[][][][][][][]
Werner Siemens

Gesammelte Abhandlungen und Vorträge.

[][[I]][[II]]

Verlag von Julius Springer in Berlin.


[][][[III]]
Gesammelte
Abhandlungen und Vorträge


Mit in den Text gedruckten Holzschnitten, 6 Tafeln und dem Portrait des Verfassers.

[figure]

BERLIN.:
Verlag von Julius Springer.
1881.

[[IV]][[V]]

Vorbemerkung.


Im Laufe der letzten Jahre sind an die Verlagshandlung
wiederholt Aufforderungen gelangt, bald diese, bald jene der
Abhandlungen Werner Siemens’ zu besorgen, welche seit Mitte
der vierziger Jahre, dem Beginn seiner Wirksamkeit, bis in die
neueste Zeit in den verschiedensten wissenschaftlichen und tech-
nischen Zeitschriften erschienen sind. Nur in seltenen Fällen
war es möglich, diesen Wünschen zu entsprechen.


Bei der vielfach grundlegenden Bedeutung der Arbeiten
Werner Siemens’ glaubte die Unterzeichnete den interessirten
Kreisen einen Dienst zu erweisen, wenn sie an den Herrn Verfasser
das Ersuchen richtete, die Herausgabe seiner in Betracht kom-
menden Abhandlungen und Vorträge zu genehmigen und bei Aus-
wahl und Durchsicht derselben behülflich zu sein.


Der Verfasser hat seine Zustimmung und seine Mithülfe nicht
versagt.



Die Verlagshandlung.


[[VI]][[VII]]

Inhaltsverzeichniss.


  • Seite
  • Ueber die Anwendung der erhitzten Luft als Triebkraft 1
  • Beschreibung des Differenzial-Regulators von Wr. u. Wilh. Siemens 9
  • Anwendung des elektrischen Funkens zur Geschwindigkeitsmessung 23
  • Ueber telegraphische Leitungen und Apparate 33
  • Mémoire sur la télégraphie électrique 51
  • Kurze Darstellung der an den preussischen Telegraphenlinien mit
    unterirdischen Leitungen gemachten Erfahrungen 89
  • Ueber die Beförderung gleichzeitiger Depeschen durch einen tele-
    graphischen Leiter 113
  • Beantwortung der Bemerkungen von Edlund über die Beförderung
    gleichzeitiger Depeschen 131
  • Berichtigung der Schlussworte des H. Edlund: Ueber das telegraphische
    Gegensprechen 137
  • Ueber eine neue Construction magnet-elektrischer Maschinen 141
  • Ueber die elektrostatische Induction und die Verzögerung des Stromes
    in Flaschendrähten 145
  • Der Inductions-Schreibtelegraph von Siemens \& Halske 201
  • Constante galvanische Batterie (mit J. G. Halske) 205
  • Beschreibung eines neuen magnet-elektrischen Zeiger-Telegraphen 209
  • Abriss der Principien und des praktischen Verfahrens bei Prüfung
    submariner Telegraphenleitungen auf ihren Leitungszustand 215
  • Beschreibung ungewöhnlich starker elektrischer Erscheinungen an der
    Cheops-Pyramide bei Cairo 225
  • Vorschlag eines reproducirbaren Widerstandsmasses 229
  • Ueber Widerstandsmasse und die Abhängigkeit des Leitungswider-
    standes der Metalle von der Wärme 249
  • Widerstandsetalon (mit J. G. Halske) 263
  • Ueber die Erwärmung der Glaswand der Leydener Flasche durch die
    Ladung 265
  • Zur Frage der Widerstandseinheit 267
  • Seite
  • Untersuchungen über das Bewegungsgesetz der Gase in Röhren (in
    einem Aufsatze: Ueber die pneumatische Depeschen-Beförderung
    in Berlin) 283
  • Beobachtungen der Meerestemperatur bei Tiefenmessungen 293
  • Umwandlung von Arbeitskraft in elektrischen Strom ohne Anwendung
    permanenter Magnete 297
  • Universal-Galvanometer 301
  • Directe Messung des Widerstandes galvanischer Ketten 313
  • Capillar-Galvanoskop zu Widerstands-Messungen an submarinen Kabeln 321
  • Antrittsrede 325
  • Beiträge zur Theorie der Legung und Untersuchung submariner Tele-
    graphenleitungen 333
  • Ueber den Einfluss der Beleuchtung auf die Leitungsfähigkeit des
    krystallinischen Selens 363
  • Messung der Fortpflanzungs-Geschwindigkeit der Elektricität in suspen-
    dirten Drähten 365
  • Ueber die Abhängigkeit der elektrischen Leitungsfähigkeit des Selens
    von Wärme und Licht (1. Vortrag) 377
  • Dgl. (2. Vortrag) 399
  • Ueber Telephonie 425
  • Physikalisch-mechanische Betrachtungen, veranlasst durch eine Beob-
    achtung der Thätigkeit des Vesuv’s 443
  • Die Elektricität im Dienste des Lebens 469
  • Ueber elektrische Eisenbahnen 487
  • Ueber die dynamo-elektrische Maschine und deren Verwendung zum
    Betriebe der elektrischen Eisenbahnen 491
  • Ueber die Abhängigkeit der elektrischen Leitungsfähigkeit der Kohle
    von der Temperatur 511
  • Ueber elektro-technische Hülfsmittel gegen schlagende Wetter in
    Bergwerken 525
  • Maschinen zur Trennung magnetischer und unmagnetischer Erze 537
  • Der elektrische Aufzug 543
  • Die dynamo-elektrische Maschine 547
  • Beiträge zur Theorie des Elektromagnetismus 561

[[1]]

Ueber
die Anwendung der erhitzten Luft als
Triebkraft.


(Dingler’s polyt. Journal Bd. 97 S. 324.)


1845.


In England erregt jetzt eine Maschine, die durch erhitzte Luft
betrieben wird und seit einiger Zeit mit dem grössten Erfolg in
Dundee in Thätigkeit ist, viel Aufsehen. Da dieselbe viel ein-
facher ist als eine Dampfmaschine, einen weit kleineren Raum ein-
nimmt und nur eine verhältnissmässig sehr unbedeutende Menge
Brennmaterial verbraucht, so verdient sie mit Recht die grösste
und allgemeinste Berücksichtigung.


Der Gedanke, die grosse Kraft, mit der eingeschlossene Luft
bei ihrer Erwärmung sich auszudehnen strebt, als Triebkraft zu
benutzen, ist nicht neu. Die Aufmerksamkeit der Techniker musste
auch um so mehr dadurch auf sie gelenkt werden, dass der theo-
retische Nutzeffect einer bestimmten Wärmemenge, zur Erhitzung
der Luft verwandt, fast dreimal so gross ist, als wenn sie zur
Erzeugung von Wasserdämpfen diente. Dass die Aussicht auf
eine so bedeutende Ersparung an Brennmaterial bisher dennoch
keine brauchbare, durch erhitzte Luft bewegte Maschine hervor-
zurufen vermochte, mag wohl seinen Grund hauptsächlich in den
Schwierigkeiten finden, die mit der hierbei erforderlichen schnellen
Erwärmung und Wiederabkühlung einer beträchtlichen Luftmenge
verknüpft schienen.


Ueber die Art, wie dies bei der obenerwähnten Maschine
geschieht, und wie die Maschine durch eine solche Temperatur-
veränderung der Luft bewegt wird, habe ich eine kurze briefliche
1
[2] Mittheilung aus England erhalten. Da mir indess leider alle An-
gaben über die specielle Construction der Maschine fehlen, so
kann die Zeichnung Fig. 1 auch keineswegs als eine Abbildung
derselben angesehen werden. Sie soll nur als Anhalt dienen,
um das ihr zum Grund liegende Princip möglichst anschaulich
machen zu können.


Figure 1. Fig. 1.

Im Wesentlichen besteht die Maschine aus drei geschlossenen,
oben mit Stopfbüchsen versehenen Cylindern A,A' und B. Die
in den Cylindern A und A' eingeschlossene und beliebig, aber in
[3] beiden gleichmässig comprimirte Luft wird abwechselnd erwärmt
und wieder abgekühlt. Dadurch wird ihre Spannkraft in ent-
sprechendem Maasse vermehrt und vermindert und mit dem
Druck, der aus der Differenz der gleichzeitig in beiden Cylindern
obwaltenden Spannungen sich ergibt, der Kolben im Cylinder B
bewegt.


Im Innern eines jeden der beiden Cylinder A und A' be-
findet sich ein zweiter kleinerer Cylinder a, a', in welchem sich
ein Kolben c, c' auf und nieder bewegt. Dadurch entstehen also
Doppelcylinder, zwischen deren Wänden sich ein freier Raum
befindet. Im oberen und unteren Boden der inneren Cylinder
sind Oeffnungen angebracht, vermittelst welcher die in ihnen
eingeschlossene Luft mit der zwischen den Wänden der Doppel-
cylinder befindlichen frei communiciren kann. Wird nun der
Kolben c niederbewegt, so muss die unter ihm befindliche Luft
aus der Oeffnung d entweichen, zwischen den Wänden beider Cy-
linder hinaufsteigen und durch die obere Oeffnung in den inneren
Cylinder zurückkehren, um den leerwerdenden Raum über dem
Kolben einzunehmen. Bewegt sich der Kolben dagegen wieder
aufwärts, so muss sie denselben Weg in umgekehrter Richtung
durchlaufen, um wieder unter jenen zu gelangen. Der Raum
zwischen den Wänden beider Cylinder, durch den also die ge-
sammte im inneren Cylinder enthaltene Luftmenge bei jedem
Kolbenhube hindurchströmen muss, ist grösstentheils durch ein
System von guten Wärmeleitern e ausgefüllt, durch welches sie
gezwungen wird, auf ihrem Weg mit einer grossen wärmeleitenden
Fläche in Berührung zu treten. Hierzu würden sich wohl am
besten dünne, in concentrischen Lagen mit geringem Abstand
von einander den Raum zwischen beiden Cylindern ausfüllende
Kupferbleche eignen. Der Boden der beiden äusseren Cylinder
A und A' wird durch eine Feuerung erhitzt, die Decke derselben
dagegen durch einen darüber angebrachten Wasserbehälter f ab-
gekühlt. Von diesem geht ein Schlangenrohr g aus, welches den
oberen Theil des Zwischenraumes zwischen beiden Cylindern in
engen Windungen ausfüllt und stets von kaltem Wasser durch-
flossen wird.


Wird nun der Kolben c niederbewegt, so erhitzt sich die
Luft beim Hinwegstreichen über dem heissen Boden. Sie muss
1*
[4] aber diese Wärme an die Metallbleche abgeben, zwischen denen
sie in sehr dünnen Schichten hindurchzugehen genöthigt ist.
Der geringe Ueberrest derselben, den sie noch behalten hat, wenn
sie hindurch ist, wird ihr durch das Schlangenrohr und die kalte
Decke entzogen. Sie gelangt also vollkommen abgekühlt in den
inneren Cylinder. Wird der Kolben nun wieder aufwärts bewegt,
so muss sie von Neuem zwischen den vorhin erwärmten Metall-
blechen, aber in umgekehrter Richtung, hindurchgehen. Sie trifft
dabei während ihres Laufs auf immer wärmere Schichten und
gelangt, durch die nahe Berührung mit denselben schon ziemlich
erwärmt, über dem erhitzten Boden an, von dem sie einen aber-
maligen Zuschuss an Wärme erhält. Durch mehrmaliges Auf-
und Niederbewegen des Kolbens c wird nun bald ein constantes
Temperaturverhältniss der Bleche und der über und unter jenem
befindlichen Luft herbeigeführt werden. Die heisse Luft gibt
dann bei ihrem Hinaufsteigen gerade so viel Wärme an die
Bleche ab, wie sie bei dem darauf folgenden Hinabgehen wieder
von denselben aufnimmt. Durch die Feuerung ist also keines-
wegs die gesammte zur jedesmaligen Erwärmung der abgekühlten
Luft erforderliche Wärmemenge herzugeben, sondern nur der kleine
Theil derselben, der durch das Röhrensystem verschluckt und durch
Leitung etc. verloren gegangen ist.


Von der Decke der beiden Cylinder A und A' gehen zwei
Röhren k und k' nach dem oberen und unteren Ende des Cylin-
ders B. Der in diesem befindliche Kolben i muss daher durch
die Spannkraft der in A eingeschlossenen Luft in die Höhe, durch
die der im Cylinder A' befindlichen niedergedrückt werden. Ge-
setzt nun der Kolben c wäre an dem höchsten, der Kolben c'
dagegen am tiefsten Punkt seines Laufs angekommen und die
Erhitzung der Luft im Cylinder a betrüge ungefähr 230 °C., so
würde ihre Spannkraft dadurch verdoppelt sein. Waren also z. B.
die Cylinder mit Luft von sechsfacher Dichtigkeit gefüllt, so
würde jetzt die in A enthaltene den Kolben i mit zwölf Atmo-
sphären in die Höhe, die in A' enthaltene ihn dagegen mit sechs
Atmosphären niederdrücken. Er würde also mit einer dem Druck
von sechs Atmosphären entsprechenden Kraft aufwärts bewegt.
Wird nun die Auf- und Niederbewegung der Kolben c und c' so
durch die Maschine selbst bewerkstelligt, dass c und c' ihren
[5] Hub vollendet haben, wenn i seinen halben Lauf zurückgelegt
hat, so wird die den letzteren bewegende Kraft stets ihr Maxi-
mum erreicht haben, wenn seine Bewegung am schnellsten ist.
Hat er hingegen seinen Wendepunkt erreicht, so sind c und c'
in der Mitte ihres Laufs angekommen. Die in den Cylindern A
und A' enthaltene Luft ist dann halb erwärmt und halb abge-
kühlt, und ihre Spannkraft daher in beiden gleich. Der Kolben i
kann demzufolge mit Hülfe des Schwungrads seinen todten Punkt
überwinden, ohne dass eine einseitig auf ihn wirkende Kraft ihn
daran hindert. Da aber mit dem Beginn seiner Bewegung in
entgegengesetzter Richtung durch die gleichzeitige Fortbewegung
der Kolben c und c' auch die Triebkraft wieder entsteht und in
sehr raschem Verhältniss zunimmt, so ist der Fortgang der
Maschine gesichert, ohne dass es nöthig wäre, durch Ventile oder
Schieber die Einströmung der Luft in den Triebcylinder zu re-
guliren.


Da in den oberen Theil der Cylinder A und A' und mit-
hin auch in den Triebcylinder B nur immer kalte Luft gelangen
kann, so muss auch die Dichtung der Stopfbüchsen und des
Kolbens i sehr vollkommen, selbst bei noch höheren Spannungen
wie hier angenommen ist, hergestellt werden können. Dazu kommt
noch, dass sich erfahrungsmässig gegen Luft weit besser dichten
lässt als gegen Dampf. Für die Kolben c und c' würde ein voll-
kommen luftdichter Gang, der hohen Temperatur der unter ihnen
befindlichen Luft wegen, weit schwieriger herzustellen sein. Für
diese ist aber ein solcher gar nicht erforderlich, da der Unter-
schied in der Spannung der über und unter ihnen befindlichen
Luft nur immer sehr gering, nämlich dem Widerstand entsprechend
sein kann, der durch das Hindurchtreiben derselben durch die
zwischen den Blechen und Röhren befindlichen Zwischenräume
hervorgerufen wird. Diese Kolben müssten indess hohl und mit
schlechten Wärmeleitern ausgefüllt sein, damit sie der über ihnen
befindlichen kalten Luft nicht durch Leitung eine beträchtliche
Wärmemenge zuführen können. Die dennoch durch die Stopf-
büchsen entweichende Luft kann leicht durch stetes Nachpumpen
ersetzt werden.


