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Geschicht-Beschreibung
der Stadt
Wißbaden
,

aus bewährten Schriften
und
zuverlässigen Nachrichten


Der Koch od Sied-Brunn in Wissbaden.
Die Länge dieses Brunnens beträgt 24. die Breite 17. die Tiefe in dem Bo-
den 3. die Höhe über dem Boden 5. Werk-schuhe.


Franckfurt am Mayn: ,
beyJohann Benjamin Andreä,
1758.
[][]

Vorrede.


Nachdem, seit anderthalb hundert Jahren her, verschiedene besondere Schriften von der sehr alten Bad-Stadt Wißbaden (welche, bekanntlich, der Haupt-Ort in der Nassauischen Herrschaft, dieses Nahmens, ist, und eine Stunde Weges weit vom Rhein, rechter Seits desselben, und zwey Stunden Weges weit von Maintz entfernet lieget) durch den Druck sind bekannt gemacht, die meiste derselben aber unter der Hand, und durch die Länge der Zeit, fast gantz unsichtbar worden; als hat man, bey Verfertigung der gegenwärtigen [III] Geschicht-Beschreibung dieser Stadt, vor rathsam gehalten, gleich Anfangs derselben, ein ordentliches Verzeichnüß aller solcher gemeldten, nach und nach herausgekommenen, Schriften mitzutheilen, und zugleich den Haupt-Inhalt derselben kürtzlich anzuzeigen, damit der Leser wissen möge, was in denselben eigentlich vor Sachen abgehandelt worden seyen, und was man also darin zu suchen habe, oder nicht? Es sind aber solche, wie folget:

1. Michael Caspar Lundorfs Wißbadisches Wiesen-Brünnlein, das ist, etliche hundert schöne Historien, allen – zum Wißbad reisenden – lieblich zu lesen. Zwey Theile in 8, Franckfurt und Darmstadt 1610 und 1611. Der Verfasser dieser Schrift, welcher sich in dem ersten Theil derselben den angenommenen Nahmen Raphael Sulpicius à Munscrod gegeben, war ein Einwohner der Stadt Franckfurt am Mayn, und scheinet zwar kein sonderlicher Gelehrter, doch aber ein Liebhaber der Bücher gewesen zu seyn. Die in diesem Büchlein [IIII] zusammen getragene Historien betreffen die Stadt Wißbaden gar nicht, sondern enthalten nur allerley auswärtige, alte und neue, Begebenheiten, welche dem Leser bloß zu einigem Zeit-Vertreib an dem Wiesen-Brünnlein zu Wißbaden, welches diesem Lundorf, wie er in der Vorrede seines Buches meldet, gar sonderlich gefallen hat, haben dienen sollen. Sie sind aber meistentheils so bewandt, daß ein wohl-gesitteter Bad-Gast derselben gar füglich entrathen kan. Er verspricht, in der Vorrede des zweyten Theiles dieses seines Buches, noch mehrere Theile desselben herauszugeben. Ob solches geschehen sey? ist unbekannt. Gleich im Anfang des ersten Theiles desselben findet sich eine Diaet-Ordnung vor die Wißbadische Bad-Gäste, oder eine Anweisung, wie sie sich bey dem Gebrauch des Wißbads, sonderlich in der Pflegung des Leibes, gebührend verhalten sollen, welche um deßwillen, allhier mit eingerucket zu werden, verdienet, weil man daraus den Unterschied der damaligen und heutigen Art, das Bad zu gebrauchen, ersehen kan. Sie lautet also:

[V]
Höer Gast, der du brauchst dieses Bad,

Diß Regel halt, ist dir ohn Schad:

Früh, wann du aufgestanden bist,

Verricht dein Gebät zu jeder Frist.

Dann folgends, wann sechs schlägt die Glock,

Zieh aus dein Wambs, das Hembd und Rock,

Geh in das Bad, es thut dir wohl,

Jedoch merck drauf, dann es nicht soll

Zu heyß seyn anfangs überaus,

Du wirst sonst matt, und schlägst bald aus.

Bleib drin nicht länger, dann ein Stund,

Bis sieben schlägt, ist gar gesund.

Geh raus, und zieh an deine Jupp,

Den Koch frag, ob gar sey die Supp?

Wann selbig dir ist angericht,

Ein guten Trunck vergiß dann nicht.

Ferners geh vor das Thor spatzirn

Zum Wiesen-Brunn, dich zur lustirn.

Um halber zehen merck mich eben,

Thue dich wieder ins Bad begeben,

Ein Stund sollstu dann bleiben drein,

Mittler Zeit wird es Mittag seyn.

Alsdann schmeckt der Trunck grausam wohl,

Jedoch seh zu, sauf dich nicht voll.

Auch mäßiglich sonst halte dich

- - - - -

Weiter merck mich ohn allen Schertz,

Mit guter Luft erfrisch das Hertz,

- - - - -

Bis es wird um die Vesper-Zeit,

Ein Bettlein wird dir seyn bereit,

[VI]
Darein du sollest schlafen gahn,

Bis fünf schlägt, dann solltu aufstahn,

Ins Bad dich wiedrumb fügen bald,

Der Wein in dem wird eben kalt.

Um siebne mach dich aus dem Bad,

Erfrisch das Hertz mit eim Salat.

Nach diesem thue dann dein Gebät,

Und füg dich wiedrumb zu deim Bett,

Schlaf ruhig ein die gantze Nacht.

Doch letzlichen noch eins betracht,

Dann so du gantz gebadet aus,

Und willst wiedrumb fahren nach Haus,

So zahl den Wirth, danck GOtt dem HErrn,

So wird Er zum Bad Glück beschehrn.

Einige dieser Bad-Regeln sind so bewandt, daß man, bey Beobachtung derselben, viel eher seine Gesundheit im Bad verlieren, als die verlorene dadurch wieder erlangen kan. Doch, sie sind auch nicht vor die heutige, sondern, wie schon gedacht, vor die vormalige Zeiten und Leute, die eine gantz andere Lebens-Art, als jetzo gewöhnlich ist, gehabt haben, geschrieben worden.

2. Philipp Webers, Gräflich-Nassau-Saarbrückischen Leib-Medici zu [VII] Saarbrücken, Thermarum Wisbadensium Descriptio – das ist: Beschreibung der Bäder zu Wißbaden – in 4, Oppenheim 1617 in Lateinischer Sprache; nachmals 1636 ins Teutsche übersetzt, und herausgegeben zu Franckfurt am Mayn, in 8. Diese ist, so viel man bisher hat ausforschen können, die erste* besondere Schrift, welche von der Beschaffenheit des Wißbadischen warmen Gesund-Wassers in den Druck gekommen. Der Verfasser derselben hat anfänglich etwas von dem muthmaßlichen Ursprung der [VIII] Stadt Wißbaden selber, wie auch von denen darin befindlichen Alterthümern berichtet. Es sind aber diese seine [Historischen] Nachrichten sehr kurtz und unvollständig. Doch haben wir denselben die schriftliche Beybehaltung einiger merckwürdigen Alterthümer der Stadt, welche nachmals, in den darauf erfolgten langwiehrigen Kriegs-Zeiten, sich meistens verloren haben, zu dancken. Hauptsächlich aber hat er hierauf in dem übrigen Theil dieses seines Buches von dem Ursprung, Eigenschaften, Würckungen und Gebrauch der Wißbadischen Bäder weitläuftig gehandelt, und dabey sehr viele Artzeneyen, die man annoch, neben dem Bade, bey diesen und jenen Kranckheiten mit Nutzen gebrauchen könne, bekannt gemacht.*

[IX]

3. Ludwigs von Hoernigk Wißbad, oder Beschreibung der Wißbadischen Bäder, in 8, Franckfurt am Mayn 1637. Dieses Büchlein ist nachmals von neuem, und zwar ziemlich verändert, von dem Autore selbst herausgegeben worden in 12, Franckfurt 1662. Der Verfasser desselben ist ein Medicus und Physicus, wie auch ein Rechts-Gelehrter zu Franckfurt am Mayn gewesen, hat sich aber nachher, als er die Römisch-Catholische Religion angenommen, nach Maintz begeben, und ist Kayserlicher Rath, wie auch Churfürstlich-Maintzischer Rath und Medicus daselbst worden, und hat sich, durch Herausgebung mehrerer anderer Schriften von allerley Gattung, bey der gelehrten Welt ziemlich bekannt gemacht, auch das Sterb-Lied: Mein Wallfahrt ich vollendet hab etc. verfertiget. Die erste Ausgabe *[X] seiner gemeldten Beschreibung des Wißbads hat er dem damaligen Churfürsten zu Maintz, Anselmo Casimiro, welcher Wißbaden in dem dreyßig-jährigen Kriege eine Zeitlang im Besitz hatte; die zweyte aber dem Nassau-Saarbrückischen Grafen, Johanni, welcher seine Erb-Herrschaft Wißbaden durch den Westphälischen Friedens-Schluß wieder erhalten hatte, zugeschrieben. In dem Büchlein selbst hat er zwar, bey Beschreibung der Bad-Häuser zu Wißbaden, von den mancherley Unglücks-Fällen, welche dieselbe in dem vorgedachten langwiehrigen Kriege erlitten haben, etwas, wiewohl nur überhaupt, gemeldet, dabey aber von anderweitigen Historischen Sachen der Stadt nichts angefüget, sondern bloß allein die Eigenschaften und Würckungen des dasigen Bades, nebst der Art, dasselbe zu gebrauchen, beschrieben.

4. Joh. Daniel Horsts Beschreibung der Sauerbrunnen zu Langen-Schwalbach – und des Wißbads, in 12, Franckfurt am Mayn 1659. Es ist [XI] dieses Büchlein nachmals von neuem, und zwar etwas verändert und vermehret, herausgekommen in 8, Darmstadt 1683. Der Autor desselben ist ein berühmter Medicus zu Marburg, Giessen und Franckfurt gewesen, der mehr andere Schriften in Druck gegeben hat. Diese seine Beschreibung des Wißbads ist bloß medicinisch, und dabey sehr kurtz verfasset.

5. Joh. Gottfried Geilfusens, Medic. Doct. Unterricht von den Wißbadischen Bädern in 12, 1668. Dieser Unterricht handelt ebenfalls bloß allein von den Eigenschaften und dem Gebrauch des Wißbadischen warmen Wassers, und ist von Historischen Nachrichten dieser Stadt nichts darin anzutreffen.

6. Benjamin Niesens, Medici zu Butzbach, Bericht von dem mineralischen Wasser zu Wißbaden, in 12, 1648. Dieser Bericht hält nichts weiter in sich, als eine kurtze, bloß- medicinische, Beschreibung des Wißbadischen warmen [XII] Wassers, nebst einer Anweisung, wie dasselbe wohl zu gebrauchen sey. Es hat dieser Autor auch noch einige andere kleine Schriften von verschiedenen in unserer Nachbarschaft befindlichen Gesund-Brunnen durch den Druck herausgegeben.

7. Ludwig Conrad Jacobi von Ehrenkron, Medici zu Maintz, Anatomia Hydrologica, oder, Untersuchung des Wißbads, in 12, 1687. Diese Untersuchung der Wißbadischen Bäder ist zwar nicht gar kurtz abgefasset, doch aber enthält sie ebenfalls nichts anders, als eine bloß- medicinische Nachricht von der Beschaffenheit und dem Gebrauch solcher Bäder.

8. Eberhard Melchiors, Medici zu Idstein und nachher zu Worms, Anatomia Hydrologica Thermarum Wisbadensium, das ist: Bericht und Cur-Buch von den Bädern zu Wißbaden, in 8, Maintz 1697. Dieses Büchlein ertheilet zwar, gleich anfangs, einige wenige Historische und Geographische Nachricht von der Stadt und [XIII] Gegend Wißbaden, enthält aber doch auch eigentlich nichts anders, als eine abermalige medicinische Untersuchung der Eigenschaften des dasigen Bades, nebst einem Bericht, wie man sich bey dem Gebrauch desselben verhalten solle. Dabey denn zugleich das Vorgeben einiger unverständigen und widrig-gesinnten Leuten, als ob das Wasser dieses Bades zu hitzig wäre, widerlegt wird.

9. Joh. Georg Rauchs, Medici und Physici zu Wißbaden, Erinnerungen einiger unheilbaren, doch glücklich curirten, Zuständen, durch den Gebrauch des Wißbads, in 8, Maintz 1701. Dieses Büchlein ist gar kurtz verfasset, und hält nichts in sich, als eine kleine Anweisung, wie das Wißbad im Winter zu gebrauchen sey, nebst Meldung einiger nahmhafter Krancken, denen es würcklich auf solche Art geholfen.

10. Joh. Helfrich Jüngkens kurtzgefaßte Beschreibung der uralten [XIIII] Bäder zu Wißbaden, in 8, Franckfurt 1702, nachmahls vermehrt 1707, und noch weit vermehrter 1715. Der Verfasser dieses Buches war ein gelehrter und erfahrener Medicus und Physicus zu Franckfurt am Mayn, und hat sich durch eine Menge mehr anderer herausgegebener Schriften sehr berühmt gemacht. In dieser seiner Beschreibung des Wißbads hat er, gleich dem vorgemeldten Melchior, vornehmlich zum Zweck gehabt, zu zeigen, daß die warme Gesund-Wasser zu Wißbaden nicht, wie damals einige übelgesinnte Medici vorgegeben, zu hitzig wären. Dabey hat er denn zugleich einen umständlichen Unterricht, wie diese Bäder nützlich zu gebrauchen seyen, mit angefüget, auch seine besondere Artzeneyen und herausgegebene Schriften darin bekannt gemacht.

11. Egidii Günther Hellmunds Thermographia paraenetica, oder nützliches Bad-Buch, in 8, Wißbaden 1731, darzu nachmals 1734 die erste Fortsetzung desselben gekommen ist. Der Verfasser dieses Buches ist [XV] Inspector und Ober-Pfarrer in Wißbaden gewesen, und hat solches Amt von 1721 bis 1749, da er diese Welt verlassen, in grossem Seegen verwaltet, auch zugleich sehr viele Schriften in Teutscher und Lateinischer Sprache in den Druck gegeben. In seiner gedachten Thermographie hat er einige geistliche Bad-Betrachtungen angestellet, auch verschiedene Bad-Lieder mit angefüget, so denn aber eine kurtze Historische Beschreibung der Stadt Wißbaden hinzugethan, welche er hernach, in der ersten Fortsetzung des Buches, durch allerley aus dem Behältnüß-Buch der Stadt genommene nützliche Nachrichten erweitert hat. Er hat auch noch besondere Schriften von dem Waysenhause zu Wißbaden, in 8, 1723 --; item, Nachrichten von dem Armen-Bade daselbst, in 8 und 4, 1732 --; item, Balneographiam sacram, oder Geistliche Bad-Andachten, in 8, 1740; item, Acta Wisbadensia singularia, oder, Wißbadische besondere Kirchen- und Glaubens-Geschichte mit einem Jüdisch-gesinnten Burger zu Wißbaden etc. durch den Druck herausgegeben, welche allesamt von den [XVI] Liebhabern der Wißbadischen Geschichten nicht ohne Nutzen können gelesen werden.

12. Gottfried Anton Schencks, Inspectoris und Pfarrers in Rödelheim, Memorabilia Urbis Wisbadenae, oder, Merckwürdigkeiten der Stadt Wißbaden, erster und zweyter Theil, in 4, Franckfurt am Mayn, 1732 und 1739. Der Autor dieser Schrift ist eben derjenige, welcher die gegenwärtige Geschicht-Beschreibung der Stadt Wißbaden verfasset; und hat er in den gemeldten Merckwürdigkeiten dieser Stadt hauptsächlich zum Zweck gehabt, erstlich die Geschichte der Stadt, von Anfang derselben her, (so weit solcher zu erreichen gewesen) in eine richtige und nöthige Ordnung zu setzen; so denn alles, was in öffentlichen und im Druck vorhandenen Schriften (weil die, bey der Stadt selbsten befindliche, Geschicht-Urkunden derselben von dem äussersten Alter nicht sind) irgendwo von den Begebenheiten dieser Stadt bemercket ist, sorgfältig aufzusuchen, und dieser seiner Historischen Beschreibung derselben einzuverleiben; und denn endlich alles dieses mit den nöthigen [XVII] Erläuterungen aus den Geschichten und Alterthümern unseres Teutschlandes zu versehen. Und da ihm, bey dieser seiner Bemühung, eine und die andere ungedruckte schriftliche Urkunden, die Stadt Wißbaden betreffend, zufälliger Weise, von auswärtigen Gelehrten zu handen gekommen, so hat er solche ebenfalls gehörigen Ortes mit eingerücket, und also alles mögliche zur Ergäntzung der Geschicht-Kunde dieser Stadt, welche er, als seine Geburts-Stadt, liebet, beyzutragen, sich beflissen.

13. Joh. Gerhard Rauchs und Joh. Speths neue Beschreibung der uralten warmen Brunnen zu Wißbaden, in 8, Idstein 1737. Diese beyde Männer waren die damalige ordentliche Medici und Physici zu Wißbaden, und ist der erste eben derjenige, welcher allbereits oben, Num. 9, vorgekommen ist. Der zweyte aber, nemlich Joh. Speth, welcher der eigentliche Verfasser dieser jetzt-benennten neuen Beschreibung des Wißbads ist, war nicht nur, gleich dem ersten, ein sehr geschickter Medicus, sondern auch noch dabey ein ungemein gelehrter und [XVIII] erfahrener Chymicus, der seine vortrefliche Artzeneyen meistentheils selber sehr mühsam durchs Feuer zu Stande gerichtet, aber auch seine Leibes-Kräfte dadurch nicht wenig, vor der Zeit, geschwächet hat. Er hat anbey durch seinen Christlichen Lebens-Wandel, wie auch durch verschiedene ansehnliche Vermächtnüsse vor die Armen, sein Gedächtnüß in Wißbaden zu vielem Seegen gesetzet, und ist 1737 daselbst gestorben. Im Jahr 1722 hat er einen nützlichen Bericht von der Strucktur und Beschaffenheit des Menschlichen Leibes, in 12, herausgegeben. In der vorgemeldten neuen Beschreibung des Wißbads aber hat er nicht nur die vermuthliche Zeugung des dasigen warmen Gesund-Wassers sehr deutlich und wahrscheinlich, nach Chymischen Gründen, beschrieben, sondern auch einen ausführlichen Unterricht gegeben, wie dieses Wasser am besten, nach den neuen medicinischen Anweisungen, zu gebrauchen sey. Es ist dieser Unterricht um desto höher zu schätzen, weil er von einem solchen Verfasser aufgesetzet ist, der nicht nur die nöthige Medicinische und [XIX] Chymische Wissenschaften in grossem Grad besessen, sondern auch eine vieljährige Erfahrung von den eigentlichen Kräften und Würckungen unseres Wißbads gehabt hat. Und ist dieses letztere eben dasjenige, woran es denen obgemeldten vielen Bad-Beschreibern des Wißbadischen warmen Wassers größtentheils gefehlet hat; denn dieselbe sind meistens auswärtige Medici gewesen, welche sich selten lange in Wißbaden aufhalten, und die mancherley Würckungen des dasigen warmen Wassers durch lange Erfahrung (darauf es doch bey dieser Sache vornemlich ankommt) haben recht einsehen und beurtheilen können. Daher es denn auch mehrentheils gekommen, daß immer einer den andern, durch seinen neuen Bad-Unterricht, hat verbessern, und sowohl die innere Bestand-Theile des warmen Wassers, als auch die Art, dasselbe nützlich zu gebrauchen, gründlicher und klärer, als der andere, hat zeigen und beschreiben wollen. In der wiederholten Auflage der gemeldten Spethischen Bad-Beschreibung ist ein kleiner Anhang von Historischen Dingen der Stadt Wißbaden [XX] befindlich, welcher den oben benennten Inspectoren Hellmund zum Verfasser hat. Es wird aber dermalen eine neue Auflage dieses sehr nützlichen Spethischen Bad-Büchleins durch Besorgung des Herrn D. Joh. Christian Wernborners, Hochfürstlich-Nassau-Saarbrück-Usingischen Hof-Medici und Stadt-Physici zu Wißbaden, erwartet.

14. Amusements oder Zeit-Vertreib bey den Wassern zu Schwalbach und Wißbaden, in 8, 1739. In dieser Schrift, welche ein Frantzose, Nahmens Mervillieur, soll verfertiget haben, wird zwar auch eines und das andere von der Beschaffenheit der Stadt Wißbaden, und des daselbst befindlichen Bades, gemeldet; Es ist aber die gantze Vorstellung desselben von keiner Wichtigkeit, und das gantze Buch mehr satyrisch und romanen-haft, als historisch und glaubhaft.

15. Abhandelung von dem Gehalt der gemeinen Wasser überhaupt, [XXI] insbesondere in der Stadt Franckfurt – wie auch des Wißbads, in 8, Franckfurt am Mayn 1748. Der Verfasser dieser Schrift ist ein Medicus in Franckfurt, Nahmens Pasquay. Er hat in derselben, wie der Titul selbst schon ziemlich deutlich anzeiget, den Gehalt verschiedener Wasser, insbesondere auch des Mineralischen Wassers zu Wißbaden, durch angestellte Physicalische Prüfungen und Abwiegungen, untersuchet, und ist die Beschreibung davon gründlich und deutlich verfasset, mithin nicht ohne Nutzen zu gebrauchen.

Unter allen diesen jetzt-benennten funfzehen Schriften, welche von unserm Wißbad, nach und nach, durch den Druck herausgekommen sind, befinden sich eigentlich nur zwey, welche Historisch sind, oder von den Geschichten dieser Stadt einige nahmhafte Nachricht ertheilen, nemlich Hellmunds Thermographie und die Wißbadische Merckwürdigkeiten des Verfassers der gegenwärtigen Schrift. Diese zwey Bücher sind nun zwar annoch jetzo im Druck zu haben, und können also [XXII] von einem jeden Liebhaber der Wißbadischen Geschichten, nach Gefallen, benutzet werden. Es ist aber bisher mehrmals eines und das andere an einem jeden derselben ausgesetzet worden, und zwar an dem ersten, daß es allzu kurtz und unvollständig sey; und an dem andern, daß es mehr von gelehrten als ungelehrten Lesern könne benutzet werden. Folglich ist also der Wunsch ergangen, eine solche Geschicht-Beschreibung von unserer Stadt, welche, so viel möglich, vollständig wäre, und zugleich von einem jeden, auch ungelehrten, Leser könne sattsam verstanden werden, zu überkommen. Man hat demnach in der gegenwärtigen Schrift einen Versuch gethan, diesem billigen Verlangen einiger Liebhaber der Wißbadischen Geschichten ein Genüge zu leisten, und dem vorgemeldten Mangel, so viel thunlich gewesen, abzuhelfen. Zu dem Ende hat man 1, die vorhin benennte vorhandene zwey Historische Beschreibungen des Wißbads, nemlich Hellmunds Thermographie, und vornemlich des Verfassers Merckwürdigkeiten der Stadt Wißbaden, zur Hand genommen und aus [XXIII] denselben alle diejenigen der Historische Nachrichten von unserer Stadt, welche brauchbar, und dem Zweck das gegenwärtigen Vorhabens gemäß zu seyn, befunden worden, benutzet, doch so, daß man diese Schriften nicht nur jedesmal, behörigen Ortes, nahmentlich angeführet, sondern auch die gemeldte Historische Nachrichten derselben durchgehends verbessert und ergäntzet hat. 2, Alles übrige, was etwan noch in gedruckten Schriften, und sonderlich in denen unter der Hand immer mehr und mehr herauskommenden Urkunden-Sammlungen, von der Historie unserer Stadt dermalen anzutreffen gewesen ist, sorgfältig aufgesuchet. 3, Das bey der Stadt selbst befindliche Behältnüß- oder Stadt-Buch, (welches von dem Jahr 1557 seinen Anfang nimmt) nebst allen andern, sonst noch vorhandenen, Wißbadischen schriftlichen Urkunden, (deren die älteste das Ende des 13 Jahrhundert nach Christi Geburt berühren) fleißig durchgesehen, und selbst einige Privat-Schriften und zuverlässige Nachrichten erfahrener und glaubwürdiger Einwohner in Wißbaden dabey zu Hülfe genommen. [XXIIII] 4, Alle diese, auf solche Art, gesammlete Historische Nachrichten in eine bequeme und vor jederman faßliche Ordnung gebracht. 5, Den Vortrag selbst so eingerichtet, daß alles auch von ungelehrten Lesern gar leicht wird können begriffen werden; daher auch keine, in Lateinischer Sprache angeführte, Historische Zeugnüsse ohne Uebersetzung ins Teutsche vorbey gelassen, auch manche Erläuterungen über diese und jene vorgekommene Dinge beygefüget geworden sind, welche, wenn man bloß vor die Gelehrte geschrieben hätte, weggelassen worden wären. 6, Bey der gantzen Erzehlung der Sachen den beliebten Mittel-Weg, zwischen einer schädlichen Kürzte und unnützen Weitläuftigkeit beobachtet. Und denn 7, nichts von Historischen Wahrheiten angeführet, welches man nicht durch klare Zeugnüsse bewährter schriftlicher Urkunden und Nachrichten, wiewohl doch ebenfalls mit Beobachtung aller möglichen Kürtze, bestätiget hätte. Dabey denn mit wenigem zu mercken ist, daß, wenn die Buchstaben L. St. und L. U. vorkommen, [XXV] dadurch so viel, als: laut Stadt-Buch, und: laut Urkunden, angezeiget werde.

Ueberhaupt hat man sich beflissen, diese gantze Geschicht-Beschreibung der Stadt Wißbaden, so viel die vorhanden-seyende, gedruckte und ungedruckte, Historische Nachrichten von derselben es thunlich gemacht haben, also einzurichten, daß der Leser aus derselben einen deutlichen Begrif von der gantzen Haupt-Folge der Historie dieser Stadt, von Anfang her, (so weit sich solcher hat wollen ausfündig machen lassen) wie auch von den vornehmsten besonderen Zufällen und Begebenheiten derselben, überkommen möge.

Und da auch gemeiniglich die Liebhaber der Wißbadischen Geschichten, absonderlich die, in diese Stadt kommende, frembde Bad-Gäste, einen besondern und etwas umständlichen Bericht [XXVI] von dem Ursprung und Beschaffenheit des warmen Gesund-Wassers dieser Stadt zu verlangen pflegen, solcher aber in den oben benennten Bad-Beschreibungen (als woselbst man ihn eigentlich zu suchen hat) insgemein sehr kurtz verfasset, oder doch, wegen der, dabey gebrauchten, Chymischen Redens-Arten, schwer zu verstehen ist; als hat man, um diesem Verlangen ebenfalls bestmöglichst ein Genüge zu leisten, in der ersten Zugabe dieser Geschicht-Beschreibung eine hinlängliche und von jedermann faßliche Physicalisch-Historische Nachricht von diesem Wißbadischen warmen Wasser, wie auch von den übrigen Natur-Seltenheiten dieses Ortes, beygefüget. So denn hat man auch noch überdas in der zweyten Zugabe einige Poetische Beschreibungen der Stadt und ihrer Bäder hinzugethan, und also alles das bekannt zu machen gesuchet, was dem Leser etwan, von unserer Stadt Wißbaden zu wissen, nützlich und angenehm seyn könnte.

[XXVII]

GOtt lasse denn auch diese Geschicht-Beschreibung der, von Ihm Selbst, mit so herrlichen Gesund-Brunnen vorzüglich begabten Stadt Wißbaden nicht ohne Nutzen und Seegen gelesen werden!

Wißbaden im Jahr Christi
1758.

Gottfried Anton Schenck,
der Rödelheimischen Kirchen
Inspector und Pastor emeritus.

[]

Kurtze Vorstellung der, in dieser Geschicht-Beschreibung, enthaltenen Sachen:


Einleitung.

Erste Abtheilung.

Das Teutsche und Römische Wißbad.

  • Ursachen dieser Benennung.
  • Anfang und Erbauung des Teutschen und Römischen Wißbads.
  • Einwohner des T. und R. Wißbads.
  • Aeussere Gestalt und Beschaffenheit des T. und R. Wißbads.
  • Innere Regiments-Verfassung des T. und R. Wißbads.
  • Religion und Gottes-Dienst der Einwohner des Teutschen und R. Wißbads.
  • Nahme des Teutschen und R. Wißbads.
  • Merckwürdige Geschichte, oder Begebenheiten, des T. und R. Wißbads.
  • Ueberbliebene Alterthümer, oder Denckmale, des T. und R. Wißbads.

Zweyte Abtheilung.

Das Fränckische und Kayserliche Wißbad.

  • Ursachen dieser Benennung.
  • Einwohner des Fränckischen und Kayserl. Wißbads.
  • Aeussere Gestalt und Beschaffenheit des Fränckischen und Kayserl. Wißbads.
  • Innere Regiments-Verfassung des F. und K. Wißbads.
  • Religion und Gottes-Dienst der Einwohner des Fränckischen und Kayserl. Wißb.
  • Nahme des F. und K. Wißbads
  • Merckwürdige Geschichte, oder Begebenheiten, des F. und K. Wißbads.
  • Ueberbliebene Alterthümer, oder Denckmale, des F. und K. Wißbads.

Dritte Abtheilung.

Das Nassauische Wißbad.

  • Ursachen dieser Benennung.
  • Einwohner des Nassauischen Wißbads.
  • Aeussere Gestalt und Beschaffenheit des Nassauischen Wißbads.
  • Innere Regiments-Verfassung des Nassauischen Wißbads.
  • Religion und Gottes-Dienst der Einwohner des Nassauischen Wißbads.
  • Nahme des Nassauischen Wißbads.
  • Merckwürdige Geschichte, oder Begebenheiten, des Nassauischen Wißbads.
  • Ueberbliebene Alterthümer, oder Denckmale, des Nassauischen Wißbads.

  • Erste Zugabe, enthaltend eine Beschreibung der Natur-Seltenheiten des Wißbads.
  • Zweyte Zugabe, enthaltend einige Poetische Beschreibungen des Wißbads.
[figure]

Einleitung.


Weil die Stadt Wißbaden, von ihrer Erbauung an bis auf die gegenwärtige Zeit, verschiedene mahl ihre Eigenthümer oder Grund-Herren geändert hat, so wird nicht undienlich seyn, wenn wir die Beschreibung ihrer Geschichten, nach solchen geschehenen Veränderungen ihrer Herren, so viel sichs wird thun lassen, abtheilen; alldieweilen doch dergleichen Veränderungen der Beherrscher eines Ortes auch gemeiniglich gar wichtige Veränderungen in der inneren und äusseren Verfassung desselben nach sich zu ziehen pflegen. Zwar hat man freylich wohl anfänglich gewünschet, die Geschicht-Beschreibung dieser Stadt so einrichten zu können, daß man die vornehmste Stücke derselben, z. E. Einwohner, äussere Gestalt, innere Regiments-Verfassung etc. sogleich in einem hin, ohne fernere Abtheilung, durch alle Zeiten hindurch, hätte ausführen und beschreiben können. Es ist aber solches, wegen vieler triftigen Ursachen, welche dem Leser, bey einiger bedächtlichen Durchlesung dieser Schrift, hoffentlich, selber einleuchten werden, nicht wohl thunlich gewesen. Vielmehr hat die ordentliche und gründliche Ausführung der mancherley hierbei vorkommenden [2] Sachen nothwendig noch eine besondere und genauere Abtheilung erfordert. Und da ist keine, schicklicher und bequemer zu seyn, erachtet worden, als die gemeldte; nemlich, daß man, bey Beschreibung der Geschichten dieses Ortes, so viele Abtheilungen verfasset, als vielmal der Ort selbst eine Abänderung seiner Regenten und Beherrscher erfahren hat. Es ist aber solche Abänderung der Regenten desselben hauptsächlich, wie die folgende historische Beschreibung der Stadt selber zeigen wird, zu drey verschiedenen mahlen geschehen. Denn erstlich hat Wißbaden unter der Herrschaft seiner eigenen einheimischen Teutschen Königen und Fürsten, wie auch unter der Herrschaft der auswärtigen Römischen Kayser, wechselsweise, gestanden. Zweytens ist dieser Ort hierauf unter die Herrschaft der Fränckischen Königen, welche nachher das Teutsche Kayserthum an sich gebracht haben, gekommen. Drittens ist derselbe endlich ein Eigenthum der Grafen und Fürsten von Nassau worden. Wir machen also billig, zufolge dieser deutlichen Anleitung, bey unserer Wißbadischen Geschicht-Beschreibung auch drey Haupt-Abtheilungen. Die erste nennen wir: das Teutsche u. Römische Wißbad. Die zweyte: Das Fränckische und Kayserliche Wißbad. Die dritte: Das Nassauische Wißbad. Und wünschen, daß weiterhin kein viertes und ferneres Wißbad, oder neue Abtheilung der Beherrscher desselben, vor dem Ende der Tage, nach Göttlichem Willen, zu benennen, nöthig seyn möge!

[3]

Erste Abtheilung:
Das Teutsche und Römische
Wißbad;


oder
Beschreibung der Geschichten der Stadt Wißbaden unter den alten Teutschen Königen und Fürsten, wie auch unter den ersten Römischen Kaysern, ohngefähr, kurtz vor der Zeit der Geburt Christi an, bis auf das Jahr Christi 500.



Ursachen dieser Benennung.


Daß die alte Einwohner des Teutschlandes, und also auch unserer Wißbadischen Gegend, ehedessen ihre eigene einheimische Landes-Könige und Fürsten gehabt haben, denen sie, gewisser massen, Gehorsam geleistet, das wird uns von dem Tacito G. c. 7. 11-15. und anderen alten Römischen Geschicht-Schreibern, als von welchen wir lediglich die erste Nachricht von dem [4] Zustand des ehemaligen Teutschlandes hernehmen müssen, ausdrücklich bezeuget. Es werden uns auch von diesen Geschicht-Schreibern, hier und dar in ihren Schriften, verschiedene solcher damaligen Königen und Fürsten würcklich nahmhaft gemacht. Es sind aber deren, der Zahl nach, wenige, und ihre besondere Benennung ist, nach unserm dermaligen Zweck, von keinem sonderlichen Nutzen und Nothwendigkeit. Daher wir uns auch mit nahmentlicher Anführung derselben nicht aufzuhalten haben. Diejenige alte Teutsche Könige und Fürsten aber, welche einige neuere Geschicht-Schreiber, sonderlich Aventinus in der Bayerischen Chronick, weitläuftig benennen und bechreiben, werden gar von den heutigen Gelehrten, aus gutem Grunde, größtentheils vor ungewiß und zweifelhaft gehalten. Und also haben wir um so viel weniger Ursache, derselben hier insbesondere mit Nahmen zu gedencken. Genug ist es, daß sie würcklich ihre eigene eingebohrene Herren und Landes-Vorsteher gehabt haben. Es hat sich aber dieser eigenherrische und ziemlich freye Zustand der alten Teutschen Völcker, kurz vor Christi Geburt, gar sehr geändert. Denn da haben die damalige Römer, oder Bewohner der Stadt Rom in Italien, angefangen mit ihren Kriegs-Heeren aus Gallien über den Rhein in Teutschland zu gehen, und die daselbst wohnende Teutsche Völcker, unter allerley [5] gemachtem Vorwand, zu bekriegen, auch so viel möglich gewesen, unter ihre würckliche Bottmäßigkeit zu bringen. Sie sind auch nachher, nach der Geburt Christi, unter ihren nach und nach gefolgten Kaysern, und deren Feldherren, immerzu in diesem ihrem Unternehmen fortgefahren, und haben in den Teutschen Ländern, sonderlich um den Rhein-Strom herum, sich mehr und mehr fester zu setzen, sich alles Ernstes bemühet. Es ist also von selbst gar begreiflich, daß sie auch die Gegend, wo Wißbaden gelegen, weil sie dem Rhein-Strom und der Stadt Maintz, darin sie gemeiniglich damals eine Römische Besatzung hielten, so gar nahe gewesen, bey guter Zeit unter ihre Herrschaft zu bringen, werden getrachtet haben. Und es bezeugen einige ihrer damaligen Geschicht-Schreiber würcklich, daß ihnen dieses Vornehmen ziemlicher massen gelungen sey. Denn so meldet Florus L. 4. c. 12, und Tacitus A. 1. c. 51. daß Drusus, der Stief-Sohn, und Germanicus, der Stief-Enckel des Römischen Kaysers Augusti, die Usipeter, welche, nach einiger Gelehrten Meynung, wie unten wird gezeiget werden, eben die damalige Wisibäder gewesen, bezwungen haben. Und Tacitus bezeuget G. c. 29. daß die Mattiacken, welche ebenfalls unser Wißbaden, kraft unten anzuführender Beweis-Gründen, bewohnet haben, unter dem Gehorsam der Römer gestanden [6] haben. Es werden auch diese Zeugnüsse durch die mancherley in Wißbaden gefundene, mit Römischen Aufschriften versehene Steine, welche unten sollen beschrieben werden, nachdrücklich bestätiget. Denn diese geben klärlich genug zu erkennen, daß Römische Kriegs-Leute, von welchen diese Steine ursprünglich herrühren, ehemals zur Besatzung in Wißbaden gelegen, und also dieser Ort den Römern damals würcklich zugehöret habe. Wie denn auch durch die übrige alte Römische Denckmahle in und bey Wißbaden, welche unten ausführlich werden benennet werden, dieses alles annoch weiter überflüßig bestärcket wird. Dessen nicht zu gedencken, daß diese Römer selbst eine eigene Stadt und Festung, wie bald soll gezeiget werden, dicht an das alte Teutsche Wißbad angebauet haben, und sie also, ganz ohnstreitig, würckliche Beherrscher des damaligen Wißbads gewesen sind. Wie es aber damals mit der Herrschaft der Römer in Teutschland überhaupt so beschaffen war, daß dieselbe von keiner beständigen Dauer gewesen, und sie gar manchmal von den aufrührisch-gewordenen Teutschen wieder sind ausgejaget, und über den Rhein zurück getrieben worden; so ist gar leicht zu vermuthen, daß sie dergleichen auch von den damaligen Teutschen Einwohnern des Ortes und der Gegend Wißbaden manchmal werden erfahren haben müssen. Ja es meldet Tacitus [7]H. L. 4. c. 37. ausdrücklich, daß zur Zeit des Römischen Kaysers Vitellii (ohngefähr um das Jahr Christi 70.) die vorgedachte beyde Wißbadische Völcker, die Usipeter und Mattiacken, nebst den Catten oder Chatten, (das ist, nach der damaligen Teutschen Aussprache, Hatten, oder, wie es nachher ausgesprochen worden, Hassen oder Hessen) gar über den Rhein gegangen, und die Römer selbst in der Stadt Maintz belagert, und grosse Beute gemacht hätten. Und von dergleichen mehrerern Unternehmungen der damaligen, sonderlich Rheinländischen, Teutschen gegen die Römer sind die alte Römische Geschicht-Schreiber voll. Indessen haben dennoch diese Römer, aller dergleichen öfteren Abwechselungen ihres Kriegs-Glückes ohngeachtet, ihre Herrschaft über die Teutschen, um den Rhein herum, ziemlicher massen, bis in das vierte Jahrhundert nach Christi Geburt behauptet. Um solche Zeit aber hat sich ein grosser Schwarm allerley mannhafter Teutscher Völcker, unter dem Nahmen der Allemannen, zusammen geschlagen, und hat die Römer das mehreren Theils ihrer Herrschaft über die Teutschen, sonderlich um den Mayn- und Rhein-Strom herum, nach dem Zeugnüß des damaligen Römischen Geschicht-Schreibers Ammiani, beraubet, dagegen aber einer eigenen Herrschaft über die dasige Länder sich angemasset, und eigene Könige hin und wieder [8] gesetzet. Es ist von denselben auch Wißbaden in Besitz genommen worden. Wie denn der gemeldte Geschicht-Schreiber verschiedene solche Allemannischen Königen, welche das Land gegen Maintz über, und also auch die Wißbadische Gegend, beherrschet haben, mit Nahmen nennet, nemlich den Hortar, Suomar, Mackrian, Hariobaud, Rando, H. L. 18. c. 2, L. 27, c. 9, L. 29. c. 9, L. 30. c. 4, Edit. ver. Und hält Winckelmann in seiner Heßischen Chronick P. 6. L. 2. c. 4. nicht ohne Grund, davor, daß der vorgemeldte Nahme Hariobaud, nach der Teutschen Aussprache, nichts anders sey, als: Herr im Bad, das ist: Herr im Wißbad; wie denn dieser Hariobaud ein Bruder des Mackrians gewesen, welchem Wißbaden, wie unten deutlicher wird gezeiget werden, würcklich damals zugehöret hat. Es haben auch diese Allemannen solche ihre Herrschaft in den bemeldten Landen, wiewohl unter beständigen Kriegen mit den Römern, und mancherley Abwechselungen des Kriegs-Glückes, wie auch erlittenen Ueberzügen von den Vandalen und Hunnen, fast zweyhundert Jahre lang fortgeführet und erhalten. Bis sie endlich, nicht gar lange vor dem Jahr Christi 500. von den Francken, gegen welche sie sich viele Jahre hindurch tapfer vertheidiget, sind bezwungen, und ihrer Länder, folglich also auch der Wißbadischen Gegenden, [9] völlig sind beraubet worden, wie solches in der folgenden zweyten Abtheilung mit mehrerem wird berichtet und bestätiget werden. Und so ist denn aus denen bisher angeführten Zeugnüssen verschiedener Geschicht-Schreiber, und mehr andern gemeldten Beweis-Gründen, ziemlich deutlich zu ersehen, daß Wißbaden ohngefähr, kurtz vor der Zeit der Geburt Christi an, bis gegen das Jahr Christi 500. theils von einheimischen Teutschen, theils von auswärtigen Römischen Herren, wechselsweise ist beherrschet worden, und folglich also nicht ohne Grund, in diesem Zeitlauf, das Teutsche und Römische Wißbad von uns benennet werde.


Anfang und Erbauung
das Teutschen und Römischen
Wißbads.


Daß die alte Teutschen solche ansehnliche Städte und Flecken, wie sie bey den Römern und andern wohlbelebten Völckern schon vormals gewöhnlich waren, sollten angeleget und erbauet haben, das wird von dem Tacito G. c. 16. verneinet. Denn ihre gantze Lebens-Art, und also auch ihre Bau-Art, war schlecht und kurtz begriffen. Sie haben [10] aber dennoch ihre Städte, oder vielmehr Flecken, nach ihrer Teutschen Art, gehabt. Und Tacitus selbst, wie auch andere Römische Geschicht- und Erd-Beschreiber machen uns deren nicht wenige in ihren Schriften nahmhaft. Absonderlich haben sie sich gar gerne an solchen Orten angebauet, welcher mit besonderen Vorzügen der Natur, vor andern, begabet gewesen; weil sie, nach dem Bericht des Taciti A. 13. c. 57. geglaubet, die Götter wären in solchen Gegenden näher, als in andern, und könnten also das Gebät der Menschen daselbst eher hören, als an andern Orten. Da nun Wißbaden ein solcher Ort ist, welcher, wegen des daselbst hervor quillenden warmen Gesund-Wassers, einen gar nahmhaften Vorzug vor manchen andern Gegenden des Teutschlandes behaupten kan, als ist ziemlich sicher zu vermuthen, daß solcher in Zeiten, von denen in die dasige Gegend gekommenen alten Teutschen Völckern, werde seyn wohnhaft gemacht worden. Wenn aber, oder, zu welcher Zeit eigentlich solches geschehen sey? das ist unmöglich zu sagen. Denn die alte Teutschen haben, wie Tacitus G. c. 2. und 19. meldet, keine Schriften gekennet, noch Bücher gehabt, dadurch sie das Andencken von dergleichen Dingen auf die Nachkommene haben übertragen und fortpflantzen können. Die alte Römer aber, denen es am Können und Wollen, etwas schriftlich [11] aufzuzeichnen, nicht gefehlet, haben zwar, als sie, kurtz vor Christi Geburt, in Teutschland gekommen, eine und die andere Nachricht von der damaligen Beschaffenheit des Teutschlandes eingezogen, und ihre Geschicht-Schreiber haben solche, theils in lateinischer, theils in griechischer Sprache, schriftlich verfasset, und diese ihre Schriften sind auch bis auf unsere Zeiten, wiewohl nur zum Theil, und dabey in vielen Stücken sehr verstümmelt und unvollkommen, erhalten worden. Allein sie geben uns in denselben nur bloß allein davon einige Nachricht, was die Römer damals vor Völcker und Oerter in Teutschland angetroffen haben; von der ersten Anrichtung und Erbauung aber solcher Oerter geben sie uns keine Nachricht, und haben auch solche nicht wohl geben können, weil sie keine bey den Teutschen selber, als den eigentlichen Einwohnern des Landes, vorgefunden haben. Wir müssen also, wenn wir die erste und älteste Nachricht von einem Ort in Teutschland, davon wir vermuthen, daß derselbe sehr alt seyn müsse, haben wollen, uns bloß allein damit befriedigen lassen, daß wir forschen können: ob die Römer solchen Ort, um die gemeldte Zeit, allschon würcklich darin angetroffen haben, oder nicht? Und wenn wir denn also bey ihnen hinlängliche Nachricht finden, daß sie solchen würcklich damals angetroffen haben, so haben wir von [12] dem Alterthum eines solchen Ortes schon Zeugnüsses genug, ob wir gleich von der eigentlichen Zeit und den übrigen Umständen seiner Erbauung keine Nachricht erlangen können. So ist, z. E. wenn man fraget: zu welcher Zeit die benachbarte sehr alte Stadt Maintz (welche zwar wohl eigentlich in dem gantz alten Gallien gelegen, doch aber die ehemalige Gräntzen des Teutschlandes gar genau berühret hat) erbauet worden? bey den ältesten Römischen Geschicht-Schreibern keine weitere Nachricht hiervon zu finden, als daß solche Stadt damals, als die Römer, um die Zeit der Geburt Christi, an den Rhein-Strom gekommen, schon vorhanden gewesen sey; (wie sie denn derselben mit Nahmen gedencken) von der eigentlichen Zeit aber und den übrigen Umständen ihrer Erbauung ist bey solchen Geschicht-Schreibern keine Nachricht zu finden, weil ihnen, als Frembdlingen, keine bekannt gewesen, und die eingebohrene Einwohner des Landes ihnen keine, weil sie keine gewußt, ertheilet haben. Eben so verhält sichs mit Wißbaden. Und wenn wir also nun in dieser Absicht uns in den gemeldten Schriften der alten Römischen Geschicht-Schreiber umsehen, und nachforschen: ob sie etwan auch einige Meldung thun, daß ihre Landes-Leute, die Römer, bey ihrer ersten, kurtz vor Christi Geburt geschehenen Ankunft in Teutschland, unser Wißbad allschon [13] würcklich vorgefunden haben? so sind allerdings bey ihnen solche Nachrichten zu finden, daraus ziemlich deutlich (so viel nemlich solche alte und frebmde Schriften Deutlichkeit haben) abzunehmen ist, daß dieser Ort damals würcklich allschon vorhanden, und ein angebaueter Bad-Ort gewesen sey. Ihre Zeugnüsse davon sind diese: Erstlich gedencken die Römische Geschicht-Schreiber, welche kurtz vor, und bald nach der Geburt Christi gelebet: Caesar B. G. L. 4. c. 1, Florus L. 4. c. 12, Tacitus A. L. 1. c. 51. L. 13. c. 55. etc. daß sich damals ein besonderes Volck in Teutschland befunden habe, welches Usipeter und Usipier genennet worden. Und der damalige Erd-Beschreiber Ptolemaeus thut G. L. 2. c. 11. eines Teutschen Volckes, welches er Visper nennet, und einer Teutschen Stadt oder Fleckens, welchen er Usbium oder Visbium nennet, Meldung. Diese Völcker halten verschiedene grosse Kenner der Teutschen Alterthümer, nahmentlich: Spangenberg in der Sächsischen Chronick p. 55. Winckelmann in der Heßischen Chron. p. 124. 128. 129. Hert in Notit. vet. Germ. Pop. p. 85. Juncker in der Geogr. der mittl. Zeit p. 123. Eckard in Dissert. de Apoll. Gr.\&Mog. p. 10. etc. vor die alte Wisibäder; und den Ort Usbium oder Visbium (dessen auch in des Plinii Hist. Nat. L. 9. c. 15. laut einigen Ausgaben desselben gedacht wird) hält Irenicus [14] in der Exeg. Germ. p. 418. vor das alte Wißbaden. Ihre Gründe von solcher Muthmassung sind diese: Erstlich, sagen sie, ist die Gleichheit des Nahmens, bey dieser Sache, gar zu offenbar. Denn die Griechen und Lateiner haben in ihrer Sprache, bekannter massen, unter ihren Buchstaben kein W gehabt, sondern haben, an statt desselben, gemeiniglich sich des Buchstabens U oder V bedienet; folglich haben also die damalige Römer das, was die Teutschen Wisibäder genennet, durch Usibäder, Usipeter, oder kürtzer, durch Usipier und Visper, den Ort Wißbaden aber durch Usbium oder Visbium ausgesprochen. Zweytens, sagen sie, ist aus diesen gemeldten Römischen Geschicht-Schreibern deutlich genug zu ersehen, daß diese Völcker, nemlich die Usipeter, nahe bey den Catten oder heutigen Hessen, und nahe bey dem Rhein gewohnet haben. Denn es meldet Caesar l. c. daß die Usipeter von den benachbarten Sueven (darunter er, wie Cellarius über diesen Caesar B. G. L. 1. c. 37. anmercket, und es den Gelehrten ohnehin nicht unbekannt ist, hauptsächlich die Catten begreifet) hart seyn gedränget worden. Und Florus berichtet l. c. deutlich, daß der Römische Feldherr Drusus bey seinem ersten Kriegs-Zug in Teutschland (welcher gantz vermuthlich von Maintz aus, als woselbst er, wie die beste Ausgaben des Flori l. c. lesen, eine Brücke [15] über den Rhein errichtet hat, unternommen worden) zuerst die Usipeter, so denn die Tenchrerer (Mayn-Länder) und Catten (Hessen) angetroffen und bezwungen habe. Und Tacitus bezeuget G. c. 32. ausdrücklich, daß diese Usipeter zwischen den Catten und dem Rhein gewohnet haben; welches alles, wenn man es zusammen nimmt, auf die Wißbadische Gegend ziemlich genau, und fast ohnstreitig, eintrift. Soll man also nunmehr sagen, was von diesen vorgegebenen Beweis-Gründen zu halten ist? so muß man freylich, ohne vieles Bedencken, frey bekennen, daß dieselbe von keiner geringen Wichtigkeit seyen, und es also allerdings zu vermuthen sey, daß einige Teutsche Völcker ehemals die Wißbadische warme Brunnen in einer Wiesen-Gegend angetroffen, und sich daselbst angebauet, auch daher der Ort Wisebaden, sie selbst aber Wisebäder, oder, nach Römischer Mund-Art, Usibäder, Usipeter, Usipier und Visper seyen benennet worden. Doch es äussert sich hierbey eine nahmhafte Schwierigkeit. Nemlich es lehren die bald anzuführende Zeugnüsse einiger alten Römischen Geschicht-Schreiber gar deutlich, daß zu eben der Zeit, da die vorgedachte Usipeter vorhanden gewesen, ein Teutsches Volck, Nahmens Mattiacken, das alte Wißbad bewohnet und benennet habe. Folglich stehet also schwer zu begreiffen, wie [16] solches zu eben solcher Zeit von den Usipetern habe geschehen können? Allein es ist diese Schwierigkeit annoch gar wohl zu heben. Nemlich man kan aus den oftgemeldten Römischen Geschicht-Schreibern, sonderlich aus dem Tacito, gar deutlich ersehen, daß nicht nur die damalige verschiedene Teutsche Völcker öfters freywillig ihre Wohn-Stätten verändert, H. 4. c. 73. etc. sondern sich auch einander nicht selten vorsetzlich in den Haaren gelegen, und eines das andere aus seinem Wohn-Sitz mit Gewalt vertrieben habe, G. c. 33. etc. Folglich kan es also gar wohl geschehen seyn, daß die Mattiacken die Usipeter aus ihrem Wißbad heraus gejaget, und sich dasselbe zugeeignet, auch demselben, nach ihrer besonderen Sprach-Art, einen andern Nahmen, nemlich Matten-Bad oder Mattenack (davon unten weiterer Bericht folget) gegeben haben. Da denn vermuthlich die alten Usibäder oder Wisibäder sich Seit-wärts gezogen, und der Mattiacken Nachbarn geblieben sind, auch, weil sie einmahl Einwohner des Wiesenbads gewesen waren, den Nahmen der Wisibäder oder Usibäder fernerhin, nebst allen denjenigen, die sich zu ihnen geschlagen, behalten haben. Und diese Muthmassung wird durch das würckliche Zeugnüß des Caesars sehr bestätiget. Denn er meldet 1. c. ausdrücklich, daß schon zu seiner Zeit, das ist, ohngefähr 50. Jahre vor Christi Geburt, die Usipeter von [17] den Sueven oder Catten (von welchen die Mattiacken, wie unten wird berichtet werden, herkommen) so heftig seyen angefeindet worden, daß ein guter Theil derselben seine alte Wohnstätten verlassen, und sich nach dem Unter-Rhein gewendet hätte. Und hat es also aus diesem Grunde gar wohl seyn können, daß zu gleicher Zeit Usibäder und Mattenbäder, das ist, alte und neue Wißbäder haben vorhanden seyn können. Doch, es sind verschiedene gelehrte Forscher der Teutschen Alterthümer, welche zwar durch die gar zu offenbare Gleichheit des Nahmens Usipeter und Wisibäder sich fast gedrungen finden, diese Völcker in dem alten Wißbad zu suchen, bald aber auch, wegen der obgemeldten Schwierigkeit, wieder etwas wanckend werden, und fast lieber den Nahmen der Usipeter von dem Flüßlein Us, in der Wetterau, herleiten, auch dieselbe Gegend zu ihrem eigentlichen Wohn-Sitz bestimmen. Wiewohl auch wieder andere (wie denn bey dergleichen alten Völcker-Nahmen die Gelehrten, nicht selten, gantz verschiedene Meynungen zu haben pflegen) sich finden, welche sie lieber ursprünglich in den Unter-Rheinischen Landes-Gegenden suchen wollen. Man kan mehrere Nachricht von diesen mancherley Meynungen der Gelehrten, wegen dieser Usipeter, in des Bernhards Wetterauischen Alterthümern p. 19- finden, und hat der Leser Freyheit diese [18] verschiedene Muthmassungen solcher Gelehrten selber bestens zu prüfen, und diejenige, welche ihm, die wahrscheinlichste zu seyn düncket, zu erwählen. Zweytens finden sich bey den alten Römischen Schrift-Stellern, Plinio und Ammiano, einige Nachrichten daraus noch weiter ziemlich deutlich abzunehmen ist, daß Wißbaden, um die Zeit, als die Römer in Teutschland gekommen, schon ein angebaueter Bad Ort gewesen sey. Der erste schreibet in seiner Natur-Geschichte L. 31. c. 2. ohngefähr 70. Jahre nach Christi Geburt, also: „Sunt et Mattiaci in Germania fontes calidi, tran Rhenum, quorum haustus triduo fervet. Circa margines, vero pumicem faciunt aquae.“ Das ist: Es giebt auch bey den Mattiacken in Teutschland, jenseits des Rheins, heisse Brunnen, deren geschöpftes Wasser drey Tage lang warm bleibet. Um den Rand aber leget es einen Bims- oder Sandstein an. Daß durch diese heisse Brunnen der Mattiacken keine andere, als die Wißbadische warme Gesund-Brunnen, verstanden werden, solches wird klar erhellen, wenn wir darthun, daß diese Mattiacken in keiner andern Gegend, als um Wißbaden herum, gewohnet haben. Wir beweisen solches aus folgenden Gründen: Erstlich setzet der gedachte Plinius l. c. diese Mattiacken trans, und Tacitus G. c. 29. ultra Rhenum, das ist, jenseits des Rheins, auf Teutschlandes Grund und Boden. Denn den Römern [19] hieß die rechte Seite des Rheins, welche das ehemalige Teutschland berührete, jenseits, weil sie ausser ihrem damaligen Gebiete lag. Die lincke Seite des Rheins aber, welche das ehemalige Gallien berührte, hieß ihnen, disseits, weil sie zu ihrem damaligen Gebiete gehörete. Man kan also, nach diesem Grunde, die Mattiacken unmöglich, die doch einige thun, in Seeland setzen, denn solches Land lag den Römern nicht jenseits, sondern disseits des Rheins, auf Gallischem Grund und Boden. Zweytens setzet Tacitus diese Völcker nahe an den Rhein. Denn er saget l. c. sie hätten an ihrem Ufer, nemlich des Rheins, sich eingeschränckt gehalten, und gegen die Römer freundschaftlich bezeiget. Es gehen also diejenige fehl, welche diese Völcker tief in dem inneren Teutschland suchen. Drittens giebt der mehrgemeldte Tacitus H. L. 4. c. 37. nicht undeutlich zu verstehen, daß diese Mattiacken ihre Wohnstätten nahe um die Cattische, das ist, die Heßische, Landes-Gegenden gehabt hätten. Denn er saget daselbst, wie bereits oben berühret worden, daß sie, zur Zeit des Römischen Kaysers Vitellii, nebst den Usipetern und Catten, einen gemeinschaftlichen Aufstand gegen die Römer erreget, und so gar die, denenselben zugehörig-gewesene, Stadt Maintz belagert hätten. Wie hätten Sie aber solches, nach der damaligen Verfassung des Teutschlandes, da die verschiedene Völcker desselben selten eins waren, [20] füglich thun können, wenn sie nicht nahe bey einander gewohnet hätten. Folglich fällt also auch das Vorgegeben derjenigen weg, welche diese Völcker in die heutige Marck-Grafschaft Baden setzen, denn solches Land war allzuweit von der Heßischen Landes-Gegend entfernet. Viertens, muß man denn endlich, nachdem man diese Völcker bis um die Rheinische und Heßischer Landes-Gegenden herum aufgespüret, solche weiterhin und nahmentlich daselbst an einem solchen Orte suchen, wo, nach dem angeführten Zeugnüß des Plinii, sehr heisse Brunnen sind. Diese sind aber, in der gemeldten Gegend, nirgends anderstwo anzutreffen, als in Wißbaden. Denn obgleich das Embser- und Schlangen-Bad, wo ebenfalls warme Brunnen sind, auch in dieser Gegend liegen, so besitzen sie doch die sehr grosse Hitze nicht, welche Plinius von den Mattiackischen warmen Brunnen bezeuget, und können also durch dieselbe keinesweges verstanden werden. Zwar wollen einige annoch um deßwillen einen Anstand nehmen, dieses Zeugnüß des Plinii auf die Wißbadische warme Brunnen zu deuten, weil er von den Brunnen der Mattiacken l. c. bezeuget, daß ihr haustus, oder geschöpftes Wasser drey Tage lang warm bleibe, welches aber bey dem Wißbadischen warmen Wasser sich nicht also befindet. Allein es dienet hierauf zur Antwort: Erstlich, daß man eben nicht nöthig habe, die Worte des Plinii: [21] drey Tage lang, in ihrer äussersten oder strengesten Bedeutung zu nehmen, weil Plinius, wie den Gelehrten bekannt ist, den Fehler hat, daß er, in seinen Beschreibungen der mancherley Seltenheiten der Natur, sich öfters allzu leichtglaubig bezeiget, und eine Sache mehrmalen grösser machet, als sie würcklich ist. Ja, es scheinet, daß er, bey Benennung dieser drey-tägigen Hitze welche er den gedachten Brunnen beyleget, fast selber stutzig worden. Denn er setzet sogleich diese Worte hinzu: So aber jemanden eines oder das andere, von diesen Dingen, als unglaublich vorkommen sollte, der wisse, daß in keinem Theil der Natur grössere Wunder zu finden seyen, als bey dergleichen heissen Brunnen. Zweytens, so kommt es hierbey auch noch vornemlich darauf an, daß man wisse, wie man das Wort: haustus, oder geschöpftes Wasser, eigentlich verstehen solle? Verstehet man es also, daß man dieses heisse Wasser in ein kleines offenes Gefässe schöpfet, und an die freye Luft stellet, so wird wohl nicht allein das Wißbadische warme Wasser nicht, sondern auch kein anderes heisses Wasser auf der gantzen Erde, von solcher Hitze seyn, daß es nur drey Stunden, geschweige drey Tage lang, solche seine Hitze, auf diese Art, behalten könne. Verstehet man es aber also, daß man dieses heisse Wasser behend aus seiner Quelle in ein grosses [22] Gefässe z. E. in ein zwey- oder drey-öhmigtes Spund-Faß füllet, und es wohl zugespündet und verwahret, so wird solches allerdings, zumal bey warmen Sommer Tagen, seine Hitze zwey bis drey Tage lang würcklich behalten. Und erzehlet Weber in seiner Teutschen Beschreibung des Wißbads p. 34. daß, wenn ehemals der Graf Ludwig von Nassau-Saarbrücken das Wißbadische warme Wasser, auf solche Art, habe nach Weilburg bringen lassen, solches annoch so heiß daselbst, ob dieser Ort gleich über 6. Meilen weit von Wißbaden entfernet ist, angekommen sey, daß gedachter Herr nicht eher darin habe baden können, bis man es erst vorher noch einige Zeit lang in etwas habe verkühlen lassen. Und da dergleichen Schöpfen und Wegführen des Wißbadischen warmen Wassers vermuthlich auch ehemals, zu der Römer Zeiten, gleichwie es jetzo zuweilen fast täglich geschicht, wird gewöhnlich gewesen seyn, so ist es gantz glaublich, daß Plinius in den oft-gemeldten Worten ein solches Schöpfen verstanden, und also sein Zeugnüß von der drey-tägigen Hitze des Wißbadischen warmen Wassers keine sonderliche Unrichtigkeit in sich habe. Wiewohl es überhaupt vor das Wißbadische warme Wasser, wegen dieses Zeugnüsses des Plinii, schon genug ist, daß es, zumal in seiner grossen Haupt-Quelle, fast denjenigen hohen Grad der Hitze besitzet, den ein rechtheisses Wasser irgend haben kan. Denn es [23] scheinet würklich fast kochend oder siedend zu seyn, weil es diejenige Würckungen äussert, welche ein kochend- oder siedend-gemachtes Wasser ordentlich zu äussern pfleget; wie davon unten, in Beschreibung der Natur-Seltenheiten des Wißbads, ausführlicher wird gehandelt werden. Was auch endlich noch den Pumicem, Bims- oder Sandstein, welchen Plinius den Mattiackischen Brunnen zuschreibet, anbelanget, so ist solcher so reichlich und überflüßig in unserm Wißbad anzutreffen, daß ihm hierin keines von den obgemeldten andern, in unserer Gegend sich findenden, Bädern wird beykommen können; wie die Wahrheit dessen, durch den Augenschein selbst, sich jedermann offenbaret. Man nennet in Wißbaden diesen Pumicem oder Sandstein in den Bädern, von alten Zeiten her, den Senner oder Sender, welcher Nahme gantz vermuthlich, seinem Ursprung nach, nichts anders ist, als Sänder, Sänderich oder sandiger Stein. Der andere alte Römische Geschicht-Schreiber, welcher, nebst dem bisher angeführten Plinio, des alten Wißbads gedencket, ist der oben benennte Ammianus. Dieser meldet (ohngefähr um das Jahr Christi 371.) H. L. 29. c. 9. daß der Römische Kayser Valentinian damals mit seinem Kriegs-Volk aus Gallien über den Rhein in Teutschland gesetzet, um den Allemannischen König Mackrian, welcher sich in den Aquis [24] Mattiacis oder Matten-Bad aufgehalten, zu überfallen. Als aber solcher in Zeiten davon geflüchtet, so habe er aus Zorn dieselbe gantze Gegend verwüstet, und sey die Verwüstung so groß gewesen, daß der neue König Fraomar, den er diesen Allemannen (welche die Bucinobanter, das ist, nach der Teutschen Aussprache, die Buchhaaner, von den Buchhaynen oder Haanen, die sie auf dem Berge Taunus oder dem Hayn bewohnet, sind benennet worden) gegeben, nicht habe im Lande bleiben können. Daß durch diese Aquas Mattiacas oder Matten-Bad abermal kein anderer Ort, als das alte Wißbad, verstanden werde, das siehet man gar deutlich aus dem, was dieser Geschicht–Schreiber bald hierauf weiter meldet. Nemlich, er setzet hinzu: dieses verwüstete Land habe gelegen contra Moguntiacum, das ist, gegen Maintz über. Und L. 30. c. 4. gedencket er, daß, als der vorbenennte König Mackrian wieder herbey in sein Land gekommen, mit dem Kayser Valentinian Friede zu machen, solches geschehen sey prope Moguntiacum ad ipsam marginem Rheni, das ist, nahe bey Maintz an dem Ufer des Rheins, auf Teutschem Grund und Boden. Aus welchem allen, wenn man es zusammen nimmt, ziemlich deutlich und überzeugend, so viel nemlich bey den kurtzen und dunckelen Nachrichten solcher alten Schrift-Steller möglich ist, erhellet, daß man diese [25] oft-gemeldte Mattiackische Brunnen und Bäder an keinem andern Orte, als in unserm Wißbad, zu suchen habe. Und eben dieses alles hat die meisten gelehrten Forscher der Teutschen Alterthümer bewogen, daß sie in ihren öffentlichen Schriften, ohne allen Anstand, und gleichsam einhellig, diese Aquas Mattiacas vor das alte Wißbad erklärt haben, z. E. Willich und Beuther in ihren Anmerckungen über den Tacitum G. c. 29. Cluver in Germ. Antiq. p. 519. Winckelmann in der Heßischen Chron. p. 73. etc. Fürstenberg in Monum. Paderb. p. 246. Cellarius in Geogr. Antiq. T. I. p. 474. Hert in Notit. vet. G. P. p. 81. Juncker in der Geogr. der mittl. Zeit p 105. Spener in Notit. Germ. Antiq. p. 217. Bernhard in den Wetterauischen Alterth. p. 88. etc. wie man solche ihre Zeugnüsse davon, dem völligen Inhalt nach, kan angeführet finden in des Verfassers Merckw. der Stadt Wißb. P. 1. p. 18, P. 2. p. 14. Und sind sonderlich unter denselben des gründlichgelehrten Geographi Cellarii Worte, vor andern, sehr merckwürdig, als welcher l. c. also schreibet: Mattiacae Aquae sunt omnium consensu Thermae Wisbadenses, e regione Moguntiaci. Das ist: Die Mattiackische warme Brunnen sind nach dem einstimmigen Urtheil aller (gründlichen Kenner der Teutschen Alterthümer) die Bäder zu Wißbaden, gegen Maintz über. Daß aber übrigens durch die, [26] bey denen vorgemeldten Römischen Geschicht-Schreibern, Plinio und Ammiano, vorgekommene Worte: Fons und Aqua, das ist: Brunn und Bad, keine blosse Brunnen und Bäder im freyen Felde, sondern ein angebaueter und bewohnter Bad-Ort angedeutet werde, das brauchet bey denen, welche die Sprach-Art der alten Römischen oder lateinischen Schrift-Steller verstehen, keines besondern Beweises. Denn die wissen, daß, wenn bey solchen Schrift-Stellern z. E. die Fontes Belleni, Aquae Sextiae, Gratianae etc. vorkommen, solche keine blosse unbewohnte Bad-Gegenden, sondern angebauete und bewohnte Gesund-Brunnen und Bad-Oerter gewesen seyen. Und wird also ein gleiches eben auch von unsern Fontibus und Aquis Mattiacis oder Matten-Bad, aus diesem Grunde, ohnstreitig gelten müssen, folglich also daraus hinlänglich genug erhellen, daß Wißbaden, als die alte Römer, um die Zeit der Geburt Christi hin, in die Rheinländische Gegenden gekommen, allschon ein angebaueter und bewohnter Bad-Ort oder Teutscher Flecken gewesen sey. Es ist hierbey noch mit wenigem anzumercken, daß auch Tacitus A. l. c. 56, und Ptolomaeus G. L. II. c. 11. eines alten Teutschen Ortes Nahmens Mattium und Mattiacum, Meldungen thun, und es ist sehr wahrscheinlich, daß wenigstens durch den letzten, wo nicht auch durch den ersten, unsere Aquae [27] Mattiacae oder altes Teutsches Mattenbad bedeutet werden. Man darf aber, wenn man dieses vor gegründet hält, den oben die gemeldten bey dem Ptolomaeo gleichfalls vorkommenden, Teutschen Ort Usbium nicht vor unser altes Wißbad halten, denn Usbium und Mattiackum sind bey ihm zwey unterschiedene Oerter. Oder man muß vermuthen, daß etwan Ptolomaeus irriger Weise zwey Oerter daraus gemachet hätte, da es doch nur zwey Nahmen eines Ortes gewesen, nemlich Wiesenbad und Mattenbad; welches denn auch, weil die alte Römische Schrift-Steller, bekanntlich, nicht allezeit die gehörige Kundschaft von der eigentlichen Beschaffenheit des Teutschlandes gehabt haben, sich leichtlich hat eräugnen können.

Es haben aber die gemeldte, in Teutschland gekommene, Römer, als sie sich vorgenommen, sich darinen fest zu setzen, und daher allerley Städte und Festungen, nach Römischer Art hin und wieder in demselben, sonderlich um den Rhein-Strom herum, zu errichten angefangen, annoch dicht bey unser Teutsches Wißbad eine besondere Römische Stadt und Festung angeleget und erbauet. Der Beweis hiervon ist dieser: 1, Es findet sich mitten in Wißbaden eine sehr alte ansehnliche Mauer, welche, von alten Zeiten her, die Heidnische Mauer genennet wird, und also, kraft dieses Nahmens, aus der alten [28] Heiden Zeit annoch herrühret. Sie wird unten ausführlich beschrieben werden. 2, Diese Mauer ist ohnstreitig eine Stadt- oder Ring-Mauer gewesen, welche das ehemalige Wißbaden umringet und verwahret hat. Denn sie ist in und bey der Stadt befindlich, und man kan nicht absehen, zu was Ende sie bey der Stadt sollte seyn errichtet worden, wenn sie nicht derselben zu einer Ring-Mauer gedienet hätte. 3, Sie scheidet die Bad-Gegend und den übrigen Theil des Wißbads gar kenntlich von einander. 4, Sie hat aber nicht die Bad-Gegend oder den alten Teutschen Bad-Ort des Wißbads, sondern den übrigen Theil desselben umgeben. Es ist zwar nur ein einfaches Stück dieser Mauer gegenwärtig vorhanden, und da der gegenseitige Umfang derselben (welcher doch nothwendig ehedessen ebenfalls muß vorhanden gewesen seyn, und die Stadt völlig umringet haben) heut zu Tage fehlet, so könnte man in einen Zweifel gerathen, ob die Stadt, welche diese Mauer umgeben, auf dieser oder jener Seite der Mauer gelegen habe, und also entweder der alte Bad-Ort, oder aber der anderweitige Theil des Wißbads von dieser Mauer umgeben worden wäre? Allein es sind deutliche Anzeigungen vorhanden, daraus man klärlich siehet, daß diese Mauer nicht den Bad-Ort, sondern den übrigen dabey liegenden Theil des Wißbads umgeben habe. [29] Es finden sich nemlich in dieser Mauer einige alte Thürne, welche von alten Zeiten her Kessel (Castella) genennet werden. Einer derselben stehet auf dem sogenannten Heidnischen Berge, der andere in der sogenannten Metzger-Gasse. Diese alte Thürne sind auf derjenigen Seite der Mauer, welche den Bad-Ort oder die Bad-Gegend des Wißbads berühret, an die Mauer angeschlossen, nemlich also:

Wißbaden.

Heidnische   Mauer

Kessel oder
Thürne.

Bad-Gegend des Wißbads.


Dieses giebet eine klare Anzeige, daß diese Seite der Mauer, wo diese Thürne angeschlossen stehen, die äussere Seite der Stadt-Mauer gewesen sey, und also folglich die Stadt selber, welche von dieser Mauer umschlossen worden, nicht inner- sondern ausserhalb der Bad-Gegend gelegen habe. Denn dergleichen Anschluß-Thürne haben ihren ordentlichen Stand nicht in- sondern aus-wendig an den Mauern. Die Exempel vieler hin und wieder annoch zu sehender alten Stadt-Mauern, daran ordentlicher Weise daran befindliche Thürne jedesmal auswärts an den Mauern angeschlossen stehen, [30] und auch, der abgezweckten Vertheidigung wegen, auswärts haben stehen müssen, lassen uns an der Wahrheit dieser Sache, die ohnehin von allen Mauer-Verständigen bestätiget wird, gar nicht zweifeln. Es sind dergleichen äussere Thürne auch in den neueren Stadt-Mauern, und selbst in der neuen Wißbadischen, hier und dar zu sehen, und werden dieselbe insgemein Rundele genannt. 5, Diese Mauer, welche, wie man aus den überbliebenen Stücken derselben abnehmen kan, sehr groß und starck gewesen, ist kein Werck der alten Teutschen, sondern der alten, in Teutschland ehemals angekommenen, Römer. Es wird solches unten, in der Beschreibung dieser Mauer, ausführlich bewiesen werden. 6, Folglich ist also auch die Stadt selber, welche diese Mauer umschlossen hat, nicht von den Teutschen, sondern von den Römern erbauet worden. Denn es ist leicht zu erachten, daß diese grosse und starcke Mauer nicht um deßwillen werde seyn errichtet worden, daß sie einige schlechte Häuser oder vielmehr leimerne Hütten (dergleichen sich in dem alten Teutschen Wißbad, wie in allen andern Flecken der alten Teutschen, nach dem Zeugnüß des Taciti G. c. 16. werden befunden haben) habe umgeben sollen. Sondern es ist gantz sicher zu schliessen, daß sie um solcher Wohnungen und Gebäude willen, welche einige Gleichförmigkeit mit der [31] ansehnlichen Ring-Mauer gehabt, und derselben werth gewesen, erbauet worden sey. Dergleichen ansehnliche Wohnungen und Gebäude aber haben die alte Teutschen, nach dem eben angeführten Bericht des Taciti, nicht gehabt, sondern die Römer. Man siehet aus diesem allen so viel, daß die Römer, bey ihrer Ankunft in unserer Gegend, allschon die eigentliche Bad-Gegend des Wißbads angebauet gefunden haben, denn sonst würden sie dieselbe, wegen ihrer warmen Bad-Quellen, gantz vermuthlich, mit in ihre Ring-Mauer eingeschlossen, und selber angebauet haben. Sie haben auch diesen alten Bad-Ort, aller Wahrscheinlichkeit nach, eben wegen seiner nützlichen Bäder, in seinem Wesen gelassen, und den einländischen Teutschen, solchen ferner zu bewohnen, verstattet. Sie haben aber neben diesen alten Bad-Ort eine besondere neue Stadt und Festung, nach ihrer Römischen Art, erbauet, und sich derselben, als einer Cidatelle oder Burg gegen die Teutsche Anwohner (welche, weil sich bey den Bädern gemeiniglich vielerley Volck versammlet, gar leicht zu Meuterey und Aufstand hätten veranlasset werden können) bedienet. Wenn, oder zu welcher Zeit eigentlich dieses Römische Wißbad errichtet worden sey? das lässet sich zwar so genau nicht bestimmen. Weil aber doch, wie unten wird gezeiget werden, vormals unter denen, in Wißbaden [32] befindlich-gewesenen, Römischen Stein-Aufschriften auch eine sich befunden hat, welche, wie man aus einigen guten Gründen urtheilen kan, zu den Zeiten des Römischen Kaysers Augusti ist errichtet worden, so wird es sehr wahrscheinlich, daß die Römer allschon um solche Zeit sich in Wißbaden angebauet haben. Wie denn aus dem Römischen Geschicht-Schreiber Floro L. 4. c. 12. bekannt ist, daß der Feldherr dieses Kaysers, Drusus, nicht nur in Teutschland sich sehr ausgebreitet, sondern auch über 50. Festungen, um die Ufer des Rheins herum, angeleget habe. Und von solchen Festungen scheinet unser Römisches Wißbad eine gewesen, und also um solche Zeit angeleget worden zu seyn. Es wird dieses alles, was bisher von der vermuthlichen Erbauung des Teutschen und Römischen Wißbads ist gemeldet worden, durch die, in dem folgenden annoch vorkommende, weitere Nachrichten immer mehr und mehr klärer gemacht und bestätiget werden.


Einwohner
das Teutschen und Römischen
Wißbads.


Wenn die Muthmassung einiger Gelehrten von den alten Usipetern, in Absicht auf [33] unser Wißbad, wie wir solche kurtz vorher angeführet haben, Grund hat, so sind die erste und älteste Einwohner desselben keine andere gewesen, als eben diese alte Teutsche Völcker, welche auf Teutsch Wisebäder, auf Römisch aber Usibäder oder Usipeter sind genennet worden, und welche also diesen Nahmen von den Bad-Quellen selber, welche sie in einem Wiesen-Grunde gefunden und angebauet, erhalten, solche Benennung aber hernach auf alle diejenige, welche sich in der dasigen Gegend zu ihnen geschlagen, ausgebreitet haben. Und kan man von ihnen bey den Römischen Geschicht-Schreibern, Caesare und Tacito etc. verschiedene merckwürdige Nachrichten antreffen. Sie müssen aber, wenn diese Vermuthung gegründet ist, nachmals von einem andern Teutschen Volcke, welches Mattiacken genennet wird, aus diesem ihrem Bad-Ort vertrieben, und Seit-wärts seyn gejaget worden. Denn daß diese Mattiacken solchen, in den Mittel-Rheinischen Gegenden befindlich-gewesenen, und mit sehr heissen Quellen versehenen Bad-Ort, das ist, Wißbaden, würcklich bald nach Christi Geburt bewohnet und benennet haben, das ist kurtz vorher ziemlich deutlich, aus verschiedenen alten Römischen Geschicht-Schreibern, bewiesen worden. Es sind diese Mattiacken, wie man nicht ohne Grund aus dem Tacito G. c. 29. schliesset, ihrem Ursprung nach, [34] eigentlich Catten oder Hessen gewesen. Die Catten aber haben, nach oben angeführten Zeugnüssen des Caesars, (der sie unter dem Nahmen der Sueven begreifet) die Usipeter sehr hart gedränget. Wie denn diese Sueven und Catten so mächtig waren, daß die andere Teutsche Völcker davor hielten, die unsterbliche Götter selber wären ihnen nicht gewachsen, siehe den Caesar B. G. L. 4. c. 7. Und kan es also gar wohl geschehen seyn, daß von einem Theil dieser mächtigen Catten das damalige Wißbad eingenommen, und nach ihrer besondern Sprach-Art, an statt Wiesenbad, Mattenbad oder Mattenack, sie selber aber Mattenbäder oder Mattenacken oder Mattiacken sind genennet worden. Denn in der alten Teutschen Sprache heisset das Wort Matte eine Wiese, und das Wort Aaa, Aba, Ach, heisset ein Wasser, und hat dieses letzte eine Gleichheit mit dem lateinischen Wort Aqua, siehe hiervon das Hydrographische Lexicon p. 1. und des Wachters Gloss. Germ. p. 9. Mithin ist also Mattenach oder Mattenack so viel als Mattenbad, und Mattenacken oder Mattiacken so viel als Mattenbäder. Es haben diese Mattiacken, wie man aus dem Tacito l. c. und dem Martiale Epig. L. XIV. n. 25. abnehmen kan, die Kauf- und Handelschaft geliebet, auch sind sie zugleich von einer sehr rauhen und kriegerischen [35] Gemüths-Beschaffenheit, laut dem Zeugnüß des Taciti l. c. gewesen. Wie sie denn das Hertz gehabt haben, daß sie um das Jahr Christi 70. in Gesellschaft der Usipier und der Catten, wie bereits oben berühret ist, gar über den Rhein gegangen, und die Römer in der Stadt Maintz belagert haben. Sie sind zwar genöthiget worden, die Belagerung wieder aufzuheben, sie haben aber doch sehr reiche Beute gemacht, und überhaupt den Römern um den Rhein herum sehr grossen Schrecken eingejaget, siehe davon den Tacitum H. 4. c. 37. Es sind aber diese Mattiacken nicht beständig die alleinige Einwohner unseres Bad Ortes geblieben, sondern es sind, wie oben hinlänglich bewiesen worden, die Römer, um die Zeit der Geburt Christi hin, auch dazu gekommen, und haben sich durch die Gewalt der Waffen zu Mit-Einwohnern in demselben gemacht, ja gar eine eigene Römische Stadt und Festung bey das alte Teutsche Wißbad angebauet. Da denn zu vermuthen ist, daß vornemlich allerley Römische Kauf- und Handels-Leute, wegen des Gewerbes mit den Badenden, wie auch die gewöhnliche Kriegs-Leute, wegen der nöthigen Besatzung, sich in derselben werden aufgehalten, und zum Theil auch daselbst sich würcklich häuslich niedergelassen haben. Es hat sich aber endlich um das vierdte Jahrhundert nach Christi Geburt ein Teutsches Volck, mit Nahmen [36] Allemannen, das ist: allerley Männer, oder: allesamt Männer, (wie sie denn Ammianus durchgängig als sehr tapfere und behertzte Leute beschreibet) aufgeworffen, und durch Bekriegung der Römer, wie ebenfalls oben bewiesen worden, den Ort und die Gegend Wißbaden überwältiget und eingenommen, und also auch, wie leicht zu erachten stehet, zum Theil bewohnet. Bis sich nachmals gegen das Jahr Christi 500. wie in der zweyten Abtheilung wird gezeiget werden, diese Allemannen durch die Francken haben müssen aus ihren Landen, und also auch aus Wißbaden, verdrängen lassen. Zwar ist nicht zu dencken, daß diese verschiedene Völcker, welche das alte Wißbad, kraft der bisher angeführten Zeugnüssen, nach und nach eingenommen haben, jedesmal die alten Einwohner desselben, es wäre denn, daß sie sich äusserst widersetzet, völlig sollten ausgerottet haben. Allein es ist doch auch gar leicht zu vermuthen, daß solche alte Einwohner gemeiniglich dabey, nach dem gewöhnlichen Schicksal bey solchen feindlichen Ueberzügen, so dünne werden gemacht worden seyn, daß sich nachmals Platz genug vor diese und jene neue Einwohner wird gefunden haben. Dessen nicht zu gedencken, daß doch jedesmal bey solchen Fällen, gantz vermuthlich, mancherley neue Kriegs-Völcker in den Ort, zur Besatzung desselben, werden eingeleget, und also derselbe auch [37] dadurch mit allerley neuen Einkömmlingen, welche diese Kriegs-Leute nach sich gelassen, wird seyn vermehret worden.


Aüssere Gestalt und Beschaffenheit
das Teutschen und Römischen
Wißbads.


Daß man sich an dem alten Wißbad, in so lange dasselbe nur allein von eingebohrenen Teutschen Völckern bewohnet worden, keine förmliche Stadt, oder zierlich-zusammengebaueten Ort, vorzustellen habe, das ist aus dem bereits oben angeführten klaren Zeugnüß des Taciti deutlich genug abzunehmen. Denn derselbe meldet G. c. 16 ausdrücklich, daß sich die alte Teutschen mit Erbauung ordentlicher, zierlicher und wohl-verwahrter Städten und Flecken gar nicht aufgehalten, sondern ihre Wohnhäuser ohne Ordnung und Zusammen-Reihung, ja in ziemlicher Weite von einander, auf die einmal erwählte Plätze schlechthin aufgestellet und erbauet hätten. Man hat also, kraft solcher Nachricht, gantz sicher zu glauben, daß das gantz alte Teutsche Wißbad bloß allein aus einem geringen Flecken, oder wenigen schlechten Wohnhäusern und Hütten, in und bey der Bad-Gegend [38] desselben werde bestanden haben. Es haben aber die alte Römer, als sie in unsere Gegenden gekommen, annoch neben diesem Teutschen Bad-Ort, wie bereits oben gezeiget worden, eine eigene Römische Stadt erbauet, und diese ist freylich ohnstreitig von gantz anderer Gestalt und Beschaffenheit gewesen, als das Teutsche Wißbad. Die alte Heidnische, zum Theil noch vorhandene, Stadt-Mauer, welche diese Römische Stadt ehemals umgeben, zeiget klärlich, daß dieses Römische Wißbad nicht nur unten an dem Fusse des so genannten Heidnischen Berges, sondern auch oben auf demselben gestanden habe. Denn bis dahin hat sich diese Mauer, wie noch zu sehen ist, erstrecket. Und es ist noch jetzo auf diesem Heidnischen Berge, um diese Mauer herum, allerley altes Neben-Gemäuer, vermuthlich von ehemaligen daselbst gestandenen Gebäuden und Schantzen, in und uber der Erde befindlich. Und da sich diese Mauer auf der anderen Seite bis hinter das heutige herrschaftliche Schloß, wie die Grund-Stücke derselben, die man noch vor weniger Zeit daselbst herausgegraben, zu erkennen gegeben, erstrecket hat, so siehet man wohl, daß die gemeldte Römische Stadt, welche von dieser Mauer umgeben worden, von einer beträchtlichen Grösse müsse gewesen seyn. Doch lässet sich der eigentliche Bezirck derselben dermalen nicht bestimmen. Denn es ist nur ein einfaches [39] Stück dieser Mauer annoch vorhanden, und das gegenseitige Stück, und der weitere gantze Umfang derselben, (welcher doch nothwendig ehemals auch muß vorhanden gewesen seyn, und die Stadt auf allen Seiten umschlossen haben) fehlet heut zu Tage, nachdem ihn die Länge der Zeit aufgerieben, völlig. Doch ist zu vermuthen, daß diejenige gantze Gegend unseres Wißbads, die man noch heut zu Tage (wie unten wird gezeiget werden) die Stadt heisset, zu der alten Römischen Stadt werde gehöret haben. Was die weitere Gestalt und Beschaffenheit dieses Römischen Wißbads anbelanget, so ist dasselbe, sonder allen Zweifel, nach der Gewohnheit der Römer, mit viel bessern Gebäuden und Wohnhäusern, als das Teutsche Wißbad, versehen gewesen. Wie denn ohnehin aus der ansehnlichen Gestalt der gemeldten Stadt-Mauer deutlich genug abzunehmen ist, daß die Stadt selbst in keiner schlechten Verfassung sich werde befunden haben. Doch lässet sich eben auch aus der Grösse und Stärcke dieser Mauer nicht unfüglich schliessen, daß die Stadt mehr eine Festung und Soldaten-Stadt, als eine Gewerb- und Burger-Stadt werde gewesen seyn. Wie denn die in unserm Wißbad vormals vorhanden-gewesene, unten zu beschreibende, Römische Soldaten-Steine sattsam zu erkennen geben, daß dasselbe von den Römern, so lange sie die Ober-Hand in [40] unsern Gegenden gehabt, sehr fleißig mit Soldaten beleget worden sey. Und es ist ohnehin aus den alten Römischen Geschicht-Schreibern bekannt, daß die Colonien oder Pflantz-Städte, welche die Römer ehemals in Teutschland, sonderlich um den Rhein und um die Donau herum, angeleget haben, mehrentheils Schantz-Städte oder Festungen gewesen, dadurch sie, die anwohnende Teutschen im Zaum zu halten, getrachtet haben. Sonst ist noch zu mercken, daß zwar unser mehrgemeldtes Römisches Wißbad von dem Teutschen Wißbad durch die oft-benennte Stadt- oder Ring-Mauer, wie der Augenschein zeiget, abgesondert gewesen; doch ist zu vermuthen, daß es zugleich durch ein oder das andere Thor mit demselben, sonderlich um der Bäder willen, werde verbunden, und also diese beyde Oerter gleichsam Stadt und Vor- oder Neben-Stadt damals werden gewesen seyn. Wiewohl doch auch selbst in dem Römischen Wißbad sich hinlängliche Bad-Quellen befunden haben. Weil übrigens unser Wißbad, seiner Land-Lage nach, auf der einen Seite an den grossen Wald der so genannten Höhe angräntzet, so ist noch mit wenigem zu bemercken, daß dieser Wald sich vormals, in den gantz alten Teutschen und Römischen Zeiten, viel näher an Wißbaden gestrecket habe, als heut zu Tage. Denn es finden sich nicht nur ohnweit dieser Stadt, nach dem Walde zu, solche [41] Feld-Gegenden, welche durch ihre Nahmen, z. E. Oberrod (Ueberried) Röder, Hayn-Bühel etc. deutlich genug anzeigen, daß vormals Wüsteneyen und Waldungen oder Hayne daselbst gewesen, solche aber nachmals ausgerodet, und in Aecker und Weinberge seyen verwandelt worden; sondern es sind auch überhaupt alle die Weingarten, welche dermalen zwischen der Stadt und dem Walde auf den Bergen anzutreffen sind, in den gedachten alten Zeiten noch nicht vorhanden, sondern vermuthlich Heiden und Waldungen daselbst befindlich gewesen. Um das Jahr Christi 280. hat der Römische Kayser Probus, nach dem Bericht des Eutropii L. 9. c. 11. erst in Gallien Weinreben pflantzen lassen, und von dar ist nachmals dieser Wein-Bau auch in Teutschland unter der Hand erst bekannt und gewöhnlich gemacht worden.

