb die Goͤtter zu verſoͤhnen; in welchem Stuͤck ihnen der unſelige/
gottloſe/ in ſeinen Suͤnden verſtorbene Saul præludirt/ da ihm die Philiſter1. Sam. 28,
[5]. ſeqq.

auff dem Halſe geweſt/ und er ins Gedraͤng kom̃en/ und aber der Herr der
euſſerſt erzuͤrnete Gott mit keiner andern Antwort erſcheinen wollen/ hat
er eine Wahlfahrt gen Endor gethan/ zu einer Wahrſagerin/ den verſtor-
benen Propheten Samuel herfuͤr zu bringen/ denſelben umb Rath und
Huͤlffe zu erſuchen/ wie er Gott im Himmel wiederumb beguͤtigen moͤge?
Alſo machet es Baſſianus Caracalla, welcher ſeinen Bruder Getam im
Schoß ſeiner Mutter entleibet/ und ihm mit folgendem epicedio parẽtirt:
Sit divus, dum̃odo non vivus, Jch will ihm ſeine Heiligkeit den Himmel
gern goͤnnen/ wann er nur nicht hier lebet/ und Papinianum ICtum, der
dieſen Mord aus ſeinen Rechten nicht konte oder wolte gut heiſſen/ ſondern
geſagt: Non tàm facilè parricidium excuſari poſſe quàm fieri, Es laſſe
ſich ein Mord nicht ſo leicht entſchuldigen/ als begehen/ hat er ihm laſſen
das Haupt zwiſchen zwey Beine legen; daher es kommen/ daß Er fuͤr den
ſpectris keine Ruhe gehabt: Was thut er? Er laͤſt die Geſpenſter zu be-
guͤtigen/ viel Seelen durch Huͤlffe der Schwartzkuͤnſtler und Zauberer aus
der
[160]Die Dreyzehende
der Hoͤllen herfuͤr ruffen und bringen/ deren eine Commodi Seel geſagt:
( ) v. Chri-
ſteid. act. 1.
phœnom.
1. p.
15.
Perge ocyus ad ſupplicium, Eile fort zur Straffe! wie bald erfolget.


3. () Sacrificalia,allerhand Verſöhn-Opffer/ daß ſie auch
gar kommen biß auff die ἀνϑρωποϑυσίαν und Menſchen-Opffer; ſonder-
2. Reg. 17,
31.
lich haben in dieſem Stuͤck greulich gewuͤtet die Aſſyrier/ welche ihre Kin-
der dem Abgott Adramelech geopffert/ und ſoll auff ſolche Weiſe der Koͤ-
nig Sanherib/ nach dem er von dem Gott der Hebreer auffs Haupt ge-
ſchlagen worden/ denſelben zu verſoͤhnen im Sinn gehabt haben ſeine
Soͤhne auffzuopffern/ deme ſie aber vorkommen/ wie Lyranus ſchreibt.
Die Pœni zu Carthago; die Griechen habens nachgemacht mit der Iphige-
niâ,
der Tochter Agamemnonis, die ſolte der Dianæ auffgeopffert werden
aus Rath des Oraculi, welches geantwortet: Die Griechen koͤnten die
Dianam nicht anders verſoͤhnen/ als durch das Agamemnoniſche Blut/
ſintemal Agamemnon ſie erzuͤrnet; Die Roͤmer thaten dergleichen in
ihren Saturniniſchen Fecht-Spielen; und die Juden/ ſo nach der benach-
barten Heyden Weiſe ihre Kinder dem Moloch auffgeopffert; und mag
ſolches geſchehen ſeyn aus letzem Verſtande der Hiſtori von Abraham/
der ſeinen Sohn Jſaac auff Goͤttlichen Befehl auff dem Berge Moria
Gen. 22, 2.
ſeqq.
ſchlachten wolte/ dem es auch Jephtha unzimlich nachgethan: da er ſeine
Tochter aus unzeitigem unbedachtem Eifer geopffert.


Iud. 11, 39.

4. Externa Sclerogagica,Euſſerliche ſelbſt-auffgenom-
mene harte und ſchwere Marter-Buſſe/
die ſie ihrem Leibe und
Matth. 6, 1.Gliedmaſſen angethan/ προς τοϑεαθῆναι, zur Schau/ als da ſind geweſen
1. Reg. 18,
28.
die Aſche/ damit man ſich beſprenget/ der Sack/ das Faſten/ das geiſſeln
und ritzen biß auffs Blut/ wie die Baals-Pfaffen gethan/ ob Baal davon
auffwachen/ und in anſehen ſolcher harten/ ſtrengen Buſſe helffen wolte/
das ſollen zwar euſſerliche Zeichen ſeyn der innerlichen Hertzens-Reu/
wann aber das Hertz nicht rechtſchaffen iſt/ ſo ſinds Greuel/ wider welche
Eſa. 58, 3.
4. 5.
Gott der Herrfulminirt und ſeinen Mißfallen andeutet: Wann
ihr faſtet/ ſo uͤbet ihr euren Willen: Jhr hadert und zancket/
ſoll das ein Faſten ſeyn/ das ich erwehlen ſoll? daß ein Menſch
ſeinem Leibe des Tages uͤbel thue/ oder ſeinen Kopff henge wie
ein Schilff/ oder auff dem Sack in der Aſchen ligt; wollet ihr
das ein Faſten nennen/ und einen angenehmen Tag des
HERREN?


Dahin gehoͤret 5. Trina pœnitentia,die im Papſtumb
hochge-
[161]Predigt.
hochgelobte/ glaub-heil- und gottloſe Buſſe/ ſo da beſtehet in
dreyen Stuͤcken/ nemlich in Reu des Hertzens/ Bekaͤntnuͤß des Mundes
aller Suͤnden in particular, und Gnugthuung der Wercke; deren die
erſte als glaub-loß/ eine Judas-Buſſe; die andere carnificina animæ,
eine Seelen-Folter/ oder Beichtweh; die dritte Gottes-laͤſterlich/ haͤtteſtu
dir was koͤnnen erwerben/ was haͤtte dann Chriſtus duͤrffen
fuͤr dich leiden und ſterben?
Weit eine andere bewaͤrte Ordnung
zeiget uns Gott der Heilige Geiſt/ Huld und Gnade zu erlangen/ davon
David in ſeinen Buß-Pſalmen klaͤglich geſungen/ nemlich das præſentPſ. 51, 19.
und Opffer eines zerknirſchten und zerſchlagenen Hertz/ das wird Gott
nicht werffen hinderwerts; hier iſt die theſchubhah, averſio à malo \&
converſio ad Deum,
die Abwendung vom boͤſen/ von der Suͤnd/ als dem
aͤrgſten Vbel/ und Bekehrung zu Gott/ als dem beſten und hoͤchſten
Gut: μετάνοια, gruͤndliche Hertz-Enderung des Gemuͤths/ Nachwitz nach
der Thorheit/ ἀνανήψωσις die Ernuͤchterung.

2. Tim. 2,
26.

Mit einem Worte die Göttliche Ordnung/ nicht zwar diſpo-
ſitiva,
einer eigenthaͤtlichen/ urſaͤchlichen Bereitung/ weniger
meritoria,eines verdienſtlichen Mittels: es heiſſet auch allhier
nicht aus Verdienſt der Wercke: ſondern 1. ordo pædagogicus,Rom. 9, 11.
Eine Zucht-Ordnung/ und auf ſeiten des Glaubens organicus,
als eines Jnſtrument von Gott geordnet die Gnad zu ergreiffen. 2. Man-
datus,
Eine gebotene und von GOTT befohlene Ordnung/Eſa. 1, 16.
Waſchet euch/ reiniget euch/ thut euer boͤſes Weſen von mei-
nen Augen!
lauter Befehlichs-Wort. 3. Commendatus,geprie-
ſen und angewieſen
von Johanne dem Taͤuffer/ Chriſto ſelbſt/ und denMarc. 1, 15.
Apoſteln. 4. Declaratus,Außgeleget und klar gemacht mitMatt. 3, 1. 2.
c.
4, 17.

dem Exempel und Gleichnuͤß/ genommen von der Medicin und Cur einerAct. 2, 38.
c.
3, 19.

gefaͤhrlichen Kranckheit/ da man zu erſt die Kranckheit entdecken und
empflnden muß/ alßdann bringet der Medicus die Artzney darzu: Alſo iſtLuc. 24,
47.

es beſchaffen mit der Buſſe/ die beſtehet in angeregten zweyen Stů-
cken/
nemlich in Abwendung vom Boͤſen/ und Bekehrung
zu GOTT dem hoͤchſten Gut;
Dißmal bleiben wir bey dem
erſten Stuͤck/
ſo da heiſſet: Averſio à malo,Die Abwendung
vom Boͤſen;
Vnd wie wir neulich Reum,den Schuldigen und
Sechſter Theil. XBe-
[162]Die Dreyzehende
Beklagten dargeſtellt in der Suͤnden-poſitur unter der Zorn-Ruthen/
alſo wollen wir ihn anietzo darſtellen in der poſitur der Buſſe/ unter dem
Liecht der Goͤttlichen Gnaden/ und wie er faͤhig ſeye der gerechtmachenden
Gnade; Gott ruͤhre und regiere durch ſeinen Heiligen Geiſt unſern
Verſtand/ Hertz und Sinn/ alles wol zu hoͤren/ wol zu faſſen/ zu behalten
und anzuwenden zu ſeinen Ehren und unſer geſampten Bekehrung/ umb
Jeſu Chriſti willen/ Amen.


DAmit wir nun diepoſiturund Geberde/ den Stand
eines armen reuenden Suͤnders/ ſo gerechtfertiget
werden ſoll fuͤr GOTT/
recht verſtehen/ wollen wir uns
denſelben/ gleichſam auff dem Pranger und Laſter-Stein ſtehenden unter
ſeines Richters Ruthe und Zorn eigentlich anſehen/ wol einbilden und
erſtlich betrachten und Achtung geben auf I.ſein erleuchtetes/ ſcharf-
fes/ durchſpuͤrendes Auge:
Ein rechter Buͤſſer der ſihet ſich ſelbſt an
auffs allerſchaͤrffeſte/ ſtellet ſich fuͤr den Feuer-Spiegel des Geſetzes/ gibt
dem alten Adam auff ſeine Mißtritte genaue Achtung/ erweget bey ſich alle
categorias peccati, peccati ſubſtantiam, quantitatem, multitudinem,
προαίρεσιν, qualitatem, relationem ſocietatis, actiones, paſſiones, ubi,
quando, ſitus, habitus,
was nemlich die Suͤnde ſey/ die er begangen/ wie
groß und ſchwer/ wie mancherley/ die Menge derſelben/ die Willkuͤhr des
Fuͤrſatzes/ er bedencket die boͤſe Geſellſchafft/ durch welche er ſich verfuͤhren
laſſen/ alles was er dabey wuͤrcklich gethan und gelitten? die Zeit/ wann?
den Ort/ wo? auff was Weiſe? wie offt er ſie begangen und ſich darinn
Pſal. 51, 5.
() apud D.
Gerhard.
de Eccleſ.
p.
1325.
verſencket habe? er klaget ſich ſelbſten an/ ſpricht mit David: Meine
Suͤnde iſt immer fuͤr mir!
Das Exempel von () Carolo V. iſt mehr
allegiret worden/ welcher/ als er einsmals in ſeinem Eſcurial und Kloſter/
da er ſein Leben beſchloſſen/ darinnen ſeine Thaten/ ſo er verrichtet/ auff den
mappis und Tafeln gemahlet/ beſchauet/ und unter andern auch das
Gemaͤlde des Schmalcaldiſchen Kriegs und Gefaͤngnuͤß des Churfuͤr-
ſten Johann Friderichs kommen/ hat er daruͤber geſeuffzet und geſagt:
Ach haͤtt ich dieſen Mann laſſen ſeyn wer er war/ ſo wer ich auch blieben/
der ich war. Eben ſo erſcheinet auch einem bußfertigen Suͤnder ſeine be-
gangene Mißhandlungen in der Mappa des Gedaͤchtnuͤß fuͤr Augen/ ſie
tretten ihm Heersweiſe feindlich fuͤrs Angeſicht/ klagen und beſchaͤmen ihn.


Pſ. 51, 19.
Bernhard.
ſerm 10. in
Cant.

II.Auff ſein zerknirſchtes und betrůbtes Hertz.Bern-
hardus
vergleicht das Gewiſſen einem Moͤrſel/ darinnen das Hertz zerſtoſ-
ſen/ in
[163]Predigt.
ſen/ in der Buß-Lauge gleichſam geſotten/ biß aus dem ſteinern Hertzen
ein fleiſchern Hertz werde/ non infundit Deus oleum gratiæ, niſi in vas
contritum,
Gott gieſſet das Gnaden-Oel nicht in das Hertz/ es ſey
dann wol zerknirſcht; Soll ein Goldſchmied aus einem alten Geſchirr
ein neues machen/ ſo zuſchlaͤgt er daſſelbe und ſchmeltzets umb: Alſo ein
zerſchlagen Hertz. Es muß auch ſeyn ein trauriges Hertz/ in Goͤtt-2. Cor. 7,
10.

licher Traurigkeit gleichſam ertruncken und verſunckenes Hertz/ ſo da trau-Gen. 27,
34.

ret nicht uͤber den Verluſt des hohen Adels der erſten Geburt wie Eſau/
nicht uͤber den Fleiſch-Mangel/ wie die Kinder Jſrael in der Wuͤſten/Num. 11, 4.
nicht uͤber den Vorzug des Mardochai wie Haman/ nicht uͤber den ge-Eſth. 6, 13.
ſchwundenen und ſchwangern Bauch wie eine geſchaͤndete Jungfrau/
nicht uͤber den leeren Beutel wie der Spieler/ nicht uͤber den Strick wie
der Dieb/ nicht wie Amnon umb die ſchnoͤde Liebe/ nicht wie Achab umb2. Sam. 13.
den Weinberg/ nicht wie Jonas umb die Kuͤrbiß/ dann das iſt die triſtitia2. 1. Reg.
21, 4.

ϑανατοφὸρος, eine Traurigkeit/ ſo den Tod wuͤrcket; ſondern man ſoll trau-Ion. 4, 8.
ren uͤber den erzuͤrneten Gott/ daß man den grundguten Gott belei-
diget/ uͤber den Verluſt Goͤttlicher Gnade und des hoͤchſten Gutes/ wie
Thamar uͤber ihren Ehren-Krantz getrauret/ Aſchen auffs Haupt geworf-2. Sam. 13,
19.

fen ꝛc. und ſagen: O wehe daß wir ſo geſuͤndiget haben! AchThren. 5,
16.

daß meine Augen Thränen-Quellen weren/ welche Petriniſche
Thraͤnen ſchwerlich außbleiben; Wer weinen kan umb den Schaden desIerem. 9, 1.
leiblichen/ der kan auch weinen umb den geiſtlichen Schaden: gleich wie
wer das boͤſe behalten kan/ der kan auch das gute.


Sonſt iſt wol irgend die Natur und das temperament ſo kalt und
feſt/ daß ſie nicht leichtlich zu Thraͤnen zu bewegen/ oder iſt das Hertzenleid ſo
groß/ daß man wie Niobe druͤber erſtarren und erſtummen muß/ curæ
parvæ loquuntur, majores ſtupent. () Phammenitus
Koͤnig in Egypten/() apud
Camerar.
hor. ſubciſ.
l. 1. c. 29.
p.
146.

da er von Cambyſe dem Koͤnig in Perſia auffs Haupt geſchlagen und ge-
faͤnglich angezogen worden/ kund zwar weinen/ da er einen von ſeinen mit-
gefangenen Freunden geſehen Brod bettlen/ da er aber wahr nehmen
muͤſſen/ daß man ſeine Soͤhne und Toͤchter ſchaͤndlich tractiret und miß-
handelt/ da kunt er fuͤr groſſen Hertzens-Schmertzen keine Zaͤhren vergieſ-
ſen. Petri Buß-Thraͤnen ſind wol allhier ein ſchoͤnes exemplar undLuc. 22, 61.
62.

Muſter. So bald die ſtrahlenden Augen Jeſu Chriſti auff ihn gefallen/
ſo bald ſchmeltzet ihm ſein Hertz wie Wachs von der Sonnen/ die Augen
fangen an zu ſchwitzen/ ſie baden gleichſam und ſchwimmen in Thraͤnen/
die ungezwungene/ ungekuͤnſtlete Zaͤhren lauffen die Wangen herab/ daß
X 2ein
[164]Die Dreyzehende
ein Tropffen den andern geſchlagen/ und zwar die bittern Zaͤhren/ er weinet
bitterlich: Suͤſſe Thraͤnen ſind Lieb-Freude- und Luſt-Thraͤnen/ als
Gen. 29, 11.
c.
43, 30.
nemlich Jacobs Thraͤnen/ da er ſeine Bluts-Freundin Rahel zum erſten
mal geſehen/ Joſephs Thraͤnen/ da ihm ſein Bruder Benjamin wieder-
1. Sam. 20,
41.
umb in die Augen kommen/ Jonathans und Davids Thraͤnen/ dulciores
ſunt lacrymæ amantium, quàm gaudia theatrorum,
ſchreibt Auguſtinus
in Pſ.
127. Lieb-Thraͤnen ſind ſuͤſſer als aller Augen-Luſt bey den Comæ-
dien und Spielen. Aber Buß- und Trauer-Thraͤnen die ſind bitter/ reiff
und in der innerſten Hertz-Kammer/ wol außgekocht/ ſie () kratzen die Au-
gen aus/ ſolte man ſie koſten und ſchmecken/ ſo bitter und ungeſchmack
wuͤrden ſie einem fuͤrkommen/ als der mit Aſch und Leid-Thrånen gemeng-
ter Tranck der Koͤnigin Artemiſiæ.


‘() vide de tertio Calumniatore Narciſſi hiſtoriam apud Euſeb. l. 6. c. 8.’ ()
2. Sam. 24,
10. confer
1. Chron.

22, 8.

Ein angſthafftiges Hertz/ welches in ihm ſchlaͤget als ein
Vhrwerck/ furchtſam/ nicht aus Knechtiſcher Furcht bloß aus Furcht
der Straffe/ ohne Betrachtung der Suͤnde/ die aus freyen Willen herfuͤr
Dan. 5, 6. 9.bricht/ wie ſich gefuͤrchtet Belſazer/ ſondern es muß die Furcht mit Glau-
ben per craſin vermiſchet ſeyn. Da dann der Vnterſcheid der Kindlichen
und Knechtiſchen Furcht ſehr wol in acht zu nehmen/ * jener affect bren-
net vor Liebe/ und treibet die Knechtiſche Furcht aus/ macht freymuthig
reden und ſagen: Abba lieber Vater; dieſe entſtehet aus Schrecken und
Haß/ aus Furcht der Straffe/ und zielet endlich durch Beyrath des Sa-
thans auff die Verzweifelung/ wie an Judas Exempel zu ſehen/ Da ich
Matt. 27, 5.Geſichte betrachtet in der Nacht/ ſpricht EliphasvonTheman,
Iob. 4, 13.
14, 15.
da kam mich Furcht und Zittern an/ und alle meine Gebeine
erſchracken/ und da der Geiſt fuͤr mir fuͤruͤber gieng/ ſtunden

Lev. 26, 36.mir die Haar zu Berge an meinem Leibe/ ein ſolch knechtiſch-
furchtſames Hertz jaget auch ein rauſchendes Blat. Ein gedultiges
und demuͤthiges Hertz/
daß ſich Gottes Gericht unterwirfft/ und ihm
Lev. 26, 41.Gottes Straffe gefallen laͤſſet/ und ſpricht wie D. Luther am Rand Lev.
26. gloſſi
rt: Ach wie recht iſt uns geſchehen/ Danck hab unſer verfluchte
Suͤnde/ das haben wir nun davon/ O recht lieber Gott/ O recht. Das
ſind Wort einer ernſten Reu und Buſſe/ die ſich ſelbſt aus Hertzengrund
haſſen und anſpeyen lehret/ pfui dich/ was hab ich gethan? Das gefaͤllet


‘* Vbi plus amoris, ibi minus timoris, hinc Adulteri (impiâ licet flammâ
flagrantes) cupiditate incenſi, multa faciunt audacius, juxta Philoſophum l. 3.
Eth. cap.
11.’
()

dann
[165]Predigt.

dann Gott/ daß er wieder gnaͤdig wird. Wie Eli/ der ſaget/ als ihm1. Sam. 3, 18.
Gott ließ ſeine Straffe verkuͤndigen: Er iſt der HERR; David:2. Sam. 16,
10.

Der HERR hats ihn geheiſſen/ wie Mauritius der Kaͤyſer/ als er
eine Stimme gehoͤret: Wo wiltu daß ich dich ſtraffen ſolle? geantwortet:v. Cluv. p.
407.

Amator hominum Domine \& judex juſte, hîc, non in illo ſeculo.
O guͤtiger Menſchen-Liebhaber/ gerechter Richter/ nicht dort/ ſondern hier/
ich will gern leiden/ was du uͤber mich verhaͤngeſt.


III.Seine ſchamrothe Stirn und niedergeſchlagenes
Angeſicht/
ſo ſich ſchaͤmet und ſcheuet fuͤr Gott und allen H. Engeln/
von Miriam der Schweſter Moſis/ die wegen ihrer Suͤnd mit Außſatz
geſtrafft worden/ ſpricht der Herr zu Moſe/ wann ihr Vater ihrNum. 12,
14.

ins Angeſicht geſpeyet hatte/ ſolte ſie nicht ſieben Tage ſichIer. 31, 19.
ſchämen/ nach dem ich/ ſpricht das ſchamrothe buͤſſende Ephraim,
gewitziget bin/ ſchlag ich mich auff die Huͤffte: Dann ich
muß leiden den Hohn meiner Jugend/ du HERR biſt ge-
recht/
ſagt Daniel in ſeinem Buß-Gebet/ wir aber muͤſſen unsDan. 9, 7.
ſchämen.


IV.Seinen abgewendeten Ruͤcken/ Ade/ ſpricht ein ſol-
ches Hertz/ ihr loſe Suͤnden/ was habt ihr mir fuͤr Hertzeleid gemacht? nun-
mehr Vrlaub ihr geuͤbte und unzimlich geliebte Suͤnden! Er begibet ſich
nicht nur actu peccandi, der euſſerlichen groben That/ wie ein febricitant
des Weins/ oder ein Cartheuſer des Fleiſches; ſondern auch affectus
peccandi,
der iñerlichen Begierd und Luſt zu ſuͤndigen per deſuetudinem,
durch Entwoͤhnung/ er gewoͤhnt ihm ſolchs ab/ wie ein Spieler und DoplerAmbroſ.
l. 2. de pœ-
nit. c.
10.

der viel verſpielt/ die Kartẽ anſpeyet und vermaledeyet/ oder wie jener Juͤng-
ling zun Zeiten des Ambroſii, der mit einer unzuͤchtigen Dirne zugehalten/
daruͤber aber verreiſet/ und eine Zeitlang auſſen geweſen/ unterdeſſen die boͤ-
ſe Art ihm abgehwoͤhnet und bereuet; Als er nun wieder zuruͤck anheim
kommen/ und gemeldte Schandpeck ihme fuͤr Augen getretten und ge-
ſagt: Kenneſtu mich nicht mehr? Nein/ ſagt er/ ich kenne dich nicht mehr/
packe dich von mir du ſchnoͤde Verfuͤhrerin: Alſo thut auch ein recht
reuendes Hertz/ es beurlaubet die vorig-geuͤbte und beliebte Suͤnden/
ſagt Ade! Jch habe den Teufel lernen kennen/ ich begehre ihm nicht mehr
in die Klauen.


V.Seinen beichtenden Mund/ mit welchem er ſeine Suͤn-
de rein bekennet/ und fuͤr Gott dem HErren als Greuel außſchuͤttet/ iſt
X 3noth-
[166]Die Dreyzehende
Pſal. 32, 3.nothwendig fuͤr GOTT. David ſaget: Da ich meine
1. Ioh. 1, 9.Sůnde wolte verſchweigen/ verſchmachten mir meine Gebei-
ne.
Cur tibi tot rerum narrationes digero? non utique, ut per me
Auguſt. l.
11. Confeſſ.
c.
1.
noveris ea, ſed affectum meum excito, ſagt Auguſtinus: Warumb/
lieber Gott/ erzehle ich dir doch ſo viel Sachen? fuͤrwar nicht darumb/
daß du ſie durch mich wiſſen ſolteſt/ ſondern daß ich meine affecten und Be-
gierden auffmuntere. Es iſt ſolche Beichte billich auff ſeiten des
Naͤchſten/ den man beleidiget und erzuͤrnet/ daß man auch mit Bekaͤntnuͤß
des Vnrechten ihm entgegen gehe. Chriſti Vermahnung iſt bekant/
Matth. 5,
23. 24. 25.
Wann du deine Gab auff dem Altar opfferſt/ ſo gehe zuvor hin
und verſoͤhne dich mit deinem Bruder/ ꝛc.
Es iſt auch nuͤtzlich/
die begangene Suͤnde fuͤr dem Kirchen-Diener und Beicht-Vater
abzulegen/ David bekennet rund fuͤr ſeinem Seelſorger Nathan/ und ſagt:
2. Sam. 12,
13.
Jch hab geſuͤndiget! die Taͤufflinge ſo von St. Johannes dem Taͤuf-
Matth. 3, 6.fer getaufft worden/ bekanten ihre Suͤnde/ des gleichen thaͤten die Buͤſſer
Act. 19, 18.zu Epheſo/ die Bekanten. Jſt endlich auch zimlich/ und eine feine
Kirchen-Zucht/ wann man in offentlichen Ergernuͤſſen und bannigen
Ioſ. 73, 20.Laſtern fuͤr der gantzen Gemeine die Suͤnde bekennet wie Achan.


VI.Seine euſſerliche Geberden und Wercke/ Ob wol in
euſſerlichen Gebaͤrden und Wercken die Buſſe nicht beſtehet/ gleich wie
das Gebet auch nicht in Kniebeugen/ ſo ſind es doch etlicher maſſen Zeugen
einer wahren/ rechtſchaffenen Buſſe/ ſo fern man nur den Hoffart nicht
ankleibet/ oder die Einbildung eines Verdienſts; ſonderlich gehoͤret hieher
Num. 5, 7.ſatisfactio,die Gnugthuung oder Wieder-Erſtattung deſſen/
ſo man abgetragen/ oder worinn man den Nächſten beſchaͤ-

Luc. 19, 8.diget/ wie Zachæus thaͤt/ der ſaget: So ich iemand betrogen habe/
gebe ichs vierfaͤltig wieder;
cùm res aliena non redditur, quæ reddi
v. Luth. pa-
ſtoral. p.

269.
poteſt, non agitur, ſed fingitur pœnitentia, ſchreibt Auguſtinus, Wann
man das jenige/ ſo man entwendet und wieder geben kan/ doch nicht wie-
der gibt oder erſtattet/ ſo iſt es keine wahre/ ſondern erdichtete Buſſe. Das
iſt alſo die figur und Geſtalt eines rechten und ernſtlichen reuenden/ buͤſ-
ſenden Suͤnders.


Fragſtu aber/ Woher kommen ſolcheaffecten und Bewe-
gungen?
Antwort/ der Vrheber ſo gethaner Buſſe iſt Gott der
Heilige Geiſt/
ohn welchen Gott nichts gefaͤllet: der lebendig-
machende
[167]Predigt.
machende Geiſt; welcher die in Suͤnden erſtorbene Hertzen wiederumbAct. 11, 18.
geiſtlicher Weiſe lebendig machet. Gott iſt der jenige/ der den Heyden
Buſſe gegeben zum Leben/ eine Gabe die kein Potentat/ ja kein Engel geben
kan/ Welt- und Geld-Buſſen/ Leib-Straffen aͤndern das Hertz nicht/ ſon-
dern verhaͤrtens vielmehr/ von oben herab kom̃t das ſelige corditropium,
die Hertzenswende goͤttlicher Traurigkeit. Die Vnwiedergeborne haben
auch eine Reue/ ſie bekuͤmmern ſich auch/ wie auch die Phariſeer/ Heyden/
Papiſten/ Tuͤrcken/ aber es iſt Affenwerck/ gleich wie der Affen Thun und
Gauckeley der Menſchen Thun und Geſchaͤfften aͤhnlich iſt/ dem ſie alles
nachmachen: Alſo iſt auch die Buſſe der Vnwiedergebornen ein bloſſes
ſimulactum, Schatten und Bild ohne Weſen/ ein Schein der wahren
Buſſe/ Vrſach/ es mangelt an dem rechten motore, es iſt dieſelbe nicht
aus Gott gethan/ von Hertzen/ nach der regul des Goͤttlichen Worts.
Der H. Geiſt iſt derExcitator,Er muntert/ wecket auff/ und
klopffet an;
Von einer ſtatuâ Memnoniâ, des Memnons Bild in
Egypten ſchreibet man/ es ſey daſſelbe durch die Beſcheinung der Son-
nen/ wann ſie fruͤh auff daſſelbe mit ihren Strahlen gefallen/ vocal wor-
den/ hab ſich gereget und eine menſchliche Stimm von ſich erſchallen laſ-
ſen. Eine ſolche Stimm und thummes Bild iſt der Menſch nach dem
Fall von Natur/ es iſt kein geiſtliches Leben in ihm. Wird er aber von dem
Gnaden-Glantze des Heiligen Geiſtes angeleuchtet/ ſo reget er ſich/ ſo wen-
det er ſich zu Gott/ ſo erhebt er ſeine Stimm zu Gott und ſchreyet aus
der tieffen Noth! Abba/ lieber Vater. Ach Vater/ ich hab geſuͤn-Rom. 8, 15.
diget in den Himmel und fuͤr dir.

Luc. 15, 18.
21.

Er iſt nicht nur derilluminator,ſo da erleuchtet durchs Ge-
ſetz;
ſondern Er erreget auch die geiſtliche Traurigkeit/ die Reue
uͤber die Suͤnde in dem Hertzen;
Er moderirt alles in der praxi,
temper
irt per κράσιν, vermiſchet das Schrecken des Geſetzes mit honig-
ſuͤſſem Evangeliſchem Troſt/ den Glauben mit der Reue: Er verwandelt
das ſteinere Hertz in ein fleiſcheres/ ſo gibts eine Goͤttliche Reue/ welches2. Cor. 7,
10.

Er alles wuͤrcket/ das iſt/ der Heilige Geiſt ſchaffet und machet/ daß eineMatth. 27,
3. 4. Luc.
22, 61. 62.
Brentius
ad Acta p.
27. confer
hodomor.
Calv. part.
2. p.
1850.

ſolche Buſſe heilſam ſeye; und daran hats gemangelt Jndæ dem Verraͤ-
ther/ die exteriora und euſſerlichen Buß-Zeichen ſind anſehnlicher bey
Juda als Petro/ Petrus erzeiget keine ſolche Reu/ er recantirt nicht/ thut
keinen ſolchen Widerruff fuͤr den Hohenprieſtern wie Judas/ dennoch
war Petri eine rechtſchaffene Buſſe/ jene nicht. Ecce Judam, ſagt Brentius,
\& time,
[168]Die Dreyzehende
\& time, ecce Petrum \& fide! Sihe Judam an/ und fuͤrchte dich/ ſchaue
Petrum an und glaube.


Jm Papſtumb ruͤhmt man auch eine Buſſe/ aber ſie iſt eine Spiel-
Ludovic.
Viv. ad l. 8.
de Civ. Dei
c.
27.
Buſſe/ eine rechte hiſtrionia, wider welche auch Ludovicus Vives geeifert/
ſonderlich in der Marter-Woch/ da man als in einer Tragœdi und Auff-
zug die Buſſe theatriſirt/ auff die Schau fuͤhret/ zugleich auch in einer lan-
gen proceſſion die Selbſtbuͤſſer erſcheinen/ denen der Herr Chriſtus langſt
Eſa. 1, 12.abgedanckt und geſagt: Wer hat dieſes von euren Händen ge-
fordert?
Ein ander Bildnuͤß mahlet uns der Heilige Geiſt fuͤr Augen/
an der ſchoͤnen Buß-Reue der jenigen armen bußfertigen Suͤnder im
Alten und Neuen Teſtament auffgezeichnet/ die zwar auch mit euſſerlichen
ceremonien Hertzens-affecten bezeuget/ aber es war nicht die foͤrm-
Matt. 12, 41.
confer Ion.
3, 5. ſeqq.
() ita enim
uſurpatur
vox
μετα-
νοια apud
LXX.
Prov. 24,
32. Hebr.
12, 17. Ier.
31, 19. Sap.
5. 3. Act. 11,
18. 2. Cor.
7, 10. 2. Ti-
mot.
2, 25.
liche Buſſe ſelbſt. Chriſtus unſer Heiland ſtellet uns gar bedenck-
lich zu einem exemplar und Buß-Muſter/ die bußfertige Statt
Ninive/ ruͤhmt von derſelben die () metanœan, das iſt/ das genaue/ ſcharffe/
ernſthaffte/ ſtrenge nachſinnen/ nachdencken/ nachforſchen im Gemuͤthe
des Verſtandes: Die Nach-Reu in der edelſten Krafft der Seelen dem
Willen/ darinnen ſie das volo in nolo, das volui in nollem, das volam
in nolam convert
irt: Die Nach-Traur/ Nach-Schmertzen/ Nach-
Angſt/ Nach-Furcht/ Nach-Scheu in den affecten/ die ſich alle in euſſer-
lichen Gebaͤrden Kleider-Wechſel/ Aſch-Sitzen/ Anzug der Saͤcke/ heffti-
Buß-Litaneyen und wuͤrcklicher Bekehrung von ihren boͤſen Wegen und
Greuel herfuͤr gethan/ und weil dieſelbe mit der edlen Krafft des ſeligma-
chenden Glaubens begleitet geweſen/ ſo war es μετάνοια εἰς ζωην` εἰις σωτηρίαν
εἰς ἐπἰγνωσιν ἀληθείας, ein Reu die zum Leben/ Liecht und Heil gedeyet/ davon
ſie aus ihrem Suͤndenſchlaff erwachten/ und die viertzig Tage/ ſo ihnen zur
1. Sam. 25,
38.
Buß gefriſtet und gegoͤñt geweſen/ beſſer angelegt als Nabal ſeine 10. Tage.


Petri Thraͤnen/ zum Exempel/ waren die Fenſter/ dadurch man ihm
ins Hertz hinein ſchauen konte/ wie der Artzt aus dem Gebluͤt/ ſo aus der
eroͤffneten Ader gefloſſen/ von dem Temperament des Menſchen urtheilet/
wie die Mutter-Milch/ davon das Kind an dero Bruͤſten geſaͤuget wird/
zeuget von der Philoſtorgiâ und muͤtterlichen Bluts-Liebe/ wie das gum-
mi
oder Hartz/ ſo aus den Baͤumen ſchwitzt/ deroſelben Fettigkeit andeu-
tet/ alſo ſind auch die Buß-Thraͤnen ſanguis vulnerati cordis, das Zeug-
Blut eines verwundeten Hertzens. Aber wie dem allem/ ſo beſteht doch da-
rinn die Buß nicht foͤrmlich und eigentlich/ weniger ſind dieſelben die jenige
buͤſſenden Thraͤnen/ dadurch ſeine begangene Mißhandlung abgewaſchen/
und außgeſoͤhnet worden/ es gehoͤren andere Zaͤhren zu ſeiner buͤſſenden
Buſſe/
[169]Predigt.
Buſſe/ nemlich die Bluts-Thraͤnen die Chriſtus im Oel-Garten vergoſ-
ſen. Lacrymas Petri lego, ſatisfactionem non lego, ſchreibt () Ambro-
ſius,
Jch leſe wol von Petri Thraͤnen/ aber von keinen buͤſſenden und gnug-
thuenden Thraͤnen. Buß-Zeichen ſind es/ nicht verſoͤhnende Buß-
Wercke.


‘() Ambroſ. in Luc. 22. contra Leonem M. qui ſerm. 9. de paſſione ſcribit,
lacrymæ Petri ad diluendam culpam negationis virtutem habuerunt S. Baptiſma-
tis, confer Bellarm. in gemitu Columb l. 1. c. 10. Cornel. à Lap. ad Ezech. pag. 1000.
Raderi Bavariam Sanct. de lacrymis Ottiliæ part. ult. pag.
7.’
()

Dienet alles zu einer Leuchte und Schau/ daß wir uns umbſe-
hen/ ob und wo ſolch ernſte Buͤſſer heutigs Tages anzutreffen? Es man-
gelt an ſcharffen Augen/
niemand gehet faſt recht in ſich ſelbſt/ einer
ſihet den andern an/ und meynt/ der ſey getroffen/ ihn geh es nicht an. Zwar
Buß-Zeichen erſcheinen bey vielen/ ein Sack aber ohn Hertz/ ein Hertz-loſer
Sack/ ein Hertz-loſer beichtender und betender Mund/ Hertz-loſes Nim-
merthun: Pharao hat auch eine Zeitlang ingehalten von ſeiner Boßheit/
aber ſo bald er Lufft bekommen/ ſein Hertz wiederumb erhaͤrtet: einem Dieb
werden die Haͤnde gebunden/ daß er nicht mehr ſtehlen kan/ aber der affect,
Luſt und Begierde zu ſtehlen bleibt ungebunden/ daher man die exempla
gehabt deren/ die vom Galgen erloͤſet/ dannoch wiederumb angefangen zu
mauſen. Alte Geiſſen lecken noch gern Saltz/ iſt ſchon die Vermoͤglichkeit
verſchwunden/ ſo iſt doch der affect und flammende Luſt vorhanden.


Das Gemuͤth iſt blind/ ſihet mit Phariſeiſchen Augen den SplitterLuc. 6, 41.
ins Bruders Auge/ wird aber des Balcken in ſeinem Auge nicht gewar.
Bonifacius VIII. Papſt war ſo verblendet/ daß er bey ſeiner unerſchwing-vid. papyr.
Maſſov. in
ejus vitâ.

lichen Tyranney ihm noch eingebildet/ er leide unſchuldig: da er von einer
conſpiration wider ihn gehoͤrt/ ſagt er/ er troͤſte ſich mit Chriſto/ der ſey auch
verrathen worden. Welt-Traurigkeit iſt gemein/ die Goͤttliche Traurig-
keit rar. Saul und David geben uns beyder Traurigkeit Exempel an die
Hand/ Saul trauret umb den Verluſt ſeines Koͤnigreichs/ er ließ Gott
gern ſein Him̃els-Kron/ wañ er nur ſeine weltliche Koͤnigs-Kron erhaltenPſal. 51, 13.
moͤcht: David trauret uͤber den Verluſt des hoͤchſten Guts/ des Heiligen
Geiſtes/ den er verlohren/ und bittet/ daß er ihm nicht wieder genommen
werde/ er ließ einem andern ſein Koͤnigreich gern fahren/ wann er nur Got-
tes Huld erlangen und erhalten moͤchte. Jener trauret wegen der ange-
draͤueten Straffe/ dieſer uͤber die leidige Suͤnde/ Meine Suͤnde iſtPſal. 51, 5.
2. Sam.
15,
26.

immer fuͤr mir/ der Straffe untergibt er ſich gedultig. Jener laͤſſet
Sechſter Theil. Ykeinen
[170]Die Dreyzehende
keinen Glauben von ſich leuchten/ er hat das Hertz nicht/ Gott den
Herrn anzuruffen und zu ſagen: Mein GOTT! ſondern er bittet
1. Sam. 15,
30.
den Samuel/ daß er fuͤr ihn beten wolle/ kehre mit mir umb/ daß ich
den HERREN DEJNEN GOTT anbete.
Dieſer
Pſal. 51, 3.rufft mitten unter der Ruthe: Erbarm dich mein GOTT nach
2. Cor. 7,
10.
deiner Gůte: Jener verzweifelt in ſeinen Suͤnden; dieſer trauret zur
Buſſe/ die da gewuͤrcket eine Reu/ die ihn nimmermehr gereuet.


Es gehet in dieſem Fall eben/ wie wann einer auff dem Pranger ſte-
het iederman zu Spott/ aber unter dem Hauffen ſtehet mancher/ der es
eben ſo grob und noch groͤber gemacht/ der ſpottet mit/ meynet es gehe ihn
nichts an: Oder wie ſich bißweilen begibet/ daß wann einer am Halß-
Eiſen ſtehet/ ein anderer unverſehens aus Vnwiſſenheit auff den Laſter-
Stein tritt/ man lacht ihn aus/ er lachet mit/ gerade als haͤtt er es wol ge-
troffen/ er ſeye nicht gemeynet: ſo gehets in der Welt; man hoͤret von
der Buſſe/ und deren Exempel leuchten fuͤr Augen in der Schrifft; Aber
das achtet nicht der blinde/ unſinnige Suͤnder/ der in Suͤnden ſtecket biß
uͤber die Ohren/ will kein Waſſer betruͤbt haben/ und glaubet nicht daß ſein
Schade ſo verzweifelt-boͤſe/ ſteckt in groſſer aber uͤberwindlicher Blind- und
Vnwiſſenheit. Jch will von der Erb-Suͤnde nichts ſagen; die Vnwiſ-
ſenheit des Decalogi, daß man die zehen Gebott Gottes nicht recht/ eigent-
lich/ gruͤndlich wiſſen noch verſtehen will/ die iſt ſemen malorum, die
Wurtzel alles boͤſen/ aller Suͤnde und Ergernuͤß.


Es mangelt an einem recht zerknirſchten/ zerſchlagenen/
mit Goͤttlicher Traurigkeit umbfangenen Hertzen/
die fuͤhlet
kein Stahl- und Eiſen-hartes oder Diamant-feſtes/ kein erſtarretes/
Pharaoniſches Hertz/ ſo mit allerhand fulcris ſich auffhaltet. Wann man
ein wenig Lufft bekommt/ ſo laͤſt man die motus divinos, die Goͤttlichen
Bewegungen/ nicht auffkommen/ man ſopiret und daͤmpffet dieſelbe mit
dem Trunck fleiſchlicher Wolluſt und Geſellſchafft/ kommt Creutz/ Straff/
Vngluͤck/ ſo faͤllt man auf das ander extremum, da wird man ungedultig/
murret wider Gott wie die Jſraeliten/ bellet wie der Hund wider den
Stein damit man geworffen/ wuͤndſcht ihm ſelbſt den Tod/ gerathet in die
deſperation und Selbſt-Mord; nichts iſt gemeiner als den Tod wuͤn-
ſchen/ daß man aus Vngedult ſaget/ Ey daß ich zehen Klaffter unter
der Erden leg! ja wann keine tieffere Hoͤlle waͤr!


Ierem. 3, 3.

Es mangelt an der ſchamhafften Stirn/ ſie haben eine Hu-
Ieſ. 3, 9.ren-Stirn/ ſchaͤmen ſich ihrer Suͤnden nicht/ mehren und naͤhren ſie/ und
ruͤhmen
[171]Predigt.
ruͤhmen ſich noch derſelben wie die zu Sodom/ ſonderlich der Suͤnden der
Jugend/ iſt ein Ruhm dem ſchweigen beſſer anſtuͤnde. Die alte langge-
uͤbte Suͤnde wird nicht beurlaubet/ jung gewohnt/ alt gethan: und ob
irgend die Kraͤfften weiter in Laſtern fortzufahren zerrinnen/ ſo bleibt doch
der affect und Luſt noch uͤber/ ein alter Fuhrman hoͤret das knallen noch
gern/ alte Ziegen lecken noch gern das Saltz. Hat man gleich den Kopff ein
Weile gehaͤnget und Schein-Buſſe gethan/ ſo waͤltzet man ſich doch bald
wieder in den Koth/ friſchet die Suͤnden in den Buß-Thraͤnen/ da man
ſie ſolt erſaͤuffen/ man bleibt ligen auf den alten Hoͤfen; Keine rechtſchaffe-
ne Fruͤchte der Buſſe ſcheinen herfuͤr/ keine reſtitution des abgewaͤltigten
Gutes/ noch bleibt der ſeindſelige Epha in des Gottloſen Hauſe: nochAmos. 8, 5.
bleibt der Kipper-Gewinn/ noch bleibt dem Koͤnig Achab der von Naboth
wider Recht entzogene Weinberg. Man gehet zum Tiſch des Herren/1. Reg. 21,
15. 16.

wiſcht das Maul/ fanget es wieder an/ wo man es vor gelaſſen. Man halt
eben wie ein loſer Bogen.


Nun die Straffe iſt angedraͤuet; Gnade oder Ruthe! das Schwert
iſt gewetzt/ der Bogen geſpannen/ Will man ſich nicht bekehren/Pſ. 7, 13. 14.
ſo hat er ſein Schwert gewetzet/ und ſeinen Bogen geſpannet/
und zielet/ und hat drauff geleget tödliche Geſchoß/ ſeine
Pfeile hat er zugerichtet zum Verderben.
Chriſti Donner-Wort
ſtehet Luc. 13. da ihm aviſo kommen von den Galileern den Auffruͤhrern/Luc. 13. 1. 2.
3. 4. 5.

deren Blut ſammt ihrem Opffer Pilatus vermiſchet hatte/ ſprach er:
Meynet ihr/ daß dieſe Galileer fuͤr allen Galileern Suͤnder
geweſen ſind/ dieweil ſie das erlitten haben? Jch ſage: Nein!
ſondern ſo ihr euch nicht beſſert/ werdet ihr alle auch alſo umb-
kommen. Oder meynet ihr/ daß die Achtzehen/ auff welche
der Thurn zu Siloha fiel/ und erſchlug ſie/ ſeyen ſchuldig ge-
weſen fuͤr alle Menſchen/ die zu Jeruſalem wohnen? Jch ſage:
Nein; ſondern ſo ihr euch nicht beſſert/ werdet ihr alle auch
alſo umbkommen;
Alſo auch ihr/ meynet ihr/ daß die zu Magdeburg
und andern ruinirten Orten/ Staͤtten und Laͤndern allein Suͤnder gewe-
ſen/ werdet ihr nicht Buſſe thun/ ihr werdet alle umbkommen/ wiewol nicht
alſobald: Gott richtet zwar nicht zur Stund/ aber Er richtet zu grund:
Gott ſtraffet nicht auff einerley Weiſe/ wem Ers hier ſchencket/ dem
wirds dort eingetraͤncket/ multa nunc fiunt, quæ ante diluvium; ſed dilu-
vium non fit, gehenna manet,
ſchreibet Chryſoſtomus: Es geſchiehet
Y 2heut
[172]Die Dreyzehende
heut zu Tag viel boͤſes/ das vor der Suͤndfluth geſchehen iſt/ und kom̃t doch
keine Suͤndfluth/ aber darauff wartet ein hoͤlliſches Feuer; Gott hat viel
Plagen/ der Sodomer Schwefel- und Feuer-Regen/ der Jſraeliten feurige
Schlangen/ Wuͤrme/ ꝛc. Die blinde Laſt-Traͤger und tolle Buͤſſer/ flagel-
lant
en und Geißler im Papſtumb werden am Juͤngſten Tage wider ſolche
zarten Buͤſſer aufftretten/ und ſie ins Angeſicht ſchelten/ als die ſolch groß
Liecht nicht gehabt!


Hier ſtehet ferner derpœnitentiarius,der Buͤſſer fuͤr Augen/
zurimitation,Nachfolge und Nachahnung/ daß man dieſem
Bilde aͤhnlich werde. Dann was iſt die Vrſach/ daß nicht alle Menſchen
ſelig werden? Auff ſeiten Gottes iſt die Gnade gleich gegen einem wie ge-
gen dem andern: Einig und allein die Buſſe machet den Vnterſcheid.
Matth. 7, 6.Das will Gott einmal haben/ Er will das Heiligthumb und die Perlen
ſeiner Gnaden-Schaͤtze nicht laſſen fuͤr die Schwein und Hunde hinwerf-
fen/ Er will Buſſe fuͤr Suͤnde annehmen/ aber daß es eine rechte ernſt-
Luc. 4, 18.haffte und wahre Buſſe ſey: Das Evangelium gehet auff die zerſchla-
gene Hertzen. Die Exempel find fuͤrhanden: David/ der ſeine Suͤnde
Luc. 7, 38.offentlich cantiren laſſen; Petrus/ die groſſe Suͤnderin/ Auguſtinus, der in
offentlichen von ihm außgegangenen Beicht-Buͤchern ſeine Suͤnden der
gantzen Welt gebeichtet. Nimmer wird kein Richter keinen loßſprechen/
wann gleich ranzion fuͤr ihn bezahlet/ der ſeine Suͤnde nicht auch beken-
net/ abbittet/ bereuet/ ſich ſchaͤmet/ abſtehet; man hat irgends das erſte mal
bedauren mit einem Diebe/ Ehebrecher ꝛc. kommt er aber noch einmal/
Ier. 31, 18.ſo exequirt man ohn Barmhertzigkeit. So laſſet uns nun Jeremiæ ſein
kurtz Gebet nachſprechen allezeit! gehoͤret unter unſer taͤglich Bitt/ nach
dem das walt Gott geſprochen/ ſoll alſobald dieſes Gebetlein folgen:
Jſt ein ſuſpirium jaculatorium, ein rechtes Stoß-Gebetlein: Bekehre
du mich HERR/
(als wie ein Schiff) ſo werde ich bekehret/
dann du HERR biſt mein GOTT/
Amen.



Die
[173]Predigt.

Die Vierzehende Predigt/


Vber den dritten Articul/
Von dem Glauben als der annehmenden Hand/
welche die angebotene Gerechtigkeit faſſet
und begreiffet.


GEliebte in Chriſto: Als Hiskias der Gottſelige Juͤ-
diſche Koͤnig in ſeiner loͤblichen reformation, auch das
lang-unterlaſſene Paſſah-Feſt durch ein offentlich mandat
und manifeſt außruffen laſſen in gantzem Juda und
Jſrael von Berſeba an biß gen Dan/ daß ſie ſich gen Jeru-
ſalem zu dem Heiligthumb Gottes begeben und Paſſah
halten/ ſo laͤſt er unter andern auch dieſe bedenckliche Wort mit einrucken:
Gebet eure Hand dem HERREN;thenu jad lajovah,2. Chron.
30, 8.

verſtehet dadurch 1. die demuͤthige Buß-Hand;manum dare
oder die Hand geben/ heiſt in allen Sprachen ſo viel als ſich ergeben/ ge-
wunnen geben/ demuͤthigen/ auch in der Hebreiſchen/ Jerem. 50. da derIer. 50, 15.
Prophet von der ruin und Vntergang der Statt Babel propheceyet/ ſo
ſagt er unter andern: Sie muß ſich geben/ im Hebreiſchen Text ſtehet:
nothena jadah, dedit manum ſuam, ſie hat ihre Hand gegeben:
Alſo will auch hier Hiskias ſagen: Demuͤthiget euch unter die bißher
ſchwere und gewaltige Hand Gottes/ und wie er fich ſelbſt erklaͤret: Jhr
Kinder Jſrael bekehret euch zu dem HERREN/ dem Gott
Abraham/ Jſaac und Jſrael/ ſo wird Er ſich kehren zu den
Vbrigen/ die noch uͤbrig unter euch ſind/ aus der Hand des
Königs zu Aſſur.


2. Die verſprechende Hand eines beſtaͤndigen Gehorſams;
Dann ſo iſt in aller Welt more gentium, nach Art und Sitt der Voͤlcker
das herkommen/ daß man mit Hand-gegebener Treu und Hand-Streich
etwas zuſaget/ iſt auch bey den Hebreern uͤblich/ wie zu leſen 2. Reg. 10.2. Reg. 10,
15.

da Jehu in ſeinem Goͤttlichem Eifer auff Jonadab den Sohn Rechab
geſtoſſen/ gruͤſſet er ihn und ſpricht: Jſt dein Hertz richtig/ wie mein
Y 3Hertz
[174]Die Vierzehende
Hertz mit deinem Hertzen? Er ſaget: Ja! Jſts alſo/ ſprach
Jehu weiter/ ſo gib mir deine Hand/ und er gab ihm ſeine Hand;
Alſo weil Gott auch ihnen den Jſraeliten ſeine treue Bunds-Hand
wiederumb anbietet/ ſollen ſie mit ihrem Hand-Streich ihm begegnen und
von neuem Treu und Gehorſam zuſagen.


3. Die Bitt- und Bet-Hand des Glaubens; Jſt aber-
mal bey allen Voͤlckern uͤblich/ daß wer ſuppliciret bey einem Richter oder
Potentaten/ der hebet ſeine Haͤnde empor; Ein Bettler/ der ein Almoſen
empfahen ſoll/ hebet ſeine Haͤnde auff/ ſonderlich im Gebet zu Gott iſt
ſolche ceremoni gebraͤuchlich geweſt; Salomon in ſeiner Kirchweihe
1. Reg. 8,
22.
breitet ſeine Haͤnde aus gen Him̃el/ es vermahnet auch herzu St. Paulus/
1. Tim. 2, 8.hebet auff/ ſpricht er/ heilige Hände. Alſo weil Gott ſelber den
gantzen Tag ſeine Haͤnde außſtrecket zu einem Volck/ das ihm nicht ſagen
Eſa. 65, 2.laͤſſet und widerſpricht; weil er ſeine beneficia Evangelica, ſeine geiſtlichen
Rom. 10,
v. ult.
Wolthaten im Wort und Paſſah-Sacrament offeriret/ ſo will er haben
manum apprehendentem correlatam, manum fidei mendicam \& ſup-
plicem,
eine zugreiffende/ demuͤthige Bitt-Bet- und Glaubens-Hand/
Hand gegen Hand.


So gebet nun auch dem HERREN eure Hand/
ſprechen wir mit Hiskia. Davon dißmal etwas mehrers zu handlen.
Wir haben gehoͤret/ welcher maſſen GOTT der Heilige Geiſt
dem miniſterio und Predig-Ampt die Hand fuͤlle durch Wort und Sa-
cramenten zu verkuͤndigen und wuͤrcklich zu ſchencken/ dieabſolution,
Eſa. 61, 1.Eſa. 61. die Vergebung der Suͤnden/ Luc. 24. die Verſoͤh-
Luc. 24,
47.
nung/ 2. Cor. 5. die vor Gott geltende Gerechtigkeit/Rom. 1.
2. Cor. 5,
20.
ja alle andere gratias und Gnaden-Geſchencke des Heiligen Geiſtes/
und alles was uns im andern Articul von Chriſto zu glauben vorgehal-
Rom. 1, 17.ten worden; So folget nun manus accipiens mendica \& ſup-
plex,
der Glaube/ durch welchen als ein ordenliches Mittel
der Menſch von der Suͤnde abgekehret/ zu GOTT bekehret/
und gewendet/ den angetragenen und dargebotenen Gnaden-
Schatz/ wie ins gemein alſo inſonderheit die Gnade des
Ablaß/ der Vergebung der Suͤnden/ der fuͤr GOTT gel-
tenden Gerechtigkeit/ gefaſſet/ ergriffen/ und angenommen
werden muß.
Gott gibets/ Chriſtus erwuͤrbets/ Glaube ergreiffts/
Creutz
[175]Predigt.
Creutz bewaͤhrets/ Werck bezeugens/ Juͤngſter Tag eroͤffnets/ und das iſts/
das wir ſprechen: Jch glaube an den Heiligen Geiſt/ der da le-
bendig machet/ Jch glaube eine einige Tauffe zu Vergebung
der Suͤnden;
Vor dieſes mal (nach dem bißher Fides quæ
creditur,
der geglaubte Glaube oder die jenige Geheimnuͤß/
welche ein Chriſt glauben ſoll/ außfuͤhrlich und weitlaͤufftig erklaͤret wor-
den) folget FIDES QUÆ CREDIT,der glaubende Glau-
be im Hertzen der Glaubigen/
der das geglaubte Geheimnuͤß er-
greifft/ annimmt und zueignet/ in 4. Vmbſtaͤnden zu betrachten/ als
da ſind 1. fidei juſtificæ quidditas,was der gerecht- und ſelig-
machende Glaube ſey/ und was er in ſeinem gantzen Circk in
ſich begreifft.
2. Reſpectus,worauff er ſich gruͤnde. 3. So-
litudo,
daß er auff unſer Seiten allein gerecht mache. 4. Ori-
go,
der Vrſprung/ wo er her entſpringe.Gott wolle uns
hierzu von oben herab ſeinen Heiligen Geiſt verleihen/ der unſern Glauben
wolle anzuͤnden/ ſtaͤrcken und gruͤnden/ daß wir denſelben biß ans Ende
feſt behalten/ und dermal eins auch ewig gerecht und ſelig werden moͤgen/
umb Jeſu Chriſti willen/ Amen.


SO iſt nun/ damit wir in angefangener figur bleiben/ die Hand/
ſo ſolcher
gratiarumund Gutthaten/ ſonderlich aber
der Rechtfertigung theilhafftig wird
1. Manus quo-
ad ſubſtantiam \& quidditatem illuminata,
ihr Weſen betref-
fend eine erleuchtete Hand/
mit dem hellen Morgenſtern der Goͤtt-
lichen/ warhafftigen/ unfehlbaren Offenbarung/ als mit Diamant gezie-
ret/ welche das Evangeliſche Geheimnuͤß verſtehet/ ohne Falſchheit; weißIob. 19, 25.
Eſa. 53, 11.
Matt. 13, 19.
Luc. 1, 77.
Ioh. 17, 3.
c. 20, ult.
Rom. 10,
14. c. 14, 22.
1. Cor. 1, 5.
Col. 1, 19.
Tit. 1, 19.
Hebr. 11, 3.
2. Petr. 1, 5.
1. Ioh.
5, 4.

was weiß und ſchwartz/ Liecht und Finſternuͤß/ laͤſſet ihm keinen Boͤhmi-
ſchen Diamant fuͤr einen Orientaliſchen/ keine Luͤgen fuͤr Warheit ver-
kauffen und einſchwaͤtzen/ ſo wird der Glaube definirt/ Job. 19. Eſa. 53.
Matth. 13. Luc. 1. Joh. 17. und 20. Rom. 10. \& 14. 1. Cor. 1. Col. 1. Tit. 1.
Hebr. 11. 2. Pet. 1. 1. Joh. 5. Hinweg mit dem Koͤhler-Kinder- und
Narren-Glauben/ den der Teufel im Papſtumb zu einem Heiligthumb
und Abgott geweihet.


2. Manus annuens,Eine zuſchlagende Hand/ durch
die Bey-Pflicht bewogen/ durch das Anſehen und unfehlbare Warheit
deſſen/
[176]Die Vierzehende
deſſen/ der da redet/ ſo bald das Wort wird gehoͤret/ iſt das Hertz convincirt/
als durch ein kraͤfftiges argument: laͤſſet ihm es nicht nehmen durch die
Col. 2, 8.
1. Theſſ. 2.
13.
Hebr.
11, 1.
Philoſophi und Vernunfft: widerſpricht den widrigen Luͤgen und falſchen
Einbildungen/ ſagt mit den Theſſaloniern/ Dieſes Wort nim ich nicht
auff als Menſchen Wort/ ſondern (wie es dann warhafftig iſt) als Got-
tes Wort/ dabey ich bleib/ wag Gut und Leib. Das iſt der elenchus! hier
Kinder-Glaub! hinweg ἐποχὴ und wanckelmuͤthiger Zweifel.


3. Manus apprehendens fiduciâ,Eine zugreiffende
und faſſende
Hand durch ein wahres Vertrauen; Wann ſie
den Goͤttlichen in der theuren Verheiſſung angebotenen Schatz erſehen/
darnach ſich geſehnet/ denſelben in die Hand bekommen/ ſo ziehet ſie den-
Ioh. 1, 5. 11.
12. c. 17, 8.
Rom. 9, 30.
Gal. 3, 14.
Col. 2, 6.
Phil. 3, 9.
Hebr.
4, 2.
ſelben an ſich/ haͤlt ihn feſt/ verlaͤſſet ſich darauff mit aller Macht/ faͤllet
darauff/ dann ſo wird der Glaub durch die Ergreiffung beſchrieben/ Joh. 1.
und 17. Cap. Rom. 9. Galat. 3. Coloſſ. 2. Phil. 3. per συγκράσιν, durch
die Vermengung des Worts mit dem Glauben/ und geſchicht ſolch em-
pfangen/ annehmen/ erlangen/ ergreiffen/ vermengen

1. apprehenſione βιαςικῆ, durch gewaltſame Hinzudringung/
Matt. 11, 12.
Gen.
19, 3.
Matth. 11. dergleichen Noͤthigung beſchrieben wird Geneſ. 19. ſo feſte und
gewaltſam/ als der jenige/ der im ſchwimmen in Waſſers-Noth/ in einen
Waſſer-Keſſel oder Strudel gerathen/ ſich haͤlt an die Hand eines guten
Freunds/ der ihm zu helffen und heraus zu ziehen gewillet/ ehe muͤſte dieſer
mit ihm im Waſſer verſincken/ eh er ihn ſolt laſſen. 2. ἰδιοποιητικῇ appro-
priativâ ad hoc, hîc \& nunc,
durch eigentliche Zueigung/
Iob. 19, 25.
Gal. 2, 19.
20.
Rom. 8, 38.
1. Tim. 1, 15.
2. Tim.
4,
8.
daß ein Menſch mit Job frey ſpricht: Jch weiß daß MEJN Erloͤ-
ſer lebt ꝛc.
und mit St. Paulo: JEH bin mit Chriſto gecreutzi-
get/ der Sohn Gottes hat MJC
H geliebet/ und hat ſich
ſelbſt fuͤr MJE
H gegeben/ anders nicht/ als wann Chriſtus allein
fuͤr ihn geſtorben und in die Welt kommen/ als wann ſonſt kein Menſch
in der Welt geweſen waͤre als er: neque enim Chriſtus recuſaturus erat,
vel ob unum tantam habere diſpenſationem, ait Chryſoſtomus in ep. ad
Galat. 3. Apprehenſione conquieſcentiæ,
durch die Beruhi-
gung des Gewiſſens/
wann das Hertz den edlen Schatz/ und das
koͤſtliche Perlein im Evangelio angetragen/ ihm zugeeignet/ ſich damit be-
luſtiget/ als einer Freuden-Schau/ ihm denſelben vereinbaret als das
hoͤchſte Gut/ ſich darauff verlaͤſſet/ leget ſich darauff und ruhet auff ihm als
dem Port des Heils: ſetzet ihn als einen Gnaden-Thron entgegen der
Suͤnde
[177]Predigt.
Suͤnde und dem Zorn. Er haͤlt denſelben feſt als ein Pfand des Heils/Ioh. 3, 36.
welches er hat: Er ſetzet denſelben allen Verſuchungen entgegen/ als einen
Schild/ ſpricht mit Jacob: Jch laſſe dich nicht/ du ſegneſt michGen. 32, 26.
Luc. 2, 28.
Rom.
5, 1.

dann/ faſſet ihn auff ſeine Arm/ halſet und kuͤſſet ihn wie Simeon.
Diß iſt der rechte Gewiſſens-Friede.


IV. Manus fructuoſa \& liberalis \& viva,Eine frucht-
bare/ freygebige und lebendige durch die Liebe thaͤtige Hand/

dergleichen erſchienen der groſſen Suͤnderin/ Luc. 7. welche von hinden zu
des Herren Chriſti Fuͤſſen trat/ weinete und netzet ſeine Fuͤſſe mitLuc. 7, 38.
Thraͤnen/ trucknet ſie mit dem Haar/ waͤſchet ſeine Fuͤſſe und ſalbet ſie mit
Salben/ dergleichen gutthaͤtige/ liebreiche Hand hatte auch die Purpur-Act. 16, 15.
33. 34.

Kraͤmerin Lydia/ wie auch der Kerckermeiſter/ nach dem ſie glaubig wordẽ.
Belangend zum andern dierelation,Anfuͤgung und Ver-
wandnuͤß
mit dem darauff dieſe Hand ſich gruͤndet und begreiffet/
iſt es in dem Bezirck der Gerechtfertigungmanus paſſiva,ei-
ne bietende und zulaſſende
Hand/ die nicht widerſtrebet/ ſondern an-Ioh. 1, 12.
Rom. 9, 30.
Phil.
3, 12.

nimmet und zulaͤſſet die Bewegungen des Heiligen Geiſtes/ eine demuͤ-
thige Bitt- und Bet-Hand;
Dann ſo fern der Glaube/abſolutè
und bloßhin betrachtet wird als ein gutes Werck/ darff er ſich in dieſem
Bezirck nicht mucken noch ſehen laſſen. Fides quæ juſtificat,Die
Glaubens-
Hand/ ſo da gerecht machet/ iſt wie gemeldet eine
fruchtbringende und wuͤrckende
Hand/ ſo durch die Wercke der
Liebe thaͤtig iſt/ aber quâ juſtificat,ſo fern ſie gerecht machet/
iſt ſie mehr nit als eine bloſſe Annahm und Ergreiffung der Gut- und Wol-
thaten des Meſſiæ. Der Glaube/ wann er betrachtet wird als eine Tugend/
iſt er ein guts Werck/ nun iſt aber die Gerechtfertigung nicht aus den Wer-
cken: die Gerechtfertigung ſo aus dem Geſetz geſchiehet/ erfordert alle gute
Werck/ und daß dieſelben nicht geſchehen aus Schuldigkeit/ und auch gantz
heilig und vollkommen ſeyen/ der Tugend-Glaube aber iſt nur ein einiges
Werck/ darzu unvollkommen/ und geſchicht aus Schuldigkeit. Nun aber
was in der Gerechtfertigung beſtehen will/ muß vollkommen und gantz hei-
lig ſeyn/ welches vom Glauben als Werck nicht mag geſagt werden.

Hunn. ad
epiſt. ad
Rom. pag.

154.

Die Hand iſt ein Glied des menſchlichen Leibes/ hat fuͤnff Finger/
iſt arbeitſam/ kunſtreich/ aber auch bißweilen bittet und betet ſie umb eine
Steuer und Allmoſen. Nach der erſten Tugend und Wuͤrckung gehoͤret ſie
Sechſter Theil. Zhieher
[178]Die Vierzehende
hieher nicht/ ſondern nach der andern Art: Wann ein kunſtreicher Mah-
ler zum Bettler wird/ und kommet einem reichem Manne zur Erbar-
mung fuͤr die Thuͤr/ da wird ſeine Kunſt nicht angeſehen/ ſondern ſeine
Duͤrfftigkeit; er empfanget die Gabe mit ſeiner kunſtreichen Hand/ nicht
als mit einer kunſtreichẽ ſondern als einer Bettel-Hand/ dann ſonſt moͤcht
er prangen wollen mit ſeiner Kunſt und dexteritaͤt/ und vorgeben/ der
reiche Mann waͤr ſchuldig geweſt/ ſolche groſſe Kunſt zu verehren.


Noch heyterer: ſo erinnern ſich etliche unter euch eines kunſtreichen
Sphaͤrendraͤhers/ der die himmliſche globos mit gluͤckſeliger und ſonder-
barer kunſtreichen Hand verfertiget/ welcher wegen Ehebruch und lenoni-
en und anderer Vppigkeit eingezogen/ und zum Schwert verurtheilet wor-
den; dem hat feine kunſtreiche Hand nicht geholffen/ er hat damit nicht
prangen doͤrffen/ der Richter hat ſie nicht angeſehen noch anſehen ſollen:
Haͤtte es aber durch die Vnmoͤgligkeit ohn Abtrag der Gerechtigkeit ge-
ſchehen koͤnnen/ daß ein ander fuͤr ihn geſtanden und ihn ranzioniret/ ſo
wuͤrde er ſeine arme ſupplicanten-Haͤnde auffheben/ und ſolche Gnade
haben annehmen muͤſſen; Alſo verhaͤlt ſichs auch mit der Glaubens-Hand
in dem Bezirck der Rechtfertigung eines armen Suͤnders vor Gott/
Tugenden und Werck der Liebe duͤrffen ſich da nicht ſehen noch mercken
laſſen/ Gott will an ſolchen Ort kein pralen nicht leiden/ auff daß ſich nie-
mand auch im geringſten nicht zu ruͤhmen Anlaß habe. Vrſach/ es iſt ein
ſtuͤck goͤttlicher Seligkeit/ niemand nichts von Reichs wegen ſchuldig ſeyn/
es iſt ſeliger geben als nehmen. Die arme Hand des Glaubens greifft nach
dem Schatz/ der im Evangelio und Sacramenten dargeboten wird/ greifft
nach dem barmhertzigen Hertzen des himmliſchen Vaters/ nach den Ver-
dienſten/ Buͤſſen/ Creutz/ Tod/ lebendigmachenden Leib und ranzion Blut
Jeſu Chriſti/ nach den thaͤtigen Gnaden und Gaben des Heiligen Gei-
ſtes/ bietet dieſe Schaͤtz der ſtrengen Gerechtigkeit Gottes an/ und ſagt hie
ranzion fuͤr meine Suͤnde/ hie ſalva quardia, hie aſylum und Freiheit/
hie Gnaden-Thron/ hie ara clementiæ, hie Heil/ Leben und Segen/ der
Herr Chriſtus haͤlt ſolche arme ſupplicirende Hand ſelbſt empor/ und
zeiget ſeinem Vater an/ daß er fuͤr dieſe Perſon hab gnug gethan/ nicht
Phil. 3, 12.daß ichs ergriffen hab/ ſpricht St. Paulus/ ſondern daß ich von
Chriſto Jeſu ergriffen bin/
ſolche theure Schatz den der Glaube
empfangen/ der iſts/ den die Goͤttliche Juſtitia anſihet/ umb des Kleinods/
welches die Hand gefaſſet/ nicht umb der Hand willen/ iſt Heil und Leben
fuͤrhandẽ/ und alſo wird der Schatz in der Hand zur Gerechtigkeit zugerech-
net/ das heiſt alßdañ relativè werd der Glaub zur Gerechtigkeit zugerechnet.


III. Dero-
[179]Predigt.

III. Derowegen manus fidei ſola, allein der Glaube auff
ſeiten unſerer macht gerecht ohn Werck; daß dem alſo/ erhaͤllet aus
der Apoſtoliſchen definition, Act. 15. da alle Wercke/ auch moral Wercke/Act 15, 10
Matt. 23, 23.
Luc. 11, 42
Rom. 3, 28.
c. 11, 6.
Gal. 2, 16.
Eph. 2, 8.
Tit.
3, 5.

tanquam βαρύτερον jugum, als ein ſchweres Joch außgeſchloſſen/ wie
auch aus den klaren Zeugnuͤſſen St. Pauli: So halten wir dafuͤr/
daß der Menſch gerecht werd ohne des Geſetzes Werck/ allein
durch den
Glauben. Aus Gnaden ſeyd ihr ſelig worden/ durch
den
Glauben/ und daſſelbe nicht aus euch/ Gottes Gabe iſt es/
nicht aus den Wercken/ auff daß ſich nicht iemand ruͤhme;

ſonderlich in dem klaren Muſter und Exempel Abrahams/ welcher zwarIac. 2, 21.
ſeqq.

vor der Welt fuͤr gerecht gelobet wordẽ aus dẽ Wercke des Gehorſams/ als
einem Zeichen; Rahab die Hur/ welche zwar aus dem guten Werck/ wel-
ches ſie den Kundſchaffern erwieſen/ fuͤr der Welt gerecht geachtet worden;Rom. 4, 2.
Hebr.
11, 31.

aber vor Gott iſt Abraham gerecht worden/ allein durch den Glauben/ und
Rahab/ durch den Glauben ward ſie nicht verloren mit den Vnglaubigen.


Wurmſtichig und kein-nuͤtz/ ja keiner butten oder tauben Nuſſen
werth iſt die gewoͤhnliche inſtantz der Paͤpſtler/ als wuͤrden allhier allein
außgeſchloſſen dieopera ante gratiam \& fidem,die jenigen gu-
ten Wercke/ ſo der Menſch verrichtet/ ehe er der
Gnaden Got-
tes und des
Glaubens faͤhig werde/ wie Bellarminus intoniret/ demBellarm. l.
1. de Iuſtif.
c.
19.

die andern nachbellen/ oſcitante uno oſcitat \& alter; wann ein Wolff
heulet/ ſo heulen die andern nach; Aber dieſe Außflucht benimmet
St. Paulus 1. inſcriptione,mit der Vberſchrifft der Epiſtel/
Er ſchreibet an die Roͤmiſche/ nunmehr heilige und wiedergeborne Kirche/
welcher liebthaͤtige Glaube in der gantzen Welt bekant worden. 2. Sco-
po,
mit dem Zweck/ damit nemlich ſich niemand ruͤhme; geſetzt/
es thue einer gute Werck durch und aus der Gnade/ ſo hat doch ein Ruͤhm-
lein (ſo zu reden) noch Lufft/ gleich wie der jenige/ welcher mit einen ge-
ſchenckten Karſt oder Ham̃er arbeitet/ recht ſagt und ſagen darff: Es koſtet
mich gleichwol meine ſaure Arbeit/ ob mir gleich der Werckzeug geſchenckt
worden: oder der jenige client, dem was gutes von irgend einem Patronen
geſchehen/ wol ſagen und ruͤhmen mag: Ob mir gleich dieſer Mann einen
guten Heyrath/ Ampt und Dienſt zuwegen gebracht/ ſo hab ich doch dar-
umb lauffen/ rennen und verehren muͤſſen. 3. Exemplo,mit dem
Exempel Abrah
æ/ der/ ob er ſchon gerecht geweſen/ und in Gottes Huld
Z 2geſtan-
[180]Die Vierzehende
geſtanden/ demnach wird ihm die Rechtfertigung aus Anſehen der Werck
pur abgeſchlagen. 4. Collationeund Vergleichung der Apoſto-
liſchen Wort/
in denen er Werck und Gnade gegen einander haltet/
Tit. 3, 5.die Werck aber hindan ſetzet/ nicht/ ſpricht er/ umb der Wercke willen/
τῶν ἐν δικαιοσύνη, ſo aus der Gerechtigkeit herflieſſen/ die wir ge-
than hatten/ ſondern nach ſeiner Barmhertzigkeit.


IV. Manus cœlitus excitata,Eine vom Himmel herab
erweckte Hand;
Wie der gantze Menſch aus und von ſich ſelbſt tod/
Marc. 3, 1,
3, 5.
ſo iſt auch ſeine Hand tod und verdorret/ gleich jenes verdorreten Hand/
ſo elend zugerichtet/ daß ob ihm gleich die Goͤttliche Allmoſen und Gnaden-
Gaben dargeboten werden/ ſo kan er nativis viribus, aus natuͤrlichen Kraͤf-
ten darnach nicht greiffen/ hat noch nicht ſo viel Krafft als ein maleficant
oder Bettler/ der kan noch nach dem Allmoſen oder ra [...]zion aus eigener
Krafft greiffen/ aber hie iſt Gottes Gnade das fac totum, Gott der H. Geiſt
iſt auch da allein der Geber und Wecker/ gleich wie Er das Evangelium
offenbaret/ darbietet/ alſo machet er auch die Hand lebendig/ ermuntert die-
ſelbe/ erhebet und ſtrecket ſie gleichſam aus/ und geſchicht allhier geiſt-
Act. 9, 40.
41.
licher Weiſe/ was dort Actor. 9. da Petrus der Tabeæ die Hand geboten/
Er ſagt: Stehe auff! ſie thut die Augen auff und ſihet den Tag/ aber ſie
Ioh. 6, 29.
Phil. 1, 29.
Col, 2, 12.
2. Cor. 4, 13.
Eph. 2, 18,
2. Theſſ. 1,
11.
Luc. 24,
49.
Ioh. 16, 13.
Rom. 10, v.
ult. Eſ.
62, 2
kan ſich nicht auffrichten und lebendig da ſtehen/ darumb gibt ihr Petrus
die Hand/ und richtet ſie auff; Jſt dannenhero und bleibet der Glaube
Gottes Werck und Gabe. Gott der H. Geiſt iſt abermal hie der illumi-
nator
und Erleuchter/ der aus dem ſteinharten/ kalten und toden Hertzen
durch ſein kraͤfftiges Wort die helle Glaubens-Funcken erweckt und auff-
blaſet; Er iſt der Lehrer/ der Vberzeuger/ der Ergreiffer/ der Verſiegler/ alles
univerſaliter, niemand hier außgenommen/ Den gantzen Tag hebet
Er ſeine
Haͤnde auff zu einem Volck/ das ihm widerſpricht/
unpaſſionirt/ unpartheyiſch/ wie Er das Wort allen laͤſſet predigen/ alſo
bietet er allen den Glauben dar. Ex eventu, was den Außgang und Wuͤr-
ckung belanget/ iſt zwar der Glaube nicht iedermans Ding/ weil ihrer viel
die Hand zuruͤck ziehen/ oder muthwillig die angebotene Gnade von ſich
ſtoſſen/ aber ex intentione und nach dem vorgehenden Willen des Gebers
Gen. 31, 26.
Luc. 2, 28.
Mat. 27, 59.
Act. 13, 39.
Rom. 8, 24.
Eph. 2, 8.
Tit.
3, 5.
ſo univerſal, als ſeligmachend und kraͤfftig.


Dieſes iſt die gerechtmachende Hand/ mit welcher den allge-
meinen Welt-Heiland umbfangen haben Jacob der Patriarch/ Simeon/
Joſeph von Arimathia/ Wer an dieſen glaubet/ der iſt gerecht;
dieſes
[181]Predigt.
dieſes iſt die Gnad- und Segen-bringende Hand/ durch welcheIoh. 1, 12.
Gal. 3, 9.
Ioh. 3, 16.
Tit. 3, 7.
Marc.
16,
16.

wir die Kindſchafft empfangen und des himmliſchen Segens theilhafftig
werden/ die des Glaubens Abraham ſind/ werden geſegnet mit
dem glaubigen Abraham/ dieſes iſt die herrlichmachende

Hand/ mit welcher wir ergreiffen die ewige Seligkeit. So heilſam nun
dieſer Glaube iſt/ ſo verhaſſet iſt er dem Sathan; Was gebe der Sathan
drumb/ daß er dieſer Hand maͤchtig werdẽ/ und dieſelbe dem Menſchen ab-
hauen moͤcht/ die iſt ihm allzeit ein Dorn im Auge geweſt/ die laͤſtert er auffs
greulichſte. * Becanus in ſeinem manuali, dadurch viel Seelen verfuͤhret
worden/ nennet ihn ſcabioſam manum pauperis, eine ſchaͤbichte/ gruͤndige
und kraͤtzige Bettlers-Hand/ man ſoll erkennen/ ob ſie oder wir mehr auff
den Glauben halten/ bey ihnen ſey der Glaube baſis, fundamentum \&
radix juſtificationis,
der Grund der Gerechtfertigung/ bey uns eine raͤu-
digte Hand. Bruder Naß in ſeinem Paßquill wider das Concordien-Bruder
Naß c. 29.

Buch zieret unſern Glauben mit folgenden ſchoͤnen Tituln/ nennet ihn
einen Solen-Glauben/ Suldaniſchen Glauben/ Faſtnacht-Glauben/
Wurſt-Glauben/ Affter-Glauben und Narren-Glauben.


‘* Becanus l. 1. de juſtif. c. 16 q. 4. confer alias calumnias apud Ad. Conzen ad
Rom. 10. pag. 401. 402. 425. 438. adde D. Gerh. l. 2. Conf. Cath. part. 3. p. 179. Hodo-
ſoph. Phænom. 11. p.
915.’
()

Aber ſie ſpotten hin oder her/ Gott der ſich nicht ſpotten laͤſt/ wird
ſie zu ſeiner Zeit geſchweigen und Spott mit Spott vertreiben/ ἀντιμυκτη-
ρισμῷ und mit vollem Maß bezahlen; Lutheri einiger Glaub allein ſoll blei-
ben/ nicht ſo fern es Lutheri Glaube iſt/ ſondern dieweil er in Gottes Wort
fundirt/ dann ja auch vor Luthero folgende Reimen erſchollen: Sind
daß Chriſt iſt geboren/ iſt kein glaubige Seel verlohren/ wuͤſte
das die gantze Chriſtenheit/ das waͤr uns Moͤnchen und Pfaf-
fen leid/
ſondern dieweil/ wie geſagt/ er in Gottes Wort feſt gegruͤndet;
Lutheri Wort lauten alſo tom. 5. Jen. in der Gloß auff das vermeinteLuth. tom.
5. Ien.

Kaͤyſerliche edict. fol. 316. Weil ich ſehe/ daß dieſen Haupt-Articul
der Teufel immer läſtern muß durch ſeine Säu-Lehrer/ und
nicht ruhen noch auffhoͤren kan/ ſo ſage ich/ D. Martin Luther
unſers HErrn Jeſu Chriſti unwuͤrdiger Evangeliſt/ daß dieſen
Articul: der Glaube allein ohne Werck machet gerecht fuͤr
GOTT/ ſollen laſſen ſtehen und bleiben der Roͤmiſche Kaͤy-
ſer/ der Tuͤrck/ der Tartariſche/ der Perſen Koͤnig/ der Papſt/

Z 3alle
[182]Die Vierzehende
alle Cardinaͤle/ Biſchoffe/ Pfaffen/ Moͤnche und Nonnen/
Koͤnige/ Fuͤrſten/ Herren/ alle Welt/ ſammt allen Teufeln/
und ſollen das hölliſche Feuer darzu haben auff ihre Köpffe/
und keinen Danck darzu! das ſey meine D. Lutheri Außſpre-
chung vom heiligen Geiſt und das rechte heilige Evangelion.

Dann da ſtehet der Articul/ den die Kinder beten: Jch glaube an Je-
fum Chriſt/ gecreutziget/ geſtorben/ ꝛc.
Das iſt die Lehr/ wir haben
die rechte Gott wolgefaͤllige Hand/ damit Gott zu begegnen/ erken-
nen lernen.


Folget diecaution I. à manu rebelli,vor derrebelliſchen
Hand uns zu hůten/
ſo lieb uns unſer Seel und Seligkeit iſt/ als da iſt/
die blinde Hand/ die im finſtern mauſet/ die das fundament der Selig-
1. Cor. 6, 6.
c. 10, 27.
Eph. 2, 3.
2. Theſſal.
1, 9.
Hab. 2, 4.
Rom.
1, 17.
keit nicht erkennet/ conſequenter iſt ihr eines/ Wein und Waſſer/ Nacht
und Tag/ Liecht und Finſternuͤß; ie groͤſſere Nacht in dieſen letzten Zeiten/
ie groͤſſer und ſchwerer die Verdamnuͤß. Die irrende und tappende
Hand/ da laß ſich niemand anfuͤhren von groſſen Welt-Liechtern/ der
Gerechte wird ſeines
und keines frembden Glaubens leben/
niemand vergaffe ſich an denſelben/ niemand vergaffe ſich auch an den
ungelehrten Photinianern und Anabaptiſten/ die einen Schein fuͤhren
einer ſonderbaren charitaͤt und Liebe/ und iſt doch blinde Liebe. Gleich wie
Matth. 20,
21.
die Mutter der Kinder Zebedei aus blinder Liebe ihren Soͤhnen einen Vor-
ſitz zu erbeten vermeynt. Hier die verzweifelnde Hand/ die nicht zu-
greiffen darff; dort die freche und verwegene Hand/ die ihr zu viel
zumiſſet ohne Wort-Verheiſſung. Das Evangelium iſt der Armen/ der
Luc. 4, 18.Zerſchlagenen/ und nicht der einbildenden Heuchler/ wer ein anders glau-
bet/ der betreugt ſich/ er gehet im Traum/ verſuchet Gott/ und ſtuͤrtzet ſich
in die Verdamnuͤß.


Cautiound VorſehungII. à manu ſiniſtrâ,vor der letzen
Hand/ als da iſt die erſtarrete Liebs-Hand/ die heuchleriſche Hand/ Ja-
cobs Stimm und Eſaus Hand/ die tode Hand/ dieweil die Seele des kind-
lichen Vertrauens nicht in ihr iſt; Woher kennet man einen Toden?
1. Reg. 17,
17.
Iac. 2, 19.
Matth. 28,
11. ſeqq.
Wann kein Athem aus ihm gehet/ wie dort an dem toden Sohn der
Haußwirthin Sohn des Eliæ? deßgleichen manus φρίττουσα, die erzitternde
Hand/ wann zum Exempel die Hohenprieſter zwar glauben muͤſſen/ daß
Chriſtus aufferſtanden/ ſie haͤttẽ ihnen den Vnglauben gern gewuͤnſcht/ die
Luͤgen
[183]Predigt.
Luͤgen mit Gelde erkaufft/ da huͤte ſich maͤnniglich fuͤr! dann ſo die muͤſſ-
und laͤſſige Hand verdammen wird die jenige/ ſo die Hungerigen nicht ge-
ſpeiſet/ wo wird dann bleiben die treuloſe Hand/ die Mord-Hand/ die
Diebs-Hand/ ſonderlich die hoffaͤrtige Hand/ die keiner diſciplin, ob-
ſervan
tz und Ordnung ſich nicht mag und will untergeben/ trutzet/ fuͤr
die Naſen ſchnellet/ die da ſpricht: Laſſet uns zureiſſen ihrePſal. 2, 3.
Bande/ und von uns werffen ihre Seile! bey welcher melior
cyclopiſmus Schola lopeciſmo,
beſſer die wilde/ ungeſeilte/ tolle
furi als Schulfuͤchſerey! Chriſti Rath der beſte iſt/ wol dem der ihm
folget! Matth. 18. Ergert dich deine Hand/ ſo haue ſie ab! JmMatt. 18, 8.
Luc.
1, 51.
52.

Magnificat werden uns zwo Haͤnde Gottes geoffenbaret/ 1. manus
premens \& elevans,
die Stoß-Hand und die Erhebungs-
Hand. GOTT uͤbet Gewalt mit ſeinem Arm/ Er zer-
ſtreuet die hoffärtig ſind in ihres Hertzen Sinn. Er uͤbet
Gewalt/
das hat erfahren Lucifer/ der Koͤnig zu Vabel/ zu Tyro/ die Pha-
riſeer und andere hohe Praler. Er zerſtreuet/ das erfaͤhret noch heu-
tiges Tages mancher duellant in Balgereyen/ wo Gottes Geiſt weichet.
Er ſtoͤſſet die Gewaltigen vom Stul/ das hat mancher/ ich will
nicht ſagen/ Edelman/ ſondern Groſſe Fuͤrſt ꝛc. bißher erfahren muͤſſen.
2. Manus levans ad ſolatium,die Erhebungs-Hand zum
Troſt/ Er erhebet die Elenden/
die mit ihrer Bet-Hand bitten in
dem Bezirck der Gerechtfertigung umb die Gnade; auſſer derſelben mit
ihrer demuͤthigen/ arbeitſamen und liebreichen Hand Nutz ſchaffen. Er
erhebet aus dem Staube/ verſetzet unter die Fuͤrſten/ unter die
Himmels-Fuͤrſten/ und beſcheret des Glaubens Ende/
der Seelen Seligkeit/
Amen.



Die
[184]Die Fuͤnffzehende (Erſte)

Die Fuͤnffzehende


Vber den dritten Articul/ und uͤber die Wort
St. Pauli 1. Corinth. 3/ 16. 17.


Die Erſte Predigt/


Von der einwohnenden Gnade
des H. Geiſtes.


Wiſſet ihr nicht/ daß ihr Gottes Tempel ſeyt/
und der Geiſt Gottes in euch wohnet? So
iemand den Tempel Gottes verderbet/ den
wird Gott verderben: dann der Tempel
Gottes iſt heilig/ der ſeyt ihr.
()

GEliebte in Chriſto: Ein ſchreckliches ſpectacul und er-
baͤrmliches habitacul, Schauſpiel und Wohnung eines
vom Teufel beſeſſenen Menſchen/ ſo Chriſto auffgeſtoſſen/
Marc. 5, 2.beſchreibet ſonderlich Marcus c. 5. da er uns fuͤr Augen
ſtellet einen Menſchen/ als 1. eine Wohnung/
Hauß und Herberg des boͤſen Geiſtes/
daß er vom Teufel/ vom un-
faubern Geiſt/ ja nicht nur von einem/ ſondern von einer gantzen Legion
Teufel beſeſſen/ das macht nach der Roͤmiſchẽ Kriegsverfaſſung ſechs tau-
ſend/ ſechs hundert und ſechs und ſechtzig Teufel/ ſo in dieſem armen Men-
ſchen gewohnet. 2. Eine garſtige/ unluſtige/ elende/ erbärm-
liche Wohnung/
darinnen der Teufel groſſe Tyranney und Boßheit
veruͤbet; Ja zu gleicher weiſe/ wie dieſer Menſch in Toden-Graͤbern/ auff
den Bergen/ in Wuͤſten und Wildnuͤſſen gewohnet/ alſo iſt er ſelbſt ein
ſolch Toden-Grab/ Moͤrder-Grube und Wildnuͤß geweſt/ der nicht nur
andere Leute/ ſo fuͤruͤber gezogen/ grimmig und duͤrſtiglich angefallen/ ſon-
dern ſich ſelbſt erbaͤrmlich mit Steinen geſchlagen. 3. Eine be-
ſtändige und feſte Wohnung/ eine unuͤberwindliche Feſtung;

Der
[185]Predigt.
der Teufel als ein ſtarcker Gewapneter hat aus dieſem Menſchen eine
Feſtung gemacht/ daraus er nicht koͤnte oder ſolte getrieben werden. Dann
ob man wol die Werck der Barmhertzigkeit an ihm thun wollen/ mit Ket-
ten und Feſſeln binden/ ihm die Ordnung und die Artzney beybringen/ ſo
war es doch vergebens/ er wolte ſich nicht zaͤmen laſſen/ die Ketten riß er
ab/ die Feſſel zerrieb er/ es war umbſonſt.


Jſt/ meine Liebſten/ ein ſchroͤckliches Bild eines geiſtlich-beſeſſenen
Menſchen/ mit dem es der Sathan ſo weit gebracht/ daß er ihm das Hertz
eingenommen/ durch die boͤſe Vbung und Gewohnheit beſeſſen/ da wohne-
te er/ machte ein garſtiges Grab aus ihm/ und laſt ſich durch keine Gewalt
außheben und vertreiben/ wie ſonderlich das Exempel Judæ des Verraͤ-
ters außweiſet. Nach dem derſelbe durch Geitz und Dieberey dem Sathan
Thuͤr und Thor auffgethan/ ſo iſt ihm der Teufel ins Hertz gefahren/ da
wohnet er/ da ritte er ihn/ daß er die groſſe Suͤnde begangen/ ein Mammel-
luck/ Verraͤther und Moͤrder des Sohnes Gottes worden: Keine Wort-
Feſſel/ keine Bedrauung/ Abmahnung des Herren wollen nichts
mehr helffen/ biß er ihm ſelbſt vom Leben durch den Strang abgeholffen.


So ſchentzlich und abſcheulich erſterzehlter maſſen ein ſolch beſeſſener/
verteufelter Menſch iſt vor Gott und fuͤr Chriſtlichen Augen: ſo ſchroͤck-
lich das ſpectacul, ſo unflaͤtig und erbaͤrmlich die Wohnung: So lieb-
lich/ ſo holdſelig/ ſo herrlich iſt im Gegentheil der Menſch/ in welchem Gott
der Heilige Geiſt wohnet/ den der Heilige Geiſt außerwehlet zu einem ha-
bitacul
und Wohnung/ zu einem lebendigem und heiligem Tempel/ zu
einer beſtaͤndigen Wohnung; welches ſchoͤne habitacul der heilige Apoſtel
Paulus/ wie anderswo Epheſ. 2. 1. Corinth. 6. 2. Cor. 6. alſo auch allhierEph. 2, 21,
1. Cor. 6. 19.
2. Cor.
6,
16.

ſeinen Corinthiern und uns fuͤrſpiegelt/ ſprechend: Wiſſet ihr
nicht/ daß ihr Gottes Tempel ſeyt/ und der Geiſt Gottes in
euch wohnet/ ꝛc.
welchen Text wir erkohren/ dißmal und ins kuͤnfftige
außfuͤhrlich zu tractiren/ Theils zu mehrer Erleuchtung und Verſtaͤndnuͤß
des Apoſtoliſchen und Niceniſchen Glaubens/ als unſers ordent-
lichen Texts/ da von dem Ampt und Gaben des Heiligen Geiſtes
zu handlen/ unter welchen die einwohnende Gnade eine von den fuͤr-
nemſten iſt. Theils auch einen Eingang zu machen in den Articul
von dem groſſen Tempel Gottes/ der da heiſſet eine einige/
heilige/ Chriſtliche/ Apoſtoliſche Kirche.
Der Geiſt Gottes/ den
wir von Gott als ein theures Geſchenck haben/ der in uns iſt/ deſſen wir
Sechſter Theil. Aaeigen
[186]Die Fuͤnffzehende (Erſte)
eigen ſind mit Leib und Seel/ wolle auch den Anfang unſers Vorhabens
ſegnen/ daß des Teufels Capell zerſtoͤret/ der () Tempel Gottes erbauet
werde/ Amen.


‘() Vnicum templum (ita Chryſoſt. orat. 3. contra Iudæ.) diruit Deus Hic-
roſolymis, \& innumerabilia erexit illo longè venerabiliora. Vos, inquit, tem-
plum eſtis Dei viventis. Etſi pecuniæ vim immenſam dinumeraverit aliquis,
nihil ſimile præſtiterit ei, quod præſtat is qui ſervat animam. Hæc eſt major ele-
emoſyna, quàm decem millia talentorum, quàm hic mundus Vniverſus, quantus
quantus undiq́ue patet oculis: ſiquidem homo eſt toto mundo precioſior: hujus
enim cauſa \& cœlum \& terra \& mare \& ſol \& ſtellæ condita ſunt.
()

WAnn demnach der Apoſtel ſagt: Wiſſet ihr nicht/ daß ihr
Gottes Tempel ſeyt/ und der Geiſt Gottes in euch
wohnet?
ſo deutet er auff einen Tempel/ daß der
Chriſten-Menſch ein Tempel ſey;
Der Geiſt klopffet nicht nur an/
ſondern wann er eingelaſſen wird/ ſo wohnet er auch darinn; Nicht/ wie
iederman leicht verſtehet/ ein ſteinerner Tempel/ wie der Tempel zu Jeruſa-
lem von Salomon erbauet geweſt mit Menſchen-Haͤnden/ ſondern
eine fuͤrgebildete Wohnung/ ſo durch jenen den Salomoniſchen
wunderſchoͤnen Tempel abgebildet geweſen/ wie ins kuͤnfftige vielerley
membra collationis und Vergleichungs-Stuͤck werden erſcheinen.
Eine verheiſſene Wohnung/ ſo wol der Chriſtenheit im Neuen Te-
ſtament/ als dem Volcke Gottes im Alten Teſtament/ allermaſſen/ wie
Lev. 26, 11.
12.
2. Cor.
6,
16.
St. Paul auff die alte Verheiſſung ein Abſehen gehabt/ Lev. 26. wann er
ſchreibet: Jhr ſeyt der Tempel des lebendigen Gottes/ wie
dann Gott ſpricht: Jch will in ihnen wohnen/
(als ein Koͤnig
in einem palatio und Luſt-Hauſe; als ein Vater in einem Hauſe unter
ſeinen Kindern; als ein Gott in ſeinem Himmel) Jch will in ihnen
wandlen
und ſpatzieren als in einem Garten/ wie ein Garten-Liebhaber
an ſeinen Tulipan und Blumen ſich beluſtiget/ und unter denſelben als
ſeinem erwuͤndſchten Augen-Luſt herumb ſpatzieret/ und will ihr Gott
ſeyn/ und ſie ſollen mein Volck ſeyn.


Ezech. 37,
26. 27. \&
c.
48, 35.

Ein zuvor verkuͤndigter Tempel. Mein Heiligthumb
ſoll unter ihnen ſeyn ewiglich/ und ich will unter ihnen woh-
nen/ und will ihr Gott ſein/ und ſie ſollen mein Volck ſeyn/

ſpricht der Prophet Ezechiel/ alßdann ſoll die Staͤtte heiſſenJe-
hova
[187]Predigt.
hova ſchamma,der HERR daſelbſt. Ein angedeuteter
Tempel/
von Chriſto: Wer mich liebet/ der wird mein WortIoh. 14, 23.
halten/ und mein Vater wird ihn lieben/ und wir werden zu
ihm kommen/ und Wohnung bey ihm machen;
und auch von
Paulo im gegenwaͤrtigen Text/ als ein geiſtlicher Tempel/ dieweil der
Heilige Geiſt in demſelben wohnet: Ein lebendiger/ beſeelter/ wan-
delnder und redender Tempel;
Jhr traget Gott in euren Hertzen
herumb/ ſo viel Chriſten/ ſo viel Tempel!


Es lobet aber St. Paulus denſelben ferner als einen hochheili-
gen Tempel; Jhr ſeyt Gottes des Allerheiligſten Tempel/ der
Heilige Geiſt wohnet in euch/ dann der Tempel Gottes iſt
heilig;
und daſſelbe 1. conſecratione,durch die heilige Weihe;
Zu gleicher weiſe/ wie Salomon/ da er ſeinen wunderſchoͤnen/ in aller Welt
beruͤhmten Tempel erbauet/ denſelben geweihet/ geheiliget und abgeſondert
von aller profanitaͤt zum Gottesdienſt/ mit dem Wort und Gebet/ er ſelbſt
auff eine keſſelrunde Kantzel und Ehren-Seule geſtiegen/ ſeine Haͤnde gen2. Chron.
6, 13.

Himmel außgebreitet/ eine lange/ ſchoͤne Predigt abgeleget/ und ſein Gebet
verrichtet/ folgends die gantze ſolennitaͤten mit reichen und anſehenlichen
Opffern/ muſiciren/ Drommeten/ Cymbeln/ Pſaltern/ Harffen und Sey-
tenſpiel gezieret/ 2. Chron. 5. \& c. 7. ſonderlich Pſal. 136. Alſo/ will der2. Chron.
5. \& c. 7,
1. ſeqq.
Pſal.
136.

Apoſtel ſagen/ iſt die heilige Tauffe bey uns Chriſten anders nicht/ als eine
ſolche geiſtliche Kirchweihe/ da der Menſch von aller profanitaͤt abgeſon-
dert/ durch Wort und Gebet/ mit dem Waſſer und Geiſt gereiniget/ ge-
weihet/ geopffert wird zu einem vernuͤnfftigen Gottesdienſt; Freude iſt
alßdann im Himmel bey den himliſchen Chor-Saͤngern; da hingegen1. Cor. 6,
10. 11.

weder die Hurer/ Abgoͤttiſchen/ Weichling/ Knaben-Schän-
der/ Geitzige/ Trunckenbold/ Raͤuber und dergleichen das
Reich Gottes ererben werden/ und ſolcher ſind euer etliche
geweſen/
ſpricht der Apoſtel ferner/ aber ihr ſeyt abgewaſchen/ ge-
heiliget und gerecht worden durch den Namen des HErren
Jeſu/ und durch den Geiſt unſers Gottes.


2. Nominatione,durch die heilige Benamſung. Sa-
lomons Tempel hat den Namen von dem Herren/ er war dem Na-
men des Herren geweihet/ daß er geheiſſen κατ᾽ ἐξοχὴν, des HEr-
ren Hauß/
wie ſonderlich 1. Reg. 8. ſolcher Name unterſchiedlich gefun-1. Reg. 8, 10.
11. 63, 64.

Aa 2den/
[188]Die Fuͤnffzehende (Erſte)
2. Chron.
6, 33.
den/ 2. Chron. 6/ 33. ſpricht Salomon: Auff daß alle Völcker auff
Erden deinen Namen erkennen/ und innen werden/ daß diß
Hauß/ das ich gebauet hab/ nach deinem Namen genennet ſey/

das iſt/ daß dein Name darinn geprediget/ verkuͤndiget/ deinem Namen
darinn geopffert werde. Alſo/ will der Apoſtel ſagen/ ſeyt ihr auch getaufft
auff den Namen Gottes/ ihr heiſſet nunmehr Gottes des himmliſchen
Vaters Kinder/ eure Seelen ſind die Braut Chriſti/ von Chriſto ihrem
Braͤutigam Chriſtinnen genennet. Jhr ſeyt geiſtliche Prieſter von Gott
dem H. Geiſt geweihet/ von einem getaufftem Kinde moͤget ihr wol ſagen:
Dieſes Kind heiſſet nunmehr ein Tempel der Heiligen Dreyeinigkeit/ ein
Tempel unſers Heilandes/ ein Tempel des Heiligen Geiſtes.


Heilig 3. præſentiâ Dei,wegen der heiligen/ gnaͤdigen
Gegenwart Gottes!
So bald Salomon die Bunds-Lade in den
Tempel gebracht/ in den Chor des Allerheiligſten/ unter die Fluͤgel der Che-
rub/ ſo erfuͤllet eine Wolcke das Hauß des Herren/ daß die Prieſter
nicht ſtehen konten/ noch ihres Ampts pflegen/ dann die Herrligkeit des
Herren erfuͤllet das Hauß des Herren/ alſo ward der Tempel
2. Chron.
7, 1.
von Gott erfuͤllet; ſonderlich 2. Chron. 7. ſtehet geſchrieben/ daß ſo bald
Salomon außgebetet/ ſey ein Feuer vom Himmel gefallen/ und habe das
Brand-Opffer und andere Opffer verzehret: Alſo/ will Paulus ſagen/
ſeyt ihr auch voll Gottes worden. Dann was iſt das anders/ als ein ſym-
bolum
und Zeichen der Goͤttlichen Gegenwart/ und ſonderlich das Opf-
fer-Feuer/ gedeutet auffs Pfingſt-Feuer des Heiligen Geiſtes/ zu bezeugen/
daß ein Chriſten-Menſch ſey voll Gottes/ in welchem leuchtet und brennet
das Feuer des Heiligen Geiſtes/ und toͤdtet den alten Menſchen.


Heilig 4. ob ἀσυλίαν, wegen der Freyheit/ in dem der Tem-
pel durch die Goͤttliche einwohnende Gegenwart/ und bey dienenden Eng-
liſchen Schutz dermaſſen privilegirt und verwahret/ daß man ſich an dem-
ſelben nicht vergreiffen darff. Von dem Tempel zu Jeruſalem ſchreibet
() l. 5. bell.
c. 14. San-
ctum ſan-
ctorum

ἄβατον,
ἀχραντὸν
καὶ αϑέατον
πάσιν.
l. 6. bell.
l. 7. c.
4.
() Joſephus/ es ſey derſelbe mit einem aͤhren Zaun umbgeben geweſt/ [und]
ſeyen auff der Thor-Seulen geſchrieben geſtanden dieſe Wort: Μὴ δει῀ν
ἀλλόφυλον ἐκτὸς τοῦ ἁγίου παριέναι, kein Frembder oder Heyde ſoll ſich ge-
luͤſten laſſen dieſen Zaun zu uͤberſchreiten/ weniger das Heilige oder Hei-
ligthumb zu beſchimpffen oder zu beſchaͤdigen. Titus der Roͤmiſche Gene-
ral
nach dem er die Statt eingenommen/ wirfft den Juden in ſeiner pathe-
t
iſchen oration und Rede/ ſo er an ſie gethan/ unter andern auch dieſes fuͤr/
und ſagt: Haben wir (Roͤmer) euern Tempel nicht mit Gittern verwahret!
Haben
[189]Predigt.
Haben wir nicht mit Griechiſchen und Lateiniſchen Buchſtaben in aͤhrne
Tafel eine Salva guardia anſchreiben laſſen/ und bey Leib- und Lebens-
Straffe den Frembden und Roͤmern ſelbſt den Eingang deſſelben Orts
verboten/ ja euch auch erlaubt/ ſo ſich iemand dergleichen zu wagen erkuͤh-
nen ſolte/ denſelben am Leben zu ſtraffen?


Viel herrlicher/ maͤchtiger und gewaltiger iſt Gottes Tempel/ die
Wohnung des Heiligen Geiſtes/ nemlich das glaubige Hertz durch Gottes
Krafft umbzaͤunet/ umbgegaͤttert und verſchantzt/ daß demſelben von auſ-
ſen her kein Schaden geſchehen kan/ oder wer ſich daran machet/ unge-
ſtrafft nicht bleiben ſoll. Wer dieſen allerſeligſten Gaſt/ Gott den Hei-Dan. 3, 27.
c. 6, 22.
Exod. 14,
22. \& Matt.
8, 26.
Exod. 8, 3.
4.
2. Reg. 19,
37.
1. Reg. 2, 28.
ſeqq.
Ioſ. 10, 16.
ſeqq.
Amos.
9, 2.

ligen Geiſt in ſeinem Hertzen hat/ der iſt wol ſicher wo er iſt/ ſicher im Feuer-
Ofen/ wie Daniels Geſellen/ ſicher in der Loͤwen-Grub/ wie Daniel ſelbſt/
ſicher mitten im Meer/ wie die Kinder Jſrael/ und die Juͤnger Chriſti:
Wer deſſelben gnaͤdiger Einwohnung mangelt/ der iſt gleichſam Vogel-
frey/ nicht ſicher in ſeinem eigenen Hauß und Schloß wie Pharao/ nicht
in ſeinem Tempel und Goͤtzen-Hauſe wie Sanherib/ nicht ſicher an den
Hoͤrnern des Altars wie Joab/ nicht ſicher in der Hoͤle der Erden/ wie die
fuͤnff Cananeiſche Koͤnige/ und wann ſie (die Gottloſen) gleich/
ſpricht der Prophet Amos/ ſich in die Hölle vergruͤben/ ſoll ſie doch
meine
Hand von dannen holen/ ꝛc.


Heilig 5. liturgiâ ſanctâ,wegen des heiligen Gottes-
dienſtes;
Jm Alten Teſtament beſtunde die liturgia in allerhand Levi-
tiſchen Ceremonien und Opffern: Alſo iſt der Heilige Geiſt nicht muͤſſig/
ſondern kraͤfftig/ Er lehret/ troͤſtet/ ſchlachtet den alten Menſchen und ver-
brennet ihn/ zieret den Tempel des Hertzen/ zuͤndet an auff dem Altar den
Weyrauch des Gebets/ wie ins kuͤnfftige weiter Außfuͤhrung erfolgen ſoll;
Der Menſch iſt der Prieſter/ der Altar das Hertz/ der Weyrauch das Ge-
bet; Der H. Geiſt iſt der ὑπερεντυγχάνων der das Gebet durchwehet und
durchweihet/ erhebt/ demſelben Krafft und Nachdruck gibt.


Vber das iſt dieſer Tempel ein beſtaͤndiger Tempel; dann
hierauff deutet auch St. Paulus: Ein Tempel iſt kein diverſorium,
Gaſt- oder Nacht-Herberge/ ſondern eine beſtaͤndige Wohnung; DerPſal. 132, 13.
14.

HERR hat Zion erwehlet/ und hat Luſt daſelbſt zu wohnen/
diß iſt meine Ruhe ewiglich:
Alſo iſt ein wahrer Chriſt ein beſtaͤndi-
ger Tempel und Wohnung/ mit Gottes des Vaters Schutz und Hut als1. Ioh. 2, 24.
1. Petr. 1, 5.
2. Tim.
1,
12.

mit einer Beſatzung befeſtiget/ durch Goͤttliche Macht bewahret/ mit
Aa 3einem
[190]Die Fuͤnffzehende (Erſte)
einem feſten Bund gegruͤndet/ Der HERR wird ſein Volck nicht
Pſal. 94, 14.
Ioh.
17, 11.
verſtoſſen/ noch ſein Erbe verlaſſen; Bewahrrt iſt ein ſolcher
Tempel durch Chriſti bruͤderliche Vorbitt; Heiliger Vater/
erhalte ſie in deinem Namen/ die du mir gegeben haſt/
wie auch
Ioh. 10, 28.durch die unuͤberwindliche Macht ſeiner Hand/ niemand/
ſagt Er/ ſoll mir die meinen aus meiner Hand reiſſen; Bewah-
ret auch durch die Bekraͤfftigung/ Grůndung/ Befeſtigung
und Vollbringung des Heiligen Geiſtes; der GOTT aller
Gnade/
das iſt/ der Troͤſter der Heilige Geiſt/ der uns beruffen
hat zu ſeiner ewigen
Herrligkeit in Chriſto Jeſu/ derſelbe wird
1. Pet. 5, 10.euch/ die ihr eine kleine Zeit leidet/ vollbereiten/ ſtärcken/
kräfftigen/ gruͤnden/
das iſt das donum perſeverantiæ, die Gabe der
1. Macc. 4,
60.
Beſtaͤndigkeit geben. So wol hat Judas Maccabeus ſeinen geweiheten
Tempel nicht verwahret mit einer Beſatzung/ befeſtiget das Heiligthumb
mit Mauren und Thuͤrnen; Hier iſt viel ein ſtaͤrckerer Wall und maͤchti-
gere Paſtey.


Jſt dem alſo/ moͤchte iemand ſagen/ ſo bleibet der Menſch/ der einmal
den Heiligen Geiſt kraͤfftiglich empfangen/ immer in Gottes Gnade/ hat
ſich keines Verluſts zu befahren: Ja/ ſo ſchloſſen die Juden vorzeiten:
Templum Domini! templum Domini! templum Domi-
Ierem. 7, 4.ni! Hier iſt desHERRENTempel! hier iſt desHERREN
Tempel! hier iſt desHERRENTempel! Jn ihrer Belaͤge-
rung hielten ſie dafuͤr/ es koͤnte der Tempel nicht gewonnen werden; Aber
wie ſie die Juden die Sache letz verſtunden/ alſo glauben noch heut zu Tage
Catech.
Heidelb.
q. 53.
c. 5. p.
369.
unſere Calviniſten gantz unrecht. Deren poſtulata ſind dieſe in Catech.
Heidelberg. Er der H. Geiſt wird bey mir bleiben biß in Ewigkeit/ das iſt/
wie es der Synodus zu Dordrecht erklaͤret/ in der einmuͤtigẽ Erklaͤrung von
der Beharrligkeit der Heiligen: Gott/ der da reich iſt von Barmhertzigkeit/
nach ſeinem unwandelbarẽ Schluß und Vorſatz der Gnadenwahl nim̃t er
von dem traurigen gefallenen Menſchen (David/ Petro ꝛc.) ſeinen H. Geiſt
Beza part.
alt. ad act.
Colloq.
Montis b.
nicht gaͤntzlich hinweg/ und laͤſſet ſie auch nicht ſo tieff fallen/ daß ſie aus der
Gnade der Kindſchafft und Gerechtfertigung entfallen ſolten. Beza
ſchreibet: Loth ward in ſeiner Blut-Schande ein gerechter und heiliger
Mann/ David iſt in ſeinem ſchweren Fall des Heiligen Geiſtes nicht gar
verluſtiget/ wie auch Aaron der Hoheprieſter in ſeiner Abgoͤtterey.


Aber
[191]Predigt.

Aber die Schrifft lehret uns viel ein anders/ die weiſet uns auff die
bedingte Beſtaͤndigkeit des Glaubens/ ſie befihlet uns das Wachen;
Wachet/ ſtehet im Glauben/ ſeyt männlich und ſeyt ſtarck!1. Cor. 16,
13.

welche Vermahnungen umbſonſt weren; wann durch die Vnmoͤgligkeit
einer feſte wer/ wol verwahret inneriich und euſſerlich/ oder wann einer hin-
ter einer dicken Wallmauren ſaͤß/ und iemand ſpraͤche: Huͤte dich/ daß dich
keine Muſqueten-Kugel treffe! das were ja vergebens gewarnet. Es be-
zeugen das widrige die leidige Exempel; Eva/ die ihre Feſtung verlohren/
die zuvor ein Tempel und Wohnung war des Heiligen Geiſtes/ gibt das
caſtrum und die Feſtung dem leidigen Schand-Geiſt auff. Vnd Davids/
der nach ſeinem eigenem Vrtheil ein Mann des Todes geweſt/ der/ wann2. Sam. 12,
5.

er in der wuͤtenden Vnzucht were mit einem jaͤhen Tode angegriffen wor-
den/ dem ewigen Tode were in den Rachen geſprungen/ wie hat er dann da-
zumal zugleich ein Schos-Kind Gottes ſeyn koͤnnen? Gott befeſtiget
uns/ ſo fern wir in der Schantze bleiben! Chriſtus iſt ein treuer Hirte/ ſo
lange das Schaf ein Schaf bleibet/ ſolls ihm niemand durch einige Ge-
walt nehmen oder rauben/ wann aber das Schaf ein Bock wird/ da hoͤren
auch die Verheiſſungen auff; Der Heilige Geiſt ſtaͤrcket/ bewachet und
bewahret; Aber was gehet dieſes die ῥίψασπιδας, die Fluͤchtigen an/ die
Vberlaͤuffer/ die zu dem geſchwornen Feinde Chriſti dem Sathan ſich
meineydiger Weiſe ſchlagen/ welche die geiſtlichen Waffen hinwerffen/
und den geiſtlichen Kampff auffheben? Wann Gott erzuͤrnet wird/
ſo weichet Er; Werdet ihr meine Rochte verlaſſen/ ſpricht Er:2. Chron.
7, 19. 20.

ſo will ich das Hauß von meinem Angeſichte verwerffen/ und
geben zum Sprichwort und Fabel unter allen Voͤlckern/
Wo
Gottes Ehre geſchaͤndet wird/ da packen auch die Heiligen Schutz-Engel
auff/ und ſprechen: Migremus hinc! Laſſet uns von hinnen weichen!


Hierauff folget das Apoſtoliſcheexamen:Wiſſet ihr nicht/
dencket ihr nicht daran/ ihr ſollets in alle wege wiſſen/ ich habs euch zuvor
geſagt/ und habt ihrs nicht geachtet/ iſts euch außgefallen/ habt ihr euer
ſelbſt vergeſſen/ ſo wiſſets nunmehr und lernet es von neuem zur Lehre
und Erkäntnuͤß euers hohen Adels/
daß Gott der Herr euer
Hertz erwehl zu ſeinem Tempel/ ja Himmel/ darinn er ſich ergieſſe/ beluſtige
und wohne. Gideon fragt ob der Herr mit ihm ſey/ da ihm und ſei-Iud. 6, 13.
nem Volcke ſo viel Vbels widerfahren. Ja/ ſpricht der Herr/ eben
darumb laß ich ſolches Vngluͤck geſchehen/ damit das Hertz muͤrb und
faͤhig werde mich und meine Gnade zu bewuͤrthen/ als der ich nirgend
lieber
[192]Die Fuͤnffzehende (Erſte)
Eſa. 57, 15.lieber wohne als in zerkuirſchten und zerſchlagenen Hertzen/ Dann ſo
ſpricht der
Hohe und erhabene/ der ewiglich wohnet/ des Na-
men heilig iſt/ der in der
Höhe und im Heiligthumb wohnet/
und bey denen/ ſo zerſchlagens und demuͤthiges
Geiſtes ſind/
die ein ſolch demuͤthiges Hertz haben wie Chriſtus Jeſus/ in dem die Fuͤlle
Pſ. 113, 5. 6.der Gottheit leibhafftig gewohnet. Wer iſt wie derHERRunſer
GOTT/der ſich ſo hoch geſetzet/ und ſihet/ wohin? vielleicht auff
das/ was groß im Himmel iſt/ die himmliſche Thronen und Herrſchaff-
ten? Nein/ ſondern auff das niedrige im Himmel und auff Er-
den.
Keine Creatur iſt in welcher der Herr lieber wohnet als im
Menſchen/ ſo gar daß auch der Sohn Gottes (nicht Engliſche/ ſondern)
menſchliche Natur an ſich genommen.


Zur Vermahnung; Jhr ſeyt Gottes Tempel/ weiland Teu-
fels Capellen/ nunmehr Gottes des Lebendigen/ nicht der toden ſtummen
Goͤtzen. Euer Hertz iſt und ſoll ſeyn kein Idoléum und Goͤtzenhauß/ darin-
nen ihr frembden Goͤttern dienen oder mit denſelben colludiren moͤchten.
Wie reimet ſich des Herren Tiſch mit der Teufel Tiſch? Jhr ſeyt con-
Bellarm. l.
de cult. S.
c.
4.
ſecrirt und geweihet/ nicht den Heiligen/ von welchen Bellarminus ſchrei-
bet: Sacræ domus non ſolùm Deo, ſed etiam ſanctis rectè dedicantur;
Es werden die Kirchen nicht allein dem unſterblichen Gott/ ſondern
auch den verſtorbenen Heiligen mit Recht geweihet. Jhr ſeyt keine
Bacchus-Kirche/ darinnen ihr paſchalet und wuͤtende Freß- und Saͤuf-
ferey anſtellet/ wie vorzeiten die Heydniſchen Kirchen faſt Sauff-Haͤuſer
geweſt; Jſt im heydentzendem Papſtumb nicht viel beſſer gegangen/ ſon-
derlich wann jaͤhrlich auff die Kirchweihe/ hie auch an dieſem Ort/ gefeyret
vide Scha-
dæum in S.
templ. Ar-
gent. c. 15.
p.
84.
worden/ da blieben die Leute des Nachts im Muͤnſter; in Catharinæ Ca-
pellen wurden geleget etliche Faß mit Wein/ die zaͤpffte man aus/ ſahe alſo
der Meß-Tag einer Faßnacht gleicher als einen heiligen Feyer- und Feſt-
Tage. Zu erbarmen iſts/ daß noch bey ſo hellem Tageliecht des Evangelii
die Leute auff die Kirchweihe und Meß-Tag dergleichen hinaus lauffen/
daſelbſt zu treiben und veruͤben/ was ſonſt in der Statt nicht erlaubt/ der-
gleichen Tempel ſind/ Bacchus-Freß- und Sauff-Haͤuſer/ nicht Gottes-
Haͤuſer.


Euer Hertz iſt und ſoll ſeyn kein lupanar und Huren-Hauß/ zwar die
Strabo l. 8.Tempel zu Corintho/ da wie Strabo bezeuget/ in fano Veneris, in dem Tem-
pel/ ſo der Veneri geweihet und gewidmet/ auff die tauſend unzuͤchtige
Weiber
[193]Predigt.
Weiber auff der Streu gehalten/ der Goͤttin Venus zu Ehren al-
lerhand Schande veruͤbet worden/ ſondern ihr ſeyt Gottes Tempel/
ihr ſolt heilig ſeyn/ dann ich bin heilig;
Der Heilige Gott konteLev. 19, 2.
nicht leidẽ unter ſeinem Volck/ daß ſie in der Huͤtten ſolte die Noth der Na-
tur verrichten; Jhr ſollet meinem Namen keinen Macul anhangen/ mei-Devt. 23,
12. 13.

nen Namen nicht ſtinckend machen/ auſſen fuͤr dem Laͤger ſolt ihr einen
Ort haben/ da ihr zur Noth außgehet/ und wann ſich einer ſetzen will/ ſoll
er mit einem Schaͤufflein graben und zuſcharren/ was von ihm gangen
iſt; wie viel weniger wuͤrd Er leiden/ wann man aus ſeinem Hauſe ein
Sauff- und Huren-Hauß machen will? Die Vrſache warumb? iſt/
dann der HERR dein Gott wandelt unter deinem Laͤger/
wer den Tempel
Gottes verderbet oder profaniret/ den wird Gott
verderben.


Cum omnes (ait Tertull. l. de cultu fœm.) templum ſimus Dei illato in
nos \& conſecrato Spiritu S. ejus templi æditua \& antiſtita eſt pudicitia, quæ nihil
immundum ac profanum inferri ſinit, ne Deus ille qui inhabitat, in qu inatam
ſedem offenſus derelinquat.
()

Jhr ſolts wiſſen zur Warnung; weil wir dieſen Schatz in
irrdenen Gefaͤſſen tragen/ und wieder verluſtiger werden koͤnnen/ ſo heiſſet
es/ wie der ewige Sohn Gottes ſagt zum Engel der Gemeine zu Phila-Apoc. 3, 11.
delphia/ halte was du haſt. Jn den Olympiſchen Fecht- und Renn-
Schulen iſts mehrmal geſchehen/ daß einer die Krone zwar mit Fingern
ergriffen/ aber nicht feſt gehalten/ ein anderer iſt ihm vorkommen/ oder jener
hat ſie irgends im Getraͤng verlohren/ unter wegen hat ihm einer den Preiß
aus den Zaͤhnen geriſſen: Alſo/ ſagt der Sohn Gottes/ iſt dir die Gnaden-
Kron auffgeſetzt: Die Kron der Ehren wartet auff dich/ du haſt ſie ſchon/
halte nur was du haſt! was einem/ dieſem oder jenem hat koͤnnen be-
gegnen/ das kan allen widerfahren! Huͤte dich fuͤr boͤſer Geſellſchafft/ fuͤr
den Ergernuͤſſen der Welt/ dem Muͤſſiggang/ Wolluſt/ Pracht und ſon-
derlich fuͤr dem Ertz-Gnadenſtoͤrer/ der Trunckenheit/ die wie Circe aus
einem Schaf einen Bock/ aus einem Menſchen ein wild Thier machet/
manchen Held hat der Wein gefaͤllet/ wie des traurige Exempel Loths
außweiſet/ quem Sodoma non vicit, ebrietas proſtravit, ſchreibet Hiero-Gen. 19, 33.
ſeqq.

nymus, welchen Sodom mit ihrer Vnzucht nicht hat koͤnnen uͤberwinden/
den hat die Trunckenheit erleget; beten iſt von noͤten/ all Augenblick zu den-
cken und zu ſprechen: Fuͤhr unsHERRin Verſuchung nicht/
wann uns der boͤſe Geiſt anficht ꝛc.
damit nicht ein ander die
Sechſter Theil. BbKron
[194]Die Fuͤnffzehende (Erſte)
Kron empfange/ daß es dir nicht gehe wie Saul/ wie Judas. Jn dem
Martyrologio und Maͤrtyrer-Buch wird gedacht viertzig Maͤrtyrer/ die
zu dem kalten Eiß verdammt geweſt/ daß ſie an demſelben erfrieren und
ſterben ſolten; Einer ſetzt aus/ laſt ſich in eine warme Bad-Stube fuͤhren/
der ſchnelle Wechſel toͤdtet ihn; die andern ruffen zu Gott und ſprechen:
quadraginta ſtadium ingreſſi ſumus, quadraginta etiam ô Domine co-
ronemur, ne una huic numero deſit;
unſer viertzig ſind an dieſen Mar-
ter-Reyen angetretten/ ſo laß O Herr auch viertzig gekroͤnet werden/
damit nicht eines an der Zahl ermangele! wie gebeten ſo gewaͤhrt; Einer
von den Scherganten ſelbſt/ durch ſolche conſtantz bewogen/ tritt in die
Geſellſchafft/ bekennet den Namen Chriſti/ erlanget die Kron/ und wird
Matt. 16, 25.alſo war/ was Chriſtus ſagt/ Matth. 16. Wer ſein Leben will erhal-
ten/ der wirds verlieren/ wer aber ſein Leben verlieret umb
meinet willen/ der wirds finden.


Jhr ſollet ſolches wiſſen 3. zum Troſt/ der Tempel Gottes
Auguſt. l. 1.
de C. D.
confer hi-
ſtoriam
de Alarico
apud
Spond.
ann.
410. 6.
iſt ἄσυλον und eine Freyheitjure gentium, nach dem Recht aller
Voͤlcker: Von den Gothen ruͤhmet Auguſtinus, daß ſie zu Rom/ da ſie
die Statt erobert/ alles außgepluͤndert/ erwuͤrget und gemetzet/ doch der
Tempel und Gottes-Haͤuſer geſchonet/ dahin die Leute ſich ſalvirt/ biß da-
dahin/ ſchreibet Auguſtinus, wuͤtete und wuͤrgete der Blut-duͤrſtige Feind/
aber daſelbſt wurde dem wuͤten und wuͤrgen die Graͤntze geſetzt. Scipio
da er die Statt Carthago erobert/ theilet er die Beuten aus/ außgenom-
men denen gab er nichts/ die Apollinis Tempel angetaſtet und beſchaͤdiget
(χωρὶς τῶν εἰς τὸ ἀπολλώνειον ἁμαρτανόντων, ſagt Appianus). Jſt
nun ein ieglicher wahrer Chriſt ein Tempel Gottes/ ſo iſt er frey/ ja ein Aſy-
lum
und Freyheit ſelbſt/ wer demnach einen Chriſten beleidiget oder verle-
tzet/ der begehet ein ſacrilegium, einen heiligen oder Kirchen-Raub. Der
Tempel des Herren iſt Segen-reich/ wo er iſt/ bringt er Segen mit ſich.
2. Sam. 6,
11.
Obed Edom hatte Segen/ da er die Bunds-Lade beherberget/ und aus
ſeinem Hauſe ein ſanctuarium und Heiligthumb worden: Alſo iſt ein
ſolcher Menſch/ der da iſt der Himmel (gleichſam) und Paradiß Gottes/
Cyprian.
in Orat.
Dom.
Gen. 17, 8.
Lev, 26, 12.
1. Cor. 6,
16.
Pſ.
144, 15.
geſegnet leiblich und geiſtlich. Cùm Dei ſint omnia, habenti Deum nihil
deerit, ſi Deo ipſe non deſit,
ſagt Cyprianus: Weil alle Dinge Gottes
eigen ſind und er alles hat; ſo wird dem jenigen/ der Gott hat/ auch
nichts mangeln/ ſo fern er nur ſelbſt nicht Gott mangele. Jch will
ihr Gott ſeyn/
ſagt der Herr:Wol aber dem Volck/ deſſen
der
HERRein Gott iſt.


Neben
[195]Predigt.

Neben dieſer Troſt-Quell ligt noch eine andere verborgen/ ſo
da entſpringet aus derconſtantz und Beſtändigkeit der gnädi-
gen Einwohnung Gottes.
Menſchen-Gunſt iſt bald verlohren/
Hof-Gnade iſt gleich einem ſchoͤnen rothen Apffel/ ie feiner und ſuͤſſer der-Aula velut
meretrix
nunc hũc.
nunc ſuſci-
pit illum.
Et quem
ſuſcepit
dejicit.
Eſa.
54, 10.

ſelbe iſt/ ie baͤlder wuͤrd er faul und wurmſtichig/ hat ein Herr einmal auff
einen Hof-Diener eine Vngnade geworffen/ iſt der Danck gleich und eben
eins/ er mach es hernach gut oder boͤſe. Nicht alſo die Goͤttliche Gnade/ die
iſt auff ſeiten Gottes gantz beſtaͤndig und immerwaͤhrend ewig/ Gottes
Gnade waͤhret fuͤr und fuͤr/ es ſollen wol Berge weichen und Huͤgel
hinfallen/ aber meine Gnade ſoll nicht von dir weichen/ und
der Bund meines Friedes ſoll nicht hinfallen/ ſpricht der
HERR dein Erbarmer.


Wir ſchlieſſen mit Salomon und beten ihm ſeinen Wunſch nach/
damit er ſeine Kirchweihe verſigelt/ Der HERR unſer GOTT1. Reg. 8, 57.
58.

ſey mit uns/ Er verlaß uns nicht/ und ziehe nicht die Hand
von uns ab/ zu neigen unſer Hertz zu ihm/ daß wir wandlen in
allein ſeinen Wegen/ und halten ſein Gebott/ recht und Sitt/
Apoc. 21,
22.

biß der Tempel dieſes Leibes gebrochen/ wir an den Ort kommen/ da kein
Tempel mehr/ ſondern Gott alles in allem ſeyn wird! Amen.



Die Sechszehende


Vber den dritten Articul/ und uͤber die Wort
St. Pauli 1. Corinth. 3/ 16. 17.


Die Ander Predigt/


Von der erleuchtenden Gnade Gottes
des Heiligen Geiſtes.


GEliebte in Chriſto: Wann St. Johannes 1. Joh. 2.1. Ioh. 2, 20.
27.

an die allgemeine glaubige Kirche unter andern ſchreibet:
Jhr habt die Salbung von dem der heilig iſt/
und wiſſet alles: Dieſelbe Salbung/ die ihr
empfangen habt/ bleibet bey euch/ und duͤrffet

Bb 2nicht/
[196]Die Sechszehende (Ander)
nicht/ daß euch iemand lehret/ ſondern wie euch die Salbung
allerley lehret/ ſo iſts war.
So verſtehet er freylich nicht chriſma
corporeum, medicinale, mirificum,
eine leibliche/ Artzney-
Marc. 6, 13.
Iae.
5, 14.
und Wunder-Salbe/ von welcher gehandelt wird/ Marc. 6. Jac. 5.
am allerwenigſten Chriſma ſacramentale,eine Sacrament-
liche Geheimnuͤß-Salbe/
ſo im blinden Papſtumb bey dem alſo
Bellarm. l.
2. de Sa-
cram. con-
firm. c. 5.
\& 8.
Apoc.
13,
16.
genanten Sacrament der Firmung uͤblich/ wie es Bellarminus faͤlſchlich
deutet; als welcher Chriſam vielmehr ein character und Kenn-Zeichen
iſt der Antichriſtiſchen Beſtien; Sondern er verſtehet Gott den Hei-
ligen Geiſt ſelbſt/
den uns der allerheiligſte Chriſtus ſelbſt erworben
und geſchencket/ ſampt ſeinen Gaben: Nicht nur Spiritum Sanctum
medicum,
den allerhoͤchſten Artzt-Geiſt/ welcher als ein Artzt/ ſa-
nat quod eſt ſaucium,
heilet was verwundet iſt/ als das koͤſtlichſte Wund-
Oel: nicht nur Spiritum Sanctum paracletum,den allertheu-
reſten Troſt-Geiſt/
welcher als ein bewaͤhrter Balſam und gelindes
Oel erquicket/ erfriſchet/ und in der Ohnmacht wiederumb Geiſt und Leben
gibet: Sondern vielmehr balſamum illuminationis,die Erleuch-
Eſa. 11, 2.tungs-Salbe/ den Geiſt der Weißheit/ Verſtand/ Rath/ Erkaͤntnuͤß/
von welcher er der Heilige Geiſt den Namen hat/ und heiſt illu-
minator,
ein Erleuchter/ ein erleuchtender Geiſt und himliſcher
Lehrer/
wie das Oel/ wann es brennet/ ein gantz Gemach erleuchtet: Alſo
dieſes heilige Oel/ wann es in der Ampel des Hertzens anfaͤhet zu brennen/
erleuchtet den gantzen Menſchen.


Auguſt. tract. 3. in epiſt. 1. Iohan. Quid nos facimus Fratres, quia doce-
mus vos? ſi Vnctio vos docet de omnibus, quaſi nos ſine cauſa laboramus? ſonus
verborum noſtrorum aures percutit, Magiſter intus eſt, nolite putare quenquam
hominem aliquid diſcere ab alio homine; admonere poſſumus per ſtrepitum
vocis noſtræ: ſi non eſt intus qui doceat, inanis eſt ſtrepitus noſter.
()

Wie die Koͤnige/ Prieſter und Propheten im Alten Teſtament/ ſo
bald ſie mit dem heiligen Oel geſalbet worden/ andere Maͤnner worden;
die Koͤnige ſind geſchickt worden zum Regiment/ die Prieſter zu ihrer litur-
gia
und prieſterlicher Ampts-Verweſung/ die Propheten zum Lehr-Ampt
außgeruͤſtet: Alſo iſt der Heilige Geiſt eine ſolch χρίσμα oder
unguentum Doctoreumund Lehr-Salbe/ mit welcher die geiſt-
Apoc. 1, 6.lichen Prieſter und Koͤnige im Neuen Teſtament geſalbet und außgeruͤſtet
werden/
[197]Predigt.
werden/ welchen edlen Balſam der groſſe Hoheprieſter Chriſtus erworben/
geſchencket/ in unſer Hertz außgegoſſen/ von dem haben wir dieſe hohe Gabe
empfangen: Gleich wie der koͤſtliche Balſam vom Haͤupt Aaron herabPſal. 133, 2.
gefloſſen auff ſein gantzes Kleid/ Pſ. 133. Alſo iſt Chriſtus als das Haupt
mit unermeßlichen Gaben geſalbet/ aber die Troͤpfflein ſind auch auff die
membra und Gliedmaſſen gefallen: Dannenhero wir auch den Namen
fuͤhren/ und heiſſen Chriſtiani,Chriſten/ von Chriſto dem Geſalb-
ten/
und chriſmate Spiritus S.dem Heiligen Geiſte als der Sal-
bung. Es iſt derſelbe ein ſolch vollkommener Lehrer/ der uns

allerley lehret/ was wahr iſt/ durch welchen wir allen Rath Gottes in
Sachen unſerer Seligkeit betreffend wiſſen/ alſo gar/ daß uns niemand
lehren darff;
Wie? das ſcheinet faſt Enthuſtaſtiſch geredet; Darff
uns dann niemand lehren/ was bedarffs dann des koſtbaren Predig-
Ampts? Antwort: Das ſey fern/ daß dieſe Meynung St. Johanni in
Sinn kommen/ dann ſo wuͤrde er ſich ſelbſt in [Backen] gehauen haben;
Doͤrffen wir keines Lehrers mehr/ was bemuͤhet ſich dann der Apoſtel?
Warumb ſchreibet er dieſe Epiſtel? Warumb gedencket er der Schrifft
mit Ehren? Warumb berufft er ſich auff das/ was er zuvor gehoͤret v. 21.
24. 25. 26. Warumb ſchweigen die Enthuſiaſten nicht ſelbſt/ ſondern ver-
kluͤttern alle Buͤcher? Sondern er redet von neuen Lehren/ der damalsv. D. Luth.
gloſſ. ad
Ier.
31, 23.

graſſirenden und verfuͤhrenden Wider-Chriſten und Flader-Geiſter/ die
von der Apoſtoliſchen Kirchen abgefallen/ außgangen/ und hohe/ ſonder-
bare/ neue Lehren und Geheimnuͤſſen auff die Bahn gebracht uͤber das
was ſie von den heiligen Apoſteln und Apoſtoliſchen Maͤnnern aus Got-
tes Wort gehoͤret und gelernet. Die Meynung iſt dieſe: Jhr wiſſet alles
aus dem Gehoͤr und leſen Goͤttliches Worts/ was euch zu glauben/ zu hof-
fen und zu thun noͤthig/ ihr beduͤrfft keiner neuen Lehrer/ die euch die Ohren
grauen mit ſonderbaren/ ſelbſt-erdichteten Geheimnuͤſſen. Durch das in
Gottes Wort geoffenbarte Liecht/ den H. Geiſt/ und deſſen Lehr-reichen
Salbung ſeyt ihr gnugſam erleuchtet worden/ darumb laſſet jene die Mei-
ſter von hohen und neuen Sinnen fahren; dann der Heilige Geiſt lehret
nichts neues/ ſondern das alte repetirt Er durch Erinnerung/ Erleuch-
tung und kraͤfftige Bewegung.

Ioh. 16, 13.

Er iſt ein bleibender und innwohnender Lehrer/ der da
bey euch bleibet in Ewigkeit/
als ein Gaſt in dem Hauſe/ als der LehrerIoh. 14, 16.
im Tempel/ verſtehe/ ſo lang der Menſch demſelbẽ nicht ſelbſt gleichſam Vr-
Bb 3laub
[198]Die Sechszehende (Ander)
laub gibet/ und ſo viel an ihm deſſelben Salbung und Vnterrichtung von
ſich ſtoſſet. Jſt das erſte Ampt und Geſchaͤfft/ ſo dieſer edle Gaſt
in dem Tempel unſerer Hertzen/ gleichſam als auff einer cathedrâ oder
Cantzel verrichtet/ darinnen lehret/ prediget/ zeuget/ weiſſaget/ urtheilet/ aller-
maſſen wie wir hiervon in der Außlegung des dritten Articuls glauben
und bekennen: Jch glaub/ daß ich nicht aus eigener Vernunfft
an Jeſum Chriſtm meinen HERRN glauben/ oder zu ihm
kommen kan/ ſondern der Heilige
Geiſt hat mich durchs Evan-
gelium beruffen/ mit ſeinen
Gaben ERLEVCHTET ꝛc.
Wovon dißmal nuͤtzlich und aufferbaulich zu handeln/ wolle Gott der
Heilige Geiſt als der Lehrer der Einfaͤltigen uns mit ſeiner Gnade beywoh-
nen/ umb Jeſu Chriſti willen/ Amen.


DO ſind nun Tempel und Lehrercorrelata, ſie koͤnnen nicht
getrennet werden; Wo ein Tempel iſt/ da muß man lehren und
predigen/ wie dann der Tempel zu Jeruſalem niemal ſtumm ge-
weſt/ da iſt man zuſammen kommen Gott zu loben/ da iſt das Goͤttliche
Num. 7,
89.
oraculum erſchollen/ die Prieſter haben die Opffer-Bilder/ worauff ſie ge-
deutet und gezielet/ erklaͤren und außlegen muͤſſen/ da haben die Propheten
gemeinlich ihre Propheceyungen abgeleget/ da hat Chriſtus und die Apo-
ſtel geprediget.


Jſt nun unſer Hertz ein Tempel worden des Heiligen Gei-
ſtes/
ſo iſt der Heilige Geiſt derDoctorund Lehrer in dieſem
Tempel
und zwar I. præfiguratus,holdſelig vorgebildet durch
das brennende und leuchtende Tempel-Liecht/
welches muſte fo-
Exod. 25,
31.
viret werden auff dem guͤldenen Leuchter; Daſſelbe Liecht iſt der Hei-
lige
Geiſt/ als der Erleuchter/ der durch das hell-leuchtende Wort
Gottes nicht nur das Liecht der Welt Chriſtum den Herrn ins Hertz
Ioh. 16, 14.hinein ſetzet/ ſeine Perſon/ Ampt und Gutthaten verklaͤret/ den Weg der
Seligkeit/ und das himmliſche Vaterland zeiget/ erleuchtet/ Leben und un-
2. Tim. 1,
10.
Pſal.
146, 8.
vergaͤngliches Weſen ans Liecht bringet; ſondern er machet auch ſehend/
er thut die Augen der Blinden auff: Das gemeine natuͤrliche Liecht thut
das nicht/ ſondern es ſupponiret die Augen/ wer das natuͤrliche Tage-Liecht
ſehen will/ der muß die Augen zuvor haben und mitbringen; aber dieſer un-
ſer heiligſte Gnaden-Glantz gibt zugleich leuchtende Augen/ das Liecht der
Goͤttlichen Erkaͤntnuͤß zu faſſen und anzunehmen/ von welchem Wercke
2. Cor. 3, 18.des Heiligen Geiſtes St. Paulus gar bedencklich redet 2. Cor. 3. nach dem
er den
[199]Predigt.
er den Vnterſcheid der Moſaiſchen/ unertraͤglichen Geſetz-Klarheit/ und
der lieblichen anmuthigen Evangeliſchen Klarheit/ ſo ſich ſonderlichMatt. 17, 2.
Matth. 17. herfuͤr gethan/ angezeiget/ ſaget er: Es ſpiegelt ſich in uns
des
HERRENChriſti Klarheit mit auffgedecktem Angeſich-
te/ und wir werden verkläret in daſſelbige Bilde/ von einer
Klarheit zu der andern/ als vom
Geiſt desHERREN; wie
Moſes/ wann er in die Stiffts-Huͤtten gangen/ die Decke weggethan/ ſo iſt
ihm die Herrligkeit des Herren erſchienen/ die er mit auffgedecktem
Angeſichte geſehen; wie auch Moſes durch das anſchauen Gottes ſerenirt
und glaͤntzend worden: Alſo werden wir auch durch den Heiligen Geiſt/Exod. 34,
29.

durch das geiſtliche anſchauen des Evangelii von einer Klarheit zur an-
dern erleuchtet; Wiederumb Gott (der Vater) der das Liecht hieß2. Cor. 4, 6.
aus der Finſternuͤß herfuͤr leuchten/ der hat einen hellen
Schein/
ἔλλαμψιν (verſtehe das Liecht des Heiligen Geiſtes) in unſer
Hertz gegeben zur Erleuchtung der Klarheit Gottes/ in dem
Angeſichte Jeſu Chriſti.


II. Promiſſus,Ein verheiſſener Lehrer/ nicht nur im Alten
Teſtament: Es werden alle deine Kinder gelehrt werden vomEſa. 54, 15.
Ioh. 6, 45.
Ier.
31, 34.

HERREN/ θεοδίδακτοι, als Gottes-gelehrte. Jch/ ſpricht der
HERR:will mein Geſetz in ihr Hertz geben/ und in ihren
Sinn ſchreiben/
durch dey Finger Gottes den H. Geiſt; Jm Alten Te-
ſtamment war das Geſetz in Steine geſchrieben/ es blieb im Stein und gieng
nicht zu Hertzen; Aber im Neuen Teſtament ſolls zu Hertzen von Hertzen
aus willigen affecten hergehen/ und wird keiner den andern/ noch
ein Bruder den andern lehren und ſagen/ Erkenne den
HErren/ ſondern ſie ſollen mich alle kennen/ beyde klein und
groß/ ſpricht der HERR/
verſtehe ἀκουςικῶς und mittelbar/ durch
das Gehoͤr Goͤttliches Worts/ nicht ἐνϑουσιαςικῶς, nicht durch unmittel-
bare/ Enthuſia ſtiſche Eingebung/ Erleuchtung und Einbildung: Als
wolt er ſagen: Schatten und Dunckel und groſſe Muͤhe wird auffhoͤren/
ein helles Liecht wird auffgehen/ dabey jung und alt wird ſehen koͤnnen:
Es wird nicht nur iſchet achiv,ein Bruder den andern/ ein Jſrae-
lit den andern/ wie im Alten Teſtament geſchehen: ſondern auch die Hey-
den/ die weiland nicht der Juden Bruͤder/ ſondern frembde und auſſer der
Burgerſchafft Jſraels in finſtern getappet/ werden ein groſſes Liecht ſehen:
deß-
[200]Die Sechszehende (Ander)
Ioel. 2, 28.deßgleichen Joel: Nach dieſem will ich meinen Geiſt außgieſſen
uͤber alles Fleiſch ꝛc.
ſondern es hat auch Chriſtus ſolche Verheiſſung
Ioh. 14, 26.gethan im Neuen Teſtament/ Joh. 14. Der Troͤſter/ ſagt Er/ der Hei-
lige Geiſt/ welchen mein Vater ſenden wird in meinem Na-
men/ der wirds euch alles lehren/ und erinnern alles des/ das
ich euch geſaget habe.


III. Exhibitus;Ein geleiſteter und erſchienener Lehrer;
nach langen ſeuffzen und ſehnen; Fromme Hertzen im Alten Teſtament
haben nach dieſer Verheiſſung inſtaͤndig verlanget/ es mangelte dem an-
dern Tempel das groſſe Heiligthumb/ die Lade des Bunds/ das Feuer/
Urim und thumim, der Prophetiſche Geiſt/ wie die Rabbinen ſelbſt kla-
gen/ darumb verlanget ſie/ wie nach der Anſchauung des Meſſiæ/ als der
rechten Bunds-Lade des Hohenprieſters/ in welcher das urim und thu-
mim,
Liecht und Recht gewohnet/ alſo auch des Feuers und Prophetiſchen
Geiſts; der iſt nun ſichtbarlich erſchienen den Apoſteln/ und hat in einen
Augenblick Doctores aus ihnen gemachet; Petrus deutet mit Fingern
Actor. 2, 3.
ſeqq.
darauff/ Actor. 2. und wird noch taͤglich in der Glaubigen Hertzen außge-
ſendet. Was einmal geſchehen ſichtbarlicher Weiſe/ das geſchiehet ſtets
unſichtbarlicher Weiſe/ doch κατὰ μέτρον τὴς δωρεᾶς, nach dem freychuͤr-
lichen Maß und Grad der Gnaden.


Dieu ad Act. 8. p. 86. è Gemorâ c. 1. in Ioma. quinque res defuere in
templo ſecundo, arca, propitiatorium \& Cherubim; Ignis: præſentia Majeſtatis
DEI: Spiritus Sanctus in Prophetis, Vrim \& thumim.


IV. Doctor teſtis,Ein bezeugender Lehrer; Er wird
Ioh. 15, 26.zeugen von mir/ ſagt der Herr Chriſtus Joh. 15. von meinem Ampt
und Perſon/ von meiner Vnſchuld/ die Hertzen convinciren und uͤber-
zeugen; zeugen durch Wunderwercke/ durch martyria, ſonderlich aber durch
das theure werthe Wort des Evangelii/ wie dann kraͤfftiglich geſchehen
durch die Apoſtel und noch geſchiehet/ und ſoll geſchehen von uns allen/
und geſchiehet in unſern Hertzen/ zeugen wider den Vnglauben und Miß-
trauen zu Gott.


V. Doctor Propheta,Ein Prophetiſcher Lehrer; Was
Ioh. 16, 13.zukuͤnfftig iſt/ ſagt der Herr:wird er euch verkuͤndigen.
Jſt geſchehen durch die Apoſtel/ Petrum/ Paulum/ Johannem/ Agabum;
Jſt geſchehen und geſchiehet taͤglich durch die Erklaͤrung und Außlegung
der Prophetiſchen Weiſſagungen; Soll von uns allen geſchehen durch
die ſtaͤte
[201]Predigt.
die ſtaͤte Betrachtung der ewigen Gnaden-Wahl/ aus oder durch welche
wir uns gleichſam als durch einen Prophetiſchen Traum ſelbſt den Zu-
ſtand des kuͤnfftigen Lebens weiſſagen moͤgen.


VI. Doctor Judex controverſiarum elenchticus,
Ein Richter/ Widerleger und Entſcheider aller in Glaubens-
und
religions-Sachen fůrfallenden Streitigkeiten/ Er wirdIoh. 16, 8.
die Welt ſtraffen/ umb die Suͤnde/ und umb die Gerechtig-
keit/ und umb das
Gerichte; hat ſolches Richter-Ampt wuͤrcklich
vertreten in dem Apoſtoliſchen Concilio, Actor. 15. nicht zwar ſcheinbar/Act, 15, 28.
wie in weltlichen Gerichten pfleget zu geſchehen/ da der Richter eine Sach
zwiſchen verſchiedenen Parteyen muͤndlich alſo außſpricht/ daß man
den Richter ſelbſt mit coͤrperlichen Augen ſehen/ und ſein Wort unmittel-
bar hoͤren kan: ſondern wie das Reich Gottes nicht kommt ſcheinbar auff
politiſche Art und Weiſe/ ſondern im Hertzen des Menſchen/ alſo regieret
dieſer Richter im Hertzen/ Gemuͤth und Gewiſſen innerlich/ wann er daſſel-
be aus Gottes Wort kraͤfftiglich uͤberfuͤhret/ uͤberweiſet/ und die Warheit
ſo klar von dem Jrrthumb und Luͤgen unterſcheidet/ daß niemand ihm
λόγῳ ἔσῳ innerlich im Gewiſſen widerſprechen kan/ ob gleich euſſerlich die
Sprache nicht allzeit hernach will/ ja oder nein darzu ſagen.


Die oͤffentliche Vberzeigung/ daß einer mit eigenem Munde ſeinTit. 3, 11.
Vnrecht geſtehen/ und ſich ſelbſt muͤndlich gefangen geben muß/ wird dem
zukuͤnfftigen Richter der Lebendigen und der Toden/ Chriſto Jeſu vorbe-
halten/ welcher es ſolchen Leuten oͤffentlich wird ins Angeſicht hinein ſa-
gen/ was ſie hier nicht haben geſtehen wollen/ und ſie fuͤr aller Welt zu
ſchanden machen/ wie ſolches Gott der Herr Fuͤrbildsweiſe practi-
c
iret mit Hiob/ nach dem er lange zugehoͤret/ wie er mit ſeinen Freunden
diſputiret und geſtrittẽ/ endlich ihn oͤffentlich ins examen fuͤhret/ aus dem
Wetter antwortet/ und ſeine Fehler ihm unter Augen ſaget. Dieſer bekeñet
er hab unweißlich geredet/ die deciſiv und Vrtheil auff ſeiten der Freunde
Jobs lautet faſt hart/ Mein Zorn (ſo redet der Herr ſelbſt an denIob. 42, 3. 7.
Eliphas von Theman) iſt ergrimmet uͤber dich/ und uͤber deine
zween Freunde/ dann ihr habt nicht recht von mir geredet/ wie
mein Knecht Hiob:
So wirds auch lauten am Juͤngſten Tage/ da
aller religions-Streit endlich und voͤllig wird abgehandelt und abgeleget
werden.


Jſt derowegen eine verzweifelte/ verwegene und Gottes-laͤſterlicheColloq.
Ratisbon.
ſeſſ.
9.

Rede des Jeſuiten Gretſeri auf dem colloquio zu Regenſpurg geweſt/ da er
Sechſter Theil. Ccgeſagt:
[202]Die Sechszehende (Ander)
ſagt: Hier ſitzen wir in Gegenwart der heiligen Schrifft/ wann nun die-
ſelbe oder der Heilige Geiſt mit außdruͤcklichen Worten ſaget: Gretſere,
deine Meynung iſt nicht gut/ du haſt die Sach verlohren; Jm Gegentheil
du Heilbrunner haſt gewonnen! ſo will ich mich alſobald zu euch begeben/
adſit, adſit \& condemnet! wo iſt er dann nun/ ſo komme er her und ver-
damme mich! Jch beſorge/ er ſey ihm bald gnug kommen und ſeiner Bitte
ihn gewaͤhret/ daß ers in Ewigkeit nicht zu gelachen.


Er iſtVI.ein thaͤtiger und wuͤrcklicher Lehrer/ der nicht
nur lehret mit Worten/ ſondern Er fuͤhret auch eine ſolche kraͤfftige Lehre/
Pſal. 34, 9.die das Hertz empfindet/ fuͤhlet/ ſchmecket wie freundlich der HERR
iſt/ Er troͤſtet das Hertz/ erfreuet das Gemuͤth/ erweckt das Gebet/ gibt
Andacht und heilige Gedancken ein/ pflantzet Gedult/ Sanfftmuth/ De-
muth/ ſaͤnfftiget das Hertz mit dem Frieden Gottes/ der hoͤher iſt als
alle Vernunfft/ bildet Gottes Ebenbild in ihm/ lehret der Welt Eitelkeit
verachten/ ſich allein Gott dem hoͤchſten Gut zu laſſen/ zu ergeben/ und
in demſelben zu ruhen. Das heiſſet von Gott gelehret ſeyn/ das iſt eine
lebendige Lehre/ nicht ein toder Buchſtabe. Diß iſt der Finger Gottes/ wel-
cher das lebendige Wort ins Hertz ſchreibet. Das iſt Gottes Schrifft ge-
ſchrieben nicht mit Dinten/ ſondern mit dem lebendigen Geiſt Gottes/
ſolche Wort ſind Leben und Geiſt.


VII. Doctor Dux,er iſt ein leitender Lehrer in alle Warheit;
Er wird euch/
ſagt der Herr/in alle Warheit leiten/ gleichſam
Ioh, 16, 13.als ein hodogeta und Wegweiſer; Er ſaget: Ducet,er wird euch
fuͤhren oder leiten/
nemlich ductu ſuavi,durch ſanffte Handlei-
tung/
und nicht rapiet, er wird euch nicht mit Gewalt zu ſich reiſſen und in
Him̃el hinein gewaltthaͤtiger weiſe zwingẽ; ſondern gleich wie er die Vnwi-
dergebornen durch ſein kraͤfftig Wort zu ſich freundlich ziehet/ alſo wird er
die nunmehro Wiedergebornen gleichſam als ein pædagogus und Weg-
weiſer bey der Hand fuͤhren/ durch Mitwuͤrckung ihres eigenẽ von Gott be-
gnadetẽ Willens leiten und fuͤhren. 2. Ductu fideli,er wird ſie leiten
mit Treue;
ſintemal er als ein treuer Fuͤhrer durch die Wuͤſte dieſer Welt/
durch welche die Glaubigen wallen und wandern muͤſſen/ den Weg zeigen/
vorgehen/ Ruhe/ Schatten und Herberge verſchaffen wil/ davon David im
Pſ. 23, 4.23. Pſal. ruͤhmet/ aus Geiſt-freudigen Hertzen ſinget/ Ob ich wandert
im finſtern Thal/ ꝛc.
3. Ductu mediato,er wird ſie leiten
mittelbar;
durch den Mund des Goͤttlichen Worts/ das heilige Predig-
Ampt/
[203]Predigt.
Ampt/ als durch eine Goͤttliche Rede und Antwort in ſeinem gantzen Lehr-
Ampt.


Hier moͤchte iemand gedencken/ Ach daß ich dieſen ſo hochgeruͤhm-
ten Lehrmeiſter ſelbſt redend hoͤren ſolt/ daß Er auch uͤber mich kaͤme/ wie
uͤber die Apoſtel: ich hoͤre ja nichts! ich ſehe nichts! Er lehret mich und
ſchweiget doch! wann Er ſelbſt mit mir redete immediatè und ohne Mit-
tel/ wann Er mich auch im Augenblick zum Doctor machte/ wie Er ſeine
Apoſtel begnadet/ ſo wolt ich es mit Freuden annehmen? () Auguſtinus() in prin-
cip. l. de
Doctr.
Chriſt.

leget dir hier den Finger auff den Mund/ und ſaget: Huͤte dich O lieber
Menſch fuͤr ſolchen ſtoltzen und gefaͤhrlichen Anfechtungen: Laſſet uns die
Bruͤder vermahnen/ daß ſie nicht ihre Kinder alſo lehren/ daß weil in einem
Augenblick durch die Zukunfft des Heiligen Geiſtes die Apoſtel ſind er-
fuͤllet worden mit allerhand Sprachen/ oder daß wem ſolches nicht ge-
ſchehe/ er meine er ſey kein Chriſt oder habe den heiligen Geiſt nicht. Dann
wie weren die Wort wahr: Der Tempel Gottes iſt heilig/ der
ſeyt ihr?
Wo nicht Gott von einem menſchlichem Tempel antwortete/
und alles das jenige/ was er von den Menſchen wolte gelernet haben/ vom
Him̃el durch die Engel allererſt muͤſte kund werden? Dann wie kan man
ſagen/ daß der ſtillſchweige/ welcher durch das heilige Predig-Ampt redet?
Wie ſoll der ſchweigen/ der in der That und Warheit antwortet? Jſt nicht
die heilige Schrifft Gottes Stimm/ von Gott dem Vater herab zu uns
als ein Brief geſendet? Biß hieher Auguſtini Wort verdeutſchet.


Ein Sohn/ wann er ſeines Vatern Brief liſet/ gehet derſelbe ihm
nicht anders zu Hertzen/ als hoͤrete er den Vater ſelbſt unmittelbar-muͤnd-
lich mit ihm reden. Nun iſt die heilige Schrifft des allmaͤchtigen Gottes
Send-Brief vom Himmel herab/ und zu uns ſeinen Creaturen und Kin-
dern geſendet/ dadurch redet Er ſo gnug und viel/ daß wir nach keiner un-
mittelbaren Erleuchtung und Erſcheinung zu gaffen haben. Zum Exem-
pel/ fragſtu/ welches iſt daſſelbe Wort Gottes/ welches da ſey das un-
fehlbare rechte Liecht der Blinden zur Seligkeit? Der H. Geiſt antwortet/
aus und durch die Heilige Schrifft/ durch Moſen/ Propheten und Apoſtel:Pſ. 119, 24.
105.

Das Wort Gottes/ das iſt unſer Fuͤſſe Leuchte/ und ein Liecht auff unſern
Wegen/ die Zeugnuͤſſen Gottes ſollen ſeyn unſere Raths-Leute. Wo iſt
daſſelbige Liecht zu finden? wo ſcheinet es? Antwort: Suchet in derIoh. 5, 39.
2. Tim.
3,
16.

Schrifft/ dann die iſt die von mir zeuget. Alle Schrifft von
Gott eingegeben kan dich unterweiſen/
πρὸς το σοφἰσαι, daß du
weiſe und vollkom̃en ſeyeſt/ zu allen guten Wercken geſchicket.

Cc 2Wer
[204]Die Sechszehende (Ander)
Actor. 9, 6.Wer wird mich aber unterweiſen/ daß ich es verſtehe? Stehe auff/
gehe in die Statt/
nemlich die Chriſtliche Kirche/ da wird man dir
ſagen was du thun ſolt.
Welches iſt aber die warhafftige Kirche?
Matt. 7, 16.
Exod.
33,
19.
oder wo iſt dieſelbe/ da das Liecht leuchtet? Aus ihren Lehr-Fruͤch-
ten ſollet ihr ſie erkennen.
Welches oder was iſt das hoͤchſte Gut/ an
dem der Menſch/ ſo hier ſo dort all ſein Begierden und Verlangen ſaͤttigen
mag? Gott der da heiſt Jehova Cotlobhdas Liecht/ die we-
Ier. 2, 13.ſentliche Liebe/ das Liecht ſelbſt weſentlich/ die lebendige Quell alles guten/
wer denſelben ſihet den gnuͤget/ er hat Gott und gnug. Durch welchen
Weg ſoll oder kan ich zu ihm gelangen? Entweder viâ legali,durch
den ſtachlichten Geſetz-Weg/
welcher dir als einem Blinden und gar
Act. 16, 31.
Ezech. 18,
32. Matth.

11, 28.
Toden in geiſtlichen Sachen unmoͤglich zu wandlen; oder viâ Evange-
licâ,
durch den heilſamen Weg des Evangelii; glaube an den
HERRENJeſum Chriſt/ ſo wirſtu ſelig; glaube dem Evan-
gelio/ das da ſaget: Jch will nicht den Tod des Sůnders/ ꝛc.
Kommet her zu mir alle die ihr muͤheſelig und beladen ſeyt/ ich
will euch erquicken/ ꝛc.
Wie und in was Ordnung ſoll ich aber kom-
Marc. 1, 15.
Act.
2, 40.
men? Thue Buß und glaube dem Evangelio/ laß dir helffen!
ſagt St. Petrus. Wodurch ſoll ich mir helffen laſſen? durchs Wort und
Sacramenta/ und ſo fortan. Sic itur ad Cœlum, das iſt der Himmels-
Weg/ deſſen Ende iſt die ewige Seligkeit.


So iſt nun dieſe heilige/ edle/ heilſame Salbe und Gna-
den-Geſchenck eine ůberſchwengliche/ groſſe/ unerſchaͤtzliche/
unermeßliche Gabe/
nemlich der Heilige Geiſt/ das höchſte Gut
ſelbſt/
ein theurer/ werther Hertzen- und Seelen-Gaſt/ das Liecht der ſelig-
machenden Weißheit/ damit er den Tempel des Hertzens erleuchtet und
ſchmuͤcket/ und den edlen Schatz ſeines Wortes in des glaubigen Men-
ſchen Gedaͤchtnuͤß beyleget/ denſelben zur Zeit der Noth auffwecket und
gleichſam lebendig machet. Es hat offtmal ein Menſch dieſen Schatz in
ſeiner Seelen ligen/ aber er ſchlafft gleichſam/ Gott der Herr iſt der
Gen. 21, 19.Wecker! Die Hagar hatte in der Wuͤſten einen Brunnen gleichſam
fuͤr der Naſen/ aber ſie ſihet ihn nicht/ biß der Engel des Herren ihr
die Augen auffgethan. Vmb ſo viel hoͤher iſt dieſe Gabe/ als weniger
die Welt derſelben achtet; Es bleibet wol dabey/ was Chriſtus ſaget;
Ioh. 14, 17.Die Welt kan den Geiſt der Warheit nicht empfahen/ dann
ſie ſihet
[205]Predigt.
ſie ſihet ihn nicht und kennet ihn nicht; Ja wanns ein falſcherGen. 3, 5.
1. Reg.
22,
22. 35.

Schwindel und Luͤgen-Geiſt were/ der Evam hinterſchlichen/ und ihr von
der ἀποϑεώσει gepredigt/ der hernach Achab zu tode gepredigt; wañs ein Spi-
ritus familiaris
were/ damit vorzeiten fuͤrwitzige Leut umbgangẽ/ ſo moͤchte
er æſtimiret werden: Aber die Welt gedencket mit Pilato: Was iſtIoh. 18, 38.
Warheit? Was iſt judex controverſiarum? was bedarff man der
Entſcheidung ſchwerer Streitigkeiten in religions-Sachen/ man ſchaff
das Gezaͤncke mit einander ab? Was elenchus? ja wanns ein Welt-
Geiſt were/ deſſen profeſſion iſt Fleiſches-Luſt/ Augen-Luſt/ hoffaͤrtiges
Leben/ weltliche Sitten/ weltliche Vbungen/ weltliche Weißheit/ von unten
her/ die da iſt irrdiſch/ ja teufliſch/ da duͤrffte die Welt zueilen! Es wird war-
hafftig die Zeit kom̃en am letzten Welt-Tage/ da die Barbariſchen Voͤlcker
die Tuͤrcken/ die Tartaren und blinde Heyden diß Geſchlecht werden ver-
dammen/ denen das Liecht ſo hell nicht auffgangen; und was meynen wir/
was die Vrſach ſey/ oder was wollen wir uns wundern/ der viel und man-
cherley Straffen und Plagen/ damit uns Gott beleget/ ſonderlich der
dreyſſig-jaͤhrigen Blut-Fluth/ der Trompeten Schall? will man den Heili-
gen Geiſt durch ſeinen Mund/ nemlich das Predig-Ampt nicht hoͤren/ ſo
ſchicket Gott der Herr einen Kriegsmann/ einen Nebuſar Adan/Ier. 40, 2.
einen Roͤmiſchen Titum/ der muß predigen/ deſſen Muſqueten knallen/ daß
die Ohren daruͤber gellen. Ja was kan endlich/ wann man ſich nicht beſ-
ſert/ anders folgen/ als die euſſerſte Finſternuͤß?


Es iſt aber auch dieſes Geſchenck eine allgemeine unpar-
teyiſche Gabe/
die keinem verſagt wird/ ſo wol als Chriſtus ſelbſt/ der
in die Welt kommen/ daß Er alle Menſchen erleuchte/ da iederman drumb
bitten darff/ man darff kein didactron oder Lehr-Danck drumb geben/
es machet ſich der H. Geiſt nicht ſchwer; Zwar in dem Papſtumb wird
dieſe Gab dem heiligem Stul zu Rom allein vorbehalten/ dañenhero Andr.Andr. Du-
dith. Epi-
ſcop. quin-
que Eccleſ.
in epiſt. ad
Maxim. II.

Dudithius an Kaͤyſer Maximilian aus dem Concilio zu Trident geſchrie-
ben: Es gemahne ihn das Concilium zu Trident an eine Sack-Pfeiffe/
die Biſchoffe ſeyen die lebloſen Pfeiffen/ welche keinen Thon von ſich geben/
biß ſie Wind bekommen/ ſo bald aber der Papſt den Wind hinein blaſe/
ſo klingen ſie alle einſtimmig/ und pfeiffen was der Papſt gern hoͤret. Solte
in gemeldtem Reich der Finſternuͤß eine privat-Perſon ſich ruͤhmen/ ſie
haͤtte den Heiligen Geiſt/ man doͤrffte ihn fuͤr einen Gottes-Laͤſterer auß-
geben/ ſpreche er: Jch habe den Heiligen Geiſt/ doͤrffte man ſagen: Ey du
haſt den Teufel! Die Calviniſten particuliren hier abermal/ einer mit
Cc 3Namen
[206]Die Sechszehende (Ander)
Biſterfeld.
in myſte-
rio pietatis
contra Io-
han. Crel-
lum p.
361.
Namen Biſterfeldius gibt fuͤr/ der Zweck der heiligen Schrifft ſeye nicht
der/ daß dadurch ohne Vnterſcheid Glaubige und Vnglaubige ſolten
erleuchtet werden/ ſondern daß allein die erwachſene Glaubige (das iſt die
bloß Außerwelte) dadurch zum Heil und Seligkeit gefuͤhret/ die Vnglau-
bige (das iſt die bloß Verworffene) durch das Liecht der heiligen Schrifft
verblendet wuͤrden. O ſchnoͤde Lehr!


Jſt demnach endlich ein ſolch himmliſchespræſentund
Geſchenck/ annehmens und auffhebens werth/ ja wuͤrdig und
werth/ daß man auff ſo gethane Lehr Achtung gebe/
wie und
auff was Weiſe Gottes Geiſt im Hertzen arbeite durchs Wort; wie er den
Marc. 4, 28.im Gedaͤchtnuͤß geſeeten Samen ſegne/ daß er Frucht bringet/ erſtlich
Graß/ darnach die Aehren/ darnach den vollen Weitzen in
den Aehren;
wie Er dem Menſchen offt heilige Gedancken/ Sinne und
affecten einblaſe/ die Fleiſch und Blut nicht offenbaret; wie er im Ge-
bet ſein Geſchaͤffte habe? Lutherus ſchreibt/ es ſey ihm offt begegnet/ daß er
mitten im Gebet nach der einen oder andern Bitt habe muͤſſen ſtill halten/
der Geiſt habe ihn in die Schrifft gefuͤhret/ und reichlich gelehret/ darnach
ſey er wieder fortgefahren: Alſo wo in den Rath-Stuben einem ein guter
heilſamer Rath einfaͤllet/ das iſt vom Heiligen Geiſt; offt muͤſſen wir im
privat-weſen erkennen/ daß Gott dieſes oder jenes geheiſſen/ wir muͤſſen
ſagen: Jch habe da einen guten Geiſt gehabt; Alſo hieß er die Wittwe zu
1. Reg. 17, 9.
1. Theſſ.
5.
19.
Sarepta dem Propheten Eliæ Vnterhalt geben; Aber wehe dann dem
jenigen/ der den Heiligen Geiſt und ſein heiligs und heilſam wuͤrcken/ rei-
tzen/ ſeuffzen/ ſehnen/ troͤſten/ erinnern/ durch reuen und erneuen im Hertzen
und Gewiſſen daͤmpffet!


Es iſt dieſer Lehrer wuͤrdig/ daß man ſeine Lehr höre/ ihn
ehre und folge;
Jener Heyde Æneas, als er vor der Sibyllen Hoͤle
ſtehet/ und die oracula hoͤren will/ ſo laͤufft ihm der Schauder uͤber die
Haut/ Arme und Beine zittern/ er faͤhet an von gantzem Hertzen zu beten:
Wie vielmehr will uns Chriſten gebuͤhren vor der Majeſtaͤt dieſes ſo groſ-
ſen und wertthen Geiſtes uns zu entſetzen/ und mit andaͤchtiger reverentz
Pſal. 25, 14.ſeinen Bewegungen Statt und Platz zu geben? Das Geheimnüß
des
HERRENiſt bey denen/ die ihn fuͤrchten. welche vor-
zeiten bey dem Æſculapio in ihren Kranckheiten Rath geſucht/ die haben
die Nacht uͤber in ſeinem Tempel ſchlaffen muͤſſen: Vielmehr will uns
Chriſten geziemen dieſen guten Geiſt/ gleich den Schlaffenden und Ruhen-
den
[207]Predigt.
den ſich zu laſſen gantz und gar/ und ohne Widerſpenſtigkeit ſeinen guten
Anregungen zu folgen. Des Pythagoræ Schuͤler und Studenten ha-
ben die erſten fuͤnff Jahr nichts fuͤr ſich ſelber reden/ ſondern nur ſagen
muͤſſen ἀυτὸς ἔφα, er unſer Meiſter hats alſo geſagt! hier iſt der rechte
ἀυτὸς ἐφα, was der redet durch und in ſeinem geoffenbarten heiligen Wort/
das iſt ja und Amen!


Wuͤrdig und werth iſt dieſer Geiſt/ daß man ihn frage
und den Mund goͤnne/
in allerhand ſchweren Geſchaͤfften/ Verrich-
tungen/ Bedencken/ Faͤllen/ allerforderſt durchs Gebet zu Rath frage?
Dann ſoll nicht ein Volck ſeinen Gott fragen? Soll nicht einEſa. 8, 19.
Iof. 9, 14.
ſeqq.
1. Reg. 22,
18. ſeqq.

Chriſt den Mund des Herren forſchen? Joſua hat einmal den
Mund des HErren uͤbergangen/ aber er wurd ſchaͤndlich betrogen. Achab
veracht den Mund des Herren durch Micha redend/ kommt druͤber
umb Leib und Leben: Alſo im privat-Leben ſpannt man ohne Gottes Rath
die Pferde hinter den Wagen/ man begibt ſich in die Ehe/ und fraget Gott
nicht drumb/ daher erlaufft man auch offt fuͤr eine Sara eine Jeſabell/
von auſſen eine ſchoͤne Helena/ inwendig eine garſtige unflaͤtige Hecuba.


Solte/ ſag ich/ nicht vielmehr ein Chriſt fuͤr der cathedra des Heili-
gen Geiſtes und ſeinem oraculo, das iſt Hoͤrung und Leſung Goͤttlichen
Worts/ mit demuͤthigem Hertzen erſcheinen? Solte er nicht von Hertzen
beten aus dem 67. Pſalm: HERRlaß du dein Antlitz leuchten/Pſ. 67, 2. 3.
Pſ. 143, 10.
Pſ. 25, [5]
Pſ.
93, 6.

daß ich deinen Weg erkenne! und aus dem 143. Pſalm: Lehre
mich thun nach deinem Wolgefallen/ dann du biſt mein
GOTT/ dein guter Geiſt fuͤhre mich auff ebener Bahn!
Leite mich in deiner Warheit/ und lehre mich/ dann du biſt der
GOTT der mir hilfft! HERR dein Wort iſt die rechte
Lehr/ Heiligkeit iſt die Zierde deines Hauſes.
Mit Joſaphat aus
2. Chron. 20. Wir wiſſen nicht/ was wir thun ſollen/ unſere2. Chron,
20, 12.

Augen ſehen nach dir! Solte nicht ein Chriſten-Schuͤler ſich dem
Heiligen Geiſt als ein Schlaffender laſſen gantz und gar? Solte er nicht
ſtillſchweigen und ſagen/ ἀυτὸς ἐφα, Er der Heilige Geiſt hats geſagt/ ſon-
derlich in den Glaubens-Geheimnuͤſſen? Solte man nicht in dieſer Schul
den methodum ſtudiren und obſerviren/ den Syrach fuͤrſchreibet cap. 15.Syr. 15, 1.
ſeqq.

da er die Weißheit (und nicht μωρίαν die Thorheit/ an welcher viel zu Nar-
ren worden) fuͤrſtellet/ als eine Doctorin/ die ihre Huͤtten und Kram-Laden
auffgeſchlagen: Zeiget an/ wie man ſich umb ſie bewerben muß; nemlich
mit
[208]Die Siebenzehende (Dritte)
mit der edlen Gottesfurcht: Solches/ ſagt er/ thut niemand/ dann
der den
HERRENfuͤrchtet. Es muß darzu kommen die
andaͤchtige Auffmerckung; wer ſich an Gottes Wort haͤlt/
der findet ſie;
darauff folget Ἰχν [...]σις, παράκυψις, κατ [...]λυσις, daß man
ie mehr und mehr forſche/ zu ihrem Fenſter hinein gucke/ nahe Herberge
bey ihr ſuche; endlich aber auch μελέτη \& διάνοια, daß man ſie von Hertzen
betrachte und gruͤndlich verſtehen lerne; ſonderlich ἀκρόασις, daß man
horche an der Thuͤr der Weißheit; Was wird dann endlich daraus wer-
den? Er machet ſie zu einer Belohnerin/ aus der Doctorin eine Koͤni-
gin/ ſie belohnet mit dem Krantz der Ehren/ Staͤrcke und unſterblichem
Namen/ ſie wird ihn erhöhen uͤber ihren Naͤchſten/ ſeinen
Mund auffthun in der Gemeine/ ſie wird ihn krönen mit
Freuden und Wonne/ und begaben mit ewigem Namen/

durch Jeſum Chriſtum/ Amen!



Die Siebenzehende


Vber den dritten Articul/ und uͤber die Wort
St. Pauli 1. Corinth. 3/ 16. 17.


Die Dritte Predigt/


Von der Opffer-Gnade des Heiligen Geiſtes/
oder von dem geiſtlichen Opffer des
Alten Menſchen.


GEliebte in Chriſto: Von einem ſeltzamen Abentheuer/
ungeheurem monſtro und wunderbaren Mißgeburt
ſchreibet Buchananus, ſo ſich in Schottland Anno 1489.
ohngefaͤhr herfuͤr gethan/ nemlich einem Zwilling/ an wel-
chem von oben her biß an die Weiche und Nabel alle Glied-
maſſen gedoppelt geweſen/ untenher aber einfach; oben war es ein doppel-
ter/ unten ein einfacher Menſch; ſo gelebt biß ins acht und zwantzigſte
Jahr; Vnter deſſen aber in ewigem Streit geſchwebet/ in widrigen Be-
gierden und Willen; wann der eine da hinaus gewolt/ hat der andere dort
hinaus geſehen: wann der eine gelachet/ hat der andere geweinet: wann
der
[209]Predigt.
der eine erzuͤrnet/ iſt der ander ſedat und ſtill geweſt; daraus erfolget/ daß
ſie ihnen ſelbſt manchmal in die Haar gerathen. Eben ein ſolch mon-
ſtrum
und Mißgeburt/ ein ſolcher doppelter Menſch iſt nunmehr ein ieder
Menſch nach dem Fall. Da zuvor alle innerliche Kraͤfften in holdſeliger
Harmonia zuſammen geſtimmet/ ſo iſt ietzt/ nach dem die Seiten zuſprun-
gen/ alles in diſſonantz gerathen; geſtalt dann ſolches auch die Philoſophi
aus eigener Erfahrung wargenommen/ ſonderlich Ariſtoteles, der erken-Ariſt. in fi-
ne l. 1. Eth.
Nic.

net zwo Arten und Naturen in der Seel/ λογικηὺ καὶ ἄλογον, die vernuͤnff-
tige (ſo zu reden) und unvernuͤnfftige/ die wider einander ſtreiten/ verglei-
chet dieſelbe mit einem Glied eines paralytici und Gichtbruͤchigen/ wann
derſelbe ſeine Hand gern zur Rechten lenckete/ ſo ſchnellet ſie ihm zur Lin-
cken \& contrà: So gehets auch in der Seel/ video meliora proboq́ue,
deteriora ſequor,
ſagte Medea, Jch ſehe und erkenne das gute/ lobe es
auch/ ergreiffe doch das boͤſe.


Woher kommt dieſes monſtrum, fragt Auguſtinus zum drittenAuguſt. l.
8. Confeſſ.
c.
9.

mal? Im perat animus corpori, \& paretur ſtatim; imperat animus ſibi
\& reſiſtitur;
Das Gemuͤthe gebietet dem Leibe/ und er leiſtet gar bald Ge-
horſam; das Gemuͤthe befihlet ihme ſelbſt/ aber da iſt Widerſtand. ErAuguſt. in
Pſal.
75.

antwortet an einem andern Ort und ſaget: Sic vindicatur in rebellem
adverſus Deum, ut ipſe ſibi ſit bellum, qui pacem noluit habere cum
Deo;
Es geſchehe zur Rach wegen des Auffruhrs wider Gott/ daß der
jenige mit ſich ſelbſt zu ſtreiten habe/ der keinen Frieden mit Gott haben
wollen. Ja was wollen wir ſagen? Erzeiget ſich ſolches monſtrum und
Mißgeburt auff gewiſſe Weiſe und Maß auch bey den allbereit heiligen
und wiedergebornen Kindern Gottes/ die ſeuffzen alleſammt mit der
Kirch: Ertoͤdte uns durch deine Guͤte/ erwecke uns durch deine
Gnad/ den alten Menſchen kraͤncke/ daß der neu leben mag!

Der Apoſtel ſchreibet davon Galat. 5. Das Fleiſch geluͤſtet widerGal. 5, 17.
den Geiſt/ und den Geiſt wider das Fleiſch; dieſelbe ſind wi-
der einander/ daß ihr nicht thut was ihr wollet:
Sonderlich er-
ſcheinet ſolches aus der eigenen Erfahrung/ auch des heiligen Apoſtels
Pauli ſelbſt/ der ſaget Rom. 7. Jch thue nicht/ das ich will; ſon-Rom. 7, 15.
17. 22. 23.
24.

dern das ich haſſe/ das thue ich/ nicht aber ich/ ſondern die
Suͤnde/ ſo in mir wohnet. Jch habe Luſt an Gottes Geſetz/
nach dem innwendigen Menſchen/ ich ſehe aber ein ander
Ge-
ſetz in meinen
Gliedern/ das da widerſtreitet dem Geſetz in mei-
Sechſter Theil. D dnem
[210]Die Siebenzehende (Dritte)
nem Gemuͤthe; O ich elender Menſch! wer wird mich erloͤ-
ſen von dem Leibe dieſes Todes?
Er redet anders nicht/ als wer er
an ein todes Aaß angebunden/ das unertraͤglich ſtincket/ (wie Mezentius
durch dergleichen ſchroͤckliche copulam die Leute gemartert) davon er gern
loß were.


Act. 10, 13.

Was iſt aber zu thun bey ſolchem Jammer? Macta, ſagt die Goͤtt-
liche Stimm Actor. 10. zu Petro/ als er eſſen wolte/ ward ihm ein groß
leinen Tuch voll allerley unreiner Thier gezeiget/ und eine Stimme fprach:
Schlachte! Jn dir wimmelt auch ein ſolch Vnzifer und unrein Thier/
darumb macta, ſo ſchlachte! opffere/ als ein geiſtlicher Prieſter/ dann dar-
vid. Aug.
l. 20. C. D.
c. 10.
Apoc. 1, 6.
1. Pet.
2, 5. 9.
umb biſtu in der Tauffe geſalbet und geweihet mit dem Heiligen Geiſt/
daß du ſolt ein geiſtlicher Prieſter ſeyn/ in das Koͤnigliche Prieſterthumb
auffgenommen/ zu opffern geiſtliche Opffer/ die Gott angenehm ſind
durch Jeſum Chriſt/ alles durch die heiligmachende und toͤdtende Gnade
des H. Geiſtes; dann auch die Toͤdtung des ſuͤndlichen Fleiſches. Jſt ein
Ioh. 12, 24.Stuͤck der Heiligmachung. Es ſeye dann daß das Weitzenkorn
in die Erde fall/ und erſterbe/ ſo bleibt es allein:
das iſt/ tod und
fruchtloß/ wo es aber erſtirbt/ ſo bringt es viel Frůchte. Alſo/
es ſey dann daß die alte arge Natur des Menſchen durch die toͤdtende
Gnade des Heiligen Geiſtes erſterbe/ ſo erzeigen ſich keine Fruͤchte der hei-
ligmachenden Gnade des Heiligen Geiſtes! ſoll dieſe erſcheinen/ ſo muß
jene ſterben/ des neuen Menſchen Leben iſt des alten Tod und contra, des
Gen. 18, 11.
13.
alten Menſchen Leben iſt des neuen Tod. Solte der Sara ein Jſaac
oder frembder Sohn geboren werden/ ſo muß ihr Leib zuvor erſterben: Soll
ein lebendiges Huͤnlein aus dem Ey heraus ſchlieffen/ ſo muß die Schale
zuvor auffgebrochen werden*. Davon dißmal etwas weiters zu han-
deln ſind wir im Namen des Herren zuſammen kommen; Wir ha-
ben euer Liebe fuͤrgetragen den geiſtlichen Tempel/ die einwohnen-
de
Gnade/ die erleuchtende Gnade; folget gratia ſanctificatrix
Spiritûs S. Sanctificatoris,
die heiligmachende Gnade des


‘* Somniavit ſervus quidam, ait Putean. orat. 20. ovum ſibi ab hero, ſed
coctum tradi, quod ille ſic accepit, ut nucleo uteretur, putamen abjiceret. Quid
factum? Prægnans hera erat, \& mox filium enixa, ê puerperio periit. Servus igi-
tur infanti nutricius datur, qui tum demum intellexit mulieris gravidæ imagi-
nem eſſe, cocto maturitatem fœtus deſignari maternum corpus vitâ deſtitutum
pro putamine habitum.
()

Heili-
[211]Predigt.

Heiligen Geiſtes/ der deßwegen iſt und heiſſet Heiligmacher;
deſſen erſtes Werck iſtſacrificium ſpirituale carnis,die geiſt-
liche Opfferung/ das wuͤrgen des ſuͤndlichen Fleiſches;
Von
welcher zwar ſeltzamen/ aber hoͤchſtnothwendigen materi, als einem vorne-
mes Stuͤck unſers Chriſtenthumbs/ wir dieſes mal reden und handlen
wollen/ Gott der Heilige Geiſt wolle uns mit ſeiner Gnade beywohnen/
umb Jeſu Chriſti/ des einigen Verſoͤhn-Opffers willen/ Amen.


SO ſind nun Templum \& ſacrificium correlata,Tem-
pel und Opffer gehoͤren zuſammen;
wo von anbeginn
Gott der Herr ſeines Namens Gedaͤchtnuͤß geſtifftet/ da
hat man muͤſſen opffern/ wie die hiſtoria des Alten Teſtaments durch und
durch bezeuget/ und hat ſolch Opfferwerck in der Kirchen des Neuen Teſta-
ments nicht allerdings und gaͤntzlich auffgehoͤret/ ſondern es hat dem leib-
lichen euſſerlichen Schatten-Opffer ſuccedirt und gefolget ein geiſtliches/
innerliches/ warhafftiges Opffer im Geiſt und in der Warheit. Dabey
wir dann zu allerforderſt muͤſſen Achtung geben auff dievictimam,
auff das Ding ſo zu ſchlachten und auffzuopffern iſt. Jm Alten
Teſtament iſt die gewoͤhnliche victimaund Schlacht-Opffer
geweſt nicht nur das ſtumme und thumme Vieh/ Kaͤlber/ Laͤmmer/ Boͤcke/
Wider/ wie bekant/ ſondern auch ein geſchworner/ abgeſagter Erb- und
Ertz-Feind Jſraels/ auff Hebreiſch cherem, Griechiſch anathema,
den Gott geboten zu verbrennen. Jn den Staͤtten der CananeiſchenDevt. 20,
16. 17.

Voͤlcker durfften ſie nichts leben laſſen/ was den Athem hat/ ſondern
muſten alles mit der Schaͤrffe des Schwerts ſchlagen/ und alſo dem her-
ren
opffern. Jſt wuͤrcklich exequiret worden von Joſua an der StattIoſ. 6, 21.
Jericho/ da er alles verbannet mit der Schaͤrffe des Schwerts/ was er
angetroffen/ beyde Mann und Weib/ jung und alt/ Ochſen/ Schaf und
Eſel; alſo hat er auch die fuͤnff Koͤnige getoͤdtet/ Joſ. 10. und ſolchen Pro-Ioſ. 10, 26.
1. Sam.
15,
33.

ceß nahm auch Samuel fuͤr mit Agag/ den zerhieb Samuel zu Stuͤcken
fuͤr dem Herren in Gilgal.


Fragſtu/ welches nunmehr im Neuen Teſtament das geiſtliche
Opffer ſey? Welches das Opffer?
Auguſtinus antwortet ſehr
wol in dem 51. Pſal. Noli extrinſecus pecus quærere, quod mactes; ha-Auguſt. in
Pſal.
51.

bes in te quod occidas, Suche nicht von auſſen ein Vieh/ daß du ſchlach-
teſt/ du haſt in dir ſelbſt wohnen ein thummes und feindſeliges Thier/ ſo dir
zu wuͤrgen und zu toͤdten obliget/ das iſt/ das Fleiſch/ fleiſchlicheaffect
D d 2und
[212]Die Siebenzehende (Dritte)
und Begierde; Was das ſey/ iſt droben in der erſten Predigt außge-
fuͤhret: Wann du die Hoffart abſchneideſt/ ſo opfferſt du ein Kalb/ wann
du den Zorn und Haß außtreibeſt/ ſo opfferſt du einen Widder; wann du
die Geilheit abſchaffeſt/ ſo opfferſtu einen Bock; wann du deine umb-
ſchweiffende Gedancken im Zaum halteſt/ opfferſtu eine Taube oder Tur-
Orig. l. 9.
in ep. ad
Rom.
v, Auguſt.
l. 10. C. D.
c.
4.
teltaube/ ſagt Origines. Fragſtu/ wer der jenige abgeſagte Feind
ſey/
den man zu verbannen verbunden? den darffſtu nicht weit ſuchen
in der Tuͤrckey/ oder im Papſtumb; Er iſt leider dein Naͤchſter in deinem
Buſen/ dein alter ego, dein ander ich/ ja du ſelbſt biſt dein aͤrgſter Feind/
der alte feindſelige Adam/ der alte Menſch/ der euſſerliche
Menſch/
der der alten Schlangen nachartet/ des alten Adams Natur
an ſich hat/ wie man ſagt/ ein alter Wolff aͤndert die Haar nicht/ ein alter
Fuchs iſt ſchlauh: Ein alter Menſch iſt hartnaͤckig/ laͤſſet ihm ſeine Mey-
nung nicht leichtlich nehmen; Jſt eine Gewohnheit bey ihm eingewurtzelt/
ſo verhaͤrtet er ſich und verjaͤhret im argen! Ein alter Mann iſt gemeinig-
lich ſchlauh/ liſtig/ wie jener Dioxippus, der alte verſuchte Fechtmeiſter/
den Alexander M. an den jungen Macedoniſchen Soldaten/ den Cora-
gum
gehen laſſen. Coragus war jung/ ſtarck/ wol gewapnet; jener alte
aber liſtig/ nackend/ mit Oel uͤber den gantzen Leib geſchmieret/ hatte mehr
nicht als einen hoͤltzernen/ knoͤpffichten Kolben in der Hand/ gleichwol
ſchlaͤgt er jenem dem jungen Hachen ein Bein unter/ faͤllet ihn und gewin-
net den Sieg; Alſo iſt der alte Adam verhaͤrtet im boͤſen/ hinderliſtig/
Ier. 17, 9.tuͤckiſch/ er lauret/ a koth halebh micol, das menſchliche Hertz iſt ein
trotzig Ding/ ein verzweifelt boͤſe Ding/ das den neuen Menſchen bald
einen Fuß unterſchlaͤget und faͤllet. Das iſt dein Feind/ der ἀντίϑεος,
Gottes des Allerheiligſten Widerpart/ Feind/ ja ein rechter Wider-Gott/
ein umbgewendeter Decalogus, ἀντίχριςος, ἀντιπνσυματικὸς, Chriſto und
dem Heiligen Geiſt zuwider; ἀντίψυχος, ſein Selbſt-Feind und eigener
Seelen-Moͤrder/ der Selbſt-Moͤrder; uͤber denen das Goͤttliche Vrtheil
laͤngſt gefaͤllet/ die ſolches thun/ dieſem Moͤrder folgen/ werden das Reich
Gottes nicht erben.


Indicitur tibi bellum non ſolùm adverſus ſuggeſtiones diaboli, ſed ad-
verſus teipſum. Quomodo adverſus teipſum? adverſus tuam conſuetudinem
malam \&c. Auguſt. in Pſalm.
75.’
()

Quid faciendum?Was ſoll man mit dieſem Feinde
machen?
Soll man ihm liebkoſen/ den Fuchs-Schwantz ſtreichen/ auff
Kuͤſſen ſetzen/ ſanffte thun/ ihm anhelffen/ ſeinen Seelen-moͤrderiſchen
Luͤſten
[213]Predigt.
Luͤſten folgen? Nein; ſic itur ad orcum, ſo fahrt man der Hoͤllen zu!
Sondern ſacrificandus eſt,GOTT im Himmel zu Ehren/
als ein
cheremundanathema,ſoll man ihn ſchlachten und
auffopffern.
1. Abnegatione,Durch Abſagung und Ver-
leugnung.
Ein bußfertiger glaubiger Jſraelit/ wann er ſein Opffer
zur Stiffts-Huͤtten gebracht/ ſo hat er zuvorderſt daſſelbe reſigniren muͤſ-
ſen und ſagen: Nun iſt es nicht mein! Alſo hat freylich Joſua/ da er die
fuͤnff Koͤnige verbannet/ dieſelbe nicht fuͤr die ſeinen erkennet/ wie er gethan
den Gibeoniten/ ſondern als abgeſagte Feinde ſie von ſich geſtoſſen/
anders als Achan/ der ſich geluͤſten laſſen des verbanneten: So will Chri-
ſtus von allen ſeinen Juͤngern haben die abnegation, die Selbſt-Verleug-
nung/ Wer mein Juͤnger ſeyn will/ ſagt Er/ der verleugne ſichMat. 16, 24.
ſelbſt! Was das geredt ſey/ koͤnnen wir aus dem Fall Petri abnehmen/
der verleugnet ſeinen Herren Chriſtum/ verſchweret ihn/ ſagt ihm ab/c. 26, 70.
ſeqq.

und ſagt/ er kenne ihn nicht/ er hab mit ihm nichts zu ſchaffen/ ſagt ihm alle
Freundſchafft auff. Wie nun er Petrus unzimlicher Weiſe ſeinen HErrn
verleugnet/ ſo muß ein rechter Chriſt zimlich verleugnen den alten Adam/
abſagen allen ſeinen Begierden/ wann dieſelbe ſich anmelden und ſagen:
Non novi vos! Jch kenne euer nicht! Jhr ſeyt nicht am rechten/ ich ſchaͤ-
me mich euer/ ich ſage ab eigener Weißheit/ Willen/ affect, Luſt/ Ehre/ Liebe/
Nutzen/ ja wanns meines HErren Chriſti Ehr und Will erforderte/ dem
Leben ſelbſt. Ein ſchoͤn Exempel haben wir an David/ der wird einsmals2. Sam. 23,
15. 16. 17.

luͤſtern zu trincken von dem Brunn zu Bethlehem/ aber da die drey Helden
ins Laͤger der Philiſter reiſen/ goß ers dem Herren; damit hat er
ſeinen Willen gezaͤumet; Alſo auch wer duͤrſtet nach Gold/ Geilheit/ Rath
und dergleichen ſchaͤdlichen Dingen/ ihm aber alſobald abbricht/ und ſeine
unordenlichen affecten und Luͤſte im Zaum halten/ der verleugnet ſich
ſelbſt.


II. ᾽Απεκδύσει, exuviis ſive exumento,Durch das auß-
ziehen;
Dem Opffer muſte die Haut abgezogen werden. Ein Soldat/
wann er ſeinen Feind erhaſchet/ ſo pluͤndert er ihn/ ziehet ihm Harniſch/
Kleid und alles aus/ allermaſſen wie Saul begegnet/ dem die Philiſter auff1. Sam. 31,
8, 9.
Col. 2, 15.
Col.
3, 9.

dem Gebirge Gilboa die Waffen abgezogen: Alſo hat auch Chriſtus die
Fuͤrſtenthumb und Gewaltigen außgezogen; dahin ſihet St. Paulus
Coloſſ. 3. wann er ſaget: ἀπεκδ υσάμενοι παλαιὸν ἄνϑρωπον, Ziehet den
alten Menſchen aus mit ſeinen Wercken;
Ziehet ihm aus larvam
D d 3Satha-
[214]Die Siebenzehende (Dritte)
Sathanicam, des Teufels Larv/ die Nebel-Kapp der Blindheit/ das Engel-
Kleid der Heucheley/ das Narren-Kleid allerhand Thorheit/ das garſtige
Suͤnden-Kleid ſam̃t allem Vnzifer/ ſo eingeniſtet/ den gantzen Harniſch/
Wehr und Waffen der rebellion wider Gott.


III. Occiſione,Durch das wuͤrgen und toͤdten; dann
das folget darauff! bey dem Viehe zwar jugulatio, daß man ihm die Gur-
gel abſteche/ hernach zu Pulver und Aſch verbrennet/ bey den Menſchen ge-
1. Sam. 15,
33. Ioſ.
10,
24. 26.
ſchah ſolches durch die Schaͤrffe des Schwerts/ wie Agag/ zu Stuͤcken
zerhauen worden; Alſo nach dem Joſua die fuͤnff Koͤnige laſſen ihre Haͤl-
ſe mit Fuͤſſen treten/ ſo toͤdtet er ſie und laͤſt ſie auffhencken an fuͤnff Baͤu-
c. 6, 21. 24.me zum Triumph/ welcher maſſen auch die gantze Statt Jericho und alles
was drinnen war/ die toden Leichnam verbrant er mit Feuer: dergleichen
mortificatio,Wuͤrgung und Toͤdtung fordert Chriſtus auch von
uns/ nicht zwar der Natur und Weſen des Menſchen/ der Menſch bleibt
Menſch in ſeiner ſubſtantz/ wie er von ſeinem Gott erſchaffen/ die Opffer
Rom. 12, 1.
Chryſoſt.
ad Rom. 6.
Col.
3, 5.
des Neuen Teſtaments ſind lebendige Opffer/ Rom. 12. ſondern die boͤſe
ſuͤndliche Art und dero Wuͤrckung muß getoͤdtet werden; οὐ γὰρ οὐσία ἀπέϑα-
νεν, ἀλλ᾽ ὁ ἐξαμαρτίας ἄνϑρωπος τοῦτ᾽ ἐσιν ἡ κακία. So tödtet nun eu-
re Glieder/ ſo auff Erden ſind/
das iſt/ die Glieder eures ſuͤndlichen
Rom. 8, 13.Leibes/ mit angehengter Verheiſſung/ Rom. 8. Wo ihr durch den
Geiſt des Fleiſches Geſchäffte toͤdtet/ ſo werdet ihr leben!

Inſonderheit iſt der alte Menſch zum Creutz-Tode verdammt/ Galat. 5.
Gal. 5, 24.die aber Chriſtum angehoͤren/ die creutzigen ihr Fleiſch ſammt
den Luͤſten und Begierden:
Der Stab iſt gebrochen/ der ſententz
Luc. 23, 21.geſprochen/ das Vrtheil gefaͤllet/ der Tod beſtellet/ crucifige!creutzige/
creutzige ihn/
heiſſet es. Gleich wie Chriſtus/ da er gecreutziget worden/
iſt zuvor angeklagt/ gebunden/ gegeiſſelt und mit Faͤuſten geſchlagen/ end-
lich mit Haͤnden und Fuͤſſen angenagelt worden: Alſo ſoll auch tractiret
werden unſer alter Adam; man muß ihn anklagen durch die ἀυτοκατάκρι-
σιν, durch ein Selbſt-Gericht/ Selbſt-Vrtheil/ Selbſt-Verdammung/
anklagen/ ſage ich/ und ſagen: O du ſchnoͤder Seelen-Moͤrder! du wilt
mich umbs ewige Leben bringen/ Ecce homo! Sihe da erbarer Geſell!
ich kenne dich wol! man muß ihn betruͤben per δουλαγωγίαν \& ὑπωπιασμὸν,
durch Zaͤumuug und Wehethuung des Fleiſches/ wie Paulus gethan/
1. Cor. 9,
27.
1. Corinth. 9. Jch zaͤhme/ ſagt er/ meinen Leib/ als wie ein hartmaͤu-
liges/ ſtoͤſſiges/ beiſſiges und umbſchlagendes Pferd/ ich nehme ihn unter
die
[215]Predigt.
die Sporen: und betäube mich ſelbſt durch Maͤſſigkeit und faſten.
῾ϒπώπια ſind blaue geſchlagene Striemen unter den Angen: Jch thue
mir ſelbſt wehe/ will er ſagen.


Folget darauff diecrucifixiound Creutzigung ſelbſt/ daß
der Menſch ſeine Haͤnde und Fuͤſſe annagele/ gleich einem Gecreutzigten/
daß ſie nicht eilen Schaden zu thun: Der Schaͤcher am Creutz kan nie-
mand mehr Schaden thun mit ſeinen Haͤnden; Ein Gecreutzigter kan
ſich nicht regen: Alſo muß mans dahin bringen/ daß der alte Menſch ſich
nicht rege/ und ſeinen ſchnoͤden Willen vollbringe. Endlich gehoͤret auch
darzu dieſepulturaoder Begräbnuͤß/ gleich wie auch Chriſtus
nicht nur geſtorben/ ſondern auch begraben worden. Es ſcheinet bißwei-
len/ die Suͤnde ſey tod im Menſchen/ bevorab wann ihm die Kraͤffte aller
Laſter zu begehen zerrinnen; bißweilen wird die Suͤnde eine Zeitlang ſepo-
n
irt/ aber nicht gaͤntzlich deponirt: Soll man glauben daß die Suͤnde
warhafftig tod und ab/ ſo muß ſie auch begraben werden. Wir ſind zwarChryſoſt.
ad Rom. 6.
duplicem
agnoſcit

νέκρωσιν
unam in
baptiſmo
alteram in
noſtro ſtu-
dio.

ſchon mit Chriſto in die Tauffe begraben/ und der Suͤnden reat und
Straff-Pflicht tod und ab worden: der ſuͤndliche Leib aber bleibt noch da
ligen/ er mus endlich auch begraben werden. Pharao iſt erſaͤufft im rothen
Meer/ aber der ſtinckende Leichnam ligt am Vfer/ der muſte vollends be-
graben werden; daſſelbe geſchicht taͤglich durch Ablegung und Abgewoͤh-
nung voriger geliebten und geuͤbten Vntugenden/ der letzte Grab-Stoß
geſchicht im letzten nun und Augenblick des Lebens.


III. Quis ignis ſacrificialis?Welches iſt das Opffer-Gen. 4, 4.
c. 15, 17.
Lev. 9, 24.
Iud. 6, 21.
2. Chron.
7, 1.
1. Reg. 18,
38.
Lev. 24, 3.
Matt. 3, 11.
c. 23, 19.
1. Theſſ. 5,
19.
Rom.
8, 14.

Feuer? Das Opffer-Feuer im Alten Teſtament war ein himmliſches/
unaußloͤſchliches Feuer/ daſſelbe Feuer iſt der Heilige Geiſt/ der verzehret
und heiliget das Opffer; Eigene natural Krafft iſt viel zu ohnmaͤchtig/
der Menſch ihm ſelbſt gelaſſen gehet ſaͤuberlich umb mit dem Knaben Ab-
ſolon. Schwer gehet es zu bey herrlichen tractamenten Hunger leiden/
bey viel und koͤſtlichen Kleidern frieren/ bey Reichthumb Armuth außſte-
hen; Aber Gott der Heilige Geiſt iſt hier abermal/ der es thut/ der oberſte
Fechtmeiſter/ der die Natur aͤndert/ durch die heiligen inſtrumenta und
Werckzeuge/ die er in ſeinem heiligen Wort dazu geweihet und geordnet/
ſonderlich beiſſt er die boͤſe Art durch das Saltz/ welches iſt das liebe Creutz/
dadurch bringet er viel zu wege; durch das heilige Predig-Ampt/ welchesMarc. 9, 49
ein gutes Saltz iſt/ das muß die faulen Hertzen ſaltzen durch Geſetz-Pre-
digten. Will dieſes Saltz nicht durchdringen/ ſo brauchet er ein ſchaͤrffer
Saltz/
[216]Die Siebenzehende (Dritte)
Hoſ. 6, 5.Saltz/ das ſchwert der Obrigkeit. Beym Propheten Oſea braucht der
Heilige Geiſt eine artige figur hiervon/ und ſagt: Jch hoͤfele ſie durch
die Propheten/ und toͤdte ſie durch meines Mundes Rede.


Vber welche Wort Lutherus einen ſchoͤnen commentarium ge-
ſchrieben: Diß iſt eine herrliche und ſchoͤne Beſchreibung des Kirchen-
und Predig-Ampts/ welches zu allen Zeiten in der Chriſtlichen Gemeine
geweſen/ dann es einem Hoͤfel verglichen wird/ nicht allein/ daß durch die
Krafft des Goͤttlichen Worts/ das/ ſo boͤſe [und] untuͤchtig iſt/ abgehauen
werde/ und etwas guts herfuͤr ſpriſſe/ ſondern der Menſch wird auch da-
durch wiederumb gereiniget und neu geboren/ daß derſelbe/ welcher zuvor
gar ungeſchickt/ und ein knoͤtig Holtz/ und unflaͤtig anzuſehen/ auch zum
Werckzeuge Gottes gantz unartig war; gleich als ein feiner/ ſchlechter und
außpolirter ſich gegen Gott erzeige/ der zu heiligen Dingen und Wercken
koͤnne gebraucht werden/ \& mox: Die Lehrer und Prediger der Chriſt-
lichen Kirche thun fuͤrwar nichts anders/ wann ſie ihrem Ampt gnug
thun/ dann daß ſie die Leute/ als ein grobes und knoͤtiges Holtz behoͤfeln/
und die Aeſte abhauen; Dann gleich wie das Holtz/ ſo aus der Erden ge-
wachſen/ zu keinem Gebrauch nuͤtz iſt/ wanns aber erſtlichen mit der Axt
von der Wurtzel abgehauen/ die Aeſte und Zacken abgeſchlagen werden/
hernacher auch mit dem Hoͤfel oder andern inſtrumenten fein ſchlecht und
gerade gemacht wird/ ſo kan mans alßdann zu mancherley Dingen ge-
brauchen und nuͤtze machen. Alſo befinden wir auch/ daß noch viel Vn-
flats und boͤſes in den Menſchen ſtecket/ welches man alles durch das
Wort reinigen muß. Der Geitz iſt ein ſehr unflaͤtiger grober Knot und
boͤſes Laſter: Wann nun der Prediger in der Chriſtlichen Kirchen lehret/
daß man ſich vor demſelben huͤten und fliehen ſoll/ ſonderlich wann er den
Geitzigen die Straffe/ die uͤber ſie kommen wird/ anzeiget/ ſo wird er irgend
einen unter ſeinen Hauffen finden/ welcher Reu und Leid fuͤr ſolche ſeine
gethane Suͤnde haben wird/ und ſich hinfuͤrder fuͤr dieſem boͤſen Laſter huͤ-
ten/ dann das Wort nicht vergebens und ohne Frucht wiederumb zu dem
kommen wird/ der es gegeben hat. So auch von andern Laſtern/ wann
ſie fleiſſig von dem Lehrer geſtrafft und behoͤflet werden. Wir ſollen aber hier
wol mercken/ daß er nicht ſpricht/ die Propheten ſinds/ die das zackete und
aͤſtige Holtz behoͤflen/ das iſt/ die die Suͤnder zur Beſſerung und Buſſe ver-
mahnen/ ſondern daß es Gott ſelbſt thut. Jch/ ſpricht Er/ habe ſie durch
die Propheten behoͤflet. Dann Er will uns hier lehren/ daß wir nicht auff
unſere Prediger und Lehrer einen Haß werffen/ wann ſie die Laſter an uns
ſtraffen/ die wol eine Straffe verdienet haben/ ſondern daß wir derſelben
Wort
[217]Predigt.
Wort und Straffe/ als Gottes Wort auffnehmen/ wie es dann auch in
Warheit Gottes Wort iſt/ daß Gott auff dieſe Weiſe die Wolfahrt der
Suͤnder ſucht/ auff daß ſie nicht ſo ſicher in ihren Suͤnden zu leben fort-
fahren/ und darinn verdammt werden. Vnd wann wir diß Ebenbild
in unſere Hertzen ſchlieſſen koͤnten/ daß wir fuͤr Gott einem heßlichen und
unfoͤrmlichen Baum/ der mit vielen ſcheußlichen Zacken bewachſen iſt/
vergleichen werden/ wuͤrden wir nimmermehr koͤnnen auffhoͤren Gott
dem Allmaͤchtigen dafuͤr zu dancken/ daß Er uns ſo vaͤterlichen vermah-
nen/ und durch ſein Goͤttliches Wort wiederumb behauen/ behoͤflen und
formiren laͤſt/ damit wir auch Erben ſeines Reichs werden moͤgen. Das
Wort (Hazaf) heiſt nicht eigentlich hoͤflen/ welches man allein auff das
Holtz deuten kan/ ſondern heiſt auch außhauen/ verſchneiden und umbher
abhauen/ außhoͤlen/ wie man die Kaͤhne und Wein-Preſſen und derglei-
chen Ding außhoͤlet. Das Wort (hoͤflen) haben wir darumb behalten/
daß es einen ſchoͤnen/ lieblichen ſententz in ſich begreiffet/ und ſich naͤher zur
Lehre der Buſſe reimet.


Er ſaltzet gleichſam das faule Fleiſch durch die Ruthen der Præ-
ceptorum,
wie auch der Eltern/ deren Ampt iſt/ ſo bald ſie an Kindern den
alten Adam mercken/ die Ruthen zur Hand nehmen/ nicht Laͤuſe in Beltz
ſetzen/ und Juͤnckerlein aus den Kindern machen. O Rut/ wie machſtu
boͤſe Kinder ſo gut! Lutherus redet gar wol hiervon: Soll er das VbelLuther. in
Gen. 42.
fol.
94.

außfegen/ ſo muß er nehmen einen Strohwiſch und ſcharffen Sand und
ſcheuren/ daß das Blut hernach gehe. \& ib. Je lieber Kind/ ie ſchaͤrffer
Ruthen. Vnd ib. fol. 102. Wann der Teufel durch den Diocletianum
oder Tuͤrcken unter den Chriſten herumb raſet/ ſo ſeuffzen und ſchreyen ſie:
Ach Herr Gott erhoͤre mein ſchreyen! Sihe meine Plage/ warumb
verlacheſtu und verachteſtu unſer Angſt und Elend? Da antwortet
Gott: Dieſes thue ich darumb/ daß du gereiniget werdeſt/ ich reinige
dich/ damit du ſelig werdeſt/ ich kan dich ſonſt nicht ſelig machen/ zu ſolchen
groben Knoten gehoͤret eine ſtarcke Artzney/ daß ſie unten und oben auß-
ſpeyen.


Es iſt/ wie geſagt/ dieſes alles ein Gnadenwerck des Hei-
ligen Geiſtes/
das glaubt unſer alter Adam nicht: Aber in Gottes
Wort iſt es außgemacht/ Vaters-Ruthe iſt eine Gnaden-Ruthe. Ein
Wund-Artzt meynet es hertzlich gut mit einem patienten, wann er ihm


Clementiſſimus medicus incidere cupiens putridas carnes, \& carioſa vulne-
ra adurere cauterio non parcit ut parcat, non miſeretur ut magis miſereatur. Hie-
ronym. in Ezech. c.
7.’
()

Sechſter Theil. E eein
[218]Die Siebenzehende (Dritte)

ein Glied abnimmet/ auff daß der Brand nicht zuſchlage. Chriſtus hat
zwar unſere Suͤnden am Creutze vertilget/ durch ſein Blut verſchlungen/
die Handſchrifft/ ſo wider uns geweſt/ durch ſtrichen/ an dem Creutz-Altar
iſt angeſchrieben geweſen ἀμνηςεία, Ablaß der Suͤnden. Aber die boͤſe
Natur iſt noch fuͤrhanden/ da kommt die himmliſche Gnaden-Sonn/ der
Heilige Geiſt/ der daͤmpffet und tilget der Suͤnden Krafft/ Macht/ Regi-
ment/ Wuͤrckung/ daß ſie uns nicht peinige/ quaͤle/ faͤlle/ und wuͤrcklich dem
ewigen Tod in Rachen hinein liefern koͤnne; doch ſo fern der Menſch den
Goͤttlichen Bewegungen ſich boßhafftig nicht widerſetzt/ ſich zerknitſchen
und zerſchlagen/ entzuͤnden und opffern laͤſſet. Solch Opffer iſt das jenige/
Pſ. 51, 18. 19.davon David in ſeinem bekanten Buß- und Klag-Liebe ſinget: Du haſt
nicht Luſt zum Opffer/ ich wolt dir es ſonſt wol geben/ Brand-
Opffer gefallen dir nicht/ die Opffer die Gott gefallen/ ſind
ein geaͤngſtiget und zerſchlagen Hertz.
Niemals erzeiget ſich dieſe
Art der Goͤttlichen Gnade heller und ſcheinbarer als bey armen bußferti-
gen maleficanten/ die auff den Halß gefangen ligen/ denen das Leben ab-
gekuͤndet worden/ wann ſie in die officin und Werckſtatt des Heiligen
Geiſtes/ die Artzney des Predig-Ampts gerathen/ da wird durch den Ham-
mer des Geſetzes/ das ſteinerne Hertz zerſchlagen/ daß Glaubens-Funcken
heraus fahren/ das Fleiſch wird muͤrb und zahm/ der alte Adam wird ge-
ſchwaͤcht/ die Welt verleidet/ alles durch kraͤfftige Wuͤrckung des Heiligen
Geiſtes.


Diogenis Lucern beduͤrffen wir allhier/ daß wir ſuchen/ nicht Men-
ſchen/ ſondern Chriſten/ geiſtliche Prieſter/ Creutz-Ritter Jeſu Chriſti;
Dann wo ſind ſie/ die ſolches Geheimnuͤß nur verſtehen/ ich geſchweige
practiciren? Wer verſtehets recht/ was es ſey/ wann wir ſingen: Den
alten Menſchen kraͤncke/ daß der neu leben mag?
O zarte
Maͤrtyrer! Wo ſind die Abrahami ἰχυροὶ, die Abrahamiſchen Helden-
Gemuͤther/ die ihrem Fleiſch und Blut wehe thun? Die Kinder laͤſſet
man verwilden: die Alten laſſen ſich nicht mehr biegen: brandmaͤhlige/
entſchmertzte Gewiſſen allenthalben. Jm Papſtumb hat der vermeynte
heilige Dominicus pflegen auff bloſſer Haut einen eiſernen Pantzer zu tra-
gen: Franciſcus weltzet ſich im Schnee: Benedictus in Neſſeln und Dor-
nen/ dem Fleiſch den Kuͤtzel zu vertreiben: Andere ſchlaffen in zwilchinnen
Saͤcken/ haͤrinnen Kutten/ maceriren ſich mit wachen/ faſten/ geiſſeln/ und
andern diſciplinen.


Beruͤhmt iſt die groſſe Geiſſelfahrt (ſo ſich erhoben Anno 1350. ohn-
gefaͤhr)
[219]Predigt.
gefaͤhr) der flagellanten/ die ſich in die gantze Welt außgebreitet/ und auchVerba ſunt
Iacobi
võ
Koͤnigs-
hof/ in
der Chro-
nick.

hieher anfangs bey zwey hundert gen Straßburg kommen/ die zogen auff
mit proceſſionen/ koͤſtlichen Fahnen und Kertzen/ giengen alles zween und
zween miteinander/ die ſungen: Hie iſt die Straß alſo bereit/ die uns zu un-
ſer Frauen treit/ in vnſer Liebẽ Frauen Land/ helff uns der Heiland ꝛc. Wañ
ſie da wolten buͤſſen des Tages zweymal/ Morgens und Abends/ da zogen
ſie hinaus auffs Feld/ ſo ſtuͤrmete man die Glocken gegen ihnen/ lagerten
ſich auff die Geiſſelſtatt nackend nieder/ nach dem ein ieder geſuͤndiget/ ſo le-
get er ſich; der Meineydige leget ſich auff eine Seite und hub drey Finger
auff: der Ehebrecher auff den Bauch/ ꝛc. Darauff ſchritte der Meiſter uͤber
ihnen her/ und ruͤhret mit der Geiſſel wen er wolte/ und ſaget: Stand auff
durch der reinen Maͤrter Ehr/ und huͤt dich fuͤr der Suͤnden mehr! darauff
ſtund dieſer auff und geiſſelt ſich mit Riemen/ ſo fornen mit Knoͤpffen und
ſpitzigen Nadeln beſteckt: Das Volck ſahe zu/ und weinet mit groſſer An-
dacht; allein zu Straßburg ſamletẽ ſich zu ihnen auff die tauſend Perſonẽ.


Jener blinde Thor Robertus Cœleſtinus, welchen Gretſerus in fei-Gretſ. pag.
144.

ner virgidemiâ in Himmel hinauff hebet/ und zu einem lebendigen Hei-
ligen machet/ der hatte ein groß verlangen umb Chriſti willen zu leiden und
zu ſterben; dieweil ihn aber niemand in Italiâ wuͤrgen/ und ihm alſo zur
Maͤrter-Kron befoͤrderlich ſeyn wolte/ ſo erdenckt er einen Weg/ wie er
Chriſti Leiden an ſeinem Fleiſch empfinden moͤchte/ erſihet einsmals in
einem Waͤldlein/ neben ſeinem Cloſter gelegen/ einen Baum/ der faſt
einem Creutz aͤhnlich geweſt/ denſelben hauet er bey Nacht ab/ traͤgt ihn
heimlich in ſeine Cell auff ſeinen Ruͤcken heim/ knuͤpffet Seilen umb ſeine
Arm/ haͤnget ſich alſo ſelbſt an gemeldten Baum lebendig auff/ und das
thut er alle Tage ſo lange/ als er zehen pater noſter beten koͤnnen; dieſelben
betet er/ aber ſo langſam/ daß ein ander wol hundert pater noſter unter deſ-
ſen ablegen moͤchte. Jn dieſem ſupplicio, ſchreibet Gretſerus, hab er ſich
taͤglich Gott im Himmel geopffert/ und Thraͤnen nicht Tropffens-ſondern
Stromsweiſe vergoſſen/ er habe druͤber hefftig geſchwitzet/ die Seele wer
ihm offt außgefahren/ wo er nicht durch Goͤttlichen/ innerlichen Hertzen-
Troſt were geſtaͤrcket und erquicket worden. Lauter Blindheit/ Antichri-
ſtiſche Greuel/ Fehl- und Lufft-Sreiche/ den rechten Feind haben ſie nicht
getroffen/ der ſtack im Buſen/ und erſtaͤrcket ſich vielmehr in Abgoͤtterey
und geiſtlicher Hoffart/ lachet der Thorheit. Hieronymus ſitzt in der Ein-
oͤde unter den Scorpionen/ aber gedencket gen Rom/ kuͤtzelt ſich mit den
Roͤmiſchen Wolluͤſten/ deren Gedaͤchtnuͤß ihm noch wol gethan.


Aber es werden gleichwol dieſe Leute am Juͤngſten Tage unſere
E e 2Richter
[220]Die Siebenzehende (Dritte)
Richter ſeyn/ nemlich der jenige/ ſo an den geiſtlichen Creutz Tantz nicht wol-
len/ die da ſagen und gedencken: Was ſoll ich ein Cartaͤuſer werden/ ſoll
ich meinen Muth nicht kuͤhlen/ ſoll ich meinem Hertzen nicht raumen und
druͤber erkrancken/ das laß ich wol: doͤrffen noch wol Pauli Wort miß-
Rom. 7. 18.
Matth. 26,
41. Prov.

24, 16.
brauchen: Das wollen hab ich wol/ aber das gute finde ich in
mir nicht; das Fleiſch iſt ſchwach; der Gerechte fället des Ta-
ges ſiebenmal.
So dancket man dem Heiligen Geiſt ab/ damit muß
er ſich abweiſen laſſen; Soll dann ſolcher Vndanck ungeſtrafft bleiben?
O nein! aut peccato aut peccatori moriendum, entweder muß die Suͤn-
de in uns oder der Suͤnder ſelbſt ſterben. Darumb man ſich nicht wun-
dern darff/ woher allerhand Straffen und Plagen kommen/ wann Gott
ſeine Geiſſel in die Hand nim̃et/ allerhand Kranckheiten/ das podagra und
dergleichen; die Kriegs-furi verhaͤngt. Wil der Menſch mit ſich ſelbſt nicht
ſtreitẽ/ ſo ſchickt er ihm andere Prieſter uͤber den Halß/ die muͤſſen pluͤndern/
creutzigen/ geiſſeln und torquiren/ endlich folget der Suͤnden ὀψώνιον und
Sold der ewige Tod/ und wird am Juͤngſten Tage keine Entſchuldigung
gelten/ der neue Menſch wird ſeine Schuld nicht auff den alten legen koͤñen;
So wenig als der witzige Bruder dem albern die Schuld ſeines Vngluͤcks
zumeſſen konte in jenem apologo, von zween Bruͤdern/ einen Weiſen und
einem Thoren/ die mit einander eine Reiſe vorgenommen/ der Albere wolt
einen zwar ſchoͤnen anmuthigen aber gefaͤhrlichen Weg gehen: der Weiſe
erwehlet einen andern/ zwar rauhen Weg/ aber auſſer Gefahr: da jener
dieſem nicht folgen wolt/ bequemet ſich dieſer nach jenem/ zogen alſo fort/
kommen endlich in eine Moͤrder-Grube; es war an dem/ daß ſie ſolten
erwuͤrget werden/ dawider proteſtiret der Weiſe und ſaget/ ſein
Bruder der Narr ſey ſchuldig an ihrem Vngluͤck/ denſelben ſolt man beym
Kopff/ ihn aber als den Vnſchuldigen paſſiren laſſen: Nein/ ſagt der Thor/
nicht alſo! iſt mein Bruder witziger geweſt als ich/ warumb hat er mir
als dem Albern gefolget. Darauff der Richter unter den Moͤrdern beyde
zum Tode verdammt/ den Thoren/ daß er ſich nicht hat wollen laſſen regie-
ren/ den Witzigen/ daß er dem Thoren Folge geleiſtet.


Exod. 32,
26. 27.

Her zu mir/ ſagt Moſes/ wer dem HERREN angehoͤret/
guͤrte ein ieder ſein Schwert auff ſeine Lenden/ erwuͤrge ein
ieder ſeinen Bruder/ Freund und Naͤheſten;
Des Menſchen
Feinde ſind ſeine eigene Haußgenoſſen! gib dem alten Adam acht auff ſei-
ne Werck/ und dem Heiligen Geiſt auch auff ſeine Werck; Es iſt auch
ein Stuͤck der Gottſeligkeit/ daß man ſich in dieſem Fall crudel und grau-
ſam
[221]Predigt.
ſam erzeige/ ſich ſelbſt und ſein eigen Hertz martere/ und toͤdte/ das iſt/
den alten Adam/ die ſuͤndlichen Luͤſte und Begierde/ ſo im Hertzen ſtecken/
zaͤhme und (ſo viel moͤglich) außtilge; So wird auch folgen der heilſa-
me Troſt/ daß die das thun/ die haben den characterem prædeſtinationis,
das zeichen der ewigen Gnadenwahl an ſich/ daß ſie die Außerwehlten Got-
tes ſeyen/ gleich wie die dreyhundert Mann Gideons/ die mit der Hand gele-
cket/ Jud. 7. und ihren Luſt nicht gebuͤſſet/ ſondern gebrochen/ die ſich ſelbſtIud. 7, 6. 7.
Gal.
5, 24.

creutzigen ſammt den Luͤſten und Begierden/ die gehoͤren Chriſto zu/ der
H. Geiſt wohnet in ihnen; Spiritus concupiſcit adverſus carnem in
hominibus bonis, non malis, qui Spiritum Dei non habent,
ſagt Au-Aug. ſerm.
45. de verb.
Dom.

guſtinus: Der Geiſt iſt wider das Fleiſch/ aber in den Frommen/ nicht
in den Boͤſen und Gottloſen/ welche den Geiſt Gottes nicht haben/ und
das iſts/ das wir ſingen und bitten: Ertoͤd uns durch dein Guͤte/
erwecke uns durch deine Gnad/ den alten Menſchen kraͤncke/
daß der neu leben mag! wol hier auff dieſer Erden/ den Sinn
und alle Begehrden/ und Gedancken haben zu dir.
Ruͤhr
O Herr mein hartes Hertz/ und weiche auff den feſten Stein/ daß ich
ja nicht halt fuͤr Schertze/ was mich lehrt der Wille dein/ nim mich mir/
und gib mich dir/ was von dir wend/ wend von mir/ dann ich begehr mich
dir zu laſſen/ und gehn auff des Himmels Straſſen. Das helffe uns der
groſſe Hoheprieſter und oberſte Fechtmeiſter/ der uns dieſen Feind uͤber-
laſſen/ daß er uns hier exercire und muſtere/ dort endlich kroͤne mit der
Lebens-Freude und Wonne/ Amen.



Die Achtzehende


Vber den dritten Articul/ und uͤber die Wort
St. Pauli 1. Corinth. 3/ 16. 17.


Die Vierte Predigt/


Von der raͤuchenden Gnade des Heiligen Geiſtes/
oder von dem geiſtlichem Raͤuch-Opffer/ dem
Weyrauch des Gebets.


GEliebte in Chriſto: Vnter andernpræſenten und Ga-
ben/
damit die Oriental-Weiſen den neugebornen
Juden- und Heyden-Troſt Chriſtum Jeſum
verehret
E e 3und
[222]Die Achtzehende (Vierte)
und empfangen/ hat ſich gefunden auch der edle Weyrauch; als eine
Gabe die ſich gar wol auff Chriſti Perſon und Ampt geſchicket/

es habens die Weiſen alſo verſtanden/ oder durch ſonderliche Fuͤgung des
Heiligen Geiſtes/ der ſie getrieben/ iſt es dahin verſtanden worden/ zu brin-
gen Weyrauch/ Gold und Myrrhen/ dieſen zwar ſein kuͤnff-
tig Leiden und Tod damit anzudeuten/
und vorzukommen ſeinem
Marc. 14, 8.Begraͤbnuͤß/ wie jenes Weib in Simons Hauſe mit dem Narden-Waſ-
ſer/ dann (mit Myrrhen ſalbeten ſie die Toden-Coͤrper) die Faͤule von
demſelben zu vertreiben/ wie auch Nicodemus gethan. Jenes aber das
Ioh. 19, 39.Gold als einen König zu verehren. Es war Chriſtus ihr Koͤnig/ an deſ-
ſen verachteten Reich ſie ſich nicht geaͤrgert/ darum̃ ſtellen ſie ſich ein mit ge-
buͤhrendem Tribut/ dem koͤſtlichem Golde; ſo dann auch dem Wey-
rauch als einem groſſen und wahren GOTT/
dann Opffer
und Raͤuchwerck gebuͤhret niemand als dem wahren lebendigen Gott
im Himmel.


II.Als eine bequeme und nuͤtzliche Gabe; Es kam eben
damal wol/ das Kind ſolte wachſen und zunehmen/ ſeine zarten Gliedlein
ſolten conſolidirt werden/ darzu halff der Myrrhen: Wie zuvor der Stall
wuͤſte und unflaͤtig geweſt/ alſo hat auch das Loſament zu Nazareth eines
ſuffits und wolriechenden Raͤuchwercks wol bedorfft/ dazu dienete der
Weyrauch: Es ſolte das Kind bald darauff in Egypten geflehet werden/
dazu war Gold vonnoͤthen/ alles dieſes ſchaffet die Goͤttliche providentz
und Vorſorge.


III.Als eine Geheimnuͤß-reiche Prophetiſche Gabe;
dadurch die Pflicht aller Chriſten angezeiget und propheceyet worden in
den primitiis gentium (ſo zu reden) in den Weiſen/ als den Erſtlingen
der Heyden/ welcher maſſen dieſer Koͤnig in ſeinem Reich biß ans Ende
wuͤrde verehret werden; gleich wie Gold ihren Glauben/ die Myrrhen ihre
patientz und Gedult bedeutet/ alſo der Weyrauch das Gebet. Jſt kein
Eigen-Duͤnckel und Fund/ ſondern (was ſonderlich den Weyrauch
betrifft/ den man zum heiligen Raͤuchwerck gebraucht) in heiliger
Pſ. 141, 2.Schrifft angezeiget 1. mit klaren Worten/ Pſal. 141. Mein Ge-
bet můſſe fuͤr dir tuͤgen wie ein Räuch-Opffer.
Das in der Juͤ-
diſchen Kirchen gebraͤuchlich geweſen/ wann der Prieſter geraͤuchert auff
dem Raͤuch-Altar/ alßdann die gantze Menge des Volckes unter der
Stunde
[223]Predigt.
Stunde des raͤucherns gebeten/ iſt aus der hiſtoria Zachariæ klar undLuc. 1, 10.
Apoc.
5, 8.

offenbar. Apoc. 5. ſihet der Evangeliſt in der Hand der vier und zwantzig
Eltiſten guͤldene Schalen von Raͤuchwerck/ welches ſind die Gebete der
Heiligen. Jn folgendem achten Capitul erſcheinet der Engel-Koͤnig undc. 8, 3.
groſſe Hoheprieſter Chriſtus bey dem Altar mit guͤldenem Raͤuch-Faß/
und ihm ward viel Raͤuchwerck gegeben/ daß er gebe zum Gebet aller Hei-
ligen auff dem guͤldenen Altar fuͤr dem Stul.


Nicht allein zeiget die Schrifft dieſe Bedentung an mit klaren
und außlegenden Worten/
ſondern auch in derhiſtoriaZacha-
ri
æ/ Luc. 1. Der fromme Prieſter Zacharias gehet nach Gewohnheit ſei-Luc. 1, 8.
ſeqq.

nes Prieſterthumbs/ da die Ordnung an ihm war/ in dem Tempel zu raͤu-
chern: betet darneben ſehnlich nicht allein er fuͤr ſich ſelbſt/ ſondern auch
die Menge des Volcks auſſer dem Tempel im Vorhof/ zur Stunde des
raͤucherns/ die beten zuſammen ihre Litaney nicht allein umb die Wolfahrt
des Juͤdiſchen Volcks/ ſonder vornemlich umb die ſo lang verlangte Zu-
kunfft des Meſſiæ/ umb das auffgerichte Horn des Heils im Hauſe Da-
vid/ durch die hertzliche Barmhertzigkeit/ welche copulation des Gebetsv. 78.
mit dem Raͤuchwerck die Bedeutung ſelbſt an die Hand gibt; dahin dann
auch gehoͤret die Propheceyung Malach. 1. An allen Orten ſoll mei-Malach. 1,
11.

nem Namen geräuchert werden/ nicht nur im Tempel; iſt eben das/
was der Herr ſagt Johan. 4. Die rechten Anbeter werden denIoh. 4, 23.
1. Tim.
2, 8.

Vater anbeten im Geiſt und in der Warheit/ und 1. Timoth. 2.
St. Paulus ſaget: Man ſoll an allen Orten auffheben heilige
Haͤnde.


Wie nun die Weiſen die primitiæ gentium, die erſten unter den
Heyden geweſt/ die ſich zu Chriſto bekehret/ in andern Stuͤcken/ alſo auch
im Gebet/ denen wir billich folgen und nachbeten; laſſen das coͤrperliche
raͤuchern dem alten Teſtament/ und gehen auff denantitypum, auff
das Gegen-Bild im Neuen Teſtament/ das iſt das Gebet: Wir laſſen
dem judentzenden Papſtumb die incenſa und angezuͤndetes Rauchwerck/
und ſprechen mit Tertulliano: Non grana thuris unius aſſis incendi-Tertull. c.
30. apolog.

mus, nec arabicæ arboris lacrymas, ſed orationem de carne pudicâ, de
anima innocenti, de Spiritu Sancto profectam,
Wir zuͤnden nicht an
und raͤuchern vor einen Schilling Weyrauch aus Arabia/ ſondern ein
Gebet/ das da herkommet von keuſchen Lippen/ von einer unbefleckten Seel
und von dem Heiligen Geiſt. Jſt ein vornehmes Werck der Hei-
ligung
[224]Die Achtzehende (Vierte)
ligung des Heiligen Geiſtes/ welcher ein Geiſt des Gebets
genennet wird/ ſo er in dem Hertzens-Tempel erwecket und opffert; Wir
haben neulich Euer Liebe vorgetragen in unterſchiedlichen Predigten die
innwohnende Gnade/ die erleuchtende Gnade/ die heilig-
machende Gnade Gottes des Heiligen Geiſtes/
deren erſtes
Werck
geweſt diemortificatiound Tödtung des ſuͤndlichen
Fleiſches;
Folget diethurificatio,die Räucherung des Gebets/
Zach. 12,
10.
dieſelbe anietzo nuͤtzlich zu betrachten/ wolle Gott auch den Geiſt der
Gnaden und des Gebets
in unſere Hertzen und Gemuͤther außgief-
ſen/ daß wir lernen bruͤnſtig beten und erhoͤrlich erbeten/ umb ſeines Na-
mens Ehre willen/ Amen.


SO ſind nun abermal Tempel undthymiamataRäuch-
werck
correlata, die ſich nicht trennen laſſen; ſind wir Tem-
pel des Heiligen Geiſtes/
ſo iſt das Hertz ein geiſtlich
Raͤuch-Faß:
das iſt ein Bet-Hauß/ geſtalt dann Salomon nicht
allein mit dem Gebet/ ſondern auch zum Gebet den Tempel geweihet
1. Reg. 8, 33.
35. 37. 38. 39.
1. Reg. 8. Wann dein Volck/ ſpricht er/ für ſeinen Fein-
den geſchlagen/ wann der Himmel verſchloſſen/ daß nicht
regnet/ wann eine Theurung/ Peſtilentz und dergleichen Noth
und Gefahr im Lande ſeyn wird/ und man kommt fuͤr deinem

Act. 10, 4.Altar in dieſem Hauſe/ ſo wolleſtu ihr Gebet und Flehen hören
im Himmel!
Gar bedencklich ſpricht der Engel zu Cornelio dem
Hauptmann zu Cæſareâ:Dein Gebet und deine Allmoſen ſind
hinauff kommen ins Gedaͤchtnuͤß fuͤr GOTT/
ἀνεβησαν εἰς
μνημόσυνον iſt eine levitiſche phraſis und Art zu reden/ und wird geleſen
Levit. 2, 2.von dem Raͤuchwerck im Alten Teſtament/ da dann auff ſeiten unſer alſo-
bald die Frage fuͤrfaͤllet: 1. Quis Sacerdos?Wer der Opffer-
Prieſter ſey/ der da raͤuchert?
Wer abermal anders/ als ein wie-
dergeborner Menſch?
Wir ſind beruffen und erkohren zum heili-
gen Prieſterthumb/ zu opffern geiſtliche Opffer/ die Gott an-

1. Petr. 2, 5.
Apoc. 1, 6.
Exod. 30.
7. 8.
Cant.
3, 6.
genehm ſind durch Chriſtum Jeſum; Der Prieſter im Alten Te-
ment muſte des Tages zweymal raͤuchern: Alſo ſoll unſer juge ſacrificium
taͤglich und ſtetes Opffer ſeyn das Gebet; So offt einer betet/ begehet er
einen prieſterlichen actum;Wer iſt die/ ſpricht der geiſtliche Braͤuti-
gam
[225]Predigt.
gam im Hohenlied Salom. die herauff gehet aus der Wuͤſten/
wie ein gerader Rauch/ wie ein Geraͤuch von Myrrhen/ Wey-
rauch und allerley Pulver eines Apothekers?
Antwort/ es iſt eine
andaͤchtige betende Chriſten-Seele.


2. Quæ grana thuris?Welches iſt der Weyrauch?
Alle unſere Gebete/
δεήσεις, προσευχαὶ, ἐντἐυξεις, abbitten/ zubitten/
fuͤrbitten/ nachbitten/ wohin gehoͤren im heiligen Vater unſer die ſieben
Bitten deſſelben.


3. Quod thuribulum?Welches iſt das Raͤuch-Faß?
Ein zerknirſchtes/ durch das Blut Chriſti gereinigtes/ an-
daͤchtiges Hertz/
daß vom Golde des Glaubens zubereitet und glaͤn-
tzet; Sancta anima quaſi thuribulum cor ſuum facit, ſagt Gregorius:Greg. M. in
Cant. c.
3.

Eine heilige Seele machet ihr Hertz gleichſam zu einem Raͤuch-Faß; und
demnach Cor. 1. fidele;ein glaubiges Hertz/ daß durch den
Glauben gereiniget iſt/ von den euſſerlichen objectis, Creaturen und welt-
lichen Geſchaͤfften abgezogen und gewendet/ Gott alleine gelaſſen/ ſon-
derlich zu fruͤher Zeit/ da der Menſch nuͤchtern und von keinen affecten an-
gefuͤllet/ da die Thuͤr noch beſchloſſen/ noch keine frembde Gedancken durch
die Porten der Augen und Ohren eingeflogen/ Chriſtus gehet gerne durch
geſchloſſene Thuͤren/ da iſt die Einſamkeit gut/ kan es nicht geſchehen leib-
lich/ ſo ſoll es doch ſeyn mit dem Gemuͤthe; Ein Hertz das alle Geſchaͤffte
und Arbeit von ſich geleget; der Teufel und ſein Statthalter der alte Adam
iſt geſchaͤfftig/ wann er ſihet/ daß der Menſch opffern will/ ſo ſagt er wie
Pharao/ Exod. 5. Man trucke die Leute mit Arbeit/ daß ſie zuExod. 5, 9.
ſchaffen haben; Darwider lautet Chriſti Verweiß/ ſagend:
Martha/ Martha/ du haſt viel zu ſchaffen! eins aber iſt noth.Luc. 10, 41.
42.

Es laſſet ſich da nicht viel Arbeit zugleich thun/ Brief leſen/ Brief dictiren/
Brief ſchreiben/ ſingen und pfeiffen zugleich.


Pluribus intentus minor eſt ad ſingula ſenſus, ()

Wer viel auff einmal thun will/ der verrichtet keines recht.


2. Cor præparatum,Ein zubereitetes Hertz; Ein Lau-
tenſchlaͤger ſtimmet zuvor/ ein Redner meditirt zuvor/ fallet nicht mit allen
vieren hinein; Alſo muß auch das Hertz/ ſoll es ein angenehmes Raͤuch-
faß fuͤr Gott ſeyn/ zubereitet und gereiniget ſeyn/ durch wahre Buſſe/
hertzliche Reu und Leid; Wer opffern wolte im Alten Teſtament/ muſteLev. 5, 5. 16.
c. 16, 21.
Ioh.
9, 31.

zuvor ſich bereiten/ das Vnrecht erſtatten/ faſten/ Dann Gott erhoͤret
Sechſter Theil. F fdie
[226]Die Achtzehende (Vierte)
Luc. 13, 1.
vide D.
Chemnic.
harm. c. 3.
p. m.
2103.
die Suͤnder nicht/ die in vorſetzlichen Suͤnden wider das Gewiſſen
ohne Buſſe leben. Es machten zum Exempel etliche auffruͤhriſche Gali-
leer eine conſpiration, die Freyheit wider der Roͤmer Gewalt zu vindici-
ren/ damit aber ihr Fuͤrnehmen deſto gluͤcklicher von ſtatten gehen moͤchte/
ſo thun ſie zuvor ein Opffer/ dadurch Gott im Himmel zur Huͤlffe und
ſchleunigen Fortgang ihres Beginnens zu bewegen/ aber es ſchlaͤgt uͤbel
aus/ Pilatus kommt darzwiſchen/ und vermiſcht ihr Blut mit dem Opffer.
Eſa. 1, 15.Wann ihr ſchon eure Hände außbreitet/ verberge ich doch mei-
ne Augen von euch/ und ob ihr ſchon viel betet/ hör ich euch doch
nicht/ dañ eure Haͤnde ſind voll Bluts;
Vnſere Suͤnden antworten
wider uns/ gleich als ein echo; Dann wie ſoll doch dem heiligen und ge-
rechten Gott eine Seele gefallen/ ſo mit allerhand Welt- und Wolluſt-
Koth befudelt/ und gleichſam davon ſtincket? Wie ſollen ihm gefallen
und angenehme ſeyn die moͤrderiſche Haͤnde/ ſo mit ſeines lieben Sohnes
Blut beſprengt? Das Exempel des tyranniſchen Antiochi ſtehet uns
2. Macc. 9,
13.
vor Augen/ uͤber den ſich Gott nicht mehr erbarmen/ noch ſein Gebet
erhoͤren wolte/ als deſſen Buſſe nur eine Heuchel-Buſſe geweſt.


3. Cor vigilans,Ein wachſames Hertz; Seyt maͤſſig
1. Pet. 4, 8.und nůchtern zum Gebet/ ſchreibt St. Petrus. Die Alten pflegten
zu ſagen/ daß Gebet werde durch zween Fluͤgel in die Hoͤhe getrieben und
befoͤrdert/ durch Allmoſen und faſten/ welches gleichwol cum grano ſalis
und ohne Gewuͤrtz nicht anzunehmen. Solte Abrahams Opffer Gott
dem Herrn annehmlich ſeyn/ ſo muſte er zuvor das Gevoͤgel davon
Gen. 15, 11.ſcheychen: Soll ein Barbirer die Haar/ und nicht die Kehl abſchneiden/
ſo muß er gar eben und genau auff ſeine Scheer oder Schnitt Achtung ge-
ben: Alſo wird von einem rechtſchaffenen Gebet-Opffer auch erfordert
Act. 1, 14.die προσκαρτήρησις, die Gewahr- und Wachſamkeit/ auff alle Wort fleiſſige
und ſcharffe Achtung zu geben/ allen einfliegenden frembden Gedancken
ſteuren und wehren/ hoc age! heiſt es auch allhier.


4. Cor attentum \& intelligens,Ein auffmerckendes
Rom. 12, 1.und verſtaͤndiges Hertz/ durch und aus welchem Gott ein ver-
nuͤnfftiges Gebet-Opffer gebracht wird; nicht nach der Vernunfft/ ſon-
dern in und mit der Vernunfft geſprochen/ in Erwegung quem und
quis? Quem?Wen man anruffe? nemlich/ den allerreineſten
Gott/
fuͤr welchem die Engel die Fuͤſſe decken; den Allergerechteſten/
der da iſt ein verzehrend Feuer; den Allwiſſenden/ der wol mercket/ aus
was
[227]Predigt.
was Hertzen es gehet; den allmaͤchtigen/ allgegenwaͤrtigen Gott/
der kein ohnmaͤchtiger Baal: Aber gleichwol auch einen barmhertzi-
gen Vater.
Quis?Wer da anruffe? das iſt/ der Menſch/Gen. 18, 27.
von Natur und Herkommen Aſche/ Erde und Staub/ der nicht ſo gut als
eine beſtia, Kuh/ Roß/ ſondern ein Vnflat/ der ſich an ſeinem Schoͤpffer ver-
griffen: Aber nunmehr aus Gnaden filius reconciliatus,ein auß-
geſoͤhntes Kind/
das da brennet fuͤr Andacht und Liebs-affecten/ wel-
ches viel heiſſer brennet vor Liebe/ als ein Braͤutigam/ viel demuͤthiger
Gott ehret als ein Vnterthan und Knecht ſeinen Herren; viel inbruͤn-
ſtiger im Glauben und Vertrauen/ als ein Kind; viel freudiger als ein
Freund/ der mit aller παῤῥησία, Freyheit und Freudigkeit ſein Hertz
außſchuͤttet; der aus andaͤchtigen Begierden und Geberden des Leibes
die Augen in Buß unterſchlaget/ das Haupt im Glauben erhebet und ent-
bloͤſſet/ in reverentz/ in lauter Stimm und Thraͤnen die Arm außbreitet
ihn zu faſſen/ und dann ſonderlich/ wo es bequemlich ſeyn kan/ mit Knie-
beugen; πρησκυύησις durch Kniebeugen anbeten iſt Gottes eigene Ehr/Geneſ. 24,
26. Exod.
34, 8. 1. Reg.
18, 42. Eph.
3, 14. Apo-
cal. 4, 10.
Mat. 26, 39.
Dan. 3, 16.
ſeqq. Eſth.
3, 4. Act. 10,
26. Apoc.
19, 10.
Matt. 4, 9.
\&
6, 5.

die ihm gegeben von Eleazar/ Moſe/ Elia/ Paulo/ den vier und zwantzig
Elteſten/ Chriſto ſelbſt/ welche Sadrach dem Coloſſo/ Mardochai dem Ha-
man abgeſchlagen: Petrus von Cornelio/ der Engel von Johanne nicht
annehmen wollen; die Ehre/ deren der Satan gefaͤhr/ und ſeinem Statt-
halter dem Antichriſt gegeben. Alles nicht πρὸς το ϑεαθῆναι, zur Augen-
ſchau/ wie die Phariſeer gebetet/ ſondern in Einfalt/ wie dann das Gebet
auch ſecretum einen abgeſonderten/ verborgenen Ort ſuchet und liebet/
es geſchicht einem rechten frommen/ demuͤthigen/ andaͤchtigen Hertzen
kein groͤſſer Leid/ als wann es arbitros umb ſich wiſſen ſolte/ die nicht imi-
t
iren und nachthun/ ſondern ſolchen Beter anderswo fuͤr den Leuten loben
und fuͤr groß-heilig anſehen und ruͤhmen wollen.


Folget nun Terminus ad quem,Wohin das Raͤuchwerck
des Gebets ſoll gerichtet ſeyn?
Antwort: Surſum corda!Zu
GOTT im Himmel muͤſſen die Hertzen erhoben werden.
Dieſes Raͤuchwerck ſoll heilig ſeyn dem HERREN/ wer
Exod. 30.
37. 38.

ein ſolches machen wird/ daß er damit raͤuchere/ der wird auß-
gerottet werden von dem Volck!
anders als Jerobeam den Kaͤlbern/1. Reg. 12,
33. c. 13, 1.
Ezech. 8, 11.
Ier 7, 17. 18.
c. 19, 13.
c.
44, 17.

die Juden den Goͤtzen/ ſampt den ſiebentzig Maͤnnern und Elteſten des
Hauſes Jſrael; oder wol gar dem Heer des Him̃els auff den Daͤchern ge-
raͤuchert; Sie ſind aber redlich bezahlet worden; Gott hat gedacht an das
F f 2raͤuchern/
[228]Die Achtzehende (Vierte)
raͤuchern/ daß es ſtinckend und das Land zur Wuͤſte und Einoͤde worden:
Bellarm. l.
1. de beat.
ſanct. c.
13.
noch kehren ſich die blinden Leute im Papſtumb nicht dran/ Bellarminus
ſchreibet: Nos etiam ſuaves odores in ipsâ Eccleſiâ offerimus imagini-
bus \& reliquiis,
Wir opffern auch ein liebliches Raͤuchwerck in der Kir-
chen ſelbſt den Bildern und Heiligthumb; aͤrger als vorzeiten Carpocra-
apud Epi-
phan. hæ-
reſ.
80.
tes, welcher den Bildnuͤſſen Jeſu/ Pauli/ Homeri und Pythagoræ heim-
lich geraͤuchert; Carpocrates thaͤts heimlich/ aber die Roͤmiſche Dam hat
eine Huren-Stirn/ ſie thuts offentlich/ und ſchaͤmet ſich nicht mehr/ depu-
duit!
ſie hat ſich außgeſchaͤmet; weil ſie die Goͤtzen-Knechte fuͤr der
Schrifft die Ohren ſtopffen/ weiſen wir ſie zu der heydniſchen Sibylla
Ovid. l. 14.
metam.
beym Ovidio, da ihr Æneas die Ehre des raͤucherns angeboten/ tribuam
tibi thuris honorem,
ſagt er: Jch will dich mit Weyrauch verehren: So
antwortet ſie:


Non Dea ſum, dixit, nec ſacri thuris honore
humanum dignare caput,
()

Ich bin ein Menſch/ mir gebuͤhrt keine Goͤttliche Ehr/ mir unwuͤrdigen
Menſchen darff nicht geraͤuchert werden. O daß wir auch rein weren bey
Hab. 1, 16.unſerer religion! Ach wie viel opffern ihrem Netze/ und raͤuchern ihrem
Garn/ das iſt ihrem ingenio, ſuadæ, conſilien/ politiſcher Klugheit/
Scharffſinnigkeit mit elogiis und Lobſprechen; wie iſt dieſelbe Abgoͤtterey
Ezech. 8, 8.ſo gemein! ſolte man durchs Hertz graben koͤnnen/ ſo wuͤrde man ſolche
Greuel fuͤr Augen ſehen liegen/ davon man erſchrecken muͤſte.


Exod. 30,
36.
Lev.
16, 13.

Zu gleicher weiſe aber wie das Raͤuchwerck geſchehen muſte fuͤr dem
Zeugnuͤß der Bunds-Laden/ ſonderlich auff dem hohen Verſoͤhnungs-
Feſt/ ſo muſte der Hoheprieſter das Raͤuchwerck hinein hinter den Fuͤrhang
bringen und das Raͤuchwerck auffs Feuer thun fuͤr dem Herren/ daß
der Nebel vom Raͤuchwerck den Gnaden-Stul bedecket/ der an dem Zeug-
nuͤß iſt: Alſo ſoll unſer geiſtlich Raͤuchwerck angenehm ſeyn/ ſo muß es
ſich richten/ heben und weben laſſen gegen dem rechten Gnaden-Thron
Chriſto Jeſu/ der nicht nur der Thron iſt/ ſondern auch der Hoheprieſter
Apoc. 8, 3.
4.
ſelbſt/ dem viel Raͤuchwerck gegeben/ von deſſen Hand der
Rauch des Raͤuchwercks vom Gebet der Heiligen auffgehet
fuͤr GOTT.


Sonderlich aber muͤſſen wir hier Achtung geben abermal auff das
Opffer-Feuer/ dadurch das Raͤuchwerck angezuͤndet/ empor in die Hoͤhe
getrieben wird/ Gott zu einem ſuͤſſen Geruch/ das iſt eben niemand an-
Zach. 12,
10.
ders als der H. Geiſt/ der Geiſt des Gebets/ das α und ω und
fac to-
[229]Predigt.
fac totum, der das Gebet anfahet und vollendet/ das himmliſche Feuer;Lev. 9, 24.
2. Chron.

7, 1.

gleich wie das Opffer-Feuer vom Himmel gefallen und die angenehmen
Opffer verzehret: Alſo iſt der Heilige Geiſt gleichſam vom Himmel herab
gefallen/ und hat das Gebet der Heiligen angezuͤndet/ wie ſolches Johanni
angedeutet/ Apoc. 8. wann er ſaget: Der Engel nam das Raͤuch-Apoc. 8, 5.
Faß/ und fuͤllet es mit Feuer vom Altar/ und ſchůttets auff die
Erden/
iſt kein profan und gemeines/ ſondern ein heiliges Feuer/
ſo nach dem heiligen und heiligmachenden Geiſt riechet. Woraus zugleich
unſchwer abzunehmen/ was von den heutiges Tages uͤblichen/ ſeltzamen/Lev. 10, 1.
gebluͤmten/ gefrenſelten/ verkuͤnſtelten/ verreimeten/ rhetoriſchen/ politiſchen
Gebeten zu halten/ da mehr menſchlich als goͤttlichs innen zu finden/ die
mehr nach dem Welt- als Gottes Geiſt riechen: wie man ſich dann auch
wol enteuſſern koͤnte der falſchglaubigen Gebet-Buͤcher/ dadurch der Cal-
viniſmus
allgemach plantirt und inſinuirt wird; der Teufel ziehet auch
Schrifft an/ und ſagt: Jeſu/ ich weiß wer du biſt/ der HeiligeMarc. 1, 24.
c.
5, 6.

Gottes. Er iſt und bleibt dannoch ein Schalck/ wann er gleich die
Warheit ſagt/ aber Chriſtus leget ihm das Handwerck nieder/ daß er muß
ſtillſchweigen.


Der rechte Heilige Geiſt iſtignis ſanctificans,ein erlaͤu-
terendes/ rein- und heiligmachendes Feuer;
der das Opffer heili-Matth. 23,
19.

get/ dann dieweil unſer Hertz ein Pfuhl iſt von allerhand Suͤnden-Ge-
ſtanck/ daraus ſo rein kein Gebet herfuͤr kommt/ es klebet Geſtanck an dem-
ſelben. Dioſcorides bezeuget/ es werde der Weyrauch offtmal verfaͤlſcht
mit Hartz und gummi; darumb iſt ein heiligmachendes/ himmliſches/
reinendes Feuer vonnoͤthen/ das iſt der Heilige Geiſt/ der heiliget/ durch-
wehet und ſaͤubert das Gebet πρὸς ἐυωδίαν zu einem lieblichen Geruch/
non ut placet ſed ut placeat, nicht daß das Gebet an ihm ſelbſt verſoͤhne/
(welche Ehre allein der Fuͤrbitt Chriſti gebuͤhret) ſondern daß es Gott
im Himmel umb Chriſti Opffer und Fuͤrbitt willen gefaͤllig ſeyn koͤnne.
Er iſtignis levitans,ein erleuchtendes Feuer/ davon das Hertz
erhebt/ das Gebet durch die Wolcken durchdringet/ es werden demſelben
gleichſam Fluͤgel gemacht und angehaͤnget. Er iſtignis accendensPſal. 141, 1.
\& incendens,ein anzuͤnden des Feuer; dann der Menſch hat von
Natur kein Hertz zu Gott/ aber der Geiſt/ der Gottes Hertze kennet/ der
macht ihm ein Hertz/ gemere facit, er macht die Hertzen ſeuffzen: Er ſelbſtRom. 8, 26.
ſeuffzet mit unaußſprechlichen ſeuffzen/ er zuͤndet das Hertz an/ daß wie in
F f 3einem
[230]Die Achtzehende (Vierte)
einem diſtillir Gefaͤß und Helm/ wann daſſelbe warm worden/ Lieb-Thraͤ-
nen heraus tropffen; ſo bald man Weyrauch/ Myrrhen oder maſtyx ins
Feuer legt/ ſo ſteiget ein Raͤuchlein auff und gibt einen lieblichen Geruch:
alſo ſo bald das Feuer des H. Geiſtes unſer Hertzen beruͤhrt/ und er nicht
verhindert wird/ ſo bald ſteiget ein Seuffzerlein nach dem andern auff/ Ach
lieber Gott! Ach du getreuer Gott! Ach erbarm dich meiner! ꝛc.


Er iſtignis obſignans,ein verſieglendes Feuer/ das die
Gen. 4, 4.Erhoͤrung verſiegelt; So bald das Feuer auff Abels Opffer gefallen/ war
Abel getroͤſtet und geſichert/ er ſey Gott angenehm. Da das Feuer vom
2. Chron.
7, 3.
Himmel herab fiel/ und Salomons Opffer verzehret/ fielen die Kinder
Jſrael auff ihre Knie nieder auffs Pflaſter/ und danckten Gott/ daß er
1. Reg. 18,
38.
guͤtig/ und ſeine Barmhertzigkeit ewiglich waͤret: So bald in dem reli-
gion
s-Streit Eliæ mit den Baalitiſchen Pfaffen das Feuer vom Him-
mel herab gefallen/ war es ein Zeichen des warhafftigen gnaͤdigen Gottes.


Jſt demnach in der ſumma ſummarumdas geiſtliche Raͤuch-
Opffer des Gebets in einem geiſtlichem Tempel ein ſolch
Opffer/ da ein widergeborner Menſch/ als ein geiſtlicher Prie-
ſter den Weyrauch des Gebets/ zu einem lieblichen Geruch/
aus einem glaubigen/ andaͤchtigen/ reinen/ wolbereiteten/
wachſamen/ verſtändigen Hertzen und Begierden/ durch die
himmliſche/ heiligmachende/ entzuͤndende/ verſieglende
Gna-
de
Gottes des Heiligen Geiſtes empor zu Gott im Himmel ab-
fertiget.


Nun/ meine Liebſten/ dieſe Raͤucherung ſtehet nicht in unſerer
Chur/ es iſt ein hoͤchſtnothwendig Werck/ wir ſind darzu geweihet durch
die heilige Tauffe/ die Befehl ſtehen da/ deßgleichen die Exempel in groſſer
Menge/ ſonderlich desſancti ſanctorum,des allerheiligſten Ho-
Luther.
tom. 6.
Ien. fol.
181.
henprieſters Chriſti; Lutherus wuͤndſchet unter allen Wercken Chri-
ſti des groſſen Hohenprieſters/ nur geſehen und gehoͤret zu haben ſeine Ge-
bet/ wie Er ſich geſtellet und geberdet/ wann Er gebetet und mit ſeinem
Vater geredet/ weil ſonſt viel geſchrieben/ wie Er geprediget und Wunder
gethan/ aber wenig wie Er gebetet habe: Weiſet uns ſonderlich
Ioh. 17, 1.
ſeqq.
auff die hiſtoriam von St. Johanne c. 17. beſchrieben/ eines Gebetes/ ſo
Er fuͤr ſeinen Juͤngern geredet/ und ihnen zuletzt gelaſſen hat/ und achtets
doch niemand/ were es nicht geſchrieben/ ſo wolten wir biß an der Welt
Ende darnach lauffen. Vnd iſt fuͤrwar aus der maſſen ein hefftig hertzlich
Gebet/
[231]Predigt.
Gebet/ darinnen Er den Abgrund ſeines Hertzen/ beyde gegen uns und ſei-
nem Vater eroͤffnet/ und gantz heraus ſchuͤttet. Es ſind aber ſolche
Wort/ die in unſern Ohren/ ſo ſie ohne Geiſt hoͤren/ lauten als lauter Kin-
derteidungen/ die weder Krafft noch Safft haben/ ja nicht werth ſind zu
reden. Dann Vernunfft und menſchliche Weißheit haͤlt nichts von
dem/ ſo man nicht mit praͤchtigen und hochtrabenden Worten fuͤrgibt und
auffmutzet/ daß iederman Augen und Ohren auffſperren muß. Hier hal-
tet uns ſelbſt die regul, wann man recht beten will/ doͤrffe man nicht viel
langer und koͤſtlicher Wort machen/ ſondern nur ſchlecht und recht das
beſte.


Aber wo iſt ſolches raͤuchern? Wo ein warhafftiges Gebet? Wo die
Andacht? Wo iſt das guͤldene Raͤuch Faß eines glaubigen Hertzen? O wie
ſeltzame Ding! Ach Gott/ wie ſteckt der Paͤpſtiſche Sauerteig ſo vielen im
Hertzen/ die es mit Bellarmino dem Roͤmiſchen Cardinal halten/ derBellarm. l.
1. de bon-
oper. c.
19.

ſchreibet an einem Ort/ es ſey kein Zweifel/ daß das Bet-Ampt ein Werck
ſo allein den Pfaffen und Moͤnchen zuſtehe/ darumb ſprechen unſere Leute
noch/ Pfaffen ſollen beten/ ſie haben die Beſoldung darauff. Gleich wie/
ſo folgert Bellarminus ferner/ in einer Statt eine groſſe Schild-Schar-
und Nacht-Wacht beſtellet/ die fuͤr die uͤbrige ſchlaffende und ruhende
Buͤrgerſchafft wachet/ alſo beten auch die geiſtliche allein fuͤr die weltliche.
Was ſagt aber unſer Heiland Chriſtus? Was ich ſag/ ſag ich allen:Marc. 13,
37.

Wachet! ein ieder iſt ſeiner eigenen Seelen beſtellter Waͤchter. Vnter
vier und zwantzig Stunden des Tages findet mancher Menſch nicht eine
Stunde/ die er zum beten anwendete/ der liebe getreue Gott muß ſich
irgend/ wann man Morgens auffſtehet/ abweiſen laſſen mit einpar Wor-
ten/ Morgens/ Das walt Gott/ damit auff und davon. Zu Mittage/
Aller Augen ꝛc. Wanns hoch kommt/ auff den Abend einen Abend-Se-
gen: Soll das recht und gnugſam gebetet ſeyn?


Was wollen wir ſagen von dem kalten oder lauen ohnandaͤchtigen
Gebet/ da man nur betet ex opere operato, weils man ſo gewohnet/ oder
doch aus Zwang/ ohne Verſtand/ wie die Nonnen den Pſalter; klingende
Schellen! Bileams Eſel-Stimm! Kaͤlber-Geſchrey! ſoll das ein Opffer
ſeyn/ das Gott gefalle? Wie offtmal Gebet ohne Buß/ Jndas-Kuß
und Hencker-Gruß? wie wahr ſagt der Herr von manchem heuchleri-
ſchen Hertzen: Mein Hauß iſt ein Bet-Hauß/ ihr aber habtsMatt. 21, 13.
gemacht zur Moͤrder-Gruben! Ja freylich leider! nicht nur zur
Moͤrder-Gruben/ ſondern zum Hur-Hauß/ Raub-Hauß/ außwendig
haͤlt
[232]Die Achtzehende (Vierte)
Mat. 23, 25.haͤlt man Schuͤſſel und Becher reinlich/ innwendig iſts voll Raubs und
Fraß. Hæc fundi noſtri calamitas! da kommt und waͤchſt alles Vn-
gluͤck her/ da ſteckts!


Wir klagen uns ſelbſt an in unſerm Kirchen-Gebet/ daß wir nicht
ernſtlich gebetet haben/ daß wir uns von den Suͤnden bekehrt: Wie ſolls
dann Wunder ſeyn/ daß unſer Gebet nicht erhoͤret wird? Vielmehr iſt ſich
zu verwundern uͤber Gottes Langmuth/ daß Er mit ſich ſo ſpielen laͤſſet
als einer Puppen/ in dem Er nicht ſo viel reverentz bekommet als der ohn-
maͤchtige Baal; Es wags ein Burger gegen ſeinem Ammeiſter/ ein
Bauer bey ſeinem Schultzen/ und rede bey ihm wie er zu Gott betet ohne
Bedacht/ ob ers ihm wird zu gut halten? und der groſſe Gott muß es
leiden von ſeiner Creatur/ daß man ihn ſo ſehr verſchimpfft! O ein ge-
Gal. 6, 7.treuer und langmuͤthiger Gott! aber irret euch nicht/ Gott laͤſſet
ſich nicht ſpotten!
warhafftig der ἀντιμυκτηρισμὸς und Gegen-Spott
wird folgen/ Gottes Draͤu-Wort muͤſſen Krafft- und Wahr-Wort wer-
Amos 5,
21. 23.
den/ Amos 5. Jch mag nicht riechen euer Verſamlung/ thut
weg von mir das Geplerr euer Lieder/ ich mag dein Pſalter-

Eſa. 29, 13.Spiel nicht hoͤren; darumb daß diß Volck zu mir nahet mit
ſeinem Munde/ und mit ſeinen Lippen mich ehret/ aber ihr

c. 28, 11.Hertz ferne von mir iſt/ ſo will ich mit ſpoͤttlichen Lippen/ und
mit einer andern Zungen zu dieſem Volck reden.
O Gott
wie wahr iſt das worden! wie hoͤren wir frembde/ barbariſche Zungen/
daß uns die Ohren gellen/ und der hoͤchſte Jammer iſts/ daß niemand faſt
zu Hertzen nimmt/ zu beſorgen/ es werde gehen als wie in der erſten Kir-
chen/ in der letzten Diocletianiſchen Verfolgung/ von welcher der Hiſtori-
cus
meldet/ daß nach dem man dazumal unter den Chriſten das Gebet
hindan geſetzt/ durch welches man vielem Vngluͤck haͤtte vorkommen koͤn-
nen/ ſo hab man durch ſolche Sicherheit die damal graſſirenden Verfol-
gungen ie laͤnger ie mehr gehaͤuffet und entzuͤndet. Gott gebe es maͤn-
niglich zu erkennen!


Es moͤchte aber ein einfaͤltiges Hertz einwenden und ſagen/ auff ietzt
der Laͤnge nach fuͤrgeſchriebene Art und Modell/ kan ich nicht beten voll-
koͤmlich! der Geiſt iſt willig/ das Fleiſch iſt ſchwach; Solt ich geloben
alle meine Gedancken zu ſagen/ die mir im Gebet einfallen/ ich wuͤrde mich
tom. 6. Ie-
nenſ. fol.

183.
fuͤr mir ſelbſt ſchaͤmen muͤſſen/ ſo jaͤmmerlich (ſind Lutheri Wort) zerriſſen
Ding iſts umb des Menſchen Hertz/ das gehet/ webet und wancket/ daß
kein Wind noch Waſſer ſo beweglich und unbeſtaͤndig iſt: Antwort:
Jubet
[233]Predigt.
Jubet Deus, quod non poſſumus, ut noverimus, quid ab eo petere debea-
mus,
ſagt Auguſtinus:Gott befihlet und erfordert das jenige von uns/Auguſt. de
grat. \& lib.
arb. c. 16. \&
l. de cor-
rept. grat.
c. 3.
1. Reg.
18,
36. 37.

das wir nicht koͤnnen/ damit wir wiſſen/ was wir von ihm bitten ſollen;
Laſſet uns derowegen beten umb den Finger Gottes den Heiligen
Geiſt/
daß er unſere Hertzen und Mund beruͤhre/ ſtimme und befreye
von frembden Gedancken/ das himliſche Feuer wie Elias bitten/ und von
Hertzen wuͤndſchen: Komm heiliger Geiſt/ heilige Brunſt/ edler
Hort/ nun hilff uns froͤlich und getroſt/ daß wir auch im
Gebet
ritterlich ringen/ daß es mag zu dir dringen! So wenig ein
Luc. 11, 9.
Vater ſeinem Kinde/ ſo es ihn bittet/ fuͤr Brod einen Stein/
fuͤr einen Fiſch eine Schlange/ fuͤr ein Ey einen Scorpion
reichet und gibt/ vielweniger wird ſolches thun der Vater im
Himmel/
ſondern erhoͤren/ und geben was zur Seligkeit noͤthig/ und
in dieſem Leben () uns gut und nuͤtz iſt/ nach ſeiner Verheiſſung Devt. 4.Devt. 4, 29.
Wann du den HERREN deinenGOTTſuchen wirſt/
ſo wirſtu ihn finden/ wo du ihn wirſt von gantzem Hertzen und
von gantzer Seelen ſuchen.
So betet nun recht/ im Geiſt und in
der Warheit/ ſo ſuchet! alßdann wird Er ſich finden laſſen; ſo klopffet/
alßdann wird euch auffgethan werden/ Amen/ das werde
wahr! Amen.


‘() Quod Deus non ſemper ad voluntatem, ſed ad utilitatem exaudiat
etiam, ethnici agnovere. Iuvenal. fatyr. 10.
—— nos animorum
impulſu \& cæca pravaq́uecupidine ducti
conjugium petimus, partumq́ue Vxoris, at illis (Diis)
Notum, qui pueri, qualisq́ue futura ſit Vxor?
()


Sechſter Theil. G gDie
[234]Die Neunzehende (Fuͤnffte)

Die Neunzehende


Vber den dritten Articul/ und uͤber die Wort
St. Pauli 1. Corinth. 3/ 16. 17.


Die Fuͤnffte Predigt/


Von der heiligmachenden/ erneuernden
Gnade des H. Geiſtes.


GEliebte in Chriſto: Es gedencket die Evangeliſche Hi-
Luc. 21, 5.ſtori St. Lucæ cap. 21. unter anderer Herrligkeit und
Schmuck des Tempels zu Jeruſalem
auch der
anathematum,der Kleinodien/ wie es D. Luther
gegeben; Dann als der Herr dieſem Tempel den Vn-
Mat. 23, 38.
Luc.
19, 43.
44.
tergang gedraͤuet Matth. 23. daß ihr Hauß ihnen ſoll wuͤſte gelaſ-
ſen werden/ daß die Feinde werden die Statt ſchleiffen/ und
keinen Stein auff dem andern laſſen;
ſo tretten etliche ſeiner Juͤn-
ger auff/ zeigen ihm nit nur das ſchoͤn Gebaͤu/ die edle Steine des Tempels/
ſondern ſie ſagten ihm auch von dem Κόσμῳ ἀναϑημάτων, Es ſeye die-
ſer Tempel von feinen Kleinodien geſchmuͤcket/
als wolten ſie
ſagen/ es ſeye immer Schade/ daß ein ſolch wunderſchoͤner Tempel ſoll
ruiniret und oͤde werden. Verſtehen hierdurch ἐν ὐποϑέσει eigentlich alle
die jenige trophæa, Gaben/ Schaͤtze und Beylagen/ damit theils der Tem-
pel behaͤnget/ theils auch in demſelben bewahrlich beygeleget geweſen/ wie
1. Sam. 21,
9. 2. Reg.
11, 10.
2. Macc. 9,
16.
Iud. 16, 23.
Ioſeph. l.
15. c. ult.
vorzeiten Goliaths Schwert/ Davids Spieß und Schild im Heilig-
thum̃/ deßgleichen auch hernach Antiochus zu verehren gelobet/ 2. Macc. 9.
Judith wuͤrcklich verehret. Dazumal aber in dem Herodiſchen Tempel
waren ſpolia barbarica, die Raube und Beuten/ welche Herodes den bar-
bariſchen Voͤlckern abgenommen und gewidmet hatte/ als Joſephus be-
zeuget/ deßgleichen auch Auguſtus ſoll gethan haben/ wie Philo referirt:
ſonderlich wird verſtanden der jenige guͤldene Weinſtock/ deſſen auch * Ta-
citus
gedencket/ ſo von Herode dahin geordnet worden. Joſephus nen-


‘* Tacit. l. 5. n. 13. confer exempla gentilium anathemata templis devoven-
tium Virg. l. 7. Aen. multaq́ue præterea ſacris in poſtibus arma \&c.
Perſius ſatyr 6. —— — miſſa eſt à Cæſare laurus \&c.
Livius l. 10. de quadam dedicatione à Papyrii Conſulis Filio factâ.
()

nets
[235]Predigt.

nets ϑαῦμα καὶ τοῦ μέγεθους καὶ τῆς τέχνης, ein wunderſchoͤnes Kunſtſtuͤck/
das Juͤdiſche Volck damit zu bedeuten/ nach Aſſaphs Anleitung Pſal. 80.
GOTT du haſt einen Weinſtock aus Egypten geholet/ undPſ. 80, 9. 15.
Eſa.
5, 1.

gepflantzet/ GOTT Zebaoth wende dich doch/ ſchaue vom
Himmel/ und ſuche heim dieſen Weinſtock.


᾽Εν ϑέσει anzudeuten/ daß Tempel und Gottes-Haͤuſer wol moͤgen
zimlich gezieret werden/ und ſey kein Vnſinn die Kirchen mit Bildern und
andern ornat zieren/ damit unter einem Gottes-Hauſe und Schwein-
Stall ein Vnterſcheid erſcheine. Es ſoll in der Kirch alles gehalten werden
ἐυχημόνως, erbar/ wider Carlſtadii Bilder-Stuͤrmerey; Zimlich/ ſag ich/
mit Maß ohne Pracht und Vberfluß der Babyloniſchen Dam Huren-
Schmuck/ dawider die alten Lehrer und Warheit-Zeugen ſo hefftig/ ſon-
derlich Hieronymus geſchrieben/ geſchrien und gerathen/ ſo man wasHieron. ad
Demetriũ
ad ep. 8.
Bell. l. 3. de
Cult. S. c. 6.
Iſid. Peluſ.
l. 2. ep.
246.

uͤbrig habe/ ſoll man daſſelbe vielmehr an die lebendigen Tempel des Heili-
gen Geiſtes anwenden. Deme zuwider Bellarminus lehret/ wañ Arme und
Kirchen in gleichem Mangel begriffen/ ſo ſeye es beſſer/ die Kirch mit ornat
verſehen/ als die Armen mit Nothdurfft. Sonſt wuͤndſchet Iſidorus Pe-
luſiota
gelebt zu haben zun Zeiten der Apoſtel und der erſten Kirch/ da man
von ſolchem koͤſtlichem Kirchen-Gepraͤng noch nichts gewuſt/ aber von
innerlichen geiſtlichen Gnaden-Gaben die gantze Gemein geleuchtet:
Als zu den letzten Zeiten/ da zwar die Kirche von Marmelſtein und Gold
geſchimmert/ unter deß der geiſtlichen Gnaden-Gaben verluſtiget geweſt/
beſſer (ſagte vorzeiten Bonifacius in Concilio Triburienſi: Meliores au-
rei ſacerdotes \& lignei calices, quàm lignei ſacerdotes \& aurei calices,
)
guͤldene Prieſter und hoͤltzene Kelche/ als hoͤltzene Prieſter und guͤldene
Kelche.


Nun meine Liebſten/ wir ſtehen auch in dertheoriâdes wun-
derſchoͤnen Tempels
ad Spiritum ſanctumzum heiligen
Geiſt/ welches ſeyt ihr! haben bißher gratiæ inhabitatricis ope-
rationes,
die Wůrckungen der einwohnenden Gnade des hei-
ligen
Geiſtes beſehen/ als da ſind die Erleuchtung/ Troſt/ Heilig-
machung
und in ſpeciedie Opffer-Gnade/ das geiſtliche Räuch-
werck.
Folget gratia κοσμοποιητικὴ, Renovatrix,die erneuernde
Zier-
Gnade/ welche nicht weniger einſpeciesiſt der Heiligung/
wie St. Paulus lehret Tit. 3. Nach ſeiner Barmhertzigkeit hat ErTit. 3, 5.
uns ſelig gemacht durch das Bad der Widergeburt/ und Er-
G g 2neurung
[236]Die Neunzehende (Fuͤnffte)
neuerung des Heiligen Geiſtes. Tempel und Tempel-Schmuck
ſind correlata, wo der Gaſt iſt/ da ſind ſeine Schaͤtze. Sind wir Tempel
des Heiligen Geiſtes/ ſo hat Er auch dahin gelegt ſeinen Schmuck/ Klei-
nodien und herrliche Gaben/ nicht nur adminiſtrantia,Lehr- und
Ampt-
Gaben/ ſondern auch fuͤrnemlich ſanctificantia,heilig-
machende
Gaben: Davon dißmal in der Furcht des Herren
fruchtbarlich zu handeln/ wolle der oberſte Tempel-Herr Chriſtus Jeſus
uns außruͤſten und erleuchten mit den Gaben ſeines H. Geiſtes/
damit wir ſolches geiſtlichen Schmucks faͤhig/ und unſere Hertzen ge-
ſchmuͤckte und angenehme Tempel der Heiligen Dreyeinigkeit werden moͤ-
gen/ Amen.


WElches iſt dann das edleanathema,der köſtliche
Schatz oder
donum ſanctificans,die heiligmachen-
de
Gabe/ welche der inwohnende heilige Geiſt in die
Seel des Menſchen ſencket und beyleget/ dadurch der Menſch
fuͤr
GOTTgeſchmuͤckt und erneuert wird? Es iſt ohne weiten
Vmbſchweiff anders nichts als das goͤttliche Ebenbild/ ſo wir im
Paradiß verlohren/
biß auff wenig rudera, Stuͤckwerck/ Scherben/
ſo noch (als wie an einem eingefallenem Hauſe) uͤberblieben/ welches nach
dem Fall gantz verdunckelt iſt/ aber wieder erſtattet/ erleuchtet und erneuert
werden/ endlich gantz vollkoͤmlich wieder gegeben werden ſoll/ nach dieſem
1. Cor. 15,
49.
Leben/ auff den Tag der herrlichen Wieder-Erſtattung/ deſſen was wir im
Paradiß verlohren; gleich wie ein Kind in Mutterleibe nach und nach
gebildet wird/ biß daß ein vollkom̃ener Menſch draus und an dieſe Welt ge-
Matth. 19,
28.
boren werde: Alſo wird die Vollkommenheit des Ebenbildes vorbehalten
biß auff die παλιγτενεσίαν und endliche Widergeburt der Kinder Gottes.


Es iſt aber daſſelbe Bildimago I. generoſa,Ein Bild
von dem edelſten
prototypoGOTTim Himmel ſelbſt ge-
macht/ mit dem Finger
Gottes dem heiligen Geiſtcontrofeet
Col. 3, 10.und zierlichformiret/ wie St. Paulus erweiſet Col. 3. Ziehet den
neuen Menſchen an/ der da verneuert wird zu der Erkäntnuͤß/
nach dem Ebenbilde des/ der ihn geſchaffen hat/
ja nicht nur
deſſen/ der uns anfangs erſchaffen/ ſondern auch wieder gemacht und erloͤ-
ſet nach dem Bilde Jeſu Chriſti/ der uns durch ſein liebes Evangelium
abcon-
[237]Predigt.
abcontrafehet/ alſo daß ſich in uns ſpiegelt des HERREN2. Cor. 3, 18.
Klarheit mit auffgedecktem Angeſicht/ und wir werden ver-
klaͤret in daſſelbige Bild/ von einer Klarheit zu der andern/
als vom
Geiſt des HERRN. Chriſtus der ewige SohnHebr. 1, 3.
Ioh.
14, 9.

Gottes iſt dercharacter hypoſtaſeos divinæ,das Bild des
goͤttlichen Weſens/
wer ihn geſehen/ der hat den Vater geſehen/ daran
der himmliſche Vater all ſeine Luſt und Freude ſihet/ wie ein Vater an ſei-
nem Kinde/ dem muͤſſen wir uns conformiren in allen. Er iſt das we-
ſentliche Ertz-Bild/ unſer Bild iſt nur ein accidens der Seelen.