Es würde theoretisch richtiger sein, den Cylinder B stets
mit heisser Luft zu füllen; doch wird der obenerwähnte, mit der
[6] Anwendung der kalten Luft verbundene Vortheil der besseren
Dichtung gewiss unter allen Umständen wichtiger sein, als der
daraus hervorgehende Nachtheil der unnöthigen Vergrösserung
der Cylinder A und A' und der durch diese herbeigeführten ge-
ringen Vermehrung des zur Erzielung derselben Triebkraft er-
forderlichen Brennmaterials. Dass der Verbrauch des letzteren
aber bei dieser Maschine nur sehr gering sein kann im Vergleich
mit dem zur Heizung einer Dampfmaschine von gleicher Kraft
erforderlichen, wird aus dem bisher Gesagten schon hinlänglich
klar geworden sein. Die obenerwähnte Maschine in Dundee be-
stätigt dies auch vollkommen. Sie arbeitet mit 26 Pferdekräften
und macht 30 Umgänge in der Minute. Dabei verbraucht sie
5 Pfd. Kohlen, während die früher dort aufgestellte, gleich starke
Dampfmaschine 26 Pfd. consumirt. Da indess die Wärme der
dort auf 300 °C. erhitzten Luft so vollständig durch das System
der Wärmeleiter absorbirt wird, dass sie nur noch um 3° wärmer
sein soll als das Kühlwasser, wenn sie bis zu den mit diesem
angefüllten Röhren gelangt ist, und da also die Feuerung die
Luft auch dem Anschein nach nur um dieselbe geringe Anzahl
von Graden zu erwärmen brauchte, so ist dieser Verbrauch an
Brennmaterial immer noch unverhältnissmässig gross. Dies hat
aber seinen Grund in der bei der Construction der Maschine
wahrscheinlich nicht berücksichtigten Eigenschaft der Luft, sich
bei ihrer Verdichtung zu erhitzen. Wenn nämlich die in a be-
findliche erhitzte Luft den Kolben im Cylinder B hinauftreibt,
so muss sie diesen ausfüllen. Dadurch wird ihre Dichtigkeit
aber vermindert und demzufolge auch ihre Temperatur. Die hie-
durch gebundene Wärme kann von den Blechen nicht absorbirt
werden; sie gelangt daher mit der abgekühlten Luft in den Cy-
linder a zurück und wird hier dadurch wieder frei, dass durch
die Niederbewegung des Kolbens i das frühere Dichtigkeitsver-
hältniss wieder hergestellt wird. Die hierdurch schon beträcht-
lich erwärmte Luft muss aber erst zwischen den Windungen des
Schlangenrohrs hindurchgehen, ehe sie durch die Metallbleche
von Neuem erhitzt werden kann. Die gesammte freigewordene
Wärmemenge wird daher von dem kalten Wasser verschluckt
und muss also durch die Feuerung ersetzt werden. Dieser be-
trächtliche Wärmeverlust liesse sich aber grösstentheils sehr leicht
[7] dadurch vermeiden, dass man den Weg der Luft durch Ventile
so regulirte, dass sie nur einmal, nämlich bei ihrem Hinaufsteigen,
durch das Röhrensystem hindurchzugehen brauchte, bei ihrer Rück-
kehr hingegen dasselbe umginge, und sogleich, also in schon er-
wärmtem Zustand, die Bleche passiren müsste. Hierdurch bliebe
der grösste Theil der wieder freigewordenen Wärme in Thätig-
keit und der Brennmaterialverbrauch liesse sich demzufolge noch
bedeutend vermindern.


Gänzlich lässt sich dieser Wärmeverlust aber hierdurch doch
nicht beseitigen, da durch die höhere Temperatur der nun direct
zu den Blechen geführten Luft dieser die Fähigkeit genommen
ist, die oberen Theile der Bleche vollständig abzukühlen. Sie kann
daher auch ihrerseits beim Zurückgehen nicht vollständig wieder
von denselben abgekühlt werden, und muss den Temperaturüber-
schuss, der ihr dadurch verbleibt, jetzt an die Röhren abgeben.
Ferner muss die durch Leitung fortwährend in den Blechen und
Cylinderwänden in die Höhe geführte Wärme von dem Kühlwasser
fortwährend absorbirt und daher durch die Feuerung ersetzt werden.
Wenn diese nothwendig zu ersetzende Wärmemenge auch in Ver-
gleich zu derjenigen, welche eine Dampfmaschine erfordert, nur
sehr unbedeutend zu nennen ist, so ist sie doch gross genug, um
den Gedanken zurückzudrängen, sie durch die Maschinenkraft
selbst, z. B. durch Reibung oder stetes Hineinpumpen von Luft
in die unteren und Entweichenlassen derselben aus den oberen
Theilen der Cylinder A und A' ersetzen zu können.


Anstatt der atmosphärischen Luft könnte man auch jede andere
Gasart zum Betrieb der Maschine anwenden. Man würde dadurch
noch den bedeutenden Vortheil erzielen können, die Oxydation der
unteren erhitzten Theile der Cylinder A und A', im Inneren wenig-
stens, gänzlich zu verhindern. Dies wäre z. B. dadurch schon
ohne grosse Schwierigkeiten zu erreichen, dass man die zur ersten
Füllung und zum späteren Nachpumpen bestimmte Luft aus der-
jenigen schöpfte, welcher bereits durch das Brennmaterial der
grösste Theil ihres Sauerstoffs entzogen ist und dieselbe noch, um
sie gänzlich davon zu befreien, durch glühende Eisenbleche
strömen liesse.


Dass sich bei der Ausführung einer solchen Maschine noch
Schwierigkeiten aller Art einfinden werden, ist, wie bei jeder
[8] neuen Sache, so auch hier vorauszusehen. Auch an Widersachern
aller Art wird es nicht fehlen! Mögen aber die zu besiegenden
Schwierigkeiten auch Anfangs noch so gross erscheinen, die mit
so reichen Hülfsmitteln begabte Technik unserer Tage hat deren
schon grössere zu überwinden gewusst! Die theoretische Grund-
lage der Maschine liegt zu klar vor Augen, als dass sich be-
gründete Zweifel gegen ihre Richtigkeit erheben könnten, und
durch die Erfahrung ist bereits glänzend erwiesen, dass kein ver-
steckter Fehler in der Rechnung vorhanden sein kann, der den
aus ihr gefolgerten Effect vernichten könnte. Wenn man aber
bedenkt, welch ungemeinen Aufschwung Industrie und Verkehr
durch eine so bedeutende Verminderung des Preises der Arbeits-
kraft, wie sie hier in Aussicht steht, nehmen müssten, und welcher
Gewinn der gesammten Menschheit aus einer jedenfalls sehr be-
trächtlichen Verminderung des Verbrauchs an Brennmaterial er-
wachsen würde, so wird man nicht umhin können, diese Erfindung
für eine der bedeutsamsten unserer Zeit zu erklären, und in den
Wunsch mit einzustimmen, dass man dieselbe bald, besonders
aber in Deutschland, wo ihre Benutzung durch kein Privilegium
beschränkt ist, mit aller Kraft ergreifen und ins Leben führen
möge, um so wohlbegründete Aussichten auf einen neuen gross-
artigen Fortschritt baldmöglichst zu verwirklichen!


[[9]]

Beschreibung des Differenzialregulators
von W. und Wilh. Siemens.


(Dingler’s polyt. Journal Bd. 98 S. 81.)


1845.


Das Bedürfniss eines Regulators, der den Gang der Dampf-
maschinen und Wasserwerke vollkommener zu regeln vermag, als
es bisher möglich war, hat sich schon seit längerer Zeit fühlbar
gemacht, wie die zahlreichen bekannt gewordenen Versuche, den
bisher fast ausschliesslich angewendeten Centrifugal-Regulator
zu verbessern oder die Regulirung auf andere Weise zu bewerk-
stelligen, beweisen. Die Praxis hat sich indess bisher für die
Beibehaltung des Centrifugal-Regulators entschieden, da er die
neueren Constructionen sowohl an Empfindlichkeit, wie auch
grösstentheils an Einfachheit und Solidität übertrifft. Da unser
auf ein neues Princip begründeter Regulator sich bereits mehr-
fach und mit überaus günstigem Erfolge bewährt hat, so stehen
wir nicht länger an, ihn der Oeffentlichkeit zu übergeben.


Wir benutzen ebenfalls das conische oder Centrifugal-Pendel
zur Regulirung, doch in ganz anderer Weise, als es beim Centri-
fugal-Regulator geschieht. Bei diesem ist das Doppelpendel in
seiner Drehung durchaus vom Gange der Maschine abhängig.
Nimmt diese einen veränderten Gang an und wird demzufolge
auch der Regulator schneller oder langsamer gedreht, so nehmen
die Pendel eine dieser veränderten Drehungsgeschwindigkeit ent-
sprechende, grössere oder geringere Schwunghöhe ein, und wirken
durch diese veränderte Stellung moderirend auf den Gang der
Maschine ein. Unser einfaches oder doppeltes conisches Pendel
[10] bewegt sich dagegen frei und ganz unabhängig vom Gange der
Maschine in kleineren und daher mehr isochronischen Um-
drehungen.


Wird also durch irgend eine Ursache das bisherige normale
Verhältniss zwischen Triebkraft und Belastung der Maschine ge-
ändert und beginnt dieselbe demgemäss einen schnelleren oder
langsameren Gang, so muss das freischwingende Pendel, welches
seinen früheren Gang beibehält, entweder zurückbleiben oder vor-
eilen. Von dieser eintretenden Verschiedenheit der von Maschine
und Regulator in gleichen Zeiten zurückgelegten Wege, oder
vielmehr von dem Unterschiede beider, ist bei unserem Regulator
die Regulirung des Ganges der ersteren abhängig gemacht. Wir
glauben ihn daher füglich Differenz-Regulator, zur Unterscheidung
von dem durch die Centrifugalkraft wirkenden Centrifugal-Re-
gulator, nennen zu können. Unsere auf das oben erwähnte allge-
meine Princip sich gründenden Regulator-Constructionen sind
jedoch wesentlich verschiedene in den mechanischen Mitteln,
durch welche diese Differenz der in gleichen Zeiten von Maschine
und Regulator zurückgelegten Wege in eine selbstständige Be-
wegung übertragen und hierdurch zur Regulirung der Triebkraft
anwendbar gemacht wird. Um dies zu erreichen, muss die
Drehungsgeschwindigkeit der Maschine mit der des Regulators
in eine derartige mechanische Combination gebracht werden, dass
die gleichen Geschwindigkeiten beider sich hinsichtlich der Er-
zeugung einer dritten Bewegung vollständig aufheben und die
letztere, wenn sie eintritt, nur abhängig von der Bewegungs-
differenz der ersteren ist.


Wir erzielen dies im Allgemeinen auf drei verschiedene
Weisen und zwar:


  • 1. durch eine Combination von Schraube und Mutter,
  • 2. durch Verbindung eines Zahnrades mit einer in ihren
    Lagern verschiebbaren sogenannten Schraube ohne Ende
    und
  • 3. durch drei mit einander im Eingriff stehende Räder.

[11]

1. Durch Combination von Schraube und Mutter.


Figure 2. Fig. 2.

Die Maschine dreht eine Schraube a (Fig. 2), die sich in
ihren Lagern beliebig verschieben lässt. Durch den Regulator
wird die zugehörige Mutter b in gleichem Sinne und mit un-
veränderlicher Geschwindigkeit gedreht. Wenn der Gang der
Maschine mit dem des Regulators vollkommen übereinstimmt,
werden Schraube und Mutter in gleichen Zeiten gleich oft um-
gedreht. Eine Verschiebung der Schraube in ihren Lagern kann
daher auch nicht stattfinden. Dieselbe wird aber sogleich ein-
treten, wenn die Maschine einen veränderten Gang beginnt und
in Folge dessen eine Drehung der Schraube in der Mutter in
dem einen oder anderen Sinne stattfindet und so lange fortdauern,
bis durch die von der Verschiebung der Schraubenwelle abhängig
gemachte Vermehrung oder Verminderung der Triebkraft die
Verschiedenheit des Ganges der Maschine wieder vollständig be-
seitigt ist. Da jetzt Schraube und Mutter wieder gleichmässig
gedreht werden, so bleiben sie in der Stellung zu einander, die
sie in dem Augenblicke inne hatten, wo dies eintrat und zwar
so lange, bis eine neue Störung im Gange der Maschine eintritt.


Um die bedeutende Reibung, die sich der Drehung der
Schraube in der Mutter widersetzt, und gleichzeitig einen beson-
deren Mechanismus zu vermeiden, der erforderlich wäre, um das
Pendel in Bewegung zu erhalten, ersetzen wir die Mutter durch
eine schraubenförmig gewundene Doppelbahn, und die Schraube
durch eine senkrechte, in der Mitte der ersteren befindliche Welle
mit horizontalen Armen, an denen zwei Frictionsräder sitzen,
welche auf den erwähnten spiralförmig gewundenen Bahnen auf
und nieder rollen. In Fig. 3 ist ein solcher Regulator dargestellt.


Durch die conischen Räder a und b werden mittelst einer
Hülse die beiden Spiralen c und c' gedreht. Dies geschieht
durch die Maschine entweder vermittelst einer Schnurscheibe e
oder einer Radverbindung. Auf den beiden Spiralen laufen die
[12] beiden Frictionsräder f, die an den Enden der gemeinsamen
Welle g sitzen. Diese ist mit dem der Länge nach durchbohrten
Cylinder h verbunden, welcher sich also hebt oder senkt, wenn

Figure 3. Fig. 3.


die Frictionsräder hinauf- oder
herabrollen. Im Inneren des
Hohlcylinders befindet sich die
durch das Pendelgedrehte Welle i.
Dieselbe ist mit zwei Zapfen k
versehen, die in zwei gegenüber-
stehende Nuthen im Inneren des
Hohlcylinders eingreifen. Durch
kleine Frictionsrollen, mit denen
diese Zapfen versehen sind, wird
die der Auf- und Niederbewe-
gung des Hohlcylinders sich
widersetzende Reibung möglichst
vermindert. Hierdurch ist der
Hohlcylinder in seiner Drehung
abhängig von der Welle i und
mithin vom Pendel geworden.
Die Verbindung der beiden letz-
teren ist dadurch hergestellt,
dass das conische, in einem
Kugelgelenk l aufgehängte Pen-
del m über den Aufhängepunkt
hinaus verlängert ist. Die Spitze
dieser Verlängerung n der Pen-
delstange beschreibt daher einen
Kreis, wenn das Pendel in Be-
wegung ist. Sie greift in eine
kreisförmig nach unten ge-
krümmte Nuth des am unteren
Ende der Welle i befestigten
Metallstückes o. Die Welle i ist
dadurch in ihrer Drehung von
der des Pendels abhängig ge-
worden, ohne dass diesem die Freiheit genommen ist, in grösseren
oder kleineren Kreisen zu schwingen.


[13]

Die Wechselwirkung des gesammten Mechanismus wird nun
leicht verständlich sein. Durch das Gewicht des Hohlcylinders h
werden die Frictionsräder niedergedrückt und erhalten dadurch
das Bestreben, die Bahnen hinabzurollen. Da dies aber nur in
dem Masse geschehen kann, wie das Pendel sich dreht, so er-
hält diese gleichmässige, nöthigenfalls durch Gewichte p zu ver-
stärkende Kraft dasselbe in gleichmässiger Schwingung. Wenn
die Maschine still stände und das Pendel allein in Bewegung
gesetzt würde, so würden die Frictionsräder die ganze Länge
der Spiralen hinabgerollt sein, wenn das Pendel ⅖ Umdrehungen
gemacht hätte. Träte nun plötzlich das umgekehrte Verhältniss
ein, d. h. stände das Pendel still und ginge die Maschine mit
der normalen Geschwindigkeit, so würden die Frictionsräder in
derselben Zeit wieder hinaufrollen. Bewegen sich daher Maschine
und Pendel gleichzeitig und in demselben Verhältnisse, so werden
die Räder durch die erstere gerade um so viel gehoben, wie ihnen
das letztere in demselben Zeitabschnitt zu fallen gestattet. Sie
müssen daher da stehen bleiben, wo sie sich gerade befanden,
als die Bewegung beider gleichförmig wurde. Begönne indess die
Maschine z. B. jetzt aus irgend einer Ursache einen schnelleren
Gang, so würden auch die Spiralen in demselben Verhältniss
schneller gedreht. Die Frictionsräder mussten daher eine auf-
steigende Bewegung beginnen. Wird nun durch die hiermit ver-
bundene Aufwärtsbewegung des Hohlcylinders h die Triebkraft
vermindert, z. B. die Dampfklappe geschlossen, so dauert diese
Bewegung so lange fort, bis das Gleichgewicht zwischen Trieb-
kraft und Belastung wieder vollkommen hergestellt ist und die
Maschine wieder den normalen Gang angenommen hat.


