Ertz-Narren
Jn der gantzen Welt/
lern gereiniget und verbeſſert.
DJeß Buch hat einen naͤrriſchen Ti-
tul/und ich halte wohl/ daß mancher
meinen wird/ er wolle ſeine Narr-
heit daraus ſtudiren. Doch es geht hier
wie mit den Apothecker Buͤchſen/ die haben
außwendig Satyros oder ſonſt Affengeſich-
te angemahlt/ inwendig aber haben ſie
Balſam oder andre koͤſtliche Artzneyen
verborgen. Es ſiehet naͤrriſch aus/ und
wer es obenhin betrachtet/ der meint/ es ſey
ein neuer Simpliciſſimus oder ſonſt ein le-
derner Saalbader wieder auffgeſtanden.
Allein was darhinter verſteckt iſt/ moͤchte
ich denenſelben ins Hertz wuͤnſchen/ die es
beduͤrffen. Uber Fuͤrſten und Herren
haben andere gnug geklaget und geſchrie-
ben: hier finden die Leute ihren Text/die
entweder nicht viel vornehmer ſind/ als ich/
oder die zum wenigſten leiden muͤſſen/ daß
ich mich vor ihnen nicht entſetze. Den Leu-
ten bin ich von Hertzen gut: daß aber etli-
A iijche
[6]
che Laſter ſo beſchaffen ſind/ daß ich ſie we-
der loben noch lieben kan/ ſolches geht die
Leute ſo eigentlich nicht an. Es iſt auch
keiner gemeint/ als wer ſichs annehmen
will. Und dieſem wuͤnſch ich gut Gluͤck
zur Beſſerung/ vielleicht wirckt dieſe Poſ-
ſierliche Apothecker-Buͤchſe bey etlichen
mehr/ als wenn ich den Catonem mit groſ-
ſen Commentariis haͤtte auflegen laſſen.
Plato hat geſagt: Imperare eſt legitimè
fallere populum. Es ſcheint als muͤſte
man die Tugend auch per piam fraudem,
der kuͤtzlichten und neubegierigen Welt auf
eine ſolche Manier beybringen/ drum
wuͤnſche ich nichts mehr/ als die Welt wol-
le ſich zu ihrem Beſten allhier betriegen
laſſen. Sie bilde ſich lauter luſtige und
zeitvertreibende Sachen bey dieſen Nar-
ren ein: wenn ſie nur unvermerckt die klu-
gen Lebens-Regeln mit leſen und erwegen
will. Und wer will die Satyriſche Art
zu ſchreiben der ietzigen Zeit verbieten/ da
ſolches bey den klugen Griechen und Roͤ-
mern mit ſonderbahrer Beliebung erhalten
worden? Jch mache es ja ſo unhoͤfflich und
un-
[7]
unchriſtlich nicht/ daß ich mich befahren
muͤſſe/ als wuͤrden ſich mehr daran aͤrgern
als beſſern. Vielmehr will ich die ſchreib-
ſichtigen Papier-verderber beſchaͤmen/
welche unter dem Deckmantel der Saty-
riſchen Freyheit/ ſolche unverantwortliche
Zoten vorbringen/ darvor der Him̃el ver-
ſchwartzen moͤchte. GOtt der unbetrogene
Hertzenkuͤndiger bringe den leichtfertigen
Menſchen zum Erkaͤntniß/ der unlaͤngſt
den verfluchten und Henckermaͤßigen
Klunckermutz in die Buchlaͤden ein-
geſchoben hat: gleich als wolte er die Ab-
ſcheuligkeit der Unzucht allen erſchrecklich
machen/ da er doch mit ſeinen leichtfertigen
und unverſchaͤmten Umſtaͤnden ſo viel jun-
ge unſchuldige Gemuͤther geaͤrgert hat/
daß man ihm tauſend Muͤhlſtein an ſei-
nen Hals wuͤnſchen moͤchte. Jn Franck-
reich iſt vor wenig Jahren eine Jungfer-
Schule natuͤrlich und aͤrgerlich gnug her-
aus kommen. Doch nun haben wir auch
ein Buch/ dabey wir den Frantzoſen nichts
vorwerffen koͤnnen. Eine Schande iſt
A jves/
[8]
es/ daß ſolche Gewiſſensloſe Drucker und
Buchhaͤndler gefundẽ werdẽ/ welche ſich ſo
viel mehr dieſer Suͤndẽ theilhafftig machẽ/
ſo viel mehr ſie die Schãd-Poſſen unter die
Leute bꝛingẽ. Nun ich wuͤnſche noch einmal/
GOtt bringe die Liecht-ſcheuende Fleder-
Maus zum Erkaͤntniß/ damit ihm die ver-
dammten Bogen nicht einmahl auf der
Seele verbrennen/ und die boͤſe Brunſt/ die
er bey vielen erwecket/ auf ſeinem Kopfe zu
Pech und Schwefel werde. Er mag ſeyn
wer er will/ ſo weiß ich/ daß ihn ſein Ge-
wiſſen eher verdammet hat/ als die ehrba-
re Welt davon hat urtheilen koͤnnen. Nun
wie dem allen/ hier lege ich dem Kerlen mit
der Sauglocke was anders vor/ daran er
mag zierlicher ſchreiben lernen. Eines iſt
mir leid/ daß ich die Sachen/ welche mei-
ſtentheils vor acht Jahren mit fluͤchtiger
Feder auffgeſetzet worden/ weder uͤberſehn
noch leſerlich abſchreiben kan. Und dan-
nenhero verſche ich mich unterſchiedener
Druckfehler. Jm̃it[t]elſt haͤtte ich Luſt mich
zu nennen/ wuͤrde ich wegen meiner Ver-
rich-
[9]
richtungen leicht entſchuldiget ſeyn/ wo-
fern einige Nachlaͤſſigkeit an meinem Or-
te mit unterlauffen ſolte. So iſt dieß
meine Bitte/ es wolle ein iedweder die Er-
innerungen mit ſo gutem Hertzen anneh-
men/als gut meine Jntention iſt einem ied-
weden zu dienen. Erhalte ich den Zweck
nicht/ ſo ſoll mich doch der gute Willen er-
getzen/ welchen ich hierbey gehegt habe. Jm
uͤbrigen habe ich dieß lange bedacht/ gleich
wie ein Schneider auß ſchlimmen Tuche
kein gut Kleid machen kan; alſo wuͤrde ich
von boͤſen Sachen kein koͤſtlich Buch
ſchreiben. Doch weil es einmahl geſchrie-
ben iſt/ ſo bleibt es bey der guten recom-
mendation, lebe und urtheile wohl.
[10]
Eingang.
TEutſchland hatte nunmehr den
dreiſſig-jaͤhrigen Krieg beygele-
get/ und der angenehme Friede
fieng allbereit an ſeine Fruͤchte
außzuſtreuen/ als ein groſſer
Herr/dem das Leben in den ver-
ſchloſſenen Feſtungen bißher gar verdrießlich
gefallen war/ ſich wiederumb auf ſeine Herr-
ſchafft begab und daſelbſt ſein zerſtoͤrtes
Schloß auf eine neue und ſchoͤnere Manier
anlegen ließ. Das Werck gieng wohl von
ſtatten/ die Mauern wurden aus dem aͤuſſer-
ſten Grunde wohl auffgefuͤhrt/ die Daͤcher
fuͤgten ſich zierlich zuſammen/ die Loſamenter
hatten ihre ordentliche Abtheilung/ und die
Sache kurtz zu geben/ ein ieder freuete ſich
ſchon/ den Pallaſt in wuͤrcklicher Vollkom-
menheit anzuſchauen. Doch wie es in den
Menſchlichen Sachen pflegt herzugehen/ daß
ſich die Hoffnung allzeit weiter erſtreckt/ als
die That ſelber: alſo befunden ſich die Leute in
ihrer Freude/ wo nicht betrogen/ doch ſehr lan-
ge
[11]
ge auffgehalten. Denn obgedachter Herr
fiel in eine ploͤtzliche Kranckheit/ ward auch von
dem herein brechenden Tode uͤbereilet/ daß er
kaum Zeit hatte ſeinen letzten Willen zu er-
klaͤren/ und in Ermangelung eigener Leibes-
Erben/ die naͤchſten Freunde im Teſtament
ordentlich zu bedencken. Was geſchach? die
Leiche wurde praͤchtig beygeſetzt/ und weinten
dieſelben am trotzigſten/ die ſich der Erbſchafft
wegen am [m]eiſtẽ freueten/ daß [m]an alſo wol in
die Trauer-Fahne haͤtte ſehreibẽ moͤgẽ: NUL-
LI JACTANTIUS MOERENT, QUAM
QUI MAXIME LÆTANTUR. Endlich
bey Eꝛoͤffnung des Teſtaments fand ſichs/ daß
dem jenigen/ der des Hauſes Beſitzer ſeyn
wuͤrde/ die Beſchwerung/ doch ohne ſeinen
Schaden aufferleget war/ den angefangenen
Bau nicht allein zu vollenden/ ſondern auch in
allen Stuͤcken ſo wohl in groſſen als in kleinen
dem auffgeſetzten Verzeichniß zu folgen. Nun
war gedachtes Verzeichniß ſo accurat einge-
richtet/ daß faſt nicht ein Balcken vergeſſen
war/ wo er ſolte eingeſchoben/ wie er ſolte be-
kleidet oder gemahlet/ wie er ſolte behobelt und
beſchnitzet werden. Was ſolte der Erbe thun?
wolte er den Pallaſt haben/ muſte er die bey-
gefuͤgte Condition eingehen. Und alſo ließ
er in dem Bau gar ſorgfaͤltig fort fahren/ ver-
A vjgaß
[12]
gaß auch nichts in Obacht zu nehmen/ wie es
vorgeſchrieben war. Nach langer Muͤh kam
er auf die Gemaͤcher/ die er mit allerhand
Schildeꝛeyen außputzen ſolte/ wie denn alle In-
ventiones ſchon vorgeſchrieben waren. Und
da war ein Saal/ bey dem die Verordnung
geſchehen/ es ſolten in den drey groſſen
Feldern der Thuͤre gegen uͤber die drey
aͤrgſten Narren auf der Welt abge-
mahlet werden. Jn dieſem Stuͤck erei-
gneten ſich nun groſſe Scrupel/ indem nie-
mand gewiß ſagen konte/ welches denn eben
in der groſſen und weitlaͤufftigen Narrenſchu-
le der Welt/ die 3. groͤſten und vornehmſten
Narren ſeyn muͤſten/ und ob nicht auf allen
Fall/ wenn ein Schluß ſolte getroffen werden/
man einen præcedentz Streit um die Narren-
Kappe/ oder wohl gar einen injurien-proceß
moͤchte an den Hals bekommen/ nach dem be-
kanten Sprichwort: Quo ſtultior, eò ſu-
perbior. Es fiel auch dieſes inconveniens
mit ein/ daß einer/ der ietzund ein kleiner Narr
waͤre/ in kurtzer Zeit mit einer hoͤhern Charge
moͤchte verſehen/ und vielleicht uͤber die Ober-
ſten geſetzet werden. Denn weil heute zu Ta-
ge die Ehre nichts iſt als ein bloſſer Titel/ ſo
koͤnte man leicht verſtehẽ was das heiſt/ Senio-
reſ ludunt titulis, ut pueriaſtragulis. Zwar
der
[13]
der Sache muſte endlich abgeholffen werden/
und kamen zu dem Ende die kluͤgſten deſſelbi-
gen Orts zuſammen/ ob ſie nicht in der zwei-
felhafftigen Frage koͤnten einen richtigen
Schluß treffen. Einer machte den Handel
ſehr ſchwer/ vorgebende/ er haͤtte auf ſeiner
Reiſe durch Ober-Sachſen/ in einem vorneh-
men Adelichen Hauſe einen Saal geſehn/ da
neun und neuntzig Narren waͤren abgemahlt
geweſen/ und waͤre noch ein ledig Feld gelaſ-
ſen worden/ wann ſich unverſehns irgend ei-
ner angegeben/ den der Mahler vergeſſen haͤt-
te. Dannenhero würde die Wahl unter ſo
vielen nicht gar zu leicht ſeyn. Ein ander gab
vor/ der waͤre der groͤſte Narr/ welcher die
groͤſten Schellen haͤtte: Aber er muſte ſich
berichten laſſen/ daß die meiſten Schellen
heimlich getragen wuͤrden/ ſonderlich nach
der Zeit/ da man unter den Baruquen und
breiten Huͤten viel verbergen koͤnte. Nach
langem Berathſchlagen/ fing ein alter Gruͤllẽ-
faͤnger/ der bißhero gantz ſtill geſchwiegen/ alſo
an: Jhr Herren/ was wolt ihr in dieſer Stu-
be die groͤſten Narren dergantzen Welt auß-
ſuchen/ ihr kommt mir vor als wie Peter
Sqventz/ der meinte/ weil er im Dorffe keinen
Pfarherr haͤtte und derowegen als Schul-
meiſter der oberſte zu Rumpels-Kirche waͤre/
A vijſo
[14]
ſo muͤſte er unfehlbar der Hoͤchſte in der gan[-]
tzen Welt ſeyn. Magnum \& parva ſunt re-
lata. Will einer nun wiſſen/ was in dieſem
oder jenem Stuͤcke das Groͤſte in der gantzen
Welt ſey/ der muß auch einen Blick in die
gantze Welt thun. Und ich halte/ der ſelige
Herr habe einen klugen Veſitzer ſeines Hau-
ſes dadurch beſtaͤtigen wollen/ indem ſolcher
Krafft der Bedingung/ ſich in der Welt zuvor
verſuchen/ und alſo in Betrachtung vielfaͤlti-
ger Narren/ deſto verſtaͤndiger werden muͤſte.
Dieſe Rede wolte dem jungen Faͤntgen nicht
zu Sinne/ daß er ſich ſo viel Meilen hinter den
Backofen verlauffen ſolte: abſonderlich war
ihm dieß zuwider/ daß er ſeine Liebſte ſo lange
verlaſſen muͤſte/ mit welcher er ſich/ nach der
Gewonheit aller reichen Erben/ verplempert
hatte. Aber es halff nichts/ wolte er nicht/ ſo
war ſchon ein ander da/ der es umb dieß Geld
thun wolte. Derhalben weil wider den Tod
kein Kꝛaut gewachſen war/ ſo ward unverzuͤg-
lich zu der Reiſe geſchickt/ und freueten ſich
die andern/ wenn dieſer auf dem langen We-
ge umbkaͤme/ in ſeinen Guͤtern zu bleiben. Es
machte ihm auch einer ein Propempticum,
und ſetzte dieſe Worte mit dazu:
Er meinte aber/ das waͤren die meliora fa-
ta,
[15]
ta, wenn er bald ſtuͤrbe und in den Himmel
kaͤme. Sit divus modo non vivus. Nun
waͤre ziel zu gedencken/ mit was vor naſſen
Augen der Abſchied genommen worden/ und
was ihm die Liebſte vor Lehren mit auf den
Weg gegeben/ wenn es nicht das Anſehen ge-
winnen moͤchte/ als waͤre dieſer Narren Auß-
koſter der erſte in dem Regiſter geweſen.
Drumb ſey nur kuͤrtzlich diß geſagt/ er reiſete
fort und nahm niemand mit ſich als drey Die-
ner/ einen Hofmeiſter/ einen alten Verwal-
ter/ der die Quartiermeiſter-Stelle vertreten
ſolte/ und einen Mahler/ daß man das Eben-
bild alſobald haben koͤnte/ wenn ſich der groͤ-
ſte Narr ſehen lieſſe. Lichter und Laternen
bedurfften ſie nicht/ denn ſie meinten/ ſie wol-
ten die Narren eher im Finſtern finden/ als
Diogenes die Menſchen am hellen Mittage.
Nun wir wollen die andern zu Hauſe/ und ab-
ſonderlich die Ubelauffſeher/ bey ihrer admini-
ſtration laſſen/ und wollen der ſchoͤnen Com-
pagnie zu allen wunderlichen und naͤrriſchen
Begebenheiten das Geleite geben.
[16]
CAP. I.
FLorindo der Herr ſelbſt/ Gelanor der
Hoffmeiſter/ und Eurylas der Verwalter/
zogen mit ihrem Mahler und drey Dienern
von dañen/ traffen auch innerhalb acht Tagen
wenig denckwuͤrdiges an. Weil es doch all-
zeit die Art mit den Leuten hat/ daß ſie nur
das jenige hochhalten/ was weit entlegen iſt;
und hingegen ihre eigene Sachen verachten
oder hindan ſetzen/nach dem Sprichwort: A-
ſinus peregrinus majori venit pretio, quàm
eqvus domeſticus. Alſo eileten ſie von ihrem
Vaterlande hinweg/ und meinten nicht in der
Nachbarſchafft viel meꝛckwuͤrdiges anzutref-
fen. Als ſie aber etliche funffzig Meilen hin-
rer ſich hatten/ kamen ſie auf den Abend ſehr
muͤde in das Wirthshaus. Der Wirth war
allem Anſehen nach ein feiner hoͤfflicher Mann/
der ſich gegen fremde Gaͤſte ſehr wohl anlaſſen
konte. Abſonderlich wuſte er ſich in Geſpraͤ-
chen mit iederman ſehr annehmlich aufzuhal-
ten/ daß die Compagnie vermeinte/ es wuͤrde
nun einmahl Zeit ſeyn/ etwas genauer in die
naͤrriſche Welt zu gucken. Fragten derowe-
gen/ ob nicht etwas ſonderliches in ſelbiger
Ge-
[17]
Gegend zu ſehen waͤre? der Wirth gab zur
Antwort/ es waͤre ein ſchlechter Ort/ da man
viel Raritaͤten nicht antreffen-wuͤrde: Doch
koͤnte er dieſes ruͤhmen/ daß eine Meile von dar
ein Warmes Bad ſey/ da nicht allein die
Natur viel vortreffliche Wunderwercke
zu erweiſen pflege: Sondern da auch al-
lerhand Gattung von groſſen und geringen
Leuten/ ſich haͤuffig antreffen lieſſen. Sie
baten/ weil ſie des Weges nicht kuͤndig/ moͤch-
te er ihnen das Geleite geben/ und ſolte er vor
gute Belohnung nicht ſorgen. Er bedachte
ſich etwas; doch nach wiederholter Bitte ſag-
te er ja/ und ward alſo noch den Abend zu der
Reiſe gewiſſe Anſtalt gemacht. Hierauff wur-
den ſie in ihre Schlaff-kammer gewieſen/ und
hatte ſich Florindo ſchon außgekleidet/ als der
Mahler geſchwind gelauffen kam/ mit dem
Bericht/ wofern ſie wolten einen Ertznarren
finden/ ſolten ſie ihm folgen. Sie waren froh/
und lieſſen ſich nicht auffhalten/ kamen auch in
aller Stille vor des Wirthes Kammerthuͤr/
da hoͤreten ſie/ wie die Frau mit dem Manne
expoſtulirte. Was/ ſagte ſie/ du ehrvergeſ-
ſener Vogel/ wilſtu wieder aus dem Hauſe
lauffen/ und mir die ſchweren Hausſorgen al-
lein auf dem Halſe laſſen? Haͤtten dich die kah-
len Schuͤffte vor 2. Jahren gemiethet/ ſo moͤch-
ten
[18]
ten ſie dich heuer vor einen Boten gebrauchen.
Jetzt biſtu mein Mann/ und deſſentwegen hab
ich dich in die Guͤter einſitzen laſſen/ daß du
mir pariren ſollſt. Oder haͤtteſtu wollen ein
Landlaͤuffer werden/ ſo haͤtteſtu eine Marcke-
tener-Hure moͤgen ausſuchen/ ich haͤtte doch
wohl ſo einen nackichten Bernheuter gekriegt.
Daß dich botz Regiment! mache mir es nicht
zu bund/ ſonſt werden meine Naͤgel mit dei-
nem Hurenſpiegel treffliche Cameradſchafft
machen. Gelt! du haſt Blaubeltzgen im war-
men Bade lange nicht beſucht? du elender
Teufel/ wenn du deine Haußarbeit recht ver-
ſorgen koͤnteſt! Hier fiel ihr der Mann in die
Rede;ach hertzallerliebſte Frau/ ſagt er/ war-
umb erzuͤrnet ihr euch doch uͤmb ſo eine gerin-
ge Sache/ ihr wiſſet ja/ daß ihr allzeit darauff
kranck werdet. Soll ich nicht mitreiſen/ ſo
ſagt mir es nur mit guten/ ich will von Hertzen
gern zu Hauſe bleiben/ thut nur eurer Geſund-
heit keinen ſolchen Schaden. Ach du Hunds-
ꝛc. fing ſie hingegen an / du haſt es wohl ver-
dient/ daß ich dir viel gute Worte geben ſoll/
wie lange hat das lauffen nun gewaͤhret/ und
wielange ſoll ich dein Schaubhuͤtgen ſeyn/ der
Hencker dancke dirs/ daß ich mir deinetwegen
das Hertze und das Leben abfreſſen muß/ und
rede mir nur kein Wort darzwiſchen/ ſonſten
wol-
[19]
wollen wir ſehen/ wer Herr im Hauſe iſt. Du
Bettelhund/ wer wareſtu/ als du in deinem
lauſichten Maͤntelgen angeſtochen kameſt/ da
dir das Hemd zu den Hoſen herauß hieng/ und
da dir der Steiß auf beyden Seiten herauß
guckte/ haͤtteſtu auch einen blutigen Heller ge-
habt/ wenn man dich haͤtte zu Boden geworf-
fen? Wer hat dich denn nun zum Manne ge-
macht/ du Eſel/ als eben ich? Und wer hat dir
beſſere Macht Ohrfeigen zu geben/ als eben
ich? Der Mann wolte etwas reden/ aber es
fing abſcheulich an zu klatſchen/ daß die Zuhoͤ-
renden geſchworen haͤtten/ der gute Kerle be-
kaͤme Maulſchellen/ da da/ du Berenhaͤuter/
rieff ſie/ da haſtu Geld auf die Reiſe/ du ver-
lauffener Schelm/ da haſtu die Lauge zum
warmen Bade/ warte/ ich will dir den Kopff
mit der Mandel-Keule wieder abtrocknen.
Der Mann muckste kaum dargegen/ nur biß-
wei’en murmelte er dieſe Worte: o meine
guͤldene hertzallerliebſte Frau/ was hab ich deñ
gethan? Endlich als das Gefechte lang genug
gewaͤhret/ und viel leicht feꝛtge Worte vergoſſẽ
worden/ ſagte die Frau: das ſoltu wiſſen/ du
eingemachter Eſelskopff/ daß ich dich nicht
weg ziehen laſſe/ und damit du zu Hauſe blei-
ben muſt/ ſiehe ſo wil ich dir Schuh und
Struͤmpfe verſtecken/ und ſolſtu morgen den
gan-
[20]
gantzen Tag zur Straffe barfuß gehn. Hier-
mit kam ſie an die Thuͤre/ und wolte die
Struͤmpfe herauß tragen/ da riß die Com-
pagnie wieder aus/ und verfuͤgte ſich in die
Schlaff-Kammer. Nun haͤtten ſie ſich ger-
ne uͤber den Narren verwundert/ aber uͤmb
den Schlaff nicht zu verſtoͤren/verſparten ſie
ſolches biß auf den andern Tag/ gaben unter-
deſſen dem Mahler Befehl/ ſich mit den Far-
ben fertig zu halten/ wenn er unverſehens den
elenden Sieman abmahlen muͤſte.
Fruͤh morgens gieng der gute Mann mit
ſeinen Grillen zu Rahte/ wie er ſich doch gut
genug entſchuldigen moͤchte/ wenn er von
Gaͤſten zur Reiſe gefordert wuͤrde/ vornem-
lich ſchaͤmte er ſich vor den fremden Leuten mit
nackichten Beinen zu erſcheinen/ und gleich-
wol kunte er die Sache nicht aͤndern/ doch zu
ſeinem Gluͤcke ſaß der Mahler in der Stube/
und machte die Farben zu rechte/der hatte nun
etwas in der Kam̃er oben vergeſſen/ und wolte
es holen/ indeſſen wiſchet der Wirth uͤber die
ſchwartze Farbe/ und beſtreichet ſich die bloſſen
Beine uͤber und uͤber/ daß zehen Blinden haͤt-
ten ſollen voruͤber gehen/ und nicht anders
dencken/ es waͤren rechte nette Engliſche
Struͤmpfe. Jn ſolchem Ornat ſteckte er
die Fuͤſſe in die Pantoffeln/ und ſprach
ſei-
[21]
ſeinen Gaͤſten zu/ fragte wie ſie geſchlaffen/
und ob ſie geſonnen/ nach dem warmen Bade
zu reiſen; Es ſey ihm hertzlich leid/ daß ſeiner
Liebſten dieſe Nacht ein ſchwerer Fluß auf die
Bruſt gefallen/ und er ſelbſt gezwungen wuͤr-
de hier zu bleiben/ und der annehmlichen Ge-
ſellſchafft zu entrathen. Solche entſchuldi-
gung wurde leicht angenom̃en/ und nachdem
das Fruͤhſtuͤck verzehret/ und der Wirth be-
zahlet/ namen ſie einen andern Wegweiſer/
und reiſeten auf erwehntes warmes Bad zu.
Unterwegens fieng Florindo an: Jſt dieſes nit
ein Anblick von einem rechtſchaffenem Haupt-
Narren/ daß ein Mann/ der doch wohl in der
Welt fort kom̃en koͤnte/ uͤm einer eiteln und
verdrießlichẽ Nahrung willẽ/ ſich mit einer ſol-
chen Vettel verkuppelt/ und ſich zu einem ewi-
gen Sclavẽ macht. Und iſt es nicht ein gedop-
pelter Narr/ daß er ſich ſo eine matte krancke
Fraulaͤſſet Ohrfeigẽ gebẽ/ und ſchmeiſt die alte
Hexe nicht wieder/ daß ihr alle drey Zaͤhne vor
die Fuͤſſe fallen/ da geht nun der arme Don-
ner/ in ſeinen geſchwaͤrtzten Beinen/ und wer
weiß/ wie ihm das Mittagsmahl bekommen
wird. Der Hoffmeiſter gab ſein Wort auch
dazu/ doch war dieſes ſeine Erinnerung/ man
ſolte ſich uͤber den erſten Narren nicht zu ſehr
verwundern/ es moͤchten noch groͤſſere kom̃en/
bey
[22]
bey welchen man die Verwunderung noch
mehr von noͤthen haͤtte. Es waͤhrete auch
nicht lange/ ſo kamen ſie an ein Dorff/ da ſahen
ſie/ daß ein groſſer Zulauff von Leuten war/ ſie
eileten hinzu/ und befunden/ daß ein Mann/
der ſonſt/ den Kleidern nach/ erbar genug war/
ſeine Frau bey den Haaren hatte/ und ihr mit
einem Bruͤgel den Ruͤcken mit aller Leibes-
Macht zerklopffte. Sie lieſſen die zween un-
gleiche Federfechter von einander reiſſen/ und
fragten/ was er denn vor Urſache haͤtte/ mit
ſeiner Frau ſo unmenſchlich umzugehen. Ach
ihr Herren/ ſagte der Kerle/ ich bin ein Spi-
tzen-Haͤndler/ da hab ich bey einem vorneh-
men Junckern einen guten Verdienſt gehabt/
und ſoll mir nur die Frau/ die loſe Beſtie/ den
Gefallen thun/ daß ſie ſpraͤche: nun Gott Lob
und Danck/ daß die Spitzen verkaufft ſind.
Aber der Hencker hohlte ſie/ ehe ſie mir zu Lie-
be das Wort ſagte/ und doch muß ſie noch ſo
ſagen/ und ſolt ich ihr den Hals in zehen Stuͤ-
cke brechen. Hierauff fragte Eurylas die
Frau/ warum ſie ſo widerwaͤrtig waͤre/ da ſie
doch mit leichter Muͤh dieſem Ungluͤck entlauf-
fen koͤnte. Ach! ſagte ſie/ es waͤre viel davon
zu reden/ wer alles erzehlen ſolte/ wenn mein
thummer Haus-Elephant den Narren in
Kopff bekom̃t/ ſo muß er was zu zancken ha-
ben/
[23]
ben/und wenn er die Urſache von Zaune bre
chen ſolte. Es iſt ihm nicht uͤmb die liebe
Gottesfurcht zu thun/haͤtte ich ſo geſagt/ ſo
waͤre was anders herauß kommen. Gelanor
verſetzte/ gleich wohl haͤtte ſie das Wort leicht
nachſprechen koͤnnen/ und alſo waͤre ſie deſto
mehr aus der Schuld geweſen/ wenn ihr her-
nach etwas ungebuͤhrliches waͤre zugemuthet
worden. Ja woht/ ſagte ſie/haͤtte ich es nach-
ſprechen koͤnnen/ wenn ich nicht wuͤßte/ was
er vor ein liebes Hertzgen waͤre; das iſt der
Maͤnner Gebrauch/ ſie fordern ſo viel von den
Weibern/ biß es unmoͤglich zu thun/ und der-
halben iſt dieſe am kluͤgſten/ die im Anfange
ſich nicht laͤſt zum Narren machen. Wer
a. ſpricht/ ſoll auch b. ſprechen/ und das will ich
meinem Kerl nimmermehr weißmachen/ daß
er mich das gantze A. b. c. durchfuͤhren ſoll.
Hierauff ritte Florindo fort/ und ſagte zu ſei-
nen Gefaͤhrten/ es verlohne ſich nicht der Muͤh
dem Lumpen-Geſinde zuzuhoͤꝛen/ doch gab Ge-
lanor dieſe Anmerckung darzu/ es waͤre nicht
eine geringe Narrheit mit untergelaufen:
denn/ ſagte er/ ſolte der Mann nicht mit dem
ſchwachen Werckzeuge Geduld haben/ und
wann er in der Weiber Gemuͤthe einige Ver-
drießligkeit befuͤnde/ ſolte er nicht vielmehr auf
Mittel und Wege dencken/ ſie zu beguͤtigen/
als
[24]
als daß er einen Teufel heraus und zehen hin-
gegen wieder hinein ſchlaͤgt. Er muß ſie doch
einen Weg wie den andern umb ſich leiden/
und wer wird mit ihrer Bosheit aͤrger ge-
ſtrafft/ als der Mann ſelber. Eine geringe
Schwachheit wolte er nicht vertragen/ nun
muß er eine uͤbermaͤßige Boßheit einfreſſen/
und kommt ſo zu reden auß dem Staube in
die Muͤhle/ aus dem Regen in die Trauffe. Es
iſt nicht ohn/ Alexander M. beim Curtio hat
es auch vor gut erkannt/ daß ein Mann ſeine
Frau ſchlagen moͤchte: allein es bleibet doch
dabey/ was ein vornehmer Conſiſtorial Rath
geſagt: wer die Frau ſchlaͤgt/ der iſt ein elen-
der Mann; wer ſie aber aus geringen Uhrſa-
chen ſchlaͤgt/ der iſt gedoppelt elende.
Jn dergleichen Diſcurſen hielt ſich die Com-
Pagnie auf biß ſie vor das Staͤdtgen gelan-
geten/ allwo des Wirthes Auſſage nach das
warme Bad anzutreffen war: Nun hatten
ſich eben viel Leute eingefunden/ welche die
Fruͤlings-Cur daſelbſt gebrauchen wolten/
daß alſo wegen der Quartiere groſſe Ungele-
genheit war. Nach vielen Bemuͤhungen ka-
men ſie bey einem Prieſter in das Loſament/
und funden einen vornehmen Cavallier, der
ſich mit ſeiner Liebſte etliche Stunden zuvor
eben in ſelbigem Hauſe einquartieret hatte.
Sie
[25]
Sie machten bald Bekandſchafft/ und be-
ſchloſſen die Mahlzeit beyſammen einzuneh-
men/ inzwiſchen ließ Florindo einen Becher
Wein langen/ und brachte dem unbekanten
Cavallier eins auf Geſundheit zu: Allein wie
er darnach greiſſen wolte/ kam die Liebſte dar-
zwiſchen/ ach mein Engel/ ſagte ſie / was will
er mit dem ungeſunden Wein in dem Leibe/ er
gedencke doch/ daß er durch einen jedweden
Becher etliche Tage von ſeinem Alter/ und
noch einmahl ſo viel Bluts-Tropfen von mei-
nem Hertzen abſauffen muß. Ach er thu den
Becher weg! Er ſchuͤttelt den Kopff/ und gab
zur Antwort:meine Frau/ das iſt kein uͤberfluß/
wenn man vornehmen Leuten zu beſtaͤtigung
fernerer Bekandſchafft einen erleidlichen Eh-
ren-Becher beſcheid thut/ ich werde darum
weder eher noch langſamer ſterben/ ob ich den
Becher trincke oder auf die Erde gieſſe. Gleich-
wohl dieſer Worte ungeacht/ grieff ſie noch
haͤrter zu/ und bat ihn/ er ſolte doch ſeine Liebſte
bedencken/ welche ſeine Geſundheit ſo genau
und ſorgfaͤltig in Acht nehme. Kurtz von der
Sache zu reden/ ſie brachte ihm ſo viel bewe-
gliche Worte fuͤr/ fing auch ein bißgen an zu
weinen/ daß der gute Herr ſich muſte gefan-
gen geben; und ſolches that ſie ohn unterlaß/
wenn er einen Biſſen wider ihren Willen eſ-
Bſen
[26]
ſen’oder ſonſt was vornehmen wolte/ das ihr
nicht annehmlich war. Recht laͤcherlich ſtund
es/ als in waͤhrender Mahlzeit ein Mahler
kam/ und allerhand Schildereyen zu verkauf-
fen hatte. Denn als die andern etwas von
ihrem Gelde anlegten/ und dieſer eines Stuͤ-
ckes gewahr wurde/ auf welchen die Einneh-
mung der groſſen Chineſiſchen Mauer abge-
bildet war/ beliebte er es zu kauffen. Es mag
ſeyn/ daß er ſich in das Bild verliebte/ oder
auch daß er in der Geſellſchafft nicht wolte vor
karg angeſehen werden. Doch ſchlug ſich die
Liebſte bald ins Mittel/ und beredete ihn wun-
derli[che] Haͤndel. Er ſolte doch ſehen wie die
Farben ſo unſcheinbar auffgetragen/ wie es
hin und wieder ſchon auffgeſprungen/ er waͤre
gewiß etliche Jahr ein Ladenhuͤter geweſen/
nun kaͤme er und ſuchte einen Narren/ der es
uͤber der Mahlzeit in voller Weiſe behalten
moͤchte. Sie wuͤſte einen Mahler/ der haͤtte
Stuͤcke/ denen nichtsfehlte als das Leben/
und welchen andre Taffelkleckereyen nicht das
Waſſer reichten. Uber dieß waͤre es Schan-
de/ daß er ſeine ſchoͤne Ducaten und Reichs-
thaler vor ſolchen Lumpenzeug ſolte hinſchleu-
dern/ wenn es noch Doppel-Schillinge oder
kuͤpfferne Marien-Groſchen waͤren/ deren
man ohn dieß gern wolte loß ſeyn. Summa
Sum-
[27]
Summarum/ er durffte das Bild nicht kauf-
fen. Nach verrichteter Mahlzeit zog Gela-
nor den Florindo auf die Seite/ und fragte
ihn/ ob er auch den abſcheulichen Narren in
Acht genommen. Ach/ ſagte er/ iſt das nicht
ein Muſter von allen elenden Sclaven. Das
Weib ſtehet in ſolcher Furcht/ daß ſie im Ern-
ſte nichts begehren darff/ und gleich wol kan ſie
unter dem Schein einer demuͤtigen und unter-
thaͤnigen Bitte ihre Herrſchafft gluͤcklich ma-
nuteniren. Von groſſen Herren iſt das
Sprichwort/ wenn ſie bitten/ ſo befehlen ſie:
aber es ſcheint/ als wolte ſolches auch bey dieſer
Frau wahr werden/ und alſo iſt ein ſchlechter
Unterſcheid/ ob ſich der Mann befehlen laͤſt/
oder ob er in alle Bitten willigen muß. Flo-
rindo, der allezeit die Helffte von den Gedan-
cken bey ſeiner Liebſten hatte/ fiel ihm in die Re-
de/ und wolte erweiſen/ daß alles aus reiner
und ungefaͤrbter Liebe geſchehen/ und alſo der
Mann waͤre ſtraffwuͤrdig geweſen/ wenn er
ſolch freundlich Anſinnen durch rauhe und un-
barmhertzige Minen von ſich geſtoſſen haͤtte.
Allein Eurylas fing hefftig an zu lachen/ und
fragte/ ob er nicht wuͤſte/ daß keine Sache ſo
ſchlimm waͤre/ die ſich nicht mit einem erbah-
ren Maͤntelgen bedecken lieſſe. Man duͤrffe
denſelben nicht alſobald vor einen Engel des
B ijLichts
[28]
Lichts anſehen/ welcher dem aͤuſſerlichen
Scheine nach alſo verſtellet waͤre. Die
Liebe beſtuͤnde in dem/ daß beyderſeits ein glei-
cher Wille in gleicher Freyheit gelaſſen waͤre:
nun aber ſey der gute Mann mit ſeinem Wil-
len dermaſſen gebunden/ daß man nothwendig
ſchlieſſen koͤnte/ dem Weibe ſey es nicht darum
zu thun/ daß ſie dem Manne viel nach ſeiner In-
clination machen wolte. Bey dieſen Wor-
ten kam der Prieſter/ dem das Hauß gehoͤrte/
in das Zimmer hinnein getreten/ und legte ſei-
ne Complimente ab/ ſie ſolten in der wenigen
Bequemligkeit vorlieb nehmen/ und nur be-
fehlen was ſie begehrten. Hierauff geriethen
ſie in ein Geſpraͤche/ und fragte Florindo, wer
denn der unbekante Gaſt ſey? Der Prieſter
gab zur Antwort/ es waͤre ein vornehmer
Mann/ habe ſich vor dieſem in hohen Fuͤrſtli-
chen Dienſten auffgehalten/ es ſey ihm aber
der Neid zuwider geweſen/ daß er nun von
ſeinen Renten leben muͤſſe. Jtzt ſey er meh-
rentheils wegen ſeiner Liebſten in das warme
Bad gezogen/ als welche verhoffte hiedurch
fruchtbar zu werden. Florindo fragte in ſei-
ner Einfalt/ ob denn das Waſſer ſolche Krafft
haͤtte/ doch halff ihm Gelanor bald auß dem
Traume/ indem er ſagte/ thuts das Bad nit/
ſo thuns die Badgaͤſte. Der Prieſter ſtellte
ſich
[29]
ſich/ als verſtuͤnde er die Rede nicht/ und nahm
bald Abſchied/ mit wiederholter Bitte/ das
Loſament nach ihrem Willen zu brauchen Da
gieng es nun an ein Lachen/ uͤber die Frucht-
barkeit des Weibes/ die nicht viel anders auß-
ſah/ als ein alter Meeraffe/ und konte man faſt
errathen/ warum der Mann ſeine hertzaller-
liebſte Gemahlin nicht gern erzuͤrnen wolte/ in-
dem er ohn allen Zweifel die Beyſorge haben
muſte/ als moͤchte ſich die angefangene Frucht-
barkeit durch den Zorn wieder zerſchlagen.
Abſonderlich wuſte Eurylas, der alte durch-
triebene Suſannenbruder/ viel Hiſtorien auf
dieſen Schlag beyzubringen. Es habe ein-
mahl eines Schiffers Frau an ihren Mann ſo
hertzinniglich gedacht/ und in ſolchen Gedan-
cken habe ſie einen Eißzapffen vom Roͤhr-Ka-
ſten abgebrochen und verſchluckt/ alſo daß ſie
bloß von dieſer Einbildung durch Huͤlffe des
Eißzapffens ſchwanger worden/ und ein arti-
ges ſchoͤnes weißhaͤriges Knaͤbgen an die
Welt gebracht. Eine andere habe nur auf
ihres abweſenden Mannes Geſundheit ge-
truncken/ und alſobald haͤtte ſie den Segen
ihres Leibes empfunden. Wieder eine an-
dere haͤtte ſich an Hechts-Lebern/ und noch eine
andre an Heringskoͤpffen fruchtbar gegeſſen.
Endlich kam die application, die gute Frau
B iijmuͤſte
[30]
muͤſte gewiß ſolcher Mittel nicht kundig ſeyn/
daß ſie alles ſo auff eine weitlaͤufftige Reiſe
haͤtte ſpielen muͤſſen/ und würde genau ein
Trinckgeld zu verdienen ſeyn/ wenn iemand
ein ſolches probatum eſt dem alten Herren er-
oͤffnen wolte. Mehr dergleichen Haͤndel ka-
men vor/ als der Mahler dem Florindo einen
project vorſtellete/ was er auf ſeine ledigen
Tafeln vor Narren wolte mahlen laſſen. Jm
erſten Bilde war eine Frau/ die ritte auf einem
Mann/ dem Eſels-Ohren angehefftet waren/
mit dieſer Uberſchrifft:
Auf der andern war ein Mann/ der ritte auf
der Frauen/ und ſtach ihr die Sporn weidlich
in die Ribben/ mit dieſer uͤberſchrifft:
Auf der dritten war ein Reuter/ der keinen
Zaum in der Hand hatte/ mit dieſer uͤber-
ſchrifft:
Doch
[31]
Doch kommt er nur dahin/ wohin der
Gaul begehrt.
Florindo ſahe die Kunſtſtuͤcke mit ſonder-
lichen Freuden an/ und vermeinte nun/ es waͤre
ſeine muͤhſame Reiſe glücklich abgelauffen/ und
wuͤrde er nun innerhalb 14. Tagen ſeine Lieb-
ſte zu ſehen bekommen. Aber Gelanor halff
ihm bald aus dem Traume/ es waͤre noch lan-
ge nicht an dem/ daß er von dem aͤrgſten Nar-
ren in der Welt urtheilen koͤnte/ ob er ſchon et-
liche Proben von rechtſchaffenen Weiber-
Narren angetroffen haͤtte. Er muͤßte noch
weiter dran / ehe er die Zahl auf neun und
neuntzig braͤchte. Ja Eurylas brachte einen
artigen Poſſen zu Marckte/ Jn Warheit/ ſag-
te er/ Monſ. Florindo, wo er ſich ſeine Liebſte
zu ſehr einnehmen laͤſt/ ſo muͤſſen wir uͤber die
drey Felder noch eines bauen/ da er hinein ge-
mahlt wird. Gelanor lachte und bot ſich an
die Uberſchrifft zu machen: Der Mahler ſelbſt
trat ihm ins Geſichte/ als wolte er ſchon auf
den Grund-Riß ſtudiren Mit einem Worte/
der Haͤndel wurden ſo viel/ daß Florindo zu-
ſagte/ er wolte die Liebſte zu Hauſe des ihrigen
gern warten laſſen/ ſie ſolten ihn nur nicht in
das Narren-Regiſter mit einſchreiben/ wegen
der Reiſe moͤchte es nach ihrem Gefallen lang
oder kurtz waͤhren.
B jvCAP.
[32]
CAP. II.
FOlgenden Tag wolten ſie zur Kurtzweil
ſich des Bades gebrauchen/ und gingen
alſo etliche Stunden vor Mittage fein ge-
mach dahin. Nun meinte Florindo, weil in
ſeinem Dorffe alle Baurn-Jungen den Hut
vor ihm abgezogen/ ſo muͤßte ihm die gantze
Welt zu Fuſſe fallen/ derhalben als ihm eine
bequeme Stelle gefiel/ welche aber allbereit von
einem andern eingenommen war/ begehrte er
von ihm/ er ſolte doch auffſtehen. Dieſer gab
ihm eine hoͤniſche Mine/ und ſagte nichts mehr
als: Monſieur, kan er warten? Florindo blieb
ſtehen und vermeinte auf ſo eine gute Selle
waͤre noch wohl zu warten; allein wie ihm die
Zeit etwas lang ward/ fragte er noch einmahl/
wie lang er warten ſolte/ der ſagte nichts dar-
auf/ als: er warte ſo lang es ihm beliebt/ Flo-
rindo ſchuͤttelte den Kopff und beteurte hoch/
er haͤtte ſich dergleichen Unhoͤfligkeit nicht
verſehen. Jndem kam der Hoffmeiſter dar zu/
und hielt ihm verweißlich vor/ warum er mit
aller Gewalt in das Narren Regiſter wolle
geſetzt ſeyn/ es waͤre hier ein freyer Ort/ da die
Erſten das beſte Recht haͤtten/ und da nie-
mand des Andern Unterthan waͤre. Was?
ſagte Florindo, ſoll einer von Adel nicht beſſer
reſpectirt werden/ als auf dieſe Weiſe? wer
weiß
[33]
weiß ob der lauſigte Kerle ſo viel Groſchen in
ſeinem Vermoͤgen hat/ als ich 1000. Thaler?
Gelanor ſchalt ihn noch haͤrter/ mit der Be-
dꝛauung/ er wolle gleich nach Hauſe reiſen/ und
ſein Bildniß drey fach abmahlen laſſen/ er wuͤ-
ſte nicht/ was hinter dem unbekandttn Men-
ſchen waͤre/ und ſolte er ſich gegen der Freyheit
dieſes Ortes bedancken/ daß jener nicht Gele-
genheit zu fernerer action gehabt. Was ge-
ſchach/ Florindo war mit dem Hoffmeiſter uͤ-
bel zufrieden/ und ſtellete ſich/ als haͤtte er
ſchlechte Luſt zu baden/ gieng auch mit einem
Pagen hinauß. Der Unbekante/ der von ihm
ſo uͤbel angelaſſen war/ und ſich nur vor dem
Orte geſcheuet hatte/ Haͤndel anzufangen/
folgete ihm auff dem Fuſſe nach/ rencontrirte
ihm auch in einen Gaͤßgen/ da wenig Leute zu
gehn pflegten; da gab es nun kurtze Compli-
menten/ ſie griffen beyde zum Degen/ und
machten einen abſcheulichen Lermen/ daß das
Geſchrey in das Bad kam/ es waͤren zween
frembde Kerlen an einander gerathen/ die wol-
ten einander die Haͤlſe brechen. Gelanor
fuhr geſchwind in ſeine Kappe/ und eilte hin-
auß/ da er denn ſich eyfrichſt bemuͤhete/ Friede
zu machen. Jedennoch weil der anders auch
ſeinen Beyſtand erhielt/ konte die Sache an-
drs nicht vertragen wer den/ als daß ſie zu-
B vſam-
[34]
ſammen auf einem Platz vor dem Thore re-
venge ſuchten. Was wolte der Hoffmeiſter
thun/ der Karren war in den Koth geſtoſſen/
und ohne Muͤh konte man nicht zuruͤcke. Der-
halben blieb er bey der Reſolution, und hatte
Florindo das Gluͤck/ daß er im dritten Gange
dem unbekanten Eiſenfreſſer eines in den Arm
verſetzte. Darauff ward die Sache vertra-
gen/und ob zwar der Beſchaͤdigte ſich vorbe-
hielt weitere ſatisfaction zu ſuchen/ gab ihm
doch Gelanor hoͤfflich zu verſtehen/ er wuͤrde
nicht begehren/ daß ſie als reiſende Perſonen
ſeinetwegen etliche Wochen verziehen ſolten:
ſie wuͤrden inzwiſchen niemahls vor ihm er-
ſchrecken/ und allezeit parat ſeyn ihm auffzu-
warten/ hiermit verfuͤgte ſich ein ieder nach
Hauſe/ und gieng Florindo mit ſeiner Geſell-
ſchafft wieder in deß gedachten Prieſters Lo-
ſament. Nun hatte der Prieſter von dem
gantzem Handel ſchon Nachricht bekommen/
und als ſie zu der Mahlzeit eilten/ und den
Wirth gern bey ſich haben wolten/ hatte er gu-
te Gelegenheit davon zu reden. Florindo zwar
ließ ſich/ als ein tapfferer Cavallier herauß/
er ſey noch ſein Tage vor keinem erſchrocken/
wolle auch ins kuͤnfftige in kein Maͤuſeloch
kriechen. Galanor gieng etwas gelinder/ und
vermeinte es waͤre eine ſchlechte Ehre nach
Streit
[35]
Streit und Schlaͤgen zu ringen/ doch haͤtte es
bey denen von Adel die Beſchaffenheit/ daß ſie
auch wider ihren Willen ſich offt einlaſſen
muͤſſen/ denn/ ſagt er/ es glaubt kein Menſch/
wie weh es thut/ wenn man aus einer ehrlichen
Compagnie geſtoſſen/ oder zum wenigſten in
derſelben ſchlecht reſpectirt wird. Und gleich-
wohl iſt es leicht geſchehen/ daß einer zur acti-
on genoͤthiget wird/ und alſo entweder auf
dem Platz erſcheinen/ oder den garſtigſten Ti-
tel von der Welt davon tragen muß. Hier-
auff kam die Reih an den Prieſter/ der bat/
ſie moͤchten ihm zu gute halten/ wofern er ſeine
Gedancken etwas freyer eroͤffnen wuͤrde. Jch
vor meine Perſon/ ſprach er/ halte diß vor die
hoͤchſte Thorheit/ daß einer nicht anders als
im duelliren ſeine Revenge ſuchen will/ denn
ich will nicht gedencken/ wie gefaͤhrlich man
Leib und Leben/ ja ſeiner Seelen Seligkeit in
die Schantze ſchlaͤgt; indem ich wohl weiß/ daß
viel Politici dergleichen Pfaffen-Haͤndel nicht
groß achten/ und iſt mir ein vornehmer Offi-
cirer bekant/ welcher von einem Geiſtlichen
gefragt/ ob er nicht lieber auf dieſer Welt wol-
te ein Hunds ꝛc. ſeyn/ als daß er ewig wolte
verdammet und alſo/ in erwegung der unend-
lichen Schmach ein ewiger und hundert tau-
ſentfaͤchtiger ꝛc. werden: Dennoch die vermeſ-
B vjſene
[36]
ſene Antwort von ſich hoͤren laſſen/ er wolle
lieber verdammt ſeyn/ als ſolchen Schimpff
ertragen. Nun darff ich vielweniger auf die
ſcharffen Edicta trotzen/ welche numehr faſt in
allen Laͤndern und Koͤnigreichen wider die
Duellanten promulgirt ſeyn. Angeſehn/
heutiges Tages die beſte Freyheit iſt/ wider
die Geſetze zu ſtreben. Und uͤber diß alles Fuͤr-
ſten und Herren ſelbſt/ ob ſie ſchon die Sache
verbieten/ dennoch von einem Edelman am
meiſten halten/ der ſich brav relolvirt erwie-
ſen hat. Es komme nur einer/ und klage uͤber
eine affront, die er ſonſt mit dem Degen auß-
fuͤhren ſolte/ und ſehe darnach/ ob er zu Hofe
werde ſonderlich reſpectirt werden. Nur die-
ſes ſcheinet wider die klare und helle Vernfft
zu lauffen/ daß derjenige/ welcher ſich raͤchen
will/ ſeinen Gegner ſo viel in die Haͤnde gibt/
als er ſelbſt kaum hat/ dannenhero es offt ge-
ſchicht/ daß der Beleidigte mit einer drey- oder
vierfachen Beleidigung wieder zu Haufe
koͤmmt. Man ſehe das gegenwaͤrtige Exem-
pel an/ Monſ. Florindo hat ohne Zweifel Ur-
ſach genug gegeben/in ſolchen Streit zu gera-
then: aber waͤre der gute Kerl mit ſeiner klei-
nen Injurie zufrieden geweſen/ ſo duͤrffte er
ietzt nicht etliche Wochen in des Barbierers
Gewalt liegen. Bey den alten Teutſchen/ wel-
che
[37]
che noch im blinden Heidenthum lebten/ war
es kein Wunder/ daß dergleichen Duell ge-
hegt wurden; denn ſie ſtunden in dem Aber-
glauben/ als muͤſte bey der beſten Sache auch
nothwendig das beſte Gluͤck ſeyn. Nun aber
wir Chriſten aus der hellen Erfahrung ver-
gewiſſert ſind/ daß offt die aͤrgſten Zaͤncker und
Staͤncker denen unſchuldigſten und froͤmſten
Leuten uͤberlegen ſeyn/ und daß mancher an
ſtatt geſuchter ſatisfaction ſein Leben in die
Schantze geſchlagen/ ſo ſcheinet es ja wunder-
lich/ daß man noch ferner in ſeine eigene Ge-
fahr hinein rennen will. Da waͤre es eine
Sache/ wenn der provocant ſeine drey Kreutz-
hiebe auf gut Schweitzeriſch duͤrffte vorauß
thun/ als denn moͤchte es zu gleichen Theilen
gehen. Gelano[r] fing ihm dieſe Rede auf/ und
ſagte/ ihr Herren Geiſtlichen/ ihr habt gut re-
den/ indem ihr auf euren Hartzkappen das
privilegium habt/ daß ihr euch nicht wehren
duͤrfft/und man hat es nun erfahren/ daß es
groſſẽ Doctoribus nichts am Handwerck ſcha-
det/ weñ ſie ſich gleich unter einan der Schelm
und Diebe heiſſen. Tu, ſi hic eſſes, aliter ſen-
tires. Es muß wohl mancher mit machen/
der ſonſt ſchlechte Luſt darzu hat. Die Ge-
wonheit iſt ein ſtarcker Strom/ dem ein ſchlech-
ter Baum nicht widerſtehen kan. Der Prie-
B vijſter
[38]
ſter ſagte/ er wiſſe wohl/ daß ſolches die allge-
meine Entſchuldigung waͤre/ aber weñ gleich-
wol einer daruͤber zum Teufel fuͤhre/ was
wuͤrde ihm ſolche hergebrachte Gewonheit
helffen. Gelanor ließ ſich hierauff in die recht-
Chriſtlichen Worte heraus: Freylich iſt man-
cher in dieſer Gefahr umkommen/ und ſieht
dannenhero ein Edelmann/ was ihm fuͤr Netz
und Stricke geſtellet werden/ darunter ein ge-
meiner Mann leicht hinkrichen kan. Doch
der Gott/ der uns zu ſolchen Leuten gemacht
hat/ kan auch alle Gefahr abwenden/ wol dem/
der ſich mehr auf ein fleißig Gebet/ als auf eine
lange Spaniſche Klinge verlaͤſt. Und haͤtte
ich an des obgedachten Officirers Stelle die
Frage ſollen beantworten/ ob ich lieber zeitlich
oder ewig wolte ein ꝛc, ſeyn/ ſo haͤtte ich geſagt.
ich wolte Gott bitten/ daß er mich vor beyden
behuͤten/ und mir dort das ewige Leben/ hier
aber einen ehrlichen Namen/ als das beſte
Kleinod/ geben wolle. Kaum waren die Wor-
te geredet/ als ein Diener gelauffen kam/ mit
Vermeldung/ der im Duell beſchaͤdigte Mẽſch
gehoͤre einem Graffen zu/ welcher dieſen
Schimpff nicht leiden wolle/ auch die Obrig-
keit ſchon erſucht habe/ ſie mit allen Helffers-
Helffern in Arreſt zu nehmen; was ſolte Flo-
rindo machen/ er erſchrack/ und haͤtte ſeinen
Hoff-
[39]
Hoffmeiſter gern uͤmb Rath gefragt/ wenn er
nicht alles wider ſein treuhertzig Vermahnen
veruͤbet haͤtte. Der Prieſter wuſte den be-
ſten Rath/ der ſagte/ ſie ſolten unverwandtes
Fuſſes durchgehen/ und an einem Orte ſich
verſichern/ da der Graffe wenig ſchaden koͤnte.
Alſo packten ſie uͤber Hals uͤber Kopff zu ſam-
men/ und eilten durch des Prieſters Garten
heimlich zum Staͤdtgen hinauß. Ob nun die
Obrigkeit nach ihrem Abſchied den Arreſt
angekuͤndiget/ oder nicht/ darum hat ſich nie-
mand von unſern reiſenden Perſonen biß auf
dieſe Stunde im geringſten nicht bekuͤmmert.
CAP. III.
SO reiſet nun die Narrenbegierige Com-
pagnie dahin/ und wußte ſich ſehr viel/ dz
ſie ein Recommendation-Schreiben von dem
Prieſter mit nehmen kunten/ an einen vorneh-
men Mann/ welcher in der nechſten Stadt vor
den Gelehrteſten im gantzen Lande gehalten
wurde. Sie ſahen ſich auch unterwegens
uͤmb/ aus Furcht/ die Haͤſcher und Landknechte
moͤchten hinten nach galloppirt kommen; und
legten alſo die vier Meilen gluͤcklich zuruͤcke/
daß ſie vor der Sonnen Untergang in die
Stadt gelangtẽ. Sie fragtẽ nach dem beſten
Wirthshauſe/ und als ſie ein Loſamẽt gefun-
den/ auch die Abend-Mahlzeit beſtellen laſſen/
kam
[40]
kam ein fremder Kerle/ der von auſſen Anſe-
hens genug hatte/ einen Candidatum Juris,
oder wohl gar einen Graͤfflichen Gerichts-
Verwalter zu bedeuten/ dieſen hieß der Wirth
alſobald wilkommen ſeyn/ fragte ob er nicht
ſeinen Verrichtungen ſo viel abbrechen koͤñte/
den vornehmen Gaͤſten Geſellſchafft zu leiſten.
Er wegerte ſich anfangs/ es waͤre gleich Poſt-
Tag/ da er warten muͤſſe/ ob nicht Brieffe von
ſeinem Principalen ankaͤmen: Doch habe er
ſeinem Secretario Befehl gegeben/ im Poſt-
hauſe nach zufragen/ und koͤnne er endlich ſo
lange/ und nicht weiter verziehen. Hierauff
bat der Wirth/ ſie moͤchten ſich nicht laſſen zu-
wider ſeyn/ daß/ in dem er ſelbſt ab und zuge-
hen muͤſſe/ er einen andern zum Wirth ge-
macht haͤtte. Nun ſchiene der Kerle anfangs
trefflich reputirlich/ daß dem Hoffmeiſter ſelbſt
angſt war/ ob er den ſtattlichen qualificirten
Menſchen hoch genug reſpectiren wuͤrde. Er
ſchwatzte von lauter Staats-Sachen/ und
ſetzte zu allen Erzehlungen ſolche artige Poli-
tiſche Regeln/ wuſte darneben hoͤffliche
Schertzreden mit einzumiſchen/ daß man ge-
meynet haͤtte/ er muͤſte einen Reichs-Rath in
dem Leibe haben. Niemand aber hatte das
Hertze zu fragen/ was er vor eine Charge be-
diente/ weil er alle ſeine Reden ſo einrichte-
te/
[41]
te/ als ſolte man an ſeinem Maule anſehen/
was er vor ein Miraculum hujus ſeculi waͤre.
Endlich als er etliche Becher Wein auf das
Hertz genommen hatte/ gab er ſich bloß/ daß er
einen Sparren zu wenig/ oder mehr als einen
zu viel/ haben muͤſſe. Denn da ließ er ſich in
wunderliche diſcurſen heraus. Jch lache/
ſagte er/ wenn ich die Schwachheiten anſehe/
die in den vornehmſten Republiqven vorge-
nommen werden. Zwar die Potentaten ſind
ſelbſt Urſache daran. Einen Kerlen/ der nicht
weiß was vor ein Unterſcheid iſt inter Rem-
publicam Laconicam aut Æſymneticam, und
der nicht einmal ſpeculiert hat an, Ariſtocra-
tia prævaleat Monarchiæ, den ſetzen ſie oben
an/ geben ihm Geld uͤber Geld/ daß ſie ihn nur
gewiß behalten/ hingegen wenn ſie ein qualifi-
cirt Subjectum meines gleichen nur mit gerin-
ger Veſtallung begnadigen ſollen/ ſo iſt kein
Geld vorhanden. Es tauret mich; daß ich
dem Koͤnige in Engeland ſo viel Ehre ange-
than/ und ihm einmal auffgewartet habe/ weit
ich nun befinde/ daß meine guthertzige Mey-
nungen ſo liederlich verworffen worden. Was
gilts/ haͤtte er mir gefolget/ Holland und halb
Franckreich ſolte ſein ſeyn/ ich rieth/ man ſolte
einen Damm durch den Canal machen/ und
nur bey der Jnſul Wicht eine kleine Durch-
fahrt
[42]
farth laſſen/ etwan ſo groß als der Sund in
Dennemarck. Zwar die Narren lachten da-
ruͤber/ und gaben alſo ihren Verſtand an den
Tag; daß ſie nicht geleſen/ wie der Cardinal
Richelieu eben auf ſolche Maſſe die unuͤber-
windliche Stadt Rochelle bezwungen. Ach
ihr ſtoltzen Hamburger/ haͤttet ihr mich zu eu-
rem Buͤrgemeiſter gemacht! ietzt waͤre die
Farth von Luͤbeck bis in die Elbe fertig/ und
ſolten die Polniſchen Korn-Schiffe den Zoll/
der ſonſt im Sunde abgeleget wird/ bey euch
bezahlen. Was hilffts? Serò ſapiunt
Phryges Jch wolte euch nun nicht kommen/
wenn ihr mir die vier Lande darzu ſchencken
wolltet. Der Marquis Caracena, das war
ein braver Herr/ der wuſte was hinter mir
war/ haͤtten mich ſeine Pagen nicht bey ihm
verkleinert/ ich wolte ietzt Niederlaͤndiſcher
præſident ſeyn: Es ſolte auch ein bißgen beſ-
ſer umb die Spaniſche Armee ſtehen. Deñ
ich weiß/ daß die Catholiſchen und Calvini-
ſchen Kinder ohne dieß nicht in den Himmel
kommen/ drumb haͤtte ich die ſelben nicht tauf-
fen laſſen/ ſondern haͤtte das gewoͤhnliche Pa-
tengeld an die Soldaten verwendet. O
Franckreich! wo haͤtteſtu bleiben wollen. Aber
ô ihr Chriſten wie gluͤckſelig ſeyd ihr/ daß ich
ein Gewiſſen habe/ ſonſt/ wann ich auf vielfaͤl-
tiges
[43]
tiges Anſuchen deß Tuͤrckiſchen Kaͤyſers waͤre
Grandvezier worden/ ſo wolte ich in der Ste-
phans Kirche zu Wien dem Mahomet zu Eh-
ren die kuͤnfftige Pfingſt-Predigt haltẽ laſſen.
Doch der Hencker hat die Jeſuiten erdacht/
die mich keinmahl vor ihre Kaͤyſerliche Maj.
gelaſſen haben. Jch wolte ein Mittel vorge-
ſchlagen haben/ daß dem Bluthund in Con-
ſtantinopel ſolte angſt und bange worden
ſeyn. Denn wie leicht waͤre es gethan/ daß
ein Befehl aus bracht wuͤrde/ alle Moͤnche und
Nonnen ſolten etliche mal bey ſammen ſchlaf-
fen/ und Kinder zeugen/ darauß in 20. Jahren
eine vollſtaͤndige Armee koͤnte formirt wer-
den. Es ſchiene/ als koͤnte der poſſierliche Sau-
ſewind kein Ende finden/ ſo ſehr hatte er ſich im
diſcurſe vertieffet/ doch machte Gelanor einen
Auffſtand/ welcher einen Boten wegen auf-
ſenbleibendes Wechſels noch vor Tages ab-
fertigen ſolte. Jnzwiſchen machte ſich Flo-
rindo, nach dem er etwas freyere Lufft bekom-
men/ uͤber den Politicum her/ verwunderte ſich
uͤber die ſonderbahre Weisheit/ und wuͤnſchte
ihn zum Hoffmeiſter zu haben. Dem Kerln
wackelte das Hertz vor Freuden und weil er
ihn vor einen jungen Fuͤrſten hielt/ ließ er ſich
deſto eher zu ſolcher Charge behandeln. Da
gieng es nun an ein Vexieren/ er muſte etliche
groſſe
[44]
groſſe Humpen auf deß Fuͤſtlichen Hauſes
Wohlergehen außſauffen/ und dabey mit dem
Mahler und etlichen Pagen auf den Tiſch ſtei-
gen/ biß es endlich auf Naſenſtuͤber und Kopff-
ſtoͤſſe hinaus lieff/ welche der Auffſchneider
ſchwerlich wuͤrde vertragen haben/ wenn ihm
Florindo nicht ein paar Reichsthaler an den
Hals geworffen haͤtte. Doch ſchnitten ihm
die Jungen unterſchiedene Loͤcher in die Kap-
pe/ pinckelten ihm in die Degen-Scheide/ heff-
teten ihm Haſen-Ohren an die Krempe/ mit
einem Worte/ ſie thaten alles was man bey
einem perfecten Hof-Narren nicht zu ver-
geſſen pflegt. Mit ſolchen Ceremonien ſchaff-
ten ſie auch die volle Sau von ſich/ und meyn-
te Florindo, er wuͤrde bey ſeinem Hoffmeiſter
groſſen Danck verdienen/ wenn er ihm fruͤh
Morgens die artige Action erzehlen wuͤrde.
Aber er muſte wider ſein Verhoffen einen
dichten Filtz mitnehmen. Was meynt ihr
wohl! ſagte Gelanor, welcher die groͤſte Thor-
heit begangen. Der gute Menſch hat frey-
lich in das Haſen-Fett tieff genung einge-
tuͤtſcht; aber wer klug ſeyn will/ hat billich mit
deſſen Ungluͤcke Mitleiden/ daß er ſeine Ver-
nunfft nicht beſſer anwenden kan. So habt
ihr das Widerſpiel erwieſen/ und habt euch
von dieſem Narren ſelbſt laſſen zum Narren
ma-
[45]
machen. Und dazu was wollet ihr euch ei-
ner ſolchen Vexiererey beruͤhmen/ da ein
ſchlechter und einfaͤltiger Guͤmpel durch gute
Worte beruͤcket worden. Dieſe Kunſt haͤtte
der ſchlimſte Handwercks-Junge gleich ſo gut
zu practiciren gewuſt: wer Auffzuͤge machen
will/ der wage ſich an verſtaͤndige Leute/ die
vor uͤbriger Klugheit das Gras wachſen hoͤ-
ren; und hat er da was erhalten/ ſo will ich
helffen mit lachen/ und wil ſagen/ daß die Pro-
be gut abgeleget ſey. Dieſe Predigt haͤtte
ohn allen Zweiffel noch laͤnger gewaͤhret/ weñ
Eurylas nicht erinnert haͤtte/ ob ſie bald ihr
recommendation-Schreiben an den vorneh-
men gelehrten Mann uͤbergeben wolten. Ge-
lanor war willig darzu/ allein Eurylas gedach-
te/ er haͤtte den Prieſter bey Vollendung des
Brieffes lachen ſehen/ und zweifelte alſo nicht/
es muͤſte was laͤcherliches darinn enthalten
ſeyn. Wenn es ihnen gefiele/ er wolte durch
ein ſonderliches Kunſtſtuͤcke den Brieff auff
und wieder zumachen/ daß niemand etwas da-
ran mercken ſolte. Nun wolte ſich Gelanor
ſchwerlich daꝛzu verſtehẽ/ weñ er nicht diß zum
Stichblat behalten/ auf allen Fall/ Wenn der
Brieff verderbet wuͤrde/ koͤnte man ihn ohne
Schaden gar zuruͤcke laßen, Alſo befanden ſie
folgends:
Vir
[46]
Vir Clariſſime.
- Mitto tibi vulpem; mitto tibi leporem; utriusq́
curam ſic habueris, ut intelligent, meam a-
pud te valere recommendationem. Cura ut
valeas.
Gelanor ruffte hierauff den Florindo auff
einem Ort allein/ hielt ihm̃ den Brieff vor/ er
ſolte nun ſehen/ ob ſein Thun von allen Leuten
gebilliget würde/ und ob es eine ſonderbahre
Ehre geben wuͤrde/ wenn er mit einem ſolchen
praͤchtigen Haſen-Titul auffgezogen kaͤme:
bat ihn darneben inſtaͤndig/ er ſolte ſich der uͤ-
bermaͤſſigen Kuͤnheit entſchlagen/ und viel-
mehr in modeſten und hoͤfflichen Sitten ſeine
Ehre ſuchen: Zwar die rechte Warheit zu be-
kennen/ Florindo haͤtte den geiſtlichen/ Va-
ter gerne auf die Klinge fordern laſſen/ wenn
er gekunt haͤtte. Alſo fraß er die kurtze Lection
mit aller Gedult in ſich/ und begehrte nur/
man moͤchte den Brieff zuruͤcke laſſen. Nein/
ſagte Gelanor, wie haͤtten wir thun muͤſſen/
wenn der Brieff uns nicht waͤre geoͤffnet wor-
den/ und uͤber dieß wird er weder kluͤger noch
naͤrriſcher/ ob ihn ein ander einen veraͤchtli-
chen Titul auf ſolche Weiſe anhaͤngt/ er trach-
te vielmehr dahin/ daß er den übel informirten
Brieffſteller zum Luͤgner mache. Dieſe
Zurede nun wuͤrckte ſo viel/ daß ſie den Brieff
durch
[47]
durch einen Diener hinſchickten/ mit vermel-
den/ es waͤren etliche frembde Leute im
Wirthshauſe/ welche inſtaͤndig bitten lieſſen
eine Stunde zu benennen/ an welcher ſie
ihm ohn groſſe verhinderniß auffwarten koͤn-
ten. Der Gelehrte Mann nahm ſo wol den
Brieff/ als die beygefuͤgte Complimente mit
aller Hoͤff igkeit an/ und ſagte/ es waͤre ihm
allezeit gelegen vornehmen Leuten dienſtfertig
auffzuwarten/ doch ſolte es ihm lieber ſeyn/
wenn ſie nach Tiſche umb 1. Uhr ſich einſtellen
wolten. Solche Stunde nahmen ſie in
Acht/ und gieng Gelanor mit dem Florindo
allein dahin/ da ſie denn mit vielfaͤltigen
Ehrbezeigungen in die wolangelegte Stu-
dierſtube gefuͤhret worden/ und mit Ver-
wunderung anſehen muͤſſen/ wie alle Waͤnde
mit den ſchoͤnſten repoſitoriis bekleidet/ die
Buͤcher in lauter Frantzoͤſiſchen Baͤnden
mit verguͤldten Ruͤcken außgebutzet/ und
ſonſt alles ſo zierlich außgefuͤhret war/
daß man vermeynte/ wenn Apollo ſelbſt da re-
ſidiren wolte/ ſo wuͤrde ihm das Quartier nit
ſchimpflich oder geringe ſeyn. Dazu wuſte der
ruhmraͤthige Beſitzer die curieuſen Gaͤſte in
ihrer Verwunderung wohl zu unterhalten/
denn da zeigte er auf ſeine Buͤcher: dieſes
habe ich erſt vor 8. Tagen aus Franckreich
bekom-
[48]
bekommen: dieſes iſt in Jrrland gedruckt/ und
bin ich verſichert/ daß nur zwey Exemplaria
davon in Teutſchland gebracht worden. Die-
ſes iſt aus Rom verſchrieben worden/ und
koͤmmt mich ein iedweder Bogen auf einen
halben Reichsthaler zu ſtehen. Hier hab ich
etliche unbekante Rabinen/ die in Amſterdam
gedruckt find. ꝛe. Dieſe demonſtration waͤh-
rete laͤnger als eine Stunde/ und vergnuͤgte
ſich Gelanor an den koſtbahren und gelehrten
Raritaͤten/ welche er als einen Kern von allen
Weltberuͤhmten Buͤchern heraus ſtrich. Ach
ſagte er/ iſt es auch moͤglich/ daß in einem ſol-
chen Gemach etwas kan verdrießlich ſeyn. Ach
wohl dem/ der mit ſo ſchoͤnem Zeitvertreib
ſein Leben geruhig und ſelig durchbringen
kan. Hierauff begunten ſie des Spatzirens
muͤde zu werden/ und ſatzten ſich an eine kleine
Tafel nieder/ da brachte nun Gelanor etliche
Fragen auf die Bahn/ welche dem groſſen Bi-
bliothecario gnug zu ſchaffen machten. Und
erkennete dieſer ſchlaue Fuchs endlich/ daß der
Mann alle ſeine Kunſt in dem erwieſe/ wie er
Hiſtoricè von dieſem oder jenem Buche reden
koͤnte/ was vor ein Autor ſolches hervorgege-
ben/ wo er gelebet/ in was vor einem Ehren-
Stande er geſeſſen/ wo es gedruckt worden/ ob
einer darwider geſchriben ꝛc. hingegen befand
er in
[49]
er in dem ſundament ſelbſt ſo einen Mangel/
daß wenn man ihm die Pralerey mit der groſ-
ſen und abſcheulichen Bibliothec benommen
haͤtte/ er kaum einen Dorff-Schulmeiſter
waͤre aͤhnlich geweſen. Drum als Gelanor
wieder ins Wirths-haus kam/ und Florindo
ſich uͤber den weltberuͤhmtẽ Mañ trefflich ver-
wunderte/ bat ihn der Hoffmeiſter/ er moͤchte
ſeine Verwunderung biß auf andere Gele-
genheit laſſen verſparet ſeyn. Denn/ ſagte
er/ iſt das nicht eine hauptſaͤchliche Thorheit/
daß einer mir etliche 1000 Buͤchern die Erudi-
tion erzwingen will/ gleich als wenn dieſer
ein perfecter Medicus ſeyn muͤſte/ der ſeine
Simſe mit lauter Apothecker-buͤchſen beſetzet
haͤtte. Die Buͤcher ſind gut/aber von den auß-
wendigen Schalen wird kein Doctor. Jch
weiß auch/ daß der Tuͤrckiſche Keyſer viel
Gelt hat/ aber darum bin ich nicht reich: Alſo
kan ich wohl wiſſen/ wer von dieſer oder jener
Sache geſchrieben; unterdeſſen folgt es nicht
daß ich die Sach ſelbſt verſtehe. Ach wie wahr
wird das Sprichwort: Mundus vult decipi.
Denn wo die Frantzoͤſiſche Baͤnde gleiſſen/ da
fallen die Judicia hin: Ungeacht/ ob mancher
vielmehr mit ſeinem papiernen Hausrath auf-
richte als ein Eſel/ der einen Sack voll Buͤcher
Cauf
[50]
auff dem Ruͤcken hat. Dieſe Leute gehoͤren
inter claros magis, quàm inter bonos. Wie
Tacitus redet, oder wie Saluſtii Worte ſind.
Magis vultum quàm ingenium bonum ha-
bent.
CAP. IV.
SOlche Anmerckungen hatte Gelanor uͤ-
ber dieſen vermeynten gelaͤhrten Wun-
der Mann. Jnmittelſt aber/ als dieſe beyde
ſich in der Bibliothec umſahen/ ſatzte es im
Wirthshauſe einen laͤcherlichen Poſſen. Der
Mahler hatte geſehen/ daß Gelanor den
Brieff eroͤffnen laſſen/ und den Florindo
ſtracks darauff allein zu ſich gezogen/ dahero
muthmaſſete er/ es muͤſte was ſonderliches da-
rinnen geweſen ſeyn/ und weil Eurylas noch
immer ſein beſter Patron war/ fragte er ihn
in allem Vertrauen/ was denn in dem Brieffe
vor Heimligkeiten geſtanden. Eurylas, dem
nichts mehr zu wieder war/ als wenn ſich ie-
mand uͤmb frembte Haͤndel bekuͤmmerte/
machte alſobald den Schluß/ er wolte dem
vorwitzigen Kerln einen artigen Wurm
ſchneiden. Sagte derowegen/ er haͤtte zwar
den Jnhalt geſehen/ doch wuͤrde er bey dem
Florindo groſſe Verantwortung bekommen/
wenn er nicht reinen Mund halten wolte. End-
lich
[51]
lich fugte er mit leiſer Stim̃e dieſes hinzu/ ach
ihꝛ guter Mẽſch euch betraffdz meiſte/ ich darff
nur nichr ſchwatzẽ/ wie ich will. Dieſes mach e
den einfaͤltigẽ Geſellen noch begieriger/ daß er
nicht allein viel hefftiger anhielt/ ſondern auch
bey allen Engeln und Heyligen ſich verſchwur/
im geringſten nichts davon zu verrathen. Auf
ſolche Verſicherung fuͤhrte Eurylas den Mah-
ler in eine Kammer/ und bat nochmahls er
ſolte ihm durch eine unzeitige Schwaͤtzerey
keine ungelegenheit machen/ vertraute ihm
darbey/ der Prieſter in dem warmen Bade
habe an den gelehrten Mann geichrieben/ er
ſolte den Florindo um ſeinen Mahler anſpre-
chen/ denn er habe eine ſchoͤne Stimme zu ſin-
gen/ und koͤnne im Schlaffe einmahl capau[n]et/
und hernachmahls bey der Muſic ſehr ſchoͤn
gebrauchet werden. Was? ſagte der Mah-
ler/ ſoll ich vor meine Treu ſo unmenſchlich
und Tuͤrckiſch belohnet werden/ ſo ſey der ein
Schelm/ der noch eine Stunde hier bleiben
will. Eurylas beruffte ſich auf die gethane
Verſicherung er ſolte ſich nichts mercken laſ-
ſen/ ſonſt wuͤrde er wiſſen/ wie er mit einem ſol-
chen Verraͤther umgehen wolte; alſo war nun
der gute Kerle in tauſend Aengſten/ und wu-
ſte nicht auf welcher Seite er es am erſten
C ijver-
[52]
verderben ſolte. Den Eurylas mochte er nicht
verrathen/ und gleichwol ſchien es auch nicht
rathſam ſeine zeitliche Wohlfahrt alſo zu ver-
ſchlaffen: Er gieng auf dem Boden hin und
wieder/ und fing unzehlig viel Grillen/ biß der
Kopff voll ward/ da kam ihm Florindo und
Gelanor gleich in den weg/ bey denen er ſeine
Boßheit außlaſſen wolte. Jhr Herren/ ſagte
er/ wollet ihr einen Narren haben/ ſo ſchafft
euch einen/ der ſich wallachen laͤſt/ich mag euch
nit mehr dienen. Gelanor meynte der Brand-
tewein waͤre ihm in das Gehirn geſtiegen/ und
bat alſo/ er moͤchte doch ſchlaffen gehen/ ſonſt
wuͤrde ſein Gehirne und Verſtand noch treff-
lich gewallachet werden. Aber der Kerle be-
fand ſich noch mehr offendirt, und begehrte
gleich weg ſeinen Abſchied. Florindo frag-
te wer ihm denn zuwider gelebt/ oder
was ihm in der Compagnie mißfallen/ daß er
nun ſo bald wolte durchgehen. Allein es blieb
dabey/ er wolte kein Hammel ſeyn. Endlich
kam es herauß/daß Eurylas ihm den Affen ge-
ſchleiert/ und zu dergleichen ſchrecklichen im-
preſſion Urſache gegeben. Da verwieß nun
Gelanor zwar dem Mahler ſeinen Vorwitz/
welcher Geſtalt derſelbe keinen geringen Platz
im Narren-Regiſter verdienet hatte/ der ſich
um
[53]
um ſolche Sachen gerne bekuͤmmerte/ die ihn
doch im geringſten nichts angehen. Denn vor
eins gaͤbe er ſeine Schwachheit an den Tag/
daß er ſich ſelbſt nicht erkenne/ſondern was an-
ders erkennen wolle/ dasihm nichts nuͤtze waͤ-
re. Darnach muͤſte er gewaͤrtig ſeyn/ daß
ihm allerhand Narren-Schellen angehenckt/
und er mit einem unrechten Bericht abgewie-
ſen wuͤrde. Da gienge darnach ein Fantaſt
mit ſeiner ungereimten Einbildung/ und haͤtte
dieß zum Profit/ daß ihn die Leute auß achten-
Das war nun die Lection vor den Mahler:
Aber Eurylas konte ſich bey dem Gelanor
nicht ſo gar entſchuldigen/ daß er nicht haͤtte
hoͤren muͤſſen: Ein kluger/ der ſich eines an-
dern Einfalt mißbrauchte/ machte ſich muth-
willig mit zum Narren/ alldieweil es ſchiene/
als gaͤbe er Urſach zur Narrheit/ und haͤtte
an einem thoͤrichten Menſchen Luſt/ den er
leicht koͤnne kluͤger machen. Wiewohl Eu-
rylas lachte/ und meynte/ zum wenigſten wuͤr-
de auß dieſer Thorheit der groſſe Nutz zu ge-
warten ſeyn/ daß der Mahler ins kuͤnfftige
nach keinen frembden Zeitungen fragen wuͤr-
de. Endlich machte Florindo den beſten Auß-
ſchlag/ und ſpendirte dem Mahler ein paar
Ducaten/ damit war die Sache verglichen.