II. Imago radioſa,Ein glaͤntzen des Bild/ ſo da glaͤntzet
von den Strahlen der Weißheit;GOTTder da hieß das2. Cor. 4, 6.
Liecht aus der Finſternůß herfuͤr leuchten/ der hat einen hellen
Schein in unſere Hertzen gegeben/ daß durch uns entſtuͤnde
die Erleuchtung von der Erkaͤntnuͤß der Klarheit Gottes/ in
dem Angeſicht Jeſu Chriſti;
Es glaͤntzet von Strahlen der
Gerechtigkeit/
welche begreifft in ſich allerhand Tugenden/ den gantzenEpheſ. 4, 1.
ſeqq.

decalogum, und namentlich belangend die erſte Tafel 1. Θεοσέ-
βειαν, die Gottes-Ehrung/ durch Glauben/ Liebe/ Furcht. 2. Δοξο-
λογἰαν, die Lob- und Danckſagung/ durch leſen/ hoͤren/ Bekaͤntnuͤß/
predigen/ Segen/ beten/ Eyd-ſchwoͤhren/ fingen/ gute Ordnung.
3. Sanctificationem diei ſeptimæ Sabbathicam \& doxolo-
gicam,
die Heiligung des Sabbaths/ in welcher der Menſch von
ſeinem Thun laſſet ab/ daß Gott ſein Werck in ihm hab. Nach
der andern Tafel/ die Liebe des Naͤchſten/ durch ziemende Selbſt-
Liebe/ Naͤchſten-Liebe/ Gegen-Liebe/ Eltern-Liebe/ inſonderheit aber die
Demuth/ Leutſeligkeit/ Barmhertzigkeit/ Mit-Freude/ Lang- und Sanfft-
muth: die Keuſchheit/ Gerechtigkeit im Handel und Wandel: die Zun-
gen-Zucht/ Maͤſſigkeit/ Genuͤgſamkeit. Aus welchen allen folget
ſplendor \& ſerenum conſcientiæ,der Glantz eines guten
Gewiſſens/
darein Gott geluͤſtet zu ſchauen. Nihil hâc luce clarius,
nihil hoc glorioſius teſtimonio, cum veritas in mente fulget, \& mens in
veritate ſe videt,
Was iſt heller als ein ſolches Liecht? was herrlicher als
ſolches Zeugnuͤß? wann die Warheit im Gemuͤthe leuchtet/ und das Ge-
muͤth in der Warheit ſich beſpiegelt/ wie Bernhardus redet.


G g 3III. Imago
[238]Die Neunzehende (Fünffte)

III. Imago fructuoſa,Ein nuͤtzliches Bild. Ein bloß
Gemaͤlde oder Bild gibt weder kalt noch warm; Jene Voͤgel flogen zwar
Zeuxidis des kunſtreichen Mahlers an der Wand gemahlten Trauben zu/
daran zu picken/ aber ſie flogen mit leeren Baͤuchlin davon; Aber Gottes
Ebenbild im Menſchen iſt kein eitel und unfruchtbar Weſen/ ſondern es
Matt. 7, 17.hat ſeine edle Fruͤchte gleich einem Baum/ das ſind die guten Gott wol-
gefaͤlligen/ aus guter intention, durch gute Mittel aus Glauben nach der
bewaͤhrten regul des Geſetzes herflieſſende gute Werck/ dieſelben ſind
und heiſſen nicht merita aut media ſalutis vel acquirendæ vel
conſervandæ,
Verdienſt-Mittel die Seligkeit entweder zu
erwerben oder zu erhalten;
Jſt beydes unrecht geredt: Vnrecht ſind
dran die Paͤpſtler/ wann ſie aus guten Wercken Verdienſt machen/ theils
die Gerechtigkeit zu vermehren/ theils die glori zu ererben/ dann es mangelt
ihnen an allen Stuͤcken eines rechten Verdienſts; ſie ſind nicht unſer/ ſie
entſpringen nicht aus unſern natuͤrlich-eigenen Kraͤfften/ ſie ſind nicht
indebita,ungepflichtete Werck/ die in unſerer Freyheit ſolche zu thun
Luc. 17, 10.oder zu laſſen ſtuͤnden/ ſondern wann wir alles gethan haben/ was
uns befohlen iſt/ ſollen wir ſagen: Wir ſind unnuͤtze Knechte/
wir haben gethan/ was wir zu thun ſchuldig geweſen.
Viel-
weniger ſind ſie proportionirt und gleichesvalors, wann man ſie
gegen der ewigen/ unendlichen Gerechtigkeit und Seligkeit abwegen ſolte;
Ebenmaͤſſig ſind auch die Werck nicht media neceſſaria,noth-
wendige Mittel die Seligkeit zu erhalten oder zu erlangen/

wie die Majoriſten geſchwaͤrmet: Wolte Gott ſie haͤtten nicht magnos
Rom. 3, 20.
c. 4, 6.
c. 11, 6.
Eph. 2, 8.
Tit.
3, 5.
hinder ſich gelaſſen! dergleichen leidet die Schrifft nicht/ ſetzt allzuſtarcke
excluſiva entgegen/ Rom. 3. cap. 4. c. 11. Epheſ. 2. Tit. 3. nicht aus den
Wercken/ auch denen nicht ſo da geſchehen ἐν δυκαιοσύνη, in der Gerechtig-
keit. Nicht den Wercken/ fondern dem Glauben allein wird die conſer-
vatio
und Erhaltung zugemeſſen.


Wollen wir aber wiſſen/ was gute Wercke ſind/ und wofuͤr
man ſie ſoll halten?
Antwort: Es ſind nuͤtzliche Fruͤchte der
Phil. 1, 11.
Tit. 2, 10.
Matth. 5,
16.
Rom.
8, 12.
Gerechtigkeit/ Phil. 1. herrlicheornamentaund Zierrathen
der Lehre Jeſu Chriſti/
Tit. 2. ſcheinende Liechter des Glau-
bens/
Matth. 5. nothwendige Schulden der Danckbarkeit/
Rom. 8. welche/ ſo ſie unterlaſſen werden/ und nicht geſchehen/ verdam-
men
[239]Predigt.
men ſie. Woraus unſchwer abzunehmen/ wie unguͤtlich uns geſchehe
von den Laͤſter-Maͤulern im Papſtumb/ die uns folgende/ in Ewigkeit
unerweißliche παράδοξα auffſattlen. Bellarminus ſchreibet: Wann manBell. l. 4. de
Iuſtif. c.
1.

der Lutheraner principia und die meiſten Lehren und Schrifften Lutheri
wol und genau betrachtet und examiniret/ ſo erhelle daraus/ daß der
Menſch einmal koͤnne ſelig werden/ wann er gleich kein gutes Werck thue.
Luthetani ſunt opericidæ, ſchreibet Leſſius: Die Lutheraner ſind Werck-
Moͤrder.


Leſſius in conſult. p. 18. confer alia dicteria collecta à D. Gerhardo l. 2. Con-
feſſ. Cath. part. 3. p.
767.’
()

Es iſt ferner der innere Seelen-SchmuckIV. Imago
glorioſa,
Ein Ehren-Bild; Ein Koͤnig oder Potentat/ der eine
Statt erbauet/ der laͤſſet irgend ſeine ſtatuam und Bildnuͤß mitten auff
dem Marckt auffrichten/ daß man wiſſe/ wer der Bau-Herr geweſen/ da-
von er bey der poſteritaͤt Ruhm habe: Alſo Gott/ nach dem Er den
macrocoſmum, den groſſen Welt-Bau außgefuͤhret durch ſeine allthaͤ-
tige Macht/ hat Er den microcoſmum, die kleine Welt den Menſchen/
als ſein ſtatuam und Bildnuͤß auffgerichtet zu ſeiner Ehr und Preiß:
Zu welchem Ende auch nunmehr das verlohrne Ebenbild wieder erneuert/
und in einem widergebornen Chriſten muß wiederumb erbauet werden/
daß der Herr der Herrligkeit dadurch geehret und geprieſen werde.


V. Imago gratioſa,Ein Gnaden-Bild; die Quell iſt
hier abermal GOTT der heilige Geiſt/ es iſt ſeine Gnade und
Werck; Es iſt hier derſanctificatorund Heiligmacher/ von ihm
entſpringet dieſubſtantiaund das Weſen des Wercks/ als einem
kuͤnſtlichen Mahler oder Schreiber/ der das Goͤttliche Geſetz ins Hertz gibtIer. 31, 33.
und im Sinn ſchreibet/ von ihm iſt des Wercks Warheit als aus Gott
gethan/ da hingegen der Vnwidergebornen Wercke nur ſind ſimulacra
virtutum,
Tugend-Schein/ Tugend-Schatten/ nicht die lebendige Tu-
gend ſelbſt; Von ihm iſt des Wercks Heiligkeit/ Freyheit/ facilitaͤt undPſ. 110, 3.
Rom. 8, 15.
2. Cor. 3, 17.
Matt.
11, 30.

Leichte; daher es kommen/ daß die Gebott Chriſti einen Widergebornen
nicht ſchwer ankommen. Was er thut/ thut er mit Liebe/ Luſt und Freude/
mit willigem Geiſt/ die Buͤrde der Goͤttlichen Gebott iſt alßdann nicht
eine beſchwerliche Laſt/ ſondern ein Fittich eines Fliegenden. Sintemal
auch die Voͤgel ein Laͤſtlein tragen/ nemlich ihre Federn/ welche ſie aber nicht
beſchweren: die Voͤgel tragen ſie/ und ſie werden von ihnen getragen: Sie
tragen ſie auff die Erde/ ſie werden von ihnen in der Lufft getragen/ ſind
Augu-
[240]Die Neunzehende (Fuͤnffte)
Auguſtini Gottſelige Gedancken; Einem Liebhaber komt alles leichte an/
was er umb des Geliebten oder der Geliebten thun und außſtehen muß/ die
Liebe uͤberzuckert alle Bitterkeit/ wie ſolches bezeuget das Exempel Jacobi/
als er ſeine Rahel lieb hatte/ und aus Liebe gegen ſie dem Laban zwantzig
Gen. 29,
20.
Jahr dienete/ welche ihn doch nur dauchte/ als werens eintzele Tage; amor
vincit omnia,
die Liebe uͤberwindet alle Dinge/ getreue und liebreiche Ehe-
gatten erfahren dergleichen. Jn Summa/ von dieſem Geiſt kom-
met auch visagendi,die Krafft zu wuͤrcken/ und das gute Werck
zu verrichten/
da dann der Vnterſcheid des Zuſtands eines Menſchen
vor und nach der Bekehrung wol in acht zu nehmen; vor der Bekehrung
Eph. 2, 5.
Ioh. 8, 36.
Rom. 8, 14.
Matth. 9, 9.
Luc. 19, 6.
Eſa. 1, 16. E-
zech. 18, 31.
Col. 3, 8.
Matt. 5, 16.
Pſal. 1, 3.
Rom. 6, 4.
c. 12, 2.
Eph. 4, 24.
2. Tim. 2,
21.
1. Ioh. 3, 3.
1. Petr. 4, 2.
1. Cor. 15,
10. 2. Cor.
13, 3. c. 3, 5.
Gal.
5, 22.
iſt der Menſch tod/ gefangen/ ohnmaͤchtig/ blind; Aber wann er bekehret
iſt und widergeboren/ da hat er ein neu Leben bekommen/ er iſt geloͤſet von
ſeiner Gefaͤngnuͤß/ wird als ein gehorſames Kind ſanfft geleitet/ er folget/
er nimmet an die Verheiſſungen und Draͤuungen/ und thut ſelbſt ex viri-
bus dativis,
aus geſchenckten und mitgetheilten Kraͤfften gute Werck/ da
laͤſſet er ſein Liecht leuchten/ er bringet ſeine Fruͤchte zu ſeiner Zeit/ er wuͤr-
cket gute Werck/ aber alles aus Gnaden; die Wurtzel ſelbſt und die
Fruchtbarkeit iſt von Gott/ gleich wie in einem Baum die fruchtbare
Krafft iſt von Gott/ aber doch wuͤrcket der Baum mit.


Auguſt. ſerm. 24. de verb. Apoſt. confer Luther. tom. 8. Witteb. in Proph.
Michæ. fol. m. 482. \& ſeqq.
()

Dieſes iſt diegratia renovatrix,die erneuernde Gnade
von dem heiligen Geiſt/
deſſen terminusund Zweck iſt das
göttliche Ebenbild/
dadurch der Menſch erneuert wird. Hieraus er-
ſcheinet nun/ welches des Menſchen höchſter Adel und vornem-
ſte Schönheit/ Schmuck und Zierrath ſeye?
nemlich nicht
1. die Welt und dero Gepraͤng;
Welt liebt das ihre/ dem Narren
gefaͤllt ſein Kolben/ Hoffart in Kleidung/ abentheuerliche Tracht/ ab-
ſurde geſtus
und gaͤuckleriſche Geberden/ das ſoll den Menſchen zieren/
ja verfuͤhren/ das iſt mundi mundus, der Welt ihr Schmuck/ davon oder
dawider man heur und fern predigt/ aber ohne Frucht/ man hoͤrets nicht
anders an/ als wann eine Ganß angepfiffen haͤtte/ niemand beſſert ſich in
dieſem Stuͤck/ und wie ungern man die Frantzoſen im Lande ſihet/ doch
will alles mitmachen/ frantzoͤſiſch ſeyn/ Franciſci Hoſen wollen nicht ver-
leiden/ ô lues gallica mala lues!Gott woll uns vor der frantzoͤſiſchen
Seuche behuͤten! 2. Nicht die euſſerliche ſchoͤne Geſtalt und
pro
[241]Predigt.
proportiondes Leibes/ daran man ſich zu Jeruſalem vergaffet/
wann man den wunderſchoͤnen Abſolon angeſehen/ deſſen Haar die ade-2. Sam. 14,
25. 26.
Ioſeph. l. 8.
c.
7.

lichen Jungfrauen nach der Schur auffgekaufft (umb zwey hundert Se-
ckel/ dann nicht glaublich/ daß Abſolon der Schwere nach ſolchen groſſen
Haar-Laſt auff dem Haupte getragen/ ſondern ſind dem precio nach ſo
theuer gewuͤrdiget und geſchaͤtzet worden) und Perrucken daraus gemacht/
und alſo in frembden Federn gepranget. Lieblich und ſchön ſeynProv. 31, 30.
iſt nichts/ ein Weib das den HERREN fuͤrchtet/ ſoll man
loben. 3. Nicht die Gemuͤths-Vernunfft und Mund-
Gaben;
wann dieſelben recht gebrauchet werden/ ſind ſie wol ein edler
Seelen-Glantz/ im fall ſie aber uͤbel und ſchaͤndlich angeleget werden/ ſo
ſchlagen ſie per accidens aus zu Greueln: beyneben auch diß anzumercken/
daß die χαρίσματα adminiſtrantia, die Ampts-Gaben geringer/ als die
heiligmachenden Gaben zu ſchaͤtzen ſeyn/ ſintemal propter quod unum
quodque tale, id magis tale,
die Ampts-Gaben ſind umb der Heiligma-
chenden willen gegeben/ darumb ſind dieſe hoͤher zu achten als jene;
Der HERR hat nicht Luſt an der Stärcke des Roſſes/ ſon-Pſ. 147, 10.
11.

dern hat Wolgefallen an denen die ihn fuͤrchten; Man lobe
einen ſo hoch man woll/ mache einen zum miraculo mundi, wann das
Leben und Wandel nicht conſpirirt und mit eintrifft/ ſo iſt es nichts!
Nicht 4. die Phariſeiſche Schein-Heiligkeit/ der bloß-euſſer-
liche Tugend-Glantz/ von auſſen lauter Biſam/ von innen Koth: auß-
wendig ein Engel des Liechts/ inwendig und in der That ſelbſt ein boͤſer
Butz/ euſſerlich ein Himmel/ innerlich eine Hoͤll.


Sondern 5. der rechte Schmuck/ das rechte beſtaͤndige
Seelen-Liecht/ der innere Schmuck/ des Königs Tochter iſt
gantz herrlich inwendig/
Pſal. 45. iſt das edle/ leuchtende/Pſal. 45, 14.
fruchtbare/ herrliche/ Eben- und Gnaden-Bild/ das machet
den Menſchengratioſum,zu einem Gnaden-Kinde
Gottes/
daß derſelbe Gnade find fuͤr Gott/ wie Joſeph fuͤr ſeinemGen. 39, 3.
Eſth. 2, 17.
Nehem. 2,
8.
Auguſt. in
Pſal.
85.

Herren/ Eſther fuͤr ihrem Koͤnige/ Nehemia fuͤr Artaſaſta. Es machet
den Menſchen heilig; Ein Glaubiger iſt in Chriſto/ als ſei-
nem Haupt ein Glied Chriſti/ ſchreibt Auguſtinus, wann du dich nicht
heilig nenneſt/ biſtu und anckbar; Sage zu deinem Gott: Jch bin hei-
lig/ dieweil du mich geheiliget haſt/ dieweil ichs empfangen/ nicht weil ichs
Sechſter Theil. Hhaus
[242]Die Neunzehende (Fuͤnffte)
aus mir hab; dieweil du mirs gegeben haſt/ nicht weil ichs verdienet hab:
Dieſes iſt keine Hoffart eines Stoltzen/ ſondern eine offentliche Bekaͤntnuͤß
eines danckbaren Hertzen. Es machet den Menſchen amabilem Deo,
lieb und angenehm nicht nur bey GOTT/ ſondern befoͤrdert ihn
zur Geſellſchafft der heiligen Engel/ machet ihn wolgefaͤllig bey den Men-
fchen: gleich wie im Gegentheil ein unehlich Kind/ von einer ehebreche-
riſchen Mutter geboren/ einem Ehemann ein Greuel iſt; alſo auch ein
Menſch/ wann er mit des Teufels Larv noch vermummet fuͤr Gott.


Wo finden wir abermal ſolche Schoͤnheit/ ſolchen Schmuck? Sie iſt
ein ſeltzam Wildpret! Wie gar will doch niemand ſich erneuern/ den alten
Menſchen außziehen? wie tieff iſt doch der alte genius, die ratio ſtatus und
der alte Sauerteig/ die alte boͤſe Gewohnheit eingewurtzelt in Lehr und Le-
ben? welches Hercules Arbeit hat der ſelige Lutherus außſchoͤpffen muͤſ-
ſen/ da er den alten Paͤpſtiſchen Sauerteig außzufegen ſich bemuͤhet? wie
hat man ihn deßwegen außholhippet/ fuͤr ein Neuling geſcholten/ da er doch
nichts neues auff die Bahn gebracht/ ſondern allein das alte erneuert/
keine neue Lehr formirt/ ſondern die alte reformirt/ kein neues Liecht auff-
geſtellt/ ſondern das alte gebutzet/ und von deſſen Vnrath und Vnflath
() vid. Ber-
negg. qq.
ad Tacit.
q.
107.
gereiniget. Jm Leben bleibts beym alten Trab/ () Sic ſeculum eſt, pflegt
man zu ſagen/ es iſt ietzt ſo der Gebrauch und die Manier. Inter cauſas
malorum noſtrorum eſt, quod vivimus ad exempla!
Das iſt alles Jam-
mers eine Vrſach/ daß wir nur auff anderer Leute Exempel ſehen: Man-
cher meynet/ alleman Schuhe muͤſſen nach ſeinen Leiſten gemacht werden.
Wo bleibt aber das einige rechte vor Gott dem Herren ſelbſt-gewei-
hete Exempel aller Tugend/ das Ebenbild Gottes/ ſo in Chriſto unſerm
Heiland geleuchtet? wem beliebt dieſer Spiegel? wem die conformation
und Bildung nach demſelben? Nun es muß ſeyn: Wer Gottes Bild
in ſeinem Hertzen nicht wiſſen oder leiden will/ der muß des Sathans
ſcheutzliche Suͤnden-Larv beherbergen. Wir ſind zu guten Wercken er-
Eph. 2, 10.ſchaffen/ erloͤſet und geheiliget; Wiſſet ihr nicht/ daß ihr Gottes
Tempel ſeyt/ der ihn heiliget?
Wir muͤſſen uns taͤglich erneuern/
Chriſtus will neue Leute haben in ſeinem Reich/ Ohne ſolche Heili-
Hebr. 12,
14.
Luc.
19, 24.
gung wird GOTT niemand ſehen. Hier ſtehen die Goͤttlichen
Gebott/ Verheiſſungen/ Draͤuungen und Exempel; Der reiche Schlaͤm-
mer ſchreyet aus der Hoͤllen Schlund heraus: Jch leide groſſe Qual
umb guter Werck Vnterlaſſung willen. Eins unter dieſen zweyen haſtu
Luc. 16, 24.O Menſch zu erwehlen/ diſcite juſtitiam moniti, nec temnite Jovam,
Ehret
[243]Predigt.
Ehret Gott und fuͤrchtet ſein Gerichte: Nimm an/ entweder ἀνάϑημα
oder ἀνάϑεμα, Schmuck oder Fluch/ aut ara aut hara! Gottes Hauß oder
des Schwein-Stall.


Ach Gott/ moͤcht iemand ſagen: ein ſolch ſtreng heiliges Leben
und ſo gethaue Erneuerung nach der Schnur des Goͤttlichen Worts ge-
meſſen/ ſo dem Ebenbilde Gottes in Chriſto Jeſu Spiegel-klar und pur
aͤhnlich/ iſt mir armen Menſchen zu leiſten unmoͤglich/ meine Werck ſind
unvollkommen/ die Suͤnde wohnet in mir/ das Fleiſch widerſtrebet
dem Geiſt; Ach daß ich mit allem Ernſt Gottes Rechte halten koͤnte/ daß
es in meinem Vermoͤgen were! kaum erwehr ich mich einer Suͤnde/ bald
kommt die ander/ der Fuß iſt mir bald unterſchlagen/ Antwort: GottLuth. tom.
8. Witteb.
ad Oſeam
p. 336. \& in
Prophet.
Michæ.
p.
467.

weiß wol/ daß du nicht zur Vollkommenheit in dieſer Welt kanſt gelangen/
biß auffs lotzte conſummatum eſt; da gehet die Vollkommenheit erſt an/
Da wird ihm Chriſtus ſelbſt darſtellen eine Gemeine/ die nicht
habe einen Flecken/ oder Runtzel/ oder des etwas/ die da gantz
heilig ſey und unſträfflich.
Koͤnnen wir den Zehenden nicht brin-
gen von unſern Fruͤchten/ der Herr laͤſt ſich auch contentiren mit den
Erſtlingen/ die ſind als die Zarteſten auch die Liebſten/ ob gleich die gantze
Ernd noch nicht eingeſamlet worden; gleichwol aber ſo gefaͤllet ihm
der
conat,die Befleiſſigung eines guten Gewiſſens/ der Eifer/Act. 24, 16.
Tit. 2, 7.
Phil.
3, 13.

die Angelegenheit. Ein Herr der kein Tyrann iſt/ nimmt vorlieb mit
ſeinem Knechte/ wann er erſt neulich von einer Kranckheit auffgeſtanden/
mit dem conat und Vnterſtand ſeine Pflicht und Dienſte zu leiſten/ ob ers
gleich noch nicht vollbringen kan. Gradus perfectionis,die Staffel
der Vollkom̃enheit gefaͤllt Gott wol/
ob man wol die perfection und
Vollkom̃enheit des gradus nicht erſteigen oder erreichen kan/ ἀκρὸν λάβε καὶ
μέσον ἕξεις! ſtrebe nach dem hoͤchſten/ ſo wirſtu doch noch in der mitten
bleiben. Dieſincerität/ die Auffrichtigkeit/ wie ſie in Job ge-1. Tim. 1, 5.
Iob. 31, 1.
ſeqq.
v. Luth. ad
Geneſ. 20.
p.
146.

weſen/ als ſolches bezeuget ſein Tugend-Spiegel/ Job. 31. Dieſimpli-
cit
aͤt/ Hirten-Einfalt/ Abrahamiſche Enfalt/ Moſes Einfalt.
Jn der legend des allerheiligſten Patriarchen/ im Leben Abrahams wird
keines ſelbſt erwehlten Moͤnchen- und Nonnen-Werck/ Kloſter-Geluͤbd/
und ſtrengen Ordens-Leben gedacht: ſondern ſie wurden gelobt von ein-
faͤltiger Gottesfurcht/ Tugend-Fleiß/ Zucht-Liebe/ nach der regul des Goͤtt-
lichen geoffenbarten Willens/ uns zur Nachfolge.


Es wird ſo gethaner guten Werck der reicheAct. 10, 4.
Vergelter alles guten gedencken/ da im Gegen-Theil der
Hh 2Gottlo-
[244]Die Zwantzigſte (Sechſte)
Gottloſen Werck werden ins Waffer geſchrieben ſeyn/ dieſe in Gottes dia-
rum, chronic,
und Tag Buch/ wie Mardochai treue Dienſt in des Koͤnigs
Eſth. 2, 23.
Plin. l.
36,
12.
Ahaſveros Chronic auffgezeichnet worden. Das Gedaͤchtnuͤß der in
Egypten vorzeiten auffgerichteten Pyramidum und dergleichen Aucto-
rum
iſt langſt verſchwunden: die Namen derſelben Bauleute ſind ver-
loſchen: Vrſach/ es waren vanitaͤten und Puppenwerck/ aber der recht-
ſchaffenen in Gott gethanen guten Wercke wird nimmer vergeſſen
werden/ Der HERR wird alles vergelten/ nicht zwar opera, die
Werck an ſich ſelbſt/ ſondern ſecundum opera, nach den Wercken; Vnd
dieweil Gott befihlet/ was wir nicht koͤnnen/ damit wir wiſſen moͤgen/
was wir bitten ſollen/ ſoll dieſes unſer taͤglicher Wundſch ſeyn/ aus dem
Pſ. 143, 10.143. Pſalm: Lehre mich/ OHERR thun nach deinem Wol-
gefallen/ dann du biſt mein GOTT/ dein guter Geiſt fuͤhre

Pſ. 119, 133.mich auff ebener Bahn. Laß meinen Gang gewiß ſeyn in
deinem Wort/ und laß kein Vnrecht uͤber mich herrſchen;

1. Theſſ. 5.
23. 24.
und aus 1. Theſſ. 5. Der GOTT des Friedes heilige mich/ ge-
treu iſt er/ der euch ruffet/ der wirds auch thun/ Amen.


Hier ſolte nun folgen die troͤſtende oder Troſt-Gnade
des H. Geiſtes/ dieweil ich aber nach entledigung gegen-
waͤrtigen Texts/ dieſelbe in einem andern dazu erwehlten
Text fuͤrzutragen vorgenommen/ wird ſolche tractation
dahin verſparet.



Die Zwantzigſte


Vber den dritten Articul/ und uͤber die Wort
St. Pauli 1. Corinth. 3/ 16. 17.


Die Sechſte Predigt/


Von den Kenn-Zeichen des Tempels
des H. Geiſtes.


GEliebte in Chriſto: Je und allezeit iſt die Frage in der
Chriſtlichen Kirchen ventilirt und auff die Bahn gebracht
worden: Quodnam templum Spiritus ſancti?
Welcher Menſch ein rechter Tempel und Woh-
nung
[245]Predigt.
nung des heiligen Geiſtes ſey? wo Gottes Geiſt wohne?
darauff St. Paulus allhier deutet: Wiſſet ihr nicht/ daß ihr Got-
tes Tempel ſeyt/ und der
Geiſt Gottes in euch wohnet? oder
welches gleichviel: Wiſſet ihr nicht/ daß ihr den wahren ſeligmachenden
Glauben habt/ gerecht fuͤr Gott worden/ Kinder und Erben Gottes? ſin-
temal dieſe elogia in Moſis Theologiâ reciproca ſind. Wer glaubet/ der
hat den Heiligen Geiſt/ \& contrà, wer den H. Geiſt hat/ der glaubet; dann
der Heilige Geiſt wird empfangen und fovirt durch die Predigt des Glau-Gal. 3, 2.
Rom. 5, 1.
c. 8, 9. 15.
Ioh.
1, 34.

bens/ wer gerecht worden durch den Glauben/ der iſt im Geiſt/ ſo iſt der
Geiſt ein Geiſt der Kindſchafft. Johannes folgert wol/ der Heilige Geiſt
bleibet auff Chriſto/ darumb iſt er der Sohn Gottes/ und wiederumb:
Dieſer iſt der Sohn Gottes/ darumb bleibet der Heilige Geiſt auff ihm-


Jſt Quæſtio ardua \& difficilis,eine ſehr ſchwere
Frage wegen der Heucheley;
Heucheley machet die deciſion ſchwer
auff einer Seiten/ auff der andern die inadvertentia characterum, die
Vnmerckſamkeit der Kenn-Zeichen; Moſis Widerſacher die ZaubererExod. 8, 19.
2. Tim.
3, 8.

Jannes und Jambres/ die wolten ohne zweifel fuͤr keine Teufels-Maͤn-
ner gehalten werden/ ſondern fuͤr Goͤttliche organa, Gottes Werckzeuge/
biß der Finger Gottes die deciſion gab; Micha und Zedekia erſcheinen1. Reg. 22,
24.

beyde mit Traͤumen fuͤr Achab/ jener widerrieth den Zug gen Ramoth;
dieſer rathet dazu/ was? ſagt er/ hat mich dann der Herr verlaſſen?
Micha wird mit Faͤuſten abgezwaget. Paſſur und Jeremia kommenIer. 20, 1. 2.
auch in contention, Paſſur gewinnets vor der Welt/ Jeremias wird in
die Hafft gezogen als ein Vnſinniger; Die Mutter Gottes/ ſo voll desMatt. 1, 18.
19.

Heiligen Geiſtes geweſen und ſchwanger vom Heiligen Geiſt/ kommet bey
ihrem eigenem Braͤutigam Joſeph in ungleichen Verdacht: unſer liebſterc. 10, 25.
Actor.
2, 13.

Heiland ſelbſt muß mit dem Beelzebub beſeſſen ſeyn: Die Apoſtel/ die der
Heilige Geiſt mit Feuer gecroͤnt/ muͤſſen voll ſuͤſſes Weins ſeyn: Zvving-
lius,
Carolſtad/ Müncerus und andere himmliſche Propheten/ die haben
den Heiligen Geiſt mit Federn gefreſſen/ aber Lutherus muß ein Zaͤncker
ſeyn und δαιμονοδίδακτος, Er muß eine Teufels-Lehre fuͤhren; und ſo ge-
hets noch heutigs Tages/ mancher Abfalon und Judas haͤlt hinder dem2. Sam. 15,
7. 8. Ioh.
12,
4. 5. 7.

Berge/ fuͤhret den Schein/ als were es ihm umbs Opffer oder umb die
Armen zu thun/ und iſt ein Schalck und Phariſeer in der Haut; ein ander/
der mit der Kunſt nicht ſo wol kan umbgehen/ muß Suͤnder ſeyn.


Noch gleichwol iſt es Quæſtio neceſſaria,eine ſehr noth-
wendige Frage/
und muß dieſer Scrupel eximirt/ das Gewiſſen geſaͤtti-
Hh 3get
[246]Die Zwantzigſte (Sechſte)
get und beruhiget werden/ wir muͤſſen die Geiſter pruͤffen/ ob ſie aus Gott
ſind/ ja uns ſelbſt pruͤfen/ ob wir Gottes Kinder ſeyen/ gerecht/ glauben/ ob
der Heilige Geiſt in uns wohne? ſonſt wird St. Paulus einen ſcharffen
Verweiß thun/ und ſagen: Wiſſet ihr nicht/ ſeyt ihr ſo weit noch nicht
kommen in eurer geiſtlichen logiſtic, auff die δοκιμασίαν reflexam, daß
ihr euch ſelbſt pruͤfen koͤnnet/ das ſoll euch eine Schande ſeyn.


Jſt endlich Quæſtio deciſa,eine außgemachte Frage/
Rom. 8, 16.entſcheidet und beantwortet von Gott dem Heiligen Geiſt; Gottes
Geiſt gibt Zeugnuͤß unſerm Geiſt;
Aber mit was fuͤr Kenn-Zei-
chen? Eben mit denen jenigen/ mit welchen der Herr Chriſtus in der
Tauffe am Jordan bezeichnet wurde; die Evangeliſten zeigen derſelben
vier Merckmahl an/ daraus ſo wol Johannes geſchloſſen und auch wir
verſichert/ ja er ſelbſt des H. Geiſtes verſichert geweſt; Der erſtechara-
cter
iſtteſtimonium verbale,die Stim̃ des Vaters vom Him-
mel; Du biſt/
ſagt Er zu Chriſto ſeinem Sohne/ mein lieber Sohn/
an dem ich Wolgefallen habe. Der andere iſt
teſtimonium
ſacramentale,
die Auffthuung der Himmel und ein liecht-
heller Strahl/
durch welchen bezeichnet worden/ daß die Himmel ſich
Columba
tàm verè
viva quàm
verè erat
Spiritus S.
Tertull.
Jhm auffgethan/ ſo dann auch die Taube/ welche ſo gewiß lebendig/ als ge-
wiß und warhafftig es der H. Geiſt war/ ſchreibt Tertullianus.Der dritte
iſt
teſtimonium reale,der Trieb des Heiligen Geiſtes/ auff die
cathedram und Lehr-Stul/ ans Creutz/ zu lehren/ Wunder zu thun/ zu
leiden/ ſonderlich zu dem geiſtlichen Kampff in die Wuͤſten/ daß er verſuchet
wuͤrde; und dann endlich μονὴ, die Bleibung/ daß der Heilige Geiſt
Ioh. 1, 33.auff ihm blieben/ Johannes ſagt c. 1. Er hab ihn zuvor von Ange-
ſichte nicht erkant/ aber der mich ſandte zu taͤuffen mit Waſſer/
der ſprach zu mir/ uͤber welchen du ſehen wirſt den Geiſt
herab fahren/ und auff ihm bleiben/ derſelbige iſts/
(verſtehe wie
bald folget/ und Johannes bezeuget) der Sohn Gottes.Hæc no-
bis cynoſura, hæc norma,
dieſes ſoll unſere Leuchte/ unſere
regulund Richt-Schnur ſeyn/ deren wir nachgehen/ und auff die
Frage: Woher weiſtu/ daß du ein Tempel Gottes des Heiligen
Geiſtes ſeyeſt? antworten: Gott der Heilige Geiſt gebe hiervon zu
ſeiner Ehr und Staͤrckung unſers Glaubens fruchtbarlich zu redẽ/ Amen.


Der
[247]Predigt.

DEr Menſch verſtehet nicht was Gottes iſt/ es ſeye dann/ daß
der Geiſt/ der die Tieffe der Gottheit forſchet/ ſelbſt ſol-1. Cor. 2,
10.
Rom.
8, 15.
16.

ches offenbare/ wie dann er derſelbe iſt/ der Zeugnuͤß gibet unſerm
Geiſt/ wir haben den Geiſt aus Gott empfangen/ daß wir wiſſen koͤnnen/
was uns von Gott gegeben iſt; und iſt ſein μαρτυρία und Zeugnuͤß
I. verbalis,ſo da geſchicht durchs Wort; lange Weile/ Enthu-
fiaſtiſche Gelaſſenheit/ Traͤume und unmittelbare Erſcheinung/ Stockwer-
dung/ Entgroͤbung/ Vergeiſterung und ſtiller Sabbath taugen hier nichts/
ſondern das geoffenbarte im Hertzen beygelegte Wort Gottes/ das iſt das
Zeugnuͤß/ dadurch der Geiſt Gottes in uns zeuget/ dadurch das menſch-
liche Hertz uͤberfuͤhrt/ folgender geſtalt ſchlieſſet: Wem die Suͤnde ver-
ziehen iſt/ der iſt gerecht/ ein ſeliges Kind Gottes und Wohnung des Heili-
gen Geiſtes; Dann ſelig iſt der Mann/ welchem GOTTRom. 4, [3].
keine Sůnde zurechnen kan! Nun zeuget der Heilige Geiſt nicht
nur in univerſum vnd ins gemein/ ſondern auch in individuo und einem
ieglichem inſonderheit: Dir ſind deine Suͤnde verziehen; dann
ſo redet Gott ſelbſt in ſeinem Wort dich an (wie dann kein Menſch Got-
tes Wort anders hoͤren noch leſen ſoll/ als redete ihn Gott in ſingulari an)
Lobe den HERREN meine Seele/ und vergiß nicht/ was ErPſ. 103, 2 3.
mir guts gethan hat! Er hat DJR alle deine Suͤnde vergeben/
und deine Gebrechen geheilet. Mir haſtu Arbeit gemacht
Eſa. 43, 25.
mit deinen Suͤnden/ und haſt mir Muͤhe gemacht mit deinen
Miſſethaten/ Jch/ Jch tilge DEJNE Vbertretung umb
meinet willen/ und gedencke deiner
Suͤnde nicht! Glaubſtu daß
wahr ſeyn oder nicht? Jſts nicht wahr/ ſo machſtu Gott zum Luͤgner.
Haͤlteſtu es fuͤr wahr/ ſo glaubeſtu ja. Wer da glaubet an den Sohn1. Ioh. 3, 10.
Gottes/ der hat ſolch Zeugnuͤß bey ihm; wer GOTT nicht
glaubet/ der machet ihn zum Luͤgner;
Jch weis/ du wirſt dem Hei-
ligen Geiſt muͤſſen gewonnen geben/ Ja und Amen ſagen/ und ſo glau-
beſtu; du wirſt ſagen mit dem Vater des Monſuͤchtigen: Lieber HErr/Marc. 9, 24.
Matt.
9, 28.

ich glaube! mit den Blinden/ Matth. 9. Ja HERR/ wir glau-
ben/ daß du ſolches thun kanſt!
mit den Juͤngern/ Johan. 6. DuIoh. 6, 68.
69.

haſt Wort des ewigen Lebens/ und wir haben geglaubet/ daß
du biſt Chriſtus der
Sohn des lebendigen Gottes! mit dem
Kaͤmme-
[248]Die Zwantzigſte (Sechſte)
Act. 8, 37.Kaͤmmerer/ Actor. 8. Jch glaube/ daß Jeſus Chriſtus Gottes
c. 10, 43.Sohn iſt/ ꝛc. von welchem alle Propheten zeugen/ daß in ſei-
nem Namen Vergebung der
Suͤnden empfahen alle/ die an
ihn glauben.
Das iſt die συμμαρτυρία und Mitzeugnuͤß des
Aug. l. 13.
de Trinit.
c.
1.
Hertzens und Gewiſſens/ von welcher Auguſtinus alſo ſchreibet:
Suam quisque fidem in ſeipſo videt, eamq́ue tenet certiſſimâ ſcientiâ,
Ein ieglicher ſihet und empfindet ſeinen Glauben in ihm ſelbſt/ und haͤlt
daran ſteiff und feſt. Was iſt nun uͤbrig/ als die unuͤberwindliche/ un-
auffloͤßliche concluſio: Derohalben ſo bin ich gerecht/ ſo bin ich
ein Kind Gottes/ ſo habe ich den Heiligen Geiſt.


II. Μαρτυρία ſacramentalis,das ſichtbare ſacramentliche
Ioh. 4, 48.Zeugnuͤß/ iſt ein theures Zeugnuͤß; Wann ihr nicht Zeichen und
Wunder ſehet/ ſo glaubet ihr nicht/
ſpricht Chriſtus Joh. 4. zu dem
1. Ioh. 5, 8.Ende ſind die Sacramenta geordnet/ ſo da zeugen durch das Waſſer und
Blut/ dadurch nicht allein Gnade/ Heil/ Gerechtigkeit/ Kindſchafft/ Glau-
be/ Heilige Geiſt gegeben/ ſondern auch verſiegelt werden; Ja der Hei-
2. Cor. 1, 21.
22. Eph. 1,
13. 14. c.
4,
30.
lige Geiſt als das Pfand unſers Erbes wird als eine Arrha dargegeben/
das iſt ein Hafft- und Gottes-Pfennig unſers himmliſchen Erbes; Jſt
nicht eine bloſſe Gabe oder Geſchenck/ ſondern eine Pfand-Gab/ viel koͤſt-
licher und bewaͤhrter als wann einem eine guͤldene Kette von einem Koͤ-
nige verehret wuͤrde; Jſt auch nicht ein ſolches Pfand/ das wieder koͤnte
zuruͤck genommen werden/ wann die Verheiſſung geleiſtet und die Schuld
bezahlet/ ſondern arrha irrevocabilis, ein unwiderruffliches Pfand/ ſo
lang der Menſch Glauben haͤlt. Jſt ein ſtuͤck und voraus von der gantzen
Summa der himmliſchen Guͤter/ wie ein Braut-Schatz; Vnd das mey-
1. Cor. 12,
13.
net der Apoſtel/ wann er ſaget 1. Cor. 12. Durch einen Geiſt ſind wir
alle getaufft/ zu einem Geiſt getraͤncket.
Vnd gehet mit dieſem
Zeugnuͤß ſo her: Der Diener ſagt im Namen des Heiligen Geiſtes/ deſſen
Ampt er fuͤhret: Jch tauffe dich im Namen Gottes des Vaters/
Sohns und Heiligen Geiſtes/ das iſt: Jch erklaͤre dich oͤffentlich/
und inaugutire dich/ daß du ſeyn ſolt ein Kind des Vaters/ eine Geſpons
des Sohns/ ein Tempel des Heiligen Geiſtes. Wiederumb beym Tiſch
des Herren:Nim hin und iß/ das iſt der wahre Leib Jeſu
Chriſti/ fuͤr deine
Sůnde in den Tod gegeben! Nim hin und
trinck/ das iſt das wahre Blut Jeſu Chriſti/ fuͤr deine
Suͤnde
vergoſ-
[249]Predigt.
vergoſſen. Jſts wahr/ was Gott durch ſeinen Diener der Geheim-
nuͤß an Gottes ſtatt redet/ oder iſts falſch? das ſey fern/ daß es ſolt Luͤgen
ſeyn! darumb ſo iſt es wahr! davon wird erwecket die συμμαρτυρία
und Mitzeugnuͤß im Hertzen/ daß es ſpricht Ja und Amen! und
alſo ſchlieſſet/ darumb biſtu gerecht; darumb biſtu ein Kind Got-
tes; darumb biſtu ein Tempel des heiligen
Geiſtes.

ἀνωποτα-
μῶν ἰερῶν
χωροῦσει
πηγαὶ.
Rom. 8, 14.
Gal.
5, 18.

III. Raptus \& ductus Spiritus ſancti,der Zug und
Trieb
Gottes des heiligen Geiſtes/ die der Geiſt Gottes treibet
und regieret/ die ſind
Gottes Kinder; die er treibet wie der Wind
das Schiff/ wie ein Reuter ſein Pferd/ dem er die Sporen gibt/ denen er
die ſuͤndliche Welt verleidet/ die ſuͤndliche Vnart zu fuͤhlen gibt/ ihre Be-
gierden empor erhebt/ ad ἀνωφρόνητιν, daß ſie ſuchen was drobenCol. 3, 1.
Rom. 5. 2.
Matth.
1,
20. 21.

iſt/ Er treibet ſie zum freudigen Zutritt zum Gnaden-Stul/ haͤlt ſie ab vom
boͤſen/ wie Joſeph/ treibet zu andaͤchtigem Gebet/ Danckſagung/ Pſalmen
und geiſtlichen lieblichen Liedern/ zum geiſtlichen Kampff wider Fleiſch und
Blut/ und Daͤmpffung boͤſer Begierden des alten Adams/ zur correction
und Beſſerung/ wo irgend ein Mißtritt begangen were worden/ zu emſi-
gen/ redlichen/ unfaulen Ampts-Verrichtungen ohne Falſchheit/ Geld/
Welt und reſpect ſuchen/ dann wer unzimlichen reſpect in allen Sachen
ſuchet/ dem wird mit deſpect abgedanckt/ welche unfehlbare Zeichen ſind
des inwohnenden Heiligen Geiſtes/ dann weſſen das Hertz voll iſt/c. 12, 34.
gehet der Mund ůber; Zacharias iſt unglaubig/ darumb wird erLuc. 1, 20.
Pſ. 116, 10.
1. Cor.
12, 3.

ſtumm; hingegen machet der Glaube beredt/ Niemand kan Jeſum
einen HERREN nennen ohne durch den H. Geiſt.
Am
allermeiſten aber gehoͤret hieher der Trieb in die Wuͤſten/ der Streit-Trieb/
der Creutz-Trieb/ darauff folgende Gedult und Großmuͤthigkeit; das iſt
das Wappen/ mit welchem Gott der Heilige Geiſt ſeinen Tempel be-
zeichnet; da im Gegentheil (ſind Lutheri Wort) Welt-Kinder gemei-Luth. tom.
3. Ien. in
Proph. Ha-
bac. p.
233.

niglich Loͤwen/ Baͤhren/ Woͤlfe und andere wilde Thier im Schilde fuͤhren/
dann das bedeutet ihre Art.


Jm Papſtumb iſt alles voll Creutz/ aber geſchnitzelt/ hoͤltzen/ ſchein-
heiliges gemachtes Creutz/ die Kirchen ſind mit Creutz-Figuren gezeichnet/
alle voll Crucifix/ daraus ſoll man ſchlieſſen/ hier wohne Gott! Jſt
weit gefehlet/ das rechte warhafftige Creutz/ ſo von Gott zugeſendet wird/
der Trieb in die Wuͤſten/ in die Einoͤde/ da der Menſch verlaſſen/ mit An-
fechtung ringen muß/ das iſt das Tav der Gezeichneten an der Stirn/Ezech. 9,
4. 5.

Sechſter Theil. Jidas
[250]Die Zwantzigſte (Sechſte)
das iſt ein Tempel des Heiligen Geiſtes/ daher entſpringet die
rechte συμμαρτυρία und Zeugnuͤß im Hertzen: Wo das liebe guͤldene
Creutz einkehret/ wo dem Menſchen unſchuldig/ unverdienter Weiſe ein
Creutz zuſtehet/ daß ſein Glaube/ ſeine Gedult/ ſeine Großmuͤthigkeit dar-
durch verſuchet wuͤrde/ es ſey ein Seelen-Creutz/ Leibes-Creutz/ Gluͤcks-
Creutz/ Ehren-Creutz/ wie es den Namen hab? Wo ſag ich/ wie ſchlieſſet
Matth. 4, 3.alsdann der Sathan durch die Vernunfft/ Nicht Kind Gottes/ biſtu
Gottes Sohn/ ſo ſprich/ daß dieſe
Steine Brod werden/ oder
c. 27, 40.kanſtu es nicht/ ſo biſtu nicht Gottes Kind; biſtu Gottes Sohn/ ſo
ſteige herab vom Creutz/
Gottes Geiſt hat dich verlaſſen; das war ein
paralogiſmus, Sophiſterey uͤber alle Sophiſterey und Falſchheit. Aber
wie ſchlieſſet der Heilige Geiſt? GOTT wohnet bey denen/ die
Pſ. 34, 19.
Eſa. 57, 15.
Pſ.
102, 10.
11.
zerſchlagenes und demuͤthiges Geiſtes ſind; Wo Creutz iſt/ da iſt
Gott daheim/ der Gottloſe gruͤnet wie ein Lorbeerbaum/ der iſt Chriſtia-
nus lucis,
ein Gluͤckes-Kind; Aber wie ſagt der heilige Prophet David?
Jch eſſe Aſchen wie Brod/ und miſche meinen Tranck mit
vid. Cram.
ad Pſ.
102.
weinen/ fuͤr deinem Draͤuen und Zorn/ der iſt ein Chriſtianus cru-
cis,
ein Creutz-Kind/ Creutz iſt des Heiligen Geiſtes (wo Er wohnet)
Rom. 8, 17.Gaſt-Recht. Creutz iſt der Fahnen Jeſu Chriſti/ doch daß wir mit
leiden.
Chriſtus wohnet mit ſeinem Geiſt gern bey den Creutz-Bruͤdern/
Matth. 9,
24, 25.
aber die Pfeiffer und Lachende treibet Er aus; Ja welches noch mehr/
Creutz iſt ein ſignum μονῆς, ein Zeichen des innwohnenden und innblei-
benden Heiligen Geiſtes/ derowegen iſt Beſtaͤndigkeit vonnoͤthen: Selig
ſeyt ihr/ wann ihr geſchmaͤhet werdet ůber dem Namen Chri-
ſti/
(das iſt als Chriſten unſchuldig) dann der Geiſt/ der ein Geiſt
1. Pet. 4, 14.der Herrligkeit und Gottes iſt/ der ruhet auff euch/ ſagt St. Pe-
trus 1. Pet. 4.


Erras Frater, erras, ſi putas unquam Chriſtianum perſecutionem non
pati: Tunc maximè oppugnaris, cum te oppugnari neſcis. Tranquillitas illa
tempeſtas eſt. Hieron. ad Heliodor.
()

Dannenhero derIV. characteruud Kenn-Zeichen iſt μονὴ,
conſtantia,die Beſtändigkeit;Felix hatte auch einen pulſum, der
Act. 24, 24.
25.
Heilige Geiſt klopffet auch bey ihm an/ aber er blieb infelix, ein ungluͤck-
haffter Felix. Zu einer ſteten Wohnung wird erfordert die Beſtaͤndigkeit/
wo wohnet Er aber? wo ſeine Fruͤchte ſich beſtaͤndig erzeigen/ der Geiſt
thut
[251]Predigt.
thut ſich herfuͤr in ſeiner Majeſtaͤt und Gaben; Wo wohnt das Leben? wo
die ſpiracula und Lebens-Geiſter ſich beſtaͤndig erzeigen; Wo wohnet das
Leben eines Baums? wañ er beſtaͤndig ſeine Fruͤchte bringet zu ſeiner Zeit;
Nun aber ſind Fruͤchte des Geiſtes/ Liebe/ (ἄνω καὶ κάτω, gegen GottGal. 5, 22.
24.

und dem Naͤchſten) Freude/ aus der Gnaden Gottes; Friede/ aus
dem guten Gewiſſen; Gedult/ Freundligkeit/ Guͤtigkeit/ Glaube/
ſo wol in Worten als in der That; Keuſchheit/ ſonderlich Creutzi-
gung des Fleiſches ſampt Lüſten und Begierden.
So gehet
nun die συμμαρτυρία und Mitzeugnuͤß im Hertzen alſo her: Wo die
Fruͤchte des Geiſtes ſich erzeigen à poſteriori, da wohnet der Heilige Geiſt;
Nun ſagt dir dein eigen Hertz/ (der Geiſt des Menſchen weiß/ was1. Cor. 2, 11.
im Menſchen iſt/) daß ſolche Fruͤchte ſich bey dir erzeigen. Ja/
ſprichſtu/ ich bin aber bißweilen gar ſchwach! Antwort: Ligt nichts dran/
ob du ſchon nicht den hoͤchſten Grad der Vollkommenheit erlanget/ gnuͤge
dich/ wann nur das Leben oder das Weſen ohne falſch da iſt/ ja wann du
nur darnach ſtrebeſt/ ſo gefaͤllets Gott auch/ wann ein Baum eben nicht
gleich voll traͤgt/ iſt er doch angenehm; Ja/ ſagſtu/ dergleichen fuͤhle ich bey
mir nicht/ ich habe keine ſolche geiſtliche Empfindung bey mir/ meine Seele
ligt manchmal in der Ohnmacht? Antwort: Ohnmacht iſt noch nicht
der Tod ſelbſt/ ſicherer iſt zwar hier affirmativè ſchlieſſen/ als negativè, wo
die Fruͤchte des Geiſtes ſich nicht merckſam erzeigen/ da wohnet auch der
Heilige Geiſt nicht; das folget nicht/ ſondern alſo: Wo die edlen Glau-
bens-Fruͤchte ſich herfuͤr thun/ da iſt der Geiſt: aber wo ſie ſich nicht erzei-
gen/ folget darumb noch nicht/ daß der gute Geiſt nicht vorhanden/ ſondern
daß er da gleichſam ruhe/ und doch in dem Menſchen wohne: Wo im Ge-
gentheil contrarii fructus, boͤſe Fruͤchte herfuͤr blicken/ da iſt auch ein boͤſer
Baum.


Hierauff folget nun die Apoſtoliſche Verweiß-Frage: Wiſſet ihr
nicht/ daß ihr
Gottes Tempel ſeyt/ und der Geiſt Gottes in
euch wohnet?
So iſt demnach einer Wiſſenſchafft von noͤthen/ Jhr
ſollts ja wiſſen; Wir haben nicht empfangen den Geiſt derverſ. 12.
Welt/ ſondern den Geiſt aus GOTT/ daß wir wiſſen koͤnnen/
was uns von
GOTTgegeben iſt; als wolte er ſagen: Laſſet die
Welt-Leute hier unwiſſend ſeyn/ die dergleichen Sachen nicht achten/
denen vor ſolchen Gaben eckelt/ bey denen das Sprichwort wahr/ die Kuh
fragt nicht viel nach Muſcaten-Blumen/ Vrſach/ Haberſtroh iſt ihr an-
Ji 2geneh-
[252]Die Zwantzigſte (Sechſte)
genehmer: alſo fragen die Kinder dieſer Welt nichts nach Geiſt-Luſt/
Himmel-Luſt/ Seelen-Luſt; Vrſach/ Fleiſches-Luſt/ Augen-Luſt/ hoffaͤrti-
ges Leben das blendet ſie/ aber es wird ihnen endlich der Glaube mit allzu-
langer Spat-Reu in die Hand kommen. Die Welt kan den Geiſt Gottes
nicht empfangen/ derſelbe wohnet nicht in unreinen/ rohen/ ſichern/ frechen
Seelen/ ſondern in geaͤngſtigten und zerſchlagenen Hertzen/ die in Gottes
heilſamen Ordnung begriffen/ durch Gebet ſeuffzen/ weinen/ geiſtliche
Vbung wird derſelben herzu gelocket/ durch eben dieſelbe Mittel fovirt und
erhalten/ aber hiervon weiß die Welt nichts.


Laſſet Adrianum den Roͤmiſchen Kaͤyſer ruffen/ und in dieſe ver-
zweifelte Wort ſeine Seel anſprechen: Animula, vagula, blandula, hoſpes
comesq́ue corporis, quò nunc abibis in loca? pallidula, rigida, nudula,
nec ut ſoles dabis jocos.
O liebe/ irrende Seel/ die du ein Gaſt und Ge-
ferte des Leibes biſt/ wo wilſtu nun hinfahren? bleich/ erſtarret/ nacket und
bloß/ und wirſt hinfort nicht mehr ſchertzen/ wie du ſonſt pflegeſt. Laſſet
zweifeln die Blinden im Papſtumb/ da die Gewißheit der gnaͤdigen Ver-
gebung der Suͤnden anathematiſiret; Nemo fidelis citra peculiarem
revelationem poteſt aut debet fide divinâ certò \& infallibiliter credere
ſibi peccata remiſſa, gratiamq́ue Dei juſtificantem collatam eſſe,
Kein
Seſſ. 6.
Concil.
Trid. can.
13. confer
Tanner.
tom. 2.
Theolog.
ſchol. diſp.
6. quæſt. 4.
dub. 5.
Hebr.
11, 6.
glaubiger Chriſt kan oder ſoll auſſer ſonderbarer Goͤttlicher Offenbarung
gewiß und unfehlbar nach Goͤttlichem (im Worte Gottes geoffenbarten)
Glauben ſagen oder glauben/ daß ihm ſeine Suͤnde vergeben und die ge-
rechtmachende Gnade Gottes mitgetheilet ſeye. Laſſet zweifeln die Zwing-
lianer/ denen es allenthalben fehlet à priori \& poſteriori, die Verheiſſung
iſt particular, die Sacramenta particular, der Trieb des Heiligen Geiſtes
allein bey den Außerwehlten/ welche aber dieſelbige ſeyen/ iſt ungewiß; Die
Fruͤchte des Glaubens ſind Einbildungen/ wo man vom Glauben nicht
zuvor verſichert/ Ohne Glauben iſts unmöglich Gott gefallen;
Welche etwan den lebendigmachenden Glauben nicht fuͤhlen/ dieſelben/
ſo fern ſie nur die Mittel der Bekehrung gebrauchen/ haben nicht zu er-
ſchrecken oder ſich zu fuͤrchten vor der Verdamnuͤß/ doch ſollen ſie unter-
deſſen ie laͤnger ie mehr fortfahren in der Erkaͤntnuͤß/ ſollen taͤglich forſchen
und verlangen nach der bekehrenden und widerruffenden Gnade. Aber
ihr ſollts wiſſen/ die Kenn-Zeichen ſird vorhanden.


Vnd demnach iſt vonnoͤthen II. δοκιμασία reflexa,eine ver-
nuͤnfftige Průfung;
Ein beſtia oder unvernuͤnfftiges Vieh ſihet wol/
riechet/ hoͤret ꝛc. weiß aber nicht/ was und ob es riecht/ ſihet und hoͤret; Aber
dem Menſchen iſt gegeben notitia reflexa, eine ſolche Wiſſenſchafft/ daß er
zuruͤck
[253]Predigt.
zuruͤck dencken/ ſich erinnern und dencken kan/ was er thut. Ein Arith-
meticus
oder Rechenmeiſter/ wann er gleich eine Rechnung machet/ ſo
trauet er ihm ſelbſt nicht zu wol/ er haͤnget die Probe an: Alſo vermahnet
uns auch St. Paulus/ daß wir unſern Glauben auff die Prob legen/ δοκι-2. Cor. 13, 5.
1. Cor.
6, 19.

μάζετε, verſuchet euch ſelbſt/ pruͤfet euch ſelbſt/ ob ihr im Glau-
ben ſeyet/ erkennet ihr euch ſelbſt nicht/ daß Jeſus Chriſtus in
euch iſt? Průfet auch allhier die Geiſter/ ob ſie aus Gott ſeyen/
1. Ioh. 4, 1.
der heilige Teufel iſt ein arger Schalck/ auff Erden iſt nicht ſeines gleichen/
er ſtehet im theatro diabolorum oben an/ er verſtellt ſich in einen Engel des
Liechts/ und iſt ſo unverſchaͤmt/ daß er einem angefochtenen Hertzen den
Weg zur Seligkeit zu zeigen ſich unterſtehen darff/ er ſoll/ zum Exempel/ ei-
nen Menſchen ermorden/ auff daß er unter des Scharffrichters Hand/ mit
Predigern begleitet/ und alſo in guter Bereitſchafft ſterben/ und das gewiſſe
ſpielen moͤge/ wie man irgend dergleichen tragica exempla gehabt und er-
fahren. Befindet ihr obige characteres nicht/ ſondern vielmehr das widri-Luth. tom.
3. Ien.

ge/ Vnglauben/ Verachtung der Sacramenten/ raptus Sathanicos, Sa-
thaniſche Einwuͤrffe und Trieb ohne Widerſtand/ fonderlich die Fruͤchte
des boͤſen Geiſtes/ Luͤgen und Mord/ wie Saul/ wie David/ als er noch1. Sam. 19, 1.
2. Sam.
11,
14. 15.

in ſeinen Suͤnden lag/ und den Vrias-Brief zu Joab ſendete/ bezeuget;
So iſt gewißlich der Tod/ ja der Sathan ſelbſt ſampt ſeiner alten Schlan-
gen-Liſt und der boͤſen Adamiſchen Suͤnden-Luſt in euch/ die treiben euch/
bleibt Buſſe aus/ ſo iſt ein ſolcher Menſch verlohren.


Hingegen/ wo vermeldte characteres ſich erzeigen/ da folget 3. πλη-
ροφορία, die allergroͤſſeſte Wiſſenſchafft/ die ſtarcke Hoffnung/Col. 2, 2.
Rom.
4, 21.

aller Reichthumb des gewiſſen Verſtandes. Jſt ein holdſelig
Gleichnuͤß genommen von einem Schiff; Ein Schiff/ wann es mit koͤſt-
lichen Kauffmanns-Wahren und Schaͤtzen wol beladen/ nach den fortu-
natis Inſulis
und portu bonæ ſpei abſegelt/ hat guten/ treibenden/ friſch-
und geſunden Wind/ ſo faͤhret es wol/ gluͤcklich/ mit groſſen Freuden/ kom-
met endlich in Hafen an: Alſo ein Heetz/ welches ein Hauß und Woh-
nung iſt des Heiligen Geiſtes/ in welchem die Gaben des Heiligen Geiſtes/
die himmliſchen Schaͤtze wohnen/ das wird von dem edlen/ ſanfften Him-
mels-Winde/ Gott dem Heiligen Geiſt/ getrieben/ und faͤhret in vollem
Sprung und Freuden; Freude iſt da im Gebet/ Freude im Creutz
unter allen Sturm-Wettern/ und ſpricht mit St. Paulo: Jch binRom. 8, 38.
39.

gewiß/ daß mich weder Tod noch Leben/ noch einige Creatur
ſcheiden mag von der Liebe Gottes/ die in Chriſto Jeſu iſt

Ji 3meinem
[254]Die Zwantzigſte (Sechſte)
1. Timoth.
1, 15.
meinem HERREN. Dann das iſt ie gewißlich wahr/
daß Jeſus Chriſtus kommen iſt in die Welt/ mich armen

1. Ioh. 3, 14.
c.
4, 13.
Suͤnder ſelig zu machen; und mit St. Johanne: Wir wiſſen/
daß wir aus dem Tode ins Leben kommen ſind/ dann wir
lieben die Bruͤder.


Freude wider alle ungleichecenſurund Splitter-Ge-
() tom. 2.
Isleb. in
Pſ. 9. \&
17.
richt/ darwider () Lutherus ein ſchoͤn nachdenckliches Gebet gerichtet/
alſo lautend: HERR/ ich will nicht/ daß meine Sach von den
Menſchen gerichtet werde/ bey denſelben hab ich ſchon verloh-
ren/ da werd ich nichts außrichten/ dann ſie verdammen/
darumb richte du und vertritt meine Sach/ und treibe jene
zuruͤck/ lieber HERRE GOTT/ ſey du HERR/ regiere
du/ und Menſchen laß nicht regieren/ ſie wollen ſonſt ůber
dich/ dein Wort und Volck regieren/ darumb laß ſie geurthei-
let werden fuͤr dir/ dann fuͤr der Welt werden ſie nicht gerich-
tet/ ſondern ſie ſind ſelbſt Richter/
biß hieher Lutherus. Die Welt
richtet κατ᾽ ὄψιν, nach der euſſerlichen Schau/ Worten/ Geberden/ nach
Kopff hencken/ nach der περιεαυτονλογία, dem Selbſt-Ruhm eigener devo-
tion,
Gebet und Tugenden/ Gott der Hertzenkuͤndiger aber weiß was
bißweilen fuͤr ein Schalck darunter verborgen. * Der Selbſt-Betrug
iſt hier ein gefaͤhrlich Ding/ mancher ſteckt in der Blindheit/ in der opinion
eines gar guten Gewiſſen/ darff wol darauff pochen und damit triumphi-
ren/ wann mans aber recht beym Liecht beſihet/ ſo gehen ſeine Handlungen
ex conſcientiâ erroneâ, aus irrendem Gewiſſen/ hefftiger apprehenſion,
und darauff folgender ſtarcker execution. Ein anderer muß nach menſch-
lichen/ mit boͤſen affecten gefaͤrbten Vrtheilen Suͤnder ſeyn/ und gehet
einem Chriſten offt/ wie ſeinem Herrn Chriſto/ daß man ſagt: Er hat
Ioh. 10, 20.den Teufel/ und iſt unſinnig/ was hoͤret ihr ihn zu? Joh. 10.


‘* Homines periclitantur \& ſperando \& deſperando. Sperando dum
dicunt, bonus eſt Deus, faciam quod mihi placet, quod libet: deſperando, dum
ob gravia peccata dicunt, jam damnandi ſumus. Metuendum eſt ne te occidat
ſpes, ne te occidat deſperatio. Igitur propter illos qui deſperatione periclitantur,
propoſuit indulgentiæ portum: propter illos qui ſpe periclitantur, fecit diem
mortis incertum. Auguſtin. tract. 33. in Ioh.
()

Freude wider alle Anfechtungen/ ſonderlich auch derper-
ſeveran
tz in Gottes Gnad/ wann der ſtarcke Hertz-Stoß ſich erzeigt/
und
[255]Predigt.
und das Gewiſſen ſich ſelbſt fragt/ werde ich auch Gott im Himmel im
Schos immerzu ſitzen bleiben? Es ſind wol mehr heilige Leute entfallen
von des rechten Glaubens Troſt! ietzt ſtehe ich/ vielleicht werde ich morgen
fallen und umb mein Theil des Himmelreichs und ewiger Seligkeit kom-
men! Antwort: Auff ſeiten Gottes fehlet es niemal/ wer nach ſeiner re-
gul,
in ſeiner Ordnung gehet/ den wird Er nicht fallen laſſen. Jſts nicht
alſo/ wann dir Gott der Herr haͤtt 70. Jahr zu leben verſprochen/ doch
mit dem Geding/ daß du ordentliche Speiſe zu dir nehmen/ diet halten/
im Fall der Noth Artzney brauchen ſolleſt/ dir wuͤrde nicht zweifeln/ ſo fern
du erſterwehnter Ordnung nachgeleben wuͤrdeſt/ es werde dein Alter ſo
hoch kommen/ wie zugeſagt: Alſo weil dir Gott der Herr Beſtaͤn-
digkeit ſeiner Gnade/ und endlich gar das ewige ſelige Leben zugeſagt/ in
gewiſſer Ordnung und Beding/ ſo haſtu dich auch zu verſichern/ es werde
alſo geſchehen/ dann treu Er iſt.


Aber wie naͤchſt erwehnet worden/ gehoͤret darzu 4. cura reti-
nendi,
die Hut-Sorge/ daß wir dieſen werthen Gaſt behalten;
Er iſt ein zarter Gaſt/ er will wol gehalten ſeyn/ daß man ihn nicht betruͤbe;
David hats erfahren/ was es ſey/ wann einer einmal den guten Geiſt ver-
lohren/ welch monſtrum er worden? darumb bittet er ſo inſtaͤndig/ Gott
wolle ſeinen Heiligen Geiſt nicht von ihm nehmen; Das ſoll auch unſer
taͤglich Gebet und Wundſch ſeyn/ damit wir dieſe Predigt beſchlieſſen:
Schaffe in mir GOTT ein reines Hertz/ und gib mir einenPſal. 51, 12.
13. 14.

neuen gewiſſen Geiſt! verwirff mich nicht von deinem An-
geſicht/ und nim deinen Heiligen Geiſt nicht von mir. Troͤſte
mich wider mit deiner Huͤlffe/ und der freudige Geiſt enthalte

mich! Er wolle uns behuͤten an unſerm Ende/ wann wir
heimfahren aus dieſem Elende/ Alleluja/

Amen.



Die
[256]Die Ein und Zwantzigſte (Siebende)

Die Ein und Zwantzigſte


Vber den dritten Articul/ und uͤber die Wort
St. Pauli 1. Corinth. 3/ 16. 17.


Die Siebende Predigt/


Von der ſuͤndlichen ναοφϑορᾷ, das iſt: Entheiligung
des geiſtlichen Tempels oder der Verunreinigung
des menſchlichen Hertzens.


GEliebte in Chriſto: Mein Hauß ſoll ein Bet-
Hauß heiſſen/ ihr aber habt eine Moͤrder-Grube

Matt. 21, 13.daraus gemacht/ ſo ſpricht der Herr/ da Er ſeinen
Einzug zu Jeruſalem gehalten/ und als der oberſte Tempel-
Herr zu ſeinem eigenen Tempel kommen/ umbgeſehen/
denſelben reformirt/ Kaͤuffer und Verkaͤuffer heraus getrieben/ der
Wechsler Tiſche und der Tauben-Kraͤmer Stuͤle umbgeſtoſſen/ ſagt Er
zum anweſenden Juͤdiſchen Volck: Es ſtehet geſchrieben/ nemlich
Eſa. 56, 7.Eſa. 56. mein Hauß ſoll ein Bet-Hauß heiſſen allen Völckern/
ihr aber machets zur Moͤrder-Gruben.
Jſt eine hefftige/ aber
hochbefuͤgte und abgenoͤthigte invectiv und Verweiß-Klage; Quæ ca-
taſtrophe?
will der Herr ſagen; Wie kehrt ſich alles umb? Jhr wiſſet
ja worzu anfangs die Stiffts-Huͤtte conſeorirt/ worzu Salomon den
Tempel erbauet/ nemlich wie in ſeinem Weih-Gebet er ſelbſt die Wort ge-
1. Reg. 8, 43.braucht/ daß alle Voͤlcker hier anbeten ſollen/ opffern und Gottesdienſt ver-
richten; Jhr wiſſet/ was beym Propheten Eſaia geſchrieben ſtehet/ die
Exempel leuchten euch fuͤr Augen/ deren die von weit-abgelegenen Orten
Juden und Juͤdengenoſſen hieher kommen zu beten: Jhr wiſſet/ ſind
Chryſoſt.
hom. 36.
in 1. Cor.
Chryſoſtomi Wort: Neque enim tonſtrina aut unguentaria taberna
eſt Eccleſia aut officina forenſis, ſed locus Angelorum, locus Archange-
lorum, Regia Dei, cœlum ipſum. Quemadmodum igitur ſi cœlum
quispiam in anguſtum redactum illuc inducat, etiamſi patrem, etiamſi
fratrem videas, præ ſtupore non alloquare: Sic neque hîc quicquam
quàm ſancta ſonare decet.
Daß die Kirche oder der Tempel nicht ſeye
eine
[257]Predigt.
eine Bad-Stube oder Marckſchreyers Stand oder eine Handwercks-
Statt/ ſondern ein Ort/ da Engel und Ertzengel zuſammen kommen/ eine
reſidentz Gottes/ ja der Himmel ſelbſt. Gleich wie nun/ wann der Him-
mel in die Enge getrieben wuͤrde/ und dahin koͤnte gebracht werden/ ob du
ſchon Vater und Mutter ſeheſt/ fuͤr Verwunderung wuͤrdeſtu doch nicht
mit ihnen reden: Alſo ſoll auch hier nichts dann heilige Sachen gehan-
delt werden.


So ſolts ſeyn; Aber Ara hara! ihr verunheiliget meinen Tempel
und Altar, Jhr habt nicht nur ein Kauff-Hauß/ ein Raub-Hauß/ ſon-Ioh. 2, 16.
dern gar eine Moͤrder-Grube daraus gemacht/ davon zeuget eure Seelen-
moͤrderiſche Lehre/ wie Er anderswo erwieſen/ Dann alle die vor mirc. 10, 8.
kommen ſind/ (non tempore, ſed ordine ſine me vocante, nicht der
Zeit/ ſondern dem Stande nach ohne meinen Beruff) ſind Diebe und
Moͤrder geweſen;
davon zeugen eure Kraͤmerey und Wechſel/ dann
es hatten die Prieſter in den Vorhoͤfen des Tempels einen oͤffentlichen
Marckt und Wechſel-Banck auffgerichtet/ auff daß da iemand von weit-
gelegenen Orten ankommen und opffern wolte/ er die Opffer in præſenti
erkauffen koͤnnen/ und ſo er irgend ungaͤnge oder ungebige Muͤntze mitge-
bracht/ es außgewaͤchſelt/ da ſchlugen die collybiſten ihren Auffwechſel
drauff/ die Prieſter trieben ſimoni und Fuggerey mit den Baͤncken und
Stuͤlen/ waren geiſtliche Holtz-Haͤndler/ ſchlugen theils auff die Opffer
ſelbſt/ theils auff den Platz Profit/ und das thaͤten ſie im Tempel ihren
Bruͤdern/ von denen ſie keinen Wucher nehmen ſolten; So gieng es da-
mal her! Jſt das nicht Schande? iſt das nicht unrecht?


Was Chriſtus dazumal geſagt/ geklagt und gethan/ daſſelbe thut Er
noch heut zu Tage/ Er ſihet umb/ wann Er von ſeinem hohen HimmelMarc. 11, 11.
herab ſihet/ nicht nur auff die templaorientalia, auff die herrlichen/ Kunſt-
und koſt-reichen Tempel in Orient/ da vorzeiten Gottes Wort gewohnet/
ietzt aber die Greuel des Alcorans; ſondern auch in Occident die vielfaͤl-
tige weiland ſchoͤne Bet-Haͤuſer/ wie dieſelbe zu einer Moͤrder-Grube wor-
den: ſonderlich zu Rom/ wann Ignatius der uralte heilige Maͤrterer die
Statt Rom elogiſiren und derſelben einen Lob-Spruch thun will/ ſo kan
er faſt nicht gnug Titul finden/ er neñet Rom ἐκκλησίαν ἡγιασμένην, πεφω-
τισμένην, ἀζιόϑεον, προκαθημένην τῆς ἀγάπης, πατρώνυμον, χρίςώνυμον, πν [...]-
ματοφόρον, eine heilige/ erleuchtete/ Gott-wuͤrdige/ liebreiche/ Chriſtliche/ geiſt-
volle Mutter-Kirche; ſolte er aber gemeldte Roͤmiſche Kirche anietzo an-
ſchauen/ ſo wuͤrde er warhafftig bekennen muͤſſen/ es ſey eine Moͤrder-
Sechſter Theil. KkGrube
[258]Die Ein und Zwantzigſte (Siebende)
Grube daraus worden: kein Schaf-Stall Chriſti/ ſondern eine rechte
Lycaonis und Wolffs-Grube; idolum babylonicum, das Babyloniſche
Apoc. 18, 2.Goͤtzen-Hauß/ Behauſung der Teufel/ Behaltnuͤß aller unſaubern Gei-
ſter/ da der Antichriſt beſtaͤndig ſitzet/ als ein Gott herrſchet/ regieret/ uͤber
2. Theſſ. 2,
4.
() ſerm. de
converſ. ad
Cleric.
die Gewiſſen tyranniſiret/ laut der Apoſtoliſchen Propheceyung 2. Theſſ. 2.
verſtehet ſich auch von Kloͤſtern; ſolte man/ wie () Bernhardus redet nach
der Weiſſagung Ezechielis/ die Waͤnde und Mauren der Kloͤſter und Cel-
len durchboren/ und den Augenſchein einnehmen/ was Wuſt und Greuel
wuͤrd man da ſehen ligen? Lutherus wird fuͤr einen groſſen Kirchenraͤuber
außgeſchrien. Vrſach die Teufel weren gern wider im Himmel/ daraus ſie
verſtoſſen worden! darumb klagen ſie uͤber den Executorem ihre Straff/
da ſie doch unſere Anklaͤger des ſchnoͤden Kirchen-Raubs am allermeiſten
uͤber Halß und Kopff zu uͤberweiſen/ unter welchen die vornemſten ſind die
Kelch-Raͤuberey/ das praſſen von den Allmoſen/ welches die Jeſuiten den
Moͤnchiſchen Ordens-Leuten/ da ſie uͤber der Stifft-Beute uneins wor-
Marc. 11, 17.
Apoc.
18,
1[9. 1]6.
den/ wol auffs Brod geſtrichen: Chriſtus ſihet es wol! Marc. 11. Er ſaget:
Mein Hauß iſt ein Bet-Hauß/ die Straffe wird nicht auſſen blei-
ben/ Babylon wird fallen/ [und] werden die Kauffleute von ferne ſtehen/
heulen und klagen: Wehe der groſſen Statt! ꝛc.


Ja das allſehende Auge Chriſti kommet auch an uns/ Er ſihet auch
umb ſich/ in den Abgrund unſerer Hertzen hinein/ welche Er als Tem-
pel des Heiligen Geiſtes in der heiligen Tauffe mit den Erſt-
lingen des Geiſtes begabet/ mit mancherley Gaben außge-
růſtet/
wie bißher gehoͤret; Aber/ O wie manche Moͤrder-Grube! O
Goͤtzen-Hauß! Wie viel ſind/ die den Tempel Gottes muthwillig
verderben/ von welcher Tempel-Verderbung
St. Paulus allhier
redet; Jſt die ſchwere Suͤnde/ davon dißmal mit mehrern zu han-
deln/ gebe Gott/ daß wir recht lehren/ recht verſtehen und erkennen/ und
den Tempel unſerer Hertzen reinigen durch ſeinen Heiligen Geiſt/ umb des
groſſen Tempel-Herren Jeſu Chriſti willen/ Amen.


DEn Tempel Gottes verderben/ φθορὰ ναοῦ heiſſetin ge-
nere
und ins gemein eine iedwede Verderbung und
Entheiligung des Tempels/ dadurch der Tempel ent-
heiliget/ verunehret/ in aͤrgern Stand geſetzet/ in ſeiner vori-
gen Wuͤrde nicht bleibet/ da demſelben ein Spott/ und dem

Tempel-
[259]Predigt.
Tempel-Herren ein Verdrieß wird angethan; Salomon der
weiland weiſe und groſſe Koͤnig/ der den Tempel zu Jeruſalem mit groſſer
magnificentz erbauet und geweihet/ war hernach ſelbſt der jenige/ der den-
ſelben/ als ihn die Weiber zu einem cornut und Narren gemacht/ entweihet/
demſelben einen Trutz-Tempel auff dem Oel-Berge entgegen geſetzt/ auff
daß er dem Tempel zu Jeruſalem gleichſam fuͤr dem Liecht ſtuͤnde;
Salomon bauet eine HoͤheChamos (das iſt der Heydniſchen1. Reg. 11, 7.
Griechen ihr Comos oder Freß-Gott) dem Greuel der Moabiter/
und Molech dem Greuel der Ammoniter auff dem Berge/
der fuͤr Jeruſalem ligt/
davon der Berg genennet worden Maſchith/2. Reg. 23,
13.

das iſt mons perditionis, der Berg des Verderbens. O Salomon
wie haͤngeſtu deiner Ehr einen Schandfleck an!
das heiſſet ne-Syr. 47, 21.
ben Gottes Tempel eine Teufels-Capell bauen. Alſo heiſſet nunmehr
im verbluͤmten und geiſtlichen Verſtande/ den Tempel Gottes/ das
iſt/ einen Gott-geheiligten/ Chriſtlichen Menſchen verderben ſo viel/ als
denſelben ſcandaliziren/ aͤrgern/ Gott zu einem Schimpff/ dem Teufel
zu gefallen/ das Griechiſche Wort φθορᾶ wird in ſolchem Verſtand geleſen1. Cor. 15,
33.
2. Cor. 7, 2.
c. 11, 3.
Apoc.
19, 2.

1. Cor. 15. 2. Cor. 7. 2. Cor. 11. Apoc. 19. und gebens die Vmbſtaͤnde des
Apoſtoliſchen Texts; dann weil die Lehrer zu Corintho mit ihren Gaben
gepranget/ Vrſach zu ſchiſmatibus und Spaltungen gegeben/ dadurch ſie
vergoͤttert worden/ und in partes und Secten ſich gezweyet/ gedreyet/ ja ge-
viertheilt/ ſo haben ſie nicht geringe Ergernuͤß gegeben; darauff ſaget der
Apoſtel: Wer den Tempel Gottes verderbet/ den wird Gott
verderben;
Wer ein templum perditionis, Maſchith daraus machet/
da dem Tempel-Herren die Ehr genommen/ den Creaturen gegeben/ und
der Geiſt Gottes contriſtirt und betruͤbet wird.


Jſt derowegen die Verderbung des Tempels des HErren
alle Ergernuͤß/ ſo wol in der Lehr als im Leben/
alle die Lotterfall/
alle der Stein des anſtoſſens/ alle die anſteckende Seuche/ alle das boͤſe
Exempel/ dadurch unſchuldige Hertzen/ ſonderlich junge Bluͤtlein verfuͤh-
ret/ angeſtecket/ gereitzet und geaͤrgert werden/ daß ſie aͤrger werden als ſonſt
von Natur/ dadurch landſtuͤrtzende Suͤnden außbrechen: Wann
Eva ihrem Mann den Apffel gezeiget/ und mit gleichem Gifft an-Gen. 3, 6.
gehauchet zur apoſtaſi, Suͤnde und Abfall von Gott; Wann
Jerobeam nach ſeinem beruͤhmten prædicat Jſrael ſuͤndigen ma-1. Reg. 14,
16.

chet; Atii Zung den gantzen Erdkreiß inflammirt: Wann die Welt-
Kk 2Pfeiffe
[260]Die Ein und Zwantzigſte (Siebende)
Pfeiffe zur Welt-Freude vom Sabbath abhalt/ in die Paſteten-Wirths-
und Spiel-Haͤuſer locket: Wann Eltern Laͤuſe in Beltz/ und Mucken in die
warme Stube jagen/ den im zarten Hertzen glutzenden Zundel entzuͤnden/
Gen. 9, 21.fluchen/ ſchweren/ haben am Sontag lieber das Kaͤrtel als Bibel in der
Hand: Wann der alte Noah ſich voll ſaͤufft/ und die Scham entbloͤſſet;
was da die Alten ſungen/ das zwitzern die Jungen/ ſo werden die Kin-
der dem Moloch in die Hand/ in den Rachen/ zu ſeinem Dienſt auff ſeinem
gluͤenden Hoͤllen-Altar auffgeopffert: Wann die peregrinanten aus
Franckreich welſche Kleider/ Sitten/ Hertz/ Geberden mitbringen zum un-
ſeligen Kram: Wann incendiarii, Mordbrenner/ Teufels-Apoſtel/ Oh-
ren- und Laͤrmenblaͤſer/ duellanten Feindſchafft zettlen/ pomum Eridos,
allerhand Gelegenheit zu zancken ins Mittel werffen/ Staͤnckerey anfan-
c. 39, 7.gen: Wann Potiphars Weib einen frommen Joſeph anficht; Wann
naſſe Burſcht einander zum ſauffen zwingen: Wann man allerhand
Diebs-Griff erfindet/ die der Sohn vom Vater/ der Lehr-Jung von ſei-
nem Meiſter lernet; Wann Doppler einander locken: Wann die Zung
gleich als ein Phaeton eine gantze Nachbarſchafft/ Statt oder Land er-
reget und entzuͤndet; alle Fleiſches-Luſt/ Augen-Luſt ꝛc. dadurch unſchul-
dige Hertzen geſtellet und gefaͤllet werden. Da ſitzt die lena, die huͤriſche/
reitzende und empfangende Luſt als eine ſchnoͤde Mutter/ und hecket ihre
Brut aus. Das iſt die Verderbung des Tempels ins gemein/ das iſt
des Teufels Capell.


In ſpecie aber und inſonderheit ſtehet voran I. Idolotheſia,
2. Reg. 21,
3. 4. 5. c. 23,
4. 5. 6.
2. Chron.
33, 5. 7.
Ezech. 8, 3.
ſeqq.
der Götzendienſt/ geſtifftet von Manaſſe/ der in beyden Hoͤfen am
Hauſe des Herren Altar bauet allerley Heer des Himmels/ Bilder
und Goͤtzen in das Hauß des Herren ſetzet; eben umb dieſelbe Zeit
fuͤhrt der Herr den Propheten Ezechiel in einer Entzuckung und Goͤtt-
lichem Geſicht auff den Augenſchein/ daß er per gradus ſehe im Tempel
das Goͤtzen-Bild Baals/ ſo Manaſſes auffgerichtet zu Verdrieß dem
Hauß-Herren; Er fuͤhret ihn zur Thuͤr des Vorhofs/ da war ein Loch in
der Wand/ er muſte durch die Wand graben/ da ſahe er Greuel uͤber
Greuel und Scheuel/ allerley Vildnuͤſſen der Wuͤrm und Thier umbher
an der Wand gemacht/ er ſahe die ſiebentzig Elteſten/ die raͤucherten den
Goͤttern/ die Weiber ſaſſen da und weineten uͤber den Thamus: das wa-
ren ſchroͤckliche Greuel: Alſo wird der Tempel Gottes verderbet
c. 14, 7.
c.
20, 16.
per idololatriam cordialem,durch innerliche Abgötterey des
Hertzens;
wann der Menſch von Gott weichet/ und mit ſeinem Her-
tzen an
[261]Predigt.
tzen an den Goͤtzen haͤnget/ durch die mamonolatriam, wann der
Menſch fuͤr ſeinem Gold-Klumpen/ Wein-Faß/ Frucht-Boden ſtehet
und ſagt: Hi dii mei Iſraël, Du biſt mein Troſt! wo Hertz da Schatz/ da
Gott! wann man beſſer lernet kennen Gold als Gott! mehr uͤber jenes
Beſitz ſich erfreuet/ deſſen Verluſt betrauret/ als Gottes im Himmel!
Hieher gehoͤret auch dieidololatria Veneris, Bacchi, Junonis \&c.
ja auch falſcheconceptusund Einbildungen von Gott/ wann
man ſich Gott einbildet als einen ungerechten/ unbarmhertzigen Gott;
die anthropolatria, wann ein Menſch aus den andern Wegen ſeiner
Kunſt/ Verſtand/ Heiligkeit/ Macht/ Hoheit/ autoritaͤt/ Reichthumb/ qua-
lit
aͤten einen Abgott machet/ ſcheuet ſich mehr fuͤr ihm/ als fuͤr Gott/
ach wanns nur der Mann nicht erfahrt/ wann ich nur den Mann nicht
fuͤr den Kopff ſtoſſe! O Stoß-Kopff was groſſen Schaden thuſtu? wie
ſtoͤſſeſtu manchmal mit deinen Hoͤrnern παῤῥησίαν καὶ ἀλήθειαν zu boden/
man bauet ein Schloß auff ſolchen Mann/ opffert demſelben allerhand
præſenten/ wo nicht auff daß er gutes thue/ doch daß er nicht ſchade/ betruͤbt
ſich mehr umb deſſelben favor als Gottes; Das iſt die heutige Politic:
wer dieſe kan/ der kommt durch die Welt/ aber O elende Politic! kommts
auff den Noth-Knopff/ ſo haben ſolche ſelbſt-erwehlte Goͤtter Augen die
nicht ſehen/ Ohren die nicht hoͤren/ Zungen die nicht reden/ Haͤnde die nicht
helffen; ſonderlich die groſſe Diana,die φιλαυτία, idololatria reflexa,
wann der Menſch in ſich ſelbſt ſich zu hoch liebet/ ſpiegelt/ hoͤret ſich ſelbſt
gern ruͤhmen; wañ man opffert eigenem Netz und raͤuchert eigenem Garn/
machet ſich ſelbſt zum Zweck alles Thuns/ was Nebucadnezar auff feinerDan. 4, 27.
Burg gefagt: Diß iſt die Babel ꝛc. das dencken dieſe/ ja was das
allerabſcheulichſte/ viel machen ihren Bauch zu einen Gott.


II. Θεο μάχεια, Gottes-Krieg/ wann ein Menſch denen von
Gott im Wort angebotenen Mitteln zur Seligkeit ſich widerſetzet/ dem
Tempel Gottes Hohn ſpricht wie Sanherib/ an den Opffern und Gna-2. Reg. 19,
4.
1. Sam. 2,
12. ſeqq.
Pſal.
2, 3.

den-Mitteln ſich ſelbſt verſuͤndiget/ wie die Kinder Eli/ das waren
rechte Belials Kinder/ die ohne Joch leben/ die Seile und Bande Gottes
zerriſſen und von ſich wurffen/ die auff Gott und ſein Wort nicht ein
Haar gegeben/ fragten nicht nach dem Herren/ noch nach dem Recht
der Prieſter/ verſuͤndigten ſich am Opffer; Alſo Joh. 8. ſchalten die JudenIoh. 8, 84.
59.

Chriſtum das Wort des Vaters und Tempel-Herren einen Samariter/
ſagten/ er haͤtte den Teufel/ huben Steine auff ꝛc. Hieher gehoͤret aller Vn-
Kk 3gehor-
[262]Die Ein und Zwantzigſte (Siebende)
gehorſam gegen Gott dem Heiligen Geiſt/ da man ſich ſeiner Regierung
entſchlaͤget; Wann die Juden zwar in die Kirch kommen und geopffert/
aber dem Munde des Herren ungehorſam geweſt/ ſondern frey geſagt:
Ier. 44, 16.Nach dem Worte des HERREN wollen wir nicht thun;
den Tempel-Herren ſelbſt wollen ſteinigen: Alſo ſuͤndiget man in den
Act. 5, 4.Heiligen Geiſt/ wann man ihn verſuchet/ wann man die Warheit ſagen
oder zeugen ſoll/ und will nicht heraus/ wann man ihm widerſtrebet/ wie
c. 7, 51.die Zuhoͤrer Stephani gethan/ wann man gar endlich die ungeheure/
unvergebliche Suͤnde wider den Heiligen Geiſt (die κατ᾽ ἐξοχὴν alſo ge-
nennet wird) begehet/ davon ins kuͤnfftige mit mehererm.


III. Profanatio templi per admiſſionem Ethniciſmi,
Die Entheiligung des Tempels durch ein heydniſches Leben;
Die Juden hielten auff ihren Tempel ſo viel/ daß kein Heyde ſich demſelben
v. Ioſeph.
l. 15. c. 14. \&
de bello
l.
6, 6.
nahen dorffte/ er muſte auſſer dem Tempel im Vorhofe ſein Gebet verrich-
ten; wer ſich in den innern Tempel wolte laſſen/ dem wars Capital/ Leib
und Leben ſtund ihm darauff/ und damit ſolches iederman kund wuͤrde/
ward das Verbot mit Griechiſcher und Lateiniſcher Schrifft in eine Seul
gehauen; dannenhero ſie es auch fuͤr ein groſſes Vnrecht und boͤſe That
1. Macc. 1.
23.
hielten/ daß Antiochus thaͤt/ als er in Egypten victoriſiret/ durch Jeruſa-
lem reiſet/ er gieng trotziglich in das Heiligthumb/ und ließ daſ-
ſelbe pluͤndern/
deßgleichen auch Pompejus, nichts iſt den Juden ver-
v. Ioſeph.
l. 1. bell. 5.
Act. 21, 28.
ſeqq.
drießlicher fuͤrkommen/ als daß Pompejus in den Tempel gegangen; und
wie wuͤteten die Juden uͤber den armen Griechen und Frembdling den
Trophimum, was gab es fuͤr Laͤrmen/ da die calumnia außgebrochen/
als haͤtte Paulus ihn mit ſich hinein in den Tempel bracht? Sie ſtieſſen
deßwegen Paulum gar zum Tempel hinaus: Alſo wird auch der Tempel
verunheiliget durch die heydniſchen Aberglauben/ deren wir noch viel haben;
durch heydniſche aͤrgerliche Feuer-wuͤrdige Buͤcher/ durch unflaͤtige Poeſi
und gedichte/ durch die mehr als heydniſche Entheiligung des Sabbaths/
durch profan- und weltliche Vbung/ durch die barbariſchen duella und
Balgereyen/ daß ſo bald einer ein wenig auff den Fuß getreten wird/ er
alſobald will vom Leder zucken und Kugeln wechſeln/ durch die heydniſchen
Gewohnheiten/ κακοζηλίας und eingewurtzelte boͤſe Gebraͤuche/ fechten/
ſpielen ꝛc.


Bellarm.
lib. 3. de
cultu S. c.
6.

IV. Faſtus \& luxus,Der geiſtliche Kirchen-Hoffart;
Bellarminus ſchreibet/ wann Kirchen und arme Leute mit gleicher Duͤrff-
tigkeit
[263]Predigt.
tigkeit behafftet weren/ ſo ſey das Geld beſſer an Kirchen-Schmuck als an
die Armen angelegt/ welches dann nichts anders iſt als eben der Babylo-
niſchen Dam Huren-Schmuck/ das heiſſet vielmehr den Tempel verun-
ehret/ aus einen Schaf-Stall eine Baſilicam oder Koͤniglichen Pallaſt
machen; Alſo wird der Tempel verderbet durch uͤbermaͤſſigen Pracht/
wann man aus dem Tempel und Gottes-Hauſe ein Narren-Hauß ma-
chet. Jungfrauen-Schmuck iſt wol erlaubet/ aber Huren-Schmuck/
der Helenæ Huren-Spiegel/ dadurch ſich viel inamoriren und gleich-
ſam als in einem philtro den ſchnoͤden Kuß empfangen/ das iſt unrecht:
Ein Teutſcher der in einem welſchen Butzen-Habit auffgezogen daher
trittet/ ſoll derſelbe ein Tempel Gottes ſeyn? aber dieſer Schade iſt verzwei-
felt boͤß/ er will ſich nicht mehr heilen laſſen.


V. Lupanar,Wann man aus dem Tempel Gottes ein
Huren-Hauß machet/
wie gethan die Soͤhne Eli/ dergleichen geweſen1. Sam. 2,
22.
2. Reg. 23,
7.
2. Macc.
6,
4.

die Haͤuſer der lenonum und Hurer am Hauſe des HErrn/ die Joſias zer-
ſtoͤret/ deßgleichen zur Zeit Antiochi praſſeten die Heyden im Tempel nach
den Opffern/ und ſchwelgeten/ trieben allerley Vnzucht mit den Weibern
an der heiligen Staͤtte/ was da realiter, euſſerlich/ ſcheinbar geſchehen/ das
geſchicht an manchem lebendigen Tempel Gottes durch Vnzucht/ ſo wol
ſtum̃/ als offenbar/ bey ledigen und verehlichten. Solten alle Awen redẽ/ alle
Winckel ſchwaͤtzen/ alle Baͤuche geſchwellen/ alle Kinder ihre Muͤtter ver-
rathen/ wo wolte der Hencker gnug Ruthen und Schwerter nehmen? wie
dann daher der jenige der eine Jungfrau ſchaͤndet/ im Griechiſchen φθορ [...]ς,
ein Verderber genennet wird/ und zeiget ſolches der Apoſtel klar an 1. Cor. 6.1. Cor. 6, 15.
18. 19.

Wiſſet ihr nicht/ daß euere Leibe Chriſti Glieder ſind? ſolte ich
nun die Glieder Chriſti nehmen/ und Huren-Glieder daraus
machen? Alle Suͤnde/ die der Menſch thut/ ſind auſſer ſei-
nem Leibe; wer aber huret/ der ſuͤndiget an ſeinem Leibe:
Oder wiſſet ihr nicht/ daß euer Leib ein Tempel des Heiligen
Geiſtes iſt? Jhr ſeyt nicht euer ſelbſt/ ihr ſeyt theuer erkaufft.


VI. Ἱεροσυλία, Kerchen-Raub; So machets der trotzige An1. Macc. 1,
23.

tiochus, der gieng hinein in das Heiligthumb zu Jeruſalem/ und ließ
wegnehmen den guͤldenen Altar/ Tiſch/ Leuchter/ guͤlden Gefaͤſſe/ Kronen
und guͤlden Schmuck am Tempel; dergleichen heutigs Tages viel Exem-
pel vorgehen/ da man auch der Glocken/ ja wol der Graͤber nicht geſchonet
in der Kirchen. Figuͤrlich und wortblumsweiſe iſt ein ſolcher Kirchen-
Raub/ wann ein Menſch durch vorſetzliche Suͤnde ſich ſelbſt des Heiligen
Geiſtes
[264]Die Ein und Zwantzigſte (Siebende)
Geiſtes und ſeiner Gaben/ ſonderlich der heiligmachenden Gnade berau-
bet/ und auch euſſerlich/ wann man das/ was ad pios uſus und den Armen
geſtifftet/ unterſchlaͤget.


VII. Epicureiſmus \& porcina vita,Ein Epic ureiſches
Dan. 5, 2.
ſeqq.
Saͤu-Leben; Belſazer iſt nicht allein der Vnflath/ der die ſilbern und
guͤlden Gefaͤſſe aus dem Tempel genommen/ und aus denſelben ſich mit
ſeinen Weibern und Kebs-Weibern voll geſoffen; nicht allein die Hey-
2. Macc. 6,
4.
ep. Iud. v.

12.
den/ ſo im Tempel zu Jeruſalem ſchwelgeten und praſſeten/ ſondern es ſind
noch heute zu Tage alle die jenigen ſolcher Schwein-Art/ die in ihre Fuß-
ſtapffen treten/ die da praſſen von dem Allmoſen; die Hectores udi, naſſe
Bruͤder/ die verderben Leib/ Seel/ Gedaͤchtnuͤß/ Sinn und alles was ſie
haben; ſind untauglich zu allen Sachen/ rechte pecora Epicuri, Epien-
riſche Maſt-Schweine/ und ſolche Leute gibts in allen Staͤnden.


VIII. Templi deſtructio,Wann man den Tempel
ſelbſt angreiffet/
ruinirt/ in die Aſche leget/ oder im Tempel
2. Chron.
24, 1.
Mord begehet/ wie Zachariæ Jojadæ Sohn begegnet: Solche und
dergleichen Tempel-Verderbung iſt ein ieglicher Mord und Tod-
ſchlag; Schaoͤcklich war das Deicidium, der Gottes-Mord/ welchen die
Juden an dem Herren Chriſto begiengen/ darauff der Herralludirt
Ioh. 2, 19.Johan. 2. Brechet/ ſagt Er/ dieſen Tempel/ und nach zweyen
Tagen will ich ihn auffrichten:
Eine ſchwere Suͤnde iſt es einen
Menſchen umbbringen/ als welcher zu Gottes Ebenbild geſchaffen iſt/
Gen. 9, 6.dann Gott hat den Menſchen zu ſeinem Bilde gemacht;
noch ſchwerer einen widergebornen Menſchen/ in welchem das verlohrne
Ebenbild Gottes durch Chriſtum wider gebracht/ leuchtet; die ſchwereſte
Suͤnde iſts einen Maͤrtyrer tyranniſcher Weiſe toͤdten; am alleraͤrgſten
aber iſt die ἀυτοχειρία, der Selbſt-Mord/ der Seelen-Mord/ wann der
Menſch die zwey vertrauete Kleinod/ Leib und Seel/ deren er als ein Prie-
ſter auff der Hut und Sigriſt warten ſolte/ verderbet.


Das heiſſet den Tempel Gottes verderben durch Ergernuͤß/ Abgoͤt-
terey/ geiſtlichen Krieg/ wann man Gott widerſtrebet; durch heydniſche
Verunreinigung/ Pracht/ Vnflaͤterey/ Kirchen-Raub und gaͤntzlichen
ruin: Jſt kein ſchlechter Handel/ ſondern eine von den groͤſſeſten und ab-
ſcheulichſten Suͤnden/ die der Menſch begehen kan/ συμδρομὴ \& confluxus
peccatorum,
eine Anzucht/ da alle Vnreinigkeit der Suͤnde zuſammen
flieſſet/ dafuͤr auch die blinden Heyden einen einen Abſcheu gehabt: Scipio,
nach
[265]Predigt.
nach dem er die Statt Carthago erobert und eingenommen/ hat ſeine
Soldaten herrlich beſchencket/ aber außgenommen alle die jenigen/ die ſich
an dem Tempel Apollinis vergriffen hatten: Dannenhero offtmals
ἄσπονδοι πόλεμοι unverſoͤhnliche Krieg entſprungen; Wir beduͤrffen kei-
ner alten Exempel/ unſer Teutſchland iſt eine lebendige/ warhafftige Hi-
ſtori; und was Tempel-Verderbung vermag in den Hertzen der Aberglaͤu-
bigen/ das erfahrt Teutſchland mit blutigem Kopffe; die Haupt-Vrſach
aller diffidentz des Teutſchlandes und alles Jammers iſt der prætext und
Fuͤrwendung der geiſtlichen Guͤter/ dann da wird geſchrien und geſchrie-
ben: Lutherus und ſein Anhang ſeyen ſacrilegi und Kirchen-Raͤuber/
ſie haben die geiſtlichen Guͤter an ſich gezogen/ ohne Erſtattung derſelben
koͤnne kein Friede getroffen werden! Jſt eben die Klage Demetrii, dem ſeinAct. 19, 27.
Genieß abgieng/ Paulus muſte ein auffruͤhriſcher Kirchen-Dieb ſeyn:
Jſt des alten Heydniſchen Roͤmers () Symmachi Klage/ deme aber Am-() vide Ga-
maliel.
Hebræo-
Teut.

broſius auff ſeine Einwuͤrffe geantwortet/ und was er jenem geantwor-
tet/ das antworten auch wir unſern criminatoribus und unbefuͤgten Klaͤ-
gern. Wir beſitzen mit gutem Gewiſſen/ was Gott uns geſchenckt und zu-
getheilet hat. Nach dem Chriſtus die Tyranney des Roͤmiſchen Egypten
geſehen/ ſo hat Er uns in unſerm Chriſtlichen Vorhaben/ gleich wie das
Juͤdiſche Volck aus Egypten/ und hernach aus der Babyloniſchen Ge-
faͤngnuͤß nicht mit leerer Hand gefuͤhret/ die heiligen Gefaͤß/ welche der
Roͤmiſche Belſazer entheiliget uns wider gegeben.


Gleichwol halten die Aber- und Vbelglaubigen ſo ſtreng uͤber ihren ſa-
cris,
uͤber ihren idoleis und Goͤtzendienſt/ und Gott der HErr ſolte zulaſſen/
daß man ihm ſeinen rechten Tempel verderbe? Das ſey ferne! Schimpff
nicht mit Ernſt! Wer auff das Fleiſch das Verderben ſäet/ derGal. 6, 8.
wird auch das Verderben ernden/ nach dem alten Talions-Recht;
Dannenhero kommts/ daß ſo viel verderben und verdorbene Leute ſeyn/
davon wir auffs naͤchſte mit mehrerm hoͤren werden. Nun oderunt
peccare boni virtutis amore \& vitii deformitate,
wer fromm ſeyn will
und ſolcher Verderbung entgehen/ der ſoll ſich fuͤr der Suͤnde huͤten/ und
zwar mehr aus Liebe der Tugend/ und Abſcheu fuͤr dem Greuel der Laſter/
das ſchroͤcket fromme Hertzen aͤrger als der Butz ſelber. Daß ich nicht an-
ietzo ſage von der Furcht fuͤr der unertraͤglichen Straffe/ ſo darauf folget;
ſonderlich (dann von andern Laſtern wird ſonſt gehandelt) huͤte man
ſich fuͤr Ergernuͤß/ auff welches der Apoſtel gar genau zielet/ als eine
Mutter alles Kirchen-Raubs: Prediger ſollen den Buͤnd-Schluͤſſel/
Sechſter Theil. Llſo viel
[266]Die Ein und Zwantzigſte (Siebende)
ſo viel an ihnen iſt/ nicht laſſen verdrehen oder verroſten/ ſondern ſollen
vielmehr das Schwert des Geiſtes wetzen: Obrigkeit ſollen da nicht con-
niv
iren/ wie Conſtantinus M. der ſich einsmals aus unzeitiger clementz
erklaͤret/ daß/ wann er ſolte einen Biſchoff/ Prieſter oder Kirchen-Diener
im Ehebruch ertappen/ ſo wolt er den Mantel der Liebe druͤber decken/ und
alſo das Laſter verduſchen dem Predig-Ampt zu Ehren! Ja vielmehr zu
Vnehren!


Eltern ſollen die Ruthen brauchen; maͤnniglich ſich vor Ergernuͤß
huͤten/ gedencken an das Muͤhlſtein-ſchwere Weh/ welches Chriſtus auß-
Matth. 18,
6. 7.
geſchrien uͤber die jenige ſo Ergernuͤß geben. Das laſſet euch geſagt ſeyn/ ihr
Kupler/ Staͤncker/ Auffwickler/ Raͤdelsfuͤhrer/ und unter den Studenten
die Pennalbutzer/ lauter incarnati Diaboli, leibhaffte Teufel/ ſie ſind aus
dem Vater dem Teufel/ und eben damit geben ſie ihr unadelich Gemuͤth an
2. Chron.
22, 3. 2.
Reg. 12, 2.
2. Sam. 12,
25. 1. Reg.

12, 8.
Tag. Gewarnet ſollen ſeyn unſelige Eltern/ wie Athalia/ die ihren Sohn
Ahaſia angehalten/ daß er gottloß ſeyn muſte. Selig dargegen iſt Joas
unter der diſciplin, ſelig Salomon unter der Hand Nathan/ unſelig Reha-
beam/ der ſich an junge Burſt gehangen: Selig die Wilhelmiten und Stu-
dioſi,
die an ſolche Ort gerathen/ da man ſie mit extra, leichtfertigem Ge-
ſchwaͤtz/ Buhlſchafften und andern Faͤllen nicht reitzet/ ſondern mit guten
Exempeln zur Tugend auffmuntert: Gluͤckſelig die Dienſtbotten/ da man
Matth. 16,
26.
ihnen den Schim̃el nicht laͤſſet anwachſen/ Ach was hilffts dem Men-
ſchen/ wann er die gantze Welt gewinne/ und litte Schaden an
ſeiner Seelen?
Selig die Kinder/ die hinweg geruckt aus den Erger-
Prov. 1, 10.
Matth.
18,
8. 9.
nuͤſſen dieſer Welt! Summa/ wann dich die böſen Buben locken/
ſo folge ihnen nicht; Ergert dich deine Hand/
das iſt/ dein
Freund/ der dir nuͤtz iſt; Ergert dich dein Auge/ das iſt/ deine Præ-
ceptores,
die da ſollen Liechter und Augen der Welt ſeyn mit exemplari-
ſchem Leben und diſciplin;Ergert dich dein Fuß/ das iſt/ dein Knecht/
Magd/ ſo haue ihn abe/ das iſt/ entſchlage dich ſein/ und folge nicht/ da-
mit er dir nicht hinderlich ſeye an deiner Seligkeit!


Aber da iſt nun abermal eines examinis und Pruͤfung vonnoͤthen/
wie der Apoſtel ſagt: Wiſſet ihr nicht? Alſo wiſſet ihr auch/ daß ihr
ſolche ἱεροσυλει῀ς ſeyet/ ſolche Tempel-Verderber?Plato pfleget
ſeinen Schuͤlern die Lehr geben/ wann ſie etwas boͤſes hoͤren/ ſollen ſie ſich
ſelbſt fragen/ und ſagen: Nunquid ego tale?Herr bin ichs? Vernarr
dich nicht zu ſehr durch Affen-Liebe/ gehe nicht allzuſeuberlich mit dem
Knaben
[267]Predigt.
Knaben Abſalom umb/ das iſt/ mit dir ſelbſt. Ein Kind wird in der H.
Tauffe zu einem Tempel Gottes geweihet/ aber ſo bald daſſelbe ſeine ſieben
Jahr erreichet/ wird es verderbet durch boͤſe Exempel! O ſelige Kinder/
die den Ergernuͤſſen entnommen werden in der zarteſten Jugend/ deren
Seligkeit die Eltern ſicher ſeyn koͤnnen! O freundliche Creutz-Geiſſeln/
dadurch der Menſch reformirt/ wems ſo gut werden kan/ viel ſterben in
ihren Suͤnden; was fuͤr rebellion und Streit gegen Gott! Je mehr
Gott kriegt vom Himmel herab/ ie mehr der Menſch hinauff! Wie iſt
das Chriſtenthumb ſo welſch/ ſo heydniſch worden! Das Hertz/ ſo ein
Heiligthumb Gottes ſeyn ſolte/ iſt ein Topff/ darinnen der Teufel ſeinen
Mord-Gifft kochet. Es ſolt daſſelbe ein ſchoͤner Himmel ſeyn/ darinnen
Gott wohnet/ ſo wimmelts darinn von allerhand Gewuͤrm und Vnzifer
boͤſer Luͤſte und Begierden: Vnſere Nazareer/ das iſt/ in der heiligen Tauff
Geweihete und Verlobte Gottes ſolten reiner ſeyn dann Schnee: ſo ſind
ſie geſchwaͤrtzt mit Suͤnden-Ruß: ihre Zaͤhne ſolten weiſſer ſeyn dann
Milch/ ſo iſt Otter-Gall unter ihren Lippen/ ihr Rachen iſt ein offenes
Grab. Pracht iſt ſo hoch geſtiegen/ daß man faſt nichts mehr davon ſagen
mag/ niemand will mehr druͤber eifern/ die Peſt laſſet man nicht in die
Statt/ Aber die Frantzoͤſiſche welſche Laſter-Peſt bleibt unverwehrt: ſolte
man durchbrechen mit dem Propheten Ezechiel cap. 8. was lupanaria,
Huren-Winckel und Vnflaͤtherey wuͤrde man finden? Der Menſch iſt
ſein eigener Dieb und Moͤrder/ er beraubet ſich ſelbſt ſeines eigenen Scha-
tzes/ und bringet ſich umb ſein Leben. Summa/ Gottes Heiligthumb
iſt allenthalben verſtoͤret! ſolte Jeremias leben und ſolchen Jammer ſe-
hen/ welche threnos wuͤrde er ſchreiben/ ja vergieſſen?


Dieſes ſoll man erkennen lernen durch die wahre Buſſe mit dem
bußfertigen Zoͤllner! wo nicht/ ſo wartet der Verderber auff mit ſeiner
Straffe/ der Leib und Seel verderben mag in die Hoͤlle. Fromme HertzenLuc. 18, 13.
Matth.
10,
28.

ſollen ſich fuͤr ſolchen Greueln huͤten/ fleiſſig im Gebet anhalten/ mit guten
Exempeln vorleuchten/ ſo wird ſie Gott nicht verderben/ ſondern aus
ihren irrdenen Gefaͤſſen guͤldene Tempel machen/ die in Ewigkeit nicht ver-
derbet werden moͤgen. Ach das helff uns die Heilige Dreyfaltigkeit/ daß
wir ſie loben in Ewigkeit! Amen/ durch Jeſum
Chriſtum/ Amen.


LlDie
[268]Die Zwey und Zwantzigſte (Achte)

Die Zwey und Zwantzigſte


Vber den dritten Articul/ und uͤber die Wort
St. Pauli 1. Corinth. 3/ 16. 17.


Die Achte Predigt/


Von der Ναοφϑορᾷ pœnali,der Goͤttlichen Straff-
Verſtoͤrung/ dadurch Gott der HErr Suͤnde
mit Suͤnden ſtraffet.


GEliebte in Chriſto: Hie iſt des HErren Tempel!
Hie iſt des HErren Tempel! Hie iſt des HErren
Tempel!
So ſchrien vorzeiten wider den Propheten
Ierem. 7, 4.Jeremia die gottloſe Juden und dero Verfuͤhrer die falſche
Propheten/ ihre Meynung iſt dieſe: Der Prophet Jere-
mias mag predigen/ traͤufflen und draͤuen/ was und ſo lang er will/ wir
verlaſſen uns auff unſern Tempel/ der kan nicht gewonnen/ nicht verſtoͤret
werden. Gott hat verſprochen da zu wohnen/ Feuer und Herd zu hal-
ten/ darumb wird der Tempel wol bleiben/ und daſſelbe certiſſime unfehl-
bar/ welches ſie mit dreyfacher repetition und Widerholung einerley Wort
bezeuget: Hie iſt des HErren Tempel! Hie iſt des HErren
Tempel! Hie iſt des HErren Tempel!
Hie iſt unſer palladium,
ſo lange das ſtehet/ wirds keine Noth haben; welche conſequentz Micheas
Mich. 3, 11.andeutet: Jſt nicht der HERR unter uns/ derohalben kan
kein Vngluͤck uͤber uns kommen.


Das war wol ein tolles und unſinniges Geſchrey und Geſpey! dann
wo hat ſich der Herr iemal an den Tempel gebunden? Wo haben ſie
die Verheiſſung/ daß (wie ſicher und roh ſie lebeten/ wie undanckbar ſie waͤ-
ren) gleichwol der Tempel bleiben ſolte? Haben ſie nicht das klare Exem-
pel fuͤr ſich an Silo/ ſo ihnen der Prophet gleichſam auffs Brod ſtreichet;
Ier. 7, 12, 13.
14.
Gehet hin/ ſagt er Jerem. 7. an meinen Ort zu Silo/ da vorhin
mein Name gewohnet hat/ und ſchauet/ was ich daſelbſt ge-
than habe/ umb der Boßheit willen meines Volcks Jſrael;

Weil
[269]Predigt.
Weil ihr dann alle ſolche Stück treibet/ ſpricht der HERR/
und ich ſtets euch predigen laſſe/ und ihr wollet nicht hoͤren:
Jch ruffe euch/ und ihr wollet nicht antworten/ ſo will ich dem
Hauſe/ das nach meinem Namen genennet iſt/ darauff ihr
euch verlaſſet/ und dem Ort/ den ich eueren Vaͤtern gegeben
habe/ eben thun/ wie ich Silo gethan habe.
Dencker ihr an die1. Sam. 4, 4,
11.

Bunds-Lade/ iſt ſie nicht von Silo wegkommen/ und in der Philiſter
Land gerathen/ habe ich nicht umb euer Abgoͤtterey willen meine Woh-
nung zu Silo laſſen fahren? Jſt eben der coccyſmus und das Gauchge-Pſ. 78, 60.
ſchrey/ damit die Juden in der andern Belaͤgerung Joſephum ihren
Landsmann/ der ſie mit einer ſchoͤnen/ langen und beweglichen oration
von ihrem Beginnen und Vnſinn abgemahnet/ wie dieſelbe zu leſen beym
Joſepho l. 6. bell. c. 11. abgefertiget und gefagt: Gottes Statt/ darinn derIoſeph. l. 6.
bell. c.
11.

Tempel des Herren iſt/ kan nicht gewonnen werden/ dann dieſe opinion
wohnete ihnen bey.


Nicht aber war das vorzeiten die Meynung allein der deſperaten
Juden/ ſondern dasTemplum Domini waͤret noch im Papſtumb/
im Zwingelthumb/ ja auch im falſchen Lutherthumb. Die Papiſten ver-
laſſen ſich auff den Stul Petri/ da heiſſet es: Hie des HErꝛen Tempel!
Die Pforten der Hoͤllen koͤnnen die Roͤmiſche Kirche nicht uͤberwaͤltigen/
ſie iſt unuͤberwindlich/ unbeweglich/ unfehl- und unfallbar; Die GottſeligeBellarm.
l. 4. R. P.
c. 4.
Rom.
11,
20. 21.

und allerbewaͤhrteſte Meynung iſt/ ſchreibet Bellarminus, daß der Stul
Petri nicht koͤnne von Rom genommen werden; Wider Pauli Draͤu-
Wort an die uralte Roͤmiſche Kirche: Sey nicht ſtoltz/ ſondern
fuͤrchte dich/ hat Gott der natůrlichen Zweige nicht verſcho-
net/ daß er vielleicht dein auch nicht verſchone.
Die Calviniſten
beharren auff ihrer indeficibilitaͤt/ dem unwandelbaren Gnaden-Beſitz/ iſtSynod.
Dordr. c. 5.
de perſev.

auff dem Synodo zu Dordrecht beſchloſſen. Aber leider unter uns gehets
auch ſo her/ da ſchreyet man den Juden nach: Hie iſt des HErꝛn Tem-
pel!
Hie iſt die loͤbliche/ wolbeſtellte Schul! hie ſind Allmoſen-Stiffte! hie
hat man noſodochia und allerhand Haͤuſer die Frembden und Krancken
auffzunehmen! So und ſo viel Predigten werden woͤchentlich gehalten/
drumb wirds keine Gefahr mit uns haben! Ja in particulari wohnet ihrer
vielen ſichern/ unbußfertigen Welt-Kindern oder Phariſeiſchen Heuchlern
dieſer Wahn bey: Jch bin in dem Namen Gottes getaufft/ ich gehe in
die Kirche/ ich brauche das heilige Abendmahl/ darumb ſo habe ich keine
L l 3Noth
[270]Die Zwey und Zwantzigſte (Achte)
Noth zu fuͤrchten. Ja es darff wol ein frecher Menſch/ wann man ihn
fragt/ ob er traue auff ſolche rohe Weiſe ſelig zu werden? antworten: Ey
wie anders/ da iſt kein Mangel.


Aber was ſaget der Mund Gottes? Es iſt eine Luͤgen/ verlaſſet
euch nicht auff die Luͤgen/ wann ſie ſagen: Hier iſt des HEr-

Matt. 24, 2.ren Tempel! Es ſoll kein Stein auff dem andern bleiben;
St. Paulus ſtimmet mit zu in unſerm Texte: Wer den Tempel
Gottes verderbet/ den wird Gott verderben;
Der den Tempel
gebauet hat/ kan ihn auch widerumb brechen; Die ναοφθορὰ peccami-
noſa
und ſuͤndliche Verderbung des Tempelsirritirt und ziehet
nach ſich ναοφθορὰν pœnalem,die Straff-Verderbung des Tem-
pels;
Von welcher vor dieſes mal zu handlen Gott der Heilige Geiſt
uns allerſeits wolle beywohnen mit ſeiner Gnade/ umb Jeſu Chriſti wil-
len/ Amen.


ΦΘερει῀ τοῦτον ὁ ϑεὸς: So iemand den Tempel Gottes verder-
bet/ den wird Gott verderben:
Die Wort lauten ſchoͤn/ figuͤr-
lich/ klingen wol auffeinander in einer ſchoͤnen παρονομασία, aber die Sache
und Verſtand iſt hart/ es ſind ſchroͤckliche Draͤu-Wort! iſt eine rechtmaͤſſi-
ge und billiche Straffe gerade und gleich abgewogen und gemeſſen; nach
Exod. 21,
24.
Lev. 24, 19.
Sap.
11, 16.
Gottes uralten/ allezeit-geuͤbten Talionsrechte: Blut umb Blut/
Seel umb Seel/ Auge/ Zahn/ Hand/ Fuß/ Brand/ Wunde/
Beule/
das iſt (wie es Sap. 11. erklaͤret wird) womit iemand ſuͤndi-
get/ damit wird er auch geplaget; Wer mir meinen Tempel
verderbet/ der ſoll und wird wider verderbet werden:
Wer mir
meine Kinder aͤrgert/ der ſoll wider geaͤrgert werden/ das iſt/ in aͤrgern
Ioh. 5, 14.Stand geſetzt werden/ als er geweſt/ es ſoll ihm aͤrgers widerfahren/ es ſoll
Matt. 18, 6.ihm aͤrger gehen/ als wann er ſonſt bloß geſuͤndiget/ beſſer were es ihm/
er hätte einen Muͤhlſtein an ſeinem Halſe/ und wuͤrde erſaͤuffet
im Meer/ da es am tieffſten iſt.


Wer in ſpecie ein Goͤtzen-Hauß aus ſeinem Hertzen machet/ und
alſo dem Teufel dienet/ der ſoll des Teufels Danck haben: Wer cyclopi-
ſcher weiſe wider meinen Geiſt ſich aufflehnet/ der ſoll als ein Cyclop tra-
ct
irt und geſtuͤrtzt/ und mit rebellion geſtrafft werden/ ſpuit in ſe qui ad-
verſus Olympum,
wer in die Hoͤhe Holtz hauet/ den fallen die Splitter in
die Augen/ wer die Heyden in den Hertzens-Tempel laͤſſet einniſten/ der ſoll
auch
[271]Predigt.
auch zu einem Heyden und Vnchriſten werden/ excommunicirt/ verban-
net und außgeſtoſſen: Wer aus ſeinem Leibe ein Huren-Hauß machet/
deſſen Seele ſoll ein geiſtlich Huren-Hauß werden/ da der hoͤlliſche rival
und Buhler ſeine lenocinia und Straͤu haͤlt; ſein Leib ſoll wider geſchaͤn-
det werden zur Schmach und Schande/ Motten und Wuͤrme ſollen ihn
frrſſen; der ſoll aus meinem Hauſe außgeſtoſſen werden: Wer wie ein
Schwein lebt/ ſoll auch wie ein Schwein ſterben/ und wie der Schlaͤmmer/
ſeinen Wein-Durſt mit Waſſer-Durſt/ den Suff mit Durſt
buͤſſen; Die Säuffer und Schlaͤmmer verarmen; Wer in ſeinProv. 23, 21.
Hauß außgeſpeyet/ ſoll wider aus ſeinem Hauſe außgeſpeyet werden; wer
ſich ſelbſt Gottes Gaben ſpolirt/ ſoll auch wieder ſampt allem/ was er hat/
zum ſpolio und Raub werden: Summa/ wer Verderben ſaͤet/ ſoll Ver-
derben ernden/ wer den Tempel Gottes verderbet/ ſoll wider
verderbet werden.


Jnſonderheit folget unter den Goͤttlichen Straffen auff die ναοφθοραι`
malitioſam,auff die muthwillig-boßhafftige Tempel-Ver-
derbung
I. deſertio templi,die Tempel-Verlaſſung; Beym
Propheten Ezechiel c. 3. leſen wir/ daß er der Prophet einsmals ein GethoͤnEzech. 3,
12. 13.

gehoͤrt hinder ihm her/ wie eines groſſen Erdbebens/ ein Geraͤuſch von Fluͤ-
geln der vier Thiere/ und ein Raſſeln der Raͤder/ und eine Stimme:
Gelobet ſey die Herrligkeit an ihrem Ort/ oder de loco ſuo,
mim Komo
von ihrem Ort; dadurch die Verlaſſung des Juͤ-
diſchen Tempels angedeutet; Gleich wie wann ein groſſer Herr von einer
Statt auffbricht/ ſo gibts einen Tumult/ die Raͤder raſſeln/ man ſpannet
an/ auff von dannen! Alſo wird auch die Verlaſſung Gottes/ wann er
einen Menſchen verlaͤſſet/ angedeutet: Klaͤrer leſen wir es von dem andernIoſeph. l. 7.
bell. c.
12.

Tempel bey Joſepho/ der ſchreibet an dem Pfingſt-Feſt zu Nacht/ als die
Prieſter in den Tempel giengen/ ſie zu erſt gehoͤrt eine Bewegung und Ge-
raͤuſch/ hernach eine Stimme der Schutz-Engel/ ſprechende: Migremus
hinc!
Ade fort/ laſſet uns von hinnen ziehen! Alſo wann man dieſen theu-
ren Gaſt/ dem Heiligen Geiſt eine Vnluſt und Vnflath fuͤr die Naſen
und Augen ſetzet/ den Tempel verunreiniget/ ſo wird der Gaſt-Geiſt betruͤ-
bet/ erbittert/ entruͤſtet/ bindet auff/ caſſiret ſolch Loſament/ nimmet mit ſich
was er zuvor gegeben/ Gnade/ Glauben und alles was am geiſtlichen Le-
ben in Gott hanget/ ſein ſatellitium die Schutz-Engel folgen nach/ da
ſtehet dann der arme Menſch bloß/ wehr- und ſchutzloß/ uͤbergeben in ſeines
Hertzens Duͤnckel/ als ein Raub dem Sathan/ und iſt lebendig tod!
O wehe
[272]Die Zwey und Zwantzigſte (Achte)
O wehe ihnen/ wann ich werde gewichen ſeyn/ ſpricht der Herr
Oſe. 9, 12.
1. Sam.
16,
14.
durch Oſeam. Sauls Exempel iſt bekant/ da Gott gewichen/ O wehe
wie gieng es ihm?


Das naͤchſte daran iſt II. Traditio in poteſtatem Satha-
næ,
Die Vbergebung in des Sathans Gewalt: So bald der
2. Reg. 25,
8. ſeqq.
Herr gewichen vom Tempel zu Jeruſalem/ da war er dem Nebuſar-
Adan preiß/ der verbrand das Hauß/ zerbrach die Gefaͤß und ſpolirt den
Tempel. So bald die Engel das migremus hinc! das Ade intonirt/ ſo
bald ſagten die Roͤmer: Accendamus \& prædemur hîc! hîc cædamus!
Laſſet uns hier brennen/ rauben und wuͤrgen! Alſo uͤbergibt Gott dem
Sathan einen Menſchen/ nicht zwar traditione excitativâ aut im-
pulſivâ,
daß er den Menſchen darzu erwecke oder mit Gewalt
treibe;
Aber auch nicht gantz bloß negativâ \& otiosâ,daß er den
Menſchen laſſe gehen und fallen in die Stricke des Sathans/
und allerdings nichts wuͤrcklich darbey thue/ nur bloß muͤſſig
zuſehe/
das iſt/ daß ers nicht wehre oder hindere; ſondern judiciariâ,
als ein Richter diemaleficanten/ als ein Oberſter die rebelliſchen
Soldaten dem Hencker und Profoſen uͤbergibt; oder auch venatoriâ;
Gleich wie ein Jaͤger die Jagthunde beyeinander haͤlt gebunden/ wann er ſie
loß laͤſſet/ ſo lauffen ſie auf das Wild zu/ fallen es an/ und haltẽ gleichſam ihr
Tragædi-Spiel mit demſelben: Alſo hat Gott gleich einem Jaͤger alle Teu-
fel in ſeinen Stricken/ laͤſſet er ſie loß/ ſo brechen ſie ein/ und wird der Menſch
Matt. 8, 23.eine Außbeuth/ eines andern Gaſt/ der faͤhret ein wie dort in die Schwein!
Alſo da der gute Geiſt von Saul gewichen/ kam ein boͤſer Geiſt an ſtatt.
1. Sam. 16,
14.
Ioh.
13, 27.
Da Judas ſich des Heiligen Geiſtes verluſtig machte/ fuhr der Sathan
in ihn; Vnd ſo gehets noch heut zu Tage/ wo der Heilige Geiſt von einem
Menſchen weichet/ da gibt ſich der Sathan an/ der ſtarcke gewapnete nim-
met das Loſament ein/ und fuͤhrt den Menſchen in ſeinen Stricken von
einem Laſter ins ander.


Folget III. plena obſeſſio,die völlige/ wůrckliche Be-
ſitzung;
Aus ruinirten Tempeln werden Wildnuͤſſen/ Wohnung der
Eſ. 13, 21. 22.Ohim und Zihim/ der Drachen und Schlangen/ wie der Prophet Eſaias
ſolches fatum dem herrlichen Koͤnigreich Babel ſtellet und weiſſaget:
Die Zihim werden ſich da lagern/ und ihre Haͤuſer voll Ohim
ſeyn/ und Strauſſen werden da wohnen/ und Feldgeiſter wer-
den da huͤpffen/ und Drachen da ſingen:
Alſo ein Menſch/ der des
Sathans
[273]Predigt.
Sathans Gewalt uͤbergeben iſt/ wird eingenommen und beſeſſen von dem
feurigen Drachen des boͤſen Gewiſſens; wann er brennet/ und die Schlan-
ge ſticht/ O wehe/ ſo iſt die Welt zu eng/ man weiß weder aus noch an;
Nulla eſt major afflictio, quàm conſcientia delictorum; cùm enim
exterius patitur homo, ad Deum fugit: quòd ſi malæ conſcientiæ tri-
bulationem perferens in arcano cordis non in venit Deum, ubi conſo-
lationem inveniet?
ſchreibet Gregorius M. Es iſt keine groͤſſere Plage/ alsGreg. M. in
Pſal.
143.

ein boͤß Gewiſſen; dann wann der Menſch von auſſen leidet/ ſo fliehet und
flehet er zu Gott; Wann er aber von dem boͤſen Gewiſſen genaget und
geplaget wird/ ſo findet er Gott nicht in ſeinem Hertzen/ wo ſoll er als-
dann Troſt ſuchen oder finden? Er wird geſchroͤckt von den Geſpenſten
oder Furien/ gleich wie die Geſpenſter oder Furien umb ihn herfahren/ und
vor Augen tretten/ von den ungluͤckhafften Voͤgeln/ gleich denen die Tityo
ſein Hertz genagt/ gefreſſen/ und doch nicht aufffreſſen noch ernagen
koͤnnen/


‘—— roſtroq́ue immanis vultur obunco
Immortale jecur tundens, fœcundaq́ue pœnis
Viſcera.
()
Virg. l. 6.
Aen.

Ja er wird beſeſſen/ geritten vom Teufel ſelbſt/ wie geſchrieben ſtehet
Matth. 12. Wann der unſaubere Geiſt von dem MenſchenMatth. 12,
43. 44. 45.

außgefahren/ (in der erſten Widergeburt) ſo durchwandert er
duͤrre Stätte/ ſuchet Ruhe und findet ihr nicht; Da ſpricht er
dann: Jch will wider umbkehren in mein Hauß/ daraus ich
gegangen bin/ dann gehet er hin/ und nimmet ſieben Geiſter
zu ſich/ die ärger ſind/ dann er ſelbſt/ und wann ſie hinein
kommen/ wohnen ſie allda/ und wird hernach mit demſelbigen
Menſchen aͤrger/ dann es vorhin war.


Wo nun dieſer Gaſt einkehret/ da iſt Jammer und Noht/ da folget
1. excœcatio,die Finſternuͤß des Vnglaubens/ Vngluͤcks
und Vnſtern in allem Thun und Wercken/ Blindheit in
con-
ſiliis
und Rathſchlaͤgen/ daß ſie tappen am hellen Mittag/ ſie werdenDevt. 28,
28.
Gen.
19, 11.

geſchlagen mit Wahnſinn und raſen des Hertzens/ wie die zu Sodom oder
die Trunckenen; ſolcher Menſch kan offt andern beſſer rathen als ihm
ſelbſt/ alle ſeine conſilia gehen den Krebsgang/ und wann ers am aller-
kluͤgſten vermeynet angegriffen zu haben/ ſo fehlts; Alſo ward Saul ver-
irret und verblendet/ daß er ſeinen eigenen Waffentraͤger nicht kennet;1 Sam. 17,
55.

Sechſter Theil. M mDavids
[274]Die Zwey und Zwantzigſte (Achte)
2. Sam. 11,
6. ſeqq.
Davids conſilia, Mittel und Pflaſter/ mit welchen er ſeine ſtinckenden
Wunden verbinden und verwicklen wolte/ waren/ daß Urias ſolt ein
Gauch ſeyn/ und das Ey vollends außbruͤten; Aber der Compaß wird
verruckt. Ein blinder Mann ein armer Mann/ aber geiſtlich blind/ das iſt
Marc. 10,
46.
Jammer und Elend; Bartimæus war noch gluͤckſeliger/ der zwar blind
geweſt euſſerlich/ aber er hat innerlich das Liecht des Glaubens gehabt!


2. Lapſus de peccato in peccatum,Der Fall von einer
Suͤnde in die andere.
Wann der Rath blind iſt/ helff Gott der
2. Sam. 16,
21.
Policey: Wann Achitophel Abſalom den Rath gibt/ ſo iſts umb ihn ge-
ſchehen: Wann der Hofmeiſter ein Schalck iſt/ O wehe des armen diſci-
Matt. 6, 23.
1. Sam. 16,
14.
2. Sam. 11,
14.
c.
12, 30. 31.
pul!Jſt das Auge finſter/ ſo iſt der gantze Leib Finſternuͤß;
Die Exempel bezeugens abermal an Saul/ der wird unruhig/ der boͤſe
Geiſt machet ihn wild und wunderlich/ daß ihm kein Stecken recht geſtan-
den; David ſchreibet den Vrias-Brief/ tyranniſiret mit der Statt Rabba
und allen Staͤtten der Kinder Ammon/ in dem er das Volck heraus fuͤh-
ret/ leget ſie unter eiſerne Segen/ und Zacken/ und eiſerne Keule/ und ver-
brante ſie in den Ziegeloͤfen. Judas Jſchariot laͤſſet ſich einnehmen von
dem Geitz/ dadurch wird er ein Dieb/ ein Menſchen-Dieb/ ein Simoniacus,
der das ſelbſtaͤndige Wort Gottes freventlich verkaufft/ und alſo endlich
ein Kirchen-Dieb.


3. Induratio,Die Verhaͤrtung/ ſo er an ſich ziehet durch
die boͤſe Gewohnheit als eine Kette (ſo zu reden) der Laſter: Die Verhaͤr-
tung durch boͤſe Gewohnheit iſt/ daß der Menſch anders nicht kan/ er iſt
Ioh. 13, 21.
ſeqq.
verhaͤrtet/ da hilfft kein Zuſprechen nichts mehr/ wie an Juda zu ſehen/ der
allerhonigſuͤſſeſte Troſt Chriſti wird bey ihm in toͤdliches Gifft verwan-
delt: Mancher Menſch bildet ſich ein/ es komme vom fato oder Geſtirn/
er koͤnne nicht anders als ſtelen ꝛc. Aber nein/ es kommet von der Verhaͤr-
tung des innwohnenden boͤſen Geiſtes: Zwar bißweilen erzeiget ſich auch
ein guter Gedanck/ wie Saul geſchach/ aber es waͤret nicht lang; Viel
Anshelm.
l de ſimi-
litud.
Geitzige und Wolluͤſtige ſind/ ſagt Anshelmus, welche ihnen ernſtlich vor-
ſetzen dergleichen Laſter zu verlaſſen/ aber weil ſie durch boͤſe Vbung und
Gewohnheit verſtrickt ſind/ werden ſie gehalten vnd wider ihren Willen in
ſolche Laſter geſtuͤrtzt/ und geſchicht dieſes zum oͤfftern/ werden auch nicht
errettet/ es ſey dann daß durch groſſe Muͤhe und ſonderbare Gnade Gottes
die Seile der boͤſen Gewohnheit zerriſſen und zerſchnitten werden; Vrſach
der Sathan als ein ſtarcker Gewapneter bewahret ſeinen Pallaſt/ der
Wolff laͤſſet ihm kein Schaf nehmen/ da fuͤhlet der Menſch nicht mehr:
gerath ihm ein Stuͤck/ ſo indurirt er ſich durchs Gluͤck und ſucceſs, ſelbſt
ſteifft
[275]Predigt.
ſteifft er ſich; Saul bekennet zweymal/ daß er unrecht thue an David/1. Sam. 24,
18. c,
26, 21.

faͤhret doch fort; Bey Juda hafftet nichts mehr/ ſondern wird alles zu bit-
terer Gall. Alſo folget das zeitliche und ewige Verderben/ Verluſt und
Vntergang/ Veraͤnderung des Verſtandes/ des Leibes; Verluſt der zeit-
lichen Guͤter/ Verluſt endlich des ewigen Heils und Seligkeit: Vnd wird
aus dem Tempel ein Exempel und Scheu-Saal/ wie das Exempel der
Jnden gnugſam außweiſet; Sauls Exempel: Saul verlieret zeitlich den
H. Geiſt/ aber die dona creationis \& providentiæ, die Gaben der Schoͤpf-
fung zum erſten Articul des Glaubens gehoͤrig/ bleiben noch eine Weil/ da-
mit ſteifft er ſich/ aber endlich fallets alles zu boden/ Scepter und Kron/ Leib
und Seel/ uñ ſtirbt Saul in ſeiner Miſſethat/ O ein ſchrecklich epitaphium!1. Chron.
11, 13.

Alſo gehets noch heut zu Tage; Gott laͤſſet die naturalia, die Natur-Gaben
bleiben eine Zeitlang aus Goͤttlicher Langmuth/ der Menſch verkleibt das
Auge der Welt/ bringets durch autoritaͤt vnd Zwang durch/ was ihn ge-
luͤſtet/ erhaͤlt ſein credit, aber er gehet auff ſchluͤpfferigem Wege/ endlich
gehet dem Faß der Boden aus.


Ein ſolcher Jammer iſt die ſchröckliche ναοφθορὰ und Tem-
pel-Verderbung!
So irret demnach auch euch nicht ihr Gottes-
Schaͤnder/ ihr ſcandalizantes und geiſtliche Kinder-Moͤrder/ die ihr
Ergernuͤß gebet der Jugend. So viel boͤſe Exempel ihr von euch den Kin-
dern in die Augen laſſet leuchten; ſo viel Seelen-Gifft gieſſet ihr ihnen ins
Hertz hinein; ihr Goͤtzen-Diener/ ihr Widerſpenſtige/ ihr Heydniſchen Cy-
clopen; ihr Huren-Vaͤlge/ Vnflaͤther/ ihr Selbſt-Moͤrder und Kirchen-
Raͤuber! GOTT laͤſt ſich nicht ſpotten! Zwar Welt-KinderGal. 6, 7.
nehmens auff die leichte Achſel/ ſpielen mit Gott/ als wie jener Dionyſius
mit ſeinen Goͤtzen bey dem Valerio Maximo: Dionyſius Syracuſ. ſpolirtValer. M.
l. 1. c. 1. p.
28.

der Proſerpinæ Tempel und ſchimpfft noch wol/ Sehet/ ſagt er/ wie ich
dem Gott Jovi ſein guͤldenes Goller abgenommen/ habe ihm einen woͤlle-
nen Mantel dafuͤr angehencket: Jenes war ihm im Sommer zu ſchwer/
im Winter zu kalt. Ja wann Gott ein ſolcher ſtummer/ blinder Goͤtz
were/ der Augen hat und nicht ſihet/ Ohren und nicht hoͤret ꝛc. Aber es
heiſſet/ ſchimpff nicht mit Ernſt/ Θεὸς οὐ μυκτηρίζεται, Gott laͤſſet ihm
nicht fuͤr die Naſen ſchnallen/ hinderwaͤrts den Narren bohren; de facto
geſchiehet es leider allzuviel/ aber/ aber nicht impune und ungerochen;
Er hat auch eine Naſe/ eine ſcharffe/ Feuer-rauchende und ſchnaubendePſal. 18, 16.
Naſe/ Zorn/ Dampff faͤhret aus derſelben heraus/ daß es davon blitzt:
bey ihm ſtehet der ἀντιμυκτηρισμὲς, der Gegen-Spott/ Er vergilt Naſen
mit Naſen/ Narren mit Narren/ Spott mit Spott/ Hohn mit Hohn/
M m 2Lachen
[276]Die Zwey und Zwantzigſte (Achte)
Lachen mit Lachen/ ja mit Zetter und Mordio-Geſchrey! Von den Juden
2. Chron.
36, 16.
Ezech. 33,
32.
Nehem.
4,
4.
ſtehet dort 2. Chron. 36. ἦσαν μυκτηρίζοντες τοὺς ἀγγέλους ἀυτοῦ, Sie ſpotte-
ten ſeiner Botten/
ſie pfeiffen den from̃en Prophetẽ Ezechiel an/ machen
ein Liedlein/ daß ſie gerne ſingen und ſpielen; Aber was ſtehet Nehem. 4.
Ἐγεννήθημεν ε [...]ς μυκτηρισμὸν, Wir ſind den Heyden ein Spott worden/
ſie klagen daruͤber Pſal. 137. Ach lieber/ ſprechen die zu Babel/ ihre
Spoͤtter/ die ſie gefangen hielten: thut uns ſingen/ ein Lob-Geſang/
ein Liedlein ſchon/ von den Gedichten aus Zion/ das frölich
thut erklingen.


Derſelbe alte Gott lebet noch/ er hat noch ſein alt Talions-Gericht:
Iud. 1, 7.Adonibeſek ließ ſiebentzig Koͤnige mit verhauenen Daumen an Haͤnden
und Fuͤſen auffleſen unter ſeinem Tiſch/ dem wurden auch Haͤnde und
Lev. 10, 1. 2.
Exod. 1, 22.
c. 14, 27. 28.
2. Sam. 18,
9. ſeqq.
Eſth. 7, 10.
1. Reg.
22.
38.
Fuͤſſe verhauen; Aarons Soͤhne brachten frembde Feuer auff den Altar/
muſten im Feuer verbrennen; Die Egypter erfaͤufften der Hebreer Knaͤb-
lein/ ſie muſten hernach alle im rothen Meer erfauffen; An ſeinem ſchoͤnen
Haar vergafft ſich Abſalom/ daſſelbe muſte ihm zum Hencker werden;
Haman bauete ihm ſelbſt den Galgen; An dem Ort/ da die Hunde Na-
boths Blut lecketen/ den Achab der Koͤnig Jſrael ließ unſchnldiger weiſe
ſteinigen/ lecketen ſie auch hernach Achabs Blut; Julius Cæſar hat den
gantzen Welt-Kreiß mit blutvergieſſen erfuͤllet/ hernach hat er auch mit
ſeinem eigenem Blute das Rathhauß zu Rom erfuͤllet.


Derſelbe alte Gott/ ſage ich/ lebet noch heute zu Tage: Er verderbet
epidemicè durch das lang- und Land-verderbliche Kriegsweſen: Er ver-
derbet privatim, im Haußweſen/ daß alles durch bancorupo zerſtaͤubet
und verdirbet. Wie viel ſind [...]οὶ ἀπωλείας, Kinder des Verderbens/ die
als die Verdorbene herumb gehen leiblich/ aber vielmehr geiſtlich! Kinder
des Verderbens! von welchen der gute Geiſt gewichen/ und an ſtatt deſ-
ſelben der boͤſe eingezogen/ von dem ſind ſie beſeſſen/ verblendet und verhaͤr-
tet worden: Man ſihets keinem an der Stirn an/ aber die rimæ ſind da:
Warhafftig Gottes Geiſt regieret nicht die ſcandalizanten/ ſo Ergernuͤß
geben in ſpielen/ in raßlen/ die eine profeſſion daraus machen/ ſie ſind
Diebe/ ſie moͤgen gewinnen oder verſpielen; die rebellen/ die der Acade-
m
iſchen diſciplin als einem Wercke des Heiligen Geiſtes ſich entgegen
ſetzen/ und ſo viel an ihnen/ aus den Schulen die da ſeyn ſolten officinæ
und Werckſtaͤtte aller Gottſeligen und Chriſtlichen Tugenden/ Saͤu-
Staͤll oder Scheu-Saal machen; aͤrger die ſie ſteiffen und de-
fend
iren; Gott hat noch Muͤhlſteine gnug ſie zu ſtuͤrtzen in den Ab-
grund
[277]Predigt.
grund des Verderbens; Es gibet auch Baͤhren/ die Eliſam raͤchen.

2. Reg. 2,
24.

Von dem Heiligen Geiſte kommet nicht die mammonolatria, der
ſchnoͤde Mammons-Dienſt/ dadurch manchmal dem Gewiſſen wird eine
Ader geſchlagen/ davon alle Redligkeit außblutet. Deßgleichen iſt die ver-
fluchte Huren-Liebe fern von der geiſtlichen ſuͤſſen Liebe/ davon wir ſingen:
Du ſuͤſſe Lieb ſchenck uns deine Gunſt/ ꝛc. Alles was Gottes Wort
zuwider laufft/ kommt von dem Geiſt/ der da heiſſet Apollyon oder derApoc. 9, 11.
v. part. 2.
moral. p.

176.

Verderber; Die Gelehrten wollen hier leſen das Buch des Plutarchi,
welches handelt de ſerâ Numinis vindictâ, von der langſamen aber ſchwe-
ren Rach Gottes/ da werden ſie finden laneos deorum pedes, ſed plumbe-
as manus ſeu iras,
woͤllene Fuͤſſe aber bleyene Haͤnde/ das iſt/ langſame
aber ſchwere Straffen Gottes; Man laß ſich die Zeit nicht zu lang werden/
Gott hat fein Straff-Maß/ Straff-Zahl/ Straff-Gewicht/ die Miſſethat
iſt noch nicht all/ die Pirn iſt noch nicht reiff-zeitig/ und wehe dem/ den
Gott hier nicht ſtraffet/ auff den folget die ewige Straffe/ wie ſolches bezeu-Luc. 16, 23.
Luth. tom.
2. Ienenſ.

get das Exempel des reichen Schlaͤmmers. Lutheri Wort ſind kraͤfftig in
einer miſſiv an Harten muth von Cronberg p. 69. Wie ſicher iſt Pharao/
ehe er im rothen Meer erſaufft/ und ſihet nicht/ daß eben dieſe Sicherheit
der ernſte Zorn Gottes ſey; HErr himliſcher Vater/ laß uns in alle Suͤnde
fallen/ ſo wir ie ſuͤndigẽ muͤſſen/ behuͤt uns aber fuͤr Verſtockung/ und behalt
uns an dem und in dem/ den du einen Herrn uber Suͤnde und Schuld
geſetzet. Hinweg mit dem verfluchten templum Domini!VerlaſſetIerem. 7, 4.
5. 7.

euch nicht auff die Lůgen/ wann ſie ſagen: Hier iſt des
HERREN Tempel! ſondern beſſert euer Leben und We-
ſen/ ſo will ich immer und ewig bey euch wohnen/
hier zeitlich
und dort ewig/ da wir bey dem Herren ſeyn werden/ und Er alles
in allem. Gott erfuͤll in uns durch ſeinen Geiſt die condition,
und vollziehe die Verheiſſung durch ſeinen Sohn
Jeſum Chriſtum/ Amen.



M m 3Die
[278]Die Drey und Zwantzigſte (Neunte)

Die Drey und Zwantzigſte


Vber den dritten Articul/ und uͤber die Wort
St. Pauli 1. Corinth. 3/ 16. 17.


Die Neunte Predigt/


Von der widerruffenden Gnade Gottes
des Heiligen Geiſtes.


GEliebte in Chriſto: Wann St. Paulus in erſt-abgeleſe-
nem Text den Tempel Gottes heilig nennet und ſa-
get: der Tempel Gottes iſt heilig/ der ſeyt ihr!
ſo folgert er zwar daraus claram \& legalem con-
ſequentiam,
dieſen hellen/ deutlichen Geſetz-
Schluß und Lehr/
man ſolle denſelben nicht violiren/ profaniren/ ent-
heiligen/ mit einem Worte/ verderben/ durch Ergernuͤß in Lehr und
Leben/ durch Abgoͤtterey/ rebellion, Heydenthumb und Heydniſch Weſen/
man ſoll kein Huren-Hauß/ Raub-Hauß/ Sauff-Hauß/ Moͤrder-Grube
daraus machen/ wie droben in der Tempel-Verderbung mit meh-
rerm davon gehandelt worden; dann ſo wenig ein Herr im Hauſe ihm
ſein Schloß/ Palaſt/ Hauß oder Statt laͤſſet verſchimpffen/ verderben/
ruiniren/ er eifert druͤber/ es thut ihm wehe: ſo wenig koͤnne es auch Gott
leiden/ Er laͤſſet ſich nicht ſpotten/ Er laͤſſet ihm keinen Narren bohren/
ſchimpff nicht mit Ernſt!


Gleichwol aber deutet der heilige Apoſtel/ wiewol obſcurè und dunckel
auff eine holdſelige Evangeliſcheconſequentz: Der Tempel
Gottes iſt heilig/
er iſt in dem Bunde Gottes/ Gotte einmal initiirt
und geweihet/ derhalben wird er ihn nicht in ſolchem elenden/ verderbten
Stande allezeit laſſen/ ſondern reformiren/ umb ſeines Namens Ehre
willen/ dem Teufel den Sieg und Triumph nicht laſſen/ ſondern in inte-
gtum reſtitu
iren/ in verigen guten Stand wider richten und bringen;
Lev. 26, 41.
ſeqq.
dann ſo hat es der Herr verſprochen Lev. 26. nach der langen/ ſcharffen
und ernſten Geſetz- und Straff-Predigt/ nach dem donnern und blitzen
fangt
[279]Predigt.
fangt an das Evangelium holdſelig traͤufflen/ Wann ſie die Jſrae-
liten in frembde Land getrieben/ und als dann ſie ihnen die
Straffe ihrer Miſſethat werden gefallen laſſen/
das iſt/ wie
Lutherus gloſſirt: Ach wie recht iſt uns geſchehen/ Danck hab unſerer
verfluchten Suͤnde/ das haben wir davon: O recht lieber Gott! O recht!
pfui und was hab ich gethan? ſo wolle der HERR gedencken an
ſeinen Bund mit Abraham/ und wolle an das Land geden-
cken/ das wůſte ligt/ auch wann ſie ſchon in der Feinde Land
ſeynd/ habe ich ſie gleichwol nicht verworffen/ und eckelt mich
ihr nicht alſo/ daß mit ihnen aus ſeyn ſolte/ und mein Bund
nicht mehr ſolt gelten/ dann ich bin der HERR ihr Gott/
Lev. 26, 11,
12. 15.

ich wohn und wandele unter ihnen/ meine Seele ſoll ſie nicht
verwerffen: Jch will ůber ſie gedencken an meinen erſten
Bund/ dann Gottes Gaben ſind
ἀμεταμέλητα, ſie laſſen ſich
nicht aͤndern. Solt ihr Vnglaube Gottes Glauben auffhe-
Rom. 11,
29. c. 3, 4.
1. Reg. 8, 12.
ſeqq.
2. Chron. 1.
ſeqq.

ben? das ſey ferne! Darumb betet Salomo in ſeinem Weihe-
Gebet/ daß ſein Name da wohnen moͤge ewiglich; Wann die Kinder
Jſrael fuͤr ihrem Feind geſchlagen/ umb ihrer Suͤnde willen/ Mangel an
Regen ſeyn werde/ Theurung/ Peſtilentz/ Brand/ Heuſchrecken/ Raupen
oder ſie gefangen ſeyn werden/ und ſie ſich bekehren/ alſo an ihr Hertz ſchla-
gen/ ſo wolle Gott hoͤren im Himmel/ vom Sitz ſeiner Wohnung/ dann
ſie ſind ſein Volck und ſein Erbe! Gott bekraͤfftiget ſolchen Wundſch
mit Feuer vom Himmel und ſonderbaren Erſcheinung 2. Chron. 7.

2. Chron.
7, 1. 2. 3.

Das hat der HERR vorgebildet in den mancherley Kir-
Weihungen und
reformationibusdes Tempels; geſchehen
durch Hiskiam/ der das Hauß des Herren geheiliget/ den Vnflath2. Chron.
39, 3. ſeqq.

aus dem Heiligthumb abgethan/ weihet darauff den Tempel mit Opffer/
Geber und ſchoͤner Muſic; desgleichen Joſias 2. Chron. 34. ſchaffet die2. Chron.
34, 3. ſeqq.

Greuel ab. Sonderlich ſind beruͤhmt die groſſenEncœnia Macca-
baica,
die Kirchweihe zun Zeiten der Maccabeer/ 1. Maccab. 4.1. Macc. 4,
36. ſeqq.

Deren ſolennitaͤt noch auff die Zeiten Chriſti gewaͤhret/ da Judas das
Heiligthumb gereiniget. Da ſie dann zuforderſt in ernſter Buſſe eine groſſe
Klag gefuͤhret/ auff ihr Angeſicht gefallen/ Aſchen geſtreuet/ die Greuel
und unreine Steine weggetragen an unheilige Ort/ mit Gebet/ Opffer/
Geſang/ Pfeiffen/ Harffen und Zimbeln ꝛc. Was Judas Maccabeus
der
[280]Die Drey und Zwantzigſte (Neunte)
der großmuͤthige/ kuͤhne/ unuͤberwindliche Siegs-Held und getreue Juͤ-
diſche Patriot gethan/ und nach dem Antiochus der groſſe Juden-Feind/
der ſonſt genant Επιφανὴς der Edle/ aber in der Warheit ἐπιμανὴς der tolle/
das Heiligthumb verwuͤſtet/ mit Goͤtzen-Bildern verunehrt/ die Kirchweih
Macc. 4, 36.angeſtellet/ das Juͤdiſche Volck angefriſtet und geſagt: Laſſet uns
hinauff gehen gen Jeruſalem/ und das Heiligthum wider

Ioh. 2, 14.
15, 16.
reinigen: Das hat Chriſtus der groſſe Tempel-Herr in den Tagen
ſeines Fleiſches auch gethan/ da Er einsmals in den Tempel kommen/ und
mit Wehmuth ſehen und erfahren muͤſſen/ wie man aus Gottes- und
Bet-Hauß ein Kauff-Hauß/ Raub-Neſt und Moͤrder-Grube gemacht/
ex arâ haram, wie man dariñ Simoni, Kraͤmerey/ Marckenthenterey und
allerley Fuggerey getrieben/ ſo ergreifft Er (nicht einen Fuchs-Schwantz/
ſondern) eine Geiſſel/ und jagt die Verbrecher ohne Widerſtand hinaus.
Welches freylich ein groſſes Wunderwerck eines einigen/ darzu verachteten
Menſchen geweſen/ der hat mit einer eintzigẽ Geiſſel vielmehr außgerichtet/
Hieron. in
cap. 21.
Matth.
als ein gantzes Kriegs Heer mit aller Macht thun koͤñen. Hieronymus haͤlt
dieſes Wunderwerck fuͤr das groͤſſeſte; Groſſe Wunder/ ſagt Er/ ſeyen ge-
weſen/ daß der Herr den Lazarum von den Toden erwecket/ den Blind-
gebornen ſehend machet/ wie nicht wenig auch die Verklaͤrung auff dem
heiligen Berge; Aber dieſes duͤncket ihn ſeye weit druͤber. Lauter typi und
Vorbilder auff die geiſtliche encœnia und Tempel-Reinigung oder Weihe.


Aus welchem allen dieſer ohnfehlbare ſyllogiſmus und Schluß-
Rede folget: Welcher Tempel heilig iſt/ auff welchen Gott als auff ſein
Hauß ein ſonderbares Auge hat/ deſſen Er will eingedenck ſeyn/ denſelben
will Er nicht allezeit in ruin ligen laſſen/ ſondern reformiren/ wider auff-
richten und von neuem zieren: Nun iſt ein widergeborner Chriſt ein ſol-
cher Tempel/ dann ſagt St. Paulus: Der Tempel Gottes iſt heilig/
der ſeyt ihr/
darumb wird Gott gewißlich auch ſeiner Verheiſſung
Krafft geben/ und wahr machen was er verſprochen hat. Jſt die letzte
materi, davon dißmal noch zu handlen und die Frage zu eroͤrtern/
Ob ein ſolcher unſeliger Menſch/ der den Tempel Gottes
verderbet/ durch ſchwere Suͤnde gefallen in
apoſtaſi,Abgöt-
terey/ Vnzucht/ Zauberey/ oder was fuͤr ein anderer Suͤnden-
Greuel ſeyn mag: der die Gnaden-Ordnung verlaſſen/
und in die Ordnung der ſtrengen Gerechtigkeit gerathen/
durch die
ναοφθορὰν pœnalem,die Tempel-Verderbung und
gleiche
[281]Predigt.
gleiche Straff/ von Gottdeſerirt/ dem Teufel uͤbergeben/ von
ihm
obſidirt/ geritten/ verblendet/ verhaͤrtet/ in das Verder-
ben gerathen/ in dem allergefährlichſten Stand begriffen/
in des Teufels Stricken verhafftet/ widerumb koͤnne
refor-
m
irt/ begnadet/ bekehret/ gereiniget/ und zu einem Tempel
Gottes geweihet/ ja widerumb und von neuen geboren wer-
den.
Davon dißmal weiter zu handeln/ wolle uns Gott mit ſeinem
gutem Heiligen Geiſt im lehren und hoͤren beywohnen/ damit wirauch
auffs neue zu Tempeln Gottes moͤgen geweihet werden/ umb Jeſu Chriſti
ſeines lieben eingebornen Sohns willen/ Amen.


() vide Darmſtattinos in der gruͤndlichen Außfuͤhrung wider die Caſſe-
liſche Wechſel-Schrifften c. 7. p. 556.


AVff fuͤrgelegte Frage antwortet unſer Chriſtlicher Glau-
be
mit Ja: Jch glaube Ablaß der Suͤnden/ nicht nur
primam veniam,die erſte Vergebung/ ſondern ſtets/
ſo lange es heute heiſſet/ hie alle Sůnde vergeben werden; Ein
Hertz dieſes zu glauben machet uns I. Cor Patris ὀικτιρμῶν, das von
Barmhertzigkeit ſtets-brennende Hertz des himmliſchen Va-
ters/
welcher gegen dem gefallenen Menſchen ſo wol entzuͤndet/ als gegen
dem/ der erſt zu bekehren/ Er kennet das arme Gemaͤchte/ wir ſind in Suͤn-
den empfangen und geboren/ der Menſch iſt bald gefaͤllet/ Er will nicht2. Pet. 3, 9.
Ezech. 18,
32. \&
33, 11.

daß iemand verlohren werde/ auch nicht den Tod des Ster-
benden.
Vber alle Maſſen hertzlich und ſchoͤn hat er ſein Hertz denudirt
und entbloͤſſet in der holdſeligen Parabel von dem verlohrnen Sohn.

Luc. 15, 13.
ſeqq.

Tertull. l. de pœnit. p. m. 442. Illum mitiſſimum patrem non tacebo, qui
prodigum filium revocat, \& poſt inopiam pœnitentiæ libens ſuſcipit, immolat
vitulum præopimum, convivio gaudium ſuum exornat. Quidni? Filium
enim invenerat quem amiſerat, cariorem ſenſerat, quam lucrifecerat. Quis ille
nobis intelligendus pater? Deus ſc. tam pater nemo: tàm pius nemo. Is ergò
te Filium ſuum, etſi acceptum ab eo prodegeris. \& ſi nudus redieris, recipiet, quia
rediiſti, magisq́ue de regreſſu tuo, quam de alterius ſobrietate lætabitur: ſed ſi
pœniteat ex animo \&c.
()

II. Cor Chriſti Fratris,Das bruͤderliche/ liebreiche
Hertz Chriſti des Sohns Gottes/
der da iſt der Brunn der Gna-
den/ von welchem die Gnaden-Stroͤme herflieſſen/ der freye offene Davids-Zach. 13, 1.
Brunn wider die Suͤnde und Vngerechtigkeit/ der blut-flieſſende Brunn
Sechſter Theil. N nzur
[282]Die Drey und Zwantzigſte (Neunte)
1. Ioh. 1, 7.
Hebr. 9, 14.
1. Ioh. 2, 2.
Luc. 22, 32.
Luc. 15, 4.
Ier.
3, 12.
zur ewigen Artzney wider die Wunden des Gewiſſens; Er iſt unſer ſteter
Verſoͤhner und Vorbitter/ der treue Hirte/ welcher die irrende Schaf (die
ihn ſo viel gekoſtet und theuer geſtanden) widerumb ſucht/ der Ehemann/
der dort rufft Jer. 3. Kehre wider du abtruͤnnige Jſrael/ ſpricht
der HERR/ ſo will ich mein Antlitz nicht gegen euch verſtel-
len/ dann ich bin barmhertzig/ und will nicht ewiglich zuͤrnen.

Hochtroͤſtlich hat der Herr ſolches zu erkennen geben beym Propheten
Hoſea/ da der Herr befohlen/ es ſoll der Prophet hingehen/ und nehmen
Hoſ. 1, 2. \&
3, 1.
(verſtehe ehlicher weiſe zur Eh) ein Huren-Weib eſchet zenonim,
eine groſſe Schand- und Land-Hur/ und nach dem ihm das Weib nicht
glauben gehalten/ ſondern widerumb von neuem untreu worden/ befihlet
der Herrcap. 3. Gehe noch eins hin (kehr dich nicht dran) und
buhle wider umb das ehebrecheriſche Weib/ wie dann der
HERR umb die Kinder Jſrael buhlet.
Chriſtus Jeſus der
Ezech. 16,
3. ſeqq.
Seelen-Braͤutigam iſt hier der Hoſeas/ dieſe Gomer iſt das Volck Jſrael
nach dem Gebluͤt/ daß Abgoͤtterey getrieben/ und geiſtlicher weiſe die Ehe
gebrochen; daſſelbe ehebrecheriſche Weib hat der Herr in das reiche/
fette und nahrhaffte Land Canaan gefuͤhret/ ſie iſt aber daſelbſt durch
Goͤtzen-Dienſt abgefallen/ und die erſte Treue gebrochen: Die Wider Auff-
und Annehmung iſt die Vergebung der Suͤnde: Alſo noch heut zu Tage
eine iegliche Seele/ ſo da ſuͤndiget/ ſo wider auffs neue in Suͤnde gerathet/
und davon auffſteht/ wird wider von neuem geboren.


Das drittefundament iſt III. Cor Spiritus S. paracleti-
cum,
das Troſt-Hertz des heiligen Geiſtes/ aus demſelben liebrei-
chen/ liebflammenden Hertzen/ tringet und ſcheinet heraus Iradius gratiæ
gratuitæ, indebitæ,
oder der edle Gnaden-Strahl der un-
verdienten Gnade/
dann es iſt ja der Herr keinem Menſchen icht-
was ſchuldig/ keinem Gefallenem iſt er anders nichts ſchuldig als hoͤlliſch
Feuer: Niemand iſt ſchuldig die jenige Gutthat wider zu erſtatten/ welche
ein Menſch muthwillig verſchertzt und verlohren/ der Vater des verlohrnen
Sohns war ihm keinen Heller ſchuldig/ er war ſchon außgewieſen/ er hatte
Matth. 25,
28.
ſeine portion dahin; kein Ehemann iſt ſchuldig ſein ehebrecheriſch Weib
wider anzunehmen/ alle Rechte erlauben die Scheidung: Jener Menſch
der uͤber Land gezogen und unterdeſſen ſeine Guͤter den Knechten/ damit
zu ſchalten/ walten und wuchern eingethan/ war nicht ſchuldig dem boͤſen
und faulen Knechte ſeinen muͤſſigen/ verborgenen und unfruchtbaren
Centner
[283]Predigt.
Centner wider zu erſtatten/ ſondern er gibt ihn einem andern; Wie?
ſprichſtu/ wann gleichwol der Suͤnder wahre Buſſe thut/ wann er groſſe
Reue/ ſchoͤne Glaubens-Funcken/ neuen Gehorſam von ſich leuchten laͤſſet/
ſolte Gott der Herr ſolche herrliche Werck nicht anſehen/ und deßwegen
die verſchertzte Ehren-Kron widerumb gedeyen laſſen? O nein! Fůr
Gott gilt nichts dann Gnad und Gunſt die Suͤnde zu ver-
geben:
der Adel der Goͤttlichen Gnade iſt zu hoch darzu/ als daß derſelbe
mit Trauren und Gebet/ als verdienſtlichen Wercken/ koͤnte erworben wer-
den/ nichts iſt in uns/ das Gott nicht in uns thut; dann woher hat der
Menſch die Thraͤnen/ die Reu/ das Gebet/ den Glauben? Wer hat dieſe
Ding erwecket? Wer hat das Glaubens-Feuer aus dem harten Stein
gleichſam herfuͤr bracht und erreget? Hat es nicht gethan der Heilige
Geiſt? der iſt/ der das reine Hertz ſchaffet und einen neuen Geiſt; der be-Pſ. 51, 12.
Ier. 31, 18.
Ezech. 11,
19. c. 36, 26.
Act. 11, 18.
2. Tim.
2,
25. 26.

kehret uns/ daß wir Buſſe thun/ Er nimmet das ſteinerne Hertz hinweg/
und gibt ein fleiſchernes/ der da Buſſe gibt den Heyden zum Leben/ daß ſie
die Warheit erkennen/ und wider nuͤchtern werden aus des Teufels
Strick/ von dem ſie gefangen ſind zu ſeinem Willen; Wer dem Sathan
als einem ſtarcken gewapneten Rieſen einmahl in die Hafft und
Stricke gerathet/ den haltet er feſt/ keine erſchaffene Krafft kan einen ſol-
chen gefangenen ihm aus den Klauen heraus reiſſen/ es gehoͤrt uͤber-
natuͤrliche/ hoͤll-ſtoͤrende/ Teufels-herrſchende/ Goͤttliche Krafft dazu: Der
Menſch kan von ſich ſelbſt fallen/ aber nicht von ſich ſelbſt aus eigenen
Kraͤfften auffſtehen; Non ſolùm, cùm agitur pœnitentia, verùm etiam
ut agatur, Dei miſericordia neceſſaria eſt, alioquin non diceret Apoſto-
lus de quibusdam, ne fortè det iis Deus pœnitentiam,
ſchreibt Auguſti-Auguſt. in
Enchirid.
c.
82.

nus: Nicht allein in der Buſſe/ ſondern auch vor der Buſſe/ daß man
wahre Buſſe thun koͤnne/ iſt die Barmhertzigkeit Gottes von noͤthen/
ſonſt wuͤrde der Apoſtel nicht von etlichen ſagen: Ob ihnen vielleicht Gott
wolle Buſſe geben!


2. Gratiæ ſupernaturalis,Der Goͤttlichen und uͤber-
natuͤrlichen Gnade;
Gleich wie der Menſch von ſich ſelbſt faͤllt/ aber
von ſich ſelbſt nicht mehr kan auffſtehen: Alſo wird er auch von ſich ſelbſt
wund/ kranck/ ſiech/ kan aber ihm ſelbſt nicht artzneyen/ die Wunde iſt toͤd-
lich/ hoͤchſt-gefaͤhrlich; Wer entflohen iſt dem Vnflath der Welt/2. Petr. 2,
20. 22.

wird aber wider eingeflochten und uͤberwunden/ da wird das
letzte aͤrger als das erſte/ da friſſet der Hund wider was er ge-
ſpeyet hat.
Zu dem ligt er dem Teufel in Stricken/ er der ſtarcke Ge-
N n 2wapnete
[284]Die Drey und Zwantzigſte (Neunte)
wapnete laͤſſet ihm ſeinen Pallaſt nicht nehmen/ er wehret ſich auffs euſſer-
ſte/ der Wolf gibt kein Schaf heraus/ muß alſo der Menſch ihm gelaſſen/
verderben/ wann der vertriebene heilige Gaſt und Geiſt ſich nicht wider er-
barmet/ und durch uͤbernatuͤrliche Krafft auffrichtet und heilet.


Eſa. 1, 18.

3. Gratiæ anacleticæ,der widerruffenden/ widerlocken-
den/ widerweckenden Gnade des Heiligen Geiſtes; Jch habe

Ezech. 33,
11.
keinen Gefallen/ ſpricht Gott/am Tode des Gottloſen! So
bekehret euch doch nun von eurem boͤſen Weſen/ warumb wolt

Hoſ. 14, 3.
Iocl.
2, 13.
ihr ſterben? Bekehret euch zu dem HERRN/ und ſprecht:
Vergib uns alle Suͤnde/ und thue uns wol! Zureiſſet euere
Hertzen und nicht eure Kleider/ und bekehret euch zu dem
HERREN euren Gott/ dann Er iſt gnaͤdig und barm-

Zach. 1, 3.hertzig/ und reuet ihn bald der Straffe! Bekehret euch zu mir/
ſo will ich mich zu euch auch kehren;
Wer iſt der dieſe Lock-Pfeiffe
treibet? Niemand anders als der Finger Gottes/ Gott der heilige
Apoc. 2, 5.Geiſt/ der wincket und locket; Gedenck wovon du gefallen biſt/
thue Buß/ und thue die erſten Werck.


4. Gratiæ reſtauratricis,der widererſtattenden Gnade/
durch welche ein bußfertiger Suͤnder nicht nur von neuem in Gottes
Gnaden-Schos wider auffgenommen/ ſondern auch wiederum und zwar
offt herrlicher/ als der Verluſt geweſt/ gekroͤnet und verehret wird.


5. Gratiæ firmatæ Evangelio,der im Evangelio ver-
ſiegelten und bekraͤfftigten Gnade/
welches ein allgemein/ immer-
Rom. 15, 4.waͤhrendes nimmerſtumme Troſt-Wort iſt/ ſonſten muͤſte ein ieder Suͤn-
der/ der einen ſchweren Fall gethan/ verzweifeln. Sie iſt befeſtiget in der
heiligen Tauffe/ deren ſich Petrus nach ſeinem Fall getroͤſtet/ bekraͤfftiget
Ioh. 20, 23.mit dem Loͤſe-Schluͤſſel/ bekraͤfftiget in dem heiligen Abendmal/ mit dem
Zeugnuͤß des Bluts zur Vergebung der Suͤnden/ Chriſtus iſt das Opffer
fuͤr uns dahin gegeben; bekraͤfftiget endlich mit unzehlichen Exempeln;
Gen. 3, 9.vnſerer erſten Eltern/ denen der getreue Hirt unſer Seelen nach dem Fall
wiederumb gepfiffen und geſagt: Adam wo biſtu? Davidis/ der in ſeiner
2. Sam. 24,
2. ſeqq.
Jugend keine Seiden geſpuñen/ der zwo groſſe Haupt Suͤnden begangen/
als welcher neben dem Ehebruch hoffaͤrtig ließ das Volck zehlen/ das koſtet
70000. Mañ in dreyen Tagẽ; Gott hat ihn wider zu Gnaden angenom̃en;
Salo-
[285]Predigt.
Salomon hat den Trutz-Tempel gebauet/ iſt doch vermuthlich widerumb1. Reg. 11. 7.
2. Sam. 7,
15.
2. Pet. 1, 21.
2. Reg.
21,
16.

bekehret worden nach der Verheiſſung/ dannenhero er in ſeinem Alter das
Hohelied geſchrieben/ wie auch ſeinen Prediger von der Eitelkeit/ welche
Buͤcher er geſchrieben als ein heiliger Mann Gottes. Manaſſe vergoß viel
unſchuldig Blut/ fuͤllet damit Jeruſalem an; O ein ſchroͤcklicher Vnflat/
aͤrger als die Heyden! ein Goͤtzen-Knecht/ Propheten-Moͤrder/ Kinder-
Moͤrder/ die er dem Moloch auffgeopffert; Petrus der ſich ſo hoch ver-Matth. 26.
70. ſeqq.
Luc. 15, 12.
ſeqq.

flucht/ und ohne Zweifel Schiffbruch am Glauben gelitten; Der verlohrne
Sohn/ deme ſein Hertz-frommer Vater την´ ςολην´ την´ πρώτην, h. e. prio-
rem \& precioſiſſimam,
den vorigen/ abgelegten Ehren-Rock/ den er vor
der Reiſe abgeleget/ hinweggeworffen/ und mit neuen Allomodo-Kleidern
außgetauſchet gehabt/ und zwar unter den jenigen Roͤcken/ die ihm der
Vater im Kaſten auffgehebt/ den beſten/ theuerſten und koͤſtlichſten wider-
umb angezogen und von neuem inveſtirt. Die Juden/ die Deicidæ und
Gottes-Moͤrder/ ſo den Herren der Herrligkeit umbbracht/ noch dan-
noch wider zu Gnaden angenommen/ ſo lange die Heyden eingehen/ ſo
lange ſtehet ihnen die Gnaden-Thier offen/ nach Außſage St. Pauli
Rom. 11. Jch will euch nicht verhalten/ lieben Bruͤder/ dieſesRom. 11,
25. 26. 27.

Geheimnüß/ auff daß ihr nicht ſtoltz ſeyd; Blindheit iſt
Jſrael eins Theils widerfahren/ ſo lange biß die Fuͤlle der Hey-
den eingegangen ſeye/ und alſo das gantze Jſrael ſelig werde/
wie geſchrieben ſtehet: Es wird kommen aus Zion der Erloͤ-
ſer/ der da abwende das gottloſe Weſen von Jacob. Vnd
diß iſt mein Teſtament mit ihnen/ wann ich ihre Sůnde werde
wegnehmen.


6. Gratiæ liberrimæ,der freywilligen Gnade/ 1. quoad
gradus gratiæ,
was anlanget die Grad/ Vnterſcheid und Zu-
rechnung der Gnaden;
Bey allen Menſchen bleibt lumen naturale
in actu primo,
der natuͤrliche Verſtand/ und iſt zwar gefangen durch die
Vngerechtigkeit/ aber bißweilen ſtechen etliche radii durch die Wolcken
hindurch/ bißweilen wird der Menſch nuͤchtern/ daß er in ſich ſelbſt ſchlaͤget/
was mach ich doch? Dieſes iſt die Beruffung: Aber was anlanget die
ſpecial-Gnade/ ſo iſt dieſelbe ſehr ungleich/ der Wind blaͤſet wo und wie erIoh. 3, 8.
will/ alſo auch wuͤrcket der Heilige Geiſt. Etliche haben noch das uͤber-
natuͤrliche Liecht des Glaubens/ was anlangt die Wiſſenſchafft/ und bleibt
noch ein Glaſt davon/ dann wir halten nicht dafuͤr/ ſchreibt Cyprianus,Apoc. 3, 2.
N n 2daß
[286]Die Drey und Zwantzigſte (Neunte)
daß ſie gantz tod ſeyen/ ſondern vielmehr halb tod ligen/ welche wir durch
grauſame Verfolgung verwundet ſehen: Welche ſo ſie gantz tod waͤ-
ren/ ſo wuͤrden hernach aus denſelben nimmermehr ſo ſtandhaffte Beken-
ner und Maͤrtyrer werden. Jn der Kirche erſchallet die Geſetz-Stimm/
2. Sam. 24,
10.
Luc.
22, 61.
da klopffet der Geiſt an/ erſcheinet mit einem neuem Liecht/ wie David wi-
werfahren/ Petrus empfieng einen extraordinar-Blick: Aber das gedeyet
vielen nicht; bey vielen brauchet Gott andere Gelegenheiten/ gewaltſame
Philem.
v. 11.
Luc.
23, 43.
Mittel/ in dem Er ſie beleget mit Creutz und Truͤbſal/ mit allerhand Straf-
fen/ und ſie alſo endlich durch Krieg/ ja durch die Suͤnde ſelbſt/ wie One-
ſimum,
oder wol gar durch den Hencker/ wie den bußfertigen Schecher be-
kehret und zum Himmel fuͤhret.


2. Quoad tempus gratiæ,was anlanget die Zeit der
Gnaden/
wie lange Gott einem Menſchen nachſehen/ gnaͤdig ſeyn
Luc. 4, 19.
Hebr.
4, 7.
und Raum zur Buſſe geben will; Gott hat ſein ἐνιαυτὸν δεκτὸν, ſeine
angenehme Zeit/ Er hat ſein hodie, wann Er gnaͤdig ſeyn will; viertzig
Jahr hat gewaͤhret das hodie Judaicum, die Gnaden-Friſt/ die der Herr
den Juden verliehen vor der Zerſtoͤrung der Statt Jeruſalem; Alſo hat
Er einem ieglichen Menſchen ſeinen ambitum, ſein Circk/ Ziel und Maß
geſetzt/ wie weit und lange Er ihm will nachſehen/ daſſelbe iſt zwar uns un-
bekant/ aber der Goͤttlichen providentz ohnfehlbar bewuſt und bekant/ wel-
ches Ziel zwar gemeiniglich biß ans Ende des Menſchen ſich erſtrecket/
es ſey dann/ daß der Menſch daſſelbe ſelbſt ihme abſchneide durch uͤber-
machte Hartnaͤckigkeit; Derowegen ſtehet uns ſolches zur Warnung/
daß wir unſer Hertz nicht verhaͤrten/ weil es noch heute heiſſet; dann es ja
nicht gewiß/ wañ Gott die Gnaden Thuͤr verſchlieſſen werde; Wie viel ſind
1. Chron.
11, 13.
Num. 25, 2.
ſeqq.
der jenigen/ die in flagranti peccato, in ihren wuͤtendẽ Suͤnden untergehen
und ſterben/ als Saul? Saul ſtarb in ſeinen Suͤnden/ ſo laut das
traurige epitaphium, Alſo auch/ da ſich das Volck an Baal Peor gehenckt/
wurde Gottes Zorn entbreñet/ die Oberſten auffgehenckt/ die Kinder Jſrael
weineten fuͤr der Thuͤr der Huͤtten des Stiffts/ aber der Jſraelitiſche Fuͤrſt
ſampt ſeiner Midianitin wurden in ihren Suͤnden hingeraffet; Wie viel
kommen ohngefaͤhr umb/ ehe ſie es vermeynet/ ſonderlich im Kriege/ durch
Selbſt-Mord/ in duell und Balgereyen? 3. Quoad numerum,
was anlanget die Zahl/ wie offt Gott vergeben will; Vns iſt geſagt
Matt. 18, 22.zu vergeben ſieben und ſiebentzig mal: Aber Gott hat kein Geſetz; man-
chem ruffet Er/ manchem wincket Er/ manchem halt Er viel zu gut/
manchem wenig.


7. Gra-
[287]Predigt.

7. Gratiæ ordinatæ,Einer geſchraͤnckten und geordneten
Gnade/
auff die heilſame ordentliche Buſſe; GOTT gebeutIer. 3, 12. 13.
Act. 17, 30.
Marc.
1, 15.

allen Menſchen an allen Enden Buſſe zu thun/ Thut Buſſe/
und glaubet an das Evangelium;
Der Heilige Geiſt der thut das
ſeine auch durch die Kirche/ als durch ein ſorgfaͤltiges Weib/ Er ſuchet/
kehret/ zuͤndet ein Liecht an/ Er machet dem Menſchen Angſt im Gewiſſen/Luc. 15, 8.
das Liecht gehet auff; da muß ſich nun der Groſchen finden laſſen/ ſonſt
iſts vergebens; dann wo das nicht folget/ ſondern beharrliche Vnbußfer-
tigkeit biß ans Ende/ da wird der Tempel oͤde gelaſſen/ da wird der Bund
auffgehoben.

Zach. 11, 10.

8. Gratiæ inimitabilis,Einer ſolchen Gnade/ die in
weltlichem Gerichte nicht nachzuahnen allzeit;
dann ob wol in
der ſphærâ und Gecirck des Gnadenreiches Jeſu Chriſti wir barmhertzigLuc. 6, 36.
ſeyn ſollen/ wie unſer Vater/ χρηςοὶ, gutig und ſanfftmuͤthig nach Gottes
edler Natur/ iedoch in politiâ externâ, was anlanget euſſerliche/ weltliche
Ehren-Stellen und Ehren-Aempter/ bleibets ordinariè bey der alten re-
gul: Evangelium non abolet politias,
das Evangelium hebt die Policey
nicht auff/ ob gleich auch Reu/ Buſſe und cenſur vorgangen; Rahab be-
haͤlt in heiliger Schrifft den Namen einer Huren/ auch nach dem ſie Buſſo
gethan: Zum Exempel/ der Ehebrecher ſoll nicht zu Ehren gelangen und
zur Ehren-Stell erhoben werden/ es gibt boͤſe Exempel; Die Ehebrecherin
ſoll nicht wider von dem Mann angenommen werden/ es wird ein gantzesIerem. 3, 1.
Matt.
1, 19.

Land dadurch verunreiniget, Joſeph Mariæ Braͤutigam wurde deßwe-
gen mit dem elogio eines gerechten Biedermanns gezieret/ dieweil er ſeine
vertraute/ wiewol aus falſchem Argwohn/ heimlich verlaſſen wolte. Ein
Prediger/ der Ergernuͤß gibt/ und die Beurlaubung verwuͤrckt/ ſoll nicht
wider auff die Cantzel gelaſſen werden: Jſt von der alten Ehrwuͤrdigen
und Ehrliebenden Kirchen alſo decretirt auff dem Concilio zu Tolet;Concil.
Tolet. 1.
can. 12.
v. Cluver.
p.
429.

und iſt diß an dem Griechiſchen Conſtantino Copronymo billich geſchol-
ten worden/ daß er Anaſtaſium den Patriarchen zu Conſtantinopel/ nach
dem er ihn wegen Befoͤrderung der Auffruhr/ auff einem Eſel ruͤckwaͤrts
ſetzen/ in der Statt herumb fuͤhren und verhoͤnen laſſen/ hernach widerumb
in ſeine vorige Pfarr und Cantzel kommen laſſen. Noht und Gott ſind
außgenom̃en: Nohtfall beſonderlich bey unvergleichlich hohen Gaben/ in
Anſehung derer Origenes, Hieronymus, Auguſtinus, welches zwar groſſe
Liechter geweſen/ aber keine Seiden/ ſondern grob Garn und Zwilch ge-
ſpunnen/ nach ihren Faͤllen nicht allerdings verſtoſſen/ ſondern zu Ehren-
Stellen
[288]Die Drey und Zwantzigſte (Neunte)
Stellen gelaſſen worden; unter die goͤttlichen regalia und Ehren-Rechte/
Ion. 21, 15.
16. 17.
Ion.
3, 1.
ſo er ihm vorbehalten/ gehoͤret auch/ daß er aus dem ſchwergefallenem Pe-
tro einen Apoſtel/ aus dem fluͤchtigen und ungehorſamen Jona einen
Propheten gemacht.


Moͤgen und ſollen wir hier nicht billich exclariren und uns verwun-
dern mit St. Paulo/ da er am Vfer des Abgrunds der Goͤttlichen Barm-
hertzigkeit geſtanden/ und uͤber die uͤberſchwengliche Reichthumb der Goͤtt-
Rom. 11, 33.lichen Gnade ſich verwundert und geſagt: Ω᾽ βάϑος! ja freylich ὦ βάϑος!
Welch eine Tieffe/ Höhe/ Breite/ Laͤnge der Liebe Gottes!
Mich. 7, 18.Wo iſt ein ſolcher GOTT/ wie du biſt? der die Suͤnde ver-
gibt/ und erläſſet die Miſſethat den Vbrigen ſeines Erbtheils/
der ſeinen Zorn nicht ewiglich behaͤlt/ dann Er iſt barmhertzig:

Ja welches noch mehr iſt/ welche eine Tieffe der inbruͤnſtigen Goͤttlichen
Liebe gegen einem widerkehrenden Suͤnder/ den Er delicatius, zaͤrter und
mehr liebt/ als den/ der in dergleichen Fall nicht gerathen/ wie an dem Vater
Luc. 15, 20.
ſeqq.
des verlohrnen Sohns zu ſehen. Moͤgen wir nicht aus innerlicher Her-
tzens-Freude in unſere Haͤnde klopffen/ jubiliren und frolocken uͤber dieſes
hocherfreuliche Evangelium/ und ſagen: O dulce Evangelium!
O du ſůſſes Evangelium! O edler Honig und Honigſem!
O Evangelium columbinum!O des edlen Oel-Blats!
Der Rabe Cain und Judas ſind aus der Arch blieben/ aber Jonas die
Taube iſt wider kommen/ und hat das Oel-Blat mit ſich gebracht/ und
den Weg allen ihm gleichen Suͤndern gezeiget: Er iſt vorher geflogen!


O Evangelium exemplare, reale, virtuale!O welch ein
exemplariſches/ thaͤtiges/ kraͤfftiges Evangelium!
Gleich wie
Gen. 22, 9.
ſeqq.
Luc. 23, 40.
41. 42.
Ion.
2, 10.
Abraham auff dem Berge ein Exempel des Glaubens geweſen/ troͤſtlich
denen/ welche dergleichen Fußſtapffen betreten muͤſſen; Gleich wie der
Schecher am Creutz geprediget allen armen/ bußfertigen/ glaubigen Suͤn-
dern: Alſo Jonas mit ſeinem Exempel prediget in der That/ und bekraͤff-
tiget wahr ſeyn/ daß Gott der Vater ein barmhertziger Vater ſeye/ der
nicht wolle den Tod des Suͤnders/ ſo lange die Gnaden-Thuͤr offen ſtehet:
Luc. 15, 4. 5.
Ioh.
20, 22.
23.
daß Chriſtus ſeye der treue Hirte/ welcher auch ein eintziges verirretes
Schaͤflein mit gantzem Ernſt ſuche/ daß Er als der claviger, wecher ſeinen
Jungern (und dero treuen Nachfolgern) die Schluͤſſel gegeben und dero
Macht anvertrauet durch das anblaſen und einhauchen des Heiligen
Geiſtes: ſeye der holdſelige Seelen-Braͤutigam und geiſtliche Ehemann/
welcher
[289]Predigt.
welcher ſein unvergleichlich liebreiches Hertz und Begierde
entdecket und herfuͤr gethan caſu \& chriâ, mit einem caſuund
Gewiſſens-Frage/
die Er formirt Jer. 3. Wann ein Mann ſichIer. 3, 1.
ſcheidet von ſeinem Weibe/ und ſie zeucht von ihm/ und nim-
met einen andern Mann/ darff er ſie auch wider annehmen?
Jſts nicht alſo/ daß das Land verunreiniget wůrde? du aber
haſt mit vielen Bulern gehuret/ aber doch komm wider zu mir/
ſpricht der HERR:
Weiter zeiget Er ſein liebreiches Hertz an mit
einer Chriâ, mit einem lebendigen Exempel und Gleichnuͤß der Hure
Gomer/ welche der Prophet Hoſeas auff Befehl Gottes zum WeibeHoſ. 1, 2. 3.
nahm; dieſelbe ehebrecheriſche Hure iſt eine iegliche Seele/ ſo da ſuͤndiget;
der Hoſeas iſt Jeſus/ Jehoſchua/ der Heiland der Welt/ der nimmet die
groſſen Suͤnder wider an/ ſo fern ſie ſich zu ihm locken und reitzen laſſen.


II. Evangelium exemplificatum,Ein ſolches Evan-
gelium/ das an viel tauſent Exempeln wahr und erwieſen
Gen. 3, 9.
2. Sam. 12,
13.
2. Chron.
33, 12. 13.
Luc. 15, 21.
ſeqq.
c. 22, 61.
2. Cor. 2, 5.
ſeqq.

worden; alßbald an Adam und Eva/ da ſie gefallen/ ruffet der HErr:
Adam ubi es?Adam wo biſtu? an David/ Manaſſe/ dem verlohr-
nen Sohn/ Petro und dem Blutſchaͤnder zu Corintho ꝛc. Mir zweifelt
nicht/ wer noch auff den heutigen Tag zuruͤck dencket an die edle Kron/ ſo
jhm auffgeſetzet worden in der heiligen Tauffe/ wann er bedencket/ wie er
dieſelbe muthwillig verſchertzet/ wann er ſich erinnert/ wie er gelebet in ſeiner
Jugend/ im wachſenden Alter/ der ein Exempel an und fuͤr ſich ſelbſt fin-
den wird; mancher wird finden Jonam apoſtaticum, einen fluͤchtigen-ab-Ion. 1, 3.
truͤnnigen Jonam/ der fuͤr dem Herren geflohen/ das iſt von dem
Tauff-Bund/ da er getaufft worden im Namen Gottes des
Vaters/ Sohns und Heiligen Geiſtes/
durch vorſetzliche Suͤn-
den abgetreten/ ſicher dahin gelebet/ ohne Gewiſſen ein Papiſt worden/ und
als ein Wetter-Hahn vom Tauff-Bund abgefallen/ ein Marianer und
Goͤtzen-Knecht worden! ſicher in Gottes-Laͤſterung/ fluchen/ Meineyd/
luͤgen und betruͤgen fortgefahren; ohne Scheu den Sabbath entheiliget;
O wie viel ſchlaͤget allhier das Schwert des Geiſtes mit einem Streich!
die ſicher und ohne Furcht rebelliren/ den verlohrnen Sohn agiren/ ſicher
rauffen/ balgen/ den Neidhart ſpielen/ ſicher in Vnzucht leben/ die nicht an
die Sonn kommen/ in ſtummen Suͤnden/ unkeuſche Natur-Reitzung/
muthwillig abortirt/ und Vrſach zur Mißgeburt gegeben/ oder die Frucht
mit Artzney abgetrieben/ Ehebruch begangen/ und den Ehemann ein
Sechſter Theil. O ofrembdes
[290]Die Drey und Zwantzigſte (Neunte)
frembdes Ey laſſen außbruͤten/ gleich einer Graßmuck: Saͤuffer/ Spieler/
Diebs-Griff! verleumbden ꝛc.


Gottes Auge und eigen Hertz ſind hier zween Zeugen/ in dero Mund
alle Warheit beſtehet; iſt iemand/ dem das Gewiſſen deßwegen noch nicht
auffgewachet/ der daſſelbe entſchmertzet und ihm Gewalt anleget/ oder will
daſſelbe nicht reveliren laſſen/ O wehe ihm! der ſchwebet in der allerhoͤch-
ſten Gefahr ſeiner armen Seel; Bedencke woraus du gefallen biſt? nem-
lich aus dem Gnaden-Schos Gottes; Es iſt groſſe Zeit; nicht Gnad/
ſondern der Zorn bleibet auff einem ſolchen Menſchen/ und wann er gleich
ein Prophet/ ein Regent waͤre/ und die euſſerliche Gaben empfangen haͤtte/
die Verdamnuͤß iſt nur deſto groͤſſer; Saul blieb auch eine Zeitlang Koͤ-
nig/ Bileam und Caiphas waren auch Propheten; Wer aber bedenckt
was er verſchertzet/ wer zuruͤck dencket/ wie er geſuͤndiget; was er mit ſeinen
Suͤnden verdienet? laͤngſt das hoͤlliſche Feuer/ daß er darinn ſitzen und
ſchwitzen ſolte: gedencket wañ und wie er ſey wider zuruͤck geruffen wordẽ?
da reget ſich das honigſuͤſſe/ troͤſtliche Evangelium/ das preſſet die Buß-
Pſal. 34, 9.Zeichen heraus/ das erweckt Freude! daheiſſet es alßdann: Schmecket
und ſehet wie freundlich der HERR iſt!
Ein ſolcher Menſch
Ion. 4, 2.
Pſ.
103, 1.
findet Vrſach mit Jona zu ſagen von Gottes Langmuth/ mit David zu
ſingen: Nun lob mein Seel den HErren/ was in mir iſt den
2. Chron.
33, 13.
Namen ſein! ꝛc. zu erkennen mit Manaſſe/ daß der Herr Gott
ſey/ wie? hat ers dann zuvor nicht erkant? ja/ wie die athei und Gottloſen/
die Gott nicht achten; was hat er dann erfahren oder gelernet? daß Gott
nicht ein blinder oder ſchlaffender Gott ſeye/ oder ein ohnmaͤchtiger
Baal/ ſondern ein maͤchtiger Eiferer und ein barmhertziger Vater; welches
ihm eine Vrſach geweſen/ ad cautionem, daß er nicht mehr ſoll ſuͤndigen/
Ioh. 5, 14.auff daß ihm nicht etwas aͤrgers widerfahre/ ſondern wie Jonas andere zu
lehren/ zu ſtaͤrcken wie Petrus/ dem der Herr Chriſtus dieſe Vermah-
Luc. 22, 32.nung gab/ Wann du dich dermal eins bekehreſt/ ſo ſtaͤrcke deine
Bruͤder/
geordnet? nicht vergebens ſind dem verlohrnen Sohne neue
Eph. 6, 15.Schuh angemeſſen worden! Warumb? Der Apoſtel Paulus legts aus;
Seyt/ ſagt er/ an Beinen geſtiffelt oder geſchuhet/ als fertig zu
treiben das Evangelium des Friedes/ damit ihr bereitet ſeyt.


III. Evangelium roſaceum,Ein wolriechendes/ kräff-
tiges/ Seel- Hertz- und Gemuͤth-ſtärckendes Evangelium/
gleich einem lieblichen Roſen-Balſam oder Honig;
ſintemal
das
[291]Predigt.
das Evangelium gleiche fata mit dem Roſen-Stock außſtehen muß; Ein
fruchtbares Bienlein ſauget Honig daraus/ eine Spinne Gifft/ eine Rau-
pe friſſet es gar ab und verderbets mit einander; die Raupen ſind die No-
vatianer/ die zwar einem gefallenen Suͤnder eine Hoffnung machen von
der Gnade Gottes/ aber den Loͤſe-Schluͤſſel machen ſie gantz zweifelhafftig;
deren einen aber Aceſium, Conſtantinus Magnus ſehr wol beſchlagen.apud So-
zom. l.
1, 21.

Der Novatianiſmus iſt laͤngſt außgeſtorben/ keine Sect hat weniger
Nachfolger hinderlaſſen: An deſſen ſtatt iſt kommen veteraniſmus, die
rohe/ ſichere/ epicuriſche Welt/ die nichts glaubet/ nichts hoͤret/ will
ſich nicht locken noch bewegen laſſen/ eben als Ulyſſis Geſellen*.


* Nach dem Vlyſſis Geſellen von der Circe in unvernuͤnfftige Thiere
verwandelt/ und der Vlyſſes mit der Circe gute Freundſchafft gemacht/ ſind ſie
auff einmal/ ſich zu erquicken/ ſpatzieren gangen in den gruͤnen Wieſen/ Hoͤltzun-
gen/ an der Seekamiten und andern luſtigen Orten. Wie ſie nun mancherley
diſcurſe gehalten/ hat Vlyſſes die Circe gebeten/ ſie moͤchte ihm/ ehe er von ihr
ſchiede/ die Gnade erzeigen/ und ihm behuͤlfflich ſeyn/ damit er von den unver-
nuͤnfftigen Thieren/ die ſeine Geſellen und Geferten vormals geweſen/ eine
muͤndliche Antwort erlangen koͤnte/ ob ſie anch widerumb in ihr Vaterland zu
reiſen begehrten. Solches hat Circe dem Vlyſſi zu thun und zu vergoͤnnen ver-
heiſſen; daß nemlich ein ieglichs Thier/ das zuvor Menſch geweſen/ ſo lange
widerumb ſeine Sprache und Vernunfft erlangen und gebrauchen ſolte/ biß ſie
auff Vlyſſis Fragen geantwortet. Auff dieſe Zuſage und der Circe Wort iſt
Vlyſſes fortgangen/ und hat ſich auff einen [gruͤnen] luſtigen Huͤgel/ nicht ferne
vom Meer niedergeſetzet/ umbherſehend/ iſt er alßbald anſichtig worden einer
Aufter/ mit ihren Schalen an der Klippen hangend/ welche er zu ſich geruffen/
ſie angeredet und gefraget/ ob ſie nicht wolte wider ein Menſch werden/ und mit
in Griechenland ziehen/ dann er koͤnte ihr ſolche Gaben wol mittheiien/ weil es
ihm von der Circe vergoͤnnet.


Die Auſter hat Vlyſſis Anbringen angehoͤret/ alßbald darauff geant-
wortet: O mein liebſter Vlyſſes, deine Beredſamkeit und Weißheit gebraucheſt
du anietzo gegen mir nur vergebens und umbſonſt/ meinen gluͤckſeligen Stand/
darinnen ich ietzt lebe/ gedencke ich mit nichten zu veraͤndern. Da fragt Vlyſſes:
Ey lieber! Was biſtu zuvor fuͤr ein Menſch geweſen? ſage mirs doch! Die
Auſter antwortete/ ſie waͤre aus Griechenland buͤrtig/ und fuͤr dieſem ein Fiſcher
geweſen. Vlyſſes fragt weiter: Haͤlteſtu dann dieſen Stand hoͤher als das
menſchliche Weſen? Sie antwortet: Ja freylich halte ich ihn hoͤher. Da ich
ein Menſch war/ und mich von fiſchen ernehren muſte/ habe ich weder Tag noch
Nacht geſchlaffen/ in Schnee und Regen/ Kaͤlte und Froſt muſte ich mein Leben
zubringen/ und zwar nicht auff dem Lande/ wie der Menſchen Gewohnheit iſt/
ſondern auff dem kalten Waſſer/ in groſſer Gefahr des Lebens. O wie hab ich
mich ſo offt matt und muͤde gearbeitet/ und dannoch kaum ein ſtuͤcklein Brods
erworben. Wie offt habe ich mit ledigen Netzen muͤſſen zu Hauſe gehen/ mit
hungerigem Magen und kurrendem Bauch/ auch kaum ſo viel Zeit und Raum
gehabt/ daß ich mich haͤtte koͤnnen ſchlaffen legen. Nun aber hab ich von Natur
uͤberfluͤſſig/ alles/ deſſen ich benoͤthigt/ darff nicht arbeiten; dann meine Speiſe/
O o 2davon
[292]Die Drey und Zwantzigſte (Neunte)
davon ich lebe/ faͤllet vom Himmel: und bin auch mit zwo Schalen umbgeben/
das iſt mein Haͤuß und feſtes Schloß/ darumb ich keine Wohnung fuͤr Geld mie-
ten darff/ diß ſchließ ich auff und zu/ wann mirs beliebet. Ja diß iſt auch mein
natuͤrlich Kleid und Harniſch/ mit welchem ich von Natur verſehen bin: Darge-
gen werdet ihr Menſchen nacket und bloß auff dieſe Welt geboren/ koͤñet nit gehen
noch ſtehen/ verſtehet auch nicht was gut oder boͤſe iſt. Von dieſem allem hat mich
die Natur befreyet/ und mich mit einem gluͤckſeligem Stand begabet. Darumb
lieber Vlyſſes, du magſt hinziehen wo du wilt/ ich will hier bleiben/ und mich wider
nach meiner Klippen verfuͤgen. Damit hat die Auſter den Vlyſſem allein ge-
laſſen/ welcher zum Theil ſich verwundert uͤber dieſen diſcurs zum Theil auch zor-
nig worden/ daß er mit Schimpff beſtanden war. Vnd auff gleiche Weiſe haben
auch die uͤbrige andere Thiere Vlyſſem beantwortet/ derer Geſpraͤch in der acerrâ
philologicâ
zu finden.


Da ſauget ſie gleichſam als eine Spinn ihr Gifft heraus/ O eine
Rom. 6, 1.
Sap.
2, 6.
boͤſe Spinn! Derowegen ſpricht ſie ihren Kindern zu: Laſſet uns in
der Sůnde beharren/ auff daß die Gnade deſto maͤchtiger ſey!

Laſſet uns dann leben und unſers jungen Leibs und Lebens vnd was wir
haben/ brauchen/ weil es da iſt! Laſſets uns drauff hinein wagen und
am Suͤnden-Knaul winden! die Gnade Gottes wird uns ſchon wider-
ruffen und bekehren! weil wir in dem vorigen Stande/ in Ehren-Aemptern
ſitzen/ weil uns Gott mit herrlichen Gaben außruͤſtet/ ſo iſt Er uns gnaͤ-
dig! darumb cras! cras! morgen und alle Tage iſt es Zeit mit der Buſſe;
Gott iſt langmuͤthig und guͤtig/ Er iſt ein guter Gott!O blasphe-
miam!
O der grauſamen Gottes-Laͤſterung! O du boßhafftiges/ ver-
Rom. 2, 4.ſtocktes Hertz! gedenck an den Apoſtoliſchen Verweiß Rom. 2. Verach-
teſtu den Reichthumb ſeiner Guͤte/ Gedult und Langmuͤthig-

Pſ. 95, 7. 8.
Hebr. 3, 7.
c.
4, 7.
keit/ weiſſeſtu nicht/ daß dich Gottes Guͤte zur Buſſe leitet?
Gedenck an das hodie incertum, daß es heiſſet heute! Heute/ ſo ihr des
HERREN Stimme hoͤret/ ſo bekehret euch/
ſo iſt es noch
Zeit! wie lange? weiß Gott. Es ſtehet in ſeiner Hand/ einem gibt er lange
Ion. 3, 4.Zeit/ Jeruſalem viertzig Jahr/ Ninive nur viertzig Tage; gedencke an das
νυν῀, ietzt iſt der Tag des Heils/ wer weiß/ wie lange das ietzt werden wird?
Num. 25, 8.wie viel ſind in flagranti peccato, mitten in der Suͤnde dahin geſtorben/
die in gleicher Suͤnde mit Simri und Caſbi geſtecket? Wie viel ſeynd in


Narrat Herodotus l. 2. Cyrum, cùm Iones pacis conditiones, quas priùs
repudiârant, ab eo repoſcerent, dixiſſe eis apologum tibicinis, qui ad alliciendos
piſces tibiâ cecinerat, ſed cùm nihil proficeret, ſagenam miſit in mare, multosq́ue
pertraxit, quos cùm palpitantes intueretur: Temperate, ait, jam à ſaltationibus,
quia me canente noluiſtis ſaltarè. Ita Deus Iudæis tibiam Ezechielis \& Prophe-
tarum reſpuentibus, hamum Chaldæorum immiſit, quo capti \& necati ſunt.
()

dem
[293]Predigt.

dem neulichen dreiſſig-jaͤhrigen Krieg dahin gefallen/ die nicht einmal zu
dieſer Gnade kommen? Zwey oder dreymal ſihet GOTT etwanIob. 33, 29.
zu/ daß Er eine Seele herumb hole aus dem Verderben.


Gedencke an die Wort Lutheri: Quanquam Deus promiſit ve-Lüth. ad
Gen. 50.
fol. 249.
f.
2.

niam, tamen non promiſit, quod certò ſis rediturus! Saul \& Judas non
redierunt: Phariſæus non debet ſalvus fieri præſumendo, nec latro perire
deſperando.
Ob zwar Gott Vergebung der Suͤnden verſprochen hat/
ſo hat Er doch dir nicht ohnfehlbar zugeſaget/ daß du wirſt widerkommen
mit wahrer Buſſe! Saul und Judas ſind nicht widerkommen: Der
werck-heilige Phariſeer ſoll nicht ſelig werden durch ſelbſt-erdichtete Ein-
bildung/ und der Schecher auch nicht verderben durch Verzweifelung.
Vnd wie D. Gerhardus ſagt: Promiſit Deus veniam pœnitenti, ſed vo-D. Gerh.
meditat.
p.
29.

luntatem pœnitendi non promiſit delinquenti,Gott hat zwar Erlaſ-
ſung verheiſſen den bußfertigen Suͤndern/ aber die Buſſe nicht einem ieg-
lichem verheiſſen/ ſo offt er ſuͤndiget. Lutherus ſchreibet uͤber das dritteLuth. tom.
8. Witteb.
fol.
268.

Capitul Hoſeæ pag. 268. Gedencke du bey dir ſelbſt/ was dieſe Ehebreche-
rin fuͤr ein Hertz haben wird/ welche alſo guͤtig von ihrem Mann wider-
umb wird auffgenommen/ wann ſie nur allein gewiß glaubet/ daß ſie von
ihrem Mann geliebet werde. Meynſtu nicht daß ſie einen hefftigern
Schmertzen empfangen wird/ wann ſie an ihre greuliche Suͤnde/ ſo ſie mit
andern begangen/ gedaͤchte? oder meynſtu/ daß nicht/ daß ſie ſich hernach
befleiſſen wuͤrde/ ſich ihres Mannes Willen zu vergleichen/ deßgleichen auch
alles thun und anfangen/ damit ſie wuͤſte ihren Mann zu erfreuen/ dage-
gen alles fliehen und verhuͤten/ damit ſie wuſte/ daß ſie ihn erzuͤrnen koͤnte?
Es wird aber derhalben der Chriſtlichen Gemein die Barmhertzigkeit
Gottes nicht gelobet/ daß ſich die Leute an ihr aͤrgern/ und derſelben miß-
brauchen ſollen/ und zu ſuͤndigen fortfahren/ ſondern daß ſie anfahen ſich
mit hoͤhern Ernſt und Fleiß darinnen zu bemuͤhen/ damit hinfuͤrder der
Wille Gottes von ihnen gethan werde/ welcher von ihnen bißher gantz boß-
hafftiglichen verachtet worden iſt. Gott geb uns allen apinam pru-
dentiam,
Jmmen-Klugheit/ außzuleſen und zuſammen zu tragen einen
heilſamen Honigſeim zur geiſtlichen Hauß- und Hertzens-Apotheck/ damit
unſere Seel zu nehren/ uns/ kommt Anfechtung her/ zu wehren/ daß ſie uns
nicht moͤge verkehren/ ſondern vielmehr durchs Creutz widergebaͤren zum
beſten Kleide der himmliſchen Ehren/ der Heilige Geiſt wolle uns unſers
Wunſches gewaͤren/ Amen.


Die
[294]Die Vier und Zwantzigſte

Die Vier und Zwantzigſte Predigt


Vber den dritten Articul/ und uͤber die Wort
Matth. 12/ 31. 32.
Von der Suͤnde in den Hei-
ligen Geiſt.


Alle Suͤnde und Laͤſterung wird dem Menſchen
vergeben/ aber die Laͤſterung wider den Hei-
ligen Geiſt wird dem Menſchen nicht ver-
geben; und wer etwas redet wider des
Menſchen Sohn/ dem wirds vergeben:
aber wer etwas redet wider den H. Geiſt/
dem wirds nicht vergeben/ weder in dieſer
noch in jener Welt.
()

1. Reg. 2, 8.

GEliebte in Chriſto: Vnter andern noviſſimis und letz-
ten Worten/ damit der alte betagte Koͤnig David ſeinem
Sohn Salomon gleichſam valedicirt/ leſen wir auch dieſe
Klag-Wort/ die er fuͤhret uͤber Simei/ den Sohn Gera/
den Sohn Jemini; Es hat derſelbe zur Zeit ſeiner Flucht/
da er gen Mahanaim gangen/ ihm ſchaͤndlich geflucht/
in ſeiner Sprach lautets alſo: Kalala Nimrezeth, in der lateiniſchen
2. Sam. 16,
7.
verſion: maledictione peſſimà, 2. Sam. 16. Er erinnert ſich 1. der
maledictionan ihr ſelbſt; Die Rabbinen quaͤlen ſich mit der Ca-
bala,
und wollen per acroſticha des Worts Nimrezeth erkundigen/ was
eigentlich der Fluch moͤg geweſt ſeyn/ halten dafuͤr/ ſo viel Buchſtaben in
dem Wort nimrezeth begriffen/ ſo viel opprobria und Schmaͤhwort;
[...] bedeutet Noeph, adulterum, einen Ehebrecher/ [...]moabitam, einen
Moabiten/ dieweil er aus der Ruth entſprungen [...]Rozeach, homicidam,
einen Todſchlaͤger/ [...]Zaruach, leproſum, einen Auſſaͤtzigen/ der als ein
Auſſaͤtziger zur Statt hinaus muß [...]toebah, abominabilem, einen ab-
ſcheuli-
[295]Predigt.
ſcheulichen Mann/ einen Greuel. Aber was darffs viel cabaliſirens/ die
Hiſtori zeigets klar an/ was es fuͤr Scheltwort geweſt/ Heraus/ herausv. 7.
du Bluthund/ du loſer Mann/ du biſt ein Bluthund.Ze ze
iſch hadamim veiſch habelial.


Das war wol nimrezeth, roborata calumnia,vielfaͤltige
Laͤſterung/
keine einfache/ ſondern 1. mala,eine böſe Laͤſterung/
ſo aus boͤſem/ gifftigem/ lang-ingehaltenem/ feindſeligem Hertzen entſproſ-
ſen/ er war vom Geſchlechte Saul/ calumnirt/ als waͤre David ſchuldig am
Blute Saul und ſeinem Hauſe/ der Herr hab ihm vergolten; Es ſagt
zwar David/ als Abiſai an ihn wolte/ und ihm den Laͤſter-Kopff abreiſſen:
Der HErr hats ihn geheiſſen/ fluche David/ laß ihn fluchen!v. 10.
ſo es der Herr geheiſſen/ moͤchte iemand ſagen/ ſo iſts nicht unrecht; Es
iſt aber hie zu wiſſen/ daß es der Herr anders nicht geheiſſen/ als er auch
zum Luͤgen-Geiſt geſagt; 1. Reg. 22. Gehe aus und thue alſo/ als Chri-1. Reg. 22,
22.
Matt.
8, 32.

ſtus geheiſſen die Teufel in die Schwein fahren; als eine Obrigkeit den
Hencker heiſſet den Vbelthaͤter vom Leben zum Tode zu richten: Sonſt
muͤſte Gott der Herr ungerecht/ Simei aber gerecht geſprochen werden.
Der Herr hats ihn geheiſſen/ nicht als wann Er ihn darzu gereitzet oder
getrieben/ ſondern als ein Richter den teufeliſchen Willen/ der ſchon in
Simei gebrant/ und keines reitzens von noͤthen gehabt/ zuzulaſſen/ welcher
nicht haͤtte außbrechen koͤnnen/ ſo Gott nicht verhenget haͤtte.


2. Maledictio pejor,Die Laͤſterung war noch aͤrger/
in Betrachtung daß ſie nicht auff eine privat Perſon/ ſondern auff den
Koͤnig gezielt/ den Geſalbten des Herren getroffen/ der doch jure divino
\& gentium
nach allen Rechten privilegirt; dann dem Koͤnig ſoll man
nicht fluchen/ der Koͤnig iſt ἄσυλος, frey als der Geſalbte des Herren;
Es waͤr dieſe Laͤſterung nicht außgeſtoſſen auff eines gemeinen Menſchen
Sohn/ ſondern auff einen Propheten und Koͤnig von Gott geſalbet/
der mit Vnrecht entſetzet/ daher die indignitaͤt und Vnbilligkeit der Sach
den Helden Abiſai bewogen/ daß er geſaget: Solte dieſer tode Hund2. Sam. 16,
9.

meinem Herren dem Koͤnig fluchen? Jch will hingehen/ und
ihm den Kopff abreiſſen.


3. Maledictio peſſima,Am alleraͤrgſten war dieſe Laͤ-
ſterung/
dieweil ſie Gott im Himmel ſelbſt angetaſtet und betroffen/
dann Gott der Herr iſt ſelbſt intereſſirt/ wird injurirt durch David.
Jn dem er ihn den Koͤnig von Gott erwehlt anſpricht/ gerad als haͤtte er
ohne
[296]Die Vier und Zwantzigſte
ohne Beruff mit Gewalt Kron und Seepter ergriffen; Er nennet ihn
v. 7. 8.einen Bluthund/ der HERR/ ſagt er/ hat vergolten alles Blut
des Hauſes Saul/ daß du an ſeine ſtatt biſt Kõnig worden/

gleich als haͤtte ſich David ohne Gottes Beruff mit Gewalt in das Reich
eingetrungen/ gleich als haͤtte Gott einen rebelliſchen Mann zum Scepter
v. 8.erhaben/ er ſetzet noch darzu: Nun hat der HERR das Reich ge-
geben in die Hand deines Sohns Abſalons;
Er nennet den
Mann Gottes einen iſch belial,einen Teufels-Mann/ die con-
ſequen
tz iſt bald gemacht: Jſt der Mann Gottes ein Teufels-Mann/ was
iſt Gott?


Gleichwol aber 4. maledictio remiſſibilis,ein Fluch und
Laͤſterung ſo Vergebung erlanget;
dann nach dem Simei geſehen/
wie die fata lauffen und zuruͤck gehen/ Abſalom umbkommen/ David ſein
Scepter und Kron gewunnen/ da wird ihm bange/ er kriecht zum Creutz/
iſt der erſte der David einen Fußfall thut/ bittet umb perdon und Gnad/
2. Sam. 19,
19. 20. 21.
22. 23.
2. Sam. 19. wie er dann auch Gnad erlanget/ David ſchweret/ er ſoll nicht
ſterben/ verſtehe durch die Hand Davids/ in dem Leben Davids/ heute die-
ſen Tag; Abiſai meynet/ man ſolt ihm den Proceß alſobald gemacht ha-
ben/ ſolt Simei nicht ſterben/ ſo er doch dem Geſalbten des Herren ge-
flucht? Aber David ſagt: Solt heute iemand ſterben in Jſrael?
Solt ich dieſen meinen Ehren- und Freuden-Tag in einen Blut- und
Trauer-Tag verwandlen? und waͤr ihm auch dieſer Verſpruch wol ge-
halten worden/ wo er Salomons Gebott nicht uͤbertretten und aus dem
1. Reg. 2,
36. ſeqq.
Arreſt außgewichen waͤre. Biß hieher Kelalah Nimrezeth Simeia,
der Fluch Simei.


Viel ein anderer ſchroͤcklicher und ſchaͤndlicher uͤberaͤrgerer Fluch wird
uns in vorgeleſenem Texte beſchrieben/ nemlich die Laͤſterung und
Suͤnde wider den Heiligen Geiſt/
die Suͤnde uͤber alle Suͤnde/
die unvergebliche Suͤnde/ davon der Herr ſagt in vorhergehenden Wor-
ten/ nach dem die Phariſeer ſein Wunderwerck/ ſo Er durch Gottes Fin-
ger den Heiligen Geiſt gethan an einem Beſeſſenen/ Blinden und Stum-
men/ die Phariſeer ohngefaͤhr darzu kommen/ und aus Neid geſagt: Er
treibet die Teufel nicht anders aus als durch Beelzebub; ſo ſagt der Herr
darauff: Jch ſage euch/ alle Suͤnde und Läſterung wird dem
Menſchen vergeben/ und wer etwas redet wider des Menſchen

Sohn/
[297]Predigt.
Sohn/ als Er ſey ein Weinſaͤuffer/ Samariter. Aber wer etwas
redet wider den Heiligen Geiſt/ dem wird es nicht vergeben/
weder in dieſer noch in jener Welt/
das iſt/ wie es Marcus auß-
leget c. 3. Er hat keine Vergebung ewiglich/ ſondern iſt ſchuldigMarc. 3, 29.
des ewigen Gerichts. Jſt einThema, welches wir zu Ende der
Wercke des Heiligen Geiſtes
fuͤrtragen wollen; dann nach dem wir
bißhero von den Gaben und Aemptern des Heiligen Geiſtes
gehandelt/ erheiſchet es die gute Ordnung/ daß wir auch ex oppoſito han-
deln von der Sůnde in den Heiligen Geiſt; Dieſelbe zu verſtehen/
und uns dafuͤr zu huͤten/ wolle uns Gott der Heilige Geiſt reichlich bey-
wohnen mit ſeiner Gnade/ umb Jeſu Chriſti willen/ Amen.


ES ſind zwar unterſchiedliche Sůnden/ ſo auff den Heili-
gen Geiſt
zielen/ Erſtlich communis, initialis, diſpoſi-
tiva,
Eine allgemeine Suͤnde/ ſo der Anfang iſt zur
rechten groſſen Suͤnde wider den H. Geiſt/
wird begangen ſo offt
man ſonderlich die Perſon und Ampt des H. Geiſtes angreiffet/ den-
ſelben zu betruͤben/ welches er ein Weile vertraͤgt per τροποφορίαν, gleich wieEph. 4, 30.
Act. 13, 18.
Actor. 5, 4.
ſeqq.
c. 8, 19.
Eſa. 64, 10.
1. Theſſ.
5,
19.

er geduldet die Kinder Jſrael in Egypten viertzig Jahr; zu verſuchen/ wie
Ananias und Saphira Gott den H. Geiſt verſuchten Actor. 5. depre-
ciando,
mit den Gaben des H. Geiſtes/ Fugger- und Kraͤmerey zu treiben/
dergleichen Simon begehrte von den Apoſteln Actor. 8. zu erbittern und
zu entruͤſten Eſa. 64. zu daͤmpffen in ſeinen Gaben 1. Theſſal. 5. ſind zwar
groſſe/ ſchwere/ Cyclopiſche/ ungeheure Suͤnden/ aber es iſt noch nicht
dasnimrezeth,die allergröſſeſte und unvergebliche Suͤnde;
Dieſelbe recht groſſe κατ᾽ ἐξοχην´ und eigentlich alſo genante
Suͤnde wider den Heiligen Geiſt
begreifft in ſich I. Repulſam
officii Spiritûs Sancti,
Einen feindſeligen Eckel/ WiderſtandAct. 7, 51.
und Verwerffung des Ampts des H. Geiſtes in der Kirchen/
ſo er vermittelſt des Predig-Ampts fuͤhret/ als welches den hohen adelichen
Namen fuͤhret/ daß es ein Ampt ſeye des Heiligen Geiſtes/ 2. Cor. 3. Der2. Cor. 3, 8.
Act. 20, 28.
1. Cor. 12,
4. ſeqq.
1. Ioh. 5, 7.
Hebr.
10,
29.

Heilige Geiſt iſts/ der das Predig-Ampt beruffet/ mit Gaben außruͤſtet/
der da zeuget als der Gnaden-Geiſt/ von Gnad/ Heil und Vergebung der
Suͤnden/ ſo von dem himmliſchen Vater allen Menſchen angeboten/
durch Chriſtum allen erworben/ aus Gnaden wuͤrcklich conferiret; Er iſts
der es verſigelt mit den heiligen Sacramenten/ Er iſt der Goͤttliche Finger/
Sechſter Theil. P pdurch
[298]Die Vier und Zwantzigſte
durch welchen Chriſtus und alle Thaumandri und Wunder-Maͤnner
Luc. 11, 20.miracula gethan: Wann nun ein Gottes-vergeſſener Menſch dieſes al-
les verwirfft/ von ſich ſtoͤſſet/ nicht annehmen/ nicht glauben will/ ſo ſtehet
er auff der erſten Staffel.


II. Repulſam proæreticam,Eine vorſetzliche Ver-
ſtoſſung der Göttlichen angebottenen Gnade/
ſo da geſchicht
von einem ſolchen Menſchen/ der da iſt einmal gnug/ das iſt/ vollkommen
erleuchtet/ dem das Liecht der Warheit in die Augen geſchienen/ der da
weiß was er thut; dann wer einen Koͤnig nicht kennet/ der kan ihn auch
Hebr. 6, 4.
c.
10, 26.
nicht laͤſtern als einen Koͤnig: von einem ſolchen Menſchen/ der da ge-
ſchmecket die himmliſchen Gaben und das guͤtige Wort Gottes/ und
theilhafftig worden des Heiligen Geiſtes/ die Erkaͤntnuͤß der Warheit
Tit. 3. 10.empfangen/ der in ſeinem Hertzen uͤberzeuget/ daß er die Warheit laͤngne
und laͤſtere: der weder durch Draͤu- oder Verheiſſungs-Wort/ ſondern
elchinam gratis, muthwillig/ freywillig/ ohngezwungen/ gleich wie Pharao
alle Mittel verſtoͤſſet. III. Repulſam Apoſtaticam,Eine ab-
Hebr. 6, 6.
c. 10. 26. 27,
Matt.
12, 31.
truͤnnige Verſtoſſung/ ſo da geſchicht durch Verlaͤugnung des Glau-
bens/ durch einen oͤffentlichen Widerruff. IV. Repulſam Blasphe-
mam,
Ein gottesläſterliche Verſtoſſung/ wann man den Sohn
Gottes ereutziget/ ſeine Wunden auffkratzet mit Schmach- und Laͤſter-
Worten/ und ihn fuͤr einen Spott haltet/ gleich wie ſeine Creutziger; den
Geiſt der Gnaden ſchmaͤhet/ wie die Phariſeer gethan.


Alſo conſequenter V. Repulſam irremiſſibilem,Eine un-
vergebliche Verſtoſſung und Suͤnde;
dann ſo leſen wir klar von
1. Sam. 2,
25.
den Soͤhnen Eli 1. Sam. 2. welche ſich an dem Verſoͤhn-Opffer und den
Mitteln der Seligkeit ſelbſt/ an dem Opffer-Fener/ dadurch der Heilige
Geiſt bedeutet worden/ verſuͤndiget; denen ſagt Eli: Wann iemand
wider einen Menſchen ſuͤndiget/ ſo kans der Richter ſchlich-
ten/ wann aber iemand wider den HERREN ſuͤndiget/

gleich wie die Soͤhne Eli/ ſie laͤſterten das Speiß-Opffer des Herren
wer kan fuͤr ihn bitten? ſonderlich im Neuen Teſtament ſagt Chriſtus
Mat. 12, 32.Matth. 12. Wer etwas redet wider des Menſchen Sohn/ dem
wirds vergeben/ wer aber etwas redet wider den Heiligen
Geiſt/ dem wirds nicht vergeben/ weder in dieſer/ noch in jener

Hebr. 6, 4:
5. 6.
Welt. Widerumb St. Paulus Hebr. 6. Es iſt unmoͤglich/ daß
die
[299]Predigt.
die einmal erleuchtet ſind/ und geſchmecket haben die himliſche
Gaben/
(Freude und Troſt des Heiligen Geiſtes) und theilhafftig
worden der Gaben des Heiligen Geiſtes/ und geſchmecket das
guͤtige Wort Gottes/ und die Krafft der zukůnfftigen Welt/

das iſt/ deroſelben Vorſchmack gehabt/ wo ſie abfallen/ und wider-
umb ihnen ſelbſt den Sohn Gottes creutzigen/ und fuͤr Spott
halten/ mit Fuͤſſen tretten/ daß ſie wider ſolten erneuert werden
zur Buſſe.
Vnd St. Johannes 1. Johan. 5. So iemand ſihet1. Ioh. 5, 16.
17.

(per donum diſcretionis) ſeinen Bruder ſuͤndigen nicht zum
Tode/ der mag bitten/ ſo wird er geben das Leben/ denen/ die da
ſuͤndigen nicht zum Tode; Es iſt aber eine Suͤnde zum Tode/
dafuͤr ſage ich nicht/ daß iemand bitte; Alle Vntugend iſt
Suͤnde/ und es iſt etliche Suͤnde nicht zum Tode/
gleich wie
zweyerley Wunden ſind/ eine iſt zum Tode/ die andere iſt nicht zum Tode;
von jener ſagt man/ ſie koͤnne nicht geheilet werden: Alſo wer ſuͤndiget
zum Tode/ dem kans nicht vergeben werden/ das iſt die rechte unvermei-
dentliche Tod-Suͤnde.


Moͤchte iemand ſagen: Wie? nicht vergeben werden? Hab ich
doch ie und allezeit gehoͤret/ es ſey keine Suͤnde ſo groß/ ſie koͤnne vergeben
werden wann man Buſſe thue? Wo die Suͤnde maͤchtig iſt/ daRom. 5, 21.
iſt Gottes Gnade viel maͤchtiger; Ob bey uns iſt der Suͤn-
den viel/ bey GOTT iſt vielmehr Gnade/ ſeine Hand zu
helffen hat kein Ziel/ wie groß auch ſey der Schade?
Antwort:
Ja freylich bleibet beydes wahr/ auff Seiten Gottes iſts gewiß/ daß Gott
der Vater den Suͤnder in den Heiligen Geiſt nicht bloß verworffen/ ſon-
dern ſo viel an ihm/ wolle/ daß er nicht ſterbe! Der Sohn Gottes iſt auch
fuͤr dieſe Suͤnde/ wider den Heiligen Geiſt begangen/ geſtorben/ ſein Blut
iſts/ damit er gereiniget; der Heilige Geiſt eben in ipſo actu, da der Menſch
gemeldte Suͤnde begehet/ ſo offerirt Er ihm ja ſeine Gnade kraͤfftig/ ſonſt
ſuͤndigte er nicht in den Heiligen Geiſt/ und koͤnte nicht mit Recht geſtrafft
werden: Die Epiſtel an die Hebreer c. 10. bezeuget klar/ daß der HerrHebr. 10,
29.

Chriſtus in particulari ſein Blut vergoſſen habe/ auch fuͤr die/ ſo wider den
Heiligen Geiſt ſuͤndigen/ da ſie ſagt/ daß ein ſolcher Verbrecher das
Blut des Teſtaments unrein achte/ durch welches er gehei-
liget iſt:
Sondern auff ſeiten des Menſchen iſts unmoͤglich/ oder der
P p 2Menſch
[300]Die Vier und Zwantzigſte
Menſch iſt ſelbſt ſchuld an ſolcher impoſſibilitaͤt/ dieweil er die Gnaden-
Mittel ſelbſt verachtet und mit Fuͤſſen tritt; zum Exempel/ ein Krancker
der mit einer unheilſamen gifftigen Kranckheit behafftet/ kan nicht geheilet
werden potentiâ naturali, durch natuͤrliche Krafft und Vermoͤgen/ kan
aber doch obedientiali, durch uͤbernatuͤrliche Krafft/ ſo fern er nicht wider-
ſtehet; verachtet er dieſe/ ſo kan er gar nicht curirt werden/ nicht aus
Mangel der Artzney/ ſondern aus eigener Boßheit/ aus eigener Schuld;
Iohan. 9, 1.
ſeqq.
Der Blindgeborne Joh. 9. hat natuͤrlicher Weiſe nicht koͤnnen curirt und
ſehend gemacht werden/ aber durch Gottes ſonderbare Gnade hat er koͤn-
nen ſehend werden; haͤtte er aber dieſe mit Fuͤſſen getretten/ ſo haͤtte ihm
gar nicht koͤnnen geholffen werden/ ſondern were ewig blind geblieben.


Folgends endlich VI. finaliter perſeverantem,eine verhärtete
Suͤnde/ darinnen einer verharret biß ans Ende;
der Zorn Got-
tes bleibet uͤber ihn/ wegen der unuͤberwindlichen Verhaͤrtung/ welche nicht
kan uͤberwunden und gebrochen werden durch den freyen Willen/ das
ordentliche Mittel ſeiner Bekehrung verwirfft er/ kein extraordinarium
und uͤberordentliches Mittel iſt ihm Gott ſchuldig. dann ob zwar die
reciprocatio nicht angehet/ und nicht folget: Ein ieglicher beharrlich un-
bußfertiger Suͤnder/ der in ſeiner Vnbußfertigkeit beharret biß ans Ende/
iſt ein Suͤnder in den Heiligen Geiſt; ſo folget doch im Gegentheil/ und
kan nicht anders ſeyn: Eine iegliche Suͤnde/ ſo nicht vergeben wird/ die
herrſchet in dem Suͤnder biß an ſein Ende; dann ſonſt/ wo er nicht drin-
nen verharrete biß ans Ende/ ſo wuͤrde ſie vergeben: es iſt die Beharrligkeit
ein adjunctum inſeparabile, und mag nicht von dieſer Suͤnde abgeſon-
dert und getrennet werden/ gleich wie eine iedwedere unheilſame Kranckheit
zum Tode iſt. So viel in Θέσει von der definition,was die Sůnde in
den Heiligen Geiſt
eigentlich ſeye? Jſt alles conjunctim zu verſtehen/
da kein ſtuͤck von denen erſterwehnten Gliedern/ ſo dieſe Suͤnde in ſich be-
greifft/ mangeln muß; Es iſt dieſelbe allererſchroͤcklichſte Suͤnde/
aus oberzehlten/ eine ſolche Suͤnde/ da ein Menſch/ der zuvor die
Warheit erkannt/ in ſeinem Hertzen und Gewiſſen derſelben
uͤberzeuget/ aus Vorſatz/ ohne Noth-Zwang und Furcht der
Gefahr/ dieſelbe öffentlich verlaͤugnet/ laͤſtert und ſchmähet/
und freywillig das heilige Evangelium und Predig-Ampt/
als ein Gnaden-Ampt Gottes des Heiligen Geiſtes von ſich
ſtöſſet/ von dem reinen ſeligmachenden Glauben abfaͤllet/

denſel-
[301]Predigt.
denſelben verlaͤſtert und verfolget/ keine Vergebung erlanget/
biß an ſein Ende darinnen verharret/ und dem ewigen Tode
nicht entgehen kan.


Belangende nun die ὑπόθεσιν und die exempla, ſo kan dieſer Suͤnde
nicht bezuͤchtiget werden I. Κατ᾽ ἄρσιν, Petrus/ nicht Paulus/ nicht alle
apoſtatæund heutige/ gezwungene/ abtruͤnnige Mamelucken/
nicht jener Straßburgiſcher Prieſter/ von dem () Bucerus ſchreibt/() in cap.
12. Matth.
confer D.
Feurborn.
de peccat.
in Spir. S.
p.
532.

welcher im erſten Anblick der reformation ſich anders nicht geſtellet als
waͤre er Evangeliciſſimus, pur lauter Evangeliſch/ hernach aber/ als er geſe-
hen/ daß das Evangelium verhaſſet/ und bey demſelben aus Abſchaffung
der Meß und des Opffer-Pfennigs wenig Genieß zu erholen/ ſich geaͤndert
und zuruͤck geprellet. Es ſind zwar gewiſſe Exempel aus Gottes Munde
ſelbſt notirt und gezeichnet/ als Suͤnden wider den Heiligen Geiſt/ ſonder-
lich aus dem Munde Chriſti/ die Phariſeer/ Matth. 12. der in ihr HertzMatt. 12, 31.
hinein geſehen/ und das monſtrum war genommen/ daſſelbe geoffenbaret/
entdecket und geſagt: Jch ſage euch/ nemlich Gegenwaͤrtigen! Mar-
cus zeucht die theſin in hypotheſin cap. 3. dann ſie die Pharifeer ſagten:Marc. 3, 30.
Er hat einen unſaubern Geiſt/ darumb ſage ich/ die Laͤſterung
wider den Heiligen Geiſt wird euch nicht vergeben:
Gewiß
ſind die Exempel aus der Hiſtori und event nach dem Tode worden; ſon-
derlich das Exempel Juliani, der von Euſebio Nicomed in der Chriſt-
lichen religion unterrichtet/ vollkommlich erleuchtet/ die Gnaden-Gaben
des Heiligen Geiſtes empfangen und genoſſen/ und ſo weit kommen/ daß
er gar in der Jugend Iector worden in der Kirchen zu Nicomedien; her-
nach durch Verfuͤhrung der Heydniſchen Præceptoren/ ſonderlich Libanii
Rhetoris
widerumb ins Heydenthumb zuruͤck gefallen/ den Schalck zwar
verborgen/ biß er den Schluͤſſel gefunden/ darauff er angefangen/ nach
dem er bey Straßburg eine Schlacht erhalten/ ſechtzig taufent Aleman-
nier erſchlagen/ den Koͤnig ſeinen Feind gefangen bekommen/ da hat er
apoſtaſirt/ mit ſonderer ſolennitaͤt/ die Tauffe mit Opffer-Blut abge-
waſchen/ das Heydenthumb wider auffgerichtet/ der Chriſten Schulen
verboten: Chriſto zu Trutz den Juden geſtattet ihren Tempel wider zu
bauen/ und Policey anzurichten; der Chriſten ihre ἀπολογίας, Bekaͤntnuͤß
und Verthaͤdigung verworffen mit dieſen Worten: ἀνέγνων, ἔγνων, κα-
τέγνων, ich habe es geleſen/ habe es verſtanden/ aber doch verdammt und
verworffen/ ihnen ihre Guͤter ſpolirt/ damit ſie deſto ehe in das Himmel-
P p 3reich
[302]Die Vier und Zwantzigſte
reich kommen moͤchten/ Jovianum und Valentinianum umb und von we-
gen Chriſti Namen und Evangelii ſchaͤndlicher Weiſe relegiret/ Chriſtum
gelaͤſtert und wider ſeine Gliedmaſſen ſchroͤckliche perſecution geuͤbet/ ſon-
derlich Athanaſio ſehr zuwider geweſt/ der ihn einer nubeculæ citò
tranſeunti
und Woͤlcklein/ ſo bald verſchwinden wuͤrde/ verglichen; Jn
ſeiner expedition als er ſterben wolte/ hat er ſeine Hand voll Blut genom-
men/ und in die Lufft geſpruͤtzt und geſagt: viciſti Galilæe!du haſt
ůberwunden du Galileer/
und alſo alle numeros und Grad der
Suͤnde wider den H. Geiſt erfuͤllet.


Vngewiß iſt heut zu Tage/ wer in ſolcher Suͤnde ſtecke/ wegen Man-
gel die Geiſter zu pruͤfen und zu unterſcheiden/ ultima ſemper expectanda
dies,
der letzte Tag machet alles offenbar/ man muß eines ſein Ende be-
trachten. Aber gleichwol iſt das wahr/ daß gar nahe darzu haben die ab-
truͤnnigen Mamelucken/ ſo anfangs in Boͤhmen/ Oeſterreich ꝛc. umb der
religion willen vertrieben/ deren etliche ein groß Liecht gehabt/ aber hernach
widerumb freventlicher Weiſe zuruͤck geprellet. Ein ſolcher Menſch muß
weit lauffen/ ſoll er der Anklag eines ſolchen ſchweren Suͤnders entlauffen.
Nahe haben darzu die laͤſternden Jeſuiten/ die laͤſternden Calviniſten/ die
ſagen/ ſie ſeyen unſerer Meynung/ und laͤſtern doch; Vnſere Laͤſter Maͤuler/
wañ man zum Exempel laͤſterlich heraus faͤhret: Welcher Teufel hat das
gethan? hingefuͤhrt/ hergefuͤhrt? Wann man die H. Sacramenta laͤſter-
licher Weiſe Gott fuͤr die Fuͤſſe wirfft/ dieſelbe dem Neben-Menſchen
anfluchet/ ſind nicht Suͤnden/ ſo von den unwiſſenden Juden/ ſondern von
apud Mar-
chant. in
horto
paſt. p.
20.
den wiſſenden Chriſten vorſetzlich begangen werden; Hieher gehoͤren alle
Atheiſten. Jener Simon von Tornaco zu Pariß/ welcher lieber wolte
mit Ariſtotele und dem groͤſten Hauffen gelehrter Leute verdammt wer-
den/ als bey den gemeinen Leyen in dem Himmel wohnen; O daß nicht
ſolche auch unter uns ſeyen!


Derowegen obſta principiis, ſerò medicina paratur, ſuche Rath
beyzeiten/ warte nicht biß man nicht mehr helffen kan! Entſchlage dich
aller Gelegenheiten und Reitzungen zur apoſtaſi, unnoͤthiger Reiſen/ con-
verſation,
Heyrath/ dadurch der hoͤlliſche Jaͤger ſtellet/ und allbereit man-
chen in ſein Strick und Garn gezogen; Man bedencke daß ſchroͤckliche
Exempel und Schroͤck-Spiegel Fr. Spieræ; Fr. Spiera ein Burger zu Ci-
tadella,
ein beruͤhmter Juriſt und Advocat in Italia, der empfieng die Ga-
be des Heiligen Geiſtes im Evangelio/ wird erleuchtet im funffzigſten Jahr
ſeines Alters/ wird von des Papſts Legaten Joh. de la Caſa gen Venedig
citiret/ da er durch Draͤu-Wort bezwungen/ aus Furcht des Todes und
Verluſt
[303]Predigt.
Verluſt ſeiner Nahrung oͤffentlich und ſolenniter revocirt/ die Evange-
liſche Lehr verſchworen; unterwegen trieb ihn der Geiſt: Ach Franciſce,
dein Fleiſch hat dich uͤbereilt/ beſtaͤntige es nicht! Aber er fuhr fort/ revocirt
und thut einen Widerruff in der Kirch in Angeſicht zwey tauſent Perſo-
nen/ erlegt dreiſſig Guͤlden zur Buſſe/ bald folget Gottes Gericht/ er ver-
leuret die Gaben des Heiligen Geiſtes/ aller Troſt verſchwindet/ alle Suͤn-
den der Jugend wachen auff/ der Gewiſſens-Wurm wird zu einem Dra-
chen/ nach dem er ſechs Monat lang gequaͤlt/ iſt er nach Padua gezogen/
Linderung geſucht/ aber vergebens/ kein zuſprechen halff; Er ſprach/ er habe
geſuͤndiget in den Heiligen Geiſt/ er ſey ſchon in der Hoͤll/ Paulus Vergerius
und D. Grybald ruffen ihm zu/ er ſoll gedencken an den bußfertigen Pe-
trum! da gab er zur Antwort: Der Teufel glaube das auch/ es gehe ihn
nicht an/ was einem geſchehen. Ob wir wol nicht ſagen wollen/ daß dieſer
Mann die Suͤnde wider den Heiligen Geiſt begangen/ ſo hat er ſich derſel-
ben genaͤhert. Ach was hilffts/ wann ein Menſch die gantzeMatth. 16,
26.

Welt gewinn/ und litte Schaden an ſeiner Seelen? Man ge-
be dem Teufel keinen Finger/ er greiffet nach der Hand.


Wir muͤſſen aber kleinmuͤthige Hertzen auch nicht ohne Troſt laſſen
heimgehen: Es gibet Leute/ die in der melancholia und Miltz-Kranck-
heit Suͤnden dichten/ da keine Suͤnden ſind/ faſſen ein Wort aus der
Predigt/ machen hernach ſchroͤckliche monſtra daraus/ hoͤren offt mehr
als geprediget worden/ werden kleinmuͤthig/ ringen mit der deſperation,
duͤrffen wol auch ſich unter die Rott der Suͤnder in den Heiligen Geiſt
miſchen/ geben fuͤr/ ſie fuͤhlen keine Bewegung des Heiligen Geiſtes.
Wie nun Prediger/ Beicht-Vaͤter ꝛc. hie ſich nicht zu uͤbereilen haben/
und nicht alſobald einen Menſchen verdammen und ergeiſtern ſollen/ de
nullo eſt deſpetandum, quamdiu ad pœnitentiam patientia Dei ad-
ducit,
ſagt* Auguſtinus, man ſoll an keinem Menſchen zweifeln/ ſo lange
Gott ihn durch ſeine Langmuth zur Buſſe leitet. Alſo ſollen auch die
Zuhoͤrer ihnen nicht vergebene tragelaphos fingiren/ nicht heiſſen recht
und gut/ ohn was Gott ſelbſt redt und thut/ Geſetz und Evangelium
unterſcheiden/ diedefinitionder Suͤnde in den Heiligen Geiſt
‘* Auguſt. ſerm. 11. de verb. Dom. Non quantitas criminis, nec brevitas
temporis, nec horæ extremitas, nec vitæ enormitas, ſi vera contritio adfuerit,
excludit à veniâ. Cyprian. ſerm. de cœnâ Dom. Tantæ pietatis eſt Dominus
Ieſus, ut ipſi Iudæ donaſſet veniam ſi Chriſti expectaſſet miſericordiam.
Ambroſ. l. 1. epiſt. 3. ad Simpl.
()

recht
[304]Die Vier und Zwantzigſte
recht faſſen/ Gott die Ehre geben/ zuvor glauben/ darnach fuͤhlen/ an-
ders als es in natuͤrlichen Dingen hergehet/ da zum Exempel ein junges
Kind das Feuer ehe fuͤhlet/ hernach glaubet/ daß es brenne/ hie umbge-
kehrt/ man muß eh glauben als fuͤhlen/ ja glauben ob man gleich nicht
fuͤhlet/ den Heiligen Geiſt als einen theuren Schatz annehmen/ wol auff-
heben und bewahren/ gedencken welch ein unermeßlicher Schatz diß ſeye?


() apud
Ciceron.
l. 5. Tuſc.
qq.

() Ptolemæus der Koͤnig in Egypten/ da er einsmahls in ſeinem
groſſen Hunger in einem Bauren-Hauß unterwegen ein ſtuͤck ſchwartz
rauh Bauren-Brod zu eſſen bekommen/ ſagte/ er haͤtte die Tage ſeines Le-
bens niemahl kein beſſer Brod gegeſſen/ Vrſach optimum Condimentum
ſ[u]mes. Darius
der Koͤnig in Perſiâ loͤſchete einsmahls ſeinen Durſt in
einer wuͤſten unflaͤthigen Muhrlach/ bekennet gleichfalls/ kein Trunck hab
ihm beſſer geſchmecket/ Vrſach er hatte niemahl getruncken aus Durſt und
Mangel/ ſondern er hatte allezeit die Fuͤlle/ darinn die Wolluſt nicht beſte-
het/ ſondern im Genuß/ zu der Zeit da ein Mangel erſcheinet: Alſo achtet
man der Gaben des Heiligen Geiſtes nicht/ wo man derſelben voll iſt/ aber
wo Troſt-Mangel iſt/ wo Durſt nach friſchem Waſſer/ da erſchmeckt man
allererſt das guͤtige Wort Gottes/ und die Gnaden-Gaben des H. Geiſtes/
Eſa. 28, 19.Anfechtung lehret auffs Wort mercken! darumb ja billich/ daß
wann die Gnad einem gedeyen mag/ daß er darnach greiffe/ hoch ſchaͤtze/
Num. 14,
24.
und wie geſagt/ wol auffhebe/ auch im Glauben beſtaͤndig bleibe wie Caleb/
in dem ein ander Geiſt/ nicht des murrens/ rebellion, Vnglaub/ ſondern
Gehorſams geweſen/ den will der Herr ins Land Canaan bringen/ das
mit Milch und Honig fleuſſet; Solte es auch perſecution geben/ (inmaſ-
ſen dann der Teufel eine perſecution kochet/ wann nur der Tiſch gedecket/
ſo wird er anrichten) Ach ſo bleibe getreu biß an den Tod/ ſo will
Apoc. 2, 10.
2. Tim.
4,
8.
ich dir die Kron des Lebens geben/ ſpricht der Herr/die Kron
der Gerechtigkeit/ welche GOTT der HERR mir und

euch allen geben wolle an jenem Tage/ die ſeine
Erſcheinung lieb haben/

Amen.


Die
[305]Predigt.

Die Fuͤnff und Zwantzigſte


Vber den dritten Articul/ und uͤber die Wort
St. Lucæ c. 22/ 43.


Es erſchien Jhm (dem HErren Chriſto) ein
Engel vom Himmel/ und ſtaͤrcket Jhn.
()

Die Erſte Predigt/


Von dem Troſt-Ampt des
Heiligen Geiſtes.


GEliebte in Chriſto: Wie der Hirſch ſchreyet nachPſal. 42, 2.
friſchem Waſſer/ ſo ſchreyet meine Seele Gott
zu dir!
ſind bekante/ offt widerholte/ aber niemals gnug-
ſam außſtudirte/ außbedachte/ außgeſonnene und außge-
ſprochene Wort im 42. Pſalm: Weſſen aber? Zwar
ins gemein eines ieden glaubigen Seel- und nothleidenden/ an-
gefochtenen/ troſtloſen Chriſten-Hertzen;
dann dieſer Pſalm
Maſchcil genant/ zur information uñ Vnterricht dedicirt uñ zugeſchrie-
ben/ wie der Titul außweiſet; fuͤrnemlich desexulirenden/ verbann-
ten und verjagten/ in wilden Waͤlden und Einoͤden herumb-

terminirenden Davids/ [...] von den geiſtreichen Poeten
und Muſicanten/ den Kindern Kore/ und derſelben Chorago oder
Vorſaͤnger mit Mund/ Seyten und Pfeiffen nachzuſingen uͤbergeben;
Am allermeiſten aber des Haupts und Exemplars der gantzen
werthen Chriſtenheit/ des Meſſi
æChriſti Jeſu/ dann der iſt jaPſ. 22, 1.
die fruͤh-gejagte/ betraͤngte und geaͤngſtigte Hindin/ die liebreiche Hindin/
die ihre junge Kaͤlblein in die dickeſte Gebuͤſch verſtecket/ die ſich aus dem
Gebuͤſch (darinn ſie ihre Jungen verwahret) heraus gewaget unter die
Jaͤger und Jaghunde/ ſie vom Gebuͤſch abgetrieben/ fuͤr ihre Jungen Leib
und Leben gegeben/ ſeine Salva guardia lautet alſo: Suchet ihr mich/Ioh. 18, 8.
Sechſter Theil. Q qſo laſ-
[306]Die Fuͤnff und Zwantzigſte (Erſte)
ſo laſſet dieſe gehen. Der edle und heilſame Hirſch/ deſſen Athem/
ſonderlich Haut und Hoͤrner ein bewaͤhrtes antidotum geweſt wider das
Seelen-Gifft der hoͤlliſchen Schlangen/ uns angehauchet; Der lechzende/
Ariſt. l. 6.
hiſt. ani-
mal. c.
29.
durſtige Hirſch/ διὰ τὸ καῦμα καὶ τὸ ἄσϑμα, wie Ariſtoteles einen Hirſch be-
ſchreibet/ von der Hitz/ Hatz und Jagt ermuͤdet/ keuchend/ durſtig. Wie
ſchreyet dann dieſer Hirſch?
taarog ſtehet in ſeiner ſprach/ und
Ioel. 1, 20.wird in der Hebreiſchen Bibel nur zweymal geleſen/ hie und Joel. 1.
Es ſchreyen auch die wilden Thiere zu dir/ dann die Waſſer-
baͤche ſind außgetrucknet. Das Wild/
und alſo auch der Hirſch/
Ier. 14, 6.ſtehet auff den Huͤgeln/ und ſchnappet nach Lufft/ wie die
Drachen/ und verſchmachtet/ weil kein Kraut waͤchſet; der
Hirſch ſchreyet
mit groſſem Schall glocitando, er gluchſet gleichſam
als wie eine Gluck-Henn/ und laͤſſet nicht nach/ biß er ein echo aus den
Gruͤnden und Gebuͤrgen und Waſſern/ da der Widerſchall geboren wird/
erwecke/ dadurch er ein Waſſerbaͤchlein oder kuͤhlen Quell erſpaͤet und
ermerckt: Alſo hat auch Chriſtus am Oel-Berge in ſeiner Hoͤllen-Noth
und Qual geklaget uͤber ſeinen Durſt/ Er hat nach den Bergen geſchnap-
Hebr. 5, 7.pet und geathmet/ davon ihm Huͤlffe kommen ſolte/ Er hat am Tage
ſeines Fleiſches Gebet und Flehen mit ſtarckem Geſchrey und
Thraͤnen geopffert/ zu dem/ der ihn von dem Tode kunte auß-

Matth. 26,
39. 42. 44.
helffen/ und iſt erhoͤret: Er hat gegluchſt zum drittenmal: Ach Va-
ter! Jſts muͤglich ꝛc.
Er hat nicht nachgelaſſen/ biß Er einen Wider-
ſchall und eine Troſt-Quell vom Himmel herab durch einen Engel/
der ihn geſtaͤrcket/
gefunden.


Wornach ſchreyet dann dieſer Hirſch ſo aͤngſtlich/ ſo
ſehnlich/ ſo hefftig? Nach Waſſer/ nach friſchem Waſſer/
nach der lebendigen Quell;
dann ſolchen Durſt erweckte die hoͤlliſche
Marter und Pein/ die Er außgeſtanden. Gleich wie der reiche Schlaͤm-
mer nach Waſſer/ und nicht nach Malvaſier/ nur nach einem Tropffen/
nicht Faß oder Eymer voll geſchrien/ denſelben zu empfahen/ nicht in einem
guͤldenen Gefaͤß/ ſondern aus den weiland garſtigen/ gruͤndigen Haͤnden
Luc. 16, 24.Lazari; Vater Abraham! ſchreyet er: erbarme dich mein/ und
ſende Lazarum/ daß er das euſſerſte ſeines Fingers ins Waſſer
tauche/ und kuͤhle meine Zunge/ dann ich leide Pein in dieſer

Flam-
[307]Predigt.
Flammen. Alſo auch Chriſtus nach Waſſer/ Erquickung/ Labſal/
Staͤrckung/ Rath und Troſt. O des Wunders! die lebendige Quell
verſeuget/ leidet Durſt/ der Troſt Jſrael iſt troſtloß/ der Elgibbor und
ſtarcke Held wird ſo ſchwach und matt/ daß er durch einen Engel geſtaͤrckt/
erquicket und auffgerichtet werden muß/ davon Lucas alleine berichtet.
Jſt/ meine Liebſten/ ſermo de tempore,der Paſſions-Text/
den wir ietzt und ins kuͤnfftige zu tractiren fuͤrgenommen; wir wollen mit-
einander eine unkoſtbare/ geiſtliche/ andaͤchtige Wahlfahrt thun nach dem
Oel-Berge/ und dieſen hochbedencklichen actum in allen Vmbſtaͤnden
beſchauen/ betrachten und behertzigen/ Erſtlich den Staͤrck- und Troſt-
duͤrfftigen/ Troſt-wuͤrdigen/ Troſt-loſen/ Troſt-begierigen Je-
ſum; darnach den Troſt Engel und Staͤrcker/ deſſen Liecht und
Erſcheinung; und dann die ſo wol muͤndlich als thaͤtige
con-
fortation
an ihr ſelbſten.Er der Herr verleihe/ daß wir ſeines
himmliſchen Troſtes in Krafft des Heiligen Geiſtes moͤgen theilhafftig
werden/ Amen.


ES erſcheinet uns aber Chriſtus Jeſus am Oel-Berge in
ſeiner Paſſions-Tragœdi in vier unterſchiedlichenpoſi-
tur
en undfigurenI.als eine Stärck-Huͤlff-Krafft-
und Troſt-duͤrfftige Perſon/
der Hoͤllen patient, nicht nur ein Welt-
patient, dem die hoͤlliſche Jaghunde zugeſetzt/ da Er hoͤlliſche Qual/
Marter und Pein warhafftig gefuͤhlet und außgeſtanden/ davon zeugen
die grauſamen/ entſetzlichen und erbaͤrmlichen ſymptomata, die ihn
hauffenweiſe angefallen 1. affectus cordis,der innerliche Her-
tzens-
affectder unerhoͤrten Angſt und Traurigkeit/ daruͤber
Er ſelbſt klaget: Περίλυπος, Meine Seele iſt betrůbt/ iſt gleichſamMat. 26, 38.
umbgeben und umbfangen mit Traurigkeit; Traurigkeit iſt ſchon die
Hoͤll/ dann im Himmel iſt lauter Freude und Wonne; ſo dann auch die
ſchroͤckliche Furcht/ Furcht gehoͤret in die Hoͤll/ im Him̃el iſt keine Furcht;
[...]κθάμβησις horripilatio heiſt ein ſolches Schroͤcken/ Zittern und Zagen/Marc. 14, 33.
Engſtigung und Ergeiſterung/ ſo dem jenigen begegnet/ welchem ohngefaͤhr
ein Geſpenſt auffſtoͤſt/ daruͤber einem die Haar gen Berg ſtehen/ gleich wiec. 16, 5.
ſich die Weiberlein entſetzet haben/ als ſie in das Grab Chriſti gucketen/
und unverhofft einen Engel ſahen; oder welchen der ploͤtzliche Doñerſtrahl
erſchuttert/ wie Paulo begegnet auff dem Wege gen Damaſcon; gleich wieAct. 9, 6.
Q q 2Moſes
[308]Die Fuͤnff und Zwantzigſte (Erſte)
Moſes erſchrack auff dem Berge Sinai fuͤr dem Geſichte/ daß er
Hebr. 12,
21.
Dan.
10, 6.
ſprach: Jch bin erſchrocken und zittere. Gleich wie Daniel nach
dem Anblick des Sohns Gottes/ der in ſchrecklicher Majeſtaͤt ihm erſchienẽ/
im blitzenden Antlitz/ in Feuer-facklenden Augen/ in klar-gluͤenden Fuͤſſen/
in der Stimm eines groſſen Gethoͤns/ auff einen ſolchen Schroͤcken gefal-
len/ daß keine Krafft mehr in ihm uͤberblieben: Alſo da Chriſtus ἀπε-
σπάσϑη geriſſen worden fuͤr den Richterſtul Gottes/ dahin die ſtrenge Ge-
rechtigkeit Chriſto auff das [allerſchroͤcklichſte] erſchienen in fulminibus iræ,
in den Donner-Strahlen des Goͤttlichen Zorns/ das gantze hoͤlliſche Heer
auff das allerſcheutzlichſte ſich præſentiret/ da war unerhoͤrte/ unbegreiff-
liche/ unaußſprechliche Furcht/ Angſt und Bangigkeit hatte ihn umb-
fangen.


2. Motus animi in ἀγωνία, Der Gemůths-Sturm und
Seelen-Angſt in dem bittern Todes-Kampff/
mit dem lebendi-
gem Tode/ mit dem beiſſenden Tode/ mit dem ſtachlichten Tode/ mit dem
ergeiſternden Tode/ mit dem andern Tode; den muſt er ſchmecken. Der erſte
Tod waͤre ihm wol Kinderſpiel geweſt/ welchen die heiligen Maͤrtyrer mit
heroiſchem Freuden-Muth uͤber- und außgeſtanden: Aber Chriſtus κατὰ
ζῶντος ϑανάτου ςρατ [...]εται, ſagt Baſilius, ſtreitet und kaͤmpffet mit dem
lebendigen ewigen Tode. 3. Fletus rubicundus \& ſanguineus,
Die blutrothe Zaͤhren/ die Chriſtum ſchamroth gemacht/ als der alle
Suͤnden auff ſich ligend gehabt: Fletus ex toto corpore; hie ſind
nicht nur die Augen zu Thraͤnen-Quellen worden/ ſondern der gantze Leib
iſt ein Zaͤhren-Brunn worden/ daraus die ϑρόμβοι ἅιματος, die Bluts-
Tropffen gefloſſen/ wie diſtilliret Regen-Waſſer von der groſſen Feuer-Hitz
erpreſſet: Fletus expiatorius,Verſöhnungs-Thraͤnen/ der da-
Pſ. 22, 7.mit unſere Suͤnde beweinet. Summa/ da lag er lo iſch, nicht als ein
Mann und Held/ ſondern als ein verachteter/ nicht-ſollender Wurm/
Marc. 9, 12.ἐξουθενημένος, der gar vor nichts geachtet wurde/ da iſt er ja wol Troſt- und
Staͤrck-duͤrfftig geweſt.


II. Staͤrck- und Troſt-würdige Perſoninnocentiâ
perſonæ \& cauſæ,
als der unſchuldig wegen ſeiner Perſon und
Sache; ſeiner Perſon Vnſchuld haben ſeine eigene Feinde bekennen
und erretten muͤſſen vor ſeinem Creutzgang und Tod/ Judas/ Pilati
Matth. 27,
4. 19. \& 24.
Luc.
23, 22.
Weib/ ja Pilatus ſelbſt: Jch finde keine Schuld des Todes an
ihm/
waͤſchet druͤber die Haͤnde und ſaget: Jch bin unſchuldig am
Blute
[309]Predigt.
Blute dieſes Gerechten/ am Creutz der Schecher/ der den andern
ſtraffte und ſprach: Wir empfahen/ was unſere Thaten werthLuc. 23, 40.
41. \&
47.

ſind/ dieſer aber hat nichts ungeſchickts gehandelt. Vnter dem
Creutz der Hauptmann/ als er ſahe/ was da geſchahe/ preiſet
er GOTT und ſprach: Fuͤrwar dieſer Menſch iſt ein from-
mer Menſch geweſen/ unſchuldig von aller Vrſach/ Fug und
Recht der Anklage;
man hat zwar groſſe Klage von ihm gefuͤhret/
aber nichts auf ihn mit Beſtand der Warheit erwieſen. Die Vrſach zu lei-
den auff ſeiten der goͤttlichẽ Gerechtigkeit war die uͤbernom̃ene Buͤrgſchafft/
der Buͤrg muſte ſich laſſen wuͤrgẽ/ er muſte bezahlen/ was er nicht geraubet;Pſal. 69, 5.
auff ſeiten des Teufels und deſſen ſeine Werckzeuge/ der dazumal geſchaͤff-
tig geweſt im Rath zu Jeruſalem/ und der Scharwacht auffgeboten/ war
eigentlich gruͤndlich und urſpruͤnglich das lumen χαρισμάτων, das LiechtPſ. 45, 8.
der unermeßlichen Ampts-Gaben/ damit ihn der Heilige Geiſt geſalbet
mehr als ſeine Geſellen/ das Liecht der Weißheit/ krafft welcher er auff
das allerſchaͤrffſte diſputirt wider die Phariſeer und Schrifftgelehrten;
die gratia und Liebligkeit des Mundes/ von dero holdſelige Wort gefloſſen/Ioh. 7, 46.
Marc.
1, 22.
27.

Niemand hat iemal ſo geredet/ ſie entſatzten ſich uͤber ſeiner
Lehre/ dann er lehret gewaltiglich/ und nicht wie die Schrifft-
gelehrten/ ſie entſatzten ſich alle/ alſo/ daß ſie untereinander
ſich befragten/ und ſprachen: Was iſt das?
die wunderthaͤtige
Hand; der Zulauff des Volcks; dieſe lumina ſtachen den Hohenprieſtern
und der Juͤdiſchen Cleriſey in die Augen/ ja ſie haͤtten ihnen moͤgen die
Augen außbrennen/ giengen damit umb/ daß ſie die Leute blendeten und
bethoͤreten/ ſie ſolten ſich nicht von dieſem Mann blenden und bethoͤren
laſſen/ und weil das nicht angehen wollen/ ſo muſte er ſterben.


III. Staͤrck- und Troſt-loſe Perſon/ verlaſſen von Gott
und allen Creaturen/ eine rechte Rohrdommel in der Wuͤſten/ wer ſolte ihn
da billicher getroͤſtet und auffgerichtet haben als ſeine zwoͤlff Juͤnger/ aber
die ſchlaffen und ſchlummern/ der eine wird gar ſein Vetraͤther; Nicode-
mus
und Joſephus ſchweigen und ſchwitzen im Rath zu Jeruſalem/ daß
ihnen der Hertzbaͤndel moͤchte verſpringen/ beſorgten ſich/ ſie moͤchten den
Hohenprieſter vor den Kopff ſtoſſen; wer billicher als die heiligen Engel?
Solten ihm nicht zwoͤlff Legion Engel zu Huͤlff kommen ſeyn? Aber da
war auch niemand daheim; zwoͤlff Legion Engel haͤtte er koͤnnen erbeten
ihm zu Huͤlff/ aber das muſte ietzt nicht ſeyn/ ſonſt were uns armen Men-
Q q 3ſchen
[310]Die Fuͤnff und Zwantzigſte (Erſte)
Pſal. 8, 6.
Hebr.
2, 7.
ſchen nicht geholffen worden/ er muſte eine kleine Zeit der Engel mangeln
ἡλαττώμενος, Er iſt geringer worden; Wer haͤtte am allerbillichſten nach
unſerer Vernunfft hie helffen und troͤſten ſollen/ als GOTT ſein
himmliſcher Vater ſelbſt/ der inwohnende Sohn Gottes und
Heil-Brunn/ der auff ihm ruhende Heilige Geiſt?
Aber da iſt
alles ſtill und kleinlaut; Gott der Vater ſchonet ſeiner nicht/ ſondern
richtet ihn/ wie er ihn findet: die inwohnende Gottheit ruhet und
ſchlaffet/ und laſt keinen Geruch und Labſal aus ſich flieſſen; die Quell des
Troſts der Heilige Geiſt iſt verſtopffet und verſiegen. Jm Gegen-
theil wird ihm ein Kelch gereichet/ O ein ſchroͤcklicher Kelch! den ſoll Er
außtrincken/ und damit ſeinen Durſt loͤſchen/ kein Kelch vom Wein und
ſtarckem Getraͤncke/ damit ſonſt die zum Tode verurtheilte erlabet werden:
auch kein Eſſig-Tranck/ der ihm hernach am Creutz gereichet worden: auch
kein leiblich/ natuͤrlich Artzney- oder Gifft-Tranck/ wie Socrati dem Ehren-
und Biedermann begegnet (Einer aus denen/ welche die dreiſſig Tyran-
nen zu Athen erwuͤrgen laſſen/ iſt der fromme Socrates, ein trefflicher Phi-
loſophus
und Ehrenmann geweſt; dem haben ſie durch den Hencker einen
vergifften Trunck ins Gefaͤngnuͤß geſchickt/ da er nun ſolchen empfieng/
ſprach er/ er wolte dem Critia eines bringen (dann alſo hieß einer von den
dreiſſig Tyrannen/ und wol der allergeitzigſte und blutgierigſte) und zwar
Critias hat ihm bald Beſcheid thun muͤſſen/ dann nicht lang hernach iſt er
von Thraſibuli Anhang erſchlagen worden) ſondern das hoͤlliſche Gifft
aus den Baͤchen Belials geſchoͤpffet/ der ſpiritus tartari, die quinta eſſen-
tia
und gleichſam der Geiſt/ Krafft/ Flor und Außſchuß aller hoͤlliſchen
Marter und Pein/ die wurden ihm von der grimmigen/ zornigen Hand
der Goͤttlichen Gerechtigkeit gereichet außzutrincken biß auff die Haͤfen.


IV.Krafft- und Troſt-durſtige und begierige Perſon/
die in ſolcher Noth nicht verzaget/ ſondern umb Troſt geſchrien/ ſo den
Troſt durch inniglich/ hertzlich/ inſtaͤndig/ unablaͤßlich beten/ flehen und
groſſem Geſchrey geſucht; kein beſſer Mittel findet er in ſolcher Noth/ als
beten/ beten/ darzu Er zwar ſeine Juͤnger vermahnet/ aber umbſonſt! dar-
Luc. 22,
40. 44.
umb betet Er ſelbſt/ er betet ἐκτενέςερον προσηύχετο, Er betet ie länger
ie hefftiger/
intenſiſſimè, im hochgetriebenem Grad/ extenſiſſimè, in
unterſchiedlichen mahlen/ protenſiſſimè totis viribus, ohn auffhoͤren in
Marc. 14,
36.
dreyfacher repetition:Abba! mein Vater! dir iſt alles muͤglich/
uͤberheb mich dieſes Kelchs/ doch nicht mein/ ſondern dein

Will
[311]Predigt.
Will geſchehe! Mein Vater iſts nicht můglich/ daß dieſerMatth. 26,
42.

Kelch von mir gehe/ ich trincke ihn dann/ ſo geſchehe dein
Wille! Ach Vater! wiltu/ ſo nim dieſen Kelch von mir/ doch
Luc. 22,
42.

nicht mein Will/ ſondern dein Will geſchehe! welches Gebet
leuchtet vom Glauben/ brennet von Liebe/ lautet von lauter Gedult/ Gehor-
ſam und Demuth.


Ecce homo!Sihe mein lieber Menſch dieſen Menſchen
an!
Pilati Finger und Zeiger gehet durch die gantze Paſſion; Sihe/
und uͤberſihe/ uͤberſchiele nicht/ was zu deiner Seelen beſten dienet/ ſchlaff
nicht und ſchlummere nicht/ wie die Juͤnger Chriſti/ ſondern ſihe mit auff-
merckſamen Augen und Hertzſchauen! Sihe ihn an I. als eingrande
ſacramentum fidei,
als ein groſſes Glaubens-Geheimnuͤß;
warumb dieſe ſo hohe heilige Perſon ſich ſo tieff herab gelaſſen/ und
Troſt-duͤrfftig/ Troſt-loß/ Troſt-begierig werden wollen? nemlich
zu buͤſſen und zu verdienen; zu buͤſſen als ein Buͤrg und zu be-
zahlen/
was Er nicht geraubet hat/ den erſten Troſt-Krafft- und Macht-
Raub unſerer erſten Eltern; ſo uns allen noch anklebet/ da ein ieder des an-
dern Gott/ meiſterloſer Meiſter/ ja Tyrann ſeyn will. Gleich wie Chri-
ſtus arm worden/ auff daß Er uns reich machet; alſo Troſt-loß/ daß er uns
zu Troſt den Paracletum, die Quell des Troſts den Heiligen Geiſt erwerb/
und wir endlich getroͤſtet werden in Abrahams Schos.


II. Illuſtre exemplum,Sihe ihn an als ein klares
Muſter und Exempel einer Troſt-fähigen Seelen;
Wer Troſt-
faͤhig ſeyn will/ der muß zuvor Troſt-duͤrfftig ſeyn und patient. Das iſtPſ. 119, 50.
mein Troſt/ ſpricht David: in meinem Elend/ dann ſein Wort
erquicket mich.
Hie ſetzet der Heilige Geiſt zuſammen Gottes
Troſt/ und des Menſchen Elend/ anzuzeigen/ daß Gottes Troſt nicht haffte
in einem Hertzen/ in welchem der Welt-Troſt iſt. Darumb betruͤbet uns
Gott der Herr/ und beleget uns mit dem heiligen Creutz/ auff daß wir
Gottes Troſt auch ſchmecken lernen/ was fuͤr groſſe Suͤſſigkeit und himm-
liſche Krafft und Staͤrcke Gott in ſein Wort geleget hat. Welt-volle
Welt-Kinder/ Welt-Weider/ Welt-Stutzer/ Welt-Fratzen/ die habenLuc. 6, 24.
c. 5, 31.
Pſal. 73, 5.
Pſ.
37, 31.

ihren Troſt dahin; Die Geſunden beduͤrffen keines Artztes/
ſie ſind nicht in Vngluͤck wie andere Leute/ gruͤnen wie der

Lorbeer-
[312]Die Fuͤnff und Zwantzigſte (Erſte)
Pſ. 144, 12.
13. 14.
Lorbeer-Baum/ hencken kettenweiſe aneinander/ freuen ſich/ daß
ihre Söhne auffwachſen in ihrer Jugend wie die Pflantzen/
und ihre Toͤchter wie die außgehauene Ercker/ gleich wie die
Palläſte/ und ihre Kammern voll ſeyn/ die heraus geben kön-
nen einen Vorrath nach dem andern/ daß ihre Schafe tragen
tauſent und hundert tauſend auff ihren Doͤrffern; daß ihre
Ochſen viel erarbeiten/ daß kein
Schade/ kein Verluſt noch
Klage auff ihren Gaſſen ſey.
Aber Troſt gehoͤret fuͤr Krancken:
O wie gut waͤr es manchem Welt-Kinde/ wann es ein recht empfindlich
wehthuendes Creutz haͤtte/ daß es dadurch zu Chriſto gezogen wuͤrde! Nun
ſolchen Leuten prediget Abraham in der Parabel vom reichen Schlaͤm-
Luc. 16, 25.mer: Gedencke Sohn/ daß du dein gutes empfangen haſt in
jenem Leben.
Er muß ein warhafftigerpatient, und nicht agent
ſeyn/ nicht das Creutz ſelbſt zimmern/ ſchnitzlen und machen durch bloſſe
Phantaſey/ falſchen Argwohn/ Allfantzerey und Heucheley/ mancher will
Abel ſeyn/ und ſein Naͤheſter/ den er anfeindet/ iſt in ſeinem Hertzen Cain;
er will Schaf ſeyn/ dieſer muß Wolf heiſſen/ dem das Schaf das Waſſer
truͤbe gemacht; Vmbgekehret! Wer leidet/ der iſt Abel und Schaf: Wer
unterdruckt/ der iſt Cain und Wolf. Einpatientvon hoͤchſter Noth;
die Hoͤll und ewiger Tod muß einmal gekoſtet ſeyn/ wo nicht hier in der
Zeit der Gnaden/ dort in der Ewigkeit. Gewiſſens-Angſt/ Furcht/ Trau-
rigkeit/ Schroͤcken fuͤr Gottes Zorn/ das iſt der Vorſchmack der Hoͤllen/
Mat. 20, 23.der Herr hat den Kelch gar außgetruncken/ aber wir ſollen auch von
ſeinem Kelche trincken. Ubi lux, ibi crux, wo Liecht da Creutz. Glaubige
Chriſten ſind Kinder des Liechts/ ſo muͤſſen ſie auch Creutz-Bruͤder Jeſu
Chriſti werden. Alles gut gemeynt.


III.Ein Troſt-faͤhiger Menſch muß auch Troſt-wuͤr-
Pſal. 73, 1.dig ſeyn/ das iſt/ unſchuldig/ Jſrael hat Gott zum Troſt/ die
reines Hertzens ſind/
unſchuldig; hier iſt das γνῶθι σεαυτὸν vonnoͤthen/
vide Luth,
tom. 8.
Witteb.
fol. 492.
Ioh. 9, 1. 2.
Act.
28, 4.
daß man nicht von andern oder von ſich ſelbſt allzumild oder unmiild ur-
theile/ wie dort die Juͤnger des Herren Chriſti von dem Blindgebor-
nen/ meyneten er haͤtte geſuͤndiget/ oder ſeine Eltern; oder wie die unberich-
teten Leute in der Jnſul Melite/ als Paulo aus dem Feuer eine Otter an
die Hand fuhr/ ſprachen: Dieſer Menſch muß ein Moͤrder ſeyn/
welchen die Rache nicht leben laͤſſet.
Tres cùm patiuntur idem,
non eſt
[313]Predigt.
non eſt idem*, Wann drey eines leiden/ ſo iſt es offt nicht einerley; Der
Burger zu Samaria/ der verlohrne Sohn und der arme Lazarus leiden
alle drey Hunger/ iſt aber ein ungleich Leiden/ bey dem erſten Straffe Hun-
ger/ beym andern Zucht-Hunger/ beym dritten Maͤrterer-Hunger. Saul
und Job werden beyde vom Teufel angefochten/ beyder humores braucht
er zu inſtrumenten ſeiner Boßheit/ beyde treibt er zum Lebens-Verdruß:
Aber weil jener dem Sathan durch vorſetzliche Suͤnde Thier und Thor
geoͤffnet/ und ſich ie laͤnger boßhafftiger weiſe verhaͤrtet/ mehr ein agent als
patient geweſen/ ſo macht er ſich Troſt-unfaͤhig/ Gott der Herr wolt
ihm nicht mehr antworten/ weder durch Wort noch durch Traum; dieſer
aber der liebe Job war vielmehr patient als agent, fromm/ Gottfuͤrchtig
und gedultig/ der Allerhoͤchſte verhengt zwar uͤber ihn deliquia, des Sa-
thans Anfechtungen/ daß er den Tag ſeiner Geburt/ und die Goͤttlichen
Gutthaten (die er haͤtt ohn unterlaß loben ſollen) und durch dieſelbe den
gutthaͤtigen Gott im Himmel ſelbſt verflucht/ gewuͤndſchet erhangen zu
ſeyn/ den Tod aus der Erden heraus gekratzet/ aber der Herr laͤſſet ihn
nicht dem hoͤlliſchen Drachen gar in den Rachen hinein fallen/ ſondern Er
troͤſtet ihn hernach widerumb reichlich/ da bey ihm der Strick am haͤrteſten
war/ da brach er/ das Thal Achor iſt das oſtium bonæ ſpei, davon zu leſenvide Luth.
tom. 8.
Witteb. in
Oſe. p. 258.
ſeqq. \& ib.
in Michæ
p.
517.

beym Luthero. Saul/ Joſias/ Jonathan kommen alle drey im Kriege
umb; beym erſten iſts ein Straffe Tod/ beym andern ein Zucht-Tod/ beym
dritten ein Maͤrterer-Tod; Elimas/ Saul/ Tobias ſind alle drey blind;
beym erſten Straff-Blindheit/ beym andern Zucht-Blindheit/ beym drit-
ten Maͤrterer-Blindheit; Chriſtus und ſeine zween Creutz-Bruͤder leiden
einerley Schmertzen/ aber in unterſchiedlicher figur und Geſtalt; beym
unbekehrten Schaͤcher Straff-Creutz/ beym andern Zucht-Creutz/ bey
Chriſto Maͤrterer-Creutz.


‘* Vt flagellorum, inquit Beda, diſtantia in diſparibus me-
ritis longè diſpar appareat, videamus unâ eademq́ue cœcitatis moleſtiâ To-
biam, Saulum, Elymam fuiſſe percuſſos. Sed Tobiam ob hoc, ut virtus
patientiæ ejuslatius in exemplum cunctis clareſceret, Tob. 2, v. 11. ſeqq. Saulum
ob hoc, ut de Saulo perſecutore in Paulum mutaretur Apoſtolum. Actor. 9, v. 8.
Elimam verò, ut dignas ſuæ perfidiæ pœnas luens, ab eorum quoque, qui credi-
turi erant, dementatione ceſſaret. Actor. 13, v. 11. Et mihi ſi detur optio, malim
cum tanto patre (Tobia) ſive divinis ſive humanis ſubjacere juſtus verberibus,
quàm ab injuſtitiâ verborum vi ad juſtitiæ ſtudia trahi: rurſumq́; malim à culpâ
flagello retrahi, (cum Paulo) quàm pro inſanabili pondere peccatorum æternæ
ultioni ſubjici (cum Elyma.)
()

Γνῶθι σεαυτὸν! Da gehe nun ein ieder in ſein Hertz außzuſpuͤren/ in
welche Claß ſein Leiden gehoͤr? kommet nun Vngluͤck daher; alſobald
Sechſter Theil. R rgedacht
[314]Die Fuͤnff und Zwantzigſte (Erſte)
gedacht hoho! wo kommt das her? iſts ein Talions-Gericht/ ſteheſtu in
der Vnbußfertigkeit? O wehe dir! ſo leideſtu als der unbekehrte Schaͤ-
cher; crux tua eſt præſagium mortis æternæ, dein Creutz iſt ein Vorbott
des ewigen Leidens; dir gehoͤret kein Troſt/ ſondern ſcharffe Lauge und
Buß-Predigt/ und wehe dem Troͤſter/ der hie Pfulwen unterleget! wehe
dem unvernuͤnfftigem Artzt/ der lenitiva anſchmiert/ ehe er purgantia ge-
braucht! Biſtu in der andern Claß/ ſo verzage nicht/ dort ſtehet ein
Hebr. 12, 7.Spruch/ der iſt fuͤr dich: So ihr die Zuͤchtigung erduldet/ ſo erbeut
ſich euch Gott als Kindern: dann wo iſt ein Sohn/ den der

Marc. 16, 7.Vater nicht zuͤchtiget? darumb laͤſſet auch Chriſtus Petro/ weil er
ſich bekehret/ fuͤr andern inſonderheit das Oſter-Evangelium verkuͤndigen;
Gehet hin/ ſpricht der Engel im Grabe zu den Weiberlein: ſagts ſei-
nen Jůngern und Petro!
Vnſer Catechiſmus thut hiervon ſatten
Bericht: Die Schwachglaubigen/ ſpricht er: ſo etwan von
einem Fehl ůbereilet werden/ denen ihr Fehl leid iſt/ und in
Traurigkeit kommen/ ſoll man auffnehmen/ ſie mit ſanfft-
muͤthigem Geiſt unterweiſen/ und mit der Verheiſſung dapf-
fer tröſten/ Der Gerechte ſchlage mich freundlich/
ſpricht Da-
Pſ. 141, 5 [...]vid Pſal. 141. das wird mir ſo wol thun/ als ein Balſam auff
meinem Haupt;
Gleich wie ein ſchwaches Haupt geſtaͤrcket wird durch
einen koͤſtlichen wolriechenden Balſam/ oder ein ſchmertzhaffte Wunde
gelindert wird mit einem Wund-Balſam/ alſo ſoll man die armen gefal-
lenen Suͤnder/ die nicht aus Muthwillen oder Vorſatz/ ſondern aus
Schwachheit ſtraucheln/ und ihr Gewiſſen verwundet haben/ freundlich
ſtraffen und ſchlagen/ und ihre Wunden nicht verderben noch aͤrger ma-
chen/ ſondern Balſam hinein gieſſen/ daß ſie gebeſſert werden. Es finden
ſich wol Leute/ wann ein fromm Menſch ſtrauchelt/ die aus einer Muͤcke
einen Elephant machen/ und nur drauff lauren/ wann einer fallen moͤchte/
Pſ. 41, 9.ja ſtellen ihm wol Netze/ und ſagen dann: Harr/ wann er faͤllet/ ſoll
er nicht wider auffſtehen/
das heiſſet nicht Balſam in die Wunden
goſſen/ und auffs Haupt/ ſondern Gifft: Dawider bittet David: Jch be-
2. Cor. 2,
6. 7.
te/ daß ſie mir nicht Schaden thun. Dannenhero auch St. Pau-
lus vermahnet: Es iſt genug/ daß ein ſolcher Menſch von vielen
alſo geſtrafft iſt/ daß ihr nun fort ihm deſto mehr vergebet und
tröſtet/ auff daß er nicht in allzugroſſe Traurigkeit verſincke.