Man träget sich übrigens in Wißbaden mit einer alten Sage, daß an dem Ort, wo die Stadt stehet, vor Alters ein grosser Bad-See gewesen sey, darin sich die Leute gebadet hätten, und mit Nachen darauf herum gefahren wären. Ja, es setzen einige noch weiter hinzu, daß damals der Rhein bis an Wißbaden gegangen, und gleichsam einen Damm (wie es möglich gewesen, daß das Wasser des Rheins einen Damm habe machen, und das Bad-Wasser aufhalten können? das ist schwer zu [42] begreifen) um diesen Bad-See gemacht hätte. Es sey aber nachmals ein See-Rauber (vielleicht hat jemand etwas von dem alten Ulysses, oder gar von dem Hercules, welche Teutschland vormals sollen besuchet haben, aus dem Tacito G. c. 3. und 2. gehöret) gefangen worden, welcher, weil man ihme das Leben geschencket, zur Danckbarkeit die Felsen im Rhein bey Bingen eröfnet, und dadurch diesem Strom gegen freyen Lauf, den er noch hat, verschaffet, und also denselben von Wißbaden abgeleitet hätte etc. Allein es sind dieses alles solche Dinge, die den geringsten Grund nicht haben, und, Teutsch zu reden, nichts anders, als Mährlein leichtglaubiger Leute. Denn was einmal den vorgegebenen Bad-See anbelanget, so kan es zwar gar wohl möglich seyn, daß in den gantz alten Zeiten, ehe Menschen in die Wißbadische Landes-Gegend gekommen, welche den Ausfluß der warmen Wasser–Quellen in eine rechte Ordnung gebracht, solche wohl einen oder den andern kleinen See oder Weyher, nach Art solcher starcken Quellen, haben machen können. Und also kan es auch wohl möglich seyn, daß die allererste Ankömmlinge von Menschen in der Wißbadischen Gegend einen solchen warmen See damals daselbst angetroffen haben. Allein wer will heut zu Tage noch etwas von einem solchen damals möglich-gewesenen Vorfall wissen oder benachrichtigen können, da [43] Wißbaden, wie oben gezeiget worden, eine Wohnstadt von sehr hohem Alter ist? Und wie sollte sich dieser Umstand der Sache (wenn er ja würcklich Grund hätte) durch so viele hundert Jahre hindurch, bey den vielen grossen Veränderungen, die unsere Stadt erlitten, mündlich haben erhalten können? Wäre es doch ja auf solche Art eine Sache gewesen, die nichts besonderes und ausserordentliches in sich gehalten, und also auch nicht verdienet hat, durch eine mündliche Sage mühsam fortgepflantzet zu werden. Geschichts doch noch alltäglich, daß starke Wasser-Quellen, ehe sie ihren gehörigen Ablauf finden, mehrmalen einen und den andern kleinen See oder Weyher machen. Allein wer wird sich in den Sinn nehmen, hieraus ein solches besonderes Werck zu machen, welches würdig wäre, auf manche hundert, ja tausend Jahre mündlich fortgepflantzet, oder im Andencken erhalten zu werden? Wollte aber jemand gar vermuthen, es habe zwar das alte Wißbad eine Zeit lang hindurch seine zahlreiche Einwohner gehabt, dieselbe aber hätten bey den vorhanden gewesenen warmen Quellen dieses Ortes keine ordentliche Bäder und Badhäuser oder Hütten, nach der Art ihrer Zeit, angerichtet, sondern nur allein diese Quellen in einen See zusammen geleitet, und sich, nebst andern angekommenen Bad-Gästen, darin, als in einer offenen Schwemme, [44] gebadet, der würde sich etwas vorstellen, welches noch bey keiner Bad-Stadt irgendwo sich zugetragen hat. Denn alle alte Nachrichten von denselben ergeben dieses, daß die Einwohner einer Gegend, so bald sie etwan einige warme Wasser-Quellen darin wahrgenommen, so fort darauf sind bedacht gewesen, besondere bequeme Wohnungen und Bäder, zum Gebrauch der Badenden, anzurichten, keinesweges aber einen offenen Bad-See oder Weyher zu veranstalten. Die alte Teutschen zwar haben, wie Caesar B. G. L. 6. c. 21. meldet, die Gewohnheit gehabt, sich ohne Scheu in offenen Flüssen zu baden; Allein diese waren, wie L. 4. c. 1. deutlich zu ersehen, kalte Fluß-Wasser, und das Baden darin war ein solches Baden, welches noch auf den heutigen Tag in Teutschland, wiewohl mit Beobachtung einer mehrerern Zucht, in dergleichen offenen Flüssen gäng und gäbe ist. Davon aber sind die warme Gesund-Bäder, und die Bad-Art bey denselben nicht nur jetzo gantz und gar unterschieden, sondern sind auch zu aller Zeit und bey allen Völckern, wie alle Nachrichten bezeugen, davon unterschieden gewesen, und ist in keinem eintzigen Geschicht-Buch eine Spur davon zu finden, daß jemals bey einem Bad-Ort ein offener Bad-Weyher zum Gebrauch der Bad-bedürftigen Menschen, seye gesetzet worden. Denn was den ehemaligen Krancken-Teich oder Weyher Bethesda [45] zu Jerusalem, Joh. 5. anbelanget, so war derselbe eigentlich nur an sich ein Fisch- und Reinigungs-Weyher, und wurde er von den Krancken nicht um seines Wassers, sondern um derer ausserordentlichen Wunder-Bewegung des Engels willen, zu gewissen Zeiten gebrauchet; mithin ist er also mit den ordentlichen Gesund-Wassern, und der Art, dieselbe zu gebrauchen, in keine Vergleichung zu stellen. Gesetzt aber auch, es hätten die gantz alte und erste Teutsche Einwohner unseres Wißbads sich einige Zeit lang mit einem solchen offenen Bad-See beholffen, (davon wir jedoch heut zu Tage, wegen Länge der Zeit, und wegen Abgang schriftlicher Nachrichten, gar nichts mehr wissen können) so ist doch gantz gewiß zu glauben, daß, so bald die reinliche, und der ordentlichen Bäder, aus ihrem Italien her, gewohnt-gewesene Römer, um die Zeit der Geburt Christi hin, in unsere Wißbadische Gegend gekommen, und sich darin fest gesetzet, kein solcher ungewöhnlicher Bad-See in Wißbaden im Gebrauch werde geblieben seyn. Und was selbst die eigentliche Bad-Gegend des Wißbads (als in welcher vermuthlich dieser vorgegebene Bad-See hat sollen befindlich gewesen seyn) anbelanget, so zeigen die viele alte unter-irdische Canäle und Mauern, welche in solcher Gegend hier und da gar häufig, und zwar ziemlich tief in der Erde, immerzu angetroffen und entdecket werden, sattsam [46] genug an, daß vormals keinen Bad-See, sondern ordentlich-gebauete Bäder und Bad-Häuser daselbst gestanden haben. Und da man an solchen alten Canälen und Grund-Mauern deutlich mercket, daß ihre Lage auf die dermalige Verfassung der Bäder und Badhäuser nicht zutrift, sondern eine gantz andere Stellung hat, so siehet man daraus gantz offenbarlich, daß die Bäder und Bad-Häuser in dieser Gegend schon oftmals abgeändert worden, und also dieses Bad-Land schon längstens müsse bebauet und bewohnet gewesen seyn. Wie es denn auch würcklich noch eher, als die anderweitige Stadt-Gegend, eben seiner Bad-Quellen wegen, ehemals, wie bereits oben bewiesen worden, von den alten Teutschen Völckern angebauet und bewohnet worden ist. Es ist aber die mehrgemeldte alte Sage von dem Wißbadischen Bad-See gantz vermuthlich, wenn sie anderst noch einigen Schein-Grund vor sich hat, daher entstanden: Man hat jederzeit aussenwärts, vor Wißbaden, einen Weyher gehabt, dahinein sich das gesammte warme Wasser aus den Bad-Häusern ergossen hat. Heut zu Tage heisset derselbe: der Weyher auf dem warmen Damm, oder, der warme Damm-Weyher. Vormals hat er auch gemeiniglich schlechthin der warme Weyher, oder auch (l. St. f. 150.222. etc.) der Nachen-Weyher geheissen, vermuthlich aus der Ursache, weil man zuweilen mit [47] Nachen auf demselben herum gefahren ist. Vielleicht hat er auch zu Zeiten der Bad-Weyher oder Bad-See geheissen, oder es haben sich doch etwan manchmal einige Leute zur Lust darin gebadet etc. Dieses alles hat also nachmals unter der Hand gar leicht Gelegenheit geben können, daß man ein solches Gedichte auf die Bahn gebracht: das seyen vormals in Wißbaden keine besondere ordentliche Bäder, sondern nur ein grosser Bad-See vorhanden gewesen, darin man sich gebadet, und auf welchem man mit Nachen herum gefahren wäre. Wer da weiß, wie die gemeine Erzehlungen von ausserordentlichen alten Seltenheiten insgemein durch gantz ordentliche Dinge (die aber verkehret werden) ihren ersten Ursprung zu nehmen pflegen, dem wird diese Vermuthung von dem Ursprung des vorgegebenen Wißbadischen Bad-Sees gar nicht ungereimt vorkommen. Was aber weiterhin das obgemeldte Vorgeben, daß der Rhein gar ehedessen sich auch bis an Wißbaden erstrecket habe, anbelanget, so ist solches vollends gantz und gar ohne allen Grund. Denn es hat dieser Strom jederzeit, so viel man aus allem alten bewährten Geschicht-Büchern abnehmen kan, eben die Ufer in unserer Gegend gehabt, die er noch jetzo hat. Wenigstens haben ihn die alte Römer, als sie um die Zeit der Geburt Christi hin, in Teutschland gekommen, in eben der Verfassung gefunden, wie er noch jetzo ist; [48] massen sie sonst, z. E. das gegen Maintz über befindliche Cassel, welche sie ohnstreitig, wie der Nahme Cassel (Castellum) anzeiget, erbauet haben, nicht hätten erbauen können, wenn in solcher Gegend kein trucken Land, sondern Rhein gewesen wäre. Und daß auch vor der damaligen Ankunft der Römer dieser Strom keine andere Verfassung gehabt hat, das schliesset man gantz sicher daraus, weil diese Römer von den eigenen Teutschen Einwohnern des Landes nichts dergleichen (da sie doch, nach allem sich genau zu erkundigen, gewohnt waren) erfahren, und in ihren Schriften angemercket haben. Folglich wird also ein heutiger Einwohner unserer Gegend dasjenige von solchen alten Dingen nicht wissen können, was die Einwohner derselben gantz alten Zeit selbst nicht gewußt haben. Nächst dem, so ist es zwar nicht ohne, daß dieser Rhein-Strom gleich andern Strömen, manchmal, auch in unserer Gegend, seine Ufer überschreitet, und die daran stossende Lande, an theils Orten, überschwemmet. Allein solche Ueberschwemmungen sind von keiner langen und beständigen Dauer. Auch hat niemals eine solche zufällige Ergiessung desselben, sie mag gleich durch dieses oder jenes seyn verursacht worden, so groß seyn können, daß sie sich bis an Wißbaden hin hätte erstrecken können, weil die Anhöhe, in welcher Wißbaden, in Absicht auf den Rhein, lieget, gar zu groß ist. Wer das nicht glauben kan, der darf nur an der [49] so genannten Saltz-Bach, (von dem, in dieselbe sich ergiessenden, gesaltzenen Bad-Wasser also benahmet) welche von Wißbaden aus bis in den Rhein fliesset, hinab gehen, und die vielen Wasser-Fälle, welche die daran liegende zahlreiche Mühlen nach einander haben, und wohl über hundert Werck-Schuhe betragen, anmercken, so wird er an der Wahrheit dieser Sache weiter nicht mehr zweifeln. Und müste auf diesen Fall, wenn der Rhein seine Ergiessungen jemals bis an Wißbaden hin erstrecket hätte, derselbe auch sein anderseitiges Ufer, wo das sehr alte Maintz lieget, in eben solcher gleichen Höhe jedesmal überschritten, folglich also öfters in diese Stadt eingedrungen, und dieselbe überschwemmet haben, davon aber die Geschicht-Schreiber derselben nicht das geringste wissen. Es hat zwar diese Stadt Maintz ehemals etwas mehr abwärts von dem Rhein gestanden, als jetzo; allein kein einziger Maintzischer Geschicht-Schreiber giebt zur Ursache dessen den Rhein, oder desselben damals vorgewesene Ergiessungen, an. Und wie hätte es auf solchen Fall, wenn der Rhein jemals in unsern Gegenden so hoch gestanden hätte, mit dem Mayn-Strom, welcher bey Cassel in den Rhein fällt, ausgesehen? Wie weit hätte derselbe zurücktreten, und welche Ueberschwemmungen hätte derselbe weit und breit anrichten müssen? davon aber die allerälteste, auch Römische, [50] Geschicht-Schreiber nicht das geringste wissen. Und was die Felsen in dem Rhein bey Bingen anbelanget, welche denselben, wie einige meynen, vormals in seinem Lauf sollen aufgehalten, und die grosse Ergiessungen desselben verursachet haben, nachmals aber weggeräumet worden seyn; so ist solches ebenfalls ohne allen Grund. Denn obgleich diese Felsen von Zeit zu Zeit immer in etwas mehr erweitert worden sind, so sind sie doch niemals so groß gewesen, daß der Rhein dadurch seinen Lauf nicht hinlänglich hätte nehmen können. Und es haben die alte Römer, um die Zeit der Geburt Christi, wie auch andere, in den nachmaligen Zeiten, gefolgte Völcker immerzu eben so wohl, obgleich mit einiger mehreren Unbequemlichkeit, diese Felsen, oder das so genannte Binger-Loch, mit Schiffen befahren, als die Leute zu unserer Zeit, wie alle alte Geschicht-Bücher solches bezeugen. Doch es ist nicht nöthig, bey Widerlegung des vorgegebenen Wißbadischen Bad-Sees und seines vermeynten Rheinischen Dammes sich länger aufzuhalten. Denn der Ungrund dieser Sache fällt einem jeden, der dieselbe vernünftig überleget, gar leicht von selber in die Sinnen. Und wenn der blosse Nahme einer alten Sage (die jedoch manchmal neu genug ist) einen hinlänglichen Grund von der Wahrheit der gesagten Sache abgeben könnte, so müsten mehr dergleichen alte [51] Sagen, die in Wißbaden nicht ungemein sind, z. E. von dem ehemals vorhanden gewesen seyn-sollenden unterirdischen Weg von dem benachbarten Sonnenberg bis nach Clarenthal; Item, von dem Ursprung des Nahmens Trompeter, welchen ein hoher Berg im Walde, ohnweit Wißbaden, von alten Zeiten her, führet, und auf welchem ein Trompeter ehemals von den Strassen-Räubern soll angefallen worden seyn, und dabey so starck in seine Trompete geblasen haben, daß es sein Freund auf der Brücke zu Maintz (die doch 1661. zuerst angeleget worden) gehöret habe etc. sich gegründet finden; die aber jedoch von einem jeden vernünftigen und erfahrenen Menschen billig vor ungegründet, und vor einfältige Fabeln des gemeinen Mannes gehalten werden. Man hätte daher auch mit Widerlegung des gemeldten vorgegebenen Wißbadischen Bad-Sees und seiner Verbindung mit dem Rhein sich gar nicht dermalen aufgehalten, wenn nicht dieses Vorgeben in einigen öffentlichen Schriften, als gegründet, sich angeführet befände.

[52]

Innere Regiments Verfassung
des Teutschen und Römischen
Wißbads.


So lange die verschiedene inländische Einwohner des alten Teutschlandes, und also auch der Wißbadischen Gegend, ihre eigene Landes-Könige oder Fürsten gehabt haben, so lange haben sie bey ihrer Regiments-Verfassung einer grossen Freyheit genossen. Denn ihre Fürsten haben zwar, wie Caesar B. G. L. 6. c. 22. 23. und Tacitus G. c. 11. 12. melden, das Recht in ihren Flecken und Dörfern gesprochen und gehandhabet. Es hat aber auch der gemeine Mann vieles dabey zu sagen gehabt, und die Fürsten haben sich bemühen müssen, mehr durch gute Vorstellungen, als durch Zwangs-Mittel, den Gehorsam zu erhalten, l. c. Es haben auch weiterhin die gemeinen Leute solchen ihren Fürsten zwar etwas an Vieh und Früchten gesteuert, aber doch nur Ehren halben, und freywillig, c. 15. oder, nach der alten Teutschen eigenen Redens-Art, bet- oder bitt-weis. Daher es kommt, daß die obrigkeitliche Steuern in Teutschland auch noch auf den heutigen Tag hin und wieder die Ehre haben, wenigstens dem Wort-Laut nach, Bet- oder [53] Bitt-Gelder genennet zu werden. Als auch nachmals die Römer, obgemeldter massen, um die Zeit der Geburt Christi hin, verschiedene Teutsche Lande, sonderlich um den Rhein-Strom herum, unter ihre Herrschaft gebracht, so haben sie die Einwohner derselben mit grosser Gelindigkeit, um keinen Anlaß zum Aufstand zu geben, beherrschet. Insbesondere sind die damalige Mattiacken oder Matten-Bäder, welche Wißbaden, wie oben bewiesen worden, bewohnet, von den Römern, nach dem Zeugnüß des Taciti G. c. 29. unter einem sehr leidlichen und erträglichen Regimente, gleich den Batavern oder Nieder-Rheinischen Teutschen, gehalten, und von keinen Römischen Zöllnern (welche, wie bekannt, damals überall sehr verhaßt waren) belästiget worden. Doch mag nachmals, als sich diese Römer recht feste in Wißbaden gesetzet, und dieser Ort auch in die, unten zu beschreibende, Römische Pfal-Gräben mit ist eingeschlossen worden, diese Regiments-Verfassung sich ziemlich geändert haben, und genauer und strenger, als Anfangs, geworden seyn. Es lassen sich aber hiervon keine weitere und besondere Umstände, wegen Mangel nöthiger Zeugnüsse, berichten. Als nachmals die Allemannen, wie oben gezeiget ist, Wißbaden übermeistert, und ihren besondern Königen unterworffen haben, so hat die Regiments-Verfassung in diesem Ort gantz [54] vermuthlich wiederum eine andere Gestalt gewonnen. Man kan aber aus den damaligen Römischen Geschicht-Schreibern weiter keine besondere Nachricht hiervon erlangen, ausser daß Ammianus L. 18. c. 2, L. 27. c. 9, L. 29. c. 4. 9. meldet, daß die Allemannische Könige ihre Regulos, Regales, Primates und Optimates, das ist, ihre besondere Königliche Beamten und vornehme Bedienten in den eroberten Landen, und also auch vermuthlich in Wißbaden, gehabt haben. Worin aber die eigentliche Amts-Verrichtung solcher verschiedenen Unter-Beamten bestanden, und was dieser und jener Ort vor besondere Vorzüge und rechtliche Gewohnheiten, vor dem andern, gehabt habe? davon ist keine weitere Nachricht, weder bey diesem, noch andern Römischen Geschicht-Schreibern anzutreffen, und kan also auch keine von uns mitgetheilet werden.


Religion und Gottes-Dienst
der Einwohner
des Teutschen und Römischen
Wißbads.


So lange das alte Wißbad nur allein Teutsche Einwohner gehabt hat, nemlich Wisebäder und Mattenbäder, so lange [55] wird auch kein anderer Gottes- oder vielmehr Götzen-Dienst bey ihnen üblich gewesen seyn, als derjenige, welcher damals überhaupt bey den meisten Völckern des Teutschlandes üblich gewesen ist. Nemlich es haben dieselbe, wie Caesar B. G. L. 6. c. 21. und Tacitus G. c. 40. berichten, mehrentheils Sonne, Mond, Feuer und Erde, (welches ohnehin die allerälteste Art der Abgötterey, fast bey allen Völckern, gewesen ist) göttlich verehret; weil sie geglaubet, sie müsten denjenigen Dingen, von welchen sie einen vornemlichen und besondern Nutzen zu geniessen hätten, auch eine vornemliche und besondere Gottes-dienstliche Ehre erweisen. Dabey sie denn auch gemeiniglich einige von ihren Vor-Eltern, welche besondere grosse Thaten verrichtet hatten, göttlich verehret haben, c. 2. Und ist diese ihre Gottes-dienstliche Verehrung solcher Götter, ordentlicher weise, in ihren heiligen Haynen oder Wäldern, darin sie auch besondere heilige weise Pferde ernähret, unter der Aufsicht ihrer Priester und Priesterinnen, verrichtet worden, c. 8. 9. 10. Als aber die Römer nachher in Teutschland gekommen, so hat sich auch in diesem Stück bey den Teutschen, und also auch gantz vermuthlich bey den bisherigen Teutschen Einwohnern des Wißbads, vieles geändert. Es liessen nemlich die Römer zwar insgemein, wenn sie ein Land eingenommen, den Einwohnern desselben die Freyheit, [56] ihre bisherige Götter fernerweit, ohne Hinderung, zu verehren. Sie suchten sie aber jedoch unter der Hand, um besseren Friedens willen, an ihre Römische Götter zu gewöhnen. Und damit solches desto eher bey ihnen einen Eingang finden möchte, so beredeten sie dergleichen Völcker, daß ihre beyderseitige Götter gantz einerley, und durch nichts, als durch die blosse Nahmen, von einander unterschieden wären. Und die meiste solcher, von ihnen bezwungenen, Völcker liessen sich auch dieses Vorgeben, oft aus blosser äusserlicher Höflichkeit und Ergebenheit gegen die Römer, gefallen; wenigstens nahmen diese letztere eine solche Gleichheit dieser verschiedenen Götter vor bekannt an. Daher es denn geschehen, daß nach und nach ein vermengter Götzen-Dienst, wie leicht zu erachten, bey solcherley Völckern entstanden ist. Man kan davon nachlesen des Moßheims Hist. Christ. Sec. I. Und eben aus diesem Grunde ist es gekommen, daß, wie Tacitus G. c. 9, H. 4. c. 64. etc. meldet, auch die alte Teutschen nach und nach verschiedene frembde, und nahmentlich Römische Götzen, sonderlich den Mercurius, Hercules und Mars etc. verehret haben. Denn das ist in der That nichts anders gewesen, als daß sie sich, nachdem sie von den Römern mit Krieg überzogen worden, nach und nach dazu verstanden haben, daß man ihre bisherige alte Teutsche Götzen auch mit solchen [57] neuen Römischen Götzen-Nahmen beleget hat. Daher ist ihr alter Teutscher Götze Teut, durch den Umgang mit den Römern, gantz vermuthlich, nach und nach, Mercurius, und der alte Teutsche Götze Mann, mit der Zeit, Hercules oder auch Mars genennet worden, l. c. G. c. 2. und 9, A. 13. c. 57, H. 4. c. 64. etc. Sie haben dem ersten gar Menschen, den andern aber gewisse Thiere zu Ehren geopfert, l. c. auch haben sie die Gewohnheit gehabt, daß sie jedesmal ihre besiegte und gefangene Feinde, nebst den erbeuteten Pferden und anderem Vieh, bey den Altären solcher ihrer Götzen abgeschlachtet haben, A.1. c. 61, L. 13. c. 57. etc. Als nachmals die Allemannen Stadt und Gegend Wißbaden, wie oben bewiesen worden, eingenommen, und, zum Theil, bewohnet, so werden sie, wie leicht zu erachten, auch ihren besondern Götzen-Dienst daselbst eingeführet haben, welcher denn, nach dem Zeugnüß des damaligen Römischen Geschicht-Schreibers Agathiae, hauptsächlich darin bestanden, daß sie Wäldern, Bergen und Flüssen göttliche Ehre erwiesen, und denselben zu Ehren Pferde, Ochsen und unzähliche andere Thiere häufig aufgeopfert und abgeschlachtet haben. Die Christliche Religion aber, welche damals, in dem vierdten Jahrhundert nach Christi Geburt, in den Gallisch-Rheinischen Landes–Gegenden hier und dar, [58] nahmentlich auch in der Stadt Maintz, in Uebung kam, ist bey ihnen, wie aus dem Ammiano L. 27. c. 9. zu ersehen ist, nicht bekannt noch beliebt gewesen.


Nahme
des Teutschen und Römischen
Wißbads.


Der alt-Teutsche Nahme unseres Bad-Ortes ist wohl, ausser Zweifel, kein anderer gewesen, als Matten- oder Wiesen-Bad. Denn obgleich die oben angeführte Muthmassung, daß die alte Teutsche Völcker, welche Usipeter geheissen, denselben ehemals bewohnet, annoch mit einigen Schwierigkeiten verknüpfet ist, und also sich daraus nicht gantz sicher folgern lässet, daß derselbe schon damals Wiesenbad genennet worden sey; So ist doch dieses gantz richtig, daß er, wie oben aus verschiedenen Römischen Schrift-Stellern hinlänglich genug bewiesen worden ist, vormals Aquae Mattiacae, auf Teutsch, Mattenach oder Mattenbad geheissen habe. Nun aber sind die zwey Teutsche Wörter Matte und Wiese oder Wese jederzeit, um auch schon in der alt-Teutschen Sprache wie man [59] aus dem ältesten Teutschen Schriften ersiehet, gleich-geltende Wörter gewesen, und sind in dem täglichen Gebrauch mit einander abgewechselt worden, oder deutlicher zu reden: Man hat einen Gras-reichen Platz bald eine Matte, bald eine Wiese genennet, und in einigen Gegenden unseres Teutschlandes geschicht solches noch auf den heutigen Tag; ja an theils Orten wird ein solcher Gras-Platz nicht nur eine Matte oder Wiese, sondern auch wohl mit einem, aus diesen beyden Wörtern zusammen gesetzten Nahmen, eine Wies-Matt genennet. Mithin ist es also gantz glaublich, daß, da die erste Bewohner des Teutschlandes in unserer Gegend einige warme Wasser-Quellen in einem Matten- oder Wiesen-Grunde angetroffen, und sich daselbst angebauet, sie den Ort Matten- oder Wiesen-Bad genennet haben, bis endlich mit der Zeit der Nahme Matten-Bad etwas ungewöhnlich worden, und der Nahme Wiesen-Bad nur allein im Gang geblieben ist. Daß aber auch würcklich dieser unser Bad-Ort, und sonderlich die eigentliche Bad-Gegend desselben, in einem Wiesen-Grunde liege, das wird durch den Augenschein der Sache klärlich genug bestätiget, und darf man nur Wißbaden von einem etwas erhabenen Orte obenhin betrachten, so wird man bald wahrnehmen, daß es in einem Wiesen-Grunde befindlich sey. Wie denn ohnehin die Thäler und [60] Gründe des Erdbodens (dergleichen die Gegend des Wißbads ist) bekannter massen, gemeiniglich Gras-reiche Plätze oder Wiesen zu seyn pflegen. Es wäre also eine nicht geringe Thorheit, wenn man diesen Ursprung des Nahmens unserer Stadt, der so offenbar vor Augen lieget, nicht erkennen, sondern solchen mit Gewalt anderswoher suchen und herleiten wollte. Was den lateinischen Nahmen unseres Wißbads in diesem Zeit-Lauf anbelanget, so ist es gantz richtig, daß dasselbe von den Römern, laut oben angeführten Zeugnüssen derselben, Fontes Mattiaci, Aquae Mattiacae, und vermuthlich auch Mattiacum und Mattium genennet worden. Ob es auch jemals bey ihnen den Nahmen Usbium oder Visbium gehabt habe? das ist, wie oben berichtet worden, annoch verschiedenem Zweifel unterworffen.


Merckwürdige Geschichte oder
Begebenheiten
das Teutschen und Römischen
Wißbads.


Diese sind sonderlich folgende:

1. Der vorgegebene Todes-Fall des Drusi, des Römischen Kaysers Augusti Stief-Sohnes, ohnweit Wißbaden. Daß dieser [61] Drusus, den die alte Römische Geschicht-Schreiber, wegen seiner gantz besondern Tugenden, nicht genug loben können, verschiedene mahl in Teutschland gewesen, und die damalige Teutschen bekrieget, das hat, nach dem einhelligen Zeugnüß der gemeldten Geschicht-Schreiber, seine Richtigkeit. Daß er bey solcher Gelegenheit die Stadt Maintz und die Wißbadische Gegend betreten, das bezeugen die in Maintz von ihm vorhanden-gewesene Denckmale (welche bey den Maintzischen Geschicht-Schreibern beschrieben sind) und das ohnweit Wißbaden aufgerichtete und bald zu beschreibende Castellum oder Festung desselben. Ja, es stehet gar zu vermuthen, daß er das Römische Wißbaden selbst, wie oben wahrscheinlich gezeiget worden, damals habe anlegen und erbauen lassen. Daß er weiterhin, in solchen seinen Kriegen gegen die Teutschen, zwischen der Saale und dem Rhein, durch einen Fall vom Pferde, (und zwar, wie einige neuere Geschicht-Schreiber meynen, bey Schlüchtern, im Hanauischen, in dem daselbst annoch so benennten Drusen-Felde) das Bein gebrochen, und als er dem Rhein zugeeilet, ohnweit von demselben gestorben, das wird ebenfalls von den meisten solcher Römischen Geschicht-Schreibern (denn einige beschreiben seinen Tod etwas anders) bezeuget. Daß aber solcher sein Todes-Fall gerad bey Wißbaden geschehen sey, das [62] geben nur allein einige neuere Geschicht-Schreiber, z. E. Aventinus in seiner Teutschen Bayerischen Chronick p. 282, Sauer in seinem Städte-Buch bey Beschreibung der Stadt Maintz, das grosse Historische Lexicon in Beschreibung der Stadt Bingen, und andere, vor. Und weil also keine Nachricht davon bey den alten Römischen Geschicht-Schreibern, auf die es doch hierbey vornemlich ankommt, sich findet, so scheinet es wohl nur allein eine blosse Muthmassung zu seyn, die, allem Ansehen nach, daher entstanden, weil diese Teutsche Geschicht-Schreiber sich vorgestellet es wäre dieser Drusus um deßwillen dem Rhein also zugeeilet, damit er sich bey diesem seinem Bein-Schaden der, ihm bekanntgewesen, Wißbadischen Bäder hätte bedienen können. Die Sache ist gar nicht unwahrscheinlich; sie bleibet aber doch nur, wie gedacht, in dem Werth einer blossen Muthmassung. Indessen hat man doch derselben allhier gedencken wollen, damit der Leser, wenn er diese Begebenheit bey einigen neuen Geschicht-Schreibern, mit solchen Umständen, angeführet findet, wissen möge, in wie weit er solche völlig gegründet halten solle, oder nicht?

2. Die Bad-Cur des edlen Römers Licinii Trionis in Wißbaden. Man hat nemlich, vor nicht gar langer Zeit, zu Hornburg im Elsaß einen alten grossen Stein gefunden, [63] mit der Römischen Aufschrift: Apollini Grano Mogouno Q. Licinius Trio D. S. D. Das ist: Der Q. Licinius Trio hat diesen Stein dem Bad-Gott der Aachischen und Maintzischen Gegend zu Ehren aufgerichtet. Weil nun in dem agro Mogouno, oder in der nahen Gegend der Stadt Maintz, keine andere Haupt-Bäder vorhanden sind, als in Wißbaden, so haben einige Gelehrte, bey angestellter Untersuchung und Erklärung dieser Aufschrift, sonderlich Eccard in seiner Dissertat. de Apoll. Granno Mogouno, davor gehalten, daß dieser Römer Licinius sich etwan ehemals der Bäder zu Aachen (welche in lateinischer Sprache Grannenses genennet werden) und der Bäder zu Wißbaden in der Maintzischen Gegend, bedienet, und nach erlangter Gesundheit dem Bad-Gott Apollo, welcher die Kranckheiten, nach der Meynung der damaligen Heidnischen Völcker (Siehe den Caesar B. G. L. 6. c. 17.) geheilet, diesen Stein, nach der Gewohnheit der damaligen Zeiten, bey seiner Zurückkunft, im Elsaß, zu Ehren aufgerichtet habe. Diejenige, welche einige Kundschaft in den alten Römischen Aufschriften haben, finden an dieser Muthmassung nichts sonderliches auszusetzen. Es hat übrigens in der alten Römischen Zeit, und zwar, nahmentlich, zu der Zeit des Römischen Kaysers Augusti, ein Römischer Landpfleger in Gallien, welcher den Nahmen Licinius [64] gehabt hat, gelebet; von welchem die alte Römische Geschicht-Schreiber melden, daß er unsägliches vieles Geld (nach der mehrmaligen Gewohnheit der ehemaligen Römischen Landpfleger) von den Galliern erpresset habe. Und als er deßwegen von diesen Völckern bey dem Kayser verklaget worden, und leichtlich vermuthen können, daß es nicht zum besten mit ihm ablaufen werde, so habe er sich dieser List bedienet, daß er vorgegeben, er habe dieses Geld nicht vor sich, sondern vor den Kayser gesammlet, dem er es auch so gleich zugestellet, und sich dadurch bey Leben und Amt erhalten habe. Ob dieser eben der obgemeldte Licinius Trio, der sich der Wißbadischen Bäder bedienet, gewesen sey? das lässet sich zwar nicht gantz gewiß bejahen, doch aber mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit vermuthen. Denn es hat dieser Land-Pfleger Licinius nicht nur, wie aus den gemeldten Geschicht-Schreibern zu ersehen, verschiedene Bey-Nahmen gehabt, sondern es hat auch der Ort, wo der vorgedachte Stein ist aufgerichtet worden, ohnstreitig ehemals zu dem alten Gallien gehöret. Folglich will also bey dieser Vermuthung, da die Haupt-Umstände der Begebenheit ziemlich deutlich zusammen stimmen, kein sonderlicher Zweifel weiter übrig bleiben.

3. Der Aufenthalt des Allemannischen Königes Mackrians in Wißbaden [65] ohngefähr im Jahr Christi 371. Davon giebt uns der Römische Geschicht-Schreiber Ammianus, welcher damals gelebet, H. L. 29. c. 4. und 9. ziemlich ausführliche Nachricht, und bestehet die Sache kürtzlich darin: Es hatten diejenige Allemannen, welche, in dem vierdten Jahrhundert nach Christi Geburt, zwischen dem Mayn und der Lohne, und also auch in der Wißbadischen Gegend, wie bereits oben gemeldet worden, wohneten, einen König, Nahmens Mackrian, welcher ein heftiger Feind der Römer war, und durch seine Ueberfälle ihnen vielen Schaden zufügete. Der damalige Römische Kayser Valentinian, welcher sich eben damals zu Trier aufhielte, suchte demnach seiner sich zu bemächtigen. Zu dem Ende ließ er, in dem vorgemeldten Jahr, eine Schiff-Brücke über den Rhein schlagen, und schickte seinen Feld-Obersten Severum mit dem Fuß-Volck gegen ihn voraus. Dieser gieng, wiewohl, wegen der Schwäche der Soldaten, gantz langsam auf die Aquas Mattiacas oder Matten-Bad loß, weil der Kayser vermuthlich Nachricht erhalten, daß der König Mackrian sich daselbst aufhielte, und, wie einige Umstände es wahrscheinlich machen, eben damals unpäßlich seyn mochte, und sich etwan der dasigen Bäder bedienete. Severus traf unterweges einige Leute an, welche mit Sclaven handelten. Diese ließ er, damit keine Nachricht von Annäherung der Römer [66] durch sie auskommen möchte, umbringen. Der Kayser Valentinian und der Feldherr Theodosius (welcher nachher auch Kayser worden) folgeten nach; und nachdem sie zu des Severi Volck gestossen, und des Nachts einige Stunden geruhet, so brachen sie, als der Mond aufgegangen war, auf, um den König Mackrian unversehens zu überfallen. Theodosius zog mit der Reuterey voran. Allein so scharf er auch geboten hatte, sich stille zu halten, damit sie nicht vor der Zeit verrathen würden, so konnte doch der gemeine Soldat das Sengen und Brennen nicht lassen. Als man nun bey Mackrians Hof-Lager, in dem Matten- oder Wiesen-Bad, starcken Rauch aufsteigen sahe, und allerley Lermen hörete, auch bald vermuthen konnte, woher solches alles entstünde? so setzten die Bedienten dieses Königes denselben in aller Geschwindigkeit auf einen leichten Wagen, (welches nicht undeutlich zu erkennen giebet, daß er damals unpäßlich und ausser Stande gewesen, ein Pferd beschreiten zu können) und brachten ihn, nachdem sie dem Gebürge zugeeilet, durch allerhand verborgene Schlupf-Wege glücklich in Sicherheit. Der Kayser Valentinian, als er sich auf solche Art in seiner Hoffnung betrogen fand, knirschte vor Zorn (wie der vorgedachte Geschicht–Schreiber redet) mit den Zähnen, wie ein Löwe, dem der Raub entgangen, und ließ aus Rache [67] alles in des Mackrians Lande, in welchem hier und dar allerley zierliche, nach Römischer Art gebauete, Wohnhäuser, nach dem Zeugnüß des eben benennten Geschicht-Schreibers L. 17. c. 1. befindlich waren, aufs grausamste weit und breit verwüsten. Und weil der König Mackrian sich, vorgemeldter massen, in das Gebürge, welches heut zu Tage die Höhe heisset, geflüchtet, so ließ der Kayser sonderlich dieselbe Gegend, oder, wie der gedachte Geschicht-Schreiber redet, die Gegend der Bucinobanter oder Buchhaaner, das ist, derjenigen Leute, welche in den Buch-Haanen oder Buch-Wäldern, deren diese Höhe voll ist, wohneten, seine Rache empfinden, und so übel bey ihnen hausen, daß geraume Zeit hernach kein Mensch in der dasigen Gegend sich hat aufhalten können. Es hat daher auch bald hernach der offt-gedachte König Mackrian sich zu einem Frieden mit dem Kayser Valentinian bequemet, und solchem ohnweit Maintz an dem rechten Ufer des Rheins, und also folglich ohngefähr zwischen dem heutigen Cassel am Rhein und Biebrich, mit vielem Gepränge zu Stande gerichtet, hat auch denselben nachmals beständig gantz treulich gehalten, und ist endlich im Kriege gegen die Francken, als er zu hitzig gewesen, umgekommen.


[68]

Ueberbliebene Alterthümer oder
Denckmale
das Teutschen und Römischen
Wißbads.


Diese sind vornemlich folgende:

1. Die Heidnische Todten-Gräber, Todten-Töpfe, Todten-Krüge, Todten-Sarg bey und in Wißbaden. Diese Todten-Behältnüsse sind gantz vermuthlich das erste und gewisseste Alterthum oder überbliebene älteste historische Denckmal der ehemaligen ersten Bewohner der Wißbadischen Gegend. Denn sobald sich daselbst, so wohl anfänglich Teutsche, als auch nachmals Römer, als Einwohner des Landes, niedergelassen haben, so bald hat es auch unter ihnen, als Menschen, Todte und Todten-Gräber gegeben, welche zu einem gewissen Zeugnüß ihres damaligen Aufenthaltes daselbst ihren Nachkommenen dienen können. Fast so, wie ehedessen der Ertz-Vatter Abraham, bey seinem Aufenthalt in dem verheissenen Lande Canaan, ein Todten-Grab zum ersten Eigenthum überkommen, und solches nochmals, als das älteste und gewisseste Denckmal seiner daselbst gehabten Wohn-Stätte seinen Nachkommen [69] hinterlassen hat, 1. Mos. 23, Apostelgesch. 7. Es finden sich aber die gemeldte Todten-Gräber der ehemaligen Wißbadischen Heiden in grosser Anzahl eine halbe Stunde weit von Wißbaden im Walde, ohnweit dem Closter Clarenthal, zu beyden Seiten der Bleidenstädter Strasse. Zwar sind derselben auch noch einige in andern Gegenden des Wißbadischen Waldes hier und dar anzutreffen, aber doch nirgends in solcher grossen Menge, als an dem gemeldten Orte. Sie bestehen von aussen allesamt aus einem kleinen Hügel, der mehrentheils, von wegen der Länge der Zeit, mit Bäumen bewachsen ist. Was aber den inneren Gehalt derselben anbelanget, so findet sich darin ein nahmhafter Unterschied bey denselben. Denn in einigen derselben findet man eine Brand-Stätte, Kohlen, Asche, verschiedenes Eisen-Werck, und sonderlich grosse starcke Ringe von gutem rothen Ertz, dem Meßing nicht ungleich. Und diese Gattung solcher Gräber sind gantz vermuthlich Gräber der alten eingebohrenen Teutschen Heiden, welche ehemals in unserer Wißbadischen Gegend gewohnet haben. Man kan solches aus der Beschreibung, welche Tacitus von der Art der alten Teutschen, ihre Todten zu begraben, uns hinterlassen hat, ziemlich deutlich abnehmen. Denn derselbe schreibet G. c. 27. davon also: „Die Teutschen verbrennen die Todten-Cörper der angesehensten [70] Leuten unter ihnen mit besonderem dazu auserlesenen Holtze. Doch werffen sie keine Kleider oder Rauchwerck auf den Holtz-Stoß, sondern nur ihre Waffen, und zuweilen auch ihre Pferde. Das Grab selbst aber bestehet aus einem Hügel von Rasen. Denn die kostbare und weitläuftige Grab-Mähler sind bey ihnen nicht beliebt, weil sie glauben, dieselbe seyen den Todten nur beschwerlich.“ Aus dieser Beschreibung siehet man, daß die alte Teutschen ihre vornehme Todten verbrannt, und die Asche mit einem Hügel von Erde schlechthin bedecket haben. Und dergleichen Hügel sind bey den vorgemeldten Gräbern unserer Gegend würcklich vorhanden. Auch siehet man daraus, daß sie zugleich Waffen und Pferde (die sie vorher abgestochen) mit den Cörpern der Menschen verbrannt haben, und davon kommt vermuthlich das Eisen-Werck und die grosse eherne Ringe her, welche sich in solchen Gräbern finden; und ist solches, sonder Zweifel, nichts anders, als Geräthschaft, welche sich an den Waffen solcher alten Teutschen, und an ihrem Pferde-Zeug befunden hat, und welches bey Verbrennung der Cörper im Feuer übrig geblieben ist. In einigen aber der vorgemeldten Gräbern findet sich inwendig nichts von Eisen-Werck und Ringen, sondern eine Brand-Stätte, Todten-Töpfe, Todten-Krüge, beynahe eine halbe Maaß haltend, in welchen Asche [71] und Gebeine befindlich sind, item, auch zuweilen einige alte Römische Müntzen unter der Grab-Erde. Und diese Gattung solcher Gräber sind gantz vermuthlich Gräber der alten Römer, welche ehemals diese Gegend eine Zeitlang bewohnet haben, oder, welches wahrscheinlicher ist, solcher eingebohrenen Teutschen, welche sich unter der Hand an die Sitten der, unter ihnen wohnenden, Römer, zum Theil, angewöhnet haben. Denn die Römer haben ehemals die Gewohnheit gehabt, ihre Todten nicht nur zu verbrennen, sondern auch die Asche der verbrennten Cörper in besondere irdene Töpfe oder Krüge (welche in der Römischen Sprache Urnen genennet werden) zu thun, und solche in die Erde hier und dar beyzusetzen, auch denselben, wie einige Geschicht-Schreiber vorgeben, zuweilen eine Todten-Ampel oder Licht beyzufügen. Und sind dergleichen Römische Todten-Töpfe schon gar viele hin und wieder, auch in Teutschland, an solchen Orten, wo sich ehemals Römer aufgehalten haben, in der Erde gefunden worden. In unserer Wißbadischen Gegend sind nicht nur die vorgemeldte Töpfe in den beschriebenen Wald-Gräbern gefunden worden, und vermuthlich in den übrigen, daselbst annoch vorhandenen, Gräbern derselben noch gar manche befindlich; sondern man hat auch in der Stadt Wißbaden selbst dergleichen Todten-Töpfe zu verschiedenen mahlen [72] zufälliger weise in der Erde angetroffen. Um das Jahr 1723. hat man derselben einige, nebst einer Todten-Ampel, (so viel man aus den zerstückten Scherben hat muthmassen wollen) nebst vielen dabey befindlich-gewesenen alten Römischen Müntzen, in dem Garten des dasigen Hospitals, bey Aufgrabung der Erde, gefunden. Es ist aber, bey dem Ausgraben derselben, das meiste davon, weil es durch die Länge der Zeit vermodert gewesen, in Stücken gegangen, und nichts, als die Todten-Asche und einige Scherben, nebst den Müntzen, erhalten worden. Im Jahre 1751. hat man eben dergleichen Römische Todten-Töpfe hinter dem Schloß zu Wißbaden, bey Aufwerffung der Erde, gefunden und herausgegraben. Es ist ein grosser Topf, einem dreymäsigten Milch-Topf an Gestalt und Grösse nicht ungleich, unter denselben befindlich gewesen. Es ist aber nicht gantz, sondern nur ein Stück davon, nebst der darin gewesenen Aschen-Erde und Gebeinen herausgebracht worden. Es sind aber auch kleine Krüglein, beynahe eine halbe Maaß haltend, dabey gewesen, und diese sind gantz erhalten worden. Man hat solche, weil man eben keine sonderliche Todten-Asche darin hat wahrnehmen können, anfänglich vor Römische Thränen-Krüglein halten wollen. Und es ist auch an dem, daß die alte Römer, nach dem Vorgeben einiger Geschicht-Schreiber, (Siehe z. E. [73] des Camerarii Hor. Subc. Cent. 1. c. 31. p. 152.) gewohnt gewesen, bey ihren Leichen-Begängnüssen, einige von den Thränen, die sie über den Todten vergossen, in besondere Krüglein und Gläser aufzufangen, und solche bey der Asche des Todten in der Erde, zum Andencken, beyzusetzen. Allein es scheinen die gemeldte erhaltene Krüglein nicht nur zu diesem Zweck zu groß gewesen zu seyn, sondern man hat auch würcklich in einigen von gleicher Gestalt und Grösse, welche in den obgedachten Wald-Gräbern befindlich gewesen, Todten-Asche und Gebeine angetroffen, mithin es zu vermuthen, daß alle diese gefundene kleine Töpfe eben so wohl, als die grosse, lauter Todten-Töpfe und Todten-Krüge gewesen sind. Wie denn ohnehin bekannt genug ist, daß die alte Heidnische Todten-Töpfe nicht einerley, sondern gar verschiedene, Gestalt und Grösse haben. Es sind einige Stücke von diesen erhaltenen Wißbadischen Toten-Urnen in dem Schloß zu Wißbaden, zum Andencken, beygestellet worden. Um das Jahr 1730 hat man auch einen grossen steinernen Todten-Sarg in dem Acker-Felde bey Wißbaden, in der Erde gefunden. Von demselben vermuthet man, nicht ohne Wahrscheinlichkeit, daß er ebenfalls in die alte Teutsch-Römische Zeiten gehören möchte. Es ist zwar an demselben keine Schrift noch Jahr-Zahl anzutreffen gewesen. [74] Es hat aber Winckelmann, welcher, wie er in seiner Heßischen Chron. P. 2. c. 2. p. 106. meldet, um das Jahr 1670 in unserer Nachbarschaft zu Rüsselsheim, Dornheim und Zwingenberg dergleichen aus der Erde herausgegrabene grosse steinerne Todtem–Särge angetroffen, auf einem derselben, welcher 9. Fuß lang gewesen, eine würckliche Römische Aufschrift (welche er daselbst zu lesen giebt) gefunden, folglich also daraus geschlossen, daß diese steinerne Todten–Särge von den alten, in diesen Gegenden sich aufgehaltenen, Römern herrühreten. Es haben zwar die alten Römer, wie kurtz vorher berichtet worden, ihre Todten gemeiniglich verbrannt. Es haben aber auch einige Geschlechter unter ihnen ihre Todten, ohne vorgängige Verbrennung schlechthin begraben. Und in dem zweyten Jahrhundert nach Christi Geburt, um die Zeiten der Kayser Antoninen, hat die Verbrennung der Todten bey ihnen nach und nach völlig aufgehöret. Siehe hiervon des Plinii H. N. L. VII. c. 54, und seine daselbstige Ausleger; wie auch des Cellarii und Nienpoorts Antiq. und Rit. Rom. etc. Es kan also gar wohl seyn, daß der gemeldte gefundene Wißbadische steinerne Sarg ebenfalls ein solcher Römischer Todten–Sarg gewesen sey. Er ist übrigens vor weniger Zeit zu einem [75] Wasser-Bett in einer vor Wißbaden stehenden Mühle verwendet worden.

2. Die Heidnische Mauer in Wißbaden. Es findet sich nemlich mitten in dem heutigen Wißbaden eine sehr alte Mauer, welche, wie bereits oben berühret worden, die Heidnische oder Heiden-Mauer genennet wird. Und zwar ist diese Benennung nicht erst in den neueren Zeiten aufgekommen sondern sie ist schon von alten Zeiten her in Wißbaden gewöhnlich. Wie sie denn in den allerältesten Wißbadischen Schriften vorkommt, als in welchen diese Mauer immerzu die Heidnische Muren heisset. Sie ist zwar durch die Länge der Zeit, und durch die vielen Veränderungen, welche Wißbaden in seiner äusseren Verfassung nach und nach erfahren hat, sehr zusammen gegangen, und ist nur bloß ein einfacher Theil derselben, doch ziemlich verfallen, annoch vorhanden. Und auch dieser kleine Rest des derselben ist dermalen durch die daran gesetzte Häuser hin und wieder sehr verbauet. Doch sind, dem allen ohngeachtet, noch verschiedene Stücke derselben, sonderlich zwischen der Langen- und Metzger-Gasse, wie auch vor dem Heidnischen Thor, kenntlich genug zu sehen. Sie ist nichts anders, wie ebenfalls bereits oben gezeiget worden, als die ehemalige Stadt-Mauer, welche die eigentliche alte Stadt und Festung Wißbaden vormals [76] umgeben hat. Sie heisset die Heidnische Mauer, weil sie noch aus dem Heidenthum herrühret, oder von den ehemaligen Heiden in Wißbaden erbauet ist. Da aber die Heiden, welche vormals Wißbaden bewohnet haben, theils Teutsche, theils Römer, wie oben bewiesen worden, gewesen sind, so fraget sichs nicht unbillig: von welchen Heiden denn eigentlich diese Mauer herrühre oder erbauet sey? Ob von den Teutschen oder von den Römischen Heiden? Die Antwort fällt hierauf ohne Bedencken, daß dieselbe von keinen andern, als den Römischen Heiden, erbauet sey. Der Beweis davon ist dieser: 1, haben die alte Teutschen, wie schon oben, aus den Römischen Geschicht-Schreibern berichtet ist, gar keine eigentliche verschlossene Städte, und also auch keine Stadt- noch Ring-Mauern, sondern nur allein schlechte und offene Flecken oder Dörfer gehabt. Sie liebten in allem, und also auch in Anrichtung ihrer Wohn-Stätten, ein freyes und uneingeschräncktes Wesen, und wollten sich in zugemachte Oerter nicht einsperren lassen. Daher sie auch, als nachmals die Römer einige ummauerte Städte und Festungen unter ihnen angerichtet, solche verabscheuet, und, wie Ammianus L. 16. c. 1. meldet, annoch im vierdten Jahrhundert nach Christi Geburt einen solchen Haß gegen dieselbe geäussert, daß sie solche vor Höhlen, welche mit Netzen umgeben wären, und vor die wilde Thiere [77] gehöreten, erkläret, und dieselbe, wenn sie sich ihrer schon mannichmal bemächtiget, doch zu bewohnen nicht begehret haben. Und also haben sie keine ummauerte Städte haben wollen. Sie haben aber auch 2, keine haben können. Denn, dessen nicht zu gedencken, daß es ihnen die Römer, so lange sie einige Ober-Hand unter ihnen gehabt, bestens würden gewehret haben, so hat es ihnen durchaus an der nöthigen Bau- und Mauer-Wissenschaft gefehlet. Und so wohl wie Bruch- als auch die gebrannte Ziegel-Steine, von welchen ersteren die älteste Teutsche Stadt-Mauern, und auch unsere Heidnische Mauer, größtentheils verfertigt worden, sind, nach dem Zeugnüß des Taciti G. c. 16, und des Herodiani L. 7. c. 2. bey ihnen gar nicht im Gebrauch gewesen. Ja man darf nur dasjenige, was diese Geschicht-Schreiber ll. cc. von ihrer Art zu bauen, überhaupt berichten, nachlesen, und dagegen unsere sehr ordentlich und dauerhaft (wie selbst die Ruinen derselben noch zeigen) verfassete Heidnische Mauer ansehen, so wird man gar bald erkennen, daß dieselbe von keinen solchen schlecht-erfahrenen Teutschen Anbauern, sondern von rechten Bau- und Mauer-verständigen Werck-Leuten sey errichtet worden. Und diese sind keine andere gewesen, als die Römer. Denn, was die Francken anbelanget, welche nachmals um das Jahr 500. sich unserer Gegenden bemächtiget haben, so haben sich [78] dieselbe zwar der Bau-Kunst beflissen, und nach und nach ummauerte Städte angerichtet, allein es ist auch unter ihnen das Christenthum schon um dieselbe Zeit in der Uebung gewesen; und wenn unsere mehrgemeldte Mauer von denselben wäre errichtet worden, so hätte sie den Nahmen einer Heidnischen Mauer nicht überkommen können. Es ist daher dieses bey allen gründlichen Kennern der Teutschen Alterthümern eine ausgemachte Sache, daß alle die älteste ummauerte Städte in Teutschland von niemand anders, als von den alten Römern, seyen errichtet worden. Siehe den Conring de Urb. Germ. Und ist merckwürdig, daß selbst das Teutsche Wort, Mauer, oder, wie es in den alten Teutschen Schriften ausgedrucket wird, Muer, seinem eigentlichen Ursprung nach, Römisch oder Lateinisch ist. Denn es ist nichts anders, als das Lateinische Wort Murus. Zu einer deutlichen Anzeige, daß auch die Sache selbst, welche durch dieses Wort bedeutet wird, Römischen Ursprungs sey. Wie denn noch mehr dergleichen Bau-Wörter in der Teutschen Sprache vorhanden sind, welche von Römischen Wörtern ihren Ursprung genommen haben, z. E. Kalck (Calx) Thurn (Turris) Wall (Vallum) etc. Denn da die Sachen, welche durch diese Wörter bedeutet werden, bey den alten Teutschen nicht bekannt waren, so waren auch keine Nahmen davon in ihrer Sprache vorhanden. [79] Da aber nachmals die Römer die gemeldte Sachen unter ihnen bekannt und gewöhnlich gemacht haben, so sind auch die Nahmen, welche diese Sachen in der Römischen Sprache gehabt, nach und nach bey den Teutschen bekannt und gewöhnlich worden, und auch, wiewohl nach der Teutschen Aussprache gefüget, gewöhnlich geblieben. 3, haben sich in unserer Wißbadischen Heidnischen Mauer verschiedene Steine mit würcklichen Römischen Aufschriften gefunden, welche, gantz vermuthlich, gleich bey Erbauung derselben, von den Römern in dieselbe sind gesetzet worden, und von welchen bald ein mehreres wird gemeldet werden. 4, ist auch noch ein würcklicher Römischer oder Lateinischer Nahme an dieser Mauer übrig. Denn die, an derselben befindliche, alte Thürne werden noch jetzo Kessel genennet. Diß Wort Kessel aber ist nichts anders, als das Lateinische Wort Castellum, (fester Ort) welches von den Teutschen nach und nach in Castell, Cassel und Cessel oder Kessel ist verwandelt worden. Und ist diese Benennung bey mehr andern dergleichen alten Thürnen und Mauern in Teutschland annoch übrig, und überall eine deutliche Anzeige, daß dergleichen Gebäude von niemand anders, als von Römern oder Lateinern, welche sie mit diesem Nahmen beleget, seyen erbauet worden. Es hält zwar der gemeine Mann in Wißbaden dermalen davor, es würden diese Thürne in der [80] Heidnischen Mauer um deßwillen Kessel genennet, weil sie einiger massen rund sind. Allein es ist solches nur eine zufällige Ursache, und also dieser Nahme in solchem Sinn nur allein ein Bey-Nahme derselben. Der rechte und ursprüngliche Grund-Nahme aber ist wie es die gedachte mehrere Exempel solcher alten Thürne, die eben nicht überall rund sind, bestättigen, Castellum. Uebrigens ist diese mehrgemeldte Heidnische Mauer in Wißbaden von ungemeiner Breite, Höhe und Festigkeit gewesen. Wie man denn an theils Orten derselben, wo sie noch in ihrer völligen alten und ersten Gestalt zu sehen gewesen, hat abmercken können, daß die Breite derselben bey zehen, und die Höhe bey zwantzig Werck-Schuhe betragen, und die Kalck-Speise an derselben fast an Dauerhaftigkeit den Mauer-Steinen selbst beygekommen. Sie ist von Bruch–Steinen errichtet, es finden sich aber auch hier und dar mitten in derselben (wie man bey dem Niederreissen derselben befunden hat) alte gebrannte Ziegel-Steine mit undeutlichen Figuren und erhabenen Fugen. Sie hat sich auch ehedessen viel weiter erstrecket, als jetzo. Wie denn vor nicht gar langer Zeit, wie bereits oben gemeldet ist, nicht nur hinter dem Schloß-Hof viele in der Erde daselbst befindlich-gewesene Grund-Stücke derselben herausgegraben, sondern auch ein grosses, noch völlig gestandenes, 80. Werck-Schuhe lang gewesenes, Stück [81] derselben oben auf dem Heidnischen Berge ist abgebrochen worden. Daß sie sich aber gar, wie man insgemein vorgiebt, und auch Winckelmann in seiner Heßischen Chron. p. 130. es behauptet, ehemals über den gantzen Heidnischen Berg hin, bis an die, bald zu beschreibende, Rent-Mauer im Walde bey Wißbaden erstrecket habe, das scheinet wohl keinen sonderlichen Grund zu haben. Wenigstens kan sie bis an solchen Ort hin keine Stadt-Mauer gewesen seyn, weil sich sonst auch die Stadt selber, welches niemand glauben wird, bis dahin müste erstrecket haben. Doch kan sie, wenn ja etwas an der Sache ist, den Römern zur Befestigung und Bedeckung des Landes, gleich andern ihren Schantzen und Gräben, gedienet haben. Sonst haben auch von alten Zeiten her verschiedene, nahe bey dieser Heidnischen Mauer befindlich-gewesene, Sachen und Gegenden ihre Bey-Nahmen von derselben erhalten, z. E. das Heidnische Thor, der Heidnische Weyher oder daselbstige Stadt-Graben, der Heidnische Berg, die Heidnische Hol oder der daselbstige gemeine Fahr-Weg, der Heidnische Kirch-Hof etc. welche Benennungen auch noch jetzo, zum Theil, übrig und gewöhnlich sind.

3. Das Heiden-Loch in und bey Wißbaden. In einem alten Wißbadischen Gerichts-Buch finden sich, unter dem Jahr 1380 diese [82] Worte: Das Gut das die – hier han an dem Berge bey dem Heydenloche. Und in einem anderen Gerichts–Buch heisset es, unter dem Jahr 1403. Dy Hobstad – dy da gelegen ist by deme Heydenloche. Man siehet aus diesen Worten klärlich, daß vormals ein besonderes nahmhaftes Loch in und bey Wißbaden vorhanden gewesen, welches das Heidenloch ist genennet worden. Man siehet weiter daraus, daß dieses Loch von einer sonderlichen Grösse oder Länge müsse gewesen seyn, denn es ist dasselbe in der Stadt, wo Hof-Stätte oder Hof-Reithen gestanden, und auch bey der Stadt an dem Berge, (das ist, dem Heidnischen Berge, wie eine anderweitige Urkunde l. c. es zeiget) wo Aecker sind, vorhanden gewesen. Man kan auch noch weiter aus der besonderen Benennung dieses Loches, da es ein Heiden-Loch heisset, gar leicht schliessen, daß es diesen Nahmen nicht von ohngefähr, sondern um deßwillen werde überkommen haben, weil den ehemaligen Stadt-Einwohnern kund gewesen, daß es, gleich der obgedachten Heidnischen Mauer, aus der alten Heiden-Zeit annoch herrühre. Allein was es nun noch weiter vor eine eigentliche Bewandtnüß mit diesem Heidenloche gehabt habe? das ist dermalen nicht wohl möglich mehr zu sagen, weil Loch und Nahme desselben in Wißbaden nicht mehr vorhanden ist. Zwar hat man bisher mehrmalen [83] verschiedene beträchtliche unterirdische Löcher, Hölen und Gewölber und in unserm Wißbad, sonderlich in der Saal-Gegend desselben, entdecket. Allein ob solche grad ein Ueberbleibsel von dem gemeldten Heidenloch seyen? davon sind eben keine hinlängliche Anzeigungen vorhanden. Wenn dieses Heidenloch nur in einer eintzigen bestimmten Gegend, entweder in oder bey der Stadt, sich befunden hätte, so könnte man vielleicht, nicht ohne Wahrscheinlichkeit, vermuthen, daß etwan ein besonderes merckwürdiges Loch in der Heidnischen Stadt Mauer, entweder in oder bey der Stadt, obhanden gewesen, welches den Nahmen eines Heidenloches von der Heiden Mauer überkommen hätte. Allein da es in der Stadt, wo Hof-Stätte stehen, und auch ausserhalb der Stadt, an dem Heidnischen Berge, wie oben gemeldet ist, zugleich sich befunden hat, so lässet sich ein solches Mauerloch, als welches unmöglich von einer solchen Grösse oder Länge gewesen seyn kan, nicht wohl verstehen. Und eben dieses ist auch die Ursache, warum durch dieses Heidenloch die kurtz vorher benahmte Heidnische Hol oder Fahr-Weg bey Wißbaden (welcher erst vor kurtzem größtentheils geschleiffet worden ist) nicht gar wohl verstanden werden kan. Denn diese Hol hat sich nicht in der Stadt, wo Hof-Stätte stehen, sondern nur ausserhalb derselben, nemlich vor dem Heidnischen Thor befunden. Es wäre denn [84] Sache, daß damals auch einige Hof-Stätte ausserhalb der Stadt, in der Gegend dieses Fahr-Weges, wie möglich seyn kan, gestanden hätten. Wie es denn auch sonst würcklich nicht ungewöhnlich ist, daß man hier und dar in Teutschland einen etwas tiefen Fahr-Weg kurtzhin ein Loch zu nennen pfleget. Es ist aber auch vormals in Wißbaden gleich vor dem Heidnischen Thor, nahe bey der Heidnischen Mauer, an der Anhöhe des Heidnischen Berges, ein grosser und tiefer Stein-Bruch vorhanden gewesen. Ob solcher etwan das mehrgemeldte Heidenloch, daraus vielleicht die alte Römer ihre Mauer-Steine zu der Stadt-Mauer des Römischen Wißbads erbrochen haben, möchte gewesen seyn; oder ob vielleicht sonst noch ein anderweitiger Graben oder altes Gewölbe um die Heidnische Mauer herum sich vormals befunden habe, welche den Nahmen eines Heidenloches gehabt? das lässet man zu einer weiteren Ueberlegung ausgestellet seyn; Und hat der Leser überhaupt Freyheit, sich von diesem Wißbadischen Heidenloche dasjenige durch Vermuthungen vorzustellen, was ihm am glaublichsten vorkommt. Denn der Abgang völlig klarer Nachrichten von dieser Sache verstattet nicht, dieselbe hierbey gäntzlich zu entscheiden.

4. Die Rent-Mauer ohnweit Wißbaden. Es lieget nemlich etwan eine gute Stunde weit von Wißbaden im Walde, rechts auf [85] dem ehemaligen Berge Taunus, oder der, heut zu Tage, so genannten Höhe, an der lincken Seite des Weges nach Wehen, eine alte verfallene Mauer, welche von alten Zeiten her die Rent-Mauer genennet wird. Diese Mauer ist, wie man aus den, annoch vorhandenen, Grund- und Schutt-Steinen derselben (an welchen durch die Länge der Zeit aller Kalck abgezehret ist) deutlich abnehmen kan, von gantz ausserordentlicher und Erstaunungs-würdiger Breite gewesen. Denn sie ist 6. bis 7. grosse Schritte breit. Sie ist anbey in einer ordentlichen Rundung erbauet, ist aber vor einem blossen runden Thurn viel zu weit und zu breit von innen. Denn sie hat inwendig einen leeren Platz, der an Grösse dem Marckt-Platz zu Wißbaden fast beykommen wird; folglich hat also noch ein anderes Gebäude in demselben gar füglich Raum haben können. Hier fragt sichs nun, was dis vor eine Mauer sey, und warum sie die Rent-Mauer genennet werde? Was das erste betrift, so antworten wir darauf ohne sonderlichen Anstand, daß diese Mauer ein Stück einer alten Festung, und zwar keiner Teutschen, sondern, gleich der vorhin beschriebenen Heidnischen Mauer, einer Römischen Festung sey; denn es ist ebenfalls bey derselben ein würcklicher Römischer oder Lateinischer Nahme vorhanden, und dieser ist der kurtz vorher benennte Nahme Kessel. Massen die nahe Gegend bey dieser Rent-Mauer [86] von alten Zeiten her, und noch jetzo, im Kessel genennet wird. Dieser Nahme Kessel aber ist, wie bereits kurtz vorher gezeiget worden, nichts anders, als das Römische oder Lateinische Wort Castellum, welches eine Festung, feste Schantze, bedeutet, und daraus die anwohnende alte Teutschen in ihrer Sprache nach und nach Cassel und Kessel gemacht haben; folglich ist also dieses eine klare Anzeige, daß in dieser Gegend ehemals eine Römische Festung gestanden habe, und die gedachte Rent-Mauer ein Stück derselben gewesen sey. Nun aber melden die alte Römische Geschicht-Schreiber Dio L. 54, und Tacitus A. 1. c. 56. daß der obgemeldte Stief-Sohn des Römischen Kaysers Augusti, Drusus, einige Kriegs-Züge gegen die Teutschen, und sonderlich gegen die Catten, oder, wie sie heut zu Tage heissen, die Hessen, vorgenommen, und bey solcher Gelegenheit eine besondere Festung nahe an dem Rhein, auf dem Berge Taunus, oder der so genannten Höhe, erbauet, welche hernach sein Sohn Germanicus, als sie etwas verfallen gewesen, wieder erneuert habe. Da nun viele, bey dieser Sache vorkommende, Umstände ziemlich deutlich anzeigen, daß dieser Drusus solche seine nach Teutschland unternommene Züge von Maintz aus (woselbst noch allerley Denckmale von ihm, wie bereits oben gemeldet worden, übrig geblieben sind) angetreten habe, und das Stück des Berges [87] Taunus, welches an Wißbaden gräntzet, dem Rhein ziemlich nahe lieget, solches auch ihme, bey diesem seinem Weg, am ersten aufgestossen, so haben die vornehmste Kenner der Teutschen Alterthümer, nahmentlich Cluverius Germ. Antiq. p 535. und Cellarius Geog. Antiq. T. 1. p. 474. etc. davor gehalten, daß er gemeldtes sein Castellum oder Festung (welche ein besonderes und von dem anderweitigen funfftzig Festungen, die er, wie oben berichtet worden, hin und wieder um die Ufer des Rheins herum angeleget hat, gantz unterschiedenes Werck ist) in der Gegend Wißbaden erbauet habe. Man wird also aus diesem Grunde, vermuthlich, nicht unrecht thun, wenn man davor hält, daß diese Festung des Drusi eben an dem Orte, wo die vorgemeldte Rent-Mauer sich befindet, gestanden habe, und diese Mauer ein würckliches Stück derselben gewesen sey. Wie denn auch noch merckwürdig ist, daß die bald zu benennende Pfal-Gräben, welche die Römer ehemals in unseren Gegenden, zu ihrer Beschützung, aufgeworffen, sich nahe an dieser Rent-Mauer vorbey gezogen, und also diese beyde Römische Festungs-Wercke vielleicht einander zur Bedeckung und Verwahrung haben dienen müssen. Was aber nun noch den Nahmen Rent-Mauer anbelanget, so sind zwar mehrmalen verschiedene Meynungen, woher etwan diese Benennung entstanden seyn möchte? geäussert [88] worden. Es ist aber wohl diejenige, welche der Sache selbst am nächsten kommt, ohne Zweifel die gegründteste und beste. Nemlich es ist diese Mauer vollkommen rund, und hat also gantz vermuthlich ehemals im Lateinischen murus rotundus, im Teutschen aber die Rund- oder Ring-Mauer geheissen. Daraus ist nach und nach von dem gemeinen Teutschen Mann, wie es bey solcherley alten Benennungen zu ergehen pfleget, Rent-Mauer gemacht worden. Sie nimmt indessen täglich mehr und mehr ab, und die Steine derselben werden nach und nach anderswohin abgeholet und vernutzet. Es sind noch mehrere Stücke von dergleichen altem Gemäuer hier und dar in unserer und der benachbarten Gegend der gemeldten Höhe anzutreffen, welche ebenfalls gantz vermuthlich vormals nichts anders, als Römische Schantzen (wie auch Winckelmann in seiner Heßis. Chron. davor hält) gewesen sind. Es ist aber keines von einer solchen Grösse und sonderbaren Verfassung, als die gemeldte Rent-Mauer. Daß übrigens durch den bisher verschiedene mahl benennten, bey den alten Römischen Geschicht-Schreibern vorkommenden, Berg Taunus nicht bloß allein der so genannte Dynsberg ohnweit Giessen, sondern die gantze, heut zu Tage, so genannte Höhe, oder das grosse waldige Gebürge, welches von dem Rhein, unterhalb des Rhein-Gaues [89] an, bis in das Hessen-Land sich erstrecket, und auch die Wißbadische Gegend berühret, zu verstehen sey, das ist ziemlich deutlich aus dem, was Tacitus A. L. I. c. 56, L. 12. c. 28, und Mela L. 3. c. 3. davon anführen, zu ersehen. Denn aus dem Tacito siehet man, daß dieser Taunus zwischen dem Hessen-Lande und dem Rhein liege; und aus dem Mela siehet man, daß derselbe einer der höhesten Bergen des Teutschlandes sey; welches letztere auf den eintzelen Dinsberg nicht gar richtig, auf das gesammte Gebürge der Höhe aber vollkommen richtig zutrift, und ist darüber bey den Forschern der Teutschen Alterthümer kein sonderlicher Zweifel obhanden. Was aber den Nahmen Taunus selber anbelanget, so wollen zwar einige denselben, nicht ohne Wahrscheinlichkeit, von dem Worte Dun oder Dün, welches in verschiedenen Sprachen, und auch in der alten Teutschen Sprache, eine Höhe soll bedeutet haben, herleiten, wie sie denn zur Bestätigung dessen anführen, daß noch heut zu Tage in der Nieder-Teutschen Sprache die Sand-Hügel an der See, bekanntlich, die Dünen oder Dynen genennet werden. Und also, meynen sie, sey der Nahme des gedachten Dynsberges ein Ueberbleibsel von dieser ehemaligen alt-Teutschen Benennung dieses gantzen Gebürges. Allein es wollen andere, mit noch grösserer Wahrscheinlichkeit, diesen Nahmen Taunus von [90] dem Teutschen Worte Hayn oder Haan herführen, denn das habe, sagen sie, nicht nur gantz offenbarlich in der alten Teutschen Sprache einen Wald bedeutet, sondern es melde auch der alte Römische Erd-Beschreiber Mela l.c. ausdrücklich, daß es den ehemaligen Römern schwer gefallen, den Teutschen Nahmen Taunus füglich auszusprechen, und das träfe auf das Wort Hayn oder Haan richtig zu. Denn es sey, bekanntlich, den alten Römern, nach ihrer damaligen Mund-Art, gar unbequem gewesen, den Buchstaben H gehörig auszusprechen, daher sie denselben gemeiniglich entweder gantz ausgelassen, oder mit einem andern schicklichen Buchstaben verwechselt hätten. Es sey also gantz glaublich, daß sie das Teutsche Wort de (der) Hayn oder Haan nach ihrer Römischen Mund-Art gefüget, auch mit einer Römischen Endigung versehen, und also in Teinus und Taunus verwandelt hätten. Es sey auch nachmals die Römische Verwandelung dieses Wortes bey einigen Teutschen selbst unter der Hand gebräuchlich worden, denn, wie aus einer in des Eckards Catech. Theodisca befindlichen alten Teutschen Tauf-Formul zu ersehen, so sey auch mit der Zeit ein Wald oder Hayn bey den Teutschen Thuna genennet worden. Und daß auch vormals unser bemeldtes waldigtes Gebürge bey den alten Teutschen Anwohnern desselben der Hayn oder Haan [91] geheissen habe, das sey daraus gar deutlich abzunehmen, weil viele, in demselben liegende, Dörfer ihre Nahmen mit dem Worte Hayn oder Haan bezeichnet hätten, z. E. Haan, Seitzenhayn oder Haan, Eschenhaan, Eppenhaan, Langenhaan etc. Man kan hierbey des Cluvers Germ. Antiq p. 52, des Cellarii Geog. Antiq. L. 2. c. 2 und 5, des Wachters Gloss. Germ. p. 116, den Prodrom. Chr. Gottwic. und mehr andere Forscher der Teutschen Alterthümer nachsehen, und alles selber, nach eigener Einsicht, prüfen und beurtheilen.

5. Die Römische Pfal-Gräben in der Gegend Wißbaden. Es waren nemlich ehemals die alten Römer, als sie sich gegen Maintz über auf Teutschem Boden fest zu setzen angefangen, den beständigen Ueberfällen der, hinter dem obgemeldten Berge Taunus wohnenden, Teutschen Völcker, sonderlich der Catten, oder, nach der heutigen Benennung, der Hessen, unterworffen. Damit sie nun dagegen sich in hinlängliche Sicherheit setzen möchten, so liessen sie einen grossen Graben oder Wall (den sie zugleich hier und dar mit Castellen, Festungen oder Schantzen versehen, und mit Soldaten beleget) in solcher Gegend aufwerffen, welcher, weil er mit Palis oder Pfälen starck besetzet war, nachmals von den alten Teutschen insgemein der Pfal- oder Pol-Graben und die Pol-Heck ist genennet worden. [92] Dieser ansehnliche Wall oder Graben hat sich von dem Rhein, bey Braubach an, bis in die Wetterau und Ober-Hessen, auf viele Meilen Weges weit, erstrecket, und hat unter andern auch die Gegend Wißbaden berühret. Wie ihn denn, ohngefähr um das Jahr 1670. der fleißige Heßische Geschicht-Schreiber Winckelmann selber, so viel nemlich damals annoch davon zu sehen gewesen, in Augenschein genommen, und befunden hat, daß er zwischen Langen-Schwalbach und Wißbaden, über die Höhe, ohnweit der vorgemeldten Rent-Mauer, auf Wehen zu, und von dar weiter nach dem Frauen-Walde bey Idstein, und so ferner bis in das Hessen-Land sich gezogen habe, siehe seine Hess. Chron. P. 2. c. 4. p. 129. 130. An theils Orten ist noch jetzo etwas von diesem Graben zu sehen, auch deren Nahme Pol-Grab hier und dar annoch übrig und üblich. An den meisten Orten aber ist der Graben und Nahme desselben vergangen. Wie denn schon um das Jahr 1550. der Wetterauische Geschicht-Schreiber Erasmus Alber in seinem Tugend- und Weisheits-Spiegel, in Beschreibung des, ohnweit Cronberg liegenden, Feldberges, klaget, daß dieser alte ansehnliche Pol-Grab nach und nach gar sehr abnehme. Seine Worte davon verdienen, daß sie allhier mit angefüget, und dem Leser bekannt gemacht werden. Sie lauten aus l. c. also:

[93]
„Rings umher liegt ein grosser Wald,

Darum die alten Heiden haben

Bey zehen Meil umher gegraben,

Ein lange Zeit, eh JEsus Christ

Auf Erden Mensch gebohren ist.

Den Graben man noch sehen kan,

Er wird genennt von jedermann

Der Pol-Grab, und zur lincken Hand

Reicht er bis in das Hessen-Land,

Zur rechten Hand bis an den Rhein;

Das kan ein langer Pol-Grab seyn.

Derselbig Grab vergeht nun sehr,

Dieweil man seiner acht nicht mehr.

Das Alter so feindselig ist,

Beyd Zeit und Alter alles frißt.“

Zu welcher Zeit aber, und durch welchen Römischen Feldherrn, eigentlich dieser Römische Pfal-Graben veranstaltet worden? das haben uns die alte Römische Geschicht-Schreiber so deutlich nicht gemeldet. Doch will man aus dem Suetonio in der Lebens-Beschreibung des Kaysers Claudii c. 1, und aus dem Tacito A. 13. c. 53. einiger massen schliessen, daß er durch den Römischen Feldherrn Drusum, ohngefähr um die Zeit der Geburt Christi, (und also nicht, wie Alber meynet, eine lange Zeit vor derselben) angefangen, und durch den Feldherrn Paulinum Pompejum nachmals vollends zu Stande gerichtet worden sey. Wiewohl andere solches [94] lieber dem Kayser Hadriano zuschreiben wollen, als welcher, wie aus des Spartiani Lebens-Beschreibung dieses Kaysers c. 12. erhellet, die Gewohnheit gehabt hat, dergleichen Limites oder Gräntz-Graben in den Römischen Provinzien hier und dar anlegen zu lassen. Es sind aber diese, in unsern Teutsch-Rheinländischen Gegenden befindlich-gewesene, Römische Pol-Graben damals nicht immer in den Händen der Römer geblieben, sondern sind gar öfters von den aufrührischen Teutschen, wie aus dem Vopisco in dem Leben des Kaysers Taciti c. 3. und andern Römischen Geschicht-Schreibern zu ersehen ist, überstiegen und durchbrochen worden.

6. Die alte Römische Aufschriften in Wißbaden. Man hat vormals ein Verzeichnüß derer in Wißbaden, von alten Zeiten her, befindlich-gewesenen alten Römischen Aufschriften verfasset, und solches bey die schriftliche Urkunden der Stadt beygeleget. In diesem Verzeichnüß, welches noch vorhanden ist, werden folgende solcher Aufschriften nahmhaft gemacht:

1. Auf einer weissen steinernen Tafel hat gestanden:

DIS. MN.

Q. FAVONO.

VARO. FL.

[95]
Q. AVON.

V. VA. RVC.

CO H. XXXII.

PATER.

Das ist, auf Teutsch: * Den abgeschiedenen [96] Seelen der vergötterten Menschen zu Ehren! dem Q. Favono Varo seinem Sohne hat sein Vatter Q. Favonus Varus – – von der zwey und dreyßigsten, mit Spiessen versehenen, Kriegs-Rotte dieses zum Andencken aufgerichtet.

Die in der Mitte dieser Aufschrift befindliche Worte: AVON. V. VA. RVC. sind zwar etwas dunckel; Es scheinet aber, daß sie fehlerhaft eingegraben worden, und vielleicht mit all nichts anders anzeigen sollen, als FAVONVS VARVS.*[97] Doch bleibet solches den Forschern solcher alten Aufschriften zu weiterer Untersuchung ausgestellet. Wie denn auch denselben, annoch genauer zu erwägen, überlassen wird: ob die Buchstaben CO. H. etwan Cohors hastata, eine Spieß-Kriegs–Rotte, oder sonst was anders bedeuten sollen? Weil übrigens so wohl das Favonische, als auch das Varische Geschlecht (welche beyde, wie es scheinet, durch Adoption, oder Annehmung an Kindes statt, ihre beyderseitige Nahmen, wie bey den Römern gewöhnlich war, einander mitgetheilet) sogleich unter den ersten Römischen Kaysern, wie aus dem Tacito A. L. 16. c. 22, L. 1. c. 3, L. 4. c. 66, L. 13. c. 9. etc. zu ersehen, sonderlich aber unter der Regierung des Kaysers Augusti, wie aus dem Suetonio in der Lebens-Beschreibung dieses Kaysers c. 13. und 23, und aus mehr andern Römischen Schrift-Verfassern erhellet, und auch, zum Theil, aus der, in derselben Zeit vorgefallenen, grossen Niederlage des Q. Vari in Teutschland bekannt ist, bey den Römern im Flor gewesen, so lässet sich hieraus nicht undeutlich abnehmen, daß dieser Stein in Wißbaden um dieselbe Zeit, und zwar, sehr vermuthlich, selbst um die Zeit des gemeldten Kaysers Augusti, (als der sich sonderlich viel mit den Teutschen beschäftiget hat) sey aufgerichtet worden, mithin also auch die Römer schon damals, und also beyläufig um die Zeit [98] der Geburt Christi hin, Wißbaden inne gehabt haben. Es sind zwar auch schon kurtz vorher, zu des Jul. Caesars Zeiten, wie man aus seinen Büchern de Bell. Civ. und aus andern Römischen Schrift-Stellern ersiehet, die benennte Favonische und Varische Geschlechter unter den Römern obhanden gewesen; allein um dieselbe Zeit sind, bekanntlich, noch keine Festungen in Teutschland von den Römern angeleget worden. Es ist aber solches bald darauf unter der Regierung des Kaysers Augusti (sonderlich von dem Feldherrn desselben, dem obgemeldten Druso) und seinen ersten Nachfolgern im Reich geschehen. Nach diesen Zeiten ist von den benennten zwey Geschlechtern keine Spur mehr bey den Römischen Geschicht-Schreibern zu finden, und also daraus ziemlich sicher zu schliessen, daß sie bald darauf abgängig worden.

2. Auf einer schwartzen steinernen Tafel hat gestanden:

IN. H. DD.

GENEO. SANC.

TO. MAREL. CL.

POMPEIANVS.

[99]
MIL. LEC. VIII.

ANTONNANAE.

AVG. BF. COS. Td.

IANVAR. IMP.

D. N. ANTONO. IIII.

ET BALBINO. II. COS.

Das ist: Zu Ehren dem Haus-Gott! dem Geneo Sancto Marelio Claudio hat der Pompejanus, oder: dem Geneo Sancto hat der Marelius Claudius Pompejanus ein Kriegs-Mann von der achten Antoninischen Kayserlichen Legion --- als der Kayser unser Herr Antoninus zum vierdten- und der Balbinus zum zweyten-mal Burgermeister waren, dieses zum Andencken aufgerichtet. Die mittlere, etwas schwer zu verstehende, Worte dieser Aufschrift: BF. COS. Td. oder, wie man auch lesen kan, Fd. oder Ed. etc. (denn diese zwey Buchstaben haben auf dem Stein, laut der alten Original-Abschrift desselben, in einander geschlungen gestanden, und sind also viel-deutig) wie auch das Wort IANVAR. lässet man andern, zur weitern Untersuchung und Aufklärung, über. Und was auch die Worte: GENEO SANCTO anbelanget, so stehet einem jeden frey solche [100] entweder vor Nomina propria, das ist, Nahmen eines gewissen Menschens, oder vor Nomina adpellativa, das ist, gemeine Nenn-Worte zu halten, und folglich also zu vermuthen, daß etwan ein Mensch, der Geneus Sanctus geheissen, oder ein Genius sanctus, das ist, ein heiliger und guter Schutz-Geist, (dergleichen die alte Römer, bekanntlich, geglaubet, und sie den Haus-Göttern gleich geachtet haben) oder sonst etwas anders dadurch gemeynet werde. Vielleicht stehet diese gantze Sache also: Es hat der Kayser Antoninus Bassianus Caracalla, dessen in dieser Aufschrift gantz offenbarlich gedacht wird, einen, Nahmens Pompejanus, (Enckel des Kaysers Marci Antonini) welchen er bereits zweymal zum Römischen Burgermeister gemacht hatte, nach dem Zeugnüß des Spartiani in der Lebens-Beschreibung dieses Kaysers c. 3. ohngefähr in dem Jahr Christi 212. umbringen lassen, doch so, daß es den Nahmen hat haben müssen, als ob er von den Strassen-Räubern wäre ermordet worden. Vielleicht hat nun dessen Sohn Pompejanus, welcher damals wie es scheinet, in Wißbaden, als ein Kriegs-Mann, unter dem obersten Befehlhaber Januario, in Besatzung gelegen, in diesem seinem todten Vatter, den er etwan einen Deum domesticum, Haus-Gott, und einen Geneum oder Genium sanctum, einen heiligen Schutz-Geist, vielleicht GENETOrem oder Genitorem [101] sanctum, einen heiligen Vatter nennet, (wie denn die Römer ehemals die abgeschiedene und vergötterte Seelen ihrer Vor-Eltern sanctos oder heilige zu nennen gepfleget haben, siehe den Virgilium Aen. V. 80. 603. etc.) diesen Stein zu Ehren in Wißbaden aufrichten lassen. So viel ist wenigstens aus den vorhandenen Fastis Consularibus Rom. oder Jahr-Verzeichnüssen der ehemaligen Römischen Burgermeister zu ersehen, daß derjenige Pompejanus, welchen der Kayser Antoninus, vorgemeldter massen, hat umbringen lassen, mit seinem Vor-Nahmen: M. Aurelius Claudius geheissen hat, und dieses stimmet mit unserer gegenwärtigen Aufschrift ziemlich überein. Denn daß es gar leicht habe geschehen können, daß der unerfahrene Stein-Arbeiter vor M. Aurel. Marel gesetzet habe, das ist ohnschwer zu begreiffen. Und vielleicht hat der Sohn dieses Pompejani gleiche Vor-Nahmen mit seinem Vatter geführet. Wie denn nachmals im Jahr Christi 231. und 241. ein M. Aurelius Claudius Pompejanus in Rom Burgermeister worden, welcher eben dieser junge Pompejanus scheinet gewesen zu seyn. Es möchte auch wohl etwan um deßwillen eine schwartze steinerne Tafel, welches sonst bey den alten Römischen Stein-Aufschriften nicht sonderlich gewöhnlich gewesen, zu dieser Aufschrift seyn gebrauchet worden, weil der alte Pompejanus (von dessen Vatter [102] Claudio Pompejano der Lampridius, Gallicanus und Spartianus viele Nachricht ertheilen) gewaltsamer weise um das Leben gekommen war etc. Weil übrigens aus den schon gemeldten Jahr-Verzeichnüssen der ehemaligen Römischen Bürgermeister erhellet, daß der Kayser Antoninus Bassianus Caracalla, und der Coelius Balbinus (welche in unserer Aufschrift benennet sind) in dem Jahr Christi 213. das Bürgermeister-Amt in Rom, jener zum vierdten- und dieser zum zweyten-mal, verwaltet haben, so kan man fast gantz deutlich das Jahr benennen, in welchem dieser Stein in Wißbaden ist errichtet worden, nemlich in dem gemeldten 213. Jahre. Und also lässet sich auch daraus gar deutlich abnehmen, daß die Römer annoch um dieselbe Zeit Wißbaden im Besitz gehabt haben.

3. Auf einem Säul-Stein hat gestanden:

I. O. M. I. R.

AEL. CRE.

SIMVS. SE.

DA. TIAB.

ASINA.

V. S. L. L. M.

Das ist: Dem vortreflichsten und grössesten Gott Jupiter und der Königin Juno zu Ehren! der Aelius Cresimus Seda Tiab Asina hat, oder (wenn es mehr als ein [103] Nahme ist) haben sich dieses bey lebendigem Leibe zur Grab-Stätte oder Denckmahl erwählet, oder: aus einem gethanenen Gelübde willig gestiftet. Denn daß die letzte Buchstaben in dieser Aufschrift entweder bedeuten können: Vivens sibi legit, oder: Viventes sibi legerunt locum Monumenti, oder: Voto suscepto legavit oder legaverunt libera manu, das ist aus andern dergleichen alten Römischen Aufschriften nicht undeutlich abzunehmen. Die letzte Bedeutung scheinet allhier, wegen bald anzuführender Ursachen, mehr statt zu haben, als die erste.

4. Auf einem Stein in der Heidnischen Mauer, an dem Heidnischen Thor, hat gestanden:

I. O M. ET
IVNONI. REC.
IN. ONOREM. F.

Das ist: Dem vor treflichsten und grössesten Gott Jupiter und der Königin Juno zu Ehren ist dieses gemacht worden.

Alle diese viere in Wißbaden vormals befindlich-gewesene Römische Stein-Aufschriften sind dermalen nicht mehr daselbst vorhanden. Die drey erste derselben scheinen fast unter der Hand von Wißbaden nach Pfraunheim oder Braunheim, ohnweit Franckfurt [104] am Mayn, an die Herren von Braunheim gekommen zu seyn. Denn in des Winckelmanns Hess. Chr. p. 130, Lersners Franckf. Chr. T. 1. p. 2, Bernhards Wett. Alterth. p. 65. etc. werden wir berichtet, daß daselbst unter denen, von den gemeldten Herren gesammleten, Römischen Steinen auch einige vorhanden seyen, die eine gleiche Aufschrift, wie unsere Wißbadische Steine, haben. Wie uns denn diese Schrift-Steller, und nebst ihnen auch Gruterus, Reinesius, Huttichius etc. in ihren Sammlungen der Römischen Aufschriften, wie auch der Antiquarius des Mayn-Stroms p. 373. die Abschrift dieser Braunheimischen Stein-Aufschriften, nebst einer muthmaßlichen Erläuterung derselben, mittheilen. Allein, wenn wir die Beschreibungen dieser beyderseitigen Steinen etwas genau betrachten, so ergiebet es sich klärlich, daß ein und der andere nahmhafte Unterschied unter denselben vorhanden sey. Denn 1, haben die Wißbadische Steine vormals, laut oben bemeldter Urkunde, in Wißbaden gestanden, die Braunheimische aber sollen, laut dem Zeugnüß der benennten Schrift-Steller, in der Gegend um Braunheim herum gefunden worden seyn. 2, die Aufschriften auf denselben sind einander in den Buchstaben und Worten nicht völlig gleich. 3, die äusserliche Beschaffenheit derselben ist einander auch nicht gleich, denn der [105] Wißbadische Stein des Vari ist von weisser, der Braunheimische aber, laut des Winckelmanns Bericht l. c. von rother Farbe gewesen. Der erste Anstand hat so viel nicht zu sagen. Denn man kan gar leicht unsere Wißbadische nach Braunheim versetzte Steine mit andern Römischen Steinen, die man würcklich daselbst gefunden, und welche ll. cc. auch benennet werden, vermenget, und mit der Zeit davor gehalten haben, sie seyen sämmtlich daselbst gefunden worden. Der zweyte Anstand hat noch weniger zu bedeuten. Denn man weiß gar wohl, daß die Worte auf dergleichen alten Stein-Aufschriften öfters sehr abgekürtzet sind, und daher von einigen Lesern so, von andern anderst gelesen und verstanden werden. Und der Haupt-Inhalt auf den beyderseitigen Steinen ist gleichwohl völlig einerley. Allein der dritte Anstand ist von Wichtigkeit. Und wenn die zwey übrige Braunheimische Steine (welche ll. cc. nicht umständlich beschrieben, und auch dermalen nebst dem ersten, in Braunheim selbst nicht mehr vorhanden sind) ebenfalls, der äusseren Beschaffenheit nach, von unseren Wißbadischen Steinen unterschieden sind, oder sonst keine Irrung in Beschreibung derselben vorgegangen ist, so sind sie würcklich nicht einerley, sondern zweyerley Steine gewesen. Hat aber dieses seine Richtigkeit, so kan auch keiner von diesen Steinen ein eigentlicher [106] Grab-Stein gewesen seyn. Denn ein Grab-Stein wird, bekanntlich, nur an einem Orte, nemlich bey der Grab-Stätte des Verstorbenen, aufgerichtet. Es können aber diese Steine gar wohl nur Ehren- und Gedenck-Steine gewesen seyn, und diese hat man nicht nur den Göttern, sondern auch einem lebenden oder verstorbenen Menschen zu Ehren, an mehr als an einem Orte aufrichten können. Der Zweck dieser Blätter verstattet nicht dieses alles weitläufiger zu untersuchen und zu entscheiden. Uns genüget dismal daran, daß unsere oben beschriebene drey Römische Steine vormals in Wißbaden (laut der oben benennten alten schriftlichen Wißbadischen Stadt-Urkunde) gestanden haben. Ob sie nachmals nach Braunheim gekommen, und also mit den dasigen Römischen Steinen einerley seyen? oder, ob sie von denselben unterschieden gewesen, und anderswohin gekommen seyen? das können wir, ohne Nachtheil der Haupt-Sache, an seinem Orte beruhen lassen. Die vierdte unserer Wißbadischen Stein-Aufschriften ist noch im Jahr 1617. wie aus des Webers Beschreibung des Wißbads, ja auch noch um das Jahr 1670. wie aus des Winckelmanns Hess. Chr. p. 74. fast zu schliessen ist, in Wißbaden an dem benennten Orte, nemlich in der Heidnischen Mauer an dem Heidnischen Thor vorhanden gewesen, und ist damals, wie diese Schrift-Steller [107] bezeugen, von denen nach Wißbaden gekommenen Gelehrten öfters in Augenschein und Abschrift genommen worden. Es hat der Stein, worauf diese Aufschrift befindlich gewesen, damals, wie aus den Zeugnüssen dieser gemeldten Schrift-Verfasser, wie auch aus dem oben gedachten alten schriftlichen Verzeichnüß der Römischen Aufschriften in Wißbaden erhellet, verkehrt in der Mauer gestanden, welches vermuthlich daher gekommen, weil er etwan einmal in den vorigen Zeiten aus der Mauer herausgefallen, und durch einen, der Lateinischen Sprache unkundigen, Mauer-Arbeiter unrecht wieder ist hinein gesetzet worden. Dermalen ist dieser Stein an dem bemeldten Orte ebenfalls nicht mehr vorhanden, sondern ist, wie die drey erstere, auch unsichtbar worden. Es ist auch würcklich in der benennten Heidnischen Mauer, gantz nahe an dem Heidnischen Thor, annoch jetzo ein länglichtes und schmales Loch zu sehen, daraus sich klärlich abnehmen lässet, daß dieser Stein, welcher (wie die alte Beschreibung desselben ist zu erkennen giebet) länglicht und schmal gewesen ist, vormals daselbst gestanden habe, und nachmals herausgenommen worden sey. Wie denn, bekanntlich, dergleichen Alterthümer, seit einigen Jahr-hunderten her, gar selten wegen der vielen Liebhaber zu denselben, eine beständige Bleib-Stätte an einem Orte haben behalten können. Und [108] da Wißbaden vollends ein solcher Ort ist, welcher fleißig von allerley frembden Leuten, seiner Bäder wegen, besuchet wird, so hat man sich über die Veräusserung solcher seiner vormaligen Alterthümer um so viel weniger zu verwundern.

Sonst sind auch noch in der mehr-gemeldten Heidnischen Mauer an dem Heidnischen Thor einige grosse rothe Sand-Steine vorhanden, denen man es gleichsam ansehen kan, daß vormals Römische Aufschriften auf denselben gestanden haben, und auf einem derselben ist der Lateinische Buchstabe R noch gantz deutlich zu sehen. Allein, weil sonst weiter nichts von einiger Schrift darauf zu erkennen ist, so lässet sich auch von dem etwanigen Inhalt derselben nichts melden. Und da auch derselben in dem oftgemeldten alten Verzeichnüß der Römischen Aufschriften in Wißbaden nicht gedacht wird, so muß die auf denselben etwan gestandene Schrift schon vorlängsten in Abgang gekommen seyn.

7. Ein Stein mit einer Römischen Aufschrift bey Wißbaden. Dieser ist in dem eine halbe Stunde Weges weit von Wißbaden gelegenen Dorfe Bierstadt befindlich. Er hat vormals in dem Acker-Felde dieses Ortes gestanden, ist aber, nach dem Bericht des Webers in seiner Beschreibung des Wißbads ohngefähr [109] zu Anfang des 17. Jahrhundert, daselbst aufgehoben, und in den Ort selbst, und zwar auswendig in die Mauer des dasigen Rath- und Schul-Hauses versetzet worden, woselbst er noch jetzo zu sehen ist. Die Aufschrift, welche sich auf demselben befindet, ist diese:

DEO MERCVRIO

NVNDINATORI.

Das ist, auf Teutsch: Dem Gott Mercurius, welcher der Kaufmannschaft vorstehet, zu Ehren! Oben über diese Aufschrift stehen zwey Gestalten in den Stein eingehauen. Die eine derselben stellet, wie es scheinet, den Mercurius selbsten vor. Die andere aber, welche man nicht völlig mehr erkennen kan, hat vermuthlich einen Kauf- oder Handels-Mann, um die Amts-Verrichtung dieses Götzen dadurch anzuzeigen, vorstellen sollen. Weil dieser Mercurius in dieser Aufschrift mit dem Kaufmanns-Titel (da er sonst noch mehrere Dinge, nach der Meynung der alten Heidnischen Völcker, zu besorgen gehabt hat) beehret wird, so giebt solches eine starcke Vermuthung, daß dieser Ehren-Stein desselben von einem ehemaligen Römischen Kauf- und Handels-Mann; der in oder bey Wißbaden gewohnet, etwan an einer öffentlichen Land-Strasse, die sonderlich zum Handel und Wandel gedienet hat, (als dahin man die Gedächtnüß-Steine dieses [110] Götzen vormals gerne zu setzen pflegte) sey aufgerichtet worden. Zwar haben auch die benachbarte alte Gallier, und selbst die einheimische Teutschen, wie Caesar B. G. L. 6. c. 17, und Tacitus G. c. 9. melden, den Gott Mercurius, aus Nachahmung der Römer, vor andern Göttern sehr verehret, und ihme die Handhabung der Kaufmannschaft, wie auch die Besorgung der öffentlichen Strassen, zugeschrieben. Und könnte man also auch nicht gar uneben vermuthen, daß dieser Stein etwan von einem Gallischen oder Teutschen Handels-Mann, welcher in oder bey Wißbaden sich aufgehalten, und der Römischen oder Lateinischen Sprache kundig gewesen, sey veranstaltet worden. Allein weil die Aufrichtung solcher Steinen mit Aufschriften, den Göttern zu Ehren, bey diesen gemeldten Völckern nicht üblich gewesen, so ist es wohl gantz richtig, daß dieser steinerne Mercurius von keinem andern, als einem Römischen Handels-Mann sey angerichtet worden. Denn bey den Römern waren dergleichen Götter-Verehrungen mit Errichtung solcher Steinen mit Aufschriften durchaus gewöhnlich. Es hat übrigens dieser Götze Mercurius in den alten Römischen Aufschriften (wie auch aus dieser unserer Aufschrift erhellet) nach der Anmerckung der Gelehrten, die besondere Ehre, daß er in denselben gemeiniglich Deus oder ein Gott genennet wird, welche Ehre den andern [111] Göttern so ausdrücklich nicht ist angethan worden, siehe des Cellarii Anmerckung über den Caesar l. c. Es ist aber solches vermuthlich demselben deßwegen wiederfahren, weil er, nach der Meynung der damaligen blinden Völcker, so wohl bey den übrigen Göttern selbst, als auch bey den Menschen im täglichen Handel und Wandel, sehr vieles zu verwalten gehabt hat, und man also seiner Freundschaft durch dergleichen besondere Verehrung sich hat gerne versichern wollen.

8. Die gebrannte oder gebackene Steine mit Römischen Aufschriften in Wißbaden. Diese sind in dem Jahr 1732. in Wißbaden, in der so genannten Saal-Gasse, etwas tief in der Erde, in ziemlicher Anzahl gefunden worden. Die äussere Gestalt derselben ist den heutigen so genannten gebackenen oder gebrannten Steinen nicht sonderlich ungleich, nur daß jene grösser und dicker sind als diese. Die Römische oder Lateinische Aufschrift auf denselben ist in so weit bey allen gleich oder einstimmend, daß die Worte und Zahl LEG. XXII. auf allen sich befinden. Die Bey-Worte aber, die noch dabey stehen, sind einander nicht gleich. Denn so stehet z. E. auf einigen: C. V. auf einigen: P. F. auf einigen: P. P. auf einem: P. XX. GIVIARI, oder, wie man auch lesen kan: G. MARI auf andern noch was anders. Man kan indessen aber [112] doch aus der genauen Betrachtung dieser Steinen bald so viel abmercken: 1, daß die Römische Soldaten von der XXII Legion (welches gemeiniglich eine Anzahl von 6666. Mann war) diese Steine ehemals müssen verfertiget haben. Wie denn aus den alten Römischen Geschicht-Schreibern sattsam bekannt ist, daß die Römische Soldaten vormals zu dieser und andern dergleichen Hand-Arbeiten in ihren Lägern und Besatzungen beständig sind angehalten worden. 2, daß also diese zwey und zwantzigste Legion damals in der Stadt und Gegend Wißbaden in Besatzung müsse gelegen haben. Wie denn merckwürdig ist, daß auch in andern, nicht gar weit von Wißbaden entfernten, Gegenden und Orten, sonderlich in der Stadt Maintz, eben solche, mit der Aufschrift:LEG. XXII. versehene, Steine mehrmals sind gefunden worden, wie davon des Winckelmanns Hess. Chr. p. 113, des Schneiders Erbachische Hist. p. 273, 306, des Joannis Maintzische Geschicht–Sch. T. III. N. 16. 19. 21, des Kuchenbeckers An. Hass. Coll. II. p. 234, der Antiquarius des Mayn-Stroms p. 385. etc. können nachgesehen werden. Und ist also solches alles eine offenbare Anzeige, daß diese Legion damals die Gegenden um Wißbaden herum besetzt gehalten habe. 3, daß der, auf diesen Steinen sich befindende, Unterschied der Bey-Wörter vermuthlich von nichts anders [113] herrühre, als, weil diese Steine von verschiedenen Cohorten oder Kriegs-Rotten (deren bey einer jeden Legion ordentlich zehen waren, und eine jede Cohors gemeiniglich fünf bis sechs hundert Mann auszumachen pflegte) eben derselben XXII. Legion sind verfertiget worden, die denn also durch diese verschiedene Bey-Wörter (welche sonder Zweifel die Nahmen oder auch die Aemter ihrer verschiedenen Haupt-Leuten oder Befehlshaber haben anzeigen sollen) sich von einander unterschieden haben. Wie denn leicht zu erachten ist, daß eine jede Cohors oder Rotte, wie auch eine jede Praefectur oder Hauptmannschaft in solcher Rotte, ihre gewisse Anzahl solcher Steinen, in bestimmter Zeit, wird haben liefern müssen. Und ist merckwürdig, daß die Buchstaben auf diesen Steinen nicht, wie sonst bey den alten Römischen Stein-Aufschriften gewöhnlich ist, eingegraben, sondern erhaben stehen, welches eine starcke Vermuthung giebet, daß eine jede der verschiedenen Kriegs-Rotten und Hauptmannschaften dieser Legion eine besondere Form, Zeichen oder Stempel gehabt habe, welchen sie diesen, von ihnen verfertigten, Steinen eingedrucket, und sich also dadurch von den andern Kriegs–Rotten derselben Legion unterschieden habe. 4, daß es aber nicht wohl möglich sey, alle diese besondere, auf solchen Steinen befindliche, Bey-Wörter nahmentlich zu erklären. Denn wer will heut zu Tage [114] annoch wissen, wie alle die verschiedene Haupt-Leute oder Befehlshaber solcher Römischen Cohorten ehemals geheissen, oder was vor Kriegs-Aemter sie gekleidet haben. Und was würde auch vor ein Nutze daraus entstehen, wenn man ja etwan einen und den andern Nahmen oder Amt solcher Leuten würcklich entdecken könnte? Ist doch niemand heut zu Tag an den eigentlichen Personal- und Amts-Nahmen solcher alten Römschen Haupt-Leuten weiter etwas hauptsächliches gelegen. Genug ist es hierbey, daß es gantz offenbarlich seine Richtigkeit hat, daß diese Steine von den Soldaten der zwey und zwantzigsten Römischen Legion ehemals sind verfertiget worden. Im übrigen sind viele von diesen Steinen, zum Andencken, in das Wißbadische Waysenhaus beygesetzet, aber auch unter der Hand von verschiedenen Liebhabern solcherley Alterthümer, wie es bey dergleichen Dingen zu ergehen pfleget, meistentheils wieder unsichtbar gemachet, und eben wie die obgemeldte vier grosse Römische Steine, anderswohin verführet worden.