C iijNun
[54]
Nun war es noch zu zeitlich zur Abendmahl-
zeit/ darum meynten Gelanor und Florindo
es wuͤrde am beſten ſeyn/ daß ſie durch einen
kleinen Spatziergang ſich einen Appetit zum
Eſſen erweckten. Als ſie aber an die Thuͤre
kamen/ ſahen ſie in dem Hauſe gegen uͤber ei-
nen jungen Menſchen/ der allen uͤmbſtaͤnden
nach wolte vor einen Stutzer angeſehen ſeyn/
er war etwas ſubtil und klein von Perſon/ doch
hatte er eine Parucke uͤber ſich hencken laſſen/
die faſt das gantze Geſichte bedeckte/ daß man
eine artige Comœdie vom Storchsneſte
haͤtte ſpielen koͤnnen. Uberdiß waren in den
Diebs-Haaren wohl ein Pfund Buder/ und
etliche Pfund Pomade verderbet worden/ und
auß ſolchem Gepuͤſche guckte das junge Geel-
ſchneblichen mit einem paar rothen Baͤckgen
herfuͤr/ als wenn er das Geſichte mit rothem
Leder oder mit Leſchpappier geſtrichen haͤtte.
Die Lippen bies er bald ein/ bald ließ er ſie wie-
der auß/ nicht anders als wie die Schiffer/
wenn ſie zu Hamburg das Bier außkoſten.
Jn der Krauſe ſteckte ein ſchoͤner Ring/ der
mit ſeinen hertzbrechenden Stralen die Venus
ſelbſt uͤberwunden haͤtte/ wenn nicht ein bund
Band im Wege geſtanden. Auf den Er-
meln/ abſonderlich auf den Lincken/ der von
Her-
[55]
Hertzen geht/ war ein gantzer Kram von aller-
hand liederlichen Baͤndergen aufgehefft/ wel-
che/ weil ſie keine Accordiren de Farben hatten/
ſich anſehen lieſſen/ als waͤren ſie von baͤnder-
ſuͤchtigen Perſonen zum Almoſen ſpendiret
worden. Zur Kappe baumelten wohl ſechs
Trodelchen vom Schnuptuche herauß/ die
Schuh waren mit ſo viel Roſen beſetzt/ daß
man nicht wuſte/ ob ſie von Corduan/ oder von
Engliſchen Leder waren. Der Degen gieng
ſo lang hinauß/ daß ſieben Dutzent Sperlinge
drauff haͤtten Platz gehabt/ und im Gehen
ſchlug er ſo unbarmhertzig an die Waden/ daß
wenn die Kniebaͤnder nicht etwas auffgehal-
ten/ er ohn Zweiffel in acht Tagen haͤtte den
Vulcanum agiren koͤnnen. Und welches vor
allen dingen zu mercken war/ ſo lieffen die arti-
gen und verliebten Mienen dermaſſen nett/
als wolte er die Circe ſelbſt bezaubern. Mit
den Haͤnden legte er ſich in ſo ſchoͤne poſitur,
daß er gleichen Weg in den Schiebſack und
auf den Hut haben koͤnte. Die Fuͤſſe ſetzte er
ſo außwerts/ daß man augenſcheinlich abneh-
men muſte/ der Menſch waͤre uͤber vier Mon-
den zum Tantzmeiſter gegangen. Mit einem
Worte/ das Muſter von allen perfecten Po-
liticis ſtund da. Gelanor ſahe ihn wohl an/
C jvend-
[56]
endlich fragte er den Florindo was er von dem
Kerln hielte. Dieſer gab zur Antwort/ wenn
er es zu bezahlen haͤtte/ koͤnte man ihn nicht viel
tadeln/ ein iedweder brauchte das Geld nach
ſeinem Velieben. Und darzu ſtuͤnde es reputir-
licher/ wañ ein Mẽſch etwas von ſich und ſeineꝛ
Schoͤnheit hielte/ als daßer auffgezogen kaͤme/
wie die fliege auß der Buttermilch. Ey ver-
ſetzte Gelanor, gefaͤllt euch das ſchoͤne Kar-
tenmaͤnngen/ fuͤrwar wer dieſen haͤtte und
drey Scharwentzel darzu/ der koͤnte 50. Thaler
beſſer bieten. Sehet ihr nicht/ daß er mit der
hoͤchſten Thorheit von der Welt ſchwanger
geht. Wem zu Gefallen butzt er ſich ſo? Die
Maͤnner achten es nicht/ und wo es der Wei-
ber halben geſchicht/ ſo verlohnt ſichs nicht der
Muͤh. Kaufft er ſolches vor ſein Geld/ſo ſolte
man ihm einen Curatorem ſuriofi oder pro-
digi, wolt ich ſagen/ beſtellen/ der ihm die Re-
gulas parſimoniæ etwas beybraͤchte: iſt er a-
ber allen Leuten ſchuldig/ ſo ſolte man ſeine
Laus Deo die er zu hauſe liegen hat/ mit unter
die Favoͤrgen hefften/ daß das Frauenzim-
mer wuͤſte/ was vor Sorgen und Ungelegen-
heit er ihrentwegen einfreſſen muͤſte. Rein-
lich und nett ſoll ein junger Menſch gehen/ deñ
an den Federn erkennet man den Vogel/ an
den
[57]
den Kleidern das Gemuͤthe. Allein es iſt ein
Unterſcheid unter erbaren und naͤrꝛiſchen Klei-
dern. Æſtimirt man doch einen fahlen Pa-
pagoy hoͤher/ als einen bundſcheckigten-
Drumb iſt es nicht die Meynung/ wenn man
ſolche Kleider verſpricht/ als moͤchten ſie nun
kein Hemde mehr waſchen laſſen/ die Hoſen
moͤchten hinden und forn offen ſtehn/ und alle
Grobianiſini moͤchten nun frey practicirt
werden. Sondern gleich wie der ſuͤndiget/
der in der Sache zu wenig thut/ alſo iſt ein an-
der in gleichem Verdamniß/ der ſich der Sa-
che zu uͤbermaͤſſig annim̃t. Hierauff ſpatzirte
der Teutſche Frantzoſe die Gaſſe hin/ und ließ
die Augen an alle Fenſter fliegen ſahe ſich auch
bißweilen um/ ob iemand oben oder unten ſich
uͤber den ſchoͤnen Herrn verwunderte. Ge-
lanor ſagte/ wir wollen eine kleine Thorheit be-
gehen/ und dem Kerlen nachfolgen/ er wird
ohn Zweifel in ſolchem Oruat an einem vor-
nehmen Ort erſcheinen [ſ]ollen. Nun gieng
es ſo langſam und gravitaͤtiſch/ als waͤre er
daꝛzu gedingt/ daß er die Fenſter und die Dach-
ziegel zehlen ſolte/ und in Warheit/ haͤtte man
ihm einen Beſem hindẽ hinein geſteckt/ ſo haͤt-
te ein Ehrnoeſter Rath derſelben Stadt etli-
che Gaſſenkehrer erſparen koͤnnen. Wann
C vſich
[58]
ſich etwas an einem Fenſter regte/ es moͤchte
gleich eine Muhme mit dem Kinde/ oder ein
weiſſer Blumen-Topff/ oder gar eine bunte
Katze ſeyn/ ſo muſte der Hut vom Kopffe/ und
haͤtte er noch ſo feſt geſtanden. Und ſolches
geſchah mit einer unbeſchreiblichen Hoͤfflig-
keit/ daß man nicht wuſte/ ob er ſich auf die Er-
de legen/ oder ob er ſich ſonſten ſeiner Bequem-
ligkeit nach/ ein bißgen außdehnen wolte.
Nach vielen weitlaͤufftigen Umſchweiffen kam
er wieder vor das Haus/ darauß er gegan-
gen war/ und Gelanor, als ein Unbekanter
ſelbiges Orts/ kam vor ſein Wirtshaus/ ehe
er es war inne worden. Sie wunderten ſich/
wie es zugienge/ und haͤtten ſich leicht bereden
laſſen ein Wirtshaus waͤre dem andern aͤhn-
lich/ wann nicht der arme Mahler in dem Hau-
ſe auf einen Steine geſeſſen/ und die Sorgen-
ſeule unter den Kopff geſtuͤtzet haͤtte.
CAP. V.
GElanor fragte was er neues zu klagen
haͤtte/ ob ihm die Capaun-Angſt noch nit
vergangen waͤre. Der gute Kumpe ſeuffzete
ein wenig/ endlich fieng er an/ich wolte daß der
Hencker das Spielen geholt haͤtte/ ehe die Kar-
tenmacher waͤren jung worden. Denn da
hatte ich eben ein paar Ducatẽ vom Herrn ge-
ſchenckt
[59]
ſchenckt kriegt/die wolt ich nũ gar zu gut anle-
gen/ und meynte/ wenn ich im Spiele noch et-
liche Stuͤcke darzu bekaͤme/ ſo koͤnte ich einen
alsdenn mit beſſerm Gewiſſen vertrincken.
Aber ich meyne ich habe ſie kriegt. Jch halte
es ſind gar Spitzbuben geweſen/ ſo meiſterlich
zwackten ſie mir das Geld ab. Jm Anfang
hatte ich lauter Gluͤcke/ aber darnach machten
ſie mich auf tertia major Labeih. O haͤtte ich
das Geld verſoffen/ ſo haͤtte ich noch was da-
fuͤr in den Leib bekommen; ſo muß ich mit duͤr-
rem Halſe davon gehen/ und habe nicht ſo viel
darvon/ daß die loſen Voͤgel mir gedanckt haͤt-
ten. Nun das heiſt in einer halben Stunde
bald reich/ bald arm/ bald gar nichts. Ge-
lanor haͤtte mit dem ungluͤckſeligen Tropffen
gern Mitleiden gehat: Doch war der Caſus
gar zu laͤcherlich/ und Eurylas, der ihm auch
Troſt zuſprechen wolte/ machte es ſo hoͤniſch/
daß es das Anſehn hatte/ als waͤre alles Un-
gluͤck dem guten Mahler allein uͤber den Hals
kommen. Das ſchlimſte war/ daß Gelanor
den Actum mit einer ziemlichen Straff-Pre-
digt beſchloß. Jhr thummen Strohſtepſel/
ſagte er/iſt es auch moͤglich/ daß ihr einen Tag
ohne Narrheit zubringen koͤnnet. Da ſitzt ihr
nun und klagt uͤber eine Sache/ die nicht zu
C vjaͤn-
[60]
aͤndern iſt. Vor einer Stunde war es Zeit;
nun macht ihr den Beutel zu/ da die gelben
Voͤgelgen außgeflogen ſind. Wißt ihr nicht/
was vor ein Erwerb bey dem Spielen iſt? Ei-
nen Vogel/ den ihr in der Hand habt/ laſſet ihr
fliegen/ und greiffet nach zehen andern/ die auf
dem Zaune ſitzen. Uber diß/ warumb habt
ihr Luſt zu gewinnen? wiſſet ihr nicht/ daß/
wann einer gewinnet/ ein ander nothwendig
verſpielen muß? Gedencket nun/ ſo weh als
euch der Verluſt ietzund thut/ ſo weh haͤtte es
einem andern auch gethan: und dannenhero
ſeyd ihr werth/ ihr Ungluͤcksvogel/ daß euch
die andern außlachen/ gleich wie ihr ſie viel-
leicht außgelachet haͤttet. Behaltet ein an-
dermal/ was ihr habt/ und verſchlaudert nicht
in einer halben Stunde ſo viel/ als ihr in einem
halben Monat und laͤnger kaum verdienen
koͤnnet/ ſonſten ſollet ihr euch ſelbſt mitten un-
ter die Ertz-Narren abmahlen: hiermit gien-
gen ſie zur Mahlzeit/ und hatte Eurylas noch
manche Stockerey mit dem armen Schaͤcher;
da fragte er ihn/ ob er ſich bald in den Wechſel
finden koͤnte/ und ob er nicht eine Oſt-Jndia-
niſche Compagnie wolte anlegen/ weil er ſich
auf die Handlung cento pro cento ſo gluͤck-
lich verſtuͤnde; er ſolte ein andermahl die
Schar-
[61]
Scharwentzel bekneipen/ daß er wuͤſte/ wo ſie
laͤgen/ und dergleichen. Bey Tiſche fragte
Gelanor den Wirth/ wer dann der junge
Menſch waͤre/ der ſich gegenuͤber auffhielte/
da bekam er die Nachricht/ es waͤre ein Buͤr-
gerskind/ ſein Vater haͤtte dieſen eintzigen
Sohn/ und wolte ihn kuͤnfftig zum Studiren
halten/ daß er in zwey jahren koͤnte Doctor
werden/ er wuͤſte nur nicht/ welche Facultaͤt
ihm und ſeiner Liebſten am beſten anſtehen
wuͤrde. Unterdeſſen muͤſte er ſich in Politi-
ſchen und hoͤflichen Sachen uͤben/ daß er nicht
ſo Schulfuͤchſiſch uͤber den Buͤckern würde.
So ſo/ ſagte Gelanor, wird mir nun auß dem
Traume geholffen. Jch meynte der Kerl waͤre
ein Narr/ daß er die lange Weile auf der Gaſſe
vertroͤdeln muͤſte: ſo ſehe ich wohl der Vater
iſt noch ein aͤrger Narr. So wird er einen
Doctorem utriusque Juris bekommen/ qui
tantum ſciverit in uno, quantum in altero.
Die Leute meynen gewiß/ ſo leicht als man die
Kinder deponirt, ſo leicht ſind ſie auch zum
Doctor gemacht/ und ſey es nur darumb zu
thun/ daß man ein gedruckt teſtimonium dar-
uͤber habe. Die Bauren judiciren ſonſt
von den Zeitungen/ wann ſie gedruckt ſeyn/ ſo
muͤſte alles wahr ſeyn. Nun ſcheint es/ als wol-
C vijte
[62]
te die Albertaͤt unter den Buͤrgern auch auf-
kommen. Zwar der liebe Menſch tauret
mich/ wo er das Frauenzimmer mit ſo tieffen
Reverentzen gruͤſſen wird/ moͤchte ihm das te-
ſtimonium auß dem Schiebſack fallen; Und
wann alſo der Wind die Herrligkeit einmahl
wegfuͤhrete/ ſo waͤre es mißlich/ ob iemand be-
richten koͤnte/ in welcher Facultaͤt er Doctor
worden. O du blinde Welt biſt du ſo nach-
laͤſſig in der Kinderzucht/ und ſiehſtu nicht/
daß/ welcher vor der Zeit zum Juncker wird/
ſolchen Titul in der Zeit ſchwerlich behaupten
kan. Es bleibet wohl darbey/ wann die jun-
gen Rotzloͤffel ſich an den Degen binden laſſen/
oder die Beine uͤber ein Pferd hencken/ ehe ih-
nen die Thorheit und das Kalbfleiſch vom
Steiße abgekehret worden/ ſo iſt es mit ihnen/
und ſonderlich mit ihrem Studiren geſche-
hen. Die Jugend iſt ohn diß des Sitzens und
der Arbeit nicht viel gewohnt/ man darff ihr
nur einen Finger bieten/ ſie wird gar bald die
gantze Hand hernach ziehen. Doch meinen
die klugen und uͤberſichtigen Eltern/ welche
ſonſt alle Splitter zehlen koͤnnen/ es ſey eine
ſonderbahre Tugend/ wann ſich die Knaben ſo
hurtig und excitar erweiſen koͤnnen/ und be-
dencken nicht/ daß die Magd in der Kuͤche kluͤ-
ger
[63]
ger iſt/ die laͤſt die Fiſche nicht ſieden biß ſie uͤ-
berlauffen/ ſondern ſchlaͤgt mit allen Kraͤfften
drauff/ daß die Hitze nicht zu maͤchtig wird.
Solche und andre dergleichen Reden fuͤhre-
te Gelanor, biß er merckte/ daß der Wirth
mit ſolchen diſcurſen uͤbel zu frieden war; doch
ließ er ſich die Ungnade nichts anfechten/ ſon-
dern fragte/ was er darvon hielte/ der Wirth
antwortete/ er waͤre zwar zu wenig/ von an-
dern zu urtheilen/ die offtermals ihre gewiſſe
Urſachen haͤtten/ diß oder jenes zu thun. Un-
terdeſſen meynte er/ daß man eben von allen ſo
groſſe Gelehrſamkeit nicht fodern duͤrffte/ die
ſchon ſo viel im Kaſten haͤtten/ daß ſie ſich mit
Ehren erhalten koͤnten/ die Eltern ſehen meh-
rentheils dahin/ daß ſie ihr Kind zu einer an-
ſehnlichen Ehrenſtelle/ und alſo fort zu einer
anſtaͤndigen Heyrath bringen moͤchten. Ge-
lanor wolte antworten/ aber eben zu der un-
gelegenen Zeit kam die Wirthin in die Stu-
be/ und rieff dem Mann/ er ſolte hinunter ge-
hen und die vornehmen Gaͤſte empfangen/ da-
mit ward das koͤſtliche Geſpraͤch verſtoͤrt/ und
weil ſie alle wiſſen wolten/ wer dann in der
Kutſche ſaͤſſe/ blieben die ſchoͤnen An-
merckungen zuruͤcke.
CAP.[64]
CAP. VI.
ALs die Kutſche in das Haus gebracht wor-
den/ ſtiegen drey alte Herren herauß. Ei-
ner hatte einen altvaͤteriſchen Sammet-Peltz
an/ mit abſcheulich groſſen Knoͤpffen. Der
ander hatte ein ledern Collet an/ und trug den
Arm in einer Binde. Der dritte hatte dicke di-
cke Struͤmpfe angezogen/ als wañ ihm Lun-
ge und Leber in die Waden gefahren waͤren.
Der Wirth fuͤhrete ſie in ein abſonderlich
Zimmer/ und weil es ziemlich ſpaͤt/ trug er ihnẽ
etwas von kalter Kuͤche fuͤr/ mit Verſprechen/
das Fruͤhſtuͤck beſſer anzurichten. Gelanor
fragte zwar den Wirth/ was dieſes vor Gaͤſte
waͤren; aber es wuſte einer ſo viel als der an-
der/ drumb giengen ſie auch zu Bette. Auf
den Morgen kam Florindo und weckte den
Gelanor auf/ mit Bitte/ er ſolte doch hoͤren/
was die drey alten Herren in der Kammer
darneben vor Geſpraͤche fuͤhreten. Nun war
die Wand an dem Orte ziemlich durchloͤchert/
und jene gebrauchten ſich auch einer feinen
maͤnnlichen Außſprache/ daß man wenig
Worte verhoͤren durffte. Ach! ſagte einer/
bin ich nicht ein Narr geweſen/ ich hatte meine
koͤſtlichen Mittel/ davon ich leben kunte: Nun
hab ich zehen Jahr in frembden Laͤndern zu-
ge-
[65]
gebracht/ liege auch ſchon zwanzig Jahr zu
Hauſe/ und ſehe nicht/ wer mir vor mein Rei-
ſen einen Pfifferling giebt. Ach haͤtte ich die
Cronen und die Ducaten wieder/ die ich in
Franekreich und Jtalien vor unnutze Comoͤ-
dien gegeben/ oder die ich in den vornehmen
Compagnien liederlich verthan habe. Anno
1627. hatte ich die Ehre/ daß ich mit dem Hn.
Claude de Melme Abgeſandten auß Franck-
reich nach Venedig/ und von dar nach Rom
gehen duͤrffte/ da lernte ich viel Staatsgrieffe/
welche zwiſchen Venedig und Spanien/ in-
gleichem zwiſchen Venedig und dem Pabſte
vorgenommen wurden/ aber ach haͤtte ich
mein Geld wieder/ das mir dabey zu ſchanden
gieng Mein Herr ſchickte mich endlich vor
ſeiner Abreiſe wieder in Franckreich/ da hieng
ich mich an den Herrn Claude de Buillion,
als er anno 1631. nach Beziers reiſete/ und den
damahligen Hertzog von Orleans mit dem
Koͤnige vergleichen wolte; aber alles auf mei-
nen Beutel/ wie es in Franckreich zu gehen
pflegt/ da man ſolche Volontiers die ohne ſon-
derliche Koſten den Staat vermehren/ gar
gerne leiden kan. Nachmahls reiſete ich mit
obgedachtem de Meſme in Holland/ da gieng
das Geld geben erſt recht an/ daß ich ſeit die-
ſer
[66]
ſer Zeit offt gedacht/ die Hollaͤnder muͤſten die
Zehen Gebote in eines verwandelt haben/ das
heiſſe: gieb Geld ber. Ferner gieng dieſer
Abgeſandte Anno 1634. in Dennemarck/ von
dar in Schweden und Pohlen/ den damahli-
gen Stillſtand Anno 1635. zu befoͤrdern. End-
lich als die Wexel bey mir nicht zulangen wol-
ten/ und gleichwohl keine Fortun in Franck-
reich zu hoffen war/ begab es ſich/ daß offter-
wehnter de meſme Anno 1637. zu den Præli-
minarFriedens-Tractaten in Teutſchland
geſchickt ward/ da danckte ich GOtt/ daß ich
Gelegenheit hatte in mein Vaterland zu kom-
men. Aber der ſchlechte Zuſtand/ und die uͤ-
bergroſſe Kriegs Unruh verderbten mir alle
Freude. Mein Geld/ das ich bey gewiſſen
Kauffleuten in Hamburg ſtehen hatte/ war
verzehrt; die geringen Feldguͤtergen erforder-
ten mehr Unkoſten/ als ich davon nehmen kun-
te: und welches mich am meiſten ſchmertzte/
ich hatte nichts gelernet/ davon Geld zu neh-
men war. Meine gantze Kunſt beſtund in dem/
daß ich von groſſen Reiſen/ von Balletten/ Co-
medien/ Maſqueraden/ Banqueten und an-
der Eitelkeiten auffſchneiden kunte: und mei-
ne Bibliothec war von zehen Frantzoͤſiſchen
Liebes Buͤchern/ ſechs Jtaliaͤniſchen Comoͤ-
dien
[67]
dien/ zwey geſchriebenen Buͤchern voller Lie-
der und Palquille: Mehr durffte mir kein
Menſch abfordern. Jch hatte Anſchlaͤge
anſehnliche Hoffmeiſtereien anzutreten/ aber
zu meinem Ungluͤck traffe ich lauter ſolche Leu-
te/ die ihre Soͤhne deßwegen in die Welt
ſchickten/ daß ſie ſolten kluͤger werden/ und al-
ſo muſten ſie ſich an meiner Perſon aͤrgern:
Jch aber muſte meinen Stab weiter ſetzen.
Was ich nun vor Muͤhſeligkeit/ Noth und
Verachtung außgeſtanden/ werde ich die Zeit
meines Lebens nicht erzehlen. Doch war Got-
tes Gnade ſo groß/ daß endlich Friede ward.
So habe ich meine Feld-Guͤter nach vermoͤ-
gen angerichtet/ bringe mein Leben kuͤmmeꝛlich
hin/ wuͤſte auch dieſe Stunde meinen Leiden
keinen Rath/ wenn nicht mein Bruder vor 6.
Jahren geſtorben/ und mir etlich hundert
Guͤlden Erbſchafft verlaſſen haͤtte. Ach wer
dreißig Jahr zuruͤcke haͤtte/ ach bin ich nicht
ein Narr geweſen; Ach was vor ein gediege-
ner Mann koͤnte ich ietzund ſeyn/ ach wie habe
ich mir ſelbſt im Liechte geſtanden.
Hierauff fing der ander ſeine Klaglieder an.
Ach ſagte er/das iſt noch eine ſchlechte Thor-
heit/ ich bin erſt ein Narr geweſen. Mein
Vater war ein wolhabender Kauffmann/ und
haͤtte
[68]
haͤtte mich gern bey der Handlung erhalten/
aber ich verliebte mich in das Soldaten We-
ſen/ daß ich wie der meiner Eltern Wiſſen und
Willen mit in den Krieg zog. Und ich ab-
ſchẽlicher Narr/haͤtte ich mich nur in Teutſch-
land unterhalten laſſen: ſo zog ich mit Fran-
tzoͤſiſchen Werbern fort/ und meynte/ nun
wuͤrde ich in Schlaraffen-Land kommen/ da
wuͤrden mir die gebratenen Tauben ins
Maul fliegen. Jch meyne aber/ ja/ ich hatte
es wohlgetroffen. Jch muſte mit vor Ro-
chelle, da lagen wir uͤber ein Jahr wie die
Narren/ und wuſten nicht ob Krieg oder Frie-
de war. Die Stadt ſolte außgehungert wer-
den/ und fuͤrwar wir Soldaten im Laͤger half-
fen bißweilen weidlich hunger leiden/ daß die in
der Stadt deſto eher fertig worden. Endlich
uͤbergab ſich die Stadt/ damit war der Krieg
zu Ende keine Beute wurde gemacht/ die Ga-
ge blieb zuruͤcke/ und ich war ein ſtattlicher
Cavallier. Ach wie gerne waͤr ich darvon
gewiſcht; aber weil ich ſahe/ wie der Galgen
hinden nach ſchnappte/ mochte ich meinen
Hals auch nicht gern in dergleichen Ungele-
genheit bringen/ und ließ mir lieber den Tag
zweymal pruͤgelſuppe/ und einmal zu freſſen ge-
ben. Nun fieng der Cardinal Richelieu
wun-
[69]
wunderliche Poſſen an/ und wolte Mantua ent-
ſetzen/ da ſolten die armen Soldaten uͤber Hals
uͤber Kopff/ durch Froſt und Schnee die
Schweitzer-Gebuͤrge hinnan klettern. Alle
Welt ſagte es waͤre unmuͤglich/ die Solda-
ten wuͤrden nur auffgeopffert/ und wuͤſte man
auß allen Exempeln/ daß ſolche Anſchiaͤge waͤ-
ren zu Schanden worden. Aber der Starr-
kopff fragte nichts darnach/ wir muſten fort/
und da haͤtte ich vor mein Leben nicht drey
Heller gegeben. Etliche hundert muſten vor-
an/ und den Schnee auf beyden Seiten weg
ſchauffeln/ darauff folgete die Armee. Doch
war an etlichen Orten die Arbeit gantz verge-
bens/ deñ wir muſten die Klippen hinauff klet-
tern/ als wann wir dem Monden wolten die
Augen außgraben. Mancher dachte/ er waͤ-
re bald hinauff/ ſo verſtarten ihm die Haͤnde/
daß er herunter portzelte/ und der Schnee uͤber
ihm zuſammen ſchlug. Wer ſich nun nicht
ſelber helffen kunte/ der mochte ſich zu Bette
egen. Da war Elend. Und man dencke
[...]ur/ mitten zwiſchen den hoͤchſten Bergen/ lag
oben ein Schloß/ das ſolten wir einnehmen.
Nun haͤtten die thummen Kerlen uns mit
Steinen oder mit Schneeballen abwenden
koͤnnen/ daß wir deß kletterns und des Einneh-
mens
[70]
mens weiter nicht begehrt haͤtten. Aber ich
weiß nicht/ ob die Leute bezaubert/ oder ſonſt
verblend waren/ daß ſie uns hinein lieſſen/ dar-
auff hatten wir in Jtalien guten Fortgang.
Doch werde ichs keinen Menſchen ſagen wie
mich nach meines Vatern Kuͤche verlangte.
Jch dachte die Frantzoſen waͤren Hungerlei-
der; aber nun ſchien es/ als waͤr ich zu Leuten
kommen/ die gar von der Lufft lebten. Jch
halte auch nicht/ daß ich dazumal auf meinem
gantzen Leibe ein Pfund Fleich haͤtte zuſam-
men bracht/ ſo ſehr war ich außgepoͤckelt/ dar-
um freuete ich mich/ wie die Kinder auf St.
Martin/ als wir in Franckreich zuruͤck com-
mendirt wurden. Da uͤberließ nun der Koͤ-
nig denen Schweden etliche Voͤlcker/ damit
kam ich in Schwediſche Dienſte gleich zu der
rechten Zeit/ daß ich in der Schlacht vor
Noͤrdlingen die Schlaͤge mit kriegte. Da
hatte ich vollends des Krieges ſatt/ denn eine
Muſqueten Kugel hatte mich am dicken Bei-
ne geſtreifft/ daß mir die Haut einer Spanne
lang abgegangen. Jns Fleiſch konte ſie nicht
kommen/ denn ich hatte keines. Nun war
der Schaden nicht gefaͤhrlich: allein wie es
brennte/ und wie mir das Außreiſſen ſo ſauer
worden/ laß ich dieſelben urtheilen/ die derglei-
chen
[71]
chen Vocksſpruͤnge verſucht haben. Hier-
mit eilte ich nach meinem Vater zu/ und ver-
hoffte/ er werde ſich wohl beguͤtigen laſſen/
wann er nur mein außgeſtandenes Elend ſe-
hen und behertzigen ſolte. Aber ich kam zu
langſam/ er war vor acht Wochen geſtorben/
und hatte mich meines Ungehorſams halben
außgeerbet bis auf hundert Guͤlden/ was ſolte
ich thun/ der letzte Willen war nicht umbzu-
ſtoſſen/ meine zwey Schwaͤger wolten mir
nichts einraͤumen/ ich hatte nichts gelernet;
drumb muſte ich wieder an den Krieg geden-
cken. Und war dieß mein Troſt/ wenn ich
mich von den 100. Guͤlden außmundirt haͤtte/
ſo wuͤrde ich als ein Cavallier beſſer fort kom-
men. Jch begab mich unter die Banniri-
ſche Armee/ gleich als ſie in Meiſſen und Thuͤ-
ringen herum hauſete. Und gewiß/ dazumal
gefiel mir das Weſen gar wohl/ ſo lange wir
Beute machten/ und kein Menſch da war/
der uns das unſerige wieder nehmen wolte:
Allein als Hatzfeld hinter uns drein war/ und
wir bey Zerbſt ſtehen muſten/ da wer ich lieber
im Qvartier vor Rochelle geweſen: ich wur-
de an unterſchiedenen Orten gequetſcht/ muſte
auch mit meinem Schaden fortreiten biß nach
Magdeburg. Da lag ich in einem wuͤſten
Hau-
[72]
Hauſe/ davon im Brande die Kuͤche war ſte-
hen blieben. Und diß war meine Herrligkeit
alle. Letzlich kam ich zu meiner Geſundheit/
daß ich wieder auf die Parthey gehen kunte.
Aber ich ſehnte mich nach keiner Beuthe/ ich
verlangte vielmehr eine Gelegenheit/ da ich nie-
der geſchoſſen wuͤrde/ und der Marter loß kaͤ-
me. Dieſe Deſperation ward von vielen
vor eine ſonderliche Courage außgeleget/ daß
ich endlich von einer Charge zu der andern
kam/ biß ich Rittmeiſter ward. Wie nun der
allgemeine Friede geſchloſſen war/ hatte ich
gleich zu meinem Gluͤcke in Brag brav Beute
gemacht/ die nahm ich und kauffte ein wuͤſt
Guͤtgen vor 10000. Thaler/ darauff haͤtt ich
wohl außkommen koͤnnen/ doch war ich zum
andernmahl ſo ein Narr/ daß ich meynte/ ich
müſte noch ein mahl verſuchen/ ob ich im Krie-
ge 20000. Thaler darzu erwerben koͤnte/ und
ließ mich in den Polniſchen Krieg mit behan-
deln. Jch borgte auf mein Guͤtgen/ ſo viel
ich kriegen kunte/ mundirte unterſchiedene
Soldaten auß/ und gieng damit fort. Jch
muß geſtehn/ daß ich ſo unangenehm nicht
war/ aber ich fand alſobald einen Knoten/ daß
in Polen keine Luſt waͤre/ als in Teutſchland.
Es waren keine ſolche Doͤrffer die man exe-
quiren
[73]
quiren koͤnte/ traff man ein Neſt voll Bauren
an/ ſo waren die Schelmen ſo boßhafftig/ daß
ſie ſich eher das Hertz auß dem Leibe reiſſen
lieſſen/ ehe ſie einem ehrlichen Manne etwas
auf die Reiſe ſpendiret haͤtten. Doch daß ich
es kurtz mache/ ſo will ich mein hauptſaͤchliches
Ungluͤck erzehlen. Jn Warſchau wolte ich
einmahl recht verſuchen/ wie die Thorniſche
Pfefferkuchen zu dem Polniſchen Brandte-
wein ſchmeckten/ und mochte die Probe zu
ſcharff gethan haben/ daß ich gantz truncken
worden. Jn ſolcher vollen Weiſe gerathe
ich an einen Polniſchen Edelman/ der mit in
Schwediſchen Dienſten war/ der verſtehts
unrecht/ und langt mir eines mit ſeinem Sebel
uͤber den rechten Arm/ daß wenn mein Collet
nicht etwas außgehalten haͤtte/ ich unſtreitig
des Todes geweſen waͤre. Da lag ich nun
vor einen todten Mann/ und ließ mich endlich
nach Thoren fuͤhren/ da ich durch einen Kauff-
man einen Wechſel nach dem andern zahlen
ließ/ biß mein Guͤtgen hin war. Jch kam
zwar wieder auf: doch iſt mir die Hand ge-
ſchwunden/ und wenn ſchwere Monat kom̃en/
ſo fuͤhle ich groſſe Schmertzen oben in der
Achſel Nun placke ich mich herumb und muß
von bloſſen Gnadengeldern kuͤmmerlich und
Delend
[74]
elend gnug meinen Leib ernehren. Ach bin
ich nicht ein Narr geweſen/ ach haͤtte ich mei-
nen Eltern gefolgt; Ach waͤre ich das ander-
mahl zu Hauſe blieben/ ach ſolte ich ietzt die
viertzig Jahr noch einmahl leben/ ach ich wol-
te kein ſolcher Narr ſeyn.
Der Dritte hatte gedultig zugehoͤret/ nun
traff ihn die Reih/ daß er reden ſolte/ der ſagte:
ach ihr Herren/ nehmet mich auch mit in eure
Geſellſchafft/ ich bin ja ſo ein groſſer Narr ge-
weſen/ als vielleicht keiner von euch. Mein
Vater war ein vornehmer Advocat/ der dach-
te/ weil ich ſein eintzig Kind waͤre/ muͤſte er mich
in ſonderlicher Wartung halten/ daß ich nicht
etwan ſtuͤrbe/ und der Welt ſo eine angelege-
ne Perſon entziehen moͤchte. Jch that was
ich wolte/ kein Nachbars Kind war vor mir
ſicher/ ich ſchlug es an den Hals/ die Jnforma-
tores ſaſſen wie Schaubhuͤtgen vor mir/ das
Geſinde muſte meinen Willen thun/ er ſelbſt
der Vater muſte ſich von mir regieren laſſen:
Jch war kaum drey Jahr/ ſo hatte ich einen
Degen an der Seite: Jm achten Jahre kauff-
te mir der Vater ein Pferdgen/ etwan ſo groß
als ein Windhund/ das lernte ich nach aller
Hertzens-Luſt tummeln: Jm zehenden Jahr
hatte ich ſchon ein ſeiden Ehren-Kleid/ darinn
ich
[75]
ich konte zur Hochzeit gehen. Jm zwoͤlfſten
Jahre dachte ich/ es waͤre eine Schande/ wañ
ich keine Liebſte haͤtte. Aber in der gantzen
Zeit durffte ich nichts lernen oder vornehmen.
Ein Præceptor muſte deshalben von uns fort/
daß er mich mit dem Catechiſmo ſo ſehr ge-
bruͤhet. Ein ander kriegte den Abſchied/ weil
er behaupten wollen/ ich muͤſte in dem zehendẽ
Jahre Menſa conjugiren koͤnnen. Wieder
ein ander ward mit der Thier vor den Hinder-
ſten geſchlagen/ weil er vorgab/ ich ſolte nicht
mehr bey der jungen Magd im Bette liegen/
bey welcher ich doch von langer Zeit gewohnt
war. Mit einem Worte viel zu begreiffen/
wer mich anruͤhrete/ der taſtete meines Va-
ters Augapffel an. Endlich ſchaͤmte ich mich ei-
nen Præceptor zu habẽ/ da kriegt ich einẽ Hoff-
meiſter/ der hieß mich Monſieur, der nahm
mich mit zum Schmauſe/ und perfectionirte
mich/ daß ich pro hic \& nunc ein vollkom̃ener
Juncker war. Jm 18. Jahre ſtarb mein Va-
ter/ da war Herrligkeit. Sie wolten mir ei-
nen Curator ſetzen/ aber ich fieng Haͤndel mit
ihm an/ und ſchlug ihm ein paar Piſtolen um
den Kopff. Jch dachte/ ich waͤre ὑπὲρ klug/
meinen Stand außzufuͤhren. Nun war es
nicht ohne/ mein Vater hatte ſo viel Cauſen
D ijge-
[76]
gemacht/ daß ich von den Capitalien wohl
haͤtte leben koͤnnen. Aber ich meinte/ ich muͤ-
ſte dreymahl praͤchtiger leben als er/ ungeacht
ich nicht den zehenden Theil erwerben konte.
Da fanden ſich viel gute Fꝛeunde/ die mir einen
Schmauß nach dem andern außfuͤhrten/ und
ich hatte alle Freude daran; ja ich ließ michs
verdrieſſen/ wann mir einen Abend weniger
als 10. Thaler auffgingen. Alles gieng vom
beſten/ wenn mir der Weinſchencke 3. Noͤſſel
ſechs Groſchen Wein ſchickte/ haͤtte ich mich
geſchaͤmt/ daß ich ihm nicht vor zwey Kannen
zehen Groſchen Wein bezahlet haͤtte; die Ler-
chen aß ich nicht eher/ als biß eine Mandel im
Weinkeller 20. Groſchen galt/ die Gaͤnſe
ſchmackten mir uͤmb Pfingſten vor einen hal-
ben Thaler am beſten/ und ich weiß wohl eh/
daß ich vor einen gebratenen Haſen 2. Guͤl-
den bezahlet habe. Jch wolte mich einmahl
mit dem Gaſtwirthe ſchlagen/ daß er vor mich
und vier Gaͤſte 9. Thal. forderte/ da ich die gu-
ten Freunde gern vor 18. Thal. tractirt haͤtte.
Jn Kleidern hielt ich mich polit/ die daffete
Waͤmſer und Kappen ließ ich nicht fuͤttern/
es haͤtte ſonſt ein Toͤpffgen-Stutzer gemeynt/
ich wolte es mit der Zeit wenden laſſen. Wañ
das Band etwas zuſammen gelauffen war/
mochte
[77]
mochte es mein Famulus abtrennen. Dann
der Kauffmann creditirte ſchon aufs neue/
und was der Eitelkeiten mehr ſeyn. Das
wuſte die gantze Stadt/ daß ich ein perfecter
Narr war/ und ich werde es meine Lebtage
nicht vergeſſen/ was mein Beichtvater zu mir
ſagte: Ach Haͤnſgen/ ſprach er/ wie will das
ablauffen/ ach beſtellt den Bettelſtab/ weil ihr
Geld habt/ ſonſt werdet ihr einen Knittel von
der erſten Weide abſchneiden muͤſſen. Ja
wohl/ ich habe ihn gar zu offt abſchneiden
muͤſſen. Dann ob ſich zwar die Obrigkeit
ins Mittel ſchlug/ und mir als einem verthuli-
chen Menſchen nichts folgen ließ/ war es
doch zu lang geharret/ und ich hatte doch
nichts anders gelernet/ als boͤſes thun. Uber
diß kunten ſie mir meine nothduͤrfftige Unter-
haltung nicht wehren/ daß ich alſo mein gan-
tzes Reichthum durchbracht/ biß auf 200.
Guͤlden/ ehe ich 23. Jahr alt war/ darauff ſol-
teich nun in der Welt fort kommen/ und wohl
gar eine Frau nehmen. Auf die letzt trat mich
zwar die ſchwartze Kuh/ aber zu ſpat/ ich wu-
ſte nicht wohin/ meine Freunde hätten mich
gern befoͤrdert/ aber ich haͤtte lieber einen
Dienſt gehabt/ da ich einen Sammetpeltz al-
le Tage anziehen/ und in ſechs Tagen kaum
D iijeine
[78]
eine Stunde arbeiten doͤrffen. Gewiß ich
wunderte mich von Hertzen/ daß ſo wenig Leu-
te waren/ welche Muͤßiggānger brauchten.
Zwar ich begunt es allmehlig nãher zu geben.
Und wie die liebe Noth gar zu groß ward/ ließ
ich mich bey einem von Adel in Dienſte ein.
Er ſagte zwar/ ich ſolte ſein Secretarius heiſſen/
aber wann ich vom Pferde fiel/ ſo ſtund ein
Schreiber und Tafeldecker wieder auf/ da
ward mir wieder eingeſchenckt/ was ich an
meinem Vater verſchuldet hatte. Die Frau
ſchickte mich bald da bald dorthin/ die Kinder
begoſſen mich mit Waſſer/ das Geſinde ſetzte
mir Eſelsohren auf/ kurtz von der Sache zu
reden/ ich war der Narr von Hauß. Es that
mir zwar unerhoͤrt bange: Aber was ſolt ich
thun/ ich wuſte nirgend hin/ ohne Unterhalt
konte ich nicht leben/ alſo hieß es mit mir lieber
ein Narr/ als Hungers geſtorben. Doch daß
ich auf meine rechte Thorheit komme/ ſo hatte
der von Adel 2. Pfarrs-Toͤchter bey ſich/ de-
rer Eltern geſtorben waren. Eine zwar ziem-
lich bey Jahren/ zum wenigſten auf einer Sei-
te 18. biß 19. Jahr/ und allem Anſehen nach/
mochte ſie wohlwiſſen/ was fuͤr ein Unter-
ſcheid zwiſchen einem gemeinen und einem E-
delmann wãre. Die andere war kaum 16.
Jahr
[79]
Jahr alt/ und hatte ſo ein niedlich Geſichte/
und ſo freundliche Minen/ daß auch ein ſtei-
nern Hertze ſich nur durch ihre Freundligkeit
bewegen laſſen. Weil ich nun des courtoi-
ſirens ſchon lang gewohnt war/ dacht ich/ da
wuͤrde auch ein Fuͤttergen unter mein Beltz-
gen ſeyn. Jch fieng erſtlich von weitlaͤuffti-
gen Sachen an zu reden/ und gedachte/ ſie
wuͤrde mit mir gewohnt werden/ daß ich ſie
umb was anders deſto kuͤhner anſprechen
duͤrffte/ doch weiß ich nicht/ wie ſie ſo kaltſin-
nig gegen mir war. Endlich nach 9, oder 10.
Wochen merckte ich daß ſie luſtiger ward.
Sie gruͤſte mich freundlich/ ſie brachte m[i]r
wohl ein Straͤußgen/ und fragte mich/ wie
mir es gienge. Ja was noch mehr iſt/ als ich
ſie kuͤſſen wolte/ ſagte ſie/ ich ſolte ſie ietzt mit
frieden laſſen/ ich wuͤſte wohl wo die Poſſen
hingehoͤrten. Damit war ich gefangen/ ich
præſentirte meinen Dienſt mit der gantzen
Schule an/und befand/ daß ich bey dem Mad-
gen noch weiter von ſolchen Sachen reden
moͤchte. Kurtz/ wir beſtellten einander auf
den Abend umb 10. in eine Gaſtkammer/ und
damit war es richtig. Jch verſaͤumte die
Zeit nicht/ fand auch die Liebſte ſchon in der
Kammer/ doch ohne Licht dann ſie gab vor/ es
D jvmoͤchte
[80]
moͤchte iemand des ungewoͤhnliehen Lichtes
an dem Fenſter gewahr werden Und darzu
bat ſie mich/ wir moͤchten nicht zu viel reden/
weil der Schall leicht koͤnte von uͤbel paßionir-
ter Perſonen auffgefangen werden. Jch
ließ mir alles gefallen/ und ſtelle es einem ied-
weden zu reiffem Nachdencken anheim/ was
darnach mag vorgelauffen ſeyn: Aber die
Luſt waͤhrete nicht lange/ ſo kam der Edelmañ
mit mehr als 20. Mann in die Kammer hinein/
und wolte wiſſen/ was ich hier zu ſchaffen haͤtte:
Jch war von Erſchrecken eingenommen/ daß
ich nicht achtung gab/ wer bey mir lāge. Doch
kont ich mit ſtillſchweigen wenig ausrichten/
weil der Juncker mit dem bloſſen Degen mir
auf den Leib kam da erſchrack ich vor dem kal-
ten Eyſen/ und wolte ein bißgen Troſt bey
meiner Liebſten ſchoͤpffen: ſieh da ſo war es
nicht das junge artige Maͤdgen/ ſondern die
alte garſtige Emerentze/ die lachte mich uͤber
einen Zahn ſo freundlich an/ daß man alle eylffe
davon ſehen kunte. Ey/ ey/ wer war elender
als ich: Und fuͤrwar/ es hat mich offt getau-
ert/ daß ich mich nicht habe todt ſtechen laſſen.
Doch dazumahl war mir das Leben lieb/ daß
ich/ alles Ungluͤck zu vermeiden/ mich gefangen
gab/ und auch in die Trauung einwilligte. Da
ſaß
[81]
ſaß ich nun mit meiner Gemahlin/ und haͤtte
mich gern zu frieden gegeben/ wañ ich nur/ wie
Jacob die Junge auch noch hohlen duͤrffen.
So merckte ich/ daß es mit mir hieß/ O ho
Bauer! laß die Roͤßlein ſtahn/ ſie gehoͤren fuͤr
einen Edelmann. Was ſolte ich aber fuͤr
Nahrung anfangen/ graben mocht ich nicht/
ſo ſchaͤmte ich mich zu betteln/ drum muſte ich
mit einem geringen Verwalterdienſtgen vor-
lieb nehmen/ von welchem diß accidens war/
daß ich die Mahlzeit bey Hofe mit haben ſolte.
Jch ließ es gut ſeyn/ und legte mich mit mei-
ner alten Schachtel alle Abend zu Bette/ als
hātte ich die Junge nie lieb gehabt. Doch
war diß meine Plage/ daß ich allen Gaͤſten Ge-
ſellſchafft leiſten muſte/ dann wer Luſt zu ſauf-
fen hatte/ dem ſolte ich zu Gefallen das Tann-
zapffen-Vier in den Leib gieſſen/ davon ward
ich endlich ſo ungeſund/ daß ich meinem Leibe
keinen Rath wuſte/ zu groſſen Gluͤcke kam eine
Rechts Sache zu Ende/ davon ich 2000. Thl[.]
participirte/ und meine alte Kachel ſtarb in
Kindesnoͤthen. Alſo ward ich wieder frey/
und behelffe mich numehr auf mein Geld ſo
gut ich kan. Aber ach! bin ich nicht ein Narr
geweſen/ ach haͤtt ich einen Curator angenom-
men/ ach haͤtte ich was rechtes gelernt
D vach
[82]
ach koͤnte ich ietzt dreiſſig Jahr juͤnger wer-
den!
CAP. VII.
FLorindo hatte alle die Erzehlungen mit
groſſer Luſt angehoͤret/ Gelanor auch ließ
ſich die artlichen Begebenheiten nicht uͤbel
gefallen/ doch hatte dieſer etliche Lehren daruͤ-
ber abgefaſt welche dem Florindo gantz in ge-
heim communicirt worden/ alſo daß kein
Menſch ſolcher biß auf dieſe Stunde habhafft
werden kan. Derhalben wird der geneigte
Leſer auch zu frieden ſeyn/ daß hier etwas mit
Stillſchweigen übergangen wird. Es moͤch-
ten ſich etliche Leute der Sache annehmen/ die
man nicht gern erzuͤrnen will: Und wer will
ſich an allen alten Gaſconiern das Maul ver-
brennen. Wir gehen in unſerer Erzehlung
fort/ und geben unſern narrenbegierigen Per-
ſonen das Geleite. Dieſe hatten ſich auf des
Wirths Einrathen in einen beruͤhmten Luſt-
garten verfuͤgt/ und wolten die Herrligkeit
deſſelben Ortes auch mitnehmen. Aber
Gelanor ſagte den halben Theil von ſeinen
Gedancken nicht/ dann ſo offt der Gaͤrtner mit
ſeinen frembden Gewāchſen herpralte/ wie ei-
nes 10. das andere 20. das dritte 50. das vierd-
te gar hundert Thaler zu ſtehen kaͤme/ hielt er
allzeit
[83]
allzeit eine ſchlechte Feldblume dargegen/ die
an vielen Stuͤcken/ ſonderlich in Medicini-
ſcher Wuͤrckung weit beſſer war/ und machte
den Schluß: STUL TITIAM PATIUNTUR
OPES. Doch ſagte er nichts laut/ weil ihm
als einem Narren-Probirer wol bewuſt war/
daß kein ārger Narr in der Welt ſey/ als der
alles ſage/ was er dencke. Jmmittelſt erblickte
er einen Mann/ welcher in der Galerie ſpatzie-
ren gieng/ und dem aͤuſſerlichen Anſehen nach
vor einen ſtattlichen Miniſter bey Hofe paſſiren
moͤchte/ zu dieſem verfuͤgte er ſich/ und fieng
von einem und dem andern an zu reden/ vor-
nehmlich verwunderten ſie ſich uͤber die ar-
beitſame Natur/ welche dem Menſchlichen
Fleiſſe ſich ſo unterthaͤnig macht/ daß alle
Roſen/ Nelcken und andere Blumen/ welche
ſonſt mit wenig Blaͤttern hervor kommen/
durch fleißiges und ordentliches Fortſetzen
leicht vollgefuͤllt/ und zu einer ungemeinen
Groͤſſe gebracht werden. Von ſolchen na-
tuͤrlichen Dingen geriethen ſie auf Politiſche
Fragen/ und Weil ſich Gelanor in dieſes un-
bekandten gute Qualitaͤten etwas verliebete/
giengen ſie zuſammen in das Garten-Haus/
und ſetzten ſich in den Schatten/ da druck[te]
dieſer frembde Gaſt loß/ wer er waͤre/ und
D vjfuͤhrte
[84]
fuͤhrte folgenden Diſcurs. Es iſt eine wun-
derliche Sache/ daß man dem Gluͤcke in dieſer
Welt ſo viel nachgeben muß; wie mancher
zeucht von einem Orte zum andern/ und ſucht
Befoͤrderung/ doch weil er den Zweck nicht in
acht nimmt/ darauff ſein Glũcke ziehlt/ geht al-
les den Krebsgang. Hingegen wer dem
Gluͤcke gleichſam in die prædeſtination hinein
rennt/ der mag es ſo naͤrriſch und ſo plump
vornehmen/ als er will/ ſo muß er doch erho-
ben/ und vielen andern vorgezogen werden.
Wie viel habe ich gekennt/ die wolten entwe-
der auf ihrer Eltern Einrathen/ oder auch wol
auf ihr eigen plaiſir Theologiam ſtudiren:
allein es gerieth ins Stecken/ biß ſie das Stu-
dium Juris vor die Hand nahmen/ darzu ſie
von dem Gluͤcke waren gewidmet worden.
Und alsdann muſte man ſich verwundern/
wie alles ſo gluͤcklich und geſegnet war. An-
dere haben die Medicin ergriffen/ welche bey
der Juriſterey verdorben waͤren/ und was iſt
gemeiner/ als daß ein Menſch/ der mit Gewalt
will einen Gelaͤhrten bedeuten/ ſich hernach in
das Bierbrauen/ in die Handlung/ in den
Ackerbau und in andere Handthierungen ſte-
cken muß/ welcher ohn allen Zweiffel beſſer ge-
than haͤtte/ wann er Anfangs dem Gluͤcke waͤ-
re
[85]
re entgegen gangen. Und gewiß/ iſt iemand
auf der Welt/ der ſolches an ſeiner eigenen
Perſon erfahren hat/ ſo kan ich wohl ſagen/
daß er mir nicht viel nehmen ſoll. Jch war
von Lutheriſchen Eltern gebohren und erzo-
gen/ vermeynte auch/ ich wolte bey eben derſel-
ben Religion leben und ſterben. Allein wie
mir das Gluͤcke dabey zuwider geweſen/ kan
ich nicht ſagen. Numehr als ich auf Zure-
den vornehmer und verſtaͤndiger Leute zu der
Catholiſchen Religion geſchritten bin/ hab ich
noch nichts unter die Haͤnde bekommen/ daß
mir nicht mehr als erwuͤnſcht waͤre von ſtatten
gangen. Jch habe mein reichlich und uͤber-
fluͤßig Außkommen/ ich ſitze in meinem Ehren-
ſtande/ und welches das beſte iſt/ ſo darff ich
nicht befuͤrchten/ als moͤchte die Zeit ſchlimmer
werden. Solches alles nun muß ich dem
bloſſen Gluͤcke zuſchreiben/ welches mich bey
keiner andern Religion wil geſegnet wiſſen.
Gelanor wolte auch etwas darbey geredt ha-
ben/ drumb ſagte er: Es waͤre nicht ohne/ der
Menſchen Glücke hielte ſeinen verborgenen
Lauff/ doch meynte er/ man muͤſſe die endliche
direction ſolcher wunderbahren Faͤlle GOtt
zuſchreiben/ welcher das Gemuͤthe durch aller-
hand heimliche inclinationes dahin zu lencken
D vijpflegte/
[86]
pflegte/ daß man offtermahls nicht wiſſe/ wa-
rumb einer zu dieſem/ der andere zu jenem Luſt
habe. Was aber die Religion betreffe/ meynte
er nicht/ daß man mit ſo einem goͤttlichen
Wercke gar zu liederlich ſpielen ſolte. Ey/
verſetzte der Weltmann/ was ſoll man ſpielen/
die Sache iſt noch ſtreitig/ und ſo lange nichts
gewiſſes erwieſen wird/ bleibt die Cathol. als
die aͤlteſte/ noch immer in poſſeſſione. Und
darzu/ man ſehe nur was die Lutheriſche Lehre
denen von Adel vor Herrligkeit macht. Sie
heyrathen alle und vermehren ſich wie die A-
meißhauffen/ und gleichwohl vermehren ſich
die Guͤter nicht/ ich lobe es bey den Catholi-
ſchen/ da gibt es ſtattliche præbenden/ die wer-
den denen von Adel eingeraͤumt/ und bleiben
indeſſen die Lehngüter unzertrent; duͤrffen die
Geiſtlichen nicht heyrathen/ ſo haben ſie ande-
re Gelegenheit/ dabey ſie die Luſt des Ehſtan-
des genieſſen/ und der Plage uͤberhoben ſeyn-
So hoͤre ich wohl/ antwortete Gelanor, man
lebt nur darumb in der Welt/ daß man wil
reich werden. Mich duͤnckt/ das iſt ein ſtarck
Argument wider die Catholiſchen/ daß ſie gar
zu groß Gluͤcke haben. Und er wird ohn Zwei-
fel den Spruch Chriſti geleſen haben: waͤret
ihr von der Welt/ ſo haͤtte die Welt das
ihre
[87]
ihre lieb/ weil ihr aber nicht von der
Welt ſeyd/ ſo haſſet euch die Welt.
Derhalben ſchaͤtze ich die vor gluͤckſelig/ wel-
che durch viel Truͤbſal in das Reich Gottes
eingehen/ und alſo nach Chriſti Befehl am
erſten nach demſelben Reich Gottes trachten.
Es hat ſich wohl getracht/ fieng jener hingegen
an/ wann man ſeinen Stand fuͤhren ſoll/ und
hat nichts darzu. Gelanor fragte/ welche Lu-
theriſche von Adel hungers geſtorben waͤren?
ſagte darbey/ er koͤnne nicht laͤugnen/ daß etli-
chen das liebe Armuth nahe genug waͤre: doch
wolte er hoffen/ die Catholiſchen Edelleute
wuͤrden auch ihre Goldguͤlden nicht mit lau-
ter Kornſaͤcken außmeſſen/ es waͤre eine andere
Urſache/ dadurch die Meiſten in Armuth ge-
riethen. Dann da hielte man es fuͤr eine
Schande/ auf buͤrgerliche Manier Geld zu
verdienen/ und wann ja etliche das Studiren
ſo hoch ſchaͤtzten/ daß ſie dadurch meinten em-
por zu kommen/ ſo waͤren hingegen etliche hun-
dert/ die nichts koͤnten als Fiſche fangen und
Vogel ſtellen. Derhalben waͤre auch die
Republic nicht ſchuldig/ ihnen groͤſſere Unter-
halt zu ſchaffen/ als den Fiſchern und Vogel-
ſtellern zukaͤme. Mit dem Geſchlechte und
deſſen fortpflantzung haͤtte es ja ſeinen Ruhm:
doch
[88]
doch wuͤrden die Ahnen nur geſchimpfft/ wañ
man ihre Wappen/ und nicht ihre Tugenden
zugleich erben wolte. Man ſolte auch nur
in andere Republicqven ſehen/ wie ſich die von
Adel weder der Kaufſmanſchafft noch der Fe-
der ſchaͤmeten/ der Hertzog von Churland/ der
Groß-Hertzog von Florentz/ ja die Venetia-
niſch- und Genueſiſchen Patricii wuͤrden durch
ihre Kauffſchiffe im minſten nicht geringer;
Und ſie ſelbſt/ bey den Catholiſchen/ machten
auß ihren Grafen und Hn. Doctores und
Profeſſores. Dem guten Herrn wolte die
Rede nicht in den Kopff/ ſtund derhalben
auf/ mit vorgeben/ er muͤſſe nothwendig einem
andern hohen Praͤlaten auffwarten/ recom-
mendirte ſich in ſeine Gunſt/ bat alles wohl
auffzunehmen/ und gieng hiermit zum Garten
hinaus. Da ließ nun Gelanor ſeine Gedan-
cken etwas freyer herauß/ ach ſagte er/ iſt diß
nicht Blindheit/ daß/ ehe man ſich etwas druͤ-
cken und buͤcken wolte/ man lieber Gott und
Himmel vor eine Handvoll Eitelkeit verſetzen
und verkauffen darff. Geſetzt die Catholiſche
Lehre waͤre ſo ſchlim nicht/ daß alle in derſelben
ſollen verdammt ſeyn: ſo frage ich doch/ ob ein
ſolcher abgefallener Sauſewind nicht in ſei-
nem Gewiſſen einen Scrupel befinde/ der ihm
die
[89]
die Sache ſchwer mache. Dann die Lehre/
darinn er gelebt hat/ kan er nicht verdammen.
Und gleichwohl gehoͤrt ein groſſer Glaube
darzu/ zwey gegenſtreitende Sachen gleich gut
zu heiſſen/ Conſcientia dubia nihil eſt facien-
dum. Endlich was den Handel am ſchlim-
ſten macht/ ſo nehmen ſie ja die Enderung nit
etwan vor/ Gottes Ehre zu befoͤrdern/ oder
ihre Seligkeit gewiſſer zu machen: ſondern
weil ſie meynen/ ihre zeitliche Gluͤckſeligkeit be-
ſtens außzufuͤhren/ das iſt mit derben deut-
ſchen Worten ſo viel geſagt/ weil ſie an Got-
tes Vorſorge verzweiffeln/ als ſey er nicht ſo
Allmaͤchtig/ daß er einen in der armſeligen Re-
ligion ernehren koͤnte/ nun uͤberlege man den
ſchoͤnen Wechſel. Ein Kind wird außgelacht/
wann es nach einem Apffel greifft/ und einen
Roſenobel liegen laͤſt. Eine Sau iſt darum
eine Sau/ weil ſie den Majoran veracht/ und
mit dem Ruͤſſel in alle weiche materie faͤhrt.
Aber der wil vor einen klugen und hochver-
ſtaͤndigen Menſchen gehalten ſeyn/ der das E-
wige verwirfft/ und auf das Zeitliche ſiehet/
welches in lauter kurtzen Augenblicken be-
ſteht/ die uns eher unter den Haͤnden entwi-
ſchen/ als wir ſie recht erkennet haben. Doch
wer will ſich wundern/ Chriſtus hat die Thor-
heit
[90]
heit alle zuvor geſehen/ drum ſagt er auch: das
Evangelium ſey den Unmuͤndigen offenbah-
ret/ aber den Klugen und Weiſen verbor-
gen.
CAP. VIII.
HJerauf giengen ſie wieder nach Hauſe/
und als ſie kaum in ihr Zimmer kommen/
fragten etliche Kerlen von geringem Anſehen/
ob ſie nicht koͤnten beherberget werden/ ſie wol-
ten gern eine Mahlzeit eſſen; der Wirth ſatzte
ſie an einen Tiſch bey der Haußthuͤr/ und gab
ihnen ſo lang etliche Kannen Bier/ biß ſie et-
was zu eſſen kriegten Gelanor, der mit Ver-
langen auf die Mahlzeit wartete/ ſahe von oben
auf ſie hinunter/ und hoͤrete/ was ſie vor Ge-
ſpraͤche fuͤhren wuͤrden. Ja wohl/ ſagte ei-
ner/ iſt es eine ſtattliche Sache/ wer viel baar
Geld hat/ ich wolte/ ich faͤnde einmahl einen
Schatz von zehn biß zwoͤlff tauſend Thalern.
Ja Bruder/ ſagte der ander/ was faͤngt man
ietziger Zeit mit dem baaren Gelde an? Hoho/
antwortete jener/ da laß mich davor ſorgen/
ſind nicht waͤchſelbaͤncke genug/ da man es
hinlegen kan. Ja fragte der/ wo koͤmmt man
alſo bald unter/ und es iſt ungewiß/ ob ſie dritt-
halb pro cento geben. Es ſcheinet auch/ als
wann
[91]
wann die Baͤncke wolten ihren credit allmeh-
lig verlieren/ was haͤtte man darnach/ wann
das ſchoͤne Capital auf einmahl vor die Hun-
de gienge. Dieſer Atzt weiß ich ſchon einen
Stiel/ replicirte der erſte/ man darff nicht ſo
ein Narr ſeyn/ und alles an einen Ort ſtecken/
hie Tauſend Thaler/ dort tauſend Thaler/ ſo
muͤſte es S. Velten gar ſeyn/ daß man al-
lenthalben auf einmahl geſchnellt wuͤrde. A-
ber wie waͤre es/ ſagte der ander/ wann du es
an was anlaͤgeſt/ wann ich an deiner Stelle
wāre/ ich kauffte ein Stuͤcke gut/ gaͤbe ein
ſtarck Angeld/ lieſſe mir hernach die Ta-
gezeiten deſto gnaͤdiger machen/ daß ich ſie halb
und halb von dem Gute nehmen koͤnte. Ach
Bruder/ gab der zur Antwort/ man ſieht ja/
was itzo die Guͤter abwerffen/ der Ackerbau
traͤgt nichts/ die Viehzucht iſt auch gar ins
Abnehmen gerathen/ haͤtte ich Teiche/ und
kaͤme mir der Fiſchotter hinein/ ſo haͤtte ich
auch drey oder vier Jahr uͤmbſonſt gehofft/
zwar wenn trockene Zinſen dabey waͤren/ ſo
waͤre es gut; aber wer findet flugs ein Gut/
das ſolche Pertinentz-Stuͤcke hat. Mit Hol-
tzungen iſts auch ein eben Thun/ wañ ein groſ-
ſer Wind kaͤme/ und riſſe die Helffte von den
Baͤumen auß/ ſo haͤtte ich meinen Nutz. O-
der
[92]
der wenn ich einen boͤſen Nachbarn haͤtte/
der mir ſein Vieh auf die jungen Baͤumgen
triebe/ und lieſſe mir die Lobden wegfreſſen/
ſo ſolte ich wohl funſſzig Jahr warten/ biß
ich wieder Holtz kriegte. Das ſolte mir der
Nachbar wohl bleiben laſſen/ ſagte der ander/
ich wolte ihm einen Advocaten uͤber den
Hals fuͤhren/ daß er des Huͤtens vergeſſen
ſolte: oder genauer davon zu kommen/ ich wol-
te ihn pfaͤnden/ daß er nicht einen Kaͤlberfuß
ſolte zuruͤck bekommen: was ſolten die Poſſen/
wann einer moͤchte dem andern zu Schaden
handthieren wie er nur ſelber wolte. Nein
das muß nicht ſeyn/ es iſt noch Gerechtig-
keit im Lande/ dahin man appelliren kan. Sol-
che Worte ſtieß der gute Menſch aus allem Ei-
fer herfuͤr/ und gewißlich/ wenn der Kühhirte
ihm waͤre in den Wurff kommen/ er haͤtte ſich
an ihm vergriffen. Doch war es umb einen
Trunck Bier zu thun/ damit war das ungeheu-
re Zorn-Feuer geloͤſcht/ und der Diſcurs
hatte ſeinen Fortgang: denn da ſagte eben die-
ſer: hoͤre Bruder/ was mir einfaͤllt/ ein Landgut
ſtuͤnde dir doch am beſten ’an/ ich weiß wie du
es koͤnteſt nutzbar machen. Laß eine groſſe Gru-
be graben/ darein ſchuͤtte allen Unflat/ der im
Hauſe geſamlet wird: Und ſieh in etlichen Jah-
ren
[93]
ren darnach/ ob nicht lauter Salpeter wird da
ſeyn. Da laß nun eine Salpeter: Huͤtte bauen/
und verlege etliche Materialiſten/ es iſt darum
zu thun daß du das Pfund umb 4. Pfennige
wolfeiler gebeſt. Ey ſagte jener/ was fragte ich
nach dem Dreckhandel/ ich laſſe mich doch zu
keinem Landgute bringen/ du magſt reden was
du wilſt/ es iſt allzeit in der Stadt bequemer/
da will ich mir laſſen ein Haus bauen/ mit ſchoͤ-
nen Erckern/ mit groſſen Saͤlen/ mit zierli-
chen Kammern/ Summa Summarum/ es
ſoll ſich kein Fuͤꝛſt ſchaͤmen dariñen zu wohnen/
nur einen groſſen Kummer hab ich/ darvor
ich bißweilen die Nacht nicht ſchlaffen kan:
Jch weiß nit/ wo ich die Feuermauer und das
Secret recht anbringe. Nun es wird ſich ſchon
ſchicken/ ſagte dieſer/ ich/ wolte das Haus waͤre
fertig/ und du haͤtteſt mir eine Stube drin-
nen vermiethet; du wuͤrdeſt doch diſcret ſeyn/
und wuͤrdeſt mich mit dem Zinß nicht zu ſehr
forciꝛen. Dis gefiel dem andeꝛn nit/ deꝛ wandte
ein/ der Zinß muͤſte alle Oſtern und Michaelis
gefaͤllig ſeyn/ ſonſt moͤchte er es nicht einmal
thun Und in ſolchem Streit geriethen die gutẽ
Leute võ Worten zu Schlaͤgẽ/ daß dem Wirth
angſt und bange war wie er Friede machen
koͤnte/ daß der Richter nichts davon kriegte.
Gela-
[94]
Gelanor hatte inzwiſchen treffliche Ergoͤtz-
ligkeit gehabt/ und erzehlte bey Tiſche/ woher
ſich der gantze Streit entſponnen/ fuͤgte ſo
dann dieſe Anmerckung hinzu. Sind das
nicht Narren/ die auf eine ungewiſſe und woh/
gar unmoͤgliche Sache ſo groſſe Lufft-Schloͤſ-
ſer bauen? Da bekuͤmmern ſie ſich umb den
Schatz/ den ſie nimmermehr finden werden/
und verſaͤumen hingegen ihre eigene Sachen/
darauff ſie dencken ſolten. Zwar man ſolte
nicht meinen/ daß die Welt ſo gar blind waͤre/
wenn nicht die ſichtbahren Exempel mit den
Haͤnden zu ergreiffen waͤren. Da heiſt es/
ie haͤtt ich/ ie duͤrfft ich/ ie koͤnt ich/ ie ſolt ich.
Und kein Narr ſieht auf das jenige/ was er
ſchon hat/ was er thun darff/ was er kan und
ſoll. Vielleicht muͤſſen wir im Hauſe einen
Tiſch noch hinan ſchieben/ wann alle ſolche
Lufftſpringer ſolten mitgeſpeiſet werden. Dañ
die Welt iſt ſolcher Wuͤnſche voll/ und den-
cket/ ob mir es gleich nicht werden kan/ hab ich
doch meine Luſt daran. Mit andern derglei-
chen Geſpraͤchẽ ward der Tag zugebracht/ alſo
daß keine ſonderliche Thorheit auffs neue vor-
lieff/ welche man haͤtte hauptſachlich be-
lachen ſollen.
CAP,[95]
CAP. IX.
DEn andern Morgen gieng Gelanor in
ſeiner Stuben hin und wieder/ und weil
ein Schubkaͤſtgen unten am Tiſche war/ trieb
ihn ſeine Curioſitaͤt zu ſehen/ was drinnen
waͤre. Nun waren allerhand Rechnungen
und andere Acta drinnen verwahret/ an wel-
chen man ſchlechte Ergetzligkeit haben kunte/
daß auch Gelanor den Kaſten wieder hinein
ſchieben wolte. Allein Florindo ward eins
Seitenkaͤſtgens gewahr/ und als er ſolches
oͤffnete/ lagen etliche Brieffe mit Baͤndergen
und bunter Seide bewunden/ daß man leicht
ſchlieſſen mochte/ es wuͤrden Liebes Brieffe
ſeyn. Sie waren auch in ſolcher Meinung
nicht betrogen/ denn alſo lauteten die hertz-
brechende Complimentir-Schreiben:
Der erſte Brieff.
SEin Schreiben habe ich wohl geleſen; er
ſehe/ daß er auß ſeiner uͤberfluͤßigen Hoͤf-
lichkeit mir ſolche Sachen zuſchreibet/ deren
ich mich nicht anmaſſen darff: Doch nehme
ich alles an/ nicht anders/ als eine guͤnſtige
Erinnerung/ wie nehmlich dieſelbe ſolle be-
ſchaffen
[96]
ſchaffen ſeyn/ welche ſich dermahl eins ſeiner
Affection werde zu ruͤhmen haben. Jch ver-
bleibe inzwiſchen in den Schrancken meiner
Demuth/ und verwundere mich uͤber die Tu-
genden/ welche ich nicht verdienen kan. Und
zwar diß alles in Qvalitaͤt.
Seine
getreue Dienerin
Amaryllis.
Jn Warheit ſagte Florindo, mit dieſem
Frauenzimmer moͤchte ich ſelbſt Brieffe wech-
ſeln/ ſo gar zierlich und kurtz kan ſie ein Com-
plimentgen abſtechen/ alſo daß man weder ihre
Hoͤflichkeit tadeln/ noch auß ihrer Freymuͤtig-
keit einige Liebe oͤffentlich ſchlieſſen kan.
Der andre Brieff.
SO offt ich ſeine Hand erblicke/ ſo offt
muß ich mich uͤber meine Gebrechligkeit
betruͤben/ welche mir nicht zulaͤſt/ daß ich ſeinen
Lobes-Erhebungen ſtatt geben kan. Und in
Warheit/ ich zweifle offt/ ob der Brieff eben
mich angehe/ und ob nicht eine andere mich ei-
nes unbilligen Raubes beſchuldigen werde/
welche dieſe angenehme Zeilen mit beſſerem
Rechte ſolte geleſen haben. Geſchicht diß/ ſo
leb
[97]
leb ich der gewiſſen Hoffnung/ er werde mich
helffen entſchuldigen und den Jrrthumb der
Außſchrifft dz Verſehen beſchuͤtzen laſſen/ als-
denn werde ich mit doppelter Schuldigkeit
heiſſen
Seine
Das heiſt bey der Naſen herumb gefuͤhrt/
ſagte Gelanor, man mag die Worte außlegen
wie man will/ ſo heiſt alles/ waſche mir den
Peltz und mache mir ihn nicht naß. Jch halte
davor/ daß ſie eine von den qualificirteſten Per-
ſonen ſeyn muß.
Der dritte Brieff.
NUnmehr will ich zugeben/ daß auf dieſer
Welt nichts vollkommen iſt/ nach dem
ich in ſeiner vollkommenen Tugend/ dieſe Un-
vollkommenheit befinde/ dadurch er veranlaſ-
let wird/ mich hoͤher zu loben/ als ich verdient
habe. Ob ich aber ſolche Wuͤrckung der
Liebe zuſchreiben ſoll/ kan ich eher nicht urthei-
len/ als biß ich durch ſeinen außfuͤhrlichen Be-
richt erfahre/ was Liebe ſey. Jnzwiſchen laſſe
er ſich meine Kuͤhnheit nicht mißfallen/ daß ich
mich nenne
Mienesunvollkommenen Herren
unvollkommene Dienerin
Amaryllis.
EScheint
[98]
Scheint doch der Brieff als ein halber
Korb/ ſagte Florindo, ich wolte mir derglei-
chen Zierligkeit nicht viel wuͤnſchen. Dem
guten Menſchen muß gewiß viel daran gele-
gen ſeyn/ daß er Brieffe außgewuͤrckt/ die
nichts geheiſſen.
Der vierdte Brieff.
OB ſein Gluͤck auf meiner Gunſt beruhe/
kan ich dannenhero ſchwerlich glauben/
weil er ſchon vor langer Zeit gluͤckſelig gewe-
ſen/ ehe er das geringſte von meiner Perſon ge-
wuſt. Doch trag ich mit ſeinem betruͤbten
Zuſtande Mitleiden/ daß er mich umb etwas
zu ſeiner Huͤlffe anſprechen muß/ welches ich
alsdenn geben koͤnte/ wenn ich es verſtehen
lernte. So weiß ich nicht/ was Gunſt oder
Liebe iſt/ und ſehe auch nicht/ welcher Geſtalt
man ſolche den Patienten beybringen muß.
So lange ich nun der Sachen ein Kind bin/
muß ich wieder meinen Willen heiſſen
Seine
Dienſtbegierig-ungehorſame
Dienerin
Amaryllis.
Gela-
[99]
Gelanor ſagte/ wir kommen nicht auß dem
Handel/ wir muͤſſen ſuchen/ ob nicht ein Con-
cept vorhanden/ welches der ungluͤckſelige
Liebhaber ſtyliſiret. Und zu allem Gluͤcke
fanden ſie etliche Bogen Papier/ darauff die
hertzbrechende inventiones geſtellt waren.
Und ſahe man wohl/ daß der gute Guͤmpel alle
Worte etlichemahl auf die Goldwage gelegt/
weil hin und wieder etliche Zeilen mehr als
dreymahl außgeſtrichen waren. Alſo brach-
ten ſie auch mit genauer Noth folgendes zu
wege.
Schoͤnſte Gebieterin.
GLuͤckſelig iſt der Tag/ welcher durch das
glutbeflammte Carfunckel Rad der he-
len Sonnen mich mit tauſend ſuͤſſen Strah-
len begoſſen hat/ als ich in dem tieffen Meere
meiner Unwuͤrdigkeit/ die koͤſtliche Perle ihrer
Tugend in der Muſchel ihrer Bekandſchafft
gefunden habe/ dazumahl lernte ich der Hof-
fart einigen Dienſt erweiſen/ in dem ich die
ſchoͤne Himmels-Fackel mit veraͤchtlichen Au-
gen anſah/ gleich als waͤre ſie nicht wuͤrdig/
bey dem hellblinckenden Luſtfeuer ihrer lieb-
reitzenden Augen gleichſcheinend ſich einzuſtel-
len. Die Venus hat ihr vorlaͤngſt den guͤl-
denen Apffel geſchickt/ und durch ihr eigenes
E iiBe-
[100]
Bekaͤntniß den Ruhm der Schoͤnheit auf ſie
geleget. Juno eiffert nun wieder mit ihrem
Jupiter/ als moͤchte er ſich auffs neue in et-
was anders verwandeln und ihrer theilhaff-
tig werden. Diana will nicht mehr nackend
baden/ weil ſie weiß/ daß ſie das Lob ihres
ſchneeweiſſen Leibes verlohren hat. Apollo
wünſchet ſie unter den Muſen zu haben/ wenn
das Verhaͤngniß nicht den Schluß gemacht
haͤtte/ daß ſie ſolte lieben und geliebet werden.
Jnzwiſchen freuen ſich die Gratien, daß in ih-
rer angenehmen Perſohn alle Liebligkeit gleich-
ſam als in einen Mittelpunct zuſammen laͤufft.
Minerva ſchaͤmet ſich/ daß ſie in Tugendhaff-,
ten Treffligkeiten nicht mehr die vortrefflichſte
iſt. Ach wertheſte Schoͤne/ ſie vergebe mei-
nem Kiel/ daß er die Feuchtigkeit ſeines
Schnabels an ihrem Ruhm wetzen wil. Hier
ward Gelanor ungeduldig/ und warff das
Papier an ſeinen Ort. Es verlohnt ſich nicht
der Muͤh/ ſagt er/ daß wir uͤber dem Ratten-
Pulver die kalte Piſſe kriegen. Nun muß
ich erſt das Frauenzimmer loben/ daß ſie
dergleichen abgeſchmackte Narrenpoſſen mit
ſo einer hoͤflichen Freundligkeit hat auffneh-
men und beantworten koͤnnen. Jch haͤtte
ſo einen hoͤltzernen Peter gleich in den Kuh-
ſtall
[101]
ſtall gewieſen/ da haͤtte er ſeine Liebes-Gedan-
cken in die Pflaſter-Steine eindruͤcken moͤgen.