Biſtu
[315]Predigt.
Biſtu in der dritten Claß/ muſtu leiden ohne deine Schuld/ wegen deiner
aus Gnaden von Gott verliehenen Gaben/ oder auch wegen deiner Gut-
und Wolthaten/ die dem Neidhart als der Tugend unverſchiedene Ge-
faͤrten in die Augen ſtechen und brennen; O wol dir! ſo biſtu in der edelſten
Claß/ da iſt nichts als Troſt/ da heiſſet es: Troͤſtet! troͤſtet meinEſa. 40, 1. 2.
Volck/ redet mit Jeruſalem freundlich!


III.Wer Troſt-faͤhig ſeyn will/ der muß zuvor Troſt-
loß und Troſt-arm werden/
wann er mit David aus dem 102. Pſal.
heulen und klagen muß: Jch bin wie eine Rohrdommel in derPſ. 102, 7. 8.
Wüſten/ ich bin gleich wie ein Keutzlein in den verſtoͤreten
Stätten/ ich wache/ und bin wie ein einſamer Vogel auff dem
Dache/
das iſt/ ich bin gar von Menſchen verlaſſen/ ich bin Huͤlff-loß und
Troſt-loß/ iederman ſondert ſich von mir ab; Wann ein Menſch ſo ein-
ſam und Troſt-loß iſt/ ſo iſt er freylich wie eine Rohrdommel in der Wuͤ-
ſten/ und ein Keutzlein in den verſtoͤreten Einoͤden/ das ſind ſolche Voͤgel/
mit welchen die andern keine Gemeinſchafft haben/ ſondern meiden und
fliehen dieſelbe/ und laſſen ſie allein/ ſo halten ſich alsdañ dieſe zu den Einoͤ-
den und Wildnuͤſſen/ da ſitzen ſie traurig/ und kirren als weineten ſie/ und
ſingen Trauer-Lieder. Der Onocrotalus oder Rohrdom̃el ſoll einen ſolchen
Geſang haben/ als heulete er greßlich wie ein Eſel ſchreyet/ von welcher
Stimme dieſer Vogel den Namen hat/ oder wie eine Kuhe/ welche einen
rechten heulenden Thon fuͤhrt; Alſo iſt mancher Menſch ein ſolcher Vo-
gel in ſeiner Einſamkeit/ der Tag und Nacht ein ſolch innerlich Heulen und
Seuffzen fuͤhret/ oder wie die Nacht-Voͤgel/ die auff den Daͤchern ſitzen und
wachen/ wann ſie ihren Ehegatten verlohren haben/ wann andere Voͤgel
in ihrem Neſtlein ſitzen und ruhen; wie manche Seele iſt ein ſolcher einſa-
mer verſchuͤchteter Vogel/ der in ſeinem Betruͤbnuͤß und Anfechtung oder
Kranckheit des Nachts alleine wachet/ wann andere Leute ſchlaffen und
ruhen/ ſo ſeuffzet und winſelt dieſer dagegen. Ein Troſt-faͤhiger Menſch
der troͤſtet ſich nun wider den Troſt-Mangel/ laͤſſet ſich nicht befrembden/
wann es ihm gehet wie dort Salomon redet in ſeinem Prediger/ da er
ſpricht: Jch wandte mich/ und ſahe an alle die unrecht leidenEccleſ. 4, 1.
unter der Sonnen/ und ſihe/ da waren Thraͤnen deren/ ſo un-
recht litten/ und hatten keinen Tröſter/ und die ihnen unrecht
thaͤten/ waren zu maͤchtig/ daß ſie keinen Troͤſter haben konten.

keinen Troͤſter/ keinen patron, auff den man ſich verlaſſen moͤgen.


R r 2IV. Wer
[316]Die Sechs und Zwantzigſte (Andere)

IV.Wer Troſt-faͤhig ſeyn will/ der muß auch Troſt-
begierig und Troſt-důrfftig ſeyn;
Das beſte Mittel ſolchen Troſt
zu erlangen iſt das liebe eiferige/ inbruͤnſtige Gebet/ ἐκτενέςερος προσ [...]χὴ,
ie laͤnger/ ie eiferiger und bruͤnſtiger; das wird gewiß erhoͤrlich und gewaͤr-
lich ſeyn: Der Engel wird erſcheinen/ troͤſten und ſtaͤrcken auff Maß und
Weiſe/ wie ins kuͤnfftige ſoll vermeldet werden; Er wird zwar hier eine
kleine Zeit verlaſſen ſeyn/ dort aber mit Ehren und Schmuck gekroͤnet.
Wer alſo zu Chriſto kommet/ und in ſeine Fußſtapffen tritt/ der ſoll Erqui-
ckung/ Ruhe und Troſt fuͤr ſeine Seele finden. Vnſere Seele iſt unſterb-
lich/ wie kan ſie dann in ſterblichen Dingen ruhen? Ein ieglich Ding ruhet
am beſten in ſeinem Vrſprung/ ein Kraͤutlein in ſeinem Acker/ der Fiſch im
Waſſer/ der Vogel in der Lufft/ alſo die Seele in Gott/ dann ſie iſt aus
Gott und ſeinem unvergaͤnglichen ewigen Wort/ die rechte Ruhe iſt
und muß in dem ſeyn/ das ewig iſt/ das unvergaͤnglich iſt/ das unwandel-
Matth. 11,
29.
bar iſt/ das iſt aber Gott ſelbſt. Troſt ſoll er endlich finden in Abrahams
Schos/ da alle Creutz-Bruͤder Chriſti ſollen nicht mehr Troſt-durſtig/ ſon-
dern Troſt-truncken und Troſt-voll werden/ nicht Tropffen-ſondern
Stromsweiſe. Das helff uns Jeſus Chriſtus unſer Herr/ der es er-
worben hat! Jhm ſey Lob/ Preiß und Ehr! Amen.



Die Sechs und Zwantzigſte


Vber den dritten Articul/ und ůber die Wort
St. Lucæ c. 22/43.


Die Andere Predigt/


Von dem Engliſchen Troͤſter.


GEliebte in Chriſto: Jn dem dritten Capitul des hoch-
Dan. 3, 24.
ſeqq.
erleuchteten Fuͤrſtlichen Propheten Daniels leſen
wir von einer ſehr herrlichen/ Troſt- und Lehr-
reichen/ himmliſchen
apparitionund Erſchei-
nung/
damit die drey ſtandhafftige Glaubens-Bekenner
Sadrach/ Meſach und Abednego ſind mitten im Chaldeiſchen
Feuer-Ofen erquicket und erfreuet worden: Eine herrliche/ ſag ich/
und
[317]Predigt.
und majeſtaͤtiſche Erſcheinung/ wegen des vierten Ofen-Geſellen/
der ſich unverſehens bey ihnen eingeſtellet und zugeſellet/ dann es fragt und
ſagt der Koͤnig Nebucadnezar: Haben wir nicht drey Män-
ner gebunden in das Feuer laſſen werffen? Wie ſehe ich dann
vier Maͤnner loß im Feuer gehen/ und der vierte iſt gleich als
waͤre er ein Sohn der Goͤtter?
Er hats errathen/ freylich war Er
der Sohn des lebendigen/ wahren Gottes im Himmel/ der in
einer ſonderbaren/ herrlichen Majeſtaͤt/ Geſtalt und Glantz erſchienen/
daraus der Koͤnig abnehmen und muthmaſſen koͤnnen/ es ſey kein bloſſer
ſterblicher Menſch/ ſondern eine Goͤttliche Perſon/ inmaſſen auch dieſe
apparition von dem Sohne Gottes außgeleget und gedeutet Tertullia-Tertull. l.
4. contra
Marcion.
c. 10, \& 21.
Iren. l. 4,
37. l. 5, 5.
Hieron. ad
h. l.

nus, Irenæus und Hieronymus.


II.Troſt-Gnad- und Huͤlff-reiche Erſcheinung;
Es wurden die drey Maͤnner mit Kleider/ Hut/ Maͤnteln und Schuh ge-
worffen in einen gluͤenden Ofen/ den man ſiebenmal heiſſer machen muſte
als ſonſt geſchahe/ der war mit ſo wuͤtenden Flammen eingeheitzt/ daß auch
die Maͤnner/ ſo zugeſchieret und die execution verrichten ſolten/ von den
Feuer-Flammen verdorben; Aber was geſchicht? ſo bald die drey Glau-
bens-Helden in den Feuer-Ofen gerathen/ ehe das Feuer einige Macht an
ihnen uͤbet/ ſo erſcheinet und geſellet ſich zu ihnen der ewige Sohn Gottes/
entlediget ſie der Bande/ haͤlt die Flammen zuruͤck/ ſchaffet einen kuͤhlen
Thau/ daß das Feuer ſie gar nicht anruͤhrete/ noch ſchmertzete/ noch be-
ſchaͤdigte/ das Feuer thut ihnen keinen Schaden/ Maͤntel und Kleider
bleiben unverſehret/ die Haupt-Haar unverſenget/ ſo gar/ daß man auch
keinen Brand an ihnen riechen kunte: Hertz/ Muth und Geiſt wachſet/
iſt getroſt/ daß ſie mitten in den Feuer-Flammen als im Paradieß herumb
ſpatzieren/ ihren Gott loben und preiſen; alles uns und allen Glaͤubigen zum
exemplar, Muſter und Troſt/ daß wir uns verſichert halten/ was einmal
ſichtbar und leiblich geſchehen/ noch offt und vielmal geſchehen ſoll unſicht-
barer weiſe/ eben derſelbe Sohn Gottes wolle ſeinem Zuſage-Wort Krafft
geben: So du durchs Waſſer geheſt/ will ich bey dir ſeyn/ daßEſa. 43, 2.
dich die Stroͤme nicht ſollen erſäuffen/ und ſo du ins Feuer
geheſt/ ſoltu nicht brennen/ und die Flamme ſoll dich nicht
anzůnden.
Du ſolt gleich dem edlen Stein Amiant, ja wie Gold imapud Baſil.
orat. 5. de
jejun.

Feuer bewaͤhret/ alſo mitten in dem Feuer-Ofen der Anfechtung unver-
fehret/ unverſtoͤret/ unuͤberwindlich bleiben.


R r 3III. Ty-
[318]Die Sechs und Zwantzigſte (Andere)

III. Typica,Eine fuͤr bildende Erſcheinung; welchen typum
Hieron.
Comm.
adh. l.
Hieronymus folgender geſtalt deducirt und außgefuͤhret: In typo præ-
figurat Angelus, h. e. Filius Dei, Dominum noſtrum Jeſum Chriſtum,
qui ad fornacem deſcendit inferni, in quo clauſæ \& peccatorum \&
juſtorum animæ tenebantur, ut absque exuſtione \& noxiâ ſui eos, qui
tenebantur incluſi, mortis vinculis liberaret.
Jn dieſem Fuͤrbilde bildet
uns der Engel/ das iſt/ der Sohn Gottes/ ſchattenweiſe fuͤr un-
ſern Herren Jeſum Chriſt/ welcher zu dem Feuer-brennenden Hoͤllen-
Ofen hinab gefahren/ in welchem geſchloſſen und gehalten wurden die
Seelen/ beydes der Suͤnder und der Gerechten/ daß Er ohne Entzuͤndung
und Schaden ſeiner dieſelbigen/ welche geſchloſſen gehalten wurden in den
Banden des Todes/ befreyete und erloͤſete. Wir arme Menſchen ſind
die devoti und Verdammten in der Feuer-Grube/ da kein Waſſer iſt/
Chriſtus iſt vom Himmel herab kommen/ und hoͤlliſche Marter außge-
ſtanden/ daß wir ſicher und unverſehrt außgehen/ und derſelben befreyet
werden moͤchten. Ja nicht nur ein Vorbild unſerer Höllen-
Angſt/
ſondern auch der Höllen-Marter und Angſt/ ſo Chriſtus
außgeſtanden/ zu welchem ſich der Engel zugeſellet zum Troſt
vom Himmel herab/ und die Loh zuruͤck geſchlagen/ und kuͤh-
len Thau gemacht.
Deſſen Perſon/poſiturundfigur, wir die-
ſes mahl zu betrachten fuͤrgenommen/ nach dem wir heut acht Tage in
unſerer angefangenen Bilger- und Wallfahrt zum heiligen Oel-Berge
Chriſtum unſern Heiland angeſehen/ als eine Troſt-duͤrfftige/
Troſt-wůrdige/ Troſt-loſe/ Troſt-begierige Perſon;Gott der
himmliſche Vater wolle uns hierzu von oben herab des Heiligen Geiſtes
Krafft/ Liecht und Schein verleihen/ umb Jeſu Chriſti willen/ Amen.


ABer ein Engel vom Himmel erſchien ihm/ und ſtär-
cket ihn.
Das Wort Aber hat etwas auff ſich/ es referirt ſich
auff die vorhergehende Haͤndel/ und iſt ſo viel geſagt: Ob gleich
Chriſtus der HERR von Gott/ Engeln und Menſchen bißher
eine kleine Zeit verlaſſen geweſt/ ſo iſt Er doch nicht allezeit in ſolcher Einoͤde
geblieben/ ein Engel hat ſich herfuͤr gethan und troͤſtliche Huͤlffe geleiſtet/
Ein Engel/ ſagt er: das iſt/ ein Engliſcher Geiſt/ eine Engliſche Perſon
in ſeinem eigenem buchſtaͤbigem Verſtande genommen/ nach der Schul-
regul: analogum per ſe poſitum ſtat pro ſuo ſignificato famoſiori.
Was
[319]Predigt.
Was aber fuͤr ein Engel? Der Sathan heiſſet auch Engel/ St. Pau-Rom. 8, 38.
39.

lus ſagt: Jch bin gewiß/ daß weder Tod noch Leben/ weder
Engel noch Fuͤrſtenthumb ꝛc. uns ſcheiden mag von der Liebe
Gottes/ die in Chriſto Jeſu iſt/ unſerm HErren;
da durch die
Engel boͤſe Engel zu verſtehen/ dann kein guter Engel wird begehren moͤ-
gen außerwehlte Kinder Gottes aus Gottes Liebes-Schos zu reiſſen.
Er hat ſich auch an Chriſtum gemacht in der Wuͤſten/ in drey unterſchied-Matth. 4, 2.
ſeqq.

lichen poſituren/ als der ſchwartze Hunger-Geiſt/ der weiſſe heilige/ und
dann der goͤttiſche Geiſt/ wie Lutherus ſchreibet: ohne Zweifel in keinerLuth. tom.
6. p.
511.

ſcheutzlichen Geſtalt/ ſondern vermum̃et in einen Engel des Liechts. Die-
ſer iſts nicht. Der boͤſe Geiſt begehret Chriſtum nicht zu troͤſten/ ſondern in
die Verzweifelung/ nicht zu ſtaͤrcken/ ſondern zu faͤllen; Sondern/ wie klar
dabey ſtehet/ ein Engel vom Himmel/ aus himmliſcher legation und
Beruff/ von dem jenigen Himmel/ von welchem ſich die Tauffe JohannisMatth. 21,
25.
Matth.
18,
10.

des Taͤuffers geſchrieben/ einer von denen/ die da ſehen allezeit das
Angeſicht Gottes des Vaters im Himmel;
der himmliſchen
Troſt und Krafft mitgebracht/ auff daß er Chriſtum mitten in der Hoͤllen-
Angſt mit himmliſchen Troſt erquicken/ und einen Blick aus der Hoͤllen
in den Himmel thun laſſe.


Angelus viſibilis,ein ſichtbarer/ ſcheinbarer/ merckſamer
und empfindlicher Engel/
ὤφθη γὰρ, dann er iſt erſchienen/
und von ihme Chriſto geſehen worden/ ohne Zweifel in einem ſchoͤnen/ an-
muthigen/ lieblichen/ Engliſchen Glantz/ als ein warhafftiger Engel des
Liechts und durchleuchtiger Himmels-Fuͤrſt/ wie dergleichen Erſchei-
nung mehrmahl geſchehen; dort in der Geburs-Nacht des Herren
Chriſti/ da die Hirten des Nachts huͤteten ihrer Herde/ Sihe/ ſprichtLuc. 2, 9.
St. Lucas: des HErren Engel trat zu ihnen/ und des HErren
Klarheit leuchtet umb ſie.
Deßgleichen/ als die Weiblein zu dem
Grabe des Herren Chriſti kommen/ ihn zu ſalben/ und ins Grab
hinein gehen/ ſehen ſie einen Juͤngling zur rechten Hand ſitzen/ der hat einMarc. 16, 5.
Act.
12, 7.

lang weiß Kleid an; wie dann auch/ da Petrus im Gefaͤngnuͤß gebunden/
ſchlieff zwiſchen zweyen Kriegs-Knechten/ Sihe/ da kam der Engel
des HErren daher/ und ein Liecht ſchein in dem Gemach/
und ſchlug Petrum an die Seiten/ und weckt ihn auff/ und
ſprach: Stehe behends auff! und die Ketten fielen ihm von

ſeinen
[320]Die Sechs und Zwantzigſte (Andere)
ſeinen Haͤnden: Alſo erſcheinet dieſer Engel Chriſto bey eiteler Nacht
und erfreuet ihn mit dem Augen-Luſt und repreſentation ſeines himm-
liſchen Liechts.


Angelus ἀνώνυμος, Es wird ſein Name eigentlich nicht
benamſet/
darumb wir auch hie das Nachdencken und Fuͤrwitz ſparen.
Jm Papſtumb iſts bey etlichen Nacht-Eulen und namentlich dem aber-
Carol.
Stengel. in
S. Michaël.
Archange-
lo c.
19.
glaͤubigen Benedictiner-Moͤnch Carolo Stengelio außgemacht/ es ſeye
der Engel Michael geweſt/ welcher Chriſto dem Herren verkuͤn-
diget/ daß er ſampt allen Engeln ſein inbruͤnſtiges Gebet fuͤr ſeinem himm-
liſchen Vater gebracht habe/ es ſeye aber doch dieſes ſeines Vaters einiger
Wille/ daß er ſolle ſein Blut vergieſſen/ und fuͤr der Welt-Erloͤſung ſterben.
Ohne allen Grund und Spur der Warheit. Gilt es muthmaſſens/ ſo
wollen wir ehe glauben/ es ſeye der Engel Gabriel geweſt/ der mehrmal
dem Herren Chriſto in ſeinen himmliſchen/ geheimnuͤß-reichen Ver-
richtungen offenbare Dienſte geleiſtet/ ſonderlich im Engliſchen Gruß:
ſein Name bringets mit ſich/ er heiſſet Gabriel/ das iſt ἰσχὺς Θεοῦ,
Gotthard/ Gottes-Krafft und Staͤrcke/ er ſolte billich den ohn-
maͤchtigen Chriſtum geſtaͤrcket haben/ als ein Engel/ der Gottes Staͤrcke
Dan. 9, 21.und Krafft heiſſet: der typus des Propheten Danielis correſpondiret und
trifft mit zu/ da Daniel der liebe Mann betet mit faſten/ im Sack und in
der Aſche gelegen/ daruͤber in groſſe Schwachheit gerathen/ da flog der liebe
Mann Gabriel oder Gabriel in Mannes-geſtalt daher biaph nogeah,
in laſſitudine tetigit,
er hat ihn in der Schwachheit und Mattigkeit an-
geruͤhret/ das iſt/ er hat ihn geſtaͤrcket/ womit? nemlich mit den rechter
Hertz- und Seelen-Staͤrckung/ Chriſto/ wie er dann bald darauff ſaget:
ibid. v. 24.Siebentzig Wochen ſind beſtimmt uͤber dein Volck/ und uͤber
deine heilige Statt/ ſo wird dem Vbertreten gewehret/ und
die Suͤnde zugeſiegelt/ und die Miſſethat verſuͤhnet/ und die
ewige Gerechtigkeit gebracht/ und die Geſichte und Weiſſa-
gungen zugeſiegelt/ und der Allerheiligſte geſalbet werden.


Das war der holdſelige/ himliſche Legat/hic conſolator
extraordinarius,
dieſes iſt der ſonder- und Wunder-Troͤſter.
Es moͤchte ein angefochtenes Hertz gedencken: Ja wann mir in meiner
Anfechtung und Noth auch ein ſolcher Troͤſter vom Himmel herab kaͤme/
ſo wuͤrde mein Hirſch-Durſt geloͤſchet/ meine Seele wuͤrde geneſen! Aber
hierauff wirſtu lang warten muͤſſen/ du wirſt dich in der langen Weile
verſpaͤ-
[321]Predigt.
verſpaͤten/ du haſt hiervon keine Verheiſſung/ iſt Gottes Ordnung nicht
gemaͤß/ es iſt mißlich und gefaͤhrlich mit ſolcher Erſcheinung/ der Teufel iſt
ein Schalck/ er doͤrffte ſich verkappen in einen Engel des Liechts/ wie mehr-
mahl geſchehen/ der wuͤrde dich nicht ſtaͤrcken/ ſondern faͤllen; darumb gehe
dieſes Wundſches und Verlangen muͤſſig/ dieſer iſt ein extraordinari-
Legat.
Vnterdeß wird dir weder am Troͤſter noch Engel etwas abgehen/ du
haſt einen zum Troͤſter/ den Troͤſter uͤber alle Troͤſter/ der mehr iſt als ein
erſchaffener Engel/ hoͤher als der Himmel/ ſtaͤrcker als Gabriel/ die Krafft
aus der Hoͤhe/ welchen dir der Krafft-loſe Chriſtus mit ſeiner Ohnmacht
erworben/ nemlich Gott der Heilige Geiſt/ derParacletusund
Tröſter/
davon der Herr ſelbſt geſagt: Waͤr ich nicht hingangen/ mei-Ioh. 16, 7.
nen paſſion-Creutzgang und namentlich den Kidron-Gang am Oel-
Berge verrichtet/ der Troͤſter were nicht vom Himmel herab geſendet/ der
warme und erwaͤrmende Geiſt/ von dem Hertzen Gottes warm gemachet/
welcher den verborgenen Rath des Goͤttlichen Hertzens erforſchet/ und den
Abgrund des menſchlichen Hertzens weiß/ derſelbe/ wann er in ein verza-
gendes Hertz kom̃et/ machet/ daß daſſelbe anfahet zu ſagen: Abba/ lieber
Vater!
Er iſt derParacletus κατ᾽ ἐζοχὴν, der Außbund allesRom. 8, 15.
Troſtes. Der H. Geiſt aber heiſſet ein Troͤſter auff eine ſonderbare/
hohe/ unbegreiffliche Weiſe/ als ein ſolcher der alles thut/ was ein treuer Ad-
vocat
thun kan bey ſeiner beklagtẽ/ bedraͤngtẽ Part: Dem Blinden theilt er
Liecht und Rath mit/ den Kleinglaubigen machet er ein Hertz/ den Verzag-
ten troͤſtet er/ den Verklagten beſchuͤtzet und vertritt er ςεναγμοῖς ἀλαλή-c. 8, 26.
τοις, mit unaußſprechlichen ſeuffzen/ dem Bittenden und Seuff-
zenden hilfft er ſeuffzen/ ſtellet die ſupplication, leget Wort in den Mund.


Dieſes alles nicht immediatè und ohne Mittel/ ſondern vermittelſt
ſeines Worts/ welches er durch ſeine Engel ankuͤndigt/ durch welche er ſolch
ſein Staͤrck- und Troſt-Ampt verrichtet/ Erſtlich ordinarios,Ampts-
Engel/
dieſe ſind zuforderſt die Propheten und Apoſtel/ die zwar
lange tod/ aber noch leben in ihren ſacris lipſanis der heiligen Schrifft/
die ſind ihrer Sache ſo gewiß/ daß ſie auch die Engel heraus fordern/
Gal. 1. und nach dieſen alle dero getreueSucceſſoresund Nachfol-Gal. 1, 8.
ger im Lehr- und Troſt-Ampt/ welche der Heilige Geiſt mit dem
Namen und Ehren-Titul der Engel geadelt Apoc. 1. 2. 3. die man auch
nicht anders als Engel Gottes annehmen ſoll/ wie St. Paulus vonGal. 4, 14.
ſeinen Galatern ruͤhmet; die ſind dieAngeli pacis,die Friedens-
Sechſter Theil. S ſEngel/
[322]Die Sechs und Zwantzigſte (Andere)
Eſa. 52, 7.
Act. 4, 36.
() v. Luth.
præfat. in
Habacuc.
Engel/ die Friedens-Prediger/ die () Habacuci, die Barnabæ die υἱοὶ
παρακλησεως, die Troſt-Soͤhne/ Barnabasheiſſet ein Sohn des
Troſtes.
Angeli è cœlo, zwar irrdiſche Engel/ aber vom Him-
mel herab erleuchtet und entzuͤndet. Angeli lucis,Liecht-Engel
oder Engel des Liechts/
das iſt/ der leuchtenden Weißheit/ in welchen
leuchtet das Liecht der Wiſſenſchafft/ die mit diſcretion wiſſen mit einem
ieden reden zu rechter Zeit/ dann die Weißheit machet einen einem Engel
gleich/ wie dann jenes Weib von Thekoah frey heraus ſagte zum Koͤnige
2. Sam. 14,
20,
David: Mein Herr iſt weiſe/ wie die Weißheit eines Engels
Gottes/ daß er mercket alles auff
Erden. Wo es hieran mangelt/
ſo ſinds empirici. Das iſt virtutis exemplatis, ſie befleiſſigen ſich eines
heiligen/ unſtraͤfflichen Lebens und Wandels/ das iſt das Engel-Kleid/
ſonſt ſinds Bileami, die zwar wol ſegnen/ aber ſich ſelbſt verfluchen/ einen
Schalck im Buſen tragen/ gautzen und geitzen.


II. Angeli χαρίσματι conſolationis decori,Troſt-Engel/
Rom. 1, 11.
12.
welchen die Gabe zu troͤſten mitgetheilet/ davon St. Paulus an ſeine Roͤ-
mer ſchreibet: Mich verlanget euch zu ſehen/ auff daß ich euch
mittheile etwas geiſtlicher Gabe/ euch zu ſtärcken/ das iſt/ daß
ich ſampt euch getroͤſtet wuͤrde/ durch euren und meinen Glau-
ben/ den wir untereinander haben.


III.Freud-Engel von Rechts wegen. Ein ieder Chriſt/ der den
andern troͤſten kan/ heiſſet in H. Schrifft ein Engel/ wie abermal das
2. Sam. 14,
17.
Weib von Thekoah den Koͤnig David ruͤhmet/ und ſpricht: Deine
Magd gedacht/ meines Herren des Koͤnigs Wort ſoll mir ein
Troſt ſeyn: dann mein Herr der Koͤnig iſt wie ein
Engel Got-
tes/ daß er guts und böſes hören kan.
Homo homini Angelus!
Ein Menſch iſt des andern Engel/ ſonderlich Blutsfreunde/ Ehegatten/
Nachbarn/ Gabrieles, die die Kraͤfften haben zu troͤſten. Wie aber ſo getha-
ne Troſt-Huͤlff practicirt und werckſtellig gemacht werde de facto und in
der That/ davon zeuget der Tag der Warheit/ die taͤgliche experientz.
Pſal. 27, 10.Etliche wollen und koͤnnen nicht/ ſind keine Gabrieles,Mein Vater
und Mutter wolten gern in Noͤthen bey mir ſtehen/ können
mir doch keine Huͤlff gewärn/ ich muß fuͤr Leid vergehen/ ohn
Gottes Troſt/ der mich erloͤſt/ der
HERRthut mich auffneh-
men/
[323]Predigt.
men/ wann alle Welt/ von mir abfaͤllt/ und meiner ſich will
ſchaͤmen.
Etliche koͤnnen und wollen nicht/ ſondern ſchlaffen wie die
Juͤnger Chriſti/ achten anderer Leute nicht/ bekuͤmmern ſich nicht umb denMatth. 26,
40.
Iob.
2, 13.

Schaden Joſephs/ ſind fuͤr ſich ſelbſt/ werden ſtumm wie Jobs Freunde/
welche ſieben Tage und ſieben Nacht bey ihm auff der Erden ſaſſen und
redeten nichts mit ihm/ dann ſie ſahen/ daß der Schmertze groß war/ und
da ſie angefangen zu reden/ warens leidige Troͤſter. Andere reden zwar
aber boͤſe/ harte Schelt-Wort/ werffen einem ſein Elend fuͤr/ wie JobsIob. 2, 9.
Weib auch ſpottete und ſprach: Hälteſtu noch feſt an deiner Froͤm-
migkeit? Ja/ ſegne Gott und ſtirb.
Wie Nabal gegen die1. Sam. 25,
10. 11.

Knechte Davids/ als er ihn umb eine Ritter-Zehrung anſprechen ließ:
Wer iſt der David? wer iſt der Sohn Jſai? es werden ietzt
der Knechte viel/ die ſich von ihren Herren reiſſen:
Solt ich
mein Brod/ Waſſer und Fleiſch nehmen/ das ich fuͤr meine

Schaͤrer geſchlachtet habe/ und den Leuten geben/ die ich nicht
kenne/ woher ſie ſind?
Etliche ſind gar ἐπιχαιρέκακοι Schadenfroh/
die ſich freuen/ wann es dem Naͤheſten uͤbel gehet/ lachen in die Fauſt/ da!
da! das haͤtte ich laͤngſt gern geſehen/ ietzt hat ers! es iſt ihm recht geſche-
hen! pfui dich! Ita fit homo homini diabolus! der des andern Engel ſeyn
ſolt/ iſt ſein Teufel/ ſein furia, das Weib des Mañes/ Vater und Mutter ha-
ben einen Teufel am Kind/ ein Abſalon/ oder contrà der Sohn und Toch-
ter einen Laban/ der Bruder die Schweſter/ der Schwager; So viel
Schwaͤger/ ſo viel Knebel-Spieſſe ꝛc.


Darumb ſind noch uͤbrig IV.die Noth-Engel/ denen Gott
der Herr ziſchet/ die uͤberzwergs Feldes daher kommen/ deren man ſich
nicht haͤtte verſehen/ Joſephs Wegweiſer; Joſeph/ als ihn ſein Va-
ter Jacob ſendete zu ſeinen Brůdern/ gieng irre auff dem
Gen. 37, 15.
16. 17.

Felde/ da kommt ein Mann uͤber das Feld her/ fraget ihn/
wen er ſuchet? Er antwortet: Jch ſuche meine Bruͤder. Da
ſprach der Mann:
Sie ſind von dannen gezogen/ dann ich
hoͤrete/ daß ſie ſagten: Laſſet uns gen Dothan gehen/ da folget
Joſeph ſeinen Bruͤdern nach/ und fand ſie zu Dothan.

Quando duplicantur lateres, venit Moſes, Wann am groͤſten iſt die
Noth/ ſo erſcheinet mit ſeiner Huͤlffe Gott. Ein ſolcher Noth-Engel1. Reg. 17, 9.
war die Witwe zu Zarpath/ welcher Gott in der dreyjaͤhrigen Theu-
S ſ 2rung
[324]Die Sechs und Zwantzigſte (Andere)
rung geboten/ daß ſie den Propheten Eliam verſorgen muſte; deßgleichen
widerfuhr dem armen unter die Moͤrder gefallenen und halb toden Men-
Luc. 10, 30.
ſeqq.
ſchen auff dem Wege nach Jericho Luc. 10. da der Prieſter und Levit mit
harten Hertzen und trockenen Augen fuͤruͤber gangen/ erreget Gott dem
Samariter und Land-frembden das Hertz/ daß er ſich ſeines Elends erbar-
mete und huͤlffreiche Hand leiſtete; Als der Koͤnigin Candaces in Mo-
Act. 8, 27.
ſeqq.
renland Caͤmmerer von Jeruſalem wider heim zoge/ und auff ſeinem Wa-
gen den Propheten Eſaiam laſe/ verſtunde aber nicht/ was er laß/ da fuͤh-
ret Gott Philippum gleich als einen Engel in den Luͤfften her/ der muß
ihm aus dem Traum helffen/ und den Propheten erklaͤren.


Alſo wiſſen und verſtehen nun alle Troſt-betruͤbte/ angefochtene/
nothleidende/ bedraͤngte/ Troſt-duͤrſtige/ Troſt-wuͤrdige/ Troſt-begierige
Hertzen/ wo hinaus? wo die rechte Troſt-Quelle? wer der
Troͤſter? welches die
Engel ſind? nemlich ordinariè, Lehrer und Pre-
diger/ und wer ſonſt troͤſten kan und mag.


Darumb laſſen ſie billich fahren alle frembde/ falſche/ eitele und leidige
Troͤſter und verfuͤhriſche Jrrwiſche/ die uͤbel aͤrger machen. Die einem
Pſ. 165, 4.andern nacheilen/ werden groß Hertzeleid haben/ ſie muͤſſen end-
lich das Trauer-Lied hoͤren bey Jerem. 38. Ach/ deine Troͤſter haben
Ier. 38, 22.dich uͤberredet und verfuͤhret/ und in Schlam gefuͤhrt und laſ-
ſen dich nun ſtecken.
Jn der Welt gehets ſo her/ wann Noth fuͤrhan-
den/ wann Vngluͤck gehet daher/ ſo rufft ein ieder ſeinen Gott an/ wie dort
Ion. 1, 5.Jonæ am 1. cap. der blinde Papiſt die cœlites, die Heiligen im Himmel/
anders nicht als der reiche Schlaͤmmer den Vater Abraham/ da er umb
einen Tropffen Waſſer fuͤr ſeine gluͤende Zunge gebeten/ hat aber keiner
Luc. 16, 26.
29.
andern Antwort zuerwarten/ als er der Schlaͤmmer: Es iſt eine groſſe
Klufft zwiſchen uns und euch befeſtiget/ daß die da wolten von
hinnen hinabfahren zu euch können nicht; Jhr habt Moſen
und die Propheten/ dieſelben ſollet ihr hören.
Eben dieſelbe
Cornel. à
Lap. ad
Matth. p.

343.
blinde Leute ſuchen auch ihren Troſt bey ihrem Schutz-Engel/ dem ſie wun-
derbare Abentheuer zuſchreiben/ daß er dem Sterbenden beyſtehe/ ihn biß
an den letzten Todes-Kampff ſtaͤrcke/ auff allerhand Art und Weiſe ihm
helffe; nach dem Tode ſeine Seele zum Himmel fuͤhre/ oder ſo ſie noch
Reinigung von noͤthen/ in das Feg-Feuer begleite/ daſelbſt nach und nach
Gregor. de
Valent.
[r]om. 4. p.

2125.
dieſelbe troͤſte/ biß ſie gantz und gar gereiniget/ und er ſie mit ſich in den
Himmel hebe; Daß ſie dieſelben Seelen troͤſten/ als wie die jenigen/ welche
Ampts-
[325]Predigt.
Ampts und Troſts wegen die jenigen begleiten/ welche zur Schaͤdelſtatt ge-
fuͤhret werden. Der uͤbel-reformirenden Reformirten Hoͤllen-Trutz und
Himmel-Troſt/ ihr Horn und Hort iſt das fatale, abſolutum, ungeheure
decret und bloſſe Rath-Schluß Gottes. Die Welt und dero Kinder ha-
ben ihren Troſt/ etliche an dem kuͤhlen Baccho, vermeynen mit Wein den
Gewiſſens-Wurm zu daͤmpffen/ aber es iſt demſelben Milch! ie mehr
ſie zugieſſen/ ie mehr erſtaͤrcket und waͤchſet derſelbe/ und wird endlich zu
einem feurigen/ unloͤſchlichen Drachen. Andere haben den Mammon
zum Troſt/ dum nummos contemplor in arcâ ſprechen ſie: O rothes
Gold/ O edles Geld/ mein Troſt biſtu hier in der Welt; Andere die Ne-
meſin,
ſchlagen mit dem Schwerte drein wie Petrus.

Ioh. 18, 10.

Ja der Teufel ſelbſt der ſchwartze Butz/ der ie und allweg des groſſen
und wahren Gottes und ſeines Geiſtes Aff geweſen/ der wirfft ſich auch
fuͤr einen Troͤſter auff/ ſonderlich wo der Zaun nieder/ bey armen/ melancho-
lichen/ troſtloſen Weibern/ wann dieſelbe nicht wiſſen/ wo aus noch an/
ſtellet er ſich bey ihnen ein/ præſent ret Huͤlffe an/ verſpricht guͤldene Berge/
gibet ihnen auch vermeynet Gold und Silber zum Vor- und Angelde/
und wann er ſie gefaͤllet/ daß ſie der Heiligen Dreyfaltigkeit abgeſagt/ ſo be-
redet er ſie/ ſie ſolten (als Teufels-Maͤrtyrer) beſtaͤndig hey ihm außhalten/
und den Tod außſtehen/ er woll ſie in ein ſolch Ort bringen/ da ihnen ewig
wol ſoll ſeyn/ zeiget denſelben zuvor die Hoͤlle in Geſtalt eines Paradieſes/
da alles vollauff/ da die vorigen enthaupten Perſonen auff guͤldenen Seſ-
ſeln ſitzen/ luſtig und froͤlich ſeyn/ und ſpricht: Das iſt die Hoͤll/ davon die
Pfaffen predigen! Aber/ O Schalck! man kennet dich wol. Diß ſind
lauter Zweck-Fehler. Hinweg! hinweg! weit von dannen! Jſrael hat
dannoch GOTT zum Troſt/ wer nur reines Hertzens iſt!

mit dieſen Worten ſtimmet der geiſtreiche Aſſaph den 73. Pſalm an.Pſal. 73, 1.
Jſrael/ das iſt/ Jſrael das Troſt-loſe/ uͤber die alle Wetter gehen/ Troſt-
faͤhige/ rechtſchaffene Jſrael in Buß und Glauben. Gott der Vater
iſt der Gott alles Troſtes/ ja die Troſt-Quelle ſelbſt/ der Sohn
Gottes/ iſt der Heil-Brunn/ Allein zu dir HERR Jeſu
Chriſt ꝛc. Gott der H. Geiſt iſt der lebendige Troſt-Strom/

der durch ſeine Ampt- und Noth-Engel als ſiphunculos und Roͤhrlein
den Troſt außflieſſen und außtheilen laͤſſet in der Kirch als in dem Thal
Achor/ wer nur reines Hertzen iſt/ von reinem Hertzen/ den ſein HertzOſe. 2, 15.
1. Ioh.
3. 21.

nicht verdammet/ als welches durch Vbertretung Goͤttlicher Gebot und
S ſ 3Hindan-
[326]Die Sechs und Zwantzigſte (Andere)
Hindanſetzung der bruͤderlichen Liebe nicht verſehret und beſchweret iſt/
oder doch durch Glauben nach der Buß gereinigtem Hertzen/ wen ſein Hertz
nicht verklagt.


Hieher derowegen du Troſt-loſes Jſrael! alle Troſt-loſe/ Troſt-duͤrff-
tige Creutz-Bruͤder und Creutz-Schweſtern! hieher! niemand freſſe ſein
Matth. 27,
4. 5.
Leid in ſich/ niemand mach es wie Judas/ der argwoͤniſche/ der Chriſto nicht
recht getrauet/ da er ohne Troſt von den Hohenprieſtern abgewieſen wor-
den/ ἀνεχώρησεν den ſonderling geſpielet/ endlich gar an den Strick gelauf-
fen. Wer ſich hencken will/ der hencke ſich an den Baum des Creutzes Chri-
ſti/ an welchem auch die Handſchrifft/ ſo wider ihn iſt auffgehenckt und
durchſtrichen/ wer ſich ertraͤncken will/ der erſaͤuff ſich im Sinn in das
grundloſe Meer der Goͤttlichen Barmhertzigkeit/ in das Tauff-Waſſer/
darein ſein alter Adam und deſſen Straff-Pflicht erſaͤuffet; wer ſich ſelbſt
verwunden will/ der halte ſich an die Wunden Chriſti; Hieher mit demuͤ-
thigem eiferigem Gebet! wer aus dem Brunn trincken will/ der mus auch
ſchoͤpffen/ und demnach nicht nur zur Pfingſt-Zeit/ ſondern allezeit/ ſo offt
die Noth fuͤrhanden/ beten und ſingen: Du hoͤchſter Troͤſter in aller
Noth! hilff daß wir nicht fuͤrchten Schande noch Tod/ daß
in uns die Sinne nicht verzagen/ wann der Feind wird das
Leben verklagen! HERR durch deine Krafft uns bereit/ und
ſtaͤrck des Fleiſches Bloͤdigkeit/ daß wir hie ritterlich ringen/
durch Tod und Leben zu dir dringen/
Gott wird ſeinen Na-
2. Cor. 1, 3.
4.
men an dir nicht verlieren. Der Vater der Barmhertzigkeit und
Gott alles Troſtes/ der uns troͤſtet in allem unſerm Truͤbſal/
gebe daß wir auch troͤſten können/ die da ſind in allerley Truͤb-
ſal/ mit dem Troſt damit wir getroͤſtet werden von Gott!


Der uns troͤſtet in aller unſer Truͤbſal/
Der fuͤhr uns aus dem Thraͤnenthal
Durch einen ſeligen Wechſel in ſeinen Troſt- und
Freuden-Saal/
()

Amen.


Die
[327]Predigt.

Die Sieben und Zwantzigſte


Vber den dritten Articul/ und uͤber die Wort
St. Lucæ c. 22/ 43.


Die Dritte Predigt/


Von dem Engliſchen Wort-Troſte.


GEliebte in Chriſto: Wann die liebe Chriſtliche Kirche
von alters her in dero monumenten/ picturen/ Mappen/
Waͤnden/ Buͤchern durch ſinn- und kunſtreiche Mahler
den jenigen Engel/ der vom Himmel herab kom-
men/ und Chriſtum geſtärcket am Oel-Berge/

in der figur, emblemate und Geſtalt eines Schencken oder Apothe-
kers
abcontrafeet/ der mit freundlichen/ holdſeligen Geberden
dem HErren Chriſto einen Kelch gereichet und dargeboten;

So haben ſie zwar damit wollen andeuten I. paſſionis diritatem,
die unzehliche/ unerſchwingliche/ grauſame Bitterkeit des
peinlichen Leidens und Sterbens Jeſu Chriſti.
Es muͤſſen ein-
mal ſchroͤckliche/ bittere und ungeſchmackte ingredientia in dieſen Kelch
gefloſſen ſeyn/ umb dero willen der Herr ſo hefftig ſich vor denſelben
entſetzet/ gereudert und gezittert; kein bloſſer Gifft-Trunck/ ſintemal jener
Heydniſche Philoſophus Socrates, da man ihm Gifft zu trincken gegeben
hat/ den Becher mit Freuden an Mund geſetzet und außgetruncken/ und
noch zum Trotz Critiæ dem Ertz-Tyrannen aus dem Becher eines ge-
bracht und begehrt/ er ſoll ihm Beſcheid thun; Solte dann der Held vom
Stamm Juda ſo feige geweſt ſeyn/ daß ihm vor einem Gifft-Trunck ſo
ſehr ſolte gegrauet haben/ wann nicht was anders darein eingeſchenckt
geweſt? Die zween Soͤhne Zebedei Jacobus und Johannes bekommen
auch einen Trunck davon/ trincken ihren beſcheidenen Theil/ in dem der
eine uͤber die Klinge geſprungen/ der andere in Oel geſotten/ ſie trinckenAct. 12, 2.
Act.
5, 41.

mit Freuden/ ſonderlich Johannes/ da er geſtaͤupt worden/ gieng er froͤlich
von des Raths Angeſichte/ daß er wuͤrdig worden umb Chriſti ſeines
Heylandes willen Schmach zu leiden. Was mag dann wol einge-
ſchenckt
[328]Die Sieben und Zwantzigſte (Dritte)
Apoc. 14,
19.
Ezech. 23,
33.
Eſa 51, 22.
Pſal. 18, 5.
Exod.
7.
21. 24.
ſchenckt ſeyn geweſt? Der grimmige Zorn Gottes/ der Traur- und Jam-
mer-Kelch/ der Daumel-Kelch/ voll Hefen des Grimmes Gottes/ die
Baͤche Belial/ das iſt die gantze Fuͤlle und Stroͤme des Goͤttlichen Zorns
von unerſchwinglichen/ unermeſſenen Schmertzen/ der tartarus des hoͤl-
liſchen Giffts/ die Colocynthen des ewigen Todts/ alles Blut und Blut-
Schulden/ viel greßlicher als der Blut-Tranck/ den die Egyptier in Man-
gel des Waſſers trincken ſolten/ aber nicht mochten/ hinc illæ lachrymæ
ſanguineæ!
das triebe ihm den Blut-Schweiß/ die Blut-Zaͤhren
heraus.


II. Paſſionis diriſſimæ indeprecabilem neceſſitatem,
Die unvermeidenliche/ unabbitteliche Nothwendigkeit des Lei-
dens und Sterbens Chriſti.
Er der HErr waͤre dieſes Truncks gern
quitt geweſen/ es hat ihm nicht munden noch ſchmecken wollen/ ſeuffzet
gen Himmel hinauff zu ſeinem Vater/ er wolle ſeiner ſchonen mit dieſem
Kelch/ erwartet gewaͤhrliche Antwort vom Himmel herab; Aber es er-
ſcheinet der Engliſche Ehrnhold vom Himmel herab/ bringet den Kelch
wider mit ſich/ zeiget ihm die negativam an/ es ſeye abgeſchlagen/ er muͤſſe
trincken/ diß und anders nicht; Vrſach/ das ſolte das ſoterium ſeyn/ der
Schwitz-Becher und Geſund-Tranck/ zur Artzney/ Heil/ Leben und Se-
ligkeit der in Suͤnden kranck-ja todligenden Menſchen; es ſeye kein ander
Heil noch Namen den Menſchen gegeben/ darinnen ſelig zu werden/ als
dieſer Paſſions Kelch. Wie bißweilen eine Mutter eine herbe/ unanmutige
Artzney zu ſich nim̃t ihre Leibesfrucht/ die ſie unter dem Hertzẽ/ oder auch im
Schos traͤget und ſaͤuget zum beſten: Alſo muſte Chriſtus auch dieſen Artz-
ney Becher ſchlucken auff Geſundheit des armen menſchlichẽ Geſchlechts.


III. Paſſionis neceſſariæ malagmata \& ſolatia,Des
nothwendigen Leidens Jeſu Chriſti Heil und Troſt.
Kein
Medicus iſt ſo herbe/ hart und unfreundlich mit ſeinen Traͤncklen/ daß er
nicht auch Zucker oder Citronen-Safft und dergleichen anmuthige Labſal
mit einmiſche/ und den Tranck durchſuͤſſe/ damit er deſto beſſer munde und
ſchmacke/ und zugleich dem patienten zuſpreche/ mit lieblichen Worten den
Pſal. 75, 9.Tranck einſchwatze: Alſo auch der himmliſche Vater hat einen
Becher in der Hand/ und mit ſtarckem Wein voll einge-
ſchenckt/
laſt auch him̃liſchen Troſt mit einflieſſen aus ihme ſelbſt/ als der
lebendigen Quell alles Troſts/ den bietet nun auch der Engel als ein
Apotheker dem HERREN Chriſto an in dieſem Kelch/ und

erquicket
[329]Predigt.
erquicket und ſtaͤrcket ihn mit lieblichen Worten und Wer-
cken. Von dem Wort-Troſt/
wollen wir dieſesmahl handeln/ den
Werck-Troſt
biß uͤber acht Tage geliebts Gott verſparen; Gott
der himmliſche Vater verleihe uns hierzu von oben herab die Krafft des
Heiligen Geiſtes umb Jeſu Chriſti willen/ Amen.


SO iſt nun die Engliſche Stärckung zuvorderſt geweſt
I. verbalis,eine muͤndliche Wort-Staͤrckung; ſinte-
mal ſolchen Verſtand das Griechiſche Wort hat/ da derDevt. 1, 38.
Herr zu Moſe ſpricht: Joſua der Sohn Nun/ der dein Diener
iſt/ der ſoll hinein kommen/ denſelben ſtaͤrcke
(ſprich ihm einen
Muth ein) dann er ſoll Jſrael das Erbe (des gelobten Landes)
außtheilen; alſo da Joſia das Paſſah hielt/ ſtellet er die Prieſter2. Chron.
35, 2.

in ihrer Hut/ und ſtaͤrcket ſie in ihrem Ampt (Er vermahnete ſie
mit Worten und mit ſeinem eigenem Exempel/ daß ſie mit treuem Fleiß
ihr Ampt verrichten ſolten) im Hauſe des HErren/ und wird ſonder-
lich in ſolcher Meynung geleſen Dan. 10. nach dem Daniel fuͤr einemDan. 10, 18.
groſſen majeſtaͤtiſchen Goͤttlichen Geſicht/ dermaſſen ergeiſtert und er-
ſchroͤcket worden/ daß er von allen Kraͤfften kommen/ zur Erden niederge-
ſuncken/ und keinen Athem mehr holen koͤnnen/ ſo tritt der Sohn Gottes
herfuͤr/ der ungeſchaffene Engel in Geſtalt eines Menſchen/ der ſtaͤrcket
ihn/ ἐνίχυσε, wie aber? mit freundlichen/ holdſeligen Worten: Fuͤrchte
dich nicht/ du lieber Mann/ Friede ſey mit dir/ ſey getroſt! ſey
getroſt!
Chaſak vachaſak, robora te, richte dich auff/ ſtaͤrcke dich/
faſſe guten Muth. Alſo iſt freylich der Engel/ der Chriſtum im Garten am
Oel-Berg geſtaͤrcket/ kein κωφὸν πρόσωπον und ſtummer Oel-Goͤtze/ ſeine
Staͤrckung keine ſtumme Sprach-loſe action und Handlung geweſen/
ſondern er hat mit ſeiner Engliſchen Zungen und himmliſchen ſuadâ dem-
ſelben zugeſprochen/ Wort gewechſelt/ und ihm alſo/ wie obermeldt/ den
Artzney-Tranck eingeredet.


II. Unde verba?Mit was fůr Worten hat er ihn getroͤ-
ſtet/ wo hat er ſie hergenom̃en?
Antwort: Mit Worten/ ſo vom
Himmel herab kommen;
woher der Troſt-Engel kommen/ von dan-
nen hat er auch den Troſt mitgebracht/ nemlich vom Himmel/ und koͤnnen
die Wort ἀπ᾽ οὐρανοῦ gar wol auff das prædicatum auch gezogen werden;
Ein Engel vom Himmel iſt kommen und hat auch vom Himmel
Sechſter Theil. T therab
[330]Die Sieben und Zwantzigſte (Dritte)
herab getroͤſtet/ himmliſche/ Engliſche/ ja Goͤttliche Troſt-Wort dem Her-
ren
Chriſto angebracht. Es hat die Vernunfft auch ihre ſolatia unter-
Matth. 16,
21. 22.
ſtanden beyzutragen/ ſonderlich durch dero ergebenen Juͤnger Petrum/ als
Jeſus anfieng ſeinen Juͤngern zu zeugen/ wie er muſte hin gen Jeruſalem
gehen/ und viel leiden von den Elteſten/ und Hohenprieſtern und Schrifft-
gelehrten/ und getoͤdtet werden/ und am dritten Tage aufferſtehen;
Da nahm ihn Petrus zu ſich/ fuhr ihn an und ſprach: HErr
ſchone dein ſelbſt/ das widerfahr dir nur nicht!
Ja der Sathan
hat auch troͤſten wollen/ und ihm einen Weg an die Hand geben/ dadurch
er davon kommen moͤchte/ Medice cura teipſum! Artzt hilff dir ſelbſt!
Matth. 27,
40.
Luc. 4, 4. 8.
\& Ioh.
8,
59.
Steige herab vom Creutz/ ſo du Gottes Sohn biſt/ ſuche deine
alte Wunderwerck herfuͤr/ haſtu koͤnnen den Steinen entfliehen/ ſo thue
anietzo dergleichen. Aber das waren irrdiſche/ fleiſchliche/ ja Sathaniſche
Gedancken und Sarcaſterey/ die nicht nach dem Himmel/ ſondern nach
dem Abgrund der boͤſen Natur/ ja der Hoͤllen ſelber geſtuncken; Er
ſagt: Hebe dich weg Sathan! Chriſti Troſt-Quell war hoͤher/ vom
Himmel herab/ aus der Quellen der himliſchen Weißheit/ deren Adern in
Gottes Wort verborgen ligen. Demnach was der Engel geredet/ das hat
er aus und mit der himmliſchen Apothek der heiligen Schrifft geredet/ in-
maſſen er der Engel mehrmahl mit und aus Prophetiſchen Schrifften/
ſchrifftmaͤſſig zu reden gepfleget/ und die Wort aus der heiligen Schrifft
Luc. 2, 14.zu entlehnen. Vnd was iſt der Engliſche Lob-Geſang und die darauf fol-
gende Erklaͤrung anders als ein mellificium und ſuͤſſer Honig aus den
Bluͤmlein der heiligen Schrifft zuſammen getragen?


III. Quæ verba formalia?Was aber ſind eigentlich
fuͤr Wort gefallen?
Das zeiget der Evangeliſt nicht an/ verwehret
aber auch nicht das Gottſelige ſcrutinium und fleiſſige nachſinnen; er
zeucht gleichſam eine Decke fuͤr; wir moͤgen aber wol durch die Spalten
hinein gucken. Engliſchen Zungen koͤnnen wir es nicht nachahmen/ Eng-
liſche Wort nachzuſprechen/ darzu gehoͤren Engliſche Zungen/ aber das
Carolus
Stengel.
pag.
134.
Nachlallen iſt unverboten; Jm Papſtumb hat mans getroffen/ Carolus
Stengelius
weiß eigentlich/ was der Engel Chriſto ins Ohr geſagt/ nem-
lich/ daß er ſampt allen andern Engeln ſein Gebet dem himliſchen Vater
vorgetragen/ und doch des himliſchen Vaters Wille ſey/ daß Er ſein Blut
vergieſſen und ſterben ſolle fuͤr der Welt Erloͤſung; Alſo hat er angefangen
ihn zu ſtaͤrcken/ in dem er ihm fuͤrgeleget die herrliche Belohnung der Erloͤ-
ſung der Welt/ die Erſetzung der gefallenẽ Engel/ und dañ die Erloͤſung der
Alt-
[331]Predigt.
Altvaͤter aus der Vorburg der Hoͤllen/ bißher der Moͤnche. Viel glaublicher
uñ der Glaubens-regul aͤhnlicher ſind anderer unverwerffliche Gedanckẽ:
Er hab ihm 1. vorgehalten dasdecretum divinum,den göttlichen
Rath-Schluß/
in welchen der Sohn Gottes ſelbſt gewilliget/ und den-
ſelben zu vollbringen verſprochen/ welchen kurtz zuvor Caiphas (wiewol
mit ſeinem unreinen Sauruͤſſel) außgeſprochen/ doch aus Eingebung
und Erleuchtung des Heiligen Geiſtes: Es iſt beſſer/ daß einIoh. 11, 50.
Menſch ſterbe fuͤr das Volck/ dann das gantze Volck verderbe;
Es ſey waͤger und beſſer/ Jonas werde ins wuͤtende Meer geworffen/ als
daß das gantze Schiff zerſcheitere. Dannenhero ſagt St. Petrus:Act. 4, 12.
27. 28.

Es iſt in keinem andern Heil/ iſt auch kein ander Name den
Menſchen gegeben/ darinn wir ſollen ſelig werden.
Jtem/ es ge-
ſchehe ihm nichts frembdes/ allbereit haben ſich uͤber ihn verſamlet
Herodes und Pontius Pilatus/ mit den Heyden und dem
Volck Jſrael/ zu thun/ was Gottes Hand und ſein Rath zuvor
bedacht hat/ das geſchehen ſolt.


2. Vocis divinæ promiſſum,Die Goͤttliche/ unfehl-
bare Verheiſſung;
Bedencke doch/ wird er geſagt haben/ deines him-
liſchen Vaters Stimme/ Er hat geſchworen/ und wird ihn nichtPſ. 110, 4. 7.
gereuen/ daß du ſolt Prieſter ſeyn ewiglich nach der Weiſe
Melchiſedech! Aber zuvor ſoltu trincken vom ſchwartzen
Bach auff dem Wege/ darnach das Haupt empor heben.

Es waͤre ja dem himmliſchen Vater nichts leichters als zwoͤlff LegionMatth. 26,
53. 54.

Engel herab ſenden/ aber wie wuͤrde die Schrifft erfuͤllet? wie wuͤrde Er
ſeinem Worte Krafft geben? es muß alſo gehen; Gedencke zuruͤck an
deine eigene Wort vom Verſen-Stich/ bedencke wie du durch den MundGen. 3, 15.
David verſprochen haſt: Sihe/ ich komme/ im Buch ſtehet vonPſ. 40, 8. 9.
mir geſchrieben/ deinen Willen/ mein Gott! thu ich gerne
Gleich wie Moſes in der Wuͤſten eine Schlange erhoͤhet hat;
Ioh. 3, 14.
15.

Alſo muß auch des Menſchen Sohn erhoͤhet werden/ auff daß
alle/ die an ihn glauben/ nicht verlohren werden/ ſondern das
ewige Leben haben.
Bedencke wie der Heilige Geiſt durch alle Pro-
pheten geredet/ welche einhelliglich außgeſchrien: Chriſtus muß leiden/
wie dann deſſen der Herr ſelbſt/ den beyden Juͤngern auff dem Wege
T t 2nach
[332]Die Sieben und Zwantzigſte (Dritte)
nach Emaus/ nach ſeiner Aufferſtehung einen harten Verweiß gibet und
Luc. 24, 25.
26.
ſpricht: O ihr Thoren und träges Hertzen zu glauben alle dem/
das die Propheten geredet haben! Muſte nicht Chriſtus ſol-
ches leiden/ und zu ſeiner
Herrligkeit eingehen? Bedencke aber
Dan. 9, 24.
26.
auch meine eigene Wort/ welche ich zu dem Propheten Daniel geredet:
Siebentzig Wochen ſind beſtimmet uͤber dein Volck/ und ůber
deine heilige Statt/ ſo wird dem Vbertreten gewehret/ und
die Sůnde zugeſiegelt/ und die Miſſethat verſuͤhnet/ und die
ewige Gerechtigkeit gebracht/ und die Geſichte und Weiſſa-
gung zugeſiegelt/ und der Allerheiligſte geſalbet werden; und
nach zwey und ſechtzig Wochen wird Chriſtus außgerottet
werden/ und nichts mehr ſeyn.
Bedencke das bloͤcken des Opffer-
Viehes und das ſchreyen der andern Schlacht-Opffer/ die alle dahin ge-
zielet und nach dir geſchrien.


3. Victoriam \& brabeum,Den herrlichen Sieg und
Preiß/
welchen Er in dieſem Kampff davon tragen wird; Dieſer Trunck
wird dir ſeyn ein Erloͤſungs-Trunck/ Gnaden-Trunck/ Ehren-Trunck/ ein
Gen. 3, 15.
Pſ.
110, 1. 7.
Siegs-Trunck/ victoria Sathanæ,du wirſt der hoͤlliſchen
Schlangen den Kopff zertretten/
wann du getruncken vom Hoͤllen-
Vach/ ſo wirſtu als ein Siegs-Fuͤrſt den Kopff empor heben/ und alle
deine Feinde zum Schemel deiner Fuͤſſe legen: generis humani
λύτρον, das gantze menſchliche Geſchlecht wird dir zur Beute
gegeben werden;
das wird deingloriaundbrabeum,dein
Ruhm und Preiß ſeyn/
deſſen Candidat du ietzo biſt/ nach dem du ein
hartes examen außgeſtanden/ welche Ehre du ſelbſt gewuͤndſchet/ da du
Ioh. 17, 5.
Ioh. 12, 18.
Hebr.
2, 7.
ſpracheſt: Nun verklaͤre mich du Vater bey dir ſelbſt/ mit der
Klarheit/ die ich bey dir hatte/ ehe die Welt war; Du wirſt
eine kleine Zeit der Engel mangeln muͤſſen/ mit Preiß und
Ehren wird dich dein himmliſcher Vater krönen/ und ſetzen
uͤber die Werck ſeiner
Haͤnde/ Er wird dich erhöhen und dir
Phil. 2, 9.einen Namen geben/ der ůber alle Namen iſt.Hinc celeusmata!
das erwecket ſolchen Freuden-Schall! darumb chaſak, chaſak,ſey
Ier. 14, 9.getroſt! ſey getroſt! Auff! Auff! Wache auff du Held! Warumb
ſtelleſtu dich als ein
Held/ der verzagt iſt? und als ein Rieſe/ der
nicht
[333]Predigt.
nicht helffen kan?HERR!ſtehe auff/ laß deine Feinde zer-Num. 10,
34.
Eſa.
59, 17.

ſtreuet/ und die dich haſſen/ flůchtig werden fuͤr dir! Zeuch
Gerechtigkeit an/ wie einen Pantzer/ ſetz den Helm des Heils
auff dein Haupt/ kleide dich mit Eifer/ wie mit einem Rock/
zeuch dich an zur Rach.
Dictum atque factum! Wie getroͤſtet ſo
gethan! Dieſen Engliſchen Troſt hat Chriſtus angenommen und em-
pfangen/ daß Er hernach geſagt: Soll ich den Kelch nicht trincken/Ioh. 18, 11.
den mir mein Vater gegeben hat? Soll ich nicht umb meiner lie-
ben Rachel willen Froſt und Hitze leiden? Zwey Feuer haben in ihm ge-
ſtritten/ das peinliche und ſchmertzliche Hoͤllen-Feuer/ und das bruͤnſtige/
holdſelige Liebs-Feuer; Liebs-Feuer hat gewonnen und jenes außge-
loͤſchet.


Nun/ meine Liebſte/ dieſer Engliſche Troſt iſt nun abermal
unſer Troſt/ ja die lebendige Quell/ Stock-Wurtzel und
fundamentunſers Troſts/ ein Muſter alles Troſts; Diß iſtPſ. 133, 2.
der Balſam/ der vom Haupt Aaron herab fleuſſet/ nicht nur auff ſeinen
Bart oder ehrwuͤrdigen Mund/ das iſt/ Lehrer und Prediger/ ſondern auch
auff den gantzen Leib und gantzes Kleid/ die geiſtlichen Gliedmaſſen des
HErren Jeſu/ wer ihm gleichfoͤrmig iſt im Creutz/ der ſoll ihm auch gleich-
foͤrmig werden hier im Troſt/ dort in der Glori und Herrligkeit; Chriſti
Engliſcher Troſt iſt die lebendige Quell unſers Troſts; dieſer Engliſche
Troſt iſt das exemplar unſers Troſts/ der ſoll gleich ſeyn dem Troſte des
Herren Chriſti/ und von dem Ampt-Freund- und Noth-Engeln recht
angebracht werden/ das iſt/ es ſoll kein ſtummer und thummer Anblick/ und
Hart-Anſchnarcher/ ſondern holdſeliger/ vernuͤnfftiger verbal. Troſt ſeyn;
Worte ſind Troſt! meines Herren des Koͤnigs Wort ſoll mir ein2. Sam. 14,
17.

Troſt ſeyn/ ſprach das Weib von Thekoah zu David. Durch Wort iſt
anfangs der Menſch erſchroͤckt und geaͤngſtiget worden im Paradieß/
durch Worte muß er wider geheilet werden/ Wann dein Wort/Pſ. 119, 92.
ſpricht David: nicht waͤre mein Troſt geweſt/ ſo waͤre ich ver-
gangen in meinem Elende!
Das Wort Gottes iſt eine heilſame
Artzney/ Es heilet weder Kraut noch Pflaſter (nemlich die bloͤdenSap. 16, 12.
und erſchrockenen Hertzen) aber dein Wort/ HERR/ welches
alles heilet/ das heilet ſie.


Es muß ein himmliſch Wort ſeyn/ das iſt/ der himmliſchen Weiß-
T t 3heit
[334]Die Sieben und Zwantzigſte (Dritte)
heit in der heiligen Schrifft aͤhnlich. Wo ein Fall geſchicht/ wo Truͤbſal/
Widerwertigkeit einkehret/ da finden ſich gemeiniglich dreyerley Troͤſter
und Troſt-Worte: Eines von der blinden Vernunfft aus der Erden/
das andere vom Sathan aus der Hoͤllen/ das dritte vom Himmel herab
des Heiligen Geiſtes. Da Job kam in unſaͤgliche groſſe Noth/ an Leib/
Seel und Gluͤck angefochten und angefallen auffs euſſerſte/ die Vernunfft
kommet auffgezogen daher mit ihren paralogiſmis und Schlußfehlern/
durch ſeine Freunde die leidigen Troͤſter angebracht: Ein ieglicher/ der von
Gott mit Creutz beleget wird/ iſt bey Gott in Vngnaden und verhaſſet/
dieweil es den Frommen uͤbel/ den Boͤſen aber und Gottloſen wol gehet;
Nun du biſt ietzo von Gott mit Creutz uͤberladen und beleget; was kan
anders folgen/ als daß du bey Gott in Vngnaden/ ein Gottloſer und
Heuchler ſeyeſt. Der Sathan war geſchaͤfftig/ der bietet ihme den Strang
Iob. 7, 15.
c. 3, 1. 2. 3.
c.
42, 7.
an. Aber Gottes Troſt iſt uͤber alles/ da Er des Hiobs Freunde ſtraffet/
uͤber ſie ergrimmet wird und ſpricht: Jhr habt nicht recht von mir
geredet wie mein Knecht Hiob.
Der verlohrne Sohn/ da ihm das
Waſſer ins Maul gelauffen/ und an die Bindriemen gangen/ da er umb
das ſeinige kommen/ alles durchgebracht/ verpraſſet/ gibt ihm die Ver-
nunfft den Rath/ er ſoll Schweine huͤten/ den Hunger zu ſtillen. Præpoſte-
rum conſilium!
ein verkehrter Rath war es. Ja wann er zuvor einen gnaͤ-
digen Gott im Himmel gehabt. Der Sathan war beraͤthig mit dem
Luc. 15, 22.
23. 24.
Strick; Aber Gott ſein Vater/ der brachte den rechten Troſt/ ſprach
zu ſeinen Knechten: Bringet das beſte Kleid herfuͤr/ und thut
ihn an/ und gebet ihm einen Finger-Reiff an ſeine Hand/ und
Schuh an ſeine Fuͤſſe/ und bringet ein gemaͤſtet Kalb her/
und ſchlachtets/ laſſet uns eſſen und froͤlich ſeyn/ dann dieſer
mein Sohn war tod/ und iſt wider lebendig worden/ er war
verlohren/ und iſt funden worden/ und fieng an froͤlich zu ſeyn.


Matth. 27,
3. 4. 5.

Judas/ da das Gewiſſen auffgewachet und ſchmertzlich gebiſſen/ da
er in ſich ſelbſt gangen und ſchwermuͤthig worden/ gibt ihm die Vernunfft
den Rath/ er ſoll jus talionis ſpielen/ er ſoll Reu und Leid uͤber ſeine Suͤnde
haben/ dieſelbe mit dem Munde bekennen/ und dafuͤr buͤſſen/ alſo genug
fuͤr dieſelbe thun/ die Prieſterſchafft ſpricht ihm die abſolution:Da ſihe
du zu!
Wir haben kein Waſſer betruͤbt. Jſt der Paͤpſtiſche Troſt/ von
dem unſere Apoſtatæ und Mammelucken ſo groß pralen machen/ wie in
groſſe Ruhe der Seelen ſie verſetzet/ da doch in effectu, in dem Werck und
in der
[335]Predigt.
in der Wuͤrckung die Paͤpſtiſche Buſſe nichts anders als Judas Buſſe/
die abſolution, die Hoheprieſterliche abſolution iſt/ die heiſt/ Da ſihe du
zu!
ob deine Reu ſo groß als die begangene Suͤnde geweſen/ ob deine
Beichte perfect, ob du nichts verſchwiegen/ ob du ſatisfaction geleiſtet oder
Gnugthuung in der proportion ſo viel guͤltig/ als die gebuͤſte Suͤnde. FoForerus
part. 3. an-
tiqu. Pap.
p.
865.

rerus der Jeſuit fuͤhrt dieſen Schluß uͤber die Wort Syrach am 5. Cap. v. 5.
De propitiato peccato noli eſſe ſine metu.
Von der verziehenen Suͤnde
ſeye nicht ohne Furcht. Wann derhalben ein Beicht-Vater dem Buͤſ-
ſenden eine Buſſe aufferleget/ und er dieſelbe nach Moͤgligkeit leiſtet/ kan er
zwar gantz zuverſichtlich getroſt ſeyn/ daß er die gantze ſchuldige Straffe
dadurch bezahle; iedoch weil auch aus Vnwiſſenheit oder uͤberſehen in
unſern Handlungen Mangel einlauffen/ wird allen der Rath gegeben/ ſie
ſollen ſich mit der aufferlegten Buſſe nicht begnuͤgen laſſen/ ſondern von
ſich ſelbſt und gutwillig noch andere Buß-Wercke/ ſo offt es ſeyn kan/ dar-
zuthun; damit alſo auff dieſer Welt die Gerechtigkeit Gottes befriediget/
und nichts in jene Welt geſparet werde.


Der allgemeine/ gewiſſe/ unfehlbare Chriſten-Troſt fuͤr alle troſtmuͤ-
thige Hertzen fleuſt aus der Quell der Heiligen Dreyfaltigkeit/ von demRom. 8, 30.
Apoſtel Paulo Rom. 8. geſchoͤpffet und dargeboten/ heiſt I.der Wille
des himmliſchen Vaters/ welche er zuvor verordnet/ die hat er
auch beruffen/ welche er aber beruffen hat/ die hat er auch ge-
recht gemacht/ welche er gerecht gemacht/ die hat er auch herr-
lich gemacht;
Von welchem uns dargereichet wird der vaͤterliche
Kelch/ der Heil-Kelch/ der Schwitz-Kelch/ oder Schwitz-Becher/ die edle
præſervativ, die ordentliche diet, dadurch unſere Seele curirt/ gereiniget/
fuͤr aller Vntugend und Vnheil bewahret/ und in ordentlicher diet, in
Chriſtlichen Tugenden/ Gedult und Demuth erhalten wird; Ehe ichPſ. 119, 67.
71.

gedemuͤthiget ward irret ich/ nun aber halte ich dein Wort/ es
iſt mir lieb/ daß du mich gedemuͤtiget haſt/ daß ich deine Rechte
lerne/
ſpricht David. 2. Συμμορφία Filii,die ähnligkeit des Sohnes
Gottes/
daß wir ſollen aͤhnlich werden dem Bilde ſeines Sohnes/ ſo wol
ſorte als hæreditate, hier in Creutz und Leiden/ dort in der Erbſchafft undRom. 8, 17.
Herrligkeit. So der Herr ſeines liebſten einigen Schos-Kindes nicht
geſchonet/ ja ihn nicht erhoͤret/ ſo ſoll uns nicht befrembden/ wann Er uns
nicht hoͤret/ Herr ſo du wilt kanſtu uns wol helffen/ mit erben mit leiden/Luc. 5, 12.
Rom.
8, 17.
18.

und iſt doch das Leiden nicht werth der Herrligkeit.


3. Spiri-
[336]Die Sieben und Zwantzigſte (Dritte)

3. Spiritus ſancti paraſtaſis \& ſynantilepſis,Die Huͤlff
und Beyſtand Gottes des Heiligen Geiſtes/ der hilfft unſerer

Rom. 8, 26.Schwachheit auff/ und vertritt uns mit unaußſprechlichen
Seuffzen/
ia wann nur ein Seuffzerlein und kleines Raͤuchlein des
Vertrauens in uns iſt/ ſo ſteiget es hinauff zu Gott/ und erfuͤllet den
Luth. ad
Geneſ. 43.
p. 123.
Cant.
3, 6.
Himmel/ wie Lutherus zu reden pfleget/ das iſt/ was Salomon ſagt in ſei-
nem Hohenlied: Wer iſt dieſe/ ſo herauff kommet/ wie ein wol-
riechender Trociß/
iſt ein ſehr duͤnner Rauch/ und koͤſtliches/ wolrie-
chendes Raͤuchwerck/ nichts kan duͤnner und ſchwaͤcher außgedacht wer-
den. Aber wer treibet ſo einen kleinen Rauch oder Dunſt in die Hoͤhe?
Die feurige Krafft des Glaubens und des Gebets/ welche den Himmel
erfuͤllet.


In particulari, in ſonderbaren Anligen/ Anfechtungen/ Widerwertig-
Pſ. 65, 10.keit hat auch das Brünnlein Waſſers die Fuͤlle. Jſt iemand
Troſt-loß/ veracht und verlaſſen in der Welt/ wie eine Rohi dommel/ muß
darzu noch gedruckt werden von den Tyranniſcis, die heiſſen nicht nur
Pharaones, Tuͤrcken/ Antichriſten/ ſondern auch die Preß-Reuter in der
Chriſtenheit/ von denen manchmal ſolche Tyranney und Gewalt wird
geuͤbet mit groſſem Schein des Rechten/ auch unter Gottes Namen und
Ehre mit groſſem Anſehen/ und geſchwinder Liſt/ daß es niemand mercket/
daß es Pharaoniſche Stuͤcklein ſeyn/ daß es Antichriſtiſch ſey. So ſpricht
einem ſolchen Gott der Herr in ſeinem Hertzen einen kraͤfftigen Troſt zu/
Pſ. 102, 18.
20. 21.
aus dem 102. Pſal. Er der HERR wendet ſich zum Gebet der
Verlaſſenen/ und verſchmaͤhet ihr Gebet nicht; dann Er


Solaria Ethnicorum. Plutarch. l. de anim. tranq. Moleſtum tibi eſt, quòd prole
cares? at Romanorum vide Reges, quorum nullus filio regnum reliquit. Pau-
pertas tibi gravis eſt? quis verò Bœotorum eſſe malles, quàm Epaminondas, aut
Romanorum quàm Fabricius? adulterata eſt mulier: nonné legiſti inſcriptio-
nem apud Delphos:


Agis me poſuit terræ Rex, \& maris idem?
\& audiviſti uxorem ejus Timæam fuiſſe ab Alcibiade vitiatam? verùm id Agidi
non obſtitit, quò minùs Græcorum fieret clariſſimus \& maximus.


Seneca: Totum fortunæ Regnum deſpiciam, \& malo me fortuna in
caſtris ſuis, quàm in deliciis habeat: torqueor ſed fortiter, bene eſt: occidor,
ſed fortiter, bene eſt. Ita ipſe epiſt. 68. Idem de remed fortuit. Dolor, ait,
imminet: ſi exiguus eſt, feramus. non levis eſt gloria. Dura res eſt dolor: imò
tu mollis. Pauci dolorem ferre potuerunt: ſimus ex paucis. Imbecilles na-
turâ ſumus: naturam infamare nolite; illa nos fortes genuit. Fugiamus do-
lorem: quid, quòd ille ſequitur fugientes?


ſchauet
[337]Predigt.

ſchauet von ſeiner heiligen Hoͤhe/ und der HERR ſihet vom
Himmel auff Erden/ daß er das Seuffzen der Gefangenen
hoͤre/ und loß mache die Kinder des Todes.
Jn der Welt gehets
ſo zu/ daß von dem/ das verlaſſen und verachtet iſt/ iederman die Augen
abwendet/ niemand will gerne damit zu thun haben/ iederman ſihet nach
groſſen/ hohen/ reichen/ gluͤckſeligen/ herrlichen Leuten in der Welt/ die hat
man gerne zu Freunden/ aber zu verachteten und verlaſſenen Menſchen
haͤlt man ſich nicht gerne/ Gott aber thut das Gegenſpiel/ ſagt dieſer
Pſalm: Er wendet ſich zum Gebet der Verlaſſenen/ die der
Menſchen und Welt-Troſt verlaſſen hat/ darumb behaltet dieſen Troſt/
wann die Welt ſich vom Menſchen wendet/ und ihm den Ruͤcken kehret/
ſo wendet ſich Gott zu ihm/ dann alles/ was die Welt thut/ da thut Gott
gerade das Gegenſpiel/ die Welt iſt wie eine Wage; auff welcher Seiten
das ſchwere liget/ dahin wendet ſich auch das Zuͤnglein in der Wage.
Quò ſe fortuna, eò ſe favor hominum inclinat, wohin ſich das Gluͤck
wendet/ dahin wenden ſich auch die Leute. Gott thut gerade das
Widerſpiel/ und wendet ſich dahin/ da das verachteſte und leichteſte Theil
liget/ ſo fuͤr der Welt gering anzuſehen iſt/ daß er daſſelbe auffrichte aus
dem Staube. Es ſind viel Menſchen/ wann ſie auff der Wagen dieſer
Welt gewogen werden/ nach menſchlichem Vrtheil ſehr ſchwer/ dagegen
andere leicht und gering. Der Gerechte iſt fuͤr der Welt ein verachtetes
Liechtlein/ aber wann Gott die groſſen in der Welt beginnet zu wegen
nach ſeinem Vrtheil/ ſo gehets/ wie dort Koͤnig Belſazer im Daniele/
Man hat dich auff einer Wage gewogen/ und zu leicht ge-Dan. 5, 27.
funden. So ſchwer dieſer wieget auff der Welt-Wage/ ſo leicht wieget
er auff Gottes Wage.


Er verſchmaͤhet ihr Gebet nicht/ wann einer fuͤr der Welt
nicht herrlich und praͤchtig reden kan/ ſo wird er mit ſeiner Rede bald ver-
achtet und verſpottet/ nicht aber iſt es bey Gott alſo/ da heiſſets/ aus demPſ. 8, 3.
Munde der jungen Kinder und Saͤuglingen haſtu dir eine
Macht zugerichtet/ und das Reich Gottes ſtehet nicht in Wor-
1. Cor. 4,
20.

ten/ ſondern in der Krafft/Gott ſihet nicht darauff/ wie zierlich und
koͤſtlich du beteſt/ wie liebliche Wort du fuͤhreſt/ ſondern Er ſihet auffs
Hertz/ obs demuͤthig/ gottesfuͤrchtig/ glaubig/ voll Liebe und Hoffnung ſey.
Jſt dem alſo/ ſo verſchmähet Gott das Gebet nicht/ und wanns
noch ſo einfaͤltig und alber waͤre/ wie des geringſten und einfaͤltigſten Kin-
Sechſter Theil. V udes
[338]Die Sieben und Zwantzigſte (Dritte)
des Gebet. Gott urtheilet dein Gebet nicht nach dem Maul/ ſondern
nach dem Hertzen/ Gott hat nicht fleiſchliche Augen und Ohren/ daß er
hoͤre und ſehe wie ein Menſch ſihet/ das rechte beten iſt inwendig/ ſehet den
Luc. 18, 11.
13.
Phariſeer an/ wie zierlich redet er in ſeinem Gebet; Jch dancke dir
Gott/
noch ward ſein Gebet verworffen. Sehet den Zoͤllner an/ der
ſprach: Gott ſey mir Suͤnder gnaͤdig! deſſen Gebet ward nicht
verſchmaͤhet. Eine kleine Gabe/ die aus gutem Hertzen geben wird/ iſt viel
angenehmer/ dann eine groſſe Gabe/ mit falſchem Hertzen/ Vrſach/ der die
kleine Gabe gibet/ der gibt das Hertz mit/ der ander behelts; ſo iſts bey Gott
Luc. 21, 2. 3.
4.
auch/ darumb verſchmaͤhet Gott das Gebet der Elenden nicht/
das Schaͤrfflein/ das die Wittbe aus gutem Hertzen in Gottes-Kaſten
gab/ war Gott lieber/ dann die groſſen ſtuͤck Silber der Heuchler/ ſo iſts
mit dem Gebet auch.


Gott ſchauet von ſeiner heiligen Hoͤhe. Sihet uns nun
Gott aus ſeiner verborgenen Majeſtaͤt/ aus ſeinem Himmel/ ſeiner
Herrligkeit/ die Himmel und Erden erfuͤllet/ alle Creaturen in ſich beſchleuſ-
ſet/ haͤlt und traͤget/ regieret und verſorget; da ſihet er nach ſeiner allgemei-
nen Verſehung auff alles/ ſo im Himmel und Erden iſt/ ſpecialiter aber
inſonderheit auff das Gebet ſeiner glaubigen Kinder/ und ſihets alſo/ daß
ers auffmercket/ und daß es ein Denck-Zedul iſt fuͤr ſeinen Augen/ Ma-
Mal. 3, 16.lach. 3. Ja daß es in Gott und zu Gott gehet/ daſelbſt auffgeſamlet
wird als ein Schatz/ gezehlet wird als koͤſtliches Gold. Da erhoͤret
Gott die Seuffzen der Gefangenen/
ſie duͤrffens ſonſten keinem
Menſchen klagen/ man darff kein Woͤrtlein davon ſagen/ die Scorpion-
Pſ. 10, 9.Peitſche iſt ihm ſchon auff dem Ruͤcken/ und der Verraͤchter lauret in
den Hoͤlen wie ein Loͤue/ daß er den Elenden erhaſche/
daruͤber
ſeuffzen die Leute/ klagen ihr Trangſal Gott nicht mit leiblicher Stimme/
ſondern mit Seuffzen und mit Furcht/ ſie thun den Mund des Hertzers
Pſ. 12, 6.auff durch ſeuffzen/ darauff Gott vorlaͤngſt geantwortet hat im 12.
Pſalm/ Weil dann die Elenden verſtõret ſeyn/ und die Armen
ſeuffzen/ will ich auff/ ſpricht der HErr/ ich will ihnen Huͤlffe
ſchaffen.


Muß ein anderer durch boͤſe Zungen ſich ſchlagen laſſen/ deren die
ihre Zunge ſchaͤrffen wie eine Schlange/ Otter-Gifft iſt unter ihren Lippen;
wann ſie ihr Hertz mit boͤſen blutgierigen Gedancken erfuͤllet haben/ ſo laſ-
ſen ſie ihren Gifft aus durch die Zunge wie eine Schlange/ wie die Schlan-
gen
[339]Predigt.
gen mit der Zungen ſtechen und vergifften/ ſo thun ſolche Leute auch/ ſie
ſchaͤrffen ihre Zunge taͤglich mit neuem Gifft/ welches ſie erdencken/ vene-
num aſpidum ſub labiis ipſorum,
das Gifft der Schlangen/ ſo man
Aſpides nennet/ iſt ein toͤdlich Gifft/ dringet ſtracks zum Hertzen/ und breitet
ſich aus in den gantzen Leib; Alſo iſt ſolcher gifftigen Feinde Art. Solch
ſchaͤdlich Gifft der boͤſen Zungen zu vertreiben/ koͤnnen wir keine andere
Artzney finden/ dann Gottes Wort. Dann gleich wie den Jſraelitiſchen
feurigen Schlangen-Biß nichts heilete/ dann Gottes Wort/ alſo auchSap. 16, 12.
den Schlangen-Biß der gifftigen Zungen. Darumb nur friſch und
tapffer dran/ chaſak, chaſak,laſſet uns lauffen durch Gedult inHebr. 12, 1.
2.

den Kampff/ der uns verordnet iſt/ und auffſehen auff Jeſum/
den Anfaͤnger und Vollender des Glaubens/ welcher/ da er
wol haͤtte moͤgen Freude haben/ erduldet er das Creutz/ und
achtet der Schande nicht/ und iſt geſeſſen zur Rechten auff
dem Stul Gottes.
Der Allerhoͤchſte wird erſcheinen mit der victoriâ,Rom. 8. 28.
ſintemal denen die GOTT lieben/ muͤſſen alle Dinge zum
beſten dienen/
und gloriâ;Dieſer Zeit Leiden iſt nicht werthibid. v. 18.
der Herrligkeit/ die an uns ſoll offenbaret werden:gutta in pœna
bibitur, in remunerante torrens \& voluptas,
ſagt Auguſtinus, hier imAuguſt.
ſerm. 2. de
temp.

Leiden tropffenweiſe/ dort in der Vergeltung und Freuden
ſtromsweiſe. Amen!



V uDie
[340]Die Acht und Zwantzigſte (Vierte)

Die Acht und Zwantzigſte


Vber den dritten Articul/ und uͤber die Wort
St. Lucæ c. 22/ 43.


Die Vierte Predigt/


Von der wuͤrcklichen oder Werck-Staͤrckung
Chriſti am Oel-Berge.


GEliebte in Chriſto: Wann Gott der Heilige Geiſt
Matth. 4, 3.
ſeqq.
durch die Feder Matthæi des heiligen Evangeliſten und
Apoſtels c. 4. den agonem, den ſiegreichen Kampff unſers
Herren Jeſu Chriſti/ den Er gehalten und erhalten
wider den Sathan in der Wuͤſten/ und ihm drey Stuͤrme
nach einander abgeſchlagen/ mit diefem denckwuͤrdigem Nota bene
beſchleuſt und ſagt: Sihe! da traten die Engel zu ihm und die-
neten ihm.
So deutet Er damit auff eine ſelige/ erwuͤndſchte
und hoͤchſterfreuliche
cataſtrophen,Tauſch und Wechſel ſei-
nes des HERREN Chriſti damaligen Zuſtandes;
Bißher/
will er ſagen/ ſaß Jeſus von Nazareth in der Wuͤſten unter den wilden/
grimmigen/ gifftigen Thieren/ Woͤlfen/ Baͤhren/ Loͤwen/ Schlangen;
Marc. 1, 13.Aber ſihe/ ietzt kommen die Engel des Liechts daher in ſichtbarer Geſtalt/
geſellen ſich zu ihm/ ſprechen ihm freundlich zu/ und ergeben ſich zu ſeinem
Dienſt: Bißher wurd er vom Sathan verſucht zum Fall und Sturtz/ den
haͤtte er der boͤſe Geiſt gern geſehen/ zur deſperation, præfidentz und Abgoͤt-
terey/ zu bringen. Er ſolte entweder verzagen oder Lufft-Spruͤnge wagen/
und Gott dem HErren abſagen; Aber ſihe/ hier erſcheinen die Engel
ad exaltationem \& glorificationem ihm zu Ehren/ ihn zu ruͤhmen und
zu preiſen/ als ſeine des HErren Zebaoths/ des Engel-Koͤnigs Chor-
Saͤnger/ die gratuliren ihm/ halten ihm ein panegyricum und Triumph/
1. Sam. 18,
6. 7.
viel herrlicher als die Weiber dem David/ nach dem er den Goliath er-
ſchlagen/ dann da heiſſets nicht nur: Chriſtus hat ein tauſend oder zehen
tauſend/ ſondern unzehlich viel million tauſend erſchlagen/ das gantze Neſt
und
[341]Predigt.
und Schlangen-Brut verſtoͤret/ den Ertz-Teufel ſampt allem ſeinem An-
hang uͤberwunden.


Bißher hat Er viertzig Tag und Nacht gefaſtet/ weder zu beiſſen noch
zu brechen gefunden; Aber ſihe/ da kommen die Engel daher/ die dienen
ihm/ ſind ſeine Schencken und Auffwaͤrter/ erquicken ihn mit Speiß und
Tranck/ wie Eliæ widerfahren/ des Herren Chriſti Vorbilde: Jnmaſ-1. Reg. 19,
6.

ſen das Wort διακονει῀ν dieſen Verſtand vielfaͤltig in heiliger Schrifft er-
halten; Als der Herr Chriſtus der Schwieger Petri vom Fieber halff/Matt. 8, 15.
da ſchreibet der Evangeliſt von ihr διηκόνει ἀυτοῖς, ſie dienete ihnen/
alſo ſaget der Herr von denen zur Lincken/ daß ſie dermal eins werden
zu ihm ſagen: HERR/ wann haben wir dich geſehen hungerig/c. 25, 44.
oder durſtig/ oder einen Gaſt/ oder nacket/ oder kranck/ oder
gefangen/ und haben dir nicht gedienet?
alſo ſchreibet St. LucasLuc. 10, 40.
von der Schweſter Lazari/ Martha: Martha machte ihr viel zu
ſchaffen/ und ihm (dem HErren Chriſto) zu dienen. Selig/

ſagt Chriſtus/ ſind die Knechte/ die der Herr/ ſo er kommt/ wa-c. 12, 37.
chend findet/ warlich ich ſage euch/ er wird ſich auffſchuͤrtzen/
und wird ſie zu Tiſche ſetzen/ und fuͤr ihnen gehen und ihnen
dienen. Welcher/
ſagt der Herr weiter zu ſeinen Juͤngern/ Herrc. 17, 7. 8.
iſt/ der zu ſeinem Knechte/ wann er heim von ſeiner Arbeit
kommet/ ſage: Gehe bald hin/ und ſetze dich zu Tiſche? Jſts
nicht alſo/ daß er zu ihm ſaget: Richte zu/ daß ich zu Abend
eſſe/ ſchuͤrtze dich/ und diene mir/ biß ich eſſe und trincke? Wel-
c. 22, 27.
cher iſt der gröſſeſt/ der zu Tiſche ſitzet oder der da dienet? Jſts
nicht alſo/ daß der zu Tiſche ſitzt? Jch aber bin unter euch wie
ein Diener. Als Jeſus gen Bethanien kam/ da Lazarus war/
Ioh. 12, 1. 2.
machten ſie ihm daſelbſt ein Abendmahl/ und Martha diene-
te/ Lazarus aber war der einer/ die mit ihm zu Tiſche ſaſſen.


Was ſie aber ihme fuͤr Speiſe gebracht/ woher und von wannen/ das
hat zwar der blinde/ aberglaubiſche Moͤnch Carolus Stengelius ſeinemCarolus
Stengel. in
Michaele
Arch. pag.

129.

Wahn nach erforſchet und errathen/ in dem er verwegen in die Welt hin-
aus ſchreibet/ es haben die Engel die Speiſe abgeholet aus dem Hauſe und
vom Tiſch der Jungfrauen Mariæ ſeiner Mutter; Warumb nicht Hero-
dis oder Pilati Tafel? Aber wir laſſen hier unſern Fuͤrwitz! dort wird Er
gefuͤhret auff die Zinne des Tempels/ da ſolte er einen Lufft-Sprung thun/
V u 3das
[342]Die Acht und Zwantzigſte (Vierte)
Pſ. 91, 11.das ſolte ihm nichts ſchaden/ dann der HERR hab ſeinen Engeln
befohlen/ daß ſie ihn auff den Haͤnden tragen;
Sihe/ hie kom-
men die Engel/ tragen ihn auff den Haͤnden/ fuͤhren ihn in ihrem Eng-
liſchem Geleit/ und daſſelb vom Berge herab/ und warten ihm auff. Dort
wurde ihm zugemuthet/ Er ſolte fuͤr dem groſſen goͤttiſchen Teufel nieder-
fallen und ihn anbeten; Hie kommen die Engel und dienen ihm/ beten
Pſ. 97, 7.ihn an/ und machen wahr was geweiſſaget im 97. Pſalm: Betet ihn an
alle Goͤtter/
und auff Chriſtum gezogen worden in der Epiſtel an die
Hebr. 1, 6.Hebreer/ wann daſelbſt ſtehet: Es ſollen ihn alle Engel Gottes
anbeten.


Eben ein ſolcher hochtroͤſtlicher Wechſel begegnet auch Chriſto un-
Herren im Garten am Oel-Berge/ nach dem er bißher in der ἀγωνίᾳ
geſtanden/ mit der hoͤlliſchen Schlangen gerungen/ und die Hoͤlle durch
uͤberſtandene Hoͤllen-Pein zerſtoͤret/ ſo kommet ein Engel vom Himmel
an/ der dienet ihm/ das iſt/ er geſellet ſich zu ihm/ er ruͤhmet ihn/ ihn geluͤſtet
hinein zu ſchauen in dieſes tieffe Geheimnuͤß/ und verwundert ſich/ daß der
Schoͤpffer aller Ding worden ſo gering/ daß Er da gelegen auff gruͤnem
Graß/ ſo durch ſein Blut worden naß; er erquickt ihn mit Artzney/ er treibet
die Loh der hoͤlliſchen Flam̃en ab/ und machet ihm Lufft/ er betet ihn an/ und
wie es unſer Text alles mit einem Wort begreifft/ er ſtaͤrcket ihn/
nicht nur mit Worten můndlich/ wie wir heut acht Tage vernom-
men/ ſondern auch/ wie wir anietzo zu vernehmen haben/ mit Wercken/
wuͤrcklich/ thaͤtlich.
Damit wir ſolchen Engliſchen Troſt Chriſti alſo
moͤgen betrachten/ daß wir auch dermahleins in unſerm letzten Todes-
Kampffe deſſelben moͤgen faͤhig werden/ wolle Gott uns ſeinen Heiligen
Geiſt von oben herab verleihen/ umb Jeſu Chriſti willen/ Amen.


SO iſt nun dieſe Engliſcheconfortation,Stärcke/
Troſt und Erquickung
nicht nur muͤndlich geſchehen
mit leiblichen Troſt-Worten/
ohne Hand-Anlegung und
wuͤrckliche Huͤlffleiſtung/ ſondern freylich realiter,thaͤtlich/ empfind-
lich und haͤndlich/
inmaſſen das Griechiſche Wort eigentlich dieſen
Verſtand allenthalben hat. Es ſind zwar etliche von den alten Lehrern/
Epiphan.
hæreſ.
69.
namentlich Epiphanius und Theophilactus uͤber dieſe Wort in den
Wahn gerathen/ als ob das Griechiſche Wort nicht von einer wuͤrcklichen
Krafft-gebenden Staͤrcke zu verſtehen; dann wie ſolte der ewige Sohn
Gottes
[343]Predigt.
Gottes/ und Schoͤpffer aller Dinge/ der groſſe Held/ Loͤw vom Stamm
Juda/ El gibbor, virtus Altiſſimi,die Krafft des Höheſten/Luc. 1, 35.
von einer Creatur Krafft und Huͤlffe ſchoͤpffen? ſondern es ſey bloß und
allein zu verſtehen von einem herrlichen Lob/ Verwunderung und Herr-
lichmachung/ und ſey da erfuͤllet worden/ was Moſes geweiſſaget Devt. 32.Devt. 32,
43.

Ἐνισχυσάτωσαν ἀυτῷ πάντες υἱοὶ Θεοῦ, wie es die Siebentzig gegeben/ Es ha-
ben ihm alle Kinder Gottes einen Troſt zugeſprochen. Aber dieſe Gloß
kan nicht beſtehen/ ſie iſt in der Grund- oder in der Quell-Sprach nicht
fundirt/ darinn dergleichen nichts zu leſen. Sie iſt ungnugſam. Dann ob
wol freylich die Engel ſich beluſtiget/ auch in dieſes Geheimnuͤß hinein zu
ſchauen/ daſſelbe nicht erſchoͤpffen koͤnnen/ geruͤhmet und admirirt/ ſo iſt
doch dieſes noch nicht gnug und alles. Es iſt auch dieſe Gloß der Glau-
bens-regul nicht gemaͤß/ laut welcher/ Chriſtus muſte in dieſem Stuck be-Pſ. 69, 5.
zahlen/ was Er nicht geraubet/ den Macht- und Staͤrck-Raub unſerer
erſten Eltern per talionem durch Ohnmacht außwetzen und buͤſſen/ und
zum Zeugnuͤß deſſen/ daß es kein Schertz ſey/ vom Engel unterſtuͤtzt und
wuͤrcklich geſtaͤrcket werden. So gewiß und real die Ohnmacht/ ſo ge-
wiß und real war auch die Staͤrckung. Es wird uns auch durch dieſe
Gloß eine edle Troſt-quell verſtopfft/ die heiſſet die gantze/ vollkommene/ voll-
guͤltige/ gleichſam abgemeſſene ſatisfaction und Gnug-Buſſe fuͤr uns.
Haͤtte Er ſich ſelbſt als der El gibbor,der ſtarcke Held durch den Arm
ſeiner aus der Gottheit flieſſenden Staͤrcke auffrichten und gleichſam
Stahl-feſte machen/ und dem deliquio vorkommen wollen/ wie haͤtte Er
leiden koͤnnen? Nicht zwar als haͤtte der Engel mitgetragen/ mitgeholffen/
mitgebuͤſſet: O nein! das iſt zu hoch und zu koͤſtlich fuͤr eine bloſſe Crea-
tur. Angelus confortat non portat, der Engel ſtaͤrcket von auſſen/ iſt kein
Mit-Traͤger und Mit-Buͤſſer. Jch ſahe mich umb/ ſpricht der MeſſiasEſa. 63, 5.
durch den Mund ſeines Vettern/ des Propheten Eſaiæ:und da war
kein Helffer/ und ich war im Schroͤcken/ und niemand enthielt
mich/ ſondern mein Arm muſte mir helffen.


II. Confortatio ſanguiſtitialis,Eine Blut-ſtillende
Stärcke;
dann darzu hat er ſonderlich Staͤrcke von noͤthen gehabt/ da-
mit mit dem Gebluͤt nicht alle Lebens-Geiſterlein verſchwinden/ und er
auff dem Platze bleiben muͤſte/ wie es natuͤrlicher Weiſe nicht anders ſeyn
koͤnnen/ wegen ſolcher groſſen Verblutung und Ohnmacht/ darumb er
eines Artztes/ eines Apothekers oder Balbierers noͤthig gehabt. Es lautet
zwar die hiſtoria dahin/ als ob die Engliſche Staͤrckung waͤre vorhergan-
gen/
[344]Die Acht und Zwantzigſte (Vierte)
gen/ die ſeries und Ordnung iſt dieſe: Nach dem Er geblutet/
ſo erſchein ihm ein Engel/
darauff folget: und es kam/ daß Er
mit dem Tode rang und betet hefftiger/ es ward aber ſein
Schweiß wie Bluts-Tropffen/ die fielen auff die Erden:

Waͤre alſo der Engel ſchon hinweg geweſt/ da der Schweiß begunte zu
kommen. Dieweil aber in heiliger Schrifft die prolepſis oder hyſterolo-
gia
nichts neues und frembdes/ auch die copulativa καὶ gar wol ratioci-
nativè
und dahin verſtanden werden kan/ der Engel erſchein ihm/
dieweil es kam/ daß Er mit dem Tode rang/
als wolte er ſagen:
Da die Noth am groͤſten geweſt/ und Er am hefftigſten gebeten/ da Er mit
dem Tode gerungen/ und ihm fuͤr unaußſprechlicher Todes-Angſt der
Schweiß wie dick geliefert Blut daruͤber außgangen/ und wegen groſſer
Menge auff die Erden gefallen/ da iſt ihm der Engel zu Huͤlff und Troſt
kommen/ und hat das Blut/ den uͤbernatůrlichen Blut-Fluß
vid. Gerh.
harm. p.
16.
auff uͤbernatuͤrliche Weiſe geſtillet und gedaͤmpffet. Wir leſen von keinem
Balbierer oder Artzt/ der da erſchienen/ die Juͤnger ſchlieffen/ Gott vom
Himmel herab muß helffen/ die Blut-Thraͤnen durch einen Engel abwa-
ſchen und abtrucknen laſſen.


Jch ſage bedencklich/ uͤbernatuͤrlichen Blut-Fluß/ dann ſo
war es auch. Sintemal in groſſer Furcht und Zittern ſchwitzen/ und zwar
warm Blut ſchwitzen nicht muͤglich; natuͤrlicher Weiſe in groſſer Furcht/
Zittern und Zagen gehet das Gebluͤt zuruͤck dem Hertzen zu/ die Lebens-Gei-
ſterlein weichen/ der Menſch wird bleich/ erblaſſet wie ein weiß-gewaſchen
Tuch/ wann einer erſchrickt oder ergeiſtert wird/ ſo lauffet das Blut nicht
in der Aderlaß; daß aber hie Chriſto das Blut in der Angſt heraus ge-
Thuan.
l. 11. p.
326.
drungen/ das iſt un- und uͤbernatuͤrlich. Thuanus erzehlet von einem
Kriegs-Oberſten/ welcher auff der Beſatzung in einem Staͤttlein einem
ſehr feſten Ort in dem Vntergebirge Montismarin genannt/ gelegen/ als
er von des Kaiſers Geſandten Magio mit Namen/ gefangen und ver-
mahnet worden/ daß er das Staͤttlein uͤbergeben ſolte/ er aber daſſelbe ab-
geſchlagen; da er nun zum Tode perurtheilet/ und zur Straffe gezogen
worden/ iſt er aus Furcht ſo eines ſchmaͤhlichen Todes alſo beſtuͤrtzt wor-
den/ daß er Blut uͤber den gantzen Leib geſchwitzet. Jſts war/ ſo iſts rar/ das
kan aber geſchehen ſeyn ex vitio facultatis retentricis, weil etwan die
Blut-Ader verletzt geweſt; hier die edelſte Natur/ das beſte Temperament
eines Herren/ der uͤber ſeine eigene affecten und humoren Meiſter ge-
weſt; Aber das ſind noch keine ϑρομβοι, die durchs Kleid gedrungen/ auff
die
[345]Predigt.
die Erde gefallen; Vnd warumb ſolte das nicht geſchehen ſeyn? pfleget
doch unnatuͤrliche Weiſe das herausſchwitzende Blut eines erſchlagenen
toden Coͤrpers den gegenwaͤrtigen Thaͤter und Moͤrder zu verrathen/ von
deme es natuͤrlicher Weiſe als den Feind per ἀντιπάϑειαν fliehen ſolte;
Warumb ſolte nicht auch das Blut unnatuͤrlicher Weiſe heraus gefloſ-
ſen ſeyn/ das gantze menſchliche Geſchlecht eines Mordes zu uͤberzeugen?
Nun dieſem unnatuͤrlichem Fluß muſte auch hoͤhere uͤbernatuͤrliche und
Engliſche Stillung widerfahren.


III. Confortatio medicinalis;Eine Artzney-Stär-
ckung.
Gleich wie die jenigen/ ſo in Ohnmacht gerathen/ mit Krafft-
Waſſer oder Balſam erquicket/ und die Lebens-Geiſter recreirt werden.
Jn der Apoſtel Geſchicht cap. 9. leſen wir von St. Paulo/ daß da er dreyAct. 9, 19.
Tage und drey Nacht gefaſtet und ſich abgemattet/ hab er Speiſe zu ſich
genommen und ſich geſtaͤrcket/ ἐνίχυσεν; die Speiſe war ſeine Artzney:
Alſo iſt auch gar vermuthlich/ es hab der Engel toͤrperliche Artzney-Mittel
mitgebracht/ virtuale balſamum, das die Balſam-Kraft/ oder die Tugend
eines Pezoars/ Krafft-Perlin oder Roſen-Waſſer gehabt/ und die ſpiritus
widerumb auffgebracht; Eine Engel-Speiſe/ von dem Engel uͤbernatuͤr-
licher Weiſe bereitet/ wie dort vom Manna geſchrieben ſtehet: Sie aſſenPſ. 78, 25.
Engel-Brod. Dann ſonſt haͤtte ihn Gott der Herr wol un-
mittelbar ſtaͤrcken koͤnnen durch ſein kraͤfftiges Wort/ wie Er dort gethan
denen/ die von den feurigen Schlangen gebiſſen wurden/ es heilete ſieSap. 16, 12.
weder Kraut noch Pflaſter/ ſondern das Wort des HErren/
welches alles heilet.
Daß Er aber einen Engliſchen Schencken oder
Apotheker darzu gebraucht/ vom Himmel herab kommen laſſen/ erſcheinet/
daß derſelche nicht mit leerer Hand kommen/ ſondern gleich wie dem Pro-1. Reg. 19, 5.
6. 7. 8.

pheten Elia/ als er von Jſebel fliehen muſte/ unter einem Wachol-
der-Baum lag und ſchlieff/ ein Engel ruͤhrete/
ihn gleichſam
ſpeiſen und ſtaͤrcken muſte/ und ſprach zu ihm: Stehe auff und iß!
Vnd er ſahe ſich umb/ und ſihe zu ſeinen Haͤupten lag ein ge-
roͤſtet Brod/ und eine Kann mit Waſſer; und da er geſſen und
getruncken hatte/ legte er ſich wider ſchlaffen/ und der Engel
des HErren kam zum andernmal wider/ und růhret ihn an/
und ſprach: Stehe auff und iß/ dann du haſt einen Weg vor
dir/ und er ſtund auff/ aß und tranck/ und gieng durch Krafft

Sechſter Theil. X xderſel-
[346]Die Acht und Zwantzigſte (Vierte)
derſelben Speiſe viertzig Tage und viertzig Nacht/ biß an den
Berg Gottes Horeb.


IV. Confortatio erectiva per tactum,Eine auffrich-
tende Staͤrckung/ worauff er ihn beruͤhret und alſo auffge-

Gen. 48, 2.
Dan.
10, 10.
richtet/ inmaſſen in ſolchem Verſtand das ἐνιχύειν geleſen wird Gen. 48.
und Dan. 10. da ſpricht Daniel: Eine Hand eines erſchaffenen Engels
ruͤhret mich an/ und halff mir auff die Knie und Haͤnde.


V. Confortatio roborativa ad agones reliquos,Die
ruͤſtende Staͤrcke/ dadurch er von neuem außgerüſtet worden/

er machte ihn nicht Stahl- oder Mauer-feſt/ wie der Teufel manchmal ſei-
ne Knechte/ Vnholde und verwegene Kriegs-Gurgeln pfleget feſt zu ma-
v. Del Rio
l. 2. diſq.
qu.
21.
chen durch Paſſauiſche Kunſt oder andere Teufels-Wercke/ daß ſie weder
geſtochen/ gehauen oder geſchoſſen werden koͤnnen/ O nein! dann daß
Chriſtus hernach widerumb mit Geißlen/ Dornen/ Naͤglen und Spaͤr
durchſtochen und verwundet werden koͤnnen/ bezeuget die folgende Paſ-
ſions-Hiſtori: ſondern er ſtärcket ihn/ wie dort (da unſer Grie-
chiſch Macht-Wort gebraucht wird) Simſon betet: da ihm
Iud. 16, 28.die Philiſter die Augen außgeſtochen/ Ach HErr/ HErr! gedencke
mein und ſtaͤrcke mich noch dißmahl/ daß ich fuͤr meine beyde

2. Sam. 22,
40.
Ezech.
30,
24.
Augen mich raͤche an den Philiſtern. Du kanſt mich ruͤſten
mit Staͤrcke zum Streit; Aber die Arme des Koͤnigs zu Ba-
bel/ ſpricht der HERR: will ich ſtaͤrcken/ und ihm mein
Schwert in ſeine Hand geben.
Alſo hat der Engel Chriſtum von
auſſen geſtaͤrcket/ und die inwohnende/ ſchlaffende und ruhende Gottheit
gleichſam auffgewecket und ermuntert/ daß Er in Krafft derſelben ſich er-
holet/ ſich auffgemachet/ der Schaarwacht getroſt unter die Augen getret-
Gen. 19, 11.ten/ dieſelbe geblendet/ wie der Engel die Sodomiten/ daß ſie nicht gewuſt/
wo ſie daheim. Chriſtus erat in medio eorum, notabatur oſculo Judæ,
adlucebat luna, affulgebant faculæ, \& tamen non agnoſcunt, quærunt
præſentem,
ſchreibet Chryſoſtomus: Chriſtus war mitten unter ihnen/
wurde gezeichnet mit dem Kuß Judæ/ der Mond ſchiene hell/ die Fackeln
leuchteten ihn an/ noch kennen ſie ihn nicht/ ſuchen ihn/ ob Er gleich gegen-
waͤrtig war. Er hat ſie zu boden geſchlagen/ und gleichſam geſagt wie
Iud. 15, 16.Simſon: Hie ligen ſie bey Hauffen! durch ein einiges Wort hab
ich ſo viel darnieder geſchlagen.


Hie
[347]Predigt.

Hie abermal dieſe von Chriſto angenommenepaſſiv-
Staͤrckung dasfundamentunſerer Krafft und Stärcke/ die
Grundfeſt und Krafft unſerer Seelẽ!
Gleich wie Chriſtus fuͤr uns
arm worden/ auff daß Er uns reich mache: Alſo hat Er ſich von ſeiner
Creatur einem Engel ſtaͤrcken laſſen/ auff daß Er auch uns ſtaͤrcke/ und
wir jung werden als wie ein Adeler; Die auff den HErrenPſ. 103, 5.
Eſa.
40, 31.

harren/ kriegen neue Krafft/ daß ſie aufffahren mit Fluͤgeln
wie Adeler/ daß ſie lauffen und nicht matt werden/ daß ſie
wandeln und nicht muͤde werden/
ſtarck im Geiſt nach dem inwendi-
gen Menſchen und geſunden ſchoͤnen dapffern Leibe nach den Kranckheitẽ.
Er iſts der unſer Dothan geſtaͤrckt/ verwahret mit Engliſchen Roß und2. Reg. 6,
17.
Marc.
5, 26.
29.

Wagen/ Er hat das Blut geſtillet durch den langgewuͤndſchten Teutſchen
Frieden/ dem es gangen wie jenem blutflieſſenden Weibe/ nach dem ſie alles
verartzet/ nun wider heil worden/ das hat man alles Chriſto/ demEl
gibbor
dem ſtarcken Helden zu dancken/ ſonderlich die geiſtliche
Staͤrcke/ die Krafft im Geiſt/ im Glauben/ Gebet/ Andacht/ Tugend und
Krafft den Schmertzen zutragen/ ja ſtarck/ Ehrnveſt und großmuͤthig in al-
lem Vngluͤck/ den Creutzlaſt nachzutragen/ und daſſelbe thut er ordentlicher
weiſe in ſeiner Apothek durch ſeine confortantia, Wort und Sacrament.


Jm Papſtumb hat man ein ſonderbar Sacrament erdacht/ die Con-
firmation
oder Firmung genant/ das wird mit groſſem Gepraͤng admi-
niſtr
irt/ Gnade dadurch zu wege zu bringen und im Glauben zu ſtaͤrcken;
Es mangelt aber den blinden Leuten nicht nur am rechten Element; das
ſoll nach der alten tradition und Apoſtoliſchen Satzung Balſam-Oel
ſeyn/ da doch von dem rechten/ unverfaͤlſchten/ Juͤdiſchen/ Apoſtoliſchen
Balſam ungewiß/ ob er noch in rerum naturâ ſey/ wie nicht allein PliniusPlin. l. 12,
25.

bezeuget/ ſondern auch Adrichomius: Am mehrſten aber mangelts an
Goͤttlicher Weyhe/ dem Wort des Befehls und der Verheiſſung/ darumb
wir dieſen characterem beſtiæ, Merckzeichen des Antichriſts/ beurlauben
und fahren laſſen: Vnſere edelſte geiſtliche Staͤrcke ſchoͤpffen wir aus
dem Sacrament des heiligen Abendmahls/ da iſt Manna/ Engel-Speiß/
da iſt Speiß und Tranck/ Abrahams Soldaten zuerquicken/ da iſt bewaͤhr-Gen. 18, 18.
te Artzney fuͤr die Wunden unſerer Seelen/ der rothe/ roſinfarbe Bluts-
Tranck Chriſti iſt dem Sathan erſchroͤcklich/ daher Wehr und Waffen
wider ihn. Sonſt finden wir auch in der beglaubten Kirchen-Hiſtor:
wunderbare exempla, in welchen der Allerhoͤchſte durch ſeine Engel die
heiligen Maͤrtyrer wuͤrcklich getroͤſtet und geſtaͤrcket. Von einem Maͤr-Ruffinus
l. 1. c.
36.

X x 2tyrer
[348]Die Acht und Zwantzigſte (Vierte)
tyrer Theodorus genant/ der mitten in der Marter an der Folter mit
freudigem Angeſicht einen Pſalmen geſungen/ woruͤber Saluſtius der
Blut-Richter erſtarret/ ihn von der Tortur abnemen laſſen und gefragt/
ob er kein Schmertz und Pein empfunden. Ja/ ſagte er/ anfangs hat michs
ein wenig geſchmertzt/ es hat ſich aber bald ein ſchoͤner Juͤngling erzeigt/ der
ſtund bey und neben mir/ und wuſche mit einem ſchneeweiſſen Tuch mir
den Schweiß ab/ und goß immer kalt friſch Waſſer zu/ davon er dermaſ-
ſen erquickt worden/ daß es ihme ietzo/ nach dem er von der Folter abge-
nommen worden/ mehr weh ſey als zuvor.


II. Exemplar noſtri,der Engel in ſeineractioniſt hier
unſer
Doctor,der die geiſtliche Artzt und Apotheker-Kunſt mit
ſeinem Exempel lehret/ wie auch verlaſſene/ Troſt-loſe/ Troſt-
muͤthige Perſonen zu erquicken/
darzu wir verbunden; Chriſti
Luc. 22, 32.
Gerhard.
harm. part.
3. pag.
260.
Wort an Petrum gehen uns auch an: Ein ieder ſeinen Bruder nach der
regul Chriſti: Wann du dermaleins dich bekehreſt/ ſo ſtaͤrcke
deine Bruͤder.
Das iſt/ wer geſtrauchelt oder gefallen/ den ruinire nicht
gar/ ſtoß ihn nicht/ daß er vollend falle/ ſondern richte ihn auff durch dein
Exempel/ wie aber? realiter, nicht mit bloſſen kalten Worten allein/ ſon-
dern in der That und Warheit/ durch Allmoſen/ treulich ohne allen Trug/
Luc. 10, 30.
ſeqq.
wie der Samariter im Evangelio/ in welcher Parabel Chriſtus den armen
verwundeten und halb toden Menſchen gleichſam als auff ein theatrum
dahin geleget/ und den mildreichen und barmhertzigen Samariter uns
zum Exemplar fuͤrgeſtellet/ der ihm ſeine Wunden verbunden/ in dieſelbe
Oel und Wein gegoſſen/ auff ſein Thier gehoben/ in die Herberge gebracht
und ſeiner wol gepfleget/ doch daß es Bruͤder ſeyen in Chriſto/ Chriſto
gleichfoͤrmig/ Staͤrck-duͤrfftig/ Staͤrck-wuͤrdig/ Staͤrck-begierig. Syrach
Syr. 12, 4.ſpricht: Gib dem Gottsfuͤrchtigen/ und erbarme dich des
Gottloſen nicht/ thue guts dem Elenden/ und gib dem Gott-
loſen nicht/ behalt dein Brod fuͤr ihm/ und gib ihm nichts/
daß er dadurch nicht geſtaͤrcket werde/ und dich untertrete.

Verſtehe von bekantlich offenbarem Gottloſen/ ſo gleichwol noch nicht im
euſſerſten Stand ſeines Elends begriffen; Es ſind offentliche Bettler/
die ſich muthwillig mit dem bettlen ernehren/ faule vaganten und fahrende
Schuler/ ſtarcke Bettler/ die wann man ihnen Brod gibt zur Staͤrcke/
ſehen ſie es ſchaͤl an/ haͤtten gerne Geld dafuͤr. Es gibt unerſaͤttliche Ar-
men/ gibt man wenig/ ſo klecket es nicht/ gibt man viel/ ſo wirds verthan
und geſchuͤttet in eine durchloͤcherte Wanne. Es gibt trutzige Armen/ die
es her-
[349]Predigt.
es heraus bochen und zu Danck Laͤſter-Wort geben. Denen gehoͤret
Meiſter Hanſen ſein Almoſen/ und wer in dieſem Stuͤck gute Ordnung
oder die renovation der alten Ordnung von noͤthen. Lutherus ſchreibetLuth. ad
Gen. 43.
fol. 127. f.
2.

eine gute regul fuͤr: Es ſoll eine Obrigkeit hierinn ein Einſehen haben/
und ſolche Buben und Diebe von Statt und Land vertreiben. Man ſoll
dergleichen frembden und unbekanten Leuten/ welche nicht ein ehrlich
Zeugnuͤß auffzuweiſen haben/ nichts mittheilen; wiewol der jenigen Zahl
von Tage zu Tage ſtaͤrcker und ſchier zu groß wird/ welche von [andern] Or-
ten glaubwuͤrdige teſtimonia und Zeugnuͤſſe mit ſich fuͤhren/ und bey uns
durch Almoſen ihres Schadens ſich widerumb erholen wollen/ in Betrach-
tung/ daß wir und unſere Burger nit ſo uͤberfluͤſſig und alles vollauf haben/
daß wir allen den jenigen/ welche gleichſam wie ein Heer zu uns anhero zie-
hen/ fliehen und flehen/ außhelffen koͤnten/ ſintemal auch nicht eine geringe
Anzahl armer Burger bey uns ſind/ welchẽ man fuͤr andern beyſpringẽ ſoll.


Es gibt aber auch ungewiſſe gottloſe Geſellen/ denen man es an der
Stirn nicht anſehen kan; Die Liebe argwohnet nicht/ ſonderlich die aus-
geſprungenen Moͤnche/ die man faſt fuͤr verlohren annehmen muß/
wann man ſie eine geraume Zeit verpfleget/ daß ſie warm werden/
fangen ſie aͤrgerliche Haͤndel an und reiſſen aus/ doch mus man das
Hertz nicht verſchlieſſen/ wann unter zehen kaum einer/ wieLuc. 17, 16.
17.
Eccleſ.
11, 1.

dort unter den Auſſaͤtzigen gerathet/ ſo iſts wol angelegt. Las dein
Brod uͤbers Waſſer fahren/
ſpricht Salomon: Thue als wann du
es ins Waſſer wirffeſt/ ſo wirſtu es finden auff lange Zeit/ gleich wie
Polycrates. Von Polycrate einem gluͤckſeligen Koͤnig in Aſiâ ſchrei-
bet Herodotus, daß weil demſelben nie kein Vngluͤck/ WiderwertigkeitHerod. l. 3.
und Creutz zugeſtanden/ er einmal zu erfahren/ wie wehe es thue/ etwas
liebs zu verlieren/ ſein edelſt Kleinod in ſeiner Schatzkammer/ einen guͤlde-
nen Ring mit einem hochgeſchaͤtzten eingeſetzten Smaragd in den Fluß
geworffen/ den er in die Schantze geſchlagen und fuͤr verlohren gehalten;
Was geſchicht? Ein Fiſch verſchluckt den Ring/ ein Fiſcher fanget den
Fiſch/ der Koch ſiedet den Fiſch/ der wird an die Koͤnigliche Tafel auffge-
tragen/ und im Fiſch der Ring wider funden. Auch ſo/ ſagt Salomon/
wage es mit deinem Almoſen/ ſchleuders im Nothfall bißweilen hinaus/
was gilts/ du wirſts wider finden/ Gott der Herr wird dirs wider beſ-
ſern mit Wucher. Dann es iſt das Almoſen eine ſolche Kunſt/ welcheChryſo-
ſtomus.

Gewinn uͤber allen Gewinn erwirbt/ betrachte doch dieſes Gewinns
und Wuchers ſeltzame und wunderbare Art! Ein ander iſt/ der empfaͤ-
het/ ein ander/ welcher ſich verbindet den Wucher zu geben: und dieſes
X x 3nicht
[350]Die Acht und Zwantzigſte (Vierte)
nicht nur mit bloſſen Worten auff den Schein/ ſondern weil in dieſer Art
des Wuchers die Vndanckbarkeit keinen Platz noch Statt findet/ noch
einiger anderer Verluſt; auch nicht als wie es hier pfleget zu geſchehen/ nur
einfach zu geben verſprochen wird/ ſondern hundertfaͤltig/ ja mehr als hun-
dertfaͤltig; dann etliches wird gegeben in dieſem Leben/ etliches in dem
kuͤnfftigen ewigen Leben; Waͤre es nicht ſo/ wann einer in dieſer Welt
einem fuͤr das jenige/ welches er ihnen herliehe/ doppelten Zins oder daſſelbe
doppelt wider zu geben verſpraͤche/ es wuͤrde derſelbe alle ſeinen Reichthumb
hergeben/ da doch groſſe Vndanckbarkeit/ ja groſſer und uͤbermachter Be-
trug und Argeliſt mit unterlauffet; Viel ſo man vor fromm und ehrlich
anſihet/ hinderhalten den Zins entweder aus Boßheit/ weil ſie ihn nicht
wollen entrichten/ oder aus Armuth und Vnvermoͤgen/ weil ſie nicht koͤn-
nen. Weil aber deren keines dem Herren zugeleget werden kan (ſin-
temal auch das Capital gewiß iſt/ hier aber hundertfaͤltig verheiſſen wird/
denen ſo aus gutem Hertzen Almoſen geben und anwenden/ welches ihnen
in dem kuͤnfftigen ewigen Leben vergolten werden wird) wie wollen wir
uns alßdenn verantworten/ wann wir fahrlaͤſſig ſeyn/ und nicht eilen wol-
len hundertfachen Nutz fuͤr wenig angewendets/ fuͤr das gegenwaͤrtige
zukuͤnfftiges/ fuͤr zeitliche Guͤter ewige/ himmliſche Schaͤtze zu empfahen?


Nun die Wahlfahrt nach dem Oelberg iſt vollbracht! Wir haben
bißhero betrachtet in vier unterſchiedlichen Paſſions-Predigten/ als
Traͤuffler/ den troſtmuͤthigenPatienten/ den Troſt-Engel/ die
Eph. 3, 15.
16.
Troſt-Wort und wůrckliche Staͤrcke. Zum Beſchluß/ beugen
wir die Knie gegen dem Vater unſers HERREN Jeſu
Chriſti/ der der rechte Vater iſt/ daß er uns Krafft gebe nach
dem Reichthumb ſeiner Herrligkeit/ ſtarck zu werden durch
ſeinen Geiſt an dem inwendigen Menſchen! Er Chriſtus

1. Pet. 5, 10.Jeſus derElgibborund ſtarcke Held/ der woll uns vollberei-
ten/ ſtaͤrcken/ kraͤfftigen/ gruͤnden! demſelben ſey Ehre und
Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit/

Amen.


Die
[351]Predigt.

Die Neun und Zwantzigſte


Vber den dritten Articul/ und von der heiligen Chriſt-
lichen Kirchen und derſelben Schoͤnheit


Die Erſte Predigt/


GEliebte in Chriſto: Wann Gott den hocherleuchten Pro-
pheten Ezechiel c. 24. mit dieſen Worten anredet und ſagt:Ezech. 24,
15.

Du Menſchen-Kind! Jch will dir deine Augen-
Luſt nehmen durch eine Plage:
So verſtehet er zwar
1. literaliter,dem Buchſtaben nach die Prophe-
tin/ des Propheten Weib/
als ſeiner des Propheten Augen-Luſt und
Augen-Troſt/ Augen-Freud und Augen-Weide/ Augen-Wonne und
Sonne/ die ihm der Herr ploͤtzlich weggenommen durch den jaͤhen Tod/
wie hiervon der Prophet ſelbſt zeuget/ Da ich/ ſagt er: des Morgensv. 18.
frůh zum Volck redete/ ſtarb mir zu Abend mein Weib.
2. Hieroglyphicè,Bildnuͤßweiſe verſtehet er was mehrers/ darauffv. 19. 20, 21.
auch ſeine Zuhoͤrer gedrungen und zu wiſſen begehret/ was das bedeute/
Wiltu uns das nicht anzeigen/ was das bedeutet? Antwortet
er aus dem Munde Gottes: Es bedeutet das Heiligthumb Got-
tes/ der Juden höchſten Troſt/ den Wundſch ihres Hertzens/
und Luſt ihrer Augen/ das woll er entheiligen/ ſo ſpricht der
HERR HERR:
machmad enechem; verſtehet dadurch
τὸ περιο [...]ὸν, die Herrligkeit Jſraelis/ ihr maozim, alle ihre ornamenta und
lumina, Zierat und Schmuck/ damit ſie fuͤr andern Voͤlckern gepranget
in gemeinem Leben/ die Herrligkeit des geiſtlichen Friedes/ der Freyheit/ der
ceremonien und heilſamen Ordnung/ in der Policey den Glantz der Juͤ-
diſchen Majeſtaͤt/ daß ſie Koͤnige aus ihren Bruͤdern gehabt/ die
Comitia, Vnter- und Ober-Hof- und Cammer-Gericht/ ſchoͤne wol-
gefaſte Policey-Ordnung: ſonderlich ihren Tempel/ ſampt deſſen Ornat,
Levitiſchen Gottesdienſt/ die Hierarchiam und Prieſter-Ordnung/ die
Schulen/ das Hauß der Weißheit auff ſieben Seulen und Cathedern.

Prov. 9, 1. 2.

3. Ana-
[352]Die Neun und Zwantzigſte (Erſte)

3. Analogicèund Gleichnuͤßweiſe verſtehet er durch die
Augen-Luſt/ die einige/ heilige/ allgemeine Meſſianiſche Kir-
che/ ſampt allen ihren
luminibus,Herrligkeiten/ Schaͤtzen/
Zieraten;
dann die mag wol mit Warheit genennet werden der Au-
gen-Luſt.
Delicium 1. divinum,Eine Göttliche Luſt/
wann Gott vom Himmel herab ſihet/ ſo ſihet Er nichts ſchoͤnes unter
allen ſeinen Creaturen/ die Er gemacht; wie davon das gantze Epithala-
mium
und Braut-Lied des Heiligen Geiſtes/ das Hohelied Salomonis
ſinget/ da der Sohn Gottes der himmliſche Braͤutigam nicht allein ſeine
Cant. 1, 8.
15.
Braut die glaubige Kirche/ die ſchoͤne offtmal anredet: Du biſt ſchoͤne/
ſchoͤne biſtu/ die ſchoͤnſte unter den Weibern!
mahlet dieſelbe
gleichſam nach aller ihrer Geſtalt/ proportion, Gliedmaſſen/ wiewol
ænigmaticè, dunckel und raͤtzelsweiſe/ abſonderlich c. 4. \& 7. ſondern er
delectirt ſich auch mit dero von ihm aus Gnaden empfangener Schoͤne/
als einem außbuͤndig ſchoͤnen Augen-Luſt/ Zeige mir deine Geſtalt/
Cant. 2, 14.Cant. 2. Du haſt mir das Hertz genommen/ meine Schweſter/
liebe Braut/ mit deiner Augen einem/
das iſt/ dem Glauben an
Cant. 4, 9.
c.
6, 4.
mich/ und mit deiner Halß-Ketten eine/ das iſt/ der Liebe/ wende
deine Augen von mir/ dann ſie machen mich bruͤnſtig.


Iob. 1, 6.

2. Angelicum,eine Engel-Luſt/ dann die Engel ſind auch in der
Kirche und offentlicher Verſamlung warhafftig zugegen/ ſehen die ſchoͤne
Gottesdienſt/ ſie geluͤſtet zu ſchauen in die Geheimnuͤſſen/ ſie freuen ſich
1. Cor. 11,
10.
uͤber die Bußfertigen/ daher St. Paulus vermahnet 1. Corinth. 11. Ein
Weib ſoll eine Macht auff dem Haupt haben/ umb der Engel
willen/
das iſt/ ſich ſchaͤmen und ſcheuen/ Pracht in Kleidung iſt den
Cant. 6, 12.Engeln ein Greuel/ dahin dann etliche ziehen die προσφώνησιν Cant. 6. da
der Sohn Gottes die Engel anredet und ſagt: Was ſehet ihr an
Sulamith/
das iſt/ die friedſam/ den Reigen zu Mahanaim/
Gen. 32, 1.
2.
der gleichſam zwey Heer machet aus Juden und Heyden/ wie vorzeiten
zwey Heer den Patriarchen Jacob auff ſeiner Reiſe ihm zu Schutz und
Schirm erſchienen.


3. Humanum,Menſchen-Luſt; dann auch Bileam/ da
er auff dem Felſen und Huͤgel geſtanden/ da er das Heer Jſrael in ihrer
Ordnung und nach ihren Staͤmmen/ ſchroͤcklich wie Heer-Spitzen geſehen
da campiren und ligen/ nicht Wort und Figuren gnug finden koͤnnen/
die
[353]Predigt.
die Schoͤne außzuſprechen/ Num. 24. Wie fein ſind deine HuͤttenNum. 24, 5.
Jacob/ und deine Wohnung Jſrael?Mah tobhu, wie ſchoͤn/
lieblich! fuͤrnemlich aber ſehen glaubige Chriſten/ die mit rechten Lux-
Augen weiter penetriren als andere Leute auff die rechten innere und ge-
heime ornamenta und Kleinodien/ die haben ihre Freude und Hertzens-
Luſt an der Chriſtlichen Kirche/ darumb auch die Kirche mit Warheit
ſagen kan aus 1. Cor. 4. Θέατρον ἐγεννήθημεν, Wir ſind ein Schau-1. Cor. 4, 9.
ſpiel worden der Welt/ den Engeln und Menſchen/ gleich als
wie eine Comœdi und ϑηριομαχία, den Gottloſen zum Spott und Hohn/
den Glaubigen aber zur Freude und Verwunderungs-Luſt.


Nun meine Liebſten/ dieſe Augen-Luſt iſt die jenige θεωρἵα,
die Schau der ſtreitenden und wallenden Kirchen hie auff
Erden/
welche wir anietzo nach Erheiſchung unſers Apoſtoliſchen
und Niceniſchen Glaubens/
da wir bekennen eine einige/ heilige/
Chriſtliche/ Apoſtoliſche Kirche/
zu beſchauen im Namen Gottes
antretten/ wir gehen auff den Geiſtlichen Augenſchein zu betrachten der
Chriſtlichen Kirchen
dignitaͤt und Schoͤne/varietät und
quidditaͤt/unität/ſanctität/Univerſität/ wie dieſelbe uns in
unſerm Chriſtlichen Glauben
fuͤrgetragen und fuͤrgehalten. Jſt
wol ein ſchöner/ rarer/ Lehr- und Troſt-reicher Augen-Luſt.

Gott verleihe erleuchtete Augen/ daß wir hie mit Glaubens-Augen alſo
ſchauen/ damit wir dort mit Glori-Augen Gott ſehen wie Er iſt/ von
Ewigkeit zu Ewigkeit/ Amen.


BElangende zuforderſt der ſtreitenden und wallenden
Kirchen
dignitaͤt und Schoͤne/ ſo finden wir dieſelbe
nirgend beſſer und artiger zuſammen gefaſſet/ als in onomato-
logiâ,
in den Tituln/ Lob-Spruͤchen und Namen/ damit ſie
von dem Heiligen Geiſte geadelt und gezieret/
und ſtehet in den-
ſelben fornen an der Name ſelbſt. Jn der H. Sprache wird ſie genennetPſ. 149, 1. de
nomine
Eccleſiæ.
Prov. 5, 14.
v. D. Luth.
in Catech.
major. p.
m. 498. \&
tom. 7. Ien.
fol.
279.

Kahal chaſidim, cœtus Sanctorum,eine Gemeine der Heili-
gen/
Pſal. 149. Kahal edah, Prov. 5. Jn der Teutſchen Mutter-
Sprache/ Kirche/quaſi κυριακὴ, congregatio κυριακὴ, eine Ver-
ſamlung des HErren/
dieweil ſie von dem Herren/ nemlich
Chriſto/ durch den Herren erkaufft und erloͤſet/ herrlich gezieret/
Sechſter Theil. Y yzu dem
[354]Die Neun und Zwantzigſte (Erſte)
Iac. 2, 2.zu dem Herren gefuͤhret wird; nicht nur σαυαγωγὴ, eine bloſſe
Verſamlung/
ſondern fuͤrnemlich ἐκκλησία, das iſt/ ein Außſchutz/
die Blum und Kern des menſchlichen Geſchlechts/
iſt das ſchoͤ-
ne Gleichnuͤß von einem Kriegs-Heer/ das der Herr ſelber brauchet/
Cant. 6, 3.Cant. 6. da Er ſeine liebe Geſpons nennet ſchroͤcklich wie die Heer-
Spitzen/
in unterſchiedliche regiment und Fahnen außgetheilet/ nach
Iud. 7, 3.
ſeqq.
gehaltener Muſterung außerkohren und außerwehlet/ wie Jud. 7. Gideon
dergleichen Muſterung angeſtellet: Darumb glaube ich/ daß Gott
der Herr unter denen viel Million tauſend Menſchen/ ſo ie gelebet und
noch leben/ und leben werden biß ans Ende der Welt/ ihm einen außer-
wehlten Außſchutz außerkohren/ der heiſſet Eccleſia,Gottes Gemein/
Gottes Volck/ Gottes Kirche.


Jm judentzenden Papſtumb haͤnget man an den bloſſen Steinen/
und euſſerlichen Zierat und Glaſt/ das iſt der armen Leute Augen-Luſt/
daran vergaffen und verhuren ſich viel/ und ſind wol auch der albern Leute
unter uns/ die durch das Wort Kirche nichts anders verſtehen/ als den
euſſerlichen in die Augen fallenden Tempel; Aber das heiſſets hie eigentlich
v. Gerh. de
Eccl. p. 567.
2. Macc.
5,
19.
nicht/ kan auch kein locus aus der Schrift angezeiget werden/ da Eccleſia
ſolte ſo viel heiſſen als den Steinhauffen/ Gott der Herr hat nicht
umb des Orts willen die Menſchen/ ſondern umb der Menſchen willen
den Ort erwehlet; Gleich wie ein anders iſt civitas, die Burgerſchafft/
ein anders urbs, das Gebaͤu der Statt; Athenienſis civitas urbe exivit,
Iuſtin. l. 2,
12.
ſagt Juſtinus: Die Burgerſchafft zu Athen iſt einsmals aus der Statt
gangen; als das Delphiſche oraculum den Athenienſern die Antwort ge-
ben/ ſie wuͤrden ihr Leben nicht beſſer ſalviren/ als wann ſie hinder hoͤltzenen
Mauren wohneten: welches Raͤtzel Themiſtocles bald verſtanden/ daß
die Burgerſchafft dadurch gemeynet worden/ nicht die Mauren/ und daß
die Burgerſchafft nicht in Gebaͤuen beſtuͤnde/ darauff ſind ſie aus der
Statt gewichen/ und in die Schiffe ſich begeben.


Es erhellet ferner die Außbund-ſchoͤne Herrligkeit und Adel
() confer
D. Gerhar-
di poſtill.
Salom. p.
213. 301.
369. 451.
499. \& ib.
part. 2. p.

97. 622.
der Kirchen aus den figuͤrlichen Namen/ ſo der Heilige Geiſt
() von allen ornamentis dieſer Welt/ von allen denen Creaturen/ die in
der Weltſchoͤn/ lieblich und anmuthig ſind/ entlehnet/ was nur ſchoͤn/ zier-
lich/ ordentlich/ herrlich/ majeſtaͤtiſch/ magnific und koͤſtlich iſt in der Welt/
davon nimmt er Gleichnuͤſſen den Adel der Kirchen Gottes/ uns
zu præſentiren: I.Jm Himmel ſtellet er uns vor Augen dar
die
[355]Predigt.
die Morgenröthe/ Mond und Sonn/ alle drey Figuren ſtehen
Cant. 6. Wer iſt die herfuͤr bricht/ wie die Morgenroͤthe/ ſchönCant. 6, 9.
wie der Mond/ außerwehlt wie die Sonn? ſchoͤn iſt/ meine Lieb-
ſten/ die vollkommene Morgen- und Abend-Roͤthe/ unter der die Sonne
verborgen: Wann man Morgens reiſet/ oder Abends ſpatzieren gehet/
und ſihet die Roſin-Roͤthe/ darunter die guͤldene Sonne verborgen/
iſt ein holdſeliger Augen Luſt; Nun ein ſolche iſt die Kirche mit Chriſti
Blut gefaͤrbet/ in welcher Chriſtus zugegen/ aber er leuchtet dunckel; Noch
ſchoͤner iſt der ſilberne Mond/ wann man bey Nacht reiſet/ ein liebliches
Liecht/ ein ſolches Liecht iſt die Kirche/ wiewol Finſternuͤſſen und
Wechſelungen unterworffen/ und dieſes iſt auch ſchoͤn; Nichts ſchoͤner iſt
als das groſſe Welt-Auge die guͤldene Sonn am hellen Mittag/ die alles
erleuchtet und erwaͤrmet: So ſchoͤn leuchtet die Kirche vor Gottes und
aller heiligen Engel Augen.


II.Auff der Erden ſtellet Er uns vor die ſchoͤnſte Zierde und
hoͤchſte Wolluſt der Erden/ den Garten und zwar den edlen Pa-
radeiß-Garten/
der heiſſet hortus Dei,ein Garten Gottes/Gen. 13, 10.
Neh. 3, 15.
Cant. 4, 13.
Eccleſ. 2, 5.
Ezech.
28,
13.

ein Garten der Wolluſt/ Ezech. 28. der allerſchoͤnſte Garten von Baͤumen
und Fluͤſſen/ ein exemplaiſcher Garten/ nach deſſen Muſter wir andere zu
bauen gleichſam als Gaͤrtner zuerſt von Gott geſchaffen worden. Got-
tes Wille war/ daß die gantze Welt ſolte ein ſolch Paradeiß werden.
Ein ſolcher edler Luſt-Garten/ ein ſolch Paradeiß/ ein ſolcher
Weinberg/ ein ſolcher Acker iſt die Chriſtliche Kirche/
in welcherIer. 31, 12.
ſo viel Baͤume und ſchoͤne Blumen/ als glaubige Chriſten/ da der Baum
des Lebens Chriſtus/ der verbotene Baum eine iedwede verbotene Crea-
tur/ da der lebendige/ der verſiegelte Brunn/ Cant. 4. Jſt ein GleichnuͤßCant. 4, 12.
Athenæus
ex Agato-
cle l.
12, 3.

genommen von den koͤſtlichen Brunnen; Athenæus berichtet/ daß bey
den Perſen Brunnen ſeyen/ aus welchen niemand erlaubet iſt zu trincken/
als allein dem Koͤnige und ſeinem aͤlteſten Sohne/ iſt auch bey Leib und
Lebens-Straffe verboten/ wo iemand anders daraus trincken wuͤrde.
Ein ſolcher koͤſtlicher Brunn iſt die Chriſtliche Kirche/ wohin auch gehoͤrt
die ſchoͤne Gleichnuͤß vom Weinberge/ deme ebenmaͤſſig der Geiſt Gottes
die Chriſtliche Gemein vergleichet.


III.Jn der Lufft () ſtellet Er uns dar den ſchoͤnen/ reinen() Eſa. 5, 1.
\& ſeqq.
vid. ad h. l.
D. Papp.
p.
8.

Vogel/ die mit einem Auge in die Hoͤhe ſehende/ einfaͤltige/
Y y 2keuſche/
[356]Die Neun und Zwantzigſte (Erſte)
keuſche/ reine/ holdſelige/ gemähe/ fruchtbare/ in den Fels-
loͤchern und Steinritzen geſicherte Taube: Eine ſolche liebe
Taube iſt die Chriſtliche Kirche/
darumb ſagt der himmliſche Braͤu-
Cant. 1, 15.
c. 2, 14.
confer Ier.
48, 28. Pſ.

55, 7. 8. 9.
tigam Cant. 1. Deine Augen ſind wie Tauben-Augen/ meine
Taube in den Felßloͤchern und Steinritzen/
wirſtu ſicher ſeyn/
wann die zehen Donner-Stimme Gottes/ unertraͤgliche Mord-Glocken/
Donner-Keile und Aexte einſchlagen in die ſtaͤrckeſte Thuͤrne/ ſtoͤltzeſte Ce-
dern und hoͤchſte Tannen/ da hilfft weder Auguſti Haut von dem Meer-
Kalb genommen/ noch Tiberii Lohrbeer-Krantz/ noch die getauffte Glo-
cken und Wetter-Segen: Ein unvernuͤnfftig Mann iſt/ der ſich unter
1. Reg. 19,
9. ſeqq.
einen hohen Eichbaum unterſtellet/ ſondern wie Elias gethan 1. Reg. 19.
in eine Felſen-Hoͤle ſich verkrochen/ und daſelbſt eines ſanfften/ abkuͤhlen-
den und fruchtbaren Regens erwartet: Alſo ſoll der Kirchen als einer
zarten Tauben aſy! um, Schutz und Freyheit gedeyen wider die Donner-
Stimme/ Schlos- und Hagel-Steine des Zorns Gottes/ ſo thuts nicht
wurmſtichtige Eiche eigener Gerechtigkeit/ ſondern die Felßloͤchern der
auffgeſpaltenen Seiten Jeſu Chriſti und ſeiner fuͤnff Wunden.


IV.Fuͤhret Er uns ans Waſſer/ Jn dem Waſſer iſt nichts
koͤſtlichers/ Reichers/ nuͤtzlicher und ſchoͤner als ein reich/ wolgelade-
nes Marck-Schiff/ wann es mit vollen Rudern daher faͤhret;
Ein ſolches herrliches Schiff iſt die Chriſtliche Kirche/ die
geiſtliche Arche Noah/
in welcher erhalten werden/ die ſich dahin ver-
1. Reg. 9,
28. c.
10, 22.
fuͤgen/ auſſer welcher kein Heil/ Stern und Segen zu hoffen iſt: Sie iſt
gleich den Ophiriſchen Schiffen/ welche Salomon koͤſtliche Schaͤtze und
Reichthumb aus der neuen Welt zufuͤhreten; dem Bett-Schiff Jonæ/
dem Fiſcher-Schiff Petri/ dem Wander- und Reiſe-Schiff Pauli. Das
tode Meer iſt die Welt/ der Steurmann und oberſte Schiff-Patron
Chriſtus/ die ὑπηρέται und Ruder-Knechte/ die Diener der Kirchen/ Leh-
rer und Prediger/ der Zeiger/ das Wort Gottes/ die Wahren der Kirchen/
geiſtliche Schaͤtze und Gaben/ die Bolismeß und Bleyglotz die Buſſe/ der
Ancker der Glaube/ die pericul und See-Gefahr ſind die Meerwunder/
das Sturmwetter/ die See-Raͤuber/ der Schiffbruch/ findet ſich alles bey
dieſem geiſtlichen Schiff: die Speiſe iſt das heilige Abendmahl/ die Syr-
ten und gefaͤhrliche Felſen/ da eine Seele muß fuͤruͤber fahren/ iſt die Hoͤll/
der pulchri-portus die erwuͤndſchte und liebliche Anfurth/ dahin wir mit
vollem Glaubens-Segel eilen/ ſind die fortunatæ inſulæ, die gluͤckſeligen
Jnſeln des ewigen Lebens/ der geiſtliche Himmels-Wind iſt Gott der
Heilige
[357]Predigt.
Heilige Geiſt/ der einem geiſtlichen Columbo die andere edle und neue
Welt entdecket und geoffenbaret.


V.Er fuͤhret uns in die Policey: Jn derſelben iſt nichts
ſchoͤners als Regnum Monarchicum,eine Monarchey/ da nur
ein Herr iſt und allein regieret: regnum ſacerdotale,ein Prie-
ſterliches Reich.
Wie dann bey allen Voͤlckern die Koͤnigliche und
Prieſterliche Ehre die hoͤchſte Ehre geweſt/ dannenhero Melchiſedech ein
Koͤnig und Prieſter zugleich geweſt. 2. Liberrimum,ein freyes
Reich
von aller Beſchwehrung/ ein ſichers Reich/ das wol verwahret.
Ein ſolches Reich iſt das Himmelreich/ die Chriſtliche Kirche/
die iſt Monarchica,eine geiſtliche Monarchey/ nicht unter einem
ſichtbarn Haupt/ dem Papſt/ ſondern dem einigen unſichtbarn Haupt und
HErren Chriſto: Es iſt ein Prieſterlich Reich mit dem allerfreyeſten/
ſicherſten Engel-Schutz und Wacht umbgeben; Summa ein Him-
melreich/
dieweil es vom Himmel kommt und zu dem Himmel fuͤhret.
So lieblich wie Thirza/ lieblich wie Jeruſalem. Jn obge-Cant. 6, 3.
meldter Policey iſt nichts ſchoͤners auch als einemetropolis,eine
volckreiche/ wolverwahrte/ ſchoͤne/ reiche Mutter-Statt/

wie ſie beſchrieben wird Pſal. 87. Sie iſt feſt gegrůndet auff denPſal. 87, 2.
heiligen Bergen/ uͤber alle Wohnunge Jacob/ herrliche Dinge
werden in dir geprediget/ du Statt Gottes/ der Berg Gottes
iſt wie ein ſchoͤnes Zweiglein/ des ſich das gantze Land tröſtet/
Pſ. 48, 3.
eine Fuͤrſtin unter den Heyden und Koͤnigen in den Landen. Eine ſolche
allgemeine Mutter-Statt iſt die glaubige Kirche auff Erden/

eine Statt auf einem hohen Berge und Felß gelegen/ Sol \& Sal gentium,
aller Welt Liecht und Heil.


VI.Jn dem Haußweſen iſt erſtlich lieblich anzuſehen
ein ſchönes luſtiges Hauß und Wohnung:
Ein ſolches iſt die
Chriſtliche Kirche/
die iſt Bethel und Hauß Gottes/ ein erleuchtetes1. Tim. 3, 15.
conf. Ioh.
Arnd. in Pſ.
46. p. 286.
293. \& ſeq.
p. 317. \&
ſeqq.
Iuſtin. in
dial.

Hauß in Goſen/ mitten in den dickeſten Finſternuͤſſen: das Schutz-Hauß
Rahab/ daran das roſinfarbe Seil/ das Zeichen des Bluts Chriſti han-
get/ wie Juſtinus redet. Das Hauß zu Bethlehem/ darinn Chriſtus
durch den hellen Morgenſtern des Worts Gottes gezeiget wird. Einem
Hauſe ſtehet wol an theſaurus,ein ſonderbarer Schatz/ damit
Y y 3man
[358]Die Neun und Zwantzigſte (Erſte)
2. Reg. 20,
13.
Malach. 3,
17.
Devt. 32, 9.
Act. 20, 28.
Eph. 1, 14.
1. Pet.
2, 21.
24.
man pranget/ wie Hiskias: Alſo iſt die Kirche Chriſti ein ſolches
Eigenthumb/
das Gott wol auffhebt/ Gottes Loß/ Gottes erworbene
Gut/ kein Schatz iſt einem lieber/ als den er ſelber mit ſeinem ſauren
Schweiß erworben/ als Jacobs Herde/ der Dienſtbotten ihre Kleidle und
Haußraͤthle; manche Magd pranget mehr in ihrer Kappen/ Rock/ Kra-
gen/ die ſie mit ſaurer Arbeit verdient/ ꝛc. als der Tuͤrckiſche Kaͤyſer in ſei-
nem Conſtantinopel: Alſo hat Chriſtus ihm eine Kirche erworben durch
ſeinen blutigen Schweiß; die Kirche iſt Chriſti Loß/ Erbtheil/ Guͤrtel und
Cron. Das vornehmſte in einem Hauſe iſt ſponſa virgo,die
Haußehre; Wem ein tugendſam Weib beſcheret iſt/ die iſt viel

Prov. 31, 10.
Oſe. 2, 19.
1. Cor.
11, 3.
edler/ dann die koͤſtliche Perlin: Alſo iſt die Kirche eine liebe
Geſpons Chriſti/
mit welcher Er ſich verſpricht zu verloben in Ewig-
keit/ wie ſolches Geheimnuͤß St. Paulus erklaͤret 1. Cor. 11.


VII.Jn dem Tempel ſelbſt ſtellet er uns fuͤr den Leuchter/
Exod. 25,
31. c.
31, 8.
Exod. 25. von feinem Golde zubereitet und hell-leuchtend/ der alles im
Tempel hell machet: Alſo glaͤntzet die Kirche von dem Golde des
Glaubens/ ſie iſt eine Seule der Warheit/ die Cynoſur, die feurige Wol-
Apoc. 1, v.
ult.
ckenſeul in der Wuͤſten/ der guͤldene Leuchter Apoc. 1. da ſcheinet Gottes H.
Wort/ meinen Fuͤſſen eine brennende Lucerne/ ein Liecht das
uns den Weg weiſet fort/ ſo dieſer Morgenſterne in uns
auffgehet/ ſo bald der Menſch verſtehet die hohen Gaben/ die
Gottes Geiſt/ denen gewiß verheiſt/ die Hoffnung darein
haben.
Hoc delicium oculorum Chriſtianum, das iſt die Chriſtliche
Augen-Luſt!


1. Ioh. 2, 16.

Die Welt hat ihren Augen-Luſt/ nemlich vanitaͤt und Eitelkeit/
Puppen- und Affenwerck/ hie lauter Warheit. Der Aſtrologorum
Augen-Luſt ſind die Sternen/ wann ſie ſtellatum gehen/ der Planeten
Lauff erkundigen und beſchauen: Hier iſt die rechte Morgenroͤthe/ der
Mond/ die Sonn; jenes ſind nur Figuren/ hat zwar ſeinen Nutz/ wann
man ſich nicht dran vergaffet/ und Goͤtter daraus machet/ aber hilffet doch
nichts zur Seligkeit; Hier iſt die rechte Warheit! Die Anthologi, Blu-
men-Narren ſuchen ihre Ergoͤtzligkeit an Tulipan und frembden raritaͤten/
ſpendiren offt mehr/ ich will nicht ſagen auff natuͤrliche/ ſondern gemahlte
Blumen/ als auff lebendige Kirchen-Blumen/ das iſt/ glaubige Armen/
das iſt ihre Augen-Luſt/ aber vanitas! es iſt Eitelkeit! Hier iſt veritas!
die rechte Blume/ die edle Roſe zu Saron! Columbarii, Tauben-Narren
haben
[359]Predigt.
haben mehr Tauben im Kopffe als im Schlage/ gehen mit verbotenen
Kuͤnſten und Segen umb/ das iſt ihre Augen-Luſt/ aber vanitas! Eitel-
keit! Hie veritas, die rechte liebe Taube! Kanffleute reiſen in Oſt- und
Weſt-Jndien/ Spanien ꝛc. ſolten daſelbſt kramen die reine religion,
bringen aber nichts als Pfauen und Affen darvon; Perigrinanten/ Pil-
gram und Wallbruͤder ziehen in ferne Lande/ ihre Augen mit ſchoͤnen Laͤn-
dern/ Staͤtten und Koͤnigreichen zu weiden/ reiſen in Franckreich/ Hiſpa-
nien/ Jtalien/ gen Rom/ bringen nichts als verwundete Gewiſſen und ge-
leerte Beutel zuruͤck/ das iſt Eitelkeit! Hie iſt das rechte ewige Reich/Dan. 7, 27.
Dan. 7. dahin wir uns alle ſehnen und wallen ſollen. Oeconomi,
Hauß-Narren bauen und erſterben druͤber/ machen Spinnweben-Arbeit/
oder wann es gleich Seidenwerck iſt/ ſo ſterben ſie in ihrem Hauſe/ wann
es außgebauet iſt/ wie die Seiden-Wuͤrme/ das iſt ja Eitelkeit! Sie ſam-Pſ. 39, 7.
len Schaͤtze/ und wiſſen nicht wers ſoll kriegen/ ob der Sohn ein
Narr werde wie Rehabeam/ Salomons Sohn ꝛc. das iſt ja Eitelkeit und
Betrug! Weiber-Narren haben ihre Augen-Luſt an Jefabel/ uͤbergeben
Naboth umb ihren willen/ das ſind γυναικοκρατούμενοι Siemaͤnner! vani-
tas vanitatum,
das iſt Eitelkeit und Thorheit! Hie iſt veritas, die rechte
Augen-Luſt/ die Chriſtliche Kirche/ eine keuſche Jungfrau.


So laſſet uns demnach anſchauen! Aber nicht wie eine Kuh ein() v. Luth.
tom. 8.
Witteb. in
Oſe. fol.

341.

neu Thor/ nicht mit fleiſchlichen Augen/ dann denſelben kommt Chriſti
Kirche heßlich/ ungeſtalt und verachtet vor/ ſondern mit Glaubens-Au-
gen/ wie die Weiſen das Hauß zu Bethlehem/ darinn der Herr Chri-
ſtus gelegen. Laſſet uns nicht aͤrgern an derſelben geringen Geſtalt und
verachteten Wort; Jch/ ſagt ſie Cant. 1. bin ſchwartz/ ihr ToͤchterCant. 1, 5. 6.
Jeruſalem/ aber lieblich/ wie die Huͤtten Kedar/ und Teppich
Salomo. Sehet mich nicht an/ daß ich ſo ſchwartz bin/ dann
die Creutz-Sonne hat mich ſo verbrant; Sihe/ meiner Mut-
ter Kinder zůrnen mit mir.
Laſſet uns anſchauen 1. cum ad-
miratione,
mit Verwunderungs-Augen/ wie Moſes Devt. 33.Devt. 33,
29.

Wol dir Jſrael! Wer iſt dir gleich? nemlich in Vergleichung und
Anſehung der umbligenden/ abgoͤttiſchen Voͤlcker/ die noch in des Sa-
thans Dienſtbarkeit gehalten werden: O arme Sclaven! Q elende Na-
tionen! wie viel herrlicher iſt Gottes Berg als alle Raube-Verge?
Wol dir/ ſag ich noch einmal/ wol dir Jſrael! Wer iſt dir gleich?Pſal. 76, 5.
vid. ib. Ioh.
Arnd. pag.

430.

A chrecha Jiſrael mi camocha am? Jn welchen Worten der
theure
[360]Die Neun und Zwantzigſte (Erſte)
theure Mann Gottes erſtlich gleichſam ſein linckes Auge wendet
auff die umbligende Heydniſche Voͤlcker/
ſihet an deroſelben Wuͤ-
ſten und unſeligen Zuſtand/ ſo hie zeitlich/ ſo dort ewig; ſihet ihre greuliche
Abgoͤtterey und ſervitut des Sathans/ den Mangel aller himmliſchen
Guͤter und endlich das ewige Verderben. 2. Sihet er mit dem
rechten Auge auff das Volck Gottes/
deſſen Adel und Hoheit/ den
gnaͤdigen Schutz uͤber ihn/ das Gnaden-Antlitz des Allerhoͤchſten.
O Volck/ ſagt er/ daß du durch den HERREN ſelig wirſt/
der deiner Huͤlffe Schild/ und das Schwert deines Siegs iſt!

Devt. 4, 7.Wo iſt ein ſolch herrlich Volck/ zu dem die Goͤtter ſich ſo nahe
thun/ als der HERR? Vnd wo iſt ſo ein herrlichs Volck/
das ſo gerechte Sitten und Gebott habe/ als dieſes Geſetz/
das ich euch heutigs Tages fuͤrlege?


3. So ſtellet er einecomparationan unter dieſen bey-
den/ betrachtet den euſſerlichen Zuſtand der beyden Völcker/

betrachtet der umbligenden Cananiter ihre Macht/ ihre ſchoͤne Mann-
ſchafft/ ihre Schaͤtze und Guͤter/ ſihet Moab an mit den Augen/ mit wel-
Ier. 48, 34.chen ſie Jeremias angeſehen/ als eine dreyjaͤhrige Kuh/ aber er betrachtet
das Ende/ die Cataſtrophen; Du ſetzeſt ſie auffs ſchluͤpffrige und
Pſ. 73, 18.ſtuͤrtzeſt ſie zu boden. Er laͤſſet ſie frey gehen wie Schafe/
Ier. 12, 3.er ſparet ſie/ daß ſie gewůrget werden/ behertziget im Gegentheil den
euſſerlichen unſeligen Bilgram-Stand der Kinder Jſrael in der Wuͤſten/
bedencket aber darneben/ daß das wenige/ das ihnen Gott gibt/ ihnen
Devt. 30, 9.geſchehe zu gut/ den andern zum Verderben; Jhre Hoheit/ ihre Herrligkeit/
ihre euſſerliche Herrligkeit/ daß ſie das Volck ſeyn vor allen Voͤlckern er-
Exod. 19, 6,
Luc. 20,
26.
Devt. 4,
20.
c. 7, 6.
c. 26, 19.
Exod.
15, 11.
wehlet/ das außerwehlte Prieſterthumb/ ein Prieſterlich Koͤnigreich und
ein heiliges Volck/ mein Eigenthumb fuͤr allen Voͤlckern/ das Erb-Volck
Gottes/ ein Volck des Eigenthumbs. Er ſihet ſie an als die Arche Noæ
mitten in der Suͤndfluth/ mi camacha,wer iſt dir gleich? Ein
herrliches Echo und antiphona, wann Mirjam ſingt von GottExod. 15.
mi camocha
und Moſes: Wer iſt dir gleich unter den Goͤttern?
Antwort von der Kirchen: mi camocha?


Nun/ meine Liebſten/ was vorzeiten von den Kindern Jſrael geſagt
worden/ das haben wir alles ererbet: ſie die Juden ſind verſtoſſen/ ihr Thun
Cluv. pag.
299.
hat gaͤntzlich ein End genommen/ ſonderlich unter dem Kaͤyſer Adriano;
Sie
[361]Predigt.
Sie gehen unter uns herumb als ein Scheuſal/ als ein Sprichwort und
Spott unter allen Voͤlckern/ uns zum Exempel; Wir moͤgen auff unsDevt. 28,
37.

allen Juͤdiſchen Adel ziehen/ alle Verheiſſungen/ wir ſind nun die rechte
Kirch Gottes/ das Volck des Eigenthumbs/ ein außerwehltes1. Pet. 2, 9.
Geſchlecht/ das Koͤnigliche Prieſterthumb/ das heilige Volck/
das Volck des Eigenthumbs;
Ja wir moͤgen auch mit Moſe mit
dem einen Auge ſehen auff alle andere Nationen/ Voͤlcker und Sprachen;
mit dem rechten auff uns und ſprechen: Aſchrecha liſrael,
Wir ſind das geiſtliche Jſrael! wir moͤgen auch wol eine compara-Rom. 9, 8.
tion anſtellen und ſprechen: mi camocha? Sie die Juden hatten nur2. Cor. 3, 9.
den Schatten/ wir die Klarheit/ das Ampt der uͤberſchwenglichen Klar-
heit/ nemlich Gott ſelbſt geoffenbaret im Fleiſch.

1. Tim. 3,
16.

Laſſet uns anſchauen 2 cum conſervandi curà,mit begie-
rigen Fortpflantzungs-Augen/
daß wir doch ja dieſen ſchoͤnen Au-
gen-Luſt erhalten. Der gegenwaͤrtige Krieg iſt ein Kirch- und Stifftskrieg/
dieſelben zu erhalten laͤſſet man ſich auff jener Seit euſſerſt angelegen ſeyn.
Darumb wird ſo viel Chriſten Blut vergoſſen/ darumb iſts den Pfaffen zu
thun/ dieſen Schatz wollen ſie ihnen nicht laſſen nehmen/ das iſt ihr palla-
dium;
unter deſſen muß die Kirche zun Fuͤſſen ligen/ wird ihres innerlichen
Schmucks beraubt/ das Wort vnd der Kelch wird ihr entzogen/ man macht
es wie Herodes/ welcher Chriſtum und ſeine Mutter verfolget/ die Kinder ge-
ſchlachtet/ unterdeſſen bauet er einen Tempel; denen gleich ſind die da reich-
lich ſpendiren auff Kirchen-Bilder/ und der lebendigen Bilder Gottes
vergeſſen/ auch Gottes geiſtlichẽ Seelen-Tempel verderben/ non parietum,
ſed animarum cauſa Chriſtus venit,
ſagt Iſidorus, Chriſtus iſt nicht kom-
men umb der koͤſtlichen Gebaͤu/ ſondern der Menſchen Seelen willen. EinIſid. Peluſ.
() tom. 5.
Ien. fol.
71.

Marmel-Kirch bauen/ ſchreibt D. Luther/ guͤldene Kleinod ſchencken/ den
toden Steinen und Holtz dienen das gleiſſet/ das ſcheinet/ das heiſt Koͤnig-
liche/ Fuͤrſtliche Tugenden. Wolan laß ſcheinen/ laß gleiſſen. Ja das thut
ein ungleiſſender Pfarrherr die Tugend/ daß er Gottes Reich mehret/ den
Himmel fuͤllet mit Heiligen/ die Hoͤlle pluͤndert/ ꝛc.


Laſſet uns anſchauen 3. cum cautione amiſſionis \& jactu-
ræ,
mit ſorgenden Augen/ daß wir dieſes theure Kleinod nicht
widerumb verlieren;
Die Juden haben ihr περισσὸν verlohren/ gehen
ietzt als Augen-Greuel herumb zum Zeichen und Wunder; das naͤchſte
iſt an uns. Vnſer Teutſchland iſt neulich eine heroiſche Amazon geweſen/
Sechſter Theil. Z zderen
[362]Die Neun und Zwantzigſte (Erſte)
deren ſcharffes Geſicht und Anblick andere Voͤlcker nicht haben ertragen
koͤnnen/ wie Julius Cæſar geruͤhmt; ietzt ſchlaͤgt ſie die Augen unter/ ſchaͤ-
met ſich als eine Braut die ihren Krantz verlohren/ vorzeiten hat ſie dem
unachtſamen ſchlaffenden Griechenland und Jtalien die ſchoͤnſte Kuͤnſte
entzogen/ nunmehr aber gehet es allgemach zum Abſcheid/ Summa ſie
war weiland eine Augen-Luſt/ nunmehr aber ein Augen-Wuſt.


Laſſet uns anſchauen 4. cum gaudio \& ſolatio,mit
freudigen Troſt-Augen!
Xerxis ſchau gieng auff ein lami aus/ der
ſtund einsmals auff eine hohe Wart/ da er alle ſein Volck uͤberſehen koͤn-
nen tauſendmal tauſend Mann/ fieng bitterlich an zu weinen; und als
er gefraget wurde/ warumb er weinete/ gab er zur Antwort/ er ſehe die ſchoͤne
volckreiche Macht vor Augen/ und bedaͤchte doch dabey/ daß uͤber hundert
Jahr kein Haͤrlein von keinem mehr vorhanden: Viel anders ſchauen wir
dieſes Volck der Gemeine Chriſti an/ daß wir nemlich hoffen und glauben/
es werde uͤber hundert Jahr/ wie wir hoffen/ in der ſeligen Aufferſtehung
wider leben; deſſen troͤſten wir uns: Ja vielmehr/ daß wir auch an dieſem
Reich Theil und Gemeinſchafft haben; Wir ſind wie die Sonne und
Mond ꝛc. die Gaͤrten und Blnmen unter den Roſen/ wie viel wahre
Pet. 2, 9.Chriſten ſind/ ſo viel Sonnen/ Blumen/ Bruͤnne/ Schiffe/ Tauben/ ſo viel
Koͤnige/ ſo viel Haͤuſer und Leuchter/ ſo viel Schaͤtze/ ſo viel Braͤute und
Freundinnen/ denen Chriſtus im Hertzen ſitzet; Es bringets manchmal
in der Welt ein Menſch mit Tugend/ ſchoͤner Geſtalt/ eloquentz dahin/
daß er dem andern im Hertzen ſitzet/ wie vielmehr Chriſtus die Blume
Pſ. 45, 3.aller Tugenden/ der ſchoͤnſte unter den Menſchen-Kindern von holdſeligen
Lippen/ in unſern Hertzen? O ſuavia! ô Evangelia! ô Gaudia! O Lieb-
ligkeit/ O honigſuͤſſer Evangeliſcher Troſt! O herrliche Freude! O der
gnadenreichen Vorſchau des hoͤchſten Guts! Wer hier alſo ſchauet mit
Glaubens-Augen/ der wird dort auch ſchauen mit Ehren-Augen/ und
1. Cor. 2, 9.ſehen/ was noch kein Auge geſehen; Zu welchem ſeligen theatro und
himmliſcher Augen-Luſt uns helffen wolle Gott der himmliſche
Vater vmb Jeſu Chriſti willen durch ſeinen
Heiligen Geiſt/ Amen.



Die
[363]Predigt.

Die Dreiſſigſte


Vber den dritten Articul/
Von der Kirch/


Die Andere Predigt/


Von derdefinitionund Beſchreibung der ſicht-
baren Kirchen Chriſti auff Erden/ worinn
dieſelbe beſtehe?


GEliebte in Chr. Zu gleicher weiſe/ wie der ſtreitbare Held
Gideon
Jud. 6. 7. und 8. auff Goͤttlichen Befehl/ da er wi-Iud. 6. 7. \&
8.

der die Midianiter außgezogen/ eine Muſterung angeſtellt/
einen dreyfachendelectund Außſchutz gemacht/
1. delectum contribulium, in dem er ein allgemein
Auffbott gethan auff ſeine Stamm- und Eydgenoſſen/ des Stamms
Manaſſe/ ſonderlich dem Hauſe Abieſer/ ſampt den drey Staͤmmen Aſſer/c. 6, v. 35
c.
8, 1.

Sebulon und Naphthali/ deßwegen ſchlechten Danck verdient bey denen
vom Hauſe Ephraim/ die es ihm hefftig verwieſen/ daß er ſie nicht mit in
Streit genommen. Nun dieſer erſte Hauff und Außſchutz beſtunde von
zwey und dreiſſig tauſend Mañ/ wie die Vmbſtaͤnd es klaͤrlich geben/ darun-
ter faule und feige Tropffen geweſt/ wie es hernach die Prob außgewieſen/
da es an die Bindriemen kommen. 2. Delectum Fortium,den
Außſchutz der tapffern/ kuͤhnen Helden;
dann da er auff Goͤtt-
lichen Befehl laſſen außruffen durch einen Herold: Wer bloͤde iſt und
verzagt/ der kehre umb und hebe ſich bald vom Gerbůrge Gi-
lead/
Jud. 7. da kehreten umb zwey und zwantzig tauſend/ und bliebenc. 7, 3.
nur zehen tauſend tapffere uͤbrig/ jene reuet es des Kauffs/ wurden feig/
ohne Zweifel/ dieweil ſie ſich uͤbermannet geſehen/ und der Feind zu ſtarck
geweſen; wurden alſo licentirt.


3. Delectum perſeverantium,den Außſchutz der θυμο-
λεόντων, der heldenmuͤthigen Soldaten/ deren die außtauren koͤn-
nen/ der ruͤſtigen und ſtandhafften; dann auff ebenmaͤſſigen Goͤttlichen
Z z 2Befehl
[364]Die Dreiſſigſte (Andere)
Befehl ſtellet er eine wunderbare Prob und Muſterung an mit den uͤber-
bliebenen zehen tauſenden/ er fuͤhret ſie hinab ans Waſſer/ da dann die jeni-
ge/ die auff ihre Knie gefallen zu trincken/ von den andern/ die aus der
Hand zum Mund mit der Zung gelecket wie die Hunde/ abgeſondert/ deren
letzte waren drey hundert Mann/ die waren die ſelectiſſimi und außerle-
c. 7, 7.ſenſten; Durch die drey hundert Mann/ ſpricht der HERR/
die gelecket haben/ will ich euch erlöſen/ und die Midianiter in
deine Haͤnde geben/ aber das andere Volck laß alles gehen an
ſeinen Ort:
Vrſach/ dieſe hatten das ἀνέχου καὶ ἀπέχου wol gelernet/
maͤſſig geweſt/ welches ſie mit ihren Geberden erwieſen/ ſie truncken ſtehend/
kunten noch friſch herumb ſehen/ auff den Feind Achtung geben/ nicht nur
hertzhaffte/ ſondern auch dauerhaffte Soldaten/ die einen Buff kunten
außſtehen/ Hunger und Durſt leiden: jene haben das Waſſer haͤuffig und
gierig in ſich geſoffen und den Durſt gebuͤſſet/ wiewol mehrmal geſchehen/
daß der unleidenliche Durſt ein gantzes Heer geſchlagen; Als Alexander
Magnus
einsmals im fandichten Gebuͤrge kein Waſſer haben kunte/ und
die Soldaten begunten zu verſchmachten/ da ſie aber in den Fluß Oxum
kommen/ ſo fuͤllen ihrer zween Maͤnner ihre Laͤgel mit Waſſer/ in der Mey-
nung ihre Soͤhne damit zu erlaben: ſtoſſen dem Koͤnig Alexandro auff/
der eine offerirt ihm ein offenes Laͤgel/ O nein! ſagt der Koͤnig: Jch mag
nicht alleine trincken/ und ſo iſts auch zu wenig unter ſo viel Volck allen
außzutheilen/ bringets euern Kindern/ darauff als ſie auff den Fluß kom-
men/ iſt es geſchehen/ daß die ſo begierig und unmaͤſſig getruncken/ ſind
Curt. l. 7, 5.
n. 12.
Plutarch.
de ſerâ
vindictâ.
p.
187.
davon gehling geſtorben/ und iſt derſelben viel eine groͤſſere Zahl geweſen/
als die vor dem Feinde gefallen und umbkommen/ wie Curtius die Hiſtori
beſchreibet: Alſo Lyſimachus, da er von den Getis oder Wallachen umb-
ringet in Durſt gerathen/ da hies es: Vogel friß oder ſtirb! worauff er ſich
ergeben/ die Schantz verlohren/ mit der Nachreu zu ſpat kommen/ und ge-
ſagt: Wehe mir elenden Menſchen/ der ich umb einer ſolchen kleinen und
geringen Wolluſt willen ſolch groß Koͤnigreich verlohren!


Zu gleicher weiſe/ ſag ich/ wie Gideon einen ſolchen dreyfachen
delectum gemacht: Alſo thut Iſch milchama,der HERR Ze-
baoth/
der hat freylich auch von anbegin biß dato unter dem menſchlichen
Geſchlechte dergleichen delectusund Außſchutz gemacht. Der
1. delectus heiſſet Eccleſia viſibilis vocatorum,der ſichtbare/
empfindliche/ in die Augen und euſſerliche Sinn fallende

groſſe
[365]Predigt.
groſſe Hauffen deren/ ſo ſich zum Wort und Sacramenten
halten/
unter welchen es viel Heuchler/ Maul-Chriſten und Vnglaubige
gibt/ die Gott kennet/ aber kein Menſch/ als welcher aus Liebe/ ſo manch-
mal blind iſt/ von allen das beſte hoffet; Jn welchem Verſtande auch alle
Zuhoͤrer/ die Außerwehlte genennet werden/ verſtehe außerwehlet zum
Reich der Gnaden. 2. Eccleſia inviſibilis verè credentium,
Der unſichtbare/ unempfindliche Hauff/ derſelb gehet genau zu-
ſammen/ der wahren Kern-Chriſten und Glaubigen/ die man
wegen der Heucheley nicht allezeit gewiß kennen und nennen kan/ es gibtMarc. 4, 17.
Scheinheilige und προσκαίρους, die eine Zeitlang glauben/ aber zur Zeit der
Anfechtung/ wanns an das ἀνέχου καὶ ἀπέχου, an das Leiden kommt/ ab-
fallen. 3. Delectus electorum perſeverantium,Das Haͤuff-
lein deren/ die außdauren biß ans Ende/
beharren in der Anfech-
tung/ laſſen ſich weder Luſt noch Furcht von dem ἀνέχου καὶ ἀπέχου abtrei-
ben; Diß ſind die edelſte und außerwehlten Nazareer/ welche allein Gott
kennet/ 2. Tim. 2. und werden wahr die Wort Chriſti: Viel ſind be-2. Tim. 2,
19.
Matth.
20,
16.

ruffen/ aber wenig außerwehlet.


Wann wir dann neulich das thema von der Kirchen gruͤndlich
zu tractiren angefangen/ damal nobilitatem Eccleſiæ,der Kirchen
hohen Adel
fuͤr Augen gelegt/ ſo iſt von noͤthen/ daß wir von allen
dreyen
delectibusund Außſchutzenſpecialiter handlen/ und erſt-
lich zwar de delectu viſibili,von dem gantzen groſſen ſichtba-
ren Hauffen/
von dem es heiſſet: Video Eccleſiam,Jch ſehe eine
Chriſtliche Kirche/
und demnach dißmal deſſelben quidditaͤt und
eigentliche Beſchreibung
an Tag geben; Gott wolle uns hierzu
kraͤfftiglich beywohnen mit ſeinem Heiligen Geiſte/ umb Jeſu Chriſti wil-
len/ Amen.


GElangende diequidditatem Eccleſiæ viſibilis,Was die
ſichtbare Kirche ſeye?
ſo beſchreibet uns dieſelbe die heilige
Schrifft
1. tanquam cœtum,als einen Hauffen/
ein Volck oder Verſamlung der Menſchen;
Ein Menſch alleinHebr. 10,
25.

machet keine Kirche/ ſondern Menſchen muͤſſens ſeyn/ es ſeyen derſelben
viel oder wenig/ ligt nichts dran/ Chriſtus ſagt: Wo zween oder drey
συμφωνήσουσι, eins werden oder uͤberein ſtimmen/ da bin ich mittenMatth. 18,
19. 20.

Z z 3unter
[366]Die Dreiſſigſte (Andere)
unter ihnen. Jſt demnach nicht nur eine Kirche dieEccleſia
univerſalis,
die allgemeine Kirche/ ſo in der gantzen Welt umbher
Eph. 1, 22.
23.
zerſtreuet iſt/ das gantze corpus der Kirchen/ die gantze Fuͤlle ins gemein/
nicht nur particularis,eine ſonderbare Kirche in einer gewiſſen
1. Cor. 10,
17. Eph. 4,
15. 16. 1. Co-
rint. 16, 19.
Col.
4, 16.
provintz oder Statt/ da viel ein Brod und ein Kuche werden; ſon-
dern auch in einerfamiliâ,in einem Geſchlecht oder Hauſe/
als dergleichen war die Kirche in dem Hauſe Aquilæ und Priſcillæ, die
Kirche in dem Hauſe Nymphan zu Laodicea: Das ſolte der erſten Kir-
chen uͤbel geſagt ſeyn geweſt/ wann eine Kirche allezeit im Liecht/ in groſſer
Menge beſtehẽ muͤſte/ damal als ſie verſtolener weiſe in cryptis und verbor-
() confer
Plin. l. 10.
ep.
97.
genen Hoͤlen zuſammen kom̃en/ ἴσασιν μεμυημένοι, wie () Chryſoſtomus
redet/ das iſt/ ſie waren verborgen und gleichſam verſchloſſen: Dienet zum
Bericht und Troſt in Noth-Tauffen/ in Kranckheiten/ in andern Chriſt-
lichen haͤußlichen Verſamlungen und Betſtunden: daß man wiſſen ſoll/
es ſeye auch dieſelbe kleine doch eine warhafftige Kirche und Verſamlung
Gottes; wiewol offentliche Verſamlung deßwegen nicht zu verlaſſen aus
Hebr. 10,
25,
Marc. 16, 15.
Rom. 9, 25.
Matt. 22, 3.
c.
23, 37.
Verachtung/ Laſſet uns nicht verlaſſen unſere Verſamlung/
ſagt der Apoſtel/ Hebr. 10.


II. Cœtum vocatum,als ein beruffenes Volck/ nicht
der jenigen/ welche nur ſind κεκλημένοι, die zwar beruffen werden/
aber nicht kommen wollen/
wie dort Matth. 22. und 23. Wie offt/
ſagt der HErr/ habe ich deine Kinder/ das iſt/ das gantze Juͤdiſche
Volck/ verſamlen wollen/ wie eine Henne verſamlet ihre Kůch-
lein unter ihre Fluͤgel/ aber ihr habt nicht gewolt?
ſondern
τῶν κλητῶν, die da erſcheinen bey der himmliſchen Mahlzeit/
wiewol im mercklichen Vnterſcheid; Etliche bringen das hochzeitliche
Kleid mit ſich/ etliche nicht; daher es dann kommt/ daß ſich allezeit unter
dem Weitzen das Vnkraut/ unter die guten Fiſche die faulen/ unter die
geſunde Schaf die raͤudige/ unter den klugen Jungfrauen die thoͤrichten
gemenget/ in einem Kriegs-Heer unter den Loͤwen die Haſen/ das iſt/ die
Heuchler/ die ſchiſmatici, welche nicht aus vorſetzlicher Boßheit irren/ die
Kaͤtzer und heimlichen groſſen Suͤnder/ wie unter dem Volck Gottes/ ſo
aus Egypten außgezogen/ in der Wuͤſten viel ſich enthalten und einge-
1. Cor. 10, 5.
Matth.
26,
25.
miſchet/ an denen der Herr keinen Gefallen gehabt; wie Judas in dem
letzten Abendmahl des Herren/ welche alle zwar nicht warhafftige
und lebendige Glieder der wahren/ vielweniger der unſichtbaren glaubigen
und
[367]Predigt.
und außerwehlten Kirchen ſind/ ſind aber Glieder des geſampten ſichtba-
ren Hauffen der Kirchen/ wie das Vnkraut nicht eigentlich ein ſtuck des
Weitzen-Ackers iſt/ iſt aber doch ein ſtuck des Ackers/ ſo da beſtehet aus
Weitzen und Vnkraut: ſunt in Eccleſiâ, ſed non de Eccleſiâ, pertinent
ad Eccleſiam, numero non merito. Auguſtinus.


Wer nun/ meine Liebſten/ in dieſem Hauffen ſeyn will/ deren/ die zum
ewigen Leben erkohren/ der muß hie die erſte Staffel legen/ und der voca-
tion par
iren ohne tergiverſation, ſein Weib/ Ochſen und dergleichen nicht
præponiren und vorziehen: ſondern ſo bald er hoͤret die Glocke laͤuten/ ge-
dencken/ ietzt werde ich von Gott zu Gott beruffen: ſo bald man die
Poſaunen/ die geiſtliche Heer- oder Feld-Drommet hoͤret erſchallen/ ſoll
man ſprechen: hîc adſum, hie bin ich! verſtehet ſich ſonderlich vom Son-
tage; dann ſechs Tage ſoltu arbeiten/ ſoltu/ ſoltu/ ꝛc. aber der
ſiebende Tag iſt ein Feyer dem HErren deinem GOTT/
Exod. 20:
9. 10.

und daſſelbe der gantze Tag/ anders als die Sabbath-Stuͤmpler/ die den
Tag mit ſich und dem Teufel theilen; Es iſt ein ſacrilegium, ein alter
Sauerteig. Jſt demnach wol zu klagen uͤber den widrigen event, und
zu erbarmen/ daß auch wol allhie in einer ſolchen Evangeliſchen Statt und
Kirch dergleichen Athei ſollen gefunden werden/ die wol das Wort und
Sacramenta niemal beſuchen/ ſich ſelbſt excommuniciren! hie ſoll einLuc. 25, 4.
Hirte ſein Ampt in acht nehmen/ das verlohrne Schaf ſuchen/ wanns
gleich keine Woll gibt; hie ſoll man der gnadenreichen Ruff-Stimme
Folge leiſten/ dann es iſt auſſer der Kirche/ wann man dieſelbe muthwillig
verachtet/ keine Seligkeit zu hoffen noch zu finden/ gleich wie nichts leben-
dig geblieben anſſer der Arch Noæ: Was ſagt der Herr von denen/
die nicht erſcheinen wollen bey ſeiner Hochzeit? GOTT ſchicket ſeinMatt. 22, 7.
Heer aus/ und zuͤndet die Statt an.


III. Cœtum Regenitorum,Als ein widergebornes
Volck/ entweder durchs Wort oder Sacramenta;
dannenhero
Tuͤrcken/ Juden/ Heyden hieher nicht gehoͤren/ ſie ſind die ὁι ἔξω 1. Cor. 5.1. Cor. 5, 12.
Apoc.
22,
15.

Drauſſen ſind die Hunde! Jch ſage aber bedencklich/ entweder
durchs Wort;
dann auch Gliedmaſſen der ſichtbaren Kirchen ſind die
Catechumeni, die noch ungetauffte Catechiſmus-Schuͤler/ wie Valenti-
nianus,
der Kaͤyſer/ die () Proſelyti, die ungetauffte Glaubensgenoſſen/() vide D.
Luth. ad
Gen. 9. \&
17.
Act. 10, 1. 2.
Luc. 23, 40.
ſeqq.

ſo aus dem unvergaͤnglichen Samen des Goͤttlichen Worts widergebo-
ren/ wie Cornelius Actor. 10. die Maͤrtyrer ſo vor der Tauffe hingerichtet
worden/ der Schecher am Creutz.


IV. Cœ-
[368]Die Dreiſſigſte (Andere)

IV. Cœtum ſelectorum,Ein abgeſondertes und auß-
erleſen Volck
von der offenbarlich rohen/ gottloſen/ argen Welt/ die im
Ioh. 15, 10.
c. 17, 14.
c. 18, 36.
1. Pet.
2, 9.
argen ligt; deren die nicht von der Welt ſind/ mein Reich iſt nicht
von dieſer Welt/
ſagt Chriſtus: Ein außerwehltes Volck/ wie vor-
zeiten die Juden vor allen Voͤlckern abgeſondert. Werden demnach allhie
außgemuſtert Apoſtatæ, alle abtruͤnnige Mamelucken/ die von uns auß-
1. Ioh. 2, 19.gangen/ dann ſie waren nicht von uns/ als Carolſtatt ꝛc. Widertaͤuffer/
die Antichriſten und uͤberzeugten offentlichen Ketzer/ als Papiſten; ſie ſind
außgangen aus uns/ das iſt/ aus der alten Prophetiſchen Apoſtoliſchen
Kirchen/ deren unſere mit der Lehr auff das allergenaueſte verwand; Wir
ſind zwar auch von der Roͤmiſchen Kirche außgetretten/ oder vielmehr
durch den blind-raſenden Bann außgeſtoſſen worden/ aber gleichſam als
aus einem angeſteckten/ peſtilentziſchen Hanſe ſind wir widerumb in unſere
alte Wohnung ad πατρῶον ϑεὸν, zu unſerer Vaͤter Gott getretten.
Euere Liebe verſtehe es in einem Gleichnuͤß: Wann eine Mutter aus fuͤr-
witziger Boßheit oder boßhafften Vnſchamhafftigkeit aus ihrem alten
Stamm-Hauſe ihre Kinder außfuͤhret in ein angeſtecktes/ vergifftetes
Hauß/ die Kinder erwachſen/ ſehen die Gefahr/ laſſen die Mutter/ weil ſie
nicht weichen will/ darinn ſitzen/ und begeben ſich davon wider in ihre alte/
ſichere/ rechtmaͤſſige/ vaͤterliche Wohnung; welche haben allhie apoſtaſirt/
welche ſind abtruͤnnig worden? die Mutter oder die Kinder? Freylich
nicht dieſe/ ſondern jene; Eine ſolche Beſchaffenheit hat es auch mit uns
und der Roͤmiſchen Kirchen.


Außgemuſtert ſind auch die rechtmaͤſſig-ex communicirte oder
bannhaffte und bannwuͤrdige Perſonen/ die wegen ihrer Ergernuͤß billich
Matt. 18, 17.
1. Cor. 5, 1.
ſeqq.
von der Gemeine Chriſti ſolten außgeſchoſſen werden. Dieſe alle ſind
keine wahre Gliedmaſſen/ auch der ſichtbaren Kirchen nicht/ in ſenſu com-
poſito,
ſo lange ſie in ſolchem unſeligem Stande verharren; Wann ſie
aber aus der Wildnuͤß zuruͤck kommen und zahm werden/ wann aus dem
Wolf beginnet ein Schaf zu werden/ wie Paulus/ ſo wird er ein Burger
und Gliedmaß der Kirchen/ und wann er beſtaͤndig verharret biß ans
Ende/ ein außerwehlter Himmels-Burger. Jſt er noch nicht von dem
Ioh. 10, 16.Schaf-Stall/ ſo kan er noch darzu kommen; Dannenhero Auguſtinus
ſchreibet: Secundum præſcientiam \& prædeſtinationem quàm multæ
oves foris, quàm multi lupi intus?
Wie viel Schafe gibts auſſer der
Kirchen nach der Vorwiſſenheit Gottes und ewigen Gnadenwahl? Wie
viel hingegen werden Woͤlfe auff ſolche Weiſe in der Kirche gefunden;
Die
[369]Predigt.
Die Exempel bezeugens/ Judæ des Verraͤthers in der Kirchen/ der war ein
Wolf; Pauli/ der zwar vor ſeiner Bekehrung ein wuͤtender Wolf/ aber
nach derſelben ein ſanfftes und gedultiges Schaf worden; Alſo noch heute
zu Tage ſind viel Lutheraner zwar euſſerlich in der reinen/ ſeligmachenden
Kirchen/ aber ſie werden dermal eins doch verworffen und verdammt wer-
den/ hingegen viel Papiſten/ die zwar euſſerlichem Anſehen nach auſſer der
wahren Kirchen ſind/ werden dermal eins vor jenen ſelig werden.


Dieſes alles dienet zu einemelenchound Widerlegung
des Papſtumbs/ da nimmet man alles an (wie im Kriege) was kommt/
Tros Rutulusq́ue fuat, wann man ſich nur an den Roͤmiſchen Papſt
haͤnget: man nimmet ein und an die bannhaffte/ gottloſe Leute/ wann ſie
ſich nur zur alſo genanten Catholiſchen religion bekennen/ aber die ſchi-
ſmatici,
das iſt/ die Henrici, Ludovici, und andere Chriſt-loͤbliche Poten-
taten und Zeugen der Warheit/ welche ſich nicht einem rechtmaͤſſigen Hir-
ten (dem Roͤmiſchen Papſt) untergeben wollen/ werden außgeſchloſſen;
Ja es ſtehet daſelbſt auch Thuͤr und Thor offen den Ketzern/ ſo im funda
ment
der Seligkeit irren/ wann ſie nur den Papſt fuͤr ihr Haupt erkennen;
Pius V. ſchrieb an Eliſabetham, Koͤnigin in Engelland/ er wolte die Cal-
viniſche Bibel/ die Ceremonien der Engliſchen Kirchen/ wie auch ihre Ge-
bet mit Apoſtoliſcher autoritaͤt confirm iren/ bekraͤfftigen und verſieglen/
wann ſie nur ihn den Papſt fuͤr das Haupt der Kirchen annehmen wolte!
Was iſt die Vrſach? theils amplificatio regni, auff daß er ſein Reich er-
weitere und groß mache/ anders nicht als mancher Oberſter annimmt/
was er nur aufftreſchen kan/ damit er den Namen hab/ er ſey ſtarck auff
den Beinen/ und ſeinem Feind ein Schroͤcken einjage: theils ſich und ſeine
Prælaten vor Schimpff zu bewahren/ daß wann irgend ein Prieſter/
Abt/ Biſchoff ein Bub in der Haut waͤre/ man ihn doch fuͤr ein Glied der
Catholiſchen Kirch anſehen und halten ſolte: Ja wann der Papſt ſelbſt
ein Zauberer/ ein Goͤtzen-Knecht/ ein Blutſchaͤnder waͤre/ man dannoch
nicht zweifeln ſolte/ ob er der Kirchen ſichtbar Haupt in ſo gethaner Con-
junctur
ſeyn koͤnne? damit man nicht einreden moͤchte/ es ſey der jenige
fuͤr kein Haupt der Kirchen zu halten/ der derſelben (als bannwuͤrdig)
Glied nicht iſt.


2. Zu einem kräfftigen Troſte/ geſchoͤpfft von dem πολί-
τευματι, dem Burgrecht in dem himmliſchen Jeruſalem; Kunte Paulus
trotzen auff ſein πολίτευμα, daß er ein Burger war von Tharſen aus Cili-
cien/ einer namhafften Statt/ deren Julius Cæſar das Roͤmiſche Burg-Act. 21, 39.
recht geſchenckt/ wie viel mehr hat ein glaubiger Chriſt ſich deſſen zu troͤſten/
Sechſter Theil. A a adaß er
[370]Die Dreiſſigſte (Andere)
daß er ein geiſtlicher Himmels-Burger und Erbe des Himmelreichs
ſeye.


3. Zur Anweiſung und Annehmung zum Danck fuͤr das
unerſchaͤtzliche/ groſſe und reiche Loß-Gluͤck/ dadurch wir theilhafftig wor-
den der Gemeinſchafft der Heiligen im Liecht; wer den Atlantem oder die
Land-Tafeln daheim hat/ der ſehe/ wie viel nationen auſſer der Kirche leben/
die kein Theil haben an dieſem Heil/ und dancke Gott dem Vater/ der ihn
tuͤchtig gemacht hat/ mit Hertz/ Mund und Wercken/ mit einem guten
Gott-gefaͤlligem Leben und Wandel:


Si vivis Romæ, Romano vivito more, ()

heiſſet es/ nach der bekanten regul, νὀμῳ καὶ χώρᾳ, laͤndlich/ ſittlich/ wiltu
in der Statt Gottes wohnen und ihres Burgrechts genieſſen/ ſo muſtu
nach derſelben Brauch/ Ordnung und Geſatzen leben; Aber die Statt
Gottes iſt der heutigen Welt verleidet/ es muß alles bey derſelben Heyd-
niſch/ Frantzoͤſiſch/ Jtaliaͤniſch ſeyn. Was folget? ἔξω! hinaus aus
dem Vaterland/ aus Teutſchland/ aus dem Himmel! fuͤr der Thuͤr drauſ-
ſen iſt ihr Theil; Euer Hauß/ ſagt der Herr/ſoll euch wuͤſte ge-
Matt. 23, 38.laſſen werden.


V.Alscœtum vincibilem \& deficibilem,als einen
fallbaren und fehlbaren Hauffen;
ſintemal tota Eccleſia,die
gantze Kirche
irren/ fehlen und fallen kan (ob ſchon nicht totum Ec-
cleſiæ,
das gantze der Kirchen/in ſenſu diviſo) wann ſie von dem
Ioh. 8, 31.Worte Gottes weichet/ und nicht bleibet an der Rede des Herren/ wie
wir drunten vernehmen werden. Das will man im Papſtumb nicht
glauben/ widrige opinion wird den Leuten ſtarck eingebildet/ das iſt das
robur indurationis, die Quell und Vrſach folcher greulicher Verhaͤrtung/
das ſind die Ketten der Finſternuͤß/ damit ſie die armen einfaͤltigen Hertzen
anfeſſeln; wer dieſen eingebildeten Wahn von der Vnfallbarkeit der Roͤ-
miſchen Kirchen nimmt/ der ſtoͤſſet den Roͤmiſchen Stul umb; wie die
Prælaten vorzeiten im Judenthumb wider den Propheten Jeremiam ge-
Ier. 7, 4.ruffen: Templum Domini \&c.Hie iſt des HErren Tempel!
Hie iſt Gottes Gnadenthron/ Moſis Stul/ hie Verheiſſung/ latria, teſta-
menta,
hie Synedrium: davon kan Gottes Geiſt nicht weichen/ die
c. 18, 18.Prieſter köñen nicht irren im Geſetz/ und die Weiſen nicht feh-
len mit Rathe/ und die Propheten köñen nicht unrecht lehren:

Alſo ſchreyet man noch heute zu Tage im Papſtumb ad ravim usque, hie
Roͤmi-
[371]Predigt.
Roͤmiſche Kirche/ hie iſt Petri Stul/ dem ſie zu Ehren ein Feyer und Feſt
angeordnet; Alſo lehret der Roͤmiſche Catechiſmus. Vnd dieweil esCatech.
Rom. part.
1. p. 83.
Bellarm.
l. 3. de Eccl.
c. 13, 14. \& l.
4. de Rom.
P. c.
5.

dann gewiß und bekant iſt/ ſchreibet Becanus, daß die Kirche im Glauben
nicht irren noch fehlen koͤnne/ und auch nirgend gefunden werde als im
Papſtumb/ ſo folget unlaͤugbar/ hell und klar/ daß alle Glaubens-Articũl
derſelben wahr und gut ſind; und dannenhero muß die Lutheriſche Kirche
falſch ſeyn/ dieweil ſie abgefallen iſt.


Jſt aber alles lauter Vngrund/ und ſchroͤcklich glaucoma und blau-
er Dunſt/ damit die Roͤmiſche Camarim die arme gefangene Leute ver-
blenden/ daß ſie das Liecht nicht ſehen koͤnnen/ der heiligen Schrifft klar zu-
wider/ als in welcher diedeficibilitas Eccleſiæ,daß die Kirche/
inſonderheit auch die Roͤmiſche irren/ fehlen und fallen kan/

erwieſen/ 1. vaticiniis,mit Bibliſchen Weiſſagungen Matth. 24.Matth. 24.
23. 24. 25.

da der Herr Chriſtus ſelbſt ſagt: So iemand wird ſagen: Hie
iſt Chriſtus/ da iſt Chriſtus/ ſolt ihrs nicht glauben/ dann es
werden falſche Chriſti und falſche Propheten auffſtehen/ und
groſſe Zeichen und Wunder thun/ daß verfůhret werden in
Jrrthumb (wo es moͤglich wäre) auch die Außerwehlten.
Sihe/ ich habe es euch zuvor geſagt.
2. Theſſal. 2. da der Apoſtel2. Theſſ. 2.
3.

außtruͤcklich propheceyhet von einer apoſtaſiâ und Abfall/ nicht zwar uni-
verſali,
welche die gantze Kirche auff einmal allenthalben uͤberſchwemmen
und erſaͤuffen werde; ſondern nach Vnterſcheid der Zeit/ Ort und
Perſonen.


2. Comminationibus \& monitis,Durch die ernſte
Draͤuungen und Warnungen
wegen des beſorglichen Falls;
Matth. 7. 16. 24. Actor. 20. 2. Corinth. 11. da der Apoſtel ſchreibet anMatt. 7, 15.
c. 16, 6.
c. 24, 24.
Act. 20, 29.
2. Cor.
11, 3.

ſeine Corinthier: Jch befuͤrchte/ daß nicht wie die Schlange
Evam verfuͤhret mit ihrer Schalckheit/ alſo auch eure Sinne
verruͤcket werden von der Einfältigkeit in Chriſto;
die Schlan-
ge/ die ins Paradieß krochen/ kan auch auff den Roͤmiſchen Stul kommen.
Phil. 3. 1. Joh. 4. ſonderlich Rom. 11. \& 16. da der Apoſtel die RoͤmiſchePhil 3, 2.
1. Ioh. 4, 1.
Rom. 11,
20. 21. 22.
c.
16, 17.

Kirche ſelbſt ſchrifftlich alſo anredet: Sey nicht ſtoltz/ ſondern
furchte dich/ hat Gott der natuͤrlichen Zweige nicht verſcho-
net/ daß Er vielleicht dein auch nicht verſchone; Schaue die
Guͤte und den Ernſt Gottes/ den Ernſt an denen die gefallen

A a a 2ſind/
[372]Die Dreiſſigſte (Andere)
ſind/ die Guͤte an dir/ ſo ferne du an der Gůte bleibeſt/ ſonſt
wirſtu auch abgehauen werden;
So kan demnach die Roͤmiſche
Apoc. 17, 5.Kirche abgehauen und verworffen werden/ als das Babylon Apoc. 17.
geſetzt aber/ es ſey die Kirch abſolutè, bloß/ ohnbedingter weiſe unabfaͤllig/ ſie
ſeye mit Goͤttlichem Schutz/ Schirm und Vorſorge alſo verſchantzet und
verwahret/ daß ſie durch keinen Fall geſtuͤrtzt werden/ fallen oder irren koͤnte/
ſo muſte der Apoſtel ihrer ſpotten; Gleich wie/ wann einer ſagen wolte zu
einem Hirten/ deſſen Schaf-Stall mit einer Mauer umbgeben und ver-
wahret/ huͤte dich/ daß dir kein Wolf ſchade! oder wann wahr/ was man
von Engelland ſchreibet/ daß man keinen Wolf darinnen ſpuͤren ſolte/ und
man zu ihnen ſagen wolte/ huͤtet euch fuͤr den Woͤlfen! das hieß der Leute
geſpottet.


3. Exemplis,Mit den Exempeln/ Fůrbildern und
1. Cor. 4,
10.
Lev. 26, 11.
2. Chron.
15, 2.
Pſ. 132, 13.
Ier. 7, 13.
Gen. 4, 26.
c. 6, 2.
c. 11, 31.
Ioſ. 24, 2.
Ezech. 20.
7. \& 8.
Exod. 32,
4.
1. Cor. 10,
7.
Iud. 2, 10.
1. Reg. 19,
10. 14.
Rom. 11, 3.
2. Chron.
21, 6.
c. 15, 3.
c. 28, 24.
2. Reg. 16,
16. Ier. 3, 6.
Ezech. 23,
4. 2. Reg.
16, 10. Eſa.
42, 19. c.
56.
10.
Muſtern; Die Synagog iſt uns zum Fuͤrbild und Warnung
fuͤrgeſtellt;
Es hat ja die Kirche im Alten Teſtament herrliche Ver-
heiſſung gthabt ihrer Vnbewegligkeit halben/ ſonderlich wegen des kuͤnff-
tigen Meſſiæ/ Levit. 26. 2. Chron. 15. Pſal. 132. Jerem. 7. Wie hat ſie
gehalten? anders nicht als ein loſer Bogen 1. die Kirche der Pa-
triarchen und Altvaͤter vor und nach der Sůndfluth/
wie
ſchaͤndlich hat ſie degenerirt/ und auff der Cainiten Seiten umbgeſchla-
gen? 2. Die Jſraelitiſche Kirche in Egypten/ Ezech. 20. von
denen ſagt der Herr:Jch dachte meinen Grimm uͤber ſie
außzuſchuͤtten noch in Egypten. 3. Jn der Wuͤſten
Exod. 32.
da Aaron das Haupt an Moſis ſtatt mit den Leviten/ wiewol ſie ſich her-
nach bekehret/ ſchwerlich geſuͤndiget und einen greulichen Fall gethan; Es
ſind noch etliche verborgen geweſen/ die ſtand gehalten/ aber gar wenig/
1. Cor. 10. 4. Jn dem Lande Canaan zu unterſchiedlichen mahlen/
wie dann der Prophetiſchen Klage kein Ort und kein Ende; ſonderlich
zur Zeit Eliæ/ da nicht allein die Staͤmme Jſrael/ ſondern auch der Stam̃
Juda abgefallen/ daruͤber die Propheten hefftig geklaget/ Juda hats offt
groͤber gemacht als ihre Schweſter/ Ahala Samaria, Ahaliba Jeruſalem/
und haben die geiſtlichen Prælaten eben ſo wol darzu geholffen/ der Hohe-
prieſter ſelbſt. 5. Nach der Babyloniſchen Gefaͤngnuͤß vor
Chriſti Geburt/ da ſie ſich geſpalten in allerhand Secten.


6. Von der Kirche Neues Teſtaments/ ſchreibt Euſebius:
v. Chriſteid. p. 90. Euſeb. ex Egeſippo l. 3, 26. apud Eufeb. l. 4, 7. confer
D. Hellbronn.
Vncath. Papſtumb art. 15. c. 12, p. 520.


Es ſey
[373]Predigt.

Es ſey dieſelbe biß auff die Zeiten des Kaͤyſers Trajani eine unverſehrte
reine Jungfrau geblieben/ nach dem aber der heilige Chor der Apoſtel
durch mancherley Weiſe und Marter ihr Ende genommen/ da hab
die falſche und verkehrte Zuſammenblaſung der gottloſen Jrrthumb
ihren Anfang gehabt. Joh. Gerſon, weiland Cantzler zu Pariß/ klagt
in einer vor dem Papſt am neuen Jahrstage gehaltenen Predigt/ ſtatum
Eccleſiæ factum eſſe totum quaſi brutalem \& monſtroſum,
der Kir-
chen-Stand ſey aller wild und abſcheulich worden/ mit Vermeldung der
Vrſach/ daß auſſer und uͤber die H. Schrifft ſo viel Menſchen-Satzungen
gemacht worden/ gleich ob die heilige Schrifft zum regiment der Kirchen
nicht gnugſam ſeye/ und daß die geiſtlichen mit der ehebrecheriſchen/ irr-
diſchen und teufeliſchen Huren/ das iſt/ mit der irrdiſchen Witz- oder Weiß-
heit Hurerey getrieben/ etliche auch ſo naͤrriſch und aberglaͤubiſch worden/
daß ſie gemeynet/ die Kirch koͤnne beſſer durch Menſchen-Satzungen als
durch das Goͤttliche Evangeliſche Geſatz regulirt werden. Was wuͤrde
der alte Gerſon zu dieſen Zeiten ſagen und klagen/ wann er hoͤren ſolte/ was
die Jeſuiter fuͤrgeben/ die Kirch hab nie keinen Augenblick geirret/ und koͤn-
ne nicht irren?


Jhre Feigen-Blaͤtter ſind/ darunter ſie ihre Greuel verbergen und
vermaͤnteln wollen Matth. 16. wann der Herr die Verheiſſung thut/Matth. 16,
18.

es ſollen die Höllen-Pforten die Kirche nicht uͤberwaͤltigen;
Aber das iſt zu verſtehen de toto Eccleſiæ \& Eccleſiâ inviſibili, von der
unſichtbaren Kirche der Außerwehlten/ welche Gott kennet und unter
dem ſichtbaren Hauffen biß aus Ende in ſeiner Gnade erhaͤlt Johan. 14.Ioh. 14, 16.
16, 12.

und 16. Jtem daß der HErr Chriſtus ſeinen Juͤngern einen an-
dern Troͤſter
verheiſſet/ nemlich den H. Geiſt/ den Geiſt der
Warheit/ der ſoll bey ihnen bleiben ewiglich und in alle War-
heit leiten;
Aber dieſes iſt zu verſtehen de μονῇ \& ductu conditionato
von einer bedingten Wohnung und Leitung/ ſo da geſchicht durch und nach
dem Goͤttlichen gepredigten Wort/ ſo fern man ſich an daſſelbe haltet.
Jtem es wird ja die Kirche als Gottes Hauß genennet/ die Grund-
feſt und Pfeiler der Warheit.
Antwort/ er redet unmittelbar von der1. Tim. 3, 15.
Epheſiniſchen Kirche/ welche langſt abgefallen/ die Warheit verlohren/ und
Woͤlfe eingelaſſen. Die Roͤmiſche iſt ſolcher Gefahr nicht befreyet. Zu dem
heiſſet ſie nicht anders ἑδραίωμα als eine Buͤcherſchafft/ darauff die mo-
nimenta
der Goͤttlichen Warheit deponirt und beygelegt: Nicht anders
ein Pfeiler/ als wann irgend ein Koͤniglich mandat an einer Pfaltz-
A a a 3Stube
[374]Die Dreiſſigſte (Andere)
Stube angeſchlagen hafftet und intimiret worden/ daraus noch lange
kein indeficibilitaͤt zu erweiſen.


Jſt alſo in der Summa die ſichtbarliche Chriſtliche Kirche
oder Gemeine Chriſti hie auff Erden ein zum Himmelreich
beruffenes/ widergebornes/ außerkohrnes/ von der offenbar-
lich-rohen und gottloſen Welt abgeſondertes/ doch Jrrthumb-
und Fall-faͤgiges Volck/ von Chriſto/ in Chriſto/ zu Chriſto
aus der Welt geſamlet. Heiliger Vater/ heilige uns in dei-
ner Warheit/ dann dein Wort
(und nicht Petri Stul) iſt die
Warheit;
dein Wort iſt das helle Liecht/ von welchem der gantze Leuch-
ter der Kirchen erleuchtet wird und glaͤntzet; Behuͤt uns HERR
fuͤr falſcher Lehr/ daß wir nicht Meiſter ſuchen mehr!
Erbarm
dich uͤber die armen Gefangenen in Babylon/ die umb ſo viel elender/ als
blind ſie ſind! Ach daß nur eine Spalte ſich oͤffnete/ daß eine Taube hinein
fliegen/ und den Brief der Goͤttlichen Warheit einbringen koͤnte! Aber
hie heiſſet es manum ad os! lege die Hand auffs Maul! das gruͤblen iſt
uns hierinne verboten/ und im Gegentheil das verwundern geboten/
daß wir mit dem Apoſtel Paulo fuͤr groſſer Verwunderung ſprechen:
Rom. 11, 33.
36.
ὦ βάϑος! O welch eine Tieffe Gottes! wie gar unbegreifflich
ſind ſeine Gerichte/ und unerforſchlich ſeine Wege! Von
ihm/ und durch ihn/ und in ihm ſind alle Ding:
Jhm ſey Ehre in Ewigkeit/

Amen.



Die
[375]Predigt.

Die Ein und Dreiſſigſte


Vber den dritten Articul/
Von der Kirch/


Die Dritte Predigt/


Von der unſichtbaren Kirchen.


GEliebte in Chriſto: Wann der himmliſche Seelen-
Braͤutigam/ der ewige Sohn Gottes/
Cant. 2.Cant. 2, 2.
ſeine geiſtliche Braut mit folgendem elogio und Lob-
Spruch zieret/ und ſagt: Wie eine Roſe unter den
Dornen/ ſo iſt meine Freundin unter den Töch-
tern/
ſo gibt Er zwar zu verſtehen Eccleſiæ præcellentiam,die
Herrligkeit der Kirchen;
ſie ſeye die Lili/ Roſe oder Lili-Blum/ dann
die wird eigentlich durch das Ebreiſche Wort ſchoſchanna oder
Suſanna verſtanden/ ſo den Namen hat von ſechs Blaͤttern/ wie dann
auch daher die Hauptſtatt in Perſien Suſan/ das iſt/ Lilienſtatt
genennet worden/ weil daſelbſt/ als Athenæus bezeuget/ viel Lilien gewach-Athenæus.
l.
12.

ſen; Eine ſolche Roſen-Lili/ oder Lili-Blum wachſet auff dem Felde daher/
iſt ſchoͤn von Geſtalt/ welche ſie von Gottempfangen; Die Lilien/ ſagt
Chriſtus Matth. 6. arbeiten/ ſpinnen und nehen nicht/ noch wer-Matth. 6,
28. 29.

den ſie ſo ſchoͤn gekleidet/ theils mit Himmel-blauen/ theils Gold-farben/
theils Silber-weiſſen/ theils Fleiſch-farben Roͤcklein/ alſo daß auch
Salomon in aller ſeiner Herrligkeit nicht alſo bekleidet/ als
derſelben eins;
Sie iſt lieblich von Geruch/ kraͤfftig und heilſam in der
Artzney: Alſo auch die heiligen Kinder Gottes/ die bluͤhen wie die Lilien/
ſchoͤn in Tugenden/ Gold-farb im Glauben/ blau im ſehnlichen Verlan-Syr. 40, 1[3].
gen nach dem blauen Himmels-Schloß/ da das πολίτευμα und rechte
Heimat; weiß im heiligen Leben; Fleiſch-farb in der Freundligkeit und
Barmhertzigkeit/ alles aus Gnaden οὐρανόθεν, von oben herab: Sie ſind
ein ſuͤſſer Geruch Chriſti im Gebet/ Bekaͤntnuͤß und wolriechendem
Chriſt-
[376]Die Ein und Dreiſſigſte (Dritte)
Chriſtlichem Wandel und gutem Namen/ kraͤfftig in Troſt und Wercken
der Liebe: Das ſind rechte Lilien und Suſannæ.


Es zeiget aber der Sohn Gottes zugleich an amicæ ſuæ Ec-
cleſiæ fata, paroxyſmos,
ſeiner geliebten Geſpons der Kirchen
Zufaͤlle und Anſtoß/ ſie ſeye gleich einer Roſen oder Lilien
unter den Dornen;
Jn wolauffgeraumten Gaͤrten/ da der Garten-
mann fleiſſig jaͤtet und außreutet/ findet man nicht leichtlich eine Lili unter
den Dornen/ kan aber in der Natur leichtlich einer Feld-Lilien ſolcher
Krantz begegnen; dieſelbe/ wann ſie der Wind anwehet/ ſo wird ſie von den
ſtachlichten Dornen geritzet und verletzet: Eben das iſt der Zuſtand der
Kirchen Gottes/ ſie wohnet unter den Dornen/ unter ſtachelichten/ un-
fruchtbaren/ unartigen/ zum Feuer verdammten/ hie falſcher Lehrer/ da-
Matt. 7, 16.von Chriſtus ſagt Matth. 7. Kan man auch Trauben leſen von
den Dornen/ oder Feigen von den Diſteln:
Dort der aͤrgerlichen
ſchnoͤden Welt/ da der beſte iſt wie ein Dornſtrauch/ und der
Mich. 7, 4.redlichſte als eine Heck/ Mich. 7. Die exempla ſind obhanden: Noah
unter der gottloſen erſten Welt/ Loth in Sodom/ David unter ſeinen Fein-
den/ Daniel zu Hof/ der zwar einmal in der Loͤwen-Grub geweſen/ aber
Ezech. 2, 6.immer unter den Loͤwen gelebet; Von Ezechiel c. 2. ſagt der Herr:
Es ſind widerſpenſtige und ſtachelichte Dornen Ezechiel bey
dir/ und du wohneſt unter den Scorpionen;
Suſanna im Gar-
ten mit den alten Schalcken umbgeben/ war wol eine Suſanna/ ſchoͤne
Lili unter den Dornen; Chriſtus das Haupt ſelbſt mit Dornen gekroͤnet/
mit Dornen geſtochen: Vnd alſo noch heutiges Tages/ wer ſein Gewiſſen
in acht nimmet/ der Warheit beyſtehet und gottſelig leben/ und wo es die
Redligkeit erfordert/ den Katzen die Schell anhencken will/ wie man im
Sprichwort redet/ der darff fuͤr die Dornen nicht ſorgen/ er muß immer
die Hand im Haar haben/ der Teufel goͤnnet ihm keine gute Stunde; Lu-
Luth. tom.
4. germ.
fol.
117.
therus ſchreibet: Loth und Abraham haben gewohnet zwiſchen Dornen/
Ottern und Scorpionen/ wie dann alle Chriſten und Kinder Gottes/ da
wird nichts anders aus/ es muß alſo gehen/ wie im Hohenlied Salomo-
nis ſtehet: Wie eine Roſe unter den Dornen/ ſo iſt meine Freun-
din unter den Toͤchtern.


Sonderlich aber ſo ſihet der Sohn Gottes auch auff die ἀορασίαν
und Vnſichtbarkeit; Wie eine Lili manchmal unter den Dornen ver-
wachſet/ daß man ſie kaum ſehen kan/ ja ſie wird manchmal biß auff die
Wurtzel
[377]Predigt.
Wurtzel abgeſchnitten und abgeritzt/ dannoch ſo ſchlaͤget ſie doch wider aus
und gruͤnet herfuͤr: Alſo die Chriſtliche Kirche/ wann ſie offt gantz ſchei-
net untergedruckt ſeyn/ ſo kommet ſie wider herfuͤr; ſie waͤchſet und bluͤhet
viel ſchoͤner vnter den Creutz-Dornen/ als in euſſerlicher Gluͤckſeligkeit/
creſcit ſub pondere palma, ie mehr ſie untergedruckt wird/ ie mehr waͤch-
ſet ſie herfuͤr wie ein edler Palmbaum.


Nun/ meine Liebſten/ von dieſem Zuſtand der Kirchen haben wir
dißmal zu reden/ nemlich de Eccleſia in viſibili credentium,von
der unſichtbaren Kirchen der Glaubigen/
welche freylich unter
dem groſſen ſichtbaren Hauffen unſichtbar/ verborgen/ ungenant und un-
bekant fuͤr der Welt/ mitten unter Dornen geritzet und gequaͤlet. Jſt der
ander Außſchutz! welche in der andern Muſterung uͤberbleibt/ das un-
ſichtbare Himmelreich Chriſti; die ſchöne Sarons-Blum
und wolriechende Lilien im Thal;
Von welcher wir dieſes mal in
der Furcht des Herren etwas weiters handlen wollen; Gott wolle
ſeine Gnade und Gedeyen darzu geben durch ſeinen Heiligen Geiſt umb
Jeſu Chriſti willen/ Amen.


SO ſprechen und bekennen wir abermal mit den Apoſtoliſchen Ni-
ceniſchen Glaubens-Bekennern eine unſichtbare/ un-
ſcheinbare/ verborgene Kirche und Gemeine Chri-
ſti/
welche ſie klar bekennen in dem Wort Credo,Jch glaube eine
Kirche:
Nun ſagt St. Paulus Hebr. 11. der Glaube ſey der jenigenHebr. 11, 1.
Dinge/ die man nicht ſihet; daraus nothwendig folget/ daß gleich wie das
euſſerliche Auge ſihet auff den euſſerlichen in die Augen ſcheinenden Hauf-
fen/ alſo das glaubige Lux-Auge weiter penetrire und ſehe/ was in dieſem
Hauffen unſichtbar iſt/ eine Kirche oder Verſamlung der War-
hafftig-Glaubigen/
und demnach ſpreche ich mit erſtgemeldten Apo-
ſtoliſchen Bekennern/ ich ſehe mit Glaubens-Augen/ und bin deſſen gewiß/
daß unter dieſem groſſen hauffen etliche verborgẽ ſind/ deren Glaub geheim
und nicht offenbar. Jch glaube eine unſichtbare Kirche 1. κατα τι,
in gewiſſer Maſſe/ nicht abſolutè bloß und ſchlechter Dinge; dann
fuͤr Gottes Augen iſt die dunckele Gemeine hell und klar gnug/ ſie iſt frey-
lich offenbar/ ein luſtiges theatrum und Schauſpiel Gottes/ GOTT
kennet die ſeinen/
Johan. 10. So iſt ſie auch in eines ieden HertzenIoh. 10,, 4.
2. Tim. 2,
19.
1. Cor.
2, 11

bekant/ der Geiſt des Menſchen/ der in ihm iſt/ der weiß/
Sechſter Theil. B b bein
[378]Die Ein und Dreiſſigſte (Dritte)
ein ieglicher weiß ſeinen Glauben bey ſich ſelbſt am beſten und gewiſſeſten/
ſagt Auguſtinus, und iſt dazu verſichert/ daß er ein Glied ſey an dem geiſt-
lichen Leibe Chriſti/ ein ſafftige Reb an dem edlen Weinſtock. Sonſten
iſt ſie auch dem naͤchſten auſſer ihm ſichtbar in guten Wercken und
Vbungen des Glaubens/ aber nur conjecturaliter \& probabiliter, muth-
maſſentlich aus dem Vrtheil der Liebe/ die zwar nicht argwohnet/ aber
durch die Heucheley kan verfuͤhret und betrogen werden. Vnter deß iſt
ſie der Welt unbekant/ verachtet und ungeachtet/ als welche weder auff
artige und grundgute Werck noch auff den rechten Glauben ſihet/ ſondern
an der euſſerlichen Larv und ſcheinbaren Glaſt der ungebottenen ſelbſt-
erwehlten Heiligkeit ſich vergaffet.


Vnſichtbarlich iſt ſie 2. formaliter,in ihrer eigentlichen
Schoͤnheit;
dann gleich wie Chriſtus von allen denen geſehen worden
mit fleiſchlichen Augen/ die umb ihn gewohnet und geweſen/ aber daß er der
Meſſias ſey/ das haben allein die Lux-Augen geſehen/ Maria/ Joſeph/ die
Weiſen/ der bekehrte Schaͤcher. 3. Gradualiter,in unterſchied-
lichem Stand und Grad/
gleich wie man den Mond bißweilen gantz
nicht ſihet/ bißweilen nur etliche Zoll und Grad: Alſo kommets mit der
Kirche manchmal dahin/ daß man ſie gantz nicht kennet/ wer und wo ſie
ſeye/ als zur Zeit Eliæ/ damal als auch die Propheten des Herren umb-
1. Reg. 19,
14.
kommen/ die Obadias zuvor verforgete/ 1. Reg. 19. bißweilen laͤſſet ſie ſich
blicken unter den Wolcken/ und ſihet herfuͤr in den Bekaͤntnuͤſſen/ Zeug-
nuͤſſen der Warheit/ martyriis, iſt aber nicht anders als ein Blick vom voll-
kommenen Glantz. 4. Indefinitè,was Zeit und Ort anlangt/
das iſt immer gewiß und wahr/ es muß eine wahre Kirch Chriſti ſeyn in
der Welt biß ans Ende/ wegen der Verheiſſungen/ auff welche Verheiſſun-
gen der Glaube ſihet/ es gehe wie es wolle/ ſo muß die Statt Gottes auff
ihrem Felſen unbeweglich ſtehen bleiben: Aber das τόδέ τι, νυν῀ und ποῦ,
was/ wann und wo ſie ſey/ ie und allezeit ſich auffhalte? das τὶς? wer
eigentlich zu derſelben gehoͤre/ iſt unbekant: ὅτι und τι bekant/ das und
was?
bey welchen zween Vmbſtaͤnden wir auch ietzt bleiben.


Belangende I.das ὅτι, daß warhafftig ein ſolch unſicht-
bar Himmelreich auff Erden/ ſolcher heiliger Außſchutz unter
dem groſſen Hauffen/ der ſich zum Chriſtlichen Glauben und
Namen bekennet/ ſeye/
erhaͤllet I. è clarà ſcripturæ literâ,aus
Pſ. 83, 4.dem klaren Buchſtaben der Heiligen Schrifft; Pſal. 83. Die
Feinde
[379]Predigt.
Feinde machen liſtige Anſchläge wider dein Volck/ und rath-
ſchlagen wider deine Verborgene/
daruͤber D. Luther am Rande
alſo gloſſirt: Dieſe ſind die im Glauben der Welt verborgen leben/ daßRom. 2, 28.
man ſie fuͤr Ketzer haͤlt. Rom. 2. Das iſt nicht ein Jude/ der auß-
wendig ein Jude iſt/ auch iſt das nicht eine Beſchneidung/ ſo
außwendig im Fleiſche geſchicht/ ſondern das iſt ein Jude/
der inwendig verborgen iſt/ und die Beſchneidung des Her-
tzens iſt eine Beſchneidung/ die im Geiſt und nicht im Buch-
ſtaben geſchicht; Der feſte Grund Gottes beſtehet/ und hat
2. Tim. 2,
19.
1. Pet.
3, 3.

dieſes Siegel/ der HERR kennet die ſeinen. Der Weiber
Schmuck iſt nich außwendig mit Haar-flechten/ Gold-umb-
hengen/ Kleider-anlegen/ ſondern der verborgene Menſch
des Hertzens unverruͤcket mit ſanfftem und ſtillem Geiſt/ das
iſt koͤſtlich.


II. Ex conciliationis neceſſitate,Aus der nothwen-
digen Vbereinſtimmung und Vereinigung zweyer
(wie ſie
ſcheinen) widerwertigen Spruͤche und Reden; die Schrifft ſaget
beydes: Die Kirche ſey unuͤberwindlich/ ſie ſey gegruͤndet auffMatth. 16,
18.

einen Felſen; Der Geiſt des HERREN/ der in Zion iſt/
und das Wort/ das er in ſeinen Mund geleget/ ſollen nicht
weichen von Kind und Kindes-Kindern von nun an biß in
Ewigkeit/ ſpricht der HERR/
Eſa. 59. Es ſey unmoͤglich/Eſa. 59, 21.
Matth.
24.
24.

daß die Außerwehlten verfuͤhret werden/ Matth. 24. Chriſtus
wolle bey ſeiner Kirche
unaußſprechlich ſeyn biß ans Ende der
Welt/
Matth. 28. Vnd iſt doch widerumb wahr/ und droben erwieſen/c. 28, v. ult.
daß die Kirche koͤnne uͤberwunden werden/ durch Ergernuͤß/
Woͤlfe/ dafuͤr Chriſtus und Paulus treulich warnet; Gott draͤuetAmos. 8, 11.
Apoc.
2, 5.

einen Hunger nicht nach Brod/ ſondern nach dem Wort Gottes; Er
draͤuet dem Engel der Gemeine zu Epheſo/ er werde den Leuchter von ſeiner
ſtaͤtte wegſtoſſen. Die experientz iſt obhanden/ und hat die Roͤmiſche
Kirche kein Brieflein/ daß ihr nicht auch dergleichen Enderung hab be-
gegnen koͤnnen: Sollen nun die λογία ϑεοῦ Gottes Wort nicht wider
einander rennen/ ſo kan man der Sache nicht beſſer helffen als per di-
ſtinctionem Eccleſiæ viſibilis \& inviſibilis,
wann man einen
B b b 2Vnter-
[380]Die Ein und Dreiſſigſte (Dritte)
Vnterſcheid machet unter deꝛſichtbaren und unſichtbaren Kirche/
und ſaget/ jene vorige elogia ſeyen von der unſichtbaren/ dieſe fata und
Mich. 4, 8.
() vide D.
Luth. ad
Micheam
fol. 490.
tom. \&
Witteb.
1. Cor. 1, 2.
ſeqq.
Gefahren von der ſichtbaren Kirchen zu verſtehen. Das geiſtliche Zion die
Chriſtliche Kirche iſt der finſtere und dunckele Thurn () Eder. Wider-
umb fuͤhret die Kirche treffliche elogia in der Schrifft; Sie wird ge-
nennet ein Schatz/ eine Krone/ eine Braut: Zum Exempel die
Kirche zu Corintho 1. Cor. 1. und waren doch da Staͤncker/ Blutſchaͤn-
der und Schwaͤrmer/ darumb muß ein Vnterſcheid ſeyn unter der ſichtba-
ren und unſichtbaren Kirche/ unter dem Außſchutz des Heers und unter
dem geſampten Hauffen oder Heer ſelbſt; Jene die unſichtbare iſt die jeni-
ge Kirche/ welcher einig und allein dieſe Titul gebuͤhren und mit Warheit
zukommen. Jtem es iſt beydes der Glaubens-regul gemaͤß Extra
Eccleſiam non eſſe ſalutem \& eſſe extra,
auſſer der Kirche ſeye
keine Seligkeit zu hoffen/ und auſſer der Kirche koͤñe man ſelig
werden;
nemlich auſſerhalb der unſichtbaren Kirche iſt keine Seligkeit
zu hoffen/ wie auch ihr Haupt unſichtbar iſt: Aber auſſerhalb der ſichtbaren
Kirchen kan man freylich ſelig werden/ wie wolte ſonſt Jonas in Ninive/
ein gefangener in der Tuͤrckey/ ein Kind/ ſo von Kaͤtzern getaufft/ einer der
unrechtmaͤſſiger weiſe in Bann gethan/ beſtehen? das ſolte dieſen allen
uͤbel geſagt ſeyn.


III. Ex hiſtoriâ ſeculorum,Aus der Hiſtori die ſich
1. Reg. 19.
10. 18.
zu unterſchiedlichen Zeiten begeben/ zur Zeit Eliæ/ da ſagt der
Mund Gottes ſelkſt/ er hab ihm etliche uͤberlaſſen/ die die Knie nicht gebeu-
get fuͤr dem Baal/ welche der ſonſt fuͤrſichtige Prophet Elias ſelbſt nicht
gekennet/ und ihm eingebildet/ er ſey allein von den Rechtglaubigen uͤber-
Rom. 11, 4.geblieben/ Rom. 11. Zur Zeit des Leidens Chriſti/ ich meyne/ da iſt die
Kirche genau zuſammen gangen/ Chriſtus war offt umbgeben mit groſſen
Hauffen/ die ſeine Predigt gehoͤret und ihn gedraͤnget bey vielen tauſenden;
Aber da es zum examine kam/ riſſen ſie alle aus/ etliche wenig Weiber hiel-
ten ſtand/ die Apoſtel waren damal beſchloſſen und verborgen zur Zeit der
Verfolgungen/ da die kleine Herd in die Crypten gebrochen; und fruͤh fuͤr
Tage Zuſam̃enkunfft gehalten; Was war die Kirche vor Luthero/ da Jrr-
thumb in der Lehr/ Aberglauben in Ceremonien/ Abgoͤtterey in Gottes-
v. 5.dienſt/ Tyranney im Kirchen Regiment uͤberhand genom̃en/ da waren wol
nur uͤbrig verbliebẽ und verborgen die uͤberbliebene nach der Wahl/ die Erſt-
Dan. 11, 41.linge der Kinder Ammon/ Moab und Edom; Ob wol Lutheri Name da-
Fides QVAE creditur corrupta, ſed fides QVAE credit ſerenior fuit.
mal
[381]Predigt.
mal ſo unbekant geweſt/ als unbekant der Name des ietzigen Papſts und
Ignatii Lojolæ, ſo iſt doch die Lehr im fundament geblieben/ viel ha-
ben getruncken auch aus dem truͤben Bruͤnnlein Jſraelis; die es
lieber anders geſehen und geſenffzet uͤber die Greuel/ geſeuffzet/ ſag ich/ ſieEzech. 9, 4.
durfften aber nicht laut ſchreyen/ haben offt gute Wort geben muͤſſen dem
Koͤnig Achis wie David/ dem Koͤnig Ahaſveros wie Eſther/ dem Holo-
fernes,
wie die fromme kluge Judith/ aber darumb von Gott nicht ab-
gefallen/ ſondern den Glauben in der ſtille und Gedult bewahret/ wiewol
Gott allezeit Heroes und teſtes veritatis, großmuͤthige Helden und Zeu-
gen der Warheit im weltlichen und Kirchen-Stand erwecket: Was
gebe das widerchriſtiſche Papſtumb darumb/ daß dergleichen Zeugen nie-
mal waͤren an Tag kommen?


Wo die Kirch Chriſti geweſt vor Luthero/ iſt die gemeine Sage und
Frage im () Papſtumb? Antwort: Wo dem Herren Chriſto Kin-() v. Corn.
à lap. ad
Rom. 11. p.
149.
Matth. 24,
28.
Pſ. 53, 7.
* de quib
vidend. D.
Gerhard. l.
1. Confeſſ.
Cath. in e-
piſt. dedic.
Boxhorn.
in hiſtor.
Vniv. pag.
708. \& ſeq.
** apud
Card. Ho-
ſium in
confeſſ.
fidei Petri-
coll. c.
73.

der in der Heiligen Tauffe gezeuget und geboren worden/ deren Glaube
freylich unſichtbar und unmerckſam geweſen. Wo das Aaß geweſt/ da
haben ſich geſamlet die Adler/ wo Gottes Wort und in demſelben die geiſt-
liche Seelen-Speiſe Chriſtus fuͤrgetragen worden/ wie ſonderlich von den
elenden * Waldenſern geſchehen/ die geruffen aus dem 53. Pſ. Ach daß
die Huͤlffe aus Zion uͤber Jſrael kaͤm/ und GOTT ſein ge-
fangen Volck erloͤſete.
Wo man das fundament des Glaubens feſt
gehalten/ und ob ſchon etliche auff dieſelbe Grundfeſte bißweilen Stoplen/
Heu und Stroh gebauen/ doch im letzten Ende durch das Feuer der An-
fechtung/ da ſie den Stich nicht gehalten/ verbrennen/ ſchwinden und fah-
ren laſſen/ wie hievon die alten monumenta fuͤrhanden/ Hortulus animæ,
exhortatio Anshelmi Cantuar.
an ſeinen Bruder/ da er in den letzten Zuͤ-
gen gelegen/ ** Sacerdotale Romanum. Sonderlich wird erzehlet von
einem Erneſto Ertzbiſchoff zu Magdeburg/ da ihne in den letzten Noͤthen
ein Franciſcaner Minorit troͤſten wollen und geſagt: Gnaͤdiger Fuͤrſt
und Herr/ ſeyt getroſt/ ich und meine Conventualen und Bruͤder wollen
E. Fuͤrſtl. Gnaden alle unſere gute Werck und uͤbernuͤtzliche merita zu gute
mittheilen: Nein/ ſagt er/ ich begehr eurer guten Werck nirgend zu/ meines
Herren Chriſti Werck muͤſſens allein thun/ darauff verlaß ich mich!
Gottes Wort war zwar damahl theuer/ doch war noch Gottes Wort fuͤr-
handen/ Fides qvæ creditnr,Die Lehr des Glaubens wurde() vide D.
Höpfner.
in Saxon.
Evang. c.
13. p. 512.
\& ſeqq.

in dem Apoſtoliſchen und () andernSymbolis erhalten/ wiewol
ſchaͤndlich verfaͤlſcht/ das Sacrament des Abendmahls wurde geſtim̃let/
B b b 3die
[382]Die Ein und Dreiſſigſte (Erſte)
die Heilige Tauffe mit allerhand Ceremonien beſchmiert/ doch muſte die
Heilige Tauffe unverſehret bleiben/ aus welchen Quellen Fides qvæ
credit,
der glaubende Glaube in einfaͤltigen Hertzen hat koͤnnen er-
weckt und ermehret werden.


Tom. 4.
Ien. p.
320.

Lutheri Wort und Gedancken gehoͤren hieher: Wir bekennen/ daß
unter dem Papſtumb viel Chriſtliches gutes/ ja alles Chriſtlich-gut ſey/
und auch daſelbſt herkommen ſey an uns/ nemlich/ wir bekennen/ daß im
Papſtumb die rechte Heilige Schrifft ſey/ rechte Tauffe/ recht Sacrament
des Altars/ rechte Schluͤſſel zur Vergebung der Suͤnde/ recht Predig-
Ampt/ rechter Catechiſmus/ als Zehen Gebott/ die Articul des Glaubens/
das Vater unſer. Jtem/ ich ſage/ daß unter dem Papſt die rechte Chri-
ſtenheit iſt/ ja der rechte Außbund der Chriſtenheit/ und viel frommer groſ-
2. Theſſ. 2,
4.
ſer Heiligen. Hoͤre du ſelber/ was St. Paulus ſagt: Der Endechriſt
wird im Tempel Gottes ſeyn.
Jſt nun der Papſt (wie ich nicht
anders glaube) der Endechriſt/ ſo ſoll er nicht ſitzen oder regieren in des
Teufels Stall/ ſondern in Gottes Tempel. Nein/ er wird nicht ſitzen/ da
eitel Teufel und Vnglaubigen/ oder da kein Chriſtus oder Chriſtenheit iſt/
dann er ſoll ein Wider-Chriſt ſeyn/ darumb muß er unter den Chriſten
ſeyn. Vnd weil er daſelbſt ſitzen und regieren ſoll/ ſo muß er Chriſten
unter ſich haben. Es heiſſet ja Gottes Tempel nicht Steinhauffen/ ſon-
dern die heilige Chriſtenheit/ darinn er regieren ſoll. Jſt dann nun unter
dem Papſt die Chriſtenheit/ ſo muß ſie warlich Chriſtus Leib und Glied
ſeyn/ iſt ſie ſein Leib/ ſo hat ſie rechten Geiſt/ Evangelium/ Glauben/ Tauffe/
Sacrament/ Schluͤſſel/ Predig-Ampt/ Gebet/ Heilige Schrifft/ und alles/
was die Chriſtenheit haben ſoll.


Wir ſchwaͤrmen nicht alſo/ wie die Rottengeiſter/ daß wir alles ver-
werffen/ was der Papſt unter ſich hat/ dann ſo wuͤrden wir auch die Chri-
ſtenheit/ den Tempel Gottes verwerffen/ mit allem/ das ſie von Chriſto hat/
ſondern das fechten wir an/ und verwerffen/ daß der Papſt nicht bleiben
laſſen will bey ſolchen Guͤtern der Chriſtenheit/ die er von den Apoſteln ge-
erbet hat/ ſondern thut ſeinen Teufels-Zuſatz dabey und druͤber/ und brau-
chet ſolcher Guͤter nicht zur Beſſerung des Tempels Gottes/ ſondern zur
Verſtoͤrung/ daß man ſeine Gebott und Ordnung hoͤher haͤlt/ dann Chri-
ſtus Ordnung; wiewol in ſolcher Zerſtoͤrung Chriſtus dannoch ſeine
Gen, 19, 9.
ſeqq.
Chriſtenheit erhaͤlt/ gleich wie er Loth zu Sodom erhielt. Daß alſo beydes
bleibe/ der Endechriſt ſitze im Tempel Gottes durchs Teufels Wuͤrckung/
und doch gleichwol/ der Tempel Gottes ſeye und bleibe Gottes Tempel
durch Chriſtus Erhaltung.


Rurſus
[383]Predigt.

Rurſus ſcripto von der Winckelmeſſe und Pfaffenweihe/ quod edidit
anno M D XXXIII.
Gott hat mit Macht und Wunder erhalten/Tom. 6.
Ien. p.
92.

das dannoch unter dem Papſt blieben iſt/ erſtlich die Heilige Tauffe.
Darnach auff der Cantzel der Text des Heiligen Evangelii in eines ieg-
lichen Landes Sprache. Zum dritten/ die Heilige Vergebung der Suͤn-
den und abſolution, beyde in der Beicht und oͤffentlich. Zum vierten/
das Heilige Sacrament des Altars/ daß man zu Oſtern und ſonſt im
Jahr den Chriſten gereichet hat/ wiewol ſie geraubet haben die eine Geſtalt.
Zum fuͤnfften/ das Beruffen oder ordiniren zum Pfarr-Ampt/ Predig-
Ampt oder Seelſorge/ die Suͤnde zu binden und zu loͤſen/ und im Sterben/
und auch ſonſt zu troͤſten/ dann bey vielen der Brauch iſt blieben/ daß man
den Sterbenden das Crucifix fuͤrgehalten/ und ſie erinnert des Leidens
Chriſti/ darauff ſie ſich laſſen ſolten ꝛc. Zuletzt auch das Gebet/ als Pſal-
ter/ Vater unſer/ der Glaube und Zehen Gebott/ item viel guter Lieder und
Geſaͤnge/ beyde Lateiniſch und Teutſch; Wo nun ſolche Stuͤcke noch blie-
ben ſind/ da iſt gewißlich die Kirche und etliche Heiligen blieben/ dann es
ſind alles die Ordnungen und Fruͤchte Chriſti/ außgenommen der Raub
der einigen Geſtalt/ darumb iſt hie gewißlich Chriſtus bey den ſeinen ge-
weſt/ mit ſeinem Heiligen Geiſt/ und in ihnen den Chriſtlichen Glauben
erhalten.


Wiewol es alles ſchwaͤchlich zugangen/ gleich wie zur Zeit Elias/ da
ſieben tauſend ſo ſchwaͤchlich erhalten worden/ daß Elias ſelbſt meynet/1. Reg. 19,
14. ſeqq.

er waͤre allein ein Chriſt. Dann ſo gewaltig als Chriſtus hat muͤſſen
erhalten die Tauffe/ wider ſo viel Exempel der Wercke und Secten/ und
den Text des Evangelii und die andern obgenanten Stuͤcke/ wider ſo
mancherley Neben-Lehre/ von Heiligen/ von Ablaß ꝛc. Alſo gewaltig hat
er muͤſſen erhalten die Hertzen/ daß ſie ihre Tauffe/ Evangelium ꝛc. nicht
verlohren noch vergeſſen haben/ bey ſo vielem aͤrgerlichem Weſen/ hat auch
gar ſtarck muͤſſen vergeben und durch die Finger ſehen/ wo ſeine Chriſten
zuweilen gefallen und betrogen worden ſind/ wie er St. Petro und den
Apoſtel hat muͤſſen vergeben ihr Verleugnen. Sonderlich aber hat er
muͤſſen ſeiner armen Kirchen zu gut halten/ daß ſie ohne ihren Willen hat
entberen muͤſſen/ als mit Gewalt ihr geraubet/ die eine Geſtalt des Sacra-
ments/ und wañ ſie gleich ihr gantzes Leben waͤren verfuͤhrt geweſt/ ſo hat er
ſie doch am Ende heraus geriſſen/ wie aus einem Feuer. Bißher Lutherus.


Welches aber allein zu verſtehen von den lieben Majoribus, die vor
Luthero in der unuͤberwindlichen Finſternuͤß getappet/ und ob ſie wol auf
das fundament heilloſe Stoplen/ Stroh und Heu gebauet/ doch durch das
Feuer
[384]Die Ein und Dreiſſigſte (Dritte)
Feuer der Anfechtung dieſelbe laſſen verzehren. Eine andere Meynung
hat es mit denen die/ bey ſo hellem angebrochenem Liecht des Evangelii
mit muthwilliger und uͤberwindlicher Vnwiſſenheit behafftet/ welche/ nach
dem ſie die himliſche Stimm aus dem Roͤmiſchen Babylon heiſſen auß-
gehen/ doch ſich widerumb durch leichtfertigen Abfall in dieſelbe Gefaͤng-
nuͤß begeben/ Chriſtianiſmum in Marianiſmum verkehret/ und in den
Paͤpſtiſchen als Paͤpſtiſchen Grund-Jrrthumb verharret/ im Paͤbſtiſchen
als Paͤpſtiſchen blinden Zweifels-Glauben abgeſtorben. Wer nicht
Ioh. 3, 18.glaubet/ der iſt ſchon gerichtet/ wer nicht recht glaubet/ der glaubet
2. Theſſ. 2,
12.
nicht: Es ſind gerichtet/ ſpricht St. Paulus 2. Theſſal. 2. alle die der
Warheit nit glaubẽ/ ſondern habẽ Luſt an der Vngerechtigkeit.


Ja moͤchte iemand ſagen/ wanns zun letzten Noͤthen kommt/ will
ich alle Stoplen und Stroh der Menſchen-Satzung ablegen/ und allein
auff Chriſti Verdienſt abtrucken/ ſo wird mirs nicht fehlen. Antwort/ das
heiſſet auff Gnade ſuͤndigen: iſt ein mißliches wagen: Du biſt nicht ge-
wiß/ daß dir die Gnade dergleichen zu gedencken widerfahren werde/ daß
du nicht ubereilet werdeſt/ daß dir der Roͤmiſche Beicht-Vater ſolchen Lu-
theriſchen Tod goͤnnen werde/ er wir dir ſeinen Maͤuſe-Pfeffer mit ein-
miſchen/ Weyh-Waſſer/ Roſen-Krantz/ letzte Oelung/ Creutz anbeten zu-
muthen und beybringen. Es wird nicht iederman ſo gut/ daß er auff gut
() vide D.
Reinking.
l.
1. Bibli-
ſcher Poli-
cey axiom.
54. p. 113. \&
ſeqq.
Lutheriſch wird ſterben koͤnnen/ wie () etliche davon halten/ daß in ſolchem
Glauben/ der ſich allein auff Chriſti Blut/ Tod/ Verdienſt und Buſſe
verlaſſen/ ihr Leben geendet haben ſollen/ Kaͤyſer Carolus V. Kaͤyſer
Maximilianus II. Koͤnig Philippus in Hiſpanien/ und andere. Zu dem
ſo iſts bey weitem nicht gnug mit dem Munde ſagen: Jch verlaſſe mich
gaͤntzlich auff Chriſti Verdienſt/ unter deſſen die Quellen des Heils/ aus
welchen ſolcher Glaube und Troſt flieſſet/ verſtopffen/ leugnen/ zum Exem-
pel daß der Sohn Gottes warhafftig geſtorben/ das Er nach ſeiner Goͤtt-
lichen Natur unſer Mitler ſey/ ꝛc. Nun wir wollen niemand verdammen/
Actor. 1, 2.Fidem qvæ credit,den glaubenden Glauben koͤnnen wir in
keines Menſchen Hertzen ſchauen. Niemand haͤtte gedacht/ daß der buß-
fertige Schaͤcher am Creutz waͤre ins Paradiß kommen/ wann ihm der
Herr Chriſtus nicht ſelbſt abſolvirt und zugeſagt. Aus dem Canone
caritatis
wollen wir lieber beſſers als aͤrgers hoffen/ bevorab diewiel auch
Act. 1, 27.Petrus den Verraͤther Judam nicht verdammet/ ſondern nur geſagt: Er
iſt gangen
εἰς ἰδιον τ [...]πον, wir ſind nicht geſand die Toden zu verurthei-
len/ ſondern den Lebendigen das Evangelium zu predigen.


IV. Ex
[385]Predigt.

IV. Ex futuro Antichriſti ſtatu,Aus dem geweiſſage-
tem zukuͤnftigem Zuſtande des Antichriſts;
der wird ja das juge
ſacrificium,
das ſtete und taͤgliche Opffer auffheben/ der offentliche Gottes
dienſt wird fallen/ die Kirche wird Fluͤgel bekom̃en/ die großmuͤthige Mon-
tretterin mit der Sonnen bekleidet/ mit Sternen gekroͤnet/ wird wie ein
Adler/ deſſen Weg unbekant/ Prov. 30. in die Wuͤſten fliegen. Jſt alſo rich-Prov. 30,
19.

tig τὸ ὅτι, daß eine unſichtbare Kirche ſey.


Folget nun das Was? Was heiſſet aber die unſichtbare
Kirche? Was iſt ihre Art und Eigenſchafft?
Antwort: Sie
iſt der Außſchutz von der ſichtbaren/ ſo falſchen ſo reinen Kir-
chen; Sie iſt
Eccleſia fidelium,die Kirche oder Gemeine
der Glaubigen/
die da warhafftig glauben/ und ſolchen Glauben mit
guten Wercken ohne Gleißnerey beweiſen/ deſſen einem ieden ſein eigener
Geiſt und Gottes Geiſt Zeugnuͤß gibet/ wiewol man das τ [...]δέ τι unfelbar
nicht allezeit zeigen kan. Dieſe iſtEccleſia veriſſima,die aller-
warhafftigſte Kirche; Jhr/
ſagt der Herr:ſeyt warhafftigIoh 8, 31.
meine Juͤnger/ ſo und ſo lange ihr bleiben werdet in meiner
Rede; Sie iſt
verè una,die warhafftig-einige Kirch in Chriſto
ihrem Haupt/ in dem lebendigem Geiſt des Glaubens und dem Band der
ohngefaͤrbten und unheuchleriſchen Liebe/ als unſichtbar und unmerckſam
das Haupt ſelbſt iſt. Sie iſtverè catholica,die warhafftig-
allgemeine Kirche/
welche Gott ohne Heucheley/ lauter und rein an-
hanget in allen Orten und Enden der Welt.


Sie iſtverè-Apoſtolica,die warhafftig-Apoſtoliſche
Kirche/
in der Lehr und im Leben/ verè-ſancta,die warhafftig-hei-
lige Kirche
nach dem innerlichen Schmuck/ Pſal. 45. durch die zuge-Pſal. 45, 14.
rechnete Gerechtigkeit Chriſti und Heiligkeit; da ſind keine ſimulacra vir-
tutum,
keine Schein-Bilder/ bloſſe Schein-Heiligen/ Comœdianten-
ten-Wercke/ wie einer in der Comœdi einen Engel agiret/ und wann er den
Habit außziehet/ iſt er offtmal ein Teufel; ein ſolcher Schein-Heiliger
ſucht Ehr und Ruhm bey Leuten zu erlangen und ſich zu inſinuiren/ πρὸς
τὸ ϑεαϑῆναι zur Schau/ wie jener Monch/ der im Kloſter ſich abgemartert
und auß gefaſtet/ aber in der Einoͤde mit Verdruß mit dergleichen Vbun-
gen umbgangen/ Vrſach/ es war niemand da/ von dem ſie waͤren geſehen
und gefeyret worden: da im Gegentheil bey einem rechten Kern-Chriſten
Sechſter Theil. C c cvor
[386]Die Ein und Dreiſſigſte (Dritte)
vor Gottes und der Heiligen Engel Augen erſcheinen/ als viva opera, le-
bendige Werck in Gott gethan/ ſo von Hertzen gehen. Sie iſtin de-
ficibilis,
kan nicht abfallenquoad τὸ συν´ολον, nemlich alſo gar/
daß ſie gar nicht mehr ſeye;
Die gantze ſichtbare Kirche kan abfal-
len und baufaͤllig werden: ein iedwedes Gliedmaß derſelben kan verruckt
und in Haupt-Jrrthuͤmber verleitet werden. Daß aber ſolte allerdings
keine Kirche in der Welt ſeyn/ das leiden die Goͤttlichen eyd-feſte Verheiſ-
ſungen nicht/ ſie ſey wo und wie ſie woll: So wenig ein Koͤnig ohne Koͤnig-
reich/ das Haupt ohne Gliedmaſſen: So wenig kan Chriſtus ſeyn ohne
ſeine Gemeine; Es ſind neceſſaria correlata, ſie muͤſſen nothwendig bey-
ſammen ſeyn/ und koͤnnen nicht getrennet werden.


Hie iſt abermal/ meine Liebſten/ lumen,Liecht und Lehre: Hie
iſt
elenchus,Straffe/ hie iſtmonitumund Vermahnung/
hie iſt
ſolamenund kräfftiger Troſt!I. Lumen;Ein helles
Liecht
iſt uns angezuͤndet/ zu ſehen eins Theils auf das gegenwaͤrtige/
daß nicht alles Gold ſeye/ was glaͤntzet; anders Theils zu glauben das
verborgene/ mit dem Glaubens-Auge zu ſchen die Kirche/ welche das leib-
() vide D.
Luther. ad
Hagg.
tom. 8.
Witteb.
fol.
560.
liche Auge nicht ſehen kan; auch bedencken das vergangene/ wie wunder-
ſeltzam/ wie kraͤfftig/ ohne und wider natuͤrliche Ordnung und menſchliche
Anſchlaͤge unter ſo grauſamen und erſchroͤcklichen wuͤten des Satans
Gott der Herr ihm allezeit ein glaͤubiges/ wiewol nicht allezeit ſchein-
bares Haͤufflein erhalten/ und daß eine Kirche geweſen vor Luthero im
Papſtumb; ſehen daß noch eine unſichtbare Kirche erhalten werde nach
Luthero/ im Heiligen Samen unter dem mehr als Heydniſchen epicu-
reiſmo,
ja daß dieſelbe feſt beſtehen werde biß aus Ende der Welt/ geſichert
Matth. 16,
18.
durch den Goͤttlichen gewaltigen Geleits-Brief/ daß die Pforten der Hoͤl-
len ſie nicht ſollen uͤberwaͤltigen; ſehen das und was/ aber nicht allezeit
1. Sam. 16, 1.
ſeqq.
wo ſie ſeye? Gleich wie Samuel fuͤr Augen geſehen die Soͤhne Jſai; das
wuſte er aus Gottes Wort/ daß einer aus ihnen Koͤnig ſeyn wuͤrde/ aber
das τὶς, welcher es waͤre? war ihm verborgen; Gott der das Hertz
anſihet/ der wuſte es: Der erſtgeborne Eliab gefiel ihm faſt ſehr/ und ge-
dachte/ ob fuͤr dem Herren ſeye ſein Geſalbter? Aber der HErr
ſprach: Sihe nicht an ſeine Geſtalt/ noch ſeine groſſe Perſon/
dann es gehet nicht/ wie ein Menſchſihet;
David der Außwuͤrff-
ling der war es. Alſo noch heut zu Tage kan mancher den Schalck ver-
bergen/ ſich in einen Engel des Liechts verſtellen/ den Fuchs-Schwantz
verkauf-
[387]Predigt.
verkauffen/ inſinuirt ſich/ wird ein regenitus, widergeborner und frommer
Menſch/ in den Augen der Menſchen: hingegen mancher heiſſet ein Kaͤtzer
und Zaͤncker/ ein Phariſeer und Sonderling/ der es doch nicht iſt: Alſo
ſind wir ietzo verſichert und gewiß/ daß hie in dieſem Hauffen ſeye eine
ſolche unſichtbare Kirche/ es kan nicht anders ſeyn/ Gottes Wort gehet
nicht leer ab; welche es aber ſeyen/ iſt unbewuſt: Ach Gott/ es gibt man-
chen einfaͤltigen Mann/ der gehet auffrichtig in ſeiner Einfalt hin/ thut
redlich was ihm befohlen/ machet von ſeinem Glauben/ Werck/ Gebet nicht
viel pralens/ kan den Heuchler nicht ſpielen/ der ſchlieſſet ſein Kaͤm̃erlein hin-
der ihm zu/ betet fuͤr die gemeine Noth: ſeine From̃keit iſt ihm an der Stirn
nicht geſchrieben: Ja mancher iſt noviſſimus, der letzte/ das iſt/ geringſte/
verachteſte fuͤr der Welt/ aber fuͤr Gottes Augen iſt er der erſte und beſte;
Gott konnet die ſeinen Zuletzt wird ſichs finden/ wann der Schnee ver-
gehet/ in der groſſen panegyri, da die Veraͤchter und Spoͤtter die Reu fuͤh-
len werden und ſagen: Das iſt der/ den wir etwa fuͤr einen SpottSap. 5, 3. 4.
5.

hatten/ und fuͤr ein hoͤniſch Beyſpiel: Wir Narren hielten
ſein Leben fuͤr unſinnig/ und ſein Ende fuͤr eine Schande;
Wie iſt er nun gezehlet unter die Kinder Gottes/ und ſein Erbe
iſt unter den Heiligen?


Hie II. Elenchus,Straffe oder Widerlegung; Dann
wann dem alſo/ wie bißher erwieſen/ ſo iſt freylich die Roͤmiſche coaxatio
und Froſchgeſchrey falſch und vergebens vor der ſichtbaren Kirchen. Wañ
der Roͤmiſche Cardinal Bellarminus aufftritt/ und die Kirche alſo be-Bellarm.
l. 3. de Eccl.
c.
2.

ſchreibet: Eccleſia eſt cœtus hominum ita viſibilis \& palpabilis, uti cœ
tus populi Rom. vel Regnum Galliæ vel Respubl. Venetorum;
Die
Kirche iſt ein Hauffen oder Verſamlung der Menſchen alſo ſeh- und
fuͤhlbar/ als das Roͤmiſche Volck/ oder das Frantzoͤſiſche Koͤnigreich/ oder
der Venetier Respublic; mit ſolchen großſprechen ſpiegelt ſich ſelbſt die
Roͤmiſche Dam/ anders nicht als eine Jungfrau/ die den Krantz verloh-
ren/ und ihn doch auffſetzt und erſcheinet μετὰ πολλῆς φαντασίας, mit einem
groſſen Schein und Gepraͤng; die beſten Jungfrauen ſind die beſchloſſe-
nen/ die nicht auff allen Hoppelreyen fornen drau ſind. Jn der Hebreiſchen
Sprach heiſſet eine Jungfrau Alma, hat den Namen von Alam, vom ver-
bergẽ/ wie dañ bey ihnen ſolche virgines κατάκλειςοι, beſchloſſene Jungfrau-
en/ die nicht unter die Leute gegangen/ geweſen ſind/ wie zu ſehen 2. Macc. 3.2. Macc. 3,
19,


HieIII. Monitum prudentiæ Chriſtianæ,Eine Ver-
mahnung zur Chriſtlichen Klugheit
ad nomen \& omen,daß
C c c 2man
[388]Die Ein und Dreiſſigſte (Dritte)
man in der That den Namen Chriſt fuͤhr und erweiſe/ daß man
ſich finden laſſe bey dieſem Hauffen der Rechtglaubigen und
Glaub-wůrckenden:
dann wer in der Kirch iſt und nicht glaubet/ dem
gehets eben/ wie jenem/ der das hochzeitliche Kleid nicht angehabt/ und iſt
kein wahres Gliedmaß der Kirchen; daß/ dieweil die Roſe unter dẽ Dornen
ſitzen muß/ diß und kein anders/ ſie ſich ja huͤten/ daß ſie nicht zu Dornen
ſelbſt werden und degeneriren; ſintemal das nicht ſo ein groſſes Wunder
oder Kunſt iſt/ eine Jungfrau zu bleiben in einem ehrlichen/ beſchloſſenen
Gen. 39, 7.
ſeqq.
Frauenzimmer/ aber eine Jungfrau in einem Hur-Hauſe/ ſich halten
wie Joſeph in Potiphars Hauſe/ das iſt Kunſt bey menſchlicher Schwach-
heit; Eine Lili kan wol ſtehen/ unverletzt bleiben und bluͤhen/ ſo lange ſie
unter andern Lilien iſt/ aber eine Lili bleiben unter den Dornen/ das iſt/
unter den boͤſen fromm bleiben/ das iſt faſt ſchwer! Jm himmliſchen Pa-
radiß ſind eitel Lilien/ in der Hoͤll eitel Dornen; Aber auff dem Welt-Acker
waͤchſet es unter einander/ daß man da darvon komme/ und die Seel zur
Bernhard.
ſerm. 48. in
Cant.
Außbeuthe darvon bringe/ das iſt/ heroiſch! Spina culpa eſt, ſagt Bern
hardus: ſpina pœna eſt, ſpina falſus frater, ſpina vicinus malus, ſicut
lilium inter ſpinas, ita amica mea inter filias. Vide quomodo cautè
ambules inter ſpinas! plenus eſt mundus ſpinis: in terrâ ſunt, in aëre
ſunt, in carne tuâ ſunt; verſari in his, \& minimè lædi divinæ potentiæ
eſt, non virtutis tuæ;
Die Dornen ſind die boͤſen/ reitzenden/ ſuͤndlichen
Luͤſte/ zum Exempel/ die Verſuchung und Reitzung zum Geitz/ zur Schwel-
gery/ Dornen ſind die Straffe; Dorn iſt der falſche Bruder/ Dorn iſt ein
boͤſer Nachbar/ gleich wie eine Lili unter den Dornen/ alſo iſt meine Fronn-
din Vnter den Toͤchtern. Sihe-zu/ wie du fuͤrſichtiglich wandelſt unter
den Dornen/ die gantze Welt iſt voll Dornen: Dornen ſind auff der Erde/
Dornen in der Lufft/ Dornen in deinem eigenem Fleiſch/ in deinem Bu-
ſen; Vnter Dornen herumb wandern/ und doch im geringſten niemals
geſtochen oder verletzet werden/ iſt nicht deine/ ſondern Gottes Krafft:
Wie fern ſind von dieſem monito die Syncretiſten/ die Politici, die mit den
Woͤlfen heulen/ conniviren wider Gewiſſen/ machen ſich frembder Suͤn-
den theilhafftig/ politiſiren/ judlen/ welſchlen und menſchlen ſo mit; das
ſind nicht die rechte Roſen.


HieIV. Solatium,Ein herrlicher Troſt/ daß warhaff-
tig eine ſolche unſichtbare Kirche der Glaubigen ſey;
Biſtu
nun ein glaubiger Chriſt/ das dir dein Hertz wird ſagen; wann dein Hertz/
dein unpaſſionirt/ unbrandmahliges/ illuminirtes Hertz ohne Selbſt-Be-
1. Ioh. 3, 20trug dich nicht verdammt/ ſo wir unſer Hertz in Gott koͤnnen ſtillen/
wann
[389]Predigt.
wann unſer Gewiſſen ein angenehmes theatrum und Schauſpiel fuͤr
Gott/ wann es lauter/ wann es eine ſchoͤne wolriechende Lili iſt/ ſo gebuͤh-Confer 1.
Reg. 15, 14,
Malach.
3,
17.

ren uns alle Ehren-Titul/ alle elogia der Kirchen. Jſt ein groſſer Troſt!
Kaͤyſer Theodoſius, wie Theodoretus berichtet/ da er zu Meiland ſeinen
Geiſt auffgegeben/ ſoll er geſagt haben zum Vmbſtand in den letzten Zuͤgen/
erfreue ſich ieder vielmehr/ daß er ein Glied der Chriſtlichen Kirchen waͤre/
als Kaͤyſer auff Erden zu ſeyn. Das war ein lieblicher Troſt-Geruch einer
Lilien unter den ſtachlichten Todes-Dornen: Freylich Troſt! wann die
Lili geritzet wird/ wann die Feinde liſtige Anſchlaͤge machen/ und ſagen:
Wolher/ laſſet uns ſie außrotten/ daß ſie kein Volck ſeyen/ undPſ. 83, 5.
des Namens Jſrael nicht mehr gedacht werde!Suſanna Alſa-
tica,
die Elſaͤſſiſche Gilg (unſer Straßburg) hats vor dieſem erfahren und
gemerckt; da hat die Lilien einen Geruch von ſich gegeben in Buß und
Gebet/ heut zu Tage/ nach dem dreiſſig-jaͤhrigen Blut-Regen/ die Friedens-
Sonn widerumb anfangen zu ſcheinen/ iſt allen anders worden/ deſperat
und verlohren. Ja wann auch des ritzens ſo viel will werden/ daß man
ſeuffzen und ſagen muß: Wehe mir/ daß ich muß ein FrembdlingPſ. 120, 5, 6.
7.

ſeyn unter Meſech! Es wird meiner Seelen lang zu wohnen
unter denen/ die den Frieden haſſen; Jch halte Friede/ aber
wann ich rede/ ſo fahen ſie Krieg an.
Was da Troſt? Troſt iſt/
GOTT kennet die ſeinen! Er laͤſſet dich ſeyn wie eine Roſe unter2. Tim. 2,
19.

den Dornen/ die wilde Wildnuͤß zu verleiden/ und ein Verlangen zu er-
wecken nach dem Paradiß; Gott verlegt den Weg mit Dornen/ daß
man dem buhlen nicht nachlauffe. Endlich wird folgen die froͤliche cata-Oſe. 2, 6.
ſtrophe und Wechſel: Die Lili wird ins Paradiß verſetzt/ die Dornen in
die Hoͤlle geworffen: Die Lili wird auff Gottes Freuden-Tiſch zu einer
ewigen Schau geſetzt/ die Dornen muͤſſen ewiglich in der Hoͤllen-
Flammen brennen: Die Lili wird gekroͤnet werden von der Hand desEſa. 62, 3.
Herren/ die Verfolger und Feinde ſind Kronen- und Creutzmacher.
Chriſtus Jeſus der weiland mit Dornen gekroͤnte Koͤnig gebe uns allen
ſolchen ſeligen Stand/ und nach der Dornen-Kron die guͤldene Ehren-
Kron/ die Er uns mit ſeiner Dornen-Kron erworben/ daß wir ihm fuͤr
ſolche und andere Wolthaten vollkommlich dancken
in Ewigkeit/ Amen.


Die
[390]Die Zwey und Dreiſſigſte (Vierte)

Die Zwey und Dreiſſigſte


Vber den dritten Articul/
Von der Kirch/


Die Vierte Predigt/


Von der Warheit der Chriſtlichen Kirchen auff
Erden/ ob und wo dieſelbe auff Erden
anzutreffen?


GEliebte in Chriſto: Wo iſt der neugeborne Koͤnig
Matth. 2, 1.
2.
der Juden? ſo fragen die Weiſen aus Morgenland/
nach dem ſie zu Jeruſalem in der Juͤdiſchen Haͤupt- und
Mutterſtatt ankommen/ einen fernen Weg gezogen: Wo/
ruffen und fragen ſie/ iſt der neugeborne König der
Juden?
Jſt Quæſtio I. excitata per ſtellam,Eine Frage/
die der ſonderbare Stern erreget hat; Wir/
ſprechen ſie/ haben
ſeinen Stern geſehen im Morgenland;
Der ungewoͤhnliche
Wunder-Stern/ den wir daheim obſervirt/ iſt unſer Wecker geweſt/ hat
uns auffgemuntert/ uns die Augen auffgethan/ und in die Moſaiſche und
Prophetiſche Schrifften gejaget/ (nach dem wir in unſerer Philoſophi
nichts hiervon haben koͤnnen erkundigen) ſo uns durch die hin und her
außgeſtreuete Juden an die Hand kommen/ auffgeſchlagen und darinnen
Num. 24,
17.
Dan. 2, 34.
c.
9, 24.
gefunden einen Jacobs-Stern/ einen Stein/ der den groſſen Coloſſum er-
ſchlagen/ die ſiebentzig Jahr-Wochen lauffen zu Ende/ da das ewige Reich
des Menſchen Sohns ſoll angehen/ der Heiden Troſt muß allbereit erſchie-
nen ſeyn/ derſelbe iſt der magnet, der uns ſo fernen Weg hieher gezogen;
darumb fragen wir billich: Wo iſt derſelbe Koͤnig/ daß wir ihn
gebuͤhrlich verehren und anbeten? Wo iſt ſein Koͤniglicher Hof? wo
ſeine Reſidentz? wo ſein Thron? wo ſeine Wohnung? zu Jeruſalem oder
anderswo?


II. Ne-
[391]Predigt.

II. Neceſſaria,Eine nothwendige/ keine muͤſſige/ Heil-
und Frucht- loſe Frage/ daran wenig gelegen; keine thoͤrichte/ unnuͤtze/
Zanck-gebaͤrende/ uͤberſubtile Frage/ ſondern quæſtio prudentiæ,eine
weiſe und kluge Frage/
welche iſt unter ſo viel religionen und Mey-
nungen von Gott/ damit wir uns bißher geplaget/ die beſte? Jn ihrer
Philoſophi haben ſie wol keine nuͤtzlichere Frage iemahl erſinnen und auff
die Bahn bringen koͤnnen/ als dieſe: Wo iſt das hoͤchſte Gut? wo der
Seelen Heil/ Liecht/ himmliſche Weißheit/ Caput bonæ ſpei und Gutfurt?
Wo iſt der neugeborne König?


III. Deciſa,Eine entſcheidete Frage/ nicht allein durch
dasoraculum Micheanum,den SpruchMich. 5. zu Jeruſa-Mich. 5, 2.
lem/ darauff ſie von den Schrifftgelehrten gewieſen worden/ ſondern
gantzſpecialitervon dem Stern; dann es meldet der Evangeliſt:
Sihe/ der Stern/ den ſie im Morgenlande geſehen hatten/v. 9.
(der ihnen eine Zeitlang nicht erſchienen) gieng fuͤr ihnen her/ biß
daß er kam/ und ſtund oben uͤber/ da das Kindlein war:

Daraus ſie ohnfehlbar geſchloſſen/ daß dieſes Hauß ſeye des neuen Koͤ-
niges Wohnung: wo nemelich derſolbige geſtanden gleich als ein
Weg-Zeiger/ der warhafftige Stern/ (nicht ein Jrrwiſch) wo der Stern
geleuchtet/ wo er gefuͤhret/ wo er erfreuet; dann da ſie ihn ſahen/
wurden ſie hoch erfreuet
und getroͤſtet in ihren (wie leichtlich zu er-
achten/ und ietzt nicht außzufuͤhren) ſchweren Anfechtungen/ weil ſie da
angetroffen die edle Gnaden-Sonne/ ſo herfuͤr geſprungen/ wie ein Braͤu-
tigam aus der Kammer; den Jacobs-Stern/ Caput bonæ ſpei undPſ. 19, 6.
Gutfurt/ die himmliſche Weißheit. Summa/ der Heyden (deren ſie pri-
mitiæ
und Erſtlinge geweſt) Troſt und Augen-Luſt.


Nun ſie die primitiæ gentium, die Weiſen/ als die Erſtlinge der
Heyden in dem Gnadenreich Chriſti/ gehen und leuchten uns vor mit ih-
rem Stern/ uns die wir auch weiland Heyden geweſt/ in groſſer Finſternuͤß
geſtecket: Wir haben gehoͤret in dem andern Glaubens-Articul von
dem edlen Jacobs-Stern/ dem Sohn Davids aus Jacobs
Stamm/ dem neugebornen Koͤnig;
lieblich/ freundlich/ groß und
ehrlich/ reich von Gaben/ hoch und ſehr praͤchtig erhaben: Wir haben
theſauros, delicias, gratias,ſeine reiche Gnaden-Schätze/
ſo wir von demſelben ſchoͤpffen und genteſſen moͤgen/ und daſſelbe aus Got-
tes
[392]Die Zwey und Dreiſſigſte (Vierte)
tes Wort/ welches iſt die Leuchte unſern Fuͤſſen/ der edle Morgenſtern/ der
uns den Weg weiſet fort; welches Liecht auch uns ſoll auffmuntern zu
ſuchen das Hauß des Herren Chriſti: Jſt eine Ermunterungs-
Frage/ eine nothwendige Frage;
dann dieweil ie und allezeit Got-
tes Statt und des Teufels Statt in der Welt geweſt/ dieweil ſonderlich in
dieſen letzten Zeiten tot fidibus luditur una fides, aller Glaube unter einem
allzuengen Mantel des einig-ſeligmachenden Glaubens ſich verbergen wil/
ſo viel Secten/ religionen/ Kirchen/ der eine ſagt: Hie iſt Chriſtus! der
ander/ da iſt Chriſtus! faciunt favos \& veſpæ; faciunt Eccleſias \&
Tertull,
l. 4. contra
Marcion.
Marcionitæ, ſchreibt Tertullianus. So ſoll uns ja ſo hoch/ als unſere
Seligkeit angelegen ſeyn zu fragen: Wo iſt Chriſtus? Die Entſchei-
dung dieſer Frage ſtehet in Gottes Wort/ in welchem nemlich die himm-
liſche Warheit erſcheinet als ein warhafftiges Liecht/ als der rechte Mor-
genſtern/ wo ſie leuchtet/ wo ſie fuͤhret/ wo ſie erfreuet.


Vnd das iſt eben auch die materi, von welcher wir anietzo durch die
Gnade Gottes etwas weiter handlen wollen; Nach dem wir bißhero in
unterſchiedlichen Predigten außgefuͤhret und erhalten die Majeſtaͤt/
Adel und Hoheit der Kirchen/ aus ihren ſchoͤnen Namen;

wie auch was die ſichtbare Kirche ſeye; Folget ietzo Eccleſiæ ve
ritas,
wo eigentlich und warhafftig Chriſti Kirche ſeye; Davon
nun aufferbaulich zu handlen wolle uns Chriſtus Jeſus mit ſeiner Gnade
beywohnen/ Amen.


SO fragen wir nun: Wo dann und welches iſt die wahre
Kirche Jeſu Chriſti hie auff Erden?
Die Antwort iſt ins
gemein und ſummariſcher weiſe allbereit im Eingang angezet-
telt: I. Ubi lux veritatis cœleſtis habitat;Da das Liecht der
himmliſchen Warheit wohnet/
nemlich das Wort Gottes/ die
Ioh. 17, 17.
Pſ. 119, 105.
2. Pet.
1, 19.
Heilige Schrifft/ die Warheit ſelbſt/ Joh. 17. das Liecht/ Pſ. 119.
die Wolckenſeule/ der Morgenſtern/ 2. Petr. 1. Gleich wie aus
dem Liecht der Leuchter und der gantze Tempol erleuchtet und erkennet
Matth. 5, 15.wird: alſo auch die Kirche aus und von dem Wort Gottes; das Liecht auff
dem Leuchter erleuchtet das gantze Hauß: Alſo das himliſche Liecht erleuch-
tet das Hauß der Kirchen; dann hie iſt einer Goͤttlichen revelation und
Offenbarung von noͤthen: die Kirche ſihet man/ aber die Warheit muß
man glauben/ dann dieſelbe faͤllet keinem in die Augen/ Eliſabetha muͤſte
lange
[393]Predigt.
lange vor Maria geſtanden ſeyn und ſie angeſehen/ biß ſie ſie fuͤr die Mut-
ter des Meſſiæ/ und das Hauß/ darinn der Meſſias geweſt/ erkant haͤtte/
wann nicht die ἔλλαμψις, Einleuchtung und Offenbarung von dem Hei-
ligen Geiſte geſchehen; Lange muͤſte das Samariſche Weib ihren Lands-
leuten geprediget haben von dem Meſſia/ wann ſie nicht ſein Wort ſelbſt
gehoͤret haͤtten/ Joh. 4. Sie glaubten vielmehr umb des Worts willen;Ioh. 4, 41.
42.

Wir glauben/ ſagen ſie/ nun fort nicht umb deiner Rede willen/
wir habẽ ſelbſt gehoͤret/ daß dieſer iſt warlich Chriſtus der Welt
Heiland. Solte nicht ein Volck ſeinen Gott fragen?
Eſa. 8.Eſa. 8, 19.
Nun redet Gott durch die Schrifft/ die iſt Richterin; Jch habe euch
gezeuget durch das Evangelium/ ſagt St. Paulus.


Lux cauſalis ſeminifica Eccleſiæ,Ein fruchtbaresMatt. 13, 23.
1. Cor. 3, 14.
1. Pet. 1, 23.
Eph.
2, 20.

Liecht/ dadurch die Kirche gepflantzet/ erbauet und gegruͤndet
wird/
welcher Lehr/ ſo auff die Grundfeſte der Prophetiſchen und Apoſto-
liſchen Lehr gegruͤndet iſt/ iſt der Grund und allergewiſſeſte Kennzeichen
à priori,ein ſolches Liecht/ das da von den lieben Alten iſt hoch
gehalten worden/
ſonderlich Auguſtino, welcher unter andern ſchrei-Auguſt. de
Vnitate
Eccl. c.
2.

bet: Es iſt unter uns und den Donatiſten eine Frage/ wo die wahre Kirche
ſey? Was ſollen wir da thun? Sollen wir ſie in unſern oder in den Wor-
ten ihres Haupts/ unſers Herren Jeſu Chriſti ſuchen? Jch halte da-
fuͤr/ daß vielmehr in ſeinen Worten/ dieweil Er als die ſelbſtaͤndige War-
heit am beſten ſeinen Leib kennet. Bißher Auguſtinus.Ein Liecht/
das von den Liecht-fluͤchtigen Widerſachern und Schrifft-
Feinden ſelbſt erkennet und angenommen werden muͤſſen/

die ultima λύσις und letzte Beweiß gehet auff die Schrifft: Dann woher
weiß ich/ daß Coͤln am Rhein das rechte Coͤln ſeye/ ohn aus den Hiſtorien-
Buͤchern/ die davon von Alters her geſchrieben/ mit denen gegenwaͤrtiger
Statt ſitus, Zuſtand und Bewandnuͤß uͤberein kommet: Alſo/ woher
bin ich geſichert/ daß dieſe/ zum Exempel/ Kirche zu Wittenberg die wahre
Kirche Jeſu Chriſti ſey? als aus der Heiligen Schrifft/ darinn welches
die wahre Gemein Chriſti ſey/ unfehlbar geoffenbaret worden.


Jm Papſtumb pranget man gewaltig mit Miraclen/ die muͤſſen
das Liecht geben; Non poſſumus aliâ re, ſchreibet Lipſius der Weltgelehrte
Politicus an den Papſt Paulum V. efficaciùs frangere \& calcare hæ-
reſin, quàm hoc miraculorum fulmine, ubi jam non verbis, ſed factis
diſputamus: ubi miracula, ibi Eccleſia.
Wir koͤnnen mit keiner Sache
Sechſter Theil. Ddddie
[394]Die Zwey und Dreiſſigſte (Vierte)
die Kaͤtzer beſſer beſchlagen und widerlegen/ als mit den Wunderwercken/
da wir nicht mit Worten/ ſondern mit Wercken diſputiren; Wo die
Wunderwercke ſind/ da iſt die wahre Kirche. Nun iſt ungewiß/ welches
die rechten Wunderwercke ſeyen? ſintemal die Zauberer fuͤr Pharaone
eben ſo groſſe Wunder gethan als Moſes; Zu geſchweigen/ daß unſer Hei-
Matth. 24,
24.
2. Theſſ. 2,
9.
Bellarm.
l. 4. de Ec-
cleſ. c
14.
land zuvor geſagt/ daß falſche Propheten werden auffſtehen und
groſſe Zeichen und Wunder thun/
und St. Paulus ſolches auch
von dem Antichriſt ſchon zu ſeiner Zeit geweiſſaget. Hie iſt eine Pruͤfung
und eines Richters von noͤthen; Aber was fuͤr eines? Bellarminus ſchlaͤ-
get uns die Kirche vor und ſchreibet: Ante Eccleſiæ probationem non
eſt evidens aut certum certitudine fidei de ullo miraculo, quòd ſit ve-
rum miraculum:
Vor der Kirchen Pruͤfung und Außſpruch kan
man nicht ohnfehlbar glauben/ daß einig miracul recht ſeye. Das heiſſet
man in der Schulen petitionem principii oder circulum, eben das jenige
antworten/ welches man beweiſen ſoll. Die Roͤmiſche Kirche muß ſelbſt zu-
Matth. 16,
17.
vor ſich legitimiren aus der falſch-außgelegten Schrifft/ Matth. 16. deren
doch der eigentliche Verſtand der Schrifft nicht allein nicht zu ſtatten
kommen/ ſondern deroſelben Gleißnerey und falſchen Ruhm oͤffentlich zu
Schanden macht/ die Schrifft iſt endlich der bewaͤrteſte Probierſtein.


II. Ubi lux cœleſtis purè lucet,da das Liecht rein
v. D. Luth.
tom. 7. Ie-
nenſ. fol.
281. \& ſeq.
\& p.
316.
und lauter leuchtet nach der Glaubens-regul; Ein Liecht das
unter einem Schoͤffel ſtehet/ iſt nichts nuͤtze/ ein Jrrwiſch betreugt; Aber
dieſes wahre Liecht muß leuchtenin profeſſione \& confeſſio-
ne orali,
in der Lehr und Mund-Bekaͤntnuͤß/ wie St. Johan-
1. Ioh. 4, 2.nes klar bezeuget 1. Joh. 4. daran/ ſagt er/ ſolt ihr den Geiſt Gottes
erkennen/
nemlich an der rechten Bekaͤntnuͤß; Ein ieglicher Geiſt/
der da bekennet/ daß Jeſus Chriſtus in das Fleiſch kommen/
der iſt von GOTT; Es muß leuchten in dem Gehoͤr;

Ioh. 10, 16.Wo die Schafe Chriſti Stimme hoͤren/ da iſt Chriſtus/ da iſt Chriſti
Wohnung; Meine Schafe hoͤren meine (nicht eines andern)
Stimme/ und zwar mit Freuden.