Damit beim Anlassen der Maschine und bei ausserordent-
lichen Störungen im Gange derselben keine gewaltsame Ein-
wirkung auf das Pendel stattfinden kann, wenn die Frictionsräder
am oberen oder unteren Ende ihrer Bahn angekommen sind, so
ist die Einrichtung getroffen, dass die an den Zapfen der Welle i
sitzenden Frictionsrollen dann aus den Nuthen im Inneren des
Hohlcylinders heraustreten. Dadurch wird die Verbindung
zwischen diesem und der Welle i gelöst und beide können sich
nun unabhängig von einander umdrehen. Ist die abnorme Be-
wegungsgeschwindigkeit der Maschine durch die mit dieser
[14] Stellung der Frictionsräder verbundene gänzliche Schliessung
oder Oeffnung der Dampfklappe beseitigt, so treten die Frictions-
rollen in das nächste Paar der im Hohlcylinder befindlichen
Nuthen zurück. Dies wird durch das eigene Gewicht des letzteren
bewirkt, wenn er seinen höchsten, durch eine Feder q dagegen,
wenn er seinen tiefsten Standpunkt einnahm. Damit man nicht
nöthig hat, das Pendel beim Anlassen der Maschine mit der Hand
in Schwingung zu bringen, ist die Nuth im Metallstück o nur
so lang gemacht, dass das Pendel, wenn es in Ruhe ist, noch
um einige Grade von der Normale abweicht. Die Schwunghöhe
des Pendels lässt sich durch die Gewichte p beliebig feststellen,
da mit ihr auch der Reibungs- und Luftwiderstand wächst, die
das Pendel bewegende Kraft aber ungeändert bleibt. Die Schwung-
höhe muss daher auch immer auf ihr normales Maass zurück-
kehren, wenn sie dadurch etwas vermehrt oder vermindert ist,
dass vom Regulator eine vorübergehende Kraftäusserung gefordert
wurde.


2. Durch Verbindung von Zahnrad und Schraube ohne Ende.


Die in ihren Lagern c und d verschiebbare Schraube a wird
mittelst einer Schnur oder Radverbindung durch die Maschine
gedreht. Sie greift in das kleine Zahnrad b, welches vom Pendel
gedreht wird. Das letztere kann entweder ein einfaches Pendel,
wie in Fig. 3, oder ein doppeltes, wie hier angenommen ist, sein.
Bei normalem Gange der Maschine muss die Schraube so schnell
gedreht werden, dass sie das Rad b, wenn es lose wäre, in der-
selben Zeit einmal umdrehen würde, in welcher das Pendel einen
Umschwung macht. Sie wird sich dann, wenn b mit dem Pendel
verbunden ist, eben so schnell an dem Rade nach c hinschrauben,
als dasselbe sie nach d hinschieben würde, wenn sie sich nicht
drehte. Sie muss daher bei diesem normalen Gange der Maschine
ihre Stellung unverändert beibehalten. Ein Gewicht e sucht sie
stets nach d hinzuschieben. Denn widersetzt sich der Eingriff
in die Zähne des Rades b, durch welches diese Kraft auf das
Pendel übertragen und dieses dadurch in Bewegung erhalten wird,
ändert die Maschine ihren normalen Gang und wird die Schraube
mithin schneller oder langsamer gedreht, so muss sie sich so
[15] lange in dem einen oder anderen Sinne fortschieben, bis durch
die dadurch veränderte Stellung der Dampfklappe p p jede Be-
wegungsverschiedenheit wieder aufgehoben und der Gang der
Maschine also wieder vollständig regulirt ist.


Figure 4. Fig. 4.

Da bei einem Doppelpendel keine merkbar grössere Kraft
erforderlich ist, um es in grösseren Schwingungen zu erhalten,
so ist, um die Grösse derselben möglichst constant zu machen,
eine Vorrichtung erforderlich, durch welche ein mit der Schwung-
höhe wachsender Widerstand gegen die Drehung erzeugt wird.
Dies wird hier dadurch erreicht, dass der vom Pendel gedrehte,
[16] mit Leder bekleidete Kegel f durch eine mit der Schwunghöhe
wachsende Kraft in den feststehenden Hohlkegel g gedrückt wird.
Der erstere ist auf der Pendelwelle verschiebbar und sein Druck
gegen den Hohlkegel und mithin auch der Reibungswiderstand
von der Zusammendrückung der Feder i durch das Metallstück k
abhängig. Der Reibungswiderstand wächst daher mit der
Schwunghöhe.


3. Durch drei mit einander im Eingriff stehende Räder.


Wird ein Rad durch die Maschine, ein anderes durch den
Regulator im entgegengesetzten Sinne und mit derselben Peri-
pheriegeschwindigkeit gedreht, so wird ein drittes, mit beiden
im Eingriff stehendes, von ihnen gleichmässig um seine Axse
gedreht, ohne dass ihm ein Bestreben ertheilt wird, im Sinne
der Bewegung des einen der Räder sich fortzuschieben. So
wie aber eine Bewegungsverschiedenheit eintritt, muss auch das
Verbindungsrad seine Stelle verlassen und im Sinne der Be-
wegung des schneller gedrehten Rades mit fortrollen. Dies lässt
sich erreichen:


A. Durch Stirnräder.


Figure 5. Fig. 5.

Auf der Hauptwelle der Maschine oder einer anderen durch
sie gedrehten Welle a (Fig. 5) ist das Zahnrad b befestigt.
Das lose auf derselben Welle sitzende, nach Innen gezahnte
[17] Rad c wird vom Regulator gedreht. Im Eingriff mit beiden
ist das Getriebe d, dessen Axe mit der ebenfalls lose auf der
Welle sitzenden Hülse e in Verbindung gesetzt ist. Diese Hülse
ist mit dem Hebel f versehen, durch den die Dampfklappe etc. etc.
bewegt wird. Wenn nun die Räder b und c mit gleicher Peri-
pheriegeschwindigkeit im entgegengesetzten Sinne gedreht werden,
so muss das Getriebe und mit ihm die Hülse und der Hebel f
seine Stellung unverändert beibehalten. Aendert sich aber der
Gang der Maschine, so muss auch das Getriebe im Sinne des
schneller bewegten Rades mit fortrollen. Dadurch wird die
Hülse e so lange gedreht, bis durch die hiermit verbundene Be-
wegung des Hebels f das gestörte Gleichgewicht zwischen Trieb-
kraft und Belastung wieder vollkommen hergestellt ist. Das Ge-
wicht g sucht die Hülse e stets im Sinne des durch das Pendel
gedrehten Rades zu drehen. Durch die Zähne des Getriebes wird
diese Kraft auf die Räder b und c übertragen und hierdurch das
Pendel in Bewegung erhalten. Damit beim Angange und An-
halten der Maschine keine gewaltsame Einwirkung auf das Doppel-
pendel, welches hier mit einer der oben beschriebenen ähnlichen
Reibungsvorrichtung versehen ist, stattfinden kann, ist das conische
Rad h durch Friction mit der Pendelwelle verbunden.


B. Durch conische Räder.


Zwei auf derselben Welle einander gegenüberstehende Räder a
und b (Fig. 6) werden, das erstere von der Maschine, das andere
vom Pendel, in entgegengesetzter Richtung und mit gleicher Ge-
schwindigkeit gedreht. In beide greift das conische Rad c, welches
mit der losen Hülse d und dem daran sitzenden Hebel e ver-
bunden ist. Durch ein irgend wie angebrachtes Gewicht wird
der Hebel e stets zurückgezogen und dadurch das Pendel in
Bewegung erhalten.


Bei der hier gewählten Anordnung wird die Pendelwelle f
mit dem conischen Rade a auf gewöhnliche Weise durch die
Maschine gedreht. Das Doppelpendel hängt an der Hülse g, an
welcher auch das conische Rad b befestigt ist. Das Pendel dreht
sich daher im entgegengesetzten Sinne wie die Pendelwelle. Um
dem Pendel eine möglichst constante Schwunghöhe zu sichern,
ist auch hier ein veränderlicher Reibungswiderstand gebildet.
2
[18]

Figure 6. Fig. 6.


Die Scheibe h wird durch
eine Feder m niedergedrückt.
Sie wird durch Nuth und
Feder von der Pendelwelle
gedreht und liegt auf dem
Ringe i, welcher durch das
conische Rad b im entgegen-
gesetzten Sinne gedreht wird.
Dies geschieht durch zwei
Lappen k, welche vom Ringe
aus und durch das conische
Rad hindurchgehen. Gegen
diese Lappen drücken zwei
mit den Pendelstangen ver-
bundene Nasen l. Machen
die Pendel grössere Schwin-
gungen, so werden der Ring i
und die auf ihm liegende
Scheibe gehoben und hier-
durch die Feder m mehr zu-
zusammengedrückt. Scheibe
und Ring werden jetzt durch
diese mit weit grösserer Kraft
gegen einander gepresst und
die Reibung in demselben
Verhältniss vermehrt.


Da alle beschriebenen Mo-
dificationen unseres Regula-
tors auf demselben Princip,
nämlich dem der Differenz-
bewegung beruhen, so leisten
auch alle dasselbe, wenn nur
jeder todte Gang möglichst
vermieden und die Schwere
und Länge des Pendels der
zur Regulirung des Ganges
der Maschine nöthigen Kraft
entsprechend gemacht wird.
[19] Die Abmessungen des Pendels müssen sich ferner nach der
Empfindlichkeit des Regulators richten. — Je kürzer die Zeit
ist, in welcher er seine Wirkung vollendet, also je grösser
seine Empfindlichkeit ist, desto leichter und kürzer kann das
Pendel gemacht werden. Doch wird die Steigerung der Empfind-
lichkeit begrenzt durch den unvermeidlichen todten Gang im Re-
gulator und die der Maschine eigenthümlichen Unregelmässigkeiten
der Bewegung, die keinen zu grossen Einfluss auf das Spiel des-
selben äussern dürfen. Je gleichförmiger sich also die Maschine
bewegt und je geringer der todte Gang im Regulator ist, desto
empfindlicher und leichter kann er construirt werden. Bei guten
Maschinen mit hinlänglich schwerem Schwungrade erscheint eine
derartige Construction am vortheilhaftesten, dass ein 1/15 bis selbst
1/30 Umgang der Maschine die volle Schliessung der Dampfklappe
bewirkt, wenn sie vorher ganz offen war, und das Pendel in Ruhe
ist. Unter ungünstigeren Umständen muss auch die Empfind-
lichkeit des Regulators bedeutend geringer gemacht werden, doch
darf man auch hierin eine gewisse Grenze nicht überschreiten,
weil sonst nothwendig periodische Schwankungen im Gange der
Maschine eintreten müssen.


Durch den Centrifugal-Regulator wird eine Beschleunigung
des Ganges der Maschine um 1/20 Umdrehung noch gar nicht
einmal angezeigt, weil die Centrifugalkraft der Kugeln durch
diese geringe Vermehrung der Drehungsgeschwindigkeit noch
nicht um soviel gewachsen ist, dass sie die dem Auseinander-
fliegen derselben sich widersetzenden Reibungswiderstände zu
überwinden vermag. Der Differenz-Regulator hat daher seine
volle Wirkung schon gethan und den Gang der Maschine voll-
ständig wieder regulirt, ehe der Centrifugal-Regulator auch nur
den Anfang damit macht. Die Erfahrung bestätigte dies voll-
ständig bei einer Maschine, die gleichzeitig mit einem Differenz-
und einem Centrifugal-Regulator versehen war (Fig. 7). Der letztere
kam dabei nie, auch bei den grösstmöglichen Belastungs-Ver-
änderungen aus seiner Ruhe. Zwischen der Leistung beider
Regulatoren findet aber noch der bedeutende Unterschied statt,
dass ein Centrifugal-Regulator die entstehende Bewegungs-Ver-
schiedenheit der Maschine nur vermindern, nicht aber vollständig
aufheben kann, der Differenz-Regulator dagegen sie zwingt, voll-
2*
[20] ständig den vorgeschriebenen Gang wieder anzunehmen. Da
dies gleich in den ersten Momenten der eintretenden Geschwindig-
keits-Veränderung geschieht, so wird auch die nothwendig ein-

Figure 7. Fig. 7.


tretende Uebergangsschwan-
kung im Gange der Maschine
unmerkbar gering und die
Rückschwankung, die der
Theorie nach auch beim Dif-
ferenz ‒ Regulator eintreten
muss, so klein, dass sie auch
an ihm selbst nicht mehr
wahrnehmbar ist, indem sie
noch innerhalb der Grenzen
des unvermeidlichen todten
Ganges liegt.


Durch unseren Regulator
kann man ferner auch be-
deutende Widerstände über-
winden, wenn dies nur mög-
lichst schnell geschieht und
das einfache oder Doppel-
pendel lang und schwer ge-
nug ist. Er eignet sich daher
auch zur Regulirung des
Ganges der Wasserwerke und
selbst Windmühlen.


Wir wenden in der Regel
in den Fällen, wo eine einiger-
massen beträchtliche Kraft
erforderlich ist, wie z. B.
wenn die Regulirung der
Dampfmaschine durch Ver-
änderung der Expansionszeit
der Dämpfe bewirkt werden
soll, ein Doppelpendel mit
veränderlicher Friction, in denen aber, wo die Kraft nur sehr
gering, also z. B. nur eine leicht drehbare Dampfklappe zu be-
wegen ist, ein einfaches, in einem Kugelgelenk schwingendes
[21] Pendel an. Bei diesem findet, wie die Erfahrung uns gelehrt
hat, durchaus keine in Betracht kommende Abnutzung im Kugel-
gelenk statt, wenn es nur hinlänglich vor Staub geschützt ist.
Bei einem Regulator, der ein halbes Jahr lang in stetem Gange
war, hatte sich die Messingkugel noch nicht einmal vollständig
in ihrem gusseisernen Lager eingeschliffen, sondern nur an einigen
Stellen polirt. Beim Doppelpendel muss die dem Auseinander-
fliegen der Kugeln sich widersetzende Reibung möglichst ver-
mindert werden, weil andernfalls der mittlere Gang der Maschine
nicht absolut constant bleibt. — Die Frage, welche der ver-
schiedenen Variationen dieses Regulators die zweckmässigste ist,
kann wohl nicht allgemein beantwortet werden. Dem Maschinen-
bauer wird gerade diese grosse Mannigfaltigkeit in seiner Form
erwünscht sein, da sie ihm gestattet, bei der Construction der
Maschine frei über den vorhandenen Raum zu verfügen und den
Regulator dahin zu bringen, wo er am bequemsten Platz findet.


[[22]][[23]]

Anwendung des elektrischen Funkens zur
Geschwindigkeitsmessung.


(Poggendorff’s Annalen der Physik und Chemie Bd. 66 S. 435.)


1845.