9. Ein steinerner Löwe, oder ein grosses von Stein gebildetes Thier, welches einem Löwen nicht ungleich siehet, und ein anderes unkenntliches Thier unter sich liegen hat. Dieses steinerne Thier hat sich bey den vorgemeldten Römischen gebrannten Steinen in [115] Wißbaden gefunden, und ist gleichsam von denselben ummauert gewesen. Es ist also nicht unwahrscheinlich, daß solches ebenfalls, gleich den gebrannten Steinen selbst, ein Römisches Alterthum seyn müsse. Nur ist schwer zu sagen, was es eigentlich vor ein Thier habe vorstellen sollen, und zu was Ende dasselbe sey verfertiget und aufgerichtet worden? Es ist aber doch, so viel der Augenschein zeiget, einmal sehr wahrscheinlich, daß es, wie gedacht, einen Löwen habe vorstellen sollen; so denn, daß es etwan ehemals, als ein Zierrath, in einem Römischen Gebäude oder Garten des alten Wißbads werde gestanden haben, nachmals aber, bey mehrmaliger Veränderung und Umkehrung der Gebäuden dieser Stadt, zu einem anderwärtigen Gebrauch, und vielleicht zu einem unterirdischen Mauer-Werck, oder Ausfüllung des Bodens, nebst den obgemeldten Steinen, werde seyn verfertiget worden. Es ist indessen dieses steinerne Thier in das Schloß zu Wißbaden, zum Andencken, beygestellet worden.

10. Die Römische Müntzen, oder die alte Müntzen, auf welchen sich die Bildnüsse der ehemaligen Römischen Kayser, welche in den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt gelebet haben, befinden. Solcher Römischen Müntzen sind bisher viele in der Stadt Wißbaden, und dem dabey gelegenen Felde, [116] zufälliger Weise gefunden worden, und werden ihrer noch täglich gefunden, und von dem gemeinen Mann, wie bekannt, Heiden-Köpfe genennet. Diese Müntzen zeigen nicht an, wie etwan der Sachen unkundige Leute öfters dencken, daß die Römische Kayser, deren Bildnüsse auf solchen Müntzen stehen, persönlich in solcher Gegend, wo man sie findet, gewesen seyen. Sondern sie beweisen nur so viel, daß die alte Römer daselbst sich aufgehalten, Handel und Wandel darin getrieben, auch ihre Soldaten daselbst auf- und abgezogen, und das Land, wenigstens mannichmal, unter ihrer Bottmäßigkeit gestanden habe; wie man dessen ein Beyspiel an dem ehemaligen Jüdischen Lande, nach Matth. 23. v. 17-, nehmen kan. Daß aber solche Müntzen vormals ziemlich häufig in die Erde gerathen sind, das ist theils zufällig geschehen, daß sie bey dieser und jener Gelegenheit sind ohnversehens verlohren worden; theils aber ist es etwan auch vorsetzlich geschehen, da man mannichmal aus Furcht vor heimlicher oder öffentlicher Entwendung dergleichen Gelder mit Fleiß in die Erde hier und dar verscharret hat. Und da man deren gemeiniglich einige bey denen in Wißbaden gefundenen Römischen Todten-Krügen (wie bereits oben bemercket worden) angetroffen hat, so scheinet es fast, daß sie aus einem besonderen Aberglauben solchen Grab-Stätten beigefüget [117] worden, und also auch dadurch zuweilen in die Erde gekommen sind.

Es finden sich sonst noch in der Wißbadischen Feld-Gegend einige Alterthümer, welche vielleicht, wenn man völlig-gewissen Grund davon erlangen könnte, unter die gantz alte Teutsch-Römische Alterthümer des Wißbads, die wir bisher beschrieben haben, müßten gerechnet werden. Z. E. In dem Jahr 1750. hat man nahe bey Wißbaden, gleich vornen im Walde, in dem so genannten Nersberge die Grund-Mauern von einem ziemlich weitläuftigen Gebäude in der Erde ohnvermuthet gefunden. Und weil die Ober-Fläche der Erde über diesen Grund-Mauern mehrentheils mit grossen alten Wald-Bäumen ist bewachsen gewesen, so hat man daraus, nicht ohne Grund, schliessen wollen, daß das an diesem Orte gestandene Gebäude vor sehr langen Zeiten müsse erbauet worden seyn. Man hat an den Steinen desselben keine Schrift noch Jahr-Zahl finden können, daraus man etwan hätte abnehmen mögen, was es vor ein Gebäude gewesen, und zu welcher Zeit es erbauet worden sey? Man hat aber doch viele alte gebrannte oder gebackene grosse, mit erhabenen Fugen versehene, Ziegel-Steine von verschiedener Gattung (dergleichen auch in der oben beschriebenen Heidnischen Mauer, wie daselbst bemercket worden, hier und dar befindlich [118] sind) dabei angetroffen, und diese sind von den Kennern der alten Mauern vor Römische gebrannte Steine gehalten, und ist zugleich von dem Mauer-Arbeitern versichert worden, daß man gar wohl sehe, daß sie an diesem Ort zuerst seyen verarbeitet und zur Mauer verwendet worden. Weil nun (wie auch bereits oben berichtet ist) Tacitus G. c. 16, und Herodianus L. 7. c. 2. bezeugen, daß bey den alten Teutschen keine gebrannte Ziegel-Steine gebräuchlich gewesen, sondern solche erst von den, in Teutschland angekommenen, Römern sind verfertiget, und zuweilen bey ihren Mauer-Wercken gebrauchet worden; auch diese Steine würcklich von den, nachmals aufgekommenen, gebrannten Steinen gantz unterschieden sind, als hat man, nicht ohne ziemliche Wahrscheinlichkeit, vermuthen wollen, daß das, an diesem Orte gestandene, Gebäude ein Römisches Gebäude gewesen sey. Und weil nicht weit von diesem alten Gebäude die Spuren von einer alten Mauer, welche daselbst, von dem gemeldten Nersberge an, bis gegen Sonnenberg zu, an dem Walde hin, fast auf eine halbe Stunde Weges lang sich erstrecket, gefunden worden, als hat man weiterhin vermuthet, daß vielleicht in dieser Gegend vormals ein Römischer Thier-Garten (dergleichen die alte Römer gar gerne hier und dar anzulegen gewohnt gewesen) gestanden, und [119] diese Mauer denselben umschlossen habe, das vorgemeldte Gebäude aber etwan ein Jagd- oder Lust-Haus in demselben gewesen sey. Die Sache ist gar nicht unwahrscheinlich, sie bleibet aber doch nur in dem Werth einer blossen Vermuthung. Uebrigens ist das Gebäude selbst, so viel man aus den Grund-Mauern desselben hat ersehen können, von ziemlicher Grösse gewesen, und hat seine ordentliche, meistens aber kleine, Gemächer gehabt, ist auch noch insbesondere mit einer eigenen Mauer, von sehr weitem Umfang, umschlossen gewesen. In dem Gemäuer selbst hat man einen Circkel, einen Meisel, und die Stangen von dem Zaum eines Pferdes gefunden. Auch hat man einige Stücke von einer glatten Gyps-Wand dabey angetroffen, worauf rothe und blaue Farben, von unkenntlichen Figuren, befindlich gewesen.

Ferner, so ist nahe bey Wißbaden eine Feld- und Garten-Gegend, welche, von alten Zeiten her, der Kün- oder König–Stul genennet wird; und diese Benennung ist von ziemlicher Bedencklichkeit. Denn es ist denen, welche der Teutschen Alterthümer in etwas kundig sind, nicht unbekannt, daß man die Wohn-Sitze oder Schlösser der alten Teutschen Königen ehemals Künig-Stüle zu nennen gepfleget hat. Wie denn bey einigen dergleichen alten verfallenen Schlössern, z. E. [120] ohnweit Heidelberg, laut Kaysers Heidelbergischen Chronick p. 2. 36. diese Benennung noch jetzo übrig und gewöhnlich ist. Wenn es nun Grund hat, was einige alte Einwohner in Wißbaden von dem gemeldten König-Stuhl daselbst haben versichern wollen, nemlich, daß man ehedessen einige Spuren von Gräbern und Aufwürfen darin habe bemercken, und folglich daraus schließen können, daß ehemals einige Festungs-Gebäude allda müsten gestanden haben; so könnte man nicht unfüglich vermuthen, daß etwan ehedessen ein Teutsch-Allemannischer König (dergleichen, wie wir oben bewiesen haben, in der Wißbadischen Gegend sich aufgehalten haben) seinen Sitz oder Wohnung daselbst gehabt hätte. Wie denn auch dieser König-Stuhl eine solche Lage hat, welche diese jetzt-gemeldte Muthmassung ziemlich bestärcket. Denn er lieget an einer Anhöhe, welcherley Gegenden die alte Teutschen ehedessen, bekanntlich, zu ihren Schlössern und Festungs-Gebäuden gerne zu erwählen, gewohnt gewesen sind. Man lässet aber diese Sache, weil uns mehrere Gründe dabey abgehen, auf sich selbst beruhen.

[121]

Zweyte Abtheilung:
Das Fränckische und Kayserliche
Wißbad.


Oder
Beschreibung der Geschichten der Stadt Wißbaden unter den Fränckischen Königen und Teutschen Kaysern, ohngefähr von dem Jahr Christi 500 an, bis gegen das Jahr 1000.


Ursachen dieser Benennung.


Daß diejenige alte Teutsche Völcker, welche Francken sind genennet worden, und diesen Nahmen entweder von dem alten Teutschen Wort Franck, das ist, Frey, oder von ihren spritzigen Waffen, welche Farancken geheissen, überkommen haben, und also Freye, Freyheit-liebende, oder wohl-bewehrte Leute gewesen sind, sich in [122] dem vierdten und fünften Jahrhundert nach Christi Geburt gar starck ausgebreitet, und nicht nur das annoch so genannte Francken-Land in Teutschland, wie auch den größten Theil des benachbarten Galliens (welches nachmals von ihnen Franckreich benennet worden) eingenommen, sondern auch gegen das Jahr 496 die, um den Mayn- und Rhein-Strom, annoch übrig-gewesene Allemannische Völcker völlig bezwungen, und die denselben zugehörig-gewesene Länder sich unterwürffig gemacht haben, das hat, nach dem Zeugnüß aller Geschicht-Schreiber, welche damals gelebet, sonderlich des Gregorii von Tours Hist. Franc. L. 2. c. 30 etc. seine völlige Richtigkeit. Und also ist es auch richtig, daß die Stadt Wißbaden, welche in den gemeldten Gegenden gelegen, ein gleiches Schicksal betroffen, und sie diese Francken, an statt der obgemeldte Allemannier, zu ihren Ober-Herren werde bekommen haben. Die unten anzuführende überbliebene fränckische Denckmale in Wißbaden werden diese, an sich gantz klare, Wahrheit noch weiter bestätigen. Wiewohl auch bloß allein die, in unserer Nachbarschaft liegende, Stadt Franckfurt am Mayn schon Zeuge genug seyn kan, daß die Francken in diesen unseren Gegenden ehemals geherrschet haben. Denn der Nahme dieser Stadt leget klärlich genug an den Tag, [123] daß sie von den Francken sey erbauet worden, und diesen Nahmen von ihnen überkommen habe. Es haben diese Franken hierauf etliche Jahrhundert hindurch ihre eigene Könige gehabt, welche die ihnen unterwürffig-gewesene Lande frey-mächtig beherrschet haben. Es haben aber diese Könige zugleich, besserer Ordnung wegen, allerley besondere Graven, das ist, Richter, und andere dergleichen vornehme Beamten, welche sie gemeiniglich aus ihren Edelingern und Frilingern, das ist Edlen und Freyen, gewählet, in ihren Landen hin und wieder gesetzet, welche dieselbe, im Nahmen der Königen, verwaltet, und davor gewisse Einkünfte genossen, von den Landen selbst aber nichts erblich, ausser was sie etwan, gleich andern Unterthanen, vor eigenthümliche Privat-Güter gehabt, besessen haben. Endlich hat einer dieser Fränckischen Königen, nemlich Carl der Grosse, gar die Kayserliche Würde, um das Jahr 800, an sich gebracht, auch das annoch übrig-gewesene, und zum Fränckischen Reiche nicht gehörige, Theil des Teutschlandes sich vollends meistens unterwürffig gemacht. Da denn bey der Theilung seiner vielen Länder unter seine Söhne, das Teutsche Reich seine besondere Könige aus diesem Fränckischen Stamm überkommen hat, deren einige ebenfalls die Kayserliche Würde behauptet haben; bis solche, samt den Landen, nach Abgang dieser Fränckischen [124] Familie, an andere, und besonders an die Sächsische Hertzoge, um das Jahr 919, gelanget ist. Zu aller dieser Teutschen Königen und Kaysern Zeiten hat das meiste Theil des Teutschen Reiches (einige grosse Hertzogthümer ausgenommen) solchen Königen und Kaysern annoch eigenthümlich zugehöret. Und ob sie zwar ebenfalls überall ihre mancherley Graven und Land-Voigte, welche den besondern Landes-Gegenden oder Gauen vorgestanden, gehabt haben, so sind doch solche Aemter und Landes-Herrschaften noch nicht erblich gewesen, sondern solches ist erst nachher in dem eilften Jahrhundert (wie unten in der dritten Abtheilung weitere Meldung davon geschehen wird) nach und nach in Uebung gekommen. Wie denn der Teutsche Geschicht-Schreiber Rhegino von Prüm, welcher in dem zehenten Jahrhundert gelebet, dieses, als was sonderbares und ungewöhnliches, in seiner Chronick p 105 anmercket, daß der Kayser Otto I einem gewissen Go- oder Gau-Graven, Nahmens Uto (Otto) im Jahr 949 die Erlaubnüß gegeben, seine verwaltete Amts-Lande erblich unter seine Kinder zu theilen. Man hat also gantz sicher zu glauben, daß Stadt und Gegend Wißbaden ebenfalls die gemeldte Zeit hindurch den Teutschen Königen und Kaysern annoch eigenthümlich zugehöret habe, und als ein besonderer Reichs-Gau oder Reichs-Herrschaft von einem Comite [125] provinciali temporatio, das ist von einem Gau-Grafen, auf Zeit und Ziel, werde seyn regieret worden. Es werden unten einige Königliche und Kayserliche schriftliche Urkunden vorkommen, aus welchen deutlich erhellen wird, daß die Teutsche Könige und Kayser annoch um dieselbe Zeit, nemlich in dem neunten und zehenten Jahrhundert, Eigenthums-Herren von Stadt und Gegend Wißbaden gewesen sind. Denn in solchen schriftlichen Urkunden werden zwar verschiedene Grafen genennet, welche der Wißbadischen Gegend damals vorgestanden haben, z. E. Aedewint, Numat etc. Es wird aber zugleich deutlich darin zu verstehen gegeben, daß nicht diese Grafen, sondern die darin benennte Teutsche Könige und Kayser, mit solchen Gegenden geschaltet und gewaltet haben, wie sie gewollt; folglich also nicht die erste, sondern die letzte die würckliche Eigenthums-Herren derselben gewesen sind. Wie denn in der einen Urkunde von dem Grafen Numat das Lateinische Wort praeesse (vorstehen) ausdrücklich gebrauchet, und dadurch angezeiget wird, daß er seinen Gau nur Amtsweise verwaltet, nicht aber denselben eigenthümlich besessen habe. Die Sache selbst ist in den allgemeinen Geschichten des Teutschen Reiches so klar gegründet, wie in denen bisher in den Druck gekommenen vielen Reichs-Historien von Teutschland sattsame Zeugnüsse [126] davon zu finden sind, daß, wenn auch gleich besondere Nachrichten von unserer Gegend, dieser Sache wegen, fehlen sollten, man doch an der Gewißheit derselben gar keinen Zweifel zu tragen hätte. Es wird unten in der dritten Abtheilung annoch eine Urkunde von dem Kayser Friedrich II, die Wißbadische Kirche betreffend, vorkommen, daraus sich ebenfalls nicht undeutlich wird abnehmen lassen, daß Wißbaden, ehe es an die Grafen von Nassau gekommen, ein Proprietarium oder Eigenthum der Teutschen Kayser gewesen sey. Und also wird denn, da Wißbaden, laut dieser bisher angeführten Zeugnüssen, ohngefähr von dem Jahr 500 bis gegen das Jahr 1000, theils den Fränckischen Königen, theils den nachmaligen Teutschen Kaysern eigenthümlich zugehöret hat, solches auch billig, diesen Zeit-Lauf hindurch, das Fränckische und Kayserliche Wißbad von uns benennet.


Einwohner
des Fränckischen und Kayserlichen
Wißbads.


Weil die kriegerische Völcker der damaligen Zeiten, wenn sie ein Land überzogen und eingenommen, eben nicht die alten [127] Einwohner desselben, es wäre denn, daß sie sich, wie bereits oben berühret worden, allzuhartnäckigt widersetzet, gäntzlich vertilget, sondern sie nur allein ihrer Herrschaft unterworffen, auch sich selbst unter sie hin und wieder vertheilet, und nach und nach sich mit ihnen vereiniget haben; so kan man gar wohl vermuthen, daß zwar bey dem obgemeldten Ueberzug der Francken, Wißbaden seiner alten Allemannischen Einwohner eben nicht völlig werde seyn beraubet worden, doch aber auch unter der Hand von neuen Fränckischen Gästen einen starcken Zusatz bekommen haben. Was so denn die Zeit unter dem Fränckischen Regiment selber betrift, so sind dieselbe zwar in den Mittel-Rheinischen Landes-Gegenden, so viel man aus den damaligen wenigen Geschicht-Schreibern ersehen kan, meistentheils ruhig und friedlich gewesen, und mag es also vermuthlich damals keine sonderliche Abänderung bey den Einwohnern unseres Ortes gegeben haben. Was aber die nachmalige Zeiten unter den Teutschen Kaysern dieses Zeit-Laufes anbelanget, so sind solche, zum Theil, desto unruhiger und unglücklicher gewesen. Denn da haben sich in dem neunten und zehenten Jahrhundert die, in den Teutschen Geschichten so sehr bekannte, grausame Einfälle der barbarischen Normänner (Nordmänner, Nordländer) und Hunnen (Hungarn) in Teutschland zugetragen, durch welche so manche [128] Stadt und Gegend desselben ihrer Einwohner durch das Schwerdt völlig sind beraubet worden. Da nun diese Einfälle auch bis in die Mittel-Rheinische Landes-Gegenden, wie aus des Rhegino Chron. p. 103, Trithems Hirsaugischen Chron. T. 1. p. 43. 44, Joannis Maintzischen Geschicht-Schreibern T. 1. p. 413. 416, und andern Geschicht-Verfassern zu ersehen ist, sich erstrecket haben, so ist gar leicht zu vermuthen, daß Wißbaden dabey nicht werde leer ausgegangen seyn, sondern ebenfalls, gleich andern Städten solcher, und der meisten übrigen, Gegenden des Teutschlandes an seinen Einwohnern grosse Noth gelitten haben. Wie denn durch diese Ueberzüge der gemeldten Völcker eine solche erschreckliche Verwüstung in Teutschland ist angerichtet worden, daß man damals GOtt (welcher sich dieser grausamen Völcker, als eine Peitsche über das damals sehr verderbte Christen-Volck in Teutschland, bedienet hat) in den öffentlichen Kirchen-Litaneyen oder Gebäten um endliche Abwendung solches grossen Jammers angerufen hat. Es lässet sich aber von besondern Abänderungen und Schicksalen, welche etwan die Einwohner unserer Stadt Wißbaden hierbey damals möchten getroffen haben, nichts näheres und umständliches, wegen Abgang nöthiger schriftlicher Urkunden, berichten.


[129]

Aeussere Gestalt und Beschaffenheit
des Fränckischen und Kayserlichen
Wißbads.


Diejenige äusserliche Gestalt und Beschaffenheit, welche Wißbaden zu der alten Teutschen und Römer Zeiten, wie in der ersten Abtheilung berichtet worden, gehabt hat, und welche darin bestanden, daß das alte Teutsche Wißbaden in der eigentlichen Bad-Gegend des Ortes, das Römische Wißbaden aber gantz nahe dabey gelegen hat, und von der Heidnischen oder Römischen Stadt-Mauer umgeben worden ist, hat wohl in diesem Fränckischen und Kayserlichen Zeit-Lauf, so viel sich aus einigen Umständen schliessen lässet, keine sonderliche Abänderung erlitten, sondern ist in solcher alten Haupt-Verfassung, vermuthlich, geblieben. Doch mag wohl dasjenige Stück des Römischen Wißbads, welches vormals auf dem Heidnischen Berge gestanden, nach und nach in Abgang gekommen, und die alte Römische Festungs-Wercke der gesammten Stadt mögen auch wohl unter der Hand größtentheils verfallen seyn. Wie denn überhaupt bey den meist-ruhigen und friedlichen Zeiten des Fränckischen, oft sehr schläfrig-geführten, Regimentes fast keine Stadt mehr in dem damaligen Fränckischen Teutschland sich in einem [130] sonderlich-wehrhaften Stande erhalten hat. Und ist es daher kein Wunder gewesen, daß nachmals, bey den vorgemeldten grausamen Einfällen der wilden Normänner und Hunnen, diese Völcker keinen Gegenstand fast nirgends vorgefunden, sondern alles, wie eine Fluth, ungehindert haben überschwemmen können. Doch hat die Furcht vor solchen unvermuthet geschehenen Ueberfällen, wie auch die Verordnung der damaligen Teutschen Kayser, sonderlich Henrichs I, verursachet, daß man damals hier und dar in Teutschland, die Städte wieder in einem haltbaren Stand zu setzen, sich bemühet hat. Wie denn auch das benachbarte Maintz, aus eben dieser Ursache, nach dem Zeugnüß der Maintzischen Geschicht-Schreiber l. c. damals seine Befestigungen wieder erneuert hat. Und kan es also gar wohl seyn, daß auch unser damaliges Wißbad diesem Beyspiel gefolget, und sich ebenfalls wiederum mit neuen Festungs-Wercken hat versehen lassen. Doch ist nicht zu vermuthen, daß diejenige Wälle und Wasser-Gräben, womit Wißbaden vormals verwahret gewesen, allschon um diese Zeit sollte errichtet worden seyn. Denn dergleichen Befestigungs-Art war damals bey den Städten noch nicht gewöhnlich, sondern ist erst in den folgenden Zeiten aufgekommen. In diesem Fränckischen und Kayserlichen Zeit-Lauf aber pflegte man nur noch vornemlich durch Mauern und [131] Thürne die Städte zu befestigen und zu verwahren. Sonst aber hat Wißbaden in diesen Zeit-Begriff annoch einen gar ansehnlichen Zuwachs an seinen Gebäuden durch den Fränckischen Saal oder Pallast, welcher daselbst errichtet worden, erhalten. Es hat derselbe gantz nahe an der eigentlichen Bad-Gegend des Wißbads gestanden, und ist von einem grossen Umfang gewesen, hat auch der Stadt Ehre gebracht, daß sie damals eine Königliche und Kayserliche Saal- oder Pfaltz-Stadt gewesen ist. Weil aber annoch heutigen Tages nicht nur die Gegend, wo dieser Saal gestanden, bekannt, sondern auch der Nahme desselben, nebst einigem alten Gemäuer davon, würcklich übrig ist, und er also billig unter die überbliebene Alterthümer und Denckmahle des Fränckischen Wißbads gehöret, als wird auch unten, in Beschreibung derselben, die ausführliche Nachricht davon am füglichsten können mitgetheilet werden.


Innere Regiments-Verfassung
des Fränckischen und Kayserlichen
Wißbads.


Es ist bey den Fränckischen Königen so wohl, als auch bey den nachmaligen [132] Teutschen Kaysern in diesem Zeit-Lauf üblich gewesen, in denen ihnen zugehörig-gewesenen Landen hier und dar besondere Land-Grafen zu ordnen, die denn, nach den verschiedenen Gauen und Landes-Strichen, auch wieder Gau-Grafen, und diese so denn allerley Cent-Grafen, Voigte und andere dergleichen geringere Beamten unter sich stehen gehabt haben; welcher denn sämmtlich, ein jeder nach seiner Ordnung, die Landes-Herrschaftliche Einkünfte besorget, und die Unterthanen, nach ihren Reichs-Gewohnheiten und Gesetzen, regieret haben. In den Städten sind auch noch überdiß besondere Sculteten (Schultheissen, Schultzen) wie auch Scabinen (Schöppen, Schöffen) oder Banck-Richter gewesen, welche den Einwohnern derselben rechtlich vorgestanden haben. Die Könige und Kayser selber aber sind in ihren Landen immerzu auf- und abgezogen, und haben in denen Städten, darin sich Saele oder Pfaltzen (Palatia, Palläste) befunden haben, Gericht gehalten, und die Haushaltung ihrer mancherley Beamten in solchen Landes-Gegenden untersuchet. Die Saal- oder Pfaltz-Städte haben dabey noch, weil sie mit besonderem Vorzug Villae regiae und imperiales Reichs-Flecken, Reichs-Städte hiessen, ihre gewisse Privilegien und Freyheiten, vor andern Städten und Flecken gehabt. Auch hat sich in einer jeden derselben noch ein besonderer [133] Saal- oder Pfaltz-Graf befunden, welcher die, zu dem Saal gehörige, Güter verwaltet, und andere ihm zukommende Rechte besorget hat. Da nun die Stadt Wißbaden in diesem Zeit-Lauf, wie oben bewiesen worden, den Fränckischen Königen, und den nachmals aufgekommenen Teutschen Kaysern eigenthümlich zugehöret hat, und dazu noch, wie unten ausführlich wird bewiesen werden, eine Königliche und Kayserliche Saal- oder Pfaltz-Stadt gewesen ist, so läßt sich gar leicht erachten, daß die vorbenennte, damals üblichgewesene, Regiments-Gewohnheiten, so viel die Verfassung der Stadt erfordert hat, ebenfalls bey derselben werden üblich und im Gang gewesen seyn; folglich also dieselbe überhaupt unter einem besonderen Gau-Grafen gestanden, dabey ihren eigenen Saal- oder Pfaltz-Grafen, wie auch ihre Sculteten und Scabinen gehabt, und ihre gewisse Privilegien und Freyheiten werde genossen haben. Wir können aber keine nahmentliche Umstände wegen Mangel nöthiger Urkunden, davon anführen, sondern müssen uns bloß an diesen allgemeinen Nachrichten, welche man bey allen denen, die die Geschichten der alten Fränckischen Königen und Teutschen Kaysern beschrieben haben, überflüßig genug bestättiget findet, begnügen lassen. Wir können uns aber dabey versichert halten, daß wir bey diesem Schluß von dem allgemeinen auf das [134] besondere, weil jenes gegründet ist, und dieses aus dem folget, wenig oder gar nicht irren werden.

Da auch eben jetzo gedacht worden, daß damals die Gewohnheit in Teutschland gewesen, die grosse Landes-Gegenden in besondere pagos oder Gauen, Gouen, Gowen, Gohen, Goyen (Geäuen) zu theilen, wie davon in unsern Gegenden, annoch heut zu Tage, die Nahmen Rhein-Gau, Worms-Gau, Gere-Gau, (Gerau) Wetter-Gau, (Wetterau) Ruck-Gau etc. übrig und üblich sind, folglich also Wißbaden damals ebenfalls zu einem solchen gewissen Gau oder Landes-Strich gehöret, und unter dem Gau-Grafen, welcher diesem Gau vorgesetzt gewesen, wird gestanden haben; so fragt sichs hierbey nicht unbillig, wie denn der Gau, zu welchem damals diese unsere Stadt gerechnet worden, geheissen habe? Es giebt einige neuere Land- und Städte-Beschreiber von Teutschland, welche in ihren Schriften vorgeben, es habe Wißbaden in dem Einrich- oder Heinrich-Gau (wie er in den alten Schriften genennet wird) gelegen. Es ist aber solches ohne Grund. Denn es ist zwar ehedessen in unsern nahen Gegenden ein besonderer Gau gewesen, welche diesen Nahmen gehabt, und denselben, vermuthlich, von den Wörtern: Hayn und Rück, Sylvae Dorsum, Jugum, oder Höhe und Rück, [135]Montis Dorsum etc. ursprünglich überkommen hat. Es hat aber derselbe nicht um Wißbaden herum, sondern eigentlich um Nasteden und Catzenellenbogen herum gelegen, und ist derselbe entweder ein eigener grosser Gau, oder, welches vermuthlicher ist, ein kleiner Gau des grossen Lohn Gaues gewesen. Es ist auch noch heut zu Tage der Nahme desselben in der dasigen Gegend einiger massen übrig und üblich, massen dieselbe Gegend noch jetzo der Hayrich oder Härich genennet wird, und kan davon Bernhard in seinem Wetterauischen Alterthümern p. 185 und 327 weiter nachgesehen werden. Der Gau aber, darin unser Wißbaden ehedessen gelegen gewesen, hat, kraft alter, noch jetzo vorhandener, schriftlicher Urkunden, einen gantz andern, und recht besondern, Nahmen gehabt, nemlich den Nahmen Kunigessunder. Schannar in seinen Trad. Fuldens. oder Fuldischen Vermächtnüssen liefert uns p. 131 (wie solches in des Verfassers Merckw. der Stadt Wißb. P. 2. p. 43 angeführet ist) eine schriftliche Urkunde des Kaysers Ludwigs des I oder Frommen von dem Jahr 820, (wie solches Jahr die beygefügte Indict. Rom. XIII. oder 13 Römer Zins-Zahl zu erkennen giebet) darin gemeldet wird, daß Massenheim, welches er dem Closter Fulda damals vermacht hat, gelegen habe in dem Gau Kuningessuntre. Und Kuchenbecker in Anal. Hass. Coll. XI. p. 22[136] gedencket aus dem Prodromo Chron. Gottwic. eines Briefes des Kaysers Otto I von dem Jahr 970, darin bezeuget wird, daß Wicker und Norenstede (Nordenstadt) zu dem Gau Kunigessundra, welchem der Graf Numat sichtlich vorgestanden, ( – Wickera et Norenstede in Pago \& Comitatu Kunigessundra, cui Numat Comes praeesse videtur – ) gehöret habe. Und in des Joannis Maintzischen Geschicht-Schreibern T. 2. p. 531, und, aus denselben, in den gemeldten Wißb. Merckwürd. l. c. findet sich ein Schenckungs-Brief des Kaysers Otto III, von dem Jahr 992, darin er einige seiner Güter in Biburc und Mossebach (Biebrich und Moßbach) dem Closter Seltz, im Elsaß gelegen, vermachet, und dabey meldet, daß diese Oerter gelegen hätten in dem Gau Kunagis sunderun in der Grafschaft des Grafens Ardewints. Wer die, in diesen angeführten Urkunden vorkommende, Umstände nur in etwas erwäget, der wird so bald mercken, daß, da die, darin benannte, zu dem Gau Kunigessunder gehörig-gewesene, Oerter gleichsam im Bezirck von Wißbaden gelegen, also auch dieser Ort selber zu dem vorgemeldten Gau werde gehöret haben. Wie denn um deßwillen der Verfasser des obgedachten Prodr. Chron. Gottw. l. c. ausdrücklich schreibet: „Kunigessundra – ist ein Gau der ehemaligen Fränckischen Landen in der heutigen Herrschaft Wißbaden und Epstein, zwischen [137] den Gauen Nidgow, Rhingow und Lohngow.“ Es wollen zwar einige die Herrschaft Wißbaden lieber theilen, und den einen Theil zu dem Gau Kunigessunder, den andern aber zu dem Gau Einrich ziehen. Es geschicht aber solches ohne Grund, und sind die nöthige Beweisthümer hiervon in den Urkunden-Schriften nicht vorhanden. Doch will man nicht gantz widersprechen, daß sich der Gau Einrich, wie einige darthun wollen, bis nach Urefo, (Aurof) und also bis in die Herrschaft Idstein erstrecket habe, siehe davon des Reinhards Jur. und Hist. Ausfüh. P. II. p. 66–. Denn die so genannte Höhe ist vermuthlich die Gräntze dieser beyden Gauen gewesen. Fraget man nun aber weiter hierbey, was denn der Nahme Kunigessunder, den unser mehrbemeldter Gau vormals gehabt hat, eigentlich bedeute, und woher derselbe seinen Ursprung genommen habe? so ist es freylich an dem, daß die Meynungen der Kenner der Teutschen Alterthümer davon gar sehr unterschieden sind. Zwar was das Vorwort Kuniges anbelanget, so ist es gantz offenbar, daß solches nichts anders sey, als Königes, und ist also davon weiter keine sonderliche Streit-Frage übrig. Was aber das Bey-Wort sunder anlanget, so ist es damit anders beschaffen. Einigen ist dieser Nahme so viel, als eine Königes-Sonderung, oder ein vor den König abgesondertes Gut, [138] etwan ein Leib-Gut, (Leib-Geding) Familien-Gut, (Erb-Gut) Hof-Gut, Tafel-Gut etc. wie denn ja dieser Unterschied unter den mancherley Gattungen der herrschaftlichen Güter nicht nur ehemals gewöhnlich gewesen, sondern auch noch jetzo fast in allen Reichen und Landen bekannt und gewöhnlich ist. Andern ist dieser Nahme Kunigessunder so viel, als Königeshundret oder hundert, das ist ein Königlicher Cent-Gau oder Cent-Gericht von hundert dazu gehörigen Oertern, Gütern oder Unterthanen. Noch andere beweisen aus des alten Geschicht-Schreibers Eginhards Lebens-Beschreibung des Kaisers Carls des Grossen, daß das Wort Sunder in der alten Teutschen Sprache so viel geheissen, als Suden oder Mittags-Gegend; folglich urtheilen sie, daß dieses Wort Kunigessunder so viel bedeute, als ein Königes-Gau, der gegen Mittag zu gelegen, und daß also vielleicht noch ein anderer Königes-Gau damals in unseren Gegenden gewesen, welcher gegen Mitternacht zu gelegen, und Königes-Norderun geheissen habe. Der Leser hat Freyheit von diesen verschiedenen Meynungen diejenige zu erwählen, welche ihm am wahrscheinlichsten vorkommt. Uns ist es genug, daß die Sache selber, nemlich, daß die Wißbadische Gegend ehemals diesen Gau-Nahmen, wie aus den angeführten Urkunden sattsam erhellet, geführet habe, ihre Richtigkeit [139] hat; der Nahme mag nun seinen Ursprung genommen haben, woher er will. Es ist hierbey nur noch dieses, als was bedenckliches, anzumercken, daß in dem Bezirck dieses ehemaligen Gaues Königssunder einige Oerter befindlich sind, welche von dem Wort König ihre Benennung haben, nemlich das ehemalige Berg-Schloß Altkünig ohnweit Cronberg an der Höhe, das Städtlein Königstein in eben derselben Gegend, und das Dorf Königshofen nicht weit von Idstein. Auch ist nahe bey Wißbaden, wie bereits oben berichtet ist, eine merckwürdige Feld-Gegend vorhanden, welche von alten Zeiten her der Königstul genennet wird. Ob nun etwan ein und der andere Nahme dieser Oerter und Gegend, und der Nahme des oft-gemeldten Gaues einerley Ursprung miteinander gehabt? oder, ob vielleicht der eine Theil zu des anderen Theiles Benennung eine Veranlassung gegeben habe? das wird andern zur weiteren Untersuchung überlassen. Noch ist hierbey mit wenigem zu gedencken, daß man vormals grosse und kleine Gauen gehabt hat, und die letztere unter den ersten sind begriffen gewesen. Daher man sichs also nicht darf irren lassen, wenn man in den Urkunden der damaligen Zeit, z. E. in des Schannats Fuldischen Vermächtnüssen etc. einige andere Gau-Nahmen, als der vorbenennte ist, von unsern nahen Gegenden antrift; [140] denn es sind solche nichts anders als kleine Gauen von dem grossen Gau Kunigessunder gewesen. Heut zu Tage heisset man solche kleine Landes-Striche: Gründe, Thäler, Marcken etc. Siehe hiervon des Junckers Geogr. der mittlern Zeit p. 191. des Bernhards Wett. Alterth. p. 118, u. a. m.


Religion und Gottesdienst
der Einwohner
des Fränckischen und Kayserlichen
Wißbads.


Daß das Christenthum in diesem Zeit-Lauf in Wißbaden werde würcklich zu Stande gekommen seyn, daran ist wohl gar keinen Zweifel zu tragen. Denn es haben nicht nur die Fränckische Könige in Zeiten, nemlich schon um das Jahr 499, die Christliche Religion angenommen, und solche auch nachmals in ihren eroberten Landen, so viel sichs nach dem Maaß der damaligen Zeit hat thun lassen, fortzupflantzen gesuchet. Sondern es hat auch Wißbaden die Stadt Maintz in der Nähe gehabt, in welcher das Christenthum schon zu der Allemannen Zeiten, im Jahre 368, wie Ammianus L. 27. c. 9 meldet, [141] zum Theil in Uebung gewesen, zu der Francken Zeiten aber, und unter ihrem Regimente, völlig zu Stande gekommen ist. Daher also leichtlich zu erachten stehet, daß die dasigen Bischöffe nicht werden unterlassen haben, in einem, ihnen so nahe gelegenen, Orte, als Wißbaden ist, den Saamen der Christlichen Lehre, nach Möglichkeit auszustreuen. Es ist aber doch, wie aus den annoch vorhandenen wenigen Schriften derselben Zeit zu ersehen ist, das Christenthum in den Teutsch-Rheinischen und Wetterauischen Landes-Gegenden vor den Zeiten des bekannten Maintzischen Ertzbischofs Bonifacii noch nicht völlig und durchgängig in Uebung gewesen; massen die Liebe zu dem alten Heidnischen Unwesen bey den Einwohnern derselben hier und dar annoch allzusehr eingewurtzelt war, und viele abgöttische Gewohnheiten bey ihren heimlichen Zusammenkünften in Feldern und Wäldern immer noch gar starck im Schwang gegangen. Da aber dieser benennte Bonifacius um das Jahr Christi 738 sich viele Mühe gegeben, das annoch übrig-gewesene Heidenthum in den gemeldten Gegenden vollends auszurotten, und dagegen die Christliche Lehre, doch nicht anders, als nach der Vorschrift der damaligen Römischen Bischöffen, durchgängig einzuführen, so ist auch solche immer mehr und mehr darin in Gang gekommen, und folglich ist also auch, sonder allen [142] Zweifel, unser Wißbad immer besser damit erfüllet, und vermuthlich mit Christlichen Lehrern, wie auch Kirchen und Schulen, mehr und mehr versehen worden. Zumalen auch bald hernach, nemlich im Jahre 755, von des Bonifacii Nachfolger, Lullo, Ertzbischoffen zu Maintz, das ansehnliche Benedictiner-Closter des H. Ferrutii zu Bliden- oder Bleiden-Stadt (das ist, Freuden-Stadt, von dem alten Teutschen Worte Blide, welches Freude heisset, also benahmet) in der Nachbarschaft der Stadt Wißbaden durch die Fränckische Könige, nahmentlich auch durch den König Carl, nachmaligen Kayser, den Grossen, (daher es auch Abbatia regalis, eine Königliche Abtey in den alten Urkunden genennet wird) nach dem Zeugnüß des Trithems Chron. Hirs. T. I. p. 275, des Joannis Maintzischen Geschicht-Schreibern T. I. p. 373. 186 etc., ist errichtet, auch mit reichen Einkünften, insbesondere aus den Wißbadischen Landen, begabet worden. Daher denn also zu vermuthen ist, daß die Mönche desselben (welcher nachmals in dem Jahr 1495 in adeliche Stifts-Herren sind verwandelt worden) hauptsächlich werden verbunden gewesen seyn, das aufgegangene Christenthum in dieser ihrer Landes-Gegend mit allem Fleiß und Sorgfalt aufrecht zu erhalten, und immer mehr und mehr, nach Möglichkeit, auszubreiten. Es ist aber in den Schriften der damaligen [143] Zeit (welche ohnehin in gar geringer Anzahl vorhanden sind) keine nahmentliche Nachricht von der Anrichtung des Christenthums in Wißbaden zu finden; daher wir also auch keine besondere Umstände von dieser, sonst wichtigen und merckwürdigen, Sache melden können, sondern bloß allein mit den benennten allgemeinen Zeugnüssen und Vermuthungen davon zufrieden seyn müssen. Gleichfalls lässet es sich auch nicht melden, was es mit dem äusseren Kirchen-Gebäude in dem damaligen Wißbad vor eine Bewandnüß gehabt, und zu welcher Zeit eigentlich dasselbe zuerst sey errichtet worden. Es ist aber doch so viel gantz sicher zu glauben, daß, so bald die Christliche Religion selbst in demselben sich ausgebreitet, auch eine öffentliche Kirche daselbst werde seyn erbauet worden. Auch ist so viel gantz wahrscheinlich zu vermuthen, daß solche in der eigentlich so genannten Stadt-Gegend des Wißbads, und zwar auch vielleicht auf der Stelle, wo die jetzige stehet, werde seyn errichtet worden. Es lassen sich doch aber keine besondere Umstände von dieser Sache, wegen Abgang nöthiger Nachrichten, weiter melden. Nur so viel lässet sich noch aus einer schriftlichen Urkunde des Kaysers Friedrichs II (welche unten in der dritten Abtheilung wird angeführet werden) deutlich abnehmen, daß um diese Zeit, und ehe Wißbaden an die Grafen von Nassau gekommen, [144] die Wißbadische Kirche (wie die Stadt selbst) ein Eigenthum der Teutschen Kayser gewesen sey.


Nahme
des Fränckischen und Kayserlichen
Wißbads.


Dieser ist in diesem Fränckischen und Kayserlichen Zeit-Lauf, so wohl in Teutscher als Lateinischer Sprache, kein anderer gewesen, als Wißbaden, von welches Nahmens Ursprung bereits in der ersten Abtheilung hinlängliche Nachricht ist gegeben worden. Er kommt vor in einigen alten schriftlichen Urkunden des Kaysers Otto I, vom Jahr 965, deren so bald mit mehrerem wird gedacht werden; denn da heisset es in der Unterschrift derselben ausdrücklich: Actum Wisibadun DCCCCLXV. das ist: Geschehen zu Wisibadun im Jahre 965. Wisibadun aber ist so viel als Wisebaden. Denn die alte Teutsche haben den Buchstaben E gar öfters durch ein I und U ausgesprochen, und also z. E. vor sungen, klungen, gemeiniglich gesprochen: sungin oder sungun, klungin oder klungun etc. wie man davon in des ältesten Teutschen Dichters Ottfrieds Schriften [145] Beyspiele genug finden kan. Uebrigens wird dieser Nahme Wißbaden gantz vermuthlich in mehreren Urkunden der damaligen Zeit befindlich seyn. Es liegen aber solche entweder noch verborgen, oder sind bereits gar verlohren gegangen. Daher sich also dißmal keine weitere nahmhaft machen lassen.


Merckwürdige Geschichte oder
Begebenheiten
des Fränckischen und Kayserlichen
Wißbads.


Solcher merckwürdigen Geschichten und Begebenheiten mögen sich wohl gar manche in diesem langen fünf-hundert-jährigen Zeit-Lauf in dem damaligen Wißbaden zugetragen haben, und zwar theils gute und angenehme, theils böse und unangenehme. Denn da diese Stadt damals, wie bald mit mehrerem wird bewähret werden, eine Königliche und Kayserliche Saal- oder Pfaltz-Stadt gewesen ist, und also sonder Zweifel, nach der Gewohnheit der damaligen Zeiten, die Fränckische Könige, wie auch nachmals die Teutsche Kayser, sich mannichmal darin [146] werden aufgehalten und Gericht gepflogen haben, so wird dieses unserer Stadt, gantz vermuthlich, manchen Vortheil und Glantz zugezogen, folglich also den Einwohnern derselben Gelegenheit gegeben haben, mancherley merckwürdige Begebenheiten dabey wahrzunehmen, und sich deren zu erfreuen. Da aber auch in diesem sehr langen Zeit-Lauf, gantz vermuthlich, manche widrige Schicksale, sonderlich, wie wir bereits oben bemercket, bey denen in dem 9 und 10 Jahrhundert geschehenen grausamen, bis in unsere Wißbadische Gegenden sich erstreckten, Einfällen der Normänner und Hunnen, sich mögen geäussert und unsere Stadt betroffen haben; so ist ebenfalls kein Zweifel, daß nicht solche Zufälle derselben gar manche merckwürdige, aber auch zugleich unangenehme und betrübte, Begebenheiten werden zugezogen haben. Es ist aber niemand in dem Stande, so wohl von dem einen, als von dem andern, einige besondere und umständliche Nachrichten zu ertheilen. Denn die Anzahl der etwanigen Geschicht-Schreiber der damaligen Zeiten ist theils sehr klein, theils sind ihre Schriften sehr schlecht und mangelhaft, und kan also die Erndte von merckwürdigen Begebenheiten, die man bey ihnen zu machen hoffet, nicht anders, als schlecht und mager ausfallen. Und in den alten Schrift-Cammern der Stadt und des Landes Wißbaden [147] hat man von solchen alten Zeiten vollends gar keine schriftliche und bewährte Nachrichten zu erwarten. Folglich bleibet also das meiste, was in diesen Zeit-Lauf in Wißbaden sich merckwürdiges zugetragen hat, größtentheils verborgen, und mit dunckler Nacht bedecket. Es ist aber doch eine eintzige merckwürdige Begebenheit vorhanden, welche sich damals in unserer Stadt zugetragen, und von welcher man eine gewisse und auf bewährte schriftliche Urkunden gegründete Nachricht ertheilen kan; und solche ist der Aufenthalt des Kaysers Otto des I und Grossen in Wißbaden. Dieser hat sich zugetragen im Jahr 965 im Monat April, wie die noch jetzo vorhandene schriftliche Urkunden, welche er damals in dieser Stadt, zu Gunsten des Ertzbißthums Magdeburg, und einiger anderer Reichs-Ständen, ausgefertiget hat, deutlich bezeugen. Man kan solche in des Meibomii Script. Rer. Germ. T. 1. p. 748, so denn bey dem Sagittario in Antiq. Magdeb und bey dem Leubero in Stap. Sax. wie auch in des Verfassers Wißb. Merckw. P. 1. p. 61, und P. 2. p. 45, angeführet finden. Und heißt es in denselben ausdrücklich, und zwar in der einen: Otto I --- Actum Wisibadun III.


Id. Apr. Anno Dom. DCCCCLXV. Imperii IV. Regni XXX. Und in der andern: Data II. Id. Apr. Anno Dom. Incarn. DCCCCLXV. Indict. VIII. Anno Imp. Magni Ottonis [148] Imperatoris Augusti IV. Regni XXX. Actum Wisibadun in Christi nomine feliciter. Das ist: Otto I – Geschehen zu Wisibadun den 11, wie auch den 12, April, im Jahr Christi 965 in der 8 Römischen Zinszahl, im 4 Jahr der Kayserlichen und im 30. Jahr der Königlichen Regierung des Kaysers Otto des Grossen. Es kam dieser Kayser damals aus Italien, und hielte sich erstlich eine Zeitlang in dem benachbarten Ingelheim, wo ein Kayserlicher Saal oder Pallast war, auf, und feyerte daselbst die Ostern. Von dar gieng er nach Wißbaden, und hat sich ebenfalls daselbst einige Zeitlang, wie aus den bemeldten Urkunden zu ersehen ist, gesäumet. Was er aber eigentlich daselbst verrichtet, und ob er etwan in dem dasigen Saal, nach Gewohnheit der damaligen Zeiten, Wohnung genommen und Gericht gepflogen, oder sonst eine Reichs-Versammlung gehalten, oder sich auch etwan der dasigen Bäder bedienet hat? das ist und bleibet uns dermalen, wegen Abgang mehrerer und näherer Nachrichten, unbekannt. Er ist nachmals von Wißbaden weiter auf Franckfurt am Mayn und so fort auf Herrenstein, (an welchen beyden Orten ebenfalls Kayserliche Saele oder Palläste waren) und von dar weiter nach Sachsen gegangen.


[149]

Ueberbliebene Alterthümer und
Denckmale
des Fränckischen und Kayserlichen
Wißbads.


Dahin gehöret

1. Der Saal, oder Königlich-Fränckische und Kayserliche Pallast in Wißbaden. Es hat nemlich in dieser Stadt, und zwar in dem Bezirck, wo die heutige Saal Gasse ist, nahe an der Bad-Gegend, ein Gebäude gestanden, welches von alten Zeiten her, der Saal ist genennet worden. Von diesem Gebäude sind um das Jahr 1617 noch einige ansehnliche Mauern über der Erde zu sehen gewesen. Denn so schreibt Weber in seiner damals herausgegebenen Bad-Beschreibung des Wißbads p. 7, und in der Teutschen Uebersetzung derselben p. 10: „Es ist noch in Wißbaden eine andere Antiquitätoder Alterthum, nemlich ein Ort, welchen die Einwohner den Saal nennen. Es sind vier Mauern, als wenn es ein Fundament eines alten Schlosses wäre. Und dieses wird insonderheit der Saal genennet. Aber die umliegende Weingärten, Aecker und Wiesen werden auch in dem Saal genennet, also [150] daß die vier Mauern das Schloß, die umliegende Oerter aber das Vorgebäu und Vorhof gewesen zu seyn, scheinen.” In den darauf erfolgten langwiehrigen Kriegs-Zeiten, darin in Wißbaden, wie unten wird gemeldet werden, gar vieles mit erlitten hat, ist der Rest dieses Gebäudes vollends zu Grunde gegangen, also daß man um das Jahr 1708, da man eine Gasse in solchem Saal (wie man ihn nannte) oder Saal-Gegend, welche aus Wiesen, Aeckern und Weingärten bestund, hat anlegen wollen, nichts mehr von einem Gebäude über der Erde gesehen, wohl aber in der Erde selbst, bey Aufgrabung derselben, und zwar an verschiedenen Orten dieser gemeldten Gegend, noch allerhand merckwürdiges Mauer-Werck, insonderheit Wände mit allerley Mahlereyen ausgezieret, wie auch erhabene Böden von Estrich, angetroffen hat, welches alles aber auch damals vollends umgerissen, und zu anderweitigem Nutzen verwendet, folglich also dieser gantze Saal, bis auf den überbliebenen Nahmen und einiges Gemäuer, welches man noch in den dazu gehörigen Feld-Stücken, wie auch in einigen Hofraithen der Saal-Gasse, hin und wieder antrifft, und welches vermuthlich ehemals NebenGebäude dieses Saals gewesen sind, ist vernichtiget worden. Fraget man nun, was denn dieser so genannte Saal eigentlich vor Alters vor ein Gebäude gewesen sey? so kan [151] die Antwort, nach angestellter gründlichen Untersuchung der Sache, nicht anders fallen, als daß solcher ein ehemaliges Schloß oder Wohn-Haus der alten Fränckischen Könige, wie auch der nachmaligen Teutschen Kayser gewesen seý. Der Beweis davon ist dieser: 1,. ist das Wort Saal eigentlich ein altes Fränckisches Wort, und heisset in solcher Sprache ein Schloß oder eine herrschaftliche Wohnung. Dieses bezeugen alle diejenige Schrift-Steller, welche die alte Teutsche Sprache, wie auch die Rechte und Gewohnheiten der alten Teutschen, in der Fränckischen Zeit, untersuchet haben, mit einem Munde. Wir wollen nur zwey derselben dißmal anführen, nemlich den Wachter und den Coccejus. Der erste schreibet in seinem Gloss. Germ. oder Wörter-Buch der alten Teutschen Sprache p. 1339 also: Die Francken nennen ein Königliches Haus einen Saal. Und p. 1343 heisset es: Saal-Buch, in welchem die Königlichen Güter aufgezeichnet sind, kommt her von dem Wort Saal, welches ein Schloß oder einen Pallast bedeutet. Und der andere schreibet in seinem Jur. publ. p. 90: Saal ist so viel, als ein Pallast oder öffentliches Hof-Gebäude, nemlich ein Ort, wo die öffentliche Zusammenkünfte des Reichs angestellet wurden. Es ist auch dieser Nahme Saal annoch heut zu Tage bey einigen solcher alten Königlichen und [152] Kayserlichen Gebäuden in verschiedenen Städten unserer Nachbarschaft würcklich übrig. Z. E. so heisset das alte, von dem Fränckischen König und Teutschen Kayser Carl dem Grossen erbauete, oder doch gantz erneuerte Schloß zu Ingelheim in der Pfaltz, noch jetzo, der Saal. Und der, von seinem Sohn, dem Kayser Ludwig dem Frommen, erbauete Kayserliche Pallast zu Franckfurt am Mayn heisset der Saal-Hof etc. Denn die alte Fränckische Könige, wie auch die nachmalige erste Teutsche Kayser, hatten die Gewohnheit, daß sie nicht beständig an einem Orte sich aufhielten, sondern in ihren Landen herum reiseten, und in den ansehnlichsten und bequemesten Städten derselben, auch öfters nur vor oder bey denselben in dem Felde unterm freyen Himmel, öffentliches Gerichte, wie auch Zusammenkünfte der Reichs-Stände hielten. Damit sie nun bey solcher Verrichtung schickliche Wohnungen vor sich und ihren Hof-Stat haben möchten, so liessen sie in solchen Städten hier und dar öffentliche Schlösser aufrichten, welche damals insgemein Saele, oder auch Pfaltzen, (von dem Lateinischen Wort: Palatium, Pallast) benennet wurden. Und sind dergleichen Saele oder Pfaltzen gar viele, sonderlich in den vornehmsten Städten an dem Rhein-Strom, damals aufgerichtet worden. Obgemeldter Coccejus schreibet daher l. c. p. 98. 99: Die Königliche [153] Gerichte sind vor Alters mehrentheils in der Rheinischen Landes-Gegend gehalten worden. Daher trift man in den meisten alten Städten solcher Provintz dergleichen alte öffentliche Gebäude an, welche noch jetzo die Pfaltz oder der Saal genennet werden. Nicht nur das bereits angeführte Ingelheim und Franckfurt, sondern auch das alte und ehemals so ansehnlich- gewesene Trebur in unserer Nachbarschaft, wie auch Maintz, Worms, Speyer etc. haben alle ehedessen, wie die alte Geschicht-Schreiber unseres Teutschlandes bezeugen, solche Saele oder Pfaltzen gehabt, welche aber meistentheils, bis auf einige wenige, durch die Länge der Zeit und allerley Zufälle, nach und nach eingegangen, doch an theils Orten annoch einige Spuren davon übrig geblieben sind. Es gehöreten insgemein zu solchen Saelen oder Pfaltzen auch ansehnliche Königliche Ländereyen, damit der Hof bey Anwesenheit des Königes oder Kaysers seinen Unterhalt davon haben konnte, wie auch Wälder zur Jagd, und andere dergleichen nöthige Güter. Wie denn auch, ordentlicher Weise, ein jedes solcher Saal- oder Pfaltz-Schlösser seinen besondern Saal- oder Pfaltz-Grafen hatte, welcher die dazu gehörige Güter verwaltete, und sonsten noch allerley ansehnliche Verrichtungen im Nahmen und in Abwesenheit des Königes zu besorgen hatte. Die Städte selber aber, wo [154] solche Saele oder Pfaltzen waren, hiessen Saal-Städte, Pfalentz- oder Pfaltz-Städte, Königstühle, Villae regiae, imperiales, Fisci publici etc. das ist, Reichs-Flecken, Reichs-Städte, gemeiner Reichs-Schatz etc. Und war es keine geringe Ehre vor eine Stadt, wenn sie mit einem solchen Königlichen Schlosse versehen, und also zu einer Saal- oder Pfaltz-Stadt war erhöhet worden. Wie sie denn auch mehrere Freyheiten, als andere Städte des Reiches, zu geniessen hatten; davon die Zeugnüsse bey gar vielen Geschicht-Beschreibern der alten Teutschen Reichs-Geschichten hinlänglich genug zu finden sind. 2, heißt unser Wißbadischer Saal in einer, im Jahr 1123 ausgefertigten, schriftlichen Urkunde des Kaysers Heinrichs V (welche unten in der dritten Abtheilung mit mehrerem wird genennet werden) in der Lateinischen Sprache: Curtis regia. Dieses Wort aber bedeutet nichts anders, als ein Königliches Schloß oder Pallast. Und darf man nur den einigen alten Geschicht-Schreiber Lambert von Aschaffenburg, welcher zu den damaligen Zeiten gelebet, nachlesen, so wird man fast auf allen Blättern seiner sehr richtigen Geschicht-Beschreibung einen überflüßigen Beweis davon haben können. Denn da nennet er die damalige Saele oder Königliche Palläste zu Trebur, Worms, Northausen, Goßlar etc. immerzu Curtes regias. Und in [155] den brieflichen Urkunden der damaligen Zeit pflegen überhaupt die Lateinischen Wörter: Palatium regium, das ist, Königlicher Pallast, und Curtis regia allezeit mit einander umgewechselt zu werden, wie man nur allein in des Schannats historischen Schriften sattsame Zeugnüsse davon antreffen kan. Z. E. so wird in seiner Hist. Worm. T. II. p. 6. 7. 9 der vorhin benahmte Saalhof zu Franckfurt am Mayn in einigen Urkunden von dem neunten Jahrhundert genennet Palatium Regium; und p. 13. und 14 wird eben derselbe in einigen Urkunden von eben diesem Jahrhundert genennet: Curtis regia etc. Es ist aber das Wort Curtis eigentlich von dem Lateinischen Wort Curia, zu der Zeit, da man die Reinigkeit der alten Lateinischen Sprache nicht mehr beobachtete, entstanden, und hat, seinem ersten Ursprung nach, eigentlich ein Gebäude, darin man öffentliches Gericht gehalten, bedeutet. Es ist aber hernach allen ansehnlichen, sonderlich öffentlichen oder gemeinen, Gebäuden und Höfen ebenfalls beygeleget worden. Und wenn es das Beywort regia, das ist, Königlich, bey sich stehen hat, so wird dadurch allemal, die aus den vorgemeldten Schrift-Stellern, und denen, von ihnen angeführten, zuverläßigen Urkunden, zu ersehen ist, einen Königlicher Pallast, Schloß, oder Residentz-Hof angezeiget. 3, ist die gantze Gegend welcher ehemals zu unserm Wißbadischen Saal [156] gehöret hat, von alten Zeiten her, mit besonderen Freyheiten begabet gewesen, welches eine Anzeige ist, daß das Gebäude, welches daselbst gestanden, kein schlechtes Privat-Gebäude müsse gewesen seyn. Und zwar ist diese Gegend nicht klein, sondern von ziemlicher Grösse gewesen. Denn sie hat nicht nur den Bezirck der heutigen Saal-Gasse, (welche von diesem Saal den Nahmen zu unsern Zeiten überkommen hat) sondern auch noch ein ziemlich-weitläuftiges Stück Land, welches dermalen ausserhalb der daselbstigen Stadt-Mauer lieget, in sich begriffen, welches alles zusammen im Saal genennet worden, und vermuthlich mit besonderen, zu diesem Saal gehörigen, Hof- und Neben-Gebäuden ehedessen ist versehen gewesen. Wie man denn in den Feld-Stücken dieser Saal-Gegend annoch vor nicht gar langer Zeit allerley altes Mauer-Werck über und in der Erde, insbesondere auch im Jahr 1731 ein kleines altes unterirdisches Gewölbe mit Todten-Gebeinen angetroffen hat, und auch noch jetzo einiges dergleichen altes Gemäuer und Hölen oder unterirdische Gewölber daselbst hier und dar antreffen kan. Daß aber dieses ehemals so ansehnlich-gewesene Saal-Gebäude in unserer Stadt nach und nach verfallen, und zu Grunde gegangen ist, das darf man sich nicht sonderlich wundern lassen. Denn die ehemalige Beschaffenheit des Teutschen Reiches hat [157] sich längstens geändert. Die Kayser ziehen nicht mehr in den alten Saal-Städten herum, sondern pflegen an einem gewissen Orte ihre Residentz zu nehmen, und haben also solcher ehemaligen Saele nicht mehr nöthig. Die besondere Landes-Herrschaften aber, denen dergleiche Saal-Städte nachmals zugefallen, haben sich neuere und bequemere Schlösser gebauet. Und da die zu solchen Saelen gehörig-gewesene Güter mit Rath davon abgekommen, und niemand mehr die alt-Fränckische Gebäude (die alt-Fränckisch beschaffen, und auch von alten Francken würcklich erbauet waren) gehandhabet, so haben sie, da ohnehin die Länge der Zeit und allerley andere Zufälle dazu geschlagen, nicht anderst, als nach und nach in den meisten Saal-Städten, und also auch in Wißbaden, verfallen müssen. Uebrigens ist noch zu mercken, daß dieser Wißbadische Saal nachmals, als die Stadt mit Wällen und Gräben (wie unten in der dritten Abtheilung wird gezeiget werden) ist umgeben worden, ausserhalb solcher Stadt-Befestigungen gestanden hat, wie denn die Stadt-Gräben zwischen diesem Saal und der Bad-Gegend sich vorbey gezogen haben. Und ist also zu vermuthen, daß er, nach Gewohnheit solcher Schlösser, von alten Zeiten her, seine eigene Befestigungs-Wercke gehabt haben werde. Man kan das, was von diesem Saal, welcher eines der vornehmsten Alterthümer [158] unseres Wißbads (davor ihn auch Winckelmann in seinen Hessischen Chron. P. 1. c. XI. p. 74 hält) gewesen ist, bisher aus hinlänglichen Gründen, hoffentlich überzeugend, ist dargethan worden, mit einigen mehrerern allgemeinen Zeugnüssen der Gelehrten bestärcket, und gegen verschiedene darwider erregte Zweifel (die jedoch der Wahrheit dieser Sache wenig Eintrag thun) verteidiget finden in des Verfassers Merckw. der Stadt Wißb. P. 1. p. 44. P. 2. p. 29. Der Haupt-Einwurf, den man hierbey vornemlich geäusert hat, bestehet darin, daß man vorgegeben: wenn vormals ein solch ansehnlich Gebäude, als dieser Saal gewesen seyn soll, auf der Stelle unserer Wißbadischen Saal-Gegend gestanden hätte, so müsten die Rudera oder überbliebene Fundament-Mauern davon, die man zu unsern Zeiten in der Erde daselbst gefunden, viel stattlicher und ansehnlicher gewesen seyn, als sie würcklich gewesen sind. Allein wer da weiß, was die Zeit vor grosse Veränderungen bey dergleichen bejahrten Gebäuden, auch selbst bis in ihre tiefste Fundamente und Grund-Mauern hinein, durch allerley Schicksale anrichten könne, und würcklich überall anrichte, der wird Bedencken tragen, sich über diesen Einwurf im geringsten aufzuhalten. Es werden die Fundament-Mauern dieses Wißbadischen Saals, gantz vermuthlich, schon mehr als einmal, zumalen als man [159] denselben in Aecker, Wiesen und Weiden-Gärten verwandelt hat, durch Herumgraben der Erde, klein gemacht worden seyn. Und ist also dasjenige Gemäuer, welches man zu unsern Zeiten von demselben annoch in der Erde angetroffen hat, keinesweges die Grund-Mauer des gantzen Saals, sondern nur ein und der anderen Stücken desselben gewesen. Wiewohl doch auch selbst diejenige unterirdische Mauer-Stücke, welche man, vorgemeldter massen, zu unsern Zeiten in dieser Saal-Gegend gefunden hat, nach dem Zeugnüß dererjenigen, welche solche gegenwärtig betrachtet haben, würcklich so beschaffen gewesen sind, daß man daraus wenigstens überhaupt so viel hat abnehmen können, daß das Gebäude, welches vormals daselbst gestanden, von keiner gemeinen oder schlechten Verfassung gewesen sey.

2. Die drey gelbe Lilien in einem blauen Felde, welche in dem Insiegel oder Wappen der Stadt Wißbaden befindlich sind. Von diesem alten Wappen der Stadt wird insgemein vermuthet, daß es von den ehemaligen Fränckischen Königen herrühre, und also ein würckliches Alterthum der Fränckischen Zeiten sey. Es ist auch diese Vermuthung, wie aus einigen Anzeigungen erhellet, nicht ohne Grund. Denn 1, so sind zwar die Lilien, absonderlich in einer bestimmten Anzahl, noch nicht [160] das ordentliche und beständige Wappen der alten Fränckischen Königen gewesen. Noch viel weniger ist dieses Lilien-Wappen dem ersten Christliche Könige der Francken, Clodowig, durch ein, bey seiner Taufe, von dem Himmel gefallenes, mit drey blauen Lilien bemahltes Schild, von dem Himmel selbst (wie Valdes de praerog. Hisp. vorgiebt) angewiesen worden. Allein es sind doch auch die Lilien in dem Wappen einiger alten Fränckischen Königen nicht gantz und gar ungewöhnlich gewesen. Es wäre denn, daß man solche Figuren, wie einige wollen, vor Fränckische Speer-Spritzen zu halten hätte. Siehe hiervon ausführlich den Montfaucon in Thes. Antiq. Reg. Galliae. 2, ist Wißbaden, wie kurtz vorher dargethan worden, vormals eine Fränckische Saal- oder Pfaltz-Stadt gewesen, und hat also, gantz vermuthlich, auch damals, nach der Gewohnheit der Städten selbiger Zeiten, ihr besonderes Wappen gehabt. Es ist aber kein älteres Wappen bey derselben, weder in alten Schriften, noch an alten Gebäuden, vorhanden, als diese drey Lilien; folglich ist es also sehr wahrscheinlich, daß eben diese drey Lilien das Wappen seyen, welches diese Stadt bey ihrer Erhöhung zu einer Fränckischen Saal- oder Pfaltz-Stadt von den Fränckischen Königen (es mögen nun dieselbe dieses Wappen damals allschon selber geführet haben, oder nicht) überkommen habe. Dazu kommt [161] 3, daß auch die ehemalige Saal- oder Pfaltz-Stadt Trebur in unserer Nachbarschaft ebenfalls vormals drey Lilien in ihrem Wappen, nach dem Zeugnüß des Sauers in seinem Städte-Buch in Beschreibung des Ortes Trebur, geführet hat; wie denn an den öffentlichen Gebäuden desselben diese drey Lilien vormals, eingehauen, sind zu sehen gewesen. Woraus wenigstens so viel abzunehmen ist, daß dergleichen Lilien-Wappen in den ehemaligen Fränckischen Zeiten (darin Trebur in seinem Flor gestanden) bey solcherley Städten nicht ungewöhnlich gewesen ist. 4, ist dieses Lilien-Wappen der Stadt Wißbaden in den vorigen Zeiten, L. U. verschiedene malen von den Teutschen Kaysern bekräftiget worden; welches eine starcke Anzeige giebet, daß dieses Wappen von alten Königlichen und Kayserlichen Begnadigungen seinen Ursprung bekommen habe. 5, ist würcklich bey der Stadt Wißbaden ein schriftlicher, in dem Jahr 1562 aufgesetzter, Bericht vorhanden, des Inhalts, daß die Stadt ihr Lilien-Wappen, nebst andern Freyheiten, sonderlich vor die dasigen Bäder, ehemals nahmentlich von dem Fränckischen Könige und Teutschen Kayser, Carl dem Grossen, überkommen habe, der selbst-händige Schenckungs-Brief desselben auch bey der Stadt vorhanden gewesen, in dem grossen Brand aber, welchen dieselbe 1547 erlitten (davon unten weitere Nachricht [162] vorkommt) verunglücket sey. Nun ist es zwar freylich an dem, daß man dermalen von der Richtigkeit dieses angegebenen alten Kayser-Briefes eben nicht hinlänglich genug versichert seyn kan; denn er ist nicht mehr vorhanden, und kan also auch nicht eingesehen, und gebührend geprüfet werden. Es ist aber bekannt, was dergleichen alte Kayser-Briefe, sonderlich von dem Kayser Carl dem Grossen, (als welcher zumal sehr alt und selten sind) vor wichtigen Zweifeln, ihrer Richtigkeit wegen, insgemein unterworfen sind. Es ist auch bekannt, daß dergleichen Zweifel nicht wohl anders, als durch eine genaue Einsehung und Prüfung solcher Briefen selber, und aller Worten und Sachen derselben, können abgethan werden. Da nun aber solches bey dem vorgegebenen Wißbadischen Kayser-Brief, wegen dessen gäntzlichen Abgangs, nicht mehr thunlich ist, als kan man auch wegen dessen gehabten Richtigkeit freylich wohl keine endliche und völlige Versicherung erlangen. Allein es ist doch allerdings sehr wahrscheinlich, daß derselbe seine Richtigkeit würcklich gehabt haben werde. Denn da der gedachte Kayser Carl der Grosse ehemals gar öfters, wie die Geschicht-Schreiber seiner Zeiten bezeugen, in unsern Gegenden, um Franckfurt und Ingelheim herum sich aufgehalten hat, auch dabey, wie eben diese Schrift-Steller melden, ein besonderer Liebhaber der [163] warmen Bäder gewesen ist, so stehet fast gar nicht zu zweifeln, daß er nicht zuweilen auch unser Wißbad, zumalen dasselbe mit einem Königlichen Saal versehen gewesen, werde besuchet, und demselben eine und die andere Begnadigung, nach der Gewohnheit der ehemaligen Teutschen Kayser, erzeiget haben. Wie man denn auch überdas keine sonderliche Ursache absehen kan, warum ein solcher Brief, der bloß allein das Wappen der Stadt, und einige, wie es scheinet allgemeine Freyheiten der Bäder, (die ohnehin niemand gerne anfichtet) betroffen hat, gantz ohne Grund von den ehemaligen Einwohnern der Stadt sollte auf das Tapet gebracht worden seyn. Doch stehet es einem jeden frey, hiervon zu halten, was er will. Denn der gedachte Brief ist, wie gemeldet, dermalen nicht mehr, auch nicht in Abschrift, vorhanden.

3. Ein Stein mit einer alten, in diesem Zeit-Lauf vermuthlich verfertigten, Schrift, welcher vor einigen Jahren in dem Schützen-Hof zu Wißbaden in der Erde ist gefunden worden. Dieser Stein ist länglicht und eckigt, und einer kleinen Säule nicht gar ungleich. Die Schrift, welche an demselben sich befindet, ist zwar, so viel man abnehmen kan, Lateinisch. Die Gestalt derselben aber ist nicht Römisch, sondern von derjenigen Gattung, welche nachmals in den Gothischen [164] und Fränckischen Zeiten durch die Mönche ist eingeführet worden. Was aber diese Schrift eigentlich in sich halte, das ist schwer zu sagen. Denn es sind nicht nur die auf dem Stein befindliche Buchstaben, wie gedacht, alt und unbekannt, sondern es ist auch ein Stück von diesem Stein, mit sammt der Schrift, abgerissen, folglich also der Zusammenhang der enthaltenen Sache dadurch unterbrochen. Zwar haben einige (wie aus Hellmunds Anhang zu Spethens Wißbadischen Bad-Beschreibung zu ersehen ist) vorgeben wollen, es sey auf demselben eine Grab-Schrift eines Canonici von Maintz, Nahmens Idec, von dem Jahr 500 befindlich. Es kan aber solches, vieler Ursachen wegen, gar nicht vor gegründet gehalten werden. Andere haben eine Nachricht von dem, in dem Schützen-Hof befindlichen, warmen Wasser darauf entdecken wollen. Und diese scheinen eher Grund zu haben, weil dieser Stein würcklich über dem Wasser-Gang des daselbstigen warmen Wassers aufrecht in der Erde, als man ihn gefunden, gestanden hat. Es ist aber alles noch zur Zeit, wegen der unleshaften Schrift, unerörtert, und muß man also die eigentliche Beschaffenheit und den wahren Inhalt dieses Alterthums annoch von einem Kenner solcher alten Schriften gelegenheitlich erwarten. Ex Antiquitate, heisset es hier, wie Balutzius in seinen [165] Anmerckungen über den Salvianum p. 385 schreibet amamus etiam quisquilias, et semesos lapides. Das ist: Aus dem Alterthum lieben wir auch die geringe Sachen, und halb-verzehrte Steine.

Dritte Abtheilung:
Das Nassauische Wißbad.


Oder
Beschreibung der Geschichten der Stadt Wißbaden unter den Grafen und Fürsten von Nassau, ohngefähr von dem Jahr Christi 1000 an, bis auf die gegenwärtige Zeit.


Ursachen dieser Benennung:


Nachdem die in dem zehenten und eilften Jahrhundert nach Christi Geburt immer mehr und mehr empor-gekommene geist- und weltliche Herren in Teutschland [166] unter der Hand Mittel und Wege gefunden haben, durch Freygebigkeit der Teutschen Kayser die, von ihnen verwaltete, und etwan auch mannichmal schon zum Theil zur Benutzung angewiesene, Reichs-Lande und Güter eigenthümlich und erblich zu erhalten; so hat unter denselben auch das Geschlecht der Grafen von Nassau Gelegenheit gehabt, allerley ansehnliche Güter, nahmentlich auch Stadt und Herrschaft Wißbaden von solchen Kaysern eigenthümlich und erblich zu überkommen. Die eigentliche Zeit, wenn solches geschehen, lässet sich zwar so genau nicht benennen, doch ist solches vermuthlich nicht gar lange nach dem tausenden Jahr nach Christi Geburt geschehen. Denn in derselben beyläufigen Zeit (wie solches bereits oben in der zweyten Abtheilung berühret ist) hat sich die gemeldte grosse Veränderung der verschiedenen Teutschen Länder und Herrschaften meistentheils zugetragen. Wiewohl doch auch, nicht ohne Grund, so vermuthen stehet, daß, da die meiste solcher gemeldten Herren in Teutschland ihre ansehnliche Güter und Länder eben nicht auf einmal und von einem Kayser, sondern gemeiniglich nach und nach, und von verschiedenen Kaysern erhalten haben, also auch die mancherley ansehnliche Lande und Güter, welche die Grafen von Nassau erlanget, und vermuthlich etwan auch die Wißbadische Herrschaft nicht auf einmal, sondern nach und [167] nach, und stück-weis, in ihre Hände werde gekommen seyn. Wie wir denn auch kurtz vorher, in der zweyten Abtheilung einer schriftlichen Urkunde des Kaisers Henrichs V. vom Jahr 1123 Meldung gethan haben, und derselben unten noch mit mehrerem Meldung thun werden, aus welcher klärlich zu ersehen ist, daß noch um das gedachte Jahr die Teutsche Kayser selbst die zu dem Saal zu Wißbaden gehörig-gewesene Güter würcklich inne gehabt haben. Es haben aber doch freylich die benennte Grafen von Nassau endlich nach und nach, gleich andern Herren des Teutschen Reiches, alle solche ihre Lande, und nahmentlich auch Stadt und Herrschaft Wißbaden völlig an sich gebracht, und besitzen solche noch bis auf den heutigen Tag eigenthümlich und erblich. Zwar sollte man dencken, es seyen vielleicht zwischen den Teutschen Kaysern, welche Wißbaden besessen, und zwischen den Grafen von Nassau, welche solches nachmals überkommen, annoch besondere Edle Herren gewesen, welche das Wißbadische Land zugehöret habe. Denn es heisset dieses Stück Land, von alten Zeiten her, keine Grafschaft, sondern eine Herrschaft. Und es ist bekannt genug, daß, wie überall in Teutschland, also auch insbesondere in unserer Rheinischen und Wetterauischen Gegend, viele dergleichen Edle Herren, Edle Mannen, Herren von hohen Adel, Nobiles [168] Domini, Viri, Dynastae etc. wie sie in den alten Teutschen und Lateinischen Schriften derselben Zeit genennet werden, vormals vorhanden gewesen sind, welche von den gemeinen Edel-Leuten, die man Edel-Knechte hieß, gar sehr unterschieden, und den Grafen ziemlich gleich geachtet waren, und ihre ansehnliche Lande, unter dem Titel einer Herrschaft besessen haben. Z. E. die Herren von Limburg an der Lohne, von Westerburg, von Weilnau, von Epstein, von Falckenstein, von Müntzenberg, von Hanau, von Isenburg etc. Allein da man in den schriftlichen Urkunden der damaligen Zeiten keinen eintzigen solcher Edlen Herren von Wißbaden antrift, so ist es allerdings glaublich, daß die Wißbadische Lande unmittelbar von den Teutschen Kaysern, als eine gewesene Dynastia imperialis, Reichs-Herrschaft, Reichs-Fiscus, Reichs-Schatz, (dergleichen sie, wie wir in der zweyten Abtheilung berichtet, ehemals einer gewesen) an die Grafen von Nassau werde gekommen seyn. Was aber nun den Ursprung des Hauses Nassau selbst anbelanget, so ist es wohl an dem, daß dasselbe seinen Nahmen von dem, an dem Lohn-Fluß liegenden, Ort Nassau (welcher bereits zu den Zeiten des Kaysers Carls des Grossen in einer Urkunde bey dem Hontheim Hist. Trev. dipl. T. I. p. 142 vorkommt) erhalten hat. Ob es aber ehemals, als ein eingebohrenes [169] edeles Geschlecht derselben Landes-Gegend, sich nach und nach empor geschwungen, und selbst, so zu reden, durch seine erste Hand den Ort Nassau und die Gräfliche Würde, wegen seines Ansehens und Verdienste, von den Teutschen Kaysern überkommen? oder, ob es von einem andern vornehmen Teutschen Geschlechte, nahmentlich von dem Geschlechte des Conrads, eines Grafens im Lohn-Gau, (welcher, nach einiger Meynung, mit den Fränckischen Königen und Kaysern in Verwandtschaft gestanden, und dessen Sohn Conrad ein Hertzog in Francken, und von 912–918 einen König und Kayser in Teutschland, der andere Sohn Otto aber ein Graf im Lohn-Gau gewesen ist) oder von dem Otto, Herrn zu Löpern (Lyporn) Laurenburg und Sonnenberg, welcher in dem zehenten Jahrhundert soll gelebet haben, und um das Jahr 972 gestorben seyn etc. seine Abstammung genommen habe? das ist bey den Geschlecht- und Geschicht-Forschern unseres Teutschlandes noch nicht klärlich genug ausgemacht, und sind dieselbe immer noch in der gründlichen Untersuchung der eigentlichen Stamm-Historie dieses Nassauischen Hauses fleissig beschäftiget. Was aber die Zeit, in welcher sich die Zweige dieses Hauses zuerst unter dem Nahmen der Grafen von Nassau sonderlich hervorgethan und bekannt gemacht haben, anbelanget, so stimmen die meiste neuere [170] Geschicht–Schreiber des Teutschlandes darin überein, daß man nicht eher, als in den eilften und zwölften Jahrhundert, Grafen von Nassau mit Gewißheit antreffen könne; und daß sie sich anfänglich Grafen oder Herren von Lurenburg oder Laurenburg, (welcher Ort ebenfalls an der Lohne, nicht weit von Nassau, lieget) nachmals aber Grafen von Nassau benennet hätten. Und aus diesem Grunde wird von ihnen nicht nur das Beginnen derjenigen, welche diese Grafen schon zu der alten Römer Zeiten, und so gar in dem Feldherrn der alten Teutschen, Nasua, bey dem Caesar B. G. L. 1. c. 37 suchen, vor höchst-thöricht, wie billig, gehalten; sondern es werden auch diejenige Nassauische Grafen, welche nach dem Vorgeben der gemeinen Nassauischen Chronicken, sonderlich des Textors, schon zu der Fränckischen Königen und Kayser Zeiten sollen gelebet haben, vor unächt erkläret. Ja, auch das Vorgeben, daß sich einige Grafen von Nassau in denen, in dem zehenten Jahrhundert, von den Teutschen Kaysern gegen die räuberische Hunnen oder Hungarn gehaltenen Treffen allschon hervorgethan, und so denn denen bald darauf gehaltenen öffentlichen Reichs-Turnieren beygewohnet hätten, wird ebenfalls, zumal es sich nur vornemlich auf das ungültige Turnier–Buch des Rixners zu gründen scheinet, verworffen. In dem eilften Jahrhundert aber sollen [171] einige Grafen von Nassau, wie er sehr richtige Geschicht-Schreiber Peucerus in dem Chron. Car. in der Lebens-Beschreibung des Kaysers Adolphs vor gewiß, und also auch vermuthlich aus gewissen, obgleich ungenannten, Schriften berichtet, sich würcklich bekannt gemacht, und den Römer-Zügen nach Italien, unter den Kaysern Henrichen, mehrmals sehr rühmlich beygewohnet haben. In dem zwölften Jahrhundert kommen diese Grafen nicht nur in unverwerflichen Archiv-Zeugnüssen vor, sondern es wird ihrer auch von den damaligen Geschicht-Schreibern ausdrücklich und nahmentlich gedacht, und zwar sonderlich bey Beschreibung der mancherley Creutz-Zügen, welche die meiste Europäische Christen damals in das gelobte Land vorgenommen, und denen einige dieser Grafen persönlich beygewohnet haben. Absonderlich hat sich einer, Nahmens Robert oder Rupert, (Ruprecht) im Jahr 1189 bey einem solchen Creutz-Zug in das gelobte Land, unter dem Kayser Friedrich I (wie der damalige Geschicht-Schreiber Arnold von Lübeck, der ihn einen Grafen von Assau, und der Creutz-Zugs-Beschreiber bey dem Canisio in L. A. der ihn einen Grafen von Massau nennet, berichten) sehr hervorgethan. Er hat aber nicht nur dabey eine Zeitlang in Constantinopel bey den untreuen Griechen gefangen sitzen müssen, sondern er soll auch, nach dem Zeugnüß einiger Urkunden, (denen jedoch [172] andere widersprechen) nachmals im gelobten Lande selbst sein Leben eingebüsset haben. Durch die, bey solchen mannichfaltigen Heer-Zügen, den Teutschen Kaysern geleistete treue Dienste haben sich diese Grafen (wie der vorgedachte Geschicht-Schreiber Peucerus l. c. ausdrücklich meldet) den Weg gebahnet, immer mehr und mehr Würden und Länder nach und nach von diesen Kaysern zu erhalten, und an ihre Familie zu verknüpfen. Wie sie denn unter andern auch damals Erb-Voigte des Rheins geworden, und ausser denen in der Wetterau und auf dem Westerwald erlangten Landen, nachmals auch um Nürnberg herum (wie die Nürnbergische Geschicht-Schreiber bezeugen) viele ansehnliche Lande und Güter überkommen, und eine geraume Zeit hindurch besessen haben. Was ihre Stamm-Register und Nahmens-Verzeichnüß selbst anbelanget, so findet sich dasselbe zwar in den gemeinen Stamm-Tafeln dieses hohen Hauses, welche verschiedene Stamm- und Geschicht-Schreiber durch den Druck bekannt gemacht haben, fast von dem siebenten Jahrhundert nach Christi Geburt an, ziemlich ordentlich und deutlich verzeichnet. Es wird aber solches alles von den meisten neueren Stamm-Beschreibern, aus dem oben angeführten Grunde, theils vor gantz falsch, theils vor sehr ungewiß gehalten, und ist noch zur Zeit keine gantz richtige Stamm-Reihe [173] von den eigentlichen Personen, und insbesondere von den Regenten dieses Hauses eher, als von den Zeiten Henrichs des Reichen an, welcher um das Jahr 1200 gelebet, zu haben. Denn von solcher Zeit an finden sich erst in den Archiven oder alten Schrift-Cammern des Nassauischen Hauses die Nahmen und Jahr-Zeiten der Geschlechts-Personen desselben richtig und völlig aufgezeichnet und verfasset. Es hat solche erst vor wenig Jahren, nemlich 1753, der Nassau-Saarbrück-Usingische Archiv-Rath, Herr Hagelganß, in seiner herausgegebenen Nassauischen Geschlechts-Tafel, zum Vergnügen aller Liebhaber der gründlichen Stamm-Historie dieses hohen Hauses, durch den Druck bekannt gemacht. Wir wollen, nach Anleitung derselben, von den Regenten dieses Nassauischen Hauses, diejenige, welche Stadt und Herrschaft Wiesbaden besessen haben, von der gemeldten Zeit an, bis auf unsere Zeiten, hierbey kürtzlich nahmhaft machen; von ihren Geschichten aber vornemlich nur dasjenige mit wenigem bemercken, was in die Historie unserer Stadt Wißbaden einigermassen einschläget. Es sind aber solche, von der gemeldten Zeit an, folgende: Henrich und Ruprecht waren Gebrüder und regiereten um das Jahr 1200 – die sämmtliche Nassauische Lande, (welche größtentheils zu beyden Seiten der Lohne lagen) und also auch Wißbaden, (dessen Kirche sie, [174] wie unten wird berichtet werden, im Jahre 1211 den Teutschen Ordens-Rittern übergeben) gemeinschaftlich. Nach des letzteren, ohne nachgelassene Leibes-Erben, erfolgtem Tode aber fiel alles dem ersten allein anheim, welcher daher insgemein Henrich der Reiche genennet ward. Sein Tod wird gemeiniglich in das Jahr 1254 gesetzet. Seine zwey nachgelassene Söhne Walram (Waldram, Waldrad, Walrad, Walrab, Walraf, Walrawe, Volrad etc.) und Otto theileten die ererbten Länder, und bekam der erste diejenige, welche zur lincken Seite, (dahin auch Wißbaden gehöret) der andere aber diejenige welche zur rechten Seite des Lohn-Flusses liegen. Das Stamm-Haus Nassau aber und dessen Zugehörde, samt dem Einrichgau, blieben gemeinschaftlich. Die Nachkommene des ersten werden die Walramische, die andere aber die Ottonische Stamm-Linie genennet. Der Tod des Walrams soll ohngefähr gegen das Jahr 1280 erfolget seyn. Seine nachgelassene Gemahlin Adelheid, eine gebohrene Gräfin von Catzenellenbogen, begab sich nach seinem Tode in den Franciscaner-Orden, und wohnete des Sommers hindurch zu Wißbaden, des Winters aber zu Maintz, an welchem letzten Orte sie auch 1288 gestorben, und in Beyseyn des Kaysers Rudolfs I in dem Franciscaner Claren-Closter daselbst begraben worden. Dem Walram [175] folgete in der Regierung (weil sein ältester Sohn Diether oder Diethrich geistlich geworden, und in den Dominicaner-Orden, wiewohl wider den Willen seiner Mutter, als welche ihn dem Franciscaner-Orden gewidmet hatte, getreten war, wie er denn auch nachmals im Jahr 1300 die Ertzbischöfliche Würde zu Trier erlanget hat) sein zweyter Sohn Adolph. Dieser Herr liebte von Jugend auf den Krieg, und hat nicht nur andern Herren, nach Gewohnheit der damaligen Zeiten, in ihren Fehden und Land-Kriegen, mit Beweisung vieler Tapferkeit,* beygestanden, sondern [176] er hat selbst vor sich, gleich bey dem Anfang seiner Regierung, mit den benachbarten Herren von Epstein eine heftige Fehde gehabt, in welcher Wißbaden, wie unten ausführlicher wird berichtet werden, eine Verstörung erlitten hat. Er wurde im Jahr 1292 zu einem Römischen König und Kayser, wie bekannt genug ist, erwählet. Die Wahl geschah zu Franckfurt am Mayn den 6, oder, wie andere berichten, den 10 Maj. Die Crönung geschahe zu Aachen den 24. Jun. desselben Jahres. Die Teutsche Geschicht-Schreiber der damaligen Zeiten melden zwar, daß sein Vetter, der damalige Ertzbischof zu Maintz, Gerhard von Epstein, diese Wahl vornemlich, aus einigen besondern Absichten zu Stande gerichtet habe. Sie bekennen aber auch zugleich, daß dieser Adolph allerdings solche vortrefliche Gemüths-Eigenschaften an sich gehabt habe, welche ihn dieser höchsten Würde vollkommen würdig und fähig gemacht hätten. Massen er in allerley Sprachen und Wissenschaften, wie auch in Kriegs- und Staats-Sachen wohl erfahren, und dabey von einem belebten und beliebten Umgang gewesen sey. Es würde auch seine Kayserliche Regierung, sonder Zweifel, glücklicher, als [177] würcklich geschehen, ausgefallen seyn, wenn er nicht den Unfall gehabt hätte, daß des vorigen Kaysers Rudolphs I Sohn, Hertzog Albrecht von Oesterreich, ein starckes Mißvergnügen über diese auf Adolphen ausgefallene Wahl, weil er selber gerne Kayser gewesen wäre, empfunden, und daher alle nachmalige Unternehmungen desselben, sonderlich den, wegen Thüringen und Meissen, angefangenen Krieg dahin anzuwenden gewust hätte, daß er die Gemüther einiger Churfürsten des Teutschen Reiches, und sonderlich auch des vorgedachten Maintzischen Ertzbischofs Gerhards, (welcher ohnehin es gar übel empfand, daß ihm Adolph nicht in allem, nach Wunsch, zu Willen lebete) von ihm abgewendet, und dieselbe dahin vermocht hätte, ihn zu einem Gegen-Kaiser gegen denselben zu erwählen. Darüber es denn geschehen ist, daß, da Adolph, wie leicht zu erachten, diesem höchst-unbilligen Verfahren sich widersetzet, und Gewalt mit Gewalt vertreiben wollen, auch sich diesertwegen im Jahr 1298 den 2 Jul. in eine öffentliche Schlacht mit diesem Hertzog Albrecht bey Gellheim, ohnweit Worms, eingelassen, er, weil er etwas zu eilend und zu hitzig gewesen, darin sein Leben eingebüsset, seine unbillige Feinde aber, (unter welchen der mehrgemeldte Ertzbischof Gerhard, der diese sträfliche Handlungen vornemlich hat fördern helfen, bey Erblickung des todten Adolphs auf der [178] Wahlstatt sich der Thränen nicht hat erwehren können, und frey bekannt hat: Cor validissimum periisse, oder, wie andere die Worte desselben ausdrucken: Probissimum Cor, quod in mundo est, hic jacet. d. i. Das allertapferste und allerbeste Hertz in der Welt ist umgekommen) nach dem Zeugnüß der Geschicht-Schreiber derselbigen Zeiten, nachmals meistentheils auf eine sehr bedenckliche Art ihr Leben geendet haben. Sein entseelter Leichnam ist, nachdem er eine Zeitlang in dem Closter Rosenthal, ohnweit Worms, beygesetzt gewesen, im Jahr 1309 von dem damaligen Kayser Henrich VII nach Speyer, als dem damals gewöhnlichen Begräbnüß-Ort der Teutschen Kayser, gebracht, und mit allen üblichen Ceremonien und gehörigem Ehren-Bezeugungen, in Beyseyn dieses Kaysers und seiner Gemahlin, wie auch der hinterlassenen Wittwen des Adolphs, beerdiget, und sein im Leben gewesener Todt-Feind, Kayser Albrecht, so bald eben denselben, oder, wie andere berichten, den folgenden Tag neben ihn geleget worden. Auch ist in der Gegend, wo die vorgemeldte Schlacht vorgegangen, und Adolph sein Leben eingebüsset, ein steinernes Denckmal aufgerichtet, und an demselben durch einige eingegrabene Worte sein daselbst geschehener Todes-Fall, den Nachlebenden zur Nachricht, angezeiget worden. Das Denckmal selbst, welches das [179] Königs-Creutz heisset, ist an dem benennten Orte noch jetzo zu sehen. Die darauf gestandene Schrift aber ist auf der einen Seite des Creutzes längst verloschen, auf der andern Seite aber ist sie im Jahr 1611 erneuert worden, und also jetzo völlig lesbar. Es hat dieser Kayser Adolph, weil er bey seiner Kayserlichen Regierung, nach Beschaffenheit und Gewohnheit der damaligen Zeiten, genöthiget war, in dem Teutschen Reiche mehrmals herum zu reisen, einen besondern Verweser oder Statthalter seinen Nassauischen Erb-Landen vorgesetzet, durch welchen dieselbe, und also auch Stadt und Herrschaft Wißbaden, in seiner Abwesenheit sind verwaltet worden. Doch ist er auch selber zu Zeiten, nach Gelegenheit der Sachen, in diesen seinen eigenen Landen, insbesondere auch in Wißbaden, wie davon unten die nöthige Zeugnüsse sollen angeführet werden, zugegen gewesen. Und vielleicht hätte er auch diesen seinen Erb-Landen noch manche besondere Vortheile und Freyheiten, nach Kayserlicher Macht, zugewendet, wenn seine Kayserliche Regierung ruhiger und langwiehriger gewesen wäre. Sonst wird insgemein, und auch in verschiedenen öffentlichen Schriften, z. E. in das Merians Topogr. Hass. p. 55 etc. vorgegeben, daß dieser Kayser Adolph den ohnweit Langen-Schwalbach, und drey Stunden Weges von Wißbaden weit, liegenden Ort [180] Adolphs-Eck erbauet, und mit einem sehr festen Schlosse versehen, und nach seinem Nahmen benennet habe. Und der Antiquarius des Lohn-Stroms berichtet uns p. 518, vermuthlich aus sichern alten Schriften, daß der Kayser Albrecht diesen Ort in dem Jahr 1302 verstöret habe. Nun sind zwar einige Urkunden vorhanden, aus welchen fast erhellen will, als ob dieser Ort erst von dem Nassau-Wißbadischen Grafen Adolph I, Enckeln des Kaysers Adolphs, erbauet worden sey. Allein es ist nicht ohne Grund zu vermuthen, daß dadurch nur so viel angezeiget werde, daß derselbe das verstörte Schloß daselbst wieder von neuem aufgebauet habe. Wiewohl auch einige aus einer in des Lünigs Reichs-Archiv Spic. sec. 2. P. 1 p. 638 befindliche Urkunde schliessen wollen, als ob dieser Wißbadische Graf Adolph I ein gantz anderes Schloß, ohnweit dem vorgemeldten, mit Nahmen Adolphs-Lück angeleget habe, welches alles anderswo gründlicher zu untersuchen ist. Es hat vormals auf dem Saal des Schlosses in dem gemeldten Adolphs-Eck, in einem Fenster, das Wappen des oft-benennten Kaysers Adolphs (welches aber auch erst nach seinen Zeiten hat können dahin gesetzet worden seyn) gestanden, mit diesem beygefügten schönen Reim-Zeilen: Wann Sünd nit hette Sünden Namen, wollt ich mich doch der Sünden schamen. Es ist aber dieses Schloß [181] nunmehro gantz verfallen. Hugo von Trimberg, welcher ein gelehrter und ernsthafter Mann, und ein Teutscher Meister-Sänger oder Reimen-Verfasser, zu den Zeiten unseres Kaysers Adolphs gewesen, und sich an dessen Hof, als ein Hof-Dichter, einige Zeitlang aufgehalten, hat an der Hofhaltung dieses Herren getadelt, daß dieselbe etwas zu kostbar eingerichtet gewesen, und viel überflüßiger Aufwand sonderlich in Speis und Tranck, bey derselben gemacht worden sey. Er hat solches in seinem Teutschen Reimen-Buch, der Renner genannt, f. 26. mit mehrerem beschrieben. Unserm Kayser Adolph ist in der Regierung der Nassauischen Erb-Landen (weil sein ältester nachgelassener Sohn Ruprecht nicht lange nach ihm Todes verfahren) gefolget sein zweyter Sohn Gerlach. Dessen jüngster Bruder Walram nahm zwar auch Theil an der Regierung, er starb aber frühzeitig ohne Erben. Damals hat der Kayser Albrecht, aus Haß gegen den abgelebten Kayser Adolph, den Nassauischen Landen annoch viele Drangsale angethan, und insbesondere auch der Stadt Wißbaden, L. U. verschiedene vorher gehabte Freyheiten entzogen. Als auch nachmals im Jahr 1314 zwey Kayser in Teutschland zugleich, nemlich Friederich von Oesterreich und Ludwig von Bayern, erwählet wurden, und Graf Gerlach die Parthey des ersteren nahm, so wurde er von dem Kayser Ludwig heftig [182] angefeindet, und unter andern auch Wißbaden, wie unten mit mehrerem wird gemeldet werden, von demselben, wiewohl vergeblich, belagert. Auch hatte er den Unfall, daß, da sein dritter Sohn Gerlach im Jahr 1346 von dem damaligen Pabst Clemens VI zu einem Ertzbischof zu Maintz ernennet worden, der vorige und nun abgesetzte Ertzbischof Henrich aber in der Güte nicht weichen wollen, sondern die Nassauische Lande mit Krieg angefallen, ihm 70 Oerter (wie in des Joannis Maintzischen Geschicht-Schreibern T. I. p. 663 gemeldet wird) sind abgebrannt worden, darunter die Wißbadische Lande, als die nächste, sonder Zweifel auch die nächste und erste in Empfindung solches Unheils, (welches der Ertzbischof Gerlach nachmals, wie l. c. berichtet wird, mit 24000 Goldgulden wieder gut zu machen gesuchet hat) werden gewesen seyn. Er erlangte vor dem vorgemeldten Kayser Ludwig V, bey dem er mit der Zeit in grosse Gnade kam, L. U. das Recht, in seinen Landen Berg-Wercke, und zu Biebrich am Rhein (eine Stunde Weges weit von Wißbaden liegend) eine eigene Fähre über diesen Fluß anzurichten. Und von dem Kayser Carl IV, der ihm, wegen vieler geleisteten Dienste, sehr gewogen war, bekam er vor seine Gemahlin Irmengard in dem Jahr 1351 einen Freyheits-Brief, aus dem nahe bey Wißbaden liegenden Orte Sonnenberg [183] (woselbst noch jetzo viele alte ansehnliche Mauer-Stücke von einem vormals daselbst gestandenen grossen und festen Schlosse zu sehen sind) eine Stadt zu machen, dieselbe zu befestigen, Stock und Galgen zu bauen, und einen Marckt daselbst anzurichten, als Franckfurt am Mayn und Maintz das Recht habe. Auch erhielt er von diesem Kayser einige Begnadigungen, L. U. vor die Stadt Wißbaden selbst. Und in dem Jahr 1361 bekam er von demselben eine Anweisung auf den Zoll und das Geleite zu Wißbaden, welche Gefälle damals noch mehrentheils den Teutschen Kaysern zugehörten, und ist die Urkunde davon, in welcher Wißbaden in Böhmischer Sprache Wyschaden genennet wird, in des Glafey An. Hist. T. 1. p 541 zu finden. Er hatte schon in dem Jahr 1346 die Regierung seiner Landen an seine zwey älteste Söhne Adolph und Johann abgegeben, und solches im Jahr 1355 noch weiter und deutlicher bekräftiget. Er starb 1361, und ward in dem Closter Clarenthal begraben. Seine beyde jetzt-benennte älteste Söhne Adolph und Johann (denn die zwey übrige, Craft und Ruprecht, waren mit einigen wenigen Gütern abgefunden worden) theileten sich, noch bey Leb-Zeiten und auf Verordnung des Vatters, in dessen Nassauische Lande, und bekam der erste Wißbaden und Idstein, (welches in den alten Nassauischen Schriften Edickenstein, [184] Edichenstein, Ettichenstein, Edechenstein, Edchenstein, Ydichenstein, Ydchenstein etc. heisset, und vermuthlich von einem, Nahmens Athick, Attich, Ettich oder Oettick, Oettich, d. i. Otto, Uto, Udo etc. ist erbauet und benennet worden) nebst Zugehörden. Der andere aber bekam Weilburg (welches in den alten Geschicht-Büchern unseres Teutschlandes Wilineburg heisset) und Weilnau, (Wilnawe) nebst dem Zugehörden. Burg und Amt Nassau aber blieb in Gemeinschaft. Der erste hat hierauf seine Residentz in Wißbaden genommen, und also die Wißbadische Stamm-Linie gestiftet. Der andere aber (welcher nachmals im Jahr 1366 von dem Kayser Carl IV die Fürstliche Würde vor sich und seine Nachkommene erhalten, sich aber derselben nicht bedienet hat) hat seine Residentz in Weilburg genommen, und ist der Stifter der Weilburgischen Linie geworden. Es hat der gemeldte Adolph, welcher in der Wißbadischen Linie der I heisset, eine Burggräfin von Nürnberg oder (wie es auch in den alten Schriften genennet wird) Nörinberg, Nahmens Margaretha, zur Gemahlin gehabt. Es scheinet fast, daß von derselben der, ohnweit Wißbaden, bey Dotzheim liegende herrschaftliche Hof Nürenberg oder (wie er in den alten Wißbadischen Schriften heisset) Nörenberg seine Benennung erhalten habe. Es hat dieser Adolph schon im Jahre 1355, und [185] also noch bey Leb-Zeiten seines Vatters Gerlachs, von dem Kayser Carl IV eine Anweisung wegen des Zolles zu Wißbaden, zu Gunsten eines Ritters von Langenau bekommen, welche in das Gudenus Cod. Dipl. T. II. p. 1133 befindlich ist. Er ist in dem Jahr 1370 gestorben, und in Clarenthal begraben worden.*[186] Ihm folgeten in der Regierung seine zwey Söhne Gerlach und Walram, von welchen der erste ohne Leibes-Erben gestorben, der andere aber sich beerbet, und im Jahr 1379 die in Wißbaden errichtete Löwen-Gesellschaft (davon unten ein mehreres wird berichtet werden) zu Stande bringen helfen, auch das Schloß und den Ort Walrabenstein, in dem Idsteinischen, erbauet und nach seinem Nahmen benennet hat. Ihr Bruder Friederich ist Domherr zu Maintz, und die zwey übrige Brüder Adolph und Johannes sind Ertzbischöffe zu Maintz worden. Walram selbst ist 1393 gestorben, und in die Kirche zu Idstein begraben worden. Ihm folgete sein ältester Sohn Adolph II. Es war zwar noch ein nachgelassener Sohn, weltlichen Standes, Nahmens Henrich, vorhanden, er hat aber an der Regierung der Landen keinen Antheil genommen, und ist unbeerbet gestorben. Der gemeldte Adolph II hat sich im Jahr 1417 mit dem benachbarten Herren von Epstein, Gottfried, in eine scharfe Fehde eingelassen, wobey die Stadt und Herrschaft Wißbaden abermal, wie unten wird gemeldet werden, sehr zu Schaden gekommen ist. Er hat bald hernach einige Oerter seiner Grafschaft, und unter *[187] denselben auch Wißbaden, veräusert. Es hat aber sein, so bald zu benennender, Sohn und Nachfolger solche nochmals sämmtlich wiederum an sich gebracht, siehe den Joannis l. c. p. 778. Tab. Er ist 1426 gestorben und in die Kirche zu Idstein begraben worden. Ihm folgete sein ältester Sohn Johannes. Dessen Bruder Adolph wurde in dem Jahr 1461 von dem damaligen Pabst Pio II zu einem Ertzbischof zu Maintz ernennet. Weil er aber von dem abgesetzten Ertzbischofen Diethern von Isenburg einen grossen Widerstand erleiden, und darüber in einen schweren Krieg sich hat einlassen müssen, so ist ihm von diesem seinem Bruder Johann zwar nachdrücklicher Beystand geleistet, dabey aber auch wiederum, wie unten wird berichtet werden, den Wißbadischen Landen viel Ungemach zugezogen worden. Es hat auch nachmals in dem Jahr 1468 (wie unten ebenfalls wird berichtet werden) der Graf Otto von Solms, welcher vermuthlich eine Fehde mit diesem Grafen Johann gehabt, die Stadt Wißbaden erobert, und eine Zeitlang inne gehabt. Es starb dieser Johannes 1480 und ist in die Kirche zu Idstein begraben worden.* Ihm folgete sein Sohn Adolph III. [188] Dieser hatte seinem Bruder Philipp (denn die zwey übrige Brüder Johann und Engelbrecht waren in den geistlichen Stand, zu Maintz und Cölln, getreten) die Idsteinische Lande überlassen, welche aber, weil derselbe ohne Leibes-Erben gestorben, ihme nachmals wieder anheim gefallen sind. Es hat dieser Adolph, gleich seinem gedachten Bruder Philipp, bey dem damaligen Kayser Maximilian I (dessen Braut-Werber bey der Princeßin Anna von Bretagne er *[189] auch, laut Lehmanns Speyerischen Chron. p. 934, gewesen ist) viele hohe Ehren-Stellen verwaltet, und ist 1511 gestorben, und in die Kirche zu Wißbaden begraben worden. Und zwar haben ihn, wie er bey Leb-Zeiten verordnet, die Carmeliter-Mönche von Maintz, denen er, nach dem Beyspiel seiner Vorfahren, jederzeit sehr gewogen gewesen, (nach dem Bericht der Maintzischen Geschicht-Schreiber des Joannis T. II. p. 841) zu Grabe tragen müssen. Ihm folgete sein eintziger Sohn Philipp, zu dessen Zeiten der grosse Aufruhr 1525, und der grosse Brand 1547, in Wißbaden, wie unten die ausführliche Nachricht davon folgen wird, gewesen ist. Er hat die Evangelische Religion in seinen Landen, nahmentlich auch in Wißbaden, wie unten umständlicher wird berichtet werden, um das Jahr 1540 einzuführen, verstattet. Er ist 1558 gestorben, und in die Kirche zu Idstein begraben worden. Sein ältester Sohn, welcher auch Philipp, und zwar der Jüngere oder Jungherr, hieß, und bereits bey Leb-Zeiten des Herrn Vatters an der Regierung Theil genommen, bekam hierauf die völlige Regierung. Es hatte derselbe zwar noch zwey Brüder Adolphen und Balthasarn. Es war aber der erste, welcher schon vermählet gewesen, bereits 1556 ohne männliche Leibes-Erben gestorben, und der andere war ein Teutscher Ordens-Ritter. Nachdem er aber den Orden abgeleget und sich [190] vermählet, so wurde ihm von seinem gemeldten Bruder Philipp 1564 die Herrschaft Idstein abgetreten. Er selbst Philipp blieb unvermählet und starb 1566, und ward in die Kirche zu Wißbaden begraben. Ihm folgete hierauf gedachter sein Bruder Balthasar in den gesammten Nassau-Wißbadischen Landen. Er hat von dem Kayser Maximilian II eine Erneuerung und Bestätigung der, von alten Zeiten her, in Wißbaden gewöhnlich-gewesenen Wochen- und Jahr-Märckten erhalten, und ist 1568 gestorben, und in die Kirche zu Idstein begraben worden. Dessen eintziger Sohn Joh. Ludwig bekam hierauf die Regierung. Zeit derselben, und zwar im Jahr 1581, wurde ein gewisser Burger in Wißbaden, L. U. von dem Kayserlichen Hof-Gericht zu Rothweil in Schwaben schriftlich befehliget, sich vor diesem Gericht, wegen einer geschehenen Beklagung, zu stellen. Es bewies aber dieser Graf Joh. Ludwig, daß das Gräfliche Haus Nassau von den Kaysern eine Ausnahme von dem Gerichts-Zwang dieses Gerichtes erhalten habe; wodurch denn er gedachte Burger von seiner Verbindung, vor diesem Gerichte zu erscheinen, befreyet wurde. Es hat dieser Herr im Jahr 1596 ein neues Schloß in Wißbaden erbauet, er ist aber noch in eben demselben Jahr gestorben, und in der [191] Kirche zu Idstein begraben worden.* Er hinterließ zwar zwey Söhne Joh. Philipp und Johann Ludwig. Sie starben aber beyde [192] in ihrer Minderjährigkeit. Der erste starb 1599 in Idstein, und ward daselbst in die Kirche begraben. Der andere starb 1605 in der Dillenburg, und ward daselbst in der Kirche beerdiget. Mit diesem letztern nahm also die den Nassau-Wißbadische Stamm-Linie ein Ende, und fielen deroselben Lande an die nächstverwandte Nassau-Weilburgische Linie, welche, weil sie bereits, geraume Zeit vorher, durch Heurath die Saarbrückische Lande erlanget, die Nassau-Saarbrückische Linie genennet wurde. Der damals lebende regierende Graf und eintzige annoch übrige Stammhalter des gantzen Nassau-Wahlramischen Hauses hieß Ludwig. Dieser blieb wohnen in Saarbrücken, und ließ die ererbte Lande, und also auch Wißbaden, durch besondere nachgesetzte Regierungen verwalten. Er hat den Ruhm erhalten, daß er eine sonderbare Achtung vor Religion und Gottes-Dienst gehabt, auch vieles auf Erhaltung der Kirchen und Schulen verwendet habe; wie er denn solches unter andern auch durch die von ihm verfassete, und noch jetzo übliche Kirchen-Ordnung seiner Landen, wie auch durch die, in dem Closter Clarenthal bey Wißbaden angeordnete, Versorgung der Land-Armen (davon unten ein mehreres wird berichtet werden) und andere dergleichen löbliche Anstalten sattsam an den Tag geleget hat. Er erlebte mit dem Jahr 1618 den Anfang des [193] bekannten dreyßig-jährigen Krieges in Teutschland, welcher seinen Landen, insonderheit der Stadt und Herrschaft Wißbaden, wie unten ausführlich wird berichtet werden, gar vieles und langwiehriges Ungemach zugezogen hat. Er ist 1627 gestorben, und in das eingegangene geistliche Stift S. Arnobal bey Saarbrücken begraben worden.* Seine drey Söhne (nachdem der vierdte nachgelassene, Nahmens Otto, bald nach dem Vatter ohne Leibes-Erben gestorben) theileten die ihnen zugefallene Lande in drey Theile, und errichteten also auch drey besondere Stamm-Linien. Der erste, Wilhelm Ludwig, errichtete die Saarbrückische Linie, welche sich hernach wieder durch seine Söhne in die Ottweilerische, Saarbrückische und Usingische getheilet hat. Der zweyte, Johannes, errichtete die Idsteinische, und der dritte, Ernst Casimir, die Weilburgische Linie. Zu dem Idsteinischen Antheil gehörete auch Stadt und Herrschaft Wißbaden, mithin wurde also der gemeldte Graf Johannes der eigentliche Herr derselben, welcher so denn die Stadt Idstein zu seiner Residenz sich gewählet hat. Dieser Herr hat das Unglück gehabt, daß [194] bey der angetretenen Regierung seiner Landen der vorgemeldte unseelige dreyßig-jährige Krieg sich immer weiter und weiter in demselben ausgebreitet hat. Wie ihm denn nicht nur durch die anhaltende kostbare Einquartierungen der Kayserlichen Kriegs-Völcker in diesen seinen Landen dieselbe, insonderheit auch Stadt und Herrschaft Wißbaden, bis in das Jahr 1630 gantz ausnehmend sehr sind ausgesogen, sondern auch verschiedene nahmhafte geistliche Güter, insbesondere das vorbenennte Closter Clarenthal, durch das, von dem Kayser Ferdinand II herausgegebene, Restitutions-Edickt, wie unten weiter wird gemeldet werden, entzogen worden. Und als bald darauf im Jahr 1631 bey der Ankunft des Königes in Schweden, Gustav Adolphs, in unsern Landes-Gegenden, er, gleich andern Wetterauischen Grafen, sich etwas gefällig gegen diesen König, der sich der Evangelischen Reichs-Stände in Teutschland annahm, erzeiget hatte, so wurde dieses von dem gemeldten Kayser so übel aufgenommen, daß er, nach der Niederlage der Schweden bey Nördlingen 1634, seiner Länder verlustig erkläret, und die Herrschaft Wißbaden von den Kayserlichen Bevollmächtigten 1635 eingezogen und nachmals 1637 dem Churfürsten zu Maintz, auf dessen Ansuchen, übergeben worden, welche derselbe auch bis zum Ende des vorgemeldten Krieges, und also bis 1648, besessen hat. Diese gantze Zeit über hat sich gedachter Graf [195] Johannes meistentheils zu Straßburg, unter Erduldung vieler, leicht zu erachtender, Widrigkeiten, aufgehalten, bis er, durch den, in dem bemeldten 1648 Jahre erfolgten, Westphälischen Frieden, seine ihm rechtmäßig-zugehörige Lande, nebst den entzogenen geistlichen Gütern, wieder erhalten hat. Er hat hierauf wiederum seine Residentz in Idstein genommen, und seine durch den langwiehrigen Krieg äusserst-verwüstete Lande, durch allerley heilsame Anstalten und Verordnungen, insonderheit aber auch durch Abthuung der so sehr in denselben eingerissen-gewesenen Zauberey-Greueln (davon unten ein mehreres wird gemeldet werden) wieder in guten Stand, so viel sichs hat wollen thun lassen, zu bringen, recht Landes-vätterlich gesuchet. Was er vor eine Hochachtung vor die Religion und den öffentlichen Gottes-Dienst gehabt hat, davon können unter andern der, in des Cyprians Hil. Evang. befindliche, sehr ernstliche Brief, den er an seinen Sohn Gustav Adolph, welcher die Religion geändert, geschrieben, wie auch die kostbare Auszierung der Kirche zu Idstein, und die Errichtung der freyen Lateinischen Schule daselbst etc. sattsames Zeugnüß geben. Er ist 1677 in Idstein gestorben, und in der Kirche daselbst beerdiget worden. Ihm ist in der Regierung gefolget sein eintziger nachgelassener Sohn Georg August Samuel. Dieser Herr, welcher von vortrefflichen Leibes- und Gemüths-Gaben gewesen, hat sich in seiner [196] Jugend in allerhand schönen Wissenschaften wohl gegründet, auch nachmals einigen Feld-Zügen gegen die Türcken in Ungarn, sonderlich 1686 bey Einnehmung der Festung Ofen, rühmlichst beygewohnet. Daher er 1688 von dem Kayser Leopold I die Erneuerung und Bestätigung der, bereits 1366 dem Hause Nassau von dem Kayser Carl IV beygelegten, Fürsten-Würde erhalten, und wegen seiner wohlgesitteten Fürstlichen Aufführung bey andern hohen Häusern in Teutschland ein grosses Ansehen erlanget hat. Er hat ebenfalls, gleich seinem Herren Vatter und Groß-Herren Vatter, eine recht sonderbare Hochachtung vor die Religion, öffentlichen Gottes-Dienst, Kirchen und Schulen, und andere dahin einschlagende Anstalten gehabt, und solche auch würckliche Proben an den Tag geleget. Wie er denn nicht nur jederzeit* dem öffentlichen Gottes-Dienst ehrerbietig beygewohnet, sondern auch [197] nicht selten die Schulen selbst mit seiner Gegenwart erfreuet hat. Weil er eine besondere Achtung vor die Stadt Wißbaden gehabt hat, so hat er dieselbe mit vielen neuen Strassen, Gebäuden und Einwohnern versehen, und sonst auf allerley Art verbessern lassen. Er hat auch noch mehr dergleichen wichtige Verbesserungen daselbst anzubringen im Sinne gehabt. Es ist aber solches alles durch seinen etwas frühzeitig erfolgten Tod unterbrochen worden. Er hat, weil er ein grosser Liebhaber vom Bauen gewesen, nicht nur das Schloß zu Wißbaden völlig erneuert, sondern auch das prächtige Lust-Schloß zu Biebrich am Rhein (welcher Ort in den Nassauischen Urkunden, wie auch in den alten Geschicht-Büchern des Teutschlandes Biburg und Biberg heisset, und schon im Jahr 874 in der Geschicht-Beschreibung des Kaysers Ludwigs II, als welcher daselbst, in dem benennten Jahre, zu Schiffe gestiegen, bey dem Pithoeo in A. F. vorkommt) gantz zuerst angeleget und erbauet. Auch hat der nicht gar weit von Wißbaden entlegene Ort Görgenborn, den er zuerst hat anbauen lassen, den Nahmen von ihm überkommen. Er ist in dem Schlosse zu Biebrich 1721 im 57 Jahre seines Alters