Es muß leuchtenin ſignis ſacramentalibus,in den hoch-
wuͤrdigen Sacramenten/
welche nota und Kenn-Zeicheu zwar ei-
gentlich der wahren Kirche zukommt/ aber nicht einer ieglichen/ auch nicht
dieſelbe allezeit begleitet; ſintemal vor Abraham auch eine Kirche geweſen/
doch
[395]Predigt.
doch ohne Sacramenten/ wie auch in der Wuͤſten gantzer viertzig Jahr
ohne Beſchneidung.


Es leuchtetin crucis vexillo,in dem lieben Creutz/ nicht
zwar materialiter aus Holtz zubereitet/ ſondern in Verfolgung und Blut-
vergieſſen/ alles cæteris paribus, daß die andern notæ und Merck-Zeichen/
ſo darzu erfordert werden/ nicht außgeſchloſſen werden; Dannen-
hero waren die Creutzfluͤchtigen keine Juͤnger Chriſti/ die Chriſtum
nicht offentlich bekanten/ viel unter den Oberſten/ ob ſie ſchon an ihnIoh. 12, 42.
glaubten/ doch mit der Sprache nicht heraus wolten umb der Pha-
riſeer willen/ damit ſie nicht in den Bann gethan wuͤrden; dann
es heiſſet/ wie St. Paulus ſagt: Alle die gottſelig leben wollen in2. Tim. 3,
12.

Chriſto Jeſu/ muͤſſen Verfolgung leiden. Aus den Gleichnuͤſ-
ſen iſt es klar: Wo iſt der Hirt zugegen? Antwort: Wo man ſeine Stim-
me hoͤret: Alſo wo des rechten Seelen-Hirten Chriſti Jeſu Stimme
lauter und rein gelehret und gehoͤret wird/ und nicht eine Wolfs-Stimme/
da iſt auch die Herde Chriſti/ da iſt ſein Schaf-Stall/ da iſt er zugegen:
Alſo/ wann ich frage: Wo iſt des Ariſtotelis warhafftige Schul? Ant-
wort: Wo der Philoſophus nach des Ariſtotelis Meynung lehret.
Wann im Kriege alles durch einander gehet/ wo iſt da Freund? der
Oberſt/ wo Freunds-Volck? Wo neben dem Fahnen und die Liberey/ die
Wort-Loſung erſchallet. Wo iſt anietzo das Roͤmiſche Reich? wo die Roͤ-
miſchen Geſetze auctoritativè in Schulen gelehret/ bey Gerichten geuͤbet
und gehorſamlich gehalten werden. Alſo wann ich nun frage: Wo iſtv. Alethe.
S. ſui vin-
dicem p.
18.

die wahre Kirche Chriſti? Antwort: Wo die Warheit rein
und lauter leuchtet durchs Wort oder nach der
reguldes
Goͤttlichen Worts.
Die falſchen Propheten werden ſagen: Hie iſtMatth. 24,
23. ſeqq.

Chriſtus/ dort iſt Chriſtus/ aber der rechte Prophet heiſſet uns ſehen/ wo der
himliſche Blitz leuchtet/ wo derſelbe das rechte Aaß/ der Leib Chriſti/ ſo geiſt-
lich/ ſo ſacramentlich/ nach den Wortẽ der Einſetzung zeiget und beſcheinet.


III. Ubi lux cœleſtis ducit per fructus ad cauſam,
Wo das himmliſche Liecht fuͤhret von den Fruͤchten zu dem
Baum; Wo das Liecht leuchtet fuͤr den Leuten; dann aus den
Matt. 5, 16.
Fruͤchten ſollet ihr ſie (die falſchen Propheten) erkennen/ ſagt der
Herr Matth. 7. nemlich aus den Lehr-Fruͤchten/ ſo aus der Lehre per ſec. 7, 20.
und fuͤr ſich ſelbſt herflieſſen/ aus der Art der Lehre/ Fruͤchte die nach dem
Baume ſchmecken/ Waſſer das nach der Quell riecht; Wo nun heilige
D d d 2Fruͤchte
[396]Die Zwey und Dreiſſigſte (Vierte)
Fruͤchte der Lehre ſich erzeigen/ ſo den Zehen Gebotten Gottes gemaͤß ſind/
da iſt die wahre Kirche. Jns gemein wird eines iedweden Dinges Na-
tur erkant aus deſſen natuͤrlichen operation und Wuͤrckung; zum Exem-
1. Reg. 8, 16.
ſeqq.
pel: Fuͤr Salomon kamen zwey Weiber/ eine iede wolte die Mutter ſeyn
des lebendigen Kindes; die eine verdruckt ihr Kind/ und nahm der an-
dern Sohn von ihrer Seite/ und leget ihn an ihre Arm; Salmon ſtehet
an/ gehet nicht auff die bloſſen Wort/ ſondern auff die Werck/ das war ſein
indago und Spur/ kommet auff die affect und die Hertz-Ader/ laͤſſet ihm
ein Schwert bringen/ das ſolte die Warheit heraus hauen/ und das muͤt-
terliche Hertz auffthun; Jene/ derer das lebendige Kind nicht war/ die
ſprach: Es ſey weder mein noch dein/ laß es theilen! der andern
als der rechten und aͤchten Mutter entbrennet ihr muͤtterlich Hertz:
Ach nein Herr/ ſagt ſie/ man gebe ihr das Kind lebendig/ und
toͤdte es nicht:
Alſo kom̃en auch zu dem himliſchen oder Chriſtlichen
Salomon zwey Weiber/ nemlich die Babyloniſche Hur eins theils/ und
das Apocalyptiſche/ mit der Sonn bekleidete/ mit einer Kron von zwoͤlff
Sternen gezierte Weib mit ihrẽ Kind; fraget ſich/ welches die wahre Mut-
ter des Kindes oder der Glaubigen ſeye? Da muß man auff die euſſerliche
bloſſe Zeichen nicht gehen/ man kan an denſelben heßlich gefaͤhret und ver-
fuͤhret werden/ ſondern auff die τεκμήρια, notas genitivas und innerlich-
inniglichen und eigentlichen Zeichen/ wo und bey wem die Art/ der Geiſt/
der affect der geiſtlicheu Mutter ſich ereignet/ nemlich die hertzliche Liebe
1. Ioh. 4, 7.
Ioh. 13, 35.
confer Au-
guſt. tract.
65. in Ioh.
von Gott/ als eine edle Gabe Gottes/ 1. Joh. 4. in Gott/ aus Gott/
zu Gott geboren und gerichtet/ Dabey/ ſpricht Chriſtus/ wird ieder-
man erkennen/ daß ihr meine Juͤnger ſeyt/ ſo ihr Liebe unter
einander habt/
nicht ſo ihr groſſe miracul und Wunder thut. Hieran hat
man auch anfangs in der Chriſtlichen Kirchen die Chriſten vor den Hey-
den erkennet/ unterſchieden/ mit Fingern auff ſie gedeutet und geſagt: Vide
te, ut ſe invicem diligant,
Sehet wie dieſe Leute einander ſo lieb haben/ wie
Tertullianus in ſeiner Schutz-Schrifft bezeuget. Bey unſerer religion
iſt die Liebe zwar theuer und in den Hertzen erkaltet/ derſelbe Fehler aber iſt
unſerer Lehre nicht zuzumeſſen/ ſondern der Boßheit des menſchlichen
Hertzens. Bey falſchen Lehren iſt die Liebe wie der Glaube! iſt eine
Schein-Liebe/ dergleichen auch bey Heyden/ Tuͤrcken und Juden zu finden/
iſt aber die rechte generoſa charitas nicht. Allein die Liebe iſt recht gut/ die
zu Gott und Goͤttlich nach der norm der Heiligen Schrifft daher gehet.


IV. Ubi lux exhilarat \& ſolatur,Wo das Liecht troͤſtet
und
[397]Predigt.
und erfreuet.Gen. 28. leſen wir von Jacob/ da derſelbe in groſſen aͤngſtenGen. 28, 10.
ſeqq.

und Schroͤcken auff einen Stein ſich ſchlaffen geleget/ muͤde/ furchtſam/
verjagt und verlaſſen: und aber im Traum ὁράματι καὶ χρηματισμῶ mit einẽ
Goͤttlichen Geſicht erquicket und kraͤfftiglich getroͤſtet und erquicket wor-
den/ ſo hab er/ als er erwachet/ geſagt: Hie iſt Gottes Hauß! ſchleuſt
kraͤfftiglich: Wo Hertzens-Freude und Troſt iſt/ da iſt Gottes Hauß; alſo:
wo das Liecht des Goͤttlichen Worts erfreuet/ da iſt die wahre Kirche; und
zwar alſo erfreuet/ daß wider alle Anfechtung man beſtehen kan/ keine An-
fechtung ſo groß/ ſo ſchwer/ ſo uͤberzwerch/ und ſeye dem Teufel trutz geboten/
daß er eine aus der Hoͤllen ſolte herfuͤr bringen/ daß nicht Freude/ Troſt und
Labſal in der Lehre/ die wir aus Gottes Wort fuͤhren/ fuͤrhanden; keine
Kranckheit der Seelen/ daß nicht eine Evangeliſche Artzney dafuͤr waͤre.Pſal. 65, 10.
Gottes Brůnnlein hat Waſſers die Fuͤlle. Falſche religionen
geben auch Troſt vor/ aber wanns zum treffen kommt/ mags nicht beſte-
hen/ die Stoplen verbrennen; gehet da wie bey den Quackſalbern.


Dieſes iſt nun alſo die Antwort auff die vorgelegte Frage/ welches
nemlich und wo die wahre Kirch Chriſti ſeye?
Bey der H. Tauffe
pflegt man die Compatres zu fragen/ und iſt die andere Frage: Erkennet
ihr auch dieſe unſere Gemeine/ und alle/ die ſich bey den Arti-
culn des Glaubens mit warhafftigen Hertzen halten/ fůr eine
wahre Gemeine Chriſti?
Da antworten ſie alsdann Ja/ aber ja
und abermal ja! ſagen ja ohne Verſtand des Worts; Solten ſie ge-
fragt werden: Woher kanſtu es beweiſen? Gott behuͤt daß wirs nicht
von noͤthen haben/ und die Feinde der Warheit ſtatum quæſtionis movi-
ren/ wie ſolte mancher ſtehen/ wie Butter an der Sonn und wol gar apo-
ſtaſi
ren? Mit wenigen koͤnnen wir zwar den Hunger ſtillen/ aber zur Artzney
wider die geiſtliche Peſt iſt mehr Wiſſenſchafft von noͤthen; Vor dieſes mal
laſſen wir uns an der theſi und Erklaͤrung genuͤgen; die Gegen-Lehr ſam̃t
der Widerlegung verſparen wir auff andere Zeit und Gelegenheit. Vnd
bleibet alſo auff obgeſetzte Frag die Antwort dieſe: Da iſt die rechte Ge-
meine Jeſu Chriſti auff Erden/ wo das Liecht der Goͤttlichen
Warheit wohnet/ leuchtet/ leitet/ erfreuet und tröſtet
Gott ſey Lob
und Danck in Ewigkeit/ daß wir ſo gethanes Gnaden-Liecht mit Warheit
ruͤhmen koͤnnen/ und ſagen mit David: Die Lehrer gehen durchPſ. 84, 7. 8.
das Jammerthal/ und machen daſelbſt Brunnen/ ſie werden
D d d 3mit
[398]Die Zwey und Dreiſſigſte (Vierte)
mit viel Segen geſchmuͤcket/ und erhalten einen Sieg nach
dem andern/ daß man ſehen muß/ der rechte GOTT ſeye in
unſerm teutſchen Zion.


Welcher geſtalt nun Philippus den auffrichtigen Jſraeliten Na-
Ioh. 1. 46.thanael angewieſen Joh. 1. da derſelbe gezweifelt/ ob von Nazareth etwas
gutes und ſonderliches kommen koͤnne/ und gefagt: ἔρχου ηαὶ ἴδε, veni \&
vide!
komm und ſihe es! daſſelbe ſagen wir auch anietzo billich/ und
ſollens ſagen auch denen/ die von frembden Orten und religionen irgend
herkommen/ die/ wann ſie von ihrer Meiſterſchafft zur Kirche angehalten
werden/ gedencken auch/ was kan in der Lutheriſchen Kirche gutes gepre-
diget werden? veni \& vide!ey komm und ſihe es! gehe auff den
Augenſchein: Sihe es I. viſione neceſſariâ neceſſitate periculi,
aus Noth wegen der groſſen/ beſorglichen Gefahr: Es ligt dir
alles dran/ daß du wiſſeſt/ wo du daheim ſeyeſt/ in der Statt Gottes oder
des Sathans? in Cains oder Abels Hauß? in Chriſti Schaf-Stall oder
unter den Woͤlfen? in dem edlen Frauenzim̃er Chriſti oder im Hurhauß?
in der Arch Noæ oder in der Suͤndfluth? Jſt mehr geſchehen/ daß eines
gemeynet/ es ſey in einem Wirthshauſe/ und iſt in einer Moͤrder-Grube
geweſt; oder in einem Schaf-Stall/ ſo wars eine Wolfsgrube; oder in
einem adelichen Frauen-Zimmer/ ſo wars im Hur-Hauſe/ ꝛc. Sihe es
neceſſitate mandati,laß dich Gottes Befehl herzu treiben!
Matth. 7,
15. c. 24, 23.
25.
1. Ioh.
4, 1.
Gott will haben/ daß wir uns fuͤrſehen fuͤr den falſchen Propheten. Sihe
ich habe es euch geſagt/ wann ſie werden ſagen: Hie iſt Chriſtus! daß ihr
nicht allen Geiſtern glaubet/ Pruͤfet die Geiſter. Jſt allen geſagt.
Sihe es neceſſitate pœnæ,aus Vermeidung der Straffe/
ſo auff die Verachtung folget/ nemlich die Verdamnuͤß; Es iſt denen zu
Bethlehem uͤbel bekommen/ daß ſie den Stern nicht geachtet/ es hat ſie ihre
Matt. 2, 16.Kinder gekoſtet/ ſie machten eine Decke vor die Augen/ giengen ihrer Schaͤ-
ferey nach/ lieſſen Stern Stern ſeyn/ ihr arme/ zarte/ junge Bluͤtlein
muſteus entgelten; Jſt nicht die geringſte Vrſach/ warumb die teutſche
Rahel das Blut-Bad ihrer Kinder beweinen muß.


Sihe es anII. viſione poſſibili,mit einer wolmoͤglichen
Schau.
Jm Papſtumb machet mon eine bloſſe impoſſibilitaͤt hier-
aus; Quid enim? an in Eccleſiâ omnes oculi? ſi ipſis Doctoribus acci-
dit hîc hallucinari, quis tàm demens eſt, ut omnibus omnium homi-
num ordinibus h.e. rudibus, illiteratis, agricolis, opificibus tantum in-

telli-
[399]Predigt.
telligentiæ tribuat? ſchreibet Gregorius de Valentiâ: Was iſts dann
nun? ſind ſie dann alle Augen in der Kirche? wann die Doctores und
Lehrer (die doch Augen ſeyn ſollen) hie fehlen koͤnnen/ wie ſoll dann einer
ſo toll und unverſtaͤndig ſeyn/ daß er allen in allen Staͤnden/ das iſt/ den
Vnverſtaͤndigẽ/ Vngelehrtẽ/ Ackerleuten und Handwerckern/ ſolche Weiß-
heit und Verſtand zumeſſen wolte? ἀργὸς λόγος! Jſt eine faule Entſchul-
digung/ Chryſoſtomus antwortet und ſaget: ἄτοπον τὸν μὲν ἰατρὸν μετὰChryſoſt.
hom. 16. in
Ioh.

ἀκριβείας ὑπὲρ τῆς τέχνης ἀγωνίζεσϑαι τῆς αὐτοῦ: καὶ τὸν σκυτοτ όμον καὶ
τὸν ὑφάντην καὶ πάντας πρὸς τοὺς τεχνίτας: τὸν δὲ χριςιανὸν εἶναι φάσκοντα
μὴ δύνασϑαι λόγον ὑπὲρ τῆς οἰκείας παραχ εῖν πίςεως Es ſey gar ein unge-
reimet ding/ wann ein gelehrter Artzt wider die Feinde ſeiner Kunſt ſtreitet/
und ein Leinweber oder ander Vngelehrter ſich auff ſein Handwerck wol ver-
ſtehet/ daß einer fuͤr einen Chriſten ſich ruͤhmen ſoll/ und ſeines eigenen
Glaubens nicht koͤnnen Rechenſchafft geben. Jſts moͤglich/ daß die Leyen
das Geld lernen koͤnnen an der Prob/ am Klang ꝛc. Solten ſie dann nicht
auch ſo viel von der Kirche urtheilen koͤnnen/ als von noͤthen in gradu per-
fectionis,
ob ſchon nicht in perfectione gradus. Die Berrhoenſer ſchnei-Act. 17, 11.
den ſolchen muthwilligen Ignoranten durch ihr Exempel alle Entſchul-
digung ab. Jn fernerer Betrachtung/ daß es viel leichter ſeye dieſe weni-
ge/ als alle notas und Kenn-Zeichen der Kirchen von Bellarmino auffge-
zeichnet/ durchzugehen; welches wol Kopff und Kunſt koſten ſolte.


Sihe esIII. viſione accuratà \& judiciariâ,mit einem ge-
nauen Pruͤfe-Vuterſcheidungs-Auge;
Solten wir alle religionen
halten gegen dieſem Probier-Stein/ ſo wuͤrde ſichs bald befinden/ was
weiß oder ſchwartz/ Liecht oder Finſternuͤß? daß die ſich zur ungeaͤnderten
Augſpurgiſchen Confeſſion bekenneten/ die warhafftige/ ſeligmachende
religion ſeye/ welche einig und allein dem Liecht der Heiligen Schrifft fol-
get: nicht allein folget/ ſondern auch rein und lauter bekennet/ in dem ſie
alles gegen daſſelbe Liecht haltet und nach derſelben lehret; dieweil daſelbſt
das Liecht hell leuchtet/ und per ſe fuͤhret zu einem heiligem Leben/ troͤſtet
und ſelig machet. Das ſind wir erbietig zu erweiſen/ und gibts die Er-
fahrung: Hingegen in der Tuͤrckey iſt gar kein Liecht; in der Juͤdiſchen
Synagog iſt nur das halbe Liecht/ welches gantz verfinſtert worden durch
den aberglaͤubiſchen Thalmud.


Jn dem jud- und heydentzenden Papſtumb ſcheinet
nicht
I. Lux veritatis,das Liecht der Warheit/ rein/ allein/ un-
verfaͤlſcht nach dem Grund-Text/ nicht an und fuͤr ſich ſelbſt frey/ ſondern
inti.
[400]Die Zwey und Dreiſſigſte (Vierte)
intimirt/ kraͤfftig gemacht/ befeelet und erleuchtet von dem Papſt; Es iſt
nur allzuwahr der Character des Antichriſts/ avon St. Paulus prophe-
3. Theſſ. 2,
3. ſeqq.
ceyet 2. Theſſ. 2. Es leuchtet 2. das Liecht daſelbſt der Warheit
nicht rein/
ſondern wird verdunckelt und anders gefaͤrbet durch die Auß-
legung der Kirchen; gleich wie den ictericis und Gelbſuͤchtigen alle Ding
gelb ſcheinen/ alſo den Paͤpſtlern alles paͤpſtiſch/ was ihnen in der Bibel fuͤr-
kom̃et. Es fuͤhret 3. auch nicht zu einem heiligem Leben; die ſchoͤ-
nen Fruͤchte/ ſo an dieſem Baum wachſen/ heiſſen alſo: Du ſolt neben Gott
auch den Papſt fuͤr einen Gott ehren: Gottes Namen ſoltu verunheiligen
durch allerhand weihen und ſegenſprechen des Waſſers/ des Brods/ Oels/
Wachs-Kertzen/ Glocken/ ungoͤttliche Geluͤbde: den Sabbath und Feyer-
tag entheiligen mit der heilloſen Meß/ hernach magſtu thun was dir gefaͤllt/
ſpielen ꝛc. den Eltern ſoltu nicht gehorchen in allen dingen/ ſondern ohn und
wider ihren Willen ins Kloſter lauffen/ hingegen aber den Prælaten ver-
bunden bleiben mit blinden Gehorſam: Die Ketzer ſoltu toͤdten und umb-
bringen/ dich ſelbſt durch faſten/ geiſſeln/ und andere aberglaubige Vbun-
gen quaͤlen und martern: ohne ſcheu magſtu huren in den oͤffentlichen
Hur-Haͤuſern/ die Woͤlfinnen anfallen/ damit du der Laͤmmer ſchoneſt;
ſtehlen iſt erlaubet durch den Muͤſſiggang in den Kloͤſtern/ durch Wucher
auff den montibus pietatis: luͤgen noch mehr/ vermoͤge der heilſamen
æquivocation. Den Kaͤtzern iſt man keinen Glauben zu halten ſchuldig/
vide Luth.
tom. 3. Ien.
fol. 236. \&
ſeqq.
wie Johann Huß ſolches erfahren und Becanus defendirt; anders re-
den/ anders gedencken iſt erlaubt; boͤſe Luſt und Begierde iſt erlaubt/ voll
fauffen iſt erlaubet/ ſintemal bey dem Gegentheil keiner voll heiſſet/ er ſeye
dann aller ſeiner Vernunfft beraubet/ daß er von ſich ſelbſt nicht weiß:
die reitzende Luſt-Seuche iſt keine Suͤnde.


Es leuchtet in dem Papſtumb nichtII. lux ſolatiflua,das
rechte Troſt-Liecht/
der beſte Troſt iſt weltlich Gluͤck bey ihnen/ deſſen
ſich auch der Tyrann Dionyſius geruͤhmet/ nach dem er den Tempel berau-
bet/ und doch gut Wetter zu ſchiffen bekom̃en. Wann das Gluͤck verſagt/
ſo weiß man nicht wo aus noch an/ Vrſach es mangelt am rechten Troſt-
Liecht/ deſſen man im Leben und Tode ſich zu erfueuen/ das iſt das unfehl-
bare Wort Gottes. Wir koͤnnen am letzten und von Hertzen ſingen: Mit
Fried und Freud ich fahr dahin/
ſie aber muͤſſen heulen mit Furcht
und Zittern/ wer weiß wo hin? Das Wort wird mit dem dicken und
Bellarm. l.
1. de purg.
c.
15.
ſchroͤcklichen Dampff aus dem Fegfener verfinſtert und umbnebelt/ wie
Bellarminus ſelbſt bezeuget; Des Schaͤchers Tod iſt eine Gnugthnung
geweſt
[401]Predigt.
geweſt fuͤr ſeine Suͤnde/ dadurch er von dem Fegfeuer errettet worden; wer
wolte dann auff ſolche Weiſe nicht lieber am Galgen ſterben/ conſequen-
ter,
morden/ ſtehlen/ ehebrechen als auff dem Bette? Es machet endlichvide Caſp.
Sanct. ad
Nahum
p.
1097.

dieſes Liecht auch nicht ſelig/ ſondern fuͤhret von dem Heiland
und ewigem Heil und Seligkeit ab/
man ziehe der Roͤmiſchen Ba-
byloniſchen Dam ihren Schmuck ab/ was wird bleiben? O ein garſtiger
Vnflat. Jm Zweifel gehet man in der Roͤmiſchẽ Kirchen Hauß/ im Zweifel
fahrt man wider draus/ des Prieſters zweifelhafftig intention bey der Tauff
iſt die janua und das Thor zur Kirchen/ der Zweifel begleitet dẽ armen Men-
ſchen in der Kirch/ Zweifel ſchleuſt die Thuͤr zu/ wañ er von hinnen ſcheidet.


Die Calviniſche undreformirte Kirche belangend/ iſt die-
ſelbe auch nicht die wahre Kirche/
dieweil daſelbſt mangelt das
warhaftige Liecht/
hingegen die tolle Vernunfft als ein Jrrwiſch herum̃
fackelt/ die ſpielet den Meiſter mit Gottes Wort: Es leuchtet zwar
das Liecht/ aber nicht warhaftig und rein/ dieweil man irret in fun-
damento fidei,
in dem Glaubens-Grund: Es fuͤhret nicht zu einem
heiligen Leben/
dieweil ſolches hindert das abſolutum decretum, die
bloſſe/ ohnbedingte Gnaden Wahl der Außerwehlten/ die unwiderſtrebliche
Gnade/ die bloſſe/ ohnbedingte Außſonderung und prædetermination zur
Verdamnuͤß/ ſintemal die gemelte Lehr eine hinderliſtige/ tuͤckiſche/ heuchle-
riſche Lehr iſt/ der Geiſt derſelben iſt auffruͤhriſch wider Koͤnige und Poten-
taten/ wie Jacobus Koͤnig in Engelland/ ſolches geklagtt an den Purita-
nern/ vor welchen er nicht ſicher geweſt in Mutterleibe; Es iſt auch das
Calviniſche Liecht kein Troſt-Liecht/ ſondern fuͤhret vielmehr in Ver-
zweifelung; gleich wie als Chriſtus ſagte Matth. 26. Einer unter euchMatth. 26.
21. 22.

(meinen Juͤngern) wird mich verrathen/ fiengen ſie alle an/
einer nach dem andern zu fragen: HERR/ bin ichs!
Alſo
wann Gott einen eintzigen Menſchen von Ewigkeit her aus bloſſem/ un-
bedingtem Rath zur ewigen Verdamnuͤß bezielet haͤtte/ muͤſte ein ieglicher
Menſch in Zweifel ſtehen/ ob er nicht der jenige waͤre? Ja/ ſpricht Gegen-
theil: ich weiß daß ich glaube à poſteriori, aus den Fruͤchten des Glau-
bens/ die ich bey mir mercke/ kan ich leichtlich den Baum finden. Aber
fides quæ credit ſupponit fidem quæ creditur, niemand kan glauben
ohne Verheiſſung. Was iſts das du glaubeſt? Jſts das Blut Chriſti/
ſein Leiden und Tod fuͤr dich in particulari geſchehen? proba. Daß Chri-
ſtus fuͤr etliche Menſchen geſtorben/ das lehret dein Catechiſmus/ daß Er
Sechſter Theil. E e eaber
[402]Die Zwey und Dreiſſigſte (Vierte)
aber fuͤr alle und folgends fuͤr dich geſtorben? das kanſtu laut deiner Lehr
nicht glauben. Endlich iſt es auch keinlux ſalvifica,kein ſelig-
machendes Liecht/
als durch dero Glaubens-Bekaͤntnuͤß/ alle Troſt-
Quellen verſtopffet werden.


Sihe es anIV. viſione fideli,mit unverwendeten
Glaubens-Augen;
So und dieweil Gottes Wort in deinem Hertzen
wohnet; ſo und dieweil daſſelbe leuchtet/ in deinem Catechiſmus/ Con-
feſſion,
Geſang/ Gebet/ Vbungen/ Sacramenten; ſo und dieweil der
Glaube thaͤtig iſt in dir; ſo und dieweil Gottes Wort dein Troſt iſt; ſo
kanſtu mit groſſen Freuden und Troſt ſagen: Jch glaube/ daß ich ein
Gliedmaß der wahren Kirchen bin/ und deßwegen freue ich mich mit
groſſer/ inniglicher Hertzens-Freude/ daß zu mir geſagt iſt/ daß wir
Pſ. 122, 1.
Pſ.
27, 4.
werden ins Hauß des HERREN gehen/ Eines bitte ich
vom HERREN/ das haͤtte ich gerne/ daß ich moͤchte bleiben
im Hauſe des HErren mein Lebenlang/ zu ſchauen die ſchoͤnen
Gottesdienſte des HErren/ und ſeinen Tempel zu beſuchen;

Pſ. 84, 2. 3.
4. 5.
Der Vogel (die verlockte Taube) hat ein Hauß funden/ und die
Schwalbe ihr Neſt/ nemlich deine Altar HErr Zebaoth; Wie
lieblich ſind deine Wohnungen/ HERR Zebaoth! Meine
Seele verlanget und ſehnet ſich nach den Vorhöfen des HEr-
ren/ mein Leib und Seele freuen ſich in dem lebendigen Gott!
Wol denen/ die in deinem Hauſe wohnen/ die loben dich im-
merdar!


Sihe es anV. viſione gratâ,mit Danck-Augen; Nicht
allein ſollen dancken die jenigen/ ſo aus dem finſtern Papſtumb zu dem
wahren Liecht bekehret zu uns treten/ ſondern auch wir; ſintemal es nicht
ohngefaͤhr geſchehen/ ſondern ſorte, durch ein ſonderbares goͤttliches Gluͤck;
daß wir in der jenigen Gemein geborn und widergeborn/ da Gottes Wort
Col. 1, 12.
13.
hell und klar leuchtet/ mit Paulo/ Coloſſ. 1. danckſagen dem Vater/
der uns tůchtig gemacht/ welcher uns errettet von der Obrig-
keit der Finſternůß/ und verſetzt in das Reich ſeines lieben
Sohnes;
Jſt der Glaube recht/ ſo wird er nicht nur leuchten/ ſondern
auch brennen in der Liebe/ dieſe iſt das fuͤrnemſte Kenn-Zeichen/ wann
man ſaget wie von der erſten Kirche/ vide ut ſe invicem diligant, ſehet wie
lieben
[403]Predigt.
lieben dieſe Leute einander. Aber leider der Mangel iſt groß: charitas,
raritas,
Liebe iſt gar duͤnne geſaͤet/ zwar charitas frigida, charitas ſyncre-
tica,
kalte Liebe/ welſche Liebe/ die durchwandert und fuͤllet die gantze Welt/
es welſchelt und menſchelt allenthalben/ man findet faſt nichts mehr als
allenthalben lau/ faul/ und Maul-Chriſtenthumb; hingegen muß man
leider ſagen: Sihe/ wie die Leute einander haſſen/ zuzauſen/ in Haaren
ligen/ aͤrger als die wilden Thiere/ ja die Teufel ſelbſt/ dann ein ieglichMatth. 12,
25.

Reich/ ſo es mit ihm ſelbſt uneins wird/ das wird wuͤſte/ und
faͤllet alles uͤber einander/ und kan nicht beſtehen;
das ſtinckt/
das haͤlt viel ab von der religion, das aͤrgert/ daher kommen die libri ex-
probratorii,
die Schmaͤhekarten bey den Widerſachern: ſo dann auch das
Teutſch-Evangeliſche aͤrgerliche Chriſtenthumb und dergleichen.


Duas civitates faciunt duo amores. Hieruſalem facit amor DEI, Baby-
lonem amor ſeculi. Interroget quisque ſe quid amet, \& inveniet unde ſit civis,
ita Auguſtin. Pſalm.
64.’
()

Nun der HERR kennet die ſeinen! bey welchen ſein Wort2. Tim. 2,
19.

Frucht bringet/ umb welcher willen die Kirche/ ja die Welt noch erhalten
wird. An jenem Tage wird offenbarlich erſcheinen/ welcher in der Welt
Babylon/ welche Jeruſalem geweſen/ wann Er dieſe zur Rechten/ jene zur
Lincken wird ſtellen/ hie iſt alles vermiſcht unter einander/ ſind AuguſtiniAuguſt, in
Pſalm,
64.

Gedancken. Heiliger Vater! erhalt uns in deinem Namen/
in deiner Warheit/ dann dein Wort iſt die Warheit! die Lie-
be/ damit du deinen Sohn liebeſt/ ſeye in uns allen/ und er in
uns/ auff daß wir alle eines ſeyen! ja daß wie wir hie ſehen/

wo er iſt/ wir auch bey ihm ſeyn/ wo er iſt/ daß wir ſeine
Herrligkeit ſehen in Ewigkeit/

Amen.


E e eDie
[404]Die Drey und Dreiſſigſte (Fůnffte)

Die Drey und Dreiſſigſte


Vber den dritten Articul/
Von der Kirch/


Die Fuͤnffte Predigt/


Von der Einigkeit der Chriſtlichen Kirchen
und Gemeinſchafft der Heiligen.


GEliebte in Chriſto: Lieblich/ ſchön und anmuthig
iſt
ſymphonia artis muſicæ,die figuͤrliche Zu-
ſammenſtimmung allerhand Thonen/ Seyten/
Pfeiffen und Stimmen/
wann nach mathemati-
ſcher proportion die Stimmen ſich zuſammen reimen/
die conſonantes in einander gefuͤgt/ die diſſonantes abgeſchafft oder doch
mit lieblichen ſemitonien moderirt; wann Baß und Diſcant oder wie
1. Chron.
15, 20. 21.
die Schrifft redet 1. Chron. 15. al Alamoth al haſminith, die reine
und grobe Stimm ſich holdſelig vergleichen; das/ ſag ich/ iſt lieblich zu
hoͤren/ dem Sathan thuts wehe in den Ohren/ der wird durch die Muſic
1. Sam. 16,
16.
gebannet/ iſt ein Vorſchmack und præludium des ewigen Lebens. Jener
Atheas beym Plutarcho als Ismenias fuͤr ihm muſiciret/ ſchweret bey ſei-
nem Sebel/ er wolle lieber ſein Pferd hoͤren weyhern und ſchreyen; Aber
Plutarchus ſagt/ bovis eſſe non hominis vocem, es ſeye keines Menſchen/
ſondern Viehes- und Ochſen-Stimme; Noch lieblicher und hold-
ſeliger iſt
ſymphonia naturæ,die Zuſammenſtimmung der
Iob. 38, 37.
Pſ.
19, 2. 3. 4.
Natur/concentus cœli, wann die Himmel die Ehre Gottes
erzehlen/ und die Veſte ſeiner Haͤnde Werck verkuͤndigen;
Ein Tag ſagets dem andern/ und eine Nacht thuts kund der
andern/ es iſt keine Sprache noch Rede/ da man nicht ihre
Stimme hoͤre.


Der Heydniſche Philoſophus Pythagoras ein rechter plagiarius, der
ſeine Philoſophiam den Juden abgeſtolen/ hat hoͤren laͤuten/ aber nicht
gewuſt in welchem Dorff/ der hats nach den Buchſtaben verſtanden von
dem
[405]Predigt.
dem eigentlichen Geſang und Klang aus Zuſammenſtoſſung der orbium
und himliſchen Kraiſen/ wie Cicero ſeine Meynung an Tag gibt; Pytha-Cic. l. 3. de
nat. Deor.

goras hat gemeynet/ die Oberwelt gebe einen harmoniſchen Thon und Laut
von ſich: daß mans aber nicht hoͤre/ kom̃e daher/ weil mans alſo gewohnet/
wie in einer Muͤhlen; welche Meynung auch Scipio fuͤhret/ auch PhiloIn ſomnio
Scipionis
apud Cic.
Philo in l.
de ſomni-
is.
Ambroſ.
hom. 1. in
Hexaëm.
Ariſt. l. 2.
de cœl.
c. 9.
Pſ.
111, 2.

Judæus; Aber es iſt dieſer Wahn laͤngſt refutirt/ nicht allein in der Kirch
von Ambroſio, da er dieſen Wahn nennet veteratoriam impoſturam \&
ruinosà carie perflaccidam,
eine alte betruͤgliche/ abgeſchmackte Meynung/
ſondern auch von Ariſtotele: Vnterdeſſen aber iſt es gleichwol war im
figuͤrlichen Verſtand per προσωποποιΐαν, dieweil die gantze machina
mundi
in eine ſolche holdſelige harmoni zuſammen gefaſſet/ wie vielerley
Stimmen ohne diſſonantz ſich zuſammen reimen/ Wer darauff acht
hat/ hat eitel Luſt daran;
Es ruffet alles/ und zeuget von Gott dem
Schoͤpffer/ aller Creaturen Schoͤnheit iſt gleichſam etlicher maſſen eine
Stimm/ die da Gott lobet; Der Himmel ruffet zu Gott: Du haſt
mich gemacht/ und nicht ich mich ſelbſt! Die Erde ruffet: Du Herr haſt
mich geſchaffen/ nicht ich! Wie ruffen dann nun dieſelben? Durch dich/
O Menſch! ſie ruffen durch deine Betrachtung/ durch deine Stimme
ruffen ſie/ ſchreibt Auguſtinus.

Auguſt. ad
Pſal.
148.

Nichts aber iſt uͤber dieſymphoniam Eccleſiæ,die har-
moniſche Vbereinſtimmung der Kirchen;
Die Eintraͤchtigkeit
der Kirchen iſt uͤber ſieben Lauten. Sihe/ wie fein und lieblich iſts/Pſ. 133, 1.
wann Bruͤder einträchtig bey einander wohnen;Quod in
cantu eſt harmonia, id in Eccleſia eſt concordia,
ſagt Auguſt. Was imAuguſt. l.
2. C. D. c.

21.

Geſang/ in der Muſic die ſchoͤne Harmoni iſt/ das iſt in einer Gemeine die
Eintraͤchtigkeit/ da ſo vielerley nationen/ Zungen/ Sprachen/ alle zuſam-
men ruffen: Wir glauben all an einen GOTT/ ꝛc. Vater
unſer im Himmelreich/ ꝛc. Jſt die herrliche
ſymphonia,
von welcher unſer Catechiſmus redet im ſechſten Hauptſtuͤck/
wann Chriſtus ſaget: ἐὰν συμφωνήσουσι, Wo zween unter euch eins
werden/
nach dem Griechiſchen/ wo zween zuſammen muſiciren/
ſingen und ůbereinſtimmen werden;
welches eintzige Wort
dißmal unſerthema ſeyn ſoll/ in welchem wir die Einigkeit der
Chriſtlichen Kirchen und in derſelben die Gemeinſchafft der
Heiligen
abhandlen/ erklaͤren und fuͤrtragen wollen.


E e e 3Jſt
[406]Die Drey und Dreiſſigſte (Fuͤnffte)

Jſt ein kurtzesthema, aber von groſſem Nachklang: thema
confeſſum,
ein ſolchesthemaundmateri,ſo wir bekennen
in dem Apoſtoliſchen Glauben/
wann wir ſagen: Jch glaube
die Gemeinſchafft der Heiligen/
oder welches gleich viel/ eine
v. Luth. in
Catech.
maj. p. m.

499.
Chriſtliche Gemein/ ſintemal wie Lutherus wol ermeſſen/ die ange-
fuͤhrte Wort (Gemeinſchafft der Heiligen) ſind dem vorigen Wort
Eccleſia allein interpretandi gratiâ Außlegungshalben hinzu geſetzt/
anzuzeigen/ was das Wort Eccleſia auff Teutſch heiſſet/ nemlich eine
Gemeine der Heiligen/
oder eine heilige Gemein; Jm Nice-
niſchen
Symbolo ſprechen wir: Jch glaube eine einige/ heilige/
Chriſtliche/ Apoſtoliſche Kirche.
Seuffzen zuvor mit zuſammen-
ſtimmenden Hertzen und Mund: Veni ſancte Spiritus!Komm
du Tröſter Heiliger Geiſt/ der du haſt durch mancherley
Zungen und Sprachen aller Welt Völcker zur Einigkeit des
Glaubens an Chriſtum verſamlet; erfuͤll mit Gnad die Her-
tzen deiner Glaubigen/ und entzuͤnd in ihnen die Brunſt dei-
ner Göttlichen Liebe/ daß ſie hier zu ohngefaͤrbter Einigkeit
geſamlet/ dich ſampt dem Vater und dem Sohn dermal eins
mit allen Außerwehlten einhellig in
Ewigkeit lieben und loben
moͤgen/
Amen.


BElangende nun angezogeneUnitaͤt und Einmuͤthig-
keit der Chriſtlichen/ ſtreitenden Kirchen hie auff
Er-
den/
ſo iſt dieſelbe I. Symphonia adunata,eine verei-
nigte Muſic aus vielen
nationen/ Ständen/ Perſonen/
Sprachen beſtehend;
Jn einer wolklingenden Muſic gibts unter-
ſchiedliche Stimmen/ hoch und tieff/ klar und grob/ ſchnell und langſam/
froͤlich und traurig unter einander gemiſchet/ wie auch bey Orgel- und
Pfeiffenwerck unterſchiedliche toni, Seyten/ Pfeiffen; Aber ſie werden
durch den Componiſten und Capellmeiſter in eine proportion gebracht/ der
reimet die conſonantes tertiam, quintam, octavam, decimam quintam
zuſammen/ laͤſſet die diſſonantes nicht zuſammen ſtoſſen/ ſo wird alßdann
die Muſic gratios, lieblich und angenehm: Alſo in Eccleſiæ ſocietate,
in der Kirchen gibts viel nationen/ Sprachen/ Gaben/ Staͤnde/ Empter/
tempe-
[407]Predigt.
temperamenta, ingenia, Summa viel Huͤhte viel Koͤpffe/ viel Koͤpffe
viel Sinne und Gedancken; Aber von dem Geiſt der Einigkeit Gott
dem Heiligen Geiſt werden ſie zuſammen gereimet nach der Tabulatur des
Goͤttlichen Worts/ daß allzumal ohne anſehen der Perſon/ Jude und
Grieche einer ſind in Chriſto Jeſu/
Galat. 3. Eine iſt meineGal. 3, 28.
Taube/ meine Fromme/ eine Arch Noæ/ ein Leib/ ein Geiſt/ einCann 6, 8.
Glauben/ eine Hoffnung/ eine Tauff/ ein HERR/ ein Gott
und Vater unſer aller/
Epheſ. 4. Davon lautet nicht nur unſerEph. 4, 4. 5.
6.

Chriſtlicher Apoſtoliſcher Glaube/ Jch glaub eine Gemein-
ſchafft der Heiligen/
ſondern auch das ſechſte Hauptſtuͤck in den
Worten/ da in der Außlegung ſtehet: Alle Glaubige ſind in Chri-
ſto als Glieder zu einem Leibe einverleibet in heiliger Tauffe/
Kinder und Erben Gottes/ Burger im Himmel/ die am ewi-
gen Gut eine Gemeinſchafft haben.


Sanct Paulits fuͤhrt es weiter aus: Wir viel ſind ein Leib/1. Cor. 10,
17.
1. Cor.
12, 4.
5. 6. 7. 15. 21.
22. 24. 25.

Es ſind mancherley Gaben/ aber ein Geiſt: Es ſind man-
cherley Empter/ aber es iſt ein HERR; Es ſind mancherley
Kraͤfften/ aber es iſt ein Gott/ der da wuͤrcket alles in allen.
Jn einem ieglichen erzeigen ſich die Gaben des Geiſtes/ zum
gemeinen Nutz. So nun der Fuß ſpraͤche: Jch bin keine
Hand/ darumb bin ich des Leibes Glied nicht; Solt er umb
des willen nicht des Leibes Glied ſeyn? Es kan das Auge
nicht ſagen zur Hand: Jch darff dein nicht; Sondern viel-
mehr die Glieder/ die uns duͤncken am ſchwaͤchſten ſeyn/ ſind
die noͤthiſten; Aber GOTT hat den Leib alſo vermenget/
und dem duͤrfftigen Glied am meiſten Ehre gegeben/ auff daß
nicht eine Spaltung im Leibe ſey/ ſondern die Glieder fuͤr
einander gleich ſorgen. Laſſet uns rechtſchaffen ſeyn in der
Eph. 4, 15.
16.

Liebe/ und wachſen in allen ſtůcken/ an dem/ der das Haupt iſt/
Chriſtus/ aus welchem der gantze Leib zuſammen gefuͤgt/ und
ein Glied am andern hanget/ durch alle Gelencke/ dadurch
eines dem andern Handreichung thut/ nach dem Werck eines
ieglichen
Glieds in ſeiner Maſſe/ und machet/ daß der Leib
waͤchſet
[408]Die Drey und Dreiſſigſte (Fuͤnffte)
wächſet zu ſein ſelbſt Beſſerung/ und das alles in der Liebe.
Chriſtus iſt das Haupt/ Glieder ſind die Chriſten/ die Liebe iſt die harmoni,
der Glaube die Seel/ die chariſmata und Gnaden-Gaben des Heiligen
Geiſtes ſind gleichſam die Geiſterlein des Lebens. Ein ſchoͤnes contro-
fet
dieſer Vereinigung haben wir in der Natur an den Jmmen; ſie ha-
ben einen Koͤnig/ dem ſind ſie gehorſam; Stehets wol umb ihn/ ſo ſind
ſie alle einig/ von deſſen Gedoͤß werden ſie gleichſam als von einer Trompet
auffgefriſchet/ daß ſie Morgens zum Thor hinaus ziehen; leiden die
Weſpen/ die Spinnen nicht unter ſich/ laſſen ſich von denſelben nicht an-
ſtecken; ie eines hilfft dem andern/ die jungen fliehen aus und ſaugen/ die
alten verwerckens daheim/ etliche empfangen/ etliche machen das Neſt/
bereiten daraus den lieblichen Honig/ der Goͤtter und Menſchen erfreuet.


Dieſe κοινωνία und Gemeinſchafft der Heiligen iſt
maſculinèundneutraliter,von Perſonen und heiligen Gů-
tern zu verſtehen/
vornemlich von dieſem Leben συναγωνιςικὴ, die
Kampff-
Gemeinſchafft/ nicht aber ἱλαςικὴ, keine Verſoͤhn-
Verdienſt- und Buß-
Gemeinſchafft/ die ſich neben Chriſto in ſei-
nem Mttler- und Verſoͤhnungs-Ampt ſetzete; Von dieſem Leben/ ſag ich
vornemlich/ dann mit der triumphirenden Kirchen/ den Außerwehlten im
Contra
Bellarm.
l. 2. de In-
dulg. c.
1.
Him̃el koͤnnen wir in dieſer Zeit keine Gemeinſchafft haben: es iſt da keine
Gemeinſchafft der Gnugthnungẽ und particular Fuͤrbitt/ gleich wie wir nit
fuͤr ſie/ alſo auch daß ſie fuͤr uns bitten ſolten/ in particulari und abſonder-
lich/ haben wir weder Verheiſſung noch Exempel. Κοινωνία 2. cordium,
eine Gemeinſchafft der Hertzen/ hertzlicher affecten und Begierden/
Act. 4, 32.wie von der erſten Kirche geruͤhmet wird Actor. 4. Die Menge der
Glaubigen iſt ein Hertz und eine Seele/ dann wir ſind alle ein
Rom. 12, 5.Leib/Rom. 12. in dem die Gliedmaſſen geordnet ſind und ſeyn ſollen
ad mutuam συνέργειαν \& συναγωνισμὸν, daß ſie einander helffen und mit-
kaͤmpffen ſollen; Das Auge kan nicht ſagen zur Hand/ oder das
1. Cor. 12,
21. 26.
Haupt zun Fuͤſſen: Jch darff euer nicht/ 1. Corinth. 12. ad mu-
tuam
συμπάϑειαν, daß ſie Mitleiden mit einander haben und tragen/
So ein Glied leidet/ ſo leiden die andern alle mit/ alſo auch die
Glaubigen als Glieder Chriſti. 3. Vocum \& linguarum,Der
Stimme und Zungen/
im Gebet/ im Leben und Bekaͤntnuͤſſen iſt aller
Glaubi-
[409]Predigt.
Glaubigen eine Stimme/ ſie ruffen einhelliglich: Wir glauben alle
an einen GOTT/ ꝛc. Vater unſer im Himmelreich/ ꝛc.


4. Bonorum Eccleſiæ,die Gemeinſchafft der Kirchen-
Guͤter/ darzu hat einer ſo viel Recht als der ander/ wovon drunten mit
mehrerm. Niemand bilde ihm allhie ein/ irgend eine Platoniſche Gemein-
ſchafft der zeitlichen Guͤter/ da alles theil und gemein/ niemand nichts eige-
nes behalten/ oder ein widertaͤufferiſch Chaos, davon bey Sleidano zu leſen.
Dergleichen zwar faule Schlingel gerne ſehen/ lieber Fiſche eſſen als fan-
gen/ lieber das Honig ſaugen als ſamlen; iſt aber Gottes und zwar dem
achten und zehenden Gebott zuwider/ darinn die diviſion, Theiluug und
Abſonderung der zeitlichen Guͤter fundirt und gegruͤndet/ dannenhero
auch der weiſe Salomon ſaget: Reiche und Arme muͤſſen unterProv. 22, 2.
einander ſeyn/ dann der HERR hat ſie alle gemacht. Zwar an-
fangs in der erſten Mutter-Kirche zu Jeruſalem Actor. 4. hat die NothAct. 4, 32.
eine communion und Gemeinſchaft der zeitlichen Guͤter erfordern wol-
len/ aber ſie waͤhret nicht lang/ war auff eine gewiſſe Zeit abgeſehen und ge-
ſtifftet/ zur Vorſorge der kuͤnfftigen/ vor Augen ſchwebenden Trangſahlen/
Verfolgung und Gefahr/ dieſelbe deſto leichter zu uͤbertragen; Sie haben
wol gewuſt/ daß alles bald werde in die Rappus kom̃en/ darumb haben ſie
bey zeit alles verſilbert/ wie bey Auguſt. zu leſen. Sie war voluntaria, ſtundAuguſtin.
l. 3. Doc[t]r.
Chriſt. c. 6.
Act.
5, 4. 9.

einem ieglichen frey nach ſeinem Belieben und Wilkuͤhr dieſelbe mitzu-
halten oder zu laſſen/ wie Petrus ſolches Ananiæ und Sapphiræ fuͤrwirfft.
Sie war particular, gieng nicht einen iedweden an/ vielweniger exem pla-
ris,
daß man ſie noch heut zu Tage nachahnen ſolte/ ſintemal dieſelbe Vr-
ſach/ warumb ſie ſolche Gemeinſchafft gehalten/ uns/ Gott Lob/ heute
zu Tage nicht treibet/ ſo iſt demnach ſolche Gemeinſchafft der Guͤter auch
nicht von noͤthen.


Am allermeiſten aber gehoͤret hieher die Gemeinſchafft aller
Glieder des gantzen geiſtlichen Leibes mit dem Haupt Chri-
ſto/
zu gemeinem Genuͤß. Wie das Einhorn nur ein Horn hat/ ſo hat
die Kirche nur ein Haupt/ ſchreibet Theodoretus. Vnd beſtehet demnachTheodo-
ret. q. 44.
in Numer.
Ioh. 15, 1.
2. Pet. 1, 4.
Eſa. 53, 3.
Act.
9, 16.

ſolche Gemeinſchafft mit dem Königlichen Haupt Chriſto in
der
Gemeinſchafft 1. Subſtantiæ,des geiſtlichen Weinſtocks
und der Goͤtttlichen Natur
ſelbſt. 2. Paſſionum,der Leiden/
in dem Er unſere Schmertzen auff ſich geladen/ und unſere Kranckheit
getragen/ ſo ſollen wir auch umb ſeines Namens willen leiden.
Sechſter Theil. F f f3. Bene-
[410]Die Drey und Dreiſſigſte (Fuͤnffte)
Ioh. 1, 16.3. Beneficiorum,der Gut- und Wolthaten; Von ſeiner
1. Cor. 1, 30.Fuͤlle haben ſie alle genommen Gnade umb Gnade/ Er iſt uns
gemacht von GOTT zur Weißheit/ zur
Gerechtigkeit/ zur
Phil. 4, 13.Heiligung und zur Erlöſung; Jch/ ſagt St. Paulus/ vermag
alles/ durch den/ der mich maͤchtig machet/ Chriſtus.
4. Of-
ficii,
des Königlichen Ampts/ dann wir ſind geiſtliche Koͤnige/
Apoc. 1, 6.Apoc. 1. und der Herrſchung uͤber alle Creaturen.


II. Κοινωνία nominis,die Gemeinſchafft des Namens;
Pſ. 45, 14.
Devt. 32,
10.
1. Pet.
2, 9.
daß die Kirche genennet wird Chriſti Geſpons/ Freundin/ Tau-
be/ Eigenthumb und erworbenes
Gut/ des Koͤniges Tochter/
der Augapffel des
HERREN/ das Koͤnigliche Prieſterthumb;
ſo viel Vnterthanen/ ſo viel Koͤnige/ gleich wie vorzeiten des Pyrrhi Legat
von Rom geſagt/ daß er daſelbſt geſehen ſo viel Koͤnige als Rath-Herren
Ezech. 48,
35.
ſind. Jehova ſchamma,hie iſt der HERR.Gott wohnet
in ihr/ ſie iſt mit dem Blut Chriſti beſprenget/ wer ſich an ihr vergreiffet/
der iſt ein ſacrilegus; ſind ſolche Namen/ die ein iedes glaubiges/ Chriſt-
liches Hertz auff ſich zu ziehen/ nicht nur aber den Namen; Es ſind nicht
tituli ſine re und bloſſe Namen ohne Warheit; ſondern auch ſich der
That und Warheit ſelbſt zu troͤſten.


III. Κοινωνία regia curæ,die Gemeinſchafft der Koͤnig-
lichen Vorſorge;
Ein Vater hat ja fleiſſiger Sorge zu ſeiner Tochter/
als zu ſeinen mancipien; ein Ehemann zu ſeinem Weib als Maͤgden:
Alſo auch Chriſtus zu ſeiner geiſtlichen Geſpons/ als zu einer frembden:
Amos 9, 8.
9.
Er ſchonet ihr/ Sihe/ ſpricht Er ſelbſt Amos 9. die Augen des
HERREN/ HERRENſehen auff ein ſuͤndiges Koͤnig-
reich/ daß ichs vom Erdboden gantz vertilge/ wiewol ich das

Hauß Jacob nicht gar vertilgen will/ aber doch ſihe/ Jch will
das
Hauß Jſrael unter allen Heyden ſichten laſſen/ gleich wie
man mit einem Siebe ſichtet/ und die Körnlein ſollen nicht
auff die Erden fallen.
Er ſtraffet ſie mit Maß/ ſeuberlich/ Gleich
Eſa. 5, 5.
c.
65, 8.
als wann man/ ſagt er Eſa. 65. Moſt in einer Trauben findet/
und ſpricht: Verderbe es nicht/ es iſt Segen drinnen/ alſo will
ich umb meiner Knechte willen thun/ daß ich nicht alles ver-
derbe.
Er bewahret ſie als wie eine Henn ihre Kuͤchelein/ er traͤget ſie
auff
[411]Predigt.
auff Adlers-Fluͤgeln; die Statt Gottes bedarff keiner Mauren/ wie dort
Babylon/ der Herr iſt ihre feurige Maur; Auff ſie ſind ſonderlich beſtellt
die πν [...]ματα λειτουγικὰ die Heiligen Engel/ die Mahanaim/ die Wacht zuEbr. 1, [4].
Gen. 32, 2.
2. Reg. 6,
17.
Rom. 3, 2.
c. 9, 4.
Pſ.
87, 3.

Dothan; die Gottloſen entgelten der Frommen. IV. Κοινωνἰα regiorum
κειμηλίων, die Gemeinſchaft der Koͤniglichẽ Kleinodien; Jhr gehoͤ-
ret die Kindſchafft/ die Heiligkeit/ der Bund/ das Geſetz/ der Gottesdienſt/
die Verheiſſung/ ſonderlich des Worts und der Sacramenten/ herrliche
Dinge werden in dir geprediget/ du Statt Gottes.


V. Κοινωνία regiæ libertatis ac immunitatis,die Ge-
meinſchafft der Koͤniglichen Freiheit;
Sie iſt ein KoͤniglichesGen. 47,
22.
v. Riv. ad
Exod. p.
484.
vid. Cluv.
p. 64.
Act.
16, 37.

Prieſterthumb/ wie die Prieſter in Egypten frey waren/ alſo iſt auch die
Geſpons Chriſti frey von des Geſetzes Schuld/ hie hat Blatz gleichſam
σεισάχϑεια, das iſt/ die Vergebung der Suͤnden/ hieher gehoͤren die privi-
legia
und Freyheiten der Roͤmiſchen Burger Actor. 16. Alle Fehd hat
nun ein Ende.


VI. Κοινωνία Regii convivii,die Gemeinſchafft der Koͤ-
niglichen Evangeliſchen Mahlzeit/
das iſt der Gnade und Gaben
des Heiligen Geiſtes/ wir ſollen an ſeiner Tafel geſpeiſet werden/ wie Me-2. Sam. 9, 7.
2. Pet.
1, 4.

phiboſeth/ da werden auffgetragen μέγιςα καὶ τίμια ἐπαγγέλματα, die
groͤſſeſten und theuerſten Verheiſſungen/ das honigſuͤſſe Manna des troſt-
reichen Evangelii/ der Leib und das Blut Chriſti/ die gemaͤſteten Ochſen
repræſentiren Chriſtum/ der da iſt das Lamb Gottes/ die fruͤhgejagte
Hindin.


VII. Κοινωνία regiæ hæreditatis,die Gemeinſchafft des
Koͤniglichen Erbes/ des ewigen Lebens;
Diß ſind ja herrliche
Schaͤtze! wem wolt nicht dagegen die Welt/ und was drinnen iſt verleiden?
wer wolte nicht alles mit Paulo fuͤr rejectamenta und fuͤr Schaden ach-Phil. 3, 7. 8.
ten? Was verbeuts/ daß wir nicht abermal mit Moſe ſprechen aus
Devt. 4. \& 33. Laſt dem Tuͤrcken/ dem Kaͤyſer ſeinen Pracht/ der Paͤpſti-Devt. 4, 7.
8. \& 33, 29.
Pſ.
45, 14.

ſchen Kirchen ihren euſſerlichen ornat und Huren-Stirn/ Des Koͤni-
ges Tochter iſt und bleibet gantz herrlich innwendig ge-
ſchmuͤcket.
Es iſt aber von dieſer geiſtlichen Gemeinſchafft in Chriſto
droben in Erklaͤrung des andern Articuls außfuͤhrlich gehandelt worden.


VIII. Κοινωνία cultuum \& rituum ſubſtantialium,die
Gemeinſchafft des Gottesdienſts und weſentlichen Kirchen-

Gebräuche und Ordnungen/ was ſonſt anlangt die andern zufaͤl-
F f f 2ligen
[412]Die Drey und Dreiſſigſte (Fuͤnffte)
lige und wandelbare adiaphora und Mitteldinge/ behaͤlt die Kirche ihre
Gal. 5, 1.Freyheit: als die frey iſt von dem Joch der Moſaiſchen Satzungen; da
ligt nichts dran/ ob man in einer Kirch die privat-abſolution halte oder
nicht; die Feyertage halte oder nicht; die Zehen Gebott an einem Ort
theile wie am andern oder nicht; Vater unſer oder unſer Vater ſage;
Chor-Hembd habe oder nicht; den exorciſmum in der Tauffe obſervire
oder nicht; das Heilige Abendmahl mit der Hand nehme oder nicht; da
behaͤlt die Koͤnigin die Chriſtliche guͤldene Freyheit und Oberhand/ die
Rom. 14, 1.
1. Cor. 8, 12.
c.
10, 23.
knechtiſche Dienſtbarkeit muß weichen; da ſoll man den falſchen Bruͤ-
dern nicht ein Haar weichen/ doch damit der Chriſtlichen Klugheit und
Liebe nicht vergeſſen werde.


II. Symphonia formata,Eine wolbeſtellte Muſic;
bey einer Muſic ſoll ſie wol klingen/ finden ſich unterſchiedliche toni, gradus,
ordines, chori
und Auffzuͤge/ in ſchoͤner Ordnung/ Form und Geſtalt zu-
ſam̃en gefuͤget: Alſo in der Kirche Chriſti gehet es alles ehrlich und ordente
1. Cor. 14,
40.
lich her/ und geſchicht zur Beſſerung. Es hat die Kirche ihre gewiſſe hie-
rarchias,
und Staͤnde/ gleichſam als drey Choͤr/ darein ſie abgetheilet;
Sie hat ihre ordines und Kirchen-Ordnungen/ darinn beſchrieben/ wie
es ſoll gehalten werden mit den predigen und deren Abtheilung/ Feyer- und
Feſt-Tagen/ Gebet und Betſtunden/ Geſang und Orglen/ Catechiſmus
und Schulen/ Ceremonien bey der Tauffe und Abendmahl/ bey der Ordi-
nation,
bey Kinder-Tauff/ Hochzeiten/ Begraͤbnuͤſſen/ Ordnung des Kir-
chen-Convents/ Viſitation, Cenſur. Es ſind ſolche wolverfaſſete
Ordnungen/ davon Auguſtinus ſchreibet/ daß gleich wie kein gottſeliger
und gewiſſenhaffter Menſch ſich aufflehnet wider die Heilige Schrifft/ kein
Verſtaͤndiger wider die Vernunfft/ alſo auch kein Friedſamer wider die
Kirche und dero angetroffene Gebraͤuche; wie man eine Ordnung fin-
det/ ſo ſoll man ſie laſſen/ frembde Leute wollen offtmal etwas beſonders
haben/ ſind aber uͤbel berichtet.


III. Symphonia ſeparata \& diviſa,Eine abgeſonderte
und zertheilte Muſic/
von den diſſonantibus, die einen boͤſen Nach-
klang haben; Jn der Muſic gehet es ſo her/ daß man die diſſonantien/
die ſich nicht wollen reimen und ſchicken/ abſchaffet/ ſonſt gibts ein Katzen-
Geſchrey; und das iſt eben der Vnterſcheid unter einer figuͤrlichen und
Matt. 18, 17.
Act. 10, 28.
Luc.
27, 28.
gemeinen Muſic: Alſo iſt in der Kirche geordnet die excommunicatio,
der Bann/ wer ſich nicht in die Ordnung ſchicken und reimen will/ den
halt man als einen Heyden und Vnchriſten/ in dem man ihn außſchlieſſet
von
[413]Predigt.
von der (nicht zwar nothwendigen/ ſondern) freyen Geſell- oder Gemein-
ſchafft und Verſamlung; doch gehet dieſe excommunicatio per gradus,
Erſtlich iſt minor, der kleinere Bann/ wann man einen außſchlieſſet von
der Gevatterſchafft/ von ſeinem Stul oder Sitz in der Kirche/ von dem
Heiligen Abendmahl: Darauff folget major, der groͤſſere/ wann man
einen außſchlieſſet von Hochzeiten und geiſtlichen Bruͤderſchafft: End-
lich maxima, der allerſchwereſte und groͤſſeſte Bann/ daß man einen dem1. Cor. 5, 11.
2. Theſſ.
3,
14.

Sathan uͤbergibet/ maranatha aus ihm machet uud verflucht; Es iſt auch
noch ein Bann/ der heiſſet virtualis, iſt der jenigen/ ſo ſich gleichſam
ſelbſt bannen/ die von uns außgehen/ ſind alle im fundament und
Grund des Glaubens irrige Kaͤtzer und Rottirer/ nemlich nicht nur die
blinden im Papſtumb/ ſondern auch die uͤberwitzigen im Calviniſchen
Jrrthumb: dieſe wollen ſich zwar unter die Augſpurgiſche Confeſſions-
Genoſſen mit einmiſchen/ und ihren Koth unter dem Pfeffer verkauffen.
Aber wie ſie ſich ſelbſt abgeſondert durch eine ſonderbare Confeſſion, alſo
ſind ſie auch durch die Augſpurgiſche Confeſſion abgeſondert/ und bleiben
abgeſondert/ ſo lang ſie ſich in ihrẽ falſchen Wahn ſteiffen/ und der Warheit
nicht weichen werden/ das improbant ſecus docentes, Art. 10. wer-
den ſie nicht außwiſchen/ wann die Augſpurgiſche Confeſſion ſaget:
Wir verwerffen alle/ ſo da anders lehren; Mit Jrrglaubenden
moͤgen wir wol Gemeinſchafft haben/ was die Noth-Freundſchafft be-
trifft/ wann man beyſammen wohnen und leben muß in einer Policey/
Buͤndnuͤß mit einander auffgerichtet/ in Mahlzeiten/ im Eheſtande (ſo
fern die Ehe ſchon verſprochen und geſchloſſen) in Noth-Reiſen und andern
euſſerlichen Handel und Wandel/ wohin auch gehoͤret die Noth-Tauffe
in caſu neceſſitatis, im Nothfall/ wann mann es nicht anders haben kan;
Aber keine Gemeinſchafft iſt erlaubt quoad officia libertatis, was die
Chur-Freundſchafft belanget/ in ſolchen Dingen/ Haͤndlen und Geſchaͤff-2. Cor. 6,
14. ſeqq.

ten/ deren man wol kan eruͤbrigt bleiben.


IV. Symphonia proportionata infirmitati humanæ,
Eine Muſic die gerichtet iſt nach dem Zuſtand/ Faͤhigkeit
und Schwachheit des menſchlichen Lebens;
Jn einer Muſic
gehets nicht allezeit gleich her/ es gibt ſeltzame Tripel/ es koͤnnen nicht alle
diſſonantien gerade abgeſchaffet werden/ der Componiſt und Capellmeiſter
muß da das beſte thun/ den hartlautenden Stimmen helffen mit Pauſen/
ſemitonien/ mit ſchnellen durchlauffenden Fuſen/ mit Colorirung der
tonorum: Alſo gehet es auch nicht in der Kirche gleich her/ die Einigkeit
F f f 3der
[414]Die Drey und Dreiſſigſte (Fuͤnffte)
der Kirchen hat zwey gefaͤhrliche extrema, diſſeit Syncretiſmum, den
Miſchmaſch der religionen/ deren die im fundament unterſchieden/ davon
die Friedens-Pfeiffer viel Jahr ihr Sirenen-Lied geſungen: Jenſeit Puri-
taniſmum,
die euſſerſte Reinigkeit/ und unmoͤgliche Vollkommenheit/ da
man alles auffs hoͤchſte treibt/ und wie man pflegt zu reden/ alles zu Boltzen
drehen will/ wann zum Exempel/ vorzeiten die Meiſter von hohen Sinnen
in Engelland/ der Koͤnigin Eliſabethen liturgiam und Kirchen-Ordnung
nach der Genviſchen formiren und richten/ alle alte Mittelding und Cere-
monien abſchaffen/ Chor-Hembder/ Creutz/ Knie-beugen/ Bilder/ Weiber-
Tauffe in dem Nothfall/ von welchen zu anderer Gelegenheit weitlaͤufftiger
gehandelt wird abſchaffen wollẽ. Das Schiff Chriſti ſeglet hie mittẽ durch/
gibt zu und von/ ſcheidet Mittelding von dem Noth-Werck/ und bequemet
ſich nach der menſchlichen Schwachheit/ ruͤttelt nicht leichtlich die krancke
Gliedmaſſen/ und wirfft nicht alles auff einmal uͤber einen Hauffen/ durch
unzeitige reformation- Sucht und gefaͤhrliche Enderung/ wohin dann
auch gehoͤret die moderation, daß man gefallene Suͤnder nicht alſobald
hinaus ſtoſſe und dem Teufel uͤbergebe/ gleichwol auch nicht halßſtarrige
Suͤnder verzaͤrtle; Die Außlegung des Catechiſmi gibt einen feinen Auß-
ſchlag/ Die Schwachglaubigen/ ſagt ſie: ſo etwan von einem
Fehl uͤbereilet werden/ denen ihr Fehl leid iſt/ und in Traurig-
keit kommen/ ſoll man auffnehmen/ mit ſanfftmuͤthigem
Geiſt
unterweiſen/ und mit der Verheiſſung dapffer troͤſten; Aber
die Hartnaͤckigen/ ſo die Kirch zur Beſſerung nicht hoͤren
wollen/ ſoll man offentlich ſtraffen/ auff daß ſie ſchamroth
werden/ ſich bekehren und beſſern;
Gleich wie kein Element gantz
lauter und rein/ die Welt beſtehet aus contrariis:Dieſes iſt die
Symphoniaund Gemeinſchafft der Heiligen/ nemlich die ver-
einigte/ ordentliche/ abgeſonderte/
proportionirte Muſic/
Einigkeit und Vbereinſtimmung aller
Gliedmaſſen in dem
geiſtlichen Leibe Chriſti.


Luth. tom.
1. Ien. p.
315.

So glaube ich demnach mit Lutheroeine Gemeine der Hei-
ligen;
Jch glaube/ daß in dieſer Gemeine alle Ding gemein ſind/ und
eines ieglichen Guͤter des andern eigen/ und niemand nichts eigen ſeye;
darumb mir und einem ieglichen Glaubigen alle Gebet und gute Werck
der gantzen Gemeine zu Huͤlffe kommen/ beyſtehen und ſtaͤrcken muͤſſen
zu aller Zeit im Leben und Sterben/ daß alſo ein ieglicher des andern
Buͤrde
[415]Predigt.
Buͤrde trage/ Galat. 6. Jch glaube/ daß dieſe unſere KircheGal. 6, 2.
AugſpurgiſcherConfeſſionſeye eine einige Kirche; Zwar es
muß unſere Kirchz bey Paͤpſtlern und Calviniſten uͤber die Maß uͤbel hoͤ-
ren/ ſie ſeye nicht einig; Concordia diſcors Hoſpiniani iſt bekant/ und
der hieraus geſogene Katzen-Krieg Foreri: da wird den Leuten eingebil-
det/ ſo bald Luthers religion auffkommen/ haben ſie ſich in viel Secten und
Rotten getrennet/ vielerley Kirchen-agenden: geaͤnderte Confeſſionen:
Summa es ſeye die Kirche mit dem Schwindel-Geiſt geſchlagen: Son-
derlich muͤſſen die neuliche Tuͤbingiſche und Heſſiſche paroxyſmi her-
halten.


Wir geſtehen 1. differentias in adiaphoris,Vnterſcheid
in Mitteldingen/
wiſſen uns aber auch der alten regul zu entſinnen:
Diſcrepantia jejunii non ponit diſſonantiam fidei, Aus dem Vnterſcheid
der Ceremonien folget nicht alſobald der Vnterſcheid des Glaubens und
der Lehre; Ceremoniæ adiaphoræ liberas habent obſervantias, Cere-
monien und Mieteldinge darff man frey halten oder laſſen/ ſchreibet Au-Auguſt. ep.
118.

guſtinus; Wir geſtehen 2. paroxyſmosund Spaltungen;
dergleichen aber auch erſchienen zwiſchen Paulo und Barnaba; Chryſoſto-Act. 15, 39.
mo und Epiphanio; Auguſtino und Hieronymo; der Orientaliſchen und
Occidentaliſchen Kirchen uͤber der Zeit Oſter-Feſts/ wann es ſolte gehal-
ten werden? 3. Nævos,Fehler/ auchin fundamento,im An-
fang/
ehe die controverſia und der Streit gnugſam declarirt und erlaͤu-
tert worden; deren die Heu und Stoplen auffs fundament gebauet/ ſo im
Feuer der Anfechtung verbrant/ ihnen aber an ihrer Seligkeit nicht hinder-
lich geweſt: dergleichen ſchiſma iſt vorgangen in der Africaniſchen Kirche
mit dem Biſchof von Carthago/ Cypriano, deſſen Jrrthumb geweſt/ die
Tauffe der Kaͤtzer gelte nichts/ und daß die jenigen/ ſo von Kaͤtzern getaufft/
muͤſten widerget aufft werden; Hingegen war Stephanus der Roͤmiſche
Biſchof allzuſtreng/ der hieß Cyprianum einen falſchen Chriſten/ einen
falſchen Apoſtel und betruͤglichen Arbeiter. 4. Scandala,Erger-Matth. 13,
25. c. 18, 7.
Act. 20, 29.
1. Cor.
11, 18.

nuͤſſe in Lehr und Leben/ die der Feind ſaͤet unter den Weitzen/ ſo bald
aber dieſelbe ruchtbar und bekantlich werden/ ſo feyret die Chriſtliche Kirch
nicht/ ſie beſſert/ ſie ſtraffet/ ſie warnet und mahnet ab mit St. Paulo
1. Cor. 1. Rom. 16. Jch ermahne euch/ lieben Bruͤder/ durch den1. Cor. 1, 10.
Rom.
16,
17.

Namen unſers HErren Jeſu Chriſti/ daß ihr allzumal einer-
ley Rede fuͤhret/ laſſet nicht Spaltungen unter euch ſeyn/ ſon-

dern
[416]Die Drey und Dreiſſigſte (Fůnffte)
dern haltet feſt an einander in einerley Sinn und Mey-
nung.


2. Wir ſondern uns ab durch die offentlicheConfeſſio-
1. Ioh. 2, 19.nesund Bekäntnuͤſſen/ wir gehen aus von Babylon/ nach der Ver-
Apoc. 18, 1.mahnung Apoc. 18. Gehet aus von Babylon/ mein Volck/ daß
ihr nicht theilhafftig werdet ihrer Suͤnden. 3. Wir heiſſen

v. Gerh. l. 2.
C. C. pag.
1292.
For. inbell.
Vbique.
unſere Anklaͤger fuͤr ihren eigenen Thuͤren fegen; Zwar das pra-
len iſt groß bey den Papiſten/ ſonderlich Forerus ſchneidet gewaltig auff/
Concordia, ſpricht er: fidei inter membra Catholicæ Eccleſiæ ſemper
fuit, hodieq́ue eſt plus quàm adamantina, nullo violabilis ævo.
Die Ei-
nigkeit des Glaubens in der Catholiſchen Kirchen iſt iederzeit ſo feſt be-
ſtanden als eine Demantine Kette/ wird auch in Ewigkeit nicht auffgeloͤſet
werden: Aber O wie viel Vnterſcheid im fundamento? wann man nur
betrachtet den Articul von dem Haupt der Kirchen: Jch will nicht ſagen
von der Vneinigkeit der Paͤpſte/ Concilien/ Ordens-Leute im neulichen
Cloſter-Kriege/ da zween Hund an einem Bein genaget/ und nichts als
den Schatten davon getragen/ der Gelehrten/ ſonderlich in der contro.
vers
von der Empfaͤngnuͤß der Mutter Gottes; allein/ ſag ich/ von dem
fundament und Haupt der Kirchen/ wann einer ſagt: Der Papſt iſt
uͤber die Concilia, der ander/ der Papſt iſt nicht uͤber die Concilia: Heiſſet
das einig ſeyn? Jſt das nicht eine formalis contradictio, ein innerlicher
Selbſt-Krieg? Jenes will Spanien/ Jtalien/ und die Jeſuiter: dieſes
Franckreich und die andern Laͤnder in Europâ. Jſt eine Einigkeit da/
ſo iſt ſie violenta, gewaltſam/ Antichriſtiſch/ gleich einer Sack-Pfeiffe/ mit
Ioh. 41, 6.
Luc.
11, 18.
deren Dudithius das Concilium zu Trient verglich; oder gar eine Sa-
thaniſche Einigkeit.


Endlich 4. vermahnen wir auch zur Einträchtigkeit und
Zuſammenſtimmung/
der jenigen Seyten/ ſo abgelauffen und in ein
diſſonantz gerathen. Wuͤndſchen nichts mehr von Hertzen/ als daß ein all-
gemeiner/ beſtaͤndiger/ auffrichtiger und vor Gottes Gericht verantwort-
licher Kirchen- und religions-Fried im Roͤmiſchen Reich moͤchte erwecket/
auffgerichtet und ſtabiliret werden/ daß das arme verfuͤhrte Volck bekehrt/
von Woͤlfen uno Miedlingen erloͤſet/ das Reich Chriſti gemehret/ und des
Teufels Reich zerſtoͤret werde. Wir ſelbſt unter andern/ die wir durch die
norm und tabulatur der unveraͤnderten Augſpurgiſchen Confeſſion zu-
ſammen geſtimmet ſind/ vermahnen uns unter einander ad ſympa-
thiam,
zur Mitleidigkeit/ ſonderlich bey dieſen Zeiten/ da abermal
Jammer
[417]Predigt.
Jammer und Noth/ ein neu Feuer außgebrochen/ und unſere unſchuldige
Glaubensgenoſſen das Bad außtrincken muͤſſen; man ſihet/ wie die Pa-
piſten ſich zuſammen thun; da ligt uns nun ob/ wie geſagt 1. συμπάϑεια,
das hertzliche Mitleiden/ daß wir uns bekuͤmmern umb den Scha-1. Cor. 12,
26.

den Joſephs; Aber was thut man? Jene unſere Glaubensgenoſſtn an-
derswo weinen/ winſeln und ſeuffzen/ wir jubiliren/ jauchzen und freuen
uns. 2. Συναγωνία \& συμφωνία precum,die Mitkaͤmpffung
und Vbereinſtimmung des Gebets/
daß wir in unſern Verſam-
lungen zuſammen tretten/ Gott ein ſtimmig mit Hertz und Mund anruf-
fen: Andere wachen/ wir ſchlaffen/ Gott mag die religion verſorgen/ erhal-
ten/ wir haben und wollen damit nichts zu thun haben. 3. Συνέργεια,
Die Beyhůlffe und Mitwuͤrckung im burgerlichen Leben/
Nonné ſpoliator es, ſchreibet Baſilius, qui quæ diſpenſanda accepiſti
propria reputas? eſt panis famelici, quem tu tenes.
Biſtu nicht ein
Rauber/ wann du das jenige dir zu eigen macheſt/ was du außzutheilen
empfangen haſt? das jenige das du bey dir haſt/ iſt des Hungerigen ſein
Brod/ ꝛc. 4. Συνεπισκοπία, die gemeine Auffſicht auff anderer
Leute Leben und Wandel.
Ein ieder Chriſt iſt ſeinem andern Mit-
Chriſten zu einem Biſchof geſetzt/ denſelben vor zeitlichen und ewigen
Schaden zu warnen/ und zum Himmelreich zu befoͤrdern. Keiner
ſoll fuͤr ſich ſelbſt allein ſeyn/ wie die zu Lais ein ſtill ſicher Volck/ die nichtIud. 18, 7.
mit andern Leuten zu thun hatten. Wir ſind nicht Einſidel ſondern Chri-
ſten und Miterben der Gnaden.


Baſilius ſcribit in illud, deſtruam horrea mea; Cur optari facis à pauperibus
ſterilitatem, cur non ſentiant beneficia fœcunditatis te auctionante precium,
te condente frumentum, optant potius nihil naſci, quam te de fame publicâ ne-
gotiari. Latrocinium hoc an fœnus appellem? Ioſephus ſanctus horrea ape-
ruit non clauſit, ita Ambroſ.
()

Endlich troͤſten wir auch die Kirche mit ihrer eigenen Ei-
nigkeit ſelbſt; Wir troͤſten ſie aus der vorigen Zeit mit dem
neuen guten Stande/
daß ſie aus dem verwirreten Babel erloͤſet und
befreyet: die ſymphonia Iſraelitica, der Lob-Geſang den die Kinder
Jſrael an dem rothen Meer einhellig ſungen/ war ein Triumph-Lied/
Exod. 15. Alſo dieſe Chriſtliche ſymphonia triumphiret uͤber dem Heydni-Exod. 15, 1.
ſeqq.

ſchen und Antichriſtiſchen Egypten/ und wir kommen alſo zur Gemein-
ſchafft der Heiligen/ Hebr. 12. Wir troͤſten die Kirchein præſenti,Hebr. 12,
23.

mit dem gegenwaͤrtigen Zuſtand der gnaͤdigen Erhoͤrung.
Sechſter Theil. G g gDie
[418]Die Vier und Dreiſſigſte (Sechſte)
Die Symphoni in einer Muſic iſt von Natur angenehm zu hoͤren; Nun
kan keine menſchliche Muſic ſo wol geſtimmet ſeyn/ es klinget in Gottes
Ohren weit lieblicher die Symphoni und Einſtimmung der Hertzen/ des
Gottesdienſts/ ſonderlich des Gebets/ in der Litaney/ wann da/ ſagt der
Herr Chriſtus im Griechiſchen/ zween uͤbereinſtimmen werden/
Matth. 18,
19. 20.
Matth. 18. ſo ſollen ſie erhoͤret werden: Was iſt die Vrſach? Dann ich
bin mitten unter ihnen/
als der Jmmanuel/ Mittler/ Advocat und
Fuͤrſprecher/ πᾶν πρᾶγμα, alle Ding/ darumb wir bitten/ ſolle uns ge-
waͤhret werden. Wir troͤſten die Kirchein futuro,mit zukuͤnff-
tiger Herrligkeit:
wie die liebliche Symphoni, die Muſic ein Vorſpiel
iſt der himmliſchen Symphoni, da die Heiligen Engel das τρισάγιον,
Eſa. 6, 3.Heilig/ heilig/ heilig iſt unſer GOTT! einer gegen dem andern
in holdſeliger fugâ ſingen: da der heiligen zwoͤlff Botten Zahl/ die lieben
Propheten all/ die theuren Maͤrtyrer allzumal/ loben dich Herr mit
groſſem Schall: Alſo iſt die Symphonia der ſtreitenden Kirchen ein præ-
ludium
und Vorſpiel der Symphoni in der triumphirenden Kirchen/ da
wir werden einander lieben und Gott loben ohne Neid und Streit/ in
holdſeliger Wonn und Freud. Darzu helffe uns allen die weſentliche/
ſelbſtaͤndige Freud/ die hochgelobte Dreyeinigkeit/ Gott Vater/ Sohn
und Heiliger Geiſt/ hochgepreiſet in Ewigkeit/ Amen.



Die Vier und Dreiſſigſte


Vber den dritten Articul/
Von der Kirch/


Die Sechſte Predigt/


Von der Heiligkeit der Kirchen.


GEliebte in Chriſto: Wol dir Jſrael/ wer iſt dir
Devt. 33,
29.
gleich? ſagt Moſes Devt. 33. Aſchrecha Jiſrael mi
Camocha am?
ſind Moſis letzte und ſehr bedenck-
liche Wort/ mit welchen er ſeinen Schwanen-Geſang ge-
zieret und verſiegelt nach ſeinem langen Thau-Regen und
Segen: welcheselogiumund Segen-Spruch iſt I. Elo-
gium
[419]Predigt.
gium comparativum,Ein Vergleichungs-Wort; Es wendet
Moſes ſein Lux-Auge auff die umbligenden Heydniſchen/ abgoͤttiſchen
Voͤlcker und Koͤnigreiche/ betrachtet zwar eins Theils derſelben zeitliches
Gluͤck/ Flor und Wolſtand/ Mann und Macht; Aber anders Theils den
Mangel der Goͤttlichen Gnade/ daß ſie ſeyen ein Volck ohne Liecht/ ohne
Gnad/ ohne Gott/ ohne Hoffnung/ daß ihnen nichts gemangelt/ als das
beſte in dieſer und jener Welt/ das hoͤchſte Gut/ in dem wuͤſten/ abſcheu-
lichen Zuſtand/ greulicher Abgoͤtterey/ in Hafften und Stricken der Sa-
thaniſchen ſervitut: Er wendet aber auch ſein rechtes Auge auff das auß-
erwehlte Volck Gottes/ Gottes Eigen- und Heiligthumb/ erweget bey ſich
ſelbſt dieſes Volcks/ ſo zwar noch in der Wuͤſten wallete/ und von auſſen
ein ſchlecht anſehen hatte/ Wahl/ Loß und Theil/ Beruff/ Abſonderung/
Burger-Recht/ Gnaden-Regen und Segen/ Adel/ Hoffnung des irrdi-
ſchen und geiſtlichen Canaans/ bricht demnach in dieſe Lob-Wort aus:
Wol dir Jſrael! wer iſt dir gleich? Darauff per ſe folget die ſtar-
cke negatio: Niemand iſt dir gleich.


II. Elogium gratulatorium,Ein gluͤckwuͤndſchendes
Lob! Wol dir Jſrael!
Gluͤck zu Jſrael! gratulor! Jch wuͤndſche
dir Gluͤck und Heil! wie kan ichs laſſen/ daß ich dir nicht ſolte gratuliren
wegen der groſſen Ehr? da doch dir Gott ſelber gratulirt/ wann das
Volck gen Himmel hinauff ruffet: Wer iſt dir gleich?Exod. 15. ſoExod. 15, 11.
ruͤfft Gott vom Himmel herab: Wer iſt dir gleich? Ja es wird
geſchehen/ daß nicht nur ich allein/ ſondern auch alle Voͤlcker werden dich
æſtimiren/ admiriren/ zuſtimmen und ſagen: Wann ſie hören wer-Devt. 4, 6.
7. 8.

den alle dieſe Gebott/ ſo werden ſie ſagen: Ey welche weiſe
und verſtaͤndige Leute ſind das/ und ein herrliches Volck?
dann wo iſt ſo ein herrlich Volck/ zu dem Goͤtter ſo nahe ſich
thun/ als der HERR unſer GOTT/ ſo offt wir ihn an-
ruffen? und wo iſt ſo ein herrlich Volck/ das ſo gerechte Sit-
ten und Gebott hat/ als alle diß
Geſetz/ das ich euch heutiges
Tages fůrlege?
da dann Moſes wol ein Prophet geweſt; dann frey-
lich dieſe gratulation mehrmal/ ſonderlich da diß Volck im hoͤchſten Flor
und zenith geſtanden/ ſolenniter von der Koͤnigin aus Reich Arabia ab-
geleget worden/ 1. Reg. 10. Es iſt die Weißheit dieſes Volcks/ der Brunn1. Reg. 10,
8. 9.

geweſt/ daraus alle Philoſophi ihre Weißheit geſchoͤpffet/ und ihre Gaͤrten
G g g 2damit
[420]Die Vier und Dreiſſigſte (Sechſte)
damit beſprentzt: Die Roͤmer haben ihr Geſetz von den Griechen/ die
Griechen von den Hebreern/ die Hebreer von Moſe erſchoͤpfft und ein-
pfangen.


III. Elogium excitatorium,Ein Auffmunterungs-
Wort/
dadurch das Volck Jſrael angefriſchet worden zur Erkaͤntnuͤß
ſolcher herrlichen Gutthaten/ zur Verwunderung und Danckbarkeit/
in Erwegung/ daß ſie ſolches nicht von ſich ſelbſt haben/ du haſt/ O Volck
Gottes/ nicht Vrſach gehabt dich zu ruͤhmen und zu ſagen: Meine
Krafft und meiner Hände Staͤrcke haben mir diß Vermoͤgen

Devt. 8, 17.
c. 9, 4.
c.
7, 6.
außgerichtet; nicht umb deiner Gerechtigkeit willen/ Devt. 9. ſondern
aus Gnaden; Es haͤtte ihm Gott wol ein ander Volck aus den Japhi-
ten erwehlen koͤnnen/ es muſte nicht eben Sem ſeyn; Er haͤtte Loths Kin-
Exod. 32,
10.
Devt. 14,
12.
Matth.
3, 9.
der erwehlen koͤnnen/ es muſte nicht eben Abraham ſeyn: und wie es auch
nahe daran geweſt/ haͤtte Er dich gantz außrotten/ und aus Moſe ein neu
Volck erwecken koͤnnen; Er haͤtte auch aus den Steinen Abraham koͤn-
nen Kinder erwecken.


Nun meine Liebſten/ wer an Jſraels ſtatt kommen/ dem gebuͤhret
auch Jſraels Lob: Sie die Juden ſind außgeſtoſſen/ ſie gehen herumb
zum Scheuſal/ Sprichwort und Spott unter allen Voͤlcken/ wir ſind nun-
Devt. 28,
37.
1. Pet.
2, 9.
mehr das außerwehlte Geſchlecht/ das Koͤnigliche Prieſterthumb/ das
Volck des Eigenthumbs/ das heilige Volck; darumb moͤgen wir auch wol
einander anſehen und ſprechen: Mi camocha?Wer iſt dir gleich?
und uns vergleichen/ nicht nur mit den umbligenden/ abgoͤttiſchen/ aber-
und falſchglanbigen Voͤlckern/ ſondern gar mit den alten vor Chriſto le-
benden Juden ſelbſt/ als die wir im Neuen Teſtament die κρείττονα erlebt/
2. Cor. 3, 9.
1. Tim.
3,
16.
das Ampt der uͤberſchwenglichen Klarheit/ daß GOTT ge-
offenbaret im Fleiſch;
Wir moͤgen einander auch gratuliren/ und
einander auffmuntern zur Erkaͤntnuͤß und zur Danckbarkeit. Dann wie
kom̃en wir Teutſchen/ ja wir Straßburger eben vor andern/ zu dem Liecht
und Glantz/ daß wir ein ſolch heilig Volck worden? iſt lauter unverdiente
Gnade; Wir haben biß datoder Kirchennobilität/quidditaͤt/
verität/unitaͤt betrachtet/ folget in der Ordnung Sanctitas,dero-
ſelben Heiligkeit;
Daß wir dieſelbe anietzo recht moͤgen lernen erken-
nen/ uns druͤber verwundern/ mit danckbarem Hertzen und Munde prei-
ſen/ darzu wolle der heiligmachende Geiſt uns mit ſeiner Gnade reichlich
beywohnen/ umb Jeſu Chriſti willen/ Amen.


Wann
[421]Predigt.

WAnn wir dann uns in den Chor der Niceniſchen Vaͤter ſtellen
und mit zuſtimmen und bekennen eine heilige Chriſtliche
Kirche/
oder wie die Schrifft redet: Kahal kedoſchim,
Pſal. 89. Kahal chaſidim, Pſal. 149. So verſtehen wir principa-Pſ. 89, 6.
Pſ.
149, 1.

liter und zuvorderſt ſanctitatem gratiarum,die Heiligkeit der
Gnaden/
damit der Tempel Gottes geadelt und gezieret/ und in ſpecie
ſanctitatem
υι῾οϑεσίας, den hohen Adel der Kinder Gottes/
welche der allerheiligſte Vater des Liechts von Ewigkeit her erwehlet/ inEpheſ. 1, 4.
Col. 1, 12.
Iac. 1, 18.
Ioh. 17, 17.
1. Tim.
4, 5,

der Zeit tuͤchtig gemacht/ welche er in der Zeit widergeboren und geheiliget
durch das Wort der Warheit/ dadurch alles geheiliget wird. 2. Sancti-
tatem lotionis \& indumenti,
die Bad- und Kleid-Heiligung/
deren die Chriſtus der Allerheiligſte in der Heiligen Tauffe mit ſeinem
Blute gereiniget/ und ihnen ſelbſt worden zur Heiligung imputativè, die
Er mit ſich ſelbſt gekleidet/ geſchmuͤcket und gezieret/ laut der ApoſtoliſchenDan 9, 24.
1. Ioh. 1,7.
Eph. 5, 26.
1. Cor. 1, 30.
Gal. 3, 27.
Ambroſ. l.
4. hexaëm.

8.

Wort/ ſo viel ihrer getaufft ſind/ die haben Chriſtum Jeſum
angezogen.
Eccleſia ſpecioſa eſt, ut luna; fulget enim non ſuo, ſed
Chriſti lumine \& ſplendore ſibi accerſito de Sole juſtitiæ, ut dicat: vivo
autem jam non ego, vivit verò in me Chriſtus,
ſchreibt Ambroſius, das
iſt: Die Chriſtliche Kirche iſt ſchoͤn wie der Mond/ dann ſie glaͤntzet nicht
zwar durch ihr eigen/ ſondern Chriſti Glantz und Liecht/ welches ſie an ſich
genommen und bekommen von der Sonne der Gerechtigkeit/ daß ſie ſagen
mag: Jch lebe ietzo/ nicht aber ich/ ſondern Chriſtus lebet in mir; doch
wie der Mond ſeine Mackeln behaltet/ alſo auch die Kirche. 3. Sancti-
tatem Spiritus ſancti initiationis,
die Einweyhung des Hei-Eph. 5, 26.
ligen Geiſtes/ der uns geheiliget durchs Waſſer-Bad/ Jhr1. Cor. 6, 11.
Luc.
1, 35.

ſeyt abgewaſchen/ ihr ſeyt geheiliget; Gleich wie Chriſtus das
Haupt der Kirchen iſt von dem Heiligen Geiſt empfangen: Alſo iſt die
Heilige Kirche auch voll des Heiligen Geiſtes/ daß ſie lebe/ ſchreibt Gre-Greg. M.
ſuper Pſal.
pœnit.
2. Tim. 1, 9.
Ioh. 17, 17.
c. 16, 13.
2. Sam. 8, 7.
2. Pet.
1, 4.

gorius M. daß wir geweyhet ſeyen zum heiligen Beruff/ zum Gehoͤr und
Leitung des allerheiligſten Worts/ zur Gemeinſchafft des allerheiligſten
Tiſches/ da wir das heiligmachende Blut Chriſti und ſeinen allerheiligſten
Leib empfangen/ wir ſollen an ſeiner Tafel geſpeiſet werden wie Mephibo-
ſeth/ da uns auffgetragen werden μέγιςα καὶ τίμια ἐπαγγέλματα, die
theuren und Werthen Verheiſſungen/ das honigſuͤſſe Manna des Evan-
gelii/ der Leib und das Blut Chriſti/ der gemaͤſtete Ochs/ das Lamb Got-
G g g 3tes/
[422]Die Vier und Dreiſſigſte (Sechſte)
tes/ die fruͤhgejagte Hindin; zu Gottes Ehr in Chriſten-Orden geſetzt und
Deot. 7, 6.geweyhet/ du biſt ein heilig Volck GOTT deinem HErren/
Eph. 1, 11.
Luc.
1, 75.
dich hat GOTT dein HERR erwehlet zum Volck des
Eigenthumbs/ aus allen Völckern/ die auff Erden ſind.

Zur Gemeinſchafft der Heiligen/ zur ewigen Seligkeit/ das iſt die Hoff-
Eph. 1, 18.nung unſers Beruffs/ das Erbtheil ſeiner Heiligen.


II. Sanctitatem juſtitiæ inchoatam,Ein heilig Leben
1. Cor. 1, 2.und Wandel; dann darumb werden wir auch heilig genennet/ 1. Cor. 1.
Erſtlichſanctitate fidei,wegen der Heiligkeit des Glaubens/
dadurch unſere Hertzen beſchnitten und gereiniget ſind. 2. Sanctitate
finis,
wegen des heiligen Zwecks/ welcher iſt die Ehre des Allerhei-
ligſten/ Chriſti Jeſu. 3. Sanctitate vitæ,wegen der Heiligkeit
im Leben und Wandel/
abgemeſſen nach der regul des Goͤttlichen
Worts/ den zehen Gebotten Gottes/ deren Summa iſt/ Leben [...]σεβῶς,
Tit. 2, 12.δικαίως καὶ σωφρόνως, fromm/ gerecht und ehrbar/ daraus flieſſen heilige
Gedancken/ Wort und Wercke; Zwar alles in groſſer Schwachheit/
Pſ. 32, 6.
Prov. 20, 9.
1. Ioh. 1, 8.
Iac,
3, 2.
darumb auch alle Heiligen ihn anruffen umb Vergebung; Wer kan
ſagen/ ich bin rein in meinem Hertzen/ und lauter von Suͤn-
den? Wann wir ſagen/ wir haben keine Suͤnde/ ſo verfuͤh-
ren wir uns ſelbſt/
wir ſuͤndigen alle ſehr viel; doch daß es Schwach-
heiten ſeyn/ und nicht habitual-Fehler/ angewoͤhnet fluchen/ ſauffen/
raſſeln/ Sabbath ſchenden/ ꝛc. Moͤchte iemand ſprechen: Jſt dem alſo/
iſt die Kirche nicht ohne Fehl und Mangel/ warumb ruͤhmet dann St.
Paulus die Braut Chriſti ſo hoch? Eph. 5. ſie ſey herrlich/ ſie habe
keinen Flecken/ Runtzel oder des etwas/ ſondern heilig und

Eph. 5, 27.unſtraͤfflich? Antwort: Er redet de officio \& debito, von dem was
geſchehen ſoll/ de ſanctitate imputata, von der zugerechneten Gerechtig-
keit Chriſti/ dadurch die Runtzeln und Flecken bedeckt ſind/ de conſum-
matione,
von der endlichen Vollkommenheit/ wann das dritte conſum-
matum eſt
wird geſprochen werden in jenem ewigen ſeligen Leben.


4. Sanctitate ἀσυλίας, wegen der geiſtlichen Sicherheit
und vaͤterlichen Vorſorge;
Was heilig iſt/ das iſt unverſehrlich
und unzerſtoͤrlich; in allen Sprachen heiſſet heilig/ was durch irgend einen
ſalva guardia und Schutz-Hand alſo verwahret/ damit mans nicht ver-
ſehren koͤnne. Dannenhero die Roͤmiſchen Ehrnholde (ίεροβατάνην)
Sagmina
[423]Predigt.
Sagmina, Eiſenkraut (von welchem Wort Sanctus kommet) zu tragen
pflegten/ wann ſie zu den außlaͤndiſchen Feinden/ ihre Werbung abzulegen
gezogen/ zu einem Zeichen der Vnverſehrligkeit: Alſo iſt die Kirche heilig/vide Plin.
22, 2[.]

dieweil ſie iſt ἄσυλος, in dem Goͤttlichen ſalvo conductu und Geleits-
Briefe/ Schutz und Schirm/ ſicher/ ohn alle Gefahr/ durch die Goͤttliche
Henn-Adler- ja Vater-Sorge/ Gott draͤuet mit ſeinem Finger:
Wer euch/ ſagt Er/ antaſtet/ der taſtet meinen Augapffel an!Num. 22,
12.
Pſ. 105, 15.
Zach. 2, 8.
Ier. 30, 11.
c. 46, 28.
2. Reg. 6,
17.
Eſa.
65, 8.

ſo werth iſt die Kirche/ ſo bewahrt Er ſie/ ſo verwahrt Er ſie auch per pa-
ternam tractationem,
durch die vaͤterliche Zuͤchtigung/ Er zuͤchtiget mit
maſſen: per mahanaim \& cuſtodiam Angelicam, durch der Engel
Schutz und Wacht/ als Jacobs kleine Herde/ Eliſæ Schul zu Dothan/
ja es geneuſt die Welt der Kirche/ die ſonſt laͤngſt waͤre untergangen;
Gleich als wann man Moſt in einer Trauben findet/ und
ſpricht: Verderbe es nicht/ es iſt ein Segen drinnen/ alſo
will ich umb meiner Knechte willen nicht alles verderben;

Es haͤtte Sodom genoſſen der zehen Gerechten/ wann ſie nur da gefundenGen. 18, 32.
Act.
27, 24.

und geweſen waͤren. Jm Schiff Pauli genieſſen ſeine Gefaͤhrten ſeiner
des heiligen Apoſtels.


Es ſind deren viel ie und allezeit geweſt/ die an der Gemeine Chriſti
haben wollen zu Rittern werden/ Cyclopen/ Tyrannen und Verfolger/ aber
ſie haben ihren blutigen Diſtel-Kopff zerſtoſſen/ und endlich ſagen muͤſſen:
Viciſti Galilæe! Es wird bißweilen eine Zeit lang die Chriſtliche Kirche
dafuͤr angeſehen/ ſind Wort Lutheri uͤber den Propheten Oſeam als waͤrev. D. Luth.
tom. 8.
Witteb.
p. 264. \&

407.

gar kein Richter mehr fuͤrhanden/ der ſolche Gifft ſteuren koͤnte; Aber der
Zorn Gottes/ der ſolches nicht ungerochen laͤſſet/ iſt nicht lange außgewe-
ſen. Dann alſo fagt man von Eccio, daß er mit einer ſterblichen Kranck-
heit ſey umbgeben worden/ und da fuͤr ihm auff dem Bette eine Meſſe ge-
halten iſt worden/ weiß ich nicht/ was der unſinnige Menſch von vier tau-
ſend Goldguͤlden geredt hat/ ſich aber wenig bekuͤmmert umb das/ das da
von dem ꝛc. Moͤnche in der Meſſe iſt gehandelt worden/ und nicht lang
hernach/ ſo hat ihn die fallende Kranckheit uͤberfallen/ daß er darnach nicht
mehr hat reden koͤnnen/ und hat alſo der arme Menſch zugleich mit in dem
Blut ſeine Seele außgeſpiehen. Welcher Kaͤyſer/ Koͤnig/ Fuͤrſt oder
Herr in dieſer Welt iſt nicht geſtrafft worden/ wann er ſich unterſtanden
hat die Kirche zu verfolgen? Welchem iſts iemal wol und gluͤcklich hin-
aus gangen/ der Abgoͤtterey beſchuͤtzet und vertheidiget hat? Jſts nicht
wahr? Die Herren/ ſo in der erſte wol und ſeliglich regieret haben/ als-
bald
[424]Die Vier und Dreiſſigſte (Sechſte)
bald ſie begunt haben die Kirche zu verfolgen und zu plagen/ die ſind in
groſſe greuliche Gefahr/ Jammer und Noth daruͤber kommen/ das nicht
zu glauben iſt.


IV. Sanctitate externâ,Wegen der euſſerlichen Heilig-
keit
der Sacramenten/ Rechte/ Empter und Ampts-Gaben; Der un-
1. Cor. 7, 4.glaubige Mann iſt geheiliget durch das Weib/\& contrà,das
unglaubige Weib durch den Mann/ ſonſt wären eure Kinder
unrein/ ſo ſind ſie aber heilig/
ſpricht St. Paulus/ wegen des Rech-
tes zum Heiligthumb/ wegen der Sacramenta/ wegen des heiligen Ampts;
das durch gewiſſe von der Kirchen erkohrene/ von dem Heiligen Geiſt
mit ſchoͤnen Ampts-Gaben/ außgeruͤſtete Perſonen verwaltet wird/ dann
es iſt die Chriſtliche Kirche als die Braut Chriſti 1. prædæ
Pſ. 68, 13.diſpenſatrix,Sie als die Haußehre theilet den Raub aus;
Sie iſt die heilige Mutter/ die da ſaͤuget ihre Kinder mit den beyden Bruͤ-
ſten des Alten und Neuen Teſtaments/ ſie widergebaͤret/ waͤſchet/ ziehet an/
weidet mit dem Wvrt der Warheit. 2. Regina,eine Koͤnigin/
Pſ. 45, 14.Pſal. 45. die die jura majeſtatis hat/ ſie iſt frey in den adiaphoris und Mit-
teldingen; ob ſie wol ratione ordinis ihre officianten hat/ ſo iſt ſie doch
Koͤnigin und Meiſterin derſelben/ wanns unrecht hergehet/ ſo hat ſie
Macht alles in die Ordnung und in die rechte Tabulatur zu richten.
Daher wann die Ordnung zerruͤttet wird/ die Hirten zu Woͤlfen werden/
die Hunde verſtummen/ ſo muͤſſen die Gaͤnſe ſchnattern und den Feind
verrathen: Wanns loh-hell brennet/ hat iederman Macht zuzulauffen/
Waſſer zuzutragen und zu loͤſchen. Wann die Woͤlfe eingeriſſen/ muß
wehren wer kan und mag.


3. Judex controverſiarum,eine Entſcheiderin der
1. Cor. 2, 13.
15.
Streitigkeiten in Glaubens-Sachen nach dem Geſetz und
Zeugnuͤß unter dem oberſten Richter dem Heiligen Geiſt;

alles nach der regul und Richtſchnur des Goͤttlichen Worts/ ſie richtet
und entſcheidet durch diſputiren/ ſie uͤberzeuget die Widerſacher ihres Jrr-
thumbs/ was ſich nicht beſſern will/ das ſchneidet ſie ab/ ſie treibet ad
Tit. 3, 11.ἀυτοκατὰ κρισιν, zur Selbſt-Verdam̃ung/ das letzte Gericht behalt ſie Chri-
ſto ihrem Koͤnige vor. 4. Oeconoma clavium,die Haußehre/
ſo die Schlůſſel an ſich traͤgt/
beydes/ in das Gefaͤngnuͤß zu binden
und zu ſchlieſſen/ und dann auch zur himmliſchen Schatzkammer/ die geiſt-
lichen Seelen-Schaͤtze außzutheilen. 5. Cuſtos theſaurorum
Eccle-
[425]Predigt.
Eccleſiæ,eine Verwahrerin der Kirchen-Schaͤtze/ des rechten
innerlichen Heiligthumbs/ nicht der Toden-Beine oder anderer Paͤpſti-
ſcher Greuel/ die man mit mehrer Vernunfft begrabete/ als theatriſirete
und auff die ſchau herumb truͤge; ſondern der heilſamen ſo wol Bibliſchen
als Kirchen-Schrifften und Buͤchern. Sie iſtcuſtos bibliothe-Rom. 3, 2.
caria,die Buchhalterin des Göttlichen Worts/ daher heiſſet ſie
ςύλος καὶ ἐδραίωμα, eine Seul und Grundfeſte der Warheit/1. Tim. 3, 15.
gleichſam ein lebendiges repoſitorium, eine Vnterſcheiderin/ Retterin/
Außlegerin/ Verkuͤndigerin und Bottin/ gleich der Ebreiſchen gefangenen2. Reg. 5, 5.
Ioh. 4, 42.
Exod. 36, 6.
Matt. 15, 5.
Eſa. 23, 18.
Eſr. 1, 7.
1. Sam, 21,
4. 2. Reg.
12, 18.
c.
18, 15.

Magd Naamans/ und des Weibs in Samaria; Aber zugleich auch eine
Verwahrerin der euſſerlichen Schaͤtze. Den Vberfluß und Mißbrauch
ſtraffet ſie/ ſchaffets ab/ den rechten Gebrauch fuͤhret ſie ein/ im Nothfall
wann es zum gemeinen beſten gereicht/ greiffet ſie auch wol die Kirchen-
Guͤter an/ wie Joas den Frieden erkaufft von Haſael.


Hie erſcheinet der rechtenimbus gloriæ,ein Schein der
Herrligkeit:
Die Heyden vorzeiten haben unter andern in ihrer ἀπο-
ϑεώσει, den gemachten und erhabenen Goͤttern nimbos und Scheine an-
gemahlet/
Fulminibus manes radiisq́ue ornavit \& aſtris,
ſagt der Poet/ Er hat der Verſtorbenen Seelen mit Blitzen/ Strahlen
und Sternen gezieret; denen es die Papiſten hernach nachgeaͤffet; der
Vrſprung kommt à nimbo Moſaico, von Moſe/ der vom Berge herab
gangen mit ſtrahlendem Angeſicht/ als ein Welt-Stern geleuchtet; Aber
nimbus \& umbra erat, es war nicht mehr als ein Schein. Der rechte
nimbus gloriæ,Glantz der Herrligkeit der wahren Kirchen
und rechten Heiligen iſt die Gnade Gottes/ Gerechtigkeit
Jeſu Chriſti/ und der herrliche Gaben-Schmuck des Heili-
gen Geiſtes/
das ſcheinet/ das zieret/ das pranget/ mi camocha,
heiſſets da/ Wer iſt dir gleich? das machet einer Statt fuͤr GottDevt. 33,
29.

und aller erbaren Welt ein Anſehen/ deren Autoritaͤt beſtehet nicht ſo wol
in viribus \& viris, einer volckreichen Macht/ als Heiligkeit/ Tugend und
devotion zu Gott/ das ruͤhmet man und ſagt: Ey welch weiſe undDevt. 4, 8.
verſtaͤndige Leute ſind das/ und ein herrlich Volck! hingegen:
O wol ein alber und undanckbar Volck/ das alle ornamenta laͤſt ſincken!
Ja heilig iſt eine ſolche Gottes-vergeſſene/ undanckbare Kirche ἀντιφραςι-
κῶς, in dem widrigen Verſtande/ davon man ſagt auri ſacra fames, der hei-
Sechſter Theil. H h hlige
[426]Die Vier und Dreiſſigſte (Sechſte)
lige Gold-Hunger/ das iſt der verfluchte Geitz; iſt eine titular-Heiligkeit/
ſo da beſtehet in Platten/ Kappen und Chor-Hembdern/ bloſſen Titul und
vid. Lorin.
ad act. 9.
pag. 443.
Baron. ad
ann.
1044.
11. 5.
genommen Ampt/ wie der Papſt heilig heiſſet/ ob er gleich ein Boͤßwicht in
der Haut/ der der Koͤnigin/ das iſt/ der Chriſtlichen Gemein/ deſſen Schuͤtzer
er ſeyn ſolte/ ihre regalia genommen/ und durch ein unertraͤgliches mono-
polium
allein an ſich gezogen; das iſt falſche Heiligkeit: wie auch der
Moͤnche Heiligkeit/ die zwar die Welt fliehen/ aber in den Cloͤſtern die Welt
finden/ da ſie mit der Welt ſtreiten und ſiegen ſollen/ lauffen ſie davon wie
luͤchtige/ untreue Soldaten. Catharina Senenſis, die hochgehalten
wird im Papſtumb/ die litte Hencker-Marter/ daß ſie dadurch Chriſti
Exempel nachfolgete/ und fuͤr die malefitz-Perſon leidete. Das iſt Gotts-
laͤſterliche Scheinheiligkeit/ welche aus den Menſchen Goͤtter machet:


Eine heuchleriſche Heiligkeit/ die außwendig einen feinen Schein
fuͤhrt/ und albern Leuten ein blauen Dunſt fuͤr die Augen mahlet/ inwendig
iſts lauter Wuſt und Vnluſt. Solte der Babyloniſchen Dam begegnen/
Nahum. 3,
5.
was der huriſchen Ninive/ deren Gott der Herr durch den Propheten
Nahum gedraͤuet/ er wolle den Heyden ihre Bloͤſſe und dẽ Koͤnigreichen ihre
Schande zeigen/ das iſt/ ſolten groſſe Potentaten und Herren im Papſtumb
leiden moͤgen/ daß man der Roͤmiſchen Kirchen die Larv abzoͤge/ und dero
verborgene Boßheit aus Gottes Wort entdecken doͤrffte. O was Vn-
flath! was Greuel/ was boͤſe Fruͤchte/ die vom Baum zeugen/ nemlich
Luͤgen und Mord/ character des ſchwartzen Engels/ den Chriſtus bezeich-
Ioh. 8, 44.net Joh. 8. Eine ungewiſſe Heiligkeit/ dieweil niemand wiſſen kan/ wel-
ches eigentlich die Gerechten ſeyn; die apparitiones und miracula nach
dem Tode auff welchen der Papſt ſeine Canoniſation bauet/ ſind betruͤg-
lich/ und wie man im Papſtumb lehret/ muͤſſen ſie von der Catholiſchen
ſeblſt-betruͤglichen Kirchen bewaͤhret werden/ ſind ſolche miracula, welche
2. Theſſ. 2,
4. ſeqq.
dem Sathan zu wuͤrcken/ eine ſchlechte Kunſt iſt: dafuͤr uns St. Paulus
als Wercken des Widerchriſtes treulich gewarnet. Eine ſtoltze Heilig-
keit/ wie ſie genennet wird von dem Propheten Zephania/ die nicht
nur den allerſeligſten Gott zum Schuldner durch menſchliche befleckt[e]
merita machen/ vnd ſo viel an ihr denſelben ſeiner Seligkeit entſetzen will/
[...]ntemal ſeliger iſt geben als nehmen/ ſondern auch auff die ἀποθεώσιν Ca-
noniſation
den rothen Buchſtaben im Calender zielet. Gottes Ehr iſ[t]
der finis οὗ, er der heilige Phariſeer iſt finis ὧ. Die vom Allerheiligſten und
zugerechnete Gerechtigkeit/ wird verhoͤnet/ und mit allerhand Schand[-]
Namen verſchimpfft: aber die Heiligkeit/ heiliges Verdienſt und Buß
Fran
[427]Predigt.
Franciſci, Dominici \&c. welche andern imputirt und zugerechnet wird/
die wird in Himmel erhoben.


Sie moͤgen/ weil ſie nicht anders wollen/ die Schale nehmen/ wir be-
halten den Kern; ſie moͤgen mit dem bloſſen Bild-Schatten und Schein-
Werck vorlieb nehmen/ wir halten an der Warheit/ und ſprechen LutheroLuth. Ca-
tech. maj.
art. 3. ex-
plic. p.
499.

nach: Jch glaube/ daß da ſeye ein heiliges Haͤufflein und Ge-
meine auff Erden/ eiteler Heiligen unter einem Haupt Chri-
ſto/ durch den Heiligen Geiſt zuſammen beruffen/ in einem
Glauben/ Sinn und Verſtand/ mit mancherley Gaben/ doch
eintraͤchtig in der Lieb/ ohne Rotten und Spaktung. Derſelbi-
gen bin ich auch ein ſtuͤck und Glied aller Guͤter/ ſo ſie hat/ theil-
hafftig und Mitgenoß/ durch den H. Geiſt dahin gebracht und
eingeleibet/ dadurch/ daß ich Gottes Wort hab und noch hoͤre/
welches iſt der Anfang hinein zu kommen.
Fidelis in Chriſto \&
membrum Chriſti, ſi te non dixeris eſſe ſanctum; ingratus es; dic Deo
tuo: Sanctus ſum, quia ſanctificâſti me, quia accepi, non quia habui: quia
tu dediſti, non quia ego metui: non eſt iſta ſuperbia elati, ſed confeſſio
non ingrati,
ſchreibet Auguſt. Wann du ein glaubiges Gliedmaſſe ChriſtiAuguſt.
in Pſ
85.

biſt/ und ſageſt nicht/ daß du heilig ſeyeſt/ ſo biſtu undanckbar; Sage dero-
halben zu deinem Gott: Jch bin heilig/ dieweil du mich haſt geheiliget/
dieweil ichs empfangen/ nicht daß ichs von mir ſelber habe: dieweil du
mirs gegeben/ nicht als haͤtte ichs verdienet: Das iſt keine Ruhmredigkeit
eines hochmuͤthigen/ ſondern eine Bekaͤntnuͤß eines danckbaren Hertzen.
Aber da huͤte dich/ daß du nicht luͤgeſt! dann ob wol wahr/ daß eine heilige
Chriſtenheit muß auff Erden ſeyn/ und ſolten gleich nur zween oder drey
oder allein die getauffte junge Kinder (ſeyn dann der alten ſind leider we-
nig/ und welche es nicht ſind/ die ſollen ſich nicht fuͤr Chriſten rechnen/ man
ſolle ſie auch nicht troͤſten/ als weren ſie Chriſten/ ſie antworten zwar wann
man ſie fraget/ biſtu ein Chriſt/ Herr ja/ aber ſie ſprechen das ſchibIud. 12, 6.
boleth nicht recht und warhafftig/ ſondern ſtamlend und liſplend aus/
ſie ſind Wider-Chriſten/ Feinde des Creutzes Chriſti/ neue Antinomer/
wann ſie freventlich wider Gott ſuͤndigen/ den Namen Gottes enthei-
ligen/ und doch unter deß heilige Leute ſeyn wollen/ ſind leichtfertige Wag-
haͤlſe/ die es auff Gottes Gnade wagen/ ſuͤndigen friſch drein ohne ſcheu/
laſſen ſich beduͤncken/ es ſey nur umb einen guten Seuffzer zu thun/ umb
ein Bruſtſchlagen/ umb ein Vater unſer/ der Loͤß-Schluͤſſel ſey nicht ver-
H h h 2gebens/
[428]Die Vier und Dreiſſigſte (Sechſte)
gebens/ mit dem Blute Chriſti werde aller Vnflath abgewaſchen/ pet mi-
ſerere mei tollitur ira Dei,
unſinnige tolle Narren! gleich dem/ der ihm
ſelbſt ein Meſſer an die Gurgel ſetzt/ ſticht zu und ſagt gewagt! die Artzney
wird alles wider heilen) ſo iſt doch die Heucheley gar groß.


Col. 1, 12.

Alſo glaube ich/ daß ich Danck ſage/ nicht nur mit Wor-
ten/ ſondern mit einem gantz neuem heiligem Leben/
befleiſſige
1. Pet. 1, 16.mich der Apoſtoliſchen Vermahnung nachzuleben. Es ſtehet geſchrie-
ben: Jhr ſollet heilig ſeyn/ dann ich bin heilig/
darumb auch
Apoc. 22,
11.
nach dem/ der mich beruffen/ heilig iſt/ befleiſſige ich mich auch heilig zu ſeyn
in alle meinem Wandel; ja ich bin auch bereit fuͤr die heilige Kirche heilig
zu leiden/ bevorab anietzo/ da es leidens Zeit iſt; hat Chriſtus ſo viel gelitten
fuͤr die Kirche/ warumb nicht auch in Mangel des Salarii, des Einkom-
Gal. 6, 17.mens/ der Ergetzligkeit/ ja biß auffs Blut/ wie Paulus das Mahl-Zeichen
Chriſti am Leibe zu tragen?


Alſo ſage ich Danck/ daß ich es ruͤhme/ dann wem wolten
Devt. 33.
29.
Pſal.
73, 1.
nicht die Raube-Berge der Welt/ das groſſe Welt-Babel verleiden mit all
ihrẽ Pracht? und contra ſprechen/ Wol dir Jſrael/ du Berg Sion!
Jſrael hat dannoch GOTT zum Troſt/
ſein groͤſter Schatz iſt
Gott im Himmel/ Chriſtus am Creutz/ und der Heilige Geiſt vom Him-
mel herab geſendet/ Wer iſt dir gleich? Jch trutze die Feinde der
1. Sam. 17,
26.
Warheit wie David 1. Sam. 17. Wer iſt der Philiſter/ dieſer Vn-
beſchnittene/ der den Zeug des lebendigen Gottes hönet?
Trutz/
daß mir Teufel/ Tyrann ꝛc. Schaden thun kan! thut ers/ ſo greiffet er
Act. 9, 5 [...]Gott ſeinen Augapffel an/ Es wird ihm ſchwer ſeyn wider den
Stachel zu lecken.
Gemach! moͤchte iemand ſagen/ was iſt das fuͤr
vid. Luth.
præfat. in
Eſa.
Eſa. 55, 11.
Cant.
2, 12.
ein wohl? ligt nicht die Kirche als ein Schaf-Stall mitten unter den
Woͤlfen? ligt ſie nicht der Roͤmiſchen Beſtien im Rachen drinnen? muß
ſie nicht auch heutiges Tags winſeln und klagen: Jch bin die Elende
und Troſtloſe/ uͤber die alle Wetter der Truͤbſal gehen: Jch
bin eine Blume zu Saron/ und eine Roſe im Thal/ eine Roſe
unter den Creutz-Dornen?
Das heiſt zwar/ wehe dir! fuͤr der Ver-
nunfft: hingegen/ wohl in Franckreich/ wol in der Schweitz/ wol in Roſen/
dem das Gluͤckligt in der Schoß! Aber in Gottes Wort wohl dir! dañ das
Pſ. 46, 2. 3.
4. 5. 6.
laut alſo Pſal. 46. GOTT iſt unſer Zuverſicht und Stärcke/
eine Huͤlffe in den groſſen Noͤthen/ die uns troffen haben/

darumb
[429]Predigt.
darumb fuͤrchten wir uns nicht/ wann gleich die Welt unter-
gienge/ und die Berge mitten ins Meer ſincken: Wann gleich
das Meer wuͤtet und wallet/ und von ſeinem Vngeſtuͤm die
Berge einfielen/ dannoch ſoll die Statt Gottes fein luſtig
bleiben mit ihren Bruͤnnlein/ da die heiligen Wohnungen
Gottes ſind/ dann Gott iſt bey ihr drinnen!


Da im Gegentheil des Teufels Capell Gluͤck hat/ aber fortunam
fallacem,
es iſt ein verborgen Vngluͤck/ kein feſtes/ ſondern ſchlipfferiges
Zeit-Gluͤck. Alexander der weltliche Gluͤck-Vogel iſt laͤngſt verſchwun-
den/ ſein Gluͤck hat ſich mit Vngluͤck geendet. Lazari des armen/ fuͤr der
Welt ungluͤckſeligen Bettlers Gluͤck waͤret ewig. Darumb ſagetOſe. 2, 1.
euern Bruͤdern/ ſie ſind mein Volck/ und zu euern Schwe-
ſtern/ ſie ſind in Gnaden.
Dieſes aber/ ſchreibet Lutherus, dieweilv. Luth. ad
Oſeam 2.
tom. 8.
Witteb.
p.
249.

mans in ſolcher Anfechtung ſchwerlich glauben kan/ daß man einen gnaͤ-
digen Gott habe/ ſo befihlet der Prophet/ und doch Gott mehr
durch den Propheten/ daß dieſe Stimm in der Chriſtlichen Kirche nicht
ſoll verſchwiegen bleiben/ Ammi Ryhamo,Jhr ſeyt mein Volck/
Jch habe mich euer erbarmet/ ich will euch nicht von mir werffen/ ich will
euch eure Suͤnden nicht zurechnen/ ich will euch nicht Waͤiſen laſſen/ ich will
euch in euren Anfechtungen nicht ſtecken und verderben laſſen/ will euch
auch nicht unter die Gewalt des Todes und Teufels fallen laſſen/ dann
ihr ſeyt mein Volck/ und habe euch zu Gnaden auffgenommen. Dann
ob ihr wol zu Zeiten geſtrafft werdet/ ſo geſchiehet es euch zum beſten/ auff
daß in euch die Suͤnde gepeiniget und getoͤdtet werde/ auff daß ihr euch
Ehre ſamlet/ wie die tapffern Kriegs-Knechte/ daß in euch euer Glaube
zunehme und wachſe/ daß ihr mich in der Noth lernet anruffen/ daß in
euch mein Name geehret werde/ auff daß meine Krafft in euer Schwach-
heit vollkommen ſey/ auff daß ich euch meinem Sohn gleichfoͤrmig mache/
erſtlich in Creutz/ darnach auch in der Herrligkeit. Ein Schwein hat
eine Weil gute Sache/ hernach wirds geſtochen: Aber in fine videbitur
cujus toni,
das Ende wird alles offenbaren. Wol in dem letzten Todes-
Kampff! wol im Triumph! wol am Juͤngſten Tage/ da ihm Chriſtus
ſelbſt wird darſtellen ſeine Gemeine/ die nicht hat einen Flecken
oder Runtzel/ oder etwas deſſen/ ſondern daß ſie heilig und
unſtraͤfflich ſeye/
Epheſ. 5. Wol in Ewigkeit! Chriſtus Jeſus/Eph. 5, 27.
H h h 3der
[430]Die Fuͤnff und Dreiſſigſte (Siebende)
1. Cor. 1, 30.der Allerheiligſte/ der uns gemacht zur Heiligkeit/ der wolle uns
allen ſchencken den heiligmachenden Geiſt/ der uns heilige in
der Goͤttlichen Warheit gantz durch und durch/ daß unſer
Geiſt ſampt Leib und
Seel behalten werde auff die Zukunfft
1. Theſſ. 5,
23.
Jeſu Chriſti/ 1. Theſſal. 5. Das wird Er thun/ dann treu
Er iſt/
Amen.



Die Fuͤnff und Dreiſſigſte


Vber den dritten Articul/
Von der Kirch/


Die Siebende Predigt/


Von demCatholiciſmooder von dem Namen
der Catholiſchen Kirche.


GEliebte in Chriſto: Groß iſt die Diana der Epheſer!
So ſchrie vorzeiten der tolle/ raſende und unſinnige Poͤfel
Act. 19, 28.
34.
zu Epheſo bey zwo Stunden/ Actor. 19. Dann nach dem
der groſſe Goͤtzen-Stuͤrmer und Teufels-Banner St.
Paulus in dieſelbe abgoͤttiſche Statt kom̃en/ das Evange-
lium geprediget/ daß der Name des HErren Jeſu hochgelobet/ und das
Wort des HErren gewachſen und zugenommen/ ſo war es dem Sathan
nicht zu leiden/ der macht alarma in allen Gaſſen/ erwecket den Deme-
trium,
den Vortheil- und Gewinn-ſuͤchtigen Goldſchmied und Zunfft-
meiſter deſſelben Handwercks/ der muß der incendiarius und Laͤrmenblaͤ-
ſer ſeyn/ er fordert die Zunfft zuſammen/ thut eine oration an ſie/ in welcher
er heraus ſtreichet die groſſe Dianam ihre Majeſtaͤt und Herrligkeit;
Groß iſt dieſe Diana 1. wegen des reichen Nutzens/
Hieron. in
præfat. ep.
ad Epheſ.
den man von ihr zu genieſſen. Sie war πολύμαςος, wie ſie Hieronymus
nennet/ multimammia, eine fruchtbare Mutter/ die gute Milch geben/
ſonderlich dem Handwerck wol eingetragen/ Demetrius machte derſelben
zu Ehren kleine ſilberne Tempel und Kirchlein/ die dem ſiebenden Welt-
Wunder dem Tempel zu Epheſo gleich und deſſen controfet ſeyn ſolten/
welche
[431]Predigt.
welche die außlaͤndiſche Anbeter als ein ſonderbar geweyhetes Heilig-
thumb pflegten zu kauffen/ davon hatte das Handwerck einen groſſen pro-
fit;
Wie/ ſpricht er/ kommt dieſer Paulus daher/ machet das
Volck abfaͤllig/ uͤberredet und ſpricht: Es ſind nicht Götter/
welche von Haͤnden gemacht/ ſo will es mit unſerm Handel
dahin gerathen/ daß er nichts gelte;
Darumb fort mit dieſem
Paulo! Groß iſt die Diana!


Groß iſt ſie 2. von Majeſtät und Herrligkeit; Groß iſt
bißher ihre μεγαλειότης, Anſehen und Herrligkeit geweſt in aller Welt;
Laſſen wir dieſen frembden Juͤdiſchen Lotterbuben auffkommen/ ſo wird
nicht allein Dianæ Tempel/ an welchem doch gantz Aſia gebauet zwey hun-
dert und zwantzig Jahr/ und anſehenlich verehret/ wie Plinius bezeuget;Plin. I. 36,
14,

fuͤr nichts geachtet/ ſondern dazu wird der Goͤttin Majeſtaͤt untergehen/
derohalben groß iſt die Diana der Epheſer! Groß 3. wegen
der allgemeinen goͤttlichen Verehrung/
welcher gantz Aſia und
der Welt-Kreiß Gottesdienſt erzeiget/ dieſes iſt die Catholiſche allgemeine
religion, darumb groß iſt die Diana der Epheſer.


Jſt/ meine Liebſten/ eine Comœdi/ die man noch heut zu Tage agirt/
der Teufel ſpielet einerley Spiel/ aͤndert nur die Perſonen und Maſcara-
den; wie es Paulo gangen/ ſo gieng es Luthero und allen feinen eiferigen
Nachfolgern auff den heutigen Tag: So bald das Liecht gefchienen/ und
von dem Prediger-Engel Luthero und ſeiner Klarheit die Erde erleuchtet
worden/ da er aus Macht mit groſſer Stimm geſchrien: Sie iſt gefal-Apoc. 18, 2.
len/ ſie iſt gefallen/ Babylon die groſſe! ſo hat er crabrones irritirt/
ins Weſpen-Neſt geſtochen/ es war Feuer im Dach allenthalben/ bald
haben ſich die geiſtlichen Demetrii und deren Anhang/ denen die Pfaffen
Kohlen warm gemacht/ herfuͤr gethan/ die geiſtlichen Kauffleute/ wie ſie
Johannes nennet Apoc. 18. das iſt/ die Ablaß-Kraͤmer und Simoniſten/v.[11.]
welche ihr pallien und præbenden mit Geld vom Papſt erkaufft/ aus dem
Gottesdienſt ein Gewerbe gemacht/ und ſich bey ihren Pfruͤnden/ Cano-
nicat
en wol befunden; die haben auch geruffen/ ſchreyen und ſchreiben
ohn Vnterlaß: Romana Diana magna!Groß iſt die Roͤmiſche
Diana!
die Roͤmiſche Dam. Groß iſt ſieuſu,wegen des reichen
Nutzen;
dann ſie die Kauffleute/ die Prælaten/ ſind reich davon
worden/
Apoc. 18. Groß von Majeſtät; dann ſie iſt eine Koͤnigin/v.[30]
ſie ſpricht
[432]Die Fuͤnff und Dreiſſigſte (Siebende)
ſie ſpricht in ihrem Hertzen: Jch ſitz und bin eine Koͤnigin/verſ. 7.
Dio l. 51.ja gar eine Goͤttin/ geſtalt dann (als Dio bezeuget) der Heydniſchen Statt
Rom anders nicht als wie der groſſen Dianæ zu Epheſo geopffert worden;
geſchiehet dem Paͤpſtiſchen Rom noch; Koͤnige/ Fuͤrſten und Herren
ziehen dahin/ neigen ſich gegen ihr/ und unterwerffen ihre Haͤupter dieſem
einigem Haupt; Was ſag ich von Menſchen und Fuͤrſten? Die Geiſter
in der Lufft/ ja die unterſten Geiſter oder die genii ehren und erzittern fuͤr
ihr/ und erkennen ihre himmliſche Gewalt und Macht/ ſo ſie auff Erden
Lipſius in
præfat.
admir.
fuͤhret/ So ſtreichet ſie Lipſius der Roͤmiſche Schmarutzer heraus.
Groß iſt ſiecatholico cultu \& nomine,der allgemeinen
Verehrung und Namen nach/
daß ſie ſich nennet catholicam
Eccleſiam,
eine allgemeine Kirche; dann damit pranget das
Bellarm. l.
4. de Eccl.
c. 4.
Tanner.
part. 2.
anat. A. C.
demonſtr.
1. n.
21.
Papſtumb. Dieſes/ ſchreibet Bellarminus, ſeye die vornemſte/ und erſte oder
hoͤchſte nota und Kenn-Zeichen der Kirchen; dieſen Namen wollen ſie
uns nicht geſtehen noch goͤnnen. Der Jeſuit Tannerus ſchreibet: Vn-
ſere Kirche hat den Titul catholica gebraucht und von ihr außgeſchrieben
nun in die funffzehen hundert Jahr. Als in dem neulichen Colloquio
charitativo,
in dem Geſpraͤch und Spiegelfechten zu Thoren in Preuſſen/
dem Paͤpſtiſchem Theil zugemuthet worden/ ſie ſolten ſich Roͤmiſch Catho-
Schön-
hoff. ſeſſ.

22.
liſch nennen Vnterſcheids halber; dawider proteſtirt Schoͤnhoff der Je-
ſuit und ſaget/ es ſeye dieſer Name Catholicus nun in ſechszehen hundert
Jahr bey ihnen ohne Streit/ in friedlicher Beſitzung gebraͤuchlich geweſen;
er koͤnte demnach in keine Neuerung einwilligen.


Laſſet uns/ meine Liebſten/ vielmehr vernehmen veram magni-
tudinem Eccleſiæ Chriſti,
die warhafftige Groͤſſe der reinen
Kirchen Chriſti/ die Groͤſſe des Nutzens aus den geiſtlichen

Gnaden-Gaben/ damit ſie gezieret; die Majeſtaͤt aus ihrer
Heiligkeit; den
Catholiciſmumaus der Verwandſchafft der
reinen Lehre/ mit dem uralten rechten Catholiſchen Apoſto-
liſchen
Glauben; Von welchem ietzo in der Furcht des Herren
fruchtbarlich zu handeln/ wolle uns der warhafftige allgemeine Koͤnig
Chriſtus/ der von einem Meer zum andern/ uͤber Himmel und Erden
herrſchet/ mit ſeiner Gnade erſcheinen/ daß alles gereiche
zu ſenen Ehren/ Amen.


Es iſt
[433]Predigt.

ES iſt zwar an dem/ in unſermNicænooder vielmehr
dem vermehrten und verbeſſerten
Conſtantinopolita-
no Symbolo
ſtehet das Wort Catholica außtruͤcklich;
Credo Eccleſiam catholicam; Lutherus hats verdolmetſchet
Chriſtlich: wird deßwegen im Papſtumb uͤberaus unguͤtlich tractiret
und gehalten/ als haͤtte er das Wort Catholicam außgekratzt. Tan-Tanner.
part. 1.
anat. de-
monſtr. 3.
p. 60.
Compoſ.
pacis c. 1.
q. 7. p.
11.

nerus nennet ihn ſacrilegum Apoſtolici Symboli falſarium, einen Kir-
chen-Raͤuber und Verfaͤlſcher des Apoſtoliſchen Glaubens; Compoſitio
pacis
trifft es! die ſetzet auff die Frage: warumb Luther einen Abſcheu
gehabt vor dem Wort καϑολικὸν, daß er es gegeben hat. Nicht die allge-
meine/
ſondern Chriſtliche Kirche? Dieſe Antwort: dieweil er ſich
beſorget/ es moͤchte ſein Glaube und Kirche dem gemeinem ungelehrſa-
men Volck verdaͤchtig und verhaſſet werden/ wann ſie ſehen und verneh-
men/ daß dieſelbe nicht were catholica,allgemein/ wie ſie von den
Apoſteln und Patribus beſchrieben were/ und was des laͤſterns mehr iſt;
Sed canis lunam! Was ſchadets dem Mond/ wann ihn gleich ein Hund
anbillet?


Jſt Lutherus ein Falſarius und Verfaͤlſcher/ ſo ſinds laͤngſt vor ihm
geweſt Cyprianus und Epiphanius; die Meintziſche Agenda des Ertz-
Biſchoffen Sebaſtiani anno 1513. außgangen/ da eben ſtehet; Eine hei-
lige Chriſtliche Kirche;
es ſtehet noch zu beweiſen/ daß das Wort
Catholica in dem Symbolo Apoſtolico geſtanden/ es ſind ſtarcke con-D. Gerh. l.
2. Conſ.
Cath. part.
1. p. 1298.
Auguſt. l.
1. de fide \&
ſymb.

jecturen fuͤrhanden/ daraus zu vermuthen/ daß das Wort Catholica
in dem Apoſtoliſchen Glauben nicht geſtanden; Ruffinus legt das Wort
nicht aus; Cyprianus und Epiphanius laſſens aus; Auguſtinus ſetzt
hinzu Sanctam utique catholicam; da das Wort utique exege-
ticum,
ein Außlegungs-Wort iſt/ und das vorhergehende gleichſam er-
klaͤret/ nicht textuale, das in Text gehoͤret. Pacianus Biſchoff zu Barci-Pacian. in
epiſt. 1. ad
Sympho-
riam.
v. Voſſ. p.
27. de trib.
Symb.
apup So-
zon. l.
7, 4.

nona in Spanien/ der zu Hieronymi Zeiten gelebt/ ſchreibet: Zur Apoſtel
Zeiten hab man das Wort Catholicam noch nicht gebraucht/ ſey aller-
erſt zum Vnterſcheid der Kaͤtzer/ der Arianer und Donatiſten auffkom̃en/
zur Zeit Theodoſii, deßwegen von den alten Kaͤyſern ein beſonder edict. L.
cunctos populos, tit. de ſummâ Trin. \& fide Cath.
auffgeſetzt worden/
daß die allein/ welche von dem Articul der H. Dreyeinigkeit recht geglaubet/
den Namen Catholici haben/ die andern alle fuͤr Kaͤtzer gehalten werden
Sechſter Theil. J i iſollen.
[434]Die Fůnff und Dreiſſigſte (Siebende)
Baron. ad
An.
43, 17.
ſollen. Baronius kan dieſes Namens antiquitaͤt nirgend her beweiſen/
als aus dem Symbolo Apoſtolico, aber mit ſolchem Beweiß gehet er
in circulo und im Creutzgang [herumb] ſpatzieren.


Jſt alſo Lutherus kein falſator und Verfaͤlſcher. Warumb er aber
fuͤr das Wort Catholiſch/ Chriſtlich geſetzt? iſt geſchehen nicht aus
Betrug oder Haß wider dieſes Wort; dann er ja diß Wort behalten in
art. Smal.
12.
ſeinem groſſen Lateiniſchen Catechiſmo p. 400. in den Schmalkaldiſchen
Articuln klar gebraucht; in der Erklaͤrung des dritten Articuls/ Gleich
wie er die gantze Chriſtenheit auff Erden beruffet;
und in den
bekanten Geſang: Wir glauben all an einen Gott: Die gantze
Chriſtenheit auff Erden hält in einem Sinn gar eben/ ꝛc.

ſondern ſtudio 1. biblico,dieweil dieſer Name Chriſtlich
Act. 11, 26.Bibliſch iſt; ſo wurden die erſten Chriſten genennet Actor. 11. dieweil
ſie von Chriſto/ durch Chriſtum in Chriſtlichem Wandel/ zu Chriſto ge-
fuͤhret werden. 2. Studio Germaniſmi,als der allenthalben
ſo viel moͤglich ſein Abſehen auff den Teutſchen Mann gehabt;

Das Wort Catholica iſt Griechiſch/ deſſen Verſtand dem gemeinen
Mann ohne Erklaͤrung dunckel und unbekant; im Gegentheil das Wort
Chriſtlich mehr beruͤhmt/ allermaſſen wie er ſich ſelbſt erklaͤret in der
Rand-Gloß/ ſo in tom. 6. Jen. fol. ult. zu finden; Catholicakan
man nicht beſſer deutſchen/ dann Chriſtlich/ wie bißher geſche-
hen/ das iſt/ wo Chriſten ſind in aller Welt/ dawider tobet der
Papſt/ und will ſeinen Hof allein die Chriſtliche Kirche ge-
heiſſen haben/ leuget aber wie der Teufel und ſein Abgott.

3. Studio differentiæ,zum Vnterſcheid unter bloß-Catho-
liſch und Chriſt-Catholiſch;
Was (wann die regula Liri-
nenſis
gelten ſolt) allenthalben/ zu allen Zeiten/ von allen geglau-
bet wird/ das iſt der Catholiſche Glaube; ſubſumo: Daß der Wein beſſer
ſeye als das Waſſer/ glaubet iederman zu allen Zeiten/ an allen Orten/
darumb muͤſte das ein Catholiſcher Glaube ſeyn; O Thorheit! ſetzte man
nicht das Wort Chriſtlich hinzu/ ſo wird das Reich des Anti- und Wi-
der-Chriſten eine Catholiſche Kirche ſeyn und heiſſen koͤnnen.


Dieweil wir dann nun das Niceno-Conſtantinopolita-
num Symbolum
erklaͤren/ iſt von noͤthen/ daß wir von dem Wort
Catho-
[435]Predigt.
Catholiſch handlen/ was es heiſſe und bedeute. Was heiſt dann nun
Eccleſia catholicaoderChriſtiano-catholica,die Chriſt-Ca-
tholiſche Kirch?
Antwort/ eine ſolche Gemeine/ die da iſt I. Catholica
loco,
an allen Orten/ da Chriſtus angenom̃en und außgebrei-
tet wird;
Eccleſia catholica, ſchreibt Auguſtinus, græcè appellatur, quodAuguſt.
ep.
170.

per totum orbem terrarum diffunditur,die Kirch wird mit dem Grie-
chiſchen Wort Catholiſch genennet/ dieweil ſie durch die gantze Welt
ſich erſtreckt/ ἐν ὄλη τῆ γῆ, die allgemeine/ und nicht geſtuͤckte oder geſtuͤm-
lete Kirche/ welche an keinen gewiſſen Ort oder Winckel gebunden/ ſondern
an allen Orten zu finden/ 1. actu,wuͤrcklich und thaͤtig/ dieweil
Chriſtus vorzeiten unter allen nationen gepredigt und angenommen wor-
den/ ſeine Schnur in die gantze Welt außgegangen/ laut der Propheti-
ſchen Weiſſagung Altes Teſtaments/ und dem klaren Befehl Chriſti
Matth. 28. Gehet hin in alle Welt/ ꝛc. daruͤber hingegen die Heyd-Matth. 28,
19.
Col.
1, 6.

niſche oracula verſtummet; dergleichen keiner Kirch begegnet; Die Heyd-
niſche religion hat ſich auch allenthalben außgebreitet/ aber ſtuͤckweiſe;
eine iede nation hatte ihren beſondern Gott und Goͤtzendienſt. Die Ju-
den waren im Lande Canaan/ wiewol ſie hernach in alle Welt diſpergiret
worden/ dannenhero Petrus ſchreibet: πρὸς τοῦς ἐν τῆ διασπορᾶ, an die1. Petr. 1, 1.
ſo hin und her zerſtreuet ſind. 2. Virtute,der Krafft und Tugend
nach/
dieweil die Kirche gleich einer Mutter mit offenem Schos und dar-
gereichten Haͤnden alle Voͤlcker von allen Orten und Enden auffzuneh-
men begehret und auch kan; in welchem Verſtande auch die erſte Pfingſt-
Kirche Actor. 2. Eccleſia catholica,eine allgemeine Catho-Act. 2, 42.
liſche Kirche hat koͤnnen genennet werden. 3. Negativè,dieweil
ſie an keinen gewiſſen Ort gebunden;
nicht an die Africaniſche
Winckel/ nicht an den Roͤmiſchen Stul.


II. Catholica ſubjecto,dem Volck nach/ ſie wird die
allgemeine oder allemanns Catholiſche
genennet/ dieweil ſie ſich
erſtrecket auff alle Menſchen in allerley Volck ohn anſehen der Perſon/Act. 10, 34.
Eph. 2, 14.
Pſ. 24, 1.
Gal.
3, 28.

nach dem der Zaun gebrochen/ und aus Heyden und Juden ein Volck
worden.


III. Catholica tempore,der Zeit nach/ dieweil die Kirche
allezeit gewaͤhret und waͤhren ſoll biß an Juͤngſten Tag/ Die PfortenMatt. 16, 18.
der Höllen ſollen ſie nicht uͤberwältigen; wiewol ſie leuchtet in un-
J i i 2gleichem
[436]Die Fůnff und Dreiſſigſte (Siebende)
gleichem Glantz und Schein: Vnd ob ſie wohl bißweilen μάρανσιν oder
σβέσιν erfahren/ und eine Verdunckelung oder Finſternuͤß außſtehen muͤſ-
ſen; ſo hat doch Gott allezeit geiſtliche emunctores geſchickt/ muthige
Helden/ wie geweſen Enos/ Moſes/ Elias/ Johannes der Taͤuffer/ Luthe-
rus;
da im gegentheil die Juͤdiſche Synagog/ was den Levitiſchen Got-
tesdienſt/ die Vorbilder und Ceremonien anlanget/ ihre Endſchafft er-
reichet/ (ob wohl πατρῶος Θεὸς, der alte Vaͤter-Gott quoad ſubſtantiam,
dem Weſen nach iederzeit geweſen und geblieben wie er iſt) und in der Aſche
zu Jeruſalem begraben worden/ die Heydniſche Abgoͤtterey iſt zerſtoͤret/ die
Oracula ſind verſtummet/ der boͤfe Geiſt/ der die Heydniſche Tempel inge-
habt/ hat ſich getrollet.


IV. Catholica Chriſtiano ſenſu \& concentu fidei,
Wegen des Chriſt-Catholiſchen Glaubens in Chriſtum/ und
deſſen
(nicht von auſſen her erholten/ ſondern) inteſtinooder in-
wendig in der Schrifft ſelbſt/ durch Schrifft erklaͤrten Ver-
ſtand;
Chava oder Eva iſt geweſen das Symbolum Adæ; Jobs Glau-
Iob. 19, 25.be iſt bekant/ Job 19. Jch weiß daß mein Erloͤſer lebt/ wie auch
Abrahams/ Moſis/ Davids Glaube iſt erſchollen in der Heiligen Schrifft;
Pauli deßgleichen Symbolum und Glauben/ darauff er ſich geſteiffet/ hat
geheiſſen πατρῶος Θεὸς, der Vaͤter Gott/das bekenn ich dir/ ſaget er
Act. 24, 14.zu dem Landpfleger Felix Actor. 24. daß ich nach dieſem Wege/ den
ſie eine Secten nennen/ diene ich alſo dem GOTT meiner
Vaͤter/ und ich glaube alles/ was geſchrieben ſtehet im Geſetz
und den Propheten;
Eben derſelbe Glaube iſt hernach in der gantzen
Chriſtenheit bekant worden/ iſt noch heutiges Tags aller rechtſchaffenen
Chriſten Glaube und Bekaͤntnuͤß/ aber in dem Verſtand/ in welchem der-
ſelbe von den Propheten und Apoſteln fuͤrgetragen/ erklaͤrt und außgeleget
worden. Welche religion in holdſeligem concent ohne Wider- und
uͤbel-lauten der diſſonantz mit den Schrifften der allgemeinen Welt-Do-
cto
ren und erſten uraͤlteſten Stifftern der Kirchen Chriſti in der gan-
tzen Welt/ das iſt/ der heiligen zwoͤlff Botten und Apoſtel/ ſonderlich St.
Pauli uͤbereinſtimmet/ die iſt die rechte Catholiſche religion im Werck
Aug. l. de
verâ relig.
c.
5.
und in der That ſelbſt. Auguſtini Wort ſind bedencklich/ wann er ſchrei-
bet: Neque in confuſione paganorum, neque in purgamentis hæreti-
Καθολικὸν λέγεται διὰ τὸ διδάσκειν καθολικῶς καὶ ἀνελλιπῶς ἄπαντα
εἰς γνῶσιν ἀνθρώπων ἐλϑεῖν ὁφείλοντα δόγματα Cyrill. Hieroſol. Catech. 18.

corum,
[437]Predigt.
corum, neque in languore Schiſmaticorum, neque in cæcitate Judæo-
rum quætenda eſt religio, ſed apud eos ſolos, qui Chriſtiani, Catholici
vel Orthodoxi nominantur,
Es iſt die rechte religion und Lehre nicht zu
ſuchen bey den Heyden/ noch Kaͤtzern/ noch Schiſmaticis, noch blinden
Juden/ ſondern bey denen jenigen/ die Chriſten/ Catholiſche und Recht-
lehrige genennet werden/ das iſt/ die Auffrichtigkeit bewahren/ handhaben/
und der Warheit nachgehen. Summa/ Chriſt-Catholiſch iſt recht
Catholiſch/ nicht Papſt-Catholiſch/ nicht Roͤmiſch-Catholiſch; die
Chriſtlich-Catholiſche Kirche iſt die jenige/ die Chriſtum allein
fuͤr ihr Haupt erkennet: nach der
regul Chriſti und dem
Munde des HErren/ glaubet/ hoffet/ thut/ alles zu
Chriſti Ehr
befoͤrdert/ daß es alles
Chriſtus fuͤr die ſeinen erkeñen kan/ Chri-
ſtum fuͤr das
fundamentdes Glaubens bekeñet/ und ihn nicht
anders einbildet/ als er iſt/ und ſich in ſeinẽ Wort geoffenbaret.


Kommen wir nun abermal auff den Augenſchein/ und beſehen/ wo
zu finden ſey Eccleſia catholica,die wahre Chriſt-Catholiſche
Kirche?
da wird ſich bald herfuͤr thun der Vnterſcheid unter weiß und
ſchwartz/ Liecht und Finſternuͤß/ unter Chriſt-Catholiſch und Roͤmiſch
Catholiſch: Vnter der Groͤſſe der Babyloniſchen Dam und der rechten
Braut Jeſu Chriſti/ unter dem bloſſen Namen und Titul Catholiſch und
dem warhafftigen Catholiſchen; Wir hoͤren zwar viel Wort/ aber wenig
Woll/ die Farbe haͤlt ſie nicht; die Roͤmiſche Dam will abermal allein die
Catholica ſeyn/ wer ſich gut Paͤpſtiſch erzeiget/ zu Zeiten eine Meß hoͤret/
am Freytag kein Fleiſch iſſet/ das Chriſam gebraucht/ das aberglaͤubiſche
Weyh-Waſſer empfangt/ und andere characteres der beſtiæ, der iſt gut
Catholiſch/ ja hinder ſich hinaus! wie der Zauberer Simon μεγάλη ΘεοῦAct. 8, 10.
δύναμις, eine groſſe Krafft Gottes iſt genennet worden/ wie der Teufel ein
Apoſtel/ wie Antiochus ein Soter, Ptolemæus ein Philometor geweſen; der
bloſſe Name machts nicht aus/ ſonſt waͤren alle religionen Catholiſch/ alle
Kaͤtzereyen/ die iemal entſtanden ſeyn/ haben gemeynet ſie ſeyen die rechteBellarm.
l. 4 ge Ec-
cleſ. c. 1.
Baron.
ann. 357.
n. 3.
Apoc.
2, 9.

Chriſten und recht-Catholiſche Kirche/ ſchreibt Bellarminus, ſelbſt; Die
Arianer eigneten ihnen auch den Namen Catholiſch zu/ ſchreibt Baronius.


Was der Herr laſſen ſagen dem Engel der Gemeine zu Smyrna
Apoc. 2. Jch weiß die Laͤſterung von denen/ die ſagen/ ſie ſind
Juden/ aber ſie ſinds nicht/ ſondern des Sathans Schul;

Das moͤgen wir auch wohl von dem Papſtumb ſagen: es will daſſelbe
J i i 3Catho-
[438]Die Fuͤnff und Dreiſſigſte (Siebende)
Catholiſch ſeyn/ und iſts in der Warheit nicht/ und iſt wohl zu erbarmen/
daß unſere Leute ſo alber/ und in gemeinen Reden auch dieſen Titul den
Papiſten geben/ und hiemit magno præjudicio geſtehen/ was ſie leugnen
ſolten; Papiſten ſoll man ſie nennen/ und nicht Catholiſche Chriſten;
Dann es mangelt ihnen 1. Τὸ καθολικὸν loci,die Außbreitung des
Orts/
wann man die Sach auff die bloſſe amplitudines und Welt-
Weite und Breite ſtellen will/ ſo fehlets weit und breit; Die Griechen ha-
ben dem Roͤmiſchen Stul vorlaͤngſt abgedanckt/ wie auch die Niederlaͤn-
der/ die Tuͤrcken/ Moſcowiter und andere Voͤlcker/ bey welchen man von
Paͤpſtiſchen/ Moͤnchen und Pfaffen nichts weiß; die Griechen haben vor-
zeiten dem Papſt Johan. XXIII. als er umb ihre Wolle gebuhlet/ dieſe Ant-
vide Heil-
bronn.
p.
534.
wort widerfahren laſſen: Potentiam tuam ſummam erga tuos ſubditos
firmiter credimus: Superbiam tuam ſummam tolerare non poſſumus:
avaritiam tuam ſatiare non valemus: Diabolus tecum, at Dominus
nobiſcum!
Deine groſſe Macht und Gewalt gegen deine Vnterthanen
glauben wir kraͤfftig: Deinen uͤbermachten Pracht und Stoltz koͤnnen
wir nicht dulden: deinen unerſaͤttlichen Geitzhalß koͤnnen wir nicht erfuͤl-
è lib. 2. de-
monſtr.
relig.
Chriſt.
tract, 5. c.
3.
len; So ſeye der Sathan mit dir und der Herr mit uns! Sonnii
des Biſchoffs zu Antwerpen Klag-Wort gehoͤren hieher: Quantum ob-
ſecro nunc patet per orbem habitabilem Eccleſia catholica? vix tres
ulnas longum comparatione ejus vaſtitatis, quâ poſſidetur Eccleſia
Sathanæ.
Wie ſo gar ein kleines Plaͤtzlein hat ietzo die Catholiſche Kirche
in der Welt inne! es iſt kaum drey Ellen lang/ wann man es halt gegen
dem uͤberaus groſſen und weiten Raum/ welchen des Sathans Kirche
inne hat; und wann man gleich ſo viel mit pralen erhaltet/ daß die Roͤ-
miſche Kirche ſich weiter außbreitet als die Lutheriſche/ ſo wird doch dem
Gegentheil zu beweiſen noch ſchwer gnug fallen/ daß die ietzige Roͤmiſche
v. D. Höpf-
neri Sa-
xon. Evãg.
ſect. 1. part.
1. cap. 4. \&
ſeqq.
Tridentiſche religion eben die jenige ſey/ die vorzeiten von den Apoſteln in
aller Welt außgeſaͤet worden. Weit und breit iſt der Weg zur Hoͤllen:
eng und ſchmal der Weg zum Leben.


Es mangelt 2. Καθολικὸν temporis,die allgemeine Zeit;
dann dieſe heutige Tridentiſche Kirche und religion iſt noch nicht zwey
hundert Jahr alt/ von den heutigen Greueln/ Meß-Opffern/ Seel-Meſ-
ſen/ Winckel-Meſſen/ Ablaß-Kram/ Fronleichnams-Feſt/ Vmbgang mit
dem Sacrament/ Anruffung der Heiligen/ transſubſtantiation, eheloſen
Leben weiß die erſte Apoſtoliſche Milch-Kirche allerdings nichts. Nar-
ren ſind/ die auff alte Gewohnheiten bochen/ und dieſelbe der Goͤttlichen
War-
[439]Predigt.
Warheit vorziehen/ wollen wir recht ſicher ſeyn/ ſo laſſet uns der Heiligen
Schrifft zufliegen/ ſind Wort Juſtini Martyris in Dial. Tryphon.


Es mangelt an dem catholico ſenſu \& concentu Prophe-
tarum \& Apoſtolorum,
an dem Catholiſchen Verſtand und
Vbereinſtimmung mit der Prophet-Apoſtoliſchen Lehr/

Es iſt alles verſtimmet/ es gibet lauter Roßquinten und diſſonantzien/
wann mans haͤlt gegen dem feſten Prophetiſchen und Apoſtoliſchen
Wort/ wir ſinds erbietig durch alle Articul des Tridentiſchen Concilii zu
erweiſen/ und iſt geſchehen von D. Chemnitio ſeel. welcher ſolidè und
gruͤndlich noch nie refutirt worden; Gut waͤre es/ daß unſere Leute/ die die
Lateiniſche Sprache nicht verſtehen/ fleiſſig leſen moͤchten das teutſche Vn-
catholiſche Papſtumb D. Heilbronneri, es wuͤrde ſie gewißlich die ange-
wendete Muͤh nicht reuen. Etliche Ceremonien moͤgen ſie aus der anti-
quit
aͤt haben/ aber das ſind putamina omiſſo nucleo, ſie haben die leere
Schal ergriffen/ und den Kern fahren und fallen laſſen.


Jm Gegentheil moͤgen wir AugſpurgiſchenConfeſſions-
Verwandten
uns wohl Catholicos nennen! dieweil unſere Lehre
die jenige iſt/ deren Glantz anfangs in die gantze Welt außgegangen; Sie
iſt an keinem gewiſſen Ort angefeſſelt oder angebunden. BellarminusBellarm.
tom. i. in
præfat.

ſchreibet ſelber/ wiewol laͤſterlich: Quis ignorat peſtem \&c. Wer keñet nit
die vergiffte Lehr/ die in alle nationes außgeflogẽ? Jſt alſo nicht wahr/ was
gegentheil laͤſtert/ daß dieſelb nur in etlichẽ Winckeln des Teutſchlands kle-
be: Es iſt dieſelbe weiter geflogen als dem Gegentheil lieb iſt. Allgemein
actu \& virtute,in der That/ wuͤrcklich und in der Krafft/
wo nur die inquiſition und Paͤpſtiſche Tyranney nicht ſufflaminirt/ und
den Paß verſperret/ Geſaͤng und Bibel auffkommen ließ/ was gilts wir
wolten bald den Papiſten wenig heraus geben/ aber wehe euchLuc. 11, 52.
Schrifftgelehrten/ die ihr den Schlůſſel der Erkaͤntnuͤß habt!
Jhr kommet nicht hinein/ und wehret denen/ die hinein
wollen.


Vnſere Kirche iſt geweſen zu iederzeit/ was das fundament
des Glaubens betrifft/ wiewohl zuweilen ſie gepreſſet worden/ und doch ge-
gruͤnet/ wie ein gruͤner Palmbaum unter einer ſchweren Laſt/ ſie hat geſchie-
nen wie die Sonn durch den Nebel; Hie wendet zwar Gegentheil vor/ es
ſeye vor Luthero die Lutheriſche Kirche nicht in rerum naturâ geweſt/ man
habe von keiner andern als Paͤpſtiſchen Kirche gewuͤſt/ die muß die rechte
Kirche
[440]Die Fuͤnff und Dreiſſigſte (Siebende)
Kirche ſeyn/ ſonſt muͤſte ſo viel hundert Jahr der Braͤutigam ohne Ge-
ſpons ſeyn geweſt/ und alle unſere Vorfahren verdammt; Antwort: Es iſt
zwar bey etlich hundert Jahren her der Antichriſt Meiſter worden/ hat das
taͤgliche Opffer/ das iſt das jenige rechte wahre blutige Opffer des geglaubtẽ
Jeſu Chriſti/ abgeſchaffet/ und ſein unblutiges Meß-Opffer an jenes ſtatt
eingefuͤhret. Vnter deſſen aber hats nicht gemangelt an einer unſichtba-
Dan. 11, 41.ren Kirche/ Dan. 11. deutet der Engel dem Propheten mit etwas duncke-
len und verſiegelten Worten an/ daß des Antichriſts Hand werden ent-
rinnen Edom/ Moab/ und die Erſtlinge der Kinder Ammon/
die Edomiten/
das iſt/ die blutrothen Maͤrtyrer und Zeugen der War-
heit: die Moabiten/ das iſt/ die einfaͤltig in dem wahren Gott ihrer
Vaͤter vertrauen und ſterben/ nach dem die Stoppeln durch das Anfech-
tungs-Feuer verbrennet ſind; Die Erſtlinge der Kinder Ammon/
Ammi/ das iſt mein Volck/
das ſind die getauffte Kinder/ die vor den
annis diſcretionis, ehe ſie zu ihrem Verſtand gelangen/ ſterben; Das ſey
fern/ daß alle unſere Voraͤltern verdammt/ ſie haben ſich Hertzlich geſehnet
Ezech. 9, 4.nach der reformation, und gejammert uͤber den Paͤpſtiſchen Greuel/ wel-
ches aber den heutigen halßſtarrigen Papiſten nichts hilfft/ welche dem ge-
offenbahrten Liecht boßhafftig ſich widerſetzen/ dann wann es ihnen
Ioh. 15, 22.nicht geſagt waͤre/ ſo wären ſie zu entſchuldigen/ nun es ihnen
aber geſagt iſt/ ſind ſie nicht zu entſchuldigen.


Endlich lautet bey uns τὸ καθολικὸν πίςεως, der Glaube und
Verſtand/ Gemäß dem uralten Prophetiſchen und Apoſtoli-
ſchen Sinn des Heiligen Geiſtes/
und ſind wir deſſen zu erweiſen
erbietig; hindert nicht/ daß wir uns von Luthero nennen/ ſo wenig als
die Benamſung der Barfuſſer Moͤnche von Franciſco, geſchicht nicht
tanquam à Domino fidei ſed tanquam à magiſtro, als waͤre Lutherus der
Vrheber und Herr unſers Glaubens und Lehre/ ſondern er iſt nur ein Lehrer
und Vnterweiſer geweſen/ deſſen wir uns nicht ſchaͤmẽ; So ſind demnach
die AugſpurgiſcheConfeſſions-Verwandte die rechte/ wahre
uralte
Catholiſche Kirche/ und waͤre wohl gut/ daß wir uns in Ge-
ſpraͤchen/ in Schrifften dieſen Namen angewoͤhnten: Vnd ob gleich ein-
faͤltigen Leuten/ ſonderlich in der Wanderſchafft manchmal will eingebil-
det werden der vermeynte uralte Stand der Roͤmiſchen Kirche/ wie durch
ſolchen Glaſt viel verfuͤhret worden/ ſollen ſie gedencken an jenen Frieſen-
Koͤnig/ der/ da er von Wolfram dem Biſchoff ſolte getaufft werdẽ/ gefragt/
ob ſei-
[441]Predigt.
ob ſeine Vorfahren in der Hoͤllen waͤren? als er zur Antwort bekam/ es
waͤren ohn Zweifel mehr in der Hoͤll als im Himmel/ ſagte er/ er wolte beym
groͤſſern Hauffen bleiben: es gehe ihm wie es woll!


Wir wiſſen uns eines andern zu beſinnen/ deſſen was Chriſtus ſagt:Matth, 7,
13. 14.

Die Pfort iſt weit/ der Weg iſt breit/ der zur Verdamnuͤß
abfuͤhrt/ und ihrer ſind viel die darauff wandeln: Die Pfort iſt
eng/ und der Weg iſt ſchmal/ der zum Leben fuͤhrt/ und wenig
iſt/ ihr die ihn finden.
Einen andern Troſt gibt Chriſtus Luc. 12.Luc. 12, 32.
Fuͤrchte dich nicht/ du kleine Herd/ dann ſo iſt es des Vaters
Wolgefallen/ euch das Reich zu geben;
Wir antworten mit
() Liberio dem Roͤmiſchen Biſchoff/ der als ihme von Conſtantio dem() apud
Theodo-
ret. l. 2. hiſt.
c.
16.

Arianiſchen Kaͤyſer fuͤrgeworffen wurd/ Quota tu es pars orbis terrarum,
wie wenig biſtu und deßgleichen Athanaſius gegen dem groſſen Hauffen
der Catholiſchen/ das iſt/ Arianiſchen Kirchen/ die in die gantze Welt ſich
außgebreitet? So antwortet er darauff: Die wenige Zahl nimmt der
Warheit nichts/ ſind ihrer doch nicht mehr als drey Geſellen geweſen im
Chaldeiſchen Feuer-Ofen/ die die Warheit bekennet. Fuͤrchte dich nicht
du kleine Herd fuͤr des Antichriſts wuͤten und toben/ der dich aͤngſtiget auff
allen Seiten/ fuͤrchte dich nicht fuͤr ſeinen liſtigen molitionibus und Begin-
nen/ fuͤr ſeinen ſarcaſtiſchen Hohn-Spruͤchen und eingeworffenen
Chartecken/ laſt ſchreyen und ſchreiben was Burchardus in ſeiner autono-
mia
vor dieſem außgeſchrien und außgeſchrieben p. 246. Das Evange
lium, puta novum prætenſum
iſt irr und thumm/ wo ich hinkumm/ iſt
alles krumm/ und niemand frumm/ in einer Summ/ man fallet umb
vom Papſtumb zum Lutherthumb/ in Jrrthumb und Kaͤtzerthum/ ſum-
ma ſummatum,
es muß widerumb vom Lutherthumb zum Papſtumb/
oder des Teufels per Deum ſanctum. Aber ein feſte Burg iſt unſer
GOTT!
Er woll uns in ſolcher Feſtung behalten/ daß wir nimmer-
mehr entfallen von des rechten Glaubens Troſt/
Amen.


Sechſter Theil. K k kDie
[442]Die Sechs und Dreiſſigſte (Achte)

Die Sechs und Dreiſſigſte


Vber den dritten Articul.
Von der Kirch/


Die Achte Predigt/


Von demApoſtoliciſmooder von dem Namen
und Titul der Apoſtoliſchen Kirche.


GEliebte in Chriſto: Vnter andern privilegien und Herr-
ligkeiten des gelobten Landes Canaan ſind auch geweſen
die ſechs beruͤhmte und von GOTT dem HER-
Exod. 21,
13.
Num. 35, 11.
ſeqq.
Devt. 19, 1.
ſeqq.
Ioſ. 20, 1.
ſeqq.
REN ſelbſt beſtimmte Freyſtaͤtte/Exod. 21.
Num. 35. Devt. 19. Joſ.
20. dahin ſich ſalviren und erret-
ten ſolte ein Todſchlaͤger/ der einen unverſehenen Mord
und Todſchlag begangen/ da Gott den Erſchlagenen laſſen in ſeine
Hand fallen/ allermaſſen wie der hoͤchſte Legislator und Geſetzgeber den
caſum ſelbſt formirt/ Devt. 19. Wann iemand ſeinen Naͤchſten
ſchlaͤget nicht fuͤrſetzlich/ und hat vorhin keinen Haß auff ihn
gehabt/ ſondern/ als wann iemand mit ſeinem naͤchſten in
den Wald gieng/ Holtz zu hauen/ und holet mit der Hand die
Art aus/ das Holtz abzuhauen/ und das Eiſen fuͤhre vom
Stiel/ und traͤffe ſeinen Nächſten/ daß er ſtuͤrbe/ der ſoll in
dieſer Stätte eine fliehen/ daß er lebendig bleibe/ auff daß nicht
der Blutraͤcher dem Todſchlaͤger nachjage/ weil ſein Hertz
erhitzt iſt/ und ergreiffe ihn und ſchlage ſeine Seel;
Es durffte
aber der Gefreyete nicht weichen von der Staͤtte und Grentzen/ waͤre es/
daß er außwiche/ und der Todſchlaͤger ihn auſſer der Grentze angetroffen
und todſchlaͤgt/ ſo ſoll er des Bluts nicht ſchuldig ſeyn/ er ſoll verharren biß
auff den Tod des Hohenprieſters.


Num. 35,
25. 26, 27.

Was Gott der Herr mit der Rechten gegeben/ das haben die
Heyden mit der Lincken ergriffen/ nachgeaͤffet/ offentliche πονηροπόλεις,
Laſter-
[443]Predigt.
Laſterſtaͤtte und Bubenſtaͤtte auffgerichtet/ dahin ſich ſo ſchuldige als un-
ſchuldige Perſonen ſalvirt/ und darinn wider ſo billich/ ſo unbillichen Ge-
walt defendirt/ geſtalt dann Auguſtinus zeuget von Romulo und Remo
den erſten Baumeiſtern der Statt Rom/ daß ſie dergleichen aſylum und
Freyheit allen verlauffenen und laſterhaften Banditen umb Vermeh-
rung der Burgerſchafft/ viros \& vires, Mann und Macht zu ſtaͤrcken
auffgerichtet. Das Papſtumb wolte dem Heydenthumb nichts nachge-
ben/ da es ſo weit kommen/ daß alle Kirchen/ Altaͤr/ Begraͤbnuͤſſen/ Cloͤſter/
Spitaͤl/ Pfaffen-Haͤuſer/ Leicht-Hof/ Creutzgaͤnge zu aſylen worden/ da-
hin ſich allerhand maleſitz-Perſonen ſalvirt. Das war Gottes Mey-
nung nicht/ Joab mochten die Hoͤrner des Altars nicht ſchuͤtzen; Athalia1. Reg. 2,
29. ſeqq.
2. Reg.
11,
15. 16.

die Meutmacherin/ wird aus dem Hauſe des Herren gefuͤhrt und ihr
Recht angethan. Zu wuͤndſchen were es/ daß ſolch cacoëthes und Vn-
ordnung alleine bey den Papiſten geblieben/ daß dergleichen Freyſtaͤtt nicht
auch unter uns noch uͤbrig/ da die Freyſtaͤtte allzufrey ſind worden/ da man
allzufrey redet/ allzufrey lebet.


Aſylum aſylorum,die Freyſtattuͤber alle Freyſtatt/aſy-
lum antitypicum,
darauff jene Freyſtaͤtte gedeutet/ iſt die Chriſt-
liche Kirche/
durch Gott und ſeine heilige Engel dermaſſen verwahret/
veranckert und verſichert/ daß wer ſeine Seele dahin ſalvirt/ und da
den Namrn des HERREN anruffet/ der ſoll errettet werden/Ioel. 2, 32.
von dem Wuͤrg-Engel/ von der ſtrengen Gerechtigkeit Gottes und dem
ewigen Tod; da iſt das geiſtliche Dothan/ die Arch Noæ/ Rahabs Hauß/
wie viel Kirchen/ das iſt/ Chriſtliche Gemeine/ ſo viel Freyſtatte! von Gott
dem Vater beſtimmt/ von von Gott dem Sohn mit ſeinem Blute be-
freyet/ von Gott dem Heiligen Geiſte gegruͤndet/ durch die Apoſtel erbauet/
daß dahin fliehe ein iedweder Suͤnder/ der Adams Todſchlag entgelten
muß/ der unwiſſend (wiewol er hierinn nicht unſchuldig) Chriſtum ge-
creutziget/ daß ſie ſich in den Schirm der Chriſtlichen Kirchen begeben
durch die Pforte der heiligen Tauffe; da ſalvire ſich die glaubige Seel/
und verharre/ biß ſie in Krafft des Hohenprieſterlichen Todes Chriſti auß-
gelaſſen wird in das rechte Vaterland/ das rechte freye Jeruſalem/Gal. 4, 26.
welches droben iſt im Himmel. Fragſtu nach dem Namen dieſer
Statt/ wie ſie heiſſe? Sie heiſſet Jehova ſchama,Gott iſt bey ihrEzech. 48,
35.

drinnen/ das geiſtliche Jeruſalem/ eine heilige/ Chriſtliche/ Apoſto-
liſche Kirche/
dieweil dieſe Freyſtatt von den Apoſteln des Lambs
K k k 2gegruͤn-
[444]Die Sechſt und Dreiſſigſte (Achte)
gegruͤndet und erbauet auff zwoͤlff Gruͤnde der Prophetiſchen und Apoſto-
Apoc. 21,
14.
lifchen Lehr/ darumb auch die Namen der Apoſtel des Lambs
daran geſchrieben/
dann ſo iſts gebraͤuchlich/ daß irgend der Baumei-
ſter ſeinen Namen zum Gedaͤchtnuͤß an den Baw anſchreiben oder ein-
hauen laſſet. Welcher Name der letzte iſt/ davon wir dißmahl zu
tractiren haben; Gott helff/ daß es gereiche zu ſeinen Ehren/ und zu un-
ſerer Erbauung durch ſeinen Heiligen Geiſt/ Amen.


SO heiſſet nun in unſerm NiceniſchenSymboloeine Chriſt-
liche Kirche
Eccleſia Apoſtolica,eine Apoſtoliſche Kirche
1. Antinomaſticè, κατ᾽ ἐξοχὴν, die jenige erſte und edelſte Ge-
meine/ welche im Anfang des Neuen Teſtaments ohnmittel-
bar von den Apoſteln gepflantzet/ mit Apoſtoliſcher Stimm
und Schrifften geadelt/ mit Apoſtoliſchem Blut eingeweyhet/

Auguſt. l.
2. de doct.
Chriſt. c. 8.
Tertull. de
præſcript.
p.
100.
welche wie Auguſtinus redet/ die Apoſtoliſche Sitz und Epiſteln zu haben
und zu empfangen gewuͤrdiget wordẽ; Tertulliani Wort lauten hievon al-
ſo: Durchgehe die Apoſtoliſche Kirchen/ allwo noch die catheder und Lehr-
ſtuͤl der Apoſtel an ihren Orten ſtehen/ bey welchen ihre eigene Schriff-
ten geleſen werden/ die ihre Stimme und Antlitz repræſentiren; derglei-
Apoc 2.
\&
3.
chen geweſen die ſieben Aſiatiſche Gemeinden/ Apoc. 2. \& 3. Epheſus/
Smyrna/ Pergaman/ Thyatira/ Sarden/ Philadelphia/ Laodicea/ wie
auch die Kirche zu Corinth/ Galatien/ Epheſien/ Coloſſen/ Philippen/
Theſſalonich/ an welche Paulus geſchrieben: deßgleichen Ponto/ Cappa-
docia/ Aſien/ Bithinien/ an welche Petrus ſeinen Send-Brief laſſen ab-
gehen; vornemlich aber die groſſe Occidentaliſche Mutter-Kirch
zu Rom/
die mochte dazumal wol genennet werden Schola Apoſto-
lica,
eine Apoſtoliſche Schul/ da Paulus gelehret/ welches auſſer
allem Streit und Zweifel. Ob Petrus auch daſelbſt beſtaͤndig gelehrt/ ob
und wie lang er da reſidirt/ iſt hie nicht Ort und Zeit weitlaͤufftig zu
diſputiren.


2. Macellum \& theatrum Apoſtolicum,Eine Apo-
ſtoliſche Metzig/
darinnen die Apoſtel geſchlachtet und geopffert wor-
den umb des Evangelii willen/ davon Tertullianus folgender geſtalt ſchrei-
bet: Felix Eccleſia, cui totam doctrinam Apoſtoli cum ſanguine ſuo
profuderunt, ubi Petrus paſſioni Dominicæ adæ quatur, ubi Paulus Jo-
hannis exitu coronatur, ubi Apoſtolus Johannes poſteaquam in oleum
igneum demerſus nihil paſſus eſt, in Inſulam relegatur.
O eine gluͤck-
ſelige
[445]Predigt.
ſelige Kirch/ welcher die Apoſtel ihre gantze Lehre mit ihrem Blut bezeich-
net/ da Petrus gleich wie der Herr Chriſtus/ ans Creutz genagelt
worden/ da Paulus gekroͤnet wird/ da der Schos-Juͤnger und Apoſtel
Johannes/ nach dem er ins ſiedenheiſſe Oel geſetzt/ nicht verletzet worden/
darauff in die Jnſul vertrieben worden. 3. Mater Eccleſiarum
occidentalium plerarumque,
Eine Mutter der meiſten Oc-
cidentaliſchen Kirchen/
davon wir Teutſchen auch illuminirt wor-
den/ ſonderlich durch die occaſion der Gefaͤngnuͤß St. Pauli/ dann da er
daſelbſt gepredigt/ war die Statt Rom voller Gefangenen/ auch Teutſchen/
die waren da verſchloſſen gleich wie die wilden Thiere in den Netzen ver-
ſtrickt/ groſſer Herren Hoͤfe waren voll Leute der Teutſchen nation, dieſelbeTacit. l. 13.
annal. nul-
li mortali-
um armis
aut fide
ante Ger-
manos.

war dazumal angenehm/ und wegen Treu und Redligkeit beliebt: man hat
ſie in die Kaͤyſerliche Leib-guardien gezogen/ wie noch heutiges Tags in
Franckreich und Jtalien geſchicht/ durch welche erwuͤndſchte occaſion
ohne zweifel viel Seelen bekehret/ und mit der Evangeliſchen Milch ge-
traͤncket worden/ die hernach in ihrer Heimat gekramet/ was ſie in der
Frembde eingekaufft/ alſo/ daß ſchon zu () Hieronymi Zeit in Teutſchland
Leute geweſt/ welche die H. Schrifft in ihrer Quellen und eigener Hebrei-
ſcher Sprache geleſen und verſtanden.


‘() Quis hoc crederet ut barbara Getarum lingua hebraicam quæreret veri-
tatatem \& dormitantibus Græcis ipſa Germania Sp. ſancti eloquia ſcrutaretur?
()

Jſt dem alſo/ moͤchte iemand ſagen/ warumb ſind wir dann außge-
tretten/ und aus den Apoſtolicis Apoſtatici und von der alten Apoſto-
liſchen Roͤmiſchen Mutter-Kirche/ von dero das Evangelium außgegan-
gen/ abtruͤnnig worden; Jſts auch recht/ daß wir ſie unſere Mutter ſchel-
ten und ſtraffen? Warumb haben wir uns von einem außgeſprungenen
Moͤnch laſſen aus der Mutter Schos heraus reiſſen? Hat ſie gleich geir-
ret und iſt gefallen/ ſo ſolten wir als fromme Kinder die Scham vielmehr
bedecken als entdecken/ ſie iſt und bleibt doch die Mutter! Das iſt der alte
coccyſmus, der Paͤpſtler Guckgauch-Geſchrey/ davon ſie klagen und
ſchreyen: Antwort: Hie iſt der Vnterſcheid wol in acht zu nemen/ unter dem
altẽ und neuen Rom. Das geſtehen wir dem Papſtumb in Ewigkeit nicht/
daß wir von der alten Roͤmiſchen Jungfraͤulichen Mutter abgefallen und
außgewichen/ wir werden deſſen mit wiſſentlichem/ Welt-kuͤndigem Vn-
grund beſchuldigt/ ſind auch das widrige durch die collation, ſonderlich der
Epiſtel an die Roͤmer und Augſpurgiſcher Confeſſion zu beweiſen erbietig;
aber wir ſind gewichẽ oder vielmehr außgejagt worden aus dẽ neuen Rom/
K k k 3der
[446]Die Sechs und Dreiſſigſte (Achte)
der treuloſen/ abtruͤnnigen/ Eydbruͤchigen/ Babyloniſchen Hur/ aus dero
nicht zwar Schos/ ſondern unertraͤglichem Joch; vnd das hat uns Gott
Matt. 7, 15.
2. Cor. 6,
14.
Apoc.
18, 4.
ſelbſt geheiſſen; Sehet euch fuͤr/ ſagt Chriſtus/ fůr den falſchen
Propheten/ ziehet nicht an frembdem Joch; gehet aus von ihr/
mein Volck/ daß ihr nicht theilhafftig werdet ihrer Suͤnden/
und nicht empfahet etwas von ihrer Plage.
Das iſt geſchehen
durch den theuren Mann Lutherum, dem der ſchnoͤde Ablaß zur refor-
mation
Anlaß gegeben/ und ſein gantzer Lebenslauff/ Helden-Muth und
Proceß τὸ ϑεῖον ein ſonderbares Goͤttliches Wunder gezeiget; deßgleichen
ſchelten und ſtraffen wir ſie billich/ und habẽ deſſen fug nach goͤttlichem Be-
Oſe. 2. 2.fehl Oſe. 2. da der Herr ſagt: Sprechet das Vrtheil uͤber euere
Mutter/ ſie ſeye nicht mein Weib/ und ich will ſie nicht haben/
heiſſet ſie ihre Hurerey wegthun/ und ihre Ehebrecherey von
ihren Bruͤſten:
Natuͤrliche Mutter bleibet Mutter/ ob ſie ſchon zu Fall
Oſ. 1, 9.
Devt.
33, 9.
kommen/ aber nicht die geiſtliche Mutter/ Loammi, die iſt verworffen/
ſie iſt nicht Gottes Volck mehr/ da heiſt es: Wer zu ſeinem Vater
und zu ſeiner Mutter ſpricht/ ich ſehe ihn nicht/ und zu ſeinem
Sohn/ ich weiß nicht/ die haben/ O Gott/ deine Rede/ und
bewahren deinen Bund.
Wir haben mehr zu ſehen auff die Ehr
unſers himmliſchen Vaters/ als der Mutter; Jenem Atys, des Koͤnigs
Crœſi ſtummen Sohn/ da es an den Vater kommet/ und derſelbe in Le-
bens-Gefahr gerathen/ wird ploͤtzlich die Zung geloͤſet/ er rufft: Miles ne
percute Crœſum!
O lieber ſchone meines Vaters; Alſo ſollen auch/
wann es an des himmliſchen Vaters Ehre gehet/ und die Mutter an ihme
untreu und bruͤchig worden/ die ſonſt ſtummen/ laut werden/ und anfahen
zu ruffen.


II. In genereund ins gemein heiſſet die jenige die
Apoſtoliſche Kirche/ ſo da gegruͤndet auff den Grund der

Eph. 2, 20.Propheten und Apoſteln/ da Jeſus Chriſtus der Eckſtein iſt;
dannenhero wird ſie mehr die Apoſtoliſche als Prophetiſche Kirche
Hieron. in
Pſal.
133.
genennet/ ſchreibet Hieronymus, quia Apoſtoli de fide oculatâ manu
locuti ſunt,
dieweil die Apoſtel von dem Glauben augenſcheinlich (gleich-
ſam mit Augen-vollen Haͤnden) geredet/ Wo die Apoſtoliſche Lehr gantz
ungeſtuͤmmelt hell und laut erſchallet/ ohne zuſetzen traditionen und Aber-
glauben; da iſt und heiſt eine ſolche Gemeine/ eine Apoſtoliſche Gemeine;
Dann
[447]Predigt.
Dann zu gleicher weiſe/ wie die jenige Schul wohl heiſſet Schola Platonica,
Ariſtotelica, Galenica, Paracelſiſtica,
wo die Lehr erſchallet/ deren davon
ſie angedeutete Namen bekommen: Alſo iſt auch die Apoſtoliſche
Kirch/ dieſe/ wo der Apoſtel Lehr geprediget und gelehret wird:

allermaſſen wie auch die hohe Schul zu Jeruſalem Moſis Stul genennet
worden/ dieweil daſelbſt Moſis Lehr gefuͤhret und gelehret worden/ ob ſchonMatt, 23, 2.
Moſes in eigener Perſon gen Jeruſalem niemahl kommen/ oder an Jeru-
ſalem unmittelbar nicht geſchrieben: Jn welchem Verſtand auff dem
Concilio zu Nicea die Kirche zu Alexandria iſt eine Apoſtoliſche Kirch ge-
nennet worden/ wie Theodoretus bezeuget/ welche Marcus/ der doch keinTheodor.
l. 1, 9.
Tertull. l.
de præſcr.
p. m.
100.

Apoſtel war/ gepflantzet. Sehr herrlich erklaͤret dieſen Titul Tertullia-
nus,
wann er alſo ſchreibet: Eccleſiæ ad formam doctrinæ provocabunt,
quæ licet nullum ex Apoſtolis vel Apoſtolicis auctorem ſuum profe-
rant, ut multò poſteriores, quæ denique in eadem quotidie inſtituuntur,
tamen fide conſpirantes, non minus Apoſtolicæ reputantur pro con-
languinitate doctrinæ;
Es werden ſich die Kirchen auff ihre Lehr beruf-
fen; welche/ ob ſie ſchon keinen Apoſtel oder Apoſtoliſchen Mann auff-
bringen koͤnnen/ der ihr erſter Anfaͤnger geweſen/ wie viel/ die lange nach
uns auffkommen worden; welche endlich taͤglich in derſelben unterwieſen
werden/ im Glauben mit der Apoſtoliſchen Lehr uͤbereinſtimmen/ die wer-
den nicht weniger fuͤr Apoſtoliſche Kirchen gehalten wegen der Verwand-
ſchafft der Lehre; Vnd weiter ſagt er: Apoſtolicæ deputantur ut ſobo-
les Eccleſiarum Apoſtolicarum: omnes primæ, omnes Apoſtolicæ,
dum unam omnes probant unitatem,
Die Apoſtoliſchen Kirchen wer-
den gehalten als Kinder der erſt-Apoſtoliſchen Kirchen: Sie ſind alle die
erſten/ alle Apoſtoliſch/ wann ſie nur alle einig ſind in der einigkeit der Lehre
und des Glaubens.


Die Papiſten ſind mit dieſer Gloſſe nicht content und zu frieden/
ſondern ſie ſetzen noch ferner III. eine andere Vrſach hinzu/ warumb ihre
Kirche die Apoſtoliſche Kirche genennet werde? nemlich ob conti-
nuam Paſtorum ſucceſſionem,
wegen der ſteten Nachfolge
der Apoſtoliſchen Lehrer/
daß ſie niemahls ohne Hirten oder Lehrer/ ſo
ihren Vrſprung und Adel von den Apoſteln deriviren und herſchreiben/
geweſen; Dann alſo ſchreibet Bellarminus: Quinta nota eſt ſucceſſioBellarmin.
l. 4. de Ec-
cleſ. c.
8,

Epiſcoporum in Romanâ Eccleſiâ ab Apoſtolis deducta usque ad nos,
hinc enim dicitur Apoſtolica.
Die fuͤnffte nota und Kenn-Zeichen der
Apoſtoliſchen Kirchen iſt die Nachfolge der Biſchofe in der Roͤmiſchen
Kirchen
[448]Die Sechs und Dreiſſigſte (Achte)
Kirchen von den Apoſteln an gezehlet biß auff uns/ dann daher wird ſie
Tanner.
part. 2. ana-
tom. de-
monſtr.
4.
§. 2.
Apoſtoliſch genennet. Tanneri Wort ſind dieſe: Eccleſia vocatur Apo-
ſtolica non ſolùm ob eam cauſam, quia ſequitur doctrinam Apoſtolo-
rum, ſed maximè etiam, quia ab Apoſtolis fundata, iisq́ue tanquam
ſecundario fundamento nixa, ac perpetuâ ſucceſſione doctorum \&
paſtorum ab illis ad nos usque propagata eſt.
Sie wird die Apoſtoliſche
Kirche genennet/ nicht allein darumb/ dieweil ſie der Apoſtoliſchen Lehre
folget/ ſondern vornemlich auch/ dieweil ſie von den Apoſteln gegruͤndet/
und auff ſie als einem Grunde ſich ſteiffet und lehnet/ und durch ihre ſtete
ſucceſſion der Lehrer und Biſchofe von ihnen biß auff uns fortgepflantzet
Baron. ad
ann.
31, 52.
iſt. Endlich ſchleuſt Baronius: Weil dann nun dergleichen ſucceſſion
bey der heutigen Roͤmiſchen Kirche zu finden/ Lutherus aber/ Wigandus,
Pomeranus \&c.
Neulinge ſind/ keine rechtmaͤſſige vocation haben/ ſo ſeye
nichts natuͤrlichers/ als daß man zu der Roͤmiſchen Catholiſchen Kirchen
ſich begebe/ in welcher eine beſtaͤndige/ rechtmaͤſſige und niemals verruckte
Becan. l. 1.
munual. in
princip.
ſucceſſion der Paͤbſte und Biſchofen zu finden. Laut demnach die Paͤpſti-
ſche Schluß-Rede alſo: Wo eine beſtaͤndige/ unzerruͤttete und unverruckte
ſucceſſion und angekettete Nachfolge der Biſchofe und Lehrer iſt/ da iſt
die Apoſtoliſche Kirche. Dieſelbe aber iſt allein im Papſtumb/ und nicht
bey den Lutheranern; derowegen iſt nicht die Lutheriſche/ ſondern die Roͤ-
miſche Kirche die rechte Apoſtoliſche Kirch.


Das iſt eines von den philtris und Liebes-Tranck der Babyloniſchen
Dam/ davon viel truncken worden/ daß ſie gedaumelt und umbgefallen.
Jſt major, der Vorſatz wahr/ ſo folget/ daß die Griechiſche Kirch/ in wel-
cher die ſucceſſion der Patriarchen; die Engliſche und Londiniſche Kirch/
in welcher die ſucceſſion der Biſchofe/ die rechten Kirchen ſind/ und iſt
wohl dieſer Catalogus richtiger als der Paͤpſtiſche. Euer Liebe verſtehe
es in Gleichnuͤß/ Nach dem Tode Cambyſis Cyri Sohn/ drunge ſich
durch Liſt und Vortheil ins Perſianiſche Koͤnigreich ein Magus Namens
Oropaſtes, dem uͤberbliebenen Sohne Cyri dem Smerdi gantz aͤhnlich und
gleich an der Geſtalt/ der wurde alſo ſieben Monat in geheim gehalten/
weil die Perſianiſche Koͤnige/ ihre Majeſtaͤt zu erhalten/ ſich ſelten ſehen
lieſſen: Endlich hat ihn ſein Ohr verrathen durch eine Concubin, und
wurde von ſieben Perſianiſchen Fuͤrſten ermordet. Jſt die Frage/ ob die-
ſer Pſeudo-Smerdes der rechte Koͤnigliche Succeſſor geweſt? Freylich
nein: Warumb? Dieweil die conſanguinitas, die Blutfreundſchafft
gemangelt. Fallet alſo der erſte Satz; ſintemal es wohl geſchehen kan/
daß ein falſcher Koͤnig ſich in den Koͤniglichen Stul eindringe/ der darumb
der
[449]Predigt.
der rechte Stul-Erbe nicht iſt von Gebluͤt und Gemuͤth. Der andere
Nachſatz hincket auch; dann ja Paulus propheceyet von der Kirch zu1. Tim. 3, 15.
Act.
20, 29.

Epheſo/ die den Ruhm gehabt/ daß ſie ein Pfeiler und Grundfeſte der
Warheit ſeye/ es werden Woͤlfe daſelbſt einniſten: Die Roͤmiſche Kirch
hat kein Brieflein dafuͤr oder privilegium, daß ihr nicht auch dergleichen
haͤtte begegnen koͤnnen/ und iſt mehrmal geſchehen/ daß ein Wolf (in ge-
ſtalt des Hirten) einen andern Wolf in den Schaf-Stall zur gemeinen
Beuth eingeladen und eingelaſſen. Die ſo hoch geprieſene Kette der Nach-
folge iſt nicht nur einmal zerbrochen und anffgeloͤſet worden. Die vielfaͤl-
tige unterlauffende ſchiſmata haben manche Lucken gemacht; blutduͤrſtige
Tyranney/ wie auch argliſtige Fuchs Betrug und Simoni hat die Sache
gar zweifelhafftig gemacht/ ſonderlich die Paͤpſtin Johanna/ die auff den
Roͤmiſchen Stul gerathẽ/ und offentlich bezeugt/ was damal die Roͤmiſche
Kirch im Schild gefuͤhret/ und die geiſtliche Hurerey mit ihrer leiblichen
Hurerey anzeigen muͤſſen/ welche in einer offentlichẽ proceſſion eines Kin-
des geneſen/ wie die alleraͤlteſten/ unpartheyiſche/ unpaſſionirte/ hochgehal-
tene/ bewaͤhrte Hiſtorici vor Luthero bezeugen/ Ranolphus ein Benedicti-
ner Moͤnch/ Marianus Scotus, Sigebertus Abbas Gemblacenſis, Martinus
Polonus;
und was doͤrffen wir viel beweiſens? Wir haben confitentem
reum,
der den Schalck entdecket/ Genebrardum den Roͤmiſchen Chrono-
logum \& Theologum,
der hat aus der Schul geſchwaͤtzet/ da er aufs Jahr
Chriſti 901. kommet/ ſchreibt er klar: Infelix hoc ſeculum, quod per annos
ferè 150. Pontifices circiter 50. à Johanne VIII. ad Leonem IX. usque
apoſtatici potius Apoſtaticivé fuerint, quam Apoſtolici,
O eine un-
gluͤckſelige Zeit/ da in die 150. Jahr/ nahe bey 50. Paͤpſte von Johanne VIII,
biß auff Leonem IX. mehr boͤſe Woͤlfe und abtruͤnnige Mamelucken
geſeſſen als Apoſtoliſche Maͤnner.


Nun dieſe bißher außgefuͤhrte Erklaͤrung der Apoſtoliſchen
Kirchen
legt uns abermal ein hochnothwendigen Lehrpunct und
Glaubens-Articul
zu lernen fuͤr: Zwar unachtſamen/ und anckba-
ren/ unverſtaͤndigen Zuhoͤrern/ die keine geuͤbte Sinne noch Geſchmack
haben zu unterſcheiden/ iſt dergleichen Fuͤrtrag nicht angenehm/ die ver-
weiſens in die Schul. Kommt ihnen abgeſchmackt fuͤr/ was nicht einerley
lautet/ die werdem im ewigen Leben nicht gern immer ein neues Lied hoͤren
wollen. Gott behuͤte daß man dergleichen Vnterricht nicht bedarff!
Aber wann wir als die Klugen und nicht thummen betrachten die vori-
gen Exempel/ die gegenwaͤrtigen fata und boͤſe Zeiten/ und die zukuͤnfftige
Sechſter Theil. L l lbeſorg-
[450]Die Sechs und Dreiſſigſte (Achte)
beſorgliche Gefahr/ den mißlichen Stand des Roͤmiſchen Reichs und
unſerer Nachbarſchafft (mehr ſag ich nicht) ſo werden wir andere und
beſſere Gedancken ſchoͤpffen: Viel tauſend ſind verfuͤhret worden durch
Vnwiſſenheit; was einmal und etlichen geſchehen/ das kan mehrmal
und noch vielen geſchehen: Predigten hat man taͤglich/ aber Glaubens-
Predigten ſind rar; Jch bin kein Marckſchreyer/ ſage aber doch/ kauffets in
der Zeit/ ſo habt ihrs in der Noth! Das iſt ein ſchlimmer Hauß-Vater
oder Hauß-Mutter/ die alleine Brod ins Hauß ſchaffet/ und nicht etwas
Artzney zur Zeit der Noth: Das iſt eine ſchlechte Respublic, in welcher
ein Speicher und Korn-Hauß/ aber keine Apothek wider die Peſt: Zu
Venedig im Vorhofe des Zeug-Hauſes ſtehet in einem Stein gehauen:
Felix civitas, quæ pacis tempore cogitat de bello. Ein gluͤckſelige Statt
iſt dieſe/ ſo zu Friedens-Zeiten ſich auff den Krieg ruͤſtet! Alſo ſoll es auch
ſeyn in Glaubens-Sachen.


So ſoll man dann nun wiſſen/ welches in dem Niceniſchen Symbolo
die Apoſtoliſche Kirche ſeye und heiſſe? nemlich nicht die Roͤmiſche/
nicht die Zwingliſche/ nicht die Widertäufferiſche; allwo die Apo-
ſtoliſche Lehr durch Menſchen-Satzungen/ Vernunffts-Geſpunſt und
andere Phantaſeyen vergleiſtert/ gemeiſtert und vergeiſtert wird: Son-
dern hingegen unſere Lutherſiche Kirche/ welche die unveraͤnderte
Augſpurgiſche Confeſſion fuͤr ihren zarten und werthen Augapffel halt/
welches ſonſt das zarteſte Glied in dem Menſchen/ und wol in acht genom-
men wird; die iſt nicht allein eine Evangeliſche Kirche/ wegen der
reinen Evangeliſchen Gerechtigkeit und Evangeliſchen Lehr/ da hingegen
im Papſtumb die Leute mit lauter Geſetz-Donnern erſchreckt/ mit Satzun-
gen beſchweret/ und an Toden-Beinen nagen muͤſſen; ſondern auch
Apoſtolica,eine Apoſtoliſche Kirche/ wegen der edlen Verwand-
ſchafft der Lehr/ dabey wir uns laſſen finden/ und ſind deſſen verſichert/ daß
kein einiger Punct und Articul Augſpurgiſcher Confeſſion verfaſſet/ der
nicht der Apoſtoliſchen Lehr gemaͤß. Aber mit der bloſſen Bekaͤntnuͤß
iſts nicht außgericht/ am Apoſtoliſchen Glauben iſt kein Mangel/ es gehoͤ-
ret darzu ornamentum Apoſtolicum,der Apoſtoliſche
Schmuck/ ein Apoſtoliſcher Wandel und Leben/
nicht zwar
Baron. an-
no
34, 263.
jener aberglaͤubiſche und erdichtete Wandel/ davon Batonius ſchreibet/
es ſeyen die zwoͤlff Botten in euſſerſter ſelbſt-erwehlter Armuth herumb
gangen/ die Bettel-Muͤnche in die Apoſtoliſche ſocietaͤt zu befoͤrdern;
Ioh. 19, 27.
c.
21, 3.
welches nicht zu erweiſen/ ſondern lauffet zuwider der H. Schrifft/ Joh. 19.
2. Ti-
[451]Predigt.
2. Timoth. 4. Jtem/ daß ſie ſich unverbotener Speiſe und Trancks ſollen2. Tim. 4,
13.

enthalten haben/ ſich gemaͤſſiget vom Fleiſch-eſſen und Wein-trincken/
das Petrus Bonen gegeſſen/ daß ſie ſich des Eheſtands entſchlagen/ wie
dann im Papſtum̃ niemand heilig/ wer im Eheſtande lebet/ welches eben ſo
wenig als das vorige Fuͤrgeben klar und wahr gemacht werden kan: Son-
dern ein ſolches Apoſtoliſches Leben und Wandel/ welchen derPhil. 3, 17.
18. 19.

Apoſtel Pauͤlus zur Nachfolge vorſtellet ſeinen Philippern/ wann er ſaget:
Folget mir/ lieben Brůder/ und ſehet auff die/ die alſo wandlen/
wie ihr uns habt zum Fuͤrbilde/ nicht wie die Feinde des Creu-
tzes Chriſti/ deren Bauch ihr Gott iſt/ welcher Ende iſt das
Verdamnuͤß:
nemlich Pauliniſcher Glaube/ Pauliniſche Demuth/
wann er ſich den geringſten nennet unter allen Heiligen/ Epheſ. 3. der WeltEph. 3, 8.
Gal. 6, 14.
2. Cor.
12,
7.

Abſag und Verleugnung/ Apoſtoliſche Gedult in dem martyrologio Pauli
2. Corinth. 12. Das war der Keil des Worts/ durch welchen dieſes die
Hertzen durchdringet und ſie bekehret: Welches auch Julianus wohl ge-
mercket/ der der orthodoxorum rechtglaubiger Chriſten Streitig-
keiten und Lehr-Gezaͤnck gern geſehen/ in die Fauſt gelachet/ ſie ange-
hetzet/ und ſie an einander gehutſchet / unterdeſſen ſeinen Heyd-
niſchen Prieſtern befehlen/ daß ſie ein heilig Leben fuͤhreten. Mangelts
an Apoſtoliſchem Leben und Wandel/ ſo heiſſet es nicht eine Apoſtoliſche/
ſondern eine Apoſtatiſche/ unheilige Kirche. Quis magis negavit, qui
Chriſtum vexatus, an qui delectatus amiſit: qui cùm averteret doluit,
an qui cùm amitteret luſit?
fragt Tertullianus: Wer hat Chriſtum mehrTertull. de
pudic. c.
ult.

verleugnet/ der aus Anfechtung und Verfolgung/ oder der aus Wolluſt
es gethan? der als er ſich von ihm wandte traurig ward/ oder der als er
ihn verlohren/ damit geſchertzet? Auff Apoſtoliſches Leben folget
Apoſtolicum præmium,Apoſtoliſcher Lohn/ wie der Herr
ſelbſt troͤſtet Luc. 22. Jhr aber ſeyts/ die ihr beharret habt bey mirLuc. 22, 28.
29.

in meinen Anfechtungen/ und ich will euch das Reich beſchei-
den/
(nicht das weltliche/ darumb ihr euch als einer Narren-Kappe ge-
zanckt) wie mirs mein Vater beſcheiden hat/ daß ihr eſſen und
trincken ſollet uͤber meinem Tiſch/ und ſitzen auff Stuͤlen/ und
richten die zwoͤlff Geſchlechte Jſrael.
Welchen Sitz uns allen
aus Gnaden beſcheren wolle/ der da ſitzet zur Rechten Gottes/ Chriſtus
Jeſus/ der hochgelobte Gott in Ewigkeit/ Amen.


L l lDie
[452]Die Sieben und Dreiſſigſte (Erſte)

Die Sieben und Dreiſſigſte Predigt/


Vber den dritten Articul.
Von der ſeligen Hinfahrt der glaubigen außer-
wehlten Kinder Gottes aus dieſem zeitlichen in das
ewige himliſche Leben.

Aus des geiſtreichen Simeons Schwanen-
Geſang Luc. 2/ 29. 30. 31. 32.


HERR/ nun läſſeſt du deinen Diener im Frie-
den fahren/ wie du geſaget haſt/ dann mei-
ne Augen haben deinen Heiland geſehen/
welchen du bereitet haſt fuͤr allen Voͤlckern/
ein Liecht zu erleuchten die Heyden/ und
zum Preiß deines Volcks Jſrael.
()

Die Erſte Predigt/


Von der hinfahrenden Perſon/ dem
lieben Simeon.


GEliebte in Chriſto: Daß wir fuͤr dißmal Euer Liebe zu
erklaͤren vorgenommen den alſo genanten Schwa-
nen-Geſang des geiſtreichen Simeonis/
dann ſo
moͤgen wir ihn wohl mit Warheit nennen; Von dem
Schwan iſt ſonſt etlich tauſend Jahr geglaubt von groſſer
Anzahl/ ſo wohl Heydniſchen und Chriſtlichen Scribenten erzehlet worden/
als ſolt derſelbe von der Zeit ſeines Todes diviniren und weiſſagen/ und
zuvor mit einem lieblichen Geſang ſeines Lebens End anmelden/ ὠδικοὶ δὲ
Ariſt. l. 9.
hiſt. anim.
c. 12.
l. 1. Tuſc.
qq.
καὶ ϖεὶ τὰς τελωτὰς μάλιςα ἄδουσιν, ſchreibet Ariſtoteles, Die Sing-Voͤgel
pflegen meiſtentheils umb ihr Ende zu ſingen. Die Schwanen/ ſchreibet
Cicero, ſind nicht ohne Vrſach dem Apollini geweyhet worden/ weil es
ſcheinet/ als haͤtten ſie die divination und Weiſſagung von ihm geſchoͤpfft
und
[453]Predigt.
und erlanget/ als wuͤſten und verſtuͤnden ſie/ daß der Tod gut und nicht ſo
boͤß ſey/ als er das Anſehenh at/ deßwegen ſie auch ſingen und mit Luſt zu
ſterben bereit ſeyn;


Dulcia defecta modulatur carmina linguà
Cantator cygnus funeris ipſe ſui.
()

Wann der Schwan mit dem Tod beginnen thut zu ringen/

So pfleget er ihm ſelbſt ein Leich-Geſang zu ſingen.

ſagt der Poet: Ob nun wohl dieſe purlautere unbewaͤhrte ungegruͤndete
Fabel laͤngſt von Plinio ſelbſt außgeleutet/ von Scaligero widerleget wor-Plin. l. 10,
23.

den/ und nunmehr bey den Gelehrten außgemacht/ daß nichts daran ſey/
und keine wahre Geſchicht/ (muß demnach der jenige ſcharffe Ohren ha-
ben/ der dergleichen hoͤren und mercken will) ſo iſt es doch ein feines pa-
rabol
iſch und lehrreiches Gedicht/ dergleichen man mehr hat von Pelican/
vom Phœnix: wird auf gewiſſe weiſe practicirt und wahr gemacht an gott-
ſeligen Perſonen und Menſchen/ welche vor ihrem ſeligen Abſchied manch-
mal divinatoria und Prophetiſche denckwuͤrdige Spruͤche/ Weiſſagungẽ/
Lieder ſo einen ſchoͤnen Nachſchall bey der poſteritaͤt von ſich gegeben/ fuͤr-
her geſungen/ als Jacob Geneſ. 49. Es wird das Scepter vonGen. 49,
10.
2. Sam. 23.
1.
Luc.
23, 31.

Juda ꝛc. David 2. Sam. 23. Es ſprach David der Sohn Jſai ꝛc.
Chriſtus ſelbſt vor und am Creutz/ ſo man das thut am gruͤnen
Holtz/ was will am duͤrren werden?


Johann Huß der heilige Maͤrtyrer der zwar dem Namen nach kein
Schwan/ ſondern eine Ganß geheiſſen/ hat aber ein Schwanen-Lied
auff dem Holtzhauffen geſungen von einem Saͤchſiſchen Schwan: Heute
bratet ihr eine Ganß/ aber uͤber hundert Jahr wird ein Schwan ſingen/
den werdet ihr nicht braten koͤnnen. Geſtalt dann auch Euer Liebe vorgele-
ſenes ProphetiſchesCarmen, von dem H. Geiſt durch die Zung
Simeonis erſchollen/ weiſſagend von dem Reich Meſſiæ/ iſt 2. carmen
Evangelicum,
ein liebliches Evangeliſches Troſt-Lied/ da er
von dem neugebornen Meſſia gepredigt/ und dem menſchlichen Geſchlech-
te gratulirt/ ja dem Meſſia gleichſam ein Geburts- und Weyhnacht-Lied
gemacht/ ihn damit anzubinden. 3. Carmen noviſſimum,ſein
Valet-Lied/
damit er der Welt eine gute Nacht gibet/ und zum ſeligen
Sprung und erwuͤndſchten Fahrt im Himmel hinauff ſich gefaßt machet.
4 Carmen dogmaticum,ein Lehr-Geſang/ in welchem die
[...]θανασία und rechte Sterbe-Kunſt in einem kurtzen compendio zuſam-
men gefaſſet/ und von Welt zu Welt fortzutragen worden.


L l l 3Daß
[454]Die Sieben und Dreiſſigſte (Erſte)

Daß wir/ ſag ich/ dieſes geiſtreiche Schwanen-Lied anzuſtimmen und
zu erklaͤren fuͤrgenom̃en/ geſchicht fuͤrnemlich eine præparation zu machen
in den Apoſtoliſchen Niceniſchen Glaubens-Articul von der Aufferſte-
hung des Fleiſches:
Soll das Fleiſch aufferſtehen/ ſo muß es zuvor
fallen und ſterben: ſoll das Geheimnuͤß von gemeldter Auffer-
ſtehung
recht und wohl verſtanden werden/ ſo muß die heilſame Lehr
vom ſeligen Tod und Hinfahrt aus dieſem in das andere him-
liſche und ewige Leben
nicht verborgen/ vergeſſen und dahinden
bleiben. Damit wir alſo keinen Glaubens-Articul voruͤber gehen/ wollen
wir die Lehr vom Tode auch mitnehmen/ und forthin in etlichen Predigten
außfuͤhrlich Euer Liebe fuͤrtragen; Dißmahl bleiben wir allein bey dem
Candidato mortis,der hinfahrenden Perſon/ wer derſelbige
geweſt/
und leſen das programma, hoͤren die parentation, die Leicht-
ſermon, die ihm der Heilige Geiſt ſelbſt gethan durch die Feder Lucæ.
Der Herr helff uns ſeinen Dienern die [...]᾽θανασίαν, die edle Staͤrb-
Kunſt recht zu ſtudiren/ beſſer zu ſeiner Zeit zu practiciren/ und in Ewigkeit
triumphiren/ Amen.


BElangende nun die ſchoͤneparentation,Abdanckung und
Zeugnuͤß von dem lieben Simeon/ als einem theuren
und werthen Zeugen Gottes;
So laſſet der Evangeliſt
die naturalia und politica an ſeinem Ort/ meldet mehr nicht als er ſey
ein Menſch geweſen/
conſequenter in Suͤnden empfangen und ge-
boren/ wie wir; dem Tod unterworffen wie wir; bey dem es auch gemen-
ſchelt/ und hab in naturalibus nichts beſonders gehabt; Er habe ge-
wohnet zu Jeruſalem/
ohne zweifel geweſen ein Burger zu Jeruſa-
lem/ und ſein Nam habe geheiſſen Simeon; Aus welchem Stamm
und Geſchlecht/ wie alt er geweſen/ was er fuͤr eine profeſſion gehabt/ mel-
det der Evangeliſt nicht; Lyranus haͤlt dafuͤr/ er ſey ein Prieſter geweſt/
aus dem Stamm Levi; ſtellt aber ſeine opinion auff ſchwachen Fuß/
dieweil er die Eltern Jeſu geſegnet/ welches eines Prieſters Ampt iſt: Aber
1. Reg. 8, 14.das folget nicht/ Salomon ſegnet auch das Volck 1. Reg. 8. So war
dieſes kein ordentlicher Prieſter-Segen/ ſondern iſt in raptu prophetico,
in einem Prophetiſchen Trieb geſchehen/ darinnen er dem Kind und
Jungfrauen Marien gleichſam die nativitaͤt geſtellt. Waͤre er ein Prie-
ſter ge-
[455]Predigt.
ſter geweſt/ Lucas haͤtte auch ſein Geſchlechte mit mehrerm deducirt/ wie er
zuvor bey dem Zacharia gethan.


Glaublicher iſts/ wiewohl nicht ohnfehlbar gewiß/ was GalatinusGalatin.
l. 1. arcan.
Cath, c.
3.

fuͤrgibet/ er ſeye Hillelis des hochgelehrten Rabbi Sohn geweſt/ der ſeinem
Vater in der Schul Catheder als ein Profeſlor auff der hohen Schul zu
Jeruſalem gefolget/ und unter ſeiner diſciplin gehabt den groſſen Docto-
tem
und Schrifftgelehrten Gamaliel, zu deſſen Fuͤſſen Paulus geſeſſen/
mit welchem auch Chemnitius zuſtimmet. Aber das machts nicht aus/Chemnit.
pag. 141.
Niceph.
l.
1, 12.

præſtat habere bonum quàm magnum nomen, gelehrt ſeyn und groſſen
Namen haben hilfft nicht zur Seligkeit; Von Nicephoro kommet die
tradition her/ als ſolte er ſenex grandævus, ein ſehr alter Mann geweſt
ſeyn; cùm ad tantum (ſchreibet er) ſenium provectus, Chriſtum Domi-
num vidiſſet, carnis mole protinus ſolutus,
Als er im hohen Alter Chri-
ſtum den Herren geſehen/ iſt er alſobald der Fleiſches-Laſt entlediget
worden. Aber das findet ſich in der Hiſtori nicht: Von der AnnaLuc. 2, 36.
ſagt der Evangeliſt/ ſie ſeye alt und betagt geweſt. Wiewohl es
ſonſten glaublich und unverwerfflich. Das iſt aber gar eine unverſchaͤmte
Fabel und tradition, wann gedichtet worden/ als waͤre er blind geweſt/ ſo
bald er aber Chriſtum in die Arme gefaſſet/ ſey er von dem anruͤhren ſehend
worden: verſtaͤndige Papiſten ſchaͤmen ſich dieſer Fabel ſelbſt.

v, Maldo-
nat. p.
59.

Sonſt aber/ ſtreicht der Evangeliſt trefflich heraus Simeonis
I. ornamenta communia,
die Gemeine/ wiewohl im hohen
Grad erhabene/ auſſerordenliche Gaben dieſes Mañes/
damit
er von Gott geſchmuͤckt geweſt/ und zwar erſtlich/ daß er geweſt ein
Mann von groſſem Helden-Glauben;
dann er ſagt/ er ſey einer
von den jenigen ſeligen expectanten geweſt/ die da gewartet; Worauff?
Auff einen praven Cavallier/ maͤchtigen Welt-Koͤnig/ gleich im Pracht
und Herrligkeit dem Koͤnige Salomon/ wie der groͤſte Hauff des Juͤdi-
ſchen Volcks ihnen einen ſolchen guͤldenen Meſſiam/ eine guͤldene Zeit ein-
gebildet: und die weltliche Danaë gern einen ſolchen Jovem annehme/
der in einem guͤldenen Regen herab kaͤme? Nein! ſondern er als ein
armer Suͤnder/ und gefallenes Adams- und gefallenes Zorn Kind/ der taͤg-
lich das γνῶθι σεαυτὸν practicirt/ der habe gewartet auff den Troſt
Jſraels/
auff den rechten allgemeinen Patacletum, auf den rechten
Noachum und Troͤſter/ der geſalbet und geſand den Elenden zuGen. 5, 29.
Efa.
61, 1. 2.

predigen/ die zubrochenẽ Hertzen zu verbinden/ zu predigen den
Gefan-
[456]Die Sieben und Dreiſſigſte (Erſte)
Gefangenen eine Erlöſung/ den Gebundenen eine Eroͤff-
nung/ ein gnädiges Jahr des HERREN/ zu tröſten alle
Traurigen;
und wes das Hertz voll geweſt/ iſt der Mund uͤbergangen/
er thut ſeine Bekaͤntnuͤß hieuͤon v. 30. 31. Meine Augen haben dei-
nen Heiland geſehen/ welchen du bereitet haſt fuͤr allen Voͤl-
ckern.
Das war ſein Schatz/ ſein Troſt/ ſein Wundſch/ die Welt ließ er
ſehen nach Welt-Freude/ die Elteſten und Fuͤrnehmſten des Volcks nach
euſſerlicher Freyheit und Erledigung von dem Joch der Roͤmer/ die Pha-
riſeer ſich ſpieglen in ihrer ſanctitaͤt und Scheinheiligkeit/ die uͤbrigen
Schrifftgelehrten ließ er diſputiren von dem Geſetz und Geſetz-Faͤllen/ das
Volck nach der Schaͤferey/ Garten/ Wieſen/ ꝛc. ſehen; Nichts war ihm
uͤber den Troſt Jſrael/ darnach ſehnet er ſich/ wie Noah in der Arch nach
Gen. 8, 11.gutem Wetter und beſſerer Zeitung.


II.Ein frommer/ gottfuͤrchtiger Mann; Er nennet ſich
ſelbſt einen Knecht des HERREN/ und zwar/ ſagt der Evan-
geliſt/ ſeye er geweſt [...]λαβὴς, nach der erſten Tafel Gottesfuͤrchtig/
der ſeinen Glauben herfuͤr leuchten laſſen in edlen Fruͤchten der guten
Wercke: [...]λάβεια heiſſet timorem reverentem,eine ehrende
Furcht/
wann man ſich fuͤrchtet/ den jenigen/ der ehrens werth iſt zu be-
leidigen/ heiſſet alſo [...]λαβὴς, einen/ der ſein Gewiſſen wol in acht genom-
Lev. 15, 31.
Hebr.
11, 7.
men; wird in ſolchem Verſtande mehrmahl geleſen Lev. 15. Hebr. 11.
Noah hat Gott geehret/ den die ſichere Welt verachtet/ und die Arch zu-
gerichtet zum Heil ſeines Hauſes: Alſo hat Simeon Gott gefuͤrchtet
Dan. 9, 27.wegen der Draͤuung vom Greuel der Verwuͤſtung/ Dan. 9. die lag ihm
im Sinn/ er fuͤrchtet ſich; [...]᾽λάβεια iſt das Mittel unter der Epicuriſchen
Chemnit.
harm.
pag.
143.
Verachtung Gottes und der aberglaubiſchen Furcht.


III. Δίκαιος quaſi δίχαιος, Ein rechter auffrichtiger Bi-
dermann/
quaſiBeydermann; Es leuchtete nicht nur in ihme
das Liecht des Glaubens/ ſondern es ſchlugen die Flammen deſſelben auch
durch die Wercke der Gerechtigkeit nach der andern Tafel heraus: dem
Kaͤyſer war er gehorſam/ kein rebell, wie dazumahl ſolcher rebelliſchen
Koͤpffe viel geweſt/ die das Roͤmiſche Joch von ſich durch unzimliche Mit-
tel weltzen wolten/ Er war exemplariſch gegen den Juͤngern/ denen er kein
Ergernuͤß gegeben mit ſchwelgen/ Hoffart/ ꝛc. Er war (ſalvâ conſcientiâ
\& gloriâ Dei)
friedſam/ ſchiedlich/ vertraͤglich/ maͤſſig/ gnugſam/ keuſch/
gerecht im Handel und Wandel/ deſſen Hand niemand betrogen; ſein
Mund
[457]Predigt.
Mund war juſt/ man hat ſich auff ſein Wort doͤrffen verlaſſen/ er war nicht
zweyzuͤngig/ ja ja/ nein nein/ beſtaͤtigete bey ihm alle Dinge. Summa ein
rechter/ redlicher Außbund/ bey dem die geiſtliche und politiſche Fromm-
keit gewohnet. Was Noah in der erſten Welt geweſt/ das war Simeon
in der letzten Grund-Suppe der Juͤdiſchen Policey. Diß ſind die
ornamenta communiaund gemeinen Gaben.


Folgen diechariſmata extraordinaria,die ſonderbare/
auſſerordenliche Gaben/
als der uͤber des Θεόπν [...]ςος, ein von
Gott unmittelbar erleuchteter Menſch geweſen; der H. Geiſt
war
nicht nur in ἐν ἀυτῷ, in ihm/ wie in andern gemeinen Heili-
gen/ Rom. 8. ſondern ἐπ᾽ ἀυτὸν, uͤber ihn/ wie von den Θεοπν [...]ςοις dieſeRom. 8, 9.
Num. 11,
26.
Iud. 11, 29.
1. Sam. 10,
10.
c. 19, 23.
Eſa.
7, 14.

phraſis zu leſen Num. 11. Jud. 11. 1. Sam. 10. \&. 19. In ſpecie aber Θεοδί-
δακτος, Ein Gott-gelehrter Menſchper χρηματισμὸν, der eine
ſonderbare Offenbahrung gehabt vom Heiligen Geiſt/ er ſolte
den Tod nicht ſehen/ er hätte dann zuvor den Chriſt des HEr-
ren geſehen;
Nicephorus gibt fuͤr/ er habe einsmahls geleſen Eſa. 7.
Sihe/ eine Jungfrau iſt ſchwanger/ und wird einen Sohn
gebaͤren/ den wird ſie heiſſen Jmmanuel ꝛc.
und gezweifelt ab der
Erfuͤllung; ſo ſeye ihm ein Engel erſchienen/ der habe geſagt/ er werde den
Jmmanuel ſelbſt ſehen/ und ſeye ihm alsdann erſtermeldtes oraculum
geoffenbaret worden. Glaublicher iſts/ er habe die Weiſſanung JacobiGen. 49, 10.
Dan.
9, 24.

und Danielis von den ſiebentzig Jahr-Wochen gegen dem Event gehal-
ten/ und in ſolcher meditation befunden/ es ſeye an dem/ der Meſſias muͤſſe
bald erſcheinen/ inniglich geſeuffzet und gebeten: Ach daß ich ihn erleben
ſolte/ daß ich ihn haͤlſen/ kuͤſſen/ in die Arm faſſen moͤchte! ſo wolt ich alß-
dann gerne ſterben: Wie ietzt alte Leute gefunden werden/ die ſagen:
Wann ich nur den Frieden einmahl wider ſolte erleben/ ſo wolte ich gerne
ſterben! Darauff iſt ihm dieſe Offenbarung geſchehen.


Θεοφερόμενος, Ein von Gott getriebener Menſch; ſintemal
als eben das Kind in den Tempel ſolte getragen und darge-
ſtellet werden/ ſo kommt er aus Anregung des Geiſtes
opportu-
zu rechter Zeit und bequemer Gelegenheit in den Tempel/ der Hei-
lige Geiſt offenbaret ihm/ diß Kind ſey der Troſt Jſraelis/ derſelbe ſeye nun
erſchienen/ nach dem nunmehr das Scepter von Juda entwendet/ und die
ſiebentzig Jahrwochen in ihr Ende allgemach flieſſen. Da koͤnnen wir
Sechſter Theil. M m mdencken/
[458]Die Sieben und Dreiſſigſte (Erſte)
dencken/ mit was Freuden er auff das Kind gefallen/ wie er geſagt: Ach
biß willkommen du edler Gaſt! O mich Gluͤckſeligen und Vberſeligen!
Abraham hat dich nur in typo und Vorbild geſehen/ ich aber ſehe dich in
Luc. 10, 24.deinem eigenen Fleiſche! Viel Koͤnige haben wollen ſehen/ was
ich ſehe/ und habens nicht geſehen.
Jn einer Summa war
2. Reg. 2,
12.
dieſer liebe Mann ein rechter Heer-Ruͤſt- und Schutz-Wa-
gen Jſrael und ſein Reuter/
den Gott vom Himmel herab ge-
ſendet/ die damahlige in der Jrr gehende/ und von allerhand Secten jaͤm-
merlich verfuͤhrete Seelen auffzuladen/ und mit ſich in Himmel hinauff zu
tragen: war alſo wol ein rechter Fuhrmann/ der mit Fried und Freud
davon gefahren: Dann nach dem er davon gefahren/ iſt bald darauff der
alarma im Juͤdiſchen Lande angegangen/ und nach dem der ſilberne
Schnee ſeines Haupts geſchmoltzen/ ſo iſts gar kothig worden.


Dieſes ſind diechariſmata extraordinaria,die ſonder-
bare Goͤttliche Gaben.
Hæc parentatio Spiritus Sancti,
Dieſes iſt der Lob-Spruch/ damit St. Lucas dieſen lieben
werthen Mann Gottes verehret/
damit er alle unfere Leich-Be-
gaͤngnuͤſſen/ programmata, epicedia, () epitaphia, Leich-Ceremonien und
parentationes canoniſiret/ und damit bezeuget/ in quæſtione an ſit?
daß es loͤblich und Chriſtlich gethan ſeye/ nicht nur die Abge-
1. Theſſ. 4,
13.
ſtorbenen zu betrauren mit gebuͤhrender moderation, von Hertzen/
ungezwungen/ aus fuͤrdringender Chriſtlichen und Bluts-Liebe/ anders
als die gezwungenen Thraͤnen thun/ ſo man vergieſſet Ehren und Schein
halben; ſit divus dummodo non vivus! wie es dann wenig Artemiſias
gibt unter den Weibern/ die ihren Tranck mit Thraͤnen und der Aſche der
verbranten Toden-Beine der verſtorbenen Ehemaͤnner miſchen/ wenig
Matt. 8, 21.Kinder/ die umb ihrer Eltern langes Leben bitten: Jener Sohn im Evan-
gelio/ den der Herr zu ſich geruffen/ er ſoll ihm folgen/ bittet zwar umb
Erlaubnuͤß ſeinen Vater zuvor zu begraben/ aber nicht umb deſſelben
Aufferweckung aus dem Tod.


() de epitaphiis vide collecta à Caſp. Sanct. ad Threnos c. 1. p. 1065. ad
Ezech. p. 764. Corn. à lap. ad Ezech. p. 1116. confer Mart. Delrio ad ag. S. p.
13.


Daß/ ſag ich/ recht und loͤblich ſeye nicht nurſepultura,
die Begraͤbnuͤß/ daß ein Menſch ehrlich begraben werde in die Erde/
Syr. 40, 1.die unſer aller Mutter iſt; nicht gehoͤre in die Lufft den Voͤgeln preiß/ wie
etliche Barbariſche Voͤlcker zu thun gepflogen; nicht ins Feuer/ wie nicht
allein
[459]Predigt.
allein die Heyden/ die Griechen/ die Roͤmer/ ſondern auch etliche von den* de Alari-
co vide
Spond.
ann. 411.
num. 1.
vide B [...]-
negg. qu.
146. in Ta-
cit.

() Hebreern/ damit an ihrem Leibe kein Muthwillen veruͤbet werde: nicht
ins Waſſer/ wie * Alarico dem Gothen-Koͤnig begegnet. Drakus der Eng-
liſche Admiral, der als ein See-Hund ſein mehrſtes Leben im Meer zuge-
bracht/ hat deßwegen auch im Meer wollen nach ſeinem Tode verſenckt
und begraben werden: Vielweniger iſt recht und wohl gethan/ wann man
die geſtimmelten Gliedmaſſen auff der Schau herumb traͤget/ daß man
ſie anbete und goͤttlich verehre: ſondern terra es,du biſt Erde/ und
ſolt wider zu Erden werden/
ſo lautet das alte Toden-Recht.Gen. 3, 19.
† vide D.
Reinking.
l.
1. Bibk.
Policey
axiom. 51.
\& ſeqq.

Löblich und wohlgethan iſt die [...]᾽ταξία und [...]᾽χημοσαύη ceremo
niarum ſimplicium,
die ſchöne Ordnung und einfaͤltige
Zierrath der Ceremonien;
νόμῳ καὶ χώρᾳ, laͤndlich/ ſittlich. Klang
und Geſang ſtehen zwar wohl/ wo es aber nicht braͤuchlich/ ſoll man ſich
auch nach Lands-Art accommodiren/ ſondern auch die parentation,
Predigten/ Lob-Spruͤche/ nach Standes und Wuͤrden Gebuͤhr; Ehre dem
die Ehre gebuͤhrt. Heilige fromme Leute ſollen auch ehrlich beſtattet wer-
den: nicht unter den Galgen oder Rabenſtein/ wie vorzeiten ein hieſiger* apud
Guilman.
de Epiſcop.
Argent.
p 90.
Gen 30, 10.
2. Sam. 1,
18.
2, Chron.
35, 25.
Ier. 22, 19.
2 Sam. 1,
17 ſeqq. \&
c. 2, v.
5.

Biſchoff * Arbogaſt wollen begraben ſeyn. Welche ſinds aber/
denen man ſo gethane Ehr erweiſen ſoll? Die Jacobiten/
die Jonathanes/ die Joſi
æ/die Simeones/ wohlverdiente/
liebe Leute und Goͤttliche
organa,in denen der Heilige Geiſt
gewohnet/
durch welche er zur Erbauung des gemeinen beſten gewircket/
nicht athei, falſcher religion beharrlich zugethane Laͤſterer/ gottloſe Leute/
die in offenen Laſtern ohne ſcheu leben/ denen gebuͤhrt das Eſels-Grab.
Es hat zwar David auch ſeinem Schweher-Vater dem gottloſen Saul
ein ſchoͤnes epicedium und Leich-Gedicht geſchrieben/ ja er bedanckt ſich
gegen den Burgern zu Jabes in Gilead/ die Sauls Leichnam ehrlich be-
ſtattet/ und ſegnet ſie/ daß ſie ſolche Barmhertzigkeit an ihrem Herrn Saul
gethan; iſt aber nicht der Perſon/ ſondern dem Koͤniglichen Ampt zu Eh-
ren geſchehen.


() Amos 6, 10. [...]vide Serv. ad l. 3. \& 11. Aeneid. ſecuta ſunt Oſſi-
legia vide Collecta à Corn. à lap. ad Amos 6. p. 311.
()

Ich ſag bedencklich/ falſcher religion beharrlich-zugethane Laͤſterer/
dann es durch Gottes ſonderbare Gnad (darauff man ſich gleichwohl
nicht zu verlaſſen/ und auff gerath wol ohne Buß dahin gehen ſoll) ge-
M m m 2ſchehen
[460]Die Sieben und Dreiſſigſte (Erſte)
ſchehen kan/ daß wañ man () auff das Siechbette gerathen/ Leib und Seele
als die beyde beſte Freunde ſich ſcheiden/ und man mit dem Tode zum
Hauptſtreich ſich anſchicken muͤſſen/ daß alles das jenige gaͤntzlich zu Heu/
Stroh und Stoppeln/ ſo durch das Feuer der Anfechtung verzehret wor-
den/ worauff man ſich auſſer Chriſtum verlaſſen 1. Cor. 3. worden/ und das
gantze fundament der Seligkeit und das Vertrauen allein auff Chriſtum/
deſſen theuren Verdienſt/ Heilige Wunden und roſinfarbes/ vor alle Men-
ſchen vergoſſenes Blut/ geſetzt/ und dadurch des Todes Bitterkeit uͤber-
wunden/ und mit rechtem Helden-Muth in wahren Glauben abgetrucket.


() Confer exemplum Philippi Regis Galliarum à D. Reinking. Bibl. Policey
axiom. 54. p. 116. laudatum.


Von weiland dem gewaltigen Kaͤyſer Carl dem Fuͤnfften ſchreibet
Jacobus Auguſtus Thuanus in ſeiner hiſtoria lib. 1. 21. wie derſebe/ nach
dem er die Reichs-Regierung ſeinem Bruder Kaͤyſer Ferdinand reſignirt
und abgetretten/ und zwey Jahr hernach auff das Todes-Bett gerathen/
ſich mit demuͤthigem Hertzen zu Gott gewendet und offters geſpro-
chen/ er waͤre unwuͤrdig durch ſeine Werck und Verdienſt das Himmel-
reich zu erlangen/ ſondern das haͤtte ſein Herr Chriſtus und Erloͤſer ge-
than/ der/ wie er aus dem Bernhardo, welchen er fleiſſig geleſen/ behalten/
das Reich Gottes auff zweyerley Recht beſitze/ primò, jure hæreditatis
proprio,
durch Erb-Recht/ als wahrer Gott mit dem Vater und Heili-
gen Geiſt von Ewigkeit. Secundo, merito paſſionis ſuæ, durch Ver-
dienſt ſeines bittern Leidens und Sterbens. Auff die erſte Weiſe behalte
Chriſtus ihme den Himmel felbſten/ auff die andere Weiſe habe er ihme
denſelbigen erworben und mitgetheilet. Hierauff wolte er ein feſtes Ver-
trauen ſetzen/ und bey deme/ in te Domine confido, auff dich Herr
traue ich/ verbleiben. Jtem/ mein liebſter Erloͤſer/ bleibe du in mir/ auff
daß ich in dir bleibe/ und darauff abgetrucket/ wie ſolches Thuanus und
andere mit mehrerm beſchreiben.


Famianus Strada l. 1. bell. belg. p. 13. erzehlet/ welcher maſſen ihn
eins mahls ankommen vor ſeinem Tod ihme ſelbſt ein Leich-Begaͤngnuͤß
zu halten und zu feyren. Darumb als er hievon ſeine Gedancken und
Meynung ſeinem Beicht-Vater Johanni Regulæ angedeutet/ derſelbe es
aber fuͤr ein ungewoͤhnlich und unerhoͤrtes/ doch gottſeliges und heilſames
Beginnen auffgenommen/ hat er darauff ihme auffs ſchleunichſte ein
Leich-Begaͤngnuͤß zu begehen angeordnet. Da dann ein caſtrum do-
loris
und Grab im Tempel bereitet/ die Wachs-Kertzen angezuͤndet/ die
ſchwartz-bekleideten Diener und Trabanten herumb geſtanden/ und die
Toden-
[461]Predigt.
Toden-Meß von den Pfaffen mit klaͤglichem Geſang gehalten worden.
Er aber/ als der bey ſeiner Leiche noch uͤbrig und lebend/ ſahe bey ſolchem
angeſtellten/ vorgebildeten und Schein-Leich-Begaͤngnuͤß der ſeinigen/
wahre bittere Thraͤnen: Er hoͤrete ſeinen Leich-Geſang/ darinnen ihme
eine ewig felige Ruhe in jenem Leben angewuͤndſchet worden. Er gab ſeine
Stimm auch ſelbſt darzu/ biß er ſich zu dem Meß-Pfaffen genaͤhert/ und
ſeine in Haͤnden habende brennende Wachs-Kertzen demſelben uͤberge-
ben/ ſeine Augen gen Himmel auffgehoben/ und in diefe Wort außgebro-
chen: Herr Gott/ der du das Leben und Tod in deinen Haͤnden
haſt/ ich erſuche dich flehendlich an/ daß gleich wie von mir der Prieſter dieſe
ihm eingehaͤndigte Kertz annimmt/ alſo wolleſtu meine in deine Haͤnde
treu anbefohlene Seele/ wann es dir gefaͤllig iſt/ in deinen Schutz und
Schos vaͤterlich auffnehmen/ worauff er in ſeinem ſchwartzen langen
Trauer-Kleid auff die Erden ſich einem Toden gleich geſtrecket/ da dann alle
Vmbſtehende von neuem bitterlich zu weinen angefangen/ und ihn als
einen Verſtorbenen und Beygelegten ſchmertzlich betauret und betrauret
haben. Solcher geſtalt hat Carolus ſeinen inſtehenden Tod vorſpielen
wollen/ ſintemal ihn den andern Tag darauff ein hitziges Fieber ankom-
men/ darauff er auch geſtorben/ den Abend vor des heiligen Evangeliſten
Matchæus Tag/ als er 58. Jahr alt worden. Stehet alles zu fernerm
Nachdencken.


2. Quid?Was ſoll man loben? Die Welt lobet das
ihrige/ ihre admiranda, daran ſie ſich vergafft/ und darff wol einer einem
groſſen Herrn/ der ein Ehebrecher geweſt/ ſeine Laſter verrucas nennen/
Wartzen an einem ſchoͤnen Leibe; das ſoll hie nicht ſeyn/ ſondern man ſoll
loben fuͤrnemlich die heiligmachende/ beygelegte Ampts-Gaben/
ſo fern dieſelbe zu Gottes Ehr und des Naͤchſten beſten wohl ſind angewen-
des worden/ zuvorderſt aber den Vater des Liechts/ von welchem alle ſolcheIac. 1, 17.
gute Gaben her entſproſſen/ Simeoniſchen Glauben/ Gottesfurcht/ Ge-
rechtigkeit. 3. Quando?Wann und zu welcher Zeit? das
lehret der weiſe Heyde Solon/ ultima ſemper expectanda dies,
ſagt er/ man ſoll warten biß ans Ende; Lucas parentirt allererſt
nach dem Tode Simeonis. Peſcenninus Niger der edle Roͤmer ſagte
vorzeiten: Scribe laudes Marii vel Hannibalis; vivos laudare irriſio eſt:
ego vivus placere, mortuus laudari volo;
Setze dem Mario oder dem
Hannibal ſein Lob auff; die Lebendigen loben iſt eine Verhoͤhnung: Jch
begehre im Leben den Menſchen zu gefallen/ im Tode aber gelobet zu wer-
den. Jſt demnach nicht recht die προσωποϑαυμασια, ἀποθέωσις vivo-
M m m 3rum,
[462]Die Sieben und Dreiſſigſte (Erſte)
rum, die allzugroſſe Verwunderung uͤber die Menſchen vielmehr als uͤber
Gott den Herren/ der die Gaben beſcheret hat/ die ſchnoͤde Vergoͤt-
terung/ wie im Papſtumb der Toden/ die doch nichts von uns wiſſen/ dar-
umb Elias ſeinem diſcipul Eliſa geſagt: Bitte/ was ich dir thun ſoll
2. Reg. 2, 9.ehe/ EHE (diß einige Woͤrtlein ſchlaͤgt das gantze Papſtumb) ehe
ich von dir genommen werde/
alſo unter uns den Lebendigen/ ſo
dann der Fuchs-Schwantz und Hunds-Zung/ welche die Schweren lecket.
4. Cur?Warumb ſoll man loben? Nicht umbs Genieſſes wil-
len/ per Simoniam, wann man irgend den Toden-Freſſer lobt umb der
Speiſe willen/ den Starcken wegen der Suͤſſigkeit/ ſondern zu Gottes
Ehr/ andern zum Exempel der Nachfolge/ und zu löblichem
Gedaͤchtnůß des Verſtorbenen.


Dieſes iſt dieInſtructionund Lehr/ wie man mit den To-
den ſich verhalten ſoll: Die Vermahnung
findet ſich ſelbſt:
Wer eine gute Leich-Predigt will haben/ der fuͤhre einen Si-
meoniſchen Wandel/
wer wohl ligen will/ der muß wohl betten; Wer
2. Chron.
34, 3.
alt werden will/ der ehre ſeinen Schoͤpffer in der Jugend/ als wie der junge
Joſias im achten Jahr ſeines bluͤhenden Alters ſchon den Herren
geſucht/ auff daß man im Alter von ihm ruͤhmen/ und derſelbe Ruhm
nach dem Tod ein liebliches echo und Nachſchall von ſich geben moͤge/
wer gleich wie Simeon ſein Alter erreichet/ der hat umb ſo viel deſto mehr
Vrſach gute Exempel zu geben/ als naͤher er zum Grab hat. Wann es
Eccl. 12, 2.
3. 4. 5. 6.
nunmehr an dem iſt/ daß das Liecht/ Sonn/ Mond und Sternen
beginnen finſter zu werden/
das iſt/ die Augen außſehen als wie die
beſchmutzte/ dunckele Fenſter in einer Rauch-Stuben auff dem Dorffe:
wann die Wolcken wider kommen nach dem Regen/ das iſt/
wann das Gehirn anfangt rotzig/ phlegmatiſch/ fluͤſſig und kilſterhafftig
zu werden: Wann die Huͤter im Hauſe (die Haͤnde und Arme)
zittern! wann ſich die Starcken (Bley-klumpene geſchwollene
Schenckel) kruͤmmen: wann die Muͤller (die ſtumpffe Zaͤhn)
muͤſſig ſtehen/ und ihrer wenig iſt worden: wann die Thuͤr
auff der Gaſſen
(der Wort-verdruͤſſige Mund) geſchloſſen wird:
wann die Stimme der Muͤllerin
(das Geſang der Blaß-Baͤlge
der Lungen) leiſe wird: keuchet immer/ kraͤchzet/ huſtet/ gleich wie eine
Muͤhl
[463]Predigt.
Muͤhl im̃er unruhig klappert: wann man beym Vogel-Geſang der
zwitzernden Sperling wachet/ und nicht mehr ein Wetter uͤberſchlaffen
kan: wann alle Toͤchter des Geſanges (die Ohren) ſich bucken
wie Barſillai widerfahren/ den die Koͤnigliche Tafel-Muſic nicht mehr2. Sam. 19,
35.

beluſtiget: wann die Hoͤhe (die weiland erhabene Schultern) ſich
fuͤrchten und ſich ſcheuen auff dem Wege: wann der Man-
del-Baum
(das Eiß-graue Haupt) bluͤhet: wann die Heuſchreck
(Knochen/ Beine und buckelruckige Gerippe) wird beladen: wann
der ſilbere Strick
(das Blut-Geaͤder) weg kommt: die guͤldene
Quell
(das Hertz) ſich verlauffet: wann der Eymer (die Leber)
zulaͤchzet am Brunn (das humidum radicale.) wann das Rad
(das wanckende und ſchittlende Haupt) zu bricht am Brunnen:
Wann es/ ſag ich/ an dem iſt/ ſo iſt hohe Zeit ſich wohl zu ſchicken auff die
Fahrt/ die Seel und Gewiſſen wol zu verſorgen/ und den Nachkommen ein
gut untadelich Exempel und ehrlichen Namen auffzuerben: ſonſt haben
die Alte keinen Vortheil vor den Teufeln/ die ſind auch alt/ aber nichts
deſto froͤmmer.


Wie dann? nicht ἀπίςως, ἀσεβῶς, ἀδίκως, Er muß nicht ohne Glau-
ben/ ohne Gottesfurcht und Erbarkeit leben/ dann das gebaͤret gar einen
boͤſen Nachklang: uͤbel lautet es/ wann man von den Verſtorbenen mit
Warheit ſagen kan/ er ſey ein Atheiſt, ein Gotteslaͤſterer/ ein Sabbath-
ſchaͤnder/ ein Meiſterloſer/ Tyrann/ Vntertrucker/ ein Vollhuͤgel gleich
jenem ( ) Engliſchen Grafen/ der/ wie er ihm ſelbſt gewuͤndſcht/ von ſeinem() Polydor.
Virg. lib.
24. in fine.

Bruder in einem Faß mit Malvaſier erſaͤufft worden; Vnerſaͤttlicher
Geitz-Halß/ der unauffhoͤrlich ſcharret und kratzet/ und kan doch nicht einer
Lauß werth mit ſich nehmen/ Hurenjaͤger/ untreu im Vogts-Gut/ Schul-
den machet aus Pracht; bey dem es endlich heiſſet Banckrott/ Hauß-
rath wohlfeil! Pfui der Schande! Die rechtſchaffene Simeo-
niſche
[...]᾽λάβεια, die Gottesfurcht/ die ziemet und zieret wohl/ die gebaͤ-
ret einen ehrlichen und ewigen Namen/ auch in dieſer Welt: wann()apud Io-
ſeph. l. 19,
c.
7.

einer mit Warheit von ſich kan ſagen und ſagen laſſen/ weſſen ſich Herodes
Agrippa
mit Vnwarheit beruͤhmt: Jch hab nicht uͤbel gelebt/ ſondern ſo
ſelig und wohl/ daß mich iederman fuͤr ſelig ruͤhmet. Ein ſolcher Nam/ denProv. 22, 1.
Syr. 42, 15.
c.
46, 14.

man den Nachkom̃enden aufferbet/ iſt beſſer als Reichthum̃/ ein guter Nam
De effoſſoribus ſepulchrorum vide quæ conbajulavit Corn. à lap. ad
Ierem. 8. pag.
621.’
()

der
[464]Die Acht und Dreiſſigſte (Andere)
der ewiglich bleibet/ trutz allen Schlutthunden/ die ſich an die toden cada-
vera
machen/ da ſie bey Lebzeiten nicht mucken duͤrffen/ ja wohl gar an
vermeynten Kaͤtzern noch Tyranney uͤben/ deren Leichnam außgraben
und verbrennen/ wie Bucero und Fagio ſoll in Engeland begegnet ſeyn.
Syr. 46, 14.Ein Name/ der ewiglich gruͤnet; eine ewige Tugend-Blume/ Gott
gebe/ daß wir dieſe Blume mitbringen in den himmliſchen Paradeiß-
Garten/ dieſen Schall in die Engliſche Muſic einrichten/ daß er uns folge
nach dem Tod/ im Juͤngſten Gericht in Ewigkeit; Das verhelff uns allen
die Heilige Dreyeinigkeit/ Gott Vater/ Sohn und Heiliger Geiſt/
Amen.



Die Acht und Dreiſſigſte Predigt/


Vber den dritten Articul.
Von der ſeligen Hinfahrt der glaubigen außer-
wehlten Kinder Gottes aus dieſem zeitlichen in das
ewige himliſche Leben.

Aus des geiſtreichen Simeons Schwanen-
Geſang Luc. 2/ 29. 30. 31. 32.


Die Andere Predigt/


Von der Ἀπολύσει und Hinfahrt Simeons
an ihr ſelbſt.


2. Reg. 2,
11. 12.
1. Macc.
2,
58.

GEliebte in Chriſto: Ob wohl das jenigeſpectacul
der feurigen Roß und Wagen/ darinnen Elias
gen Himmel auffgehaben worden/ ſo Eliſa mit
Augen geſehen/ ein Wunder-ſchön
ſpectacul
geweſt/ welches alle Feuerwerck/ phaſmata und prodigia in
der Lufft weit uͤbertroffen; dañ als ſich der Mann Gottes uͤber den Jordan
begeben/ ſich mit ſeinem treuen Juͤnger Eliſa geletzet/ thut ſich ploͤtzlich der
Himmel auff/ und erzeiget ſich ein reiſſiger Zeug der himmliſchen Heer-
ſcharen in geſtalt feuriger Roß und Streit-Waͤgen/ erheben den Wagen
Jſrael und ſeinen Reuter Eliam
in die Hoͤhe/ ſetzen ihn auff/ und
fuͤhren
[465]Predigt.
fuͤhren ihn im Wetter hinauff gen Himmel/ nicht irgend in Paradiß-
Garten/ da er mit Enoch auff die Erſcheinung des Antichriſts warten/
und am Ende der Welt herfuͤr brechen/ wider den Antichriſt zeugen/ und
alßdann allererſt ſein Leben einbuͤſſen muͤſte/ wie im Papſtumb in patriâ
fabularum
und Reich der Finſternuͤß fabulirt wird/ ſondern in Himmel
verſetzt.


Ob wohl/ ſag ich/ dieſesphænomenonſchön in die Au-
gen geleuchtet/ und ein luſtiges Wunder-
ſpectaculgeweſt:
ſo kommt doch den geiſtreichen Eliſæis/ den erleuchteten Adlers-Augen viel
ſchoͤner und lieblicher fuͤr dasMyſteriumund Geheimnuͤß/ ſo
durch diß
phænomenonbedeutet worden/ nemlich das Geheim-
nuͤß von der Aufffahrt Chriſti/
welcher gleicher geſtalt mit jauchzen
hinauff gefahren/ Der Wagen Gottes/ laut der Pſalmen/ iſt vielPſ. 47, 6.
Pſ.
68, 18.

tauſend mal tauſend/ der HERR iſt unter ihnen im heiligen
Sinai. 2. Das Geheimnuͤß des heiligen Predig-Ampts;

Wie Elias von ſich ſelbſt ſich nicht erheben koͤnnen/ er haͤtte wohl drunten
bleiben muͤſſen/ wo Gott ſeinen Wagen nicht herab geſchickt/ da er ſich
auff denſelben ſetzen laſſen/ iſt er wohl bonis anheris, mit ſeligen Gefaͤrten
hinauff gefahren: Alſo bekennen wir im dritten Articul unſers Apo-
ſtoliſchen Glaubens: Jch glaube/ daß ich nicht aus eigener
Vernunfft/ noch Krafft an Jeſum Chriſtum meinen HErren
glauben/ oder zu ihm kommen kan/ ſondern der Heilige Geiſt
hat mich durchs Evangelium beruffen/ ꝛc.
Jtem in der an-
dern Bitte: Dein Reich komme!
Wann derowegen Gott der
HERR ſelbſt Wagen Jſrael und ſeine Reuter/
das iſt/ das
Heil-werthe miniſterium abfertiget/ als Engel/ die uns Gottes Gutſch fuͤr
die Thuͤr bringen/ wehe dem/ der ſolche Gutſchen von ſich ſtoſſet und dieſel-
ben abweiſet/ der fahret endlich uͤbel: Wohl fahrt aber der/ der ſich erhalten/
erheben/ Berg hinauff ſetzen und fuͤhren laͤſſet/ der kommt als ein Sohn/ der
von ſeinem lieben Vater aus der Wanderſchafft abgeholet worden/ dem
Allerhoͤchſten in ſeinen Gnaden-Schos/ in das himmliſche Jeruſalem/
in die Pforten und Vorhof des Himmels. 3. Das Geheimnuͤß der
ſeligen Todes-Fahrt;
dañ gewiß/ wer wol fahrt in das Reich der Gna-
den/ und da verharrt der fahrt auch wol in das Reich der ewigen Glori und
Herrligkeit: und wie Gott den ſichtbaren Feuer-leuchtenden Engliſchen
Wagen herab ſendet/ und Eliam abholet in Himmel: Alſo pfleget Er noch
Sechſter Theil. N n nheutiges
[466]Die Acht und Dreiſſigſte (Andere)
heutiges Tags ſeine außerwehlte Seelen am letzten End und Abſchied von
dieſer Welt/ wiewohl unſichtbar/ auff dem Engliſchen himmliſchen Reiß-
Wagen abzuholen.


Wohin dann auch ohne zweifel geſehen der fromme Bilgram/
der werthe Mann Gottes Simeon
in ſeinem Valet- und Schwa-
nen-Lied/ wann er ſagt: HERR/ nun laͤſſeſtu deinen Diener
fahren! Des Fahrers
parentalia haben wir neulich abgelegt/ da wir
einen Anfang gemacht an dem Articul von dem ſeligen Tode der
Außerwehlten/
den Articul von der Aufferſtehung deſto baß zu
verſtehen; Folget nun die ἀπόλυσις, die Fahrt an ihr ſelbſt;
Davon dißmahl mit mehrerm zu handlen/ wolle Gott ſeinen Heiligen
Geiſt verleihen/ umb Jeſu Chriſti willen/ Amen.


WAnn demnach der liebe Simeon ſein Schwanen-Lied an-
ſtimmet mit dieſen Worten: Νυῦ ἀπολύεις, Nun ſpanneſtu
aus/ nun entbindeſtu/ entbuͤrdeſtu/ entledige ſtu/ und loͤſeſt auff/
welche Wort Lutherus durch das fahren gedolmetſchet/ Nun laͤſſeſtu
deinen Diener fahren/
ſo verſtehet er durch ſolche ἀπόλυσιν und
Fahrt
I. ἀπόλυσιν repudiatricem,eine Scheide-Fahrt/ wie in
Matt. 1, 19.
Marc.
10, 2.
ſolchem Verſtande das Wort zu leſen Matth. 1. da Joſeph Mariam ſein
Gemahl wolte heimlich verlaſſen/ und Marc. 10. da die Phariſeer Chri-
ſtum fragen/ ob ein Mann ſich ſcheiden moͤge von ſeinem Wei-
be?
damit Simeon angezeigt/ welcher maſſen es an dem ſey/ daß er wer-
de nicht nur der ſchnoͤden Welt/ die ihm viel Leids gemacht: nicht nur ſei-
nen liebſten Freunden/ ſondern auch fuͤrnemlich ſeinem Leib/ ſo ihm biß
dato auffs genaueſte verknuͤpfft geweſen/ einen Scheid-Brief geben/ nicht
aber in perpetuum und in alle Ewigkeit ohne Widerkehr und Wende/
ſondern ad tempus, auff eine geraume Zeit/ ich laß dich fahren/ aber
widerkommen wird machen/ daß man des ſcheidens nicht wird achten.
2. ἀπόλυσιν liberatricem,Eine Löſe-Fahrt/ aus dem Kercker und
Marc. 15, 6.
Act. 5, 40.
Matth.
18,
27.
Hafft der Suͤnden/ wie in ſolchem Verſtande das Wort zu leſen Marc. 15.
von der Loßzehlung Barrabæ/ Actor. 5. wann da ſtehet: Der Rath ließ
die Apoſtel gehen.
Jſt abermahl die Meynung Simeonis/ bißher
bin ich im Gedraͤng/ in der Pferch/ in dem Kercker geſeſſen/ in der Furcht
des Todes/ von Natur ſub reatu mortis, unter der Todes-Hafft/ wiewohl
durch den Meſſiam erloͤſet/ ich bin zwar erloͤſet/ aber als ein gezwungener
Sclav
[467]Predigt.
Sclav verkaufft unter die Suͤnde/ ich trage den Diebs-Strick noch am
Halſe/ leider mein taͤglich ſeuffzen iſt das ſeuffzen St. Pauli: Wer wirdRom. 7,
24.

mich erlöſen von dem Leibe dieſes Todes? Aber Gott Lob und
Danck/ es hat die laͤngſte Zeit gewaͤhret/ ſo froͤlich die Kinder Jſrael ge-Pſ. 126, 1.
weſt/ da ſie aus der Babyloniſchen Gefaͤngnuͤß gegangen/ wie die Traͤu-
mende/ eben ſo freudig und noch viel tauſendmal freudiger gehe ich auch
aus dieſer Bilgramſchafft und Frembde in mein Vaterland und Heimat.


3. Ἀπόλυσιν ſanatricem,Eine Heil-Fahrt; Gleich wie da
Chriſtus jenes Weib zu ſich ruffte und ſprach: Weib! ſey loß vonLuc. 13, 12.
deiner Kranckheit! Alſo iſt der Tod ein Artzt fuͤr alle Kranck- und
Schwachheiten/ deren er der patient entlediget. 4. ἀπόλυσιν re-
quietoriam,
eine Ruhe-Fahrt; wird gebraucht von einem Knecht/
der ſeine Sache expedirt in der Frembde/ und darnach widerumb zur
Ruhe kommt/ inſonderheit wird verſtanden eine Kauffmann-Fahrt/ eineMatth. 14,
22.
Act. 15, 33.
1. Macc.
11,
38.

Reiſe-Fahrt/ eine Kriegs-Fahrt/ darauff folget die rudis donatio und be-
ſtaͤndige Ruhe und Friedens-Genuß nach außgeſtandenen Wachten und
Zuͤgen/ als wolt er ſagen: Nun bringeſtu mich zur Ruhe! Mit einem
Worte wird verſtanden der zeitliche und natůrliche Tod; dann ſo
wird dieſes Wort gebraucht von Abraham/ da er ſagt: Ich gehe dahinGen. 15, 2.
Num. 20.
29.
2. Macc.
7,
9.

ohne Kinder; von dem Hintritt Aarons; da der andere Märtyrer
von den ſieben Soͤhnen in den Maccabeiſchen Geſchichten ſagt zu An-
riocho: Du nimmeſt mir wohl das zeitliche Leben ꝛc. Summa:
HERR/ nun laͤſſeſtu deinen Diener fahren/ gelangen an
ſeine Scheid-Frey-Lebens- und Ruhe-Fahrt!
Gott ſey
Danck/ daß es ſo nah kommen iſt/ des freue ich mich/ des troͤſte ich mich/
darnach ſehne ich mich.


Wir muͤſſen aber dieſer Fahrt nach allen Vmbſtaͤnden beſſer
nachdencken/ bißher allein die σκιαγραφία und dunckele Vorbildung. Jn
welchem nachdencken uns zu betrachten kommt. I.die fahrende Per-
ſon/ der liebe/ glaubige/ fromme/ gerechte/ Gott-erleuchtete
Simeon/
der biß dato gewohnt zu Jeruſalem/ auff das πολίτ [...]μα, das
himmliſche Burgerrecht gewartet/ der gekniet in ſeinem Oratorio, Bet-
und Lob-Hauſe/ der geſeſſen in ſeinem Muſæo, auff der Catheder in der
hohen Schul zu Jeruſalem/ der biß dato gelegen im Buß-Staub und
am Creutz-Karren gezogen/ der kommt in die Krone der vier und zwantzig
N n n 2Elteſten/
[468]Die Acht und Dreiſſigſte (Andere)
Elteſten/ er bekommt ein oraculum vom Himmel/ es ſey an dem/ er ſoll
bald fahren/ der iſt der Fahrer; wer er geweſt/ ſein epitaphium, ſeine Leich-
Predigt haben wir neulich erwogen.


II.Der Wagen und die Roß/ die ihm gleichſam fuͤrs Bette
kommen vom Himmel herab/ das ſind die himmliſchen Fron-
Hebr. 1, 14.Geiſter/ zur Wacht geordnet/ deren/ die die Seligkeit ererben ſollen/
wie ſolches nicht nur das Vorbild Eliæ zu erkennen gibt/ nicht nur die Pa-
Luc. 16, 22.
Rom. 15, 4.
Hebr.
1, 14.
rabel Luc. 16. ſo wir auff uns zu appliciren/ dieweil alle Schrifft uns zur
Lehre und Troſt dienen ſoll/ ſondern auch das general-Zeugnuͤß Hebr. 1.
da ſie genennet werden λειτουργικὰ πν [...]ματα, dienſtbare Geiſter/ wie ſie
Pſ. 91, 12.
Luc.
16, 22.
uns im Leben auff den Haͤnden tragen Pſ. 91. wie ſie eine feurige Wagen-
Burg umb uns her ſchlagen/ alſo auch im Tode tragen ſie uns in Abra-
hams Schos. Jm Papſtumb wird der Schutz-Engel mit andern Au-
gen traurig angeſehen/ von dem ſie vorgeben/ der Schutz-Engel fuͤhr und
Gregor. de
Val. tom.
4. diſp. 11.
q. 1. punct.
2.
Pſ.
4, 4.
begleite die Seel ins Fegfeuer/ auff die Art und Weiſe wie die Prediger/
ſo man den maleficanten zuordnet/ O der leidigen Troͤſter!


III. Ὁ ἀπολύων, Der Fuͤhrer oder Fuhrmann/ der den
Menſchen außfuͤhrt/ iſt niemand anders/ als der groſſe Fuͤh-
rer/ der uns fuͤhret/ und ſeine Heiligen wunderlich fůhret/

durch dick und durch duͤnn/ durch Stauden und Straͤuſſe/ bald empor/
bald hinab/ und daſſelbe auff zweyerley Weiſe/ nemlich als ein Richter/
und zugleich auch als ein Vater; welches in der figur und Gleichnuͤß
eines malefitz-Gerichts am beſten zu verſtehen: Fragſtu/ wer bringet die-
ſen oder jenen Vbelthaͤter umbs Leben? Wer iſt Vrſach anſeinem Tode?
Ioh. 8, 44.Antwort: Nicht der Richter/ ſondern der Moͤrder von Anfang/ des Men-
ſchen abgeſagter und geſchworner Feind iſt der Vrheber/ der hat anfangs
die Peſt und das Suͤnden-Gifft den Menſchen angehaucht/ der hat als
Hebr. 2, 14.ein Tyrann die Macht des Todes/ den Stachel des Todes an ſich gezogen/
er iſt der Angelus mortis, Todes-Engel und Vorbott/ Aus des Teu-
Sap. 2, 24.fels Neid iſt der Tod in die Welt kommen/ die cauſa meritoria
und verwuͤrckende Vrſach/ dadurch der Tod auff uns gebracht worden/ iſt
2. Reg. 4,
40.
Rom.
5, 12.
mors in ollâ, das Gifft ligt im Menſchen ſelbſt/ die Suͤnde iſt des Teufels
Janitor und Pfortner geweſt/ durch welchen der Tod eingangen/ wie eine
ſchaͤdliche Peſt graſſirend umb ſich gefreſſen/ die Suͤnde iſt der Stachel/
1. Reg. 22,
34.
welcher in uns hanget/ als wie der Pfeil in Ahabs Leibe/ durch welchen der
Sathan toͤdtet. Der gerechte Gott im Himmel iſt allhie als ein
Richter
[469]Predigt.
Richter anzuſehen/ Er iſt fuͤr ſich ſelbſt nicht der Vrheber des Todes/ ſon-
dern vita eſſentialis, die lebendige Quell/ in welchem kein Tod/ und ausPſ. 36, 10.
Ezech.
33,
11.

deſſen Wefen kein Tod quellen kan: Er hat keine Luſt am Tode des Suͤn-
ders/ wie Caligula der vielmehr Roͤmiſche Vnflath und Tyrann als Kaͤy-
ſer ſich an den ſuppliciis, deren die er ſo ſchuldig ſo unſchuldig zum Tode
verdammt/ beluſtiget/ oder wie Hannibal/ welcher/ als er einen Graben voll
vergoſſen Menſchen-Blut geſehen/ ſoll geſagt haben: O formoſum ſpe-
ctaculum,
Welche eine luſtige Augen-Weide iſt diß! Gott der Herr
iſt/ wie geſagt/ der Richter/ zu dem der fuͤndhaffte Menſch den Tod mitbrin-
get/ und die Wurtzel des Todes im Buſen traͤgt/ der Richter verſchafft die
execution, ſpricht das Vrtheil und laͤſt ihn fortfuͤhren/ ſo fahrt er alßdann
davon uͤbel/ ſo er im Stande der Vnbußfertigkeit und Vnglauben;
wohl/ ſo er im Stande der Buß und des Glaubens abſcheidet. Es han-
delt aber auch Gott allhie als ein lieber Vater an ſeinen Kindern/ der
Tod iſt von der Suͤnde/ er treffe nun wen er woll/ umb der Suͤnde willen
iſt Simeon geſtorben: aber die Perſon/ die da ſtirbt/ wann ſie ſelig in Chriſto
Jeſu entſchlaͤfft/ das hat ein ander Anſehen fuͤr Gott/ da gewinnet der
Tod einen andern Namen/ und wird in ein ἀπόλυσιν und Schlaff ver-
wandelt/ die Auffloͤſung Leibes und der Seelen iſt ein Werck des Goͤtt-
lichen Gerichts/ Gottes Zorn machet/ daß wir ſo vergehen/ aber inPſ. 90, 7.
einem rechtglaubigen Chriſten iſts eine liebliche ἀπόλυσις und Hinfahrt.


IV. Terminus à quo,Der Ort/ wovon die Abfahrt
geſchicht/ iſt/
wie zuvor gemeldet/ die Welt/ die Moͤrder-Grube/ gleich
einem Forſt oder Wald/ ſo unſicher iſt von Moͤrdern und Straſſen-Raͤu-
bern; Ein Gefaͤngnuͤß und Zucht-Hauß/ darinn der Menſch mit ſaurer
Arbeit und empfindlicher Beſchwernuͤß mahlen muß wie Simſon/ anIud. 16, 21.
Pſ.
105, 18,

Feſſeln und Ketten ligt wie Joſeph; Feſſel und Ketten iſt die Suͤnde/
unter welche auch der widergeborne verkaufft/ daruͤber ſich St. PaulusRom. 7,
24.
Iohan. 5, 2.
ſeqq.

mehr bekuͤmmert als uͤber alle ſein Creutz und martyria; Ein Siechen-
Hauß und Lazareth gleich dem Teich Bethesda, da der 38. jaͤhrige Bett-
riß gelegen; das exilium, darinnen wir wallen in mancher Gefahr/ der
Kampff-Platz/ darauff wir ſtreiten und Ritterſchafft uͤben muͤſſen.
Summa/ in der Welt iſt alles uͤbel/ davon wir begehren erloͤſet zu werden.


V. Terminus per quem,Die Straſſe und der Weg
dadurch man gehet/
den benamſet Koͤnig David in ſeinem geiſtrei-Pſ. 23, 4.
chen Hirten-Lied/ nemlich das finſtere Thal des Todes. Es iſt
N n n 3zwar
[470]Die Acht und Dreiſſigſte (Andere)
zwar das gantze Leben des Menſchen nichts anders als ein finſteres Jam-
merthal/ ſo viel Vngluͤck und Creutz einen betreffen/ in ſo viel finſteren
Thaͤlern wandert er/ da er dem Koͤnig Joſaphat nachheulen und klagen
2. Chron.
20, 6. ſeqq.
muß: Wann wir in hoͤchſten Nöthen ſeyn/ und wiſſen nicht
wo aus noch ein/ ꝛc.
ſonderlich iſt die letzte Reiſe die allerdunckelſte/
wann der geiſtliche Bilgram an das ſtockfinſtere Todenthal gerathen/ und
durchgehen muß/ durch den Schatten des Todes/ die Seel Berg-auff/ der
Leib Berg-ab ins finſtere Thal des Begraͤbnuͤß/ da wirds ie laͤnger ie fin-
Gen. 27, 1.
Tob.
2, 11.
ſterer/ die Augen werden dunckeler als Jſaacs und Tobias Augen/ im
Hertzen wird es Nacht/ wohl dem Wanderer/ der in dieſer Nacht ſein
Feuerzeug richtig haltet/ aus dem bewaͤhrten Stein Chriſto feurige und
leuchtende Glaubens-Funcken außſchlaͤgt/ durch hertzlich Gebet die Lam-
pen mit Oel kluͤglich verwahret. Des treuen Hirten Reiſe- und Wander-
Stab/ das iſt/ das H. Creutz Chriſti/ welchen der Wanderer ergreiffet/ und
ſich daran feſt haltet/ und damit das Toden Meer theilet/ dem wird ſich nicht
nur zugeſellen der beſte Menſchenfreund/ und getreue Hirt/ der groſſe Engel
Luc. 24, 15.des Bundes/ der die Kinder Jſrael in der Wuͤſten-Thal begleitet/ und zu
ſeinen Juͤngern auff der Wahlfahrt nach Emaus geſellet/ comes facun-
dus pro vehiculo erit,
und endlich durch und aus des Todes-Thal in ſein
himmliſches Lobe-Thal/ auff den himmliſchen Klare-Berg fuͤhren.


VI. Terminus ad quem,Der Ort/ wohin die Fahrt
2. Cor. 12.
2.
gerichtet/ iſt nun ex oppoſitoder Himmel/ der dritte Himmel/ das
ποῦ beatorum, die Seligkeit/ das Engliſche Paradiß fuͤr den gefaͤhrlichen
Mord-Wald/ die Freyheit fuͤr das Gefaͤngnuͤß/ fuͤr den krancken Spittal
Betheſda/ das Land der Lebendigen/ fuͤr das exilium, das Vaterland/ fuͤr
das Marter- und Zucht-Hauß/ die Ruheſtatt/ fuͤr den Kampff-Platz/ der
Ehren-Saal/ der Kroͤn-Pallaſt/ darinn die geiſtlichen Kaͤmpffer/ welche
durch wahren Glauben den Teufel und die Welt uͤberwunden haben/ mit
2. Tim. 4. 8.der Krone der Gerechtigkeit/ welche Chriſtus verheiſſen hat allen die ſeine
Erſcheinung lieb haben/ verehret worden.


So ſehen wir demnach hieraus/ wie viel daran gelegen/ daß wir
den Tod recht lernen erkennen nach allen Vmbſtaͤnden;
Der Baſiliſk/ ein uͤberaus gifftiger Wurm/ ſoll die Art haben/ daß/ wann
er eines Menſchen zuvor anſichtig wird/ ehe der Menſch ſeiner gewar wird/
ſo vergifftet und toͤdtet er ihn; hingegen wann der Menſch ihn zuvor ſiht/
ſo ſchadet das Gifft nicht/ ſondern der Baſiliſk muß von ſolchem Anblick
ſterben: Alſo ein ſicherer und ruchloſer Menſch/ der den Tod nicht kennet/
nicht
[471]Predigt.
nicht achtet/ ſich nicht recht Chriſtlich zu demſelben ſchicket/ der kom̃t ihm in
den verdamlichen Rachen/ ehe er es gewar wird: Wer aber beyzeiten be-
dencken lernet/ daß und wie er ſelig ſterben muͤſſe/ und den Tod mit Chriſt-
lichen/ erleuchteten Augen zuvor recht anſihet/ dem kan er nichts ſchaden.


Darumb ſollen wir beyzeit den Tod lernen kennen/ wer er ſey/
ſonderlich der Tod der Glaubigen/ nicht ein ſonderbarer Todes-
Engel/ wie ihnen die blinden Juden einbilden/ oder eine Larve und Geruͤp-
pe eines greßlichen Mannes ohne Fleiſch/ Haut und Adern/ der eine Senſe
in der Hand trage und umb ſich haue/ wie derſelbe von den Mahlern ge-
mahlet wird/ ſondern wie ihn der Geiſt Gottes in ſeinem Wort abmahlet/
da er genennet wird ein Schlaff; Der natuͤrliche Schlaff entſtehetSomnus
ut eſt mor-
tis, ſic le-
ctus ima-
go Sepul-
chri.

aus den Speiſen/ die der Menſch zu ſich genommen. Jm Schlaff wachet
die Seel/ ſie gehet mit allerhand Traͤumen umb: Der Leib ruhet in ſeinem
Schlaff-Kaͤmmerlein; Der gantze Menſch iſt aller Sorgen und Arbeit
frey/ er verſchlaͤfft die Vngewitter/ brauſende Winde/ ja wohl gar unge-
heure Feuersbrunſten ſelbſt/ wird endlich durch eine laute und ploͤtzliche
Stimm widerumb erwecket- Alſo iſt auch der zeitliche Tod aus dem ver-
bottenen Apffel-Biß unſerer erſten Eltern entſtanden/ die Seel der Außer-Luc. 16, 25.
Eſa.
26, 20.

wehlten wird getroͤſtet in Abrahams Schos/ der Leib gehet in ſeine Erd-
Kammer/ ſchleuſt die Thuͤr nach ihm zu/ verbirget ſich einen kleinen Au-
genblick/ biß der Zorn voruͤber gehe/ der gantze Menſch/ der ſich wie ein Tag-
loͤhner geſehnet/ daß ſeine Arbeit aus ſeye/ der kommt zur Ruhe/ er wird mitIoh. 7, 1.
2. Reg.
22,
20.

Frieden verſamlet zu ſeinen Vaͤtern/ daß ſeine Augen nicht ſehen alles das
Vngluͤck/ das uͤber die Welt kommen ſolle/ und erwartet des froͤlichen
Juͤngſten Tages/ da der Leib aufferwecket/ und mit der Seelen widerumb
vereinbaret wird.

1. Sam. 25,
29.
Gen. 25, 8.
Ioſ. 23, 14.
Syr. 48, 9.
c. 49, 16.
Ioh. 5, 24.
Hebr. 11, 5.
1. Cor. 15,
43. 2. Cor.
5, 1. 4.
Matt. 11, 28.
Phil. 1, 21.
vid. Theo-
doſ. apud
Lipf. in ad-
mirand.
p.
199.

Er wird genennet eine Verſamlung in das Buͤndlein der
Lebendigen/ die Verſamlung zu ihrem Volck/
lieben Freunden/
Eltern ꝛc. der Weg alles Fleiſches oder aller Welt/ ἀνάληψις,
eine Wegnehmung/ ein Durchgang oder Durchdringung
zum Leben/ eine Verſetzung/ eine Säung/ eine Außziehung/
eine Ablegung der irrdiſchen Huͤtten/ eine Erquickung/ ein
Gewinn/
da man gewinnet/ und bekommet fuͤr die Suͤnde Gerechtig-
keit/ fuͤr die Arbeit Ruhe/ fuͤr den Streit Friede/ fuͤr die Schmach Ehre
und Vnverweßligkeit/ fuͤr die Kranckheit Geſundheit.


Sind lauter troͤſtliche/ holdſelige Namen/ dazu dann gehoͤret auch
dieſer
[472]Die Acht und Dreiſſigſte (Andere)
dieſer Nam Ἄπόλυσις, iſt nichts anders als eine ſelige/ erwuͤndſchte/ lieb-
liche Scheid-Frey-Freud-Ruh- und Hinfahrt eines armen/ gefangenen/
elenden Bilgrams/ Kriegsmanns und Knechts/ der des Tages Laſt und
Hitze getragen/ welche der groſſe ἀπολύων auff ſeinem Himmels-Wagen
aus der ſchnoͤden Welt Kercker/ Lazareth/ exilio, Dienſt-Hauß und
Kampff-Platz außfuͤhrt in den Himmel/ in das freye Jeruſalem/ in das
Land der Lebendigen/ zum himmliſchen Feyerabend/ in das refectorium,
in das Troſt- und Erquickungs-Hauß/ in das ſelige Vaterland/ in das
brabeuterium, Ehren-Lohn- und Kron-Haͤuß. Daran ſolten gedencken
allezeit/ ſonderlich junge Leute/ die ſich noch weit duͤncken vom Tod/ die rei-
ſen und raſen offt dem Tod in den Rachen hinein/ gedencken nicht/ daß
man eben ſo viel Kaͤlber-als Ruͤh-Haͤute zu Marck trage und offt mehr/
daß ſie doch ja bey jhren Reiſen/ Fahrten/ peregrinationibus der rechten
Himmelfahrt nicht vergeſſen; Alte Leut haben nicht mehr weit/ ſie ſehen zu/
daß ſie in der Zeit bauen die Ewigkeit/ anders als die alten Suſanninnen-
gaͤuche/ die alte Salomoniſche Narren/ die alte Herodiſche Tyrannen; Es
ſolten daran gedencken alle Ruchloſen/ deren Tod eine Hoͤllenfahrt des
wuͤtenden Heers ſeyn wuͤrde/ wo ſie ſich nicht beſſer ſchicken und ein-
ſtellen.


Jſt der unvermeidenliche Tod eine ſolche Fahrt/ wie ſie un-
ſerm Verſtande vorgebildet wird? Ey ſo iſt von noͤthen 1. Reſignatio
\& convaſatio,
das zeitigevalet,Welt-Ade und Abſage/ ſonder-
lich wann ſich die Vorbotten anmelden/ wann der Finger Gottes ruͤhret/
daß man beyzeiten reſignir/ auffpacke/ der Welt eine gute Nacht gebe/ auff
daß/ wann das NVN kom̃t/ heut/ daß man alßdann bereit ſey auffzuſitzen
auff den Himmels-Wagen/ und gerade zufahre/ in feſtem Glauben auff
Ioh. 14, 6.den/ der da heiſſet der Weg/ die Warheit und das Leben. Als
Hertzog Georg zu Sachſen dieſe Welt beurlauben ſolte/ kamen ſeine
Moͤnche die leidigen Troͤſter auffgezogen mit den verſtorbenen Heiligen/
einer aber von ſeinen Hofraͤthen tritt hinzu/ und ſpricht: Gnaͤdiger Fuͤrſt
und Herr/ ihr habt bißher das Sprichwort gefuͤhrt: Gerade zu iſt der beſte
Weg: Gerade zu gibt gute Reuter: Bleibet dabey/ und fahret gerade
Chriſto Jeſu dem Allerheiligſten zu/ es moͤcht ſonſt in weiterm Vmb-
ſchweiff etwas verwarloſet werden. Wozu auch gehoͤret beyzeiten Teſta-
ment machen/ das Hauß beſtellen/ ſeinem Willen reſigniren/ gern alles
Gen. 19. 26.
Auguſt. in
Pſal.
75.
zulaſſen und mit dem Ruͤcken anſehen/ anders als Loths Weib. Uxor
Lothi facta eſt ſtatua ſalis, ut illius contemplatione condiãtur homines.

ne ſint
[473]Predigt.
ne ſint fatui, nec retroſpiciant. Loths Weib/ ſchreibt Auguſtinus, iſt zur
Saltz-Seul worden/ auff daß durch ihr Exempel die Leute gewuͤrtzt und
geſaltzen wuͤrden/ daß ſie nicht durch thummen Vnverſtand zuruͤck nach
dem irrdiſchen ſehen/ und daruͤber das ewige verlieren.


2. Præparatio,Die Ruͤſtung/ daß man ſich verſehe mit Oel
und einem guten Zehr-Pfennig/ wer wohl fahren will muß wohl ſchmieren/
wie die klugen Jungfrauen/ auff daß/ wann der Braͤutigam kommt/ manMatt. 25, 4.
bereit ſeye ihm mit Freuden zu begegnen/ und allezeit ſagen: HERR/
Nun!
biſtu in ſuͤndlichem/ unſeligem Stande/ ſo kanſtu nicht ſagen:
HERR/ Nun! darumb man in ſteter Buß und Glauben ſtehen ſoll.
Zwar an der præparation des viatici mangelts nicht/ ſonderlich bey alten
Leuten/ das vitium ſenile heiſſet ie aͤlter/ ie kaͤrger! unterdeß wird manch-
mahl das rechte viaticum verſaumet. Der theure Mann Gottes Mo-
ſes braucht in ſeinem Sterb-Lied Pſ. 90. ein gar kraͤfftiges Wort/ da er denPſ. 90, 12.
Herren anrufft und ſagt: HERR/ lehre uns bedencken/ daß
wir ſterben muͤſſen.
Jn der heiligen Sprache ſtehet das Wort
[...]à [...] das iſt/ Lehr uns zehlen/ daß ihrer wenig ſeyen/ ars
longa, vita brevis:
außtheilen und ordnen/ damit es nicht gehe wie
jenem/ qui non neceſſaria didicit, neceſſaria neglexit, da er geſtudirt was
ihme nichts genuͤtzt/ und verſaumt was ihm haͤtte koͤnnen befoͤrderlich ſeyn:
[...] iſt ein kleines Wort/ ein klein Fuͤncklein des Heiligen Geiſtes/ daran
der Menſch gnug zu lernen hat/ ſo lang er lebt/ wer klug iſt/ der dencket ihm
nach/ und loͤſcht es nicht aus.


3. Deſiderium Paulinum,Der Pauliniſche Wundſch/
Pauliniſches Verlangen/
daß man mit ihm wuͤndſche auffgeloͤſetPhil. 1, 23.
zu ſeyn/ und daſſelbe nicht aus Vngedult/ wanns uͤbelgehet/ aus fleiſch-
lichem/ ungedultigem/ trotzigem/ boßhafftigem/ Lebens-verdroſſenem Ge-
muͤthe/ wie die Kinder Jſrael/ die/ als ihnen die Reiſe durch die lange
Wuͤſte ſauer vorkam/ aus Vngedult ſprachen: Wolte Gott wirExod. 16, 3.
waͤren in Egypten geſtorben/ denen ſetzet Paulus ein ander Wort
entgegen/ Ein ieglicher/ ſagt er/ bleibe in dem Beruff/ in welchem1. Cor. 7,
20.

er beruffen iſt; man ſoll undmuß warten/ biß der ἀπολύων kommt/ ſonſt
ſchlaͤgt der apollyon zu! ſehnen/ ſag ich/ ſollen wir uns mit St. Paulo und2. Cor. 5, 2.
8.