Doch iſt es nicht eine Thorheit/ ſagte er wei-
ter/ daß ein junger Menſch mit ſolchen Eitel-
keiten kan ſchwanger gehen. Da freſſen ſie
den Narren an einer Perſon/ und wiſſen dar-
nach nicht/ was ſie haben wollen; ſie lauffen
und wiſſen nicht wohin/ drum iſt es auch kein
Wunder/ daß ſolche ſchoͤne Brieffe an den
Tag kommen/ die keinen Verſtand in ſich ha-
ben. Jch weiß nicht wer der verliebte Schaͤ-
ferknabe ſeyn muß: aber das will ich mich
verwetten/ er ſoll ſelbſt nicht verſtehen/ was
der Brieff heiſſen ſoll. Und alſo wird es wahr;
Stultus agit ſine fine. Florindo hoͤrete es
mit an/ und furchte ſich/ der Hoffmeiſter moͤch-
te eine Application machen auff das Liebes-
Brieffgen/ welchen er neulich von ſeiner Lieb-
ſten erhalten. Drum machte er eine diverſi-
on und ſuchte das Papier wieder hervor/ be-
gehrende/ Gelanor moͤchte doch weiter nach-
ſuchen. Es war aber ſo untereinander ge-
ſchmiert/ auch ſo offt veraͤndert/ daß man
ſchwerlich etwas daraus nehmen konte. Ei-
nes war noch mit Muͤh und Noth zu leſen/
welches auch Gelanor mit ſeinen Gloſſen ver-
mehrte/ wie folget:
E iijSchoͤ-
[102]
Schöne Grauſame/ deswegen heiſt ſie
grauſam/ weil ſie aus ſeinen confuſen Schrei-
ben nicht errathen kan/ was der Narr haben
will: Es wundert mich/ daß er nicht geſchrie-
ben: ſchoͤnes Ungethuͤm oder ſchoͤne Beſtie.
Nach dem ich in dem Spittal einer
ungewiſſen Hoffnung kranck liege/ und
die Schmertzen der Verzweiffelung alle
Tage zunehmen/ wird es umb mich ge-
ſchehen ſeyn/ wo ich das Pflaſter ihrer
Gunſt und ungefaͤrbten Liebe nicht
umb meine laͤchzende und durſtige
Seele ſchlagen darff. Hans ſpann an
und fuͤhre den Kerl in den Narren-Spittal.
Sind das nicht Worte/ und wird die ange-
fangene allegorie nicht ſchoͤn außgefuͤhrt?
Denn eben darumb wird ein Pflaſter auffge-
legt/ daß man den Durſt vertreiben will. O
du elender Brieffſteller! wie viel Urſachen
haſt du zu verzweifeln? Es geht faſt wie beym
Poeten ſteht:
Deñ was haſt du zu hoffen/ was wilſt du ver-
zweifeln/ und was ſoll dich die eitele Einbil-
dung
[103]
dung der Gegenliebe helffen? Doch weiter in
den Text. Die gehorſamſten Dienſtlei-
ſtungen welche ich ihrer Gottheit ge-
widmet habe/ muͤſſen in meiner verlieb-
ten Seele ſterben/ in dem mir die Gele-
genheit ermangelt ſolche herauß zulaſ-
ſen. Mich duͤnckt ich habe die hertzbrechende
Complimente in einem Buche geleſen/ dar-
auß der Liebhaber ſeine Invention wird auß-
geſchrieben haben. Sonſten halt ich davor/
es wird trefflich umb den Menſchen ſtincken/
wo die Dienſtleiſtungen alle in der Seele ver-
faulen ſollen. Mein Rath waͤre/ er legte ſich
eine Quantitaͤt von Biſemkuͤchlein zu/ damit
er den uͤbeln Geruch bey der Liebſten verber-
gen koͤnnte/ daß es nicht hieſſe/ Jungfer riecht
ihr was/ es koͤmmt von mir her. Ach wie
gluͤckſelig wolt ich mein Verhaͤngniß
preiſen/ wenn ich als ihr geringſter
Sclave/ ihre Schuhbaͤnder auffzu-
knuͤpfen gewuͤrdiget/ oder ſonſt durch
ihren hochmoͤgenden Befehl in dero
wuͤrckliche (werckliche) Dienſte ange-
nommen wuͤrde. Pfuy uͤber die Beren-
heuterey/ iſt dieß nun die Hoͤffligkeit alle/ daß
ein Kerle/ der den lieben GOtt dancken ſolte/
weil er ihn zu einem Mannsbilde erſchaffen/
E jvſich
[104]
ſich gleichwohl nicht ſchaͤmet/ einem ſchwa-
chen Werckzeuge fußfaͤllig zuwerden. Pfuy
daß man dir nicht die! Fleiſchſuppe uͤber den
Grind herab gieſſen ſoll. Jch liege vor ihrẽ
Fuͤſſen/ habe ich durch meine Kuͤhn-
heit geſuͤndiget/ ſo trette ſie mich: hab
ich Mitleiden verdienet/ ſo erzeige ſie
nur durch ein ſachtes Anruͤhren/ daß
ich Gnade erhalten habe. Jch will
gerne ſterben/ ich will gerne leben/ ſie
erwehle nur/ welches ſie mir am liebſten
goͤnneu will. O du barmhertziger Cour-
tiſan! iſt dir das ſterben ſo nahe/ und ſchreibſt
noch Brieffe? Mein Rath waͤre/ du ſtuͤrbeſt/
und lieſſeſt dich per μετεμψύχωσιν Pythago.
ricam in daſſelbe Bret verwandeln/ welches
die Liebſte taͤglich mit dem Hintertheil ihres
Leibes zu bekuͤſſen pfleget. Sonſt ſolteſt du dich
ehe zu tode complimentiren/ ehe du ſo weit kaͤ-
meſt. Sie wolten weittr leſen: doch kam der
Haußknecht und ruffte zur Mahlzeit/ da legten
ſie die Sachen an ihre Stelle/ und ſagte Ge-
lanor dieſe kurtze Lehre: Ach ſtudiere davor/
mein armer Kerle/ als deñ wirſt du ohne der-
gleichen Weitlaͤufftigkeit Liebſten genug fin-
den. Wilſt du aber ietzt lieb haben und die
nothwendigen Sachen verſaͤumen/ ſo will ich
wet-
[105]
wetten/ du wirſt einmal bey deinẽ Unverſtan-
de kein Madgen antreffen/ welches dir den
Hindern weiſete. Bey Tiſche brachte er es
nun durch weitlaͤufftige Fragen herumb/ wer
etwan vordieſem in der Stube gewohnet haͤt-
te/ da ſagte der Wirth/ es haͤtte ſie ein Tantz-
Meiſter gehabt/ und waͤre der junge Stutzer
gegenuͤber gleichſam als ſein Stuben-Geſelle
geweſen/ welcher auch unterſchiedene Sachen/
die ſeiner Groß-Mutter Erbſchafft betreffen/
annoch oben verwahret haͤtte/ aus Beyſorge/
der Vater moͤchte ihm ſonſten eine unange-
nehme Viſitation anſtellen. Damit hatte
Gelanor genug/ und wunderte ſich nicht
mehr/ warum der elende Galan die Gaſſen auf
und nieder geſtutzt/ ohn daß ie einer Jungfer
wuͤrcklich zu geſprochen waͤre. Doch wolte er
gerne das Frauen-Zimmer kennen/ welche un-
ter dem Nahmen Amaryllis ſich ſo manirlich
bezeuget hatte. Drumb brachte er den Wirth
beſſer auf die Spruͤnge/ und erfuhr nicht al-
lein die Perſon/ ſondern hoͤrte auch/ es wuͤrde
ehiſtes Tages eine Zuſammenkunfft ihrent-
halben angeſtellet werden. Hiermit ließ er
es gut ſeyn/ und ſagte nur dieſes darzu/ er
hoffe alsdenn das Gluͤcke zuhaben/ mit ſo vor-
nehmen Leuten bekand zu werden.
E vCAP.[106]
CAP. X.
NUn war dieſe Compagnie niemahls
muͤſſig/ ſondern gebrauchten ſich aller
Zeitvertreibung/ welche an ſelbigem Orte
frembden Perſonen zugelaſſen war. Sie
unterlieſſen auch nicht alle naͤrriſche Actiones
wohl zu obſerviren/ doch wuͤrde der geneigte
Leſer mit unſerer Weitlaͤufftigkeit nicht zu-
frieden ſeyn/ wenn wir alle minutias allhier
haͤtten einmiſchen wollen. Dannenhero wir
auch verhoffen entſchuldiget zu ſeyn/ wofern
wir das jenige nur kuͤrtzlich erwehnen/ wel-
ches unſerm Beduͤncken nach, das merckwuͤr-
digſte ſeyn wird. Und daher wird die obge-
dachte Jungfer Zuſammenkunfft nothwendig
muͤſſen beruͤhret werden/ weñ wir nur etlicher
Haͤndel/ ſo vorhergangen/ werden gedacht
haben. Einmahl traff Gelanor in der Kir-
che einen alten Bekandten an/ mit welchem
er vor dieſem auf Univerſitaͤten gantz vertrau-
lich gelebt hatte. Von dieſem ließ er ſich mit
in ein ander Wirths-haus noͤthigen/ da er
auch ſeinen Florindo Ehrenhalben mit neh-
men muſte. Sie ſatzten ſich/ und lieſſen ſich
die Mahlzeit wohlbekommen. Unter andern
war ein Kerle bey Tiſche/ der noch einen
Fuchspeltz von Winters her am Leibe hatte/
und
[107]
und meinten die andern alle/ er moͤchte gern
ein Sommerkleid angezogen haben/ wenn er
eines gehabt haͤtte. Nun wolten die andern
Wein trincken/ und weil der Wirth keinen
ſelbſt im Keller hatte/ legten die Gaͤſte zuſam-
men und lieſſen hohlen. Als aber die Reih
an den froſtigen Peltz-Stutzer kam/ gab er
vor/ es waͤre ihm von den Medicis verboten/
Wein zu trincken/ doch damit ſie nit meinten
als wolte er ſich der Compagnie entbrechen/ ſo
wolte er gern ſein Contingens mit beytragen/
ſie moͤchten es in Gottes Namen außtrincken/
damit warff er ein Goldſtuͤck von zehen biß
zwoͤlff Thalern auf den Tiſch/ und begehrte
man ſolte ihm herauß geben/ aber die andern
mercktẽ bald/ wie viel es bey dem guten Men-
ſchen geſchlagen/ daß er leicht ſchlieſſen kunte/
niemand würde ſo unhoͤfflich ſeyn/ und irgend
eines Ortsthalers wegen/ das ſchoͤne Stuͤcke
zu wechſeln begehren: drumb ſagten ſie/ ein
iedweder bezahle was er trincket/ beliebt einem
nicht mit zutrincken/ ſo waͤre es auch nicht von
noͤthen/ Geld zugeben/ ſie haͤtten ſchon ſo viel
bey ſich/ daß ſie die Unkoſtẽ tragen koͤntẽ. Da-
mit grieff der Stutzer gar willig zu/ und ſteckte
den Goldfuͤnckler wider in ſeine Taſche/ daß er
dadurch ins kuͤnfftige noch etliche mal moͤchte
E vjvom
[108]
vom Geldgeben erloͤſet werden. Der Wein
ward in deſſen gebracht/ ſie truncken herumb;
doch wolte der im Winterkleide nicht Be-
ſcheid thun/ ſoudern nachdem er ſich etliche
mahl bedancket/ gieng er davon. Gelanor
fragte den Wirth/ wer dieß geweſen waͤre/
der gab ihm dieſen Bericht/ es waͤre ein reicher
Kerle/ der von ſeinem Vater mehr als 30000.
Reichs-Thaler geerbet: Allein er waͤre ſo karg
und knickerhafftich/ daß er ſich eher ein Haar
auß dem Barte/ als einen Zweyer auß dem
Beutel vexieren lieſſe. Der Peltz were in der
Erbſchafft mit geweſen/ dieſen truͤge er nur/
daß er kein Geld an ein Sommer-Kleid wen-
den duͤrffte. Ja er wuͤrde nimmermehr ſo
viel auf ſeinen Leib ſpendieren/ daß er die Mahl-
zeit im Wirthshauſe eſſe. So habe er eine
Schuld auf dem Hauſe ſtehen/ die alſo verac[-]
cordiret worden/ daß er ſie abfreſſen muͤſte:
doch ſey er ſo genau/ daß/ wenn er einen andern
haben koͤnne/ der ihm 4. Groſchen gaͤbe/ er in-
deſſen zu Hauſe vor einen Pfenning Brot in
Bier brockte/ und das Eſſen darbte. Es kaͤme
offt/ daß/ wenn er Hoffnung haͤtte/ die Freſſe-
rey zu verhandel[n]/ er die Mahlzeit zuvor etli-
che Stuͤcke Brod einſteckte/ daß er das Brod
zum einbrocken nicht bezahlen duͤrffte. Den
ver-
[109]
vergangenen Winter habe er ſein Holtz ver-
kaufft/ und ſey biß gegen Mittag im Bette
gelegen; hernach habe er den Tag in fremden
Stuben zugebracht. Man koͤnte auch ſeiner
nicht loß werden/ als biß man Geld herumb
geben wolle/ da lieſſe er ſein Goldſtuͤck ſehen/
und wenn niemand wieder zu geben haͤtte/ ſo
ſuchte er Gelegenheit wegzugehen. Er habe
nicht weit auf dem Lande eine Schweſter/ die
ſchickte ihm bißweilen etwas von kalter Kuͤche:
aber er boͤte ſolches entweder der Troͤdel-
Frauen an/ daß ſie es umb ein lumpen Geld
verſchleppen muͤſte: oder er aͤſſe ſo ſparſam/
daß gemeiniglich das meiſte verduͤrbe. Da
ſagte einer/ es waͤre noch Wunder/ daß er
eine Bier-Merthe machen lieſſe. Ach ſagte
der Wirth/ es iſt auch eine Merthe/ darauff
ich ſeyn Gaſt nicht ſeyn will. Er hat Bier
zu brauen: Nun will er mit allen auf das
theuerſte hinauß/ und gleich wohl laͤſt er es an
Hopffen und Maltz allenthalben fehlen/ ja er
geuſt den Kofent mit in die Bier-Faͤſſer. Da
kan es nicht anders kommen/ das elende Ge-
ſoͤffe muß ihm uͤber dem Halſe bleiben.
Und alſo koͤmmt das ſaure Bier an ihn/ da
wirfſt er ein bißgen Saltz hinein/ krumelt
Brod darzu/ daß man die Seure nicht ſo
E vijhaupt-
[110]
hauptſaͤchlich ſchmecket: Neulich begieng er
ein hauswirthiſch Stuͤcke/ ſagte der Wirth
ferner/ da kam ihn eine Luſt Wein zu trincken
an/ doch war ihm das Geld zu lieb. Drum
borgte er bey mir ein Wein-Faß/ darauf noch
etliche Hefen waren/ die ich ſonſt weggegoſſen
haͤtte. Darzu goß er Waſſer/ ruͤhrete es
weidlich unter einander/ gab ihm darnach mit
einem Noͤſſel Brandtewein den Einſchlag/
welchen die Troͤde-Frau an ſtatt baaren Gel-
des gebracht hatte. Daraus ward ein
Tranck/ er roch nicht wie Wein/ er ſahe nicht
wie Wein/ er ſchmackte nicht wie Wein/ er
waͤrmte nicht wie Wein/ und war doch
Wein. Florindo, dem das Maul allezeit
nach der Liebſten waͤſſerte/ fragte/ warum ſich
der wunderliche Kummpe nicht verheyrathet
haͤtte/ ſo koͤnte er offt ein gutes bißgen zurich-
ten laſſen/ und duͤrffte dem Wirthe nit gleich
vier Groſchen davor bezahlen. Ja wohl/ gab
der Wirth zur Antwort/ haͤtte er die Coura-
ge, er will immer verhungern/ weil er allein
iſt/ was wuͤrde er thun/ wenn er heyrathen ſol-
te? Hencken koͤnte er ſich nicht/ denn die zween
Pfennige thauerten ihn/ davor er den Strick
kauffen muͤſte. Vielleicht hungerte er ſich
ſelbſt zu Tode. Gelanor fragte/ womit er
denn
[111]
denn die Zeit paſſirte? Mit Sorgen/ ſagte der
Wirth/ denn es iſt ihm alle Stunden leid/ ſein
Geld moͤchte geſtolen werden/ oder die Capi-
talia moͤchten caduc werden/ oder es moͤchte
ſonſt ein Ungluͤck kom̃en/ das er nicht zuruͤcke
treiben koͤnte. Er behaͤlt zwar nicht uͤber dreiſ-
ſig Thaler im Hauſe/ es muß verliehen werden
und Nutzen bringen/ doch hat er faſt nichts zu
thun/ als daß er Geld zehlt/ da hat er ſich an ei-
nem Dreyheller/ dort an einem Vierpfenniger
verrechnet/ und wann man ihn umb einen
Spatziergang anſpricht/ ſo iſt kein Menſch
auf der Welt der mehr zuthun hat. Das
aͤrgſte iſt/ daß er keinen rechtſchaffenen Men-
ſchen zu Rathe zeucht/ wenn er was vornimt:
ſondern da ſind lauter Troͤdelhuren und Wet-
termacherin/ denen er ſeine Wohlfahrt anver-
traut. Ach du Ertznarr/ ruffte Gelanor uͤber-
laut/ hab ich doch deines gleichen noch nie an-
getroffen. Gott hat die Mittel beſcheret/ da-
durch du dein Leben mit hoͤchſter reputation
fuͤhren koͤnteſt; und gleichwohl biſtu nicht
wehrt/ daß du einen Heller davon genieſſen
ſolſt. O wer iſt aͤrmer als du? Ein Bettel-
mann darff leicht etliche Pfeñige zuſam̃en raſ-
peln/ ſo ſtelt er einẽ Schmauß an/ darzu er den
folgenden Tag noch vier Heller betteln muß:
du
[112]
du aber ſitzt bey deinem Reichthum mit ge-
bundenen Haͤnden/ und fuͤhrſt ein Leben/ der-
gleichen ſich kein Vieh wuͤnſchen ſoll. Du
biſt nicht Herr uͤber das Geld: das Geld iſt
Herr uͤber dich. Bedencke doch/ was Geld
iſt. Es iſt ja nichts anders/ als ein Mittel/
dadurch man alle andere Sachen an ſich brin-
gen kan. Vor ſich ſelbſt iſt es ein glaͤntzend
Metall/ das ſo viel hilfft/ als ein bißgen Glaß/
oder ein zerbrochener Kieſelſtein. Waͤre der
Schmiedt nicht ein Narr/ der nicht arbeiten
wolte/ auß Urſachen/ er moͤchte den Hammer
verderben? Oder ſolte man den Muͤller nicht
in die Lache werffen/ der die Rāder nicht lauf-
fen lieſſe/ auß Beyſorge es moͤchte zu viel Waſ-
ſer darneben weg flieſſen. Warumb ſetzt man
denn ſolchen Geld Narren keine Eſels-Ohren
auf/ der elende Schoͤpsbraten moͤchte alle Jahꝛ
500. Thaler verzehren/ ich wolte ihm gut da-
vor ſeyn/ ehe ſechtzig Jahr ins Land kaͤmen/
wuͤrde er kein Geld beduͤrffen. So nimt er
noch die jaͤhrlichen Renten darzu ein/ und
ſchlaͤgt ſie lieber zum Capital/ als daß er ſeine
Luſt davon haͤtte. Nun freuet euch ihr zukuͤnf-
tigen Erben/ die Luſt ſoll bey euch zuſammen
kommen; ihr ſollet die Heller wieder unter die
Leute bringen; ihr ſollet wiſſen/ wohin das Geld
gehoͤrt;
[113]
gehoͤrt; ihr ſollet die Gaſtwirth/ und Wein-
ſchencken beſſer erfreuen.
CAP. XI.
DJe andern ſtimmeten mit ein/ und wo-
fern die alten Aberglauben noch kraͤff-
tig ſind/ ſo iſt kein Zweifel/ die Ohren muͤſſen
dem ehrlichen Stuͤmper wol geklungẽ haben.
Jn dem ſie nun in dem Geſpraͤche begriffen
waren/ kam ein Kerl/ und fragte ob ein Herr
unter dem Hauffen einen Schreiber beduͤrffte.
Gelanor, dem es an ſolcher Auffwartung ſchon
offt gemangelt hatte/ nahm ihn mit auf ſeine
Stube/ und ſagte/ er ſolte ihm zur Probe einen
Brieff ſchreiben (denn er war mehr als ein
Copiſte) darinn er einen guten Freund com-
plimentirte/ der unlaͤngſt haͤtte Hochzeit ge-
halten; Mit Bitte ſein auſſenbleiben zuent-
ſchuldigen/ und mit einem wenigen Hochzeit-
Geſchencke vorlieb zunehmen. Nun war der
Schreiber geſchwind uͤber das Dintenfaß
her/ und ſetzte folgenden wunderſchoͤnen Brieff
innerhalb ſechs Viertelſtunden auf.
men liebender Freund.
Daß ſeine ſich-ſo ploͤtzlich fergnuͤgenwollen-
de Jugend/ in das luͤſtrende und augenreiz-
zende
[114]
zende Lachchen der holdreucheſten Fenus an-
gefaͤſſelt worden/ haabe ich wohl fernommen/
laſſe auch den Preißwuͤrdigſten Einladungs-
Brieff deswegen in dem Tageleuchter liegen/
dahmit ich das Ahndaͤnkken der fohrſtehenden
Luſtbarkeit nicht auß den Lichtern meines
Haubtes ferlihren moͤhge. Die Fakkel des
Himmels wird nicht fihlmahl umm den Tihr-
kreuß luſtwandeln fahren/ ſo wird die gaͤnzzlich-
herfor gekwollen ſeynde Suͤſſigkeit der
freundlichſten Libinne/ ſein gantzes Laͤben er-
kwikkend beſeligen. Und da muͤſte Zizero
ſaͤlbſt ferſtummen/ ja dem Firgilius und Ho-
razius ingleichen dem Ofidius wuͤrde es an
gleichmaͤſſigen Gluͤckwuͤnſchungs-Wohrten
fermangelbahren. Bei ſo angelaaſſenen
Sachchen/ ſolte ich ſchweugen/ umb meine in
der Helden ſprachmaͤſſiger Wohlſaͤzzenheit
gahr waͤ[ni]g außgekuͤnſtelt habende/ und nicht
allzu woortſaͤlig erſcheunende Schreibrich-
tigkeit/ oder daß ich baͤſſer vernuͤnfftele/ umb
meine ſich unwiſſend erkaͤnnende Gemuͤths
Gebraͤchchen nicht zu ferbloͤſſen. Entzwi-
ſchen iſt die Ohngedult meiner begirig auff-
ſteugenden Haͤrzzens Neugungen ſo groß/ daß
ich den Mangel der an den Himmel der E-
wigkeit zu ſchreiben wuͤrdig ſeinden Worte/
mit
[115]
mit gegenwaͤrtiger Geringfuͤgigkeit zu er ſaͤz-
zen beſchloſſen habende/ mein Ohnvermoͤgen
entſchuldigt zu haben bittend/ und in forlieb-
naͤhmender Gunſt-geſinnenſchafft aufgenom-
men zu werden hoffend/ mich in ſtaͤter und un-
wandelbahr bluͤhender Dienſtfaͤrtigkeit wuͤn-
ſche zu naͤnnen
Meines Haͤrzzengebieters
dienſtſamen und auſſwarts-
bahren Knaͤchts
N. N.
tiger Faͤder den 10.
deß Roſenmonds
im 1656. H. Jahre.
Gantz unten war angeſchrieben/ Kriſtoff Zi-
riacks Fogelbauer Erz-Koͤniglicher beſtaͤ-
tigter und Freyheitsferbrieffter offener
Schreiber.
Gelanor laß den Brieff durch/ und wuſte
nicht/ was er darauß machen ſolte. Er frag-
te den ehrlichen Ziriaͤkel/ was er mit den ver-
wirrten Poſſen meynete/ und warumb er die
gantze Schreib-Art ſo liederlich verderbet haͤt-
te. Nun war dieſer mit der Antwort nicht
langſam: Es iſt zu beklagen/ ſagte er/ daß die
Kunſt ſo viel Veraͤchter hat. Man ſolte dem
Him-
[116]
Himmel mit gefaltenen Haͤnden dancken/ daß
nunmehr etliche vornehme Maͤnner mit unbe-
ſchreiblich groſſer Muͤh / der Teutſchen Hel-
den-Sprache zu der alten Reinligkeit geholf-
ſen: So muͤſſen die ſtattlichen Leute vor die
ſaure Arbeit nichts als Spott und Verach-
tung einnehmen. Doch ſtellt man den end-
lichen Außſchlag der grauen Ewigkeit anheim.
Meynt mein Herr/ alſo redte er weiter/ daß ich
verwirrt ſchreibe? Ach nein/ er ſehe nur die
neuen Buͤcher an/ und bedencke/ was vor ein
Unterſcheid zwiſchen ſchlecht Teutſch und
Hochteutſch iſt. Er ſchlage nur die Schriff-
ten vieler Weltberuͤhmten Poeten auf/ und er-
wege/ was ſie vor Fleiß gethan/ die unreinen
Woͤrter auß der Helden-Sprache außzumu-
ſtern/ und hingegen ſchoͤne/ reine und natuͤrli-
che an die Stelle zu ſchaffen. Was ſoll ich
den Lateinern die Ehre goͤnnen/ daß ich ihnen
zugefallen ſogen ſoll Fenſter: Jch mache lie-
ber ein Teutſch Wort Tageleuchter. Und
fragtiemand/ was ein Fenſter in der Nacht
heiſt/ ſo ſag ich/ ebenſowohl Tageleuchter/ wie-
ein Nachtkleid in dem Tage auch ein Nacht-
kleid/ und die Sonntagshoſen in der Woche
auch Sontagshoſen heiſſen. So iſt es mit
den andern Woͤrtern auch beſchaffen. Wun-
dert
[117]
dert ſich ferner iemand uͤber die neue Schreib-
richtigkeit: So muß ich ſagen/ daß derſelbe
noch nicht Teutſch verſteht. E. iſt kein Teut-
ſcher Buchſtabe/ V. auch nicht/ Y. auch nicht/
ja auch das Q. Warumb ſolt ich nun falſch
ſchreiben/ da ich es beſſer wuͤſte? Geſetzt auch/
daß die Gewohnheit nun im Gegentheil einge-
riſſen waͤre: So folgt es nicht/ daß die Men-
ge der Jrrenden die Sache deswegen gut
machen muͤſte. Gelanor hoͤrete mit groſſer
Gedult zu/ wie der gute Stuͤmper in ſeiner
Thorheit erſoffen war. Letzlich fieng er alſo
an: Jhr lieber Menſch/ ſeyd ihrs/ der dem Va-
terlande wieder auf die Beine helffen will. Ach
beſinnet euch beſſer/ und laſſet euch die
Schwachheiten nicht ſo ſehr einnehmen/ deñ
was wollet ihr vors erſte ſagen/ es waͤre Hoch-
Teutſch geſchrieben/ ja wohl/ dencket ihr/ euere
Sachen ſind noch ſo hoch/ daß ſie keine Ziege
weglecken ſoll. Aber es hat die Gefahr nicht.
Das Hochteutſche muß auch verſtaͤndlich
ſeyn/ und muß nicht wieder die Natur der
Sprache ſelbſt lauffen. Uber dis koͤnte auch
eine Eitelkeit groͤſſer ſeyn/ als daß man ſich ein-
bildet/ es ſey ein Wort beſſer als das ander?
Ein Wort iſt ein Wort/ das iſt/ ein bloſſer
Schall/ der vor ſich nichts heiſt/ und nur zu
einer
[118]
einer Bedeutung gezogen wird/ nachdem der
Gebrauch und die Gewonheit ſolches beſtaͤti-
gen. Und alſo muß man den Gebrauch am
meiſten herrſchen laſſen. Ein Tiſch heiſt da-
rum ein Tiſch/ weil es von den alten Teutſchen
ſo beliebet und gebraucht worden. So heiſt
auch ein Fenſter/ ein Piſtol/ eine Orgel/ ꝛc. das
jenige/ wozu es von den ietzigen Teutſchen iſt
geleget worden. Jch frage auch/ iſt diß nicht
der eintzige Zweck von allen Sprachen/ daß
man einander verſtehen will? Nun wird es
niemand leugnen/ daß dieſelben Woͤrter/ die
ihr außmuſtert/ von iederman beſſer verſtan-
den werden/ als euere neue Gauckel Poſſen.
Nehmet ein Exempel. Wann ein Soldat
ſeinen Lieutenant wolte einen Hr. Plaßhalter/
den Quartiermeiſter Hr. Wohnungs- oder
Herbergenmeiſter nennen: Oder wenn einer
die Piſtolen haben wolte/ und forderte die
Reit-Puffer: Oder wann er einen in die Corps
de Garde ſchicken wolte/ und ſagte/ er ſolte in
die Wacht-Verſamlung gehen/ wer wuͤrde
ihn mit den neugebackenen Woͤrtern verſte-
hen? Und fuͤrwahr eben/ ſo thum̃ koͤm̃t es mit
euren Erfindungen heraus. Es iſt nicht ſo
bald geſchehen/ daß andere Leute errathen
koͤnnen/ was ihr haben wollet. Und wo habt
ihr
[119]
ihr eure Authoritaͤt itabilirt, daß die Spra-
che/ welche von Fuͤrſten und Herren gebraucht
wird/ nach eurem Gefallen ſoll umgeſchmeltzet
werden? Mit den elenden Buchſtaben iſt
es noch erbaͤrmlicher/ die werden ohn Urſach
relegirt, und auß dem A B C geſtoſſen/ welches
kuͤnfftig A B D heiſſen muß. Geſetzt ſie waͤ-
ren bey den Alten nicht gebraucht worden:
Mein was ſollen die alten Pritſchmeiſter/
welche die Teutſche Schreiberey durch viel
Secula fortgepflantzt haben/ uns vor Geſetze
geben/ und warumb ſoll man nicht dabey blei-
ben/ nachdem etliche Secula geruhig und ein-
ſtimmig ſo geſchrieben haben? Darzu/ was
ſtecket dann vor Klugheit dahinder/ ob ich die
neue oder die alte Mode brauchen will? Leſe-
bengel und Papierverderber ſeyd ihr. Waͤre
es euer Ernſt der Welt nuͤtze zu ſeyn/ ſo wuͤr-
det ihr nicht an den bloſſen Schalen kleben/
und den Kern gantz dahinden laſſen. Wann
ihr auch die Antiquitaͤt ſo gar lieb habt/ war-
umb waͤrmet ihr nicht alle altvaͤteriſche Re-
dens-Arten wieder auf? Jch habe ein Alt
Complimentir-Buch/ welches Petrus Dres-
denſis, der das Lied In dulci jubilo gemacht/
ungefehr A. 1400. bey ſeiner Liebſtẽ gebraucht/
meynet ihr/ daß alles darauß wieder mag ge-
braucht
[120]
braucht werden/ ſo will ich endlich gern ſehen/
was Hochteutſch heiſſen wird. Hl. Ziriacks
machte eine ungnaͤdige Mine/ darauß Ge-
lanor abnahm/ er wuͤrde nunmehr ſchlechte
Luſt zu dienen haben. Derhalben gab er ihm
einen halben Thaler vor die Schreibgebuͤhr/
und gedachte/ es waͤre doch alles Zureden
vergebens/ wann ſich ein Menſch allbereit in
die ſuͤſſe Thorheit ſo tieff eingelaſſen haͤtte.
CAP. XII.
NAch dieſem gedachte unſere Compagnie
weiter zu reiſen/ als der Wirth bat/ ſie
moͤchten doch etlichen vornehmen Leuten in
ſeinem Garten Geſellſchafft leiſten/ es hãtte
der junge Stutzer gegen uͤber eine Collation
angeſtellt/ und ſey zwar viel Frauenzimmer ge-
beten/ doch moͤchte er ſonſt niemands bekan-
tes dabey haben. Dann es ſey ein alter Do-
ctor von 60. Jahren/ der habe ſich in ein Maͤd-
gen verliebt/ und wolle gern allein bey ihr ſeyn/
daß ihn kein ander Buͤrgers-Sohn abſtechen
moͤchte. Nun wolte zwar Gelanor die Leute
gerne eigentlich kennen lernen: Doch meynte
er/ es moͤchte bey dem Wirth nur ein Ehren-
Wort ſeyn/ und bedanckte ſich alſo auffs be-
ſte
[121]
ſte. Jmmitteiſt muſte der Mahler hinauß
lauffen/ und zuſehen/ ob nicht im Hauſe dar-
neben Gelegenheit waͤre/ daß man den arti-
gen Liebhabern koͤnte in die Karte ſehen. Die-
ſer kam zuruͤcke/ mit der Zeitung/ es waͤre ein
Garten hart darbey/ da man durch einen ge-
flochtenen Zaun nicht allein alles hoͤren koͤnte:
ſondern es waͤre auch ein bequem Garten-
haus/ das etliche Fenſter gegen dem Garten
zu haͤtte/ hierauf lieſſen ſich Gelanor, Florindo
und Eurylas nicht lang auffhaleen/ und traf-
fen in dem Garten eine alte Wittfrau an/ wel-
che ſie mit aller Hoͤffligkeit empfieng/ mit dem
Erbieten/ ſie moͤchten alles nach ihrem Gefal-
len gebrauchen. Sie nahmen es zu Danck
an/ und baten/ man moͤchte nur die Thuͤr zu-
ſchlieſſen/ und ſie allein ihrer Luſt gebrauchen
laſſen/ es ſolte ſchon ein gutes Trinck-Geld er-
folgen. Aber wer wolte nun ſo viel Papier
verklecken/ als die Eitelkeit erforderte/ deren
ſie in dem andern Garten mehr als zu viel an-
ſichtig worden. Da war lauter Hoͤffligkeit/
lauter Complimenten/ lauter Liebe Der
Tiſch war mit dem beſten Confect beſetzt/ etli-
che Maͤgde und Jungen hatten nur zu thun/
daß ſie Zucker in den Wein thaten. Der
junge Kerle ſelbſt trenſchirte die Kirſchen/
Fund
[122]
und machte lauter Affen-Geſichter darauß.
Der Alte fraß nichts als Mandelkerne/ und
hatte in einem heimlichen Buͤchsgen Confe-
ctio Alkermes, die lapperte er ſo ſtillſchwei-
gend mit hinein. Die Jungfern ſaſſen da in
aller Herrlichkeit/ bald lachten ſie/ bald rede-
ten ſie heimlich/ bald ſchrieben ſie Buchſtaben
auf die Mandelkerne/ bald hatten ſie ſonſt et-
was vor/ doch wie gedacht/ es wuͤrde zu lang
alles außzufuͤhren. Darumb wollen wir
bloß zweyer Geſpraͤche gedencken/ welche dar-
bey gehalten worden. Denn als die Gaͤſte
des Trinckens muͤde worden/ kriegten ſie eine
Karte und ſpielten. Da machte ſich der alte
Doctor mit ſeiner Liebſten in einen ſchattich-
ten Gang. Eurylas, auf der andern Seite/
lieff hinnach/ und gab auf alle Worte genau
Achtung.
Das erſte Geſpraͤch.
Lißgen.
Jungfer Lißgen/ ich weiß/ die Zeit
iſt ihr bey dem Tiſch lang worden.
Ach warum? Jſt doch die Geſell-
ſchafft gar angenehm.
Man geht aber ietziger Zeit lieber ſpatzie-
ren/ weil man ſich im Winter muͤde genug
geſeſſen hat.
L Ach
[123]
Ach nein Hr. Doctor/ ich bin noch ſo alt
nicht/ daß ich einen Unterſcheid unter den
Jahrzeiten machen koͤnte.
Es mag ſeyn. Doch gefaͤlt ihr nicht
der ſchoͤne Spaziergang?
Der Gang iſt gut gnug.
Aber wie gefaͤlt ihr die Perſohn/ die mit
ihr geht.
Jch werde ja ſo unhoͤfflich nicht ſeyn/
und werde ſagen/ ſie gefiele mir nicht.
Jch mag keine Complimente haben/ ſie
ſoll von Hertzen ſagen/ ob ihr die Perſon
gefaͤllt.
Wen ich in Ehren halte/ der gefaͤllt mir.
Wie hālt ſie mich aber in Ehren?
So hoch als meinen Vater.
Jungf. Lißgen/ das iſt zu viel/ vor dem
Vater muß man ſich fuͤrchten/ das darff
man bey mir nicht thun.
Aber ich fuͤrchte mich vor ihm Herr Doctor.
Darzu hat ſie keine Urſach.
Jch werde mich ja vor einem vornehmen
Manne fuͤrchten.
Ein vornehmer Mann thut ſo einem
ſchoͤnen Maͤdgen nichts.
Das weiß ich wohl.
So muß ſie ohne Furcht ſeyn.
F ijL. Ach
[124]
Ach Herr Doctor/ ich verſteh nicht/ was er
ſaget.
Sie verſteht was ſie will. Aber wa-
rumb iſt die Frau Mutter nicht mit herauß
kommen.
Sie hat ſich ſchon entſchuldigen laſſen/ es
giebt ietzund allerhand zu thun/ daß ſie gar
uͤbel abkommen kan/ und darzu was hat ei-
ne alte Frau vor Freude im Garten?
Es iſt ſo eine Entſchuldigung; doch ſteht
mirs frey/ daß ich andere Gedancken dar-
bey habe.
Jch will nicht hoffen Hr. Doctor/ daß er
meine Mutter wird was Unfreundliches
zutrauen.
Bey Leibe nicht. Jch dachte nur/ was
ſie zu thun haͤtte.
Geht nicht alle Stunden was in der Haus-
haltung vor?
Mich deucht/ ſie ſchickt auf eine Hoch-
zeit zu.
Was vor eine Hochzeit?
Hat ſie nicht die groſſe Tochter?
Daß mir nicht die groſſe Tochter weg-
koͤmmt; Ach es iſt noch Zeit vor mich/ eine
Butterbamme davor/ die iſt mir geſuͤnder.
Ach Jungf. Ließgen/ ſie rede nicht wider
ihr Gewiſſen.
L. Was
[125]
Was ſoll ich denn anders reden? Er ver-
dencke mich nicht wider ſein Gewiſſen.
Es muß doch einmahl ſeyn. Deßwe-
gen laͤſt Gott ſo ſchoͤne Creaturen auff-
wachſen/ daß ſie ſich verliebẽ/ und wiederum
andere ſchoͤne Creaturen auffziehen ſollen.
Herr Doctor/ der Diſcurs gehoͤrt vor ſchoͤ-
ne Creaturen/ und nicht vor mich.
Es iſt ihre Hoͤffligkeit alſo zu reden. Sie
antworte nur daruff/ ob ſie nicht einmal
will Hochzeit machen?
Jch weiß nit/ vielleicht gehe ich ins Kloſter.
Jch ſehe ſie nicht davor an.
Eh ich auch einen Kerln naͤhme/ den ich nicht
koͤnte lieb haben/ ehe wolt ich auf allen Vie-
ren ins Kloſter kriechen/ wann ich auf
zweyen Beinen nicht fort koͤnte.
Da lob ich ſie drumb/ es iſt aber kein
Zweiffel/ es wird ihr an ſtattlichen Freyern
nicht mangeln.
Ja wohl/ ſie werden ſich ſehr uͤm mich reiſ-
ſen/ wie umb das ſaure Bier.
Die that wird es anders außweiſen. Sie
bleibe nur bey ihren Gedancken/ und nehme
lieber einen rechtſchaffenen/ ſtattlichen/ ehr-
lichen Mann/ als einen liederlichen Kerln/
der mehr Geld verthun als erwerben kan.
F iijL. Jch
[126]
Jch muß vor warten/ ob ich das außleſen
habe.
Das iſt das beſte/ wenn ein Maͤdgen in
einen anſehnlichen Ehrenſtand koͤmmt/ daß
nicht alle Aſchenbroͤdel uͤber ſie gehen: ſind
darnach feine Mittel darbey/ ſo iſt es deſto
bequemer. Mit den andern Narrenpoſ-
ſen/ darein ſich junge Leute offt verlieben/ iſt
es lauter Eitelkeit.
Hr. Doctor/ iſt es doch Schade/ daß er
nicht etliche dreyßig Jahr juͤnger iſt/ und
koͤmmt zu mir auf die Freythe/ ich muͤſte
ihn doch unter vier und zwantzigen außle-
ſen.
Jch bin ietzt noch ſo gut als ein Jungge-
ſelle/ ich koͤnte nochkommen.
Ja/ ſo ein Kind waͤre ihm nuͤtze.
Nuͤtze genug. Und fuͤrwahr ſie ſchertze
nicht zu lang/ ich mache ſonſt Ernſt drauß.
Jſt er ſo hitzig Hr. Doctor/ ſo will ich mein
Schertzen wohl bleiben laſſen.
Ach nein/ ſie ſchertze nach ihrem Belieben.
Doch was ſolte ihr wohl bey mir fehlen/
wo waͤr ein Junggeſelle/ da ſie dergleichen
antreffen wuͤrde?
Herr Doctor/ er iſt hoͤniſch; doch kurtz auf
ſeine Frage zu antworten: Jetzt leben wir
im
[127]
im Fruͤhlinge/ da halten wir von dem
ſchlimſten Roſenſtocke mehr als von dem
beſten Weinſtocke.
Das Gleichniß reimt ſich hieher nicht.
Er gehe nur zu dem Wittweibigen in ſei-
ner Gaſſe/ die wird ihm die Sache ſchon
außlegen.
Wer fragt nach den Witfrauen/ wann
Jungfern da ſind.
Wenn nun die Jungfern auch ſo daͤchten/
und fragten nach Wittbern nicht/ ſo lang
ſie Junggeſellen haͤtten.
Das moͤchten ſie thun/ wenn ſie nur das
bey den jungen Kerlen finden/ was ſie bey
den Wittwern außſchlagen.
Was ſollen wir denn finden?
Ach mein Jungfer Ließgen/ die Zeit iſt zu
koͤſtlich/ daß wir Reden fuͤhren ſollen/ die
nichts zur Sache dienen. Jch habe hier
Gelegenheit geſucht/ mit ihr bekand zu wer-
dẽ/ und will auch hoffẽ ſie wird mir vor eins
zutrauen/ daß ich ihr rechtſchaffen zuge-
than bin/ und vors andere/ wird ſie gegen
mich dergleichen thun. Sie ſey verſichert/
die Wahl ſoll ſie nicht gereuen.
Herr Doctor/ ich halte ihn vor meinen Va-
ter/ er wird ja ſeine Tochter nicht heyra-
then?
Chr.
[128]
Jungfer Ließgen/ ich habe ſie in Ernſt ge-
fragt/ ſie wird mir ja auch in Ernſt ant-
worten.
Herr Doctor/ daran ſieht er/ daß wir uns
nicht zuſammen ſchicken/ er thut ernſtlich/
und ich ſchertze gern.
Das Schertzen ſoll ſich ſchon finden/ ſie
ſage nur ihre Gedancken.
Jch dachte die Doctor wuͤſten alles/ weiß
er denn nicht/ was ich dencke?
Die Doctor wiſſen alles/ was ſich wiſſen
laͤſt. Aber andere Gedancken koͤnnen ſie
nicht errathen.
Herr Doctor/ kurtz von der Sache zu kom-
men/ ich bin mein eigen Herr nicht/ will er
bey meiner Mutter hoͤren/ ſo wird er mehr
erfahren/ als bey mir. Das ſey er verſi-
chert/ daß ich den Spruch allzeit vor Au-
gen habe/ den mir mein alter Præceptor
vorgeſchrieben: Vor einem grauen
Haupte ſolt du dich neigen.
ſtoͤreten die verliebten Geſpraͤche/ alſo daß
Eurylas nichts weiter vernehmen kunte. Jm-
mittelſt ſaß der junge Kerle/ welchen wir Sto-
rax heiſſen wollen/ und ſpielte ſo raiſonabel,
daß Gelanor ſeine Freude an ihm hatte. Alles
gieng
[129]
gieng par force auff Geſundheit/ daß ehe der
Herr Doctor mit ſeinem Geſpraͤche fertig
war/ etliche und funffzig Thaler hinflogen.
Endlich ward er des Sitzens muͤde/ und ſatzte
den Wirth an ſeine Stelle/ gab ihm auch ze-
hen Thaler/ davon er zuſetzen ſolte. Er ſelbſt
folgte ſeiner Amaryllis nach/ welche/ weil ſie
mit einer andern einen Karren gelegt/ ihre
Geſellin ſpielen lieſſe/ und kurtz zuvor hinter
die Johannis-Beeren ſpatzieret war. Da
war nun der Ort ſo gelegen/ daß Gelanor al-
les deutlich verſtehen kunte.
Das andere Geſpraͤch.
Storax, Amaryllis.
Jungfer Maríegen/ wie ſo allein? Suchet
ſie Johannis-Beeren?
Wie er ſiht.
Soll ihr niemand helffen?
Was ich pfluͤcke/ ſchmeckt mir am beſten.
Sie bemuͤhe ſich nicht/ ich will ſchon
pfluͤcken.
Jch will aber nun ſelber die Luſt haben.
Der Diener iſt gewiß nicht angenehm.
Ach nein/ er iſt mir zu vornehm.
F vSt. Jch
[130]
Jch bin unter ihren Dienern der Ge-
ringſte.
Wo haͤtte ich denn die andern/ die beſſer
waͤren?
der Seite/ wie eine Wetter-Gans; ob es
ihm am Materie zu wèitern Diſcurſe man-
gelte/ oder ob er ſich auf die Hochteutſchen
Reden nicht beſinnen kunte/ die er von acht
Tagen her auß dem Complimentir-Bu-
che ſehr fleiſſig außwendig gelernet hatte/
haͤtte er nur geſagt/ wie Peter Sqventz/ er
wolte es mit ſeinem Famulus bezeugen/ daß
er alles zu Haus gar fertig gekunt. Ge-
lanor muſte unterdeſſen lachen/ daß man-
cher Stuͤmper Tag und Nacht ſeuffzet/
biß er zur Liebſten kommen kan/ und wenn
ſich das Gluͤck nach ſeinem Wunſche fuͤ-
get/ ſo ſteht er wie ein ander Maul-Affe/ und
weiß kein Wort vor zu bringen. Alſo ge-
hen offt etliche Perſonen von einander/ un-
wiſſend was ſie beyde gewolt haben. Ja
wann der Sammetpeltz- oder die ſtrei-
fichte Kappe reden koͤnte. Doch ſtill/
dem Courtiſan wird die Zunge wieder
geloͤſt.)
Jungfer Marigen/ ſie ſey doch nicht ſo an-
daͤch-
[131]
daͤchtig/ ſie dencke doch zuruͤck/ ob ſich auch
ihre Geſpielin mit der Karte in Acht nim̃t.
Will ſie verſpielen/ ſo mag ſie den Scha-
den mit haben.
Jch weiß nicht/ was mein Factor machen
wird. Jch bin heut brav eingeritten.
Esiſt ſeines Ruhms ein Stuͤckgen.
Die Occaſion brachte es ſo mit.
Wo bleiben unterdeſſen die Groß-mut-
ter-Pfennige.
Das darff ein Politicus nicht achten/ wor
geheyt ſich umbs Geld.
Ach Gott ſtraffe mich nicht mit einem ſol-
chen Liebſten.
Man kan es ja nicht aͤndern.
Wie machen es andere Leute.
Wer ein Pruͤlcker ſeyn will/ der mag ſich
uͤmb ein paar kahle Ducaten ſchimpffen
laſſen.
Die Reputation hat manches mahl nicht
die Folge.
Jch will es bey mir nicht hoffen.
gute Kerle nichts mehr in ſeinem Zettel.
Gelanor hatte nur ſeine Freude uͤber den
ſchoͤnen Liebs-Geſpraͤchen/ die ſich ſo vor-
trefflich zu der Sache reimten/ wie eine
F vjFauſt
[132]
Fauſt auf ein Auge. Gleichwohl meynte
der Galan, er haͤtte ſeine Liebe koͤſtlich an-
bracht/ und nun muͤſte es Jungfer Mari-
gen ihm an dem krummen Maule anſehen/
daß er in ſie verliebt waͤre. Jnzwiſchen
weil er nichts zu reden hatte/ ſpielte er mit
den Johannißbeer-Blaͤttern/ und rieß ei-
nes nach dem andern vom Stocke/ daß die
Jungfer nicht anderſt meinte/ er wolte
den Meykãfer ſuchen/ der ihm die Sprache
entfuͤhret haͤtte. Doch endlich traff er
das rechte Blat! da uͤberfiel ihn die gantze
Redens-Kunſt auf einmahl.
Jungfer Marigen/ ich ſehe was.
Monſ. Storax ich ſehe auch was.
Ach nein/ ich ſehe fürwahr was/ da kreucht
eine Raupe auf der Krauſe herum.
Und da tappt mir einer auf dem Latze he-
rumb; Er laſſe die Hand zuruͤcke/ oder ich
gehe davon.
Soll ich die Raupe nicht weg jagen?
Das mag er thun/ er lege nur nicht et-
was her/ das mir verrießlicher iſt als eine
Raupe.
Ach du ungluͤckſelige Hand! darffſt du dei-
ner Inclination nicht nachgehen? ach wie
offt
[133]
offt ſolſtu noch ſo elend abgewieſen werden?
ach du elende/ du arme/ du unvergnuͤgte
Hand!
Weiß er nichts mehr.
Die Sonne hat wohl keinen ungluͤckſeli-
gern Menſchen beſchienen/ als mich/ ach
Himmel! ach verwandele dieſes Holtz in
ein Meſſer/ damit ich mein truͤbſeliges
Hertze abſtechen/ und von der Angſt erloͤ-
ſen kan.
Wird ihm uͤbel/ Monſ. Storax?
Ach freylich iſt mir uͤbel/ und ſie giebt die
meiſte Urſache darzu.
Jch bekenne meine Unſchuld.
Sie bekenne den Todſchlag/ den ſie an
mir begehen wird.
Betrübt er ſich etwan uͤber das Geld/
das wir gewonnen haben. Er verzieh nur/
ehe er ſich daruͤber zu Tode graͤmt/ wollen
wirs ihm wieder geben.
Ey der Hencker hole das Geld. Jhre
zahrten Augen haben mir alle Lebens-
Krafft außgeſauget.
So will ich ein andermahl die Augen
von ihm wegkehren.
Das mag ich auch nicht haben: ſie ſehe
mich nur freundlicher an.
F vijAm.
[134]
Was wird deñ aus der Freundligkeit.
Daß ich leben bleibe.
Jch muß lachen.
Sprache/ und kunte ſich Gelan. kaum ent-
halten/ dz er nicht dem Gaͤrtner geruffet/ dz
er nachgegraben hatte/ ob die Sprache waͤ-
re in ein Hamſterloch gekrochen. Nun
gab es einen vortreflichen Anblick/ wie der
gute Menſch da ſtund/ mit dem Hute unter
dem lincken Arme/ und dem Kopffe auf der
rechten Achſel/ daß man ihm die Liebes-
Kranckheit wol abmercké kunte. Nach lan-
gem Bedencken grieff er in den Schiebſack/
und langete ein guͤldenes Balſambuͤchſen
in Form eines Hertzen heraus/ welches an
einem zierlichen Kettgen hieng/ und an etli-
chen Orten mit Diamanten verſetzt war.)
Ach ſoll ich davon Krafft haben!
Jſt das nicht ein ſchoͤnes Balſam-
Buͤchsgen.
Es iſt nicht ſchoͤne/ als biß ſie es in ihren
Haͤnden hat.
Gewiß es iſt recht ſchoͤne/ da hat ers wie-
der.
Ach nein/ es ſteht zu ihren Dienſten.
Ey das ſolte mir trefflich anſtehn.
St. Jch
[135]
Jch nehme es nicht wieder. Sie behalt
es nur und mein Hertz darzu.
Jch werde ihn nicht in ſolchen Schaden
bringen.
Das iſt kein Schaden/ ich bin ihr Leibeige-
ner/ ſo iſt es nun kein Unterſcheid/ ob meine
Sachen bey mir oder bey ihr in Verwah-
rung liegen.
Jch bitte er nehme es wieder/ was wuͤr-
den die Leute ſprechen.
Sie moͤgen ſprechen was ſie wollen/ ſie
ſprechen nur alles Gutes dazu.
Weil er mich dann ſo zwingt/ daß ich ſei-
nen Schadẽ begehren muß/ ſo will ich zwar
gehorſam ſeyn: doch mag er es wieder ab-
fordern laſſen/ wenn er will.
Wenn das Gold wird blaß werden/ ſo
werde ich auch auffhoͤren/ ihr auffzuwarten.
gab ihr einen ſachten Kuß/ welchen Amaryllis
durch einen heimlichen Gegenkuß erwiederte/
dannenhero Gelanor abmerckte/ die Jungfer
muͤſſe von der Gattung ſeyn/ die nichts umb-
ſonſt/ und alles umbs Geld thun. Wie er
ſich denn beſann/ daß zu ſeiner Zeit/ als er auf
Univerſitaͤten gelebt/ ein Courtiſan geweſen/
welcher allzeit 6. Ducaten zuvor verſpielen
muͤſ-
[136]
muͤſſen/ ehe er zu einem armſeligen Kuſſe gelan-
get. Nun die Luſt war auß/ und Amaryllis
kam wieder zur Compagnie. Da foderte
der Junge Geld zu Wein/ Storax griff in den
Beutel/ und langete eine Handvoll klein Geld
herauß/ welches er kurtz zuvor wechslen laſſen.
Ach mit dem Lumpen-Geld/ ſagte er/ iſt es
doch als wenn ich einen Bettelmann erſchla-
gen haͤtte/ ſo viel Dreyer und Zweyer habich
bey mir: nahm darauff die Groſchen und leg-
te ſie beſonders/ die kleinere Muͤntze warff er
unter die Jungen/ daß ſie ſich drumb ſchlagen
mochten/ was ſonſt vorgelauffen/ weiß unſere
Compagnie nicht/ weil ſie von Zuſehen muͤde
nach Hauſe eilete.
CAP. XIII.
SJe hatten ſich aber kaum recht geſetzt/
als der Wirth auß dem Garten zuruͤ-
cke kam/ und ſo wohl obgedachten Monſ. Sto-
rax, als auch etliche andere mitbrachte. Sie
nahmen ihren Platz bey Tiſche/ und ſtellten ſich
Anfangs gantz erbar. Endlich als Gelanor
weg gieng/ von etlichen guten Freunden Ab-
ſchied zu nehmen/ war das Buͤrſchgen luſti-
ger. Da muſten lauter Geſundheiten ge-
truncken werden/ und Florindo, der ſeine Luſt
an dem Courtiſan hatte/ machte alles mit. Je
mehr
[137]
mehr nun der Wein in den Kopff ſtieg/ deſto
ſchaͤrffer fieng die Liebe an zu brennen:alſo daß
Herr Storax dem Florindo eine Humpe zu-
tranck auf des liebſten Maͤdgens Geſundheit/
er ſoff ſie hauſtikôs auß/ rieß damit das Hals-
tuch ab/ und verbrennte es auf Geſundheit uͤ-
ber dem Lichte. Solches ſolte Florindo nach-
thun/ der verſtund ſich endlich auf die Humpe/
aber wegen der Hals-Krauſe bat er/ man
moͤchte ihm ſolche Thorheit nicht zumuthen.
Das junge Faͤntgen fragte wieder/ ob man
ſeine Liebſte ſchimpfen wolte/ und ſolches Knar-
ren waͤhrete ſo lange/ biß Florindo ſich erbar-
mete/ und mit ſeinen fuͤnff Fingern auf ſeinem
Backen ſpielete; da wolten zwar die andern zu-
greiffen/ allein der Mahler hatte die Diener
ſchon aufgeboten/ die ſich in voller battaille
ins Mittel ſchlugen/ und den armen Stutzer
ohne Hals-Krauſe dermaſſen koberten/ daß er
ſeines Kuſſes und ſeines Balſambuͤchsgens
haͤtte vergeſſen moͤgen. Letzlich machte der
Wirth Friede/ und daließ der gute blau-au-
gichte Storax ſeines Ungluͤcks ungeacht die
Stadtpfeiffer hohlen/ und ſpendierte einem
ied weden einen Thaler/ daß ſie vor der Liebſten
Thuͤre ein Staͤndgen machten. Dazumahl
war das Lied noch neu: Hier lieg ich nun/ mein
Kind/
[138]
Kind/ in deinen Armen: das muſte nun ein
Diſcantiſt mit heller Stimme in eine Baß-
geige ſingen. Jn waͤhrendem Liede will
Storax nach ſeiner Amaryllis ſehen/ ob ſie auch
im Fenſter audienz gaͤbe/ tritt daruͤber fehl/
daß er mit ſeinem gantzen Ornat in die Pfuͤtze
faͤllt. Da machte eine Macht gegen uͤber dieſe
Parodie: Hier liegt mein Schatz im ꝛc. biß an
die Armen. Solches ſahe der Mahler/ und
referirte es ſeinen Principalen, welche ſich all-
ſachte ſchickten/ den folgenden Tag auffzubre-
chen. Was aber Florindo vor Lehren von
ſeinem Hoffmeiſter wegen der poſſierlichen
Begebenheiten hat anhoͤren muͤſſen/ iſt unnoͤ-
thig zu erzehlen. Denn es kan ein iedweder
verſtaͤndiger Leſer die abgeſchmackten Thor-
heiten ſelbſt mit Haͤnden greiffen. Eins war
bey dem Gelanor abzumercken/ daß er zuruͤcke
dachte/ wie er in ſeiner bluͤhenden Jugend der
Liebe auch durch die Spießruthen gelauffen/
und dannenhero die gute Hoffnung hatte/ es
wuͤrde ſich auch mit dieſen jungen Liebhabern
ſchicken/ wenn ſie die Hoͤrner etwas wuͤrden
abgelauffen haben. Und in dieſem judieirte
er nicht unrecht. Denn die Liebe iſt bey einem
jungen Kerlen von 15. Jahren gleichſam als
ein Malum neceſſarium, wer auch da-
mit
[139]
mit zu derſelben Zeit verſchont bleibt/ der muͤß
hernach Haare laſſen/ wenn er aͤlter wird/ und
mit groͤſſerm Schimpff ſolchen Eitelkeiten
nachſetzet. Wohl dem/ der das Medium o-
der Teutſch zu reden/ die Maſſe halten kan.
CAP. XIV.
DEr Tag brach an: der Kutſcher kam
vor die Thuͤre. Sie reiſeten fort/ und
traffen viel Thorheiten an/ doch hatten ſie
ſchon die Reſolution gefaſt/ nichts auffzuzeich-
nen/ als was notabel waͤre/ und ſolcher Regi-
ſtratur haben wir folgen muͤſſen. Auf dem
Wege geſellete ſich ein Advocat zu ihm/ der in
derſelben Gegend an ein em Fuͤrſtlichen Hofe
et was zu ſolicitiren hatte Der gedachte unter
andern/ er habe ſeinẽ Sohn an demſelbẽ Orte
bey einem Menſchen/ der in informations Sa-
chen in Europa ſeines gleichẽ nit habẽ wuͤrde.
Er verhoffte/ ſie wuͤrden ſich auch an gedachtẽ
Orte etwas auffhalten/ und da ſolten ſie mit
Verwunderung ſehen/ was der Knabe von
zwoͤlff Jahren vor profectus in philoſophi-
cis, Hiſtoricis, Geographicis, Politicis, Ora-
toriis: Summa ſumarum, faſt in omni ſcibili
haͤtte. Gelanor freuete ſich/ und meinte/ er
wuͤrde
[140]
wuͤrde ein Exempel ſehen/ das ſich mit dem
kleinen Canter zu Friderici III. Zeiten verglei-
chen lieſſe. Und in Warheit/ als ſie an den
Ort kamen/ und der Knabe gehohlet ward/
muſten ſie erſtaunen/ daß er mit dieſer artigen
Rede ex tempore auffgezogen kam.
Viri ſpectatiſſimi, ignoſcite, quod pueri-
tia mea ſui pauliſper officii oblita, vobis ſe ſi-
ſtat audaciùs. Ex Lipſio enim jam tribus ab-
hinc annis didici, pudorem in omnibus re-
bus laudabilem, tunc debere abjici, quoties
præclari cujusdam hominis ambienda eſſet
notitia. Neque eſt, cur de benevola apud
vos admiſſione dubitem, quippe quod lite-
ras non ametis ſolum in ſuperbo maturitatis
ſtatu; ſed etiam in ipſis progerminandi ini-
tiis. Præſertim cum veſtram non lateat
prudentiam, foveri herbam ſolere magis in
ſemine, quàm in caule. Unicus mihi re-
ſtat ſcrupulus, qui malè animum habet me-
um, nihil in me reperiri, cujus indicio vel
minima conſret diligentia. Interim ſuſfi-
cere credidi profeſſionem perpetui erga li-
teras amoris mei, ut proinde rogare non du-
bitem, velitis infimo ſervorum veſtrorum lo-
co meum quoque ad/ cribere nomen, non ſi-
ne ſpe, fore, ut affulgente annorum numero,
faci-
[141]
facilior etiam inſerviendioc caſio affulgeat.
Quod reliquum eſt, Te, pater oculiſſime,
qua par eſt, filiali obteſtor obſervantia, ut,
quando maximum fortunæ meæ arbitrium
à natura tibi permiſſum eſt, ſermone plus
gravitatis autoritatisq́ue habituro, mearn
agere cauſam digneris, ne ab expectatione
tam luculenta dejectus, de felici ſtudiorum
ſucceſſu delperare incipiam. Sic DEUS
vos ſervet quam diutiſſimè.
Dem Vater fielen die Thraͤnen hauffen-
weiſe auß den Augen/ als welcher ſich bey die-
ſem wohlgezognen Sohne einen Mann ein-
bildete/ qui futurus eſſet, Turnebo doctior,
Mureto diſertior, Sigonio profundior. Al-
lein Gelanor, der auch wuſte/ wo man den
Speck auf Kohlen zu braten pflegte/ dachte
alsbald der Sache etwas tieffer nach/ und be-
antwortete des Knabens Rede kurtz: Adole-
ſcentulorum optime; Laudamus conatum
tuum, ex quo probamus indolem non vul-
garem. Provehat DEUS quæ feliciter in-
cepiſti. Noſtra utinam tibi prodeſſe queat
amicitia. Parente interprete non indiges,
qui laudabiliter dixiſti. Accede ſaltem pro-
pius, ut, qui orationem admiramur, ſingu-
los tuos perfectus ordine inſpiciamus. Id
autem
[142]
autem fieri pace honoratiſſimi parentis tui,
non deſpero.
Sein Informator merckte den Braten/
und gab derhalben vor/ er koͤnte ihn beſſer
examiniren/ und ſolches muſte Gelanor ge-
ſchehen laſſen. Da fielen nun hohe Fragen
vor/ welche in dieſen ſchweren Zeiten manchem
Doctor ſolten zu ſchaffen machen. Endlich
als dieſe Fragen kamen: Quid eſt metaphy-
ſica? R. eſt Scientia Entis quatenus Ens.
Quid eſt Ens? R. Ens eſt quod habet eſſen-
tiam. Quid eſt eſſentia? eſt primus rei con-
ceptus. Da fiel ihm Gelanor in die Rede:
Metaphyſica cujus generis? cujus declina-
tionis? der Knabe ſah dẽ Informator an/ gleich
als wolte er ſagen/ was ſind das vor roth-
welliſche Sachen? dieſer aber entſchuldigte
ſich/ dergleichen Dinge waͤren dem Knaben
nichts nuͤtze/ indẽ er ihm dz Latein alles ex uſu
beybringen koͤnte. Gelanor muſte ſich ab-
weiſen laſſen: Allein als weiter gefragt wur-
de/ Polonia, eſtne regnum aut eſt Ariſto-
cratia? und der Knabe ſagte: eſt Ariſtocra-
tia.Fieng er noch einmahl an: mi adoleſcen-
tule, dicis, Poloniam eſſe Ariſtocratiam. Ego
ſic argumentor: ubi Rex propria authori-
tate Epiſcopos \& Senatores eligit, ibi non
eſt Ariſtocratia. Atqui in Polonia \&c. E.
Das
[143]
Das gute Kind war wieder in tauſend Aeng-
ſten und wuſte keine Huͤlffe als bey Herr Ca-
ſparn dẽ Informator, der wandte wieder ein/
es waͤre Eitelkeit/ daß man die Jugend zu ſol-
chẽ ſchulfuͤchſiſchen Gezaͤncke angewehnte/ die
Logica Naturalis duͤrffte halbicht im diſcu-
riren exercirt werden/ ſo waͤren die regulæ
Syllogiſticæ nicht von noͤthen. Gelanor war
hiemit nicht zu frieden/ ſondern begehrte/ weil
der Diſcipulus nicht diſputiren koͤnne/ ſo ſol-
te er der Informator ſelbſt das Argument auf
ſich nehmen/ weil er die gedachte hypotheſin
ſeinem Untergebenen haͤtte beygebracht.
Doch an ſtatt/ daß er ſich in ein diſputat ein-
ließ/ wickelte er ſich mit des Horatii Verſen
herauß:
‘‒ ‒ ergo fungar vice cotis, acuturn
Reddere quæ ferrum valet, exſors ipfa
ſecandi.’ ()
Und damit hatte Gelanor ſeine dritte Ab-
fertigung/ alſo daß er ſich in das ſtoltze Exa-
men nicht mehr ein miſchen wolte. Aber als
die Probe gantz abgelegt war/ ſuchte Gelanor
mit dem Vater allein zu reden/ und ſagte/ es
kaͤme ihm vor/ als waͤre der Kerle ein Praler[/]
der ſeinen Sohn mehr confundiren/ als ge-
lehrt machen wuͤrde. Unterſuchte hierauff
den methodum informandi, da er denn be-
fand,
[144]
fand/ daß der gute Knabe nichts anders thun
muſte/ als etliche Lateiniſche formulas ſine
judicio außwendig lernen/ die er bey vorfal-
lender Gelegenheit/ nicht viel kluͤger als ein
Papagoy herbeten kunte: er mochte nun von
der Sache ichts oder nichts verſtehn. Da
remonſtrirte nun Gelan. dem ehrlichen Mañe/
wie er mit ſeiner ſonderlichen Hoffnung waͤre
hinter dz Licht gefuͤhret woꝛden/ und wie ſchlim
er ſein vaͤterliches Gewiſſẽ verwahren wuͤrde/
wenn er den Sohn nicht in Zeiten auß dem
Labyrinth herauß fuͤhrte. Der Advocat ent-
ſchuldigte ſich/ er haͤtte hierin vornehmer Leute
Gutachten angeſehen: und dar zu ſo koͤnte es
vielleicht mit jungen Leuten nicht im erſten
Jahre zur Vollkommenheit gebracht werden:
Er ſaͤhe gleichwohl/ daß noch huͤbſche Com-
pendia diſcendi darbey getrieben wuͤrden.
Erſtlich wuͤſte er/ daß ſein Sohn den Orbem
pictum perfect durchgetrieben haͤtte. Ge-
lanoꝛ wuſte nicht/ was es vor ein Buch waͤre/
doch als er ſolches nur ein wenig in die Haͤnde
bekam/ ſo ſagte er: Jch finde viel Zeugs/ das
zu leꝛnen iſt/ doch ſehe ich nichts/ das ins kuͤnff-
tige zu gebrauchen iſt/ die wunderlichen Leute
wollen nur Latein gelernt haben/ und ſehen nit
aufden ſcopum, warum man eben ſolcher
Sprache von noͤthen hat.
Es
[145]
Es gemahnt mich wie mit jenem Buͤr-
germeiſter/ der ſchrieb an drey Univerſitaͤten
uͤmb einen Magiſter, der ſeinen Sohn in allen
Handwercks-Officinen herumfuͤhrte/ und
ihm ſagte/ wie alles Lateiniſch hieſſe/ gleich
als beſtuͤnde die Kunſt darinn/ daß man ſolche
Sachen Lateiniſch verſtuͤnde: die wohl der
vornehmſte Profeſſor nicht Teutſch zu nennen
weiß. Unterdeſſen lernt ein Kind viel no-
mina die Verba hingegen und die particulæ
connectendi bleiben auſſen. Wenn nun ein
Moral-diſcurs oder ſonſt eine Diſciplin ſoll
tractiret werden/ ſo ſtehen die Kerlen mit ih-
rem bettelſaͤckiſchen Latein/ und koͤnnen ihre
Schauffeln/ Qverle/ Miſtgabeln und Ofen-
kruͤcken nicht anbringen. Wer heutiges Ta-
ges einen Hiſtoricum, Philoſophum, Theo-
logum und andere Diſciplinen Lateiniſch ver-
ſteht: darneben ſelbſt eine nette Epiſtel/ und
zur Noth eine Oration ſchreiben kan. Und
endlich im Reden ſo fertig iſt/ daß er im di-
ſputiren ſeine Sachen vorzubringen weiß/ der
iſt perfect genug/ er wolte denn Latinam lin-
guam ex profeſſo vor ſich nehmen. Nun
aber iſt es zu dieſem allen kaum die Helffte auß
dem Orbe picto und auß dergleichen gemahl-
ten Narren-Poſſen von noͤthen. Geſetzt
Gauch
[146]
auch es kaͤme zu weilen ein ungewoͤhnlich
Wort in dieſem und jenem Autore vor/ ſo iſt
doch bekant/ daß ſich die Gelehrteſten Leute
bey ſo raren Exempeln des Lexici als eines
Troͤſters bedienen. Endlich/ daß man meynt/
es wuͤrde ein præguſtus omnium diſciplina-
rum hier durch beygebracht/ das iſt Eitelkeit.
Denn die Knaben haben lange das Judicium
nicht/ ſolche Sache zu penetriren. Und folgt
nicht/ der Herr Præceptor von 40. Jahren
verſteht es/ ergò kan es ein kleiner Bachant
von 9. Jahren alſobald auf dem Butterbrot
in den Bauch einfreſſen. Es waͤre zu wuͤn-
ſchen/ daß ein Kuͤnſtler aufftraͤte/ und mit kur-
tzen Spruͤchen auf die Regulas Grammati-
cas zielte/ damit ſolche per exempla eingebil-
det wuͤrden/ haͤtte man hernach das exerciti-
um, ſo wuͤrden ſich die Vocabula wohl geben.
Nun aber wird es umbgekehrt/ die Gram.
matica ſoll ſich ex uſu geben. Ja ſie giebt ſich/
daß man niemahls weniger Latein gekunt hat/
als ſeit der uͤberſichtige Autor Orbis picti mit
ſeinen vielfaͤltigen Buͤchern auffkommen/ der
alles/ was er zu Hauſe theoreticè vor gut be-
funden/ neſcio quo fatierrore, den Schulen
zu practiciren auffgetrungen hat. Und iſt
zu beklagen/ daß niemand kluͤger wird/ ob
gleich
[147]
gleich die janua Linguarum aurea mehr por-
ta inſcitiæ plumbea moͤchte genennet wer-
den.
Der gute Vater empfand hierauß einigen
Troſt/ weil er ſahe/ daß ſein Sohn nicht allein
in die vergebene Weitlaͤufftigkeit gefuͤhret
wuͤrde. Doch wolte er es auf einer andern
Seite verbeſſern: gab derhalben vor/ er lieſſe
ſolches die philologos verantworten/ es waͤre
zum wenigſten ein Zeitvertreib darbey/ da-
durch die Jugend angewehnet wuͤrde/ etwas
außwendig zu lernen. Sonſten waͤre der hi-
ſtoriſche methodus deſto beſſer/ ließ darauff
etliche Kupperſtuͤcke hohlen/ auf welchen viel
wunderlich Zeugs gemahlet war/ darbey man
ſich der Nahmen in ſacra \& profana hiſtoria
errinnern ſolte. Ein Teichdamm mit A be-
zeichnet ſolte Adam heiſſen. Ein Sack mit
I Jſaac. Ein Apt mit einer Fenſterrahme
Abram. Eine Semmel mit Butter be-
ſchmiert/ bedeutete Sem und Japhet, quaſi du
Narr friß doch die Semmel/ ſie iſt ja fett. Ei-
ne Amme hatte den Bietz in der Hand/ das
war ſo viel als Bizanz. Ein Bauer guckte
zu ſeinem Fenſter herauß/ und ſah daß das
Waſſer außgetreten biß an ſeinem Miſthauf-
fen/ gleich als ſagte er die See mir am
G ijMiſt
[148]
Miſt. Und das war Semiramis. Gela-
nor warff die Figuren auß Ungedult von ſich/
und ruffte uͤberlaut. O ihr armen Eltern!
wie jaͤmmerlich werden eure Kinder betro-
gen! wie elend werden eure unſaͤgliche Un-
koſten angeleget! Sollen nun die abge-
ſchmackten Gauckel-Ppſſen memoriam ar-
tificialem machen/ die vielleicht memoriam ſo
ſehr confundiren oder obruiren moͤchten/ daß
ein Kind zwirbelſichtig daruͤber wuͤrde. O
wohl dem der die Namen recht wie ſie heiſſen
durch offtmalige repetition ſich einbildet und
bekand macht. Wo die notiones ſecundæ
ſchwerer gemacht werden als die primæ, da
iſt ein compendium uͤbel gefaſt und wird ein
diſpendium darauß.
Hier ward der Advocat auch disjuſtirt,
und fragte/ wenn gleichwohl alles ſolte ver-
achtet werden/ wo man denn guten Rath her-
nehmen wolle. Nun ſaß einer mit am Ti-
ſche/ der bey waͤhrendem diſcurſe ſich mit hin-
zugefunden/ der zwar den Kleidern nach gar
zu viel Anſehn nicht hatte/ doch endlich der
Wiſſenſchafft nach einer von den geringſten
nicht war. Dieſer bat/ man moͤchte ihm ver-
goͤnnen/ ſeine Gedancken von den Informati-
on Sachen etwas weitlaͤufftiger zu eroͤffnen.
Es
[149]
Es iſt zu verwundern/ ſagte er/ warumb von
etlichen ſeculis daher/ ſeit die literæ humanio-
res wiederumb auß der finſtern Barbarey
hervorgezogen worden/ die Schulen ſo gar
wenig zur Beſſerung kommen/ und die Ju-
gend einmahl wie das andere verdrießlich
und weitlaͤufftig genug herumb gefuͤhret
wird. Die meiſten werffen die Schuld auf
die præceptores, welche gemeiniglich è fæce
Eruditorum genommen worden/ alſo daß/
wenn man mit einem ſeichtgelehrten Kerlen
weder in dem Predigampt noch in der Rich-
ter-Stube fortkommen kan/ ein jeder meynt/
er ſchicke ſich am beſten in die Schule. Nun
iſt dieß nicht ohne/ und moͤchte ſich mancher
Patron in das Hertze hinein ſchaͤmen/ daß er
die Jugend nicht beſſer verſorget/ da er doch
ſich zehn mahl in den Finger biſſe/ eh er vor
ſeine Pferde einen ungeſchickten Stallbuben/
oder vor die Schweine einen nachlaͤſſigen Hir-
ten annehme. Doch iſt zum wenigſten in
den Schulen ein Rector oder ſonſt ein Col-
lege, dem man nicht alle erudition abſprechen
darff/ alſo daß obangefuͤhrte Urſache nicht
eben die rechte zu ſeyn ſcheinet. Soll ich offen-
hertzig bekennen/ was die Schulen verderbt/
ſo iſt es nichts anders/ als daß die Inſpectio-
G iijnes
[150]
nes und Ordinationes ſolchen Leuten anver-
trauet werden/ welche ſich umb das Informa-
tions Weſen niemahls bekuͤmmert/ zum we-
nigſten in praxi nichts verſucht haben. Sie-
het nun gleich ein geuͤbter Schulmann/ wie
man eines oder das andere beſſern ſolte/ ſo
darff er doch nichts ſagen/ er moͤchte ſonſt den
Namen haben/ als wolte er ſolche groſſe und
gelehrte Leute tadeln/ ja wenn es vorbracht
wird/ ſo bleiben ſolche lumina mundi doch auf
ihren neun Augen/ und aͤndern es der gerin-
gen Perſon zu trotze nicht. Nun moͤchte
man doch dieß erwegen/ es ſtudieret mancher
etliche zwantzig/ dreiſſig Jahr/ von Morgen
biß in die Nacht/ ehe er in Schul-Sachen
recht hinter die Springe koͤmmt. Gleiwohl
ſoll er ſich von einem andern reformiren/ und
dictatoria voce eintreiben laſſen/ der in ſeiner
facultaͤt zwar gelehrt gnug iſt: doch aber in
dieſen Studiis kaum daſſelbige noch weiß/ deſ-
ſen er ſich von der Schule her oben hin erin-
nern moͤchte. O wie wuͤrde ein Schuſter/
ein Schneider/ oder wohl gar ein Dreſcher
lachen/ wenn ein Doctor trium facultatum
ſagen wolte/ ſo muſtu das Leder zerren/ ſo
muſt du das Band friſiren/ ſo muſt du den
Flegel in der Hand herumb lauffen laſſen:
denn
[151]
denn die præſumptio waͤre da/ daß die guten
Leute ihre Handgriffe beſſer verſtuͤnden: aber
in der Schule mag ie derman ſtoͤren/ wer ein
Bißgen zu befehlen hat. Die Theologi,
wenn ſie gefragt werden/ wieweit ſich ein
Fuͤrſt vi Superioritatis in die Conſiſtorial-
Sachen mit ein zu miſchen habe/ bringen die
diſtinction vor/ inter actus religionis inter-
nos \& externos. Das iſt/ etliche Sachen
giengen die Religion und Artickel ſelbſt an/
und betraͤffen ihre Warheit/ die bloß auß der
Schrifft muͤſtẽ decidirt werden/ und ſolches
waͤre derſelben Ammt/ welche dem Studio
lang obgelegen/ und von den Fragen judici-
ren koͤnten: Etliche Sachen aber giengen die
Religion nur zufaͤlliger Weiſe an/ e. g. ob die
Theologi auch ihre actus internos recht ex-
ercirten, es etwas im Lande ſich ereignete/ das
der Religion koͤnte ſchaͤdlich ſeyn u. d. g. Und
ſolche gehoͤrten dem jenigen/ der nechſt der
Hohen Obrigkeit auch Inſpectionem \& po-
teſtatem religionis auf ſich habe. Jch will
dieſe diſtinction auf die Schule appliciren/
damit niemand meyne/ als wolte ich lauter
Freyherren haben. Die externa inſpectio
iſt gar gut/ ob alle Præceptores ihr Ampt ver-
richten/ ob ſie der Jugend einige Bosheit
G jvge-
[152]
geſtatten/ ob ſie ihrem ſelbſt beliebten Metho-
do nachkommen ꝛc. Aber daß die Obrigkeit
ſich umb die interna bekuͤmmern will/ und
doch keine erfahrne Schulmaͤnner zu Rathe
zeucht/ zum Exempel/ daß ſie die Autores vor-
ſchreibt/ ja wohl gar den modum tractandi
beyfuͤgt/ das iſt zu viel. Wer einen recht-
ſchaffenen Rector in der Schule hat/ der ſoll
ihm die Lectiones ſamt der Jugend auf ſein
Gewiſſen binden/ daß/ ſo gut als er es vor dem
Richterſtul Chriſti dermahleins verantwor-
ten wolle/ er auch ſeine Wiſſenſchafft hierinn
anwenden moͤge. Vielleicht wuͤrde es an
manchem Orte beſſer/ und wuͤrden ſich die
Collegen hernach ſo nach Belieben verglei-
chen/ damit die Jugend nicht confundiret
wuͤrde. Man ſehe die meiſten Schulen an;
Fruͤh umb ſechs werden Theologica gehan-
delt. Umb 7. koͤmmt einer mit dem Cice-
rone angeſtochen. Umb achte koͤmmt der
dritte und laͤſt ein Carmen machen. Umb
neun iſt ein privat Collegium uͤber das Grie-
chiſche. Um zehen ein anders uͤber den Mu-
retum. Umb zwoͤlff wird ein exercitium
Styli vorgegeben. Umb eins werden die
præcepta Logices recitirt. Umb zwey
wird der Plautus erklaͤrt; umb drey iſt priva-
tim
[153]
tim ein Hebraͤiſch dictum zu reſolviren. Umb
viere lieſet man etwas auß dem Curtio. Und
dieß wird alle Tage geaͤndert/ daß wenn die
Jugend auf alles ſolte achtung geben/ entwe-
der lauter divina ingenia oder lauter confule
Koͤpffe darauß wuͤrden/ nun gehen zwar etli-
che Stunden offt dahin/ da mancher nichts
lernt; doch iſt es Schade/ daß ſo viel [ed]le
Stunden vorbey gehen. Ach doͤrffte ein Re-
ctor mit ſeinen Collegen, wie er wolte/ wie
ordentlich wuͤrde er ſeine Labores eintheilen.