Es hat sich neuerdings ein Prioritätsstreit über die Idee,
die Bewegungsgeschwindigkeit der Projectile mittelst des gal-
vanischen Stromes zu messen, erhoben. Aus den dort gemachten
Zeitangaben ergibt sich jedoch, dass in der preussischen Artillerie
schon viel früher ein derartiger Plan aufgestellt und in’s Leben
gerufen wurde. Da der zu diesem Behufe gefertigte und noch
jetzt im Gebrauch befindliche Apparat noch in keiner wissen-
schaftlichen Zeitschrift beschrieben, wenn auch seiner Zeit in
einigen Tagesblättern ausführlich besprochen ist, so werde ich
einige Worte über den Ursprung und die erste Ausführung der
Idee, die Bewegungsgeschwindigkeit der Geschosse mit Hülfe des
galvanischen Stromes, und namentlich des Elektromagnetismus,
zu messen, vorausschicken. Die Richtigkeit dieser Angaben
würde sich sowohl durch die Acten der betreffenden Behörde,
wie durch die einigen fremden Gesandten, namentlich den fran-
zösischen und russischen, auf ihr Ansuchen gemachten officiellen
Mittheilungen über diesen Gegenstand erweisen lassen.


Der grosse Werth, welchen die genaue Bestimmung der
Anfangsgeschwindigkeit der Geschosse für die Artillerie hat, und
die grossen Mängel, welche den bisher zu diesem Behufe be-
nutzten Instrumenten und namentlich dem ballistischen Pendel
anhaften, veranlassten die Artillerie-Prüfungs-Commission zu
Berlin zur Betretung eines ganz verschiedenen Weges, nämlich
der directen Messung der Flugzeit des Projectils mittelst eines
[24] elektromagnetischen Apparats. Schon im Jahre 1838 war dieser
Plan von der genannten Commission vollständig ausgearbeitet.
Er bestand darin, dass eine Uhr erbaut werden sollte, welche
sich zur Angabe sehr kleiner Zeittheile eignete und durch mag-
netische Kraft engagirt und arretirt werden könnte. Der hiesige
Uhrmacher Hr. Leonhard ward mit dem Bau derselben beauftragt
und begann ihn im Februar 1839. Die grossen technischen
Schwierigkeiten, welche sich der Anfertigung einer solchen, die
Ablesung von 1/1000 Secunden gestattenden Instrumentes entgegen-
setzten, machten bedeutende Modificationen des ursprünglichen
Planes und viele zeitraubende Versuche erforderlich. Dem Eifer
und der grossen Geschicklichkeit des Hrn. Leonhard gelang es
indess, dies Werk endlich zur völligen Zufriedenheit und so her-
zustellen, wie es noch jetzt bei den Versuchen der Artillerie-
Prüfungs-Commission in Gebrauch ist. Im Wesentlichen besteht
es aus einem conischen Pendel, welches durch ein Uhrwerk in
kreisförmiger Schwingung erhalten wird. — Ein Beobachtungs-
zeiger kann durch Bewegung eines Hebels mit diesem in stetem
und gleichförmigem Gange befindlichen Uhrwerk verbunden und
ebenso wieder von ihm getrennt und festgestellt werden.


Diese Engagirung und Arretirung des Beobachtungszeigers
suchte man bei den im Jahre 1842 mit dieser Uhr angestellten
Versuchen dadurch zu bewerkstelligen, dass die Kugel beim Hin-
austreten aus der Mündung des Geschützes einen elektrischen
Strom herstellte, durch welchen der Magnetismus eines Elektro-
magneten erregt und der Anker angezogen wurde. Durch die
Bewegung des Ankers wurde der Beobachtungszeiger mit dem
im Gange befindlichen Uhrwerk verbunden und daher in Be-
wegung gesetzt. — Wenn die Kugel am Ziele anlangte, so wieder-
holte sich dasselbe Spiel mit einem zweiten Elektromagneten,
wodurch der Zeiger wieder vom Uhrwerk getrennt und festge-
stellt wurde.


Man gewann indess bald die Ueberzeugung, dass die auf
diesem Wege erzielten Zeitangaben nie den Grad von Genauig-
keit erreichen würden, welchen die Construction der Uhr ge-
stattete. Der Grund lag einmal darin, dass die Kugel nicht
direct die galvanische Kette herstellen konnte, und zu diesem
Ende mechanische Zwischenglieder eingeschaltet werden mussten,
[25] welche nothwendig Fehlerquellen mit sich führten, und zweitens
darin, dass die Erregung des Magnetismus nicht momentan mit
der des Stromes erfolgt, und dass seine Intensität von der Stärke
desselben abhängt und daher nie vollkommen constant ist. Die
Bewegung des Ankers wird daher auch nicht immer in dem-
selben Zeitabschnitt nach der Erregung des Stromes beginnen,
und ausserdem die zur Durchlaufung seines Weges erforderliche
Zeit verschieden sein.


Dies veranlasste mich schon damals zu dem Vorschlage
zur Engagirung und Arretirung des Beobachtungszeigers anstatt
des Elektromagnetismus den elektrischen Funken zu benutzen.
Dies liess sich auf verschiedene Weise ausführen. Die Federn,
durch deren Freiwerden der Zeiger engagirt und arretirt wurde,
konnten durch äusserst fein gezogene Platindrähte gespannt
werden, welche durch hindurchschlagende Funken nach einander
geschmolzen wurden; oder dies konnte durch Seidenfäden ge-
schehen, welche durch einen permanenten Strom von Wasserstoff
oder einen mit Knallgas gefüllten Raum hindurch gingen und
durch die Entzündung des Gases durch den elektrischen Funken
verbrannt wurden. Auch konnten die die Engagirung und Arre-
tirung des Zeigers bewirkenden Hebel durch die mechanische
Wirkung der Explosion des Knallgases direct in Bewegung ge-
setzt werden.


Die Artillerie-Prüfungs-Commission ging jedoch auf meinen
Vorschlag nicht ein, weil ihr die Isolirung langer Leitungsdrähte,
besonders bei nicht ganz günstiger Witterung, zu schwierig schien.
Sie adoptirte dagegen die von Himly in Göttingen zuerst vor-
geschlagene und von mir gleichzeitig mit meinem Plane zu ihrer
Kenntniss gebrachte Unterbrechung des galvanischen Stromes
durch die Kugel unmittelbar, jedoch benutzte sie dieselbe in
ganz anderer Weise, wie Himly es vorschlug. Dieser wollte
nämlich durch die Unterbrechung der Hauptleitung einer starken
galvanischen Kette den ganzen activen Strom einer Nebenleitung
zuwenden, dadurch einen feinen in dieselbe eingeschalteten Platin-
draht schmelzen und hierdurch den Beobachtungszeiger engagiren.
Die Commission behielt dagegen den Elektromagnetismus bei,
jedoch unter der wesentlichen Modification, dass die Engagirung
und Arretirung des Beobachtungszeigers nicht mehr wie früher
[26] durch die Herstellung eines Stromes, sondern durch die Unter-
brechung desselben und das damit verbundene Abfallen der Anker
der Elektromagneten geschehen sollte.


Die mit der so ausgerüsteten Uhr namentlich im Sommer
1844 angestellten Beobachtungen gaben im Allgemeinen befrie-
digende Resultate, da der variable Fehler selten einige Tausend-
stel-Secunden überstieg. Vollkommen fehlerfreie Resultate werden
sich jedoch auch auf diesem Wege nicht erzielen lassen, weil
die magnetische Kraft nicht plötzlich mit der Unterbrechung des
Stromes aufhört, oder auch nur bedeutend vermindert wird. Es
kann dies nur in einer mehr oder weniger steilen Curve ge-
schehen. Wenn daher auch ein Anker, der die Grenze der Trag-
kraft des Magneten beinahe erreicht, scheinbar momentan mit
der Unterbrechung des Stromes abfällt, so muss doch immer
eine von der Stärke des Stromes, so wie auch von der Dauer
seiner Einwirkung auf den geschlossenen Magneten abhängige
Zeit verfliessen, bis dies eintritt. Ja selbst, wenn die Schwere
des Ankers die Tragkraft vollständig erreichte, könnte er doch
nicht momentan abfallen, weil im Augenblicke der Unterbrechung
der Strom und mithin auch die Anziehungskraft des Magnetes
durch die inducirende Wirkung der Drahtwindungen auf ein-
ander noch ansehnlich vermehrt wird.


Wheatstone und Breguet wenden bei ihren neuerdings be-
kannt gemachten Apparaten als Zeitmesser anstatt einer Uhr
einen rotirenden Cylinder an. Sie lassen die Anker der Elektro-
magnete direct auf denselben hinabfallen und erhalten dadurch
Marken auf seiner Oberfläche, deren lothrechter Abstand von
einander ihnen das Maass der zwischen der Unterbrechung der
beiden Ströme verflossenen Zeit gibt.


Es ist einleuchtend, dass ein Cylinder sich durch Verbindung
mit einem conischen Pendel in weit gleichmässigere und schnellere
Rotation versetzen lässt, als ein Beobachtungszeiger, der plötz-
lich in Bewegung gesetzt und dennoch sehr leicht und zart con-
struirt werden muss, damit seine Masse keine merkbaren Stö-
rungen verursacht. Durch das directe Hinabfallen der Anker
auf den Cylinder ist ferner abermals ein mechanisches Zwischen-
mittel zwischen dem Geschosse und dem Zeitangeber beseitigt,
also auch eine Fehlerquelle weniger vorhanden. Indess sind da-
[27] gegen andere Uebelstände mit diesen Apparaten verknüpft, die
ihre Vorzüge vor dem hier angewendeten mindestens sehr fraglich
machen. Es können nämlich bei jenen nur sehr leichte Anker
angewendet werden, die sowohl hinsichtlich der Zeit ihres Ab-
fallens, wie auch während des Falles selbst, störenden Einflüssen
weit mehr ausgesetzt sind, wie schwere. Doch auch möglichst
leichte Anker werden im Augenblicke des Stosses auf den Cy-
linder eine beträchtliche Reibung erzeugen, welche störend auf
die gleichförmige Bewegung desselben einwirkt. Der Cylinder
selbst muss sehr lang und verhältnissmässig schwer werden, und
seine Axen eine entsprechende, der gleichförmigen und schnellen
Rotation nachtheilige Dicke erhalten. Eine weit grössere Fehler-
quelle liegt aber noch in der Verschiebung des Cylinders oder
der Magnete während der Messung. Denn da dieselbe erst kurz
vorher beginnen kann, so muss die jetzt eintretende Bewegung
einer beträchtlichen Masse, die nur auf Kosten der Drehungs-
geschwindigkeit des Cylinders entstehen kann, nothwendig be-
deutende Störungen in der Gleichmässigkeit der letzteren herbei-
führen, die noch durch die beträchtliche Reibung in den Schrauben-
gewinden vergrössert werden. Die Resultate der Messungen
mittelst eines solchen Instruments können daher auch nur sehr
unsicher sein.


Wenn indess auch die Anwendung eines rotirenden Cylinders
in Verbindung mit Elektromagneten mit grossen Uebelständen
verknüpft ist, so würde doch ein solcher, wenn er sehr kurz und
leicht gefertigt werden und ganz frei rotiren könnte, einen sehr
vollkommenen Zeitangeber bilden.


Dies bewog mich, meinen früheren Plan, den elektrischen
Funken zur Geschwindigkeitsmessung zu benutzen, wieder auf-
zunehmen und die Uhr durch einen rotirenden Cylinder zu er-
setzen. Mein Bestreben war dabei, jedes mechanische Zwischen-
element zwischen der Kugel und dem Zeitangeber zu beseitigen,
den Funken sich also direct auf dem Cylinder markiren zu
lassen. Eine Reihe von Versuchen, die ich mit verschiedenen
Metallen und Ueberzügen anstellte, um eine scharf begrenzte
und leicht erkennbare Marke durch einen überspringenden Funken
zu erhalten, liess mich einen polirten Stahlcylinder ohne jeden
Ueberzug als das Angemessenste erkennen. Jeder, wenn auch
[28] noch so schwache Funke macht auf polirtem Stahl einen scharf
begrenzten und deutlich sichtbaren Punkt. Er ist anfangs
schwärzlich gefärbt von abgelagertem Eisenoxyd, tritt aber, wenn
dies durch Abwischen entfernt ist, viel deutlicher, als heller
unter dem Mikroskop sichtbar vertiefter Fleck hervor.


Die Construction des hierauf begründeten elektrischen Chro-
noskops ist nun folgende:


Ein sorgfältig gearbeiteter und getheilter Stahlcylinder, dessen
Schwerpunkt im Quecksilberbade genau centrirt ist, wird durch
ein Getriebe mit einem conischen Pendel in Verbindung gesetzt
und durch dasselbe in schneller und gleichmässiger Rotation
erhalten. Seiner Peripherie möglichst nahe ist eine isolirte
Metallspitze angebracht, welche mit der inneren Belegung einer
geladenen Leydner Flasche communicirt. Von dem ebenfalls
isolirten Cylinder und der äusseren Belegung der Flasche aus-
gehend führen zwei Metalldrähte in einem die Schlagweite des
Funkens übersteigenden Abstande vor der Mündung des Ge-
schützes vorbei und sind hinter derselben befestigt. Wenn die
Kugel aus der Mündung des Geschützes tritt, so trifft sie die
beiden Drähte und stellt in diesem Augenblicke die leitende
Verbindung des Cylinders mit der äusseren Belegung der Flasche
durch ihre eigene metallische Masse her. Der jetzt überspringende
Funke markirt sich auf der Oberfläche des rotirenden Cylinders.
Einige Fuss von der Mündung des Geschützes entfernt ist ein
zweites Drahtpaar eben so wie das erste angebracht, von denen
der eine ebenfalls mit dem Cylinder, und der zweite mit der
äusseren Belegung einer zweiten Flasche communicirt, deren
innere Belegung wie die der ersteren mit der Spitze verbunden
ist. Der zweite Funke muss daher auf den Cylinder überspringen,
wenn die Kugel den Abstand der beiden Drahtpaare von ein-
ander durchlaufen hat und das zweite Paar trifft; der Abstand
der Punkte von einander ist dann das Maass der dazu ver-
brauchten Zeit.


Gesetzt nun, der Cylinder wäre in Tausend Theile getheilt
und rotirte 10 mal in der Secunde um seine Axe, so würde einem
Abstande der Punkte von 1 Theilstrich eine Zeit von 0,0001 Se-
cunden entsprechen. Mit Hülfe eines Nonius lassen sich aber
noch 10 Unterabtheilungen bequem ablesen, wenn die Funken
[29] schwach gehalten sind, wodurch die Genauigkeit der Messung
sich auf 0,00001 Secunden steigert. Ein Fehler in der Zeitangabe
ist dabei kaum möglich, und könnte nur in einer Unregelmässig-
keit der Drehung des Cylinders seinen Grund haben. Durch
eine grosse Drehungsgeschwindigkeit wird aber der nachtheilige
Einfluss etwaiger Fehler des Räderwerks, die sich bei langsamer
Bewegung vollständig auf die Drehung des Cylinders übertragen
würden, compensirt. Da sich bei dieser Schärfe der Zeitangabe
noch eine Bewegung des Geschosses um 1/100 Fuss auf dem Cy-
linder ablesen lässt, so würde es unnöthig sein, die Flugzeiten
während eines grösseren Theils der Gesammtbahn desselben zu
messen, als es bei Anwendung des Elektromagnets, des be-
trächtlichen variabelen Fehlers wegen, erforderlich ist. Man ge-
winnt dadurch in mehrfacher Beziehung. Einmal kann die An-
fangsgeschwindigkeit direct gemessen werden, da die Abnahme
der Bewegungsgeschwindigkeit des Geschosses in den ersten
5 bis 10 Fuss noch kaum merkbar sein wird. Ferner kann man
ohne Schwierigkeiten zwei kurze hinter einander folgende Stücke
der Flugbahn gleichzeitig messen, um dadurch eine Controle der
Zeitangabe zu erhalten. Man braucht zu diesem Ende nur ein
drittes Drahtpaar, welches mit einer dritten, eben so wie die
beiden anderen mit der Spitze verbundenen Flasche communicirt,
in der Schusslinie zu placiren. Endlich erreicht man dadurch
noch den Vortheil, dass die zu messenden Zeiten stets geringer
sind, als die zu einer halben Umdrehung des Cylinders erfor-
derliche. Es ist desswegen auch nicht nöthig, eine Verschiebung
der Spitze oder gar des Cylinders stattfinden zu lassen, um die
Umdrehungen zählen zu können und zu wissen, welches der
erste Punkt ist. Ferner ist es auch unnöthig, dem Cylinder eine
beträchtliche Länge zu geben, und nach jedem Schusse denselben
anzuhalten, um das Resultat abzulesen. Die Spitze braucht
nur nach jedem Schusse in der Richtung der Axe des Cylinders
etwas verschoben zu werden. Hierdurch werden die Punkte in
einen neuen Kreis gebracht und können von den früheren leicht
unterschieden werden. Die Fähigkeit, kleine Zeitintervalle mit
Genauigkeit zu messen, macht dies Instrument noch zu einer
anderen Versuchsreihe anwendbar, welche für die Theorie der
Schusswaffen von grosser Bedeutung werden wird. Es ist dies
[30] das Messen der Geschwindigkeit des Geschosses in den ver-
schiedenen Abschnitten seiner Bahn im Geschütze selbst. Man
braucht zu diesem Ende nur in verschiedenen Abständen Löcher
in’s Geschütz zu bohren und isolirte Leitungsdrähte hindurch zu
führen, die mit den äusseren Verlegungen der Flaschen communi-
ciren, während das Geschütz mit dem Cylinder in leitende Ver-
bindung gebracht ist.