ſagen: Wir ſehnen uns und haben Luſt zu ſeyn auſſer dem Leib/
und daheim zu ſeyn bey dem HErren/
dann nichts iſt ſuͤſſer und
Sechſter Theil. O o olieb-
[474]Die Acht und Dreiſſigſte (Andere)
lieblicher als das Vaterland/ der Rauch von Jthaca iſt Ulyſſi lieber als
der Pelopiten Feuer und dabey Gefottens und Gebratens; Monica die
apud Au-
guſt. l. 9.
Confeſſ.
c.
10.
Mutter Auguſtini ſagt endlich: Lieber Sohn/ was mich belanget/ habe
ich auff dieſer Welt nirgend an keine Luſt/ was ſoll ich hier thun? Es ſeh-
net ſich der gefangene Manaſſes nach ſeiner Erloͤſung/ der Krancke greiffet
nach Geſundheit/ der Bilgram/ der Soldat/ ſonderlich ietziger Zeit (in deme
ein ehrlicher Bluts-Tropff noch uͤbrig) ſehnet ſich nach der Ruhe; Zwar
wem Gelt und Welt ans Hertz gewachſen/ ſonderlich junge Leute/ auch
wohl Alte hoͤren offt nicht gern vom Tode/ es heiſſet bey ihnen gerne ſterben/
aber nimmer geſchickt.


Gewiß wer nicht Luſt hat zu ſterben/ der iſt kein lebendiger Heilige/
hat der Herr Lutherus pflegen zu ſagen. Dieſe Rede hat ſich aus einer
Geſchicht verurſachet. Jm Jahr 1515. iſt er zu Rom geweſen/ da er
heim reiſet/ zeucht er durch Augſpurg/ da ſaget man von einer lebendigen
Heiligen/ von der Jungfrau Vrſula/ welche Kaͤyſer Maximilianum und
viel fromme Reichs-Fuͤrſten vexiret hat/ und viel Geſchencke erlanget/
dann ſie gab fuͤr/ ſie eſſe und trincke nicht/ und thaͤte auch ſonſt nichts nach
Lauff der Natur. Als ihn aber ein Caplan zu ihr fuͤhret/ ſpricht er zu ihr:
Liebe Vrſula/ du moͤchteſt eben ſo mehr tod ſeyn/ als leben/ du moͤchteſt
Gott bitten/ daß Er dich lieſſe ſterben/ da ſpricht ſie: O nein! hie weiß
ich wie es zugehet/ dort weiß ich nicht wie es zugehet. Diß Wort machet
Luthero die Sache verdaͤchtig/ daß er ſaget: Vrſula/ ſchaue nur/ daß es
recht zugehe. Sie gab Antwort: Behuͤte mich Gott! darauff weiſet
ſie in ihrem Kaͤnnerlein Crucifixlein/ auff zweyen Altaren/ die waren mit
Hartz und Blut ſo artig zugerichtet/ daß ſie natuͤrlich außſahen/ als wann
blut aus der Stirnen und Wunden ruͤnne/ aber es iſt eitel Betruͤgerey
geweſen. Die Hertzogin aus Beyern iſt hinder die Schelmerey kommen/
daß ſie heimlich Pfefferkuche unter dem Fuͤrtuͤchlein verſtecket hatte. Da
ſie faſt 1500. Guͤlden zuſammen geleſen/ iſt ſie zum Thor hinaus gewan-
dert. Dannenhero hat D. Luther pflegen zu ſagen-Es ahnete mir wohl
aus ihren Reden/ daß es unrichtig Ding war. Dann wer nicht Luſt hat
zu ſterben/ der iſt kein rechter Heilige.


Ita refert Valerius Herberg. part. 3. der geiſtlichen Traurbind p. 537.


Nun glaubiges Verlangen gebieret ſeliges Verlangen! Hoffnung
laͤſſet nicht zu ſchanden werden/ wohl geſchmieret wohl gefahren/ wohl ge-
bettet wohl gelegen! Auff Simeons Leben folgt Simeons Fahrt/ auff
Simeons Fahrt Simeons Ruh/ nemlich das himmliſche πολίτ [...]μα, Adel
und Sicherheit fuͤr dieſe Nichtigkeit und Fluͤchtigkeit; Freyheit fuͤr die
Gefaͤng-
[475]Predigt.
Gefaͤnonuͤß; Vnſterbligkeit/ Vaterland/ Ruhe und Triumph/ da Freu-Pſ. 16, 11.
de die Fuͤlle und liebliches Weſen iſt immer und ewiglich;
Das helffe uns Chriſtus unſer Herr/ der durch ſeinen blutigen Creutz-
gang uns dieſe Heim- und Himmelfahrt erworben/ Amen.



Die Neun und Dreiſſigſte Predigt/


Vber den dritten Articul.
Von der ſeeligen Hinfahrt der glaubigen außer-
wehlten Kinder Gottes aus dieſem zeitlichen in das
ewige himliſche Leben.

Aus des geiſtreichen Simeons Schwanen-
Geſang Luc. 2/ 29. 30. 31. 32.


Die Dritte Predigt/


Von dem Fahr-Troſt.


GEliebte in Chriſto: Wann Agag der Heydniſche/ ver-
bannete und gefangene Koͤnig der Amalekiter ſeinem
Richter dem heroiſchen Propheten Samuel getroſt un-
ter die Augen und Schwerdt tritt/ und in dieſe freudige
Wort außbricht: Alſo muß man des Todes Bitter-
keit vertreiben/
1. Sam. 15. So zeiget er an die Furcht und1. Sam. 15,
32.

Schrecken des Todes; daß der Tod ſey ein bitter Kraut/ bit-
teres Gifft/
wie irgend ein Patient fuͤr einem bittern Tranck erſchrickt/
oder wie der jenige/ der Gifft zu ſich nehmen muß/ ſich entſetzt. Ja freylich
er hats errathen; es iſt freylich der Tod bitter/ ſonderlich dem/ der gu-
te Tage und genug hat/ und ohne Sorge lebet/ und dem es
Syr. 41, 1. 2.
wohlgehet in allen Dingen/ und noch wohl eſſen mag;
ja nicht nur bitter/ ſondern ſchrecklich der Natur und uͤberſchrecklich/
wann man ihn nach allen Vmbſtaͤnden recht anſihet vnd erwegt/ die
Schrifft mahlet uns ſolchen Schrecken fuͤr Augen/ theils in den ſchreck-
O o o 2lichen
[476]Die Neun und Dreiſſigſte (Dritte)
lichen Namen/ die ſie dem Tode gibt/ wann ſie ihn nennet bechor
Iob. 18, 13.
14.
Apoc.
6, 8.
maveth,den Fuͤrſt des Todes/melech balaoth,den Fůrſt
des Schreckens;
theils auch infiguren und Bildern/ in dem ſie
ihn præſentiret als einen Reuter auff dem fahlen Pferde/ dem die Hoͤlle
folget.


Als vorzeiten Kaiſer Domitianus des Todes Schrecken dem Rath
zu Rom wohl einbilden wolte/ fieng er ein abentheuerlich Tragœdiſpiel an/
er ließ ein ſonderbar Hauß inwendig allenthalben ſchwartz anſtreichen/
und etliche ſchwartze Baͤncke darein ſtellen/ befahl darauff hinein zu brin-
gen allerley Werckzeug und ornat, den man zu den Begaͤbnuͤſſen brauch-
te. Auff der Erden neben den Seulen ſtunden Todenbahren/ darauff
die Namen der jenigen geſchrieben ſtunden/ ſo dahin beruffen waren. Zu
oberſt hieng ein klein Liechtlein/ wie die Amplen ſind/ ſo in dem Toden-
Haͤußlein brennen/ auch lagen Tuͤcher da/ darein man die Toden zu wi-
ckeln pfleget/ und war alles auffs ſchrecklichſte und traurigſte zugerichtet:
An dieſen Ort wurden die Rathherren gefuͤhret/ gantz allein ohne Diener/
und da ſie mit Furcht umbgeben waren/ lieffen noch kleine Jungen aus
den Loͤchern herfuͤr kohlſchwartz gefaͤrbt/ wie die Geſpenſter oder Teufel/
und erſchrecken dieſe Maͤnner noch mehr/ dann ſie ihnen an die Seite
ſtunden. Man hoͤrte da kein Wort/ ſondern war alles ſtill und einſam.
Letzlich trat der Kaͤyſer ſeibſt hinein/ that eine Rede von dem Tode/ wie man
den mit Gedult leiden ſolte/ da meynten ſie alle anderſt nicht/ dann es
muͤſte ietzt geſtorben ſeyn. Jn dieſen Noͤthen/ als er ſie faſt die gantze
Nacht gequaͤlet hatte/ ließ er ſie zuletzt hingehen/ ſchicket ihnen ſtattliche
Verehrungen nach/ in ihre Haͤuſer/ ſchencket ihnen auch die jungen Kna-
ben fuͤr eigen/ welche ſie kurtz znvor in geſtalt der Geſpenſter geſchreckt hat-
ten/ doch waren ſie ſchoͤn gebadet und abgewaſchen. Vber dieſem Faſt-
nacht-Spiel hatte Domitianus eine ſolche Freude/ als wann er etwas
groſſes außgerichtet haͤtte.


II. Horroris ſolatium,Des Schreckens Troſt/ damit
das bittere Gifft gleichſam uͤberzuckert/ iſt die freudigereſolution;
dann es meldet die Hiſtori/ Agag ſey getroſt gegangen/maada-
noth, cum deliciis,
mit Freude und Luſt/ und ſich ſelber ermun-
tert und geſagt: Alſo muß man des Todes Bitterkeit vertreiben!
Die Hebreiſche Wort ſind zwar etwas dunckel/ achenſar mar hama-
veth,
das iſt von Wort zu Wort: verè receſſit amaritudo mor-
tis,
[477]Predigt.
tis,fuͤrwar des Todes Bitterkeit iſt gewichen/ wie es Piſcator
vert
irt/ und es gar anders gloſſirt/ als wolt er ſagen-Jch werde nicht ge-
toͤdtet werden/ wie ich bißher beſorget/ ſintemal ich zu einem Propheten ge-
fuͤhret werde/ welcher ſehr alt iſt. Wir laſſen aber Lutherum hie unre-
formirt; es kan beydes ſeyn/ daß die Bitterkeit des Todes gewichen/ und
doch beſorgt und gekoſtet worden; Es kan ſeine Dolmetſchung gar wohl
beſtehen/ fuͤrwar des Todes Bitterkeit iſt gewichen durch den Troſt und
freudige reſolution, gleich wie ein Krancker von einer bittern Purgatz mit
Zucker uͤberzogen ſagen moͤchte: Die Bitterkeit iſt ihm vergangen/ nicht
als duͤrffte er den Tranck nicht zu ſich nehmen; oder wie Socrates das
Gifft getruncken/ und ſeinen Freunden eines gebracht als einen Geſund-
heit-Truck.


III. Solatii cauſam,Die Quell ſolches Agagiſchen
Fahr-Troſts;
Fragſtu von der Vrſach? Er muß ein gewaltig funda-
ment
gehabt haben/ er muß etwas gewuͤſt haben/ daß er ſo getroſt an den
Tod gangen/ darauff er getrotzt; was doch? freylich keinen oder doch ei-
nen ſchnoͤden Troſt/ es war ein ſelbſt-gemachter Muth/ Grund-Glaub-
Hoffnung- Heil- und Troſt-loſer Muth/ dann die Heyden haben keinen1. Theſſ. 4,
13.

Troſt noch Hoffnung/ oder iſt was da geweſt/ ſo wars umbra famæ, ein
Vernunfft- und Ehr-loſer Schein eines guten Namens oder Helden-
Ruhms/ wie auch die gottloſeſten boͤſen Buben in flagranti peccato,
mitten in der Suͤnde/ in duell und Balgereyen/ die ruchloſen Soldaten
getroſt an den Tod gehen/ daß man ſie fuͤr dapffere Cavallir halte; viel
wahrhafftiger wiewohl furchtſamer redet von dem Handel der Heydniſche
Kaͤyſer Adrianus: Animula, vagula, blandula, quò nunc abibis in loca?
Ach mein liebes Seelelein/ wo wirſtu ietzt fahren hin?


Alſo muß man des Todes Bitterkeit nicht vertreiben; Gott der
Heilige Geiſt ſtellet uns ein ander gewiſſer Exempel fuͤr Augen/ einen alten
Rabbi zu Jeruſalem/ von dem ſollen wir lernen die Artzney wider den Tod/
den rechten Fahr-Troſt/ der ſaget: Nun läſſeſtu deinen Diener
im Friede fahren!
hoc ſolatium ſolatiorum, das iſt Troſt uͤber alle
Troſt! Alſo/ alſo und nicht anders muß man des Todes bittere Gifft
durchſuͤſſen und verjagen. Das iſt die rechte Wohlfahrt nach der langen
Wahlfahrt/ und heiſſet/ wie gehoͤrt/ ἀπολύσεως ſolatium,der Fahr-
Troſt/
von welchem in der Furcht des Herren anietzo erbaulich zu
handlen/ wolle Gott von oben herab die Gnade ſeines Heiligen Geiſtes
mildiglich verleihen/ umb Jeſu Chriſti willen/ Amen.


O o o 3Wi
[478]Die Neun und Dreiſſigſte (Dritte)

WJe laut dann Simeons Toden-Troſt oder Fahr-Troſt?
mit einem Worte: Jm Frieden! Nun laͤſſeſtu deinen
Diener im
Friede fahren. Verſtehe durch den Frieden
nach Art der Hebreiſchen Sprache alles gutes/ Gluͤck/ Heil/ Segen/
Freude und Wonne/ ſampt einer ehrlichen Beſtattung. Du
beſchereſt mir ἀπόλυσιν pacatam,eine erwuͤndſchte/ geſegnete/
gluͤckſelige/ erfreuliche/ ſanffte/ ehrliche und willige
Freuden-
Fahrt.
Dann gleich wie in heiliger Schrifft der gewaltſame
Schand-Todt der maleficanten heiſſet loſchalom, 1. Reg. 2. nicht
mit
Frieden/ ſondern mit Blut/ wie David auff ſeinem Tod-Bette
ſeinem Sohne dem Salomon befahl dem Joab ſein Recht anzuthun:
*Thue/ ſprach er/ Joab nach deiner Weißheit/ daß du ſeine
graue Haar nicht mit
Frieden/ das iſt/ mit Blut hinunter in
die Hoͤlle bringeſt.
Alſo im gegentheil heiſſet der natuͤrliche/ ehrliche
Gen. 15, 15.Tod ein gluͤckſeliger Tod; Alſo ſprach Gott zu Abraham Geneſ. 15.
Du ſolt fahren zu deinen Vaͤtern mit Frieden/ und in gutem
Eſa. 57, 2.Alter begraben werden; dann die Gerechten werden wegge-
rafft fuͤr dem Vngluͤck/ und die richtig fuͤr ſich gewandelt ha-
ben/ kommen zum
Friede/ und ruhen in ihren Kammern.


* 1. Reg. 2, 6. 9. Confer Ier. 4, 4. quanquam etiam qui violenter moritur,
ſi in Chriſto moritur, beatè moritur, vide Auguſt. l. 1. de civ. D. c. 11. in Pſalm. 33. \&
epiſt. 122. confer Criſin D. Chemnit. de tragicis mortibus in harmon. pag 2103.
\& ſeqq.


In ſpecie aber beſtehet ſolcher Fahr- und Frieden-Troſt
I.in der innern Gewiſſens-Ruhe und Friede/ in holdſeliger
harmoniâ aller affecten/ da kein Klaͤger fuͤrhanden/ kein Wurm naget/ kei-
ne Hoͤlle plaget; iſt mit einem Wort ein geſundes/ gutes/ geheiltes/ doch vor
2. Cor. 1, 12.
Auguſt. l.
contra Ma-
nich. c. 1.
Senti de
Auguſtino
quod li-
bet, ſola
me conſci-
entia in o-
culis Dei.
Gott wegen anklebender Schwachheit demuͤtiges Gewiſſen: ein unſcheues
Gewiſſen/ da einer getroſt ſagen kan: Jch darff fuͤr niemand bleich oder
roth werden/ ich darff mich meines Gewiſſens ruͤhmen/ dann unſer
Ruhm iſt das Zeugnuͤß unſers guten Gewiſſens/
man ſag von
mir was man wolle/ Allein mein Gewiſſen klagt mich nicht an fuͤr Gottes
Augen/ ſchreibet Auguſtinus: Es gibt irgend Schlutthunde/ die nach
dem Tode herfuͤr wuͤhlen und uͤbel nachreden/ aber ein gutes ruhiges Ge-
wiſſen
[479]Predigt.
wiſſen iſt/ das ſchlaffen kan wie Petrus im Kercker/ in der [cuſtodi] zwiſchenAct. 22, 6.
zweyen Kriegs-Knechten. Das iſt auch Simeons Troſt/ wann er
ſaget: Nun laͤſſeſtu deinen Diener im Friede fahren/ als wolt
er ſagen: Jch kan nun wohl und ruhiglich einſchlaffen/ ich bin ſo getroſt
und gutes Muths/ daß ich froͤlich darauff ruhen und ſchlaffen kan: Jch
gehe in eine finſtere Kammer dem Leibe nach/ Jch werde aber imPſ. 17, 15.
Liecht wider erwachen nach Gottes Bilde. Laſter und boͤſe Tha-
ten laſſen einen nicht ſchlaffen/ welchen locum communem Cicero pro
Roſcio
gar artig tractiret/ und beweiſet/ daß des Clolii Tarracinenſis
Kinder keine Vater-Moͤrder ſeyen/ dieweil ſie die Thuͤren offen gelaſſen/
und alſo ruhiglich geſchlaffen; dann niemand bildete ihm ein/ daß es
moͤglich waͤre/ wann einer eine ſolche boͤſe That begangen haͤtte/ daß er ohne
Sorge nicht allein ruhen und ſchlaffen ſolte/ ſondern auch nicht ohne
Furcht Hoffnung haben koͤnte. Einem iedweden ſind ſeine eigene Laſter
ſeine Furien/ dieſe ſind der Gottloſen Furien und ſtaͤte Hauß- oder Plag-
Teufel/ welche ſie Tag und Nacht nicht ruhen laſſen/ ſonderlich am letzten
Ende/ im erſten Antritt der Ewigkeit/ wann der Mund kein Wort mehr
ſpricht/ ſo liſet das Gewiſſen die Vergicht. Contra Stephani AngeſichtAct. 6, 15.
leuchtete wie eines Engels Angeſicht/ Vrſach/ es war erleuchtet von rei-
nem/ unbeflecktem/ unverletztem/ und daher unerſchrockenem Gewiſſen.
Gleich wie nun die Laſter nicht laſſen ſchlaffen/ weder leiblicher noch geiſt-
licher weiſe: Alſo im gegentheil die Freyheit von denſelben laͤſſet wohl
ſchlaffen; Soll ich nun (will Simeon ſagen) zur Ruhe und ſchlaffen
gehen/ ey ſo weiß ich/ daß ich werde wohl einſchlaffen/ dann ich bin mir
nichts boͤſes bewuſt.


II.Jn dem hoͤhern Friede der Huld und Gnaden Got-
tes/ im Frieden Gottes/ der hoͤher iſt als alle Vernunfft:
JnPhil. 4, 7.
der Goͤttlichen Friedens-Burg/ die niemand ruiniren/ kein Dieb erſtei-
gen/ kein Pfeil erreichen kan; Jch habe uͤber mir einen gnaͤdigen Gott/
darumb alle Stunden/ alle Augenblick bin ich bereit/ dann ich weiß/ daß
ich ſterbe in dem Namen Chriſti meines Heilands/ dem und nicht mir
lebe/ dem und nicht mir ſterbe ich/ ich komm in die himmliſche Gnaden-
Schos meines rechten Vaters/ den ich hie nur im dunckelem Wort ge-
ſehen/ der Heilige Geiſt wird mich begleiten ins rechte Vaterland/ mir
ſchoͤne Gedancken in meinem Tod-Bette beſcheren/ und alle Thraͤnen abwi-
ſchen; die Engelein werden mich auffnehmen und anlachen/ es wird mir
gehen wie einem Kinde/ das biß dato in Mutterleibe gelegen/ aber ſo bald
es ans
[480]Die Neun und Dreiſſigſte (Dritte)
es ans Tageliecht kommet/ gewaſchen der Mutter in den Schos geleget/
wird es von Vater und Bruͤderlein gekuͤſſet: Alſo auch ich/ werde in ſal-
vo conductu divino,
in Goͤttlichem Geleit hinfahren/ in ein ander him-
liſches Leben kommen/ und da von allen Außerwehlten begruͤſſet/ gekuͤſſet
und liebfreundlichſt angenommen werden.


III.Jn euſſerlichem Frieden/ zu Friedens-Zeiten iſts ein
groſſes Gluͤck/ wann man von einem Ort zum andern reiſen/ ſchiffen/ fah-
ren kan ohnangefochten: Aber zu dieſen betruͤbten Kriegs-Zeiten iſts wohl
ſchwer reiſen/ da man alle Augenblick des Raubs/ der Schlaͤge/ ja des To-
Hiob. 7, 1.des ſelbſt zu befahren: So gehets einem Chriſten: Er muß immer im
Streit ſeyn/
innerlich plaget ihn die Suͤnde/ euſſerlich der Teufel/ die
Welt; die iſt die groſſe Mord-Grube! wo der Menſch offt meynt/ er ſey am
allerſicherſten/ da ligt alles voll Strick und Tuͤck/ voll Peſt und Gifft/ voll
Mord und Todes-Gefahr: Alſo dieſes gegenwaͤrtige Kriegsweſen/ das
macht das Leben ſauer/ ſonderlich auff dem Lande/ wo Durchzuͤge und
Einquartierungen ſind/ da es immer heiſſet/ bring her/ bring her! Aber
Simeon ſagt: Jch fahr im Frieden/ frey von allen Freybeuthern/
Moͤrdern/ frey von aller ranzion, dann ich komm in das aſylum, in die
Apoc. 14,
13.
rechte ewige Freyheit/ frey von aller Arbeit/ von aller contribution, von
aller Furcht; frey von der Erb-Suͤnde/ von der Wurtzel alles ſuͤndlichen
Rom. 6, 7.
1. Cor. 15,
54.
2. Cor.
5, 4.
Lebens/ von welcher der Menſch alſobald befreyet wird im Tode/ das
ſterbliche wird verſchlungen von dem Leben/
gleich wie das Feuer
einen Tropffen Waſſer verzehret; Ja auch euſſerlich frey von aller Kuͤm-
mernuͤß und Truͤbſal. Solchen ſeligen Freyherren-Stand meynet der
2. Reg. 22,
20.
Herr/ wann Er von Joſia ſagt 2. Reg. 22. Jch will dich zu deinen
Vaͤtern ſamlen/ daß du mit
Frieden in dein Grab verſamlet
werdeſt/ und deine Augen nicht ſehen alle das Vngluͤck/ das
ich uͤber dieſe Staͤtte bringen will.
Deßgleichen wann er Daniel
Dan. 12, v.
ult.
ſelbſt parentirt Dan. 12. Du aber Daniel gehe hin/ biß das Ende
komme/ und ruhe/ daß du auffſteheſt in deinem Theil/ am En-
de der Tage.


IV.Jn und zu dem Frieden der druͤben iſt in jenem
Eſa. 57, 2.himmliſchen Fried- und Freudenreichen Leben; Die Gerechten
werden hingerafft fuͤr dem Vngluͤck/ und kommen zum
Friede;
Ja freylich zum Frieden/ zu dem Gott des Friedes/ zu dem Frieden-Fuͤrſten
Jeſu Chriſto/ zu der Freude und Fried im Heiligen Geiſt/ zu den Engeln
des
[481]Predigt.
des Friedes/ der friedliebenden Geiſtern/ zu dem ewigen/ unzerſtoͤrlichen
Frieden/ keine Qual ſoll ſie nim̃er ruͤhren/ daß daher der verlarvte Samuel
1. Sam. 28. ſich ſelbſt verrathen/ und die Klauen allzuheuͤter herfuͤr gethan/1. Sam. 28,
15.

als er ſaget: Warumb haſtu mich unruhig gemacht? An den
Ort des Friedes/ nicht in den limbum oder Vorburg der Hoͤllen/ da Si-
meon
irgend haͤtte muͤſſen leiden pœnam damni, den Verluſt des gna-
denreichen Anſchauens oder Angeſichtes Gottes/ wie der vermeſſene Jeſuit
Cornel. à Lapide uͤber dieſe Wort commentirt/ ſondern in aſylum, in dieCornel. à
Lap. in h. l.
p.
59.

Freyſtatt/ das himmliſche Jeruſalem/ das Buͤndlein der Lebendigen/ in
den Schos Abrahæ/ in das ewig-gruͤnende himmliſche Paradiß; dem
Leibe nach werde ich in den Acker Gottes geſaͤet/ in die Schlaff-Kammer
geleget/ da meine Beine bewahret werden/ daß deren nicht einesPſ. 34, 21.
zubrochen wird/ und ob ſie zerſtreuet und eingeaͤſchert werden/ ſollen ſie
doch nicht verlohren ſeyn/ ſondern ergaͤntzet werden/ und ob ſie gleich von
Schlangen und Wuͤrmen verzehret werden/ ſollen ſie doch unverſehrt in
Gottes Hand erhalten/ und gantz ohne Abgang widerumb erſtattet
werden.


V.Jn dem verheiſſenen Friede. So getroſt waͤre Si-
meon nimmer geweſt/ wann er nicht literas ſalvi conductus, Brief und
Siegel daruͤber gehabt/ nemlich das Wort Gottes/ nach dem Wort Got-
tes/ wie du geſaget haſt; das machet mir ein ſolch Hertz/ wie dem
Adam ſein Vivat, Chava oder Eva/ wie dem Hiob ſein Scio, wann er ſaget:Gen. 3, 20.
Iob.
19, 25.

Jch weiß/ daß mein Erlöſer lebet: Ja das verbum ſpeciale, die
ſonderbare Erleuchtung und Antwort/ ſo mir von dem Heiligen Geiſte
worden/ in welcher mir beydes verheiſſen/ die Anſchauung des Meſſiæ/ und
ein ſanffter/ friedſamer Tod; Gleich wie der jenige/ der einen guten Paß
hat/ allenthalben durchkommt: Alſo iſt das Wort Gottes ein ſolcher Paß/
mit dieſem Paß muͤſſen wir uns beyzeiten gefaſſet machen/ das iſt/ wir muͤſ-
ſen einen reichen Schatz ſamlen von Evangeliſchen Troſt-Spruͤchen/ ſon-
derlich Joh. 5. deren man in der Noth ſich zu bedienen/ und den SprungIoh. 5, 24.
darauff zu wagen; Wohlan/ es gehe gleich wie es woll/ mein Glaub wird
mich nicht triegen/ ich weiß wohl wo ich bleiben ſoll/ Gottes Wort kan mirPſ. 27, 8.
nicht luͤgen/ in ewiger Freud iſt mir bereit/ bey Gott ein herrlichs Leben/
darauff gewagt/ harr unverzagt/ Er wirds gewißlich geben.


Dieſes iſt alſo Simeons ſanffter/ friedſamer Tod/ an wel-
chem wir eine neuelection zu lernen haben/ daß nemlich der Glau-
Sechſter Theil. P p pbigen
[482]Die Neun und Dreiſſigſte (Dritte)
bigen Tod ein friedſamer Tod/ eine Frieden-Fahrt ſey/ daß ſie
fahren aus dem Streit/ aus dem Gefaͤngnuͤß/ in dem innerlichen Hertzens-
und Gewiſſens-Friede/ in dem euſſerlichen Friede/ in dem Goͤttlichen
Gnaden-Friede zu dem rechten/ ſeligen/ ewigen Friede; So ſchrecklich nun
der Gottloſen Tod iſt/ deren Wurm naget/ ob ſie ihn gleich bißweilen traͤn-
cken/ ſo hoͤret er nicht auff: ſie haben einen zornigen Gott/ der ſchleudert
ihre Seelen in die Rapus hinaus/ das iſt ein ſchrecklicher Tod. Schreck-
, Chron.
11, 13.
lich iſts unter dem Hencker ſterben/ aber am allerſchrecklichſten wie Saul
in ſeinen Suͤnden ſterben; Zu ſolchen Leuten mag man wohl ſagen wie
2. Reg. 9,
18, 19.
Jehu Jorams Einſpaͤniger: Malecha uleſchalom,Was gehet
euch der Friede an?
So ſelig und koͤſtlich iſt im Gegentheil der Glau-
bigen Tod/ weil er im Friede geſchicht/ auch deren Glaubigen/ ſo eines ge-
waltſamen Todes ſterben/ wann ſie nur in Chriſto abtrucken/ ſo iſt es ein
Auguſt.
ep.
122.
ſanffter/ friedſamer Tod; Quid intereſt, ſchreibet Auguſtinus, febris an
ferrum de corpore ſolverit? non quâ occaſione exeant, ſed quales ad
ſe exeant, Deus attendit in ſervis ſuis;
Was ligt daran/ ob Leib und Seele
durch ein Fieber oder durchs Eiſen getrennet werden? ſintemal Gott
an ſeinen Knechten nicht ſchauet/ durch was Gelegenheit/ ſondern wie ſie
zu ihm aus dieſer Welt gehen.


Es iſt wohl ein koͤſtlich Kleinod der Statt-Friede/ wann einer in
2. Reg. 4,
13.
ruhiger poſſeſſion unter ſeinem Volck wie dort die Sunamitin ſitzt; Der
Hauß-Frieden/ der Collegial- und Zunfft-Frieden/ wann ſich einer durch-
ſchlagen kan/ daß ihn iederman zu frieden laͤſſet; Aber es iſt rar, und kan
nicht allezeit erhalten werden; niemand hat laͤnger Ruh als ſein Nachbar
will/ wann ſich einer gleich zur Ruhe begeben/ und alle Welt-Haͤndel quit-
tiren wolte/ wird er doch in die Laͤnge nicht unangefochten bleiben; Jener
Statt-Vogt beym Adriano mit Namen Similis, nach dem er Vrlaub
bekommen/ hat ſieben Jahr auff dem Lande gelebt/ nach ſeinem Tode/ hat
er befohlen/ auff den Grab-Stein zu hauen dieſe Wort: Hîc jacet Simi-
lis, cujus ætas multorum annorum fuit, ipſe ſeptem duntaxat vixit an-
nos,
Hie ligt der Statt-Vogt Similis, deſſen Alter ſich auff viel Jahr er-
ſtrecket/ er hat nur ſieben Jahr gelebet. Aber dieſer Similis hat wenig Similes
und Mit-Bruͤder. Was wollen wir ſagen von dem allgemeinen Land-
Frieden/ der edlen Irene: die iſt der Kuͤnſte Beſchirmerin/ der Kirchen
Ernehrerin/ und des gemeinen Weſens Kron/ aber wie theuer? die von
Act. 12, 20.Tyro und Sidon muſten den lieben Frieden zu Herodis Zeiten von Blaſto
theuer gnug kauffen. Wer ein bißlein Frieden in der Welt haben will/
der muß ihn faſt mit Eſels-Gedult erhalten; und wann wir ihn gleich
haͤtten/
[483]Predigt.
haͤtten/ ſo iſt er doch unteutſch/ untreu/ unbeſtaͤndig/ ſtehet auff Triebſand;
Gleich wie die Sonn ſelten ohne Wolcken/ alſo auch der Friede ohne Auff-
ruhr und Vnruhe. Es iſt ein ſchaͤdlicher Friede/ dann der Welt- und
Land-Friede hat Sodom den garaus gemachet; Der Friede hat eine
Stieff-Tochter/ die heiſſet Securitas, die ſchnoͤde Hoͤll-ſtuͤrtzende Sicherheit/
deren Ottergezuͤcht iſt die Vndanckbarkeit fuͤr die Himmel-trieffenden
Wolthaten Gottes. Dannenhero Naſica, ein Rathherr zu Rom/ als er ge-
hoͤret/ daß ein Friede auffgerichtet worden/ nach dem die Statt Carthago
gantz verheeret und zerſtoͤret/ geſagt: Nun ſtehen unſere Sachen gefaͤhrlich.


Es iſt ein Stuͤck-Friede/ der nicht zu allem Schaden tauglich und
genug iſt; dannenhero Plutarchus ſchreibet/ Fuͤr das Zipperlein hilfft kein
Semiſcher oder anderer herrlicher Schuh/ fuͤr das Gliederwehe kein koͤſt-
licher mit Edelgeſteinen verſetzter Ring/ fuͤr das Kopffwehe keine guͤldene
Koͤnigliche Kron; Alſo auch die Gewiſſens-Wunde/ Gewiſſens-Blat-
tern/ und darauff folgende Gall-Bitterkeit des ſchwartzen Todes laſſen ſich
mit nichts vertreiben/ als mit dem honigſuͤſſen Evangelio/ ſo in den Bien-
Koͤrben der Cantzel/ des Tauffſteins/ des Beichtſtuls/ des Tiſchs des HEr-
ren/ des Loͤſe-Schluͤſſels zu finden. Tritt iemand dieſen Honig mit Fuͤſſen/Ioh. 5, 24.
der muß mit Wermuth und Entzian in der Hoͤllen buͤſſen. Warlich/
warlich ich ſage euch:
(ſpricht der Herr der nicht luͤgen kan.
Hoc dixit Dominus; ſi parum promiſit, ſi adhuc parum? juravit, Au-
guſtin. in Pſal.
110.) Wer mein Wort hoͤret/ und glaubet dem
der mich geſand hat/
(wer geiſtlicher weiſe dieſes mein honigſuͤſſes
Evangelium und Troſt-Wort iſſet/ wie Simſon; davon ſeine AugenIud. 14, 9.
1. Sam.
14,
27.

erleuchtet und erwackert wie Jonathan/) der hat das ewige Leben.
Jſt kein Vogel auff dem Dache/ er hat das ewige Leben ſchon in der
Hand/ er kommt nicht in das ſtrenge Gericht/ ſondern er findet
alsbald ſeinen Fuͤrſprecher und Mittler Chriſtum/ der dem Wuͤrg-Engel
gebeut/ und ſagt: Laß deine Hand ab/ laß mir dieſen gehen/ er iſt ge-2. Sam. 24,
16.

zeichnet/ ſondern er iſt vom Tod zum Leben hindurch gedrungen/
das iſt/ er hat den Tod nicht recht geſehen/ iſt in einem hui uͤber das To-
den-Meer hinuͤber geflogen. Ein ſolch Evangelium iſt lauter Milch und
Honig: es gibt Krafft und Safft/ iſt das beſte Pflaſter wider die gifftige
Sterb-Druͤſe/ alſo muß man des Todes Bitterkeit vertreiben.


Jſt dem alſo/ ſo laſſet uns dem Evangelio und deſſen Friede
nachjagen/ der hoͤher iſt als alle Vernunfft/ dem innerlichenPhil. 4, 7.
P p p 2Friede/
[484]Die Neun und Dreiſſigſte (Dritte)
Friede/ dem Gnaden-Friede Gottes/ dem euſſerlichen Friede/
auff daß zu ſeiner Zeit folge der ewige Friede! Es muß einmal ſeyn/
wir muͤſſen davon/ unſere Statt heiſſet nicht Veſteburg oder Him-
mels-Burg/
ſondern Straßburg; darumb beyzeiten gefaſſet ge-
macht zur Straß und Fahrt/ auff daß wir in dieſem groſſen Vnfrie-
den den beſten beſtaͤndigen Frieden erlangen/ und unſere Seelen errettet
werden moͤgen. Der weltlichẽ Sodomæ Feuersbrunſt iſt vor der Thuͤr; Er-
rette lieber Menſch nit deinen Acker ꝛc. ſondern deine Seel/ gaffe nicht nach
andern Exempeln/ ſondern ſihe auff dich! deine Seel/ ſag ich/ errette/ dann
was hilffts dem Menſchen/ wañ er aller Welt Guͤter gewinnet/ und Scha-
den leiden muͤſte an ſeiner Seele? So viel tieffer der Menſch ſein Hertz ver-
ſencket in die zeitliche Guͤter/ ſo viel tieffer in die Hoͤll; Ein ieglicher ſey
ſelbſt ſein beſter Seelſorger! die Jungen gedencken/ daß man zu Marcke
bringe ſo viel Kalbs-Haͤute als Kuͤh-Haͤute; die Alten ſehen ſich vor/ daß
ſie nicht erſt in dem letzten Anfuhrt Schiffbruch leiden; Jm uͤbrigen ſoll
man auch ſeine Seele in Gedult faſſen/ und ſich nicht allzuſehr bekuͤmmern
uͤber die Toden/ dañ unſere ſelige Toden ſind im Friede: Ey ſo gebe man ſich
zu frieden! iſt eben als wañ eine Mutter ihr Kind in eine Feſtung gebracht/
und ſie unter den Moͤrdern und Raͤubern waͤre/ mehr fuͤrs Kind als fuͤr
Ioh. 11, 11.
Gen.
46, 4.
ſich ſorgen wolte; Lazarus unſer Freund ſchläfft/ ey ſo laß man ihn
ſchlaffen/ biß er erwache am Juͤngſten Tage. Dannenhero auch den Toden
die Augen zugetruckt werden/ damit ſie den Schlaffenden aͤhnlich ſehen.
Iſid. Peluſ.
l. 2. ep.
173.
Iſidorus Peluſiota fragt warumb Chriſtus uͤber dem toden Lazaro gewei-
net? gibt darauff die Antwort/ Er hab darumb geweinet/ daß er ſeine
Herrligkeit zu erweiſen/ den jenigen/ der aus dem wuͤtenden Meer an dem
Port angeſegelt/ widerumb ſolte durch die Aufferweckung in das Meer ver-
ſetzen; daraus abzunehmen/ daß uns nicht zu wuͤndſchen waͤr/ unſere ſelige
abgeleibte Freunde widerumb in dieſer Welt zu haben/ und ſie von der er-
langten Kron und Ruh/ in den Streit und Vnruh zu ſetzen/ præmiſimus
non amiſimus,
wir haben ſie zuvor hingeſchickt/ ſie ſind nicht verlohren;
Iob. 42, 12.
13.
Gott hat dem lieben Job alles/ was er verlohren/ doppelt erſtattet/ vier-
zehen tauſend Schaf/ ſechs tauſend Camel/ tauſend Joch Rinder und
tauſend Eſel/ aber die Kinder hat er ihm nicht gedoppelt/ ſondern wie viel
er zuvor gehabt/ ſieben Soͤhne und drey Toͤchter gegeben/ Vrſach/ die vori-
gen waren nicht verloren/ ſondern præmittirt und zu Gott vorhin geſendet.


Vnd das iſt auch unſer aller Troſt in der bittern Todes-
Noth; Alſo muß man des Todes Bitterkeit vertreiben!
Hey-
den
[485]Predigt.
den haben keinen Troſt/ ob ſie wohl ſich vaniſſimè vergebens und ohne
Grund und Hoffnung getroͤſtet*. Alles vergebens und umbſonſt! wann
ein Heyd oder heydniſcher Menſch ſtirbt/ ſo heiſſet es fuit, er iſt geweſt.
Auguſtus der Roͤmiſche Kaͤyſer hat viel Jahr gluͤckſelig und herrlich re-
giert/ aber da iſt kein Schatten mehr von ihm uͤber/ Fuit, Er iſt einmal in
der Welt geweſen/ aber er iſt nicht mehr. Kaͤyſers Severi letzte Wort ſind
geweſen: Omnia fui, \& nihil mihi prodeſt, Jch bin alles und der hoͤchſte
geweſt/ aber was nuͤtzts mich ietzo da ich davon muß? Cyrus befihlet nach
ſeinem Tod bey ſeinem Grab ſein koͤſtliches Leib-Pferd der Sonnen zu
opffern/ und außzuruffen: Hîc Fuit Cyrus Aſiæ Dominus, Da
ligt der groſſe Herr uͤber gantz Aſia/ er iſt einmal geweſen/ aber er iſt nicht
mehr. Was ſagt aber unſer Herr Chriſtus von Abraham/ JſaacMatth. 22,
13. 32.

und Jacob/ und allen dero Nachfolgern/ glaubigen Abrahamiten? Sie
ſind nicht geſtorben/ ſondern ſie leben Gott. Hie nicht Fuit, ſondern
Est. Dieſes Troſt-Troͤpfflein erquicket die Seel mehr in der letzten
Noth/ dann ein gantz Faß voll Perlen und Krafft-Waſſer.


* Wie zu ſehen bey Platone in Phœdone, Herodot. l. 7. p. 401. Cic. l. 1.
Tuſc. qq. l. 5. ep. fam. 16. Senec. in conſol. ad Polyb. \& Martiam. Plutarch ad Apol-
lonium \& Vxorem; adde diſp. Theolog. Ioh. Iacob. Grynæi p. 470. confer ſo-
latia funebria veterum Sarmatorum \& Ruthenorum, deſcripta à Boxhornio in
hiſtoriâ Vniv. p.
500.


Papiſten haben keinen Troſt/ das Fegfeuer macht lauter Angſt im
Gewiſſen/ es kuͤhlet nicht. Eigen Verdienſt und eigene Buß/ Welt-
Flucht und Allein-Sucht/ das iſt der blinden Papiſten Troſt. () Philip-() apud
Corn. à.
Lap. ad
Oſ. 2, p.
80.

pus III. Koͤnig in Hiſpanien wuͤndſcht in ſeinem Tod-Bette/ daß ſo viel er
Jahr in der Koͤniglichen Regierung geſeſſen/ er haͤtte in der Einoͤde zuge-
bracht/ und ein Einſidel geweſt waͤre/ wie viel ſicherer und getroſter koͤnt ich/
ſagt er/ ietzo abtrucken/ und fuͤr Gottes Richterſtul erſcheinen? unter die ſe-
mitas ad regnum Dei,
das iſt/ die Himmels-Pfad erzehlet () Bellatminus() l. 1. de æ-
ternâ felic.
c. 8. \&
10.

die merita und Verdienſt/ wer einen Thurn bauen will/ der biß hinauff in
Himmel reichet/ der muß ihme Verdienſtwerck zu wegen bringen! Von
der Edlen Roͤmerin der Paula ruͤhmt er/ daß ſie all ihr Haab und Nah-
rung auff Cloͤſter ſpendirt/ ſich des Fleiſches/ der Eyer und des Weins
gaͤntzlich enthalten/ im Sack gekleidet/ auff der Erden im Staub gelegen/
das ſoll ihr ſemita und Weg ſeyn geweſt zum Himmelreich. Aber O des
leidigen Troſtes! wer darauff bauen will/ der bauet auff Trieb-Sand/ von
einem andern Troſt-Grund werden wir hoͤren in folgender Predigt.


Petrus Damian. epiſt. ad. Teuzonem ait, ſe quendam Sanctum Eremitam
conſuluiſſe de ſe ſuoq́ue ſtatu; an ſcilicet ſibi expediret, Eccleſiæ \& proximis

P p p 3ſervire
[486]Die Neun und Dreiſſigſte (Dritte)
ſervire in Cardinalatu \& Epiſcopatu Oſtienſi: an verò iis abdicatis recipere ſe ad
monaſterium, eò quòd vitam illam activam ſentiret Spiritum ſuum diſtrahere \&
minuere, ejusq́ue profectum impedire. Cui Eremita: Quid prodeſt lucernæ,
ſi aliis luceat \& ipſa ſe flamma vorax conſumat? Quocirca Petrus relicto Epiſco-
patu \& Cardinalatu ad ſuum monaſterium rediit, ibiq́ue totus ſuæ ſaluti \& per-
fectioni vacavit. Ita refert Corn. à lap. ad Oſe. 2. p.
81.


Aber Chriſten haben Troſt/ die ſagen: HERR/ nun läſſeſtu
deinen Diener und Dienerin im Friede fahren/ wie du geſaget
haſt!
die ſchauen den Tod nicht nur an/ ſondern durchſchauen ihn/ gleich
Iud. 14, 8.wie Jud. 14. die Philiſter gehen fuͤruͤber/ finden nichts/ aber Simſon findet
im toden Aaß einen Bienen-Schwarm/ das iſt Troſt/ſchalom,
das iſt Friede/ Freude/ Leben und Seeligkeit/ und lauter Gewinn
fuͤr Verluſt/ fuͤr Suͤnde Gerechtigkeit/ fuͤr Arbeit Ruhe/ fuͤr Krieg Friede/
fuͤr die Sterbligkeit die Vnſterbligkeit/ fuͤr Schande Ehre/ fuͤr Muͤhſeelig-
keit Gluͤckſeeligkeit/ trutz allen Widerwertigen! trutz dem Teufel! trutz der
Welt! Ein wahrer Chriſt ſihet den Tod an als einen morionem, als
einen vermumten Narren/ der den Stachel verlohren/ wie die Maͤrtyrer
mitten in ihrer Marter/ welche auff den gluͤenden Kohlen als auff Roſen
gelegen/ auff den Scheitterhauffen gleich als auff das theatrum zu einer
Comœdi geſtiegen/ auff den Rohſt ſich gleich als auff ein Bette geleget/
in ungezweifelter Hoffnung/ es werde der Oſtertag den Charfreytag/ wie
der Wein im Faß einen Tropffen Waſſer/ verſchlingen: Alſo die Außer-
wehlten mitten in ihrer Kranckheit und Todes-Schmertzen ſingen:
Mit Fried und Freud ich fahr dahin in Gottes Willen/ getroſt
iſt mir mein Hertz und Sinn/ ſanfft und ſtille/ wie Gott mir
verheiſſen hat/ der Tod iſt mein Schlaff worden: Darumb/
Ach HERR/ laß deine lieben Engelein am letzten Ende mein
Seelelein in Abrahams Schos tragen/ den Leib in ſeinem
Schlaff-Kaͤmmerlein gar ſanfft ohn einige Qual und Pein
ruhen biß am Juͤngſten Tage! Alßdann vom Tod erwecke
mich/ daß meine Augen ſehen dich in aller Freud/ O Gottes
Sohn! mein Heiland und Genadenthron! HERR Jeſu

Chriſt/ erhöre mich/ ich will dich preiſen ewiglich/
Amen.


Die
[487]Predigt.

Die Viertzigſte Predigt/


Vber den dritten Articul.
Von der ſeeligen Hinfahrt der glaubigen außer-
wehlten Kinder Gottes aus dieſem zeitlichen in das
ewige himliſche Leben.

Aus des geiſtreichen Simeons Schwanen-
Geſang Luc. 2/ 29. 30. 31. 32.


Die Vierte Predigt/


Von der Quell des Fahr-Troſtes dem
Anſchauen des Meſſi
æ.


GEliebte in Chriſto: Jch will nun gern ſterben/
nach dem ich dein Angeſicht geſehen hab/
ſagt derGen. 46,
30.

alte betagte Jſrael zu ſeinem Sohn Joſeph/ da er ihm ent-
gegen gezogen in Egypten/ ins Land Goſen/ ihn zu verſehen/
abgeholt/ als ſie beyde einander umb den Halß gefallen/ ihre
ςοργὰς gegen einander gewechſelt/ nach dem er lange an Joſephs Halſe
geweinet/ ſagt er: Jch will nun gern ſterben/ ꝛc. Jn welchen Wor-
ten er der Patriarch anzeiget I. Cordolium,ſein Hertzeleid;
Er raumet ſeinem Hertzen/ ſchuͤttet ſein Hertz aus/ gibt gnugfam zu verſte-
hen/ wie hefftig ihn bißher ſo viel Jahr der Verluſt ſeines Sohnes Joſephs
geſchmertzet/ von dem er geglaubet/ ein boͤſes reiſſendes Thier habe Joſeph
zuriſſen und gefreſſen; ihn ſchmertzet/ daß er ihn ſo ohne Geleite wegziehen
laſſen/ nicht beſſer Sorg gehabt/ darumb er ſich auch nicht wolt troͤſten laſ-
ſen/ und geſagt: Jch werde mit Leid hinunter fahren in die Gru-Gen. 37, 35.
be/ zu meinem Sohn.


Er zeiget an II. Cordolii ſolatium,den Troſt/ mit wel-
chem er ſeinen bittern Schmertzen verſuͤſſet;
der iſt nun gern
ſterben!
Zuvor hats geheiſſen: mit Leid in die Gruben! ietzt: mit Freu-
den! zuvor ungern/ ietzt gern: zuvor ohn allen Troſt/ ietzt Troſt! die-
weil
[488]Die Viertzigſte (Vierte)
weil mich der Verluſt und vermeynte ſchreckliche Tod meines Sohnes ge-
kraͤncket und gequaͤlet/ ja auff meinem Tod-Bette wuͤrde es mich ange-
fochten haben; Aber ich habe nun erlebet die ſeelige cataſtrophen, den er-
freulichen Tauſch/ nun ficht mich nichts mehr an/ nun habe ich kein Anlie-
gen mehr.


III. Solatii \& gaudii cauſam,Die Vrſach ſolches
Troſtes und Freude;
das war das Anſchauen ſeines Sohnes
Joſeph:
Jch hab zwar/ will er ſagen/ das Evangelium gehoͤret: Dein
Sohn lebet; Aber ich glaubte es nicht/ mein Hertz dachte viel anders:
darauff kamen die Wagen Joſephs/ als ſigilla, Pfand und Wahrzeichen/
da ward mein Geiſt wider lebendig/ da reſpirirt ich ein wenig: Nun mir
aber der Glaube in die Hand kom̃t/ ſo will ich gerne ſterben: moͤcht iemand
ſagen: Warumb gerne ſterben? er haͤtt vielmehr ſollen ſagen: Nun will ich
gerne noch laͤnger leben/ gute ſanffte Tag haben/ ſchlaffen und meines Soh-
nes Herrligkeit recht genieſſen; Antwort: So haͤtt er ſagen ſollen/ wañ ſein
datum auff das irrdiſche nur geſtanden/ er ſahe ſeinen Bilgram Stand an/
daß die Tage ſeiner Wahlfahrt wenig und boͤſe/ ſo war er alt und Lebens-
ſatt/ derowegen hieß bey ihm nur gern ſterben: allein waren ihm ſeine Kin-
der und Kinds-Kinder angelegen/ deren ſiebentzig geweſen/ aber nunmehr
ſie einen ſolchen treuen nutricium und propatrem, ernehrer und Verſorger
bekommen/ Ade! ſo haͤlt mich nichts mehr auff.


Hieran und in dieſem Stuͤck iſt Jacob eintypus Simeonicus,
ein Fůrbild auff den alt-verlebten frommen Simeon und den
himmliſchen Joſeph Chriſtum; auff Simeon/
ſag ich/ der zwar
auch bey ſich betrachtet ἀπόλυσιν mortis \& terrores mortis,die fuͤr-
ſtehende Todes-Gefahr und Schrecken;
aber er hat auch Troſt
und Freude
concipirt und geſchoͤpfft aus dem Friede/ daß nach der
Wahlfahrt im Friede ſeine Wohlfahrt folgen werde; Jetzt kommet er
auff die Grundfeſte des Troſtes: Jetzt/ will er ſagen/ mag man mir
meine Augen zutrucken/ ſie haben genug geſehen/ ſie haben den beſten in die-
ſer und jener Welt Augen-Luſt/ das alleredelſte Kleinod geſehen; Das iſt
die Troſt-Quell und das
thema, ſo wir ietzo in der Furcht des
Herren abhandlen wollen/ nemlich viſio,die edle Schau des
Meſſi
æund Heilandes/ meine Augen/ ſagt er/ haben deinen
Heiland geſehen;
Das gnadenreiche PhœnomenonChriſtus
Jeſus
[489]Predigt.
Jeſus erſcheine uns auch mit des Heiligen Geiſtes Liecht/ Krafft und
Schein/ daß wir ihn recht lernen ſchauen/ hie in der Gnaden-Zeit/ damit
wir ihm getroſt nachſchauen und dort ewig anſchauen moͤgen in der Herr-
ligkeit/ Amen.


SO erzeiget ſich demnach bey dieſer Schau Jeſus alsI. Phæ-
nomenon,
als ein ſchoͤnes Bild und Zweck/ nach wel-
chem er ſeine Augen wendet/
der heiſſet Τὸ σωτήριον das
Kind/ das er an ſeinen Armen gehabt/ gehertzt und getragen/ das nennet er
nicht bloß τὸν σωτήριον adjectivè, nicht σωτηρίαν, ſondern gantz emphatiſch
τὸ σωτήριον, den Heilandindependenter, der da iſt der Brunn des
Heils/ das Horn des Heils/ GOTT hat uns auffgerichtet einLuc. 1, 69.
Horn des Heils in dem Hauſe ſeines Dieners Davids/ und alſo
das Heil ſelbſt. Die Poeten dichten von einem copiæ cornu, das
Jupiter ſeinen beyden Hofmeiſterinnen/ die ihn auffgezogen/ verehret. Dann
als Rhea, Jovis Mutter ihn verſtecket und zwo Nymphen denſelben zu
verammen/ der Adraſtea und Ida gegeben/ welche ihn getraͤncket und auff-
gebracht durch die Milch der Geiß oder Ziege/ ſo Amalthea geheiſſen/ wes-
wegen hernach als Jupiter zu ſeinen Jahren kommen/ hat er die Geiß in
Himmel unter die Geſtirn erhoben/ und das Horn derſelben den Nym-
phen verehret/ als ein Gluͤck- und Wundſch-Hoͤrnlein/ mit einer ſolchen
reichen Krafft geſegnet und begabet/ daß was ſie ihnen wuͤndſcheten/ ihnen
aus dieſem Horn herfuͤr wachſen ſolte: Das iſt eine Fabel und poetiſches
Gedicht. Hie aber finden wir die rechte himmliſche Warheit: Was du
von dieſem Horn wuͤndſcheſt/ bitteſt und begehreſt/ das kan er dir geben/
Heil/ Leben/ Segen und Gnad/ alles in Haͤnden Er hat/ Er iſt der geſegneteGen. 3,, 5.
c,
22, 18.

Weibes-Same/ in welchem alle Geſchlechte und Voͤlcker geſegnet werden.


2. Τὸ σωτήριον Θει῀ον, Ein Göttlicher Heiland; Meine Au-
gen/
ſagt Simeon/ haben deinen Heiland geſehen/ O Gott
Vater deinen Sohn/ den du geſchencket haſt/ welchen die Welt nicht haͤtte
geben koͤnnen. 3. Σωτήριον ἠτοιμασμένον, Ein zubereiteter Heiland/
ein beſchloſſener/ verheiſſener/ fuͤrgebildeter/ ins Fleiſch geſen-
deter Heiland/
ein zubereitetes antidotum wider den Tod; ἱλαςήριον,
Verſoͤhnung und Gnaden-Stul wider das Juͤngſte Gerichte/ ein tro-
phæum
und Siegs-Zeichen wider alle Hoͤllen-Pforten/ ein Name/ auſſer
welchen kein Heil und Seeligkeit zu erlangen/ Actor. 4. 4. Τὸ σωτήριονAct. 4, 12.
Sechſter Theil. Q q qaper-
[490]Die Viertzigſte (Vierte)
apertum,Ein offener und freyer Heiland κατὰ πρόσωπον τῶν
λαῶν πάντων, fuͤr dem Angeſicht aller Völcker/ nach dem Grie-
chiſchen;
Jſt kein Winckel- und Stuͤmpel-Heiland/ ſondern auffge-
Num. 21, 9.
Eſa. 11, 10.
Luc. 2, 9.
2. Cor. 3, 18,
Matt.
17, 2.
richt wie die Schlange in der Wuͤſten; als ein Panier/ wie ein Geſtirn mit
auffgedecktem Angeſicht. 5. Τὸ σωτήριον καθολικὸν, Ein allgemeiner
Heiland aller Voͤlcker;
Das wolten die Juden/ auch die bekehrten
Juden nicht glauben/ die heutigen Juden ſolten wohl noch zehen Meſſias
erwuͤrgen/ als zugeben/ daß der Meſſias auch den Heyden zu Troſt erſchei-
nen werde/ auch der groſſe Apoſtel Petrus/ dem wolts auch nicht in Kopff/
er hielts fuͤr ἀϑέμίτον und unbillich/ biß ihm Gott im Goͤttlichen Geſicht
Act. 10, 34.gezeiget/ Gott habe kein Anſehen der Perſon/ Actor. 10.


Als II. Lumen gentium,das Liecht der Heyden;Lu-
men
οὐσιῶδες, ein weſentliches Liecht mit Vater und dem Hei-
ligen Geiſt;
Ein ewiges/ reines/ unbeflecktes/ geiſtliches/ majeſtaͤtiſches/
1. Ioh. 1, 5.
Hebr. 1, 3.
Damaſc.
l. 1. de O. F.
c.
9.
allkraͤfftiges/ allwiſſendes/ allgegenwaͤrtiges Liecht. Lumen ὑποςατικὸν,
Ein ſelbſtaͤndiges Liecht/ Hebr. 1. Ein Sonnen-Strahl/ der iſt/ wie
Damaſcenus redet: Σμυαῑδιος διὰ τὸ ἀν [...] συνδυασμοῦ, ἀπαθῶς, ἀχρόνως,
ἀῤῥ [...]ςως, ἀχαρίςως γεγεννῆϑζ ἐκ τοῦ πατρὸς, Ohne Zweyung in ewiger Einig-
keit/ ohne Veraͤnderung in ewiger Beſtaͤndigkeit/ ohne Auffloͤſung in ewi-
gem Fluß/ ohne Zeit in der Ewigkeit vom Vater her gezeuget; Lumen
ἐν σωματικὸν, Ein eingefleiſchtes Liecht und Glantz/ der die
Menſchheit als das zarte Jungfrau-Wachs angezuͤndet/ in der Menſch-
heit als einer ſchoͤnen polirten Lucern herfuͤr geleuchtet/ dieſelbe durch-
Ioh. 1, 14.leuchtet/ daß man ſeine Herrligkeit geſehen/ Joh. 1. Eine Herrligkeit als
des eingebornen Sohns vom Vater.
2. Lumen illumi-
nans,
Ein erleuchtendes Liecht/ das vertreibet die ſtockfinſtere Nacht
der Vnwiſſenheit/ die Nacht-Greuel/ da die Jrrwiſche/ die Geſpenſte boͤſer
Exempel/ die heulende Woͤlfe: die Angſt-Nacht in Iatrocinio conſcien-
tiæ,
in dem geaͤngſteten Gewiſſen/ da dem Menſchen nicht anders kan als
vom Teufel traͤumen/ es ſchwanet ihm nichts guts/ er ſchmeckt Feuer;
Liecht her! ſonſt hilfft nichts. Natuͤrliche Liechter finden ein innerliches
Liecht und Cryſtall in den Augen/ dadurch das euſſerliche Liecht empfangen
1. Reg. 6, 15.
16. 17.
und angenommen wird: Aber das rechte Chriſt-Liecht/ das macht Liecht
in den Augen der Hertzen/ thut die Augen auff/ und eroͤffnet ſie/ wie
dort in der Hiſtori von Eliſæ ſeinem des Propheten Diener widerfahren/
der allererſt/ nach dem ihm die Augen wunderbarlicher weiſe eroͤffnet wor-
den/
[491]Predigt.
den/ den himmliſchen ſuccurs fuͤr die Statt Dothan/ die feurige Roß und
Wagen anſichtig worden.


3. Ein erweckendes Liecht/ das aus dem Schlaffe erweckt.
Dem Menſchen gehets wie Petro unter den Kriegs-Knechten/ der EngelAct. 12, 6.
7.

kommet und wecket ihn auff/ ja wie einem Nacht-fertigen Menſchen und
Nacht-Wanderer/ der in groſſer Gefahr gehet/ nennet man ihn bey ſeinem
eigenem Namen/ ſo faͤllet er/ aber wann das Liecht ſcheinet/ ſo wird er er-Eph. 5, 14.
leuchtet und kommt zurecht: alſo gehet es auch einem geiſtlichen blindling/
der gehet ſicher dahin/ als im Schlaff/ wird er ploͤtzlich durch Gottes Ge-
richt angeſchrien und mit Namen genennet/ wie jener reiche Korn-Bauer/
du Narr ꝛc. ſo faͤllet er in Abgrund der Verdamnuͤß: wird er aber vomLuc. 12, 20.
himmliſchen Liecht beſchienen und geleitet/ ſo wird er auch ſeiner Gefahr
gewar/ wacht auff und laͤſſet ſich erleuchten. Alſo gieng es mit Auguſtino,
da er noch ein Manicheer war/ der zog nach Meiland zu keinem andern
Zweck/ als des beruͤhmten Ambroſii eloquentz zu hoͤren; Aber in dem er
ihm zuhoͤret/ iſt mit eingefloſſen gratia excitans, die Weck-Gnade/ die
Weck-Stimm Gottes/ die hat ihn aus ſeinem Jrrthumb und Suͤnden-
Schlaff auffgemuntert und erleuchtet/ daß er ein rechtglaubiger Chriſt
worden; Geſchicht noch heutigs Tages/ wann mancher eines beruͤhmten
Mannes Beredſamkeit zu Lieb in die Kirchen kommet/ dieſelbe zu hoͤren/
oder eine neue Zeitung zu holen/ oder aus Gewohnheit/ aus Fuͤrwitz/ ſo ge-
ſchichts/ daß durch Goͤttliche auffweckende Gnade/ das verborgene des
Hertzens offenbar wird/ daß man den Prediger faſt fuͤr einen Propheten1. Cor. 14,
25.

halten muß/ als der ins Hertz hinein geſehen. 4. Ein leitendes Liecht;
Der Menſch als ein verirretes Schaf weiß weder Weg/ Steg noch Ziel/
aber dieſes Liecht muß ihn erleuchten und leiten auff den rechten Weg;Act. 8, 31.
Alſo ſtehet dieſes Liecht da/ und daſſelbe ad ἀποκάλυψιν ἐϑνῶν, zur Er-
leuchtung der Heyden.
Alles was die Cimmerii in ihrem finſtern
Loch/ die Boreales in ihrer langen Nacht/ die Egyptier in ihrer dick-finſtern
Angſt- und Geſpenſte-Nacht/ Noah in der Arch unter den wilden Thieren/
ein Reiſender/ der von der Nacht uͤbereilet im wilden Wald/ in Furcht der
Loͤwen und Baͤren wuͤndſchen mag/ das iſt hie geiſtlicher weiſe zu finden.


III.Alsgloria,Preiß und Ehr; zum Preiß deines
Volcks Jſrael. Groſſe Ehr/ edles
τὸ περιοσὸν hatten die Juden
fuͤr allen nationen unter der Sonnen/ es war bey ihnen lumen λογίων
Θεοῦ, das helle Liecht des Goͤttlichen Worts ſo ordentlich/ ſo auſſerordent-
lich; die edle politiſche Freyheit/ die anſehnliche Prieſter-Ordnung/ die
Q q q 2Ehr
[492]Die Viertzigſte (Vierte)
Ehr der Verheiſſungen/ Teſtamenten/ Sacramenten/ Wunder/ Woltha-
ten und anders mehr; Vber alles iſt dieſe Ehr/ die da heiſſet Preiß und
Ehr des Volcks Jſrael;
da iſt gloria incarnationis \& con-
ſanguinitatis Meſſiæ,
die Ehr der Menſchwerdung und Blut-
Rom. 9, 5.freundſchafft des Meſſiæ/ Rom. 9. die verdunckelt alle andere/ in der
Welt ſonſt hochgeborne/ hochgeadelte Geſchlechter. Es reiſſen ſich die
Leute umb die Narren-Kapp/ nicht nur die Welt-Leute/ die laſſen ihnen
ihre genealogias ſtellen/ zu vernehmen/ wo ihr Vrſprung herruͤhret/
Alexander M. wolt von Jove Hammonio ſeine Geburts-Lini deriviren/
Clem. Alex. lacht die Myrmidones aus/ daß ſie ſich auffgeblaſen/ ge-
ſchwollen wegen des Jovis, daß er in eine Ameiſſe verwandelt worden/ da-
her der Myrmidonum nation entſprungen ſeyn ſoll; ſondern auch die
Geiſtlichen/ ſonderlich die Carmeliter-Moͤnche wollen einiger Noth von
dem Wundermann Elia und ſeiner Muͤnchen Zucht auff dem Berg
Carmel ſich hergeſchrieben haben/ und hat () einer von denſelben deßwegen
als ein kleiner Jaghund den groſſen Baͤren Baronium angefallen.


() Thomas Aquin. à S. Ioſeph. Carmelita excalceatus in tract. de patriar-
chatu Eliæ contra Baron ann. 444. n.
17.


Gloria præſentationis in templo,Die Ehr der Darſtel-
Hagg. 2, 10.lung in dem Tempel/ da wahr worden die Weiſſagung Aggæi, der an-
dere Tempel war zwar dem euſſerlichen Anſehen nach geringer als der erſte/
Eſdr. 3, 12.die Juden/ die den erſten Tempel geſehen/ weineten druͤber wegen der groſſen
Vngleichheit und Vnterſcheid von dem erſten Salomoniſchen Tempel;
Aber hie iſt mehr als Salomon/ keine ſolche Perſon iſt nie in den Tempel
kommen/ kein Opffer ſo koͤſtlich daſelbſt geſchehen als am Tage der Reini-
gung Mariæ; Gloria reſurrectionis in terrâ Canaan,Die Ehr
der Aufferſtehung im Lande Canaan.
Daß die H. Patriarchen/
Jacob/ Joſeph/ ꝛc. ſo gern im Lande Canaan ſich haben begraben laſſen
Hebr. 11.
22.
wollen/ iſt nicht ohngefaͤhr geſchehen/ ſondern Joſeph hat durch den Glau-
ben und alſo aus Goͤttlicher Erleuchtung Befehl gethan von ſeinen Ge-
beinen/ dieſelbe in dem Lande zu begraben/ da der Meſſias werde begraben
werden/ damit er fein nah bey ihm ſey/ und mit ihm aufferſtehen koͤnne/ wie
dann auch geſchehen/ und viel Leichnam der Heiligen/ und wer weiß ob
nicht auch Simeon? mit Chriſto aufferſtanden/ und gehoffet/ was
Abraham gedacht bey ſeiner zweyfachen Grab-Hoͤle/ und derſelben zwey-
fachen Loche; Sara werde zwar zu einem Loch hinein getragen/ aber zum
andern
[493]Predigt.
andern Loch werde ſie widerumb heraus ſpringen in der ſeeligen Auffer-
ſtehung zum ewigen Leben.


Dieſes iſt dasPhænomenon,das Bild ſo Simeon an-
geſchauet;
Folget nun Phænomeni viſio,die Anſchauung an
ſich ſelbſt; Meine Augen/
ſagt er/ haben ihn geſehen/ nicht nur
haben meine Haͤnde ihn betaſtet; hie ligt er auff meinen Armen/ an mei-
nem Backen/ ſondern in Armen/ Hertz und Augen; O mich ſeeligen und
gluͤckſeligen Menſchen! Wonach ſich ſo viel Koͤnige geſehnet und nicht
geſehen/ das ſehe ich/ Abraham ſahe ihn zwar/ aber in typo, im Fuͤrbilde/
in einem Spiel-Kleide/ in fluͤchtiger Geſtalt; Jch aber ſehe ihn in ſeinem
eigenem Leib/ O mich noch einmal Seeligen! aber noch ſeeliger bin ich/ daß
ich ihn im Glauben ſehe und anſchaue; dann das bloſſe euſſerliche ſchauen
hat auch genoſſen Judas/ 1. Joh. 1. Pilatus hat ihn nicht nur geſehen/1. Ioh. 1, 1.
ſondern auch mit Fingern auff ihn gedeutet; ſolch ſehen hat ſie ſo gar
nichts geholffen/ daß es ihnen vielmehr zufaͤlliger weiſe verdamlich geweſt;
Gleich wie Maria ſeeliger dahero geweſen/ daß ſie Chriſtum im Hertzen/
als unter dem Hertzen getragen: Alſo auch Simeon iſt ſeelig/ nicht ſo
wohl wegen der leiblichen als geiſtlichen Hertzens-Schau; daher kommet
ihm der Friede! das iſt Augen-Weide/ Augen-Luſt/ das iſt der Brunn
des Friedes! die Quell alles Troſts! daher ſagt er: Nun will ich gern
ſterben! dann wie kan ich im Vnfriede fahren/ ſo ich den Heiland hab/ ſo ich
das Liecht hab/ ſo ich hab den Ruhm/ Preiß und Ehr Jſrael? Summa/
wann ich nur dich habe/ ſo frag ich nichts nach Himmel undPſ. 73, 25.
Erden/ und ſpreche: Moſes ſchweige/ du thuſt mir unrecht/ Geſetz ver-
ſtumme/ deine Klage iſt vergebens! hie iſt Jmmanuel! Wer will ver-Rom. 8, 34.
dammen? Chriſtus iſt hie! Darumb mit Fried und Freud ich
fahr dahin nach Gottes Willen/ getroſt iſt mir mein Hertz
und Sinn;
Bringet dieſer Anblick allhie ſolche Freude/ was wird dann
dermahl eins jenes Ehrenſchauen in dem Lande der immerlebendigen
himmliſchen Herrligkeit fuͤr Freude erwecken?


Jſt abermal in unſerer [...]ϑανασία und Sterbe-Kunſt die
vierte
lection, die uns der hocherleuchte RabbiSimeon fuͤrgetragen;
diecauſa, fundamentund Grund der ſeeligen Auffloͤſung
und Abſcheidens iſt
viſio Chriſti,die Anſchauung des HEr-
ren Chriſti;
Wiltu wohl fahren/ ſo muſtu zuvor Chriſtum mit Augen
geſehen haben. Es iſt eine Gewohnheit/ oder vielmehr Schwachheit
Q q q 3unter
[494]Die Viertzigſte (Vierte)
unter uns Menſchen/ daß man pflegt zu ſagen: Ach wann ich nur zuvor
dieſe oder jene Landſchafft geſehen: meine promotion, das Weib/ den Se-
gen/ den mir meine Eltern hinderlaſſen: wann ich nur dieſes Hauß ge-
bauet/ ſo und ſo viel erworben/ diß opus abſolvirt/ den Rechts-Handel zu
Ende gebracht/ wann ich zuvor vollkommene Freude an meinen Kindern
geſehen! lappalia! Kinderboſſen ſinds! Ein rechter Chriſt gedencket und
redet anders: Wann ich nur zuvor meinen Meſſiam recht geſehen! das
iſt meine Augen-Luſt/ meine Hoffart/ meine Geiſtes-Luſt! nicht Fleiſches-
Luſt; Moͤchte hie ein einfaͤltiger Menſch einwenden: Ja wann er mir
auch erſchiene wie Simeon/ O wie wolte ich ihn hertzen/ trucken/ ergetzen/
wie wolte ich meine Angſt/ meine Anfechtung vergeſſen/ wann ich ihn auch
mit dieſen coͤrperlichen Augen ſehen koͤnte! Aber horch/ wann du gleich
zu Simeons Zeit gelebet und ihn euſſerlich geſehen haͤtteſt/ vielleicht moͤch-
teſtu dich an ihm geſtoſſen haben/ was hats Herodem genutzet/ daß er Je-
() l. 17. an-
tiq́; \& l. 1.
de [bello]
Iud. c. ult.
ſum jaͤngſt gern geſehen? () Joſephus der Juͤdiſche Geſchicht-Schreiber
zeigt wunder-erſchrecklich Ding an/ von dieſes Tyrannen ableiben und
letzten Hinfahrt aus dieſer Welt/ daß er erlahmet und erkrummet an allen
ſeinen Gliedern/ hatte die Gelbſucht/ einen keichenden ſchweren Athem/
geſchwollene podagriſche Schenckel/ eine abſcheuliche Kraͤtzen am gantzen
Leibe/ ſeine Gemaͤchte und heimliche Ort verfauleten und ſtuncken der-
maſſen/ daß niemand umb ihn bleiben mochte/ ſein Fleiſch wimlet von
lauter Wuͤrmen/ ꝛc. mit dieſen Quaͤlungen und Peinen kam er in die
ewige Pein. Was nutzets Pilatum/ Caipham/ Judam/ daß ſie ihn
Ioh. 20, 29.leiblich geſehen und angeſchauet? Darumb ſeelig ſind die nicht
ſehen und doch glauben!
Du ſiheſt ihn ja gnug mit Glaubens-
Augen im Wort und Sacramenten/ gleich wie ein Blinder ſihet die Son-
ne nicht/ mercket aber deroſelben Strahlen/ alſo ſihe/ dort ligt das Kind in
den Windlein des Worts und der Sacramenten/ und da ſiheſtu ihn viel
gewiſſer/ dann dein Geſicht kan dich betruͤgen/ aber Gottes Wort nicht!
ἡ αι῎ϑησις ἡμῶν [...] εξαπἁτητος, ὁ δὲ λόγος ἀυτοῦ ἀπαραλόγιςος, ſchreibet
Chryſoſt.
hom. 83. in
Matth.
Chryſoſtomus, Vnſere Sinne koͤnnen leicht irren/ aber Gottes Wort leu-
get und fehlet nicht; Darumb ſo offt du zum Tiſch des Herren geheſt/
ſo ſprich: HERR/ nun laͤſſeſtu deinen Diener im Friede fah-
Gen. 45,
27.
ren/ dann meine Augen haben deinen Heiland geſehen! da iſt
der Wagen Joſephs/ auff welchem du ins himmliſche Goſen einfaͤhreſt/
Gen. 28, 11.
ſeqq.
dieſes iſt der Stand/ hie halt/ wann einen die gantze Welt verlaſſet/ Er
iſt der Grund-Stein/ auff welchem Jacob ſchlaffen gelegen und wohl ge-
ruhet/
[495]Predigt.
ruhet/ ſagt Ambroſ. hie iſt der Schattẽ/ hie iſt das Bildnuͤß/ dort die War-
heit; Schatten im Geſetz/ Bildnuͤß im Evangelio/ Warheit im ewigẽ Lebẽ.


Wehe denen ſich ſelbſt verblendeten Blindlingen/ die nicht ſehen wol-Matth. 23,
16.

len! Jm Papſtumb pranget man in der Woch/ da dieſes Evangelium
tractiret wird mit der Liechtmeß/ Wachs-Kertzen/ Liechter-proceſſion;
Jſt nichts als ein blauer Dunſt/ damit man die Leute abſpeiſet/ unterdeſſen
wiſſen ſie von dem rechten Liecht weniger als der Blinde von der Farbe;
O der verblendeten Leyter! endlich laͤſſet ſichs uͤbel ſterben/ ſie werden zwar
begraben cum lux und crux, aber ohne Chriſto/ Liecht und Creutz ſihet man
genug/ aber daſſelbe Heil- und Liecht-loſe Liecht hilfft nicht wider den Tod;
da heiſts wie D. Philipp Dober einer in ſeinem geiſtlichen Hertzen TroſtDober. p.
113. c. 9. p.
166. \& p.
114. Sche-
rer. in po-
ſtill. p.
93.
94.

ſchreibet: Haſtu uͤbel gelebet/ ſo fuͤrchteſtu dich billich/ haſtu wohl gelebet/
ſo werden deine Verdienſte wachſen; Lang in Zuͤgen ligen und einen har-
ten Tod außſtehen/ geſchicht hie abzubuͤſſen/ und durch Gedult groſſes Ver-
dienſt und Kron zu erlangen. Man zeigt da in der Monſtrantz im Hel-
ligthumb/ einen falſchen Jeſum/ und ſaget: Hie iſt Chriſtus! An ſtatt
Jeſns wird Moſes/ an ſtatt des Evangelii das Geſetz fuͤrgemahlet/
worauff ein traurigs Ade folgen muß/ mit Vnfried und Furcht ich fahr
dahin! bevorab ſo man in der Beicht eine Tod-Suͤnde verſchweiget. Die
gantze Paͤbſtiſche religion ſtehet im Leben und Sterben auff ungewiſſen
Trieb-Sand. Man ſoll ſich erinnern/ ſo lauten die Wort des Lojoliten
Georgii Schereri in ſeiner Poſtill pag. 95. des Doctors zu Pariß/ welcher
dem euſſerlichen Schein nach Chriſtlich gelebet und geſtorben; Aber da
man ihm in der Kirchen/ in Gegenwart der Univerſitaͤt und viel anderer/
die Begaͤngnuͤß hielt/ richtet er aus der Bahr ſeinen Kopff auff und
ſprach: Juſto Dei judicio accuſatus ſum. Jch bin durch das gerechte
Vrtheil Gottes angeklagt worden! Vber welcher Stimme iederman er-
ſchrocken/ alſo/ daß ſie ſeinen Leichnam damahlen nicht begraben/ ſondern
auff den andern Tag ſein Begraͤbnuͤß auffſchieben wolten; Mittlerzeit
wird die Sache lautmaͤhrig/ und laufft des andern Tages noch mehr
Volck in die Kirchen/ da richtet ſich der Verſtorbene widerumb in dem
Sarg auff und ſchreyet: Juſto Dei judicio judicatus ſum! Durch das
gerechte Vrtheil Gottes bin ich gerichtet: Den dritten Tag verſamlet ſich
ſchier die gantze Statt Pariß/ und der tode Menſch hebt ſich uͤber ſich/ und
rufft uͤberlaut: Juſto Dei judicio damnatus ſum, Aus Gottes gerech-
tem Gerichte bin ich verdammt: Daruͤber erſtarret iedermaͤnniglich/ und
kunte niemand ſich gnugſam verwundern/ wie doch dieſer beruͤhmte Do-
ctor/ der euſſerlich ſo fein gelebet und geſtorben/ ſolte verdammt und von
Gottes
[496]Die Viertzigſte (Vierte)
Gottes Angeſicht verworffen ſeyn. Summa/ mors peccatorum peſſi-
ma,
der Suͤnder Tod iſt ſehr boͤß/ er glaͤntze und glintze von auſſen ſo ſchoͤn
er immer wolle/ man kan dißfalls die Außerwehlten von den Verdamme-
Eccleſ. 9, 2.ten nicht gruͤndlich oder eigentlich unterſcheiden/ es begegnet gleich
einem wie dem andern/
ſagt der weiſe Mann/ dem Gerechten wie
dem Gottloſen/ dem guten wie dem böſen/ dem reinen wie dem
unreinen/ dem opffernden wie dem der das Opffer verachtet;

Keine endliche Gewißheit mag daraus geſchloſſen werden/ alle Ding wer-
den als ungewiß biß hernach in die kuͤnfftige Zeit behalten.


* de con-
ſcient. c.
10. p.
152.

Ein anderer Jeſuit *Jeremias Drexelius erzehlet aus Climaco fol-
gende Geſchicht: Es war einer mit Namen Stephanus in einem Cloſter;
Aber weil er das abſonderliche Leben und die Einſamkeit geliebet/ hat er ſich
anderswohin begeben. Vnd zwar erſtlich hat er ſeine Wohnung an dem
Berg Horeb verſetzt: von dannen iſt er gewandert an einen Ort der Ana-
choriten und Einſiedler/ ſo da heiſſet Fides, zu Teutſch/ treu. Dieſer Ort
iſt unbewohnet und von allem menſchlichen Troſt verlaſſen. Daſelbſt hat
er etliche Jahr ein ſehr hartes und ſtrenges Leben gefuͤhret: Am Ende ſei-
nes Lebens iſt er wider in ſeine erſte Wohnung kommen/ allda zween an-
dere Ordens-Leute aus Palæſtina oder gelobten Lande gewohnet. Allda iſt
der von Alter und faſten abgemattete Menſch in die euſſerſte Schwachheit
gefallen. Einen Tag vor ſeinem Tode iſt er ploͤtzlich/ als wann er vom
Donner erſchreckt waͤre/ erſtarret/ hat die Augen ungewoͤhnlich auffgeſper-
ret/ und furchtſam umbher angeſehen die jenigen/ ſo Rechnung von ihm
forderten: Endlich hat er gleichſam als einer/ von dem man Rechnung
fordert/ ſeinen exactoribus und Treibern geantwortet/ daß es iederman
gehoͤret: Es iſt in Warheit alſo! Aber dieſen Schaden habe ich durch
faſten abzuwenden ſo viel Jahr mich bemuͤhet. Bald darauff hat er ge-
ſagt: Nein traun/ dieſes habe ich nicht gethan! hernach abermal; Ja
fuͤrwar! Aber ich habe gedienet/ ich habe geweinet/ und viel Vngemach
erduldet: Ja fuͤrwar/ ſagt er/ ihr redet recht/ und ich kan nichts darauff
antworten; Aber Gottes Barmhertzigkeit iſt unendlich. Es war in der
Warheit/ ſagt Climacus ein abſcheulich und ſchrecklich ſpectacul. Ach/
mein Gott! wird dann von einem frommen Ordensmann/ der viertzig
Jahr ein Moͤnch geweſt/ ein Einſiedler/ der ſich durch faſten gantz abge-
mergelt/ wohl hat weinen koͤnnen/ ſtets fleiſſig gebetet/ aber noch darzu mit
andern Tugenden gezieret/ von einem heilig-beruͤhmten Mann/ der einen
Leopard aus eigener Hand aufferzogen und ernehret/ ſo ſcharffe Rechnung
gefor-
[497]Predigt.
gefordert? Er iſt ſo dahin geſtorben/ daß niemand gewiß ſchlieſſen und ſa-
gen kan/ was die Rechnung fuͤr einen Außgang gewonnen/ was der Rich-
ter fuͤr ein Vrtheil geſprochen/ was die Seel nach ihrer Außfahrt fuͤr eine
Wohnung bekommen. Bellarminus wuͤndſchet ihm nicht mehr als
das Fegfeuer/ von ſeinem Tode ſchreibet Andreas Eudæmon, daß er in ſei-
nen letzten Zuͤgen gemeynet/ es geſchehe ihm gar wohl/ wann er eine gerau-
me Zeit im Fegfeuer gequaͤlet wuͤrde.


Wehe den andern/ die ihnen dieſes σωτήριον den Heiland nicht
recht einbilden/ daſſelbe particuliren/ aus der Weite in die Enge ziehen/ und
nur auf die Bloßaußerwehlten richten/ und damit allen und ieden Menſchẽ
einen unauffloͤßlichen Zweifel-Strick zurichten und einflechten. Wehe de-
nen/ deren Augen-Luſt allein auff ſchoͤne Damen/ unnuͤtze Gemaͤlder/ fluͤch-
tige Blumen/ darauff der Koͤnige Namen geſchrieben oder gepraͤget ſind/
Welt-Weißheit/ welſche Buͤcher richten. Was von religion lautet/ das
ſtinckt alles/ da iſt keine Anmuth/ keine Verwunderung/ keine Freude.


Aber wie geſagt/ Chriſtliche Hertzen freuen ſich/ und fahren mit Fried
und Freud davon/ ob es gleich bißweilen hart hergehet/ mit Zerruͤckung des
Haupts/ toben und wuͤten der Sinnen/ mit ach und weh wegen der Todes-
Schmertzen. Auguſtus der Kaͤyſer iſt/ wie er gewuͤndſcht/ eines ſanfften
Todes gewuͤrdiget/ aber weil er Jeſum nicht geſehen/ wo iſt er hin gefahren?
Wann ſie Chriſtum geſehen/ erkant/ entſetzen ſie ſich nicht fuͤr dem Todes-
Engel/ von welchem die Juden dichten/ daß er gantz voll Augen ſeye/
und ſtehe zu Haupten mit einem bloſſen Schwert/ von welchem ein Tropf-
fen Gall herab in des Krancken Mund falle/ welcher aus Furcht denſelben
auffſperret/ ꝛc. wann er von den Hunden geſehen werde/ ſo fahen ſie an zu
heulen/ nehmen dieſe Fabel aus Exod. 11. und 12. da der Wuͤrg-Engel inExod. 11. 7.
c.
12, 29.

der Nacht alle erſte Geburt der Egypter geſchlagen/ ſtehet unter andern
auch/ daß doch bey den Kindern Jſrael im Lande Goſen kein Hund ge-
mucket habe; Aber es ſind andere Todes-Engel/ das Alter/ die Kranck-
heiten/ Fluͤſſe/ ꝛc. die kuͤnden das Leben ab.


Wahre Chriſten troͤſten ſich darwider mit dem Hertzog des Lebens/ wi-
der die Verdamnuͤß mit dieſem Heiland/ wider die euſſerſten Finſternuͤß
mit dieſem Liecht/ wider die leibliche Schmach und Schande mit dieſer Ehr
und Preiß/ faſſen ein Hertz wider die Furcht des Todes/ in dem letzten
Kampff und Zuͤgen wendet ſich das Hertz von den greßlichen Geſpenſten/
ſihet ſie hinderwerts/ Chriſtum vorderwerts an: den Tod nicht in unſerm
Leibe/ ſondern in Chriſto dem Vberwinder: die Suͤnde nicht in unſermHebr. 2, 14,
Gewiſſen/ ſondern in dem Lamb Gottes; das Geſetz nicht im Hertzen ge-
Sechſter Theil. R r rſchrieben/
[498]Die Ein und Viertzigſte (Fuͤnffte)
ſchrieben/ ſondern ans Creutz gehefftet; die Hoͤll nicht fuͤr und gegen uns/
ſondern am Oel-Berge triumphiret und zerſtoͤret; haͤlt ſich an die Kern-
Ioh. 5, 24.Spruͤche Joh. 5. Wer mein Wort hoͤret/ und glaubet dem/ der
mich geſand hat/ der hat das ewige Leben/ und kommet nicht
ins Gerichte/ ſondern er iſt vom Tode zum Leben hindurch ge-

c. 8, 51.
c.
11, 25.
26.
drungen; So iemand mein Wort wird halten/ der wird den
Tod nicht ſehen/ nicht ſchmecken ewiglich. Jch bin die
Aufferſtehung und das Leben/ wer an mich glaubet/ der wird
leben/ und wer da lebet und glaubet an mich/ der wird nimmer-

Apoc. 1, 18.
1. Cor.
15,
54. 55. 56. 57.
mehr ſterben. Fuͤrchte dich nicht/ ich war tod/ und ſihe/ ich
bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit. Der Tod iſt ver-
ſchlungen in dem Sieg: Tod/ wo iſt dein Stachel? Hoͤll/
wo iſt dein Sieg? Gott ſey Danck/ der uns den Sieg gegeben
hat/ durch Jeſum Chriſtum/
Amen.



Die Ein und Viertzigſte Predigt/


Vber den dritten Articul/ und uͤber den Geſang
Simeons Luc. 2/ 29. 30. 31. 32.


Die Fuͤnffte Predigt/


Von der Zeit und Stunde des Todes/ dem NVN
und Augenblick ſeines Abſcheides und
ſeeliger Hinfahrt.


GEliebte in Chriſto: Satiſné commodè vitæ mi-
mum tranſegi?
Hab ich bißher meine Perſon
in der Com
œdi und Schauſpiel wohl/ recht und
löblich vertreten?
ſo ſagte vorzeiten der Roͤmiſche
Käyſer
Auguſtus kurtz vor ſeinem Ende auff dem
apud Sue-
ton. c.
99.
Siech-Bette zu dem Vmbſtand. Jn welchen Worten der loͤbliche/ Tu-
gendſame/ Reichs-mehrende Kaͤyſer eine ſchöne und hochweiſe
comparationanſtellet des menſchlichen Lebens mit einem
Schau-
[499]Predigt.
Schauſpiel/ da die Perſonen eine Weil auff dem theatro agiren/ ſpre-
chen/ handlen/ endlich wider abtretten/ und das theatrum quittiren und
leer laſſen: Alſo gehe es auch im menſchlichen Leben her/ da finden ſich un-
terſchiedliche actus: Die Kindheit/ die Jugend/ das maͤnnliche/ das hohe
Alter/ da ein ieder ſeine Stell/ Koͤnig/ Bauren/ Herren und Knechte zu
verſehen haben. Jſt eben das/ was auch Epictetus in Enchir. cap. 20.
ſchreibet: Memento te eſſe actorem fabulæ, Bedencke/ daß du eine Co-
mœdi agiren helffeſt/ und nimm deine Perſon in acht! und Seneca ep. 77.
Audite juvenes, audite queruli ſenes; quomodo fabula ſit vitæ: non
quam diu, ſed quam bene acta ſit refert.
Hoͤret ihr Juͤnglinge/ hoͤret ihr
Alten/ euer Leben iſt eine Comœdi! Es liget nicht daran/ ob einer lange/
ſondern ob er wohl agirt habe? \& ibid. tantùm bonam clauſulam impo-
ne,
mache nur einen guten Schluß und Ende. Ja es laͤſſet Gott der
Heilige Geiſt ſelbſt ihm dieſes Gleichnuͤß belieben/ Pſal. 90. da er unſerPſ. 90, 9.
Leben nennet hegeh,ein Geſchwaͤtz/ verſtehe ein theatriſch Geſchwaͤtz/
Wir bringen unſere Jahre zu wie ein Geſchwaͤtz.


II.Nach dercomparationbegehrt er auch das Vr-
theil von der gehaltenen
Comœdiæ, dann ſo gehets her bey einer
Comœdi: Der Actor ſuchet Ehre bey den Zuſchauern/ redet ſie wuͤrcklich
an und ſagt: Wie hats euch gefallen? da dañ die Spectatores von den Per-
ſonen/ Habiten/ Auffzuͤgen/ Geſpraͤchen/ Gebaͤrden judiciren/ einem den
Preiß geben/ den andern verachten: Alſo begehret auch Auguſtus zu wiſ-
ſen/ wie er regiert/ gekrieget/ das Roͤmiſche Reich in flor gebracht? Wir
Chriſten trachten auch nach dem judicio und Lob/ aber achten mit St.
Paulo den bloſſen Zungen-Lufft nicht/ ſondern warten auff das judicium
Agonothetæ \& Comœdiarchæ,
auff das Lob des oberſten Spiel-Her-
ren
Chriſti;


III. Judicii effectum,Die That ſo auff den Lob-
Spruch gefolget;
Plaudite, δότε κρότον, ſagt Auguſtus, date plau-
ſum,
Frolocket/ klopffet in die Haͤnde fuͤr Freuden/ wann ich meine Kaͤy-
ſerliche Perſon recht vertretten! Das iſt der Heyden hoͤchſter Troſt; Wir
Chriſten wiſſen beſſers/ nemlich plaudite nicht nur humanum, nicht nur
das menſchliche klopffen und frolocken/ ſo da iſt der gute Nachſchall und
Nachklopff einer ehrlichen parentation, Leich-Predigt/ ꝛc. ſondern plau-
ſum bonæ conſcientiæ,
den Lob-Schall eines guten Gewiſſens/ in wel-
chem das angenehme und freudige Echo erſchallet/ wann ein wahrer
R r r 2Chriſt
[500]Die Ein und Viertzigſte (Fuͤnffte)
Chriſt in ſich gehet und fraget: Habe ich mein Leben auch wohl gefuͤhret?
der Widerſchall gibt und antwortet: Wohl! Wir wiſſen ein Eng-
liſches plaudite, wir ſind vertroͤſtet eines himmliſchen vnd Goͤttlichen Lob-
Spruchs/ ſo von dem Richter Chriſto ſelbſt geſchehen ſoll/ ein real- und
thaͤtliches frolockendes Lob; da im gegentheil mundi ſchema, die Welt mit
ihrem Schein vergehet/ und im letzten Feuerwerck verſchwinden wird. Jſt
das
plaudite, deſſen ſich auch Simeon getroͤſtet/ welches er erlanget:
nach dem er die Comœdi ſeines Lebens commodè \& piè wohl und Gott-
ſeelig tranſigirt und vollendet/ alle actus durchgangen: ſein Gewiſſen laſ-
ſen ein theatrum ſeyn fuͤr Gottes Augen; ſo parentirt ihm nicht nur
der Heilige Geiſt und die Chriſtenheit biß auff dieſen Tag; dem wir
zu Ehren bißher vierpauegyricos gehalten: ſondern zuvorderſt ſein
freudiges Gewiſſen/ und ſpricht: Mit Fried und Freud ich fahr da-
hin!
die Heiligen Engel im Tode: das Frolocken in Chriſto/ deſſen Au-
gen er geſehen/ mit ihm ohne zweifel aufferſtanden/ gen Himmel gefahren.
Jſt noch uͤbrig der fuͤnfftepanegyricus, beruhend auff einem einigen
Wort/ das heiſſet Νϒ῀Ν, NVN! iſt das νυν῀ ἀπολύσεως, ſein ſee-
liges Fahr-Stuͤndlein;
das wollen wir in der Furcht des Herren
etwas genauer betrachten. Gott gebe/ daß dieſes kleine Wort-Saͤm-
lein in unſern Hertzen tauſentfaͤltige Furcht bringe/ Amen.


DRey Vmbſtände begreifft das Nun Simeonis in ſich;
ἀπολύσεως initium, durationem, terminum,die Zeit
der Außfahrt/ den Fortfahrt und Anfahrt.
I. Ini-
tium,
Die Zeit der Außfahrt oder den Anfang der Fahrt/
iſt ein gewiſſes und beſtimmtes Nun und Augenblick/ in welchem Si-
meon der Welt werde eine gute Nacht geben/ auff- und von dannen fah-
Iob. 14, 5.ren/ ein Νυν῀ und Zeit von Gott im Himmel beſtimmt/ Job. 14.
Der Menſch hat ſeine beſtimmte Zeit/ die Zahl ſeiner Monat
ſtehet bey Gott/ der hat ihm ein Ziel geſetzt/ das wird er nicht
uͤbergehen.
Jſt ein Gleichnuͤß von einem Vhrmacher/ der die mo-
menta,
Minuten alle wol abgewogen/ daß es ſchlagen muß/ auff der Vhr
Pſ. 139, 16.wann ers geordnet. Pſal. 139. Alle meine Tage waren auff ein
Buch geſchrieben/ die noch werden ſollen/ und derſelben keiner
da war/
gleich einem Poſt-Meiſter/ der ſeine Poſt-Knechte auffſchreibet/
wie
[501]Predigt.
wie lang ein ieder außbleiben/ und wann er eigentlich und unfehlbar ſich
widerumb einſtellen ſoll. So unſere Haupt-Haar alle gezehlet ſind/ viel-Matth. 10,
29 30.

mehr wird Gott die Tage des Lebens zehlen? So kein Sperling ohne
Gottes Willen auff die Erden faͤllet/ wie ſolte dann Gott nicht ge-
nauer auff die Menſchen ſehen/ die καιροϑεσίαν und Zeit-Beſtimmung be-
ſchreibet auch St. Paulus Actor. 17.

Act. 17, 26.

Es iſt aber dieſes Nun/ dieſe Zeit alſo abgewogen und beſtimmt/
daß es eine bedingte Zeit ſey/ nicht νυν῀ abſolutum,ein bloß-be-
ſtimmtes Nun
ohne Abſehen der natuͤrlichen Mittel/ verſtehe Gehor-
ſam/ Gottesfurcht oder Sicherheit/ Diet oder Vnmaͤſſigkeit? Der Herr
hat nicht alſo geſchrieben: Mathuſalah ſoll neun hundert und neun und
ſechszig Jahr leben/ dem Abſalom ſoll in der noch zarten Jugend der Le-
bens-Faden abgeſchnitten werden/ er ſey fromm oder boͤſe/ ꝛc. dann das
were wider Gottes Verheiſſung in dem vierten Gebot: es were wider ſeine
Draͤuung Pſal. 55. Die Gottloſen ſollen ihr Leben nicht auff diePſ. 55, 24.
1. Sam. 4,
11.
Pſ.
102, 25.

halbe Zeit bringen/ dergleichen Hophni und Pinehas den Soͤhnen
Eli widerfahren. Wider das Gebet der Heiligen/ Pſal. 102. Jch ſage:
Mein Gott/ nim mich nicht weg in der Helffte meiner Tage

Wider die Creatur der Artzney. Die Verheiſſungen waͤren ein Geſpoͤtt; die
Draͤuungen fulgura ex pelvi und vergebene Schrecken/ das Gebet eine
ſuperſtition und Aberglauben/ Artzney umbſonſt; Ja es ſtritten haͤuffig
darwider die exempla Hiskiæ/ der ſolte ſterben nach der Natur Lauff/ aberEſa. 38, 1.
ſeqq.

weil Gott geſehen ſein Gebet/ hat Er ihm noch funffzehen Jahr zugeben.
Abſalom haͤtte der Natur nach wohl laͤnger leben koͤnnen; Aber dieweil er
ein boͤſer Bub und Vater-Moͤrder geweſt/ und nach Vngluͤck gerungen/
ſo iſt ihm auch was er geſucht gelungen.


Derohalben iſt es zwar eine beſtimmte/ aber doch bedingte Zeit/
alſo lautend: Wird dieſer Menſch in dieſem ſeinem Temperament from̃/
maͤſſig und kein Veraͤchter der Goͤttlichen Ordnung ſeyn/ und ich ihn
nicht etwan extraordinariè aus ſonderbaren Vrſachen zuvor aus der
Welt abfordern will/ ſo ſoll er ſein Leben ſo oder ſo hoch bringen: Wann
Hiskias/ der nach der Natur Lauff ietzo ſterben ſoll/ umb Verlaͤngerung
ſeines Lebens aus Hoffnung des Meſſiæ/ der aus ihm ſolte geboren wer-
den/ bitten wird/ und ich die Tage ſeines Lebens (wie vorgemeldt) wun-
der- und ſonderbar vermehren will/ ſo ſoll er nicht ſterben/ ſondern laͤnger
leben; Hingegen/ wann Abſalom/ Onan/ Hophni/ ꝛc. werden boͤſe ſeyn/Gen. 38, 19.
R r r 3werden
[502]Die Ein und Viertzigſte (Fuͤnffte)
werden unmaͤſſig leben und ſonſt ſuͤndigen/ ſo ſoll auch ihr Lebens-Faden
eher abgeſchnitten werden. Worauff dann auch Simeon geſehen/
wann er gleichſam in ſeinem Hertzen geſprochen: Wann ich nur zu-
vor den Meſſiam geſehen habe/
Tunc, alßdann will ich gern
ſterben.


So gewiß und unfehlbar bey Gott die Zeit beſtimmt/
ſo iſt und bleibt es doch bey uns
decretum incertum \& inſcru-
tabile,
ein verborgenes/ uns ungewiſſes und unerforſchliches
decretund Beſchluß; ſo gewiß der Tod/ ſo ungewiß die Stunde.
Zwar Simeon hatte ein Liecht/ Gott hatte ihm die nativitaͤt ſelbſt geſtel-
let/ wie Joſeph in Sachen ſein Gluͤck/ Ehr und Befoͤrderung betreffend/
auch begegnet: Es wuſte Simeon negativè, daß er nicht ehe ſterben ſolte/
er haͤtte dann zuvor den Meſſiam geſehen/ aber poſitivè iſt er doch des
Nuns/ des Tags und der Stunde nicht ohnfehlbar gewiß. Nach der Na-
tur Lauff zielet das menſchliche Alter auff ſiebentzig oder achtzig Jahr wie
Pſ. 90, 10.
Gen.
15, 16.
Moſes in Pſ. 90. bezeugt. Gen. 15. ſpricht Gott: Nach vier Manns-Le-
ben ſoll Jſrael aus Egypten ziehen.
Diß iſt das ordinari-Ziel der
Natur/ noch gleichwohl kommts/ daß etliche/ wiewohl wenig/ daſſelbe uͤber-
ſchreiten/ die mehrſten werden verkuͤrtzt und erreichens nicht/ wie auch ein
Baum natuͤrlicher weiß wol 100. oder mehr Jahr ſtehen kan/ kom̃t aber der
Holtzhauer an denſelben/ oder wird ſeine Wurtzel vom Wurm vergifftet:
oder der Strahl ſchlaͤget auff ihn zu/ ſo kan er ſein natuͤrliches Ziel nicht er-
reichen; Alſo wird dem Menſchen gewaltſamer weiſe das Leben verkuͤrtzt/
Pſ. 37, 2.
Sap.
4, 13.
entweders zur Straffe/ Pſal. 37. oder zum beſten dem Frommen/ der bald
vollkommen worden/ und nunmehr ſeine bezielte Fruͤchten nach dem Maß
der Goͤttlichen Gaben alle gar gebracht/ ſo kommt er bald zur Ruh. Jſt
aber alles/ belangt das Jahr und Stund/ ungewiß. Von dem Alter des
Cornel. à
Lap. ad E-
zech. 19.
p.
1078.
Roͤmiſchen Papſts pralen ſeine Schmarutzer/ ſonderlich Cornelius à Lap.
es habe noch kein Papſt die Jahr St. Petri (ſo lang derſelbe zu Rom ſoll
reſidirt haben/ nemlich fuͤnff und zwantzig Jahr) erreichet/ darumb pflege
man ihme auch auff den Tag ſeiner ordination zuzuruffen: Beatiſſime
Pater, annos Petri non videbis,
Seeligſter Vater/ du wirſt Petri Jahre
nicht erleben. Aber uͤber das/ daß die conjectur ex falſo concludirt/ ſo
iſts doch ungewiß. Man erwehle einmahl einen friſchen/ geſunden Papſt/
oder etliche Junge nach einander/ ſo duͤrffte der Wahn wohl fehl ſchlagen.


Sonſt ordinariè iſt es ungewiß/ wie der Herr ſolches fuͤrrucket
dem
[503]Predigt.
dem Hiob c. 38. Wuſteſtu/ ſagt Er/ daß du zu der Zeit ſolteſt ge-Iob. 38, 21.
boren werden/ und wie viel deiner Tage ſeyn wuͤrden? als wolt
Er ſagen: Du weiſſeſt beydes nicht/ weder den Tag der Geburt/ ehe du ge-
boren worden/ noch den Tag des Todes; Der Menſch weiß ſeine ZeitEccl. 9, 12.
nicht/ wie die Fiſch der Hamen/ wie die Vogel der Strick be-
ruͤcket/ alſo gehets den Menſchen mit dem Tode/
daß ſie unver-
ſehens von ihm erhaſchet werden. So ungewiß nun fuͤr unſern Augen
die Todes-Stunde/ ſo wenig/ ja noch viel weniger ſollen wir aus
Fuͤrwitz dieſelbe begehren zu erforſchen/ in Betrachtung deſſen wir es auchAct. 1, 7.
nicht koͤnnen. Euch gebůhret nicht zu wiſſen Zeit oder Stun-
de/ welche der Vater ſeiner Macht vorbehalten hat;
Omnium
calculantium hac de re digitos reſolvit \& quieſcere jubet, qui dicit:
Non eſt veſtrum \&c.
Der jenige hat aller Rechenmeiſter Rechnung in
dieſem Stuͤck auffgehaben und heiſſen ſtill ſchweigen/ der da ſagt: Euch
gebuͤhret nicht ꝛc.
ſchreibet Auguſtinus. Aus welchem fundamentAuguſt.
l. 18. C. D.
c.
53.

auch die obſervatio annorum Climactericotum oder die Weiſſagung
aus den Staffel-Jahren/ ſonderlich dem groſſen Staffel-Jahr 63. fallet.
() Die Gelehrten haben viel davon geſchrieben: aber Kaͤyſer Maximilia-
nus II.
hat derſelben ſuperſtition mit wenig Worten wohl abgedancket/
da einer ſeiner Hof-Raͤthe ihrer Majeſtaͤt Gluͤck gewuͤndſcht/ daß ſie das
neun und viertzigſte Jahr und alſo ſieben mahl ſieben Jahr uͤberwunden:
Dem antwortet ihre Majeſtaͤt gantz Chriſtlich: Quilibet annus eſt mi-
hi climactericus,
Jch bin alle Jahr zum Sterben reiff und bereit.


() vide Gell. l. l5. c. 7. Valleſ. de S. Philoſ. c. 21. \& noviſſimè Salmaſ. de
annis climacter.


Hinweg τὸ ἀυτοχεδίως, das ohngefaͤhr/Sap. 2. iſt faſt der mei-Sep. 2, 2.
Apud Cic.
de fato.

ſten Soldaten ihr Symbolum. Hinweg Fatum ſtoicum, die unvermei-
denliche Noth-Kette/ ſo keiner condition noch Ordnung unterworffen/
wie die Heydniſche Philoſophen die Stoici delirirt/ und die alſo genante
Reformirten/ und unter denſelben ein gelehrte Niederlaͤnderin in ihren Ge-
dancken von dem Termino vitæ eine ſolche ἁλωσιν ἀλυτον ihr eingebildet.
Die alten Stoici ſind fort/ haben aber nach ſich gelaſſen dergleichen ſtoicos,
die es vermeſſen hinein wagen/ und gedencken/ es muß doch einmal geſtor-
ben ſeyn. Vnrecht und unchriſtlich iſt temeritas, die Vermeſſenheit de-
ren/ die ſich muthwillig in Gefahr begeben/ und ſagen: Wann mir meine
Stunde ſo auffgeſetzt/ ſo werde ich ſterben muͤſſen \& contrà. Alßdann ge-
ſchicht dir recht/ wañs dir nach deinẽ leichtfertigen Siñ gehet: Waͤreſtu bey
deiner
[504]Die Ein und Viertzigſte (Fuͤnffte)
deiner Ordnung/ Beruff und Handwerck blieben/ haͤtteſt dich nicht in
Krieg begeben/ ſo haͤtt es Gott anders geſchickt/ und dir dein Leben er-
laͤngert; nun aber dein leichtfertiger Sinn geſchehen/ hat Ers alſo ver-
henget und decernirt: Alſo wann ſich einer in unmaͤſſiges Leben begibt/
ſo findet er auch was er geſucht/ Waſſerſucht/ Schwindſucht/ ꝛc. Alſo
ſtraffet Gott auch die Vndanckbarkeit gegen die Artzney: Alſo auch in
Balgereyen pfleget Gott jaͤhen und blutigen Tod zu verhengen.


Vnrecht und unchriſtlich iſt die Curioſitaͤt/ wann ein Menſch durch
die Aſtrologî und Stern-Kunſt die Stunde und Art ſeines Todes er-
forſchen will/ dadurch der Menſch ſich in Angſt und ſervitut ſtuͤrtzet.
Aug. l. 2. de
Doctr.
Chriſt.
Genethliaci und nativitaͤtſteller (ſchreibt Auguſtin.) verkauffen den Men-
ſchen eine elende Dienſtbarkeit; Dann ein ieglicher Menſch/ der zu einem
ſolchen Mathematico kom̃t/ gibt ihm Geld/ daß er von ihm heraus gehe als
ein Knecht/ entweder Martis, Veneris, oder aller Sternen. Moͤchte aber ie-
1. Sam. 28,
19.
Aug. l. 2. de
Doctr.
Chriſt. e.

21. 22. 23.
mand ſagẽ: Es trifft gleichwol ein. Antwort: Anders nit als wie die Weiſ-
ſagung des vermumten Samuels zu Endor; Geſchicht ſolchen fuͤrwitzi-
gen Leuten recht/ wañ ihnen begegnet/ was ſie fuͤrchten. Jſt wol mehr geſche-
hen/ daß einer calculirt/ er werde auf den calculirten Tag und ſtund ſein Le-
ben enden/ der ſich denſelben Tag daheim gehalten; dannoch Gott verhen-
get/ irgend ein Schreibmeſſerlein/ welches ſeinen Wahn bekraͤfftigen muß/
und ihn alſo das Leben abkuͤrtzen/ da er/ wann er außgangen waͤre/ ſeines
Ampts gewartet/ waͤr erhalten worden. Hingegen ſoll man fleiſſig wa-
Marc. 13.
37.
chen/ Marc. 13. Der Tod/ ſchreibet Bernhardus, wartet den Alten auff
an der Thuͤr/ den Juͤnglingen ſtellet er nach durch Hinderliſt. Tarqui-
nius
iſt an einer Fiſchgraͤt erwuͤrget/ Fabius an einer Erbs/ Sophocles an
einer Weinbeer.


Jm uͤbrigen ſoll man ſich Gottes des Allerheiligſten heiligen/ ge-
rechten Willen und freyer Hand untergeben/ Er wolle uns in der Jugend
oder im hohen Alter hinweg nehmen. Junge Leute lebten gern laͤnger/
und meynen es geſchehe ihnen zu viel/ und gedencken nicht wie gut es mit
ihnen gemeynet/ und wie mancher Seelen-Gefahr und Ergernuͤß ſie durch
einen zeitigen und ſanfften Tod entgehen. Es haben auch die Heyden einen
ſanfften und geſchwinden Tod in der bluͤhenden Jugend fuͤr gluͤckſeelig
gehalten und angeſehen. Die Heyden pralen ſehr mit den zweyen Bruͤdern
Cleobe und Bitone. Jhre alte Mutter waͤre gern zur Kirchen geweſen/
und that maͤchtig uͤbel/ weil nun die Pferde nicht zur Hand waren/ ſpanne-
ten ſich die beyden Soͤhne ſelber an den Wagen/ und fuͤhrten die liebe
Mutter zur Kirchen/ da nun iederman die Kinder lobete/ kniet die Mutter
fuͤr
[505]Predigt.
fuͤr das Altar und bittet/ Gott wolle ihren Soͤhnen dieſe Wolthat
bezahlen/ mit dem Gut/ welches Gott ſelber fuͤr das beſte hielte. Was
geſchicht? Die muͤden Bruͤder legen ſich nicht weit vom Altar nieder/
ſincken in einen Schlaff/ verſcheiden und ſchlaffen noch heutiges Tages:
Dannenhero haben die Heyden ihnen ſelber die Gedancken gemacht/ Gott
halte einen ſanfften/ geſunden vnd geſchwinden Abſchied von dieſer Welt
fuͤr das hoͤchſte Gut unter der Sonnen.


Ebenmaͤſſig hat man ſich auch in Gottes heiligſten Willen zu ſchi-
cken/ was anlangt den ſchnellen Tod/ durch euſſerliche Gewalt/ innerliche
Fluͤſſe und andere jaͤhe Faͤlle/ da man geſund und friſch morgens fruͤh aus
dem Bette auffſtehet/ zu Abend ligt die kalte Leiche im Sarck: Jn einer
Stund bluͤhet die Roſe und wird alßbald welck. Wie man ſich nun in ſol-
chen offtmahl tragiſchen Faͤllen nicht zu uͤbereilen hat mit unzeitigen judi-
ciis,
ob/ zum Exempel/ Nadab und Abihu/ ſo durch den Zorn Gottes jeh-Lev. 10, 1.
ſeqq.

ling auffgeraffet/ unſeelig geſtorben? deren Vnfuͤrſichtigkeit andern zum
Exempel abgeſtraffet worden/ denen Gott der Herr noch im letzten
Augenblick die Buſſe ſchencken koͤnnen/ wie vermuthlich auch Moſes ge-
hoffet/ und ſie in ihrem Prieſterlichen habit ehrlich beſtatten und betrauren
laſſen. Ob die Kinder Jobs/ die der ſchnelle unverſehene Tod uͤber ihremHiob. 1, 15.
ſeqq.

Kraͤntzlein und Mahlzeit angegriffen/ Schiffbruch gelitten an ihrer Selig-
keit? das laͤſſet ſich nicht bejachzen/ bevorab weil Gott der Herr hernach dem
lieben Job alle verlohrne Guͤter doppelt wider gegeben/ außgenommen die
Kinder hat Er ihm nicht gedoppelt/ als welche nicht verlohren geweſt:
Alſo dienen uns dieſelbe exempla zur Buß und Auffmunterung*/ zur
geiſtlichen Wachſamkeit/ auff daß/ wann der Herr kommt/ das Hertz
bereit ſey: Schneller Tod iſt per ſe kein boͤſer Tod/ ſondern ein geſunder
Reuter- und Soldaten-Tod.** Ein ſchneller Tod kan ſeyn ein ſchneller
Sprung zu Gott wie Enoch. Aber der boͤſe jaͤhe Tod/ der iſt/ den wir
in der Litaney abbitten. Darumb iſt wachens von noͤthen/ auff daß man/
wann der Herr will kommen/ ſchnell und bald/ das was man hat (Glau-
ben und guts Gewiſſen) behalt/ und bey allen Wercken gedencke/ wie
waͤre es/ wann ich ſchnell uͤber dieſem Werck ſterben muͤſte? Man ſchreib
beyzeiten die ſieben Buß-Pſalmen nicht nur an die Wand/ ſondern ins
Hertz.


‘* vide D. Chemnit. de judiciis in caſibus tragicis in harm. c. 111. p. 2103,’ ()
‘** Militia eſt potior. Quid enim? concurrimus, hora
Momento cita mors venit aut victoria læto.
()

Horat. ſat. 1.


Sechſter Theil. S ſ ſII. Du-
[506]Die Ein und Viertzigſte (Fuͤnffte)

II. Duratio ἀπολύσεως, Wie lange dieſe Fahrt gewäh-
ret?
Ν [...], ſagt Simeon/ er haͤlt ſeine Heimfahrt fuͤr einen Sprung
und Augenblick/ verſihet ſich keines limbi oder purgatorii. Ν [...], in einer
minut/ Moment und Augenblick. Es iſt nur ein Sprung/ iſt keine Reiſe
von vielen Meilen/ von etlichen Tagen oder Jahren/ ſondern nun und
2. Cor. 5, 1.Augenblick. Das erhellet aus 2. Cor. 5. Wir wiſſen aus Gottes
Wort/ ſo unſer irrdiſch Hauß dieſer Hůtten zubrochen wird/
ſo haben wir einen Bau von Gott erbauet/ ein Hauß nicht mit
Menſchen-Haͤnden gemacht;
Wo? Jm Himmel/ nicht in lo-
co intermedio,
an einem Mittel-Ort zwiſchen Himmel und Hoͤll.
Wann? ἐὰν pro ὅταν, alßdann. Nicht nur errettet dich Gott von
Τῷ Κυριω
σε παρ [...]-
πεμπει
ταχέως.
2. Cor. 5, 4.
7. 8.
der Verweſung/ und leichtert dich von einer ſchweren Laſt/ ſondern er uͤber-
ſendet dich auch eilend/ flugs und alſobald dem Herren/ ſagt Chry-
ſoſtomus
uͤber dieſe Wort. Was thut man dort nach dem Leben?
Seuffzet man vielleicht nach dem Vaterland? Mit nichten: Hie
ſehnen wir uns/ hie verlangen wir uns/ hie alle Suͤnde vergeben werden/
hie wallen wir/ dort ſind wir daheime/ im Leibe wallen wir/ auſſer dem Leibe
Apoc. 14,
13.
1. Cor. 15,
18.
1. Theſſ.
4,
14. 16.
ſind wir daheim/ Apoc. 14. ſind lauter Centner-Wort: Die im HEr-
ren ſterben/
das iſt/ die im Glauben an Chriſtum/ 1. Cor. 15. gehet nicht
allein die Heiligen Maͤrtyrer an/ ſondern alle Glaubigen/ die ſind ſeelig/
nicht nur jure ad rem, wegen des Rechts und Theils/ das ſie zum himm-
liſchen Erbe haben/ ſondern auch in re \& poſſeſſione ipſâ, wegen der
Matth. 26,
29.
Ioh. 1, 51.
Bellarm. l.
1. de purg.
c. 12.
Luc.
23, 42.
43.
wuͤrcklichen Beſitzung. Wann? ἄπαρτι, von nun an/ das iſt/ nun
und in alle Ewigkeit/ nicht erſt am Juͤngſten Tage/ wie es Bellarminus
außleget. Darumb/ daß ſie ruhenà laboribus activis \& paſſivis,
von aller Arbeit und Truͤbſal.


Luc. 23. ſaget Chriſtus zu dem bußſertigen Schecher: Heute
wirſtu mit mir im Paradiß ſeyn!
Der Schecher/ der nach Paͤpſti-
ſchem Verſtand noch ungebuͤſſete Suͤnde auff ſich hatte/ der ſagt: HErr/
gedencke mein/ wann du in dein Reich kommeſt!
Er iſt ein
Rom. 4, 1.
c.
15, 4.
Exempel den jenigen/ die auch mit ihm gleichen Glauben haben wie Abra-
ham. Chriſtus antwortet ihm auff ſein quando, auff ſein wann?
und ſagt nicht dico tibi hodie, ich ſage heute dir/ ſondern dico tibi:
hodie,
Jch ſage dir: Heute ꝛc. das iſt/ in dieſem Augenblick und
immer.
[507]Predigt.
immer. Bellarminus excipirt/ daß der grauſame/ ſchmaͤhliche undBell. l. 1. de
purg. c.
12.

ſchmertzliche Tod des Schechers/ weil er denſelben mit ſehr gedultigem Ge-
muͤth ertragen/ und die wunderwuͤrdige Bekaͤntnuͤß/ die er gethan/ eben
zu der Zeit/ da den HErren Chriſtum die Apoſtel ſelbſt verleugneten/ habe
koͤnnen ihm fuͤr eine voͤllige ſatisfaction und Gnugthuung angeſchrieben
werden: Dannenhero auch Serarius ihn gantz herrlich heraus ſtreichet/Serar. ad
Ioſ. 7. q. 41.
p.
155.

wann er ſchreibet: O præclaram occaſionem! ô magnum Dei benefi-
cium! non omninò temere ductum à patibulo ad cœlum quàm è lecto
abire.
O der fuͤrtrefflichen Gelegenheit! O der groſſen Wohlthat! Es iſt
fuͤrwar nicht ohngefaͤhr geſchehen/ daß er vom Creutz-Galgen gen Himmel
gefuͤhret worden/ verſtehe immediatè, ohn einige Hindernuͤß oder Auff-
haltung des Fegfeuers/ als daß er auff dem Bette haͤtte abſcheiden ſollen.
Bellarmino widerſpricht der Schecher ſelbſt/ er erkennet ſeinen Tod fuͤr
eine rechtmaͤſſige Straffe/ Wir empfahen/ ſagt er/ was unſere Tha-Luc. 23, 41.
ten werth ſind. Was nun einer ſchuldig als ein Moͤrder leidet/ damit
kan er keine ſatisfaction und Buſſe leiſten. Es gehoͤret mehr dazu/ die
unendliche Gerechtigkeit zu verſuͤhnen/ ſuͤndlich Blut buͤſſet nicht.


Jſt dem alſo/ ſo ſind ja unrecht dran geweſt die Alten/ die die ψυχοπαν-
νυχίαν, den Seelen-Schlaff oder Seelen-Traum ſtatuirt/ namentlich
Tertullianus, der beſchreibet den Schos Abrahæ alſo/ daß es ſey ein Ort/Tertull. l.
4. in Mar-
cion.

nicht zwar im Himmel/ iedoch hoͤher als in der Hoͤlle/ da unter deſſen die
Seelen der Gerechtẽ ſchlaffen ohn Erquickung/ biß die conſummation und
Vollendung folge/ nemlich die Aufferſtehung mit vollem Lohn. Jſt ein groſ-
ſer Fehler geweſen/ dadurch der erſte Stein zum Fegfeuer geleget worden.
Noch viel unrechter ſind die dran/ die Simeonem in den limbum verſtoſ-
ſen/ ſonderlich Cornelius à Lap. und Becanus ſchreibet/ daß in dem gantzenCornel. à
Lap. ad
Luc. p. [1]9.
Becan.
tom. 1. p.

190.

Alten Teſtament biß auff den Tod Chriſti/ keine einige Seel/ auch der Hei-
ligen nicht/ die weſentliche Seeligkeit/ welche in der ſeeligen Anſchauung
beſtehet/ erlanget habe. Simeon ſagt hie: Du leugſt! Mit Fried
fahr ich von dannen zu Chriſt dem Bruder mein!
Am aller-
aͤrgſten ſind daran/ die das Fegfeuer angezuͤndet/ und bißher foviret/ deren
Glauben mit einẽ anathemate das Concilium zu Trident vermaledeyet.Concil.
Trid. Seſſ.
6. \& 25.
Bell. l. 2. de
purg c. 12.
conf. ejus-
dem l. 2. de
ætern. fe-
licit. c. 11.
p.
93.

Das Fegfeuer/ ſchreibet Bellarminus, iſt eine unter den grauſamſten
Straffen/ mit welchem keine Straffe und Marter dieſes Lebens zu ver-
gleichen/ die geringſte Straffe des Fegfeuers iſt groͤſſer und ſchwerer als die
groͤſſeſte Straffe dieſes Lebens; da muß der Menſch buͤſſen und ſchwitzen/
biß er alles außgebuͤſſet. Dominicus à Soto ſtatuirt/ es werde niemand
S ſ ſ 2uͤber
[508]Die Ein und Viertzigſte (Fuͤnffte)
Bell. l, 2.
purg. c.
9.
uͤber zehen Jahr darinnen gequaͤlet; Aber Bellarminus widerſpricht und
beweiſet aus Bedâ, daß etliche gar biß an den Juͤngſten Tag daſelbſt pauſi-
ren und leiden muͤſſen.


Foreri Gedancken ſind dieſe: part. 3. Antiq. Pap. l. 7. cap. 6.
pag.
843. Ey ſo iſt doch auch die Straffe des Fegfeuers/ biß an den
Juͤngſten Tag/ gegen der ewigen hoͤlliſchen Straffe der Verdamten noch
klein zu ſchaͤtzen: und wird keine Seel im Fegfeuer ſeyn/ die nicht lieber
zwey- oder drey-ja tauſendmahl ſo lang/ als biß auff den Juͤngſten Tag
dort leiden woͤll/ dann ewig verdammet ſeyn. Daher ſich auch nicht zu ver-
wundern/ wann ſchon noch heutigs Tags zu Pariß Seelen-Meſſen fuͤr den
Coſter. in
Enchirid,
de purgat.
Koͤnig Dagobertum, der vor 980. Jahren gelebt/ werden geleſen. Coſte-
rus
ſchreibet: Es ſind zwar nur zween Wege; iedoch iſt auff dem einen/
welcher zum Himmel fuͤhret/ ein Wuͤrths- oder Zoll-Hauß/ da die Wah-
ren gewogen und gepruͤfet/ das iſt/ die Seelen gereiniget/ und hernach erſt
gen Himmel gewieſen und gefuͤhret werden/ wann man dahin komme/
ruffe man daſelbſt: Holla Geſell/ bezahle uns den Zoll!


Von Dagoberto der Francken Koͤnig/ einer von dem dieſes Muͤnſter
erbauet/ und das Straßburgiſche Biſthumb geſtifftet/ und groſſe Spende
in requiem animæ, daß ſeine Seele moͤchte zur Ruhe kommen/ vermacht
Iodoc.
Cocc. in
Dagober-
to c.
27.
in ſeinem Teſtament/ ſchreibet Jodocus Coccius eine abentheuerliche Hi-
ſtori/ ſo zur Zeit ſeines Abſchieds Johanni einem Einſidel in Siciliâ begegnet.
Dem ſey ein alter Mann erſchienen und geſagt/ er ſoll fuͤr Dagobertum
bitten/ dann ſeine Seel leide groſſe Noth! Bald ſihet er ein Heer Teufel/ die
bringen Dagobertum daher in der Lufft/ ſchlagen und ſtoſſen ihn: Dago-
bertus
rufft die Heiligen an/ ſonderlich Dionyſium, Mauritium, Marti-
num,
bald haben ſie ihn mit einem groſſen und grauſamen Geheul laſſen
muͤſſen. Vnd dieſe Fabel hat man zu der Vaͤter Zeiten fuͤr wahr und
ungezweifelt gehalten. So quaͤlet man im Papſtumb die Leute/ auch
die/ welche viel Guͤter in remedium animarum, die zu Erloͤſung und Lin-
derung der Seelen hie geſtifftet; Wo werden dann die Armen bleiben?
() vid. ho-
domor.
phant. 12.
p. 991.
* v. Caſp.
Sanct. ad 1.
Reg. 16. p.
1536. ho-
domor.
phant. 12.
p.
973.
Fragt man/ wo man doch ſolches peinliche Gericht und Fegfeuer her habe?
wer es geoffenbaret? Warhafftig Gottes Wort nicht/ kom̃t auch nicht aus
der uralten antiquitaͤt der Kirchen/ wie () Johannes Fiſcherus Roffenſis,
Gregorius de Valentiâ
bekennen: * ſondern im Juden- und Heyden-
thumb iſt dieſe Lehr jung worden/ und hernach vom abtruͤnnigen Pap-
ſtumb adoptirt und angenommen worden/ die Polder-Geiſter und Ant-
worten/ ſo man von den Toden erholet/ haben meiſterlich dazu geholffen/
und iſt damahls eben hergangen als wie Benjamin der Jud in ſeinem
Reiß-
[509]Predigt.
Reiß-Buch von den Perſianern geſchrieben/ da er erzehlt/ daß unter ihnen
ſeyen/ ſonderlich groſſe Herren/ die ſich bey Lebzeiten auch dahin verlobẽ/ daß
ſie verbrant werden ſollen/ und wann ſie ſolches ihren bekanten Freunden
und Verwandten verkuͤndigen/ ſagende: Sihe/ ich habe ein freywillig Ge-
luͤbde gethan/ daß ich ins Feuer lebendig ſpringen will! Da antworten
ſie alle und ruffen ihm Gluͤck zu: O wie gluͤckſeelig und ſeelig biſtu! wann
aber derſelbe beſtimmte Tag herzu nahet/ ſo bereiten ſie ihm eine herrliche
Mahlzeit; Er aber reutet entweder auff einem Caballen/ wann er reich iſt/
oder iſt er etwas aͤrmer/ gehet er zu Fuß biß an den Rand des Grabens;
daſelbſt/ in dem er ſich in das Feuer hinein ſtuͤrtzet/ freuen ſich alle ſeine
Verwandte/ trummeln und tantzen/ biß er gantz zu Pulver verbrennet. Da-
mit du aber ſeheſt und erkenneſt/ was ſie doch ſo kraͤfftig zu ſolchem Selbſt-
Mord treibe und berede/ daß ſie ſich noch freuen alſo gemartert zu werden/
ſo vernimm weiter die artige Liſt des Teufels/ wie er den aberglaͤubiſchen
Leuten eine Dunſt fuͤr die Augen mache. Wann der dritte Tag herzu
kommt/ ſo gehen zween Prieſter von den Obern in des Verbranten Hauß/
und ſagen zu ſeinen Erben: Bereitet das Hauß/ dann heute wird euer
Vater zu euch kommen/ daß er euch befehle/ was ihr thun ſollet. (daß er
ſeinen letzten Willen andeute/ gleich als wolte er ein Teſtament machen
nach ſeinem Tode) Nach dem nun die Zeugen aus der Statt beruffen
ſind/ erſcheinet der Sathan in deſſen Kleidung und Geſtalt/ da fragen die
Frau und Kinder/ wie es ihm gehe in der andern Welt? Er antwortet: Jch
bin zwar zu meinen Mitconſorten kom̃en/ aber ſie haben mich nicht ehe wol-
len auffnehmen/ biß ich alle Schulden den bekanten Freunden und Nach-
barn zahle. Alßdann theilet er die Guͤter unter die Erben/ und befihlet zu
zahlen/ was er ſchuldig iſt/ und hingegen zu fordern/ was er fuͤr Schuld
auſſen hat. Dieſe Außgaben zeichnen die beruffenen Zeugen auff/ damit
er wider ſeinen Weg gehe/ (und nicht lang auffgehalten werde) hernach
ſehen ſie ihn nicht mehr. Durch ſolche luͤgenhaffte Verblendung/ welche
die zauberiſchen Prieſter verrichten/ werden die Leute ſo kraͤfftig beredet/ daß
ſie ſagen/ (aus Ruhm ihres Aberglaubens) es begebe ſich dergleichen in
keinem Land oder Koͤnigreich/ das iſt/ es befinde ſich dergleichen durch ſo
herrliche Wunderwerck beruͤhmte religion in der gantzen Welt nicht.


Wie wir nun Gott nicht gnugſam dancken koͤnnen fuͤr das helle
Liecht/ und zu beten haben fuͤr die jenigen/ ſo noch in der Babyloniſchen
Gefaͤngnuͤß und Finſternuͤß tappen; Alſo haben wir auch dahin zu trach-
ten/ daß wir das Νυν῀ unſerer Reiſe wohl in acht nehmen/ daß wir nicht
einen unſeeligen Sprung thun in die verdammte/ ſondern in die ſeelige
S ſ ſ 3Ewig-
[510]Die Ein und Viertzigſte (Fuͤnffte)
Ewigkeit. Man hat irgend Waghaͤlſe gefunden/ die uͤber ein groß unge-
heuer Loch geſprungen mit Lebens-Gefahr/ da gehoͤret ein ſtarcker Zulauff
zu: Wir muͤſſen uͤber einen ungeheuren Abgrund hinuͤber ſpringen/ ſo
1. Cor. 9,
24.
heiſſet es demnach/ Lauffet/ daß ihrs ergreiffet. Am letzten Sprung
iſt alles gelegen/ der letzte Augenblick macht alles aus/ darumb jener alte
Teutſche wohl zu ſagen pflegte:


Einen geſunden Biſſen/

Ein gutes Gewiſſen/

Einen reinen Trunck/

Einen ſeeligen Sprung

Aus dieſem Leben

Wolle mir Gott aus Gnaden geben.

Endlich derTerminus ad quem ἀπολύσεως, das endliche
Ziel der Fahrt heiſſet
Æternitas,die unerdenckliche/ unauß-
ſprechliche Ewigkeit;
Das zeitliche Nun wird der Ewigkeit entge-
gen geſetzt: Wann hie nur ein Nun und Augenblick iſt/ ſo folget drauff
die Ewigkeit; Das νυν῀ emortuale,der Augenblick des Todes
iſt gleichſam die Geburts-Stunde oder der Anfang der unauffhoͤrlichen
Ewigkeit; Es iſt der Augenblick/ an welchem die Ewigkeit hanget. Es
iſt aber dieſe Ewigkeitæternitas terribilis,erſchrecklich allen
ruchloſen/ ſichern Welt-Kindern/ derowegen ſoll man in der Zeit anfangen
ſich zu huͤten fuͤr der unſeeligen Ewigkeit; Es iſt ein Augenblick/ der da
beluſtiget/ aber ewig das da quaͤlet und peiniget; Fleiſches-Luſt/ Augen-
Luſt/ hoffaͤrtig Leben/ reputation, \&c. darnach ein Menſch trachtet/ iſt ein
Augenblick; O wie ein kurtzes Feſt iſt aller Welt Herrligkeit/ in einem
Augenblick wird alles verſchloſſen! Caroli V. Symbolum iſt geweſen
plus ultra, ie mehr und mehr/ ie weiter/ ie weiter! plus ultra, mehr und
mehr in Reichthumb/ in Ehr/ in Siegen/ da war er unerſaͤttlich; daſſelbe
iſt auch aller Menſchen Symbolum. Aber ſehr wohl hat ihn beſchlagen
Franciſcus I. als derſelbe gefangen/ zu Madril an der Wand laſe plus
ultra,
ſchrieb er darzu: Hodie mihi, cras tibi, Heute iſts an mir/ morgen
an dir! Carolus V. hat deßwegen nicht uͤber ihn gezuͤrnet/ ſondern darun-
ter geſchrieben: Homo ſum: humani à me nihil alienum puto. Jch bin
ein Menſch/ und halte dafuͤr/ daß alles/ was menſchlich iſt/ mir auch an-
klebe. Jch bin ein Menſch/ das iſt/ eine Waſſer-Blaſe/ eine Blume/ ꝛc.
dero-
[511]Predigt.
derohalben will ich der Zeit eingedenck ſeyn/ und ſtreben nach der ſeeligen
Ewigkeit/ das iſt das rechte plus ultra und vollkommene Erſaͤttligkeit; Die
Menſchen-Kinder hie bauen feſt/ da ſie nur Frembdlinge ſind/ und Gaͤſte/
wo ſie ſollen ewig ſeyn/ da gedencken ſie gar wenig hin. II. Æterni-
tas conſolabilis,
Eine Troſt- volle Ewigkeit/ auff ſeiten der
Glaubigen und Außerwehlten; da alle Schmertzen/ Wehetagen/ Creutz/
Truͤbſal uͤberzuckert/ Vnſere Truͤbſal/ die zeitlich und leicht/ ſchaf-2. Cor. 4,
17. 18.

fet eine ewige und ůber alle Maß wichtige Herrligkeit/ uns
die wir nicht ſehen auff das ſichtbare/ ſondern auff das unſicht-
bare/ ſie iſt nicht werth der Herrligkeit/ die an uns ſoll offen-
Rom. 8, 18.
baret werden; wann gleich der Bett-Rieſe acht und dreiſſig Jahr lei-Ioh. 5, 5.
Bernhard.
ſerm. 1. de
diverſis.

det/ ſo troͤſtet ihn doch die Ewigkeit. Bernhardus erklaͤrets ſchoͤn/ er be-
trachtet alle Wort des Apoſtels 2. Cor. 4. und ſaget: Fahre du immer
fort zu murren wider das Creutz/ und ſprich: Es iſt lang/ es iſt ſchwer!
Jch kan ſo grauſame Anfechtung laͤnger nicht außſtehen: allweil zum
Exempel Job im Roſen-Garten und gleichſam in ſeinem Himmel woh-
net/ iſt ihm die Zeit nicht lang/ aber die ſieben Creutz- und Trauer-Jahre/
die machen ihn lang und bang. Hingegen ſagt der Apoſtel: Es iſt au-
genblicklich/ zeitlich und leicht/ du haſt noch nicht fuͤnffmahl viertzig Strei-
che empfangen weniger einen/ du haſt noch nie mehr gearbeitet als alle
deine Bruͤder/ du haſt noch nicht biß auffs Blut geſtritten! Die Truͤbſal
und Zuͤchtigung wird hie Tropffenweiſe gekoſtet/ dort aber an jenem groſ-
ſen Vergeltungs-Tage wirſtu getraͤncket werden mit vollen Stroͤhmen
der Wolluſt.


Jſt die letztelection, die wir in der Zeit zu ſtudiren haben:
Æternitatem ædifica!Schicke dich in die Zeit: Schicke dich in
die vergangene Zeit/ durch wahre Buſſe/ wie ein Kauffmann/ der den
Vogel aus der Hand gelaſſen/ und den profit uͤberſehen/ wider einbringt:
Jn die gegenwaͤrtige/ wie ein Kauffmann das koͤſtliche Perlein/ ſo
ihm auff dem Marckte wohlfeil geboten und fuͤrgetragen wird/ mit aller
Macht darauff faͤllet/ und alle ſein Haab und Guͤter verkaufft/ damit er
nur dieſes Kleinod erlange/ fronte capillata eſt, poſt hæc occaſio calva,
kauffe weil der Marckt waͤhret. Jn die zukuͤnfftige; Je wohlfeiler
die Wahr/ ie begieriger kaufft ein Kauffmann ein; Alſo ſchicket oder ſoll
ſich ſchicken ein Menſch in die Ewigkeit durch Wachſamkeit/ lauffen/
kauffen/
[512]Die Ein und Viertzigſte (Fůnffte)
kauffen/ kaͤmpffen/ Maͤſſigkeit und Gedult/ deren regul heiſſet ἀνέχου καὶ
ἀπέχου, leide und meide/ ſonderlich wann des Todes Poſt-Botten ſich ein-
ſtellen und wuͤrcklich ſagen/ Veteres migrate coloni, Dem das Hauß iſt/
der troll ſich hinaus/ da iſt wachen und beten/ ruͤſtens und ſtreitens Zeit/
daß man ſich nicht ſelbſt verkuͤrtze. Ein alter Moͤnch frater Johann Pauli
ſchreibet gerade fuͤr hundert Jahren uͤber den Spoͤtter-Geſang Eſa. 28.
Eſa. 28, 15.Wir haben mit dem Tode einen Bund gemacht ꝛc. daß vorzei-
ten ein Mann mit dem Tode ein ſolch Geding gemacht habe/ er ſolte ihn
zuvor auffs wenigſte dreymahl warnen/ alßdann wolte er willig mit fort.
Was geſchicht? Der Mann wird kranck. Der Doctor kommt/ und
ſpricht: Jch merck es aus dem Puls und Vrin/ der Tod klopffet an/ es
waͤre mein Rath/ ihr bekuͤmmert euch umb das Ewige. Bald verleuret
ſich der Schmack aller Speiſen. Bald kommt ein abſcheuliches brechen.
Der Tod folget und ſpricht: Auff/ auff Bruder/ du muſt fort. Der
Mann ſaget: Ey das iſt nicht redlich gefochten/ du haſt mich nie gewar-
net. Der Tod gibt Antwort: Was wiltu ſagen? Hab ich dich nicht
gewarnet 1. durch den Doctor, 2. durch den Eckel fuͤr aller Speiſe/
3. durch das ſtetswaͤhrende brechen? du muſt fort. Warnung iſt gut.
Drumb nehmet alle Kranckheiten an als Vorbotten/ Vorlaͤuffer und An-
ſager des Todes. Wann ein ehrlicher Artzt euch warnet/ ſo laſſet euch
rathen!


Pſal. 39, 5.

Wir ſchlieſſen und wuͤndſchen mit David Pſal. 39. HERR/
lehre doch/ daß ein Ende mit mir haben muß/ und mein Leben

Pſ. 90, 12.ein Ziel hat/ und ich davon muß. Pſal. 90. HERR/ lehre
mich bedencken/ daß ich ſterben muß/ auff daß ich klug werde!
HERR Jeſu Chriſt/ ich weiß gar wol/ ꝛc. du ſiheſt mein letz-
tes Ende. Wann mein Stuͤndlein vorhanden iſt/ ꝛc. mein
Seel an meinem letzten End befehl ich dir in deine Haͤnd/

du wollſt ſie mir bewahren! Ja du wirſt mir ſie
bewahren/
Amen.


Die
[513]Predigt.

Die Zwey und Viertzigſte Predigt/


Vber den dritten Articul/
Von der Aufferſtehung des Fleiſches/


Die Erſte Predigt/


Von der Warheit und unfehlbaren Gewißheit
der Aufferſtehung des Fleiſches.


GEliebte in Chriſto: Jn dem Roͤmiſchen martyrologio
auff den 27. Brachmonats wird eine ſeltzame und aben-
theuerliche Legend beſchrieben von ſieben Schlaͤffern
oder Maͤrtyrern/
mit Namen daſelbſt bezeichnet/pag. 210.
welche aus Furcht der Decianiſchen Verfolgung zu Ephe-
ſo in eine Hoͤle gegangen/ und daſelbſt ſaͤnfftiglich biß zur Zeit des Kaͤyſers
Theodoſii, nemlich uͤber anderthalb hundert Jahr geſchlaffen/ ſind dar-
nach wunderlicher Weiſe erwecket/ aus der Hoͤlen herfuͤr gangen/ und alles
in der Welt veraͤndert gefunden; da ſie zuvor die Kirche im Blut-Bad
gelaſſen/ haben ſie hernach die Kirch in roſis und floribus, die Chriſtenheit
im Roſen-Garten und unverhofften gluͤckſeligen Wohlſtand angetroffen.
Jſt/ ſag ich/ eine abentheuerliche Geſchicht/ und iſt ſie wahr/ ſo koͤnnen wir
auch leichtlich glauben wahr ſeyn/ was von dem Epimenide Plinius refe-Plin. Gell.
Diogenes
Laërt.
vid. Marty-
rol. Baron.
p. 471.
v. Eraſm.
Chiliad.
p.
313.

riret/ daß er einsmahls/ als er von ſeinen Eltern geſchicket wurde das
Vieh zu huͤten/ in einer Gruben geſchlaffen habe gantzer ſieben und funffzig
Jahr/ das mag wohl ein harter/ ja eiſerner Schlaff ſeyn geweſen.


Wann wirs aber aber beym Liecht beſchen/ ſo iſts eine Fabel/ Maͤhr-
lein und Lugend/ ἀσύςατος, die in der Prob der heiligen Aletheææ der War-
heit nicht beſtehet/ dann die Narranten ſelbſt noch nicht einig/ ob ſie ſo lang
geſchlaffen oder geſtorben/ und nach Art der Schrifft hernach die Schlaͤffer
genennet worden/ und wahrhafftig aufferſtanden? Baronius der Roͤmi-Baron ad
ann. 853.
n.
61.

ſche Cardinal und Maͤhrlein-Schmucker/ nach dem er ſich beſſer bedacht/
und das Scham-Huͤtlein abgezogen/ referirts unter die warhaffte und
lang falſch-geglaubte Luͤgen/ ſo gleich zu halten der jenigen vom templo
pacis,
daß er ſoll uͤber einen Hauffen gefallen ſeyn/ zur Zeit/ da Chriſtus
Sechſter Theil. T t tder
[514]Die Zwey und Viertzigſte (Erſte)
der HErr geboren worden/ oder vom Trajano, welcher durch das Gebet des
Gregorii wider aufferwecket wordẽ ſeyn ſoll. Noch gleichwol iſt dieſe Lugend
Baron. ad
martyr.
p.
471.
im Roͤmiſchen Calender canoniſiret/ und ſchreibet Baronius, Es ſey dem/
wie ihm woll/ es verhalte ſich alſo oder nit/ ſo ſagen wir mit gutem Fug und
Recht/ daß ſo wohl die Lateiner als die Griechen aller dieſer Heiligen erwor-
bene folennitaͤt und Feſt-Zeit heilig verehren und feyerlich begehen. Ja es
wird noch wohl ein Glaubens-Articul darauff fundirt/ im Roͤmiſchen
Maͤrterer-Buch ſtehen dieſe Wort: Daraus erſcheinet eine groſſe
und gewiſſe Zeugnuͤß Goͤttlichen Gewalts und Chriſtlichen
Glaubens von Aufferſtehung der Toden/ auch eine groſſe
Staͤrckung deren/ die in GOTT trauen und von ihm be-
wahret werden.


O des armen Zeugnuͤß! des grundloſen Glaubens/ der ſchwachen
Staͤrckung! haͤtten wir nicht beſſere fundamenta, wehe uns! Die War-
heit bedarff keiner Luͤgen/ in Gottes Wort finden wir dormientes und
Schlaͤffer/ nicht ſieben/ ſondern alle die aus Adams Gebluͤte entſprungen/
ſo da ſchlaffen biß an den Juͤngſten Tag und aufferwecket werden/ wann
ſie der Tod wird außwuͤrgen/ das Meer außſpeyen/ und ſie alles gar anders
als zuvor ſehen werden. Jſt eine Hiſtori der Vernunfft zwar ſeltzam und
abentheuerlich/ aber in der That und Werck allerdings warhafftig/ wie
dann wir anietzo ſolche Warheit der Aufferſtehung fuͤrgenommen
zu illuminiren/ und nach Anleitung unſers Symboli Nicæni zu be-
haupten τὸ An ſit?daß unſer Glaube recht dran ſey/ und nicht
Col. 1, 18.
Apoc.
1, 5.
vergebens warte auff die Aufferſtehung des Fleiſches. Chri-
ſtus der Erſtgeborne von den Toden;
welcher uns durch ſeine
Aufferſtehung des ewigen Lebens theilhafftig gemacht; wolle uns verhelf-
fen/ daß wir uns ſeiner Aufferſtehung in wahrem Glauben getroͤſtet/ an
ihn halten/ und dermahl eins in der andern Auffer ſtehung folgen moͤgen
ins ewige Freuden-Leben/ umb ſeiner ſiegreichen Aufferſtehung willen/
Amen.


DAß nun warhafftig eine allgemeine Aufferſtehung der
Toden zu erwarten ſeye/
und nicht irgend eine lang- und
falſch-geglaubte Maͤhr/ das bejachzen die zweenChoriund
Schaaren der Goͤttlichen Bekenner und Zeugen Altes und
Neues Teſtaments;
Vnd zwar aus dem Alten Teſtament wird
dieſe
[515]Predigt.
dieſe Aufferſtehung der Toden bekraͤfftiget I. Syllogiſmo Mo-
ſaico,
mit der Moſaiſchen Schluß-Rede/ durch welchen alle un-
fere Syllogiſmi, diſputationes, Folgereyen und Schluß-Reden canoniſi-
ret/ geweyhet und beſtaͤtiget worden: Dann als die groben Vnflaͤter dieMatth. 22,
23. ſeqq.

Sadduceer folgerten ex abſurdo, Die Aufferſtehung bringet ein greu-
liches abſurdum und ungereimten Schluß mit ſich/ nemlich daß ein Weib
ſieben Maͤnner haben ſoll; So antwortet ihnen Chriſtus: Jhr irret
und wiſſet die Schrifft nicht/ habt ihr nicht geleſen von der
Aufferſtehung der Toden/ da ich geſagt: Jch bin der Gott
Exod. 3, 6.
Abraham/ der Gott Jſaac/ der Gott Jacob; Daraus folget die-
ſer Schluß: Ein iedweder/ deſſen Gott iſt ein Gott/der da iſt/
und der da ſeyn wird/ der iſt
dermahl eins faͤhig der ewigen Seelig-
keit/ folgends wird er im Tode nicht bleiben koͤnnen. GOTT ſchaͤ-Pſ. 144, 15.
Hebr.
11,
16.

met ſich ihr nicht zu heiſſen ihr GOTT/ dann Er hat ihnen
eine Statt zubereitet/
und ſie ſuchen ein himmliſches Vaterland;
Derſelbige/ eben derſelbige lebet DEM GOTT/ wie es St. Lucas erklaͤrt/Luc. 20. 38.
dann er wird von Gott wider herfuͤr gebracht werden/ weil Gott iſt
ein Gott der Lebendigen/ derſelbige iſt nicht tod/ das iſt/ nicht im Tode
bleibend: welchen Verſtand Chriſtus der Herr von Jairi toden TochterMarc. 5, 19.
außgeſagt/ Das Kind iſt nicht geſtorben/ ſondern es ſchläffet/
das iſt/ ob es gleich tod/ ſo wird es doch im Tode nicht bleiben/ ſondern von
mir aufferwecket werden. Nun aber iſt Gott ein Gott Abrahams/
und aller der jenigen/ die ſeinen Glaubens-Fußſtapffen nachfolgen/ ſo kan
freylich nicht anders folgen/ als daß ſie leben/ und dermahl eins eine
Aufferſtehung der Toden
gewiß folgen werde.


II. Confeſſione fiduciali,Mit glaubigen/ herrlichen
Bekaͤntnuͤſſen/ welche die
Patresund Glaubens-Helden nicht
nur mit
affecten/ Begierden und Verlangen zu erkennen ge-
geben/
fuͤrnemlich mit dem inbruͤnſtigen Verlangen nach derv. Luth. ad
Gen. c.
50.

Begräbnuͤß im Lande Canaan/ ſondern auch mit pathetiſchen
Worten/
wohin ſonderlich gehoͤret der bekante Spruch des ge-
dultigen Glaubens-Helden Hiobs
am 19. Cap. Was die Philo-Iob. 19, 25.
26. 27.

logi critiſiren/ laſſen wir an ſeinem Ort; Allezeit iſt gewiß/ daß Job hie
nicht handelt de reſtitutione in integrum, von der Widererſtattung
T t t 2ſeiner
[516]Die Zwey und Viertzigſte (Erſte)
ſeiner vorigen Geſundheit/ Gluͤckes und Wohlſtandes/ das erſcheinet
è voto perpetuitatis,aus dem beygefůgtẽ herrlichen Wunſch/
daß dieſer ſein Spruch moͤchte den Nachkommen biß ans Ende der Welt
zur Nachrichtung auffgezeichnet werden/ als ein ſolatium (non perſo-
nale, ſed) catholicum.
als ein Troſt/ nicht nur fuͤr Jobs Perſon allein/
ſondern fuͤr alle und iede Meſſianer ins gemein außgeſprochen. Es er-
ſcheinet è πληροφορία, aus dem ſtarcken Vertrauen/Scio, ſagt er:
Jch weiß/ das hat er von der cataſtrophe ſeines Vngluͤcks/ und vori-
gen Gluͤcks Widererſtattung nicht gewiß wiſſen koͤnnen/ die Hoffnung iſt
ihm laͤngſt entfallen geweſt/ er zweifelte gantz daran; Es erſcheinet auch
Iob. 7, 7. c.
10, 20. c. 13,
15. c. 16, v-
ult. c. 17, 1.
c. 19, 20.
c. 30, 23.
Hieron.
ep.
61.
aus der Benamſung desGoëlis,Jch weiß daß mein Erloͤſer
(Goël im Hebreiſchen) lebet/ redet dannenhero nicht von einer gemei-
nen/ ſondern von einer Goëliſchen Mittlers-Erloͤſung/ dannenhero ſchrei-
bet Hieronymus: Quid hac prophetiâ manifeſtius? nullus tàm apertè
poſt Chriſtum, quàm iſte ante Chriſtum de reſurrectione loquitur,

Was iſt klaͤrers als dieſe Weiſſagung? Es hat kein Heiliger nach Chriſti
Zeit ſo klar/ als dieſer vor Chriſto von der Aufferſtehung geredet; Wie
nun weiter? Ach daß meine Reden geſchrieben wuͤrden/
Ach daß ſie in ein Buch geſtellet wůrden/ mit einen eiſernen
Griffel auff Bley/ und zu ewigem Gedaͤchtnuͤß in einen Felß
gehauen wuͤrden. Jch weiß
dannoch/ es gehe mir ſonſt wie Gott
will/ daß ich in meinem Fleiſch Gott ſehen werde/ das iſt/ den
eingefleiſchten Gott/ den Gott-Mann den Meſſiam/ nicht als ein
frembder
Bilgram/ ſondern als ein Burger/ als ein Erbe/ als ein
Sohn.


Dan. 12, 2.

III. Prophetia Danielicà;Mit der Weiſſagung Da-
nielis/ Viel/
das iſt/ alle Menſchen/ deren ja freylich an der Zahl viel/
ſo unter der Erden ſchlaffen/ werden auffwachen/ etliche zum
ewigen Leben/ etliche zu ewiger Schmach vnd Schande;

welches von Antiochi Zeiten nit zu verſtehen/ nicht von einem figuͤrlichen/
metaphoriſchen und verbluͤmten Grab/ aus welchem das Juͤdiſche Volck
und alſo von einem ungluͤcklichen Stand und toden Leben/ widerumb her-
fuͤr kriechen/ und in einen Flor ihrer Policey geſetzt werden ſollen; dann die-
ſelbe Juden/ ſo nach der außgebluteten Verfolgung uͤbergeblieben/ ha-
ben in dieſer Welt kein ewiges Leben erlanget/ auch nicht ewige Schande.


IV.Aus
[517]Predigt.

IV.Aus dem Prophetiſchen Geſicht Ezech. 37. da derEzech. 37,
1. ſeqq.

Prophet ſaget: Des HErren Hand fuͤhret mich im Geiſt hin-
aus auff ein weit Feld/ das voller Toden-Beine lag/ und der
HERR ſprach: Du Menſchen-Kind/ meyneſtu auch/ daß
dieſe Beine wider lebendig werden: Vnd der Prophet ant-
wortet: HERR/ das weiſſeſtu wohl! Vnd der HERR
ſprach: Weiſſage von dieſen Beinen und ſprich zu ihnen:
Jhr verdorreten Beine/ ſihe/ ich will einen Athem in euch
bringen/ daß ihr ſollet lebendig werden. Jch will euch Adern
geben/ und Fleiſch laſſen uͤber euch wachſen/ und mit Haut
uͤberziehen/ und will euch Athem geben/ daß ihr wider lebendig
werdet. Drauff als er geweiſſaget von dieſen Beinen/ ſihe/
da rauſchet es/ es regete ſich/ die Beine kamen wider zuſam-
men/ es wuchſen Adern und Fleiſch darauff/ und ſie wurden
mit Haut ůberzogen/ und kam Athem in ſie/ und richteten ſich
auff ihre Fuͤſſe;
Ein lebendiger Spiegel und contrafet des Articuls
von der Aufferſtehung; Ob nun wohl dieſe viſion zielet auff die reſtitu-
tion
aus der Babyloniſchen Gefaͤngnuͤß/ ſo gewiß dieſe Toden wider
lebendig worden/ ſo gewiß ſolten auch die gefangene Juden aus ihrem
Gefaͤngnuͤß erloͤſet werden: ſo iſt doch das fundament, der Grund/ dar-
auff ſich dieſes Geſicht gruͤndet/ principium notius ein andere dazumaln
in der Juͤdiſchen Kirchen erkantliche und erkante Vrſach/ aus welcher die
Aufferſtehung unfehlbar zu ſchlieſſen geweſt. Non poſſet de oſſibus
figura componi, ſi non id ipſum oſſibus eventurum eſſet,
ſchreibet Theo-
dotetus
uͤber dieſe Wort: Es koͤnte keine gewiſſe Figur aus der viſion der
zuſammen-gefuͤgten erſtandenen Beinen præſentirt und dargeſtellet wer-
den/ wo nicht in der That mit den Beinen dermal eins ſich dergleichen bege-
ben wuͤrde: als wolt er ſagẽ: So ich Gott kan dieſe Beine leibhafftig wider
erwecken/ welches viel ein groͤſſer Wunder iſt/ und zu ſeiner Zeit gewiß ge-
ſchehen wird/ nicht bloß Geſichtsweiſe/ in den Augen des Propheten/ ſon-
dern warhafftig in den Augen der gantzen Welt; wie vielmehr werde ich
thun koͤnnen/ das geringer iſt/ und das Jſraelitiſche Volck widerbringen
aus der Babiloniſchen Gefaͤngnuͤß.


V. Exemplis typicis,Mit den Vorbildern/ ſo wohl per-Gen. 22, 10.
ſoͤnlichen des Jſaacs/ welchen Abraham auff Befehl Gottes ſchlachten
T t t 3wolte;
[518]Die Zwey und Viertzigſte (Erſte)
Hebr. 11, 19.wolte; Er dachte/ Gott kan auch wohl von Toden aufferwecken;
Es wohnet in Abraham gleichſam fides contradictoria, er glaubte wider
Glauben/ Jſaac ſolte geſchlachtet werden/ und doch ein Vater des Meſſiæ
ſeyn/ dieſe nach der Vernunfft Vrtheil widerſinnige und widereinander
lauffende Reden muß der Articul und Glaube von der Aufferſtehung
der Toden
conciliiren und vergleichen; Jonas/ welchen der Herr
Matth. 12,
40.
Chriſtus zwar als ein Fuͤrbild auff ſeine Perſon angezogen/ aber doch/ weil
Chriſtus der Erſtgeborne iſt von den Toden/ wird er nicht unbillich auch
dargeſtellet/ als ein Fuͤrbild unſerer Aufferſtehung gehalten/ derſelbe iſt
zwar vom Wallfiſch verſchlungen/ aber wider lebendig außgewuͤrget wor-
1. Reg. 17,
22.
2. Reg. 13,
21.
Num. 17, 8.
1. Reg. 13, 6.
Exod.
4, 6.
7.
den. Wohin auch zu ziehen die real-Exempel; Das Kind der Wittben zu
Zarpath/ welches durch Goͤttliche Wunder-Krafft/ vermittelſt des Pro-
pheten Eliæ wider lebendig worden; durch Anruͤhrung der Gebeine Eliſæ
wurde ein toder Menſch erwecket; Die Ruthe Aaronis gehoͤret auch hie-
her; die verdorrete Hand Jerobeams/ die auſſaͤtzige Hand Moſis/ welche
alle ſich widerumb in den vorigen Stand veraͤndert.


Jn dem Neuen Teſtament wird die Aufferſtehung der
Toden
viel klaͤrer und heuterer bekraͤfftigetI. Syllogiſmis Pauli-
1. Cor. 15,
12. ſeqq.
nis,mit Pauliniſchen Schluß-Reden; 1. Cor. 15. (wider die/ ſo
da ſagen/ die Aufferſtehung ſey nichts.) Haupt ohne Leib kan nicht
aufferſtehen. Chriſtus (wann wahr waͤre/ daß keine Aufferſtehung)
waͤre ein Haupt ohne Leib/ derowegen iſt Chriſtus nicht aufferſtanden/
οὐϑενότης ϑερισμοῦ, οὐδενότ ης ἀπαρχῆς, οὐδενότης ἀναςάσεως; Jſt Chriſtus
nicht aufferſtanden/
ſo iſt Er noch im Schuld-Thurn/ ſo iſt unſer
Evangelium und Glaube vergebens und eitel/
dann ſo der
Buͤrge noch nicht loß/ ſo iſt ſeine Erloͤſung deſpetat und zweifelhafftig/
ſo der jenige erſoffen/ der mich aus dem naufragio, aus dem Schiffbruch
und Waſſer will erloͤſen/ was kan ich hoffen? Darumb weil Chriſt
Ioh. 14, 19.
Mich.
2, 13.
vom Tod erſtanden iſt/ werd ich im Grab nicht bleiben: Jch
lebe/ und ihr ſollt auch leben/
ſagt Er der Herr ſelbſt. Er iſt der
Durchbrecher/ der Platz gemacht/ Chriſti Aufferſtehung iſt der Schluͤſſel
zu unſerer Aufferſtehung; Ein toder Leichnam ruͤhret einsmahls die To-
2. Reg. 13,
21.
den-Beine des Propheten Eliſæ an/ und wird lebendig davon: Solten
nicht in Krafft des lebendigen Herren Chriſti auch unſere Leiber wider
lebendig werden/ als der uns umb ſolcher Hoffnung willen mit ſeinem
eigenen Leib im Sacrament ſpeiſet/ wie die lieben Alten ihre Gedancken
davon
[519]Predigt.
davon habẽ. 2. Die aufhebung und verneinung der endlichẽ vergeltung des
boͤſen mit gutem/ des Leidens mit der Herrligkeit/ ſetzt glaubige Chriſt ein
den allerelendeſten Stand/ in einen ſolchen Stand/ da einer lieber ein Vieh
als Menſch ſeyn wolte/ dann hoffen wir allein in dieſem Leben
auff Chriſtum/ ſo ſind wir die elendeſten unter allen Men-
ſchen.
3. Eine iedwede præmiſſa und Meynung/ ſo die Maͤrter-Kro-
nen zu nichte machet/ und das epicuriſche Leben einfuͤhret/ iſt falſch/ gott-
loß und verwerfflich; dergleichen Schluß-Rede und Folgerey aber iſt die
Auffhebung der Aufferſtehung/ was ſtehen wir dann alle Stunden
in Gefahr? Hab ich menſchlicher weiſe zu Epheſo mit den
wilden Thieren gefochten? Was hilfft michs/ ſo die Toden
nicht aufferſtehen? Laſſet uns eſſen und trincken/ dann mor-
gen ſind wir tod.
Was iſt endlich die Tauffe nutz uͤber den Toden/
(in welcher Frage St. Paulus diſputiret ad hominem) was laſſen ſie
ſich tauffen uͤber den Toden/
das iſt/ an ſtatt derſelben/ zu einem Zei-Epiphan.
hæreſ.
28.

chen/ daß ſie glaubten/ die Toden wuͤrden dermahl eins wider auffer ſtehen.
Wofuͤr thun ſie das? wann keine Aufferſtehung zu erwarten waͤr.


II. Confeſſione fiduciali,Mit glaubiger ſo muͤnd-
licher und unblutiger/ ſo thaͤtlicher und blutiger Bekaͤntnůß;

Martha des Lazari Schweſter/ redend aus damahl gemeinen Juͤdiſchen
Glauben/ da der HErr Jeſus zu ihr ſprach: Dein Bruder ſollIoh. 11, 23.
24.

aufferſtehen/ gibt ſie ihm die glaubreiche Antwort: Jch weiß wohl/
daß er aufferſtehen wird in der Aufferſtehung am Juͤngſten
Tage; Die thaͤtliche und blutige
Confeſſion haben die heiligen
Apoſtel ſampt dem gantzen Chor der heiligen Maͤrtyrer der Chriſtenheit
hinderlaſſen/ welche alle die groͤſte Thoren in der Welt geweſt waͤren/ wann
ſie ſich ſo jaͤm̃erlich umb Chriſti willen haͤtten laſſen peinigen und quaͤlen/
ſo ſie keine Aufferſtehung und Wechſel des gemartertẽ Leibes mit himliſcher
Verklaͤrung haͤtten zu hoffen gehabt. Paulus iſt ſo gewiß/ als waͤr es ſchon
geſchehen/ Chriſtus hat uns/ ſagt er: aufferwecket/ und insEph. 2, 6.
himmliſche Leben verſetzet.


III. Propheticâ Chriſti promiſſione,Mit der Pro-
pheceyung und theuren Zuſage der himmliſchen Warheit
Chriſti Jeſu ſelbſt/
damit er dieſen unſern fuͤrhabenden Glaubens-
Articul
[520]Die Zwey und Viertzigſte (Erſte)
Articul wider allen Zweifel gleichſam veranckert und verpaſteyet;
Matt. 12, 41.Die Leute zu Ninive/ ſagt Er: werden aufftreten am Juͤngſten
Gerichte mit dieſem Geſchlechte/ und werden es verdammen;

Luc. 14, 13.
14.
Deßgleichen als Er bey einem Oberſten der Phariſeer zu Gaſte war/ ver-
mahnet Er ihn Prophetiſcher weiſe: Lade die Armen/ Kruͤpel/ Lah-
men/ Blinden/ es wird dir vergolten werden in der Aufferſte-

Ioh. 5, 28.
29.
hung der Gerechten; Es kommt die Stunde/ in welcher alle/
die in Graͤbern ſind/ werden ſeine Stimme hören/ und herfuͤr
gehen/ die da gutes gethan haben/ zur Aufferſtehung des Le-
bens/ die aber böſes gethan haben/ zur Aufferſtehung des Ge-

Ioh. 6, 40.
Confer
Rom. 8, 11.
1. Cor. 6, 14.
2. Cor. 4,
14. 1. Theſſ.
4, 14.
Apoc.
20.
12. 13.
richts. Wer den Sohn (Gottes) ſihet und glaubet an ihn/
der hat das ewige Leben/ und ich werde ihn aufferwecken am
Juͤngſten Tage.


IV. Viſione Johannéa,Mit der Hellen-Schau St.
Johannis: Jch ſahe die Toden/ beyde groß und klein/ ſtehen
fuͤr Gott/ und wurden gerichtet nach der Schrifft in den Buͤ-
chern/ nach ihren Wercken/ das Meer/ der Tod und die Höll
gaben die Toden heraus.


V. Exemplis,Mit den Exempeln derer beyden/ ſo uns
Gott gleichſam zu Geyſeln und lebendigen Zeugen geſetzet und verordnet/
Matt. 17, 3.
Marc. 9, 4.
Luc.
9, 30.
31.
Moſis vnd Elias; Moſes als eine Geyſel der Aufferſtehung/ Elias der
Prophet eine Geyſel und Zeuge des ewigen Lebens/ beyde erſcheinen in ver-
klaͤrten Leibern auff dem Berg Thabor/ preiſen den uͤberaus-reichen/ uner-
ſchaͤtzlichen Nutz und Frucht des Außganges der blutigen Paſſion/ und
freuen ſich/ daß ſie nunmehro in ewiger Seeligkeit leben und ſchweben
durch dieſe Frucht und Krafft; So dann die jenigen/ die Chriſtus durch
ein edles Wunderwerck und Siegel-Zeichen an den Brieff ſeiner Ver-
Matt 9, 25.
Luc. 7, 17.
Ioh. 11, 43.
44.
Matth. 27,
52. Confer
Act. 9, 40.
c. 20, 10.
Ioh 12, 24.
1. Cor.
15,
26.
heiſſung angehenckt/ aufferwecket/ im erſten Jahr/ des Jairi Toͤchterlein/
welche noch nicht vom Hauſe zur Begraͤbnuͤß außgetragen; Jm andern
Jahr den Juͤngling zu Nain/ der ſchon heraus getragen war; Jm dritten
Jahr Lazarum/ der ſchon begraben war.


VI. Similitudinibus,Mit Gleichnüſſen/ ſo theils in
Gottes Wort
gefunden werden/ das Weitzen Koͤrnlein/ welches zwar
in der Erden muß erſterben/ aber hernach bringet es viel Frucht/ das du
ſaͤeſt/
[521]Predigt.
ſäeſt/ wird nicht lebendig/ es ſterbe dann; theils auſſer Gottes
Wort
von den heiligen Vaͤtern auff die Bahn gebracht werden; Der
Arabiſche Vogel Phœnix ſoll fuͤnff hundert Jahr erreichen/ und iederzeit
einer allein ungepart/ wann er mercket/ daß ſeines Lebens Ende herzu
rucket/ ſo traͤget er ſelbſt einen von Gewuͤrtz Holtzhauffen zuſammen auff
einen hohen Berg/ und zwar dem Gipffel deſſelben/ verbrennet ſich/ und le-
get alſo das Alter von ihm ab durch den Tod/ daraus entſpringet ein neuer
ſchoͤner/ friſcher Phœnix Vogel herfuͤr.


Der gantzemacro-undmicrocoſmuslaſſenfiguren/
Bilder von ſich ſcheinen der kuͤnfftigen Aufferſtehung.
Totus
hic ordo rerum reſolubilis eſt teſtatio reſurrectionis mortuorum,

ſchreibet Tertullianus, Die Enderung der Natur iſt ein Zeugnuͤß der
Aufferſtehung/ daß zum Exempel das alte Jahr vergehet und das neue
anbricht/ daß auff einen rauhen Winter ein lieblicher Fruͤling folget/ daß
nach dem Sprichwort/ untergehen und nicht vergehen der Sonnen Ei-
genſchafft ſeye/ was iſt das anders als eine ſchoͤne figur der Enderung des
Menſchen aus dem Stande des Todes in das Leben. Wo ſind dieſe
Graͤſelein im Winter geweſen? wo die Blaͤtter von den Baͤumen? die
ſind auch ſchoͤn/ friſch/ geſund/ gruͤn/ ſafftig und herrlich geweſen/ ietzund
aber fangen ſie an zu ſtaupen/ zu krancken/ zu ſiechen/ blaß/ todfaͤrbig zu wer-
den/ und fallen her ab auff die Erden/ nach dem Sprichwort: Vmb Galli
fallen die Blaͤtter alle. Sie ſind alle eure Prediger und Warner; denn
ſie ſagen: Lieber Menſch/ ich bin auch ein ſchoͤnes Creaturlein geweſen/
jung/ friſch/ ſchoͤn und wohlgeſtalt/ habe auch vielleicht hoch geſeſſen auff
dem Wippel des Baumes/ aber ietzt bin ich ein Leichlein worden/ ietzt trit-
teſtu mich mit Fuͤſſen/ wer weiß/ wie lange du wirſt leben/ es darff ein klei-
nes Zeitlein herbey gehen/ ſo wirſtu auch fallen und zur Leiche werden/ wer
weiß/ wer deine Staͤublein wird mit Fuͤſſen tretten? Darumb/ was
du thuſt/ ſo bedenck das Ende/ ſo wirſt du nimmermehr ůbels
thun/
Syr. 7. Hie iſt ihr Kirchhof geweſen/ ſie ſind tod und kalt geweſen/Syr. 7, 40.
in der Erden ſind ihre Wuͤrtzlein begraben geweſen/ ſehet/ ietzund leben Laub
und Graß/ im Fruͤhling hatten ſie ihren Juͤngſten Tag/ hie ſtehen ſie in ih-
rer ſchoͤnen Farbe/ damit ſie Gott gezieret hat. Bald in kurtzer Zeit
werden ſie wider kranck werden/ ſie werden verwelcken/ ſterben und in die
Erden kriechen/ aber auff gewiſſe Hoffnung/ daß ſie werden wider kommen.
Darumb/ liebe andaͤchtige Hertzen/ ſo viel Bluͤmlein im Garten/ ſo viel
Graͤßlein auff Erden/ ſo viel Blaͤtlein an Baͤumen/ ſo viel Prediger/
Sechſter Theil. V u uſo viel
[522]Die Zwey und Viertzigſte (Erſte)
ſo viel Bekenner haben wir/ die alle mit einhelligem Munde ſchreyen:
Jch glaube eine Aufferſtehung von den Toden/ zuvor war ich
tod/ ietzt lebe ich durch den Willen Gottes. Solten wir es nicht ſo gut
haben/ als die Graͤßlein? Solten wir nicht ſo viel Hoffnung haben/ als
die Bluͤmlein: Sie kommen wider/ und wir ſolten gantz zu nichte wer-
den? Sie haben ihren Juͤngſten Tag umb Oſtern/ und wir ſolten nichts
zu hoffen haben? Mit wem hat Gott ſein Hertz getheilet? Wem hat Er
das ſchoͤne Stuck aus dem Himmel/ ſeinen lieben Sohn geſchencket?
Wem zu gute hat Jeſus ſein Blut vergoſſen? Wem wird der Heilige
Geiſt zugeſagt? Fuͤrwar uns Menſchen/ nicht den Graͤßlein/ nicht den
Bluͤmlein! Wie ſolten wir dann weniger Gluͤck haben als die Graͤßlein/
als die Bluͤmlein? Darumb ſterben wir froͤlich auff dieſe Hoffnung.
Soll die Natur ihren Lauff haben/ ſo muͤſſen wir Menſchen wider auffer-
ſtehen/ die Bluͤmlein haben alle Jahr einmahl ihren Juͤngſten Tag/ wir
werden ihn nur einmahl haben am Ende der Welt. Dann wir werden
nicht mehr ſterben/ ſondern ewig mit Chriſto leben und herrſchen. Gott
bildet uns dieſen Articul alle Tage durch den Schlaff/ auff den Abend ſter-
ben wir/ und ruhen in unſern Schlaffkaͤmmerlein/ des Morgens iſt Juͤng-
ſter Tag/ da werden wir lebendig/ und preiſen Gott den Herren.


Die Kunſt gibt auch Gleichnuͤſſe an die Hand/ wann zum Exempel der
Goldſchmied ein altes verroſtetes Geſchirr/ Gefaͤß/ Becher in den Tiegel
wirfft und zerſchmeltzen laͤſſet/ und ein neues/ reines/ außpolirtes Gefaͤß
widerumb aus dem Feuer herfuͤr zeucht/ iſt das nicht ein ſchoͤn Bildnuͤß
des Wechſels des Lebens mit dem Tod? derer nicht dem Weſen nach an-
derer/ ſondern alterirten und geaͤnderten Leiber?


Jſt alſo die Sache richtig erwieſen/ erhaͤrtet/ befeſtiget/ und ohne
Zweifel/ und iſt der gar uralte Glaube/ den man in der erſten Kirchen ſchon
Hebr. 6, 2.im Catechiſmo hat pflegen vorzutragen/ nemlich die Aufferſtehung der
Toden/
darumb er auch im Apoſtoliſchen und NiceniſchenSym-
bolo
klar zu glauben geſetzt und bekant; Jch warte auff die Aufferſtehung
der Toden per ἀποκαραδοκίαν, mit einem ſehnlichen Verlangen/ wie die
Rom. 8, 21.
22.
Creatur auff ihre Befreyung von dem Dienſt des vergaͤnglichen
Weſens/ wie Noah in dem Kaſten auff gutes Wetter wartet; hie moͤchten
aber Kluͤglinge einwenden/ was bedarffs ſolcher Bekraͤfftigung? Es iſt
ein altes die Aufferſtehung des Fleiſches? Wer iſt unter uns der diß nicht
glaube? ſo gar juͤcken uns die Ohren nach neuen Zeitungen und Sachen/
daß wir meynen/ wir haben das alte alles außſtudirt/ und wie man pflegt
zu ſa-
[523]Predigt.
zu ſagen/ an den Schuhen vertretten. Antwort: Es iſt eine neue und
alte Lehr/ neu der Vernunfft/ alt dem Glauben. Der ihr ſelbſt-gelaſſenen
Vernunfft kommt es allezeit neu/ abentheuerlich/ unglaublich/ unbegreiff-
lich/ ungeſchmackt/ ja naͤrriſch und laͤcherlich fuͤr zu glauben/ daß ein einge-
aͤſchter/ vermoderter/ verfaulter Leib ſoll wider jung/ friſch/ geſund und
lebendig werden. Fleiſch und Blut weiß von nichts als vom gegenwaͤr-
tigen/ was man mit Augen ſihet/ was kuͤtzelt und wohlthut/ das glaubet-
die Vernunfft: Aber weit/ weit ins kuͤnfftige hinaus glauben/ daß der Leib/
der etlich hundert ja tauſend Jahr eingegraben gelegen/ himmliſche Wol-
luſt und Ergetzligkeiten genieſſen ſoll/ das will ihr nicht in Sinn.


Jn dem Articul (ſind Wort Lutheri tom. 6.) daß ich ſoll() tom. 6.
len. fol.

228.

glauben die Aufferſtehung des Fleiſches/ daß alle Menſchen auff
einen Tag ſollen wider lebendig werden/ und unſer Leib und Seel zuſam-
men kommen/ wie ſie ietzt beyeinander ſind/ das iſt warlich nicht Menſchen-
Kunſt noch Vermoͤgen. Dann die Vernunfft iſt da/ und thut nicht
mehr/ dann ſihet ſchlecht in das Werck/ wie es fuͤr Augen iſt/ daß die Welt
ſo lang geſtanden iſt/ und ſtirbet immer einer nach dem andern/ und bleibt
alles tod/ verweſen und gar zupulvert im Grab/ und iſt noch nie keiner wi-
der kommen. Darzu der Menſch ſo jaͤmmerlich hinſtirbet und verdirbet/
elender und ſchaͤndlicher dann kein Vieh noch Aaß/ item zu Pulver ver-
brant oder zuſteubet wird/ ein Bein in Engelland/ ein Arm in Teutſchland/
der Schedel in Franckreich/ und ſo zutrennet in viel tauſend Stuck/ wie
man der Heiligen Gebeine pfleget zu zeigen. Paulus muß deßwegen einAct. 17, 18.
Lotterbub heiſſen zu Athen/ und den Namen haben/ er bringe neue Goͤtter
auff die Bahn. Feſtus nennets einen Aberglauben/ er weiſet ihn insc, 26, 24.
1. Cor.
2,
23.

Tollhauß/ und ſagt: Paule/ du raſeſt. Summa dieſe Lehr war den
Juden und unter denſelben ſonderlich den Sadduceern ein Ergernuͤß/ den
Heyden eine Thorheit. Dieſer Vnglaub und Sadducciſmus iſt uns allen
angeboren. Vnd ob ſchon durch Gottes Wort wir als Chriſten in dieſem
Articul erleuchtet/ ſo laͤſſet doch die Vernunfft ihre Tuͤck nicht/ Ver-
nunfft wider den Glauben ſicht/ auffs kuͤnfftig will ſie trauen
nicht/
darumb immer Erneuerung des alten und Staͤrckung von noͤ-
then. Der Teufel hat des Paradiſes nicht geſchonet/ Chriſti ſelbſt nicht/
dem er den Articul von der Warheit des Sohnes Gottes/ ob der Herr
Chriſtus auch der wahre Sohn Gottes ſey/ diſputirlich zu machen unter-
ſtanden/ ohn angeſehen er die himmliſche Stimm gehoͤret; Alſo machet
er es auch noch hie/ und hat laͤngſt an dieſem ſeinem Werck gearbeitet/
V u u 2dieſen
[524]Die Zwey und Viertzigſte (Erſte)
dieſen Grund aller Chriſten Troſt zu ſtuͤrtzen/ hat mit dieſer tentation
ſchon im Alten Teſtament angefochten den Eſau/ von deme (wie es Pau-
Gen. 25, 31.lus Fagius verdolmetſchet) folgende Wort im Chaldeiſchen Targum zu
leſen: Es iſt Eſau hingangen/ und hat das Recht der Erſtgeburt verach-
tet/ hat gering geachtet den Theil in der andern Zeit/ und hat verlaͤugnet
die Aufferſtehung der Toden.


Demſelben folgen im Werck und der That ſelbſt unſere Epicurer/
Eſa. 22, 13.die da Ochſen wuͤrgen/ Schafe ſchlachten/ Fleiſch eſſen/
Wein trincken/ und ſprechen: Laſſet uns eſſen und trincken/
wir ſterben doch morgen/
leben als Saͤu/ ſterben wie Kuͤhe/ ſprechen:
Sap. 2, 1. 6.
7. 9.
Es iſt ein kurtz und muͤhſelig Ding umb unſer Leben/ und
wann ein Menſch dahin iſt/ ſo iſts gar aus mit ihm/ ſo weiß
man keinen nicht/ der aus der Höllen wider kommen; Wohl
her nun/ und laſſet uns wohl leben/ weils da iſt/ und unſers
Leibes brauchen/ weil er jung iſt/ wir wollen uns mit dem
beſten Wein und Salben fuͤllen/ unſer keiner laß ihm fehlen
am prangen/ daß man allenthalben ſpuͤren möge/ wo wir froͤ-
lich geweſen ſind/ wir haben doch nicht mehr davon/ dann das;

deren die heutige Welt voll iſt/ die von auſſen zwar die Aufferſtehung mit
Luth. tom.
6. pag.
224.
den Worten bekennen/ aber mit der That verlaugnen ſie es; Sind drey
unter den Paͤpſten und Cardinaͤlen/ die dieſen Articul glauben/ ſo ſinds
viel; Einer ſoll geſagt haben zu einem gelehrten Mann/ der dieſen Articul
wider ſeinen Widerpart mit unauffloͤßlichen argumenten erwieſen: Es
ſcheinen wohl deine Wort wahr ſeyn/ aber die widrige ſententz facit bo-
num vultum,
macht gut Gebluͤt und froͤlich Gemuͤth. Solcher Art und
Haar ſind viel der heutigen Soldaten/ Burger und Bauren/ mit denen
man handlen muß/ als mit Heyden/ nur die euſſerlich Erbarkeit zu erhaltẽ.


() in fron-
te libr. de
reſurrect.

Aber es bleibt dabey was () Tertullianus geſchrieben: Fiducia
Chriſtianorum, reſurrectio mortuorum,
der edelſte und beſte
Chriſten-Schatz/ Zaum/ Spoor und Troſt iſt der Glaubens-
Articul von der Aufferſtehung der Toden/ der edelſte und beſte
ja eigene Chriſten-Schatz/
ſag ich. Daß Chriſtus geſtorben ſey/
glauben auch die Heyden und ſeine Feinde/ daß aber Chriſtus aufferſtan-
den ſey/ iſt der Chriſten eigener Glaube/ iſt eines Chriſten Loſungs-Stim̃/
Auguſt. l.
16. contra
Fauſt. c,
29.
ſagt Auguſtinus;Die Heyden haben keine Hoffnung/ ſchreibet
St. Pau-
[525]Predigt.
St. Paulus 1. Theſſ. 4. aber die Chriſten haben eine lebendige Hoffnung/1. Theſſ. 4,
13.

daß weil Chriſtus vom Tod erſtanden iſt/ werd ich als ein Chriſt auch im
Tod nicht bleiben/ darumb ob mich der Herr ſchon toͤdtet/ will ich doch
auff ihn hoffen/ wie Abraham/ daß wann gleich ſein Sohn werde geopffert/Gen. 22, 10.
Hebr.
11,
17. 18. 19.

zu Pulver und Aſchen dem Leibe nach verbrennet werden/ ſo koͤnne ihn doch
der Herr widerumb aufferwecken/ und alſo ſeiner Verheiſſung Krafft
geben.


Ita quid cunctamur, omninò abjicere ſpes miſeras, vanas, inutiles, ſeducto-
rias, \& huic uni tàm ſolidæ, tàm perfectæ, tàm beatæ ſpei totâ devotione animi,
toto fervore inhærere: Bernhard. ſerm. 9. in Pſalm.
()

II. Frenum Chriſtianiſmi,Der Chriſten Zaum und
Gebiß;
Dann haben wir eine Aufferſtehung dermahl eins zu gewarten/
ſo koͤnnen wir nicht leben wie die Saͤu und das unvernuͤnfftige Vieh/ nicht
ſagen und gedencken mit dem unflaͤtigen Sardanapalo:


Ede, bibe, lude, poſt mortem nulla voluptas; ()
Jß/ trinck/ und wag es froͤlich drauff/

Jm Tode alle Freude hoͤret auff.

III. Calcar virtutis;Ein Spor und Anreitzung zur
Tugend;
Was ſchwere Arbeit thut ein Bergknapp/ aus Hoffnung/ er
werde wider aus den Kluͤfften herfuͤr kriechen ans Tageliecht/ und ſeinen
Lohn empfahen; Was nimmet ein patient nicht ein umb der Geſund-
heit willen? Was leidet der Kauffmann auff der See/ aus Hoffnung/
er werde nach dem er die See-Kranckheit außgeſtanden/ den Port/ friſchen
Lufft und Ruh erlangen? Daher entſpruͤngen die ſtarcken Gruͤnde des
Apoſtels Pauli. Ey ſo laſſet uns Gefahr gedultig vertragen und auß-1. Cor. 15,
32.
Hiob. 18,
14.
Marc. 5, 38.
1. Pet. 1, 3.
Gen. 22, 5.
ſeqq.
Iob. 19, 25.
26, 27.
Matth. 20,
81 2. Macc.
7, 23. 1. Co-
rint. 15, 19.
Act.
24, 15.

ſtehen/ laſſet uns mit den wilden Thieren ſtreiten auſſer und unter uns!


IV. Saccharum,Ein ſuͤſſer Zucker des Troſts/ ſo des To-
des des Koͤnigs der Schrecken und ſeiner Vorbotten Bitterkeit durch-
ſuͤſſet und vertreibet; denſelben zu vertreiben pflegten die Heyden vorzeiten
zu pfeiffen/ Aber/ O der elenden Pfeiff! Hie iſt die lebendige Hoffnung/ das
iſt die rechte Lebenspfeiff/ ſo des Todes Schrecken verjaget; von dero Troſt
geſchoͤpffet Adam/ Abraham/ Job/ Chriſtus ſelbſt/ die Maͤrtyrer in der
Maccabeer Hiſtori/ St. Paulus/ der ſchlieſſet alſo: Wir ſind nicht
die elendeſten Menſchen/ weil wir dermahl eins ein ander Leben
zu hoffen haben/ und andere Maͤrtyrer; Alle Marter/ Gefaͤngnuͤß/
Stock/ Eiſen/ Feſſel/ Feuer und alle Plagen/ der Tod iſt den Chri-
ſten nur ein Schlaff und Spielwerck; Sonderlich ein kraͤfftiger Troſt
V u u 3zu die-
[526]Die Drey und Viertzigſte (Andere)
zu dieſer gegenwaͤrtigen Zeit/ wer wolte dieſe dreiſſig Jahr uͤber nicht gern
ein Siebenſchlaͤffer geweſen ſeyn/ und anietzo auffwachen zu der neuen guͤl-
denen Friedens-Zeit/ zu dieſer neuen Freude? Wie froh waren die Juͤn-
ger Chriſti auff den Oſtertag/ da ſie den Herren Jeſum wiederumb
ſahen: Ach wie froh/ wann wir ihn mit unſern Augen ſehen/ nicht nur
aber ihn/ ſondern alle die liebe Leute und Freunde/ die wir hie mit Schmer-
tzen verlaſſen/ und derſelben Ruͤcken nachſehen muͤſſen. Vnterdeſſen bleibt
Dan. 12, 13.uns allen das epitaphium Danielis c. 12. ſein final- und Schluß-Troſt von
Gott ſelbſt geſtellt/ ein ſchoͤner und vielleicht ſelten gepredigter Leich-Text:
Du aber Daniel gehe hin/ biß das Ende komme/ und ruhe/
daß du auffſteheſt in deinem Theil am Ende der Tage!
Gott
geb uns ſolche Danieliſche Gaͤnge/ ſanffte Ruhe/ erwuͤndſchte Aufferſte-
hung/ ſeelige Antheilen/ umb Jeſu Chriſti unſers aufferſtandenen Heilan-
des willen/ Amen.



Die Drey und Viertzigſte Predigt/


Vber den dritten Articul/
Von der Aufferſtehung des Fleiſches/


Die Andere Predigt/


Von der Eigenſchafft der Aufferſtehung/
was dieſelbe ſey?


GEliebte in Chriſto: Zwey ſonder- und wunder-
elogia ruͤhmet Syrach in ſeinem catalogo und Re-
Syr. 48, 14.
15.
giſter der groſſen Helden Altes Teſtaments cap. 48. von
dem groſſen
Thaumandro.Wundermann und
heroiſchen Propheten Eliſa/
ſo ſich nach ſeinem To-
de begeben/ da er lebet thaͤte er Zeichen/ und da er tod war that
2. Reg. 13,
21.
er Wunder. Zielet damit auff die Hiſtori 2. Reg. 13. da wir leſen/ daß
als nach ſeinem Tode die Moabiter ins Land gefallen/ und eben ein Toder
aus der Statt heraus getragen wordẽ/ haben die Toden graͤber/ aus Furcht
der ſtreiffenden Rotten/ ihren toden Leichnam ins naͤchſt-beſte Grab und
ohngefaͤhr
[527]Predigt.
ohngefaͤhr in Eliſæ Grab geworffen/ was geſchach ſo wunderlich? ſo bald
der tode Mann die Gebeine Eliſæ angeruͤhret/ ward er widerumb leben-
dig/ und trat auff ſeine Fuͤſſe/ als ein friſcher/ geſunder/ tapfferer Mann/
gerad als waͤre er nie kranck/ nie tod geweſen.


Jſt wohl ein groſſes Wunder und paradoxon, welches niemand
glauben koͤnte/ wanns nicht in Gottes Wort geſchrieben waͤre/ daß ein to-
der Menſch/ und zwar nur deſſen Beine/ ſolten einen andern Toden leben-
dig machen. Ein unerhoͤrt und unvergleichlich groß Wunder/ Eliſa hat
zwar zuvor bey ſeinen Lebzeiten auch den toden Sohn der Sunamitin
lebendig gemacht. Jm Papſtumb gibt man zwar viel und dergleichen2. Reg. 4,
35.

miracula analoga, gleichfoͤrmige Wunderthaten vor/ ſo die Toden-Beine
der Heiligthuͤmber ſolten gewuͤrcket haben. Coſterus ſchreibet: DieCoſter. in
enchirid.
c.
15.

Beine der Heiligen haben die Krafft/ daß wer ſie anruͤhret/ wuͤrd davon ge-
heiliget/ umb der Gnade willen/ ſo daraus ſtieſſet. Aber wir bitten/ ſie wollen
uns zu gut halten/ wann wir nicht alles tragen wollen/ was ſie uns auff-
ſattlen/ ihre Lugenden ſind nicht canoniſiret/ und mangelt ihnen am cano-
ne Scripturæ;
ſie ſind in der Heiligen Schrifft nicht bewaͤhret/ und
folget gar nicht/ was der fromme Gott durch Eliſæ Beine einmahl ge-
than/ daſſelbe in conſequentiam und Beweiß zu ziehen ſey/ ſonſten wuͤrde
das Jordaniſche Waſſer noch heute zu Tage auch eine ſolche Krafft zu hei-
len haben/ wie vorzeiten an Naaman dem Syriſchen Feld-Hauptmann2. Reg. 5, 14.
erwieſen worden.


II. Widerumb meldet Syrach/ er habe nach ſeinem Tode ge-
weiſſaget/ da er tod war/ weiſſaget er.Prophetare heiſſet in ge-
nere propheticum actum exercere,
ein Prophetiſches Werck
verrichten/
das iſt/ er hat mit gegenwaͤrtigem Wunderwerck ſeine Weiſ-
ſagung und Prophetiſches Ampt verſiegelt/ und damit erwieſen/ daß wie
andere ſeine Weiſſagungen/ alſo auch die naͤchſtevorhergehende/ welche er
dem Koͤnige Joas hinderlaſſen/ ſo ohnfehlbar wahr und Goͤttlich ſey/ als
gewiß dieſes miracul ein Goͤttliches miracul geweſt.


Jſt abermahl eine warhafftige/ zwar ſtumme/ aberrealis
wuͤrckliche und thaͤtige Propheceyung auff den groſſen Wun-
dermann Chriſtum Jeſum/
deſſen figur Eliſa geweſt/ welcher freylich
in ſeinem Leben Zeichen/ nach ſeinem Tode/ wie andere Wunder/ ſo in der
Paſſionshiſtori aufgezeichnet/ alſo auch die Toden lebendig gemacht. Nicht
vergebens haben ſich die H. Patriarchen ſo ſehr nah zu ſeinẽ Grab gelegt zu
werdẽ geſehnet/ umb durch den toden Meſſiam/ und in Krafft ſeines Todes
wider
[528]Die Zwey und Viertzigſte (Andere)
wider lebendig zu werden gehoffet/ wie dann auch geſchehen/ daß ſich die
Graͤber auffgethan/ und alſo die Bande des Todes auffgeloͤſet/ daß ſie mit
ihm aufferſtanden; Jn welcher lebendigmachenden Krafft des Todes
Chriſti Jeſu wir auch am Juͤngſten Tage ſollen aufferſtehen auffrecht/ das
iſt/ geſund/ friſch/ in verklaͤrten Leibern; Neulich haben wir gehandelt
von der Gewißheit dieſes Geheimnuͤß/ folget myſterii quid-
ditas,
die eigentliche Beſchreibung ſolches Geheimnuͤß;
Davon dißmahl mit mehrerm zu handeln/ wolle Gott von oben herab
ſeines Heiligen Geiſtes Krafft/ Liecht und Schein verleihen/ daß es ge-
reiche ihm zu ſeinen Ehren/ uns zu unſerer ſaͤmptlichen Aufferbauung und
Troſt/ umb Jeſu Chriſti willen/ Amen.


FRaget ſich nun erſtlich/ Quis reſurget?Wer dermahl eins
werd aufferſtehen?
Das iſt nun I.der Menſch/ Menſch/
ſage ich/ nicht Thier/ nicht der tode Hund/ Roß/ Vogel/ als welche
nicht zur Vnſterbligkeit erſchaffen/ und ihrer ſervitut und Dienſtbarkeit in
der Erloͤſung und Befreyung der Kinder Gottes entbunden werden:
Vnd iſt demnach außgemacht/ wann gleich ein monſtrum, eine Mißge-
burt einem Menſchen gleich waͤre/ und aber in der Warheit ein beſtia und
Vieh/ wie man dergleichen Exempel gehabt/ doch nicht faͤhig ſey der Auff-
erſtehung.


II. Homo mortuus,Der tode Menſch; Jch glaube die
Aufferſtehung der Toden/
ἀνάςασις τοῦ πεπτοκότος ςάσις, die Auffer-
ſtehung iſt nichts anders als eine Auffrichtung gleichſam des/ ſo gefallen
iſt; Hie muß man nothwendig excipiren und außſetzen Henoch und Eli-
am/ von welchen man vergebens dichtet/ daß ſie wegen des Antichriſts ſol-
1. Cor. 15,
51.
len widerkommen; und die jenigen/ welche der Juͤngſte Tag lebendig wird
uͤberfallen/ die da nicht werden entſchlaffen/ ſondern verwandelt und uͤber-
kleidet werden; Sonſten gehoͤren auch unter die ſubjecta ſo da ſollen
aufferſtehen auch die jenigen Kinder/ ſo in Mutterleibe (lebendig geweſen)
abgeſtanden/ da offt die Mutter das Grab ſeyn/ Mutter und Kind auff
Matth. 22,
32.
dem Platze bleiben/ gewiß werden wider aufferſtehen/ gleich wie Chriſtus
die Aufferſtehung der Toden beweiſet/ eben daher/ daß Er ſey ein Gott
Gen. 17, 7.der Lebendigen und nicht der Toden; dannenhero auch/ weil er iſt und ge-
nennet wird ein Gott des Samens Abrahæ/ die Aufferſtehung des Sa-
mens Abrahams klar iſt/ derowegen auch Chriſtus in Mutterleibe gele-
gen/ daß Er der jenigen/ ſo daſelbſt ligen/ Retter und Heiland ſeye.


III. Omnis
[529]Predigt.

III. Omnis homo mortuus,Der tode ja laͤngſt be-
grabene und verfaulte Leichnam.
Man findet wol in den () Hi-() apud
Plin. Tira-
quell. A-
lex. ab
Alex.

ſtorien Exempel/ deren die ſich geſtellt als waͤrens tod/ oder in einer Ohn-
macht gelegen/ daß man nicht anders gemeynt/ ſie ſeyen tod/ darumb man
ſie auch begraben und in Sarck gelegt/ ſie ſind aber wider zu ſich ſelbſt kom-
men/ und ſich auffgerichtet. Das gilt hie nicht. Die recht und warhafftig
Toden ſollen und werden aufferſtehen und zwar alle toden Menſchen; wel-
che in anſehen der jenigen/ ſo der Juͤngſte Tag wird erhaſchen/ viel ſind/
dannenhero Daniel c. 12. ſaget: Viel/ das iſt/ alle/ die da ſchlaffen/Dan. 12, 2.
Confer
Matt.
25, 32.

und damit nicht allein die Frommen und Glaubigen moͤchten verſtanden
werden/ ſo machet er einen Abtheiler/ etliche werden aufferſtehen zum
ewigen Leben/ etliche zu ewiger Schmach und Schande. Es
werdẽ fuͤr Chriſto verſamlet alle Voͤlcker/ die in Graͤbern ſind/
Ioh. 5, 28.
Act. 24, 15.
Rom. 14,
10.
2. Cor.
5, 10.

iſt eine allgemeine Beſchreibung der Toden. Wir werden alle fuͤr
dem Richterſtul Chriſti dargeſtellet werden: Wir muͤſſen alle
offenbar werden fuͤr dem Richterſtul Chriſti/ auff daß ein ieder
empfahe/ nach dem er gehandelt bey Leibes-Leben.
Quo re-
ſurget,
Nach welchem Theil wird er aufferſtehen? Vnſer
Apoſtoliſches
Symbolum antwortet: Jch glaube eine Auffer-
ſtehung des Fleiſches/
wird alſo das Fleiſch auffſtehen/ nicht die
Seele/ welche unſterblich/ eben daſſelbe Fleiſch/ ſo begraben worden/ mit
eben denſelben Gliedern und lineamentis begabet/ eben daſſelbe Ge-
ſchlecht/ maͤnnlich oder weiblich/ dann alſo lautet das Symbolum Apoſto-
licum: Credo reſurrectionem HUJUS carnis,
Jch glaube
eine Aufferſtehung DJESES Fleiſches/
Alia carnis alia cor-
poris eſt definitio,
ſagt Hieronymus: Eine andere Beſchreibung iſt desHieron.
ep. 61. ad
Pammach.

Fleiſches/ ein andere des Leibes; das Fleiſch heiſſt eigentlich/ daß aus Adern/
Blut/ Beinen und Nerven oder Spannadern beſtehet; Ein Leib wird zu-
weilen ein Lufft- oder him̃liſches Ding genennet/ welches man weder fuͤhlen
noch ſehẽ kan: So nun ein Großvater und Vater/ ob er gleich lange tod/ in
ſeinẽ Kinde ſich ſpiegelt/ uñ daſſelbe gleiche contrafet und lineamenta hat/
warumb wolte nit auch Gott eben dieſelbigen Gliedmaſſen reſtituiren und
wider geben koͤñen? Wahr iſt es/ es ſind viel Gliedmaſſen/ deren der MenſchGregor[i]
Nyſſen. in
orat. 4. de
paſchate.

in jenem Leben nicht mehr bedarff oder bedienen kan/ aber ſie werden doch
widerkom̃en zur Vollkommenheit des gantzen Menſchen/ auff daß ein iegli-
cher in ſeinem eigenem Leibe empfahe/ was er verdienet/ im Munde/ Augen/
Sechſter Theil. X x xBauch/
[530]Die Drey und Viertzigſte (Andere)
Bauch/ Haͤnden/ Ehr oder Schande/ Pein oder Freude; Widerumb iſt
auch wahr/ daß die Außerwehlten/ wo ſie Maͤngel am Leibe gehabt/ derſel-
be erſetzt/ die blinden Augen fehen/ die Hofferigen auffrecht/ die Lahmen
gerade gehen/ ꝛc. alles in holdſeliger ſchoͤner proportion und Fuͤgung/ wie
Auguſtin.
enchir. ad
Laurent.
p.
87.
dann auch die monſtra bey Auguſtino. Anderer fuͤrwitzigen Fragen
enthalten wir uns hie mit Fleiß/ davon wir keinen Bericht aus Gottes
Wort haben.


Daß aber dem alſo/ und in ſolcher identitaͤt die Aufferſtehung
Iob. 19, 26.
Pſal.
34, 21.
werde vollbracht werden/ das erhellet 1. ex clarâ literâ,aus dem
klaren Buchſtaben
Job. 19. Jch werde mit dieſer meiner Haut
umbgeben werden/
und David ſagt Pſ. 34. daß der HERR des
Gerechten Beine bewahre/ daß nicht eines derſelben zerbro-

1. Cor. 15,
53 Confer
Phil.
3, 21.
chen werde; Das verweßliche muß anziehen das unverweß-
liche/
τοῦτο φϑαρτὸν dieſes verweßliche/ eben daſſelbe τοῦτο wird vier-
mahl widerholet; ὁρᾶς τὴν ἀκρίβειαν, ſagt Theophylactus uͤber dieſe
Wort: τὸ ϑνητὸν τοῦτο ἔδειξε δεικτικῶς, ἵνα μὴ νομίσης ἄλλης σαρκὸς ἀνά-
ςασιν. Da ſiheſtu wie genau der Apoſtel ſeine Wort fuͤhret/ er ſaget:
Dieſes ſterbliche/ zeiget gleichſam mit dem Finger drauff/ auff daß du
nicht ſolleſt meynen/ es werde dermahl eins nicht etwan dieſer dein ietziger/
ſondern ein frembder Leib aufferſtehen. 2. Aus derdefinitionder
Aufferſtehung/
als welche nicht anders iſt als τοῦ πεπτωκότος ςάσις,
eine Aufferſtehung oder Auffrecht-Stellung deſſen/ ſo gefallen
iſt/
waͤre es anders/ ſo waͤre es keine Auffer ſtehung/ ſondern nova creatio
\&
μετεμψύχωσις, eine neue Schoͤpffung und Verruckung oder Verſetzung
der Seelen in einen andern Leib. 3. Aus der Benamſung des
termini à quo,von wannen ſie aufferſtehen ſollen? Aus der
Erden/ Meer/ aus den Graͤbern/
warumb von dannen? ohn weil
eben die Leiber ſollen aufferſtehen/ die da hingeleget/ ſonſt koͤnte Gott einen
frembden Leib wohl aus einem andern/ ja allen Orten herholen. 4. Aus
2. Cor. 5, 10.der End-Vrſach der Aufferſtehung/ daß ein ieglicher empfahe/
gutes oder böſes/ wie er gehandelt bey Leibes-Leben. 5. Aus dem

Luc. 24,
40.
Exempel Chriſti ſelbſt/ der iſt nun aufferſtanden in ſeinem eigenem Lei-
be/ der ſubſtantz und Weſen nach/ aber geiſtlichem/ was anlange die Herr-
Hieron. ad
Pammach.
ligkeit/ welche die Natur nicht verzehret; unſer Herr/ ſchreibt Heronymus:
iſt auff dem Berge verklaͤret worden in der Herrligkeit/ nicht daß er Haͤn-
de/ Fuͤſſe und andere Gliedmaſſen verlieren ſolte/ und ploͤtzlich in einem
runden
[531]Predigt.
runden Himmels-Coͤrper herumb gewaltzet wuͤrde; ſondern daß eben die-
ſelbigen Gliedmaſſen/ welche glaͤntzeten wie die helle Sonne/ der Apoſtel
Augen beruͤhrten.


III. Quis excitator?Wer wird dann der Wecker
ſeyn/ ſo die Toden aufferwecken wird?
Antwort: Deus Trinu
nus,
Der dreyeinige GOTT/ Gott machet die Toden leben-Rom. 4, 17.
2. Cor. 1, 9.
2. Cor. 4,
14.
1. Theſſ.
4,
14.

dig/ und ruffet dem das nichts iſt/ daß es etwas ſey; Von
Gott dem Vater
ſagt St. Paulus zu ſeinen Corinthiern: Der den
HErren Jeſum aufferwecket/ wird uns auch aufferwecken/
und wird uns darſtellen ſampt euch;
Von dem Sohn bezeuget
Job c. 19. daß Er als ſein Erlöſer ihn werde aus der ErdenIob. 19. 25.
Ioh. 5, 21.
28. c. 6, 39.
c.
11, 25.

aufferweckenacheron al aphar Jakum, daß er zuletzt auff dem
Staube ſtehen werde. Jch bin die Aufferſtehung und das Leben/
ſagt der Herr ſelbſt: Jch bin/ der den Schluͤſſel der HoͤllenApoc. 1, 18.
Act.
3, 15.

und des Todes hat/Apoc. 1. Der Hertzog des Lebens/Actor. 3.
dannenhero hat Er ſo viel ſpecimina miraculoſa, ſo viel Wunderthaten
verrichtet/ nicht nur nach ſeiner Goͤttlichen/ ſondern auch nach ſeiner
menſchlichen Natur die Toden auffgewecket/ als nach welcher Er auff ſei-
nem Koͤniglichen Thron ſitzet; Dannenhero wird Chriſtus genennet
der Erſtgeborne von den Toden/ nicht nur wegen der Zeit und Wuͤr-Apoc. 1, 5.
de/ ſondern fuͤrnemlich und urſaͤchlich/ weil Er das Haupt der jenigen
Gliedmaſſen/ die in Krafft ſeiner Aufferſtehung auch wider auffwachen
und lebendig werden ſollen/ Wie ſie in Adam alle ſterben/ alſo wer-1. Cor. 15,
22.

den ſie in Chriſto alle lebendig: Ob wohl die Aufferſtehung ſimpli-
citer
ſchlechthin nicht iſt die Frucht des Verdienſts Chriſti/ ſintemal die
Aufferſtehung geſchehen waͤre/ wann gleich Chriſtus nicht waͤre geſtorben/
darzu werden die Verdamten dermahl eins aufferſtehen ohne Frucht des
Verdienſts Chriſti/ welche man durch wahren Glauben erlanget; dannoch
iſt die Aufferſtehung zum Leben die Frucht des Verdienſts Chriſti/ allen
zwar erworben/ aber von wenigen angenommen.


Sonderlich aber wird dieſes Werck in unſermSymbolo dem
H. Geiſte zugemeſſen/ Jch glaube an den Heiligen Geiſt/ der da
lebendig machet/
wie dann auch St. Paulus ihm ſolches Werck zu-
ſchreibet Rom. 8. So nun/ ſaget er: der Geiſt des/ der Jeſum vonRom. 8, 11.
X x x 2den
[532]Die Drey und Viertzigſte (Andere)
den Toden aufferwecket hat/ in euch wohnet/ ſo wird auch der-
ſelbige/ der Chriſtum von den Toden aufferwecket hat/ eure
ſterbliche Leiber lebendig machen/ umb des willen/ daß ſein
Geiſt in euch wohnet;
Dann gleich wie er geweſt avis ἔπωάζουσα,
gleichſam der Bruͤt-Vogel in der erſten Schoͤpffung/ da alle Creaturen
durch ſeine kraͤfftige Vberkunfft und Vberſchweben außgehecket und be-
Ezech. 37,
10.
reitet; gleich wie er in dem Geſicht Ezech. 37. durch einen Wind die Toden-
Beine wider lebendlg gemacht/ ſo bald ſie der Wind angeblaſen/ kam der
Athem in ſie: Alſo wird er auch dermahl eins aufferwecken die Toden aus
der Erden; Gleichwol aber werden bey dieſem actu die Heiligen Engel
nicht muͤſſig ſeyn/ ſondern wie ſie ihrem Herren das Geleit gegeben
Pſ. 47, 6.
Act. 1, 10.
1. Theſſ. 4,
16. Matth.

25, 2.
in der Himmelfahrt/ ſo werden ſie auch mit ihm herab kommen in jubilo,
mit jauchzen und mit heller Poſaunen/ [...]ν κελ [...]σματι in einem Feld-Ge-
ſchrey/ ruffen und ſagen: Sihe/ der Braͤutigam kommet.


D. Philippi Nicolai Gedancken ſind dieſe in theoriâ vitæ æternæ l. 5. c. 6.
pag.
657. Wir leſen von Chriſto/ als Er in ſeiner Einreitung zu Jeruſalem Gott
ſeinen himmliſchen Vater bat/ daß Er ſeinen Namen verklaͤren wolte/ da kam
eine Stimme vom Himmel: Jch habe ihn verklaͤret/ und will ihn abermahl
verklaͤren. Da ſprach das Volck/ das dabey ſtund und zuhoͤret: Es don-
nerte: Die andern ſprachen: Es redte ein Engel mit ihm: Jeſus ant-
wortet und ſprach: Dieſe Stimme iſt nicht umb meinet willen geſchehen/
Ioh. 12, 28.
29. 30.
ſondern umb eurent willen/ Joh 12. Alſo wird in einem ſtetswaͤhrendem
Blick und Wetterleuchten des HErren Chriſti Stimme durch den Ertz-Engel ge-
hoͤret werden/ als wann der Donner redet/ als wann iemand durch eine ſtar-
cke Poſaune ſein Wort hell und verſtaͤndiglich rieffe: welche Stimme nicht allein
die lebendigen Menſchen durch die gantze Welt/ ſondern auch alle Toden hoͤren/
und daranff das Leben wider bekommen werden/ Gott gebe/ ſie ſeyen vor vier/
fuͤnff oder ſechſthalb tauſend Jahren geſtorben/ und in die tieffe Erde begraben/
oder im Meer erſaͤufft/ oder im Feuer zu Pulver gebrennt/ oder von den wilden
Thieren auff dem Lande/ von Fiſchen in dem Meer/ und von den Voͤgeln unter
dem Himmel vorlaͤngſt auffgefreſſen/ verſchlungen und verzehret: Das
Erdreich/ das Meer und die gantze Welt muͤſſen alle ihre Toden wider herfuͤr ge-
ben/ daß nicht einer dahinden bleibe. Der enthaupte St. Paulus/ der erſtochene
Act. 7, 58.St. Thomas/ der geſteinigte St. Stephan/ der von den wilden Thieren auff ge-
freſſene St Jgnatius/ der verbrennte Johann Huß ꝛc. werden alle mit ihren
Coͤrpern lebendig erſcheinen/ und ſich lebendig widerumb ſehen laſſen. Gute
und boͤſe/ die verſtorbene Tuͤrcken/ Juden/ Heyden und Mahometiſten/ ſo bald
als die verſtorbene Chriſten/ und ſo bald die toden Heuchler/ als die toden Kinder
des Liechts/ muͤſſen auff das himmliſche Feld-Geſchrey und Poſaune des Ertz-
Engels vom Tode erwachen/ und lebendig erſcheinen: Vnd wird ſich ſolches er-
ſtrecken uͤber die gantze Welt/ daß man in Europa/ in Aſia/ in Africa/ in America/
in allen
[533]Predigt.
in allen Jnſulen/ nach Oſten/ nach Weſten/ nach Mittag/ nach Mitternacht/ und
in allen Landen/ wo iemahls Leute gewohnet und Leute geſtorben ſind/ wird Men-
ſchen ſehen aus den Erd-Graͤbern lebendig herfuͤr gehen/ in unaußſprechlicher
groſſer Menge und Anzahl/ alſo/ daß es allenthalben von Menſchen-Kindern
wird krimmeln und wimmeln.


So wird auch ein ieder mit ſeinem/ und mit keines frembden Coͤrper/
frembden Augen/ frembden Ohren/ noch frembden Gliedmaſſen herfuͤr kommen/
ungeachtet und unangeſehen/ daß er von frembden wilden Leuten mag verſchlun-
gen und verzehret ſeyn worden: Dann die Braſilianer/ Tubinimbæ, Canniba-
les
und andere Voͤlcker mehr in America ſtellen ſich gantz wild/ barbariſch/ un-
menſchlich und grauſam/ und was ſie von Portugaleſern/ Spaniern und andern
ihren Feinden/ lebendig bekommen/ das ſchlagen ſie fuͤr den Kopff/ wie einen Och-
ſen zu tod/ ſchlachten/ zerſtuͤcken/ braten und freſſen ihn: Da wird das gefreſſe-
ne Menſchen-Fleiſch in dem Bauch und Magen des Freſſers durch natuͤrliche
Daͤuung alierirt/ geaͤndert/ und zum Theil in deſſelben Blut und Krafft verwan-
delt: Gleichwohl aber wird kein auffgefreſſener Spanier noch Portugaleſer zur
Zeit der Aufferſtehung in einem Cannibal oder in einem Braſilianer ſtecken/ ſon-
dern mit ſeinem vorigem Leibe/ vorigem Kopffe/ vorigen Augen und Ohren/ vori-
gen Haͤnden und Fuͤſſen/ und allen vorigen Gliedmaſſen/ weſentlich wider herfuͤr
kom̃en/ daß ein ieder ſeinen eigenen rechten Coͤrper und rechte ſubſtantz wider habe


Ja/ ſprichſtu/ wie wird es aber zugehen mit denen/ ſo noch lebendig gefun-
den werden/ wann der Juͤngſte Tag kommen wird? Sollen dieſelben alſo blei-
ben/ wie ſie ſind/ oder ſollen ſie auch erſt durch den zeitlichen Tod entſchlaffen und
begraben werden/ wie die andern/ damit ſie folgends mit allen andern Toden
aufferſtehen? Darauff antwortet St Paulus: Sihe/ ich ſage euch ein Ge-
heimnuͤß: Wir werden nicht alle entſchlaffen/ wir werden aber alle ver-
wandelt werden/ und daſſelbe ploͤtzlich in einem Augenblick/ zur Zeit der
letzten Poſaunen. Dann es wird die Poſaune ſchallen/ und die Toden
werden auffer ſtehen/ und wir werden verwandelt werden/ 1. Cor. 15. Sol-1. Cor. 15,
51. 52.

thes erklaͤret er am andern Ort weiter und ſpricht: Wir/ die wir leben und
uͤberbleiben werden in der Zukunfft des Herren/ werden denen nicht
vorkommen/ die da ſchlaffen. Dann Er ſelbſt/ der Herr/ wird mit
einem Feld-Geſchrey und Stimme des Ertz-Engels/ und mit der Poſau-
nen Gottes hernieder kommen vom Himmel/ und die Toden in Chriſto
werden aufferſtehen zuerſt: darnach wir/ die wir leben und uͤberbleiben/
werden zualeich mit denſelben hingezuckt werden/ 1. Theſſ. 4. Hie ſagt er/1. Theſſ. 4.
15. 16. 17.

daß die Aufferſtehung der Toden ſoll vorher gehen/ und was von lebendigen
Menſchen in der Welt uͤbrig iſt/ das ſoll verwandelt werden: Demnach werden
die uͤbrigen Menſchen nicht entſchlaffen (gleich wie ein Menſch auff ſeinem
Tod-Bette verſcheidet) noch ins Grab/ oder unter die Erden geſcharret werden/
ſondern ſchlecht in einem Hui ſollen ſie tod und lebendig ſeyn/ und ſo verwandelt
oder veraͤndert werden/ daß (wann zur ſelbigen Zeit etliche im Hauſe/ oder auff
dem Felde gehen/ oder ſitzen zu Tiſch/ eſſen und trincken/ collationiren ꝛc etliche
reiſen uͤber Land/ fahren in Gutſchen und Wagen/ oder in Schiffen auff der See/
X x x 3andere
[534]Die Drey und Viertzigſte (Andere)
andere ligen und ſchlaffen/ andere wachen/ zehlen Geld/ treiben Kurtzweil/ ſingen/
ſpielen/ tantzen/ waſchen/ baden/ fuͤhren Krieg/ rauffen und ſchlagen ſich/ bauen
Haͤuſer/ trachten der Nahrung nach ꝛc.) eilend und ploͤtzlich eine groſſe Ver-
wandlung uͤber ſie komme/ und ſie in einem Augenblick aus dem Weſen und Ge-
ſtalt dieſes Lebens/ in ein ander Weſen oder andere Geſtalt und Gelegenheit tret-
ten/ und ſich anderswo und auff eine andere Weiſe finden werden. Da wirds
nicht heiſſen (ſagt Lutherus) Komm/ hoͤre die Beicht/ abſolvtre ihn von Suͤnde/
reiche ihm das Sacrament/ begrabe ihn ꝛc. ſondern wann du wirſt ſitzen uͤberm
Tiſch eſſen/ ſtehen uͤberm Kaſten und Thaler zehlen/ im Bette ligen und
ſchlaffen/ an der Zeche ſitzen und ſauffen/ am Tantze ſeyn und ſpringen/ bald in
einem Augenblick wirſtu verwandelt werden/ das iſt/ tod und lebendig ſeyn/ und
aus dem Weſen und Leben dieſer Welt kommen in ein ander Weſen und Leben.


Sonderlich wird der Ertz-Engel die Poſaune Gottes blaſen/ der
Matth. 24,
31.
Herr wird ſeine Engel ſenden mit hellen Poſaunen/ mit Sinai-
ſchen Donner-Poſaunen/ die werden gleichſam die Hochzeit des Lambs
an- und außblaſen/ es wird ſeyn eine Wunder-Poſaune/ die einen wun-
Matth. 25,
32.
derlichen Thon von ſich geben wird/ die Engel werden die Menſchen ſam-
len und von einander ſcheiden/ die Stimme wird erſchallen in Aſiam,
Africam, Americam,
in alle Jnſulen/ gegen Oſt und Weſt/ Mittag und
Mitternacht/ die Menſchen werden heraus gehen in unaußſprechlicher
Menge/ daß es von Menſchen und Menſchen-Kindern allenthalben
wuͤblen wird.


Quis actus ipſe?Wie wird dann dieſer Handel verrich-
tet werden und zugehen?
Antwort: 1. ἀνάπλασις ſicut πλάσις,
Die andere Schoͤpffung wird zugehen wie die erſte/ der Leib erſt-
lich wird formiret/ hernach die Seele eingeblaſen/ und alſo mit dem Leibe
Ezech. 37,
10.
wider vereiniget werden/ wie ſolcher actus dem Propheten Ezechiel in dem
offtgemeldtem Geſicht erſchienen/ es kam Athem in ſie/ wurden wi-
der lebendig/ und richteten ſich auff ihre Fuͤſſe.
2. Es wird ſeyn
unio inſeparabilis,eine unzertrennliche Vereinigung/ anders
als die Aufferweckung Lazari und anderer/ derer Vereinigung wider auff-
geloͤſet worden. 3. Actus ordinatus,Es wird alles ordentlich
zugehen/
Chriſtus wird ploͤtzlich kommen/ die Engel-Poſaunen/ die
Krafft-Stimme Chriſti/ die alle Graͤber zerſprenget/ erſchallen: Surgite,


D. Philippi Nicolai Gedancken hievon in theor. vit. ætern. l. 5. c. 7. p. 673.
lauten alſo: Wir leſen von unſerm HErren und Haupt Jeſu Chriſto/ (dem wir
aͤhnlich und gleichfoͤrmig ſeyn ſollen/ und ihm entgegen kommen) daß zur Zeit ſei-
ner Himmelfahrt Er zuſehens auffgehaben ſey worden/ und eine Wolcke fuͤr der
Actor. 1, 9.Jůngern Augen ihn weggenommen habe/ Actor. 1. Elias fuhr mit ſtarckem
Geleit
[535]Predigt.
Geleit der heiligen Engel/ wie mit einem feurigen Wagen/ und feurigen Roſſen
im Wetter gen Himmel/ 2. Reg. 2. Vnd im Buch der Offenbahrung wird zweyer2. Reg. 2, 11.
Blut-Zeugen Chriſti gedacht/ welche das Roͤmiſche Thier toͤdtet/ ſie aber werden
lebendig/ und hoͤren eine groſſe Stimme vom Himmel zu ihnen ſagen:
Steiget herauff: Vnd alßbald ſtiegen ſie auff in den Himmel in einer
Wolcken: Apoc. 11. Alſo wirds auch zugehen in der Aufferſtehung am Juͤng-Apoc. 11, 3.
ſeqq.

ſten Tage/ wann alle Toden lebendig ſind/ und alle Lebendigen verwandelt erſchei-
nen/ daß die Gerechten und Verdamten nicht viel hadderns/ fechtens/ diſputirens
und colloquirens unter einander machen werden: Sondern eine helle Stimme
wird vom Himmel herab erſchallen zu den außerwehlten Kindern des Liechts:
Steiget herauff: Vnd darauff werden ſie alßbald ſich von der Erden erheben/
und in die Hoͤhe fahren/ daß es ſcheinen wird/ als ſehe man einen groſſen Hauffen
ſchoͤner Sonnen und ſchoͤner Sternen nach den Wolcken des Himmels von der
Welt auffſteigen: Da wird es in der hohen Lufft/ und in den Wolcken des Him-
mels allenthalben von glorificirten Chriſten und Kindern des ewigen Lebens hell
leuchten/ als waͤrens viel tauſend Sonnen/ und viel tauſend Sternlein/ mit
viel tauſend Engeln ſampt ihrer gantzen himmliſchen Klarheit/ allenthalben ſehr
praͤchtig und herrlich umbgeben. Da wird unſer himmliſcher Adam/ der groſſe
Koͤnig Himmels und der Erden/ mein HERR und Hejland Jeſus Chriſtus/
ſeine holdſelige Stimme ſehr lieblich und freundlich hoͤren laſſen/ und ſagen:
Kommet her ihr Geſegneten meines Vaters/ ererbet das Reich ꝛc.

Matth. 25,
34.

Stehet auff ihr Toden! Dann werden die Außerwehlten zuerſt auffer-
ſtehen/ hernach die noch lebendig/ werden (ſintemahl wir in unſerm Chriſt-
lichen Glauben bekennen/ Er werde widerkommen zu richten die1. Theſſ. 4,
15. ſeqq.

Lebendigen und Toden; ſo wird dieſelbe betreffen (wie die Suͤnd-
fluth) Lebendige und Toden) in einem Augenblick verwandelt/ und
Chriſto in der Lufft entgegen gezuckt werden/ auch die Verdamten
gleich als aus dem Kaͤrcker herfuͤr kriechen/ und ſich als Vbelthaͤter fuͤr
dem Richterſtul einſtellen/ und ihren finalſententz hoͤren muͤſſen.


Quo fine?Zu was Ende iſt dieſeractusangeſehen?
wohin zielet er?
Der vornehmſte Zweck iſt gloria Dei,die Ehre
Gottes; Jhr ſollt erfahren/ daß ich der HERR bin:
Ezech. 37,
6.
Pſal.
90, 3.

nemlich der zwar gerechte Herr/der die Menſchen-Kinder umb
der Suͤnden willen laͤſſet ſterben/ aber aus Barmhertzigkeit und Guͤte
durch ſeine allmaͤchtige Krafft ihnen widerumb aus dem Grabe heraus
rufft und ſagt: Kommet wider ihr Menſchen-Kinder. Der
fromme Kaͤyſer () Theodoſius wurde einsmahls gefragt/ warumb er nie-() apud So-
crat. l.
7, 22.

mand iemahls/ der ihne injurirt und Schmach zugefuͤget/ am Leben ge-
ſtrafft? Ach/ ſagt er/ ich wolte/ daß ich meine verſtorbene Feinde wider
leben-
[536]Die Drey und Viertzigſte (Andere)
lebendig machen koͤnte/ ſo waͤre ich in der Guͤtigkeit Gott gleich?
1. Cor. 15,
26.
2. Mortis deletio,Daß der letzte Feind vertilget werde/ der
Tod/
daß der gantze Leib Chriſti erſcheine/ und offenbarlich aneinander
hange/ wie die Bienen an ihrem Koͤnig. 3. Conculcatio hoſtium
Ioh. 10, 24.Chriſti,Daß die Feinde des HErren Chriſti zertretten und
zum Schemel ſeiner Fuͤſſe geleget werden.
4. Statio ad ju-
Ioh. 5, 29.
2. Cor. 5,
10.
Dan.
12, 2.
dicium,Daß alle Welt fuͤr Gerichte ſtehen/ und Rechenſchafft
geben ſoll;
Endlich 5. præmiatio vel pœna,daß ein iedwe-
der empfahe wie ers verdienet bey Leibes-Leben.
Aus dieſer
weitlaͤufftigen Erzehlung entſpringet dieſe ſummariſche Beſchreibung der
2. Theſſ. 1,
6.
Aufferſtehung: Es iſt die Aufferſtehung eine neue/ unzertrenn-
liche/ Goͤttliche Vereinigung der Seelen mit ihrem eigenem/
gantzem/ wider-lebendigem Fleiſch/ ſo da geſchehen ſoll an
dem zukůnfftigen Juͤngſten Tage/ daß dadurch Gott geehret/
die Menſchen alle fůr dem Richterſtul Chriſti gebracht wer-
den/ und ein ieglicher empfahe nach dem er gehandelt bey Lei-
bes-Leben/ gutes oder boͤſes/ Belohnung oder ewige Straff.


Dieſes nun/ meine Liebſten/ iſt nun abermahl ein neues Glau-
bens-Liecht/
da wir nun auch verſtehen/ was da ſeye die Auffer-
ſtehung?
Es gibt leider wohl ſolche grobe ignoranten und viehiſche
Menſchen unter uns/ die da leben wie das thumme Vieh; Etliche wiſ-
ſen nichts von Gott/ zur Schande
ſags ich euch nach/ ſpricht der
1. Cor. 15,
34.
Apoſtel Paulus 1. Cor. 15. da er eben von dieſem Articul handelt. Homo
ſine Dei agnitione pecus eſt,
Ein Menſch ohne Erkaͤntnuͤß Gottes/ der
von Gott nichts weiß iſt wie ein unvernuͤnfftiges Vieh/ ſpricht Hieronymꝰ,
Jſt der rechte eigentlicheconceptvon dieſem Articul/ wie er
uns in der H. Schrifft zu verſtehen/ zu faſſen und anzunemen

Pſ. 68, 13.fuͤrgeleget worden.Nova prædaiſt ein neuer Siegs Raub/ wel-
chen die Haußehre Chriſti/ die geiſtliche Geſpons außtheilet/ den wir uns
nicht muͤſſen nehmen und rauben laſſen durch die falſch-erdichtete
Philoſophiam 1. der Stoicker/ welche ihnen einbildeten die ἀνα-
Euſeb. l. 11.
præparat.
c.
18.
βίωσιν, daß nach vollendetem Platoniſchen groſſen Welt-Jahr alles wi-
der in ſeinen vorigen Stand kommen werde. Sie haben hoͤren laͤuten/
aber nicht gewuſt/ in welchem Dorff. 2. Μετεμψύχωσιν Pythagoream,
Den
[537]Predigt.
Den Seelen-Wechſel oder Seelen-Tauſch. 3. Die Puccia-
niſche und Mahometiſche Aufferſtehung der unvernuͤnfftigen
Thiere/
dieſen Buhlen bietet auch ihren Kuß dar die Roͤmiſche Dame/
wann ſie den Legenden glaubt von Bonifacio, welcher einen Fuchs dahin
gezwungen/ daß er die Huͤner/ ſo er gefreſſen/ lebendig wider geben muͤſſen;
Der heilige Aido ſoll ſich acht Woͤlfe erbarmet habẽ/ und ihnen acht Schafe
zu freſſen geben/ aber hernach durch ſein Gebet erlanget/ daß ſie die Woͤlfe
wider lebendig heraus geben und wuͤrgen muͤſten? Man beduͤrffte heuti-
ges Tages offt einen ſolchen heiligen Aidonem, der das verſchlungene
Gut widerumb heraus wuͤrckete/ aber der Wolf gibt kein Schaf wider.
4. Der Origeniſten Schwarm/ welchen traͤumete/ es ſtehe auff
ein himmliſcher Leib/ der da begabet mit der vorigen figur und Geſtalt/ wie
alſo Origenis Meynung erklaͤret Epiphanius: Das Fleiſch werde nichtEpiphan.
hæreſ.
64.

mehr ſeyn/ ſondern was allhie gebildet wurde im Fleiſch/ das werd dermahl
eins gebildet werden in einem geiſtlichen Leibe/ gleich wie ein anders iſt/
das da wird geſaͤet/ ein anders/ ſo da wird geerndet/ denen heutigs Tages
folgen die Socinianer/ namentlich Oſtorodus, fuͤrgebend/ Chriſtus habOſtorod.
c. 41. p.
389.

einen geiſtlichen und himmliſchen Leib auch der ſubſtantz nach/ es ſeye die
Meynung von der Nieſſung des Leibs Chriſti im Heiligen Abendmahl
falſch/ dann ſonſt wuͤrde folgen/ daß Chriſtus noch nicht Gottes Reich be-
ſeſſen haͤtte/ umb der Vrſach willen/ weil Fleiſch und Blut daſſelbe nicht
beſitzen koͤnnen. 5. Der Scotiſten und etlicher Alten/ ſo da aus
falſchem Verſtande der Wort St. Pauli Epheſ. 4. die Meynung gefuͤhrt/Eph. 4, 13.
daß alle Weiber/ außgenommen die Jungfrau Mariam/ in der Aufferſte-
hung werden zu Maͤnnern werden. An den alten blinden Scotiſten iſt
ſich nicht zu verwundern/ aber Hugoni Grotio, dem vermeynten Auge derHugo
Grot. in
Matth. 22.
p.
371.

Welt/ iſt nicht zu vergeben/ daß er ſchreibet: Jch finde nicht/ mit was fuͤr
gewiſſen Gruͤnden zu erweiſen/ daß dermahl eins in jener Welt werde ein
Vnterſcheid unter Mann und Weib ſeyn/ fuͤhret argumenta darwider
an; Sind Phantaſeyen und Schwaͤrmereyen/ dafuͤr wir uns huͤten/ und
rechte concept faſſen ſollen.


Es iſt die Aufferſtehung der Toden auch eine Aufferſte-
hung zur wahren Gottesfurcht/
dann Daniel ſagt/ daß nicht alleDan. 12, 2.
zum ewigen Leben werden aufferſtehen/ ſondern viel zur ewigen Verdam-
nuͤß/ Die Gottloſen werden nicht ſtehen im Gericht/ ſie werdenPſal. 1, 5.
aufferſtehen/ aber nicht ſtehen bleiben oder beſtehen; Dannenhero ſoll un-
Sechſter Theil. Y y yſer taͤg-
[538]Die Drey und Viertzigſte (Andere)
Num. 23,
10.
ſer taͤglicher Wundſch Bileams Wundſch ſeyn/ daß wir moͤgen ſterben
den Tod der Gerechten/ damit wir moͤgen aufferſtehen in der Aufferſtehung
der Gerechten; dazu von noͤthen die Toͤdtung unſers Fleiſches.
Wer aufferſtehen will zur Herrligkeit/ der muß zuvor geiſtlicher weiſe ſich
ſelbſt toͤdten und toͤdten laſſen/ und auch geiſtlicher weiſe aufferſtehen zu
einem neuen Leben: wer die Stimme des Menſchen Sohns mit Freuden
hoͤren will/ kommet heraus ihr Toden; der muß hie im Reich der Gnaden
mit glaubigem Hertzen hoͤren und annehmen die Stimme Chriſti durchs
Predig-Ampt erſchallend und ſagend/ mir/ der ich im Grab der Suͤnden
lig/ veni foràs, komm heraus/ ſind Hieronymi Gedancken von ſich ſelbſt
epiſt. ad Florentium, und geſchicht ſolche eigene Toͤdtung ſo wohl
activèalspaſſivè,im Thun als Leiden;activè,thaͤtlich durch
Creutzigung des alten Menſchen/ paſſivè,leidenlich/ daß wir das
Creutz/ ſo uns Gott zuſchicket/ mit Gedult ertragen/ damit das Fleiſch
muͤrb werde; Aber das iſt der Welt nicht gelegen/ ſie machts wie Neronis
Mutter Agrippina, die conſulirte einsmahls die Chaldeiſchen Wahrſa-
ger uͤber ihrem Sohn dem Nerone und deſſelben fatis, kuͤnfftigen Gluͤck
oder Vngluͤck/ ſie bekam die Antwort/ daß er werde regieren/ aber er werde
ſeine Mutter umbbringen/ darauff ſie geantwortet: Er mag mich immer
Tacit. l. 14,
annal.
hin erwuͤrgen/ wann er nur regieret; Alſo ſpricht auch die Welt heutiges
Tages: Sterbe ich des ewigen Todes/ ſo ſterbe ich/ wann nur mein wohl-
luͤſtiges Fleiſch das Regiment fuͤhret/ und ſeine Luſt und Ergetzligkeit hat
in dieſem Leben. Diß ſind der Atheiſten ihre Gedancken und Fuͤrhaben.


Die Fabelhanſen im Papſtumb haben unter andern Huͤlffs-Mit-
apud Mar-
chant. in
horto paſt.
p.
237.
teln die Leute fromm zu machen und zu ergeiſtern von Lazaro ſeltzame/
abentheuerliche Spruͤnge fuͤrgegeben/ daß er nemlich viel herrliche Sachen
ſoll offenbaret haben von den Verdamten; Dannenhero als ihm die Pein
der Verdamten offenbaret worden/ hab er alle zeitliche Marter gegen
dieſelbe wie nichts geachtet/ ſondern willig und gern außge ſtanden/ der zu-
kuͤnfftigen Hoͤllen-Qual zu entfliehen; Er hab nimmer gelachet/ ohn Vn-
terlaß das Elend der verdamten Seelen beweinet/ des Tages einmahl ge-
geſſen/ mit Waſſer und Gerſten-Brod ſich erhalten/ außgenommen drey
ſonderbare Feſt-Tage im Jahr/ an welchen er ein wenig Wein getruncken/
an ſtatt des Bettes ſey er in einen haͤrenen Sack auff der Erden gelegen/
einen Stein an ſtatt des Haupt-Kuͤſſens unter ſein Haupt geleget; Nach
Chriſti Tode ſey er auff einem Schiff mit Martha und Magdalena ohne
rudern und Segel gefahren/ und an Maſſiliam angelendet/ da er Biſchoff
worden
[539]Predigt.
worden/ und endlich die Maͤrterer-Kron erlanget; Er ſey mit eiſernen
Strelen zerriſſen/ mit einem gluͤenden Harniſch bekleidet/ auff einen Rohſt
geleget/ mit Pfeilen durchſchoſſen/ aber ſtets von einem Engel erloͤſet wor-
den/ endlich ſey ihm das Haupt abgeſchlagen worden. Das alles hab er
gedultig gelitten/ damit er nur der ewigen Qual entgehen und die Auffer-
ſtehung der Gerechten erlangen moͤchte.


Chriſtus weiſet uns nicht auff Lazarum/ ſondern auff Moſen und
die Propheten/ da finden wir unſaͤglich viel monita, Warnungen und
Vermahnungen/ daß wir unſer Fleiſch toͤdten ſollen/ nicht leiblich/ ſondern
geiſtlich/ wie auch ad martyria incruenta, Maͤrterer zu werden ohne Blut-
vergieſſen/ durch Chriſtliche Gedult in allerhand Vngemach; Wir duͤrffen
keiner Toden/ die uns predigen von der Hoͤllen/ ſie iſt uns ſchrecklich genug
abgem ahlet/ wann der Menſch nur bedenckt talionem membrorum, die
Vergeltung an den Gliedmaſſen/ daß mit welchem Glied einer geſuͤndiget/
an demſelben ſoll er geſtraffet werden: διὰ σώματος durch den gantzen
Leib/ an den Augen die Augen-Luſt/ an den Haͤnden der Diebſtal/ an dem
Munde die Verleumbdung/ an andern Gliedern die Fleiſches-Luſt/ Ma-
denſacks-Pracht/ ꝛc. ſo ſolt das Lachen werden theuer; DerowegenMatt. 18, 9.
aͤrgert dich dein Auge/ ſo reiß es aus/ und wirffs von dir!


O HERR/ erwecke uns/ der du biſt die Aufferſtehung undIoh. 11, 25.
das Leben/ ertoͤdt uns durch deine Guͤte! ſo wird alßdann folgen mors
juſtorum, beata
ἀνάλυσις, ἀποκαταςασις, ἀνάψυξις, reſurrectio juſto-
rum,
ein ſeeliger Tod/ die Erquickung/ die Erſtattung alles Ver-2. Reg. 4,
36.

luſts/ (der Herr wird wie Eliſa zur Sunamitin ſagen zu denen hie
traurigen Muͤttern/ die ihre Kinder mit dem Ruͤcken anſehen muͤſſen:
Nimm hin deinen Sohn) und ewige Ruh von aller Můhe und
Arbeit/ und dann die fröliche Aufferſtehung
Gottloſe Leute erſchre-
cken fuͤr dieſem Articul wie Felix und Druſilla: Glaubigen Chriſten aberAct. 24, 25.
iſt nichts lieblicher als von dieſem Geheimnuͤß ſatten Bericht zu verneh-
men. Spes reſurrectionis theſaurus conſolationis, die Hoffnung der Auff-
erſtehung iſt der edelſte Schatz alles Troſtes. Seneca troͤſtet ſich mit einem
falſchen Principio, Es werde der jenige Tag wider kommen/ der uns widerSencca
ep.
36.

erfreue! derowegen ſoll einer getroſt hinfahren und gleichſam aus der Welt
gehen/ weil er werde wider kom̃en. Aber O vergebene Hoffnung! Die Hey-
den haben keine Hoffnung/ der Troſt iſt dahin! Der Chriſten Troſt iſt der ge-
wiſſe Troſt/ daß ihr Fleiſch widerum̃ wird lebendig werden und auffwachen
im Lande der Lebendigen. Niemand hat iemahl ſein eigen FleiſchEph. 5, [...].
Y y y 2gehaſ-
[540]Die Vier und Viertzigſte (Dritte)
gehaſſet/ er verliert es ungern; nun geſchichts offt/ daß er eines Glieds
beraubet wird/ der Augen/ der Fuͤſſe/ ꝛc. ja den gantzen Leib verlieren muß;
Aber was ſagt Job? Wann ſie mir (die Wuͤrme) diß mein Fleiſch ab-
genaget ꝛc. Wie ſagt Ignatius? Frumentum Dei ſum, ich bin ein Frucht-
Koͤrnlein Gottes/ daß ich ein guter Kuche Gottes erfunden werde.
So tröſtet euch nun wider euern und der euern Tod mit dieſen
1. Theſſ. 4,
v. ult.
Worten unter einander/ ſchreibet S. Paulus 1. Theſſ. 4. Gott
verſiegele ſolchen Troſt in unſern Hertzen durch ſeinen Geiſt/ Amen.



Die Vier und Viertzigſte Predigt/


Vber den dritten Articul/
Von der Aufferſtehung des Fleiſches/


Die Dritte Predigt/


Von dem Zuſtand und Beſchaffenheit
des aufferſtehenden Fleiſches.


GEliebte in Chriſto: Jſt irgend in der Natur einhie-
roglyphicum
und Bild fuͤrhanden/ darinnen uns
die Aufferſtehung des Fleiſches abgebildet und ent-
worffen worden/ ſo iſt es warhafftig der zwar nach guͤlti-
ge/ doch fruchtbare und wunderbare Selden-
Wurm/
damit die Natur bey angehenden Fruͤlings-Zeiten und Lieb-
ligkeiten die Augen und Gemuͤther der Menſchen beluſtiget und erfreuet.
Es iſt/ wie geſagt/ der Seiden-Wurm ein kleines verachtetes
Thierlein/
wer ſeine Krafft und Tugend nicht weiß/ der tritt es mit
Fuͤſſen/ und niemand iſt/ der es achtete/ oder ihn deßwegen ſauer anſehe:
aber ein fruchtbarer und nutzlicher Wurm; dann der iſts/ dem
wir Seiden und Sammat/ Atlaß und Damaſt zu dancken/ der ſpinnet
und wircket Tag und Nacht/ verfertiget eine ſchoͤne ſeidene Wepp dem
Menſchen zur Deck und Zierath: da im Gegentheil die Spinn zwar auch
ſich bemuͤhet/ kuͤnſtlich als kein Seidenſticker oder Geometta nimmer/ aber
es iſt
[541]Predigt.
es iſt heilloſe und kein-nuͤtze Arbeit/ anders als dieſes Creatuͤrlein/ das
machet lauter gute und loͤbliche Arbeit/ da man ſich uͤber ein ſolch Kunſt-
und Meiſterſtuͤck hoͤchlich verwundern muß; Nicht allein aber iſt dieſer
Wurm ein ſolch nuͤtzlicher Wurm/
ſondern auch ein Wunder-
Wurm;
dann es ia ein groſſes Wunder/ daß erſtermeldter Wurm/
wann er uͤber ſeiner Arbeit erſtorben/ zu einem Dattel-Kern worden/ etliche
Tage tod da gelegen/ er ſich widerumb auffmachet und auffwachet/ ver-
wandelt ſich in einen geſchwinden Pfeiffholder und holdſeliges Sommer-
Voͤglein/ das ſich in die Lufft hinauff ſchwinget/ biß hieher bombyx na-
turalis,
der natůrliche Seiden-Wurm in ſeinem Thun und Be-
ſchaffenheit.


Dem in gewiſſer Maß gleich bombyx ſpiritualis,der geiſt-
liche Seiden-Wurm/ Chriſtus Jeſus unſer liebſter Heiland/

der war ja freylich ein geringer Wurm/ wie er ſelbſt klaget Pſ. 22. EinPſ. 22, 7.
Spott der Leute/ und Verachtung des Volcks/ geringer als ein
toder Hund/ den man noch in die Schlut hinaus fuͤhret/ einen Wurm den
zutritt man mit Fuͤſſen; aber unter des ein ſehr heilſamer Wurm/
der lauter Seiden geſponnen und aus dem Marck ſeines Hertzens heraus
gegeben/ uns Menſchen geſponnen und gewebet die ſchoͤne Wepp/ den koͤſt-
lichen Purpur/ das hochzeitliche Ehren-Kleid/ das Kleid der Gerechtig-
keit/ den Rock des Heils/ den ornat des Goͤttlichen Ebenbilds/ den wir in
Adam verlohren/ damit er uns verehret und anziehet in der heiligen Tauff/
darinnen wir fuͤr Gott prangen als geiſtliche Koͤnige und Prieſter;
Ein rechter Wunder-Wurm/ der auch uͤber ſeiner Blut-ſauren
Arbeit erſtorben/ uͤber der Spinnet entſchlaffen/ drey Tag im Grabe gelegen
als ein verlohrner/ ungeachter Dattel-Kern/ hernach wider froͤlich erwacht/
ſich ſehen und greiffen laſſen/ nach viertzig Tagen empor geſchwungen/ gen
Himmel zur Rechten der Majeſtaͤt Gottes geflogen/ als ein Vorlaͤuffer/
wir ſollen gleicher geſtalt folgen; ſein Flug ziehet unſern nach ſich.


Was iſt ein außerwehlter Chriſt fuͤr der Welt als ein elen-
der Wurm?
Seine Arbeit iſt nicht geachtet. Was die Spinne
arbeitet/ daran man ſich vergafft/ das gilt fuͤr der Welt/ was nuͤtz iſt/ wird
nicht geachtet/ die Welt liebet ihre Phantaſey. Jſt aber ein nuͤtz-
licher Wurm/
er arbeitet in ſeinem Stand und Beruff nach ſeinen
Gaben und beſten Vermoͤgen/ laͤſſets ihm ſauer werden/ gute und nicht
Y y y 3Spinnen-
[542]Die Vier und Viertzigſte (Dritte)
Spinnen-Arbeit zu machen/ wann er ſich ermuͤdet und außgearbeitet/ ſo
leget er ſich ſchlaffen/ wird in die Erde verſcharret/ aber am Juͤngſten Tage
wird er verwandelt/ und Chriſto ſeinem Herren als ein holdſeeliger
Sommer-Vogel im verklaͤrten Leibe entgegen gezuckt werden. Baſilius
in Betrachtung der ſechs Tagwerck verſtarret uͤber dieſem Wunderwerck
der Natur; Was ſaget ihr darzu/ ſchreibet er: die ihr St. Paulo nicht
Glauben zuſtellen wollet wegen der Verwandlung der jenigen/ ſo dermahl
eins aufferſtehen/ da euch doch unverborgen/ daß viel lebendige Thiere in
der Lufft ihre Geſtalt aͤndern/ wie dann erzehlet wird von dem Jndiani-
ſchen gehoͤrnichten Seiden-Wurm/ derſelbige wird zu erſt verwandelt in
eine Raupe/ hernach wird er zu einem Dattel-Kern/ dabey bleibet es nicht/
ſondern es wachſen an ihm auch weiche und breite Fluͤgelein herfuͤr/ daß
er zu einem Vogel wird. Wann dann nun ihr Weiber betrachtet der-
ſelben Werck/ in dem ihr die Seiden ſpinnet/ welche die Seiden-Kraͤmer
euch zufuͤhren weiche Kleider zu machen/ ſo ſollet ihr eingedenck ſeyn deſſel-
ben Thierleins/ wie es in ſo mancherley Art und Geſtalt verwandelt werde/
und dannenhero herrliche und kraͤfftige Betrachtung der Aufferſtehung
ſchoͤpffen.


So weit ſind wir nun auch kommen in unſerm myſterio, nem-
lich nach dem wir vernommen/ daß eine Aufferſtehung der Toden
warhafftig und was dieſelbige ſey/ auff den
ſtatumund Zu-
ſtand des aufferſte henden Fleiſches/
von welchem unſerSym-
bolum
ſagt: Jch wart auff eine Aufferſtehung; Wie? Auff die
bloſſe Aufferſtehung des Fleiſches?
Dabey iſt ſchlechter Troſt; ſon-
dern auff dieimmutation,Veraͤnderung und Verklaͤrung
des Leibes.
Gott der Herr gebe verklaͤrete Hertzen/ Sinne und
Reden zur Verklaͤrung ſeines groſſen Namens/ Amen.


ES moͤchte anfangs iemand ſagen: Wie werden die
Toden aufferſtehen? und mit welcherley Leib wer-
den ſie kommen?
ſind Frags-Wort St. Pauli und Raͤtzel-
1. Cor. 15, 35.Wort/ 1. Cor. 15. die damahl irgend zu Corintho erſchollen/ oder doch in
Gedancken beygewohnet: Wort/ die noch heutigs Tages fuͤrkommen
noͤchten: Wort/ die die fuͤrwitzige Vernunfft dem Geheimnuͤß entgegen
geſetzet/ und demnach den Namen einer Naͤrrin verdient/ Paulus ſagt:
Du Narr! Was darffeſtu das fragen und dem Gehiimnuͤß wider-
ſprechen? Wort/ die St. Paulus ſobriis diſcipulis, ſeinen nuͤchtern
Schuͤlern
[543]Predigt.
Schuͤlern beantwortet/ und ſie auff die Natur weiſet/ ſprechend: Das1. Cor. 15,
36.

du ſaͤeſt/ wird nicht lebendig/ es erſterbe dann: Jſt die Antwort
auff die erſte Frage/ wie werden die Toden aufferſtehen? Antwort:
Wie das Samen-Koͤrnlein/ ſo moͤglich und gewiß/ daß daſſelbe aufferſte-
hen wird/ alſo auch die Toden.


Auff die andere Frage/ mit welcherley Leib werden ſie kom-
men?
iſt die Antwort 1. Es werde vorgehenimmutatio vera,
eine warhafftige Veraͤnderung/ das du ſaͤeſt/ iſt ja nicht derv. 37.
Leib (nach den qualitaͤten) der werden ſoll/ ſondern ein bloß
Weitzenkorn oder der andern eines/ Gott aber gibet ihm
einen Leib wie Er will/ und einem ieglichen unter dem Samen
v. 38. 39. 40.
ſeinen eigenen Leib/ gleich wie nicht alles Fleiſch einerley
Fleiſch/ und nicht alle Coͤtper einerley/ es gibet himliſche Coͤr-
per/ es gibet irrdiſche/ eine andere Klarheit haben die himmli-
ſchen/ ein andere die irrdiſchen.
2. Immutatio gradualis,eine
ſtaffelweiſe unterſchiedliche Veraͤnderung/ Eine andere Klar-
v. 41, 42.
heit hat die Sonne/ eine andere der Mond/ ein Stern uͤber-
trifft den andern in der Klarheit/
einer iſt primæ, der ander ſecun-
dæ \&c. magnitudinis,
einer ſcintilliret/ der andere nicht: Alſo auch in der
Aufferſtehung der Toden. 3. Mutatio mirabilis,Eine wunder-
und ſonderbare Veraͤnderung; Es wird unſer Leib
(wie inv. 43. 44.
Mutterleib/ alſo auch in die groſſe Mutter die Erde) geſaͤet verweßlich/
in Vnehr/
(Gebrechen/ Faͤule/ Geſtanck) in Schwachheit/ (matt/
muͤde/ unbehuͤlfflich/ unbeweglich im Sarck) ein natuͤrlicher/ ſichtba-
rer/ fuͤhlbarer Leib/ dem huͤll und gefuͤll von noͤthen; Es wird aber
aufferſtehen ein geiſtlichrr Leib/
nicht ſecundum ſubſtantiam, nicht
nach dem Weſen/ ſondern nach den qualitaͤten und Eigenſchafften.


So gethaner Zuſtand der Toden in der Aufferſtehung
ins gemein iſt bekräfftiget mit dem Exempel Chriſti/ herrlich gelo-Matth. 22,
30.

bet und heraus geſtrichen mit der Engels-Gleichheit/ erkläret mit
der Abbildung der Sonnen/ dann werden die Gerechten leuchtenMatth. 13,
43.

als dieſereniſſimi \& illuſtriſſimi Soles, ſo viel himmliſche Sonnen
als außerwehlte ſeelige Churkinder Gottes; mit der Abbildung der Sterne/
daß
[544]Die Vier und Viertzigſte (Dritte)
Dan. 12, 3.
1. Cor. 15.
41.
Exod. 34,
30.
Matth.
17,
2. 3.
daß etliche werden leuchten wie die Sterne immer und ewig-
lich/
præſentirt und vorgeſtellet mit lebendigen Exempeln
als Geiſſeln/ in Moſe Exod. 34. in Chriſto/ Moſe und Elia auff dem Berg
Thabor Matth. 17. dann da iſt freylich eine Verklaͤrung fuͤrgangen/ nicht
in der ſubſtantz und phyſiognomi, dann die Juͤnger kanten noch den
Herren/ ſondern in den qualitaͤten und Eigenſchafften.


Marc. 9, 2.

Jſt 1. eine warhafftige Klarheit/ der Herr verklaͤret ſich
ſelbſt/ leuchtet wie die Sonne/ der gantze Berg und Lufft wird hell davon/
Luc. 9, 29.ſein Kleid ςίλβων ἐξαςράπτων, zwitzert wie die Stern/ weiß wie der Schnee/
daß kein Faͤrber auff Erden kan ſo weiß machen/ wie die Sonne ſcheinet
durch das Fenſter/ alſo leuchtet hie die Sonne der Gerechtigkeit durch die
Kleider; Jn ebenmaͤſſiger Form/ Geſtalt und Glantz erſchienen auch die
zween obſides und Geiſeln ſolcher Klarheit Moſes und Elias. 2. Eine
Ioh, 1, 14.ungleiche Klarheit/ unendlich in Chriſto als eine Herrligkeit des ein-
gebornen Sohns vom Vater/ von dieſer Sonn haben auch die andern
zween geleuchtet/ aber endlich/ und gemeſſen in den beyden Himmels-Buͤr-
gern. 3. Eine Evangeliſche Gnaden-Klarheit. 4. Eine
erkäntliche Klarheit/
ſintemahl der ſtrahlende himmliſche Glantz die
Juͤnger Chriſti nicht gehindert/ daß ſie dieſelbe nicht haͤtten kennen ſolten.
dahin auch gehoͤren die jenigen Heiligen/ ſo mit Chriſto μετατὴν ἔγερσιν,
nach der Aufferſtehung Chriſti aufferſtanden/ warhafftig erſchienen nicht
2. Sam. 28,
14.
als ſpectra und Geſpenſte/ oder als der vermummete Samuel in einem
frembd-angenommenen Leibe; ſondern in ihrer eigenen ſubſtantz und
Weſen verklaͤrten Leibern/ in denen ſie nicht von iederman haben koͤnnen
geſehen werden/ ſondern allein denen/ deren Augen Gott der Herr
erleuchtet/ erſchienen/ als redende Zeugen der Aufferſtehung und Geiſeln
der kuͤnfftigen Herrligkeit.


Wir wollen der Spur etwas genauers nachgehen/ ſo werden wir
drauff kommen/ und wird uns begegnen in ſpecie I. ἀφϑαρσία, die un-
ſterbligkeit/
(ja freylich haben wir hie φϑαρτὸν, einen ſterblichen verweß-
lichen/ rotzigen/ kuͤlſterhafften/ krancken Leib/ an dem der Artzt als ein Koth-
Syr. 10, 11.
Luc.
20, 36.
Flicker immer flicket/ endlich der Wuͤrme Speiß Syr. 10. Aber O des
ſeeligen Wechſels! Sie werden außgetauſcht werden mit der ſeeligen
Ioh 11, 44.
Luc. 7, 15.
Act.
9, 40.
41.
apharſia der Vnſterbligkeit und Vnmoͤgligkeit widerumb zu ſterben;
Lazarus/ der Juͤngling zu Nain/ die Thabea ſind auch widerumb von den
Toden aufferwecket worden/ aber in widerumb ſterblichen Leibern/ ſie haben
noch einmahl ſterben muͤſſen: Hie vollkommene Vnſterbligkeit. Dann
alſo
[545]Predigt.
alſo hat Chriſtus einen Leib/ der der Suͤnden geſtorben einmahl und nicht
mehr ſtirbt/ Rom. 6. So die Engel unſterbliche Geiſter/ ſo die himmliſcheRom. 6, 9.
10.
Hebr.
11, 5.

Coͤrper ἀγέννητα ἄφϑαρτα, und unverweßlich; So Henoch und Elias den
Tod nit ſehen; ſo auch der außerwehlten Leiber/ unverweßlich ſind ſo euſſer-
lich/ ſo innerlich: da wird das humidum radicale, der Lebens-Safft von
keiner Hitz verzehret/ von keiner Kaͤlte erloͤſchet/ wann auch der Leib durch
die Vnmoͤgligkeit durchs hoͤlliſche Feuer ſolte durchgezogen werden/ wuͤrde
er doch nichts leiden und empfinden/ es iſt da temperamentum ad pon-
dus,
ein gleichwichtiges Temperament/ kein Element oder elementariſche
qualitaͤt ſtreitet wider die andere/ kein Pfeil/ kein Spieß kan ihn verletzen/ da
iſt der Menſch recht Schutz und Stich-frey/ recht Himmel-feſte. Ma-Gen. 5, 27.
thuſalah 969. Jahr alt hats wohl hoch gebracht mit ſeinem Alter/ iſt
aus gutem Samen gezeuget/ hat geringe/ ſchlechte/ geſunde Speiſen ge-
noſſen/ ſein diet in acht genommen/ und mit Artzney-Mitteln ſich verſehen.
Moſes war hundert und zwantzig Jahr/ ſeine Augen nicht dunckel/ ſeineDevt. 34, 7.
Ioſ.
14, 11.

Krafft nicht verfallen. Caleb fuͤnff und achtzig Jahr/ noch ſo ſtarck als
im 45. Jahre. Maſiniſſa vier und neuntzig Jahr der Numidier
Koͤnig/ hat eine gute Natur gehabt und kernhafft Alter. Jener drey hun-
dert fuͤnff und dreiſſig-jaͤhrige alte Jndianer aus Oſt-Jndien hats weit
gebracht/ wann wahr/ was () Mafeius von ihm ſchreibet/ ſeine Zaͤhne ſind
ihm wider gewachſen/ ſeine graue Haar ſind wider ſchwartz worden: Aber() l. 9. hiſt.
Indic.

endlich hats doch geheiſſen \& mortuus eſt, er iſt auch geſtorben/ es iſt bey
der alten regul blieben/ ſie muͤſſen alle an den Toden-Tantz; Jm Himmel
aber kan niemand ſterben.


II. Δόξα, Die Herrligkeit; Es wird geſaͤet in Vnehren/1. Cor. 15,
43.

(der Fuͤrſt und Koͤnig wird ſeines Schmucks beraubet/ ſeiner Kron/ ſeiner
Edelgeſteine) freylich daß man die Naſen zuhalten muß/ und traͤgt man
den Toden hinaus/ gleich als in das exilium, ihm iſt gleichſam die Statt
verbotten: Aber hie εν δόξη, in Herrligkeit; Chriſti Klarheit und
Herrligkeit auff dem heiligen Berge ſtehet uns fuͤr Augen/ der Engels-
Glantz wird von dem Evangeliſten abgemahlet Marc. 16. Die zweenMarc. 16, 5.
Luc.
24, 4.

Engliſche Oſter-Prediger in Juͤnglings-Geſtalt εν ἑσϑήσεσιν ἀςραπτούσαις,
in blitzenden Kleidern; Die Sonne ſcheinet uns fuͤrs Angeſicht/ die Ster-
ne zwitzern und ſpielen fuͤr unſern Augen; Alſo wird auch ſeyn die Schoͤn-
heit unſerer Leiber. Hie muß ſich verkriechen die Schoͤne Abſaloms/ der
hat den Namen und Preiß in der Schrifft/ 2. Sam. 14. in gantz Jſrael2. Sam. 14,
25. 26.

ſey kein Mann ſo ſchoͤn als Abſalom/ von ſeiner Fußſohlen biß auff die
Scheitel kein Fehl/ und war ſein Haupt-Haar umb zwey hundert Seckel
Sechſter Theil. Z z zæſti-
[546]Die Vier und Viertzigſte (Dritte)
æſtimirt (dem Werth nach und nicht dem Gewicht/ dann ſonſt muͤſte er
ungeſtalte Zotten gehabt haben mehr als zwey Schaf Wolle haben) da-
mit ſich die Sioniſche Toͤchter vermuthlich gezieret und darinn gepranget;
Das war wol eine ſchoͤne Creatur/ aber pfui des Vnflaths und Schand-
Vogels! pfui dich/ wie uͤbel angelegt! Wie fern iſt die Schoͤne noch von
der himmliſchen Klarheit/ das verfluchte ſchoͤne Haar/ in welchem er ſeinen
Kopff und Halß verwickelt/ bleibet am Baume hangen/ als ein anathema
und Scheuſal; Ein andere Klarheit hat die Natur/ eine andere der Him-
mel/ ſie ſind wie Tag und Nacht gegen einander.


1. Cor. 15,
43.

III. Δύναμις, Krafft; Es wird geſaͤet in Schwachheit/
Vnvermoͤgligkeit/ Druſen/ Breſten/ da ligt der Menſch/ und kan oft ſich kei-
ner Mucken oder Flochs erwehren/ Senectus ipſa morbus, das Alter iſt die
Kranckheit ſelber; ſteiget er dẽ Berg hinauf/ ſo wird er muͤd/ er keucht; aber
es wird ein froͤlicher Wechſel und Tauſch folgen/ δύναμις, Krafft/ Staͤr-
cke/ immer-friſche Jugend/ immer-waͤhrende Geſundheit/ Geſchwindheit/
Hurtigkeit/ wo der Geiſt ſeyn will/ da wird alſobald der kuͤnfftige Leib ſeyn/
Aug. l. 22.
de Civ. D.
c. 30.
Philip. Ni-
col. in the-
oriâ vitæ
æternæ p.
667.
2. Reg.
19,
35.
wie Auguſtinus ſchreibet/ und wie etliche meditiren/ ſo ſtarck/ daß er mit
einem Finger eine groſſe Kirche tragen/ mit einer Zee einen Thurn verſetzen/
mit den Bergen ſpielen/ als wie die Kinder mit den Ballen/ in einem Nun
biß an die Wolcken ſpringen/ und uͤber hundert Meilen fahren; Eine ſol-
che Krafft iſt in dem Leibe Chriſti geweſen nach ſeiner Aufferſtehung/ daß
Er alſobald geweſen/ wo Er hat ſeyn wollen/ fuͤnffmahl erſchienen im Gar-
ten/ in Emaus/ zu Jeruſalem; Eine ſolche Krafft iſt die Engliſche Krafft/
das hat erfahren Sanherib; eine ſolche Gewalt iſt in der Sonnen und
Sternen. Hie muß ſich Simſon verkriechen/ ein Rieß uͤber alle Rieſen/
Held uͤber alle Helden/ den weder Stahl noch Eiſen bezwungen/ der weder
mit Ketten noch Banden kunte gehalten werden/ der tauſend Philiſter
mit einem Eſels-Kinbacken geſchlagen/ der die Statt-Thor zu Gaza auff
den Berg Hebron getragen/ einen jungen Loͤwen zerriſſen/ wie man ein
Boͤcklein zerreiſſet/ aber endlich muſte er ſich ergeben/ er muſte mahlen und
ſpielen/ fallen und ſterben; dort bleibt immer-waͤhrende Krafft und Staͤr-
cke unverruckt.


1. Cor. 15,
44.

IV. Πν [...]ματικὴ ποιότης, Geiſtlicheſubtilitaͤt; Hie wird ge-
ſäet ein natůrlicher Leib/
ſichtbar/ fuͤhlbar/ empfindlich/ plump/ grob/
ſchlaffend/ der taͤglich umbs taͤgliche Brod betteln muß/ alles was zur Lei-
bes-Nahrung ꝛc. Aber dort wird die vierte Bitt auffhoͤren/ ohne Schlaff/
Futter/ Kleid/ Dauung/ ein geiſtliches Fleiſch ſeyn/ uͤber diß ſubtil
und
[547]Predigt.
und durchdringend/ deßgleichen unſichtbar/ und von unſern leiblichen
Haͤnden und Augen unempfindlich. Dann ſo iſt Chriſti Leib geartet
geweſen/ Er aß zwar/ aber nur aus bloſſer freyer Willkuͤhr/ Er
gieng durch die verſchloſſene Thuͤr/ Er wurde unſichtbar/ Er iſt nicht allen
erſchienen/ ſondern nur den vorerwehlten Zeugen Actor. 10. Den auffer-Act. 10, 41.
Auguſt.
tract 76.
in Ioh.
Gen. 18, 8.
Act. 12, 7.
2. Reg.
6,
17.

ſtandenen Chriſtum hat kein Gottloſer geſehen/ ſchreibet Auguſtinus;
Alſo beduͤrffen die Engel keiner Speiſe/ ob ſie gleich auff den Schein thun
als wann ſie eſſen/ ſie ſind durchdringende Geiſter/ unſichtbar; alſo ſind die
Sonne und alle Sterne von uns unempfindlich/ man kan ſie nicht fuͤhlen
oder greiffen.


Dieſes iſt die Schrifft-maͤſſige/ Schrifft-gegruͤndete Warheit/ ent-
gegen zu ſetzen dem Frevel der Calviniſten/ die bleiben bey ihrem alten Fa-
den-Rechte/ ihre Meynung iſt dieſe; Es hab die Herrligkeit die Natur
nicht verwandelt; Was fuͤr einen Leib Chriſtus fuͤr uns in den Tod ge-
geben/ ein ſolcher werde auch von uns genoſſen im Heiligen Abendmahl;
Nun aber habe Chriſtus einen ſichtbaren und fuͤhlbaren Leib fuͤr uns gege-Maſſon.
part. 1. p.
536. part. 2.
p. 217.
Matth. 22,
29.
Pſ.
103, 5.

ben/ Chriſti Leib/ ſchreibet Maſſonius, iſt allezeit umbſchrieben/ raͤumlich/
fuͤhlbar und ſichtbar. Wir antworten aber/ wie Chriſtus den Saddu-
ceern: Jhr irret/ und wiſſet die Schrifft nicht/ noch die Krafft
Gottes.
Dieſes iſt der himmliſche Seiden-Wurm/ der verjuͤngte
Adler/ Pſal. 103. dieſes iſt die himmliſche Chymic, ſo wird der Menſch
umbgeſchmeltzet/ aus einem ehrinnen ein guͤldenes Bild; Dieſes iſt der
guͤldene Schmuck der Lehrer und Maͤrtyrer; Dieſes iſt das himmliſche
Hof-Kleid und Liberey/ viel ſchoͤner und herrlicher als das guͤldene StuͤckActor. 12,
21. 22. 23.

Herodis. Herodes Agrippa erſchein auff dem theatro zu Cæſarea im gantz
guͤldenen Stuͤck/ und damit erlanget er/ wornach er gerungen/ daß unter
deß er in Egypten unter der Perſon eines/ Narren Carrabas, genennet
theatriſirt worden/ wie () Philo berichtet.

L. in Flacc.

Jſt im Gegentheil leicht zu ermeſſen/ was es fuͤr eine Beſchaffenheit
haben werde mit den Leibern der Verdamten/ die alle Warnung verachtet/
dem Teufel mit der Suͤnde gedienet/ mit der Hoͤllen einen Bund gemachet/
ohne Buß/ ohne Glauben verſchieden. Zwar ſie werden haben ἀφϑαρσίαν,
die Vnverweßligkeit/ die Vnſterbligkeit/ aber zur Straff eine peinliche Vn-
ſterbligkeit. O wie gern wolten ſie ſterben! ἀδυναμίαν werden ſie fuͤhlen/
eine unſeelige Vnvermoͤgligkeit/ werden ſich der Flammen/ Marter und
Qual nicht erwehren koͤnnen; wie gern waͤren ſie blind und taub! fuͤhl- und
ſinnloß! Scheußligkeit und Vngeſtalt/ ſo die Strahlen der Außerwehlten
nicht wird leiden koͤñen/ das Muſter erfahret man am Teufel/ wie er biß wei-
Z z z 2len er-
[548]Die Vier und Viertzigſte (Dritte)
len erſchienen/ wie man ihn mahlet/ dem werden ſie aͤhnlich werden; an Ne-
Dan. 4, 30.bucadnezar/ der zu einer Beſtien worden/ der auch Daniels Rath nicht
folgen wollen/ er wird von Leuten als ein Raſender verſtoſſen; an den Vn-
flaͤthern und malefitz-Perſonen. Der Kopff wird ſchlottern/ die Augen klo-
tzen/ das Hertz zaplen/ der gantze Leib zittern und beben/ Haͤnde und Fuͤſſe
ſincken/ die Augen truͤbe außſehen/ die Zaͤhne klappen/ die Haar zu Berge
Matth. 13,
42.
Luc.
16, 24.
ſtehen/ leuchten werden ſie zwar/ aber wie der Salamander/ ein Feuer-
Brand im Feuer-Ofen/ wie der reiche Schlemmer im rothen Feuer-Pur-
pur das crucior geruffen.


Die Verdamten werden auch wohl aufferſtehen/ (ſind Gedancken und
Wort D. Philippi Nicolai in theoriâ vitæ æternæ l. 5. c. 6. p. 665. \& p. 671.) und aus
der Erden lebendig herfuͤr kommen/ aber Schwartz/ heßlich/ und mit ihrem ſcheuß-
lichen Geſicht/ dem Teufel und allen boͤſen Geiſtern aͤhnlicher und gleichfoͤrmiger
dann einem Menſchen: der Kopff wird ſchlottern/ das Hertz zappeln/ der gantze
Leib zittern und beben/ Haͤnde und Fuͤſſe werden ſincken/ die Augen truͤbe auß-
ſehen/ die Zaͤhne im Munde klappern/ die Haar zu Berge ſtehen/ und alle Glieder
von unaußſprechlicher granſamer Furcht/ Angſt und Bekuͤmmernuͤß wackeln.
Da werden die verſtorbene Gottloſe nicht ſo trotzig/ frech/ kuͤhn/ zornig und grim-
mig in der Aufferſtehung ſich herfuͤr thun/ wie ſie in der Welt zuvor geweſen ſind/
ſondern werden mit grauſamer Angſt/ peinlicher Furcht und groſſem Schrecken
ungern herfuͤr gehen/ und dafuͤr wuͤndſchen/ daß ſie etliche hundert Klaffter in
tieffer Erden/ unter allen Bergen und Huͤgeln moͤchten begraben ligen/ und in
Ewigkeit verborgen blieben.


Gleich wie ein Moͤrder vor dem Gericht erſchrickt/ wann er des Leich-
nams anſichtig wird/ den er umbgebracht hat/ und wann ers ſihet bluten/ und
mit trieffenden Bluts-Tropffen Rach ſchreyen/ da zappelt ihm das Hertz im Leibe/
iſt erſtarret von grauſamer Furcht und Angſt/ und wolte/ daß er tauſend Meilen
von dannen waͤre. Alſo wird an jenem Tage Furcht und Angſt alle Teufel in
der Hoͤllen/ und alle blutduͤrſtige Tyrannen/ Feinde und Verfolger des unſchuldig-
vergoſſenen Bluts ergreiffen/ wann ſie der ermordeten nur einen/ zu geſchweigen
ſie alle miteinander wider lebendig ſehen/ daß ſie von groſſer Zaghafftigkeit wer-
den Haͤnde und Fuͤſſe ſincken laſſen/ und nicht wiſſen wo aus noch ein.


Vnd alſo wirds auch zugehen mit den Hirn-wuͤtenden und Blut-trun-
ckenen Tyrannen und Verfolgern der Gerechten und Vnſchuldigen: Zittern und
Angſt wird den Kaͤyſer Decium ergreiffen/ wann er den erweckten Laurentium da
ſihet/ den er umb des Chriſtlichen Glaubens willen auff feurigen Kohlen hat
lebendig braten laſſen: Herodes wird nicht lachen/ wann die unſchuldige Kind-
lein daſelbſt lebendig erſcheinen/ und in groſſer Freude und Herrligkeit ſchweben;
Auch werden die Paͤpſtiſchen Prælaten und Inquiſitoren (wann ſie Iohannem
Huß/ Hieronymum von Prag/ Savonarolam, Leonhard Kaͤyſer/ Robertum Bars/
und andere unzehlige Maͤrterer Chriſti/ die ſie jaͤmmerlich erwuͤrget und hinge-
richtet haben/ lebendig fuͤr ſich ſehen) nicht mehr auff ſie ſchnarchen/ anfuͤnckeln/
hauen und ſtechen/ noch zum Feuer/ zum Strick/ zum Schwert/ zur Tortur und
zum Tode mehr verdammen: Dem Duc de Alba wird daſelbſt ſein tyranniſcher
Kuͤtzel und Blut-Sucht vergangen ſeyn/ wann er die entleibten Grafen/ und viel
tauſend
[549]Predigt.
tauſend vermeynte Kaͤtzer lebendig fuͤr Augen ſihet/ die ihrer Evangeliſchen Be-
kaͤntnuͤß halben von ihme jaͤmmerlich hingerichtet ſind? Eine teufeliſche Furcht
und hoͤlliſche Galgen-Angſt wird ůber die Buben fallen/ ſo gar wirds keine Noth
haben/ daß die Kinder Gottes zu der Zeit ſolten abermahl von ihnen verfolget
und getoͤdtet werden.


Ululate abletes,Heulet ihr Tannen/ dann die Cedern
ſind gefallen!
ſo wird erſcheinen der ſtoltze Chaldeiſche Cedern-Bel-Zach. 11, 3.
ſazer: Die Sereniſſimi und Durchlaͤuchtigſten vor der Welt/ die Dii, die
Goͤtter/ welche ihnen eingebildet/ ſie ſeyen unſterblich/ die Potentiſſimi und
Großmaͤchtigſten; ſo Herodes/ ſo der reiche Schlemmer/ alle Suͤnden-
Knechte/ deren der Bauch ihr Gott iſt/ die ſich ſelbſt in beſtias und unver-
nuͤnfftige Thiere verwandelt durch Trunckenheit/ und den Nebucadnezar
oder die Heydniſche Circe geſpielet/ die ihren Leib verzaͤrtelt/ gemartert/ ver-
ſtellet durch allomodiſche Habit/ die allerhand wunderliche Trachten ge-
fuͤhret. Vnter denen zweyen muß eines ſeyn nach dieſem Leben/ entwe-
der der Feuer-rothe Purpur des Schlemmers/ oder das Schnee-weiſſe
Kleid/ welches Chriſtus dem Engel zu Sarden entbieten laſſen/ Apoc. 3.Apoc. 3, 5.
2. Cor.
5, 2.
3.

Wer dort will uͤberkleidet werden/ der muß nicht bloß erfunden/ ſondern
in des unſchuldigen Laͤmbleins Fell verkleidet/ und mit ſchoͤnem Tugend-
Schmuck gezieret werden.


Derowegen heulet hie durch wahre ernſte Buß/ die biß dato im Nar-
ren-Schiff geſeſſen/ es iſt kein Schertzwerck; die biß dato mit den Woͤlfen
heulen wollen/ und der Welt ſich gleich geſtellet; Wir doͤrffen keines
neuen Proyheten/ keiner viſionen und Zeichen die Leute fromm zu machen/
damit die Leute verneugernt werden/ wir haben Moſen und die Propheten/
Chriſtum/ Moſen und Eliam auff dem heiligen Berge zu Geiſſeln und
Muſtern/ daß wir den Weg ſuchen/ durch welchen ſie zu ſolcher Herrligkeit
kommen. Wer dort unter die clariſſimos will gezehlt werden/ der muß
hie clarus ſeyn/ klar im Glauben/ klar im Gewiſſen/ klar im Leben und
Wandel. Wir ſchauen hie und koͤnnen ſchauen die Klarheit des2. Cor. 3, 18.
HERREN in einem Spiegel/ nemlich im Cryſtall-klaren
Spiegel mit auffgedecktem Angeſicht des Evangelii/ in welchem wir
ſehen das klare Bild der Gnade des himmliſchen Vaters/ der Liebe Jeſu
Chriſti/ des Troſtes des Heiligen Geiſtes/ und wir werden verklaͤret
in daſſelbe Bild/
gleich wie Moſis Angeſicht von langwierigen An-
ſchauen der Herrligkeit Gottes auff dem Berge Sinai glaͤntzend worden/
alſo wird unſer Hertz in und durch Gottes reichlich unter uns wohnende
Z z z 3Wor-
[550]Die Vier und Viertzigſte (Dritte)
Wort außgeklaͤret/ und wird ſelbſt ein contra Spiegel/ darinnen ſchoͤne
Troſt-Bilder von Gottes unbetruͤglicher Gnade und Treue fuͤncklen/ ſol-
Gal. 3, 1[0]cher Art waren die Hertzen der Galater/ welche als klare Paſſion-Spiegel
durch St. Pauli Predigten den gecreutzigten Jeſum ſo hell und klar ge-
faſſet/ als waͤr Er mitten unter ihnen auff ihrem Ring-Platz gecreutziget
worden. Wir werden und ſollen verklaͤret und durchglaͤntzet werden von
einer Klarheit zur andern/
ſtrohmweiſe/ als vom HErren der der
Geiſt iſt/
wann der ſpricht/ es werde liecht im Hertzen/ ſo bricht der ſchoͤ-
ne Morgen-Stern herfuͤr. Wer dort will verklaͤret werden an ſeinem
Leibe/ der muß ſich hie verklaͤren laſſen an ſeiner Seel.


Ein groſſer Troſt wider die Vngeſtaltſamkeit/ Hinckende/
Blinde/ Taube/ Hofferige/ Hoffer/ Bruͤch/ Steine/ podagra und dergleichẽ
Exod. 4, 6.Gebreſten/ Gott machet beydes; geſchicht alles zum guten/ die Erb-
Suͤnde einzubilden/ Begierde zu erwecken nach der himmliſchen Klarheit/
und Pracht zu verleiden/ und mit Paulo zu ſagen: Jch bin gutes
2. Cor. 12,
10.
Muths in meiner Schwachheit/ 2. Cor. 12. Trage deinen Hoffer
gedultig als eine Laſt/ die dir Gott aufferleget/ ie ſchwerer die Laſt/ ie groͤſ-
ſer und herrlicher wird dermahl eins die Krone ſeyn/ die dir dort wird auff-
geſetzet werden/ da wird kein Mephiboſeth mehr hincken. Troſt wider
alle Kranckheiten/ ja den Tod ſelbſten/
dafuͤr ſoll man zwar ſich
Herod. l. 3.fuͤrchten und nicht ſicher in Wind ſchlagen. Die Egyptier/ wie Herodo-
tus
bezeuget/ lieſſen allezeit bey ihren Gaſtereyen einen Toden-Coͤrper vor-
ragen/ ſagende: Dieſen ſchau wohl an/ trinck und ergetze dich/ ein ſolcher
wirſtu kuͤnfftig in deinem Tode ſeyn. Bekant und mehr erzehlet iſt die
Hiſtori von dem edlen jungen Schleinitz/ der ſchoͤnſte Juͤngling/ da er
kranck worden/ haben ſeine Freunde nicht erlangen koͤnnen/ daß er ſich ab-
contrafeyen ließ/ aber das zugelaſſen/ ſie ſolten ihn abmahlen/ wie ſie ihn
inden wuͤrden im Grabe/ nach etlichen Tagen/ da ſie das Grab geoͤffnet/
inden ſie ſein Angeſicht halb verzehret von den Wuͤrmen und Schlangen
unb ſeinen Leib/ und in ſolcher figur haben ſie ihn gemahlet. Das war
in ſcheutzliches und ſchreckliches ſpectacul.