Ein halb Jahr wuͤrde er nichts als Oratoria,
ein anders nichts als Epiſtolica, ein anders
Græca, weiter fort Logica, und ſo ferner vor-
nehmen/ damit die Jugend bey einerley Ge-
dancken bliebe. Es koͤnten doch gewiſſe Re-
petitiones angeſtellet werden/ daß man in
dem andern halben Jahre nicht vergeſſe/ was
in dem erſten gelernet worden. Denn in
dem Oratoriſchen halben Jahre/ muͤſte ein
College die Logicam alſo tractiren/ daß er
den Uſum Oratoricum darinn zeigte/ ein an-
der muͤſte einen Hiſtoricum leſen/ und zu Col-
lectaneis Anleitung geben. Ja was von
Theologicis Quæſtionibus vorkaͤme/ das
muͤſte man zu lauter Chrien und Orationen
machen/ ſo boͤten die Collegen einander die
G jvHand
[154]
Hand/ und berathſchlagten ſich alle halbe
Jahr/ was kuͤnfftig von noͤthen waͤre. Ach
wie gluͤcklich wuͤrde die Information ablauf-
fen/ beſſer als bey uns/ da ein Præceptor hie/
der ander dort hinauß will/ und ſich hernach
mit der Obrigkeit entſchuldiget/ die habe es
alſo verordnet.
CAP. XV.
GElanor hoͤrte dieſe Conſilia gedultig an.
Endlich fuͤgte er ſein Judicium bey.
Mein Herr/ ſagte er/ es iſt alles gut/ was er
vorbingt: Nur diß iſt mir leid/ daß es ſich
ſchwerlich practiciren laͤſt. Denn geſetzt/
die Obrigkeit koͤnne etwas darzu/ ſo weiß ich
den Schulmann nicht/ welcher der Katze die
Schelle anhencken wolle. Uber dieß ſind die
Rectores allenthalben mit den Collegen nicht
ſo einig/ daß man mit gutem Gewiſſen die Le-
ctiones ihrem Gezaͤncke anheim ſtellen koͤnne.
Ja wo ſind Leute/ welche ſo gar ſonderlich
der Jugend beſtes/ und nicht vielmehr ihren
Privat-Nutzen anſehen? Und welches das
aͤrgſte iſt/ ſo werden zu den unterſten Colle-
gen offt gute ehrliche Leute gebraucht/ welche
auſſer ihren elaborirten Argument-Buͤchern
wenig
[155]
wenig vorgeben koͤnnen: Hingegen wo ein
Rector zu erwehlen iſt/ da muß es ein groſſer
Philoſophus oder Philologus ſeyn. Ein
Philologus aber heiſt ins gemein/ der ſich in
alle Critiſche Subtilitaͤten vertiefft/ oder der
nichts als Syriſche Chaldeiſche/ Perſiſche
Aethiopiſche/ Samaritaniſche Grillen an die
Tafel mahlen kan/ Gott gebe die Jugend
verſaͤume die nothwendigen Sachen darbey
oder nicht. Ein anderer armer Mann/ der
nicht ſo wohl dahin geht/ daß er außwaͤrtig
will vor einem Gelehrten außgeſchryen wer-
den/ als daß er die Jugend fundamentaliter
moͤchte pro captu anweiſen/ der ſieht nicht
ſtoltz gnug auß.
Der Advocat ſagte/ diß ſey eben die Urſa-
che/ warumb er vor den Scholis publicis ei-
nen Abſcheu gehabt/ und ſeine Kinder viel lie-
ber privatim unterweiſen lieſſe. Der unbe-
kandte Gaſt aber gab zur Antwort/ es waͤre
auch zu Hauſe nicht alles ſchnurgleich abge-
meſſen. Vor eins haͤtten die Knaben kein
Exempel vor ſich/ dadurch ſie excitirt wuͤr-
den: Da hingegen in einer Claſſe von funff-
zig biß ſechzig Perſonen zwey oder drey leicht-
lich gefunden wuͤrden/ welche den andern zur
Nachfolge dienten. Nechſt dieſem waͤre es
G vjver-
[156]
vermuthlicher/ daß man eher einen gelehrte
Mann vor alle Kinder finden koͤnte/ als daß
ein jedweder Burger vor ſich einen gleich-ge-
lehrten Menſchen antreffen ſolte. Man wuͤ-
ſte warum die meiſten armen Kerlen præce-
ptorirtẽ/ nicht daß ſie den Untergebenen wol-
ten ſo viel nuͤtze ſeyn; ſondern daß ſie den Hals
ſo lang ernehren moͤchten/ biß ſich das Gluͤck
zu fernerer Promotion fuͤgte. Und endlich
waͤre einem geuͤbten Manne mehr zu trauen/
als einem armſeligen Anfaͤnger/ der ſelbſten
Information beduͤrffte.
Gelanor gab den letzten Außſchlag. Wir
ſitzen da/ ſagte er/ und meynen/ die Leute ſind
wunderlich/ welche die Schulſachen ſo am
unrechten Orte angreiffen; Aber wir begehen
viel eine aͤrgere Thorheit/ daß wir meynen/
als koͤnte in dieſer Welt alles abgezirckelt
werden. Hier iſt der Stand der Unvoll-
kommenheit/ da nichts an allen Stuͤcken voll-
kommen iſt. Abſonderlich iſt es mit den
Schulen ſo bewandt/ daß der boͤſe Feind ſie
hindert/ ſo viel er weiß und kan/ indem er wol
ſieht/ daß ihm dardurch der groͤſte Schaden
kan zugefuͤgt werden. Doch iſt etwas zu
wuͤnſchen/ ſo ſag ich:
Sint
[157]
hielten groſſe Herren viel von gelehrten Leu-
ten/ ſo wuͤrden ſich die Ingenia wohl ſelber
treiben/ wenn ſie ihren rechtſchaffenen Nutz
vor Augen haͤtten. Jetzt da mancher zehen
mahl beſſer fort koͤm̃t/ der nichts ſtudirt hat/
kan man es dem hundertſten nicht einbilden/
daß die Gelehrſamkeit ſelbſt ihr beſter Lohn/
und ihre reicheſte Vergeltung ſey. Hiermit
gingen ſie von einander/ und hatte das Ge-
ſpraͤch ein Ende.
CAP. XVI.
NUn war Gelanor ſo attent geweſen/ daß
er nicht in Acht genommen/ was unter-
deſſen vor eine Luſt vorgangen/ deren Eurylas
und Florindo wohl genoſſen hatten. Dann
als dieſe beyde in der Tafel-Stube ſich befan-
den/ und durch das Fenſter die Leute auf der
Gaſſe betrachteten/ hoͤreten ſie ein groß Ge-
ſchrey im Hauſe. Sie lieffen zu/ und ſahen
einen Kerln/ der ſich ſtellte! als wenn er ra-
ſend waͤre. Wo iſt der Hund/ ſchrye er/ gebt
ihn her/ ich will ihn in tauſend Stuͤcke zer-
hauen/ die Ameiſſen ſollen ihn wegtragen.
G vijWas?
[158]
Was? ſoll mich ſo ein Schurcke nicht vor
voll anſehen/ und ich ſoll ihm nicht den Hals
brechen? Herauß/ herauß du quinta Eſſentia
von allen Ertzbernheutern; komm her/ich will
dein Hertz vor die Hunde werffen/ komm her/
biſt du beſſer als ein eingemachter ꝛc. Halt
mich nicht// laſt mich gehn/ halt mich nicht/ ich
begeh noch heut einen Todſchlag/ und wenn
ich wiſſen ſolte/ daß mein Blut morgen in des
Henckers Namen wieder ſpringen muͤſte.
Ach lieber ehrlich geſtorben/ als wie ein Lum-
penhund gelebt; Sa ſa ich zerreiſſe mich/ ſa
ſa wo biſt du? ſteh ꝛc. wo biſt du! ſteh! Eu-
rylas hoͤrte dem Tyrannen ein wenig zu/ und
wuͤnſchte nichts mehr/ als daß er den andern
koͤnte herſchaffen/ umb zu erfahren/ ob der boͤ-
ſe Kerle ſo grauſam verfahren wuͤrde. Doch
es bedurffte keines langen Wünſchens/ er
kam mit einem Spaniſchen Rohr/ und ſtellte
ſich ein/ fragte auch alſobald/ wer ſeiner be-
gehrt haͤtte. Der Provocant that/ als koͤnte
er ſich vom Wirth und vom Haußknecht nit
loß reiſſen/ und biß gantz ſtillſchweigend die
Zaͤhn zuſammen. Bißweilen ſchnipte er in
den Schiebſack/ bißweilen ſagte er dem Hauß-
knecht etwas in das Ohr. Endlich kam je-
ner/ und wolte wiſſen/ was ſein Begehren
waͤre
[159]
waͤre. Du Schaum von allen rechtſchaffe-
nen Kerlen/ haſt du auch ſo viel Hertze/ daß du
mich provociren kanſt/ oder biſt du auch ſo
viel werth/ daß ich deinen Buckel meines
Stockes wuͤrdige. Du elende Creatur/ re-
de doch ietzund etwas/ daß ich boͤſe auf dich
werden kan oder ſchreibe es meiner Barm-
herzigkeit zu/ wofern ich dich nach wuͤrden
nicht tractiren kan. Da ſtund nun der Tuͤr-
ckenſtecher/ und hatte alle Boßheit inwendig/
wie die Ziegen das Fett. Nach langem War-
ten/ nahm der andere ihm der Degen auß der
Hand/ und pruͤgelte ihn ſo zierlich im Hauſe
herum/ daß der Wirth ſich darzwiſchen legen
muſte. Damit war die Comœdie zu Ende/
und hatten die andern das Anſehen umbſonſt
gehabt. Als nun Gelanor die troͤſtliche Hi-
ſtorie erzehlen hoͤrete/ fragten ſie weiter/ was
denn der Kerle vor Urſache gehabt/ ſolch ei-
nen Tumult anzufangen. Da kam einer/
und gab dieſen Bericht; der gute Menſch ha-
be ſich ſo ſehr in den Koͤnig von Schweden
verliebt/ daß er nicht leiden koͤnte/ wenn ie-
mand eine widrige Zeitung von demſelben er-
zehlen wolte. Weil nun der andere vorgege-
ben/ der Koͤnig waͤre von den Dantzigern auf
die Weichſelmuͤnde gefangen gefuͤhrt wor-
den
[160]
den/ ſo haͤtte dieſer ſich ſo ſehr erzuͤrnet/ daß
er nicht geruhet/ biß die Extremitaͤten vor-
gangen. Eurylas ſagte hierauff/ der Kerl
moͤchte in Schweden reiſen/ und umb ein
Genaden-Geld ſolicitiren/ weil er des Koͤ-
nigs Reſpect zu erhalten/ ſo groſſe Gefahr uͤ-
ber ſich genommen. Florindo ſagte/ wenn
der Koͤnig lauter Soldaten haͤtt/ die mit den
Haͤnden ſo grimmig waͤren/ als dieſer mit
dem Maule/ ſo wuͤrde der Tuͤrcke am laͤngſten
zu Conſtantinopel reſidiret haben: Der
Wirth ſagte/ wenn iemand kaͤme und ſagte/
die Moſcowiter haͤtten ſich zu den Schweden
geſchlagen; ſo wolte er wetten/ der Vote be-
kaͤme einen Thaler Trinckgeld. Andre
wuſten was anders Gelanor ſagte dieß/
es waͤre ein bloͤder Narr/ der kein medium
haͤtte inter fortiſſima \& dimidiſſima, man
ſolte ſein Elend mehr betauren/ als belachen.
Und darbey blieb es daſſelbe mahl.
CAP. XVII.
DEn folgenden Tag brachten ſie noch zu/
in Beſichtigung der Raritaͤten/ und Beſu-
chung vornehmer Leute/ alß daß nichts ſon-
derliches vorlieff. Darauff nahmen ſie bey
gu-
[161]
guter Zeit Abſchied und fuhren davon. Et-
liche Tage hernach fuͤtterten ſie Mittags in
einem kleinen Staͤdtgen/ da gleich Jahr-
Marckt gehalten ward. Da hatte Florindo
ſeine ſonderliche Luſt an einem Qvackſalber/
der ſeine Bude dem Gaſt-Hofe gegenuͤber
auffgeſchlagen hatte. Secht ihr Herren/
ſagte er/am Anfang ſchuff Gott Himmel und
Erde/ am letzte Tage hat er auch den Men-
ſche erſchaffe. Darumb ſchreibe alle Gelaͤhrte
davon/ daß das Menſche Schmaltz alle ande-
re Schmaͤltze uͤber trifft/ wie das Gold das
Kupffer. Wenn ich nun mein Salb mach/
ſo nimm ich erſtlich darzu Menſche Schmaltz.
Darnach nimm ich Wachs/ Wachs ſag ich
iſt in einer Apotecke von noͤthen/ denn in einer
Apotecke ſind vier Seule/ ohne welche vier
Seule keine Apotecke/ uͤber Jahr gantz blei-
ben kan/ und wenn ſie des Roͤmiſchen Kaͤſers
Apotecke waͤr. Die erſte Seule iſt Wachs/ die
andere Honig/ die dritte Zucker/ und die
vierte Waß i nit. Weiter nim ich dazu das
Johannis Oel/ das fleuſt im Lande Thucia
auß die harte Steinfelſe/ auß die wunderbah-
re Schickung GOtteſe. Mehr brauche ich
das Oleum Poppolium, Schmaltz von einer
wilden Katze/ die ſchlaͤfft auff dem Schwei-
tzer-
[162]
tzer Gebuͤrge von Sanct-Gallen biß Sanct-
Goͤrgen Tag/ und wird im Schlaffe ſo faiſt/
daß/ wer es nicht geſehen hat/ meynen ſolte/ es
waͤr erlogen. Summirum Summarum/
ich nimm darzu die Kraͤuter Herba, die wach-
ſen in dem Land Regio auf dem Berge Mons,
an dem Waſſer Aqua, in dem Monat Men-
ſis genañt/ darauß wird mein Salb/ und i wil
kain ehrlicher Mann ſyn/ wo iemand im Roͤ-
miſche Reiche ſolch Salb hat. Kommt her
ihr Herre/ kaͤfft in der Zeit/ ſo habt ihr in der
Noth. Der gleichen lahme Fratzen brachte
er vor/ und erzehlte etliche wunderliche und
unglaͤubliche Exempel von ſeinen Curen.
Nichts deſto weniger hatten ſich viel Leute
umb ihn geſamlet und kaufften ihn faſt mit
ſeinem Krame gantz auß/ denn die Salbe
halff inwendig und außwendig vor alles. U-
ber diß kamen viel Patienten/ und conſulir-
ten dieſen Herrn Doctor. Einer beſchwerete
ſich/ er duͤrffte auf den Abend kaum zwoͤlff
Kannen Vier/ und irgend ein halb Noͤſſel
Brandtewein trincken/ ſo fuͤhlte ers den fol-
genden Tag immer im Kopffe. Ein ande-
rer klagte/ ſein Pferd waͤre ihm geſtohlen wor-
den/ ob er keine Artzney haͤtte/ daß er es wie-
der kriegte. Der dritte gab vor ſeine Elle-
bogen
[163]
bogen waͤren ſo ſpitzig/ er duͤrffte kein Wam-
mes vier Wochen anziehen/ ſo waͤren die Er-
mel durch gebohrt. Der 4. kunte kein Geld
im Hauſe ſehn/ drum wolte er ſich den Staar
ſtechen laſſen/ daß er Geld zu ſehen kriegte.
Der fuͤnffte war ein Schulmeiſter/ der haͤtte
gern eine helle liebliche Stimme gehabt. Der
Sechſte war ein Bote/ der klagte er lieffe ſich
ſtracks uͤber einer Meile den Wolff. Der
Siebende hatte ein Huͤnerauge in der Naſe.
Der Achte klagte er duͤrffte nicht vor neun
Pfennige Kirſchen eſſen/ ſo legen ihm die
Kerne im Magen/ als wolten ſie ihm das
Hertz abdruͤcken. Der Neundte war ſchon
dreyſſig Jahr alt und hatte noch keinen Bart.
Der zehende wolte der Spulwuͤrmer gerne
loß ſeyn. Die andern ſuchten was anders.
Und da hatte der gute Meiſter ein trefflich
Compendium curandi, daß ſeine Salbe ſich
eben zu allen Beſchwerungen ſchickte. Flo-
rindo lachte wohl daruͤber/ und haͤtte gern ge-
ſehen/ daß Gelanor mit ge'acht haͤtte. Doch
ſagte dieſer/ man duͤrffte ſich uͤber den Quack-
ſalber nicht zu tode wundern/ haͤtte doch ein
iedweder faſt das principium, MUNDUS
VULT DECIPI, in ſeinen actionibus gleich-
ſam forn angeſchrieben. Und wer von der
Poli-
[164]
Politiſchen Qvackſalberey reden ſolte/ da man
offt quid pro quo nehmen muͤſte/ der wuͤrde
vielleicht groͤſſern Betrug antreffen/ als in
dieſer elenden Bude/ da nichts als einfaͤlti-
ge Bauren zu ſammen kaͤmen. Florindo
fragte/ ob die Politici auch mit Salben han-
delten? Ja wohl/ ſagte der Hoffmeiſter/ ſind
Salbenbuͤchſen genug/ damit den Leuten die
Augen verkleiſtert werden/ aber es iſt nicht
von noͤthen/ daß man ſolches allen Leuten weiß
macht. Florindo ward begierig die ſonder-
lichen Sachen zu erfahren/ und hielt inſtaͤn-
dig an/ Gelanor moͤchte doch etwas deutlicher
reden. Da ſagte dieſer/ habt ihr nicht das
Buch geſehen/ da forn auf dem Titel ſteht/
der Politiſche Quackſalber[:] ſeht daſſel-
be durch/ ſo wird euch die Thuͤre zum Ver-
ſtaͤndniß ſchon geoͤffnet werden. Mehr ſagte
er nicht/ deñ es iſt vergebene Arbeit/ daß man
jungẽ unverſtaͤndigẽ Leutẽ viel von Politiſchẽ
Staatshaͤndeln auffbriefen will/ weil ſie doch
mit ihrem einfaͤltigen Verſtande ſo weit nit
langen/ und alle dergleichen actiones viel-
mehr anſehen/ wie die Kuh das neue Thor.
Und fuͤrwar hierinn erwieß Gelanor eine un-
gemeine Klugheit/ die man vielen groſſen und
hochtrabenden Leuten vergebens wuͤnſchen
muß.
CAP.[165]
CAP. XVIII.
FLorindo haͤtte ſich ſo kurtz nicht abweiſen
laſſen: Allein der Wirth kam und wolte
ſeinen Gaͤſten Geſellſchafft leiſten. Da legte
ſich Gelan. mit ihm ins Fenſter und ſchwatzte
bald dieß/ bald jenes mit ihm. Endlich giengen
zween Maͤnner vorbey. Einer hatte ein grau
Roͤckgen an/ und waͤre leicht vor einem Bau-
er mit hingelauffen/ wenn er nicht ein Haͤlſgen
umbgehabt. Der andre hatte eine Kappe
an/ der zehende haͤtte geſchworen/ es waͤre ein
Sammeter Peltz geweſen/ und nun haͤtte ſie
der Schneider wendẽ muͤſſen: Daruͤbeꝛ hieng
ein beſchaͤbter Mantel mit einem gebluͤme-
ten Sammet-Kragen/ den vielleicht der alte
Cantzler Beier bey Ubergebung der Aug-
ſpurgiſchen Confeſſion mochte zum erſten-
mahl umbgehabt haben. Gelanor wolte
wiſſen/ was dieſes vor ein par nobile fratrum
waͤre. Darauff ſagte der Wirth/ es waͤren
zwey Bruͤder/ die zwar gute Mittel gehabt/
ietzt aber in euſerſter Armuth lebten. Der
graurock habe das ſeinige alles auf Proceſſe
ſpendiret: denn da habe er keine Schuld ge-
ſtanden/ biß er judicialiter darzu condem-
nirt worden. Und da habe er dem Gegen-
theil die Unkoſten erſtatten/ auch offt wegen
ver-
[166]
vergoſſener loſen Worte hauptſaͤchlich in die
Buͤchſe blaſen muͤſſen/ dadurch ſey er von den
ſchoͤnſten Mitteln ſo elend herunter kommen.
Der andere Bruder habe Anfangs Theolo-
giam ſtudiert/ hernachmahls habe er ſich in
die Alchimiſterey verliebt/ dabey er ſo viel
Gold gemacht/ daß er ietzund in ſeinem gan-
tzen Vermoͤgen nicht eines Ducatens maͤch-
tig ſey. Gelanor ſagte/ ſo buͤſſen die guten
Bruͤder woll vor ihre Narrheit. Wer hats
den erſten geheiſſen/ daß er die Richter-Stu-
be ohne Noth beſchweret hat. Ach wer
bey den Juriſten in dieInformation,und
bey den Apoteckern zu Tiſche geht/ dem
koͤmmt es ein Jahr uͤber ſehr hoch.
Der andere haͤtte ſeine Poſtille davor reiten
moͤgen/ ſo hat ihn der Hencker geritten/ daß
er gemeynt hat/ein Hirſch im Walde/ſey beſ-
ſer als der Haſe in der Kuͤche. Solche
thumme Geldverderber ſind nicht werth/ daß
man ſie klagt. Der Wirth gab hierauff
ſein Bedencken darzu/ es waͤre nicht ohne/ die
guten Leute haͤtten ihre Sachen beſſer koͤnnen
wahrnehmen/ als daß ſie nun in dieſem Lum-
pen, Staͤdtgen nicht viel herrlicher/ als die
Bauren leben muͤſten. Doch aber bildete
er ſich gaͤntzlich ein/ es ſey GOttes Straffe/
die
[167]
die ſelten das unrecht erworbene Gut an den
dritten Erben kommen laſſe. Jhr Vater
habe ehrliche Mittel hinterlaſſen/ aber auf un-
ehrliche Manier erworben. Ach ſagte er/
da iſt wohl kein Groſchen im Kaſten geweſen/
da nicht etliche Seufftzer von armen Leuten
daran geklebet. So viel Steine hat er in
ſeinen Haͤuſern nicht zuſammen bracht/ als er
heiſſe Thraͤnen von Wittwen und Waͤyſen
außgepreſt hat. Sein Reichthum war an-
derer Leute Armuth. Er ſelbſt war nicht
viel anders/ als eine gemeine Plage. Geld
war die Loſung/ damit mochte GOtt und
Himmel bleiben/ wo ſie kunten; Endlich
fuhr er dahin wie eine Beſtie. Jns Gemein
gab man vor/ er waͤre an einem Schlagfluſſe
geſtorben: Doch waren viel vornebme Leute/
die munckelten/ als haͤtte er ſich ſelbſt ge-
henckt/ und waͤre darnach von den Seinen
loß geſchnitten worten/ ſo wohl die Schande
als des Scharffrichters Unkoſten zu vermei-
den. Es war viel Pralens von der groſſen
Erbſchafft/ doch nun haben die Adlers-Federn
alles verzehret/ daß ſie nicht mehr ein tuͤchtig
Federbette auffweiſen koͤnnen. Gelanor
ſtimmte mit dem Wirthe ein/ und ſetzte den
Diſcurs fort. Jch glaube es wohl/ ſagte er/
daß
[168]
daß GOtt dieß Zorn Exempel nicht verge-
bens vorgeſtellet hat. Dieß iſt nur zu bekla-
gen/ daß niemand gebeſſert wird. Es be-
ze[ug]ets die taͤgliche Erfahrung mehr/ als zu
viel/ daß unrecht Gut nicht auf den dritten
Erben koͤmmt. Ein jedweder/ der in ſeinem
Ampte ſitzet/ hat entweder ſeiner Anteceſ-
ſorum oder anderer dergleichen Kinder
vor ſich/ daran er ſo wohl den Segen/ als den
Unſegen ſeinen Kindern gleichſam als ein ge-
wiſſes Nativitaͤt prognoſticiren kan. Jſt
das nun nicht Thorheit? Sie ſcharren viel
zuſammen: zu Eſſen/ Trincken und Kleidern
brauchen ſie nicht alles/ den Kindern wollen ſie
es verlaſſen/ doch wo ſie nicht gantz blind
ſeyn/ ſo wiſſen ſie/ daß es nicht wudelt/ ja daß
die Kinder an ihrem andern Gluͤcke dadurch
gehindert werden. Wir lachen die Affen
auß/ daß ſie ihre Jungen auß Liebe zu tode
druͤcken. Aber iſt dergleichen Vorſorge/ da-
durch manches umb ſeine zeitliche und ewige
Wohlfahrt gebracht wird/ nicht eben ſo thoͤ-
richt? die Griechen ſatzten die Kinder weg/
welche ſie nicht ernehren kunten. Die Leute
kehren es umb/ und ſetzen die Kinder weg/
welche ſie auffs beſte ernehren wollen. Das
aͤrgſte iſt/ daß die Eltern ſelbſt ihre eigene
Wohl-
[169]
Wohlfahrt dabey in die Schantze ſchlagen.
Und alſo kommen ſie mir vor wie die Schlan-
gen/von welchen Plinius fabulirt, daß ſie uͤber
der Geburt ihrer jungen nothwendig ſterben
muͤſſen. Nun mit einem Worte/ das heiſt
auß Liebe in die Hoͤlle gefahren. Als ſie
noch redeten brachten die Bauren einen
Spitzbuben vor ſich her gejagt/ der hatte einer
Frauen Geld auß dem Schiebſacke entfuͤhren
wollen/ war aber auß Unvorſichtigkeit in den
Schiebſack darneben kommen. Nun warff
er die Beine hurtig nach einander auf/ und
fragte nicht viel darnach/ ob ſie gleich mit Erd-
kloͤſſern hinden drein ſpieleten. Doch waͤh-
rete die Geſchwindigkeit nicht lange/ denn ein
Baur warff ihm einen Knittel unter die Bei-
ne/ daß er nothwendig fallen muſte. Da
gieng nun das Ballſpiel an/ und muſte Gela-
nor geſtehen/ er haͤtte nicht geglaubet/ daß ein
Bauer ſo juſtement auf eine Staͤte ſchmeiſſen
koͤnte/ als nachdem er ſo eine vollkommene
Probe mit angeſehen. Es haͤtte auch leicht
geſchehen koͤnnen/ daß der gute Kerl waͤre um
ſein Leben kommen. Wenn nicht der Mann/
der in den Staͤdgen/ Haͤſcher/ Thürknecht/
Stundenruͤffer/ Marckmeiſter/ Geꝛichtsfron/
Blutſchreyer/ Stockmeiſter und alles war/
Hihn
[170]
ihn auß dem Gedraͤnge heraußgeriſſen/ und
mit ſich in das Wirthshaus zur’Apfelkammer
gefuͤhret hātte. Gelanor ſagte hierauff/ er
haͤtte nur gemeint/ es waͤren ſolche Schnap-
haͤne in groſſen Staͤdten anzutreffen. Da
habe er ſich offt verwundert/ warum ein Men-
ſche ſeinem eigenem Gluͤcke ſo feind ſey/ daß er
ſich dem Beutelſchneider-Leben ſo unbeſonnen
ergeben koͤnne. Bey einem Herrn wolle man-
cher nicht ein loſes Wort einfreſſen/ da er doch
alle Befoͤrderung von ihm zu gewarten haͤt-
te; hingegen lieſſe er ſich hernach die Bauern
lahm und ungeſund pruͤgeln/ und muͤſte wohl
darzu gewaͤrtig ſeyn/ daß er mit einem gnaͤdi-
gen Staupbeſen zum uͤberfluß bedacht wuͤrde:
Der Wirth kehrte ſich weg/ und ſtellte ſich als
waͤre im Hauſe etwas zu befehlen/ denn er hat-
te auch einen Vetter/ der zu Hamburg auf dem
Kack etliche Ballette getantzt hatte.
CAP. XIX.
GElanor gieng alſo auch vom Fenſter hin-
weg und gieng hinunter in das Haus/ da
ſtund der Hausknecht und weinte bittere Zaͤh-
ren/ Eurylas, der dabey war/ fragte was ihm
zu Leide geſchehen waͤre. Ach ihr Herren/
ſagte
[171]
ſagte er/ ſoll ich nicht uͤber mein Ungluͤck Thraͤ-
nen vergieſſen? Da wollen alle Leute an mir
die Schuh wiſchen/ O wer ſich nur ſolte ein
Leid anthun! gedenckt nur wie mirs geht! da
iſt meine Frau in die Wochen kommen/ und
hat einen jungen Sohn bracht. Nun ſoll
ich ja vor allen Dingen drauf dencken/ wie ich
des jungen Heydens los werde/ und einen neu-
en Chriſten davor kriege. Aber ihr Herr[en]/
ihr wiſt es ſelber/ das Werck laͤſt ſich nit thun/
ich muß ehrliche Leute zu Gevattern haben.
Gleichwohl geht mirs ſo naͤrriſch/ daß ich
flugs moͤchte davon lauffen. Da iſt ein Kerle/
dem hab ich in dieſem Gaſthoffe wohl ſechs-
tauſend Glaͤſer Bier eingeſchenckt/ den wolt
ich bey dieſem Ehrenwercke gerne haben/ we-
gen der alten Bekandſchafft. Aber er/ at
mir den Gevatterbrieff zuruͤck geſchickt au[ß]
Urſachen/ weil ich ihn nicht Edler/ Wohl-Eh-
renveſter titulirt. Eurylas/ fragte weiter/
wer es denn waͤre/ ob es ein vornehmer Mann
ſey/ der den Titel verdienet habe? der Knecht
gab zur Antwort/ er wiſſe nicht wie hoch einer
vor dem andren geſchoren ſey; doch ſagten alle
Leute/ der Kerle ſey im Kriege bey einem O-
berſten ein Bißgen vornehmer als ein Schuh-
putzer geweſen; ſo habe der Herr Rector (alſo
H ijward
[172]
ward der Præceptor Claſſicus genant/ der
Cantor, Baccalarius, und infima \& ſuprema
Collega zugleich war) gemeint/ es ſey genug
wenn er ſchriebe Ehrenwohlgeachter. Nun
ſey der Groſchen vergebens außgegeben/ da
der Steiß-Paucker vor das Geld hãtte Edel
und Wohl-Ehrenveſt koͤnnen hinſchreiben.
Eurylas ſprach ihm Troſt zu/ er ſolte ſich zu
frieden geben/ wenn es ja an Gevattern man-
gelte/ ſo haͤtten ſie einen Mahler bey ſich/ der
das Chriſtliche Werck auf ſich nehmen koͤnte.
Der Hausknecht wolte ſich noch nicht zu frie-
den geben/ biß er einen andren Brieff geſchrie-
ben/ und ſeinen außerleſenen Gevatter verſoͤh-
net haͤtte; da nam Eurylas den Mahler und
dictirte ihm folgenden Brieff.
rer/ Hochbenahmter/ Hoch- und Wohl-
Mannhaffter/ Hoch-Ehren-Wohlge-
achter und Hocherbarer Herr.
Eurer Edlen und Wohl-Ehrenveſten
Herrligkeit kan ich nicht bergen/ daß meine
Tugendſame Hausehre die Chriſtliche Kir-
che mit einer Maͤnnlichen Perſon vermehret.
Wenn ich denn auß tragendem vaͤterlichen
Ampte mich nach vornehmen Paten uͤmbſe-
hen muß/ Und aber Eure Edle Wohl-Ehren-
veſte
[173]
veſte Herrligkeit mir iederzeit mit guter Affe-
ction zugethan geweſen. Als iſt an Eure
obgedachte Edle Wohl-Ehrenveſte Herrlig-
keit mein gehorſamſtes Bitten/ dieſelbe wolle
geruhen/ durch dero Edle und Wohl-Ehren-
veſte Præſenz die Chriſtliche Verſammlung
zu vermehren/ und das arme Kind in dero Ed-
le und Wohlehrenveſte Affection auf- und an-
zunehmen. Solche Edle und Wohlehren-
veſte Wohlthat weide ich in meiner Niedrig-
keit nicht allein erkennen: ſondern werde auch
in deſſen Edlen und Wohlehrenveſten Dien-
ſten zu leben und zu ſterben beflieſſen ſeyn.
E. Edl. und Wohlehrend. Herrligk.
Unterthaͤniger Haus-Knecht
Steffen Leipeltz.
Solchen Brieff gab Eurylas dem Haus-
Knechte/ und weil er nicht leſen konte/ laß er
ihm was anders vor/ daß der gute Tropff
gar wohl mit zu frieden war/ damit ſchickte
er die Kindfrau fort. Nun gefiel dem neuen
Herr Gevatter die Außſchrifft ſehrwohl/ daß
er die Frau gar freundlich abfertigte/ allein
dz inwendige fuhr ihm in d’Naſe auf wie Pfef-
fer. Er ſchickte alſo fort nach dem Hausknech-
te/ und fragte ihn/ wer dieſen Brieff geſtellet
haͤtte? der Knecht beſorgte ſich nichts Boͤſes/
H iijund
[174]
und ſagte die rechte Wahrheit: da fieng der
Fincken-Ritter an/ ich ſehe es/ du biſt auſſer
Schuld/ denn du kanſt/ nicht leſen/ da haſtu ein
Gold guͤlden Patengeld/ unſer Haus-Knecht
ſoll vor mich ſtehen/ aber morgen will ich zu
euch zum Biere kommen/ und da will ich dem
Schreiber ſeine Arbeit geſegnen. Der Knecht
referirte ſolches dem Eurylas, der war uner-
ſchrocken/ und vexierte unterdeſſen den Mah-
ler/ als welchen immer leid war/ daß man ihn
in der Patſchke ſtecken laſſe. Denn ob/ ſie
zwar nicht Willens geweſen/ ſich an dem Or-
te lang auf zu halten/ war doch ein Pferd ver-
nagelt worden/ daß ſie alſo wieder ihren Wil-
len dem Thiere ſeine Ruh goͤnnen muſten. Der
morgende Tag kam/ das Mittagsmahl war
fertig/ als ſich der Edle Wohl-Ehrenveſte
Herr Ober Stiefel Inſpector einſtellete. Er
hatte eine braune Kappe an/ und ein elend Ca-
miſol darunter/ das hieb und ſtich frey war:
an der Seite hieng eine breite Bloͤtze/ damit
er auf einen Hieb ſieben Krautkoͤpfe haͤtte koͤn-
nen abhauen. Ein Junge muſte ihm einen
Saͤbel nachtragen/ der ſo ſchrecklich außſah/
daß einem von dem eꝛſten Anblicke haͤtte moͤgen
der Kopff vor die Fuͤſſe fallen.
Mit einem Worte alles zu begreiffen/ dem
Eury-
[175]
Eurylas war zu muthe/ als wenn ihm die Tuͤr-
cken und Tartarn waͤren zu gleich ins Land
gefallen. Gelanor und Florindo ſtellten
ſich gantz unbekant/ und aſſen vor ſich fort/
ingleichen machte Eurylas auch nicht viel
Weſens. Nun war dem guten Stuͤmper/
welcher vor dießmahl Horribilicribrifax heiſ-
ſen mag/ immer leid/ die Gaͤſte moͤchten etwan
nicht wiſſen/ wer er waͤre/ und moͤchten dan-
nenhero vor ſeinem Zorne nicht gar zu hoch er-
ſchrecken: Gleichwohl aber wolte ſich kein
Diſcurs fuͤgen/ dabey er ſeine Heldenmaͤſſige
Thaten haͤtte angebracht. Darum mußte
er ſich mit des Wirths Sohn einlaſſen/ der
ſich auf der nechſten Schule ſonſten auffh[ielt]
und dazumal zu dem Hr. Vater in pat[r]iam
verreiſet war: Junge ſagte er zu ſeinem S[e]r-
viteur, wo haſt du meinen Saͤbel/ bring ihn
nur in der Scheide her/ zeuch ihn nicht auß/ du
moͤchteſt Schaden thun. Hiemit wandte er
ſich zu dem jungen Lappen/ der viel wuſte/ was
der Krieg vor ein Ding waͤre/ und ſagte:
Das iſt ein Saͤbel/ der mir im Polniſchẽ Krie-
ge Dienſte gethan hat. Jch wolte ihm ſo
viel Ducaten goͤnnen/ ſo viel als Tartar-
Koͤpffe davor abgeflogen ſind. Jch ward bey
der koͤſtlichen Klinge des Blutvergieſſens ſo
H jvge-
[176]
gewohnt: daß ich offt mit meinen beſten Freun-
den Haͤndel kriegte/ und einem ein Zeichen
geben kunte. Sie wuſtens auch alle/ darum
ſchickten ſie mich mehrentheils auf die Par-
they/ nur daß ſie im Quartier unbeſchaͤdigt
blieben. Ja Czarnetzky hatte Gluͤcke/ daß er
mir auß den Haͤndẽ entwiſchte/ ich hatte ihm/
ſoll mich der und jener/ ſchon die Charpe vom
Leibe weggebauen: doch man weiß wohl/ was
die Pohlniſchen Kloͤpper vor Kroͤten ſeyn/ wie
ſie durch gehẽ Sonſt haͤtte es geheiſſen/ Bru-
der/ gib eine Tonne Goldes Rantzion/ oder ich
haue dich/ daß dir die Caldaunen am Sattel-
knopffe haͤngen bleiben Ach das war ein Lebẽ
drey Teutſche/ ſieben Pohlen/ zehen Coſacken/
vierzehn Tartarn/ und ein halbſchock Muſco-
witter warẽ mir als ein Morgẽbrod. Jch achte
ſie offt nicht ſo gut/ daß ich auf ſie loßgeſchla-
gen haͤtte/ biß mir die Hunde ſagten/ ob ihrer
nicht mehr waͤren. Aber ich wuſte/ daß
ich mich auf mein Gewehr verlaſſen konte.
Haͤtte ich meinen Bachmatt/ der mir in der
Schlacht vor Warſchau erſchoſſen ward/ nur
ein halb Jahr eher kriegt/ ich wolte funffzig-
tauſend Thaler reicher ſeyn. Er gieng in ei-
nem Futter dreyſſig Meylen hin und her/ als
wenn ihm nichts drum waͤre. Ein Moraſt/
der
[177]
der nicht breiter war/ als etliche Acker/ war
ſeine Luſt/ daß er druͤber ſpringen ſolte. Ein-
mahl jagte ich den Pohlen nach/ biß in ein
Staͤdgen/ da ſchloſſen ſie das Thor zu/ und
meynten ſie haͤtten mich gar gewiß. Aber
da ſie zu Rathe giengen/ wie ſie mir beykaͤmen/
ſetzte ich uͤber die Stadtmauer weg/ und ſtellte
mich ins blancke Feld: der Hencker haͤtte die
Kerlen geritten/ daß ſie mir waͤren nachkom-
men. Ein andermahl umbringte mich eine
gantze Compagnie Tartarn/ aber ich ſprengte
uͤber die gantze Schwadrone weg/ und ſchmieß
mit dem Foͤrderbeine den Rittmeiſter/ mit den
Hinterbeinen den Cornet/ vor die Koͤpffe/ daß
ſie wohl ihres Party-gehens vergeſſen haben.
Jch moͤchte mir wohl ſo viel dergleichen Pfer-
de wuͤnſchen/ als ich mit dieſem eintzigen durch
die Weichſel und durch den Dnieper ge-
ſchwummen bin. Und was das beſte war/
das Thier hatte einen Verſtand/ als ein
Menſch/ es legte ſich flugs auf die Streu zu
mir/ und ſchlieff die gantze Nacht mit. Hatte
ich Meet oder Brandtewein/ das Pferd ſoff
ſo einen dichten Rauſch/ als ein Kerl. Ewig
Schade war es/ daß es ſo liedeꝛlich ſolte dꝛauff
gehen/ und ich ſolte es nicht außſtopffen/ oder
zum wenigſten begraben laſſen. Ja wohl/ eſ
H viſt
[178]
iſt eine brave Sache umb den Krieg/ wenn
einer courage hat/ und weiß ſie recht zu ge-
brauchen. Doch wolte ich es keinem rathen/
daß er ſich ſo uͤbel verwahrte/ als ich. Mein
Oberſter/ bey dem ich war/ wuſte/ daß er ſich
auf mich verlaſſen kunte/ drum verhinderte er
mich an meinem Gluͤck/ daß ich bey allen Offi-
cir-Stellen/ die mir angetragen wurden/ dar-
neben hingieng. Nun giebt ſich noch ein Krieg
an/ mein Saͤbel ſoll mir noch eine Graffſchafft
erwerben/ du ehrlicher Saͤbel/ haſtu nichts zu
thun/ moͤchteſtu nicht einmahl einem guten
Freunde eine Schmarre uͤber den Kopff hau-
en/ daß ein Bachmatt/ wie meiner war/ darauß
ſauffen koͤnte? Ja fuͤrwaꝛ/ du haſt ein Luͤſtgen.
Nun ſey zu frieden/ wo dich duͤrſt/ ich will dir
bald zu trincken geben.
Der Mahler hatte ſich dazumahl muͤſſen
mit zu Tiſche ſetzen/ dem war nun Angſt und
bange/ was auß dem Blutvergieſſen werden
ſolte/ und ob er nich auch etwas von Cinnober
darzu ſpendiren muͤſte. Eurylas hingegen/
dem ſonſt mehr ſolche Praler bekant waren/
lachte heimlich/ und wolte nur ſehn/ ob ſich der
Kerl an den Mahler reiben wuͤrde/ doch als
ſeine Auffichneiderey zu lange waͤhrte/ trunck
er ihm eins zu/ und ſagte: Mein Herr/ ich hoͤre/
er iſt
[179]
er iſt in dem Polniſchen Kriege geweſen/ hat
er nicht den Obriſten Widewitz gekennt/ der
die alte Timmertze oberhalb der Weichſel ein-
genommen hat? Der gute Kumpe verſtund
die Woͤrter nicht/ doch meynte er/ es waͤre ihm
ſchimpfflich/ wenn ihm etwas in Pohlen ſolte
unbekant/ ſeyn. Darumb ſagte er/ er ſey
ihm gar wohl bekant/ und habe er offt im Na-
men ſeines Oberſten Brieffe hin zu beſtellen
gehabt. Eurylas hatte ihn auf dem rechten
Wege/ darumb fragte er weiter/ ob er nicht
gehoͤret haͤtte/ daß derſelbige Obriſte einen
Hirſch durch das lincke Ohr und durch die
rechte Pfote mit einer Kugel zugleich geſchoſ-
ſen haͤtte? Ja ſagte er/ ich kam gleich darzu/
wie der Schuß geſchehen war. Eurylas wieß
hiermit auf den Mahler/ und fragte ob er deñ
dieſen guten Freund nicht kennte/ er haͤtte eben
uͤber demſelben Stuͤcke das Weidmeſſer
kriegt. Der ehrliche Horribilicribrifax wu-
ſte nicht/ wie er dran war/ doch wickelte er ſich
wieder herauß/ er waͤre gleich fortgeritten/
und haͤtte nicht obſervirt/ was ſonſt paſſirt
waͤre. Eurylas ſagte weiter/ gleichwohl haͤt-
te ſich dieſer rechtſchaffene Kerle uͤber ihn be-
ſchwert/ als waͤre er ſein Verraͤther geweſen/
und wenn es wahr waͤre/ ſo wolte er dieſen
H jvnicht
[180]
nicht mehr vor ſeinen Compagnon erkennen/
wo er den Schimpff nicht revengirte. Hor[-]
ribilicribrifax verſetzte/ er wuͤſte nichts davon/
doch wolte er es keinem rathen/ daß er ſich an
ihn machte/ wenn er nicht ſein Leben in Gefahr
ſetzen wolte. Eurylas kriegte hierauff den
Mahler bey dem Flaͤgel/ und ſagte/ wie ſitzt ihr
da/ als wenn ihr eure drey Pfund allein behal-
ten wollet/ macht fort/ und ſchmeiſt euren Ver-
raͤther an den Hals/ oder der kleinſte Junge/
den ich auf der Gaſſe finde/ ſoll euch Naſen-
ſtuͤber geben. Habt ihr ihm geſtern zur Bra-
vade einen Brieff ſchreiben koͤnnen/ ſo trettet
ihm auch heute unter das Geſichte. Jndem
ſich nun der Mahler beſann/ ob er ſich in Leib-
und Lebens Gefahr wagen wolte/ gieng der
andere mit rechten Bachmattß-Schritten zu
der Stube hinauß. Und wie der Hausknecht
erzehlte/ hatte er vorgegeben/ er waͤre uͤber-
mannet geweſen/ und wuͤſte wohl/ wie hoch ein
Todſchlag geſtraffet wuͤrde/ wenn man ihn
noch ſo raiſonable begangen haͤtte; doch ſolte
ihm einer auß der gantzen Compagnie im
Kriege begegnẽ/ er wolte ihm den Saͤbel zu ko-
[ſt]en geben. Ho ho! ſagte Eurylas, haben wir
ſolang noch Zeit/ ſo vexiren wir den Moſco-
witer noch einmahl. Damit redte einer dieß/
der
[181]
der ander das von dem elenden naͤrriſchen
Auffſchneider: Etliche verwunderten ſich uͤ-
ber die ungereimten Luͤgen: Andere lachten
daruͤber/ daß mancher ſo ſtreng uͤber ſolchen
Tituln hielte/ die er kaum halb verdient haͤtte.
Aber Gelanor machte nicht viel Wunders/
was iſt es nun mehr/ ſagte er/ daß ein Kerl et-
was liberal im reden iſt/ wenn er ſeine Repu-
tation dadurch beſtaͤtigen ſoll. Thutes doch
die gantze Welt/ was ruͤhmen die Gelehrten
nicht von ihren ſonderlichen Meinungen/ die
Medici von ihren arcanis, die Juriſten von ih-
ren Exceptionibus, die Philologi von ihren
Manuſcriptis, die Kauffleute von ihren Wah-
ren/ die Schaͤffer von ihrer Keule/ und was
des Pralens mehr iſt? Hat es nun der gute
Schoͤps zu mercklich gemacht/ was kan er da-
vor/ daß er den Schalck nicht ſo wohl verber-
gen und vermaͤnteln kan/ als die andern? Auch
was die Titul betrifft/ warumb ſoll er eben der
Narr alleine ſeyn/ da ſich ſo viel Leute umb die
Narrenkappe ſchlagen und ſchmeiſſen wollen/
und da nunmehr die gantze Brieffſchreiberey
in dieſer Zierligkeit beſteht/ daß man die Emi-
nentzen/ Excellentzen/ Reverentzen und Peſti-
lentzen fein nach der Tabulatur herſchneiden
kan. Darumb duͤrffen wir den guten Men-
H vijſchen
[182]
ſchen nicht außlachen/ oder wenn wir ſolches
thun wollen/ haben wir nicht Urſache/ daß wir
vornehmere Leute vorbey gehen/ und bey die-
ſer elenden Creatur den Anfang machen wol-
len. Und dieß war dazumahl das Lied vom
Ende.
CAP. XX.
WEiter begegnete der Compagnie
nichts ſonderliches/ biß ſie fortreiſeten/
da kam ein alter Mañ mit in die Geſellſchafft/
nebenſt einem jungen Menſchen von fuͤnff biß
ſechs und zwantzig Jahren. Nun wuſten
ſie nicht/ was ſie von dieſem jungen Keꝛl geden-
cken ſolten. Denn bißweilen [ſ]prang er vom
Wagen/ und gieng ein wenig: Bald ſpitzte
er das Maul/ und pfiffe eine Sarabande daher/
als trotz ein Canarien Vogel: Bald nahm er
den Kamm auß der Taſche/ und kaͤmte ſich:
bald fieng er an zu ſingen/ tira tira tira, Soldat
tira, bald fiſtulirte er wie ein Capaun/ Ayma-
ble bergere quand tromperons nous, la gar-
de ſefere d’ un mary jaloux. S’il n’ eſt pas
honeſte il eſt du devoir, de luy mettre au te-
ſte ce q’il croit avoir; bald zog er einen Puffer
auß der Ficke/ und kuͤnſtelte dran: bald knuͤpff-
te er
[183]
te er die Ermelbānder anders: bald war ihm
die Schleiffe auf gefahren/ damit er die Haa-
re biß an die Ohren auffgebunden hatte; Bald
nahm er den Hut/ und drehte ihn auf dem Fin-
ger etliche mahl herumb. Als ſie ins Wirths-
Haus kamen/ und die andern ihre Meſſer und
Gabel außzogen/ grieff dieſer mit allen Fuͤnf-
fen in den Salat/ und machte ſonſt abſcheuli-
che Gauckelpoſſen. Endlich tadelte er das
Brod/ es waͤre nicht recht außgebacken/ in
Franckreich koͤnte man ſchoͤn Brod backen:
da ſagte der Alte: Ach du elender Teufel/ das
Brod iſt laͤnger im Backofen geweſen/ als du
in Franckreich. Da merckten die anderen/
daß der Kerl ein gereiſter Monſieur waͤr/ und
daß er eben deßwegen ſo liederlich gethan/ daß
man ihm die Frantzoͤſiſche Reiſe anſehen ſolte.
Darneben obſervirten ſie/ daß der gute
Menſch vielleicht auf der Poſt durch Pariß
moͤchte geritten ſeyn/ wie jener/ der beklagte
ſich/ es huͤlffe ihm nichts/ daß er auf Pariß ge-
zogen waͤre/ denn es waͤre zu ſeiner Zeit ſo fin-
ſter drinn geweſen/ daß man kein Hauß von
dem andern unterſcheiden koͤnnen. Und als
man nachfragte/ war der Poſtilion gleich in
der Mitternacht mit ihm durch paſſirt/ als der
Mond im letzten Viertel geweſen. Doch
war
[184]
war keiner/ der ihn in ſeinen Gedancken beſſer
entſchuldigte/ als Gelanor: denn er hatte rai-
ſon liederlich zu thun. Ein ander/ der ſich et-
liche Jahr in fremden Laͤndern verſucht hat/
kan durch ſeine Actiones leicht darthun/ daß
er kein Haus-Veix ſey: Aber ſo ein Menſch/
mit dem es etwas geſchwinde zugegangen/
moͤchte ſich leicht unter den Aepffelbratern
verliehren/ wenn er nicht alle Leute mit gantzer
Gewalt bereden ſolte/ wo er geweſen waͤre.
Nach der Mahlzeit gerieth Gelanor, mit dem
Alten in Diſcurs, und befand/ daß es kein une-
bener Mann war; dieſer beklagte ſich nun uͤber
dieſen jungen Frantzoſen/ man koͤnne ihn zu
nichts bringen/ daß er mit Luſt thaͤte/ und dar-
bey er beſtaͤndig bliebe: alle Tage wolle er et-
was anders werden/ bald ein Gelehrter/ bald
ein Kauffmann/ bald ein Soldat/ bald ein
Hoffman; und ſolche Abwechſelung hab er nun
biß in daß fuͤnff und zwantzigſte Jahr getrie-
ben. Neulich ſey er gleichſam verſchwunden/
daß kein Menſch gewuſt/ wo er blieben. End-
lich in acht Wochen hab er ſich wieder præ-
ſentirt, in dieſer Frantzoͤſiſchen Geſtalt/ als
wie mann ihn noch ſehen koͤnte. Nun wolle
er an einem vornehmen Orte Hoffmeiſter
werden/ aber die Luſt wuͤrde auch nicht lang
waͤh-
[185]
waͤhren. Eurylas ſagte; der wunderliche
Kautz habe wohl verdienet/ daß man ihn et-
was vexirte/ der Alte war es wohl zu frieden.
Derhalben/ als ſie wieder zuſammen in die
Kutſche ſaſſen/ fiengen ſie darvon an zu reden/
wie das dieſer Sauſewind in keiner Sache
beſtaͤndig waͤre/ als in ſeiner Unbeſtaͤndigkeit.
Er entſchuldigre ſich/ und wuſte ſeine Urſa-
chen recht vernuͤnfftig und nachdencklich an-
zufuͤhren. Denn als Eurylas fragte/ wa-
rumb er ſein Studieren nicht fortgeſetzt/ ſo
erzehlte er ſeinen gantzen Lebenslauff. Jch
ſolte/ ſagte er/ freylich ſtudieren/ und einen Ju-
riſten abgeben/ aber ich bedachte dieß/ wie
leicht koͤnte ich eine Sache wider einen Edel-
mann gewinnen/ der mirs nachtruͤge/ und mir
wohl gar einen Fang mit dem kalten Eiſen
gaͤbe: Oder wenn ich im Winter einen Ter-
min haͤtte/ und ſtolperte mein Pferd auf dem
Eiſe/ daß mir das Bein im Stieffel zerbraͤ-
che/ und niemand waͤre bey mir/ muͤſte ich
nicht als ein Hund verderben? Oder wenn
ich von meinen Clienten tractirt wuͤrde/ daß
ich in der Nacht reiſen muͤſte/ und führte mich
ein Jrrwiſch in das Waſſer; Nein/ nein/ ich
moͤchte nicht. Die Kauffmannſchafft beliebte
mir/ aber in wenig Wochen fiel mir ein/ ſieh
da/
[186]
da/ wenn du einen Kauffmann in einer an-
dern Stadt vor 10000. Rthl. Wahren cre-
ditirſt/ und es kaͤme ein Erdbeben/ daß die
Stadt mit allen Leuten untergienge/ wo krie-
geſt du deine Bezahlung? Oder wenn du kein
Gewoͤlbe zu mieten kriegſt/ wo wolſtu deine
Wahren außlegen? Oder wenn du einen
Pack von inficirten Orten her bekaͤmeſt/ daß
du moͤchteſt des Todes uͤber dem Außpacken
ſeyn. Nein/ nein/ unverworren mit ſo einer
gefaͤhrlichen Profeſſion. Drauff wolte ich
die Haushaltung vor die Hand nehmen/ daß
ich mit der Zeit ein Adeliches Guth haͤtte pach-
ten koͤnnen; Aber ich bedachte mich/ wie leicht
waͤre es geſchehen/ daß deine Frau mit But-
ter und Kaͤſen zu thun haͤtte/ und gebe das
Kind einem Bauermaͤdgen zu warten/ das
thumme Rabenaaß trüge es im Hoffe herum/
und kaͤme gleich der Klapperſtorch/ und wolte
ſich auf dem Schorſtein ein Neſt zu rechte
bauen/ der ſchmieß einen Stein auf die Dach-
ziegel/ das ein halb Schock herunter floͤgen/
wer haͤtte nun das Hertzeleid/ wenn dem Kin-
de die Hirnſchale enzwey geſchmiſſen waͤre/ a[l]s
eben ich? Oder wenn der unachtſame Aſchen-
broͤdel das Kind an die Thuͤr legte/ und kaͤmen
die Schweine und fraͤſſen ihm/ mit zuͤchten zu
mel-
[187]
melden/ wer weiß was vom Leibe ab. Oder
wenn im Winter ein Dieb in den Kuͤhſtall
braͤch/ und zoͤge den Kuͤhen Stieffel an/ daß
man die Spur nicht merckte. Ach nein/ in ſol-
che Gefahr begehrte ich mich nicht zu ſtecken.
Alſo dacht ich wieder an das Studieren/ und
wolte ein Medicus werden. Allein in vier-
zehen Tagen ward ich kluͤger. Wie leicht
haͤtte mir eine Retorte koͤnnen zu ſpringen/ daß
mir die Scherben im Geſichte waͤren ſtecken
blieben. Oder wie leicht koͤnte die Magd ei-
ne Katze in das Laboratorium laſſen/ die mir
vor tauſent Thaler Glaͤſer auf einmahl umb-
wuͤrffe. Oder wie leicht koͤnte mich ein Ban-
dit niedermachen/ wenn ich wolte zu Padua
Doctor werden? Damit aͤnderte ich meinen
Vorſatz/ und hatte zum Bierbrauen Luſt;
Doch erwog ich dieſes/ wenn ich einmahl ein
gantz Bier zu brauen haͤtte/ und fiele unver-
ſehens ein Hund in den Bottich/ ſo waͤre das
Bier zu meinem Schaden verdorben. Oder
wenn meine Frau die Faͤſſer ein wenig mit
friſchem Brunnwaſſer wolte fuͤllen laſſen/ es
haͤtte aber ein ſchabernaͤckiſcher Nachbar
Heckerling in den Brunnen geſchuͤtt/ daß alſo
die Leute fruͤh lauter Heckerling im Bier fuͤn-
den/ wuͤrde mir dieß nicht eine Ehre ſeyn?
Es
[188]
Es waͤre zu lang alles vorzubringen; dieß
war der Jnhalt ſeiner Rede/ er haͤtte nach die-
ſem bald ein Mahler/ bald ein Prieſter/ bald
ein Goldſchmied/ bald ein Schreiber/ bald
ein Hoffmann/ bald ein Dinten[kle]cker werden
wollen; doch ſey er allzeit durch dergleichen Er-
hebligkeiten abgeſchreckt worden. Eurylas
fiel ihm in den Diſcurs, und ſagte/ warum be-
denckt er denn nicht/ was ihm bey ſeiner Hoff-
meiſterey moͤchte zu Handen ſtoſſen/ weiß er
nicht/ daß die von Adel auf ihren Vorwegen
Hoffmeiſter haben die nicht viel beſſer ſeyn/ als
ein Großknecht? Weñ nun ſein Principal ein-
mahl ruffte/ komm her Hoffmeiſter/ du ꝛc
koͤnte nicht leichtlich ein Mißverſtand darauß
erwachſen? Der Teutſche Frantzoß beſann
ſich etwas/ doch fiel ihm endlich dieß expedi-
ens bey/ er wolle ſich à la francoiſe laſſẽ Gou-
verneur heiſſen. Eurylas wandte ein/ dieß
waͤre ein boͤß Zeichen/ denn gleich wie ein
Spaniſcher Gouverneur ſelten uͤber 3. Jahr
zu guberniren haͤtte/ alſo moͤchte mancher
urtheilen/ er wuͤrde es nicht viel uͤber drey
Wochen bringen. Sein Rath waͤre er fien-
ge einen Gewandſchnitt mitt Tauben an.
Denn wo ein Baar ſechs Pfennige guͤlte/ und
er verkauffte tauſend/ ſo haͤtte er unfehlbar
zwan-
[189]
zwantzig Thaler und zwantzig Groſchen. Der
Alte lachte hierauff/ und verwieß ſeinem Vet-
ter/ daß er nicht allein ſo liederlich lebte/ ſon-
dern auch den Lebenslauff zu erzehlen keinen
Scheu truͤge. Das waͤre die hoͤchſte Narr-
heit/ daß man auf keiner Meynung beſtaͤndig
bliebe/ und habe Seneca wohl geſagt: Stultus
quotidie incipit vivere. Uber dieß habe er
ſich dergleichen Urſachen abſchrecken laſſen/
welche mehr zu verlachen/ als zu bedencken
waͤren. Denn auf ſolche Maſſe duͤrffte man
nicht in der Welt bleiben/ alldieweil man auf
allen Seiten der Gefahr unterworffen ſey.
Ein andermahl ſolle er dencken/ daß ein an-
daͤchtiges Gebete/ und ein gnaͤdiger Gott/ al-
len furchtſamen Sachen leicht abhelffen
koͤnne.
CAP. XXI.
MJt ſolchen Reden brachten ſie die Zeit
hin/ biß in die Stadt/ da ſie gleich im
Wirthe hauſe viel Perſonen antraffen/ welche
in einer benachbarten Stadt auf der Meſſe
geweſen. Gelanor fragte/ ob was neues da-
ſelbſt paſſirte/ und da ſagte einer diß/ der ander
das. Endlich ſagte ein Kerl der am ſchwar-
tzen
[190]
tzen Gefieder faſt einem Studenten aͤhnlich
war/ er ſchaͤtzte ſich gluͤckſelig/ daß er eben dieſe
Meſſe beſucht haͤtte/ denn er habe einen treff-
lichen Extract von allerhand wunderſchoͤnen
Tractaͤtgen außgeſucht/ darauß er ſich in al-
len Facultaͤten perfectioniren wolte. Gela-
nor bekam ein Verlangen in die Raritaͤten zu
ſehen/ bat derhalben/ er moͤchte ihm doch etwas
auf eine Viertel-Stunde communiciren.
Der Student war willig darzu/ nur dieß ent-
ſchuldigte er/ die Materien waͤren nicht nach
ihren Facultaͤten und Diſciplinen außgeleſen/
ſondern er wuͤrde alles wie Kraut und Ruͤben
unter einander gemenget finden. Hiermit
oͤffnete er ſeinen Kuffer/ und da fande Gelanor
folgende Stücke/ welche wir in der Ordnung/
wie ſie gelegen/ referiren wollen.
- 1. De tribus literis X. Y. Z. in antiquo lapide
repertis. - 2. De Abſtractione abſtractiſſimâ.
- 3. An ſpatium imaginarium ſit ſubſtantia?
- 4. An Socrates intellexerit Quadraturam
Circuli? - 5. An Gymnoſophiſtæ potuerint formaliter
diſputare? - 6. De modo pingendi cucurbitas ſecundum
proportionem Geometricam, tractatus
ſex.
7. An
[191]
- 7. An ſi manſiſſent homines in ſtatu integri-
ratis, excrementa eorum fœtuiſſent? - 8. An Stolæ, quas Joſephus fratribus dedit,
fuerint holoſericæ? - 9. De Vaticinio Sauli Regis, cum eſſet inter
Prophetas. - 10. An Secta Mexicanorum propior ſit no-
ſtræ religioni, quàm Peruvianorum? - 11. An ſi Papa Alexander III. non calcaverit
cervicem Friderici Barbaroſſæ, Pontifex
nililominus ſit Antichriſtus? - 12. Antres Reges ſepulti ſint Coloniæ?
- 13. Quomodo Chinenſes expellere poſſint
Tartaros? - 14. An utile ſit Regi Galliæ, ut parium pote-
ſtas reducatur? Quæſtio ſingularis. - 15. An Imp. Juſtinianus Inſtit. de J. \& J. defi-
niverit Juſtitiam particularem, an univer-
ſalem? Diſſertationes quinque. - 16. Cur partus ſeptimeſtris rectiùs admitta-
tur quàm octimeſtris? - 17. An Politica ſit prudentia? Diſputationes
XXIII. - 18. An fundi Dominus jus habeat altiùs tol-
lendi usque in tertiam aeris regionem? - 19. An licentia peccandi pertineat ad Jura
Majeſtatis?
20. In
[192]
- 20. In quo Prædicamento ſit litis conteſta-
tio, quod ejus proprium Genus, quæ opti-
ma Definitio? Liber unus. - 21. An mulier arcta non ſit ſana?
- 22. An paſſeres laborent epilepſia?
- 23. An lues Gallica fuerit in uſu tempore
Caroli M.? - 24. Quomodo antiqui Japonienſes curave-
rint malum Hypochondriacum? - 25. An vetulæ poſſint rejuveneſcere?
- 26. De quartâ figurâ Galeni. Diſputatio
Medica. - 27. Hippocrates reſolutus per quatuot
cauſas. - 28. An pictor depingere poſſit ægrotum, ut
ex imagine Medicus de genere morbi ju-
dicare queat? - 29. De origine Nili.
- 30. De Hominibus in Sole viventibus.
- 31. De legitimâ conſequentiâ argumento-
rum purè negativorum. - 32. De ponte Aſinorum, \& modo eum orna-
tè depingendi, cum figuris æneis. - 33. An ignis ſit accidens?
- 34. An Darapti \& Felapton aliquid ſignifi-
cent ex ſua eſſentia? - 35. An, ſi Metaphyſica ſit Lexicon Philoſo-
phi-
[193]
phicũ, ea referenda ſit ad Grammaticam?
\&, ſi hoc concedatur, an ea tractanda ſit
in Etymologia aut in Syntaxi? quæſtio-
nes illuſtres XVII. - 36. De diſcrimine Mahumetiſmi apud Tur-
cas \& Perſas \& an Sperandus inter eos ſit
Syncretiſmus? - 37. De umbra Aſini, diſputatio optica.
- 38. An Aſina Bileamilocuta fuerit Hebraicè?
- 39. An primi parentes deficiente adhuc ferro
pedum manuumq́ue ungues dentibus aut
ſilicibus abraſerint? - 40. An Judas Iſcharioth rupto fune, quo ſe
ſulpenderat, inciderit lapidi aut gladio? - 41. An Abelus ante mortem locutus ſit cum
Parentibus? - 42. An Daniel Propheta intellexerit ludum
Schachicum ſeu latrunculorum? - 43. Utrum Bathſeba an Suſanna fuerit for-
moſior? - 44. De Modo acquirendi pecuniam.
- 45. An Ulyſſes projectus fuerit usque in A-
mericam? - 46. An Græci in, bello Trojano præcisè ha-
buerint mille naves? - 47. An Hollandi debeant tolerare piratas
Africanos?
I48. An
[194]
- 48. An objectum Politicæ ſint res omnes?
- 49. An Politica ſit ſupra Metaphyſicam?
- 50. An Romani antiqui geſtaverint pileos,
\& an rectiùs ſcribatur pilleus? - 51. De perfectiſſima Rep.
- 52. An Aſini annumerandi ſint feris anima-
libus? - 53. An qui in duello læſus eſt ad necem, con-
dere poſſie teſtamentum militare? - 54. An apud Aurifabros quisquiliæ ſpectent
ad Geradam? - 55. An pecunia à ſponſo ſpontè perdita voca-
ri debeat donatio ante nuptias? - 56. An hodie inter Senatores retinenda di-
ſtinctio, Illuſtrium, Superilluſtrium, Spe-
ctabilium \& Clariſſimorum? - 57. An oppidana ancilla cum ruſtico con-
cumbens per Se[t]um Claudianum, fiat ejus
Nobilis ſubdita, cui ſubeſt ruſticus? - 58. An primicerius ſit, qui ſecundicerium
non habet? - 59. An Autor noctium Atticarum vocetur
Gellius aut Agellius? - 60. Quis fuer it Merdardus, cujus mentionem
in colloquiis facit Eraſmus? - 61. De uſu quæſtionum Domitianarum?
- 62. An Cicero uſurpaverit vocabulum In-
gratitudo?
63.
[195]
- 63. An, queadmodum dicitur Mus die
Mauß/ ſic dici queat Lus die Laus/ exer-
citationes XX. - 64. An crepitum ventris emittenti ſit appre-
canda ſalus? - 65. Quatenus per vim Magneticam \& occul-
tas qualitates ſolvi poſſint omnes diffi-
cultates Phyſicæ? - 66. An poſita atomorum rotunditate ſequa-
tur vacuum in rerum natura? - 67. An, quoties à muribus vivorum porco-
rum adeps arroditur, aliqua ſimul devo-
retur formæ ſubſtantialis particula? - 68. An inter ruſticum eſurientem \& fruſtum
panis aliqua ſit anthipathia, ſicut inter
lupos \& oves? - 69. Quoto grano adjecto fiat cumulus?
- 70. An per potentiam abſolutam vulpes pos-
ſit eſſe anſer? - 71. De diſtinctionibus latè \& ſtrictè, explicitè
\& implicitè in omni diſputatione adhi-
bendis, Quæſtiones ſelectiores. - 72. An Lipſius de Conſtantia ſcribens habue-
rit ſummum bonum? - 73. De perfecte habea Hermolai Barbari
Schediaſma. - 74. An puer ſit dignus Auditor Ethices? \&
I 2an
[196]
an quiſpiam ante duodecimum ætatis
annum debeat corrigere ſeptuaginta in-
terpretes? opes poſthumum. - 75. An tot ſint Prædicamenta, quod ſunt hy-
driæ poſitæ in Cana Galilææ. - 76. An in ea diſciplina, quæ docet, qui ſit
prædicamentum, explicari commodè pos-
ſit Prædicamentalitas? - 77. De Steganographia Antediluvianorum,
eorumq́ue obeliſcis. - 78. Quomodo Characteres nihil ſignifican-
tes per commodam explicationem ali-
quid ſignificare incipiant? Quæſtiones
curioſæ - 79. De eadem omnium Linguarum ſcri-
ptura. - 80. De ritu aſſuendiſtultis tintinabula, cum
notis perpetuis \& figuris.
Gelanor ſuchte immer fort/ und vermeynte
die Sachen waͤren nur als Maculatur oben
angelegt. Doch als lauter ſolch Zeug nach
einander folgte/ ſchmieß er den Bettel hin und
nahm eine weiſſen Bogen Papier/ und ſchrieb
oben drauff: Excerpta rerum utilium ex his
tractatibus. Der Studente kam darzu/ und
fragte/ wie ihm die Wercklein gefielen. Gela-
nor ſagte/ da habe er die beſten Sachen her-
aus
[197]
gezogen. Dieſer verwunderte ſich/ wo er
denn die Excerpta haͤtte/ doch bekam er zur
Antwort/ man haͤtte nichts merckwuͤrdiges
gefunden/ und alſo haͤtte man auch nichts ex-
cerpiren koͤnnen. Denn es iſt warlich zube-
klagen/ daß man auß dem Studieren lauter
Eitelkeit macht/ und an ſtatt der herrlichen
Wiſſenſchafften/ ſolche brodloſe Grillenfaͤn-
gereyen auf die Bahne bringt/ gleich als haͤtte
man gar wohl Zeit darzu: daher iſt es auch
kein Wunder/ daß man bißweilen nicht gern
ein Gelehrter heiſſen will/ auß Beyſorge/ man
moͤchte auch vor ein ſolch animal diſputax \&
æs tinniens gehalten werden. Es waͤre zu
wuͤnſchen/ daß mancher zu einem Bunde der-
gleichen diſputationen noch ſo viel Geld ſpen-
dirte/ und lieſſe mit groben Buchſtaben forn
an druͤcken:
NECESSARIA IGNORABIMUS,
QUIA SUPERVACANEA DISCIMUS.
Der Studente hoͤrte die Rede mit an/ und
dachte/ der unbekante Praler verſtuͤnde viel/
was ein rechtſchaffener Gelaͤhrter wiſſen muͤ-
ſte/ packte darauff ein/ und reiſete fort.
CAP. XXII.
GElanor waͤre mit den Seinigen auch
fort gereiſet/allein er hoͤrte/ daß eine vor-
J iijnehme
[198]
nehme Stands-Perſon auff den andern Tag
eben in dem Wirthshauſe abtreten wolte.
Dieſer zu Gefallen/ blieben ſie zuruͤcke. Ge-
gen Mittage kamen zween wohlmundirte
Kerlen zu Pferde und beſtelleten es nochmals/
daß in anderthalb Stunden alles ſolte parat
ſeyn. Endlich folgte die gantze Suite, welche
in etliche 20. Perſonen beſtund. Der jenige/
welcher vor den Principal angeſehen ward/
hielt ſich ſehr praͤchtig. Seine Diener/ wel-
che zwar an Kleidern auch nichts mangeln
lieſſen/ muſten ihn als die halben Sclaven ve-
neriren. Ja als Gelanor, Florindo und die
andern ihm mit einer tieffen reverenz bege-
gneten/ that er nichts dargegen/ als daß er eine
gnaͤdige Mine uͤber die Achſel ſchieſſen ließ.
Da war nun alles auf das koſtbarſte zuge-
ſchickt/ wie denn der Wirth ſchon hundert
Thaler auf die Hand bekommen/ daß er nichts
ſolte mangeln laſſen. Zu allem Ungluͤck hatte
Florindo einen alten Diener der vor dieſem
der Kauffmanſchafft war zugethan geweſen/
der kante dieſen vornehmen Fuͤrſten/ daß er
eines Kauffmanns Sohn auß einer wohlbe-
kandten Stadt in Franckreich waͤre. Gelanor
ſtraffte ihn/ er ſolte ſich beſinnen/ in dem leicht
ein Geſicht dem andern etwas koͤnne aͤhnlich
ſeyn.
[199]
ſeyn. Doch beſtund dieſer drauff/ und ſagte
darzu/er kenne wohl ihrer ſechs auß der Suite,
Der Fourirer ſey ein Schneider/ der Mar-
ſchalck ſey etliche Jahr mit den Stapelherrn
herumb gelauffen: die zween Hoffjunckern
haͤttẽ ſich zu ſeiner Zeit auf die Balbier-Kunſt
verdingt/ und moͤchten nun außgelernet ha-
ben: ein Kammerjuncker ſey ein verdorbener
Kauffman/ und der Kutſcher ſey vor dieſem
bey einem von Adel Reitknecht geweſen. Sie
betraueten ihn nochmals er ſolte wohlzuſehen/
ehe er ſolche gefaͤhrliche Sachen gewiß mach-
te: Aber er blieb dabey/ und bat/ man moͤchte
ihm doch ſolche Thorheit nicht zumeſſen/ daß
er etwas ohne allen Grund wuͤrde vorbrin-
gen; Er wolle drauff leben und ſterben. Nun
waren etliche von Adel und andere Studen-
ten im Gaſthoffe/ welche des Knechts relati-
on angehoͤret. Zu dieſen ſagte Gelanor, was
duͤncket euch/ ihr Herren/ wollen wir dem neu-
backenen Fuͤrſten die Herrſchafft geſegnen.
Er iſt uns noch eine Complimente ſchuldig/
vor die Bicklinge/die wir gemacht haben/ die
muͤſſen wir nothwendig abfordern. Sie wa-
ren allerſeits willig darzu/ und verſicherte ſie
der Knecht/ ſie wuͤrden ſolche verzagte Beren-
heuter antreffen/ daß es keiner ſonderlichen
J jvGewalt
[200]
Gewalt wuͤrde von noͤthen ſeyn. Sie gieñ-
gen zu Rathe/ wie man die Sache am artig-
ſten anfangen moͤchte. Endlich ſagte Eury-
las, er wolle ſeinen Knecht vor einen Hoffnar-
ren außgeben/ dieſen moͤchten etliche dem Fuͤr-
ſten ſchencken. Gelanor wuſte/ was dieſer vor
ein Kautz war/ und ließ ſich den Anſchlag gefal-
len. Hierauff deputirten ſie etliche/ welche
ſich muſten anmelden laſſen/ als waͤren etliche
Baronen, die Verlangen trügen/ Jh. Durchl.
auffzuwarten. Mit genauer Noth konten
ſie vorkommen: doch war die Gnade hernach-
mahls ſo groß/ daß ſie bey der Tafel blieben.
Unterdeſſen muſte der Mahler mit den Fuͤrſtl.
Dienern bekandſchafft machen und ſie auſſer
dem Hauſe in einen Keller fuͤhren/ damit der
Tumult nicht zu groß wuͤrde. Alſo ſtund
nun der Hoffnarr vor dem Tiſche/ und machte
einen luſtigen Blick nach dem anderm biß der
Fuͤrſt fragte/ was diß vor ein Landsmann waͤ-
re. Alsbald ſagte einer/ es waͤre ein guter
Menſch/ der bey hohen Perſonen condition
ſuchte vor einen kurtzweiligen Rath auffzu-
warten. Und damit war es richtig/ der Fuͤrſt
nahm ihn in Beſtallung/ und fieng ſeine Kurtz-
weil mit ihm an. Nun machte der Kerle
wunderliche Poſſen/ Herr/ ſagte er/ wolt ihr
mein
[201]
mein Vater ſeyn/ ſo will ich euer Sohn ſeyn/
gebt mir nur zu Freſſen und zu Sauffen/ ſo
ſoll es an meinen Kindlichen Gehorſam nicht
mangeln. Aber/ Vater/ biſtu nicht ein Narr/
daß du ſo viel Schuͤſſeln auf dem Tiſche ſtehn
haſt. Kan ſich einer meines gleichen an ein
paar Gerichten ſatt eſſen/ ſo meynt ich/ du ſol-
teſt auch außkom̃en. Oder glaubſtu es nicht/ ſo
kom̃ her und weiſe auf/ wer den groͤſten Bauch
hat. Jch habe wohl ein beſſer Fuͤrſtlich Zei-
chen/ als du. Die ſaͤmtlichen Bedienten
lachten von Hertzen uͤber dieſen neuen Pickel-
hering/ doch ſie kriegten auch ihr Theil/ denn
er ſagte/ Vater/ wz machſtu mit dem Muͤſſig-
gaͤngern/ verlohnt ſichs auch der Muͤh mit
den Maſt-Schweinen/ daß du ſo viel Tiſch-
geld vor ſie giebſt. Mein Rath waͤre/ du ver-
ſuchſt es etliche Wochen/ ob ſie wolten lernen
Heckerling freſſen. Oder vielleicht kanſt du
ſie gar zum Hungerleiden angewehnen wie ich
meinen Eſel. Der kunte die Kunſt/ doch da
er ſie am beſten inne hatte/ da ſtarb er/ ſonſt
ſolter vor den Tiſch herkommen/ und ſolte da
mit ſeinen Bluts-Freunden eines herum trin-
cken: der Fuͤrſt ließ ſich die freymuͤtige Natur
des jungen Kerlen wohl gefallen/ und vertiefte
ſich mit ihm in einen Diſcurs, welchen wir be-
J vque-
[202]
quemerer Erzehlung halben herſetzen wollen
heiſſen.
Hoͤre/ wenn du wilſt mein Sohn ſeyn/
muſt du dich im Reden beſſer in Acht neh-
men.
Ey Vater laß du mich ungehoffmeiſtert/
du verſteheſt viel/ was zu einem Narren er-
fodert wird.
Nun du wirſt es machen/ aber ſag uns
doch/ wie heiſt du.
Jch habe keinen Namen. Aber/ Vater/ ſa-
ge du mir/ wo iſt dein Land.
Das wirſtu Zeit genug er fahren.
Vater/ du wirſt ohne Zweiffel ſehr reich
ſeyn/ ich hoͤre der Pfeffer und Jngwer/
Streuſand/ Bindfaden und Loͤſchpapier
wachſen in deinem Lande/ wie anders wo
die Tanzapffen.
O du alberner Tropff.
Ey nun Vater/ ich frage/ wie ich es ver-
ſteh. Aber was ſoll ich denn vor ein Aemt-
gen kriegen/ wenn du in deine Reſidenz wie-
der koͤmmſt.