Bei allen diesen Messungen kann das Instrument in einem
Zimmer dicht bei dem Geschütze, und dieses selbst mit den
Leitungsdrähten ebenfalls in einem bedeckten Raume stehen.


Die Isolirung der Drähte würde daher bei einigermaassen
günstiger Witterung, die man ja immer zu derartigen wissen-
schaftlichen Untersuchungen abwarten kann, keine Schwierigkeit
haben. Eben so würde bei den vorgeschlagenen geringen Ent-
fernungen das Treffen der einzelnen Drahtpaare gefährdet sein.
Um Letzteres auch auf grössere Entfernungen zu sichern, kann
man auch einen Rahmen, in welchem parallele Drähte ausgespannt
sind, anstatt eines einzelnen Drahtpaares in die Schusslinie bringen.
Die Drähte werden abwechselnd mit einander verbunden, so dass
z. B. der 1ste, 3te, 5te etc. mit dem Cylinder, der 2te, 4te,
6te etc. mit der äusseren Belegung der Flasche communicirt. Die
Kugel muss dann stets mit zwei nach einander folgenden Drähten
gleichzeitig in Contact kommen und dadurch das Ueberspringen
des Funkens veranlassen.


Zur Messung der Zeiten, welche das Geschoss zur Durch-
laufung sehr grosser Theile seiner Gesammtbahn gebraucht, würde
das Instrument in der beschriebenen Form indess kaum anwend-
bar sein, da die Isolirung so langer Drähte immer mit grossen
Schwierigkeiten verknüpft sein würde. Zu diesem Behufe würde
es vortheilhafter sein, sich des Inductionsfunkens anstatt des
Funkens der Flasche zu bedienen. Dies liesse sich auf folgende
Weise bewerkstelligen:


Ein aus isolirten Drähten bestehender Eisenkern wird mit
zwei besponnenen Drähten umwunden, von denen der eine, dickere
der Schliessungsdraht einer starken galvanischen Kette ist und
vor der Mündung des Geschützes vorbeiführt. Die Enden des
zweiten dünnen und längeren Drahtes werden mit dem rotirenden
Cylinder und der Spitze, die dem Cylinder so nahe wie möglich
[31] gebracht wird, verbunden. Bei der Unterbrechung der Kette
durch die Kugel springt dann ein Funke auf den Cylinder über,
der sich ebenfalls, wenn auch bedeutend schwächer und undeut-
licher, auf dem Cylinder markirt. Dasselbe wiederholt sich mit
einer anderen Inductionsrolle, wenn die Kugel, am Ziele angelangt,
den Schliessungsdraht einer zweiten Kette durchreisst.


Da sich die Empfindlichkeit des beschriebenen Apparats
durch eine möglichst sorgfältige Anfertigung, genauere Theilung
und schnellere Rotation des Cylinders und Benutzung sehr
schwacher Funken noch bedeutend steigern lassen wird, so liesse
er sich auch vielleicht mit Vortheil zu Messungen der Bewegungs-
geschwindigkeit der Elektricität selbst benutzen. Zu dem Ende
müsste der Cylinder aus zwei isolirten Scheiben oder Ringen,
die auf derselben Axe rotiren, bestehen. Diesen Scheiben stehen
zwei Spitzen gegenüber, die genau auf denselben Theilstrich ein-
gestellt sind. Wird nun die eine dieser Spitzen mit der inneren
Belegung einer geladenen Flasche verbunden, und ist die Ver-
bindung der beiden Scheiben durch einen langen Leitungsdraht
hergestellt, so wird, wenn die zweite Spitze durch einen eben
so langen Draht mit der äusseren Belegung in Verbindung gesetzt
wird, ein Funke zwischen beiden Scheiben und Spitzen über-
springen. Der lothrechte Abstand der Punkte von einander gibt
dann die Zeit an, welche der Funke zum Durchlaufen der Hälfte
des Gesammtweges gebrauchte.


[[32]][[33]]

Ueber
telegraphische Leitungen und Apparate.


(Poggendorff’s Annalen d. Phys. u. Chem. Bd. 79 S. 481.)


1850.


Die Störungen und gänzlichen Unterbrechungen des Dienstes,
die bei den elektrischen Telegraphen, namentlich auf längeren
Linien, bisher so häufig eintraten, finden grösstentheils ihren
Grund in Schwankungen der Stärke und Dauer der die telegra-
phischen Apparate in Bewegung setzenden elektrischen Ströme,
die durch die langen, störenden Einflüssen aller Art Preis ge-
gebenen Leitungsdrähte veranlasst werden. Es boten sich zwei
Wege, um diese Störungen zu beseitigen und der elektrischen
Telegraphie dadurch den Grad von Sicherheit, Schnelligkeit und
steter Schlagfertigkeit zu geben, deren sie bedarf, wenn sie die
allgemeine Verbreitung und Anwendung gewinnen und die Dienste
leisten soll, welche man bisher vergeblich von ihr erwartete.
Der erste Weg besteht darin, die Leitung zu vervollkommnen
und sie den störenden Einflüssen aller Art, denen sie ausgesetzt
ist, möglichst zu entziehen; der zweite dagegen darin, den tele-
graphischen Apparaten eine derartige Einrichtung zu geben, dass
sie einen möglichst grossen Grad von Ungleichmässigkeit der sie
bewegenden Ströme ertragen können, ohne dadurch in Unordnung
zu kommen.


Gegenstand dieses ersten Aufsatzes ist der erste, die Lei-
tungen betreffende Theil der Aufgabe.


Ich werde zuerst versuchen, die Gründe der Störungen, welche
man bei den, mit alleiniger Ausnahme der neueren preussischen
Telegraphenanlagen, bisher ausschliesslich angewendeten überir-
3
[34] dischen Leitungen so häufig zu beobachten Gelegenheit hat, in
kurzer Uebersicht zusammen zu stellen, und zugleich die Mittel
anführen, die neuerdings mit einigem Erfolg zu ihrer Beseitigung
in Anwendung gekommen sind.


Die unvollkommene Isolation der Leitungsdrähte war bis
auf neuere Zeit ein hauptsächliches Hinderniss einer sicheren und
directen telegraphischen Verbindung der Endpunkte langer Linien.
Bei feuchter Witterung bilden die den Draht tragenden Pfosten
eine leitende Verbindung desselben mit dem Erdboden. Bilden
mithin Draht und Erde den Schliessungskreis einer Säule, so
tritt jeder feuchte Pfosten als Nebenschliessung derselben auf
und bewirkt eine Verstärkung des Stromes in dem der Säule
näher liegenden und eine Schwächung desselben in dem entfern-
teren Theile des Leitungsdrahts. Die hierdurch bewirkte, bei
schlecht isolirten Leitungen schon bei wenig Meilen langen Linien
oft sehr beträchtliche Ungleichheit der Stromstärke an den beiden
Enden des Leitungdrahtes und in den dort eingeschalteten Spiralen
der Elektromagnete würde wenig schädlich sein, wenn sie con-
stant bliebe. Da sie aber durchaus abhängig von der Witterung
an den verschiedenen Punkten der Leitung, mithin stets ver-
änderlich ist, so veranlasst sie stete Störungen der Angaben und
des regelmässigen Ganges der telegraphischen Apparate. Bei
rotirenden Telegraphen sucht man diese veränderliche Ungleich-
heit der Stromstärke in den Spiraldrähten der correspondirenden
Apparate durch Vertheilung der wirkenden Säule zu vermindern.
Wenn dieser Zweck hierdurch auch theilweise erreicht wird, so
entsteht dadurch dagegen der, für alle bisherigen Telegraphen
noch grössere Uebelstand, dass die Unterbrechung der Kette an
einem Ende der Leitung nicht die vollständige Unterbrechung
des Stromes in dem Spiraldrahte des am anderen Ende derselben
befindlichen Telegraphen zur Folge hat, da der dort befindliche
Theil der Säule durch die vorhandenen Nebenschliessungen ge-
schlossen bleibt.


Die früher benutzten Isolationsmittel, durch welche man den
Draht von den feuchten Stangen zu isoliren suchte, wie Glas-
oder Porcellanringe, durch welche er gezogen wurde, Umwickeln
des Drahts an den Berührungsstellen mit Kautschuck etc., An-
bringung eines schützenden Daches auf den Stangen konnten
[35] nur unvollkommene Dienste leisten, da die leitende Verbindung
des Drahts mit der Erde bei Regenwetter über das nasswerdende
Isolationsmittel hinweg hergestellt war. Die neuerdings ange-
wandten Trichter von Glas, Porcellan oder Steingut erfüllen da-
gegen den Zweck der Isolation in sehr vollkommenem Grade.
Bei der von mir im Winter des v. J. ausgeführten, 42 Meilen
langen überirdischen Leitung zwischen Eisenach und Frankfurt
a. M. über Kassel wurden oben geschlossene Porcellantrichter
angewendet, die auf eiserne Stangen so aufgekittet wurden, dass
die Glocke nach unten gerichtet war. Die eiserne Stange wurde
an das obere Ende der hölzernen Pfosten geschraubt und der
Draht an der äusseren Fläche des Trichters durch Umwinden
um den oberen dünnen Theil desselben befestigt. Die innere
Fläche des Trichters bildet hier die stets trocken bleibende, isoli-
rende Schicht zwischen dem Draht und der Stange. Die Isola-
tion dieser Leitung war selbst bei dem ungünstigsten Wetter
(feuchtem Schneefall) noch so vollständig, dass bei dem benutzten
wenig empfindlichen Galvanometer mit einfacher Nadel kein Strom
wahrzunehmen war, wenn an dem einen Ende der Leitung eine
Säule von 8 Daniell’schen Elementen und das Galvanometer
zwischen Leitungsdraht und Erde eingeschaltet und das andere
Ende des Leitungsdrahts isolirt war.


Je vollkommener aber die Isolation überirdischer Leitungen
hergestellt ist, desto störender treten die Einflüsse der atmosphä-
rischen Elektricität auf. Diese Erscheinung erklärt sich dadurch,
dass bei unvollkommen isolirten Leitungen die dem Drahte durch
die geladenen ihn umgebenden Luftschichten, oder durch die
vertheilende Wirkung der sich demselben nähernden oder von
ihm entfernenden Wolken mitgetheilten Ladungen sich durch
die vorhandenen Nebenschliessungen ausgleichen können, ohne
ihren Weg durch die Spiralen der Magnete der an den Enden
der telegraphischen Leitung befindlichen Instrumente zu nehmen,
dass ferner diese Ladungs- und Entladungsströme bei unvoll-
kommen isolirten Leitungen auch während der Unterbrechung
der Kette an einem oder an beiden Enden der Leitung ihren
Fortgang haben, während bei vollkommener Isolirung sich während
der Unterbrechung freie Elektricität im Drahte ansammelt, welche
darauf beim Schliessen der Kette ihren Weg durch die Magnet-
3*
[36] spiralen zur Erde nimmt und hierdurch den regelmässigen Strom
der Säule am einen Ende schwächt, am anderen dagegen ver-
stärkt. In gebirgigen Gegenden ist namentlich die freie Elektri-
cität der Luft eine Quelle steter Störungen.


Bei der oben erwähnten Leitung zwischen Eisenach und
Kassel, welche der Eisenbahn folgend aus dem Werra- ins Fulda-
Thal übergeht, deren Wasserscheide gleichzeitig die Wasserscheide
für die dortige Gegend bildet, zeigt ein ohne Batterie in die Leitung
eingeschaltetes Galvanometer fast zu jeder Zeit ziemlich heftige
Ströme von veränderlicher Stärke und Richtung an, die im Sommer,
während der Mittagszeit, häufig so heftig und veränderlich werden,
dass der Dienst der Linie auf mehrere Stunden dadurch unter-
brochen wird. Sind beide Enden des Leitungsdrahts isolirt, so zeigt
er immer eine beträchtliche Ladung freier Elektricität. Diese La-
dungen werden noch bedeutend stärker, wenn an einer Stelle der
Leitung Regen oder Schnee fällt. Namentlich im letzteren Falle ist
die Ladung des Drahts so stark, dass man demselben Funken von
1 bis 2 mm Länge entziehen kann, die dann in schneller Reihen-
folge hinter einander überspringen und jedesmal den Anker des
Elektromagnets zur Anziehung bringen. Noch intensiver sind
die in den Drähten durch Gewitterwolken erzeugten Ströme. In
den Sommermonaten hört in der Regel bei längeren Linien der
regelmässige Gang der correspondirenden Apparate schon auf,
wenn sich Gewitterwolken am Himmel zeigen. Auch diese Er-
scheinungen sind in bergigen Gegenden viel heftiger wie in der
Ebene. Besonders auffallend stark sind die bei Entladungen der
Wolken auch in kurzen Leitungen sich zeigenden Ströme. Die-
selben scheinen nicht durch Freiwerden der durch die Wolken
im Draht durch Vertheilung angesammelten Elektricität erklärt
werden zu können, da selbst dann, wenn das Gewitter schon
mehrere Meilen weit von der Drahtleitung entfernt ist, noch bei
jedem Blitze ein sehr heftiger Strom sich zeigt. Es scheint ein
Theil des durch die Entladung im Erdboden selbst hervorge-
rufenen Stromes seinen Weg durch den schneller leitenden Draht
zu nehmen.