So iſt auch das Trauren uͤber die liebe in Gott entſchlaffenen
Freunde/ die uns und wir ſie mit dem Ruͤcken anſehen muͤſſen/ erlaubt/
1. Theſſ. 4
13. ſeqq
aber wie fern? Was ſagt der Apoſtel in ſeiner erſten Epiſtel an die Theſ-
alonicher im 4. Cap. (aus welchen Worten D. Luther vorzeiten zwo
Troſt-reiche Leich-Predigten gehalten/ eine Anno 1525. Churfuͤrſt Fride-
ichen/ die andere Anno 1532. Churfuͤrſt Johanni/ ſo zu befinden tom. 2.
Jen.
[551]Predigt.
Jen. fol. 515. und tom. 5. fol. 511.) Wir wollen euch/ lieben Brůder
nicht verhalten/ ꝛc.
Jn welchen Worten er unterſchiedliche leben-
dige Troſt-Quellen
eroͤffner wider das bittere Kraut/ die bittern Co-
locyn
ten/ das bittere Gifft des Todes/ und ſeiner ſcheutzlichen/ erſchroͤck-
lichen Larv/ als des Koͤniges aller Schrecken. Die erſte heiſſet:Hiob. 18,
14.

ύπνωνυμία, Die Schlaffaͤhnligkeit/ von denen die da ſchlaffen:
in welchen Stucken der Schlaff und der Tod der Glaubigen mit einander
comparirt und vergleicht werden/ iſt droben angezeiget worden; ſonderlich
gehoͤret hieher im Alten Teſtament der wunderſchoͤne und liebliche SchlaffGen. 28, 11.
Jacobs/ der ſich zwar dem Leibe nach auff ein ſteinhartes Kuͤſſen ſchlaffen
gelegt/ aber der Seelen nach mit himmliſchen phænomenis und Augen-
Luſten erfreuet worden/ einer geheimnuͤß-reichen Luſtes/ der auff- und ab-
ſteigenden Heiligen Engeln/ und ſonderlich deſſen der auff der Leyter ge-
ſtanden/ mit ihme geſpracht/ nicht ἀῤῥητα, ſondern [...]ρητὰ, nemlich er-
quickende Troſt-Wort gehoͤret/ die ihm in ſeinem Hertzen/ Geiſt und Ge-
muͤth ſo wohl gethan/ daß da er aufferwacht/ mit frolocken gleichſam auff-vide D.
Chemnit.
harm. c. 87.
p.
1673.

geſprungen und geſagt: Ey das iſt GOttes Hauß/ diß iſt die
Pforte des Himmels/
und diß war mehr nicht als ein Traum.


Jm Neuen Teſtament iſt auch ſehr holdſeelig zu leſen und zu betrach-
ten der Schlaff der Juͤnger Chriſti auff dem heiligen Berge: Luc. 9. da ſichLuc. 9, 32.
der HErr vor ihnen verklaͤret/ entſetzten ſie ſich/ und ſuncken in einen tieffen
Schlaff/ ſo bald ſie erwacht/ erſchiene ihnen die Heilige Dreyfaltigkeit/ der
Vater in einer ertraͤglichen lieblichen Stimm/ der Sohn Gottes in ſeinem
verklaͤrten Leibe/ der Heilige Geiſt in der Geſtalt einer liechten Wolcken/
und werden Chriſto Moſes und Elias zween außerkohrne Himmels-
Burger und Buͤrgen in verklaͤrten himmliſchen Leibern/ redende von dem
blutigen Auß- und Paſſions-Gang zu Jeruſalem/ und das war ein Vor-
blick/ zugeſandt.


Was wird dann ſeyn bey denen/ die in Chriſto ſeelig und recht dem
Leibe nach einſchlaffen/ mancher auff einem harten Maͤrter-Stein wie
Stephan/ mancher auff einem harten Pflaſter/ wann er zu tode fallt/ auchAct. 7, 59.
60.

mancher auff dem Rabenſtein/ der Seelen nach aber ἀπ᾽ ἀρτι, als bald ſee-
lig ins Paradiß/ in Abrahams Schos/ in Gottes Qual-freye Hand/ und
in die Ruh-Kam̃er: hic umbra, illic veritas, hie Schatten/ dort die War-
heit ſelbſt/ hie ſihet der Menſch auch die himmliſche phænomena, Schaͤtze
und Guͤter im Glauben/ in der Hoffnung/ im Spiegel/ im duncklen Wort:
Wann der Menſch ſeelig entſchlaͤfft und leibloß wird/ da ſihet er den anti-
typum,
[552]Die Vier und Viertzigſte (Dritte)
typum, die wahre Himmels-Leyter Chriſtum ſelbſt/ ſampt ſeinen heiligen
auff- und abſteigenden und noch zur Zeit dienenden Engeln und Außer-
wehlten/ nicht auſſer dem Himmel in einem abſonderlichen dritten Ort/
da auch die Seele ſchlaffen ſolte/ ſondern im Himmel mit herrlichem Ge-
nuß des Anblicks Gottes/ alles klar und wahr/ aber doch als im Schlaff/
weil die Seel allein ohne den Leib ſcheidet: aber wann Leib und Seel wider
wird vereinigt werden/ und der Menſch erwachen wird nach Gottes Bil-
de/ da wird die Schau extenſivè vollkommen ſeyn/ wir werden Gott den
HErren ſelbſt/ den him̃liſchen Vater/ die Jacobs-Leyter Chriſtum Jeſum/
die durchklaͤrete Wolcke den H. Geiſt/ die H. außerwehlten Engel/ Moſen
und Eliam/ ſampt allen andern unſern vorhergeſendeten Freunden an-
ſchauen/ in him̃liſcher Klarheit/ unaußſprechlicher Freude/ holdſeeligſtem
Geſpraͤch von der Krafft des paſſional-Gangs Jeſu Cbriſti/ da wird ſeyn
Pſ. 16, 11.Freude die Fuͤll/ und liebliches Weſen zur Rechten Gottes im-
mer und ewiglich.
In dulci jubilo,Eya waͤren wir ſchon da!


Pſychopanychian beatitudini contrariam eſſe etiam Ethnici agnovere.
Ne (ita Cicero l. 1. de finib.) ſi jucundiſſimis quidem nos inſomniis uſuros, pu-
temus Endymionis ſomnium nobis velimus dari, idque ſi accidat mortis inſtar
putemus. Et l. 1. Tuſc. qq. Quaſi verò quisquam ita nonaginta annos velit vi-
vere, ut, cum ſexaginta vixerit, reliquos dormlat, ne ſues quidem id velint.
()

Die andere Quell heiſſet παρουσία ſomnii excitatrix,die
herrliche und Majeſtaͤtiſche Schlaff-weckende Zukunfft und
ſcheinbare Gegenwart des ſiegreichen Oſter-Fuͤrſten/ Her-
tzogs des Lebens/ des groſſen HERREN/
der uns zu ſeinem
Eigenthumb ſo theuer mit ſeinem eigenen Goͤttlichen Blute erkaufft/ der
wird erſcheinen nicht ſo elend wie am Palmtage/ ſondern in Goͤttlicher
Pomp/ Pracht und unbegreifflicher Herrligkeit/ begleitet mit einem gewal-
tigen himmliſchen Heerzuge/ mit einem allgemeinen Engliſchen Feld-
Geſchrey/ mit der Poſaunen Gottes/
das iſt/ keiner gemeinen/ ſon-
dern Goͤttlichen Himmels-gemaͤſſen Sinaiſchen Poſaun/ und mit der
Stimme des Ertzengels/
vermuthlich Gabriels/ der auch die erſte
Ankunfft ins Fleiſch verkuͤndiget/ und der außerkohrnen Jnngfrau Ma-
ria von der Heiligen Dreyfaltigkeit das liebliche Salve und Gruß gebracht.


Die dritte Quell heiſſet ἀσφάλεια ἀναςάσεως, die unfehlbare
Gewißheit der ſeeligen Aufferſtehung und Schlaff Erweckung
auff ſeiten derẽ die in Chriſto alſo im Glauben entſchlaffẽ ſind/

dann
[553]Predigt.
dann ſo wir glauben/ daß Jeſus geſtorben und aufferſtanden
iſt/ alſo wird Gott auch die da entſchlaffen ſind/ durch Jeſum
mit ihm fuͤhren/
verſtehe aus dem Grab in den Himmel. Jn ſol-
chem Glauben ſind Abraham/ Jſaac/ Jacob verſchieden/ und in Krafft
der Aufferſtehung Chriſti mit demſelben aufferſtanden und gen Himmel
gefahren. Nun glauben wir das/ und ſollens feſtiglich glauben/ und un-
ſern Glauben daraus gruͤnden/ daß Chriſtus unſer Haupt/ Geiſel/ undChriſtus
vas \& ob-
ſes noſtræ
reſurrecti-
onis, ex-
emplum
ſpei, \& cla-
vis ſepul-
chri. The-
odoret.

Buͤrg/ der Erſtlinge/ warhafftig aus dem Grabe aufferſtanden/ und ſolche
Warheit mit Worten und Wercken/ Erſcheinung und Zeichen klar und
offenbar gemacht. Wie koͤnnen ſeine geiſtliche Gliedmaſſen/ ſeine clienten/
ſeine außerwehlten Mit-Bruͤder und Mit-Erben/ und alſo die gantze
Ernde dahinden bleiben? Er iſt geſtorben/ wir ſollen nur ſchlaffen. Den
Tod hat Er gekoſtet/ den Stachel des Todes empfunden/ auff daß Er durch
ſeinen bittern Tod unſern Tod in einen ſuͤſſen Schlaff verwandelte. Eine
Mutter trinckt einen bittern Tranck/ daß er in ihrem Leibe zu ſuͤſſer Milch
werde/ dem Kinde zur Artzney und Geſundheit/ weil dann du Herr
Jeſu/ liebſtes Mutter-Hertz/ vom Tod erſtanden biſt/ ꝛc.


4. Die σύναξις momentanea,der ſo wohl außgeſchlaffe-
nen als der lebendigẽ ůberbleibendẽ/
unter welche St. Paulus ſich
auch zehlet nach Art der in H. Schrifft mehr florirenden figur und Wort-
Blum/ die da heiſſet κοινοποιΐα. Froͤlich und blötzlich Wohl- und
Heimfahrt dem Leibe nach/
Es wird zwar ordentlich hergehen ein
iedes in ſeiner Ordnung/ 1. Cor. 15. Erſtlich werden die Schlaffende herfuͤr1. Cor. 15,
25.

kommen allzumahl/ nicht die halben/ die Maͤrtyrer allein/ die tauſend Jahr
mit Chriſto in dieſer Welt triumphiren/ regieren und herrſchẽ ſollẽ/ wie den
alten und neuen Chiliaſten getraͤumet/ ſondern im Juͤngſtẽ Tag/ da werden
alle die in Graͤbern ſind erwachen/ vor denſelben werden keinen Vorſprung
haben die uͤberbliebene lebendige Heilige und Kinder Gottes/ ſondern es
werden auff die Erweckung der ſchlaffenden folgen/ die der Juͤngſte Tag le-
bendig wird antreffen/ nicht zwar aufferſtehẽ/ aber auch nicht in dem letzten
Feuerwetter geaͤngſtiget werden wie die Gottloſen/ ſondern zur Heimfahrt
diſponirt und vorbereitet ohne Noth und Tod wie Enoch und Elias
verwandelt und uͤbergekleidet werden/ wie St. Paulus anderswo leh-1. Cor. 15,
52.

ret/ alſo wie Elias auff einer liechten Wolcken als Wagen dem HErren
entgegen fahren/ in der Lufft hingezuckt werden in den Wol-
cken/
und ihn heiſſen willkommen ſeyn/ alles aber in ictu oculi, in einem
Augenblick/ wie der Blitz von einem Ende des Himmels faͤhretLuc. 17, 23.
Sechſter Theil. A a a azum
[554]Die Vier und Viertzigſte (Dritte)
zum andern Ende/ ſo wird auch ſeyn die Zukunfft Chriſti/
ſo auch die σ [...]αζις der him̃liſchen Adler/ die ſo bald ſie werden das him̃liſche
Aaß den edelſten Schatz ihrer Seelen ſehen/ werden ſie magnetico tractu,
von demſelben gelocket und angezogen werden/ ploͤtzlich wird die Erde
floriren und gruͤnen von Kindern Gottes als lebendigen Thau tropffen/
Eſa. 26, 19.ſo durch die anbrechende Sonn aus der Morgenroͤthe erſcheinen: ploͤtzlich
wird der Lufft wie in einem Feuerwerck von hellen Liechtern leuchten/ und
die werden nimmer mehr verloͤſchen: ſondern wie folget:


Welches der fuͤnffte Troſt iſt die ewig-troͤſtliche συνουσία in
ſchoͤner klarer und offenbarlicher repræſentation des geiſtlichẽ Leibes Chri-
ſti/ keine muͤſſige/ keine troſtloſe/ keine vergaͤngliche/ ſondern immer und alle-
zeit ewigwaͤhrende/ kraͤfftigſte/ allerſeeligſte Gegenwart/ da wird Chriſti
Ioh. 17, 27.Wundſch/ Kampff- und Valet. Gebet Joh. 17. wahr werden. Wo werden
dann wir ſeyn? Wo der HErr iſt in ſeinem Reich/ und in ſeinem Reich in
ſeiner Statt; und in ſeiner Statt/ in ſeinem Luſt Hauſe; und in ſeinem Luſt-
Hauſe/ in ſeinem Luſt-Garten; und in ſeinem Luſt-Garten an ſeiner Tafel/
was da zu thun? Gleich wie die Knechte Salomons anſchauen die Herr-
ligkeit/ anhoͤren die Weißheit deſſen der mehr iſt als Salomon/ und von
Ioh. 32, 18.ſolchem Anblick ſchoͤpffen Leben und Seeligkeit/ wohnen im Frieden/ in ſtol-
tzer Ruh/ in ſicheren und beſtaͤndigen Haͤuſern freuen und froͤlich ſeyn/ ge-
nieſſen/ eſſen/ trincken/ Summa ſo gut haben als Ers ſelber hat. Wie
lang? Allezeit und doch ohne Eckel/ ohne Verdruß/ ohne Wanckelmuth
und lange Weil.


So troͤſtet euch mit dieſen Worten unter einander/ uͤber
() vid. Lu-
ther. tom.
2. Ien. fol.

517.
die durch () Jeſum entſchlaffen/ trauret nicht wie die andern/ die
deſperaten Heyden/ die keine Aufferſtehung glauben/ und deß-
wegen keinen Troſt haben: nicht wie die heydentzenden blinden
Leute im Papſtumb/ die dieaſphalian ſalutis,die Gewißheit der
Seeligkeit/
mit greulichen diris und Tridentiſchen Donner-Strah-
len aus der Kirche hinaus gejagt/ deren groͤſſeſte aber allerleidigſte und
gantz falſche Troſt iſt/ buͤſſen und Allmoſen/ merita und eigen Verdienſt/
Cloſter-Geluͤbd und Moͤnchen-Kappen/ Welt-Flucht und Eigenſucht/
und wann ſie das alles außgeſtanden und gethan/ bleibt doch im letzten
vide Ho-
ſpin. de O-
rig. \& pro-
greſſ. Mo-
nach. pag.

177.
Ende nichts uͤber als die troſtloſe aporia und das peinliche Fegfeuer und
andere Vngeheuer. Schroͤcklich iſt die Geſchicht/ ſo ſich anno 1086. ſoll
begeben haben mit einem fuͤrnehmen Doctoren und Profeſſoren zu Pariß/
einem beglaubten heiligen Mann/ der als er tods verfahren/ und man ſei-
nen
[555]Predigt.
nen Leichnam im Tempel zur Erden beſtatten wollen/ ſich im Toden-Sarck
auffgerichtet/ und mit klaͤglicher Stimm ſoll geſprochen haben: Ad tre-
mendum Dei Judicium vocatus ſum,
Jch bin fuͤr den ſtrengen Richter-
ſtul Chriſti citirt und gefordert/ darob ſich iederman entſetzt/ und die Be-
graͤbnuͤß auffgeſchoben; des andern Tages als man ihn von neuen begra-
ben wolte/ hat er ſich noch einmal auffgerichtet und erbaͤrmlich geſchrien:
Coram Judice juſto ſum accuſatus, Jch bin fuͤr dem gerechten Richter
verklagt; den dritten Tag/ da faſt die gantze Statt zugelauffen/ hat er ſich
zum dritten mahl auffgerichtet/ Juſto Dei judicio condemnatus ſum,
Jch bin aus gerechtem Gerichte Gottes verdammet. Woruͤber der
Rector der Schul/ Namens Bruno von Coͤln gebuͤrtig/ hefftig erſchrocken/
und geſagt: Geſchicht das am gruͤnen Holtz/ was will am duͤrren werden?
Jſt dieſer der unter uns der froͤmmſte und heiligſte geweſen/ verdammt/
wie wird unſer gewartet werden? Wollen wir nicht verdammt werden/
ſo iſt kein ander Mittel als die Welt-Flucht und Wuͤſten ſucht: macht
ſich behende auff mit etlich wenig Bruͤdern/ begibt ſich in eine Wuͤſten
Chartuſum genant/ und fangt den vermeynt-ſeeligmachenden ſtrengen
Charteuſer-Orden an.


Auch nicht wie die andern/ die alſo genante Reformirten/ die
zwar in ihrem Pfaͤltziſchen Catechiſmo huͤbſch intoniren/ in der erſten
Frage/ Was iſt dein einiger Troſt im Leben und Sterben. Antwort: Daß
ich mit Leib und Seel beydes im Leben und Sterben nicht mein/ ſondern
meines getreuen Heilandes eigen bin/ der mit ſeinem theuren Blute fuͤr
alle meine Suͤnde vollkommlich bezahlet/ ꝛc. Fragt man aber vom Grund
ſolcher Hoffnung? da geht es auff ein lami und gerath wohl aus/ Chriſtus
hat ſein Blut fuͤr viel vergoſſen/ Ergò vermuthlich auch fuͤr mich/ à parti-
culari nihil ſequitur.


Auch die wie die andern die Nacht-fertigen Suͤnden-Schlaͤffer/
Atheiſten/ Nabals-Bruͤder/ die wann man ihnen predigt von der Buß/
ihre Hertzen verhaͤrten wie ein Stein/ und in ihren Suͤnden ſterben.
Hieronymus Wolfius tom. 2. lect. memor. p. 822. erzehlet eine Reimen-
Schrifft/ welche mitten im finſtern Papſtumb in einer Franciſcaner-
Kirch in einem Cloſter am Necker gelegen/ alſo lautend:


Jch lebe/ und weiß nicht wie lang/
Jch ſterb/ und weiß nicht wann/
Jch fahr/ und weiß nicht wohin.
Mich wundert daß ich froͤlich bin.
()

A a a a 2Ein
[556]Die Vier und Viertzigſte (Dritte)

Ein glaubiger Chriſt kehrt es umb und ſagt:


Jch leb wie lang es Gott gefällt.
Jch ſterb in der Stund die mir Gott beſtellt/
Jch fahre und weiß wohl wohin.
Mich wundert daß ich traurig bin.
()

Der Haupt-Troſt/ ſo ſich hieher ſonderlich ſchicket/ heiſſet συμ-
μορφία, die aͤhnligkeit des verklaͤrten Leibes Jeſu Chriſti/ welche
Phil. 3, 10.
11.
St. Paulus zugeſagt Phil. 3. Der ſcheutzlichen Toden-Larv muͤſſen wir
entgegen ſetzen das glaͤntzende Muſter-Bild Chriſti/ den Engelse Glantz/
das erfreuliche Sonnen-Liecht/ die Klarheit der Außerwehlten/ die herr-
liche Verklaͤrung auff dem Berge Thabor/ und ſonderlich den Propheti-
Dan. 12, 3.ſchen bekanten Troſt Dan. 12. Die Lehrer werden leuchten wie des
Himmels Glantz/ und die zu der himmliſchen Gerechtigkeit
gefuͤhret wie die Sterne/
wann ſie hie erſcheinen als leuchtende Liech-
ter/ es muͤſſen ſeyn ſcheinende Liechter. Sonſt ſagt Hieronymus:
Sancta ruſticitas ſibi ſolùm prodeſt; quantum ædificat vitæ merito,
tantum nocet, ſi deſtruentibus non reſiſtit;
Fromm ſeyn und nichts
verſtehen nutzet ihm nur allein/ wie viel er hingegen erbauet mit ſeinem
Leben/ ſo viel reiſſet er widerumb ein/ wo er nicht widerſtehet/ denen/ ſo zer-
ſtoͤren. Es muͤſſen ſeyn 2. als brennende Liechter/ brennen von
Liebe gegen Gott und dem Naͤchſten/ nam tantùm lucere vanum,
tantum ardere parum, lucere \& ardere perfectum eſt,
ſagt Bernhardus,
Was hilfft leuchten und nicht brennen? es iſt vergebens; Was iſt bren-
nen und nicht leuchten? es vermag wenig; Aber leuchten und brennen
zugleich iſt vollkommen; Liecht und Recht ſtehet wohl beyſammen/ hinge-
gen lautet uͤbel gelehrt und verkehrt. Das Liecht ſoll nicht wohl leuchten im
Leben/ und einen Geſtanck nach dem Tode nach ſich laſſen.


Matth. 19,
27.

Sprichſtu mit Perro: Was wird uns dafuͤr? Dieſer Daniels
Troſt vom himmliſchen Gnaden-Lohn/ gehet allein die Lehrer an. Was
haben wir Zuhoͤrer davon? Himmels-Glantz; Jſts nicht Sonnen-
iſts nicht Mondes/ ſo iſt es doch Sternen-Glantz. Hamaſchilim,
Die Gelaͤhreten/ ϑεοδίδακτοι, die von Gott gelehrt ſind/ und ſich lehren
und verklaͤren laſſen/ die Verſtaͤndigen/ intranſitivè \& nominaliter vor
ſich auch/ die Außerwehlten/ die da leuchten und brennende Glaubens-
Liechter ſind/ die werden leuchten wie des Himmels Glantz.
Jſt
[557]Predigt.
Jſt der Troſt/ damit die heiligen Maͤrtyrer alle ihre tormenta, Marter und
Qual durchſuͤſſet. Jn der Welt haben ſie ihrer Froͤmmigkeit wenig ge-
noſſen! Mancher Lehrer/ Prediger/ der leuchtet in der Welt wie die Sonn/
obſervirt alle andern neben ſich/ kan doch wohl geſchehen/ daß ein anderer
der hie in der obſcuritaͤt und dunckelen mehr erbauet/ mehr erarbeitet/
mehr bekehret/ dort heller leuchten als jener. Der Herr erleuchte uͤber
uns hie mit ſeinem Gnaden-Angeſicht/ daß wir von dannen ſchoͤpffen hie
Gnaden-Liecht/ dort Glori-Glantz und Herrligkeit/ eine Herrligkeit/ die kein
Auge geſehen auſſer dem Blick/ der uns geoffenbaret/ daß wir neben ihm/
als der Sonne der Gerechtigkeit/ wie die Sterne leuchten moͤgen in ſeinem
Reich/ in alle Ewigkeit/ Amen.



Die Fuͤnff und Viertzigſte Predigt/


Vber den dritten Articul.
Von dem ewigen Leben/


Die Erſte Predigt/


Von dem ewigen Leben/ und deſſen Beweiß/
daß warhafftig ein ewiges Leben ſey.


GEliebte in Chriſto: Gar wohl und nachdencklich nennet
St. Petrus der Seelen Seeligkeit das Ende des1. Pet. 1, 8. 9.
Glaubens; Wann ihr glauben werdet an Je-
ſum Chriſtum/ wiewohl ihr ihn nicht ſehet/ ſo
werdet ihr das Ende euers Glaubens davon
bringen/ nemlich der Seelen Seeligkeit.
Τέλος in ſeiner
Sprache heiſſet 1. die τελετὴν, dieperfectionundconſumma-
tion
des Glaubens/ dasconſummatum eſt, dieweil unſer
Stuͤck- und Stuͤmpelwerck wird in die Vollkommenheit/ das glauben in
ſchauen/ die Hoffnung ins Werck ſelbſt verwandelt werden. Das
Stuͤckwerck wird auffhoͤren/ wann das Vollkommene wird kommen; der
Glaube wird auffhoͤren/ was anlangt die expectationem und Wartung
A a a a 3der
[558]Die Fuͤnff und Viertzigſte (Erſte)
der Hoffnung der unſichtbaren Guͤter: Was aber anlangt die Wiſſen-
ſchafft/ Beyfall und Vertrauen/ ſo wird derſelbe ſo gar nicht auffhoͤren/
daß es vielmehr in der Ewigkeit viel heller wird leuchten/ die kindiſche ele-
menta
werden in virilia Academica verwandelt/ die Spiegelſchau in die
1. Cor. 13,
10.
2. Cor.
5, 7.
Schau von Angeſicht zu Angeſicht/ das ænigma und dunckele Wort in
die claritaͤt.


Fidei res manebit, h. e. Fides quæ creditur: modus autem tendendi
variabit. Hic cognitio ænigmatica illîc intuitiva; nec tamen omnia myſte-
ria erunt evidentia ex toto \& compræhenſivè: nam Angeli deſiderant

παρακύψαι.


Rom. 6,
22.
2. Cor. 11,
15.
Col.
3, 24.

Τέλος heiſſet 2. mercedem,einen Lohn/ (Hebræis Acha-
rith) Rom.
6, 22. aber einen Gnaden-Lohn/ wie daſelbſt ſtehet v. 23.
ἀνταπόδοσις τῆς κληρονομίας, Eine Vergeltung des Erbes; Euer
Lohn wird ſeyn
nicht der Himmel/ das ſubſtantiale præmium, das
ewige Leben ſelbſt/ ſondern die præmia accidentalia, die Klarheiten
Luc. 6, 23.in dem Himmel/ Luc. 6. Τέλος heiſſet ſo viel als τὸ οὗ ἔνεκα, ſcopus
ad quem: ſcopus curſorius, Athleticus,
das Ziel/ die unver-
1. Cor. 9,
24.
Phil.
3, 14.
gaͤngliche Kron/ darnach man rennet/ dasclinodium,dar-
nach man ſchieſſet und darnach man ſich ſtrecket/ das
centrum
und die Ruhe unſereraffecten. Wann durch die Erde gerade biß
zu den Antipodibus koͤnte ein groſſes Loch gegraben und eine Klufft ge-
macht werden/ und man einen Stein biß an das centrum oder Mittel der
Erde wuͤrffe/ ſo koͤnte er nicht ferner fort fallen/ ſondern er bliebe daſelbſt li-
gen/ das waͤr ſeine Ruh! Alſo iſt das ewige Leben unſere letzte Seelen-Ruh:
Auguſt. l. 1.
Confeſſ.
c.
1.
Du haſt/ ſchreibet Auguſtinus, O Herr uns gemachet zu dir/ und un-
ſer Hertz iſt unruhig/ biß es in dir ruhe.


Es iſtſcopus nauticus,der Schiff-Preiß/ das Schiff-
Ziel/
darnach wir ſeglen/ wann wir am Glauben nicht Schiffbruch lei-
1. Tim. 1, 19.den; das Meer iſt die Welt/ das Schiff die Kirche Chriſti/ die Leute die
ſich ins Schiff gedinget die Gemeine der Heiligen/ der Compaß das Wort
Gottes/ der Lohn die Gnaden-Schaͤtze/ der Wind der Heilige Geiſt/ die
Ruder-Knechte das Predig-Ampt/ die fata, Meers-Gefahr/ Rauberey/
Sirenen/ See-Kranckheit/ Meerwunder/ Vngewitter/ Winds-Braut/
boͤſe fortun, das naufragium und Schiffbruch/ iſt die Suͤnde: die Syrten
und Strudel das Schwefel-Meer/ der Glaube iſt der Bleywurff: der
Ancker die Hoffnung: die See-Speiſe das Heilige Abendmahl: das En-
de der
[559]Predigt.
de der portus und Anfuhrt/ das caput bonæ ſpei, fortunata inſula, die
Gutfuhrt Actor. 27. iſt das beſagte ewige Leben.

Act. 27, 8.

Wohin wir dann auch in unſerem Chriſtlichen Glauben
kommen/ nemlich zu dem Ende unſers ſo wohl Apoſtoliſchen als
NiceniſchenSymboliund Glaubens-Bekäntnuͤß/ das iſt das
Leben der zukuͤnfftigen Welt.
Von welchem wir anietzo in der
Furcht pes Herren handeln wollen/ und zwar allein de vitæ æternæ
veritate,
von der Gewiß- und Warheit des ewigen Lebens/
daß es nemlich kein Traum und vergebene Vberredung und Einbildung
ſeye/ was vom ewigen Leben in der Chriſtenheit geſungen und geſaget
wird. Der Hertzog des Lebens wolle uns durch ſeinen H. Geiſt
erleuchten und leiten/ daß wir durch wahren Glauben dahin/ als zu
dem Ende unſers Glaubens kommen und gelangen moͤgen/ Amen.


DAß nun warhafftig nach dieſem Leben ein ander ewig und
ſeelig Leben ſeye/
darzu beduͤrffen wir keiner Luͤgen und Ge-
dichte/ wie man dergleichen im Papſtumb auff die Bahn gebracht
von allerhand apparitionibus und Erſcheinungen der Seelen/ die ſo aus
dem Him̃el/ ſo aus dem Fegfeuer erſchienen ſeyn ſollen/ und den noch ſterb-
lichen Menſchen Huͤlffe geleiſtet/ gerathen und andere Gutthaten erwieſen.
Jſt wohl zu erbarmen/ daß dergleichen σεσοφισμένοι μύθοι, wie es St. Pe-1. Pet. 1, 16.
trus nennet klugen außgeſonnenen/ gekuͤnſtelten Fabeln auff uns auch
kommen. Der Dorotheæ Roſen gehoͤren hieher/ welche anno 304.
zu Cæſarea in Cappadocia die Maͤrtyrer-Kron ſoll empfangen haben/
Als ſie zur Marter gefuͤhret wurde/ ſoll ſie gehoͤret haben von Theophilo
des Landpflegers Advocaten/ der ſie verlachet/ dieſe Wort: Wolan Doro-
thea/ weil du eine Braut Chriſti biſt/ ſo ſende mir aus dem Paradeiß dei-
nes Braͤutigams Roſen/ die ietzt im Hornung Wildpraͤt ſind! Dorothea
hat geantwortet: Ja ich wills thun. Ehe der Hencker den Streich
gethan/ bittet ſie umb Verzug ein wenig zu beten; Bald erſcheinet ihr ein
Knaͤblein/ bringet drey Roſen in einem Koͤrblein/ den bittet Dorothea/ er
ſoll ſie dem Theophilo bringen; Weil der Streich geſchehen/ bringt der
Knab die Roſen/ und ſaget: Sihe da/ dieſe Roſen ſchicket dir Dorothea
aus dem Paradeiß/ wie ſie dir verſprochen. Theophilus ruffet laut:
Chriſtus iſt warhafftig Gott/ und iſt keine Heucheley in ihm! Jſt alſo-
bald an die Marter gangen/ und zugleich mit der Maͤrtyrer-Kron zu Doro-
theam
[560]Die Fůnff und Viertzigſte (Erſte)
thea ins Paradeiß ſich geſchwungen. Schlimm iſt es/ daß man die
Maͤrtyrer-Buͤchermit ſolchen Legenden beſudelt; ſchlimmer/ daß mans
noch unter uns faſt glauben will/ und ein Lied davon gar ins Pſalmen-
1. Sam. 28,
11.
Buch geſetzt. Wir beduͤrffen keines Samuelis/ den Saul aus jenem
Leben ſoll abgefordert haben; keines Jacobi/ der dem Koͤnig Ramiro in
Hiſpanien die Schlacht wider die Saracener ſoll gewonnen haben/ apud
Baronium anno
844. keines Ludovici pii, der ſeinem Sohn im Schlaff
* apud Ba-
ron. ann.
874.
2. Sam.
12,
23.
ſoll erſchienen ſeyn/ und ihm umb Chriſti willen beſchwerend gebetten ha-
ben/ er woll ihn aus den Schmertzen des Fegfeners errretten*.


Wir wiſſen/ was die Schrifft von dieſer Topicâ haltet; Kan ich
ihn auch wider holen? Jch werde wohl zu ihm fahren/ er kom̃t
aber nicht wider zu mir/
ſpricht David von ſeinem abgeleibten Soͤhn-
Luc. 16, 26.
Syr.
38, 22.
lein. Es iſt eine groſſe Klufft befeſtiget/ dann es iſt kein Wi-
derkehren;
Viel weniger laͤſſet ſichs von Toden die articulos fidei ſtudi-
ren. Diß iſt die rechte verbottene necromantia. Man kan nicht aus dem
Fegfeuer das Liecht der Warheit anzuͤnden. Solle nicht ein Volck
Eſ. 8, 19, 20.ſeinen Gott fragen? oder ſoll man die Toden fragen fuͤr die
c. 58, 8.
Oſe. 6, 3.
Auguſt. l.
de curâ
pro mor-
tuis geren-
dâ.
Lebendigen? Werden ſie das nicht ſagen/ ſo werden ſie die
Morgenroͤthe nicht haben/
das iſt/ Gottes Huld und Gnad. Au-
guſtinus
entdecket ſeine Meynung von ſolchen apparitionibus, nach dem
er erzehlet dergleichen unterſchiedliche Exempel deren/ die nach dem Tode
widerkommen/ erſchienen/ und ihren Verwandten und Bekanten berich-
tet/ wie ihre Leichnam unbegraben ligen/ und gezeiget/ wo man ſie begraben
ſolle/ und ſchreibt/ es geſchehe auch wohl Lebendigen; dann die Lebendigen
erſcheinen offt andern lebendigen Menſchen/ in dem ſie nicht wiſſen/ daß ſie
ihnen erſchienen: Ziehet ein das Exempel Eulogii eines Redeners zu
Carthago/ welcher weiland ein diſcipul des Auguſtini war geweſen/ dem/
ſagt er: Jch habe ihm einen locum aus dem Cicerone außgeleget im
Traum/ da ich noch zu Meiland war; Aber das hab nicht ich gethan/ ſon-
dern mein Bildnuͤß ohne meinen Bewuſt/ ſagt darneben/ wann die See-
len der Verſtorbenen bey den lebendigen Handlungen und Sachen waͤ-
ren/ und redeten uns warhafftig an im Traum/ meine eigene fromme
Mutter verließ mich keine Nacht/ ſintemal ſie uͤber Waſſer und Land mir
nachgezogen/ daß ſie bey mir ſeyn moͤchte; Das ſey ferne/ daß ſie nunmehr
in jenem ſeeligen Leben erſt ſolte meiner vergeſſen haben/ und ſich unbarm-
hertzig gegen mir erzeigen! Zeucht darauff an die Wort Eſa. 63. Abra-
Eſa. 63, 16.ham kennet uns nicht/ ꝛc.


Wir
[561]Predigt.

Wir haben βεβαιοτερον λόγον, ein feſteres Prophetiſches2. Pet. 1, 19.
Wort; Sie haben Moſen und die Propheten/ laß ſie die
hoͤren/
ſagt Chriſtus Luc. 16. Suchet in den Schrifften der Pro-Luc. 16, 29.
pheten und Apoſtel/ die zeugen von mir/ und ihr habt und findetIoh. 5, 39.
Act.
7, 38.

in denſelben das ewige Leben/ das ſind die λό για ζῶντα, die lebendige
Wort/ nicht der Toden. Da ſtehen nun fornen an I. Divina pro-
miſſa,
die Goͤttliche Verheiſſungen. Das ewige Leben hat ver-
heiſſen/ der/ der nicht leuget; derſelben Verheiſſungen nun iſt die BibelTit. 1, 2.
allenthalben voll/ Geneſ. 2. ex oppoſito:So du ſuͤndigen wirſt/Gen. 2, 17.
ſoltu des Todes ſterben/ daraus folget: So du nicht ſuͤndigeſt/ wirſtu
leben. Jn dir Abraham ſollen geſegnet werden alle Geſchlech-Gen. 12, 3.
Eph.
1, 3.

te/ ꝛc. Gott hat uns geſegnet mit allerley geiſtlichen Segen in
himmliſchen Guͤtern. Abraham/ ich will dein groſſer Lohn
Gen. 15, 1.
ſeyn an ſtatt der irrdiſchen Guͤter/ ſo der Koͤnig von Sodom hinweg ge-
nommen. Jch bin der Gott Abraham/ der Gott Jſaac/ derExod. 3, 6.
Matth.
22.
32.

Gott Jacob. Gott aber iſt nicht ein Gott der Toden/ ſon-
dern der Lebendigen.
Wer das Geſetz voͤllig haͤlt/ wird dadurch
leben/ das iſt/ er wird ewig leben. Die Frommen werden trunckenLuc. 10, 28.
Pſ.
26, 9. 10.

von den reichen Guͤtern deines Hauſes/ du traͤnckeſt ſie mit
Wolluſt als mit einem Strom/ bey dir iſt die lebendige Quelle/

die wird nimmermehr verſeugen. Dahin gehoͤret die Eyd-feſte Verheiſ-
ſung Eſa. 25. 1. Corinth. 15. Der Herr wird allen Voͤlckern machenEſa. 25, 6. 8.
1. Cor. 15,
54.
Apoc. 7, 17.
c. 21, 4.
Matth. 25,
46.
Ioh. 10, 28.
c. 3, 16.
Pſ. 1, 1, Pſ. 2,
12. Pſ. 32, 1.
2. \&c.
Matth. 5, 3.
ſeqq.
Ier. 5, 24.
2. Reg. 2, 11.
Ioh. 14, 19.
c.
17, 24.

auff dieſem Berg ein fett Mahl von Marck/ Wein da keine Hefen ſind/
Er wird den Tod verſchlingen/ die Thraͤnen abwiſchen. Jm Neuen
Teſtament Matth. 25. Joh. 10. Joh. 3. Alſo hat Gott die Welt
geliebet/ daß Er ſeinen eingebornen Sohn gab/ auff daß alle
die an ihn glauben/ nicht verlohren werden/ ſondern das ewige
Leben haben.
Summa in allen denen Oertern heiliger Schrifft/ wo
gehandelt wird von dem Aſchre oder der Seeligkeit/ Pſal. 1. wohl
dem/ das iſt/ er wird allerhand Seeligkeit voll ſeyn.


II. Obſides \& teſtes divini,Die Goͤttlichen Zeugen
und Geiſeln;
nemlich Enoch in der erſten Welt/ Elias vor Chriſto/
der Herr Chriſtus als Ergen Himmel gefahren ſelbſt/ der ruffet: Jch
Sechſter Theil. B b b blebe/
[562]Die Fůnff und Viertzigſte (Erſte)
lebe/ und ihr ſollet auch leben! Er wolle daß/ wo Er iſt/ auch ſeyeu
die ihm anhangen.


III. Repræſentatio præluſoria,Die Vorſpielung und
Matth. 17,
1. ſeqq.
Vorbildung auff dem heiligen Berge/ Matth. 17. da in einer
Summa die Warheit und Suͤſſigkeit des ewigen Lebens angedeutet.
Dann fragſtu: Jſt auch ein ewiges Leben? So ſagen und bezeugen
ſolches in der That Chriſtus/ Elias/ Moſes. Jn was fuͤr einem
Kleide? Jn einem verklaͤrten herrlichem. Was thun ſie? Sie reden
von Chriſti Außgang mit ſtetem Lob. Sie erkennen einander; Wo?
Jn der liechten Him̃elswolcken. Durch was Mittel ſind ſie in ſolchem herr-
lichẽ Stand gerathen? Durch den Glauben an Chriſtum/ deſſen Außgang
ſie in der Zeit ihres Lebens in dieſer Welt nicht geſehen/ und doch geglaubet.


IV. Πρόγ [...]σις exploratorum,Der Vorſchmack der
Kundſchaffer/
gleich wie Moſes etliche Kundſchaffer außgeſendet/
Num. 13, 2.
ſeqq.
Num. 13. die das Land Canaan haben ſollen erkundigen/ welche gleichſam
den Vorſchmack deſſelbigen Landes gekoſtet/ und deſſen Suͤſſigkeit hernach
den Kindern Jſrael in timirt und zuruͤck gebracht: alſo ſiud dergleichẽ προ-
Exod. 34,
29.
Eſa. 6, 1.
ſeqq.
Marc. 9, 5.
\& 6.
Luc. 9, 32.
Apoc. 21.
\& 22.
2. Cor. 12,
2. 3. 4.
Rom. 8, 23.
Num.
13,
27,
γ [...]ςαὶ nicht nur in dem Alten Teſtament MoſesExod. 34. Eſaias
Eſa. 6. die drey Chur-Juͤnger Chriſti Petrus/ Jacobus und Johannes/
die es mit Augen geſehen/ bey welchen der ſuͤſſe Vorſchmack ſo viel gewuͤr-
cket/ daß ſie gleich geweſen den Schlaffenden/ Petrus wuſte nicht was er
redet/ dann er war verſtuͤrtzt. Nicht allein Johannes auff dem Berge au-
genſcheinlich/ ſondern auch in Geſichten und Offenbarungen. Nicht allein
Johannis/ ſondern auch Pauli/ welcher in den dritten Himmel entzuckt/
daſelbſt gehoͤret ἄῤῥητα, unaußſprechliche Wort. Diß ſind die primitiæ
und Erſtlinge des Geiſtes. Gleich wie die Erſtlinge des Landes Canaan
Num. 13. waren die Trauben/ Granat-aͤpffel und Feigen: Alſo der Leib
und Blut des Herren Chriſti im Sacrament des H. Abendmahls.
Wann ich in Noͤthen bet und ſing/ ſo wird mein Hertz recht
guter Ding/ dein Geiſt bezeugt daß ſolches frey/ des ewigen
Lebens Vorſchmack ſey.
Wohin auch gehoͤren die ſuͤſſe Hertzens-
Bewegungen/ und geiſtliche Andachts-Flaͤm̃lein/ die ſich biß weilen erzeigen
in den kleinẽ Kindern/ die werdẽ leider hernach durch der Welt Eitelkeit wi-
der ſopirt und extinguirt; in den Sterbenden/ in andaͤchtigen Seelen; da-
von Auguſtinus ſchreibet: Jch befinde offt eine Bewegung in mir/ wann
dieſelbe in mir bliebe/ ſo koͤnte dieſelbe nichts anders ſeyn als das ewige Lebẽ.


V. Juſti-
[563]Predigt.

V. Juſtitia,Die Gerechtigkeit; Es iſt recht fuͤr Gott/2. Theſſ. 1,
7.
1. Cor.
15,
19.

Truͤbſal mit Ruhe vergelten/ dann hoffen wir allein in dieſem Leben
auff Chriſtum/ ſo ſind wir die elendeſten Creaturen/
dort ſollen
wir haben/ O Gott wie groſſe Gaben! Petrus fragt einsmahls den
Herren und ſagt: Sihe/ wir haben alles verlaſſen/ und ſindMatth. 19,
28, 29.

dir nachgefolgt/ was wird uns dafuͤr? Hie zwar ein blutiger Kopff/
ein Strang an den Halß/ Schwert/ Creutz/ Jammer/ Noth und Tod:
Aber dort in der Widergeburt wirds beſſer werden: Wer verläſſet
Haͤuſer oder Brůder/ oder Schweſter/ oder Vater/ oder Mut-
ter/ oder Weib/ oder Kinder/ oder Aecker umb meines Namens
willen/ der wirds hundertfaͤltig nehmen/ und das ewige Leben
ererben.


VI. Typi,Die Vorbilder; Der Baum des Lebens/
welcher nicht allein das organum, das Mittel und Apothek geweſt/ da-
durch das natuͤrliche Leben erhalten waͤre worden/ ſondern auch ein SigelActor. 7, 5.
und Pfand des unwandelbaren Lebens. Vnd ſonderlich das Reich-
thumb-volle
Honig- und Milch-flieſſende Land Canaan/ welches
dem Vater Abraham vermacht worden/ nicht zwar zu eigener Beſitzung/
ſintemal er nicht eines Fuſſes breit darinne gehabt; ſondern als eine Goͤtt-
liche Hofſtatt/ Schul und Vaterland des Meſſiæ/ als ein Symbolum und
Pfand-Zeichen des Landes der Lebendigen droben im Hmmel.


VII. Vota piorum,Frommer Hertzen Seuffzer und
Wuͤndſche:
wie dann freylich aus heiligem Verlangen und Wundſch
Adam ſeinem Weibe den Namen Eva deßwegen gegeben/ daß ſie ſolteGen. 3, 20.
c.
49, 18.

ſeyn eine Mutter der Lebendigen. Jacob ſeuffzete: HErr/ ich warte
auff dein Heil/
nicht meynt er das Heil hie in dieſer Welt (ſintemal er al-
ſo ſeuffzet/ da er ietzt ſterben wolt) ſondern das Heil das droben auffbehal-
ten iſt. Daher gehoͤrt auch der Seuffzer Hiobs c. 19. Jch weiß daß meinIob. 19, 25.
Pſ 17, 15.
Pſ.
2 7, 13.

Erlöſer lebt ꝛc. Davids Pſ. 17. und 27. Jch glaube aber doch/
daß ich ſehen werde das Gut im Lande der Lebendigen!

Wolan/ es gehe gleich wie es woll/ mein Glaube kan mich nicht triegen/ ich
weiß wo ich bleiben ſoll/ Gottes Wort kan mir nit luͤgen/ in ewiger Freud iſt
uns bereit/ bey Gott ein herrlichs Lebẽ/ darauf gewagt hart unverzagt/ Gott
wirds gewißlich geben. Das Exempel des bekehrten Schechers am Creutz/
B b b b 2daran
[564]Die Fuͤnff und Viertzigſte (Erſte)
Luc. 23, 43.
2. Cor. 5, 1.
Hebr.
13,
14.
deſſen Wundſch Chriſtus mit Gewaͤhrung begegnet: Heute wirſtu mit
im Paradeiß ſeyn.
St. Pauli: Wir haben hie keine bleiben-
de Statt/ ſondern die zukuͤnfftige ſuchen wir.
Welche Wuͤndſche
und Seuffzer die Maͤrtyrer auch mit ihrem Blut unterſchrieben haben/
und daruͤber die greuligſte Marter mit Freuden außgeſtanden/ weil
ſie den Tod fuͤr einen Gewinn und Hingang zu jenem beſſern Leben an-
geſehen.


VIII. Confeſſio gentilium,Die Bekaͤntnuͤß der blin-
den Heyden/
die ihnen daher die campos elyſios eingebildet; Jm Na-
Cic. l. 1.
Tuſc. qq.
men aller Heyden ſagt Cicero: Maximum hoc argumentum naturam
ipſam de animarum immortalitate tacitam judicare, quod omnibus
curæ ſint, \& maximè quidem quæ poſt mortem futura ſunt; ſenex
alteri ſeculo plantat: hinc res Romanorum præclarè geſtæ, hinc ædi-
ficatio, hinc liberorum cura, hinc librorum ſcriptio.
Es iſt ein ſtarckes
argument und Grund in der Natur verborgen von der Seelen Vnſterb-
ligkeit; dieweil iederman ſo ſehr fuͤr das jenige/ was nach dem Tode folgen
werde/ ſorget: Ein alter pflantzet und arbeiter fuͤr die andere kuͤnfftige Zeit/
daher kom̃en alle und zielen dahin die herrlichen Thaten der Roͤmer/ dahin
ſehen die praͤchtige Gebaͤu/ die Kinder-Erziehung/ das Buͤcher-ſchreiben.
Dannenhero auch bey den Barbariſchen Mexicanern im abſterben groſ-
ſer Herren die jenigen mit ſterben muͤſſen/ welche ihnen in dieſem Leben
auffgewartet; die ſilberne/ guͤldene Schaͤtze und Kleinodien werden mit
vergraben/ auch wann ſie durch Diebſtal etwas hinweggenommen/ mey-
nen ſie/ es ſey ihnen aus der andern Welt kommen.


Jſt alſo eine glaubwuͤrdige Lehr/ unſer Glaube iſt wohl
daran/ daß er dieſes fuͤr gewiß und wahr halt.
Hie iſt kein phan-
taſma rationis,
keine Traͤume die von gelehrten Phantaſten erdichtet wor-
den. Hiẽ iſt kein Civitas Platonica oder ein Schloß in den Lufft hinauff
gebauen. Hie iſt kein Utopia Thomæ Mori, der eine Policey entworf-
fen/ wie ſie ſeyn ſolt/ aber nirgend gefunden als in Utopiâ, das iſt Vnort/
zu Nirgendsheim; kein Chriſtianopolis oder Respublica Chriſtianopo-
litica,
welche D. Valentinus Andreæ gantz zierlich und artig in Gedan-
cken formirt; kein Icaria, da die Jcari hoͤher fliegen wollen als die Federn
gewachſen; kein Selenia oder Monsſtatt/ von welchen allen man ſagen
mag/ da wir erwachten/ war es ein Traum. Sondern hie iſt eitel War-


Vide differentiam hujus \& æternæ vitæ eleganti ſtylo delineatam ab Auguſt.
tract. 124. in Iohan.
()

heit;
[565]Predigt.

heit; Veritas veritatum, charitas charitatum, claritas claritatum, nicht
mehr vanitas vanitatum. Hie ſitzt man wohl/ gleichſam an der Tafel/
und genieſſen Welt-Guͤter/ aber ſie ſaͤttigen nicht/ quô plus ſunt potæ
plus ſitiuntur aquæ;
ie mehr man trinckt/ ie mehr duͤrſtet man/ Vrſach/
alle Creatur iſt der Eitelkeit unterworffen. Allein das ewige Gut macht
rechten Muth/ das ſaͤttiget ohne Eckel/ und genuͤget ohn auffhoͤren. Sol-
ches muß man glauben wider die Atheiſten/ Epicureer/ Cainiten/ die kein
Leben nach dieſem Leben glauben wollen/ und demnach erlangen werden/
fuͤr das ewige Leben/ das ewige darneben. Von Johanne XXIII. er-Seſſ. II,
Conc. Baſ.

zehlet das Concilium Baſileenſe, daß er offt vor unterſchiedlichen Præla-
ten gelehret und vorgegeben/ es ſey kein ewiges oder anderes Leben nach
dieſem Leben.


Jſt eine nothwendige Lehr zur Verwahrung und War-
nung wider das ſichere/ epicuriſche Sau-Leben/
hingegen aber
zur Vermahnung und Auffmunterung zu einem frommen/
Gott-gefaͤlligen Leben/
daß wir allezeit unſerer unſterblichen Seel
wohl warnehen/ und die Gerechtigkeit lehren und fortpflantzen. Noth-
wendig auch zum Troſt in allem Creutz und Truͤbſal. Hoffen
wir in dieſem Leben allein auff Chriſtum/ ſo ſind wir die elen-
1. Cor. 15,
19.
Pſ. 144. v.
ult.

deſten unter allen Menſchen/ wohl dem Volck des der HErr
ein Gott iſt. Jſt eine Lehr-wuͤrdige Lehr;
So Columbus,
nach dem er einen aus der neuen Welt anwehenden Wind geſpuͤret/
nicht nachgelaſſen/ ſein Haupt nicht ſanfft geleget/ biß er die neue Welt
erforſchet/ ob er gleich noch nicht gewuſt/ was es fuͤr eine Beſchaffenheit da-
mit hatte; wie vielmehr ſollen wir/ die wir himmliſchen Wind haben/ nach-
ſetzen. Ja/ ſprichſtu: Es iſt doch noch in keines Menſchen Hertz
kommen/ was Gott bereitet hat denen/ die ihn lieben;
Wie ſoll
man dann weiter nachforſchen? Antwort: Freylich iſt dieſe Lehr nicht
im menſchlichen Hertzen gewachſen/ ſie bleibt der Vernunfft ihr ſelbſt gelaſ-
ſen unbekant/ uns aber/ etwas davon vorſchauens- und vorſchmacks-
weiſe/ hat uns Gott geoffenbaret durch ſeinen Geiſt/ ſpricht1. Cor. 2. 10.
St. Paulus.


2. Es bleibt dieſelbe unbekant und geheim/ was an-
langet die vollkommene Wiſſenſchafft/ iedoch wiſſen wir et-
was davon ſtuͤck- und gleichſam raͤtzels-weiſe/ durch Gleich-

B b b b 3nuͤſſe
[566]Die Fuͤnff und Viertzigſte (Erſte)
nuͤſſe und Vorbildungen in einem Spiegel und dunckeln
Wort.
Man lernet ja in einem gymnaſio das Compendium Hutteri,
auff der Academia aber allererſt lernet man die tomos Lutheri, Hunnii,
Chemnitii \&c.
Hie ſollen wir die Kundſchaffer des Landes Canaan
imitiren und nur forſchen; dort werden wirs voͤllig ſchauen und genieſſen;
hie hoffen-dort haben; und aus Hoffnung eines edlern und beſſeren Lebens
gern alles/ was in dieſer Welt iſt reſigniren. Alexander der ſiegreiche
groſſe Welt-Monarch/ da es an dem war/ daß er mit ſeinem Feind dem
Koͤnig Dario treffen ſolte/ vermahnet er zuvor ſeine Soldaten/ ſie ſolten das
ſchlechte Mittag-Mahl mit Freuden einnehmen/ auff den Abend werde
ihnen eine beſſere und koͤſtlichere Tafel gedeckt werden von dem Raube des
geſchlagenen Feindes. Dieſe Wort machten tapffere Soldaten. Da
er Alexander ſeine expedition und Kriegs-Zug wider die Perſen ange-
tretten/ ſchenckete er zuvor alles hinweg/ und theilt ſeine Guͤter und Schaͤtze
unter die Soldaten. Perdiccas einer ſeiner Oberſten fragt ihn und ſagt:
Was behaͤlt dann der Koͤnig? Spem. antwortet er/ die Hoffnung. Si
tanti vitrum, quanti margaritum?
moͤgen wir wohl mit Tertulliano ſpre-
chen: Hat der Heydniſche Koͤnig Alexander und ſeine Soldaten ſolchen
groſſen Muth geſchoͤpfft/ von einem gebraͤchlichen Glaß der zeitlichen Guͤ-
ter/ ſollen wir Chriſten nicht vielmehr Muths und Troſts ſchoͤpffen/ von
der Hoffnung eines unvergaͤnglichen Perleins des ewigen Gutes/ das
macht rechten Muth? Laſſet uns derowegen taͤglich/ ja ſtuͤndlich mit
ſehnlichen Gedancken/ glaubigen Begierden/ inbruͤnſtigen Affecten/
hinauff ins Land der Lebendigen ſpatzieren/ und ziehen/ und das Land
einnehmen/ dann wir moͤgen es uͤberwaͤltigen/
ſprech und ſchließ
Num. 13, 31.ich mit Caleb/Num. 13. Der Hertzog des Lebens/ der Anfaͤn-
ger und Vollender des Glaubens/
entzuͤnde ſolche Begierde in un-
ſern Hertzen/ aus der Begierde zu lernen die πρόγ [...]σιν und erſtlinge des
ewigen Lebens/ empfangen im Glauben/ und endlich das Ende unſers
Glaubens/
das iſt/ das ewige Leben/ zu erlangen/ durch ſein theures
Verdienſt und lebendigmachenden Tod/
Amen.


Die
[567]Predigt.

Die Sechs und Viertzigſte Predigt/


Vber den dritten Articul.
Von dem ewigen Leben/


Die Andere Predigt/


Von dem Ort/ da das ewige Leben nicht iſt/ nemlich
dieſe Welt/ die am Jůngſten Tage ſoll und wird ver-
gehen und zu nichte werden.


GEliebte in Chriſto: Daß Chriſto unſerm Heilande un-
ter andern Verſuchungen durch Goͤttliche Verhaͤngnuͤß
von dem unverſchaͤmten Sathan auff einem ſehr hohen
Berge alle Reiche der Welt gezeuget worden εν ςιγμῆ Χρόνου,
in einem Augenblick/ wie St. Lucas dieſen als hochbe-Luc. 4, 5.
dencklichen Vmbſtand beygefuͤgt; daſſelbe iſt freylich nicht ohngefaͤhr ſon-
dern aus dreyfachen reſpect und intention geſchehen; ſo viel Perſonen
dieſem Auffzuge beygewohnet/ ſo viel intentionen. I. Intentio Sa-
thanica, ſeductoria,
Ein Sathaniſches/ verfuͤhriſches Abſe-
hen und Meynung;
derſelbe unverſchaͤmte Gottes-laͤſterliche Geiſt
ſtellet ſich als ein Engel des Liechts/ nicht wie man ihn mahlet/ der ſchneidet
auff/ Gott ſey im Himmel Gott/ er ſey Gott auff Erden/ gibt ſich
aus fuͤr den groſſen Welt-Fuͤrſten oder Welt-Gott/ der alle Reiche in ſei-
ner Gewalt habe/ es ſeye vom Allerhoͤheſten ihm als einem irrdiſchen
Gott uͤbergeben; Er ſey der oberſte Lehrer/ dieweil Er ein Meſſias und
Koͤnig der Juden ſeyn wolle/ ſo woll er ihm bald auff den Sattel helffen.
Derſelbe repræſentirt Chriſto in der Luft/ gleichſam als in einer mappa, alle
Reiche der Welt/ und deroſelben Herrligkeit/ Reichthumb/ Feſtungen/ pala-
tia,
Macht und Pracht/ Kriegsheer/ Auffwartung/ convivien und Comœ-
dien/ Pompen und Triumph/ Fleiſches-Luſt/ ꝛc. muthet dem HErren zu/ er
ſolt ihn anbetẽ/ und von ihm die erzeigte Herrligkeit zu Lehen empfangẽ/ und
damit er ſeinen ſcopum ehe erreichte und ihn deſto leichter verfuͤhrẽ moͤcht/
macher ers nicht lange/ gibt nicht lange Zeit zu bedencken/ ſondern εν ἀτόμῳ
χρόνῳ,
[568]Die Sechs und Viertzigſte (Andere)
χρόνῳ, ſo geſchwind auff einmahl/ daß es in einem Augenblick alles geſehen
geweſt/ welches ihm als einem kuͤnſtlichen Gauckler wohl moͤglich geweſt.


II. Intentio Spiritus ſancti diſſuaſoria,Die wider-
rathende Meynung und Zweck des Heiligen Geiſtes;
womit
der Sathan Chriſtum locken wollen/ damit verleidet der Heilige Geiſt;
Er als der ἀγωνοθέτης und Kampff-Herr/ der Chriſtum getrieben in die
Wuͤſten/ hat mit dieſem Auffzuge/ ſo εν ἀτόμῳ und augenblicklich geſche-
hen/ eine widrige intention, eben darumb/ dieweil Er ſahe/ daß die Welt
ein ſchema und phantaſma ſeye/ nichts ſafftig und kraͤfftig darhinder/
daß es ein zeitlich/ vergaͤnglich und augenblicklich Werck ſeye: ſo werde Er
ſich ja auch nicht verblenden laſſen/ ſondern das ewige Gut dem zeitlichen/
das Himmelreich dem Welt-Reich/ die himmliſchen Schaͤtze den Welt-
Schaͤtzen/ die Ewigkeit dem τῷ νμῦ und augenblicklichen Zeit vorziehen/
wie dann auch geſchehen.


III. Dann/ welches die dritte intention und reſpect Chriſti ge-
weſen/ ſo gibt Er dem Sathan repulſam und den Sack/ und ſagt: Apa-
ge!
Packe dich! Es ſtehet geſchrieben: Du ſolt GOTT
deinen HERREN anbeten/ und Jhm alleine dienen.

Das ſey fern/ du ſolts nicht erleben/ daß ich der Welt Reich ſuchen/ weni-
ger dieſelbe von dir dem verlogenen Schand-Geiſt zu Lehen empfangen/
am allerwenigſten dich deßwegen hoch feyren und ehren ſolte/ wider das
Devt. 6, 13.außtruͤckliche Verbott Devt. 6.


Eadem in mundo fabula, derſelbe Sathan lebet noch! Dieſes
theatrum hat der Sathan von anbegin auffgeſchlagen/ und da der
Welt vanitaͤten/ Fleiſches-Luſt/ Augen-Luſt gezeiget/ und dieſelbe auffs
allerherrligſte und lieblichſte abgemahlet/ und dadurch zum Abfall viel
millionen Seelen vermoͤcht; wer ſich darein verliebet/ der hats genoſſen/
aber nicht lange/ die Luſt waͤhret einen Augenblick. Gott der Heilige
Geiſt aber/ der thut den Deckel vom Hafen/ zeiget uns in ſeinem Wort die
Welt ohne Farben in ihrer eigenen ideâ, ſie ſey anders nicht als das ſche-
1. Cor. 7, 31.ma, das vergehet/ ein glaͤſernes Meer/ Gluͤck und Glaß/ wie bald zubricht
das? ſie ſey ein φαντασία, bloſſe Einbildung und Gepraͤng. Was von
Act. 25, 23.Bernice geſchrieben ſtehet/ daß ſie ſey auffgezogen μετὰ πολλῆς φαντασίας,
mit groſſem Gepraͤng/ das iſt wahr von der gantzen Welt. Da Sa-
1. Reg. 3, 15.lomon erwacht/ ſo war es ein Traum. Alſo/ wann der Menſch nach die-
ſem Leben wird erwachen am Juͤngſten Tage/ wird er befinden/ daß das
zeitliche Leben ein Traum geweſen/ wiewohl nicht allerdings ohne Weſen/
doch ohne Waͤhrung.


Hie
[569]Predigt.

Hie liget nun einem klugen Chriſten ob/ dem ſein Theil Seeligkeit an-
gelegen/ die kluge Chur; dann wie er erwehlet/ ſo wird er wallen/ gute Wahl
gebaͤret ein ewiges gutes Wohl! braucht er hie gegen der Welt das apage!
ſtoͤſſet er ſie von ſich/ ſo wird er dort wohl leben. Vnd dahin zielet auch
unſer Niceniſcher Glaube; dieweil wir heut acht Tage vernommen/
daß warhafftig ein herrliches und ſeeliges Wolleben uns Menſchen berei-
tet ſey/ ſo folgt die Frage: Ubi?Wo? Darauff antwortet unſer
Niceniſches
Symbolum κατ᾽ ἄρσιν καὶ ϑέσιν: Jch glaub ein Le-
ben der zukuͤnfftigen Welt/
conſequenter ſo habe ich daſſelbe Le-
ben hie nicht zu ſuchen. Die ἄρσις iſt nunmehr das thema fuͤr dißmahl/
daß wir dieſe Welt mit ihrem Thun durchſuchen/ und zeigen/ daß das
ewige Leben darinne nicht zu finden ſey. Gott der Heilige Geiſt wolle
uns erleuchten und leiten/ daß wir es recht faſſen/ und den rechten Weg
zum ewigen Leben finden moͤgen/ durch Jeſum Chriſtum/ der die Thuͤr iſt/
Amen.


ES iſt ja an dem/ wie die ſtandhafftigen Bekenner zu Nicea ſagen/
es ſeye ein Leben der zukuͤnfftigen Welt. Freylich iſt
unſer Chriſten-Leben ein Leben der zukuͤnfftigen/ und nicht dieſer
Welt/ wir haben keine bleibende Statt/ ſondern die zukuͤnfftige ſuchen wir;
dann dieſe Welt und alles was drinnen iſt/ was die Augen erfuͤllet/ die
Ohren beluſtiget/ und den Mund ſaͤttiget/ den Geruch erquicket/ der Em-
pfindligkeit wohlthut/ alles daſſelbe iſt nach der inſtruction des Heiligen
Geiſtes anders nicht/ als I. commune gemitorium,ein Seuff-
zen und Thränen-Thal/ und jämmerlich Marter-Hauß;

dahin zielet St. Paulus Rom. 8. wann er ſaget: Das aͤngſtliche har-Rom. 8, 19.
\& ſeqq.

ren der Natur wartet auff die Offenbarung der Kinder Got-
tes/ ſintemal ſie unterworffen iſt der Eitelkeit ohne ihren Wil-
len/ der ſie unterworffen auff Hoffnung; dann auch die Crea-
tur frey werden wird von dem Dienſt des vergaͤnglichen We-
ſens zu der herrlichen Freyheit der Kinder Gottes. Dann
wir wiſſen/ daß alle Creatur ſehnet ſich mit uns/ und aͤngſtet
ſich noch immerdar.


Jſt eine verbluͤmte Art zu reden. Fragſtu: Was fuͤr eine Creatur
meynet der Apoſtel? Antwort: Nicht eine himmliſche/ welche nicht mehr
ſeuffzet; keine hoͤlliſche/ weder Teufel noch Verdamte/ dann die heulen
Sechſter Theil. C c c cund
[570]Die Sechs und Viertzigſte (Andere)
und erzittern: nicht eine menſchliche gottloſe Creatur/ welche (nicht ohn
und wider/ ſondern) mit ihrem Willen der Eitelkeit unterworffen: nicht ein
from̃er Menſch/ als welcher der mitſeufzendẽ Creatur entgegen geſetzt wird/
ſondern eine iegliche unvernuͤnfftige Creatur. Was thut ſie? Sie aͤch-
zet und kraͤchzet/ ὠδύνει, ſie leidet Schmertzen/ anders nicht als ein Weib
in Kindes-Noͤthen aͤchzet und kraͤchzet/ alſo aͤngſtet ſich die gantze Welt/
daß ſie offt Blut weinen moͤchte. Warumb aber? Wegen des unbil-
lichen Leidens/ daß ſie der Eitelkeit muß unterworffen ſeyn/ wider den
Zweck ihrer Erſchoͤpffung! der Eitelkeit der Suͤnden/ der Abgoͤtterey/ der
Wolluſt/ dem Geitz/ der Hoffarth/ und dann auch der Eitelkeit der Straf-
fe/ ſie muß als ein Knecht ihres Herren entgelten; Es gehet ihr wie Bi-
leams Eſelin/ die zu ihrem Herren ſprach: Was hab ich dir gethan/
daß du mich geſchlagen nun dreymahl?
Vnd ſolt ſie auff dem
Platze bleiben/ wann nur das Kind darvon kommt/ will ſie gern ſterben.
Aus was Hoffnung? Der Befreyhung ihrer Geburt-Weh/ der herrlichen
Freyheit der Kinder Gottes. Auff was Art und Weiß? per annihila-
tionem,
ſie will den Kindern Gottes Platz machen durch ihre eigene Ver-
nichtigung; gleich einem tugendſamen Weibe/ ſo in Kindes-Noͤthen ar-
beitet/ ſolt ſie auch druͤber den Geiſt auffgeben muͤſſen/ wann ſie nur ein
lebendiges Kind der familien am Tag bringen ſoll; gleich einer unſeeligen
Magd/ ſo in ein lupanar und Hur-Hauß geſtoſſen: oder einem Knecht/
der an die Galeen geſchmiedet/ der wuͤndſchet nicht mehr als den Tod:
Alſo/ wann man die Creatur ſolte gefragt haben/ alſobald nach dem Fall/
ob ſie nicht lieber wolte nicht ſeyn/ als ſo viel ſecula und Jahr gemartert
werden/ wuͤrde ſie freylich jenes erwehlet haben. Gleich einer malefitz-
Perſon/ die ſich des Tage-Liechts nicht mehr werth achtet: gleich einem
mitleidenden Mutter-Hertz/ welches weil es ſihet/ daß der Creatur Weſen
und Waͤhrung der Herrligkeit der Kinder Gottes fuͤr dem Liechte ſtehet/
gern Platz machen will. Gleich einem treuhertzigen Vater/ der den Tod
nicht mehr abbittet/ nach dem er ſeines Sohns Herrligkeit geſehen/ wie
Jacob gethan.


Was nun die Creatur ſuchet/ wornach ſie ſich ſehnet/ das wird ihr
auch zu Theil/ nemlich II. Anathema divinum,Sie wird zum
Feuer verdamt;
dann alſo lautet das bekante Petriniſche oraculum:
2. Pet. 3, 7.
10.
Himmel und Erde werden durch ſein Wort geſparet und be-
halten zum Feuer/ auff des HErren Tag/ da er wird kommen
altz ein Dieb in der Nacht/ in welchem die Himmel zergehen

werden
[571]Predigt.
werden mit groſſen krachen/ (als ein alt Gebaͤu) die Elementen
werden fuͤr Hitze zerſchmeltzen/ und die Erde und die Werck
die drinnen ſind
(nicht allein Gottes Geſchoͤpff/ Vieh und alle Baͤu-
me/ ſondern Menſchenwerck/ Pracht/ Schloͤſſer/ Haußrath) werden
verbrennen.


Was das fuͤr ein Feuer werde ſeyn/ laſſen wir muͤſſige Koͤpffe uͤber
zancken/ ſo lang biß ſie es fuͤhlẽ und empfinden werdẽ/ uns genuͤgt τὸ εἰ ἐςι,
daß es ein Feuer ſeyn werde. Gleich wie die erſte Welt durchs Waſſer uͤber-
ſchwem̃et: alſo wird dieſe letzte Welt durchs Feuer verzehret werden/ dañ alle
Dinge werden gereiniget durch Waſſer und Feuer. Wann aber? Das
weiß kein Engel/ will geſchweigen ein Menſch. Was gehet das dich an/
ſagt der Herr zu Petro/ euch gebuͤhret nicht zu wiſſen Zeit ꝛc.
Irenæus, Hieronymus, Lactantius haben die Waͤhrung der Welt nach
dem hexaemero den ſechs Tagen der Erſchoͤpffung abgemeſſen/ und vor-
geben/ gleich wie Gott der Herr in ſechs Tagen Himmel und Erden
erſchaffen/ ſo werde auch die Welt ſechs Tage/ deren ein iedes tauſend
Jahr betrifft/ ſtehen bleiben/ iſt aber eben ein ſolch argument als wie man
im Papſtumb vorzeiten geſchloſſen: Chriſtus iſt erſchienen unter ſieben
Leuchtern/ Ergò, ſind ſieben Sacramenta.


III. Nihilum,Nichts; Es wird die Welt nicht nur zu Pul-
per und Aſche werden/ ſondern gar zu nichts; wie ſie anfangs aus nichtsMatth. 24,
35.

worden/ ſoll ſie auch zu nichts werden/ und in das vorige Loch der Nichtig-
keit/ aus welchem ſie herfuͤr gebrochen/ widerumb hinfallen. Himmel
und Erden werden vergehen/ aber meine Wort werden nicht
vergehen.
Es wird ein ſolches Weltende ſeyn/ das ein Ende iſt/ da allesc. 28, 20.
conſummirt/ ſo gar/ daß Zeit und Ort auffhoͤren/ wederZeit nochOrt mehr
ſeyn werden. Der ſtarcke Engel ſchwur bey dem LebendigenApoc. 10, 6.
von Ewigkeit zu Ewigkeit/ daß hinfort keine Zeit mehr ſeyn
ſoll. Fuͤr dem Angeſichte deſſen/ der auff dem Stul geſeſſen/
c. 20, 11.
flohe die Erde/ und der Himmel/ und ihm ward keine Stätte
erfunden.


Damit aber niemand ihm irgend ein privilegium fuͤr den ſchoͤnen
blauen Himmel einbilden/ und ſolches allein von dem ohne das vergaͤng-
lichen untermondigen Welt verſtehen moͤchte/ ſo bezeiget der Geiſt Gottes
ebenmaͤſſig anch von dem ſonſt der Natur unwandelbarem Geſchoͤpff
C c c c 2Himmel
[572]Die Sechs und Viertzigſte (Andere)
Himmel und Sternen/ dieſelbe ſollen vergehen/ gleich einem Wachs
ſchmeltzen/ gleich einem Rollbuch oder Brief/ der uͤber eine Roll
gewickelt/ zuſammen gelegt/ gleich einem Laub-Blat verſchwinden: dann
Eſa. 34, 4.wo ſind die fernige Blaͤtter hinkommen? Alles Heer des Himmels
verfaulet/ und der Himmel wird eingewickelt wie ein Brief/
und alle ſein Heer verwelcket wie ein Blat am Weinſtock;

c. 51, 6.
Pſ. 102, 26.
27. confer
Gen. 41, 14.
Eſa. 67, 17.
Iob.
14, 12.
Sie ſollen als ein Rauch vergehen/ ſie ſollen veralten als ein
Kleid/
nicht in eine beſſere Geſtalt/ nicht durch eine ſolche Verneuerung/
die Gott nicht zuſtehet/ ſondern wie ein Kleid zerſchleuſt/ zertrennt/ zer-
bricht/ und gantz hinweggeworffen wird: ſo gar auch/ daß dieſer Himmel
nicht mehr ſoll gedacht werden/ ſie ſollen nicht mehr ſeyn/ der Menſch wird
nicht auffſtehen und von ſeinem Schlaff erwachen/ ſo lange der Himmel
bleibt. Daraus leichtlich zu ſchlieſſen/ daß nach der Aufferſtehung der
Himmel nicht mehr bleiben wird.


Die Vrſach deſſen iſt nun zuvorderſt 1. finis ſublatio,die Auff-
hebung des Dienſts.
Die ſichtbare Creatur wird außgedienet ha-
ben; Wann man einen Knecht nicht mehr bedarff/ ſo beurlaubet man
ihn/ und ſchaffet ihn ab. Der Dienſt aller Creatur iſt zweyerley or-
ganicus,
ein Huͤlff- und Werck-Dienſt/ alle Creatur iſt ſcaturigo
\& mamma Divina,
ein Brnnn-Quell Goͤttlicher Guͤte/ daran der Menſch
ſauget/ davon er trincket/ und ſchmecket wie lieblich der Herr ſey. Vnd
dann Symbolicus, hieroglyphicus,ein Lehr-Dienſt/ ein
Spiegel und lehrreiches Buch der Goͤttlichen Erkaͤntnuͤß;

Wann der Menſch wird gnug geſauget und außſtudiret haben/ wann die
Sammlung der Kirchen/ die Fortpflantzung menſchliches Geſchlechts
wird auffhoͤren: wann die Abc und Bilder-Schul wird geſchloſſen wer-
den/ daß wir nicht mehr in ænigmate und Bildnuͤß ſchauen/ ſondern von
Angeſicht zu Angeſichte/ wann Gott alles in allem wird ſeyn unmittel-
bar/ was darff man der Mittel? Wann ſo viel Sonnen/ als viel Außer-
wehlten ſeyn werden/ was darff man der irrdiſchen Sonne? Wann der
neue Bau auffgerichtet/ was darff man des Geruͤſtes? Darumb ver-
muthlich/ wann gleich der Menſch nicht gefallen waͤre/ daß doch die Welt
haͤtte vergehen muͤſſen/ wiewohl nicht durchs Feuer; dann das iſt finis ac
ceſſorius,
wegen der Suͤnde iſt ſie erſt zum Feuer verdamt worden.


2. Nemeſis divina,Die Göttliche Rach/ wie Moſes ſagt:
Pſ. 90, 7.HERR/ dein Zorn machts/ daß wir ſo vergehen/ und dein
Grimm/
[573]Predigt.
Grimm/ daß wir ſo plötzlich dahin můſſen! Jſt auch wahr von
dem macrocoſmos und der groſſe Welt-Bau als einem inſtrument der
Suͤnden/ weil er ſich zur Suͤnde mißbrauchen laſſen. Ein Menſch/ der mit
Vieh zu thun gehabt/ wird nicht allein ſein Coͤrper fuͤr ſich ſelbſt/ ſondern
auch die ſonſt unſchuldige und unvernuͤnfftige beſtia mit verbrennt: Alſo
auch die Creatur/ ſo dem Menſchen zu Dienſt geſtanden in ſeinen Suͤn-
den. Wie die gottſeelige Koͤnige Joſias/ Aſa/ Hiskia/ nicht nur die Idola
und ſcotta, die Vnflaͤtherey abgeſchafft/ ſondern auch die Goͤtzen und
Hur-Haͤuſer eingeriſſen; Alſo wird der Zorn Gottes entbrennen uͤber die
inſtrumenta der Suͤnden. Wird alſo aus obgemeldten allen dieſer
Syllogiſmus in einander geflochten/ deſſen Knopff feſte ſchleuſt/ daß dieſe
Welt nicht ſey das ποῦ und ohnfehlbare Ort des ewigen ſeeligen Lebens/
des himmliſchen Vaterlandes/ welcher alſo lautet: Was ſo ſehnlich
ſeuffzet nach der Freyheit/ zum Feuer verdammt/ zu nichts
werden und vergehen ſoll/ wie ein Rauch/ verſchleiſſen wie ein
Kleid/ verwandelt werden wie ein Blat/ daß es keinen Ort
noch Zeit mehr finde/ und ſein nicht mehr gedacht werde/ das
iſt nicht das
ποῦ, der Ort unſerer Seeligkeit/ es iſt nicht unſer
Vaterland und ewige Wohnung: Nun aber die Welt mit
allem/ was die Sinn beluſtiget/ wird alſo vergehen.
Ergò
kan mit Warheit nicht geſagt werden/ daß man in derſelben
die ewige Seeligkeit ſuchen muͤſſe.


So nun dieſes alles zergehen ſoll/ was ſollen wir thun? Noch zu gu-
ter letzt einen guten Muth haben/ paſchalen/ ſchlampampen/ alles verzehren
und durch die Gurgel jagen/ wie jene Bauren/ die ſich von ihrem Pfaffen
bereden laſſen/ der juͤngſte Tag werde auffs naͤchſte von ihm ernennte Zeit
kommen? O nein! St. Petrus folgert gar viel anders/ und ſchreibt:
So nun dieſes alles vergehen ſoll/ wie ſolten wir dann ge-
ſchickt ſeyn mit heiligem Wandel und Gottſeligem Weſen/

und alſo mit leuchtenden Fackeln der Zukunfft des Braͤutigams wachend
erwarten? Wie ſolten wir das Apoſtoliſche SOLTEN in ein ge-
horſames WOLLEN verwandlen?


Derowegen ſprechen wir billich mit Chriſto: Apage! Hinweg mit
ſolchen vergaͤnglichen Dingen! Apage pigmenta ſeductionum \& tene-
bras errorum,
Hinweg mit der verfuͤhriſchen und verfinſterten irrigen
Welt/ und dero Dreyfaltigkeit/ Fleiſches-Luſt/ Augen-Luſt/ hoffertig Leben;
C c c c 3oder
[574]Die Sechs und Viertzigſte (Andere)
oder fortun, ſuada und gratia. Wer in der Welt Gluͤck hat/ ſampt
gutem Mundſtuͤck und favor, der hat alles ſeiner Meynung nach/
was er wuͤndſchen mag! Von der blinden Heyden Abentheuern iſt nichts
zu widerholen: den Heyden wolt es nicht in den Kopff/ die hielten feſt da-
fuͤr/ die Welt koͤnte nimmer allerdings untergehen: die arme Chriſten/ die
das widrige ſtatuirt/ ſind deßwegen uͤbel angeſehen worden/ und haben fuͤr
vide Chri-
ſteid. p.
551.
Majeſtaͤt-Laͤſterer muͤſſen gehalten wetden; Die Juͤnger Chriſti lieſſen
ſich einsmahls auch beduͤncken/ der wunderſchoͤne Tempel zu Jeruſalem
und deſſen ornat, den ſie Chriſto dem Herren gewieſen/ koͤnne nicht
Marc. 13, 2.vergehen. Der Herr aber ſagt: Es werde eine Zeit kommen/ daß
kein Stein auff dem andern bleiben wird
Was Er geſagt/ das
iſt auch geſchehen. Vnd ſo wird auch Chriſti Wort an dem groſſen ſchoͤnen
Welt-Tempel/ erfuͤllet werden/ Ja und Amen! Die ſtoici inſonderheit/
die haben aus der Welt einen Phœnix gemacht und ſtatuirt/ daß eine
Welt aus der andern kommet/ wie der Phœnix aus ſeiner eigenen Aſchen.
Denen als blinden Leuten iſts beſſer zu verzeihẽ/ als denẽ ſo genanten Chri-
ſten/ die ihre contrari opinion von der allœoſi oder bloſſen alteration der
Welt pertinaciter behaupten (welche Wort ich bedencklich hinzu ſetze)
welche aus dem letzten Feuer gleichſam ein Fegfeuer gemacht/ und dafuͤr
gehalten/ es werde die Welt/ und zwar nur die ſublunariſche/ die cœli aërei
und was die Lufft umbfaſſet/ werden allein durchs Feuer gleichſam umb-
geſchmeltzet/ wie ein alt verroſtet Silber-Geſchirr widerumb verneuert/ und
nicht gaͤntzlich der ſubſtantz nach zu nichts werden/ welcher Meynung et-
liche von den Reformirten/ namentlich Petrus Martyr, Piſcator und
Spanheim beypflichten.


Die Paͤpſtler aber ins geſam̃t ſind beſagter Meynung: an denen ſich we-
niger zu verwundern; Dann gleich wie ihr Haupt und oberſter Koͤnig der
Roͤmiſche Papſt/ da ihm von Phoca der Primat und weltliche Reich ange-
tragen worden/ nicht geſagt: apage! hinweg damit! ſondern cedò! affer!
affer!
Bring her/ bring her! Wie die gantze hierarchia einer weltlichen
monarchi und Republic aͤhnlicher als einer Kirch/ ihr Abſehen gehet
auff aurea ſecula, auff die felicitatem temporalem, auff die zeitliche und
Ioh. 18, 36.gluͤckſeelige/ guͤldene Zeiten; Chriſtus ſagt: Were mein Reich von
dieſer Welt/ meine Diener wuͤrden drob kaͤmpffen:
Das
Papſtumb hingegen ſagt: Weil unſer Reich iſt von dieſer Welt/ ey ſo
laſſet uns kaͤmpffen wie billich/ uͤber unſere Pfruͤnden/ reditus, Stiffter/ ꝛc.
Das erfahret Teutſchland mit ach und weh; aber in fine cujus toni, am
Ende
[575]Predigt.
Ende wird der Gefang in ein la mi außgehen! Deſſen præludium iſt neu-
lich bey des ietzigen Papſts Innocentii ſeiner Weihe und Kroͤnung ange-
zeigt/ da Caiphas gleichſam wider ſeinen Willen etwas geweiſſaget; ſinte-
mahl unter andern koſtbaren Feuerwercken in foro Borgeſiorum ſich er-
zeiget Roma triumphans, das ſiegende und triumphirende Rom/ von ein-
gelegtem Pulver und heimlichen Rageten: Auff der hoͤchſten Kirche
ſtund eine Taube mit einem Oelblat im Schnabel/ welches das Zeichen
und Wappen war des Papſts/ wer da eingewolt und occupiren wollen/
wurde verbrennet/ biß endlich einer auff einem weiſſen Pferde mit einer
guͤldenen Kron erſchienen/ da der einritte/ der wurde empfangen mit einer
ſchoͤnen Muſic: Hoſianna dem Sohne David! gelobet ſey derMatt. 23, 9.
da kommt im Namen des HErren/ Hoſianna in der Hoͤhe!
So bald der in die Statt kommen/ wird die Taube oben angezuͤndet/ iſt
endlich die gantze Statt zu Pulver und Aſche verbrant/ und keine andere
Statt ankommen. Das mag wohl ein typus und omen ſeyn geweſt!
Es wird der Glaube den Leuten in die Augen kommen. Aber was darffs
viel ſtraffen τῶν ἔξω, bey denen ſo drauſſen ſind?


Leider unter uns iſt die opinion, da der epicureiſmus dermaſſen ein-
gewurtzelt/ daß wer auff deꝛ ietzigen Welt Siñen/ Gedancken/ Wort/ Gebaͤr-
den/ Wercke/ rennen/ lauffen/ ſtudiren acht gibt/ nicht finden kan das apa-
ge!
ſondern das cedo! affer! niemand begehret darvon abzulaſſen/ ſon-
dern iederman will der groͤſſeſte ſeyn. Die Menſchen-Kinder hie
bauen feſt/ da ſie nur Frembdling ſind und Gaͤſt/ wo ſie ſollen
ewig ſeyn/ da dencken ſie am wenigſten hin;
Die Welt bringet
ihre philtra an/ iſt gleich jenem unzuͤchtigen Weibe Caliſtæ, das ſich ge-
ruͤhmet/ daß ſie durch ihr ſchmeichlen und liebkoſen mehr wolle an ſich
bringen/ als die Philoſophi und Weiſen durch ihre Weißheit; Da
laͤſſet man ſich verblenden! daran vernarret man ſich! ja freylich vernar-
ret/ daher heiſſets ſtultorum omnia plena, die Welt iſt allenthalben voll
Narren/ als da ſind die Bau-Narren/ die Geld-Narren/ die Luſt-Narren/
die Pracht-Narren/ Kleider-Narren/ die Blum-Narren/ Haußrath-
Narren/ ſampt dem gantzen Narren-Schiff und Sebaſt-Branden; und
dencken nicht wahr ſeyn/ was wir ſingen/ daß das Lachen werde wer-
den theuer/ wann alles wird zergehen im Feuer/ wie
(nicht Pau-
lus/ ſondern) Petrus darvon ſchreibet.


Wie Chriſtliche Hertzen nicht ſind von der Welt/ wann ſie der Sa-
than auff den Berg fuͤhret/ und ſagt: Jch will einen groſſen Herren aus
dir
[576]Die Sechs und Viertzigſte (Andere)
dir machen/ ich will dir Luſt buͤſſen; ſo lernen ſie Chriſto ab das apage!
uud dancken der Welt ſampt ihren vanitaͤten bald ab/ dencken/ daß der
Iac. 4, 4.Welt Freundſchafft Gottes Feindſchafft ſey/ und ſagen Apa-
ge!
Hinweg mit dir und alle deinem vergaͤnglichen Weſen! ſie ſehen ſie
an als eine taube Nuß/ die zwar außwendig ſchoͤn/ aber ſo bald ſie mit dem
Meſſer der Warheit geoͤffnet wird/ find man ihre Faͤule und Wuͤrme; Sie
ſingen und ſagen: So wuͤndſch ich ihr eine gute Nacht/ der
Welt/ und laß ſie fahren/ ob ſie mir gleich viel Jammers
macht/ Gott wird mich wohl bewahren/ ich meynt die Welt
waͤr eitel Gold/ befind es nun viel anders/ ꝛc.
Vnd anders werde
ichs befinden am Juͤngſten Tage/ wann das Hur-Hauß und die Hur mit
einander im Feuer werden brennen. Wohl allen die (nicht auff dieſen
Welt-Ort/ darinn dero Kinder ihr Jeruſalem und Himmel ſuchen/ und
den Himmels-Kindern keinen Platz in der Welt laſſen wollen/ ſon-
dern) auff Gott trauen und bauen/ die ſollen hie und dort erfahren/
wahr ſeyn/ was D. Luther uͤber erſtangezogenen Spruch einsmahls zur
Zeit des Concilii zu Trident einem guten Freunde ſoll ins Stamm-Buch
geſchrieben haben:


Das wird gewißlich bleiben wahr/

Wiewol es hat ſo manche Gfahr/

Noch ſolls nicht fehlen umb ein Haar/

Des ſolln ſie wohl werden gewar/

Vnd ſolls nicht wehrn der Hoͤllen Schaar.

Verzeucht ſichs diß und etlich Jahr/

Gar bald die Zeit wird kommen dar/

Die es wird machen offenbar/

Vnd alle Ding ſo zeugen klar/

Daß man davor frey reden dar/

Dann wird man ja bekennen zwar/

Daß Gott erhalt ſein Wort und Lahr/

Dem Feind zuletzt die Rach nicht ſpar.

Wie? moͤchte iemand ſagen: Soll ich dann in ein Cloſter lauffen/
ein μισάνθρωπος Vnmenſch und Menſchen-Feind werden/ alle Geſell-
ſchafft fliehen/ den Segen/ den mir Gott beſcheret/ verlaſſen? Jſt doch
die Welt ein edel Geſchoͤpff Gottes! Antwort: Ja aus dieſer falſchen
opinion ſind die Cloͤſter entſtanden; gerad/ als wann in Cloͤſtern keine
Welt waͤre/ ja als wann der Menſch in ſeinem eigenen Buſen nicht die
Welt
[577]Predigt.
Welt truͤge. Lutherus beweiſet ſolches mit dem Exempel eines Moͤnchs/Luther.
Comm. ad
Geneſ. 42.
fol.
104.

der dieweil er im Cloſter geweſt/ im̃er Vrſach gefunden zu zuͤrnen und eifern/
und alſo zu ſuͤndigen/ hat er ſich in eine Einoͤde begeben; als er einsmals ſei-
nen Krug am Bruñen angeſtoſſen: wirfft er ihn im Zorn auff den Boden
und bricht ihn vollends; Da er zu ſich ſelber kommt/ gedencket er allererſt
der Sache nach/ da hab ichs wohl getroffen! Er hat empfunden/ daß er
nicht durch andere Leute/ ſondern ſeine eigene verderbte Natur ſeye zum
Zorn und Vngedult angereitzet worden/ hat ſich demnach wider in das
Cloſter begeben/ und ſich der Gedult und Beſcheidenheit beflieſſen.


Aber das iſt der Weg/ der Welt brauchen und nicht mißbrauchen;
Brauche der Welt/ ſchreibet Auguſtinus, wie ein Wandersmann im
Saal des Tiſches/ Bechers und Eymers oder andern Gefaͤß brauchet/
als ein Schaffner der davon muß/ nicht als wann du ewig darinnen blei-
ben wolteſt. Wir ſollen die weltlichen Dinge beſitzen/ ſchreibet Grego-
rius M. tom. 36. in Evang.
aber uns nicht von denſelben beſitzen laſſen. Ja
freylich iſts an dem/ wie Chryſoſtomus ſagt ad Rom. 8. Jn dem Ver-
langen ſiheſtu/ daß dich die Creatur ſchamroth mache; die Creatur ſeuff-
zet/ du lacheſt: Sie begehrt deine Erloͤſung/ du wilt lieber gefangen ſeyn.
So ſoltu nicht dein Hertz an das gegenwaͤrtige hencken/ ſondern ſeuffzen;
dann thut das die Creatur und ſehnet ſich nach der Freyheit/ wie kan dir
wohl ſeyn in der Hafft und Gefaͤngnuͤß dieſer Welt/ und dero vergaͤng-
lichen Guͤter? So wenig die Creatur ihrer Hoffnung verfehlet/ ſo wenig/
und noch viel weniger wird der außerwehlten Chriſten Hoffnung nicht
laſſen zu Schanden werden. Gott wolle unſere Hoffnung durch das
Pfand ſeines Geiſtes in unſern Hertzen verſiegeln/
Amen.



Sechſter Theil. D d d dDie
[578]Die Sieben und Viertzigſte (Dritte)

Die Sieben und Viertzigſte Predigt/


Vber den dritten Articul.
Von dem ewigen Leben/


Die Dritte Predigt/


Von der zukuͤnfftigen Welt und dero-
ſelben Ort.


2. Pet. 1, 18.

GEliebte in Chriſto: Ein ſchoͤn epitheton und Nach-
namen gibt St. Petrus 2. Petr. 1. dem Berge/ auff wel-
chen der Herr Chriſtus ſich transfigurirt/ dem Berge
Thabor/ wie man dafuͤr haͤlt; Er nennet ihn κατ᾽ ἐξοχὴν
Sanctum, den heiligen Berg. Jch ſage dem Berg/ dem
edlen Gold-Berg Thabor; dann der iſts vermuthlich ge-
weſt/ als erſcheinet theils aus den Vmbſtaͤnden der Hiſtori; dann daß
dieſe Geſchicht fuͤrgangen in Galilea/ erhellet daher/ dieweil Er vom Ber-
ge hinab gegangen gen Capernaum/ welche Statt die naͤchſte an dieſem
Matth. 17,
23.
v. Ioſeph,
l. 4. de bell.
c.
2.
Berge gelegen/ Matth. 17. Nun iſt dieſer Berg ein ſehr hoher Berg ge-
weſt; kein hoͤher Berg aber war in Galilea/ als Thabor. Theils aus der
beſtaͤndigen und einhelligen tradition (ob wohl etliche von den neuen Leh-
rern Jacobus, Faber Stapulenſis und Fr. Lucas Burgenſis etwas ſonders
gehabt) ſo ſtehet doch auff unſerer Part Hieronymus, Damaſcenus,
Euthimius, Beda.


Nun dieſen edlen Gold-Berg Thabor (dann das heiſſet er auff
Teutſch) nennet St. Petrus montem Sanctum, einen heiligen Berg:
Heilig 1. Typicè, Vorbildsweiſe; Dieſer Berg iſts geweſt/ auff welchen
Barak der Blitz-Held und Strahl-Mann/ wie ſein Name lautet/ ſeine
zehen tauſend Mann wider Siſſera geſamlet/ gemuſtert und außgezogen:
Chriſtus Jeſus iſt derſelbe Barak/ der Glantz der Herrligkeit Got-
Hebr. 1, 3.tes/ Hebr. 1. der da fulgurirt/ und ſeine geiſtliche Oberſten nicht nur da-
mals/ ſondern auch auf ſeinem oͤffentlichen Reichstag/ den er gehalten/ und
Matth. 28,
16.
wider den hoͤlliſchen Siſſera außgezogen/ in Galilea in der achten Erſchei-
nung
[579]Predigt.
nung/ auff einem Berg/ da Er vor ſeinen eilff Juͤngern und mehr als fuͤnff
hundert Bruͤdern erſchienen/ 1. Cor. 15. und ihnen die legation auffgetra-1. Cor. 15, 6.
gen: Mir iſt gegeben ꝛc.


Heilig 2. transfiguratione ipsâ \& cœleſti voce, durch die Verklaͤ-
rung felbſt und wegen der himmliſchen Stimme; da die heilige Stimm
Gottes des Vaters erſchollen/ die heilige und liechte Wolcke der Heilige
Geiſt ſie bedecket/ der Sanctus Sanctorum, der Allerheiligſte ſich verklaͤrt/
die cœlites ſancti und Himmels-Heiligen aus der triumphirenden Kir-
chen Moſes und Elias erſchienen/ die Heiligen aus der ſtreitenden Kirche/
die drey ἐπόπται, Kundſchaffer und conſecrirte Apoſtel/ die vorerwehlten
Zeugen zugeſehen/ die hernach dieſe Geſchicht in die gantze Welt außge-
breitet. Das war wohl ein ſchoͤner Himmels-Blick [und] kurtzer Abriß
des himmliſchen theatri.


Heilig 3. myſterio \& figurâ Eccleſiæ, wegen des darunter verbor-
genen Geheimnuͤß und figur der Kirchen; dann es iſt ja dieſer Berg
Thabor eine außbund-ſchoͤne figur des geiſtlichen Kirch-Berges. Der
heilige Kirch-Berg/ davon David ſingt Pſal. 48. Groß iſt der HErrPſ. 48, 2.
und hochberůhmt in der Statt unſers Gottes auff ſeinem
heiligen Berge.
Der hohe Berg Zion/ dem alle Heiden und Voͤlcker
zulauffen werden und ſagen: Kommet/ laſſet uns auff den Berg
des HErren gehen/ und zum Hauſe des Gottes Jacob/ daß
er uns lehre ſeinen Weg/ und wir wandlen auff ſeinem Steg!
Eſa. 2, 3.
Mich.
4, 2

Dann die Kirche iſt ja der edle Gold-Berg/ auff welchem die Heilige
Dreyeinigkeit/ wiewohl verdeckt erſcheinet und zeuget 1. Joh. 5. da laͤſſet1. Ioh. 5, 9.
ſeqq.

ſich hoͤren der Vater/ der Geiſt in der hellen Wolcken/ der Herr Chri-
ſtus in Waſſer und Blut und Herrligkeit der Gaben/ da erzeiget ſich Mo-
ſes und Elias in Hiſtorien und Schrifften/ in welchen ihr Glaube und
Tugend geruͤhmet werden/ Hebr. 11. Vnd dann ſonderlich die heiligen
Kundſchaͤffter des Landes Canaan/ die Apoſtel in ihrẽ heinderlaſſenen Hei-
ligthumb ihrer Schrifften ἐν λόγῳ βεβαιοτέρῳ in dem feſten Wort/ da ſe-
hen wir im Glauben τὰ μὴ βλεπομενα, die unſichtbaren Dinge von wei-
tem/ wie Moſes Devt. 34. Spiegel- und Raͤtzelsweiſe.


Wir reden einander billich an aus Eſaia im 2. Cap. Kommet/Eſa. 2, 3.
laſſet uns auff den Berg des HErren gehen/ zum Hauſe des
Gottes Jacob/
laſſet uns einen Blick thun! Wir haben heut acht Ta-
ge Euer Liebe verleydet die gegenwaͤrtige Welt: Folget die ϑέσις venturi
D d d d 2ſeculi,
[580]Die Sieben und Viertzigſte (Dritte)
ſeculi, daß wir antretten die Lehr von der zukuͤnfftigen Welt/ welche die Ni-
ceniſchen Bekenner bekeñen. Wie nun die H. Schrifft als eine Mutter ſich
zu unſerm captu herab laſſet/ und in Raͤtzel-figur auff Goͤttlich-geziemende
Weiſe alle hoͤhere Sachen zu verſtehen uns anfuͤhret/ ſo wollen wir auch
von dem ποῦ cœleſti,dem Ort des ewigen Lebens reden. Gott
helffe und erleuchte unſere Augen hie zu glauben/ dort zu ſchauen/ Amen.


WAnn demnach die Niceniſchen Bekenner glauben ein Leben
Eph. 1, 21.der zukuͤnfftigen Welt oder eine zukuͤnfftige Welt/
εν αἰῶνι τῶ μέλλοντι, eine zukuͤnfftige Zeit/ und dadurch nit allein
die duration andeuten/ ſondern auch das ſubjectum in einer gebraͤuch-
liche metonymia und Wort-Blum/ maſſen der Apoſtel ſagt: Durch
Hebr. 1, 2.
c.
11, 3.
den Glauben ward die Welt gemacht/ durch welchen die
Welt gemacht.
So bekennen ſie zuvorderſt aliquod ποῦ einen Ort/
ſo fern das Wort Ort latè und im weiten Verſtande genommen wird/
gleich wie die Hoͤlle genennet wird ein Ort der Qual. Vnd zwar ein zu-
Luc. 16, 28.
2. Pet.
3, 13.
kuͤnfftiges ποῦ oder Ort/ zukuͤnfftig uns/ die wir uns darnach ſehnen und
drauff warten ſollen.


Daſſelbe aber 1. ποῦ Certum,ein gewiſſes ποῦ oder Ort;
Ioh. 12, 26.
c.
17, 24.
Wo ich bin/ ſpricht Chriſtus/ da ſoll mein Diener auch ſeyn!
Nun aber iſt Chriſtus in ein gewiſſes/ wiewohl unraumliches/ himmli-
ſches/ uͤbernatuͤrliches ποῦ auffgefahren. Die heiligen Außerwehlten im
ewigen Leben ſind entweder nirgends oder allenthalben/ oder in einem ge-
wiſſen Ort; Waͤren ſie nirgends/ ſo waͤren ſie auch nicht im ewigen Leben;
Allenthalben ſind ſie nicht/ ſonſt waͤren ſie Gott ſelbſt/ darumb muͤſſen
ſie in einem gewiſſen ποῦ und etwan wo ſeyn. 2. Diſtinctum,Ein
Luc. 16, 26.unterſchiedenes Ort von der Hoͤlle; Wo aber? oben im Him-
mel/ in dieſer Welt oder auſſer der Welt? Das weiß niemand. 3. Æter-
Luc. 16, 9.
Ioh. 14, 2.
2. Cor. 5, 1.
Heb.
13, 14.
num,Ein immerwaͤhrender Ort/ eine ewige Huͤtte; Dieſe
Welt iſt nur eine Lauber-Huͤtte oder Nachtwacht/ eine Wander-Huͤtte
oder Kriegs-Zelte; dort aber die rechte beſtaͤndige palatien/ die nicht nur
der Zerſtoͤrung/ ſondern auch der Veraͤnderung befreyet/ die ihren Glantz
nicht verlieret/ ſo unzerſtoͤrlich als die Leiber der Außerwehlten/ ja feſter als
dieſes geſtirnte Firmament/ welches vergehen muß.


In ſpecie und inſonderheit/ ſo begreiffet nun dieſes ποῦ in ſich
1. Pet. 1, 4.I. Cœlum,einen Himmel/ 1. Pet. 1. 2. ὕπαρκητον, Einen we-
ſent-
[581]Predigt.
ſentlichen Himmel/ der warhafftig iſt/ und von dem andern und
dritten/ dem Gnaden- und geſtirnten Himmel unterſchieden/ kein cœlum2. Cor. 12,
2.

utopicum oder Nirgend-Himmel. 3. Creaturam,Einen er-
ſchaffenen Himmel/
ſo von dem Majeſtaͤtiſchen Himmel/ das iſt/
Gotte ſelbſt gemacht/ aber κτίσει άχειροποιήτῳ, nicht mit leiblichen2. Cor. 5, 1.
Hebr. 11, 10.
Hebr. 9, 11,
Eſa. 65, 17.
2. Pet. 3, 13.
Apoc. 21, 1.
Exod. 1, 8.
Eſa. 6; 2.
Matth.
26,
29.

Haͤnden: Der Apoſtel wartet auff eine Statt/ die einen Grund hat/ deren
Baumeiſter und Schoͤpffer Gott iſt/ die nicht alſo gebauet iſt/ wie die
vergaͤngliche Huͤtten. 4. Novum,Einen neuen Himmel/
das iſt/ einen andern Himmel von dem ſichtbaren geſtirnten Himmel un-
terſchieden; dann alſo wird das Wort Neu manchmahl geleſen/ Exod. 1.
Ein neuer Koͤnig. Eſa. 2. Matth. 26. 5. Noviter creandum,
Einen neu-erſchaffenen und polierten Himmel/ das iſt/ der da
herrlich und wunderlich wird gezieret werden/ wie das Wort creare, ſchaf-
fen/ den Verſtand hat Numer. 16, verſ. 36. 6. Analogicum,Num. 16,
30.

Einen unſerm in gewiſſer Maß gleichfoͤrmigen Himmel;
Der ſichtbare Himmel wird ein Himmel genennet wegen der wunderſchoͤ-
nen Geſtalt/ er iſt gleichſam der blaue Rock Gottes mit Edelgeſtei-
ſteinen gezieret; wegen der unbegreifflichen Hoͤhe/ anſehenlichen Groͤſſe/
und herrlichen/ praͤchtigen Majeſtaͤt/ als in welchen Stuͤcken dieſer Him-
mel vor andern ſichtbaren Geſchoͤpffen pranget. Wie alles laͤſſet ſich
auff den Himmel der Außerwehlten deuten 7. Corporeum
an ſpirituale?
Ob es ein coͤrperlicher/ materialiſcher oder
geiſtlicher Himmel ſey?
Hie iſt das beſte ἐπέχειν, die Hand auff den
Mund! wir haben hievon keine eigentliche Offenbarung.


II.Vnter dem Himmel iſt die Erde/ eine neue Erde/
nicht grob/ finſter/ wuͤſte/ oͤde. Abermahl im figuͤrlichen Verſtand/ terra
nova,
eine neue Erde/ nicht Morbonia, Sardinia, oſtium orci, eine Erde in
dieſer Welt; ſondern hie eine andere Erd im himmliſchen Engelland/ im
Lande der Lebendigen; fuͤrgebildet in dem Abriß oder der Land-Tafel des
Honig- und Milch-flieſſenden Landes Canaan. Davon ruͤhmen dieNum. 14, 7.
Kundſchaffer tobhah haaretz meod meod, das Land iſt ſehr ſehr gut!
ja freylich meod meod, an Fruchtbarkeit/ an geſunder Lufft/ ein Volck-
und Machtreiches Land. Zuvor muſten die arme Bilgram in den wil-
den und oͤden Wuͤſten herumb terminiren/ der Tod folgete ihnen allent-
halben auff dem Fuß nach/ die Straffen und Vngluͤck folgten Ketten-
weiſe nach einander daher/ drey tauſeud Mann hat das gegoſſene guͤldene
Kalb erwuͤrgt/ viel Fuͤrſten des Volcks wurden gehenckt/ die Auffruͤhrer
D d d d 3von
[582]Die Sieben und Viertzigſte (Dritte)
von der Erden verſchlungen/ die feurigen Schlangen verwundeten/ das
Feuer verzehret die euſſerſte Laͤger. Der einige Troſt war der Meſſias/ der ſie
begleitet unter einer Feuer- und Wolcken-Seule/ dariñ kuͤnfftigen Evange-
liſchen Geheimnuͤſſen vorgeſpielt wordẽ; hingegen war das Land Canaan
ein herrliches/ fettes/ reiches und geſegnetes Land/ deſſen die Jſraeliten auch
wohl genoſſen/ ſo lange ſie ihrem Herrn und Gott getreu geblieben.
Wie herrlich aber das Land Canaan geweſen mag ſeyn/ ſo iſt es doch nicht
immer eine Schmaltz-Grube geblieben/ ſondern bißweilen eine Hunger-
Grub worden. Die Golgata oder Schaͤdelſtaͤtt iſt in demſelben gelegen/
ja das gantze Land war ein Golgata und ſtinckendes Toden-Grab/ da alles
allenthalben voll Toden-Beine gelegen/ wie dergleichen dem Propheten
Ezechiel gezeiget worden/ und iſt alſo mehr nicht als ein Schatten/ gegen
dem Land auffwaͤrts/ dahin ſich ſehnet unſer Hertz/ das iſt das Land da
Ehre wohnet/ Guͤte und Treu einander begegnet/ Gerechtigkeit und Friede
ſich kuͤſſen/ kein Butzen-Land/ kein Schlaurafen-Land. Urania terra,
das Himmel-Land iſt das allfruchtbarſte/ geſundeſte und reicheſte Land.
Jenes Canaan hatte ſeine groſſe Maͤngel/ offt Hunger außgeſtanden/ viel-
mahl Durſt/ es fraß ſeine Einwohner/ wurde bewohnet von blutgierigen
Leuten: Ein ſolches iſt dieſes neue Land/ das Land der Lebendigen nicht.


Matt. 5, 20.
2. Tim. 4,
18. Matth.
13, v. 43.
Luc. 23, 45.
Matth. 25,
34. Gal. 3,
18. Hebr. 11,
9. \& ſeqq.
Apoc. 2,
26.
1. Pet. 1, 4.
Auguſt. in
Pſal. 49.
Gal.
4, 26.

III.Jn dem Himmel und der Erden iſt das Reich/
das Himmelreich/ das Reich Gottes/ das Reich des Vaters/ das Reich
Chriſti/ das Reich/ ſo da zubereitet iſt/ das Erb-Reich und ſchoͤne liebliche
Erbtheil/ ſo da ererbet Chriſti Tod/ durch das inalienabile, unvergaͤngliche/
unbefleckte und unverwelckliche Erbe/ da Gluͤckſeeligkeit in ſtetem flor und
Wohlſtand; das nicht geſchwaͤchet wird durch die Menge der Beſitzer/ und
nicht kleiner wird wegen der Menge der Erben. Tanta eſt multis, quanta
paucis, tanta ſingulis, quanta omnibus,
ſchreibt Auguſtinus: Es iſt vielen
eben ſo groß als wenigen/ und einem ſo weit und groß als allen. Welt-
liche Freude iſt das Widerſpiel/ ſagt Lutherus: kein Erbe iſt ſo gut/ es iſt
beflecklich/ es verwelckt endlich.


IV.Jn dem Reich iſt die Statt Jeruſalem/ und in
demſelben viel Wohnungen/
die heilige/ himmliſche Statt/ die
Braut/ von dem Heiligen Geiſte/ der mit uns als mit Kindern ſpielet/
vorgebildet/ wiewohl nur ſchattenweiſe/ in den allerkoſtbarſten und ſchoͤne-
ſten Sachen/ Gold/ Edelgeſtein und Perlen/ die auff einem hohen Berge
ligt/ dedicirt Gott und dem Lamb/ mit einer unuͤberwindlichen
Maur umbgeben/ verwahret mit zwoͤlf Pforten/ und mit ſo viel Engliſchen


Quadratam civitatis formam improbat Vittruvius l. 1. c. 5. l. 4. c. 2. ſed de ter-
rena loquitur hoſtibus expoſita. at urania civitas
ἄσυλος.’
()

Waͤchtern/
[583]Predigt.

Waͤchtern/ durch eine vollkommene figur ins gevierte gebauet/ zwoͤlff tau-
ſend ſtadia oder Roßlauff weit/ das iſt/ mehr als zwoͤlff hundert Teutſcher
Meilen; Die Außerwehlten werden Platz gnug haben/ nicht in engen Ge-
machen uͤber einander ligen/ ſondern groſſe/ weite/ helle Pallaͤſte inne ha-
ben. Das alte Jeruſalem/ die beruͤhmteſte unter den MorgenlaͤndiſchenPlin. l. 5. 14.
Staͤtten/ das ſonſt den Preiß gehabt/ iſt ſchlaffen gangen. Das alte
Rom/ deſſen groſſe Herrligkeit und admiranda Lipſii Feder außgeſtrichen
hat ſich verlohren/ von welcher Caſſiodorus auffſchneidet und ſagt: Nach
dem er alle ſieben groſſe Welt-Wunder erzehlt/ ſchleuſt er/ was von allen
ſieben geſagt/ ſeye in dem eintzigen Rom erfuͤllet worden/ in unâ urbe tot
ſtupenda ut univerſa Roma ſit miraculum,
Jn der eintzigen Statt ſind
ſo viel Wunder-Sachen/ daß das gantze Rom ein Wunderwerck ſeye.
() Florentz in Jtalien/ eine ſolche ſchoͤne Statt/ daß ſie wuͤrdig waͤr allein() Lanf.
Conſult.
pro Ger-
man. p.
70.

an Sonn- und Feſt-Tagen beſchauet zu werden/ wird ſich auch bald ver-
kriechen muͤſſen; ſind lauter ſtrohene/ ungeheure Huͤtten/ wuͤſte Schwein-
Staͤlle und Mucken-Haͤußlein. Sodom der herrliche Ort iſt mit feuri-
gen Fluͤgeln empor geflogen. Aber die Statt Gottes iſt feſt gegruͤndet/
und bleibt ewiglich.


V.Jn der Statt das Hauß; Hie lauter unſichere HaͤuſerIob. 14, 2.
2. Cor.
5, 1.

voll Geſpenſter/ wie koͤſtlich auch die palatia ſeyn moͤgen; Mord-Gruben/
Salomons Pallaſt von Cedern vom Libanon/ Ahabs Helffenbeinene1. Reg. 22,
39.

Hauß/ die treffliche Schloͤſſer in Teutſchland/ wo ſind ſie hin? Sie ſind
zerſtaͤubt/ ſie ligen im Staube. Aber Gottes Hauß bleibet ewiglich.


VI. Jn dem Hauſe/ die innere Speiß-Schatz-Rath- und Braut-Cant. 1, 4.
Kammer/ eine reiche volle Kammer/ die heraus gibet einen Vorrath
nach dem andern; Jrrdiſche Schaͤtze/ Vorrath und Reichthumb nehmen
ab und ſind vergaͤnglich; Die Schaͤtze in dieſem Hauſe bleiben ewig:
Eine geheime Himmels-Kammer/ darinnen klar und offenbar werden
die in dieſer Welt dunckel-gebliebene Geheimnuͤſſen. So Gott der
Herr mit Moſe in der irrdiſchen Stiffts-Huͤtten ſo freundlich und lieb-
lich geſpracht/ als ein Mann mit ſeinem Freunde: Wie viel freundlicher
wird der hochgelobte/ hertzgeliebte Seelen-Braͤutigam reden und ſprechen
mit ſeiner außerwehlten Braut?


VII.Neben dem Hauſe der Garten Gottes/ das Pa-
radeiß;
Es war zwar der Paradieß-Garten ein wunderſchoͤner Garten/Luc, 23, 43.
2. Cor. 12.
v. 1.
Apoc.
2, 7.

gan eden, ein rechter Wolluſt-Garten/ ein Muſter/ darnach andere Gaͤr-
ten haben ſollen gepflantzet und gezieret werden/ lieblich von vier Fluͤſſen/
von Gewaͤchſen/ Blumen und Baͤumen/ die alle den Menſchen angelachet:
Hie
[584]Die Sieben und Viertzigſte (Dritte)
Hie aber der allerluſtigſte und anmuthigſte Garten wegen der geſunden
Baͤume/ da waͤchſet das rechte Holtz des Lebens. Zwo edle Fruͤchte/ alle
Monden/ deren Blaͤtter zur Geſundheit der Heyden dienen; Der Fluß
der ihn waͤſſert iſt Gott der Heilige Geiſt/ welcher immerwaͤhrende Freude
in die Hertzen gieſſet.


VIII.Jn dem Garten Ruh der Schos Abrahæ; Jn
welchem Lazarus liget an der himmliſchen Tafel. Davon Chriſtus ſelbſt
geſagt/ er wolle ſich auffſchuͤrtzen/ und feine getreue Knechte zu Tiſche ſetzen/
und ihnen zu Tiſche dienen/ aufftragen/ bekoͤſtigen/ gaſtiren/ ihnen voll
Pſ. 23, 5.einſchencken/ und ihr Haupt ſalben mit Oel.Theophylactus
ſchreibet: Epulo vidit Lazarum in ſinu Abrahæ φιλοξένου, ut eſſet ἔλεγχος
τῆς μισοξενίας αυτοῦ, Der reiche Schlaͤmmer ſahe Lazarum in dem Schos
des leutſeeligen Abrahams/ zum Verweiß ſeiner Vnbarmhertzigkeit.


Vnd welches das vornehmſte iſt/ ſo iſt IX. locus patriæ,un-
Phil. 3, 21.ſer Vaterland; Da iſt unſer πολίτσημα, Ruh-Burger- und Wohn-
Statt/ unſer himmliſch-adelicher Erb- und Ritter-Sitz; dann das heiſt
2. Macc. 12,
7.
πολίτσημα, 2. Maccab. 12. die Heimath nach langer Reiſe; Eine privi-
leg
irte Statt/ die da befreyet iſt von allen Steuren und Beſchwerungen/
von allen Schulden und Fronen/ VNSER politevma, ſagt der Apoſtel/
nicht der Feinde des Creutzes Chriſti/ und derẽ der Bauch ihr Gott iſt/ ſon-
dern der Simonen/ die ihme Chriſto allhie das Creutz gedultig nachtragen/
der Theophilorum, Uraniorum, der glaubigen/ gottliebenden Hertzen; dañ
wer glaubt an mich und lebet/ das iſt/ der einen lebendigen Glauben
hat/ der wird nimmer ſterben/ ſpricht Chriſtus/ ſondern im Lande
der Lebendigen ein ewiger und edler Landſaß bleiben. Die Gerechten
werden (ſonderlich) in jenem Leben gruͤnen als wie ein Lorbeer-
Baum.
Die Gerechten/ ſag ich/ das iſt/ die an ihrer eigenen Gerech-
Eſa. 45, 24.tigkeit verzweiflen/ und mit dem Zoͤllner an die Bruſt ſchlagend ſprechen:
Gott biß mir Suͤnder gnaͤdig/ und alſo durch die troͤſtliche abſolution
vom Herren ſelbſt gerechtfertiget werden; die da ſprechen mit Eſaia
c. 45. Jm HErrn hab ich Gerechtigkeit und Staͤrcke. Der
Herr iſt meine Gerechtigkeit/ ſeine Gerechtigkeit iſt mein/ folgends einen
feſten/ redlichen Fuͤrſatz haben gerecht zu leben/ und mercklich von aller Vn-
gerechtigkeit abzutretten.


Das laß mir eine zukuͤnfftige gute Welt ſeyn! Vmb jene Welt laͤſ-
ſet ſich dieſe wohl verkauffen und außtauſchen/ dieſer Welt kan man wohl
vergeſſen
[585]Predigt.
vergeſſen. Timogenes der der Statt Rom ihre Gluͤckſeligkeit aus feind-apud Lipſ.
in Admir.
p.
1369.

ſeeligem Gemuͤthe mißgoͤnnete/ ſagte/ daß ihm die Brunſten zu Rom deß-
wegen ſchmertzlich vorkommen/ weil er wuͤſte/ daß viel beſſers werde heraus
oder hernach auffkom̃en/ als verbrennet waͤre! Was er aus Neid geſagt/
das bekennen wir aus Freuden-Wundſch/ daß nemlich die letzte Brunſt
der Welt uns lauter Freude bringe/ nemlich eine andere Welt/ deren dieſe
Welt das Waſſer nicht bieten kan. Es ſind auch in der Welt wegen ge-
ſunden Luffts und ſonderbaren Luſtes und Ergoͤtzligkeiten beruͤhmte Ort
geweſen/ die jenige Hofftaͤtte/ in welchen die Koͤnige in Perſia des Jahrs
uͤber ſich auffgehalten/ und dieſelbe dergeſtalt geaͤndert/ daß ihnen immer
hat wohl/ nimmer zu kalt/ nimmer zu heiß ſeyn muͤſſen. Jm Winter
wohneten ſie in Babylon/ das war ein warmer Ort von Natur/ im Fruͤh-Eſth. 1, 2.
Xenophõ,
l. 8. Cyro-
pæd. Athe-
næ. l. 12. c. 3.
2. Macc. 4,
33.
Strabo l.
15.

ling zu Suſan/ das war ein außerleſener luſtiger Ort/ der den Namen von
den Lilien bekommen/ die Luſt und Ergoͤtzligkeit des Orts damit anzudeu-
ten/ im Sommer zu Ecbatanis, da es viel Umbracula, Schatten-Som̃er
und Luſt-Haͤuſer gegeben. Daphne und Epidaphne war ein ſchoͤner
Luſt-Wald von Lorbeer-Baͤumen/ nicht weit von der Statt Antiochiâ
gelegen/ mit vielen anmuthigen Spring-Bruͤnnlein und Waſſerwercken
gezieret/ darinn die Voͤgelein auff den gruͤnen Aeſten fruͤhe geſungen und
froͤlich erſprungẽ/ da auch die Jnwohner zu Antiochia ihre Feſt- und Feyer-
tage gepflegt zu begehen. Deßgleichen gibts auch aſyla oder befreyte
Staͤtte und Plaͤtze/ da man in Zeit der Noth und Trangſal refugium,
Zuflucht und Sicherheit zu ſuchen pflegt: Dergleichen erſtbeſagte Daphne
und Luſt-Wald geweſt/ dahin ſich einsmahls der fromme Prieſter Onia/2. Maccab.
4, 33.

wiewohl vergeblich; zu ſalviren begeben. Arabia Felix hat den Namen
gehabt von des Lands Gluͤckſeeligkeit. Von den Tempe in der LandſchafftAelian. l. 3.
hiſt. c.
1.

Theſlalia weiß Ælianus zu ſagen. An der Campania, als der Schmaltz-
Grub Italiæ, hat ſich Hannibal vergafft. Diß iſt aber alles Puppen- und
Schattenwerck gegen der uͤberſchwenglichen Gluͤckſeeligkeit des Lands der
Herrlich-Lebendigen/ darinnen ſich alle liebe Chur-Kinder Gottes in
Ewigkeit ſollen erquicken und ergoͤtzen.


Nun/ lieber Menſch/ wann dir iemand ſolte verſprechen/ du ſolt eine
Reiſe mit ihm wagen in ein fern Land/ da du ein Koͤnigreich erlangen/ in
einer guͤldenen Statt wohnen/ die ſoll dein auch ſeyn; in einem koͤſtlichen
Reich/ da ſoltu Koͤnig ſeyn; in einem herrlichen palatio, da alles voll-
auff; in einem wunderſchoͤnen Garten ſpatzieren. Was wuͤrdeſtu thun?
du wuͤrdeſt brennen von ſehnlichen Begierden/ du wuͤrdeſt Ohren/ Augen/
Hertz/ alles auffthun/ mit Feder/ Mund/ Haͤnd und Fuͤſſen darnach ſtreben.
Sechſter Theil. E e e eDaniel
[586]Die Sieben und Viertzigſte (Dritte)
Dan. 6, 10.Daniel der Fuͤrſtliche Prophet/ da er ſich in Babel als einem Gefaͤngnuͤß
auffhalten muſte/ bereitet ſeine Fenſter in ſeinem Sommer-Hauſe und
Gemach/ alſo/ daß ſie gegen Jeruſalem ſeiner Heimath offen ſtunden/ betet
Pſal. 14, 7.da kniend alle Tag dreymal ohne zweifel dieſe Wort: Ach daß die Huͤlffe
aus Zion uͤber Jſrael käme/ und der HErr ſein gefangen Volck
erloͤſete!
Wir ligen in dieſer Welt Babylon als die armen Gefange-
nen/ alle unſere Hertzens-Fenſter ſolten offen ſtehen/ und ſehen nach dem
himmliſchen Jeruſalem/ nicht mit fuͤrwitzigen/ ſonder einfaͤltigen Tauben-
und Glaubens-Augen; Laß die himmliſchen Propheten fladern/ die ihnen
ein cœlum empyréum einbilden/ und daſſelbe ſo eigentlich abmeſſen/ als
waͤren ſie dazu gedingte Uranometræ und Himmelsmeſſer/ ſonderlich
Maſſon.
part. 2. ana-
tom.
28.
Maſſonius, der ſchreibet: Es iſt der Heiligen Himmel ein ſubtil corpus
locale,
ſonderbar herrlicher Ort gerade uͤber uns. Wir laſſen den Fuͤr-
witz/ vnd ſaͤttigen uns mit dem/ was der H. Geiſt geoffenbaret.


Es werden offt andaͤchtige Hertzen außgelachet/ von denen man ſaget
Sprichwortsweiſe: Er gedencket an jene Welt/ und iſt dieſe noch nicht
herumb. Hieher ihr Hertzen! ſurſum corda, gen Himmel/ auffwaͤrts;
Einem ieden iſt ſein Vaterland lieb; Es hat das Vaterland eine ſolche
Cic. l. 1. de
orat.
Krafft (ſchreibt Cicero) daß der weiſe Mann Ulyſſes ſein Ithacam, wel-
ches gleichſam als ein Neſt an den rauhen Felſen angehefftet/ der Vnſterb-
ligkeit vorgezogen: Er laͤſſet den Æacibus ihr Feuer/ darbey ſie
geſotten und gebraten/ und wuͤndſcht nur den Rauch dafuͤr von des Va-
ters Herd zu ſehen/ dannenhero kommt das Sprichwort: Τῆς πατρίδος
καπνὸς λαμπρότερος τοῦ παρ᾽ ἄλλους πυρὸς, Der Rauch in der Heimath iſt
beſſer als das Feuer in der Frembde; τ᾽ ἀνώτερα καλλίω, das hoͤchſte Gut
iſt das beſte Gut; Wo der Schatz iſt/ da ſoll auch das Hertz ſeyn/ wo der
Pſ. 55, 7. 8. 9.Magnet iſt/ da ſoll ſich auch das Eiſen hinziehen laſſen! O haͤtte ich
Flůgel wie Tauben/ daß ich floͤhe und etwa bliebe/ ſihe/ ſo wolt
ich mich ferne weg machen/ und in der Wůſten bleiben. Jch
wolte eilen/ daß ich entruͤnne fůr dem Sturm-Winde und

Pſ. 84, 2. 3.Wetter. Wie lieblich ſind deine Wohnungen/ HErr Ze-
baoth/ meine Seele verlanget und ſehnet ſich nach den Vor-
höfen des HErren/ mein Leib und Seele freuen ſich in dem
lebendigen GOTT.


Hieher Zung- und Mund-Bekaͤntnuͤß/ wann du gefragt wirſt:
Biſtu ein Chriſt? ſoltu antworten: Jch bin ein Himmels-Burger/ der
Welt
[587]Predigt.
Welt Ade zu geben bin ich bereit/ deren bin ich muͤd/ aus dem Him̃el zu dem
Himmel widergeboren. Das ſoll das Symbolum ſeyn in den Stamm-
Buͤchern/ garſtige Voͤgel kennet man an den Federn. Hieher ihr Fuͤſſe!
nach dem Liecht und regul, nach der Bilger Liecht und Recht zu wandlen!
da mangelts/ da ſtehets an! Vmb eine Beute oder profit iſt kein Weg zu
weit/ aber auff dem Himmels-Pfad/ recht gehen gerad/ dazu
kommt man ſpat.
Es ſpricht zwar iederman: Cœlum deſidero,
Hertzlich lieb hab ich dich O mein Herr; Aber der wenigſte Theil bezeu-
gets in der That; Das Werck verrathet das Hertz/ der Tag der experientz
bezeuget das widrige. Loths Weib iſt zur Saltzſeul worden/ aber ihre
Schweſtern gehen noch herumb auff der Welt; Solt manche/ ich will
nicht ſagen Hauß und Hof/ Land und Leute/ ſondern ein ſtuͤck Haußrath
verlieren umb der religion willen/ wie ſchwer wird ſie es ankommen/
wie wuͤrde man zuruͤck ſehen? Wie viel ſinb Bauch-Diener/ wie viel Fein-
de des Creutzes Chriſti/ wie viel Erden-Kinder/ die nur nach der Erden
graſen und graben/ ſind irrdiſch geſinnet/ duͤrffen wohl ſagen: Jch will
mein Gelt an den Grund legen (das den Armen gehoͤret/ dann man ja
nicht alles ſoll auff Wucher geben) ſo kan mirs niemand wegtragen; Jch
meyn/ dieſe Hoffnung hat vielen gefehlet.


Endlich folget ἀπώλεια, das Verderben. Wie ſauer laſſens ihnen
doch werden die Blinden im Papſtum̃/ wie bauen ſie Schloͤſſer in den Lufft/
Kloͤſter in die Hoͤll/ es mangelt ihnen an der rechten Jacobs-Leyter; Jch/
ſagt der Herr/bin der Weg! So dieſe Leute bey ihrem ſtrengen
Leben des rechten Wegs verfehlen/ wie wirds denen gehen/ denen ein groſ-
ſes Liecht erſchienen/ und doch in der Blindheit geblieben? Ein Knecht
der den Willen des Herren weiß/ und nicht thut/ wird doppelte
Streiche leiden.


Die Uranii und Uranopolitæ, Himmels-Burger ſind andere Leu-
te/ ſie wohnen als Bilgram in den Huͤtten wie die alten (wiewohl lang-
lebenden) Patriarchen/ das iſt/ ſie nehmen vorlieb mit einer ſchlechten
Wohnung/ ohne Pracht und Hoffart/ als die eine andere und beſtaͤndige
Statt ſuchen im Himmelreich. Sie leben zwar in der Welt/ aber ſie ſind
nicht von der Welt/ ſie ſind als die Gefangenen an Waſſer-Fluͤſſen Ba-
bylon/ aber ſie gedencken immer an das Jeruſalem das droben iſt/ vergeß
ich dein Jeruſalem ꝛc. Es ſind Lothi, die ihre Seel erretten auffPſ. 137. 5.
dem Kirch-Chriſt- und Himmels-Berg. Es ſind ϑεολάτρεμ, Gottes-
diener/ im Gebet und Glauben. Es ſind Simones, die dem Herren
E e e e 2das
[588]Die Sieben und Viertzigſte (Dritte)
das Creutz gedultig nachtragen/ ihnen iſt wimpel und bang/ wann ſie ohne
Pſ. 15, 1. 2. 3.Creutz ſind/ ſie beſorgẽ ſich/ ſie gehẽ ſchon auf dem breitẽ Wege. Nun HErr
wer wird wohnen in deiner Huͤtten/
(in der Chriſtlichen Kirchen)
wer wird bleiben auff deinem heiligen Berge? (dem Himmel)
Wer ohne Wandel einher gehet/ und recht thut/ und redet die
Warheit von Hertzen/ wer ſeinen Naͤchſten nicht verleumdet
und ſchmaͤhet/ kein arges thut: Wer ſchweret und haͤlts; wer
ſein Geld nicht auff Wucher gibt/ nimmet nicht Geſchenck
uͤber den Vnſchuldigen; wer das thut der wird wohl bleiben.

Wo iſt derſelbe Mann/ ſo wollen wir ihn loben? Ja freylich loben; der
mag wol mitten unter den Steinen ſich troͤſten mit Stephano: Jch ſehe
den Himmel offen! Jn Pathmo mit Johanne/ dem in ſeinem exilio das
himmliſche Jeruſalem gezeiget worden und offen geſtanden: Jm Creutz
2. Pet. 1.
Luth. tom.
7. fol.
56.
mit der Schauung auff dem Berge wie Petrus/ 2. Petr. 1. Jn allerhand
Plag und Verfolgung der Feinde mit Luthero. Die Welt ob ſie
uns auffs hoͤchſte ſchlaͤgt/ Hauß und Hof/ und alles nimmet/ verlieren wir
doch nur den Sack/ und uns bleibet der Schatz/ biß wir endlich vom
Kirch-Berge auf den Himmels-Berg transferirt/ mit Frieden und Freu-
den davon fahren/ vnd uns aus Joſaphat Lobethal erſchwingen in Chriſti
Jeſu Lobeſaal/ da wir mit Petro ſagẽ koͤñen: Hie iſt gut wohnen/ hie iſt
beſſer wohnen/ hie iſt am beſten wohnen! mit David: Mir iſt ein
Pſal. 16, 6.ſchön Erbtheil worden/ das Loß iſt mir gefallen auff das lieb-
liche/
mir als dem Erſtgebornen ein doppelts Erbe. Ach wann der
HErr die Gefangene aus Zion erlöſen wird/ ſo werdẽ wir ſeyn
wie die Traͤumende. Dañ wird unſer Mund voll lachens und
unſere Zung voll ruͤhmens ſeyn/ da wird man ſagen:
Trutz allen
Heyden und Veraͤchtern Gottes. Der HERR hat groſſes an
Pſ. 126, 1. 2.
3.
uns gethan/ der HERR hat groſſes an uns gethan/
des ſind wir froh.
Iò! Iò! in dulci
jubilo,
Amen.


Die
[589]Predigt.

Die Acht und Viertzigſte Predigt/


Vber den dritten Articul.
Von dem ewigen Leben/


Die Vierte Predigt/


Von der Ruhe im ewigen
Leben.


GEliebte in Chriſto: Freylich iſt dem alſo und nur allzu-
wahr die jenige Klage/ welche der alte/ betagte/ in der
Creutz Schul wolgeuͤbte und probirte Pilgram St. Jacob/
Gen. 47. gegen dem Koͤnig Pharao gefuͤhrt und geſagt:
Wenig und boͤß iſt die Zeit meines Lebens!Gen. 47, 9.
Pharao fragt ihn: Wie alt biſtu? Ach! ſagt er: Die Zeit meiner
Wahlfahrt iſt hundert und dreiſſig Jahr/ wenig und böß iſt
die Zeit meines Lebens/ und langet nicht an die Zeit meiner
Vaͤter in ihrer Wahlfahrt.
Es klaget der heilige Patriarch I. uͤber
die Kuͤrtze ſeines Lebens/ da im Gegentheil ſeine Vaͤter etlich hundert ge-
lebet/ Adam neun hundert und dreiſſig Jahr/ Enoch drey hundert und
fuͤnf und ſechszig/ ſo viel Tage im Jahr/ Mathuſalah neun hundert und
neun und ſechszig/ Abraham hundert und fuͤnff und ſiebentzig/ Jſaac hun-
dert und achtzig Jahr alt worden/ ſo ſagt er/ ſein Leben waͤre mehr nicht als
hundert und dreiſſig Jahr/ und er werde es laͤnger nicht wohl treiben koͤn-
nen/ wie das abnehmen ſeiner Kraͤfften ihn uͤberzeugt/ das Hauß krachte.
Ja freylich kurtz; hat damals Jacob ſchon geklagt/ wie vielmehr haben wir
heutiges Tages zu klagen Vrſach? Wo findet man ietzo viel einen hun-
dertjaͤhrigen? Die Schrifft vergleicht das Leben einem Flug und Spiel/
Pſal. 90. einem Rauch/ Jac. 4. einem Weberſpul/ Job. 7. einem Schat-Pſ. 90, 10.
Iac. 4, 14.
Iob. 7, 2.
Eccl. 7, 1.
Sen. ep.
59.

ten/ Eccl. 7. Curſus de tumulo ad tumulum, ſchreibet Gregorius Na-
zianzenus:
Es iſt ein Lauff von einem Grab zum andern. Mox ut in
vitam ingredimur, ſtatim aliâ portâ exire incipimus,
ſchreibet Seneca:
So bald wir in das Leben eingehen/ ſo bald fahen wir an zu einer andern
E e e e 3Pfort
[590]Die Acht und Viertzigſte (Vierte)
Pſ. 90, 9. 10.Pfort außzugehen/ ſonderlich Moſes Pſal. 90. vergleichets einem Flug/
Spiel und Geſchwaͤtz/ einer Comœdi.


II. Vber die Boͤſe des Lebens/ uͤber ſein vielfaͤltiges Creutz und
Hertzeleid/ das er von und in der Welt erfahren muͤſſen/ ſonderlich ſeiner
Freunde Creutze; Creutz an ſeinem Bruder/ der ihn verjagt und verfolget:
Creutz an ſeinem Schwaͤher Laban/ der ihn geteuſchet und tyranniſch
als einen Sclaven tractirt/ derſelbe war ein umbkehrter Nabal/ ein Narr
in ſeinen Sack; Weiber-Creutz/ die ſich gezancket und gezweyet; Kinder-
Creutz an Ruben dem Blutſchaͤnder; an Simeon und Levi den Moͤr-
dern; an Dina der gefaͤlleten; und da er an dem eintzigen Joſeph Freude
und Ergoͤtzligkeit hat haben ſollen/ da er im beſten war/ bekommt er die boͤ-
ſeſte Zeitung! andere Marter und Plagen zu geſchweigen.


O wie wahr haſtu Jacob! du lieber alter Greiß! Die Kinder/ ſo
bald ſie an die Welt kommen/ ſtimmen mit zu/ was Jacob erfahren/ da-
von heulen die Kinder/ ſo bald ſie dieſer Welt anſichtig werden. Nie-
mand ſoll ſagen: (ſchreibet Auguſtinus) Vnſere Vaͤter/ Großvaͤter und
Vorfahren haben gute Tage gehabt/ wir aber haben die boͤſe Zeiten und
Tage! ſintemal von dem an/ da Adam gefallen iſt und aus dem Paradeiß
verſtoſſen/ ſo ſind niemahls andere als boͤſe Zeiten geweſt: Laſſet uns nur
die Kinder fragen/ die geboren werden/ warumb ſie ihr Leben mit weinen
anfangen/ da ſie doch lachen koͤnten? Was die Kinder heulen/ das ſingen
wir allzumahl: Von allem Vbel uns erloͤß/ es ſind die Zeit und
Tage boͤß!
boͤß in thun/ boͤß in leiden/ boͤß in der Erfahrung/ ſonderlich
Apoc. 12,
12.
ietzt in dieſer betruͤbten letzten Zeit/ da der Teufel gantz loß worden/ wuͤtet
und tobet; Es ſind greuliche Zeiten; wie davon laͤngſt zuvor St. Paulus
propheceyet.


Nun meine Liebſte/ hoffen wir allein in dieſem Leben auff Chriſtum/
1. Cor. 15,
19.
ſo ſind wir die elendeſten unter allen Menſchen! Viel ein edlers/ ſafftigers
und kernhaffters Leben iſt das Leben/ welches der himmliſche Vater bereitet
ſeinen Kindern/ der Sohn Gottes mit ſeinem Tod erworben/ dazu uns
der Heilige Geiſt beruffen und widergeboren. Welches die Bekenner zu
Nicea glauben und ſprechen: Wir glauben ein Leben der zukůnff-
tigen Welt!
Deſſen Ruh/ Herrligkeit und Liebligkeit wir zu beſchreiben
hiemit anfangen. Nach dem wir vernommen το῀ εἰ ἐςι, τὸ ποῦ, daß ein
ander Leben und wo es ſey/ ſo folget das Leben ſelbſt. Gott wolle uns
mit ſeiner Gnade hierzu beywohnen umb Jeſu Chriſti
willen/ Amen.


Wann
[591]Predigt.

WAnn wir demnach glauben ein Leben der andern Welt/ ſo verſtehen
wir freylich nicht vitam naturalem \& terreſtrem, ein natuͤrliches/
irrdiſches Leben/ wie der Menſch im Stande der Vnſchuld gelebt; daſſelbe
war zwar ein herrliches/ edel und koͤſtliches Leben/ aber ein Leben das Spei-
ſe/ Tranck und Schlaff beduͤrffte/ es war nur ein præludium und Vorſpiel
eines andern beſſern und rechtſchaffenen Lebens/ das in Chriſto iſt; Vmb
jenes Lebens willen iſt Chriſtus nicht in die Welt kommen. Viel weniger
verſtehen wir das elende Leben nach dem Fall/ das Kummer-Leben/ das
Toden-Leben im Lande der Krancken/ Kuͤlſternden/ Heulenden/ zu welchem
die jenige/ die Chriſtus aufferwecket/ aufferſtanden/ Hunger und Durſt
gelitten/ ander Creutz außſtehen/ endlich noch einmahl ſterben muͤſſen/ ſo
auch Speiß von noͤthen hat/ darvon wir ſingen: Mitten wir im LebenLuc. 8, 55.
ſind mit dem Tod umbfangen. Am allerwenigſten das unſeelige
Leben der Verdamten/ die leben auch in Ewigkeit/ ihr Wurm ſtirbet
nicht/ aber es iſt ein elend Leben/ tauſendmahl und abermahl tauſendmahl
moͤchten ſie die Hoͤllen-Braͤnde lieber tod ſeyn als auff ſolche Weiſe leben.
Leben heiſſet in heiliger Schrifft wohl leben/ vollkommen/ gluͤckſeeligDevt. 30,
19.
1. Sam. 10.
2.
1. Reg.
1, 25.

leben. Vivat Rex,der Koͤnig lebe/ ſo hat man dem neugeſalbten
Koͤnig pflegen zuzuruffen 1. Sam. 10. 1. Reg. 1. das iſt/ der Koͤnig lebe
wohl/ er regiere gluͤcklich/ es geluͤcke ihm in allem nach Wundſch. Non
eſt vita, niſi ubi feliciter vivitur, non eſt vivere, ſed valere vita,
ſagt Au-
guſtinus:
Das iſt kein Leben/ wo man nicht gluͤckſeelig und wohl lebet/
nicht leben/ ſondern geſund ſeyn und wohlſtehen/ heiſſet leben. Jenerv. D. Gloſſ.
Philol. S.
l. 3. tract. 3.
p.
250.

Hof-Diener beym Kaͤyſer Adriano, Similis genant/ bate in ſeinem Alter
umb Vrlaub/ damit er etwas beſſer und ruhiger leben koͤnte; nach dem
ers erlangt/ lebete er noch ſieben Jahr/ befahl auff ſeinen Grabſtein zu
ſchreiben dieſe Wort: Hie ruhet ein guter Mann/ mit Namen Similis,
der hat zwar ſein Leben auff ein hohes Alter gebracht/ aber nur ſieben Jahr
gelebt/ als der zuletzt allererſt ſeines Lebens froh worden. Wer recht Si-
milis
will ſeyn/ der wirds alſo finden im himmliſchen Fried-Land
der Lebendigen.


Vnd demnach vitam cœleſtem \& paradiſiacam, ein him̃liſches Para-
diß-Leben/ gleich in gewiſſer Maß dem/ das in dem Paradiß geweſt/ nach
der proportion des Orts der andern Welt/ ein himmliſch und geiſtlich
Leben/ da man weder ſpeciem propagirt/ noch individuum conſervirt/
weder freyet/ noch ſich freyen laͤſſet. Ein ſeeliges und geſegnetes Leben/
entgegen geſetzt dem Paradiß-Fluch/ da es nicht heiſſet: Du wirſt des
Todes
[592]Die Acht und Viertzigſte (Vierte)
Todes ſterben/ ſondern du ſolt und wirſt ewig ſeelig leben! Vita viva, Ein
rechtſchaffenes/ lebendiges Leben/ da kein Funcken einiges Todes oder
Chryſoſt,
hom. 46.
in Ioh.
Sterbligkeit zu finden. Chryſoſtomus zeucht zwo Vrſachen ein/ warumb
der Heilige Geiſt den ſeeligen Zuſtand in jener Welt ein Leben κατ᾽ ἐξοχὴν
nennet? Vitæ, ſchreibet er/ ubique meminit Salvator; Nam ejus tra-
himur cupiditate, \& nihil ſuavius, quàm non mori. Simul oſtendere
vult, quòd ſupplicium ex peccato inductum nunc revocet, ſententiam
illam mortis ſolvendo \& vitæ ſem piternæ inducendo.
Es gedencket
unſer Heiland allenthalben des Lebens; Dann Er weiß wohl/ daß wir
eine Begierde darnach haben/ und iſt nichts liebers und lieblichers als
nicht ſterben/ es iſt nichts uͤbers Leben. Er will auch zugleich mit zeigen/
daß Er die Straffe/ ſo durch die Suͤnde eingefuͤhret/ ietzo gleichſam wider-
ruffe/ in dem Er den jenigen Todes-ſententz/ den Er unſern erſten Eltern
angehencket/ auffhebe/ und das ewige Leben einfuͤhre.


In ſpecie heiſſet leben hie I. vita ſecura, pacata, quieta, victo-
rioſa,
ein ſiegreiches/ triumphirendes/ freyes/ friedſames/
ſichers/ ruhiges Leben:
Das jenige Statt-Leben/ welches uns Gott
2. Cor. 1.der Vater bereitet und gebauet/ daß es eine Frey-Statt/ ein aſylum ſeyn
ſolle/ die nicht vergebens eine Frey-Statt/ unuͤberwindliche/ feſte Him-
Gal. 4, 26.mels-Burg genennet wird. Gal. 4. gleich wie zun Zeiten Salomonis
ein ieglicher ſicher und ruͤhig unter ſeinen Feigen-Baum und
1. Reg. 4,
20. 25.
Luc.
21, 28.
Weinſtock geſeſſen/ 1. Reg. 4. Vita liberata, Ein befreyetes Leben
durch die ἀπολύτρωσιν und vollkommene Erloͤſung von allem Vbel/ wie
Chriſtus lehret/ und wie der Heilige Geiſt daſſelbe beſchreibet; dann die-
weil daſſelbe Leben unſerm finſtern Verſtande verborgen/ auch kein irrdi-
ſcher Menſch mit der Subtiliſten ſpeculation daſſelbe erforſchen kan/ ſo
laͤſſet ſich eine ſonderbare Stimm vom Himmel herab hoͤren/ mit an-
gehengtem Befehl/ manſolls der Kirchen zum ewigen Troſt auffſchreiben;
Apoc. 14,
13.
Jch hoͤret/ ſagt Johannes Apoc. 14. vom Himmel zu mir ſagen/
ſchreib: Seelig ſind die Toden/ die in dem HErren ſterben
von nun an! Ja der Geiſt ſpricht/ daß ſie ruhen von ihrer

(ſo activè, ſo paſſivè) Arbeit; ruhen in Gott als ihrem Vrſprung/
ſintemahl eine iede Creatur in ihrem Vrſprung/ Geburts-Ort und Hei-
math am beſten ruhet/ zum Exempel der Vogel in der Lufft. Vnd dieſe
Ruh meynet Chriſtus unſer Heiland/ wann Er ſpricht/ Er wolle den
Matth. 11,
29.
Muͤheſeeligen und Beladenen Ruhe ſchaffen fuͤr ihre Seelen/
Matth. 11. Gegenwaͤrtige Zeit-Vhr hat eine Spill im Zeiger/ die nimmer
ruhet/
[593]Predigt.
ruhet/ und heiſſet Vnruh; Dort aber ſtoltze Ruh/ beſtaͤndige Ruh; ruhen
gleich einem Tagloͤhner/ der ſich zu Abend niederleget und ſanfft einſchlaͤfft:
ruhen/ wie Lazarus in Abrahams Schos/ ja wie ein zartes Kind in Mut-
terleib/ es weiß von nichts/ wann es mit weinen und Schmertzen aus der
engen Herberge ſeines muͤtterlichen Leibes herfuͤr bricht/ und der Hebamm
in die Hand kommt/ ſo leget mans auff den Schos/ badet daſſelbe/ wickelt
daſſelbe ein in ſanffte Windelein/ leget es in ſein Wiegelein zur Ruh/ daß
es ſich erhole/ erquicke und lieblich ſchlaffe; Wann es ſich etwas erholet/
ſo thuts die Euglein auff/ ſihet die Welt mit Verwunderung an/ vergiſſet
aller vorigen Trangſal/ damit es im Leib ſeiner Mutter umbfangen geweſt:
Alſo iſts beſchaffen mit der Widergeburt der Gerechten; Hie iſt das Leben
verborgen in Chriſto: Jm finſtern Todes-Thal geſchicht der ſaure Durch-
gang: Die Befreyung von allen Vnflath folgt: Endlich kommet die
Seel in Abrahams Schos/ ins Buͤndelein und Windelein der Lebendi-
gen eingewickelt/ ruhet und erwacht mit Verwunderung. Was thun die
lieben Engelein am letzten End? Sie thun die Seele mein in Abrahams
Schos tragen/ ꝛc.


Es ruhet aber die Seel in Gott/ befreyet von allem was nur uͤbel
und boͤß iſt und heiſſet; von dem Sathan dem Stiffter und Vrheber alles
Vbels/ dem grimmigen Friedenſtoͤrer/ unſerm abgeſagten Feind/ dem
Seelen-Jaͤger/ dem brillenden Loͤwen/ dem rothen Drachen/ der einen groſ-Pſ. 91.
Apoc.
12,
12.

ſen Zorn hat/ der erſt zu einem Bubenſtuͤck hilfft und anſchuͤret/ hernach
aber ſtecken laͤſſet und ſich des Menſchen Vngluͤcks freuet; von dem ſind
wir zwar hie noch nicht frey/ aber der Kopff iſt ihm zerknirſcht; Er ſtreitet
zwar/ aber er herrſchet nicht mehr. Ein anders iſt innerlich regieren/ ein
anders von auſſen ſtreiten. Wie Daniel unter den Loͤwen/ alſo ſind wir
unter den Teufeln/ die ihren Rachen auffſperren uns zu verſchlingen; Aber
dort ſind wir Teufelsfrey/ die Feſtung iſt ihm zu hoch/ er iſt einmahl heraus
geworffen/ er kommet nicht mehr ein/ der Teufel wird geworffen in dasApoc. 20,
11.
() v. Luth.
tom. 8.
Witteb.
fol. 406.
Prov.
7.

Feuer und Schwefel-Pful.


Befreyet 2. von des Sathans Braut/ der Welt und dero () Er-
gernuͤſſen/ die heutigs Tages umb ſo viel ſtaͤrcker worden als ſchaͤrffer die
Straff-Ruthen/ die der zornige Gott uͤber uns verhengt; Die Welt
kan wohl nicht beſſer verglichen werden als mit einer Ertz-Hur/ die liſtig/
wild/ unbendig/ einen albern naͤrriſchen Juͤngling zur Schlacht-Banck
fuͤhret/ wie ein Vogel zum Strick eilet/ laͤſſet er ſich verfuͤhren/ wie man der
Exempel allezeit gehabt/ die den verlohrnen Sohn agirt; Wehe ihnen!
Joſeph hat der Welt Tuͤck erfahren/ wiewohl mit Sieg und Triumph/Gen. 39.
Sechſter Theil. F f f fPoti-
[594]Die Acht und Viertzigſte (Vierte)
Potiphars Weib ſpielet mit ihm eine Comico-Tragædiam, ſetzt ihm zu/
lockt ihn zu ſich und thut ihm/ wie vermuthlich/ groſſe promiſſa, welche Jo-
ſeph verfuͤhrt/ waͤr er nicht juſt und from̃ geweſt; Haͤtte er ihr gefolgt/
ſo haͤtt er ſich an Gott verſuͤndiget/ und doͤrfft ihm gangen ſeyn wie dem ver-
lohrnen Sohn: Da er aber nicht gewolt/ kehrt ſie das ſchnoͤde Weib das
rauche heraus/ wird aus einer Helena eine Hecuba, eine hoͤlliſche furia.


O meine Liebſte! Potiphars Weib ſpielt noch ihre Comœdi/ ver-
fuͤhrt junge Leute/ und wann ſie zu Fall gebracht/ laͤſſet ſie ſie ſtecken/ ver-
ſucht zur Lincken und zur Rechten: ſie lockt und liebkoſet; will ihr intent
nicht von ſtatten gehen/ ſo verfolgt ſie und ſucht durch Macht und Tyran-
ney durchzutringen. Die Babyloniſche Hur ſpiegelt ihren Schmuck/
Pracht/ Monſtrantzen/ Kirchen/ Biſtumb/ Præbenden/ locket zum Abfall
und geiſtlicher Hurerey. Hie ſitzt der Chriſt inter ſacrum \& ſaxum,
inter ſaxum \& ſaxum,
wie Daniel in der Loͤwen-Grub/ bald bleckte dieſer
Loͤw ſeine Zaͤhne/ bald jener; wie die Schafe mitten unter den Woͤlfen/ wie
die Roſe unter den Dornen/ wie Sebaſtian unter den Pfeilen. Dort aber
unter lauter Engeln. Hingegen/ wann man nicht dran will/ ſo verwan-
delt ſie ſich in eine blutdurſtige Jſabella: Die Vernunfft hat ihre inventa,
will man die nicht annehmen/ ſo wird ſie zu einer unſinnigen furia: Aber
Ioh. 16, 33.getroſt! ſagt Chriſtus: Jn der Welt habt ihr Angſt/ Jch habe ſie
uͤberwunden/ ſo werdet ihr ſie auch uͤberwinden; Dort in jener Welt muß
ſie die außerwehlten Chur-Kinder Gottes wohl laſſen unverlocket/ unbe-
truͤbt/ unverfuͤhrt/ ungebiſſen/ da gibts keine blutdurſtige Papiſten/ Tyran-
nen/ Verfuͤhrer/ Heuchler/ ꝛc. gleich wie unſer politevma droben iſt/ alſo
auch unſer aſylum und Freyſtatt viel herrlicher und ſicherer verwahrt als
das Roͤmiſche Burgrecht. Wann ein Roͤmiſcher Burger ſich auff ſein
Burgrecht beruffen/ hat man nicht doͤrffen Hand an ihn legen: Verres
wird deßwegen von Cicerone hefftig angeklagt/ daß er/ da Gajus geruf-
fen/ ich bin ein Roͤmiſcher Burger! die Ohren zugeſtopfft. O nomen
dulce libertatis! ô Jus eximium noſtræ civitatis!
alſo exclamirt Cicero
und widerum facinus eſt vinciri Romanum civem, ſcelus verberari.
St. Paulus wuſte dieſes privilegium, darumb er ſich auch auff den Adel
des Roͤmiſchen Burgrechts beruffen/ und den Tyranenn entrunnen.
Deßgleichen genoſſen die Juden groſſe Freyheiten in Egypten/ ſonderlich
() vide Hu-
gon. Grot.
ad l. 3.
Maccab.
p.
474.
zun Zeiten () Ptolemæi Lagidæ. Aber was iſt dieſe Freyheit gegen him-
liſcher Freyheit/ da kein Pharao das Volck mehr auff und von dem Got-
tesdienſt abhalten wird: kein Tyrann oder Tyranniſcus ſich mehr wird
mucken duͤrffen! alles in dem himmliſchen Jeruſalem der rechten ſem per-
freyen
[595]Predigt.
freyen und Freyſtatt/ da der Herr der Gott Jſrael ſeinem Volck
wird Ruhe geben/ 1. Chron. 24.

1. Chron.
24, 25.

Befreyet 3. von dem argen Fleiſch und Blut/ und der reitzenden
Luſt/ wider welche ein neugeborner Chriſt immer zu Feld ligen muß/ gleich
wie in dem Leib der frommen Rebeccæ unter ihrem Hertzen die zween
Zwilling Jacob und Eſau ſich mit einander collidirt und geſtoſſen/ alſo
ſtreitet im menſchlichen Hertzen das Fleiſch wider den Geiſt/
und der Geiſt wider das Fleiſch.
Erlangt das Fleiſch den Sieg
und Regiment/ ſo iſts umb den Menſchen geſchehen/ ſeine Seel ſtehet in
hoͤchſter Gefahr. Wird der Geiſt Meiſter/ und uͤberwindet zum Exempel
der ſanfftmuͤthige Geiſt das rachgierige Fleiſch/ ſo thuts dem Fleiſche weh.
Von ſolchem Jammer und Vngemach aber wird derſelbe endlich quitt/
wann er den froͤlichen Sprung thut aus der gefaͤhrlichen Zeit/ in die ſichere
Ewigkeit.


Befreyet 4. von der Suͤnde ſelbſt/ ô a quanto malo, à quanto
hoſte!
die Suͤnde iſt ja das Gifft in unſere gantze Natur durchgoſſen.
Die Suͤnde iſt unſer aͤrgſter Buſen-Feind/ und dazu maͤchtig/ man erfaͤhrt
was nur eine eintzige Suͤnd/ e. g. Mord/ Vnzucht vermag/ wie ſie den
Menſchen umb Leib und Seel bringet; ein eintziges unbedachtſam unwi-
derruffliches Wort/ welches die Voͤgel des Himmels fahen und die Fittig
haben nachſagen/ wie kan es manchmahl das Gewiſſen graͤmen/ nagen
und plagen? fuͤrnemlich von der Erb-Suͤnde dem malo ἀκαταπαύςῳ
ἐνπεριςάτῳ, dem unmuͤſſigen und hart-anklebenden Vbel/ und von der
taͤglich-begangenen Suͤnde und Gewiſſenswunden/ auff welche folgt das
boͤſe Gewiſſen/ die Furcht der Hoͤllen und ewigen Todes; Jn jenem Leben
hoͤrt auff Blindheit/ hoͤſe Luſt/ Gewiſſens-Wunden/ ja auch die cicatrices
und Wundmahl; man hoͤrt von keiner Vbertrettung mehr/ ſie iſt gantz ver-Mich. 7, 19.
Eſa. 44, 22.
Eſa. 60, 18.
Confer
Apoc. 21,
23. c. 22, 5.
Ier.
50, 20.

ſigelt und verrigelt/ und in die Tieffe des Meers verſenckt/ ver-
tilget wie der Nebel. Jm Lande der Lebendigen hoͤret man
von keinem Frevel mehr/ noch Schaden/ noch Verderben in
deſſelben Grentzen/ ſondern deſſelben Maur ſoll Heil und
ſein Thor Lob heiſſen.


Befreyet 5. von der natuͤrlichen Straffe der Suͤnden/ die uns alle
betrifft; Kein Berg in Teutſchland iſt ſo hoch/ daß einer ſeine eigene Pla-
gen/ will geſchweigen aller Adams-Kinder uͤberſehen ſolte: Da erzeiget
ſich natuͤrliche Blindheit und Thorheit im Verſtand: Jn dem Willen
wohnet die φιλαυτία, die eigene Affen-Liebe/ die boͤſe Neigung zu Vntugen-
F f f f 2den;
[596]Die Acht und Viertzigſte (Vierte)
den; will man die Natur aͤndern/ muͤſſen Schlaͤge das beſte thun; Aus
der Suͤnde entſpringen die Straffen/ die folgen einander nach/ Hunger/
Durſt/ Froſt/ Hitze/ Vngewitter/ Gifft/ Feuer/ Kranckheiten/ Muͤhe und
Arbeit/ endlich der Tod machets gar aus. Wer wandelt iemahls auff
der Straſſen/ ſchreibet Auguſtinus, daß er nicht unverhofft ungluͤcklichen
Zufaͤllen unterworffen? Es iſt einsmahls einer vom Marckt nach Hauſe
gangen mit geſunden Fuͤſſen/ da er aber heim kommen/ hat er den Fuß ge-
brochen/ und iſt an demſelben Schaden geſtorben; Wem folte man wohl
meynen/ der ſicherer waͤre als einer der daheim auff ſeinem Kuͤſſen ſitzet?
dannoch iſt Heli der Prieſter von dem Stul/ darauff er geſeſſen/ herab ge-
fallen/ und den Halß gebrochen. Zu geſchweigen der perſonal Creutz;
Aber das andere ewige Leben iſt ein ſicheres Leben/ ſicher von allen Kranck-
Apoc. 7, 15.heiten/ Hitze/ Durſt/ Es wird ſie nicht duͤrſten/ noch auff ſie fallen
Sonn oder Hitze/ dann das Lamb mitten im Stul wird ſie
weiden/ und leiten zu dem lebendigen Waſſer-Brunnen/ und
Gott wird abwiſchen alle Thränen von ihren Augen.
Frey
und ſicher von allen Schmertzen; Jſt der Menſch geſtorben an der Peſt/
an der Waſſerſucht/ am Fieber/ Druͤſen/ an kaltem Eiſen/ auff dem Rad/
geſpieſſet/ gebrennet/ von wilden Thieren gefreſſen; in einem Augenblick
empfindet er nichts mehr/ all ſein Jammer/ Truͤbſal und Elend iſt kom-
men zu einem ſeeligen End. Wie wunder-ſeltzam muß es einem fuͤr-
kommen/ der in groſſer Angſt ſeines Hertzens/ Schmach/ Spott und
Schand zum hohen Gericht und Rabenſtein hinaus gefuͤhret/ und fein
Vrtheil außgeſtanden/ wann er ploͤtzlich in einem Hui und Augenblick
wird ſeine Seel ſehen in ſicherer Ruh und unaußſprechlicher Freude? Frey
Luc. 20, 35.
1. Cor. 15,
26.
Apoc. 21, 4.
Apoc. 2, 11.
c.
20, 14.
vom zeitlichen Tode/ als tod.


Frey endlich gar vom ewigen Tode. So ruhet die Seel in Gott!
Diß laß mir ein rechtſchaffen gutes Leben ſeyn! Was ſoll unſer Leben dar-
gegen? Pfui der vanitaͤt! Es iſt ein rechtes viehiſches und elendes Leben.
Ein Vieh das muß ſich ſclaviſiren/ puͤfflen laſſen/ abmatten und arbeiten
umbs Futter/ muß wie Bileams Eſelin dem Menſchen dienen/ und nichts
als Stoͤſſe verdienen; und iſt doch auff gewiſſe Weiſe das viehiſche Leben
ein beſſer und ſeeliger Leben/ umb ſo viel beſſer als weniger es Verſtand hat;
ſtirbt der Ochs/ ſo iſts aus mit ihm/ und hat ſich nichts mehr zu befahren.
Das wuſten Ulyſſis in unvernuͤnfftige Thier verwandelte Geſellen wohl/
ohnangeſehen ihnen Ulyſles die converſion angebotten/ doch geluͤſtet ſie
nicht ein neu-menſchliches Leben anzutretten/ ſie wolten lieber Vieh bleiben
als
[597]Predigt.
als Menſch werden/ wie davon die ſinnreichen Poeten gedichtet: ſo gar iſt
es ein Elend umb das menſchliche Leben/ wer es auff dem Wege deſert fin-
den und auffheben koͤnte/ der ſolte es wohl ligen laſſen/ wann er wiſſen ſolte
alle das Vngluͤck/ ſo denſelben anklebet.


Das menſchliche Leben iſt ein elendes Leben durch alle Staͤnde/ von
welchem zeuget der Eckel und Verdruß eines ieglichen in ſeinem Stande/
daß keinem ſein Stand gut genug; immer dencket einer/ Jener Stand
iſt beſſer; Ach daß ich ein Fuͤrſt/ ein Graf ꝛc. ein Doctor, ein Pfarrherr ꝛo.
waͤre worden/ ſo gieng es mir beſſer. Die Magd waͤre gern Frau/ die
Frau die Magd/ ſo doͤrffte ſie nicht ſorgen; Der Handwercksmann waͤre
gern ein Gelaͤhrter/ alſo gar aͤngſtigen wir uns mit dem Verdruß unſers
Standes. Auff einmuͤthiges zuſtimmen der Gelaͤhrten iſt der Bauren-
Stand/ das Bauer-Leben fuͤr das ſicherſte und ruhigſte Leben gehalten
worden/ ſo gar/ daß Diocletianus ſeinen Scepter mit dem Karſt außge-
tauſchet/ und ſeinen Meyer-Hof und Land-Gut in die zehen Jahr mit
eigener Hand gebauet. Den Gelaͤhrten iſt bekant der Verß des Virgilii:
O fortunatos ſua ſi bona noſſent!
Wie gluͤckſeelige Leute ſind die Bauers-Leute/ wann ſie es nur glauben
wolten! Aber ein ungluͤckſeeliges Leben! wegen der unerhoͤrten Schin-
derey und contribution, wegen der Raͤuberey/ ſonderlich in Kriegslaͤuff-
ten/ da ſie keine Nacht ſicher ſchlaffen.


Chriſten-Leben iſt unter allen das elendeſte Leben. Zwar Welt-1. Cor. 15,
19.

Kinder nehmens alles auff die leichte Achſel/ lacht ſie das Gluͤck ein wenig
an/ ſo nehmen ſie dieſes Leben fuͤr ewig an/ es gibt wohl ſolche Thoren/ die
lieber ihr gantzes Leben in Schmertzen und Wehtagen zubringen/ wann
ſie nur des zeitlichen Lebens lange genieſſen moͤchten. Mecœnas des
Kaͤyſers Auguſti Rath und Freund pflegte zu fagen: Debilem facito
manu, debilem pede, coxâ: vita dum ſupereſt bene eſt: hanc mihi vel
acutâ ſi ſedeam cruce, ſuſtine: confer Senec. ep.
101. Aber Chriſten
nehmen ihrer Schantze beſſer wahr/ fuͤrchten ſich fuͤr Gott und ſeinem
Zorn/ ie zaͤrter das Gewiſſen/ ie groͤſſer die Furcht: Jnwendig Anfechtung/
Schroͤcken/ Suͤndenmahl; Außwendig Creutz die Menge. Ego Abel
eſſe non ſuſpicor, qui non habuerit Cain,
ſagt Gregorius M. Jch halteGreg. M.
l. 9. regiſtr.
ep.
39.

den fuͤr keinen frommen Abel/ der nicht einen boͤſen Cain gehabt. Der
Chriſten Leben iſt das Ziel und die Scheibe/ nach welcher der Sathan alle
ſeine Pfeile außſchieſſet; dannenhero hat man ſich nicht ſo hoch zu ver-
wundern uͤber die Seuffzer und Wuͤndſche der Frommen/ des Eliæ
1. Reg.
19. der iſt dieſes Lebens ſo muͤde/ als haͤtte ers mit Loͤfflen geſſen;1. Reg. 19,
4.

F f f f 3Es
[598]Die Acht und Viertzigſte (Vierte)
Es iſt genug/ ſagt er: So nimm nun HErr meine Seele von
Phil. 1, 33.
Sen. ep.
72.
mir; Paulus wuͤndſchet die ἀνάλυσιν, daß er moͤchte auffgeloͤſet
werden.
Was Seneca ſchreibet/ das wuͤndſchet ein ieder Chriſt taͤglich:
Quando continget omnibus oppreſſis affectibus, hanc vocem emittere:
vici!
Wann wird man doch mit Warheit ſagen koͤnnen: Jch habe alle
meine affecten und Begierde uͤberwunden! Hoffen und harren macht
manchen zum Narren; Wer ſeiner Hoffnung nicht will betrogen werden/
und dort in ſtoltzer Ruhe leben/ der muß auch Eliæ Geiſt/ Saulus Glau-
ben haben; will er ein ruhig ewiges Leben erlangen/ muß er hie fuͤhren ein
Gen. 5.goͤttlich Leben wie Enoch.


Hie ſind zwey extrema, und Wege/ Sicherheit und einſames Leben; der
Tit. 1, 6.eine ſchlaͤgt zu weit auf die Rechte/ fuͤhrt ein viehiſches/ heydniſches/ ja teufli-
ſches Leben/ lebet in Schwelgerey; aber er lebet ſich zu tode: Der ander
auff die Lincke; ſihet daß jenes nicht wohl ablauffet/ dannenhero liebt er
Cloſter-Leben/ Einſidler- und einſames Leben/ oder heuchleriſches Leben;
laͤſſet ſich beduͤncken/ das ſey ein ruhig Leben mit niemand ſich ſchleppen/
immer auffm Kuͤſſen ſitzen/ groſſer Haußhaltung ſich begeben/ unter deß
keine Liebe gegen dem Naͤchſten uͤben/ ꝛc. Es muß ein Chriſt fuͤhren ein
Tit. 2,ſolch Leben/ das da verlaͤugnet das ungoͤttliche Leben; Ein Gott-gelobtes
und gewiſſenhafftes Leben/ ein fromm und eiferig Leben im Ampt und Be-
ruff; ein gerecht und leutſeelig Leben; ein maͤſſiges Leben; Summa ein
recht Abrahams-Leben. Sic itur ad aſtra, Das iſt der Weg zum Him-
mel! Seelige Toden/ die allbereit zur Ruhe kommen/ und unter dem Al-
tar ruhen; Vnſere Vorfahren ſind ſicher in ihrer Seeligkeit/ aber umb
die unſere ſorgfaͤltig; ſie ſind davon als die aus der Schlacht entrunnen;
Wie ein Vogel des Stricks kommt ab/ iſt unſer Seel ent-
gangen/ Strick iſt entzwey und wir ſind frey!
ſie ſingen ſchon
Pſ. 116, 7. 8.ihr Triumph-Lied aus dem 116. Pſalm: Sey nun wider zu frieden
meine Seele/ dann der HErr thut dir guts. Du haſt/ O
HErr/ meine Seele aus dem Tode geriſſen/ meine Augen von
den Thraͤnen/ meinen Fuß vom gleiten: Jch will wandlen
fuͤr dem HErrn im Lande der Lebendigen/
mit welchen Worten
ſich der heilige Maͤrtyrer Babylas foll getroͤſtet haben in der Marter/ nach
dem er zuvor begehrt/ man wolte ſeine eiſerne Ketten/ daran er geſchmiedet
geweſen/ mit ihm begraben/ ſie werden/ ſprechend/ mir viel ſchöner
anſtehen fuͤr den Augen meines HErrn Jeſu Chriſti/ als dem

Joſeph
[599]Predigt.
Joſeph in Egypten ſeine guͤldene Kette. Zu ſolcher ſeeligen Nach-
folge/ zu ſolchem Fried und ruhigem Leben woll uns helffen der Herr Jeſus
Chriſt; Suͤnd/ Tod/ Teufel/ Leben und Gnad/ alles in Haͤn-
den Er hat/ Er kan erretten/ alle die zu ihm tretten/
Amen.



Die Neun und Viertzigſte Predigt/


Vber den dritten Articul.
Von dem ewigen Leben/


Die Fuͤnffte Predigt/


Von der ſeeligen Anſchauung Gottes
im ewigen Leben.


GEliebte in Chriſto: Gantz lieblich und anmuthig wird
uns der ſeelige Stand des himmliſchen ewigen Lebens
gleichſam in einem Vorbild und Vorgeſchmack præſenti-
ret und dargeſtellet Exod. 24. in folgenden Worten:Exod. 24,
9.

Da ſtiegen Moſe/ Aaron/ Nad ab und Abihu/ und
die 70. Elteſten Jſrael hinauf/ und ſahen den Gott Jſrael; un-
ter ſeinen Fuͤſſen war es wie ein ſchöner Saphir/ und wie die
Geſtalt des Himmels/ wanns klar iſt: Vnd er ließ ſeine Hand
nicht uͤber dieſelben Oberſten in Jſrael/ und da ſie Gott ge-
ſchauet hatten/ aſſen und truncken ſie:
Da ſtehet I.das φαινό-
μενον, theatrumund Augen-Luſt/ welches die Außerwehlte von
Volck/ Moſes ꝛc. geſehen/ niemand anders als der wahre lebendige Gott
Jſrael/ der ewige Sohn Gottes/ der ſeine Fuͤſſe ſehen laſſen/ der Gott
Abraham/ der groſſe herrliche Gott/ der ſie mit maͤchtiger Hand aus
Egypten gefuͤhret/ der kurtz zuvor ſeinen decalogum mit Donner und
Blitz und ſchroͤcklichem Pomp promulgirt/ nunmehr aber durch ein ange-
nehmes Opffer verſuͤhnet worden. Zuvor durfften ſie nicht herzu tretten
an Berg/ will geſchweigen auff den Berg ſteigen und von fernen an-
ſchauen/ nunmehr aber durch das Opffer-Blut/ in reſpectu des einigen
Verſoͤhn-
[600]Die Neun und Viertzigſte (Fuͤnffte)
Verſoͤhn-Opffers Jeſu Chriſti ſie außgeſoͤhnet/ ſo tretten ſie getroſt herzu/
und geſchicht ihnen kein Leid. Er ließ ſeine Hand nicht uͤber ſie ſc. zu
ſchaͤdigen/ dann in ſolchem Verſtande wird die phraſis und Art zu reden
Gen. 37, 22.auch anderswo geleſen Gen. 37. Vergieſſet nicht Blut/ ſondern
werffet ihn in die Gruben die in der Wůſten iſt/ und legt die

Pſ. 138, 7.
1. Sam.
24,
7.
Hand nicht an ihn. Pſal. 138. Du ſtreckeſt deine Hand uͤber
den Zorn meiner Feinde.
1. Sam. 24. ſpricht David: Das laſſe
der HErr ferne von mir ſeyn/ daß ich das thun ſolte/ und mei-
ne Hand legen an meinen HErren.
Er ſchroͤcket ſie nicht mit
Donner und Blitz/ wie zuvor das Volck erſchroͤckt wurde.


II. Majeſtas apparitionis,Die Majeſtaͤtiſche Erſchei-
nung/
in welcher Er geſehen worden; die war nun gantz Majeſtaͤtiſch
und darzu lieblich und holdſeelig. Ob der Sohn Gottes/ wie ſonſt mehr-
mahl geſchehen/ in gantzer menſchlicher Geſtalt erſchienen/ das meldet Mo-
ſes nicht; Allein gedencket er der Fuͤſſe; zeiget damit an/ daß ſie ihn nicht
à priori und von fornen/ ſondern à poſteriori und hinden her geſehen/
und zwar die jenige Perſon/ die mit der Zeit Fuͤſſe und andere menſchliche
Gliedmaſſen an ſich nehmen werde. Darneben wird gedacht eines Ma-
jeſtaͤtiſchen Fuß-Schemel/ von Saphir/ ſo ſchoͤn/ wie das ezem corpus
cœleſte,
der Saphirne Himmel wanns klar iſt. Saphir iſt ein koͤſtlicher
Edelgeſtein Himmelblauer Farb/ zwitzert von guͤldenen Dipfflen/ von
himmliſcher Art und Adel/ damit ſonderlich vorzeiten der Hoheprieſter ge-
zieret geweſt bey den Egyptiern; der trug am Halß ein Saphirnes Bild/
Ael. l. 14.
hiſt. c.
34.
welches Veritas genant war/ wie Ælianus bezeuget. Daher noch heutigs
Tages der Roͤmiſche Papſt ſeinen Creaturen den Cardinaͤlen/ wann er ſie
creirt/ einen Saphir zuſendet/ und damit ſie unter andern inveſtirt und
einweyhet. Dadurch iſt angedeutet Dei immenſitas, die Vnmaͤßligkeit
Gottes; dann Himmelblau iſt nichts anders als die Hoheit und Tieffe
des allerhoͤheſten Liechts/ an welchem dem Menſchen das Geſicht verge-
het: Wie nicht weniger divinæ majeſtatis ſerenitas \& pulchritudo, der
Glantz/ Schoͤn- und Klarheit der Goͤttlichen Majeſtaͤt.


III. Fructus viſionis,Die Frucht ſolcher Schauung;
Pſ. 27, 4.Jn dem Hebreiſchen ſtehet das Wort [...], das heiſſet/ mit ſonderbarer
Freud und Wonne und Beluſtigung etwas anſchauen/ Pſ. 27. Solche
Freude haben ſie bezeuget mit dem Opffermahl/ ſo ſie alßbald darauff ge-
halten/ ſo gar hat ihnen der ſonſt ſchroͤckliche und unertraͤgliche Anblick
Gottes nicht geſchadet/ daß ſie ſich viel mehr daruͤber erfreuet/ gleichſam als
die
[601]Predigt.
die Trunckenen è προγ [...]σει und aus dem Vorſchmack haben ſie wohl ge-
lebet/ ſie haben ſich alſo daran ergoͤtzet/ daß ſie mit einem Feſt-Mahl dieſelbe
verſigelt.


IV. Philtrum amoris,Ein Goͤttlicher Liebes-Tranck/
der ſie auffmuntert/ daß ſie aus dem Vorſchmack auffgemuntert wuͤrden
ad γ [...]σιν, zum rechten ſeeligen Koſten/ zum ewigen Freuden-Mahl; Jſt
zu dem Ende auch auffgezeichnet/ daß wir dannenhero empfangen ſollen/
nicht nur die protheoriam und Vorſchau des ewigen Lebens/ ſondern
auch die πρόγ [...]σιν, den Vorſchmack/ auff den Vorſchmack endlich erlangen
die voͤllige Nieſſung; dann in dem anſchauen Gottes beſtehet die weſent-
liche/ foͤrmliche/ vollkommene Seeligkeit. Das himmliſche Leben iſt/ wie
neulich gehoͤret worden/ ein ruhiges Leben/ eine Erloͤſung von allem Vbel/
Fried und Ruhe und gleichſam als ein Schlaff in Gott; Aber auch
ein Leben in Gott/ eine himmliſche politia, eine Nieſſung des hoͤchſten
Guts/ eine Anſchauung Gottes/ von dem wir alles haben/ woran ein
Menſch Freude und Ergoͤtzligkeit ſuchen und haben kan. Vnd iſt dem-
nach das ewige Leben der zukuͤnfftigen Welt in genere und ins gemein
vita viſiva,ein Schau-Leben. Davon dißmahl in der Furcht
des Herren weitlaͤufftiger zu handeln/ gebe Gott/ daß wir dieſes
Geheimnuͤß alſo lernen glauben/ auff daß wirs zu ſeiner Zeit mit Freuden
ſchauen/ Amen.


DAß nun die Seelig- und Herrligkeit des himmliſchen ewigen Le-
bens beſtehe in der Anſchauung Gottes/ daſſelbe bejachzet und ver-
ſpricht nicht allein Gott in ſeinem geſchriebenem Wort Pſal. 91.Pſ. 91, 16.
da Er verſpricht dem/ der ihm vertrauet: Er ruffe mich an in der
Noth! Jch bin bey ihm in der Noth/ ich will ihn heraus reiſ-
ſen in der Noht/ und zu Ehren machen/ ich will ihn ſättigen
mit langem Leben/ und will ihm zeigen mein Heil.
Matth. 5.Matth. 5, 8.
Seelig ſind/ die reines Hertzens ſind/ dann ſie ſollen Gott
ſchauen.
Joh. 17. Vater/ ich will/ daß wo ich bin/ auch die beyIoh. 17, 24.
mir ſeyn/ die du mir gegeben haſt/ daß ſie meine Herrligkeit
ſehen.
1. Cor. 13. Wir ſehen ietzt durch einen Spiegel oder1. Cor. 13,
12.

Gitter in einem dunckeln Wort/ dann aber von Angeſicht zu
Angeſicht.
1. Joh. 3. Meine Lieben! Wir ſind nun Gottes1. Ioh. 3, 2.
Kinder/ und iſt noch nicht erſchienen/ was wir ſeyn werden.
Sechſter Theil. G g g gWir
[602]Die Neun und Viertzigſte (Vierte)
Wir wiſſen aber/ wann Er erſcheinen wird/ daß wir ihm gleich
Apoc. 22,
4.
ſeyn werden/ dann wir werden ihn ſehen/ wie Er iſt. Die
Knechte Gottes werden ſein Angeſicht ſehen.


Sondern es bezeugens auch die glaͤubige/ ſehnliche Wuͤndſche der
Iob. 19, 26.
Pſ.
17, 15.
Heiligen: Jch will/ ſagt David/ ſchauen dein Antlitz in Gerech-
tigkeit/ und ſatt werden/ wann ich erwache nach deinem Bilde.

Pſ. 27, 13.Jch glaube/ daß ich ſehen werde das Gut des HErren im Lan-
Pſ. 36, 10.
Pſ.
42, 2. 3.
de der Lebendigen. Jn deinem Liechte ſehen wir das Liecht.
Wie der Hirſch ſchreyet nach friſchem Waſſer/ ſo ſchreyet
meine Seele Gott zu dir/ meine Seele důrſtet nach Gott/
nach dem lebendigen Gott/ wann werde ich dahin kommen/
daß ich Gottes Angeſicht ſchaue.
Auch die ἰσαγγελότης, die Engli-
ſche Gleich- und aͤhnligkeit/ die wir erlangen ſollen/ ſtehet uns gleichſam zum
exemplar da; wie die heiligen Engel/ als himmliſche apparitores allezeit
vor Gottes Throne ſtehen/ und διὰ παντὸς anſchauen das Angeſichte Got-
tes/ ſo truncken ſind ſie nicht von himmliſcher Freude/ daß ſie nicht auch
auff die Kinder ſehen ſolten/ und dieſelben bewachen: Das iſt ihre
Seeligkeit; Wir aber werden dermahl eins den heiligen Engeln
Matth. 22,
30.
gleich ſeyn/ Matth. 22. Es ſtimmen auch mit zu die Lehrer der Kir-
chen; Gregorius Nyſſenus, der nennet die glori des Goͤttlichen Anblicks
πάσης ἰλπίδος κορυφηὺ, πάσ ης ἰπιϑυμίας πέρας, καὶ τῶν ἀῤῥήτων ἀγαθῶν
κεφάλαιον, Das euſſerſte aller Hoffnung/ das Ende aller Begierde/ und
Auguſt. l.
de ſpir. \&
animâ.
c.
55.
das vornehmſte Hauptſtuck der unaußſprechlichen Guͤter. Auguſtinus
ſchreibet: Viſio Dei eſt tota vita æterna; ſi mali Dei faciem viderent,
pœnis carerent,
Das Anſchauen Gottes iſt das gantze ewige Leben;
wann die Boͤſen und Verdamten Gottes Angeſichte ſehen/ ſo ſtuͤnden ſie
keine Straffe aus. An einem andern Ort ſchreibt er: Si Dei præſentia
cum ſanctis habitatoribus in inferno appareret, continuò infernus in
paradiſum converteretur,
Wann Gott mit ſeinen heiligen Himmels-
Burgern in der Hoͤllen erſchiene/ ſo wuͤrde alſobald die Hoͤlle in ein lieb-
liches Paradiß verwandelt. Bleibet alſo dabey/ daß das ewige Leben
formaliter ſeye vita viſiva Dei, ein Gott-ſchauendes Leben.


Damit wir aber dieſes Geheimnuͤß etwas genauers verſtehen/ muͤſ-
ſen wir folgende Frage abhandeln I. Quis?Wer iſt der ſchöne
Augen-Luſt/ daran wir uns freuen und unſere Augen weiden
ſollen?
Er heiſſet Col tobh,Das hoͤchſte Gut. Als Moſes ge-
betten
[603]Predigt.
betten Exod. 33. HERR/ laß mich deine Herrligkeit ſehen!Exod. 33,
18.

ſagt der Herr:Jch will fuͤr deinem Angeſichte alle meine
Guͤte gehen laſſen.
Col tobh, Das hoͤchſte Gut iſt Er efficienter,
wuͤrcklich thaͤtig/ weil Er alles gut machet/ aller Schoͤne Meiſter/ weil in
ihm alle Vollkommenheit; und alſo alles was gut iſt und heiſſet zu finden/
weil Er deßwegen ſo viel gutes thut/ daß wir einig nach dem beſten Gute/
als dem Brunn aller Guͤte/ trachten und ihn ſuchen ſollen. Er iſt Deus,
Jehova,
das Goͤttliche Weſen ſelbſt; Hie ſehen wir nur ſeine Bildnuͤſſen/
darinnen Er ſich in der heiligen Schrifft gleichſam abcontrofeet/ dort aber
das Weſen ſelbſt wie Er iſt; Er iſt Jehova, das iſt/ der allein-weſende/
all- und voll-weſende Gott/ ein unerſchoͤpffliches/ unendliches Meer des
Weſens; der uͤber- und hoͤchſt-weſende Gott uͤber alles/ was gut/ edel/
ſchoͤn/ zierlich und lieblich mag genennet werden/ ein immerwaͤhrender/
unendlicher/ unermeßlicher/ unwandelbarer Gott; ein allmaͤchtiger/
allgegenwaͤrtiger/ unerſchaffener Geiſt: das allerſubtiliſte/ allwiſſende/
allerhelleſte/ allerſuͤſſeſte/ allerreicheſte/ allerfruchtbarſte Liecht/ der Vater/
der Heilige Geiſt/ und auff eine ſonderbare Weiſe der Θεάνθρωπος und
Gottmann Chriſtus/ der Jmmanuel/ welchen ſo man ſihet/ ſihet man den
Vater/ in welchem alle Fuͤlle der Gottheit wohnet leibhafftig. Summa
Gott ſelbſt der Vnerſchaffene/ dann keine Creatur mag das menſchliche
Hertz ſaͤttigen/ Deus eſt animæ centrum, portus,Gott iſt der Seelen
Ziel und Zweck/ da ſie ruhet und ſicher iſt. Feciſti nos ô Deus ad
te, \& inquietum eſt cor noſtrum, donec quieſcat in te,
Du Gott
haſt uns zu dir gemacht/ und unſer Hertz iſt unruhig/ biß es zu dir komme/
ſchreibet Auguſtinus: Man hoͤret irgend von gebornen blinden Leuten/Aug. l. 1.
Confeſſ.
c.
1.

daß ſie ſagen/ ſie wolten ihr auffgelegtes Creutz gern tragen/ und ſich aller
andern Creaturen Schau verzeihen/ wann ſie nur einmahl die Sonne
oder einen Menſchen/ der nach Gottes Ebenbilde erſchaffen/ geſehen haͤt-
ten. Nun wir ſind hie alle blind/ dort ſollen wir allererſt ſehen die Sonn
der Gerechtigkeit in vollem Glantz/ und den Allerſchoͤneſten unter den
Menſchen-Kindern.


Die Schul-Lehrer haben vorzeiten allerhand abentheuerliche Ge-
dancken gehabt von dieſem Goͤttlichen theatro, daſſelbe genennet ſpecu-
lum Trinitatis,
einen Spiegel der Dreyeinigkeit/ aus dero Anſchau die
Himmels-Heilige den ſtatum und Zuſtand des irrdiſchen menſchlichenMarchant.
in horto
paſt. pag.

248.

Lebens/ die Wuͤndſche und Gebet der ihrigen gleich wie einen Spiegel repræ-
ſent
iret ſchauẽ koͤñen/ wie Marchantius vorgibt. Waͤr das wahr/ uñ daß die
G g g g 2Heili-
[604]Die Neun und Viertzigſte (Fuͤnffte)
Heiligen alles was in Gott iſt und idealiter erſcheinet/ ſehen und wiſſen
ſolten/ ſo muͤſten die Heiligen im ewigen Leben auch wiſſen den Tag des
Marc. 13,
32.
Juͤngſten Tages/ wider die Wort Chriſti Marc. 13. Von dem Tage
und der Stund weiß niemand/ auch die Engel nicht im Him-
mel/ ꝛc.


II. Quis videndi modus?Was wird fuͤr eine Art
zu ſchauen ſeyn?
Auff was Art und Weiſe werden wir dieſer ſchoͤnen
Schau genieſſen? Hie rauffen und beiſſen ſich die Schul-Lehrer/ wie die
Hunde uͤber einem Bein; Wir laſſen ihnen das Bein/ und ſuchen das
Fleiſch und Marck; halten uns nicht auff in Erzehlung vielerley Arten
des Anſchauen Gottes/ bleiben einfaͤltig bey dem/ was uns die Schrifft
an die Hand gibt/ ſonderlich 1. Cor. 13. 1. Joh. 3. 2. Cor. 3. daraus er-
ſcheinet/ daß dieſe viſion ſeye eine unmittelbare Schau ohne Zeichen und
Sinn-Bilder; Vnſer Auge iſt ein herrliches Wunder-Geſchoͤpff Gottes/
als in welchem kleinen zarten Coͤrperlein des gantzen Firmaments Ster-
ne/ die vielmahl groͤſſer ſind als die Erde/ gefaſſen und durch etliche tauſend
Meilen hindurch koͤnnen beſchauet werden; Aber es geſchicht per ſpecies,
vermittelſt derſelben euſſerlichen Geſtalten und Sinn-Bilder: Auff wel-
che Weiſe auch Gott der Herr in dieſer Welt geſehen wird in ſeiner
Creatur/ in der heiligen Schrifft/ in den ſignis hieroglyphicis und Abbil-
dungs-Zeichen; Aber dort wird Er geſehen werden unmittelbar/ dieweil
Er wird ſeyn alles in allem.


Es wird ſeyn viſio clara, eine helle/ offene Anſchauung ſine ænigma-
te,
nicht von fern im dunckeln; Wir ſehen auch hie. Offtmahl einen
Baum fuͤr einen Menſchen an: viſio epoptica \& autoproſopica, eine
Selbſt-Schau/ da wir nicht mehr im Spiegel/ ſondern von Angeſicht zu
Angeſicht ihn werden anſchauen; dann hie ſehen wir zwar Gott auch/
aber in einem Spiegel. Wir werden ihn ſchauen viſione perfectâ, durch
eine vollkommene Anſchauung/ wiewohl nicht comprehenſivâ, ſondern
nach der regul des Goͤttlichen Willens abgemeſſener Weiſe; Hie ſehen
1. Cor. 13,
12.
wir ſtucksweiſe/ dort vollkommen. Vnſer Auge ſihet ſich nimmer ſatt/ es iſt
bald verneugernt/ bald eckel/ man erfaͤhrt es an den Thulipan und Blu-
men/ wie bald man ihrer genug hat. Jtem am Reiſſen/ Botz iſts nur das/
ſagt man: Aber hie iſt die ſaturitas und die Erſaͤttligkeit/ Gott nimmt
das Auge voll ein.


Rivet. in
Exod. pag.

129.

Ob wir aber Gott mit leiblichen Augen anſchauen werden? iſt
nicht temerè und ohnbedachtſam zu verlaͤugnen/ mit Riveto: Oculis
noſtris (corporeis) nos Dei ſubſtantiam viſuros nec Scriptura dicit, nec

verum
[605]Predigt.
verum eſt, quicquid nonnulli dicant de elevatione potentiæ \&c. DaßFingit
Corn. à la-
pide ad Eſ.
34. p. 298.
Angelos
in cœlo aſ-
ſumturos
corpora
ſpecioſa ex
æthere,
quibus pa-
ſcant ocu-
los beato-
rum, ut ab
eis videri
\& ab
ore ad os
loqui poſ-
ſint.

wir Gottes Weſen mit unſern leiblichen Augen ſehen ſollen/ davon ſagt
die Schrifft nichts/ iſt auch nicht an dem; Es moͤgen etliche ſagen was
ſie wollen von der elevation und Erhebung der Augen. Chriſtum wer-
den wir mit leiblichen Augen anſehen/ welches gewiß iſt aus Job. 19. Alſo
haben ihn Stephanus und Paulus geſehen; ſo glauben wir auch wohl
moͤglich ſeyn/ daß die außgeklaͤrete himmliſche unſterbliche Augen ſo hoch
wohl elevirt und erhoben werden koͤnnen/ daß ſie Gottes geiſtliche Weſen
ſchauen moͤgen; ſintemal ſo der gantze Leib ſoll geiſtlich ſeyn/ warumb
nicht auch das Auge? So das leibliche Feuer in der Hoͤlle die Seele wird
plagen koͤnnen/ die doch ein Geiſt iſt; Warumb ſolt nicht auch ein Geiſt
mit geiſtlichen verklaͤrten himmliſchen Augen koͤnnen geſehen werden.
Aber was noch kein Auge geſehen/ und der Geiſt Gottes nicht offenbaret/
da laſſen wir den Fuͤrwitz.


III. Quis fructus?Was werden wir dann fuͤr Nutz von
ſolcher Schau haben?
Weltlicher und leiblicher Augen-Spiegel iſt
manchmahl groſſer Mißbrauch unterworffen und per accidens zufaͤlliger
weiſe ſchaͤndlich der geſtalt/ daß gleich wie die Gottſelige Juͤdiſche Weiber
und andaͤchtige Wittwen/ ſo der Welt vanitaͤt beurlaubet/ und ſich dem
Gottesdienſt ergeben/ ihre κατόπτρα und Hauß-Spiegel zur Hebe gebracht/
und das eherne Handfaß des Heiligthumbs damit behengt/ wie etliche Leh-
rer die Wort Exod. 38. dahin gedeutet: Alſo ſolte man auch die Spiegel-Exod. 38, 8.
Schau Gott im Himmel zur Hebe geben/ fuͤr die ſchoͤne/ lebendige/ ge-
ſunde Geſtalt des Leibes Gott im Himmel danckſagen/ die heßliche und
unartige zur Demuth gebrauchen/ und deſto mehr ſich des innerlichen/
geiſtlichen Seelen-Schmucks befleiſſigen: Aber dieſes Zwecks wird ge-
meiniglich verfehlet/ es muß der Spiegel ein inſtrument werden der Hof-
fart/ der Eigen-Liebe oder Eigen-Buhlſchafft/ des ſelbſt-gefallen/ Non ſum
adeò informis nuper me in littore vidi,
ich haͤtte nicht gemeynt/ daß ich
ſo ſchoͤn und wohlgeſtalt waͤre/ ſagt manche Dam: die laͤſſet ſich alßdann
keine Sau duͤncken.


2. Viel ſchoͤner/ edler und wunderbarer iſt der natuͤrliche Augen-
Spiegel/ der zarte Augapffel und hellleuchtende/ kugelrundte Augenſtern/
durch welchen allerhand Liecht/ Farben und Geſtalt einleuchtet/ ja die
gantze Natur mahlet ſich ſelbſt ab/ Himmel und Erden fanget er auff
in unglaublicher Geſchwinde/ darumb ihn auch die Natur ſo wohl ver-
G g g g 3wahret
[606]Die Neun und Viertzigſte (Fuͤnffte)
wahret mit unterſchiedlichen tunicis und Haͤutlein/ mit Augenliedern
und Augbrauen/ damit er nicht beſchaͤdiget werde; Aber ie edler der Spie-
gel/ ie groͤſſer und ſchaͤndlicher der Mißbrauch: von rechtswegen ſolt er die
Matth. 18,
7.
Tugend befoͤrdern/ ſo aͤrgert er bißweilen Matth. 18. er ſolte κόρη heiſſen/
ſo heiſſet er πόρνη; man ſolte lauter Leben und Lebens-Reguln und Lebens-
Exempel empfangen und eingehen laſſen/ ſo faͤllet und dringet der Tod und
Ier. 9, 21.deſſen Vorbott die Suͤnde hinein mit Hauffen.


3. Nichts iſt aber uͤber den edelſten/ uͤbernatuͤrlichen Wunder-
Spiegel und Augapffel des Goͤttlichen Worts/ λόγου ἐμφύτου, des uns ein-
gepflantzten und beygelegten Worts Gottes/ ἐσόπτρον ἀκηλίδωτον, ein un-
Sap. 7, 26.
Prov. 7, 2.
1. Cor.
13,
12.
befleckter Spiegel. Jſt ein ſchoͤner Augapffel Gottes/ der edelſte Spiegel/
als der ſeinen Adel vom Himmel herab derivirt/ daſelbſt bereitet/ poliret
und dem Menſchen verehret worden; das rechte ſpeculum Trinitatis,
darinnen die Heilige Dreyfaltigkeit ſelbſt/ als das Ertz-Bild abgebil-
det. Schoͤn darinnen das erſte Maͤnnlein/ das Gott erſchaffen/
in ſeiner Heiligkeit/ Liebe/ Weißheit/ Gerechtigkeit fuͤrleuchtet: das edelſte
Kind Gottes/ der eingeborne Sohn Gottes/ der in allen ſeinen Tugenden
ſich ſpiegelt: die perſpectiv, dadurch wir in jenes allerheiligſte Leben ſehen
moͤgen; der brennende feurige Geſetz-Spiegel/ der Spiegel zart/ der
uns zeigt an die ſůndliche Art/ in unſerm Fleiſch verborgen;

und daſſelbe gantz frey/ unpaſſionirt/ unparteyiſch. Man hat wohl falſche
Spiegel/ die ein Ding groͤſſer oder kleiner præſentiren als es iſt; in dieſem
erſcheinet der Kopff ſo ungeheuer/ daß man davor erſchrecken muß: in je-
nem ſo klein/ wie eine Linſe/ daß man ſich verwundert: Aber Gottes Wort
repræſentirt gantz eigentlich den Greuel/ die Groͤſſe/ Menge/ Schwere der
Suͤnden in allein ſeinen lebendigen Farben/ ſtreichet niemand keinen
Fuchs-Schwantz/ brennet als ein Feuer-Spiegel ins Hertz und Gewiſſen
hinein/ und draͤuet ein ander unloͤſchlich Feuer allen denen/ die ſich durch
ſolche Schau nicht wehren laſſen und erſchrecken.


So edel abermal dieſer Spiegel iſt/ ſo ſchnoͤderweiſe wird er auch miß-
brauchet/ mißhandelt/ ſo viel Zweckfehler werden an ihm begangen: Von
rechtswegen ſolte man demſelben begegnen mit einẽ guten/ geſunden/ Gott-
wohlgefaͤlligen Syllogiſmo, da die præmiſſæ von den λόγοις intoniren/ die
concluſion auff die ἔργα außgiengen: Aber was klagt S. Jacob in ſeiner
lection? Er klagt uͤber einen ſophiſticum paralogiſmum und falche/ ſelbſt-
betruͤgende/ hoͤchſtſchaͤdliche Schluß-Rede: Seyt Thäter/ ſagt er/
des Worts/ und nicht Hörer allein/ damit ihr euch ſelbſt betruͤ-
get/
[607]Predigt.
get/ ῶαραλογιξόμενοι ἑαυτοὺς. Das ſey aber fern/ daß das ſpeculum Trinita-
tis,
der Schau-Spiegel der Heiligen Dreyeinigkeit/ in dem wir Gottes
Weſen/ Majeſtaͤt/ Glori und Herrligkeit augenſcheinlich ſehen ſollen/ eini-
gem Mißbrauch/ einiger auch nur zufaͤlliger Schaͤdligkeit und Gefahr
ſolte unterworffen ſeyn; Es iſt eine heilige Schau/ eine immerergoͤtzliche/
eine ſegenreiche und fruchtbare Schau. Sie iſt nicht eine ſolche leere/
unfruchtbare/ unnuͤtze Schau/ die weder kalt noch warm gibt/ ſondern ins
gemein eine Saͤttigungs-Schau/ eine trunckenmachende Schau/ eine
ſeelig- und lebendigmachende Schau/ dann bey Gott iſt die Lebens-
Ader/ aus welcher alles Leben quillet/ ſonderlich weil Gott die weſent-Pſal. 17, 15.
1. Cor.
15,
28.

liche Liebe ſelbſt iſt/ ſo iſt die edelſte Frucht die Goͤttliche Liebes-Flamm/ die
ſich gegen und in die Außerwehlten ergeuſſet/ ſie entzuͤndet/ daß ſie als die
rechte Geliebte in dem Geliebten geliebet werden und widerumb lieben.
Wer duͤrffte ſo kuͤhn ſeyn und ſagen/ Chriſtus der holdſeeligſte Menſchen-
Freund ſeye ſeinen Außerwelten ſo wohl guͤnſtig als ihme ſein himmliſcher
Vater geneigt und guͤnſtig iſt? Nun ruͤhmt das Chriſtus ſelbſt von der
himmliſchen Liebes-Glut und ſpricht Joh. 15. Gleich wie mich meinIoh. 15, 9.
Vater liebet/ ſo liebe ich euch/ ſein Hertz hat an dem Tag ſeines
Fleiſches gegen uns/ da wir noch ſeine Feinde waren/ gebrennet. Iſthuc
(ad crucem inquit ipſe) amor generis me traxit humani, quod ſe noxa
ſceleris occidit profani?
Wie groß wird dann die Liebe ſeyn gegen ſeine
außerwehlten Freunde?


Summa Gott wird ſeyn alles in allem/ Er wird das Auge erfuͤl-
len mit allen Guͤtern/ das iſt/ Er iſt das hoͤchſte Gut/ die Quell-Ader alles
guten; Er ſelbſt/ nemlich immediatè vi oppoſitionis, unmittelbarer
weiſe/ anders als in dieſem Leben; dann hie wuͤrcket Er durch das mini-
ſterium
und Heilige Predig-Ampt den Glauben: durch die Obrigkeit
Friede und ruhiges Leben: durch die Eltern Nahrung: den Duͤrfftigen
hilfft Er durch Patronen und Gutthaͤter/ Er wuͤrcket durch Speiß und
Tranck/ durch Artzney/ durch andere Gaben/ dort aber wird er die Larv
wegthun: Da wird kein Tempel ſeyn noch Sonne; Jch ſahe/Eſa. 60, 19.
Apoc.
21,
22. 23.

ſchreibet Johannes/ keinen Tempel in der Statt Gottes/ ſie be-
darff keiner Sonn noch des Monden/ der HErr iſt Tempel/
die Herrligkeit Gottes erleuchtet ſie;
Es wird alle Obrigkeit auffge-
hoben werden.

1. Cor. 15,
24.
Dan. 2. 44.
1. Cor.
12, 6.

Er wird SEYN/ nicht nur wuͤrcken/ ALLES.Hieronymus
ſchreibt:
[608]Die Neun und Viertzigſte (Fuͤnffte)
Hieron. in
ep. 147. ad
Amandũ.
ſchreibt: Dominus atque Salvator noſter nunc eſt pars in ſingulis, in
Salomone ſapientia, in Davide bonitas, in Job patientia, tunc ſinguli
ſanctorium omnes virtutes habebunt.
Vnſer Herr und Heiland iſt
ietzo hie in einem ieglichen gleichſam ſtuͤcksweiſe; in Salomone die Weiß-
heit/ in David Guͤtigkeit/ in Job die Gedult; Aber dort alßdann wird ein
ieglicher Heiliger alle Tugenden haben. Jn ALLEM ὀλίγον Θεοῦ ἐν
ἡμῖν φέροντες at illîc ὅλοι Θεο ειδει῀ς ὅλου ϑεοῦ χωρητικοὶ καὶ μόνου, ſchreibt Gre-
Greg. Naz.
orat,
4.
gorius Nazianzenus: das iſt/ Wir empfinden allhie die Goͤttliche Krafft
gar wenig/ dort werden wir gantz Gott-faͤhig und Gott gleich ſeyn/ als
des einigen Gottes Eigene. Hie in dieſer Welt gedeyet manchem from-
men Hertzen ein Gnaden-Schein/ ein Himmels-Blick/ der beſſer iſt als
Himmel und Erden/ wie vorzeiten Taulerus hie geprediget/ daß ihm in ſei-
ner Andacht nicht anders zu Muth wird als waͤr er ſchon im Himmel/
er iſt voll Gott und Geiſt; Aber bald aͤndert ſichs/ er muß wider in die
Welt zu ſeinem Beruff! Dort aber ὅλως μόνως, gantz und allein und im-
Aug. l. 1. de
Trin. c.
10.
mer Goͤttlich: Auguſtinus vergleichet dieſes Geheimnuͤß mit der Maria
und Martha: Maria war muͤſſig von allen haͤußlichen Geſchaͤfften/ hoͤ-
rete einig Chriſto zu/ hingegen Martha machte ihr viel zu ſchaffen: Alſo
ſind wir hie alle geſchaͤfftige Marthanen; wir laſſen langſam in uns kom-
men/ daß wir Gottes gedencken/ deſſen wir doch/ ſo offt wir Lufft ſchoͤpffen/
gedencken ſolten; Es ſtecket das Hertz voll Welt. Dort aber iſt Gott
alles in allem/ den wir allein ἀδιασπάςως unverſcheidlich und unauß-
ſetzlich werden zu loben und zu lieben haben.


In ſpecie und inſonderheit iſt dieſe Schau eine herrlichmachen-
de Schau;
Gleich wie Moſes aus der Anſchauung Gottes vom himm-
2. Cor. 3, 8.liſchen Glantz durchleuchtet worden. Eine heilige und gnaden-
reiche Schau/
dieweil gleich wie die ſpeeies das Auge oder den Spiegel
mahlet/ alſo werden wir Gott gleich ſeyn durch die ἀποκαταςασιν und
Widererſtattung des Goͤttlichen Ebenbildes/ dann wir werden ihn ſehen
1. Ioh. 3, 2.
Exod. 24,
11.
Matth.
18,
10.
wie er iſt/ daß wir alſo nicht mehr werden ſuͤndigen koͤnnen. Eine fröliche
Schau/ eine ewige Schau;
Gleich wie die Heiligen Engel allezeit
ſehen das Angeſicht Gottes/ und von ſolcher Schau ſchoͤpffen Freude die
Fuͤlle und lieblichs Weſen immer und ewiglich; Alſo werden auch wir
alßdann ſeyn bey dem Herren allezeit in unaußſprechlicher Freude
und Wonne.


1. Theſſ. 4,
17.

IV. Quis ſpectator? Der weiland hie in dieſer Welt arme
blinde Menſch/ der auch/ wo die Gnaden-Sonne am helleſten ſcheinet/
an der
[609]Predigt.
an der Wand tappet. Quando?Wie muß das Augequalifici-
ret ſeyn/ das einen ſolchen herrlichen Augen-Luſt anſchauen
ſoll?
Es muß ſeyn ein außerwehltes Auge/ ein reines und heiliges Auge/Exod. 24,
9.
Matth. 5, 8.
Hebr.
12, 4.

rein vom Glauben und heiligen Leben/ Aſpectum ſolis niſi clara lumina
non requirunt: Sic præſentiam juſti Principis ambiunt, qui de cordis
ſinceritate præſumunt,
ſchreibet Caſſiodorus: Gleich wie die Sonne kein
Auge erdulden kan/ es ſeye dann heuter und klar: Es fliehet ein Menſch
die Gegenwart ſeines gerechten Fuͤrſten/ der nit in ſeinem Hertzen und Ge-
wiſſen ſich rein befindet. Man ſihets/ wer ein Bubenſtuͤck auff der Hau-
be hat/ der darff niemand redlich anſehen. Alſo wann Saul wuͤtet und
to et/ und mit blutduͤrſtigen Augen die Gemeine Chriſti anſihet und an-
fichtet/ ſo wird er durch das Sonnenklare Antlitz Chriſti viel mehr juſto
judicio
verblendet als erleuchtet. Wann die Juden die Finſternuͤß mehr
lieben als das Liecht/ ſo bleiben ſie als Kinder der Finſternuͤß in ihrer
Blindheit/ rappen am hellen Mittage/ und werden endlich hinaus geworf-
fen in die ewige Finſternuͤß. Endlich muß es ſeyn ein ſeeliges Auge;
Sterbliche/ ſuͤndliche Augen koͤnnen den unſterblichen allerheiligſten Gott
nicht anſchauen/ dann kein Menſch/ ſagt der Herr: (verſteheExod. 33,
20.

ſterblicher) wird leben/ der mich ſihet. Paulus iſt durch die An-
ſchauung Chriſti blind worden.


Wie? ſprichſtu: hat doch Jacob den Herrn von Angeſicht zu AngeſichtGen, 32, 30.
Exod. 33, 11.
1. Ioh. 1, 1.
Act.
7, 55.

geſehen/ Moſes/ die Juͤnger/ Stephanus/ die haben ihn ja geſehen? Ant-
wort:
Die phraſisvon Angeſicht zu Angeſicht wird auff zweyer-
ley Weiſe gebraucht; Entweder von der freundlichen converſation mit
einem Menſchen als mit einem Freund/ mittelbar in angenommener
menſchlicher Geſtalt: Oder von der intuitivâ viſione, der weſentlichen
unmittelbaren allerſeeligſten Anſchauung. Dieſe gedeyet keinen ſterb-
lichen Menſchen auff Erden: Wohl aber jene/ wiewohl ſie rarò und ſelten
geſchehen.


Dieſes iſt die ſeelige Augen-Luſt der Gottes-Schau im ewigen Le-
ben. Was ſehen wir hie in dieſer Welt? Die Welt-Kinder zwar ihren
ſchoͤnen Augen-Luſt: Die Kinder Gottes aber lauter Vnluſt und Wuſt.
Da ſihet man einen Gottloſen der trotzig iſt/ der breitet ſich aus/ und gruͤnet
wie ein Lorbeer-Baum/ das thut weh im Hertzen/ und ſticht in die Nieren;
ſie ſehen mit Jeremia einen wackern Creutzſtab nach dem andern/ einẽ heiſ-
ſen/ ſiedenden/ prudelnden Straff-Topff von Mitternacht/ einen nach
dem andern: Man ſihet manchmal/ daß einem die Augen moͤchten druͤber
Sechſter Theil. H h h hgeſchwaͤ-
[610]Die Neun und Viertzigſte (Fuͤnffte)
geſchwaͤren/ und muß doch uͤberſehen; an heilloſen Freunden/ Kindern
und Geſinde ſihet man daß die Augen druͤber moͤchten zu Thraͤnen-Quel-
len werden. Aber dort was kein Auge geſehen und kein Hertz hie in dieſer
Zeit ihm haͤtte einbilden koͤnnen. Hilff Gott wie jubilirt/ wie freuet
Gen. 32, 30.ſich Job darauff! Jch hab den HErren geſehen/ ſagt Jacob mit
Freuden/ und meine Seele iſt geneſen. Die feurige Roß und Wa-
gen werden wir ſehen die Dothan bewahret/ und der Diener Eliſæ mit
außgeklaͤrten Augen geſehen/ Moſen und Eliam wuͤrd man/ ja ein ieder
ſeine Blut- und Muth-Freunde widerumb ſehen/ und ja einer den andern
kennen/ darzu den neuen Himmel und neue Jeruſalem/ das ſummum
pulchrum,
das da heiſſet Jeſus in ſeinem Sonnen-klaren Antlitz/ und
davon ſchoͤpffen alles gute. Nun iſts an dem/ ἰρᾷν ἐκ ὁρᾷν, die Liebe
dringet durch die Augen ins Hertz. Wen Gott der Herr ſo hoch
liebet/ daß Er ihn zur Schau ſeines liebreichſten Antlitzes laſſen wird/ wie
ſolte der nicht auch wider in Liebes-Flammen gegen ihm entbrennen? wie
nicht allezeit an ihn den Liebhaber gedencken und ſagen: Hertzlich lieb
hab ich dich O HErr! Jch bitt du wollſt ſeyn von mir nicht
ferr mit deiner Huͤlff und Gnaden/ die gantze Welt nicht
erfreuet mich/ nach Himmel und Erden frag ich nicht/ wann
ich dich nur kan haben. Vnd wann mir gleich mein Hertz
zerbricht/ ſo biſtu doch mein Zuverſicht/ mein Heil und mei-
nes Hertzen Troſt/ der mich durch ſein Blut hat erlöſt.
Wann ich nur dich hab/ ſo frag ich nichts nach Himmel und
Erden. Wann mir gleich Leib und Seel verſchmacht/ ſo
biſtu doch allezeit meines Hertzens Troſt und mein Theil.

Pſ. 73, 23.
26.
Pſal. 73.


Quocunque loco fuero,
Jeſum ſemper deſidero,
Quàm lætus ſi invenero,
Quàm felix ſi tenuero.
()

Weltliche Schauen afficiren auch die Demas-Hertzen/ die das
Haſen-Panier auffwerffen beym Evangelio/ und die Welt lieb gewinnen.
Die Evam afficirt die verbottene Frucht/ iſt eine Vntugend/ die uns allen
anklebt; Achan that wehe in den Augen der koͤſtliche Babyloniſche Man-
tel/ und die guͤldene Zunge ſampt zwey hundert Seckel Silbers; iſt heute
nichts neues; Die Bathſeba kuͤtzelt David in den Augen/ und wie offt
geſchicht
[611]Predigt.
geſchicht das noch/ daß man ſich unordentlich beluſtigt mit ſchoͤnem Frau-
enzimmer? Der ſchnoͤde Kleider-Pracht dergleichen. Etliche ſuchen
ihren Luſt im reiſen an der Schau allerhand antiquitaͤten/ raritaͤten/
Fuͤrſtlicher/ Koͤniglicher Hoͤfe; Es ſind deren wohl gar/ die mit dem hei-
ligen Teufel in die Kirch gehen/ da man meynen ſolte/ ſie ſuchten Jeſum zu
ſchauen/ unterdeß weiden ſie ihre Augen an ſchoͤnen Weibs-Bildern. Spe-
ctatum veniunt, veniunt ſpectentur ut ipſæ.
Zu der ſchnoͤden Augen-Luſt
gehoͤret () nugacitas ſpectaculorum, die Comcedien und Schanſpiele/() Auguſt.
l. 3. de Sym-
bol. c.
1.

an denen offt wenig flaͤtiges zu ſehen/ bevorab wo nichts dann Narrenboſ.
ſen/ Affenwerck/ Ergernuͤſſe und ungereimte Sachen auff den Plan ge-
bracht werden.


Aber was gebaͤret ſolche fleiſchliche Augen-Luſt? was hat man da-
von? Den allgemeinen Suͤnden-Sold/ den Tod. O blinde/ geblendete
Narren/ die das beſte Gut uͤberſchaͤlen/ und an vanitaͤten ſich vergaffen!
Was werden ſie ſagen/ wann ſie werden ſehen/ wie alles wird vergehen im
Feuer? O wir Narren! das Liecht iſt uns nicht erſchienen/
Sap. 5. Hie aber ein kraͤfftiges und lebendigmachendes theatrum, eineSap. 5, 5.
Cic. l. 2. de
fin.

herrliche Augen-Luſt; Was Cicero von der ſapientiâ, der edlen Weiß-
heit ſaget: Vnglaubliche Wolluſt werde ſie gebaͤren/ und bruͤnſtige Liebs-
Flammen erwecken/ wann man ſie mit leiblichen Augen in ihrer eigenen
Natur/ Art und Liebligkeit konte anſchauen. Tauſend und aber tau-
ſendmahl mehr iſt diß wahr von der unerſchaffenen Weißheit und uner-
meßlichen Tugend und Majeſtaͤt des groſſen Herren/ der aller Schoͤne
Meiſter iſt/ der da iſt ein unerſchoͤpffliches Meer aller Schoͤne/ dero kleine
Troͤpfflein nur ſind/ alle die Schoͤne Geſtalten der Creaturen/ darein ſich
der Menſch verliebet/ darumb dann aller frommen Hertzen/ inniglicher
Wundſch ſeyn ſoll jener Griechen Wundſch: Wir wolten Jeſum
gern ſehen!
und Philippi: HErr/ zeige uns den Vater/ ſo ge-Ioh. 14, 8.
nuͤget uns!


So wird auch der Troſt folgen in allem Truͤbſal/ Jobs-Troſt/ mitten
in der Creutz-Nacht/ Stephans Troſt mitten unter dem Stein-Regen.
O ſeelige Toden/ die allbereit in dieſer Schau begriffen! Der Welt iſt
Gottes Schau ein Eckel/ ſie denckt/ was iſts wohl mehr/ Gott anſchauen/
ſoll das eine ſolch groſſe Freude ſeyn? ſolte ſie ſolche ſatisfaction und Gnuͤge
geben? den unreinen/ gottloſen Hertzen mundets nicht/ dannenhero ſind ſie
in Ewigkeit von Gott dem Herren verſtoſſen. Gottes Schau iſt
der rechten Chriſten und Kinder Gottes delicium! ihre einige Sorge iſt
H h h h 2daß
[612]Die Neun und Viertzigſte (Fuͤnffte)
daß ſie hie den Vorblick im Glauben recht faſſen: ſintemal niemand Gott
den Herren mit glotioſen Augen wird anſehen/ er hab ihn dann
zuvor mit gratioſen Augen im Glauben recht erkant. Wollen wir den
Vater ſehen/ ſein affect gegen uns: ſo muͤſſen wir den Sohn ſehen;
Das iſt das ewige Leben/ daß ſie dich Vater/ der du allein
wahrer Gott biſt/ und den du geſand haſt Jeſum Chriſtum
erkennen.


Hieran muß das Predig-Ampt inſtaͤnd- und beſtaͤndig arbeiten/
ihren Zuhoͤrern Jeſum den Gecreutzigten recht zu zeigen und fuͤrzumahlen/
hie im Spiegel zart/ daß man ihn ſehe in ſeiner verklaͤrten himmliſchen
Art; anders als mancher Prediger/ der Jeſum nicht verklaͤret durch er-
leuchtete ſermones, ſondern unter dem Schein der ſimplicitaͤt in der ge-
neralit
aͤt obſcuriret und verdunckelt; anders als der Apoſtel St. Pau-
2. Cor. 4, 6.lus vom Predig-Ampt fordert 2. Cor. 4. Gott der da hieß das Liecht
aus der Finſternuͤß herfuͤr leuchten/ der hat einen hellen
Schein in unſere Hertzen gegeben/ daß durch uns entſtuͤnde
die Erleuchtung von der Erkaͤntnuͤß der Klarheit Gottes in
dem Angeſicht Jeſu Chriſti.
Solche Leute ſind gleich den Juͤngern
Chriſti/ welche ſo viel an ihnen die Schau-begierigen Griechen nicht wol-
ten zulaſſen/ und (wie aus Chriſti Antwort abzunehmen) noli geſagt:
Tota opera noſtra in hac vitâ eſt ſanare oculos cordis, unde videatur
Deus; ad hoc ſermo Dei prædicatur, ad hoc ſacro-ſancta myſteria ce-
lebrantur; Curritur, nemo requieſcit, ſi vel ſtipula in oculos cadat,

Auguſt, de
verb. Do-
min. ſerm.

18.
ſagt Auguſtinus: All unſere Muͤhe und Arbeit in dieſem Leben ſoll ſeyn
die Augen-Cur/ daß wir die Hertzens-Augen heilen ſollen/ damit wir
Gott ſehen moͤgen; Zu dem Ende wird Gottes Wort geprediget/ darzu
werden die Heiligen Sacramenta gereichet; man laͤuffet/ niemand ruhet/
wann ihn auch nur eine Stoppel in die Augen ſteche.


Non minor eſt virtus quàm quærere parta tueri. Die conſer-
vation
gehoͤret auch darzu: Nicht iſts genug einmahl die Glaubens-
Schau erlangt haben/ es gehoͤret auch darzu die Waͤhrung und Beſtaͤn-
digkeit/ damit nicht/ was wir einmahl erſehen/ wider verlohren
werde. Nadab/ Abihu haben zwar auch den Herren geſehen/ dan-
Lev. 10,noch ſind ſie hernach umb des frembden Feuers willen außgerottet wor-
den und umbkommen. Frembd Feuer/ irrdiſches nicht himmliſches
Feuer/ nicht Gottes Wort: Frembd Feuer/ Mars- und Zorn-Feuer/
Venus-Feuer: dafuͤr man ſich zu huͤten/ damit nicht/ nach dem wir das
gute
[613]Predigt.
gute Wort Gottes geſchmecket/ daſſelbe wider verlieren/ dann es iſt un-
moͤglich/ daß die/ ſo einmahl erleuchtet ſind/ und geſchmeckt
Hebr. 6, 4.
5. 6.

haben die himmliſche Gaben/ und theilhafftig worden ſind
des Heiligen Geiſtes/ und geſchmeckt haben das guͤtige Wort
Gottes/ und die Krafft der zukuͤnfftigen Welt/ wo ſie abfallen/
(und widerumb ihnen ſelbſt den Sohn Gottes creutzigen/ und
fuͤr Spott halten) daß ſie widerumb ſolten erneuert werden
zur Buſſe.


Darumb niemand ſoll vermeſſen und ſicher ſeyn/ ſondern iederman
mit Furcht und Zittern ſchaffen/ daß er ſeelig werde/ Phil. 2.Phil. 2, 12.
ſo wird er im Liecht gehen/ in der finſtere wird ihm das Liecht erſcheinen/ er
wird mitten in der Truͤbſal mit einem himmliſchen Freuden-Schein/ wie
Stephano begegnet/ erquicket werden. Die Sonne der Gerechtigkeit
wird erſcheinen am Juͤngſten Tage/ und alles klar machen was hie
dunckel geweſen. Bey Nacht/ ſagt man im Sprichwort/ ſind alle
Kuͤhe ſchwartz/ da kennet man den Junckern nicht fuͤr dem Bauren: da
gibts die unbilligſte Judicia, der Phariſeer Luc. 18. der muß ein EngelLuc. 18,
heiſſen/ der Zoͤllner muß ein Suͤnder ſeyn: Hie heiſſen manchmahl die
obſcuriſſimi, Illuſtriſſimi, Clariſſimi: hie ſind die erſten die letzten: Den
Gluͤcksvogeln ſtehet ihr Hauß immer in der Sonnen/ den andern wird
das Liecht allenthalben auffgehalten: Einſen Gaben und merita, wann
er regenitus iſt/ werden in Him̃el hinauff erhaben/ des andern Gaben und
merita obſcurirt und denigrirt. Aber es wird einmal die Sonne der Ge-
rechtigkeit erſcheinen und ans Liecht bringen was im finſtern ligt/ alßdann
wird einem ieden Lob widerfahren. Gott gebe/ daß wir ſolches alles
zu Hertzen nehmen/ und im Glauben alſo ſchauen/ auff daß wir mit Freu-
den ſchauen/ und davon ſchoͤpffen ſeeliges/ herrliches/ heiliges/
froͤliches Leben/ Leben in Ewigkeit/
Amen.


H h h h 3Die
[614]Die Funffzigſte (Sechſte)

Die Funffzigſte Predigt/


Vber den dritten Articul.
Von dem ewigen Leben/


Die Sechſte Predigt/


Von der Heiligkeit des ewigen
Lebens.


GEliebte in Chriſto: Wann der hochgelobte und hertzlich-
geliebte Seelen-Braͤutigam Chriſtus Jeſus/ der Koͤnig
und zugleich Hirt/ ein Koͤniglicher Sohn/ dem ſein Vater
Hochzeit gemacht/ der mehr iſt als Salomon/ unter an-
Cant. 4, 7.dern in dem geiſtlichen Braut- und Hohenlied Salomo-
nis in dieſe holdſeelige Wort außbricht/ und ſagt:
Du biſt allerdings ſchoͤn/ meine Freundin/ und iſt kein Flecken
Pſal. 45,
Eſa. 62, 4.
Ier. 1, 2. E-
zech. 16, 18.
2. Cor. 11, 2.
Eph. 5, 26.
confer Au-
guſt. l. 1. re-
tract. c. 19.
Hieron. l.
8. in Ezech.
an dir/ ſo redet Er zwar an 1. ins gemein die gantze Chriſtliche
ſtreitende und wallende Kirche auff Erden/
als ſeine allerliebſte
Braut/ die Er gereiniget durch das Waſſer-Bad im Wort/
auff daß Er ihm ſelbſt darſtellete eine Gemeine/ die herrlich
ſey/ die da nicht habe einen Flecken oder Runtzel/ oder des
etwas/ ſondern daß ſie heilig ſey und unſtraͤfflich/
Epheſ. 5.
2. In ſpecie und eintzelich eine iede glaubige Seel/ inmaſſen in der
himmliſchen Offenbahrung St. Johannis alle Lamb-folgende Seelen/
ſo aus den Menſchen theuer erkaufft worden/ unbefleckte Jungfrauen
Apoc. 14,
4.
genennet werden/ Apoc. 14. 3. Exochicè non excluſivè, abſonderlich
und fuͤrnemlich wiewohl nicht außſchließlich ſeine außerkohrne Mutter/
die hochgebenedeyte Jungfrau Maria/ als einer edelſten Glau-
bens und Tugend-Kron/ deren wir den Vorzug in und unter dem gantzen
menſchlichen Geſchlecht gern goͤnnen und zumeſſen.


Nicht excluſivè, ſag ich/ nach der Gloß deren/ die dieſe Wort einig
und allein auff die Jungfrau Mariam deuten/ und daraus erhaͤrten wol-
len/ als ob ſie gantz unbefleckt ohne einige ſuͤndliche Mackel waͤre empfan-
gen und
[615]Predigt.
gen und geboren worden/ bey deren auch ſich niemahl einige wuͤrckliche
Suͤnde und menſchliche Schwachheit ſich erzeigt. Einer mit Namen
Idiota, ſo gelebt ohngefaͤhr umbs Jahr Chriſti neun hundert/ ſoll der erſte
geweſt ſeyn/ der beſagte Gloß ertichtet und auff die Bahn gebracht/ dem
hernach gefolget und (wie es pflegt zu geſchehen oſcitante uno, oſcitat \&
alter
) nachgeirret Rupertus und Hugo de S. victore confer Bellarm.
l. 4. de amiſſ. grat. c. 15. Corn. à Lap. ad Cant. p. 252. Valent. Gethard.
Jeſuit. in triumpho B. Virg.
Ob wol die Paͤpſtler in dieſem Puncten nicht
alle und allerdings einig/ es haben vor dieſem die Dominicaner- und
Franciſcaner-Moͤnche uͤber demſelben gleichſam einander freſſen wollen/
deren jene die widerpart gehalten und die ſuͤndliche Empfaͤngnuͤß verfoch-
ten/ wie hievon in legatione Hiſpanicâ Antonii de Trejo mit mehrermvid. hiſtor.
Trident.
Petr. Suav.
l. 2. p. 199.
Hodomor.
pag. 934.
\& ſeqq.

zu leſen: ſo hat doch Papſt Sixtus IV. nach dem Schluß des Concilii
Baſileenſis
gemeldter Franciſcaner (deren Ordens er auch geweſen) Mey-
nung mit einem ſonderbaren Feſt der unbefleckten Empfaͤngnuͤß Mariæ
im Jahr Chriſti 1466. feyerlich zu begehen/ geweyhet. Auch Papſt Gre-
gorius XV.
und Paulus V. in einer ſonderbaren Bull den Dominicanern
verbotten ihre Meynung offentlich zu verthaͤdigen. Darauf erfolgt aller-
hand Einbildung von groſſen Miraculn/ dadurch unbefleckte Empfaͤngnuͤß
ſoll ſeyn bewaͤhret worden; ohn und wider Schrifft beſtaͤtigte viſionen und
Geſichter/ darinnen ſich die Jungfrau Maria ſelbſt geſpiegelt/ und ſolche
ihre Ehr begehrt habe/ auch Geluͤbden/ Eydſchwuͤr und Geſellſchafften/ wie
hievon mit mehrerm zu leſen in Mariæ Stamm-Buch Januar. 2. p. 26.
Decembr. 8. pag. 582. \& ſeqq.
Der Zweck/ der leichtlich zu riechen/
gehet dahin/ damit zu behaupten/ daß Maria alle die Creutz/
Truͤbſal/ und ſonderlich das Seel-durchdringende Schwert/ welche ſie Zeit
ihres Lebens unſchuldig außgeſtanden/ fuͤr gnugbuͤſſende Werck/ dadurch
andern Menſchen Suͤnde abgebuͤſſet/ zu preiſen ſeyen. Maria ſtetit ſub
cruce corredemtrix,
ſchreibet einer von den erſten Stifftern des Jeſuiten-
Ordens Alph. Salmeron. tom. 10. tract. 41.


Jedoch ſo meynet der Herr allhie ſonderlichſt/ eigentlichſt und
am allermehrſten die triumphirende Kirche/ das Jeruſalem das droben
iſt/ die rechte ſemper-freye/ die unſer aller Mutter iſt/ von deren mit War-Gal. 4, 26.
heit vollkommenlich kan geſagt werden/ ſie ſeye allerdings ſchoͤn und kein
Flecken an ihr. Nach welchem Verſtande wir auch anietzo vernehmen
wollen/ welcher maſſen dieſes angezettelte clogium und Lob-Spruch von
der ſeeligſten Himmels-Gemein geprieſen und außgeſprochen worden/
und alſo von dem erſten Strahl und Glantz/ ſo aus dem ſeeligſten Anblick
des
[616]Die Funffzigſte (Sechſte)
des hoͤchſten Gottes entſprungen/ nemlich der Heiligkeit des ewigen
Lebens
tractiren und handlen werden. Der Herr geb Gnad und
Segen/ Amen.


GLeich wie die außerwehlte heilige Engel/ ſo das Angeſicht des Vaters
im Himmel allezeit anſchauen/ von ſolchem Anblick ſchoͤpffen voll-
kommene Reinigkeit und Heiligkeit/ alſo auch die Iſangeli, die außerwehlte
Engels-gleiche Himmels-Burger. Suͤndliche Augen koͤnnen Gott
nicht ſehen/ Seelig ſind die reines Hertzen ſind/ dann ſie wer-
Matth. 5, 8.den Gott ſchauen/ und reciprocè die Gott ſchauen werden/ die
ſind reines Hertzen. Gleich wie auch kein Spiegel das Antlitz recht em-
pfangen kan/ er ſeye dann ſauber/ rein und wol poliret/ Ohne die Hei-
Hebr. 12,
14.
ligung wird niemand den HErren ſehen. Jch will ſchauen
dein Antlitz in Gerechtigkeit/ und will ſatt werden wann ich
erwach nach deinem Bilde/
ſpricht David Pſal. 17. Jſt alſo das
Pſ. 17, 15.ewige himmliſche Leben ein gantz heiliges Leben/ ohne Suͤnde und dero
reat, Regiment und Wurtzel. Schoͤn biſtu/ meine Freundin/
ſpricht der himmliſche Braͤutigam/ du biſt allerdings ſchoͤn/ und iſt
kein Flecken an dir.


I, Privativèiſt kein Flecken an dir. Hie in dieſem Leben
iſt alles der vanitaͤt unterworffen: auch die himmliſche Coͤrper/ Sonn/
Mond und Sternen haben ihre maculas. Sonderlich der arme Menſch/
der iſt/ der ſteckt im Suͤnden-Wuſt und Vnflath biß uͤber die Ohren/
Kan auch ein Mohr ſeine Haut wandlen/ oder ein Parder
Ier. 13, 23.ſeine Flecken? So könnet ihr auch gutes thun/ weil ihr des
boͤſen gewohnet ſeyt? Wer will einen reinen finden/ da kein
reiner iſt?
Wer will im ſiechen und maltzen Hauſe einen finden/ der
nicht auch mit der Seuche und Außſatz angeſteckt? Der Tod iſt durch
Rom. 5, 12.die Suͤnde zu allen Menſchen hindurch gedrungen/ dieweil
ſie alle geſuͤndiget haben.
Niemand iſt hie außgenommen.


Zwar im Papſtumb/ wie oben gemeldt/ wird die ſeelige Jungfrau
Maria excipirt und außgenommen. () Cornelius à Lapide ſchreibet
() in com-
ment. can-
tic. Salom.
p.
252.
im Namen der gantzen Roͤmiſchen Kirche/ es ſeye in derſelben kein eini-
ger Flecken/ meynte nicht nur Tod-ſondern auch laͤßlicher Suͤnden/ in der-
ſelben gefunden worden/ und das ſey die Meynung der gantzen Kirchen/
wie
[617]Predigt.
wie davon zeuget das * Concilium zu Trident/ ** Bernhardinus de Bu-
ſtis
iſt ſo frech und verwegen/ daß er ſchreiben darff/ Chriſtus waͤre Impius
Filius,
ein gottloſer Sohn geweſen/ und haͤtte wider das Gebott von Ehrung
der Eltern geſuͤndiget/ wann Er ſeine Mutter/ wie Er wohl gekoͤnnet/ nicht
vor der Erb-Suͤnde haͤtte præſervirt und bewahrt. Fragt man woher ſie
das herhaben/ und wie ſie caution leiſten wollen/ daß dem alſo und nicht
anders/ was ſie heraus plaudern? ſo hoͤret man von keiner Schrifft/ von
keinem Wort Gottes/ und ſolte ſich der Wahn von der Vnſuͤndligkeit der
Jungfrauen Mariæ wohl ehe ins () Mahomet Alcoran, als im feſten() azoar.
51. \& 76.
teſte Sche-
rero in po-
ſtill. part.
2. pag.
301.

prophetiſchen Wort befinden. Will man allerhand Moͤnch-Traͤume
und viſiones laſſen gelten/ ſo muͤſte man ſich wohl endlich auch bereden
laſſen Stroh fuͤr Ablaß zu freſſen.


* Seſſ. 6. can. 22. allegat ibidem (quamvis ἐπεχοντα) Auguſt. è l. de
nat. \& grat. c.
36.


** Serm. 1. de concept. Mariæ, confer Coſter. medit. l. de concept. B. Virg.


Deme zuwider ſtreitet die Evangeliſche Hiſtori ſelbſt/ in welcher ihre
ſuͤndliche Flecken beſchrieben ſtehen/ die bezeugt daß die Mutter Chriſti
aus menſchlicher Schwachheit manchen Fehler und Mißtritt gethan/
einsmahls ihr zwoͤlff-jaͤhriges Soͤhnlein aus der Acht gelaſſen/ und nach-
laͤſſig verlohren: ſie iſt wegen unzeitigen Eingriff in ein frembdes Ampt
von Chriſto bey der Hochzeit zu Cana in Galilea geſtraffet worden: iſt die
Straffe juſt und billich geweſen/ ſo hatſie ja unrecht gethan; iſt ſie unbil-
lich geweſt/ ſo muͤſte der geſuͤndiget haben/ der nie von keiner Suͤnde ge-
wuſt: auch williget ſie in den thoͤrichten Rath der Verwandten Chriſti/
da ſie ihn eine Zeitlang verſperren und vom Lehr-Ampt abhalten wolten/
Luc. 8. Widerumb hat ſie ſich geſellet unter die embſigen Better/ die ſtetsLuc. 8,
Act.
1, 14.

bey einander geweſt einmuͤthig/ mit betten und flehen angehalten/ was
mag ſie wohl gebetten haben anders/ als was ihr Sohn zu betten befoh-
len/ das Heilige Vater unſer/ in dem ſie nicht uͤberhupfft die fuͤnffte Vitt/
Vergib uns unſere Schuld. Mein Geiſt/ ſpricht ſie in ihrem geiſtreichenLuc. 1, 47.
Magnificat,freuet ſich Gottes meines Heilandes. Warumb
Heilandes? Weil Er ſein Volck wird ſeelig machen von ihren Suͤnden.Matt. 1, 21.
Darzu endlich kommen der Suͤnden Sold/ der zeitliche Tod. Summa
ſie muß ihrem Großvater David auch das ejulate im 51. Pſalm nachſa-
gen: Jn Suͤnden hat mich meine Mutter empfangen. Aber
dort in jenem Leben/ da wird vollkommen wahr werden was St. Paulus
geſchrieben/ daß Chriſtus ſeine Braut ihm ſelbſt werde darſtellen/Eph. 5, 27.
Sechſter Theil. J i i ials
[618]Die Funffzigſte (Sechſte)
als eine Gemeine die herrlich ſey/ die nicht habe einen Flecken
oder Runtzel/ oder des etwas/ ſondern heilig und unſtraͤfflich.


Du biſt 2. ſchoͤn/ ſpricht der geiſtliche Braͤutigam zu ſeiner auß-
erkohrnen Himmels-Braut/ nicht nur dem verklaͤrten Leibe nach/ davon
droben gehandelt worden/ ſondern fuͤrnemlich wegen der tauſend-ſchoͤnen
und Engel reinen Seel/ in welchen alle Tugenden culminiren und in hoͤch-
ſten flor, Trieb und Vbung ſeyn werden/ das Goͤttliche Ebenbild wird
leuchten im Verſtand mit klaren Strahlen der Weißheit/ im Willen mit
inniglicher Liebe und Gerechtigkeit/ in den affecten mit der lieblichen mu-
ſic aliſchen harmoni und richtiger Vbereinſtimmung. Jſt alles gar
lieblich abgebildet in dem wunderſchoͤnen habit, Schmuck und Zierath
Apoc. 19, 7.der geiſtlichen Braut/ Jhr wird gegeben werden anzuthun mit
reiner und ſchoͤner Seiden/ die iſt die Gerechtigkeit der Hei-

Eph. 1, 4.ligen. Darzu hat uns Gott der HERR erwehlet/ daß wir
als die Geſegneten/ mit allerley geiſtlichen Segen in himm-
liſchen Guͤtern/ durch Chriſtum/ ſollen heilig ſeyn und un-
ſtraͤfflich fuͤr ihm in der Liebe.


Du biſt 3. allerdings ſchön [...] gantz/ vollkommen/ beſtaͤn-
dig/ gantz in perfectione gradus, im hochſten und edelſten Grad aller
Tugenden/ ohne Fehl gantz durch und durch/ hie Stuͤckwerck/ dort vollkom-
1. Theſſ. 5,
23.
mene: ὁλοτελὴς gantz in ſinceritate veritatis, in der Lauterkeit der Warheit
ohne falſch: gantz in conſtantia durationis, in Beſtaͤndigkeit der Waͤh-
rung/ ſintemal wie die Engel in ihrem heiligen Stande dermaſſen con-
firm
irt und verwahret/ daß ſie nimmermehr (wie ſterben/ alſo) ſuͤndi-
gen koͤnnen: Alſo wird neben andern Ehren-Kronen den Außerwehlten
Luc. 20, 36.die Kron der Beſtaͤndigkeit auffgeſetzet werden. Welche wuͤrdig werden
ſeyn jene Welt zu erlangen/ und die (ſeelige) Aufferſtehung von den To-
den/ die koͤnnen hinfort nicht ſterben/ koͤnnen ſie nicht ſterben/ ſo koͤnnen ſie
auch nicht ſuͤndigen/ dann wo kein Tod iſt/ da iſt auch keine Suͤnde/ \&
contra
wo keine Suͤnde iſt/ da hat auch kein Tod Platz/ ſondern lauter
beſtaͤndige Herrligkeit in im̃erwaͤhrender flor und vigor ohn Abgang und
Auffhoͤr/ ἀδιασπάςως, ungehindert/ unaußſetzlich. Chariſmata und
Ampts-Gaben werden auffhoͤren/ der (der Schau entgegen-geſetzte Raͤ-
1. Cor. 13, v.
ult.
tzels-) Glaube/ Hoffnung deſſen das man noch nicht vollkommen
geneuſt/ und Liebe/ dieſe drey bleiben in dieſem Leben/ aber die Liebe
iſt die
[619]Predigt.
iſt die groͤſſeſte unter ihnen/ dieweil ſie in Ewigkeit bleiben und nim-
mer vergehen wird.


Wer iſts der nicht gern hoͤren wolte den warhafftigen und loͤblichen
Anſpruch des Sohns Gottes an ſeine Seel? Du biſt allerdings
ſchoͤn/ meine Freundin/ kein Mackel iſt an dir!
Ja man erfaͤhrts
wie die Leute ſich nach ſolchem Lob ſehnen/ wie ſie ſich damit kuͤtzeln: Man-
cher Menſch waͤre gern noch ſchoͤner als ihn Gott erſchaffen/ was der
Natur abgehet/ das unterſtehet er durch die Kunſt/ durch Kleider-Pracht/
Schmuck und Zierath zu erſetzen. Dem Leibe nach lieblich und ſchoͤn
ſeyn/
ſagt Salomon/ iſt nichts/ ein Weib das den HErrn fuͤrch-Prov. 31, 30.
tet/ das ſoll man loben/ Tugend-ſchoͤn iſt die beſte Kron. Es gibet
zwar auch Phariſe er/ die ſich in Engel des Liechts koͤnnen verſtellen/ treiben
eine Pracht mit ihrer Schein-Froͤmmigkeit/ ruͤhmen ſich derſelben per
περιε αυτο λογίαν, brauchen einen ſolchen Spiegel/ der was klein iſt vergroͤſ-
ſert/ wollen ſich gantz ſauber machen/ vnd von maͤnniglich dafuͤr angeſehen
ſeyn/ als haͤtten ſie keinen Flecken oder Mackel an ſich. Sinds groſſe
Leute/ ſo fordern ſie die adulation und Fuchßſchwantz/ wer damit nicht
kan umbgehen/ der hat keinen Stern in der Welt. O des ſchnoͤden
Selbſt-Betrugs! Wie mangelt manchem groſſen Herrn ein Hof-Narr/
der ihm die Warheit ſagte? Das ſchoͤne Kaͤtzlein/ () adulatio genennet/() vide D.
Luther.
tom. 6. fol.
162. ubi de
Hercule \&
Omphale.

thut groſſen Schaden. Abſolon war wunderſchoͤn/ aber da er gleich dem
Narciſſo ſich in ſich ſelbſt verliebte/ ſo muſten ihm ſeine ſchoͤne Haar zum
Strick werden.


Wer nun fuͤr Gott und allen heiligen Engeln recht ſchoͤn will ſeyn
und heiſſen hie und dort/ dem iſt kein beſſerer Spiegel beſchert als naͤchſt
dem Ertz-Muſter aller Tugenden/ dem ſchoͤnſten unter allen Menſchen-
Kindern/ ſeine hochbegnadete liebe Mutter/ die liebe Jungfrau Maria/
die uns im Evangelio fuͤrgebildet wird/ nicht ad cultum ſed imitationem,
nicht zu ihro unzimlichen Goͤttlichen reverentz und anbetten/ wie die Ma-
rianer (viel mehr als Catholiſche Chriſten/ à potiori fit denominatio)
zu thun pflegen/ Chriſtum ſetzt man ihr als ein Kindlein auff die Arm/
quaſi appendicis loco, ſie aber iſts/ deren man die Ehre anthut; Chriſtus
hat den Titul und Namen/ die Jungfrau Maria traͤgt die Ehre davon:
ſondern zur tugendſamen Nachfolge. Wie ſie nun droben im Himmel
als die groͤſſeſte Heiligin/ die choream und den Reygen der Außerwehlten
fuͤhret/ alſo hat ſie auch auff Erden in der Zeit mit einem Außbund-ſchoͤ-
nen Exempel der gantzen Chriſtenheit fuͤrgeleuchtet: Wer dermahl eins
J i i i 2in ihren
[620]Die Funffzigſte (Sechſte)
in ihren Himmels-Reyen will auffgenommen werden/ der muß ihr auch
hie in dieſer Welt folgen/ von ihr hat auch auff gewiſſe Weiſe mit Warheit
koͤnnen geſagt werden: Du biſt allerdings ſchoͤn/ meine Freun-
din/ und iſt kein Flecken an dir.


Ἀμώμως, Vnbefleckt/ der Glaubens-regul gemaͤß; weil ihr auch
ihre angeborne und ſelbſt-begangene Suͤnde in Chriſto Jeſu vergeben/
durch die Toͤdtung des Fleiſches in ihr gedaͤmpfft/ und ſie ſich fuͤr wiſſent-
lichen fuͤrſetzlichen Suͤnden gehuͤtet. Eben das iſt auch wahr von einer
Cant. 1,geiſtlichen wider gebornen Seelen/ die noch im Fleiſch wallet; ſie iſt lieblich
und ſchoͤn/ aber auch ſchwartz: Sponſa nævo nigredinis in hâc vitâ non
Bernhard.
ſerm. 25. in
Cant.
caret, ſaget Bernhardus: Schwartz wegen noch anklebender Suͤnden/
unbefleckt wegen derſelben Vergebung/ Bedeckung und Nichtzurechnung/
alſo daß nichts mehr verdamlichs iſt an denen/ die da ſind in Chriſto Jeſu/
ſie ſind zwar nicht allerdings Suͤnden-loß/ aber doch reat, Schuld-Pflicht-
und Straff-loß worden: auch wegen der taͤglichen mortification, Toͤd-
tung/ Daͤmpffung und Beherrſchung des alten Menſchen/ und des wach-
ſamen verhuͤten fuͤrſetzlichen zugelaſſenen Gewiſſens-Wunden/ anders
als die Vnflaͤter von beflecktem Geiſt und Fleiſch/ welchen St. Judas in
ſeiner Epiſtel eine ſcharffe lection geleſen. Gleich wie wann ein Auß-
ſaͤtziger widerumb geſund und friſch worden/ an dem die Mahlen/ Maſen
und Flecken ſich verlohren/ der Prieſter denſelben fuͤr rein und unbefleckt
erklaͤrt/ dieweil die Scheutzligkeit/ die Abſcheuligkeit verſchwunden/ ob ſchon
die ungeſunde zum Außſatz geneigte diſpoſition noch uͤbrig blieben/ daher
der recidivat manchmahl erfolgt/ daß/ wann der Menſch nicht gute diet
gehalten/ er widerumb in den vorigen Vnrath und Seuche gefallen/ ſo
wird auch durch die Widergeburt die Verdammung der Suͤnden auffge-
hoben/ ihre Wurtzel aber bleibt uͤbrig.


Es wird zwar im Papſtumb gelehrt/ als ob auch durch das Bad der
Widergeburt der H. Tauffe die Suͤnde allerdings gaͤntzlich vollends mit
Stumpff/ Stiel und Wurtzel aus den Widergebornen außgerottet/ getil-
apud Bel-
larm. de
Bapt. c.
13.
get und gefeget/ daß nichts mehr uͤbrig bleib/ ſo eigentlich eine Suͤnde heiſ-
ſen und fuͤr Suͤnde koͤnte geachtet werden. Daher man gepralet von
etlichen Heiligen in dieſem Leben/ die gantz Engel-rein geweſt ſeyn ſollen/
* ad Mich.
7. p.
458.
ſonderlich ruͤhmet * Cornel. à lapide von Aloyſio Gonzagâ, daß unan-
geſehen er viel in Koͤniglichen und Fuͤrſtlichen Hoͤfen zu thun gehabt/ er
ſich doch dermaſſen vor contagiis und ſuͤndlichen Befleckungen verwah-
rtt/ daß er/ ſo lang er gelebt/ niemahl keine Tod-Suͤnde/ ja kaum irgend eine
laͤßliche Suͤnde begangen: ſeinen Leib dermaſſen macerirt und gekraͤncket/
daß
[621]Predigt.
daß er niemahls keinen Kuͤtzel und reitzende boͤſe Bewegung in ſeinem
Fleiſch empfunden; im Gebett ſich ſo andaͤchtig erzeigt/ daß ihm keine
diſtraction von frembden Gedancken niemahls ankommen/ und als Bel-
larminus
ihn gefragt/ wie das moͤglich ſeyn koͤnne/ ſagt er darauff/ er ver-
wundere ſich viel mehr/ daß wie es moͤglich ſeyn koͤnne/ daß wir einig Ge-
bett ohne Andacht ablegen koͤnnen/ wann er bedenckt daß er mit Gott
rede/ und fuͤr einer ſolchen hohen Goͤttlichen Majeſtaͤt ſtehe. Jſt dem
alſo/ ſo muß ſich St. Paulus der werthe/ hochgeliebte/ hochheilige Apoſtel
Jeſu Chriſti verkriechen/ ſtincken und Suͤnder ſeyn/ deſſen Ejulate und
erbaͤrmliche Klage uͤber ſein Fleiſch und Dienſtbarkeit der Suͤnden in der
Epiſtel an die Roͤmer c. 7. bekant/ welches Capitul er gleichſam mit Thraͤ-Rom. 7.
() l. de nat.
\& grat.
c.
36,

nen geſchrieben. Aloyſius mag wol Alazon heiſſen. () Auguſtin. lehret uns
anders/ Si omnes ſanctos \& ſanctas, cum hîc viverent, congregare poſſe-
mus \& interrogare, utrum eſſent ſine peccato, rogo nos, quantalibet
fuerint in hoc corpore excellentiâ ſanctitatis, ſi hoc interrogari potuiſ-
ſent, unâ voce clamaſſent, ſi dixerimus quoniam peccatum non habe-
mus, nos ipſos ſeducimus,
Haͤtte Gonzaga dieſen Marien-Spiegel recht
angeſehen/ wuͤrde er die Folge leicht haben machen koͤnnen. So die glorge-
wuͤrdigſte Mutter Gottes nicht ohne ſuͤndlichen Flecken und Mackel ge-
lebet/ was bild ich armer Narr mir ein?


2. Gantz allerdings ſchoͤn von auſſen/ dieweil ſie von der
Sonn der Gerechtigkeit Chriſto Jeſu ſich beleuchten und beſcheinen laſſen/
und dieſelbe angezogen. Es iſt auſſer Zweifel keine ſchoͤnere Creatur in
der Welt als die Sonn/ von dero Mon und andere Sternen ihren Glantz
ſchoͤpffen und bringen. Die Erde fuͤr ſich ſelbſt iſt ſchwartz/ wuͤſte und
unflaͤtig/ wann ſie aber das guͤldene Stuͤck der anſcheinenden und an-
lachenden Sonnen Glantz gleichſam als ein Kleid anziehet/ ſo leuchtet ſie/
ſie pranget in frembden habit, als waͤre ſie ein Stern ſelbſt: Wie dann
etliche dafuͤr halten/ daß wann durch die Vnmoͤgligkeit einer in des Mons
Hof hinauff fahren/ und von demſelben globo herab ſich ſolte umb-
ſchauen koͤnnen/ ſo wuͤrde ihm die von der Sonn angeleuchtete Erde an-
ders nicht fuͤrkommen als auch ein Mon oder Stern. Alſo weil auch
die Jungfrau Maria in der geiſtlichen conception und Empfaͤngnuͤß
durch den Glauben/ Jeſum Chriſtum die Sonne der Gerechtigkeit und
dero guͤldenes Stuͤck den Rock der vollkommenen Gerechtigkeit und Hei-
ligkeit angezogen/ von demſelben habit, ſplendor und Glantz erlangt/
ſo iſt ſie dadurch per immutationem gantz vollkom̃enlich heilig und gerecht
geſprochen worden. Die vollkom̃ene Gerechtigkeit Jeſu Chriſti iſt ihr durch
J i i i 3den
[622]Die Funffzigſte (Sechſte)
den Glauben eigen worden: mit deſſelben Gerechtigkeit/ inmaſſen ſolchs
in einer anmuthigen Figur eines Weibs mit der Sonnen bekleidet St.
Apoc. 12.Johanni dem Evangeliſten fuͤrgebildet worden/ Apoc. 12. Darumb
heiſſet ſie κεχαριτωμένη, die Begnadete/ die aus Gnaden ihr Verdienſt
den Segen ihres Großvaters Abrahams ererbt/ und in ſolchem Verſtande
werden alle außerwehlte glaubige Chriſten genennet κεχαριτωμ [...]νοι. Auff
ſolche Art wird eine iede außerwehlte Seel vollkommen und allerdings
ſchoͤn und lieblich/ wann ſie durch den Glauben Jeſum Chriſtum angezo-
gen/ ſie als die ſchwartze Erde von der Sonnen der Gerechtigkeit ſich erleuch-
ten und beſcheinen laſſen/ und ſeine vollkommene Gerechtigkeit ihro ap-
Eph. 1,plicirt und zugeeignet/ waͤre ſie gleich der Suͤnden halben blutroth geweſt/
ſo ſoll ſie doch ſchneeweiß werden.


3. Tugend-ſchön von innen/ belangend den innern Seelen-
Schmuck/ es wird zwar dieſelbe auch dem Leibe und euſſerlichen Geſtalt
nach gar ſchoͤn und lieblich abcontrofeet/ und ſoll die erſte Bildnuͤß von
St. Luca dem Evangeliſten ſeyn verfertiget worden/ iſt aber Luͤgen und
() l. 4. con-
tra Celſ.
Fabelwerck. Es iſt nicht zu erweiſen/ daß Lucas ein Mahler geweſen.
() Origenes ſchreibt/ es ſey den Juden das Bilder-mahlen verbotten ge-
weſt. Laſſet uns aber viel mehr hoͤren wie St. Lucas dieſelbe in ihrem
Tugend-Schmuck mit ſeiner Feder deliniirt und abgemahlet: als erſtlich
an derſelben geruͤhmet Fidem, den Glauben/ Seelig biſtu/ ſpricht die
* im fuͤnff-
ten Theil
der Catech.
Milch p.
660. \&
907.
geiſtreiche Eliſabeth/ die du geglaubet haſt/ und Chriſtum im Glau-
ben concipirt auff Art und Weiſe wie * droben angezeiget worden/ wel-
cher Glaube wohl alle ætates außgeſtanden/ im Fruͤhling gebluͤhet/ im
Sommer floriret/ im Herbſt gefruchtet/ auch im Winter unter dem Creutz/
da das Schwert ihre Seele durchſchnitten beſtaͤndig geblieben. Dieſer
Glaube war der ſchoͤne Hertzens-Spiegel und Augen-Luſt fuͤr Gottes
Augen/ der auff das Hertz und den Glauben ſihet.


Aus dieſer Wurtzel kommen andere ſchoͤne Tugenden in groſſer
Menge/ die Hoffnung der Aufferſtehung ihres liebſten Sohns/ da
iederman deſperirt/ die andern Weiber aus Vnglauben eine Wahlfahrt
nach dem Heiligen Grab gethan/ Chriſti Toden-Leichnam zu ſalben/
ſo halt die Jungfrau Maria feſt/ bleibt daheim/ veranckert mit der unfehl-
baren Hoffnung/ ihr Sohn wird wider leben. Die Flamme der Liebe
hat hell heraus geſchlagen in der Hochzeit zu Cana in Galilea. Folget die
Demuth/ ſie war eine hochgeborne Jungfrau aus vierzehen Patriar-
chen/ aus vierzehen Koͤnigen/ aus 14. Hertzogen geboren/ wie St. Mat-
thæi
[623]Predigt.
thæi genealogia außweiſet. Wer ſonſt ſeinen Adel von acht Anherren
erweiſen kan/ der uͤbernimmet ſich deſſen/ und iſt ihm niemand gut genug.
Aber Maria gedenckt ie hoͤher ie tieffer/ hoͤrt Engliſchen Gruß/ prophetiſche
gratulation an von ihrer geiſtreichen Baß Eliſabeth/ ſingt darauff ein
Magnificat, nicht ihr ſelbſt/ ſondern ihrem Gott zu Ehren. Vnd das
war der Weg zur rechten Gott-gefaͤlligen Ehr. Fuga gloriæ, via glo-
riæ!
Die Keuſchheit/ als die unter ihrem reinen keuſchen Hertzen den
allerreineſten Jungfrauen Sohn getragen: Die Embſigkeit in allen Ge-
ſchaͤfften/ μετὰ σπουδὴς, endelich und fleiſſig/ hurtig und wacker gieng ſie
auff dem Gebirge zu ihrer Baſen Eliſabeth. Die patientz war wol heroiſch/
da ihr unter dem Creutz das Schwert durch die Seele gedrungen/ und ſie
ein unblutig martyrium außgeſtanden.


Jſt alles uns zur imitation auffgezeichnet/ der Menſch hat von
Natur Affen-Art an ſich/ was er an andern gewar wird/ daß er meynet es
ſtehe wohl/ das aͤffet er nach/ wird offt heßlich betrogen/ aber der Tugend-
Spiegel deren von dem Geiſt ſelbſt canoniſirten heiligen/ der iſt juſt. Chri-
ſtum recht im Glauben zu concipiren/ im Hertzen und mit dem Munde
gebaͤren/ geiſtlicher weiſe ſchoͤne Tugenden uͤben/ ſonderlich demuͤthig ſeyn
fuͤr Gott/ in Erwegung/ daß unſer Vrſprung nicht komme aus dem
Liecht und Himmel/ ſondern unſer erſter Adels-Stamm und Wurtzel
ſey Erde/ Aſch und Staub. Was erhebt ſich dann die arme Aſch?
Jm uͤbrigen zuͤchtig/ gerecht/ Gottſeelig leben/ ſind die ἔυφημα, die Dinge
die wohl lauten/ davon St. Paulus predigt Phil. 4. Was warhafftigPhil. 4, 8.
iſt/ was ehrbar iſt/ was gerecht/ was keuſch/ was lieblich iſt/
was wol lautet/ iſt etwa ein Lob/ dem dencket nach.
So wird
alsdann auff dieſe Stuͤck- und Vor-Schoͤne/ folgen in jenem Leben die
rechte vollkommene/ allerdings gantze Himmels-Schoͤne/ ohne eintzigen
Fehler und deſſen Wurtzel/ da wir ſampt allen Außerwehlten von dem ſee-
ligſten Anblick ſummi pulchri, der hoͤchſten Schoͤnheit ſchoͤpffen und ge-
nieſſen werden heiliges Leben/ vollkommene Heiligkeit und heilige Vollkom-
menheit. Der Gott des Friedes heilige uns durch und durch/ Leib/
Seel und Geiſt/ daß wir ſeyn und bleiben lauter und unanſtoͤſſig biß auff
den Tag der Zukunfft Jeſu Chriſti/ das wird Er thun/
dann treu Er iſt/ Amen.


Die
[624]Die Ein und Funffzigſte (Siebende)

Die Ein und Funffzigſte Predigt/


Vber den dritten Articul.
Von dem ewigen Leben/


Die Siebende Predigt/


Von dem ſeeligen herrlichen Leben/ oder von des
ewigen Lebens Glori und Herrligkeit.


GEliebte in Chriſto: Es iſt die jenige guͤldene Ehren-
Kron/
damit der himmliſcheBrabeuta,Gabens-
König und Lebens-HErr Chriſtus Jeſus die
vier und zwantzig Eltiſten
in der triumphirenden
Kirchen/ ſeine außerwehlte Himmels-Burger und
Reichs-Genoſſen/ die Patriarchen der Kirchen/ durch welche im Alten und
Apoc. 4, 4.Neuen Teſtament die Kirche propagirt worden/ geſchenckt und gezieret/
eine Krone geweſt/ die ſehens werth war/ und namentlich nach Anlei-
tung heiliger Schrifft/ und darinn gefaſſeten elogiorum, 1. Corona
victoriæ,
Eine edle Siegs-Krone; Dann gleich wie die Fechter
und Kaͤmpffer zum brabéo erlangt eine zwar vergaͤngliche Kron. Jn den
1. Cor. 9, 25.
apud Liv.
l. 34. confer
Plin. l. 23.
c. 3.
apud Pro-
cop. l. 1.
bell. Go-
thici.
2. Tim. 4,
8. Apoc.
2,
10.
olympiſchen Spielen/ den triumphatoribus und Siegern wurden Kronen
entgegen getragen/ Kronen verehrt/ auffgeſetzt. Flaminius prangete mit
hundert und vierzehen guͤldenen Kronen/ ſo ihme von allerhand na-
tion
en verehret worden. Alſo muſte Theodatus der uͤberwundene Go-
then Koͤnig Kaͤyſer Juſtiniano jaͤhrlich ſchicken eine guͤldene Krone von
drey hundert Pfunden oder drey Centner. Dahin ſihet nun hie/ wie ſonſt
mehrmahl/ der Geiſt Gottes/ und deutet auff die himmliſche Siegs-Kron/
damit die vier und zwantzig Kaͤmpffer Jeſu Chriſti verehret worden.


2. Corona majeſtatica,Eine Majeſtaͤtiſche Ehren-
Krone;
Ehr iſt der Tugend Kron und Lohn! Koͤnige wurden gekroͤnet
mit geſtrahlten Kronen und Edelgeſteinen/ daß/ gleich wie die Sonne das
ſchoͤnſte Liecht iſt mit Strahlen gezieret/ ſie als Welt-Sonnen fuͤr andern
leuchten
[625]Predigt.
leuchten ſolten: Alſo werden die vier und zwantzig gezieret mit der Ehren-1. Pet. 5, 4.
Apoc.
5, 9.
10.

Krone/ als Koͤnige/ wie ſie ſich vernehmen laſſen Apoc. 5.


3. Corona opulentiæ,Die Gut- oder Reichthumbs-
Krone;
Krone heiſſet in heiliger Schrifft Reichthumb/ wie es der Hei-
lige Geiſt nicht allein in ſolcher figur beſchreibt/ ſondern auch erklaͤrt Pſ. 65.Pſal. 65, 12,
14.

Du kroͤneſt das Jahr mit deinem Gut/ und deine Fußſtapffen
trieffen von Fett/ die Anger ſind voll Schafe/ die Auen dicke
von Korn.
Gott kroͤnet das Land jaͤhrlich mit vier ſchoͤnen Kronen/
der gruͤnen Fruͤhlings/ gelben Sommers/ blauen Herbſts/ vnd weiſſen
Winter-Kron: die ſchoͤne Land-Kron: Alſo werden dieſe vier und
zwantzig Elteſten begabet mit der Kronen/ anzudeuten allerhand anſehen-
liche himmliſche Schaͤtze/ Guͤter und Reichthumb der Kindſchafft und
himmliſchen Erbes.


4. Corona juſtitiæ,Die Krone der Gerechtigkeit;
Die Roͤmer/ wann ſie vorzeiten nach erhaltenem Sieg die Kronen außge-
theilet/ haben ſie einem ieglichen nach proportion ſeiner geleiſteten Dienſte
und geleiſteten Ritterſchafft verehret: Einem Kaͤyſer eine Triumphs-
Kron; einem/ der eine Schlacht entſetzet/ eine ſtrohine Kron; einem
Burger eine burgerliche Kron aus einem Zweige von einem Eichbaum
geflochten: Alſo iſt die Krone der Gerechtigkeit eine ſolche Siegs-Kron/
auff welche ſich auch St. Paulus beruffen/ 2. Tim. 4. Welche ſchnoͤde2. Tim. 4,
8.

judicia, will er ſagen/ muß ich in der Welt außſtehen? aber die Krone iſt
mir beygelegt/
ſie iſt mir ſchon geflochten/ ſie wartet auff mich/ bald
werde ich derſelben theilhafftig werden.


5. Corona vitæ,Eine Lebens-Krone; Die Kraͤntze
von ſchoͤnen lebhafften Blumen ſind gleichſam lebendige Kronen/ aber
ſie verwelcken; Hie iſt die unverwelckliche Krone des Lebens. 6. Co-Iac. 1, 12.
Apoc.
2, 10.

rona dependentiæ,Eine unterthaͤnige Demuths- und
Danck-Krone/
dergleichen Jonathan und Alcimus dem Koͤnige De-
metrio
gebracht/ 1. Macc. 11. 2. Macc. 14. Die Roͤmiſchen Sieger/1. Macc. 11,
24.
2. Macc. 14.
4.
Alex. ab
Alex. l. 6.
genial. c. 6.
Apoc.
4.
10. 11.

wann ſie einen Triumph hielten/ giengen ſie hinauff in das Capitolium,
und nach gehaltenem Triumph weyheten und opfferten ſie Kraͤntze ihrem
Gott Jovi, gleichſam als ihrem Vrheber/ wie bezeuget Alex. ab Alex.
Alſo thun auch die vier und zwantzig Elteſten/ ſie fielen nieder
fuͤr dem/ der auff dem Stule ſaß/ und beteten an/ und wurffen

Sechſter Theil. K k k kihre
[626]Die Ein und Funffzigſte (Siebende)
ihre Kronen fuͤr den Stul/ und ſprachen: HERR/ du biſt
wuͤrdig zu nehmen Preiß/ und Ehre/ und Krafft/ dann du
haſt alle Dinge geſchaffen/ und durch deinen Willen haben
ſie das Weſen/ und ſind geſchaffen.


Nun meine Liebſten/ dieſe Kron iſt uns allen angeboten durch die
Gnaden-Krone des Beruffs/ der Widergeburt und Gerechtfertigung.
Der HERR ſegnet die Gerechten; Er krönet ſie mit Gna-
Pſal. 5, 13.den/ wie mit einem Schilde/ ſagt David Pſal. 5. Niemand iſt
abſolutè, bloß ohne beding außgeſchloſſen von ſolcher Crone; nicht nur
2. Tim. 4,
8.
mir/ ſagt S. Paul. ſondern allẽ/ die ſeine (Chriſti) Erſcheinung lieb
haben.
Es iſt dieſe Kron allen Menſchen erworben durch Chriſti dornene
Kron/ ſie iſt den Außerwehlten bereitet/ auffgehoben und verwahret. Jſt
nichts anders als die Krone des ewigen Lebens/vita glorioſa,
das herrliche Ehren-Leben/ ſo manche Kron/ ſo manche Herrligkeit/
deren Hoffnung und Glaube uns fuͤrgetragen wird in dem Niceniſchen
Symbolo, wann da ſtehet: Jch warte ein Leben der zukuͤnffti-
Rom. 8, 18.gen Welt/ nemlich die Herrligkeit/ die an den Kindern Gottes
ſoll offenbar werden/ die Herrligkeit der zukuͤnfftigen Welt;

Von welcher wir dieſes mahl etwas weiters in der Furcht Gottes handeln
wollen: Der Gott der Herrligkeit wolle umb und von wegen der Ehren
und der Herrligkeit uns kroͤnen mit dem Geiſt der Klarheit/ auff daß ſich
2. Cor. 3, 18.des Herren Klarheit in uns ſpiegele/ und wir zur ewigen Klarheit er-
haben werden/ Amen.


DAß nun alle glaubige und außerwehlte Kinder Gottes
nach dieſem Leben zu hoffen und ſich zu getroͤſten haben eines
herrlichen edlen Lebens/
daſſelbe erhellet nicht allein aus
dem herrlichen offtwiderholten Kronen-Verſpruch/
der Herr
wolle kroͤnen die ritterlich kaͤmpffen. Was iſt aber eine Krone? Ein
gantz Koͤnigreich. Dann ſo redet man im gemeinen Leben: Die Kron
Schweden/ die Kron Polen/ die Kron Engelland/ und verſtehet dadurch
Luc. 22,
29. 30.
das gantze Koͤnigreich/ alſo ſagt der Herr Luc. 22. Er wolle ſeinen
Außerwehlten das Reich beſcheiden/ wie es ihm ſein Vater
beſcheiden/ ſie ſollen eſſen und trincken uͤber ſeinem Tiſch/ und
in ſeinem Reich ſitzen auff Stůlen/ und richten die zwoͤlff

Geſchlechte
[627]Predigt.
Geſchlechte Jſrael/ das iſt: Koͤniglich leben/ Koͤniglich herrſchen/
das wird eine Ehre ſeyn vor der gantzen panegyri und Welt-Verſamlung
im Juͤngſten Tage/ und diß iſt das Reich/ darumb wir ultimatò und vor-
nemlich Gott den himmliſchen Vater taͤglich anſprechen/ wann wir
beten: Zukomme uns dein Reich. Keine groͤſſere glori und Herr-Matth. 6, 9.
Eſth.
6, 10,
11.

ligkeit iſt in der Welt als die Koͤnigliche gloria. Da Ahaſverus den ge-
treuen Juden Mardochai verehren wollen/ laͤſſet er ihn ſchmuͤcken mit
einem Koͤniglichen Purpur-Mantel und guͤldenen Kron.


Nicht allein aus dem anſchauen Gottes/ gleich wie MoſesExod. 34,
29.

ein glaͤntzendes Angeſicht uͤberkommen von dem Angeſicht Gottes/ alſo
auch die Außerwehlten. Es ſpiegelt ſich ietzt ſchon im Reich der
Gnaden (wie St. Paulus lehret) in uns des HErren Klarheit mit2, Cor. 3, v.
ult.

auffgedecktem Angeſicht/ und wir werden verklaͤret in daſſel-
bige Bild von einer Klarheit zu der andern/ als von dem Geiſt
des HERREN.
Vnſer Hertz iſt der zarte Spiegel/ das Goͤttliche
Ebenbild/ und deſſen allgemaͤchliche Erſtattung iſt das Bild durch die
Krafft des verklaͤrenden Heiligen Geiſtes nachgebildet/ der ſchoͤnen Gna-
den-Form deſſen/ der da heiſſet/ voller Gnad und Warheit/ in wel-Ioh. 1, 14.
chem des himmliſchen Vaters Antlitz/ das iſt/ die Goͤttliche Liebe/ Guͤte/
Barmhertzigkeit/ Freundlich- und Leutſeeligkeit geleuchtet/ dero werden wir
faͤhig durch den Glauben/ welche Klarheit wird allererſt folgen in jenem
Leben/ da wir Gott ſelbſt anſchauen ſollen von Angeſicht zu Angeſicht.
Ach liebe Kinder/ wir ſind wohl Gottes Kinder/ aber es iſt1. Ioh. 3, 2.
noch nicht erſchienen was wir ſeyn werden: Wir wiſſen
aber/ wanns erſcheinen wird/ daß wir ihm werden gleich ſeyn

im verklaͤrten Ebenbilde/ und ihn ſehen wie Er iſt.


Sondern aus klaren Zeugnuͤſſen und Verheiſſungen der
Schrifft:
Es wird bloß genennet eine Herrligkeit/Roman. 9.Rom. 9, 23.
Phil. 4, 19.
Col. 1, 27.
Rom. 5, 2.
c. 8, 18.
2. Tim 2,
10. 2. Cor.
4, 17. Rom.

8, 29, 30.

Phil. 4. Coloſſ. 1. die zukuͤnfftige Herrligkeit/Rom. 5. \& 8. die
ewige Herrligkeit/
2. Tim. 2. 2. Cor. 4. Daher die Herrlichma-
chung
ein fuͤrnehmes koͤſtliches Glied iſt in der guͤldenen Apoſtoliſchen
Kett: Welche Er zuvor verſehen/ die hat Er auch verordnet/
welche Er verordnet hat/ die hat Er auch beruffen/ welche Er
beruffen/ die hat Er auch gerecht gemacht/ welche Er hat ge-

K k k k 2recht
[628]Die Ein und Funffzigſte (Siebende)
recht gemacht/ die hat Er auch herrlich gemacht/ das iſt/ Er wird
ſie dermahl eins ſo gewiß herrlich machen/ als waͤr es ſchon geſchehen.


In ſpecie aber und vornemlich vita glorioſè triumphatrix,
ein herrlich- und triumphirendes Leben/ da das außerwehlte Kind
Gottes in vollem und ewigem Triumph ſtehen wird/ viel herrlicher als kein
Roͤmiſcher triumphator. Groß war vorzeiten die Herrligkeit eines Sie-
gers und Vberwinders in den Olympiſchen Spielen/ groß war die Freude;
apud. Gell.
l.
3, 15.
der Sieger wurde gantz vergoͤttert; Als der Diagoras eins mals drey Soͤhne
hat ſehen ſiegen und an einem Spiel- oder Feſt-Tage kroͤnen/ und die drey
Juͤnglinge ihn umbfangen/ ihre Kraͤntze auff ihres Vaters Haupt geleget
und gekuͤſſet: als das Volck allenthalben Blumen auff ſie ſtreuete/ hat der
Vater in dem ſtadio oder Lauff/ fuͤr ihrẽ Augen und unter ihrẽ Haͤnden/ fuͤr
Lipſ. l. 5.
de milit.
Roman.
Dial.
17.
Freuden den Geiſt auffgegeben. Wie groß ſchaͤtzet ein Soldat ihm dieſe
Herrligkeit/ wann er von ſeinen Oberſten begabet wird in einer volckreichen
panegyri und Verſamlung des gantzen Kriegs-Heers: wann ihn der
Oberſte zuvor mit herrlichen elogiis und Lob-Spruͤchen anredet/ und her-
nach mit einer Siegs-Kron oder adelichen Lehen verehret/ wegen ſeiner
Ita memo-
rat Au-
guſtin.
Brunius a-
vus meus
maternus
in triade
Elect. p. m.

170.
ritterlichen Thaten/ einem ſolchen Menſchen iſt anders nicht als waͤre er
im Himmel; Als im Jahr 1180. Kaͤyſer Fridericus Barbaroſſa Bern-
hardum II.
einen Fuͤrſten von Anhalt wegen ſeiner ritterlichen Thaten
und geleiſteten treuen Dienſten zur Churfuͤrſtlichen Wuͤrde erhoben/ und
er der belehnete Churfuͤrſt gebetten umb Beſſerung ſeines Wappens/ da-
mit zwiſchen ihm und ſeinen Bruͤdern ein Vnterſcheid waͤre/ da ergriff
der Kaͤyſer ſeinen Rauten-Krantz/ den er damahls wider die Sommer-
Hitz auff ſeinem Haupte getragen/ und wirffts ihm auff ſeinen Schild/ da-
her noch heutigs Tages die Hertzogen in Sachſen den Rauten-Krantz in
Ioſeph. l. 7,
24.
dem Wappen fuͤhren. Die groͤſſeſte Ehre und Herrligkeit hat ein Ober-
ſter/ der den Sieg erhaͤlt und triumphiret; Nach dem Titus mit ſigreicher
Hand von Jeruſalem abgezogen/ allenthalben mit Freuden-Spielen/
Ehrenpforten/ Siegskronen empfangen worden/ nach Rom gezogen/ dem
der Vater entgegen geritten: Jm Triumph wurden die pegmata devicta-
rum gentium \& ſpolia templi,
die gefangenen Sclaven und Kirchen-
Schaͤtze/ die ſie geraubet und gewoñen/ auf Tafeln gemahlt den gefangenen
Juden zu Spott vorher getragen/ auff welche gefolget ſieben hundert auß-
erleſene/ ſtarcke/ dapffere Mann der gefangenen Juden/ endlich Titus mit
ſeinem Vater und Bruder Domitiano auff dem Triumph-Wagen mit
dem Lorbeer-Krantz und Purpur-Kleide durch die Triumph-Pforte/
anſehen-
[629]Predigt.
anſehenlich begleitet. Si tanti vitrum, quanti margaritum? ſchreibt Ter-
tullianus,
Wann das Glaß ſo werth iſt/ was wird dann die Perl
gelten?


Wie viel tauſend und aber tauſendmahl groͤſſer iſt die himmliſche
Ehre und Herrligkeit! Wir laſſen den Moͤnchen ihr Gedichte von den au-
reolis
der Außerwehlten/ ſie moͤgen entweder weiß ſeyn/ der Jungfrauſchaft
oder Keuſchheit/ oder moͤgen pur-roth ſeyn/ ihre außgeſtandene Martervide Gerh.
tom. de vi-
tâ æternâ
p. 1018.
Cornel. à
Lap. ad
Timoth.
p.
808.

und Leiden/ ſie moͤgen gruͤn ſeyn/ ihre gefuͤhrte Lehre anzudeuten. Wir troͤ-
ſten aber billich alle tugendſame keuſche Hertzen/ die die unzuͤchtigen Kuͤtzel/
Flammen und Brunſten uͤberwunden: die auch im Ehe-Bett ſelbſt
Keuſchheit gehalten/ die ihren Wittwen-Stand rein und unbefleckt be-
wahret/ mit der edlen Siegs-Kronen der Keuſchheit. Wir troͤſten alle/
nicht nur blutige/ ſondern auch unblutige Maͤrtyrer: Das geiſtliche mar-
tyrium
iſt/ nach Gregorii Beſchreibung/ tolerantia adverſorum, com-
paſſio afflictorum, dilectio inimicorum: parcitas in ubertate, caſtitas
in juventute:
Eine Chriſtliche Gedult in Widerwertigkeit/ Mitleiden mit
den Geplagten/ Liebe der Feinde: Sparſamkeit in Vberfluß/ Keuſchheit
in der Jugend/ mit der edlen Maͤrtyrer-Kron. Wir troͤſten alle getreue
Lehrer mit der guͤldenen Kron der Lehre/ ihres Eifers/ Treu und Fleiſſes;
Da wird Paulus ſich ſeiner Philipper ꝛc. ruͤhmen und ſagen: DieſePhil. 4, 1.
ſind meine Krone! Alle Zuhoͤrer/ die man dem Teufel aus dem Ra-
chen gezogen; die Collegia, die man der Jugend zum beſten in groſſer
Menge mit Fleiß und Treu gehalten; die Schul-Knaben/ die allhie ihre
embſige Præceptores als Kronen umbgeben/ die werden deroſelben herr-
liche Kronen ſeyn in jenem Leben/ ihnen dancken und ſie ruͤhmen: Die
Oberkeit wird ſich ruͤhmen ihrer Vnterthanen/ und ſagen: Das ſind die
jenigen/ die ich als eine ſeugende Mutter gepflogen/ wie ſie dort in jenem
Leben umb mich her geſtanden/ meinen Gebotten und Verbott angehoͤret:
Eltern/ wann ſie ihre Kinder werden ſehen/ denen ſie in dieſer Welt mit
heilſamen ehrbarlichen Exempeln fuͤrgeleuchtet/ ſo werden ſie mit unaus-
ſprechlichen Freuden ruͤhmen und ſagen: Herr/ das ſind die Kinder/
die du mir gegeben haſt/ das iſt meine Krone!