[198]

an den Blattern gestorben, und in der Kirche zu Idstein beerdiget worden. Weil er keine männliche Leibes-Erben hinterlassen, so sind seine besessene Lande, und also auch Stadt und Herrschaft Wißbaden, an die nächste Stamm-Verwandte, nemlich an den regierenden Grafen zu Ottweiler Friedrich Ludwig zur Helffte, und an den regierenden Grafen zu Nassau-Saarbrücken Carl Ludwig zur Helffte, gefallen, welche beyde Herren aber der Regierung dieser ihnen zugefallenen Landen nicht gar lange vorgestanden haben; massen der letzte 1723 in Idstein gestorben, und daselbst in der Kirche begraben worden, der erste aber 1728 in Saarbrücken gestorben, und in Ottweiler in der Kirche beerdiget worden. Beyde Herren aber haben auch in der gesammten Zeit ihrer Regierung durch viele Proben rühmlichst bewiesen, daß sie, gleich ihren hohen Vor-Eltern und Anverwandten, eine sonderliche Achtung vor die Religion, öffentlichen Gottes-Dienst, Kirchen und Schulen gehabt, und aus diesem Grunde allerley Christliche Ordnungen in ihren Landen einzuführen und zu handhaben, beflissen gewesen. Sie haben ihre ererbte Idstein- und Wißbadische Lande durch ihre nachgesetzte Regierungs-Räthe in Idstein verwalten lassen, sind aber doch auch zu Zeiten selbst in denselben gegenwärtig gewesen. Weil sie beyde ohne männliche Leibes-Erben gestorben, so sind ihre [199] sämtliche Lande an die Nassau-Usingische Linie gefallen, welche bereits 1688 die Erneuerung und Bestätigung der Fürstlichen Würde erhalten hatte. Und sind bey der Theilung dieser Landen unter die beyde vorhanden-gewesene Fürstliche Herren Brüder, Carl und Wilhelm Henrich, die Using-Idstein-Wißbad- und Lahnische Lande, nebst den Zugehörden, an den ersten, nemlich Fürsten Carl, die Saarbrück- und Ottweilerische Lande aber, nebst den Zugehörden, an den zweyten, nemlich Fürsten Wilhelm Henrich gelanget. Der erste ist also Landes-Herr von Stadt und Herrschaft Wißbaden worden. Er ist 1712 gebohren, und hat sich 1734 mit Christianen Wilhelminen, einer Princeßin von Sachsen-Eisenach, vermählet, welche 1740 gestorben, und ihm drey Printzen, Carl Wilhelm geb. 1735, Friedrich August geb. 1738, und Johann Adolph geb. 1740, nachgelassen hat. Er hat seine Residentz von Usingen nach Biebrich, und seine nachgesetzte Regierung 1744 ebenfalls von Usingen nach Wißbaden verleget. Und nachdem also aus den bisher angeführten sattsam genug erhellet, daß ohngefähr von dem Jahr 1000 an, bis auf die gegenwärtige Zeit, die Stadt Wißbaden dem hohen Hause Nassau zugehöret hat, so nennen wir auch solche gantz billig, diesen Zeit-Lauf hindurch: das Nassauische Wißbad.


[200]

Einwohner
Des Nassauischen Wißbads.


Wenn Wißbaden in unserm gantzen Nassauischen Zeit-Lauf allezeit lauter gute, friedliche und gesunde Zeiten gehabt hätte, so würden sonder Zweifel die Einwohner desselben, in gewissem Verstande zu sagen, immerzu die alten geblieben seyn, und würde man keiner sonderlichen neuen Einkömmlinge nöthig gehabt haben. Da aber diese Stadt nicht allezeit mit solchen erwünschten Zeiten ist beglückt gewesen, sondern auch gar mannichmal, gleich andern Oertern und Ländern, mit Krieg, Seuchen, Mangel an Nahrung und Gewerbe, Theurung, Brand-Schäden etc. ist heimgesuchet, und dadurch von Einwohnern gar sehr entblösset worden, so hat dieselbe freylich nachher allerley neue Vermehrungen nöthig gehabt, und also Einwohner von frembden Orten und Landen einnehmen müssen. Wir können von den ersten Jahrhunderten dieses unsers benennten Zeit-Laufes keine besondere Umstände hiervon, wegen Abgang nöthiger Nachrichten, melden. Doch werden unten, bey Erzehlung der merckwürdigen Geschichten unseres Nassauischen Wißbads, von diesen ersten Zeiten desselben [201] einige Kriegs-Verwüstungen, welche diese Stadt damals getroffen haben, angeführet werden, daraus man gar leicht auf das, was gemeiniglich auf solche Verwüstungen zu folgen pfleget, nemlich Entblössung der Stadt von Einwohnern, wird schliessen können. Was aber die nähere Zeiten, sonderlich des 16 Jahrhundert, da die grosse Brand-Fälle, und des 17 Jahrhundert, da die grosse Kriegs-Fälle (von welchen allen unten ausführliche Nachricht wird ertheilet werden) sich in derselben geäusert haben, anbelanget, so ist es freylich, leyder! mehr als zu gewiß, daß die Stadt dabey gar sehr von ihren alten Einwohnern ist ausgeleeret worden, und hat also dieselbe allerdings nachmals, als diese höchst-elende Zeiten sich nach und nach geendet, gar viele frembde Ankömmlinge einnehmen, und sich durch dieselbe wieder von neuem bevölckern müssen. Wie denn nach Ablauf des dreyßig-jährigen Krieges, und der bald hernach gefolgten Frantzösischen Kriegen, nicht nur aus den verschiedenen Ländern unseres Teutschlandes, sondern auch aus Ungarn, Siebenbürgen, Preußen, Schweden, Irland, Frankreich, Holland etc. allerley neue Ankömmlinge (darunter viele abgedanckte Kriegs-Leute gewesen) sich in Wißbaden eingefunden und angebauet, und auch zum Theil ihre Nachkommen daselbst hinterlassen haben. Und da um das Jahr 1690 - - die Stadt gar sehr erweitert, [202] und mit mehreren Strassen und Gebäuden (wie unten umständlicher wird berichtet werden) ist versehen worden, folglich also auch noch mehrere Bewohner, als vorher, dazu nöthig gehabt hat, so sind durch öffentliche Landes-Herrschaftliche Ausschreiben, unter Versprechung gewisser Privilegien und Freyheiten, allerley frembde Künstler und Handwercks-Leute eingeladen worden, in derselben sich häuslich niederzulassen; deren denn auch gar viele sich würcklich eingefunden, und also unser Wißbad mit Einwohnern haben vermehren helfen. Es ist durch alle diese Vermehrungen geschehen, daß die Stadt beynahe 500 Burger, ohne die vielen Beysassen und Freyen, (massen denn verschiedene, so wohl Landes-Herrschaftliche, als Ritterschaftliche, Frey-Höfe darin befindlich sind) nunmehro zählen kan. Ob es lange bey dieser starcken Anzahl bleiben, oder ob dieselbe annoch gar sich vermehren, oder aber wieder vermindern werde? das werden die folgende Zeiten lehren. Es ist in Wißbaden, was die Zahl der Einwohner und den gesamten Wohlstand der Stadt anbelanget, niemals ein beständiges Wachsen oder Bleiben, sondern (wie es auch in allen andern Wohn-Städten der Welt geschicht) ein beständiger Wechsel obhanden gewesen, und wird auch ferner obhanden bleiben, so lange die Unbeständigkeit auf Erden wohnet. In dem 15 Jahrhundert ist Wißbaden, L. U. in grossem [203] Flor gewesen, und hat sehr viele Einwohner gezählet. In dem 16 Jahrhundert ist es damit sehr auf die Neige gekommen, und hat man in den Jahren 1570 - - nach den vielen Brand-Fällen keine 100 Burger zusammen bringen können. In dem 17 Jahrhundert, und zwar insbesondere in dem Jahr 1627 (und also vor dem völligen Einbruch des dreyßig-jährigen Krieges) sind 122, und in dem Jahr 1630, L. U. 150 Burger vorhanden gewesen. Von dem Jahr 1634–1648 aber hat man deren nach und nach, bey dem völligen und anhaltenden Wüten des gemeldten Krieges, kaum 50, und mannichmal kaum 20 zählen können. Nach dem Jahr 1648 ist es wieder nach und nach zu 100 bis 200 gekommen. In dem Anfang des 18 Jahrhundert ist die Anzahl der Burger auf 300, und in der Mitte desselben, wie gedacht, nahe an die 500 gestiegen. In solchem Wechsel hat sich diese Sache, ohne allen Zweifel, ebenfalls vormals in dem Fränckischen und Römischen Zeit-Lauf in Wißbaden befunden, und wird sich auch ferner, gemeldter massen, also befinden.


Aeussere Gestalt und Beschaffenheit
des Nassauischen Wißbads.


Diejenige Gestalt und äussere Verfassung, in welcher Wißbaden zu der Römer [204] und Francken Zeiten, kraft des oben, in der ersten und zweyten Abtheilung, gegebenen Berichts, sich befunden, hat in diesem Nassauischen Zeit-Lauf gar nahmhafte Aenderungen erlitten. Denn da ist 1, fast mitten in Wißbaden ein Herrschaftliches Schloß, welches den Nassauischen Regenten zu einem Wohn-Sitz gedienet, erbauet, und mit starcken Mauern und tiefen Wasser-Gräben umgeben worden. 2, ist annoch über dieses ein gewisser, nahe bey diesem Schlosse liegender, Bezirck der Stadt, von dem Uhr-Turn an, bis an das so genannte Stadt-Thor, in einer Rundung, ebenfalls mit einer besonderen Mauer, die auch mit besonderen sehr tiefen Wasser-Gräben umschlossen und befestiget worden. 3, ist auch die gantze übrige Stadt annoch in besondere allgemeine Wasser-Gräben, welche mit ziemlich hohen Wällen versehen gewesen, eingeschlossen und verwahret worden. Wenn, oder zu welcher Zeit eigentlich eine jede dieser gemeldten Veränderungen der Stadt sich zugetragen habe? das lässt sich zwar wegen Abgang näherer Nachrichten, nicht wohl melden. So viel aber ist doch gantz glaublich, daß sie sich sämmtlich in dem Nassauischen Zeit-Begriff werden eräugnet haben. Denn diese Art der Stadt-Befestigungen durch Wasser-Gräben ist bey den Francken und Römern, wie bereits oben in der zweyten Abtheilung angemercket worden, noch [205] nicht sonderlich gewöhnlich gewesen, sondern ist erst in den nachmaligen Zeiten in Ubung gekommen. Und da Wißbaden, wie vorgemeldet ist, gar mit dreyfachen Wasser-Gräben, nebst einer Mauer um das Schloß und um die kleine Stadt, und Wällen um die gantze Stadt, auch überdiß noch mit 6 starcken Thoren, deren die meiste zwey, durch Seiten-Mauern mit einander verbundene Thürne gehabt haben, versehen gewesen ist, so siehet man wohl, daß es in den damaligen Zeiten, nach Beschaffenheit der Befestigungs-Arten derselben, keine gemeine, sondern eine rechte gute und starck-verwahrte Festung müsse gewesen seyn. Und hat damals kein Ort in Teutschland, ohne die besondere dazu erhaltene Erlaubnüß der Teutschen Kayser, auf eine solche Art mit Mauern und Gräben (muris \& fossatis, wie es in den alten Kayserlichen Freyheyts-Briefen lautet) dörfen befestiget werden. Es sind schriftliche Urkunden von dem Jahr 1297 von dem Kayser Adolph vorhanden, in welchen Wißbaden nicht bloßhin eine Stadt, sondern eine Veste genennet wird. Und um das Jahr 1318 ist dieser Ort so fest gewesen, daß er eine heftige Belagerung etliche Wochen hindurch, wie unten mit mehreren wird berichtet werden, von dem Kayser Ludwig V hat ausdauern und abwenden können. In dem Jahr 1508 ist diese Befestigung der Stadt Wißbaden auf Herrschaftliche Verordnung [206] von Grund aus erneuert, und (wie es in der schriftlichen Urkunde heisset) die gantze Stadt und Flecken, wegen der gefährlichen und geschwinden Zeiten, völlig befridet (in Friede und Sicherheit gestellet) und befestet worden; und haben die Wißbadische Dorfschaften nicht nur allerley Fron-Dienste dabey leisten, sondern auch ein besonderes Bau-Geld, welches das Graben-Geld genennet worden, dazu beytragen müssen, dabey sie aber auch (L. St. s. 383.) den Vortheil gehabt haben, daß sie in Kriegs-Zeiten ihre beste Habschaft in die Stadt hinein haben flüchten dürfen. Um den Anfang des 17 Jahrhundert ist diese Befestigung unseres Wißbads abermals ausgebessert worden. Und diese äussere Gestalt und Beschaffenheit der Stadt (welche damals, nach ihrem gantzen Bezirck, wie aus den alten Abbildungen derselben zu ersehen ist, dreyeckigt gewesen) ist auch fast bis auf den Anfang des 18 Jahrhundert, wenigstens ihrer Haupt-Verfassung nach, ungeändert geblieben. Um solche Zeit aber ist abermals eine gar grosse Aenderung mit derselben vorgenommen worden. Denn weil die gedachte dreyfache Wasser-Gräben, wie auch die Wälle um die Stadt, nebst der Mauer um die kleine Stadt, in den langwiehrigen Kriegs-Zeiten des 17 Jahrhundert von den wenigen und ausgemergelten Einwohnern derselben schlecht gehandhabet worden, und daher meistens verfallen [207] gewesen, so sind diese Gräben, Wälle und Mauer vollends größtentheils geschleifet, und zu allerley Gebäuden, Strassen und Gärten verwendet, dagegen aber um die gantze Stadt herum eine neue allgemeine Stadt-Mauer (doch ohne Ordnung, und nur an den Orten, wo es nöthig gewesen) aufgeführet, auch einige Stadt-Thore abgeändert, und überhaupt die gantze Stadt, durch Errichtung allerhand neuer Gebäuden und Strassen, erweitert, verbessert und verändert, und alle vormalige besondere Theile der Stadt zusammen in eins verfasset, und ein Wißbaden daraus gemacht worden. Es ist dasselbe dadurch zu einer solchen ziemlichen Grösse gelanget, daß man beynahe eine Stunde Zeit nöthig hat, wenn man solches, von aussen her, umgehen will. Und in dieser äusseren Gestalt befindet sich die Stadt noch heut zu Tage. Was aber die besondere Nahmen der vormaligen, vorhin genennten, verschiedenen Stadt-Theilen anbelanget, so verhält es sich L. U. damit also: 1, das Herrschaftliche Residentz-Schloß hat vormals ohnstreitig die Burg geheissen. Denn so lautet es z. E. in einem Leih-Brief, welchen der Nassau-Wißbadische Graf Adolph im Jahr 1484 einem Herrschaftlichen Müller ertheilet hat: – auch soll er alle Jahre die Zinsen und Gülte davon liebern und hantreichen in unserer Burgck gen Wißbaden unserm Kelner. [208] Item, 1490 giebt eben dieser Graf einen Befehl – daß ihm seine Hof-Leute Holtz in die Burgck führen sollten etc. Und es ist ohnehin aus allen alten Teutschen Geschicht-Büchern bekannt genug, daß dieses vormals der eigentliche Nahme der Residentz-Schlösser in Teutschland, sonderlich, wenn sie fest waren, gewesen, daß man sie Burgen genennet habe. Daher auch die zeitliche Verwalter derselben Burg-Grafen und Burg-Voigte, und die Ein- und Anwohner in und um dergleichen Burgen herum die Burger sind genennet worden. Nachmals ist der Nahme Schloß, an statt des Nahmens Burg, aufgekommen, und dieser ist ebenfalls der gemeldten Herrschaftlichen Residentz-Wohnung in Wißbaden nachher beygeleget worden. 2, der besondere Bezirck der Stadt, welcher sich von dem Uhr-Thurn an, bis an das Stadt-Thor, in einer Rundung erstrecket hat, und besonders befestiget gewesen ist, hat die Stadt geheissen. Zwar findet sich in des Joannis Maintzischen Geschicht-Schreibern T. I. p. 778. Tab. eine Urkunde von dem Jahr 1420, daraus fast erhellen will, als ob dieser gemeldte Bezirck ebenfalls die Burg geheissen habe. Denn darin heisset es: – Sloß, Burg und Stadt Wisebaden – . Und werden also darin Schloß und Burg von einander unterschieden. Und da jenes ohnstreitig die Herrschaftliche Residentz-Wohnung anzeiget, so [209] scheinet dieses den gemeldten besonderen Bezirck der Stadt, welche besonders befestiget, und also ebenfalls, gewisser massen, eine Burg gewesen, anzuzeigen. Allein es findet sich in allen, auch den ältesten, Wißbadischen Stadtschriften nicht die geringste Spur davon, daß dieser besondere Stadt-Theil jemals die Burg geheissen habe, sondern er heisset immerzu die Stadt, und wird durch diesen Nahmen von den andern Theilen des Wißbads ausdrücklich unterschieden. Z. E. so wird öfters in den ältesten Gerichts-Protocollen unseres Wißbads, von dem 14 Jahrhundert, gemeldet, daß das Haus zum Rebenstock, zum Schwerdt, zum Ochsen etc. (welche alle in diesem Stadt-Theil stehen) in der Stadt stünden. Und die Mauer, welche diesen Bezirck umgeben hat, heisset ebenfalls in allen alten Wißbadischen Schriften die Stadt-Mauer. Und das inwendige Thor desselben, am Uhr-Thurn, heisset das obere Stadt-Thor, und das auswendige Thor desselben heisset das untere oder niedere Stadt–Thor, und ist diese Benennung des letzteren annoch auf den heutigen Tag bey demselben übrig und gewöhnlich; wie denn auch die Brücke, welche vormals vor dem oberen Stadt-Thor oder Uhr-Thurn befindlich gewesen, die Stadt-Brücke genennet worden ist. Und da in den alten Gerichts-Büchern unseres Wißbads gemeiniglich bey [210] Verkaufung dieses oder jenes Hauses der Stadt gemeldet wird, in welchem Theil der Stadt dieses oder jenes Haus gelegen habe, so wird nicht ein eintziges mahl berühret, daß eines derselben in der Burg gelegen habe. Es ist also fast zu vermuthen, daß man in der angeführten Maintzischen Urkunde nicht: Schloß, Burg, sondern Schloßburg (welches in dergleichen alten Schriften, darin die eigentliche Fügung der Worte nicht allezeit kenntlich genug ausgedrucket ist, gar leicht statt hat) zu lesen, und also nur eine eintzige Sache, nemlich die Herrschaftliche Residentz-Wohnung, dadurch zu verstehen habe. Wie denn bedencklich ist, daß l. c. noch eine andere Urkunde von dem Jahr 1432, darin eben das, was in der erstgemeldten erzehlet wird, vorkommt, in welcher ist nur allein heisset: Burg und Stadt Wiesebaden. Und also scheinet es fast, daß dieser oftgemeldte besondere Theil unserer Stadt niemals mit dem Nahmen Burg, sondern nur allein mit dem Nahmen Stadt genennet worden sey. Doch ist freylich hierbey so viel gantz richtig, daß, wenn der Nahme Stadt diesem gedachten Bezirck insbesondere beygeleget wird, derselbe nichts anders anzeige, als eine Burg-Stadt, Veste (wie es in der oben berührten Urkunde des Kaysers Adolph heisset) oder feste Stadt. Denn eine eigentliche und völlige Stadt ist derselbe nicht gewesen, massen [211] es kein eintziges von denen sonst zu einer ordentlichen Stadt gehörigen öffentlichen und gemeinen Gebäuden, Kirche, Schule, Rath-Haus etc. in sich begriffen hat, sondern dieselbe haben sämmtlich vormals ausserhalb demselben gestanden. Wenigstens muß der Nahme Burg oder Burg-Stadt, wenn er ja jemals mit diesem besonderen Stadt-Theil beygeleget worden ist, insgemeinen nicht sonderlich üblich gewesen, oder doch gar bald wieder in Abgang gekommen, und nichts, als der Nahme Stadt, übrig und gewöhnlich geblieben seyn. Ueberhaupt hiervon annoch zu urtheilen, so scheint es, daß vornemlich nur die vorgenommene Befestigung des Wißbads vormals die eigentliche Ursache gewesen sey, die Stadt also verschiedentlich zu theilen. Denn da man etwan nicht im Stande gewesen, die gantze Stadt auf einmal so gleich gehörig zu befestigen, so hat man vielleicht einsweils die gemeldte Gegend von dem Uhr-Thurn an bis an das äussere Stadt-Thor befestiget, bis man endlich nach und nach die übrige Stadt-Theile dazu geholet, und solche ebenfalls mit Befestigungs-Wercken versehen hat. Doch kan es auch gar wohl seyn, daß dieser besondere Stadt-Theil in den gantz alten Zeiten nur allein, vor den andern Theilen des Wißbads, das Stadt-Recht, und also auch das damit verknüpfte Recht, Befestigungen anzulegen, von den Teutschen Kaysern [212] gelegenheitlich überkommen hat etc. Es hat übrigens dieser besondere Stadt-Theil, von alten Zeiten her, verschiedene besondere Herrschaftliche Freyheiten, vor den andern Stadt-Theilen, zu geniessen, aber auch einige besondere Beschwerungen zu tragen. Es ist auch vormals die Herrschaftliche Müntze (L. St. f. 58) in demselben befindlich gewesen. 3, was von dem Uhr-Thurn an, nach dem Maintzer-Stumpfen- und Heidnischen Thor zu lieget, hat vormals, in unserem Nassauischen Zeit-Lauf, die Vorstadt oder der Flecken geheissen. Denn so heisset es in einer Urkunde, welche der Graf Johannes von Nassau-Wißbaden in dem Jahr 1468 den Beckern in Wißbaden ertheilt hat: – – Alle Becker in der Stadt und Vorstadt – – . Und in dem Jahr 1508 befiehlt der Graf Adolph, daß die Stadt und der Flecken Wißbaden sollten befestiget werden. In dem Jahr 1527 verordnet der Graf Philipp, daß gewisse Wein-Schencken in der Vorstadt, oder, wie es in einer andern Verordnung hiervon heisset, in dem Flecken seyn sollten. Da nun die Stadt, wie kurtz vorher gezeiget worden, zwischen dem Uhr-Thurn und dem Stadt-Thor gelegen hat, so muß die Vorstadt oder der Flecken allerdings ausserhalb derselben, und also zwischen dem Uhr-Thurn und Stumpfen-Thor bis nach dem Heidnischen Thor zu gelegen haben. Es ist aber doch [213] diese Vorstadt oder Flecken öfters, sonderlich um die Mitte des 16 Jahrhundert, mit unter dem Nahmen der Stadt begriffen worden. Daher als um das Jahr 1545 die Bad-Wirthe in Wißbaden gegen die vorgedachte Weinschancks-Ordnung klagend eingekommen, so bitten sie darin, daß man nicht mehr, wie bisher, nur allein Weinschencken in der Stadt, sondern auch in den Bad-Herbergen verstatten möchte etc. da sie also Stadt und Vorstadt oder Flecken, worin die Weinschencken waren, unter dem Nahmen der Stadt begriffen. Wie denn auch die öffentliche Stadt-Gebäude, Kirche, Schule, Rathhaus (welches letztere vormals neben dem Wirthshaus zum Einhorn gestanden) in diesem Stadt-Theil befindlich gewesen sind, und er also ohnstreitig mit zur eigentlichen Stadt gehöret hat. 4, der übrige Theil des Wißbads, welcher von dem Heidnischen Thor an bis an das Sonnenberger Thor sich erstrecket, und die eigentliche Bad-Gegend des Wißbads in sich fasset, hat das Bad, item: die Bäder, item: das Sauerland geheissen, und ist jederzeit als ein besonderer Theil des Wißbads angesehen worden. In den Wißbadischen Urkunden des 14 und 15 Jahrhundert heisset es öfters: dieses und jenes Haus habe gelegen im Bad, oder: uf dem Bad, oder auch: zum Bad, das ist, in der Bad-Gegend. Und weil auch noch einige Bäder ausserhalb der Bad-Gegend in der so genannten Langen-Gasse sich finden, so werden solche in diesen alten Schriften das [214] Fleckinbad, Fleckenbad genennet, (z. E. der N. im Bad, der N. im Fleckenbad, item: der N. zum Bad, der N. zum Fleckinbad) und also dadurch von dem andern Bad oder Bad-Gegend unterschieden. In den Schriften das 16 und 17 Jahrhundert heisset es gemeiniglich: Stadt und uf den Bädern, oder Stadt und im Sauerland. Z. E. wenn zwey Wächter vor die Stadt geordnet worden sind, so heisset es: dem einen sey sein Loos gefallen auf die Stadt, dem andern auf die Bäder oder auf das Sauerland etc. Man siehet also aus allem diesem angeführten, wenn man es kurtz fassen soll, so viel: Die Gegend unseres Wißbads, welche von dem Uhr-Thurn an bis an das Stadt-Thor mit Einschliessung des Herrschaftlichen Schlosses, sich erstrecket, ist eigentlich die Festungs-Stadt; was von dem Uhr-Thurn bis an das Heidnische Thor lieget, die Kirch-Stadt; und was von dem Heidnischen Thor bis an das Sonnenberger Thor sich erstrecket, die Bad-Stadt unseres vormaligen Nassauischen Wißbads gewesen. Oft werden diese verschiedene Stadt-Theile in den alten Wißbadischen Schriften kenntlich genug von einander unterschieden. Oft aber werden sie auch unter dem Nahmen der Stadt oder des Fleckens zusammen gezogen, und mit einander verknüpfet, wie dessen unten, in der Beschreibung des grossen Brandes unserer Stadt, einige Exempel zu finden sind. Uebrigens sind zwar, wie schon berühret ist, diese verschiedene [215] benennte Theile des Wißbads, um das Ende des 17 Jahrhundert zusammen gezogen, und ein Wißbad daraus gemachet, mithin auch die verschiedene Nahmen solcher mancherley Stadt-Theilen aufgehoben worden; Indessen aber heisset doch auch noch jetzo die eigentliche alte Stadt-Gegend unsers Wißbads, welche innerhalb der Heidnischen Stadt-Mauer gelegen, insbesondere die Stadt, und die eigentliche Bad-Gegend desselben, welche ausserhalb der Heidnischen Mauer gelegen, heisset das Sauerland; Und ist dieser letztere Nahme ohnstreitig daher entstanden, weil der Grund und Boden dieser Bad-Gegend, von den vielen darin befindlichen Mineralien, saltzicht oder, nach der alten Art zu reden, sauer ist. Und dieses ist also die äussere Haupt-Gestalt und Beschaffenheit des Nassauischen Wißbads, nebst denen nach und nach dabey vorgefallenen Veränderungen. Die vornehmste öffentliche Stadt-Gebäude desselben aber, nebst andern dahin gehörigen Dingen, werden unten, unter den überbliebenen Alterthümern oder Denckmalen desselben, annoch insbesondere benennet und beschrieben werden.


Innere Regiments-Verfassung
des Nassauischen Wißbads.


Diese ist wohl von der Zeit an, da Wißbaden unter die Herrschaft des Hauses [216] Nassau gekommen, sich immerzu, was die Haupt-Sache anbelanget, gleich gewesen, und hat vornemlich darin bestanden, und bestehet noch darin, daß der hohe Landes- und Stadt-Herr diese Stadt durch seine nachgesetzte Amt-Leute (welche zu Zeiten: Ober-Amtmänner, zu Zeiten Amtmänner, zu Zeiten auch: Amts-Verweser geheissen) und deren Beysitzer regieren, und die höhere Gerichts-Fälle und Rechts-Angelegenheiten derselben an den gesetzten Amts-Tägen abthun; die Consistorial- oder geistliche Sachen aber (welche vor Einführung der Evangelischen Religion in Wißbaden bloß allein von geistlichen Personen verwaltet worden) durch ein aus geist- und weltlichen Richtern bestehendes Convent, davon auch das nachgesetzte Kirchen-Presbyterium abhanget, beurtheilen; die jeweilige Kriegs-Vorfallenheiten aber durch einen Land-Commissarium, (vormahls der Amts-Bereiter genannt) welcher einen Land-Bereiter zu seinen Diensten hat, besorgen; auch die Wald-Angelegenheiten durch die Forst-Beamte in Ordnung halten; und so denn die Ihme von der Stadt zukommende Steuern und Gefälle durch seine Renth-Bediente einnehmen lässet. Dabey aber die Stadt ihre besondere, durch alte Herrschaftliche Vergünstigungen erhaltene, Privilegien und Freyheiten immerzu geniesset. Und diese bestehen hauptsächlich darin, daß sie 1, ihren eigenen Stadt-Rath oder Schöffen-Gerichte [217] hat, welches mit einem Stadt- oder Gerichts-Schreiber, wie auch mit einem Stadt- oder Gerichts-Unterschultheissen versehen ist, und seine Glieder (deren Anzahl, nach den verschiedenen Zeiten, verschiedentlich abgewechselt hat) selber aus der Burgerschaft wählet, und die niedere Gerichts-Fälle, und das eigentliche Stadt-Wesen betreffende Sachen, nach denen Landes- und Gerichts-Ordnungen, an den ordentlichen und ausserordentlichen Gerichts-Tägen, oder Gerichts-Gebotten, auf dem Rathhause (dahin auch die gemeine Burgerschaft, wenn es nöthig ist, berufen wird) abhandelt und schlichtet. Wobey jedoch ein, von der Landes-Herrschaft gesetzter, Ober-Schultheiß diesem Stadt-Gerichte vorstehet, und die erwählte Raths-Glieder oder Gerichts-Schöffen von einem Herrschaftlichen Amte die Bestätigung zu empfangen haben; auch von Seiten der Burgerschaft besondere Gemeinde-Vorsteher oder Vor-Gänger zu gewissen Zeiten denen Handlungen des Stadt-Gerichtes beywohnen. So denn hat 2, die Stadt auch ihre besondere nahmhafte Stadt-Einkünfte oder Gefälle von allerley gewöhnlichen Abgaben zu geniessen, welche durch einen eigenen, von dem Stadt-Gerichte eingesetzten und von dem Herrschaftlichen Amte bestätigten, Einnehmer der gemeinen Gelder gehoben, und nachmals wiederum zu denen, bey Unterhaltung der Stadt beständig vorfallenden Ausgaben, verwendet werden. Endlich hat auch 3, die [218] gemeine Burgerschaft unter der Hand, durch allerley Herrschaftliche Begnadigungen, verschiedene Befreyungen von sonst gewöhnlichen Beschwerden, sonderlich von Frohn- Jagd- und Land-Militz-Diensten etc. vor andern Unterthanen des Wißbadischen Landes, erhalten. Es hat auch vormals die Stadt, L. St. nicht nur ziemlich viele gemeine Häuser, (welche man damals die Gemeine Bäu, oder auch nur schlechthin die Bäu geheissen, und daher z. E. das gemeine Backhaus das Bau-Backhaus, das gemeine Brauhaus das Bau-Brauhaus, die gemeine Schmiede die Bau-Schmidt etc. genennet hat) sondern auch sehr zahlreiche und einträgliche gemeine Alimenter, Allmender, Allmeyen (von dem Teutschen Wort: Allmand, Allmännig, allermänniglich gemein, oder von dem Lateinischen: Alimentum publicum, also benennet) oder gemeine Feld-Güter, an Aeckern und Wiesen, besessen, welche theils überhaupt von der gantzen Burgerschaft zugleich benutzet, theils aber an zeitliche Beständer um einen gewissen Zins sind verliehen worden. Auch ist die gantze so genannte Wellritz, oder, wie sie in den alten Wißbadischen Briefen heisset, die Wilderatis, Wilderitz vormals, L. St. ein gemeiner Eichen-Wald, und der Geiß-Platz, Ziegen-Platz, oder wie er in den gedachten U. heisset, der Zegin-Platz, nebst dem dabey gelegen-gewesenen Bircken-Wald, eine gemeine Heide gewesen etc. Es sind aber nachmals bey [219] den eingefallenen mangelhaften Zeiten, und gehäuften Stadt-Ausgaben, die meiste solcher gemeinen Güter, aus Noth, veräussert, und, der Stadt zu gut, in Geld verwandelt worden. Unter den vormaligen gemeinen Stadt-Häusern ist auch ein Wirths-Haus befindlich gewesen, welches (L. St. f. 145 – ) den, vor ein blosses Wohn-Haus, und insbesondere vor ein öffentliches Wirths-Haus sich gar übel schickenden Nahmen: zum Heiligen Geist, geführet hat. Nachmals hat es den Nahmen zum guldenen Löwen, den es noch hat, überkommen. Es hat auch in den vorigen Zeiten die Stadt einige Stadt-Gräben, nemlich von dem Sonnenberger-Thor an bis hinter das Hospital, (L. St. f. 410) wie auch die so genannte Saltzbach besessen, und von denen darin befindlich-gewesenen Fischen die gemeine Nutzung gehabt; wie denn damals mancher Burger in Wißbaden sich wöchentlich aus der gemeldten Saltzbach sein Essen Fische zu holen gewohnt gewesen ist. Es haben aber diese Wasser-Nutzungen, weil die Stadt-Gräben eingegangen und veräusert worden, die Saltzbach aber im Jahre 1750, gegen anderweitige Vergütungen, an die Landes-Herrschaft gelanget ist, ihre Endschaft überkommen. Sonst hat man in den vorigen Zeiten in unserm Nassauischen Wißbad, L. U. auch etlichemal Erb-Schultheissen gehabt. Z. E. so heisset es in einer U. von 1503 – N. Amtmann und Erb-Schultheiß zu [220] Wiesbaden – . Und in dem alten Gerichts-Buch f. 165 – im Jahre 1516 – Junckher N. Erb-Schultheiß und Amptmann zu Wießbaden – . Es ist diese Benennung vermuthlich daher entstanden, weil die Landes-Herrschaft zuweilen einigen, auch wohl adelichen Personen, wegen geleisteter Diensten, eine besondere Vergeltung hat wollen angedeyen lassen, und da sich so gleich keine bequeme Gelegenheit hierzu geäusert, sie ihnen einsweils ein solches Amt, nach Gewohnheit der damaligen Zeiten, auf erblich verliehen hat; welches Erb-Amt aber nachher durch Absterben solcher Personen und ihrer Familien, oder auch durch anderwärtige Landes-Herrschaftliche Vergütungen, mehrmal wieder abgängig worden, und also der Landes-Herrschaft selber von neuem anheim gefallen ist. Auch kan hierbey noch angemercket werden, daß das Schöffen-Gerichte in Wißbaden vormals zuweilen auch von auswärtigen Klag-Partheyen, nach der Gewohnheit der damaligen Zeiten, um einen Rechts-Spruch in allerley Klag-Sachen ist ersuchet worden; gleichwie hingegen auch dieses Wißbadische Schöffen-Gerichte ebenfalls einen auswärtigen Schöffen-Stul mehrmalen um einen Rechts-Spruch in seinen eigenen Klag-Angelegenheiten ersuchet hat. Es heisset solches in dem alten Wißbadischen Gerichts-Buch: Ein Schöffen-Gerichte zum Ubir-Hof, Ubirsten Hof machen, das ist: zum Obmann oder Ober-Richter annehmen, und sich dessen Urtheil unterwerfen. [221] Z. E. so heisset es f. 229: Im Jahre 1400 – sind die erbern frommen Lüte (Leute) die Scheffen des Gerichts zu Waldaff (Walloff im Rhingau) vor uns kommen, und hant ihren ubirsten Hof gesucht von eines Ortels (Urtheils) wegen, daß wie sie darus wiseten, (zurecht weiseten, einen Rechts-Spruch ertheileten) deß lachten (legeten) sie ihre Sache us, was yn brost was, (was ihr Anstand oder Zweifel dabey wäre) und sprachen – des han wir sie hie gewiset an Gerichte – Und f. 230: Im Jahr 1400 – berieff sich das Gerichte zu Erbenheim hieher gen Wiesebaden an ihren ubirsten Hof, und duchten sie, daß sie die Sache under yn nit wol finden enkonden. Des wart das Gerichte hier gehaufft (zusammen beruffen) und solten die Sache wisen zu den Rechten – Und f. 13. Im Jahr 1390 – da qwamen (kamen) Schultheiß und Scheffen von Clopheim (Kloppenheim) her vor uns an Gerichte, und wolden sich des Rechten hie gebruchen, des konden wir des Rechten nit finden, und berieffen uns dessen gen Franckeford in unsern ubirsten Hoff. Des qwamen wir gen Franckeford und lachten (legeten) den Herren den Scheffen zu Franckeford vor die Sache, wie sie geludet hatte vor uns an Gerichte – des beryden sie sich und antwerten – Item f. 36: Im Jahre 1456 – ist die Ansprach beschrieben worden anne unsern [222] Uberhoff gen Franckefurt, da hait unser Uberhoff gewist mit rechtem Ortell – . Da auch in den alten Gerichts-Verhandlungen unseres Wißbads öfters der dryn Geziten (dreyen Zeiten) und der ungeboten Ding oder Dingtage gedacht wird, so dienet zur Nachricht, daß vormals die Gerichts-Schöffen in Wißbaden drey bestimmte Tage im Jahr gehabt, an welchen sie ungeboten oder unangesagt sind zu Gerichte gegangen, 1, den Montag nach dem achzehensten Tage, (vermuthlich von dem Anfang des Jahres gerechnet, siehe des Gudenus Cod. Dipl. T. II. p. 438) 2, den Montag nach Ostern, 3, den Montag nach Johannis Tag. Diese drey Gerichts-Täge hiesse man die drey Zeiten, oder die ungebotene Dingtäge. Denn das Wort Ding heisset in der alt-Teutschen Sprache so viel als Gericht oder Gerichts-Tag. Und die Gerichts-Täge, welche gebotten, oder durch den Bödel (Büttel) den Gerichts-Schöffen, so oft als der Schultheiß nöthig fand, angesaget wurden, hieß man Bodding, oder, wie man heut zu Tage redet, das Gerichts-Gebott, das ist so viel als ein gebottener oder besonders angesagter Gerichts-Tag. Diejenige Gerichts-Täge aber, welche ungebotten oder unangesaget von sich selber auf die bestimmte Zeiten fällig und gewöhnlich waren, hieß man Unbodding oder ungebotene Ding oder Ding-Tage. Und solcher ungebottenen Ding-Täge waren, wie gesagt, vormals in [223] Wißbaden, U. L. drey. An diesen dreyen Gerichts-Tägen musten 1, alle Wißbadische Gerichts-Schöffen unausbleiblich bey Gerichte erscheinen; wer aber, ohne Erlaubnuß von dem Schultheiß zu haben, aussenblieb, der muste demselben 5 Schillinge, zur Strafe, erlegen. 2, musten auch die Schultheissen, Schöffen, und die gantze Gemeinden der Dörfer Erbenheim, Kloppenheim und Nurat, das ist, Naurod (als welche in das ungebotten Ding zu Wißbaden gehöreten) an diesen Gerichts-Tägen vor dem Schöffen-Gerichte in Wißbaden sich stellen; wer aber, ohne Erlaubnuß des Schultheissen zu Wißbaden, wegbliebe, der muste demselben 30 junger Heller Strafe geben, und wenn er sie denselben oder den folgenden Tag bey Sonnenschein nicht erlegte, so muste er sie den dritten Tag doppelt geben, und so stieg es immerfort bis zur Zahlung; wenn er sich aber durchaus widerspenstig erzeigete, so wurde von dem Amtmann allen und jeden in dem Lande untersaget, auf eines solchen Menschen Gut weder zu gehen noch zu stehen. 3, musten auch alle diejenige, welche Güter in der Wißbader oder der gemeldten drey Dörfer Feld-Marckung liegen hatten, es mochte seyn Pfaff oder Lay, Edel oder Unedel etc. (wie es in den U. heisset) an diesen drey Ding-Tägen vor Gerichte zu Wißbaden erscheinen, oder, wenn sie, ohne gesuchte Erlaubnuß, aussenblieben, die vorgemeldte Strafe erlegen. Unter die besondere alte Gerichts-Gewohnheiten unserer Stadt, in diesem [224] Zeit-Lauf, gehöret auch diese, daß man daselbst vormals in Gewohnheit gehabt hat, diejenige Häuser und Feld-Güter, (oder, wie sie in den schriftlichen Urkunden derselben Zeit genennet werden, die Placken) welche feil worden, nicht an dem Rathhaus, sondern bey der Kirche auszubieten, und schriftlich an den Kirch-Thüren, vier Wochen lang, anzuschlagen. Es ist solche schriftliche Feil-Bietung nachmals eine Zeitlang an das obere Stadt-Thor unter dem Uhr-Thurn, folgends aber an die Rathhaus-Thüre angeschlagen worden. Dermalen werden dergleichen Güter durch eine öffentliche Anzeige auf dem Rathhaus feil geboten, und nachmals einen bequemen Orten versteigerung-weise an die meist-bietende verkaufet. Diejenige Güter aber, welche ohne einen öffentlichen Ausruf, durch einen besondern Verkauf, an jemand überlassen worden, werden nur durch einen schriftlichen Anschlag an eine schwartze Tafel auf dem Rathhaus, wegen des, denen Anverwandten des Verkäufers zukommenden, Abtriebs, bekannt gemacht. Die alte Gewohnheit, da das Wißbadische Stadt-Gerichte, nebst gewissen dazu benahmten Burgern, zuweilen die gesammte Feld-Marckung der Stadt öffentlich und in Begleitung der Schul-Knaben und ihres Vorsängers (welche um einen jeden Gemarck-Stein dreymal herum gehen, und dabey einige Lieder absingen) zu begeben, und in Beyseyn der Gräntz-Dorfschaften zu [225] besichtigen, und in Ordnung zu halten pfleget, wird noch auf den heutigen Tag, wiewohl seltner, als vormals in den bekannten Fehde-Zeiten, da die Marckungen der Felder öfters vorsetzlich von den Feinden verderbet und verrücket worden, und die mehrmalige Begehung derselben sehr nöthig gewesen, beobachtet. Diejenige alte Gewohnheit aber, da ein neuerwählter Gerichts-Schöffe dem sämmtlichen Gerichte, wie auch allen übrigen öffentlichen Amts-Personen der Stadt, einige kostbare Mahlzeiten (welche Gerichts-Imbisse genennet wurden) mit vieler Weitläufigkeit vormals hat geben müssen, ist zwar noch bis um das Jahr 1712 in Uebung gewesen, nachmals aber, aus guten Ursachen, vor beständig, aufgehoben worden. Was sonst noch die so genannte gemeine Aemter, welche in Wißbaden unter der Burgerschaft gewöhnlich sind, anbelanget, da nemlich einige Burger auf gewisse Zeiten z. E. zu Burgermeistern, (welche in den alten Wißbadischen Schriften die Heimbürgen heissen) einige zu Feld-Geschwornen oder Feld-Gerichten, (welche in solchen alten Schriften das Hubener- oder Hübener- wie auch Höbener-Gerichte heissen) einige zu Pacht-Hebern, einige zu Wein-Stechern, (zu welchen vormals auch die Wein-Meister gehöreten) einige zu Eichern, einige zu Schrötern, einige zu Feuer-Läufern etc. gemacht werden, so [226] geschicht die Ernennung zu solcherley Aemtern von dem Stadt-Gerichte. Es werden auch einige solche Aemter selbst von Gerichts-Schöffen, einige aber von andern gemeinen Burgern der Stadt, auf Zeit und Ziel, verwaltet. Man hat auch in den vorigen Zeiten, L. U. gewisse gemeine Amts-Träger in Wißbaden gehabt, welche die Letz-Meister sind genennet worden, und den verschiedenen Letzen, in welche die Stadt ist abgetheilet gewesen, vorgestanden haben. Es ist diese Benennung von dem alten Teutschen Wort Letzen, welches Theilen oder Scheiden heisset, entstanden; Und ist also der Letzmeister derjenige gewesen, dem eine gewisse Letze, oder abgetheiltes Stück, der Stadt, nebst denen dazu geordneten Burgern, ist untergeben gewesen. Es ist diese Ordnung, sonder Zweifel, um deßwillen vormals eingeführet worden, damit ein jeder Burger, bey entstandenen unvermutheten und ausserordentlichen Zufällen der Stadt, sogleich hat wissen können, von wem er die Anweisung, wie er sich dabey verhalten solle, zu gewarten habe. An einigen Orten werden dergleichen Befehlshaber die Rott-Meister, an andern die Quartier-Vorsteher etc. genennet. Dermalen stehet die gesammte Burgerschaft in Wißbaden in einer ordentlichen Militar- oder Kriegs-Verfassung. Wie sie denn ihren besonderen Burger-Hauptmann, Lieutenant, Fähndrich, und andere gewöhnliche [227] Kriegs-Befehlshaber hat, von welchen sie auch zu gewissen Zeiten in den Waffen geübet wird. Was übrigens die Personal-Nahmen aller derjenigen Beamten, welche die vorhin benennte mancherley Aemter, sowohl bey dem Herrschaftlichen Amte, als auch bey der Stadt, in diesem Nassauischen Zeit-Lauf nach und nach verwaltet haben, anbelanget, so will der Zweck und Raum dieser Blätter nicht verstatten, ein ausführliches und ordentliches Verzeichnüß derselben (so viel etwan aus U. möchte zu erforschen seyen) dißmal beyzufügen.


Religion und Gottes-Dienst
der Einwohner
des Nassauischen Wißbads.


Diejenige Religion, welche bereits in dem vorigen Zeit-Lauf, wie wir in der zweyten Abtheilung dargethan, bey den Einwohnern des Wißbads volle Wurtzeln geschlagen hatte, nemlich die Christliche, hat sich auch in dem gegenwärtigen Zeit-Lauf, unter der Herrschaft der Nassauischen Regenten, in beständiger Dauer, durch GOttes Gnade erhalten. Es haben sich aber doch unter der Hand bey dieser beybehaltenen Christlichen [228] Religion, in gar wichtigen Dingen, einige besondere Aenderungen, in diesen ziemlich-langen Zeit-Begriff, zugetragen. Und diese sind würdig hierbey (denn die Beschreibung des äusserlichen Kirchen-Gebäudes selbst, nebst seinen Zugehörden, wird unten, unter den überbliebenen Alterthümern des Nassauischen Wißbads vorkommen) insbesondere bemercket zu werden. Es sind aber solche vornemlich die folgende:

1. In dem 13. und 14. Jahrhundert haben sich in den Mittel-Rheinischen Landes-Gegenden sehr viele Leute gefunden, welche den Lehr-Sätzen der Römischen Kirche (die damals die Meisterschaft in Glaubens-Sachen in der Abendländischen Christenheit sich zugeeignet hatte) in gar manchen Stücken widersprochen, und dadurch viele Verfolgung von derselben sich zugezogen haben. In den Nassauischen Landen ist die Anzahl solcher Leuten, unter hohen und niedern, nach dem Zeugnüß eines alten, in des Kuchenbeckers An. Hass. Coll. VI. befindlichen, Geschicht-Buches, gar starck gewesen. Und da nach dem Bericht des Heinsti in seiner Kirchen-Historie N. T. Sec. XIV, ohngefähr um das Jahr 1389, von denselben zwölf Prediger, und nicht wenig gemeine Leute zu Idstein durch das Feuer sind hingerichtet worden, diese starcke Anzahl aber solcher Leuten, [229] sonderlich der Prediger derselben, schwerlich in einem einigen kleinen Städtlein, wie Idstein ist, werden beysammen angetroffen, sondern vielmehr, ohne Zweifel, aus dem gesammten Nassau-Idsteinischen Landen, mit welchen die Wißbadische verknüpft waren, durch die damals gewöhnlich-gewesene Inquisitores haereticae pravitatis oder Ketzer-Meister zusammengesucht worden seyn; so giebet dieses alles eine starcke Vermuthung, daß die Lehre dieser Leuten durch Stadt und Herrschaft Wißbaden ebenfalls, obwohl mehrentheils im verborgenen, werde damals ausgebreitet gewesen seyn. Selbst in der benachbarten Ertz-Bischöflichen Stadt Maintz wurde um dieselbe Zeit, in dem Jahr 1389, eine ziemliche Menge dieser Leuten gefunden und entdecket. Der alte Geschicht-Schreiber der Stadt Limburg an der Lohne, Nahmens Gensbein, welcher damals gelebet, berichtet uns solches in seiner Limburgischen Chronick, und meldet zugleich, worin die Lehre desselben hauptsächlich bestanden habe. Seine Worte davon sind p. 98 diese: „In dieser Zeit 1389 ward zu Maintz ein Unglaub offenbar, der hatte heimlich gewähret mehr denn 600 Jahr oder länger. Dieser Unglaub und Articul war also: daß man nimmer nicht andere Heiligen anrufen sollte, denn sie beteten vor niemand. Item, sie hielten, daß zween Wege wären, wann ein Mensch gestorben wäre, so führe er gen [230] Himmel oder in die Höll. Item hielten sie in ihren Sitten, daß ein purer Lay also wohl möchte consecrieren, als ein Pfaff Item sie hielten, daß der Bischoff oder der Pabst kein Ablaß möchte geben. Item hielten sie, daß das Gebot Almosen geben, Messen und Fasten, das hülfe alles nichts die Seelen, denen man das nachthät.“ Der damalige Ertzbischoff zu Maintz, Conrad, ließ 36 solcher Leuten, nach dem Bericht des Joannis Mainzischer Geschicht-Schr. T. I. p. 707, nach Bingen führen, und daselbst verbrennen. Es sind aber, dem ohngeachtet, wiederum in dem folgenden 15 Jahrhundert viele derselben um Maintz herum entdecket worden l. c. p. 801. Weil diese Leute mit den so genannten Waldensern, welche um das Jahr 1160 zu Lyon in Franckreich sonderlich bekannt worden sind, mehrentheils einerley Lehre geführet haben, so haben sie sich auch damals insgemein mit dem Nahmen derselben müssen belegen lassen, ob sie gleich eigentlich von denselben nicht entsprungen, auch in keiner äusserlichen Gemeinschaft mit denselben gestanden haben. Denn es sind dergleichen Leute schon viele hundert Jahre vorher, ehe die Waldenser entstanden, nach dem eben angeführten Zeugnüß des Gensbeins, in Maintz, (woselbst sie also, nach dieser Anweisung, schon vor den Zeiten des oben, in der zweyten Abtheilung, benennten Maintzischen Ertzbischoffs [231] Bonifacii müssen vorhanden gewesen seyn) und, nach Aussage der Kirchen-Geschicht-Beschreibungen, an vielen andern Orten mehr immerzu gefunden worden. Siehe hiervon des Joh. Wolfens Lect. Memorab. u.a.m.

2. Im Jahr 1540 – – – hat der damalige Graf von Nassau-Wißbaden und Idstein, Philipp, angefangen, die Evangelische Lehre (welche im Jahr 1530 von vielen Ständen des Teutschen Reiches auf dem Reichs-Tage zu Augsburg war öffentlich bekannt und bezeuget worden) in seinen Landen, und also auch in der Stadt und Herrschaft Wißbaden, frey und ungehindert predigen zu lassen. Es wurde auch dieselbe allda, und nahmentlich in Wißbaden, durchgehends angenommen und eingeführet. Es wollte aber das bekannte, den Teutschen Reichs-Ständen, von dem Kayser Carl V, anbefohlene Buch, Interim genannt, diese geschehene Einführung der gemeldten Lehre in den Nassauischen Landen, und auch in Wißbaden, bald im Anfange wieder unterbrechen. Denn es hatte dieser Kayser, nachdem er die Reichs-Stände, welche das Augsburgische Glaubens-Bekenntnüß angenommen, mehrentheils über einen Haufen geworffen, ein Buch, Nahmens Interim, im Jahr 1548, verfertigen; und darin die Römisch-Catholische und Evangelische Lehre mit einander vereinigen lassen, auch [232] solches überall in Teutschland anzunehmen und einzuführen, ernstlich anbefohlen. Da nun der vornehmste Verfertiger desselben, Michael Sidonius, Weyhbischoff zu Maintz, dasselbe ebenfalls, kraft solchen Kayserlichen Befehls, in den Nassau-Wißbad- und Idsteinischen Landen einzuführen, sich bemühete, die daselbstige Evangelische Prediger aber solches nicht annehmen wollen, und darüber von ihren Kirchen-Aemtern mehrentheils vertrieben worden, so ist dadurch der angefangenen Ausbreitung der Evangelischen Religion in diesen Landen, nahmentlich auch, wie die alte Nachrichten melden, in der Stadt Wißbaden, viele Hinderung in den Weg gekommen. Nachdem aber durch den bald darauf 1552, zwischen dem gemeldten Kayser und den Evangelischen Reichs-Ständen, errichteten Passauischen Vertrag, und nachmals 1555 in Augsburg erfolgten völligen Religions-Frieden diesen letzteren die unumschränckte Freyheit gegeben worden, die einmal angenommene Evangelische Glaubens-Lehre, nach Inhalt des Augsburgischen Glaubens-Bekänntnüsses, in ihren Landen, ohne ferneren Eintrag, beyzubehalten; so hat sich die Gräfliche Landes-Herrschaft der Nassau-Wißbadischen Landen dieser erhaltenen Freyheit, gleich andern Reichs-Ständen, ebenfalls bedienet, und die mehrgemeldte Evangelisch-Lutherische Religion in denselben, insbesondere auch in der Stadt [233] Wißbaden, und der dazu gehörigen Herrschaft, wiederum völlig und durchgängig eingeführet. Es ist auch dieselbe von damals an bis in die Zeiten des dreyßig–jährigen Krieges gantz allein in der öffentlichen Uebung in unserm Wißbad gewesen, und ist den andern Religions-Partheyen keine öffentliche Pflegung ihres Gottes-Dienstes daselbst verstattet worden. Zwar wird in des Jöchers Gelehrten-Lexico, und in des Becmans Anhaltischen Historie, in der Lebens-Beschreibung des Joh. Hofmeisters, eines reformirten Gottes-Gelehrten, gemeldet, daß derselbe im Jahr 1621 Prediger zu Wißbaden gewesen, wegen Nachstellung aber der Römisch-Catholischen, nach Jahres-Frist, genöthiget worden sey, sein Amt zu verlassen, und sich bey Nacht durch die Flucht, dazu ihm eine Christliche Frauens-Person, durch Umwechselung der Kleider, behülflich gewesen, zu retten. Allein es hat dieses Vorgeben, wenn es von der Stadt-Gemeinde des Wißbads soll zu verstehen seyn, gar keinen Grund. Denn bey derselben ist niemals (wie alle vorhandene Urkunden der Stadt beweisen) die reformirte Religion in Uebung, noch ein Prediger derselben daselbst vorhanden gewesen. Es hat aber des, in dem Jahr 1596 verstorbenen, regierenden Grafens von Nassau-Wißbaden, Joh. Ludwigs, nachgelassene Wittwe, Maria, eine gebohrne Gräfin von Nassau-Dillenburg, [234] reformierter Religion, (welche 1632 gestorben) sich gar öfters in dem Schlosse zu Wißbaden L. U. aufgehalten. Ob nun dieselbe etwan den gedachten Hofmeister zu ihrem Hof-Prediger gehabt habe? das will man eben in keinen sonderlichen Zweifel ziehen. Allein, wie es soll geschehen seyn, daß dieser Mann (laut obgemeldtem Bericht) von den Römisch-Catholischen in Wißbaden vertrieben worden? das ist etwas schwer zu begreiffen. Denn die wenige Römisch-Catholische Einwohner des Wißbads, welche unter einer Evangelischen Herrschaft gestanden, und selbst keine öffentliche Religions-Uebung daselbst gehabt, haben sich dessen nicht unterfangen können. Und die Römisch-Catholische Kriegs-Völcker, welche etwan um die gemeldte Zeit, bey ihren Durchzügen, unsere Stadt mannichmal betreten, haben in dem 1621 und 1622 Jahre, wie unten in Beschreibung der Wißbadischen Schicksale in dem dreyßig-jährigen Kriege wird berichtet werden, keinen sonderlich-langen Aufenthalt in Wißbaden gehabt; auch sind ihre Drangsale gegen die Protestantische Prediger um dieselbe Zeit, da der gedachte Krieg erst seinen Anfang genommen, noch nicht so groß und anhaltend den Reichs-Landen, welche mit diesem Krieg nichts zu schaffen hatten, gewesen, daß ein Prediger, sonderlich bey einer Herrschaftlichen Personen, sollte dadurch genöthiget worden seyn, [235] sein Amt vor beständig zu verlassen. Es scheinet also fast, als ob etwan bey der Erzehlung dieser Sache einige Irrung in Benennung des Ortes Wißbaden möchte vorgegangen, oder vielleicht noch ein Ort in Teutschland, der gleichen Nahmen mit unserm Wißbad führet, vorhanden seyn, in welchem der gemeldte Vorfall sich zugetragen. Wiewohl man von keinem anderen Orte, gleiches Nahmens, weiß, als von dem Wiesenbad in Meissen, (davon unten Bericht folgen wird) welcher aber ebenfalls hierbey keine statt findet, weil die reformirte Religion, laut Sächsischer Historie, niemals daselbst in Uebung gewesen ist. Doch es mag sich mit dieser Sache verhalten, wie es will, so ist so viel, wie bereits gedacht worden, laut Stadt-Urkunden richtig, daß nie kein Prediger, reformirter Religion, bey der Stadt-Gemeinde unseres Wißbads obhanden gewesen ist.

3. Als in dem so genannten dreyßig-jährigen Kriege, und zwar in dem Jahr 1634, nach der Nördlinger Schlacht, und dem darauf errichteten Pragischen Frieden, verschiedene Wetterauische Grafen von dem Kayser Ferdinand II, unter der Anschuldigung, daß sie bisher mit Schweden, gegen den Kayser, sich in Bündnüß eingelassen, ihrer Länder verlustig erkläret, und unter denselben auch dem [236] Grafen von Nassau-Wißbaden und Idstein, Johanni, seine Lande durch eine Kayserliche Commission entzogen, und insbesondere die Stadt und Herrschaft Wißbaden dem damaligen Churfürsten zu Maintz, Anselmo Casimiro, im Jahre 1637 übergeben worden; so geschah es, daß nachmals 1644 von diesem letzteren der Befehl ertheilet wurde, den Evangelischen Einwohnern der Stadt Wißbaden das Chor der dasigen Kirche zu entziehen, und solches den Römisch-Catholischen einzuräumen. Ob nun gleich von Seiten der Evangelischen Pfarr-Gemeinde zu Wißbaden die Gegen-Vorstellung geschehen, daß nicht nur die Evangelische Religion allbereits vor dem Passauischen Vertrag in Wißbaden eingeführet gewesen, sondern daß auch dieses Verfahren selbst dem damals errichteten Pragischen Friedens-Schluß entgegen liefe, massen, kraft desselben, alle in Teutschland damals vorhandene Religions-Verfassung vor jetzt in einem Stande ungeändert bleiben sollte, so wurde doch solches in keine Achtung genommen, sondern vielmehr das gemeldte Chor der Wißbadischen Kirche den 26 May des gedachten Jahres den Evangelischen durch würckliche Besitznehmung entzogen, und den Römisch-Catholischen eingeräumet, die Cantzel aber den beyderseitigen Religions-Verwandten zum gemeinsamen Gebrauch wechselsweise überlassen. Es ist auch solcher gemeinschaftliche Gebrauch [237] der Wißbadischen Kirche, wiewohl mit fortwährendem Widerspruch der Gräflichen Landes-Obrigkeit, und der Evangelischen Pfarr-Gemeinde zu Wißbaden, vier Jahre lang, nemlich bis an das Ende des gemeldten dreyßig-jährigen Krieges fortgeführet, nach demselben aber und bey Errichtung des Westphälischen Friedens im Jahr 1648, und des bald darauf erfolgten Nürnbergischen Executions-Recesses, alles wieder in den Stand, in welchem es vor dem Krieg gewesen, gesetzet, und wie Stadt und Herrschaft Wißbaden selbst dem vorigen Landes-Herren, also auch die Kirche dieser Stadt ihren vorigen Besitzern, nemlich den Evangelischen Einwohnern, wiederum völlig eingeräumet worden. Da denn seit derselbigen Zeit in Wißbaden keine andere, als die Evangelisch-Lutherische Religion in öffentlicher Uebung ist. Ein Privat-Gottes-Dienst aber, zu Haltung des H. Abendmahls, wird denen, welche der reformirten Religion, unter den Einwohnern des Wißbads, zugethan sind, seit dem Jahr 1745 von der hohen Landes-Herrschaft, zu gewissen Zeiten, auf geschehende jedesmalige bittliche Ansuchung, verstattet. Und weil auch unter den vielen alljährlich in Wißbaden sich aufhaltenden frembden Bad-Gästen gar manche sich finden, welche einer andern Religion, als bey den Stadt-Einwohnern in öffentlicher Ubung ist, zugethan sind, so wird solchen ebenfalls, wenn [238] sie sich anderst zu einer im Teutschen Reich üblich-seyenden Christlichen Religion bekennen, jedesmal auf ihr, bey der Amts-Obrigkeit der Stadt, geschehendes bittliches Ansuchen, eine Privat-Ubung ihres Gottes-Dienstes in den Badhäusern verwilliget.

4. Um das Jahr 1700 – – ist ein gemeiner Bürgersmann in Wißbaden in eine sehr schwere, und unter den Christen ziemlich ungewöhnliche, Religions-Irrung gerathen; massen er auf die Gedancken gekommen, die Christliche Religion sey nicht die wahre, sondern die Jüdische; wobey er denn fast schlüßig gewesen, öffentlich von der Christlichen Religion ab- und zu der Jüdischen völlig über zu treten. Die Ursache dieser seiner schweren Irrung kam daher, weil er, nach Art der Juden, (mit denen er zugleich einen starcken Umgang gepflogen) vermeynete, die von dem verheissenen Meßias oder gesalbten Erlöser der Welt bey den Propheten des alten Testamentes befindliche Weissagungen müsten dem äusserlichen Buchstaben nach, und in einem irdischen Sinne, verstanden werden, und also der Meßias kein geistlicher, sondern ein weltlicher und irdischer König und Erlöser seyn; weil aber solches bey dem JEsu von Nazareth, welchen die Christen vor den wahren Meßias erkenneten, nicht also einträfe, so sey er vermuthlich der rechte Meßias nicht, [239] sondern man müste denselben annoch mit den Juden in Zukunft erwarten, und verhoffete er, wie er mehrmalen vorgab, die Ankunft desselben annoch selber zu erleben, und dabey ein grosses Maaß zeitlicher Glückseeligkeit zu überkommen. Ob ihm nun gleich von den Predigern der Stadt, wie auch von dem Consistorio zu Idstein, seine Zweifels-Gründe sattsam benommen, und ihm gezeiget worden, daß der Meßias kein weltlicher, sondern ein geistlicher Erlöser der Menschen, der sie von ihrem Sünden-Elend erlösete, habe seyn sollen, und daß also alle Weissagungen der Propheten des alten Testamentes, darin sie, nach ihrer gewöhnlichen Art, durch äusserliche und irdische Bilder die Zukunft desselben vorstelleten, in einem geistlichen Sinne müsten genommen und verstanden werden, in welchem Verstande denn alles würcklich an dem JEsu von Nazareth einträfe, und sonst bey keinem andern Menschen in der Welt jemals also eingetroffen wäre; so wollte doch solches alles, auch bey einigem, wiewohl sehr glimpflichem, gegen denselben gebrauchtem Ernste, eine Zeitlang wenig verfangen, sondern er ist viele Jahre hindurch bey diesem irrigen Wahn verblieben, auch, wenn er gleich mannichmal geschienen, sich eines besseren zu besinnen, gleichwohl bald wieder umgeschlagen; bis er endlich annoch in seinem Alter eine Aenderung seines Sinnes, [240] wenigstens dem äusserlichen nach, bezeuget, auch zu einem öffentlichen Widerruf seines Irrthums (davon Hellmunds Kirchen- und Glaubens-Geschichte einen Bericht ertheilet) in der Kirche zu Wißbaden sich bequemet, und sich zu der Christlichen Gemeinde wiederum gehalten, auch in der Gemeinschaft derselben gestorben und begraben worden ist. Es war sonst dieser Mann eines ziemlich erbaren und stillen Wandels, auch in Abwartung seiner Berufs-Arbeit ordentlich und fleißig, aber dabey von einem sehr grossen und harten Eigensinn. Man hätte dieser widrigen Religions-Begebenheit dermalen keine besondere Meldung gethan, sondern dieselbe bedeckt seyn lassen, wenn nicht solche in verschiedenen öffentlichen Schriften, sonderlich in Schudts Jüdischen Merckwürdigkeiten T. I. p. 562. T. IV. Cont. II. p. 314, und andern dergleichen, die Juden betreffenden, Büchern ausdrücklich angeführet wäre. Da nun aber den Nachkommenen allerdings daran gelegen seyn wird, die wahre und eigentliche Umstände von dieser seltsamen Religions-Irrung zu wissen, so hat man es vor eine Nothwendigkeit gehalten, solche dieses Orts kürtzlich, doch hinlänglich und aufrichtig, wie geschehen, bekannt zu machen.

5. Im Jahr 1712 – – fanden sich unter den Neu-anbauenden oder neuen Einkömmlingen [241] in Wißbaden auch verschiedene so genannte Separatisten, oder solche Leute, ein, welche sich äusserlich zu keiner Christlichen Religions-Parthey bekennen, noch auch einem öffentlichen Gottes-Dienste derselben beywohnen, sondern ihren eigenen Privat-Versammlungen und besondern Religions-Meynungen obzuliegen pflegen. So lange nun diese Leute sich still verhielten, und keine Unordnungen verursachten, so fand die Amts- und Stadt-Obrigkeit in Wißbaden keinen sonderlichen Anstand dieselbe zu dulden, und ihnen ihre Religions- und Gewissens-Freyheit zu lassen; zumal man die Hofnung hatte, daß sie sich nach und nach von selber, den öffentlichen Kirch-Versammlungen beyzuwohnen, entschliessen würden. Nachdem sie aber anfiengen allerley Ausschweifungen zu äussern, und zu verschiedenen Weiterungen Gelegenheit zu geben, so wurden ihnen, auf die geschehene Vorstellung der Stadt-Prediger, die nöthige Schrancken gesetzet, und selbst auch einige durch Obrigkeitliche Gewalt angehalten, ihre neugebohrene Kinder (welches sie verweigern wollten) zur H. Taufe zu bringen. Sie haben sich nach der Hand ziemlich verlohren, und größtentheils anderswohin begeben.


[242]

Nahme
des Nassauischen Wißbads.


Dieser ist in dem Zeit-Lauf, davon wir dermalen handeln, immerzu ohnverändert und immer geblieben, nemlich Wißbaden. In den schriftlichen Urkunden des 11, 12 und einiger folgenden Jahrhunderten nach Christi Geburt, deren einige in den Maintzischen Geschicht-Schreibern und andern Schriften der damaligen Zeiten vorkommen, wird er zwar verschiedentlich ausgedrucket; denn da heisset unsere Stadt, sowohl in der Teutschen, als Lateinischen Sprache: Wisibadun, Wesebadon, Wesebaden, Wisibada, Wisebadin, Wisibad, Wissebad, Wissebaden, Wisebaden, Wiesebaden, Wysebaden, Wyspaten etc. Es ist aber alles dieses nur eigentlich ein einiger Grund-Nahme, nemlich: Wißbaden; welcher Nahme aber nach den verschiedenen Zeiten, und nach der verschiedenen Mund-Art eines jeden, der ihn auszusprechen und zu schreiben gehabt hat, auch verschiedentlich ist ausgesprochen und geschrieben worden. Wie er denn auch selbst in der neuern Zeit, darin doch die Teutsche Sprache fast durchgängig immer reiner und ständiger worden, gleichwohl immer noch verschiedentlich ausgesprochen wird, und insbesondere, so gar auch in [243] öffentlichen Schriften, mehrmalen Weißbaden genennet zu werden pfleget. Welches denn Anlaß gegeben, daß verschiedene Frantzosen in ihren Schriften denselben durch Bain blanc, das ist, weisses Bad, ausgedrucket haben. Es kommt aber all dieser Unterschied bloß allein, wie gesaget, von den unterschiedenen Zeiten und Leuten her, und bleibet, dem allen ohngeachtet, der eigentliche Nahme unserer Stadt kein anderer als: Wiesbaden oder Wißbaden, und am kürtzesten, Wißbad, Lateinisch aber Wisbadena; welcher Nahme, wie bereits oben in der ersten Abtheilung angezeiget worden, ohnstreitig, nach Ausweisung der Sache selber, seinen Ursprung von den Wiesen, darin die Bad-Gegend der Stadt lieget, und von den darin befindlichen Bädern, genommen hat. Und ist anmerckungs–würdig, daß dieser Nahme Wißbaden sich vormals in Wißbaden selber immerzu nach dem Worte: Wiesen, und dessen im Gang gewesenen Aussprache, gerichtet hat. Z. E. wenn in dem 14 und 15 Jahrhundert in Wißbaden, laut der alten Wißbadischen Stadt-Schriften, die Gras-Plätze nicht Wiesen, sondern Wesen sind genennet worden, so wird unsere Stadt auch in solchen alten Schriften gemeiniglich Wesenbaden genennet. Und wenn nachmals in dem 16 Jahrhundert die Gras-Plätze Wysen und Wiesen in solchen Urkunden heissen, so heisset auch unser Ort daselbst Wyse- und [244] Wiesebaden; zu einer ziemlich-deutlichen Anzeige, daß das Wort Wiese, nebst dem Worte Bad, die rechte eigentliche Grund- und Ursprungs-Wörter des Nahmens Wißbad seyen. Uebrigens ist weiter kein Ort, so viel sich aus den öffentlichen Land- und Städte-Beschreibungen ersehen lässet, in Teutschland befindlich, welcher gleichen Nahmens mit unserm Wißbaden führet, ausser in Meissen. Denn daselbst findet sich ein kleiner Ort, welcher Wiesenbad, wie auch Hiobs-Bad genennet wird, und mit einem Gesund-Bad, das aber wenig Hitze besitzet, versehen ist. Es hat solches erst im Jahr 1501 seinen Anfang genommen.


Merckwürdige Geschichte oder
Begebenheiten
des Nassauischen Wißbads.


Deren hat man folgende ausfündig machen können:

1. Im Jahre 1123 hat der in Wißbaden ehemals vorhanden gewesene, oben beschriebene, Königliche und Kayserliche Saal oder Pallast (curtis regia) angefangen starck ins Abnehmen zu gerathen, und seine dazu gehörig-gewesene Güter zu verlieren. Denn [245] in diesem Jahr hat der Teutsche Kayser Henrich V einem seiner vornehmen Bedienten und Getreuen, Nahmens Eberad, Ebebard, Eberald (Eberhard) den Wald, welcher zu diesem Saal gehörete, und welcher Saal damals (wie eben aus dieser Begebenheit zu ersehen ist) annoch ein Eigenthum der Teutschen Kayser war, verehret. Man kan den gantzen Schenckungs-Brief des gedachten Kaysers hiervon (darin er diesen Wald ein Allode, das ist, ein eigenes, mit keiner Lehen-Eigenschaft behaftetes Gut, item, sein Reichseigenthümliches, zu seinem Königlichen Pallast in Wißbaden gehöriges, freyes Grund-Gut nennet) abgedruckt finden in des Verfassers Merckw. der Stadt Wißb. P. I. p. 56, coll. P. II. p. 46, wie auch in des Joannis Spic. dipl. I. p. 443, und in des Gudenus Syll. dipl. I. p. 564, und ist derselbe zu Speyer in dem gemeldten Jahre ausgefertiget worden. Es heisset darin der Kayser, welcher diesen Brief verfassen lassen, Henrich IV, und durfte derselbe, ob er gleich eigentlich der V war, damals auch nicht anders genennet werden, weil sein Vorfahre Henrich I die Päbstliche Crönung zu Rom nicht erhalten hatte, und also unter die würcklichen Kayser damals nicht gerechnet wurde. Heut zu Tage aber, da man auch diejenige Kayser, welche nicht zu Rom gecrönet worden, unter die würcklichen Kayser zu zählen pfleget, heisset er der V. [246] Was den Herren, Nahmens Eberhard, anbelanget, dem er diesen Wald (welcher, wie aus dem Schenckungs-Brief selber zu ersehen ist, von keinem kleinen Umfang muß gewesen seyn) verehret hat, so ist derselbe vermuthlich ein Graf von Nassau, oder ein Herr von Epstein gewesen, denn diesen beyden Herren ist dieser Wald, welcher vermuthlich ohnweit Wißbaden an der so genannten Höhe sich wird befunden haben, wegen ihrer Lande, die sie doch damals schon größtentheils werden besessen haben, am gelegensten gewesen. Und ist es eben in den alten Kayserlichen Begnadigungs-Briefen nicht durchgehends gewöhnlich, daß die darin benennte Personen allemal umständlich nach ihren Geschlechts-Nahmen und Ehren-Aemtern beschrieben werden. Unter den alten Herren von Epstein (welche vormals Wald-Grafen oder Oberste Wald-Botten an der gemeldten Höhe gewesen sind) kommt dieser Nahme Eberhard öfters vor, wie denn selbst der Nahme Epstein, nach einiger Vermuthung, nichts anders, seinem ersten Ursprung nach, seyn soll, als Eberhardstein. Unter den alten Grafen von Nassau aber ist der gemeldte Nahme Eberhard etwas ungewöhnlich; doch sind uns auch noch viele von diesen letzteren, welche damals mögen gelebet haben, wegen Unvollkommenheit ihrer Geschlecht- und Nahmen-Register, unbekannt. Sollte aber dieser Eberhard gar [247] ein anderwärtiger und frembder Herr, der sich etwan damalen in den Wißbadischen Landen hat anbauen wollen, gewesen seyn, so kan es nachmals gar wohl sich zugetragen haben, daß die Grafen von Nassau diesen, ihnen so wohl gelegen-gewesenen, Wald durch Kauf oder Tausch von ihm oder seinen Erben erhalten haben. Es wird übrigens diese Kayserliche Wald-Schenckung vornehmlich um deßwillen allhier unter die merckwürdige Geschichten unserer Stadt gerechnet, weil dadurch die oben angeführte Beweis-Gründe von dem ehemals in Wißbaden befindlich-gewesenen Königlichen und Kayserlichen Saal oder Palast, als dessen in dem Schenckungs-Brief ausdrücklich gedacht wird, gar sehr erläutert und bestärcket werden; wie solches bereits daselbst ist angemercket worden.