Bei einer längeren überirdischen Leitung vergeht fast kein
Sommer, ohne dass der Blitz in sie einschlägt, die Instrumente
beschädigt und die Leitung theilweise zerstört. Bei der oben
[37] erwähnten überirdischen Leitung ist mit gutem Erfolge die Ver-
breitung des in den Leitungsdraht einschlagenden Blitzes dadurch
verhindert, dass von Zeit zu Zeit und namentlich in der Nähe
der Endpunkte der Leitung Metallstücke, welche durch die Höh-
lung der Trichter vor dem Nasswerden geschützt sind, möglichst
nahe einander gegenübergestellt wurden. Das eine derselben ward
mit dem Leitungsdraht, das andere mit dem Erdboden leitend
verbunden. Diese Anordnung bietet der elektrischen Endladung
einen kürzeren Weg zur Erde von geringem Widerstande und
leitet dadurch den am Draht fortlaufenden Blitz zur Erde ab.
Sind die einander genäherten Metallmassen gross und der Ab-
stand von einander möglichst klein, so dienen sie auch zur Ent-
ladung der durch Vertheilung dem Drahte mitgetheilten schwachen
Ladungen. Dadurch wird der nachtheilige Einfluss derselben
auf den Gang der Apparate vermindert, doch entsteht durch die
häufig in schneller Reihenfolge zwischen zwei Punkten über-
springenden Funken leicht eine leitende Verbindung der beiden
Metallmassen. Es ist daher rathsam, bei überirdischen Linien
im Freien von Zeit zu Zeit Blitzableiter in oben beschriebener
Art, jedoch mit etwas grösserem Abstande der beiden Metall-
massen von einander, anzubringen, um heftige Schläge abzuleiten,
und dagegen in den Zimmern grosse Metallplatten mit möglichst
geringem Abstande von einander zu placiren, um die schwachen
Ladungen des Drahtes unschädlich zu machen. Hr. Professor
Meissner in Braunschweig, unter dessen Leitung die dortigen
Telegraphen-Anlagen ausgeführt sind, hat dies Mittel ebenfalls
mit grossem Erfolg in Anwendung gebracht und häufig beob-
achtet, dass der Gang der in Gebrauch befindlichen Telegraphen
ungehindert blieb, während der enge Zwischenraum zwischen den
angewendeten Platten durch fortwährend übergehende Funken
hell erleuchtet erschien. Wenn sich auch durch die beschriebenen
Vorkehrungen der störende Einfluss der atmosphärischen Elektri-
cität beträchlich vermindern lässt, so lässt er sich doch nie ganz
beseitigen. Namentlich werden Gewitter stets vorübergehende
Unterbrechungen des Dienstes bei überirdischen Leitungen mit
sich führen. Der grösste und nicht zu beseitigende Uebelstand
der überirdischen Leitungen besteht aber in der, allen äusseren zer-
störenden Einflüssen völlig Preis gegebenen Lage derselben. Bei
[38] der oft erwähnten Linie von Eisenach bis Frankfurt a. M. fand
längere Zeit fast täglich eine Unterbrechung der Leitung durch
Muthwillen, Diebstahl, Zufall oder durch Naturereignisse statt,
und nur durch ein starkes, auf der ganzen Linie vertheiltes
Wärtercorps ist es möglich geworden, eine ziemliche Regelmässig-
keit des Dienstes durch schnelle Reparatur der vorhandenen Be-
schädigungen zu erhalten.


Diese Unsicherheit des Dienstes der Telegraphen mit über-
irdischen Leitungen rief daher schon seit längerer Zeit das all-
gemeine Bestreben hervor, die Drähte, mit einer isolirenden Masse
bekleidet, unter dem Boden fortzuführen. Die ausgedehntesten
Versuche in diesem Sinne sind bekanntlich von Jacobi (Annal.
Bd. 58, S. 409.) angestellt. Derselbe versuchte zuerst den Draht
durch Glasröhren, die mit Kautschuck verbunden wurden, zu iso-
liren; doch die Röhren zerbrachen und die Verbindung zeigte
sich als undicht. Ebenso schlug ein zweiter Versuch, welcher
in Bekleidung des Drahtes in seiner ganzen Länge mit Kaut-
schuck bestand, gänzlich fehl, weil die Leitung mit der Zeit die
anfänglich vorhandene Isolation grösstentheils verlor. Kautschuck
ist auch schon deswegen als Isolationsmittel bei Kupferdraht
nicht anwendbar, weil dasselbe bei längerer Berührung mit dem
Kupfer sich zersetzt und eine leitende Verbindung mit demselben
bildet. Die in Preussen zur Anstellung von Versuchen und zu
Ermittelungen über elektrische Telegraphen früher bestehende
Commission wiederholte unter einigen Modificationen die Jacobi’-
schen Versuche, ohne ein besseres Resultat zu erzielen. In Eng-
land und Amerika hat man sich häufig eiserner oder bleierner
Röhren bedient, um die eingeschlossenen übersponnenen Drähte
vor dem Zutritt der Feuchtigkeit zu schützen. Die grossen Kosten
dieses Verfahrens, so wie die mit der vollkommenen Dichtung
dieser Röhren verbundenen Schwierigkeiten, machten es natürlich
nur für ganz kurze Leitungen durch Flüsse etc. anwendbar. Es
zeigte sich ferner, dass die den Draht eng umschliessenden Blei-
röhren häufig nach Verlauf einiger Zeit mit demselben in Be-
rührung kamen. Wahrscheinlich war die ungleiche Ausdehnung
von Blei und Kupfer, bei Temperaturveränderung, die Veran-
lassung dieser Erscheinung.


Es schien in der That, als seien die Schwierigkeiten, welche
[39] sich der Isolation der ganzen Oberfläche der Drähte entgegen-
stellten, ohne übermässige Kosten nicht zu lösen, als ein bisher
nicht bekanntes Material, die Guttapercha, auftauchte. Ich er-
hielt die ersten Proben dieser Masse im Herbste 1846, während
ich gerade ebenfalls mit Versuchen über unterirdische Leitungen
beschäftigt war und dehnte dieselben sogleich auf dasselbe aus.
Es ergab sich, dass auch die dünnsten Blättchen der entwässerten
Masse eine für den vorliegenden Zweck hinreichende Isolations-
fähigkeit besassen. Da nun ferner durch die Eigenschaft der
Guttapercha, bei mässiger Erwärmung plastisch zu werden und
an einander zu kleben, auch die Schwierigkeit der dichten Ver-
bindung der einzelnen Theile der Umhüllung beseitigt erschien,
so gewann ich bald die Ueberzeugung, dass dies Material zur
Lösung des vorliegenden technischen Problems geeignet sei. Ich
setzte mich daher mit Hrn. Pruckner, Mitbesitzer der hiesigen
Guttapercha- und Gummiwaaren-Fabrik von L. Fonrobert und
Pruckner, in Verbindung und stellte in Gemeinschaft mit dem-
selben weitere Versuche an. Das günstige Resultat derselben
veranlasste mich, bei der schon genannten Commission die An-
stellung umfassender Versuche in diesem Sinne zu beantragen.
Sie ging darauf ein und beauftragte mich mit der Leitung der
Arbeiten zur Ausführung einer Versuchsleitung von einer Meile
Länge. Im Herbst 1847 war dieselbe vollendet. Die Isolation
des Drahtes erwies sich trotz der noch mangelhaften Methode,
welche zur Bekleidung desselben mit der Guttapercha angewendet
war, schon so ausreichend, dass die Verlängerung der Leitung
bis auf die Länge von 2½ Meilen (von Berlin bis Gr. Beeren)
beschlossen ward. Im Frühjahr 1848 war auch diese Arbeit
vollendet, und die Leitung ward nun zur telegraphischen Corre-
spondenz zwischen den genannten Orten benutzt. Die Beklei-
dung der Drähte geschah in der Fabrik der Hrn. Fonrobert und
Pruckner. Es ward hierzu reine, durch erhitzte Walzen voll-
ständig entwässerte Guttapercha verwendet. Die erwärmte Masse
ward durch gekehlte Walzen um den Draht gepresst. Die vor-
handenen Isolationsfehler wurden mit Hülfe eines Neef’schen In-
ductors aufgesucht und durch Beklebung mit erwärmten Gutta-
percha-Bändern ausgebessert. Darauf ward die Isolation eines
jeden Drahtes, von etwa 700' Länge mittelst eines äusserst em-
[40] pfindlichen Galvanometers geprüft und derselbe nur dann zur
weiteren Verwendung genommen, wenn das zwischen dem Draht
und das ihn umgebende Wasser mit einer Säule von 8 Daniell’-
Elementen eingeschaltete Galvanometer keine Spur von Ablenkung
zeigte. Zu grösserer Sicherheit ward der Draht beim Einlegen
in den 2' tiefen Graben auf dem Planum der Eisenbahn noch
mit einer Mischung von Marineleim, Steinkohlentheer und Colo-
phonium überzogen. Die Drahtenden wurden mit Zinn zusammen-
gelöthet und die Löthstellen durch Umkleben mit erwärmten
Guttapercha-Platten ebenfalls isolirt. Der zweite Ueberzug des
Drahtes schien nöthig, weil Versuche gezeigt hatten, dass die reine
Guttapercha bei längerem Liegen im Wasser an der Oberfläche
eine Rückbildung in weisses Hydrat erleidet und hierdurch die
Gefahr entstand, dass die Isolation sich mit der Zeit vermindern
würde. Diese Eigenschaft der Guttapercha tritt besonders bei
längerem Liegen im Meerwasser hervor. Bei einer Minenanlage,
die ich im Sommer 1848 im Kieler Hafen in Gemeinschaft mit
Prof. Himly in Kiel ausführte, waren die mit reiner Guttapercha
bekleideten Drähte, welche zur Entzündung der auf dem Grunde
des Fahrwassers liegenden Pulvermassen dienen sollten, nach
circa 6 Monaten mit einer dünnen Lage weisser Guttapercha be-
kleidet. Die weisse Farbe verschwand wieder, wenn die Drähte
einige Tage der Luft ausgesetzt waren. Es wurde aus diesem
Grunde und der grösseren Härte der Masse wegen bei sämmt-
lichen später angefertigten Drähten geschwefelte Guttapercha in
Anwendung gebracht.


Mehrfache Untersuchungen der oben erwähnten Leitung von
Berlin nach Gr. Beeren im Frühjahr und Sommer des Jahres
1848 ergaben, dass die Isolation der Leitung in unveränderter
Güte blieb, und dass auch die Guttapercha sich unverändert er-
hielt. In Folge dessen erklärte sich die Commission für die
Anwendung dieser Leitungen zu den vom Preussischen Staate
beabsichtigen Telegraphen-Anlagen, und es ward nun ein bis-
heriges Mitglied derselben, der Regierungs- und Bau-Rath Notte-
bohm, mit der Oberleitung des Baues derselben betraut.


Die bisherigen Erfahrungen hatten gezeigt, dass die bis dahin
angewandte Methode der Bekleidung der Drähte mit Guttapercha
noch sehr mangelhaft war. Die in Form zweier schmaler Riemen
[41] um den Draht gewalzte Masse klebte häufig nicht fest an ein-
ander und es bildeten sich dadurch Kanäle, welche die Feuchtig-
keit des Bodens mit der Zeit bis zum Draht gelangen liessen.
Ferner stellte sich heraus, dass die Nähte nach einiger Zeit ihre
anfängliche Festigkeit verloren und leicht von einander zu lösen
waren, wodurch die dauernde Isolation der Drähte gefährdet er-
schien. Ich entwarf daher in Gemeinschaft mit Hrn. Halske
eine Maschine, mittelst welcher die Guttapercha fortlaufend und
ohne Naht durch Pressung um den Draht geformt ward. Die-
selbe besteht aus einem Cylinder, welcher mit erwärmter Gutta-
percha gefüllt und durch ein Dampfbad vor Abkühlung geschützt
wird. Durch eine starke Schraube, welche durch eine Dampf-
maschine langsam gedreht wird, wird ein in dem Cylinder passen-
der Stempel in denselben hinabgedrückt. Der offene Boden des
Cylinders ist durch ein rechtwinklig ausgehöhltes Metallstück ge-
schlossen, dessen Höhlung mit dem inneren Raume des Cylinders
communicirt. Dies Metallstück ist von neun in einer geraden
Linie neben einander liegenden, senkrechten Löchern durchbohrt.
Der Durchmesser dieser Löcher entspricht in der unteren Wand
des Metallstücks der Dicke des zu bekleidenden Drahtes und in
der oberen der Dicke des bekleideten Drahtes. Die mit grosser
Gewalt im Cylinder zusammengedrückte plastische Masse füllt
den inneren Raum des beschriebenen Metallstücks und quillt aus
den in demselben vorhandenen Löchern hervor. Die Drähte treten
nun durch die unteren engeren Löcher in den mit Guttapercha
angefüllten Raum und kommen mit Guttapercha bekleidet aus
den oberen, weiteren, heraus. Sie werden darauf senkrecht so
hoch hinaufgeführt, dass die Guttapercha während des Weges hin-
länglich erkalten kann, und dann auf Trommeln gewickelt. Die
spätere Operation des Aufsuchens fehlerhafter Stellen und die
Untersuchung der Isolation der fertigen Drahtenden sind bereits
oben beschrieben. Die zweite Bekleidung des Drahtes beim Ein-
legen in den Graben, wie sie anfänglich zur Anwendung kam,
konnte bei der geschwefelten Guttapercha fortfallen, da diese Masse
die Eigenschaft, sich in Hydrat zurückzubilden, nicht besitzt.
In der That sind die seit 1½ Jahren ohne zweiten Ueberzug
im Boden liegenden Drähte noch durchaus unverändert geblieben
und von frisch fabricirten Drähten nicht zu unterscheiden.


[42]

Ueberall da, wo der Draht nicht mindestens 2 Fuss tief mit
Erde bedeckt liegen kann, wird er durch eiserne Röhren vor
äusserer Beschädigung geschützt. Dies geschieht namentlich stets
beim Uebergang über Brücken, beim Einführen der Drähte in
die Stationszimmer etc. Um den mit dem Einlegen des Drahts
beschäftigten Arbeitern jederzeit Gelegenheit zu geben, sich die
Ueberzeugung zu verschaffen, dass der Draht bis dahin nicht
beschädigt sei, wird an dem Ende, von dem die Arbeit ausgeht,
ein Uhrwerk aufgestellt, welches abwechselnd die leitende Ver-
bindung des Drahtes mit der Erde herstellt und unterbricht.
Durch Einschaltung eines Galvanometers und einer galvanischen
Säule zwischen Draht und Erde lässt sich dann am Arbeitsorte
aus der Ablenkung der Nadel auf die Güte des bis dahin ge-
legten Drahtes schliessen.


Trotz aller angewendeten Vorsicht ereignet es sich indess
häufig, dass der Ueberzug des Drahtes auf dem Transport oder bei
der Arbeit des Einlegens leichte Verletzungen bekommt. Solche
in feinen Schnitten, Rissen oder abgescheuerten Stellen bestehende
Beschädigungen sind, namentlich wenn die Arbeit bei trocknem
Wetter ausgeführt wird, nicht gleich zu entdecken und auszu-
bessern. Man muss daher in der Regel nach einiger Zeit, nach-
dem durch starke Regengüsse der den Draht umgebende Erdboden
wieder vollständig durchnässt ist, die Leitung einer Revision
unterwerfen und die vorhandenen Nebenschliessungen aufsuchen
und ausbessern. Es kommt auch bei älteren Leitungen bisweilen,
wenn auch selten, vor, dass der Ueberzug des Drahtes durch
unvorsichtig ausgeführte Erdarbeiten beschädigt oder gar die
Drahtleitung selbst zerstört wird.


Das von mir zur Aufsuchung beschädigter Stellen der Lei-
tung angewendete Verfahren ist folgendes:


Ist die leitende Verbindung des Drahtes selbst zwischen den
beiden benachbarten Telegraphenstationen nicht unterbrochen,
aber der Ueberzug desselben irgendwo beschädigt, so kann die
Lage der Beschädigung annähernd durch Rechnung bestimmt
werden.


Als bekannt oder vorher durch Versuche ermittelt, wird vor-
ausgesetzt:


die Länge des Leitungsdrahtes zwischen den Stationen, von
[43] denen aus die Ermittelung der Lage der Beschädigung geschehen
soll; der Widerstand der benutzten Säulen und der beiden zu
den Messungen benutzten Galvanometer, deren Angaben vergleich-
bar sein müssen; der Widerstand des Drahtes, welcher die
leitende Verbindung mit der entsprechenden, im Wasser oder im
feuchten Boden liegenden Metallplatte herstellt, und der Wider-
stand der diese Platte umgebenden Flüssigkeitsschichten bis zur
unendlichen Ausbreitung des Stromes.