II. Vita ornatiſſima \& nobiliſſima,Ein wohlgezier-
tes edeles Leben;
Nichts iſt edler in dem Himmel als die Sterne/ die
am Firmament des Himmels zwitzern als die Edelgeſteine und Kleino-
dien an einer guͤldenen Krone. Nun aber ſind die Außerwehlten Ster-
ne! Nichts iſt auff Erden ehrlicher als die Filii Regum, der Koͤnige Kin-
K k k k 3der;
[630]Die Ein und Funffzigſte (Siebende)
Rom. 8, 17.
Act.
17, 28.
der; Wir aber ſind Kinder Gottes und Gottes Erben/ Θεοῦ γένος ἐσμὲν,
wir ſind Gottes Bluts-Freunde; Alle Außerwehlten ſind Koͤnige/
Matth. 20,
16.
Apoc.
4, 4.
hie Knechte/ aber vor Gott Koͤnige/ die Erſten werden die Letzten
ſeyn.
Geehret ſind die Rathherren auff der Pfaltz; aber die Außerwehl-
ten ſitzen auff hoͤhern Stuͤlen als Richter. Geehret ſind die Doctores auff
Hohen Schulen; Aber alßdann werden ſie alle von Gott gelehret ſeyn/
Ier. 31, 34.und wird vollkommen wahr werden/ was geſchrieben ſtehet Jer. 31. Die
Roͤmiſchen Burger wurden vorzeiten fuͤr die ehrlichſten und edelſten un-
ter allen nationen gehalten/ hie ſind lauter Himmels-Burger. Der Roͤ-
mer Adel beſtunde in drey Stucken/ χώρα, νόμῳ καὶ τιμῇ, in Freyheit der
Guͤter/ dem Geſetz der Freyheit von geiſeln und Schlaͤgen/ und dann der
Ehre/ daß er einen togam oder langen Ehren-Rock tragen durffte; dar-
Act. 16, 37.
c. 22, 26.
() v. Cœl.
Rhodig.
l. 6. c.
9.
umb hat man ſich umb daſſelbe Burgrecht geriſſen: Wie viel herrlicher
das himmliſche Burgrecht/ wie viel koͤſtlicher iſt der Adel der Kinder Got-
tes fuͤr allen andern Menſchen-Kindern/ hie frey Land/ hie Schlaͤg-frey/
hie edler Rock/ weit uͤber den () Roͤmiſchen talar Demetrii des Macedo-
niſchen Koͤnigs/ der an ſeinem Reutrocke den Himmel und das gantze
himmliſche Heer geſtickt getragen.


III. Vita feliciſſima \& opulentiſſima,Ein gluͤckſee-
Rom. 9, 23.
Eph. 1, 18.
c.
2, 6.
liges und reiches Leben. Zeitliche felicitaͤt beſtehet in Guͤtern des
Gemuͤths/ des Leibes/ als da ſind Schoͤnheit und Geſundheit; und
Gluͤckes-Guͤtern; Wer mit dieſen dreyerley Guͤtern reichlich begabet iſt/
der iſt in der Welt ein gluͤckſeeliger Menſch/ dem ruffet iederman zu: Wohl
dem! Geſunder und kluger Verſtand in allen Sachen: gerader/ ſchoͤner/
geſunder Leib: Gluͤck nach Wundſch in Geſchaͤfften und Nahrung. Si
capiti bene: ſi ventri bene: ſi pedibus: nil poſſunt regales addere majus;

Was koͤnte Gott herrlichers dem Leibe ſchencken als Geſundheit?
Prov. 14,
24.
Reichthumb ſtehet wohl dabey/ iſt Gottes Segen: Reichthumb iſt der
Weiſen Kron;
Das war Salomons Leben. Dort in jenem Ehren-
Leben wird ſeyn die Krone der Weißheit/ vollkommener Verſtand; herr-
liche Gaben des Leibes/ die Vnſterbligkeit/ wir werden ſeyn und leben ohne
Flecken/ artzneyen/ balſamiren; Wir werden aͤhnlich werden dem verklaͤr-
ten Leibe Chriſti auff dem heiligen Berge; Es wird da ſeyn vollkommene
Krafft und Gewalt/ wo wir werden hin begehren/ da werden wir ſeyn koͤn-
nen: Wir werden geiſtliche Leiber haben/ die keiner Speiſe beduͤrffen.
Da wird ſeyn uͤberfluͤſſiger Reichthumb/ volle Genuͤge: Reichthumb in
Gott
[631]Predigt.
Gott/ der da iſt alles in allem; Wer Gott hat/ dem mangelt nichts.
Welche eine groſſe Herrligkeit wird diß ſeyn!


Gar Außbund-ſchoͤn hat ſolche Herrligkeit Chriſtus der Herr
ſeinen Juͤngern vorgebildet bey dem Evangeliſten Matthæo c. 19. JhmMatth. 19,
16. ſeqq.

dem Herren ſtoͤſſet einmahls auff ein reicher Fucker/ welcher den
Herrn gefragt/ was er thun ſolte/ daß er das ewige Leben haben
moͤge?
Der Herr weiſet ihn in die Zehen Gebott/ muthet ihm darauff zu/
wañ er woll vollkom̃en ſeyn/ ſo ſol er ihm nachfolgen/ er ſol hin-
gehen und verkauffen alles was er hat/ ſo werd er einen Schatz
im Him̃el haben.
Der reiche Juͤngling gedenckt/ das werde ich wohl
laſſen. Eſt avis in dextrâ melior quam quatuor extra: Ein Vogel in
der Hand iſt beſſer als vier auff dem Dache. Das gewiſſe behalte ich/
das ungewiſſe laſſe ich. Das iſt/ gedenckt Petrus eine Predigt fuͤr mich/
faͤllet Chriſto darauff in die Rede/ und ſagt: Sihe wir haben alles
verlaſſen und ſind dir nachgefolget/ was wird uns dafuͤr?

Seine Schluß-Rede lautet alſo: Wer alles verlaͤſſet und Chriſto folget/
auff den wartet ein herrlicher Schatz im Himmel. Nun wir deine Juͤn-
ger/ wir ſind ſolche Leute/ die alles verlaſſen und dir gefolgt/ Ergò wartet ein
groſſer Schatz auff uns. Was dann? Was wird uns dafuͤr?
Hie Creutz/ Armuth/ Spott/ Hohn/ das wird ſeyn euer Propheten-Lohn/
ſo antwortet der Herr anderswo Matth. 16. Wer mir nachfolgenMatth. 16.
24. 25.

will/ der nehm ſein Creutz auff ſich ꝛc. Warlich ich ſage euch/
daß ihr/ die ihr mir ſeyt nachgefolget/ werdet in der Wider-
geburt
am groſſen neuen Oſtertage/ da alles wider wird neu werden/
Erſtlich nach der Vnruh und Ampts-Lauff herrlich/ ehrlich/ ſicher und
gluͤckſeelig ſitzen und ruhen: 2. Fuͤr das hangen am Creutz-Joch
ſitzen auff zwoͤlff Ehren- und Richter-Stuͤlen: Fuͤr die Welt-
Zungen- und Blut-Gericht/ damit ihr euch habt muͤſſen ſchleppen und
ſchleppen laſſen/ ſo werdet ihr als meine Beyſitzer richten/ gut heiſſen/
Herr/ du biſt gerecht/ ſagen/ und alle deine Gerichte ſind recht/ ihr werdet
wie die Jſraeliten den Vntergang Pharaonis mit Luſt ſehen: Jhr wer-


Si tantum duodecim ſellæ ibi futuræ ſunt, non erit ubi ſedeat tertius deci-
mus Paulus Apoſtolus, \& non erit quomodo judicet, qui tamen judicaturum ſe
dixit non homines modo ſed \& Angelos? non ſolum ergò illi duodecim, ſed
quotquot judicaturi ſunt propter ſignificationem Vnive ſitatis ad ſedes duo-
decim pertinent: Auguſt. in Pſ.
86.’
()

det rich-
[632]Die Ein und Funffzigſte (Siebende)

det richten die zwölff Geſchlechte Jſrael/ verſtehe auch die Heyden
welche durch den Glauben in Jſraels Stam̃-Baum eingepfropfft worden:
fuͤr die Armut/ Hunger und Kum̃er/ exilia, die ſie außſtehẽ werden Kronẽ/
Guͤter/ Reichthumb: Fuͤr Freunde und Verwandte/ Vater/ Mutter/
Weib oder Kinder/
die ſie ihres Ampts halben mit dem Ruͤcken werden
anſehen Engliſche und himmliſche Freundſchafft: Fuͤr die Aecker/ die ſie
hindan ſetzẽ/ hundertfaͤltig wider nemen/ und das ewige Lebẽ erbẽ.


Von Evagrio, einem Chriſtlichen Philoſopho zu Alexandria/ ſchrei-
bet Cedrenus, er hab dieſen Spruch nicht glauben koͤnnen/ doch hab er auff
einẽ Verſuch 300. Pfund Golds unter die Armẽ außgetheilt/ aber vom Bi-
ſchoff Syneſio eine Handſchrifft druͤber begehrt/ ſtirbt darauff/ und laͤſſet
ſich mit dieſer Handſchrifft begraben/ am dritten Tage erſcheinet Evagrius
dem Biſchoff/ und ſagt/ er ſoll ſeine Handſchrifft wider abholen/ er habe
nichts mehr an ihn zu ſprechen. Syneſius ſucht ſeine Handſchrifft im
Grabe/ findet dieſelbe mit Evagrii Hand unterſchrieben: Evagrius Syneſio
Epiſcopo ſalutem. Scis Pater me centuplum debiti recepiſſe, neq́ue
eo nomine habere, quod à te exigam.
Dieſe relation riecht nach einer
Maͤhr. Chriſti warlich iſt uns beſſer und gewiſſer/ als tauſend der-
gleichen apparitionen und Erſcheinungen der Toden. Nun es iſt noch
Raum in der Herberg! St. Marcus extendirt dieſe Verheiſſung auff alle
Marc. 10,
29. 30.
Glaubigen ins gemein c. 10. Warlich ich ſage euch/ es iſt nie-
mand/ ſo er verlaͤſſet Hauß oder Bruͤder/ oder Schweſter/
oder Vater/ oder Mutter/ oder Weib/ oder Kind/ oder Acker/
umb meinet willen/ und umb des Evangelii willen/ der nicht
hundertfaͤltig empfahe/ auch ietzt in dieſer Zeit/ Haͤuſer und
Bruͤder/ ꝛc. doch mit Verfolgung:
das iſt/ mit deſſen lieben Creu-
tzes comitat und Begleitung/ Gott der Herr wird ſchaffen/ daß wo ſeine
Glaubigen werden im exilio hinkom̃en/ daß ihnẽ allenthalben Haͤuſer und
Freunde begegnen und offen ſtehen werdẽ/ die das verlaſſene erſetzẽ/ und mit
Freunds-Treu ergoͤtzen werden/ und dazu in der zukuͤnfftigen Welt
das ewige Leben.
Welcher maſſen dieſe Verheiſſung die Paͤpſtler ſon-
derlich auff ihre vermeynte geiſtliche Ordens-Leute/ und die Patres
der Societaͤt/ die Jndianiſche Apoſtel/ die in der neuen Welt dieſes alles


Multum deſeruit. qui voluntatem habendi dereliquit: Bernhard. in h. l.
Petrus non ſolum amiſit quicquid habebat, ſed quicquid habere cupiebat. Quis
alias non cupit quotidie augere quod habet? Auguſt. in Pſ.
103.’
()

reichlich
[633]Predigt.

reichlich finden ſollen/ appliciren/ davon moͤgen die Gelaͤhrten leſen Corn.
à Lap.
in ſeinem Commentatio ad Matth. hieruͤber.


Darumb wer hie verlaͤſſet (nicht nur in actu durch freygebige Allmo-
ſen/ ſondern auch in effectu) zeitliche Guͤter/ umb Chriſti willen/ auff daß
er denſelben behalte/ und nicht behaltet was Chriſto uͤbel gefaͤllet/ anders
als Herodes Felix und Druſilla, denen ihr Welt-Buhlſchafft lieber
geweſt als Chriſti Evangelium; anders als jener Frieſen Koͤnig/ der aus
reſpect ſeiner Vorfahren den Fuß wider aus dem Tauffſtein gezogen;
ſondern wie Moſes die Schaͤtze Egypti verlaſſet und St. Paulus alleHebr. 11,
26.
Phil.
3, 8.

weltliche Ehr und Gemach fuͤr Hunds-Koth und Schaden gehalten:
Wer auch Chriſto nachfolget in der Creutz-Fahrt im Oel-Verge/ an die
Golgatha wie Simon von Cyrenen/ und in allem Creutz ſeine Seele in
Gedult faſſet: Was wird einem ſolchen dafuͤr? Hie zwar die dornene
Kron/ Deo chariſſimi flagellis proximi, ie lieber Gott ie naͤher Ruth;
doch auch bißweilen Ergoͤtzligkeit. Valentinianus wolt unter dem Kaͤy-
ſer Juliano lieber ſeinen Ritter-Guͤrtel und Obriſten-Stell beym Regi-
ment quittiren/ als Chriſti Glauben; da er von einem heydniſchen Sigri-
ſten mit Weyhwaſſer beſprengt worden/ gibt er ihm zu Danck eine Maul-
ſchell; was geſchicht? poſt μισθὸν τῆς ὁμολογίας τὴν βασιλείαν ἐδεξατο.
Theodoret. er bekom̃t fuͤr ſeine heroiſche Bekaͤntnuͤß die Kaͤyſerliche Kron.
Das iſt ein grundfeſter Troſt wider alle Creutz-Gewitter. Aber wo ſind die
Nachfolger Chriſti? Omnes Domine Jeſu volunt ad te venire, nemo
ſequi,
ſagt Bernhardus: Jederman kaͤm gern zu dir in Himmel: aber
durch ritzende Dornen und Diſteln dir folgen/ O Jeſu/ da will niemand
recht dran.


IV. Vita glorioſè juſta,Ein gerechtes Leben; da die
dotes und gloriæ accidentales, die Gaben der Herrligkeit nach den Wer-
cken und Leiden werden außgetheilet und diſpenſiret werden. Dann ob
zwar wohl die ſubſtantz und das Weſen der Ehren-Krone des ewigen
Lebens gleich allen/ keinen außgeſchloſſen/ wird auffgeſetzet werden/ ſo wird
doch eine groſſe variation erſcheinen in gradibus, in dem Schein oder
Glantz/ Maß/ Ordnung/ Zahl: das bezeuget die Heilige Schrifft klar
Rom. 2. Sie illuminirts mit Gleichnuͤſſen/ Dan. 12. 1. Cor. 15. Sie gibtsRom. 2, 6.
Dan. 12, 3.
1. Cor.
15,
41.

zu verſtehen ex ἰσαγγελότητι, weil Er ſaget/ daß ſeine Außerwehlten werden
den Engeln gleich ſeyn; Aus dem Gegenſatz der Qual in der Hoͤllen.
Es erforderts die Gerechtigkeit/ nicht in reſpectu und Anſehen gegen Gott/
ſondern der Außerwehlten unter einander ſelbſt: darumb es auch St.
Paulus nennet die Krone der Gerechtigkeit. Gleich wie ein Ober-2. Tim. 4,
8.

Sechſter Theil. L l l lſter die
[634]Die Ein und Funffzigſte (Siebende)
ſter die Beute juxta juſtitiam diſtributivam, nach geometriſcher propor-
tion,
und alſo nach den meriten/ Verdienſten und Wunden/ dergleichen
Num. 31,
26. ſeqq.
Exempel zu leſen Num. 31. diſpenſirt und außtheilt: alſo auch der gerechte
Richter wird dermal eins außtheilen die Kronen/ ungleich/ ie mehr einer ge-
arbeitet/ ie mehr er außgeſtanden/ ie heller wird auch ſeine Kron/ das iſt/ ſein
Liecht/ Adel und Herrligkeit leuchten. Hie gehet es unbillich und ungerade
her/ ie ſchwerer offt die Arbeit/ ie ſchlechter Danck/ und endlich dazu Vndanck
in fine laborum. Das ſey ferne/ daß der Richter aller Welt alſo richten
ſolte/ und nicht viel mehr alles ungleiche corrigiren und gleich machen?


So hoͤr ich wohl/ moͤchte hie iemand einwerffen/ ſo muß man es ver-
() ln com-
ment. ad 2.
Tim. 4. p.
808. confer
Forer. part.
3. antiq.
pap. l. 7. c.
8. pag. 888.
contra Ho-
dom. pap.
phantaſ. 9.
p.
365.
dienen? Diß geben zwar fuͤr die Papiſten/ und namentlich () Cornelius
à Lapide,
Hieraus erſcheinet/ ſagt er/ daß man mit guten Wercken koͤnne
die Herrligkeit des ewigen Lebens verdienen/ dann das bedeut die Krone
der Gerechtigkeit/ welche nicht gibt/ ſondern widergibt/ der gerechte Rich-
ter Chriſtus. Antwort: Eben ſo wenig verdienen als ein Kind umb
den Vater verdienet/ ob er gleich einem/ der gehorſamer und froͤmmer ge-
weſt nach der Wage der Gerechtigkeit/ zum Voraus mehr vermachet als
dem andern/ ſo bleibt doch die ſubſtantz allen gleich. Nun aber iſt das
ewige Leben ein Erbe. Wer umb ein verdienliches Kleinod rennet oder
fechtet/ der thuts aus eigenen natural-Kraͤfften ohne Pflicht/ darumb kan
er auch das Kleinod verdienen. Aber das himmliſche Kleinod iſt un-
verdienlich weniger aus eigenen Kraͤfften. Was der Menſch gutes thut/
das iſt er verpflicht und ſchuldig zu thun/ und ſoll deßwegen (wann Gott
der HErr nach der ſtrengen Gerechtigkeit handlen wolte) kein Danck habẽ.


V. Vita æternùm glorioſa,Ein ewig-herrliches Leben;
derowegen es die lebendige Herrligkeit/ die immerlebendige Hoffnung ge-
nennet wird. Es ſitzt hie mancher Menſch lange in Ehren/ zum Exem-
2. Reg. 21,
1.
pel/ der gottloſe Koͤnig Manaſſes; Aber Welt-Ehr iſt wandelbar! der
Menſch iſt wie ein Rechen-Pfennig/ gilt viel oder wenig/ nach dem man
ihn leget/ endlich heiſſets: Heute Koͤnig/ morgen tod! Die himmliſche
Ehr iſt eine immerlebendige Herrligkeit/ ſie bluͤhet und gruͤnet ewig.
1. Cor. 9, 25.
1. Pet. 1, 3. 4.
c.
5, 10.
Gott hat uns beruffen zu einer ewigen Herrligkeit/ zu einem
unvergänglichen/ unbefleckten und unverwelcklichen Erbe.


Phil. 2, 11.
Rom. 5, 2.
1. Pet. 5, 10.
Epheſ. 1, 3.
c. 2, 7.
1. Cor.
1, 31.

VI. Gloria dependens,Eine unterworffene Herrligkeit/
ſo auff Gottes Ehr zu referiren und zu ziehen; Chriſtus iſt erhoͤhet
zur Ehre des Vaters/
alſo auch wir zur Ehre Gottes/ daß ſich nicht
iemand ruͤhme/ ſondern wer ſich ruͤhmen will/ der ruͤhme ſich
des
[635]Predigt.
des HErren. Es waren die Knechte Salomonis in einem herrlichen
hohen Stande/ dieweil ſie allezeit fuͤr Salomon geſtanden 1. Reg. 10. Aber1. Reg. 10, 8.
doch waren und blieben ſie Knechte/ ſie muſten dem Koͤnig auffwarten/
zu Hofe reiten und begleiten. Die Heiligen Engel ſingen: Soli Deo
gloria!
Allein Gott in der Hoͤhe ſey Ehr! Dort werden am aller-Luc. 2, 14.
meiſten die Außerwehlten Gott loben/ ihre Kronen ablegen/ und ſingen
als von Gott gelaͤhrete/ von den Wolthaten der Schoͤpffung/ Erloͤſung
und Heiligung; Hie iſt uns der Name Herr noch nicht gnugſam of-
fenbaret/ wann er uns aber aus dieſem Egyptiſchen Dienſt-Hauſe wird
durch das rothe Toden-Meer und die Wuͤſten durchgefuͤhret haben ins
Land der Lebendigen/ da werden wir augenſcheinlich erfahrẽ/ was und daß
er der Herr ſey/ und fuͤr ihm auffrecht wandlen/ und des lobens und ruͤh-
mens kein Ende finden noch machen/ ſeine Herrligkeit nicht nur ſehen/
ſondern auch reichlich und uͤberſchwenglich genieſſen. Der arme gefange-
ne Wenden-Koͤnig Gilimer muſte vor dem Kaͤyſer Juſtiniano (der in
ſeiner Kaͤyſerlichen Majeſtaͤt und praͤchtigen Thron erſchienen) einen
Fußfall thun/ und ſehen was er nicht gern geſehen/ welcher Schau er wenig
gebeſſert geweſen. Viel anders in jenem Leben/ da wir Gott den
Herren in ſeiner herrlichen Majeſtaͤt nicht nur ſehen/ ſondern auch
von ſolchem Blick/ Glantz und Herrligkeit ſchoͤpffen werden. Die Oel-
Kinder die hie mit dem Geiſt Gottes geſalbet ſind/ werden dort als Him-
mels-Kinder ſtehen bey dem Herrſcher des gantzen Landes/ ſpricht der
Engel/ Zachar. 4. Sie werden ihn loben unauffhoͤrlich an dem ewigenZach. 4, 14.
Sabbath/ anſtimmen das groſſe Halleluja im vollkommenen Lob/ in einer
lieblichen/ unzerſtoͤrlichen Harmoni des Mundes und Hertzens/ alle Glied-
maſſen und Adern werden gleichſam zu Orgel-Pfeiffen werden. Diev. Auguſt.
l. 22. de
Civ. Dei
c. 13.
Luc. 2, 14.
Apoc. 4, 8.
ſeqq.

Engel haben uns vorgeſungen: Gloria in excelſis Deo!Ehre ſey
Gott in der Hoͤhe!
deßgleichen die vier und zwantzig Elteſten/ die
vier Thiere/ die chori Angelici in der Offenbarung St. Johannis.


Wem wolte/ meine Liebſten/ nicht abermahl dieſes Welt-Leben ver-
leyden? Wer wolte nicht ſagen: Evolemus hinc! Auffwaͤrts unſer Hertz/
laſſet uns ziehen von dannen gen Himmel zu! Eya waͤren wir da! Rei-
ches Leben iſt ein gut Leben; Wohl dem Volck/ ſpricht der Welt- undPſ. 144, 15.
Geld-Liebhaber/ dem es alſo gehet! Ein herrlich Leben/ Luc. 16. der
reiche Schlemmer lebet alle Tage herrlich/ aber der Senff iſt neben demLuc. 16, 19.
Fleiſch; Es iſt verſaltzen mit der inſufficientz/ Dives ſemper eget, Reiche
L l l l 2haben
[636]Die Ein und Funffzigſte (Siebende)
haben nimmer gnug. Es iſt verſaltzen mit den unaußbleiblichen Hof-
fart/ ſecuritas, vermis eſt hujus pomi, Sicherheit und Stoltz iſt der
Wurm/ der die ſchoͤne Kuͤrbiß des Reichthumbs verderbet; dannenhero
kan ein Reicher gar ſchwerlich ſeelig werden; Abrahami ſind gar duͤnne
geſaͤet/ die Kunſt iſt allzuſchwer/ reich und fromm zugleich ſeyn. Wohl
dem Reichen/ der unſtraͤfflich wandelt! Wo iſt der? Er thut

Syr. 31, 8. 9.groſſe Dinge unter ſeinem Volck. Reichthumb iſt verbunden
mit Kranckheit/ dem Podagrâ, der Reichen Kranckheit/ mit der Vnbeſtaͤn-
digkeit; Es iſt dem Mammon ſo gar nicht zu trauen. O Solon! Solon!
ruffet der reiche Ctœſus: Wie wahr iſt dein Spruch an mir worden/ daß
kein Reicher gluͤckſeelig zu preiſen fuͤr ſeinem Ende! derſelbe prediget noch
allen Reichen/ ſeines gleichen Gluͤcks-Vogeln. Endlich auch verbunden
mit Furcht und Schrecken fuͤr dem Tode; endlich geht es auff ein la mi
aus/ wie mit dem reichen Schlemmer/ und der hatte es doch noch zu bezah-
len; Mancher Pracht-Hans fuͤhret einen anſehenlichen herrlichen
Stath/ wann mans beym Liechte beſihet/ nach dem Tode heiſſet es: Hauß-
rath wohlfeil! bleibet ihm nicht die Aſche auff dem Herde.


Juncker-Leben iſt noch beſſer cæteris paribus, wann man alles voll-
auff hat/ nichts thun darff/ als eſſen und trincken/ niemands dienen/ der
Bauersmann muß herzu tragen; Die Jmme muß arbeiten/ die Hum-
mel verzehren. Schlaffen biß die Sonn ins Bette ſcheinet/ hetzen/ jagen/
ſpielen/ tantzen/ Pancket haltẽ/ Wurſt reuten ꝛc. das iſt ein herrlich Leben fuͤr
der Welt/ aber in der Warheit ein gefaͤhrlich Leben; durch Mißbrauch des
Muͤſſiggangs haben wir das Paradiß verlohren/ muͤhſeeliges Leben iſt
Chryſoſt.
hom. 38. in
Ioh.
beſſer. Ein ander lobt Hof-Leben; das iſt ein herrlich Leben/ da kan man
zu Ehren kommen; Aber Haman ſchuͤttelt den Kopff/ und Sejanus am
Hof Tiberii ſagt nein darzu; die predigen allen Hof-Leuten/ wie Fuͤrſt-
liche Gnade viel Fluͤgel habe/ daß ſie bald davon flengt. Sejanus
iſt unter Tiberio zu ſolchen hohen Ehren erhaben worden/ daß ſein Ge-
burts-Tag oͤffentlich gefeyret/ ihm zu Ehren guͤldene ſtatuæ und
Bilder geſetzet/ und er des Kaͤyſers Collega im Burgermeiſter-
Ampt worden/ aber endlich muſte er doch ans kalte Eiſen. Was iſt
der Soldaten Leben? da kan ein armer Schlucker und Stiefelbutzer bald
ein Capitain werden; Das laut wohl! Soldaten die ſind Ehrenwerth
Aber ſie kommen entweder im Kriege umb/ oder ſo irgend ein gerader ge
ſunder Mercurius außgezogen/ kommt ein hincken der lamer Saturnus wi
der zu Hauß/ Gewiſſens-Wunden iſt ihre Beute/ die die meiſten davon
bringen. Koͤnigliches Leben iſt uͤber alles; Salomon ſagt nein darzu/
da er
[637]Predigt.
da er alle Koͤnigliche Herrligkeit abgenuͤtzet und außgebraucht/ dancket er
demſelben endlich ab und ſagt: Es iſtvanitas,alles eitel! auch Dio-Eccl. 2. 11.
nyſius ſagt nein darzu; Pyrrhus kunte nicht ſatt werden.


Das Himmel-Leben iſt allein das herrlichſte Leben/ viel herrlicher
als das irrdiſche Paradiß-Leben/ welches verlierbarlich und wandelbar
geweſen/ und noch in der Hoffnung geſchwebet. Adhuc pendet bra-Chryſoſt.
hom. 7. in
epiſt. ad
Hebr.

beium, ſagt Chryſoſtomus, Der Ehren-Lohn/ die Ehren-Kron henget
noch da im Mittel an der Schnur; Wem dieſe Herrligkeit nicht ſchmecket/
wer darnach nicht trachtet/ der iſt wohl ein βέβηλος wie Eſau/ das iſt/
heydniſch/ ungoͤttlich/ ruchloſer Menſch; derſelbe verkaufft den Adel derHebr. 12,
16.

Erſtengeburt/ umb ein Linſen-Gerichte; man lege in die Wage Linſen-
Gerichte/ wann es auch von Egyptiſchen Linſen gekocht waͤre/ wie Auguſti-
nus in Pſ.
46. es ſeye ſo wohl gewuͤrtzt und zugericht als es immer wolle.
Hingegen in die andere Schal das Recht der Erſtengeburt/ welches ein
Fuͤrbild geweſt der ewigen Gnaden-Wahl und des himmliſchen Erbes/
der Außſchlag wird ſich bald finden. O wie viel Eſauiten in der Welt!
Wer nun dieſer Kron begehrt/ der muß zuvor kaͤmpffen. St. Paulus
ſetzte zuſammen: Jch hab einen guten Kampff gekämpffet/ ꝛc.2. Tim. 4,
7. 8.

ſo iſt mir beygelegt die Kron ꝛc. kaͤmpffen mit dem Sathan und
ſeiner Braut/ mit Fleiſch und Blut/ Glauben halten und ſiegen. Aber
O wenig ſolche Kaͤmpffer! darumb es ſich auch nicht zu verwundern/ daß
ſo wenig die Kron erlangen. Jn der groſſen Statt Antiochiâ gab es vor-
zeiten viel Welt-Kaͤmpffer/ aber wenig Him̃els Kaͤmpffer. Darumb fragt
einsmals daſelbſt Chryſoſt. in einer Predigt (hom. 40. ad pop. Antioch.)
Wie viel meynet ihr wohl moͤchten in dieſer Statt ſeelig werden? Jch
will ſagen was den Ohren weh thut: Jch zweifel ob hundert Menſchen in
ſolcher groſſen Menge die Lebens-Kron erlangen werden: ſo boͤß iſt die
Jugend/ ſo traͤg das Alter. Es iſt aber nicht gnug durch Kampff die
Gnaden-Kron erlangen/ es gehoͤret auch darzu das halten und auffheben.
Behalte was du haſt! Es iſt mehr geſchehen/ daß Jacob dem Eſau/ Da-Apoc. 3, 11.
vid dem Saul/ Matthias dem Judæ die Kron gleichſam vor den Augen
hinweg genommen: Jacobiſche Hertzen ſind alle Gemuͤther/ die ſich zun
Huͤtten Gottes halten; die laſſen das wilde Kind den Eſau jagen/ den
beſten Raum bringen ſie endlich davon.


Soll aber ſolche Kron wohl bewahret werden/ ſo wird erfordert be-
ſtaͤndige Treue/ Sey getreu (ſo laͤſſet der Herr Jeſus Polycarpo dem
Engel und Biſchoff der Gemeine zu Smyrnen entbieten) biß in denApoc. 2,
10.

L l l l 3Tod/
[638]Die Ein und Funffzigſte (Siebende)
Tod/ ſo will ich dir die Krone des Lebens geben. Treu Gott
dem Herren im Himmel/ im Glauben/ guten Gewiſſen und Ritter-
ſchafft-Vbung/ in Arbeit und Streiten/ Lieben und Leiden/ ſolts gleich
Ioſ. 2, 4.
ſeqq.
2. Sam. 20,
33.
1. Macc.
7,
18.
Leib und Leben/ Gut und Blut koſten/ auff die Weiſe wie Rahab den
Kundſchafftern/ Jonathan ſeinem Freund David mit hoͤchſter Lebens-
Gefahr getreu geblieben. Anders als jener gottloſe vermeynte Hohe-
prieſter Alcimus, bey dem weder Treu noch Glauben geweſt/ oder jene
Hof-Diener Kaͤyſers Conſtantini, die dem Kaͤyſer zu Gefallen von der
Chriſtlichen religion abfallen wolten/ aber bey Sonnenſchein von Hof ver-
jagt worden/ dann/ ſagt er der Kaͤyſer/ ſo dieſe Leute ihrem Gott nicht
treu/ wie ſolten ſie mir treu bleiben? Der heilige Polycarpus/ an welchen
der Herr dieſe Wort ſchreiben laſſen/ hat ſolche Treu exemplariter er-
wieſen/ als demſelben das traurige dilemma vorgelegt war/ er ſolte unter
beyden eines erwehlen/ Feuer-Tod oder Abfall/ ſo war er bald mit der Ant-
wort fertig/ und ſagt: Jch habe meinem Herrn und Himmels-Koͤ-
nige Chriſto Jeſu ſechs und achtzig Jahr gedienet/ und er hat mir niemahl
nichts zu Leid gethan/ und ſolt ich ihm erſt nach ſechs und achtzig-jaͤhrigen
Gutthaten untreu werden? Das ſey fern. Worauff auch nach uͤber-
ſtandener Marter ihm die Siegs- und Lebens-Kron auffgeſetzet worden.


Hie Troſt-Quellen in der Meng/ Troſt wider des Sathans wuͤten
und toben/ wider alle unblutige martyria, Hohn/ Spott/ Verachtung in
Rom. 8, 18.
2. Cor.
4,
17. 18.
der Welt; Hievita glorioſa,das ewig-herrliche Leben; Vn-
ſere Truͤbſal/ die zeitlich und leicht iſt/ ſchaffet eine ewige und
uͤber alle Maß wichtige Herrligkeit/ uns/ die wir nicht ſehen
auff das ſichtbare/ ſondern auff das unſichtbare.
Troſt wider
die Armuth und Vngluͤckſeeligkeit; Mancher iſt/ wie man ſagt/ zum Hel-
ler geboren/ und kan auff keinen Pfenning kommen/ dort herrlicher Reich-
Syr. 20, 23.thumb und Vberfluß. Manchem wehret ſeine Armuth/ daß er
nichts uͤbels thut/ davon hat er das Vortheil/ daß er
nicht nur hie
kein boͤſes Gewiſſen hat/ ſondern das/ was ihm hie abgehet/ dort reich-
lich ſoll erſetzet werden. Troſt wider die ungerechte Außtheilung der remu-
neration
oder Belohnungen fuͤr treue Dienſte/ ungleiche Ergoͤtzligkeit/
ungleichen Lohn/ ungleiche Ehr/ ungleiche elogia, Lob und Gerichte/ wie es
dann heiſſet offtermahls: Je groͤſſer Schalck/ ie beſſer Gluͤck! Ein ander/
der ſein talent in Einfalt warnimmet/ wuchert damit/ daß ers am Juͤng-
ſten Tage verantworten koͤnne/ laufft Erb-Suͤnde mit unter/ ſo ſtreitet er
und bittet ab; aber er wird obſcurirt/ denigrirt/ andere werden ihm vor-
gezogen/
[639]Predigt.
gezogen/ hoͤher æſtimirt/ muß mit Chriſto ſprechen/ ey eine treffliche SummZach. 11, 13.
und Lohn/ deren ich bin werth gehalten worden! Einem ſcheinet das
Liecht immer ins Hauß/ daß er nicht ſo wohl meritirt/ dem andern wird
das Liecht und Tag verbauen und auffgehalten. Nun patientia!
Das Spiel wird ſich einmahl aͤndern/ der gerechte Richter flechtet und
bindet unter deß die Krone der Gerechtigkeit zuſammen!


Endlich auch Troſt wider die Dornen-Diſtel- und Creutz-Kron/
die mancher Chriſt ſeinem Koͤnige zu Ehren biß ins Grab tragen muß/
die ſoll mit einer andern herrlichen Kron außgetauſchet werden. Wir
ſchlieſſen mit dem Wundſch Sanct Petri: Der GOTT aller1. Pet. 5, 10.
Gnaden/ der uns beruffen hat zu ſeiner ewigen Herrligkeit in
Chriſto Jeſu/ der wolle auch uns/ die wir eine kleine Zeit lei-
den/ vollbereiten/ ſtaͤrcken/ kraͤfftigen/ gruͤnden. Dem ſey
Ehre und Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit/ Amen.



Die Zwey und Funffzigſte Predigt/


Vber den dritten Articul.
Von dem ewigen Leben/


Die Achte Predigt/


Von dem ſeeligen Freuden-Leben/ oder von des
ewigen Lebens Freude und Froͤligkeit.


GEliebte in Chriſto: Jch ſprach zum lachen: Du
biſt toll!
ſind hochverſtaͤndige Wort des allerweiſeſten
Koͤnigs Salomon/ Eccleſ. 2. Jn welchen er per προσω-Eccl. 2, 2.
ποποιΐαν aus ſeinem bißher geuͤbten Gelaͤchter gleichſam
eine lebendige Perſon gemacht/ dieſelbe als von ihm unter-
ſchieden angeredet; verſtehend durch daſſelbe nicht das von Natur uns
allen angeborne und angewoͤhnte lachen/
als welches allerdings
zu vermeiden unmoͤglich/ Lachen hat ſeine Zeit/ ſagt er Eccleſ. 3. Obc. 3, 4.
man gleich exempla mag gehabt haben τῶν ἀγελάςων, derer ſo nie gelacht
haben/
[640]Die Zwey und Funffzigſte (Achte)
haben/ ſo ſinds ſingularia anomala und monſtra geweſen. Es kan der
Menſch ſich deſſelben affects nicht allerdings enthalten. Ob auch Chri-
ſtus iemahl oder niemahl gelachet/ da ligt uns nicht viel an zu forſchen
oder zu wiſſen/ darumb auch die Evangeliſten nichts davon auffgezeichnet/
dieweil Er nicht lachens/ ſondern weinens halben in die Welt kommen.
Τούτο μὲν πολλάκις ἐςιν ἰδει῀ν ἀυτὸν δακρύοντα, γελῶντα δὲ οὐδεμοῦ, ſchreibet
Chryſoſt.
hom. 6. in
Matth.
Pſ.
126, 1. 2.
Chryſoſtomus: Das finden wir wohl offt daß Er geweinet/ aber niemahl
daß Er gelachet. Nicht 2. das himmliſche ſeelige lachen/ ſo da
entſpringet aus der Trunckenheit der Freuden; Wann der HERR
die Gefangenen zu Zion erloͤſen wird/ ſo werden wir ſeyn wie
die Traͤumenden; Dann wird unſer Mund voll lachens

Luc. 6, 21.und unſere Zung voll ruͤhmens ſeyn! und Luc. 6. Seelig ſeyt
ihr/ die ihr hie weinet/ dann ihr werdet lachen.


Sondern wie das Ebreiſche Wort anderswo gebraucht wird [...]
Eccl. 7, 7.Eccleſ. 7. Das leichtfertige Narren-lachen/ das lachen des
Narren/
ſagt er/ iſt wie das krachen der Dornen unter den
Töpffen.
Nicht allein aber verſtehet er bloß das lachen/ ſondern zu-
gleich alle Vrſachen und Gelegenheiten/ die zu lachen anreitzen/ alle Welt-
Freude/ Welt-Schertzen und Spiel; denen dancket er ab/ beurlaubet ſie/
nach dem er ſie alle abgenuͤtzet/ aber endlich in ſich ſelbſt gangen/ gibt er ih-
Pſ. 102, 9.
Eccl. 2, 2. 4.
5. 6. 8. 10. \&

11.
nen das elogium ſtultitiæ, das Narren-Lob/ [...]Du biſt toll.
Er ſagt im angezogenen cap. 2. Eccleſ.Alles was meine Augen
wůndſcheten/ das ließ ich ihnen/ und wehret meinem Hertzen
keine Freude; Jch thaͤte groſſe Dinge/ bauet Häuſer/ pflan-
tzet Weinberge: Jch machte mir Gärten und Luſt-Gaͤrten/
Teuche und Wälde; Jch ſchaffte mir Saͤnger und Saͤnge-
rinnen/ und Wolluſt der Menſchen/ allerley Seytenſpiel;
Da ich aber anſahe alle meine Werck/ ſihe/ da war es alles
eitel und Jammer; Jch ſprach zum lachen und zur Freude:
Was macheſtu?
Jch hengete dem lachen gleichſam eine Narren-
Schell an. Ja freylich/ was macheſtu aus dem Menſchen? Du biſt
fol. 54.toll und unſinnig! D. Sebaſtian Brand erlaͤutert dieſes elogium, fuͤllet
ein gantz Schiff voll ſolcher Narren/ Ein Honig-Troͤpfflein dir
gefaͤllt/ und wirſt dort Gall haben tauſendfalt; Gedencke
Narr/ daß es gilt deine Seel/ und du tieff faͤlleſt in die Hoͤll.

Wer
[641]Predigt.
Wer ſich ſelbſt fuͤr einen Narren achtet/ (wie Salomon)fol. 63. ad
narrag uni-
am usque
fol. 148.
ib. fol.
1.

der iſt bald zu einem Weiſen gemacht/ wer weiſe will ſeyn/ der
muß ſich ſelber außlachen.


Wir ſprechen an alle Welt-Freude: Du biſt toll! verweiſen ſie
ins Tollhauß/ und laſſen der Welt ihr Narren-Schiff/ ihr Tollhauß und
narragoniam, und ſehnen uns nach der himmliſchen Freude/ in dem
himmliſchen refectorio, jubilatorio und Luſt-Hauſe/ an dem Erqui-
ckungs-Tage/ da unſer Mund voll lachens ſeyn wird/illîc ubiPſ. 126, 2.
ſunt gaudia?Nirgend mehr dann da/ da die Engel ſingen
nova cantica, \&c. das iſt/ vita cœli læta,das himmliſche
Freuden-Leben/ die rechte
ſolidirte/ kernhaffte/ beſtaͤndige
Freude/
von welcher wir ietzo etwas weiter handeln wollen. Der Gott
alles Troſts wolle uns ſalben mit dem Freuden-Oel ſeines Heiligen Gei-
ſtes/ daß wir uns hie freuen im Hertzen Vorſchmacksweiſe/ biß wir endlich
gelangen zur voͤlligen Freuden-Nieſſung in alle Ewigkeit/ Amen.


SO verſtehen nun abermahl die Niceniſchen Bekenner und
wir am Ende des dritten Articuls durch das Leben der
zukuͤnfftigen Welt
vitam hilarem ac lætam,ein
Freuden-Leben/
ſo da abermahl fleuſt aus dem Anſchauen Gottes.
Gott ſelbſt iſt die weſentliche Freude/ wie Er auch iſt das weſentliche
Liecht und Liebe/ aus deſſen Anſchauung der Menſch truncken wird von
lauter Freuden. [...]Fuͤr dir/ O HErr/Pſ. 16, 11.
ſpricht David/ iſt Freude die Fuͤlle/ und lieblichs Weſen zu dei-
ner Rechten ewiglich. Sie werden truncken von den reichen
Pſ. 36, 9.
Guͤtern deines Hauſes/ und du tränckeſt ſie mit Wolluſt/ als
mit einem Strom. Die Gerechten muͤſſen ſich freuen und frö-
Pſ. 68, 4.
lich ſeyn [...] fuͤr Gott/ und von Hertzen ſich freuen.
Vermag der Anblick der Sonnen ſo viel nach langem truͤben Regen- und
Hagelwetter/ nach kaltem Winter/ daß/ wann dieſelbe mit vollen Strah-
len herfuͤr blicket/ das Hertz ſich druͤber inniglich erfreuet: So der Anblick
der Glori Chriſti auff dem heiligen Berge/ und die daſelbſt gewechſelte Ge-
ſpraͤch ſo viel zuwegen gebracht/ daß Petrus fuͤr Freude nicht mehr gewußt/
was er redet/ Hie iſt gut wohnen/ ſagt er Marc. 9. welches doch nurMarc. 9, 5.
6.

ein πρόγ [...]σις oder vergaͤnglicher Vorſchmack-Genieſſung; So Chriſtus
Sechſter Theil. M m m mnach
[642]Die Zwey und Funffzigſte (Achte)
nach ſeiner Aufferſtehung/ da die Juͤnger ihn wider geſehen/ ſolche Freude
Ioh. 16, 22.erweckt/ davon Er geweiſſaget: Jch will euch wider ſehen! und euer
Hertz ſoll ſich freuen/ und eure Freude ſoll niemand von euch
nehmen.


Aliquando (ita Auguſt. l. 10. Confeſſ.) me intromittis in affectum inuſita-
tum introrſus, ad neſcio quam dulcedinem: quæ ſi perficiatur in me, neſcio
quid erit quod vita iſta non erit? ſed recedo in hæc ærumnoſa.
()

So noch wohl heutiges Tages die geiſtliche meditatio ſo viel thut/
daß ein frommer andaͤchtiger Chriſt ſagen kan: Wann ich in Noͤ-
then bett und ſing/ daß mein Hertz wird recht guter Ding/
dein Geiſt bezeugt daß ſolches frey/ des ewigen Lebens Vor-
ſchmack ſey/
alſo/ daß Ephrem ſoll geſagt haben: Remitte aliquan-
tum Undas tuæ gratiæ,
Laß/ O Herr/ ein wenig ab von deiner inner-
lichen Freuden-Guß/ ich kans in dieſer Sterbligkeit faſt nicht mehr vertra-
Act. 14, 17.gen! Ja ſo die Troͤpfflein des hoͤchſten Gutes/ als nemlich/ was die Augen
fuͤllet/ in den Ohren klinget/ dem Geſchmack mundet/ den Geruch ergoͤtzt/
dem Tact wohl thut/ im Hertzen der Menſchen eine Freude anrichten koͤn-
nen: Wie viel unaußſprechlich-groͤſſere Freude wird dann im Hertzen
der Außerwehlten gebaͤren oceanus gaudiorum, das unergruͤndliche Meer
Matth. 25.
23.
1. Pet. 1, 8.
Auguſt l.
11. de Civ.
Dei.
aller Freuden/ die weſentliche Freude/ die Freude Gottes? Es iſt mit
einem Wort χαρὰ ἀνεκλάλητος, eine unaußſprechliche Freude.
Quod Deus præparavit diligentibus ſe, ſchreibt Auguſtinus, fine non
capitur, ſpe non attingitur, charitate non apprehenditur, deſideria \&
vota transgreditur, acquiri poteſt, æſtimari non poteſt.
Was Gott
bereitet hat denen/ die ihn lieben/ wird durch den Glauben nicht begriffen
oder gemeſſen/ durch die Hoffnung nicht erreicht/ durch die Liebe nicht er-
griffen/ es uͤberſchreitet alles verlangen/ wuͤndſchen und begehren/ kan
Pſ. 126, 1. 2.
3.
erlanget aber nicht geſchaͤtzet werden. Wann der HErr die Ge-
fangenen Zion erlöſen wird/ ſo werden wir ſeyn wie die Traͤu-
mende/
ſo groß/ daß wirs kaum glauben werden/ als waͤr es ein Traum/
Act. 12, 9.gleich wie Petro Actor. 12. begegnet/ als er einen leuchtenden Engel im
Gefaͤngnuͤß ſahe/ dauchte ihn/ er ſehe ein Geſichte; Dann wird unſer
Mund voll lachens und unſere Zunge voll ruͤhmens ſeyn/ da
wird man ſagen: Der HERR hat groſſes an ihnen ge-
than/ der HERR hat groſſes an uns gethan/ des ſind wir
froͤlich.


Gleichwohl
[643]Predigt.

Gleichwohl aber bleibet es unverbotten/ ſo viel hievon zu lallen/ als
Wort der Heilige Geiſt uns in Hertz und Mund gegeben: welcher ſolche
Freude
beſchreibet/ Erſtlich mit klaren Worten/ hernach mit lieb-
lichen Figuren
illuminirt. Klare Wort ſind es/ wann der Geiſt
Gottes dieſe Freude beſchreibet 1. als eine himmliſche Freude/ alsRom. 14,
17.

eine Himmel-gemäſſe/ Himmel-geziemende Freude; Hinweg
alle Thalmudiſche Traͤume/ Mahometiſche Phantaſien/ die aus dem
Himmel ein Schlauraffenland und Faßnacht machen; alle Chiliaſtiſche
Einbildungen/ deren/ die dafuͤr gehalten/ daß nach Verflieſſung ſechs tau-
ſend Jahren werde folgen das ſiebende ſeculum, eine andere tauſend-
jaͤhrige Zeit/ als ein luſtiger und Freuden-voller Sabbath/ da werde Jeru-
ſalem als eine Braut vom Himmel herab kommen/ und werde die auffer-
ſtandenen Heiligen auffnehmen/ und auff Erden ein Freuden-Leben fuͤh-
ren tauſend Jahr lang/ wie Auguſtinus es erbloͤſſet. Sind ſomnia undAug. l. 20.
de Civ. D.
c.
7.

Traͤume aus letztem Verſtand Apoc. 20. entſtanden; So weit der Him-
mel von der Erden/ ſo weit iſt himmliſche Freude von irrdiſchen Ergoͤtz-
ligkeiten unterſchieden; Mein Reich/ ſagt der Herr/iſt nicht vonIoh. 18, 36.
dieſer Welt/ demnach iſt auch ſeine Freude nicht von dieſer Welt. Bil-
der ſind nicht die Dinge ſelbſt/ die noch kein Auge geſehen/ ſondern in Bil-
dern von weitem gezeigt/ ein ſehnliches Verlangen zu erwecken.


2. Als die vollkommneſte Freude; vollkommeninten-Pſ. 16, 11.
Pſ. 36, 9.
Ioh. 16, 22.
1. Ioh.
1, 4.

ſivèin dem hoͤchſten Grad/extenſivèdurch alle Kraͤfften in
der Seelen;
protenſivèzu allen Zeiten/ unauffhörlich in
Ewigkeit/
daß ſie nimmer von uns wird genommen werden/ da kein
Wechſel der Freude und Traurigkeit nicht erſcheinet. Hie waͤhret die
Freude nicht lange/ rara hora, brevis mora, ſie kommt ſelten und bleibet
nicht lange.


3. Eine lautere/ unvermiſchte/ unbefleckte Freude; dieEſa. 25, 8.
Apoc. 7, 17.
c.
21, 4.

nicht vermenget iſt mit Furcht und Truͤbſal/ der Tod wird nicht mehr
ſeyn/ noch Leid/ noch Schmertzen/ noch Geſchrey.
So wenig
ein Wein ohne Druſen/ ſo wenig iſt hie eine Freud ohne Leid; Welt-Freude
heiſſet γλυκίπικρον, dulce amarum, ſuͤß-bitter/ nach dem lachen kommt
trauren/ nach der Freude Leid. Εἶα, αι῎ αι῎! Medio de fonte leporum ſur-
git amari aliquid,
Mitten in der Freud entſtehet offt ploͤtzlich ein Leid. Dort
lauter vollkommene/ pure/ unvermiſchte Freude. Wie/ moͤchte iemand
M m m m 2ſagen/
[644]Die Zwey und Funffzigſte (Achte)
ſagen/ ſolte dann nicht David an ſeinen verdamten Abſalon gedencken/
Pſ. 58, 11.
Eſ.
65, 13. 14.
und ihme damit ſeine Freude koͤnnen verſaltzt werden? O nein! Der
Gerechte wird ſich freuen/ wann er ſolche Rach ſihet. Sihe/
meine Knechte ſollen froͤlich ſeyn/ ihr aber ſollet zu ſchanden
werden/ ſihe/ meine Knechte ſollen fuͤr gutem Muth jauchzen/

Gen. 22, 8.
Luc.
16, 25.
ihr aber ſollet fuͤr Hertzeleid ſchreyen/ und fůr Jammer heulen.
Abraham erbarmet ſich ſeines Sohns/ des Schlemmers/ ſo gar nicht/
daß er ihm auch keinen Tropffen Waſſer zur Kuͤhlung widerfahren laͤſſet.
Gott ſelbſt hat die gantze Welt bruͤnſtiger geliebet als ein Menſch den
Prov. 1, 24.andern lieben kan/ noch gleichwohl lacht Er im Vntergang der Gottloſen:
welchen Goͤttlichen Willen und affect der menſchliche affect im ewigen
Leben wird conformiren.


II. Parabolicè,Jn anmuthigen Gleichnuͤſſen. Jn
Apoc. 19, 7.der Vergleichung einer Hochzeit/Apoc. 19. Jn der Welt iſt keine
groͤſſere/ billichere und ehrlichere Freude/ als Hochzeit-Freude/ die Chriſtus
ſelbſt durch ſeine Gegenwart conſecrirt/ groſſe Freude iſt die Ehrliche Zu-
ſammenkunfft an ihr ſelbſt; Tauſendmahl groͤſſere Freude in der con-
junction
und Vermaͤhlung Chriſti mit ſeiner Braut/ da Er/ der Braͤuti-
gam/ nicht mehr hinter der Thuͤr ſtehet/ durchs Fenſter oder Gitter gucket/
Gen. 18, 1.
ſeqq.
1. Cor. 13,
12.
Apoc.
21, 3.
nicht in einer frembden/ angenommenen Geſtalt/ wie dem Abraham er-
ſcheinet/ nicht Vorſchmacks-weiſe/ nicht Pilgrams-weiſe/ ſondern ἀυτο-
προσώπως, von Angeſicht zu Angeſicht. Sihe eine Hůtten Gottes/
und Er wird bey ihnen wohnen.
Groſſe Freude erwecket in der Welt
gute vertrauliche Freund- und Geſellſchafft/ dieſelbe iſt ein ſtuͤck des taͤg-
lichen Brods/ wer ſie einem nimmt/ der nimmt ihm ſein ſtuͤck Brods/
ſonderlich wo man unterm Joch leben muß/ nicht ſeuffzen/ nicht keuchen/
ja nicht ſagen und klagen darff/ man leide; da iſt ein guter Freund ein
werther Schutz/ dem man das Anligen in Buſen legen darff. Wiewohl
hie traue/ aber ſchaue wem? Es gibt Judas-Geſellen! Hochzeit-Geſell-
ſchafft iſt auch ſuͤß und lieblich/ der Hochzeit-Gaͤſte/ die einander irgend
lange nicht geſehen/ die alßdann holdſeelige Geſpraͤch mit einander wech-
Iud. 14, 12.
ſeqq.
Luc. 20, 36.
Hebr. 12,
22.
Matt. 8, 11.
Gen. 2, 23.
Matth.
17.
3. 4.
ſeln/ und die Mahlzeit damit wuͤrtzen/ ænigmata und Raͤtzel auffgeben/
und ſich damit uͤben. Tauſendmahl froͤlicher die himmliſche Geſellſchafft
der Heiligen Engel/ mit allen Außerwehlten/ da werden einem ieden die
ſeinen einander widergegeben werden/ ſie werden alle einander kennen/
gleich wie Adam alſobald ſeine Evam erkante/ gleich wie Petrus Moſen
und Eliam/ da wird vollkommene Liebe und Freundſchafft unter ihnen
ſeyn/
[645]Predigt.
ſeyn/ ſie werden liebliche Geſpraͤch unter einander fuͤhren. Jethro1. Cor. 13, 8.
Exod.
18, 9.

freuet ſich alle des guten/ das der HERR Jſrael gethan:
Alſo wird auch ein Freund uͤber des andern Himmels-Kron und Gna-
den-Lohn ſich inniglich freuen.


Quos modo miramur, regione videbimus illâ. Et veteres inter ſuſcipie-
mur avos. Bapt. Mantuan.
()

Groſſe Freude iſt das Hochzeit-Mahl/ wann nur die edle Maͤſſigkeit
Hofmeiſterin bleibet/ und wird daſſelbe in einer holdſeeligen hypotypoſi
entworffen von dem Propheten Eſaia c. 25. Der HERR ZebaothEſa. 25, 6.
(O ein reicher Wirth!) wird allen Voͤlckern/ die nemlich den Namen
des Herren Jeſu (auſſer dem kein Heil) angeruffen haben/ machen
auff dem
hohen olympo, dem Himmels-Berge des Koͤniglichen
Himmel-Saals/ ein Mahl/ einen freyen Tiſch/ nach dem Hunger-
Thal/ ein fettes Mahl da nichts mangelt/ unkaͤrglich/ ein Mahl
von Fett und Marck/
von den niedlichſten ſpecial-Bißlein/ ein
Mahl von reinem Wein/ darinn keine Hefen ſind/
weit uͤber
Malvaſier/ nicht lacrymæ, ſondern deliciæ Chriſti, da wird man koͤnnen
trincken was klar/ und eſſen was gar iſt/ aber auch reden was wahr iſt.
Wie nun die natuͤrliche Speiſe des Leibes Freude und Saͤttigkeit iſt/ alſo
die Freude die aus Gott kommet/ iſt der Seelen Speiſe und Erquickung/
dann iſt der Seelen wohl/ ſo wird der Leib auch ergoͤtzt/ und dieſelbe meynet
Eſaias unter dieſer paraboliſchen Decke. Hie ſaͤttiget nichts/ ie mehr
man gutes hat/ ie mehr duͤrſtet man; dort ſatt und uͤberſatt/ und doch ohn
Vberdruß. Bey einer Mahlzeit werden alle Kraͤfften der Seel/ alle
Sinn und Lebens-Geiſterlein erquicket; dort alles unaußſprechlich voll-
kommen/ im Gemuͤth/ Willen und allen innerlichen und euſſerlichen
Sinnen. Viel tauſendmahl lieblicher die Mahlzeit im Himmelreich
an der himmliſchen Herren- und Ehren-Tafel/ da wird auffgeſetzt das ver-Luc. 12, 37.
c,
22, 30.

borgene Manna/ eingeſchenckt der lautere Wein/ der keine Hefen hat.


Wie ein Herr einem treuen Knechte auff dem hochzeitlichen Ehren-
Tage auffwartet/ ihne in und aus der Kirchen begleitet/ Kuͤchen und Kel-
ler verſorget/ und zuſihet/ wie alle Tiſche beſtellet: ſo ſagt der Herr ſelbſt/
Er wolle ſich auffſchůrtzen (redet nach den Morgenlaͤndiſchen Sit-Luc. 12, 37.
ten/) und ſeine treue Diener zu Tiſch ſetzen/ und fuͤr ihnen her gehẽ/
und ihnen
(in geſundem Verſtand) dienen/ oder nach Art der heiligen
M m m m 3Schrifft
[646]Die Zwey und Funffzigſte (Achte)
Marc. 1, 13.
Luc. 8, 2.
Act. 6, 2.
Rom. 15, 25.
2. Cor. 8,
19. c. 9, 12.
Syr.
32, 7.
Schrifft (* διακονει῀ν ſo viel heiſſet als alimentiren/ nehren/ Vnterhalt
reichen) ſpeiſen/ nehren und ſaͤttigen.


Groſſe Freude erwecket bey einer Hochzeit eine wohlgeſtimmte/
wohlklingende Muſic; Wen nicht die Muſic erquicken thut/ der hat im
Leib weder Hertz noch Muth. Wie/ ſagt Syrach/ ein Rubin in
feinem Golde leuchtet/ alſo zieret ein Geſang das Mahl:

Tauſendmahl koͤſtlicher die himmliſche Muſic/ da der Choragus iſt Gott
der Heilige Geiſt/ welcher in alle Pfeiffen blaͤſet/ der Geſang iſt das Lied
Apoc. 5, 9.
c.
15, 3.
Moſis und des Lambs/ ein immerwaͤhrendes ἐπινίκιον und Siegs-Lied/
ein unauffhoͤrliches () Danck-Lied/ entſtehend aus beſtaͤndiger Erinne-
rung der hertzlichen und in dieſer Welt niemahls gnugſam geruͤhmten
c. 19, 1.
1. Chron.

6, 2.
Gnaden-Gaben/ die man hie im Reich der Gnaden empfangen. Ein
neu Lied in gewiſſe Choͤr und Stimmen abgetheilet/ al alamoth al ha-
minith,
das final und der Zweck iſt Gottes Ehr und Majeſtaͤt/ deſſen
Cant. 6, v.
ult.
ὑμνωδὸι und Chor-Saͤnger alle Außerwehlten ſind.


‘() Quo cantico, inquit Auguſt. l. 22. de Civ. D. c. 30. in gloriam gratiæ
Chriſti, cujus ſanguine liberati ſumus, nihil erit profectò jucundius illi civitati.
()

Groſſe Freude erwecken die erlaubte Hochzeit-Spiele; Springen
Iud. 21, 21.und Freude-tantzen iſt eine Zierde des Frieden. Die Toͤchter zu Silo
gehen mit Reyen heraus zum Tantze/ Chriſtus nimmet ein Gleichnuͤß
Eccleſ. 3, 4.
2. Sam.
6,
14.
davon/ Tantzen hat ſeine Zeit/ ſpricht Salomon. David tantzet
mit aller Macht fuͤr der Lade des Bundes daher/ ſeinen freudigen und in
himmliſcher Andacht entzuͤndeten Geiſt damit zu bezeugen. Tauſend-
mahl lieblicher die himmliſchen Reyen; da man Gott den Herrn
1. Pet. 1, 8.
ep. Iud. v.

24.
wird loben nicht nur mit ſingenden Zungen/ ſondern auch mit ſpringenden
Fuͤſſen. Ja/ ſagſtu: Jch laß es ſeyn! Freude von Zeit und Ort. Vom
Ort iſt in obiger Predigt gehandelt: Die Zeit iſt ein immerwaͤhrender
Sabbath-Feyer- und Sonntag. Alles Fleiſch wird einen Mo-
nat nach dem andern und einen Sabbath nach dem andern

Eſa. 66, 23.kommen/ anzubetten fuͤr dem HErren/ Eſa. 66. Der Sonntag
iſt des armen Tagloͤhners und Dienſtbotten/ nach dem ſie ſich die gantze
Woch abgeeſelt/ ihr Himmelreich/ wegen der Freude/ Wolleben und Er-
goͤtzligkeit/ die ihnen von getreuen Herren und Meiſterſchaft wird gegoͤn-
net. Was wirds dann ſeyn/ wann nach dem ſchweren Arbeits-Tage
wir leben ſollen in einem ewigen Feyer- und Sonntage? in regis curiâ,
Eya waͤren wir da.


Wem
[647]Predigt.

Wem ſolte nicht alle Welt-Freude verleyden? Wer wolte
nicht ſagen mit Salomon: Lachen/ du biſt toll!
Wolluſt/ duEcclef. 2, 2.
ſtinckeſt nach dem Erbgrind/ du biſt imperfect, biſt unrein! Koſtbar Feuer-
werck und Comœdien/ deren Vnkoſten beſſer an armen Gliedmaſſen Chri-
ſti waͤren angelegt/ unſinnige Jagten/ praͤchtige Schifffahrten/ unnuͤtze Pi-
cturen/ unzierliche Muſicen/ Venus Spiel/ wuͤtende Saufferey/ Fleiſches-Exod. 32, 6.
Luſt/ Augen-Luſt/ ihr ſeyt toll! eure Ergoͤtzligkeit iſt Thorhrit! Wolluſt
von Freundſchafften/ du biſt toll mit deinem monopolio! Dienſtſucht/
Ruhmſucht/ heimliche correſpondentz und Verraͤtherey/ alle tuͤckiſche/
welſche Welt-Freude/ Judas-Gruß und Joabs-Kuß/ alle unmaͤſſ- und
praͤchtige antiquitaͤt-Freude/ du biſt toll! vanitaͤtiſche/ unerbauliche/
welſche Muſic/ du biſt toll! Gluͤck- und Gewinſpiel-Freude/ Narrenthei-
dung und Schertz-Freude/ du biſt toll! uͤppige/ leichtfertige Winckel-
Taͤntze/ Faßnachtſpiel und Mumſchantzen/ ihr ſeyt toll; wann der Gott-
loſe erwacht/ ſo iſt alle Welt-Freude mehr nicht als ein Traum/ Qui
videt per ſomnium inveniſſe ſe theſauros, tamdiu dives, quamdiu non
evigilat, in ſomno videt ſe jacere in lecto eburneo \& in plumis au-
reis \&c.
ſchreibt Auguſtinus in Pſal. 75. Manchem armen Tropffen
traͤumet/ er habe einen reichen Schatz gefunden/ er lige auff ei-
nem Pflaumbett im Helffenbeinern Bettlad/ wann er erwacht/
ſo befindet er ſich betrogen. Ariſtoteles erzehlet/ es ſeye ihmeAriſtot. in
l. de mirab.
auſcult. in
Abydo.

einmahl ein unrichtiger Menſch auff dem Schauplatz allein erſchie-
nen/ daſelbſt phantaſirt/ und als haͤtt er hiſtriones und commœdianten
vor ſich/ ihnen applaudirt/ da er wider zu ſich ſelbſt kom̃en/ und gefragt wor-
den/ wie es umb ihn geweſen/ da er alſo gefabelt? Nie/ ſagt er/ beſſer/ ich
war nie luſtiger/ aber nun hat der Luſt ein Ende.


Auff ſolche Weiſe iſt es warhafftig auch gethan mit der Welt-Freu-
de/ ſie iſt Nacht-fertig/ ſie iſt toll. Aber Himmel-Freude iſt die rechte/ die
unaußſetzliche/ die beſtaͤndige Freude. Mit aller Wolluſt heiſſets endlich:
ſomnium! da ich erwachet/ war es ein Traum! Wolluſt wird endlich
eckel/ Jch bin heut achtzig Jahr alt/ ſagt Barſillai 2. Sam. 19.2. Sam. 19,
35.

wie ſolt ich ſchmecken/ was ich eſſe oder trincke/ und hoͤren/
was die Saͤnger und Saͤngerin ſingen?
Die Wolluſt iſt eine
verfuͤhriſche Syren und Delila/ ſie ſtuͤrtzet endlich ins Verderben. DahinGen. 7, 21.
22. 23.
c. 19, 24. 25.
Luc.
16, 23.

ſehen die exempla der Welt-Froͤlichen/ die Leute fuͤr der Suͤndfluth/ So-
doma/ der reiche Schlemmer: Wo ſind ſie nun? Jn dem ewigen Leid ohn
einige Freud. Daß doch mancher Menſch moͤchte ſo viel Witz haben
als jener
[648]Die Zwey und Funffzigſte (Achte)
als jener Eſel beym Phædro, da ſein Herr befohlen/ man ſoll ihme die uͤbrige
Gerſte/ davon ein Ferckel gegeſſen/ und druͤber gemetzigt worden/ zukom-
men laſſen/ ſagt er: Lieber Herr/ ich eſſe gern von deiner Speiſe/ wann ich
nicht geſehen/ daß dieſelbe dem Ferckel ſein Leben gekoſtet. Fieri nequit,
ut quis hic ventrem, illic mentem expleat, ut de deliciis ad delicias
tranſeat,
ſchreibet Hieronymus, Es kan nicht ſeyn/ daß einer hie den
Bauch und dort das Gemuͤth mit Wolluſt ſaͤttige/ daß einer von einer
Wolluſt zur andern ſchreite.


Wer wolte nichtII.ein bruͤnſtiges Verlangen haben
nach der himmliſchen Freude?
Dann ſo Gott der Herr hie
den ſuͤndlichen Menſchen ſo viel gutes thut/ ihr Hertz erfuͤllet mit Speiß
und Freude? Was hat Er dann auffgehebt ſeinen außerwehlten Kin-
dern/ iſt Auguſtini Frag und Schluß-Rede in Pſ. 85. das mag wohl ver-
langens werth ſeyn? Eya waͤren wir da! Wer wolte wohl die Ver-
ſtorbenen beweinen/ die jenigen/ die nunmehr truncken ſind von der ewigen
Freude/ die Gott ſelbſt getroͤſtet/ und ihnen die Thraͤnen abgewiſchet?
Wem wolte grauen fuͤr dem Creutz/ wer wolte ſich nicht troͤſten in ſeinem
Pſ. 126, 5.weinen/ ſintemahl die mit Thraͤnen ſaͤen/ werden mit Freuden
ernden/
bey den Außerwehlten heiſſets ejulate ante jubila, weinen vor
der Freude/ eh geroͤhſtet als getroͤſtet/ hingegen die Verdamten kehrens
umb/ da heiſſets jubilate ante ejulatum, Freude vor dem heulen/ eh getroͤ-
ſtet als geroͤhſtet. Wer wolte ſich die Traurigkeit uͤberwinden laſſen?
Wann einer taͤglich unzehliche mahl ſterben ſolte/ ſchreibet Chryſoſto-
mus,
wann einer alle Marter außſtehen/ ja das hoͤlliſche Feuer ſelbſt ſolte
auff eine Zeit lang ſchmertzlich fuͤhlen/ ſo ſolte man es doch geduldig leiden/
und ſich nicht wegern/ in Anſehung der Freude/ ſo darauff folgen wuͤrde
aus dem anſchauen Chriſti/ dort in Herrligkeit.


Gen. 45, 27.
c.
46, 30.

Wie froh/ wie gantz von neuem lebendig wurde Jacob der alte
Creutz-Bruder/ da er ſeinen Sohn Joſeph wider geſehen. Wie wird
uns dann ſeyn/ wann wir unſern himmliſchen Joſeph werden ſehen in
Ioh. 16, 20.ſeiner Herrligkeit/ von dem wir ſo viel gutes gehoͤret? Eure Traurig-
keit/
ſagt Er ſelbſt/ ſoll in Freude verkehret werden. Jener
Wenden-Koͤnig Gilimer, da er ins euſſerſte gerathen/ von dem Kaͤyſer-
lichen Oberſten Beliſario in die Enge gebracht/ da er weder aus noch ein
gewuſt/ ſchreibt an einen ſeiner Freunde/ er wolle ihm doch ſchicken ein
Brod/ eine Harff und einen Schwam/ Brod noch einmahl vor ſeinem
Ende zu eſſen/ Harff die Melancholey und Traurigkeit zu vertreiben/ den
Schwam
[649]Predigt.
Schwam ſeine vergoſſene Thraͤnen abzuwiſchen. Von Chriſto unſerm
edelſten und beſten Freunde haben wir alle dieſe Stuͤck gar auff eine an-
dere hoͤhere Weiſe zu hoffen/ Himmel-Brod/ himmliſche Muſic/ den Thraͤ-
nen-Schwam/ mit welchem Er ſelbſt alle Zaͤhren von unſern Augen wird
abwiſchen.


Baſilius M. erzehlet in ſeiner Leich-ſermon von viertzig Maͤrtyrern/
ſo zum kalten Eiß-Tod verdamt worden/ die ſeyen mit Freuden an die
Pein gegangen/ ſich gantz nackend außgezogen/ einander angeſehen und
geſagt: Non veſtes exuimus, ſed veterem hominem deponimus, Wir
werden nicht nackend außgezogen/ wir verlieren unſere Kleider nicht/ ſon-
dern wir legen nur den alten Menſchen ab; Der Winter iſt zwar rauh/
aber das Paradiß iſt lieblich; das Eiß iſt ſchmertzlich/ aber der darauff
folgende Genuß des himmliſchen Gutes iſt deſto lieblicher; ſie wuͤndſch-
ten alle einmuͤthiglich/ daß/ gleich wie ſie alle Viertzig in den Schrancken
gegangen/ ſie auch alle Viertzig moͤchten gekroͤnet werden. Da gleichwol
einer allzuzart geweſen/ und aus dem Schrancken wider heraus ge-
ſprungen/ aber bald darauff ſeinen Geiſt in der heiſſen Bad-Stube
auffgegeben/ dem aber alſobald ſecundirt der Hencker ſelbſt/ und
zu den uͤbrigen geſprungen und geſagt: Jch bin auch ein Chriſt; und
iſt alſo/ wie ſie gewuͤndſcht/ die Zahl der Viertzig widerumb ergaͤntzt/
und zugleich wahr worden Matth. 16. Wer ſein Leben verlieretMatth. 16,
25.

umb meinet willen/ der wirds finden ꝛc. Alſo noch heut zu Tage/
wer ſein Leben/ Genieß/ Freude/ Luſt und Gemach erhalten will/ der wirds
verlieren; wer es aber verleuret/ das iſt/ hindanſetzet durch die Toͤdtung des
alten Adams/ der kan Simeons Liedlein in ſeinem agone und Todes-
Kampff ſingen: Mit Fried und Freud ich fahr dahin nach
Gottes Willen/ getroſt iſt mir mein Hertz und Sinn:
Evole-
mus hinc, auff und davon aus dieſes Lebens Jammer und Leid/
zur ewigen Freud und Seeligkeit!
Amen.


Sechſter Theil. N n n nDie
[650]Die Drey und Funffzigſte (Neundte)

Die Drey und Funffzigſte Predigt/


Vber den dritten Articul.
Von dem ewigen Leben/


Die Neundte Predigt/


Von der Ewigkeit des ſeeligen
Lebens.


GEliebte in Chriſto: Was die Koͤnigin aus Reich Ara-
bia/ die dem Geruͤchte nachgezogen/ nach dem ſie den Koͤ-
nig Salomon geſehen/ alle ſeine Weißheit außgeſpaͤet/ ſein
Reichthumb und groß Gluͤck beſchauet/ judicirt und ge-
1. Reg. 10, 7.urtheilt: Es iſt mir/ ſagt ſie/ nicht die Helffte geſagt/
du haſt mehr Weißheit und guts/ als dein Geruͤchte iſt/ das
ich gehoͤret habe:
Eben daſſelbige moͤgen wol auch alle nunmehr in Gott
ſeelige Himmels-Burger ſagen/ wann ſie deſſen/ der mehr iſt als Salo-
mon/ Herrligkeit/ den ſeeligen Stand des ewigen Lebens zuruͤck ſehen und
ſprechen: Es iſt uns in jenem Leben nicht die Helffte verkuͤn-
diget worden/ der Freude und Herrligkeit/ die wir ietzo genieſ-
ſen.
Hie hatten wir mehr nicht als I. Famam negativam,Ein
verneinendes Geruͤchte/
aus dem Gegenſatz entſprungen/ welches
Aug. l. 3. de
Symb. c.
11.
uns ſaget/ was das ewige Leben nicht ſey; Wir koͤnnen/ ſchreibet Auguſti-
nus,
viel beſſer und leichter von dem ewigen Leben ſagen was nicht daſelbſt
ſey/ als daß wir ſagen was daſelbſt ſeye: Es iſt daſelbſt kein Tod/ kein Leid/
keine Muͤdigkeit/ keine Schwachheit/ kein Hunger/ kein Durſt/ keine Hitz/
keine Verweſung/ kein Mangel/ keine Traurigkeit/ ſo viel weiß man! Dann
Beatitudo, die Seeligkeit ſchleuſt aus alles/ was boͤß und uͤbel iſt und
heiſſet.


II. Famam abſtractivam \& ratiocinativam,Das
Schluß-Geruͤchte;
Gleich wie die Außmeſſer und Außtheiler des
gelobten Landes/ als gute Geometræ τῆς γεωμετρίας ἐπιςήμονες, wie ſie
Joſephus
[651]Predigt.
Joſephus beſchreibet/ erfahrne Feldmeſſer ihre funiculos und Meß Schnu-
ren uͤber kleinere Ort gezogen/ und aus denſelben die Schuh durch den qua-
drat
rechende und ſchluͤſſende die gantze Groͤſſe des Landes Canaan er-
reichet. Wie die Aſtronomi aus der Groͤſſe der Erd-Kugel die Groͤſſev. Serar. ad
Ioſ. 13. p.

330.

des Himmels forſchen und erfinden: Alſo mag man ſich aus der geringen
und kleinen Ehr die groͤſſere/ aus der kleinen Gluͤckſeeligkeit die hoͤchſte See-
ligkeit/ aus der geringen Wolluſt die ſuͤſſe Himmels-Luſt/ aus einem
Tropffen das unerſchoͤpffliche Meer einbilden.


III. Famam Symbolicam,Das Bild-Geruͤchte;1. Cor. 13,
12.

Hie ſehen wir nur ſpiegelsweiſe an die Koͤniglichen Kronen/ Hochzeiten/
Pancketen/ Comœdien/ der Statt Jeruſalem/ Koͤnigreiche/ das Land/
des Garten/ des Hauſes/ wie dergleichen Bild-Puppen- und Kinderwerck
in vorigen Predigten etliche eingefuͤhret worden.


IV. Famam progeuſticam \& exploratricem,Den
Vorſchmack und das Kundſchaffter-Geruͤchte;
Wie die Kin-
der Jſrael in der Wuͤſten die προγ [...]σματα des gelobten Landes gekoſtet/
da ihnen von den Kundſchafftern Trauben/ Granataͤpffel und Feigen
zuruͤck gebracht worden/ daraus ſie haben abnehmen ſollen die volle Ernde:Num. 13,
27.

Alſo haben wir auch Kundſchaffter/ an allen Propheten und Apoſteln/ ſon-
derlich an Petro und Johanne/ Matth. 17. an Paulo/ der in den drittenMatt. 17, 4.
2. Cor.
12,
2. 3. 4.

Himmel verzuckt/ die haben uns gekramet und fuͤr Augen gelegt allerhand
προοράματα, Vorſchauen/ proloquia und Vorrede/ ἄῤῥητα, unerdenckliche
und unaußſprechliche Wort: Die προγ [...]σματα und Vorſchmack des
verborgenen Manna und Baum des Lebens im Sacrament des Heili-
gen Abendmahls/ proacuſmata den Vorklang in der Englichen Muſic/
Wann ich in Noͤthen bett und ſing/ ſo wird mein Hertz recht
guter Ding/ dein Geiſt bezeugt/ daß ſolches frey/ des ewigen
Lebens Vorſchmack ſey.


Aber alles nicht die Helffte; dann allererſt in jenem Leben werden
wir ſagen: Du haſt mehr Weißheit/ als uns iſt verkuͤndiget worden/
dieſe Freude hat wohl kein Auge geſehen/ kein Ohr gehoͤret/
ja ſie iſt in keines Menſchen Hertz kommen/
dieſelbe gnugſam zu1. Cor. 2, 9.
erſinnen/ und mit Gedancken außzuſchoͤpffen. Jetzt iſt die Decke weg/
ietzt iſts erſchienen/ ietzt gehet es uns wohl wie den Kindern/ die in Mutter-Rom. 8, 19.
Col. 3, 3. 4.
1. Ioh.
3, 2.

leibe zwar genieſſen der muͤtterlichen Liebe/ Waͤrme/ Milch; Aber nicht
des anſchauens/ kuͤſſens/ voͤlliger Erbſchafft. Wir muͤſſen uns ietzo mit
N n n n 2dem
[652]Die Zewy und Funffzigſte (Neundte)
dem Geruͤchte begnuͤgen laſſen/ welches wir bißher in etlichen Predigten
vorgetragen haben/ und nunmehr in dem Namen des Herren deſſel-
ben ein Ende machen; Wir haben gehandelt von der Gewißheit des
ſeeligen Lebens/ von dem falſch-eingebildeten Ort/ wie auch
dem rechten Ort deſſelben/ von der Anſchauung Gottes/ von
dem ruhigen/ herrlichen/ frölichen/ heiligen Leben.
Alſo iſt
nichts mehr in dem Reſt als das ewige Leben/ oder die Ewigkeit
des himmliſchen Lebens ſelbſt.
Gott gebe daß wir in der Zeit
alſo fruchtbarlich lehren und hoͤren/ damit wir es in der ſeeligen Ewigkeit
genieſſen moͤgen/ Amen.


WAnn demnach die Bekenner zu Nicea oder vielmehr
was dieſen Zuſatz anbelanget/ dieConſtantinopolitaner/
das Leben der zukuͤnfftigẽ Welt
bekeñen mit der Schrifft/
und alſo vitam ſecularem,ein Zeit- oder Welt-Leben; ſo ver-
ſtehen ſie freylich nicht vitam periodicam,ein umbſchriebenes
Eph. 1, 21.
Matth. 12,
32.
Damaſ. l. 2.
de O. F. c.
1.
Leben/ daß eine gewiſſe Zeit/ oder gewiſſe Jahr waͤhret/ ſondern ἐν τῷ
μέλλοντι αἰῶνι, das in der zukuͤnfftigen Welt iſt/ und wie es Da-
maſcenus
erklaͤret/ αἰῶνα μέλλοντα, τὸ συμπαρεκτεινόμενον, ὅπερ γὰρ τοῖς
ὑποχρόνον, Χρονος; Τοῦτο τοῖς αἰδίοις αἰὼν: αἰῶνες αἰώνων vocant τὸ ἀτε-
λ [...]τητον τοῦ μέλλοντος αἰῶνος. Ein ſolches zukuͤnfftiges Leben oder Zeit/
ſo bey den ewigen Dingen zugleich ſeyn wird; dann was dieſer Zeit un-
terworffen iſt/ das iſt zeit- oder vergaͤnglich; jene iſt eine ewige Zeit;
jene Zeit
wird genennet die unvergaͤngliche Zeit der zukuͤnffti-
gen Welt.


Daß dem alſo/ und daß dieſes Leben/ dahin wir zielen/ wallen
und ſehnen/ ein immerwaͤhrendes ewiges Leben ſeye/ erſcheinet
abermahl nicht allein aus dem allerſeeligſten/ unauffhoͤrlichen
Anblick des allerheiligſten Gottes/
der wie eine immerflieſſende
Pſ. 36, 10.Quell nimmer verſaͤnget/ dann Er iſt die Lebens-Ader/ bey ihm iſt die
lebendige Quelle:
Sintemahl gleich wie die Engel διὰ παντὸς,
Matth. 18,
10.
Dan. 12, 2.
Matth. 25,
46.
Ioh.
3, 16.
allezeit/ unauffhoͤrlich den Vater im Himmel anſchauen:
Alſo beſtehet auch das ewige ſeelige Leben in der immer-ſteten Anſchauung
Gottes. Sondern auch aus dem klaren Buchſtaben der Heili-
gen Schrifft/
da es außdrucklich genennet wird ein ewiges Leben/
ein
[653]Predigt.
ein Hauß das ewig iſt/ die bleibende Statt/ die da hat μοναὶ be-
ſtaͤndige Huͤtten/ die ewige Huͤtten/ das ewige Reich/ das
ewige Erbe/ die ewige Seeligkeit/ die ewige Herrligkeit/ eine
2. Cor. 5, 1.
Hebr. 13,
14.
Ioh. 14, 2.
Luc. 16, 9.
2. Pet. 1, 11.
Hebr. 9, 15.
c. 5, 9.
1. Pet. 5, 10.
2. Cor. 4,
17.
Pſ.
90, 2.

ewige und uͤber alle Maß wichtige Herrligkeit/ wiewohl von
der Ewigkeit Gottes unterſchieden; Gott iſt ewigà parte ante \&
poſt,
von Ewigkeit zu Ewigkeitmaolam ad olam, aus ſeiner
Natur unendlich; Aber die æviternitas, die Ewigkeit der Creaturen iſt
nicht von Ewigkeit/ ſondern aus Gnaden à parte poſt und zu Ewigkeit.


Vnd in ſpecie iſt dieſes ewige Lebenvita Sabbathica,ein
Feyer-Leben/
deſſen Vorbild iſt unſer Sonn- oder Feyertag; das iſt/
nicht nur ein Feyer- und Freuden Leben/ ſondern auch allezeit neues Leben;
wie Gott zwar ſechs Tage gearbeitet/ aber am ſiebenden Tage hat Er ge-
ruhet/ der ſiebende Tag iſt ein Feyer dem Herrn/ ein ſtetswaͤhrender
Tag; Es wird ſeyn ein Wochen-Sabbath/ Land-Sabbath/ Himmel-
Sabbath/ eine Ruhe oder Sabbath des Volcks Gottes/ ein SabbathHebr. 4, 9.
Eſa.
66, 23.

nach dem andern/ beſtehend in ſeeliger Ruhe von Dienſt und Suͤnden/
von Arbeit und Vnruhe/ ja es iſt eine ſeelige Vnruh und unruhige Ruh!
Ein Blick deſſen iſt St. Johanni erſchienen in einer himmliſchen Of-Apoc. 4, 8.
fenbarung an den volläugigen geflügeltenhieroglyphiſchen Thie-
ren/ die keine Ruh hatten/
(O der ſeeligen Vnruh!) Tag und
Nacht/ und ſprechen heilig/ heilig/ heilig/ ꝛc.
Dies unus, ſed
ſempiternus, qui non præceditur heſterno, nec excluditur craſtino,
wie
Auguſtinus ſchreibet: Ein einiger aber ewiger Tag/ dem der geſtrige nichtAug. tract.
31. in Ioh.

vergehet/ noch der morgende außſchleuſt. Οὐχ ἡμέραις καὶ νυξὶν ὁ χρὁνος
ἀριϑμηθήσετα [...]: ἐςι δὲ μᾶλλον μία ἡμέρα ἀνέσπερος, ſchreibt Damaſcenus:Damaſc.
l. 2. de OF.
c.
1.

Es wird nicht eine Zeit ſeyn/ die aus Tag und Nacht beſtehet/ ſondern es
iſt vielmehr ein Tag/ der nimmermehr untergehet. Vnſer Sabbath in
dieſer Welt/ O wie kurtz/ wie befleckt/ wie ſchlecht/ was unſaͤglichem Miß-
brauch iſt er unterworffen! niemahl iſt die Welt geſchaͤfftiger zu verfuͤh-
ren/ niemahl der Sathan wuͤtender Ergernuͤß anzurichten/ als an dem
heiligen Sontage!


Hieronymus in epitaph. Nepotiani ad Heliodorum ſcribit, Si nongentos
vitæ excederemus annos \& Mathuſalem nobis tempora donarentur: tamen nihil
eſſet præterita longitudo quæ eſſe deſiiſſet; eten im inter eum qui decem viginti
annos, \& eum, qui mille poſtquam idem vitæ finis advenerit \& irrecuſabilis
mortis neceſſitas, tranſactum omne tantundem eſt, niſi quod ſenex magis onuſtus
peccatorum faſte proviciſcitur, addit. ib. exemplum Xerxis flentem \&c.
()

N n n n 3II. Vita
[654]Die Drey und Funffzigſte (Neundte)

II. Vita continua,Ein unzertrennliches Leben. Vn-
ſer Leben iſt ein halb todes Leben: Es lebet der Menſch kaum die halbe
Zeit ſeines Lebens/ die halbe Zeit ſchlafft er/ oder iſt kranck; ja er lebt und
ſtirbt zugleich mit einander. Es gehet uns taͤglich etwas an dem Leben
ab/ und auch zu der Zeit/ da wir wachſen/ nimmet das Leben ab: Den
Tag/ da wir leben/ theilen wir gleichſam mit dem Tode; ſo bald wir in die-
ſes Leben eingehen/ ſo fahen wir an zu einer andern Pforte außzugehen/
Sen. ep. 59.ſchreibet Seneca. So hat der Menſch ſeinen periodum kurtz oder lang/
wann der aus iſt/ ſo muß er an den Toden-Tantz! ſein voriger Wandel
und Lauff iſt kurtz und gleichſam als in einem Bild verſchwunden/ iſt
etlicher maſſen (cæteris paribus) zu vergleichen mit dem jenigen Spie-
gelfechten/ welches auff begehren Catharinæ Koͤnigs Caroli IX. in
P. Matth.
in hiſtor.
Henr. IV.
Franckreich Mutter/ ihr ein Zauberer præſentirt/ dann als ſie geluͤſtet zu
wiſſen von der kuͤnfftigen fortun und ſucceſſion ihrer Soͤhne/ ſo erſcheinet
ihr in einem Spiegel/ Henricus III. ſpatzierete in demſelben dreymahl
auff und ab/ der Hertzog von Guiſe ſprang ſchnell durch wie ein Blitz/ Na-
varrus
erzeigt ſich zwey und zwantzig mahl und verſchwand/ daraus ſie
abnemen ſollen/ wie bald ein ieder dem andern folgen und regieren werde/ ſo
viel Gaͤnge ſo viel Jahrgang. Vnd wie es beſchaffen iſt mit den Menſchen
in particulari, alſo auch mit gantzen Haͤuſern/ Geſchlechten/ Regierungen;
Aber hie iſt ein continuirliches/ kein vergaͤngliches Leben/ ſondern immer-
flieſſendes und nimmer-außflieſſendes/ an einander-hangende und nie-
1. Theſſ. 4,
17.
auffhoͤrende ſtaͤte Kette/ allezeit/ Παντοτε, ſagt der Apoſtel/ Wir werden
bey dem HErrn ſeyn allezeit.


III. Vita ſemperflorida,Ein immerbluͤhendes Leben;
Eſa. 40, 6.
7.
Hie iſt der Menſch wohl eine Blume; Alles Fleiſch iſt Heu/
und alle ſeine Guͤte iſt wie eine Blume auff dem Felde/ das
Heu verdorret und die Blume verwelcket.
Es fuͤhret zwar eine
von den Blumen den Namen amaranthi, die unverwelcklich Sam-
met-Blum/ aber faͤlſchlich/ dann wo iſt der amaranth, der vor etlichen
Jahren gebluͤhet? Flores natura in diem gignit, magnâ hominum admi-
ratione, quæ ſpectatiſſima florent, celeberrimè marceſcunt. Plin. l.
21, 1.
Jn unſern Straßburgiſchen Thalern ſtehen dieſe Wort gepreget/ Flos
virtutis perpetuus,
Tugend-Blum währet ewig/ iſts von der
Politiſchen Tugend allein zu verſtehen/ ſo wird derſelben endlich auch ver-
geſſen! Aber die Blume des himmliſchen Erbes iſt ἀμάραντος, unver-
welcklich/
[655]Predigt.
welcklich/ ſeine Blätter verwelcken nicht. Die Gottloſen gruͤnenPſal. 1, 3.
Pſ.
37, 35.

eine Zeit lang wie der Lorbeer-Baum/ aber wie lang? Hie iſt der Palm-
Baum unter der Laſt/ der waͤchſet herfuͤr! Wer uͤberwindet/ demApoc. 2, 7.
will ich geben von dem Holtz des Lebens/ das im Paradiß
Gottes iſt/ deſſen Blätter dienen zur Geſundheit der Heyden/
c. 22, 2.
das iſt/ immerwaͤhrende Krafft/ Jugend/ Geſundheit der Außerwehlten.


IV. Vita inamiſſibilis,Ein unverlierbar Leben. WerMatth. 25,
10.
Luc. 16, 26.
Ioh. 16, 22.
Apoc.
3, 12.

uͤberwindet/ den will ich machen zu einem Triumph-Pfeiler/
und ſoll nicht mehr hinaus gehen. Chriſtus will ſeinen Na-
men anſchreiben
als einen characterem indelebilem, niemand ſoll
ihn außloͤſchen.


V. Vita immortalis,Ein unſterblich Leben; So ie-
mand/
ſagt der Herr/mein Wort wird halten/ der wird denIoh. 8, 51.
Luc. 20, 36.
Ioh. 11, 26.
Apoc. 2, 11.
c.
21, 4.

Tod nicht ſehen ewiglich/ dann die Außerwehlten koͤnnen
nicht ſterben.
Vor dem Fall kunte der Menſch zwar ſterben ex caſu
caſus,
im Fall des Falls/ ſo fern er ſuͤndigte/ aber dort auch ſine caſu caſus,
er darff ſich keines Falls befuͤrchten; Sie ruͤhret kein Leid vom andern To-
de/ ſie eſſen vom Baum des Lebens/ ſietrincken nectar \& ambroſiam, den
ſuͤſſen Wein der Vnſterbligkeit.


VI. Vita indefatigabilis,Ein unmuͤheſames Leben.
Hie wird der Menſch des guten Lebens bald muͤde/ es muſſen ſtarcke Bei-
ne ſeyn/ die gute Tage beſtaͤndig ertragen moͤgen; Das Juncker-Leben/
wo man nichts zu thun hat/ iſt doch ein verdrießlich langweilig Leben;
Aber dort wird es ſeyn wie eintzele Tage/ gleich wie Jacob die Jahre vor-Gen. 29,
20.

kamen/ ſo er umb Rahel dienete/ durch die liebe Rahel hat er andere Be-
ſchwerde und Laͤſte der ſieben Jahr geſaͤnfftiget und uͤberwunden. Gott
genieſſen machet nimmer muͤde/ der Reichthumb ſeiner Freude iſt uner-
ſchoͤpfflich. Kan Gott alle Augenblick eine neue Welt ſchaffen/ und im-
mer eine beſſer als die andere: ſo kan Er auch immer neue Freude von ſich
flieſſen laſſen/ und immer eine ſuͤſſer als die andere.


VII. Vita interminabilis,Ein unendliches Leben.
Eſther 1. leſen wir von einer koͤſtlichen/ praͤchtigen Mahlzeit/ welche Ahas-Eſther. 1, 2.
ſeqq.

veros laſſen zurichten/ daß er ſehen ließ den herrlichen Reichthumb ſeines
Koͤnigreichs und koͤſtlichen Pracht ſeiner Majeſtaͤt viel Tage lang/ nem-
lich hundert und achtzig Tage; Solte man aber irgend einen von den
Gaͤſten gefraget haben: Wie lange hat doch die Freude gewaͤhret? So
wuͤrde
[656]Die Drey und Funffzigſte (Neundte)
wuͤrde er geantwortet haben: Nur ein halbes Jahr. Was fuͤr Speiſen
ſind auffgetragen worden? Die allerniedlichſten/ Koͤnigliche Speiſen/
aber nur ein halb Jahr. Was fuͤr Getraͤncke fuͤrgeſetzt? Der allerlieb-
lichſte Wein/ aber nur ein halb Jahr. Was fuͤr Trinck-Geſchirr? wel-
che Tiſche/ Baͤncke? Koͤſtliche und uͤberkoͤſtliche/ aber wir ſind nur ein hal-
bes Jahr darauff geſeſſen. Was fuͤr eine Muſic iſt gehalten worden?
Die allerſuͤſſeſte/ welche auch der Syrenen liebliche Geſaͤnge uͤbertrifft.
Sind die Gaͤſte auch froͤlich geweſen? Ey warumb nicht? aber es hat nur
alles ein halb Jahr gewaͤhret. Wann wir aber im Himmelreich werden
unſern ſeeligen Stand anſehen/ wie lange? Vnſere Sicher- und Freyheit/
die Goͤttliche Anſchauung/ unſere Kronen/ unſere himmliſche Hochzeit-
Freude/ wie lange wird dieſe waͤhren? Biß in Ewigkeit; hundert Jahr
iſt noch kein Tag/ hundert tauſend keine Stunde/ million tauſend Jahr
keine Minute.


So verlaſſen wir demnach billich nugas nugarum, den Schein/ die
Traͤume/ die alle verſchwunden wie der Wind; Wir ſollen verleugnen das
zeitliche Leben. Wir ſind in dieſer Zeit ἡμερόβιοι καὶ ε᾽φήμεροι, elende Wuͤrme/
die nur einen Tag leben/ die Wolluſt vergehet/ die Suͤnde bleibet: So viel
hie Liebes-Seile/ ſo viel figuren/ Bildnuͤſſe und qualitaͤten oder Beſchrei-
bungen ſind des ewigen Lebens. Die Ewigkeit ſoll machen/ daß wir des
Zeitlichen nicht achten. Laſſet uns mit Fleiß darnach ſtreben und arbei-
ten/ arbeiten aber nicht Spinngeweb; die Spinn wircket oder ſpinnet Faͤ-
den/ ſie laͤuffet bald da bald dorthin/ und webet den gantzen Tag/ iſt zwar
eine ſaubere/ ſubtile/ koͤſtliche/ geometriſche Arbeit/ aber in der That iſt es
nichts werth/ ſchreibet * Hieronymus. Ergò æternitati pingamus,
Laſſet uns der Ewigkeit mahlen! ſprach jener Mahler: Laſſet uns in der
Zeit arbeiten/ ſolche Werck/ die in der Ewigkeit beſtehen moͤgen. Laſſet
uns nach dem ewigen Leben ſehnen/ und den Seeligverſtorbenen Gluͤck
Hieron. ad
Paulam.
wuͤndſchen! Hieronymus ſchreibet uͤber den Tod Bleſillæ alſo: War-
umb ſollen wir Leid tragen/ ob ſie ſchon geſtorben iſt? Sind wir dann dazu
geboren/ daß wir ewig hie bleiben ſollen? Man mag billich trauren uͤber
einen Toden/ aber uͤber den/ zu deſſen Straffe das hoͤlliſche Feuer brennet!
Wir ſollen uns viel mehr beſchweren/ daß wir laͤnger in dieſer Huͤtten auff-
gehalten werden; ſintemahl ſo lange wir hie bleiben/ ſo ſind und wandeln


‘* Hieron. in Pſ. 89. confer Senecam ep. 101. Vbi faſtus Cornelii Equitis
Romani illuſtrans exclamat, Inſere nunc Melibœæ pyros, pone ordine vites!
ô quanta dementia eſt ſpes longas inchoantium!
()

wir
[657]Predigt.

wir von dem Herren. Wir ſollen uns troͤſten/ daß es nur waͤhret
eine kleine Zeit; Vber ein kleines/ ſagt der Herr/ſo werdetIoh. 16, 16.
ihr mich ſehen! Vber ein kleines/ nemlich nach der Aufferſtehung.
Dieſes kleine kommet uns lang fuͤr/ dieweil es noch waͤhret: Wann es2. Cor. 4,
17. 18.

aber auß ſeyn wird/ ſo werden wir empfinden/ daß es ein kleines geweſen
ſeye/ ſchreibt Auguſtinus.


Alſo haben wir/ dem Allerhoͤchſten ſey Lob und Preiß/ die Erklaͤrung
des NiceniſchenSymboli hiemit abſolvirt und zu Ende gebracht/
wird mehr nicht folgen als dieoppoſitiondes ewigen unſeeligen
Lebens der Verdamten/
davon mit naͤchſtem. Dem Allerhoͤchſten/
der da heiſſet α \& ω, ſey Danck fuͤr allen geiſtlichen Segen/ alle Frucht/
dadurch ſein Reich vermehret/ des Teufels Reich zerſtoͤret! Hie ligt un-
ſere Kron fuͤr ſeinem Thron/ iſt was gutes außgerichtet worden/ ſo hat Ers
gethan. Jch ſage mit Auguſtino: Domine Deus, quæcunque dixiAug. l. XV.
de Trinit.
c. ult.

de tuo, agnoſcant \& tui: ſi quæ de meo, ignoſce. Hab ich/
Herr Gott/ etwas von dem deinen vorbracht/ ſo laß es auch deine
Chriſten/ meine Zuhoͤrer erkennen; hab ich aber etwas von dem meinen
hinzu gethan/ ſo verzeihe mirs. Dir dem dreyeinigen GOTT/
dem ewigen Vater/ dem Hertzog des ewigen Lebens/ dem

lebendigmachenden Geiſt ſey Lob/ Ehr/ Preiß
ietzt und in alle Ewigkeit/

Amen.



Sechſter Theil. O o o oDie
[658]Die Vier und Funffzigſte (Erſte)

Die Vier und Funffzigſte Predigt/


Vber den dritten Articul.
Von der Hoͤll und ewigem Tode.


Textus Eſaiæ 66, v. ult.


Vnd ſie werden hinaus gehen/ und ſchauen die
Leichnam der Leute/ die an mir mißhandelt
haben: dann ihr Wurm wird nicht ſterben/
und ihr Feuer wird nicht verloͤſchen/ und
werden allem Fleiſch ein Greuel ſeyn.
()

Die Erſte Predigt/


Von der Frage/ ob eine Hoͤlle ſeye?


GEliebte in Chriſto: Es iſt ja ein wahres und billich-
maͤſſiges
elogiumund Lob-Spruch/ damit der
Syr. 48, 25.weiſe Zucht-Lehrer Syrachc. 48. parentiret dem
theuren/ geiſtreichen und hocherleuchten Pro-
pheten Eſai
æ/ von dem er ſchreibet: Eſaias war
ein groſſer und warhafftiger Prophet in ſeiner Weiſſagung.
Er war
1. Propheta,ein Prophet/ das iſt/ nicht nur ins gemein
ein groſſer Lehrer und Liecht der Juͤdiſchen Kirchen Altes Teſtaments/ ein
oraculum ἔμψυχον und lebendiges Jnſtrument von dem Heiligen Geiſt
getrieben; ſondern begabet mit dem Schmuck der Weiſſagung/ der da
verkuͤndiget das Zukuͤnfftige und Verborgene/ ehe es kam; Ein rechter
Num. 24,
16.
Seher/ ein Hoͤrer Goͤttlicher Rede/ und der die Erkaͤntnuͤß
des Hoͤchſten hat/ die Offenbarung des Allmaͤchtigen geſe-
hen/ dem die Augen eröffnet worden/ wann er niedergekniet.


2. Propheta μέγας, Ein groſſer Prophet/ von reichem
Geiſt/ nicht ſo wohl wegen ſeines Adels und fuͤrnehmen Standes/ dann
er ein
[659]Predigt.
er ein Enkel geweſt des Koͤnigs Joas/ aus dem Koͤniglichen Gebluͤt Da-
vids/ und alſo ein naher Vaͤtter und Bluts-Freund des Meſſiæ; AlsEſa. 5, 1.
wegen ſeiner hohen/ ſonderbaren Offenbarungen/ die er gehabt von fremb-
den Potentaten und Koͤnigreichen/ dero fatis \& converſionibus, Regie-
rung und Bekehrungen/ ſonderlich von dem Meſſia/ ſeiner Geburt/ Na-
men/ Leiden/ Sterben/ Aufferſtehung/ ſo hell/ ſo laut/ ſo eigentlich geſchrie-
ben/ als haͤtte ers mit Augen geſehen. Hieronymus nennet ihn einen
Evangeliſten und Apoſtel/ der viel mehr ein Evangelium als vaticinium
und Prophetiſche Weiſſagung geſchrieben: welches er auch als ein Apoſtel
mit ſeinem Maͤrtyrer-Tode ſoll verſigelt haben/ und unter den jenigen ge-
weſt ſeyn/ davon Hebr. 11. gemeldet wird/ ἐπρίϑησαν, Sie ſind mitHebr. 11, 37.
Saͤgen zerſchnitten worden/ oder wie es Lutherus gegeben: Sie
ſind zerhacket/
und daſſelbe von Manaſſe/ wie die meiſte Meynung der
Hebreer und Vaͤter iſt. Zu geſchweigen der miracul, in dem Krafft ſei-Eſa. 37, 36.
nes Gebetts hundert und fuͤnff und achtzig tauſend Mann erſchlagen
worden.


3. Propheta πιςὸς καὶ σεπτὸς, Ein warhafftiger Prophet/
der allezeit wohl eingetroffen/ dem kein Wort auff die Erden gefallen in den
Weiſſagungen von dem Meſſia; dannenhero kein Prophet ſo offt citirt
wird im Neuen Teſtament/ die gantze Evangeliſche Hiſtori iſt voll ſeiner
Weiſſagungen. Was der Prophet der groſſen Handels- und See-Statt
Tyro geweiſſaget von dem Chittiniſchen Helden Alexandro Eſa. 23. daſ-Eſa. 23, 1.
ſeqq.

ſelbe iſt ſie mit ihrem groſſen Schaden gewar worden; das Juͤdiſche
Volck hats empfunden/ was Eſaias von dem Cores laͤngſt vorher/ ehe er
geboren worden/ propheceyet/ daß er die Juden ſolte erloͤſen/ und den Koͤ-Eſa. 44, 28.
c.
45, 1.

nigen das Schwert abguͤrten.


Jſt nun Eſaias ein ſolcher groſſer und warhafftiger Prophet/ ſo iſt
er auch glaubwuͤrdig/ ſo koͤnnen wir an ſeinen oraculis und Weiſſagungen
und namentlich an dieſem letzten oraculo, als dem Sigill ſeiner Weiſſa-
gung nicht zweifeln; Jſt ein warhafftiges und glaubwuͤrdiges Wort/
darinn er als in einer lebendigen figurdie Hoͤlle/ den ewigen Tod
und ewige Verdamnuͤß
gantz eigentlich abgemahlet und geſagt:
Vnd ſie werden hinaus gehen/ und ſchauen die Leichnam der
Leute/ die an mir mißhandelt haben: dann ihr Wurm wird
nicht ſterben/ und ihr Feuer wird nicht verlöſchen/ und werden
allem Fleiſch ein Greuel ſeyn.
Welche ſchoͤne/ hoch nach denck-
O o o o 2liche
[660]Die Vier und Funffzigſte (Erſte)
liche/ nothwendige und heilſame ὑποτυποσιν wir dißmahl und ins
kuͤnfftige zu tractiren geſunnen/ und alſo der Lehre vom ewigem
ſeeligem Leben/ die Lehr von der Höllen und ewigem Tode

opponiren und entgegen ſetzen wollen/ damit alſo der Glaubens-Ketten
kein Gleich abgehauen/ und deroſelben nichts abgehe. Dißmahl bleiben
wir alleine bey der Frage: Von wem der Prophet rede? Wir
wollen zu dieſem groſſen Propheten in die Schul gehen/ und in unter-
ſchiedlichen lectionibus dieſen Articul ſtudiren. Gott der Vater des
Liechts gebe uns hierzu von oben herab die Gnade ſeines Heiligen Geiſtes/
umb Jeſu Chriſti willen/ Amen.


BJllich moͤgen wir auch allhie dem Eunucho ſeine Lehr-begierige
Act. 8, 34.Frag-Wort abborgen/ Actor. 8 und auch ſagen: Von wem
oder wovon redet der Prophet? von was fuͤr einem

theatro?einem zeitlichen oder ewigen? von was fuͤr Fein-
den der Kirchen? Was heiſſet außgehen/ ſchauen/ der
Wurm? ꝛc.
Wir vergleichen uns zwar wohl mit den jenigen/ welche
dieſe Wort von einem zeitlichen Gerichte wider die Feinde der Kirchen/
den Antiochum und andere verſtehen/ ſonderlich den groſſen Erb- und
Ertz-Feind/ den Roͤmiſchen Antichriſt/ und die groſſe victorien/ welche
Chriſtus unſer Herr und Koͤnig von anbegin biß dato wider ihn erhal-
ten/ als in einem Vorſpiel vnd Spiegel der ewigen Straffe. Dann ja
offt die Feinde Chriſti/ die ſich an ſein Reich genoͤthiget/ den Glaubigen
manchen Augen-Luſt gemachet. Es haben freylich die Maccabeer auch
zeitlich ihren Luſt an ihren Feinden geſehen/ und hinaus gangen/ und Luſt
2. Macc. 10,
38.
an der Rache geſehen. Es haben die glaubige Chriſten geſehen die Leich-
nam der Erſchlagenen zu Jeruſalem in der letzten Belaͤgerung/ da ſechszig
tauſend Toden-Coͤrper uͤber die Mauer hinaus geworffen/ wie der Tempel
und die Statt verbrennet/ wie die Juden allem Volck ein Greuel worden;
wie wahr worden/ was Chriſtus propheceyet/ da ſie die Wuͤrme auff der
Wahl ſtatt gefreſſen/ und die Statt loh-hell in der Flamm geſtanden.


Es haben die glaubigen Chriſten den (ſo zu reden/ andern Pharao-
nem) Maxentium
den Chriſten-Moͤrder ſampt ſeinem Heer in der Tiber
erſauffend mit Luſt geſehen; Die Kirche hat ſich inniglich erfreuet uͤber
den Vntergang Juliani; Auch fuͤr unſern Augen hat ſich dergleichen ſpe-
ctacul
offt præſentiret der kuͤhnen Helden/ die des Chriſten-Bluts nicht
konten ſatt werden/ und das rein ab/ rein ab! geſungen/ wann man dieſelbe/
die
[661]Predigt.
die Razavillos, Gonzagas, Lauenburger/ die ſich verbunden gehabt die Lu-
theraner auffzufreſſen/ auff der Wahlſtatt ſehen ligen. Leipziger Felde/
Lecher-Fluß/ Reinfelder Heide und dergleichen Wahlſtatten mehr/ da
mancher ſtoltzer und kuͤhner Antichriſt ins Graß gebiſſen/ und den Wuͤr-
men zur Speiß worden. Das waren wohl ſolche ſpectacula! das
machts aber nicht aus/ zeitliche Straffe iſt zu wenig/ es wird ein ander
ſpectacul folgen nach dieſer Zeit/ davon allhie der Prophet fuͤrnemlich und
eigentlich redet.


Dann wann wir dieſem oraculo recht unter die Augen ſehen/ in
allen Vmbſtaͤnden collationiren/ ſo werden wir befinden/ daß der Prophet
viel weiter hinaus geſehen/ und ſeine erleuchtete Augen gewendet auff
den ewigen Tod/ die hoͤlliſche Wahlſtatt der Verdamten/
den unerſaͤttlichen Höllen-Wurm/ und unaußloͤſchliche
Feuer/ ſo dem Teufel und ſeinen Engeln bereitet iſt/
daſſelbe er-Matth. 25,
41.

hellet 1. ex epithetis,aus denen Wörtern/ dadurch der Wurm
und das Feuer
beſchrieben werden/ daß er genennet wird ein unſterb-
licher Wurm/ ein unaußloͤſchliches Feuer;
welches ja von keiner
weltlichen Schlacht oder irrdiſchen Wahlſtatt wahr ſeyn kan: Von der
Gogitiſchen Schlacht propheceyet Ezechiel cap. 39. Es werden dieEzech. 39,
9.

Burger in den Stätten Jſrael heraus gehen und Feuer
machen/ und verbrennen die Waffen/ Schild/ Tartſchen/
Bogen/ Pfeil/ Fauſt-Stangen/ und lange Spieß/ und wer-
den ſieben Jahr lang damit Feuerwerck halten/
das iſt ein
tempus periodicum und gewiſſe Zeit; Aber hie heiſſet es ignis ἄσβεςος,
ein unaußlöſchlich Feuer.


2. E συναφεία textus,Aus den Vmbſtaͤnden des Texts
ſelbſt;
Der Herr propheceyet von dem 15. Vers an und folgends/
von den letzten Dingen/ von den geiſtlichen Gutthaten des Neuen Teſta-
ments/ Er woll ein Zeichen unter ſie geben/ das iſt/ die Predigt des heiligen
Evangelii/ Er wolle ſeine Herrligkeit unter den Heyden verkuͤndigen laſ-
ſen/ daß ſie hauffenweiſe auff Roſſen/ Waͤgen/ Saͤnfften/ Maͤulern und
Laͤuffern in das geiſtliche Jeruſalem ſich ſolteu verſamlen. Jtem/ Er
wolle erſcheinen mit ſeinem Juͤngſten Tage/ Er wolle mit Feuer kom-
men/ und ſein Weg im Wetter/ Er wolle durchs Feuer richten alles
Fleiſch; Seine Außerwehlten die ſollen im neuen Himmel/ einen Monat
nach dem andern/ einen Sabbath nach dem andern anzubetten fuͤr dem
O o o o 3Herren
[662]Die Vier und Funffzigſte (Erſte)
Herren erſcheinen/ das iſt/ einen ewig-waͤhrenden Sabbath;
Darauff folgen die fata und der Zuſtand der Verdamten: Vnd ſie
werden hinaus gehen/ ꝛc.


3. E ſcopo,Aus dem Zweck ſeiner Weiſſagung/ durch
welche er das Volck zur Gottesfurcht und Entfliehung der Straffe auff-
muntern will; Die gantze Weiſſagung des Propheten Eſaiæ iſt zum
groͤſten Theil ein allgemein ſchroͤcklich Wetter/ das rummelt/ das donnert
und blitzet in allen Capituln/ ſampt einflieſſenden/ holdſeeligen/ Evange-
liſchen Regen/ durch und durch wider die Juden vnd Heyden/ endlich fol-
get das fulmen extremum, der letzte Streich/ da ſchlaͤgets ein. Will
dann alles nicht helffen/ will er ſagen: Ey ſo muß endlich dem Faß der
Boden außgehen/ es werden die Mißhaͤndler auff der Wahlſtatt da ligen
bleiben. Gleich wie eine auffgereitzte Bien lang umb den Menſchen
herumb fleugt/ endlich laͤſſet ſie einen Stachel ſtecken/ der wehe thut: Alſo
fuͤhret der Prophet viel draͤuens/ endlich ſetzet er gleichſam dieſen Stachel
hinden dran/ damit davon! er gibt ſein Prophetenampt auf/ vnd beſchließt
ſeine Weiſſagung alſo; Dann das ſoll man wiſſen/ es ſey ein Leben nach
dieſem Leben/ oder viel mehr der andere Tod nach dem erſten Tode zu befah-
ren; Jene die Außerwehlten werden immer feyren und Freuden-Feſte
halten: Dieſe aber die Verdamten werden ſtets gequaͤlet werden/ ihr
Wurm werde nicht ſterben/ und ihr Feuer nicht verlöſchen.


4. Ex interpretatione Eccleſiæ,Aus der Außlegung
und Zuſtimmung beydes der Juͤdiſchen und Chriſtlichen Auß-

Hieron. ad
h. l.
Aug. l. 20.
C. D. c.
21.
leger; ſonderlich Hieronymi und Auguſtini, der ſchreibet: Ad hoc iſte
Propheta terminavit librum, ad quod terminabitur ſeculum;
Mit die-
ſem hat der Prophet ſein Buch geendet/ mit welchem die Zeit wird geendet
werden.


5. Aus der ohnfehlbaren Außlegung des HERREN
Chriſti;
welcher ohne allem Zweifel dieſes oraculum in Gedancken
Marc. 9, 42.
43. 44. 45.
46. 47. 48.
und vor Augen gehabt/ da er Marc. 9. von dem Ergernuͤß geprediget;
Wer/ ſagt er/ der kleinen einen aͤrgert/ die an mich glauben/
dem waͤr es beſſer/ daß ein Muͤhlſtein an ſeinen Halß gehenckt
wuͤrde/ und ins Meer geworffen wuͤrde!
Dannenhero gibet er
dieſen Rath: So dich aber deine Hand aͤrgert/ ſo haue ſie ab/
es iſt dir beſſer/ daß du ein Krůpel zum Leben eingeheſt/ dann

daß du
[663]Predigt.
daß du zwo Hände habeſt/ und fahreſt in die Hoͤll/ in das
ewige Feuer/ da ihr Wurm nicht ſtirbet/ ꝛc. Ergert dich
dein Fuß/ haue ihn abe/ es iſt beſſer lam zum Leben eingehen/
dann daß du zween Fuͤſſe habeſt/ und werdeſt in die Hoͤlle ge-
worffen/ da ihr Wurm nicht ſtirbet/ ꝛc. Ergert dich dein
Auge/ reiß es aus/ es iſt dir beſſer/ daß du einaͤugig ins Reich
Gottes eingeheſt/ dann daß du zwey Augen habeſt/ und wer-
deſt in das hoͤlliſche Feuer geworffen/ da ihr Wurm nicht
ſtirbet/ und ihr Feuer nicht verlöſchet.
Enſe recidendum eſt
im medicabile vulnus;
Wann ein Glied nicht mehr kan curiret werden/
ſo muß man es abhauen. Es widerholet der Herr dieſe Wort zu
drey unterſchiedenen mahlen nach einander zu mehrer Vekraͤfftigung der
letzten Wort des Propheten Eſaiæ/ daß es wahr und Ernſt ſeye; Drey-
mahl/ ſag ich/ widerholet er ſie/ den ſichern Leuten eine Furcht einzujagen.
Non piguit, ſchreibt Auguſtinus, uno loeo eadem verba ter dicere:Aug. l. 21.
C. D. c.
9.

quem non terreat iſta repetitio? \& illius pœnæ comminatio tam vehe-
mens ore divino?
Es hat den Herrn nicht verdroſſen einerley Wort
dreymahl zu ſagen? Wen ſolte nicht erſchroͤcken ſolche ernſte Widerho-
lung? Wer wolte ſich nicht fuͤrchten fuͤr ſo hefftiger Draͤuung der Straffe/
die aus dem Munde Gottes gehet?


Jſt dem nun alſo/ und redet der Prophet in dieſem ſeinem unfehl-
baren und Himmel-feſten oraculo von der Hoͤll und der ewigen Ver-
damnuͤß/ ſo iſt die Frage εἱ ἐςι außgemacht/ und gewiß/ daß eine Hoͤlle
ſeye.
Non entis nulla ſunt accidentia, Was nichts iſt/ von dem kan
man auch nichts ſagen oder ſchreiben; Waͤre nichts dran/ und waͤre die
Hoͤlle nur eine Phantaſi/ Draͤu- und Schroͤck-Bild/ ſo wuͤrde der Pro-
phet dieſelbe ſo eigentlich nicht beſchrieben und abgemahlet haben; Aber
es iſt nur allzuwahr; ſintemahl ſolches bezeuget 1. Nubes teſtimo-
niorum biblicorum,
die klaren Zeugnuͤſſe der H. Sehrifft.
Die Bibel iſt voll derſelben/ wie ſie dann ins kuͤnfftige mit guter Gelegen-
heit werden erzehlet und erwogen werden.


2. Juſtitia,Die Gerechtigkeit; Es wuſte der Prophet
die Schaͤrffe der ſtrengen/ Goͤttlichen Gerechtigkeit/ wie die-
ſelbe vergelten werde Truͤbſal/ denen/ die den Glaubigen
2. Theſſ. 1,
6.

Trůbſal anlegen; Wie viel boͤſer Buben fuͤhren hie ihre Sache hin-
aus/ vexat tortura columbas, die groſſen Hummeln ſchlupffen durch/
hingegen
[664]Die Vier und Funffzigſte (Erſte)
hingegen muͤſſen die Gerechten unterligen/ muͤſſen Suͤnder ſeyn; Was
waͤre das fuͤr ein Gott/ fuͤr ein Recht/ wann nicht das ungerade ſolte
Luc. 16, 22.dermahl eins gerade gemacht werden? Der reiche Mann ſoll ſchlemmen/
und ſolt ehrlich beſtattet werden/ von niemand ſauer angeſehen/ und nach
dieſer Welt nichts zu entgelten haben? hingegen Lazarus in ſeiner Froͤm-
migkeit einhergehen/ das Bettel-Brod nicht ſatt haben/ viel Vngemach
leiden/ undnach dieſer Welt nichts zu genieſſen haben; Wo bliebe die Ge-
rechtigkeit Gottes? Das ſey ferne!


3. Er erinnert ſich der jenigen/ ſo nunmehro ſchon als
obſidesund Geiſeln in der Hoͤlle ligen; Gleich wie drey unfehl-
bare Himmels-Zeugen und Geiſeln/ Enoch/ Elias und Chriſtus: Alſo
Num. 16,
33.
ſind auch in der Hoͤlle/ Kore/ Dathan und Abiram/ welche leben-
dig mit Leib und Seel zur Hoͤllen gefahren. 4. Es ſchwe-
beten ihm fuͤr Augen die
præludia inferni,die Spiegel und
Vorbilder der Hoͤllen/ die Suͤnd-Fluth/ die Menſchen ſo in
derſelben umbkommen/
welche Chriſtus in der Hoͤllen angetroffen/
1. Pet. 3, 19.die unglaubigen Geiſter im Gefängnuͤß; der Schwefel-
Strom zu Sodom/ Sodom und Gomorra leiden des ewigen

ep. Iud. v. 7.
Matt. 8, 28.
c. 15, 22.
Marc. 1, 26.
c. 5, 3.
c.
9, 18.
Feuers Pein/ und ſind zum Exempel geſetzt; Der erbaͤrmliche
Zuſtand der Beſeſſenen
bewegte ihn auch. 5. Es waren ihm
nicht unbekant die
προγ [...]σεις und Vorſchmack der jenigen/
ſo Höllen-Angſt erfahren/ und mit hoͤlliſchen Anfechtungen
gerungen/
wohin gehoͤren dieexemplades Hiſkiæ/Jobs/ Da-
vids/ Jon
æ im Wallfiſch/ der zwar in dem Ort der Hoͤllen nicht gewe-
ſen/ doch weil er hoͤlliſche Marter und Pein außgeſtanden/ ſo ſchreyet er
aus dem Bauch der Hoͤllen heraus; ſein Antitypus und Gegen-Bild
Chriſtus unſer Heiland/ der hat im Garten am Oel-Berge des ewigen
Todes Schroͤcken und Qual gekoſtet/ davon droben in Erklaͤrung des
andern Articuls weitlaͤufftig gehandelt worden/ und andere mehr.


Folget dieſer Schluß: Spottet nicht ihr lieben Leute! achtets nicht
ſo gering/ Sunt aliquid manes, nec finit omnia lethum: Es iſt einmahl
eine Hoͤll/ ein Ort der Qual/ da zweifle niemand an/ da betriege niemand
ſich ſelbſt! alſo ſagten die ſonſt blinde Heyden/ denen es in Hertzen und
Gewiſſen gewittert und beſorgt/ es werde auff ein zeitliches Wohl (deſſen
man mißbraucht) ein ewiges Weh erfolgen/ Virgilii ſechſte Buch ſeiner
Æneiden kan hie einen Commentarium abgeben. Zwar rohe/ ſichere
Welt-
[665]Predigt.
Welt-Kinder und Epicurer die haben einen Bund mit der Hoͤllen ge-Eſa. 28, 15.
macht/ ſie haltens fuͤr eine Fabel und Pfaffen-Geſchrey/ ſagen mit Cain:
Non eſt ſeculum aliud, nec merces bona pro juſtis, nec pœna pro im-
piis;
Es iſt keine andere Welt zu hoffen/ alſo weder gute Belohnung der
From̃en zu gewarten/ noch Straffe der Boͤſen zu fuͤrchten: ſie duͤrffen ſich
wohl auff die experientz beruffen/ es ſeye noch keiner widerkommen/ darumb
nur her/ weil wir noch jung ſeyn/ laſſet uns unſers Leibes brauchen/ laſſetSap. 2, 1.
uns freſſen/ ſauffen und froͤlich ſeyn/ im Tode hat doch alles ein Ende! und
iſt ſolcher Leute die Welt voll/ die zwar mit dem Munde beiachzen/ aber in
der That laͤugnen/ daß eine Hoͤlle ſeye/ aͤrger als die Heyden; dann ob
zwar wohl etliche unter ihnen ſo roh und grob geweſen/ daß ſie duͤrffen ſa-
gen mit Pythagorâ: Quid ſtyga, quid tenebras \& nomina vana time-apud O-
vid.
Senec. è
conſol. ad
Marcian.
c. 19.
vid. Taub-
mann. ad
Virg. pag.

704.

tis? Was fuͤrchtet man doch die Hoͤll? es iſt ein lehres Geſchwaͤtz: Oder
mit Seneca: Illa, quæ nobis inferos faciunt terribiles, fabula eſt; luſe-
runt iſta poëtæ, \& vanis nos agitavère terroribus: Mors omnium do-
lorum ſolutio \& finis eſt.
Es iſt eine purlautere Fabel und Poetiſcher
Traum/ was man ſchroͤckliches von der Hoͤllen ſaget; die Poeten haben
uns vergebens einen Engſter einjagen wollen/ der Tod macht ein Ende
aller Schmertzen.


So hats doch auch weiſe Heyden gegeben/ nicht nur die Poeten/ deren
Fabeln von dem Plutone, Rhadamanto, Charonte, Siſypho und Tan-
talo
bezeugen/ daß ſie eine Hoͤlle geglaubet/ wie Juſtinus, Minutius Felix,
Euſebius, Lactantius, Auguſtinus
aus ihren Schrifften erweiſen. Plato
ſagte: Wann einer die Hoͤll fuͤr eine Fabel haͤlt/ und außlacht bey Lebzei-
ten/ ſo komm ihn in der letzten Todes-Noth eine ſolche Furcht an/ daß er die
zuvor verlachte Fabeln wahr halten muͤſſe. Ja es gehet manchem/ wie
dort Sebul zu dem Auffruͤhrer Gaal geſagt Jud. 9. Du ſiheſt Schat-Iud. 9, 36.
37. 38.

ten der Berge fuͤr Leute an! Aber da Abimelech einbricht/ ihn uͤber-
fallen/ und der Glaube ihm in die Haͤnde kommen/ da ſagt Sebul: Wo
iſt nun dein Maul?
Alſo/ wie viel ſehen die Hoͤlle fuͤr einen Schatten
an? Dieſen Sebul hat der Sathan mit viel million tauſend Menſchen
geſpielt; die Welt deßgleichen/ wie auch der alte Adam/ die ſprechen ihm
zu: Du Narr! Hoͤlle hin oder her/ du kanſt noch wohl Vuſſe thun!
wanns aber kommt/ wann ſie vom letzten Tage ploͤtzlich uͤbereilet werden
wie ein Fall ſtrick/ ſo kommt die Nachreu allzuſpat/ ſo ſchreyet man Zetter/
mordio/ Feurjo! Wo iſt nun dein Spott-Maul?


Glaubige Chriſten fuͤrchten ſich zwar auch nicht/ aber aus einem
Sechſter Theil. P p p pandern
[666]Die Fünff und Funffzigſte (Andere)
Pſ. 23, 4.andern/ beſſern und Evangeliſchen principio, ſie ſprechen: Ob ich ſchon
wandelt im finſtern Thal/
in dem Todes-Thal/ ſo fuͤrchte ich
doch kein Vngluͤck/
die Hoͤlle kan mir nicht ſchaden/ ich ſehe ſie an als
einen Schatten; muͤſſen ſie gleich koſten den Anfechtungs-Bach/ den
Todes-Bach/ den Hoͤllen-Bach/ wer wolte nicht lieber einen Augenblick
einen bittern Trunck thun/ daß er dermahl eins ewig geſund bleibe? Chri-
ſto Jeſu ſey Lob und Danck/ der allen Glaubigen zu Troſt die Hoͤlle uͤber-
wunden/ daß ſie dieſelbe trotzen und mit Warheit ſagen koͤnnen: Inferne
1. Cor. 15,
56. 57.
umbra es! nihil es!Hoͤlle/ du biſt nur ein Schatten! nichts biſtu; wo
iſt nun dein Sieg?
Wo iſt dein Maul/ damit du mich haſt wollen
verſchlingen? GOTT aber ſey Danck/ der uns den Sieg ge-
geben hat durch unſern HErrn Jeſum Chriſtum/
Amen.



Die Fuͤnff und Funffzigſte Predigt/


Vber den dritten Articul.
Von der Hoͤll und ewigem Tode.


Die Andere Predigt/


Von dem Ort der Hoͤllen.


GEliebte in Chriſto: Vnter andern ſchaͤndlichen/ ſcheutz-
lichen und heßlichen Namen/ welche der Heilige Geiſt
dem Ort der Qual/ der Hoͤlle
gegeben/ iſt auch der
bekante Nam Gehenna, oder Thal/ wie derſelbe im Al-
Eſa. 30, 33.
Matt. 5, 22.
c. 10, 28.
c. 23, 15.
Marc. 9, 43.
Luc. 12, 5.
Iac. 3, 6.
confer
Gerh. Loc.
pag. 516.
Ier.
7, 32.
ten Teſtament/ in der Chaldeiſchen verſion und Dol-
metſchung uͤber die Wort Eſa. 30. und im Neuen Teſtament Matth. 5.
c. 10. c. 23. Marc. 9. Luc. 12. Jac. 3. zu leſen. Es iſt aber dieGehenna
dreyerley: I. Gehenna culpæ,Das Wuͤrge-Winſel- und
Trommel-Thal/
Geh ben hinnom,das Thal des Sohns
Hinnom/
und wie es Jeremias nennet/ geh haharegah,Wuͤrg-
oder Mord-Thal.
Tophet, war weiland ein luſtiger Ort/ eine luſti-
ge Aw/ da die abgoͤttiſchen Juden dem Goͤtzen Moloch/ einem ehrinnen
Bild/
[667]Predigt.
Bild/ innwendig hol/ voller gluͤenden Kohlen/ ihre Kinder auff ſeine
gluͤende Arme gegeben/ unbarmhertzig und unmenſchlich verbrennet und
auffgeopffert; unterdeſſen weil das Kind ach und weh ſchrie/ wurde von
einem abgoͤttiſchen Prieſter die Trommel geruͤhret/ daß die Eltern des
Kindes Weheklag nicht hoͤren ſolten.


II. Gehenna pœnæ;Ein Straff- und Vergeltungs-Thal;
Jn dem Joſias zur Straffe der geiſtlichen Vnreinigkeit vorermeldten2. Reg. 23,
10.

luſtigen Ort in einen unreinen/ garſtigen Ort/ Schindleich/ Schind- und
Schlut-Grube verwandelt/ da man das tode Vieh und toden Aeſſer hin-
geſchleppet/ den wegen unleidenlichen Geſtancks iederman geflohen Tag
und Nacht/ da die toden Aaß zu Pulver und Aſch verbrant worden. Fol-
gends ſind aus gerechtem Goͤttlichem Gerichte die gottloſen Juden da
begraben worden/ nach der klaren Draͤuung Jer. 7. Es kommet dieIer. 7, 32.
Zeit/ ſpricht der HERR: daß mans nicht mehr heiſſen ſoll
Tophet,ſondern Wuͤrge-Thal/ und man wird inTophet
muͤſſen begraben/ weil ſonſt kein Raum mehr ſeyn
wird/ und die Leichnam dieſes Volcks ſollen den Voͤgeln des
Himmels/ und den Thieren auff Erden zur Speiſe werden/
daß ſie niemand ſcheichen wird;
Ja die gantze Statt Jeruſalem
und Pallaͤſte daſelbſt ſollen ein ſolch Tophet werden/ wie auch hernach ausc. 19, 6. 12.
rechter Vergeltung und Straffe erfolget/ daß man die Leichnam hinaus
geworffen/ der Wurm ſie genaget/ und mit Feuer verbrennet worden/ da-
mit der Geſtanck keine infection und Seuche cauſiren oder verurſachen
moͤchte/ nach den Worten Jeremiæ:Der HERR hat ſein WortThren. 2.
17. 21.

erfuͤllet/ er hat ohne Barmhertzigkeit geſchlachtet.


III. Gehenna damnationis æternæ;Das Hoͤllen-
Thal;
Der antitypus und Gegenbild/ auff welches gehennaoder
das Thal Hinnom
vorbildsweis gezielet. Entgegen geſetzt Gan
Eden,
dem Garten Eden oder Paradiß; Das erſte Thal Hin-
nom
war gleichſam der Spiegel/ darinnen wir ſehen und beſchauen ſollen
der hoͤlliſchen Gruben Schmach/ Feuer/ Wurm/ Pein/ Heulen und
Schroͤcken. Wann man einen Vbelthaͤter in Ketten geſchlagen/ an ein
Schindleich hinaus legete/ und etliche Tage ligen lieſſe/ wie wuͤrde er
winſeln und weheklagen? Nun iſt das alles Kinderſpiel gegen der ſchaͤnd-
lichen/ unſaubern/ abſcheulichen Hoͤllen-Grube/ darinnen die erſchlagenen
P p p p 2Leichnam
[668]Die Fuͤnff und Funffzigſte (Andere)
Leichnam ligen/ deren/ die an dem Herren mißhandelt haben.
Welches dann auch der jenige Ort iſt/ auff welchen alludiret/ zielet und
ſihet Eſaias/ das groſſe πολυάνδριον, die Wahlſtatt der Erſchla-
genen;
Ob ers wohl mit Namen nicht nennet/ ſo gibet doch die defini-
tio
das definitum unſchwer an die Hand. Jſt dasprimum thea-
trum
odertheorema,der erſte Augenſchein/ dahin uns Eſaias
fuͤhret/ nemlich τὸ ποῦ damnatorum,der Ort der Hoͤllen/ wie
er beſchaffen ſey;
Gott der Heilige Geiſt erwecke in uns allen
wahre Buß/ Furcht/ daß wir mit unſern Gedancken alſo in die Hoͤlle hinab
ſteigen/ daß wir dermahl eins nicht mit Leib und Seel hinab ſteigen muͤſ-
ſen/ ſondern derſelben entgehen moͤgen/ umb Jeſu Chriſti willen/ Amen.


WAnn demnach Jeſaias ſagt: Sie werden hinaus ge-
hen/ und ſchauen die Leichnam/
ſo deutet er ja klar gnug
auff einen Ort/ auff ein ποῦ, auff einenterminum
ad quem,
auff das hinausgehen folget Locus,der Ort;
Luc. 16, 28.
Eſa. 30, 33.
Matth. 25,
41.
1. Pet.
3, 19.
das iſt/ der Ort der Qual von Gott bereitet von geſtern her/
aruch meethmol, alſobald nach dem Fall der boͤſen Engel iſt dieſer
Ort zubereitet dem Teufel und ſeinen Engeln; dahin Chriſtus gefahren/
in ein gewiß ποῦ, entgegen geſetzt dem gewiſſen Ort der Außerwehlten: Nie-
mand kan ja laͤugnen/ daß unter dieſen dreyen eins muͤſſe wahr ſeyn:
Entweder die Verdamten werden ſeyn allenthalben/ oder nir-
gend/
oder an einem gewiſſen ποῦ und Ort; nicht allenthalben/
dann die Allgegenwart iſt ein Goͤttliches axioma;nicht nirgend/ dann
ſo waͤr ihnen nicht weh! Ergò bleibt ein gewiſſer Ort: Wo aber eigent-
lich? Jſt uns unbekant/ das weiß Gott. Μὴ ζητῶμεν ποῦ ἐςιν, ἀλλὰ
Chryſoſt.
hom. 31. in
epiſt. ad
Rom.
πῶς φύγωμεν, ſchreibet Chryſoſtomus: Wir ſollen nicht fuͤrwitziger weiſe
kruͤblen/ wo der Ort der Hoͤllen ſeye/ ſondern wie wir derſelben recht entge-
hen moͤgen. Ille ignis in quâ mundi vel rerum parte ſit hominum
ſcire arbitror neminem,
ſchreibet* Auguſtinus: An welchem Ort oder
Theil der Welt das hoͤlliſche Feuer ſeye/ halte ich nicht dafuͤr/ daß es ein
Menſch wiſſe. Wir contentiren uns mit der Schrifft auſſagen.


‘* Auguſt. l. 20. Civ. D. c. 6. An aliquis locus inferni ſit ante extremum
judieium, videndus locus D. Lutheri, ſed ad analogiam fidei reducendus, tom. 3.
Ien. in Comment. ad Ion. 2. p. 212. f.
2.’
()

II. Locus
[669]Predigt.

II. Locus exterior,Ein abgeſonderter euſſerlicher Ort;
Hinaus/ drauſſen auſſer dem himmliſchen Jeruſalem/ auſſer dem Ort/
da die Außerwehlten Feyer und Ruhe halten; Auſſer 1. dem OrtApoc. 22,
15.
Luc.
16, 23.
ἀπὸ μα-
κρόθεν.

der Außerwehlten/ von welchem er durch eine groſſe Klufft abgeſondert
und abgeſchieden/ er iſt weit von ferne von dem Ort der Außerwehlten.
Auſſer 2. dem Zuſtande der Seeligen und Außerwehlten im
ewigem Leben;
Die Heiligen Engel ſind zwar offt auſſer dem Him-
mel/ aber nie auſſer dem ſeeligen Zuſtande deſſelben; Die Verdamten aber
ſind niemahl weder im Ort noch im Stand der Seeligen/ ihre Wohnung
heiſſet im Griechiſchen ἅδης, (ἀπὸ τοῦ μὴ ἰδεῖν) das iſt/ ein Ort/ da kein
Liecht hin ſcheinet; dann er iſt auſſer dem himmliſchen Liecht/ in der euſſer-Matt. 8, 12.
ſten Finſternuͤß/ in der Grube/ da kein Waſſer iſt/ wie die Grube geweſt/
darein Joſeph von ſeinen Bruͤdern geworffen und arreſtirt worden/ da erGen. 37,
24.
c.
42, 22.

Hunger und Durſt ſterben ſolte/ oder von gifftigen Thieren umbbracht
werden/ da Angſt war ohne Erhoͤrung. Er flehete zu uns/ aber wir wolten
ihn nicht hoͤren; ſprechen hernach ſie die verraͤtheriſche Bruͤder ſelbſt un-
ter einander. Auſſer 3. dem Lande der Lebendigen/ wie Chry-Ioh. 12, 31.
ſoſtomus dafuͤr haͤlt/ auſſer dieſer Welt/ in den Abgrund/ welchen auchChryſoſt.
in Rom.
16. hom. 31.
Luc.
8, 31.

die Teufel ſcheuen/ und ſich in der Lufft auffhalten/ weßwegen ſie die Fuͤr-
ſten der Lufft genennet werden/ alſo ſcheuen ſie ihn/ daß ſie Chriſtum bitten/
daß Er ſie nicht vor der Zeit hinein jage/ und daſelbſt plage.


Hie will man III. aus der Schrifft einwerffen/ es ſeye ein un-Devt. 32,
22.
Eph. 4, 9.
Phil. 2, 10.
Num. 16,
33.
Eſa. 14, 15.
Matt.
11, 23.

terſter Ort/Scheol tachtith, wie er genennet wird Devt. 32. die
unterſte Hoͤll; die unterſte Oerter der Erden/
da die καταχθόνιοι,
die unter der Erden/ welcher St. Paulus gedencket/ Phil. 2. dahin
die Rotte Core/ der Chaldeiſche Koͤnig/ die Capernaiten und andere ge-
worffen; Aber es iſt alles zu verſtehen ratione ſtatus, non loci; von dem
Zuſtande und nicht von dem Ort der Hoͤllen. Jſt alſo eine purlautere
Fabel und Tandmaͤhre/ was im Papſtumb von dem Ort der Hoͤlle frevent-
lich wird fuͤrgemahlet/ als ſolte dieſelbe unter der Erden in centro terræ
ſeyn; und ſchreibet Bellarminus, Gregorius hab ſolches erholt aus denBellarm.
l. 2. de pur-
gat. c. 6. l. 4.
de Chron.
c. 10.
in hiſtoriâ
anni
1537.

unterſchiedenen Oertern in Sicilien/ da die Erde Feuer außwirfft. Lau-
rentius Surius
iſt ſo verwegen/ daß er auch der Hoͤllen Pforten darff ſetzen
in dem feurigen Berg Æthnâ, und in Islandiâ der Berg Hecla, da die
Geiſter der Verſtorbenen geſehen worden. Jſt/ ſag ich/ ein groſſer Frevel
und Kuͤhnheit/ dem Gott ſelbſt entgegen iſt/ und widerleget/ wann Er
P p p p 3Hiob
[670]Die Fuͤnff und Funffzigſte (Andere)
Hiob gleichſam als ein unauffloͤßlich Raͤtzel/ die Frage fuͤrleget: Haſtu
Iob. 38, 17.geſehen die Thor der Finſternuͤß? Widerleget wirds auch von
der Glaubens-rogul, aus welcher wir wiſſen/ daß Himmel und Erde ſollen
vergehen/ und widerumb zu nichts werden. Nun wird die Hoͤlle nimmer
vergehen. So kan ſie ja nicht in dem corpore der Erden begriffen ſeyn/ als
welche am Juͤngſten Tage verſchwinden/ und nicht mehr uͤbrig wird
bleiben.


IV. Locus unus,Ein einiger Ort; Gleich wie nur ein
Himmel fuͤr die Außerwehlten/ alſo auch nur eine Hoͤlle/ ohne Vnterſcheid
Bellarm.
l. 2. de pur-
gat. c. 6.
Concil.
Trid. ſeſſ.
25.
Bellarm. l.
2. de purg.
c. 15.
vide exem-
plum ho-
minis è
purgatorio
excitati a-
pud Bzov.
ann. 1211.
n.
12.
der Leute die mißhandelt haben; wider das Gedichte der vierfachen Paͤpſti-
ſchen Hoͤlle/ von welcher Bellarminus ſchreibet/ und fuͤr einen Glaubens-
Articul haͤlt/ den man glauben muͤſſe/ wie auff dem Concilio zu Trident ge-
ſchloſſen worden; Dann/ ſchreibet er/ wir halten ſteiff dabey/ daß es eine
Glaubens-Lehr oder Glaubens-Articul ſeye/ daß/ wer nicht glauben will/
es ſeye ein Fegfeuer/ demſelben werde es nicht ſo gut werden/ daß er dahin
komme/ er werde in der Hoͤllen mit ewigem Feuer gepeiniget werden! und
ſoll/ nach Gegentheils vorgeben/ die Marter in dem Fegfeuer groͤſſer/
ſchmertzhaffter und ſchroͤcklicher ſeyn als keine zeitliche Straffe in dieſer
Welt/ graviores fore purgatorii pœnas quam ſint latronum ſupplicia
\& martyrum cruciatus, proinde ſtultos eſſe, qui purgatorium ignem
contemnunt, ita Bellarm. de æterna felic. l. 2. c.
11. Jſt ein harter Schluß
wider die politiſche und laue Papiſten/ die ſich bißweilen in der conver-
ſation
vernehmen laſſen/ ſie glaubeten kein Fegfeuer. Aber was ſaget die
Schrifft davon/ wo der geringſte Titul und Buchſtaben? man nehme den
blinden Leuten die Erſcheinungen und Antwort der Toden/ Geſpenſter und
vermeynten armen Seelen/ man nehme ihnen der Poeten Gedichte/ wo
wird das Fegfeuer fundirt bleiben?


—— aliis ſub gurgite vaſto
Infectum eluitur ſcelus, aut exuritur igni, Virg. l. 6, Aen.
()

V. Locus horrendus \& immanis,Ein grauſamer/
ungeheurer/ unflaͤtiger Ort/
und deßwegen heiſſet er auch Tarta-
2. Pet, 2, 4.
vid. Gerh.
p. 518.
Eſa. 5, 14.
c. 30, 33.
Prov. 27,
20. c.
30, 16.
rus,ein Ort voll Angſt/ Schroͤcken/confuſion, welches auch
die ſchroͤckliche Namen zu verſtehen geben/ dann er wird genennet eine
weite Grube/ ein weit-auffgeſperretes Maul und unerſaͤttlicher Rachen/
ein unerſaͤttlicher Fraß/ der nicht zu fuͤllen iſt/ und deßwegen unter die drey
Dinge gezehlet wird/ die nicht zu ſaͤttigen/ ihr Symbolum heiſſet nimmer
gnug! Die Groͤſſe dieſes ungeheuren Orts unterſtehet ſich abzumeſſen
Cornel.
[671]Predigt.
Cornel. à Lap. wider hellen grund der Heiligen Schrifft/ und ſchreibet/Cornel. à
Lapide ad
Matth. c. 7.
p.
179.

die Hoͤlle ſeye zwey hundert welſche Meilen gleich lang/ tieff und weit/ wel-
cher Ort in ſich begreiffe viel tauſend und aber tauſend Menſchen/ darinn
werden ſie zuſammen gepacket und gepreſſet/ als wie die Heringe in eine
Tonne; welches hernach von Cornelio Drexelius außgeſchrieben.

Drexel. de
Infern. p.
171.
Matt. 5, 26,
Luc.
12, 59.

Es iſt die Hoͤlle carcer abyſſy, ein Kaͤrcker/ darinn man den letzten
Heller bezahlen muß/ und doch niemahls den erſten Heller bezah-
len kan; Ein ſolcher tieffer Thurn/ der ohne Abgrund iſt/ eine grundloſe
Klufft/ wie die zu Rom/ da Curtius hinein geſprungen/ ſo niemand nichts
widerumb heraus gibet; wie ein Menſch/ der in einen tieffen Schlund ge-
fallen/ da er immer tieffer ſincket und keinen Boden fuͤhlet/ an aller Ret-
tung verzweifelt. Jm Papſtumb dichtet man zwar von etlichen/ die wi-vide Mar-
chant. in
hort. paſt.
tract. 4.
lect. 12.
p.
237.

der heraus kommen/ Lazarus ſonderlich/ den Chriſtus widerumb auffer-
wecket/ der ſoll in anſehen der Marter und Qual/ die ihme Zeit ſeines
Todes fuͤrkommen/ immer traurig/ nimmer lachend geweſen ſeyn/
nichts als Gerſten-Brod geſſen/ und darzu des Tages nur einmahl/ der
Sarck ſoll ſein Kleid/ ein Stein ſein Schlaff-Kuͤſſen geweſt ſeyn; Der
Kaͤyſer Trajanus ſoll auch deren einer geweſen ſeyn/ der durch Gregorii
Gebett widerumb aus der Hoͤllen herfuͤr kommen/ und andere mehr/ ſind() ann. 100.
conf. Chri-
ſteid. act. 1.
p. 697.
Luc. 16, 28.
Apoc.
14,
19.

aber lauter altvaͤterliche Fabeln/ deren ſich/ ſonderlich was Trajanum an-
langt/ () Baronius ſelbſt geſchaͤmet.


Es iſt ein Ort der Qual/ der Kelter des Zorns Gottes/
wie ein Keltertretter die Trauben und Beeren zerknitſcht/ daß der Safft
umbher fleuſſet/ und an ſolchem tretten eine Freude hat: Alſo der gerechte
Gott tritt gleichſam die Kelter ſeines Zorns/ daß der brennende Schwe-
fel umbher flieſſet. Es wird die Hölle genennet ein Pfuhl/ der mitc. 19, 20.
c. 20, 10.
c. 21, 8.
Matth. 13,
42.
Dan. 3, 6.
ſeqq.

Feuer und Schwefel brennet; Ein Feuer-Ofen/ wohin nicht
unbillich fuͤrbildsweiſe zu ziehen der Babyloniſche Feuer-Ofen/ Dan. 3.
darinn die drey Maͤnner/ Daniels Geſellen/ geworffen und ſiebenmahl
mehr eingeheitzet/ als man ſonſt gewohnet zu thun; Hie ſiebentzig ſieben-
mahl mehr.


Alles begreiffet endlich in ſich der Name und Abbildung einer
Wahlſtatt der Erſchlagenen/ Rabenſtein/ Aſchenhauff/
Schlut/ Schindleich;
Wuͤſter als kein Miſthauffen/ gaͤrſtiger als
keine Kothlache/ unflaͤthiger als kein Saͤuſtall. Viel Wahlſtaͤtte werden
uns vorgehalten: Die Erde nach der Suͤndfluth/ aber der Greuel wirdGen. 8, 1.
c.
19, 24. 27.
28,

durch die Winde zerſtreuet. Sodom und Gomorra/ ſo Abraham von
weitem
[672]Die Fuͤnff und Funffzigſte (Andere)
weitem/ da er den Rauch fruͤh morgens geſehen/ als Rauch vom Abend/
ſchroͤcklicher hat es geſehen Loth/ der es gegenwaͤrtig angeſchauet/ hernach
aber ſind ſie von dem toden Meer bedecket. Das Vfer des rothen Meers/
an welchem alle Egyptier/ ſo den Kindern Jſrael nachgeeilet/ umbkom-
Exod. 14,
30.
Num. 11,
34.
c. 21, 6. 10.
2. Sam.
1,
19. 21.
men/ die ſahen ſie tod am Vfer da ligen. Luſt-Graͤber deren/ denen das
Manna verleydet/ die die Wachteln heraus gebocht/ da ſie gelegen durch
Peſt und Schwert erſchlagen/ da die luͤſtrige Maͤuler verſcharret. Die
feurigen Schlangen in der Wuͤſten/ welcher Wurm endlich hat auffgehoͤ-
ret zu nagen. Das Gebirge Gilboa/ darauff die Edelſten in Jſrael er-
ſchlagen/ und die Helden/ ſampt Saul und ſeinen Soͤhnen gefallen;
darumb daſſelbe David verflucht/ und ſpricht: Jhr Berge zu Gilboa/
es muͤſſe weder thauen noch regnen auff euch/ noch Aecker ſeyn/

2. Reg. 19,
35.
da Hebopffer von kommen! Sanheribs Wahlſtatt gehoͤret auch
hieher/ deſſen maͤchtiges Heer/ durch die von dem Wuͤrg-Engel angeſteckte
Peſt umbkommen/ wie Joſephus berichtet. Die eingeaͤſchte Statt Je-
ruſalem war ein ſchroͤckliches und aller Welt entſetzliches buſtum. Mag-
deburg/ O Magdeburg/ wie uͤbel iſt es dir ergangen! da der Walloniſche
Totilas ſævirt/ gebrennet/ geſchaͤndet/ und uͤbertuͤrckiſch gewuͤtet/ allein nur
in die Elb auff die zwey und zwantzig tauſend Perſonen ſtuͤrtzen und er-
ſauffen laſſen.


Vnd was wollen wir ſagen/ iſt doch gantz Teutſchland gleichſam zu
einer ſolchen gehenna und Wuͤrge-Thal worden; weil ſie in vorigen Zei-
ten die Kinder dem Moloch geopffert/ dem Hoffarts-Moloch/ dem Spiel-
Moloch/ dem muͤſſigen Moloch/ dem Fraß- und Wein-Moloch; Was iſt
darauff erfolget? Pflitterling/ effœminirte/ Schwind- und Gelbſucht/
Miltz-Kranckheit/ Frantzoſen und dergleichen Vnflath/ mit welchem
Teutſchland uͤberſchwemmet worden; Das hat man/ ſag ich/ begangen/
darzu hat man die Kinder angezogen/ darzu hat man ohne Stirn/ ohne
Scheu/ ohne Furcht/ mit Freuden/ Trommeln und Pfeiffen ihnen geholf-
fen: Darumb hat ſie Gott hernach dem martialiſchen und Kriegs-
Moloch uͤbergeben/ die junge Mannſchafft/ die edlen Nazareer/ da ſie bey
den Trommeln erwuͤrget worden.; Dannenhero gantz Teutſchland wor-
den zu einer Wildnuͤß/ abaddon, Schindleich/ Mord-Grub/ Luſt-Grab
und garſtigen Cloac/ da ſich alle Suͤnden-Wuſt und Vnluſt aus Franck-
reich/ Spanien/ Schweden und andern nationen verſamlet. Aber alles
Kinderſpiel gegen der hoͤlliſchengehenna, von welchem Wuͤrge-
Thal hie gehandelt wird. Wir moͤgen wohl ſagen aus dem Propheten
Ezech.
[673]Predigt.
Ezech. 21. O wie froh wolten wir ſeyn/ wann er gleich alleEzecb. 21,
10, 13.

Baͤume zu Ruthen machte uͤber die boͤſen Kinder! weil er ſie
offt gezuͤchtiget/ was hats geholffen?
Ach Herr/ ſtraff hie und
ſchone dort/ und laß uns hie wohl buͤſſen.


So/ ſo muͤſſen wir uns die Hoͤlle einbilden/ wiewohl dieſes nur ein
theatrum der Hoͤllen/ das wir noch lange nicht genug beſchauet; einbilden/
ſag ich/ anders als der hoͤlliſche Mahler dieſelbe abmahlet/ und nicht glau-
ben den picturen und Vorbildungen des Luͤgen-Geiſtes/ der mehrmahl
ſeine Schupen die Vnholden/ abgefuͤhrt/ und ihnen die Hoͤll als ein pala-
tium,
als ein Paradiß/ als ein Luſt-Hauß vorgemahlet/ ihnen ſeine (des
Teufels) ſtandhaffte Maͤrtyrer gezeiget in gloriâ, mit Vermeldung/ diß
ſeye die Hoͤlle/ davon die Pfaffen ſchreyen und ſchreiben! Vnd das thut
er noch im Papſtumb. () Bellarminus ſchreibt aus Bedæ relation von() l. 1. de
purg. c
7.

einem anmuthigen Ort neben der Hoͤll/ ſo einmahl einer Seel (welche her-
nach wider zum Leibe kommen) erſchienen in der Geſtalt einer lieblichen/
bluͤhenden/ wohlriechenden Matten und Wieſen/ da ſich viel Seelen auff-
gehalten/ befreyet zwar von aller Marter und Pein/ doch noch nicht zur
ſeeligen Anſchau Gottes zugelaſſen. Vielleicht iſt diß der Ort/ da die
Herren Paͤpſte/ Cardinaͤl und Patres der Societaͤt ihr Fegfeuer außzuſte-
hen haben.


Er thuts noch in ſichern Hertzen/ die meinen Gott ſey ein guter
Mann/ Er werde mit ſich handlen laſſen/ es werde ſo boͤß nicht werden/
es ſeye keine ſolche ſchroͤckliche Hoͤll in rerum naturâ, wie man ſie mahlet
und greßlich beſchreibet. Joci non ſunt, ubi ſupplicia intercedunt, ſagt
Hieronymus: Es iſt kein Schertz oder Kinderſpiel/ wo die Straffen ſichHieron.
ad Ocean.

erzeigen; Soll das Schertz ſeyn/ was Chriſtus draͤuet? Jſt dann Chriſtus
ein unverſtaͤndiger Thor? Sind die Propheten Kinder? Sind dann
die Apoſtel Comœdianten? Jn dem andern Buch Samuels c. 2. leſen2. Sam. 2.
23.

wir: Wer an denſelbigen Ort kam/ da Aſahel tod lag/ der
ſtund ſtill:
Wolte Gott wir ſtuͤnden hie alle ſtill/ und lerneten an
dieſem eintzigen Tropffen erkennen/ was fuͤr ein ungeheures Meer/ eine
Waſſer- vnd Troſtloſe Gruben es ſeyn muͤſſe/ daraus wir durch Chriſti
Blut-Buß und Verdienſte entlediget worden; daß wir aus dem Gemaͤlde
der Einaͤſcherung der Statt Sodom uns einbildeten eine warhafftige
Hiſtori des hoͤlliſchen Sodom; daß wir alle oberzehlte buſta und Wahl-
ſtaͤtte zuſammen nehmen/ und gedaͤchten/ daß die Hoͤlle noch ſchroͤcklicher;
Dann gleich wie der Himmel durch irrdiſche Sachen uns fuͤrgebildet
Sechſter Theil. Q q q qwird
[674]Die Fuͤnff und Funffzigſte (Andere)
wird/ alſo auch die Hoͤlle; daß wir wohl bedaͤchten/ daß noch viel andere
Greuel dahinden/ von welchen/ geliebts Gott/ ins kuͤnftige wird gehan-
delt werden; wiewohl dieſe obgemeldte arg genug/ und uns wohl billich
ſolten vor der Hoͤllen warnen; So laſſet uns derowegen hinab fahren
weil wir leben/ damit wir nicht nach dem Tode mit unſerm hoͤchſten un-
widerbringlichen Schaden hinab fahren muͤſſen.


Wolte Gott/ daß dieſes bedaͤchten die jenigen/ ſo mit dem Antichriſt
hinabgehen in das Thal Hinnom/ und dem Moloch dienen; daß ſolches
in acht nehmen alle in allen Staͤnden/ geiſtlichem/ weltlichem/ Hauß-
Stande! die der Welt dienen/ die ihnen ſelbſt dienen durch φιλαυτίαν und
ſtinckende Eigen-Liebe. Auff dieſe wartet das hoͤlliſche Feuer/ die hinaus
gehen an ſolche Molochiſche Oerter/ da ſie lernen anders reden/ anders
ſchreiben/ folgends anders glauben/ da die Kinder geiſtlicher Weiſe der
Seelen nach gefreſſen werden; Wolte Gott/ es betrachteten ſolches die
Veraͤchter des Sabbaths/ welchen alle andere Oerter luſtiger und ange-
Eſa. 5, 11. 14.nehmer ſind/ als das Hauß des Herren; das Sauff-Hauß/ Spiel-
Hauß/ ſitzen biß in die Nacht/ daß ſie der Wein erhitze; dieſen allen hat die
Hoͤlle ihren Schlund weit auffgethan. Wolte Gott/ es nehmen
ſolches zu Hertzen die Großpralenden und Stoltzen in ihren palatiis und
koͤſtlichen Gebaͤuen/ Luſt-Haͤuſern/ koͤſtlichem Haußrath/ da alles nett und
nirgend nichts oͤde ſeyn muß/ vergeſſen unterdeß der Armen. Wolte
Gott/ es haͤtten ſolche Tragœdi ſtets fuͤr Augen die Schlemmer auff
ihrem Tiſche/ die Geitzigen in ihrem Kaſten und Gewoͤlbe/ die Hurer und
Vnkeuſchen in ihrem Bette/ die Maͤgde in ihren Kuͤchen/ wann ſie das
heiſſe Feuer ſehen/ denen kein Ort noch Sattel recht/ auff dieſe alle wartet
ein ander Ort/ wo ſie ſich nicht beſſern.


Matt. 11, 23.

Summa: O des teutſchen Capernaum! freylich iſt es erhaben
biß an den Himmel/ wegen des reinen/ reichen Goͤttlichen Worts/ wegen
der Freyheit/ wegen der ſchoͤnen Ordnung der Staͤnde/ wegen der fuͤrtreff-
lichen Kirchen und Schulen; aber/ aber wegen des ſchnoͤden Mißbrauchs
und Vndancks in die Hoͤlle hinunter geſtoſſen. Ach ſo gehet nun aus
von Babylon durch wahre Buſſe! bekehret euch ihr Spoͤtter/ auff daß
nicht aus dem Schimpff Ernſt werde. Jm Gegentheil haben die rechte/
redliche/ auffrichtige pœnitentiarii und warhafftige Buͤſſer/ die aus ihrer
Buſſe keine hiſtrioniam machen/ ſondern mit dem heiligen und gerechten
Gen. 19, 30.Loth/ der in die Hoͤle ſich verkrochen/ die hoͤlliſche Sodoma von weitem
ſehen; daß ſie ihre Seele erretten werden/ die da Chriſto nachfolgen in dem
Garten am Oel-Berg/ und daſelbſt ſeine außgeſtandene hoͤlliſche Qual
und
[675]Predigt.
und Pein mit bußfertigem Hertzen betrachten: Jn dieſen Felßloͤchern der
eroͤffneten Seiten Chriſti ſollen und werden ſie ſicher ſeyn: Hie werden ſie
von dem unerſchaffenen Engel Chriſto bewahret in dem Feuer-Ofen derDan. 3, 28.
drey Helden Daniels im Chaldeiſchen Ofen/ und endlich ihre Seel zur
Außbeuth davon bringen; aber wo ſind ſolche rechte Buͤſſer? ſolche ernſte
Reuer? ſolche bußfertige meditanten? Mundus hiſtrioniam agit, Die
Welt iſt die Comœdiantin/ alles (was religion anlangt und Gottesdienſt)
zum Schein/ nicht mit Ernſt!


() Cornelius â Lap. erzehlet eine Geſchicht/ ſo ſich begeben zu Pariß() Comm.
ad Thre.
nos Ierem.
c. 1. p.
743.

in Franckreich/ als einsmahls eine Tuͤrckiſche Bottſchafft daſelbſt eben
in der Zeit der Faßnacht ankommen/ da ſie wahr genommen die ſchnelle
metamorphoſin und Enderung/ deren die geſtern die Mummſchantze ge-
uͤbet/ allerhand Vppigkeit und Leichtfertigkeit getrieben/ gefreſſen/ geſoffen/
geſchlem̃et/ gewuͤtet wie die tollen; heut auf den Aeſcher-Tag ſich mit Aſchen
beſprenget/ die viertzig-taͤgige Faſten angetretten/ und ſich dem euſſerlichen
Schein nach gantz anders als geſtern erzeiget/ ſo lachten ſie/ und befragten
ſich unter einander/ was doch diß fuͤr eine kraͤfftige Aſche muͤſſe ſeyn/ durch
dero Anſprengung die Chriſten ſich ſo bald aͤnderten. Es war der Boſſe
wohl lachens werth/ dann was iſt das Bapſtumb und deſſen religion
anders als eine hiſtrionia und Comœdianterey? alles pro formâ! daß es
ſcheinet vor den Augen der Menſchen/ dem Hertzen aber mangelt das ſchoͤ-
ne hachaſmal, die Seel der Buſſe/ nemlich der wahre Glaub.


Wolte Gott dieſe hiſtrioniam ſpielten allein die Blinde im Reich
der Finſternuͤß! aber leider bey dem groͤſten Hauffen unter uns/ die wir
Kinder des Liechts ſeyn wollen und ſollen/ gehet es nicht beſſer her/ die mei-
ſten bringen die Zeit ihres Lebens mit vanitaͤt/ Hoffart/ Vppigkeit/ Leicht-
fertigkeit zu/ ihr Leben iſt eine immerwaͤhrende Faßnacht/ ploͤtzlich kommt
einen und den andern eine fliegende Hitze an/ die Feſt-Zeit mahnet/ die Ge-
wohnheit gibt Anlaß/ da gehet man zur Beicht/ zum Tiſch des Herren/
erzeiget ſich ein paar Tage devot, und andaͤchtig/ daß es aber lauter Heu-
cheley und Augen-Dienſt ſey/ daſſelbe beſcheinet die Erfahrung/ ſintemahl/
ſo bald das Feſt fuͤruͤber/ ſo fangt mans wider an/ wo mans zuvor gelaſſen/
ohne rechtſchaffene Enderung des Hertzen. O lieber Menſch/ ſchimpffeGal. 6, 7.
nicht mit Ernſt/ Gott laͤſſet ſich nicht ſpotten.Gott der Herr
wird auch einmahl lachen in deinem Vngluͤck/ und du wirſts nicht zu ge-
lachen haben. Ernſte bußfertige Hertzen empfinden Hoͤllen-Angſt vor-
ſchmacksweiſe/ aber ſie erſchwingen ſich uͤber den Zorn Gottes/ ſie ſpringen
empor/ und durchdringen zu Gott/ ruffen mit Jona (der dem Tode ſchon
Q q q q 2im Ra-
[676]Die Sechs und Funffzigſte (Dritte)
im Rachen geſteckt) zum Herrn und ſprechen: Jch rieff in meiner
Ien, 2, 3.Angſt zum HErrn/ und Er antwortet mir. O du ſuͤſſer
HERR Jeſu Chriſt/ der du Menſch geboren biſt/ behuͤt uns
fuͤr der Hoͤllen/
Amen.



Die Sechs und Funffzigſte Predigt/


Vber den dritten Articul.
Von der Hoͤll und ewigem Tode.


Die Dritte Predigt/


Von den verdamten Perſonen
in der Hoͤlle.


GEliebte in Chriſto: Wehe ihnen/ ſie kommen umb
Iud. ep. v.
11.
in der Auffruhr Core! ſpricht Judas/ nicht der Ver-
raͤther/ ſondern der Apoſtel/v. 11. Jn welchem ſchroͤck-
lichen epicedioder H. Apoſtel uns fuͤrhaͤlt I. exem-
plum horrendum,
das oftwiderholte/ beklagte uñ
beruͤhmte/ ſchroͤckliche Exempel Core des groſſen Meutmachers
und Raͤdelsfůhrers und ſeiner wuͤtenden Rott und Geſellſchaft/

Num. 16,
1. ſeqq.
davon zu leſen Num. 16. welcher aus lauter teufliſchem Neid und ſtin-
ckendem Ehrgeitz ohne einig-gegebene Vrſach und Preſſur wider Moſen
und Aaron/ ſeine Bluts-Freunde und gebruͤderte Kinder ſich auffgeleh-
v. 12.net; das war nicht genug/ daß ſie nicht pariren wolten/ Wir kommen
nicht hinauff/
ſagten ſie; ſie muͤſten noch laͤſtern/ Moſes muſte ein
v. 14.Luͤgner ſeyn: Wie fein haſtu uns bracht in ein Land/ da Milch
und Honig innen fleuſt/ und haſt uns Aecker und Weinberge
zum Erbtheil gegeben/
ſo wurffen ſie Moſe und Aaron fuͤr/ als wol-
ten ſie eigenthuͤmlicher und tyranniſcher weiſe uͤber das Volck herrſchen:
v. 13.Moſes ſey ein planus, groſſer Verfuͤhrer/ Jſts zu wenig/ ſagten ſie/
daß du uns aus dem Lande fuͤhreſt/ da Milch und Honig

innen
[677]Predigt.
innen fleuſt/ daß du uns toͤdteſt in der Wůſten/ welches alles der
Herr ihm ſelbſt appropriirt; dann was iſt Aaron/ ſagt Moſes/ daßNum. 16,
11.

ihr wider ihn murret? Jhr machet Auffruhr wider den
HErren.


Was folget darauff? Creatio creationis,Ein neues Ge-
ſchöpff/ daß der HERR etwas neues ſchaffet/
dergleichen zu-
vor nie erhoͤret worden/ in dem die Erde zerriſſen durch einen Erd-
biedem/ wie Joſephus bezeuget/ ihren Mund und Schlund auffge-
than/ und ſie verſchlungen mit Haͤuſern/ Haab und Men-
ſchen/ ſo bey ihnen waren/ und fuhren hinunter lebendig in
die Höll/ und die Erde decket ſie zu.
Ambroſius fuͤhret dieſenAmbroſ.
ep.
82.

Fall pathetiſch aus und ſchreibet: Immugiens terra in medio plebis
ſcinditur, aperitur in profundum ſinus, abripiuntur noxii \& ita ab
omnibus mundi hujus ablegantut elementis, ut nec aërem hauſtu,
nec cœlum viſu, nec mare tactu, nec terram contaminarent ſepulchro.

Die Erde reiſſet mitten unter dem Volck gleichſam mit einem Gebruͤll/
die Tieffe thut ſich auff/ die boͤſen und ſchaͤdlichen Leute werden hinwegge-
raffet/ und alſo von allen vier Elementen der Welt hinweggenommen/ da-
mit ſie weder die Lufft mit ihrem Athem/ noch den Himmel mit dem Ge-
ſicht/ noch das Meer mit ihrer Fuͤhlung und Empfindung/ noch die Erde
mit ihrer Begraͤbnuͤß beſudelten.


Die Schul-Lehrer/ namentlich Abulenfis, Salinaus, Cornel. à Lap.
Bonfrerius
und andere bringen hie ſpitzige Fragen auff die Bahn/ Ob ſie
warhafftig in die Höll gefahren ſeyn?
Etliche verſtehen durch
das Scheol allein das Grab: andere das Fegfeuer; Aber Scheol,
weil es iſt creatio creationis,ein ſonderbares neues Geſchoͤpff/
und weil ſie mitten in der Suͤnde ohne Buß umbkommen/ leidet es ſolche
Gloſſe nicht. 2. Ob ſie lebendig oder tod ſeyn in die Hölle ge-
fahren?
Cornelius à Lap. und Salianus wollen nicht geſtehen/ daß ſie
lebendig hinunter gefahren/ ſondern wann da ſtehet; Sie fahren le-
bendig in die Hoͤlle/
ſagen ſie/ es bedeute nur actum inchoatum, den
Anfang der Hoͤllen-Fahrt/ weil ſie noch lebendig in die Erde verſuncken/
aber unterdeſſen ſeyen ſie auff dem Wege/ ehe ſie durch die Erde kommen/
geſtorben; thre Leiber ſind in der Erde geblieben/ die Seelen aber hinab ge-
fahren in die Hoͤlle; ſolches zu beweiſen bringen ſie herzu das allgemeine
Q q q q 3Geſetz/
[678]Die Sechs und Funffzigſte (Dritte)
Hebr. 9,
27.
Num. 16,
29.
v. D. Gerh.
tom. de
mort. æ-
tern. p.
545.
Geſetz/ ſo da ſtehet Hebr. 9. Dem Menſchen iſt geſetzt einmahl zu
ſterben/
die Aufferſtehung ſey allen Toden beſtimmt; Aber hie iſt der
Buchſtaben klar/ der exception iſt vorgebeuget v. 29. wann da ſtehet:
Werden die Menſchen ſterben wie alle Menſchen ſterben/
das iſt/ ſie werden nicht ſterben wie alle andere Menſchen; Gleich wie
zween heilige Maͤnner vor allen andern Menſchen die Ehre gehabt/ daß ſie
nicht geſtorben/ ſondern lebendig in die himmliſche Freude erhaben wor-
Gen. 5, 24.
2. Reg.
2, 11.
den/ nemlich Enoch und Elias/ zum Zeichen des ewigen Lebens: Alſo ſind
auch zween gottloſe Maͤnner zum Zeichen des ewigen Todes lebendig in
die Hoͤlle gefahren/ dergleichen fatum auch wartet auff das Thier und ſei-
nen Reuter den falſchen Propheten/ den letzten Antichriſt. Aber wir be-
kuͤmmern uns uͤber dieſer und dergleichen Frage nicht viel/ mehr iſt uns
gelegen an demexemplato.


II.Dasexemplatumſind die Coriten/ das iſt/ alle die
unflaͤthige und hohe Geiſter/ welche in die Fußſtapffen Core tretten/
ep. Iud. v.
4. 8.
alle Vnglaubige/ die die Gnade Gottes auff Muthwillen
ziehen/ die die Herrſchafften verachten/ und die Majeſtaͤt
laͤſtern: Wehe ihnen!
Wo gleiche Suͤnde iſt/ da iſt gleiche Straffe;
Darumb/ ſagt Moſes/ es ſeyn nicht nur die zu Plech geſchlagene Pfannen/
damit man den Altar behenget/ dem Herren geheiliget worden zum
Zeichen/ ſondern ſolches alles iſt von der gantzen Hiſtori wahr worden;
die ſtehet uns da als einſignum memoriale, prognoſticon,
terrificum,
als ein Denck-Zeichen/ als ein Warnungs-Zei-
chen/ als ein Schroͤck-Zeichen;
Wer nicht das Weh Judæ ihm
uͤber ſeine Seel und Kopff ziehen will/ der huͤte ſich fuͤr den verdammlichen
und hoͤllenbrennenden Suͤnden Core.


Wir wollen/ meine Liebſten/ etwas weiter hinaus ſehen/ und bey dem
einigen Core nicht ſtill ſtehen/ ſondern die gantze Rott und Geſell-
ſchafft deren Leute/ die an dem HErren mißhandelt haben/
deren Wurm nicht ſtirbet und Feuer nicht verloͤſchet/
in den
Augenſchein faſſen. Jſt das anderetheatrumundſpectacul,
nach dem wir den Ort/ das Marter-Hauß beſchauet/ fallen uns
zuerſt in die Augen locata,die da ſollen gequaͤlet werden; Wer
ſind dann nun die Verdamten und Verfluchten?
Sie ſind
Matt. 23, 15.filii gehennæ,die Höllen-Kinder und Hoͤllen-Brände.
Damit
[679]Predigt.
Damit wir nun dieſes mahl dieſelben alſo beſchauen/ daß wir ein Exempel
an ihnen nehmen/ und an frembden Schaden lernen klug werden; wolle
uns Gott von oben herab mit ſeiner Gnade mildiglich erſcheinen/ umb
Jeſu Chriſti willen/ Amen.


WEr ſind nun die Verdamten in der Hoͤlle/ deren
Wurm nimmer ſtirbet/
und welche Eſaias in ſeiner
Hoͤllen-Predigt ſo ſchroͤcklich beſchreibet und abmahlet? Es
ſind haanaſchim, [...] hapoſcheim,Maͤnner/ Men-
ſchen und Leute/ die am HErren mißhandelt haben;
Der Pro-
phet deutet gleichſam mit Fingern auff ſie zu mit einem doppelten he de-
monſtrativo.
Von den Teufeln iſt nicht noth hie zu fragen und viel zu
ſagen/ daß es Verdamte mit Ketten der Finſternuͤß zur Hoͤllen verſtoſſene
Geiſter ſeyen/ iſt bey anderer Gelegenheit tractirt worden. Das Hebreiſche
Wort hapoſcheim heiſſet in heiliger Sprach ſo viel als prævarica-
tores, rebelles, apoſtatæ,
Suͤnder/ Widerſpenſtige und Ab-
trůnnige;
wird in ſolchem Verſtande geleſen 2. Reg. 3. Joram ließ2. Reg. 3, 7.
Joſaphat entbieten/ er ſolte kommen mit ihm zu ſtreiten wider
den Moabiter/ dann er ſey von ihm abgefallen;
daher ſolche
hapoſcheim, alle Adams-Kinder von Mutterleibe an/ πάντες ὑςεροῦνται,Eſa. 48, 8.
ſie ſind abgewichen/conſequenter alle Hoͤll-wuͤrdige Suͤnder/
hacol ſar,ſie ſind alle untuͤchtig worden/ allereſchaim, allePſ. 14, 3.
gottloſe Menſchen/ von denen David geſungen: Es iſt von GrundPſ. 36, 1.
meines Hertzens/ von der gottloſen Weſen geſprochen/ daß
keine Gottesfurcht bey ihnen iſt;
Sonderlich fuͤhren dieſen
Schand-Titul die abgoͤttiſche Goͤtzen-Knechte/ welches iſt die Vber-Mich. 1, 5.
trettung Jacob? Jſts nicht Samaria?


Der Prophet Eſaias erklaͤret ſich ſelbſt nicht allein c. 1. JchIeſ. 1, 2. 4.
habe Kinder aufferzogen/ und ſie ſind von mir abgefallen;
O wehe des ſůndigen Volcks/ des boßhafftigen Samens!
ſie verlaſſen den Heiligen in Jſrael/ laͤſtern und weichen zuruck!

und leget es aus von den Vnglaubigen/ welche das Zeichen des Evangelii
nicht angenommen/ fondern verachtet/ welche nicht hoͤren noch antworten/Eſa. 66, 19.
c.
4. 3.

wann der Herr ruffet; die Heuchler/ deren Opffer und Gottesdienſt dem
Herren ein Greuel iſt; Dann wer einen Ochſen ſchlachtet/
iſt eben
[680]Die Sechs und Funffzigſte (Dritte)
iſt eben als der einen Menſchen erſchluͤge/ wer ein Schaf opf-
fert/ iſt als der einem Hunde den Halß breche/ wer Speiß-
opffer bringt/ iſt als der Saͤu-Blut opffert/
das iſt/ wann ſie es
thun ohne Buſſe und Glauben. Oder wie Chriſtus der Herr dieſen
Text ſelbſt erklaͤret/ von der groſſen Muͤhlſtein-Suͤnde/ des Seelen-Mords/
dadurch der kleine geaͤrgert wird/ ſo ſind es die ſcandalizantes und ſcan-
dalizati,
beydes die Ergernuͤß geben/ und die das gegebene Ergernuͤß an-
nehmen/ und alſo geaͤrgert werden/ die ihre aͤrgernde Augen nicht außge-
riſſen/ die aͤrgernde Haͤnde und Fuͤſſe nicht abgehauen/ nach der Vermah-
Marc. 9, 42.
ſeqq.
nung Chriſti/ Marc. 9. wohin gehoͤren alle euſſerliche in die Augen leuch-
tende exemplariſche Vntugenden/ dadurch der Menſch zur Suͤnde vor-
ſetzlich und wuͤrcklich gefuͤhret wird/ alle Teufels-Pfeiffen zum Pracht/
ſpielen/ ſauffen/ geitzen/ ꝛc. wann die Eltern Laͤuſe in Peltz ſetzen/ und Mu-
cken in die warmen Stuben jagen: So die jenigen/ die ſich aͤrgern laſſen/
werden in die Hoͤll muͤſſen/ da ihr Wurm nicht ſtirbet/ und ihr
Feuer nicht verloͤſchet/
wo werden dann die Auffwickler ſelbſt
bleiben?


Ja wann wir Moſen und die Propheten/ deren gantzen Commen-
tarium biblicum
auffſchlagen/ ſo werden wir das ſchwartze Regiſter bald
complet finden/ wer ſie ſind/ die dahin gehoͤren? Nemlich 1. die
Antichriſti ſo wohl in der Lehr als im Leben/
die Atheiſtiſchen Cy-
Apoc. 19,
20. c. 20, 10.
c. 14, 10.
Eſa.
14, 15.
clopen/ die werden geworffen werden in den Pfuhl/ der mit Schwefel und
Pech brennet/ und werden gequaͤlet werden mit Feuer und Schwefel in
Ewigkeit. 2. Die ſichern/ unachtſamen Knechte und epicu-
riſche Welt-Kinder/
die da ſagen mit jenem untreuen Knechte:
Matth. 24,
49, 50.
Mein Herr kommet noch lange nicht/ fahen an zu ſchlagen
ihre Mitknechte/ eſſen und trincken mit den Trunckenen;
deren Lohn wird ſeyn mit den Heuchlern/ da wird ſeyn heulen

Luc. 12, 47.und Zähnklappen. 3. Die unnuͤtzen Knechte/ die des HEr-
ren Willen wiſſen und nicht thun. 4. Die boͤſen Knechte/

Gal. 5, 19.die Fleiſch-Diener/ ſo dem Teufel mehr dienen als Gott/
wie ihre Werck beſchrieben werden von St. Paulo/ Gal. 5. Alle/ ſo da
Apoc. 21, 8.ſuͤndigen wider die erſte Tafel der Heiligen Zehen Gebott; Die Ver-
zagten/
das iſt/ die Abtruͤnnigen in der Verfolgung/ die Vnglaubigen
und Greulichen/ die Zauberer/ Abgoͤttiſche und Luͤgner/ derer

Theil
[681]Predigt.
Theil iſt in dem Pfuhl/ der mit Feuer und Schwefel brennet/
welches iſt der andere Tod.


5. Das rebelliſche/ halßſtarrige und widerſpenſtige Ge-
ſinde/
ſo da murret wider ihre Herrſchafft/ ſampt allen Auffruͤhrern;
die werden mit der gottloſen auffruͤhriſchen Rotte Core/ Dathan undNum. 16,
33.
Gen.
16, 6.

Abiram in die Hoͤlle geſtuͤrtzet werden; Gleich wie die ſtoltze/ halßſtarrige
Hagar hinaus geſtoſſen wurde aus dem Hauſe Abrahams: Alſo werden
dieſe auch aus dem Hauſe Gottes dermahl eins geſtoſſen werden. 6. Die
unverſoͤhnlichen/ unbarmhertzigen Cainiten;
die werden mit
jenem Schalcks-Knechte/ Matth. 18. uͤberantwortet werden dem Peini-Matth. 18,
34.

ger/ biß ſie bezahlen/ was ſie ſchuldig ſind; Wer zu ſeinem Bruder
ſaget: Du Narr/
das iſt/ mit Schmaͤh-Worten ſeinem NaͤchſtenMatt. 5, 22.
Glimpff und Ehr abſchneidet/ der iſt des hoͤlliſchen Feuers ſchuldig.
Deßgleichen/ uͤber die Vnbarmhertzigen wird ein unbarmhertzig VrtheilIac. 2, 13.
ergehen; dann wann die jenigen ins hoͤlliſche Feuer gewieſen werden/ die
die Hungerigen nicht geſpeiſet/ und die Nackenden nicht bekleidet; woMatth. 25,
42, 43.

werden dann die hinkommen/ ſo die Armen gar außgezogen und außgeſo-
gen/ die nicht nur als Raͤuber Geld/ Gut/ Haab uud Nahrung hinwegge-
nommen/ ſondern auch als Menſchen-Diebe die Menſchen gar geſtohlen?


7. Die unflaͤthigen Sodomiten/ die ſind zum Exempelep. Iud. v. 7.
1. Cor.
6, 9.

geſetzt/ und leiden des ewigen Feuers Pein/ ihre Miſſethat war Hof-
farth/ alles vollauff/ Friede/ Vnbarmhertzigkeit/ dem Duͤrfftigen halffen ſieEzech. 16,
49.
Prov. 5, 5.
c. 9, v. ult.
Pſ. 49, 15.
Eph.
5, 5.

nicht/ und thaͤten Greuel; Vnter dieſe Zunfft gehoͤren auch die Ehe-
brecher und alle Vnkeuſchen. 8. Die in den Jrrthumb
Balaam fallen/
alle Geitzigen; Kein Geitziger/ welcher iſt ein
Goͤtzen-Diener/ hat Erbe an dem Reich Chriſti und Gottes;

Wer iſt der jenige? Niemand will ſo heiſſen: Aber es wird ſich finden;
Nemlich der iſts/ der einen Gott aus dem Reichthumb machet. 9. Alle
Schlaͤmmer und Daͤmmer/ die des Morgens fruͤh auff ſind
Eſa. 5, 11. 12.
14.

des ſauffens ſich zu befleiſſigen/ und ſitzen biß in die Nacht/
daß ſie der Wein erhitze/ und haben Harffen/ und ſehen nicht
auff das Werck des HErren; Wehe ihnen! daher hat die
Hölle ihre Seele weit auffgeſperret/ und ihren Rachen auff-
Luc. 16, 23.
gethan ohn alle Maß/ daß ſie zu dem reichen Schlaͤmmer hinunter
Sechſter Theil. R r r rfahren.
[682]Die Sechs und Funffzigſte (Dritte)
fahren. 10. Die Laͤſterer/ deren Zungen von dem hoͤlliſchen Feuer
1. Cor. 6, 10.entzuͤndet/ die werden das Reich Gottes nicht erben.


Dieſe alle ſind hapoſcheim,die höllwuͤrdige Hoͤllen-Kin-
der/
welche dem ewigen Tode zu Theil werden/ dann der Tod iſt der
Rom. 6, 23.Suͤnden Sold/ nicht nur der zeitliche/ ſondern vornemlich der ewige/
doch ſo fern ſie in Vnbußfertigkeit und Vnglauben verharren biß ans
Ende. Daß nicht alle Suͤnder wuͤrcklich verdammet werden/ das iſt
aus dem Evangelio außgemacht. Wer war ein groͤſſer Suͤnder als
Adam und Eva? Sie hatten ein klein Geſetz/ haͤtten es leicht halten koͤn-
nen/ hatten keinen Suͤnden-Zundel im Hertzen; Sie waren da in Gottes
Luſt-Garten/ in dem edlen Paradiß; noch dannoch haben ſie hefftig ge-
ſuͤndiget wider Gott/ von welchem ſie zu dem Ertzboͤſewicht dem Sathan
abgefallen; wider ſich ſelbſt/ weil ſie ſich alles guten und Gluͤckſeeligkeit be-
raubet; wider die gantze poſteritaͤt und Nachkommen/ welche ſie zugleich
Tertull. l.
2. contra
Marcion.
Auguſt.
enchir.
in dieſen unwiderbringlichen Schaden geſetzt; wider das gantze Goͤttliche
Geſetz/ welches ſie muthwillig uͤberſchritten; Vnd dannoch/ da ſie ihre
Suͤnde hertzlich bereuet/ und aus dem erſten Evangelio im Glauben Troſt
geſchoͤpffet/ iſt Adam der gnaͤdigen Vergebung ſeiner Suͤnd und Erlaſ-
ſung des ewigen Todes ſo gewiß/ daß er ſein Weib Chava oder Eva nen-
nen darff/ als wolt er ſagen: Nicht Tod! nicht Hoͤll! ſondern Leben und
Himmel. Kein kleiner und gemeiner Suͤnder war Abraham/ ὁ ἀσεβὴς,
Rom. 4, 4.
5.
der jenige gottloſe κατ᾽ ἐξοχὴν, deſſen St. Paulus gedencket/ wann er ſaget:
Dem/ der nicht mit Wercken umbgehet/ glaubet aber an den/
der den Gottloſen gerecht machet/ wird ſolches gerechnet zur

2. Sam. 11,
4. 17.
c. 12, 13.
2. Chron.
33, 2. ſeqq.
Luc. 22, 56.
ſeqq.
Actor. 9, 1.
ſeqq.
Matth. 9, 9.
ſeqq.
Luc. 7, 37.
c.
23, 42. 43.
Gerechtigkeit. David war ein Ehebrecher und Moͤrder: Manaſſes
war aͤrger als ein Heyde/ ein Goͤtzen-Knecht/ Propheten- und Kinder-
Moͤrder/ ein Zauberer: Petrus ein Mammeluck: Paulus ein Chri-
ſten-Moͤrder: Matthæus der Zoͤllner/ die groſſe Suͤnderin/ Luc. 7. der
Schaͤcher am Creutz/ und viel tauſend andere/ die anietzo im Himmel
leuchten/ und dem ewigen Tod entrunnen; Sie waren zwar alle Hoͤlliſch-
Feuer-wuͤrdige/ aber actu und wuͤrcklich nicht verdamt! Woher? Weil
ſie ihre Suͤnde hertzlich bereuet/ an Jeſum Chriſtum ohne falſch und be-
ſtaͤndig geglaubet/ ſo haben ſie ihre Seel zur Außbeuth davon gebracht.


Contra im Gegentheil ſind die wuͤrcklich verdamt/ die jenige/
die in Vnbußfertigkeit verharren biß ans Ende/
und in derſel-
ben von hinnen fahren; Dann Gott will ſeine Ordnung und regul ge-
halten
[683]Predigt.
halten haben/ die heiſſet alſo: Thut Buſſe und glaubet dem Evan-
gelio;
Dannenhero iſt das gar ein vermeſſener Glaube/ der da glaubenMarc. 1, 14.
will Vergebung der Suͤnden ohne Reu und Leid uͤber dieſelben; Der
HERR iſt geſandt das Evangelium zu predigen den Armen/
zu heilen die zerſtoſſenen Hertzen;
wie dann deßwegen JohannesLuc. 4, 18.
der Taͤuffer ein Buß-Prediger genennet wird/ weil er von der Buſſe ange-
fangen zu predigen/ dem HErren zuzurichten ein bereit VolckLuc. 1, 17.
præparatione privativâ, durch Hinwegnehmung des Boͤſen; Gleich wie
ein Barbierer zuvor aus einer Wunde das faule/ eyterichte hinweg ſchaf-
fet/ ehe er ſie heilet; Ohne Buſſe folget kein Glaube; die Suͤnde nimmet
dem Schuldiger das Hertz/ daß/ wann er an ſeinen Schuld-Herren ge-
dencket/ ihm Angſt und bange wird: Alſo wer ohne wahre Buſſe beharr-
lich hingehet/ der kan kein hertzliches Vertrauen und Zuverſicht zu Gott
haben/ er muß aus Verzweifelung mit Saul/ der in ſeinen Suͤnden ge-
ſtorben/ gedencken und ſagen: Jch bin ſehr geaͤngſtiget/ dann Gott1. Sam. 28,
15.
1. Chron.

11, 13.

iſt von mir gewichen! Vuß und Fruͤchte der Buſſe werden erfordert/
dem zukuͤnfftigen Zorn zu entgehen/ ſonſt iſt die Axt dem Baum
ſchon an die Wurtzel gelegt/ welcher nicht gute Früchte brin-
Matt. 3, 10.
get/ ſoll abgehauen und ins Feuer geworffen werden.


2. Die Vnglaubigen/ das iſt/ die von Chriſto nichts wiſſen/1. Cor. 10,
27.
Eph. 2, 13.
2. Theſſ.
1,
7. 8.

ihn nicht kennen/ aus einfaͤltiger (wie ſie es nennen) aber doch muthwilli-
ger Vnwiſſenheit; die Gott nicht erkennen/ noch gehorſam ſind dem
Evangelio Jeſu Chriſti/ conſequenter kein recht Vertrauen zu ihm faſ-
ſen koͤnnen/ quia ignoti nulla cupido; dannenhero die unwiſſende Heyden
in H. Schrifft allenthalben heiſſen unglaubige Leute. Es ſind die Verfuͤh-1. Cor. 10,
27.
2. Theſſ. 1,
8.
1. Cor. 1, 23.
2. Tim. 2,
18.
Tit. 1, 14.
Luc. 6, 30.
Hebr. 6, 4.
Marc. 16,
16.
Ioh. 3, 18.
Hebr.
3, 9,
11.

rer und die Verfuͤhrten in der Lehre/ die Chriſtum kennen und wiſſen/ und
doch wiſſentlich ſeiner Lehre nicht Beyfall geben/ ſondern verlachen und
widerſprechen; Oder die zwar ſeiner Lehre Beyfall geben/ aber nicht mit
wahrem Glauben annehmen/ und ſeine Wolthaten ihnen aus Halßſtar-
rigkeit nicht zueignen/ verzweifeln/ verzagen und verachten/ wohl gar mit
Fuͤſſen tretten/ und die Suͤnde in Heiligen Geiſt begehen; dannenhero
allein der Vnglaube verdammet/ wie jene in der Wuͤſten/ welchen ſchwur
Er/ daß ſie nicht zur Ruhe kommen/ nemlich die Vnglaubigen; Haͤtten
die vor der Suͤndfluth den heiligen Noah/ die Sodomiten den frommen
Loth/ die Capernaiten den Herren Chriſtum/ der reiche Schlaͤmmer
Moſen und die Propheten gehoͤret/ und haͤtten geglaubet wie die Ninivi-
R r r r 2ten/
[684]Die Sechs und Funffzigſte (Dritte)
ten/ ſo waͤren ſie eben ſo wohl als dieſe ſeelig worden. Dann gleich wie
alle Kranckheit den Tod wuͤrcket/ aber in der That und wuͤrcklich hat der
den Tod am Halſe/ der die Artzney verachtet: Alle auff den Tod Gefange-
ne haben das Leben verwircket; Aber wuͤrcklich muß allein der jenige her-
halten/ der das Ranzion-Geld verachtet: Ein iedweder der das Ebenbild
Gottes nicht hat/ und der kein hochzeitlich Kleid an hat/ iſt der Hoͤllen
wuͤrdig; Aber wuͤrcklich wird allein der hinaus geworffen/ welcher das
Hochzeit-Kleid von dem Wuͤrth/ Herrn oder Braͤuttgam (nach Juͤ-
Iud. 14, 19.
Matth.
22,
11. 12. 13.
diſcher Art ihm dargereichet/ Jud. 14.) nicht hat wollen annehmen.


Noch iſts daran auch nicht genug; dann wer war mehr unglaubig
als Paulus? da er nemlich noch ein Phariſeer/ ein Veraͤchter und Ver-
folger des Heiligen Evangelii? Sondern 3. die im Vnglau-
ben verharren biß an das verfluchte Ende des Lebens/
die haben
ſich der Seeligkeit nichts zu getroͤſten: Niemand iſt actu und in der That
1. Chron.
11, 13.
verdamt/ er ſterbe dann in ſeiner miſſethat/ wie Saul; Gleich wie allein
der biß ans Ende beharrliche Glaube ſeelig machet: Alſo im Gegentheil
verdammet allein der biß ans Ende beharrliche Vnglaube. Sprichſtu:
Was nutzet dann Chriſti Gnugthuung? das kan ja niemand laͤugnen!
fuͤr welche Suͤnde Chriſtus gnug gethan/ die verdammet nicht; Der be-
harrliche Vnglaube biß ans Ende iſt eine Suͤnde/ dafuͤr Chriſtus genug
gethan; darumb verdammet ſie auch nicht. Antwort: Sie verdam-
met nicht actu, wuͤrcklich in der That/ aber ſie verdammet ſo fern die
Gnugthuung Chriſti nicht angenommen und appliciret wird. Der end-
lich-beharrliche Vnglaube in dieſem Leben iſt zwar die Suͤnde/ fuͤr welche
Chriſtus genug gethan; Aber fuͤr den beharrlichen Vnglauben biß in das
andere Leben/ oder viel mehr biß in ewigen Tod/ welcher nicht mehr in dieſes
Leben gehoͤret/ ſondern in das ævum des andern Todes/ iſt keine Genug-
thuung geſchehen.


Dieſes iſt der catalogus und das ſchwartze Regiſter ohne Vnter-
Eſa. 5, 13.
c.
12, 14.
ſcheid/ Koͤnig oder Knecht/ Biſchoff oder Bader/ dann auch die Herrlichen
und Poͤbel/ Reichen und Froͤlichen nicht verſchonet werden/ auch der Chal-
deiſche Morgenſtern nicht; Auch die Kinder des Reichs/ die die erſten
ſollen ſeyn im Reich Gottes; die Lutheraner/ aber unlauter in Lehr und
Leben: Evangeliſche/ aber eigenwillige: Augſpurgiſche Bekenner/ aber
meineydige Verlaͤugner/ die werden die letzten ſeyn/ und hinaus geſtoſ-
Matt. 8, 12.ſen werden. Dieſes iſt die Geſellſchafft der Verdamten/ die Geſell-
ſchafft der Teufel: Jch wolte lieber/ ſchreibet Bernhardus, in einen
gluͤenden
[685]Predigt.
gluͤenden Feuer-Ofen/ der uͤber und uͤber brennete/ hinein gehen/ als nur
einmahl den Teufel in ſeiner eigenen Geſtalt ſehen. Es bedencke ein ied-
weder nur/ wie einem zu Muthe ſeye/ der ein Geſpenſt ſihet/ wie entſetzet er
ſich daruͤber/ wie ſtehen ihm die Haar gen Berge! Viel ſchroͤcklicher wird
es ſeyn bey den Verdamten/ da wird es nicht heiſſen:
Solamen miſeris ſocios habuiſſe malorum,
Sie werden keinen Troſt davon haben/ daß ſie Geſellen haben in der Ver-
damnuͤß; dannenhero auch der reiche Schlaͤmmer wuͤndſchet/ daß ſeine
Bruͤder nicht auch kommen an den Ort der Qual/ als welche ſeine QualLuc. 16, 27.
28.

vermehren werden. Wer zu dieſem Regiſter etwas thut oder außſtreichet/
der ſeye anathema und verflucht!


Schroͤcklich und zugleich freventlich iſt im Papſtumb das judicium
Rhadamanteum,
das allzuunbarmhertzige Hoͤllen-Gerichte von den un-
getaufften Kindern/ die man zwar an einen gnaͤdigen und kuͤhlen Ort
verweiſet/ aber ihnen den allerſeeligſten Anblick Gottes abſpricht; da doch
Gott nicht will/ daß iemand von dieſen kleinen verlohrenMatth. 18,
14.

werde. Nicht gnaͤdiger oder milder iſt das abſolutum decretum, der
grauſame bloſſe Rath-Schluß in Calvini Hirn erſponnen und erſonnen/
Krafft welches Eſau bloß verworffen und verdamt/ ohne Vor-Abſehung
ſeines Glaubens oder Vnglaubens; Gleich wie man auſſer Zeugnuͤß der
Schrifft nichts ſoll hinzu thun/ alſo ſoll man auch nichts daraus thun
aus dieſem catalogo, nicht ſeelig preiſen die offenbar notoriè bekantliche
Heuchler und Gottloſen/ die in der Brunſt ihrer Suͤnden/ mitten in den
Suͤnden dahin ſterben; nicht preiſen/ ſag ich/ durch Klag-Gedichte/
Grab-Schrifften/ parentationes und Abdanckungen ꝛc. auch uns ſelbſt
nicht eximiren durch Selbſt-Betrug/ ſondern immer uns erinnern der
Wort unſers Herrn/Die Pfort iſt weit/ und der Weg iſtMatt. 7, 13.
breit/ der zur Verdamnuͤß abfuͤhret/ und ihrer ſind viel die
darauff wandeln!
Ja freylich viel. Wenig ſind die Außerwehlte!
Zwar im Papſtumb wird der Hoͤllen-Weg gar enge zuſammen gezogen/
die Himmels-Straß uͤber alle maſſen erweitert. () Cornelius à Lap.
iſt in der Meynung/ es ſeyen deren die ſeelig werden viel mehr als der Ver-
damten/ unzaͤhlich viel ſeyn deren die ſeelig werden auch unter den Kaͤtzern/
mehr als man meinen ſolt.


() in Apoc. 21. p. 333. Si mundus ſtaret per ſex millia annorum, quibuslibet
mille annis tot ſalvarentur, quot incolere poſſunt trecenta triginta millia urbium

R r r r 3Hiſpalin
[686]Die Sechs und Funffzigſte (Dritte)
Hiſpalin adæquantium: quolibet verò die pæne tot ſalvarentur, quot incolere
poſſunt Hiſpalin; incolere dico non tantum quoad ædes, ſed etiam quoad præ-
dia, hortos \& vineas, quæ utilitati æquè ac oblectationi incolarum ſerviunt
(ob utramq́; enim cauſam cives præſertim divites, præter ædes ſolent habere ſuos
hortos \& prædia) Ingens enim catholicorum numerus, per mille ſexcentos an-
nos ſemper fuit, \& erit usq́; ad finem mundi. Catholicorum autem longè ma-
jor pars ſalvatur, tùm quia pleriq́; peneq́; omnes morituri ſuſcipiunt ſacramenta,
quæ ex attrito faciunt contritum; atq́; iſto articulo peccatores deſerunt concu-
binas aliasq́; peccati illecebras ex timore gehennæ, \& ad beatam vitam toto ani-
mo ſe comparant. Tùm quia tertia vel quarta pars hominum moritur in in-
fantiâ vel innocentiâ baptiſmali. Et mòx: Vnus Vir (S. P. N. Ignatius) cœlitum
numerum valde adauxit, cœloq́; cives dedit permultos, qui alioquin cives gehen-
næ evaſiſſent. Hæc ille. Multò verius Chryſoſt. hom. 40. ad Pop. Antioch. Quot
eſſe putatis in civitate noſtrâ qui ſalvi fiant? infeſtum quidem eſt quod dicam,
dicam tamen: non poſſunt in tot millibus centum inveniri qui ſalventur; quin
\& de his dubito. Quanta enim in Iuvenibus, quæſo, malitia? quantus in ſeni-
bus torpor?


Hie will ſchroͤcken vonnoͤthen ſeyn! Gleich wie gantz Jſrael flohe
Num. 16,
34. 38.
fuͤr dem Geſchrey der Rotte Core/ und ſprachen: Daß uns die Erde
nicht auch verſchlinge:
Alſo ſoll ein Chriſt den andern fuͤr der Hoͤl-
len behuͤten. Sonderlich ſtehen Eltern hie in groſſer obligation: Laſſet nicht
Prov. 23, 13.
14.
ab Kinder zu zuͤchtigen/ Wann du deinen Sohn mit der Ruthen
haͤueſt/ darff man ihn nicht toͤdten; Du haͤueſt ihn/ aber du
erretteſt ſeine Seel von der Hoͤllen.
Die ſcandalizanten/ die an-
dern Ergernuͤß geben und verleiten zum boͤſen/ die ſich verleiten laſſen/ die
moͤgen bedencken was ſie thun. Wehe dem/ der Ergernuͤß gibt! wehe
dem/ der dem Ergernuͤß nicht wehret! wehe dem/ der es annimmt. Eine
ſchroͤckliche Hiſtori erzehlen etliche von einer ſtoltzen praͤchtigen Frauen/ die
ihrem Mañ unauffhoͤrlich in Ohren gelegen/ und begehrt er ſolle ſein wenig-
eintragendes ſchlechtes Handwerck fahren laſſen/ und ein ander Gewerb/
da mehr profit bey/ annehmen/ damit ſie den reichſten und fuͤrnem-
ſten Leuten im Pracht es koͤnte gleich oder bevor thun. Der Mann
laͤſſet ſich bereden/ ergreifft den Juden-Spieß/ faͤngt einen gottloſen Land-
betruͤglichen Handel an/ ſamlet per fas \& nefas ein groß Gut/ damit dem
ſtoltzen Weibe der Will moͤchte erfuͤllet werden. Was geſchicht? Der
Mann faͤllet in eine toͤdliche Kranckheit: Das Weib ſpricht zu ihm/ er ſoll
ein Teſtament auffſetzen. Ja/ ſpricht er/ ich will dir ein Teſtament machen/
ließ den Notarium fordern/ legt ihm ſeine Gedancken in die Feder/ und
ſagt: Erſtlich befehl ich mein Leib und Seel dem Teufel. Wem billicher als
dem ich gedienet? Das Weib fragt: Was ſoll dann mir werden? Du ſolt
ewiglich
[687]Predigt.
ewiglich mit mir brennen/ ſpricht er/ dann du haſt mich dahin gebracht/
mitgefreſſen/ mitgehenckt. Der Pfarrherr und Seelſorger ſtehet dabey/
fragt was er dann ihm vermachen wolle? Jhr/ ſagt er/ ſollt mit mir das
Brod der Truͤbſal in der Hoͤllen eſſen/ dann ihr habt oͤffters mein Brod
uͤber meinem Tiſch genoſſen/ mein verruchtes Leben gewuſt/ niemahls ge-
warnet und geſtrafft/ aus Furcht des Verluſts der gelben Suppen.


Das iſt ſchroͤcklich zu hoͤren: noch ſchroͤcklicher wann dieſe Leute oh-
ne Buß dahin gefahren/ und die execution des Teſtaments erfahren
muͤſſen. Von einem Dominicaner-Moͤnche/ Ivo genant/ welchen Ludo-
vicus
Koͤnig in Franckreich in Engelland geſandt/ wichtige Sachen auß-
zurichten/ lieſet man/ daß als er einsmahls eine Predigt gethan von guten
Wercken und derſelben Verdienſt im Himmelreich/ von Suͤnden und
derſelben Straff in der Hoͤlle/ und geſehen unter den Zuhoͤrern ein Weib/
ſo in einer Hand einen Krug mit Waſſer/ in der andern einen Feuerbrand
getragen: ſchalt er das Weib als eine Naͤrrin. Nein/ ſagt ſie/ ich bin
keine Naͤrrin/ ich weiß wohl was ich thue. Wolte Gott mein Wundſch
wuͤrde wahr/ daß das hoͤlliſche Feuer koͤnte durch diß mein Waſſer außge-
loͤſcht/ und die Fluͤſſe des ewigen Paradiſes durch dieſen Brand koͤnten
außgetrocknet werden/ ſo wuͤrden wir nicht aus Furcht der Hoͤllen/ auch
nicht aus Hoffnung des Verdienſts des Himmelreichs/ ſondern freywil-
lig/ von Hertzen und aus inniglicher Liebe Gott unſerm Vatter dienen/
als die Kinder ihrem lieben Vatter zu dienen pflegen. Ja/ ſagt der
Moͤnch/ du haſt wohl geredet! Jſt auch mein Wundſch! Ach daß ſich
maͤnniglich an ſolch und der gleichen Exempel ſtoſſe/ und ſich fuͤr der Hoͤllen
fuͤrchteten! ja daß wir alle das hoͤlliſche Feuer außloͤſchen moͤchten durch
freywilligen und kindlichẽ Gehorſam gegen Gott und ſein Wort. Aber was
hilffts/ wann man gleich die Hoͤll vor Augen ſehe/ wann gleich einer von
den Toden kaͤme? Mit hoͤchſter Verwunderung und Beſtuͤrtzung leſen
wir von der ſchroͤcklichen Verblendung und Halßſtarrigkeit deren/ die die
Hoͤlle fuͤr Augen geſehen/ und doch von neuem den andern Tag drauff
rebelliren/ wider Moſe und Aaron murren und ſprechen: Jhr habt desNum. 16,
40. 41.

HErren Volck getoͤdtet. Ein ieder wags auff ſeinen Abentheuer!


Wir aber preiſen ſeelig die Kinder Core/ welche ſich an dem Exempel
ihres Vaters geſpiegelt/ hæc nos veſtigia terrent, geſagt/ und ihre devotion
gegen Gott in unterſchiedlichen Pſalmen herfuͤr leuchten laſſen/ Pſ. 42.
usq́ue ad Pſ. 49. Pſ.
84. 85. 87. 88. die auch ihrer maculirten Freundſchafft
deßwegen nichts zu entgelten gehabt: Wer nicht Huren und Buben hat
in ſeiner
[688]Die Sieben und Funffzigſte (Vierte)
in ſeiner Freundſchafft/ der gehe hin und loͤſche den () Reimen zu Nuͤrn-
berg aus. Ja ſeelig alle/ die unter die toden und lebendigen Exempel
ſpringen mit den Raͤuchfaſſen von dem Altar des Creutzes angezuͤndet;
da das Exempel aller Exempel hanget zu einem Zeichen/ auſſer welchem
kein Mittel dem ewigen Tode zu entgehen; welchem zugeſchrieben wird die
1. Pet. 2, 24.
Apoc.
8, 3.
Auffopfferung der Suͤnde am Creutz/ der groſſe Hoheprieſter/ der Engel
mit dem guͤldenen Raͤuchfaß/ der noch taͤglich unſer Gebett opffert; der
fuͤlle es mit Feuer vom Altar/ und ſchuͤtte es auff die Erde/ das iſt/ Er gebe
uns die Hoffnung der Furcht und des beſtaͤndigen Glaubens/ daß wir uns
viel mehr freuen/ als erſchroͤcken/ weil wir in das Buch des Lebens einge-
ſchrieben. Jeſus Chriſtus unſer Heiland/ der geb uns ſeinen Heiligen
Geiſt/ daß wir zu ihm tretten/ ſo kan/ will und wird Er uns erretten/
Amen.


() Wie aber derſelbe laute/ und wo er zu Nuͤrnberg ſtehe/ davon Bericht zu
thun/ wei ſet weiland H. Cornel. Marc. in pr. ad ep. Iud. ſeeliger auff anderwertige
Erkundigung.



Die Sieben und Funffzigſte Predigt/


Vber den dritten Articul.
Von der Hoͤll und ewigem Tode.


Die Vierte Predigt/


Von dem Verluſt des guten der Ver-
damten Straff.


GEliebte in Chriſto: Ob wohl die jenige tode Leich-
nam der ſieben Soͤhne Sauls/ welche die Gi-
beoniten
offentlich/ maͤnniglichen zum Exempel und
Scheuſal auffgehenckt dem HErren zu Gibea
Sauls/
cadavera infelicia,ungluͤckſeelige Leich-
2. Sam. 21,
9. 10.
Ioſ.
9, 19.
nam geweſt/ davon zu leſen 2. Sam. 21. Dann dieweil Saul den Eyd
gebrochen/ die uralte transaction und eydfeſten Accord zwiſchen Jſrael
und den Gibeoniten geſchworen/ Joſ. 9. uͤbertretten; dieweil auch ſolcher
Meineyd biß dato ungeandet verblieben/ und deßwegen der Herr das
Land mit einer dreyjaͤhrigen Theurung abgeſtrafft/ ſo ſind aus Koͤniglicher
Ver-
[689]Predigt.
Verhaͤngnuͤß ſieben Soͤhne Sauls an den liechten Galgen auff einem
hohen Berge auffgehenckt worden: Das war eine ungluͤckſeelige Tragœ-
di und Schauſpiel. Dieſe tode/ verbannete/ unbegrabene cadavera und
Leichnam ſtuncken und waren ſo abſcheulich/ daß iederman Augen und
Naſen zugehalten/ wer fuͤruͤber gangen.


II. Infeliciora,Noch ungluͤckſeeliger ſind ſie geweſt/ we-
gen der Zeit/ die ſie haben hangen muͤſſen.
Es hatten die Hebreer
ein Geſetz/ Devt. 21. daß der auffgehenckte maleficant nicht uͤber NachtDevt. 21,
23.

hangen/ ſondern vor der Sonnen Vntergang widerumb ſolte abgenom-
men werden. Jſt alſo practicirt worden auch an den Feinden von Jo-
ſua mit dem Koͤnige von Ai und an den fuͤnff Koͤnigen der Amoriter;Ioſ, 8, 29.
c. 10, 26. 27.
Ioſeph. l. 3.
de bell.
c.
14.

welche Gnade auch den ἀυτοφόνοις und Selbſt-Moͤrdern widerfahren/
wie Joſephus bezeuget. Welches Gebott fundirt in der æquitaͤt/ auch
fuͤr ſich ſelbſt der humanitaͤt gemaͤß/ daß man ſich mit dem Tode der male-
ficant
en ſaͤttigen laſſe: iſt auch in der Gerechtigkeit gegruͤndet; Dann
wie kommen die Diebe und die Moͤrder darzu/ daß ſie nach dem Tode da
hangen und ligen muͤſſen/ andere groͤſſere maleficanten/ Zauberer/ ꝛc.
werden mit Feuer verbrennet/ im Waſſer erſaͤufft? Jſts umb das Exempel
zu thun/ ſo moͤchte der Ort des Hochgerichts/ da die armen Suͤnder abge-
than werden/ Schroͤckens genug gebaͤren? Zu gleicherweiß muͤßten ex
oppoſito
und im Gegentheil auch die reliquien der Heiligen auffgehaben/
und maͤnniglich zum Exempel zur Schau fuͤrgeleget werden. Wir laſſen
aber dieſen Streit hie unbeſtritten/ halten viel auff das Geſetz Gottes als
die regul vnd Richt-Schnur. So gut mochts aber den Soͤhnen Sauls
nicht werden/ die Gibeoniten als Heyden procedirten nach ihren Rechten
und Weiſe mit ihnen/ biß ſo lang der Regen vom Himmel herab gefallen/
hangen da Tag und Nacht/ mit groſſem Hohn und Spott.


III.Aber auchFelicia,gluͤckſeelig/ wegen des Erbar-
mens und Mitleidens;
dann es widerfaͤhret ihnen dieſe Gutthat/
daß noch iemand geweſt/ der ſich ihrer erbarmet/ nemlich die Rizpa/ Sauls
Kebs-Weib/ die Tochter Aja/ ihrer zween Soͤhne Mutter und der andern
fuͤnff Blutfreundin; die uͤberwindet durch die ςοργην` und eingepflantzte
Mutter-Liebe allen Spott/ Schmach und Schande/ Geſtanck und Vn-
gemach/ und machet ſich an das Creutz oder Galgen/ breitet auff den Fel-
ſen einen Sack oder zwilchen Tuch aus/ biß das Waſſer vom Himmel
uͤber ſie troff/ (zum Zeugnuͤß/ daß nunmehr Zeit ſeye/ ſie widerumb herab
zu nehmen) das iſt/ biß der Theurung/ ſo aus Duͤrre herkommen/ gewehret/
Sechſter Theil. S ſ ſ ſund
[690]Die Sieben und Funffzigſte (Vierte)
und Gott widerumb verſuͤhnet: deßgleichen ſo wehret ſie Voͤgeln und
andern Thieren/ und ließ des Tages die Voͤgel des Himmels nicht auff
ihnen ruhen/ daß ſie den Raben nicht zur Speiß wuͤrden.


Dieſes iſt geweſen der Zuſtand der Soͤhne Sauls! Aber ſo gut
mags den verdamten Hoͤllen-Kindern nicht werden: ſie ligen da in dem
polyandrio, in dem hoͤlliſchen Tophet, als verbannete/ unbegrabene/ ſtin-
ckende/ abſcheuliche Hoͤllen-Aeſſer: Sie ligen da in alle Ewigkeit/ Jhr
Wurm ſtirbet nicht:
Sie ligen da ohne Erbarmung/ niemand iſt/
der den nagenden Wurm toͤdtete/ der das Feuer loͤſchete; da iſt vom Him-
mel herab lauter Zorn ohne Hoffnung einiger Verſoͤhnung; da iſt keine
Rizpa/ die ςοργὴ und Vater-Liebe hat ein Ende; Es gehen zwar die
Außerwehlten heraus/
aber zur Schau/ zum Lachen/ ſie die Ver-
damten ſind allem Fleiſch ein Greuel
und Scheuſal/ wie der
Herr durch Eſaiam in unſerm Text ſolches alles klaͤrlich andeutet.
Wer die verdamten Hoͤllen-Kinder ſeyn/ haben wir neulich ge-
hoͤret; Folget nun der unſeeligſte Zuſtand der Verdamten/ in
welchem ſie ſchweben/ daß ſie da ligen als tode Leichnam;

und zwar der erſte Theil ihres elenden Zuſtands/ ihrer Straff
iſt
pœna damni,der unſaͤgliche Verluſt und Schaden/ den
ſie leiden muͤſſen;
Von welchem wir anietzo in der Furcht des Her-
ren
etwas weitlaͤufftigers handeln wollen. Gott helffe/ daß es
alſo geſchehe/ daß wir fuͤr ſolchem unſeeligem Zuſtande einen Abſcheu be-
kommen/ demſelben entgehen/ und dermahl eins zu dem allerſeeligſten Zu-
ſtande aller Außerwehlten gelangen moͤgen/ durch das theure Verdienſt
Jeſu Chriſti/ Amen.


WAnn demnach der Prophet allhie abermahl mit Prophetiſchen
Fingern deutet auff diecadavera und ſagt: Die Leichnam
der Leute/ die mißhandelt haben:
Jn ſeiner Sprach heiſſet es [...]
bepigreh, peger (daher das lateiniſche piger,faul kommt) das iſt
ein fauler Leichnam/ ein todes Aas; wird in ſolchem Verſtande
1. Sam. 17,
46.
geleſen/ 1. Sam. 17. da der junge kuͤhne Held David dem Philiſter
Goliath
unter Augen tritt und ſagt: Heutiges Tages wird dich
der HErr in meine Hand uͤberantworten/ daß ich dich ſchlage
und nehme dein Haupt von dir/ und gebe den Leichnam

des
[691]Predigt.
des Heers oder Heerfuͤhrers der Philiſter heut den Voͤgeln un-
ter dem Himmel/ und dem Wild auff Erden:
Alſo ſind die Ver-
damten ſolche
cadaveraund Leichnam/ das iſt/ cadaveroſi,
in ſtatu cadaveroſo,
in dem Stande/ darinn die Leichnam
auff einer Schlut ligen.


Wann/ ſag ich/ die Verdamte alscadaveraodercadave-
roſi
als Leichnam beſchrieben werden/ ſo will der Prophet durch dieſe
figur als durch eine perſpectiv anzeigen und ſehen laſſen/ I. Cadavera
mortua,
tode Leichnam; Es werden die Verdamten tod ſeyn; dann
ein Leichnam iſt ja tod und des Lebens beraubet/ kan weder fuͤhlen noch
ſehen/ ihm ſelbſt nicht helffen: Alſo werden die Verdamten dermahl eins
auch tod ſeyn/ nicht ſo wohl morte naturæ,was anlanget den na-
tuͤrlichen Tod/
dann dem ſind auch/ wiewohl mit groſſem Vnterſcheid/
die Glaubigen unterworffen/ auff ſolche Weiſe werden die Verdamten viel
mehr leben; nicht auch morte gratiæ,was den geiſtlichen
Gnaden-Tod betrifft/
dann ſo ſind die Verdamten ſchon geweſt vor
ihrem Ende in dieſer Welt/ die ſind Gott dem Herren durch Vn-
glauben und Suͤnde laͤngſt abgeſtorben/ und in ſolcher ihrer Miſſethat ge-
ſtorben: ſondern morte ſecundâ,des andern Todes/ des ewigen
Todes;
vitæ gloriæ,dem herrlichen himmliſchen Leben ent-
gegen geſetzt/
von welchem der heilige Johannes Apoc. 2. redet: WerApoc. 2, 11.
da ůberwindet/ dem ſoll kein Leid geſchehen von dem andern
Tode.
Dieſer Tod iſt das groͤſſeſte Vbel und Elend/ er iſt der letzte Sold
der Suͤnden; Jſt eine metaphora und verbluͤmte Rede/ hergenommenRom. 6, 23.
von den Soldaten; Ein Soldat ſihet auff den Sold/ davon er den Na-
men bekommen/ Commiß/ Beute/ Stuckgeld. Offters nimmet ein leicht-
fertiger Geſell Geld/ und dienet dem Teufel. Was liget aber unter dem ob-
ſonio
verborgen? mors, der Tod/ deſſen er ſtuͤnd- und augenblicklich ge-
warten muß/
In tali tales capiuntur flumine piſces,
das Schwert friſſet ietzt dieſen/ ietzt jenen: Alſo auch ein Suͤn-2. Sam. 11,
25.

der/ der dem Teufel zu Hof reutet/ hat ſein auctoramentum, ſein Hand-
Geld/ ſo zu reden/ ſeinen Sold/ Catilina non amabat ſua facinora, ſed
utique aliud, cujus cauſa faciebat,
ſagt Auguſtinus: Der boͤſe Catilina
liebete nicht ſeine boͤſe Thaten/ die er veruͤbete/ ſondern er hatte freylich etwas
S ſ ſ ſ 2anders/
[692]Die Sieben und Funffzigſte (Vierte)
anders/ weßwegen er ſolche Bubenſtuͤck begienge. Was ligt aber unter dem
Deckel verborgen? mors in ollâ, der bitter Tod; nicht nur des erſten Todes
erſter Grad/ da die Seel Gottes beraubet wird/ nemlich in dem geiſtlichem
Tode; nicht nur auch des erſten Todes anderer Grad/ da der Leib die Seel
verlieret; Aber auch nicht allein der gantze erſte Tod ſelbſt/ da die Seel bey-
des von Gott und dem Leibe getreñet wird; ſondern was des Todes iſt/ biß
an den letzten und nimmer endlichen Punct/ biß an den letzten Tod/ der der
Aug. l. 13.
C. D. c. 12.
\& l. 6. C. D.
c.
12.
andere Tod genennet wird/ und keiner mehr nach ihm kommet/ wie Augu-
ſtinus
redet: Nulla pejor mors, quàm ubi non moritur mors, Kein Tod
iſt aͤrger/ als der/ welcher nicht ſtirbet.


II. Cadavera à cœlo \& cœleſti vità exclu-
ſiſſima,
Leichnam von dem Himmel und himmliſchen Leben
außgeſchloſſen und verbannet.
Leichnam gehoͤren hinaus aus
dem Hauß oder Statt/ an ihren Ort; ihnen wird die Statt verbotten/
des Burgrechts verwieſen/ ſie muͤſſen alles mit dem Rucken anfehen/ ein
Tuch ins Grab/ damit ſchabab: Alſo die Verdamten ſind gleichſam als
die toden Hunde hinaus geſtoſſen auſſer dem himmliſchen Jeruſalem;
Sie ſind außgeſchloſſen 1. à loco,von dem Ort/ von dem neuen
Himmel/ von dem Lande der Lebendigen außgerottet/ aus dem Reich/ aus
der Statt/ aus dem edlen Paradiß und aller himmliſcher Wolluſt hinaus
gejagt/ verfluchte/ unſtet und fluͤchtige Banditen/ die Thuͤr iſt beſchloſ-
Matth. 25,
10. \&
22, 13.
ſen; geworffen in die euſſerſte Finſternuͤß hinaus. Einer iegli-
chen Creatur Tod iſt ſein auſſer dem Ort in und zu dem End ſie erſchaffen/
eines Fiſches Tod iſt ſein ohne Waſſer: des Teufels Tod iſt daß er aus dem
Himmel verſtoſſen/ daß er das ſeelige Liecht/ darinn er anfangs gelebt/
nicht mehr ſehen kan/ und im finſtern tappet: Des Menſchen Tod war
auſſer dem Paradiß-Leben: Der aͤrgſte und ſchroͤcklichſte Tod/ auſſer dem
Himmel ſein/ zu welchem Beſitz und Bewahrung er erſtlich erſchaf-
fen geweſt. Außgeſchloſſen 2. à ſummi boni fructu,Von
2. Theſſ. 1,
9.
dem Nutz und Genieß des hoͤchſten Guts; Hie fragt das Gottes-
vergeſſene Welt-Kind wenig nach Gott/ Vrſach/ es hat noch Creatu-
ren/ daran es ſich halten/ damit es ſich ergetzen kan; Wann aber alles
wird vergehen im Feur/ da wird das lachen werden theur/

da wird das Sprichwort wahr/ Verlieren iſt gut fuͤr lachen/ Gut verloh-
ren nichts verlohren/ Muth verlohren halb verlohren; Aber Gott verloh-
ren alles verlohren.


3. Sind
[693]Predigt.

3. Sind ſie außgeſchloſſenab aſpectu Dei,von dem
ſeeligen Anſchauen Gottes;
Gravius eſt oculis carere quàm do-
lere,
Es iſt viel ſchwerer der Augen entbehren/ als Schmertzen leiden/ wie
Baſilius ſaget. Solches hat Zedekias erfahren/ als ihm der Koͤnig von2. Reg. 25,
7.

Babel die Augen außſtechen/ blenden und in Ketten gefaͤnglich hinweg
fuͤhren ließ; was war Abſalon ſchwerer/ als daß er des Koͤnigs Davids/
ſeines Vaters Angeſicht nicht ſehen ſolte/ er wuͤndſchte ihm lieber den Tod/2. Sam. 14,
32.
Eſth. 7, 8.
Prov.
16,
14.

als deſſen beraubet zu ſeyn; Was war es fuͤr ein Zeichen als man Haman
das Geſichte verhuͤllet und verdecket? Ein Zeichen war es des Grimms
vom Koͤnige/ und ein Vorbotte des Todes. Vnd eben diß iſt auch eine von
den Plagen der verfluchten Hoͤllenbraͤndẽ/ ſie ſind blind/ ſie ſind hinaus ge-
worffen in die euſſerſtẽ Finſternuͤſſe/ in welche der Herr den Hochzeit-Gaſt/
ſo nicht das hochzeitliche Kleid angehabt/ werffen heiſſen. 4. SieMatth. 22,
13.

ſind außgeſchloſſenà vitâ beatâ \& lætificâ,von dem ſeeligen
und froͤlichen Leben;
Das iſt die Grube ohne Waſſer/ ohne WaſſerGen. 37, 23.
c. 42, 21.
Luc.
6, 24.

des Troſts/ Wehe euch Reichen/ ſagt der Herr Luc. 6. ihr habt
euren Troſt dahin!
ohne Waſſer der Gnaden/ und Kuͤhlung in
Schmertzen/ Anfechtung und Truͤbſal: ohne Waſſer der Wolluſt/ ſo da
entſpringet aus den Creaturen/ aus Geſellſchafft/ aus Gaſtereyen und
ſuͤſſem Wein: An ſtatt deſſen werden ſie empfinden Hunger und Durſt;
Hunde/ Katzen/ lederne Haͤute/ Kroͤten/ Ratten/ Tauben-Miſt/ Menſchen-
Miſt/ das ſolte wohl Wildpret ſeyn/ wann ſie es nur haben und genieſſen
koͤnten; Der reiche Schlaͤmmer begehret keinen Wein/ ſondern Waſſer;Luc. 16, 24.
keinen Eymer voll/ ſondern ein Troͤpfflein; nicht im Cryſtallinen Glaß/
ſilbernen Schaal/ ꝛc. ſondern im euſſerſten des Fingers Lazari/ den er vor
nie angeſehen/ davor ihm in jener Welt geeckelt; Da wird das Lachen
werden theuer.


5. Außgeſchloſſen werden ſie ſeynà vitâ ſanctâ,von
dem heiligem Leben/
da iſt keine Tugend/ ſondern ſie ſterben und blei-
ben in ihren Suͤnden; Hie faͤllet die Frage fuͤr: Ob die Verdamten
dermahl eins in der Höllen werden ſuͤndigen und Gott laͤſtern
können?
Wir verwerffen nicht andere Gedancken/ haltens aber lieber
mit der negativâ, daß ſie es nicht werden thun koͤnnen; dann das widrige
laͤufft wider Gottes Majeſtaͤt/ als die ſich nicht wird in Ewigkeit ſchmaͤhen
und laͤſtern laſſen/ gnug iſt es/ daß Gott ſich mit unerforſchlicher/ unauß-
ſprechlicher Langmuth hie in dieſer Welt ſchaͤndẽ laͤſſet/ ſolt es ſo in Ewigkeit
S ſ ſ ſ 3waͤren/
[694]Die Sieben und Funffzigſte (Vierte)
waͤren/ das moͤchte den Verdamten zur Rach und Troſt dienen. O
nein!


Eſt vindicta bonum vitâ jucundius ipsâ.


Dannenhero auch die Verdamten beſchrieben werden als ſtillſchweigend/
1. Sam. 2, 9.
Pſ.
31, 18.
Die Gottloſen muͤſſen geſchweiget werden in dem finſtern und
in der Hoͤlle.


III. Cadavera inſepulta,Vnbegrabene Leichnam;
Ordentlicher und menſchlicher Weiſe nach ſoll man die Leichnam begra-
ben/ auch der Gottloſen/ wie ſolches bezeuget das Exempel des wuͤ-
Ezech. 39,
11.
Gen.
3, 19.
tenden gottloſen Chriſten-Feindes des Gogs/ Dann ſie ſind Erde
und ſollen wider zur Erden werden;
Dahero wir nicht glauben
koͤnnen/ daß den Heiligen groͤſſere Ehr geſchehe per λειψανομανίας, wann
man ihre Gebeine nicht ruhen laͤſſet in ihren Kaͤmmerlein/ ſondern ſie al-
lenthalben zu verehren herumb ſchleppet; Aber extraordinarie zur Straff
geſchiehets/ daß viel Leichnam nicht begraben werden/ ſondern unter dem
freyen Himmel ligen bleiben; Das heiſſet die Heilige Schrifft ein Eſels-
Grab/ mit welchem der Herr Jojakim dem Koͤnige Juda draͤuet/ daß
Ier. 22, 18.
19.
Eſa.
14, 19.
20.
er nicht ſoll beklagt/ ſondern wie ein Eſel hinaus geſchleifft und geworffen
werden fuͤr die Thor Jeruſalem. Alſo der Chaldeer Koͤnig muß von dem
Propheten Eſaia hoͤren/ daß der Herr zu ihm ſaget: Du biſt ver-
worffen von deinem Grabe/ wie ein verachteter Zweig/ wie ein
Kleid der Erſchlagenen/ die mit dem Schwert erſtochen ſind/
die hinunter fahren zu dem Steinhauffen der Hoͤlle/ wie ein
zutretten Leich; du wirſt nicht wie andere begraben werden/

dir ſoll kein Mauſoléum und Ehren-Begraͤbnuͤß auffgerichtet werden.
Eccl. 6, 3.Jſt wohl eine groſſe Vngluͤckſeeligkeit/ dann ſagt Salomon: Wer ohne
Begraͤbnuͤß ſtirbet/ von dem ſpreche ich/ daß eine unzeitige
Geburt beſſer ſey dann er:
Alſo auch die Verdamten werden keines
Grabes dermahl eins theilhafftig werden; Gleich wie der Mund eines
Suͤnders und Gottloſen iſt ein offenes Grab: Alſo auch die Hoͤlle hat
einen unerſaͤttlichen Rachen/ ſie kan nicht erfuͤllet werden/ als wie ein
Geyers-Bauch oder Magen; Dann wie ſollen ſonſt die Gerechten hinaus
gehen/ ſie beſchauen/ wann die Hoͤlle nicht wie eine groſſe Grube oder Grab
Dan. 12, 2.offen ſtuͤnde? Das iſt die Schande/ von welcher Dan. 12. ſtehet/ daß et-
liche werden aufferſtehen zu ewiger Schmach und Schande/

cherphah,
[695]Predigt.
cherphah, das iſt eine ſolche Schande/ ſo da wird die Gottloſen und
Feindſeeligen entdecken.


IV. Cadavera fœtentia,Stinckende Leichnam; Nicht
alle Leichnam ſtincken/ man hat Mittel und Kunſt dafuͤr/ das balſamiren
und raͤuchern/ wie ſolches auch bey den Juden im Alten Teſtament ge-
braͤuchlich geweſen/ als hievon zu leſen 1. Sam. 31. 2. Chron. 16. Jer. 34.1. Sam. 31,
12.
2. Chron.
16, 14.
Ier. 34, 5.
Ioh.
19, 40.

wie dann ſolcher Brauch auch mit dem Leichnam Chriſtt unſers Heilan-
des iſt gehalten worden/ dañ ſo pflegten die Juden zu begraben; dañenhero
kommet die mumia, das iſt/ Egyptiſche/ balſamirte/ verkuͤnſtelte tode Leich-
nam in der Apothek; Aber hie/ weil die Hoͤlle iſt ein offenes Grab/ werden
die Verdamten allem Fleiſche ein Eckel und Greuel ſeyn;

Ein Eckel/ ſag ich/ und Greuel wegen des Geſtancks/ nicht ſo wohl wird es
ſeyn ein leiblicher als geiſtlicher Suͤnden-Geſtanck.


V. Cadavera abominabilia \& nauſeam creantia;
Scheutzliche/ abſcheuliche Leichnam/ die einem einen Eckel
anzuſchauen machen;
gleich wie auff der Wahlſtatt nicht alle
Leichnam oder Aeſſer ſind allem Fleiſch ein Greuel/ ſonſt wuͤrden die Geyer
und Raub-Voͤgel die toden Leichnam unangefallen laſſen/ wie dann auch
dannenhero das Sprichwort erwachſen: Wo ein Aaß iſt/ da ſam-Matth. 24,
28.

len ſich die Adler. Leider haben wir ſolche monſtroſam famem und
ſolchen unmenſchlichen Hunger erlebet/ da nicht nur ein Exempel fuͤr-
gangen/ daß man die Toden angefallen wie zu Jeruſalem/ ſondern der
Meiſter auff der Schlut der Aeſſer nicht Meiſter geweſt/ wann die Hunger-
leider nur ſolche gehabt/ ſo waren das ihre Paſteten; Hie aber werden
die Verdamten allem Fleiſch ein Greuel ſeyn.


VI. Cadavera immiſerabilia,Vnerbaͤrmliche Leich-
nam/
derer ſich niemand erbarmen wird/ welches das aͤrgeſte und der
hoͤchſte apex und Gipffel iſt der Schmach; Sonſt iſt nicht alles ſo ab-
ſcheulich/ daß man ſich nicht ſolte druͤber erbarmen; Es war Lazarus ge-
ſtorben/ ſein Leichnam hat vier Tage im Grabe gelegen/ daß er auch ſchon
ſtuncke/ noch dannoch ſaget der Evangeliſt: Es giengen dem HEr-Ioh. 11, 17.
35. 39.

ren Jeſu/ als Er ihn ſahe/ die Augen ůber: Hingegen war zwar
das Elend Jojakim des Koͤniges Juda groß/ aber niemand war/ dem es
zu Hertzen gienge/ Man wird/ ſagt der Herr/ihn nicht bekla-Ier. 22, 18.
gen: Ach Bruder! Ach Herr! Ach Edler! Aber hie iſt keine
Barm-
[696]Die Sieben und Funffzigſte (Vierte)
Barmhertzigkeit/ die Gnaden-Thuͤr iſt zugeſchloſſen/ ſie ſind arm/ und nim-
mer armſeelig/ und heiſſet mit ihnen:
Eſtq́ue miſer ſemper nunquam miſerabilis ulli,
Sie ſind ſtets/ immer und ewig im Elend/ und iſt niemand/ den es iemals
erbarmete; Gott ſihet ſie an/ nicht aber mit denen Gnaden-Augen/ mit
welchen Er das gantze menſchliche Geſchlecht in ſeinem Sohn angeſehen;
ſondern mit ἐκδίκῳ ὄμματι, mit ſtrengem Rach-Auge. Die Außer-
wehlten gehen hinaus/ aber daß ſie ihre Luſt ſehen an den
Verdamten/
wie Chriſtus denen Verdamten/ ſo vor der Suͤndfluth
1. Pet. 3, 19.erſchienen zum Srecken/ und ihnen das Geſetz realiter geprediget.


Dieſes iſt alſo kurtz entworffen/ diepictura,Schattierung/
figur,Vor- und Einbildung des andern Todes und ungluͤck-
ſeeligen Standes in der Hoͤllen:
Aber wie gemeldt nur pictura
und Entwerffung/ das prototypum und das Bild an ſich ſelbſt iſt
1. Cor. 2, 9.unbegreifflich ſcheutzlicher; Wie kein Auge geſehen den allerſeeligſten Zu-
ſtand der Außerwehlten: Alſo auch hat kein Auge geſehen den allerunſee-
ligſten Zuſtand der Verdamten. Jſt ein Gemählde/ welches man
offt zeigen ſoll/ und den Leuten fuͤr Augen ſtellen. Jener Mahler beym
Hermogene richtete einsmahls an dem Seegeſtad und Vfer bey einem
gewiſſen gefaͤhrlichen Ort eine von ihm gemahlete Tafel auff/ darauff ein
Schiffbruch abcontrofehet geweſen; das verdroß etliche Kauffleute in der
Statt/ verklagten ihn/ als der denſelben ungeheuren Ort verſchreye/ daß
keine frembde Wahren mehr ankom̃en/ und ſie in Verluſt ihrer mercimo-
ni
en gerathen: Aber er entſchuldiget ſich/ und ſagt/ es ſey billich und recht/
daß man iederman vor Schaden warne. Eben zu dem Ende hat uns
auch der Heilige Geiſt in ſeinem Wort eine Tafel auffgerichtet/ darauff die
Hoͤll abgemahlet/ nemlich zum Schrecken und Scheuſal. Es bedarffs/
ſonderlich bey der Jugend; Salomon lieſet ihnen eine harte lection,
Prov. 30,
17.
Prov. 30. Ein Auge/ ſagt er/ das den Vater verſpottet/ und ver-
achtet der Mutter zu gehorchen/ das muͤſſen die Raben am
Bach außhacken/ und die jungen Adler freſſen.
Das iſt noch
nichts gegen der hoͤlliſchen Wahlſtatt; Gleich wie der Rabenſtein/ Rad
und andere dergleichen Oerter/ da der armen Suͤnder Leichnam zum
Exempel ligen/ einem (iſt anders nach ein gutes Aederlein in einem boͤſen
Buben/ demſelbe) neinen Schrecken einjagen; wiewohl offt ſolche verwe-
gene/ verzweifelte Boͤſewichte ſind/ die eben/ wann man den Dieb hinaus
fuͤhret/
[697]Predigt.
fuͤhret/ den Seckel abſchneiden: Alſo gibts auch ſolche ruchloſe und ver-
ſtockte Hertzen/ die taͤglich von der Hoͤlle hoͤren/ wann ſie vielleicht dieſelbe
mit Augen anſchaueten/ wuͤrden ſie ſich doch nicht einmahl druͤber entfer-
ben oder entſetzen.


Welt- und Gluͤcks-Kinder haben wohl auff ſich Achtung zu geben/
daß es ihnen nicht geiſtlicher Weiſe gehe/ wie dort () Polycrati leiblicher() apud
Valer.
Max. pag.

268.

Weiſe; Polycrates, ein Koͤnig in der Jnſul Samos, war ein ſolcher Gluͤcks-
Vogel/ daß ihm alles von ſtatten gieng was er anfieng/ in Anſehung ſol-
cher fortun, machte Amaſis, der Koͤnig in Egypten/ Freundſchafft mit
ihm/ und hielt ihn ſehr hoch/ und als er ſahe/ daß dieſem ſeinem Freunde
das Gluͤck in allen Dingen uͤber die Maſſe zuſchlug/ ſchreib er einen Brief
an ihn/ warnete ihn fuͤr des ſchmeichelhafften Gluͤcks Vntreu/ welches ihn
doch noch ſeine Tuͤcke zuletzt wuͤrde ſehen laſſen/ gab ihm darneben den
Rath/ er ſolte etwas/ das ihm vor andern Dingen ſehr lieb waͤre/ von ſich
thun/ und alſo verwerffen/ daß es keinem Menſchen nimmermehr zu Ge-
ſicht kommen ſolte/ ob es helffen moͤchte/ wann er ſich auff dieſe Weiſe ſelbſt
ſtraffte/ und ihm ein Vngluͤck freywillig zuzoͤge. Polycrates folgte dieſem
Rath/ und als er ſich lang bedacht/ nahm er ſeinen Siegel-Ring/ von
Gold gemacht/ in dem ein Smaragd von unglaublicher Schoͤnheit/ den
der beruͤhmte Meiſter Theodorus geſchnitten hatte/ ingeſchloſſen war/ fuhr
damit in einer Galeen auff das Meer/ und warff fuͤr den Augen aller de-
rer ſo bey ihm waren/ den Ring in das Waſſer/ fuhr darauff wider zu
Hauß. Am vierten oder fuͤnfften Tage hernach begab ſichs/ da ihm
Polycrates den Verluſt des ſo ſchoͤnen Rings zu Hertzen gehen ließ/ daß ein
Fiſcher einen groſſen huͤbſchen Fiſch fieng/ den er wohl werth achtete/ daß
er ihn ſeinem Herren dem Polycrati verehrete/ wie er dann auch that.
Der Herr nahm den Fiſch mit Gnaden an/ hieß ihn zurichten/ und in dem
der Koch ſein Jngeweide heraus nahm/ fand er Polycratis Siegel-Ring
in demſelben/ und brachte ihn mit Freuden ſeinem Herrn/ der ſich hieruͤber
nicht wenig befrembdet/ ſchrieb ſolches alles ſeinem guten Freund/ dem
Koͤnig Amaſi in Egypten. Dieſer/ als er den Brief geleſen/ ſandte alſo-
balden Bottſchafften in die Jnſul Samum, und ließ ihm die Freundſchafft
auffkuͤnden/ damit/ wann ihn ein groß Vngluͤck treffen wuͤrde/ welches
ohne Zweifel bald uͤber ihn kommen wuͤrde/ er ihm dem Polycrati, nichts
ſchuldig noch verbunden waͤre. Es iſt aber Amaſis in dieſem Stuck kein
falſcher Prophet geweſt; dann etliche Jahr hernach der Perſianiſche
Land-Vogt im kleinen Aſia/ mit Namen Orætes, dieſen Polycratem zu
ſich beruͤff/ und als ihm Polycrates zu viel trauete/ ließ er ihn greiffen/ und
T t t tan ein
[698]Die Sieben und Funffzigſte (Vierte)
an ein Creutz nageln/ an welchem er verfaulen muſte/ welches ja Vngluͤcks
genug war/ wie ihm Amaſis zuvor geſagt hatte.


Gleich wie bey dieſem Polycrate auff Gluͤck groß Vngluͤck erfolgt/
ie groͤſſer vorhin die fortun, ie ſchwerer und unertraͤglicher hernach der
Pſ. 49, 7. 12.Verluſt. Pſal. 49/7. 12. Jhr Hertz iſt/ daß ihre Haͤuſer waͤhren
immerdar/ ihre Wohnunge bleiben für und fuͤr; Sie verlaſ-
ſen ſich auff ihr Gut/ und trotzen auff ihren Reichthumb;

Wollen ſie nicht dermahl eins in der Hoͤlle ligen wie die Schlacht-Schafe/
und als die faulen Aeſſer von dem ewigen Tode genaget werden; ſo iſt das
Marc. 9,
49.
eintzige remedium ſal pœnitentiæ,das Saltz der Buſſe/ Marc. 9.
Soll anders das Fleiſch erhalten werden; Entweder hie Saltz/ oder dort
das Feuer. Der alte Adam/ das ſuͤndliche Fleiſch muß geſaltzen werden/
man muß mit ihm umbgehen/ wie mit einem toden Leichnam.


Wollen wir erhalten werden/ ſo iſt das eintzigeremedium
und Mittel die alleredelſtemumia,Chriſtus am Creutz/ der
henget
da als ein Aaß/ wie Er ſich ſelbſt nennet/ Wo/ ſagt Er/ ein
Matth. 24,
28.
Aaß iſt/ da ſamlen ſich die Adler; Er hanget da mit Schmach/
ohne Erbarmung; Er nennet ſich ein Aaß δοξαςικῶ, Weil man ihn
nicht anders hielte/ und wird per accidens zufaͤlliger weiſe ein Geruch des
Todes/ ſonſt per ſe an und fuͤr ſich ſelbſt iſt er ein Geruch des Lebens: Er
war zwar als ein κάθαρμα und Fluch am Creutz/ aber er iſt worden zu einer
warhafftigen/ an ſich ziehenden Speiſe/ die man eſſen ſoll in wahrem Glau-
ben/ ſonderlich in dem hochwuͤrdigen Abendmahl/ eine rechte Erquick-
Iud. 15, 18.
19.
Speiſe/ die die geiſtliche matten Simſones und Glaubens-Kaͤmpffer er-
quicket; eine lebendigmachende und kraͤfftige Artzney-Speiſe; das verbor-
gene Manna. Sonſt gibts der Raben gnug; wo ein Fall geſchiehet/
da finden ſich die hæredipetæ, die erbſuͤchtigen Freunde/ ein ieder will eine
Matt. 2, 1. 2.
Luc. 23, 40.
41. 42. Ioh.
19, 26. Luc.
23, 50. ſeqq.
Feder von der Ganß holen/ die Vhu und Toden-Voͤgel. Aber ſeltzam
ſind die geiſtlichen Adler/ die wie die Weiſen von ferne/ wie der Schecher
am Creutz/ Johannes unter dem Creutz/ Joſeph von Arimathia gleichſam
nach dem Creutz/ nach dieſem geiſtlichen Aaß/ nach der rechten Seelen-
Speiſe mit wahrem Glauben ſchnappen und dieſelbe annehmen.


Gott gebe Adlers-Augen/ Hertzen und Fluͤgel zu ſchwingen nach
der geiſtlichen Gnaden-Speiſe/ biß wir dermahl eins als geiſtliche Adler
entgegen gezuckt zu der ſeeligen Ehren-Speiſe des ewigen Freuden-Lebens
voll und ſatt werden; So wird alsdann die Verheiſſung in ſeiner Krafft
Apoc. 2, 11.in der Offenbarung Johannis am 2. Wer uͤberwindet ſein eigen
Fleiſch/
[699]Predigt.
Fleiſch/ wer ůberwindet die Anfechtungen durch Glauben an Chri-
ſtum/ dem wird kein Leid geſchehen vom andern Tode: Mit-
ten in dem Tod anficht uns der Hoͤllen Rachen: Wer will
uns aus ſolcher Noth frey und ledig machen? Das thuſtu
HERR alleine! Vergoſſen iſt dein theures Blut/ das gnug
fuͤr die Sůnde thut. Heiliger HErre Gott! Heiliger ſtarcker
Gott! Heiliger barmhertziger Heiland! du ewiger Gott!
Laß uns nicht entfallen von des rechten Glaubens Troſt! Ky-
rieeleiſon/
Amen.



Die Acht und Funffzigſte Predigt/


Vber den dritten Articul.
Von der Hoͤll und ewigem Tode.


Die Fuͤnffte Predigt/


Von der empfindlichen Pein und Marter-Straffe
der Verdamten/ und erſtlich dem nagenden unſterb-
lichen Wurm der Verdamten.


GEliebte in Chriſto: Wann Syrach der weiſe Zucht-
Lehrer
c. 10. unter andern ſaget: Wann der MenſchSyr. 10, 13.
tod iſt/ ſo freſſen ihn die Schlangen und die Wuͤr-
me/
ſo beſchreibet er zwar triſte mortis conſequens,
den elenden Zuſtand des Menſchen nach dem
Tode/
was auff den Tod folget/ nemlich Schlangen und Wuͤrme;
Jm Griechiſchen Text heiſſet es alſo: ἐν τῶ ἀποϑανει῀ν ἄνϑρωπον κληρονο-
μήσει ἑρπετα καὶ ϑηρἰα καὶ σκώληκας, als wolt er ſagen: An ſtatt der rei-
chen Schaͤtze/ die der Menſch in dieſer Welt ſeinen Erben hinderlaſſen/
hat er keine andere Haab/ Schatz und Erbtheil zu erben im Grab/ als
ſcheutzliche Schlangen und Wuͤrme/ die ihn den armen σκωληκόβρωτον,
Wurm-Aaß und Maden-Sack nagen und verzehren. Es wollen zwar
T t t t 2etliche
[700]Die Acht und Funffzigſte (Fuͤnffte)
Frantz.
orat.
133.
etliche an der Warheit dieſer Wort zweifeln/ namentlich D. Wolfgang
Frantz/ berufft ſich auff die Todengraͤber/ ſo ſich uͤber dieſem Spruch offt
verwundert/ als welcher mit der experientz nicht uͤbereinkommet/ wann
man die Graͤber auffthue/ bevorab/ wann der Tode tieff liget/ findet ſichs
nicht alſo/ darumb er auch die Hiſtori von dem wunderſchoͤnen Adelichen
Jungen von Schleinitz/ deſſen nach ſeinem Tod entdecktes cadaver von
Schlangen umbgebẽ im Grab gefunden ſoll ſeyn/ wie Camerarius berichtet
in horis ſubſecivis, in Zweifel ziehet/ und fuͤr eine invention der Mahler ge-
halten; Gleichwol laͤſſet ers gelten von den morgenlaͤndiſchen Graͤbern in
den allzuheiſſen Landen/ vorab wann die Toden nicht tieff begraben ligen:
Sonſt iſt es ins gemein wahr von den unbegrabenen Toden/ die ſtincken/
und wo man ſie nicht bald unter die Erden verſcharret oder balſamiret/ ſo
gehets nicht leer ab/ es wachſen Wuͤrm aus dem cadavere; mit welchem
Eſa. 14, 11.uͤbereinſtimmet der Prophet Eſaias c. 14. wann er ſaget: Motten wer-
den dein Bette ſeyn/ und Wuͤrme deine Decke.


Es verurſachet aber hiemit Syrach mehr nachdenckens und nach-
ſinnens/ nemlich zuvorderſt pœnæ conſequentis juſtitiam,daß
ſolches ſeye eine rechte und billiche Straffe von dem allge-

Gen. 3, 1.
ſeqq.
rechten Gott! Eine Schlang war es/ damit Eva gebuhlet/ und dero
Wort fuͤr ein oraculum und Goͤttliche Warheit gehalten/ Gottes Wort
aus den Augen geſetzet; An Schlangen/ Wuͤrmen und Drachen haben
ſich nicht nur die alten Heiden/ die Babylonier/ die Egyptier/ die Griechen/
ſondern auch die alten Preuſſen und Samogithen vernarret/ daß ſie die
Schlangen vor Hauß-Goͤtter verehret: Eine groſſe/ ungeheure/ ſieben-
koͤpffige Waſſer-Schlange iſt das Roͤmiſche Papſtumb/ welcher ſo viel
tauſend dienen; ja alle Teufels-Knechte ſind Knechte der alten rothen
Schlangen/ derowegen iſt es auch gerecht fuͤr Gott/ eine rechtmaͤſſige/
billiche Vergeltung/ woran ſich der Menſch verſuͤndiget/ daß er auch da-
mit geſtrafft werde.


Es gibet aber auch Syrach Anlaß zu einer geiſtlichenfigur
undperſpectiv, darein wir ſehen und ſpuͤren koͤnnen etlicher maſſen
die Marter und Pein der Verdamten/ nemlich pœnam ſenſus,
die jenige Pein/ die ſie thaͤtlich und empfindlich an Leib und
Seel empfinden werden/
die Eſaias uns in derfigurund Ge-
ſtalt der WŮrme
fuͤr Augen mahlet; Dann zu gleicherweiſe/ wie die
unbegrabene cadavera und tode Leichnam das Neſt ſind/ darinn und
daraus
[701]Predigt.
daraus Wuͤrme wachſen; ſtinckend Fleiſch machet Wuͤrme/ auff einer
Wahlſtatt/ ſonderlich wann eine Schlacht geſchehen: Alſo auch die ca-
davera
der Verdamten oder damnati cadaveroſi, die Verdamten/ ſo den
toden/ unbegrabenen/ ſtinckenden Leichnamen in ihrem Stande gleich
ſind/ bekommen garſtige/ ſchroͤckliche und quaͤlende Wuͤrme/ die ſie nagen
und plagen ohne auffhoͤren. Gar fein ſchreibt Ambroſius: Ut multæAmbroſ.
l. 7. in Luc.
c.
14.

ex cruditate naſcuntur febres \& vermes, quando quis intemperanter
cibum ſumit: Ita, ſi quis peccata peccatis accumulat, nec ea decoquit
pœnitentiâ, verme conſumetur.
Gleich wie aus der Vndauigkeit viel
Fieber und Wuͤrme entſpringen/ wann der Menſch etwan unmaͤſſig
Speiſe zu ſich nim̃et: Alſo/ wo iemand Suͤnde mit Suͤnden haͤuffet/ und
dieſelbe nicht mit wahrer Buſſe gleichſam durchkochet und verdaͤuet/ der
wird von Wuͤrmen (nemlich in der Hoͤll) verzehret werden. Welcher
Hoͤllen-Wurm nun auch das
thema,Tagwerck undthea-
trum
iſt/ den uns der Prophet zu bedencken fuͤrgeſtellet. Chriſtus Je-
ſus/ der umb unſert willen einem Wurm und einer ehernen Schlangen
gleich worden: nunmehr aber als der unuͤberwindliche Schlangentretter
herrſchet/ gebe Krafft/ daß wir unſere Glaubens-Augen lernen auff ihn
richten/ und der hoͤlliſchen Schlangen/ dem ewignagenden Wurm entge-
hen moͤgen/ Amen.


JHr Wurm/ ſaget der Prophet/ deren die an dem HErren
mißhandelt haben/ ſtirbet nicht.
Jn welchen Worten
Eſaias verſtehet I. vermem ſpiritualem,einen geiſt-
lichen/ und nicht einen leiblichen Wurm.
Die zanckſuͤchtigen/
uͤberwitzige und muͤſſige Schul-Lehrer haben ſich uͤber dieſem Wurm
dermaſſen gewuͤrmet/ daß ſie druͤber zu Wuͤrmen worden/ und wunder-
barliche concept darvon gehalten/ auch andern gemacht; Jhrer viel ha-
bens von einem rechten/ natuͤrlichen und coͤrperlichen Wurm außgeleget;
andere von einem leiblichen aber uͤbernatuͤrlichen Wurm/ dann alſo thut
ſich herfuͤr aus den Jeſuiten Serarius und ſchreibet: Dieſe Wuͤrme wer-Serar. in c.
16. Iudith
confer
Caſpar.
Sanct. ad l.
cit. p.
300.

den natuͤrliche Wuͤrme ſeyn/ und durch Gottes Wunder-Finger geſchaf-
fen/ die verdamten Menſchen zu plagen; beſchreibt dieſelbe ſo eigentlich/
als haͤtte er dergleichen Wuͤrme iemahls geſehen; fuͤhret wurmſtichige
argumenta ein. Die meiſten Lehrer verſtehens von einem wahren/
aber geiſtlichen Wurm/
welches auch glaublicher/ weil es nicht wider
die Glaubens-regul lauffet; und daſſelbe zwar ob analogiam effe-
T t t t 3ctuum,
[702]Die Acht und Funffzigſte (Fuͤnffte)
ctuum,weil er ſolche Krafft und Wuͤrckung haben werde wie
ein Wurm;
nemlich den nagenden Hertzens-Wurm des bö-
ſen/ verwundeten/ ungeheilten/ wuͤtenden Gewiſſens.
Vnd
gilt hie die regul: wann die Propheten von den Dingen jener zukuͤnfftigen
Welt reden/ ſo beſchreiben ſie dieſelbe mit den Sachen dieſer Zeit; Gleich
wie die Gluͤckſeeligkeit des ewigen Lebens beſchrieben wird mit phraſibus,
und Arten zu reden/ genommen von Sachen und Haͤndeln dieſer Welt/
von einer Burgerſchafft/ Hochzeit/ Paradiß und dergleichen: Alſo auch
die Straffe der Verdamten. Wie aber dort das Zeitliche nur eine pictur,
Gemaͤld und Schatten iſt/ alſo auch hie iſt die Beſchreibung der Wuͤrme
nur ein Schatten des zukuͤnfftigen/ ewignagenden Hoͤllen-Wurms.


Daß kein leiblicher Wurm verſtanden werde/ erſcheinet 2. ex
propheticæ phraſeologiæ analogiâ,
aus der Gleichheit und
Vergleichnuͤß der Prophetiſchen Wort oder Art zu reden:

Dann gleich wie die Außerwehlten eben nicht wuͤrcklich werden heraus
gehen: Es ligen keine eigentliche cadavera oder tode Leichnam in der Hoͤll/
und wie wir heut uͤber acht Tage vernehmen werden/ das Feuer daſelbſt
nicht eigentlich ein natuͤrliches/ elementariſches Lufft-Feuer ſeyn wird:
Alſo iſt ein freſſender Wurm gleichnuͤßweiſe eine figur,/ dadurch die ewige
Marter fuͤrgebildet wird; Man hat ja Exempel in der experientz/ derer/
die irgend auff dem Graß-Boden geſchlaffen/ den Mund offen gehabt/
denen iſt ein kleines Schlaͤnglein hinein gekrochen/ oder derer/ die von
Schlangen-Leich getruncken/ und darauff in ihrem Leibe lebendige
Schlangen concipirt/ von welchen ſie ſo lange tormentirt und gequaͤlet
worden/ biß der Wurm getoͤdtet oder heraus gewuͤrget worden.


Vnd auff ſolche Weiſe haben auch die alten Lehrer der Kirchen den
Hieron. in
h. l, Eſa. 66.
Ambroſ.
in Luc. 14.
Proſper. l.
3. de vitæ
contempl.
c. 12.
Aug. l. 20.
C. D. c. 21.
\& 22.
D Luth. ad
Eſa. 66.
tom. 3. lat.
Marter- und Hoͤllen-Wurm außgeleget/ ſonderlich Hieronymus uͤber
dieſe Wort/ von dem boͤſen Gewiſſen/ wegen begangener Suͤnden; Wie
die leibliche Wuͤrme (ſpricht Ambroſius) wann ſie in dem Eingeweide/
Daͤrmen/ und innern Gliedern gezeuget werden/ dieſelbe ſchmertz- und pein-
lich beiſſen/ alſo werde auch die arme Seel von dem boͤſen Gewiſſen jaͤm-
merlich zernaget. Auguſtinus entdeckt ſeine Meynung hievon: Das
unaußloͤſchliche Feuer/ ſchreibet er/ und der nimmerſterbende Wurm wird
von einem ſo/ vom andern ſo außgeleget; Andere ziehen beydes auff den
Leib; andere ziehen beydes auff die Seel: Andere legen das Feuer eigent-
lich aus vom Leibe/ den nagenden Wurm aber figuͤrlicher Weiſe von der
Seel/ welche letzte Meynung glaubwuͤrdig ſcheinet. Gleichwohl aber
laͤſſet
[703]Predigt.
laͤſſet er einem ieden hie zu ſtatuiren freye Wahl; Eligat quisque quod pla-l. 21. C. D.
c.
9.

cet, perfecta ſcientia illic in vitâ æternâ; Es mag/ ſchreibet er/ ein ieglicher
außleſen/ was ihm gefaͤllet/ die vollkommene Wiſſenſchafft und Gewißheit
wird dermahl eins folgen in jenem Leben. Vnſer * Lutherus ſchreibet:
Ein boͤſes Gewiſſen iſt allezeit die Hoͤll/ weil die Hoͤlle nichts anders ſeyn
wird als ein boͤſes Gewiſſen; Haͤtte der Teufel kein boͤſes Gewiſſen/ ſo waͤre
er im Himmel; Aber daſſelbe zuͤndet die Flammen der Hoͤllen an/ und
erwecket ſchroͤckliche Pein/ Marter und Qual im Hertzen.


‘* Luth. in c. 45. Geneſ. confer Gerhard. in loco de morte æternâ p. 612.
D. Dieterich. conc. 3. in Sap. 17. p. 990. \& ſeqq.
()

II. Vermem quantitate horribilem!Nicht ein Wuͤrm-
lein/ ſondern einen Wurm;
So groß die Angſt/ ſo groß der Wurm/
der rechte Leviathan; Gleich wie in dieſer Zeit aus einem kleinen Wuͤrm-
lein ein ungeheurer Drach/ aus einem Schlangen-Samen/ welcher in
eines Menſchen Leibe concipirt und empfangen/ eine groſſe Schlange
wird; Alſo ſind hie alle Suͤnden/ kleine Sonnen-Staͤublein/ dort aber
werden groſſe Berge draus werden/ wie Cain geſaget: Meine SuͤndeGen. 4, 13.
iſt groͤſſer/ dann daß ſie mir moͤge vergeben werden! das iſt/
unermeßlich groß/ hie zwar im Gemuͤth und Einbildung/ dort aber in der
That und Warheit.


III. Vermem vivum \& infomnem,Einen lebendigen
und wachſamen Wurm;
Er heiſſet unſterblich/ derowegen lebet er.
Hie ſchlaͤffet das Gewiſſen manchmahl/ es ruhet die Suͤnde fuͤr der Thuͤr;
Gleich wie wann ein Dieb einbricht/ oder ſonſt Getoͤſe ſich erreget/ der
Hund dadurch erwachet und umb ſich beiſſet: Alſo wann irgend eine oc-
caſion
ſich ereignet/ dadurch der Menſch in ſich ſelbſt zu ſchlagen bewogen
wird/ ſo wacht das Gewiſſen auff/ es beiſſet/ bißweilen ſcheinet es als waͤre
die Suͤnde tod und vergeſſen; daher kom̃et die Vnempfindligkeit des Ge-
wiſſens/ der Menſch laͤſſet in ſich reden als in einen Stock/ daher freuet man
ſich noch in vollbrachter Boßheit; daher kom̃t alle Sicherheit; wie viel ver-Prov. 2, 14.
wundete Gewiſſen/ die es nicht an ihnen wiſſen? Sie ſind cauteriati, gleich-
ſam mit Brandmahlen gezeichnet wie die verheilte Haͤm̃el oder Schwein/
daß ſie nichts fuͤhlen: Wie viel Geitzhaͤlſe/ Tyrannen/ fuͤr der Welt gerecht-
fertigte Vngerechte ſterben in ihren Suͤnden ohn Erkaͤntnuͤß/ das macht/
der Wurm ſchlaffet/ er reget ſich nicht! Aber in der Hoͤlle lebet die Schlange
ſtets/ ſie wachet ſtets/ und laͤſſet dem Menſchen Tag und Nacht keine Ruh/
laͤſſet
[704]Die Acht und Funffzigſte (Fuͤnffte)
laͤſſet ſich nicht geſchweigen. Die jenigen die Schlangen im Leibe haben/ und
durch unrein Waſſer das Schlangen-Leich geſoffen/ oder im Schlaff im
Graß gelegen und ein Schlaͤnglein in ſich kriechen laſſen/ die haben irgend
Ruhe/ wann ſie Milch trincken; Aber hie iſt eine Grub ohne Waſſer und
Milch/ das milchflieſſende Canaan iſt verſaumet/ die weltlichen Ergoͤtz-
ligkeiten mangeln.


IV. Vermem mordentem \& urentem,Einen beiſſen-
den und brennenden Wurm;
Von ſchroͤcklichen ungeheuren wuͤ-
Num. 21, 6.tenden Schlangen ſchreibet Moſes Num. 21. denen Gott geziſchet/ daß
ſie den Kindern Jſrael das murren vertreiben ſolten/ die heiſſen (nicht nur
à formâ, von der Geſtalt/ wie erſcheinet aus der entgegengeſetzten ehernen
Schlange/ ſondern auch) ab effectu, von der Wuͤrckung Seraphim,
De Dipſa-
dibus vi-
dendus
Gerhard.
Voſſ. l. 4.
idolal. c. 53.
p. 1486. de
præſteri-
bus ibid.
p.
1499.
das iſt/ urentes,brennende Schlangen:mordentes,beiſſende
Schlangen/
die das Gifft unter den Zungen haben/ Arabiſche Schlan-
gen und preſteres; davon die Angeſichter verſtellt/ gantz Feuer-roth wor-
den/ der Bauch und Leib geſchwollen/ deren Gifft dem Hertzen zugetrun-
gen/ unertraͤglichen Durſt verurſachet/ und endlich getoͤdtet; Alſo auch
remorſus conſcientiæ,das Widerbeiſſen des Gewiſſens
brennet gleichſam als eine furi und beiſſet/ das Gewiſſen plaget ſich
1. memoriâ prætetitorum \& amiſſorum,mit der Erinne-
rung und Gedaͤchtnuͤß der vergangenen und verlohrnen
Dinge;
dann da tretten die Suͤnden wie ein Kriegs-Heer fuͤr Augen/
Pſ. 50, 21.da wird wahr/ was der Herr ſagt/ Pſ. 50. veercha leenecha,Jch
will dirs unter Augen ſtellen/
nemlich deine Suͤnden/ dero Schwere/
Gewicht/ Zahl/ Ordnung/ Maß/ Menge und Groͤſſe/ die ſollen dich ſchelten
ins Angeſicht: Horch du unſeeliges Flammen-Aaß/ weiſtu noch wohl ꝛc.
gedencke was fuͤr ein groſſes und herrliches Reich du durch ein eintziges
Wolluͤſtlein verlohren; wer alßdann die Kunſt der Vergeſſenheit haͤtte!
Es laͤſſet ſich nicht ſo bald aus dem Sinn ſchlagen.


Es plaget ſich das Gewiſſen 2. ςενοχωρίᾳ καὶ ϑλίψει ex præ-
ſenti malo,
mit Angſt und Qual wegen der gegenwärtigen
Noth und Truͤbſal/
davor der Verdamte/ als der den Laſt des Goͤtt-
lichen Zorns auff ſich hat ligen/ nicht erſchnauffen kan; Gleich wie in einer
harten Belaͤgerung nichts dann Angſt/ Furcht/ Schroͤcken und Truͤbſal/
alſo iſt da auch Furcht wegen des ſchroͤcklichen Orts/ wegen der mehr als
Egyptiſchen Finſternuͤſſen/ Furcht wegen der ungeheuren Geſpenſten/
der
[705]Predigt.
der boͤſen Geiſter/ Furcht von der greulichen Geſellſchafft der Mitverdam-
ten; Es wird da ſeyn mania, Vnſinnigkeit uͤber ſich ſelbſt/ eine verſtaͤndige
Tollheit/ es wird die Schmertzen-Ruht empfunden werden/ und der
Menſch verſtehen muͤſſen was er leidet/ daß es Ernſt ſey: Kein ἀναισϑησία,
kein ſtupor oder thumme Vnempfindligkeit wird da ſtatt haben.


Quo plus mundus percutitur, eo magis indurat frontem \& ſtupeſcit quaſi
ad ſua mala. At ſi quis in inferno tantum ſenſu pœnas \& cruciatus ſuſtineret,
\& non intelligeret ſe juſtas pœnas ſuſtinere, tolerabiliores eſſent cruciatus. Si-
cut nos noſtra mala nolumus agnoſcere \& quaſi dedoluimus, ſed ibi auferetur
ſtupor ille qui nunc obſtat, quo minus videamus miſeriam noſtram \& aperien-
tur ſenſus òmnes, ut non ſolum in corpore ſit ſenſus pœnæ, ſed etiam in ipsâ
mente ſenſus iræ Dei \& confeſſio, quod eam iram noſtrâ malitiâ meriti ſimus.
Hæc acuent \& infinitis modis augebunt impiorum cruciatus. ita D. Luther. in
Geneſ. 3. fol.
60.’
()

3. Horrore futuri;Mit Furcht und Schroͤcken wegen der
kůnfftigen Marter/
die in alle Ewigkeit waͤhret; Gleich wie einem ma-
leficant
en/ der zum Tod verdamt/ im̃er angſt und bang iſt/ was man ſagt/
wie man ihm zuſpricht/ dencket er an die kuͤnfftige herbeynahende Straffe;
Alſo auch ein Verdamter in der Hoͤlle/ da er nichts als einen abyſſum
malorum,
einen Abgrund der Marter und Qual fuͤr ſich ſihet/ uud aus
Einbildung der Vnmoͤgligkeit/ daß ihm keine Erlaſſung widerfahren kan/
die Verzweifelung; Er kan nirgend Zuflucht ſuchen/ nicht bey Gott/
dann der iſt ſein Feind; nicht bey den Engeln und Außerwehlten/ dann
die ſind beleidiget; nicht bey den Mitverdamten/ dann die mehren die
Qual; am allerwenigſten bey ſeinem eigenem Gewiſſen/ dann das iſt ſein
Hencker.


V. Vermem dolorificum \& cruciantem,Einen
Schmertz- und Marter-Wurm/ der unaußſprechliche
Schmertzen verurſachet;
dann das folgete auff der feurigen Schlan-
gen Biß der jenigen/ die in der Wuͤſten umbkamen; Was Schmertzen
mußten ſie außſtehen? Daher kommet das elende klagen/ Num. 21.Num. 21,
7.

Ach wir haben geſuͤndiget/ daß wir wider den HErren und
wider dich geredt haben!
Daraus entſtehet heulen und zaͤhnklappen.
O tormentis omnibus conſcientia gravior! Gewiſſens-Angſt und Pein/Quintil.
declam.
12.

uͤber alle Marter/ Qual und Pein; dann dieſer Schmertzen wuͤtet durch
alle affecten/ Gemuͤth und Willen: Er greiffet an die Freude/ den Zorn/
die Kuͤhnheit/ Furcht/ Scham vnd Barmhertzigkeit; er wuͤtet durch alle
Sinnen/ durch Augen und Ohren/ daß ſie das boͤſe zugelaſſen haben und
Sechſter Theil. V u u ubegan-
[706]Die Acht und Funffzigſte (Fuͤnffte)
begangen; da wirds heiſſen: O du verfluchter rebelliſcher Will! O du
verfluchter/ muthwilliger/ irrender Verſtand! O du verfluchte Freude in
Vnzucht! O du verfluchte Furcht/ daß du mehr Menſchen gefuͤrchtet als
Matth. 10,
28.
den/ der Leib und Seel verderben mag in die Hoͤlle! O du verfluchte Ver-
meſſenheit! O du ſchnoͤder Zorn/ wie haſtu mich verfuͤhret und gereitzet
zu Streit/ Krieg und Mord? O Augen-Luſt/ was ſiheſtu nun als Augen-
Wuſt? O Fleiſches-Luſt ewiger Durſt! O hoffaͤrtiges Leben/ was hab
ich von dir? Vmb wie viel die Seele edler und zarter iſt als der Leib/ umb
ſo viel hefftiger werden auch die Seelen-Schmertzen ſeyn.


VI. Vermem fœdiſſimum,Einen abſcheulichen
Schand-Wurm/
deſſen man ſich von Hertzen ſchaͤmen muß! Mit
dem jenigen/ dem Wuͤrme aus dem ſtinckenden Maden-Sack wachſen/
mag niemand converſiren/ iederman fleucht ihn/ auch die liebſte und
naͤchſten Freunde; Quis parentum, quis amicorum fidelium, quamli-
bet dilecti ſui tangere carnem ſcaturientem vermibus poteſt?
fragt
Gregor. l.
16. moral.
c. ult.
Gregorius: Welche Eltern/ welche Freunde/ ja auch die treueſten/ koͤnnen
wohl/ ob es auch ihres Allerliebſten Fleiſch waͤre/ das von Wuͤrmen wuͤm-
melt/ anruͤhren? Das hat Antiochus wohl erfahren/ der wolte aus Je-
ruſalem eine Toden-Grube machen/ und er wurde zu einer Toden-Grub/
2. Macc. 9,
9.
Es wuchſen Maden aus ſeinem verfluchten Leibe/ und ver-
faulet mit groſſem Schmertzen/ daß gantze Stuͤck von ſeinem
Leibe fielen/ und ſtunck ſo uͤbel/ daß niemand bleiben kunte/

noch ertragen/ er kunte endlich ſeinen eigenen Geſtanck nicht mehr leiden:
ruffte zu Gott/ thaͤt groſſe Verheiſſungen und Geluͤbde/ aber Gott wolte
ſich nicht mehr erbarmen; Alſo auch des Kinder-Moͤrders Herodis
Scham verfaulet/ daß es von Wuͤrmen wimmelte mit unleidenlichem
Geſtanck. Herodes Agrippa gerath auch in die abſcheulichſte Wurm-
Kranckheit; Diocletiani des Bluthunds und Chriſten-Moͤrders Zung/
damit er Chriſtum gelaͤſtert/ wurde in ſeinem Maule von Wuͤrmen ge-
Euſeb. l. 8,
c.
28.
freſſen/ die er ſtuͤckweiſe von ſich außgeſpien/ wie Euſebius bezeugt.


Vnter andern Plagen/ die man vorzeiten den armen Chriſten ange-
than/ war auch der alſo genante ſcaphiſmus, welche Marter Paryſatis ein
tyranniſches Weib des Perſianiſchen Koͤnigs Artaxerxis Mutter ſoll er-
dacht haben/ war ein ſolch torment und Marter-Zeug/ dadurch die Glied-
maſſen dergeſtalt zuſammen gepackt worden/ daß bald darauff alles ver-
min
irt und voll Wuͤrme worden/ die ſich von dem Fleiſch des Menſchen
genehret/ und nicht auffgehoͤret/ biß ſie es alles verzehret.


Vide Sozom. l. 7. c. 7. Plutarch. in Arsaxerxe. Es iſt aber die Sache auff
ſolche
[707]Predigt.
ſolche Weiſe angeſtellet geweſen/ wie ſie Plutarchus in Artaxerxe beſchreibet/ daß
man zwo ſcaphas, daher auch das ſupplicium ſcaphiſmus genennet worden/ das
iſt/ zwey kleine Naͤchlein genommen/ die in gleicher Groͤſſe geweſen/ und ſich gar
eigentlich auff einander geſchicket/ in das eine hat man den zum Tode verurtheil-
ten Menſchen auff den Rucken geleget/ darnach das andere uͤber ihn gedecket/ doch
alſo/ daß das Geſichte/ item Haͤnde und Fuͤſſe offene Loͤcher gehabt und hervor-
gangen. Darauff hat man ſie taͤglich mit Speiſe angefuͤllet/ und darzu ge-
zwungen/ wann ſie uͤbergnug geſſen/ hat man ihnen noch Milch und Honig in
menge hernach geſchuͤttet/ darauff ſie gegen der Sonnen gewendet/ daß die Mu-
cken und ander Vngeziefer haͤuffig ihnen ins Angeſichte/ und wo ſie ſonſt bloß
geweſen/ gefallen/ und jaͤmmerlich zerſtochen und zerbiſſen. Vnterdeß hat wegen
der ungewohnlichen ſuͤſſen Speiſe greulicher Vnrath in und auſſer dem Leibe
ſich gehaͤuffet/ daraus eine unſaͤgliche Menge Wuͤrme gewachſen/ die an ihnen
Tag und Nacht gezehret und gefreſſen/ biß ſie ihr Leben in unaußſprechlichen
Schmertzen geendet.


Was Philippus II. Koͤnig in Hiſpaniâ fuͤr ein Ende genommen/
wie er mit der Laͤußſucht behafftet/ verminirt/ jaͤmmerlich geſtorben/ davon
mag Thuan. l. 120. geleſen werden. Schoͤne Sereniſſimi, ohnmaͤchtige Po-
tentiſſimi,
Laͤußfluͤchtige Invictiſſimi! Dieſer Wurm ſolte ja einen Men-
ſchen ſchamroth machen/ wann er ſuͤndigte oder ſuͤndigen wolte/ ſo viel
Suͤnden/ ſo viel Wuͤrme/ es wimmelt von Wuͤrmen/ pfui dich der garſti-
gen Wuͤrme! Aber O hoͤlliſcher Marter-Wurm wie ſchroͤcklich! O guͤl-
dener ſcaphiſmus gegen der Hoͤllen Pferch.


Jeſu Redemtor unice
Ab inferis nos protege,
()

Jeſu du einigr Heiland mein/

Behuͤt mich fuͤr der Hoͤllen-Pein.

VII. Vermem immortalem,Einen unſterblichen
Wurm/
O gute Wuͤrme/ O ſanffte Wuͤrm alle zeitliche Wuͤrme! wie
ſehr ſie auch ſchmertzen/ ſo hoͤren ſie doch endlich auff! Der Menſch zeuget
und heget ſeine eigene Hencker im Leibe/ und wird ſeinen eigenen Wuͤrmen
zur Speiſe; Doch wann kein Fleiſch mehr fuͤrhanden/ und ſie abgenaget
haben/ ſo ſterben ſie; Aber was ſaget der Herr von dem ſchroͤcklichen
Hoͤllen-Wurm? Er ſtirbet nicht: Jſt ein rechter hoͤlliſcher Phœnix,
der nach und nach wider jung und gleichſam neugeboren wird/ der aus
ſich ſelbſt waͤchſet; Alſo auch die Straffe der Verdamten waͤhret von
Ewigkeit zu Ewigkeit/ und haben keine Ruhe Tag oder Nacht/ daß ſie fuͤr
groſſer Qual ſchreyen: O ihr Berge fallet uͤber uns! O ihr Huͤ-Apoc. 14,
11. 16.

gel bedecket uns!


V u u u 2Nun
[708]Die Acht und Funffzigſte (Fuͤnffte)

Nun dieſes iſt kein ſinnreiches Vernunfft-Gedichte/ wie die Fabel
des Promethei: Von Prometheo dichten die Poeten/ daß er aus einem
Leimen den menſchlichen Leib gemacht/ ſein ferulam oder Ruth an das
Sonnen-Rad gehalten/ welches Rad ſeel- und lebhafft/ daher habe er den
Leib beſeelet und lebhafft gemacht/ vmb welches Diebſt als willen er an den
Caucaſum angebunden/ ſein Hertz ſey daſelbſt von einem Adler gezehret/
aber nicht verzehret/ gefreſſen/ aber nicht ab- und vergefreſſen worden. Ti-
tyus
ein filius terræ, Erden-Kind oder Riß/ wegen der veruͤbten Vnzucht
mit der Latonâ wurde von dem Apolline mit Pfeilen erſchoſſen/ darauff
er in die Hoͤlle kommen/ und daſelbſt alſo gequaͤlet wird/ daß ein Geyer
ſtets ſeine Leber aus dem Leibe mit ſeinem Schnabel hacke und freſſe/ ie
mehr der Vogel des Tages fraſſe/ ie groͤſſer wuchſe ſie die Nacht wider/ und
war alſo alle Tage neue materi da zur Qual/ welches alſo fort und fort
waͤhre; Diß ſind Poetiſche Gedichte/ hie Warheit!