Du ſollſt Futter Marſchalck uͤber die Ca-
narien Voͤgel werden.
Ach Vater/ mache du mich zum Futter-
Mar-
[203]
Marſchalck uͤber den Zucker Kaſten/ und
gib mir eine Moͤrſel-Keule in die Hand/
daß ich laͤuten kan/ wenn mir was fehlt.
Ein ſchoͤn Aemptgen. Aber warumb heiſt
du deinen Vater du?
Je ſieh doch/ es verlohnte ſich mit ſo einem
neubackenen — Vater/ daß ich ihm groſſe
Titel gãbe. Doch wo du mir ſagſt/ wie
weit dein Land von hier iſt/ ſo will ich dich
12. mahl Jhr heiſſen.
Es iſt ſo weit von hier biß dorthin/ als von
dort biß hieher.
Vater/ das haͤtte mir ein klug Menſch ge-
ſagt. Scheint es doch/ als wāreſtu auch
einmahl ein Kurtzweiliger Rath geweſen/
huy daß ſich das Blaͤtgen umbkehrt/ ich
werde Fuͤrſte/ und du wirſt Narr.
Du ſolſt dich wohl ſchicken.
Vater denckſtu denn/ daß du dich ſo wohl
in den Fuͤrſten Stand ſchickeſt/ wenn ich
nicht gewiß wuͤſte/ daß du ein vornehmer
Herr waͤreſt: ſo ſchaͤtzte ich dich auß deinen
Minen vor einen Tabackpfeiffenkraͤmer.
Ey du reſpectirſt deinen Herrn Vater
ſchlecht.
Es iſt ja wahr. Frage nur deinen Cam-
merdiener/ was du vor Reden im Schlaffe
fuͤhreſt
J vjSin.
[204]
Was ſag ich denn?
Jch habe nichts gehoͤret/ aber der Cam-
merdiener ſpricht/ du kanſt kaum einſchlaf-
fen/ ſo ruffſtu: Heinrich/ wo iſt die Wage?
ach fuͤrwar es iſt ohn dieß halb geſchenckt/
noch ſechs Pfennige auf das Loth/ nun vor
dießmahl mag es hingehen. Heinrich/ wo iſt
der Faden/ ꝛc.
Gelanor ſtund mit der gantzen Compa-
gnie vor der Thüre/ und hatten ihre ſonderli-
che Freude an dem vortrefflichen Fuͤrſten.
Doch mochten die letzten Reden zu empfind-
lich ſeyn/ daß er ſolche mit einem Naſenſtuͤber
belohnen wolte: Aber der gute Pizlipuzli
fieng an zu ſchreyen/ und der vermeynte Ba-
ron/ der den Narren recommendirt hatte/
gab ſein Wort auch darzu. Monſieur Printz/
ſagte er/ laſſet den guten Menſchen unberuͤhrt/
oder es wird ſich einer angeben/ der euch tra-
ctiren ſoll/ als den geringſten auf der gantzen
Welt. Der Fuͤrſt ſahe ſich umb/ und be-
gehrte/ man ſolte ſeiner Gnade nicht mißbrau-
chen: Er haͤtte Diener/ die ihn leicht darzu
bringen koͤnten/ daß er ſeine Unbeſonnenheit
bereuen muͤſte. Was/ replicirte dieſer/ ſollen
dieſe elende Creaturen mich darzu zwingen?
ſo muß ich zuvor tod ſeyn: ſchmieß darauff ein
Glaß
[205]
Glaß mit Wein vor dem Fuͤrſten auf den
Tiſch/ daß ihm der Wein in das Geſichte
ſpritzete. Jndem trat Gelanor mit den Sei-
nigen in die Stube/ der Fuͤrſt ſahe ſich nach
ſeinen Leuten uͤmb: Aber ſie ſaſſen bey dem
Mahler in dem Weinkeller/ und truncken ih-
res Fuͤrſtens Geſundheit: und alſo war Noth
vorhanden. Kurtz von der Sache zu reden/
der Printz kam in das Gedraͤnge/ daß er
mehr Maulſchellen einfraß/ a[l]s er Untertha-
nen hatte. Seine Junckern machten ſich
bey Zeiten darvon/ und nahmen mit etlichen
Creutzhieben vorlieb/ doch der Principal mu-
ſte außhalten. Da war nun alles preiß/ die
Kaſten wurden zerſchmiſſen/ die Fuͤrſtlichen
mobilia in den Koth getreten/ die ſchoͤnſten
Kleider in Stuͤcken zerſchnitten/ das Geld
theilten die Diener unter ſich/ und ob ſchon der
Wirth ſein beſtes zum Frieden ſprechen wol-
te; muſte er doch Knebel inne halten/ weil er
leicht etliche Tachteln haͤtte koͤnnen davon tra-
gen. Endlich kam Florindo über das Fuͤrſt-
liche Archivum, welches in einem Beykaͤſtgen
gantz heilig auff gehoben war; da waren nun
unterſchiedene Wechſelbrieffe/ abſonderlich
etliche Frantzoͤſiſche Schreiben/ darinn der
Kauffmann ſeinen Sohn ermahnete/ er ſolte
J vijſich
[206]
ſich nur reſolut halten/ an Gelde ſolte kein
Mangel ſeyn. Ho ho/ ſagte Eurylas/ iſt es
umb die Zeit/ dem ehrlichen Manne iſt gewiß
bange/ wo er mit dem Gelde hin ſoll. Jch
halte/ es wird ſich am Ende außweiſen/ daß
arme Witwen und wayſen oder ſonſt gute
Leute werden darben muͤſſen/ was dieſer Pra-
cher in ſeinem Fuͤrſtenſtande ſo liederlich und
unverantwortlich durchgebracht hat. Nun
waͤre noch viel zu ſchreiben/ was vor eine Paſ-
ſion mit dem Fuͤrſten geſpielet worden: was er
vor Beſchimpffungen eingefreſſen/ was er vor
Stirnnippel auf die Naſe genommen/ wie
zierlich die guͤldenen Spitzen auf ſeinem Sil-
berſtuͤck/ das nun lauter ſtuͤcke war/ herumb
gebaumelt; doch ruffte der Wirth die Obrig-
keit umb Huͤlffe an/ daß letztlich hundert Buͤr-
ger kamen/ und die Comœdie zerſtoͤrten/ wie-
wohl dem Fuͤrſten zum ſchlechten Troſt/ weil
er bey Erkaͤntniß der Sache/ mit in das Loch
wandern/ und biß auf des liberalen Vaters
koſtbare Außloͤſung allda verpauſiren muſte.
Was nun weiter vorgelauffen/ darumb haben
ſich die andern nicht viel bekuͤmmert/ ohn daß
ſie leicht geſchloſſen/ er wuͤrde brav in die
Buͤchſe blaſen muͤſſen. Alſo machte ſich Ge-
lanor mit den ſeinen auf den Weg/ und zogen
auf die Meſſe.
CAP.[207]
CAP. XXIII.
DA fiel nun nichts merckwuͤrdiges vor:
dann was gemeiniglich pflegt vor zuge-
hen/ iſt unvonnoͤthen zu erzehlen. Ob zum
Exempel einer feil gehabt/ und die Wahren
gerne doppelt theuer haͤtte verkauffen wollen;
der andere noch zehenmahl lieber uͤmb das
halbe Geld noch einmahl ſo viel kauffen wol-
len/ dieſe und dergleichen Haͤndel gehen allzeit
vor. Da geht ein Narr/ und vertroͤdelt das
Geld beym Frantzoſen: der haͤnckt es einem
Jtaliāner auf; der will die Hollaͤnder gern
reich machen. Einer kaufft die Schleſiſche
Leinwad bey einem Niederſachſen; die Weſt-
phaliſchen Schincken bey einem Thuͤringer;
den Reiniſchen Wein von einem Holſteiner;
die Wuͤrtze bey einem Pohlen; die Nuͤrnber-
ger Wahre bey einem Schleſier: Alles umb-
gekehrt und umb das doppelte Geld. Doch
wer wolte dergleichen Dinge auffſchreiben.
Miracula aſſiduitate vileſcunt. Ein Poſ-
ſen trug ſich zu/ der Lachens werth iſt. Dañ
da war ein Kerle/ der ſich gern bey dem Frau-
enzimmer wolte beliebt machen/ aber er hatte
eine gantz unangenehme Sprache/ und abſon-
derlich konte er das R. nicht außſprechen/ ſon-
dern ſchnarrte/ wie eine alte Regalpfeiffe/ die
ein
[208]
ein ſtuͤcke von der zunge verlohren hat. Die-
ſer hatte ſich laſſen weiß machen/ es waͤre in ei-
nem Gaſthoffe ein alter Doctor, der ſolchem
vitio lingvæ gar leicht abhelffen koͤnte. Nun
glautbe der gute Menſch der Relation, und
kam eben dahin/ wo unſere Compagnie ihr
Qvartier auffgeſchlagen hatte. Eurylas ſtun-
de im Hauſe/ und konte in ſeinem Schimmel-
kopffe wol gar vor einẽ Doctor mit lauffen. Zu
dieſem verfuͤgte ſich der Patient/ und klagte
ihm ſeine Noth/ welcher Geſtalt er mit ſo ei-
nem vexierlichen Malo behafftet/ dadurch er
offt bey dem Frauenzimmer in ſonderliche
Verachtung gerathen waͤre/ dann da koͤnne
kein Koͤnigsſpiel/ oder des Pfandaußloͤſens
oder ſonſt etwas geſpielet werden/ ſo muͤſte er
herhalten. Unlaͤngſt habe ihm eine Jungfer
auffgelegt/ er ſolte ſechs mahl in einem Athem
ſprechen; drey und drey ßig gebratene Erffur-
ter Nuͤrnberger oder Regenſpurger Brat-
wuͤrſte: Und da ſey ein ſolch Gelaͤchter ent-
ſtanden/ daß er bey ſich beſchloſſen/ nicht eher
in eine Geſellſchafft zu kommen/ als biß er dem
Gebrechen gerathen wuͤſte. Nun habe er
den Hr. Doctor wegen der gluͤckſeligen Curen
ruͤhmen gehoͤrt/ alſo daß er ſeine Zuflucht zu
keinem andern nehmen koͤnne/ baͤte nur mit
der-
[209]
derſelben dexteritaͤt/ dadurch er vielen behuͤlff-
lich geweſen/ auch ſeiner gegenwaͤrtigen Noth
beyraͤthig zu erſcheinen. Eurylas, der keinen
Poſſen außſchlug/ wann einer zu machen war/
hoͤrte den Menſchen mit groſſer Gedult/ und
bließ die Backen ſo groß auf/ daß man ge-
ſchworen haͤtte/ er waͤre ein Doctor. End-
lich als er reden ſolte/ ſagte er/ mein Freund/
ich bin deswegen da/ ehrlichen Leuten auffzu-
warten. Jch weiß mich auch zu beſinnen/
daßich unteꝛſchiedene Perſonen von dem groſ-
ſen Gebrechen der Zunge befreyet habe. Al-
lein der Herr koͤmmt mir zu alt vor/ daß ich
nicht glauben kan/ als wuͤrde er die Schmer-
tzen daꝛbey außſtehen. Dann er dencke ſelbſt
nach/ wann einem die Zunge auf das neue ſoll
geloͤſet werden/ ſo muß das Fleiſch im Rachen
noch jung ſeyn. Gleichwohl dieſer Reden
ungeacht/ bat der gute Kerle Himmelhoch/ er
moͤchte ſich doch uͤber ihn erbarmen; er haͤtte
ſein gantz Vertrauen auf ihn geſetzt/ und wolte
er nun nicht hoffen/ als ſolte dieſe ſeine Hoff-
nung zu Waſſer werden. Kurtz/ das Bitten
waͤhrte ſo lang biß ſich Eurylas reſolvirte/ ei-
nen Doctor zu agiren/ und dem Menſchen das
Schnarren zu vertrejben. Allhier wird man-
cher Medicus lachen/ als waͤre dieſe Cur wohl
mit
[210]
mit Schanden außgeführet worden/ und ich
frage den Kluͤgſten unter allen/ und wann er
ſich bey einem Comite Palatino haͤtte creiren
laſſen/ was haͤtte er wohl in dergleichen caſu
verordnen wollen/ gelt er weiß nichts? Und
wann Eurylas mit ſeinem Specifico wird auff-
gezogen kommen/ ſo wird es ihm gehen/ wie
dem Columbo mit ſeinem Ey/ das konte nie-
mand zu ſtehen machen: Aber als er es auf
die Spitze ſchlug/ konten es alle nach thun.
Nun wir wollen ſie rathen laſſen/ und unter-
deſſen etwas anders erzehlen. Es waren/ wie
in Meſſen zu geſchehen pflegt/ viel fremde Leute
in dem Gaſthofe beyſammen. Unter andern
war ein junger Menſch/ der in ſeinem Sam-
metpeltze was ſonderliches ſeyn wolte/ dieſer
kam zum Wirthe/ und begehrte/ man moͤchte
ihm die Oberſtelle geben/ ſonſt habe er nicht in
willens bey Tiſche zu bleiben. Er ſey eines
vornehmen Mannes Sohn/ mit welchem ſich
die andern nicht vergleichen duͤrfften. Der
Wirth ſagte/ er habe damit nichts zu thun/
die Gaͤſte moͤchten ſich ſelbſt ordnen/ ſo gut ſie
wolten: doch gieng er zu etlichen und gedachte/
was dieſer geſucht haͤtte. Gelanor lachte
der eiteln Thorheit des Menſchen: dann ſo
fern an allen Orten die præcedentz Streite
nicht
[211]
nicht zu verwerffen ſind; ſo iſt es doch Eitel-
keit/ daß man die Narrenkappe im Wirths-
hauſe ſuchen will/ da ein ieder oben an ſitzt/ der
Geld und gute Qualitaͤten hat. Nun ſie
legten es mit einander ab/ wie ſie den ehrſuͤch-
tigen Kerlen wolten zu ſchanden machen/
drumb als die Mahlzeit fertig war/ und des
Wirths kleiner Sohn vor dem Tiſche gebe-
tet hatte/ ſtunden ſie gantz ſtille/ und ſahen ein-
ander an/ gleich als wuͤſten ſie nicht/ wer der
vornehmſte waͤre. Der gute Stutzer wolte
ſich den Zweiffel zu Nutz machen/ und ſagte/
Meſſieurs, es nehme ein jeder ſeinen Platz/
ſatzte ſich hierauff an die Stelle/ die ſonſt vor
die Oberſte an der Tafel pflegt gehalten zu
werden. Gelanor mit den ſeinigen ſatzten
ſich auch/ und machten die vornehmſte Reihe
von unten auf/ daß der Mahler und etliche
lumpichte Diener/ die ſonſt haͤtten auffwarten
muͤſſen/ neben dem Ju[n]cker oben an zu ſitzen
kamen/ der Vorſchneider nahm es auch in
Acht/ daß der Unterſte ſein Stuͤck zu erſt
kriegte: was ſolte der gute Kerl oben anfan-
gen/ ſein. Wille ward erfuͤllet/ er hatte die
Stelle ſelbſt außgeleſen/ denen andern ſtund
frey zu ſitzen wo ſie wolten: Alſo ließ er etliche
Gerichte vorbey gehen: als dann ſtund er auf/
und
[212]
und nahm ſeinen freundlichen Abſchied. Hier-
auff erhub ſich ein trefflich Gelaͤchter/ und
ſagte Gelanor, iſt das nicht ein barmhertziger
Geelſchnabel mit ſeinem vornehmen Vater/
waͤre der Vater ſelbſt hier/ und es traͤffe ein/
was der Sohn vor ein Zeugniß giebt/ ſo wol-
ten wir ſehen/ ob wir ihn vor den vornehmſten
in der Compagnie koͤnten paſſiren laſſen. A-
ber wie koͤmmt der Haußfeix darzu/ daß er ſich
in allem mit dem Vater vergleichen will.
Der Vater mag vielleicht 50. Jahr alt ſeyn;
iſt denn deßwegen dieſer elende Sechzehn-
pfenniger auch ſo alt. Es heiſt/ folge des
Vaters Thaten nach/ und laß dirs ſo ſaur
werden/ ſo wird die Ehre ungedrungen und
ungezwungen darzu kommen. Mit der Ehre
iſt es ſo beſchaffen:
Quod ſequitur fugio, quod fugit ipſe
ſequor.
Solche diſcurſen fielen vor/ alſo daß ſie nicht
einmahl gedachten/ wo der ſchoͤne Vater-
Sohn ſeine affront verfreſſen wuͤrde.
CAP. XXIV.
JMmittelſt begunte einem am Tiſche ſehr
uͤbel zu werden/ weil er den vorigen Tag
einen
[213]
einen ziemlichen exceß im trincken begangen/
und alſo den Magen ſchaͤndlich verderbt hatte/
dem rieth Gelanor, er ſolte ſich eine Schale ge-
gluͤeten Wein bringen laſſen/ dadurch er den
Magen wieder erwaͤrmte. Solches war
beliebt/ und brachte der Wirth eine gantze
Kanne voll/ darauß er in eine Schale einſchen-
cken kunte. Nun ſaß ein vernaſchter Kerl
darbey/ der alſobald meynte/ er muͤſte ſterben/
wann er nicht alles beſchnopern ſolte. Die-
ſer gab allzeit Achtung drauff/ wañ der Nach-
bar auf die Seite ſah/ und wiſchte ſtracks uͤ-
ber die Schale/ und nippte einmahl. Eury-
las merckte es/ und gedachte ſtracks den Naͤ-
ſcher zu bezahlen: dann er ſtellte ſich/ als waͤre
ihm auch nicht wohl/ und ließ etliche einge-
machte Quitten holen: doch hatte er dem Die-
ner befohlen/ daß er eine außhoͤhlen/ und mit
Saltz und Pfeffer fuͤllen ſolte. Es gieng an/
Eurylas ſaß in ſeiner Grandezze und aß Qvit-
ten: der gute Schlucker gegenuͤber verwand-
te kein Auge von ihm/ und hatte groͤſſere Luſt
als eine ſchwangere Frau: nur dieſes war ſo
klaͤglich/ daß er kein Mittel ſahe/ wie er dar-
zu kommen ſolte. Endlich als lucta carnis
\& ſpiritus lange genug gewaͤhret hatte/ ſagte
er/ Monſieur, er vergebe mir/ ich kauffte ge-
ſtern
[214]
ſtern eben dergleichen Qvitten/ die waren
nicht wehrt/ daß man ſie ſolte zum Fenſter
hinauß werfen/ ich muß doch verſuchen/ ob die-
ſe beſſer ſeyn? Eurylas ruͤckte ihm die recht-
ſchuͤldige vor/ und da war der arme Schlu-
cker ſo geitzig/ als wolte ihm iemand die Qvit-
ten nehmen/ und ſteckte ſie auf einen Biſſen in
das Maul. Da ſaß nun mein, Narr/ und
empfand einen Geſchmack in der Kehle/ daruͤ-
ber er haͤtte vergehen moͤgen. Anfangs zwar
wolte er den Poſſen vor den andern verber-
gen; Aber es erfolgte ein trefflicher Huſten/ der
ihm die Thraͤnen zu den Augen/ und ich weiß
nicht/ was zu dem Halſe herauß trieb. Eu-
rylas ſtellte ſich unterdeſſen als haͤtte er kein
Waſſer betruͤbt/ und fragte etlich mahl/ ob ihm
irgend ein Qvittenkern waͤre in die unrechte
Kehle kommen. Doch wuſte der gute Menſch
am beſten/ wie ihm zu Muthe war/ und ſtunde
vom Tiſche auff/ dem die andern auch folgten.
Als nun Eurylas bey dem Gelanor und Flo-
rindo allein war/ und den Poſſen erzehlte/
folgte diß Morale darauff/ es ſolte ſich nie-
mand mercken laſſen/ was er gern haͤtte: ab-
ſonderlich ſolte man lernen an ſich halten/ wañ
ja etwas waͤre/ daß fein und annehmlich auß-
ſaͤhe/ nach dem Reimen des alten Philippi Me-
lanch-
[215]
lanchthonis,was mir nicht werden kan/
da wende mir Gott mein Hertz davon.
Uber dieß gedachte Gelanor an ein Buch/
welches er bey einem guten Freunde/ geſchrie-
ben geſehen/ mit dem Titul der Politiſche
Naͤſcher.Florindo ſagte/ es wäre Schade/
daß diß Scriptum nicht ſolte gedruckt werden.
Ach/ ſagte Gelanor, es iſt ietzund ſo ein Thun
mit dem drucken/ daß mancher ſchlechte Luſt
darzu hat. Es wendet ein ehrlicher Mann
ſeine Unkoſten drauff/ daß er zu einem Buche
koͤmmt; hernach wiſcht ein obſcurer Beren-
heuter herfuͤr/ dem ſonſt die liebe Sonne eher
ins Haus kommt/ als das Liebe Brod/ der
druckt es nach und zeucht entweder den Pro-
fit zu ſich/ oder zum wenigſten verderbt er den
Erſten/ dem es von Gott und Rechtswe-
gen zukoͤmmt. Und gewiß hieran redte Ge-
lanor nicht unrecht. Denn man hat es biß-
her etlichmahl erfahren/ wie ein und ander
Buch alſobald hat muͤſſen nachgedruckt wer-
den. Unlaͤngſt ſind etliche Bogen herauß-
kommen/ darinn von den dreyen Hauptver-
derbern in Teutſchland gehandelt wird. Al-
lein der GUTE Kerle iſt mehr als bekandt/
der ſolches zu ſich gezogen/ und moͤchte er
kuͤnfftig/ wenn die vornehmen Narren vorbey/
wohl
[216]
wohl mit einer ſonderlichen Narren-Kappe
bedacht werden. Jezunder iſt er noch zu
GUTH/ oder daß ich recht ſage/ zu geringe
darzu. Nun wir kommen zu weit von der
Sache. Wiewohl ietzt haͤtten wir Zeit ge-
nug etwas zu reden/ denn es war ſchon tieff in
die Nacht/ daß alle zu Bette giengen/ und ſich
umb die Narren wenig bekuͤmmerten. Alſo
wuͤrden wir verhoffentlich keinen verſtoͤren.
Doch es iſt auch Zeit/ daß wir zu Bette gehn/
Morgen ſoll was beſſers erfolgen/ dieſen A-
bend hieſſe es
Interdum magnus dormitat Homerus.
Gute Nacht.
CAP. XXV.
DOch wir werden nicht lange ſchlaffen/
denn es gibt ſchon etwas neues zu ſchrei-
ben. Eurylas hatte die Qvitten zu ſich ge-
nommen/ und mochte etliche Truͤncke Bier
drauff gethan haben/ alſo daß er vocation
kriegte/ dasjenige zu verrichten/ welches der
Roͤmiſche Keyſer in eigener Perſon/ und nicht
durch einen Ambaſſideur, thun muß. Nun
muſte er den Gang hingehen/ und ward beim
Mondenſcheine gewahr/ daß ein Mann/ der
bey
[217]
bey Tiſche erbar genug außgeſehen/ ſich zu der
Mago gefunden/ und ihr mit ſo freundlichen
Worten begegnete/ als haͤtte er ein Luͤſtgen/
die Hollaͤndiſche Manier zu verſuchen.
Eurylas behorchte ſie ein wenig/ und nach ab-
gelegter Expedition kam er in die Kammer
und erzehlte es ſeinen Schlaffgeſellen. Ge-
lanor empfand in ſeinem Gemuͤthe einen ſon-
derbahren Abſcheu/ und ſagte/ pfuy dich an
mit der Peſtie. Muß der Kerle nicht ein Narr
ſeyn/ daß er offentlich zwar die Erbarkeit ſpie-
len kan; heimlich aber ſich an einen ſolchen
Schandnickel henckt/ die doch nichts anders
iſt als communis matula da Kutſcher und
Fuhrleute ihren uͤberfluͤſſigen Unflath hin-
ſchuͤtten. Denckt denn der boͤſe Menſch nicht
zuruͤcke daß er zu Hauſe eine Frau hat/ die
mit ſolcher Untreu hoͤchſt beleidiget und betro-
gen wird? Und ich halte nicht/ daß er hier viel-
mehr delicateſſe wird angetroffen haben/ wo
ihn die naͤrriſche Einbildung nicht ſecundirt
hat/ daß er im Finſtern Kuͤhmiſt vor Butter
angegriffen. Er fuhr in dieſer Rede fort biß
ihm der Schlaff den Mund verſchloß. Fruͤh
konte er die Schande noch nicht vergeſſen/ und
als der Wirth in die Stube kam/ ſagte er/
wie daß er von der Mago dergleichen Leicht-
Kfertig-
[218]
fertigkeit in acht genommen/ welche nicht
doͤrffte ungeſtrafft bleiben. Der Wirth lachte/
und gab zur Antwort/ er koͤnte die Maͤgde
nicht huͤten/ wann ſie ihre Arbeit thaten/ waͤre
er zu frieden: wolten ſie im uͤbrigen die Nacht
ſonſt anwenden/ und ein Trinckgeld verdienen/
ſo gienge ihm an der Tags Arbeit nichts ab.
Und darzu wolten ſie ſich etwas zimmern laſ-
ſen/ moͤchten ſie zuſehn/ wo ſie einen Ammen-
dienſt antreffen/ er wolte ſehen/ wo er andere
Maͤgde kriegte. Gelanor verwieß ihm/ daß
er hierinn dem Ampte eines rechtſchaffenen
Haußvaters nicht nachkaͤme/ indem er von
Gott darzu geſetzt waͤre/ daß er in dem Hauſe
alles erbar und zuͤchtig regieren ſolte. Auf
die Maſſe wuͤrde er ſelbſt nicht viel beſ-
ſer als ein Huren Wirth. Der ruͤmpffte
die Naſe/ und ſagte/ wenn er ſo ſcharff verfah-
ren wolte/ wuͤrde er wenig Geſinde behalten.
Gelanor ſagte weiter/ wenn es ia mit den
Maͤgden nicht ſo viel zubedeuten haͤtte/ ſo waͤre
es doch zu beklagen/ daß manch unſchuldiges
Blut durch ſolche Betzen in ſein zeitlich und
ewigs Verderben geſtuͤrtzet wuͤrde. Abſon-
derlich waͤre es ſchrecklich/ daß ſich auch Ehe-
maͤnner auß ſolchen Miſtpfuͤtzen ableſchen
wolten. Der Wirth zog die Achſel ein/ und
meyn-
[219]
meinte/ man duͤrffte in dieſer Welt nicht alles
ſo genau ſuchen/ es waͤre der gemeine Lauff al-
ſo/ und welcher ohne Suͤnde waͤre/ moͤchte
den erſten Stein auf ſolche Leute werffen. Es
waͤren in der Stadt wohl vornehmere Leute/
die dergleichen Sachen thaͤten/ und die es als
hochvernuͤnfftige Menſchen nicht thun wuͤr-
den/ wenn es wahr waͤre/ daß man eben um ei-
ner ſolchen Luſt willen muͤſte zur Hoͤllen fah-
ren. Gelanor ſagte darauff; es iſt nichts de-
ſto beſſer/ daß vornehme Leute/ durch ihr aͤr-
gerlich Exempel/ den andern Anlaß zu ſuͤndi-
gen geben; doch wenn der Teufel die Groſſen
hohlen wird/ ſo moͤgen die kleinen ſehen/ hinter
welchem ſie ſich verſtecken wollen: Entweder
Gott muß zum luͤgner werden/ oder die Wor-
te ſtehen noch feſte/ daß die Hurer und E-
hebrecher Gott richten wird/ und daß
diejenigen/ welche die Wercke des Fleiſches
vollbringen/ das Reich Gottes nicht erer-
ben ſollen; aber wer bedenckt diß ſchreckliche
Gericht? und gleich wohl bilden ſich die unver-
ſtaͤndigen Blindſchleichen groß Gluͤck ein/ ja
Gott hat es wohl Urſache/ daß er euch freund-
lich tractiren ſolte/ indem ihr mit ſeinen Gebo-
ten ſo hoͤfflich wiſſet uͤmbzugehen: Blitz und
Donner/ Peſtilentz und theur Zeit/ Krieg und
K ijBlut-
[220]
Blutvergieſſen haͤttet ihr verdienet/ wann
nicht etliche arme Kinder/ die vielleicht ihr
Brod vor den Thuͤren ſuchen/ durch ihr Va-
ter unſer den Himmliſchen Vater noch beweg-
ten/ daß er umb zehen Gerechter willen dieſes
Sodoma nicht verderbte. Der Wirth/ der
ſonſt im Geſchrey war/ nicht daß er wie Eliſa-
beth unfruchtbar/ ſondern daß er hier und da
gar zu fruchtbar waͤre/ hatte keinen Gefallen
an der, Predigt: Stellte ſich derhalben/ als muͤ-
ſte er weggehẽ und fragte kuͤrtzlich/ ob ſie noch
etwz zu beſtellen haͤtten. Gelan. begehrte man
moͤchte ihm doch einen Schneider verſchaffen/
der mitgienge/ weñ ſie zu Kleidern einkaufften.
Der Wirth verſprach einen koͤſtlichen Mei-
ſter in einer halbẽ Stunde mit zubringen. Jn-
deſſen legte ſich Gelanor und Florindo an das
Fenſter und ſahen/ was auf der Gaſſe neues
vorlieff/ weiln ein vornehmer Fuͤrſt gleich fort
gereiſet/ dem zu ehren etliche Compagnien
Buͤrger auffgezogen waren: die ſchoſſen in
der zuruͤckkunfft ihre Muſqueten loß/ und platz-
ten daß es vor frembden Leuten eine Schan-
de war. Unter andern wolte ein armer Ta-
geloͤhner/ der vor einen andern Buͤrger auff-
zog/ ſeine Buͤchſe auch verſuchen: Aber als
er es knallen hoͤrte/ erſchrack er ſo hefftig/ daß
er
[221]
er die Buͤchſe in die Pfuͤtze fallen ließ. Flo-
rindo fieng an zu lachen/ daß der Narr nicht
ſein Platzen bleiben lieſſe/ wann ers nicht beſ-
ſer gelernet haͤtte/ doch hatte Gelanor gar an-
dere Gedancken darbey/ der ſagte: Mein
Florindo, was wolt ihr den armen Menſchen
außlachen/ der ehe hat ſchieſſen wollen/ ehe er es
gelernet hat? Geht es nicht in der gantzen
Welt alſo her/ daß einer ein Ampt begehrt/
darauff er ſich ſein Lebetage nicht geſchickt hat:
Gott gebe er laſſe darnach die Buͤchſe fallen/
oder laſſe ſich vor die Ohren ſchlagen/ daß ihm
der Kopff brummt. Jch kenne Prieſter, die
wenig an das Predigen gedacht haben: wie
viel ſind Juriſten/ die ihren Volckmann nicht
eher auffgeſchlage/ als biß ſie keine Bratw[urſt]
im Hauſe gehabt/ und auß Noth advociren
muͤſſen? da wird ein Profeſſor Mathematum,
der ſich bey Antritt der Profeſſion den Eucli-
dem erſt kauffen muß. Ein ander wird Pro-
feſſor Poeſeos der ſich ſelbſt verwundert/ wo
er zum Poeten worden/ und dem die ſaͤmptli-
chen Studenten nach ſingen.
Quid mirum? Si ſeptipedem verſum facit
ipſe Profeſſor.
Wie ſich mancher Officirer in den Krieg
ſchickt/iſt mehr als zu bekandt. Wie mancheꝛ
K iijKauff-
[222]
Kauffmañ mit ſeinẽ Soñen-kraͤmgen zu rech-
te kom̃t/ das ſieht man alle Tage. Abſonder-
lich iſt in dem Buͤcherſchreiben ſo eine Menge/
die faſt im Franckfurter Catalogo nicht mehr
Raum hat/ und doch wenn man die Liederli-
chen Tractaten mit den ſtoltzen Titeln anſieht/
ſo haͤtte mancher moͤgen zu hauſe bleiben/ ehe
er in der That erwieſen/ daß er ſich zum Buͤ-
cherſchreiben ſchicke/ wie die Kuh zum Orgel-
ſchlaggen. Jn ſolchen Reden vergieng eine
Stunde nach der andern/ und verwunderten
ſich alle/ wo doch der Schneider blibe. Endlich
kam er/ und entſchuldigte ſich/ er haͤtte gerne
eher kommen wollen; allein es ſey ihm im
Heraußgehen zu erſt eine alte Frau begegnet/
und weil er auß der Erfahrung wuͤſte/ daß ſol-
ches lauter Ungluͤck bedeute/ ſo habe er noth-
wendig muͤſſen zuruͤcke gehen. Gelanor lachte
uͤber die Entſchuldigung/ und weil es bald
Tiſchzeit war/ beſtellte er den Schnipſchnap
nach der Mahlzeit wieder zu ſich.
CAP. XXVI.
UBer dem eſſen gedachte Gelanor an den
alten Gaͤnſe-Glauben/ welchen er an
dem Schneider obſerviret, und beluſtigte ſich
treff-
[223]
trefflich mit der Einfalt der Menſchen. Doch
hoͤrte er/ daß dergleichen Aberglauben ſo-
wohl bey vornehmen/ als gemeinen Leuten in
den Schwange gingen. Denn da war ein
fremder von Adel/ der erzehlte folgendes. Mein
Herr/ ſagte er/ wird hier zu Lande nicht viel be-
kandt ſeyn/ denn ſonſt wuͤrde er von ſolchen
Albertaͤten etwas erfahren haben: Jndem
die Leute auf die lauteren Einbildungen mehr
halten/ als auf GOttes Wort. Da geht
mancher und will GOttes Befehl zur ſchul-
digen Folge in die Kirche gehn. Doch weil
ihm eine alte Frau begegnet/ ſo muß GOttes
Befehl nachbleiben/ warumb? Es iſt nicht
gut. Da lieſſe ſich mancher eher erſchlagen/
ehe er durch zwey Weibes Perſonen durch
gienge: Ein ander zeucht ſein weiß Hembde
am Montage an/ und gienge lieber nackend/
als daß er ſich am Soñtage ſolte weiß anzie-
hen: etliche halten den Tag/ auf welchen der
ehrliche Sanct Velten gefaͤllig iſt/ durch das
gantze Jahr vor Fatal/ und nehmen an dem-
ſelben nichts vor: ich kenne Leute/ die ſtehn in
der Meynung/ wenn ſie nicht an der Aſcher-
mittwoche gelbe Muß/ am Gruͤnendonnerſta-
ge ein gruͤn Kraut von neunerley Kraͤutern/
an der Pfingſtmitwoche Schollen mit Knob-
K jvloche
[224]
loche freſſen/ und wuͤrden ſie noch daſſelbe
Jahr vor Martini zu Eſeln. Und was ſol
ich ſagen von Braut und Braͤutigam/ woß
ſie mehrentheils vor Sachen mercken muͤſſen.
Da ſollen ſie dicht zuſammen treten/ wann
ſie ſich trauen laſſen/ daß niemand durch ſehen
kan: da ſollen ſie den Zapffen vom erſten Bier-
oder Weinfaſſe in acht nehmen: da ſollen ſie
zugleich in das Bette ſteigen/ ja was das Poſ-
ſirlichſte iſt/ da ſoll ſich der Braͤutigam wohl
gar in einer Badeſchuͤrtze trauen laſſen. Mit
einem Worte der Haͤndel ſind ſo viel/ daß man
ein groß Buch davon ſchreiben koͤnte.
Gelanor fragte/ was doch ſolche Aberglau-
ben muͤſten vor einen Urſprung haben? Dieſer
ſagte/ ich habe den Sachen offt mit verwun-
derung nachgedacht/ und befinde zwar/ daß
etliche auß bloſſen Poſſen vorgebracht/ und
hernach von einfaͤltigen Leuten im Ernſte ver-
ſtanden worden: Da naͤhme mancher nicht
viel Geld und wuͤſchte das Maul an das
Tiſchtuch/ deñ es heiſſt: wer das Maul an das
Tiſchtuch wiſcht/ der wird nicht ſatt. Ja
wohl moͤchte ein Narr hundert Jahr wiſchen/
er ſolte doch vom wiſchen nicht ſatt werden.
Jngleichen ſprechen ſie/ es ſey nicht gut/ wenn
man das Kleid am Leibe flicken lieſſe. Und
mancher lieffe lieber durch ein Feuer/ als daß
er ſich
[225]
er ſich einen Stich lieſſe am Leibe thun: doch
iſt es nicht Thorheit/ wenn es gut waͤre/ duͤrff-
te man es nicht flicken. Was vor Haͤndel
geglaubt werden/ wie man thun ſolle/ wenn
ein Wolff oder ein Haſe uͤber den Weg laͤufft/
iſt verhoffentlich bekandt: denn wenn der
Wolff davon laͤufft/ iſt es ein beſſer Zeichen/
als wenn er da bleibt. Aber laͤufft der Haſe
davon/ ſo iſt es ein boͤſe Zeichen/ daß er nicht
ſoll in der Schuͤſſel liegen. Jngleichen iſt an
etlichen Orten der Brauch/ daß ſie das Brod/
welches zu letzt in den Backoffen geſchoben
wird/ ſonderlich zeichnen/ und es den Wirth
nennen/ da halten ſie davor/ ſo lange der Wirth
im Hauſe ſey/ mangele es nicht am Brodte/
und glauben derwegen/ wenn das gezeichnete
Brod vor der Zeit angeſchnitten wuͤrde/ ſo
muͤſte theuer Zeit erfolgen. Doch es ſind
Thorheiten/ ſo lange das Brod da iſt/ man-
gelt es nicht. Wie jener lieſſe ſich einen Zwey-
er in die Hoſen einnehen/ und ruͤhmte ſich
er haͤtte ſtets Geld bey ſich. Doch darff man
alle Aberglauben auf ſolche poſſirliche Außle-
gungen nicht fuͤhren. Das meiſte kommt mei-
nes erachtens daher/ weil die Eltern ihren Kin-
dern ein und ander Morale haben wollen bey
bringen/ und haben ihren Kindiſchen Ver-
K jvſtan-
[226]
ſtande nach eine Urſache beygefuͤget/ welche
doch hernachmals vor wahr angenommen
und in der Welt als eine ſonderliche Weisheit
fort gepflantzet worden. Zum Exempel/ es
ſteht unhoͤflich/ wann man auf alles mit den
Fingern weiſet. Drumb hat ein Vater un-
gefehr wider ſein Kind geſagt/ bey leibe weiſe
nicht mit dem Finger/ du erſtichſt einen Engel.
Solches iſt von dem Kinde auffgefangen/ und
auf die Nachkommen gebracht worden/ daß
ietzund mancher nit viel Geld nehme/ und wieſe
mit dem Finger in die Hoͤh/ wenn es auch die
hoͤchſte Noth erforderte. Jngleichen weiß
ein iedweder/ wie gefaͤhrlich es iſt/ wenn man
das Meſſer auf den Ruͤcken legt/ denn es kan
ein ander leicht drein greiffẽ/ und ſich Schaden
thun/ drum hat der Vater geſagt/ liebes Kind/
lege das Meſſer nicht ſo/ die lieben Engel tre-
ten ſich hinein. Nun iſt der Glaube ſo einge-
riſſen/ daß ich einen Prieſter in einer vorneh-
men Stadt kenne/ der in einem Gaſtgebot of-
fentlich geſagt/ wenn man zugleich ein Kind
im Feuer und ein Meſſer auf dem Ruͤcken lie-
gen ſaͤhe/ ſolte man eher dem Meſſer/ als dem
Kinde zulauffen/ und haͤtte ein ſolcher Kerl nit
verdient/ daß man ihn mit bloſſem Ruͤcken in
die heiſſe Aſche ſetzte/ und lieſſe ihn ſo lange zap-
peln
[227]
peln/ biß man ein Meſſer zuꝛ Ruhe gelegt haͤtte.
Noch eins zu gedencken. Es iſt nicht fein/
daß man die Becher oder Kannen uͤberſpannt/
denn es kan dem Nachbar ein Eckel entſtehen/
wenn man alles mit dem Faͤuſten betaſtet: ſo
hat der Vater geſagt/ mein Kind/ thue es
nicht/ wer darauß trinckt/ bekoͤmmt das Hertz-
geſpann. Nun ſind die Leute ſo ſorgfaͤltig
darbey/ daß auch keine Magd im Scheuern
uͤber die Kanne ſpannen darff. Mehr koͤnte
ich anfuͤhren/ wenn es von noͤthen waͤre.
Gleich bey dieſen Worten kam der Schneideꝛ/
und fragte/ ob es Zeit waͤre in den Laden zu ge-
hen. Sie lieſſen ihn etwas nieder ſitzen/ und
fragte Eurylas, wie ſtehts/ Meiſter Fabian/ iſt
euch keine alte Frau begegnet? Der Schnei-
der war fix mit der Amwort; Ja/ ſagte er/ es
begegnete mir eine/ ſie kam mir bald vor/ wie
des Herrn erſte Liebſte. Florindo wolte wiſ-
ſen/ warumb er nicht zuruͤcke gangen? doch
verſetzte dieſer/ er haͤtte ſie noch vor eine reine
Jungfer gehalten. Und in Warheit ie mehr
ſie fragten/ ie poſſirlicher kam die Antwort
herauß/ daß ſie endlich gewahr wurden/ daß
ſich dieſer Schneider nicht eine alte Frau/ ſon-
dern irgends ein gutes Fruͤhſtuͤck abhalten
laſſen: drumb lachten ſie wohl uͤber die
K vjEnt-
[228]
Entſchuldigung/ und giengen hierauffin den
Laden
CAP. XXVII.
DOch wir muͤſſen unſern ehrlichen
Schnarrpeter mit ſeinem Nuͤrnberger/
Erffurter und Regenſpurger Bratwuͤrſten
nicht zu lange warten laſſen/ ich weiß/ daß ſich
keiner auff ein remedium beſonnen hat/ daß
alſo ein jedweder/ der das Wort Daradirita-
rum tarides gern außſprechen will/ dem Eury-
las wird zu dancken haben. Denn er nahm
ſeinen Patienten vor/ und ſagte/ mein Freund/
ich wolt euch gern geholffen wiſſen/ aber es iſt
ein zaͤrtlich Gliedmaß uͤmb die Kehle/ das man
nicht Bleche anflicken kan/ wie an die Regal-
pfeiffen. Es kan ſeyn/ daß ſich eure Mutter
bey ſchwangerm Leibe an einem andern ſol-
chen Kniſterbart verſehen hat. Was nun in
Mutterleibt ſchon der Natur mit getheilet
wird/ daß lãſſet ſich ſo ſpaͤth nicht aͤndern.
Doch aber damit ihr meine Treu verſpuͤhren
moͤget/ ſo laſſet euch diß geſagt ſeyn/ und huͤtet
euch vor allen Worten die ein R. haben.
Sprecht zu niemanden/ mein Herr/ ſondern
Monſieur, weil ſolches Wort der Frantzoͤſi-
ſchen
[229]
ſchen Sprache und ihrer pronunciation nach
Moſlie heiſt. An ſtatt Frau ſagt Madame,
vor Jungfer Madamoiſelle. Wann ihr
etwas kaufft/ ſo reſolviert die Groſchen zu
Pfennigen oder zu Kopffſtuͤcken/ die Thaler
zu Guͤlden oder Ducaten/ und Sum̃a Sum-
marum nehmt einen Pfriemen zu euch/ und
wenn euch ein R. entfaͤhrt/ ſo ſtecht euch ſelbſt
zur Straffe in den Arm oder ſonſt wohin/ was
gilts es ſoll mit euer Sprache beſſer kommen.
Der Gute Menſch ſchittelte den Kopff/ und
meynte/ es würde ſich mit allen Reden nicht
thun laſſen/ daß man ſo einen nothwendigen
Buchſtaben außlieſſe. Ey ſagte Eurylas,
warumb ſolte ſichs nicht thun laſſen/ ſeht da
will ich euch etliche Manieren von Compli-
menten in die Feder dictiren. Vor allen
Dingen habt ihr zwar zu mercken/ was ich zu-
vor bedacht/ daß ihr euch vor Worten huͤtet/
welche den heßlichen Buchſtaben fuͤhren. Da
laſt alles heiſſen Madamoiſelle, mein Kind/
mein Engel/ mein Liebgen/ mein Goldmaͤdgen/
mein tauſend Kindgen. Nur werdet nicht
ſo ein Narr/ daß ihr dergleichen Poſſen mit
einmenget/ mein Maͤußgen/ mein Laͤmgen/
mein Blumentoͤpffgen/ mein Engelkoͤpffgen/
und was der Schwachheiten mehr ſind. Ab-
K vijſon-
[230]
ſonderlich gebet Achtung auf den Namen/ ob
ſie ein R. drinne hat. Denn es iſt ohne diß
ein gemeiner Glauben/ daß die Jungfern am
beſten gerathen/ welche dergleichen Buchſta-
ben nicht haben. Und gewiß ich muß offt la-
chen uͤber die ietzige mode/ welche die R. ſo
kuͤnſtlich verſtecken kan/ denn da ſteht es alber/
wenn man ſpricht Jungfer Ließgen/ Jungfer
Suſgen/ Jungfer Fickgen/ u. d. g. ſondern
man ſagt viel lieber gleich weg/ Ließgen/ Suß-
gen/Fickgen/ warumb? man kan das R auß-
laſſen. Jngleichen weiß man dieſen huͤndi-
ſchen Buchſtaben in dem Namen ſelbſt ſehr
appetitlich zu verbeiſſen. Maria heiſt Micke/
Dorothee Thee oder Theie/ Regine Gine
oder Hine/ Roſine Sine/ Chriſtine Tine/
Barbare Baͤbe/ Gertraud Teutgen/ und
ſo fort. Solte auf allen Fall der Name ſich
nicht zwingen laſſen/ ſo haben die meiſten
mehr als einen/ und kan man endlich ſich mit
einem andern Titel behelffen. Jn Boͤhmen
ſprechen ſie an ſtatt Margrite Heuſche/ aber
es moͤchte ſich bey allen Geitgen nicht practi-
eiren laſſen: doch nun ſchreiten wie zur Sa-
che. Zum Exempel/ ihr waͤret bey einer Hoch-
zeit/ ſo iſt gemeiniglich die erſte Hoͤffligkeit/
daß man ein Maͤdgen zum Tantze aufffuͤh-
ret;
[231]
ret; darbey kan etwann alſo geredet wer-
den.
Madamoiſelleſie wolle ſich nicht miß-
fallen laſſen/ daß ich ſo kuͤhn geweſen/
und ſie zum Tantze auffgezogen. Es
hat mich die Annehmligkeit/ damit ſie
allenthalben bekandt iſt/ ſo weit einge-
nommen/ daß ich nichts wuͤnſche/ als
mich auf ſolche Maſſe/ mit meinen
Dienſten bekand zu machen.
Hier wird die Jungfer ſich entſchuldigen/
und wird bitten/ er ſoll ſie nicht ſo ſehr in das
Geſichte loben/ drumb ſey er bald mit der
Antwort hinden drein.
Jch habe mich auf die Complimen-
te mein Tage nicht gelegt/ und was ich
ſage/ das ſoll die That ſelbſt außwei-
ſen: doch habe ich geſuͤndigt/ dz ich die
Annehmligkeit in das Geſichte lobe/ ſo
kan ich ins kuͤnfftige ſtillſch weigen/
und gedoppelt dencken/ daß ſie die An-
nehmligkeit ſelbſten iſt.
Hier iſt kein Zweiffel/ die Jungfer wird
dencken/ er iſt ein Narr/ daß er mit ſolchen weit-
laͤufftigen Fratzen auffgezogen koͤmmt/ doch
alſo kan er alles gut machen.
Was ſoll ich machen/ meine Liebſte/
ich
[232]
ich bin unbekand/ von Sachen kan ich
nicht ſchwatzen/ die ſich zwiſchen unß
begeben haͤtten/ ſo muß ich mich in
weitlaͤufftigen Complimenten auff-
halten. Doch will ſie mich als einen
Bekandten annehmen/ daß ich ſie mein
Kind und meine Liebſte heiſſen mag/ ſo
will ich ſehen laſſen/ daß ich den Com-
plimenten Todfeind bin.
Da wird ſie Schande halben bekennen
muͤſſen/ daß ſie an ſeiner Bekandſchafft ein
groß Gluͤcke zu hoffen haͤtte/ und derowegen
wird ſich folgende Antwort wohl ſchicken:
Nun ſo ſey es gewagt/ ich habe ſie als
meine Bekante angenommen/ und hof-
fe nicht/ daß meine Kuͤhnheit und Un-
hoͤffligkeit ſolten eine uͤbele Außlegung
finden: doch was meynt ſie/ daß ſie ſich
mit ſo einem ſchlechten Menſchen auff-
halten muß/ da vielleicht iemand zuge-
gen iſt/ dem ſie alle Luſt und Bedienung
zu gedacht hat.
Dieß iſt genug: denn ehe ſie zur Antwort
koͤmmt/ ſo faͤngt der Spielmann an/ doch botz
tauſend daß ich die Herren Stadtpfeiffer/
oder Lateiniſch Muſicanten genant/ nicht er-
zuͤrne/ ſo faͤngt der Herr Muſicante ſeinen
Tantz
[233]
Tantz an/ und da kan einer mit guten Gewiſſen
ſtillſchweigen/ weil es doch das Anſehen hat/
als muͤſſe man alle Kraͤffte auf den Tantz ſpen-
diren. Jmmittelſt wird ſichs nicht ſchicken/
daß man das Maͤdgen gar zu lang an der
Hand behaͤlt. Denn was iſt das vor Noth/
wann eine Jungfer/ die gerne mit einem an-
dern tantzen wolte/ einen hoͤltzernen Peter am
Halſe haben muß/ als ein Fieber. Drumb
bringt die Jungfer weiter/ und bedanekt euch
erſtlich gegen ſie:
Nun ich muß nicht ſo unhoͤflich
ſeyn/ und ſie mit meinen ſchlechten Tan-
tzen zu viel belaͤſtigen. Sie habe ſchoͤ-
nen Danck/ daß ſie ſich ſo guͤtig bezei-
gen wollen/ und ſey gewiß/ daß ich im
ſteren Andencken ſolches hoch ſchaͤtzen/
und nach Moͤgligkeit bedienen wil.
Jnzwiſchen iſt es vielleicht nicht uͤbel
gethan/ daß ichMonſieur N.bitte daſ-
ſelbige gut zu mach en/ was ich ſo genau
nicht habe nach Wunſche vollenden
koͤnnen.
Mehr dergleichen Redens-Arten hatte Eu-
rylas in einem Buͤchlein beyſammen/ welche er
dem guten Menſchen fideliter communicir-
te. Doch wuͤrde es zu lang/ wenn alles hier
ſolte
[234]
ſolte angefuͤhret werden/ und es trug Eurylas
auch Bedencken/ daß er ſeine Kunſt ſo gar uͤmb
ſonſt ſolte weggeben. Wenn er von der Per-
ſon funffzehen Guͤlden zu gewarten haͤtte/
wuͤrde er leicht zu behandeln ſeyn/ daß er die
ſchoͤnen Inventiones publicirte, dieſes wollen
wir noch hinzufuͤgen. Es bat der gute Stuͤm-
per/ es moͤchte ihm doch eine Anleitung gege-
ben werden/ wie er bey Gelegenheit eine Redt/
auf dergleichen Manier/ halten ſolte/ denn er
verſaͤhe ſich alle Stunden/ daß ein vornehmer
Mann ſterben moͤchte/ da wuͤrde er vermuth-
lich einen Goldguͤlden zu verdienen/ das iſt/
die Abdanckung zu halten haben. Eurylas
hatte einen Studenten bey ſich/ der halff ihm
folgende Rede ſchmieden/ welche vielleicht zu
leſen nicht unangenehm ſeyn wird. Ja es
gilt eine Wette/ ehe ein Jahr in das Land
koͤmmt/ ſo hat ein guter Kerle die Invention
darvon genommen. Sed ad rem.
Hochgeneigte Anweſende.
PHilippus ein Koͤnig in Macedonien/
hatte die loͤbliche Gewohnheit/ daß alle
Tage/ ehe die Sonne auffzugehen pflegte/ ein
Knabe mit hellem Halſe folgendes gedencken
muſte: Philippe memento, te eſſe hominem,
das iſt/ Philippe beſinne dich/ daß du ein
Menſch
[235]
Menſch ſeyeſt. Mit welchem hoch-nothwen-
digen Denckmahl ſich dieſes Koͤnigliche Ge-
muͤthe/ ohne allen Zweifel in den Eitelkeiten
des menſchlichen Lebens umbgeſehen hat/ wie
daß alles/ es mag ſo koͤſtlich und ſo annehmlich
ſeyn/ als es will/ dem ungewiſſen und unbe-
ſtaͤndigem Gluͤcke zu Gebote ſtehe/ und ehe
man es meynet/ zu boden fallen wuͤſſe. Denn
es fuͤnckelte ja wohl das Koͤnigliche Gold
umb ſeinem Weltbekanten Scheitel/ und
ſchickte/ gleichſam als eine lebhaffte Sonne/
den ungemeinen Glantz in alle umbliegende
Landſchafften hinaußt Seine Hand hatte
den gewaltigen Stab des gemeinen Weſens
klug genug befeſtiget/ und alles/ was ſonſt ei-
nen Koͤnig nicht annehmen wolte/ ſuchte bey
ihm Schutz und Huͤlffe. Allein dz wuſte dieſes
kluge Gemuͤthe ſchon an den Haͤndẽ abzuzehlẽ/
es ſey um einen ſchlechten Augenblick zu thun/
ſo koͤnte ein Feind/ ein aufgewiegelt Volck/ und
endlich ein ſchnelles Todesſtuͤndgẽ alle Gewalt
und Gluͤckſeligkeit zu nichte machen. Hochge-
neigte Anweſende/ ſolte ich auch zu tadeln ſeyn/
wann ich dieſem Heyden ſolche Denckzeichen
ablehnen/ und dem inſtehenden Leidweſen alſo
entgegen gehen wolte? das weiß ich wohl/ es
hat mit uns dieſe Gelegenheit nicht/ daß man
ſich
[236]
ſich einem Koͤnige gleich ſtellen koͤnte. Je-
dennoch was das Menſchliche Leben und deſ-
ſen vielfaͤltige Abwechſelung belangt/ ſo iſt es
gewiß/ daß alle Menſchen/ ſie moͤgen ſo wohl
Koͤnige als ſchlechte Stadt- und Landleute
ſeyn/ ſolches alle Tage bedencken und zu Sin-
ne nehmen moͤgen. O homines mementote,
vos eſſe homines. O du Menſchliches Ge-
ſchlechte bedencke/ daß alles in deinem Thun
und Gluͤcke menſchlich ſey. Keinen Tag
haſtu in deinem Gefallen/ es kan ſich am Abend
etwas zufaͤlliges begeben. Keine Stunde/
kein Augenblick iſt alſo lieblich/ es kan ein
Wechſelſtand mitten in dem lieblichen Weſen
entſtehen: Keine Geſundheit iſt ſo unbeweglich/
ſie iſt dem Tode einen Dienſt ſchuldig. Und
was am meiſten zu beklagen ſcheint/ ſo gilt als-
dann kein Wunſch/ welchen Theo dofius mag
in dem Munde gehabt haben: wolte Gott/
ich koͤnte Todten auffwecken. Nein es bleibt
bey dem/ die Sonne legt ſich Abends gleichſam
zu Bette/ und koͤmmt allzeit den folgenden
Tag an die alte Stelle: die Baͤume laſſen das
Laub auf eine Zeit fallen/ und putzen ſich in
wenig Monate mit neuen Knoſpen auß.
Doch ſo bald ein Menſch ſeinen endlichen Zu-
fall außgeſtanden hat/ ſo iſt es geſchehen/ und
kan
[237]
kan man keine Hoffnung ſchoͤpffen/ ihn noch
einmahl ins Geſichte zu bekommen. Alſo
daß die Johanna des Philippi Koͤniges in
Hiſpanien Gemahlin ſich nicht uneben dieſes
Sinnbildes bedienet/ daß ſie einen Pfau auf
eine Kugel geſetzt/ und die Außlegung beygefuͤ-
get. Vanitas, Eitelkeit.
Ach ja wohl iſt alles eitel: dann ſonſt haͤtte
dieſe hochloͤbliche Stadt/ die hochedle familie,
dieſes hochgeſchaͤtzte Haus/ dieſen Weltbe-
liebten und niemahls gnug belobten Mann
nicht ſo zeitlich eingebuͤſſet. Die entſeelten
Gebeine haͤtten ſich ſo bald nicht in das kalte
Todtenbette geſehnet/ welche nun da ſtehen/
gleich als wolten ſie das unbeſtaͤndige Leben
in einem gewiſſen Bilde kendlich machen. O
du edle Tugend! haſt eben ietzt von uns wei-
chen muͤſſen/ da man deine Schaͤtze am meiſten
von noͤthen hat! O du ſeliges und geſegnetes
Haupt! haſtu uns die Wiſſenſchafft/ die
Weißheit/ die Liebe ſo bald entzogen/ ehe man
ſich an denſelben nach Wunſche ſaͤttigen kan?
O du gebenedeyte Seele! wilſt du dem ange-
nehmen Leibe mit keinem Leben ins kuͤnfftige
beyſtehen?
Doch was klage ich? hochgeneigte Anwe-
ſende/ ſoll ich dem Heidniſchen Koͤnige Philip-
po
[238]
po in allen Stuͤcken nachfolgen? ſoll ich diß
allein bedencken/ was ein Menſch in ſeinem
ſchwachen und hinfaͤlligen Zuſtande ſey?
Nein/ ich muͤſte in den Gedancken ſtehen/ als
beleidigte ich den guͤtigen Himmel/ deſſen
Gnade ſo maͤchtig geweſen/ daß uns das Licht
des hellglaͤntzenden Evangelii beſchienen/ und
ſolche Gewißheit unß zugewendet hat/ damit
eine iedwede Seele in Noth und Tod ſich feſt
ſetzen/ und von allen Anfechtungen entledigen
kan. Dañ was heiſt Tod? was heiſt Ungluͤck?
da dieſe Welt nichts/ iſt als ein Hauffen voll
Tod und Ungluͤck. Soll man klagen/ daß
iemand zu bald in den Himmel koͤmmt? gleich
als haͤtte ein Menſch den Himmel in dieſem
Angſthauſe empfunden. Soll man nicht im
Gegentheil mit Gluͤckwuͤnſchenden Haͤnden
dem angenehmen Gaſte/ dem ſuͤſſen und [lieb]-
lichen Tode entgegen lauffen/ als bey welchem
ein ſanfftes Schlaffen/ ein ſeliges Wohlwe-
ſen/ ein ewiges Gedeyen zu befinden und zu
koſten iſt. Nein/ ich will die Heidniſchen
Gedancken nicht geſagthaben. Memento,
te eſſe hominem, ſed beatum. Jch ſage auch/
die Seele iſt gluͤckſelig/ welche den Leichnam
ſo bald von ſich ablegen/ und als eine muͤhſa-
me Laſt abweltzen kan. Ja ein Menſch ſoll
diß/
[239]
diß/ als ſein beſtes Kleinod annehmen/ daß ſein
Leben nicht ewig in dem Angſtweſen ſtecken
muß. Und alſo will ich auch den kuͤhlen Sand/
die ſauffte Schlaffſtaͤtte mit dieſen Zeilen kent-
lich machen:
Nun dieſes ſey die Letze/ und damit laſſet
uns hingehen/ biß des Himmels Gewalt ſol-
ches auch bey uns gebieten will. Jmmittelſt
haben ſie ſaͤmmtlichen ein Lob und danckgezie-
mendes Mitleiden bey den jenigen vollkoͤm̃lich
abgeſtattet/ welche in das hohe Leidweſen ge-
ſetzet
[240]
ſetzet ſind/ und ſolches als das eintzige Labſal
annehmen/ daß ſie mit ſo einem anſehnlichen
Comitat den entſeelten Leichnam biß an dieſe
Stelle begleiten koͤnnen. Sie wuͤnſchen Ge-
legenheit zu haben/ alles mit gutem Danck zu
bedienen/ und bitten Gott/ daß ſolches in ei-
nem annehmlichen Stande und nicht mitten
in Seufftzen und Klagen geſchehen moͤge.
Und ſolches habe ich im Namen des geſamp-
ten hochadelichen Hauſes abſtatten ſollen.
Sie koͤnnen ietzt ſo viel nicht ſagen/ nach dem
das Leid den Mund geſchloſſen hat/ doch ſoll
die That und die danckſchuldige Bedienung
niemahls zugeſchloſſen ſeyn.
Jch habs geſagt.
Setzt immer dieſes Finaldarzu/ ob es gleich
nicht accurat eintrifft/ was bey den Lateinern
Dixi geheiſſen hat/ ſolche kleine abſurditaͤten
gehen wohl hin. Endlich beſchloß Eurylas,
ihr guter Freund/ ihr ſeht wie weit euch auß
dem Elend geholffen iſt. Nehmt die Lehren
in Acht/ und huͤtet euch vor dem Hunds-
Buchſtaben Nerr Nerr aͤrger/ als vor dem
kalten Fieber. Jch weiß daß an einem Or-
te die Comœdie nach geſpielet ward/ welche
Anno 1650. bey der Friedens-Execution zu
Nuͤrnberg vor den ſaͤmptlichen anweſenden
hohen
[241]
hohen Gevollmaͤchtigten war præſentiret
worden/ da hatte ein ſolcher Schnarr-Peter
dieſe Perſon. Haͤnde die der Zepter ziert/
haben offt den Stab genommen/ den ein
ſchlechter Schaͤffer fuͤhrt/ Helden ſind auß
Huͤrden kommen. Mancher groſſer Welt-
Regierer legte Cron und Purpur hin/
ward ein armer Herdenfuͤhrer/ und liebt
eine Schaͤfferin. Jngleichen kam ein an-
der bey einem Leichbegaͤngniß mit ſolchen
Worten auffgezogen: Jch armer verirr-
ter und verwirrter Erdenbuͤrger werde
durch hertzbrechenden Kummer hart
und ſchrecklich angegriffen. Und da
kan ich nicht beſchreiben/ wie es knaſterte: war-
lich es ſchien/ als haͤtte iemand einen Sack voll
Erbſen auf ein Bret außgeſchuͤtt. Der gute
Kerle bedanckte ſich/ und fragte/ was vor die
Muͤhe ſeyn ſolte. Doch Eurylas ſagte/ ich
begehre nichts/ habt ihr aber ſo viel Mittel/
daß ihr ohn eurem Schaden 20. Thaler entra-
then koͤnnt/ ſo ſpendirt ſie auf meine und eure
Geſundheit einem armen Studenten. Und
hierinn that Eurylas ſehr klug/ da hingegen
mancher Narr/ wann er ehrenhalben das
Geld nicht nehmen will/ ſolches der Compa-
gnie zu verſauffen giebt.
LCAP.[242]
CAP. XXVIII.
JN deſſen als dieſes in der Herberge vor-
gieng/ kaufften Gelanor und Florindo
zu Kleidern ein/ und verwunderten ſich wohl
uͤber die Naͤrriſche Welt/ daß alle halbe Jahr
faſt eine hauptſaͤchliche Veraͤnderung in Zeu-
gen und Kleidern vorgenommen wird. Doch
weil die Narrheit ſo gemeine iſt/ ſo lacht ſichs
nicht mehr/ wann man viel von ihren Gedan-
cken wolte anfuͤhren. Ferner kamen ſie in
den Buchladen/ da traff Gelanor etliche von
ſeiner Tiſchgeſellſchafft auß dem Wirths-
hauſe an/ mit dieſen gerieth er in einen diſcurs
von den neuen Buͤchern. Abſonderlich war
ein neuer Prophete auffgeſtanden/ der hatte
etliche zwantzig Jahr hinauß geweiſſaget/ was
ſich in der Welt unfehlbar begeben wuͤrde.
Zum Exempel von dem Jahr 1672. hatte er
folgende Muthmaſſung:
VENIO NUNCAD ANNUM
M. DC. LXXII.
Cui
Ob viſum in Caſſiopeia ſidus ſeculare,
ſed ominoſum debemus Jubileum.
Reviviſcent ſeculares hiſtoriæ.
Ebulliet
Effu.
[243]
Effuſus in laniena Pariſienſi
Hugo nottarum ſanguis.
Nam ſeculum eſt
Quod clamavit ad cœlum.
Quem quidem clamorem compeſcere
videbatur
Edicti Nannetenſis lenitas,
Henrico IV.
Regie \& fideliter præſtita, niſi
quietem turbaſſet
Indigna Rupellæ oppreſſio,
Fallor?
An à Ludovico Rege, an ab Armando
miniſtro cum ſtupore univerſi
orbis ſuſcepta\& perfecta.
Ab hujus enim civitatis interitu
dependere videtur,
Quicquid calamitatis ac miſeriæ
Hugonottarum
poſtea preſſit Eccleſiam.
Sed
[E]xtollite capita veſtra, Cives Europæi,
Lilia
Hugonottis denuo infeſta ſunt,
Aut extirpaturi religionem,
Aut Daturipœnas.
Galli exercitum conſcribu[n]t:
L 2Nam
[244]
Nam forte
Sic viſum eſt ſuperis,
Ut illata Relig[i]oni injuria,
Per neminem,
Niſi per ejusdem religionis aſſeclas
vindicetur.
O Europa, quando vidiſti aut videbis
tantum belli apparatum?
Interim
Vos ſpectatores cavete,
Ne, qui fabulam agunt,
Spectaculi mercedem à vobis exigant.
Imprimis O Germani!
Præparate vos ad futuri
Anni ſolennitates:
Quatuor enim tunc effluxerint
Secula
Ab inſtaurata Habsburgenſium
Felicitate,
Fortaſſis quod numerum ſeptimum
dimidiat,
Et ſeculi ſeptimi medium obtinet,
Vim habet climacterici.
Hungaria parturit, \& Lucina Seu
Mahometis Luna opem feret.
O notabilem \& poſterorum hiſtoriis
Annum celebratiſſimum!
Nam
[245]
Nam etiam
Seculum tunc eſt,
Ex quo
Romani ultimum viderunt Papam,
Qui fuerit pius.
Cui parentandum eſſe, niſi opinantur
Itali,
Turca judicabit.
O annum admirabilem!
Ne quid addam amplius.
Gelanor ſahe ſich in den Weiſſagungen
etwas umb. Endlich ruffte er uͤberlaut. Ach
ſind das nicht Schwachheiten mit den elen-
den Stroh-Propheten/ die alle zukuͤnfftige
Dinge auß den bloſſen Zahlen erzwingen wol-
len. Was hat es auff ſich/ ob nun hundert
oder mehr Jahr verfloſſen ſind? Jch ſehe kei-
ne Nothwendigkeit die mir anzeigte/ warumb
ietzund eben viel mehr als ſonſt/ diß oder jenes
vorgehen ſolte. Es ſteckt ein betruͤglicher
Gaͤnſe-Glauben dahinter: dann dieſes iſt ge-
wiß/ daß in dem eitelen Weltweſen nichts uͤ-
ber hundert Jahr in einem Lauffe verbleiben
kan. Alſo daß man ſich ſchwerlich verrech-
net/ wann man ſpricht/ uͤber hundert Jahr
werde diß Reich ſtaͤrcker/ ein anders ſchwaͤ-
cher ſeyn. Aber waꝛum es nicht eher oder laͤng-
L iijſamer
[246]
ſamer geſchehen moͤge/ das ſehe ich nicht. Hier
gaben die andern ihr Wort auch darzu/ und
kamen alſo von einer Frage auf die andere.
Einer lachte dieſelben auß/ welche meynen/ ſie
haben unſerm Herrn Gott in das Cabinet ge-
kuckt/ und haben obſervirt/ was er in ſeinem
Calender vor einen Tag zum Juͤngſten Ge-
richt anberaumet. Ein ander nahm diejeni-
gen vor/ welche in ihren annis Climactericis
groſſe Wunderwercke ſuchen/ da es doch hieſ-
ſe/ wie Kaͤyſer Maximilianus II. geſagt: Qui-
libet annus mihi eſt climactericus, die an-
dern brachten was anders vor. Letzlich kam
die Frage auf die Bahn/ was man von Nati-
vitaͤtſtellen halten ſolte? da ſagte ein Unbekan-
ter/ der ſich in das Geſpraͤche mit eingemi-
ſchet/ ihr Herren/ dieſe Frage iſt etwas kuͤrtz-
lich/ es denckt offt einer etwas/ das er doch
nicht ſagen mag/ immittelſt wil ich ſagen was
meine Meynung iſt: die Sterne und des Him-
mels Einfluß kan niemand leugnen; ob ie-
mand auß denſelben koͤnne urtheilen/ mag ich
nicht decidirn, geſetzt die principia traͤffen ein/
und man koͤnte einem den gantzen Lebens-lauff
gleichſam als in einem Spiegel vorſtellen/ ſo
iſt doch diß zu beklagen/ daß die meiſten/ welche
ſich dergleichen Rath geben laſſen/ ſolches auß
einem
[247]
einem bloſſen/ und ich haͤtte bald geſagt Athei-
ſliſchen/ Fuͤrwitz thun. Da iſt die Verheiſ-
ſung Gottes viel zu wenig/ daß man auf ſie
trauen ſolte; Man muß beſſere Verſicherung
auß der Conſtellation erhalten und niemand
giebt achtung auff das allgemeine Nativitaͤt/
welches Gott nicht lang nach Erſchaffung der
Welt allen Menſchen geſtellet hat: biſtu from̃/
ſo biſt du angenehm/ biſt du aber nicht fromm/
ſo ruhet die Suͤnde vor deiner Thuͤr. Das
heiſt ſo viel/ wirſt du dich uͤmb einen gnaͤdigen
GOtt bekuͤmmern/ ſo wirſtu wohl leben/ alles
ſoll dir zum Beſten außſchlagen/ es mag Ar-
muth/ Kranckheit/ Verachtung/ Krieg und
ander Ungluͤck einbrechen/ ſo ſoll es dir doch
zu lauter Gluͤcke gedeyen. Wirſt du aber
auf andere Sachen dich verlaſſen/ und gleich-
ſam andere Goͤtter machen/ ſo wird alles Gluͤ-
cke/ es mag an deiner Hand/ oder in deinem
Themate natalitio ſtehen/ zu lauter bellenden
Hunden werden/ welche dich endlich in Noth
und Tod ſo erſchrecken ſollen/ daß die boͤſe
Stunde aller vorigen Freude und Herrligkeit
vergeſſen wird. Ach was vor ein ſchoͤn Fun-
dament haben die Atheiſten zu ihrem abſoluto
decreto, zu ihreꝛ prædeterminatione volunta-
tis, und was die andern Grillen ſeyn/ dadurch
L jvman
[248]
man Gott entweder per directum oder per
in directum zu der Suͤnden Urſache machen
will. Und dieſes iſt die Urſache/ daß bißher
vornehme Politici in ihren Schrifften ſolches
ziemlich hochgehalten/ weil ſie durch die allge-
meine Nothwendigkeit/ etwas erzwingen koͤn-
nen/ das in ihrem Statiſtiſchen Kram dienet.
Hier fiel ihm ein ander in die Rede/ und ſagte/
das waͤre die beſte Nativitaͤt/ haſtu viel Geld/
ſo wirſt du reich/ lebſt du lang/ ſo wirſt du alt:
Und wuͤſte er einen Studenten/ dem habe die
Mutter ſollen Geld ſchicken/ allein ſie haͤtte ſich
entſchuldiget/ das Bier/ davon ſie ſich nehren
muͤſte/ verdürbe ſo offt/ er ſolte zuvor ein Mit-
tel ſchicken/ damit das Bier gut würde: drauff
haͤtte der Sohn einen Zettel genom̃en/ und
darauff geſchrieben: Liebe Mutter brauet
gut Bier ſo habt ihr guten Abgang.
Solchẽ haͤtte die Mutter angehenckt/ und waͤ-
re auch ihre Braunahrung beſſer von ſtatten
gangen. Andere Sachen giengen weiter vor/
welche doch von keiner Wichtigkeit waren/
daß man ſie auffzeichnen ſolte. Es lieff auch
hernach nichts denck wuͤrdiges vor/ weil ſie den
Tag darauff/ ſo bald etliche Kleider gemacht
waren/ auß der Stadtreiſeten und anderswo
mehr Narren ſuchen wol[l]en.
CAP.[249]
CAP. XXIX.
SJe reiſeten etliche Tage und traffen we-
nig ſonderliches an. Einen Mittag
kehreten ſie auf einem Adelichen Schloſſe ein/
wurden auch von dem Herrn deſſelben Ortes
gar hoͤflich empfangen/ bey der Mahlzeit klag-
te der von Adel/ was er vor eine poſſierliche
action mit ſeinen zween Prieſtern habe. Ei-
ner haͤtte dem andern hinter dem Ruͤcken
nach geredet/ als waͤre er auf der Univerſitaͤt
mit Fidel Treutgen wohl bekandt geweſen/
ſolches habe dieſer nicht leiden wollen/ ſondern
habe ihm durch Notarien und Zeugen eine
ſchimpfliche und ehrenruͤhrige Retorſion in
das Haus geſchickt. Jener waͤre nicht zu
gegen geweſen/ und haͤtte in ſeiner Abweſen-
heit des Prieſters-Sohn die Sachen ange-
nommen. Nun habe er ſich in allen Juriſten-
Facultaͤtẽ belernen laſſen/ ob er die vermeynte
retorſion nicht vor eine hauptſaͤchliche Inju-
rie annehmen/ und derhalben ſich ſeines Juris
retorquendi gebrauchen moͤge. Und als
geſprochen worden/ wofern er die Bekand-
ſchafft mit Fidel Treutgen nicht anders als in
Ehren verſtanden/ ſo haͤtte freylich das Recht
ſtatt/ und waͤre der erſte ein grauſameꝛ Injuri-
L vant:
[250]
ant: ſey er hingangen und habe ihm eine
Schkarteke in das Haus geſchickt/ darvor
dem Hencker grauen moͤchte. Der erſte ha-
be geſehn die Notarien und Zeugen mit ihren
Papiergen auffpaſſen/ derwegen den Haus-
knecht geruffen/ und nachdem er gebeten/ ſie
moͤchten doch von den Sachen/ die ſie ſehen
wuͤrden/ gleichfals ihr Zeugniß beytragen/ ge-
ſagt: gehe Haußknecht/ lege dieſen Brieff/ eh
ich ihn leſe/ auf den Hackſtock/ und haue ſo
lange drauff/ biß er in kleine Stuͤckgen iſt/ als-
dann gehe auffs ſecret, wirff den Plunder hin-
ein/ und thue etwas drauff/ ihr Herren aber
werdet euch in eurem Inſtrumente darnach zu
richten wiſſen/ und werdet es meiner Guͤtig-
keit zuſchreiben/ daß ich euch mein Hausrecht
nicht gethan habe. Florindo, der mit ſeinem
Maule ſehr fix war/ ſagte hier/ iſt der geiſtliche
Vater nicht ein Narr/ daß er in die Juriſten-
Facultaͤt ſchickt/ ob er retorquiren darff/ und
ſchickt nicht in die Theologiſche Facultaͤt/ ob
es ihm als einem Geiſtlichen wohl anſtehe/
daß er wie Petrus mit dem Schwerd hinein
ſchlaͤgt/ oder als ein Donnerkind Feuer vom
Him̃el wuͤndſcht. Jch halte der Spruch:
Vos autem non ſic, gehoͤrt auch hieher.
Gelanor hatte uͤber den freyen Reden ein
ſon-
[251]
ſonderliches Mißfallen und ſtraffte ihn der
halben/ er ſolte nicht ſo unbedachtſam von der-
gleichen Sachen urtheilen/ ſo lang er nicht den
Unterſcheid wuͤſte/ was geiſtliche und was
weltliche Haͤndel wãren: denn deßwegen wer-
de niemand ein Theologus, daß er ohne Un-
terſcheid/ abſonderlich wo die Ehre GOttes
nicht darunter verſirte/ ſolte mit allen unhoͤfli-
chen Injurien vor lieb nehmen: die Richter
waͤren den Geiſtlichen ſo wohl zum Beſten ge-
ſetzt als den Weltlichen. Und gewiß/ Gela-
nor hatte Zeit/ daß er die Sache wieder gut
machte/ denn der von Adel hatte einen Præce-
ptor, der ſpielte ſchon mit den Augen/ wie eine
Meerkatze auf den Aepffelkram/ als er hoͤrte/
ein Geiſtlicher duͤrffte ſich nicht wehren. Wie
er dann eꝛſt vor etlichen Tagen ſich mit etlichen
Pfefferſaͤcken brav herumb geſchmieſſen/ und
ſich einen Dreſcher/ der vor dieſem im Kriege
Leutenant geweſen/ ſecundiren laſſen. Wie-
wohl Florindo entſetzte ſich nicht/ und als er
die trockene Correction eingeſteckt/ fragte er
den boͤſen Mann/ Hr. Præceptor, was halt ihr
davon? dieſer ſagte/ Monſ. Gelanor habe
ſehr vernuͤnfftig von der Sache geurtheilt/
ſonſt wuͤrde es ihm/ als einem Theologo nicht
angeſtanden haben/ ſolche unverantwortliche
L vjReden
[252]
Reden zu vertragen. Hier fieng ſich ein ar-
tig diſputat an/ worinn Florindo ſeinen alten
Schulſack gantz außſchuͤttete.
Domine Præceptor, an igitur es Theo-
logus?
Ita, ita.
Sed ſi es Theologus, dic quæſo, quot
jam refutaveris hæreticos.
Ego ſum Theologus, qui conciones
habet.
Intelligo rem, Theologus es non diſpu-
tax, ſed concionax.
Ita, ita.
At ego quidem credideram concio-
nandi artem ſine notitia Theologiæ tam
poſitivæ quàm polemicæ ſubſiſtere non
poſſe.
Ego diſtinguo inter Theologum theo-
retitcum \& practicum.
Eego verò novum diſtinctionis mon-
ſtrum video.
Theologus theoreticus diſcit articulos
fidei: ſed practicus diſcit conciones.
Diſcit igitur? utinam ipſe faceret.
Interim ut intelligo, theoreticum voca-
tis Profeſſorem; practicum, Conciona-
torem.
Præc.
[253]
Ita, ita.
Quid autem ſi argumentis evicero,
Profeſſorem eſſe debere practicum; Con-
cionatorem vero ne quidem eſſe Theo-
logum?
Ego negarem concluſionem.
Citra jocum. Ego ſic argumentor.
Quæ profeſſio verſatur circa agenda \&
credenda, ea eſt practica. Atqui profeſſio
Theologiæ ſic ſe habet. E.
Concluſio eſt falſa.
Eâdem ego operâ dicam, tuam the ſin
eſſe falſam.
Sed ego hoc audivi à Doctore cele-
berrimo.
Si Doctor ille celeberrimus, præfiſci-
ni, adeſſet, ſententiam ſuam fortè de-
fenderet melius, nunc ordo loquendi te
tangit.
Quicquid dicas, ego aliter non ſta-
tuam.
Sed obſtat argumentum à me propo-
ſitum.
Hoc ego non curo, ſicut malam
nucem.