2. In dem Jahr 1239 in dem Monat May ist der Kayser von Constantinopel, Balduinus, oder, wie ihn die Griechen nenneten, Theobaldus, zu Wißbaden gewesen, und ist daselbst von dem Maintzischen Ertz-Bischofen Sigfrid, auf Befehl des damaligen Römischen Königes, Conrads IV, mit sonderbarer Ehren-Bezeugung, von Römischen Kaysers und Reiches wegen, empfangen worden. Es kam dieser Constantinopolitanische Kayser eben damals aus Franckreich, als woselbst er einige Hülfe gegen seine rebellische Unterthanen [248] gesuchet, und auch dieselbe, einiger massen, durch Vorschub des Pabstes, erhalten hatte. Warum aber eben der gemeldte Empfang dieses Herren grad in Wißbaden geschehen, und worin derselbe etwan eigentlich bestanden habe? das kan, wegen Abgang näherer und umständlicher Nachrichten, nicht gemeldet werden. Denn es wird der gantze Vorgang dieser Sache nur mit wenigen Worten in einem alten, damals verfertigten, und bey dem Schannat in Vind. lit. Coll. I. befindlichen Geschicht-Buche p. 98 berühret.

3. Ohngefähr um das Jahr 1281 oder 82 ist Wißbaden bey einer zwischen Adolphen, Grafen von Nassau, und Gottfrieden, Herren von Epstein, vorgewesenen heftigen Fehde oder Land-Krieg verstöret worden. Es waren nemlich diese beyde Herren, wegen einiger Dörfer: Wald-Crüftel, Burn, Goßbach, Nidernhusen, Selbach, Königeshofen, Lentingeshain etc. in welchen ein jeder derselben allerley besondere Rechte, vor dem andern, zu haben vermeynete, in schwere Irrungen gerathen. Und weil sie sich in der Güte nicht vergleichen konnten, so sollte nach Gewohnheit der damaligen Zeiten, zumalen ohnehin Graf Adolph ein kriegerischer Herr war, das Faust-Recht, das ist eine Fehde oder Land-Krieg (nach welchem derjenige Recht behielte, der dem andern überlegen war) den [249] Schieds-Richter zwischen ihnen beyden abgeben. In dieser Fehde nun hat Wißbaden das Unglück gehabt, daß es von den Epsteinischen Feinden und ihren Bundes-Genossen ist verstöret worden. Worin die Verstörung eigentlich und umständlich bestanden habe? das meldet zwar die alte Nachricht von dieser Sache nicht, denn es heisset darin nur kurtzhin: Wesebaden tunc oppidum destructum est, das ist: Die damalige Stadt Wesebaden ist verstöret oder umgeworffen worden. Es ist aber doch zu vermuthen, daß diese Verstörung auf die, bey dergleichen Land-Fehden damals gantz gewöhnlich-gewesene Art, nemlich durch Plünderung, Brand und Niederreissung der Festungs-Wercken werde seyn bewerckstelliget worden. Und mag also die damalige, oben beschriebene, Grund-Gestalt der Stadt eben keine Haupt-Aenderung dabey gelitten haben. Doch sind uns die eigentliche Umstände von dieser Sache, wie gedacht, nicht bekannt. So viel ist indessen aus dem, was so bald unten von einer Belagerung, welche diese unsere Stadt, etliche dreyßig Jahre hernach, hat ausdauern können, wird gemeldet werden, zu ersehen, daß sie sich von dieser gedachten erlittenen Verstörung in Zeiten wieder müsse erholet und von neuem wohl befestiget haben. In dem Jahr 1283 hat der Ertzbischof zu Maintz, Werner, diese beyde obgemeldte uneinige Herren, [250] nachdem sie dieser Fehde, darin die beyderseitige Lande grossen Schaden erlitten, endlich satt worden, wieder miteinander vereiniget, und ist die schriftliche Vertrags-Urkunde desselben in des Verfassers Merckw. der Stadt Wißb. P. II. p. 88, wie auch in des Joannis Spic. dipl. I. p. 315, zu lesen. Wie denn auch die Nachricht von der gedachten Verstörung unserer Stadt selbst lediglich aus diesem Vereinigungs-Brief genommen ist. Und da dieser Brief in dem Jahr 1283 den 30 August ist ausgefertiget worden, die vorhergegangene Fehde aber doch wohl gantz vermuthlich einige Jahre wird gedauert haben, so ist daraus nicht ohne Grund zu schliessen, daß die Verstörung selbst ohngefähr um das Jahr 1281 oder 82, weil Graf Adolph ohnehin erst um das Jahr 1280 die Regierung seiner Landen überkommen hatte, werde geschehen seyn.

4. Im Jahre 1292 hat die Stadt Wißbaden die Ehre gehabt, daß ihr bisheriger Herr, der eben jetzt-gemeldte Graf Adolph von Nassau, zu einem Römischen König und Kayser, wie bereits oben berichtet ist, erwählet worden. Er hat zwar hierauf, nach erhaltener dieser höchsten Würde, wegen Besorgung der Reichs-Angelegenheiten, nach der Art der damaligen Zeit, mehrentheils in dem Teutschen Reiche herum reisen müssen. Er hat aber auch doch zu Zeiten seine [251] Nassauische Erb-Lande persönlich besuchet. Insbesondere ist er in dem Jahr 1297 auch selber in Wißbaden gegenwärtig gewesen. Man ersiehet solches aus einem in des Kuchenbeckers An. Hass. Coll. II. p. 240 befindlichem Begnadigungs-Brief, welchen dieser Kayser den Grafen von Catzenellenbogen über gewisse Güter ertheilet hat, und welcher in Wißbaden ist ausgefertiget worden. Denn darin heisset es: – – – Nos Adolphus Dei gratia Rom. Rex semper Augustus – – – – Datum Wisebaden IV Id. Nov. Ind. XI. Anno Dom. MCCLXXXXVII. Regni vero nostri Anno VI. das ist: – – – – Wir Adolph von GOttes Gnaden Römischer König – – – – gegeben zu Wisebaden den 10. Novemb. in der 11 Römer Zinszahl, im Jahr des Herren 1297, unseres Reiches aber im 6. Und dergleichen briefliche Bescheide mögen wohl noch mehrere von ihm gelegenheitlich in Wißbaden, wenn er daselbst zugegen gewesen, seyn ausgefertiget worden, und etwan von denjenigen Gelehrten, welche die ausführliche Lebens-Beschreibung desselben versprochen haben, annoch bekannt gemacht werden. Ehe er Kayser worden, hat er im Jahr 1280 mit dem, im Rhingau liegenden, Closter Tiefenthal einen Tausch wegen allerley Güter, die es in seinen Landen liegen gehabt, getroffen. Dieser Tausch ist, nach der Gewohnheit der damaligen Zeit, vor dem Schöffen-Gerichte zu Wißbaden, L. U. [252] errichtet worden. In dem Jahr 1292 hat er, als er Kayser worden, seinen Sohn Ruprecht mit des Böhmischen Königes Wentzels Tochter, Jutten (Judithen) oder, wie sie von andern genennet wird, Agnes verlobet, und ihr, zum Unterpfand des darzubringenden. Heuraths-Gutes, unter andern auch die Stadt Wißbaden verschrieben. Siehe des Gudenus Cod. dipl. T. I. p. 859. Es ist aber die Vollziehung dieser Ehe nachmals nicht zu Stande gekommen. Er hat auch in dem Jahr 1296 – – nahe bey Wißbaden ein Closter, aus seinen eigenen Mitteln, errichten, und solches Clarenthal nennen lassen. Es wird aber von demselben unten, in Beschreibung der Alterthümer des Nassauischen Wißbads, ein besonderer und ausführlicher Bericht annoch mitgetheilet werden.

5. Im Jahr 1318 ist Wißbaden von dem Kayser Ludwig V belagert, aber nicht erobert worden. Die Gelegenheit zu dieser Belagerung war folgende: Es war einige Jahre vorher dieser Ludwig, gebohrener Hertzog von Bayern, von einigen Churfürsten des Teutschen Reiches zu einem Kayser, von andern Churfürsten aber Friedrich, Hertzog von Oesterreich, zu einem Gegen-Kayser erwählet worden. Da sich nun das gantze Teutsche Reich über dieser zwistigen Kayser-Wahl in zwey Partheyen theilete, und einige es mit [253] dem ersten, einige aber es mit dem andern hielten, so suchte ein jeder dieser neu-erwählten Kayser die, ihme zuwider-seyende, Stände des Reiches, durch Gewalt der Waffen, wie es bey solchen Fällen gemeiniglich zu ergehen pfleget, auf seine Seite zu bringen. Der damalige Graf von Nassau, Gerlach, (welchen der alte Geschicht-Schreiber Trithem in Chr. Hirs. T. II. p. 198 einen reichen und mächtigen Herren nennet) nahm die Parthey des Kaysers Friedrichs von Oesterreich. Und weil er daher den benachbarten Landen der Ertzbischöffen zu Maintz und Trier, welche es mit dem Kayser Ludwig hielten, sehr lästig fiel, so bewegten dieselben ihren Kayser Ludwig, daß er, ihnen diese Last vom Halse zu schaffen, Wißbaden, darauf es vornemlich hierbey ankam, belagern und einnehmen möchte. Der Kayser ließ sich dazu um so viel eher willig finden, weil er ohnehin einen grossen Privat-Haß gegen den Grafen Gerlach hatte. Denn die Schwester desselben, Mechtild, war an den Churfürsten in der Pfaltz, Rudolphen, Bruder des Kaysers, vermählet. Dieser Rudolph aber hatte diesem seinem eigenen Bruder, Ludwig, bey der vorgewesenen Kayser-Wahl (bey welcher der Graf Gerlach sein Bevollmächtigter gewesen) abgestanden, und wurde daher, nebst allen seinen Anverwandten und Anhängern, von demselben auf das grausamste verfolget. Der Kayser hat also in dem [254] gemeldten 1318 Jahr im Octob. die Belagerung der Stadt Wißbaden alles Ernstes vorgenommen, und einige Wochen hindurch mit seinem Kriegs-Volck, dazu die vorgemeldte zwey Ertz-Bischöffe ihre Völcker auch gestossen, vor dieser Stadt gelegen. Er hat aber die vermeynte Eroberung derselben nicht bewerckstelligen können, sondern hat unverrichteter Sachen wieder abziehen müssen. Die grosse Wasser-Gräben, Wälle und Mauer, welche damals Wißbaden, sonderlich die Burg oder das Schloß desselben, wie oben berichtet worden, umgeben, und die, von dem Kayser Friederich und dem Grafen Gerlach, in diese Stadt eingelegte zahlreiche Besatzung, wie auch die späte Jahres-Zeit, und vielleicht mehr andere, und dermalen unbekannte Umstände, mögen wohl die Ursache gewesen seyn, daß dieser Kayser Ludwig seinen Zweck mit Eroberung derselben, nicht hat erreichen können. Trithem giebt uns l. c. p. 141 Nachricht von dieser Belagerung, er meldet aber die irriger Weise, daß solche 1316 geschehen sey. Wie denn auch der Anonymus bey dem Reuber in Script. Rer. Germ. p. 978 ebenfalls irrig berichtet, daß solche 1319 geschehen sey. Denn aus den verschiedenen Begnadigungs-Briefen, welche dieser Kayser in dem Feld-Lager vor Wißbaden ausgefertiget, und welche bey dem Mager in Advoc. arm. p. 46, Knipschild de Civ. Imp. L. 3. c. 23. p. 6, Gudenus Syll. dipl. I. [255] p. 487 etc. befindlich sind, siehet man gar deutlich, daß solche Belagerung in dem Jahr 1318 sich zugetragen habe. Wie man denn auch aus Zusammenhaltung solcher Urkunden so viel ersehen kan, daß diese Belagerung fast einen Monat lang gedauert habe. Es wollen zwar einige, um die vorhin gemeldte ungleichlautende Berichte von dem Jahr dieser Wißbadischen Belagerung mit einander zu vergleichen, davor halten, daß vielleicht der Kayser Ludwig unsere Stadt um dieselbe Zeit mehr als einmal belagert habe. Allein, ob dieses gleich so gar unmöglich nicht seyn mag, zumal sich der damalige innerliche Krieg acht Jahre lang in Teutschland herum gezogen hat, so ist es doch auch gleichwohl, mancher Ursachen wegen, nicht sonderlich wahrscheinlich. Und ist es ja, bekanntlich, bey den Geschicht-Schreibern so ungewöhnlich nicht, daß sie manchmal von einer und eben derselben Sache, gantz verschiedene Jahre, darin sie sich soll zugetragen haben, anzugeben pflegen. Es muß übrigens der Unwille, den dieser Kayser damals gegen die Nassauische Lande gehabt hat, sehr groß gewesen seyn. Denn er hat in denselben, nahmentlich in der Herrschaft Wißbaden, L. U. mit Brand und Verheerung gantz entsetzlich übel gehauset, und selbst der Clarenthalischen Closter-Güter, wie unten wird berichtet werden, nicht geschonet. Es möchte also der Stadt Wißbaden, wenn er dieselbe damals [256] erobert hätte, nicht zum besten ergangen seyn. Er hat jedoch in den nachmaligen Zeiten sich dieser Stadt, L. U. wiederum sehr günstig erzeiget, und hat derselben verschiedene Vorrechte, welche ihr der Kayser Albrecht obberichteter massen, entzogen, von neuem zuerkannt und bestätiget.

6. Um das Jahr 1336 – – ist die grausame und in den alten Geschicht-Büchern so sehr berufene Verfolgung der Juden in Teutschland, sonderlich in den Rheinischen Landes-Gegenden, vorgegangen. Und da ausdrücklich gemeldet wird, daß diese Verfolgung insonderheit in den Nassauischen Landen sehr groß gewesen, auch die Stadt Wißbaden, als sich nachmals im Jahre 1620 und 21 einige Juden daselbst haben einschleichen wollen, sich ausdrücklich in ihrer Klage dagegen (L. St. f. 384) darauf berufen, daß die Juden vormals gar löblich aus der Stadt wären ausgeschaffet worden, und man eben von einer anderweitigen Ausschaffung derselben in den alten Wißbadischen Schriften keine Nachricht findet, als ist gantz glaublich, daß diese Ausschaffung bey der gemeldten grausamen und fast allgemeinen Verfolgung derselben geschehen, und dieses Volck damals ebenfalls aus Wißbaden (woselbst sie vormals eine eigene Gasse, welche die Juden-Gasse, L. U. genennet worden, inne gehabt haben) werde [257] ausgejaget worden seyn; wie solches auch in Maintz, Franckfurt am Mayn, und andern benachbarten Orten und Landen damals geschehen ist. Es war nemlich um dieselbe Zeit ein sehr grosses Sterben unter den Leuten in Teutschland, sonderlich um den Rheinstrom herum, entstanden. Weil man nun wollte Kundschaft haben, daß die Juden die Brunnen hin und wieder vergiftet, und dadurch dieses Sterben verursachet, auch sonst noch allerley Frevel an geweiheten Hostien und Christen-Kindern etc. sollten ausgeübet haben, so wurde das gemeine Volck unter den Christen wütend, und schlug todt, oder jagte aus, was nur Jud hiesse, und sich nicht sogleich, den Christlichen Glauben anzunehmen, bequemen wollte. Es hatten diese Christen um den Rhein herum einen Haupt-Anführer, welcher, weil er seine Arme mit starckem Leder immerzu wohl zu verwahren pflegte, insgemein der König Armleder genennet wurde. Dieser war, wie Schudt in den Jüdischen Merckw. T. I. p. 654 meldet, aus dem Nassauischen Lande gebürtig, und hat sich daher auch sonderlich angelegen seyn lassen, sein Vatterland von diesem so sehr verhaßten Juden-Volcke zu reinigen. Daher die Bauern in dem Nassauischen vornemlich, wie Heinsius in seiner Kirchen-Historie N. T. Sec. XIV. berichtet, unter seiner Anführung, gegen die Juden gantz erschrecklich gewütet haben. Es hat auch dieses [258] Wüten des aufgebrachten Pöbels, aller Gegen-Veranstaltung der Landes-Obrigkeit ohngeachtet, nicht eher nachgelassen, bis der damalige Kayser Ludwig V dieses Armleders ist habhaft worden, und ihm den Kopf vor die Füsse hat legen lassen. Da es sich denn zwar der Tumult nach und nach wieder gestillet, die annoch übergebliebene ausgejagte Juden aber an den wenigsten Orten so bald wieder eine Aufnahme haben erlangen können. In Wißbaden hat sich zwar nachmals im 15 und 16 Jahrhundert immer ein- oder der andere Jude (L. Gerichtsb. f. 24, und St. f. 107) wieder eingeschlichen. Sie sind aber immerzu bald wieder ausgeschaffet worden. Und als sie im Jahr 1620, bey dem damaligen Durchzug der Spanischen Kriegs-Völcker unter dem General Spinola durch Stadt und Herrschaft Wißbaden, wiederum mit 4 Hausgesässen in Wißbaden haben festen Fuß setzen wollen, so hat die gantze Stadt mit einem fast unglaublichen Ernste, wie unten umständlicher wird berichtet werden, durch ihre, bey der hohen Landes-Obrigkeit gethanene, bewegliche Vorstellung solches wieder hintertrieben. Mithin ist es also irrig, wenn in Hellmunds Thermogr. p. 65 gemeldet wird, daß die Juden in dem genennten 1620 Jahre daselbst wären aufgenommen worden; denn das Stadt-Buch und andere Wißbadische Urkunden berichten sehr weitläuftig ein gantz [259] anderes. In den darauf erfolgten verwirrten Zeiten aber das dreyßig-jährigen, wie auch der nachmaligen Frantzösischen Kriegen hat wieder ein und der andere Jude in Wißbaden immerzu einzunisten Gelegenheit gefunden; bis sie endlich gegen den Ausgang des 17 Jahrhundert in mehrerer Anzahl, doch unter gehöriger Einschränckung, (wie ihnen denn unter andern auch damals ist auferleget worden, daß sie sich an denen Sonn- und Feyertägen der Christen stille, und in ihren Häusern inne halten sollen etc.) daselbst von neuem sind aufgenommen worden. Wobey mit wenigem annoch angemercket zu werden verdienet, daß ein gutes Theil von dem berühmten gegen die Juden geschriebenen Buche des Joh. Andreas Eisenmengers, das entdeckte Judenthum genannt, in unserm Wißbaden ist verfertiget worden; massen der Verfasser desselben um den Anfang des 18 Jahrhundert sich eine Zeitlang daselbst in der Stille aufgehalten, und der Ausarbeitung dieses Buches, laut Augen-Zeugen, obgelegen hat.

7. Im Jahr 1379 ist die Löwen-Gesellschaft oder der Löwen-Bund von verschiedenen Grafen und Herren in Wißbaden aufgerichtet worden; und ist der weitläuftige Bundes-Brief, welchen diese Bundes-Genossen damals in Wißbaden verfertiget haben, in des Verfassers Merckw. der Stadt Wißb. P. L. [260] p. 69, und P. II. p. 64, wie auch in des Schannats Sammlung alter historischer Schriften p. 9, und in des Burgermeisters Cod. dipl. equest. T. I. p. 864 etc. zu finden. Es gab nemlich der damalige sehr elende Zustand in Teutschland, da ein jeder Reichs-Stand, bey entstandenen Zwistigkeiten mit seinem Nachbar, sich durch nichts anders, als durch die gewöhnliche Fehden oder Land-Kriege zu helfen wuste, Gelegenheit, daß verschiedene etwan nicht weit von einander wohnende, Herren, um desto besser ihren Feinden in solcherley Fällen gewachsen zu seyn, sich zusammen schlugen, und besondere Gesellschaften oder gar Verbündnüsse errichteten, dadurch denn derjenige, welche in solche Gesellschaften getreten, sich verbindlich machten, dem andern Bundes-Genossen, bey erforderlichem Fall, nach Vermögen beyzustehen; dabey denn aber auch manche Genossen solcher Bündnüsse, unter dem Vorwand und Schirm derselben, öfters das gar viele Raubereyen und Gewalthätigkeiten an unschuldigen Landen und Leuten ausgeübet haben. Es sind solche Gesellschaften gar viele, um dieselbe Zeit, in Teutschland errichtet worden. Eine der ansehnlichsten unter denselben ist die vorgemeldte Gesellschaft des Löwen gewesen, welche um deßwillen so benennet worden, weil die Bundes-Genossen derselben einen Löwen, zu ihrem Zeichen, an ihrer Kleidung zu führen pflegten, und zwar die Ritter einen güldenen, [261] die Knechte aber einen silbernen. Es hat sich diese Gesellschaft überaus starck ausgebreitet, und in den Wetterauischen, Heßischen, und andern Rheinischen Landes-Gegenden grosse Verwüstungen angerichtet, auch unter andern die Stadt Franckfurt am Mayn heftig bekrieget, und derselben vielen Schaden zugefüget. Es ist aber dieselben endlich, wie es bey solchen Gesellschaften, die aus vielen Köpfen bestehen, und sich nicht in den gehörigen Schrancken halten, gemeiniglich zu ergehen pfleget, nachmals unter der Hand wieder verfallen. Es nenneten sich die Bundes-Genossen derselben die brimmende (brummende) brinnende (brennende) oder auch die grimmige Löwen, und hielten alle Jahre zwey Capitel oder Versammlungen, die eine um Pfingsten in S. Goar, die andere um S. Andreas Tag in Wißbaden. Man kan in des Gensbeins Limburgischen, Winckelmanns Heßischen, Lersners Franckfurtischen und anderen Chronicken mehrere Nachricht von dieser Löwen-Gesellschaft finden.

8. In dem Jahr 1382 hatte eines gemeinen Mannes Sohn aus Wißbaden, Nahmens Nicolaus, das Glück, Bischof zu Speyer, und also ein geistlicher Fürst des Teutschen Reiches zu werden. Vorher war er nach und nach Canonicus im Liebfrauen-Stift zu Maintz, Decanus im Liebfrauen-Stift zu Franckfurt am Mayn, Probst zu Deventer in den [262] Niederlanden, Custos in dem Dom-Capitul zu Worms, Beysitzer in dem Consistorio Rotä zu Rom, worden, war auch in seinen jüngeren Jahren eine Zeitlang Geheim-Schreiber bey Ruprechten, Pfaltz-Grafen am Rhein, gewesen, und war seine Geschicklichkeit halben sehr berühmt. Er konnte aber in den ersten acht Jahren, seiner vom Pabst geschehenen Ernennung zum Bischof zu Speyer ohngeachtet, zu dem würcklichen Besitz dieses Bischofthums nicht gelangen. Denn Adolph, ein gebohrener Graf von Nassau-Wißbaden, welcher diesem Bischofthum bisher vorgestanden, und nun Ertzbischof zu Maintz worden war, wollte gerne alle beyde Stifter beysammen behalten, und also von Speyer durchaus nicht abgehen; wie er denn ein Herr war, der sich nicht gerne was nehmen ließ, und daher damals insgemein sich muste nachsagen lassen: Bischof Adolph beißt um sich wie ein Wolff. Ueberdas so waren die Domherren zu Speyer dem gemeldten Nicolao auch zuwider, und zwar vornemlich um deßwillen, weil er, ihnen unwissend, dieses Bißthum zu Rom bey dem Pabst erlanget, und ihnen also gleichsam aufgedrungen worden war. Er hat aber alle diese Schwierigkeiten durch seine Geschicklichkeit, und durch den Beystand des gedachten Pfaltz-Grafens Ruprechts zu überwinden gewust, und hat, als er endlich im Jahr 1388 zum würcklichen Besitz dieses seines [263] erhaltenen Stiftes gelanget ist, nicht nur durch seine Freundlichkeit und Güte jedermans Huld erworben, sondern auch durch seine weise Regierung und wohlgeführte Haushaltung das Stift selbst in einen sehr guten Stand gesetzet, und ist endlich 1396 in Bruchsal gestorben, und in Speyer begraben worden. Siehe hiervon des Gensbeins Limburgische, des Lehmanns Speyerische Chronicken, und des Joannis Maintzische Geschicht-Schreiber etc. Es hat dieser Bischof Nicolaus und seiner Schwester Barbarä Tochter Catharina, welche in Wißbaden gewohnet, alle ihre in der Stadt und Marck Wißbaden gelegene, von ihren Eltern und Geschwistern an sie gekommene Güter, L. U. dem Nicolai Altar in der Wißbadischen Kirche 1388 vermacht, und hat die damals in Wißbaden befindlich-gewesene elendige Bruderschaft des Nicolai Altares (von welcher unten ein mehreres wird berichtet werden) dieses Vermächtnüß schriftlich übernommen und vollzogen.

9. In dem Jahr 1417 ist eine grosse Fehde zwischen dem Ertz-Bischofen zu Maintz, Johannes, einem geborenen Grafen von Nassau-Wißbaden, (welcher von Leibes-Gestalt sehr klein, und daher insgemein Bischof Hänsgen genennet wurde, aber dabey von grossem Verstande war) und zwischen den Herren von Epstein, Gottfried und Eberhard, [264] entstanden. Und weil der damals regierende Graf zu Nassau-Wißbaden, Adolph II, dem Ertzbischofen, als seines Vatters Brudern, Beystand leistete, und den Epsteinern ins Land fiel, so wurde er hinwieder von denselben, und ihren Bundes-Genossen, heftig befehdet, und unserer Stadt Wißbaden, und andern Nassauischen Oertern, abermals grosser Schade zugefüget. Man kan solches aus dem schriftlichen Vergleich, welchen diese Herren nachmals, nachdem sie etliche Jahre hindurch ihre allerseitige Lande mehr als zu sehr verwüstet, unter sich aufgerichtet, deutlich ersehen. Es ist derselbe in des Verfassers Merckw. der Stadt Wißb. P. II. p. 90, und in des Senckenbergs Sel. Jur. et Hist. T. II. p. 205 und 346 zu finden.

10. Im Jahr 1461 wurde der damalige Ertzbischof zu Maintz, Diether oder Diethrich von Isenburg seines Ertzbißthums von dem damaligen Pabst zu Rom, Pio II, entsetzet, und solches dem Adolphen, einem gebohrenen Grafen von Nassau-Wißbaden, bisherigen Domherrn zu Maintz, zu grosser Freude der gantzen damaligen Clerisey oder Geistlichkeit zu Maintz, (wie es in den Maintzischen Geschicht-Schreibern T. II. p. 156 heisset) übertragen. Da aber der abgesetzte Diether in der Güte nicht weichen wollte, und darüber ein heftiger Krieg zwischen den beyden [265] Partheyen entstanden, so ist dabey die Stadt und Herrschaft Wißbaden gar sehr ins Gedränge gekommen, und vielen feindlichen Anfällen ausgesetzt gewesen. Denn weil der damals regierende Graf zu Nassau-Wißbaden, Johannes, ein Bruder des gemeldten ernennten Ertzbischofens Adolphs war, und sich daher desselben gegen den Diether mit grossem Ernste annahm, auch ihm und seinen Bundes-Genossen einen sichern Aufenthalt in Wißbaden verstattete, so wurde er von jenem feindlich angesehen, und seine Lande sehr verwüstet, insbesondere in dem Jahr 1462 die ohnweit Wißbaden liegende Nassauische Dorfschaften Schierstein, Moßbach, Biebrich, Erbenheim, Kloppenheim etc. abgebrannt, und Wißbaden selbst, weil der Rhein damals 7 Wochen lang zugefroren bliebe, in grosse Gefahr gesetzet; bis der Land-Graf von Hessen, Ludwig, (ein Bundes-Genosse des ernennten Ertzbischofens Adolphs) bald darauf mit seinen Kriegs-Völckern in Wißbaden angekommen, und Maintz endlich selbst den 27 Octobr. des gedachten Jahres von dem Ertzbischof Adolph (welchem die Schiff-Leute und Fischer von Bieburgk oder Biebrich und Schirstein hierbey gar besondere Dienste geleistet) eingenommen, seiner vorigen Freyheit beraubet, und bey 500 Burger, welche bey der Eroberung der Stadt Widerstand gethan hatten, um das Leben gebracht [266] worden. Darauf denn der Graf Johann 600 Wallonen in Wißbaden und Hochheim geleget, und den gemeldten abgesetzten Diether nebst seinen Bundes-Genossen vollends so lange hat bekriegen helfen, bis endlich, nachdem das Ertz-Stift Maintz fast gäntzlich verwüstet gewesen, im Jahr 1463 zwischen den beyden Partheyen Friede gemacht worden, und Adolph zum würcklichen Besitz seines Maintzischen Ertzbißthums gelanget ist. Da er denn seinen vorgedachten Bruder Johanni den, bey diesem Krieg, seinetwegen erlittenen Schaden mit 33880 Rheinischen Gulden, und Zuwendung anderweitiger Nutzungen und Vortheilen, wieder gut zu machen, versprochen hat. Siehe hiervon des Joannis Maintzischen Geschicht-Schreiber etc.

11. Im Jahr 1469 hat der Graf Otto von Solms die Stadt und Burg Wißbaden, L. U. eingenommen, und die Burger sich schwören und huldigen lassen; dabey er denn seiner Seits die Versicherung gegeben, sie bey ihren alten hergebrachten Rechten und Freyheiten ungekränckt zu lassen. Was die Gelegenheit zu dieser damaligen Einnehmung der Stadt gewesen sey, das wird nicht gemeldet. Vermuthlich aber hat etwan eine Fehde (dergleichen Plackerey damals in Teutschland unter den mancherley Ständen desselben gar gemein war) zwischen dem damaligen Grafen [267] von Nassau-Wißbaden, Johannes, und diesem Grafen Otto von Solms vorgewaltet, in welcher es zu diesem Vorfall gekommen ist. Wie denn dieser Graf Otto von Solms überhaupt ein kriegerischer Herr, und ein Liebhaber der landverderblichen Fehden (wie die Urkunden der der damaligen Zeiten bezeugen) gewesen ist. Er hat einige Jahre hernach auch eine Fehde mit dem Herren von Epstein, Gottfried, gehabt, dabey sich dieser besondere Zufall begeben hat, daß ein Koch zu Müntzenberg sich zu seinen Epsteinischen Feinden geschlagen, und ihme, Grafen Otten, einen Absags-Brief (nach der, bey solchen Fehden, eingeführten Gewohnheit) zugeschicket, und ihme darin die Fehde ordentlich angekündiget hat, mit all synen KochenKnaben, (wie es in dem Briefe lautet) VeheMeden, und all synen Brodgesinnen, nemlich Cleßgin und Hennchin, KochenKnaben, und Elßgin und Luckel,VeheMede, mit synen Helfern, es syn Metzger, Holtzdreyer, SchosselnWescherschen – und schieden doch in dieser Vehde utz Hermand Kochen, und sin Mitgesellen in der Kochen – – Der Schluß davon heisset: Datum unter myn Luckeln der VeheMede kostelichen Insiegel, des wie andern uns in der Kochen zu gemeinen Notturft gepruchen, am Mittwochend nach Andree 1477. Man kan diesen gantzen Fehde-Brief in des Müllers [268] Reichs-Tags-Theatro unter dem Kayser Friedrich III (V) P. I. c. 7. p. 96 zu lesen finden. Und ist es überhaupt in den damaligen Zeiten nichts ungewöhnliches in Teutschland gewesen, daß mehrmalen ein gemeiner Mann einem vornehmen Fürsten, der ihm etwan was schuldig gewesen, und nicht hat bezahlen wollen, die Fehde angekündiget hat. Da er denn mit seinen Helfers-Helfern die Unterthanen desselben so lange auf den öffentlichen Land-Strassen und andern Orten angefallen und gedränget hat, bis er seine Befriedigung erhalten hat. Ist er aber auch etwan dabey so unglücklich gewesen, daß er, als ein Gefangener, einem solchen Herren in seine Hände gerathen ist, so hat er solch sein Beginnen auch theuer genug bezahlen müssen. Zwar hat man solchen Fehde-Gefangenen, von Rechtswegen, an dem Leben nichts thun dürfen, weil die Fehden damals in Teutschland, doch unter gewissen Gesetzen, privilegiiret oder befreyheitet waren. Dem ohngeachtet aber ist es doch zuweilen, von Gewalt wegen, oder unter dem Vorwand, daß man nicht Fehde-mäßig verfahren habe, geschehen. Wenigstens haben sich dergleichen Gefangene insgemein mit sehr vielem Gelde, oder Geldes-Werth wieder lösen müssen. Wie lange übrigens der obgemeldte Graf Otto das eingenommene Wißbaden damals inne gehabt, und auf was vor eine Art der rechtmässige Herr desselben [269] solches wieder überkommen habe? das ist, wegen Mangel weiterer Nachrichten, gäntzlich unbekannt.

12. In dem Jahr 1474 kam der Römische Kayser Friedrich III (V) nach Wißbaden, und hielt sich eine Zeitlang daselbst, und zwar im Winter, auf. Er reisete damals zu dem Ende in Teutschland herum, daß er theils von den vornehmsten Ständen, und sonderlich von den Städten des Reiches, einiges Geld, daran es ihm immerzu gar sehr fehlete, unter allerley Vorwand erheben; theils aber auch ein- und die andere Reichs-Geschäfte, welche damals obhanden waren, besorgen und abthun möchte. Von seiner ersten gemeldten Absicht findet sich in das Königshovens Chronick (welche um dieselbe Zeit geschrieben worden) p. 369 diese offenhertzige und alt-Teutsche Nachricht: Do man zalt 1474 Jor. Do für den Kayser von einer Stat zu der andern, umb Colle (Cölln) und um Franckfurt, umb Franckenlant, und in Swoben, von einer Stat zu der andern, und samelt das gröste Gut von den Stetten, das davon nit zu sagen. Zuletzt kam Keiser Friderich gon Augspurg, und lag ein gut Zyt do, und ossent und trunckent, und wolten nieman nit geben um das sine. In unserem Wißbad hat er sein anderes damaliges [270] Haupt-Geschäfte nemlich die Abthuung verschiedener wichtiger Reichs-Händel, sonderlich die Vereinigung zwischen ihm und dem Hertzogen von Burgund, Carlen, zu besorgen, sich angelegen seyn lassen. Zu welchem Ende nicht nur verschiedene Teutsche Reichs-Fürsten, sondern auch der König von Dännemarck, Christian I, ihre Gesandten zu ihm nach Wißbaden gesendet haben. Es ist aber solche Bemühung dieser Herren damals umsonst gewesen, und der Kayser ist bald darauf nach den Nieder-Rheinischen Landes-Gegenden abgegangen, in dem Rückweg aber wiederum in Wiesbaden eingekehret. Siehe davon Lersners Franckfurtische Chronick, Müllers Reichs-Tags-Theatrum etc.

13. Als in dem Jahr 1525 der bekannte Bauern-Aufruhr fast in den meisten Gegenden des Teutschlandes vorgegangen, so hat diese Seuche auch Wißbaden angestecket. Denn in demselben Jahr ist es ebenfalls daselbst, L. U. zu einem allgemeinen Aufstand gekommen. Die Aufgestandene haben die Abänderung der Herrschaftlichen Steuern, und sonderlich den freyen Gebrauch des Weid-Wercks, der Wälder und der Wasser (nach der allgemeinen Gewohnheit der damaligen unruhigen Unterthanen in Teutschland) mit Ungestüm begehret; die Stadt-Thor-Schlüssel zu sich genommen; den Herrschaftlichen [271] Beamten mit Todt-schlagen gedrohet; den Pfarrer, (welcher, L. Wißbadischen Gerichts-B. f. 229 und 247, eben nicht das beste Leben geführet hatte) Caplan, und Spital-Meister abgesetzet ihnen ihre Zins-Bücher weggenommen, und die Renthen unter sich getheilet; den auswärtigen geistlichen Stiftern, ihre bisherige Gefälle in Wißbaden fernerhin zukommen zu lassen, verweigert; den Bauern auf den Dörfern Gewehr angeboten; mit den Rhingauern, welche ebenfalls aufgestanden gewesen, sich in Gemeinschaft eingelassen etc. Es hat sich bey diesem Tumult sonderlich ein gewisser Schweitzer, welcher damals in Wißbaden gewohnet, und vermuthlich eine angebohrene Liebe zur Freyheit gehabt hat, sehr geschäftig bewiesen, und ist gleichsam der Mund-Bote der aufgestandenen Burger gewesen. Wie lange dieser Aufstand gewähret, und wie er wieder gedämpfet worden? davon fehlen die weitere Nachrichten. Nur so viel wird annoch gemeldet, daß nachmals die hohe Landes-Obrigkeit (wie ohnehin von selbst zu erachten stehet) dieses Aufstandes wegen eine scharfe Untersuchung gegen die Rädels-Führer desselben vorgenommen, und es eine Zeitlang das Ansehen gehabt habe, ob würden der Stadt, dieses Aufruhres wegen, ihre, durch Herrschaftliche Begnadigungen, bis dahin genossene verschiedene Freyheiten entzogen werden. In Betrachtung aber dessen, daß [272] diese aufrührische Seuche damals in Teutschland fast allgemein gewesen, auch manche Unschuldige sich dabey befunden, welche wider ihren Willen, und bloß den grössesten Haufen zu Gefallen, oder aus Furcht vor demselben, an diesem Handel haben Theil nehmen müssen; als ist nach und nach alles wieder in Vergessenheit gestellet, und die Stadt Wißbaden bey ihrer vorigen Verfassung gelassen worden. Wie denn ohnehin damals das Verderben der beyden Oberen Ständen (laut allen ohnpartheyischen Berichten derselben Zeit) in Teutschland so groß gewesen, daß man das, nachmals darauf erfolgte, grosse Verderben des dritten oder unteren Standes um so viel eher mit Mitleiden angesehen, und nicht überall alles Vergehen desselben mit denen sonst wohlverdienten Strafen, nach der äußersten Schärfe, beleget hat.

14. In dem Jahr 1547 ist die gantze Stadt Wißbaden, bis auf wenige Häuser, durch eine entstandene Feuers-Brunst, L. U. abgebrannt. In einigen alten schriftlichen Nachrichten heisset es: die gantze Stadt, in einigen: der gantze Flecken, in andern: Stadt und Flecken, in noch andern: das gantze Stättlein und uf den Bädern, ist ausgebrannt, von welchen verschiedenen Red-Arten die Ursache bereits oben angezeiget worden ist. Das Feuer ist des Montags nach [273] Misericord. Dom. des Abends um 6 Uhr angegangen; und weil es an etlichen Orten zugleich zu brennen angefangen, und kein Steuern und Retten hat helfen wollen, so hat man durchgehends davor gehalten, es müste das Feuer durch einen heimlichen Gewalt (wie es in den vorgemeldten Nachrichten heisset) angeleget worden seyn. Es hat nicht nur die gemeine Wohnhäuser, sondern auch die Kirche, Thürne, und so gar die Stadt-Pforten verzehret, und ist von der gantzen Stadt nichts stehen geblieben, als das Schloß und 10, oder, wenn man alles genau hat zählen wollen, 20 Gebäude. Es sind hierbey die meiste alte Briefschaften der Stadt zugleich mit verbrannt, oder doch die Siegel an denselben von der grossen Hitze, L. U. geschmoltzen. Es hat aber der damals regierende Landes-Herr, Graf Philipp, die gnädige schriftliche Versicherung gegeben, daß solcher unglückliche Abgang der alten Schriften der Stadt an ihren bis dahin etwan genossenen verschiedenen Freyheiten nicht sollte schädlich seyn. Als sich Wißbaden kaum in etwas von diesem grossen Brand-Schaden erholet, und wieder angebauet hatte, so ist abermal (L. St. f. 5) in dem Jahr 1561 den 12. Jun. eine solche starcke Feuers-Brunst daselbst entstanden, daß dadurch 53 (nicht 35, wie in Hellmunds Thermogr. p. 82 gemeldet wird) Heerd-Stätte oder Wohn-Häuser, [274] ohngerechnet der Scheueren und Ställen, in die Asche sind geleget worden, und heisset dieser Brand-Fall in den Wißbadischen Schriften derselben Zeit: der zweyte grosse Brand. In dem Jahr 1563 den 22 Febr. sind wiederum (L. St. f. 9) 5 Häuser, ohne die Scheuern und Ställe zu rechnen, abgebrannt. Und in dem Jahr 1570, wie auch 1586 haben sich abermal (L. St. f. 33 und 98) einige schwere Brand-Fälle daselbst begeben. Es ist also allerdings das damalige Jahrhundert, wegen dieser vielen und zum Theil sehr grossen Brand-Schäden, vor die Stadt Wißbaden ein sehr unglücklicher und nachdencklicher Zeit-Lauf gewesen. Ein gewisser damaliger Teutscher Geschicht-Schreiber, Nahmens Goldwurm, hat in seinem Geschicht-Buch (wie solches Lundorf in der Vorrede seines Wißbadischen Wiesenbrünnleins anführet) von dem ersten, im Jahr 1547 vorgefallenen, Brand in Wißbaden folgende bedenckliche Worte: Im Jahr 1548 (soll heissen 1547) ist Wißbaden gantz und gar verbrunnen, ohne Zweifel zur Strafe der grossen Bubenstück der Einheimischen und Ausländischen. Es siehet sich fast an, wenn man diese Worte in etwas erwäget, als ob etwan dieser Autor damals selber mehrmalen in Wißbaden gegenwärtig gewesen sey, und verschiedenes an Einheimischen und Frembden mit Augen gesehen habe, welches ihm äusserst mißfallen, und dieses scharfe [275] Zeugnüß ausgepresset habe. Denn daß er diese etwas harten Worte ohne einige Veranlassung, nur aus einer blossen weitläuftigen Vermuthung, in die Welt sollte geschrieben haben, das ist von ihm, als einem offentlichen Geschicht-Schreiber, der sich in allem der Wahrheit, Behutsamkeit und Bescheidenheit zu befleißigen hat, nicht wohl zu glauben. Vielmehr scheinet es, daß er einige Beweg-Ursachen hierzu werde gehabt haben. Wir können aber von dieser Sache dermalen, da uns eine gründliche Kundschaft von den Sitten des damaligen Wißbads abgehet, kein hinlängliches Urtheil fällen, sondern müssen den Bericht hiervon dem Autori selber lediglich überlassen. So viel glauben wir indessen, auch ohne das Zeugnüß dieses Geschicht-Schreibers, von selbsten, daß das Feuer, welches Wißbaden damals betroffen, allerdings ein Zorn-Feuer des eifernden GOttes über das ungöttliche Wesen, welches etwan damals in dieser Stadt mag vorgegangen seyn, und welches, leyder! in den Bad-Städten überhaupt nicht selten vorzugehen pfleget, gewesen sey, und daß also das heutige Wißbaden billige Ursache habe, das grosse Feuer des damaligen Wißbads auch noch hinterher, als einen Wecker zur Untersuchung und Besserung des Lebens anzusehen, und also, durch würckliche Abstellung der Sünden, alle fernere Straf-Gerichte GOttes in Zeiten demüthig abzuwenden.

[276]

15. Als von dem Jahr 1618 bis 1648 der bekannte, so genannte, dreyßig-jährige Krieg in Teutschland geführet worden, so hat Wißbaden dabey gar manche sehr schwere und empfindliche Schicksale erfahren müssen. Wir wollen die vornehmste derselben, wie man sie aus sicheren, so gedruckten, als ungedruckten, Nachrichten zusammen gezogen hat, kürtzlich mittheilen, und diese sind folgende: Gleich im Jahr 1619 sah sich die Stadt genöthiget, zum erstenmal durchziehende Soldaten einzunehmen, da sie sonst in den vorigen Zeiten (L. St. f. 311. 383) jederzeit damit verschonet geblieben, und nur allein die Wißbadische Dorfschaften die Last bey dergleichen Durchzügen getragen haben. Insbesondere wurde die Stadt in diesem Jahr mit Einquartierung der Cratzischen Reuter belästiget, und derselben viele Kosten dadurch verursachet. Im Jahr 1620 kam der Spanische Feldherr Spinola mit seinen Kriegs-Völckern, 30000 Mann starck, aus den Niederlanden, um dem damaligen Kayser, Ferdinand II, gegen den Churfürsten von der Pfaltz, Friedrich V, welcher sich zu einem König in Böhmen hat erklären lassen, beyzustehen, in der Wißbadischen Gegend, im August-Monat, an. Und obgleich der Kayser alle Versicherung gegeben, daß diese Spanische Kriegs-Völcker den übrigen Teutschen Reichs-Ständen, als die mit diesem Kriege nichts zu schaffen hatten, [277] nicht lästig fallen sollten, so geschahe doch, leyder! das Widerspiel; massen sie überall, wo sie durchgezogen, die Einwohner des Landes sehr hart mitgenommen haben. Die Stadt Wißbaden selbst hat zwar, weil des damals regierenden Grafens, Ludwigs von Nassau-Saarbrück, zweyter Sohn, Graf Philipp, unter diesen Völckern damals (L. St.) Kriegs-Dienste nahm, eine Salveguarde, gegen Erlegung einer Summe Geldes, erlanget, und also keine Soldaten einnehmen müssen. Es haben aber die Offizierer in den Wirths-Häusern der Stadt sich freye Zehrung gemacht, und sehr schwere Unkosten verursachet; auch das auswärts vor der Stadt gelegene Volck alle Wiesen, wie auch das, noch damals gestandene, Haberfeld in den Grund verderbet. Und in der gesammten Herrschaft Wißbaden haben sie, von dem Monat August 1620 bis in den Monat April 1621, so viele Unkosten den Land-Leuten zugezogen, und dabey noch so vieles Geld von ihnen erpresset, daß man über das Verzeichnüß desselben in den alten Rechnungen erstaunen muß. Die Stadt Wißbaden hat hierbey noch den besonderen Unfall gehabt, daß sich die Juden, bey Gelegenheit dieses im Land gewesenen Spanischen Kriegs-Volckes (wie St. f. 388 ausdrücklich gemeldet wird) aus dem benachbarten Epsteiner Lande, 4 Hausgesässe starck, wiederum in Wißbaden, woselbst damals keine Juden [278] geduldet wurden, eingeschlichen haben. Es hat aber so fort die gantze Stadt mit einem fast unglaublichen Ernst und Eifer etliche Jahre nach einander (wie l. c. zu finden) sich einmüthig bemühet, dieses, ihnen so sehr verhaßt-gewesene, Juden-Volck wiederum auszuschaffen. Und haben zu dem Ende selbst die damalige Prediger der Stadt diejenige Christen, welche diese Juden, als offenbare Feinde Christi und der Christen, (wie es l. c. heisset) in ihre Häuser aufgenommen, von aller Gemeinschaft der Christlichen Kirche ausgeschlossen. Es hat auch die Stadt in diesem Ernst, und mit vielen beweglichen Vorstellungen bey der hohen Landes-Obrigkeit, so lange angehalten, bis endlich diese Juden im Jahre 1625 durch einen Herrschaftlichen Befehl (welchen einige damalige Juden-Freunde lange Zeit hinterhalten hatten) wieder sind ausgeschaffet worden. Als im Jahr 1622 der Kayserliche Feldherr Tilly mit seinen Kriegs-Völckern die Unter-Pfaltz eingenommen, und dabey die Wetterauische Landes-Gegenden, welche er der Kayserlichen Armee Brod-Kasten, Magazin und Proviant-Haus, besag dem Theatr. Europ. T. III. p. 383. 397, zu nennen pflegte, fleißig (ob sie gleich mit diesem Kriege nicht das geringste zu schaffen hatten) heimgesuchet, so hat Stadt und Herrschaft Wißbaden ebenfalls durch das Auf- und Abziehen dieser Völcker, vieles Ungemach zu [279] erdulden gehabt. Nahmentlich haben die Ligistische, Mariomarische, Herberstorfische, Verdugische, und andere dergleichen Kayserlich-Tillysche Soldaten, durch ihre nach und nach in Wißbaden genommene Einquartierungen, der Stadt viele Kosten und Schaden verursachet. Auch hat die Stadt damals den Kayserlichen Feldherrn, Hertzogen Georg von Lüneburg, auf eine sehr kostbare Art, geraume Zeit lang, verpflegen müssen. Im Jahr 1624 den 22 Märtz ist der Kayserliche Obrist-Lieutenant Tilly (vermuthlich ein Anverwandter des obgemeldten Generals Tilly) nebst andern Officierern in Wißbaden eingerucket, und bis den 29 Octobr. daselbst liegen geblieben. Als derselbe abgezogen, so ist sogleich den 2 Novemb. desselben Jahres die Chur-Bayerische Obriste von Cronberg mit seiner Compagnie daselbst wiederum eingezogen, und bis den 31 May 1625 allda verblieben. Als dieser Wißbaden verlassen, so ist ein anderer Bayerischer Obriste von Cortenbach den 1 Jun. wieder eingerucket, und in dem Dezemb. dieses Jahres sind 100 Kayserliche Reuter von dem alt-Cratzischen Regiment dazu gekommen etc. Diese alle haben (laut gerichtlichen Zeugnüssen) bey ihrem Auszug aus Wißbaden den schlechten Nachklang hinterlassen, daß sie mit den Einwohnern der Stadt sehr unbarmhertzig umgegangen, und nebst allen anderen verursachten [280] Kosten, annoch vieles Geld von denselben, auch wohl durch allerhand angethane Peinigungen, erpresset haben. In den Jahren 1626, 27, 28, etc. haben die Kayserliche Kriegs-Völcker in der gantzen Herrschaft Wißbaden mehrmalen sehr übel gehauset, und, wenn ihnen nicht so gleich in allem, nach Verlangen, gewillfahret worden, die Thüren, Fenster und Oefen etc. in den Häusern eingeschlagen, und die Leute selber mit Einkerckern, Binden, Knebeln und Herumschleifen etc. grausam beängstiget. Absonderlich hat der Kayserliche Kriegs-Oberste zu Roß und Fuß Adam Wilhelm Schelhart von Donnfört, Freyherr von Götzenich, (einige U. lesen Görtzenich) mit seinen unterhabenden Soldaten damals in dieser Herrschaft, wie auch in der Herrschaft Idstein, gantz unerhört übel hausgehalten. Denn er hat nicht nur diese Herrschaften zu drey verschiedenen malen, als ein Feind, grausamlich überfallen, und die Einwohner derselben unmenschlich bedränget, sondern er hat auch insbesondere der Stadt Wißbaden gar heftig zugesetzet. Denn er hat dieselbe in dem Jahr 1627 bey nächtlicher Zeit mit seinen Soldaten unversehens überstiegen, die Häuser mit Gewalt erbrochen, die Einwohner beraubet, die anwesende frembde Bad-Gäste mit schweren Geld-Schatzungen beleget, das Rathhaus daselbst aufgeschlagen, Brief und Siegel zerstreuet und zerrissen, und als durch seine Wacht eine [281] Feuers-Brunst entstanden, denen Einwohnern das Löschen verwehren lassen, und überhaupt der Stadt, nachdem er sie zehen Wochen lang beängstiget, und bey seinem Abzug abermal geplündert, einen solchen Schaden zugefüget, daß derselbe, nur obenhin berechnet, auf 24000 Gulden sich belaufen hat. In Idstein hat er es nicht besser gemacht, und bey seinem Abzug annoch den dasigen Superintendenten nebst noch einem Prediger, einem Amtmann, zweyen Land-Gerichts-Schreibern, neun Schultheissen und Burgern gefänglich mit sich hinweg bis in das Stift Fulda geführet, unterwegs übel behandelt, und sie endlich zu einer Geld-Rantzion von 8000 Reichsthalern, davor sich selbst der damalige Fürst und Abt zu Fulda hat verbürgen müssen, gezwungen etc. Es hat aber hierauf die hohe Landes-Herrschaft der Wißbad- und Idsteinischen Landen diesertwegen behörigen Ortes gar ernstliche Vorstellungen gethan, und als mehr andere Reichs-Stände, in deren Landen (die doch alle mit dem damaligen Kriege nichts zu schaffen gehabt) dieser Land- und Leut-Verheerer, gleiche Unthaten ausgeübet, ebenfalls klagend eingekommen, so ist er endlich vor das Kayserliche Kriegs-Recht gezogen, und, nachdem die angebrachte Klagen gegen ihn mehr als zu wahr befunden worden, zum Tode verdammet, auch so fort zu Rendsburg in Hollstein, woselbst sich damals das Haupt-Quartier der Kayserlichen [282] Armee befunden, in den gemeldten 1627 Jahre, den 4 des alten oder den 14 des neuen Octobers, in dem freyen Felde mit dem Schwerdte gerichtet, und sein Cörper auf das Rad geleget worden. Es wird in seinem publicirten Executions-Prozeß nahmentlich der grossen Gewaltthätigkeiten, die er in Wißbaden ausgeübet, Meldung gethan, und hinzugefüget, daß dieselbe gantz unerhört gewesen seyen. Sonst haben auch noch um die damalige Zeit die Kayserlich-Merodeische, Sachsen-Lauenburgische, Anhaltische und andere dergleichen Kayserliche Kriegs-Völcker unsere Stadt Wißbaden mit ihren Einquartierungen sehr hart mitgenommen, wie denn die Officierer der gedachten Merodeischen Soldaten nur allein in wenigen Tagen 5000 Gulden, auf Rechnung der Stadt, in den Wirthshäusern daselbst verzehret haben. Und wenn damal dergleichen Kayserliche Kriegs-Völcker in dem Wißbadischen Lande angekommen, so ist allemal dieses, L. U. die erste Losung derselben gewesen, daß sich die Wißbäder vorerst mit so und so vielem Gelde in dem Haupt-Quartier einfinden, und so denn die übrige Befehle, wegen Verpflegung der Soldaten, erwarten solten. Als nachmals im Jahr 1631 der König in Schweden Gustav Adolph mit seinen Kriegs-Völckern in die Mittel-Rheinische Landes-Gegenden gekommen, und die Kayserliche und Spanische Völcker daraus vertrieben, auch ihnen die [283] Stadt Maintz, welche sie besetzt hielten, entrissen, so genossen zwar die Wißbadische Lande eine Zeitlang ziemliche Ruhe und Sicherheit, und hatten von den Schweden in Maintz keine weitere Beschwerung, als daß sie ihnen Frohn-Dienste leisten musten. Nachdem aber im Jahr 1634 die Schweden bey Nördlingen eine grosse Niederlage erlitten, und der Rest derselben, unter dem Hertzog Bernhard von Sachsen-Weimar, sich in die hiesige Gegenden gezogen, auch die Kayserliche und Bayerische Völcker ihnen auf dem Fusse gefolget, so gewann es wieder vor die Stadt und Herrschaft Wißbaden ein betrübtes Ansehen. Denn es waren diese letzt-benennte Völcker mit einem grossen Haß gegen die Einwohner dieser Landen, weil sie glaubten, daß solche den Schweden gewogen gewesen, angefüllet, und hauseten daher überall erschrecklich. Absonderlich haben die Spanier und Croaten, welche sich unter der Kayserlichen Armeen befanden, ihren Grimm gegen die armen Einwohner des Landes hin und wieder gantz entsetzlich geäussert, und nicht menschlich, sondern unmenschlich sich bezeiget. Daher sich damals viele Einwohner in Wißbaden mit ihrer besten Habschaft nach Maintz, welches die Schweden annoch inne hatten, begeben, und ihre Häuser in Wißbaden haben leer stehen lassen. Nahmentlich haben die Kayserliche und Bayerische Völcker unter dem [284] General Böningshausen in Stadt und Herrschaft Wißbaden sehr übel gehauset, und bey ihren Einfällen in die Stadt die Einwohner derselben, wiederholter Weise, in den Jahren 1634 und 35 geplündert, und dabey noch mit besonderen grossen Geld-Summen gebrandschatzet, auch die zwey silberne starck verguldete Altar-Kelche aus der Kirche geraubet. Ja es haben die Croaten so gar ihre Wuth gegen den grossen warmen Brunnen der Stadt geäusert, und denselben (wie nachmals alte Leute, die damals gelebet, erzehlet haben) auf allerley Art und Weise zu verderben gesuchet, auch einsmals mit Steinen und anderem Unrath angefüllet, welches dann, hernachmals wieder heraus zu schaffen, viele Mühe gekostet hat. In dem October des gemeldten 1634 Jahres traffen die Schwedische Reuter aus Maintz eine Parthey Kayserlicher Völcker, 80 Mann starck, nahe bey Wißbaden an, da sie denn die 40 Spanier, welche sich darunter befanden, niedergemacht, die Teutschen aber, denen sie Quartier gegeben, gefangen nach Maintz geführet haben. Im Jahr 1635 ließ der Kayser Ferdinand II durch eine eigene Commißion die Stadt und Herrschaft Wißbaden dem bisherigen ordentlichen Landes-Herren, unter der Beschuldigung eines mit den Schweden gehabten guten Verständnüsses, völlig entziehen, da denn die Stadt durch die Kayserliche und Bayerische Völcker, [285] unter dem vorgedachten General Bönigshausen, mit Reuterey und Fuß-Volck starck besetzt wurde. Als dieselbe nun einstens darin allzu sicher waren, und die Schweden in Maintz davon Kundschaft erhalten, so überfielen sie, unter dem Obersten Hohendorf, diese Böningshäusische Besatzung in Wißbaden, den 1 April 1635, so unversehens und so heftig, daß sie die meisten davon, ohngeachtet alles gethanenen Widerstandes, darnieder gehauen, den Rest aber, aus vielen Officierern und hundert Reutern bestehend, gefangen genommen, und solche nebst 300 erbeuteten Pferden, vielen Standarten und Heerpaucken etc. nach Maintz geführet haben. Die Stadt ist bey diesem Schwedischen Ueberfall sehr hart mitgenommen, und so gar einige Häuser derselben, darin sich vermuthlich die Kayserliche begeben, und sich aus denselben vertheidiget haben, bis auf den Grund verwüstet und niedergeworfen worden. Als es bald darauf zwischen den Schweden und den Kayserlichen bey Elfeld zu einem Treffen gekommen, und die letztere den kürtzern dabey gezogen, so flohen sie in der größten Bestürtzung und Unordnung in der Nacht nach Wißbaden, und erfülleten alles in dieser Stadt, weil sie voll Erbitterung waren, mit neuem Schrecken. Als hierauf in dem Decemb. des gemeldten Jahres die Kayserliche die Schweden in Maintz durch eine ordentliche Belagerung genöthiget, [286] ihnen diese Stadt im Januar. 1636 zu übergeben; und die Stadt und Herrschaft Wißbaden in dem Jahr 1637 von dem Kayser an Chur-Maintz abgegeben, und von demselben in Besitz genommen worden, so hätte man zwar vermeynen sollen, es würde nunmehr Wißbaden, als unter Chur-Maintz stehend, von den Kayserlichen Völckern keine sonderliche Noth mehr zu besorgen gehabt haben. Allein es wurde in dem damaligen sehr heftigen und verwirreten Kriege gemeiniglich wenig Unterschied unter Freund und Feind beobachtet, daher sind die kostbare und beschwerliche Einquartierungen der mancherley Kayserlichen Kriegs-Völcker in Wißbaden beständig fortgegangen, und haben sonderlich die Obristen: Gescheid, Horst, Lahn, Grana, Westpahl, item: die Büllfeldische, die Moulinische, die Möhlerische, und andere dergleichen Kayserliche und Bayerische Völcker die Stadt nach und nach mit ihren Einquartierungen, und noch dazu mit besonderen Brandschatzungen (wie ausdrücklich gemeldet wird) gantz erbärmlich ausgesogen. In dem Jahr 1639 im Novemb. haben die Bayerische Generale Gehlen und Mercy mit ihrer Armee die Stadt und Herrschaft Wißbaden überzogen, und nach Gewohnheit darin gehauset. In dem Dezemb. hat die Weimarische Armee unter dem General Rosa jene vertrieben, und sich an ihre Stelle einquartieret. Und in den folgenden Jahren haben dergleichen [287] Land–verderbliche Ueberzüge wechselsweise fortgewähret. Als vollends nachmals in dem Jahr 1644 im Septemb. die Stadt Maintz unvermuthet Frantzösische Besatzung eingenommen, so wurden die Kayserliche Völcker insbesondere gegen die unter Chur-Maintz stehende Landes-Gegenden von neuem sehr erbittert. Daher geschahe es, daß unserer guten Stadt Wißbaden, nach so vielen bereits ausgestandenen Drangsalen, annoch in dem gemeldten 1644 Jahr, den 24 Octobr. von der Kayserlichen und Bayerischen Armee das allergrösseste Unglück begegnet ist. Denn als die gedachte Armee den 21 Octob. des benennten Jahres zu Schwanheim am Mayn, gegen Höchst über, angekommen, und von dem General derselben die Obersten Sporck und Wolff mit 1200 Bayerischen Reutern so gleich über den Mayn zu gehen, und Höchst und Hofheim zu besetzen, beordert wurden; so sendeten solche, nach Verrichtung dessen, so fort grosse Partheyen nach den umliegenden Oertern aus, und liessen hin und wieder Plündern, und allerley Gewaltthätigkeiten ausüben. Als nun solche Partheyen sich auch den Wißbadischen Landen näherten, und den 22 Octob. in der Nacht die ohnweit Wißbaden liegende Kupfer-Mühle (welche von einem vormals daselbst gewesenen Kupfer-Hammer also benennet wird) rein ausplünderten, und daher der Schrecken in Wißbaden sehr groß [288] ward, so schickte das dasige Stadt-Gerichte zwey ihres Mittels nach Hofheim zu dem gedachten Obristen Sporck, um eine Salveguarde zu ihrer Bedeckung von demselben auszuwürcken. Sie erhielten auch solche, und bald darauf kam noch eine Verstärckung von vier Reutern darzu. Worauf die Stadt, um ihre Danckbarkeit gegen diesen Obristen zu bezeigen, demselben zwey Ohme Wein, sechs Malter Haber, und ein fettes Rind zur Verehrung nach Hofheim abgeschicket. Als aber solches kaum aus der Stadt heraus gewesen, so sind den 24 Octob. erstlich 14 Reuter gekommen, welche die Salveguarde so fort ohne Bedencken hineingelassen, vorgebend, die Wißbäder behielten dermalen doch nichts, und wenn diese erst-kommende alles raubten, so dürften es keine andere thun. Diese 14 Reuter haben so bald mit Plünderung des Hauses, welches dem einen Gerichts-Schöffen, der mit zu Hofheim gewesen, zugehöret, und welches die Salveguarde ihnen auf Begehren gezeiget, den Anfang gemacht. Als diese annoch in voller Arbeit gewesen, so sind 500 andere Reuter dazu gekommen, welche so denn die gantze Stadt überschwemmet, und nicht nur alles rein ausgeplündert, sondern auch viele Burger niedergehauen, die Weibspersonen aber äusserst mißhandelt, und selbst mit minderjährigen Kindern, weiblichen Geschlechtes, unerhörte Schande getrieben, auch die Mühle und einige [289] andere Gebäude in den Brand gestecket, und so gehauset, daß (wie es in einem damals aufgesetzten Bericht hiervon lautet) es mit keiner Feder könne beschrieben werden. Sie haben so denn die annoch übrige mißhandelte Einwohner unserer Stadt, nachdem sie solche nackend ausgezogen, als eine Heerde Vieh nach Elfeld geführet, den Raub aber an Pferden, Rind- und Feder-Vieh, Mehl-Früchten, Kleidern, und allem übrigen Hausrath, ohne was sie an Geld erpresset, über den Mayn in Sicherheit geschicket. Darauf aber GOtt, aus gerechtem Gerichte, zur Strafe, verhänget, daß diese ruchlose Kriegs-Leute, als sie, ohngefähr 6 Wochen darnach, das Städtlein Bensheim in der Berg-Strasse haben bestürmen müssen, vor demselben meistens sind niedergeschossen worden, und also ihres so sündlich-erlangten Soldaten-Gutes nicht lange froh geblieben sind. Wie denn selbst der Obriste Sporck (welcher, wie in dem obgemeldten alten schriftlichen Bericht von diesem Unfall bezeuget wird, und ohnehin aus allen Umständen von selbst zu schliessen ist, seine obgemeldte Salveguarde nur zum blossen Schein gegeben, und von dieser vorgewesenen schändlichern Plünderung vorläufige Kundschaft gehabt hat) in einem Scharmützel gefährlich ist verwundet, und kaum wieder geheilet, der Obriste Wolff aber, nebst vielen andern, bey der Wißbadischen Plünderung [290] gewesenen, Officierern in dem gemeldten Sturm vor Bensheim gar todt geschossen worden. Als sich nachmals die ausgeplünderte und verjagte Wißbäder, aus ihrem Elend, nach und nach in der Stadt wieder eingefunden, und sich kaum wieder in etwas eingerüstet hatten, so sind im Jahr 1645, um Fastnachten, die Frantzosen, welche damals Maintz annoch inne hatten, unter dem General Courval gekommen, und haben abermals alles, was wieder vorhanden gewesen, und so gar die kleine Glocken und die Orgel in der Kirche, geraubet, und in den Häusern keine Fenster, noch Nagel in der Wand, ja keinen Knopf auf den Dächern (wie der schriftliche Bericht davon lautet) übrig gelassen. Es hatten die Wißbäder diesen Frantzosen Proviant und Fütterung nach Maintz liefern sollen, weil aber solches nicht nach Wunsch geschehen war, und vermuthlich aus Unvermögen nicht hat geschehen können, so übten sie an der Stadt diese Rache aus, und die sämmtliche Dorfschaften der Herrschaft Wißbaden haben ebenfalls ihre Wuth empfinden müssen. Im Jahre 1646 hat der Hauptmann Engelheimer abermals in Wißbaden starck plündern, und sonderlich die vorhanden- gewesene Früchte wegnehmen lassen. Im Jahre 1647 sind die Wißbäder, auf die erhaltene Nachricht, daß die Kayserliche Armee in der Gegend Marpurg angekommen, aus [291] Furcht vor derselben, haufenweise aus der Stadt geflüchtet. Und im Jahr 1648 ist endlich noch die harte Einquartierung der Frantzösisch-Tourennischen Armee in Wißbaden erfolget. etc. etc. Durch alle diese und mehrere dergleichen betrübte Zufälle, welche damals Wißbaden häufig und wiederholter weise betroffen, und davon die schriftliche und umständliche Nachrichten nicht alle mehr vorhanden sind, ist es dahin gekommen, daß die Stadt öfters von Einwohnern, die sich mannichmal viele Tage lang in Wäldern und Feldern haben verborgen halten müssen, so ledig gestanden, daß, wie Leute, die damals gelebet, nachher erzehlet haben, in vielen Gassen, nahmentlich auch auf dem grossen Marckt-Platz vor dem Rathhaus daselbst, alles mit Hecken und Sträuchen so bewachsen gewesen, daß Haasen und Feld-Hüner darin genistet haben. Auch sollen in der so genannten Langen-Gasse, gegen dem Schützen-Hof über, damals mehr Hecken und Gebüsch, (darin die daselbstige Einwohner ihre Habseeligkeiten bey feindlichen Ueberfällen gemeiniglich verstecket) als Gebäude, gestanden haben. Und lässet sich also leicht urtheilen, wie es in anderen Gegenden der Stadt, die schlechter gelegen sind, als diese, damals müsse ausgesehen haben. Absonderlich haben die Bad-Häuser, weil die Soldaten dieselbe, vieler Ursachen wegen, gemeiniglich zuerst und am meisten [292] überfallen, bey diesen Kriegs-Troublen gar sehr grossen Schaden erlitten, und sind dieselbe nicht nur durchgängig ihrer Mobilien, Thüren und Fenster beraubet, sondern auch die Schilder in den Wänden eingeschlagen, und aus den Häusern selbst Pferd-Ställe gemacht worden; wie man denn die Spuren von denen, in denselben gestandenen, Pferden noch in manchen solchen Häusern, vor nicht gar langer Zeit, gar deutlich hat wahrnehmen können. Einige derselben aber sind gantz und gar über den Hauffen geworfen, und bis auf den Grund verwüstet worden. Zu allem diesem grossen Kriegs-Elend ist auch zu Zeiten, wegen Heftigkeit und Langwiehrigkeit desselben, Pest und Hunger, als welche selten bey solchen Unfällen aussen bleiben, gekommen. Wie denn in dem Jahr 1624 die Pest in Wißbaden, laut einer, an der dasigen Kirche vorhandenen, Grabschrift, grassiret; der Hunger aber öfters, sowohl da selbst, als in mehr andern Mittel-Rheinischen Landes-Gegenden, so groß gewesen ist, daß der Laib Brod mehrmalen einen Thlr. gekostet, und die arme verhungerte Leute, wegen Ermangelung des Brodes, öfters auf den Feldern herum gelaufen, und unnatürliche Speisen gesuchet, auch, weil solche sehr selten anzutreffen gewesen, sich mehrmalen um dieselbe gerissen und geschmissen haben. Es sind damals in Wißbaden (laut gerichtlichen Zeugnüssen) gar oft die besten [293] Aecker um zwey, drey, mehr oder weniger (wie es ausdrücklich heisset) Laib Brod verkaufet worden, und ist nicht allezeit einen Käufer zu denselben zu finden gewesen. Nahmentlich wird gemeldet, daß verschiedene mal ein Acker um zwey Laib Brod; ein andermal ein halber Morgen Acker um drey Laib Brod; wiederum ein Morgen Acker um 10 Laib Brod, da der Laib ein Kopfstück gekostet; wiederum eine gute Wiese um ein Firnsel Mehl, da das Malter Korn 18 Gulden gekostet, weggegeben worden etc. Es haben zwar nachmals, bey erfolgtem Frieden, dergleichen Verkäufer oder ihre Erben solche allzu wohlfeil, aus Noth, verkaufte Aecker und Wiesen, durch Hülfe der Obrigkeit, wieder einlösen wollen; es ist aber solches, vieler Ursachen wegen, bey gar wenigen thunlich gewesen. Was übrigens die Stadt Wißbaden bey diesem langwiehrigen grossen Elend vor Schulden, um sich mehrmalen in der äussersten Noth zu retten, hat machen müssen, das ist zwar überhaupt leicht zu erachten, aber den besonderen, in den damaligen Stadt-Schriften verzeichneten, Summen nach, kaum zu glauben. Man hat damals solche geborgte Gelder insgemein Land-Rettungs-Gelder genennet, und die herrschaftliche Steuern haben, dem allen ohngeachtet, hierbey immerfort an die Kayserliche Sequestrations-Commißion, und nachmals an Chur-Maintz geliefert, und was nicht so [294] gleich abgetragen worden, nachmals ordentlich nachgetragen werden müssen. Es hatte auch die Stadt nicht nur an die mancherley Kriegs-Völcker, welche sich in derselben einquartieret, jederzeit vieles Geld abgeben müssen; sondern sie ist auch von den vorbeyziehenden, oder in der Nähe gestandenen Armeen gemeiniglich unter sehr schwere Contribution, durch Bedrohung militärischer Executionen, L. U. gesetzet, und zur Erkaufung schriftlicher Salveguarden oder Schutz-Briefen (die jedoch insgemein wenig geholfen) angehalten worden etc. Doch, wer ist vermögend alle den grossen Jammer, welcher damals unsere Stadt und Gegend (wie viele andere Städte und Gegenden Teutschlandes) betroffen, und welcher den Nachkommenen kaum glaublich vorkommt, hinlänglich genug zu beschreiben? zumalen auch hierbey das geistliche Elend, da Kirchen und Schulen gar oft lange Zeit wüst gestanden, und allerley Unordnungen sehr überhand genommen, so groß gewesen, daß solches das leibliche Elend, welches doch an sich fast nicht grösser hätte sein können, annoch um ein merckliches Theil übertroffen hat. Wie denn die Wißbadische Urkunden der damaligen Zeiten ausdrücklich ergeben, daß damals, bey dem grössesten zeitlichen Jammer, auf die grössesten Laster, ohne Scheu, in diesen Landen im Schwang gegangen seyen. GOtt gebe, daß [295] Teutschland, und insbesondere auch Wißbaden, ein solcher grosser Kriegs-Jammer wie der bisher beschriebene gewesen, nie wieder betreffen möge!

16. Als durch GOttes Gnade endlich der bisher gemeldte dreyßig-jährige Land-verderbliche Krieg im Jahr 1648 durch den bekannten Westphälischen Frieden geendiget worden, und unter andern auch der rechtmässige Eigenthums-Herr der Stadt und Herrschaft Wißbaden wiederum zu dem Besitz derselben gelanget ist, so hat er sich zuvörderst äusserst angelegen seyn lassen, seine, in den Grund verwüstete, Lande, insbesondere auch die Stadt und Herrschaft Wißbaden, wiederum, so viel thunlich gewesen, in guten Stand zu setzen. Es ist aber damit sehr langsam zugegangen. Absonderlich hat es mit Wiederherstellung der ruinirten Bad-Häuser in Wißbaden, weil darzu mehrere Kosten, als bey andern Häusern, erfordert worden, keinen Fortgang gewinnen wollen. Bis endlich der gemeldte Landes-Herr den Befehl dahin ertheilet, daß, wenn die angebliche Eigenthümer derselben sie nicht wieder in den gehörigen Stand setzen wollten, solche, als Güter, welche dem Landes-Herrn anheim gefallen, sollten angesehen, und, als Herrschaftliche Gefälle, eingezogen werden. Da denn endlich nach und nach die meiste derselben sich wiederum, wiewohl [296] mehrentheils schlecht genug, angebauet haben, einige derselben aber, dem allen ohngeachtet, annoch lange hernach, und bis um den Anfang des 18 Jahrhundert, wüst geblieben sind. Und da auch mehr andere Häuser in unserer Stadt, und sonderlich viele, zu denselben gehörig-gewesene, Feld-Güter, damals, nach geendigtem solchem Kriege, wüst gelegen, und keine Eigenthümer (weil die Familien, währenden Kriegs-Troublen, abgegangen) sich dazu gefunden haben, so sind solche unter dem Nahmen der Vacanten und Caducen, das ist, der erledigten und verfallenen Güter, von der Landes-Herrschaft eingezogen, und erstlich den gesammten Einwohnern der Stadt, unter gewissen Bedingungen, eine Zeitlang (ob sich etwan unter der Hand noch einige rechtmässige Erben aus der Frembde einfinden möchten) zum Bau und Benutzung überlassen, nachmals aber, als sich etwan keine weitere rechtmässige Erben dazu gemeldet, zu der Herrschaftlichen Cammer gezogen, und an anderweitige Käufer ordentlicher weise, wiewohl nach Beschaffenheit der damaligen Zeit, um einen sehr geringen Preiß, verkaufet worden.

17. Weil auch nach geendigtem diesem, oftbenenntem, dreyßig-jährigen Kriege sich befunden hat, daß unter anderem vielem Verderben, welches derselbe unseren [297] Landes-Gegenden zugezogen, auch die Zauberey-Künste bey den Einwohnern derselben, währendem solchem Kriege, gar starck in Gang gekommen, auch nachmals auf gar manche bedenckliche Weise sich hervorgethan haben; so hat ebenfalls gedachte hohe Landes-Herrschaft, gleich einige andere Landes-Herren in ihren Landen damals auch gethan, sich äusserst beflissen, solchem sündlichem Unwesen bestmöglichst abzuhelfen. Zu dem Ende denn von derselben ein eigenes Gerichte zu Idstein ist angeordnet, und von solchem diese unseelige Sache gründlich untersuchet, auch über die schuldig-befundene das Feuer, oder so genannte Hexen-Brennen, um das Jahr – – – 1670 – – – ist verhänget worden. Es hat solches Beginnen auch verschiedene merckwürdige Tragoedien, welche aber umständlich nicht zu erzehlen sind, in Stadt und Herrschaft Wißbaden, nicht nur unter geringen, sondern auch zum Theil unter angesehenen Leuten, erreget. Wer da bedencket, was in der vorgedachten langwiehrigen Kriegs-Zeit vor mancherley rohe Kriegs-Leute unsere Landes-Gegenden betreten, und oft eine ziemlich-lange Zeit hindurch darin sich aufgehalten haben, welche, zum Theil, von dergleichen Heidnischen Zauber-Künsten allerley Wissenschaft besessen, und nicht unterlassen werden haben, solche unter den Einwohnern hier und dar bekannt zu machen; wie denn, nach dem Zeugnüß des Cluvers [298] in Epit. Hist. ad ann. 1622 und 1630, unter diesen Kriegs-Leuten sich würcklich solche Völcker befunden haben, welche nahmentlich wegen dieser gottlosen Künsten in den öffentlichen Land- und Geschicht-Beschreibungen sehr übel berüchtiget sind. Wer weiter bedencket, wie damals Kirchen und Schulen öfters lange Zeit leer gestanden, und also der nöthige Unterricht von den Pflichten des Christenthums gefehlet hat. Ja wer endlich noch weiter bedencket, wie der, bey dieser gemeldten Kriegs-Zeit gemeiniglich obhanden-gewesene, grosse Mangel an den nöthigen Lebens-Mitteln die Leute, aus einem schweren und verborgenen Gerichte GOttes, mannichmal zur Verzweiflung gebracht, und zum Versuch allerley solcher verbottener ausserordentlicher Hülfs-Mittel und Künste verleitet hat. Wer, sage ich, dieses und mehr anderes hierbey vorkommendes, bedencket, der wird sich nicht sonderlich wundern, wenn bey einigen Einwohnern dieser Landen, ohnerachtet des empfundenen sehr grossen, kurtz vorher beschriebenen, mannichfaltigen Elends, sich ein solcher nahmhafter Saame dieser Satanischen Kunst geäusert und ausgebreitet hat. Und hat also die hohe Landes-Obrigkeit gar nicht unrecht, sondern, nach ihrer Christen- und Amts-Pflicht, gantz recht und wohl gehandelt, daß sie dieses unchristliche Wesen ernstlich und gründlich auszurotten gesuchet hat. [299] Ob aber, wie einige mehrmalen haben vorgeben wollen, öfters bey solchen Hexen-Verurtheilungen von den Richtern zu weit gegangen, und manches vor eine Zauberey erkläret worden, welches doch bloß natürliche Kunst oder Blendwerk gewesen, folglich also manche Unschuldige dabey, als Schuldige, verurtheilet worden, das wird sich nicht wohl anderst, als durch genaue Lesung und Prüfung der dabey angestellten Gerichts-Verhandlungen, beurtheilen und entscheiden lassen. Es ist einmal diese Sache in den Nassau-Idstein- und Wißbadischen Landen von keinem andern, als von einem sehr weisen und dabey sehr Christlichen Herren, (wie der damalige Landes-Herr, Graf Johannes, laut allen Berichten, gewesen ist) unternommen, und also auch von demselben, gantz vermuthlich, keinen andern, als verständigen und gewissenhaften Richtern anvertrauet worden. Es stehet also mit gutem Grunde zu erachten, daß dieselbe in dieser so wichtigen Sache, welche Leib und Leben, und, gewisser massen, auch Seel und Seeligkeit betroffen, nicht blindlings werden zugefahren, sondern alle mögliche Vorsichtigkeit, bey der Untersuchung und Beurtheilung derselben, angewendet haben. Dem ohngeachtet aber kan es dennoch gar wohl geschehen seyn, daß mannichmal, aus menschlichem Versehen allerley Fehler (dergleichen aber auch bey andern [300] Gerichts-Fällen zuweilen vorzugehen pflegen) von diesen Richtern begangen, und mancher ohne hinlängliche Ursache, durch GOttes und unerforschliche Zulassung, als ein Zauberey-Schuldiger (der er doch wahrhaftig nicht gewesen) ist hingerichtet worden. Wie denn Spener in seinen Theologischen Bedencken P. I. c. 2. A. 6. p. 228 – 232 – hiervon einige wahrhaftige und merckwürdige, damals, und zwar nicht weit von Franckfurt am Mayn, (woselbst dieser Gottes-Gelehrte um dieselbe Zeit im Predigt-Amte gestanden) und also vielleicht in unserer Nassauischen Landes-Gegend, vorgegangene Exempel anführet, und dabey von dieser gantzen bedencklichen Gerichts-Sache überhaupt solche Anmerckungen beyfüget, welche verdienen nachgelesen zu werden. Siehe auch daselbst P. IV. c. 7. A. I. S. 35. p. 167 etc.

18. Um das Jahr – 1670 – ist die leidige Alchimisterey, oder die Kunst, Gold und Silber aus allen Metallen zu machen, in Wißbaden sehr starck in Uebung gekommen. Die Haupt-Niederlage dieser vermeynten Gold- und Silber-Macher ist bey dem damaligen Stadt-Pfarrer in Wißbaden, Marsilius Sebastiani, gewesen. Er hat in dem Schützen-Hof gewohnet, und hat diesen Leuten zu Liebe ein eigenes Laboratorium oder Werck-Stätte daselbst aufgerichtet, auch sich [301] selbst eifrigst damit beschäftiget. Es soll auch, nach der Erzehlung derer Leute, welche damals in Wißbaden gelebet, mehrmalen würcklich Gold und Silber (wenn es zu glauben stehet) in ihren Brenn-Tiegeln vorhanden gewesen, ohnversehens aber durch die Rauch-Löcher in die Luft geflogen, und im vorbeyfliegen etwas davon dem gemeldten Pfarrer in seinen grauen Haaren hängen geblieben seyn. Der vornehmste Laborant aber soll nachmals durch einen vergifteten Brief, den er aus Inspruck, woselbst er vorher bey eben dergleichen Laboranten in Diensten gestanden, erhalten, sein Leben eingebüsset haben. So viel ist hierbey etwas gewisseste, daß diese Sache auch damals in Wißbaden, woselbst sie viel Aufsehens verursachet, kein anderes, als das gewöhnliche Schicksal dieser vorgeblichen Kunst gehabt hat, nemlich, daß sie am Ende auf ein Lami hinausgelaufen, und die verhoffte güldene Zeit aussen geblieben ist.

19. Als im Jahr 1672 – der Frantzösische Krieg gegen das Teutsche Reich entstanden, und dabey die Rheinische Landes-Gegenden sehr hart sind mitgenommen worden, so hat Wißbaden ebenfalls gar vieles dabey zu erdulden gehabt, doch zu Zeiten mehr von Teutschen Freunden, als von ausländischen Feinden. Gleich in dem Jahr 1672 haben die Kayserliche und Lothringische Völcker sich [302] in Wißbaden einquartieret, und die Stadt sehr hart beschweret. Absonderlich aber hat im Jahr 1673 im Octob. der Kayserliche General-Lieutenant Montecuculi, als er das Haupt-Quartier eine Zeitlang in Wißbaden gehabt, mit seinen Leuten daselbst so übel L. U. gehauset, daß darüber an dem Kayserlichen Hofe von der Wißbadischen Landes-Herrschaft gar nachdrückliche Klagen sind angebracht worden. Auch haben die Chur-Brandenburgische Trouppen, welche als Hülfs-Völcker an den Rhein gekommen, wegen des schlechten Beytrages aber der anderen Reichs-Ständen, und der, bey denselben gefundenen, unzulänglichen Verpflegung, sich so feindseelig gegen dieselbe, sonderlich gegen die am Rhein gelegene Lande, bezeiget, daß man sich öfters mehr vor ihnen, als vor den Frantzosen selbst, gefürchtet, und dieses Betragen daher damals den Brandenburgischen Krieg genennet hat. Wißbaden ist dabey mehrmalen so sehr beängstiget worden, daß die Leute, welche damals gelebet, nachher kaum gewust haben, die ausgestandene Drangsale sattsam genug zu beschreiben. Es ist zu diesem Elend auch noch die Pest, welche damals Teutschland durchstrichen hat, gekommen. Denn dieselbe hat Wißbaden in dem Jahr 1675 ebenfalls befallen. Es sind aber doch weniger Menschen daselbst, als an andern Orten geschehen, durch dieselbe hingeraffet worden, und hat man solches [303] insgemein dem starcken und kräftigen Dampf von dem dasigen warmen Wasser, wie solches bereits Hellmund in seiner Thermogr. p. 83 angemercket hat, zugeschrieben.

20. Als im Jahr 1688 ein neuer Krieg zwischen Teutschland und Franckreich entstanden, und die Frantzosen dabey, ihrer Gewohnheit nach, die Rheinische Landes-Gegenden so gleich überschwemmet, und gar übel darin gehauset haben, so hat die Stadt Wißbaden abermals gar vielen empfindlichen Schaden erlitten, und hat dieselbe das, von den Frantzösischen Partheyen, ihr gar öfters angedrohete gäntzliche Verderben nicht anderst, als durch Abgebung grosser Brandschatzungs-Gelder abwenden können. Absonderlich ist sie sehr hart mitgenommen worden, als die Frantzosen die Stadt Maintz so gleich in dem gemeldten 1688 Jahr einbekommen, und von daraus alle umliegende Gegenden, und sonderlich die Wißbadische Lande, unter gar starcke Contribution gesetzet, und die Einwohner derselben zu allerley beschwerlichen und gefährlichen Frohn-Diensten (mit deren Erzehlung die damals abgefaßte Wißbadische Stadt-Schriften gantz angefüllet sind) mit der äussersten Schärffe angehalten haben. Daher auch nachmals, als die Teutschen den Frantzosen die Stadt Maintz im Jahr 1689 durch eine muthige, aber auch zugleich sehr blutige, [304] Belagerung wieder entrissen haben, die Freude in Wißbaden nicht gering gewesen, und die Einwohner desselben so gleich an dem 15 Trinit. des gemeldten Jahres, auf Verordnung der hohen Landes-Herrschaft, ein öffentliches Danck-Fest, GOtt zum Preise, diesertwegen gefeyert haben. Es haben aber die feindliche Drangsale nicht eher völlig, als in dem Jahr 1697, da der Friede zwischen Teutschland und Franckreich geschlossen worden, aufgehöret. Auch hat es, währendem diesem Kriege, nicht selten an sehr harten Bedrängnissen von Seiten der Kayserlichen und des Reichs Völckern gefehlet. Absonderlich haben die Kayserlich-Ungarische Soldaten unter dem General Palsy die Stadt und Herrschaft Wißbaden verschiedene mal sehr hart mitgenommen, sich aber gemeiniglich, L. U. damit entschuldiget, daß sie von der Luft alleine nicht leben könnten.

21. Als im Jahr 1701 – – der grosse Krieg wegen der Erb-Folge in Spanien zwischen dem Kayser und Franckreich entstanden, das Teutsche Reich auch Antheile daran genommen, und die Frantzosen darüber bis in Schwaben und Bayern eingedrungen waren, so kamen die Holl- und Engelländische Armeen dem Kayser und Reich zu Hülfe, und nahmen jedesmal ihren Zug in Teutschland durch die Wißbadische Lande. Die Holländische Völcker unter dem General Hompesch haben [305] der Stadt Wißbaden damals viele Unkosten verursachet. Die Engelländer, deren gesammte Reuterey unter der Anführung des Hertzogs von Marlborough im Jahr 1704 im Frühling mitten durch Wißbaden mit entblößtem Seiten-Gewehr durchgezogen, und sich so denn zwischen Moßbach und Cassel gelagert, waren zwar bey diesem ihrem Hinzug niemand sonderlich beschwerlich. Als sie aber, nach erhaltenem Sieg über die Frantzosen bey dem Schellenberg und bey Hochstädt, wiederum in die Wißbadische Lande zurück kamen, so waren sie, wegen dieser dem Teutschen Reiche geleisteten grossen Diensten, schon viel freyer, und gaben wenig gute Worte. Doch gieng ihr Durchzug annoch mit erträglichem Schaden ab. Als bey Fortwährung dieses Krieges in dem Jahr 1709 in dem damaligen entsetzlich-kalten Winter der Rhein viele Wochen lang zugefroren war, so stand man in Wißbaden, wegen eines vermuthlichen Uebergangs der Frantzosen über den Rhein, in gar grossen Sorgen. Daher denn viele Einwohner daselbst mit ihren besten Habseeligkeiten bey Nacht und Nebel sich anderswohin in Sicherheit begeben, die zurückgebliebene aber sich zur bestmöglichsten Vertheidigung haben gefaßt machen müssen. Es gieng aber, weil der besorgte Uebergang des Feindes unterblieben, alles ohne weiteren Unfall ab. In dem darauf erfolgten Sommer aber das gedachten [306] Jahres wagte sich eine starcke Parthey der Frantzosen in unseren Gegenden über den Rhein, und nachdem sie in das benachbarte Schlangen-Bad einen unversehenen Einfall gethan, und den darin sich befindenden Teutsch-Meister, Frantz Ludwig, aus dem Pfaltz-Neuburgischen Hause, gefangen genommen, auch darüber alle übrige Cur-Gäste daselbst, wie auch in Schwalbach, eiligst aufgebrochen, und nach Wißbaden geflohen sind, so ist dadurch diese gantze Stadt, und sonderlich alle damals daselbst gewesene frembde Bad-Gäste, so fort mit grosser Furcht, zumalen man überall in der gantzen umliegenden Gegend Sturm geschlagen, überfallen worden, und hat jedermann davon zu fliehen gesucht. Da man aber überall Frantzosen vermuthet, und also niemand sich ausser die Stadt begeben wollen, so haben sie mehreste Strassen derselben eine Zeitlang voller Gutschen, Wagen und Pferde gestanden, und ist alles mit grossem Schrecken erfüllt gewesen; bis man endlich die Nachricht erhalten, daß der gemeldte Teutsch-Meister wieder sey befreyet, die Frantzosen aber dagegen gefangen genommen worden. Darüber denn auch in Wißbaden nach und nach alles wieder stille worden, und in Ruhe gekommen, auch in solcher bis auf den in dem Jahr 1714 erfolgten Frieden, ziemlicher massen, geblieben ist.

[307]

Hierbey ist anzumercken, daß zwar in einigen öffentlichen Sitten-Schriften, wie auch in Hellmunds Thermogr. p. 85 gemeldet wird, als ob um diese Zeit, nemlich in dem Jahr 1712, sich diese merckwürdige Geschichte in Wißbaden begeben habe, daß daselbst auf einem Jahr-Marckt ein gewisser Mensch mitten in dem Tantz von dem Teufel leibhaftig sey besessen worden. Es bestehet aber diese gantze Sache (laut vielen Augen-Zeugen, und selbst des damaligen Wißbadischen Medici und Physici) eigentlich nur in dem folgenden: Es befand sich in dem gedachten Jahr ein gewisser junger Manns-Mensch von einem Wißbadischen Dorfe auf dem Jubilate-Marckt in Wißbaden in einem Wirths-Hause. Da er sich nun durch übermäßiges Trincken und Tantzen sehr erhitzet hatte, so gerieth sein Geblüte in eine solche Unordnung und Toben, daß er mitten im Tantz plötzlich einen Zufall bekam, welcher einer fallenden Sucht ziemlich ähnlich war. Er wurde, weil alle Wirths-Häuser voller Leute waren, in das Hospital gebracht. Weil er nun in dem Hinführen über die Gasse sich sehr seltsam und fürchterlich geberdete, so gerieth das gemeine Volck auf den Wahn, er müßte von dem Satan leibhaftig besessen seyn. Und weil damals zugleich viele frembde Leute sich in Wißbaden befanden, so wurde dieses Vorgeben hier und dar sehr ausgebreitet. Es ist aber dieser Mensch in [308] wenig Tagen, durch den Gebrauch einiger Artzeneyen, wieder zurecht gebracht worden, und ist nachmals ziemlich gesund, doch mit Bereuung seiner sündlichen Ausschweifungen, und mit Bezeugung, daß er die, ihme darob zugestossene, Plagen gar wohl verdienet, und GOtt vor die Milderung derselben schuldigst zu dancken habe, wieder von Wißbaden abgegangen.

22. In dem Jahr 1718 hat sich folgendes (welches wegen der sonderbaren Art der Straf-Gerechtigkeit GOttes, die sich dabey geoffenbaret hat, angemercket zu werden verdienet) in Wißbaden zugetragen. Es kamen vier Haupt-Diebe, welche bis dahin sowohl in dem Wißbadischen, als auch in den andern benachbarten Landen, sehr viele Diebereyen ausgeübet hatten, in dem Walde bey Wißbaden zusammen, um ihre erlangte Diebs-Beute daselbst, auf ihrem gewöhnlichen Sammel-Platz, unter sich zu theilen. Da sie nun wegen einer lebenden Beute, nemlich einer liederlichen Weibs-Person, die sie bey sich hatten, uneins wurden, so kam der jüngste derselben, welcher vermuthlich den meisten Antheil an dieser sauberen Dirne hatte nehmen wollen, darüber dergestalt in den Grimm, daß er heimlich nach Wißbaden gehet, und bey der dasigen Amts-Obrigkeit die Anzeige thut, wie er bereit sey, drey in dem Wißbadischen [309] Walde vorhandene Diebe derselben, wenn sie ihm die nöthige Mannschaft zugeben würde, in die Hände zu liefern. Er erlangte die begehrte Mannschaft, und liefert auch würcklich seine drey Mit-Gesellen derselben in ihre Gewalt. Er selber aber wird auch zugleich, da er sich so fort davon machen wollte, von dieser Mannschaft, ihrem gehabten Befehl zu Folge, angehalten, ebenfalls als ein Gefangener wider seinen Willen, mit nach Wißbaden zu gehen. Nach geschehener Untersuchung der Sache wird zwar befunden, daß die drey überlieferte Gefangene würcklich Galgenmäßige Diebe wären, aber daß der vierdte, nemlich der gedachte Angeber, gleiches Verbrechens und Strafe schuldig wäre. Es wurde ihnen also allen zusammen Galgen und Schwerdt zuerkannt. Und da sich die drey angegebene mit dem Angeber nicht eher versöhnen wollten, es wäre denn, daß er zuerst den Galgen bestiege, die Amts-Obrigkeit auch, dieses Begehren zu hindern, keine Ursache fand, so geschahe es würcklich, daß dieser zuerst und zwey seiner Mitgesellen so gleich nach ihm gehencket wurden. Der vierdte aber wurde einige Zeit hernach durch das Schwerdt diesen seinen Mitbrüdern ebenfalls zugesellet.

23. Nach dem im Jahr 1741 – nach dem Absterben des Kaysers Carls VI ein heftiger [310] Krieg zwischen dem Hause Oesterreich und Bayern, wegen der Oesterreichischen Erb-Folge entstanden, und die Engel- und Holländer dem ersten, die Frantzosen aber dem andern Beystand geleistet; so haben die Oesterreichische, Engel- und Holländische, wie auch Frantzösische Kriegs-Völcker, bey ihrem Hin- und Herziehen, unser Wißbad, wechsels-weise, mehr als zu oft betreten, und durch die starcke Einquartierungen daselbst der Stadt sehr grosse Ungelegenheit und Unkosten zugezogen. Absonderlich haben die Frantzosen im Jahr 1745 sich sehr widrig bezeiget, indem sie das Waysen-Haus daselbst, aller Bitte und Vorstellung ohngeachtet, mit Gewalt eingenommen, die sämmtliche Waysen-Kinder heraus getrieben, und ihr Krancken-Lazareth darin aufgeschlagen haben; dabey man sich denn immerzu, wegen ihrer geäusserten Bedrohungen, noch mehrerer Gewaltthätigkeiten hat versehen müssen, welche aber durch ihren, wegen Ankunft der Oesterreichischen Armeen, nachmals erfolgten Abzug endlich sind unterbrochen worden. Es ist bey diesen Zügen der gedachten mancherley Kriegs-Völcker auch der König im Engelland, Georg II, als seine Armee im Jahr 1743 bey Biebrich über den Rhein gegangen, selbst in Wißbaden gewesen, und hat die dasige Bäder in Augenschein zu nehmen, sich belieben lassen.