Wollen wir emblemata und Bildnuͤſſe dieſes Hoͤllen-Wurms
ſuchen/ ſo ſehen wir an Franciſcum Spieram, der an Gottes Gnade ver-
zweifelt/ oder einen maleficanten/ dem das Gewiſſen auffgewacht. Jener
Spiera hat zwar den Troſt angehoͤret/ hat aber geſagt/ es gehe ihn nicht an/
biß er endlich ſeinen verzweifelten Geiſt außgewuͤrget; Laſſet uns anſehen
Gen. 4, 13.
Matth.
27,
3. 4. 5.
Cain/ Judam den Verraͤther und andere/ die lebendig hie noch dieſes
Hoͤllen-Wurms Krafft vorſchmacksweiſe gekoſtet/ ja Chriſtum ſelbſt;
wann wir am Oel-Berg ſpatzieren/ da ſehen wir den Wurm/ der ſich gere-
get mit euſſerlichen Zeichen/ aus welchen man den innerlichen affect, wie
die Medici pathologicè ſchlieſſen koͤnnen; Das war 1. λύπη, die Trau-
Matth. 26.
38.
rigkeit/ περίλυπος ἡψυχὴ μου, Meine Seele/ ſagt Er/ iſt betruͤbt
biß in den Tod/
nach dem Griechiſchen/ iſt umb und umb mit Traurig-
keit umbgeben/ aus Mangel des kraͤfftigen/ Seel-ſtaͤrckenden Troſt-Waſ-
ſers; die Freude iſt verſchwunden/ welche Er gehabt aus dem ſeeligen
c. 18, 10.Anſchauen des Gnaden-Angeſichts Gottes. 2. ἐκϑάμβησις, ſtupor,
Die Ergeiſterung/ gleich wie einer der vom Donner erſchrickt oder der
ein Geſpenſt ſihet/ ergeiſtert wird; da ſahe er nichts dann die fulmina,
Donner und Blitzen des Goͤttlichen Zorns/ der greßliche Tod erſchien ihm
in eigener Geſtalt. 3. ἀδημονία, Die Verdroſſenheit des Lebens/
die Leut-Scheu/
wie bey den Miltzſiechen geſchehen pfleget. 4. ἀγωνια
cum morte,Der bittere Todes-Kampff mit dem erſten und
andern beiſſenden Tode.
5. Effectus ſanguinis,Der blutige
Angſt-
[709]Predigt.
Angſt-Schweiß/ auff groſſe Sturm-Wetter folget der Blut-Regen.
Das waren hoͤlliſche Schmertzen/ die Chriſtus der Herr fuͤr uns auß-
geſtanden: daraus man etlicher maſſen abnehmen koͤnne/ wie ſtarck der
unſterbliche ewige Hoͤllen-Wurm in den Verdampten operiren werde.


Das iſt ein Wurm/ der uns auffmuntern und treiben kan und
ſoll zur Wachſamkeit/ zur Schlangen-Klugheit/ zum Gebett/
gleich wie Chriſtus ſeine Juͤnger warnet und vermahnet/ Matth. 26.Matth. 26,
41.

Wachet und betet. Wollen wir nun obgemeldtem Höllen-
Wurm
vorkom̃en/ ſo muͤſſen wir zuvorderſt 1. ſentire,fuͤhlen und
empfinden die Gewiſſens-Schmertzen/ der Hoͤlliſchen Vor-
ſchmack ſampt deroſelben Vrſachen/
wie die Jſraeliten in der
Wuͤſten/ Num. 21. die ſprechen: Wir haben geſuͤndiget/ als woltenNum. 21, 7.
ſie ſagen: O wehe! O mordio! das haben wir mit dem murren verwir-
cket/ O es brennet wie das hoͤlliſche Feuer! O wie unrecht haben wir ge-
than! Alſo ſind auch wir von der hoͤlliſchen Schlangen angeſteckt/ unſer
Hertz ſteckt voll Geſchwaͤrm und Gewuͤrm/ wer dieſes nicht erkennet/ nicht
fuͤhlet und empfindet/ der hat den groͤſten Wurm; Alſo empfindet ihn
und erſchricket Bernhardus dafuͤr/ wann er ſpricht: Horreo vermemBernh. l. 5.
de Conſi-
der. c.
12.

mortalem \& mortem vivacem: horreo incidere in manus mortis vi-
ventis, \& vitæ morientis. Hæc eſt ſecunda mors, quæ nunquam præ-
occidit, ſed ſemper occidit. Quis dat illis ſemel mori ut non morian-
tur in æternum, qui dicunt montibus: cadite ſuper nos, \& collibus:
operite nos!
Jch erſchroͤcke vor dem beiſſenden/ nagenden Wurm und
fuͤr dem lebendigen Tod: Jch erſchroͤcke und fuͤrchte mich in die Haͤnde
des lebendigen Todes und toden Lebens zu fallen/ Dieſes iſt der andere
Tod/ welcher niemahls zuvor toͤdtet/ ſondern allezeit toͤdtet; Wer will de-
nen geben einmahl zu ſterben/ daß ſie in Ewigkeit nicht ſterben/ die da ſagen
zu den Bergen: Fallet uͤber uns! und zu den Huͤgeln: Bedecket uns!


2. Odiſſe non lactaſſe,Haſſen und nicht ſtärcken/
demſelben keine Milch zu trincken geben/
das iſt/ die Suͤnde nicht
nehren und vermehrẽ durch fleiſchliche Wolluͤſte: ſondern viel mehr wuͤrtzẽ
und ſaltzen/ Es muß alles (ſpricht Chriſtus der himliſche Artzt Marc. 9.)Marc. 9,
49. 50.

mit Feuer geſaltzen werden/ und alles Opffer wird mit Saltz
geſaltzen.
Jſt ein bewaͤhrtes prophylacticum und wahre Artzney
wider den Hertz-Wurm hie zeitlich/ damit man dort des ewigen Hoͤllen-
Wurms befreyet werde. Saltz bewahret das Fleiſch/ daß es nicht madig
V u u u 3werde/
[710]Die Acht und Funffzigſte (Fuͤnffte)
werde/ boͤckle und ſtincke; Saltz aͤtzet das wilde Fleiſch aus den Schaͤden/
Saltz laͤſſet den Wurm nicht hecken/ oder ob er gehecket/ ſo toͤdtets denſel-
ben; daſſelbe Saltz iſt das ſcharffe Geſetz ſampt anhangendem heiligem
Creutz/ das thut zwar weh und beiſſet/ aber es wuͤrtzet und heilet auch wohl!
Das Saltz iſt gut/ ſagt der Herr ferner/ wo aber das Saltz
thumm wird/ womit wird man wuͤrtzen?
Wann der Prediger/
der ſaltzen ſoll/ ſelbſt faul wird und nichts tauget/ und wuͤrdig/ daß man
ihn/ als ein ungeſchmackt Saltz/ mit Fuͤſſen trette/ wie jenen Ecebolo, der
immer glaubet wie ſein gnaͤdiger Herr/ bald Heydniſch/ bald Chriſtlich/
endlich legt er ſich fuͤr die Kirch-Thuͤr und ſagt: Calcate me ſal inſipidum,
Wo/ ſag ich/ das Saltz ſelbſt thumm wird/ womit wird man
wuͤrtzen? Darumb habt Saltz/
laſſet euch gern ſaltzen/ ſeyt keine
inſulſi aſini, ungeſaltzene Eſel/ laſſet euere Reden gewuͤrtzet ſeyn mit
dem Saltz der Weißheit/ und huͤtet euch fuͤr faulem Geſchwaͤtz. 3. Sitis
cervina,
Jſt von noͤthen der lechzende Hirſchen-Durſt; wie
Pſ. 22, 1.
Ioh.
19, 28.
die fruͤhgejagte Hindin/ Pſal. 22. Chriſtus der Sohn Gottes am Creutz
geſchrien: Sitio,Mich duͤrſtet: (vornemlich nach den Seelen des
menſchlichen Geſchlechts) alſo ſollen wir auch ein glaubreiches echo ihm
entgegen ſchreyen: Sitio ſalutem, Mich duͤrſtet/ mich verlanget nach dem
ewigen Heil und Seeligkeit!


4. Intuitus fidei,Die Glaubens-Schau/ daß wir an-
ſehen den edlen Heil-Wurm/ Chriſtum/ nicht wie eine Kuh ein neu Thor/
Luc. 23, 35.
40.
Ioh. 19, 26.
Matth.
27,
59.
oder wie die Juden aus Verachtung/ dann dieſes ſind Todes-Kinder/
Hoͤllen-Kinder; ſondern wie der bußfertige Schaͤcher/ wie Johannes
unter dem Creutz/ wie Joſeph von Arimathia mit glaubiger Be-
gierde hindurch ſchauen durch die Nebel der Traurigkeit und Blut-
Regen/ da ſoll unſere Andacht/ Gebett und Gedancken ſeyn/ wann die
Hoͤllen-Glut und der beiſſende Hoͤllen-Wurm uns anficht: O du ſuͤſſer
Jeſu Chriſt/ daß du Menſch geboren biſt/ behuͤt uns fuͤr der
Hoͤlle!


O du elender Wurm wegen deiner Erniedrigung und Verachtung/
du biſt von Gott kommen und ein Wurm worden/ daß ich/ der ich aus
einem Wurme ein armer Erd-Wurm bin/ der Goͤttlichen Natur theil-
hafftig werden moͤge! O du edler Wurm/ der du mit deinem Blute das
Kleid der Gerechtigkeit gefaͤrbet/ in welchem ich erſcheinen/ ſtehen und be-
ſtehen kan vor Gottes Gerichte! O du heilſamer Heil-Wurm/ deſſen
Trau-
[711]Predigt.
Traurigkeit meine Freude: deſſen Ergeiſterung und Schroͤcken mein
Troſt: deſſen Einſamkeit meine himmliſche Geſellſchafft: deſſen Kampff
mein Sieg: deſſen Blut mein Seel-erquickender Balſam! O du ſchoͤ-
neſter Tugend-Wurm! daͤmpffe meinen alten Adam/ der kein Wurm
ſeyn will/ ſondern iſch, ein Cavallier/ damit nicht aus dem Nebucadne-Dan. 4, 30.
zar ein unvernuͤnfftiges Thier werden moͤge! O du Allerwunder-Wurm/
Luſt- und Seiden-Wurm/ gleich wie du geſpunnen haſt den ſeidenen Rock
der Gerechtigkeit/ geſtorben und gleichſam ein verachteter/ geringer Pfeiff-
holder worden; Alſo ziehe mich nach dir/ daß ich hie auch Seiden ſpinne/
daß ich in dir/ auff dich/ zu dir ſterbe/ und endlich in den Luͤfften dir ent-
gegen gezuckt/ wie ein Vogel des Stricks kommt ab/ aller Gefahr entgehenPſ. 124, 7.
moͤge/ und den himmliſchen/ immerwaͤhrenden/ freudenvollen Vogel-
Geſang/ das gloria in excelſis Deo anſtimmen/ jubiliren/ ſingen
und ſprechen: Lob/ Ehr/ Preiß und Gewalt ſey GOTT von
Ewigkeit zu Ewigkeit/
Amen.



Die Neun und Funffzigſte Predigt/


Vber den dritten Articul.
Von der Hoͤll und ewigem Tode/


Die Sechſte Predigt/


Von dem unaußſprechlichen hoͤl-
liſchen Feuer.


GEliebte in Chriſto: Wann St. Petrus/ 2. Pet. 2. die2. Pet. 2, 6.
zuvor unerhoͤrte/ grauſame/ ſchroͤckliche Feuers-Brunſt/
darinn Sodoma und Gomorrha eingeaͤſchert worden/
nennet ὑπόδειγμα, ein Exempel/ und ſagt: Gott hat
die Statt Sodoma und Gomorrha zu Aſchen
gemacht/ umbgekehret und verdammet/ damit ein Exempel
geſetzt den Gottloſen/ die hernach kommen wuͤrden:
So ſtellet
er uns zwar τὸ δει῀γμα, tragicum ſpectaculum,das traurige
ſpecta-
[712]Die Neun und Funffzigſte (Sechſte)
ſpectacul vor Augen/ daß wir anſchauen ignem ipſum ſulphure
mixtum,
das ſtinckende/ geſchwefelte/ und alſo ein ſcharff-
durchdringend und ſchmertzendes Feuer/
ein Feuer/ ſo in voller
Menge vom Himmel herab gefallen/ das der erzoͤrnete Gott/ der Herr
vom Herren mit groſſer Majeſtaͤt vom Himmel herab als wie ein
Platzregen ohne Zweifel mit einmiſchen ſchroͤcklicher Donner und Strah-
len/ ohne einigen Waſſerguß herab regenen laſſen; Strabo meynt/ das
Feuer ſeye von der cavernoſâ terrâ, der holen und durchloͤcherten Erden/
ſo allerley mineralien und ſchwefeliche materi gefuͤhrt/ und durch Erdbi-
dem beweget/ inflammiret und entzuͤndet worden. Moſes ſagt nein
Gen. 19, 24.darzu/ der HErr vom HErren vom Himmel herab der hat es
angezuͤndet.


Devt. 29.
23.
Hoſ.
11, 8.

Ein Feuer/ das ſich neun Meil weit ohngefaͤhr außge-
breitet/
Adama und Ziboim mitgenommen/ keines lebendigen Athems
verſchonet/ Haͤuſer und Pallaſt/ Menſchen und Vieh/ jung und alt/ alles
in die Aſche gelegt/ da konte ſich niemand verkriechen/ der Schwefel-Ge-
ſtanck und Geiſt verfolgte ſie allenthalben/ auch der Kinder wurde nicht
vide Luth.
ad Gen. 19.
fol. 127. f.
2.
geſchonet/ als welche auch mitgemacht/ und das Hauß Loth umbgeben/
das gantze Volck jung und alt aus allen Enden. Ignem momen-
taneum,
Ein plötzliches Feuer/ das ſie raga im Augenblick uͤber-
Thren. 4,
6.
fallen/ ploͤtzlich/ da man ſich nicht verſehen/ fruͤh morgens/ da die tolle und
volle Burſch/ die Vnflaͤther noch in Federn gelegen/ und unmenſchliche
Buͤberey getrieben/ die nicht nachzuſagen/ in flagranti peccato, auff friſcher
That ergriffen/ ohne Buſſe/ bevorab da Loths Eydam geſehen/ daß die
Sonn ſchoͤn auffgangen/ und ſich keines Vngluͤcks verſehen/ darumb ſie
auch Loths Warnung verlachten/ da ſind alle Jnwohner durch das zeit-
ep. Iud. v. 7.liche in das ewige Feuer hinein gefallen.


II. ῾ϒπόδειγμα, exemplar \& monitorium,Ein Exempel
und Denck-Zeichen/
deſſen reliquien und Brocken noch zu Joſephi
Zeiten renaſcentes in fructibus cineres, die ſchoͤne euſſerliche Obs-Frucht/
inwendig aber voll Aſche noch geweſt ſeyn ſollen; daß wir an frembden
Schaden witzig werden; Es iſt aber dieſe Hiſtori nicht denen zu Sodom/
ſondern uns ihren Nachkom̃en vorgeſchrieben und aufgezeichnet/ ſintemal
eadem fata, eben das jenige ſich mit uns zugetragen/ was Sodom und
Gomorrha begegnet; Sodom war ein ſchoͤnes Paradiß und lieblicher
Luſt-Garten des Herren: Der Krieg kam als ein Vorbott/ eine
Goͤttliche
[713]Predigt.
Goͤttliche Warnung/ das haben ſie zwar empfunden; Abraham hat ſie
errettet/ aber da der Krieg auffgehoͤret/ ſo ſind die alten Suͤnden friſch wi-
der angangen aͤrger als zuvor; Da es hieß Friede/ alles vollauff/ da fandEzech. 16,
49.

ſich auch Hoffart/ Vnbarmhertzigkeit/ das waren Greuel fuͤr Gott/ das
hat das exitium erwecket/ und dem Faß den Boden außgeſtoſſen/ daß
Gott den abſcheulichen Suͤnden-Geſtanck mit unertraͤglichem Schwe-
fel-Geſtanck/ und die unkeuſche Venus-Brunſt mit brennendem Feuer
abgeſtraffet/ wie Gregorius M. ſchreibet. Alſo war unſer liebes Teutſch-Gregoe. M.
l. 4. moral.
c. 10.
Amos.
4,
11.

land gleich wie ein irrdiſches Paradiß/ leidet aber bißher Krieg; Gott
hat auch etliche Ort umbgekehrt wie Sodom und Gomorrha/ wir ſind
als ein Brand aus dem Feuer geriſſen. Ein Abraham iſt von Mitternacht
erſchienen/ hat ſich ſeiner Glaubens-Bruͤder und Glaubens-Genoſſen
angenommen/ ihnen Huͤlffe geleiſtet/ und den Teutſchen Loth er-
rettet. Gott behuͤt/ daß nicht nach dem Krieg aͤrger gehe/
und folgends das letzte aͤrger werde! folget gleich nicht Sodomiſche
Brunſt/ ſo iſt noch ein aͤrgers Feuer dahinden/ nemlich das ewige/ hoͤlliſche
Feuer/ welches Leib und Seele brennet und doch in Ewigkeit nicht ver-
brennet. Viel Suͤnden gehen heutigs Tages vor/ (ſind ChryſoſtomiChryſoſt.
hom. 27.
ad popul.

Wort) wie vor der Suͤndfluth: und folget doch keine allgemeine Suͤnd-
fluth: Viel verſuͤndigen ſich eben ſo grob als die zu Sodom: und faͤllet
doch kein Schwefel-Regen hernieder! Was iſt die Vrſach? Das uner-
traͤgliche hoͤlliſche Feuer vnd Feuer-Fluth wartet auff ſie. Vnd iſt dem-
nach das Sodomiſche FeuerIII. ὑπόδειγμα typicum,ein hel-
ler Spiegel und
perſpectiv, dadurch wir ſollen hinein ſchauen in
das unaußloͤſchliche Hoͤllen-Feuer/ welche Hoͤllen-Brunſt der höl-
liſchen Sodoma/ nunmehr das
penſumiſt und diemateri,
von welcher wir etwas weiter in der Furcht des Herren handeln wol-
enn; Wir Prediger ſind die Engel/ die den frommen Loth durch unſer
vermahnen und warnen/ durch das gepredigte Wort aus Sodoma auß-
fuͤhren ſollen; Der Sohn Gottes/ der mitten unter den zween Engeln
gewandelt/ wolle auch mit uns ſeyn/ uns erleuchten/ fuͤhren/ außfuͤhren
aus dem verfluchten Welt-Sodom/ ja aus dem hoͤlliſchen Sodom auff
die Berge/ auff die hohen/ ſichern Himmels-Berge/ daß wir der Gefahr
entgehen/ mit Freuden dermahl eins vor ihm ſtehen und beſtehen/ durch
ſein theures Blut/ das gnug fuͤr die Suͤnde thut/ und
außloͤſchet der Hoͤllen Glut/
Amen.


Sechſter Theil. X x x xWas
[714]Die Neun und Funffzigſte (Sechſte)

WAs dort den Eſdras der Engel Vriel fragt und ſagt: Wege
4. Esdræ 4,
5.
mir das Feuer? und jener geantwortet: Welcher Menſch
kan das thun? Warumb fragſtu mich darumb?
Das
widerfaͤhret auch uns in Betrachtung/ was das fuͤr ein Feuer ſeye/
welches Eſaias allen unglaubigen Gottloſen angedraͤuet? daß es in
quæſtione an ſit,
ein brennendes Feuer ſeyn werde/ iſt ἐξαγώνιον,
iſt auſſer allem diſputat geſetzt/ wiewohl () etliche eine mixtur der Kaͤlte
erdacht/ fuͤrgebend/ weil die hoͤlliſche Pein durch das Zaͤhnklappen beſchrie-
ben wird/ ſo koͤnne das anders nicht als von einer unleidentlichen Eiß-
Kaͤlte verſtanden werden/ ſintemahl wann der Menſch frieret/ ſo ſtridiren
die Zaͤhne/ wie an denen zu ſehen/ die mit dem Fieber behafftet/ bey welchen
Hitze und Froſt einander abloͤſen; gerade als wann nicht der ſtridor und
Zaͤhnklappen auch nicht anderswo herkommen moͤchte/ aus groſſem
Schroͤcken/ grimmigen Zorn und Vngedult; wie nun das An ſit außge-
Pſ. 35, 16.
Pſ. 37, 17.
Pſ. 112, 10.
Thren. 2,
16.
Act. 7, 54,
vide D.
Chemnit.
harm c. 53.
p. 898.
Aug. l. 20.
de C. D.
macht/ alſo iſt diequalität/ Art und Eigenſchafft dieſes Feuers
im Streit geblieben. Daruͤber haben ſich die alten Schul-Lehrer im
Papſtumb hefftig bekuͤmmert/ es iſt ihr vielen daruͤber heiß worden/ daß
ſie æſtuirt/ geſchwitzet und gebrennet/ aber keiner hat exæſtuirt/ und daſſelbe
ergruͤnden koͤnnen.*


() quos adducit \& refellit Sixt. Amam antibarb. l. 3. p. 677. confer Corn.
à Lap. ad Matth. 8. p.
192.


* vide Petav. tom. 3. theol. dogm. c. 5. pag. 193.


Wir unſers Orts proteſtiren zuvorderſt und ſprechen mit Augu-
ſtino: Cujusmodi ſit ignis infernalis, hominem ſcire arbitror nemi-
nem, niſi fortè cui ſpiritus divinus oſtendit;
Was das hoͤlliſche Feuer
vor ein Feuer ſeye/ achte ich nicht daß ein Menſch wiſſen koͤnne/ ohne wem
idem in
Pſ.
86.
es der Geiſt Gottes zeiget. Vnd abermahl: Quod dicimus fratres de
inferno, ſi non vobis tanquam certus expoſuero, ne ſuccenſeatis; Ho-
mo enim ſum, \& quantum conceditur de Scripturis S. tantum audeo
dicere, nihil ex me, infernum nec ego expertus ſum adhuc nec vos.

Wann ich/ liebe Bruͤder/ euch von der Hoͤlle nichts gewiſſes ſagen werde/
ſo wollet ihr nicht zuͤrnen; Von mir ſelbſt unterſtehe ich mich nichts/
auſſer dem/ was die Schrifft offenbaret/ davon zu reden/ ſintemahl ich die
Hoͤlle noch nicht geſehen/ gleich wie ihr.


Was demnach die Schrifft uns offenbaret/ das wollen wir anzei-
gen; und iſt zuvorderſt wahr und glaublich negativè,daß es nicht
ſey
I. ignis naturalis ac elementaris,ein natůrliches ele-
menta-
[715]Predigt.
mentariſches Feuer/ aus Mangel der natuͤrlichen Eigenſchafften/
es iſt kein Feuer dabey man ſich waͤrmet/ oder ein Feuer daEſa. 47, 14.
Luc.
22. 55.

man umbſitzen moͤge/ wie dort bey der Paſſion die Scherganten am
Kohl-Feuer geſeſſen; ſintemal das natuͤrliche Feuer wird von Menſchen
entzuͤndet und geloͤſchet; Dieſes Feuer iſt von Gott angezuͤndet/ DerIob. 20, 26.
Athem des HErren wird ſie anzünden wie einen Schwefel-
Strom/
ein unaußloͤſchliches Feuer. 2. Muß das natuͤrliche FeuerEſa. 30, 33.
Nahrung haben/ davon es erhalten wird; Holtz/ Stroh/ Stoppeln oder
andere brennende materi: dieſes Feuer hat dergleichen keines von noͤthen;
Zwar es ſchreibet ihm die Schrifft auch Nahrung und brennende materi
zu/ aber in verbluͤmtem Verſtande/ Die Grube iſt von geſtern herEſa. 30, 33.
zugerichtet/ tieff und weit gnug/ ſie iſt die Wohnung darinn
Feuer und Holtz die Menge.
3. Jenes naruͤrliche Feuer brennet nur
die leiblichen Dinge/ aber die Seele kan es nicht beruͤhren: dieſes brennet
auch die Seelen/ nicht nur per συμπάϑειαν aus mitleidenlichen Schmer-
tzen/ ſondern propriè und eigentlich; ja es brennet auch die verdamten
Geiſter/ die Teufel. 4. Jenes natuͤrliche Feuer iſt ein helles Feuer/ das
da leuchtet; dieſes iſt ein finſteres Feuer. Jenes erreget kein Zaͤhnklap-
pen als wie dieſes; ſintemahl das Zaͤhnklappen herkommet von der Kaͤlte.
5. Jenes natuͤrliche Feuer wird mit der Welt vergehen: dieſes aber wird
alsdann ie mehr und mehr angezuͤndet werden.


Aber gleich wie in dem Himmel der Schoß Abrahæ/ die Baͤume
und Edelgeſteine nicht propriè eigentlich und natuͤrlich ſeyn/ welche die
Menſchen erfreuen/ alſo auch ex oppoſito und im Gegentheil wird die
hoͤlliſche Flamme/ keine natuͤrliche Flamme ſeyn. Sonſt wañ man hie alles
nach dem Buchſtaben wolte verſtehen/ wuͤrde folgen daß des reichen
Schlaͤmmers Seel eine lechzende Zunge gehabt haͤtte/ Augen und anders
mehr/ wie auch Lazari Seel einen Finger; Talis illa flamma, quales oculiAug. l. 21.
C. D. c. 10.
Egredien-
tur non
loco ſed
intelligen-
tiâ. Hiero-
nym. ad h.
l. Eſa. 66.
p.
260.

\& lingua, ſchreibt Auguſtinus: Es wird eine ſolche Flamme oder Feuer
ſeyn/ wie die Augen und Zunge des Schlaͤmmers iſt/ wie der Schwefel/
Kette/ Zorn-Wein und Zorn-Kelch iſt/ item das weynen (ob von Waſſer-
Thraͤnen? davon moͤgen die Schul-Lehrer diſputiren) Gott behuͤt daß
niemand unter uns an ſich ſelbſt erfahren muß/ was diß fuͤr tormenta und
Qualen ſeyn. So iſt auch das Feuer ja wie das außgehẽ der Außerwehltẽ/
alles verbluͤmter Weiſe/ doch ſchroͤcklich und uͤberſchroͤcklich/ dannenhero
ſchlieſſen die Vaͤter und ſchreiben/ ſonderlich Chryſoſtomus: Cùm ignem
X x x x 2audis,
[716]Die Neun und Funffzigſte (Sechſte)
Chryſoſt.
epiſt. 5. ad
Theodor.
Damaſc. l.
4. de O. F.
c. 28.
Luth. po-
ſtill. part.
2. p. 142.
f.
2.
audis, ne arbitreris eſſe ſimilem huic igni, wann du von einem hoͤlliſchen
Feuer hoͤreſt/ ſo bilde dir nicht ein/ daß es dieſem natuͤrlichen Feuer gleich
ſey. Damaſcenus ſagt es ſeye πῦρ οὐχ ὑλικὸν, οἷον τὸ παρ᾽ ἡμῖν, ἀλλ᾽ οἷον
εὐδείη ὁ Θεὸς, kein materialiſches Feuer/ wie unſer Feuer/ das wir ſehen;
ſondern ein ſolches Feuer/ das Gott ſihet; mit welchem es auch haͤlt un-
ſer Lutherus.


Hingegen ἐν ϑέσει und in der Warheit iſt es ignis ſpiritua-
lis, heterogeneus,
ein geiſtliches uͤbernatuͤrliches Feuer/
welches ſeinen Namen bekommen aus denfiguren und Gleichnůſ-
ſen/
und zwar 1. aus der Gelegenheit der Jůdiſchen Straffen/
damit ſie die Vbelthaͤter abgeſtraffet/
derẽ an der Zahl vier geweſen/
nemlich ſtrangulatio, gladius, lapidatio, ignis,der Strang/ das
Schwert/ das Steinigen/ das Feuer/
darinn man die malefican-
Matr. 5, 22.ten und Vbelthaͤter mit grauſamer Marter lebendig verbrennet/ Matth. 5.
Ein ſolches Feuer iſt auch das hoͤlliſche Feuer/ aber nicht ſo klein und ge-
ring. 2. Ex gehennæ molochico igne,von dem Molochi-
ſchen Feuer/
wie die Eltern ihre Kinder dem Moloch auffgeopffert und
verbrennet/ alſo wird das hoͤlliſche Feuer ein ſolche gehenna, ein grauſa-
mes Feuer ſeyn/ gegen welchem das Molochs-Feuer nur ein Schatten iſt.
3. Ex igne buſtuario,aus dem Toden-Feuer; ſintemahl wie
bey andern Voͤlckern/ alſo auch bey den Hebreern Brauch und Herkom-
mens geweſt/ daß man die toden Leichnam verbrennet; Bey den Hebreern
2. Chron.
16, 14. con-
fer Ier. 34,
5. Amos 6,
10.
1. Sam.
31,
12.
hat mans beym bloſſen raͤuchern bleiben laſſen. 2. Chron. 16. wird von
Aſſa vermeldet/ ſie haben ihn auff ſein Lager geleget/ daſſelbe anßgefuͤllet
mit Raͤuchwerck und Specerey nach Apotheker-Kunſt/ und ein
ſehr groſſes brennen gemacht. Wiewohl Sauls ſtinckender Leichnam
von der Mauren zu Betſan durch die zu Jabes in Gilead herab genom-
men und verbrennet/ wie es im Hebreiſchen heiſſet vaiisrephu otham
Plin. l. 7,
54.
ſcham. An die Roͤmer iſt es ſpat kommen/ wie Plinius bezeuget/ nach
dem ſie erfahren/ daß die jenigen/ ſo im Krieg in der Ferne umbkommen/
wider außgegraben wuͤrden/ ſo iſt von dem Cornelianiſchen Geſchlecht
eingefuͤhret worden/ daß man die Toden verbrennen ſolte; dann vor Sylla
weiß man nicht/ daß iemand verbrennet worden. So hat nun dieſe figur
ihren Vrſprung daher und beſtehet darinne: Gleich wie die toden Leich-
nam allhier in dieſer Welt verbrennet worden: Alſo werden auch die
Geiſtlich-Toden dort in der Hoͤllen verbrennet werden mit einem andern
ſonder-
[717]Predigt.
ſonderbaren Feuer; aber nicht mit einem wohlriechenden/ ſondern ſtin-
ckenden Schwefel-Feuer: nicht mit einem Ehren-ſondern Schmach-
Feuer: nicht mit einem außloͤſchlichen/ ſondern unaußloͤſchlichen Feuer.


Ob nun wohl das hoͤlliſche Feuer in der Natur/ſubſtantz
und Eigenſchafft unſerm Kuͤchen-Feuer nicht gleich/ ſo iſts
darumb nicht deſto gelinder und ertraͤglicher;
Gleich wie der
Paradiß-Garten nur ein Schatten und Vorbild geweſen auff das ewige
Paradiß: Alſo iſt auch dieſes Feuer nur Schatten- und Bildwerck/ nur
wie ein gemahltes Feuer gegen dem ewigen Hoͤllen-Feuer/ ſondern es iſt
I. acerbiſſimus,ein fůhlbar/ empfindlich/ peinlich/ ſchmertz-
liches Feuer/
in welchem alle Marter und Pein eminenter und im
hoͤchſten Grad begriffen/ gleich als in einem Ort der Qual; darumb ver-
miſchet es die Schrifft mit dem Schwefel: Wie ein Schwefel-Feuer
hefftiger brennet als ſonſt ander bloſſes Feuer: Alſo iſt die Pein von
dem hoͤlliſchen Feuer unermeßlich groͤſſer als alle andere Marter
und Pein. Phalaridis Ochs in Siciliâ that wehe/ Perillus muſte
den Ochſen einweihen und die Prob thun/ da bruͤllet der Ochs.
Neronis Pfahl thaͤt wehe/ der ließ die Chriſten in Baͤren- und wilde Haͤu-
te einnehen und hetzen/ ans Creutz nageln/ mit Fett/ Pech/ Wachs und
brennender materi uͤberziehen/ an Pfaͤhle binden/ in Pech-Pfannen ſieden;
Wehe thaten die inſtrumenta, mit welchen die Maͤrtyrer gequaͤlet wur-
den/ die Zangen/ zerſchmoltzen Bley/ heiß Oel/ beinbrechen/ ſaͤgen/ Laurentz-
Rohſt/ und andere greuliche Marter/ aber das ſind lauter Schatten und
Bildwerck gegen der ewigen Marter in dem hoͤlliſchen Feuer.


II. Ignis copioſiſſimus,Ein groſſes Feuer/ Feuer undEſa. 30, 33.
Apoc. 19,
20. 21.
Eſa.
30, 33.

Holtz iſt da die Menge/ dann es iſt ein Feuer-Ofen/ Ein Feuer-
Meer/ ein See und Pfuhl/ Glut und Fluth/ da ligt der arme aber nicht
armſeelige Menſch im Feuer als wie ein Salamander/ er ligt als in einem
Feuer-Meer oder feurigen Suͤndfluth/ Feuer iſt ſein Bett/ Feuer iſt ſein
Kleid/ Feuers-Flammen ſeine Lufft; Es bilde ſich einer ein groſſes unge-
heuers Meer/ darauff er fahret/ ie tieffer er ſinckt/ ie weniger Boden er findet:
Alſo iſt das hoͤlliſche Feuer ein ſolcher unergruͤndlicher See/ ein ſolcher Ab-
grund/ darein die Verdamten ewiglich ſincken/ und doch keinen Boden
oder Grund finden. Es bilde einer ſich ein den Feuer-ſpeyenden Berg
Æthna, Veſuvium, da die Feuers-Flammen haͤuffig heraus ſchlagen
und verzehren was ſie in der Gegend antreffen/ iſt alles nur ein Puppen-
Feuer gegen dem hoͤlliſchen gerechnet.


X x x x 3III. Ignis
[718]Die Neun und Funffzigſte (Sechſte)

III. Ignis mirabilis,Ein Wunder-Feuer/ von dem
gerechten Richter dermaſſen abgemeſſen/ daß es nach der proportion der
Hoͤllen-Kinder brennet und quaͤlet/ einen mehr/ den andern weniger;
Matt. 11, 21.
22. 23. 24.
Wehe dir Chorazin/ wehe dir Bethſaida/ waͤren ſolche Tha-
ten zu Tyro und Sidon geſchehen/ als bey euch geſchehen
ſind/ ſie hätten im Sack und in der Aſche Buſſe gethan; doch
Tyro und Sidon wirds traͤglicher ergehen am Juͤngſten Ge-
richte/ dann euch! und du Capernaum/ die du biſt erhaben
biß an den Himmel/ du wirſt biß in die Hoͤlle hinunter geſtoſ-
ſen werden/ dann ſo zu Sodom die Thaten geſchehen wären/
die bey dir geſchehen ſind/ ſie ſtuͤnde noch heutigs Tages; doch
es wird der Sodomer Lande traͤglicher ergehen am Juͤngſten
Gerichte dann dir.
Alſo verkuͤndiget der Herr den Phariſeern
c. 23, 14.und Schrifftgelehrten κρίμα περισσότερον, Wehe euch Phariſeern/
ſagt Er/ und Schrifftgelehrten/ ihr Heuchler/ die ihr der Witt-
ben Haͤuſer freſſet/ und wendet lange Gebet fůr/ darumb wer-

Luc. 12, 47.
48.
det ihr deſto mehr Verdamnuͤß empfahen; Alſo der Knecht/
der ſeines Herrn Willen weiß/ und hat ſich nicht bereitet/ auch
nicht nach ſeinem Willen gethan/ der wird viel Streiche lei-
den můſſen: Der es aber nicht weiß/ hat doch gethan/ das der
Streiche werth iſt/ wird wenig Streiche leiden:
Alſo werden
die Chriſten viel ſchaͤrffer hergenommen werden als die Tuͤrcken; Der
Vater wird mehr leiden muͤſſen als der Sohn/ der Verfuͤhrer mehr als der
verfuͤhret worden/ der eine Kaͤtzerey auff die Bahn bringet mehr als der
durch dieſelbige angeſtecket wird.


IV. Ignis ἄσβεςος, Ein unaußloͤſchliches Feuer/ nicht
effectivè, oder allein darumb alſo genennet/ dieweil es das ewige
Verderben nach ſich ziehet/
wie Smalcius, Socinus, Oſtorodus und
andere ihres Anhangs außlegen/ das heiſſet das hoͤlliſche Feuer auff ein-
mahl außloͤſchen/ ſondern 1. activè,dieweil dieſes Feuer in der
That nicht außloͤſchet/
es friſſet und hat einen ſchroͤcklichen Schlund/
Eſa. 33, 14.
Luc.
3, 17.
κατακαύσει, es verſchlinget und verbrennet/ aber verdauet nicht/ und wuͤr-
get den Verdamten nicht wider heraus. 2. Paſſivè,Dieweil es
nicht kan außgeloͤſchet werden;
da iſt keine Spritz ſo ſtarck/ kein
Strom
[719]Predigt.
Strom ſo groß/ kein Meer ſo waſſerreich/ der daſſelbe ſtopffen und hemmen
koͤnte/ Die Liebe iſt feſt wie die Höll/ ſpricht Salomon/ WaſſerCant. 8, 6.
7.

mögen ſie nicht außloͤſchen/ noch die Stroͤme erſaͤuffen. Es
iſt ein ewiges Feuer. Es hat zwar hievon () Origenes einen beſondern
Schwarm gehabt/ und die Ewigkeit der hoͤlliſchen Pein vernemet/
deme die Griechen gefolget/ und noch heutigs Tages auff ſolcher opinion
beharren/ aber das widrige iſt laͤngſt aus Gottes Wort erwieſen und be-
waͤhret worden.


‘() Confer quæ de hæreſi Origenis repetitâ ex Ansberto produxit Box-
horn. in hiſt. Vniv. p.
509.’
()

Solte durch die Vnmoͤgligkeit geſchehen koͤnnen/ daß ein verdamter
Menſch alle tauſend Jahr ein eintziges Thraͤnen-Troͤpfflein vergieſſen
moͤchte/ und nach Verflieſſung vieler hundert tauſendmahl tauſend Jahr
ein groſſes Thraͤnen-Meer zuſammen bringen/ und Hoffnung ſeyn/ daß
alßdann der groſſe Feuer-Pfuhl moͤchte damit außgeloͤſchet werden/ ſo
waͤre es noch ein Troſt: Aber alles des perat und umbſonſt gehoffet.
So ſage demnach an O Juda/ O Caipha/ O Herodes/ O Pha-
rao/ ô Cæſar, was ſind deine ewige Feuers-Pein? Was iſts fuͤr
eine elende und peinliche Ewigkeit? Wir werden gepeiniget mit
Feuer und Schwefel/ und der Rauch unſer Qual ſteiget auff in alle
Ewigkeit. Ach wann uns Gott einen einigen Wundſch gewaͤhrete/
nemlich wann Er einen Sand-Berg ſchaffte/ der durch die gantze Welt
von einem Ende des Himmels biß an das andere reichte/ (eine einige
Nuß groß begreifft zehen tauſend Sand-Koͤrnlein) und ſpreche zu dem
Heiligen Michael/ daß er alle tauſend Jahr ein eintziges Koͤrnlein hinweg
truͤge: Vnd wann er alſo nach viel million tauſend und aber tauſend
Jahren alle Koͤrnlein hinweggetragen/ und alſo den Welt-groſſen Sand-
Berg gantz hinweggenommen/ daß alßdann zugleich auch er einen Grad
unſerer Pein/ ja nur das geringſte Fuͤncklein unſerer Straffe mit hinweg
nehme; Vnd wider eine andere Welt eben ſo groß ſchaffte/ und wider mit
Sand-Koͤrnlein fuͤllete/ und abermahl zu dem Heiligen Michael ſagte/
daß er alle tauſend Jahr ein Koͤrnlein wegnehme/ und wann er alßdann
dieſen groſſen Sand-Berg/ der wie die Welt waͤre/ auch weggetragen/ alß-
dann den andern Grad unſerer Straffe hinweg nehme.


Ja wann Er alſo zum dritten mahl/ vierten/ fuͤnfften mahl immer
dergleichen Sand-Welte ſchaffte/ und dergleichen thaͤte: Endlich aber
ſchaffte ſo viel Welte/ als Sand-Koͤrnlein in dieſer Welt ſeyn koͤnten/ und
dieſelben alle und iede mit dergleichen Sand-Koͤrnlein biß zu euſſerſt fuͤl-
lete/
[720]Die Neun und Funffzigſte (Sechſte)
lete/ und wann alſo durch Hinwegnehmung alle tauſend Jahr einiges
Sand-Koͤrnleins endlich alle ſolche Sand-Berge und Sand-Hauffen
oder Sand-Welte hinweggethan wuͤrden/ als dann der Verdamten Pein
ſich endete/ und die Straffen auffhoͤren ſolten/ oder ſo fern ſie Gott
nicht wolte ſeelig machen/ zum wenigſten nur nicht peinigte oder beſſer
gar zu nichts machen wolte. Wann ſie dieſes Wundſches gewaͤhret
wuͤrden/ O wie wuͤrden ſie frolocken/ fuͤr Freuden hupffen! Sie wuͤrden
ihre hoͤlliſche Qual willig leiden/ und die hoͤlliſche Feuers-Brunſt ertra-
gen/ biß alle gemeldte Sand-Koͤrnlein hinweg waͤren. Aber umbſonſt
gewuͤndſchet! Nach alle dergleichen hinweggetragenen Sand-Bergen/
ja Sand-Welten/ wird weder das Ende/ noch Mittel/ ja nicht der Anfang
ſeyn der Ewigkeit/ der ewigen Feuers-Pein! Aber fruſtrà, alles
vergebens und umbſonſt: So lange Gott ſeyn wird/ ſo lange wird ſein
Zorn brennen/ da wird es heiſſen (wie bey Tiberio) in alle Ewigkeit: Non-
dum tecum in gratiam redii,
Jch bin noch nicht verſoͤhnet/ ich bin dir
nicht gnaͤdig! Solte man Cain/ Core/ Judam/ den reichen Schlaͤmmer
fragen/ ob ſie in den tauſend und mehr Jahren/ als ſie ſchon gebrennet und
gebraten/ etwas Lieferung oder Linderung geſpuͤret? Ach nein! wuͤrden
ſie ſagen: Vnſer Feuer iſt alle Jahr/ alle Tage/ alle Monat neu; Jn der
Hoͤll weiß man von keiner Zeit.


O weh der grauſamen groſſen Pein/

Der wir ſtets unterworffen ſeyn!

O weh welch eine lange Zeit!

O wie lang waͤhrſtu/ O Ewigkeit!

Verflucht/ verdamt/ vermaledeyt

Sind wir in alle Ewigkeit.

Was bißher von dieſem Hoͤllen-Feuer angebracht worden/ iſt
nicht geſchehen eine Rhetoriſche exaggeration zu formiren/ den Leuten
aͤngſter und baͤnger zu machen als die Warheit leiden mag/ es kan daſſelbe
ſo ſchroͤcklich nicht beſchrieben/ und ſo grauſam gemacht werden/ es iſt alles
die Warheit/ und noch nicht gnug geſaget; Dann wie kein Mann lebet/
der außſprechen kan die Gnad und ewigen Lohn: Die Freude iſt unauß-
ſprechlich: Alſo auch die ewige Marter und Hoͤllen-Pein; Der Schlaͤm-
Luc. 16. 24.mer ſaget etwas: Jch leide groſſe Qual! Aber es iſt nicht gnug. Es
iſt unſer elementariſches Kuͤchen-Feuer nur ein gemahltes und ein vor-
gebildetes Feuer gegen dem hoͤlliſchen gehalten; Gleich wie wann man
die Zerſtoͤrung der Statt Troja in einem Gemaͤhlde beſchauet/ wie die
Feuer-Flammen bey Nacht uͤber ihr zuſammen ſchlagen/ kan man weiter
hinaus
[721]Predigt.
hinaus dencken und bedencken/ was Jammer und Noth das rechte Feuer
muß geweſen ſeyn/ dadurch Troja eingeaͤſchert worden! Gleich wie in
einer Comœdi man nur vermum̃ete Perſonen und bildsweiſe anſchauet/
was etwan geſchehen oder ſich zugetragen: Alſo ſtehet hie Sodoma auff
dem theatro, gegen welchem unſer Feuer nur eine Comœdi und Schat-
tenwerck iſt.


Accede ad hunc ignem \& caleſces plus ſatis! So tritt nun hieher
du ſicheres/ rohes Welt Kind/ Atheiſt und unfruchtbarer Baum/ zu dieſem
Feuer/ betrachte deſſen Art/ Pein und Qual/ auff daß dir heiß werde! Wem
da nicht will heiß werden/ an dem iſt alles verlohren; Laſſet uns nicht ſo
ſicher und unſorgſam ſeyn/ wie jener Archimedes, ein beruͤhmter Mathe-vid. Lipſ.
monit. p.

152.

maticus in der Statt Syracusâ, da dieſe von dem Roͤmer Marcello ein-
genommen/ das metzgen/ wuͤrgen und brennen angangen/ und einer von
den Kriegs-Gurgeln ihn uͤber ſeiner ſphær, quadrant und Meß-Zeug
angetroffen/ ſo fragt er: Was wiltu? Jch bitte dich mache mich nicht
irr in meinen Gedancken! Er ſaß aber in ſeinen gewoͤhnlichen tieffen geo
metr
iſchen Gedancken/ unterdeß gab ihm der Soldat den Reſt/ und er-
wuͤrget ihn: Alſo ſind noch viel Archimedes, die auff das Jrrdiſche er-
dichtet und verpichet/ die wollen auch nicht gehindert und erſchroͤckt werden
mit den Hoͤllen-Gedancken; Man ſolte/ ſagt man/ die Leute nicht ergei-
ſtern und aͤngſtigen mit ſolchen ſchroͤcklichen Predigten.


Wer nicht dort erfahren will/ was er hie nicht glauben wollen/ der
werde warm
1. calore meditationis,von ernſter Betrach-
tung des ewigen Feuers;
Laſſet uns mehr an das hoͤlliſche Feuer
dencken/ als an das Himmelreich/ dann die Furcht hat mehr durchdrin-
gende Krafft als die Hoffnung: Οὐδὲν οὕτω χρήσιμον ὡς τὸ περὶ γεέννης
διαλέγεσϑαι: μὴ φύγωμεν τὴν`τῆς κολασίας μνήμην, ἵνα μὴ κολασϑῶμεν:
Si non feramus verborum gravitatẽ, perſpicuum eſt fore, ut feramus per
rerum experientiam,
ſagt Chryſoſtomus: Es iſt nichts nuͤtzlichers alsChryſoſt.
hom. in 2.
Theſſ.

von dem hoͤlliſchen Feuer reden: Laſſet uns nicht meiden die Erinnerung
der ewigen Straffe/ damit wir nicht hinein fallen! wer nicht gern will
von hoͤrẽ/ an dem iſts ein boͤſes omen und Zeichẽ/ daß wer es dermaleins in
der That erfahren muͤſſe; Laſſet uns derowegen in dieſem Leben noch hin-
unter in die Hoͤlle ſteigen (mit unſern Gedancken) damit wir nicht nach
dieſem Leben hinunter fahren muͤſſen/ ſchreibet Bernhardus. Gedancken
von dem hoͤlliſchen Feuer loͤſchen gleichſam die Brunſt der Laſter; Feuer
muß mit Feuer getilget und gedaͤmpffet werden; Das wuſte wohl jener
Sechſter Theil. Y y y yAlte/
[722]Die Neun und Funffzigſte (Sechſte)
Alte/ der da ſagte/ er leſe taͤglich in einem Buch von drey Blaͤttern: das
erſte waͤre ſchwartz/ das andere weiß/ das dritte roth; in dem ſchwartzen
betrachte er die finſtere Hoͤll und ewige Verdamnuͤß; in dem weiſſen die
Herrligkeit des ewigen Lebens; in dem rothen die blutige Paſſion des
Herren Chriſti: das iſt ein edel ſtudium! wer ſtets an die Hoͤlle und
das ewige Feuer gedencket/ wird gewißlich nimmermehr drein fallen.
Wirſtu es recht bedencken/ ſo wird dir Angſt werden.


Heiß ſoll uns werden 2. calore angoris \& horroris,von
der Angſt- und Schroͤck-Hitz!
Gleich wie bey den Phariſeern/ als
Matt. 3, 10.Johannes von einem Feuer predigte/ Matth. 3. und ſprach: Es iſt ſchon
die Art den Baͤumen an die Wurtzel geleget/ welcher Baum
nicht gute Fruͤchte bringet/ wird abgehauen und ins Feuer ge-
worffen werden;
Da drunge es durch Seel und Geiſt/ daß ſie hauf-
v. 7. \& 8.fenweife herzu lieffen; als nun Johannes ſolches ſahe/ fieng er an; Wer
hat dann euch gezeiget/ daß ihr dem kuͤnfftigen Zorn entrin-
nen möget? Sehet zu/ thut rechtſchaffene Fruͤchte der Buſſe!

Wann die Schrifft ſagte/ daß zum wenigſten nur einer oder zween oder
zum hoͤchſten drey ſolten verdammet werden/ ſo ſolten wir uns billich fuͤrch-
ten und beſorgen/ ob wir nicht etwan in derſelben Zahl begriffen waͤren:
Nun aber werden ſo viel million tauſend dermahl eins verdammet wer-
den; Fuͤrwahr/ in wem noch ein Fuͤncklein der Vernunfft iſt/ muß ſich
daruͤber entſetzen; Es iſt kein Kinderſpiel: Kan man das Zahnwehe
nicht vertragen/ und klagen ſo hefftig uͤber die Schmertzen/ daß man faſt
Tag noch Nacht keine Ruh dafuͤr haben kan/ wie will man dañ des ewigen
Feuers Pein ertragen und erleiden? Es halte einer nur den Finger ſtete
eine Weile in das Liecht oder Feuer/ der wird erfahren was Feuer iſt/ und
wie es ſchmertze? Aber was wolte das ſeyn gegen dem ewigen hoͤlliſchen
Feuer? Eben als wie ein Muckenſtich gegen einer andern groſſen Marter.
Wer etwan das Fieber einmahl hat gehabt/ der hat ein Bildnuͤß der hoͤl-
liſchen Marter gefuͤhlet/ wann er dencket an die Hitze/ Froſt und Zaͤhnklap-
pen/ das er hat muͤſſen außſtehen; Aber nur Kinderſpiel! da ſoll ja einer
Eſa. 33, 14.erſchroͤcken. Wer gedencket an das ewige Feuer/ dem wird das Lachen wer-
den theuer.


Laſſet uns alſo erſchroͤcken vor dem Feuer/ daß wir heiß
werden
3. calore deſiderii ſalutis,von der Sehnſucht/ von
dem heiſſen Verlangen nach der Huͤlffe und ewigem Heil!

Wer
[723]Predigt.
Wer in Feuers-Gefahr iſt/ der ſchreyet Feurio! helffio! Jm Papſtumb
ſuchet man Huͤlffe/ Rath und Rettung durch eigene ſatisfactiones und
Gnugthuungen: Die Furcht des hoͤlliſchen Feuers hat die blinde Leute
in die Cloͤſter/ in die Einoͤden/ in die Kutten und Kappen gejagt/ () Bruno() v. Dre-
xel. de In-
ferno c. 6.
p.
138.

hat den Charteuſer-Orden deßwegen erfunden/ auff daß er dem hoͤlliſchen
Feuer entgehe. Als eins mahls zu Pariß ein gelaͤhrter und nach menſch-
lichem Vrtheil ein heiliger Mann ſtarb/ und nun wurde Seelmeß gehal-
ten/ ſtehet er auff aus der Todenbahr/ faͤhet an mit ſchroͤcklicher Stimm zu
ſchreyen: Jch bin aus Gottes gerechtem Gerichte verklaget: Als man
aber die Leiche verſchoben biß auff den andern Tag/ ſpricht er widerumb:
Jch bin verurtheilet: Am dritten Tage aber ſagt er: Jch bin verdamt!
Daruͤber Brunoni die Andacht ankommen/ daß er in die Wildnuͤß ſich
begeben/ und beſagten Charteuſer-Orden geſtifftet; Aber O der heilloſen
Artzney!


Die beſte præſervativ dafuͤr iſt der Rath des Engels/ Gen. 19. daßGen. 19, 17.
ſeqq.

man nicht zuruck ſehe/ ſondern vergeſſe was dahinden iſt/ und gedencke
an Loths Weib/ die daruͤber zur Saltzſeul worden; daß man aus Sodom
fliehe/ das iſt/ die verbotene Brunſt des Fleiſches/ der Geilheit/ des Zorns
und anderer Luͤſten und Begierden meide. Hingegen die Augen auffhebe
zu den Bergen/ daß wir hinauff ſteigen mit unſern Hertzen/ GedanckenPſ. 121, 1.
und Begierden auff den Oel-Berg/ an die Schedelſtaͤtt/ da das Lamb
Gottes fuͤr die Suͤnde der Welt auffgeopffert worden/ davon wir ſingen:
Hie iſt das rechte Oſterlamb/ davon Gott hat geboten/ das iſt
an des Creutzes Stamm in heiſſer Liebe gebraten: Das Blut
zeichnet unſer Thuͤr/ das haͤlt der Glaube dem Tode fuͤr/ der
Wuͤrger kan uns nicht ruͤhren!
Was kein Strom zu thun vermag/
das vermag das Blut Chriſti/ nemlich die hoͤlliſche Feuer-Flamme auß-Col. 2, 14.
loͤſchen; die Handſchrifft iſt getoͤdtet und zerſchnitten/ gilt nichts mehr;
Wir muͤſſen aber nicht nur auff den Berg hinauff gehen/ ſondern auch
beſtaͤndig bleiben/ wir muͤſſen nicht mit Loth den Berg verlaſſen/ und in die
Hoͤle uns verkriechen; Ubi urebatur flammis mulierum, quem flamma
in Sodomâ tangere non potuit,
ſchreibt Origenes: Sodom kunt ihn
nicht beruͤhren in der Brunſt/ aber Wein und Weiber die haben ihn zur
Vnzucht entzuͤndet. Vnd iſt wohl ſchroͤcklich zu leſen und zu hoͤren/ daß
ſich Loth/ ob er ſchon die Feuersbrunſt mit Augen geſehen/ doch ſo bald zur
Blutſchande verleyten laſſen; So ſihet mancher mit geiſtlichen Augen
das hoͤlliſche Feuer/ erkennet und bekennet/ daß es eine ſchroͤckliche und
Y y y y 2uͤber-
[724]Die Neun und Funffzigſte (Sechſte)
uͤberſchroͤckliche Tortur und Qual ſey/ dannoch wagt ers darauff/ und ſuͤn-
diget ohne Scheu!


Ob nun wohl auch ein ieglicher wahrer frommer Chriſt etwas von
den Baͤchen Belial/ von dem Schweiß-Bade des Teufels/ der hoͤlliſchen
Angſt koſten und außſtehen muß; ſo folget doch endlich ſolatium,der
kuͤhle Hertz-erquickende Troſt-Thau
1. à præſentiâ Chriſti,
von der gnadenreichen Gegenwart Chriſti/ der ſeine gnaͤdige Ge-
Eſa. 43, 1. 2.genwart verheiſſen/ Eſa. 43. Fuͤrchte dich nicht/ ſpricht Er/ dann ich
habe dich erloͤſet/ ich habe dich bey deinem Namen geruffen/
du biſt mein! dann ſo du durchs Waſſer geheſt/ will ich bey
dir ſeyn/ daß dich die Stroͤme nicht ſollen erſäuffen; und ſo
du ins Feuer geheſt/ ſoltu nicht brennen/ und die Flamme ſoll
dich nicht anzuͤnden.
Er hat dieſelbe leuchten laſſen bey den drey
Dan. 3, 28.großmuͤthigen Glaubens-Helden und ſtandhafften Bekennern/ Sa-
drach/ Meſach/ Abednego/ denen Er die Lohe abgeſtoſſen/ ſo kuͤhl gemacht
als wie einen Thau/ daß ihnen kein Haar verſenget worden: Derſelbe iſt
auch bey den Maͤrtyrern geſtanden; Jn der Kirchen-Hiſtori ſind be-
ruͤhmt die ſieben Maͤrtyrer unter dem Hunerico, die er auff ein Schiff ver-
damt/ daſſelbe mit Holtz und anderer leicht-brennenden materi anfuͤllen
laſſen/ mitten auffs Meer gefuͤhret/ anzuzuͤnden befohlen/ und ſie alſo mit
v. Corn. à.
Lap. ad
Eſa. p.
1018.
feurigen Fluͤgeln hinauff zu liefern: Aber es hat ihm gefehlet; dreymahl
iſt das Feuer widerumb außgeloͤſchet.


Troſt kommet 2. à συμμορφία Chriſti,von Gleichwer-
dung des HErren Chriſti/
dieweil Chriſtus in allem Creutz uns das
Fuͤrbild gelaſſen/ daß wir ſollen folgen ſeinen Fußſtapffen; Solte Chriſtus
auff den Oel-Berg gen Himmel fahren/ ſo mußte er unten am Oel-Berge
Hoͤllen-Gifft empfinden; Alſo muͤſſen wir auch durch den Kniebiß in die
Freudenſtatt. Troſt quillet 3. è ſanguine,aus der roſinfarbe-
nen Blut-Quelle;
Das Blut Chriſti iſt die rothe Liebes-Fluth/ die
außtilget des Feuers Glut. Troſt entſpringet 4. aus dem honig-
ſuͤſſen Namen Jeſu/
welcher iſt das bewaͤhrte antidotum und Mittel
wider die Furcht des hoͤlliſchen Feuers. O ein gutes Feuer iſt die Brunſt
Eſa. 48, 10.der Anfechtung/ damit uns Gott laͤutert als wie das Silber/ und außer-
wehlet machet im Ofen des Elends. Gott der Heilige Geiſt/ die Heilige
Brunſt/ das himmliſche Feuer ſeye mit uns als ein rechtes himmliſches
Feuer/ das uns erleuchte und anzuͤnde in uns die Goͤttliche Liebe; als ein
ſtetes
[725]Predigt.
ſtetes und unaußloͤſchliches Feuer/ daß wir dem hoͤlliſchen Feuer entgehen/
warm werden moͤgen von dem Goͤttlichen Feuer/ welches hie angezuͤndet/
dort aber nimmermehr geloͤſchet werden kan; und mitten unter den Se-Cant. 8, 6.
raphim auch mit der Liebe Gottes entzuͤndet/ ihn alſo lieben/ daß wir ihn
ewiglich loben/ und Er uns erlabe mit Freud und Troſt in ſtoltzer Ruhe/
Amen.



Die Sechszigſte Predigt/


Vber den dritten Articul.
Von der Hoͤll und ewigem Tode/


Die Siebende Predigt/


Von der Hoͤllen/ und inſonderheit von
dem Richter und Peiniger.


GEliebte in Chriſto: Jn dem andern Buch Samuelis2. Sam. 12,
31.

c. 12. leſen wir von einer ſchröcklichen/ unbarmher-
tzigen/ aber gerechten
execution, ſo David der ſieg-
reiche Koͤnig an den Burgern und Einwohnern der ero-
berten Statt Rabba/ der Kinder Ammon/ vollnzogen/ in
dem er das Volck und ſonderlich die Auffwickler und Raͤ-
delsfuͤhrer hinaus gefuͤhret/ und ſie geleget unter eiſerne Saͤgen und Za-
cken/ und Keile/ und ſie in Ziegel-Oefen verbrennet. Jſtexecutio
I. acerba,
eine ſchröckliche und ſcharffeexecution;Diediſ-
ſerratio,
Zerhackung oder Zerſchneidung mit der eiſernen
Saͤgen
iſt die Pein/ die Eſaiæ ſoll angelegt ſeyn worden/ und andernHebr. 11,
37.

mehr/ wie hievon zu leſen Hebr. 11. dietrituratio,die Dröſchung/
dann das Hebreiſche Wort [...]id eſt, tribuli, heiſſet eiſerne
Droͤſchen oder Droͤſchwägen/
damit man die Leute uͤberfahren;
dieaſciatio,die Hobelungper ſecures,mit Beilen und Aexten/
und darauff der Brand in Ziegel-Oefen und Durchzug durch den
Y y y y 3Ofen
[726]Die Sechszigſte (Siebende)
Ofen Moloch/ wie es in ſeiner Sprache lautet veheebhir otham
bamalchen
oderbamalben.


II. Executio ad ſpeciem crudelis \& barbara,Dem
euſſerlichen Anſehen nach eine allzugrauſame/ barbariſche

execution; dann ſich auff ſolche Weiſe an ſeinen Feinden raͤchen/ ſchei-
net zu grob ſeyn wider das temperament, Art und Natur eines Siegers
Sanct. ad
h. l. p.
714.
uͤber ſeine uͤberwundene Feinde; daher etliche der Meynung find/ es habe
David dieſe execution vorgenommen/ da er in fermento peccati, in der
voͤlligen Suͤnde geſtecket/ auſſer dem Stande der Buſſe/ da ihn der Teufel
geritten vom Ehebruch zum Todſchlage/ vom Todſchlage zu ſolcher Grau-
ſamkeit; Jſt aber nicht noth/ und will die Chronologia faſt nicht einſtim-
men/ wir finden viel mehr das Gegentheil/ daß es geſchehen nach ſeiner
Buſſe/ da ihn der Prophet Nathan von ſeinen Suͤnden allbereit ſchon
loßgeſprochen gehabt.


III. Executio juſta,Eine rechtmaͤſſige/ billicheexecu-
tion,
dann es war recht und wohl gethan/ der Gerechtigkeit gemaͤß/ und
muſte ein Exempel ſtatuiret werdẽ/ daran ſich andere umbligende Feinde zu
ſpiegeln haͤttẽ; Dañenhero wurd billich nach Talions-Recht Grauſamkeit
mit Grauſamkeit geſtrafft; es war zwar eine grauſame und faſt unmenſch-
liche Straffe! Ja/ aber es war auch die Schuld grauſam/ dadurch ſie ſolche
Straffe verwuͤrcket/ daß ſie die barbariſche Leute wider aller Voͤlcker Recht
ihm dem Koͤnig David ſeine Legaten geſchaͤndet/ die doch Evangelia und
Salve, lauter freundliche Liebesgruͤſſe gebracht. David ließ den Koͤnig
Hanon troͤſten/
und ihm das Leid klagen/ aber mit was Tranck-Geld
und Botten-Lohn ſind die Legaten empfangen worden? Der König
ließ ihnen biß auff den halben Leib/ biß an den Guͤrtel

[...]usq́; ad nates,die Kleider abſchneiden/ darumb
wurden ſie auch billich und recht wider mit der Saͤgen zerſchnitten: Sie
haben mit Scheermeſſern ihnen den Bart abgeſchoren/ darumb wurden
ſie widerumb zerdroſchen; ſie haben ſie auff Waͤgen oder Schleiffen zum
Hohn und Spott herumb gefuͤhret/ darumb iſt ihnen dergleichen wiewohl
aͤrger widerfahren; Jſt eine rechtmaͤſſige Vergeltung und goͤttliche Rach/
dieweil ſie ihre Kinder laſſen durchs Feuer gehen/ und dem Moloch geopf-
fert/ daß ſie widerumb in demſelbigen Moloch-Ofen verbrennet werden.


Jſt nun dieſe execution wie ſchroͤcklich/ wie ungnaͤdig ſie anzuſehen/
doch heilig und gerecht geweſt/ ob ſie zwar von einem Menſchen und irr-
diſchen
[727]Predigt.
diſchen Koͤnige veruͤbet; wie viel mehr die execution und Peinigung der
Verdamten an dem Juͤngſten Tage/ weil ſie den Troſt des gnadenreichen
Evangelii allhie verachtet. Schroͤcklich iſt die divina diſſerratio, dieLuc. 12, 46.
Matth.
24,
51.

Goͤttliche Zerſcheiterung/ des boͤſen Knechts/ der ſeine Mitknechte geſchla-
gen/ geſſen und getruncken/ den wird der HERR zuſcheitern/
das iſt/ Er wird ihn abſondern/ und von ſich ſtoſſen. Schroͤcklich ſind dieIoh. 13, 8.
Apoc.
21, 8.

ſcharffen Beile/ Keile und Stacheln des boͤſen Gewiſſens; am ſchroͤck-
lichſten wird ſeyn das uͤbernatuͤrliche/ allerſchmertzlichſte/ unſaͤglich groſſe/
den Leibern der Verdamten proportionirte/ unaußloͤſchliche hoͤlliſche
Feuer; ſcheinet fuͤr unſern Augen einer crudelitaͤt gleich/ aber es iſt die al-
lerhoͤchſte/ genoͤthigte Gerechtigkeit/ grauſame Suͤnden erfordern grauſa-
me ſtraffen; Gregorius M. erzehlet den Einwurff der jenigen/ ſo nicht ge-Gregor. M.
l. 34. Mo-
ral. c.
16.

ſtehen und zugeben wollen/ daß die Hoͤllen-Pein der Verdamten ewig
waͤhre; Niemand/ ſagen ſie/ der gerecht iſt und der Gerechtigkeit nachlebet/
hat Luſt an der Grauſamkeit/ warumb ſollen dann die Gottloſen/ ſo dem
hoͤlliſchen Feuer zu Theil werden/ ewig brennen/ was hat Gott fuͤr Freude
daran? Antwort: Gott iſt ein frommer Gott/ der keine Luſt hat an
der Pein der armen Menſchen; Aber weil Er auch ein gerechter Gott iſt/
ſo laͤſſet Er ſich mit der Rache uͤber die Suͤnde in Ewigkeit nicht ſtillen;
Das unendliche Gut iſt beleidiget/ ſo folget auch unendliche Straffe/ aller-
maſſen wie hievon Euere Liebe anietzo außfuͤhrlicher zu berichten/ nemlich/
wer der Richter und Peiniger ſeye in dieſem gantzen Handel?
Davon dißmahl erbaulich zu handeln/ wolle Gott der Herr ſeines
Heiligen Geiſtes Krafft und Schein von oben herab mildiglich verleihen
umb Jeſu Chriſti willen/ Amen.


WEr iſt dann nun in dieſem gantzen gerichtlichen Handel
der Richter?
Dann Straffe und Suͤnde ſind correlata, Suͤnde
und Rach folgen einander auff dem Rucken nach! Eſaias gedencket
einer Mißhandlung;
repræſentirt uns die Schlacht-Banck/ die
Wahlſtatt/ Wer iſt der Sieger und Vberwinder? Es wird einMatth. 25,
33.

Juͤngſtes Gericht gehalten werden/ wer wird da der Richter ſeyn?
Wer anders als der HErr/ von dem der Prophet ſagt: Jch ſage esEzech. 17,
24.
Matth.
27,
13.

und thue es auch! Der Vater/ der ſeinem Sohne Hochzeit
zubereitet/
der ſagt: Bindet dem der ohne hochzeitlichem Kleide
erſchienen Haͤnde/ und Fuͤſſe/ und werffet ihn in das euſſerſte
Finſternuͤß hinaus/ da wird ſeyn heulen und zaͤhnklappen.

Aber
[728]Die Sechszigſte (Siebende)
Aber den Heiligen Geiſt nicht außgeſchloſſen/ von welchem der Anti-
2. Theſſ. 2,
8.
Ioh, 5, 22.
27.
Gen.
19, 24.
chriſt wird außgetilget werden; und zwar vornemlich dem groſſen
Schlangentretter/ Gott der Sohn/ dem der Vater alles Ge-
richte gegeben;
Das Vorſpiel und Spiegel haben wir zu ſehen an
Sodom und Gomorrha/ da der HErr der Sohn Gottes Schwe-
fel und Feuer regnen laſſen von dem HErren/
das iſt/ ſeinem
Num. 21, 6.
Apoc. 1, 18.
Matth. 25,
41.
Apoc. 19,
11. ſeqq.
Vater; An den feurigen Schlangen in der Wuͤſten/ welche der Herr
der ſie begleitet der unerſchaffene Engel erweckt zur Rach. Der iſt der
jenige/ der den Schluͤſſel hat zur Hoͤllen/ der das Vrtheil
ſprechen und den Stab brechen wird/
geſtalt Er in einer bedenck-
lichen figur ſich alſo erzeiget: Ein ſeltzamer Reuter auff einem weiſſen
Triumph-Pferde/ gekroͤnet mit viel Kronen/ Feuer-flammenden Augen/
mit einem Schwert im Munde/ mit Blut pridem unter der Kaͤlter des
Goͤttlichen Zorns gequetſchet/ davon ihm der rothe Safft außgegangen/
und ſein Kleid beſpritzet worden; Nun tritt Er die Kaͤlter des
Weins/ des grimmigen Zorns des Allmaͤchtigen Gottes/

der laͤſſet das Thier und den falſchen Propheten greiffen/ und laͤſſet ſie le-
bendig werffen in den Pfuhl/ der mit Schwefel brennet: Fragſtu/
wer der iſt? Er heiſſet Gottes ſelbsſtändige Wort/ treu und
warhafftig/ und ſein Name ſtund auff dem Kleide und Huͤffte
geſchrieben/
das ſoll ſeine Liberey ſeyn/ mit einem Worte/ Chriſtus
Jeſus.


Sprichſtu: Wie gehet das zu/ daß der φιλἅνϑρωπος und Menſchen-
Freund/ der Liebhaber der menſchlichen Seelen/ der den Vntergang der
Luc. 19, 41.
Ioh.
8, 10.
11.
Statt Jeruſalem mit heiſſen Thraͤnen beweinet/ der niemand verdammet/
daß Er/ ſag ich/ ſo ein ſcharffer/ ſtrenger/ unbarmhertziger Richter ſeyn
ſoll? Jſt dann die Quell des Lebens eine Vrſach des Todes? Antwort:
Er ſelbſt iſt nicht der ὁ άπολλύων und Verderber/ Er iſt nicht die vorherge-
Apoc. 9, 11.
c. 6, 8.
Ioh. 8, 44.
1. Pet.
5, 8.
hende Vrſach des Todes; Ein ander iſt der ἀπολλύων, der Verderber/
nemlich der Reuter auff dem fahlen Pferde/ welchem folget die Hoͤlle/ der
Engel des Todes/ der Moͤrder vom Anfang/ der Loͤwe/ der die Menſchen
verſchlinget/ der iſt der Verfuͤhrer des Menſchen; Es iſt auch der Menſch
ſelbſt/ ſein eigener Moͤrder/ der ſich ſelbſt von dem Liecht abgewendet/ dar-
ita Irenæ:
l. 4. ad v.
hæreſ. c.

76.
umb iſt er in die Finſternuͤß gefallen; Er hat ſich abgewendet von dem
hoͤchſten Gute/ darumb iſt er in das hoͤchſte und euſſerſte Vbel gefallen;
Er hat ſich abgewendet von dem Leben/ darumb iſt er in den Tod gefallen;
Der
[729]Predigt.
Der Menſch iſt ſeins ungluͤcks Meiſter/ der Breñer und zugleich das Holtz/Eſa. 30, v.
ult.

das verbannet und verbreñet wird. Jſrael/ ſagt der Herr/du brin-
geſt dich in Vngluͤck;
Der Menſch iſt ſein eigener Zornſchatz-Sam-Hoſ. 13, 9,
Rom.
2, 5.

ler/ in dem er meynet ihm zu ſamlen und zu haͤuffen die Schaͤtze des Reich-
thumbs/ der Wolluſt/ ſamlet und haͤuffet er ihm feurige Kohlen; Der
Menſch verderbet ſich mit ſeinem eigenen Willen/ Es laſſe der Menſch ſei-
nen eigenen Willen/ ſo wird die Hoͤlle ihm nicht ſchaden/ ſchreibt Bern-Bernhard.
ſerm. 3. de
reſurr.

hardus. Gleich wie ein maleficant ſich ſelbſt in Vngluͤck bringet/ der
Richter iſt weder Vrſaͤcher noch Billicher/ ſein Geſetz bezeuget/ daß er gern
alle Burger wolte fromm haben/ der Teufel verfuͤhret den Menſchen/ die
Suͤnde iſt der Stachel des Todes/ er bringet die Vrſach zum Richter/
der Menſch traͤgt ſeinen Moͤrder/ ſeinen Hencker/ ſein Schwert bey ſich in
Buſen/ der Richter ſpricht nur das Vrtheil nach ſeinem nachfolgenden
Willen/ weil der Menſch es alſo hat haben wollen: Alſo der Sohn Got-
tes hat keine Luſt am Tode des Gottloſen nach ſeinem vorgehenden Wil-
len/ nach welchem er allen Menſchen das ewige Leben geben wil: Er bewei-
net den Vntergang der Juden; Aber hernach nach dem Jeruſalem ſeine
Thraͤnen außgelachet/ iſt eben derſelbe Oel-Berg/ da er Zehren vergoſſen/
die arena und der Kampff-Platz worden/ auff welchen Er ſelbſt eben widerZach. 14, 3.
Ioſeph. l. 6.
bell. c.
3.

die Juden bagoim durch die Heyden geſtritten.


Vnd iſt demnach der Sohn Gottes ferner Judex decernens
\& præparator,
der Vrtheilſprecher und Zuruͤſter oder Bereiter
der Hoͤllen
κατὰ πρόγνωσιν, der Vorſehung nach; von der Grube
wird geſagt aruch meeth mol,ſie ſeye von geſtern her zuge-Eſa. 30, 33.
vid. Gerh.
tom. de
morte
ætern.
p. 566.
Matth.
25,
41.

richtet/ geſtern/ das iſt/ von Ewigkeit/ wird widerholet Matth. 25.
Zwar dem Menſchen war die Hoͤlle nicht gemeynt/ fuͤr ihn iſt ſie anfaͤng-
lich nicht erbauet/ ihme hatte Gott ein antidotum und Artzney wider
den Tod bereitet; ſondern dem Teufel und ſeinen Engeln iſt die Hoͤll berei-
tet; weil aber der Menſch ſich zum Teufel geſchlagen und ihm gedienet/
ſo muß er auch mit ihm herhalten; Gleich wie ein Præceptor heiſſet eine
Ruthe binden umb eines einigen boͤſen Buben willen/ der geboſſet/ wann
aber die andern ſich zu ihm halten/ mitmachen/ ſo ſaget er: Dieſe Ruthen
ſind auff eurem Rucken nicht gebunden worden/ aber dieweil ihr gleiche
Boßheit mit jenem gebrauet/ ſo muͤſſet ihr auch gleiche Straffe mit ihnen
außſauffen.


II. Judex tortor omnipotens,Es wird dieſer allmaͤch-
Sechſter Theil. Z z z ztige
[730]Die Sechszigſte (Siebende)
tige Richter ſeyn der Peiniger ſelbſt. Er als das verzehrende Hoͤll-
brennende Feuer flammet von grimmigen Zorn/ ſpeyet Feuer aus und
zuͤndet den Pfuhl an/ und fovirt das Feuer ewiglich. Natuͤrliches Feuer
hat ſeine natuͤrliche entzuͤndete Vrſach. Vnter dem Kaͤyſer Leone iſt die
Statt Conſtantinopel durch Verwarloſung einer Latern/ darinn das
Liecht nicht gantz und recht außgeloͤſchet geweſen/ angeſteckt/ biß an vierten
Tag unnatuͤrlich gelodert/ gebronnen/ und faſt die gantze Statt abgebren-
net. Man pfleget zwar bißweilen ἀκύρως und ohne Grund aus dem
Sathan einen Hencker und Hoͤllen-Peiniger zu machen/ und iſt nichts
gemeiners als die phtaſis, der Teufel wird die Verdamten quaͤlen und
Matth. 18,
34.
plagen; Aber ohne Beweiß der Schrifft! Die Parabel Matth. 18. (da
geſchrieben ſtehet/ es ſeye der unbarmhertzige Tyranniſche Schalcksknecht
dem Peiniger/ das iſt/ wie mans gemeiniglich außlegt/ dem Teufel uͤber-
antwortet worden) mags nicht erfechten/ daſelbſt wird zwar die Sache an
ſich ſelbſt beſchrieben/ aber nicht die Art und Weiſe. Der ſcopus und
Zweck der Parabel muß in acht genommen werden/ nicht die coronis, da-
mit ſie gezieret/ Theologia parabolica non eſt argumentativa, aus einer
Parabel laͤſſet ſichs nicht kraͤfftig diſputiren und kraͤfftige argumenta oder
Beweiß bringen/ ſonſt wuͤrde auch folgen/ daß Gott die Suͤnde ver-
gebe ohne einige Gnugthuung/ wie aus derſelbigen Parabel die Photinia-
ner ſchlieſſen; Zu dem ſtehet nicht daſelbſt/ daß der Teufel der Peiniger
ſeyn werde/ kan wol von Chriſto dem Richter verſtanden werden/ welchem
Apoc. 20,
10.
der Vaterdas Gerichte uͤbergeben. So iſt es auch wider die H. Schrifft/
welche klar ſagt/ daß die Teufel zugleich mit den Verdamten und zwar
jene fuͤrnemlich ſollen gequaͤlet werden/ weil der Teufel iſt der Vrheber aller
Suͤnden; allezeit wird der Verfuͤhrer hefftiger geſtraffet als die ſich haben
verfuͤhren laſſen. Ja es iſt gar wider die geſunde Vernunfft; dann das
ſolte wohl den Teufeln eine Luſt und Muthkuͤhlung ſeyn/ wann ſie die ar-
men Menſchen ſolten plagen koͤnnen! Aber das ſey fern/ daß der Richter
aller Welt alſo richten ſolte.


Hie laͤſſets Gott durch ſeine Langmuth geſchehen/ daß der Sathan
die Menſchen offt jaͤm̃erlich plaget/ dieweil ſeine des Teufels vollkom̃ene Zeit
noch nicht kom̃en; Aber dort in dem Abgrund der Hoͤllen wirds anders lau-
ten! das wird wohl geſchehen/ daß der Menſch von dem Anſchauen der
Teufel/ weil er ſie muß umb ſich ſehen herfahren/ erſchrecken wird/ aber es
iſt drumb der Teufel nicht eigentlich der Peiniger. Ein Vbelthaͤter/ ein
Dieb erſchricket fuͤr dem andern/ wann ſie hingefuͤhret werden/ aber einer
iſt drumb des andern Hencker nicht. Sondern der Peiniger iſt der wie
zornige
[735[731]]Predigt.
zornige alſo gerechte Gott/ der Zorn Gottes und ſeine ſtrenge Gerechtigkeit;
gleich wie Gottimmediatè, ohne Mittel die Außerwehlten beluſtiget/ er-
freuet und erquicket: alſo peiniget er auch ohnmittelbar/ ob er ſchon in der
Verſamlung vor dẽ Richterſtul ſich gebraucht des Dienſts der Engel. DerMatth, 13,
14.
Pſ. 11, 6.
Devt. 4, 24.
Hebr. 12,
29.
Hiob. 20,
26.
Eſa. 30, 33.
Devt.
32,
22.

HErr regnet uͤber die Gottloſen Blitz/ Feuer und Schwefel;
der HErr iſt ein verzehrend Feuer und ein eiferiger Gott/
der
nicht ſchonet; Erzuͤndet Schwefelſtrom an/ der Athem des HErren
wird ſie anzůnden wie einen Schwefel-
Strom/ ſagt der Prophet
Eſaias c. 30. der Herr erhaͤlts und brennet.


III. Judex iratus, immiſericors, furens,Ein zorniger/
unbarmhertziger/ wůtender Richter/
ſein Zorn iſt ein wuͤtender/
bruͤllender/ brommender Zorn; ein unverſůhnlicher Zorn/ er iſt desIer. 15, 6.
erbarmens muͤd/ weil nunmehr alle Gnad gleichſam verzehret und aus iſt;
Es iſt 2. ein grauſamer/ grimmiger Zorn/ Er ſtraffet nicht mitPſ. 2, 9.
Apoc. 19,
15. 1. Sam.
7, 14.
Apoc. 14,
10.
Ezech.
5, 13.

Menſchen-Ruthen/ ſondern mit der eiſern Ruthen; Es iſt ira ἄκρατος,
ein lauterer Zorn/ dann der Wein des Zorns Gottes in ſeinen Zorn-
Kelch eingeſchencket/ iſt lauter; Es iſt ira tota,ſein gantzer Zorn/
den laͤſſet er auff einmahl aus in Grimm und kuͤhlet ſeinen Muht/ Er
lachet uͤber den Vntergang der Gottloſen/ nicht zwar riſu ἐπιχαιρεκάκῳ
durch ein ſchaden-frohes Lachen/ wie der Tyranniſche Nero uͤber der Maͤr-
tyrer Marter und Qual; ſondern ἀντιμυκτηρισμῷ juſto, durch ein Gegen-
ſpott/ durch ein Gegenlachen/ weil ſie ihn zuvor verlachet/ ſo verlachet Er ſie
als ein gerechter Richter wider; wie Er dann ihnen damit draͤuet/ Prov. 1.Prov. 1, 24.
25. 26.

Weil ich dann/ ſpricht Er/ ruffe/ und ihr wegert euch/ ich recke
meine Hand aus/ und niemand achtet drauff/ und laͤſſet fahren
allen meinen Rath/ und wollet meiner
Straffe nicht/ ſo will ich
auch lachen in eurem Vnfall/ und euer ſpotten/ wann da kom-
met/ das ihr fuͤrchtet.


Aber O Heiliger Gott/ wo bleibet deine Barmhertzigkeit? Biſtu
dann unbarmhertziger als die ſuͤndigen Menſchen? Biſtu haͤrter als Da-
vid? dieſer hat ſeinen Sohn beweinet/ wegen der Verdamnuͤß/ ſein junges2. Sam. 18,
33. c. 19, 4.
c. 12, 16.
ſeqq.

Soͤhnlein/ welches er mit der Bathſeba gezeuget/ hat er nicht beweinet/ als
es geſtorben/ aber Abſaloms Tod brach ihm ſein Hertz/ daß die Thraͤnen
durch die Augen heraus drungen; dieweil er gewuſt/ daß jenes das junge
Kind ſeelig/ dieſer aber der ungehorſame Abſalom in ſeinen Suͤnden hin-
Z z z z 2geſtorben
[732]Die Sechszigſte (Siebende)
geſtorben und verdamt worden. O Abſalom/ ſo winſelt er/ mein
Sohn/ ꝛc.
Geſetzt/ David habe recht gethan/ daß er gewuͤndſchet fuͤr
Abſalom zu ſterben/ da doch viel mehr ſeine menſchlichen affecten umb
etwas von der Goͤttlichen regul gewichen; ſo frag ich doch/ wann es durch
die Vnmoͤgligkeit haͤtte geſchehen koͤnnen/ daß David fuͤr ſeinem Sohn
waͤre geſtorben/ und Abſalom wider von den Toden aufferſtanden; Es
haͤtte aber Abſalom/ nach dem er wider lebendig worden/ ſolchen Tod ver-
achtet und verworffen/ den Vater gleichſam mit Fuͤſſen getretten/ und ſein
Gebluͤt verunreiniget/ waͤre er auch einer vaͤterlichen Erbarmung noch ein-
mal wuͤrdig geweſt? Was David damal gethan/ das hat er gethan als ein
Menſch/ der affecten hat und groſſe Liebe gegen ſein Kind traͤgt/ es war ein
bloſſes wuͤndſchen; Aber in der That hat ſolches verrichtet der eingeborne/
ewige Sohn Gottes/ der iſt als unſer Vater und Koͤnig fuͤr uns verdamte
Rom. 5, 10.
Luc.
19, 41.
Menſchen/ da wir noch Feinde waren/ geſtorben/ welcher auch die Juͤdi-
ſchen Abſalones beweinet/ daß wir ihm dienen ſollen in ewiger Gerechtigkeit
und Seeligkeit/ wie wir im andern Articul ſelbſt bekennen; Er ruffet uns
wider zum Leben/ draͤuet hingegen den Tod den Vnglaubigen; Aber der
Hebr. 10,
29.
Menſch verachtet und verwirfft ſolche Gnade/ creutziget den Sohn Gottes
von neuem/ thut keine wahre Buſſe/ er ſchauet die Blitze und Donner-
Strahlen des Geſetzes und zeitliche Zucht- und Straff-Ruthen mit tru-
ckenen und lachenden Augen an/ wie dort die Juden gethan/ da ſie ihre
Statt und Tempel im Feuer ſtehen und brennen geſehen/ tanquam ſic
nihil relicturi hoſtibus, apud Joſephum. Voluiſſet utique impius ſi
valuiſſet ſine fine vivere, ut poſſet ſine fine peccare,
ſchreibet Grego-
rius M.
Es wuͤndſchet zwar der Menſch/ wann es ſeyn koͤnte ohne Ende
zu leben/ damit er ohne Ende und Auffhoͤren koͤnte ſuͤndigen; Wer wolte
dann ietzo noch ſagen/ daß ſo gethane Strengigkeit lauffe wider Gottes
Guͤte? Daß ſolche Vnverſoͤhnligkeit ſtreite wider ſeine unendliche Lie-
be; Dieſer ἀντιμυκτηρισμὸς, Gegenſpott und Außlachen wider ſeine Heilig-
keit? dieſe ewige Straffe ſtoſſe umb ſeine Barmhertzigkeit?


() apud I.
Lipſ. in
monit. po-
lit. c. 12.
p.
151.

Von () Philippi der Macedonier Koͤnigs patientz und Sanfft-
muth werden viel Dinge gelobet/ ſonderlich daß als einsmahls der Athe-
nienſer legaten fuͤr ihm erſchienen/ und er ihnen nicht allein gnaͤdige und
willfaͤhrige audientz ertheilt/ ſondern noch darzu gefragt/ ob er nicht ihnen
noch zu Gefallen thun koͤnte/ ein mehrers als ſie gebetten/ er ſey bereit-willig
ihren Wundſch zu erfuͤllen/ worauff einer unter dem Hauffen ein grober
Vnflath auffgetretten: Ja noch ein mehrers/ wann du dich ſelbſt lieſſeſt
hencken. Dieſen galgenmaͤſſigen Spott hat der Koͤnig verbiſſen/ und
mehr
[733]Predigt.
mehr nicht geſagt: Ziehet heim und ſagt zu Athen aus/ die jenige/ die ſolche
ſchnoͤde Wort bey einem Koͤnige außſprechen duͤrffen/ ſeyn von viel ſchwaͤ-
chern affecten/ als der Koͤnig/ der es mit ſonderbaren comitaͤt anhoͤre.
Wie wann aber ſich der Koͤnig haͤtte umb ſolcher ſchaͤndlichen Rede willen
zu buͤſſen ſich hencken laſſen/ und waͤre wider lebendig worden/ ſie haͤtten
aber ſolche groſſe Wolthat nicht nur nicht erkennet/ ſondern noch außhol-
hippet/ ſolte auch der Koͤnig den Namen eines gerechten Koͤnigs haben
manuteniren koͤnnen/ wann er ſie nicht ohne erbarmen exemplariter ab-
geſtrafft? Nun die applicatio auff Chriſtum den groſſen Koͤnig und ge-
rechten Welt-Richter iſt leicht zu machen.


IV. Judex Propheta,Ein Prophetiſcher Richter;
Damit ja der Menſch nichts zu klagen habe/ ſo warnet Er ihn treulich/ Er
hat dieſe gantze Tragœdi uns vorgeſtellet und abgebildet zu unſerer War-
nung/ Er uͤberfaͤllet keinen Menſchen ungewarnter Sach/ Er hat es alſo-
bald zuvor verkuͤndiget im Paradiß/ da Er den Menſchen kaum erſchaf-
fen/ da Er ihm das Geſetz vorgeſchrieben: Welches Tages du eſſenGen. 2, 17.
wirſt von dem Baum der Erkaͤntnůß gutes und böſes/ ſolſtu
des Todes ſterben/
uͤber welches Geſetz der Heilige Geiſt einen groſſen
Commentarium und Außleger geſchrieben durch die Propheten/ Evan-
geliſten und Apoſtel/ nemlich die gantze Heilige Schrifft: Wer nicht glau-
bet/ uͤber den bleibet der Zorn/ als eine unabtreibliche Laſt/ Er widerholet/Ioh. 3, 36.
Marc.
9,
44.

inculciret und bleuet ſeine Straffdraͤuung zum dritten mahl/ Marc. 9.
So dich deine Hand aͤrgert/ ꝛc. Wir beduͤrffen da keiner viſion oder Ent-
zuckung/ keiner revelationen und hoͤlliſchen Offenbarung. Dergleichen
eine () Baronius erzehlt von zween Philoſophis in Italiâ, Michaele Mer-() ann. 411.
cato und Marſilio Ficino, nach dem ſie eine Zeit uͤber Platonis Buͤchern
von dem Zuſtand der Seelen nach dem Tode den Kopff gebrochen/ und
nichts gewiſſes davon haben koͤnnen/ haben ſie mit einander einen Packt
gemacht/ und verſprochen/ daß der erſte der ſterben wird/ dem andern ſoll
relation thun von ſeiner Seelen Zuſtand nach dem Tod/ was die manes
und Geiſter der Abgeſtorbenen thun/ und ob es alles ſo boͤß ſey was man
von der Hoͤllen außgibt? Nicht lange hernach habe ſichs zugetragen/ daß
als Mercatus fruͤh auffgeſtanden und geſtudirt/ ein Reuter auff einem
weiſſen Pferde flugs Spornſtreich der Thuͤr ſeinem Hauſe zugeſprungen/
und mehr nicht als dieſe Wort geſagt: O Michael/ Michael/ es iſt wahr
und nur allzuwahr was man von der Hoͤllen prediget! Mercatus ſihet
zum Fenſter hinaus dem Reuter rucklich nach/ rufft Marſili, Marſili, aber
Z z z z 3umb-
[734]Die Sechszigſte (Siebende)
umbſonſt/ er iſt ihm Sprungs entritten/ bald darauff bekommt er Zeitung/
Marſilius ſey eben in der Stunde zu Florentz geſtorben/ da er dieſe Poſt
vermercket. Gott ſey Lob/ daß wir ſolcher Poſt-Botten nicht beduͤrffen/
wir haben Moſen und Propheten/ ja den groſſen Propheten ſelbſt!


Nun/ meine Liebſten/ es redet der Herr Chriſtus uns noch heut
Marc. 13,
23.
zu Tage alle an/ aus dem Evangeliſten Marco c. 13. Sihe/ ich habe es
euch alles zuvor geſagt;
Sehet ihr zu! Jch bin der Richter und Pei-
niger. Jch hab es zuvor geſagt aus hertzlicher Treu/ daß ich nicht will/ daß
iemand verlohren werde; Jch hab euch zuvor geſagt den Ort der Qual/ die
verdamten Hoͤllenkinder/ welche es nemlich ſeyn werdẽ; den unwiderbring-
lichen Schaden und unerſchaͤtzlichen Verluſt/ endlich auch die unſaͤgliche
und unertraͤgliche Marter und Pein/ welche die Verdamten nicht von dem
gnaͤdigen Gott als unſchuldige Maͤrtyrer/ ſondern von dem zornigen/ un-
verſoͤhnlichen Gott als Vbelthaͤter leiden und tragen muͤſſen in Ewigkeit;
Euch ſterblichen Menſchen allen habe ichs zuvor geſagt; niemand kan ſich
entbrechen mit der Vnwiſſenheit; derowegen βλέ [...]ετε! Sehet euch fuͤr!
Sehet mich an als einen gerechten Richter! Daher kom̃et alles Elend/ daß
ihr mich euch faͤlſchlich einbildet/ nur ſtets als einen barmhertzigen HErrn/
niemahls als einen ſtrengen Richter; Sehet mich nicht nur an in der
Wiegen/ am Creutz oder anderswo auff Erden/ ſondern ſehet mich an in
der Hoͤhe/ auff meinem Majeſtaͤtiſchen Throne. Sehet mich an als einen
Schatzmeiſter/ der den Zorn zubereitet und wie einen Schatz zuſammen
Rom. 2, 4.ſamlet/ nach dem Evangelio Pauli Rom. 2. Verachteſtu den Reich-
thumb ſeiner Guͤte/ Gedult und Langmuth/ weiſſeſtu nicht/
daß Gottes Guͤte dich zur Buſſe leitet? du aber nach deinem
unbußfertigen verſtockten Hertzen haͤuffeſt dir ſelbſt den Zorn
auff den Tag des Zorns/
in dem du die Suͤnde wie einen Schatz
haͤuffeſt/ haͤuffeſt du auch den Zorn/ der ſchlaͤget endlich aus in Truͤbſal/
Angſt und andere Noth. Es iſt dreyerley Schatz/ der Gnaden-
Schatz/ der Sůnden-Schatz/ der Zorn-Schatz;
Gleich wie ein
Koͤnig/ der ſeinen Vnterthanen viel ſonderbare Wolthaten erzeiget/ durch
ebenmaͤſſige Wolthaten ſie gleichſam per accidens anreitzet/ daß ſie die
Suͤnden haͤuffen; Heimlich ruͤſtet er ſein Zeug-Hauß aus/ und kriegt ei-
nen Schatz vongroben und kleinen Stuͤcken zuſammen: Alſo machets
auch Gott/ unterdeſſen alldieweil ihm der Menſch einen Suͤnden-
Schatz haͤuffet/ ſo haͤuffet der Richter im Himmel ſeinen Zorn-Straff- und
Rach-Schatz/ den geuſſet Er gantz aus uͤber die hoͤlliſche Sodoma.


Sehet
[735]Predigt.

Sehet Chriſtum an als den Peiniger und fuͤrchtet euch!
Was fuͤrchtet ihr euch fuͤr den armen Schweins-Blaſen und Stroh-
Maͤnnern den Menſchen/ die zwar den Leib toͤdten/ aber der Seele nicht
ſchaden koͤnnen? Fuͤrchtet euch viel mehr fuͤr dem/ der Leib und
Seel verderben kan in die Hoͤlle. Sehet ihn an als einen
Matth. 10,
28.
Prov. 16,
14.
Eſth.
7, 7.

zornigen HErren! Des Koͤniges Grimm iſt ein Botte des
Todes;
Haman wußte wohl/ was die Glocke geſchlagen/ da der Koͤnig
Ahaſveros im Grimm auffgeſtanden: Alſo wann dieſer Herr zornig
iſt/ da iſt gewiß ein Vorbotte des ewigen Todes. Sehet ihn an als
einen warhafftigen Propheten/
und glaubet doch ſolches alles!


Sehet aber euch auch ſelbſt an! Was zeihet ihr euch; Euch
iſt ſo ein herrliches Gut anvettrauet/ niemand hat iemahl ſein eigen Fleiſch
gehaſſet/ verſpielet doch euere Seel nicht ſo leichtlich/ wie vorzeiten die alten
Teutſchen Doppler auff einem Spielwurff die Freyheit verlohren! WieProv. 1, 22.
lange wollet ihr Albern alber ſeyn/ und ihr Spötter Luſt zur
Spötterey haben?
Dort werdet ihr zu ſpat fuͤhren das Zetter- und
Mord-Geſchrey: O ihr Berge fallet uͤber uns! O ihr HügelApoc. 6, 16.
bedecket uns! Machet euch beyzeiten auff zu einem andern Berge/
da thut eine heilige Wahlfahrt hin an den Oel-Berg/ zu
Chriſti Bett-Hauſe/
an welchem Er offt die Nacht uͤber fuͤr eure See-
ligkeit gebettet/ damit euer Gebett nicht unkraͤfftig ſey; Sehet denſelben
Oel-Berg an als ſeine des groſſen Propheten Cantzel und
Dräu-Hauß/
da Er der Statt gedraͤuet; daß ihr mit Buſſe dem Vn-
gluͤck zuvorkommet. Sehet ihn an als ſein Kampff-Hauß/
welches Er erſtlich mit Thraͤnen/ hernach mit blutigem Schweiß beſpren-
get/ daß ihr euch ſollet erweichen laſſen. Sehet ihn an als ſein Ehren-
Hauß/
weil Er darauff iſt gen Himmel gefahren/ daß ihr ſollet nachfah-
ren. Sehet ihn an als ſeinen Richter-Stul und feindſeelige
Burg/
daß ihr nicht in ſeine ſchwere Haͤnde gerathet.


Dieſer Wundſch des Herren Chriſti ſoll auch unſer Wundſch
ſeyn aus dem ſechſten Pſalm: Ach HERR/ ſtraff mich nicht inPſ. 6, 2, 3.
deinem Zorn/ und zůchtige mich nicht in deinem Grimm!
HErr ſey mir gnädig!
komme zu mir nicht als ein Richter/ ſondern
als ein Vater! nicht als ein Peiniger/ ſondern als ein Artzt! nicht mit
Zorn/
[736]Die Ein und Sechszigſte (Achte)
Zorn/ ſondern mit Gnade! nicht mit der eiſern Ruthen/ ſondern mit
Menſchen-Ruthen! Hîc ure, hîc ſeca! Ach Herr/ ſolls ja ſo ſeyn/ daß
Straff und Pein auff Suͤnde folgen muͤſſen/ laß alle Waͤlder zu Ruthen
werden/ auff daß ich nicht verdamt mit der Welt/ ſondern unter deine Kin-
der werde gezehlt/ den Außerwehlten dort zur Rechten geſtellt/ den Engeln
zugeſellt/ O Herr hilff wann dirs gefaͤllt! loͤß uns von allem Vbel/
Amen.



Die Ein und Sechszigſte Predigt/


Vber den dritten Articul.
Von der Hoͤll und ewigem Tode/


Die Achte Predigt/


Vber die Wort Eſa. 66/ 44.
Von den Schauern der Hoͤlle.


GEliebte in Chriſto: Sie/ die Kinder Jſrael/ ſahen
die Egyptier tod am Vfer des Meers/
ſchreibet der
Exod. 14,
30.
uralte Geſchicht-Schreiber Moſes/ Exod. 14. da er den
ſiegreichen Wunder-Zug aus Egypten umbſtaͤndlich be-
ſchrieben/ endet und beſchlieſſet er mit denen Worten ſeine
Beſchreibung: Jn welchen Morten Moſes anzeiget
I. dirum ſpectaculum,ein greßlichesſpectaculder toden
Leichnam der Egyptier/
welche das Meer außgeſpeyet; Die Egyptier/
Pharao ſampt ſeinen ſechs hundert außerleſenen Wagen/ die Hauptleute
uͤber alles Heer/ ſonderlich den Wuͤterich Pharaonem, der kurtz zuvor das
c. 15, 9.Triumph-Lied vor dem Sieg geſungen: Jch will ihnen nachjagen
und erhaſchen/ und meinen Muth an ihnen kůhlen/
und den
Raub außtheilen/ dieſelbe kuͤhne Helden/ nunmehr naſſe Bruͤder/ die ligen
am Vfer des Meers tod/ als ſtinckende Toden-Aaß/ als naß-trieffende
Maͤuſe/ der Wuͤrme Speiß und Greuel/ die das Meer nicht leiden wolt/
ſondern außgewuͤrget und außgeſpien/ ſo waren ſie auch gar dem Waſſer
zuwider und eckel.


2. Specta-
[737]Predigt.

2. Spectatores,Die Zuſchauer; Die arme betrangte Scla-
ven/ ſo durch Goͤttliche Krafft mit trockenen Fuͤſſen hindurch gangen/ die
ſtehen am Vfer als die Erſtgebornen und Außerkohrnen/ außerwehlten
Sieger und Zuſchauer/ ſie ſchauen dieſes ſpectacul, dieſen Greuel an mit
truckenẽ Augen/ mit auffgethanen Freud- und Troſt-Augen/ nicht ſtehen ſie
da und ſehen es an wie eine Kuh ein neu Thor/ mit ſtillſchweigende Munde
und ohne Bewegung des Hertzens und Gemuͤths/ ſondern jauchzen daruͤ-
ber/ loben Gott/ und bieten nunmehr Trotz den Egyptiſchen Goͤttern/
O ihr heilloſe Goͤtzen/ vermoͤchtet ihr nicht helffen? Sie bieten Trotz dem
wuͤtenden Pharao: Wo iſt nun dein ruchloſes Laͤſter-Maul? da du
ſagteſt: Wer iſt der HERR/ deſſen Stimm ich hoͤren mußExod. 5, 2.
c.
15, 9.

und Jſrael ziehen laſſen; Jtem: Jch will meinen Muth kuͤh-
len!
Wir meynen ja/ du haſt dich erkuͤhlt im rothen Meer/ pfui dich!
du garſtiges Toden-Aaß; Sie trotzen die naſſen Bruͤder/ die Egyptier/
das heiſſet gebadet! das heiſſet die Ebreer verfolget!


Sie ſtehen da als panegyriſtæ, und Lobſprecher des groſſen Gottes/
ſie loben ihn und ſprechen: Micamocha baelim Jehovah,HErr/Exod. 15, 11.
wer iſt dir gleich/ der ſo mächtig/ heilig/ ſchröcklich/ loͤblich
und wunderthaͤtig ſey? HERR iſt dein Name! die Wa-
v. 4.
gen Pharao und ſeine Macht haſtu ins Meer geworffen!
wie dann die Chori panegyrici und ἐπινίκια, die Lob-Saͤnger im Reyen
alßbald gefolget ſampt den Triumph- und Freuden-Liedern/ Exod. 15.Exod. 15, 1.
3. 4. 5.

Jch will dem HErren ſingen/ dann Er hat růhmliche Thaten
gethan/ Roß und Wagen ins Meer geſtuͤrtzet: Der HErr iſt
der rechte Kriegesmann/ HERR iſt ſein Name/ die Wagen
Pharao und ſeine Macht hat Er ins Meer geworffen; Seine
außerwehlte Hauptleute verſuncken im Schilff-Meer/ die
Tieffe hat ſie bedecket/ ſie fielen zu Grunde wie die Steine.


Dieſe Hiſtori iſt eine ſchönefigurgeweſt der triumphi-
renden Kirchen droben im Himmel;
Geſtalt der Heilige Geiſt
ſolches ſelbſt klaͤrlich gedeutet/ Apoc. 15. da ſihet Johannes die Kirche derApoc. 15, 2.
3.

Außerwehlten ſtehen tanquam legionem aniciam \& victricem
beſtiæ,
als ein unuͤberwindliches Kriegs-Heer/ eine Vber-
winderin des Thiers/
am Vfer des glaͤſern durchleuchtenden und
gleichſam feurigen Meers/ der Hoͤllen; da ſtehen ſie tanquam victores,
Sechſter Theil. A a a a aals die
[738]Die Ein und Sechszigſte (Achte)
als die Helden/ die den Sieg behalten hatten an dem Thier und
ſeinem Bilde/ Mahl-Zeichen und Namens-Zahl: Tanquam ſpecta-
tores,
als die Schauer/ die ſchauen durch ein glaͤſernes Meer/ gleich
durch eine perſpectiv, das hoͤlliſche Feuer und Verdamte; tanquam
panegyriſtæ;
als die Lobſaͤnger Gottes; Sie hatten Gottes
Harffen in der Hand/ und ſungen das Lied Moſis des Knechts Gottes und
ſprachen: Groß und wunderſam ſind ſeine Werck: HERR
Allmaͤchtiger Gott: Gerecht und warhafftig ſind deine We-
ge/ du Koͤnig der Heiligen/ wer ſolte dich nicht fuͤrchten und
deinen Namen preiſen?


Vnd das iſt dastheatrum,dasſpectacul, welches der Hei-
lige Geiſt uns in unſern bißher abgehandelten Prophetiſchen Hoͤllen-Pre-
digten fuͤrgehalten: Da wir zuvorderſt erwieſen 1. daß eine Hoͤlle
ſeye.
2. Ποῦ inferni,Was fuͤr ein Ort die Hoͤlle ſey. 3. Wer
die
filii gehennæ,die Hoͤllen-Kinder ſeyen. 4. Pœnam
damni,
Die Verluſts-Straffe in der Hoͤllen/ nemlich den an-
dern Tod.
5. Pœnam ſenſus,Die Marter und Qual der
Verdamten/ ſo ſie von dem unſterblichen Gewiſſens-Wurm
leiden. 6. Das hoͤlliſche Feuer. 7. Den Richter und Pei-
niger.
Jſt nichts mehr uͤbrig/ als daß wir 8. betrachten die Schauer/
von welchen der Prophet ſaget: Sie werden heraus gehen/ und
ſchauen die Leichnam der Leute/ die an dem HErren gemiß-
handelt haben;
Nach dem wir den Augenſchein der uͤbrigen Schau
eingenommen/ ſo wollen wir auch von ferne ſchauen die Schauer/
damit wir hie lernen die rechte Vorſchau im Reich des Glaubens/ daß wir
ſchauen nicht nur das Boͤſe/ Vbel und Elend der Verdamten/ ſondern
auch das hoͤchſte Gut in Freude und Ehren; Gott wolle unſere Hertzen
hierzu erleuchten durch ſeinen H. Geiſt/ umb Jeſu Chriſti willen/ Amen.


DEr hocherleuchte Prophet ſtellet uns in dieſemtheatro fuͤr
Augen I. Cœlites,die neuen Himmels-Burger/ im
neuen Himmel und der neuen Erde/ die ſtehen tanquam vi-
ctores,
als Sieger und Vberwinder des Teufels und der Welt;
als der außerwehlte Same/ die erſtgebornen und außerwehlten Kinder
Gottes/ deren Namen in dem Himmel angeſchrieben/ die Durchlenchti-
gen/
[739]Predigt.
gen/ als diecultores ſabbathici,die Sonn- und Feyer-Kinder/
die einen Monat nach dem andern/ einen Sabbath nach dem
andern halten und anbeten werden fuͤr dem HErren;
die ein
Sabbath-Leben fuͤhren werden/ das iſt/ ein ruhiges und friedſames Leben
von dem Sathan/ den Ergernuͤſſen der Welt/ fuͤr dem Kampff des Flei-
ſches/ der Suͤnden/ der Straffen/ ꝛc. ſie werden fuͤhren ein herrliches Leben/
ſie werden haben ein froͤliches Leben von allerhand Feſt-Freuden/ colloqui-
en/ convivien/ Muſicen: Ein heiliges/ engliſches Leben/ ein ewiges Leben/
einen Sabbath nach dem andern. Jm Alten Teſtament hats moras,
intervalla
und Werckel-Tage gegeben: Endlich haben die Juͤdiſchen Feſt/
die Neumonden/ ꝛc. gar auffgehoͤret/ und ſind als Schatten verſchwun-
den; Aber hie halten die Außerwehlten einen ewigen Sabbath/ immer ein
Feſt/ ein Feyer beut dem andern die Hand ohne auffhoͤren. Die Papiſtenapud Cor-
nel. ad h. l.
p.
549.

ziehens auff ihren Marck und Meß-Tag/ geben fuͤr die Roͤmiſche Kirche
ſey die jenige/ die einen Feyer und Sabbath nach dem andern halte/ es ſeye
kein Tag das gantze Jahr durch/ da man nicht bald dieſen/ bald jenen Hei-
ligen und Maͤrtyrer-Tag zu feyren habe/ und kommen immer neue Maͤrty-
rer und dero reliquien und Heiligthumb ans Tageliecht/ daß man zu fey-
ren gnug findet. Aber was ſagt das Sinaiſche Geſetz dazu? SechsExod. 20,
9.

Tage ſoltu arbeiten.


II. Cœlites expatiatores,Die himmliſchen Spatzier-
gaͤnger/
die eine Sabbath-Reiſe werden fuͤrnehmen und hinaus ſpatzie-
ren/ gleich wie Vberwinder zu thun pflegen/ wann eine Schlacht geſchehen/
ſo gehen ſie hinaus aus der Statt auff die Wahlſtatt/ und ſehen den
Jammer fuͤr Augen/ wie ohne Zweifel geſchehen/ damahl/ da die Moabiten/2. Chron.
20, 24.

Ammoniten/ Edomiten wider Joſaphat außgezogen/ einander ſelbſt auff-
gerieben/ da ſpatzierten die Juden an der Wuͤſten her/ und ſihe/ da lagen die
Tode Leichnam auff der Erden; Als der Engel hundert und fuͤnff und2. Reg. 19,
35.

achtzig tauſend Mann geſchlagen/ da ſind die Burger zu Jeruſalem hin-
aus gangen und die cadavera und Greuel geſehen/ und ſich beluſtiget.
Wie/ ſprichſtu/ ſoll ich das verſtehen? Werden ſie aus der Statt Gottes/
dem himmliſchen Jeruſalem heraus und in die Hoͤll herab ſpatzieren? Leſe
ich doch Matth. 25. die Thuͤr ſey beſchloſſen/ die thoͤrichten Jung-Matth. 25,
10.
Luc. 16, 26,
Apoc.
3, 12.

frauen warten vergebens auff. Luc. 16. ſagt Abraham/ es ſey eine
groſſe Klufft befeſtiget/
ja Apoc. 3. laͤſſet der Sohn Gottes dem Engel
der Gemeine zu Philadelphia ſchreiben: Wer uͤberwindet/ den will
A a a a a 2ich zum
[740]Die Ein und Sechszigſte (Achte)
ich zum (Triumph) Pfeiler in dem Tempel meines Gottes
machen/ und ſoll nicht mehr hinaus gehen?


Freylich iſt dem alſo! Sie werden nicht hinaus gehen/ motu locali
\& paſſibus pedum,
nemlich/ einen Schritt nach dem andern mit ihren
Hieron. in
h. l. p.
260.
Fuͤſſen/ ſondern/ wie es Hieronymus wohl erklaͤrt: Egredientur non lo-
co, ſed intelligentiâ,
Sie werden nicht hinaus gehen nach dem Ort/ ſon-
Aug. l. 20.
C. D. c.
22.
dern mit ihrem Verſtande. Auguſtinus movirt ebenmaͤſſige Frage: Sed
quomodo egredientur boni ad pœnas malorum? nunquid corporis
motu beatas illas relicturi ſedes \& ad loca pœnalia perrecturi, ut malo-
rum tormenta conſpiciant præſentiâ corporali? abſit! ſed egredientur
per ſcientiam; \& mox: quia quod extra eſt, cognituri ſunt: contrà,
qui erunt in pœnis, quid agatur intùs in gaudio Domini, neſcient.
Wie/
fragt er/ werden die Frommen dann heraus gehen der Verdamten Straff
zu beſchauen? Werden ſie etwan mit Bewegung des Leibes ihre ſeelige
Wohnung verlaſſen/ und an die hoͤlliſche Wahlſtatt oder Marter-Hauß
kommen/ daß ſie der Verdamten Pein anſehen mit leiblicher Gegenwart?
Das ſey ferne! ſondern ſie werden heraus gehen durch die Wiſſenſchafft;
Vnd bald darauff ſetzet er die Vrſach: Dieweil ſie wiſſen werden/ was
auſſer der Seeligkeit geſchicht/ da hingegen die andern in der Marter nicht
wiſſen werden/ was in der ewigen Freude geſchiehet. Gleich wie der jeni-
ge/ ſo da lieſet und betrachtet die Suͤndfluth/ der gehet heraus mit Noah
und beſchauet die toden Leichnam/ ſo allenthalben durchs Waſſer hinge-
richtet worden; Wer betrachtet die Hiſtori von Sodom und Gomorrha/
der gehet heraus mit Abraham/ und beſchauet die Schwefel-Aſche; Wer
da lieſet oder hoͤret die alten Hiſtorien von den Maͤrtyrern; die grauſame
Tyranney der Spanier mit den armen Leuten in der Neuen Welt/ der ge-
het heraus mit ſeinem Gemuͤthe/ nicht mit dem Leibe an den Ort/ ſondern
bildets ihm nicht anders ein/ als ſehe ers fuͤr Augen! Alſo viel mehr die
Außerwehlten werden ſolches thun koͤnnen in ihrem vollkommenen Liecht
und Erkaͤntnuͤß als in einem Spiegel.


Es ſtellet uns der Prophet vor Augen III. Cœlites ſpecta-
tores,
die neuen Himmels-Burger als Schauer der gantzen
Trag
œdi und allerſpectacul, die alles anſchauen mit hellen Adlers-
Augen; Gleich wie andere Geheimnuͤß/ alſo auch dieſes Marter-Werck
1. Cor. 13.
12.
ſehen ſie nicht mehr in einem tunckeln Wort/ als durch einen Spiegel/
ſondern gleichſam von Angeſicht zu Angeſicht/ ohne Jrrung und Anſtoß;
mit reinen Augen/ da kein unordentlicher affect oder verdamliche ἐπιχαιρε
κακία und Schaden-Freude Platz findet; Zwar die verſtockten Juden/
als ihr
[741]Predigt.
als ihr herrlicher Tempel mit rothen Feuer-Fluͤgeln gen Himmel aufffloge/
ſahen ſie mit Freudẽ die Brunſt und den Steinhauffen an; aber alles aus
Neid und Boßheit/ auff daß ſie alſo den Feinden nichts hinderlieſſen. Als
Nero der Tyrañ die Statt Rom/ welche er mit Feuer anſteckẽ laſſen/ in der
Flamm lohhell brennend geſehen/ delectiret er ſich damit anders nicht/ als
ſehe er in einer Tragœdi die Verſtoͤrung und Einaͤſcherung der Statt Tro-
ja. Jn den Roͤmiſchen () Saturnal Spielen wurde nicht nur Menſchen-() apud I.
Lipſ. l. 1. Sa-
turn. c.
12.

Blut durch die Fechter/ ohne Zahl vergoſſen/ ſondern auch mit freudigen
Augen gleichſam geſoffen/ das war eine ſchnoͤde crudelitaͤt.


Das ſey fern/ daß auch auff eine ſolche neidiſche boßhafftige Weiſe
die Außerwehlten ſolten die Verdamten beſchauen/ ſondern oculo de-
fecato,
mit geſauberten/ reinen und unparteyiſchen Augen.
Ridebis, ſagt Bernhardus, in impiorum interitu, ſed ob tuam evaſio-Bernhard,
ſerm. 8. in
Pſal.

nem, ob omnimodam ſecuritatem, ob comparationem, ob ipſius juſti-
tiæ profectum \& æmulationem.
Du wirſt lachen uͤber den Vntergang
der Gottloſen/ aber wegen deiner Erloͤſung/ daß du ſolchem Jammer ent-
gangen biſt/ wegen der gaͤntzlichen Sicherheit/ wegen der unvergleichlichen
Vergleichung der ewigen Freude gegen der ewigen Marter und Qual/ we-
gen der Gerechtigkeit und heiligem Eifer.


Sie werden ſchauenoculo victorioſo,mit auffgerichte-
ten
Siegs-Augen; Gleich wie Chriſtus in ſeiner Hoͤllenfahrt/ nach dem
er zuvor Zaͤhren vergoſſen uͤber den Vntergang der Statt Jeruſalem/ aberLuc. 19, 41.
Apoc. 1, 18.
Col. 2, 15.
Eph. 4, 8.
1. Cor. 15, 55.
1. Pet. 3, 19.
Prov. 19,
29.
Pſ. 35, 21.
Thren. 2,
16.
Eſa.
14, 4.
12. 16.

hernach hat Er ſich in der Hoͤlle erzeiget als ein Sieger und Vberwinder/
zur Schau/ Schande und Spott allen Verdamten mit freudigem Muth:
Alſo auch die Außerwehlten werden ihrer Spoͤtter ſpotten/ dielezim,
die weiland geruffen: Da! da! das hatten wir gerne/ die ihr Maul
auffgeſperret/ angepfiffen/ mit den Zaͤhnen geblecket und geſprochen:
Heh/ wir haben ſie vertilget. Es werden die Vntergedruckten ihre
hoffaͤrtige Vnterdrucker verachten und ſagen: Wie iſts mit dem Trei-
ber ſo gar aus? Wie biſtu vom Himmel gefallen/ du ſchöner
Morgenſtern/ wie biſtu zur Erden gefaͤllet/ der du die Heyden
ſchwaͤchteſt? Jſt das der Mann/ der die Welt zittern und die
Königreiche bebend machte?
Es werden die Lazari ihren helluo-
nibus
predigen: Sihe du harter Viltz/ mir mochteſtu die Broſam nicht
goͤnnen/ ietzt ſoll dir kein Tropffen Waſſers gedeyen: Die Maccabeer wer-
den verlachen ihren Antiochum und ſagen: Gelt du biſt dem Gericht des
A a a a a 3Allmaͤch-
[742]Die Ein und Sechszigſte (Achte)
Allmaͤchtigen nicht entlauffen? Die Laurentii ihre Decios anreden? Wie
Baron. ad
ann. 304.
n.
8.
ſchmeckt dir der Braten? Baronius erzehlt von der Seule in Hiſpanien/
ſo von dem Heydniſchen Kaͤyſer Diocletiano auffgerichtet worden mit
dieſer Vberſchrifft/ Diocletianus, Jovius, Max. Herculeus Cæſar Auguſt,
ſuperſtitione Chriſti deletâ, \& Deorum cultu propagato,
das iſt/ Der
Kaͤyſer Diocletianus hat dieſe Seul auffgerichtet/ zum Andencken des
außgeloͤſchten Aberglaubens Chriſti/ und des vermehreten Gottesdienſts
der Roͤmiſchen Goͤtter. Ach mein/ dieſer Tyrann wird ſich betrogen fin-
den! Die Außerwehlte werden ſchauen und ſagen: Jſt das der Mann/
der Chriſti religion vertilgete?


Sie werden ſchauen endlich oculo nauſeabundo \& im-
miſericordi,
mit ecklenden und unbarmhertzigen Augen;
Da wird David nicht mehr beweinen ſeinen Abſalom/ ſondern ſagen: Dir
geſchiehet recht/ du haſts verdienet! Abraham wird ſeinem Sohn/ dem
reichen Schlaͤmmer den Korb geben; ſie werden allem Fleiſch ein
Greuel ſeyn/
iederman wird ſie anſpeyen/ pfui dich!


Es ſtellet uns der Prophet die neuen Himmels-Burger
vor als
panegyriſtas,die da anbeten fuͤr dem HErren; Dann
das wird die ewige Feſt-Freude und Sabbath-Luſt ſeyn/ dazu iſt der Sab-
bath als ein Ruh- und Ruhm-Tag geordnet; Gott ſelbſt hat auff den
ſiebenden Tag geruhet/ und mit froͤlicher Schau ſeine machinam und Ge-
ſchoͤpff angeſehen/ und ſich damit beluſtiget/ daß alles ſehr gut geweſen.
Die Engel haben ihn gelobet an dem Sabbath; Des Menſchen Sab-
bath-Arbeit vor dem Fall war Gott loben und dancken in dem nemore
und Luſt-Walde (wie etliche davor halten) des verbotenen Baums/ als
einem Heiligthumb und Tempel; Das iſt der Zweck und das Recht der
Neumonden und anderer Feſt-Tage des Alten Teſtaments; Das iſt der
Zweck aller Chriſten-Feſte und Sabbather; Wer den Sabbath anders
braucht/ der iſt ein Sabbathſchaͤnder; David hat zu ſolchem Ende einen
ſonderbaren Pſalm componirt/ der heiſſet Mizmor ſchir lejom ha-
Pſ. 92, 1. 2.ſchabbath, Pſal. 92. Es iſt ein köſtlich Ding/ dem HErren
dancken/ und lobſingen deinem Namen/ du Hoͤchſter/ des
Morgens deine Gnade!
An dieſem Tage ſoll alles leuchten und bren-
nen von Goͤttlichem Lob; da ſollen alle ſpecies des Goͤttlichen Ruhms
Apoc. 1, 10.und Preiſes als in dem centro zuſammen flieſſen: Wie St. Johannes
auff des Herren Tag in ſeinem Pathmo verzuckt mit himmliſchen vi-
ſionibus
und Geſichten umbgangen/ in ſeinem Gott froͤlich geweſen:
Alſo/
[743]Predigt.
Alſo/ weil die Heiligen im Himmel werden einen Sabbath nach dem an-
dern halten/ ſo werden ſie Gott ehren und loben; Das wird das
thema,diemateria carminisſeyn/ nemlich die Hoͤll!


Jhr erſtes Werck/ das ſie thun werden/ heiſſet 1. agnoſce-
re,
erkennen; Sie werden ohn Vnterlaß erkennen/ bedencken und nicht
vergeſſen terminum liberationis à quo,den Ort/ aus welchen
ſie ſind erloͤſet worden/ die Hoͤlle/ was dieſelbe ſey; terminum ad
quem,
den Ort wohin ſie kommen/ an welchen Port; Die Gut-
und Wohlthaten des Mittlers werden da hell leuchten/ die werden lieb
werden/ ſein blutiger Toges-Kampff der wird alßdann recht angenehm
ſeyn/ da wirds heiſſen: Ach Herr Jeſu/ ietzt verſtehe ich die Paſſion recht/
den edlen Bezoar/ ꝛc. deſſen uns ein klares Exempel ſeyn kan das GeſpraͤchLuc. 9, 31.
Moſis und Elias auff dem heiligen Berge/ die da geredet von dem Auß-
gang Chriſti. Das andere Werck wird ſeyn 2. admirari Dei
ſapientiam,
ſich uͤber Gottes unerforſchliehen Weißheit wun-
dern/
der einen ſolchen Weg erfunden/ dadurch wir der Hoͤllen aus dem
Rachen gezogen/ und das morte morieris (du wirſt des Todes ſterben)
mit dem vivat (er ſoll leben) conciliirt durch eine ſchoͤne harmoni,
darinnen Guͤte und Treu einander begegnen/ GerechtigkeitPſ. 85, 11.
und Friede ſich kuͤſſen.


Das dritte Werck wird ſeyn 3. laudare,loben/ die uner-
gruͤndliche Barmhertzigkeit an uns/ und ſeine allerheiligſte Gerechtigkeit
an den Verdamten/ und dar auff der triumphirenden Kirchen nachſingen:
Nun iſt das Heil/ und die Krafft/ und die Macht/ und dasApoc. 12,
10. 11. 12.

Reich unſers Gottes/ ſeines Chriſtus worden/ weil der ver-
worffen iſt/ der uns verklaget Tag und Nacht fuͤr Gott; Wir
haben uͤberwunden durch des Lammes Blut; Darumb freuet
euch ihr
Himmel/ und die darinnen wohnen! Vnd aus dem 15.c. 15, 3. 4.
Cap. Groß und wunderſam ſind deine Werck/HERRAll-
maͤchtiger Gott/ gerecht und warhafftig ſind deine Wege/ du
Koͤnig der
Heiligen! Wer ſolt dich nicht fůrchten/HERR/
und deinen Namen preiſen? Vnd aus dem 19. Cap. mit den groſ-c. 19, 1. 2.
ſen himmliſchen Heerſcharen: Alleluja/ Heil und Preiß/ Ehr und
Krafft ſey Gott unſerm
HERREN/warhafftig und gerecht
ſind
[744]Die Ein und Sechszigſte (Achte)
ſind ſeine Gerichte/ daß Er die groſſe Hur verurtheilt hat/ wel-
che die Erden mit ihrer
Hurerey verderbet/ und hat das Blut
ſeiner Knechte von ihrer
Hand gerochen/ Alleluja/ Alleluja!


Dieſe Schauer ſollen ſeyn unſere Lehrer! Wollen wir auff
ihr theatrum dermahl eins tretten/ und in ihre choros eingemiſcht werden/
ſo muß warhafftig hie die protheoria und Vorſchau vor der Freuden-
Schau wohl gefaſſet und practiciret werden; Wollen wir ſeyn cœlites,
heilige Himmels-Burger des Neuen Jeruſalems/ deren Stamm und
Namen fuͤr Gott ſtehen im himmliſchen/ heiligen Sabbath-Leben/
ſo muͤſſen wir 1. außgehen aus Sodoma; Was iſt Sodoma?
Apoc. 11, 8.Das iſt Rom/ die Roͤmiſche Hur/ die da iſt das geiſtliche Sodoma und
Egypten; Egypten zwar wegen der Tyranney; Was iſt Sodoma an-
ders als das irrdiſche Hieruſalem/ da alles boͤſe zuſammen lauffet/ die
Ezech. 16,
46.
Schweſter des irrdiſchen und leiblichen Sodoms? Was thun aber un-
ſere Peregrinanten? Sie gehen und reiſen hinein in Sodom/ Jtalien/
Apoc. 18, 4.Franckreich; da es doch heiſſet: Gehet aus von Babylon/ daß ihr
nicht theilhafftig werdet ihrer
Suͤnden! Reiſen iſt wohl ein gut
und nuͤtzlich Ding/ frembde Sitten und Sprachen lernen iſt nicht verbot-
ten; Aber Klugheit uͤber Klugheit iſt von noͤthen/ daß man der Circe und
Sirenen nicht zu nah komme/ ſonderlich an die Ort/ da die geiſtliche Peſt
regieret; Gleich wie du niemand ratheſt/ daß er in ein inficirt Hauß gehe/
er muͤſſe es dann thun aus Nothzwang oder Beruff; Eben dergleichen
Gefahr iſt es an die jenige Ort reiſen/ da die Roͤmiſche Dam ſitzet/ ihre
philtra und Liebs-Traͤncke darbietet/ den ſchnoͤden Fuͤrwitz mit antiquitaͤ-
ten/ affections-Kuͤſſe/ groſſen Verheiſſungen nehret/ dararaus entſpringet
dann endlich der leidige Syncretiſmus, daß es heiſſet:
Ulula cum lupis, cum quibus eſſe cupis,
Weil du unter Woͤlfen biſt/ ſo muſtu auch mit heulen.


Man leg auff die Wage die Gefahr und die Affen und die Pfauen/
was ſagt die himmliſche Stimme? Gehet aus von Babylon! Ge-
het aus dem Sodom dieſer Welt/ als der Hoͤllen Vorburg und Vorhof!
Was thut aber die Welt heutigs Tages? Sie will nicht außgehen/ ver-
Gen. 19, 14.lachens wie die Eydam Loths/ ſtellen ſich der Welt und ihrer Phantaſi
gleich! ja es gibet wohl ſolche verzweifelte Gemuͤther und boßhafftige
Leute/ die ſich ſelbſt als die Decii der Hoͤllen verfluchen! Hol mich der Teu-
fel ꝛc. iſt ihr Wundſch/ will man nicht thun/ was ſie wollen/ und ihrem
Kopffe folgen: gehen aus Gottes Ordnung/ betten nicht/ gerathen druͤber
in Vn-
[745]Predigt.
in Vngluͤck/ in Armuth/ in Mangel/ ſo fallen ſie in die deſperation und
Verzweifelung/ kommen ad ἀυτοχειρίαν, draͤuen mit dem Selbſt-Mord
die Leute zu zwingen und Hertzleid zu machen! Fahr immer hin du leicht-
fertiger Menſch/ wags auff dein Abentheuer/ es wird dir heiß gnug werden
im Feuer!


Wollen wir dermahl eins unter die heiligen Schauer/ und die
edlen Himmels-Burger
gezehlet werden/ ſo můſſen wir auch
außgehen zu ſchauen! ſchauen
aber mit hellen/ reinen/
ecklenden Augen;
Wann du der Sodomæ ihre Auffzuͤge/
ihre Phantaſi und ſchema ſiheſt/ ihren Pracht und Hoffart/ ihren Haß
und Rachgierigkeit/ ihre wuͤſte und garſtige Vnzucht/ ihre Dieberey und
Geitz/ ihre rationes ſtatûs,ſo ſihe es nicht an wie eine Kuh ein neu
Thor/ ſondern oculo claro,mit hellen/ erleuchteten Augen/
laß dich nicht verfuͤhren; Die Welt handelt als ein Gauckler/ ehe du dichs
verſiheſt/ hat ſie dir ein Mahl-Schloß ans Maul gegauckelt. Sie iſt
pomum Sodomicum, ein Sodomiſcher Apffel/ thut man ihn mit dem
Meſſer der Warheit auff/ ſo iſt nichts als Aſche zu finden. Siheocu-
lo puro,
mit reinen und heiligen Augen ohne affecten/ ohne Luſt
und Begierde ſolche Phantaſi nach zu thun.


Sihe ſie anoculo duro \& victorioſo,mit feurigen Au-
gen als ein Held/
da ſoll es heiſſen: Ego tanti pœnitere non emo!
wie dort Demoſthenes ſagt beym Gellio, Jch mag ein ſolches Wehe/ eine
ſolche Reu ſo theuer nicht bezahlen. Alſo that Loth/ deſſen Seel und Augen2. Pet, 2, 8.
wurden gequaͤlet/ es thaͤt ihm Wehe zu ſehen. Wollen wir edle Himmels-
Burger werdẽ/ ſo muͤſſen wir auch loben. Hie muß man die Muſic anſtim-
men. Zwar an Panegyricis und weltlichen Lobſprechen iſt kein Mangel!
kein Trajanus iſt ein ſolcher groſſer Schand-Bub/ er findet einen Plinium
und encomiaſten/ kein Domitianus ſo grauſam/ er findet ſeinen Martia-
lem;
Es iſt kein Backen ſo ſchaͤndlich/ er bekommet einen Kuß/ auch die
unflaͤtigen Schwaͤren werden gelecket/ und wird allenthalben der Fuchs-
Schwantz geſtrichen; pfui dich hinweg mit dieſen ungerechten verdam-
ten Panegyricis,Gott im Himmel das hoͤchſte Gut iſt allein lobens-
werth! Wann man bedencken ſoll am Sabbath/ ſonderlich die Erloͤſung
aus der Hoͤllen; da gehet man wohl hinaus/ einen Sabbath nach dem
andern ins Zech-Hauß/ ins Spiel-Hauß/ da gehet die Wahlfahrt an
nach dem Heiligen Arbogaſto, Ruperto, Ecboldo. Nun ein ieder wags
Sechſter Theil. B b b b bauff
[746]Die Zwey und Sechszigſte und letzte
auff ſein Ebentheuer! Es wird ihm heiß genug werden im ewigen
Feuer.


Apoc. 22,
11.

Wir haben bißher geſehen viel Goͤttliche Liebes-Seile; wer
ſich davon nicht will ziehen laſſen/ der nehme den Werth an/ wann er mit
Ketten der Finſternuͤß geſchleppet/ und die Krafft des goͤttlichen Schwurs
Pſ. 95, 11.fuͤhlen muß/ daß ſolche Freveler nicht zur Goͤttlichen Ruhe kommen ſollen.
Jeſus Chriſtus unſer Heiland/ der den Tod uͤberwand/ und da-
her Tod/ Suͤnd/ Teufel/ Leben und Gnad/ alles in den Haͤn-
den hat;
Er wolle uns durch ſeinen blutigen Creutzgang und Außgang
aus Jeruſalem an die Schedelſtatt/ da Er durch ſein ſchmertzlich ſpecta-
cul
am Creutz aller Welt zu einem Scheuſal und Ergernuͤß worden/ Gna-
de geben/ daß wir auch außgehen aus der Sodom durch wahre Buß; ſei-
nes Creutzgangs uns in allen Anfechtungen/ ja in der letzten Noth troͤſten/
da wir den exodum durchs Toden-Meer practiciren muͤſſen! Er errette
uns fuͤr der Hoͤllen/ fuͤr der Hoͤllen ewigem Tode/ des ewigen Todes nagen-
den Wurm/ des nagenden Wurms unaußloͤſchlichem Feuer/ daß in uns
die Sinne nicht verzagen/ wann der Feind wird das Leben
anklagen;
daß wir auch aus Egypten durchs ſchwartze Toden-Meer
hindurch gehen mit truckenem Fuß/ und am Vfer des glaͤſernen Meers
Apoc. 15, 2.
3.
ſehen/ ihm unſerm Erloͤſer das Lied Moſis ſingen/ und mit Freuden hinaus
gehen moͤgen! Deme auch fuͤr alle gute/ heilſame/ erbauliche Gedancken
und fruchtbares Gedeyen ſey Lob und Ehr/ daß ſein Reich gemehret/ des
Teufels Reich zerſtoͤret/ viel Seelen gewonnen worden; Jch ſampt euch/
ihr ſampt mir erhalten zum ewigen Leben/ Amen.



Die Zwey und Sechszigſte und letzte
vermehrte Predigt/


Vber den dritten Articul.
Von dem glaubenden Glauben.


Ion. 3, 5.
ſeqq.

GEliebte in Chriſto: Es iſt ohne allen Zweifel der Gehor-
ſam des Glaubens/ den die bußfertige Leute zu Ninive von
ſich ſcheinen laſſen/ ein rechter Wunder-Gehorſam geweſt;
Es haͤtten dieſelbige gleich anfangs/ da Jonas das Pfla-
ſter der Statt betretten/ ihm den Paß verlegen koͤnnen/
ſie haͤt-
[747]Predigt.
ſie haͤtten koͤnnen die Thore ihrer Hertzen zuſchlieſſen/ und den Riegel fuͤr-
ſchieben: Sie haͤtten koͤnnen ihre Ohren verſtopffen/ wie eine Otter/ ſiePſ. 58, 5.
Luc.
21, 15.

haͤtten koͤnnen widerſprechen vnd ſagen: Was weiſtu darvon? Wer hat
dich hieher geladen? Predige deinen Hebreern/ du biſt der Frembdling un-
ter uns/ iſt die Statt ſo viel hundert Jahr geſtanden/ ſie wird wohl ligen
bleiben/ du wirſt ſie nicht zu Grunde predigen; So uͤbel wird es unsIer. 5, 12.
c.
44, 16, 17.

nicht gehen/ Schwert und Hunger werden wir nicht ſehen/
du biſt ein Waͤſcher/ es gehe uͤber dich ſelbſt.


Sie haͤtten koͤnnen ihre Macht ihm fuͤrrucken/ ſie haͤtten koͤnnen
Zeichen von ihm fordern/ wie die Juden/ Matth. 16. die ſich nicht geſaͤttigetMatt. 16, 1.
mit irrdiſchen Zeichen/ ſie wolten Zeichen vom Himmel ſehen/ und
dannoch ihr Hertz verhaͤrtet. Sie haͤtten ſein als eines Abentheurers und
ſtinckenden Juden koͤnnen ſpotten/ verhoͤhnen/ anpfeiffen wie die Toͤchter-
Maͤnner Loths/ Gen. 19. gleich wie der Landpfleger Feſtus den ApoſtelGen. 19, 14.
Paulum fuͤr einen Abentheurer hielt/ als er ſich verantwortet/ und ſprach:
Paule/ du raſeſt. Sie haͤtten ihn koͤnnen hinaus ſtoſſen/ und ihm alsAct. 26, 24.
einem Auffruͤhrer und Kundſchaffer Briefe in ein ander Cloſter geben/
den Stul fuͤr die Thuͤr ſetzen/ wie Amos begegnet/ und wie Amazia ſagen:Amos 7,
12. 13.

Du Seher/ gehe weg/ und fleuch ins Land Juda/ und iß Brod
daſelbſt/ und weiſſage nicht mehr zu Bethel/ dann es iſt des Koͤ-
nigs Stifft und des Königreichs Hauß.
Sie haͤtten den Miche-1. Reg 22,
26. 27.
Act. 7, 59.
c.
5, 40.

am mit ihm agiren koͤnnen/ wie Ahab; oder gar den blutigen Propheten-
Lohn geben/ wie die Propheten-Moͤrder zu Jeruſalem/ ihm mit Stephans-
Vieren abzwagen/ und einen Statt-Schilling geben/ wie den H. Apoſteln
begegnet; Dann ſo wuͤrde es heutiges Tages beſorglich gehen/ der mit
ſolcher parrheſiâ wie Jonas zu Pariß/ Rom/ Conſtantinopel aufftretten
wolte/ wie wuͤrde deſſen gewartet werden/ wie wuͤrde er berathet und bewuͤr-
tet werden? daß er mit blutigem Kopffe ſchlaffen gienge.


Oder auffs wenigſte/ wo ſie nicht crudeliter und tyranniſch mit ihm
procediren wollen/ haͤtten ſie koͤnnen moras nectiren/ wie Agrippa/ Act. 26.Act. 26, 28.
Aber nein! ſine morâ, ſie brauchen keiner Weile oder Vmbſchweiffs/ ſau-
men ſich nicht lang/ es gehet ihnen durchs Hertz/ laſſen Jonæ einen freyen
ungehinderten Gang/ ſie bewuͤrthen ihn/ widerſtreben nicht/ ſind ge [...]
ſen in einfaͤltiger Gelaſſenheit/ ſie hoͤren euſſerlich pædagogicè als Schuͤler
Jonæ Predigt an/ ſie erweiſen obſequium paſſivum, bequemen ſich zum
Gehorſam/ darauff der Heilige Geiſt obſequium activum erweckt/ daß
ſie ſolche Predigt annehmen/ zu Hertzen faſſen/ und ihr Leben darnach an-
B b b b b 2ſtellen
[748]Die Zwey und Sechszigſte und letzte
ſtellen/ ſie bekehrten ſich auff die Predigt Jonæ; Es war die Gefahr vor-
handen/ ſo bald es geblitzet/ gehen ſie in ſich/ warten nicht/ biß es gar ein-
ſchlaͤgt.


Das iſt der Gehorſam an ihm ſelbſt/ ſeinerqualitaͤt/
Adel und Art nach ein rechter/ unvergleichlich groſſer Wun-
der-Gehorſam/
deßgleichen in Jſrael nicht erhoͤret worden/ und auch
in keiner Hiſtorigeleſen wird. Wunder 1. ratione organi,wann
wir anſehen den Ruͤſt- und Werck-Zeug Gottes/
durch welchen
dieſer Gehorſam gewuͤrcket/ das war ein Frembdling/ ein unangenehmer/
ſtinckender Jud/ ἄσημος, er kommt daher gelauffen/ thut kein miracul und
Wunder. Wann zu Tyro und Sidon dergleichen Zeichen geſchehen
Matt. 11, 21.waͤren wie zu Chorazin und Bethſaida/ ſie wuͤrden ſich bekehret haben/ das
waͤre kein Wunder geweſt; Aber hie groß Wunder/ ob gleich kein Wunder
und Zeichen vorgangen. Wunder 2. ratione nuncii,wann
wir betrachten die Bottſchafft;
Haͤtte er lauter Evangelia gebracht/
die der Menſch gern hoͤret/ von groſſem Gluͤck/ flor, victorien/ und ſie haͤtten
2. Reg. 14,
25.
Ioſeph. l. 9.
pag.
318.
gehorchet/ das waͤre kein Wunder geweſt/ dann ſolches hoͤret die Welt
gern/ dergleichen er gethan im Koͤnigreich Jſrael dem Jeroboam/ 2. Reg.
14. Aber hie iſt er kommen mit einer harten Bottſchafft.


Wunder 3. ratione auditorum,in anſehen der Zuhörer;
Das waren rohe Heyden in Abgoͤtterey und Laſtern erſoffen/ und darzu
in florentiſſimo ſtatu, im vollen Gluͤck/ ſie ſaſſen da wie in einem irrdi-
ſchen Paradiß/ ſie gruͤneten wie die Lorbeer-Baͤume. Daß Petrus der
Apoſtoliſche geiſtliche Fiſcher in einem Zug drey tauſend Seelen erjagt/
war kein ſo groß Wunder/ dann es waren darunter ἐυλαβει῀ς religioſi,
Actor. 2, 5.Gottesfůrchtige Maͤnner/Actor. 2. Sie hatten ein ſehnlich Ver-
langen nach dem Meſſia/ ſie hatten auff das Heil Jſrael gewartet; Aber
hie lauter Goͤtzen-Knechte und Vnflaͤther/ Ninive war ein Goͤtzen-Hauß/
vide Luth.
tom. 8.
Witteb. p.
236. f. 2.
1. Reg.
12,
24.
ein Hur-Hauß/ ein Raub-Neſt/ ein Pracht-Neſt. Wunder 4. ra-
tione numeri,
wann wir beſehen die unſägliche Zahl und
groſſen Hauffen der Menſchen;
Viel war es/ daß durch das Wort
des Propheten Semaja das gantze Hauß Juda und dem Stamm Ben-
jamin/ hundert und achtzig tauſend junge ſtreitbare Mannſchaft zuruͤck
gebracht und abgehalten wurden von dem Streit wider die Kinder Jſra-
el; Aber hie unaußſprechlich mehr/ in einer ſolchen Statt/ da allein der
jungen Kinder/ ſo noch nicht recht und linck unterſcheiden koͤnnen/ ſich ge-
funden
[749]Predigt.
funden hundert und zwantzig tauſend/ wie viel erwachſene Kinder/ Dienſt-
Botten/ wie viel Maͤnner und Weiber/ wie viel Gaͤſte und mancherley
Mutter-Kinder/ Frembdling und Pilgram? An dieſen allen geſchiehet
das groſſe Wunder durch eine eintzige Predigt/ daß ſie ſich bekehren/ und
Fruͤchte der Buſſe von ſich leuchten laſſen: Die Leute zu Ninive/ beyde
klẽin und groß/ niemand außgenommen.


Jſt alſo Ninive damals wol die beſte Statt in der Welt geweſen/ eine
rechte Gottes-Statt/ (ſind Lutheri Wort) die ihres gleichen nichtgehabt;Luth. tom.
3. Ien. pag.
216. f.
2.

Dann zeige mir eine Statt in der gantzen weiten Welt/ wanns auch die
heilige Statt Jeruſalem waͤre! Jonas reiſet nur eine Tagereiſe/ ſie haben
ihn nicht alle gehoͤret/ und doch alle bekehret. Hie moͤchte Gott wohl fagen/
was Chriſtus mit Verwunderung von dem Hauptmann zu Capernaum
ſagt/ Matth. 8. ein rares elogium:Solchen Glauben habe ich inMatt. 8, 10.
Jſrael nicht funden. Hie iſt mehr als Jonas/ hie iſt der Vrheber
und Anfaͤnger vnſers Glaubens Chriſtus Jeſus/ der haͤlt uns ſeinSym-
bolum,
den Apoſtoliſchen Glauben fuͤr/ fordert von uns den Ge-
horſam des Glaubens/ Er hat denſelben auch von Anbegin als der car
diarcha
und Jehova Niſſi, der Hertzens-Siegsfuͤrſt erhalten/ allerhandExod. 17,
15.

exempla der Nachfolge in ſeinem Wort auffzeichnen laſſen.


So laſſet uns nun folgen/ Hertzen und Ohren oͤffnen/ daß der Koͤnig
der Ehren einziehe durch wahren ſeeligmachenden Glauben! Fides quæ
creditur,
Der geglaubte Glaube iſt bißher weitlaͤufftig durch alle
drey Articul tractirt und gehandelt worden: Jſt auch etwas de Fide
quæ credit,
von dem Glauben/ der da glaubet fuͤrgetragen wor-
den; Des guten Dings kan man nicht zu viel thun/ wollen demnach zum
Beſchluß noch einmahl vollkommenlich und außfuͤhrlich von dem
höchſtnothwendigem Geheimnuͤß des Glaubens der da glau-
bet/ oder des glaubenden Glaubens
zu reden und zu hoͤren uns
nicht verdrieſſen laſſen. Gott der Heilige Geiſt/ der Verſiegler aller
himmliſchen Guͤter/ wolle auch zum Beſchluß denſelben in unſer Hertz
einſchlieſſen/ und wohl verſieglen/ daß wir wie hie in dem Gnadenreich
Vorſchmacksweiſe/ alſo dort im Himmelreich/ in der ewigen Seeligkeit
deſſelben Ende und Fruͤchte wuͤrcklich und unerſaͤttlich genieſſen moͤgen/
umb Jeſu Chriſti unſers Seelen-Schatzes willen/ Amen.


B b b b b 3So iſt
[750]Die Zwey und Sechszigſte und letzte

SO iſt nunFides quæ credit,der glaubende Glaube/
der da glaubet/
Erſtlich oculus cordis,ein innerliches
Hertzens-Auge/
ſo fuͤrleuchten und fuͤrſcheinen muß/ und das
gantze Hertzens-Hauß mit himmliſcher Klarheit erfuͤllen. Soll die Koͤ-
nigin aus Reich Arabia glauben/ wahr ſeyn/ was die fama und das Ge-
ruͤchte auff ihren Fittigen in Arabiam getragen von der Weißheit und
Herrligkeit Salomonis/ ſo muß dieſelbe ihr zuvor in die Augen leuchten;
1. Reg. 10, 7.
2. Reg.
6,
17.
Jch habe es nicht wollen glauben/ ſagt ſie/ biß ich kommen bin/
und habs mit meinen Augen geſehen.
Soll der Diener Eliſæ
glauben/ daß dero mehr ſeyn bey ſeiner Seite/ als der Feinde jenſeit/ ſo muͤſ-
ſen ihm zuvor die Augen geoͤffnet werden/ daß er ſehe die feurige Roß und
Wagen/ die himmliſchen Heerſchaaren/ die ihm zum ſuccurs und Schutz
vom Himmel herab geſendet worden: Soll einer ein koͤſtlich præſent, zum
Exempel einen Diamant mit Danck annemen/ und ſich daruͤber erfreuen/
ſo muß er deſſelben Krafft/ Preiß und Tugend verſtehen und ſchaͤtzen und
unterſcheiden/ damit er nicht an ſtatt eines Orientaliſchen einen ſchlechten
Boͤhmiſchen Diamant ergreiffe/ und alſo quid pro quo annehme: Alſo
ſoll ein Menſch die himmliſchen Gnaden-Schaͤtze in den Glaubens-Arti-
culen fuͤrgetragen danckbarlich annehmen/ und fuͤr wahr halten/ was da
angetragen worden/ ſo muß er auch verſtehen und erkeñen/ was es ſey/ duꝛch
keine eingewickelte Wahr ohne Erſuchung derſelben ſich verfuͤhren laſſen.


Hiob. 19,
25.
2. Tim. 1,
12.
Matth.
13,
19.

Daher der gedultige Mann Gottes Job ſagt: Jch weiß daß
mein Erloͤſer lebt/
und St. Paulus: Jch weiß welchem ich ge-
glaubet hab.
Chriſtus ſpricht Matth. 13. Wann iemand das
Wort von dem Reich höret/ und nicht verſtehet/ ſo kommt der
Arge und reiſſet es hin.
Vnd widerumb ὁ ἀναγινώσκιον νοείτω, Wer
c. 24, 15.
Rom. 10,
14.
Col.
1, 9.
es lieſet/ der verſtehe es auch. Matth. 24. Wie ſollen ſie glau-
ben/ davon ſie durch hören nichts verſtanden?
St. Paulus
wuͤndſchet ſeinen Coloſſern/ daß ſie moͤchten erfůllet werden mit
der Erkaͤntnuͤß ſeines Willens in allerley geiſtlicher Weißheit

1. Ioh. 5, 13.und Verſtand. Vnd St. Johannes in ſeiner erſten Epiſtel cap. 5.
Solches habe ich euch geſchrieben/ auff daß ihr wiſſet/ daß ihr/
ſo ihr glaubet an den Namen des Sohnes Gottes/ das ewige

Ioh. 17, 3.Leben habet/ ſonderlich Joh. 17. Das iſt das ewige Leben/ daß ſie
dich Vater erkennen/ und den du geſandt haſt/ Jeſum Chriſt;

Gleich
[751]Predigt.
Gleich wie das iſt das natuͤrliche Leben/ das ein Kind aus ſeiner Mutter
Bruͤſten ſauget/ die Milch und alſo muͤtterliche Treue ſchmecket und em-
pfindet: Alſo iſt diß das ewige Leben/ daß ein Menſch aus Gottes Wort
ſauget/ ſchmecket und alſo erkennet die lebendige Krafft/ Troſt und Segen
ſeines Gottes/ und damit ſich im Hertzen ergetzet; Die bloſſe Wiſſenſchafft
der Hiſtori gibt weder kalt noch warm/ ſondern die erleuchtete/ lebendige/
ja lebendigmachende Erkaͤntnuͤß; So dieſer Morgenſtern in uns auff-
gehet/ ſo bald verſtehet der Menſch die hohen Gaben/ ꝛc.


Wie/ ſprichflu/ ſoll ich das verſtehen? Hab ich doch ie und allezeit ge-
hoͤret aus St. Pauli Epiſtel an die Hebreer c. 11. der Glaube ſey eineHebr. 11, 1.
gewiſſe Zuverſicht deſſen/ das man nicht ſihet/conſequenter
nicht verſtehet/ quod vides non eſt fides, turbam non intelligendi vivaci-
tas, ſed credendi ſimplicitas tutam facit,
Was man mit Augen ſihet/ das
darff keines Glaubens/ nicht der hohe Verſtand/ ſondern des Glaubens
Einfalt ſtillet das Hertz und machet es ſicher/ Der natuͤrliche Menſch1. Cor. 2, 14.
verſtehet nicht was des Geiſtes Gottes iſt/ es iſt ihm eine
Thorheit.
Allrecht: Es verſtehet der natuͤrliche ihm ſelbſt gelaſſene/
widerſpenſtige Menſch ohne vorhergehende Bewegung und Enderung
ſeines Hertzens freylich nicht die purbloſſe/ uͤbernatuͤrliche Geheimnuͤſſe
des Glaubens: Er kan ſie mit ſeiner euſſerlichen/ leiblichen/ natuͤrlichen/
auch innerlichen/ figuͤrlichen Vernunffts Augen nicht ſchauen noch faſſen;
Gleich wie aber der Diener Eliſæ die Schutz-Engliſche Heerſchaaren nicht2. Reg. 6,
15. 16. 17.
Marc. 10,
46.
Luc.
23, 42.

ſehen koͤnnen mit ſeinen natuͤrlichen Augen/ aber ſo bald er von oben her
illuminirt und erleuchtet worden/ ſo hat ers geſehen: Bartimæus der blinde
Bettler hat mit ſeinen natuͤrlichen Augen Jeſum den Sohn David nicht
geſehen/ der Schaͤcher am Creutz hat mit ſeinen natuͤrlichen Augen nichts
fuͤr ſich gehabt/ als einen armen verhoͤneten/ mit Dornen gekroͤneten/ am
Creutz hangenden Jefum von Nazareth/ aber mit den erleuchteten Glau-
bens-Augen hat er geſehen ein geiſtliches Koͤnigreich/ einen himmliſchen
Koͤnig/ ein Paradiß/ darumb er ſo ſehnlich angehalten.


Euere Liebe verſtehe es in einem gemeinen bekanten Gleichnuͤß/ ge-
nommen aus unſern Haußhaltungen: Es wird bey finſterer Nacht ir-
gend vermittelſt des Feuerzeugs ein Liecht geſchlagen/ das Eiſen erweckt
aus dem Stein die Fuͤncklein/ die werden von dem Zundel empfangen und
angenommen/ aus den Funcken wird ein Liecht/ davon das gantze Hauß
oder Gemach beſchienen und erleuchtet wird: Ein von Natur Blinder
aber ſihet dieſes Liecht nicht/ es gehoͤret dazu der Cryſtalline humor und ein
leuchten-
[752]Die Zwey und Sechszigſte und letzte
leuchtendes Augen-Liecht/ damit das euſſerliche Liecht empfangen wird:
Alſo wird auch nach dem durch den Geſetz-Ham̃er das ſteinerne Hertz des
Menſchen zerknitſchet und muͤrbe worden/ durch den H. Geiſt ein ſchoͤnes
Glaubens-Liecht angezuͤndet/ ſoll aber der Menſch daſſelbe ſehen/ genieſſen/
deſſelben als eines lieblichen Augen-Troſts ſich erfreuen/ ſo gibt Gott der
Herr ein erleuchtetes Auge ins Hertz hinein/ das iſt uns nicht angebo-
ren/ ſondern von neuem erſchaffen/ und durch das euſſerliche Liecht ſelbſt.
Das natuͤrliche Liecht machet die Augen nicht/ ſondern ſie muͤſſen vor da
ſeyn/ dieſes himmliſche Liecht gibt Schein und Augen zugleich mit.


Es iſt aber dieſe Schaugradual,ſie hat ihreproportion
undgradus; Jm Alten Teſtament hat man gleichſam als im Schat-
ten geſehen die kuͤnfftigen Guͤter; Jm Neuen Teſtament ſind ſie als im
Spiegel und Bild erſchienen/ das corpus ſelbſt werden wir ſchauen in je-
nem Leben: Hie iſts Stuckwerck/ hie gehet es confus her wie mit jenem
Marc. 8, 23.
24. 25.
Blinden/ Marc. 8. der ſihet erſtlich Baͤume fuͤr Leute an/ folgends ſihet er
erſt alles accurat, genau und ſcharff/ wie es war.


Luth. in poſtill part. 1. am Sontag Eſto mihi. p. 81. Jch verkuͤndige
dir Vergebung der Suͤnden/ und abſolvire/ oder entbinde dich aus dem Befelch
Chriſti. Da hoͤreſt du das Wort/ und wann du es gehoͤret/ und von Suͤnden
eutbunden biſt/ ſo fuͤhleſt du dannoch nicht/ daß Gott und ſeine Engel dich an-
lachen. Von ſolcher Freude weiſſeſtu gar nichts/ davon der HErr ſagt: Die
Engel im Himmel freuen ſich uͤber einen Suͤnder/ der ſich bekehret. Alſo/ wann
du ietzt getaufft biſt/ haſt du eben die Haut und das Fleiſch nach der Tauffe/ wel-
ches du vor der Tauffe hatteſt. Soll es aber darumb beydes nicht ſeyn/ die abſo-
lutio
und die Tauffe? O nein! darumb lerne alſo ſagen: Gott hat mich getaufft/
Gott hat mich durch ſein Wort abſolvirt und von Suͤnden entbunden/ darumb
glaube ich feſt/ ob ichs gleich nicht ſehe oder fuͤhle/ daß Gott mich anlache/ und ſei-
nen Sohn heiſſet/ und Chriſtus mein HErr heiſſet mich ſeinen Bruder/ und die
lieben Engel haben eine ſonderliche groſſe Freude uͤber mir. Solches/ ſage ich/
glaube ich/ und habe gantz und gar keinen Zweifel nicht dran. Will es der Papſt
nicht glauben/ ſchadet nicht/ ich will es glauben/ dann Gott wird mir in ſeinen
Worten nicht luͤgen. Die Juͤnger hie konten dieſe Kunſt nicht/ ſonſt wuͤrden ſie
nicht lange davon diſputiret oder verwundert haben/ eben wie ers redet/ alſo wird
es euch gehen/ dann der Mann kan nicht luͤgen/ es geſchehe gleich wann oder wie
es wolle. Aber der Blinde/ da der Evangeliſt von meldet/ der kan ſolche Kunſt
uͤberaus wohl. Seine Augen ſind ſtarrblind/ daß er nicht ein ſtick damit ſihet/
aber bald da das Wort klinget/ Sey ſehend! glaubt ers/ darumb widerfaͤhret
ihm auch wie er glaubet. Solch Wort/ das noch allein iſt/ redet von einem
Ding/ das nicht vorhanden iſt/ dann die Augen ſind dem Blinden noch zu/ aber
bald auffs Wort/ weil ers glaubet/ folget das Werck/ wie ers geglaubet hat.


Es iſt ferner und zum andern der glaubende Glaub eine Her-
tzens-Zung/ ſo das Ja-Wort von ſich gibet/ und der goͤttlichen

Warheit
[753]Predigt.
Warheit mit Ja und Amen beypflichtet/ heiſſet ſonſt ohne figur
und Wort-Blum deraſſensund Beyfall/ daher bey den Hebreern
hejemin oder vaijamin, Jon. 3. ſo viel heiſſet als Amenificarunt,Ion. 3, 5.
Amen dixerunt,Sie haben Amen dazu geſagt/ ſo bald die
glaubfaͤhige Zuhoͤrer Gottes ſo wohl Sinaiſche Draͤu-Wort/ als Sio-
niſche Troſt-Wort empfangen und gefaſſet. Alſo mußte/ Devt. 27. dasDevt. 27,
15. ſeqq.

Jſraelitiſche Volck die jenige Fluͤche/ ſo die Leviten auff dem Berge Ebal
außgeruffen/ mit dem Wort Amen verſiegeln und bejachzen; Der
Prophet Jeremias c. 11. da er den Fluch des Herren angehoͤret/ ſagte:Ierem. 11, 5.
HErr/ ja/ es ſey alſo/ und in der erſten Apoſtoliſchen Mutter-Kirch zu
Corintho war ein loͤblich Gebrauch und Sitte/ wann der Prophet oder
Prediger den Segen geſprochen/ ſo haben alßdann die Leyen und Zuhoͤrer
mit Hertz und Mund pflegen zu ſagen: Amen! 1. Cor. 14. Waͤre gut/1. Cor. 14,
16.

es geſchehe noch auff den heutigen Tag/ daß wann der Prediger die abſo-
lution
und Segen außſpricht/ ein ieder denſelben mit Ja und Amen be-
jachzete.


Es iſt aber ein ſolches Amen 1. ein grundfeſtes/ wohlge-
gruͤndetes/ gewiſſes/ ja Him̃el-feſtes Wort/
ſo ſich gruͤndet/ ſteiffet.
und ſtuͤtzet auff eine unbewegliche baſin, Stuͤtze/ Seul und Vnterhalt/
gleich den armen Aarons und Hur/ damit ſie Moſis außgereckte Hand/
damit er den wunderthaͤtigen Stab als ein Vexill und Panier empor ge-
hoben und erhalten/ davon ſtehet geſchrieben Exod. 17. Moſis HandExod. 17,
12.

ſey ſteiff geblieben/Emuna ſtehet in ſeiner Sprach. Fragſtu/ wel-
ches dieſelbe
baſisund Grundfeſte ſey? Antwort: Πιςὸς ὁ λόγος,() 1. Tim. 1,
15. c. 3, 1.
2. Tim. 2,
11.
Tit.
3, 8.

Das glaubwůrdigſte/ theuerſte und wertheſte/ feſte/ Prophe-
tiſche Wort des
jenigen HErren/ der iſt der Felß/ Grund und Eck-
ſtein unſers Heils/ der nicht luͤgen kan/ der da heiſſet ἀυτὸς ἔφα! das Wort
des jenigẽ HErrn/ der durch die Prophetẽ geredt/ das der Chaldeiſche Dol-
metſch nennet [...] Αόγον ὑποςατικὸν das ſelbſtaͤndige Wort/ der
Mund und Grund aller Warheit/ oder der redende/ warhafftige
Sohn Gottes/
der durch den Propheten Jona/ wie auch andere Pro-
pheten und Maͤnner Gottes zu Ninive geprediget/ [...]Ion. 3, 5.
Pſ.
106, 12.

Sie haben an ſein Wort geglaubet/ ſo durch Moſen fuͤrgetragen
worden; Darumb ſagt der Apoſtel: Weil das Wort grundfeſt iſt/ ſo will
ich auch haben/ daß du deine Lehr und Glauben darauff gruͤndeſt. Nicht
Sechſter Theil. C c c c callein
[754]Die Zwey und Sechszigſte und letzte
Apoc. 1, 7.allein ſein Dräu-Wort heiſſet Ja und Amen/Apoc. 1. ſondern
2. Cor. 1,
20.
auch feine Evangeliſche Verheiſſungs-Wort ſind Ja und
Amen in Chriſto.


Nicht allein iſt dieſes Amen ein feſtes Ja-Wort/ ſondern auch
Amen ἐλεγχόμενον, ein uͤberzeugtes/ uͤberweiſetes Amen; Der
Glaube wird von St. Paulo definirt und beſchrieben per elenchum;
Nun heiſſet ἔλεγχος ſo viel als eine im Hertzen und Gewiſſen uͤberweißete
Warheit/ geſtalt in ſolchem Verſtande diß Wort gebraucht wird von St.
Ioh, 8, 7. 9.Johanne c. 8. da er erzehlt von den Phariſeern und Schrifftgelehrten/ die
den Herren durch Darſtellung eines im Ehebruch begriffenen Weibes
verſucht/ Er aber zu ihnen geſagt: Welcher unter euch ohne Suͤnde
iſt/ der werffe den erſten Stein auff ſie.
Da meldet Johannes
ὑπὸ συνειδήσεως ἐλεγχομένους, ſie ſeyen von ihrem eigenen Gewiſſen
uͤberzeuget worden/
daß ſie umb kein Haar beſſer/ und Schand Buben
in der Haut ſeyen. Alſo iſt der Zeuge/ ſo da Amen ſpricht/ uͤberwieſen
und uͤberzeuget im Hertzen/ und daß diß/ ſo aus dem feſten Prophetiſchen
Wort angebracht worden/ des wahren lebendigen Gottes Himmel-feſtes
unfehlbares Wort ſeye.


Woher aber convincirt? Durch wahre kraͤfftige argumenta und
maͤchtige motiva uͤberwieſen? Haben die miracul und Wunderwercke
ſolche Krafft dem Worte Gottes einen Schein zu geben und credibilitaͤt
und Glaubwuͤrdigkeit zu verurſachen? O nein! Bloſſe paſſiv-miracul
und Sigill ohne Wort ſind viel zu ſchwach/ es ſind an den jenigen Perſo-
2. Reg. 4,
35.
Luc.
7, 15.
nen/ ſo von Toden wider aufferwecket/ der Sunamitin Sohn/ dem Juͤng-
ling zu Nain groſſe miracul geſchehen/ und folgete doch nicht daraus/ daß
derſelben Wort unfehlbare/ Goͤttliche/ feſte/ Prophetiſche Wort/ daß
ſie authentici Zeugen/ Botten und Ehrnholden des Hoͤchſten geweſt.
Miracula ſind und bleiben Glocken/ die zur Kirche laͤuten/ mangelts am co-
mitat
des Worts/ ſo ſind ſie ſo viel nuͤtz als Pfeiffen/ Harffen/ Poſaunen/
die einen undeutlichen Thon von ſich geben/ in Wind gehen und ver-
ſchwinden.


Hat irgend der Propheten und heiligen Maͤnner Gottes Perſon
herfuͤrleuchtenden Froͤmmigkeit und Tugenden ſolche durchdringende
Krafft gehabt/ die Hertzen zu uͤberfuͤhren? Auch nicht/ dann es ie mehr ge-
ſchehen/ daß ſich der Teufel durch ſeine Werckzeuge in einen Engel des
Liechts vermummet/ und haͤtte wohl das contrarium bey etlichen koͤnnen
heraus gefolget werden: Pharao haͤtte Moſi ſeine veruͤbte Mord-That/
die Ni-
[755]Predigt.
die Niniviten dem Jonas ſeinen Vngehorſam wider Gott vorwerffen
und entgegen ſetzen koͤnnen. Pflegt dann Gott unmittelbar die Hertzen
zu erleuchten/ daß ſie bekennen muͤſſen/ Gott der Herr ſeye es/ der da
redet? Ja wohl bey den theopneuſtis, bey den von Gott unmittelbar
getriebenen Propheten und Maͤnnern Gottes/ nicht aber bey den Schuͤ-
lern der Propheten/ dann warumb haͤtte Er das Propheten- und Predig-
Ampt eingeſetzt/ wann Er unmittelbar durch enthuſiaſmos mit uns
Menſchen haͤtte handlen wollen? Darumb bleibet es dieſem allem nach
bey dem Worte Gottes ſelbſt. Der Geiſt zeuget ſelbſt/ daß der1. Ioh. 5, 6.
Geiſt Warheit ſey/ ſpricht St. Johannes.


Deſine, cur videat nemo ſine Numine Numen
mirari, ſolem quis ſine ſole videt?
()

Gleich wie die Sonn ihr Selbſt-Liecht und Selbſt-Zeuge iſt/ die durch ihre
Strahlen/ Glantz und Schein ſich ſelbſt anmeldet: Alſo auch Gott der
Herr beweiſet ſeine divinitaͤt und Goͤttliche Warheit ſelbſt durch die
Strahlen ſeiner im Wort Gottes fuͤrleuchtenden Majeſtaͤt/ Heiligkeit und
durchdringende Krafft.


Fragſtu zum Exempel durch was kraͤfftige motiv die Hertzen der
Leute bewogen worden/ daß ſie geglaubt/ Jonas ſey ein Mann Gottes/ ein
Goͤttlicher Ehrenhold/ und ſein Wort ſeye das unfehlbare Wort des wah-
ren lebendigen Gottes? Antwort: Das gepredigte Wort Jonæ hat von
ſich leuchten laſſen den Strahl der Goͤttlichen Majeſtaͤt/ Allwiſſenheit und
Warheit/ als dadurch nicht allein ihre ſonſt Jonæ unbekante Vnflaͤtherey
und Winckel-Suͤnden ans Liecht kommen/ und haben ſie daher folgern
und ſchlieſſen koͤnnen/ gleich wie die Samariterin: Der Menſch/ derIoh. 4, 19.
29.

mir beym Jacobs-Brunnen erſchienen/ hat mir geſagt/ alles was ich
gethan/ darumb ſihe ich/ daß er ein Prophet iſt:
Sondern auch
ihnen Gottes Straffe und der Statt Vntergang nicht nur geſagt/ ſon-
dern auch klar/ nicht nur klar/ ſondern auch wahr/ nicht nur wahr/ ſondern
auch zuvor/ nicht nur zuvor/ ſondern auch gewiß/ auff beſtimmte Zeit und
Tag geſetzet; welches er nicht wie die Spinnen aus ſich ſelbſt ſpinnen koͤn-
nen/ ſondern als eine Bien aus Goͤttlicher revelation und Offenbarung
geſauget. Dazu kommet die Heiligkeit (nicht der Perſon/ dann dieſe
kan betruͤgen und verfuͤhren/ ſondern) der Lehr; Es hat ſich bey ihm er-
zeiget der character Propheticus, davon Jeremias/ die Propheten dieIer. 28, 8. 9.
vor mir und vor dir geweſen ſind/ von Alters her/ die haben
wider viel Länder und groſſe Koͤnigreiche geweiſſaget/ von

C c c c c 2Krieg/
[756]Die Zwey und Sechszigſte und letzte
Krieg/ von Vngluͤck und von Peſtilentz: Wann aber ein Pro-
phet von Frieden weiſſaget/ den wird man kennen/ ob ihn der
HERR warhafftig geſendet/ wann ſein Wort erfuͤllet wird.

Lutherus gloſſirt am Rande daſelbſt; Es ſind gewiß falſche Pro-
pheten/ welche lieblich tröſten/ ſo doch die Leute boͤſe ſind;

Darumb auch das gute/ ſo ſie verkuͤndigen/ nicht erfolget.


Vber alles war die efficacia, die gewaltige/ durchdringende/ Hertz-
brennende/ Seelen-bewegende Krafft/ welche ſie die Leute zu Ninive in ſich
Matth. 12,
41.
ſelbſt gefuͤhlet und empfunden; Die μετάνοια (μετανόησαν γὰρ, ſagt Chri-
ſtus) die Hertzens-Reu/ Nachſinn und Nachangſt/ das Thraͤnen-Waſſer/
die feurige Glaubens-Funcken/ die durch den Hammer des Geſetzes aus
ihren felſinen Hertzen erweckt und außgepreſſet worden; die wunderſeltza-
me cataſtrophe und Verwandlung der Statt Ninive/ weiland eines groſ-
ſen Goͤtzen-Hauſes/ nunmehr einer Statt Gottes: weiland einem Luͤgen-
Pfuhl/ nun aber Tugend-Schul: weiland einem Schau-Platz der Hof-
fart und ſchnoͤden Wolluſt/ nun aber ein Schau-Platz der Maͤſſigkeit/ Fa-
ſten und Saͤcke: weiland einer Loͤwen- und Moͤrder-Grube/ nun aber
einem Schaf-Stall des Meſſiæ: weiland eines garſtigen Huren-Hau-
ſes/ nun aber einem diſciplin- und Zucht-Hauß; Darumb ſie auch auff
die Erden fallen/ bekennen und ſagen muͤſſen/ daß warhafftig Gott in
und durch Jona geredet. Hie iſt der Finger Gottes!


Vber das/ ſo iſt auch unſer glaubiges Amen/ davon wir allhie
reden/ ein ſiegreiches Ja-Wort/ welches in dem duell mit der Ver-
nunfft die Oberhand behaltet; Vernunfft wider den Glauben ficht/ wann
ſie ſagt lauter nein/ ſo ſagt der Glaube Ja/ Ja! Hie iſt Gottes Wort/
2. Sam. 7,
28.
Himmel- und Eyd-feſte Verheiſſung/ hie Siegel und Beruff! HErr/
HErr/ du biſt Gott/ und deine Wort werden Warheit ſeyn!

Pſ. 27, 8.Mein Hertz haͤlt dir deine Zuſage fuͤr/ du wolteſt niemand ver-
ſchmaͤhen/ der dich ſuchet/ HErr/ drumb mich gewähr/ laß
mich dein Antlitz ſehen; mein Glaube wird mich nicht truͤ-
gen/ dann Gottes Wort kan nicht luͤgen. Hierinn ich kei-
nen Zweifel trag/ dein Wort kan nicht betruͤgen; Nun ſagſtu/
daß kein Menſch verzag/ das wirſtu nimmer luͤgen! wer
glaubt an dich/ und iſt getaufft/ demſelben iſt der Himmel er-
kaufft/ daß er nicht werd verlohren.


Belan-
[757]Predigt.

Belangende endlich die glaubige Hertzens-Hand/ ſo iſt die-
ſelbe anders nicht als das Marck/ Seel und Geiſt des ſeeligma-
chenden Glaubens/
ſo da heiſſet λαβὴ, dieapprehenſionund
zuverſichtliche Ergreiſſung aller der jenigen Gnaden-Schaͤtze
und koͤſtlicher Perlin/ ſo im Evangelio geoffenbaret/ und biß-
her im Chriſtlichen/ Apoſtoliſchen Glauben angebotten und
fuͤrgetragen worden/
und wird diefelbe eben ſo wohl als deraſſens
und Beypflicht in dem Hebreiſchen Wort Hejemin angedeutet/
und wird alſo in dem Neuen Teſtament erklaͤret und außgeleget/ daß
glauben ſo viel heiſſen ſoll als mit der Hand eine himmliſche Ga-
be annehmen/ faſſen und halten/
wie bald die teſtimonia und Zeug-
nuͤſſen der H. Schrifft hievon lautend ſollen erzehlet werden; Sonderlich
deutet darauff der Ebreiſche Text in dem præfixo [...] beth; Vnſere
Teurſche Sprach iſt zu arm/ deſſen Verſtand mit einem Worte zu er-
ſchoͤpffen. Welches (tanquam [...] πολυσημασίας) ob es wol () vieler-
ley Bedeutungen hat/ und in der H. Sprach nicht nur ſo viel heiſſet als
credere in Deum, ſondern auch credere Deo, nicht allein glau-
ben in Gott;
ſondern auch Gotte in ſeinem Wort glauben/
welches auch von Heuchlern/ ja von Teufeln ſelbſt kan außgeſprochen wer-
den/ dann als der HERR Jeſus zu Jeruſalem war in denIoh, 2, 23.
24.

Oſtern auff dem Feſt/ glaubeten viel an ſeinen Namen/ da ſie
die Zeichen ſahen/ die Er thaͤt/ aber Jeſus vertrauet ſich ihnen
nicht/ dann Er kante ſie alle;
Alſo glaubten der Oberſten vielc. 12, 42.
an ihn/ aber umb der Phariſeer willen bekanten ſie es nicht/
daß ſie nicht in den Bann gethan wuͤrden; dann ſie hatten
lieber die Ehre bey den Menſchen/ dann die Ehre bey Gott.


() vid. Glaſſ Philol S. p. 623. Tarnov ad Ion 3. p. 95. Aliquando [...] pro [...]
ſignificat fidem hiſtoricam, credere Deo ob auctoritatem dicentis, Conf. Gen. 15, 6.
cum Rom. 4, 3. Exod. 14, v. ult. cum Pſ. 106, 12. 24. Ioh. 2, 23. 24. Ioh. 12, 42. Act. 26, 27.
Aliquando eſt [...] inſtrumenti 1. Cor. 10, 2. ubi Syrus per manum Mofis.


Welche Art des Glaubens auch von dem hiſtoriſchen Glauben ge-
braucht wird/ und von einem ſolchen Glauben redet/ den auch die Heuchler/
ja der Sathan ſelbſt haben kan und mag. Jedoch gebens an manchem
Ort die Vmbſtaͤnde des Texts ſampt der Glaubens-regul, daß angeregtes() Gen. 39,
5.
Pſ.
84, 4.

beth ſeye und heiſſe () beth vaſis, beth fiduciæ, Pſ. 84. ꝛc. Gleich
C c c c c 3wie
[758]Die Zwey und Sechszigſte und letzte
wie zur Zeit des Kriegs man ſich ſalvirt auff hohen Bergen/ Haͤuſern und
Schloͤſſern/ die Egypter/ da das groſſe Hagel-Wetter geweſt/ ſich in ihren
Exod. 9, 25.Haͤuſern geſichert/ dann der Hagel ſchlug in gantz Egyptenland
alles was auff dem Felde war/ beyde Menſchen und Vieh/
und ſchlug alles Kraut auff dem Felde/ und zerbrach alle Bäu-
me auff dem Felde.
Alſo heiſſet in Gott glauben/ das iſt/ in
Gott oder in Makom, in ein feſtes Hauß/ Schloß/ Burg hinein gehen/
daſelbſt ſich fuͤr Vngewitter und alles widerwertigen Gewalt ſich zu ſchuͤ-
tzen/ und bedeut eine Zuverſicht auff Gott den HErren/ wie Da-
Pſal. 18, 19.
30.
vid ſagt Pſal. 18. Der ward meine Zuverſicht/ dann mit dir kan
ich Kriegsvolck zerſchmeiſſen/ und mit meinem Gott ůber die

Pſ. 60, 14.Mauren ſpringen. Mit Gott wollen wir Thaten thun/ Er
wird unſere Feinde untertretten.


Beth contactûs, apprehenſionis, inſtrumenti, Es bedeutet
eine Beruͤhrung/ Ergreiffung/ und einen Werckzeug/ wie
Gen. 48,
22.
Hab.
2, 4.
Gen. 48. bekarbi bekaſtimit meinem Schwert und Bogen.
Jn welchem Verſtand Habacuc ſagt c. 2. Der Gerechte werde leben
[...] in ſeinem Glauben/
das iſt/ ſein Glaube werde das in-
ſtrument
ſeyn/ damit es das rechtſchaffene Gnaden- und Glori-Leben
werde erhalten; Der Glaube werde der Mund ſeyn/ damit er das Leben
aus Chriſti Mutter-Bruͤſten ſaugen/ die Hand damit er werde das Leben
ergreiffen/ ſein Glaube ſey ein lebendig-gerecht- und ſeeligmachender Glau-
be/ und bedeutet alßdann die angedeutete λαβὴν, da eine glaubige Seele ſich
leget in des him̃liſchen Vaters weit außgebreitete Gnaden-Arm/ daß ſie da-
von werde warm; ſie legt ſich in den Schoß Jeſu Chriſti/ als deſſen Braut/
und ſauget aus ſeinen Bruͤſten das geiſtliche Leben/ das Gnaden-Leben/
Freuden-Leben/ Frieden-Leben/ Troſt-Leben; Sie henget ſich an den Brun-
nen aller himmliſchen Segen/ Chriſtum Jeſum/ οὐράνιον δῶρον, die theuerſte
Gab/ ſchlieſſet ſich in die Wunden Chriſti/ ergreiffet ſeine Siegs-Fahnen/
faſſet allen den Raub und Beute aller unermeßlichen Gnaden-Gaben/
die Chriſtus durch ſein Leiden und Tod errennet und erworben/ ſonderlich
ergreiffet eine ſolche glaubige Seel die Quell und Wurtzel aller Gnad/ den
Schluͤſſel des Himmelreichs/ die Ablaß der Suͤnden/ welchen Schatz
Chriſtus ſeinen Juͤngern angehauchet und angeblaſen/ da er geſagt:
Ioh. 20, 22.
23.
Nehmet hin den Heiligen Geiſt/ welchen ihr die Suͤnden ꝛc.
der Heilige Geiſt iſt der himmliſche Finger/ durch welchen uns alle im
Evan-
[759]Predigt.
Evangelio geoffenbarte Schaͤtze durchs Wort und Sacramenta ange-
boten/ dargereichet und mitgetheilet werden.


Jſt die jenige λαβὴ, geiſtlicheBaſia-manus,der gerecht-
ſeelig- und lebendigmachende Handgriff/
davon der Evangeliſt
St. Johannes geſchrieben: Das Wort/ das iſt/ der ewige SohnIoh. 1, 11. 12.
Gottes kam in angenommener Menſchheit in ſein Eigenthumb/
zu dem Juͤdiſchen Volck; Aber die ſeinen nahmen ihn nicht auff
durch den Glauben/ ſondern ſtieſſen ihn von ſich durch Vnglauben; Die
ihn aber annehmen/ gab Er Macht Kinder Gottes zu wer-
den;
Jhr glaubiges Annehmen war manus adoptiſica die Kindma-
chende Hand. St. Paulus ſagt/ er ſey geſand unter die Heyden/Act. 26, 18.
auffzuthun ihre Augen/ daß ſie ſich bekehren von der Finſter-
nuͤß zum Liecht/ und von der Gewalt des Sathans zu Gott/

τοῦ λαβει῀ν zu empfangen/ das iſt/ zu ergreiffen Vergebung der
Suͤnden/
das iſt/ ſein glaubiges Annehmen iſt manus juſtifica, die ge-
rechtmachende Hand; Vnd [widerumb] τὸ πνεῦμα ἐλάβετε, Jhr habtGal. 3, 2.
den Heiligen Geiſt empfangen durch die Predigt vom Glau-
ben; Seyt feſt im Glauben/ durch welchen ihr angenommeu
Col. 2. 7.
habt den HErren Jeſum Chriſtum; Laſſet uns herzu trettenEbr. 4, 16.
mit Freudigkeit zu dem Gnadenſtul/ auff daß wir Barmher-
tzigkeit empfahen/
(λάβωμεν ἔλεον) und Gnade finden! das iſt/
dieſes glaubige Annehmen iſt der Glaube/ der Gottes Barmhertzigkeit
erlanget/ Chriſtum die Quell alles himmliſchen Segens an ſich ziehet/
die Gabe des Heiligen Geiſtes und ſeine Gnad- und Glori-Gaben wuͤrck-
lich empfanget.


Summa/ dieapprehenſionund Ergreiffung der himm-
liſchen Schaͤtze und Guͤter/
ſo im Evangelio geoffenbaret/ durch
Chriſtum erworben/ durch den Heiligen Geiſt verehret und geſchencket
worden/ iſt der gerecht- und ſeeligmachende Glaube/ und ob gleich
die Schrifft dem Glauben die juſtification die Gerecht- und Seeligma-
chung beyleget/ ſo iſt doch ſolches nicht in abſtracto, bloß vom Glauben-
Griff und der Bettlers-Hand abſonderlich/ ſondern in concreto, von dem
Heiligthumb und Schatz/ den des Glaubens Hand gefaſſet und ergriffen/
zu verſtehen; Die arme Hand machet einen Bettler nicht Reich/ ſondern
der groſſe Schatz in der Hand; Alſo auch das koͤſtliche Perlin/ das Ver-
dienſt
[760]Die Zwey und Sechszigſte und letzte
dienſt Chriſti/ ſo fern daſſelbe mit Glauben angenommen und ergriffen/
machet reich/ machet gerecht/ machet ſeelig. Euere Liebe verſtehe es in
() apud Si-
gon. hiſt.
occid. l. 3.
ann.
741.
einem Gleichnuͤß: Der Griechiſche Kaͤyſer () Conſtantinus Coprony-
mus,
nach dem er ein Verbott außgehen laſſen/ daß niemand die Mutter
Gottes anbetten ſolte/ zeiget er denen/ ſo umb ihn geſtanden einen Seckel
voll Goldes/ fragt/ wie hoch und theuer ſie ihn ſchaͤtzen? Dieſe antworteten:
Sehr hoch und theuer! Darauff nimmet er das Geld aus dem Seckel
hinweg/ fragt abermahl/ wie theuer ietzund? Sie ſprachen: Nihili, ietzt
iſt der Seckel nichts werth! Jhr habt recht geantwortet/ ſpricht der Kaͤy-
ſer; Als Maria Chriſtum unter den Hertzen getragen/ war ſie hoch zu
ſchaͤtzen/ umb des Schatzes willen/ den ſie fovirt und empfangen: Nun ſie
aber Chriſtum geboren/ iſt ſie nicht anders zu halten/ als ein ander Weib/
nicht als eine Goͤttin anzubeten.


Dieſes moͤgen wir auch wol von dem Geheimnuͤß des ſeligmachenden
Glaubens ruͤhmen; Wann der Glaube Chriſtum im Hertzen wohl gefaſ-
ſet/ ſo iſt er groſſes Schatzes werth/ machet gerecht und ſeelig/ umb deſſen
willen/ den er im Hertzen gefaſſet und beygeleget; Jſts aber ein leerer
Glaube ohn Chriſto/ ſo iſt er nichts werth. Gleich wie der Magnet Eiſen
und Stahl an ſich ziehet und wunderfeſt haltet: Alſo hat der Glaube aus
Goͤttlicher Gnade die Krafft und Art an ſich/ Chriſtum mit allen ſeinen
von ihm erworbenen Gut- und Wolthaten/ ja das hoͤchſte Gut ſelbſt/ die
Heilige Dreyfaltigkeit/ an ſich zu ziehen/ feſt zu behalten und zu beherber-
gen; Der Glaube hat vim attractivam, eine an ſich ziehende Krafft/ die
Liebe aber vim egreſſivam, eine außgehende/ außbreitende Krafft. Gleich
wie die hochgebenedeyete Jungfrau Maria/ ſo bald ſie den Worten des
Engels geglaubet/ Chriſtum in ihrem Leibe empfangen: Alſo auch/ ſo bald
das Hertz das Engliſche Troſt- und Freuden-Wort gehoͤret/ ſo empfanget
es Chriſtum geiſtlicher Weiſe. Durch den Glauben nehmen wir Chri-
ſtum an/ daß Er in das Gemach unſers Hertzens hinein komme; Durch
den Glauben erhalten wir den angenommen Chriſtum/ daß er in dem
Gemach unſers Hertzens bleibe/ ſchreibt Gregorius Nyſſenus.


Gregor.
Nyſſ. orat.
6. in Cant.
() Conci-
one
14.

Belangende diequalitaͤt und Art dieſer Glaubens-Hand/
iſt ſo gethane Glaubens-Hand/ wie auch allbereit () droben zum Theil
deduciret worden/ 1. Manus agoniſtica,Eine ſtreitende Hand/
da ein glaubiges Hertz in der tentation und Anfechtung im Kampff ſte-
Gen. 32, 24.
ſeqq.
het/ muß mit dem Sohn Gottes ringen wie Jacob/ und ſolte ihm auch die
Huͤffte druͤber verrencken/ und durch den Glauben uͤberwinden/ mit Gebet
und Thraͤnen den Segen erlangen/ da wird alsdann ein rechtes geiſtliches
Jſrael/
[761]Predigt.
Jſrael/ ein Gottes-Sieger oder Gottes-Held/ in ſolchem Creutz-Kampff
ſuchet er Gott von Angeſicht/ die Sonn gehet ihm auff im Hertzen/ und
lernet ihn recht erkennen und wiſſen/ daß wer Gott uͤberwindet/ werde
viel mehr ſeinen widerwertigen Eſau/ der nur Menſch iſt/ leichter uͤberwel-
tigen/ und fuͤr demſelben ſich nicht zu fuͤrchten haben; Jnmaſſen in der-
gleichen duello geſtanden und geſchwitzt Abraham/ da er ſeinen Sohn
ſchlachten ſolte/ Joſeph im Gefaͤngnuͤß/ David im exilio, und ſonderlich
dir groſſe Heroinin und Glaubens-Heldin die Cananiterin in der Evan-
geliſchen Hiſtori; O ein getreuer Gott/ der auff ſolche Weiſe laͤſſet mit
ſich ſchertzen/ und ſich alſo uͤberreden!


2. Manus Biaſtica,Eine kaͤmpffende/ gewaltthätige
Hand/
dadurch dem Himmelreich gleichſam holdſelige Gewalt wird an-
gelegt/ gleich wie Jacob der Heilige Patriarch den ewigen Sohn Gottes/Gen. 32, 24.
ſeqq.

der ihm einsmals bey Nacht in Mañes-Geſtalt erſchienen/ den er in ſeinen
Armen gefaſſet und feſt gehalten/ und da ſich Er der Sohn Gottes geber-
det/ als wolt Er weichen/ und geſagt: Laß mich gehen/ haͤlt er ihn noch
feſter und ſagt: Jch laß dich nicht/ du ſegneſt mich dann! Alſo
kaͤmpffet und ringet eine angefochtene Seel mit Chriſto im Evangelio ge-
offenbaret/ und ob derſelbe ſich ſtellet/ als wolt Er ſich entziehen/ ſo haͤlt er
ihn noch haͤrter/ haͤlt ihm ſeinen Troſt-reichen Namen/ Ampt/ Verdienſt/
Verheiſſung fuͤr/ hebt ihn damit/ daß Er ſagen muß: Du haſts geſagt/
mein Hertz haͤlt dir dein Wort fuͤr/ darauff lebe und ſterbe ich! Wir haben
einen Vogel hoͤren ſingen von veniâ, von άμνης εία, von ἀσυλίᾳ, von Ab-
laß/ von Vergeſſung der Suͤnden/ von Sicherung/ vor dem grimmigen
Richter-Zorn Gottes/ der Vater-Ruth wollen wir uns gern ergeben; Wie1. Reg. 2,
28. 29. 30.

Joab in ſeiner groſſen Noth zu den Hoͤrnern des Altars ſich ſalvirt/ und
dieſelbe feſt gehalten/ ſich nicht davon wollen hinweg reiſſen laſſen/ wie ein
ſchiffbruͤchiger Menſch an das Schiff/ Holtz/ Bret und dergleichen ſtarck
haltet.


3. Manus idiopoëtica,Eine zueigende Hand/ welche
das allemanns-gemeine Evangelium an und auff ſich ziehet/ auff ſeine
Perſon richtet/ und ſpricht: Hertzlich lieb hab ich dich/ HErr meinPſ. 18, 2. 3.
Gott/ meine Staͤrcke/ mein Hort und Horn meines Heils/
mein HErr und mein Gott!
Alles was du/ mein liebſter Heiland/
fuͤr das menſchliche Geſchlecht gethan und gelitten/ das haſtu mir gethan/
mir biſtu geſchenckt und gegeben in der Geburt und Menſchwerdung/ deine
rothe Bluts-Tropffen in der Beſchneidung vergoſſen/ ſind meine ranzion
Sechſter Theil. D d d d dund
[762]Die Zwey und Sechszigſte und letzte
und Angelt/ dein heiliger Gehorſam und Vollbringung des gantzen Ge-
ſetzes iſt mein/ dein Opffer iſt mein/ auff dich als den Suͤnden-Bock leg
und bekenn ich alle meine Suͤnden: Dein Aufferſtand und Himmel-
fahrt/ ja dein Himmel ſelbſt iſt alles mein.


4. Manus anapavſtica,Eine fröliche Ruh-Hand/
die in dem ergriffenen/ erhaſchten und gefaſſeten Gnaden-Schatz ſich be-
ruhiget/ darinn ſich inniglich und hertzlich erfreuet/ gruͤſſet und kuͤſſet den
Luc. 2, 27.
ſeqq.
empfangenen Chriſtum/ wie Maria ſeine Mutter/ wie der Heilige
Simeon/ da er das Jeſus-Kind auff die ſo leibliche ſo geiſtliche
Glaubens-Arm genommen/ daſſelbe auff ſein Hertz getrucket/ und aus
hupffendem und freudigem Gemuͤthe ihm ein ſchoͤnes Lob-Lied geſungen:
Ioh. 19, 41.
42.
Mit Fried und Freud ich fahr dahin: wie Joſeph von Arimathia/
da er Jeſus Leichnam vom Creutz herab genom̃en/ denſelben nicht nur leib-
lich in ſein Garten-Grab/ ſondern auch geiſtlich in ſein Hertzens-Grab bey-
Act. 16, 34.geleget; Alſo auch der glaubige Kerckermeiſter zu Philippis/ da er glaubig
worden/ in ſeinem Hertzen Gottes Huld und Gnad gekoſtet/ in ſeinem ver-
wundeten Gewiſſen Ruh empfundẽ/ ſich mit ſeinẽ gantzen Hauſe inniglich
erfreuet; Wie ein liebreicher/ keuſcher Braͤutigam ſeine Braut/ und dieſe
hinwiderum̃ ihn mit Freuden in die Arm nim̃t/ und ſagt: Du biſt mein/ und
ich bin dein/ uns ſoll nichts ſcheiden als der Tod: So nimmt der geiſtliche
Seelen-Braͤutigam ſeine glaubige Seel/ und dieſe ihn in Arm/ und ſagen
zuſammen: Du biſt mein/ und ich bin dein/ uns ſoll auch der
Cant. 3, 4.Tod nicht ſcheiden! Vnd aus dem Hohenlied Salomonis c. 3. Jch
habe dich funden/ den ich liebe/ ich halte dich/ und will dich
nicht laſſen/ biß daß ich dich bringe in meiner Mutter Hauß/
in meiner Mutter Kammer.
Der Glaube vereiniget und verbin-
det mich und Chriſtum viel genauer und feſter/ als ein Mann und Weib
Luth. in c.
2. ad Galat.
verbunden iſt/ ſchreibt Lutherus. Ein glaubiges Hertz ruhet in demſel-
ben/ als in dem Port und Anfuhrt ſeiner Bilgramſchafft und Seefahrt/
ſetzt den gefaſſeten Gnadenſtul entgegen dem Zorn Gottes/ geneußt der
edlen Fruͤchte der Gerechtigkeit/ die da heiſſet Gewiſſens-Fried.


() v. ſuprâ
concion.
14. p.
178.

5. Manus monadica, () Eine bloſſe und einige Hand/
ſo in dem Bezirck der Rechtfertigung eines armen Suͤnders fuͤr Gott
alle menſchliche Thun/ Werck und Verdienſt bloß außſchleuſt; Eines
ſinnreichen Kuͤnſtlers Hand/ wann ſie nach einem Allmoſen oder ranzion
greifft/ ſo greifft ſie zwar daſſelbe/ aber nicht als eine behende/ arbeitſame/ fer-
tige/ kunſtreiche Hand/ ſo fern ſie mit ſolchen qualitaͤten gezieret iſt/ erlanget
ſie die
[763]Predigt.
ſie die Gabe und das Allmoſen nicht/ ſondern als eine bloſſe/ arme/ duͤrff-
tige/ auffgehobene Bettlers-Hand: Alſo auch die glaubige/ vertrauende/Quantum
fidei capa-
cis afferi-
mus, tan-
tum gratiæ
mundan-
tis hauri-
mus. Cy-
prianus.
Marc.
5, 36.

und Tugendſame/ liebreiche Hand eines armen/ gefallenen und Huͤlff-
duͤrfftigen Suͤnders greifft zwar nach dem Goͤttlichen Allmoſen und ran-
zion,
wird aber von Gott dem HErrn nicht angeſehen/ berathen/ begabet
und beſeeliget/ ſo fern ſie mit Tugend und Liebe gezieret/ ſondern bloß/ ſo fern
ſie duͤrfftig iſt; tantùm crede, ſagt Chriſtus/ glaube nur/ ſchleuſt
damit alle unſere Werck aus/ und gibt damit zu verſtehen/ daß wie im
Wunder-Glauben die paſſiv-Annehmung der Goͤttlichen Allmoſen
und Verheiſſung das organum und Geſchirr iſt/ die die wunderthaͤtige
Gnade empfanget und annimmt: Alſo ſey auch im ſeeligmachenden
Glauben das bloſſe Annehmen der Goͤttlichen Gnade das jenige Mittel/
dadurch Gott ſeine Gnade wuͤrcklich machen und ergieſſen wollen/
Es kan niemand zu Chriſto durch den Glauben kommen/ derIoh. 6, 44.
Phil. 1, 29.
c.
2, 13.

Vater ziehe ihn dann.


Dann der ſeeligmachende Glaube iſt fides paſſiva, non activa, nicht
eine Gab-ſondern Nehm-Hand; Gleich wie jener arme Mann bey dem
Evangeliſten Marco c. 9. da er ſeinen elenden und vom Teufel jaͤmmerlichMarc. 9. 23.
ſeqq.

geplagten Sohn dem Herren Chriſto dargeſtellet/ und von demſelben
die Verheiſſung bekommen/ ſeinem Sohne ſolle gehoſffen werden/ wann
ers nur koͤnte glauben: Wie/ ſag ich/ derſelbe erlanget/ was er begehret/
nicht durch ſeinen thaͤtigen/ wuͤrckenden oder verdienenden/ ſondern durch
ſeinen empfangenen und annehmenden Wunder-Glauben: Alſo wird
der Menſch auch theilhafftig Goͤttlicher Huld und Gnade/ Ablaß/ Leben
und Seeligkeit/ nicht dieweil er ſolche Schaͤtze durch ſeinen Glauben er-
wuͤrcket und erworben/ ſondern dieweil er dieſelbe ohne widerſtreben em-
pfangen und angenommen/ auff daß ſich fuͤr Gott niemand Vrſach hab
zu ruͤhmen. Jſt ein ſtuck ſeiner Goͤttlichen Majeſtaͤt und Seeligkeit/
geben und nicht nehmen! ein ſtuck unſerer Nothdurfft und Armuth iſt es/
nehmen und nicht geben.


6. Manus fructuoſa,Eine fruchtbringende Hand;
Dann ob ſchon dieſe Hand ἄνω vor Gott nichts vermag zu erwerben
und zu verdienen/ ſo muß ſie doch κάτω durch die Wercke der Liebe dem
Neben-Menſchen dienen; Nach dem die Purpur-Kraͤmerin glaubigAct. 16, 15.
\&
34.

worden/ ſo ladet ſie/ ja zwinget die Apoſtel in ihr Hauß/ und bewuͤrtet ſie;
Deßgleichen thut auch der Kerckermeiſter zu Philippis/ ſetzet und bereitet
ihnen einen Tiſch; Jſt erſt recht und der Danckbarkeit gemaͤß.


D d d d d 2Vnd
[764]Die Zwey und Sechszigſte und letzte

Vnd das iſt alſo/ meine Liebſten/ der einig-ſeeligmachende
Glaube/
davon des Jahrs durch ſo viel geſungen und geſaget wird; Aber
wie wenig verſtehen es? Jederman will durch den Glauben ſeelig werden/
der wenigſte Theil verſtehet/ was der ſeeligmachende Glaube eigentlich
ſeye und heiſſe. Der hiſtoriſche Glaube/ das bloſſe wiſſen und beypflich-
ten machet nicht ſeelig; Die Heuchler/ die Hohenprieſter wußten auch/
daß Chriſtus aufferſtanden/ ſie waren im Hertzen convincirt/ aber davon
Iac. 2, 19.wurden ſie nicht ſeelig; Die Teufel wiſſen auch/ aber φρίττουσι ſie zittern
dafuͤr/ ſo viel Glaubens-Articul/ ſo viel tormenta und Foltern! es mangelt
ihnen an der applicabilitaͤt/ ſie wiſſen wohl/ daß ein Ablaß der Suͤnden in
der Chriſtlichen Kirche ſey/ aber weil derſelbe ſie nicht angehet/ koͤnnen ſie
auch nicht darnach greiffen/ und ſich deſſen troͤſten.


Hieher nun alle die jenigen/ denen das Ende des Glaubens/
die ewige Seeligkeit
zu erlangen angelegen iſt! Hie iſt das bewaͤhrte/
und von allen außerwehlten Kindern Gottes von anbegin geuͤbtes und
geliebtes einige Mittel/ der einige Fluͤgel/ der uns empor in Himmel erhebt;
ſtehet zwar in unſern Kraͤfften und Vermoͤgen nicht/ der Glaube iſt Got-
tes Werck/ glauben iſt eine Gnaden-Gabe; Es iſt aber von dieſer Gabe
() ſicut Iu-
dæi domi-
cilio Baby-
lonico aſ-
ſueti apud
Ioſeph. l. 2.
antiq. c.
5.
niemand bloß außgeſchloſſen; es ſeye dann/ daß er ſich ſelbſt außſchlieſſe/
Hertz und Ohren verriegle/ und aus der () Babyloniſchen Gefaͤngnuͤß
nicht außziehen wolte/ der Glaube kommt aus dem Gehoͤr des Goͤttlichen
Worts/ wie die Exempel in den Apoſtoliſchen Geſchichten außweiſen; das
Wort des Evangelii iſt der Same/ aus welchem die edle Pflantze des
Glaubens heraus wachſet/ und widerumb in ſeinen Vrſprung zuruck ge-
het; Wie ein Kind/ ſo bald es von ſeiner Mutter geboren/ widerumb zu
derſelben ſich wendet/ zu dero Bruͤſten ſich neiget/ Milch/ Nahrung und
Krafft davon empfanget. Wer das Gewaͤchs haben will/ der halte ſich
an die Wurtzel! ſo wird Gott der Herr von oben herab das Gedeyen
darzu geben. Hieher mit erleuchteten Hertzens-Augen zu verſtehen die
himmliſche Gnaden-Schaͤtze/ und dieſelbe recht zu unterſcheiden von fal-
ſchen Larven und Phantaſeyen der blinden Vernunfft/ niemand laß ihm
die Beute nehmen durch die verfuͤhriſche Philoſophi!


Hieher mit ja-ſagendem Hertzens-Munde! Wo Gottes Wort
erſcheinet/ da ſoll auch der Glaube im Hertzen erſcheinen; Gleich wie auch
im Gegentheil der jenige unrecht dran/ der etwas gewiß glaubt ohne Got-
tes Wort. Zum Exempel/ die halßſtarrigen/ verblendete Juden glauben
auff Hoffnung wider alle Hoffnung auff einen kuͤnfftigen weltlichen Meſ-
ſiam! O Thorheit! Wo haben ſie deſſen Gottes Wort? Vns mangelts
nicht
[765]Predigt.
nicht an Gottes Wort; Die Propheten traͤufflen nicht unter uns Tropf-
fenweiſe/ ſondern der gantze guͤldene Pfingſt-Regen ergeuſſet ſich taͤglich
uͤber uns/ unſer Reichthumb und Vberfluß moͤchte wohl ein Meer genen-
net werden gegen den Tropffen im Alten Teſtament/ ſpricht () Lutherus.() tom. 3.
Ien. f.
213.

Aber Vberfluß Vberdruß! Je groͤſſere Wolfeile/ ie weniger Kauff! Wer
glaubet unſern Predigten? Wer hat Luſt Gottes Wort recht gruͤndlich
zu lernen/ zu verſtehen/ und den Glauben daraus zu ſchoͤpffen? Wie viel
delectiren ſich mit ihrer brutalitaͤt und groben Vnverſtand/ lieben die Fin-
ſternuͤß mehr als das Liecht? Nirgend innen erſcheinet groͤſſere ἀυτάρκεια
und Gnuͤgſamkeit/ als am Wort Gottes; man iſt deſſen bald ſatt: Man
nim̃t mit Kaͤß und Brod vorlieb/ da ſonſt aller Pracht und Vberfluß uͤber-
hand genom̃en. Wañ Herodes einen ſermon thut zu Cæſarea, da ſchreyetAct. 12, 22.
2. Sam.
16,
23.

man zu: Vox Dei!Das iſt Gottes Stimm! Wann Achitophel
einen Rath gibt/ ſo iſts vom Himmel herab gerathen! da gibts Ja-Her-
ren; Aber wann Gott der Herr durch ſeinen armen Diener auff der
Cantzel redet/ das iſt ſo viel als wann eine Ganß gepfiffen haͤtte; Wann
Gott der Herr ſaget: Du folt glauben/ daß Chriſti Leib und Blut
im Sacrament warhafftig gegenwaͤrtig genoſſen werde! Nein! ſagt die
Vernunfft: das kan ich in meinen Sinn und Gedancken nicht bringen!
Wann der Herr ſagt: Bleib im Lande und nehr dich redlich/Pſal. 37, 3.
den Ackerbau Gott vertrau! Nein! ſagt Fleiſch und Blut: So werde
ich muͤde Arm machen/ und doch nicht auff gruͤnen Zweig kommen.
Nun/ wer nicht glaubet/ machet Gott zum Luͤgner: Was wi-1. Ioh. 5, 10.
derfaͤhret dem/ der einen ehrlichen Bidermann zum Luͤgner machet oder
Luͤgen ſtrafft? Da gedenck/ wie es der Herr im Himmel empfinden
werde! Glaubet ihr nicht/ ſo bleibet ihr nicht! Hie habt ihr einEſa. 7, 9.
unruhiges/ furchtſames/ angſthafftes Gewiſſen und der Seelen Tod; dort
einen zitternden und zagenden Stand am Juͤngſten Tage.


Hieher mit glaubiger/ zuverſichtlicher Hertzens-Hand zu ergreiffen
den geiſtlichen Gnaden-Segen/ der uns bißher in den drey Haupt-Arti-
culn fuͤrgehalten worden! Die unglaubige Welt ſuchet in Noͤthen erſchaf-
fene menſchliche fulcra, greiffet nach demſelben/ als nach einem fluͤchtigen
Wind/ nach einem lebloſen Schatten/ ja noch weniger als Schatten/ fie
legt ſich wie Elias unter den Wachholdern-Baum/ der keinen Schatten1. Reg. 19, 5.
von ſich gibt; Endlich findet ſie ſich ſchaͤndlich betrogen. Wann man ſol-
chen ſelbſt-erwehlten irrdiſchen Schantzen und Schloͤſſern trauet/ ſo heiſſen
ſie/ wie die beym Propheten Micha [...]domus mendacii,Mich 1, 14.
D d d d d 3Luͤgen-
[766]Die Zwey und Sechszigſte und letzte
Luͤgen-Häuſer; Aber wer Gott und ſein Wort zu einem Hauß
() tom. 2.
Isleb. tom.

6. in der
Summa
der Chriſt-
lichen Lehr.
tom. 5. in
Pſal.
117.
und Burg erwehlet/ dem kans nicht fehlen. Wer dieſen Hort nicht hat/
der wird herunter geſtuͤrtzt/ und wann er gleich wie ein Adler ſein Neſt in
den Felß-Kluͤfften und hohen Gebirg bereitet haͤtte; Darumb/ lieber
Herr Jeſu! ſpricht ein bußfertiges Hertz mit () Luthero: Jch fuͤhle
meine Suͤnde/ ſie beiſſen/ nagen und ſchrecken mich/ wo ſoll ich hin? Jch
ſehe dich Herr Jeſu Chriſte an/ und glaube/ wiewohl ſchwaͤchlich an
dich/ und bin gewiß/ du haſt geſprochen: Wer an mich glaubet/ ſoll
haben das ewige Leben.
Ob nun gleich mein Gewiſſen beſchweret
iſt/ und die Suͤnde mich erſchrecken/ und das Hertz zittern machet/ ſo haſtu
doch geſagt: Mein Sohn/ ſey getroſt/ dir ſind deine Suͤnde
vergeben!
Fuͤr dir Herr kan ich nicht handeln/ wann es ſoll rechtens
gelten: Sondern will ſtracks appelliren/ und mich beruffen von deinem
Richter-Stul zu deinem Gnaden-Stul ꝛc. und von ſeinem Recht wiſſen/
ſondern zum Creutz knien/ umb Gnade bitten/ und nehmen wo ich kan. Jch
fuͤhle wohl rechte Suͤnde/ die mir Gottes Gerichte draͤuen und ſchrecken/
doch ſinds nur ſaure finſtere Wolcken: Aber deine Gnade/ lieber Gott/
waltet und herrſchet uͤber uns/ der Gnaden-Himmel iſt maͤchtiger dann
der Suͤnden Gewoͤlcke/ der Gnaden-Himmel bleibet ewiglich/ der Suͤn-
den Gewoͤlcke vergehet ꝛc. Gelobet ſeyſtu Gott/ daß deine Gnade uͤber
uns waltet/ und maͤchtiger iſt dann unſere Suͤnde.


Ohne Glauben kan kein Chriſt leben! Wird er mit ſeinem letzten
Ende uͤbereilet und angetroffen ohne Glauben/ O wehe ihm! Darumb
2. Tim. 4,
7. 1. Cor.
16, 13.
Eph. 6, 16.
Col. 1, 23.
2. Cor.
13, 5.
ringet nach dem Glauben/ ergreiffet den Schild des Glau-
bens/ haltet ihn feſt/ bleibet im Glauben/ haltet ihn feſte/ ver-
ſucht ob ihr im Glauben ſtehet/
obs eine lebendige Glaubens-Hand/
oder eine lebloſe verdorrete Hand? Schwacher Glaube iſt auch ein Glau-
be/ ſchlaͤgt gleich die arteria, die Lebens-Puls-Ader/ nicht allezeit ſtarck und
empfindlich/ ſo iſt doch noch ein Leben fuͤrhanden: Darumb Gott an-
zuruffen umb Staͤrckung und Mehrung des Glaubens.


Huͤtet euch vor zwey gefaͤhrlichẽ extremis, dort der glaubloſen diffidentz
und Mißtrauen/ des Papſtumbs unſeeligen Geburt: Hie der ſchaͤdlichen
præfidentz und tollen Schein-Glauben deren/ die mitten in flagranti pec-
cato,
in der wuͤtenden Suͤnde gleichwohl ſich troͤſten und ſprechen doͤrffen:
Mich. 2, 7.
c.
3, 11.
Meinſtu des HErren Geiſt ſey verkuͤrtzet? Solte er ſolches
thun wollen/ was die Propheten traͤuffen? Jſt nicht der HErr

unter
[767]Predigt.
unter uns? Es kan kein Vngluͤck uͤber uns kommen: Aber
wie lautet des Herren Antwort beym Propheten Micha: Meine
Rede ſind freundlich den Frommen/ aber mein Volck hat ſich
auffgemacht wie ein Feind. Der HERR Jeſus der An-
Hebr. 12, 2.
faͤnger und Vollender unſers Glaubens gebe uns allen erleuch-
tete Augen/ ja-ſprechende glaubige Hertzen und Mund/ und zuverſichtliche
Hand/ ſeine Goͤttliche Gnaden-Schaͤtze mit Augen-Luſt zu ſehen/ mit bey-
fallendem Ja-Wort und Amen zu verſieglen/ mit freudiger Hand
anzunehmen/ zu faſſen/ zu behalten/ biß wir ſaͤmptlich des Glaubens1. Pet. 1, 9.
Ende/ der Seelen Seeligkeit erlangen und darvon tragen/ Amen.


Appendix A Regiſter der Predigten uͤber den
dritten Articul.


Appendix A.1 Regiſter der Predigten.


  • EJngangs-Predigt von der ſuͤnd-
    lichen Vnart des Fleiſches/ aus
    Johan. 3/ v. 6. pag. 1.
  • I. Von dem Menſchlichen Elend/ ſo des
    H. Geiſtes Krafft beduͤrfftig 18
  • II. Von der Gottheit des H. Geiſtes 27
  • III. Von der proceſſion und Außge-
    hung des H. Geiſtes 40
  • IV. Von dem Anblaſen und Anhauchen
    des H. Geiſtes 50
  • V. Von den Ampts-Gaben des Heili-
    gen Geiſtes 61
  • VI. Von der lebendigmachenden Gnade
    des H. Geiſtes ins gemein 73
  • VII. Von der Natur/ Eigenſchafft/ Art
    und Beſchaffenheit der lebendigma-
    chenden Gnade des H. Geiſtes 82
  • VIII. Von der beruffenen Gnade Got-
    tes des Heiligen Geiſtes 96
  • IX. Von der widergebaͤrenden Gnade 111
  • X. Von der gerechtmachenden Gnade
    Gottes des gefallenen Menſchen/ wel-
    chem gemeldte Gnade Gottes angebo-
    ten wird 122
  • XI. Vom Ablaß der Suͤnden/ das iſt/
    von dem erſten Theil der gerechtma-
    chenden Gnade Gottes/ die da heiſſet
    privativa, die wegnehmende oder Suͤn-
    den-Straff-abwendende Gnade/ da-
    durch dem armen Suͤnder Ablaß ſei-
    ner Suͤnden widerfaͤhrt und geſchen-
    cket wird 133
  • XII. Von dem andern Theil der gerecht-
    machenden Gnade Gottes/ die da heiſ-
    ſet Poſitiva \& Imputativa, die gerecht-
    gebende und zugerechnete Gnade/ da-
    durch der arme Suͤnder gerecht ge-
    macht wird 145

XIII. Von
[[768]]Regiſter der Predigten.
  • XIII. Von der Goͤttlichen Buß-Ord-
    nung 158
  • XIV. Von dem Glauben als der anneh-
    menden Hand/ welche die angebotene
    Gerechtigkeit faſſet und begreiffet 173
  • XV. Von der einwohnenden Gnade des
    H. Geiſtes/ aus 1. ad Corinth. 3, v. 16. 17.
    die I. Predigt 184
  • XVI. Von der erleuchtenden Gnade
    Gottes des H. Geiſtes/ die II.195
  • XVII. Von der Opffer-Gnade des Hei-
    ligen Geiſtes/ oder von dem geiſtlichen
    Opffer des alten Menſchen/ die III.208
  • XVIII. Von der raͤuchenden Gnade des
    Heil. Geiſtes/ oder von dem geiſtlichen
    Raͤuch-Opffer/ dem Weyrauch des
    Gebets/ die IV.221
  • XIX. Von der heiligmachenden erneu-
    ernden Gnade des Heiligen Geiſtes/
    die V.234
  • XX. Von dem Kenn-Zeichen des Tem-
    pels des H. Geiſtes/ die VI.244
  • XXI. Von der ſuͤndlichen ναοφϑορᾷ, das
    iſt/ Entheiligung des geiſtlichen Tem-
    pels/ oder der Verunreinigung des
    menſchlichen Hertzens/ die VII.256
  • XXII. Von der ναοφϑορᾷ pœnali, der
    goͤttlichen Straff-Verſtoͤrung/ dadurch
    Gott der Herr Suͤnde mit Suͤn-
    den ſtraffet/ die VIII.268
  • XXIII. Von der widerruffenden Gna-
    de Gottes des H. Geiſtes/ die IX.278
  • XXIV. Von der Suͤnde in den Heiligen
    Geiſt/ aus Matth. 12/ v. 31. 32. 294
  • XXV. Von dem Troſt-Ampt des Heili-
    gen Geiſtes/ aus Luc. 22/ v. 43. die I.
    Predigt 305
  • XXVI. Von dem Engliſchen Troͤſter/
    die II.316
  • XXVII. Von dem Engliſchen Wort-
    Troſte/ die III.327
  • XXVIII. Von der wuͤrcklichen oder
    Werck-Staͤrckung Chriſti am Oel-
    Berge/ die IV.340
  • XXIX. Von der Heiligen Chriſtlichen
    Kirchen und derſelben Schoͤnheit/ die
    I. Predigt 351
  • XXX. Von der definition und Be-
    ſchreibung der ſichtbaren Kirchen Chri-
    ſti auff Erden/ worinn dieſelbe beſtehe/
    die II.363
  • XXXI. Von der unſichtbaren Kirchen/
    die III.375
  • XXXII. Von der Warheit der Chriſt-
    lichen Kirchen auff Erden/ ob und wo
    dieſelbe auff Erden anzutreffen/ die
    IV.390
  • XXXIII. Von der Einigkeit der Chriſt-
    lichen Kirchen und Gemeinſchafft der
    Heiligen/ die V.404
  • XXXIV. Von der Heiligkeit der Kir-
    chen/ die VI.408
  • XXXV. Von dem Catholiciſmo, oder
    von dem Namen der Catholiſchen
    Kirchen/ die VII.430
  • XXXVI. Von dem Apoſtoliciſmo,
    oder von dem Namen und Titul der A-
    poſtoliſchen Kirchen/ die VIII.442
  • XXXVII. Von der ſeeligen Hinfahrt
    der glaubigen außerwehlten Kinder
    Gottes/ aus dieſem zeitlichen in das
    ewige herrliche Leben/ aus des geiſtrei-
    chen Simeonis Schwanen-Geſang/
    Luc. 2/ 29. 30. 31. 32. die I. Predigt/ nem-
    lich von der hinfahrenden Perſon dem
    lieben Simeon 452

XXXVIII.
[[769]]Regiſter der Predigten.
  • XXXVIII. Von der ἀπολυσει und
    Hinfahrt Simeonis an ihr ſelbſt/
    die II.464
  • XXXIX. Von dem Fahr-Troſt/ die
    III.475
  • XL. Von der Quell des Fahr-Troſts/
    dem anſchauen des Meſſiæ/ die IV.487
  • XLI. Von der Zeit und Stunde des
    Todes/ dem NVN und Augenblick
    ſeines Abſcheides und ſeeligen Hin-
    fahrt/ die V.498
  • XLII. Von der Aufferſtehung des Flei-
    ſches die I. Predigt/ nemlich von der
    Warheit und unfehlbaren Gewißheit
    der Aufferſtehung des Fleiſches 513
  • XLIII. Von der Eigenſchafft der Auff-
    erſtehung/ was dieſelbe ſey/ die II.526
  • XLIV. Von dem Zuſtand und Be-
    ſchaffenheit des aufferſtehenden Flei-
    ſches/ die III.540
  • XLV. Von dem ewigen Leben/ die I.
    Predigt/ von dem ewigen Leben oder
    deſſen Beweiß/ daß warhafftig ein
    ewiges Leben ſey 557
  • XLVI. Von dem Ort/ da das ewige Le-
    ben nicht iſt/ nemlich dieſer Welt/ die
    am Juͤngſten Tage ſoll und wird ver-
    gehen und zu nichte werden/ die II.567
  • XLVII. Von der zukuͤnfftigen Welt
    und deroſelben Ort/ die III.578
  • XLVIII. Von der Ruhe im ewigen Le-
    ben/ die IV.589

  • XLIX. Von der ſeeligen Anſchauung
    Gottes im ewigen Leben/ die V.599
  • L. Von der Heiligkeit des ewigen Lebens/
    die VI.614
  • LI. Von dem ſeeligen/ herrlichen Leben/
    oder von des ewigen Lebens Glori und
    Herrligkeit/ die VII.624
  • LII. Von dem ſeeligen Freuden-Leben/
    oder von des ewigen Lebens Freude
    und Froͤligkeit/ die VIII.639
  • LIII. Von der Ewigkeit des ſeeligen Le-
    bens/ die IX.650
  • LIV. Von der Hoͤll und ewigem Tode/
    text. Eſa. 66, v. ult. die I. Predigt/ nem-
    lich von der Frage/ ob eine Hoͤll ſey 658
  • LV. Von dem Ort der Hoͤllen/ die II.666
  • LVI. Von den verdamten Perſonen in
    der Hoͤlle/ die III.676
  • LVII. Von dem Verluſt des guten/ der
    Verdamten Straff/ die IV.688
  • LVIII. Von der empfindlichen Pein
    und Marter-Straff der Verdamten/
    nemlich dem nagenden unſterblichen
    Wurm derſelben/ die V.699
  • LIX. Von dem unaußſprechlichen hoͤl-
    liſchen Feuer/ die VI.711
  • LX. Von der Hoͤllen/ und inſonderheit
    von dem Richter und Peiniger/ die
    VII.725
  • LXI. Von dem Schwarm der Hoͤlle/
    die VIII.736
  • LXII. und letzte Predigt/ von dem glau-
    benden Glauben 746

Appendix A.2 Regiſter der denckwuͤrdigſten Sachen.


Appendix A.2.1 A.


  • ABerglaube iſt noch unter den Chri-
    ſten p. 263

  • Abgoͤtterey des Hertzens 260
  • Ablaß der Suͤnden 134. ſeqq. 281
  • Abrahams heroiſcher Glaub 1

E e e e eAceſius
[[770]]Regiſter der denckwuͤrdigſten Sachen.
  • Aceſius ein Novatianer 291
  • Alt Adam/ wie er ſoll geopffert wer-
    den 212. ſeqq.
  • Adel der Roͤmer 630
  • Adel dieſer Welt macht auffgeblaſen 117
  • Adriani verzweifelte Wort 252
  • Æneas206
  • Æſculapii Rath den Krancken gege-
    ben 206
  • Agags Muth/ mit welchem er Samuel
    begegnet 475
  • Alaricus Gothen Koͤnig 459
  • Alcimus638
  • Alexander M. wolt von Jove Hammo-
    nio
    ſeine Geburs Lini her deriviren 492
  • Aloyſius Gonzaga620
  • Amen des glaubigen Hertzens 753
  • Americæ Barbarey 24
  • Ampts-Engel 320
  • Ampts-Gaben ſind geringer als die hei-
    ligmachende Gaben 241
  • Anaſtaſius Patriarch zu Conſtantino-
    pel 287
  • Ἀναζωπύρωσις iſt vonnoͤthen Studioſis
    Theologiæ
    69
  • Anbeten mit Kniebeugen gehoͤret Gott
    allein 227
  • Ἀνέχου καὶ ἀπέχου 364
  • Anfechtungs-Feuer ein gutes Feuer 724
  • Anſchauung Gottes im ewigen Leben 599
  • Anthropolatria261
  • Ἀνϑρωποϑυσία 160
  • Antiochus iſt uͤbel mit dem Tempel zu
    Jeruſalem umbgangen 262
    • iſt ein rechter Madenſack 706
  • Apoſtoliſchen Glaubens-Bekenner be-
    kennen auch daß der H. Geiſt Gott
    ſey 37

  • Appellationes zu einem hoͤhern Gericht
    ſind erlaubt/ auch Predigern 133
  • Appellatio von dem Gefetz Moſis zu dem
    Gnaden-Stul Gottes 134
    • nicht an Mariam ibid.
  • Arbogaſt hat wollen unter den Galgen
    begraben werden 459
  • Archimedes271
  • Arii Zung hat den Erdboden inflam-
    m
    irt 259
  • Ariſtoteles hat zwo Arten und Naturen
    in der Seel erkant 209
  • Arme ſollen unterſcheidẽ werden 348. ſeq.
  • Aſſyrer haben ihre Kinder dem Adrame-
    lech
    auffgeopffert 160
  • Durch Aſtrologiam die Stunde ſeines
    Todes erforſchen iſt unrecht 504
  • Athalia hat ihren Sohn angehalten gott-
    loß zu ſeyn 266
  • Atheas hoͤrt lieber Pferde weyhern als
    eine Muͤhl 404
  • Atys redend worden 446
  • Aufferſtehung der Toden 514
  • Aufferſtehenden Fleiſches Beſchaffen-
    heit 542
  • Auffrichtigkeit gefaͤllt Gott243
  • Augen/ mit welchen man die Welt an-
    ſchauen ſoll 745
  • Augen-Luſt der Welt 358
  • Auguſtinus hat grobe Fehler begangẽ 287
    • wie er bekehrt worden 401
    • hat in offentlichen Buͤchern der Welt
      ſeine Suͤnde gebeichtet 172
  • Auguſtini Meynung von den apparitio-
    nibus
    560
  • Auguſtus Roͤmiſcher Kaͤyſer hat viel
    Jahr gluͤckſeelig gelebt 485
  • Auguſti Rede an den Vmbſtand ſeines
    Tod-
    [[771]]Regiſter der denckwuͤrdigſten Sachen.
    Tod-Betts 498
  • Außerwehlter kan ſich der Gnade Gottes
    verluſtigen/ aber doch nicht endlichẽ 90
  • Außgang Gottes des H. Geiſtes/ was? 43
  • Außgehen iſt actus perſonalis42
  • Ἀυτοχειρία 264

Appendix A.2.2 B.


  • BAbylas598
  • Bann/ was und wie mancherley er
    ſey 412. ſeqq.
  • Barbaroſſa628
  • Barmhertzigkeit wird gelobet/ nicht daß
    man die mißbrauchen ſoll 293
  • Baſiliſcken-Natur 470
  • Bauren leben gluͤckſeelig 597
  • Becanus laͤſtert von unſerer Rechtferti-
    gung 140
  • Begraͤbnuͤß der Menſchen iſt loͤblich 458
  • Bellarmini Meynung vom Fegfeuer wird
    verworffen 507. ſeq.
  • Belſazer ein Vnflath 264
  • Bernhardi Kampff wider den Teufel 157
  • Bernhardus II.628
  • Beruff/ welcher maſſen uns derſelbe er-
    ſcheine 104
  • Beſitzung des Sathans 272
  • Beſtaͤndigkeit des Glaubens der Men-
    ſchen iſt bedingt 190
  • Bibel iſt in der Tuͤrckey 107
  • Bildſtuͤrmerey 280
  • Bonifacius VIII.169
  • Brand 640
  • Bruno hat den Cartheuſer-Orden erfun-
    den 723
  • Buceri Leichnam in Engelland begraben
    worden 464
  • Buß ſtehet nit in euſſerlichẽ Geberden 166
  • Buß im Papſtumb heilloß 161

  • Buß-Ordnung 158
  • Bußfertiger glaubt daß ihme ſeine Suͤn-
    de vergeben werden 134
  • Buͤſſer ſtellet ſich fuͤr den Geſetzſpiegel 162

Appendix A.2.3 C.


  • Caligula hat an den ſuppliciis der Schul-
    digen und Vnſchuldigen Gefallen ge-
    habt 469
  • Calvini abſolutum decretum685
  • Calviniſche Kirch nicht die rechte 401
  • Calviniſmus wird auch gepflantzt durch
    Falſchglaubiger Gebet-Buͤcher 229
    lehret nicht recht von dem Ablaß der
    Suͤnden 143. irren in dem Lehr-
    punct von der Beſtaͤndigkeit des Glau-
    bens 190. particuliren die Gnade
    des H. Geiſtes 206. beharren auff
    dem unwandelbaren Gnaden-Beſitz
    269. irren in der Lehre von dem Leibe
    des HErrrn Chriſti nach der Auffer-
    ſtehung 547
  • Carmeliter-Moͤnche wollen ſich von dem
    groſſen Wundermann Elia herſchrei-
    ben 492
  • Carolus V. wie er ſich mit demuͤthigem
    Hertzen zu Gott gewendet 460
    • hat fleiſſig Bernhardum geleſen ibid.
    • ſeine Seuffzen im Cloſter 162
    • ſeine Reu uͤber das Gefaͤngnuͤß Chur-
      fuͤrſt Johann Friderichs 162
    • Symbolum510
  • Carpocrates hat den Bildnuͤſſen heim-
    lich geopffert 228
  • Cartheuſer-Orden Vrſprung 551
  • Catharinæ Caroli IX. Muttergeluͤſte 654
  • Catholiſch was es ſey 435
  • Chiliaſten Schwarm 551
  • Chriſti Gnaden-Zug aͤllgemein 101. ſeq.
    E e e e e 2Chri-
    [[772]]Regiſter der denckwuͤrdigſten Sachen.
    Chriſtus wie er unſer Gerechtigkeit
    worden/ iſt kein curioſum quomodo
    154. Chriſti Gegenwart unſer
    Troſt 724
  • Chriſten/ woher ſie ſo genand 197. Chri-
    ſten-Menſch iſt ein Tempel Gottes des
    Heiligen Geiſtes 186
  • Chriſtenthumb iſt Welſch worden 267
  • Chriſtliche Kirch iſt eine Freyſtatt 443
  • Cinna Rebell 137
  • Citation zum goͤttlichen Gericht/ wie ſie
    geſchehe 123
  • Cœleſtini Thorheit iſt bey Gretſero Hei-
    ligkeit 219
  • Col tobh602
  • Commodus II.36
  • Conſtantini M. unzeitige Clementz 266
  • Conſtantinus Copronymus287
  • Copiæ cornu der Porten 489
  • Core Auffruhr 676
  • Crellius37
  • Creutzigung des alten Menſchen 215
  • Creutz Zeugnuͤß des Heiligen Geiſtes Jn-
    wohnung 249
  • Cyri Befelch nach ſeinem Tode ins
    Werck zu ſetzen 485

Appendix A.2.4 D.


  • Dagobertus hat das Muͤnſter zu Straß-
    burg erbauet 508. fuͤr dieſen werden
    im Papſtumb noch Seelen-Meſſen
    gehalten ibid.
  • Damianus486
  • Danae455
  • Darius hat ſeinen Durſt in einer unflaͤthi-
    gen Murlachen geloͤſchet 304
  • David zwo groſſe Haupt-Suͤnden be-
    gangen 284. warumb er dem gottlo-
    ſen Schweher parentirt 459

  • Decianiſche Verfolgung 513
  • Διακονει῀ν was es ſey 341
  • Dianæ der Epheſer Groͤſſe/ worinn ſie be-
    ſtanden 430
  • Diocletianus706. hat feinen Scepter
    mit dem Karſt außgetauſchet 597
    • Diocletianiſche Verfolgung 232
  • Diogenis Lucern iſt vonnoͤthen Chriſten
    zu ſuchen 218
  • Dioſcoridis bezeugung võ Weyrauch 229
  • Dioxippus ein alter verſuchter Fechtmei-
    ſter ein Bild des alten Adams 212
  • Dominicus hat einen eiſernen Pantzer
    auff der bloſſen Haut getragen 218
  • Dominicaner ſind wider die Franciſca-
    n
    er 615
  • Domitianus wie er des Todes Schrecken
    dem Rath zu Rom eingejagt 476
  • Dorothea/ was von dieſer geglaubet wor-
    den/ auch bey Lutheranern 560
  • Drakus ein Englicher Admiral hat wol-
    len im Meer begraben werden 459
  • Dudithius vergleicht das Concilium zu
    Trient einer Sack-Pfeiffe 205

Appendix A.2.5 E.


  • EBenbild Gottes iſt ein Exempel aller
    Tugenden 242. iſt im Paradiß
    verlohren worden 236. von dem-
    ſelben ſind noch etliche Stuͤckwerck
    uͤbrig ibid. gaͤntzliche Erſtattung
    deſſelben wird geſchehen in der Wi-
    dergeburt der Kinder Gottes ibid.
  • Ἐκ ϑάμβησις 306
  • Egyptier Weiſe bey Gaſtereyen 530
  • Ehemann iſt nicht ſchuldig ſein Ehebre-
    cheriſch Weib wider anzunemen 282
    • falſche Einbildungen von Gott 261
  • Einfalt gefaͤllt Gott 243

Einig-
[[773]]Regiſter der denckwuͤrdigſten Sachen.
  • Einigkeit der Kirchen 404. hat zwey
    gefaͤhrliche extrema414
  • Elias ein Geiſel des ewigẽ Lebens 520. 544
  • Eliæ Himmelfahrt 464. iſt ein Fuͤr-
    bild geweſen 465
  • Eliſa ein wunderthaͤter nach ſeinẽ Tod 526
  • Eltern ſollen Ruthe brauchen 266
  • Engel der Chriſtum getroͤſtet 319. mit
    was fuͤr Worten er Chriſtum getroͤ-
    ſtet 330
  • Entheiligung des Tempels Gottes durch
    gottloß Leben 262
  • Ἐπιχαιρεκακία 323
  • Epicureiſmus264
  • Epimenidis Schlaff 513
  • Erneſtus Ertz Biſchoff zu Magdeburg 384
    • Antwort ſo er einem Franciſcaner-Mi-
      noriten gegeben 381
  • Erneuernde Gnade des H. Geiſtes 236
  • Erſcheinung/ ſo die drey Maͤnner im
    Chaldeiſchen Feuer-Ofen erquicket 316
  • Eſaiæ hat Syrach parentirt 658
  • Evagrius632
  • Evangelium iſt eine gnadenreiche Wort-
    Pfeiffe 107. hebet Policeyen nicht
    auff 287
  • Εὐλάβεια was es heiſſe 456
  • Ewigkeit des ſeeligen Lebens/ ſuch Leben
  • Ewigkeit iſt den Ruchloſen ſchroͤcklich/ den
    Glaubigen troͤſtlich 510

Appendix A.2.6 F.


  • FAbius an einer Erbs erwuͤrget 504
  • Fagii Leichnam in Engelland außge-
    graben worden 414
  • Fall von einer Suͤnde in die ander 274
  • Falſche Einbildungen von Gott/ ſuch Ein-
    bildungen
  • Fegfeuer wird uͤbel ſtatuirt 507. woher
    das Fegfeuer komme 508. will nicht
    alle Suͤnden hie vergeben laſſen 143
    macht lauter Angſt in dẽ Gewiſſen 485
  • Feuda36
  • Feuer bey dem geiſtlichen Opffer 219
  • Feuer/ in welchem Himmel und Erden
    werden vergehen 570
  • Feuer der Hoͤllen 715. iſt ein geiſtliches
    Feuer 716. ſchmertzlich 717. groß
    ibid. Wunder-Feuer 718. unauß-
    loͤſchlich ibid. Chriſten ſollens be-
    trachten 721. ſoll ſie ſchroͤcken 722
  • Firmung 346
  • Flagellanten im Papſtumb 218
  • Flaminius hat mit 114. guͤldenen Kronen
    gepranget 624
  • Fleiſch iſt ein Wort mancherley Bedeu-
    tung 3
  • Fleiſches ſuͤndliche Vnart 1
  • Fleiſch iſt tod in Goͤttlichen Sachen 4
  • Fleiſch iſt lebendig zum boͤſen 5
  • Fleiſches Vnart wird gehemmet durch
    die H. Tauff und Widergeburt 7
  • Fleiſch wird am Juͤngſten Tage aufferſte-
    hen 529
  • Franciſcaner-Moͤnch 615
  • Frauen-Pracht 686
  • Freuden-Leben 639
  • Freude eines Hertzens/ ſo ein Tempel Got-
    tes des H. Geiſtes iſt 253
  • Freuden-Engel 322
  • Freyer Will/ ſuch Will
  • Frieden/ was es heiſſe 478
  • Frieden iſt ein koͤſtlich Kleinod 482
  • Frieden Simeons/ was fuͤr ein Friedẽ 480
  • Frieſen-Koͤnig hat ſeinen Fuß wider aus
    dem Tauffſtein gezogen 633
  • Fruͤchte des Geiſtes 250

Eeeee 3Fugge-
[[774]]Regiſter der denckwuͤrdigſten Sachen.
  • Fuggerey mit den Gaben Gottes im
    Papſtumb uͤblich 38. ziehet Gottes
    Rach nach ſich ibid.

Appendix A.2.7 G.


  • GAben des H. Geiſtes/ auſſer der Kir-
    chen 63. Ampts-Gaben/ ordent-
    liche ſind noch in der Chriſtlichen
    Kirchen 68. Gaben des Ge-
    muͤths 241
  • Gebet eines Chriſten wird verglichen dem
    Weyrauch 225. was man dabey er-
    wegen ſoll 227. wird ſchlecht von vie-
    len verrichtet 231
  • Gehenna, was es ſey 666
  • Geiſt Gottes uͤber den Waſſern 73
    • H. Geiſt ein Pfand unſers Erbes 27
    • ſeine wahre Gottheit wird bewieſen 30
    • wird ſonderbar ein Geiſt genant 32
    • geht aus auch von dem Sohn 45
    • Griechen leugnen dieſes Halßſtarrig-
      lich 46. ſind von Gott hart geſtraf-
      fet worden 47. wird verglichen einem
      Kleid 61. iſt eine Salbung 196
      was fuͤr eine Salb ibid. iſt ein Leh-
      rer in ſeinem Tempel 198. was fuͤr
      ein Lehrer ib. Suͤnd in dem H. Geiſt 301
      geiſtlicher Guͤter Fuͤrwendung iſt die
      Haupt-Vrſach des Jammers in
      Teutſchland 265
  • Gemeinſchafft der Heiligen 404. iſt von
    Perſonen und Guͤtern zu verſtehen 408
    • Gemeinſchafft der zeitlichen Guͤter in
      der erſten Kirchen war aus Noth 409
  • Georg Hertzogs in Sachſen Abſcheid
    aus dieſer Welt 462
  • Gerechtigkeit Chriſti/ welche dem Suͤn-
    der in der Rechfertigung werde zuge-
    rechnet 148

  • Geruͤcht von dem ewigen Leben 650
  • Gideons Außſchutz und Muſterung 363
  • Glaubende Glaub 175. 746. iſt ein in-
    nerlich Hertzens-Ange 750. eine Her-
    tzens-Zung 352. eine Hertzens-
    Hand 757. 174. ſeq.
  • Glaube macht allein gerecht 179. Glau-
    bens Ende 557. wie er wird auffhoͤ-
    ren ibid.
  • Gnade Gottes hat ihre Grad 285. wird
    im Evan zelio geoffenbaret 9. ſo Suͤn-
    de erlaſſet 132. iſt eine barmhertzige
    Gnade 134. eine außgegoſſene Gnade
    136. eine vergeſſende Gnade der
    Schuld 137. Gnade des H. Geiſtes
    die da lebendig machet 75. 85. ſeq. be-
    ruffende Gnade/ warhafftige Gna-
    de 98. eine allgemeine und unpaſſio-
    nirte Gnade 99. iſt eine freye Gnade
    105. hoch zu halten 107. wuͤrdig daß die
    Menſchen darnach greiffen 108. Gna-
    de Gottes wird uͤbel particulirt 92. iſt
    nicht allzeit empfindlich 92. widergebaͤ-
    rende Gnade/ was ſie ſey 117
  • Γνῶϑι σεαυτὸν 26
  • Goͤtzendienſt 260
  • Gothen haben in Eroberung der Statt
    Rom der Gotteshaͤuſer verſchonet 194
  • Gott gebeut Glauben/ Bekehrung/ Hei-
    ligkeit/ wie 22
  • Gregorius XV.615
  • Gretſerus hat auff dem Concilio zu Re-
    genſpurg gotteslaͤſterlich geredet 207
  • Gutthaten Gottes ruffen alle dem Men-
    ſchen 100

Appendix A.2.8 H.


  • HAnd geben/ was es bedeutet 173
  • Hannibal hat an dem vergoſſenen
    Menſchen
    [[775]]Regiſter der denckwuͤrdigſten Sachen.
    Menſchen Blut ſeinen Luſt gehabt 469
  • Harpaſte25
  • Hebreer Recht wegen der auffgehenckten
    maleficanten 689
  • Heilbronneri uncatholiſch Papſtumb
    ſoll von unfern Leuten geleſen werdẽ 439
  • Heilige Geiſt/ ſuch Geiſt
  • Heiligkeit der Kirchen 421. falſche Heilig-
    keit 426. heuchleriſche Heiligkeit ibid.
    ungewiſſe Heiligkeit ibid. ſtoltze Heilig-
    keit ibid. Heiligkeit des ewigen Le-
    bens 614
  • Henoch hat heilig gelebet in der Ehe 79
  • Herodis Ende 494
  • Herodoti von Cyro Erzehlung 293
  • Herrligkeit des ewigen Lebens 624
    • wird nicht verdient 634
  • Herrligkeit der am Juͤngſten Tag auffer-
    ſtehenden Leiber 546
  • Hertz des Chriſten iſt ein geiſtlich Rauch-
    Faß 224. wie es muͤſſe beſchaffen ſeyn
    225. Hertz das matt 281. Hertz des
    Sohns Gottes 28. Hertz Gottes des
    Heiligen Geiſtes 282. Hertz eines
    Bußfertigen 164
  • Heyden-Werck und Tugenden 24. 439
    haben fuͤr Freyſtaͤtte Laſterſtaͤtte ge-
    bauet 443. haben ohne Grund und
    Hoffnung ſich getroͤſtet 485. Heyden-
    Liecht 490. halten einen geſchwinden
    Abſchied aus der Welt fuͤr das hoͤchſte
    Gut 505
  • Heyland den Simeon geſehen 489
  • Himmel dahin die Glaubigen kom̃en 580
  • Himmels-Weg 204
  • Himmels-Burger werden ſeyn Schauer
    der Verdamten 738
  • Hinfart der Glaubigẽ aus dieſem Lebẽ 452

  • Hoͤlle iſt 658. ſeqq. Hoͤllen-Ort 666. iſt
    unter der Erden/ wie? 669. hoͤlliſch
    Feuer/ ſuch Feuer.
  • Hof-Leben 636
  • Huren-Hauß aus dem Tempel Gottes
    machen 263
  • Huſſen Geſang auff dem Holtzhauffen 453

Appendix A.2.9 J.


  • JAcob hat geklagt uͤber die Kuͤrtze ſei-
    nes Lebens 589
  • Jacobs Schlaff 551
  • Idiota615
  • Jehu Jorams Einſpaͤnniger 482
  • Jeſabel 15
  • Jeſus/ in welchen wir glauben/ iſt allein
    der einige wahre Gott 34. war troſtloß
    am Oel-Berge 307
  • Ignatii Lob/ ſo er der Roͤmiſchen Kirchen
    gegeben 257
  • Jmmen Einigkeit iſt ein Bild der Verei-
    nigung der Chriſtlichen Kirchen 408
  • Jmmen Klugheit 292
  • Jndianer von 335. Jahren 545
  • Johanna Paͤpſtin 449
  • Jonas Apoſtaticus289
  • Iſidori Peluſiotæ Wundſch 235. deſſen
    Gedancken/ warumb Chriſtus uͤber
    den toden Lazarum geweinet 484
  • Judas Jſcharioth ein Teufels-Roß 185
  • Judas Maccabæus 280
  • Juden haben von der Gabe der Beſtaͤn-
    digkeit uͤbel geſchloſſen 190. ſind Got-
    tes-Moͤrder 285
  • Juͤnger des HErren Schlaff auff dem
    heiligen Berge 551
  • Juliani Beginnen 451. iſt ein Suͤnder in
    den Heiligen Geiſt 301
  • Junckern-Leben 636. 655

Kaͤyſer
[[776]]Regiſter der denckwuͤrdigſten Sachen.

Appendix A.2.10 K.


  • KAyſer haben ſich fuͤr der Zeit arm ge-
    ſchenckt 36
  • Kelch den Chriſtus der Herr außge-
    truncken 327
  • Kennzeichen des Tempels Gottes des
    Heiligen Geiſtes 244
  • Kinder des Verderbens 276
  • Kirchen Chriſti Beſchreibung 363. iſt eine
    Augen-Luſt 352. wird verglichen der
    Morgenroͤthe 355. dem Garten Gottes
    355. einer Tauben 356. einer Roſen 355.
    Kirche zu Eliæ Zeit 380. vor Luthero
    ibid. wie fern die Kirch unuͤberwindlich
    und doch uͤberwunden worden 379
    Kirchen Adel 354. Kirch auff Erden
    ſtreitend/ was fuͤr Titul und Namen
    352. ſichtbare Kirch 365. behaͤlt ihre
    Freyheit in wandelbaren Mitteldin-
    gen 422. gantze Kirch kan irren 370.
    Kirch ſo unſichtbar 377. wie fern ſie un-
    ſichtbar 378. wahre Kirch/ wo ſie ſey 392
  • Roͤmiſche Kirch iſt nach Paͤpſtiſcher Auß-
    ſage den Pforten der Hoͤllen unuͤber-
    windlich 269
  • Kirchen werden im Papſtumb auch den
    Heiligen geweyhet 192. ſind bey den
    Heyden faſt Sau Haͤuſer worden ibid.
  • Kirchen-Hoffart 262: Kirchen-Raub 263
    • Kirchen-Weyhung 278
  • Klarheit der aufferſtandenen Leiber 544
  • Kleinodien des Tempels zu Jeruſalem 235
  • Krafft der aufferſtandenen Leiber 546
  • Krafft Wunder zu thun iſt eine auſſeror-
    dentliche Gabe der Apoſtel geweſen 66
    iſt verſchwunden ibid.
  • Kraͤfften des Menſchẽ nach dem Fall 209
  • Kronen des ewigen Lebens 624
    werden ungleich außgetheilet wer-
    den 634
  • Krone des Jahrs 625

Appendix A.2.11 L.


  • LAchen 639
  • Laͤſterung Simei, wie der es geheiſ-
    ſen 295
  • Laͤſtermaͤuler ſind nahe bey der Suͤnde in
    den Heiligen Geiſt 302
  • Laodicea ein gutgelegener Ort/ Nahrung
    und Einkommen 19
  • Leben das aus Gott iſt 21
  • Leben der Menſchen einem Schauſpiel
    verglichen 498. ewig Leben 549. 550. ſeq.
    iſt ein Feyer-Leben 653. ein unzertrenn-
    lich Leben 654. ein immerbluͤhendes Le-
    ben ibid. unſterblich Leben 655. un-
    muͤhſames Leben ibid. ein unendliches
    Leben ibid.
  • Lehren im Papſtumb werden mit luͤgen-
    hafften Zeichen beſtaͤtiget 67
  • Legion, was und wie viel es bey den Roͤ-
    mern ſey 184
  • Leibs-Geſtalt 277
  • Leiden dreyerley 315
  • Leytung Gottes des Heiligen Geiſtes/ wie
    ſie beſchaffen 202
  • Libanius hat Julianum verfuͤhrt 301
  • Liecht der Geſichte/ Traͤume/ Weiſſagun-
    gen/ Gabe des Heiligen Geiſtes 67
  • Locken Gottes 97. locken der Natur 99
    Lockpfeiffe der Fuͤrſehung Gottes 100
  • Lucas wird ohne Grund fuͤr einen Mah-
    ler gehalten 622
  • Lutheranern werden von den Papiſten
    allerhand abſurda auffgeſattelt 239
  • Lutherus hat keine neue Lehr auffge-
    bracht/ ſondern die alte erneuert 242

Lutheri
[[777]]Regiſter der denckwuͤrdigſten Sachen.
  • Lutheri Anhang beſitzt mit gutem Ge-
    wiſſen was Gott beſchert 265
  • Lutherus hat offt in ſeinem Gebet ſtill ge-
    halten/ und hat ſich laſſen vom Geiſt in
    die Schrifft fuͤhren 206
  • Lutherus wuͤndſchet geſehen und gehoͤret
    zu haben Chriſti Gebett 230
  • Lutherus warumb er das Wort Chriſt-
    lich fuͤr Catholiſch nimmet 434

Appendix A.2.12 M.


  • MAcedoniani Geiſt lebet noch in den
    heutigen Photinianern 37
  • Macedonius36
  • Sieben Maͤrtyrer ſind in der Kirchen be-
    ruͤhmt 724
  • Majoriſten-Schwarm 238
  • Mammelucken die groß Liecht gehabt/
    hernach aber wider zuruck geprallet/
    ſind nah bey der Suͤnd im H. Geiſt 302
  • Mammonolatria261
  • Manaſſe Goͤtzen-Bild auffgericht 260
  • Manaſſe unſchuldig Blut vergoſſen 285
  • Maria iſt nicht ohne Suͤnde empfangen
    und geboren 614. hat auch gefehlet 617
    ihre Tugenden 622
  • Maximiliani II. Roͤmiſchen Kaͤyſers loͤb-
    liche Antwort auff eine Gluͤchwuͤn-
    ſchung 503
  • Menſch iſt nicht von Natur im geiſtlichen
    Leben 10. 21. kan ſich nicht ſelbſt in den
    Gnaden-Himmel ſchwingen 108
    muß gleichſam durch den Gnaden-
    Wagen des miniſteriiibid. kan ihm
    aus eigenen Kraͤfften zur Bekehrung
    nicht helffen/ aber widerſetzen 89
  • Menſchen werden nicht alle ſeelig/ Vr-
    ſach 172
  • Menſch auſſer der Gnaden Gottes 124
    vom Teufel beſeſſen elend 184. vom
    Teufel leiblich beſeſſen iſt ein Bild eines
    geiſtlich-beſeſſenen Menſchen 185
    der einmal den H. Geiſt kraͤfftiglich em-
    pfangen hat Gefahr des Verluſts 190
    nach dem Fall ein doppelter Menſch
    209. vor der Bekehrung tod 240. mit
    der Bekehrung hat er ein neu leben ib.
  • Menſchen hoͤchſter Zierath ibid.
  • Menſch iſt ſein eigener Dieb 267
  • Merckungen der Jnwohnung des Heili-
    gen Geiſtes 246
  • Μετάνοια, was es ſey 168
  • Mezentius hat die Leute ſchroͤcklich ge-
    martert 210
  • Mithridates hat mit ſeinen Voͤlckern in
    ihrer Sprache geredt 72
  • Moͤnchen wie ſie troͤſten mit abgeſtorbe-
    nen Heiligen 472
  • Moſes ein Geiſel der Aufferſtehung 520.
    \&544.
  • Heroiſcher Helden-Muth 65

Appendix A.2.13 N.


  • Guter Nam beſſer als Reichthum̃ 463. ſq.
  • Ναοφϑορὰ pœnalis oder Straff-Verder-
    ben des Tempels Gottes 270
  • Narrenkapp der Weltleut 492
  • Narren-Schiff 575
  • Naſica ein Rathsherr zu Rom 483
  • Nativitaͤt ſteller verkauffen den Menſchen
    in eine Dienſtbarkeit 504
    • ſeinem Netz opffern 228
  • Nicodemus wer er geweſen 3
  • Nichtigkeit der Welt vor der Schoͤpfung 2
  • Nichtigkeit des Menſchen ibid.
  • Ninive ein Exempel der Bußfertigen 168
  • Niniviter-Gehorſam des Glaubens 746
  • Νηπίοις welche 103

F f f f fNoæ
[[778]]Regiſter der denckwuͤrdigſten Sachen.
  • Noæ Segen an ſeinen Sohn Japhet 96.
    \&ſeqq.
  • Noth-Engel 323
  • Novatianer haben Ablaß der Suͤnden
    dem gefallenen Suͤnder nach empfan-
    gener Tauffe verſagt 142
  • Novatianer machen den Loͤß-Schluͤſſel
    gantz zweifelhafftig 291

Appendix A.2.14 O.


  • OBrigkeitliche Gaben 63
  • Occident hat ſchoͤne Bet-Haͤuſer ge-
    habt 257
  • Oneſimus ein Bild der Rechtfertigung
    eines armen Suͤnders fuͤr Gott 145
  • Onkelos dolmetſchet nicht wohl das
    Wort Geiſt/ Gen. 1, 2. 73
  • Geiſtliche Opfferung hat nicht gantz auff-
    gehoͤrt in der Kirchen des N. Teſt. 211
  • Opffer worauff man dabey Achtung zu
    geben ibid.
  • Opffer des Neuen Teſtaments ſind leben-
    dige Opffer 214
  • Opffer-Feuer des Alten Teſtaments 215
  • Opffern den Bildern und Heiligthumben
    uͤblich im Papſtumb 228
  • Ordentliche Ampts-Gaben/ ſuch Gaben.
  • Orient hat ſchoͤne kunſtreiche Tempel ge-
    habt 257
  • Origenes ein groſſes Liecht/ aber auch
    grob gefehlt 287
  • Origenes hat Chriſtum verlaͤugnet mit
    einem Heydniſchen Opffer 123
  • Oropaſtes hat ſich in das Perſianiſche
  • Reich eingedrungen 448
  • Ort der Seeligkeit 470. 480. ſeqq.

Appendix A.2.15 P.


  • Euſſerliche Pædagogi zum guten 9

  • Papiſten ſchaͤmen ſich nicht des Tituls
    Phariſeiſch 129. wollen durch eigene
    diſpoſition die Gerechtigkeit erlangen
    ibid. wollen durch Wercke die ewige
    Herrligkeit erwerben ibid.
  • Papiſten ſoll man nicht Catholiſch nen-
    nen 438
  • Papiſten haben keinen Troſt wider des
    Todes Bitterkeit 485
  • Papſtumb ruͤhmt auch eine Buß 168
    • thut im Handel der Rechtfertigung zu
      viel und zu wenig 143
  • Paͤpſtler machen aus guten Wercken
    Verdienſt 238
  • Papſtumb iſt alles voll Creutz 249
    • anathematiſiret die Gewißheit der gnaͤ-
      digen Vergebung der Suͤnden 212
    • judentzet in Schuͤtzung der Kirchen 354
  • Papſtumb was es gutes habe 382
    • pranget mit miraculen 392
    • in demſelben ſcheinet das Liecht der
      Warheit nicht rein 399
  • Papſtumb machts dem Heydenthumb
    in Erbauung der Freyſtatt nach 443
    • fabelt von dem Ort der Hoͤllen 669
    • ſucht Huͤlffe durch eigene ſatisfactio-
      nes
      723
  • Paͤpſtler ſind nicht einig wegen der Em-
    pfaͤngnuͤß Mariæ615
    • ſagen daß durch die H. Tauff der Suͤn-
      de Wurtzel außgetilget werde 620
    • pralen von vielen Heiligen/ die in dem
      Leben gantz Engel-rein ſollen geweſen
      ſeyn ibid. ziehen die Verheiſſung
      Marc. 10, v. 29. 30. auff ihre Jndia-
      niſche Apoſtel 632
  • Papſtumb will die Gewißheit der Seelig-
    keit aus der Kirchen jagen 554

Papſtumb
[[779]]Regiſter der denckwuͤrdigſten Sachen.
  • Papſtumb erhebt zu hoch des freyen Wil-
    lens Kraͤfften 12. redet laͤſterlich von
    unſerer Lehr der Rechtfertigung 154
  • Patentationes459. 461
  • Paſſauiſche Kunſt 346
  • Patriarchen warumb ſie ſich ſo gern im
    Land Canaan habẽ begrabẽ laſſen 492
  • Paulla hat all ihre Haab ins Cloſter
    ſpendirt 485
  • Paulus mit ſeiner interceffion und Fuͤr-
    bitt ein Bild Chriſti 147
  • Pennalbutzer ſind leibhafftige Teufel 266
  • Perſianer geloben zum Selbſt-Mord 509
  • Petrus am Glauben Schiffbruch erlit-
    ten 285. hat ſeinen Fall beweinet 144
  • Phariſeer Suͤnder in den H. Geiſt 301
  • Φιλαυτία 261
  • Philemon mit ſeiner Verſoͤhnligkeit ein
    Bild des leutſeeligen Gottes 146
  • Philippi III. Koͤnigs in Hiſpanien
    Wundſch 485
  • Philippus II. Koͤnig in Hiſpanien 707
  • Philippi R. Maced. Patientia732
  • Philiſter brauchten Verehrungen den
    Hebreer-Gott zu beguͤtigen 159
  • Phœnix521
  • Photiniani Geiſt-Fried 37
  • Platoniſche Gemeinſchafft der zeitlichen
    Guͤter 408
  • Πν [...]ματόμαχοι 37
  • Polycarpus635
  • Polycrates697. 349
  • Poſt-Feuer 104
  • Pracht iſt hoch geſtiegen 267
  • Prediger ſollen das Schwert des Geiſtes
    brauchen 266
  • Prediger ſind Troͤſter 321
  • Prieſter zu Straßburg iſt einsmahls we-
    gen Abſchaffung des Opffer-Pfen-
    nings wider zuruck geprellet 301
  • Promethei Fabel 708
  • Prophetare was es heiſſe 527
  • Προσέλυτοι 367
  • Pruͤfung unſeꝛ ſelbſt iſt hoch von noͤthẽ 252
  • Pythagoras plagiarius404
  • Pythagoræ Schuler 207

Appendix A.2.16 Q.


  • QVelle des Troſts wider des Todes
    Schrecken 487

Appendix A.2.17 R.


  • RAbba der Kinder Ammon Statt hat
    Davids unbarmhertzige execution
    erfahren muͤſſen 725
  • Rabbinen quaͤlẽ ſich mit ihrer Cabala294
  • Rauchwerck muſte geſchehen fuͤr dem
    Zeugnuͤß der Bundslade 228
  • Geiſtlich Raͤuchwerck wohin es ſoll gericht
    werden ibid.
  • Raͤucherung des Gebets 224
  • Raͤuchern ſtehet nicht in unſerer Chur 230
  • Rautenkrantz im Wapen der Hertzogen
    von Sachſen 628
  • Rechnung in dem Werck der Rechtferti-
    gung iſt eine ernſte Rechnung 148
  • Eine Gnaden-Rechnung ibid.
  • Gnugthuungs-Rechnung 150
  • Rechtfertigung eines armen Suͤnders
    wird beſchrieben in dem Bild eines
    politiſchen Stand-Rechts 151
    • was ſie eigentlich ſey ibid.
  • Reformirten halten anders von der be-
    ruffenden Gnade Gottes als Gottes
    Wort 106
    • machen Vnterſcheid unter der euſſer-
      lichen und innerlichen Gnad ibid.
  • Reichthumb 636

F f f f f 2Reihing
[[780]]Regiſter der denckwuͤrdigſten Sachen.
  • Reihing wolte zu Ritter werden an der
    A. C. wurde aber erleuchtet und be-
    kehret 108. ſeq.
  • Reiſſen 744
  • Religions-Frieden von Gott zu wuͤn-
    ſchen 416
  • Richardi Koͤnigs in Engelland Sieg wi-
    der einen Biſchoff 156
  • Richter am Juͤngſten Tage/ wer? 727
  • Rohrdomel 315
  • Rom ein Sodoma 744
  • Rom ein andere Diana43
  • Alt und neu Rom iſt wohl zu unterſchei-
    den 445
  • Ruhe im ewigen Leben 589
  • Ruhmredigkeit geiſtlicher Gnuͤgſamkeit 19
  • Ruͤſten zum Tode iſt von noͤthen 472

Appendix A.2.18 S.


  • SAcramenta zeugen durch Waſſer und
    Blut 248
  • Salomon haͤnget ſeiner Ehr einen
    Schandfleck an 259
    • vermuthlich widerumb bekehrt worden
      nach ſeinẽ erbaueten Trutz-Tempel 285
  • Salomoniſche Tempels-Weihung 187
  • Saltz des geiſtlichen Opffers 215. ſeqq.
  • Saphir 600
  • Satan wird durch die Muſie gebañet 404
  • Sathan gibt ſich fuͤr einen groſſen Welt-
    Gott an 567
  • Sathan ob er ein Hencker und Hoͤllen-
    Peiniger zu nennen ſey 730
  • Scaphiſmus706
  • Schatz Gottes dreyerley 734
  • Schau des Meſſiæ, Simeoni eine Troſt-
    Quell wider den Tod 488. ſeqq.
  • Leibliche Schau allein iſt nichts nutz 493.
    und 494

  • Schechers bußfertiger Tod iſt keine ſatis-
    faction
    geweſen 507
  • Schererus Lojolit/ und D. zu Pariß hat
    dem euſſerlichen Schein nach wohl ge-
    lebt 495
  • Geiſtliche Schifffahrt 558
  • Schlaff woher er entſtehet 471
  • Sieben Schlaͤffer 513
  • Schlangen/ wie fern es wahr ſey/ daß ſie
    den Menſchen nach ſeinem Tode freſ-
    ſen 705
  • Schleinitz wolte nach ſeinem Tode abge-
    mahlt werden 550
  • Schlichting/ wer er geweſen 37
  • Schoß Abrahæ von Tertulliano uͤbel be-
    ſchrieben 507
  • Schoͤnheit der Braut Chriſti im ewigen
    Leben 617. ſeqq.
  • Schoͤpffungs-Krafft von Moſe figuͤrlich
    beſchrieben 73
  • Schul-Lehrer-Gedancken von der An-
    ſchauung Gottes im ewigen Leben 603
  • Schutz-Engel was im Papſtumb von ih-
    nen gedichtet werde 468
  • Schwanen-Geſang Simeonis 452
  • Schwanen was von ihnen fabulos ge-
    ſagt werde ibid.
  • Scipio hat die jenigen nicht beſchenckt/ die
    ſich an Apollinis Tempel vergriffen
    264. ſeqq.
  • Seelenſchmuck 61
  • Segnen war der Prieſter Ampt 454
  • Seiden-Wurm Bild der Aufferſtehung
    des Fleiſches 540
  • Selbſt-Betrug ein gefaͤhrlich Ding 249
  • Severi letzte Wort 485
  • Sicherheit des Friedens Stieff-Toch-
    ter 482

Simeon
[[781]]Regiſter der denckwuͤrdigſten Sachen.
  • Simeon/ wer er geweſen 454. Gottfuͤrch-
    tig 456. auffrichtiger Mann ibid. hat
    auſſerordentliche Gaben gehabt 457.
    • ϑεόϖνευςος ibid.
  • Simeons Segen/ damit er die Eltern Jeſu
    geſegnet 454
  • Simeons Helden-Glaub 455
  • Simeon iſt nicht allererſt ſehend worden
    durch das anruͤhren des Kinds Jeſu ibid.
  • Similis eine Stattvogts Grab-Schrifft 482
  • Similis des Hofdieners bey Adriano Be-
    fehl 591
  • Simon von Tornaco nahe bey der Suͤnde in
    Heiligen Geiſt 302
  • Sixtus IV.615
  • Sohn Gottes iſt erſchienen mit Fuͤſſen 600
  • Soldaten-Leben 636
  • Sophocles iſt an einer Weinbeer erwuͤrgt 504
  • Spaltungen ſind auch in der Kirchen Aug-
    ſpurgiſcher Confeſſion415
  • Spiegel des Geſetzes der Phariſeer zeiget
    nicht recht 130
  • Spiegel des Evangelii 131
  • Spiéra ein ſchroͤcklich Exempel eines Suͤnders
    in Heiligen Geiſt 30[2]
  • Spiéra hat auch eine Vergebung der Suͤnden
    geglaubt/ aber nicht fuͤr ſich 134
  • Staͤrcke empfangen Chriſten im Heiligen
    Abendmahl 347
  • Stengelius verwegen 330. 341
  • Stern den die Weiſen aus Morgenland ge-
    ſehen 390
  • Stimm Gottes an Adam 12 [...]
  • Stirn eines Bußfertigen 165
  • Stoicorum etlicher Vntergang 574
  • Straffe Gottes langſam aber ſchwer 277
  • Straßburg hat einsmals viel flagellanten 219
  • Studioſi Theologiæ69
  • Succeſſio der Biſchofe zu Rom/ ob ſie ſo un-
    verruckt und gut ſey 447
    • iſt kein gnugſames Kenn-Zeichen der wah-
      ren Kirchen 448
  • Suͤnde in den Heiligen Geiſt 294
    • wie dieſelbe unvergeblich 299
  • Staffeln der Suͤnde in H. Geiſt 298. ſeqq
  • Suͤnde ſind Feſſel und Ketten/ unter welchen
    auch der Widergeborne verkaufft 469

  • Suͤnde wie fern ſie getilgt werd in der Recht-
    fertigung eines armen Suͤnders fuͤr
    Gott 143
  • Suͤnden-Krafft wird getilgt durch den Heili-
    gen Geiſt 218
  • Eines reuenden Suͤnders Stand 162
  • Suͤnd oder Suͤnder muß ſterben 220
  • Syncretiſmus auch in der Tuͤrckey 108

Appendix A.2.19 T.


  • TArquinius an einem Fiſchgret erwuͤrgt [5]04
  • Tauffe iſt eine geiſtliche Kirchweihe 187
  • Τέλος was es heiſſe 557
  • Tempel der ander warumb er heiliger dann
    der erſte 492
  • Tempel und Lehrer ſind correlata198
  • Tempel Gottes angreiffen 264
  • Tempel des Heiligen Geiſtes der Chriſten-
    Menſch/ wie er beſchaffen 186
  • Tempels-Erlaſſung iſt Gottes Straff 271
  • Hie iſt des HErren Tempel ein Juden-Ge-
    ſchrey 296
    • wird auch im Papſtumb gehoͤrt/ im Zwin-
      gelthumb/ auch im falſchen Lutherthum̃ ib.
  • Tempel moͤgen wohl gezieret werden mit Bil-
    dern und andern ornat235
  • Tempel Gottes verderben was es heiſſe 258
  • Rechter Tempel Gottes wer und wo er ſey iſt
    eine ſchwere Frag 245
  • Τεταγμένοι 102
  • Teufel Gottes Aff 325
  • Der alten Teutſchen grauſame Barbarey 24
  • Thabor wird genant ein heiliger Berg 578
  • Thau woher er komme 111
  • Theodatus624
  • Theodorus an der Folter einen Pſalmen ge-
    ſungen 341
  • Theodoſii Wort in ſeinen Zuͤgen 389
  • Θεομαχεία 261
  • Thogarma97
  • Thraͤnenſtand Buß-Zeichen aber nicht Buß-
    Wercke 169
  • Timogenes584
  • Titus628
  • Toden-Recht 459
  • Todesfahrt eines Glaubigen was fuͤr eine
    Fahrt 466
    • iſt abgebildet durch Eliæ Himmelfahrt 465

Todes-
[[782]]Regiſter der denckwuͤrdigſten Sachen.
  • Todes-Vrſachen 468
  • Tod ſoll man recht lernen erkennen 470
    was fuͤr Namen er hat 471. der Natur
    ſchroͤcklich 475. ſchroͤckliche Namen 476
  • Todes-Bilder ibid.
  • Todes-Troſt 477. 486
  • Todes-Engel was die Juden von ihm dich-
    ten 497
  • Tod der Glaubigen/ wie er anzuſehen 482
  • Toden ſollen nit allzuſehr betrauret werdẽ 484
    • warumb man ihnen die Augen zutruckt ib.
  • Todesthal 469
  • Toͤdtung des ſuͤndlichen Fleiſches 210
  • Trauer-Thraͤnen 163. ſeqq.
  • Goͤttliche Traurigkeit wie ſie beſchaffen 163
  • Traurigkeit iſt zweyerley 169
  • Traͤume vom ewigen Leben 643
  • Treu wird die Cron erlangen 636
  • Trieb Gottes des H. Geiſtes 249
  • Trientiſch Concilium hat Zweifelſtrick zu-
    ſammen geflickt 142
  • Troſt-Ampt 305
  • Troſtbegierig 310
  • Troſtfaͤhig 312
  • Troſtloß 309
  • Troſtwuͤrdig 308
  • Troͤſter 314. ſeqq.

Appendix A.2.20 V.


  • VAlentinianus367
  • Valentinianus wolt lieber Ritter-Guͤrtel
    als Chriſti Glauben quittiren 633
  • Vaſalli Gottes was ſie thun ſollen 69
  • Veraͤnderung unſerer Leiber in der Auffer-
    ſtehung 545
  • Verdamten Beſchaffenheit nach deren Auff-
    erſtehung 547. ſeq. 676. 690
  • Verdamten Tod 691
  • Verdamten Straff iſt Verluſt des guten 688
  • Verdamten Zuſtand ſoll offtmalen/ ſonderltch
    jungen Leuten/ fuͤrgemahlt werden 696
  • Verdienſt/ die man in Gottes Gericht brin-
    gen will ſind σκύ [...]αλα 155
  • Verehrungen ſind nicht das rechte Verſoͤh-
    nungs-Mittel 159
  • Vergerius iſt wunderlich bekehrt worden 108
  • Verhaͤrtung 274
  • Vernunfft hat Chriſtum wollen troͤſten 330

  • Verſoͤhnungs-Mittel 158. ſeq.
  • Verwerffung des Ampts des H. Geiſtes 297
  • Veteraniſmus an Novatianiſmi Stell 291
  • Vbergebung in des Sathans Gewalt 272
  • Vberzeihung hat nicht allzeit nach ſich die
    Bekaͤntnuͤß des Vnrechts/ wirds aber ha-
    ben am Juͤngſten Tage 200
  • Vlyſſis Geſpraͤch mit Circe292
  • Vlyſſis Geſellen 25. 291. 596
  • Vnglaubige 683
  • Vngluͤck/ was dabey zu betrachten 314
  • Vnſtern/ Vngluͤck/ Vnglauben/ findet ſich/ wo
    Sathan hingefahren 273
  • Vnſterbligkeit der Aufferſtandenen 544
    iſt den Verdamten peinlich 547
  • Vnwidergeborne thun τὰ τοῦ νόμου 5
    ihre Werck ſind nur Tugendſchein 239

Appendix A.2.21 W.


  • WAchen iſt uns anbefohlen 191
  • Wachsthumb in der Gnade Gottes hat
    unterſcheidene Staffeln 88
  • Waldenſer 381
  • Wege des Geſetzes koͤnnen wir nicht wande-
    len 204
  • Weg des Evangelii iſt heilſam ibid.
  • Weihe des Tempels Gottes des H. Geiſtes 187
  • Weiſe aus Morgenland 380
  • Weiſſagungen der Stunde des Todes unge-
    wiß 394
  • Welt iſt ein Gefaͤngnuͤß 469
  • Welt iſt nicht der Ort des ewigen Lebens 567
    was ſie ſey 569
  • Welt-Ende 571
  • Zukuͤnfftiger Welt Ort 578
  • Welt-Pfeiffe 260
  • Welt will ſich immer beſchoͤnen 16
  • Weltgeiſt fragt nichts nach Entſcheidung
    ſchwerer ſtreitigkeiten in Religionſachẽ 207
  • Welt-Abſag iſt Chriſten von noͤthen 472
  • Welt-Liebe 240
  • Werck vergilt der HErr nicht/ ſonder nach den
    Wercken 244
  • Gute Werck ſind kein Verdienſt-Mittel die
    Seeligkeit entweder zu erwerben oder zu
    erhalten 238 wofuͤr man ſie ſoll halten ibid.
  • Weyrauch iſt von den Weiſen Chriſto offerirt
    222. was es fuͤr eine Gabe geweſen ibid.

Wider-
[[783]]Regiſter der denckwuͤrdigſten Sachen.
  • Widergeburt/ wer da Vater 113. Mutter 114
  • Widergeburt an ihr ſelbſt 114
  • Widergeborner was er ſey 115. deſſen eigent-
    licher character118
  • Widergeborner Menſch ein Prieſter 224. han-
    delt mit Luſt nach Gottes Geſatz 239
  • Widerruffung Gottes 278. iſt in dem Evan-
    gelio bekraͤfftigt 284
  • Widerſchaffen iſt ein groͤſſer Werck als ſchaf-
    fen 76
  • Freyer Will des Menſchen in euſſerlichen
    Sachen 9. wird vom Pelagianiſchen
    Jrrgeiſt zu hoch erhaben ibid.
  • Wolthaten Gottes wie ſie den Menſchen an-
    reden 69
  • Wort im Hertzen beygelegt iſt ein Zeugnuͤß
    der Jnwohnung des H. Geiſtes 247
  • Wunderwercke/ welches die rechte iſt unge-
    wiß 394

  • Wurm der Verdamten nagend und unſterb-
    lich 699

Appendix A.2.22 Z.


  • ZAuberey-Mittel Gott zu beguͤtigen 159
  • Zeit der Gnaden 286
  • Zeit des Todes wie ſie dẽ Menſchen beſtimt 501
  • Zuxidis kunſtreiche gemachte Trauben 238
  • Ζηλωσις iſt von noͤthen Studiis Theologiæ69
  • Zimroth haarez was 38
  • Zuhoͤrer wie ſie ſich ſollen erzeigen gegen den
    Gaben/ die Gott den Lehrern mittheilet 71
  • Zurechnung im Handel der Rechtfertigung/
    wie ſie beſchaffen 149
  • Zuſammenſtimmung der Natur 404
  • Zuſammenſtimmung der Seyten ibid.
  • Zwilling in Schottland 208
  • Zwinglianer untertrucken den freyen Willen
    auch in weltlichen Sachen 13

Appendix A.3 Regiſter der Bibliſchen Spruͤche/ ſo zum Theil an ſtatt der Texte
ſind abgeleſen/ zum Theil ſonſten kuͤrtzlich angezogen
und erklaͤret worden.


  • Gen. cap.1. verſ. 2. p. 73.
    3. 9. 122.
    19. 459.
    9. 27. 96.
    19. 17. ſeq. 723. 589
    28. 11. 551.
    46. 30. 487.
    47. 9. 559.
  • Exod.8. 19. 82.
    14. 30. 736.
    21. 13. 442.
    24. 9. 599.
    33. 18. 603.
  • Lev.26. 11. 16.
    12. ibid.
  • Num.16. 676.
    21. 6. 704.
    7. 705. 709.
  • Devt.19. 1. 442.
    21. 23. 689.
    33. 29. 418.
  • Ioſ.20. 1. ſeq. 442.
  • Iud.6. 7. 363.
    8. ibid.

  • 1. Sam.2. 25. 298.
  • 1. 10. 7. 650.
  • 1. 15. 32. 474.
  • 1. 22. 2. 101.
  • 2. Sam.12. 31. 725.
  • 2. 21. 9. 688.
  • 10. ibid.
  • 1. Reg.2. 8. 294.
  • 2. Reg.2. 9. 462.
  • 2. 13. 21. 526.
  • 2. 20. 11. 464.
  • 12. ibid.
  • 2. Chron.30. 8. 137.
  • Eſth.1. 2. ſeq. 655.
  • Iob.19. 25. 515.
  • 26. ibid.
  • 27. ibid.
  • Pſal.14. 3. 125. ſeq.
  • 22. 7. 541.
  • 39. 6. 2.
  • 42. 2. 205.
  • 50. 21. 704.
  • 51. 18. 218.
  • 19. ibid.

  • Pſal.90. 12. 473.
  • 102. 7. 315.
  • 8. ibid.
  • 18. 336.
  • 20. ibid.
  • 21. ibid.
  • 110. 3. 111.
  • 119. 50. 311.
  • Prov.1. 24. 755.
  • 25. ibid.
  • 26. ibid.
  • Eccleſ.2. 2. 639.
  • 12. 2. 462.
  • 3. ibid.
  • 4. ibid.
  • 5. ibid.
  • 6. ibid.
  • Cantic.2. 2. 375.
  • 4. 7. 614.
  • Eſa.14. 11. 700.
  • 25. 6. 643.
  • 28. 15. 512.
  • 66. 24. 658.
  • Ierem.7. 4. 268.

Ezech.
[[784]]Regiſter der Bibliſchen Spruͤche
  • Ezech.8. 3. ſeq. 26.
  • 24. 15. 351.
  • 28. 13. 355.
  • 47. 1. 77.
  • Dan.3. 24. 316.
  • 12. 2. 516.
  • Hoſ.1. 2. 282.
  • 3. 1. ibid.
  • 6. 5. 216.
  • Ion.3. 5. 746.
  • Habac.2. 4. 758.
  • Sap.13. 5. 40.
  • Syr.10. 13. 699.
  • 12. 4. 348.
  • 20. 32. 35.
  • 48. 24. 526.
  • 15. ibid.
  • 25. 658.
  • 1. Macc.2. 58. 464.
  • 4. Esdræ4. 5. 714.
  • 2. 12. 390.
  • Matth.4. 3. 340.
  • 11. 25. 102.
  • 26. ibid.
  • 28. 102.
  • 12. 31. 294.
  • 32. ibid.
  • 16. 24. 213.
  • 18. 34. 730.
  • 19. 16. ſeq. 631.
  • 21. 13256.
  • 25. 4. 473.
  • 26. 38. 708.
  • Marc.5. 2. 184.
  • 9. 49. 709. ſeq.
  • 50. ibid.

  • Marc.10. 29. 632.
  • 30. ibid.
  • 13. 23. 734.
  • Luc.2. 29. 452.
  • 30. ibid.
  • 31. ibid.
  • 32. ibid.
  • 4. 5. 567.
  • 12. 58. 28.
  • 59. ibid.
  • 21. 5. 234.
  • 22. 29. 626.
  • 30. ibid.
  • 43. 305.
  • 23. 42. 506.
  • 43. ibid.
  • 24. 29. 61.
  • Ioh.3. 6. 1.
  • 5. 24. 483.
  • 15. 26. 43. ſeq.
  • 17. 1. ſeq. 230.
  • Actor.1. 7. 503.
  • 19. 28. 430.
  • 34. ibid.
  • 25. 11. 132.
  • Rom.1. 19. 100.
  • 20. ibid.
  • 2. 14. ibid.
  • 3. 19. 130.
  • 28. 179.
  • 4. 17. 1.
  • 5. 21. 259.
  • 6. 23. 682.
  • 8. 14. 240.
  • 19. ſeq. 569.
  • 11. 32. 128.

  • Rom.11. 33. 40.
  • 1. Cor.3. 16. 184. ſeq.
  • 17. ibid.
  • 9. 27. 214.
  • 11. 10. 352.
  • 12. 6. 607.
  • 15. 35. 542.
  • 16. 13. 191.
  • 2. Cor.1. 22. 27.
  • 6. 16. 186.
  • 13. 5. 253.
  • Gal.3. 2. 76.
  • Phil.4. 1. 628.
  • Col.3. 9. 213.
  • 1. Theſſ.4. 13. ſeq. 550.
  • 1. Tim.3. 15. 373.
  • 2. Tim.4. 8. 625,
  • 1. Pet.1. 4. 580.
  • 8. 557.
  • 9. ibid.
  • 2. Pet.1. 18. 578.
  • 2. 6. 711.
  • 3. 7. 570.
  • 10. ibid.
  • 1. Ioh.2. 20. 195.
  • 27. ibid.
  • 3. 117.
  • Hebr.9. 27. 678.
  • Iudæ11. 676.
  • Apoc.3. 17. 18.
  • 18. ibid.
  • 4. 4. 624.
  • 5. 9. ſeq. 625.
  • 14. 13. 506.
  • 15. 2. 737.
  • 5. ibid.

ENDE.


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Dieses Werk ist gemeinfrei.


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Kolimo+

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2025). Collection 3. Catechismus-Milch Oder Der Erklärung des Christlichen Catechismi Sechster Theil. Catechismus-Milch Oder Der Erklärung des Christlichen Catechismi Sechster Theil. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bp3v.0