Neque tamen aliter emerget veritas \&
cogita, quantum tuum ſit peccatum, ſi me
L 7relin-
[254]
relinquas in errore, cum ipſa charitas
Chriſtiana cupiat, informari proximum.
Sivis, ut tibiad pudorem reſponde-
am, ego dico, Profeſſores Theologiæ
legunt ſaltem in libris, \& vident quid bo-
num eſt, \& hoc dicunt aliis, qui concio-
nantur.
Id videris ſtatuere, Theologos illos
dicere quidem, quid agendum aut cre-
dendum ſit; ſed tamen vi profeſſionis
ſuæ adſtrictos non eſſe, ut ipſi talia a-
gant aut credant. Et inde dici theore-
ticos.
Ita, ita.
Sed ubi jam oſtendes Theologos pra-
cticos, cùm ipſi plerumque concionato-
res dicant \& non faciant?
Nonne praxis eſt, quod concio-
nantur?
Nonne praxis eſt, quod illi legunt
\& diſputant? Studia practica non di-
cuntur à t[r]actatione, quæ practica eſſe
videtur; ſed ab objecto tractationis,
quod ad praxin terminatur, ſeu agendo
abſolvitur.
Qui ad omnes diſtinctiones debet
reſpondere, illum oportet ſibi emere
Lexi-
[255]
Lexicon Philoſophicum Rodolphi Go-
clenii.
Quid audio? an Goclenius, qui con-
tradictiones philoſophicas conciliavit,
noſtræ etiam controverſiæ medelam affer-
re poterit?
Quid ego curo; credat unusquisque,
quicquid vult.
Mirum eſt, Theologum practicum adeò
propendere ad Syncretiſmum.
Hocego non facio.
Provoco ad auditores. Interim ſi
diſplicet quæſtio prior, veniamusad alte-
ram, Concionatores enim quatenus
tales ſunt, mihi quidem non videntur
Theologi.
Rogote, noli tam abſurda ſtatuere.
Ego ſic argumentor; Artifex non eſt
Theologus, Concionator quatenus talis
eſt artifex. E.
Me oportet ridere, quòd Syllogismum
profers, in quo omnes tres propoſitiones
ſunt abſurdæ.
Cupis probationem?
Non non, impoſſibile eſt, ut probari
poſſit.
Sic ego nunquam memini diſputare.
Præc,
[256]
Ego ſæpè diſputavi cum Paſtoribus hu-
jus loci, ſed nemo me taxavit.
Quanti te taxaverint alii, id equi-
dem meâ non refert. Fac ſaltem, ut vi-
deant reliqui, quid ſentias de meo argu-
mento.
Eja, eja quaſi ego neſcirem, quòd tu
me vis confundere, ſed tamen ut omnes
audiant, quàm abſurda ſint omnia. Tu
dicis, artifex non eſt Theologus. Anne-
ſcis hinc inde à Theologis proponi ar-
tem moriendi, artem bene vivendi, artem
credendi \&c. eja, eja, ergò Theologus
non eſt artifex.
Miſerum eſt, ut video, cum iis diſputa-
re, qui terminos philoſophicos hauriunt
ex Calepino aut Daſypodio. Diſtin-
guo inter artis acceptionem philoſo-
phicam \& vulgarem, vulgaris de qua.
vis ſumitur notitia quæ practica eſt;
Philoſophica præciſe denotat habitum
[e]ffectivum.
Ego non diſco philoſophiam ex Cale-
pino, ego habeo tabulas Stierii, oſtende mi-
hi hanc diſtinctionem.
Quem tu mihi opponis arietem? Sed
conſultum vix eſt, ut optima mea argu-
men-
[257]
menta in pumice cerebri tui deteram, fa-
ciam quod olim domini bellaturi ad-
verſus ſervos. Illi enim non haſtis aut
gladiis, ſed ſcuticis \& ferulís victoriam
reportabant. Sic ego leviori quadam viâ
te aggrediar.
Neſcio, quid dicis.
Dicebas antea, te eſle Theologum, quæ
res cum mihi di[ſ]pliceat, hoc mihi enaſci-
tur argumentum: Theologus eſt mortu-
us: Tu non es mortuus, E. Tu non es
Theologus.
Nego minorem.
Cum mortuo igitur diſputavi? egre-
giam vero umbram, quæ nullam mihi in
cuſſit formidinem.
Ego mortuus ſum huic mundo.
Et vivis huic ſeculo?
Hier legte ſich Gelanor darzwiſchen/ und
ſagte/ ſie ſolten ſich in der Lateiniſchen Weis-
heit nicht zu tieff verſteigen/ doch fragte er ſei-
nen Nachbar/ wer dieſer Præceptor waͤre;
Da erzehlte dieſer/ es waͤre ein Magiſter, haͤtte
feine Dona zu predigen/ und koͤnte er den Heer-
man faſt ad unguem außwendig. Sein Va-
ter waͤre ein Paſtor paganus, und ob gleich
der-
[258]
derſelbe nicht promotus Magiſter waͤre/ ſo
lieſſe er ihn doch oben an gehen. Mit der glei-
chen paſſirten ſie die Zeit biß ſie auffbrachen/
und weiter reiſeten.
CAP. XXX.
JN wenig Tagen kamen ſie in eine vor-
nehme Stadt und da legten ſie ſich in
das beſte Wirthshaus: bey Tiſche nahm ei-
ner die Oberſtelle/ welcher vor eins laͤnger im
Hauſe geweſen/ und vors andere eine groſſe
und vornehme Perſon bedeuten ſolte. Er
ſaß gantz Gravitaͤtiſch/ wie ein Spaniſcher
Ambaſſadeur, und wenn die anderen die Diſ-
curſe lieſſen herumb gehen/ machte er mit ſei-
nem Stillſchweigen/ daß man ihn vor einen
koͤſtlichen Mann hielt Endlich ſetzte ſein Jun-
ge vor dem Tiſche/ indem er auffwarten ſolte/
die Beine etwas krumm/ da fieng er an zu ful-
miniren als waͤre ihm etwas groſſes wieder-
fahren. Du Stuͤck von allen Ertzſchelmen/
ſagte er/ wie offt ſoll ich mich wegen deiner
Unhoͤffligkeit erzuͤrnen? nahm darmit ſein
Spaniſch Rohr/ und kurrentzte den armen
Lauer durch alle prædicamenta durch/ und ge-
wiß/ es war ſehr verwunderlich anzuſehen/ wie
der
[259]
der gute Junge ſo gedultig war/ bald muſte er
die Schienbeine hinſtellen/ und ſich auß aller
Macht drauff pruͤgeln laſſen: Balt muſte er
mit den Haͤnden Pfoͤtgen halten: Bald
muſte er mit den Backen auffblaſen/ und eine
Maulſchelle nach der andern einfreſſen/ und
was der Haͤndel mehr war.
Nachdem nun der arme Tropff wohl
ſtrappezirt war/ fieng der Herr an/ Ach du
Boͤſewicht/ ſiehe wie ich mir deinetwegen das
Leben abkuͤrtzen muß/ iſt es auch moͤglich daß
ein Tag vorbey geht/ da ich mich nicht erzuͤr-
nen muß. Wolte ich doch das Leben keinem
Hunde goͤnnen. Ach Herr Wirth/ iſt keine
Citrone da/ die Galle laͤufft mir in Magen.
Ach der Schelme wird noch zum Moͤrder an
meinem Leibe/ ꝛc die Compagnie ſahe den
Narren an und ließ ihn reden. Doch als ihn
der Wirth in ſein Zimmer gebracht/ ſagte Eu-
rylas, nun das Gluͤcke haͤlt ſich wohl/ die Nar-
rẽ praͤſentiꝛẽ ſich von Tage zu Tage beſſeꝛ. Deꝛ
Zwecken-Peter moͤchte ſich nicht erzuͤrnen/
wann ihm die Boßheit ſo geſchwind in die
Caldaunen faͤhrt. So will er erſtlich ſehen
laſſen/ daß er Macht hat ſo einen elenden Jun-
gen zu pruͤgeln/ und vors andere thut er fein
naͤrriſch/ daß die Leute dencken ſollen/ er wird
flugs
[260]
flugs ſterben. Ja es mag vielleicht ein treff-
licher Handel an ſeiner Perſon gelegen ſeyn/
daß die Leute deßwegen vor der Zeit Floͤre auf
die Huͤte knuͤpfften Und gewiß es verlohn-
te ſich wohl der Muͤh/ daß er ſo einer Lumpen-
Urſach willen einen Fladenkrieg anfieng.
Haͤtte auch der Junge was gethan/ ſo weiß ich
gewiß/ der Hausknecht haͤtte nichts darnach
gefragt/ und haͤtte ihm umb ſechs Pfennige in
dem Stalle eine Galliarde mit der Spießru-
the geſpielt. Da ſagte ein ander am Tiſche/
mein Herr verwundere ſich nicht zu ſehr/ das
iſt noch nichts/ geſtern karbatſchte er den Kut-
ſcher im Hofe herumb/ als einen Tantzbaͤr/ nur
daß er nicht ſtracks gehoͤret/ da er Zum Fenſter
hinauß gepfiffen: da er doch erwieſen/ daß er
eben dazumahl die Pferde gefuͤttert. Nach-
mittage ſchleppte er ſeinen Schreiber in der
Stube bey den Haaren herum/ und pauckte
mit einem Banckbein hinten nach/ daß wir
alle dachten/ er wuͤrde ihn krum und lahm
ſchmeiſſen/ und als wir fragten/ was er ge-
than/ ſo hatte er die Sandbüchſe in der Tafel-
Stube vergeſſen. Der Junge/ der ietzund
ſo tractirt wurde/ mag ſichs vor eine Ehre ach-
ten/ daß er ein Spaniſch Rohr zu koſten
kriegt: denn ſonſt muß er allzeit auf der Stu-
be
[261]
be die Hoſen abziehen/ und da tritt der groſſe
Staatſmann mit der Ruthe davor/ und be-
ſieht die poſtprædicamenta vom Auffgang
biß zum Niedergang. Unterdeſſen ſchreyt
der loſe Dieb/ als ſteckte er an einem Spieſſe/
und rufft ſeinen hertzlieben/ guͤldenen/ geblü-
melten Herrn uͤmb Gnade und Barmhertzig-
keit an. Gelan. ſagte darauff ein Eſel mag ſich
in die Loͤwenhaut ſo tieff verbergẽ als er will/ es
kucken doch die langen Ohren hervor. Und
ein Kerle/ welchen die Natur zu einem Bacu-
lario in der A. B C. Schule deputirt hat/ mag
ſo Politiſch werdẽ als er will/ ſo kuckt doch die
Ruthe und der Stecken/ gleichſam als zwey
lange Eſels-Ohren unter ſeiner Staats-
Muͤtze hervor. Hiermit kam der Wirth wie-
der in die Stube/ da fragte Eurylas, wer die-
ſes geweſen waͤre; Der Wirth ſagte/ es ſey
ein vornehmer Mann/ er habe ein hohes
Ampt/ doch haͤtte es ſo einen langen Lateini-
ſchen Namen/ daß er es nicht behalten koͤnte.
Zwar dieſes wuͤſte er von ihm zu ruͤhmen/ daß
ſich alle uͤber ihn beklagten/ als kernte er ſich
vor Hoffart ſelbſt nicht/ und haͤtte zwar ge-
ringe Meriten/ doch ſehr hohe Gedancken.
Gelanor brach hierauff in folgende Worte
herauß: Der Kerle ſtrebt mit aller Gewalt
nach
[262]
nach dem Superlativo in der Narrheit. Was
bildet er ſich mit ſeiner vornehmen Charge ein?
weiß er nicht/ wenn die Schweine auf den
Moͤhren oder Ruͤben-Acker kommen/ ſo er-
wiſcht die groͤſte Sau gemeimglich das groͤ-
ſte Stuͤcke. Es faͤllt mir bey/ was in der al-
ten Kirchen-Hiſtorie von einem Biſchoff er-
zehlet wird. Dieſer ließ ſich viel duͤncken/ daß
er ſo ein vornehmes Ammt erlanget haͤtte/ und
ſahe alle andere Leute gegen ihm zu rechnen
vor Katzen an. Endlich erſchien ihm im
Schlaffe ein Engel/ und redete ihn alſo an:
Warumb erhebſt du dich deines hohen Be-
ruffs/ meynſt du/ daß deine Qvalitaͤten ſolches
verdient haben? Ach nein/ die Gemeine iſt kei-
nes beſſern Biſchoffs werth geweſen. Mich
duͤnckt/ wer manchen Rath/ Superintenden-
ten/ Buͤrgermeiſter/ Am̃tmann/ Richter und
dergleichen anatomiren ſolte/ es wuͤrde nichts
anders herauß kommen/ als Gott habe die
Gemeine nicht aͤrger ſtraffen koͤnnen/ als mit
ſo einem geſchnitzten Palm-Eſel/ dem man
nun faſt goͤttliche Ehre anthun muͤſſe. Hier
ſagte einer am Tiſche/ er haͤtte ſolches in
der That offt erfahren. Jch kenne/ ſagte er/
einen Burgemeiſter/ der will ſich an den Grie-
chiſchen Patribus zu tode leſen: einen Super-
in-
[263]
intendenten/ der ſchreibt Commentarios uͤ-
ber die Politica und ve[r]tirt Frantzoͤſiſche Ro-
manen: Einen Stadt-Phyſicum, der will
Barth[ii] Adverſaria continuiren: Einen
Schul-Rector, der refutirt die Ketzer: Einen
Kauffmann/ der iſt ein Chymicus: Einen
Soldaten/ der ſitzt Tag und Nacht über Teut-
ſchen Verſen: Einen Schuſter/ der Advo-
cirt und heiſſt novo nomine Licentiat Abſatz[:]
Einen Bauer/ der ſchreibt Calender. Das
heiſt mit kurtzen Worten ſo viel gegeben/ ein
iedweder Narr thut/ was er nicht thun ſoll/
und darzu er von Gott beruffen iſt/ das ſetzt
er hinten an/ gleich muͤſte das ἔργον dem παρ-
έργῳ weichen. Eurylas ſagte hierauff/ mein
lieber Herr/ diß geht wohl hin/ da thut gleich-
wohl em iedweder etwas/ und zeigt dadurch
an/ daß er nicht gantz einen Gruͤßkopff hat.
Zum wenigſten dienen dieſe Sachen wie mein
alter Edelmann auß dem Tacito offt ſagte/
ad velandum ſegne otium: aber was ſoll man
bey den Leuten thun/ die gar nichts verſtehn/
und doch/ wie jener/ der Teufel gar bey der
Cantzley ſeyn. Gelanor fiel ihm in die Rede/
es bleibt darbey/ wo dergleichen vorgeht/ da iſt
die Gemeine oder das Land keines beſſern
werth geweſen. Gott ſtrafft nicht nur mit
Fuͤr-
[264]
Fuͤrſten die Kinder ſind/ oder doch Kindiſche
Gedancken haben: ſondern wo man kluge und
vernuͤnfftige Leute bedarff/ da kan er ein Kind
hinſetzen/ dadurch die allgemeine Wohlfahrt
in das Decrement gebracht wird. Und dan-
nenhero ſieht ein iedweder/ was dieſelbe vor
Narren ſind/ welche auf die uͤbele Admini-
ſtration bey hoher und niedriger Obrigkeit
ſchmaͤhen wollen. Du elender Menſch/ gib
achtung auf dich/ ob du mit deinem boͤſen Le-
ben was beſſers verdienet haſt. Vielleicht hat
ein Fuͤrſt oder ſonſt ein hoher Miniſter offt-
mahls mehr auf die Unterthanen zu ſchelten/
daß ſie mit ihren Suͤnden und Schanden
GOtt er zuͤrnen/ und alſo viel gute Conſilia
von ihrem guten Event zu ruͤcke halten. Es
dencke auch ein iedweder Buͤrger und Bauer
nach/ es wird alle Soñtage von der Cantzel
vor die Obrigkeit gebetet. Aber wo iſt einer/
der ſolches mit Andacht nachſpricht? daß es
alſo kein Wunder iſt/ daß Gott ſo ſparſam mit
den Guͤtern gegen uns uͤmbgeht/ darumb er
ſo ſparſam oder wohl gar nicht angeruffen
wird. Unterdeſſen mag ein ſolcher zur Straff
eingeſetzter Großſprecher ſich nicht zu viel auf
ſeine Farbe verlaſſen. Kaͤyſer Caligula wolte
ſeinem Pferde Goͤttliche oder Fuͤrſtliche Ehre
erwei-
[265]
erweiſen laſſen/ gleich wohl blieb es ein Pferd
und ward an ſich ſelbſt zu keinen Fuͤrſten. Al-
ſo wenn Gott einen Fuchs/ einen Wolff/ eine
Sau/ einen Eſel oder wohl gar eine Fleder-
mauß von den Menſchen zur Straffe will ge-
ehret wiſſen/ ſo iſt es zwar billig/ daß man Got-
tes willen mit gantzen Hertzen erfuͤllt/ doch
das unvernuͤnfftige Thier wird deßwegen
kein Menſch. Ja es geht endlich wie mit dem
Attila, der nennete ſich Flagellum Dei; Aber
nun liegt die Ruth im Hoͤlliſchen Feuer und
brennet. Wie ein Vater! wenn er die Ru-
the gegen die Kinder gebrauchet hat/ ſie zu letzt
in den Ofen wirfft. Mehr dergleichen wur-
den vorgebracht/ biß die Compagnie auf ei-
nen andern Diſcurs gerieth/ und endlich vom
Wirthe vernahm/ wie daß inſtehende Woche
eine groſſe Hochzeit/ und auch ein groß Lei-
chenbegaͤngniß wuͤrde angeſtellet werden.
Weil nun ein ied weder ohn diſem gern auß-
geruhet hãtte/ ward alſobald beſchloſſen/ beyde
Actus in Augenſchein zu nehmen.
CAP. XXXI.
NUn hatten ſich bey waͤhrender Mahlzeit
etliche Kerlen in die Stube gefunden/
Mwelche
[266]
welche einen ſonderlichen Tiſch einnahmen
und zu Trincken begehrten/ die waren ſo treu-
hertzig auf das Bier und den Wein erpicht/
daß ſie ein groß Straff-Glaß in die Mitten
ſetzten/ welches der jenige außſauffen ſol[t]e/ der
uͤber drey Glaͤſer wuͤrde vor ſich ſtehen laſſen/
und wie die Redens-Art hieß/ zum Schaff-
haͤuſer werden. Da gieng Bier und Wein
unter einander/ da truncken ſie carlemorle-
puff, da ſoffen ſie Flores, da verkaufften ſie
den Ochſen/ da ſchrieben ſie einen Reim auf
den Teller/ in Summa/ da plagten ſie einan-
der mit dem Sauffen/ daß es eine Schande
anzuſehen war. Die Gaͤſte uͤber der Tafel
ſtunden auf und giengen in ihre Gemaͤcher/
dieſe aber ſtocherten die Zaͤhne biß nach Mit-
ternacht; und ob gleich etliche das uͤberfluͤßige
Getrāncke nicht vertragen kanten/ ſo ſtund
doch ſchon ein Becken auf dem Tiſche/ in wel-
chem man S. Ulrichen ein Kaͤlbgen auffopf-
fern kunte/ und damit gieng es von forn an.
Ja es kam ſo weit/ daß die Glaͤſer und Kañen
zu ſehlecht waren/ und daß ſie auß umgekehr-
ten Leuchtern/ auß Huͤten/ auß Schuhen/ und
auß andern poſſirlichen Geſchirr ſoffen/ biß ei-
ner da/ der andere doꝛt in ſeinem eigenen Soͤd-
gen liegen blieb. Der Mahler hatte diß Cy-
clo-
[267]
clopiſche und Beſtialiſche Weſen mit angeſe-
hen/ als er nun alles nach der Ordnung refe-
rirte/ ſagte Gelanor: Jſt das nicht eine Thor-
heit bey uns Teutſchen/ daß wir ſo unbarm-
hertzig auf das liebe Getraͤncke loßgehn/ als
koͤnten Gottes Gaben ſonſt nicht durchge-
bracht werden; und daß wir uns einander
ſelbſt ſolche Ungelegenheit machen. Es wird
einer in dem Hauffen geweſen ſeyn/ dem zu
Ehren der Schmauß wird angeſtellet ſeyn/
und da wird es moꝛgen heiſſen/ ha ich bin ſtatt-
lich tractirt worden/ ich habe die Thuͤr nicht
finden koͤnnen/ der Kopff thut mir drey Tage
darnach weh/ und dieß heiſt auf Teutſch/ dem
zu Gefallen bin ich ein Narr/ eine Beſtie/ Ja
wohl gar ein Teufel worden. Nun wird
niemand leugnen/ daß offt einer in der Com-
pagnie den andern zwinget/ da doch keiner
rechte Luſt zum Sauffen hat. Und doch muß
die Gewonheit ihren Lauff behalten/ und es
heiſt/ ſie ſind luſtig geweſen. Wann ich einen
Feind haͤtte/ und koͤnte ihn ſo weit bringẽ/ dz er
einen Tag ſich an ſtellte als ein rechter gebohr-
ner Narr/ und den andern Tag vor Schmer-
tzen nicht wuͤſte/ wo er den Kopff laſſen ſolte/
ſo meinte ich/ meyne Rache waͤre ſehr koͤſtlich
abgelauffen. Nun aber thun ſie ſolches nicht
M ijihrem
[268]
ihrem Feinde/ ſondern ihrem beſten Kern-
Freunde/ den ſie ſonderlich reſpectiren wol-
len/ und iemehr ſie einen obligiren wollen/
deſto ſchaͤrffer ſetzen ſie einem zu/ daß mancher
Gluͤckſelig iſt/ der wenig Freunde hat/ und
alſo bey ſeiner Vernunfft ungehindert gelaſ-
ſen wird.
Eurylas ſagte hierauff: es nimt mich offt
wunder/ warum ein Menſch ſolche groſſe Luſt
an ſeiner Unvernunfft und an anderer her-
nachfolgenden Verdrießlichkeit haben kan:
dann/ daß niemand den Befehl Chriſti in acht
nimmt/ huͤtet euch vor Freſſen und Sauffen/
das iſt in der Atheiſtiſchen Welt kein Wun-
der/ da man Gottes Gebote offt hintan ſetzt.
Sondern diß ſcheinet vor ſolche Politicos zu
ungereimt/ daß/ indẽ ſie in allem auf ihr Beſtes
ſehen und dencken wollen/ gleichwol ihre Ver-
nunfft/ ihre Geſundheit und alles in dem
Weinfaſſe zurück laſſen. Da koͤmmt ein
Prieſter/ und haͤtte die Gaben/ daß er eine fei-
ne andaͤchtige Predigt ablegen koͤnte: Aber
weil der geſtrige Rauſch noch nicht verdauet
iſt/ ſo geht es ab wie Pech vom Ermel/ und hat
er ſelbſt neben ſeinen Zuhoͤrern/ die hoͤchſte
Ungelegenheit darbey. Das Nachſinnen
koͤmmt ihn ſauer an/ kein Wort henckt an dem
andern/
[269]
andern/ das Maul iſt ſo duͤrr/ daß ihm die Zun-
ge als ein alter Peltzfleck an dem Gaumen
herum zappelt.
Von andern Staͤnden mag ich nichts ſa-
gen/ wolte Gott! die jungen Leute ſpiegelten
ſich an den alten podagriſchen/ trieffaͤugigten/
zitterenden Herren/ welche in Staͤdten und
Doͤrffern offt verurſachen/ daß ein gemeines
Weſen auff ſchwachen Fuͤſſen ſteht/ da ſie doch
ſolcher Schwachheit wohl koͤnten geuͤbrigt
ſeyn/ wann ſie in der Jugend ihre geſunde und
ſtarcke Naturen nicht ſo ſehr ſorcirt haͤtten.
Und wie mancher waͤre ein beliebter und ge-
ſegneter Mann blieben/ wann er im Truncke
nicht alle Heimligkeit geoffenbahrt/ oder mit
einem andern unnoͤthigen Streit angefangen
oder ſich ſonſt mit naͤrriſchen Reden und Ge-
berden proſtituirt haͤtte.
Gelanor gedachte darbey an einen Studen-
ten/ welchen er zu ſeiner Zeit auf Univerſitaͤ-
ten gekennt hatte/ von dieſem ſagte er/ ich habe
mein Tage keinen Menſchen geſehn/ der ſich
mit beſſrer Manier vom Sauffen abfinden
kunte. Einmahl ſolte er ein Glaß voll Wein
ungefehr von einer Kanne außtrincken/ und
ſtellte ſich der andere/ der es ihm zugetruncken/
ſo eifrig an/ als wolte er ſich zureiſſen/ doch die-
M iijfer
[270]
ſer ſagte; Mein Freund/ ich habe ihn
vom Hertzen lieb/ doch iſt mirs lieber/ er
wird mein Feind/ als daß ich ſoll ſein
Narr werden. Ein ander ſagte zu ihm/
entweder das Bier in den Bauch/ oder den
Krug auf den Kopff/ da war ſeine Antwort:
Jmmer her/ ich habe lieber nuͤchtern
Haͤndel/ als in voller Weiſe. Wieder
einander; trunck ihn eines groſſen Herrn
Geſundheit zu/ da ſagte er: GOTT
gebe dem lieben Herrn heute einen gu-
ten Abend/ meine Geſundheit iſt mir
lieber als ſeine. Ferner ſolte er ſeines gu-
ten Freundes Geſundheit trincken/ da war diß
ſeine Entſchuldigung: Es waͤr mir leid/
daß ich die Geſundheit oben oder un-
ten ſo bald weglaſſen ſolte. Einmahl bat
ihn einer/ er ſolte ihn doch nicht ſchimpfen/ daß
er ihn unberauſcht ſolte von der Stube laſſen/
aber er replicirte: Mein Herr ſchimpffe
mich nicht/ und ſauffe mir einen Rauſch
zu. Mehrentheils war dieß ſeine Exception.
Herr/ ſagte er/ wil er mir eine Ehre an-
thun/ ſo ſey er verſichert/ ich ſuche mei-
ne Ehre in der Freyheit/ daß ich trin-
cken mag/ ſo viel mir beliebt: wil er mich
aber zwingen/ und mir zuwider ſeyn/
ſo
[271]
ſo nehme ich es vor eine Schande an/
und dancke es ihm mit etwas anders/
daß er mich gebeten hat. Gleich in dem
fragte Florindo, ob ſie nicht wolten zu Bette
gehn/ und verſtoͤrte alſo das ſchoͤne Ge-
ſpraͤche.
CAP. XXXII.
AM Morgen ſtunden ſie auf und ſpa-
tzierten durch die Stadt/ als ſie nach
Hauſe kamen/ war der Richter an demſelben
Orte von einem andern pro hoſpite genom-
men worden/ der fuͤhrte lauter Chriſtliche
Diſcurſe. Ja ſagte er/ was hat ein Menſch/
das ihm Gott nicht giebt. Ach Gottes Vor-
ſorge muß dz beſte bey unſerer Nahrung thun-
Wie muͤſſen doch die Menſchen dencken/ wel-
che Gott nicht vor Augen haben/ und ihr Her-
tze an das Zeitliche hencken? Ach ein gutes Ge-
wiſſen iſt ein ewiges Wohlleben. Jch wolte
lieber Saltz und Brod eſſen/ als einen geme-
ſteten Ochſen mit Unrecht. Dieſen Ruhm
wil ich einmahl mit in die Erde nehmen/ daß
ich niemanden ſein Recht gebeugt habe. Ge-
lanor ſperrete Augen und Ohren auf und ver-
liebte ſich faſt in den Gewiſſenhafftigen Rich-
M jvter-
[272]
ter. Aber als die Mahlzeit geendigt war/
und Gelanor ſeine Gedancken dem Wirthe
eroͤffnete ſagte dieſer/ mein lieber Herr/ weiß
er nicht/ daß ſich die ſchwartzen Engel offt in
Engel des Lichts verſtellen. Es iſt kein aͤr-
ger Finantzen-Freſſer im Lande/ als der Mañ/
zwar dieſes muß ich ihm nachſagen/ er iſt ſo
heilig/ als ein Bettelmuͤnch/ dann gleich wie
dieſer kein Geld anruͤhrt/ ſo greifft er kein Ge-
ſchencke an; er ſpricht nur/ Jungefrau nehmt
ihrs/ ich kans mit gutem Gewiſſen nicht neh-
men/ ich habe geſchworen. Quaſi verò, als waͤ-
re Mann und Weib nieht ein Leib. Uber diß
nimmt er alle accidentia mit Recht ein/ denn
er verdoppelt die Gerichts-Gebuͤhren/ und
ſpielt die Sachen/ welche man in einem Ter-
min debattiren koͤnte/ in die lange Banck hin-
auß/ daß viel unnoͤthige Zeugen abgehoͤret/ viel
nichtige Exceptiones zugelaſſen werden/ nur
daß die Gebuͤhren fein hoch lauffen/ weil man
ſolche doch mit gutem Gewiſſen einſtreichen
kan. Jtem/ er haͤlt etliche Advocaten auf der
Streu/ die muͤſſen ihm jaͤhrlich etliche hundert
Guͤlden geben. Und dieſes laͤſt ſich mit gu-
tem Gewiſſen nehmen/ deñ donatio inter vi-
vos iſt ja ein titulus Juris: Jnzwiſchen thut
er den guten Wohltaͤtern die courtoiſie, und
for-
[273]
foͤrdert ihre Sachen/ daß ſie zutraͤgliche Cli-
enten bekommen/ und alſo heiſt es recht; Ach
GOTT der theure Nahme dein/ muß ihrer
Schalckheit Deckel ſeyn. Hierauff ſagte
Gelanor, nun ſo hab ich noch keinen ſolchen
Heuchel - Narren angetroffen: der blinde
Mann meinet/ es ſey gar wohl außgericht/
wann er nur den Nahmen GOttes im Mun-
de fuͤhre/ geſetzt/ daß er ſolchen in der That
mehr als zu ſehr verleugne. Nun/ nun ver-
laſſe dich auf dein fas \& nefas, das heiſt/ auf
deine Beſoldung und accidentia, du wirſt zu
recht kommen/ nur ſieh dich vor/ daß keiner auf
den Juͤngſten Tag appellirt, da moͤchte der
Hencker zum Straſſenrauber werden/ und
moͤchte dich hohlen/ ehe du alle deine Liquida-
tiones legitimirt haͤtteſt. Als dann wirſt du
erfahꝛen/ welches du manchem Inquiſitẽ nicht
glauben wilſt; Ex carcere malèreſpondetur.
Jndem fiengen ſie an zu laͤuten/ da eilte der
Wirth/ daß er kunte zu der Leiche gehn/ und
gab ſeinen Gaͤſten Anleitung/ wo ſie in der
Kirche die Predigt hoͤren ſolten/ denn die Ei-
telkeit/ die ſo wol im Proceß, als in der Trauer
ſelbſt gehalten worden/ mag ich nicht beruͤh-
ren: Weil es doch ſo gemein damit iſt/ daß
ſich niemand mehr daruͤber verwundert. Da-
M vrumb
[274]
rumb eilen wir zu der Predigt. Nun war
die gantze Stadt voll/ was der verſtorbene
vor ein boͤſer Menſch geweſen/ alſo daß etliche
ſagten/ er waͤre nicht einmahl wehrt/ daß er
auf den Gottes-Acker begraben wuͤrde/ deſ-
ſen aber ungeacht/ war die Leichpredigt ſo
troͤſtlich und delicat eingericht/ daß mancher
vor Freuden geſtorben waͤre/ wann er ſich an
ſeinem Ende ſolcher Predigten haͤtte verſi-
chern ſollen.
Endlich kam es an den Lebens-Lauff/ da
war es voller Chriſtlicher und Himmliſcher
Tugenden/ da hatte er in der Schule die vor-
trefflichſten [/]pecimina abgeleget/ und alle Leu-
te ſagten/ er haͤtte ſich mit etlichen Præcepto[r]i-
bus geſchlagen/ wäre hernach zum Fenſter
hinauß geſprungen/ und was dergleichen
Leichtfertigkeiten mehr waren. Ferner ſolte
er ſich auf Univerſitaͤten eine geraume Zeit
mit ſonderbahren Nutzen auffgehalten haben/
und iederman ſagte/ er waͤre einmahl auf die
Leiptziger Meſſe gezogen/ und haͤtte ſich im
Auerbachs-Hoffe auf dem Bilderhauſe umb-
geſehen/ waͤre darnach in das rothe Collegi[-]
um gangen/ und haͤtte der Depoſition zugeſe-
hen/ von dar haͤtte er in dem Fuͤrſten Collegio
eine Kanne Vier getruncken/ und damit waͤre
er
[275]
er wieder nach Hauſe kommen. Abſonder-
lich muſte Eurylas lachen/ daß erzehler wurde/
wie er ſich ſo wohl mit den boͤſen Nechſten
vertragen/ alles mit Chriſtlicher Gedult uͤber-
ſehn/ und niemahls boͤſes mit boͤſem vergol-
ten haͤtte: denn er fragte/ wo denn der boͤſe
Nechſte waͤre/ dem man alles muͤſſe zu gut
halten/ weil dergleichen Ruhm in allen Leich-
predigten zu befinden waͤre. Es muͤſten
vielleicht diejenigen ſeyn/ welche mit der halben
Schule begraben wuͤrden/ und keine Predigt
kriegten. Gelanor ſagte/ es waͤre nicht ſo zu
verſtehen/ als wenn ſie eben ſo gut und heilig
gelebt haͤtten/ ſondern daß ſie alſo haͤtten leben
ſollen/ damit die Lebenden ſich ihrer Schul-
digkeit dabey erinnern/ und das Leben genau-
er anſtellen moͤchten. Ja wohl verſetzte Eu-
rylas, haͤtten ſie alſo leben ſollen; aber wer wil
ſich einbilden/ daß iemand durch dieſe Erin-
nerung gebeſſert wird. Jch menyte vielmehr/
weil andere mit ihrem liederlichen Weſen ſo
ein Lob verdienet haͤtten/ ſo wolte ich es gleich
ſo bunt treiben/ und doch die ſtattlichſten Per-
ſonalia darvon tragen. Nein nein/ antwortete
Gelanor, die Meynung hat es nicht/ ſondern
es wird ſo viel darunter verſtanden. Seht
ihr Lente/ dieſer Menſch hat an ſeinem letzten
M vjEnde
[276]
Ende noch die Gnade gehabt/ daß er zum Er-
kaͤntniß kommen iſt. Jhr andern wagt es
nicht darauff/ ihr habt kein Brieff und Siegel
daruͤber/ daß ihr auch mit ſolcher Vernunfft
hinfahren koͤnnet. Unter dieſen Reden hat-
ten ſie auf das uͤbrige nicht achtung gegeben/
daß ſie alſo nichts mehr davon zu hoͤren krieg-
ten: alldieweil die Muſic wieder angieng/ und
alle mie hellem Halſe zu ſammen anſtimmten/
deñ der Tod koͤmmt uns gleicher Weiß.
Als ſie nach Hauſe kamen/ brachte der Wirth
einen Pack Leichen Carmina mit/ darein er
haͤtte vor zehen Thaler Pfeffer und vor fuͤnff-
zehn Guͤlden Jngwer einwickeln koͤnnen/ Ge-
lanor ſahe ſich in denſelben etwas umb/ und
fand unter andern folgende Kern-Verſe/ oder
daß ich einer iedweden Sache ihren rechten
Namen gebe/ folgendes Madrigal, von vier-
tzig Verſen weniger eins.
Du
Gelanor hatte groſſe Gedult/ daß er es im
Leſen noch ſo weit gebracht. Doch weiter
mochte er die Nießwurtzel nicht in ſich freſſen/
ſondern warff das Papier in das Fenſter/ und
ſagte/ es bleibt darbey/ der Kerle iſt ein Narr/
und wenn ſonſt kein Poete ein Narr mehr
waͤre. Was hat der uͤberſuͤchtige Sauſe-
wind auf den Tod zu laͤſtern? Der Tod iſt
GOttes Ordnung/ der laͤſt die Menſchen
ſterben/ und ſetzt uns ein Ziel/ welches nie-
mand uͤberſchreiten kan. Daß die Heidni-
M vijſchen
[278]
ſchen Poeten/ welche von GOtt nichts ge-
wuſt/ unterweilen ſolche Fratzen mit einge-
mengt/ das iſt kein Wunder; Aber daß ein
Chriſt dem Tode gleichſam vor der Thuͤre
wetzt und ihn herauß fordert als einen andern
Berenheuter/ das iſt fuͤrwar eine von den
groͤſten Schwachheiten. Jn waͤhrendem
Geſpraͤche kam ein heßlicher Dampff in die
Stube gezogen/ daß alle meynten/ ſie muͤſten
von dem widrigem Geruche vergehen. Als
ſie nun hinauß ſahen/ wurden ſie etliche Kerlen
gewahr/ welche Tabackpfeiffen im munde hat-
ten/ und ſo abſcheulich ſchmauchten/ als wenn
ſie die Sonne am Firmament verfinſtern wol-
ten. Gelanor ſahe ein wenig zu/ endlich ſagte
er/ ſind das nicht Narren/ daß ſie dem Teufel
alles nachthun und Feur freſſen. Jch moͤchte
wohl wiſſen/ was vor Kurtzweil bey dem Lum-
penzeuge waͤre. Der Wirth hoͤrte es/ und
meinte/ es muͤſte mancher wegen ſeiner Phleg-
matiſchen Natur dergleichen Mittel gebrau-
chen. Doch Eurylas fragte/ wie ſich denn
die Phlegmatiſchen Leute vor zweyhundert
Jahren curirt haͤtten/ ehe der Taback in Eu-
ropa wāre bekandt worden/ ſagte darneben/ es
waͤren etliche Einbildungen/ daß der Taback
ſolte die Fluͤſſe abziehen/ er braͤchte zwar Feuch-
tigkeit
[279]
tigkeit genug in dem Munde zuſammen: Al-
lein dieſes waͤren nicht die rechtſchuͤldigen
Fluͤſſe/ ſondern die Feuchtigkeit/ welche im
Magen der concoction als ein vehiculum
dienen ſolte/ wuͤrde hierdurch abgefuͤhret:
dannenhero auch mancher duͤrre/ matt/ hart-
leibicht/ und ſonſt elende und kranck davon
wuͤrde. Der Wirth wandte ein/ gleich wohl
keñte er vornehme Doctores und andere Leu-
te/ die auch wuͤſten/ was geſund waͤre/ bey wel-
chen der Taback gleichſam als das taͤgliche
Brot im Hauſe gehalten wuͤrde. Ey ſagte
Eurylas, iſt denn nun alles recht/ was groſſe
Leute thun? Jn Warheit es ſteht ſchoͤn/
wann man in ihre Studierſtuben koͤmmt/
und nicht weiß/ ob man in einer Bauer-
Schencke/ oder in einem Wachhauſe iſt/ vor
Rauch und Stancke. Warumb muͤſſen et-
liche den Taback verreden und verſchweren/
wollen ſie anderſt bey der Liebſten keinen Korb
kriegen! warumb ſchleichen die armen Maͤn-
ner in die Kuͤche/ und ſetzen ſich umb den Herd/
daß der Rauch zum Schorſtein hinauß ſtei-
gen kan? warumb ziehen ſie andere Kleider
an/ und ſetzen alte Muͤtzen auf? Gelt/ wenn ſie
ſich des Bettelments nicht ſchaͤmen muͤſten/
ſie wuͤrden es nicht thun. Fldrindo ſagte
hier-
[280]
hierauff/ ey was ſollen ſich die Leute ſchaͤmen.
Wiſſet ihr nit/ wie wir unlaͤngſt in einer nam-
hafftigẽ Stadt auf die Trinckſtube gehen wol-
tẽ/und vor der Stube einen Tiſch voll Docto-
res antraffen/ welche Collegialiter die Taback-
pfeiffen in dem Munde hatten. Dazumahl
lernte ich/ was die weitlaͤufftigẽ Programma-
ta an den Doctoraten nuͤtze waͤren/ dann zur
Noth koͤnten die lieben Herren fidibus dar-
auß machen/ und Mußquetier-Taback vor
Virginiſchen gebrauchen. Dem Wirthe
waren die Reden nicht angenehm/ drum gieng
er fort und ſagte/ wem der Geſtanck zuwider
waͤre/ der moͤchte ſich eine Balſambuͤchſe zu-
legen/ er koͤnte den Geruch nicht beſſer ſchaffen/
als er von Natur waͤre.
CAP. XXXIII.
FOlgenden Tag war die Hochzeit ange-
ſetzt/ da muſte unſere Compagnie Maul
und Naſe auffſperren/ daß ſie alles recht be-
trachten und einnehmen kunten Die Gaͤſte
waren auf das Koͤſtlichſte herauß geputzt/ die
Tractamenten waren ſehr delicat/ die Muſic
ließ ſich mit ſonderlicher Annehmligkeit hoͤrẽ/
die Taͤntze wurden mit groſſem Tumult voll-
bracht
[281]
bracht. Einer ſchnitt Capreolen/ der andere
machte Floretten/ der dritte ſtolperte uͤber die
hohen Abſaͤtze: da mochte ſauffen/ wer ein
Maul hatte. Denn andern Tag war die
Braut mit ihrem neuen Schlaffgeſellen un-
erhoͤrt auffgezogen/ da kamen die Weiber und
Maͤnner/ und verſuchten ihr Herl. Abſon-
derlich haͤtten ihr die Junggeſellen/ oder die
Herren Braut-Luͤmmel bald den Kopff mit
Band und Haaren abgeriſſen/ weil ſie den
Krantz mit ſtarckem Drate unter den Haaren
feſt verwahret hatte. Und bey dieſem Actu
giengẽ ſolche obſcœna æquivoca vor/ daß ſich
zuͤchtige Ohren billig davor zu ſchaͤmen hat-
ten. Als nun der Wirth mit unſrer Com-
pagnie wieder zu ſprechen kam/ ſagte Eurylas,
es gefāllt mir an dieſem Orte ſehr wohl/ in-
dem es lauter wohlhabende und vergnuͤgte
Leute hier giebt. Jch ſehe alles in Koſtbahren
Kleidern in koͤſtlichẽ Eſſẽ und Tꝛinckẽ/ in Wol-
luſt und Herrligkeit daher ſtutzen. Doch der
Wirth gab zur Antwort; mein Herr/ es iſt
nicht alles Gold/ was gleiſſet. Solte er un-
ſere Hoffart auf den Probierſtein ſtreichen/ ſie
wuͤrde nicht guͤlden herauß kommen. Es
geht manche Jungfer/ die hat ihr gantz Patri-
monium an den Hals gehenckt/ nur daß ſie
deſto
[282]
deſto eher ein ander Patrimonium mit verdie-
nen will. Zu Hauſe zotteln ſie in Leinwat-
Kuͤtteln/ und eſſen trocken Brod/ nur daß ſie
allen Alamodiſchen Bettel ſchaffen koͤnnen.
Mancher wirfft den Spielleuten/ oder Hoch-
teutſch zu reden/ den Herren Juſtrumentiſten
einen Thaler auf/ den er an drey und zwantzig
Ecken zuſammen geborgt hat. Mancher
tantzt die Schuh entzwey/ ehe er weiß wo das
Geld herkommen ſoll/ damit er den Schuſter
contentirt. Braut und Braͤutigam ſelber
werden in drey Jahren nicht ſo viel eiñehmen/
als ſie auf ihre Pralerey auffgewendet haben.
Da ſagte Eurylas, du blinde Welt/ biſt du ſo
naͤrriſch/ und knuͤpffſt keine Schellen an die
Ohren? da haͤtte mancher meynen ſollen/ es
waͤre lauter Fuͤrſtlich und Graͤfflich Reich-
thumb darhinder/ ſo ſehe ich wohl/ es iſt mit ei-
nem Quarge verſiegelt.
Gelanor gab ſein Wort auch darzu. So
haben die Leute/ ſagte er/ ſchlechte Urſache ſo
uͤppig und wohlluͤſtig ihre Sachen an[zu]ſtel-
len. Sie moͤchten an ſtatt ihrer Zotten und
unzuͤchtigen Raͤtzel etliche Gebete ſprechen/
daß ſie GOtt auß ihrer Armuth erretten/ und
ihnen ein zutraͤgliches Außkommen beſcheren
wolle.
Es
[283]
Es iſt ohn diß eine Schande/ daß die zarte
Jugend durch dergleichen aͤrgerliche Haͤndel
zu boͤſer Luſt angereitzet wird. Und da moͤchte
man nachdencken/ warumb vor alters bey de-
nen Hochzeiten Nuͤſſe unter das junge Volck
außgeworffen worden? nehmlich daß ſie nicht
ſolten umb die Tiſche herumb ſtehen/ wenn ir-
gend ein muthwilliger Hochzeit-Gaſt ein
ſchlipffrich Wort lieſſe uͤber die Zunge ſprin-
gen. Nun wer will ſich wundern/ daß ſo we-
nig Heyrathen wohl außſchlagen/ da mit ſol-
cher Uppigkeit alles angefangen wird. Wenn
nun die Nachfolge nicht ſo ſuͤß iſt/ als ſich man-
ches die Einbildung gemacht hat/ ſo geht es
auf ein Klagen und Lamentiren hinauß: da
hingegen andere/ welche den Eheſtand als ei-
nen Weheſtand annehmen/ hernachmahls al-
le gute Stunden gleichſam als einen unver-
hofften Gewinn erkennen/ das Boͤſe aber nicht
anders als ein telum præviſum gar leicht ent-
weder vermeiden/ oder doch mit Gedult beyle-
gen koͤnnen.
Hierauff gedachten ſie an das Tantzen/ und
meynte Eurylas, es waͤre eine Manier von der
klugen Unſinnigkeit/ daß eines mit den andern
herumb ſpringe und ſich muͤde machte: aber
Gelanor fuͤhrte dieſe entſchuldigung an. Es
iſt
[284]
iſt nicht ohne/ ſagte er/ es ſcheinet etwas lieder-
lich mit den Tantzen. Doch die gantze Ju-
gend koͤmmt den alten Leuten eitel und lieder-
lich vor. Und darzu kan es auch von Alten
mit Maſſe gebrauchet werden: denn die Be-
wegung iſt dem Menſchen nicht ſchaͤdlich/ ab-
ſonderlich wenn im trincken ein klein Exceſgen
vorgegangen/ da ſich der Wein deſto eher ver-
dauen und auß dem Magen bringen laͤſt/ und
alſo deſto weniger exhalationes das Gehirne
beſchweren. Wie man offt ſieht/ daß einer/
der am Tiſche ein Narr war/ auf dem Tantz-
boden wieder nuͤchtern wird. Zwar etliche
Theologi ſind hefftig darwider/ doch ſind etli-
che nicht ſo wiederwaͤrtig und Tantzen eins
mit/ daß ihnen die Kappe wackelt. Die War-
heit davon zu ſagen/ ſo haben auch etliche alte
Kirchenlehrer gar ſcharff darauff geſchrieben/
daß ſie auch geſagt: chorea eſt circulus, cu-
jus centrum eſt Diabolus: doch es iſt der al-
ten Vaͤter Brauch/ daß ſie das Kind offt mit
dem Bade außſchuͤtten/ und da ſie den Miß-
brauch tadeln ſolten/ den rechten Gebrauch
zugleich verdammen wollen. Denn ſolche
leichtfertige Taͤntze/ wie der Zeuner Tantz biß-
weilen gehalten wird/ und wie Anno 1530. zu
Dantzig einer von lauter vermum̃ten nackich-
ten
[285]
ten Perſonen angeſtellet worden: oder wie
Anno 1602. zu Leipzig auf dem damahligen
Rabeth ein Schneider Geſelle mit einer un-
zuͤchtigen Breckin vor allen Leuten nackend
herumb geſprungen: oder wie auf Kirmſen
und andern gemeinen Sonntagen/ Knechte
und Maͤgdẽ zuſammen lauffen/ oder auch in
Staͤdten heimliche Rantzwinckel gehalten
werden/ die ſoll man mit Pruͤgeln und Staup-
beſen von einander treiben. Und da heiſts/
non centrum modo, ſed ipſum circulum
poſſidet Diabolus. Aber dieſes alles auf die
ſittſamen und zuͤchtigen Ehren-Taͤntze bey
Hochzeiten und Gaſtereyen zu appliciren/ iſt
etwas zu ſcharff gebutzt. Ach wie iſt mancher
Vater ſo gewiſſenhafftig/ ehe er ſein Kind auf
eine Hochzeit gehen laͤſt; oder wenn er Schan-
de und naher Freundſchafft halben ſie nicht zu
Hauſe behalten kan/ ſo muß ſie doch als balde
vom Tiſche wieder heim/ da er ſie doch mit beſ-
ſerm Gewiſſen von andern heimlichen Zuſam-
menkunfften abhalten moͤchte: denn auf einem
oͤffentlichen Tantzbodẽ wird keine ſo leicht ver-
fuͤhret/ als wenn ſie hinter der Haus-Thuͤr
einen Rendezvous von zwey Perſonen an-
ſtellet/ und mit drey Perſonen wieder hervor
kommet.
Eury-
[286]
Eurylas fragte/ warumb aber die Taͤntze
bey Hochzeiten ſo gemein worden? Gelanor
antwortete/ die lieben Alten haͤtten es darumb
angeſtellet/ daß ein Junger Menſch/ der ſich
nunmehr nach einer Liebſten zu ſeiner Heyrath
umbſehen wolle/ an einem Orte Gelegenheit
haͤtte/ ohne ſondeꝛlichem Veꝛdacht mit etlichen
bekandt zu werden. Allein die heutige Welt
habe es umbgekehrt/ denn/ ſagte er/ da muͤſſen
alles gelſchneblichte Stutzergen ſeyn/ die noch
ïn vierzehen Jahren keine rechte Liebſte
beduͤrffen. Und manche Jungfer ſteht ſich
ſelbſt im Lichten/ die offt einen ehrlichen Kauff-
oder Handwercksmann der ſie in allen Ehren
meynet/ uͤber Achſel anſieht/ und einen Bunt-
baͤndrichten Monſieur ihm zu Trotze mit vor-
trefflichen Liebkoſungen bedienet/ daruͤber ſie
endlich zur alten Magd wird: und da mag
ſie wohl verſichert ſeyn/ wann ſie den Kirch-
Thurm ſcheuern wird/ ſo wird ihr keiner von
den vorigen Auffwaͤrtern Waſſer zutragen.
Hier ward etwas anders drein geredet/ und
Eurylas erinnerte/ ob man nicht kuͤnfftigen
Tag weiter reiſen wolte. Solches ward be-
liebet/ und weil gleich eine Landkutſche auf eine
andere Stadt abfahren wolte/ ſetzten ſich Flo-
rindo, Gelanol und Eurylas darauff/ und lieſ-
ſen
[287]
ſen ihre uͤbrigen Leute mit den Pferden hinten
nach kommen.
CAP. XXXIV.
DJe Kutſche war mit acht Perſonen be-
ſetzt/ und unter denſelben befanden ſich
zween Studenten/ welche erſtlich von ihren
Büchern und Collegiis viel zu reden hatten.
Endlich kam es herauß/ daß einer ein Sperlin-
gianer, der andere ein Zeiſoldianer war.
Deñ da fiengen ſie de Materia prima ſo eiffrig
an zu diſputiren, als weñ die Seeligkeit dran
gelegen waͤr. Einer ſagte/ materia tua pri-
ma eſt ens rationis, der andere retorquirte, \&
materia tua ſimplex inſignem tuam arguit
ſimplicitatem. Und in dergleichen Streite
mangelte es wenig/ daß es nicht zu Schlaͤgen
kam. Gelanor ſchlug ſich zu letzt ins Mittel/
und ſagte/ ihr Herren/ warumb zancket ihr
euch/ ihr habt alle beyde recht. Eure Magi-
ſtri haben euch was weiß gemacht/ das ihr in
kurtzer Zeit vor Eitelkeit halten werdet. Denn
ſeht die Philoſophie, ob ſie zwar in partem
principalem \& inſtrumentalem abgetheilet
wird/ ſo iſt ſie doch in unſerm ſtudieren nichts
mehr als ein Jnſtrument oder ein Werckzeug/
deſ-
[288]
deſſen wir uns in den hoͤhern Facultaͤten be-
dienen muͤſſen. Jhr wiſſet ohne Zweiffel das
Sprichwort: Philoſophia ancillatur Theolo-
giæ, oder wie es ein vornehmer Mann nicht
uneben extendirt, Philoſophia inſervit ſupe-
rioribus facultatibus. Nun ſagt Ariſtote-
les, ſervus eſt inſtrumentum Domini. Und
folgt alſo/ quòd Philoſophia ſit inſtrumen-
tum ſuperiorum facultatum. Nun will ich
euch die gantze Sache in einem Gleichnuͤſſe
vorbilden. Es ſind drey Zimmerleute/ die
haben drey Beile/ einer hat Affen und Meer-
katzen laſſen drauff ſtechen. Der andere fuͤhrt
Blumen und Gartengewaͤchſe drauff. Der
dritte hat auf ſeinem nichts/ als das Zeichen
von der Schmiedte/ da das Beil gemacht iſt.
Sie kommen in der Schencke zuſammen/ und
diſputirt ein ieglicher/ ſein Beil iſt das ſchoͤn-
ſte. Aber wenn ſie den Tag hernach an die
Arbeit kommen/ ſchmeiſt einer ſowohl drauff/
als der andere/ und iſt im Effect kein Unter-
ſcheid. So geht es mit der Philoſophie auch
her. Weil ihr auf Univerſitaͤten ſeyd/ da
wollet ihr ein ander tod diſputiren/ uͤber ſol-
chen Sachen/ die nicht viel beſſer herauß kom-
men/ als Affen und Meerkatzen; Aber wenn
es zum Gebrauch ſelber koͤmmt/ ſo macht es ei-
ner
[289]
ner ſo gut als der andere. Ob einer Meta-
phyſicam per Sapientiam oder per Scienti-
am definirt. Ob es ein Lexicon Philoſo-
phicum, oder eine ſonderliche diſciplin iſt: ob
drey Affectiones Entis ſind Unum, Verum,
Bonum, oder ob Ubicatio und Quandicatio
darzu gerechnet werden/ ſo verſteht einer die
terminos ſo wohl als der andere/ und iſt in den
Haupt-diſciplinen einer ſo gluͤckſelig als der
andere. Jngleichen ob einer materiam pri-
mam oder materiam ſimplicem ſtatuirt, ob
er transelementationem beweiſt oder ver-
wirfft; ob er ſagt/ Calidum eſt, quod calefa-
cit, oder Calidum eſt, quod congregat h[o]-
mogenea \& ſeparat heterogenea. Jo o[b]
einer gar dem Carteſio in das Gehaͤge geht/
und auſſer der Materie und des Menſchẽ See-
le keine andere Subſtanz-annimmt/ und alle A-
riſtoteliſche formas ſubſtantiales auf einen
confluxum certorum accidentium hinauß
lauffen laͤſt/ ſo iſt es doch in dem Hauptwercke
bey einem ſo wohl getroffen/ als bey dem an-
dern/ wie in der Aſtronomie keiner irret/ er
mag das Syſtema Coperniceum oder Ty-
chonicum annehmen. Drumb ihr lieben
Herren/ lernet nur gut hacken/ ihr moͤgt einen
Sperling oder einen Zeiſig auf dem Beile ha-
Nben
[290]
ben. Zu wuͤndſchẽ waͤre es/ daß etliche gute
Leute auf Univerſitaͤten ſich hierinn maͤſſigten/
und die jungen Studenten nicht in der glei-
chen Theoretiſche Jrrthuͤmer fuͤhrten/ ſon-
dern vielmehr den uſum in den hoͤhern diſci-
plinen zeigten/ und in den andern adiaphoris
einen ieglichen bey ſeinen neun Augen lieſſen.
Die jungen Studenten machten ein paar
groſſe Augen/ und verwunderten ſich/ daß
ein Politicus in bunten Kleidern von ſolchen
Sachen alſo frey urtheilen wolte. Doch war
der Reſpect gegen ihre Præceptores ſo groß/
daß ſie die Erinnerung ſo gar umbſonſt und
undiſputiet nicht begehrten anzunehmnen/
drumb fragte einer/ ob es rathſam waͤre/ zwey
contradictoria vor wahr zu halten? Es waͤre
ja unmoͤglich/ daß nicht eines von beyden
muͤſte falſch ſeyn. Gelanor ſagte/ ihr lieber
Menſch reiſſen euch die contradictoria ſo ſehr
im Leibe? gebt doch zuvor achtung drauff/ ob
dieſelbe ſich in dem Hauptwercke oder in dem
Neben wercke befinden? oder daß ich deutli-
cher rede/ ſehet ob die contradictoria den fi-
nem oder die media betreffen? die media oder
die Hypotheſes moͤgen wohl bey andern con-
tradictoriè angenommen werden/ wenn nur
die concluſiones allenthalben richtig ſind.
Wie
[291]
Wie es ein ſchlechter Unterſcheid iſt/ ob die
Erde ſtille ſtehn oder herumb lauffen laſſe/ weñ
nur auf beyden Theilen die Phænomena ei-
nerley herauß kommen. Jch gebe ein Gleich-
niß. Es wollen ihr zween von Leipzig auf
Hamburg. Einer zeucht mit der fahren-
den Poſt über Magdeburg/ der andere geht
zu Pferde uͤber Qvedlinburg/ hier ſind in me-
dio ſichtbare contradictoria. Denn Magde-
burg iſt nicht Qvedlinburg/ und Qvedlinburg
iſt nicht Magdeburg: allein es nimmt der
Sache nichts/ wenn ſie nur in fine einig ſind/
und alle beyde auf Hamburg/ und nicht
auf Bremen oder Luͤbeck kommen/ wie jener
Eulenburgiſche Bote der auf Torgau wol-
te/ und ſich verirrete/ daß er auf Leipzig kam.
Waͤren aber dieſes nicht abſcheuliche Nar-
ren/ wenn ſie einander zu Ketzern machten/
daß einer nicht ſo! wohl als der andere uͤber
Magdeburg oder Qvedlinburg reiſen wolte?
Alſo machen es manche Philoſophi, die ſu-
chen andere Wege genauer zum Zwecke zu
kommen. Und da fangen ſie ein Gezaͤncke dar-
uͤber an/ als wenn der Him̃el einfallen wolte.
Endlich aber im Zwecke ſelbſt ſind ſie ſo einig/
wie Zweckenpeter mit Hirſemerten in der
Schencke, Hier fieng einer an zu klaffen/ Eja
N ijEja,
[292]
Eja contradictoria non ſunt ſimul vera. A-
ber Florindo wolte ihm g[l]eich den Schnabel
wiſchen mit den contradictoriis veris \&appa-
rentibus, wenn nicht etwas waͤre darzwiſchen
kommen. (notetur hæc formula, ſagte jener
Bacularius.)
CAP. XXXV.
ES ſaß einer auf der Kutſche/ der hatte
ſich im waͤhrenden Geſpraͤche zu rechte
gelegt und ſchlieff eines auf der Philoſophie
Geſundheit. Endlich fiel ihm der Hut vom
Kopffe/ daruͤber erwachte er/ und fieng eben
zu der Zeit/ da Florindo am nothwendigſten
zu diſputiren hatte/ an zu ſchreyen: halt/ halt
halt Kutſcher/ mein Hut/ mein Hut. Der
Kutſcher mochte auch ſeine Liebes-Grillen vor
ſich haben/ alſo daß er das Geſchrey nicht in
Acht nam/ nach langen Ruffen hielt er ſtill.
Aber als er den Hut wieder auffheben wolte/
hatte ſich ein groſſer ſchwartzer Waſſerhund
daruͤber gemacht/ und lieff damit querfeld ein.
Der gute Menſch wolte hinden nach ſetzen;
doch vier Beine lieffen ſchaͤrffer als zwey Bei-
ne/ und damit war der Hut verlohren. Er
lamentirte abſcheulich/ der Hut koſte an ſich
ſelbſt
[293]
ſelbſt zwey Reichsthaler/ die Krempe haͤtte er
keinem umb vierdthalb Thaler gelaſſen/ das
Futter kaͤme ihn auf ſieben Groſchen zu flehen/
und die Schnure wuͤrde er unter funfzehn
Groſchen nicht wiederſchaffen/ und da war es
erſchrecklich/ was der Hund vor injurien und
vor haͤßliche Ehren-Titul muſte uͤber ſich neh-
men/ ja er haͤtte ſich lieber an den Kutſcher ge-
macht: Allein dieſer gab ihm Wahre dran/
daß die gantze Compagnie lachte/ und er
Schande halben ſtill ſchweigen muſte. Eury-
las gab ihm einen Troſt/ wie waͤr es/ ſagte er/
wenn er zu Schiffe geweſen/ und der Hut
waͤre ihm in das Waſſer gefallen/ ſo hãtte der
Schiffer nicht einmahl koͤnnen ſtillhalten
Florindo ſagte/ der Thor-Waͤrter in der
Stadt wird ſteltz werden/ denn er wird ſich
einbilden/ als habe er den Hut ihm zu Ehren
abgenommen; Der Dritte ſagte/ man ſolte ihn
gehen laſſen/ wenn er einen neuen Hut kauffte/
ſo haͤtte er das beſte Anſehen in der Compa-
gnie. Der Vierdte ſagte/ es wuͤrde mich
greulich kraͤncken/ wenn ich den Schaden haͤt-
te/ abſonderlich wenn ich nicht wuͤſte/ ob dieſes
ein ehrlicher Kerl waͤre/ der ihn nach mir tra-
gen ſolte. Der Fuͤnffte ſagte/ wenn ich nicht
wuͤſte/ wie er waͤre darum kommen/ ſo meynte
N iijich/
[194]
ich/ er haͤtte kein Geld/ und haͤtte den Hut muͤſ-
ſen zum Pfande laſſen. Der ſechſte brachte
dieſes vor/ ihr Herren/ ſagte er/ ihr wiſſet
viel/ was der Handel zu bedeuten hat. Wer
weiß/ wo ein Frauen Zimmer in der Nachbar-
ſchafft iſt/ die den Hut hohlen laͤſt/ wenn er
nur nachlieffe/ und ſein Gluͤcke zu ſuchen wuͤſte:
denn es kam mir vor/ als waͤr es kein natuͤrli-
cher Hund. Gelanor ſagte zuletzt/ ey laſſet
ihn zu ſeinem Schaden unvexirt/ es iſt ein
Zufall/ da er nichts davor kan. Wer weiß wo
ihm das Gluͤcke guͤnſtig iſt/ daß er einen Hut
vor vier Thaler/ und eine Krempe vor ſieben
Thaler geſchenckt kriegt. Jnzwiſchen ſaß der
arme Donner und ſpintiſirte/ wo er einen an-
dern. Hut ſchaffen wolte. Doch als ſie an ein
Dorff kamen/ hielt ein Kerle auf einem Pfer-
de/ und fragte/ ob iemand von der Kutſche
einen Hut verlohren haͤtte/ es waͤre uͤmb ein
Trinckgeld zu thun/ ſo wolte er ihm ſolchen
wieder zuweiſen. Dem guten Menſchen wa-
ckelte das Hertz vor Freuden wie ein Laͤmmer-
Schwaͤntzgen. Nur das Trinckgeld verſtoͤr-
te ihm die Freude ein wenig/ doch es halff
nichts davor/ und ſagte der obgedachte Sper-
lingianer zu ſeinem Troſte/ è duobus malis
minus eſt eligendum. Hierauff ſahen ſie
Un-
[295]
Unterſchiedene zu Pferde/ welche wohl zwan-
tzig Stuͤcke Jagt-Wind- und Waſſer-Hun-
de nach ſich lauffen hatten. Da ſagte Eury-
las, wenn der Wallenſteiner hier waͤre/ ſo wuͤr-
de er ſprechen/ da laͤufft eine kleine Beſtie/ und
eine andere kleine Beſtie koͤmmt hinten nach/
dem folgt eine groſſe Beſtie/ drauff ſitzt wieder
eine Beſtie/ die jagen einander im Felde her-
umb. Hierauff ſagte ein Studente/ es waͤ-
re eine Schande/ daß man ſolch ungezieffer an
allen Hoͤffen ſo haͤuffig auffziehen lieſſe/ man
ſolte die Beſtien in das Waſſer werffen/ die
Haſen und die Fuͤchſe wuͤrden ſich doch wohl
fangen laſſen. Florindo lachte und fragte/ ob er
etwan auch Haſen ſchieſſen wolte/ wie jener der
haͤtte drey Haſen im Lager ſchlaffend gefun-
den/ und waͤre hingangen/ und haͤtte einen
nach dem andern auffgehoben/ und gefuͤhlt/
welcher der ſchwerſte waͤre/ hernach waͤre er
zuruͤck getreten/ und haͤtte den ſchwerſten auß
dem Hauffen herauß geſchoſſen/ daß die Haare
geſtoben. Er wuͤſte viel/ was die Hunde vor ein
Nutzen haͤtten/ er ſolte ſolche Sachen unrefor-
mirt laſſen. Gelan fiel ihm in die Rede: Es iſt
war/ ſagte er/ die Hunde haben ihr Lob/ doch
daß mancher ſo viel im Hauſe herumb lauffen
laͤſt/ die ihm den gantzen Kornboden moͤchten
N jvkahl
[296]
kahl freſſen/ da er doch alle ſeine Jagten mit
einem paar guten Zwittern oder Bauerhun-
den beſtreiten koͤnte/ dz iſt eine Sache/ die Ab-
mahlens werth iſt. Uber dieß ſind etliche ſo
geſinnet/ daß ehe ſie einem Hunde was abge-
hen oder zu Leide thun lieſſen/ ehe ſchluͤgen ſie
drey Knechte/ 6. Bauren und wohl gar das
beſte Pferd in die Schantze/ und wenn man
hernach das Raben-Aaß beym Licht anſiehet/
ſo verdienet es kaum die Beine/ geſchweige
das Fleiſch und das liebe Brot. Eurylas
ſagte; Ey mit den groſſen Hunden geht es
wohl hin/ denn wenn ſie ſonſt nichts nuͤtze ſind/
ſo dienen ſie zum Staat. Es ſieht gleichwol
praͤchtig/ wenn mann in ein Haus koͤmmt/
und ſolche ſchoͤne Thiere herumb lauffen ſieht.
Und ich geſteh es/ waͤre ich ein groſſer Herr
worden/ ich haͤtte mich trefflich auf rare Hun-
de beflieſſen. Doch dieſes iſt ein erbaͤrmlicher
Handel/ daß viel Leute ein halb Schock kleine
und unnuͤtze Stubenklecker halten/ die nicht
wehꝛt ſind/ daß man ſie mit Heckeꝛlinck maͤſtet/
geſchweige daß ſie mit den delicatſten Suͤpp-
gen und muͤßergen ſollen gefretzet werden/
welche man offt mit beſſerm Gewiſſen kran-
cken und nothleiden den Leuten zuwenden koͤnte.
Jch kenne/ ſagte er ferner/ eine vornehme
Frau/
[297]
Frau/ die lebt ſonſt ſehr praͤchtig und koſtbar;
Allein in ihrem Zimmer iſt ein Stanck von
Hunden/ daß man eher einen Schinder/ als
etwas rechtſchaffenes da ſuchen ſolte. Hierauff
ſagte ein ander/ dieſe Thorheit gehet noch hin-
Allein wo man die Meerſchweingen/ Canini-
chen/ Eichhoͤrngen/ und ander ſolch Gezichte
in Stuben und Cam̃ern hegt/ davon ein Ge-
ſtanck entſtehet/ als waͤre man in die tieffſte
Schundgrube gefallen/ das giebet anſehnli-
chen und groſſen Leuten ſchlechte reputation.
Florindo konte dieß wieder nicht leiden. Was
ſagte er/ ſoll vornehmen Leuten alle Ergetzlig-
keit zur Thorheit gemacht werden? Jch ge-
ſteh es/ daß mich keine curioſitaͤt ſo ſehr [a]ffi-
cirt, als wenn ich ſolche Thiere zahm und ge-
wohnet ſehe/ die ſonſten wild und furchtſam
ſeyn. Jener replicirte/ er wolte niemanden
ſeine Luſt abdiſputiren. Dieſes verwunder-
te ihn nur/ daß etliche ihre Luſt zur Unluſt/ und
ihr divertiſſement zu lauter Geſtanck mach-
ten. Doch ſagte er/ es iſt Gottes Ordnung
ſo wunderlich/ daß reiche Leute auch ihre liebe
Noth haben muͤſſen. Wer ſich in der Schule
mit Kindern blackẽ muß/ deꝛ wird vor ungluͤck-
ſelig außgeſchrien/ weil er von den ſelben/ ich
weiß nit was lauffle ſen muß/ und, es naͤhme
N vmanch
[298]
manch delicat Gemuͤthe nicht viel Geld/ und
bliebe einen halben Tag in einer ſolchẽ Stube.
Doch die Kinder ſind noch vernuͤnftige Crea-
turen. Da ſie hingegen von ſolchen unnuͤ-
tzen Beſtien ſechsmahl mehr Unflat und Wi-
derwertigkeit auffleſen/ und endlich zur ſchul-
digen Danckbarkeit ſich in die Hand oder
in den Finger beiſſen laſſen. Hier fiengen ſie
au von den groſſen Thieren zu reden/ ob es
an hohen Hoͤfen verantwortlich waͤre/ Loͤwen/
Beeren/ Tigerthier/ Luchſe und dergleichen
zu halten/ weil man unzehlige Exempel haͤt-
te/ daß ſie entweder loß geriſſen und Scha-
den gethan/ oder doch ihre Wãrter bißwei-
len ſo empfangen waͤren daß ihnen das Fell
uͤber dem Kopffe herunter gehangen. Doch
ſie kamen zu bald an die Stadt/ daß ſie dem
diſcurs ſeine endſchafft nicht gaben.
CAP. XXXVI.
JM Wirths-Hauſe war etliche Stun-
den zu vor eine Kutſche von 6. Perſo-
nen ankommen/ alſo daß der Wirth eine groſ-
ſe Taffel decken ließ. Nun befand ſich unter
den Gaͤſten ein iungeꝛ Kerl/ der wolte mit gan-
zer Gewalt ein Narr ſeyn/ denn da mochte
man vorbringen/ was man wolte/ ſo hatte er
[ein]en Poſſen fertig/ zwar bißweilen kam es
ſo
[299]
ſo uneben nicht heraus: doch gemeiniglich
kam es ſo lahm/ daß den andern das Wei-
nen ſo nahe war/ als das Lachen. Weil er aber
bloß dahin zielte/ daß die Compagnie lachen
ſolte/ nahm Eurylas ſeine Gelegenheit in Acht/
als der vermeynte Pickelhering in der Kuͤcke
war/ und der Koͤchin den Planeten leſen
wolte. Jhr Herren/ ſagte er wir/ koͤnnen
dieſen Abend keine beſſere Freude haben[/] als
daß wir den luſtigen Menſchen vor uns neh-
men. Er wil uns mit aller Gewalt zum Lachen
zwingen; wir wollen ihm den Poſſen thun/
und allzeit ſauer ſehen/ ſo offt er einen Schnal-
tzer fahren laͤſt. Deſſen waren ſie alle zu frie-
den und ſatzten ſich zu Tiſch/ da kam der gute
Hans Wurſt auß der Kuͤche gelauffen/ und
dachte die Suppe waͤre ſchon verſaͤumet/ halt/
halt ihr Herꝛen/ ſchrie er/ nehmt mich auch mit/
ich ſehe wol/ wenn ich den gruͤnen Scharwen-
tzel nicht beſetzt haͤtte/ ich waͤre auf drey Daͤu-
ſer Labeth. Darauff ſahe er ſich um und ver-
wunderte ſich/ daß niemand lachte/ doch ſagte
er/ botz tauſend/ es geht ſcharff/ es geht gewiß
vor vier und zwantzig Pfennige/ wie Eulen-
ſpiegel einmal gefreſſen hat/ doch des Schwã-
ckes ungeacht/ ſaſſen ſie alle vor ſich/ und mach-
ten ſaure Geſichte. Er ſatzte mit an/ und
N vjaß
[300]
aß ſeinen Theil auch mit. Endlich/ als er ſo
viel Haͤndel vorbrachte/ und gleichwohl nicht
einen zum Lachen bewegen kunte/ ſchaͤmte er
ſich/ daß ihm ſeine Kunſt nicht beſſer ablauffen
ſolte/ und grieff ſich derhalben auß allen
Kraͤfften an. Jhr Herren ſagte er/ wir ſitzen
da an der Taffel zu trocken und zu ſtille. Jch
muß euch etwas von meinem Lebens-Lauffe
erzehlen. Der Wirth/ der von dem abgeleg-
ten Karren nichts wuſte/ bat ihn gar ſonder-
lich/ er moͤchte es doch erzehlen/ und die Gaͤſte
luſtig machen/ darauff fieng er alſo an. Es
ſind nun vier Jahr/ daß mich mein Vater an
einen fremden Ort ſchickte/ da hatte ich mir
vorgenommen/ mit dem Frauengezieffer recht
bekand zu werden/ und wolte ſo lange auf die
Courtoiſie gehen/ bißich ein wichtig Weiber
Stipendium zuſammen bringen koͤnte; Aber
wie ich eingeplumpt bin/ das iſt unbeſchreib-
lich: Wie ich mich aber revengirt, das iſt un-
erhoͤrt. Meine erſte Liebe warff ich auf ein
Maͤdgen/ die kam mir vor als ein Meerkaͤtz-
gen. Denn gleich wie dieſes halb ein Affe/
und halb eine Katze iſt/ ſo war jene auch halb
eine Magd/ und halb eine Jungfer. Unter
dem Geſichte ſahe ſie ein Bißgen auß wie ein
abgeklaubter Kirmeß-Kuchen/ ſonſten moch-
te
[301]
te ſie in ihren eſſentialibus noch gut genug
ſeyn. Da lieff ich nun mit der Latte/ und wu-
ſte nicht/ wo ich den Roſenſtock ſolte angreiffen.
Jch mochte thun/ was ich wolte/ ſo war es ver-
gebens/ biß mir das Gluͤck die Gedancken ein-
gab/ daß ich ſie anbinden ſolte/ da deuchte mich/
als haͤtte ſich der boͤſe Sinn umb ein paar
Querfinger gebeſſert. Zwar das Angebin-
de an ſich ſelbſt/ beſtund in einer Teute Zucker/
und einem Stuͤck Band vor acht Groſchen/
nebenſt dieſen hertzbrechenden Verſen/ die ich
halb und halb auß einer gedruckten und fluͤch-
tigen Feld Roſe ſehr kuͤnſtlich nach machte.
N vijUnd
Biß
[303]
Biß der Eſel ſeinen Schwantz hat forne/
Und die Ziege auf den Steiß ein Horne.
Das war ungefehr meine herrliche Erfin-
dung/ die mich ſo beliebt machte/ daß ich den
Tag darauff zu ihr in das Haus beſtellt ward.
Jch war gehorſam/ und folgte meiner Ge-
bieterin/ wie der Kuhſchwantz dem Horn-
bocke: doch/ als ich angeſtochen kam/ erin-
nerte ich mich/ ich moͤchte ja kein groſſen Ler-
men machen/ ſie haͤtte einen Vater/ bey dem ſie
nicht des Lebens ſicher waͤre/ wenn er hinter
die Spruͤnge kommen ſolte. Jch ziſchelte
meine Complimenten ſo heiſer zu/ als haͤtte
ich den Wolff tauſendmahl geſehen/ doch mei-
ner ſtillen Muſic ungeacht/ knaſterte was an
der Thuͤr/ und wolte in die Kuͤche: da war
mein Hertze wie eine gefrorne Pferde-Qvitte.
Die Liebſte bat mich/ ich moͤchte ſie nicht in
Leibs- und Lebens-Gefahr bringen: Jch bat
ſie wieder/ ſie moͤchte mir eine Außflucht wei-
ſen. Nach langen Nachdencken muſte ich
in ein Waſſerfaß ſteigen/ und etliche Brete
daruͤber legen laſſen/ da ſaß mein Narr
friſch genug. Und ich werde es mein Tage
nicht vergeſſen/ wie ſich meine lederne Hoſen
an dem Leib anlegten/ darumb dachte ich auch/
und wenn dich alles verlaͤſt/ ſo halten die
lederne
[304]
lederne Hoſen bey dir. Aber als ich das kal-
te Waſſer etwas ſchaͤrffer empfand/ ward mir
die Zeit allmaͤhlich lang/ doch es wolte mit dem
herumblauffen in der Kuͤche kein Ende wer-
den. Nach drithalb Stunden ward es ſtill/
und da kam meine Liebſte geſchlichen/ und
fragte mich/ ob ich meine Liebes-Hitze abge-
kuͤhlet haͤtte? Aber ich bat umb ſchoͤn Wetter/
daß ich nur zum Faſſe und Hauſe hinauß kam.
Jn meinem Quartier zog ich mir den Poſ-
ſen erſt zu Gemuͤthe/ und wuſte nicht/ was ich
der untreuen Seele vor einen Schimpff er-
weiſen wolte. Nach langen Nachſinnen er-
fuhr ich/ die Jungfer wuͤrde auf eine Hochzeit
gehen/ und ihre Mutter wuͤrde Tutſche-Mut-
ter ſeyn/ da bewarb ich mich bey dem Braͤuti-
gam/ daß er mich auch bitten ließ. Nun wolte
ſich keiner zum Vorſchneiden verſtehen/ ich
aber bot mich ſelbſt an/ die Jungfer Tafel zu
verſorgen/ da muſte die gute Jungfer einen
Verdruß nach dem andern einfreſſen/ denn ich
legte ihr alle Keulen/ und ſonſt nichts rechtes
vor; wann die andern Schmerlen kriegten/
muſte ſie auf ihrem Teller mit Peterſilge vor
lieb nehmen. Summa Summarum/ ich
machte ſie trefflich boͤſe/ doch dieſes alles war
mir noch nicht genug: ſondern ich ließ meinen
Jun-
[305]
Jungen unter die Tafel kriechen/ und ließ
gleich unter die Jungfer ein groß Glaß Bier
gantz ſachte außgieſſen/ daß es nicht anders
außſahe/ als haͤtte das liebe Menſch garſtig
gethan. Als denn nahm ich meine Gelegen-
heit in Acht/ als die Tutſche Mutter in die
Stube kam/ und zum rechten ſehen wolte/ da
ruffte ich ſie zu mir/ fieng mit ihr an zu ſchwa-
tzen/ fragte ſie/ ob es ihr ſauer wuͤrde/ und ob
ſie ein Stuͤck Marcipan haben wolte? Jndem
entfiel mir das Meſſer/ da war die gute Frau
hofflich/ und nahm das Licht vom Muſican-
ten-Tiſche weg/ und wolte das Meſſer ſuchen.