Sämmtliche Widerstände seien auf den Widerstand des
Drahtes reducirt.


Es seien x und y die Widerstände der Theile des Leitungs-
drahtes von den Endpunkten A und B bis zu der beschädigten
Stelle;


m die reducirte Summe der Widerstände des bei A einge-
schalteten Galvanometers, der dort eingeschalteten Säule, des
Verbindungsdrahtes mit der Endplatte und des oben definirten
Uebergangswiderstandes des Stromes von der Platte zur Erde;


n dieselbe Summe für das Ende B der Leitung.


Ferner sei z der Widerstand des Ueberganges von der bloss-
gelegten Stelle des Drahtes zur Erde oder der Widerstand der
Nebenschliessung.


Endlich sei s die gemessene oder berechnete Stärke des
durch die unbeschädigte Leitung gehenden Stromes der bei A
und B befindlichen Säulen, von denen jede die elektromotorische
Kraft e hat, s' die bei A gemessene Stromstärke der dort ein-
geschalteten Säule, wenn die Leitung bei B unterbrochen ist,
s″ dagegen die bei B gemessene Stromstärke, wenn die Leitung
bei A unterbrochen ist, so ist:

Aus diesen 3 Gleichungen e und z eliminirt gibt
[44] woraus
. Da die Summe x + y gleich der Länge der Leitung, mithin be-
kannt ist, so ergibt sich aus dieser Gleichung sofort die Lage
der Beschädigung.


Es ist bei Anstellung der Messungen der Stromstärke bei
A und B die Vorsicht zu beobachten, die Säulen immer so
zwischen Leitungsdraht und Endplatte einzuschalten, dass die
beträchtliche Polarisation des Drahtes an der beschädigten Stelle
stets in gleichem Sinne auftritt und die Ablesung erst dann vor-
zunehmen, wenn die Polarisation ihr Maximum erreicht und die
Ablenkung der Nadel dadurch möglichst constant geworden ist.


Genauere Resultate gibt ein anderer Weg der Berechnung
der Lage einer Beschädigung, bei welchem die Polarisation weit
weniger störend auftritt und welche unabhängig von der Grösse
der elektromotorischen Kraft der angewandten Säulen ist.


Es sei die Bedeutung der Buchstaben x, y, m, n und z die
oben angegebene. Ferner seien s und s' die bei A und B ge-
messenen Stromstärken der bei A eingeschalteten Säule, während
die bei B befindliche durch einen Metalldraht von gleichem Wider-
stande ersetzt und die leitende Verbindung mit der Endplatte herge-
stellt ist. Ferner seien σ und σ' die gleichzeitig gemessenen Strom-
stärken bei B und A, wenn die Säule bei B eingeschaltet und
bei A durch einen gleichen Widerstand ersetzt ist, so ist, da
sich in verzweigten Schliessungsbogen die Stromstärken umgekehrt
wie die Widerstände der Zweige verhalten,
woraus
oder
1) .
Ferner aus demselben Grunde
[45] also auch
2) .
Die Gleichung 2 durch die Gleichung 1 dividirt giebt
, wodurch die Lage der Beschädigung bestimmt ist.


Es ist kaum nöthig zu erwähnen, dass die eben entwickelten
Formeln zur Bestimmung der Lage beschädigter Stellen der
Leitung nur dann anwendbar sind, wenn nur Eine solche Stelle
zwischen den Punkten, von denen die Messung ausgeht, vor-
handen ist.


Ob dies der Fall sei oder nicht, kann man leicht durch
Wiederholung der Messungen bei Einschaltung eines bekannten
Widerstandes an einem Ende der Leitung erkennen, da die
Rechnung in diesem Falle nur dann dieselbe Lage der Be-
schädigung ergeben kann, wenn nur Eine Nebenschliessung vor-
handen ist. Auf dem angedeuteten Wege, nämlich durch Ein-
schaltung bekannter Widerstände und jedesmalige Messung der
gleichzeitigen Stromstärken an den beiden Enden der Draht-
leitung, erhält man nun zwar die nöthigen Data zur gleichzeitigen
Bestimmung der Lage zweier oder mehrerer vorhandener Neben-
schliessungen und zur Controle ihrer Richtigkeit; doch werden
die Formeln für die praktische Anwendung zu schwerfällig und
ihre Angaben ungenau. Es ist daher in der Regel zweckmässiger,
in dem Falle, wo die Controle auf das Vorhandensein mehrerer
Beschädigungen schliessen lässt, entweder dieselbe Bestimmung
für beliebige Abtheilungen der Leitung vorzunehmen, oder gleich
auf die unten beschriebene Weise durch fortgesetzte Theilung
die Beschädigungen aufzusuchen.


Hinsichtlich der mit m und n bezeichneten Constanten ist
noch zu erwähnen, dass dieselben bei der hier hauptsächlich in
Betracht kommenden annähernden Bestimmung der Lage einer
Beschädigung einer ausgedehnten telegraphischen Leitung ohne
grosse Beeinträchtigung der Genauigkeit derselben ganz ver-
nachlässigt werden können, wenn man grosse, in freiem Wasser
liegende Endplatten und Säulen und Galvanometer von geringem
[46] Widerstande anwendet. Bei Endplatten, welche im feuchten Erd-
boden liegen, ist der Widerstand des Ueberganges der Elektricität
von den Platten zum unbegränzten feuchten Leiter, als welcher
die Erde auftritt, natürlich unverhältnissmässig viel grösser, doch
kann man dann, wenn man an beiden Enden gleiche und unter
gleichen Verhältnissen befindliche Platten hat, für jede ohne
Nachtheil den halben gemessenen Erdwiderstand annehmen.
Anderenfalls müsste man den Widerstand des Ueberganges für
jede einzelne Platte mit Hülfe einer dritten, hinlänglich entfernt
von beiden liegenden bestimmen.


Um durch fortgesetzte Theilung der Leitung möglichst schnell
die vorhandenen Beschädigungen des Ueberzuges der Drähte auf-
zufinden, verfahre ich folgendermaassen:


Die Enden der Leitung werden isolirt. Die mit dem Auf-
suchen und Ausbessern der Beschädigungen beauftragten Arbeiter
sind mit einem hinlänglich empfindlichen Galvanometer, einer
transportabelen Säule und einer Metallplatte ausgerüstet. Durch
Durchschneidung des Drahtes an einer beliebigen Stelle der
Leitung und Einschaltung des Galvanometers und der Säule
zwischen das eine Ende desselben und die Erde erfahren sie,
in welchem Stücke der Leitung die Beschädigung zu suchen ist.
Ist nur eine Beschädigung vorhanden und die Lage derselben
durch Rechnung annähernd bestimmt, so stellen sie den ersten
Versuch an der berechneten Stelle an. Sie verbinden und isoliren
darauf den Drath wieder, wie früher beschrieben, stellen in einiger
Entfernung von dieser Stelle einen zweiten gleichen Versuch an
und fahren hiermit so lange fort, bis sie den Ort der Beschädigung
passirt haben. Darauf halbiren sie das zwischen den letzten beiden
Versuchsstellen liegende Drahtstück und so fort, bis die Lage der
Beschädigung auf einige Ruthen begränzt ist. Dies Stück des
Drahtes wird dann blosgelegt und die aufgefundene Beschädigung
ausgebessert. Um den Draht für diese Versuche leichter zu-
gänglich zu machen, wird derselbe bei der Anlage neuer Leitungen
genau jedem Stationssteine der Eisenbahn gegenüber mit einem
platten Steine bedeckt und dieser dann mit Erde beschüttet.
Geübte Arbeiter bedürfen zur Anstellung eines solchen Versuchs
nur weniger Minuten, die Wiederherstellung der beschädigten
Leitung ist daher sehr schnell bewerkstelligt.


[47]

Hat die ohngefähre Lage der Beschädigung nicht durch
Rechnung ermittelt werden können, so müssen sich die Arbeiter
der Eisenbahnzüge bedienen, um zu finden, zwischen welchen
Eisenbahnstationen die Beschädigung zu suchen ist. Häufig ist
die Zeit des Anhaltens der Züge zur Anstellung eines Versuchs
hinreichend und die erste Eingrenzung dann schnell bewerkstelligt.
Durch 10 bis 15 Versuche ist die Beschädigung dann im un-
günstigsten Falle aufgefunden. Können die Arbeiter sich einer
Dräsine zur schnelleren Fortbewegung bedienen, so genügen
einige Stunden, um die Verletzung zwischen zwei Eisenbahn-
stationen, also auf eine Entfernung von 2 bis 3 Meilen, aufzusuchen
und auszubessern.


Ist die leitende Verbindung des Drahtes selbst unterbrochen,
so ist die Reparatur durch das beschriebene Theilungsverfahren
noch schneller auszuführen, da das Durchschneiden des Drahtes
dann nicht erforderlich ist. Das eine Ende des Drahtes wird
isolirt und zwischen das andere Ende und die Erde eine kräftige
Säule eingeschaltet. Die Arbeiter brauchen jetzt nur den Draht
blosszulegen und eine feine Nadel durch die Guttapercha zu stechen,
so dass die Spitze derselben den Draht metallisch berührt. Durch
Berührung dieser Nadel mit der Zunge erfahren sie dann, ob der
Draht zwischen der Untersuchungsstelle und der eingeschalteten
Säule unterbrochen sei oder nicht. Ist die Nadel hinlänglich
fein, so schliesst sich das Loch wieder vollständig. Anderenfalls
muss die Oberfläche der Guttapercha etwas erwärmt werden, um
die Oeffnung zu schliessen. Die Untersuchung kann hierbei von
beliebig vielen Orten gleichzeitig ausgehen und ist daher auch
sehr schnell zu beendigen.


Die Isolation der Leitung wird jetzt in einem sehr voll-
kommenen Grade erreicht. Bei neu angelegten Leitungen darf
der Nebenstrom bei am anderen Ende geöffneter, 10 Meilen langer
Leitung nicht über 2½ pCt. des bei geschlossener Kette vorhandenen
Stromes betragen, der reducirte Widerstand der auf die Länge einer
Meile gestatteten Nebenschliessungen muss daher mindestens dem
einer circa 400 Meilen langen Drahtleitung entsprechen. Eine
solche Nebenschliessung ist auch für die empfindlichsten Apparate
noch unschädlich, da sie constant ist und nicht, wie bei über-
irdischen Leitungen, stets veränderlich. Da nun ferner die unter-
[48] irdischen Leitungen durch die leitende Erdschicht, welche sie
bedeckt, den so störenden Einflüssen der atmosphärischen Elek-
tricität fast ganz entzogen sind, so bleiben nur die, bei Ent-
ladungen der Wolken sie durchlaufenden und die durch Schwan-
kungen des Erdmagnetismus in ihnen inducirten, nur bei starken
Nordlichtern einigermassen beträchtlichen Ströme als veränder-
liche Elemente, welche den regelmässigen Dienst der benutzten
telegraphischen Apparate stören könnten. Da diese Ströme jedoch
die ganze Drahtleitung in gleichbleibender Stärke durchlaufen,
so lassen sie sich, wie später gezeigt werden wird, durch zweck-
mässige Construction der Apparate unschädlich machen. Die
unterirdischen Leitungen sind ferner der gewaltsamen Zerstörung
durch Muthwillen, Diebstahl, Blitzschläge und zufällige Ereignisse
aller Art durch ihre Lage entzogen. Die Haltbarkeit derselben
ist nach bisherigen Erfahrungen fast als unbegrenzt zu betrachten,
während die überirdischen Leitungen einer Erneuerung nach Ver-
lauf von 10 bis 15 Jahren bedürfen, da die Drähte spröde werden
und rosten, die Pfähle verfaulen und die isolirenden Glocken nach
und nach zerbrechen. Die Kosten der unterirdischen Leitungen
übersteigen schon jetzt die der solide angelegten überirdischen
nicht mehr und werden sich wahrscheinlich noch beträchtlich
vermindern. In diesem Augenblicke sind bereits über 400 Meilen
unterirdischer Leitungen in regelmässiger Benutzung.


Die unterirdischen Leitungen bieten manche interessante Er-
scheinungen, auf welche ich nach Beendigung ihrer Untersuchung
zurückkommen werde. Eine derselben, welche die Anwendung
dieser Leitungen anfangs wesentlich erschwerte, besteht darin,
dass der isolirende Ueberzug der Drähte als colossale Leydener
Flasche auftritt, deren Belegungen der Draht und die Feuchtig-
keit des Erdbodens bilden und welche durch die Elektricität der
zwischen ihnen eingeschalteten Säule geladen wird. Bei langen
Leitungen bringen diese Ströme kräftige mechanische Effecte
hervor, deren Intensität der Länge des Drahtes und der elektro-
motorischen Kraft der eingeschalteten Säule nahe proportional
ist und mit der vollkommeneren Isolation des Drahtes zunimmt.
Mit Polarisationsströmen können diese Ladungs- und Entladungs-
ströme daher durchaus nicht verwechselt werden. Durch diese
Annahme finden alle, oft fast wunderbaren Eigenthümlichkeiten,
[49] welche die unterirdischen Leitungen bei ihrer praktischen Be-
nutzung zeigen, nicht nur ihre vollständige Erklärung, sondern
es ist mit Hülfe derselben sogar gelungen, dieselben vollständig
zu beherrschen und sogar nützlich zu verwenden. Bei der Be-
schreibung der von mir construirten Apparate werde ich mehrfach
darauf zurückkommen.


Eine der auffallendsten Eigenthümlichkeiten der unterirdischen
Leitungen ist die, dass die Apparate bei ihnen mit schwächerer
Batterie in gleich schnellen Gang kommen, wie bei überirdischen
mit beträchtlich stärkerer, obgleich die Leitungsfähigkeit des
unterirdischen Drahtes um ¼ geringer ist. Die Erklärung dieser
Erscheinung fällt bei Annahme der oben definirten Ladungs-
ströme nicht schwer. Da nämlich die Elektricität der Säule,
welche im Drahte gebunden wird, auf der ganzen Oberfläche
sich vertheilt, so hat nur ein kleiner Theil derselben den ganzen
Widerstand des Drahtes zu überwinden.


Ist der Widerstand der angewendeten Säule sehr klein im
Vergleich zu dem Widerstande der Leitung, so bleibt die elek-
trische Spannung des mit dem Leitungsdrahte verbundenen Pols
unverändert, wenn das andere Ende des Drahtes mit der Erde
verbunden wird.


Figure 8. Fig. 8.

Bezeichnet a c in nebenstehender Figur den Leitungsdraht,
a b die Spannung der Elektricität der zwischen a und der Erde
eingeschalteten Säule, und ist c mit der Erde leitend verbunden;
verbindet man dann b mit c durch eine gerade Linie, so bilden
die Senkrechten auf a c bis zum Schneidepunkte mit b c das
Maass der elektrischen Spannungen, mithin auch der Ladungen
der zugehörigen Punkte des Drahtes a c.


Der Inhalt des Dreiecks a b c bezeichnet also die Grösse
der Ladung. Ist bei c auch eine Säule von gleicher Stärke
4
[50] zwischen Draht und Erde so eingeschaltet, dass beide Säulen
im gleichen Sinne wirken, so bezeichnet die Linie c d die hier
abgegebene Spannung des Punktes c und es ist jetzt die Linie b d
die Curve der elektrischen Spannungen des Drahtes. Der gleich-
förmig cylindrische Draht ist mithin von a bis zur Mitte mit
positiver und von dort bis c mit negativer Elektricität geladen.
Wird nun bei a und c gleichzeitig die Verbindung des Drahtes
mit der Säule aufgehoben, so gleichen sich die Ladungen von
entgegengesetzter Elektricität im Drahte selbst aus. Wird die
Verbindung gleichzeitig wieder hergestellt, so entsteht im ersten
Momente ein Strom von grosser Stärke, da die Ladungsströme
einen beträchtlich geringeren Widerstand zu überwinden haben.
Bei der schnellen Aufeinanderfolge der Unterbrechungen und
Schliessungen, wie sie bei den telegraphischen Apparaten vor-
kommen, ist es daher erklärlich, dass die angewendeten Säulen
einen grösseren mechanischen Effect bei unterirdischen Leitungen
geben.