[311]

24. Nachdem von 1700 bis 1754 fast alle Jahre eine grosse Menge Menschen aus verschiedenen Gegenden des Teutschlandes sich theils nach Ungarn, theils nach America in die so genannte neue Welt begeben, um daselbst sich glücklicher, als in Teutschland, anzubauen; so haben auch öfters nicht wenig Einwohner der Stadt Wißbaden sich gefallen lassen, diese verschiedene Reisen, und zwar gemeiniglich unter vielem Frolocken und Jauchzen, mit anzutreten. Diejenige von diesen Wißbädern, welche nach Ungarn gezogen, sind meistens elend wieder zurück gekommen. Von denjenigen aber, welche sich in die neue Welt, und sonderlich nach Pensylvanien begeben, sind einige, wenigstens ihren eigenen Berichten nach, glücklich, einige aber, und vielleicht die meiste, laut anderen unpartheyischen Berichten, unglücklich gewesen, und hätten gerne ihr Vatterland wieder besuchet und bewohnet, wenn es nur allezeit sich möglich hätte machen lassen. Es hat aber, dem allen ohngeachtet, die Begierde in die neue Welt zu ziehen, in Wißbaden nicht aufhören wollen, sondern es ist immerfort unter der Hand eine nahmhafte Anzahl Menschen von dar dahin abgegangen. Bis endlich im Jahr 1754 im Julio ein Schiff voll solcher Neuländer, wie sie damals insgemein genennet worden, auf der See zwischen Holl- und Engelland, bey einem entstandenen Sturm, an [312] einen Felsen, er Flammingische Hund benennet, gestossen, und mit 4 bis 5 hundert Menschen, einige wenige, die sich durch ein Boot oder Nachen gerettet, ausgenommen, in die Tiefe des Meeres gesuncken ist; da denn bey 20 Wißbäder, an Erwachsenen und Kindern, welche mit auf diesem Schiffe gewesen, ebenfalls das Unglück gehabt, in der See begraben zu werden. Es hat sich hierauf die thörichte Sehnsucht, in das neue Land zu ziehen, in Wißbaden ziemlich verlohren. Ob sie künftig etwan wieder aufleben werde? stehet zu erwarten.

25. Als im Jahr 1755 von dem Monat Novemb. an bis in den Febr. 1756 die bekannte grosse Erdbeben fast durch alle Theile des Erdbodens sich geäussert, so hat man etwas davon auch in Wißbaden und dasiger Gegend, und zwar den 18 Febr. 1756 frühe um 8 Uhr, und des Abends um 10 Uhr verspüret. In der eigentlichen Stadt des Wißbads hat sich die Bewegung der Erde etwas starck geäusert, und sind die meiste Gebäude derselben, sonderlich aber der Uhr-Thurn, ziemlich empfindlich erschüttert worden. In der Bad-Gegend des Wißbads aber hat man solches nicht so starck verspüret. Es haben sich auch in den vorigen Zeiten, und zwar in dem 17 und 18 Jahrhundert, (denn von älteren Zeiten ist keine schriftliche Nachricht [313] diesertwegen vorhanden) dergleichen Erdbeben in Wißbaden mehrmalen spüren lassen, z. E. (L. St.) im Jahr 1620 im Febr. 1621 im August, Morgends und Abends, 1681 im Jan. 1691 im Febr. 1692 im Septemb. zweymal, 1727 im Frühling, und 1733 auch im Frühling. Sie sind aber jedesmal, GOtt sey Danck, ohne Schaden abgegangen.


Ueberbliebene Alterthümer
oder
Denckmale
des Nassauischen Wißbads.


Diese sind:

1. Die Kirche. Diese stehet in der so genannten Stadt des Wißbads, nicht weit von dem alten, abgängig-gewordenen, Maintzer-Thor. Sie stehet etwas weit von der Bad-Gegend oder dem so genannten Sauerlande des Wißbads entfernet. Und kommt solches sonder Zweifel daher, weil die gedachte Bad-Gegend in den vorigen Zeiten, wie oben gezeiget worden, nur eine Bey- oder [314] Neben-Stadt der eigentlichen Stadt des Wißbads gewesen ist. Daß diese Kirche nicht mehr das erste und älteste Kirchen-Gebäude sey, welches bey geschehener Einführung der Christlichen Religion in Wißbaden, in den Fränckischen und Kayserlichen Zeiten, laut der in der zweyten Abtheilung gegebenen Nachricht, bereits zu Stande gekommen, sondern daß es ein solches Gebäude sey, welches erst in dem Nassauischen Zeit-Lauf errichtet worden, das giebt nicht nur das äusserliche Ansehen desselben, als welches von keinem sonderlich-grossen Alterthum zeuget, ziemlich deutlich zu erkennen; sondern es ist auch an dieser Kirche ein Stein, mit einer darauf befindlichen Schrift, vorhanden, daraus solches würcklich klärlich genug abzunehmen ist. Es stehet derselbe auswendig in der Mauer der Kirche, an einem Fenster, ohnweit der unteren Chor-Thüre, und lautet die darauf befindliche Schrift, und zwar, wie es fast scheinet, in Reimen verfasset, also:

Uf. Sanct Valentins. Tag. de. erst. Stein. gelacht.

Mät. das. sag. ich. iich. noch. mä. da. man. screb. 1488.

Das ist: Auf Sanct Valentins Tag ist der erste Stein geleget, über das sage ich euch noch mehr, da man schrieb 1488. [315] Es sind zwar einige, wie aus Hellmunds Thermogr. p. 111 zu ersehen, welche meynen, die auf diesem Stein befindliche Jahr-Zahl heisse nicht 1488, sondern 1088, und halten also die zweyte Zahl vor kein 4, sondern vor ein 0. Es ist aber solches Vorgeben ohne Grund. Denn es ist diese gedachte zweyte Zahl kein blosses 0, sondern ein o unten mit zwey Zacken, oder, deutlicher zu reden, einen getheiltes 8, welches vormals, sonderlich in den Stein- und Holtz-Schriften der Bau-Arbeiter, wie an vielen alten Gebäuden gar deutlich zu ersehen, ein 4 gewesen ist. Wie denn auch ohnehin, und überhaupt davon zu urtheilen, diese Zahl um deßwillen nicht 1088 heissen kan, weil die dabey gebrauchte Zahl-Figuren (welche die Araber, bekanntlich, zuerst erfunden) um das Jahr 1088 noch nicht in Teutschland gewöhnlich gewesen, sondern erst nachher, als die Gelehrsamkeit, und mit derselben auch die förmliche Rechen-Kunst besser in Uebung gekommen, eingeführet worden sind. In dem eilften Jahrhundert hat man nur noch (aus Nachahmung der Römer) der Lateinischen Zahl-Buchstaben, wie aus den Schriften derselben Zeit erhellet, sich bedienet. Zwar scheinen die Worte selbst, welche auf diesem Steine stehen, der Schreib-Art nach, etwas rauher und alt- Teutscher zu seyn, als sie fast um das Jahr 1488 gewöhnlich gewesen sind. Allein, wenn man [316] bedencket, daß dergleichen Schriften auf solcherley Steinen gemeiniglich von den Stein- und Mauer-Arbeitern selbst, welche insgemein, nach Gewohnheit des gemeinen Mannes, sich einer gar platten und schlechten Sprach- und Schreib-Art bedienen, auch mannichmal gar halbe Ausländer sind, verfertiget werden, so hat dieser Anstand gar nichts zu bedeuten. Genug ist es, daß die gedachte Zahlen, wie jederman, der dergleichen alte Schriften zu prüfen im Stande ist, mit Augen sehen kan, nicht 1088, sondern 1488 heissen. Uebrigens muß der Bau dieser Kirche vormals gegen den Sonntag Jubilate fertig geworden seyn, denn auf diesen Sonntag ist die Einweihung derselben, L. U. geschehen, und daher auch nachmals das so genannte Kirchweih-Fest derselben auf diesen Sonntag gefeyert worden. Es ist solches erst zu Ausgang des 17 Jahrhundert, wegen der vielen nach und nach dabey eingerissenen Mißbräuchen, durch Herrschaftliche Verordnungen abgestellet worden. Die Kirche selbst ist dem H. Mauritio oder Moritzen, als Schutz-Heiligen, gewidmet gewesen. Denn so heisset es z. E. in einer Wißbadischen Urkunde von dem Jahr 1515 – – in Sanct Mauritius Pfarr-Kirchen hie zu Wießbaden – – Item – – Sanct Mauritius KirchenBauw hie zu Wißbaden – –. Und in vielen andern, in den Wißbadischen alten [317] Gerichts-Büchern annoch vorhandenen, testamentliche Verordnungen der Einwohner in Wißbaden wird oft gedacht, daß dieses und jenes sollte vermacht seyn zum Sanct Mauritius Kirchenbauw, das ist, zur Unterhaltung des äusserlichen Kirchen-Gebäudes das Mauritii. Es ist dieser Mauritius vormals ein Kriegs-Mann und Heerführer der Christlichen Thebeischen oder Thebanischen Legion unter dem Römischen Kayser Maximiano, um das Jahr Christi 296, gewesen, und ist nebst seiner gantzen Legion, bey 6000 Mann starck, weil sie Christum nicht haben verläugnen wollen, (nach dem Bericht der Legenden oder Geschicht-Beschreibungen der ehemaligen Marthyrer oder Blut-Zeugen Christi) in Helvetien, oder der heutigen Schweitz, an dem Fluß Rhodanus getödtet worden. Dieser Mauritius ist also nachher zum Schutz-Patron der Wißbadischen Kirche erkohren, und der hohe Altar in derselben ihme gewidmet worden. Ob er aber grad der erste Schutz-Patron sey, welcher diese Kirche gleich Anfangs bey ihrer ersten Gründung zugegeben worden? das lässet sich vor gantz gewiß nicht bestimmen. Denn es ist in den vorigen Zeiten mannichmal geschehen, daß man die Schutz-Patronen der Kirchen, Städten und Länder unter der Hand abgewechselt hat. Wie denn z. E. die Dom-Kirche in der benachbarten Stadt Maintz anfänglich dem H. Stephano [318] gewidmet gewesen, nachmals aber um das Ende des 10 Jahrhundert dem H. Martino, von dem Ertzbischofen Willegis gewidmet worden ist. Siehe des Joannis Maintzische Geschicht-Schr. T. I. p. 69 etc. Es hat aber unsere Wißbadische Kirche neben dem hohen Altar das H. Mauritii auch noch viele andere Neben-Altare, nach Gewohnheit der vormaligen Zeiten, gehabt. Nahmentlich wird des Altares der lieben Frauen, des Jacobi, des Nicolai, des Sebastians, der Catharinen etc. alle in der Pfarr-Kirche gelegen, in U. gedacht. Sie haben alle ihre besondere Gefälle, besondere Altaristen oder Altar-Priester, (von welchem die Nahmen: Heimershaussen, Vogel, Götz, Gerthe, Herpel, Oerlein, Stumper, Lunar, Ursel, Loes, etc. in U. vorkommen) auch ihre besondere Bruderschaften gehabt. Diese Bruderschaften haben darin bestanden, daß sich eine gewisse Anzahl Wißbadischer Einwohner mit einander verbrüdert oder verbunden gehabt, diesen oder jenen Altar, vor andern, zu bestimmten Zeiten ordentlich zu besuchen, und ihre Andacht dabey zu pflegen, wie auch die Gefälle desselben bestens zu handhaben und zu mehren, und dadurch sich der Messen und Fürbitten, welche dabey verrichtet worden, theilhaftig zu machen. Und ist keiner in eine solche Bruderschaft aufgenommen worden, wenn er nicht etwas gewisses [319] an Geld oder Gütern zu dem Altar des Heiligen, dem die Bruderschaft gewidmet gewesen, abgegeben hat. Unter allen diese Neben-Altaren in der Wißbadischen Kirche ist sonderlich der Nicolai-Altar vormals in besonderer Verehrung, und die Bruderschaft desselben in sonderbarer Achtung in Wißbaden gewesen. Sie hat (wie bereits oben berühret ist) die elendige Bruderschaft geheissen. Und diesen Nahmen hat sie (wie aus verschiedenen Anzeigungen erhellet) daher erhalten, weil sie ihre Altar-Gefälle meistens an lauter elende und armseelige Menschen verwendet, und vor die Verpflegung derselben, nach dem Beyspiel ihres Schutz-Patrons, des Nicolai, besondere Sorge getragen hat. Denn von diesem Nicolao (welcher in dem 4 Jahrhundert als Bischof zu Myra in Lycien gelebet hat) wird berichtet, daß er sein gantzes väterliches Erb-Gut unter die Armen ausgetheilet, und insbesondere einsmals einem armen Edelmanne zur Aussteuerung seiner drey erwachsenen Töchter (welche wegen grosser Armuth in Gefahr gestanden, auf sündliche Wege zu gerathen) eine Summe Geldes nächtlicher weile, und unbekannter weise, in sein Haus geworfen habe; und soll eben hiervon die bekannte Gewohnheit, den Kindern an dem Nicklas-Abend einige Gaben zu beschehren, ihren Ursprung überkommen haben. So viel ersiehet man aus den Wißbadischen Urkunden, [320] daß sich die gemeldte elendige Brüder in Wißbaden insonderheit auch der milden Vermächtnüssen* daselbst angenommen, und vor [321] die Entrichtung und Anwendung derselben Sorge getragen haben. Auch ergeben diese *[322] Urkunden, daß der H. Nicolaus vormals in den meisten Dorf-Kirchen der Herrschaft *[323] Wißbaden in besonderer Verehrung gewesen, und kan sich also vielleicht die elendige *[324] Bruderschaft desselben auch auf die Land-Kirchen dieser Herrschaft erstrecket haben. Ihr Gut, das sie nach und nach vor den Nikolai-Altar gesammlet haben, ist (laut Gerichts-Buch f. 99) das elendige Gut, und also eine Wiese desselben, die elendige Wiese, ein Acker, der elendige Acker etc. genennet worden. Es scheinet diese elendige Bruderschaft eine solche Gattung von Leuten gewesen zu seyn, die man vormals an einigen Orten in Teutschland Minnen-Brüder, (von dem alten Teutschen Wort Minne, welches Liebe und Güte heisset, also benahmet) item, Brüder der Barmhertzigkeit, Hospitalier etc. genennet hat, und deren Verrichtung hauptsächlich in Besorgung der Armen, Krancken, Gebrechlichen, Verstorbenen etc. und anderer elenden Personen bestanden hat. Es sind auch dergleichen elendige Bruderschaften auf den heutigen Tag an manchen Orten annoch würcklich vorhanden. Was die weitere Schicksale unserer Mauritius-Pfarr-Kirchen in Wißbaden, in dem Nassauischen Zeitbegriff, anbelanget, so hat dieselbe in dem Jahr 1547 das Unglück gehabt, daß sie, in dem oben *[325] beschriebenen grossen Brande, welcher damals Wißbaden betroffen hat, abgebrannt ist. Doch ist zu vermuthen, daß das Mauer-Werck derselben größtentheils dabey werde unverletzt geblieben seyn, wie denn einige Grabsteine, welche lange vor dem Jahr 1547 sind verfertiget worden, in der Mauer dieser Kirche, vor der, im Jahr 1716 vorgenommenen, Erneuerung derselben würcklich annoch zu sehen waren, und, zum Theil, auch noch zu sehen sind. Es wäre denn, daß man solche nochmals wieder, nach dem Brande, in das neu-aufgeführte Mauer-Werck, wie nicht selten bey solchen Fällen zu geschehen pfleget, eingesetzet habe. Daß der Glocken-Thurn dabey unverletzt geblieben sey, davon sind deutliche Merckmale an demselben vorhanden. Denn das, über der Thür desselben, in der Mauer befindliche Heiligen-Gehäuse zeiget sattsam an, daß dieser Thurn bereits vor Einführung der Evangelischen Religion 1540, und also auch vor dem grossen Brande 1547, gestanden habe. Indessen muß es doch nochmals mit Wiederherstellung dieser abgebrannten Kirche sehr schwer und langsam hergegangen seyn; denn es ist erst im Jahr 1561, und also 14 Jahre nach dem Brand, der erste Deckstein wiederum (L. St. f. 5) darauf geleget worden. Im Jahr 1592 hat Hanß Bernhard von Langeln, damaliger Amtmann zu Wißbaden, die ansehnliche steinerne Cantzel (wie [326] aus der darauf befindlichen Schrift zu ersehen ist) in dieser Kirche auf seine Kosten errichten lassen. In dem 17 Jahrhundert, zu den Zeiten des dreyßig-jährigen Krieges, ist diese Kirche, wie bereits oben, in der Beschreibung der Fatalitäten des Wißbads in diesem Kriege, berichtet ist, ihrer kleinen Glocken, Orgel, und anderer Geräthschaften von den plündernden Soldaten beraubet worden. Im Jahre 1716 ist diese mehrgemeldte Kirche, weil sie bey dem täglich zunehmenden Anwachs der Stadt-Einwohner fast zu klein gewesen, durch Aufführung einer neuen Mauer nach dem Chor zu, auf beyden Seiten, erweitert, auch mit einem neuen Dach-Werck versehen worden. Das vördere Theil der Kirche ist so gleich damals, das Chor aber nachmals im Jahr 1751 von neuem ausgetünchet, und mit erbaulichen Gemählden ausgezieret worden. Man hat bey diesen vorgenommenen Erneuerungen der Kirche verschiedene in derselben befindlich-gewesene Sachen, weil sie, überflüßig und hinderlich zu seyn, geachtet worden, bey Seite gethan. Und zwar 1, den hohen Altar, welcher gantz oben in dem Chor, von alten Zeiten her, gestanden hat. 2, die drey grosse steinerne Säulen, welche mitten in der Kirche gestanden, und von solcher Dicke gewesen, daß eine derselben von zwey Männern hat eben können umfasset werden. 3, die an diesen Säulen, und sonst noch hier und dar an [327] den Kirchstühlen befindlich-gewesene viele schwartze Trauer-Fahnen, Degen und Wappen, welche denen in den vorigen Zeiten in Wißbaden verstorbenen, und in dasiger Kirche begrabenen Kriegs-Officierern zum Andencken sind aufgehänget gewesen. 4, das mit lauter gemahlten Scheiben, von oben an bis unten aus, versehen- und im Chor der Kirchen befindlich-gewesene grosse Fenster, welches aus allerley alten Wappen bestanden, die vormals unter der Hand von diesen und jenen hohen Herrschaften zum Andencken dahinein sind gesetzt worden. Es war unter diesen Wappen der Löwe, wie auch das Rad, verschiedene mal zu sehen; und ist der erste sonder Zweifel das Nassauische, das andere aber das Maintzische Wappen gewesen, und vermuthlich jenes durch die Nassauische Grafen, dieses aber durch diejenige Maintzische Churfürsten, welche aus dem Hause Nassau gestammet, errichtet worden. Es sind noch einige wenige dergleichen gemahlte Scheiben, die aber von den neuern Zeiten herrühren, an den andern Chor-Fenstern der Kirche übrig; und auf dem mittelsten Chor-Fenster, und zwar über dem Nassauische Wappen, ist auch noch der Nahme des oben bemeldten Kaysers Adolphs aus dem Hause Nassau zu lesen. Es ist aber solcher nicht zu den Zeiten dieses Kaysers, sondern erst in dem Jahr 1556, wie die darunter stehende [328] Jahr-Zahl anzeiget (durch was vor Veranlassung? ist unbekannt) dahin gesetzet worden. 5, die übrig gewesene Epitaphia oder Grabschriften, welche in dieser Kirche, sonderlich im Chor derselben, in der Mauer, annoch in ziemlicher Anzahl befindlich waren, und meistentheils Gräflichen und Adelichen in Wißbaden verstorbenen, und in diese Kirche begrabenen Standes-Personen zum Andencken waren errichtet worden. Es wären diese Grabschriften gar wohl werth gewesen, daß man sie nicht veräusert, sondern zum Gedächtnüß solcher verstorbenen Personen, ja auch zur Erläuterung der Wißbadischen Geschichten, beybehalten hätte. Es mag auch solches, wie vorgegeben wird, denen Mauer-Arbeitern bey dieser Kirch-Veränderung, von einigen Amts-Personen damals anbefohlen, solcher Befehl aber, wie es bey dergleichen Fällen öfters zu ergehen pfleget, nicht zum besten befolget worden seyn. Auf dem Boden der Kirche, sonderlich des Chors, liegen zwar noch viele solcher alten Grabsteinen, sie sind aber meistentheils abgetreten, und nicht wohl mehr zu lesen. In der Mauer das Chors stehen noch zwey alte Grabsteine, welche aber anfänglich daselbst nicht gestanden, sondern aus dem oben bemeldten Closter Clarenthal dahin sind versetzet worden. Auf dem einen stehet eine Weibs-Person abgebildet, mit einer Crone auf dem Haupt, aber ohne [329] Beyschrift. Dieser Stein ist jederzeit mit gutem Grunde vor das Grabmal der Kayserin Imagina, Gemahlin des oft-gedachten Kaysers Adolphs, gehalten worden. Denn da dieselbe, wie unten in Beschreibung dieses Closters sehr wahrscheinlich bewiesen wird, nach dem Tode ihres Ehe-Herrens sich meistens in diesem, von ihnen gestifteten, Closter wird aufgehalten haben, auch darin sonder Zweifel gestorben, oder doch wenigstens in demselben begraben worden seyn, man auch sonst von einer andern, in diesem Closter begrabenen Weibs-Person, welcher man mit einigem Fug eine Crone hat beylegen können, gar nichts weiß, ausser von dieser Imagina und ihrer weltlichen Tochter Mechtild, diese letztere aber auf ihrem Grab-Stein (wie unten in Beschreibung dieses Closters wird gemeldet werden) durch ihren beygefügten Nahmen kenntlich gemacht ist; als stehet gantz sicher zu vermuthen, daß der benennte Stein, der eine Crone, und keine Beyschrift hat, der würckliche Grab-Stein der mehrgemeldten Kayserin werde gewesen seyn. Und kan die sonst gewöhnliche Beyfügung einer Grab-Schrift entweder zufälliger Weise vergessen worden seyn, oder aber, es kan auch (welches glaublicher ist) diese Kayserin etwan vor ihrem Tode aus einer besonderen Andacht und Demuth ausdrücklich verbotten haben, ihres Nahmens auf ihrem Grab-Stein zu gedencken. Der [330] andere Stein stellet eine Manns-Person vor, und die darauf befindliche Schrift zeiget an, daß solches ein Graf von Nassau und Saarbrücken Nahmens Philipp sey, welcher im Jahr 1429 in Wißbaden, vermuthlich bey einer gethanenen Durch-Reise, oder bey einer gebrauchten Bad-Cur, daselbst gestorben, und in das gedachte Closter begraben worden. Die Schrift heisset: Anno. Dom. Mill. quadringentes. vicesimo. nono. ipso. die. visit. b. Matiae. Virg. gloriose. obiit. nobilis. Dom. Philippus. Comes. in Nassauwe. et. Saraponte. Cujus. anima. requiescat. in. sancta. pace. Amen. Das ist: Im Jahr 1429 – – starb Philipp Graf von Nassau und Saarbrücken etc. Es ist vermuthlich dieser Grabstein, vor andern, um deßwillen beybehalten, und zum Andencken an diese Wißbadische Kirche, aus dem eingegangenen Closter versetzet worden, weil die Nachkommene dieses Nassau-Saarbrückischen Grafens die Wißbadische Lande, wie oben berichtet worden, 1605 ererbet haben. Sonst sind auch dermalen annoch einige andere Gräfliche Grab-Schriften in den Winckeln unserer Kirche hier und dar zu sehen; sie sind aber sehr beschädiget, und nicht mehr wohl zu lesen. Auf der lincken Seite der Cantzel siehet man auch noch ein ansehnliches Grabmal des alten adelichen Geschlechts derer von Langeln, welches viele hundert Jahre nach einander in Wißbaden [331] geblühet, und dieser Stadt, bey Verwaltung mancherley wichtiger Landes-Herrschaftlicher Aemter, grosse Dienste geleistet hat. Auch sind noch hier und dar einige Grab-Steine verstorbener Prediger in Wißbaden, wie auch einiger Frembden, welche daselbst ihr Grab gefunden, darin zu sehen. Man hat auch sonst mehrmalen, so gar in öffentlichen geographischen Schriften, vorgegeben, daß des oftgemeldten Kaysers Adolphs und seiner Gemahlin Grab-Stein auswendig an unserer Wißbadischen Kirche zu sehen sey. Es ist aber solches ohne Grund, und ist dieser Kayser, bekanntlich, nicht in Wißbaden, sondern in Speyer begraben worden, und sein Grabmal daselbst in der Dom-Kirche, vor der Frantzösischen Zerstörung der Stadt, zu sehen gewesen. Es ist aber der Irrthum daher entstanden, weil man einen Grab-Stein aus der Kirche des Closters Clarenthal nach Wißbaden an die Kirche auswendig versetzet hat, auf welchem der Nassau-Wißbadische im Jahr 1370 verstorbene Graf Adolph I und seine Gemahlin abgebildet, und diese Schrift darauf zu lesen gewesen ist: Anno. Dom. MCCCLXX – – obiit. illustris. Dom. Adolfus. Comes. de Nasla. Filius. Dom. Gerlaci. Comitis. qui. fuit. Filius. Dom. Adolfi, Regis. Roman. Das ist: Im Jahr 1370 starb – – Adolph Graf von Nassau, ein Sohn des Herrn Grafens Gerlachs, [332] welcher gewesen ist ein Sohn des Herrn Adolphs, Römischen Königes. Weil nun manche diese Schrift obenhin gelesen, so haben sie davor gehalten, es sey solcher Stein ein würckliches Grabmal des Kaysers Adolphs selber gewesen. Es ist aber dieser Stein ebenfalls abgängig worden. Die Einkünfte oder Gefälle, welche diese Wißbadische Pfarr-Kirche hat, und welche, der alten löblichen Gewohnheit nach, theils anfänglich bey Errichtung derselben, theils nachher unter der Hand, von gutwilligen Leuten, zum Unterhalt der, bey dem öffentlichen Gottes-Dienst nöthigen Personen und Sachen, sind gestiftet worden, und, wie aus den bald anzuführenden Urkunden der Grafen Henrichs und Ruprechts, und des Kaysers Friederichs II, wie auch des Maintzischen Ertzbischofs Siegfrieds, nicht undeutlich erhellet, vormals sehr wichtig und einträglich gewesen sind, werden Praesentz-Gefälle genennet, und durch einen eigenen Praesentz-Meister oder Kirchen-Schaffner verwaltet. Es sind zwar sonsten die Praesentz-Gefälle, ihrem ersten Ursprung nach, eigentlich solche Kirchen-Gefälle, welche die Praesentes im Chor, oder diejenige geistliche Personen, welche in ihren gesetzten Chor-Stunden ordentlich und beständig zugegen sind, zu geniessen haben. Es ist aber diese Benennung nachmals an manchen Orten auf alle Kirchen-Gefälle überhaupt [333] ausgebreitet worden. Und in diesem Verstande ist sie noch jetzo hin und wieder, insbesondere auch in Wißbaden, und andern Nassauischen Orten, gebräuchlich. Es werden aber diese Praesentz-Gefälle in Wißbaden nicht nur zur Erhaltung der Kirchen und Schulen, sondern auch zur Versorgung der Armen dermalen angewendet, wie denn auch allerley besondere Armen-Gefälle unter der Hand mit zu diesen Praesentz-Gefällen sind gezogen worden. Der Pfarr-Satz bey der Wißbadischen Kirche, oder das Recht einen Pfarrer darin zu setzen, hat den Grafen von Nassau gleich im Anfang, da Wißbaden an dieselbe gekommen ist, (wie aus den bald zu benennenden Urkunden nicht undeutlich erhellet) zugehöret, und haben sie solches vermuthlich von den Kaysern selbst, mit der Stadt und Herrschaft Wißbaden zugleich, erhalten. Sie haben aber solches Pfarr-Recht im Jahr 1211 an die Teutsche Ordens-Ritter abgegeben, und solche Abgebung ist von dem Kayser Friedrich II im Jahr 1214 schriftlich bekräftiget, und von dem Ertzbischofen zu Maintz, Sigfried, als zu dessen geistlichen Kirchen-Sprengel Wißbaden damals gehörete, in dem Jahr 1218 bewilliget worden. Es wohneten damals die gedachte Ordens-Ritter annoch zu Ptolomais in Syrien, wie auch zu Jerusalem im gelobten Lande, und hatten bey denen zu derselben Zeit vorgegangenen vielen Creutz-Zügen der [334] Europaeischen Christen in dieses Land, hauptsächlich die Verpflegung der krancken Pilgrimen oder Frembdlingen zu besorgen. Da nun einige Grafen von Nassau, wie bereits oben berichtet worden, diese Creutz-Züge haben mit verrichten helfen, und eine Zeitlang sich in dem gelobten Lande aufgehalten, auch einer derselben, Nahmens Ruprecht, gar, wie einige Geschicht-Schreiber berichten, darin gestorben ist, so scheint es, daß diese Ordens-Ritter sich bey solcher Gelegenheit um diese Grafen werden so verdient gemacht haben, daß dadurch die übrige hohe Anverwandte dieses Hauses sich bewogen gefunden haben, durch allerley Gegen-Gefälligkeiten, insbesondere auch durch Abgebung der Wißbadischen Kirche an diesen Orden, nach Gewohnheit der damaligen Zeiten, ihre Danckbarkeit davor zu bezeigen. Man kan den Schenckungs-Brief dieses Pfarr-Rechtes und der davon abgehangenen Zehenden und anderer Nutzungen an die Teutschen Ritter, von den zweyen Nassauischen Grafen Henrich und Ruprecht ausgestellet, wie auch den Bestätigungs-Brief des gedachten Kaysers (darin er bezeuget, daß die Wißbadische Kirche ihme jure proprietario, das ist, nach dem Eigenthums-Rechte zugehöre) finden in des Verfassers Merckw. der Stadt Wißb. P. II. p. 79, wie auch in des Gudenus Cod. dipl. T. III. p. 1078, als woselbst auch T. I. p. 457 der Einwilligungs-Brief des [335] Ertzbischofs Siegfrieds befindlich ist. Es ist aber dieses Pfarr-Recht nachmals von dem gemeldten Orden dem, in dem Rheingau liegenden, Nonnen-Closter Tiefenthal, (welches noch jetzo einen eigenen Hof, und verschiedene Zehenden und Güter in Wißbaden besitzet) gegen anderweitige Vergütungen, zur Helfte, und nachmals, wie es scheinet, völlig und vor gantz abgetreten, von demselben aber solches, ebenfalls gegen andere davor erhaltene Nutzungen, nachher im Jahr 1507 der hohen Landes-Herrschaft, welche es noch jetzo im Besitz hat, L. U. überlassen worden. In dem Jahr 1465 hat der Graf Johannes von Nassau-Wißbaden sich entschlossen, eine gewisse Gesellschaft oder Versammlung erbarer Priester, welche den Gottes-Dienst bey der Wißbadischen Kirche, nach einer besondern, damals neu-aufgekommenen, Weise, besorgen sollten, anzuordnen, und solche aus seinen eigenen Mitteln zu unterhalten. Er hat sich darzu die Einwilligung des damaligen Teutschen Ordens-Meisters, Ulrichs von Lentersheim, welcher annoch einen Antheil an dem Pfarr-Recht dieser Kirche hatte, geben lassen, und kan solche ebenfalls in den gedachten Wißb. Merckw. P. II. p. 81 gelesen werden; wie denn auch der damalige Ertzbischof zu Maintz, Adolph, seine Einwilligung zu dieser vorgewesenen Stiftung, laut l. c. P. I. p. 79, und Joannis Maintzischer Geschicht-Schr. T. I. p. 783, vorläufig [336] ertheilet hat. Ob aber diese Vorhaben nachmals würcklich zu Stande gekommen, auch worin die Sache eigentlich bestanden, und wie lange sie etwan gedauert habe? das ist alles, wegen Abgang weiterer Nachrichten, unbekannt. Was die Pfarrer oder öffentliche Lehrer, welche bey dieser Wißbadischen Kirche von Zeit zu Zeit gestanden haben, anbelanget, so ist in den Wißbadischen Schriften, welche das 16 Jahrhundert übersteigen, keine sonderliche ordentliche Nachricht davon zu finden. Und kan man weiter keine, als folgende Nahmen der damaligen Pfarrer und Capellänen, in denselben hier und dar benennet, antreffen: – Henrich – Pleban oder Pfarrer in Wißbaden – 1400 – Peter Holbach, Pf. – 1430 – Joh. Cleri, Caplan – 1440 – Joh. Cloppheym, Pf. – 1456 – Joh. Schenck, Pf. – 1460 – Johann – Pf. – 1470 – Joh. Palbech, Pf. – 1481 – N. Schorecopp, Pf. – 1486 – Joh. Andree, Pf. – 1504 – 1528 – Er ist bey dem, im Jahr 1525 in Wißbaden vorgewesenen, oben beschriebenen, grossen Tumult von den mißmüthigen Bürgern seines Amtes, nebst dem damaligen Caplan, entsetzet, nachmals aber wiederum, durch Obrigkeitliche Gewalt, in dasselbe eingesetzet worden. Auch haben sich sonst mehr andere besondere Begebenheiten, Zeit seines Amtes, laut dem Wißbadischen Gerichtsb. f. 229 und 247, mit ihm [337] zugetragen. Jost Wengenrode, Capl. – 1515 – Joh. Schwert, Capl. – 1517 – Henrich Schott, Pf. – 1533 – Was aber diejenige Pfarrer und Capelläne anbelanget, welche in dem 16 Jahrhundert, nach geschehener Einführung der Evangelischen Religion in Wißbaden in dem Jahr 1540 – , vor dar an bis auf unsere Zeiten der Kirche daselbst vorgestanden haben, so ist in dem Wißbadischen Stadt-Buch und anderen dasigen Briefschaften einige mehrere Nachricht davon vorhanden. Es ist solche bereits in Hellmunds Thermogr. p. 75 – – einiger massen bekannt gemacht worden. Wir theilen aber solche dißmal durchaus verbessert und ergäntzet mit, lassen es aber dabey, dem Zweck dieses Buches gemäß, bloß allein bey einer ordentlichen Anzeige der Personal-Nahmen, Geburts-Oerter, und Amts-Zeit dieser Wißbadischen Prediger, ohne beygefügte weitere Lebens-Beschreibung derselben, bewenden:. – Matthes – Pfarrer in Wißbaden – 1554 – Joh. Sumer, Pf. – starb 1564. Nicolaus Gompe, von Rauenthal im Rhingau gebürtig, Pf. 1564 – war vorher, als er noch Römisch-Catholischen Religion beygethan war, ernennter Praebendat in Erfurt, so denn, als er sich zu der Evangelischen Religion bekannte, im Jahr 1546 Evangelischer Prediger in Erbenheim im Wißbadischen; weiterhin, als er durch das oben beschriebene [338] Interim, welches er nicht annehmen wollte, vertrieben ward, Diaconus in Freyenwalde in Pommern, so denn nachmals Hof-Prediger in Idstein, und endlich, wie gemeldet, Pf. in Wißbaden, starb 1594. Siehe die ihm gehaltene Leichen-Predigt, welche in des Verfassers Wißb. Merckw. P. II. p. 109 – – befindlich ist. Nicolaus Allbrand, Caplan in Wißbaden 1564 – Joh. Gotzenius, von Usingen, Capl. – nachmals Pf. 1595 – Nicolaus Molitor, von Weißkirchen in der Grafschaft Königstein, Capl. 1595 – Henrich Kaub, Pf. 1597 – nachmals auch Senior oder Definitor – st. 1614. Joh. Hil, von Wißbaden, Capl. 1597 – ward 1601 Pf. in Erbenheim im Wißbadischen. Conrad Schenck, Capl. 1601 – 1606. Joh. Knefeli, von Wißbaden, Capl. und zugleich Rektor in Wißb. wie auch Pf. zu Clarenthal – st. 1614 – Nicolaus Brustenbach, Pf. 1614 – vorher Pf. in Hirtzenhain im Stollbergischen, ward 1621 Pf. in Dotzheim im Wißbadischen. (Um diese Zeit ist die Pfarr-Gemeinde zu Wißbaden annoch, L. St. f. 244, bey abgelegter Probe-Predigt eines in die Wahl genommenen Predigers, um ihr Votum oder Gutachten befraget worden.) Michael Scherffius, von Idstein, Vice-Capl. in Wißb. und zugleich Pf. in Sonnenberg im Wißbadischen, 1614. Nicolaus Freinsheim, Capl. 1614 – hat vorher in der [339] Unter-Grafschaft Catzenellenbogen im Predigt-Amt gestanden, st. 1624. Johann Martin Schott, Pf. 1621 – st. 1622. Joh. Conrad Schott, Pf. 1622 – vorher Capl. in Idstein. Joh. Georg Wepperer, Capl. 1627 – Caspar Erasmus Weller, von Rödelheim im Solmsischen, Capl. 1628 – ward 1630 Pf. in Erbenheim im Wißbadischen, und folgends Pf. in Pfraunheim im Solms- und Hanauischen. Joh. Philipp Cramer, von Elckershausen im Weilburgischen, Pf. 1628 – nachmals auch Definitor; Er hat meistens, währendem dreyßig-jährigen Kriege, das Pfarr-Amt in Wißb. alleine, und dabey auch das Pfarr-Amt zu Sonnenberg und Dotzheim im Wißbadischen, wie auch das Schul-Amt in Wißbaden zugleich versehen. In den Jahren 1644 und 45 aber, in welchen das Kriegs-Elend und die Gefahr in Wißbaden, wie oben berichtet worden, allzugroß gewesen, hat er sich etliche mal mit samt seiner Familie nach Franckfurt am Mayn in Sicherheit begeben, da denn die Stadt Wißbaden, geraume Zeit hindurch, ohne Pfarrer, aber auch fast ohne Einwohner gewesen ist, wie denn, laut dem damaligen eigenhändigen Kirchen-Buche dieses Pf. von dem 16 Octob 1644 an, bis auf den 16 Novemb. 1645 kein einziges Kind in Wißbaden ist getaufet worden. Er st. 1655. Joh. Friedrich Andrae Schönbach, Pf. 1630 – 1635. [340] Er war der erste, welcher zweyter Pf. an statt des bisher gewöhnlich-gewesenen Caplans, worden ist. Marsilius Sebastiani, Pf. 1648 – nachmals auch Definitor, vorher Pf. In Erbenheim im Wißbadischen; Er hat sich, wie bereits oben berichtet ist, zugleich bey seiner Amts-Verwaltung sehr starck um den Stein der Weisen bemühet. Eberhard Tilemann, Pf. – 1660 – . Gabriel Zehner, von Butzbach, Pf. 1663 – vorher Conrector in Idstein, st. 1673. Joh. Georg Rieger, von Walsdorf im Idsteinischen, Pf. 1673 – vorher Pf. in Rhod im Idsteinischen, st. 1685. Joh. Hofmann, von Grünberg in Hessen, Pf. 1685 – vorher Pf. zu Sonnenberg im Wißbadischen, und noch vorher Rector in Wißbaden, st. 1688. Christian Philipp Leutwein, war der erste, welcher als Inspector und Ober-Pfarrer den andern Pfarrern in der Stadt und Herrschaft Wißbaden vorgesetzet worden 1685 – vorher Pf. in Gronau im Erpachischen, ward 1690 Superintendens in Waldburg im Hohenlohischen. Andreas Staphorst, von Hamburg, Pf. 1688 – vorher Informator an dem Nassau-Idsteinischen Hofe, ward 1690 Hof-Prediger in Darmstadt. Joh. Reinhard Schmidt, von Steinfischbach im Usingischen, Pf. 1691 – vorher Pf. in Schirstein im Wißbadischen, und noch vorher Rector in Wißbaden, st. 1721. Joh. Adam Schmidt, [341] von Worms, Insp. 1692 – vorher Superintendens des in Türckheim in der Grafschaft Leiningen-Hartenburg, und noch vorher Insp. in Collgenstein der Grafschaft Leiningen-Heidesheim, ward 1699 Superintendens in Idstein. Christian Clemens Gärtner, von Idstein, Insp. 1700 – legte dieses Amt 1712 wegen Leibes-Schwachheit nieder. Joh. Georg Stern, von Wißbaden, Insp. und zugleich Nassau-Idsteinischer Hof-Prediger 1712 – vorher ProRector in Idstein, st. 1721. Joh. Huldarich Hiltebrandt, von Speyer, Vice-Pf. 1716 – vorher Diac. und Mit-Pf. zu Cronberg an der Höhe, ward 1718 Pf. in Homburg im Westrich. Egidius Günther Hellmund, von Nordhausen in Thüringen, Insp. 1721 – vorher Pf. in Wetzlar, noch vorher in Daden in der Grafschaft Sayn, noch vorher in Bercka an der Werra, und noch vorher Feld-Prediger unter den Sachsen-Eisenachischen Trouppen, st. 1649. Georg Valentin Schmidt, von Wißbaden, Vice-Pf. 1719 – Pf. 1722 – Er war der erste, welcher zum dritten Pf. geordnet worden, ward 1734 Pfarrer in Bärstadt im Hessen-Rheinfelsischen. Joh. Philipp Andreae, von Ehrenbach im Idsteinischen, Pf. 1722 – vorher Hof-Capl. an dem Nassau-Idsteinischen Hofe, st. 1735. Joh. Seipel, von Idstein, Pf. 1734 – vorher Rector in Wißb. und Pf. zu Clarenthal, ward 1744 Pf. in [342] Usingen. Carl Heinrich Flick, von Usingen, Pf. und zugleich Rector 1736 – vorher Capl. in Schirstein, ward 1741 Pf. in Würsdorf im Idsteinischen. Joh. Conrad Schramm, von Wißbaden, Pf. und zugleich Rector 1741 – nachmals Pf. allein, vorher Capl. in Moßbach im Wißbadischen, st. 1755. Joh. Wendel Pfaffenberger, von Idstein, Pf. 1744 – vorher Rector und Pf. in Usingen, ward 1749 Pf. in Idstein, und folgends Insp. in Rödelheim im Solmsischen. Christian Wilhelm Groote, von Reichelsheim in der Wetterau, Pf. 1749 – vorher Pf. in Strintz Trinit. im Idsteinischen, ward 1756 Insp. in Usingen. Joh. Friedrich Droosten, von Swerta in Westphalen, Insp. 1749 – vorher Insp. in Collgenstein in der Grafschaft Leiningen-Heidesheim, und noch vorher Pf. in Worms, ward 1757 Superintendens in Idstein. Christian Ferdinand Noell, von Mertzhausen im Usingischen, Pf. 1756 – vorher Capl. in Moßbach im Wißbadischen. Otto Conrad Zisler, von Bischoffsheim am Mayn im Darmstädtischen, Pf. 1757 – . Was die Filial-Kirchen, welcher etwan vormals zu der Pfarr-Kirche zu Wißbaden mögen gehöret haben, anbelanget, so ist davon keine weitere Nachricht in den Wißbadischen Urkunden zu finden, als daß der benachbarte Ort Sonnenberg ehemals in die Wißbadische Kirche eingepfarret gewesen. Es hat solches [343] bis in das 16 Jahrhundert, und also vermuthlich bis zur Einführung der Evangelischen Religion in die Herrschaft Wißbaden gedauert. Da auch mehrmalen einige auswärtige Prediger und berühmte GOttes-Gelehrte bey Gelegenheit des von ihnen gebrauchten warmen Gesund-Wassers zu Wißbaden, oder auch durch anderweitige Veranlassung in diese Stadt gekommen, und auf geschehenes Ersuchen die Cantzel in der dasigen Kirche betreten haben, so verdienet sonderlich angemercket zu werden, daß in dem Jahr 1714 und 15 Joh. Henrich May, Theol. Professor zu Gießen, bey Gelegenheit einer gebrauchten Bad-Chur, jedesmal am zweyten Pfingst-Tage; und im Jahr 1717 August Herman Francke, Theol. Professor zu Halle in Sachsen, bey einer gethanen Durch-Reise, an dem 17 Trinit. da zugleich ein Danck-Fest wegen eines über die Türcken von den Teutschen erhaltenen Sieges gefeyert wurde, daselbst geprediget haben, und ist die Predigt des letzten, unter dem Titel: Nassau-Idsteinisches Denckmahl, in dem Druck gegeben worden.

2. Der Kirch-Hof, oder der Ort des öffentlichen Begräbnüsses. Dieser ist vormals dicht bey der bisher beschriebenen Pfarrkirche, (nach der fast allgemeinen Gewohnheit der vormaligen Zeiten) und zwar rund um [344] dieselbe her, befindlich- und mit einer eigenen Mauer umgeben gewesen. Es sind nicht nur auf dem Kirch-Hofe selbst, sondern auch an der äusseren Kirch-Mauer auf demselben vormals viele merckwürdige Grab-Schriften mancher allda in den vorigen Zeiten begrabener Personen vorhanden gewesen. Es sind aber die erste gäntzlich abgegangen, und von den letztern sind auch nur noch einige wenige vorhanden. Die älteste derselben stehet oben in der Chor-Mauer, und ist im Jahr 1383, wie die darauf befindliche Jahr-Zahl anzeiget, errichtet worden. Es ist aber der Inhalt derselben, wegen der abgängig-gewordenen alten Schrift, nicht wohl mehr zu lesen und zu verstehen. Neben an der vörderen Kirch-Thür in der Mauer ist auch noch eine Grabschrift eines vormals in dem Jahre 1615 daselbst begrabenen Mannes von Franckfurt am Mayn vorhanden, welche verdienet ausdrücklich bemercket zu werden. Es ist dieselbe einem Buchdrucker und Buchhändler aus dem gemeldten Franckfurt, Nahmens Zacharias Palthenius, welcher in dem benennten Jahre in Wißbaden, bey gebrauchter Bad-Cur daselbst gestorben, zum Andencken errichtet worden. Es ist aber dieser Mann gar ein seltener Buchdrucker und Buchhändler gewesen. Denn er war zugleich dabey ein Doctor in den Rechten und in der Welt-Weisheit, und überhaupt ein sehr gelehrter Mann, der zwar Bücher gedruckt und [345] verkauft, aber auch selber Bücher gemacht hat. Wie er denn auch sonderlich in der Griechischen Sprache eine grosse Kundschaft besessen, und verschiedene wichtige Schriften aus derselben in das Lateinische übersetzet und zum Druck gegeben hat. Dergleichen gelehrte Buchdrucker und Buchhändler werden heut zu Tage wenige mehr gefunden. Weil der benachbarte Ort Sonnenberg, wie kurtz vorher berühret worden, vormals in die Pfarr-Kirche zu Wißbaden eingepfarret gewesen, so sind auch die Todten desselben damals auf diesen Wißbadischen Kirchhof (L. St. f. 54) begraben worden, welches aber, da nachmals derselbe seine eigene Pfarr-Kirche erhalten, von selbsten seine Endschaft genommen hat. Es hat vormals auf diesem Kirchhof auch einen Bein-Haus, nach Gewohnheit der vorigen Zeiten, gestanden, in welchem ein, dem Ertz-Engel Michael gewidmeter, Altar befindlich gewesen, und kommt in den Wißbadischen U. unterm Jahr – – 1400 – – vor Conrad Armbruster Altariste des H. Michaels in Wißbaden; und um das Jahr – – 1470 – – Henrich Leyher auch Altariste desselben. Es ist aber um das Jahr 1504, weil die Einwohner des Wißbads diesen Michaels-Altar sehr unfleißig besuchet haben, und öfters fast niemand als der Altar-Priester gantz allein zur Zeit des Gottes-Dienstes dabey sich eingefunden hat, von dem Ertzbischof zu Maintz, [346] Jacob, auf geschehenen Antrag, L. U. verordnet worden, die zu diesem Altar gehörige Gottes-dienstliche Verrichtungen in die Wißbadische Pfarr-Kirche, entweder auf den hohen, oder einen andern Neben-Altar, zu verlegen, doch so, daß die besondere Fest-Tage dieses Ertz-Engels annoch jährlich in dem Bein-Haus vor dem gemeldten Altar desselben sollten begangen werden. Es ist nachmals das Bein-Haus selbst, und also auch der Altar desselben, (welcher zwey Altaristen gehabt hat) eingegangen. In dem Jahr 1573 wurde bey den Einwohnern unseres Wißbads (L. St. f. 54) in den Vorschlag gebracht, den Kirchhof oder die gemeine Begräbnüsse von der Kirche weg, und vor das Heidnische Thor zu verlegen. Es kam aber dieser Vorschlag damals nicht zu Stande. Doch wurden einsweil die Armen daselbst hin begraben, und dieser Begräbnüß-Ort, weil er an der Heidnischen Mauer lag, damals insgemein der Heidnische Kirchhof genennet. Um das Jahr 1690 aber wurde endlich (weil der alte Kirchhof bey der Pfarr-Kirche, wegen des starcken Anwachses der Einwohner des Wißbads, zu den Begräbnüssen zu klein hat werden wollen, auch sonst noch andere Ungemächlichkeiten sich dabey geäusert) der gesammte Burger-Kirchhof, oder das gemeine Stadt-Begräbnüß würcklich an den gemeldten Ort, vor das Heidnische Thor, verleget, und zu dem Ende des daselbst gewesene [347] Stadt-Graben vollends gäntzlich geschleifet und ausgefüllet, auch dieser neue Kirchhof mit einer besonderen Mauer, wo es nöthig gewesen, umgeben und verwahret. In dem Jahr 1753 ist dieser gemeine Kirchhof, als er wiederum etwas zu klein hat werden wollen, durch Zuziehung einiger daselbst, nachdem Heidnischen Berge zu, gelegen-gewesener Feld-Stücken, vergrössert worden. Er heisset der Stadt oder Burger-Kirchhof, und die Armen in Wißbaden, sowohl einheimische, als dahin kommende frembde, haben dagegen wiederum einen besondern Begräbnüß-Ort neben dem Hospital daselbst überkommen, und wird solcher der Armen-Kirchhof genennet. Sonst werden auch noch zuweilen einige Todten, sonderlich Beamte und Prediger, in die Stadt-Kirche daselbst begraben. Wenn übrigens jemand von den alljährlich in Wißbaden sich aufhaltenden frembden Bad-Gästen mit Tode abgehet, so wird demselben auf dem gemeinen Burger-Kirchhof, und auch zuweilen (nachdem Person und Umstände sind) in der Kirche selbst, gegen die Erlegung der Gebühren, ein Begräbnüß-Ort vergönnet. Wenn man aber etwan Verlangen hat, einen solchen frembden Todten nicht in Wißbaden, sondern anderweitig zu Grabe bringen zu lassen, so pfleget die Amts-Obrigkeit der Stadt, auf beschehendes Ansuchen, die Abführung des Todten in der Stille, gegen die [348] Entrichtung der Gebühren, ebenfalls zu verwilligen. Sonst ist auch dermalen in unserer Stadt eine besondere Bruderschaft, oder Gesellschaft verschiedener Burger vorhanden, welche die Todten, auf Erfordern, und gegen Erlegung einer gewissen Erkänntlichkeit, zu Grabe zu tragen pfleget. Das Stadt-Gerichte aber traget die Todten seines Mittels, und die Zünfte der verschiedenen Handwercks-Genossen tragen die Todten ihres Mittels selber zu Grabe.

3. Die Capellen. Deren sind vormals verschiedene in Wißbaden befindlich gewesen, und zwar 1, die Lieb-Frauen-Capelle auf dem Sande. Diese hat gestanden in dem sogenannten Sauerlande an der Mühl-Gasse, dicht an der daselbigen Bach. Weil sie der Lieben Frauen oder Jungfrauen Marien gewidmet, und die Gegend, wo sie gestanden, vormals, ehe ein Herrschaftlicher Garten daselbst angeleget worden, sehr sandigt gewesen ist, so ist sie insgemein die Capelle unserer Lieben Frauen auf dem Sande genennet worden. Es ist dieselbe sonder Zweifel ehemals zu dem Ende errichtet worden, damit die Einwohner des Sauerlandes, wie auch die frembde Bad-Gäste allda, wegen ziemlich weiter Entfernung der Pfarr-Kirche von dieser Gegend, eine Pflegung des Gottes-Dienstes in dieser Capelle, mit einiger Bequemlichkeit [349] haben geniessen können. Die eigentliche Zeit, wenn solche errichtet worden ist, lässet sich zwar dermalen so genau nicht melden, doch ist es gar wahrscheinlich, daß sie erst nach dem Jahr 1211 müsse seyn erbauet worden. Denn es hat dieselbe ebenfalls vormals, wie die Wißbadische Pfarr-Kirche, den Teutschen Ordens-Rittern, L. U. zugehöret. Da nun aber dessen bey Abgebung dieser Pfarr-Kirche an solchen Orden unter dem Jahr 1211 in dem oben angeführten Schenckungs-Brief nicht gedacht, sondern nur allein die Pfarr-Kirche darin benennet wird, so ist solches eine ziemlich deutliche Anzeige, daß diese Capelle damals noch nicht vorhanden gewesen, sondern erst nachher erbauet worden sey. In dem Jahr 1316 ist zwischen dem gemeldten Teutschen Orden, und dem, im Rhingau liegenden, Closter Tiefenthal, (an welches der Pfarr-Satz der Wißbadischen Kirche und dieser Capellen, zur Helfte, durch besonderen Vertrag, von dem Teutschen Orden gekommen war) wegen dieser Capelle und der Besorgung des Gottes-Dienstes bey derselben, ein Zwiespalt entstanden, welcher aber, auf Ansuchen des Nassauischen Grafens Gerlachs, von dem damaligen Abten in dem Closter Erbach, als dem ordentlichen Visitatoren des Closters Tiefenthal, ist dahin geschlichtet worden, daß dem gedachten Closter Tiefenthal drey Tage in einer jeden Woche die [350] Besorgung des Gottes-Dienstes in dieser Capelle durch einen Priester, den dasselbe selber dazu ernennen könnte, ist zuerkannt worden. Man kan die Entscheidungs-Urkunde davon finden in des Gudenus Cod. dipl. P. III. p. 143. Um das Jahr 1500 muß diese Capelle, durch besondere, dermalen unbekannte, Zufälle, an ihrem Bau-Werck sehr schadhaft worden seyn, denn es ist dieselbe 1502 von des damaligen Nassau-Wißbadischen Grafens Adolphs III Gemahlin, Margaretha, einer gebohrenen Gräfin von Hanau, auf ihre eigene Kosten, L. U. neu erbauet, und derselben von dem Cardinal Ramund oder Raymund, Päpstlichen Gesandten in Teutschland, eine Bulle oder Gewalts-Brief zugefertiget worden, in welcher die Einwohner des Wißbads zu einem Beytrag zur völligen Auszierung dieser neuen Capelle vermahnet werden. Es hat auch eben damals dieser Cardinal dem gedachten Grafen Adolph eine Freyheits-Bulle gegeben, daß seinen Unterthanen in seinem gantzen Gräflichen Gebiete sollte erlaubt seyn, gegen Erlegung acht Denarien werden (welches vermuthlich ₰. oder Pfennige gewesen sind) von jeder Person, in der Fasten-Zeit Milch-Speisen zu geniessen, mit der angefügten Verordnung, daß der 10. Theil von diesem eingehenden Gelde dem Hospital zu Wißbaden, das übrige aber, theils der Kirche zu Wißbaden mit drey Viertheilen, theils dem Bau [351] der Lieb-Frauen-Capelle daselbst uf dem Sande mit einem Viertheile zu gut kommen sollte. Es hat übrigens diese Capelle, gleich allen andern Capellen in Wißbaden, vormals ihre besondere Capelläne und Altaristen gehabt, es finden sich aber die Personal-Nahmen derselben in keinen Wißbadischen Urkunden verzeichnet. Das Gebäude dieser Capelle stehet noch jetzo an dem gemeldten Orte. Die Uebung aber des öffentlichen Gottes-Dienstes in demselben ist bereits vor geraumer Zeit in Abgang gekommen, und wird das Gebäude dermalen zu einem anderweitigen Gebrauch angewendet. 2, Die S. Görgen-Capelle. Es wird dieser Capellen in den alten Wißbadischen Gerichts-Büchern vielmal gedacht, z. E. f. 111 – Der Hof bey S. Jörgen Capell zu Wießbaden. Item f. 299 – – zum Zynß zu S. Jörgen Capell hie zu Wießbaden etc. In welcher Gegend der Stadt aber dieselbe gestanden habe? Das wird nirgends gemeldet, und ist auch heut zu Tage keine Spur mehr davon zu finden. Es ist wahrscheinlich, daß sie in dem grossen Brande 1547 abgebrannt, und der Platz, wo sie gestanden, nachmals verbauet worden ist. 3, Die Marien Magdalenen-Capelle. Diese hat in dem alten Schlosse zu Wißbaden gestanden. Denn so heisset es in einer Urkunde des Nassau-Wißbadischen Grafens Adolphs vom Jahr 1490 – – Wir Adolph – – [352] und Margarethä – – den Altar der H. Marien Magdalenen in der Capellen unsers Schlosses zu Wießbaden – – Sie ist, als das Schloß in Abgang gekommen, vermuthlich, nach und nach verfallen. 4, Die Lieb-Frauen-Capelle im Hospital. Es wird ihrer in U. öfters gedacht, und unter andern in dem alten Gerichts-Buch f. 51, bey dem Jahre 1473, gemeldet, daß die Herren von Muden die rechtmäßige Stiffter des Altars der Lieben Frauen, in dem Spital zu Wießbaden gelegen, gewesen seyen, das ist, daß sie das Recht gehabt, diesen Altar an einen Altaristen zu vergeben. Auch kommt in U. um das Jahr – – 1460 – – vor Gottfried – – Capellan des Hospitals in Wißbaden, und um das Jahr – – 1473 – – Henrich Precon, Altariste des Lieb-Frauen-Altars in dem Hospital zu Wießbaden etc. Die meiste Häuser in Wißbaden haben vormals diesem Lieb-Frauen-Altar ihre gewisse Zinsen entrichten müssen. Uebrigens ist das ehemalige grosse Hospital-Gebäude, und also auch die Capelle desselben, nicht mehr vorhanden. 5, die Michaels-Capelle, in den alten Wißbadischen Schriften: Sente Michel genannt. Diese hat in dem Bein-Haus auf dem Kirchhof bey der Wißbadischen Pfarr-Kirche gestanden, und ist bereits kurtz vorher in Beschreibung dieses Kirchhofes Nachricht davon gegeben worden. Ausser diesen Capellen sind auch noch viele andere [353] kleine Heiligen-Gehäuse in der Stadt Wißbaden vormals befindlich gewesen, wie denn derselben hin und wieder in U. Meldung geschicht: z. E. S. Dönges (Antonius) hinter der Burgck, S. Peter an der Bach, S. Christophel etc. Ausserhalb der Stadt im Felde hat es auch nicht an dergleichen heiligen Gebäuden gemangelt. Sonderlich hat eine nahmhafte Capelle im Hayn-Garten, Hyn-Garten, Hengarten, oder (wie es heut zu Tage heisset) Hengert-Felde gestanden, welche der Lieben Frauen gewidmet gewesen, und um das Jahr 1515 (laut Gerichtsb. f. 193 und 188) errichtet worden ist. Auch ergiebt sich aus einigen Urkunden, daß eine H. Geistes-Capelle im Felde gestanden habe. Denn so heißt es z. E. l. c. f. 5, bey dem Jahr 1405: – – By Rodenborn oben an dem H. Geist. Item – – der Acker owendig (oben) an dem H. Geist etc. Ueberdas so haben sich auch sehr viele kleine Heiligen-Häuser in dem Wißbadischen Felde hin und wieder befunden, wie denn nur allein zwischen Wißbaden und Dotzheim drey derselben gestanden haben. Item eines und das andere auf dem Elfelder oder Schirsteiner Weg. Item auf dem Moßbacher Berge. Item am Lauber- oder Leuber-Berg (Leber-Berg). Item bey Kalckborn, wo S. Dönges Heiltum (wie es l. c. f. 123 heisset) die Benedeiung gegeben etc. Auch geben die alte Nahmen des [354] Michael-Berges, (gleich vor dem Stumpfen-Thor) des Creutz-Berges, (oben an der Dieden-Mühle) des helgen oder heiligen Stocks, das helgen oder heiligen Borns, (deren Gegenden noch jetzo bekannt sind) etc. genugsam zu erkennen, daß vormals ebenfalls ein und die andere Heiligthümer an solchen Orten sich befunden haben. Es wird auch in U. einer Wißbadischen Cluse oder Clause (Einsiedlers-Wohnung) gedacht, wo aber dieselbe eigentlich befindlich gewesen? davon ist keine Nachricht vorhanden. Und die Spuren, wo dergleichen Gebäude vormals gestanden haben, sind in den langwiehrigen Kriegs-Zeiten des 17 Jahrhundert gantz zu Grunde gerichtet worden. An dem so genannten Holler-Born in dem Wißbadischen Felde haben sich noch vor kurtzem die Spuren von einem vormals daselbst gestandenen Gebäude gefunden. Ob aber dasselbe ebenfalls vor diesem eine Feld-Kirche, oder sonst ein anderweitiges Gebäude gewesen sey? das lässet sich, aus Mangel weiterer Nachricht, nicht melden.

4. Die Schule. Diese stehet auf dem alten Kirchhofe nahe bey der Kirche. In dem Jahre 1570 ist das gantz alte baufällige Gebäude derselben, L. St. abgebrochen, und ein neues errichtet worden. Dieses hat gestanden bis in das Jahr 1730, da dasselbe, weil es abermal baufällig geworden, und dabey vor [355] die viele Schul-Jugend zu klein gewesen, wiederum abgebrochen, und ein neues auf die Stelle desselben erbauet worden ist. Auch ist einige Jahre vorher noch eine besondere Schul-Wohnung in dem Bad- oder Sauerlande vor die Jugend derselben Gegend, welche sonst vormals die gemeldte Stadt-Schule ebenfalls hat besuchen müssen, errichtet worden, und ist auf diesem Schul-Haus zugleich die Uhr des Sauerlandes befindlich. Die verschiedene Schul-Arbeiten in solchen Schulen werden in den Teutschen Schulen durch einen Cantorem und etliche Praeceptores, in der Lateinischen aber durch einem Rectorem verrichtet. Die Praeceptores, welche von Zeit zu Zeit an den Teutschen Schulen gestanden haben, sind mehrentheils, ihren Nahmen nach, unbekannt. Die Rectores aber, welche der Lateinischen Schule vorgestanden, und gemeiniglich auch das Pfarr-Amt in dem Closter Clarenthal, nach geschehener Abänderung desselben, versehen haben, sind zwar nicht alle, aber doch diejenige, welche seit 1600 gelebet haben, meistentheils bekannt; und sind solche die folgende: – Joh. Knefeli, von Wißbaden – war zugleich Caplan in Wißbaden, starb 1614. Walther Stern, – 1619 – In den nachmals erfolgten Zeiten des dreyßig-jährigen Krieges hat das Rectorat in Wißb. und das damit verknüpft-gewesene Pastorat in Clarenthal gantz darnieder [356] gelegen, und hat sich das gesammte Schul-Wesen in Wißbaden in einem solchen elenden Zustande befunden, daß der damalige Pfarrer daselbst, Joh. Philipp Cramer, öfters das Amt eines Schul-Lehrers selber hat versehen müssen. Joh. Hofmann, von Grünberg in Hessen – 1651 – ward nachmals Pf. in Sonnenberg, und folgends in Wißbaden. Ludwig Cramer, von Wißbaden, – 1670 – Joh. Wilhelm Wilckün, von Sonnenberg, – 1680 – ward 1684 Pf. in Sonnenberg, und folgends in Bierstadt im Wißbadischen. Joh. Reinhard Schmidt, von Steinfischbach im Usingischen – 1689 – ward 1690 Pf. in Schirstein im Wißbadischen, und folgends in Wißbaden. Joh. Philipp Scholl, von Wißbaden 1690 – ward nachmals Conrector in Idstein, und folgends Pf. in Moßbach im Wißbadischen. Joh. Jacob Wagner, von Wißbaden, 1694 – st. 1712. Philipp Henrich Cramer, von Wißbaden, 1713 – st. 1721. Joh. Bartholomäus Zollmann, von Minsfelden im Trier- und Nassauischen, 1721 – ward 1728 Conrector in Idstein, und folgends Pf. in Bechtheim im Idsteinischen. Joh. Seipel von Idstein, 1728 – ward 1734 zugleich Pf. in Wißb. und 1736 Pf. allein, und folgends Pf. in Usingen. Carl Henrich Flick, von Usingen, 1736 – war zugleich Pf. in Wißb. ward 1741 Pf. in Würsdorf im Idsteinischen. Joh. Conrad Schramm, von [357] Wißb. 1741 – war zugleich eine Zeitlang Pf. in Wißb. ward aber nachmals Pf. allein. Georg Philipp Krauß, von Panroth im Idsteinischen, 1744 – ward 1750 Pf. in Idstein. Joh. Sebastian Kingling, von Wißb. 1751 – st. 1755. Joh. Georg Schellenberger, von Alten-Weilnau im Usingischen, 1755 –.

5. Das Hospital oder Armen-Haus, vormals das Spitail, Spitel oder Spedel benennet. Dieses stehet in dem so genannten Sauerlande, dicht an der daselbstigen Stadt-Mauer. Es bestehet aus einem Herberg-Hause, wie auch aus einem Bad-Hause vor die Armen, und sind diese beyde Gebäude schon mehrmalen erneuert worden. Es ist aber das gantz alte und erste Gebäude dieses Hospitals, L. U. viel grösser und weitläufiger gewesen, als das heutige. Die erste Gründung oder Stiftung dieses Armen-Hauses wird zwar insgemein dem oftgemeldten Kayser Adolph aus dem Hause Nassau zugeschrieben; Man kan aber davon keine schriftliche Beweis-Gründe in den Wißbadischen Urkunden ausfündig machen. Daß aber jedoch ein würcklicher Herr dieses Nassauischen Hauses solche Stiftung ehemals werde die bewerckstelliget, oder doch gefördert und gemehret haben, das ist um deßwillen sehr glaublich, weil es diesen Herren in den [358] vorigen Zeiten, L. U. gantz was eigenes gewesen ist, ihr Gedächtnüß durch allerley milde Stiftungen hier und dar ihren Landen zu einem unverwelcklichen Seegen zu setzen. Die Einkünfte dieses Hospitals sind vormals, L. U. sehr ansehnlich und von grosser Wichtigkeit gewesen. Denn es hat dasselbe seine betrachtliche Geld- und Frucht-Gefälle, zahlreiche Feld-Güter, verschiedene Häuser und Höfe in der Stadt, welche um gewisse Zinsen sind ausgeliehen worden, eigene Frucht-Mühle, Oel-Mühle, Back- und Brau-Haus etc. gehabt. Es sind aber die meiste dieser Güter durch die unseelige Zeiten des dreyßig-jährigen Krieges, bey allerhand vorgefallenen widrigen Zufällen, zerstreuet und veräusert, auch nachmals noch ein Theil derselben, wiewohl aus erheblichen Ursachen, wie Hellmund in seiner Thermogr. p. 169 und 246 berichtet, zu den Praesentz- oder Kirchen-Gefällen (welche ohnehin, zum Theil, den Armen zum besten angewendet werden) gezogen worden. Was also noch dermalen bey diesem Hospital an Einkünften, sowohl von alten als neuen Stiftungen, übrig ist, das bestehet in einigem Acker-Felde, etlichen Gärten, Holz-Genuß, etwas Gelde und Korn aus den Closter-Clarenthalischen und Praesentz-Gefällen, und freywillig gegebenen zufälligen Almosen. Wie denn auch dasjenige wenige Vermögen, welches etwan die, in diesem Hospital, sterbende [359] Personen annoch hinterlassen, demselben, kraft alter Verordnung, anheim zu fallen pfleget. Es wird sie dieses alles durch einen zeitlichen Hospital Verwalter (vormals der Spital-Meister, Spital-Pfleger, benahmet) und einem, demselben nachgesetzten, Spital-Vatter (welcher vormals, da die Hospital-Güter noch völlig beysammen waren, der Spital-Hofmann hieß) dermalen verwaltet. Es werden aber in dieses Hospital keine andere frembde Armen aufgenommen, als diejenige, welche von dem zeitlichen Hospital-Verwalter, nach geschehener Prüfung und befundener Richtigkeit ihrer Bad-Zeugnüssen, die Anweisung dazu erhalten, und wird dabey auf keinen Unterschied der Religion bey ihnen gesehen. Doch geschicht solche Aufnahme nur allein in der jährlichen Bad-Cur-Zeit, und zwar von der Mitte des Monats May an, bis in die Mitte des Monats Octobers. Was die Verpflegung solcher aufgenommenen Armen anbelanget, so haben einige derselben nur allein die freye Herberge und den Gebrauch des Hospital-Bades zu geniessen; einige derselben aber werden auch mit warmer Speise, nach Befinden der Sache, versehen. Und die Krancke unter denselben haben nicht nur von dem ordentlichen Medico und Physico der Stadt den nöthigen Rath und Aufsicht zu geniessen, sondern es wird auch denselben, in gewissen Fällen, die erforderliche Artzeney auf Kosten [360] des Hospitals verschaffet. Es ist aber auch zugleich solchen, in diesem Hospital sich aufhaltenden, Armen eine Christliche Zucht- und Sitten-Ordnung von hoher Landes-Obrigkeit angewiesen, nach welcher sie sich richten, und unter andern auch, kraft derselben, sämmtlich (die bettlägerige ausgenommen) einem gemeinschaftlichen Morgen- und Abend-Gebät und Gesang, unter der Aufsicht des zeitlichen Hospital-Vatters, geziemend beywohnen müssen. Uebrigens wird auch den frembden durchreisenden Armen, und sonderlich den siechen und preßhaften Personen, wenn sie mit beglaubten Zeugnüssen versehen sind, und nicht als Betrüger erfunden werden, ein Zehr-Pfenning aus diesem Hospital gereichet. Den so genannten Collectanten aber, oder denjenigen frembden Armen, welche zu Zeiten, wegen allerley zugestossener schwerer Unglücks-Fällen, einiges Almosen, von Ort zu Ort, entweder vor sich selbst oder vor andere, vermittelst Aufweisung sicherer Beglaubigungs-Schreiben, zu sammlen pflegen, wird nicht aus diesem Hospital, sondern aus den Praesentz-Gefällen, und mannichmal auch, nachdem die Umstände sind, aus den gemeinen Stadt-Einkünften die gewöhnliche Beysteuer abgegeben. Was die Haus-Armen der Stadt betrift, so wird denselben ein gewisser Theil von denen Almosen, welche sie wöchentlich zweymal, des Sonntags und des [361] Mittwochs, vor den Thüren der Stadt-Einwohner, an Geld und Brod sammlen, ordentlich, in dem Hospital-Gebäude, ohne Beobachtung des Unterschieds der Religion bey ihnen, ausgetheilet, und solche Austheilung mit Gebät und Gesang beschlossen. Der überbleibende Theil aber solcher gesammleten Almosen wird so fort durch Rechner und Gegen-Rechner in die gemeine Einnahme des Hospitals übertragen. Es werden aber unter die Zahl solcher Haus-Armen, welche das gemeldte Almosen bekommen, keine andere aufgenommen, als diejenige, welchen das Herrschaftliche Consistorial-Convent, nach vorher geschehener Untersuchung ihrer Nahrungs- und Lebens-Umständen, die Anweisung dazu ertheilet. Damit aber auch die Einwohner der Stadt, und sonderlich auch die ankommende frembde Bad-Gäste, vor einem weiteren unziemlichen Ueberlauf der mancherley einheimischen und ausländischen Armen, auf den Strassen und in den Häusern, gesichert seyn, und mehr andere besorgliche Unordnungen bey diesen Hospital- und Armen-Anstalten desto besser verhütet werden mögen, so sind einige Armen-Vögte geordnet, welche auf diese sämmtliche Armen in und ausser dem Hospital eine beständige Aufsicht zu halten haben. Sonst hat vormals neben dem Hospital-Bad auch noch ein besonderes Siechen- oder Aussätzigen-Bad-Haus gestanden, welches in [362] dem Jahr 1584 (laut Gerichtsb.) vor das Hospital erkaufet, und zu demselben geschlagen worden ist. Man hat solches insgemein (L. St. f. 38) das Bad der guten Lüten oder Leuten genennet. Wie denn bekannt ist, daß man dergleichen sieche oder aussätzigen Leute in den vorigen Zeiten mit dem Nahmen der guten, das ist bejammerns-würdigen Leuten zu belegen, gewohnt gewesen ist. Und sind denselben zu gut hier und da bey manchen grossen Städten öffentliche Siechen- und Krancken-Häuser, welche den Nahmen der Häuser und Höfe zu den guten Leuten haben, und zum Theil, an verschiedenen Orten, noch jetzo vorhanden sind, errichtet worden. Daß übrigens das gemeldte Hospital in Wißbaden auch vormals seine eigene Haus-Capelle gehabt habe, wie auch, daß der ordentliche Begräbnüß-Ort vor die Armen vormals vor dem Heidnischen Thor vorhanden gewesen, dermalen aber bey dem Hospital selbst befindlich sey, das ist bereits kurtz vorher, in Beschreibung der Wißbadischen Capellen und des Kirchhofes, berichtet worden.

6. Das Waysen-Haus. Dieses stehet in der so genannten Stadt unseres Wißbads, dichte an der daselbstigen Stadt-Mauer und dem so genannten Maintzer-Thor. Es ist dasselbe dem Jahr 1713 aus lauter freywilligen milden Gaben der damaligen hohen [363] Landes-Herrschaften und anderer gutthätigen Personen errichtet, auch bisher aus solchen zufälligen Beysteuern, welche sowohl Einheimische als Frembde beygetragen (besag der besonderen Nachrichten, welche gemeiniglich alle Jahre davon in den Druck gegeben werden) mehrentheils erhalten, und dadurch eine nahmhafte Anzahl armer Waysen-Kinder nothdürftig verpfleget worden. Und wird zu dem Ende nicht nur ein Praeceptor und Haus-Verwalter, sondern auch andere, bey dergleichen Anstalten nöthige, Personen beständig in demselben unterhalten, und zwar unter der Direction und Aufsicht des zeitlichen Inspectoris und Ober-Pfarrers in Wißbaden. Es ist auch ein kleiner Buchladen in diesem Waysenhause befindlich, welcher einige nützliche Bücher in seinem Verlag hat. Die an dieses Haus anstossende alte Stadt-Gräben sind von der hohen Landes-Herrschaft an dasselbe abgegeben, und nachmals in nützliche Gärten verwandelt worden. Auch ist ohnweit Wißbaden in dem offenen Felde eine Hanf-Stampf-Mühle befindlich, welche diesem Waysenhause zugehöret. So denn hat auch dasselbe einiges Holtz aus den Landes-Herrschaftlichen Waldungen, ohne Entgeld, zu geniessen. Auch kommt ihm, kraft einer besonderen Herrschaftlichen Verordnung, dasjenige Almosen-Geld zu, welches jedesmal an den Sonn- und Feyer-Tägen bey dem [364] nachmittägigen Gottes-Dienst in den Kirchen zu Wißbaden und zu Idstein durch den Klingel-Beutel gesammlet wird. Wie es denn auch einige Landes-Herrschaftliche geistliche Dispensations-Gelder, in gewissen Fällen, vor beständig zu geniessen hat.

Es hat auch in dem Jahr 1730 ein besonderes Zucht- und Arbeits-Haus in unserm Wißbad sollen errichtet werden, und ist bereits ein, zu demselben sich schickendes, Haus, nebst verschiedenen dazu gehörigen Nothwendigkeiten, beyhanden gewesen. Es ist aber die würckliche Vollziehung dieses Vorhabens, wegen einiger in den Weg gekommener Hinderungen, bisher unterblieben.

7. Die Schlösser. Diese stehen in der so genannten Stadt des Wißbads, und zwar gantz nahe beysammen. Es sind ihrer eigentlich zweye. 1, das gantz alte Schloß. Dieses ist vermuthlich bald Anfangs, als die Grafen von Nassau die Stadt Wißbaden überkommen haben, von denselben erbauet worden. Es hat ehemals die Burg geheissen, und ist mit besondern grossen Wasser-Gräben umgeben, auch mit Mauern, Zwingern und verschiedenen Thürnen, deren einige noch gegen das Ende des 17 Jahrhundert zu sehen waren, befestiget gewesen. Es hat auf der einen Seite dicht an oder in der oben [365] beschriebenen Heidnischen Mauer, welche sich daselbst vorbeygezogen, gestanden, ist aber doch auch zugleich von dem übrigen Theil dieser Mauer, durch seine Wasser-Gräben, wie noch zu sehen ist, abgesondert, auch das Schloß-Gebäude selbst von dem Mauer-Gebäude gantz unterschieden gewesen. Daher es also irrig ist, wenn einige haben meynen wollen, es sey dieses Schloß von gleichem Alter und Bau-Art, als die Heidnische Mauer selber, denn beyde sind von einander gantz und gar unterschieden. Die Mauer ist in dem Römischen Wißbad, wie oben gezeiget ist, das Schloß aber ist in dem Nassauischen Wißbad, wie die Bau-Art und andere Weisthümer zeigen, erbauet, und beyde Stücke sind blos allein durch einen zufälligen Anbau oder Anschluß, auf der einen Seite, mit einander vereinigt worden. Es hat dieses Schloß den Nassau-Wißbadischen Grafen, so lange dieselbe in Wißbaden selbst ihre Residentz gehabt haben, zu einem ordentlichen Wohn-Sitz, und zugleich auch zu einer Burg oder Festung bey allerley vorgefallenen Fehden und Kriegs-Ueberzügen, gedienet. Nachdem aber die Herrschaftliche Hofhaltung in dem 16 Jahrhundert nach Idstein verleget, und ein neues Schloß in Wißbaden erbauet worden, so ist dieses alte Schloß, zumal bey den bald hernach eingefallenen langwiehrigen Kriegs-Zeiten, nach [366] und nach gantz in den Abgang gekommen, und ist dermalen nichts mehr von demselben übrig, als einige alte Stücke, welche zu einem Herrschaftlichen Kelter- und Keller-Haus sind nachmals zugerichtet worden. Es ist auch ehemals ein Bad in diesem Schloß vorhanden gewesen, und ist das, dazu nöthig gewesene, warme Wasser aus dem Adler-Brunnen durch Canäle oder Wasser-Rinnen dahin geführet worden. Es ist aber dieses von dem Schloß besessene Wasser-Recht nachmals, wie Hoernigck in seinem Wißbadischen Bad-Buch meldet, dem Bad Haus zum Bären käuflich überlassen worden. Daß auch vormals in diesem Schloß eine besondere Schloß-Capelle gestanden habe, das ist bereits oben in Beschreibung der Wißbadischen Capellen, berichtet worden. 2, das neue Schloß. Dieses stehet nahe bey dem vorgemeldten alten, und ist im Jahr 1596 von Joh. Ludwigen, Grafen zu Nassau-Wißbaden und Idstein, erbauet, und zugleich eben damals in dem Hof des Schlosses ein ansehnlicher Marstall errichtet worden. Der Marstall ist an der einen Seite (eben wie das vorgedachte alte Schloß) auf die Grund-Stücke der mehrgemeldten Heidnischen Mauer, welche daselbst vorbeygezogen, an- und eingebauet, und stehet derselbe noch jetzo in seiner ersten Verfassung. Das Schloß selbst aber ist zu Ausgang des 17 [367] Jahrhundert von dem Nassau-Idsteinischen Fürsten Georg August gantz erneuert und vergrössert worden. Das unterste, von Steinen erbauet-gewesene, Stock-Werck ist stehen geblieben. Das Ober-Gebäude aber, welches von Holtz gewesen, ist abgenommen, und ein neues von Steinen darauf gesetzet, auch noch ein besonderes neues Stück neben an das gantze Gebäude angestossen worden. Es war dieses erneuerte Schloß eigentlich von dem gedachten Fürsten zu einem Wittwen-Sitz vor dessen Gemahlin Henrietta Dorothea, aus dem Fürstlichen Hause Oettingen, bestimmet. Er hat aber auch selber mit seinem gantzen Hof-Stat, ehe er das Schloß zu Biebrich erbauet, gar öfters in demselben sich aufgehalten. Nach seinem, im Jahr 1721 erfolgten, Tode aber hat die gedachte Gemahlin würcklich ihren Wittwen-Sitz bis an ihr 1728 erfolgtes Ende daselbst genommen. Dermalen ist in demselben die Fürstliche Regierung, und auf dem gemeldten dabey stehenden Marstall die Fürstliche Hof-Renth-Cammer befindlich. An dem äussersten Ende des Schloß-Hofes, (welcher in den alten Herrschaftlichen Urkunden der vorigen Zeit benennet wird: – – unser Friehof, item – – unser Fronhof, den wir von dem hiligen Riche han – – ) nach dem warmen Damm zu, hat vormals ein alter starcker Thurn gestanden, welcher, weil das Ober-Theil [368] desselben zerfallen war, insgemein der Stümpert ist genennet worden. Er soll, dem gemeinen Vorgeben nach, zu der alten Heidnischen Stadt-Mauer, welche sich vormals bis dahin erstrecket hat, gehöret haben. Er ist in den vorigen Zeiten zu einem gemeinen Gefängnüß gebrauchet, aber nunmehr vor kurtzem völlig abgebrochen worden. In dem Jahr 1702 auf den ersten Pfingst-Tag gegen Abend hat das Donner-Wetter in dieses neue Schloß eingeschlagen, und sind durch diesen Schlag zwey Herrschaftliche Hof-Diener, als sie das Essen zu der Herrschaftlichen Abend-Tafel haben auftragen wollen, in der Küche daselbst getödtet, und noch ein anderer starck beschädiget worden. Vorgedachter Fürst Georg August befand sich, nebst Dero gantzen Hof-Haltung, damals in diesem Schloß zugegen. Und weil GOtt, bey dieser so nahen Gefahr, die sämmtliche Herrschaft vor Unfall in Gnaden behütet hatte, so wurde Ihme von derselben, und allen vorhanden-gewesenen hohen und niederen Hof-Bedienten, so gleich in einer ausserordentlich-angestellten Bet-Stunde auf den Knien davor schuldigst gedancket. Es waren damals, als dieses Donner-Wetter eingeschlagen hatte, ein starcker widriger Geruch, welcher einem Schwefel-Geruch ziemlich gleich kam, in Wißbaden zu verspüren. Uebrigens liegen nahe bey diesen jetzt-benannten und beschriebenen Schlössern [369] auch einige Herrschaftliche Gärten. Und vor dem so genannten Stadt-Thor ist ebenfalls ein grosser Herrschaftlicher Garten befindlich, welcher in dem Jahr 1688 ist angeleget worden.

8. Das Rathhaus. Dieses stehet in der eigentlichen vormaligen kleinen Stadt des Wißbads, und zwar an dem Marckt-Platz derselben. Das gantz alte vormalige Rathhaus der Stadt hat, L. U. neben dem Gast-Hause zum Einhorn gestanden, und hat die Höttin oder die Hütte geheissen. Es kommt dieses alte Rathhaus schon um das Jahr 1400 in den Wißbadischen Urkunden vor, und weil es in denselben gemeiniglich heisset: die Burger der Stadt wären zusammen gekommen unter der Hütten, so scheinet es fast, als ob etwan damals ein Vorschoppen oder Vor-Gebäude vor diesem Haus, darunter sich die Bürger bequemlich haben versammlen können, gestanden, und daher dieses Haus dem Nahmen der Hütten überkommen habe. Als solches in der Mitte des 16 Jahrhundert dem Stadt-Gerichte bey seinen vorgekommenen Verrichtungen zu klein gefallen, so hat man zwar ein anderes gemeines Stadt-Haus mittlerweil zu einem Rathhaus gewählet, solches aber bald hernach dem Regierenden Landes-Herren, Grafen Balthasarn, auf dessen Begehren, abgegeben, [370] welcher es so denn abbrechen, und nach Nauroth hat versetzen lassen. Er hatte versprochen, der Stadt so fort ein neues Rathhaus zu erbauen. Er ist aber bald hernach Todes verfahren, und dadurch die Erfüllung dieses Versprechens sehr in das Stocken gerathen. Daher das Stadt-Gerichte wiederum seiner alten Hütten sich hat bedienen müssen. Bis endlich in dem Jahr 1609 der regierende Graf von Nassau-Saarbrücken, Ludwig, als damaliger neuer Landes- und Stadt-Herr, einen bequemen Platz, zur Errichtung eines neuen Rathhauses, abgegeben hat. Es heisset dieser Platz in den Urkunden hiervon der Hattsteinische Platz. Und hat er diesen Nahmen daher gehabt, weil derselbe und die darauf ehedem gestandene Gebäude vormals dem Geschlechte derer von Hattstein zugehöret haben. Es wird auch zugleich in den gedachten Urkunden gemeldet, daß dieser Platz vornen an den Marckt-Platz, hinten aber an die Stadt-Mauer gegräntzet habe; und diese ist eben diejenige Stadt-Mauer, welche vormals den besondern Theil der Stadt, der sich von dem Uhr-Thurn an, bis an das Stadt-Thor, obgemeldter massen, in einer Rundung erstrecket hat, umgeben, und damals die Stadt-Mauer ist genennet worden. Es ist also auf diesen wohl-gelegenen Platz, in dem gemeldten 1609 Jahr, ein gantz neues Rathhaus erbauet, und dasselbe nicht nur mit [371] geräumlichen Gemächern, sondern auch mit drey grossen und brauchbaren Kellern (welche in dem warmen Wißbaden nicht überall angerichtet werden können) versehen worden. Es finden sich auswendig an demselben, und zwar vornen über den neben-seitigen Thüren desselben, diese Lateinische Zeilen:

Auf der einen Seite:

Ludwicus Magnus, Nassoja Gente creatus,
Excelsus Comes \& Pontis Sarae inclutus Heros,

Sarwerdaeque Comes, Lahræ Dominator in oris,

Wisbadiæque novus Pater, Idsteiniique Dynasta;

Hujus structurae fundum nostrae dedit urbi,

Huic ut Visipetum veterum decus adderet urbi.

Auf der andern Seite:

Cui nunc imposuit proprio aere manuque Senatus,

Er populus Domino gratus, quam conspicis eadem.

Ut sit Justitiae Sedes, ac Juris Asylum;

Hanc servet sartam, qui regnat Trinus et Unus.

M. Frid. Weber, Thermophilus

faciebat.

Extruebatur 27 die Novemb.

1609.

Das ist auf Teutsch kürtzlich so viel: „Der Graf Ludwig von Nassau-Saarbrücken – hat den Platz zu diesem Bau, zur Zierde der Stadt der alten Wisibäder geschencket, und der Rath und die Burgerschaft haben [372] auf ihre eigenen Kosten dieses Haus zu einem Sitz der Gerechtigkeit aufgeführet – welches GOtt bewahren wolle!“ Auf diesem Rathhaus werden nicht nur von dem Stadt-Gerichte die gehörige Gerichts-Täge oder Gerichts-Gebotte, sondern auch von dem Landes-Herrschaftlichen Amte die gewöhnliche Amts-Täge, und von dem Kirchen- oder Consistorial-Convent der wöchentliche Convents-Tag, zu bestimmter Zeit, dermalen gehalten, und die zu allen solchen Gerichts-Handlungen gehörige Schriften und Urkunden werden zugleich auf demselben verwahrlich aufgehoben. Auch wird die gesammte Burgerschaft zu Zeiten, und wenn es nöthig ist, durch ein mit der Glocke gebotenes Zeichen, auf dieses Rathhaus berufen, und ihr in der daselbstigen Gerichts-Stube das Erforderliche vorgetragen. Zuweilen aber werden auch die Landes-Herrschaftliche Verordnungen durch einen schriftlichen Anschlag auswendig an der Rathhaus-Thür, oder an den Stadt-Thoren der Burgerschaft bekannt gemacht. Vor dem Rathhause, auf dem freyen Marckt-Platz, wird vor dem Stadt-Gerichte, wenn etwan ein Uebelthäter zum Tode verurtheilet ist, das Blut-Gerichte über denselben an einer, mit einem rothen Tuche bedeckten, Tafel gehalten, und, der alten Gewohnheit nach, der Stab gebrochen. Auch werden auf diesem vor dem Rathhause befindlichen ziemlich-grossen und [373] ansehnlichem Marckt-Platze, von alten Zeiten, die gewöhnliche Wochen-Märckte, wie auch jährlich die vier grosse Jahr-Märckte, der erste Mittwochs nach Jubilate, der zweyte M. nach Johannis, der dritte M. nach Michaelis, und der vierdte M. nach Andreas-Tag gehalten. Es sind diese so Wochen- als Jahr-Märckte schon vor vielen hundert Jahren in Wißbaden im Gang gewesen, und ist das Recht, dieselbe anzulegen, ehemals unmittelbar von den Teutschen Kaysern, (wie ohnehin damals überall in Teutschland gewöhnlich war) L. U. erhalten worden. Es haben auch keine andere Oerter solches Recht damals erhalten können, als die Städte. Daß auch diese Jahr-Märckte vormals in unserer Stadt in sehr grossem Flor gestanden, und ein weitläuftiges Gewerbe auf denselben getrieben worden, das ist ebenfalls aus U. deutlich genug zu ersehen. Wie denn auch noch um das Jahr 1700 – die vier benennte Jahr-Märckte der Stadt jedesmal zwey Tage lang gewähret haben, und von grossem Umfang und Wichtigkeit gewesen sind. Der, vor dem gemeldten Rathhause auf dem Marckt-Platz stehende, ansehnliche Spring-Brunn ist im Jahr 1567 zu allererst errichtet worden. Er ist aber nachmals in den langwiehrigen Kriegs-Zeiten des 17 Jahrhundert dergestalt gantz und gar in den Abgang gekommen, daß er um das Jahr 1690 gantz von neuem hat müssen [374] angeleget werden. Es ist das Wasser zu demselben anfänglich und bey ersterer Gründung desselben von dem, in dem Wißbadischen Felde liegenden, so genannten Helgenborn durch Röhren in der Erde auf den Marckt-Platz geleitet worden. Man hat aber nachmals vor bequemer gefunden, das Wasser zu demselben aus drey Brunnen, welche vor dem so genannten Stumpfen-Thor in den Wiesen stehen, dahin zu leiten. Und in dieser Verfassung stehet dieser Brunn noch jetzo, und ist derselbe 1753 gantz erneuert worden. Uebrigens ist das Wasser dieses Brunnens das eintzige süsse oder schlechte Brunn-Wasser, womit die Stadt Wißbaden innerhalb ihren Mauern versorget ist, massen die andere darin vorhandene Quell- und Schöpf-Brunnen annoch vieles Saltz in ihrem Wasser haben, das übrige aber in der Stadt befindliche süsse Wasser von den offenen Bächen herkommt.

9. Der Löwe in dem Stadt-Wappen. Das alte Wappen der Stadt bestehet zwar eigentlich aus drey Lilien im blauen Felde, und rühret solches gantz vermuthlich, wie oben in der zweyten Abtheilung ist dargethan worden, von den Zeiten her, da Wißbaden unter der Herrschaft der Fränckischen Königen und Teutschen Kayseren gestanden hat. Es hat aber auch das Gerichts-Insiegel der Stadt, über diese drey Lilien, noch einen [375] Löwen in sich, und dieser ist, ohne allen Zweifel, der Löwe, welchen das Haus Nassau in seinem Geschlechts-Wappen zu führen pfleget. Und ist es also gantz glaublich, daß um die Zeit, da die Stadt Wißbaden an dieses Haus gekommen, das Stadt-Wappen in etwas geändert, und dieser Löwe, zu einem Zeichen der Nassauischen Herrschaft über dieselbe, in solches Wappen werde seyn gesetzet worden. Es sind aber diese zwey Wappen der Stadt, die drey Lilien nemlich und der Löwe, nicht in allen alten Stadt-Insiegeln zugleich befindlich, sondern in einigen stehen die drey Lilien allein, in einigen stehet der Löwe allein. In den Stadt-Insiegeln aber deren neueren Zeiten sind sie beysammen gesetzet. Doch werden in gewissen Fällen, z. E. an den öffentlichen Stadt-Gebäuden etc. die drey Lilien auch noch jetzo alleine gebrauchet.

10. Die Gassen. Die Anzahl derselben lässet sich, weil man die Haupt- und Neben-Strassen nicht überall genugsam von einander unterscheiden kan, nicht wohl bestimmen. Sie haben zum Theil annoch ihre alte Nahmen, die sie bereits in den vorigen Zeiten gehabt haben. Z. E. so kommen schon in den alten Wißbadischen Schriften die Nahmen der Langen-Gasse, der Gold-Gasse, der Moln-Gasse (Mühl-Gasse) etc. vor, welche [376] auch noch jetzo gewöhnlich sind. Zum Theil aber haben sie auch ihre alte Nahmen gantz und gar verlohren.Z. E. so wird in eben diesen Schriften mehrmals gedacht der Krämer-Gasse (St. f. 117 etc.) darin vermuthlich die meiste Kram-Läden der Stadt vormals werden befindlich gewesen seyn; Item, der Juden-Gasse (f. 84 etc.) darin die Juden vor ihrer Austreibung, deren oben gedacht ist, beysammen gewohnet haben etc. Die Krämer-Gasse wird so beschrieben, daß das Gast-Haus zum Einhorn in derselben gestanden habe, und also ist sie die heutige Einhorn-Gasse; die Juden-Gasse wird so beschrieben, daß sie auf dem Graben gestanden habe, und also ist sie die heutige Metzger-Gasse gewesen. Zum Theil aber sind auch, als man, bey vorgenommener Erweiterung der Stadt, gantz neue Gassen, welche vorher noch nie vorhanden gewesen, angeleget hat, mit denselben zugleich gantz neue Nahmen derselben aufgekommen. Z. E. so haben die neue oder Maintzer-Gasse, item die Saal-Gasse etc. zuerst um den Anfang des 18 Jahrhundert zugleich ihre Anrichtung und ihre Nahmen erhalten.