Allein wie ſie der groſſen Katz-Bach unter
dem Tiſche anſichtig ward/ und den erſten
Qvell bey ihrer Tochter abmerckte/ uͤberlieff ſie
eine ſchamhafftige und boßhafftige Roͤthe/ daß
ſie außſah wie ein Zinß-Hahn/ und der Treh-
ter alſobald befahl/ ſie ſolte auffſtehn. Die
gute Schweſter wuſte nicht/ was die Mutter
in der Kuͤchen-Kammer ſo heimlich mit ihr
zu reden haͤtte/ ich halte ſie ſtund in den Ge-
dancken/ weil keine Hochzeit vorbracht wuͤrde/
da man nicht eine andere erdaͤchte/ ſo wuͤrde ſie
nun die Reihe treffen/ und wuͤrde ihr die Mut-
ter Inſtruction geben/ wem ſie am hoͤfflichſten
begegnen ſolte. Aber mich deucht/ ſie kriegte
die
[306]
die Inſtruction, daß ihr die Ohren ſummten/
und daß ihr das Geſchmeide vom Kopffe fiel.
Da war kein erbarmen/ da halff keine Ent-
ſchuldigung/ da folgte ein Schlag auff
den andern; das beſte Gluͤck war/ daß eine
kleine Seiten-Treppe zur Hinter-Thuͤre zu
gieng/ da dieſe geputzte Venus mit der Magd
heimlich fortſchleichen kunte. Es hat mir
auch ein guter Freund/ der neben anwohn-
te/ erzehlt/ daß der Bettel-Tantz zu Hauſe erſt
recht angangen/ und daß man auß allen Um-
ſtaͤnden haͤtte ſchweren ſollen/ das liebe Kind
von neunzehen Jahren waͤre umb das hin-
terſte Theil ihres Leibes mir der Ruthe ver-
braͤmet worden. An dieſem Ungluͤcke haͤtte
ich ſollen beſaͤnfftiget werden; doch die un-
barmhertzigen Angſt-Laͤuſe ſtackẽ mir in Haa-
ren/ daß ich die Hiſtorie in der gantzen Stadt
außbreitete/ und das Menſch in einen uner-
hoͤrten Schimpff brachte. Ja/ weil ich eine
ſonderliche Vene zu teutſchen Verſen bey mir
merckte/ ſetzte ich folgendes Lied auf/ und
ließ es vor ihrer Thuͤr abſingen. Jhr Herren/
daß ihr die Melodey mit begreiffen koͤnnet/
ſo will ichs auch ſingen im Thon: Ach traute
Schweſter mein/ ꝛc.
1. Bulle
[307]
tuͤtſcht/
Ruthe geklitſcht/
CAP. XXXVII.
HJer ſahe ſich der Stuͤmper um/ und
wuſte nicht/ was es heiſſen ſolte/ daß ſich
niemand uͤber ſeine Poſſen verwundern wol-
te.
[308]
te. Doch deſſen ungeacht/ wolte er in der
Erzehlung fortfahren. Allein Gelanor mach-
te eine unfreundliche Mine/ und redete ihn fol-
gender Geſtalt an: Jhr Kerle/ wer ihr ſeyd/
habt ihr nun das groſſe Wort uͤber dem Ti-
ſche allein/ und ſind wir gut genug eure Zotten
und Saupoſſen anzuhoͤren. Wollt ihr einen
Stocknarren agiren/ ſo habt ihr in unſerer
Compagnie nichts zu thun/ vor den Tiſch ge-
hoͤren ſolche Gauckeler/ da ſie die Naſenſtuͤber
zur Hand haben. Jn ehrlichen Geſellſchafften
ſoll es ehrlich und vernuͤnftig zugehen/ ſo kom̃t
ihr und verunehret uns mit euren unvernuͤnff-
tigen und unverantwortlichen Narrenthei-
dungen/ gleich als waͤre kein GOtt/ der von
allen unnuͤtzen Worten Rechenſchafft fordern
wolte. Oder/ als wenn der Apoſtel gelogen
haͤtte/ indem er von Schertz und Narrenthei-
dung geſagt/ die den Chriſten nicht geziemen.
Es ſolte ein jedweder froh ſeyn/ der ſeinen ge-
ſunden Verſtand gebrauchen koͤnte. Doch
es iſt eine Schande/ daß ſich mancher ſtellt als
waͤre er auß dem Tollhauſe entlauffen. Ein
hoͤflicher Schertz zu ſeiner Zeit geredt/ wird
von niemanden getadelt. Vielmehr werden
dergleichen ſinnreiche und anmuthige Koͤpffe
bey allen in ſonderlichen Ehren gehalten. Al-
lein
[309]
lein wer mit ſeinen abgeſchmackten Pickelhe-
rings-Poſſen uͤberall auffgezogen koͤmmt/ und
die Sau-glocke brav darzu laͤuten laͤſt/ der iſt
nicht werth/ daß er einem ehrlichen Manne ſoll
an der Seite ſitzen. Daß Fuͤrſten und Her-
ren ihre Hoffnarren halten/ das hat gar eine
andere Urſache/ die den Politicis bekandt iſt/
wie man auch offt erfahren/ daß ſo ein kurtz-
weiliger Rath mit einem Worte mehr Nutz
geſchafft als andere/ die ſich ſo kuͤhn und offen-
hertzig nicht duͤrffen herauß laſſen. Gleich-
wohl muß ich bekennen/ daß ich dergleichen
Leute vor die Elendeſten halte/ und faſt ſo lieb
wolte von dem Tuͤrcken gefangen ſeyn/ als in
ſolcher Qvalitaͤt zu Hoffe leben. Und wie
ſchwer werden es dieſelben bey Gott zu ver-
antworten haben/ welche bißweilen ein Kind
mit Wiſſen und Willen verwarloſen/ und zum
Narren machen/ nur daß es nicht an kurtzwei-
ligen Perſonen mangelt.
Als nun Gelanor ſolche Diſcurſe fuͤhrete/
ſaß der luſtige Pickelhering mit nieder geſchla-
genen Augen/ und ſchaͤmete ſich: denn ſeine
Vernunfft ſagte es ihm klar genug/ daß er ſich
vor erbaren Leuten ſcheuen/ und mit derglei-
chen liederlichem Weſen haͤtte ſollen zuruͤcke
halten. Doch was wolte er machen/ verant-
wor-
[310]
worten kunte er ſich nicht/ und darzu muſte
er in furchten ſtehen/ es moͤchten noch Be-
renheuter und Ohrfeigen unter einander auf
ihn zufliegen/ wie denn Florindo ein gutes Luͤſt-
gen gehabt/ wenn Gelanor ſein Votum dar-
zu gegeben haͤtte. Das beſte war/ daß er auff-
ſtund und ſich unſichtbar machte. Da erzehl-
te einer ſeinen gantzen Lebens-Lauff/ wie daß
er von Jugend an nichts anders vorgehabt/
als laͤcherliche Poſſen zu machen/ und in
der Compagnie vor einen Jean potage zu
dienen. Er waͤre auch deſſentwegen in groſſe
Verachtung/ offtmahls auch wegen ſeiner
freyen und ungezaͤumten Zunge in groſſe Un-
gelegenheit gerathen: alſo daß ſein Vater
ihn laͤngſt vor verlohren gehalten/ und ſeine
Hoffnung von ihm abgeſetzt/ doch laſſe er ſich
unbekuͤmmert/ und bleibe bey ſeiner Natur.
Hierauff ſagte Eurylas, ich wuͤſte/ wie dem
Menſchen zu rathen waͤre/ das Zucht- Haus
moͤchte ihm zu beſchwerlich ſeyn. Jch kenne ei-
nen Manne der bringet ſich mit ſeinen Sau-
Poſſen durch die Welt/ und wo er was zu ſu-
chen hat/ da ſchicket er etliche Zoͤtgen voran/ die
ihm gleichſam den Weg zur guten expedition
bahnen muͤſſen. Wie waͤr es/ wenn wir den
Menſchen hin recommendirten/ ſie wuͤrden
treff-
[311]
treffliche Boltzen mit einander finden. Ja/ ſag-
te Gelanor, es waͤre von noͤthen/ daß man die
Narren dahin recommendirte; ſchickt einen
klugen Menſchen davor hin/ der ihm die Poſ-
ſen vertreiben kan/ und damit ſtunden ſie auff.
Nun war einer bey Tiſche/ der ſaß die gantze
Zeit traurig/ und that weder dem Eſſen noch
Trincken gar zu uͤbrig viel nicht. Gela-
nor ſah ihn etliche mahl genau an/ und ließ
ſich ſeine Perſon nicht uͤbel gefallen. Darumb
fragte er ihn/ warumb er ſo Melancholiſch
geweſen? Mich duͤnckt/ ihr beyde ſeyd zu un-
gerechten Theilen kommen/ einer hat die Luſt/
der andere die Melancholie mit einander
kriegt. Doch dieſer gab zur Antwort: Ach
wie kan der froͤlich ſeyn/ der zu lauter Ungluͤck
gebohren iſt? Gelanor verſetzte: Was/ im Un-
gluͤcke ſol man ſich freueu/ denn man hat die
Hoffnung/ daß es beſſer wird. Ein Gluͤck ſeli-
ger muß traurig ſeyn/ denn er hat die Furcht/
es moͤchte ſchlimmer werden. Dieſer unbe-
kante ſagte drauff: Die Erfahrung habe ihm
offt genung dargethan/ daß er ſich in ſeinem
Glücke keiner Beſſerung troͤſten duͤꝛffte: Gela-
nor ſprach ihm einen Troſt zu/ und nach we-
niger Wortwechſelung fragte er/ worinn deñ
eben ſein Ungluͤck beſtuͤnde? Da erzehlte er fol-
gen-
[312]
gendes. Jch/ ſagte er/ habe dem Studieren
in das achte Jahr obgelegen/ und habe
mich an meinem Ingenio ſo ungluͤcklich nit be-
fun den/ dz ich nicht in all meinem Vornehmen
guten Fortgang geſpuͤret. Meine Studier-
genoſſen hielten viel von mir/ und beredeten
mich endlich/ als wuͤſte ich etwas/ weil ſie alle
von mir lernen wolten. Und gewiß/ es man-
gelte mir auch an Patronen nicht/ welche mich
ſchon zu unterſchiedenen Functionen beſtimm-
ten; Ach haͤtte ich nur eine Sache nachgelaſ-
ſen/ die mich nun biß in die Grube druͤcken
wird. Denn da war ein vornehmer Mann/
der hatte eine groſſe Cypriſche Katze/ die ihm
mochte ziemlich lieb ſeyn/ die fieng an einem
Beine etwz an zu hincken/ wie ſie deñ allem An-
ſehẽ nach in dem Gedraͤnge geweſen ward. Al-
lein des Mannes Sohn/ ein Knabe von ſechs
Jahren gab vor/ ich haͤtte ſie mit dem Stabe
geſchlagen/ und davon waͤre ſie lahm worden/
und da halff keine Entſchuldigung/ es dauert
mich auch dieſe Stunde noch/ daß ich der lie-
derlichen Sache halben ſo viel Schwuͤre ha-
be herauß ſtoſſen muͤſſen: denn dieß war nicht
ohne/ ich mochte ſie mit dem Stabe angeruͤh-
ret/ und im Voruͤbergehen mit ihr geſpielet
haben/ doch wuſte ich wohl/ daß ſie davon nicht
waͤre
[313]
waͤre hinckend worden. Deſſen aber unge-
acht/ warff der Mann ſo einen unendlichen
Haß auf mich/ daß er ſich alſo bald verſchwo-
ren/ er wolte mich an meinem Gluͤcke hindern/
wo er wuͤſte und koͤnte. Und gewiß/ er hat
ſeinen Schwur nicht vergebens gethan/ Gott
weiß/ wie er mich gedruckt/ wie er mich bey al-
len Leuten verkleinert/ wie er mir die Patronen
auffſaͤtzig gemacht; Ja wie er mir viel falſche
und unverantwortliche Sachen angedichtet.
Offt meynte ich/ mein Gluͤcke waͤre noch ſo
feſt eingericht/ ſo hatte mir der Boßhafftige
Mann ſchon in die Karte geſehen/ und damit
muſte ich wieder das Nachſehen haben. Ja
wenn ich Gelegenheit geſucht/ anders wo fort-
zukommen/ hat er mich allezeit daran verhin-
dert/ nur daß er ſein Muͤtgen laͤnger an mir
kuͤhlen kunte. Gelanor ſagte hierauff: Mein
Freund/ gebet euch zu frieden? der boͤſe Mann
denckt es ſchlimm mit euch zu machen; Aber
ihr wiſſet nicht/ daß er euch zu eurem Beſten
verhindert hat: GOtt hat euch was beſſers
auffgehoben. Doch muß ich geſtehen/ der
groſſe Mann wer er auch iſt/ mag ein rechter
Hauptnarr ſeyn. Erſtlich daß er umb einer
Feder willen einen bleyern Zorn faſſen kan.
Darnach/ daß er den Haß ſo lange bey ſich
Ohale
[314]
halten kan. Er muß ja das Vater unſer nie-
mahls beten/ oder er muß es machen wie je-
ner Narr/ der ließ in der fuͤnfften Bitte all-
zeit die Worte auß: Als wir vergeben unſern
Schuldigern: und dachte/ er waͤre der Gotts-
fuͤrchtigſte Menſch in der Welt. Ja/ ja/ du
biſt auff dem rechten Wege/ zuͤrne nur ſtatt-
lich mit deinem Naͤchſten/ und gieb dem lieben
GOtt Anleitung/ wie er es einmahl mit dir
machen ſoll. Hiermit kam er auff unterſchiede-
ne Fragen/ und befand/ daß der Menſch
ſehr wohl qualificirt war/ ein und ander vor-
nehmes Ampt mit Ruhm zu verwalten/ dar-
umb reſolvirte er ſich/ ihn mit in die Compa-
gnie auffzunehmen/ biß ſich das Gluͤcke guͤn-
ſtiger fuͤgen wolte. Und dieſem werden wir
ins kuͤnfftige den Nahmen Sigmund ge-
ben.
CAP. XXXVIII.
DEn andern Tag wolten ſie weiter rei-
ſen/ allein Florindo befand ſich ſo uͤbel/
daß ſie/ groͤſſere Gefahr zu vermeiden/ zuruͤck
blieben. Gelanor zwar bildete ſich ſo groſſe
Noth nicht ein/ und ließ ihn etwas von der
tincturâ Bezoardi einnehmen/ darauff er
ſchwi-
[315]
ſchwitzen ſolte. Doch die Artzney war zu
ſchwach/ alſo daß ſich in wenig Tagen ein hitzi-
ges Fieber anmeldete. Und da muſte Gelanor
lachen/ ſo wenig als er Urſach darzu hatte/
denn der Wirth ſolte einen Medicum ſchaf-
fen/ der dem Ubel im Afang zu vor kaͤme: So
brachte er nicht mehr als ihrer drey zuſam-
men/ die curirten alles contra. Einer kam/ und
ſagte/ ich bitte euch um Gottes willen/ gebt
dem Patienten nichts zu trincken/ weil er den
Paroxyſmum hat/ es iſt ſo viel/ als wenn im
Bade Waſſer auff die heiſſen Steine gegoſ-
ſen wird/ und es waͤre kein Wunder/ daß er
die Kanne im Munde behielte und gaͤhlin-
ges Todes ſtuͤrbe. Der andere kam: Waswolt
ihr den Menſchen quaͤlen/ gebt ihm zu trincken/
was er haben will/ Kofent/ gebrande Waſſer/
Julep/ Staͤrck-Milch ꝛc. weñ er trinekt/ wird
die Hitze præcipitirt/ und darzu das Fieber
muß etwas angreiffen. Jſt nichts im Magen/
ſo greiffts die Natur an/ wird es ſchaden/ ſo
will ich davor ſtehen. Der Dritte ſagte:
Mann laſſe es gehn/ und beſchwere den Pati-
enten mit keiner uͤberfluͤſſigen Artzney/ wir
wollen vor ſehen/ wie ſich der ueunte Tag
an laͤſt. Jn deſſen verſchrieben die andern
brav in die Apothecken. Einer verordnete
O ijgroſ-
[316]
groſſe Galenifche Traͤncke/ der andeꝛe hatte klei-
ne Chymiſche Pulver/ und gewiß es lieff con-
trar durch einander. Ja es blieb bey dem
nicht/ es meldeten ſich auch alte Weiber an/
die wolten ihre Wunderwercke ſehen laſſen/
eine hatte eine Ruthe auß einem alten Zaun
gebrochen/ die hatte neun Enden oder Zweige/
und damit ſolte ſich der Patient beraͤuchern
laſſen. Eine andere lieff in eine Erbſcheune
und hohlte ungeredt und ungeſcholten vom
Boden etliche Hand voll Heu/ und miſchte
andern Quarck darunter/ das ſolte zum
Raͤuchern gut ſeyn. Die dritte gab vor/ er
haͤtte das Maß verlohren/ er muͤſte ſich auf das
neue Meſſen laſſen. Andere machten andere
Gauckelpoſſen. Gelanor und Eurylas haͤt-
ten gerne das beſte herauß genommen: doch
ſie waren ſo klug nicht/ die Heimligkeit der
Natur außzu forſchen. Gleichwol aber hiel-
ten ſie ſein Leben zu koͤſtlich/ daß er durch ſol-
che contraria ſolte zum Tode befoͤrdert wer-
den. Nun es lieffen etliche Tage dahin/ ohn ei-
nige Anzeigung zur Beſſerung. Endlich
gerieth Florindo auf einen poſſierlichen appe-
tit, und wolt einiger Noͤthen Sauerkraut
eſſen. Es widerriethen ſolches zwar alle/ mit
Vorgeben die Speiſe wāre offt geſunden Leu-
ten
[317]
ten gleichſam als eine Gifft/ was ſolte ſie nicht
einem Krancken ſchaden koͤnnen: Doch deſ-
ſen allen ungeacht/ blieb Florindo bey ſeinem
Sauerkraute/ und bat ſeinen Hoffmeiſter
Himmel hoch/ weñ er ja nichts davon eſſen ſol-
te/ er moͤchte ihm doch etwas bringen laſſen/
daran er nur riechen koͤnte. Wiewol es blieb
darbey/ der Patiente ſolte kein Kraut eſſen.
Aber was hat Florindo zu thun? er kriegte
einen Pagen auff die Seite/ bey dem vernim̃t
er/ daß die Koͤchin einen groſſen Topff voll
Sauer-Kraut gekocht/ und in den Kuͤchen-
Schranck geſetzt habe: Damit als es Abend
wird/ und ein Diener nebenſt einer alten
Frau bey ihm wachen/ ſchickt er den Diener
in die Apothecke nach Julep; der alten Frau
befiehlt er/ ſie ſolte noch ein Hauptkuͤſſen bey
der Wirthin borgen/ und wenn ſie auß dem
Schlaffe muͤſte erwecket werden. Nach-
dem er alſo allein iſt/ ſchleichet er auß allen
Leibeskraͤfften zur Stuben hinauß/ und die
Treppen hinunter zur Kuͤchen zu und uͤber
den Kraut-Topff her/ friſtu nicht/ ſo haſtu
nicht/ die Frau und der Diener kommen
wieder/ und weil der Patiente nicht da iſt/
vermeinen ſie/ er ſey mit Leib und Seele davon
gefahren. Machen derohalben einen Lermen
O iijund
[318]
und ruffen alle im Hauſe zuſammen. Es weiß
niemand/ wie es zugeht/ biß die Koͤchin zuge-
lauffen koͤmmt/ und rufft/ ſie moͤchten nur in
die Kuͤche kommen/ da lag er und hatte den
Topff ſo ſteiff in die Arme gefaſt/ als waͤre alle
Geſundheit daran gelegen/ und ſchmatzte et-
lich mahl mit der Zunge/ als haͤtte es noch ſo
gut geſchmeckt. Gelanor wuſte nicht/ was er
darzu ſagen ſolte/ bald wolte er ſagen/ er waͤre
ein Moͤrder an ſeinem eigenen Leibe worden/
bald furchte er ſich/ die harte Zurede moͤchte
ihm am letzten Ende ein boͤß Gewiſſen ma-
chen/ weil er es doch nicht lang mehr treiben
wuͤrde. Das rathſamſte war/ daß ſie ihn
auffſackten und; wieder hinauff truͤgen/ und
da erwartete Gelanor mit Schmertzen/ wie
es den kuͤnfftigen Tag ablauffen wuͤrde. Und
weil er in ſolchen Gedancken biß gegen
Morgen gelegen/ gerieth er in einen mat-
ten und annehmlichen Schlaff/ alſo daß er
vor neun Uhr nicht wieder erwachte. Jndeſ-
ſen hatte er viel ſchwere uñ verdrießliche Traͤu-
me/ wie es bey denſelben kein Wunder iſt/ die
ſich in der Nacht miüde gewacht haben. Bald
dauchte ihn/ als kaͤme ein Hund/ der ihn beiſ-
ſen wolte: bald fiel er ins Waſſer/ und wenn
er umb Huͤlffe ruffen wolte/ ſo kunte er nicht re-
den
[319]
den: bald ſolte er eine Treppe hinan ſteigen
und kunte die Fuͤſſe nicht auffheben. Bald
gieng er im Schlamme/ bald in einem unbe-
kanten Walde. Und gewiß wenn ſolches ei-
nem andern vorkommen waͤre/ der haͤtte ſich
in allen Traumbuͤchern belernen laſſen/ was
die Haͤndel bedeuten ſolten.
So war Gelanor in dergleichen zweiffel-
hafften Sachen ſchon durchtrieben/ daß er
wuſte/ ob gleich etliche Traͤume einzutreffen
ſchienen/ dennoch etliche tauſend dargegen
zu fehlen pflegten/ und daß hernach die gewiſ-
ſen gemercket und fleiſſig auffgeſchrieben; die
ungewiſſen hingegen leichtlich vergeſſen wuͤr-
den. Drum ließ er ſich ſolche Grillen nicht
viel anfechten/ und/ nachdem er erwachte/
fuhr er auß dem Bette herauß/ und wolte
ſehen/ was er ſeinem untergebenen vor ei-
nen Leichen-Text beſtellen wuͤrde. Doch ſiehe
da! Florindo hatte ſeine Unter-Kleider an-
gelegt/ und gieng nach aller Herrligkeit in
der Stube ſpatzieren herum. Waͤre iemand
anders hinein kommen als Gelanor, der haͤt-
te geglaubt/ er waͤre ſchon todt/ und fienge
ſchon an umbzugehen oder zu ſpuͤcken. So
fragte er doch/ warumb er nicht im Bette blie-
be Allein er muſte ſich berichten laſſen/ daß
O iver
[320]
er vom Sauerkraute ſo weit reſtituirt waͤ-
re/ und endlich keines ſchlimmern Zufalls
ſich beſorgen durffte. Gleich indem ſtellete ſich
ein guter Bekandter ein/ der dem Patienten
die viſite geben/ und Abſchied nehmen wol-
te. Mit dieſem uͤberlegte Gelanor die wun-
derliche und gleichſam uͤbernatuͤrliche Cur;
Doch wuſte er bald ſeine Urſachen anzufuͤh-
ren/ deñ ſagte er/ Leib und Seele ſtehen in
ſteter Gemeinſchafft mit einander/ und wie
es einem geht/ ſo gehts dem andern auch/
doch iſt die Seele mehrentheils am geſchaͤfftig-
ſten/ und dannenhero auch am kraͤfftigſten/
alſo daß ſie ſo wohl ihre Freude als ihre Be-
truͤbnuͤß dem Leibe weiß mit zutheilen. Drum
heiſt es/ die Einbildung iſt aͤrger/ als die
Peſtilentz/ und drum ſagen auch die Docto-
res, keine Artzney wircke beſſer/ als da man
den Glauben darzu habe. Weil nun dieſer
Patiente ſich das Sauerkrant heilſam einge-
bildet hat/ iſt der Leib der Seele nach gefol-
get/ und hat ſich eben dieſes zur Artzney die-
een laſſen/ was ſonſt vielleicht ſein Gifft gewe-
ſen waͤre. Gelanor dachte dieſer Sympatheti-
ſchen Cur etwas nach; Eurylas aber fieng an
zu lachen/ gefraget warumb? ſagte er/ ich erin-
nere mich eines jungen Doctors in Weſtfah-
len/
[321]
len/ der hatte den Brauch/ daß er allzeit eine
Schreib-Tafel bey ſich fuͤhrte/ und alſo bald
eine Artzney gluͤcklich angeſchlagen/ ſolches mit
ſonderbahrem Fleiſſe einzeichnete. Nun ſolte
er einen Schmiedt am viertaͤgichtem Fieber
curiren/ dieſer wolte ohne des Henckers
Danck/ Speck und Kohl freſſen/ der gute Me-
dicus hatte ſeine Buͤcher alle auffgeſchlagen/
doch fand er kein gut votũ vor den Kohl/ dar-
um bat er die Frau/ ſo lieb ſie ihres Mannes
Leben haͤtte/ ſo fleißig ſolte ſie ſich voꝛſehen/ daß
er keinen Speck mit Kohl zu eſſen kriegte.
Was geſchicht da die Frau nicht wolte/ bat
der Meiſter ſeinen Schmiedknecht/ er moͤch-
te ihm was bey dem Nachbar zu wege brin-
gen. Der iſt nicht faul und traͤgt ihm un-
ter dem Schurtzfell eine Schuͤſſel zu/ daꝛan
ſich drey Meißniſche Zeiſigmagen haͤtten zu
tode geſſen/ die nim̃t der arme Krancke/ ſchwa-
che Mann auff das Hertze/ den Tag hernach/
als der Medicus in ſeiner Erbarkeit daher ge-
treten koͤmmt/ und mit groſſer Bekuͤmmernuͤß
der gefaͤhrlichen Kranckheit nach denckt/ ſiehe
da/ ſo ſtehet deꝛ Schmied wiedeꝛ in der Werck-
ſtadt/ und ſchmeiſt auff das Amboß zu/
gleich als haͤtte er die Zeit ſeines Lebens kein
Fieber gehabt/ der Doctor verwundert ſich
O vuͤber
[322]
uͤber die ſchleunige Veraͤnderung/ und als er
ſich berichten laͤſt/ faͤhrt er geſchwind uͤber ſei-
ne Schreibtaffel/ und ſchreibt/ Speck und
Kohl ſind gut fuͤr das viertaͤgige Fie-
ber.
Jn kurtzer Zeit bekam der wohl und hoch-
erfahrne Practicus einen matten Schneider-
geſellen/ der eben mit dem Fieber behafftet
war/ nun ſchien er nicht von ſonderlichen Mit-
teln zu ſeyn/ daß er viel aus der Apotecke haͤt-
te bezahlen koͤnnen/ drumb gab er ihm das
Hauß-Mittel/ er ſolte nur fein viel Speck
und Kohl zu ſich nehmen/ doch der gute Menſch
ſtarb wie er noch den Kohl in Zaͤhnen ſtecken
hatte. Da wiſchte er noch einmahl uͤber ſeine
Efelshaut/ und Schrieb: Speck und
Kohl helffen vor das viertaͤgige Fie-
ber; aber nur einem Weſtphaͤliſchen
Schmiede.
CAP. XXXIX.
SJe lachten daruͤber/ doch hatten ſie ihre
groͤſte Freude daran/ daß Florindo ſo
leicht/ darvon kommen. Nur dieß beſorgten ſie
es moͤchte leicht ein recidiv zuſchlagen/ weñ ſie
gar zu bald die Lufft veraͤndern wolten/ drumb
beſchloſſen ſie/ weil ohn dieß der Winter
ein-
[323]
einbrechen wolte/ und darzu der Ort ſo un-
annehmlich nicht war/ etliche Monat außzu-
ruhen. Da lieffen nun viel Thorheiten vor/
doch waren die meiſten von der Gattung/
derer oben gedacht ſind/ alſo daß ſie nur mehr
Exempel zu einer Thorheit antraffen. Ei-
nes kan ich nicht unberuͤhret laſſen. Es kam
die Zeit/ da man die Weynacht Feyertage zu
begehen pfleget/ da hatten ſich an dem vorher-
gehenden heiligem Abend unterſchiedene
Partheyen bunt und rauch unter einander
angezogen/ und gaben vor; ſie wolten den
heilgen Chriſt agiren. Einer hatte Fluͤgel/
der ander einen Bart/ der dritte einen rau-
chen Peltz. Jn Summa/ es ſchien als haͤtten
ſich die Kerlen in der Faſtnacht verirret/ und
haͤtten ſie anderthalb Monat zu fruͤh angefan-
gen. Der Wirth hatte kleine Kinder/ drum
bat er alle Gaͤſte ſie moͤchten doch der ſolen-
nitaͤt beywohnen. Aber Gelanor hoͤrete ſo
viel Schwachheiten/ ſo viel Zoten und Got-
teslãſterungen/ die abſonderlich von denen
alſo genanten Ruppertẽ vorgebracht worden/
daß er mitten in waͤhrender action darvon
gieng. Den andern Tag als ſie zu Tiſche kamẽ/
ſagte Gelanor, iſt das nicht ein rechtes Teu-
felswerck/ daß man in der heiligen Nacht/ da
O viein
[324]
ein iedweder ſich erinnern ſoll/ was vor einen
ſchoͤnen und troͤſtlichen Anfang unſer Heil
und unſere Erloͤſung genommen/ alles hin-
gegen in uͤppigen und leichtfertigen Mum-
mereyẽ herum laͤufft. Jch halte mancher traͤgt
es einer Magd das gantze Jahr nach/ biß er
ſie bey dieſer anſtaͤndigen Gelegenheit auff
die Seite bringen/ und die Beſchwerung
mit ihr theilen kan. Darnach gehts/ wie mir
die Gotteslaͤſterliche Rede einmahl vorge-
bracht worden. Jch weiß nicht weꝛ (Gott ver-
gebe mirs/ daß ich es nur halb vorbringe) ha-
be der Magd ein Kind gemacht. Ja es ge-
ſchicht daß der Nahme bey etlichen bekleibt/
und alſo einer oder der andere etliche Jahr der
heilige Chriſt heiſſen muß. Wie man nun dar-
bey den hochheiligen Namen/ davor die Teufel
erzittern/ mißbraucht/ iſt unnoth viel zu erzeh-
len. Ja bey dem gemeinen Volcke ſind ſo gro-
be unbedachtſame Redens-Artẽ im Schwan-
ge/ darbey die Kinder von Jugend an ſich
liederlicher und Gottesvergeſſener Reden
angewehnen. Ein Schuſter/ wenn er ſeinen
Kindern ein paar Schuh hinleget/ ſo iſt die
gemeine Redensart/ der heilige Chriſt habe
ſie auß dem Laden geſtohlen/ gleich als waͤren
die Kinder nicht ſo klug/ daß ſie koͤnnten nach-
den-
[325]
dencken/ darff der ſtehlen/ der heilig iſt/ und
den ich anbeten muß/ ſo darff ichs auch thun.
Dergleichen thun andere Leute auch. Der
Wirth hoͤrte ihm zu/ endlich ſagte er: Ey wer
kan alle Mißbraͤuche abſchaffen; Die Ge-
wonheit iſt doch an ſich ſelbſt loͤblich. Es
wird den Kindern eine Furcht beygebracht/
daß ſie deſto eingezogener leben/ und auß Be-
gierde der Chriſtbeſcherung ſich froͤmmer
und fleißiger erweiſen. Gelanor verſetzte
dieß/ mein Freund/ ſagte er/ das iſt auch das
eintzige Maͤntelgen/ darunter die Papiſti-
ſchen Alfentzereyen ſich verdecken wollen.
Doch geſetzt/ es waͤre ein Nutz darbey/
weiß man denn nicht/ daß der Nutz kein
Nutz iſt/ wenn er einen groͤſſern Mißbrauch
nach ſich zeucht. Es iſt ein eben thun umb
die Furcht und um die Freude/ die etwan drey
oder vier Tage waͤhret. Jſt die Furcht groß/
ſo iſt die Verachtung deſto groͤſſer/ weñ ſie heꝛ-
nach den heilgen Chriſt keñen lernen/ da haben
ſie ein gut principium gefaſt/ ſie duͤrffen nicht
allein glauben/ was die Eltern von der Gottes-
furcht vorſchwatzen. Ja weil ſie noch in ihrer
Einfalt dahin gehen/ ſehen ſie augenſcheinlich/
dz der heilige Chriſt ſeine Gaben nicht nach der
Gerechtigkeit außtheilet. Reicher Leute
O vijKin-
[326]
Kinder ſind die muthwilligſten/ und die be-
kommen das Beſte. Die Armen haben biß-
weilen den Pſalter und den Catechiſmus etli-
che mahl außgeleſen/ und muͤſſen mit ein paar
Krauthaupten und etlichen Moͤhren oder Ruͤ-
ben vorlieb nehmen. Mich duͤnckt der Eltern
Ruthe iſt der beſte Roppert/ und ihr Zucker
oder was ſie ſonſt Jahr auß Jahr ein pfle-
gen außzutheilen/ iſt der beſte heilige Chriſt.
Dieſes muß 360. Tage kraͤfftig ſeyn. War-
umb will man einen ſolchen Lermen auf fuͤnff
oder ſechs Tage anfangen/ der niemanden zu-
traͤglicher iſt/ als den Puppen-Kraͤmern. Jch
beſinne mich/ ſagte er ferner/ daß in einer vor-
nehmen Stadt ein gelehrter Mann war/
der ſich mit den Gauckel-Poſſen nicht wohl
vertragen kunte/ der ließ die Kinder kaum drey
Jahr alt werden/ ſo ſagte er ihnen den gan-
tzen Handel/ und ſtellte ihnen an deſſen Statt
die Ruthe fuͤr/ die operirte mehr als bey
den Nachbarn ein vermumter Kuͤſter-Jun-
ge. Drumb als ſich auch die Andern beſchwer-
ten/ es haͤtten deſſen Kinder ihre verfuͤhrt/ und
ihnen den heiligen Chriſt kennen lernen/ lachte
dieſer und ſagte/ warumb ſeyd ihr nicht ſo klug
und ſagts ihnen ſelbſt/ ſo duͤrfften es meine
Kinder nicht thun. Hier gab der jenige/ von
dem
[327]
dem wir cap. 37. gedacht haben/ daß er in die
Compagnie auffgenommen worden/ und der
ins kuͤnfftige Sigmund heiſſen ſoll/ ſein Wo[rt]
auch darzu. Die Gewonheit/ ſagte er/ iſt
ſo weit eingeriſſen/ daß man ſchwerlich eine
Enderung hoffen kan/ und uͤber dißſcheint es
zwar/ als waͤren die Mummereyen den Kin-
dern zu gefallen angeſtellt. Doch die Alten
thun es ihrer eigenen Ergetzlichkeit wegen/in-
dem ſie auß uͤbermaͤſſiger Liebe den Narren
an den Kindern freſſen/ und dañenhero in ihrẽ
Affecten nie beſſer vergnuͤgt ſind/ als wenn
ſie dergleichen Auffzuͤge vernehmen ſollen.
Drumb worzu die Leute ingeſamt Luſt haben/
das laͤſt ſich ſchwerlich abbringen.
Solche Diſcurſe wurden continuirt, biß
ſie auf etwas anders fielen. Da war ein vor-
nehmer Hoffrath mit am Tiſche/ welcher ſich
der Ferien zu gebrauchen/ etliche Meilen von
dar auf eine Gevatterſchafft begeben wolte.
Der hatte an den Geſprechen ein ſonderlich
Gefallen/ und damit er auch etwas von dem
ſeinigen moͤchte beytragen/ ſagte er: Jhr Her-
ren/ ihr habt viel Sachen auf die Bahn ge-
bracht/ ich wil auch etwas vorbringen/ dar-
in ich eure Meynung gern hoͤren moͤchte. Un-
laͤngſt war ein anſehnlicher Pfarrdienſt ledig
wor-
[328]
worden. Zu dieſem gaben ſich unterſchiede-
ne Canditatitàm Miniſterii quàm Conjugii
an. Unter andern waren etliche Supplica-
tionen ſehr poſſierlich eingericht/ die ich ab-
ſchreiben ließ/ in Hoffnung/ ich koͤnte mich auf
der inſtehenden Zuſammenkunfft nicht luſti-
ger machen/ als wenn ich die Haͤndel mit gu-
ten Freunden belachen ſolte. Jch muß ſie
doch communiciren, und hoͤren/ welchen ſie
wohl am erſten befoͤrdert haͤtten/ wenn ſie an
des Fuͤrſten Stelle geweſen.
Die erſteSupplication.
P. P. E. Fürſtl. Durchl. beſinnen ſich gnaͤ-
digſt/ daß ich ſchon vor ſechs Jahren in dero
Conſiſtorio examinirt und unter die Expe-
ctanten eingeſchrieben/ auch bißhero auf ge-
wiſſe promotion vertroͤſtet worden. Ob ich
nun wohl gemeinet/ ich wuͤrde in ſolanger Zeit
meines Wunſches gewaͤhret werden/ daß ich
meine wohlher gebrachten Studia, GOtt und
der Chriſtlichen Kirchen zu Ehren haͤtte koͤñen
an den Mann bringen/ ſo will es doch faſt
ſcheinen/ als haͤtte ich meine fuͤnff Diſputatio-
nes auf der Univerſitaͤt/ und meine hundert
und fuͤnffundſiebentzig Predigten in waͤhren-
der Expectantz gar umbſonſt gehalten. Son-
derlich weil andere/ die mir nicht zu verglei-
chen/
[329]
chen/ gantz auf unverantwortliche Weiſe vor-
gezogen worden/ alſo daß andere Leute an mei-
ner Erudition zu zweiffeln anfangen/ da es
doch denen/ ſo mich examinirt, am beſten wird
bekant ſeyn/ daß ich nicht in einer Frage die
geringſte Satisfaction bin ſchuldig blieben.
Und dieſes hab ich etliche mahl ſo hefftig ad a-
nimum revocirt, daß ich gaͤntzlich beſchloſſen/
nicht einmahl anzuhalten; weil ſie doch meine
Qualitaͤten wuͤſten: und bey vorfallenden Be-
duͤrfftniß mich leicht erlangen koͤnten. Je-
dennoch ſolches haͤtte bey etlichen paſſionirten
Gemuͤthern/ dergleichen ich mehr als zu viel
wider mich habe/ vor eine Verachtung moͤ-
gen außgeleget werden/ gleich als hielte ich E.
F. Durchl. nicht ſo wuͤrdig/ daß ſie ein unter-
thaͤnigſtes Supplicat von mir ſehen ſolten. U-
ber diß haͤtte ſich E. F. Durchl. einmahl ent-
ſchuldigen moͤgen/ als haͤtte ich mich nicht zu
rechter Zeit angegeben/ daß ſie alſo bey dero
hochwichtigen Angelegenheiten meiner ver-
geſſen. Drumb wil ich mein letztes Bitten
hier in optimâ formâ ablegen. E. F. Durchl.
wolle gnaͤdigſt geruhen/ mir das verledigte
Pfarrdienſt zu N N. vor andern zu goͤnnen/
und in gnaͤdigſter Verſicherung zu leben/ daß
ich keine Stuͤcke von meiner Erudition werde
un-
[330]
unangewendet laſſen. Jſt keine Schande
mehr in der Welt/ daß ich uͤber Verhoffen
ſolte darhinter hingehen/ ſo will ich auch die
Zeit meines Lebens nicht mehr anhalten/ und
wil meine ſchoͤne ſtudia aller Welt zu ſchimpf-
fe verderben laſſen. Nun ich verſehe mich
noch des Beſten/ und wuͤnſche dannenhe-
ro ꝛc.
Gelanor ſagte hierauff: der Kerle muß ein
vielfaͤltiger Narr ſeyn/ erſtlich weil er ſeine E-
rudition ſo hoch ruͤhmet/ da ſie doch allen
Umbſtaͤnden nach nicht viel uͤber das mittel-
ſte Fenſter wird geſtiegen ſeyn: darnach weil
er vom Fuͤrſten und Herren eine Gnade abtro-
tzen wil. Es heiſt ja ex beneficii negatione
nulla eſt injuria. Und wie wuͤrde der Menſch
beten/ wenn er ſich in Gottes horas \& moras
ſchicken ſolte/ da er in ſechs Jahren an allem
Gluͤcke verzweifeln wil. Waͤre ich Fuͤrſte
geweſen/ ich haͤtte ihm an ſtatt des Dienſtes
eine Expectantz auf zwoͤlff Jahr gegeben/ mit
angehaͤngter Vertroͤſtung/ wenn er nach ver-
floſſener Zeit/ hoͤflicher wuͤrde/ und ſich gebuͤhr-
lich angebe/ ſolte er nach Befindung
ſeiner meriten accommodirt
werden.
Die[331]
Die andereSupplication.
P.P. E. Durchl haben viel Brieffe zu leſen/
drumb muß ich meinen kurtz machen. Es hat
ſich zu N. N. das Pfarrdienſt verlediget/
das moͤchte ich gern haben. Nun weiß ich/
wer nicht ſupplicirt/ bekoͤm̃t nichts: Aber
ich ſehe/ daß viel ſuppliciren/ die auch nichts be-
kommen. Dannenhero iſt an E. F D. mein
unterthaͤnigſt gehorſamſtes Bitten und Fle-
hen/ ſie wollen doch dero angebohrne Gnade
nach/ mir einen Weg an die Hand geben/ dar-
bey dero Hochfuͤrſtlichen Gemuͤthe ich gewin-
nen/ und den Dienſt darvon tragen moͤchte.
Solche/ ꝛc.
Gelanor ſagte/ wo dieſes den Fuͤrſten zur
guten Stunde iſt uͤberreicht worden/ ſo iſt
kein Zweiffel/ er wird ſich an der artigen In-
vention ergetzt/ und deſto lieber in des ſuppli-
canten Begehren eingewilliget haben: hat er
aber die Zeit nicht getroffen/ ſo moͤchte er eher
eine Vocation zur Superintendentur/ in der
Narren-Schule/ als zu dieſem Kirchendien-
ſte bekommen haben/ ich wolte es keinem ra-
then/ der nicht Patronen auf der Seite haͤtte/
die es bey vorfallender Ungnade/ mit einer
milden und angenehmen Außlegung ent-
ſchuldigen koͤnten.
Die[332]
Die dritteSupplication.
Hr. Fuͤrſt.
Euer Ehrentugenden thue ich mich gantz
und gar befehlen/ und bitte euch gar ſehr/
macht mich doch zum Pfarr in N N. Jch habe
predigen gelernt/ ich kan auch die Lateiniſchen
Buͤcher verſtehn/ ich weiß auch das Examen
eorum qui gantz außwendig/ und ich halte
nicht/ daß ſich eineꝛ ſo huͤbſch an den Oꝛt ſchicke
als ich/ ach gnaͤdiger Juncker/ laßt euch nicht
andere Leute uͤberreden/ die groſſe Comple-
mante machen/ ihr ſollet ſo einen rechtſchaffe-
nen Mann an mir haben/ der alle Wochen
acht Buß-Pſalmen vor euch beten ſoll. Nun
lieber Herr/ meint ihr/ daß ich mit dem Dienſte
verſorget werde/ ſo ſchreibt mirs doch fein
bald wieder. Jm Gaſthoffe zur guͤldenen
Lauß iſt ein Fuhrmann Karſten Frantze/ der
kan den Brieff biß auf die halbe Meile nehmen/
da wilt ich auf ihn warten/ daß er meiner nicht
verfehlt. Unterdeſſen Gott befohlen.
Euer guter Freund/ und wann ihr
wollt zukuͤnfftiger Pfarr.
N. N.
Sigmund ſagte/ dieſes muß ein bloͤder ein-
faͤltiger Schoͤps ſeyn/ der ſich vielleicht beſſer
zu
[333]
zu einem Schweintreiber/ als einen Seelſor-
ger ſchickte/ da moͤchte man ſeinen Namen auf
die Schweinkoben ſchreiben/ und darzu ſetzen
Paſtor hujus loci.
Die vierdteSupplication.
Vacat in oppido N.N. munus Eccleſiaſti-
cum, quod Te agnoſcit Patronum. Pro-
inde ut locum ſuppleas, neceſſitatis eſt; ut è
multis unum eligas, clementiæ tribuitur, cu-
jus u[t]inam ego tam fierem particeps, quàm
hactenus egens fui. Nulla hominum eſt
gratia, quæ me commendet: ſed eâ nec opus
eſt in divino munere. Splendidam \& ſu-
percilioſam non profite or doctrinam; [ſ]ed ſi-
ne quâ Deo placere poſſumus. Paupertas
me premit; ſed quæ Chriſtum \& Apoſtolos
non oppreſſit. Deum veneror in cujus ma-
nu corda Principum. Sanè quid rogare
debeam? ignoro: quid cupiam, ſcio. Tu
quid faciendum, judicaveris. Id ſaltem
oro, ſi Deo viſum fuerit eam mihi commit-
tere provinciam, nolis paternę ejus directio-
ni reſiſtere, An vicem exſoluturus ſim,
non addo. Beneficium quippe quod re-
fundi poſtulat locatum videtur opus. Ne-
que indiget Princeps ſubditorum præmiis,
niſi
[334]
niſi præmiorum loco ponere velis obedien-
tiam, precesq́ue ad Deum pro incolumitate
tuâ indefeſſas, quam quidem ſolutionem
plenis tibi manibus offero.
Vive Pater Patriæ
\& Vale.
Gelanor hatte wieder ſeine Gedancken
darbey. Der gute Menſch mag ſeine Lateini-
ſche Autores wohl geleſen haben. Doch weiß
ich nicht/ ob man allzeit auf die alte Manier
ſchreiben darff. Die Welt will ſich lieber in
abſtracto, anreden laſſen/ und es ſcheint an-
nehmlicher tu ſerenitas, als tua, ob man gleich
nicht leugnen kan/ daß viel Redens-Arten bey
ſolchen weitlaͤufftigen abſtractis zu ſchanden
werden. Sonſt leuchtet eine affectirte Art zu
ſchreiben herauß/ die einer kleinen Theologi-
ſchen Hoffaꝛt aͤhnlich ſieht. Er haͤtte ſeine Mey-
nung viel deutlicher koͤnnen von ſich geben/ ſo
hat er was ſonderliches wollen vorbringen.
Gott gebe daß er nicht einmahl im Miniſterio
mit hohen Worten auffgezogen koͤm̃t. Darzu
iſt es nicht unrecht/ daß man einem Fuͤrſten/
ſonderlich zu der Zeit/ wenn man umb Gna-
de bitten wil/ mit demuͤtigen und unterthaͤni-
gen Worten begegnet.
Der Hoffratth hatte gedultig zugehoͤret.
Endlich ſagte er/ der andere haͤtte das beſte
Gluͤ-
[335]
Gluͤcke davon getragen. Dem vierdten waͤre
anderweit Befoͤrderung verſprochen wor-
ben. Die uͤbrigen haͤtte man ſchimpflich ab-
gewieſen. Eines referirte er von den Prob-
Predigten/ daß einer ohne die beyde noch dazu
begehret worden/ der eine praͤchtige aber nicht
allzu troſtreiche Predigt gehalten. Doch waͤre
ein Juncker in der Kirche geweſen/ der haͤtte
ihn verrathen/ dz ſie vom Wort zu Wort auß
einem Frantzoͤſiſchen Jeſuiten uͤberſetzt/ und
dannenhero von wenig Troſt und geiſtlicher
Erquickung geweſen. Drumb haͤtten die
Cenſores auch ſich verlauten laſſen. Sie
wolten lieber einen bloſſen Poſtillen-Reiter
haben/ der fromme und geiſtreiche Maͤnner
imitirte, als einen ſolchen Huͤlſen-Kraͤmer/
der unter dem Schein einer ſonderlichen Wiſ-
ſenſchafft und eines unvergleichlichen Fleiſ-
ſes nichts als Spreu und lehre Worte vor-
braͤchte. Man haͤtte auß der Erfahrung/
daß ſolche Prediger zwar delectirten, doch
bey den Zuhoͤrern/ ſonderlich bey einfaͤltigen
Leuten/ auf welche man vornehmlich ſe-
hen ſolte/ gar ſchlechten Nutz
ſchafften.
CAP.[336]
CAP. XL.
HJer ward der diſcurs durch einen un-
verhofften Lermen verſtoͤrt/ der ſich vor
der Stube zwiſchen der Frau und den Maͤg-
den erhub. Der Wirth lieff zu/ und wolte
zum Rechten ſehn. Doch ward es viel aͤrger/
und thaͤt er nichts bey der Sache/ als daß er
das Geſchrey groͤſſer machte. Endlich kam
der Hausknecht/ den fragten ſie/ was fuͤr ein
Ungluͤcke entſtanden waͤre/ dieſer berichte/ die
Māgde wolten alle viere in die Kirche gehen/
die Frau wolte hingegen haben/ es ſolte eine
bey den Kindern zu Hauſe bleiben. Eurylas
verwunderte ſich uͤber die groſſe Andacht/ die
er bey dem heutigen Maͤgde-Volcke nicht ge-
ſucht haͤtte. Doch der Knecht halff ihm auß
der Verwunderung. Denn er ſagte/ ſie riſ-
ſen ſich nicht umb die Predigt oder ſonſt umb
den Gottesdienſt: ſondern ſie wuͤrden in der
Kirche das Kind wiegen/ den Vogelgeſang
und den Stern mit den Cimbeln gehen laſſen/
deßwegen wolte keine die ſchoͤnen Sachen ver-
ſaͤumen. Sonſt wuͤſte er wohl/ daß man
vier Wochen zu ſchelten haͤtte/ ehe man ſie
einmahl koͤnte in die Kirche bringen. Eury-
las ſahe die andern an/ und als ſie nichts darzu
reden
[337]
reden wolten/ fragte er/ was ſie von dieſer
Kirchen-Gauckeley hielten. Ob es nicht ein
Anhang waͤre von dem vermummten heiligen
Chriſto? Sigmund gab zur Antwort/ in die-
ſem Stücke moͤchte er leicht zum Puritaner
werden/ und die Papiſtiſchen Ceremonien
mit dem kindiſchen Kinderwiegen abſchaffen.
Die Leute wuͤrden zwar delectirt, abſonder-
lich haͤtte es bey den Kindern gar ein ſchoͤnes
Anſehen/ doch wāre es beſſer/ man delectirte
ſie mit geiſtlichen Weynacht-Liedern/ alß das
man ſie mit ſolchen Vanitæten von der An-
dacht abfuͤhrte. Der Hof Rath ſagte/ das waͤ-
re ein geringes/ gegen den Choſen, die ſonſten
auff der Orgel getrieben wuͤrden. Er waͤre
unlaͤngſt an einem Orte in der Kirche gewe-
ſen/ da haͤtte die Gemeine geſungen/ Erbarm
dich mein/ O HErre Gott. der Organiſt hāt-
te indeſſen drein geſpielet mit lauter ſechsvier-
theil und zwoͤlff achtheil Tact, daß man alſo
lieber getantzet als die Suͤnden beweinet haͤt-
te. Jngleichen wuͤſte er anders wo einen Or-
ganiſten/ der haͤtte an ſtat des Subjecti, das
altvaͤteriſche Lied durch gefuͤhrt; So wollẽ wir
auff den Eckartsberg gehn. Ja er haͤtte wol
eher in der Kirche Sonaten gehoͤrt/ die nicht
viel geiſtreicher herauß kom̃en/ als Hertze-liebe
PLieſe
[338]
Lieſe. Doch hiermit fiengen ſie an in die Kirche
zu laͤuten/ und ſtunden alle vom Tiſche auff.
Etliche giengen in die Predigt/ etliche blie-
ben zu Hauſe. Nach der Kirche kam ein junger
Stutzer/ der wolte ungeacht des heiligen Ta-
ges auff dem Schlitten fahren/ und hatte
ſich den Zeug darzu gar praͤchtig auffgeputzt:
doch er mochte wol an keinem Fuͤrſtlichen
Hofe ſeyn Stallmeiſter geweſen/ oder zum
wenigſten mochte das Pferd kein Hochdeutſch
verſtehn. Denn es kam alles ſo verkehrt und
ſel[tz]am herauß/ daß wohl hundert Jungen
hinter drein lieffen/ und mit hellem Halſe
ſchrien/ Haber/ Haber/ Haber/ Haber. Der
Handel verdroß ihn/ und gewiß/ [15]. Tha-
ler waͤren ihm lieber geweſẽ/ als der Schimpf/
doch meinte er/ es waͤre noch zu verbeſſern/ und
wolte auff dem groſſen Platze gleich vor dem
Wirthshauſe etliche Raͤdgen herum drehen/
und kam den alten Weibern/ die Aepffel/ Nuͤſ-
ſe/ Kraut/ Kaͤſe und andere Hoͤckereyen feil
hatten/ mit den Kuffen in ihre Koͤrbe/ daß ei-
nes hin das andere her flog. Die Jungen lief-
fen zu und laſen auff/ die alten Weiber warf-
fen mit ihren Feuerpfaͤngen darzwiſchen/ und
wolten ihre Wahren nicht preiß geben. Das
Pferd ward von dem Getoͤſe ſcheu gemacht/
daß
[339]
daß es durchgieng/ biß der Schlitten an ei-
nem Eckſtein in tauſend Stuͤcke zerſprang/
und der Stutzer in ſeinem Luchsbeltze auff
dem Eiſe herum baddelte/ wie ein Floh im Oh-
re. Wo das Pferd hinlieff/ konten ſie auß
dem Gaſthofe nicht ſehn. Doch in kurtzer Zeit
kamen etliche Jungen/ die hatten es angepackt/
und ritten ſo lange in der Stadt herum/ biß
der Kerl/ dem das Pferd zuſtund die Reute-
rey zerſtoͤrete. Florindo hatte ſeine ſonder-
liche Luſt daran/ und ſagte/ ein andermal bleib
an dem heiligen Tage zu Hauſe/ und den fol-
genden Tag ſieh zu/ ob dir das Schlittenfah-
ren von ſtatten geht/ wo nicht ſo bleib wieder
zu Hauſe. Eurylas ſagte: Jch moͤchte gerne
wiſſen/ warum einer ſo gern in der Stadt auff
dem Schlitten fāhrt. Jch lobe es im freyen
Felde/ da mag ich thurnieren nach meinem G-
fallen/ und ſtoſſe an keinem Eckſtein an: Jch
mag auch ſo offt umwerffen als ich wil/
und iſt doch niemand/ der mich außlacht/ o-
der mir das Ungiuͤck goͤnnt. Ja wohl/ ſagte
Sigmund, iſt die Lehre nicht zu tadeln/ wenn
man auß Luſt auff dem Schlitten faͤhrt. Wo
man aber dem Frauenzimmer zu gefallen ſich
wil ſehen laſſen/ da giebt es auf dem fꝛeyen Fel-
de ſchlechte Poſſen. Drumb gleich wie jener
P ijblin-
[340]
blinde Bettelman nirgend lieber gieng/ als
wo er von dem Volcke gedraͤnget und ge-
druckt ward: alſo fahren auch ſolche verliebte
Hertzen am liebſten/ wo die Eckſteine und die
Qvergaſſen am gemeinſten ſind. Jndem ſie
noch davon redeten/ kam der gewoͤhnliche
Poſtwagen/ welcher Tag vor Tag fort zu ge-
hen pfleget/ im Wirthshauſe an/ und hatte un-
terſchiedene Perſonen auffgeladen/ denen der
Wirth mit einem Trunck warmen Seckt be-
gegnete/ daher ſie nach der Kaͤlte gar wohl er-
quicket wurden. Doch hatten ſich etliche ſo
ſehr erkaͤltet/ daß ſie den Abend drauff nicht
wieder fort wolten: ſondern biß auf beſſere Ge-
legenheit in der warmen Stube ſitzen blieben.
Auff den Abend bey der Mahlzeit kamen ſie
mit zu Tiſche da ſaß eineꝛ gantz eꝛnſthafftig/ als
ein erſtochener Bock/ daß auch die andern
nicht wuſten/ woher ihm einiges diſguſto
moͤchte entſtanden ſeyn. Eurylas, der ſolche
Sauertoͤpfiſche Geſichter in der Geſellſchafft
nicht gerne leiden konte/ fragte ihn/ warum er
ſich ſo betruͤbt befaͤnde? Dieſer gab die unbe-
ſcheidene Antwort von ſich/ er habe in acht Ta-
gen kein ſuͤſſes geſſen. Eurylas merckte den
Bauer wohl/ daß er von derſelben Gattung
waͤre/ die keinen Schertz vertragen koͤnnen;
drum
[341]
drum hatte er ſeine Luſt/ daß er ihm noch mehꝛ
Verdruß er wecken ſolte/ und ſagte/ mein Herꝛ/
hat er nichts ſuͤſſes geſſen/ ſo hat er doch vor
dem Eſſen ſuͤſſen Wein getruncken. Dieſer
fuhr ungeſtuͤm̃ herauß/ es haͤtte ihm niemand
ſeinen Wein vorzuwerffen/ haͤtte er was ge-
truncken/ ſo waͤre es auch von ſeinem Gelde
bezahlet worden/ es gienge einen andern nichts
daran ab/ was er endlich verzehren wolte.
Eurylas der hoͤhniſche Gaſt hatte den Trotzer
auf dem rechten Wege/ dannenhero winckte er
auch den andern/ abſonderlich dem Florindo,
ſie moͤchten nichts darzwiſchen reden/ daduꝛch
die Luſt verderbet wuͤrde/ und ſagte hingegen/
der Herr habe keinen Ungefallen an meinem
Schertze/ die Freundſchafft/ die ich bey ihm
verlange gibt mir Anlaß darzu. Deꝛ gute Mo-
plus warff das Maul auff und ſagte/ er haͤtte
ihm noch keinen Boten geſchickt/ der ihn um
die Freundſchafft anſprechen ſolte. Und viel-
leicht ſchickt ſichs/ daß wir das gantze Geſpraͤ-
che ordentlich fortſetzen.
Hat er mir keinen Boten geſchickt/
ſo wil ichs thun/ und wil ſelbſt mein groſſer
Bote ſeyn.
Solchen Boten pfleget man ſchlecht
zulohnen.
P iijEury-
[342]
Eine ſchlechte Belohnung iſt beſſer/
als gar keine.
Ey was ſol das heiſſen? wollet ihr
einen Narren haben/ ſo ſchaffet euch einen/ ich
zehre hier vor mein Geld/ und bin ſo gut als
einander/ ich laß mich keinen dexiren/ und ſolte
der Hagel drein ſchlagen.
Jch ſehe/ bey dem Herrn iſt ein klei-
ner Mißverſtand.
Was? was? wer hat einen Miſt-
verſtand? ich habe keinem Bauer Miſt ge-
laden/ und ich halte den jenigen ſelbſt vor ei-
nen Ertz-Miſt- Hammel/ der mir ſolches wil
Schuld geben.
Wenn der Herr an D. Luthers
Stelle waͤre geweſen/ ſolte er nicht eine ſchoͤne
Außlegung uͤber den Catechiſmum gemacht
haben.
Und ihr ſollet die Außlegung uͤber
den Eulenſpiegel machen,
Was iſt denn der Eulenſpiegel vor
ein Ding?
Er iſt ein Kerle geweſen/ vor dem nie-
mand hat koͤnnen zu frieden bleiben.
Hat er auch koͤñen Schertz verſtehẽ?
Ja wenn es ihm gelegen war.
Nun ſo gilt es ein halbes. auff Monſ.
Eulenſpiegels gute Geſundheit.
Mopſ.
[343]
Jhr moͤcht wol ſelbſt ein Eulenſpie-
gel ſeyn.
Jch wolte viel ſchuldig ſeyn/ daß ichs
waͤre/ ſo haͤtte ich ohne Zweiffel bey dem Herrn
beſſere addreſſe, als itzund.
Bey dieſen Worten ſtund Mopſus vom Ti-
ſche auff/ warff Teller/ Meſſer und Gabel von
ſich/ und fluchte alle Elemente nach der Ord-
nung daher/ biß er oben in ſein Zimmer kam/
da er die Boßheit nach ſeinem Gefallen auß-
laſſen mochte. Einer/ der mit ihm auf dem
Poſtwagen geſeſſen/ konte nicht gnug erzehlen/
was ſie vor Muͤh auff der Reiſe mit ihm ge-
habt; es haͤtte niemand den geringſten Schertz
duͤrffen vorbringen/ ſo haͤtte er alles auff ſich
gezogen/ und zwar mit ſo einer laͤcherlichen
außlegung/ daß man faſt ein Buch davon
ſchreiben moͤchte. Und uͤber diß haͤtte er kei-
nen Schimpff wollen auff ſich erſitzen laſſen/
ſondern haͤtte ſich allezeit mit laͤcherlichen re-
torſionibus gewehret. Jch muß/ ſagte dieſer/
nur etliche Exempel anfuͤhren. Einmal ward
auff dem Wagen gefragt/ was man guts
im Wirthshauſe zu hoffen habe/ und
ſagte einer diß/ der andere was anders. Jch
ſagte/ haben wir ſonſten nichts/ ſo haben wir
einen guten Stockfiſch. Da befand er ſich alſo
P iiijbald
[344]
bald offendirt, und ſagte/ er waͤre darumb
kein Stockfiſch/ wenn er ſchon bey einem
Fiſchhaͤndler waͤre zu Tiſche gangen; wer ihn
davo[r] hielte/ moͤchte wohl ein gedoppelter
Stockfiſch ſeyn. Nun konte ich wol mit Grũd
der Warheit ſagen/ daß ich nicht gewuſt/ wo-
her eꝛ geweſen/ viel weniger wo eꝛ zu Tiſche ge-
gangen/ alſo daß ich wol auſſer verdacht war/
daß ich ihn nicht gemeinet hatte. Ferner frag-
te einer ob Nuͤrnberg in Schwaben laͤge?
Da fuhr dieſer auff als eine Waſſerblaſe im
Bade/ und ſagte/ es koͤnte ihm kein ehrlicher
Kerle nachſagen/ daß er ein Schwabe waͤre/
er haͤtte ſein Vaterland viertzig Meilen von
Schwaben abgelegen/ doch ſehe er wohl/ ſie
haͤtten es ihm zum Verdruß und zum Ange-
hoͤr vorgebracht. Ein ander ſchwatzte von
Kleidern/ und meynte/ wer itzt einen Beltz wol-
te machen laſſen/ der ſolte nur nach guten
Futter fragen/ der Uberzug moͤchte leicht von
Berenheuterzeug gut genug ſeyn. Da wol-
te er ſchlieſſen/ man haͤtte ihn einen Berenheu-
ter geheiſſen. Doch es fehlete nicht viel/ daß er
nicht ein paar dichte Maulſchellen davon ge-
tragen. Eurylas ſagte/ der Kerle muͤſte ein
wunderlicher Narr ſeyn/ der ſich in keine
Geſellſchafft ſchicken koͤnte. Doch nam ſich
Ge-
[345]
Gelanor ſeiner an/ und redete ſein Wort. Laßt
ihn einen Narren ſeyn/ ſagte er/ was kan er
davor? ſeine Natur bringet es nicht anders
mit ſich. Er hat ein Melancholiſch verdrieß-
liches Temperament, dadurch er von aller
Luſt und Kuꝛtzweil abgehalten wiꝛd. Muß man
doch leiden/ daß in einer Compagnie/ da alle
Kaͤſe eſſen/ einer die Naſe zuhaͤlt und nicht mit
macht. Mancher iſſet keine Buttermilch ein
ander trinckt kein Bier/ ja man findet Leu-
the/ die kein Brot riechen koͤnnen. Gleich
wie nun ſolche Menſchen deßwegen vor kei-
ne Narren zu halten ſeyn/ ob ſie gleich daſ-
ſelbe nicht nachthun/ was andern angenehm
iſt: Alſo muß man auch von dieſen urtheilen/
die an Schertz und andern Luſtigkeiten gleich-
ſam von Natur einen Abſcheu haben. Doch
ſolte ein ſolcher Menſch ſich entweder der Ge-
ſellſchafft gantz aͤuſſern/ und ſein Vergnuͤgen
in der Einſamkeit ſuchen: Oder wenn er j[a]
nicht Umbgang nehmen koͤnte/ bey Leuthen zu
ſeyn/ ſo ſolte er ſeine Natur zwingen/ und nicht
alles mit ſo groſſer und laͤcherlicher Unge-
dult aufnehmen. Denn was hat einander
darvon/ daß er ſeine Worte ſo uͤbel außlegen
laſſen/ und daß er ſeiner Freymuͤthigkeit we-
gen ſich allerhand Ungelegenheit uͤber den
Hals ziehen ſoll.
P vCap.[346]
CAP. XLI.
DEn folgenden Tag kamen unterſchiede-
ne junge Weibergen/ und beſuchten die
Wirthin/ welche allem aͤuſſerlichen Anſehen
nach/ bald wolte zu Winckel kriechen. Nun
hatte Gelanor mit den ſeinigen das Zimmer
neben ihrer Stube eingenommen/ alſo daß
man alles vernehmen konte/ was daruͤber
geredet ward. Solcher Beqvemligkeit be-
diente ſich Florindo, und hoͤrete die anmu-
thigen Geſpraͤche mit ſonderbahrer Freu-
den an. Die Wirthin fragte eine/ Schweſter-
gen/ geheſtu nicht zur Hochzeit? da antworte-
te dieſe ach was ſolte ich zur Hochzeit ma-
chen/ iſt es doch eine Schande/ wie man hin-
unter geſtoſſen wird. Es hat meinen Mann
wol tauſend mal getauret/ daß er nicht iſt
Doctor oder zum wenigſten Magiſter wor-
den. Da hat er das ſeinige verreiſet/ und hat
wohl mehr geſehen als einander. Aber es
gehet hier zu Lande nicht nach Geſchick-
ligkeit. Sonſt wolten ich und mein Mann
wohl uͤber die Taffel kommen. Eine andere
ſagte. Eben darumb habe ichs meinem Man-
ne gar fein abgewehnet/ daß er an keinen vor-
nehmen Ort zur Leiche oder zur Hochzeit gehen
darff.
[347]
darff. Jch lobe es bey geringen Leuten/ da
hat man das Anſehen allein/ und geht uͤber
die andern weg. Es iſt auch wahr/ die
Vornehmen haben es doch keine Spanne hoͤ-
her/ als die andern; Die dritte ſagte: Ja haͤtte
diß nicht gethan/ mein Mann haͤtte nicht ſo
viel Geld duͤrffen hingeben/ daß er waͤre Fuͤrſt-
licher Rath worden. So dencke ich/ ſechshun-
dert Thaler ſind leicht zu vergeſſen/ wenn
man nur allen ſtoltzen Kluncker-Fuͤchſen
nicht darff nach treten. Die erſte fiel ihr in die
Rede: Ja Schweſtergen/ ſagte ſie/ wer weiß/
wie lange es mit der Herrligkeit waͤhret/ weiſt
du nicht/ wie viel Leute Geld dargegen ſpendi-
ren wollen/ daß ſie deinen Mann wiedeꝛ herun-
ter bringen. Ach thaͤte daß nicht/ ich haͤtte lang
ein ſtuͤcke Gut verkaufft/ daß wir auch einen
ſolchen Ehrenſtand kriegt haͤtten. Die andere
ſagte: Jch wil mich umb den Gang nicht
zu Tode graͤmen. Nur das verdreuſt mich
an meinem Mann/ das er nicht biß fuͤnff-
hundert Thaler dran wagt/ daß wir duͤrffen
Sammet-Peltze tragen. Die dritte ſagte: Jch
weiß wohl/ es ſind viel Leute/ die unſ unſere
Ehre nicht goͤnnen. Aber wir wollen dar-
bey bleiben/ und ſolte es uns noch tauſend
Thaler koſten. Es iſt ein eben thun umb den
P vjGroß-
[348]
Großſprecher/ der uns zu wider iſt/ wenn er
ſat zu freſſen haͤtte. Da friſſt der kahle Hund
welcke Ruͤben/ und hertzt die Frau/ damit tritt
er an die Haußthuͤre/ und ſtochert in den Zaͤh-
nen/ ſo dencken alle Bauren/ die voruͤbergehen/
er hat Fleiſch geſſen. Die vierdte hatte bißher
ſtill geſchwiegen/ nun gieng ihre Klapper-
buͤchſe auch loß. Ach ſagte ſie/ ich laſſe mir
auff die Hochzeit ein ſchoͤn Kleid machen. Wir
ſind Freundſchafft/ da werden wir vorgezo-
gen. Ach es gefaͤlt mir gar zu wol/ weñ die ſtol-
tzen Weiber/ die ſonſt immer oben hinauß und
nirgend an wollen/ ſo brav das Nachſehen
haben/ und mir hinten nach zotteln. Die er-
ſte ſagte: Ja ich beſinne mich/ was ich bey mei-
ner Mutter Begraͤbniß vor eine Freude hat-
te/ daß ich durffte uͤber die Burgemeiſters
Weiber gehn. Die andere ſagte: Ja/ als haͤtte
ich neulich die Ehre nicht gehabt/ da mein Va-
ter begraben ward/ da giengen mir zwoͤlff Do-
ctors Weiber nach. Die dritte ſagte/ unlaͤngſt
gieng mein Mann uͤber etliche Edelleute/ und
es ſoll mich mein Lebetage reuen/ daß ich bin zu
Hauſe blieben/ wie haͤtte ich die groſſen Frau-
en von Adel wollen uͤber Achſel anſehn/ wann
ſie waͤren hinter mir angeſtochen kommen.
Die Vierdte ſprach: Ach botz tauſend haͤtte
ich
[349]
ich doch bald das beſte vergeſſen/ ſprechen doch
die Leute Herr N. N. iſt Rathsherr worden/
wer wird nun mit ſeiner Frau außkommen/
die ſtoltze Noppel wuſte ohn dem nicht/ wie ſie
das Maul ſolte krum genug außzerren. Mein
Mann iſt ſonſt gut Freund mit ihm geweſen;
Aber der Hencker ſolte ihm nun das Liecht hal-
ten/ weñ er weiter mit ihm Freundſchafft hiel-
te. Ja wohl/ daß er ihn lieſſe oben an gehen.
Ach nein trinckt dort numm/ es ſind der Sau-
ren/ ich mag ſie nicht. Es verlohnte ſich der
Muͤh mit der Bauer-Magd. Vor ſechs
Jahren haͤtte ſie noch die Gaͤhſe gehuͤtet/
und Qvarck-Kaͤſe gemacht/ nun ſolte ſie
mir vorgezogen werden. Ja[/]ja ſchiers kuͤnff-
tig wenn Pfiengſten auf den Gruͤnen-Don-
nerſtag faͤllt. Jch thue es nicht/ und wenn
ich ſechs Jahr nicht ſolte auß dem Hauſe
gehen. Die erſte verſetzte: Ey Schweſtergen/
glaube es nicht/ ſie werden ſo einen hoͤltzernen
Peter nicht zum Rathsherrn machen. Ja
wenn es Miſtladens guͤlte/ ſo moͤchte er weiſe
gnug darzu ſeyn/ und wenn er auch ſo klug waͤ-
re/ als der weiſe Koͤnig Salomon/ ſo thãten
ſie es der Frauen wegen nicht/ wer wird denn
einen ſolchen Nickel laſſen oben an gehen/ wo
wolten wir Strümpffe kriegen/ die wir dem
P vijBauer-
[350]
Bauer-Mutze anzoͤgen: denn du weiſts wohl/
die Beine geſchwellen den gemeinen Leuten/
wenn ſie zu viel Ehre kriegen. Die Wirthin
hatte zwar zum Geſpraͤche Anlaß gegeben/
doch konte ſie nicht wieder zu einem Worte
kommen. Und da gemahnete ſie dem Florindo,
wie jener Superintendens, der war zur Hoch-
zeit/ und als einer ſagte/ es wunderte ihn/ war-
umb die Weiber ſo ſtille ſaͤſſen/ ſagte dieſer
hingegen/ gebt euch zufrieden/ ich will den
Weibern bald zu reden machen/ und ruffte
ſeiner Frau uͤberlaut: Jungefrau wie viel
gabt ihr geſtern vor einen Stein Flachs? da-
mit war das Weſpen-Neſt rege gemacht/ daß
die Maͤnner ihr eigen Wort nicht vernehmen
konten/ und ihre retirade zur Stuben hinauß
nehmen muſten. Alſo hatte die gute Wirthin
mit einer Frage ſo viel zuwege gebracht/ daß
ſie ſtillſchweigen kunte/ weil ihr doch das
Reden etwas ſaur ankam: doch war es ihr
unmoͤglich/ daß ſie gar ungeredt darbey ſitzen
ſolte/ drumb ſagte ſie dieß darzu: Ach mein
Mañ haͤtte lange koͤnnen Rathsherr werden/
wenn er gewolt haͤtte/ aber das Prackdezeren
bringt ihm mehr ein. Sonſt duͤrffte er wider
den Rath nichts annehmen. Er iſt bey einem
Freyherrn Gerichts-Verwalter/ das wird ja
ſo
[351]
ſo vornehm ſeyn als ein junger Rathsherr.
Bey dieſem Geſpraͤche war eine alte Frau/
welche bey der Wirthin Niederkunfft ſolte
Waͤrterin werden/ die muſte ihren Dreyhel-
lers-Pfennig auch darzu geben. Jhr jun-
gen Weibergen/ haltet mirs als einer unver-
ſtaͤndigen Fꝛau zu gute/ daß ich auch was dꝛein
rede. Sind es nicht rechte Narren-Poſſen
mit dem oben an gehen. Jch daͤchte/ wenn
man gute Kleider am Leibe/ und gut Eſſen/
und Trincken im Bauche haͤtte/ ſo thaͤt ich
was auf die elende Ehre. Man wird ja we-
der fett noch duͤrre davon/ ob mann im erſten
oder im letzten Paar geht. Jch haͤtte mei Sile
nicht zu einen Manne getocht/ waͤre mir eine
Frau mit den Obenangehen auffgezogen kom-
men/ ich haͤtte ein Banckbein außgetreten/ wañ
ſonſt kein Stecken waͤre zur Hand geweſen/
und haͤtte ihr die ſechshundert Thaler zu ge-
zehlt. Zu meiner Zeit waren auch vornehme
Leute/ ſie giengen in ihren mardernen Schau-
ben daher/ daß einem das Hertze im Leibe lach-
te. Allein von ſolchen Narren-Poſſen/ wie die
Leute itzt vornehmen/ hab ich nie gehoͤrt. Ach
ihr jungen Spritzen/ laſſet es bey den alten
Loͤchern bleiben/ und laſſet die neuen
ungebohrt.
CAP.[352]
CAP. XLII.
FLorindo haͤtte gern gehoͤrt/ was die Wei-
bergen vor eine Antwort wuͤrden gegeben
haben/ doch der Wirth kam in die Stube/ und
empfieng ſie/ brachte auch hernachmahls an-
dere Fragen auf die Bahne/ daß der præce-
denz mit keinem Worte mehr gedacht ward.
Es lieff auch in ſeiner Stube etwas vor/ daß
er abgehalten ward ferner zu zuhoͤren. Jn
etlichen Tagen aber begab ſich ein poſſierlicher
Caſus, denn Florindo mochte den kuͤnſtlichen
Schlittẽfahrer einen gedoppeltẽ Berenheuter
geheiſſen haben/ und ſolches war dem Kerlen
durch den Haußknecht hinterbracht worden.
Drumb weil er ſich mit dem Degen nicht er-
kuͤhnete alles außzufuͤhren/ gieng er zu einem
Notario publico, und ließ ſich eine Klage auff-
ſetzen/ uͤbergab ſolche dem Stadtrichter/ wel-
cher auch auß obliegenden Ampt dieſelbe alſo-
bald inſinuiren ließ/ mit Begehren/ mit der
Gegen-Nothdurfft bey Straff Ungehorſams
ehiſtes einzukommen. Florindo zeigte die
Klage dem Gelanor, welche folgender Maſſen
eingerichtet war.
Hochweiſe Herren Stadt Gerichten.
E. Hochw. bey dieſer heil. und hoch feyerl.
Zeit
[353]
Zeit zu belaͤſtigen/ hab ich auß hochdringen-
der Noth nicht Umbgang nehmen koͤnnen-
Jndem ein junger von Adel/ der ſich Florin-
do nennet/ und im Gaſthoffe zum guͤldenen
Kachelofen zur Herberge liegt/mich verſchie-
henen 25. Decembr. halb vier Uhr nach Mit-
tage/ ohne alle meine Schuld und Verbre-
chung einen doppelten Berenheuter geſchol-
ten. Wenn ich denn ſolche grauſame und
unverdiente Injurie mir nicht allein/ wie ei-
nem ehrlichen Menſchen zuſteht/ gebuͤhrender
Maſſen ad animum revocirt, ſondern auch in
Primo motu iracundiæ ſo ſehr erbittert wor-
den/ daß ich auß Zorn in meiner Stuben zwey
Fenſter eingeſchmiſſen/ hernach drey Venedi-
ſche Glaͤſer vom Simmſe geworffen/ endlich
auch mit einem groſſen Stocke einen Schief-
fer-Tiſch in Stuͤcken geſchlagen/ dadurch ich/
leichtlichem Ermeſſen nach/ in groſſen und
hauptſaͤchlichen Schaden bin geſetzt worden.
Als gelanget an E. hochw. mein unterdienſt-
liches Bitten und Suchen/ ſie wollen obge-
dachten Florindo auß Obrigkeitlicher Macht
und Gewalt/ krafft welcher ſie uͤber alle Ein-
heimiſche und Einquartierte gleich zu gebieten
haben/ aufferlegen/ mir nicht allein vor meinen
erlittenen Schaden/ welcher ſich auf eilff Guͤl-
den
[354]
den ſiebenzehen Groſchen acht Pfennige be-
lauffen thut: ſondern auch vor allen Dingen/
wegen des angethanen Schimpffes/ welchen
ich auf eilff tauſend ſiebenhundert und acht
und viertzig Gülden ex legitimâ affectione,
qvam famæ meæ debeo ſchaͤtzen und æſtimi-
ren wil/ gebuͤhrende und vollkoͤm̃liche ſatis-
faction zu geben. Wenn auch uber alles
Vermuthen/ offterwehnter Florindo ſich auf
die Klage nicht einlaſſen/ und ſo lang in pos-
ſeſſion verbleiben wolte/ daß ich ein gedoppel-
ter Berenheuter ſey/ biß ich ſolches in petito-
rio außgefuͤhret haͤtte; Als will ich alles in
ſein Chriſtliches Gewiſſen zur eydlichen Er-
oͤffnung geſchoben haben. Und weil er als-
denn ſolches nicht wird leugnen koͤnnen/ ver-
ſehe ich mich bey E. Hohw. einer gerechten
deciſion und verbleibe ꝛc.
Florindo wuſte nicht/ ob er lachen oder flu-
chen ſolte/ doch ruffte er uͤberlaut/ halt du Cu-
jon, ich will in poſſeß bleiben/ daß du ein dop-
pelter ꝛc. biſt/ und deiner funffzehen ſellen mich
nicht herauß ſetzen/ du ſolſt mit mir in das pe-
titorium, und da will ich dir ſehen laſſen/ daß
ich die leges beſſer verſteh/ als du/ und dein
kahler Concipient: doch Gelanor dachte den
Sachen beſſer nach und ſagte:
Hoc
[355]
Ließ alſo den Wirh kommen/ hielt ihm die
Klage fuͤr/ und bat er moͤchte den Stadtrich-
ter dahin diſponiren/ daß ſie als fremde nicht
ohn Urſach diſcommodirt wuͤrden/ und an
hoͤhern Orten Huͤlffe ſuchen muͤſten. Doch
war dieſer kaum auß dem Haus/ ſo kam der
Stadtrichter ſelbſt/ der mit dem Gelanor auf
Univerſitaͤten wohl bekand geweſen/ und auf
ſolche Maſſe mit ihm ſuchte wieder in Freund-
ſchafft zu treten. Da lieff die gantze action
auf eine ſonderliche Luſtigkeit hinauß/ daher
Florindo leicht abnehnen kunte/ daß er bey ſei-
ner ruhigen poſſeß wol wuͤrde geſchitzet wer-
den. Abſonderlich delectirten ſich alle an der
ſchoͤnen Klage/ die ſo artig war auffgeſetzt wor-
den; Doch hatte d’ Richter nach etliche Inven-
tiones bey ſich/ welche noch beſſer kamen/ und
daran ſich Florindo am beſten beſaͤnfftigẽ ließ.
Die Erſte verhielt ſich alſo:
P. P.
Vor N. erſcheinet N. mit Vorbehalt aller
rechtlichen Wolthaten: Jnſonderheit ſich
zu keinem uͤberfluͤſſigen Beweiß/ denn ſo viel
ihm
[356]
ihm zu beſtaͤtigung ſeiner Gerechtigkeit von
noͤthen ſeyn wird/ zu verſtricken und zu ver-
binden/ beſtellet und ſetzet ſeine Klage nicht in
Form eines zierlichen libells, ſondern ſchlech-
ter Narration kuͤrtzlich ſagende/ daß ob wohl
im Rechten deutlich verſehen/ daß ein iedwe-
der ehrlicher Biederman in ſeinem Hauſe
ruhig und unmoleſtirt wohnen ſolle/ deſſen al-
len dennoch ungeacht/ beklagter N. ſich geluͤ-
ſten laſſen bey Naͤchtlicher Weite vor klaͤgers
Hauſe vorbey zu gehen/ und einen groſſen ab-
ſcheulichen Wind/ lalva reverentia, ſtreichen
zu laſſen. Weil demnach ſolche unmenſchliche
Injurien ungerochen nicht duͤrffen hinge-
ben/ als bittet Klaͤger im Rechten zu erken-
nen und außzuſprechen/ daß Beklagter den
Staupenſchlag verwircket/ und nebenſt dem-
ſelben vier tauſend Reichsthaler in ſpecie Klaͤ-
gern wegen des erlittenen Schimpffs außzu-
zahlen ſchuldig ſey. Rufft hieruͤber das rich-
terliche Ampt an/ und bittet ihm Gerechtig-
keit mit zu theilen/ und Beklagten durch or-
dentliche Mittel dahin zu zwingen und anzu-
halten/ damit ſowohl der hochheiligen Juſtitz
als zufoͤrderſt ihm Klaͤgern ſatisfaction ge-
ſchehen moͤge. Solches ꝛc.
Die[357]
Die Andere lautete alſo:
P. P.
Klaͤger erſcheinet/ und giebt mit wehmuͤ-
thigen Klagen zu verſtehen/ daß Beklagter N.
ſein Nachbar einen Birnbaum habe/ der
mit etlichen Zweigen in ſeinen Klaͤgers Hoff
hinnuͤber reiche. Ob nun wohl Veklagter
gewuſt/ daß hierdurch alle Birnen/ ſo auf den
hinuͤber hangenden Zweigen wachſen/ ihm als
Nachbarn verfallen waͤren: Auch keine Mit-
tel geſehen/ wie er ſich ſolcher Birnen theil-
hafftig machen koͤnte: hat er doch auß unchriſt-
lichem boßhafftigen Gemuͤthe bey dunck-
ler Nacht-Zeit offt erwehnte Birnen/ mit
Gunſt und reverenz zu melden/ mit Men-
ſchen-Koth beſchmieret/ und hierdurch Anlaß
gegeben/ daß/ als er folgendes Tages eine
abgeſchlagen und eſſen wollẽ/ ihm ein hefftiger
Eckel zugeſtanden/ der wohl gar in ein hitzig
Fieber haͤtte degeneriren koͤnnen/ wenn ihm
nicht durch kraͤfftige medicamenta waͤre be-
gegnet worden. Weil denn ſolch frevent-
liches Beginnen andern zu mercklichem Ab-
ſcheu muß geſtraffet werden; Als bittet
Klaͤger im Rechten außzuſprechen/ daß
er ſchuldig ſey/ eben eine ſolche beſchmierte
Birne mit Haut und Haar auffzufreſſen.
Und
[358]
Und gleich wie es einem hochweiſen Richter-
lichen Ammte an Mitteln nicht ermangelt/ ihn
auf vorhergegangene Wegerung dahin an
zuhalten/ alſo verſpricht Klaͤger ꝛc.
Mehr dergleichen ſchoͤne libelli kamen vor/
die der Richter/ als ein ſonderlicher Liebhaber
dergleichen Haͤndel colligirt hatte. Einer
klagte den Nachbar an/ er habe einen
Schweinsdarm mit einem Ende an den
Roͤhrkaſten und mit dem andern in ſein Keller-
loch geleget/ dadurch der Keller voll Waſſer
worden/ und als er ſolches per legitimam re-
torſionem wollen nachthun/ ſey er mit allen
Haußgenoſſen herauß gefallen und habe ihm
Schlaͤge darzu gegeben. Der Andere be-
ſchwerte ſich uͤber Titium, er habe einen Chur-
fuͤrſtlichen Reichsthaler in ein Schnuptuch
gebunden/ und ſolchen an die Decke gehan-
gen/ mit Verſprechen/ wer ihn mit dem Mau-
le erſchnappen wuͤrde/ der ſolte ihn behalten.
Allein als er Klaͤger ſolchen gefangen/ ſey
ein Kuhfladen an ſtatt des Thalers darinne
geweſen; bitte derhalben Beklagten anzuhal-
ten/ daß er ihm geſchehener Abrede nach/ den
Rthl. zahlen ſolte. Der Dritte klagte/ Sem-
pronius habe eine Kugel von aſſa fœtida in
ſeinen Taubenſchlag geſchoſſen/ dadurch ihm
600.
[359]
600. Paar Tauben vertrieben worden/
und weil er hiermit uͤber 20. Ducaten gefaͤh-
ret worden/ vermeinte er/ Beklagter haͤtte den
Galgen wohl verdienet/ und was die anderen
Poſſen mehr waren. Kurtz/ der Abend ward
mit ſolchen luſtigen Rechts-Sachenpas-
ſirt.
CAP. XLIII.
UBer etliche Tage wurden ſie zu gedach-
ten Stadtrichter wieder zu Gaſte gebe-
ten/ da befand ſich ein Kerle/ der ſich vor einen
perfecten Lauteniſten außgab. Der ſchuͤttete
ſeinen gantzen Sack voll auß/ und meynte/ es
fehlte nicht viel/ daß nicht die Steine wie
bey dem Orpheus zu tantzen anfiengen. Doch
waren alle Stuͤcke von altvaͤteriſchen Manie-
ren/ von alberer application, von confuſen
tacte, mit einem Worte/ wer einem andern
waͤre einen elenden Lauteniſten ſchuldig gewe-
ſen/ und haͤtte mit dieſen Muſicanten bezahlt/
der haͤtte noch dritthalb Groſchen wieder her-
auß bekommen. Endlich ſagte der Richter/
ob niemand in der Compagnie waͤre/ der
Luſt haͤtte ein Schulrecht abzulegen/ er haͤt-
te neulich auf ihrer Stuben eine Laute ge-
ſehen/
[360]
ſehen/ und koͤnte leicht abnehmen/ daß unter
dem Hauffen ein Liebhaber waͤre. Florindo,
der bey einem guten Meiſter von Jugend
auff war informirt worden/ und im Lauten-
ſpiel wenig ſeines gleichen hatte/ bekandte
zwar/ daß er vor etlichen Jahren zwey oder
drey Stuͤckgen gelernet; doch ſchaͤmte er ſich
an einem ſolchen Orte ſich damit hervor zu
thun/ da er Meiſter vor ſich haͤtte. Der Lau-
teniſt praͤſentirte ihm alſo bald ſeine Laute/
und ſagte: Monſieur, ich mache profeſſion
von dieſem Inſtrument, ob ich nun gleich ge-
uͤbter darauff bin/ ſo iſt es doch keinem eine
Schande/ der ſeine profeſſion in anderen Sa-
chen ſucht. Jch bin der ſchlechten Stuͤck-
gen bey meinen Diſcipuln wohl gewohnt/ er
laſſe hoͤren/ ob er einen beſſern Meiſter ge-
habt hat dann ich erkenne es bald am erſten
Griffe/ was hinter einem iſt. Florindo dach-
te/ halt ich wil dir den erſten Griff weiſen/ daß
du des letzten darbey vergeſſen ſolſt/ und nahm
die Laute an. Aber was machte der Ertz-
kuͤnſtler vor groſſe Augen/ als er ſolche Haͤn-
del auff der Laute hoͤrete/ die er ſein Lebtage
nicht in der partitur geſehen hatte. Es gieng
ihm wie einem Calecutiſchen Hahn/ oder wie
man das zahme Wildpret auff hoch Teutſch
nen-
[361]
nennet/ einem Truthahn/ der zeucht den
Schwantz wie ein Pfau/ laͤſſet die Fluͤgel biß
auff die Erde hangen/ und ſtellet ſich/ als
wolte er die gantze Welt braviren: doch wenn
der kleineſte Haußhahn die Courage nimmt/
und auff ihn zu laͤufft/ ſo iſt Schwantz/ Fluͤgel/
Bauch und Ruͤcken ein Ding/ und aller bra-
vade iſt vergeſſen. Und ohn allen Zweiffel
wuͤrde er ohne ſonderliches Vexieren nicht
ſeyn darvon kommen: doch zu ſeinem Gluͤcke/
und zu der gantzen Compagnie Verdruß/ kam
eine Frau mit einem Notario, die brachte
klagend vor/ ihr Mann waͤre von dem Nach-
bar ſchelmiſcher und hinterliſtiger Weiſe er-
ſchoſſen worden; der Richter ſolte ex officio
das Corpus delicti in Augenſchein nehmen.
Hiermit war die Luſt verſtoͤrt/ und weil der
Wirth weggehen muſte/ gaben ihm die Gaͤſte
das Geleite/ und wolten auch ſehen/ ob ein er-
ſchoſſener Menſch anders geſtalt waͤre/ als
eine gemeine Leiche. Sie kamen in das Hauß/
da lag die Leiche/ und war mit dem Ruͤcken
gantz bloß und voll Blut. Der Richter befand
kein Leben da/ drum befahl er dem Balbier/ er
ſolte darnach ſehen/ ob der Schuß toͤdlich ge-
weſen/ oder nicht! (quaſi verò non potius ex
intentione agentis, quàm ex effectu judican-
Qdum
[362]
dum ſit. Sed Mundus vult decipi: ac pro-
inde in favorabilibus excuſat intentionem, in
odioſis negligit effectum, ne utrinque via
claudatur patrocinio) der Balbirer war
fleiſſig druͤber her/ wiſchte das Blut mit war-
men Waſſer rein ab; doch da war keine
Wunde/ da man ſich eines Blutvergieſſens
her vermuthen ſollen. Der Ruͤcken und
was dran hangt/ war unverſehrt/ und iemehr
ſie nachſuchten/ deſto weniger funden ſie. Jn
dem kamen die Haͤſcher/ und brachten den
Thaͤter/ der trat vor den Richter/ und ent-
ſchuldigte ſich folgender Maſſen: Hochwei-
ſer Herr Stadtrichter/ ich weiß nicht/ warum
ich ſo geſchimpfft werde/ daß mich die gemeine
Knechte auffſuchen müſſen. Jch will gleich
herauß ſagen/ was die Sache iſt. Der Kerle
der ſich ſtellt/ als waͤre er erſchoſſen/ hat biß-
her den loͤblichen Gebrauch gehabt/ daß er
Abends vor meine Thuͤre kommen/ und mir
was anders/ das ich nicht nennen mag/ davor
geſetzt. Nun iſt er offt freundlich erinnert
worden/ er ſolte ſeine buͤrgerliche Pflicht be-
dencken/ und ſeine Nachbarn ungeſchimpfft
laſſen/ doch deſſen ungeacht/ hat er ſolches un-
terſchiedene mahl continuiret.
Dannenhero ich endlich gezwungen wor-
den
[363]
den/ ihn von dergleichen boͤſen und leichtferti-
gen Beginnen abzuhalten. Geſtalt ich eine
Buͤchſe mit Rind[ſ]-Blut geladen/ und als er/
ſeiner taͤglichen Gewonheit nach/ mit dem
bloſſen Ruͤcken meine Haußthuͤre angeſehen/
unverſehens Feuer gegeben/ und ihn ſo blutig
gemacht/ daß er ſich leicht eines groͤſſeꝛn Scha-
dens hat befuͤrchten koͤnnen.
Jſt er nun vom Erſchrecken geſtorben/ ſo
mag man ihn mit was anders zu Grabe laͤu-
ten. Jch bin auß aller Schuld. Denn die-
ſer iſt kein Schalck/ der einen Schalck mit
Schalckheit bezahlt.
Der Richter haͤtte bald uͤber der artigen
Erzehlung gelacht/ wenn ihn das Anſehen
ſeines tragenden Amptes nicht davon abge-
halten. Doch befahl er/ man ſolte dem Tod-
ten Coͤrper brennen de Liechtſchnuppe vor die
Naſe halten/ ob er dadurch wieder lebendig
wuͤrde; und fuͤrwar der Anſchlag war ſo une-
ben nicht/ denn der Todte regte ſich/ und weil
er meynte/ er waͤre ſchon in den Campis Ely-
fiis, hãtte er gerne Hebraͤiſch geredet/ wenn er
nur haͤtte den unterſcheid zwiſchen Schiboleth
und Siboleth machen koͤnnen.
Er hatte in einer Diſputation geleſen in
Q ijjener
[364]
jener Welt wuͤrden die Leute Hebraͤiſch reden/
und weil er nicht darauff achtung gegeben/
was ein anderer opponirt, quò din altera vita
planè non ſimus locuturi, cum æternitas
conſiſtat in puncto: locutio autem inferat
prius \& poſterius, ſeu quod idem ſonat, ge-
nerationem \& corruptionem, ſo war es kein
Wunder/ daß er bey ſolcher Einbildung ver-
blieb. Doch fragte der Richter nach ſeiner
Sprache nicht; ſondern da er ihn nur lallen
hoͤrete/ befahl er den Hauß-Genoſſen/ ſeiner zu
warten/ und gieng davon. Zwar es haͤtte ſo
uͤbel nicht geſtanden/ wenn die Gaͤſte wieder
waͤren mit ihrem Wirthe gegangen/ doch der
Stundenruͤffer hatte die Uhr verſchlaffen/
und ruffte eins auß/ als er I[I]. ruffen ſolte.
Damit gieng ein ieglicher nach Hauſe.
CAP. XLIV.
DEn folgenden Tag gieng Florindo in
der Stube hin und wieder/ als er uff
dem Simſe eines Buches gewahr war/ wel-
ches forne am Titul ſeiner intention ſehr be-
quem ſchiene. Denn es hieſſe die naͤrriſche
Welt. Er nahm es mit groſſen Begierde vor
ſich/ und befand zwar/ daß die Sachen ohne
allen
[365]
allen Unterſchied gantz confuß unter einan-
der geworffen waren/ doch notirte er folgen-
de Sachen darauß.
Einer wolte dem andern eine Heimligkeit
vertrauen/ und bat hoͤchlich/ er moͤchte ſie
bey ſich behalten/ und keinem Menſchen
davon gedencken/ da ſagte dieſer: du Narr/
wenn ich ſchweigen ſol/ warumb ſchweigſtu
nicht/ ſo biſtu am ſicherſten. Oder meyneſtu/
daß mir das Schweigen moͤglich iſt/ da es dir
unmoͤglich iſt?
Einer haͤtte gerne ein Weib genommen/
es war ihm nur keine ſchoͤn genug/ da ſagte
ſein Schwager: ihr naͤrriſcher Kerle/ nehmt
doch eine/ die eures gleichen iſt/ deßwegen
laͤſſet G O T T auch haͤßliche Maͤnner [le-]
ben/ daß er damit gedenckt die haͤßlichen
Jungfern zu verthun.
Einer hielt um ein recommendation-
Schreiben an/ damit er an andern Orten
moͤchte voꝛ fromm gehalten werden/ zu dieſem
ſagte der Patron: Jhr wunderlicher Menſch/
mein Schreiben wird euch nicht fromm ma-
chen/ ihr aber koͤñet mich wol zum Luͤgner ma-
chen/ ein rechtſchaffener Kerle recommendirt
ſich ſelbſt.
Einer beſchwerte ſich/ es waͤre Schande/
Q ijdaß
[366]
daß keine Land-Kinder mehr befoͤrdert/ und
hingegen lauter Fremde vorgezogen wuͤrden/
dem antwortete ein ander/ du Narr/ wenn
man keine Pferde zu Hauſe hat/ muß man
freylich Eſel von andern Orten hohlen.
Einer wuͤndſchete/ daß er brav ſauffen
koͤnte/ ſo wolte er wohl in der Welt fortkom-
men/ zu dieſem ſagte einander: du Narr/ wuͤn-
ſche dir/ daß du klug wirſt/ ſo koͤmmſtu noch
beſſer fort.
Ein Kauffmann hatte ſich an der Meſſe
in den Weinkeller geſetzt und ſoff einen Rauſch
uͤber den andern/ dieſen fragte einer/ ob er auch
wuͤſte/ was dieſes heiſſe: wer in der Erndte
ſchlaͤft/ der iſt ein Narr. Ein Student ſaß dar-
neben/ der gab es Lateiniſch alſo: Bibite
vos Domini, ne Diabolus vos inveniat o-
tioſos.
Einer wolte nirgend hingehn/ da er nicht
oben an ſitzen durffte/ dieſem gab einer die
Lehre: du Narr/ zeuch auffs Dorff und geh
in die Schencke/ da laſſen die Bauern einen
Buͤrger oben an ſitzen.
Ein junger Stutzer kauffte eine Kutſche
mit zwey koſtbahren Pferden/ zu dieſem ſprach
ſein alter Tiſchwirth: Jhr thut wohl/ daß
ihr die Beine ſchont/ im Alter werdet ihr gnug
muͤſſen zu Fuſe lauffen.
Einer
[367]
Einer wolte ein Pferd miethen/ und gab
einen Thaler drauff/ als er nun meynte/ es waͤ-
re gewiß/ war der Pferdhaͤndler davon ge-
ritten. Zu dem ſagte einer: Du Narr/ ein
andermahl gib das Geld mehr vorauß.
Ein Verwalter bat ſeinen Edelmann zu
Gaſte/ und hatte herrlich zugeſchickt/ des E-
delmanns Narr wolte nicht mitgehn/ denn
er ſagte: Zween Narren vertragen ſich nicht.
Nun muß der Verwalter ein Narr ſeyn/
daß er ſich ſo laͤſt in die Karte gucken. Jch
fraͤſſe mein Wildpret allein/ und beſtreute das
Geſichte mit Bohnen-Meel/ daß ich nur vor
dem Juncker elend gnug außſehe. Aber wañ
man fallen ſol/ ſo wird man zuvor ein Narr.
Einer ließ ſich von etlichen Sauff- Bruͤ-
dern einen groſſen Schmauß außfuͤhren.
Gefragt/ warum er ſolches liedte? ſagte er/ ich
thue es/ daß ich wil Friede haben; doch er
muſte die Antwort hoͤren: du Narr/ wenn du
mit Bratwuͤrſten unter die Hunde wirffſt/
ſo wirſtu ihr nich loß/ wiewol er retorquirte:
du Narr/ wer keine Knuͤttel hat/ muß wohl
Bratwuͤrſte nehmen.
Einer wolte vor den andern Buͤrge wer-
den/ da ſagte ſein Vetter: du Narr/ fuͤhle doch
zuvor an den Hals/ ob du kuͤtzlich biſt/ denn es
heiſt: Buͤrgen ſol man wuͤrgen.
Ei-
[368]
Einer wolte mit keinem Freundſchafft hal-
ten/ der geringer war/ als er/ zu dieſem ſagte
einander: du Narr/ wenn deine Hoͤhern
auch ſo gedaͤchten/ mit wem wolleſtu umbge-
hen?
Einer ruͤhmte ſich/ als waͤr er wegen ſei-
nes loſen Mauls allenthalben im Beruff/ die-
ſen fragte einer/ ob er auß/ den Worten Sa-
lomonis koͤnte einen Syllogiſmum machen:
Wer verleumdet/ der iſt ein Narr. Ein
Narren-Maul wird geſchlagen.
Einer konte keinen Anſchlag heimlich hal-
ten/ dieſen erinnerte ein ander/ du Narr/
wenn du wilſt das Netze außwerffen/ daß die
Voͤgel zuſehn/ ſo wirſtu langſam auf den Vo-
gelmarckt kommen.
Einer fieng mit etlichen Groſſen an zu zan-
cken/ da ſagte ſein Bruder: du Narr/ haue
nicht uͤber dich/ die Spaͤne fallen dir in die Au-
gen.
Einer kandte ſich nicht vor Hoffart/ von
dieſem ſagte einer: Der Kerle iſt ein Narr;
doch moͤchte ich ſeyn/ was er ſich einbildt.
Einer draute dem andern/ wo er ihm kein
Geld liehe/ wolte er ſein Feind werden. Der
ſagte: Jmmer hin/ die erſte Feindſchafft iſt
mir lieber/ als die letzte/ wenn es zum bezahlen
koͤmmt.
Ei-
[369]
Einer ſagte es iſt natuͤrlich/ daß Maͤnner
und Weiber einander lieb haben/ dem begeg-
nete ein ander: Du Narr/ wenn dich der
Teufel holt ſo iſt es auch natuͤrlich.
Einer klagte die Zeit waͤre ihm lang/ den
fragte einander: Du Narr/ warumb klag-
ſtu denn/ daß dir das Leben kurtz iſt.
Ein Student wolte alle Handwercke be-
greiffen/ dem ſehrieb ein ander ins Stamm-
buch: Wer unnoͤthigen Sachen nachgeht/
der iſt ein Narr. Prov. 12.
Einer hielt einen andern hoͤniſch/ weil er ei-
nen Buckel hatte/ dieſen ſchalt einer: Du Narr
was kan er davor/ daß ihn GOtt ſo buckelicht
haben will/ ficht es mit ſeinem Schoͤpffer
auß.
Einer muſte in der Geſellſchafft ſein Maul
allzeit forne fuͤrhaben/ dieſen erinnerte ein
ander: Du Narr/ ſchweig doch ſtill/ ſo hal-
ten dich die Leute auch vor einen Philoſo-
phum.
Einer trotzte auff ſeine Erbſchafft/ die doch
in lauter papiernen Schuld-Verſchreibun-
gen beſtund/ zu dieſem ſagte ein Kauffmann:
du Narr/ hebe die Zettel auff biß an den
juͤngſten Tag/ da gelten ſie ſo viel als baar
Geld.
Q vEine-
[370]
Einer ruͤhmete ſich/ er haͤtte auff der
Franckfurter Meß uͤber ſechs hundert Tah-
ler außgegeben/ und wuͤſte nicht wovor/ die-
ſem halff ein ander auß dem Traum: Wenn
Narren zu Marckte ziehen/ ſo loͤſen die Kraͤ-
mer Geld.
Einer praalte mit vielen Geſchencken/ die
ihm hin und wieder waͤren verehret worden/
dieſem gab ein ander folgende Antwort: Du
Narr/ du haſt deine Freyheit viel zu wohl-
feil verkaufft.
Einer lachte den andern auß/ weil er in eine
Pfuͤtze fiel/ doch muſte er dieſes hoͤren: Du
Narr/ du lachſt/ da mir es uͤbel geht/ und er-
ſchrickſt nicht/ da dir es auch begegnen kan.
Einer ſagte/ das kalte Fieber diente zur
Geſundheit/ dieſen wiederlegte einander: Du
Narr/ das iſt eine elende Artzney/ wo man der
Geſundheit halber kranck wird.
Einer lobte ſeinen Patron gar zu ſehr/
doch dieſer rieff ihm zu: Du Narr/ was
ſchimpffſtu mich/ lieber ſchilt mich auf das
hefftigſte/ ſo glauben es die Leute nicht/ und
ich werde gelobet.
Einer befließ ſich ſehr obſcur und unver-
ſtaͤndlich zu ſchreiben/ dieſem ruffte ein an-
der zu. Du Narr/ wilſtu nicht verſtanden
wer-
[371]
werden/ ſo ſchreib nichts: ſo haſtu deinen
Zweck gewiß.
Es kriegte einer Gaͤſte/ und wolte eine
Henne abwuͤrgen laſſen/ doch als die Henne
auff die Scheune flog und nicht herunter wol-
te/ ſagte er/ ich wil dich wohl herunter langen/
und ſchoß damit die Henne von dem Dache
weg. Allein das Dach brennete an/ und gieng
das gantze Haus zu Grunde/ da ſagte ſein
Gaſt/ du Narr/ wenn du in Stroh ſchieſſen
wilſt/ muſtu eine Windbuͤchſe nehmen.
Eine vornehme Frau hatte eine krancke
Tochter/ auff welche ſie viel gewendet. Als ſie
aber der guten Wartung ungeacht ſterben
muſte/ und nunmehr in den letzten Zuͤgen lag/
gieng die Mutter hin/ gab ihr eine dichte
Maulſchelle/ und ſagte du ungeꝛathenes Teu-
felskind/ das hab ich nun vor meine Muͤh und
vor meine Wohlthaten/ daß du mir ſtirbſt.
Daruͤber fielen unterſchiedene Judicia. Einer
ſagte/ in dieſem Hauſe iſt uͤbel zu leben/ aber
noch uͤbeler zu ſterben. Der andere ſagte:
Wer bey dieſer Frauen ſterben will/ muß eine
Sturmhaube auffſetzen. Der dritte: Je lieber
Kind/ je ſchaͤrffer Ruthe. Der vierdte: die
Tochter kriegt eine Ohrfeige/ wo der Mann
ſtirbt/ der kriegt gar einen Schilling. Der
Q vifuͤnff-
[372]
fuͤnffte: Jch halte wenn ſie ſterben wolte/ ſie
kriegte deſſentwegen keine Maulſchelle. Der
ſechſte: Es iſt Wunder/ daß der Medicus
keine Weſpe davon getragen hat: doch ſie hat
ſich gefuͤrcht/ er moͤchte ſich mit einem bißgen
Huͤterauch revergiren. Der ſiebende: Die
Frau ſoll den Teuffel vom Todtbette vertrei-
ben. Der achte: Es iſt ein Dieng/ ob der Teu-
fel da iſt/ oder ob er ſeinen Stadthalter da
hat. Der neundte: Wenn die Frau mein waͤ-
re/ ich lieſſe ſie verguͤlden und mit Roßmari-
en beſtecken/ gebe ihr eine Pomerantze ins
Maul/ und verkauffte ſie dem Hencker vor ein
Spanferckel. Der zehnde: Vielleicht hat ſie
die Seele wollen erſchrecken/ daß ſie ſolte
drinne bleiben. Der eilffte: Die liebe Jung-
fer hat gewiß gedacht/ S. Peter ſchlegt ſie mit
dem Schluͤſſel vor den Kopf. Der zwoͤlffte:
Wenn ich ſolte eine Grabſchrifft machen/ ſo
lieſſe ich eine Hand mahlen/ und ſchriebe daruͤ-
ber: Die muͤtterliche Verlaſſenſchafft.
Einer wolte fallen/ und hielt ſich an ein
Bierglaß/ zu dem ſagte einer/ du Narr/ das
Bier hilfft wider den Durſt/ aber nicht wi-
der das Fallen.
Einer wolte Geld borgen zu ſpielen/ da
[ſ]agte der ander/ du Narr/ was ich dir leihe/
das
[373]
das nehme ich dir/ und was ich dir nicht leihe/
das ſchenck ich dir.
Einer ſagte: Jch habe es verſchworen/ ich
wil dich nicht mehr gruͤſſen/ dieſer gab zur
Antwort: du Narr/ iſt das was ſonderliches?
Ein Eſel gruͤſſet mich nicht und hat es doch
nicht verſchworen.
Einer ſagte: Es verdreuſt mich/ daß ich
den Mann reſpectiren muß/ dem antworte-
te ein ander: du Narr/ ich weiß ihrer ze-
hen/ die verdreuſt es/ daß ſie dich reſpectiren
muͤſſen:
Einer erzehlte etwas/ und ſagte darbey/ es
waͤre gewiß wahr/ er habe es von einem vor-
nehmen Manne gehoͤrt. Ein ander verſetzte/
du Narr/ ein vornehmer Mann hat gut re-
den/ er weiß/ daß du ihm glauben muſt.
Ein Cauſenmacher verwunderte ſich/ daß
er zu nichts kommen koͤnte/ da ſagte einer:
Du Narr/ was mit Drummeln koͤmmt/ geht
mit Pfeiffen wieder weg.
CAP. XLV.
FLorindo haͤtte weiter geleſen/ doch er
ward verſtoͤrt/ und muſte zu Tiſche gehn/
und ober gleich den Vorſatz hatte/ noch wei-
Q vijter
[374]
ter drine zu leſen/ ſchob er es doch in die lange
Banck/ biß nichts drauß ward. Nun begunte
unſrer Compagnie die Zeit all maͤhlich lang
zu werden/ indem ſie auff des Florindo Beſ-
ſerung ſo lang gewartet/ und nun wegen des
unfreundlichen Winterwetteꝛs nicht fort
kunte/ doch es halff nichts/ ſie muſten verziehẽ
biß auff Faſtnacht. Und da gab es ſo ein Land
voll Narꝛen/ daß der Mahleꝛ fuꝛchte es moͤch-
te an Farben mangeln/ wo er alle abſchildern
ſolte. Der Prieſter hatte zwar den Sontag zu
vor nicht allein erinnert/ daß man um die hei-
lige Zeit der gleichen Heidniſches Unweſen un-
terlaſſen/ und ſich zu einer Chriſtlichen und
bußfertigen Faſten ſchicken ſolte; ſondern
er hatte auch auß des blinden Bartimæi Wor-
ten: Herr/ daß ich ſehen moͤge/ ſehr ſchoͤn ange-
fuͤhrt/ was vor ein edel thun es waͤre ſo wohl
umb das Geſichte des Leibes/ als vornehmlich
umb das Geſichte des Gemuͤhtes oder umb
die Klugheit: und wie unverantwortlich ſich
dieſelben bezeigten/ welche als blinde und
naͤrriſche Leute/ ihren Verſtand gleichſam ver-
leugneten Doch die Predigt hatte ſo viel ge-
wiꝛckt/ als ſie gekoͤnnt. Unterdeſſen blieb es bey
der alten Gewonheit/ man muſte die heilige
Faſtnacht feyern/ drumb ſagte auch Gela-
nor,
[375]
nor, er wolte nit viel Geld nehmen/ und einen
unter dem Hauffen einen Narren heiſſen/ da
doch alle mit einander ſich vor Narren
angezogen/ und nichts anders als Narren-
poſſen vornehmen. Einen laͤcherlichen Poſſen
gab es/ denn es war eines vornehmen Man-
nes Sohn zum Mahler gelauffen/ hatte ſich
da liederlich angezogen/ und hatte begehrt/ er
ſolte ihm das Geſichte gantz ſchwartz mahlen:
denn unter der Maſque koͤnte er nicht ſauffen/
der Mahler war auch mit ſeinen Farben vor
ihn getreten; aber er hatte die Pinſel nur in
klar Waſſer geſteckt/ und ihn uͤber und uͤber
naß gemacht/ der gute Kumpe meinte/ nun ſol-
te ihn niemand kennen und lieff herum als ein
unſinnig Menſch. Endlich gerieth er an eine
Magd/ die rieff/ Herr Frantze/ ſeyd ihr ein
Narr? da erſchrack er und machte ſich auff
die Seite/ doch die Sache war verrathen/
und durffte er in einem vierthel Jahre ſei-
nem Herrn Vater nicht vor die Augen kom-
men.
Bey ſolcher Gelegenheit erinnerte Flo-
rindo ſeinen Hofmeiſter/ ob es nicht bald Zeit
waͤre nach Hauſe zu reiſen Es waͤren ja Nar-
ren gnung hin und wieder betrachtet wor-
den/ daß man leicht die drey groͤſten herauß
leſen
[376]
leſen/ und abmahlen koͤnte. Doch Gelanor
war gantz einer andern Meynung. Der ſag-
te: Mein Freund/ wir haben noch nicht gantz
Deutſchland durchwandert/ und ſolten nun
von der gantzen Welt urtheilen/ wir muͤſſen
weiter gehen/ Jn Franckreich/ Spanien/
Engeland/ Polen. Ja abſonderlich in Jta-
lien wird auch etwas auffzuzeichnen ſeyn.
Florindo machte zwar ein ſaur Geſichte: Al-
lein Gelanor trotzte auf ſeine Inſtruction, alſo
daß der gute untergebene ſich wegen der Lieb-
ſte noch keine ſuͤſſe Gedancken durffte ankom-
men laſſen. Derhalben bat er auch/ man
moͤchte an einem Orte die Zeit nicht ſo verge-
bens verlieren; ſondern ehe heute als morgen
ſich zur Reyſe ſchicken/ wiewohl Gelanor traue-
te der ungeſunden Lufft nicht/ und blieb biß ge-
gen Oſtern ſtill liegen/ immittelſt kam etliche
mahl Poſt/ dabey Florindo Brieffe von ſei-
ner Liebſten erhielt/ doch kunte er alles ſo ver-
bergen/ daß man ſo eigentlich nicht wuſte/ in
was vor terminis die Sache beſtehen moͤchte/
zu groſſen Verſehen/ hatte er den Schluͤſſel
am Reiß-Kuffer ſtecken laſſen/ und war zu ei-
nem guten Freunde gangen/ da er allem Ver-
muthen nach/ ſobald nicht gedachte wieder zu
kommen/ drumb ließ ſich Gelanor die Curio-
ſitaͤt
[377]
ſitaͤt verleiten/ den Brieffen nach zu ſuchen/
wiewohl er fand keinen/ als den neulichſten/
welcher dieſes Jnhalts war.
dancken.
Nach dem ich die Bitterkeit der Liebe ſatt-
ſam empfunden/ waͤre es Zeit/ daß ich durch
einige Suͤſſigkeit erfreuet wuͤrde. Wie lan-
ge iſt es/ daß ich mein Hertz und meine Seele
in fremden Laͤndern herumb ſchweben laſſe?
und wie lange ſoll ich meine Hoffnung noch
auffſchieben. Ach mein Kind! weiſt du was
mir vor Gedancken einfallen? Ach die Liebe
iſt furchtſam/ drumb halt mir auch meine
Furcht zu gute/ denn es ſcheinet/ als waͤre die
verſprochene und mit ſo vielen Eydſchwuͤren
bekraͤfftigte Liebe/ etwas kaltſinnig worden.
Waͤre es ſo wohl in meiner Gewalt/ dir zu-
folgen/ als du Gelegenheit haſt mich zu ſuchen/
ach ich wolte den Adlern die Fluͤgel abborgen/
und zu dir eylen. Nun bleibſt du an einem
Orte/ da du erweiſeſt/ daß du ohne mich
vergnuͤgt leben kanſt. Wir armen Weibes-
bilder laſſen uns die Leichtglaͤubigkeit offt uͤbel
belohnen/ der guͤtige Himmel helffe/ daß ich
ſolches nicht durch mein Exempel beſtaͤtigen
muͤſſe. Doch komm Ende/ komm Tod/ und
ver-
[378]
verzehre mich zu vor/ ehe ich ſolches erleben/
und mein ſuͤſſes Kleinot einer andern Beſitze-
rin uͤberlaſſen ſolle/ doch mein Hertz/ ich traue
dir ſolche Falſchheit nicht zu. Erkenne du
nur auß dieſer Furcht meine Beſtaͤndigkeit/
und wo du Luſt haſt mich bey dem Leben zu er-
halten/ ſo komm der Kranckheit zuvor/ welche
ſich durch nichts wird erquicken laſſen/ als
durch deine hoͤchſtverlangte Gegenwart. Und
dieſe wird mir das Gluͤcke ertheilen/ daß ich
noch ferner heiſſen kan
Deine
lebendige und treuverbund.
Dienerin
Silvia.
Gelanor ſagte zu Sigmunden, das Frau-
en-Zimmer hat das Anſehen/ als wenn ſie ihre
Brieffe mehr auß Alamode-Buͤchern/ als auß
dem Hertzen ſchrieben. Rechte Liebe braucht
andere Reden/ welche mehr zu Hertzen gehen.
Und wer weiß/ wo ſie einen Troͤſter hat/ der
dieſen Brieff zu erſt auffgeſetzet. Sigmund
war nicht ſonderlich darwider/ doch ſuchten
ſie weiter/ und fanden ſeine Antwort/ die er ehi-
ſtes Tages fortſchicken wolte/ und darinn er
ſich bemuͤhet hatte/ den Senecam, Tacitum,
Curtium und andere zuverteutſchen oder doch
zu imitiren.
[379]
Goͤttin.
Deine Furcht toͤdtet mich/ deine Liebe er-
quicket mich/ ich ſterbe uͤber deinen Mißtrau-
en/ und erhalte mich bey meinen guten Gewiſ-
ſen. Meine Liebſte rufft mir/ und mein Ver-
haͤngniß haͤlt mich zu ruͤcke. Jch wil etwas/
und darfſ nicht ſagen/ was ich will. O mein
liebſtes Hertz/ vergib deinem diener/ daß er ſo
verwirrt ſchreibt/ darauß ſolſt du meine ver-
wirrte Seele erkennen und beklagen lernen/
ach wie gern waͤre ich zu Hauſe! haͤtte mir
mein Unſtern nicht einen Hoffmeiſter zuge-
fuͤhret/ der ſeine Luſt in der Welt ſuchte/ unter
dem Vorwand/ mir zu Nutzen/ da ich doch
den Mittelpunet aller meiner Nutzbarkeit in
die Feſte geſtellet habe/ du biſt meine Reiſe/ da-
hin ich meine Gedancken abfertige/ wenn gleich
der Leib ſichtbarlicher Weiſe anderswo ge-
fangen lebt. Jch weiß du biſt dem Schwe-
ren feind; ſonſt wolte ich alles zu Zeugen an-
ruffen/ daß ich ſo wohl aͤuſſerlich/ als im Her-
tzen ſtets dahin getrachtet zu verbleiben
Meiner lieb-wertheſten Silvie
unbefleckter und unveraͤnderter
Florindo.
Gelanor ſchuͤttelte zwar etlichmahl den
Kopff
[380]
Kopff daruͤber/ doch wuſte er/ daß ein Liebha-
ber nicht allzeit verbunden waͤre/ die Warheit
zu ſchreiben und ſchloß derhalben den Kuffer
gar hoͤfflich wieder zu/ mit vorbehalt/ daß er
bey erſter Gelegenheit ſolches auffmutzen
wolte.
Alſo vergieng die Zeit biß auf Oſtern/ da
ſie keinen ſonderlichen Narren angetroffen/
mit dem ſich es der Muͤh verlohnet/ daß ſie ihn
auffgezeichnet. Zwar ſie waren nicht nach-
laͤſſig/ und lieſſen ſich in dem benachbarten
Walde das neuangelegte Bergwerckgefallen.
Da ſie den allerhand Spiele der Natur ab-
merckten/ welche wohl ſo annehmlich waren/
als die Narrenkuckerey.
CAP. XLVI.
NAch Oſtern diengten ſie einen Kutſcher/
der ſie mit auf die Leipziger Meſſe neh-
men ſolte/ von dar ſie in Holland und ferner
in Engeland mit der Poſt reiſen koͤnten. Und
ſie erfreueten ſich/ daß/ nach dem ſie in vielen
Staͤdten waren bekand worden/ ſie auch in
Leipzig einig divertiſſement haben ſolten/ an-
geſehen dieſe Stadt ihnen ſehr offt war geruͤh-
met worden/ ſondern daß ſie Gelegenheit ge-
habt
[381]
[]
habt/ dieſelbe in Augenſchein zu nehmen. Sie
hatten in dem verdeutſchten Lucas de Linda
geleſen/ es waͤre daſelbſt Frauenzimmer/ das
auch auß einem ſteinern Hertzen die Liebe er-
zwingen koͤnte. Ja ſie wuſten ſich zu beſin-
nen/ daß ſchon vor anderthalbhundert Jah-
ren D. Ecken von D. Luthern vorgeworffen
worden/ wie daß er ſich die venereas veneres
daſelbſt auffhalten laſſen: doch glaubten ſie
nicht/ daß dieſes der eintzige Ruhm ſey/ da-
durch die hochloͤbliche Stadt faſt in der gan-
tzen Welt bekand und beruffen waͤre/ ſondern
ſie verhofften daſelbſt gleichſam in einem kur-
tzen begrieff anzutreffen/ was ſie anderswo zu
einzelen Stuͤcken gefunden und ruͤhmlich ob-
ſervirt hatten. Die herrliche Univerſitaͤt/ den
wohlgefaſten Rath/ die hochanſehnlichen
Rechts Collegia, die nutzbare Kauffmann-
ſchafft/ und was ſonſt an zierlichen und beque-
men Wohnungen/ an niedlicher Schnabel-
weyde/ an koͤſtlicher Muſic/ und an anderer
Luſtigkeit mag gefunden werden. Doch in
ſolcher Hoffnung wurden ſie zwar nicht betro-
gen/ wenn ſie nur ſolche haͤtten fortſetzen koͤn-
nen. Denn als ſie auf Leipzig kamen/ fuͤgte
ſich das Gluͤcke oder das Ungluͤcke/ daß ſie
gleich eine anſtaͤndige Gelegenheit biß auf
Am-
[382]
Amſterdam antraffen/ mit welcher ſie fort-
giengen/ mit vorbehalt/ bey kuͤnfftiger Zeit die
viſite, welche ſie dieſer annehmlichen Stadt
ſchultig geblieben/ gebuͤhrend abzuſtatten. Al-
ſo reiſeten ſie durch Holland/ hielten ſich zu
Leyden/ abſonderlich aber in Haag eine ziem-
liche Zeit auf/ giengen von dar auf Roterdam
und ferner in Engeland/ da ſie die herrliche
Stadt Londen/ wie ſie vor dem Brande auß-
geſehen/ unter der hoͤchſten Gewalt des da-
mahligen Koͤnigl. Protectoris mit verwunde-
rung betrachteten. Sie waͤren gern tieffer
in das Land hinein gangen/ haͤtten auch gern
eine tour biß Edenburg gethan/ doch ſie lieſſen
ſich berichten/ wer Londen geſehen haͤtte/ der
haͤtte gantz Engeland geſehen. Drumb lieſ-
ſen ſie es bey dem bewenden/ und ſatzten ſich
zu Doevers auf die Frantzoͤſiſche Poſt/ und
fuhren uͤber daß Canal biß Cales, da ſaͤumten
ſie ſich nicht/ und machten einen kleinen Um-
ſchweiff durch die Spaniſchen Niederlanden/
biß ſie auf Paris kamen/ da hielten ſie ſich
lang auff/ biß ſie auf Nantes zu giengen da
ſie Gelegenheit fanden in Spanien und Por-
tugal zu reiſen. Von Liſabon wandten ſie
ſich gegen die Straſſe/ und giengen an
den Spaniſchen und Frantzoͤſiſchen Cuͤſten
biß
[383]
biß in Jtalien. Zu Venedig giengen ſie
uͤber das Tyroliſche Gebuͤrge biß auf Wien/
da waͤren ſie gern in Pohlen gereiſet. Doch
der Krieg machte alles unſicher/ daß alſo Ge-
lanor wider ſeinen Willen den Florindo ver-
troͤſten muſte/ nun wolten ſie wieder nach
Hauſe.
Nun moͤchte aber einer fragen/ ob ſie denn
in ſo weiten und groſſen Laͤndern keine Nar-
ren obſervirt? doch es iſt zu antworten/ daß
ſolches zwar mit eben ſo groſſem Fleiß geſche-
hen/ als in Teutſchland. Gleichwohl haben
ſie vor gut angeſehen/ einem iedweden in ſeiner
eigenen Sprache zu beſchreiben. Wie der
Sigmund dieſe muͤh auf ſich genommen und
die Frantzoͤſiſche/ Spaniſche/ Engliſche/ Jta-
liaͤniſche Reyſebeſchreibung fleiſſig in Ord-
nung zu bringen/ und mit Kupfferſtuͤcken her-
auß zu geben verſprochen hat. Ob es wird
geſchehen/ das ſtehet bey der Zeit. Ohne
Zweiffel wird er ſeinen Fleiß nicht ſparen.
Solte auch ein Liebhaber gefunden werden/
der ſeine Curioſitaͤt niche laͤnger befriedigen
koͤnte/ ſo iſt es umb eine kleine Nachfrage zu-
thun. Maſſen die Compagnie ſo diſcret iſt/
daß ſie einen iedweden mit richtiger Ant-
wort verſehen wird.
CAP.
[384]
[CAP. XLVII.]
NUn mangelte nichs/ als daß Florindo zu
einer Liebſten reiſen ſolte/ doch Gelanor
ſagte/ man muͤ[ſt]e zuvor einen vollkommenen
Schluß machen/ welches eben die drey groͤ-
ſten Narren geweſen/ damit die Mahlerey im
Schloſſe koͤnte ihren Fortgang haben. Und
alſo ſetzten ſie ſich zuſammen/ und wuſten viel
von Narren zu reden: Gleichwohl befanden
ſie den Mangel/ daß ſie ſo eigentlich nicht er-
wogen hatten/ worine eben die Narrheit be-
ſtuͤnde: Dannenhero man deſto eigentlicher
im urtheilen haͤtte koͤnnen fortfahren. Nun
Florindo war hitzig und ſehnte ſich nach Hau-
ſe: Gelanor hingegen wolte zuvor den rechten
Grund treffen/ biß endlich diß conveniens
vorgeſchlagen wurde/ Sigmund ſolte in ein
Collegium Prudentium reiſen/ und ſich da-
ſelbſt in der gedachten zweiffelhafftigen Fra-
ge informiren laſſen. Solches ward alſobald
beliebt und ſatzte Gelanor folgende Urtheils-
frage auf:
Demnach in einer wichtigen Angelegen-
heit die Frage vorgeſtellet/ worinne die Narr-
heit beſtehe? und ſo fort/ welches vor die hoͤch-
ſte Thorheit zuſchātzen ſey? Und aber hierinn
einiger Streit ſich ereignet/ dadurch man
ſchwer-
[385]
ſchwerlich zum Zwecke gelangen kan. Als
iſt das gute und zuverſichtliche Vertrauen
auff Dero Weltbekandte dexteritaͤt und Wiſ-
ſenſchafft geſetzet worden/ das jenige/ was
Sie in dieſer Frage ſetzen und ſchlieſſen wer-
den/ vor gut und bekand anzunehmen. Ge-
langet derowegen an Dieſelben unſer Dienſt-
freundliches Anſinnen/ ſie wollen ſich belie-
ben laſſen/ der Sache nachzudencken/ und
gegen Danckgeziemende Vergeltung de-
ro vielguͤltige Meynung ſchrifftlich zu eroͤff-
nen. Solches werden wir ſaͤmtlich als eine
ſonderbahre Wolthat erkennen/ und mit
anderweit bereiten Dienſten ſchuldigſt zu er-
wiedern beflieſſen ſeyn.
E. Hochgelahrt Herrligk.
Dienſter gebenſte
Compagnie zu Suchſtedt.
Hiermit reiſete Sigmund ab/ und ver-
ſprach ſeinen Fleiß nicht zu ſparen/ daß er
zum wenigſten/ innerhalb acht biß zehen Wo-
chen mit guter Verrichtung wieder zu kom̃en/
verhoffte ſie ſolten ſich nur nit zu weit von dem
Orte weg machen/ daß er bey abgelegter ex-
pedition ſie alſobald zur Hand haͤtte. Nun
war dieſelbe Gegend ſehr luſtig/ daß man ei-
nen Fruͤling daſelbſt wohl paſſiren kundte.
RWie
[386]
Wie ſie denn von einem Dorffe zu dem an-
dern/ von einem Flecken und Staͤdgen zu
dem andern zu reiſen pflegten/ und ſich bald
im Gebuͤrge bald auff der Ebene eine neue
Luſtigkeit erweckten. Einsmahls kehrten
ſie in ein Wirthshaus ein/ da Gelanor o-
ben auff dem Gange die Melancholiſchen
Grillen vertreiben und außſpatziꝛen wolte/ un-
terdeſſen hatten die Diener mit dem Mahler
unten im Hofe ein Geſpraͤch/ warumb mit
der Heim-Reiſe ſo lang verzogen wuͤrde. Ei-
ner meinte diß/ der ander was anders. End-
lich als der Mahler vorgab/ es wāre umb die
drey groͤſten Narren zu thun/ da fieng ein
Diener an: Das ſind Haͤndel/ haͤtten
ſie mich gefraget/ ich wolte ihnen laͤngſt auß
dem Traume geholffen haben. Der Mah-
ler wolte gern was neues hoͤren/ und bat
den Diener/ er moͤchte ihm doch die ſonderli-
chen Sachen vertrauen/ dieſer wolte nicht
mit herauß/ endlich ließ er ſich uͤberbitten/
und ſagte/ es ſind drey groſſe Narren in der
Welt. Der Thuͤrmer oder der Haußmann
blaͤſt den Tag ab/ und er koͤmmt von ſich ſel-
ber. Der Stundenruͤffer blaͤſt in ein kalt
Loch/ und er koͤnte wohl in ein warmes bla-
ſen. Hier ließ er ſein Meſſer fallen/ und ſtellte
ſich/
[387]
ſich/ als muͤſte er es wieder auffheben und ab-
putzen. Da fragte der Mahler unter ſchiede-
ne mahl/ wer iſt denn der Dritte? wer iſt denn
der Dritte. Da fuhr der Diener herauß:
Der iſt der Dritte/ der darnach fragt. Al-
ſo war der Mahler gefangen/ und hatte kei-
nen andern Troſt/ als daß er dachte/ es wuͤrde
ihm wohl ein ander wieder kommen/ den er
betriegen koͤnte. Doch muſte er ſich ziemlich
außlachen laſſen. Der andere Diener hat-
te bißher ſtille geſchwiegen. Nun ſagte er/
ſein voriger Herr habe diß Sprichwort
an ſich gehabt: Ein jeglicher Menſch iſt ein
Narr/ aber der wird ins gemein davor ge-
halten/ der es mercken laͤſt. Ja ſagte der
Mahler/ der es mercken laͤſt/ der iſt gar ein
kleiner: aber der ſich vor klug haͤlt/ der iſt viel
groͤſſer/ und wer an den beyden ſeine Freude
hat/ der iſt der allergroͤſte. Der erſte Diener
ſagte: Es kanſeyn/ daß alle Leute Narren
ſind/ wie ich mich beſinne/ daß ein vornehmer
Mann gedachte/ er haͤtte in ſeinem Kopffe
ſechs Stuͤhle und im Bauche ſieben Haaſen/
wenn er einen Becher Wein truͤncke/ ſo ſtie-
ge ein Haaſe hinauff und nehme einen Stuhl
ein. Wenn er aber den ſiebenden Becher
getruncken haͤtte/ und der Letzte Haaſe kei-
R ijnen
[388]
nen Sitz finden koͤnte/ ſo wolte er die andern
herunter werffen/ biß endlich ſo ein Rumor
entſtuͤnde/ daß er ſelbſt nicht wuͤſte/ wo ihm
der Kopff ſtuͤnde. Hier fragte einer den
Mahler/ wieviel er Haaſen im Leibe haͤt-
te? es waͤre umb einen Orthsguͤlden zu thun/
ſo nehme ein Wurmſchneider die Muͤh auff
ſich/ und ſuchte nach. Sie lachten daruͤ-
ber/ und nach vielfaͤltigen Geſpoͤtte ſagte
ein Diener: Sie moͤchten doch fragen laſſen/
wer der Kluͤgſte waͤre/ ſo koͤnte man die Nar-
ren leicht dargegen halten. Der andere
gab zur Antwort: Die Frage waͤre leicht
auffzuloͤſen/ iſt ſie doch neulich an des Tuͤrcki-
ſchen Kaͤyſers Hofe vorgegangen. Der Mah-
ler hatte ſeiner vorigen Vexirerey ſchon ver-
geſſen/ und fragte inſtaͤndig/ was neues vor-
gegangen waͤre? Der Diener gab ihm die-
ſen Bericht: Der Roͤmiſche Kaͤyſer ſolte
zu dem Tuͤrckiſchen Kaͤyſer etliche Abgeſand-
ten ſchicken/ ſo begehrte der Tuͤrcke/ er ſolte
ihm die drey klügſten Leute auß ſeinem Lan-
de ſchicken/ ſonſt ſey er nicht willens einen an-
zunehmen. Hierauff fertigte der Roͤmiſche
Kaͤyſer einen Muͤnch/ einen Soldaten und ei-
ne alte Frau ab. Denn er ſagte: Der Muͤnch
iſt klug/ ehe er am Freytage hunger litte
und
[389]
und haͤtte keinen Fiſch/ ehe wirfft er eine Brat-
wurſt in das Waſſer/ und langte ſie mit dem
Fiſchhamen wieder herauß Der Soldate
iſt klug/ ehe er ungeſaltzen Fleiſch iſſet/ ehe
ſaltzet er mit Pulver und wirfft dem Feinde
die Patron-Taſche ins Geſichte. Hier zog
er ſein Schnuptuch herauß/ und verſtreute
etwas Geld/ das ſuchte er langſam wieder
zuſammen. Unterdeſſen ſtund der Mah-
ler in voller Curioſitaͤt, und fragte ſtets:
Ey wie war es deñ mit der alten Frau. End-
lich ſtellte ſich der Diener gar ungedultig/ und
ſagte: Die ſolſtu ſonſt wo lecken/ daß ſie wie-
der jung wird/ damit war der Haaſe wieder
gefangen/ nach dem Sprichwort/ die Haa-
ſen ſind nirgend lieber/ als wo ſie gehetzet wor-
den. Hierauff gieng Gelanor zur Mahlzeit/
und fragte den Mahler/ was er vor vertrau-
liche diſcurſe mit dem Diener gefuͤhret. Die-
ſer dachte er wolte einen von der Compagnie
fangen/ und erzehlte ſeine Klugheit von ſei-
nen drey Narren/ nemlich von dem Thuͤrmer
und von dem Stundẽruͤffer/ als er aber lauſch-
te/ ob niemand fragen wolte/ ſagte Eurylas:
Und ich hoͤre die Mahler ſind die Dritten/
die mahlen die Narren in papiernen Krau-
ſen/ und koͤnten mit eben den Unkoften Daf-
R iijfen-
[390]
fente mahlen. Damit ſaß der Mahler wie-
der/ alſo daß ihn Gelanor ermahnte/ er waͤ-
re nun ſo weit gereißt/ er ſolte doch kluͤger
werden. Sonſt gienge es ihm wie jenem
Schweitzer/ der fuͤnf und zwantzig Jahr zu
Pariß gedienet/ und doch nicht Frantzoͤſiſch
reden gelernet hatte. Und als er gefraget wor-
den/ warumb er ſo nachlaͤſſig geweſen/ hatte
er geantwortet: was koͤnte man in ſo kurtzer
Zeit lernen; Doch haͤtte es noch ſollen ein halb
Jahr waͤhren/ ſo haͤtte er die Sprache wollen
weg haben. Eurylas ſagte hierauff: Ach laſt
ihn gehn/ er iſt klug genug/ aber er ſchont die
Klugheit/ daß er ſie ſpanfunckelneu mit nach
Hauſe bringen kan. Florindo ſagte: Was
ſoll er ſie ſchonen/ ſchont er doch ſein Geld
nicht. Es iſt ihm gangen wie jenem kleinſtaͤd-
tiſchen Buͤrgemeiſter/ dem begegneten et-
liche im harten Winter/ und ſagten: Eure
Weißheit iſt treflich erfroren. Der Buͤr-
gemeiſter dachte/ das waͤre ſeyn Ehren-Titul/
und gab zur Antwort: Ach ja/ ich bin treff-
lich erfroren. Der Mahler konte nicht lān-
ger zuhoͤren/ und gieng zur Thuͤr hin-
auß. Da ſagte der Wirth/ Jhr Herren/
morgen iſt der erſte April/ der Menſch ſolte
ſich der Jahr-Zeit zu Ehren brauchen laſſen.
Flo-
[391]
Florindo ſtimmte bald mit ein/ und bot ſich
an/ er wolte ihn mit einem Korb voll Steine
wohin ſchicken/ doch Gelanor verwieß ihm
ſolches. Denn/ ſagte er das April-ſchicken
iſt darumb erdacht worden/ daß man hat
vorwitzige Leute wollen klug machen. So
mißbrauchen es etliche Narren/ die geben ih-
ren Knechten und Maͤgden wunderliche
commiſſiones auff/ die ſie nicht freywillig
ſondern gezwungen verrichten muͤſſen/ der
Kerl iſt leichtglaͤubig gnung darzu/ er wird
bald ins Netz gehen. Man ſchwatze ihm nur
was curieuſes vor/ ehe er davon bliebe/ ehe
lieffe er auff den Sturtzeln fort/ wenn er kei-
ne Beine haͤtte. Hierauff geriethen ſie auff
unterſchiedene April - Poſſen. Eurylas
referirte dieſes: An einem bekandten Orte
war ein Kauffman/ der hielt fleiſſige Corre-
ſpondentz/ und ſo bald er eine Zeitung im
Briefe geſehn/ lieff er nach Hofe/ und wuſte
ſich viel damit. Am erſten April bekam er
ein Schreiben; Umb Wittenberg ſtellten
ſich die Qvacker haͤuffig ein/ und waͤre allbe-
reit der Oberſte Knepner wider ſie auß com-
mandiret worden. Der laß die erſchreckliche
novelle nicht bedachtſam/ ſondern eilte bruͤh
R ivheiß
[392]
heiß damit nach Hofe. Da merckten die Hoff-
leute/ daß unter den Quackern die Froͤſche
verſtanden wuͤden/ weil der Klapperſtorch
an etlichen Orten Knepner hieſſe/ und muſte
ſich der gute unzeitige Quacker wohl damit
leiden. Gelanor erzehlte folgendes: Als
ich zu Leyden in Holland ſtudierte/ berath-
ſchlagten unſer etliche/ wie wir einem ſtol-
tzen auffgeblaſenen Kerl in unſerer Compag-
nie moͤchten die Brille auffſetzen. Nun hat-
ten wir geheime Nachricht/ daß ſein Va-
ter/ der bey einem Fuͤrſten Ammtmann war/
ſolte abgeſetzet werden. Drumb kleideten wir
einen unbekandten Mann vor einen Boten
auß/ der muſte die Zeitung bringen/ ſein Va-
ter waͤre Hoff-Rath und uͤber etliche Aemp-
ter Hauptmann worden. Auff dieſe Zei-
tung ward der gute Menſch ſo courage, daß
er denſelben Tag einen Schmauß ſpendirte/
der ihn uͤber ſechzig Thaler zu ſtehen kam.
Aber in wenig Tagen kriegte er ſein miſe-
rere hinten nach/ daß er das krauen im Na-
cken davon bekam. Der Wirth ſagte: Jhr
Herren/ mir faͤllt ein poſſierlicher Handel ein.
Es ſind itzt gleich ſechs Jahr/ da hatte ich
unterſchiedene Gaͤſte/ denen erzehlte ich/ wie
damahls vor etlichen Jahren ein Reuter
von
[393]
von der Bruͤcke in das Waſſer gefallen.
Solches hoͤrte ein Junger Außfliegling/
und meynte nicht anders als waͤre es dieſen
Tag geſchehen/ [l]ieff derowegen Sporn-
ſtreichs nach dem Waſſer zu/ und fragte/ wo
der Kerl waͤre/ den man unter der Bruͤcke ge-
funden haͤtte. Die Fiſcher hoͤrten es bald/
daß der junge Geelſchnabel wolte vexiret
ſeyn/ und ſchickten ihn faſt eine halbe Meile
den Strohm hinauff. Als die andern fort
wollen/ wiſſen ſie nicht/ wo ihr Compagnioͤ-
nichen hinkommen/ ſchicken auff allen Straſ-
ſen nach ihm auß. Endlich kam er wieder
und brauſte vor Lauffen/ als ein Hamſter.
Die andern ſcholten auff ihn loß: Doch kam
er vor zu mir/ und klagte/ er haͤtte den er-
ſoffenen Kerl nicht finden koͤnnen. Und da kan
ich nicht beſchreiben/ was vor ein Gelaͤch-
ter bey den andern entſtund/ daß ſich dieſer
wunderliche Menſch ſelbſt zum April geſchickt
hatte. Andere erzehlten etwas anders. Den
folgenden Tag/ als ſie zur Mahlzeit kamen/
war der Mahler nicht da. Sie fragten
nach ihme/ doch es wolte ihn niemand in
viel Stunden geſehen haben. Zuletzt ſagte
der Wirth/ das iſt ein luſtiger April/ daruͤ-
ber man das Eſſen verſaͤumt. Erzehlte hier-
R vauff
[394]
auff/ er haͤtte ihn fruͤh ſehen im Hauſe ſtehen/
da habe er der Wirth gleich iemand bey ſich
gehabt/ zu dem [er] geſagt: Sieht der Herr
heute den Fuͤrſtlichen Einzug? Er wird ſehr
praͤchtig werden. Nun hielte er davor/ er wuͤr-
de auff den Einzug warten/ daß er ihn in
Lebens-Groͤſſe auff einen Teller abmahlen
koͤnne. Und hierinn hatte der Wirth nicht
gefehlt/ denn der Mahler hatte ſich von einem
Thore laſſen zum andern ſchicken/ biß er von
einen ehrlichen Manne vernommen/ was
vor einem Heiligen zu Ehren dieſer Einzug
geſchehen ſolle. Da ſchliech er nach Hauſe/
und ſtellte ſich gantz truncken/ als wenn er an
einem andern Orte ſo ſehr geſoffen haͤtte.
Doch die Sache war verrathen/ und mu-
ſte der arme Schaͤcher wohl herhalten. A-
ber es ſchien als waͤr er in einem ungluͤckli-
chen Monden/ denn als ſie in etlichen Tagen
anderswohin reiſeten/ war in der Stube
hinter dem Ofen ein Knecht mit der Magd
angemahlt/ die hatten alle beyde Narren-
Schellen/ und ſtund daruͤber geſchrieben:
Unſer ſind drey. Der gute Mahler/ der al-
lenthalben nach raren Inventionen trachtete/
tratt davor/ und ſpinteſirte lang daruͤber/ wo
denn der dritte waͤr. Endlich gab ihm Eu-
ry-
[395]
rylas den Bericht/ der dritte iſt der Narr/
der ſich neulich ließ zum April ſchicken/ damit
war er wieder kluͤger.
CAP. XLVIII.
JCh ſehe wohl ſagte Gelanor, das Rei-
[ſ]en hilfft nicht wider die Thorheit-
Es mag einer in Franckreich und Jtalien
geweſen ſeyn/ ſo heiſt es doch mit ihm: fleucht
eine Ganß hinuͤber/ koͤmmt eine Ganß wie-
der heruͤber. Jch dachte unſer Mahler wuͤr-
de ins kuͤnfftige zu etwas hoͤhers gebraucht
werden. Allein es wird ihm gehen wie ie-
nen Manne/ zu dem ſagte die Frau: Mann/
wenn ihr ſo ein Narr ſeyd/ ſo werdet ihr kein
Rathsherr. Jm uͤbrigen gebrauchten ſie
ſich allerhand Ergoͤtzligkeit/ welche die ſchoͤ-
ne Fruͤhlings- Zeit mit ſich brachte/ und in-
dem ſie der Narren inquiſition muͤde waren/
hatten ſie groͤſſere Luſt mit klugen Leuten zu
converſiren.
Endlich kam Sigmund wieder und brach-
te folgende reſolution mit/ welche alſobald
in der Compagnie deutlich verleſen ward.
R viGroß-
[396]
Derſelben freundliches Schreiben iſt uns
durch Monſ. Sigmund wohl uͤbergeben wor-
den. Erſehen darau[ß]/ welcher Geſtalt eini-
ger Zweiffel in einer Philoſophiſchen Frage
entſtanden/ deſſen Eroͤrteung ſie uns wollen
guͤnſtig anheim geſtellet haben. Ob wir nun
wohl nicht zweiffeln/ es wuͤrden dieſelben ih-
rer beywohnenden Geſchickligkeit nach/ ſolches
vor ſich ſelbſt am beſten beylegen koͤnnen:
Dennoch weil ihnen beliebet hat/ dergleichen
Muͤh uns auffzutragen: Als haben wir ſo
wohl auß Erforderung unſers Ammtes/ als
vornehmlich auß ſonderbahrer Begierde dem-
ſelben auffwaͤrtig zu eꝛſcheinen/ folgende Saͤtze
kuͤrtzlich zuſam̃en bringẽ/ und dadurch dero ab-
gelaſſene Frage/ wo nicht gaͤntzlich abthun/ doch
zum wenigſten erklaͤren ſollen. Befehlen uns
hiermit in deroſelben guͤnſtiges Urtheil/
und verbleiben der Hochloͤblichen Compa-
gnie
Dienſtwillige
N. N.
Eroͤrterung
Der Frage
Welcher der groͤſte Narr ſey?
I. Die
[397]
I.
DJe Thorheit iſt nichts anders/ als ein
Mangel der Klugheit. Darumb wer
die Klugheit erkennet/ [k]an auß dem Wieder-
ſpiel leicht abnehmen/ das ein Narr ſey.
II. Es beſtehet aber die Klugheit vornehm-
lich in Erwehlung des Guten und vermei-
dung des Boͤſen/ alſo daß der jenige vor den
Kluͤgſten gehalten wird/ der ſich am beſten
vor der inſtehenden Gefahr huͤten/ und ſeinen
Nutzen in allen Stuͤcken befoͤrdern kan.
III. Und hierauß folget/ daß derjenige ein
Narr ſey/ der entweder das Boͤſe dem Guten
vorſetzt/ oder doch die Sachen/ welche an ſich
ſelbſt gut genug ſind/ nicht recht unterſcheiden
kan.
IV. Zwar die Natur hat einen jedweden
ſo klug gemacht/ daß niemand mit Wiſſen und
Willen etwas verlangen oder erwehlen wird/
welches er vor Boͤß hielte. Dannenhero weñ
Leute gefunden werden/ die ſich ſelbſt den Tod
anthun/ geſchicht ſolches/ weil ſie den Tod vor
gut und angenehm halten/ als dadurch ſie ih-
rer Gefahr und anderer Widerwaͤrtigkeit
entſetzet wuͤrden.
V. Unterdeſſen iſt diß zu beklagen/ daß etli-
che Sachen zwar recht und in der Warheit
R vijgut
[398]
gut befunden werden: Etliche aber an ihm
ſelbſt grundboͤſe ſind/ und aber einen aͤuſſerli-
chen Schein des [Gu]ten bey ſich fuͤhren. Wie
ein uͤberzuckerter Gifft/ ſo lang er in dem
Munde und in der Keh[le] iſt/ ſehr ſuͤſſe ſchmeckt/
und einen ſonderlichen Schein des guten hat
doch endlich im Bauche ſich alſo verhaͤlt/ daß
man die boͤſe Natur mehr als zu viel erkennen
muß.
VI. Derhalben iſt diß der endliche Unter-
ſcheid zwiſchen klugen und thoͤrichten Leuten.
Ein Kluger erwehlet das Gute/ welches in
der That und in der Warheit gut iſt. Ein
Narr laͤſſet ſich den aͤuſſerlichen Schein be-
thoͤren/ daß er/ wie des Eſopi Hund/ das war-
hafftige Stuͤck Fleiſch auß dem Munde fallen
laͤſt/ und nach dem Schatten ſchnappt.
VII. Solche naͤrriſche Leute aber werden
in dreyerley Sorten abgetheilet. Etliche ziehen
das Boͤſe dem Guten fuͤr/ auß Einfalt und
Unwiſſenheit. Wie ein Kind ſich den ſchoͤnen
Glantz des Feuers betriegen laͤſt/ daß es hinein
greifft und ſich die Finger verbrennt. Oder wie
ein unerfahrner Knabe ſich durch den Schein
der Freundſchafft in Gefahr verleiten laͤſt. Deñ
ſolche Leute wiſſen es nicht beſſer/ und weil ſie
durch
[399]
durch die Erfahrung nicht geübt ſind/ koͤnnen
ſie es nicht beſſer wiſſen.
VIII. Die andere So[rte b]egeht die Thor-
heit auß geſchwinden und uͤbereileten Affe-
cten. Wie ein zorniger Menſch auß unbe-
dachtſamer Begierde zur Rache/ darinn er
ſich einige Suͤſſigkeit einbildet/ den andern be-
leidiget: welches er nicht thaͤte/ wann er dem
Verſtande Raum lieſſe/ und bedaͤchte/ was er
ſelbſt vor Straffe und Ungluͤck darauff zu ge-
warten haͤtte.
IX. Die letzte Sorte erkennet das Gute
und das Boͤſe gar wohl/ doch faͤlt es wiſſent-
lich in die Thorheit/ daß ein kleines und ſchein-
bares Gut/ das gegenwaͤrtig iſt/ trotz allen
kuͤnfftigen und bevorſtehenden Straffen und
Belohnungen/ dem warhafftigen und weſent-
lichen Gute vorgezogen wird. Und da ent-
ſchuldigt keine angemaßete Unwiſſenheit.
Sondern alle Thorheit wird wiſſentlich be-
gangen/ da man es haͤtte ſollen und koͤnnen
beſſer wiſſen.
X. Denn gleich wie ein Koch/ der Schla[n-]
gen vor Aal ſpeiſet/ ſich mit der Unwiſſenheit
nicht entſchuldigen kan. Weil er als [ei]n
Koch krafft ſeiner Profeſſion diß hat wi[ſſe]n
ſollen: Alſo hilfftes nicht/ wenn einer ſpre[che]n
wol/
[400]
wolte/ ich habe es nicht gewuſt/ daß im Kriegt
ſo boͤſe Leben iſt/ ſonſt waͤre ich nit hinein gezo-
gen/ deñ er hatte [eſ] koͤnnen wiſſen haͤtte er nur
den Vermahungẽ ſ[ta]tt gegebẽ. Jaer haͤtte es
ſollen wiſſen/ weil ihm die Vernunfft leicht
eingegeben/ daß/ wo Rauben/ Brennen/ Tod-
ſchlagen ein taͤgliches Handwerck iſt/ kein gu-
tes Leben erfolgen koͤnne. Und daß man nicht
allein von dar hin ſchieſt/ ſondern auch von
dort wie der her ſchieſt.
XI. Mit der erſten Gattung hat man bil-
lich Mitleiden. Die andere wird etlicher
Maſſen/ doch nicht allerdings/ entſchuldiget.
Die dritte ſteht gleichſam auf der hoͤchſten
Spitze der Thorheit/ und wer den groͤſten
Narren finden will/ der muß ihn hier ſuchen.
XII Nun ſind in dieſer letzten Claſſe die
Narren auch unterſchiedlich/ nachdem die
Guͤter ſind/ welche man in die Schantze zu
ſchlagen/ und andern nichtswuͤrdigen Dien-
gen nachzuſetzen pfleget.
XIII. Das hoͤchſte Gut iſt ohne Zweiffel
GOTT/ oder weil ſich GOTT dadurch will
genieſſen laſſen/ hier der Glaube/ dort die Se-
ligkeit; Denn weil GOtt alles ſchoͤne Frau-
en-
[401]
en-Zimmer/ alle helle Sterne/ Gold und Sil-
ber/ alle niedliche Speiſen/ alle annehmliche
Muſic/ in Summa was [hie]r ſchoͤn und er-
freulich iſt/ geſchaffen hat: So muß freylich
folgen/ daß der Urſprung ſolcher Treffligkei-
ten viel ſchoͤner und annehmlicher ſeyn muß.
XIV. Nach die[ſe]m Gute folgen die zeitli-
chen Gaben/ welche uns GOtt/ dem muͤhſeli-
gen Leben zu Troſt uͤberlaſſen hat. Und da
ſind zwey Sachen/ welche einander gleiche
Wage halten. Auf einer Seite Leib/ Leben
und Geſundheit; Auf der andern Ehre/ Ruhm
und redlicher Namen.
XV. Zuletzt kommen die anderen Ergoͤtz-
ligkeiten/ als Geld/ Freunde/ Luſt/ und derglei-
chen.
XVI. Nun iſt zwar dieſer ein rechtſchaffe-
ner Narr/ der ſeine Luſt in dem Spielen ſucht/
und dadurch viel Geld verlieret/ oder der eine
Heimligkeit verraͤth/ und ſeines Freundes da-
durch verluſtig wird: Oder der umb Eſſen
und Trincken willen ſich umb ſeine Freyheit
und gleichſam in Frembde Dienſtbarkeit
bringt. Doch weil man bey dieſen allen ge-
ſund/ ehrlich/ und Gottesfuͤrchtig bleiben kan/
ſo iſt hierdurch die hoͤchſte Narrheit noch nicht
erfuͤllet.
XVI[I]
[402]
XVII. Dieſe ſind ohne Zweifel aͤrger/ wel-
che zum Exempel den Wein nicht laſſen/ un-
geacht ſie das P[ud]agra, trieffende Augen und
andere Ungelegenheit davon haben/ oder wel-
che auß Geitz Hunger leiden/ und ſchwind-
ſuͤchtig daruͤber werden/ oder welche eiteler
revenge wegen ſich in Le[ib]- und Lebens-Ge-
fahr ſetzen/ und was vor Leute mehr ſind/ die
auf ihre Geſundheit hinein ſtuͤrmen/ als haͤt-
ten ſie das Gedienge/ daß ihnen nichts ſchaden
ſolte.
XVIII. Eben ſo verhalten ſich die Andern/
welche ihre Ehre und Redligkeit entweder
an den Nagel hencken oder unter die Banck
ſtellen. Etliche fragen nichts nach Ehr und
Reſpect, wie die jungen Leute/ welche Muͤſſig-
gangs halben unwiſſend und ungeſchickt ver-
bleiben. Etliche rennen gar in den buͤrgerli-
chen Tod hinein/ und ſtehlen/ luͤgen/ huren
und buben ſo lang/ biß ſie dem Hencker in die
Faͤuſte gerathen/ oder mit dem Schelmen zum
Thor hinauß lauffen.
XIX. Ob nun wohl ſolche Leute/ welche die
heilige Schrifft ſelbſt Narren heiſſet/ im
Grunde Gottes Veraͤchter ſind: dennoch
ſind noch die letzten dahinden/ welche auf eine
Wag-Schaale die ewige Seligkeit/ auf die
andere
[403]
andere zeitliche Ehre/ Reichthum und andere
Eitelkeiten legen. Und ob ſie gleich den
Außſchlag auf Seiten der Seligkeit ſehen/
gleichwohl ſich mit den Hertzen ſo feſt an die
Eitelkeit anhencken/ bi[ſ] der Himmel von der
Erde uͤberwogen wird.
XX. Nun iſt leicht die Rechnung zu ma-
chen/ wer der groͤſte Narr ſey: Nemlich der-
ſelbe/ der umb zeitliches Kothes willen den
Himmel verſchertzt. Nechſt dieſem/ der umb
luͤderlicher Urſachen willen entweder die Ge-
ſundheit und das Leben/ oder Ehre und gu-
ten Nahmen in Gefahr ſetzet.
CAP. XLIX.
SJe waren ſaͤmptlich uͤber dieſem Bericht
gar wohl vergnuͤget/ und erfreuten ſich/
daß ſie eine rechte Elle gefunden/ damit ſie alle
ihre Narren nach der Laͤnge und nach der
Breite meſſen koͤnten. Machten derowegen
eifrige Anſtallt mit eheſter Gelegenheit nach
Hauſe zu kommen/ da ſie deñ alles in gutem
Zuſtand antraffen/ und die leeren Felder in dem
Anfangs erwehnten Saale alſo außputzen
lieſſen. Oben uͤber ward mit groſſen Buch-
ſtaben geſchrieben:
DIO-
[404]
DIOGENES
AMOVE LATERNAM
HOMINES [HI]C SUNT NON HO-
M[IN]ES.
Das mittelſte Feld war etwas hoͤher/ da
ſtund ein Menſch/ der u[mb] fieng eine Jung-
frau/ welche von hinten zu lauter Feuerflam̃en
außſpie/ mit der Uberſchrifft:
STULTE
DUM MUNDUM COLIS
INFERNUM AMPLECTERIS.
Auf einem Seiten-Felde war ein Menſch/
der kuͤſte eine Jungfrau/ welche vorn lieblich
bekleidet/ hinten als ein Todengerippe war/
mit beygefuͤgten Worten:
STULTE
DUM VANITATES DEPERIS
MORTEM AMPLECTERIS.
Auf dem andern Seiten-Felde ſtund ein
Menſch der liebte eine Jungfrau/ welche hin-
ten als eine Bettelmagd außſah/ mit der U-
berſchrifft:
STUL-
[405]
STULTE
DUM DULCEDINEM SECTARIS,
INFAMIAM AM[PL]ECTERIS.
Unten ſtund eine eine Taffel/ darauf die-
ſe Worte zu leſen waren:
FEL IX
QVIA STULTORUM PERICULIS
CAUTIOR FACTUS
INEPTORUM MAGISTRORUM
PRUDENS DISCEDIT
DISCIPULUS.
APERTA EST SCHOLA
STULTORUM OMNIA PLENA.
CAP. XLIX.
HJerauff nahm Florindo die voͤllige Be-
ſitzung ſeiner Herrſchafft ein/ belohnte
alle Gefaͤhrten nach Verdienſt/ und bat vor-
nehmlich ſeinen wohlverdienten Gelanor,
er moͤchte ins kuͤnfftige ihm allezeit mit er-
ſprießlichem Rath behuͤlflich ſeyn. Eury-
las tratt wieder in ſein Verwalter-Ampt.
Sigmund ſolte ſo lange auf promotion war-
ten/ biß die außlaͤndiſchen Narren waͤren
be-
[406]
beſchrieben worden. Der Mahler blieb zu
Hofe/ und mahlte Narren/ und war ſelbſt ein
Narr. Niemand aber war vergnuͤgter/ als
Florindo, daß er nunmehr in den Armen
ſeiner angenehmſten [Sy]lvie ſich entſchuldi-
gen koͤnte/ warumb er [ſo] lang auſſen blie-
ben. Wer dergleichen Suͤ[ſſi]gkeit empfunden
hat/ wird deſto eher des Florindo Gluͤckſe-
ligkeit errathen/ die andern moͤgen zuſehen/
daß ſie nicht zu Narren werden/ ehe ſie darzu-
kom̃en/ wir beſchlieſſen mit dem nachdenckli-
chen Spruche:
- Wenn ein Narr außgelacht wird/ und
ſich daruͤber erzuͤrnt/ ſo iſt er ein
gedoppelter/ und das iſt das Lied
vom
ENDE.
[][][][][][][][]
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-
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- TextGrid Repository (2025). Weise, Christian. Die drey ärgsten Ertz-Narren. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bp3m.0