11. Die Stadt-Thore, oder, wie sie in den alten Wißbadischen Schriften heissen, die Porten. Deren sind, wenn das gantze Wißbad zusammen genommen wird, in [377] diesem Nassauischen Zeit-Begriff sechse gewesen. 1, das Obere 2, das Untere Stadt-Thor. Es ist schon oft gemeldet worden, daß derjenige Theil des Wißbads, welcher vor dem Uhr-Thurn an bis an das Stadt-Thor sich erstrecket, vormals besonders befestiget gewesen, und in einem gantz eigenen Verstande die Stadt sey genennet worden. Dieser Stadt-Theil hat zwey Thore gehabt. Das eine, welches den anderweitigen Theil des Wißbads, oder die Vorstadt, berühret hat, ist (laut allen Wißbadischen Urkunden) die Ueber Stadt-Port, oder das Obere Stadt-Thor, und der Thurn desselben der Uhr-Thurn, oder, nach der alten Wißbadischen Mund-Art, der Auertorn, weil die Stadt-Uhr auf demselben stehet, genennet worden. Es haben sich unmittelbar vor diesem Obern Stadt-Thor die Stadt-Gräben, welche diesen besondern Stadt-Theil umgeben haben, vorbeygezogen, und ist über dieselbe eine Brücke errichtet gewesen, durch welche die Stadt und die Vorstadt mit einander sind verbunden worden. Es ist diese Brücke, welche in den Wißbadischen Urkunden die Stadt-Brocken und Stadt-Bruck heisset, im Jahre 1567 (L. St. f. 19.) gewölbet worden. Das Gewölbe ist noch auf den heutigen Tag im Grunde der Erden vorhanden, es ist aber durch das Gassen-Pflaster, und die daran stehende Häuser verdecket und verbauet. Es ist nahe bey [378] demselben noch ein anderes Gewölbe, der Länge nach unter der Gassen, befindlich. Es ist aber unbekannt, worzu dasselbe vormals gedienet habe. Als gegen das Ende des 17 Jahrhundert die gemeldte Gräben um diese kleine Stadt geschleifet, und dieser Stadt-Theil mit den andern Stadt-Theilen vereinigt worden ist, so ist auch dieses Obere Stadt-Thor, als unnöthig, in Abgang gekommen, und ist solches dermalen kein eigentliches Stadt-Thor mehr, sondern der Thurn desselben wird nur dazu gebrauchet, daß die Haupt-Uhr der Stadt (daher er jetzo auch nur der Uhr-Thurn genennet wird) auf demselben ihre Stellung hat, und zugleich der ordentliche Thurn-Hüter die Wache über die gantze Stadt, bey Tag und bey Nacht, auf demselben versiehet. So denn ist auch auf diesem Thurn ein besonderes wohl- verwahrtes Gemach vorhanden, in welches, seit alten Zeiten her, alle Briefschaften der Stadt, welche auf dem Rathhause selbst keinen Raum haben finden können, sind beygeleget worden. Die meiste und vornehmste derselben sind bey der heftigen Feuers-Brunst, welche die Stadt Wißbaden 1547, obgemeldter massen, getroffen hat, zu Grunde gegangen. Von denen überbliebenen, und nachmals noch dazu gekommenen, ist 1716 ein grosser Theil, weil man solche vor unbrauchbar gehalten, und der Raum dieser Schrift-Cammer auch zu klein [379] hat werden wollen, vorsetzlich abgethan worden. Sie bestunden meistens aus lauter Gerichts-Verhandlungen, Rechnungen, Kauf-Contracten, Erbtheilungen, und anderen dergleichen gemeinen Stadt-Schriften, und waren die älteste unter denselben von dem 14 Jahrhundert. Die übrige, welche man annoch vor brauchbarer bey den Stadt-Angelegenheiten geachtet hat, sind beybehalten worden, und werden dieselbe noch jetzo in der benennten Schrift-Cammer dieses Thurns verwahret. Es ist übrigens dieser Uhr-Thurn in dem Jahr 1753 durch Aufsetzung eines gantz neuen Stock-Werckes um ein gutes Theil erhöhet worden. Das Untere Stadt-Thor, durch welches man den Eingang in die vormalige, oft-benennte, kleine Stadt, von aussen her, gehabt hat, und welches in den alten Wißbadischen Schriften gemeiniglich die Neder- oder Niedere, wie auch Unter Stadt-Port genennet wird, heisset heut zu Tage schlechthin das Stadt-Thor. Es wird zwar dasselbe auch, seit einiger Zeit, von verschiedenen Bewohnern dieses kleinen Stadt-Theils das Franckfurter Thor, weil sie nach Franckfurt am Mayn gehende Land- und Post-Strasse durch dasselbe durchgehet, genennet. Es ist aber diese Benennung von keinem allgemeinen und bekannten Gebrauch in Wißbaden. Es stehet dieses Thor, seiner Haupt-Verfassung nach, und was den inneren Thurn desselben [380] betrift, annoch in seinem alten Stande, und ist auf diesem Thurn zugleich das gemeine Burger-Gefängnüß befindlich. Der äussere Thurn aber desselben ist 1738 abgebrochen, und in ein ziemlich grosses Thor-Haus verwandelt worden. 3, das Sonnenberger-Thor. Dieses ist deswegen also benennet worden, weil von dar aus der Weg nach dem benachbarten Ort Sonnenberg gehet. Es ist von demselben dermalen nichts mehr, als das blosse Thor annoch zu sehen, die beyde Thürne aber desselben sind um das Jahr 1720 – – – nach und nach abgethan worden. 4, das Heidnische Thor. Dieses hat den Nahmen nicht daher, als ob es etwan von den alten Heiden annoch erbauet sey, sondern bloß allein (gleich andern daselbst befindlichen Sachen und Gegenden) aus der Ursache, weil es dicht an der alten Heidnischen Mauer (welche oben in der ersten Abtheilung beschrieben worden) stehet, und mit derselben einiger massen vereiniget ist. Es ist zwar ein Theil desselben noch jetzo vorhanden, das Thor aber selber ist durch Errichtung der neuen Stadt-Mauer, zu Anfang des 18 Jahrhundert, mehrentheils versperret und unbrauchbar gemacht worden. 5, das Stumpfe Thor. In den alten Wißbadischen Schriften heisset es gemeiniglich das stumpe Pörtichin. Und weil es also stumpfer und kleiner gewesen ist, als die andere Stadt-Thore, (wie man [381] würcklich um das Jahr 1690, ehe der alte Bau desselben niedergerissen worden, annoch an demselben hat sehen können) so scheinet es daher den Nahmen des Stumpfen Thores überkommen zu haben. Es ist dasselbe zu Ausgang des 17 Jahrhundert etwas von seiner alten Stelle verrücket, und gantz neu erbauet worden. 6, das Maintzer-Thor. Dieses hat den Nahmen daher bekommen, weil von da aus die Strasse nach der benachbarten Stadt Maintz gegangen ist. Es ist dasselbe, weil sich der Haupt-Weg nach demselben an der Wißbadischen Kirche vorbeygezogen, und daher das auf- und abgehende Fuhr-Werck dem öffentlichen Gottes-Dienste viel Ungemächlichkeit verursachet hat, um das Jahr 1704 gantz zugemauert, dagegen aber ohnweit davon, in der so genannten neuen oder Maintzer-Gasse, ein gantz neues, welches das neue, oder auch das Maintzer-Thor genennet wird, erbauet worden. Und sind auf dem Thurne desselben die öffentliche Gefängnüsse der Stadt und Herrschaft Wißbaden befindlich. Die meiste dieser benennten Stadt-Thoren sind vormals gedoppelt gewesen. Denn es haben die meiste derselben zwey Thürne, nemlich einen äusseren und inneren, nebst daran hangenden Thoren, gehabt. Diese zwey Thürne haben etwan 12 bis 15 Schritte weit von einander entfernt gestanden, sind aber zu beyden Seiten durch zwey starcke Mauern mit [382] einander verbunden gewesen. Uebrigens werden an diesen Thoren das gantze Jahr hindurch von den Burgern und Beysassen der Stadt, unter der Aufsicht eines Stadt-Wacht-Meisters, die ordentliche Wachten versehen.

12. Die Stadt-Gräben. Es sind eigentlich vormals, wie bereits oben gemeldet worden, in dem Nassauischen Wißbad drey Wasser-Gräben befindlich gewesenen. Denn 1, hat das alte Nassauische Residentz-Schloß seine besondere Wasser-Gräben gehabt. 2, ist auch die Stadt-Gegend, welche von dem Uhr-Thurn an nach dem Stadt-Thor sich erstrecket, in einer Rundung mit besonderen Wasser-Gräben umgeben gewesen. 3, sind so denn um den gantzen übrigen Theil des Wißbads annoch allgemeine Wasser-Gräben, welche auf der Stadt-Seite ihre ziemlich-hohe Wälle gehabt haben, errichtet gewesen; die denn alle zusammen verursachet haben, daß Wißbaden ehemals nicht nur sehr Wasserreich, sondern auch zugleich sehr fest gewesen ist; zumalen, da diese sämmtliche Wasser-Gräben nicht nur eine ziemliche Breite und Tiefe gehabt, sondern auch ihr Wasser mehrentheils von eigenen starcken Grund-Quellen überkommen haben, und wegen des hinein geflossenen warmen Wassers im Winter nicht leicht zugefroren sind. Und haben die zu der Herrschaft Wißbaden gehörige Dorfschaften, [383] in den vorigen Zeiten, das ihrige zur Erhaltung dieser Stadt-Gräben, L. U. beytragen müssen. Sie sind zugleich alle sehr starck mit Fischen besetzt gewesen, die aber, wegen des vielen, sowohl warmen als kalten, mineralischen Wassers, welches sich in diese Stadt-Gräben ergossen, nicht den besten Geschmack gehabt haben. Es sind aber, wie ebenfalls oben gemeldet ist, alle diese dreyfache Wasser-Gräben unter der Hand, und sonderlich durch die langwiehrige Kriegs-Zeiten des 17 Jahrhundert, gar sehr in Abgang gekommen, und nachdem mehrere andere Ursachen dazu geschlagen, so sind sie endlich gegen das Ende des gedachten Jahrhundert, bey vorgenommener Erweiterung der Stadt größtentheils ausgetrucknet und ausgefüllet, auch nachmals zu neuen Gassen, Häusern, Gärten etc. verwendet worden. Und ist von denselben dermalen keiner mehr, der mit Wasser annoch angefüllet wäre, übrig, als der so genannte warme Damm-Weyher, als welcher ein Stück von denen, um gantz Wißbaden herum gegangenen, Wasser-Gräben ist. Von den Wasser-Gräben aber, welche sich von dem Uhr-Thurn an, nach dem Stadt-Thor zu, in einer Rundung, zu beyden Seiten, gezogen haben, ist annoch hinter der Metzger-Gasse, nach dem Schlosse zu, der Nahme vorhanden, denn daselbst heisset man es noch jetzo: im Graben. Und von allen gemeldten [384] Stadt-Gräben überhaupt sind auch noch hier und dar mancherley Spuren zu sehen, die aber auch immer mehr und mehr abgethan, und unkenntlich gemachet werden.

13. Die Stadt-Mauern. Von derjenigen Stadt-Mauer, welche vormals dem oftgemeldten kleinen Bezirck der Stadt, von dem Uhr-Thurn an bis an das Stadt-Thor, in einer Rundung umgeben hat, und welche gantz vermuthlich in dem Nassauischen Zeit-Lauf errichtet worden, ist dermalen wenig mehr übrig. Denn um das Jahr 1690 – – – ist dieselbe theils völlig niedergerissen, theils durch die daselbst errichtete Häuser und Höfe (darin hin und wieder noch einige Stücke derselben zu sehen sind) eingeschlossen und verbauet worden. Es ist aber hierauf 1691 – – – eine Mauer um die gantze Stadt, an statt der daselbst befindlich-gewesenen Wällen und Wasser-Gräben, zu bauen angefangen, und nachmals der Bau derselben unter der Hand so lange fortgesetzet worden, bis endlich die gantze Stadt, wenigstens an denen Orten, wo es nöthig gewesen ist, damit ziemlich hinlänglich, doch ohne sonderliche Ordnung, ist umgeben und verwahret worden. Und diese Mauer stehet noch jetzo.

14. Die Land-Gräben. Diese sind vormals in dem Wißbadischen Felde, in [385] verschiedenen Gegenden desselben befindlich gewesen, und haben den Nahmen der Land-Gräben um deßwillen gehabt, weil sie zur Beschützung des Landes vormals sind errichtet worden; wie sie denn auch daher in manchen Gegenden unseres Teutschlandes die Land-Wehren oder Land-Gewehren sind genennet worden, und noch auf den heutigen Tag an verschiedenen Orten, wo sie annoch vorhanden sind, diesen Nahmen würcklich führen. Es waren diese Wißbadischen Land-Gräben solche Gräben, welche eine ziemliche Tiefe, doch ohne Wasser, hatten, und auf beyden Seiten mit Hecken und wilden Bäumen starck besetzet waren. Sie schnitten mitten durch die Aecker und Wiesen durch, und erstreckten sich bis an die Gräntzen der Wißbadischen Feld-Marckung. Sie sind in den vorigen Zeiten, da die Fehden oder Land-Kriege zwischen den mancherlei Reichs-Ständen in Teutschland gar sehr gewöhnlich waren, errichtet worden, und haben dazu gedienet, daß man das Kriegs- oder aufgebotene Stadt- und Land-Volck (denn dazumal hielte man in Teutschland noch keine beständige geworbene Soldaten auf den Beinen) bey einer solchen entstandenen Fehde dahinein geleget, und den angekommenen Feind von dem ferneren Einbruch in das Land abgehalten, oder selbst von dar aus einen unversehenen Einfall in das feindliche Land unternommen hat. Es haben zu dem [386] Ende auch mitten in denselben hier und dar grosse Warten oder Thürne gestanden, auf welchen man den eindringenden Feind nicht nur in Zeiten entdecket, sondern auch die, in den Land-Gräben gelegene, Völcker von daher bedecket und beschützet hat. Es finden sich noch jetzo zwischen Wißbaden und Bierstadt, (welcher Ort in den alten Schriften Birgstadt und Burgstadt heisset) wie auch zwischen Wißbaden und Cassel am Rhein dergleichen alte Wart-Thürne im Felde, welche ehemals mit den gemeldten Wißbadischen Land-Gräben sind verbunden gewesen. Als aber im Jahr 1495, durch den in Teutschland errichteten Land-Frieden, die vormals so sehr üblich gewesene Land-Fehden völlig aufgehoben worden, auch nachmals die alte Art zu kriegen gar sehr in Abgang gekommen ist, so sind die gemeldte Land-Gräben oder Land-Wehren ziemlich unbrauchbar worden, und haben fast zu nichts mehr gedienet, als daß die Strauch-Diebe und Land-Streicher einen bequemen Aufenthalt darin gefunden haben. Es sind daher dieselbe hin und wieder, und insbesondere auch in dem Wißbadischen Felde, nach und nach geschleifet und in Aecker und Wiesen verwandelt worden. Der letzte dieser Wißbadischen Land-Gräben, welcher zwischen Wißbaden und Dotzheim hinzog, war noch um das Jahr 1710 zu sehen, da er aber ebenfalls, auf vorgemeldte Art, sein Ende gefunden hat.

[387]

15. Die Fluth-Gräben. Es sind dieses besondere Gräben gewesen, welche vormals in dem Wißbadischen Felde hin und wieder zu dem Ende sind errichtet worden, damit die entstandene Wasser-Fluthen (daher sie auch den Nahmen erhalten haben) durch dieselbe füglich, und ohne Schaden der Felder, ihren Abgang haben nehmen können. Der grösseste und vornehmste derselben hat sich an dem Walde bey der Wellritz angehoben, und ist bey Wißbaden, nahe an dem Maintzer Stadt-Thor vorbey, bis an die alte Saltzbach gegangen. Von diesem Fluth-Graben wird vorgegeben, daß man vormals durch denselben vieles Floß-Holtz aus den Wißbadischen Waldungen nach der Saltzbach zu, und von da ferner durch dieselbe bis in den Rhein geflösset, und wegen der Wasser-Schleussen, die er gehabt, allerley Güter auf demselben hin und her gefahren habe. Es bestehet aber diese gantze Sache, L. U. eigentlich nur darin: Um das Jahr 1656 haben einige Projecten-Macher (mit welcherley Leuten das Wißbadische Land schon öfters ist beunruhiget worden) dem damals regierenden Grafen zu Nassau-Idstein, Johanni, den Vorschlag gethan, daß man die alte Saltzbach, welche von Wißbaden aus nach dem Rhein zugehet, vermittelst errichteter Schleussen, schiffbar machen, und so denn durch den gemeldten Fluth-Graben und diese Saltzbach nicht [388] nur alles überflüßige Holtz aus dem Wißbadischen Walde nach dem Rhein zu bringen, sondern auch von Biebrich aus, wo sich eine Niederlage von allerley Waaren anrichten ließe, manche Nothwendigkeiten wieder durch diese Saltzbach zurück führen, und solche nachmals in den Wißbadischen und Idsteinischen Landen mit Vortheil unterbringen könnte. Man hat auch würcklich diesen Vorschlag in das Werck zu setzen getrachtet, und daher nicht nur mit Erweiterung der Saltzbach und des gemeldten Fluth-Grabens einen Anfang gemacht, sondern auch sich zur Anrichtung der nöthigen Schleussen bereitet etc. Nachdem man aber unter der Hand gemercket, daß sich so viele Schwierigkeiten bey diesem Vorhaben äusserten, aus welchen man vorläufig schliessen könnte, daß am Ende alle angewendete Mühe und Kosten dennoch vergeblich seyn würden, als ist diese Sache wiederum in Zeiten aufgehoben, und alles in seinem alten Stande gelassen worden. Und was die gesammte Fluth-Graben selber anbelanget, so sind solche bis an das Ende des 17 Jahrhundert in ihrem Gange geblieben. Sie sind aber nachmals, weil man den Raum, den sie eingenommen, bey dem täglich-zunehmenden Anwachs der Stadt-Einwohner besser zu benutzen vermeynet hat, mehrentheils, bis auf etliche wenige, geschleifet, und, eben, wie die vorgedachte Land-Gräben, zu Aeckern und Wiesen [389] verwendet worden. Es ist aber hierdurch auch zugleich der Nutze, welchen diese Gräben den Wißbadischen Feldern, und, gewisser massen, auch der Stadt selber gebracht haben, mit aufgehoben worden. Denn, da sonsten, wenn, bey entstandenen starcken Regen-Güssen, das Wasser aus den Gebürgen bey Wißbaden häufig hervor geschossen ist, die Fluthen desselben sich gar bequemlich in diese Fluth-Gräben (darzu die vorgemeldte Land- und Stadt-Gräben zugleich, zufälliger weise, auch mit gedienet haben) vertheilen, und also nach und nach, ohne sonderlichen Schaden, haben verlaufen können, so muß nunmehro, nach dem diese Gräben meistentheils abgethan sind, das Wasser, auf solchen Fall, sich selber einen anderweitigen Lauf suchen, und, wo es kan, mit Gewalt durchbrechen. Daher es denn, seit der Zeit, da man diese Abänderung gemacht hat, schon mehrmahls geschehen ist, daß dergleichen starcke Wasser-Ergiessungen nicht nur die Wißbadische Felder mit grossem Nachtheil überschwemmet haben, sondern auch selbst auf die Stadt mit solcher Gewalt angedrungen sind, daß dadurch schon etliche mal die Stadt-Mauer hier und dar ist durchbrochen, und ein gar nahmhafter Schade verursachet worden; welches alles aber vormals bey den vorhanden gewesenen mancherley Fluth- Land- und Stadt-Gräben, auf solche Art, so leichtlich nicht zu befürchten gewesen ist. Es hat [390] zu den gemeldten Fluth-Gräben in dem Wißbadischen Felde auch der so genannte Hayn-Graben, welcher zum Theil noch jetzo vorhanden ist, gehöret. Dieser hat den Nahmen von dem, in der dasigen Gegend befindlich-gewesenen, Hayner erhalten. Dieses Hayner, welches in den alten Wißbadischen Schriften auch Haaner und Haanebusch heisset, ist eigentlich ein wilder Obst-Hayn oder Wald, der zugleich mit allerley Gebüsch starck bewachsen war, gewesen. Man hat es vormals in das grosse und in das kleine Hayner getheilet. Das grosse Hayner hat zwischen dem Wißbader und Erbenheimer Felde, das kleine aber zwischen dem Wißbader und Bierstadter Felde gelegen. Jenes ist schon vor langer Zeit, dieses aber erst um das Jahr 1724 in Acker-Feld verwandelt worden. Es kan seyn, daß diese Hayner vormals zu einem Aufenthalt des kleinen Feld-Wildpretes gedienet haben. Es kan aber auch seyn, daß, wenn sie bereits in den gantz alten Teutsch- und Römischen Zeiten vorhanden gewesen, sie zu Götzen-Haynen, welche bey den Teutschen, oder zu Lust- und Götzen-Haynen, welche bey den Römern gewöhnlich waren, gedienet haben. Sonst sind auch noch in dem Wißbadischen Felde drey Fluth-Gräben vorhanden, welche GOtt selber, gewisser massen so zu reden, angerichtet hat, und diese sind die drey, so genannte [391] Wolcken-Brüche. Sie sind in der Feld-Gegend welche man die Röder heisset, befindlich, und bestehen aus dreyen, nicht gar weit von einander entfernt-liegenden Gräben, welche von ungemeiner Tiefe, Breite und Länge sind. Sie heissen die Wolcken-Brüche, weil sie, dem alten Vorgeben nach, durch einen außerordentlichen starcken Regen-Guß, welchen man insgemein einen Wolcken-Bruch zu nennen pfleget, vormals sollen entstanden seyn. Die Zeit, wenn solches geschehen, ist zwar nicht bekannt. So viel aber ist aus den alten Wißbadischen Gerichts-Büchern zu ersehen, daß sie bereits in dem 14 Jahrhundert vorhanden gewesen sind. Denn um solche Zeit hin wird ihrer darin schon Meldung gethan, und zwar werden sie in solchen U. die Wolcken-Brust, nach der alt-Teutschen Redens-Art, genennet. Sie sollen vormals grösser, als jetzo, gewesen, nachmals aber hier und dar geschleifet und eben gemacht worden seyn. Doch sind sie auch noch jetzo groß genug, um von der Grösse des ehemals daselbst ausgeübten Zorn-Gerichtes GOttes zu zeugen.

16. Das Closter Clarenthal. Dieses lieget zwar nicht in Wißbaden, es hat aber doch mit dieser Stadt, nicht nur vormals, wegen der, in derselben wohnhaft-gewesenen, Landes-Herrschaft (welche diesem Closter, als [392] dessen Grund- und Schutz-Herrschaft, gantz besonders zugethan gewesen) jederzeit viele Gemeinschaft gehabt, sondern es stehet auch noch jetzo, wegen vieler Nutzungen, welche die Kirche, Schule und Hospital etc. der Stadt von demselben geniessen, in einer solchen genauen Verbindung mit derselben, daß wir es gantz billig mit unter die überbliebene Alterthümer und Denckmale des Nassauischen Wißbads zu rechnen, und bey dem Beschluß dieser Wißbadischen Geschicht-Beschreibung einige hinlängliche Nachricht von demselben zu ertheilen haben. Es lieget dasselbe ohngefähr eine gute halbe Stunde weit von Wißbaden in dem offenen Felde, und zwar in einem anmuthigen Wiesen-Grunde nahe an dem Walde. Es ist in dem Jahr 1296 – – – von dem mehrgemeldten Römischen Kayser Adolph, aus dem Hause Nassau, und seiner Gemahlin Imagina, oder, wie sie auch kürtzer genennet wird, Mena, einer gebohrenen Herrin von Limburg an der Lohne, aus ihren eigenen Mitteln errichtet worden. Die Stiftungs-Briefe sind erst in dem Jahr 1298 ausgestellet worden, und zwar der Brief des Kaysers ist gegeben den 6 Jan. zu Speyer in dem 6 Jahr seiner Kayserlichen Regierung, in der XI Römer Zins-Zahl. Der Brief der Kayserin aber, in welchem sie ihre Einwilligung zu dieser Stiftung ertheilet, ist gegeben den 26. Febr. zu Wimpfen. Es findet sich zwar in [393] einigen Abschriften dieser zwey Briefen das Jahr 1297 in der Unterschrift, allein es wird solches durch das beygefügte sechste Jahr der Regierung des Kaysers und einige andere Umstände widerleget. Es sind diese beyde Briefe in Lateinischer Sprache, nach der Gewohnheit der damaligen Zeit, verfasset, aber auch so bald hernach in das Teutsche übersetzet worden. Nach Inhalt dieser Briefen, unter anderer hieher gehörigen Urkunden, hat der Kayser (welchem bereits von seiner Mutter Adelheid eine besondere Achtung vor den Franciscaner Claren-Orden eingepflantzet war) in dem Jahre 1296 aus lauterem Hertzen (wie er l. c. redet) zu einem freywilligen und andächtigen Opfer vor seine Sünden, und um seiner und seiner Vor-Eltern Seeligkeit willen, auf gutes und stätiges Ermahnen seiner Gemahlin, und Rath seines Bruders Diethers, Prediger-Ordens und Meisters der H. Geschrift, (wie es in der U. heisset) wie auch auf frommes Bitten seiner Tochter Adelheid und seiner Süster (Schwester) Richard, (welche beyde damals in dem Claren-Closter zu Maintz Nonnen waren) sich entschlossen, ein neues Closter dem Herrn Christo, seiner H. Mutter Marien, der H. Jungfrauen Claren und allen Heiligen zu Ehren anzurichten. Es war diese benennte Clara eine Mitburgerin des bekannten Francisci, Stifters das Franciscaner-Ordens. Denn sie war, wie derselbe, [394] von Aßisi in Italien gebürtig, und lebte auch zu gleicher Zeit mit ihm, nemlich um den Anfang des 13 Jahrhundert. Sie wurde durch sein Exempel bewogen, ebenfalls ein sehr strenges Closter-Leben zu erwählen, und nach seinen Regeln einen neuen Orden zu stiften. Es ist dieser Claren-Orden eigentlich ein Franciscaner oder Minoriten Barfüsser-Orden, und die Nonnen desselben tragen ein Cameel-härines Unter-Kleid auf dem blossen Leibe, und über demselben einen schlechten graulechten Ober-Rock, wie auch ein gelbes Scapulier, einen schwartzen Weyhel, einen Strick um die Lenden, und halbe Schuhe an den blossen Füssen, essen auch Lebens-lang kein Fleisch, und diejenige, welche ihre Stiftungs-Regeln gantz genau beobachten wollen, müssen ihren Lebens-Unterhalt erbetteln. Der Papst Innocentius III wollte diesen Orden, weil er ihn, vor das weibliche Geschlecht allzustreng zu seyn, erachtete, nicht bestätigen. Seine Nachfolger aber Honorius III und Gregorius IX haben solchen würcklich bestätiget. Und also war dieser Orden damals noch neu, oder (wie die U. redet) eine neue Pflantzung in der H. Kirche. Es hat so denn der Kayser Adolph vor das neue zu errichtende Closter den S. Adelheids-Hof und Güter zu Byburch oder Biberg (Biebrich) uf dem Berge (oder kleinen Anhöhe an der Rhein-Seite) und den Armin Ruwehof, (Armen-Ruh-Hof) [395] Mühle und Güter by Muscebach oder Muschebach (Moßbach) vor 2000 Marck baares Geldes erkaufet. Der erste Hof gehörete dem Benedictiner–Closter zu Seltz im Elsaß, und war demselben von dem Kayser Otto III, auf Anhalten seiner Groß-Mutter Adelheid (daher er auch den Nahmen bekommen) in dem Jahr 992 (wie solches bereits oben in der zweyten Abtheilung in etwas berühret ist) geschencket worden. Der andere Hof, nemlich der Armen-Ruh-Hof, (also benennet, weil jährlich auf einen gewissen Tag, kurtz vor Pfingsten, die benachbarte Armen, kraft einer milden Stiftung, da selbst gespeiset worden) gehörete dem Cistercienser-Closter Ebirbach, Eberbach oder Erbach im Rhingau. Von diesen beyden Clöstern wurden die gemeldte Güter, nebst allen ihren Zugehörden, dem Kayser käuflich überlassen. Er hat hierauf ein Wiesen-Thal, welches zu dem vorgenennten Adelheids-Hof gehörete, und in dem Walde bey Wißbaden (in der Lateinischen U. apud oppidum nostrum Wisebaden, in der Teutschen Uebersetzung: by unser Veste zu Wiesebaden) gelegen ist, erwählet, das neue Closter daselbst anzurichten. Es hieß damals dieses Wiesen-Thal das Brüderrod, vermuthlich aus der Ursache, weil daselbst vormals Waldungen gewesen, solche aber, den Brüdern oder Mönchen des Closters Seltz zu gut, ausgerodet worden. Der [396] Kayser thät diesen alten Nahmen damals schriftlich ab, und nennete dieses Thal, Clarenthal. Es hat hierauf des Kaysers Marschalck, Ludwig von Sonnenbergck, welcher damals, in mehrmaliger Abwesenheit des Kaysers, die Nassauische Erb-Lande desselben, als Vormünder, das ist, als Statthalter oder Verweser, verwaltete, die neue Closter-Güter im Nahmen und auf Geheiß des Kaysers in Besitz genommen, und in Gegenwart der gesammten Ritterschaft des Landes, wie auch der Einwohner zu Wißbaden und Moßbach, und aller andern, die dazu gehöret haben, an dem Michaelis-Tag des Jahres 1296 den ersten Stein zu dem neuen Closter mit aller Herrlichkeit (wie es in der U. heisset) geleget, und ist so denn das Closter mit dem Nahmen Clarenthal benennet worden. Insgemein hat man es auch das neue Closter (zum Unterschied des schon damals in Maintz befindlich-gewesenen Claren–Closters) und die Nonnen desselben die Clarissen, wie auch die Miner- oder Minoriten-Frauen etc. geheissen. In dem Jahr 1298 wurden auch diesem neuen Closter die oben benennte Güter, kraft eines von dem Kayser den 24 Jan. dieses Jahres, von Oppenheim aus nach Wißbaden, erlassenen Befehles, würcklich eingeräumet. Auch wurden alle diese vorgewesene Handelungen von dem Cardinal Matthes, Beschirmern des Claren-Ordens, von [397] Päbstlicher Gewalt wegen, so fort auf das kräftigste schriftlich bestätiget. Als man nun aber mit diesem neuen Closter-Bau in der besten Arbeit begriffen war, so bekam derselbe auf einmal, gantz unvermuthet, einen sehr harten und empfindlichen Stoß. Massen der mehrbenennte Stifter desselben, der Kayser Adolph, in dem Jahr 1298 den 2 Jul. allzu frühzeitig um sein Leben kam. Ueberdas thäte auch, nach dessen Tode, sein Nachfolger im Reich, der Kayser Albrecht, den Nassauischen Landen, etliche Jahre hindurch, alle ersinnliche Drangsale an. Durch dieses alles wurde der vorgenommenen Errichtung des neuen Closters gar eine grosse Behinderung in den Weg geleget. Doch es nahm sich die nachgelassene Wittwe des Kaysers Adolphs, Imagina, dieses Closters nach ihrem besten Vermögen an; wie sie denn unter andern auch im Jahr 1304 nochmals schriftlich alle, von ihrem Ehe-Herren demselben bestimmt-gewesene, Güter und Vorrechte auf das allerbündigste bestätiget hat. Und ihr Sohn, der regierende Nassauische Graf Gerlach, bestrebete sich seiner Seits ebenfalls nach aller Möglichkeit dem angefangenen Bau zu seiner Vollendung zu verhelfen. Es kam also endlich mit demselben so weit, daß die Einführung der Nonnen in das Closter würcklich vor sich gehen konnte. In welchem Jahr eigentlich diese Einführung geschehen sey, das wird zwar in [398] keiner Urkunde ausdrücklich gemeldet. Es wird aber doch so viel bezeuget, daß diese Nonnen erst nach des Kaysers Tode in das Closter, daselbst GOtt, als die erste Ecksteine des Closters, und des Göttlichen und Geistlichen Lebens, zu dienen, seyen eingeführet worden, und das bey solcher Einführung nur drey Nonnen beyhanden gewesen, nemlich Adelheid des Kayers Tochter, Richard des Kaysers Schwester, und Agnes von Siegersberg. Auch wird bezeuget, daß der Ertzbischof zu Maintz die neue Closter-Kirche nicht habe einweihen wollen, es habe aber der Pabst, an welchen die Nonnen solches berichtet, ihm befohlen, daß er diese Einweihung so fort vornehmen, oder aber, widrigenfalls, der Ertzbischof von Trier solche verrichten sollte. Der Ertzbischof zu Maintz wird nicht mit Nahmen genennet. Der Pabst aber wird genennet, nemlich Benedickt XI. Da nun derselbe nur 9 Monate lang, theils in dem Jahr 1303, theils in dem Jahr 1304, regieret hat, so siehet man wohl deutlich genug, daß die Einweihung der Kirche, und also auch die Beziehung des Closters entweder im Jahr 1303 oder 1304 werde geschehen seyn. Und ist also der Maintzische Ertzbischof kein anderer, als der Gerhard von Epstein gewesen, welcher 1304 gestorben ist, und die Closter-Kirche gantz vermuthlich wegen seines alten Hasses gegen den Kayser Adolph (den er hatte [399] wählen, aber auch wieder absetzen helfen) nicht hat einweihen wollen. Der Kayser Adolph, als Stifter dieses Closters, und seine Gemahlin Imagina, wie auch ihre sämmtliche Kinder, zusammen 12 Personen, wurden in diese Closter-Kirche, und zwar auf der lincken Seite des niederen Chores, oben an die Mauer, mit ihren beygefügten Nahmen, abgemahlet. Der Kayser und die Kayserin haben die Cronen vor den Füssen liegend, zwischen Ihnen den zwiefachen Reichs-Adler, und auf der Brust den Schild mit dem Nassauischen Löwen gehabt. Mit ihren Händen haben sie beyde kniend die Kirche empor gehoben, mit diesen beygefügten Worten: Domine in simplicitate cunctis peccatis meis miserere! das ist: HErr, ich bitte in Einfältigkeit: Sey gnädig allen meinen Sünden! Die erste Abtissin in diesem Closter (in welches von seinem Anfang an, keine andere, als Herren-Kinder oder Standes-Personen, zu geistlichen Jungfrauen sind aufgenommen worden) soll, nach dem Bericht der Maintzischen Geschicht-Schreiber des Joannis T. II. p. 930, die vorgedachte Richard, des Kaysers Schwester, nach dem Bericht aber einiger Nassauischen Closter-Urkunden, die, auch vorgedachte Adelheid, des Kaysers Tochter, gewesen seyn. Die Richard ist 1311 gestorben, und in den Creutz-Gang des Closters begraben worden. Auf ihrem Grab-Stein hat diese Schrift [400] gestanden: Anno. Dom. MCCCXI. V. Kal. Aug. obiit. Soror. Richardis. de. Nassauwia. Germana. Dom. Adolfi. Regis. quorum. animae. requiescant. Das ist: Im Jahre des HErren 1311 – starb die Schwester Richard von Nassau, eine leibliche Schwester des Herren Adolphs des Königes – . Sie wird in dieser Grabschrift nicht Abtissin genennet. Allein es sind dergleichen Grab-Schriften eben nicht allezeit, verschiedener Ursachen wegen, in ihrer gehörigen Vollständigkeit abgefasset worden. So viel ist wenigstens richtig, daß die Adelheid erst in dem Sterb-Jahr der Richard nemlich 1311 ist Abtissin worden. Denn es wird in den Closter-Urkunden ausdrücklich bezeuget, daß sie 27 Jahre dem Closter, als Abtissin, vorgestanden habe. Da sie nun, laut ihres Grab-Steins 1338 gestorben ist, so muß ihre Closter-Regierung in dem gemeldten 1311 Jahr, als von da an bis 1338 es 27 Jahre sind, ihren Anfang genommen haben, und folglich muß sie also wohl erst die zweyte Abtissin in diesem Closter gewesen seyn. Es scheinet fast, daß sie zwar von ihren Eltern zu der ersten Abtissin bestimmet gewesen ist, daß sie aber solches Ehren-Amt etwan freywillig ihrer Baasen Richard, als einer älteren Person, überlassen, und solches auch von derselben, noch mit Aeusserung des gewöhnlichen Amts-Nahmens, zumahl bey dem noch [401] sehr geringen Anfang des Closters, ist verwaltet worden, da denn die Adelheid mittlerweil, nach dem Zeugnüß des Joannis l. c. Priorissin des Closters mag gewesen seyn. In dem Jahr 1307, und also noch unter dem Regimente der Richard sind alle Güter des Closters durch eine Päbstliche Boln (Bulle oder Gewalts-Brief) von allen geist- und weltlichen Beschwerden, und in dem Jahr 1310 von dem regierenden Nassauischen Grafen Gerlach durch einen Gnaden-Brief von allen Zehenden, Diensten, Gült und Beede befreyet worden. Und sind dergleichen Päbstliche und Landes-Herrschaftliche Befreyungs-Briefe in den folgenden Zeiten öfters wiederholet worden. Unter der Closter-Regierung der Adelheid erlitte das Closter unvermuthet ein ausnehmend-grosses Unglück. Denn als der Kayser Ludwig, von Bayern, 1318 (wie bereits oben gemeldet worden) den Grafen Gerlach, der es mit seinem Gegen-Kayser, Friedrichen von Oesterreich, hielt, mit Krieg überzogen, so wurden dem Closter alle seine, in der Herrschaft Wißbaden gelegene, Höfe und Güter dergestalt durch Raub und Brand bis auf den Grund verheeret, daß die sämmtliche Nonnen genöthiget worden, das Closter zu verlassen, und ihren Unterhalt, eine geraume Zeitlang, anderswo zu suchen. Es wurden daher die Anverwandten der Abtissin Adelheid durch diesen grossen Unfall [402] bewogen, von neuem alles beyzutragen, damit dem Closter wiederum aufgeholfen würde. Zu dem Ende ließ der Graf Gerlach die Abgabe der Pfarrey Erbenheim, ohnweit Wißbaden gelegen, an das Closter, welche er bereits 1313 mit Wissen seiner Mutter Imagina und seines Bruders Walrams begonnen hatte, vollends zu Stande bringen, und durch eine Päbstliche Bulle bekräftigen. Da denn das Closter dem zeitlichen Pfarrern daselbst, durch einige Schieds-Richter, seine nöthige Gefälle auswerfen lassen, die übrige Kirchen-Güter aber in seine Benutzung genommen hat. Gleicher Gestalt und aus gleicher Ursache gab auch damals der Pfaltz-Graf Adolph, welcher des Churfürstens in der Pfaltz Rudolphs und der Mechtildis, des Kaysers Adolphs Tochter, Sohn war, die Pfarreyen zu Wisel (Weisel) und Cube (Caub) an das Closter, mit Einwilligung seiner Brüder, Rudolphs und Ruprechts, ab, und ließ solche Abgabe ebenfalls durch den Pabst Johannes XXII bestätigen. Gedachte Mechtild, oder, wie sie auch heisset, Mezza, (welche die eintzige weltliche Tochter des Kaysers Adolphs, die zu einem beträchtlichen Alter gekommen, gewesen ist) hat dem Closter in ihrer letzten Willens-Verordnung 1000 Pfund Heller vermacht, und ist, nach ihrem 1328 erfolgten Tode, in dasselbe, wie ihr daselbst vorhanden-gewesener Grab-Stein ausweiset, begraben worden. [403] Sie wird auf demselben mit einer Crone auf dem Haupte, weil sie eines Königes Tochter gewesen, vorgestellet, und die beygefügte Grab-Schrift lautet also: Anno. Dom. MCCCXXVIII. – – obiit. Illustrissima. Dom. Mezza. Ducissa. (Filia) Dom. Adolfi. Regis. Rom. Mater. Dom. Ducum. Bavariae. Das ist: Im Jahr des HErren 1328 – – starb die Hochgebohrene Frau Hertzogin Mezza, eine Tochter des Herren Adolphs, Römischen Königes, und eine Mutter der Herren Herzogen in Bayern. Der gemeldte Kayser Ludwig hat sie, weil sie eine Gemahlin seines Bruders Rudolphs, der ihm bey der Kayser-Wahl abgestanden, gewesen, bis in ihren Tod gehasset, und (wie die U. redet) durchächtet. Wie sie sich denn mit ihren Kindern, nachdem ihr Ehe-Herr sich nach Engelland, oder, wie andere wollen, nach Oesterreich geflüchtet und daselbst gestorben, die mehreste Zeit über in Oesterreich im Elend aufgehalten hat. Sie soll auch daselbst, oder, wie einige berichten, zu Heidelberg gestorben seyn. Da denn ihr Cörper nachmals in der Stille nach Clarenthal muß überbracht worden seyn. Es hat bey diesem Vorgang das Closter in einem Brief damals bezeuget, daß der vorgemeldte Pfaltz-Graf Adolph ihme um deßwillen alle Gunst zugesaget – weil syne Mutter Mechtild in dem Closter begraben, und darum, daß wir [404] syn Anfrau Ymagina die Königin zu uns in unser Jungfräuliches Closter hant genommen und beschlossen – – Man siehet hieraus, daß die Kayserin Imagina würcklich in den letzten Tagen ihres Lebens ihren Aufenthalt in diesem Closter Clarenthal genommen habe. Denn ob zwar auch bey den Closter-Personen mehrmalen Leute, welche ausserhalb ihrem Closter leben, in die Gemeinschaft ihrer Verdienste eingenommen und beschlossen werden; so mercket man doch, bey genauer Erwägung der vorangeführten Worten, ziemlich deutlich, daß hierbey kein solches verdienstliches, sondern ein würckliches persöhnliches Einnehmen und Beschliessen in das Closter, verstanden werde. Wenigstens ist diese Imagina nacher in dieses Closter begraben worden, denn ihr Grab-Stein ist vormals in demselben, und zwar in dem Creutz-Gang aufrecht stehend, vorhanden gewesen, nachmals aber, wie bereits oben berichtet ist, in die Kirche zu Wißbaden versetzet worden; man kan hierbey des Joannis Maintzische Geschicht-Sch. T. I. p. 778. Tab. nachsehen. In dem Jahr 1326 hat unser Closter Clarenthal auch seine eigene Marckung und Bann-Bezirck von der Landes-Herrschaft erhalten, und ist durch eigene Gemarck-Steine und Schlag-Bäume an den vornehmsten Strassen von den andern benachbarten Marckungen abgesondert worden. Und unter denjenigen Oertern, von welchen [405] damals, durch allerley milde Stiftungen, dem Closter viele Güter und Gefälle sind zugewendet worden, hat die Stadt Wißbaden in den alten Closter-Schriften einen nahmhaften Vorzug vor andern. Die Abtissin Adelheid (deren zu Lieb, wie man aus den gedachten Schriften ersiehet, das Closter vornemlich gestiftet worden, und die auch selbst sehr vieles zu dem Aufnehmen desselben beygetragen hat) ist in dem Jahr 1338 gestorben, und in das Chor der Closter-Kirche vor den Altar begraben worden. Ihr daselbst gelegener Grab-Stein hat diese Aufschrift gehabt: Anno. Dom. MCCCXXXVIII. VII. Kal. Jun. obiit. Alheydis. Abbatissa. de. Nassuwe. Regis. Filia. R. in. pace. Das ist: Im Jahr 1338 – – starb Alheyd, Abtissin, von Nassau, des Königes Tochter – – Sie ist auf dem Grab-Stein in einem Nonnen-Habit, einen Strick um den Leib, und einen Löwen unter den Füssen habend, abgebildet gewesen. Was die nachfolgende Abtissinen (unter denen das Closter immer mehr und mehr an Gütern und Einkünften, inner- und ausser-halb den Nassauischen Landen, sehr zu- aber auch wieder sehr ab-genommen) anbelanget, so sind solche zwar nicht alle ausfündig zu machen; doch kan man deren noch verschiedene, und vielleicht die meiste, aus sichern Urkunden benennen, und diese sind folgende: Imagina, Abtissin um das Jahr – 1347 – Ihr Geschlecht ist unbekannt. Um diese Zeit, und zwar in dem [406] Jahr 1347 hat der vorgenannte Graf Gerlach, mit Einstimmung der Märcker, dem Closter den, ohnweit demselbe in liegenden, Wald, die Geißheck genannt, geschencket, und sein Sohn Adolph hat 1349 dem Closter die Freyheit gegeben, Röder aus diesem Wald zu machen, das ist, denselben auszuroden, und in Aecker und Weinberge zu verwandeln. Es hat sich auch das Closter dieser gegebenen Freyheit bedienet, und Weinberge daselbst angeleget. Sie sind zwar in den folgenden Zeiten wieder eingegangen, doch sind die Spuren davon noch jetzo zu sehen. Es haben auch ohnweit davon einige Hofraithen nebst dazu gehörigen Baum-Gärten und andern Feld-Stücken gestanden, welche diesem Closter ebenfalls zugehöret haben. Sie haben Uffhoben, und die gantze daselbstige Gegend Ueber-Uffhoben geheissen; heut zu Tage wird sie Ueberhoben genennet. Sonst sind auch, ausser dem gemeldten Walde, noch mehr andere Waldungen dem Closter nach und nach verehret worden. Agnes, des oft-genennten Gerlachs, Grafens von Nassau, Tochter, des Kaysers Adolphs Enckelin, war Abtissin nach der Imagina – Sie war schon im Jahr 1333 Closter-Jungfrau in Clarenthal. Um diese Zeit, und zwar im Jahr 1355 hat der Pfaltz-Graf Ruprecht die Pfarrey Rinbolln, (Reinbullen, Reinböllen) in der Pfaltz, ohnweit Bacherach, [407] gelegen, an das Closter abgegeben. Es hat solche das Closter nachmals, weil sie demselben zu weit abgelegen gewesen, dem Churfürsten in der Pfaltz wieder zum Verkauf angetragen. Auch haben die Grafen von Nassau-Wißbaden damals sich aller Atz-Gerechtigkeit, die ihnen sonst in dem Closter, weil dasselbe von ihren Vor-Eltern gestiftet worden, nach den Rechten der damaligen Zeit, zukam, freywillig begeben, und sich schriftlich erkläret, daß sie keine freye Atzung oder Zehrung darin begehren, auch keine Pferde, Roß oder Hengste, (wie es in den U. heisset) wie auch keine Jagd-Hunde, weder in das Closter, noch auf dessen Höfe und Güter, einstellen wollten; doch mit Vorbehalt des ihnen zukommenden Juris Advocatiae oder Schutz-Rechtes über dieses Closter. Wie denn dasselbe, von seiner Stiftung an, dergestalt von den regierenden Grafen zu Nassau-Wißbaden abgehangen hat, daß es niemals was wichtiges, von Rechts-wegen, ohne Vorwissen derselben hat vornehmen dörffen, und ist auch der ordentliche Mumpar, das ist, der Schaffner oder Zins-Meister desselben jedesmal mit Vorbewust des regierenden Grafens angenommen, und von demselben beeidiget worden. Margaretha, Adolphs I, Grafen von Nassau-Wißbaden, Tochter, war Abtissin 13-ohngefähr gegen das Ende des 14 Jahrhundert. Um diese Zeit hat das [408] Closter (durch was vor Zufälle? solches ist unbekannt) allbereits einen beträchtlichen Abgang an seinen Gütern erlitten. Denn es hat der Pabst Urbanus VI einen Befehl an den damaligen Ertzbischofen zu Maintz ergehen lassen, daß er dem Closter zu allen seinen verkommenen und veräusserten Gütern verhelfen solle. Und der Pabst Clemens VII hat verordnet, daß ein eigener Richter sollte gesetzet werden, welcher die abgängig-gewordene Closter-Güter wieder herbey bringen sollte. Petze, das ist, Betha (Elisa Betha) von Lynden war Abtissin um – – 1399 – – und noch 1412 – – Margaretha, Adolphs II, Grafens von Nassau-Wißbaden, Tochter, Abtissin 14.. Margaretha, Wild- und Rhein-Gräfin, Abtissin 14.. Margaretha, Herrin von Epstein, Abtissin 14.. Sie ist, laut ihres, im Closter befindlich-gewesenen, Grabsteins, 1450 gestorben. Walpurgis, Johannis IV, Wild- und Rhein-Grafens, Tochter, Abtissin – – . Margaretha, Johannis, Grafens von Nassau-Wißbaden, Tochter, Abtissin – – 1483 – – Sie starb 1486. Bertha, auch des gedachten Grafens Johannis von Nassau-Wißbaden, um das Jahr 1446 gebohrene, Tochter, Abtissin 14.. Sie ist vermuthlich auf ihre vorbenennte ältere Schwester gefolget. N. Fryae (Freyin) von Honoltstein, Abtissin – – 1499 – – . Damals, und bereits einige Zeit vorher, ist das Closter nach [409] und nach in ein grosses Abnehmen gerathen, und hat sich vieler vorher besessener Güter beraubet sehen müssen. Was die eigentliche Ursache dieses Verfalls gewesen sey? das lässet sich zwar so umständlich aus den Closter-Urkunden nicht ausforschen. Wenn man aber in den Kirchen-Geschichten dieses 15 Jahrhundert benachrichtiget wird, daß in demselben fast in den meisten Clöstern ein sehr freyes und ausschweifendes Leben geführet worden, und daher öfters die reicheste Clöster in einen solchen Abgang gekommen, daß sie kaum mehr, etliche wenige Closter-Personen zu ernähren, sich im Stande befunden haben, so wird einem der gemeldte Zustand des Closters Clarenthal so frembde und unfaßlich nicht vorkommen können. Es hat zwar die Landes-Herrschaft unsers Closters, zumalen auch der Convent desselben mehrmals, wegen allerley vorgegangenen Unordnungen, bey derselben klagend eingekommen ist, diesem Uebel bestens zu steuern gesuchet; Es scheinet aber dasselbe so tief eingerissen gewesen zu seyn, daß ihm von der weltlichen Obrigkeit nicht wohl mehr hat abgeholfen werden können. Es hat die gemeldte Abtissin von Honoltstein einsmals fünf Huben Landes (die Hube zu 30 Morgen gerechnet) zu Irlebach (Nieder-Erlenbach) in der Wetterau, und eine halbe Hube zu Helbringen, (Heldenbergen) ebenfalls in der Wetterau gelegen, und alle zusammen dem Closter [410] Clarenthal damals zugehörig, vor 600 fl. an einen Burger zu Franckfurt am Mayn, ohne Vorwissen des Closter-Convents, verkaufet. Da nun auf diese Art der Morgen Landes in einer solchen fruchtbaren Gegend nicht einmal 4 fl. im Verkauf betragen hat, so hat der gesammte Convent dieses Verfahren der hohen Landes-Herrschaft klagend einberichtet, und hat unter andern vorgestellet, daß, wenn man ja diese Feld-Güter hätte verkaufen wollen, man doch etwan wohl den Morgen Landes auf 10 fl. hätte bringen können. Es ist nachmals, dieser Sache wegen, ein weitläuftiger und kostbarer Rechts-Proceß, zwischen dem Closter und dem Käufer, entstanden. Maria, Gräfin von Hanau und Lichtenberg, war Abtissin – – 1522–23 – – . Um diese Zeit hat sich das Closter seiner grossen Schulden-Last kaum mehr erwehren können. Anna Brendelin von Homburg war Abtissin – – 1526 – – . Unter dieser Abtissin hat der vorgemeldte Verfall des Closters so sehr zugenommen, daß der Closter-Convent bey dem Landes-Herrn, und dieser so fort bey dem Provincial-Vorgesetzten des Claren-Ordens auf eine Abänderung des Closter-Regiments angetragen hat. Endlich ist ein Sterbendt (wie die U. redet) oder eine ansteckende Seuche im Jahr 1553 in das Closter gekommen, daran die Abtissin Anna und alle Closter-Jungfrauen, bis auf eine, gestorben sind. Es [411] haben sich zwar nachmals wieder einige Nonnen, an der Zahl viere, in dem Closter gesammlet, sie haben aber keine Abtissin mehr gewählet, sondern haben, wegen der schlechten Verfassung des Closters, und weil die Evangelische Religion zugleich damals überall in der Herrschaft Wißbaden Eingang gefunden, dem Landes-Herren, Grafen Philipp, einige Jahre nach einander angelegen, dasselbe völlig zu übernehmen; welcher denn auch endlich solches, auf eingezogenes Gutachten verschiedener damaliger berühmter und unpartheyischer Rechts-Gelehrten, von den letzten zwey Nonnen, einer Fräulein von Camberg, und einer Fräulein von Effingen, nach geschehener schriftlichen Uebergabe von denselben, um das Jahr 1560, würcklich übernommen hat. Er hat so denn, wie auch seine Nachfolger, sich bestens angelegen seyn lassen, die in dem äussersten Abgang und Verwüstung befindliche-gewesene Closter-Gefälle wiederum in einige Ordnung zu bringen. Es ist damit, vieler Ursachen wegen, sehr schwer hergegangen. Doch ist endlich alles wieder in so weit eingerichtet worden, daß sich die Landes-Herrschaft im Stande befunden hat, eine nahmhafte Anzahl armer und elender Personen in das Closter aufzunehmen, und solche von den Einkünften desselben nothdürftig verpflegen zu lassen. Und in dem Jahr 1610 hat der regierende Landes-Herr, Graf [412] Ludwig von Nassau-Saarbrück, ein ordentliches Land-Hospital (wie damals mehrere Teutsche Reichs-Stände mit den eingezogenen Closter-Gütern zu thun pflegten) darin aufrichten lassen, in welchem täglich über 200 arme Menschen, beyderley Geschlechtes, in einem besonders darzu errichtetem Gebäude, welches das Hospital geheissen, mit Speise und Tranck und anderen Nothwendigkeiten hinlänglich sind versorget worden. Es hat dieses Land-Hospital seine ordentliche Pfleger gehabt, wie auch seinen eigenen Hospital-Pfarrer, welcher gemeiniglich der zeitliche Schul-Rector zu Wißbaden gewesen ist. Auch hat es in einer besonderen Verbindung mit dem Hospital zu Wißbaden gestanden. Es hat auch diese löbliche Anstalt zu grossem Nutzen des gantzen Nassau-Wißbadischen und Idsteinischen Landes ohngestöret, bis an die Zeiten des dreyßig-jährigen Krieges, fortgedauert; in denselben aber hat sie eine gar grosse Veränderung erlitten. Denn als der Römische Kayser Ferdinand II, dessen Waffen damals überall in Teutschland die Oberhand hatten, die Verordnung in dem Jahr 1628 ergehen ließ, daß alle geistliche Güter in Teutschland, welche nach dem Passauischen, in dem Jahr 1552 errichteten, Vertrag, von den Evangelischen Reichs-Ständen eingezogen worden, wiederum den Römisch-Catholischen sollten zugestellet werden, und zu dem Ende [413] überall besondere Kayserliche Abgeordnete sich einfanden, welche dieses Restitutions-Edickt (wie man bis damals nannte) zur Vollziehung bringen musten, auch die bey der Hand gewesene Kayserliche Soldaten, die Execution so gleich vorzunehmen, bereit waren, so wurde der damalige Besitzer der Wißbadischen Landen, Johannes, Graf von Nassau-Idstein, ebenfalls genöthiget, aller gethanenen Gegen-Vorstellungen ohngeachtet, dieses Closter, sammt allen dazu gehörigen Einkünften, dieser Kayserlichen Commißion in dem Jahr 1630, zum Theil, und nachmals, als die gantze Herrschaft Wißbaden 1635, obgemeldter massen, eingezogen worden, völlig zu überlassen. Und zwar ist damals dieses Closter nicht an den Claren-Orden, welcher vormals in demselben in Uebung gewesen, sondern an den Jesuiter-Orden (welcher um dieselbe Zeit, weil er an dem Kayserlichen Hofe alles vermochte, die meisten solcher in Teutschland zurückgenommenen geistlichen Güter, mit vielem Widerspruch der anderen Orden, in seine Hände bekam) abgegeben worden. Nahmentlich haben die Jesuiten in Maintz solches erhalten. Sie haben auch dasselbe nachher, durch die übrige Zeit des gemeldten Krieges, besessen und benutzet. Als aber in dem Jahr 1648 der Westphälische Friede zu Stande gekommen, und, kraft dessen, alle, nach dem Jahr 1624 den Evangelischen entzogene, [414] geistliche Güter denselben wieder eingeräumet werden musten, so haben die gedachte Jesuiten auch dieses Closter Clarenthal, wiewohl nach langer Verzögerung, in dem Jahr 1650 dem vormaligen Inhaber desselben, nemlich dem rechtmäßigen Eigenthums-Herrn der Stadt und Herrschaft Wißbaden, wiederum zustellen müssen. Dieser hat so denn ohne Anstand die Verfügung (welcher nachmals von den nachgekommenen Landes-Herren immer weiter ist befolget worden) gethan, daß die Einkünfte desselben abermals zu allerley milden Abgaben sollten verwendet werden. Insbesondere sind dieselbe zur Besoldung mehrerer in dem Wißbadischen und Idsteinischen Lande nöthig-gewesener Lehrer bey Kirchen und Schulen, wie auch zum Unterhalt des Wißbadischen Hospitals, und Förderung armer Studirenden, und anderer dürftigen Personen, verordnet, auch zu desto besserer Besorgung derselben ein eigener Closter-Verwalter bestellet worden. Es haben aber diese Einkünfte durch die vorgedachte Abänderungen des Closters, und die damals zugleich vorgewesene langwiehrige und verwirrte Kriegs-Zeiten, gar einen starcken Abgang erlitten. Absonderlich sind diejenigen Gefälle, welche dasselbe in dem Gebiete auswärtiger Herrschaften annoch besessen hatte, gar sehr abhanden gekommen. Die Closter-Gebäude selbst sind auch bey diesen gemeldten Schicksalen meistentheils [415] verfallen, und ist von denselben nichts mehr sonderlich übrig, als ein Stück von dem vormaligen Creutz-Gang, wie auch die Wohnung der Abtißin, (welche der zeitliche Beständer des Closters inne hat) und einige andere wenige Closter-Zimmer. Die ehemalige Kirche, welche, laut allen alten Nachrichten, sehr schön und sehens-würdig gewesen seyn soll, ist ebenfalls, bis auf einiges altes Gemäuer, zu Grunde gegangen. Weil aber vormals viele Personen des Gräflichen Hauses Nassau, wie auch andere frembde Standes-Personen, welche daselbst, oder auch zu Wißbaden, wo sie sich etwan zufälliger weise aufgehalten, verstorben, in dieselbe, wie auch in den Creutz-Gang des Closters, begraben, und zum Theil mit lesens-würdigen Grab-Schriften sind versehen worden, so hat nicht nur die Landes-Herrschaft bereits in dem Jahr 1632 die vornehmste solcher Grab-Schriften und Gemählden sauber abzeichnen, und verwahrlich beylegen lassen; sondern es sind auch selbst einige solcher Grab-Steinen nach Wißbaden in und an die Kirche daselbst (wie solches bereits oben, bey Beschreibung dieser Kirche, ausführlich berichtet ist) versetzet worden. Doch sind auch noch einige in dem Closter selbst gegenwärtig zu sehen, auch liegen noch manche derselben unter dem Schutt der verfallenen Closter-Gebäuden verborgen. An statt dieser abgegangenen alten Kirche ist zu Anfang dieses [416] laufenden 18 Jahrhundert eine andere, und zwar in dem vormaligen Creutz-Gange, zurecht gemacht worden. Es dienet solche den Bewohnern des Closters (welche aus Hof-Leuten und einigen andern Bewohnern bestehen) zur Pflegung ihres öffentlichen GOttes-Dienstes, und sind die zeitliche Rectores der Lateinischen Schule zu Wißbaden (wie bereits oben, bey Beschreibung derselben, angemercket worden) jederzeit ordentlicher weise, auch zugleich Pfarrer zu Clarenthal; wiewohl auch einmal, nemlich von 1734 bis 1744, das Pfarr-Amt daselbst durch den zeitlichen Pfarrer zu Dotzheim, verschiedener Ursachen wegen, ist verwaltet worden. Das in diesem Closter errichtet-gewesene Hospital-Gebäude ist in dem 17 Jahrhundert durch Brand verunglücket, und ist dermalen von demselben nichts mehr, als die verfallene Mauern und der Nahme desselben, übrig. Sonst ist noch zu mercken, daß das bekannte ansehnliche Closter Eberbach oder Erbach, im Rhingau gelegen, unserm Closter Clarenthal noch jetzo mit dem so genannten Haupt-Recht verbunden ist, und muß dasselbe jedesmal, bey dem Absterben seines Ober-Hauptes im Closter, das verfallene beste Haupt oder Theil, wie man zu reden pfleget, mit einer gewissen Summe Geldes theidigen oder lösen. Auch ist noch anzumercken, daß um das Jahr 1700 eine weitläuftige und kostbare [417] Glasmacher-Fabrique, oder, wie man sie damals nannte, eine Glas-Hütte in diesem Closter ist aufgerichtet worden. Sie ist aber, weil sie mehr gekostet, als genutzet, und sonderlich die Waldungen sehr ausnehmend zu Schaden gebracht hat, nicht gar lange bestanden. Es ist nachmals, statt dieser, eine andere, nemlich eine Papiermacher-Fabrique oder Werck-Stätte in diesem Closter angeleget worden, und diese bestehet noch bis jetzo.

Erste Zugabe
enthaltend
eine Beschreibung
der Natur-Seltenheiten des Wißbads.

Diese sind

1, und vornemlich das warme Gesund-Wasser, welches daselbst von undencklichen Zeiten, und vielleicht wohl gar seit der geschehenen Erschaffung der Welt her, aus der Tiefe der Erden, zu vieler Menschen Heyl und Seegen hervorquillet. Daß dieses eine Seltenheit der Natur sey, das ist eine bekannte Sache. Denn es wird dergleichen warmes Gesund-Wasser nicht überall auf dem [418] Erdboden, sondern nur in einigen Gegenden desselben, und also etwas selten angetroffen. Auch hat dasselbe solche Eigenschaften an sich, welche es in Vergleichung gegen das andere gemeine und schlechte Wasser zu einer Seltenheit machen. Solcher Eigenschaften werden bey unserm Wißbadischen warmen Wasser sonderlich zwey gefunden. Denn 1, ist dasselbe heiß. 2, ist es heilend. Was die erste Eigenschaft desselben, nemlich die Hitze betrift, so ist diß Wasser zwar überhaupt in allen seinen Bad-Quellen heiß; in einigen derselben aber, sonderlich in der grossen Haupt-Quelle, welche auf der offenen Gasse, in dem so genannten Sauerlande stehet, ist es fast im höchsten Grade, oder so heiß, daß es durch das äusserliche Küchen-Feuer nicht sonderlich heisser wird können gemacht werden; denn es scheinet würcklich kochend oder siedend zu seyn, weil es diejenigen Würckungen äussert, welche ein sied-heisses, keinesweges aber ein bloß mittel-heisses Wasser, ordentlicher weise zu äussern pfleget, z. E. es brühet das geschlachtete Vieh ab; es siedet rohe Eyer ab etc. wie man die Beweise hiervon täglich daselbst mit Augen sehen kan. Daher man auch, wenn dieses Wasser in die Bäder eingelassen ist, nicht so gleich, wegen der grossen Hitze desselben, in demselben baden kan, sondern ihm vorher eine ziemlich-lange Zeit verstatten muß, bis es hinlänglich [419] verkühlet, und zum Baden dienlich wird. Darzu kommt, daß diese Hitze, welche dieses Wasser in so hohem Grade besitzet, sich auch zu keiner Zeit verändert, sondern beständig, Jahr aus, Jahr ein, sowohl in der heissesten Sommer- als auch in der kältesten Winter-Zeit, wie man bisher genau beobachtet hat, in einem Grade bleibet. Fraget man nun, woher es komme, daß, da das Wasser des Erdbodens ordentlicher Weise kalt ist, dennoch einiges desselben, und insbesondere auch dieses Wißbadische Wasser, so sehr heiß sey, und auch beständig in einem Grade heiß bleibe? so ist zwar der kürtzeste Weg, auf diese Frage zu antworten, dieser, daß man, wie einige thun, vorgiebt, GOtt habe diese heisse Wasser gleich Anfangs der Schöpfung heiß, gleichwie die andere kalte Wasser kalt, erschaffen; Und da man keine Ursache anzeigen könne, warum diese Wasser kalt, so könne man auch keine anzeigen, warum jene heiß seyen. Allein es wird dagegen von den Natur-Verständigen billig eingewendet, daß, wenn dem so wäre, so müsten so denn diese heisse Wasser beständig, und so lange sie in ihrer natürlichen Ordnung gelassen werden, heiß bleiben, und wenn man sie durch vorsetzliche Mittel erkältet, doch wieder von selbst heiß werden; gleichwie ebenfalls die kalte Wasser beständig, und so lange man sie in ihrer natürlichen Ordnung lässet, kalt bleiben, und wenn man [420] sie durch vorsetzliche Mittel erhitzet, doch von selbsten wieder kalt werden. Da aber dieses bey den heissen Wassern sich nicht also befände, sondern dieselbe von selbst erkalteten, und wenn sie einmal erkaltet, nicht wieder von selbst heiß würden, so könne dieses Vorgeben keinen Grund haben, sondern es müste das heisse Wasser ebenfalls, wie das kalte, seinem ersten Ursprung nach, wesentlich kalt, durch diese und jene, darzwischen gekommene, zufällige Ursachen aber heiß gemacht worden seyn. Fraget man nun also weiter: welches denn wohl diese zufällige Ursachen seyn möchten, durch welche dieses heisse Wasser also heiß gemacht werde? so ist es freylich wohl an dem, das sich dieselbe unmöglich mit einer völligen Gewißheit benennen lassen. Denn wer kan die Tiefen der Erde, wo dieses Wasser erhitzet wird, durchforschen, und alle Umstände, darin sich dasselbe allda befindet, untersuchen und beurtheilen? Es lässet sich aber doch etwan eines und das andere bey dieser Sache, aus genauer Betrachtung der eigentlichen Bestand-Theilen dieses Wassers, und aller übrigen Umständen desselben, durch einige von der Vernunft- und Natur-Wissenschaft an Hand gegebene Gründe, muthmaßlich errathen. Und das ist es, was die Forscher der Natur zu leisten, bisher sich bemühet haben. Sie bringen aber nicht eine, sondern mehrere muthmaßliche Meynungen, von dem Ursprung der Hitze dieses Wassers, vor, [421] und diese sind von einander sehr unterschieden. Wir wollen die vornehmste derselben, nebst ihren Schwierigkeiten, die sie bey sich haben, wie auch der Beantwortung derselben, wo anderst einige vorhanden ist, hinlänglich (doch nur bloß historischer oder Erzehlungs-weise, und ohne daß man eine Entscheidung dieser mancherley Meynungen, und noch viel weniger eine Behauptung dieser und jener besonderen Meynung hierbey unternehmen wolle) anzeigen, und dem vernünftigen Leser das Urtheil davon überlassen. 1, Sind einige und sonderlich die Natur-Lehrer der alten Zeiten, welche meynen, die Hitze dieses Wassers komme von einem unterirdischen stäts fort-brennenden Feuer her. Sie setzen nemlich fest, daß es unterirdische Feuer gäbe, und beweisen solches mit den Feuer-speyenden Bergen, welche hier und dar auf dem Erdboden angetroffen werden. Sie setzten ferner fest, daß, wenn etwan einiges Wasser in der Erde nahe bey einem solchen Feuer vorbey liefe, solches nothwendiger weise erhitzet werden müste. Und daher komme es, (führen sie zur Verstärckung dessen an) daß in denen Gegenden, wo feuerspeyende Berge sind, z. E. in Italien, in Ißland etc. auch viele heisse Wasser-Quellen befindlich wären. Gegen diese Gründe wird nun von andern, denen diese Meynung nicht wahrscheinlich vorkommt, eingewendet, daß Feuer-speyende Berge freylich wohl [422] bewiesen, daß es hier und dar ein unterirdisches Feuer gäbe, aber sie bewiesen auch zugleich, daß solches unterirdische Feuer, gleichwie alles andere materialische Feuer, seine Nahrung haben müsse; daher diese Berge nicht allezeit brenneten und raucheten, sondern nur allein zu der Zeit, wenn sich etwan allerley Nahrungs-Materie zum Brennen gesammlet, und solche von diesen und jenen inn- oder äusserlichen Ursachen in Bewegung und Brand gebracht würde. Da nun aber ein Feuer in der Erde, welches das vorbeylaufende Wasser vor beständig erhitzen solle, auch beständig und in einem Grade fortbrennen, und also auch beständige und genugsame Nahrung haben müsse, so könne man nicht begreiffen, wo solche beständige und hinlängliche Nahrung herkommen könne? Denn daß dieselbe so schnell und in einem fort nachwachsen sollte, als schnell und beständig sie von dem Feuer an sich gezogen und verzehret werde, das sey schwerlich zu glauben. Auch sey es eben damit nicht ausgemacht, daß man weiterhin darauf zur Antwort gäbe, daß man solches nicht zu untersuchen, sondern GOtt zu überlassen habe; denn davon sey hierbey die Rede nicht, was GOtt thun könne, sondern, was uns Menschen, nach unserer gesunden Vernunft, dabey begreiflich oder nicht begreiflich sey. Dazu komme, wenden sie ferner ein, daß solche angeführte Feuer-speyende Berge [423] ebenfalls lehreten, daß ein unterirdisches Feuer auch seine Oeffnungen auf der Erde, oder seine Luft- und Rauch-Löcher (gleich allem anderen Feuer) haben müsse. Dergleichen aber könne man bey den warmen Wasser-Quellen (wenigstens bey den Wißbadischen* nicht) weder in der Nähe noch in der Ferne, um dieselbe herum, gewahr werden. Und was den Berstärckungs-Grund dieser Meynung anbelanget, nemlich, daß in denen Gegenden, wo Feuer-speyende Berge sind, auch viele heisse Wasser-Quellen befindlich wären, so würde derselbe, sprechen sie, von grossem Gewichte seyn, wenn die heisse Quellen nur allein in solchen Gegenden angetroffen würden, wo [424] dergleichen Feuer-speyende Berge befindlich sind. Da aber auch dieselbe, und zwar in nicht geringerer Menge, anderswo auf dem Erdboden, wo keine Feuer-speyende Berge zu hören und zu sehen sind, gefunden werden, so falle dieser Bestärckungs-Grund weg, oder könne doch hierbey zu weiter nichts dienen, als daß man etwan sagen möchte: In der Gegend, wo Feuer-speyende Berge seyen, kämen die warme Wasser-Quellen von dem Feuer derselben, in andern Gegenden aber von einer anderen Ursache her; welches alles aber diese Sache schlecht entscheide. Und wo sollte endlich, sprechen sie, das Feuer, welches z. E. das Wißbadische Wasser in der Erde erhitzen soll, befindlich seyn? Sollte es weit von der Ober-Fläche des Wißbadischen Bodens, tief in der Erde, sich befinden, so könnte das erhitzte Wasser so sied-heiß nicht, als würcklich geschicht, hervorkommen, sondern würde durch einen, nur in etwas, langen Lauf in der Erde sich wieder sehr verkühlen. Sollte es aber nahe bey der Ober-Fläche des Bodens sich befinden, so könnte dasselbe unmöglich verborgen bleiben, sondern müste in gar nachdrücklichen Würckungen sich offenbahren, und wohl die gantze Gegend daselbst herum schon längstens durchbrannt haben. Denn ein Feuer, das eine solche Menge Wassers Jahr aus, Jahr ein, in einem Grade hin, erhitzen solle, müsse kein geringes Feuer [425] seyn. 2, Sind einige und sonderlich die Natur-Lehrer der neueren Zeiten, welche davor halten, die Hitze solcher heissen Quell-Wasser, insbesondere auch des Wißbadischen Wassers, komme bloß allein von der Vereinigung des Wassers mit denen in der Erde befindlichen Mineralien her. Sie setzen nemlich fest, daß in solchen Bad-Gegenden viele Mineralien (so nennet man alles, was in der Erde an Metallen oder Ertzen, Steinen, Säfften, und besonderen Erd-Gattungen gezeuget wird) in der Erde befindlich seyen. Und solches beweisen sie, was unsere Wißbadische Gegend betrift, nicht nur durch die Feuer-Eisen- und andere Ertz-haltende Steine, welche man daselbst auf der Ober-Fläche der Erden, sonderlich in den Waldungen (wie unten mit mehrerem wird berichtet werden) in grosser Menge antrift, sondern auch vornemlich durch die gelb-rothe Eisen-Erde, welche das heisse Wasser selbst häufig bey sich führet, und in allen seinen Wasser-Gängen anleget und zurücke lässet, und welche man in Wißbaden Senner oder Sender zu nennen pfleget. Sie setzen ferner fest, daß, wenn ein unterirdisches Wasser dergleichen mineralische Erd-Lagen berühre, dasselbe die verschiedene mineralische Theile derselben (die immerzu wieder nachwüchsen) auflöse, welche so denn mit dem Wasser sich vereinigten, in und gegen einander kräftig würcketen, und gleichsam [426] mit einander stritten, und daher einen Jescht oder Erhitzung sowohl ihrer selbst, als des Wassers, verursachten. Sie beweisen solches durch verschiedene, aus der Natur selbst hergenommene, Beyspiele, da, durch Vereinigung einiger Mineralien und des Wassers, z. E. wenn man Eisen-Späne und Schwefel zusammen thut, und mit Wasser begiesset, eine Erhitzung, ja zu Zeiten, Feuer und Flamme entstehet etc. Sie beweisen solches ferner durch gar viele Bergwercke oder Mineralien-Gruben, als in welchen öfters eine gar grosse Hitze, (so daß die Berg-Leute nackend darin arbeiten müssen, und doch kaum vor Hitze bleiben und Odem holen können) und gleichwohl kein würckliches Feuer verspüret werde, folglich also gantz sicher zu vermuthen sey, daß die in denselben befindliche Mineralien, durch Zufliessung des unterirdischen Wassers, in eine Selbst-Erhitzung gerathen müsten. Wendet man gegen dieses Vorgeben ein, daß man in unserem Wißbad auch halb-heisse, ja gar kalte, Wasser-Quellen anträffe, welche eben die Mineralien, wie das gantz-heisse Wasser in sich hätten, und gleichwohl keine solche Erhitzung, als dieses, äusserten, folglich also die Vereinigung des Wassers und der Mineralien die Ursache der mehr-gemeldten Hitze desselben nicht seyn könnte; So antworten die Vertheidiger dieser Meynung hierauf, daß dergleichen Wasser die mineralischen [427] Erd-Gegenden nicht gleich starck berühre, sondern einiges mehr, einiges weniger, durch dieselbe durchlaufe, folglich also auch einiges mehr, einiges weniger, durch dieselbe erhitzet werde. So denn käme auch dergleichen in der Erde erhitztes Wasser nicht durch einerley Wege oder Gänge zu seinem Ausbruch auf der Erde, sondern einiges bräche nach einem kurtzen Lauf hervor, einiges aber müste durch weite Umwege, und durch allerley kühle Sand- und Kieß-Gänge seinen Ausbruch erst suchen und erhalten, da es denn also kein Wunder sey, wenn das erste seine überkommene Hitze behalte, das andere aber dieselbe nach und nach wieder verliere. Wendet man ferner ein, daß, wenn die Erhitzung des Wassers durch die Vereinigung desselben mit dem Mineralien geschähe, so müsten so denn in allen mineralischen Erd-Gegenden, und sonderlich bey allen Bergwercken oder Mineralien-Gruben, als woselbst Mineralien, auch öfters Wasser genug, vorhanden wären, nothwendiger weise auch heisse Wasser-Quellen angetroffen werden; So antworten sie darauf, daß würcklich bey vielen solchen mineralischen Erd-Gegenden, und sonderlich auch bey vielen Bergwercken, dergleichen heisses Wasser, wenigstens in der Erde selbst, nach dem Zeugnüß der unterirdischen Erd- und Berg-Arbeiter, gefunden werde. Daß aber solches nicht allemal heiß auf der Ober-Fläche der Erde [428] hervorbreche, das käme daher, weil es, durch das lange Herumlaufen in der Erde, wieder erkalte. Und daß nicht in allen mineralischen Erd-Gegenden, und bey allen Bergwercken dergleichen heisses Wasser angetroffen werde, das rühre daher, weil nicht bey allen die, zu solcher Erhitzung nöthige, Mineralien vorhanden wären, oder auch die Vereinigung des Wassers mit denselben nicht auf solche Art, wie es seyn sollte, geschähe. Denn nicht jedwede Mineralien, noch auch eine jede Vereinigung des Wassers mit denselben, habe die Kraft, eine solche Erhitzung zu bewürcken. Und fast eben dieses antworten sie auf die Einwendung: warum denn mineralische Wasser zu Schwalbach, Selters, Pyrmont etc. sich nicht auch erhitzeten? nemlich sie sagen, daß ihre Mineralien von einer anderen Art wären, als diejenige, welche das Wißbadische und andere dergleichen heisse Quell-Wasser bey sich führen, folglich könnten sie also keine Selbst-Erhitzung verursachen, wie diese. Und wenn endlich noch eingewendet wird, daß man einige heisse Quell-Wasser fände, welche gar keine Mineralien bey sich führeten, z. E. das Pfeffers-Bad in der Schweitz etc. folglich also die Erhitzung von den Mineralien nicht entstehen könne; So antworten sie, daß einmal dergleichen benennte Wasser eigentlich nicht heiß, sondern nur lau wären, folglich also hierbey keinen sonderlichen Einwurf [429] verursachen könnten. So denn seyen gleichwohl auch solche angeführte laue Wasser nicht gantz ohne einige Mineralien, massen sie sonst keine heilende Kraft, vor dem andern schlechten Wasser, füglich äussern könnten; es seyen aber dieser Mineralien nicht viele, auch seyen sie so subtil, zart und flüchtig, daß sie durch keine Chymische Künste könnten begriffen und heraus gesondert werden etc. Es wird aber gegen alle diese Antworten auf die angeführte Schwierigkeiten, von denjenigen, welchen diese zweyte Meynung nicht anstehet, wiederum sehr vieles erinnert und eingewendet. Absonderlich, sagen sie, bleibe hierbey immerfort noch dieser Haupt-Anstand übrig, daß die Mineralien in der Erde, welche die Hitze dieses Wassers verursachen sollen, einer zufälligen Abänderung, wegen ihres fortwährenden Abgangs, unterworffen seyen, und schwerlich in solcher Geschwindigkeit und Gleichheit immerfort anwüchsen, als sie abgiengen, die Hitze dieses Wassers aber, wenigstens des Wißbadischen, beständig, Jahr aus, Jahr ein, in einem und eben demselben Grade unverändert bliebe etc. 3, Sind einige, welche meynen, das heisse Quell-Wasser werde bloß allein durch eine starcke, äussere oder innere, Bewegung erhitzet, wie etwan ein Rad an einem Wagen, oder ein Holtz auf der Dreh–Banck etc. durch ein blosses schnelles und heftiges Herumtreiben in Hitze, ja oft in Feuer und Flamme [430] gebracht werde. Allein, was diejenige anbelanget, welche die Hitze dieses Wassers einer äusseren heftigen Bewegung zuschreiben, und also davor halten, es falle das Wasser in der Erde in seinen Hölen und Gängen so heftig und schnell herab, oder laufe so starck hin und wieder herum, daß es dadurch zu einer solchen grossen Erhitzung gebracht werde; so haben dieselbe eben noch keinen sonderlichen Beyfall bey dieser Meynung gefunden. Denn es wird dagegen eingewendet, daß, obgleich das unterirdische Wasser durch eine solche schnelle Bewegung (die ohnehin noch nicht bewiesen sey) wohl etwan zu einiger wenigen Wärme gelangen möchte, es doch nicht begreiflich sey, daß es dadurch zu einer solchen grossen Hitze, wie bey dem heissen Quell-Wasser, sonderlich dem Wißbadischen, befindlich ist, erbracht werden könne; wenigstens lasse sich dergleichen Würckungen auf der Ober-Fläche der Erden, auch bey den allerstärcksten Wasser-Fällen, oder sonstigen heftigsten Bewegungen des Wassers nicht bemercken. Was aber diejenige betrift, welche meynen, das heisse Quell-Wasser werde so starck von innen beweget, daß es dadurch zu einer solchen grossen Hitze gelange; so kommen diese mit denjenigen, welche der zweyten angeführten Meynung beypflichten, im Grunde überein. Denn weil noch eine jede Bewegung ihre Ursache haben muß, und man [431] also auch billig hierbey fraget, was denn wohl die Ursache solcher vorgegebenen inneren Bewegung bey diesem Wasser seyn möge? Und darauf keine andere angezeiget werden kan, als die innere mineralische Bestand-Theile, welche dieses Wasser bey sich führet, und welche es lediglich in eine solche starcke Bewegung brächten, so siehet man wohl gar deutlich, daß diese Meynung von der oben angeführten zweyten Meynung in der That nicht unterschieden sey. Denn eben das ist es, was in derselben ausführlich ist behauptet worden, folglich aber ist sie auch eben denjenigen Schwierigkeiten, welche dieselbe, berührter massen, bey sich führet, unterworffen. 4, Sind einige, welche meynen, es sey genug, daß man wisse, daß in dem Inwendigen der Erde hier und dar eine grosse Hitze vorhanden sey, wie diejenige, welche die Gruben und Hölen der Erde durchkrochen haben, mit einem Munde bezeugeten. Woher diese Hitze komme? das sey nicht nöthig eigentlich zu wissen. Sie komme zwar gantz vermuthlich von einer Gährung der mancherley Erd-Säften über- und unter-einander her; allein sie möge herkommen, woher sie wolle, so könnten wir dessen ohne Schaden unwissend seyn, oder es an seinem Orte beruhen lassen; genug sey es, daß diese Hitze würcklich da sey. Diejenige unterirdische Gewässer nun, welche dergleichen erhitzte Erd-Gegenden durchflössen, würden [432] erhitzet, und nähmen zugleich von denen daselbst vorhandenen Mineralien, ohne jedoch von denselben die gemeldte Hitze zu erlangen, vieles an sich; die andere Gewässer aber, welche dergleichen heisse Erd-Gegenden nicht berühreten, blieben in ihrer ursprünglichen Kälte. Diejenige, welchen diese Meynung nicht anständig ist, geben vor, daß zwar ein unterirdisches Wasser bey seinem Durch-Lauf durch die erhitzte Erd-Gegenden zu einer und der andern Hitze gelangen könne; daß es aber eine Hitze in so hohem Grade, wie sich bey dem Wißbadischen Wasser findet, dadurch überkommen, und solche auch bis zu seinem Ausbruch aus der Erde, welcher doch vermuthlich so geschwinde nicht von statten gehe, ohne eine andere mitwürckende Ursache, behalten könne, das sey schwerlich zu glauben. 5, Sind endlich auch einige, welche vorgeben, die Hitze der heissen Quell-Wasser des Erdbodens komme nicht von einerley Ursache, an allen Orten desselben, her, sondern es sey dabey ein Unterschied vorhanden. In einigen Gegenden komme sie von einem unterirdischen Feuer, in andern von den Mineralien der Erde, in noch andern von einer starcken Bewegung, und wieder in andern von was anders her. Durch diese Meynung werden die vorerwehnte Schwierigkeiten, die sich bey einer jeden besonderen Meynung finden, nicht gehoben, sondern [433] zugleich mit wiederholet, und eine jede derselben vor sich in ihrem Gewichte gelassen. Der Leser siehet aus dem, was bisher von dem muthmaßlichen Ursprung der Hitze der heissen Quell-Wasser zwar nur (wie oben schon bezeuget ist) historisch, doch umständlich und unpartheyisch, ist angeführet worden, von selbst so viel, daß es nicht wohl möglich sey, in dieser Sache, wie bereits anfänglich gemeldet worden, zu einer völligen Gewißheit zu gelangen; ja, daß es schon schwer falle, nur einige muthmaßliche Wahrscheinlichkeit bey dieser und jener Meynung, wegen der vielen entgegen stehenden Schwierigkeiten, zu erreichen; Und daß fast, wenn man die Wahrheit bekennen solle, desto mehr neue Schwierigkeiten und Zweifel sich hierbey dem menschlichen Gemüthe darstelleten, je tiefer man sich in die Untersuchung dieser Sache einlasse. Und wie kan es auch wohl anders seyn? Ist doch der Ort, wo dieses Wasser seine Hitze ursprünglich überkommt, von unsern Augen gantz entfernet, und der Weg dahin verschlossen. Müssen wir nun bey solchen Wercken der Natur, die wir völlig und täglich vor Augen haben, und umständlich genug betrachten können, gleichwohl in Untersuchung ihrer Eigenschaften, und deren Ursachen, unserer grossen Unwissenheit inne werden, und können öfters kaum nur einige wenige Wahrscheinlichkeit der Sachen dabey erreichen; [434] Ey! was ist es denn Wunder, wenn solches auch bey einem solchen Wercke der Natur geschicht, welches in der Tiefe der Erden, und also ausser unsern Augen, zu Stande gerichtet wird, und welches überhaupt ein tiefes Geheimnüß der Natur, ja ein sonderbar-grosses Wunder der Allmacht GOttes ist. Es ist also das sicherste hierbey, daß man zwar, wie überhaupt, nach der Anweisung des Geistes GOttes, Psalm 104. Röm. 1. 20 etc. alle Natur-Wercke GOttes, (zumalen dieselbe mehrentheils uns Menschen zum besten bewürcket worden) also auch insbesondere dieses Werck der Erhitzung einiger Quell-Wasser des Erdbodens aller Betrachtung und Untersuchung würdiget, und in solcher Betrachtung und Untersuchung so weit gehet, als der menschliche Verstand sich immermehr erstrecket. Allein wenn man denn auch, bey solcher Betrachtung und Untersuchung dieser Wercke GOttes, seines Unvermögens inne wird, und der vollkommene Verstand seine offenbare Gräntzen findet, daß man so denn stille stehe, sich vor dem unendlich-grossen und unbegreiflichen GOtt demüthige, seine Hand auf den Mund lege, und sage: HErr, wie sind deine Werke so groß! Psalm 92, 6. Wunderbarlich sind deine Werke! Psalm 139, 14. Unser HErr ist groß, und von grosser Kraft, und ist unbegreiflich, wie er regieret, Psalm 147, 5. Wie lieblich sind [435] alle seine Wercke, wiewohl man kaum ein Füncklein davon erkennen kan, Syr. 42, 23 etc. Denn alle menschliche Wissenschaften, und also auch die Natur-Wissenschaft, haben ihre gewisse und gehörige Gräntzen. Und GOtt lässet uns von seinen grossen Natur-Wercken nicht alles, sondern nur so viel einsehen, als wir zur Erkänntnüß seiner herrlichen Eigenschaften vonnöthen haben. Das übrige hat er vor sich behalten, damit zwischen dem Schöpfer und dem Geschöpfe ein billiger und nöthiger Unterschied bleiben möge. Wie Er denn überhaupt in allen seinen Wercken nicht sowohl begriffen und ausgelernet, als vielmehr ehrerbietig bewundert und angebetet seyn will. Kan man demnach also die Ursache der Erhitzung unseres heissen Wißbadischen Wassers eben nicht vollkommen, nach Wunsche, einsehen und begreiffen, so kan man doch so viel dabey ohnschwer erkennen lernen, daß derjenige, der dieses Werck würcket, ein sehr grosses, mächtiges, weises und gütiges Wesen seyn müsse, und folglich also auch würdig sey, von allen, die dieses Wunder eines stäts fort-siedenden Quell-Wassers betrachten und benutzen, ehrerbietig gelobet und hertzlich geliebet zu werden. Wohl dem, der dieses bey der Untersuchung, und noch vielmehr bey dem würcklichen Gebrauch dieses Wißbadischen warmen Wassers wahrhaftig ausübenden lernet! Sonst verdienet [436] noch hierbey mit wenigem die gar zu seltsame Meynung von dem Ursprung der heissen Erd-Wasser, welche der alte Heide und Christen-Feind Celsus, den ersten Christen, wiewohl fälschlich, zuschreibet, bemercket zu werden. Er giebt nemlich, wie der Kirchen-Lehrer Origines in seinen Büchern wider denselben, L. V. c. 7. meldet, vor, daß die Christen lehreten, die abgefallene Engel oder Teufel lägen unter der Erde in Ketten und Fesseln verschlossen, und vergössen über ihren Abfall und Verdammnüß so viel heisse Thränen, daß davon die heisse Quell-Wasser auf dem Erdboden entstünden. Es hat aber der gedachte Origines l. c. gezeiget, daß zwar einige Ketzer und Irr-Lehrer unter den Christen diese ungereimte Meynung hegeten, aber keinem rechtglaubigen Christen dergleichen Thorheit jemals in den Sinn gekommen sey. Die zweyte besondere Eigenschaft, welche wir bey unserm Wißbadischen heissen Wasser antreffen, ist die heilende und gesundmachende Kraft desselben. Und diese ist das vornehmste und angenehmste Gut, welches GOtt in dasselbe geleget, und es dadurch von vielen anderen geschaffenen Wassern gar ausnehmend unterschieden hat. Das aber dergleichen heilende Kraft sich würcklich in demselben befinde, davon zeugen so viele unzähliche, aus nahen und fernen Landen, Jahr aus, Jahr ein, nach Wißbaden kommende Menschen, welche [437] durch den äusseren und inneren Gebrauch dieses heissen Wassers von so mancherley beschwerlichen Zufällen ihres Leibes, unter dem Göttlichen Seegen, immerfort befreyet werden. Fraget man denn nun auch hierbey: woher denn diese heilende Kraft komme, oder, was denn das eigentlich in diesem Wasser sey, welches diese heilende Würckungen verursache? so lässet sich ja wohl darauf gantz sicher antworten, daß solches alles durch die innere mineralische Bestand-Theile desselben, welche es in der Erde an sich gezogen, und deren Daseyn man so bald überhaupt aus dem besonderen Geruch und Geschmack dieses Wassers abnehmen kan, wie auch durch die kräftige Erd-Wärme, welche damit verbunden ist, bewürcket werde. Fraget man nun noch weiter: was denn dieses eigentlich vor mineralische Theile seyen, welche dieses Wasser in sich hat, und worin sie bestünden? so antworten diejenigen, welche den wesentlichen inneren Gehalt dieses Wassers, nach den besten Physicalischen und Chymischen Anweisungen gründlich untersuchet haben, daß solche innere Bestand-Theile (so viel nemlich deren annoch mit dem Wasser zu Tage kommen) hauptsächlich in einem scharfen Mittel-Saltz (Sale enixo) und in wenigem Eisen bestünden. Und zwar, daß sich ein Saltz in diesem Wasser befinde, das bewähret der Geschmack desselben überflüßig. Und daß auch ein Eisen [438] darin befindlich sey, das lehret die gelb-rothe Eisen-Erde, welche es in allen seinen Gängen häufig angeleget, und aus welcher, durch das Feuer, ein würckliches Eisen heraus gebracht wird; wie denn auch diesem Eisen-Gehalte desselben zugeschrieben wird, daß diejenige Sachen, welche von diesem Wasser befeuchtet werden, eine gelb-rothe Farbe an sich nehmen. Was aber das, in diesem Wasser vorhandene fettigte Wesen, welches sich oben auf demselben, als eine zarte Haut, anzusetzen pfleget, und welches allerdings ebenfalls ein wesentlicher Bestand Theil dieses Wassers ist, anbelanget, so geben die vorgedachte Chymie-Verständige vor, daß solches, wegen seiner Zartheit und Flüchtigkeit, durch keine Chymische Kunst begriffen, und zur Absonderung gebracht werden könne, und folglich liesse sichs auch nicht wohl sagen, was dasselbe eigentlich sey, und woraus es bestünde? Doch sey es vermuthlich eine solche Fettigkeit, die von einem unterirdischen hartzigten oder ölichten Erd-Saft, welchen dieses Wasser im Vorbey-Rinnen berühre, ihren Ursprung nehme. Doch sind auch andere, welche es lieber vor einer schwefelichte Materie halten wollen. Es sind also, auf solche Art, die wesentliche Bestand Theile, welche dieses Wasser, bey seinem Ausbruch aus der Erde, und nach geschehener Ausstossung aller undienlichen Neben-Theilen, zu Tage leget, dem Anschein nach, [439] fast wenige und geringe Dinge. Und gleichwohl hat GOtt, der grösseste und bewunderns-würdigste Chymicus, in diese wenige und gering-scheinende Dinge eine gantz besondere grosse Kraft geleget, und ihnen eine sehr mannichfaltige heilende Würckung, wie schon gemeldet ist, anvertrauet. Und diese Würckung ist bey allen besonderen Quellen dieses Wassers ohnerachtet einige derselben heisser und heller Wasser haben, als die andere, dennoch durchgängig einerley. Doch es kan der Leser, wenn er Belieben hat, ein mehreres von den inneren Bestand-Theilen des Wißbadischen warmen Wassers zu wissen, genugsame Nachricht davon finden in den mancherley medicinischen Beschreibungen dieses Wassers, welche von verschiedenen geschickten Medicis und Physicis nach und nach in den Druck gegeben, und in der Vorrede dieses Buches ordentlich benennet sind. Absonderlich aber findet er die ausführlichste und gründlichste Nachricht hiervon in derjenigen Bad-Beschreibung, welche von dem weyland sehr geschickten Wißbadischen Medico und Chymico, Joh. Spethen, nach dem Bericht der bemeldten Vorrede, verfasset und in den Druck gekommen ist. Denn in derselben hat dieser Auctor die wesentliche Bestand-Theile dieses Wassers, aus Chymischen Gründen und Untersuchungen, sehr überzeugend dargethan, und zugleich bewiesen, daß derselben lange [440] keine solche grosse Anzahl sey, als die Medici der vorigen Zeiten insgemein vorgegeben hätten. Denn da dieselbe gemeiniglich fast ein gantzes Bergwerck von allerhand Mineralien, wie er redet, in dem Wißbadischen warmen Wasser vermuthet hätten, so fänden sich doch in der That, und bey angestellten Chymischen Untersuchungen, keine andere in demselben, als diejenige wenige, welche kurtz vorher benennet worden. Wir lassen solches an seinem Orte beruhen, und mercken nur diesmal bey unserem Wißbadischen heissen und heilenden Wasser noch dieses an, daß dasselbe nicht sparsam, oder nur in etlichen Quellen, sondern sehr reichlich und in vielen Quellen in unserer Stadt, aus der Tiefe der Erden, als ein rechtes starckes Grund-Wasser, hervordringe. Die Gegend, worin es vornehmlich hervorquillet, ist von keiner sonderlichen Grösse. Und gleichwohl dringen in diesem kleinen Bezirck so viele grosse und kleine Quellen aus der Erde hervor, daß davon nicht nur fünff bis sechs und zwantzig, meistens sehr grosse Bad-Häuser ihr hinlängliches Wasser zu ihren vielen Bädern überkommen, sondern auch vieles andere Wasser zu einem anderweitigen Gebrauch annoch übrig bleibet, oder gar ohne sonderliche Benutzung wegfliesset. Und, welches merckwürdig ist, so vermindert sich dieses Wasser in seinen Quellen niemals, sondern bleibet allezeit, [441] wie man bisher genau bemercket hat, auch bey der grössesten Sommer-Hitze und Dürre, da sonsten viele Brunnen des kalten Wassers gemeiniglich abzunehmen pflegen, in einem Maase. Und da diese viele heisse Quellen zugleich beständig, wie man mit Augen sehen kan, eine sehr grosse Menge gelb-rother Eisen-Erde mit dem Wasser ausstossen, und also dadurch das Inwendige der Erde, gantz vermuthlich, sehr ausgehölet wird, so muß man sich allerdings sehr wundern, daß sie noch niemalen ein Erd-Fall hierdurch bewürcket worden, sondern bisher, seit undencklicher Zeit, alles in seinem Stande geblieben ist. Abermalige grosse Beweise der, bey diesem Geheimnüß der Natur, auch in diesem Stücke, vorwaltenden Allmacht GOttes! Die vornehmste oder Haupt-Quelle dieses unseres Wißbadischen heissen Wassers findet sich in dem grossen offenen Brunnen, welcher in dem so genannten Sauerlande, auf der freyen Strasse, gleich vor dem Bad-Haus zur Glocke, stehet, und mit einer hohen Mauer ordentlich umfasset ist. Die Länge derselben beträget 24, die Breite 17, die Tiefe, nach dem umliegenden Boden zu rechnen, 3, die Höhe über demselben 5 Werckschuhe. Er wird insgemein von den Stadt-Einwohnern, seit langen Zeiten her, der Koch- oder Sied-Brunn genennet, weil das Wasser in demselben gleichsam kochend oder siedend aus [442] der Erde heraus dampfet. Er bestehet eigentlich aus vielen Quellen, deren einige groß sind und beständig quillen, einige aber klein sind und nur zuweilen quillen. Der inwendige Boden desselben scheinet von ferne mürbe oder brüchig zu seyn, er ist aber in der That Felsen-fest. Daher man gantz sicher grosse Leitern auf denselben setzet, und ohne alle Gefahr in denselben steiget, und ihn, wenn es nöthig ist, von seinen Auswürffen reiniget. Man hat auch vormals das heisse Wasser, welches öfters in grosse Fässer gefasset, und anderswohin verführet wird, durch Einsetzung einer Leiter, aus diesem Brunnen geschöpfet. Dermalen aber wird solches, besserer Bequemlichkeit halben, durch einen Eimer, vermittelst einer an den Brunnen fest-gemachten eisernen Rolle, aus demselben heraufgezogen. Oben auf der Mauer des Brunnens sind einige eingehauene Schriften zu sehen. Es enthalten aber solche nichts anders, als die Nahmen einiger Bad-Wirthen, welche in den vorigen Zeiten gelebet, und an diesem Brunnen Antheil gehabt haben. Daß die Kayserliche Croaten, in dem vormaligen dreyßig-jährigen Kriege, diesem Brunnen sonderlich viel Nachtheil zugefüget haben, das ist bereits oben, in Beschreibung der widrigen Schicksale, welche Wißbaden in diesem Kriege erlitten hat, berichtet worden. In dem Jahr 1722 ist ein Wißbadischer Burger, [443] welcher an einer hitzigen Kranckheit darnieder gelegen, und seines Verstandes nicht mächtig gewesen, aus seiner Behausung, ehe es seine Hausgenossen inne worden, entlaufen, und in diesen Brunnen gesprungen, da er denn, ob man ihn gleich eilends wieder heraus gezogen, so sehr verbrannt gewesen, daß er so bald Todes verfahren. Dergleichen Unglücks-Fälle haben sich mehrere, bey den kleinen Canal- oder Neben-Brunnen dieses Haupt-Brunnens, welche in den Bad-Häusern selbst befindlich sind, zu Zeiten zugetragen, indem mannichmal Kinder in dieselbe gefallen, und so verbrannt worden sind, daß sie, ohngeachtet man ihnen baldigst herausgeholfen, ihr Leben dadurch haben einbüssen müssen. Uebrigens sind der Bad-Häuser,* welche dermalen ihr nöthiges Wasser aus diesem Haupt-Brunnen durch Canäle oder Wasser-Leitungen (die gemeiniglich alle Jahre, wegen der vielen gelb-rothen Eisen-Erde, welche das Wasser [444] ansetzet, müssen ausgeräumet werden) überkommen, und welche nicht gar weit von demselben entfernet stehen, achte. Nemlich 1, der weisse Löwe, hieß vormals der rothe Löwe. 2, die Glocke. 3, der weisse Schwan. 4, die Blume. 5, der guldene Engel. 6, die Rose. 7, der Rinds-Fuß. 8, der schwartze Bock. Es ist auch ehemals noch ein Bad-Haus vorhanden gewesen, welches an diesem Brunnen ebenfalls Antheil gehabt, und nahe an demselben gestanden hat, nemlich der Salm. Es ist aber dasselbe, als es in den langwiehrigen Kriegs-Zeiten des 17 Jahrhundert gar sehr in Abgang gekommen, nachmals vollends abgebrochen, und, weil es dem Brunnen allzu nahe gestanden, und demselben an der nöthigen freyen Ausdampfung hinderlich gewesen, nicht wieder aufgebauet, sondern der öde Platz desselben dem Hospital überlassen worden. Auch die geniesset dieses Hospital, seit dem Jahr 1732, dasjenige Wasser aus dem grossen Haupt-Brunnen, welches sonst vormals dem gemeldten Salm zugehöret hatte, weil die, in dem gedachten Jahr, neu-errichtete Hospital-Bäder unversehens zu hoch gestellet, und also der eigene alte Hospital-Brunn etwas unbrauchbar worden ist. Es hat auch vormals nicht weit von diesem Haupt-Brunnen ein Bad-Haus gestanden, welches (L. St. f. 186) zum rothen Schild ist genennet worden. Ob das aber ein [445] Bad-Haus sey, das noch stehet, und nur das Schild abgeändert hat, oder aber, ob es gantz und gar abgängig geworden sey? das lässet sich aus solcher Nachricht nicht völlig erkennen. Nur so viel wird gemeldet, daß es gegen das Ende des 16 Jahrhundert wüst gelegen habe. Der zweyte Haupt-Brunnen des Wißbadischen heissen Wassers ist der Adler-Brunn. Dieser stehet in dem Hofe des Bad-Hauses zum schwartzen Adler, ist offen und mit einer Mauer umfasset. Er ist etwas kleiner, als der, kurtz vorher beschriebene, größte Haupt-Brunn, aber tiefer, als derselbe, weil das Wasser in diesem, wegen der hoch-liegenden Canäle, höher steiget, als in jenem. In dem Jahr 1710 hat sich das Wasser aus diesem Brunnen auf einmal und gantz unvermuthet verloren. Denn da der Bewohner eines ohnweit dem Adler stehenden Hauses eine tiefe Grube, wegen eines gewissen Vorfalls, in seiner Behausung gegraben, so ist darauf, wider alles Dencken, diese Grube und sein gantzes Haus voll heisses Wasser, der Adler-Brunn aber, dessen Wasser sich durch unterirdische Gänge dahin gezogen, davon gantz leer worden. Man hat grosse Mühe gehabt, diese in die äusserste Unordnung gerathene Quelle wieder in ihre vorige Ordnung zu bringen, und hat man daher auch, dieser Angelegenheit wegen, öffentliche Fürbitten in der Kirche thun lassen. Es ist aber doch endlich alles wieder in Ordnung und [446] in seinen vorigen Gang gekommen. Im Jahr 1722 ist eine frembde Weibs-Person, als sie Wasser aus diesem Brunnen hat schöpfen wollen, ohnversehens in denselben hinein gefallen, und ohnerachtet man sie bald wieder heraus gezogen, gleichwohl so verbrannt worden, daß sie ihr Leben dadurch verlohren hat. Sonst findet sich, nicht weit von diesem heissen Brunnen, in dem Adler-Hof auch eine kalte Wasser-Quelle, welche eben die Mineralien, oder den inneren Gehalt hat, wie die heisse Quelle. Und es ist kurtz vorher berichtet worden, daß man zu vermuthen pflege, es sey solches kalte mineralische Wasser ebenfalls, in der tiefen Erde, erhitzet gewesen, durch das lange Herumlaufen aber, vor seinem Ausbruch aus der Erde, wieder erkältet worden. Uebrigens bekommen aus dem heissen Adler-Brunnen folgende Bad-Häuser ihr Wasser: 1, der schwartze Adler 2, der Hirsch, welches Haus dermalen ein Juden-Bad-Haus ist. 3, die Crone. 4, der schwartze Bär, welches Haus so eingerichtet ist, daß es als ein Haus, und auch als zwey Häuser kan gebrauchet werden, in welchem letzteren Fall es so denn noch ein Schild, nemlich 5, den Riesen, aufzuhängen pfleget. Ausser diesen zweyen, bisher beschriebenen, grossen Haupt-Brunnen des heissen Wassers sind auch viele andere kleinere Brunnen, daraus die übrige Bad-Häuser ihr Wasser [447] bekommen, in unserm Wißbad befindlich. Sie stehen aber alle verdeckt in der Erde, und zwar hier und dar in Häusern, Höfen, Gärten und Strassen, und werden nicht eher, als bey Aufgrabung ihrer Canälen, gefunden. Einige derselben sind gemeinschaftlich, oder werden von verschiedenen Bad-Häusern zugleich benutzet. Und zwar so hat das gemeine Bad und das Schützen-Bad einen solchen verdeckt-stehenden Brunnen mit einander gemein. Das gemeine oder Burger-Bad hat den Nahmen daher, weil es ein gemeines Stadt-Bad ist, darin die Einwohner der Stadt, ohne Entgeld zu baden, die Freyheit haben. In den gantz alten Wißbadischen Schriften (z. E. im Gerichtsb. f. 20, 21, 89, 116 etc.) wird es gemeiniglich das Mane- oder Manne-Bad, das ist so viel, als Gmane oder Gemeine Bad genennet. Und von den Häusern, welche um dieses Bad herum stehen, heisset es in solchen Urkunden, nach der damaligen Art zu reden, daß sie uf dem gemeinen Bad lägen. Das Schützen-Bad oder der Schützen-Hof hat den Nahmen von den adlichen Schützen von Holtzhausen, welchen dieses Haus um den Anfang des 17 Jahrhundert zugehöret hat. Es ward auch noch vorher das Dinheimer-Bad, von den Besitzern desselben im 16 Jahrhundert, den Adlichen von Dinheim, (laut Webers Beschreibung des Wißbads) genennet. Und noch vorher in dem 15 Jahrhundert hat es (laut [448] Gerichtsb. f. 55.) einem Herren in Maintz zugehöret, welcher aber eben einer von den gemeldten Dinheimen scheinet gewesen zu seyn. Nachmals, als es um die Mitte des 17 Jahrhundert an die Gräflich-Nassauische Landes-Herrschaft gekommen, ward es das Grafen-Bad genennet. Es ist aber, dem ohngeachtet, doch der vorige Nahme Schützen-Bad wieder hervor gekommen, und ist auch noch jetzo gewöhnlich. Das Bad-Haus zum Stern, und zum goldenen Reichs-Apfel, (welches vormals der Vogel-Gesang hieß) haben auch einen gemeinschaftlichen Brunnen. Die übrige Bad-Häuser haben dermalen ein jedes seinen eigenen Brunnen, und sind folgende.: 1, das Hospital- oder Armen-Badhaus, welches aber seinen eigenen Brunnen dermalen, wie bereits oben berichtet ist, nicht benutzet. 2, der Spiegel. 3, das goldene Creutz, hieß vormals der wilde Mann. 4, das Rebhun, welches Haus dermalen ein Juden-Badhaus ist. 5, die Sonne, hieß vormals das weisse Roß. 6, die Krohe, hieß vormals der Helm. 7, die Lilie. 8, der halbe Mond, hieß vormals die Stege. 9, die zwey Böcke. Es ist auch vormals noch ein Bad-Haus in Wißbaden gewesen, welches (wie Hoernigk in seinem Wißbadischen Bad-Buch in 12 berichtet) seinen eigenen Brunnen gehabt hat, und das Neue Bad ist genennet worden. Wo aber solches gestanden [449] habe, und ob es noch, unter einem anderen Nahmen, vorhanden, oder aber gantz und gar abgängig worden sey? das lässet sich nicht entscheiden. Doch ist das letzte, verschiedener Ursachen wegen, mehr, als das erste, zu vermuthen. Ausser diesen bisher benennten Brunnen finden sich auch einige, welche zum gemeinen Gebrauch auf den öffentlichen Strassen stehen. Als da ist der so genannte Brüh-Born, darin das geschlachtete Vieh abgebrühet wird. Item zwey in dem so genannten Graben. Auch hat noch vor kurtzem ein solcher Brunn vor dem Bad-Haus zum Rebhun auf der offenen Strasse gestanden, welcher der Rebhünleins-Brunn genennet wurde. Es ist aber derselbe, bey vorgenommener Veränderung der Gebäuden und Strassen daselbst verschüttet und verbauet worden. Mehr andere dergleichen kleine Brunnen stehen noch hin und wieder in den Höfen des so genannten Sauer- oder Bad-Landes verdeckt, oder sind gar vorsetzlich, weil sie den Gebäuden einige Ungelegenheit zugezogen, und doch keine mehrere ordentliche Bad-Häuser dörffen errichtet werden, mit Erde zugeschüttet. Man giebt in Wißbaden vor gewiß vor, daß man in der so genannten Stadt, zwischen dem Uhr-Thurn und dem Stadt-Thor, hier und dar in der Erde, vor nicht gar langer Zeit, einige alte Bad-Kasten oder gemauerte Bäder angetroffen habe. Wenn dieses Vorgeben Grund [450] hat, so müssen vormals ebenfalls einige warme Quellen daselbst vorhanden gewesen, oder aber (welches wahrscheinlicher ist) das Bad-Wasser durch Canäle aus der eigentlichen Bad-Gegend unseres Wißbads bis dahin seyn geleitet worden. Uebrigens ist noch zu mercken, daß die Gewohnheit, die Bad-Häuser in Wißbaden, durch die aufgehängte Schilde von einander zu unterscheiden, nicht scheinet gar ausnehmend alt zu seyn. Denn in den Wißbadischen Schriften des 14 und 15 Jahrhundert findet man keine Spur davon, sondern jedes heisset durchgängig, wenn etwan eines oder des andern Bad-Hauses in demselben gedacht wird: das Huß im Bade, oder auch: uf dem Bade, oder: zu dem Bade, das ist: in der Bad-Gegend oder im Sauerland. Item: das Huß und Bayd oder Bad des N. Item: das Bad by des N. Huß. Item: in des N. Huse zum Bade. Item: die Hobereyd, Hobestad, zu dem Bade. Item: das Bade Huß das dem N. oder des N. ist. Item: das Bade Huß das zwischen des N. Huß und zwischen des N. Huß gelegen ist etc. welcher Weitläuftigkeit man gar nicht bedurft hätte, wenn die mancherley Bad-Häuser durch besondere Schilde von einander unterschieden gewesen wären. Es ist aber doch damals ein Bad-Haus vorhanden gewesen, welches einen besonderen Nahmen, vor den andern Bad-Häusern, gehabt hat, [451] nemlich des Kaysers-Bad. Denn so heisset es in dem alten Wißbadischen Gerichtsb. f. 58. In dem Jahr 1428 verzinseten die Nonnen von – ihr Bad und Hofstad gelegen neben dem Bad das man nennet des Kaysers Badt –. Daß dieses Bad-Haus diesen Nahmen nicht von ohngefähr und ohne Ursache überkommen habe, das lässet sich gantz sicher daraus schliessen, weil es vormals, wie eben jetzo gezeiget ist, in Wißbaden nicht üblich gewesen, daß man einem Bad-Hause einen besonderen Nahmen, und noch vielweniger einen besonderen Nahmen von ohngefähr, oder aus einem blossen willkührlichen Einfall des Besitzers, (wie wohl heut zu Tage geschicht) beygeleget habe. Auch kan diese Benennung nicht von dem Nahmen des damaligen Besitzers, der etwan Kayser könnte geheissen haben, entstanden seyn. Denn es wird diese Redens-Art: das Bad oder Badehuß das man nennet das N. Bad, von keinem eintzigen anderweitigen Bad-Haus in den alten Wißbadischen Gerichts-Büchern gebrauchet, sondern es heisset in denselben immerzu schlechthin: das Bad oder Badehuß des N. oder, das des N. ist etc. dabey denn allezeit der Vor- und Zu-Nahme des Besitzers völlig ausgedrucket ist. Es ist also gantz sicher, daß diese besondere Benennung dieses Bades durch eine besondere Veranlassung werde entstanden, und da es ein Kaysers-Bad [452] heisset, erst auch von einem würcklichen Kayser also werde benennet worden seyn; folglich derselbe solches etwan selbst erbauet und besessen, oder aber doch einige Zeit lang sich des Gesund-Wassers in demselben bedienet haben. Wie denn z. E. in der Reichs-Stadt Achen, bekanntlich, ein Bad ist, welches um deßwillen das Kaysers-Bad heisset, weil es vormals von einem Kayser, nemlich Carl dem Grossen, ist erbauet und gebrauchet worden. Welcher Kayser aber dieser gewesen sey, der zu der Benennung unseres Wißbadischen Kaysers-Bades die Veranlassung gegeben habe? das ist nicht wohl möglich zu bestimmen. Es ist zwar oben in der zweyten Abtheilung gezeiget worden, daß der Kayser Otto der Grosse vormals in Wißbaden sich eine Zeitlang aufgehalten habe. Auch ist eben daselbst gemeldet worden, daß der Kayser Carl der Grosse ebenfalls unser Wißbad, aller Vermuthung nach, werde besuchet haben. Allein es mögen wohl der Kayser noch mehrere gewesen seyn, welche etwan in den vorigen Zeiten gelegenheitlich nach Wißbaden gekommen sind, und sich daselbst aufgehalten haben, obgleich keine schriftliche Nachricht davon bis auf unsere Zeiten ist aufbehalten worden. So viel ist wohl zu vermuthen, daß dieser Nahme des Kaysers-Bades nicht von dem Kayser Adolph, aus dem Hause Nassau, welchem Wißbaden zugehöret hat, seinen [453] Ursprung genommen habe. Denn obgleich dieser Herr, in der That, Kayser gewesen, so hat er sich doch, weil er die Päbstliche Crönung nicht erhalten hat, nicht Kayser, sondern, nach Gewohnheit der damaligen Zeiten, wie bekannt, nur Römischen König genennet. Und also würde dieses Bad, wenn es von ihm den Nahmen erhalten hätte, nicht Kaysers- sondern Königes-Bad seyn genennet worden. Wie etwan z. E. vormals, bey Creutzburg an der Werra, der Ort, wo dieser Kayser Adolph mit seiner Armee über die Werra gegangen ist, zum Andencken dessen, die Königs-Furt ist genennet worden. Siehe Spangenbergs Sächsische Chronick p. 462. Es hat also das Wißbadische Kaysers-Bad allerdings von einem solchen Herren, der auch, neben Nahmen nach, Kayser gewesen, diese Benennung in den alten Zeiten überkommen. Welches Bad-Haus aber, unter den Wißbadischen Bad-Häusern, vormals das Kaysers-Bad gewesen sey? das ist dermalen unbekannt. Doch lässet sich so viel, aus den oben angeführten Worten des Gerichts-Buches, ziemlich deutlich ersehen, daß es neben einem andern Privat-Badhause, und also in der eigentlichen Bad-Gegend des Wißbads, wo mehrere dergleichen Privat-Badhäuser vorhanden sind, müsse gestanden haben. Gegen das Ende des 15 Jahrhundert ist in unserem Wißbad (wie aus U. erhellet) die [454] Gewohnheit nach und nach aufgekommen, die Bad-Häuser durch besondere Schild-Zeichen von einander zu unterscheiden. Und da hat sich dieses Kaysers-Bad auch nach dieser Gewohnheit gerichtet, und durch ein aufgehängtes Schild sich einen anderen Nahmen gegeben. Es ist zugleich damals auch noch eine andere Gewohnheit bey den Bad-Häusern in Wißbaden (wie in mehr andern dergleichen Bad- und Brunnen-Oertern, z. E. in dem benachbarten Langen-Schwalbach etc. auch geschehen ist) unter der Hand aufgekommen, nemlich diese, daß, wenn Herrschaftliche Standes-Personen in denselben sich des Bades bedienet, sie, währendem solchem ihrem Aufenthalt daselbst, ihr Wappen-Schild auswendig an denselben aufgehänget, und solches, bey ihrem Abzug, zum Andencken daselbst hinterlassen haben. Wie man denn dergleichen alte Herrschaftliche Schilde noch vor weniger Zeit an verschiedenen Bad-Häusern in ziemlicher Menge hat sehen können. Es ist aber diese unnöthige Gewohnheit nach und nach in Abgang gekommen, und wird heut zu Tage nicht mehr beobachtet.

2. Die zweyte Natur-Seltenheit des Wißbads ist der Faulborn. Dieser stehet vor dem so genannten Maintzer-Thor, und ist von einer ziemlichen Grösse, auch mit [455] Steinen eingefasset, und mit einem eisernen Gegitter verwahret. Er heisset der Faulborn, weil er ehemals, da der Grund und Boden um denselben herum annoch sehr schlammicht und faulicht gewesen, und er solchen Geschmack an sich gezogen hatte, ziemlich faulicht geschmecket hat. Nachdem aber der Boden daselbst besser ausgetrucknet, der Brunn selber aber ordentlich eingefasset und erhöhet worden, so hat er den faulichten Geschmack zwar fast völlig verlohren, den Nahmen aber eines Faulborns dennoch bis jetzo behalten. Er ist übrigens nichts anders, als ein mineralischer Brunn, und sein Wasser ist in der That, wie der Geschmack des ausweiset, ein erkaltetes und mit etwas wenigem schlechten Wasser vermischtes Bad-Wasser; hat auch fast eben die Mineralien, welche man bey dem heissen Bad-Wasser antrifft, in sich, wirft auch solche gelb-rothe Eisen-Erde aus, wie dieses. Und es ist bereits etlichemal erinnert worden, daß, wie einige vermuthen, dieses Faulborn-Wasser, und mehr andere dergleichen in Wißbaden befindliche kalte mineralische Wasser, ebenfalls vorher in der Erde erhitzet gewesen, durch das weite Herumlaufen aber in den unterirdischen Gängen, wie auch durch einige zufällige Vermischung mit anderem kalten Wasser, vor ihrem Ausbruch aus der Erde, wieder erkaltet worden. Man schreibet diesem Faulborn-Wasser auch [456] verschiedene heilsame Kräfte zu, wenigstens wird dies in mancherley Kranckheiten mit gar gutem Nutzen zum Trincken gebrauchet. Es sind nahe um Wißbaden herum noch mehr kleine mineralische Faulbrunnen (wie sie insgemein genennet werden) anzutreffen, sie sind aber nicht so gut und brauchbar, wie dieser.

3. Die dritte Natur-Seltenheit des Wißbads ist das Sol oder Saltz-Wasser, oder dasjenige Wasser, welches einen ziemlichen Gehalt von gutem Küchen-Saltze bey sich führet. Dieses quillet in und um Wißbaden hin und wieder, sonderlich aber nahe bey dem vorgemeldten Faul-Brunnen, starck hervor. Man ist daher mehrmalen auf den Vorschlag gekommen, eine ordentliche Saltz-Sode nahe bey diesem Brunnen aufzurichten. Und im Jahr 1731 hat man würcklich solches in das Werck zu richten gesuchet, auch zu dem Ende mit Grabung und Anrichtung der Saltz–Brunnen in derselben Gegend einen Anfang gemacht. Nachdem aber nicht nur der Saltz-Gehalt des Wassers allzu arm befunden worden, sondern sich auch einige Anzeigen hervorgethan, daraus man nicht undeutlich hat schließen können, es möchte vielleicht das Wißbadische warme Gesund-Wasser durch unterirdische Gänge nach solchen Saltz-Gruben sich hinziehen, und also die Bäder, als das Haupt-Kleinod der Stadt, dadurch einen [457] unersetzlichen Schaden erleiden, auch noch über das die Wißbadische Wälder durch das Saltz-sieden in den äussersten Ruin gesetzet werden; als hat man diesem Saltzbrunnen-Geschäfte wieder einen Anstand gegeben, und solches endlich, mit gutem Bedacht, völlig wieder eingestellet.

4. Die vierdte Natur-Seltenheit des Wißbads ist das so genannte Wiesen-Brünnlein. Dieses stehet vor dem so genannten Sonnenberger-Thor in einem angenehmen Wiesen-Grunde, und hat eben dieser Umstand der Gegend, darin es befindlich ist, Anlaß gegeben, daß ihm, von alten Zeiten her, der Nahme eines Wiesen-Brünnleins ist beygeleget worden. Es hat dieses Brünnlein zwar kein mineralisches oder gesaltzenes, sondern ein ordentlich schlechtes, oder, wie man zu reden pfleget, süsses, und dabey sehr frisches und kaltes Wasser. Aber eben um deßwillen ist es als eine würckliche sonderbare Seltenheit der Natur bey unserer Stadt anzusehen, weil hier die Natur in einem Grund und Boden, und zwar so nahe beysammen, ein sehr heisses gesaltzenes, und auch ein sehr kaltes süsses Wasser aus der Erde hervorsteigen lässet; wie denn der oben beschriebene heisse Sied-Brunn nicht sonderlich weit von diesem Wiesen-Brünnlein entfernt ist. Und ist das Wasser dieses Brünnleins vor die Einwohner dieser [458] Stadt ein desto angenehmere Seltenheit der Natur, weil es fast das eintzige, wenigstens das stärckste, süsse Quell-Wasser ist, welches man nahe bey der Stadt findet. Daher auch dieses Brünnlein, zumalen es auch noch dabey im Sommer denen frembden Bad-Gästen, wegen der daselbst hingepflantzten Bäumen und Alleen oder Laub-Gängen, zu einer vergnügenden Ergetzung dienet, jederzeit in gutem Stande erhalten wird, auch schon öfters, noch im Jahr 1754, ist erneuert und ausgebessert worden. Es bestehet aber dasselbe aus verschiedenen Quellen, welche nahe bey der Mauer, womit es umfasset ist, zu beyden Seiten derselben, etwas tief in der Erde sich hervor thun, und durch besondere verdeckte Röhren zusammen in einen Wasser-Kasten, welcher hinter den Spring-Röhren befindlich ist, geleitet werden. Man hat zwar mehrmalen davor halten wollen, daß die Quellen dieses Wiesen-Brünnleins ihr Wasser eigentlich von derjenigen Bach, welche nahe bey demselben vorbey fliesset, durch verborgene Löcher der Erde überkämen. Allein es ist diese Vermuthung gantz ohne Grund. Denn 1, ist das Wasser des Brünnleins von gantz anderer Art und Beschaffenheit, als das Wasser in der gemeldten Bach, wie solches die Physicalische Untersuchungen und Abwiegungen der beyderley Wasser bezeugen. Das Wasser des Brünnleins ist hart, das Wasser [459] der Bach aber ist weich. 2, ist das Wasser des Brünnleins zu aller Zeit, auch in dem heissesten Sommer, eiß-kalt, dahingegen das Wasser in der bemeldten Bach um solche Zeit etwas lau und matt zu werden pfleget. 3, fliesset das Wasser des Brünnleins beständig, auch zu solcher Zeit, wenn die Bach zuweilen abgeleitet wird, und ohne Wasser ist, in einem Maase fort. Daß aber das Wasser dieses Wiesen-Brünnleins zu Zeiten, bey entstehendem starcken Regen-Wetter, etwas trüb wird, das kommt nicht von dem trüben Wasser der Bach her, sondern von dem Regen-Wasser selber, als welches durch die Ritzen der Erde in die Quellen des Brünnleins sich einsencket, wie solches bey mehr andern dergleichen Quell-Brunnen, in solchen Fällen, bekanntlich, zuweilen zu geschehen pfleget.

5. Die fünfte Natur-Seltenheit des Wißbads ist das Frauen-Eiß, oder, wie es auch, nach dem Vorgeben einiger Natur-Lehrer (welchen jedoch andere widersprechen) genennet wird, Frauen-Glas, Sperr-Glas, Spiegel-Stein, Mond-Stein, Glacies Mariae, Selenites, Lapis lunaris etc. Dieser Stein ist in dem Wißbadischen Felde, in dem so genannten Hayn-Graben, an der lincken Seite des, durch denselben gehenden, Weges nach Erbenheim zu finden. Er ist auswendig rauh und unansehnlich, inwendig aber schön und hell [460] wie Glas, und lässet sich dabey mit dem Messer in kleine Blättlein zerlegen, durch welche man alles, als durch ein helles Glas, sehen kan. Auch werden von demselben durch die Stein-Künstler allerley seltene Sachen ausgearbeitet. Es ist zwar dieser Stein an dem gemeldten Orte, seit einiger Zeit, etwas rar worden, weil das Wasser, welches vormals durch diesen Graben geflossen, und welches vermuthlich, durch die Befeuchtung der daselbstigen Thon-Erde, vieles zu seiner Zeugung beygetragen, durch anderweitige Ableitung demselben sehr entgangen ist. Indessen wird er doch noch würcklich zu Zeiten daselbst gefunden. In dem Jahr 1700 – aber war er gar häufig daselbst anzutreffen, und sind grosse Stücke desselben von den Liebhabern der Natur-Seltenheiten damals herausgegraben und beybehalten worden. Er wird sonst in wenigen Gegenden unseres Teutschlandes gefunden.

6. Die sechste Natur-Seltenheit des Wißbads ist der Feuereisen-Stein, oder, wie er auch genennet wird, Schwefel- und Eisen-Kieß-Feuerstein, Eisen-Ertz, Pyrites, Minera Martis etc. Dieser Stein, welcher von einem starcken Eisen-Gehalt ist, (daher er auch den Nahmen hat) wird in den Wißbadischen Feldern und Wäldern, an vielen Orten, angetroffen. Und dann noch mehr [461] dergleichen Ertz-haltende Steine in dieser Gegend befindlich sind, so ist man mehrmalen in Wißbaden auf die Gedancken gerathen, ein ordentliches Berg-Gewerck zur Untersuchung und Benutzung dergleichen Ertz-Gehalten anzurichten. Es ist auch solches zu Anfang dieses 18 Jahrhundert würcklich in etwas unternommen, und in dem Walde bey Wißbaden, ohnweit der so genannten Aue, von einigen Berg-Leuten die Erde durchsuchet worden. Es haben sich aber bald solche Umstände dabey hervorgethan, daß man vor gut befunden, solches Unternehmen in Zeiten (gleichwie es bey mehr andern dergleichen in dem Wißbadischen Lande angebrachten Geld-Mehrungs-Projecten, welche bereits in dem vorhergehenden hier und dar sind bemercket worden, geschehen ist) wieder einzustellen. Indessen sind die Spuren von solcher damals unternommenen Durchsuchung der Erde annoch in der gemeldten Gegend einiger massen zu sehen. Wenn der Bericht, welcher bey dem alten Römischen Geschicht-Schreiber Tacito A. XI. c. 20. befindlich ist, in den Worten seine Richtigkeit hat, (daran jedoch einige Gelehrte zweifeln) so haben die alte Römer schon um das Jahr Christi 47 in agro Mattiaco, das ist, beyläufig in der Gegend um Wißbaden herum ebenfalls allerley Ertz- und gar Silber-Gehalte in der Erde gesuchet, allein, weil sich wenig Vortheil dabey geäussert, ebenfalls [462] bald wieder von diesem Vornehmen abgestanden.

7. Die siebente Natur-Seltenheit des Wißbads ist der selbst-gewachsene Vitriol, oder, wie er auch genennet wird, Victril, quasi parvum vitrum. Diesen hat man vormals ziemlich häufig in dem Wißbadischen Felde, sonderlich in der Gegend des gemeldten Faulbrunnens, gantz frey über der Erde gefunden. Dermalen trift man ihn daselbst etwas seltener an. Es ist aber der Vitriol, bekanntlich, ein uneigentliches Saltz, eines zusammenziehenden Geschmackes, bestehend aus einem sauern Saltz und aus einem metallischen Cörper, welcher letztere entweder Eisen ist, und so denn einen grünen Vitriol auswürcket, oder Kupfer ist, und so denn einen blauen Vitriol abgiebet. Der Wißbadische Vitriol ist, wie man ihn findet, grün von Farbe, und annoch mit vielem Schwefel verbunden, und ist also eigentlich ein Eisen-Schwefel-Kieß. Er ist aber von der Natur schon so zubereitet, daß er so gleich kan ausgelauget, und zu allerley Nutzen (davon man in der Natur- und Artzney-Lehre weitere Nachricht bekommt) kan angewendet werden.

8. Die achte Natur-Seltenheit des Wißbads ist der Kalck-Stein. Dieser wird nahe bey Wißbaden in dem Acker-Felde hier und [463] dar häufig gefunden und ausgegraben, und durch das Feuer in brauchbaren Kalck verwandelt. Es sind diese Kalck-Steine eine Natur-Seltenheit, nicht nur wegen des Kalcks, welchen sie, wie gedacht, vor andern Steinen, bey sich führen, sondern auch, wegen der vielen kleinen Schnecken-Häuser, welche in den meisten derselben, in unzählicher Menge, befindlich sind. Diese kleine Schnecken-Häuser sind eine grössere Natur-Seltenheit, als man sich anfänglich vorstellet. Denn es kan ordentlicher Weise kein Schnecken-Haus entstehen, ohne allein von einer lebendigen Schnecke, als welche solches ihr Haus selbst, wie bekannt, von ihrer zähen Leibes-Feuchtigkeit zubereitet. Hier aber trift man in einem Stein, von nicht sonderlicher Grösse, oft nicht einige, sondern viele, ja hundert und tausend solcher kleinen Schnecken-Häuser an. Wie es nun möglich seyn könne, daß auch viele, ja hundert und tausend lebendige Schnecken sich sollten darin aufgehalten, und diese Häuser zugerichtet haben? das kan der menschliche Sinn schwerlich begreifen. Es haben daher die mehreste Kenner der Natur bey dieser seltsamen Sache keinen andern Ausweg finden können, als daß sie dahin geschlossen haben, es seyen solche in den Steinen vorhandene kleine Schnecken-Häuser (dergleichen man auch anderstwo in einigen anderen Steinen findet) nicht von würcklichen [464] lebendigen Schnecken entstanden, sondern es seyen dieselbe eine blosse zufällige Würckung der zeugenden Natur, sonderlich der mancherley Stein-Säften, als durch welche dergleichen kleine Schnecken-Häuser, ohne daß man dessen eine besondere Ursache geben könnte, also seyen gebildet worden. Mel thut in seiner Physic oder Schau-Bühne der mancherley Natur-Wunder GOttes P. I. p. 102 hiervon diesen Ausspruch: Man muß sich bey dergleichen Bildungen der Natur vielmehr über die Allmacht GOttes verwundern, als daß man nach der Ursache solcher Würckungen fragen sollte. Wie der grosse Schöpfer alles nach seiner Art geschaffen, so hat er auch verschiedenen Theilen der Erde solche Gesetze oder Würckungen gegeben, die keine Vernunft ausgrüblen kan. Mit diesen Worten und mit völliger und billiger Beystimmung der darin enthaltenen Wahrheit, wird unsere Beschreibung der Wißbadischen Natur-Seltenheiten dismal beschlossen und versiegelt.

[465]

Zweyte Zugabe
enthaltend
einige Poetische,
oder
in Dicht- und Reim-Zeilen verfaßte,
Beschreibungen des Wißbads.


Die erste ist von Martin Venator, Pfarrern zu Bierstadt, ohnweit Wißbaden liegend, (welcher in dem dreyßig-jährigen Kriege von dem wütenden Kriegs-Volck um Haab und Gut gekommen, und an dem Leibe, mit Schlägen, so übel zugerichtet worden, daß er seinem Amte nicht mehr hat vorstehen können) um das Jahr 1640 in Lateinischen und Teutschen Versen oder gebundenen Zeilen verfertiget worden, und lautet dieselbe also:

In dem Lateinischen:

Urbs celebris, praeclara situ, Wisbadia dicta,

Non procul a Rheno distat \& Urbe Mogi.

Antiquis ea nota fuit Scriptoribus, \& nunc

Thermis Mattiacis claret ubique suis.

[466]
Floret ibi Candor, pollet gravitate Senatus,

Digna manent justos praemia, poena malos.

Est coelum clemens, sunt hic viridantia prata,

Temperat affines aura salubris agros.

Vitibus, en! colles, et frugibus arva redundant,

Arboreos foetus hortus amoenus habet.

Est propriae linguae Dialectus amabilis illic,

Exprimit hac suaves culta puella sonos.

Pisces \& cancros cumulatim Ripa salina

Exhibet, et varias proxima sylva feras.

Triticeam, ecce! tibi praebet mola docta farinam,

Conveniens stomacho fit cibus inde tuo.

Undae Schwalbachiae gratique acidique saporis

Hic constant pretio, ut vina falerna, suo.

En! oculis spectanda venit domus inclyra, muris,

Fossis, aggeribus sat bene cincta suis.

Quid loquar exstructas, non parvis sumtibus, aedes,

Quarum Regina est Curia celsa domus?

Quin etiam antiquos muros \& Rudera cernis,

Quaeque vetustatis sunt documenta piae.

Miraclum si vis naturae cernere rarum,

Fons fervescentes ejacularur aquas.

Urbem tres extra fontes praedulcia praebent

Pabula, quae ventri grataque sunt stomacho.

Scissuram studiis fecit Bellona superba,

Heu! quam difficile est vindice Marte premi.

[467]
Est tamen hic veri pietas sanctissima cultus,

Quem regis eloquio, docte Cramere!* tuo,

In Templo recubant illustria Busta virorum

Et Matronarum, quae tenet Urna decens.

Quid referam a Langeln antiquo stemmate natos,

Nobilitate graves et pietate Viros?

Sunt hic militiae gnarique Ducesque periti,

Et Mercarores, Agricolae, Lanei,

Est alacris Tonsor, sunt qui fabrilia tractant,

Sutores alit haec Urbs. Figulosque bonos,

Et quoque Sartores, \& qui pistoria curant,

Mercibus omnigenis Urbs celebrata sat est.

At cum suppeditet multarum Copia rerum,

Non tamen hic Fastus Civibus ullus inest.

Assidui patiens quicunque laboris, habere

Hic facile victum, si cupit, arte potest.

Est inibi Hospitium, de cujus divite censu

Aegrotique senes dulce levamen habent.

Plures cantarem laudes, sed dicere cunctas,

Hoc opus, hic labor est, ingeniumque stupet.

Ergo precor, vigeas Wisbadia, paee virescas,

Te summus tegat, \& te regat ipse Deus!
[468]

In dem Teutschen:
nach der alten Reim- und Schreib-Art.

Wißbaden die uralte Statt

Ohnfern vom Rhein ir Wonung hat,

Gegen dem Reingau und Statt Mentz,

Ligt am Gebürg in schöner Grentz.

Inn Historien wol bekannt

Die Bäder sindt im gantzen Landt.

Es ist diß Orts berümpt sehr weitt

Ein hochverstendig Obrigkeitt.

In Gottesforcht ein Erbar Rhat

Fürwar den Scepter fürt gerad.

Nach Gstalt des Himmels Firmament

Ist guter Wißwachs an dem Endt.

Drumbher gut Lufft und Ackerfeld,

Vil Weinberg, alles wol bestelt.

Schöne Gärtten, fruchtbare Bäum

Helt man allhie inn gutem Zäum.

Das Teutsch redt man sehr schön und fein,

Wie du hörst an den Jungfräulein.

Die Saltzbach gibt viel Krebs und Fisch,

Auch Wiltbret man hier tregt zu Tisch.

Ein treflich Malwerck hats allhir,

Solt sicherlich das glauben mir.

Sauer Brunn und ferniger Wein

Inn billichm Wert hie sind gemein.

Im Wißbad ligt ein altes Schloß

Am Bezirck wol verwart und groß,

[469]
Adlich Wonungen, ein schön Rathhauß,

Auch zirlich Bäder sindt durchaus,

Bistu in grosser Mattigkeit,

Herrlich es dient zur Gesundheit.

Heidnisch Gemäur, Monimenten

Werden hir gezeigt den Frembden.

Schaw doch mein liber Freundt zu Hant

Den Sidbrunn bkannt im gantzen Lant.

Noch umb die Statt drey* Brünnlein sindt,

Aus welchen gsundt süs Wasser springt.

Die Schul, so hievor wol regirt,

Wirdt durchs Kriegs Wesen tribulirt.

An GOttes Wort es mangelt nicht,

Gnug wird hierinn das Ampt verricht.

In der Kirch schön Epitaphen

Zu sehen von Herrn und Grafen.

Das von Langeln adlich Geschlecht

Ist tugendhafft, geneigt zum Recht.

Kriegs Obersten hir Wonung han,

Lobwürdig ist der Ackermann,

Metziger, Krämer und Schröpffer,

Balbirer, Becker undt Töpffer,

Schumacher, Schneidr, so wol ir Schmitt

Seydt alzmal begriffen hirmit.

[470]
An allerhant gschönen Waren

Die Füll war in guten Jaren.

O wers noch um dieselbe Zeitt,

Wie wer ewr Rhum bekannt so weitt.

Sonst war auch untr der Burger Schar

Kein Stoltzr undt Faulr zu finden dar,

Und wer auch jetzt noch arbeiten mag,

Bekommpt sein Brodt hie alle Tag.

Vor Euch ir Armen Krüppel schaut,

Ein reicher Spitahl ist erbaut.

Von mehr Herrlichkeit zu sagen,

Wils die Zeit jetzt nitt ertragen.

Ade! mein Reim beschlissen thu,

Halt uns, O GOtt! inn gutter Rhu.

Die zweyte Poetische Beschreibung des Wißbads, sonderlich der Bäder daselbst, ist von Herrn Daniel Wilhelm Trillern, Philos. und Medic. D. Fürstlich-Nassau-Saarbrück-Usingischen, nachmaligem Hertzoglich-Sachsen-Weissenfelsischem Leib-Medico, und folgends Königlich-Polnischen und Chur-Sächsischem Hof-Rath und Profess. Medic. zu Wittenberg, um das Jahr 1740, (und also grad hundert Jahre nach jener ersten) auf geschehenes freundliches Ersuchen des Verfassers der gegenwärtigen Wißbadischen Geschicht-Beschreibung, verfertiget worden, und ist solche in dem dritten Theil seiner Teutschen Physicalischen und Moralischen Gedichten p. 1 – befindlich, und lautet also:

[471]
Und soll ich dich nicht auch besingen,

Soll ich nicht dem ein Lob-Lied bringen,

Der hier solch grosses Wunder that?

Nein, wahrlich! hier ist GOttes Finger,

Die Allmacht zeigt sich fast so reich,

Und ist an Kräften kaum geringer,

Als sie dort in Bethesdens Teich.*

Er wollt ein Mittel offenbahren,

Das alle Mittel übertrift.

Hier quillt seit mehr, als tausend Jahren,

Der ärgsten Seuchen Gegen-Gift;

Hier fließt für mancherley Gebrechen

Ein wunderthätig Polychrest,**

Von dem man sich kan Trost versprechen,

Wenn uns der Artzt nichts hoffen läßt.

Hört, wie mit sprudelndem Getümmel

Das Wasser aus den Röhren springt,

Und wie sein fetter Rauch gen Himmel,

Woher er kommen, danckbar dringt,

Ein rauchend Opffer dem zu reichen,

Der diesen Quell entspringen ließ,

Und uns dadurch ein herrlich Zeichen

Von seiner Huld und Allmacht wieß.

[472]
Am Fuß, wo sich in breite Höhen

Der alt-berühmte Taunus* streckt,

Sieht man das Wunder-Bad entstehen,

Das so viel Furcht, als Lust, erweckt.

Lust, weil man es mit Nutz gebrauchet,

Indem es lindert, heilt und wärmt;

Furcht aber, weil es wallt und rauchet,

Und unaufhörlich schäumt und lärmt.

Es theilt sich in drey** grosse Quellen,

Woher viel kleine kommen sind,

So daß in sechs und zwantzig Stellen,

Und mehr, ihr heilsam Wasser rinnt.

Doch ist kein Mangel zu befahren,

Es hat stäts einerley Gestalt,

Und ist von so viel hundert Jahren

Von gleichen Kräften und Gehalt.

Wollt es die Sterblichkeit vergönnen,

Und käm ein Römer an das Licht,

So würd’ er zwar die Stadt verkennen,

Allein die warme Bäder nicht.

[473]
Hier wollte Drusus* gerne wohnen,

Hier legt er Thor und Festung an,

Hier lagen seine Legionen;

Hier hat Licin** die Cur gethan;

Man findet noch viel Ueberschriften,***

Die von den Römern Meldung thun;

Auch werden in versteckten Grüfften

Hierum noch manche Römer ruhn.

Was hemmt dem Ackermann die Pferde?

Weswegen steht und stockt sein Pflug?

Er wundert sich, sticht in die Erde,

Und findet einen Todten-Krug;

Den wirfft er hin, als er zerbrochen,

Rufft eine hole Stimm im Feld:

Verschone meiner stillen Knochen,

Ich bin ein alter Römer-Held.

 
Doch wer vermag nun auszuführen,

Was solche grosse Hitz erweck’?

Man wird nur Müh und Zeit verliehren,

Und kommt jedennoch nie zum Zweck.

Hier hat sich die Natur verborgen;

Sie läßt zwar ihre Würckung sehn,

Doch können wir, mit allen Sorgen,

Nicht bis zum Grund und Ursprung gehn.

[474]
So weit kan Menschen Witz nicht dringen,

Er ist zu stumpff, zu schwach und klein.

GOtt will hier, wie in andern Dingen,

Bewundert, nicht begriffen seyn.

 
Zwar geben unsre neuen Weisen

Die Ursach dieses Siedens an:

Der eine will den Kießstein preisen,

Wie der von Berger dargethan;

Wiewohl es Lister erst ersann.

Ein andrer schreibet es dem Kampfe

Ungleich-gesinnter Saltzen zu,

Und daß daher das Wasser dampffe,

Und solche Wunder-Curen thu.

Ich aber fall’ von dieser Wärme

Mehr der bejahrten Meynung bey,

Daß in dem weiten Erd-Gedärme

Ein unterirdisch Feuer sey,

Woher das Wasser braus’ und walle,

Und solche Wunder-Werck entstehn,

Wodurch die Kräfte der Metalle

In die gesottnen Tropffen gehn.

Durch mineralisches Geäder

Dringt die gekochte dünne Flut;

daher entstehn die warmen Bäder,

Drum sind sie für Gebrechen gut;

Denn weil sie, da sie circuliren,

Die zärtste und geheimste Krafft

Den Mineralien entführen,

Wird solcher grosse Nutz geschafft.

[475]
Will aber jemand Zweiffel tragen,

Ob Flammen in der Erden seyn?

Der mag Sicilien befragen,

Wo Berge grimmig Feuer speyn;

Er sehe die Phlegräer Flächen

Mit unerschrocknen Augen an,

Wo Flammen aus der Erde brechen,

So wird sein Zweiffel abgethan.

Was aber diese Glut erhalte,

Und ihre feiste Nahrung sey,

Daß sie zu keiner Zeit erkalte,

Da wohnt uns nichts gewisses bey.

Zwar Baccius und Kircher haben

Viel Meynungen hervorgebracht;

Allein es bleibt vor uns vergraben,

Und steckt noch in der dicksten Nacht.

GOtt, der die Glut selbst angeflammet

Gleich von dem Anbeginn der Welt,

Weiß nur allein, woher sie stammet,

Und was sie immer unterhält.

Uns ist hierzu kein Witz verliehen;

Wie eifrig man es untersucht,

Ist doch der Sterblichen Bemühen

In diesem Stück ohn’ alle Frucht.

Es wird uns wohl verborgen liegen,

So lange wir noch irdisch sind,

Bis daß wir einst mehr Klarheit kriegen,

Und unser Geist mehr Licht gewinnt.

Was mehr gewisser kan man sagen,

Woraus das warme Bad besteh,

[476]
Wodurch es manchen Leibes-Plagen

Mit Heilungs-Krafft entgegen geh.

Wenn man es nach der Kunst probiret,

Und durch die Glut zur Beichte zwingt,

Erfährt man, was es bey sich führet,

Und woher seine Krafft entspringt.

Ein heilsam Eisen-Saltz durchwürtzet

Die siedend-heisse Lebens-Flut,

Das aus geheimen Adern stürtzet,

Und solche Wunder-Curen thut.

Ein Vitriol von zartem Geiste,

Ein Schwefel von besondrer Art,

Ist, wie man sieht, das allermeiste,

Was in dem Bad sich offenbahrt.

Diß lehrt auch nach dem Augenscheine

Die Gegend selbst, mehr als zu wohl,

Sie ist voll Kieß- und Eisen-Steine,

Nebst selbst-gewachsnem Vitriol.

Auch sind von einer Eisen-Erden

Die Röhren meist so angefüllt,

Daß sie dadurch oft enger werden,

Als daß daraus das Wasser quillt.

Ein fettes Wesen, das nicht selten,

Als Haut, auf diesem Bade schwimmt,

Kan ferner zum Beweisthum gelten,

Daß hier ein sanfter Schwefel glimmt.

Auch läßt es noch ein Saltz entfallen,

Wenn es wohl eingesotten ist,

Das seine gläntzenden Crystallen

Meist in ein förmlich Viereck schießt.

[477]
Dieß dient die Därmer auszuspühlen,

Wenn mans in Wasser schmeltzen läßt,

Daneben pflegt es auch zu kühlen,

Und stört der Würmer schädlichs Nest.

Doch bleibt uns hier auch viel verholen,

Das würcklich in dem Wasser steckt,

Und dennoch durch den Zwang der Kohlen

Sich unsrem Forschen nicht entdeckt.

Ein geistiges elastisch Wesen

Ist würcklich das, was drinnen liegt;

Doch läßt sichs nicht zusammen lesen,

Dieweil es alsobald verfliegt.

Umsonst sind der Chymisten Künste!

Des Wassers eigentliche Krafft

Verdämpfet in die zärtsten Dünste,

Und wird vom Winde weggerafft.

So bleiben uns die besten Stücke

Des Krafft-Gewässers doch verheelt,

Womit es, zu der Menschen Glücke,

Einst GOtt und die Natur beseelt.

Und folglich ist auch unser Wissen,

In dieser Absicht, seicht und leer,

Indem wir das entbehren müssen,

Was zur Erkänntnüß nöthig wär.

 
Inzwischen läßt sich aus den Theilen,

Die sichtbar sind, so viel verstehn,

Mit was für grosser Krafft zu heilen

Das Wasser von Natur versehn.

[478]
Von innen, dient es abzuführen,

Und macht das Eingeweide rein,

Es säubert Blase, Darm und Nieren,

Und treibt den Grieß und Lenden-Stein.

Es öffnet die verstopfften Gänge

In Leber, Miltz, Netz und Gekröß,

Und kein Canal ist ihm zu enge,

Es dringt durch jegliches Gefäß.

 
Doch kan das äusserliche Baden

Fast grössern Nutzen nach sich ziehn,

Es heilet manchen alten Schaden,

Der aller Kunst unheilbar schien.

Den Aussatz, Ausschlag, Krätz und Beulen,

Und was man sonst Scorbut benennt,

Ist diesem feuchten Artzt zu heilen,

Durch Güte der Natur, vergönnt.

Wer lahm ist, wen der Schlag getroffen,

Wen Gicht und Podagra befällt,

Der kan hier auf Genesung hoffen,

Und wird offt glücklich hergestellt.

Ein schmertzhafft Foltern in dem Rücken,

Ein Pfriemen-gleiches Lenden-Weh

Läßt sich hier leichtlich unterdrücken.

Durch diese nasse Panacee.*

Wenn Jungfern keine Rosen blühen,

Und Weiber noch nicht Mütter seyn,

Wird beyden offt das Glück verliehen,

Daß sie sich ihres Wunsches freun.

[479]
Doch zeigt es seine größte Stärcke,

Wo Glieder gantz unbrauchbar sind,

Da thut es solche Wunder-Wercke,

Daß es offt schwerlich Glauben findt.

Ich kan selbst aus Erfahrung sagen,

Daß ich offt Leute bringen sehn,

Die fühlloß auf den Betten lagen,

Und konnten doch bald wieder gehn.

Sollt man die Kricken haben können,

Die mancher Lahme von sich warff,

Was hätte man für Holtz zum Brennen,

Wär auch der Winter noch so scharff?

Denn für die Lähmung schlaffer Nerven

Ist dieses Bad ein Balsam-Safft,

Und den geschwächten Geist zu schärffen,

Hat es fast unerhörte Krafft.

Es leben mehr, als tausend Zeugen,

Die dieses Bades Ruhm erhöhn,

Drum will ich wohlbedächtlich schweigen,

Und hier halb müde stille stehn.

 
Wunder des Höchsten! geseegnete Quelle!

Selbst durch die Hände des Schöpffers gekocht!

Kräftiges Mittel für mancherley Fälle,

Wenn nun die Aertzte nichts weiter vermocht!

Fliessender Schwefel, und trinckbares Eisen,

O wer vermag dich nach Würden zu preisen?

[480]
Deine begeisterte Fluten beseelen

Starrende Nerven und stockendes Blut;

Doch wer kan alle die Würckungen zählen,

Die dein Balsamisches Wasser stäts thut?

Wären doch, vor der erstaunlichen Menge,

Blätter, ja Bücher, bey weitem zu enge.

 
Doch, daß das Bad nicht Schaden bringe,

Wie man davon Exempel weiß,

So mercke man nur die drey Dinge:

Nicht allzu lang, zu tief, noch heiß.

Man muß es nicht zu lange brauchen,

Zumahl wenn man den Anfang macht;

Auch hat zu tief sich einzutauchen

Angst, Keuchen und mehr Noth gebracht.

Wenn man sich bis zur Hüfte setzet,

So geht man tief genug hinein,

Doch, soll der Ober-Leib benetzet

Und durch das Bad erwärmet seyn,

So wird mit eingetauchten Schwämmen

Und nassen Tüchern diß gethan,

Als wodurch man die Schmertzen hemmen

Und Glieder-Lindrung schaffen kan.

Nichts aber bringet größern Schaden,

Nichts kan mehr Unheil nach sich ziehn,

Als wenn durch allzuheisses Baden

Die überschwemmten Cörper glühn.

Da setzt es Haupt- und Magen-Schmertzen,

Da wallt und steigt das Blut empor,

Das fühlt man Klopffen in dem Hertzen,

Das saußt und braußt es vor dem Ohr,

[481]
Da wird ein Schwindel offt verspüret,

Da folgt offt Ohnmacht auf das Bad,

Ja manchen hat der Schlag gerühret,

Weil er zu heiß gebadet hat.

Man braucht es laulicht und gelinde,

Und dergestalt sanfft abgekühlt,

Daß man die Wärme kaum empfinde,

So wird der rechte Zweck erzielt.

Darneben lebe man beym Baden

Sokratisch* und in Mäßigkeit,

Und meide, sich zu überladen,

Weil sonst die Cur nicht wohl gedeyt.

 
Ihr nun, die ihr hieher gereiset,

Gedencket stäts an eure Pflicht,

Daß ihr den Schöpfer danckbahr preiset,

Der dieses Heil-Bad zugericht.

So offt ihr trinckt, so offt die Fluthen

Euch über eure Glieder gehn,

So sucht den Brunnquell alles Guten

Mit Lob und Dancke zu erhöhn.

Laßt euch den heissen Quell entzünden,

Daß ihr nicht kalt und fühlloß seyd,

Den Schöpfer im Geschöpf zu finden,

Der dieses Gnaden-Bad verleyht.

So werdet ihr nach Wunsch genesen,

So ist die Cur an Leib und Geist

Euch nützlich und beglückt gewesen,

Und ihr seyd nicht umsonst gereißt.

GOtt will für diese Wunder-Gaben,

Die er so reichlich uns geschenckt,

Nur ein erkänntlich Hertze haben,

Das seiner beym Genuß gedenckt.

[482]
So laßt uns denn den Höchsten loben

Bey dieser wunderbahren Fluth!

Wie groß ist der im Himmel oben,

Der hier so grosse Wunder thut?

 
So rauschet und rauchet, ihr fliessenden Flammen,

So wallet und siedet dem Höchsten zum Preiß!

So schäumet und wirbelt euch eifrig zusammen,

So bleibet stäts heilsam, so bleibet stäts heiß,

Damit einst, nach tausend verstrichenen Jahren!

Die spätesten Enckel noch Würckung erfahren!

 
Strömt ferner u. dienet den Armen und Reichen,

Mit einerley Nutzen und einerley Krafft.

Heilt künftig noch allerhand grimmige Seuchen

Mit eurem gestählten und ölichten Safft.

Und zeiget durch sonst nicht zu hoffende Curen

Der mächtigen Gottheit untrügliche Spuren!

 
Es woll’ euch dieselbe noch weiter beschützen,

Damit euch nichts Schaden und Hinderung bringt!

Es müssen nie feindliche Schwerdter dort blitzen,

Wo euer geseegneter Brunnquell entspringt!

Das viele, mit Rühmung der Göttlichen Gnaden,

Zu ihrer Gesundheit offt trincken und baden!

Die dritte Poetische Beschreibung des Wißbads, sonderlich des heissen Gesund-Wassers daselbst, ist entworffen von dem Verfasser der gegenwärtigen Geschicht-Beschreibung des Wißbads, und enthält eine Ansprache an einen frembden Bad-Gast, welcher den grossen Sied-Brunnen in Wißbaden ansiehet und bewundert:

[483]
1.
Freund! Was pflegstu wohl zu dencken,

Wenn du diese Quellen siehst,

Die dir solch ein Wasser schencken,

Das sich siedend-heiß ergießt,

Und dabey durch seine Kräfte,

Die verdorbne Lebens-Säfte

Deines Cörpers wärmt und heilt,

Und neu Leben dir ertheilt?
2.
Du besinnest dich sehr lange,

Eh du sagest, was du denckst;

Ja, mich deucht, es wird dir bange,

Bis du dich zum Ausspruch lenckst;

Deine forschende Gedancken

Wollen hin und wieder wancken,

Dein Gemüthe, Zweifels-voll,

Weiß nicht, was es schliessen soll.
3.
Freund! so ist es, frey zu sagen,

Unser Sinn irrt hier herum,

Und man bleibt bey allem Fragen,

Ueber dieses Wunder, stumm.

Wasser kocht hier aus der Erde,

Wie es aber kochend werde,

Dieses bleibet dem Verstand

Schwacher Menschen unbekannt.
[484]
4.
Leute zwar sind gnug zu finden,

Die nicht nur durch Kunst und Fleiß

Starck bemüht sind, zu ergründen,

Woher dieses Wasser heiß?

Nein! die selbst in vielen Büchern

Uns aufs kräftigste versichern,

Daß sie würcklich ausgespührt,

Woher diese Hitze rührt.
5.
Einer will ein Feuer wissen,

Das in tiefer Erde brennt,

Und den nahen Wasser-Flüssen

Eine stäte Hitze gönnt.

Dieser meynt, die Erden-Säfte

Würden durch des Wassers Kräfte

Aufgelös’t, und so bewegt,

Daß sich solche Hitz’ erregt.
6.
Jener glaubet, daß das Wallen

Dieses Wassers hin und her

Und sein heftig Steig- und Fallen

Ursach dieser Hitze wär.

Dieser meynet, daß die Erde

Durch sich selbst erhitzet werde,

Diese Hitze nähm’ so dann

Das durchrinnend Wasser an.*
[485]
7.
Freund! lies’ alle diese Lehren,

Lies’ sie vielmal mit Bedacht;

Laß dir jedes recht erklären,

Was dis Wasser feurig macht.

Sag’ so dann, ob sich dargegen

Nicht gar starcke Zweifel regen,

Und ob jeder Meynung nicht

Viel an Gründlichkeit gebricht?
8.
Manche zwar wird sehr gepriesen,

Und fast als gewiß geacht’t,

Mit vielen Gründen auch bewiesen,

Und best-möglich klar gemacht;

Wenn wir aber Witz und Dencken

Scharf auf solche Gründe lencken,

Treffen wir noch vieles an,

Das uns irre machen kan.
9.
Dem, der Erd’ und Himmel füllet,

Dessen Göttlichen Verstand

Keine Finsternüß umhüllet,

Dem, nur Dem, ist es bekannt,

Woher diese Hitz entspringet,

Die durch dieses Wasser dringet,

Und ihm solche Kraft ertheilt,

Daß es wunder-würdig heilt.
10.
Er hat Selbst diesem Brande

Schon den Stoff zurecht gemacht,

Als die Welt durch Ihn zu Stande

Und in Ordnung ward gebracht;

[486]
Er hat durch sein Göttlich Walten

Solchen auch bisher erhalten,

Daß er dieses Wassers Fluß

Stäts, ohn’ Abgang, hitzen muß.
11.
Freund! Der ists, Den diese Quellen,

Die in diesem Brunnen glüh’n

Sichtlich* uns vor Augen stellen,

Und uns fühlbar** zu Ihm zieh’n;

Dessen Stimm’ wir hören schallen***

In dem Sieden, Brausen, Wallen,

Ja, Den jeder Dampf uns zeigt,

Der hier in die Höhe steigt.
12.
O! daß wir Ihn finden* möchten,

Hier in diesem Wunder-Brand!

O! daß wir von Hertzen dächten:

Hier ist, warlich! GOttes Hand!

O! daß wir mit Ehrfurchts-Trieben

Innigst uns zu Ihm erhüben,

Der auf so besondre Art

Seine Macht hier offenbahrt!
13.
Ist es möglich, daß wir stehen

Hier an dieses Brunnens Rand,

Und sein feurig Wasser sehen

Mit bewunderndem Verstand?

[487]
Sehen, wie es kocht und rauchet,

Fette Kräfte von sich hauchet,

Stäts in gleichem Grade brennt,

Und nie eine Aendrung kennt?
14.
Ist es möglich, daß wir gehen

Hin, wo sichs in Bäder gießt,

Und den fetten Balsam sehen,

Der auf seiner Fläche fließt;

Ja uns in denselben setzen,

Unsre Glieder wärmend netzen,

Daß der Pein, die uns beschwehrt,

Dadurch kräftig wird gewehrt?
15.
Ist es möglich, daß wir gehen

Hin, wo man dis Wasser trinckt,

Und den grossen Nutzen sehen,

Den es krancken Cörpern bringt;

Ja dasselbe selbst geniessen,

Mit so glücklichem Erspriessen,

Daß der Schmertz, der uns gepreßt,

Seinen festen Sitz verläßt?
16.
Ist es möglich, daß wir können

Alles dis bewundernd sehn,

Und doch nicht im Geist entbrennen,

Zu der Haupt-Quell’ hinzugehn,

Den zu suchen und zu ehren,

Dem das Hertze zuzukehren,

Der durch seine Güt’ und Kraft

Alles dieses würckt und schaft?
[488]
17.
Eins mit von den größten Wercken,*

Die die Welt uns zeigen muß,

Dran sich GOtt läßt greifflich mercken,

Ist ein heisser Wasser-Fluß,

Der aus tiefer Erde steiget,

Niemals eine Aendrung zeiget,

Und in Leibes-Schwächlichkeit

Wunder-volle Hülf’ verleiht.
[489]
18.
Warlich! das sind solche Sachen,

Die kein blosser Zufall stift’t,

Und durch seine Kraft kan machen,

Daß sie keine Aendrung trift.

Nein! man merckt an solchem Wercke

Absicht, Güte, Weisheit, Stärcke,

Kurtz: es zeugt von einem Geist,

Der was Göttlich’s an sich weis’t.
19.
Freund! wer unsern Brunnen siehet,

Wie er stäts unwandelbahr

Feuchtes Feuer von sich sprühet

Tag vor Tag und Jahr vor Jahr;

Ja, wer selbst sein Wasser brauchet,

Sich in dessen Balsam tauchet,

Und, durch seine Kraft gestärckt,

Heyl in Leibes-Schwachheit merckt;
20.
Freund! wer alles dis erfähret,

Und nicht GOtt hierbey erkennt,

Ihn nicht hertzlich preis’t und ehret,

Nicht in seiner Lieb entbrennt,

*[490]
Ja wohl gar durch freche Sünden

Noch kan seinen Zorn entzünden,

Der ist, kurtz und frey erklärt,

Keines Menschen-Nahmens werth.

Stiller Seufzer zu GOTT
bey dem Weggehen von diesem Brunnen:
Sey denn, Grosser GOTT! gepriesen,

Daß du deine Würcklichkeit

Auch durch diesen Brunn bewiesen

Und vor allen ausgebreit’t;

Laß sie einen jeden spüren,

Laß sie ihn empfindlich rühren,

Drück’ sie Selbst ihm ins Gemüth,

Wenn er diesen Brunnen sieht!

Segne auch, zu deiner Ehre,

Wißbads Quellen fernerweit;

Laß noch viele Krancken-Heere

Sie, durch deine Gütigkeit,

Stätig zur Gesundheit brauchen;

Laß sie, HErr! so lange rauchen,

Bis die letzte Glut entsteht,

Und die Welt im Rauch vergeht!

Appendix A Register
der vornehmsten, in diesem Buche enthaltenen, Sachen.

[491]

Appendix A.1

Appendix A.2 A.


Adolph, Graf von Nassau und Herr zu Wißbaden,
wird Römischer Kayser 176. 250
hält sich in Wißbaden auf 179. 251

Adolphs-Eck wird erbauet 179. 180
Allemannen beherrschen und bewohnen Wißbaden 8. 36
Alterthümer des Wißbads 68. 149
Arbeits Lohn, geringer, in Wißbaden 188. 191
Aufruhr in Wißbaden 270
Aufschriften, Römische, in und bey Wißbaden 94

Appendix A.3 B.


Bad-Cur des edlen Römers, Lic. Trionis, in Wißb. 62.
Bad-Häuser in Wißbaden 444. 446. 447. 448.
Bad-See, vorgegebener, in Wißbaden 41
Balduinus, Kayser von Constantinopel, kommt nach Wißbaden 247
Beschreibungen des Wißbads, so viel deren in den Druck gekommen. Siehe die Vorrede.
Biebrich bey Wißb. bekommt die Freyheit eine Fähre über den Rhein zu halten 182
Schloß daselbst wird erbauet 197
Bleidenstadter Closter und Stift ohnweit Wißb. 142
Brand, grosser und vielfältiger, in Wißb. 272. 324. 325
Brüderschaften der Altäre in der Wißb. Kirche 318
Bruderschaft des Begräbnüsses in Wißbaden 348
Brunnen des warmen Gesund-Wassers in Wißbaden 441. 444. 445. 446. 447. 448
Burg in Wißbaden 207. 364
Burger in Wißbaden, Anzahl derselben 202

[492]

Appendix A.4 C.


Capellen in Wißbaden 348
Carl der Grosse, Römischer Kayser, giebt Wißbaden einen Begnadigungs-Brief 161
Celsus, ein Heide, bürdet den Christen eine seltsame Meynung von dem Ursprung der heissen Quell-Wasser auf 436
Clarenthal, Closter bey Wißb. wird beschrieben 391

Appendix A.5 D.


Diebe, merckwürdige Gefangen-Nehmung und Verurtheilung derselben in Wißbaden 308
Donner-Wetter, unglückliches, in Wißbaden 368
Dreyßig-jähriger Krieg ziehet Wißbaden viel Elend zu 203. 276. 339
Drusus bauet Festungen um den Rhein herum, und unter denselben auch Wißbaden 32
dessen Festungen im Walde ohnweit Wißbaden 86
dessen Todes-Fall bey Wißbaden 60

Appendix A.6 E.


Einwohner des Wißbads 32. 126. 200
Eisenmenger, Joh Andreas, hält sich in Wißbaden auf, und schreibet daselbst sein Entdecktes Judenth. 259
Epsteiner verstören Wißbaden 249
beschädigen Wißbaden 264
Erbauung des Wißbads 9
Erbenheim, Pfarrey daselbst, kommt an das Closter Clarenthal 402
Erdbeben in Wißbaden 312
Ertzhaltene Steine bey Wißbaden 425. 460

Appendix A.7 F.


Faulborn bey Wißbaden 454
Fehde-Brief, merckwürdiger 267
Feuereisen-Stein bey Wißbaden 460
Fluth-Gräben bey Wißbaden 387
Francken beherrschen und bewohnen Wißb. 121. 127.
Frantzösische Kriege bringen Wißbaden viel Schaden 301. 303. 304. 309. 310
Frauen-Eiß bey Wißbaden 459
Freyhöfe in Wißbaden 202
Friedrich III, Röm. Kayser, kommt nach Wißb. 269

[493]

Appendix A.8 G.


Gassen des Wißbads 375
Gau, darin Wißbaden gelegen hat 134
Geißheck, Wald bey Wißbaden 406
Geißplatz, Feld-Gegend bey Wißbaden 218
Georg II, König von Groß-Brittannien, besiehet die Bäder in Wißbaden 310
Gestalt u. Beschaffenh. äussere, des wißb. 37. 129. 203.
Gesund-Wasser, warmes, in Wißbaden, dessen Beschaffenheit und Ursprung 417
Glas-Hütte in dem Closter Clarenthal 416. 417
Görgenborn, Dorf, ohnweit Wißbaden 197
Gold-Macherey in Wißbaden 300
Grab-Schriften, merckwürdige, in und an der Kirche in Wißbaden 328. 344

Appendix A.9 H.


Heyner im wißbadischen Felde 390
Heiden-Loch in wißbaden 81
Heidnische Mauer in wißbaden 27. 38. 75
Heiligen-Häuser in und bey wißbaden 353
Herbst, früher, in wißbaden 193
Herrschaft wißbaden 166
Hexen-Brennen in wißbaden 297
Hochzeiten-Verordnung, merckwürdige, in wißb. 191
Hospital in Wißbaden 357
in Clarenthal 412

Appendix A.10 I.


Idstein, dieses Nahmens Ursprung 183. 184
Geistliches Stift daselbst 186
wird zu einer Herrschaftlichen Residentz-Stadt erwählet 188. 190. 193. 194
Kirche und Schule daselbst 195. 196
daselbst werden viele waldenser verbrennet 228. 230
wird im Kriege hart mitgenommen 281
das Hexenbrennen wird daselbst angeordnet 297

Imagina, Gemahlin des Kaysers Adolphs, hilft das Closter Clarenthal stiften 392
hält sich in demselben auf und stirbt daselbst 404
ihr Grab-Stein in der Kirche zu wißbaden 328. 329

[494]

Jüdisch-gesinnter Burger in wißbaden 238
Juden-Ausschaffung aus wißbaden 256. 278
Juden-Gasse in wißbaden 256. 376

Appendix A.11 K.


Kalcksteine bey wißbaden 462
Kaysers-Bad in Wißbaden 451
Kessel, feste Römische Thürne in und bey Wißbaden 29. 79. 85. 86
Kirche in Wißbaden 143. 313
Kirchhof oder Begräbnüß-Ort in Wißbaden 343
Kirchweih-Fest in Wißbaden 316
Königstul, Feld-Gegend bey Wißbaden 119

Appendix A.12 L.


Land-Gräben in dem Wißbadischen Felde 384
Lilien, drey, in dem Wappen der Stadt Wißb. 159. 374
Löwe, steinerner, ein Römisches Alterthum in wißb. 114
Löwe, Nassauischer, in dem Wappen der Stadtwißb. 374
Löwen-Gesellschaft wird in Wißbaden errichtet 259
Ludwig V, Römischer Kayser, belagert Wißb. 252
verheeret die Nassau-Wißbadische Lande 255. 401

Appendix A.13 M.


Mackrian, ein Allemannischer König der wißbadischen Gegend 8.
hält sich in Wißbaden auf 23. 24. 64. 65
Maintz wird von den alten wißbadischen Völckern belagert 7. 19. 35
wird von dem Grafen von Nassau, Adolph, erobert 265
Maintzische Ertz-Bischöffe aus dem Hause Nassau 182. 186. 187
Märckte in wißbaden 190. 373
Mattiacken, Einwohner des alten wißbads 18. 33
Mattiacken-Brunn und Bad 18. 58
Mauern um die Stadt wißb. 27. 38. 75. 204. 205. 384
Müntzen, alte Römische, werden in und bey wißbaden gefunden 115

Appendix A.14 N.


Nahme des wißbads 58. 144. 242
Nassau, Ursprung dieses hohen Hauses 168
Stamm-Reihe und Regenten desselben 172. 173

[495]

Natur-Seltenheiten des wißbads 417
Nersberg bey wißbaden, altes Gebäude daselbst 117
Neuländer, wißbadische, sind unglücklich 311
Nicolaus von wißbaden wird Bischof zu Speyer 261
Nürnberger-Hof ohnweit wißbaden 184

Appendix A.15 O.


Otto I, Römischer Kayser, hält sich in wißb. auf 147
Otto, Graf von Solms, nimmt wißbaden ein 266

Appendix A.16 P.


Pest in wißbaden 292. 302
Pfal-Gräben, Römische, ohnweit wißbaden 91
Pfarr-Recht an der wißbadischen Kirche 333
Pfarrer in wißbaden 336
Plünderungen der Soldaten in wißbaden 282-291
Poetische Beschreibungen des wißbads 465
Praesentz-Gefälle in wißbaden 332

Appendix A.17 R.


Rathhaus in wißbaden 369
Regiments-Verfassung des wißbads 52. 131. 215
Religion der Einwohner des wißbads 54. 140. 227
Rent-Mauer ohnweit wißbaden 84
Röder in dem wißbadischen Felde 41. 406
Römer kommen in Teutschland und nehmen wißbaden ein 4. 5. 35
bauen eine Stadt und Festung daselbst 27. 35. 38. 39

Appendix A.18 S.


Saal oder Fränckischer Pallast in wißb. 131. 148. 244
Saltzbach bey wißbaden 49. 219. 387
Sauerland in wißbaden 215
Schlösser in wißbaden 204. 207. 364
Schneckenhäuser, merckwürdige, in den Kalck-Steinen des wißbadischen Feldes 463
Schulen in wißbaden 354
Seel-Gerede oder Testament, merckwürdiges, des Grafens Adolphs von Nassau 185
Separatisten in wißbaden 241
Sole oder Saltz-wasser in und bey wißbaden 456

[496]

Sonnenberg bey wißbaden wird von dem Kayser Carl IV begnadiget 182
ist in die wißbadische Kirche eingepfarret gewesen 342. 345
Steine mit Römischen Aufschriften in und bey wißb. 94. 108. 111.
Stein mit einer alten unleslichen Schrift in wißb. 163

Appendix A.19 T.


Tantz, unglücklicher, in wißbaden 307
Taunus oder der Hayn bey wißbaden 88. 89. 90
Theurung, grosse, in wißbaden 292
Thore der Stadt wißbaden 376
Thiefenthaler Nonnen-Hof in wißbaden 335
Todten-Gräber, Todten-Töpfe und Todten-Sarg der alten Heidnischen wißbäder 68
Trompeter, ein hoher Berg im walde ohnweit wißb. 51

Appendix A.20 U. und V.


Uffhoben bey wißbaden 406
Uhr-Thurn in wißbaden 377
Ungeboten Ding oder Gerichts-Träge in wißbaden 222
Usipeter, Einwohner des alten wißbads 13. 32
Vermächtnüsse, merckw. der Einwoh. des Wißb. 319. 320
Vitriol wächset bey Wißbaden 462

Appendix A.21 W.


Wälle um Wißbaden 204. 382
Waldenser in den Nassauischen Landen 230
wasser-Gräben in und um Wißbaden 204. 382
Waysenhaus in Wißbaden 362
Weinberge bey Wißbaden 41
Wellritz, eine Wald- und Feld-Gegend bey wißb. 218
Wiesenbad in Meissen 235. 244
Wiesen-Brünnlein bey wißbaden 457
Wirths-Haus in wißb. dessen seltsame Benennung 219
Wohlfeile Zeit in den Nassau-wißb. Landen 187. 188
wolckenbrüche im wißbadischen Felde 390. 391

Appendix A.22 Z.


Zucht- und Arbeits-Haus, vorgewesenes, in wißb. 364

Appendix A.23

S. D. G.

[][][][]
Notes
*
Es haben zwar bereits vor diesem Weber einige Bad-verständige Gelehrte, z. E. Eschenrouter, Agricola, Theodor Tabernaemontanus etc. in ihren Schriften von den Wißbadischen Bädern eines und das andere gemeldet. Es ist aber solches in keinen besonderen davon handelnden Schriften, sondern nur allein in solchen Büchern, darin sie überhaupt von allen Gesund-Brunnen des Teutschlandes handeln, geschehen, und also werden sie hieher nicht gerechnet. Wie denn auch alle andere, welche nach dem Weber dergleichen in ihren Schriften nur beyläufig gethan haben, um dieser Ursache willen, nicht in dieses Verzeichnüß der Wißbadischen Bad-Beschreiber sind gesetzet worden.
*
Man hätte zwar bey Anführung sowohl dieser ersten, als auch der folgenden medicinischen Beschreibungen des Wißbads, so gleich auch jedesmal kürtzlich melden können, worin eine von der andern, sowohl in Beschreibung der inneren Bestand-Theile des warmen Wassers, als auch der Art und Weise, dasselbe nützlich zu gebrauchen, unterschieden sey.
*
Man hat aber, weil dieses eine Sache ist, die am besten von einem Medico kan eingesehen und berichtet werden, dieselbe auch einem solchen, mit gutem Bedacht, überlassen, und dismal bloß allein den Haupt-Inhalt einer jeden Bad-Beschreibung kürtzlich anzeigen wollen.
*
Man hat zwar um des ungelehrten Lesers willen eine Teutsche Uebersetzung dieser Römischen Aufschriften allhier beyfügen wollen, aber doch nur eine summarische und beyläufige. Denn es ist, nach dem Geständnüß der Gelehrten, nicht allezeit möglich, dergleichen in Römische Aufschriften vor völlig und gewiß zu übersetzen, und zwar aus folgenden Ursachen: 1, weil man den Verstand von manchen abgekürtzten Worten sehr schwer, und öfters fast gar nicht, errathen kan; wie man dessen in den gegenwärtigen Aufschriften einige Exempel haben kan. 2, weil auch würcklich viele Buchstaben und Worte, die man sonst größtentheils errathen kan, zwey- ja drey- auch mehr-deutig sind; wie denn z. E. in der zweyten gegenwärtigen Aufschrift die Buchstaben DD. nicht nur Deo Domestico, sondern auch, wie aus andern dergleichen Aufschriften erhellet, Diis Deabusque, item Düs Dantibus, item Dicat Dedicat, item Dono Dedit etc. heissen können. 3, weil uns auch mehrentheils die Veranlassung zu dergleichen Aufschriften, und die eigentliche Absicht derselben, nebst andern besondern Umständen, (welche doch alle sehr vieles zu der richtigen Erkänntnüß derselben beytragen) dermalen nicht hinlänglich genug bekannt sind. 4, weil vollends in denjenigen Rö-
*
mischen Aufschriften, welcher ausserhalb Italien, wie die gegenwärtige, sind verfertiget worden, die Buchstaben und Worte von den unerfahrenen und der lateinischen Sprache nicht recht kundig-gewesenen Stein-Arbeitern meistentheils, nach dem einhelligen Zeugnüß der Kenner solcher alten Schriften, sehr fehlerhaft und oft gantz verkehrt ausgedruckt worden sind; wie denn z. E. auf diesen Wißbadischen Steinen der Buchstabe C mehr als einmal, an statt eines G, sonderlich in den Wörtern LEC. und REC. das ist: LEG. und REG. gantz offenbarlich ist gesetzet worden. Indessen hat man doch, wie gedacht, den Haupt-Inhalt dieser Wißbadischen Aufschriften, durch eine denselben beygefügte beyläufige Teutsche Uebersetzung bekannt machen wollen. Dem gelehrten Leser dabey freystellend, solche annoch so genau und eigentlich zu übersetzen, als es ihm gefällig und möglich ist.
*
Er hat einsmals im Jahr 1287, oder, wie andere berichten, 1288 bey einer solchen Fehde, darin er dem Grafen von Geldern, Reginald, Beystand geleistet, dem mächtigen Hertzoge Johann von Brabant fünf Treffen abgewonnen, und viele Beute gemacht. Als ihn aber derselbe bey dem sechsten Treffen gefangen bekam, und ihn fragte: Wer er wäre? so antwortete er behertzt: „Ich bin der Graf von Nassau, zwar nicht gar reich an Landen, doch dazu gebohren, tapfere Thaten zu verrichten, und es wundert mich, wie du meinem Schwerdte, das auf dich gewetzet gewesen, hast entgehen können.” Es hat diese männliche Antwort dem gemeldten Hertzoge so wohl gefallen, daß er ihn nicht nur bey seiner Gefangenschaft wohl gehalten, und wegen seiner bewiesenen Tapferkeit sehr gerühmet; sondern auch nachmals, bey erfolgtem Frieden, wohl beschencket von
*
Es hat dieser Graf Adolph und seine Gemahlin Margaretha im Jahr 1360 ein schriftliches Seelgerede (Beredung oder testamentliche Verordnung, dadurch den Seelen soll gerathen werden) errichtet, und darin der Kirche zu Wißbaden, dem Closter Clarenthal (wo sie beyde haben wollen begraben seyn) und sehr vielen andern benachbarten Kirchen und Clöstern unsäglich-grosse Summen Geldes vermacht. Es heisset unter andern in demselben: „... Auch setzen wir Graf Adolph dar, wanne Gott über uns gebüdet, einis das beste Roß (Zug-Pferd) das wir han, und ein unser beste perd (Reit-Pferd) und zwey unser beste Harnesch, einis zu dem Ernste, und einis zu dem Schiempe, und einen unsern besten Wappen-Rock, wer aber Sache, das wir zu der Zyt nit Rosses hetten, so sollent is unser zwene Hengeste (Turnier- und Kriegs-Pferde) sin, die besten die wir han zu dem vorgenannten Harnische. So setzen wir Margaretha dar, wann God über uns gebüdet, einis das beste Gewant, das wir zu der Zyt han, das zu unserm Libe gehöret, mit Namen einen Mantel, einen Warkos, und einen besten Rog, wie die sint, mit Fuder und mit al, damit soll man eine
*
ewige Misse machen .. den Priestern zu Edichenstein (Idstein) auf dem Stifte setzen wir ein dreyßig pund heller, mit eim der besten Hengeste, besten Harnisch, besten Wappen-Rock etc.“
*
Es hat zu dieses Grafens Johannis Zeiten, und zwar in den Jahr 1475, L. U. in seinen Landen gekostet: das Malter Korn, Limburger Maases, 15. Alb. das Malter Weitzen 25 Alb. das Malter
*
Erbsen 20 Alb. eine Zins-Gans 2 Alb. vier junge Hahnen 1 Alb. drey Maaß süsse Milch 1 Alb. eine Maaß Wein 6 pf. eine Maaß Bann-Wein 8 pf. ein paar Mannes-Schuhe 4. Alb. ein paar Weiber-Schuhe 3 Alb. ein paar Knaben-Schuhe 1 Alb. 4 pf. ein Geissel-Hofmann hat bekommen an Jahr-Lohn 6 fl. ein Hof-Knecht an Jahr-Lohn 4 fl. nebst Schuhen und 7 Ellen Wollen- und 7 Ellen Leinen-Tuch. Eine Hof-Magd an Jahr-Lohn 1 fl so denn 3 Alb. vor einen Schleyer, 9 Alb. vor drey Paar Schuhe, 9 Ellen Wollen- und 9 Ellen Leinen-Tuch. Ein Tag-Löhner hat bekommen zum Tag-Lohn bey schwerer Arbeit, nahmentlich beym Grummet-Machen, Flachs-Brechen etc. 4 pf. Der Heu-Binder bey Hof hat bekommen an Jahr-Lohn 2 fl. wie auch vor ein paar Schuhe 4 Alb. Der Stuben-Heitzer bey Hof hat bekommen an Jahr-Lohn 12 Alb. etc. Um das Jahr 1540 bekam ein Tag-Löhner in Wißbaden, L. U. zum Tag-Lohn im Sommer 12 pf. in der Heu-Erndte 18 pf. in der Korn-Erndte 20 pf. Des Winters 10 pf. auch 8 pf. und jedesmal dabey sein nothdürftiges Essen und Trincken.
*
Zu dieses Grafens Joh. Ludwigs Zeiten, und zwar im Jahre 1579, wurde in dessen Landen, nahmentlich auch in Wißbaden (L. St. f.78) eine scharfe Verordnung, unter angesetzter schwerer Strafe vor die Uebertreter derselben, bekannt gemacht, daß fernerhin bey den gewöhnlichen Hochzeit-Mahlzeiten niemand mehr als 6 Tische, und an einem jeden Tische nicht mehr als 10 Gäste, setzen sollte. Man kan hieraus leicht abnehmen, was damals in diesen Landen vor eine grosse Uebermaaß bey dergleichen Mahlzeiten müsse im Schwang gegangen seyn. Denn da diese herrschaftliche Einschränckung annoch so viele Gäste verstattet, so muß ohnstreitig vorher die Anzahl derselben viel grösser, folglich also auch der Aufwand dabey ausnehmend starck, und die sündliche Ausschweifungen, welche bey einem solchen Getümmel wohlgesättigter Menschen gerne vorzugehen pflegen, nicht gering gewesen seyn. Um diese Zeit, und zwar in dem Jahr 1576, hat in Wißbaden L. St. ein Handwerksmann, nahmentlich ein Schreiner, Zimmermann, Maurer etc. vor seine Tag-Arbeit, ausserhalb Hauses, bekommen vier und einen halben Albus; ein gemeiner Tag-Löhner 18 pf. In der Erndte aber bey dem Frucht-schneiden 20 pf und jedesmal dabey zu Essen und zu Trincken, [vier und einen halben Alb. Eine gemeine Taglöhnerin 8 pf. in der Erndte aber bey dem Fruchtschneiden] jedoch keinen Wein, als welcher sonst der ehemaligen Wißbäder ordentlicher Haus-Trunck, L. U. gewesen, und des Biers daselbst wenig gebrauet worden ist.
*
Zeit seiner Regierung, nemlich im Jahr 1616 ist in Wißbaden ein ausserordentlich früher Herbst gewesen. Denn man hat bereits den 10 Septemb. die Trauben daselbst abgelesen, und einen herrlichen Wein davon gemacht. St. f. 289.
*
Es kam dieser Herr einsmals von einer gethanenen Reise, welche bey 60 Meilen Weges betragen, in seiner Residentz–Stadt Idstein, mitten in der Nacht, sehr ermüdet an. Als er nun des folgenden Morgens frühe, im Schlaf, zur Kirchen läuten höret, so lässet er, weil es eben Werck-Tag war, nachfragen, was dieses Läuten bedeute? Da man ihm nun hinterbrachte, daß derselbe Tag ein monatlicher Buß- und Bät-Tag wäre, so war er sogleich, aller Müdigkeit ohngeachtet, eilends auf, und erschien, nebst seiner Hof-Dienerschaft in der
*
öffentlichen Stadt-Kirche, ehe noch einmal die Stadt-Einwohner recht wusten, daß ihr Herr von seiner weiten Reise wieder zurück gekommen wäre.
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Man muß sich billig bey Durchlesung der alten Wißbadischen Schriften über die viele Vermächtnüsse an die Kirchen und Armen, welche vormals von den Einwohnern des Wißbads immerzu geschehen sind, verwundern. Nicht nur die Kirchen und Capellen in der Stadt und dem Wißbadischen Lande, auch nicht nur die Clöster und geistliche Stifter in der Nachbarschaft (davon man einige in des Joannis Maintzischen Geschicht-Schreibern T. II. p. 514. 602 etc. und aus denselben in des Verfassers Merckw. der Stadt Wißb. P. I. p. 61 benennet finden kan) sondern auch viele Clöster und Stifter in auswärtigen Landes-Gegenden, z. E. in Trier- und Cöllnischen Landen, haben ihre jährliche reiche Gefälle, und viele derselben ihre eigene Frey-Höfe, (die sie nachmals unter der Hand selber gelegentlich käuflich veräusert haben) kraft solcher geschehenen Vermächtnüssen, in unserer Stadt gehabt. Und da in den Zeiten des 15 und 16 Jahrhundert fast nichts mehr an liegenden Gütern zu vermachen übrig gewesen ist, so haben sie doch wenigstens etwas Geld, Frucht, Kleider etc. an Kirchen und Arme gestiftet. Und ist fast keine eintzige testamentliche Verordnung, wie aus dem alten Gerichts-Buche der Stadt zu ersehen ist, gemacht worden, darin nicht die Kirchen und die Arme ausnehmend sehr bedacht worden sind. Z. E. so heisset es in dem Testament einer Burgers-Frau in Wißbaden von dem Jahr 1515
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l. c. f. 193, wie folget: „ – – – bat und bevalh sie irem ehrlichen Huswirt ir etliche verheyssene Wallfahrten uszurichten, mit Namen zu unser lieben Frawen zu Ach, zu S. Annen zu Deuren, zu S. Gervas zu Mastricht, und zu S. Quirin zu Newß. Item zu unser lieben Frawen zu Landsteyn, Item zu S. Annen und zu unser lieben Frawen zu Bechtheym und zu Worms. Item zu S. Philipps zu Zell. Item zu unser lieben Frawen und zu S. Annen uf dem Hünerberg genannt, und zu Lympurg. Item zum H. Creutz bey Meintz, und an andern mehr Ende, an jedes Ende mit besondern Opfern, wie sie ime dann dasselb alles unterschiedlich hat ufzeychnen lassen. – – – – Auch soll ir Huswirt iren Abgang mit Vigilien, SeleMessen und anderem Gottesdienst erlich begeen lassen, solt auch armen Leuten zu der Dryer Begengnüs ein Saw Fleisch, eine Ome Wyns, ein Malter Brots us Weyß und Korn gemacht, umb Gots willen geben. Auch solt ir Huswirt zu Trost und Heyl irer Eltern und irer Selen stiften und ufrichten eyn ewige singende WochenMess, die zu ewigen Zeiten allen Dinstag in Eren des Lyden Christi unsers Seligmachers, und der H. Frawen und Mutter Marie zu S. Annen gehalten und gesungen solt werden. Zu derselben Meß satzt sie auch einen Stammeten Dappart Rosetfarb zu eynem Meßgewandt mit einem Creutz daran. – – – – Item unser lieben Frawen Bilde in S. Mauritius Pfarrkirchen
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hie zu Wißbaden eyn roten syden beschlagen Gürtel – – – – Item unser lieben Frawen in Hengarten ein schwartz Schawb – – – – Item S. Mauritius KirchenBaw hie zu Wißbaden 4 Gulden. Item S. Sebastians Bruderschaft 1 Gulden. Item S. Jacobs Bruderschaft und unser lieben Frawen Bruderschaft eyner yglichen einen halben Gulden. Auch bevalh sie irem Huswirt zwey Heiligen Hewser zu machen – – – Item fol. 188 vom Jahr 1523 – – – unser lieben Frawen im HeynGarten 1 Gulden – – – zu eynem ewigen Licht im Beynhuß dry Gulden, die Elendige sollen es empfahen und usrichten – – – Jeglicher Bruderschaft 1 Gulden. Dem Pfarrlichen Buwe 6 Malter Korns, dry Malter Korns zu den dryen Begengnüssen armen Leuten umb Gots willen. Item f. 170 seinen Harnisch soll haben S. Jacobs Bruderschaft. S. Mauritius Altar soll haben eyn groß lynen weyß Duch als eyn Fürhang, item ein hübsch Handzwel auch uf dem Altar oder in die Sacrasty – – – Item f. 168 – – – S. Mauritius Pfarrkirchen Baw soll haben 8 Gulden, den grünen Rock soll haben S. Jacobs Bruderschaft etc.” Diese löbliche Gewohnheit, in den letzten Willens-Verordnungen die Kirchen und die Armen zu bedenken, hat in unserm Wißbad, auch nach der einen Einführung der Evangelischen Religion gar selbst im Jahr 1540, immerzu, doch auf einer Evangelischen Glaubens-Lehren gemässe Art, fortgewähret. Denn so heisset es zum Exempel in dem zweyten al-
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ten Gerichts-Buch: Bey dem Jahr 1547 – – – bey meinem Begrebnüß setze ich ein Om Weins und ein Malter Brods armen Leuten umb Gottes willen, – – – bey dem Jahr 1577 (nach dem sich Wißbaden von den oben beschriebenen grossen Brand-Schäden wieder in etwas erholet hatte) heisset es: „– – – vermacht sie der Pfarrkirchen 10 Gulden Patzen, noch 10 Gulden Patzen armen Hausleuten vor Brod – – – noch einem Armen 20 Gulden Patzen – – – Noch bey diesem Jahr – – – der Kirchenbau zu Wißbaden soll haben 10 Gulden current – – – die Hausarme Leute sollen haben 10 Gulden current – – – bey dem Jahr 1582 – – – der Kirchen zu Wißbaden legiret sie 20 Gulden, den armen Leuten 4 Malter Korn – – – item auf immer und ewiglich jährlich auf Catharinen Tag armen Leuten ein Malter Korn an Brot auszuspenden – – – bey 1583 – – – legiret er dem Kirchenbau 10 Gulden, armen Leuten 10 Gulden – – – bey 1585 – – – dem Kirchenbau zu Wißbaden 10 Gulden, der Schul 10 Gulden – – – bey 1589 – – – alle Jahr auf Sebastianstag soll den armen Leuten ein Malter Korn an Brot ausgespendet werden biß in Ewigkeit etc.” In den elenden und langwiehrigen Kriegs-Zeiten des 17 Jahrhundert ist diese gute Gewohnheit in Wißbaden, wegen des eingerissenen allgemeinen Mangels an Nahrung, sehr in Abgang gekommen. In dem 18. Jahrhundert ist sie in den friedlichen Zeiten wieder aufgelebet, und bey Christlichen Gemüthern von neuem in ziemliche Uebung
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gekommen. Man kan davon oben in der Vorrede dieses Buches ein nahmhaftes Exempel an den Spethischen Vermächtnüssen, und in den gedruckten Nachrichten von dem Wißbadischen Waysenhaus noch mehrere Beyspiele davon angeführet finden.
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Es wird zwar in einigen Wißbadischen Bad-Beschreibungen vorgegeben, daß in dem Walde bey Wißbaden hier und dar verschiedene Klüfte zu finden wären, aus welchem man einen Rauch heraus dünsten sähe, und also daraus schliessen könnte, daß entweder heisses Wasser, oder gar ein unterirdisches Feuer daselbst vorhanden sey. Allein es ist dieses Vorgeben ohne Grund, und es hat sich noch niemand gefunden, der dergleichen Rauch-Klüfte, um Wißbaden herum, mit einiger Gewißheit hätte zeigen können. Und die Dünste, die man etwan zu Zeiten in den Wißbadischen Feldern und Wäldern über der Erde wahrnimmt, sind nichts anders, als gemeine Erd-Dünste, dergleichen sich auch in andern Gegenden, wo keine warme Wasser-Quellen vorhanden sind, aus natürlichen Ursachen, zuweilen zu äussern pflegen.
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Der Autor verhält sich in Beschreibung des Antheils, welchen die verschiedene Bad-Häuser des Wißbads an diesem und den andern warmen Brunnen daselbst haben, bloß allein als ein Historicus, das ist, er beschreibet diese Sache schlechtweg, wie sie sich dermalen befindet; lässet aber dem Widerspruch, welchem etwan dieses oder jenes Brunnen-Recht unterworffen seyn möchte, seine Gültigkeit dadurch völlig unbenommen.
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Dieser Cramer war damals Pfarrer in Wißbaden. Siehe oben das Verzeichnüß der Wißbadischen Pfarrern.
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Das Wiesenbrünnlein bey Wißbaden, welches eben kurtz vorher beschrieben worden, hat vormals drey Spring-Röhren gehabt, darauf wird hier gezielet. Dermalen hat es derselben viere.
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Siehe Joh. 5.
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Polychrest heißt eine Artzeney, die gegen viele Kranckheiten dienlich ist.
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Von diesem Berge bey Wißbaden ist oben in der ersten Abtheilung hinlängliche Nachricht zu finden.
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Oder eigentlich zwey, nemlich in dem Brunnen vor der Glocke, und in dem Brunnen im Adler. Denn die übrige Quellen sind so groß nicht, als diese.
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Von diesen allen ist oben in der ersten Abtheilung die nöthige Nachricht gegeben worden.
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Von diesen allen ist oben in der ersten Abtheilung die nöthige Nachricht gegeben worden.
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Von diesen allen ist oben in der ersten Abtheilung die nöthige Nachricht gegeben worden.
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Panacee heist ein allgemeines Mittel vor allerley Kranckheiten.
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Das ist: nüchtern und mäßig.
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Man kan hierbey die oben ertheilte Beschreibung des Wißbadischen Gesund-Wassers nachsehen, als woselbst diese verschiedene Meynungen der Natur-Kündiger von dem Ursprung dieses heissen Wassers ausführlicher beschrieben werden.
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Röm. I. 20.
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Apostel-Gesch. XVII. 27. 28. XIV. 15. 16. 17.
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Psalm. XXIX. 3. Der Schöpfer redet oder offenbahret sich durch seine Geschöpfe. Psalm. XIX. CIV. CXLVIII. etc.
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Apostel-Gesch. c. l.
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Es verdienet hierbey angemercket zu werden, daß der Kayser Constantin der Grosse in seinem Bekänntnüß, welches er, nach seiner Bekehrung zu Christo, von der Erkänntnüß des wahren GOttes schriftlich abgeleget hat, vornemlich auch die heisse Gesund-Wasser des Erdbodens mit Nahmen in Betrachtung ziehet, und bezeuget, daß es ihm als ein gantz besonderes Merckmahl der grossen Macht GOttes vorkomme, daß diese heisse Wasser (von deren Hitze niemand die wahre Ursache gründlich anzeigen könne) ihre grosse Hitze unverrückt behielten, ohnerachtet sie in der Erde um und um mit kaltem Wasser umflossen wären; anbey schiene es, daß GOtt sie um deßwillen nicht überall auf dem Erdboden habe entstehen lassen, damit sie von den Menschen um desto mehr, als Seltenheiten, möchten in eine Achtung genommen werden; siehe davon seine Rede an die Heiligen oder Christen bey dem Eusebio c. 7.. Alle, auch die geringste und gemeineste, Natur- oder Schöpffungs-
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Wercke zeugen von ihrem Schöpffer und Erhalter mehr als zu klar. Doch fällt dieses Zeugnüß bey den grossen und seltenen Schöpffungs-Wercken schneller in die menschliche Sinnen, als bey den geringen und gemeinen. Daher auch GOtt in seinem Worte die Menschen gerne zur Betrachtung der grossen und seltenen Schöpffungs–Wercke hinzuweisen pfleget, wie z. E. aus Hiob c. 38–41. Jes. 40 etc. zu ersehen ist. Und unter solche grosse und seltene Wercke der Schöpffung werden die heisse Quell-Wasser des Erdbodens mit allem Rechte gezählet, und wer das klare Zeugnüß, das sie von der Würcklichkeit und Herrlichkeit ihres grossen Schöpffers und Erhalters ablegen, nicht erkennen kan, der muß solches mit allem Vorsatz nicht erkennen wollen.

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2025). Schenck, Gottfried Anton. Geschicht–Beschreibung der Stadt Wißbaden. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bp33.0