[[51]]

Mémoire sur la télégraphie électrique.


(Présenté à l’académie des Sciences le 15 avril 1850.)


L’objet de ce Mémoire est de faire connaître les méthodes
de télégraphie électrique de mon invention, que le gouvernement
prussien a adoptées au commencement de l’année 1848 et qui
depuis sont d’un usage presque général dans tout le nord de
l’Allemagne.


Tout télégraphe électrique se compose essentiellement de
deux parties, du circuit conducteur, et des appareils destinés à
transmettre et à recevoir les signaux. En conséquence, je diviserai
ce Mémoire en deux chapitres, le premier traitant de l’établisse-
ment du circuit, le second de la construction des appareils.


Chapitre I. — De l’établissement du circuit télégraphique.


Remarques générales. — Tous ceux qui ce sont occupés de
l’application pratique de la télégraphie électrique, s’accorderont
facilement sur ce point, savoir que l’immense majorité des pertur-
bations, auxquelles sont sujets les télégraphes électriques, provient
des variations dans l’intensité des courants employés. La cause
de ces variations réside, soit dans la source des courants, soit
dans les conditions variables du circuit conducteur. La première
de ces causes perturbatrices peut être aisément éliminée en faisant
usage de sources constantes. Je me contenterai d’observer à cet
égard que je donne la préférence à la pile de Daniell. Quant
4*
[52] aux perturbations qui découlent des conditions variables du circuit
même, on en peut distinguer trois classes.


1°. Pertes d’électricité par suite de l’isolement défectueux du
fil conducteur.
— Lorsque le fil conducteur n’est pas bien isolé,
par suite, par exemple, de l’humidité des poteaux et des pièces
d’isolement intermédiaires, chaque communication indue entre le
fil et le sol donne lieu à un courant dérivé qui reprend le chemin
de la pile sans se rendre jusqu’à l’autre bout du fil, et dont l’in-
tensité est à celle des autres courants dérivés semblables et du
courant principal dans le rapport inverse des résistances des
différents circuits, dérivateurs et principal. Il en résulte que
l’intensité du courant est augmentée à la station, où se trouve
la pile, et diminuée à la station opposée. Le jeu des appareils
ayant été le plus souvent tout naturellement adapté à l’intensité
du courant à la première station, l’augmentation d’intensité à
cette station n’a pas jusqu’ici attiré l’attention des ingénieurs.
Cette attention, en revanche, s’est d’autant plus portée sur la
diminution d’intensité à la station opposée, qui était cause que
les appareils ne marchaient pas, et de là le nom de pertes par
lequel on s’est habitué à désigner l’effet le plus saillant, à
première vue, de l’isolement imparfait du fil.


Il semble, à la vérité, que l’on devrait pouvoir parer à l’in-
convénient résultant de ces pertes, en adaptant le jeu des appareils
à l’intensité des courants telle qu’elle se manifeste encore à la
station opposée. Le moyen serait bon, si les pertes avaient
toujours lieu aux mêmes points du fil et si leur grandeur restait
constante pour le même point. Mais l’isolement des différentes
parties du fil étant, avec les fils aériens, dans la dépendance
absolue de l’état de l’atmosphère aux environs de ces parties, l’ex-
pédient en question reste, comme on voit, complètement illusoire.


2°. Perturbations par l’électricité atmosphérique. — Il est
toutefois un moyen très efficace de rémédier aux dites pertes.
Ce moyen, usité sur plusieurs des anciennes lignes télégraphiques
de l’Allemagne, consiste à enrouler le fil autour du col d’une
espèce de cloche en verre ou en porcelaine fixée au sommet
des poteaux de suspension, de manière que l’isolement soit
effectué par la surface interne toujours à l’abri et, par conséquent,
à sec de la cloche. Mais à mesure qu’on obtient par là une
[53] diminution des pertes et des inconvénients qui en résultent, il
se développe un autre genre de perturbations non moins grave,
dont la cause doit être cherchée dans les influences variables de
l’électricité atmosphérique. L’expérience, en effet, a démontré
trois espèces distinctes de perturbations de cette nature.


La première consiste en des courants continus d’intensité
et de direction variables, qui se présentent par un temps serein,
et particulièrement dans les terrains accidentés. Dans les contrées
montagneuses et à certaines heures de la journée, ces courants,
dont la cause est assez obscure, atteignent une intensité telle,
qu’ils mettent un obstacle insurmontable au service des appareils.
La seconde espèce de perturbations est produite par les mouve-
ments, dans le voisinage du fil, de nuages chargés d’électricité.
Dans ces mouvements, la charge par induction du fil venant à
varier, on observe également des courants qui, par un temps
orageux, et surtout quand à l’une des extrémités du fil il tombe
de la pluie ou de la neige, deviennent encore assez puissants
pour mettre fin au service. Quant à la troisième espèce de
perturbations, c’est celle qui, en temps d’orage, provient de véri-
tables décharges d’électricité atmosphérique qui foudroient le fil,
les appareils, et, indépendamment de ces degâts, compromettent
la santé et la vie des personnes chargées du service.


Les perturbations dues à l’électricité atmosphérique deviennent
d’autant moins sensibles que l’isolement est moins parfait, parce
qu’alors, dans les temps de la marche des appareils où le circuit
n’est pas fermé, les charges et décharges du fil se font par les
points de dérivation établis dans sa longueur, de manière à libérer
les appareils d’une partie des courants étrangers; mais, évidemment,
d’après ce qui précède, on a toujours à choisir entre les incon-
vénients provenant de cette cause et ceux qui résultent des
pertes d’électricité.


3°. Perturbations par suite de lésions du fil, accidentelles ou
dues à la malveillance
. — Je crois pouvoir me borner, enfin, à
signaler simplement ce troisième genre de perturbations auquel,
comme tout le monde sait, les fils aériens sont si fort sujets
à raison de leur situation exposée, et qui rend l’emploi des télé-
graphes électriques si peu sûr, précisément lorsqu’ils sont appelés
à rendre les services les plus importants.


[54]

Considérations générales sur les fils aériens et les fils sou-
terrains
. — Tous ces inconvénients réunis s’étant manifesté
de bonne heure dans l’emploi des fils aériens, il est naturel
qu’on ait bientôt songé à y mettre fin en plaçant les fils sous
terre. En effet, il n’est pas besoin de dire à quel point la
sûreté du service doit se trouver accrue par ce moyen, les fils
souterrains étant presque totalement mis à l’abri des lésions acci-
dentelles et de celles par malveillance. On voit pareillement
que par la présence d’une couche plus ou moins épaisse de sol
humide et par conséquent conducteur, qui les recouvre, les fils
souterrains doivent être soustraits soit aux ravages du tonnerre,
soit aux autres influences de l’électricité atmosphérique moins vio-
lentes, mais, à raison de leur plus grande fréquence, plus pré-
judiciables encore à la sûreté du service. Malheureusement,
vis-à-vis de ces avantages incontestables, est venue se placer,
dès le début, l’apparente impossibilité d’atteindre à un isolement
suffisamment parfait des fils souterrains. Aussi est-ce vers ce
but qu’ont été dirigés, depuis l’origine de la télégraphie électrique,
de nombreux efforts, restés pour la plupart infructueux. Cependant
la difficulté a fini par être complètement vaincue, et je m’en vais
tracer à présent, en peu de mots, l’historique de cet important
progrès de la télégraphie électrique.


Historique de l’invention des fils souterrains. — M. Jacobi
de Saint-Pétersbourg est le premier qui s’est occupé avec succès
de l’établissement des fils souterrains. A cet effet, il essaya
d’abord de loger les fils dans des tubes de verre réunis bout à
bout, puis il voulut les couvrir de caoutchouc en bandes étroites
qu’il enroulait autour d’eux; mais il échoua des deux manières.
En Angleterre et dans les États-Unis d’Amérique on eut recours,
sur des trajets de peu d’étendue, à des conduits de fonte ou de
plomb pour protéger contre l’humidité du sol l’enduit de coton
verni dont les fils étaient recouverts; toutefois, le degré d’isolement
atteint ne se trouva pas suffisant.


Les choses en seraient sans doute restées là encore bien
longtemps, si, à la même époque, l’industrie n’avait pas été en-
richie d’une nouvelle matière, dont le pouvoir isolant n’est égalé
que par sa merveilleuse aptitude à se prêter, sous l’influence
de la chaleur, aux formes les plus variées. On entend bien que
[55] je veux parler de la gutta-percha: et en effet, je n’en eus pas
plutôt manié les premiers échantillons, que je sentis tout le parti
qu’on devait pouvoir tirer de cette substance pour la solution
du problème des conduits électriques souterrains.


Ce fut en automne 1846 que je commençais mes expériences.
Dès le printemps de 1847 elles furent assez avancées pour que
je pusse proposer à la Commission de télégraphie électrique de
Berlin d’adopter le système des fils souterrains basé sur l’emploi
de la gutta-percha comme enduit isolant. La Commission me
chargea d’abord de l’exécution d’une ligne d’épreuve de 2½ milles
d’Allemagne (à peu près 19 kilomètres) de longueur aux environs
de Berlin, et ce premier essai ayant réussi, la Commission au
printemps de 1848 adopta définitivement mon système pour toutes
les lignes télégraphiques à exécuter dans l’étendue de la monarchie
prussienne à l’exclusion seulement des trajets où n’existeraient
encore ni grandes routes, ni chemins de fer.


A dater de cette époque, sept grandes lignes télégraphiques
souterraines ont été établies en Prusse, en majeure partie sous
ma direction, pour le service de l’État. Ces lignes représentent
actuellement une longueur totale de plus de 300 milles d’Alle-
magne (à peu près 2500 kilomètres). A la fin de cet été (1850)
cette longueur se trouvera déjà plus que doublée par l’exécution
de nouvelles lignes de l’État et de lignes à l’usage des chemins
de fer. D’ailleurs les gouvernements autrichien et saxon ont
également adopté pour leur lignes télégraphiques mon système
de conduction souterraine.


Fabrication du fil enduit de gutta-percha. — Les fils de cuivre
rouge ont de 1mm,9 à 2mm,5 de diamètre. Ils sont recouverts
d’un enduit de gutta-percha sulfurée de la même épaisseur que
le fil, parfaitement continu, et, en particulier, sans suture longi-
tudinale. Voici l’exposé sommaire du procédé qui sert à enduire
le fil de gutta-percha.


Une boîte métallique en forme de parallélépipède est percée,
à l’une de ces faces, d’une série de trous du diamètre du fil
nu, et à la face opposée d’une série correspondante de trous du
diamètre du fil enduit. A travers les trous correspondants sont
établis les fils nus, de manière, toutefois, à être centrés dans les
trous de la large espèce. La boîte est chargée de gutta-percha
[56] sulfurée à l’état plastique et soumise à une pression assez con-
sidérable pour qu’elle tende à s’échapper par les orifices annu-
laires qui subsistent entre le fil nu et les parois de la boîte dans
les trous de la large espèce. Mais, en sortant par ces orifices,
la masse plastique adhère au fil et l’entraîne dans son jet, en le
recouvrant d’une couche d’épaisseur égale sur tous les points.
La fabrique de MM. Fonrobert et Pruckner à Berlin, jusqu’ici
la seule en possession de cette industrie, fournit par jour à peu
près 40 kilomètres de fil enduit de gutta-percha.


Procédés pour s’assurer de l’isolement du fil. — Quelques
précautions que l’on prenne dans la confection du fil, il arrive
pourtant de temps à autre qu’il présente des points où, par une
légère solution de continuité de l’enduit, due surtout à la présence
de petites bulles d’air comprimé dans la masse plastique, l’isole-
ment se montre plus ou moins défectueux. Avant de livrer les
fils à l’usage, il faut donc tâcher d’éliminer ces imperfections.
Cela ce fait de la manière suivante.


L’ouvrier saisit de l’une de ces mains l’un des bouts d’une
hélice à induction, dont l’autre bout communique à l’une des ex-
trémités du fil. On fait passer successivement tous les points du
fil dans un baquet plein d’eau acidulée, dans laquelle l’ouvrier tient
l’autre main plongée. Les courants d’induction sont incessament
réveillés par l’action de l’appareil à lame vibrante du docteur Neef.
Aussitôt que dans la marche progressive du fil à travers le baquet
une solution de continuité de l’enduit permet à l’eau acidulée de
fermer le circuit en se mettant en contact avec le fil métallique,
l’ouvrier est en proie à des commotions tellement vives, qu’elles
ne sauraient échapper à la vigilance même la plus obtuse.


Après qu’on a fait disparaître, à l’aide d’artifices faciles à
imaginer, les défauts d’isolement rendus ainsi manifestes, le fil
est soumis à une dernière épreuve, qui consiste à l’immerger en
même temps dans toute sa longueur, ses deux bouts exceptés,
dans un baquet d’eau acidulée, dans laquelle plonge l’une des
extrémités d’un galvanomètre de 12000 tours à aiguille astatique,
dont l’autre extrémité communique, par l’intermédiaire d’une pile
de 8 couples de Daniell, à l’un des bouts du fil. Le moindre défaut
d’isolement qui existe encore dans le fil, se trahit aussitôt par
la déviation de l’index du galvanomètre.


[57]

Etablissement des fils souterrains. — On couche les fils, sans
autre lit artificiel, dans la tranchée ouverte sur le plateau du
chemin de fer à une profondeur de 0m,8. On a soin de souder
les bouts du fil qui atteignent une longueur d’environ 300 mètres,
et d’envelopper de gutta-percha les soudures. Le passage des
ponts s’effectue dans des tubes de fer. De pareils conduits existent
encore partout où, par suite de circonstances particulières, l’on est
obligé de donner au fil une position plus rapprochée de la surface
du sol. S’il s’agit de franchir des eaux en l’absence de ponts, ou
bien là où il n’y a que des ponts-levis, le même procédé est
encore mis en usage; seulement les tubes sont pourvus, de distance
en distance, de joints, de manière à rappeler l’aqueduc submergé
à queue de homard de l’illustre ingénieur écossais.


Procédés pour explorer l’isolement et la continuité du fil. —
Comme dans le transport et l’établissement du fil il est exposé
à bien des chances d’accident, il est nécessaire, pendant le progrès
du travail, de pouvoir s’assurer de temps en temps s’il n’y a pas
solution de continuité, soit du fil métallique, soit de l’enduit
isolant. Cela se fait aisément ainsi qu’il suit.


A la station, où l’on commence à coucher le fil, on place un
mouvement d’horlogerie, qui, de deux en deux minutes, fait com-
muniquer pendant quelques secondes l’extrémité du fil au sol.
Chaque fois que les ouvriers sont arrivés à un bout du fil, ils
établissent de leur côté une communication permanente entre son
extrémité libre, un galvanomètre, une pile et le sol. Si le fil mé-
tallique est intact, il faut que de deux en deux minutes l’aiguille
éprouve une déviation, et si l’isolement est parfait, il faut que dans
les intervalles elle revienne à zéro.


Procédés pour découvrir le lieu précis de solutions de conti-
tinuité, soit de l’enduit isolant, soit du fil métallique
. — Malgré
toutes ces précautions il peut se faire que sur une ligne sou-
terraine d’exécution irréprochable à l’origine il se développe dans
le cours du temps des défauts d’isolement ou de conduction plus
ou moins graves. Ce sont ou bien des lésions de l’enduit, qui,
effectuées dans le transport ou dans l’enterrement du fil, donnent
peu à peu accès à l’humidité du sol, ou bien de pareilles lésions
produites par la pioche des ouvriers terrassiers dans des travaux
imprudemment exécutés dans le voisinage du fil sur le plateau
[58] du chemin de fer, ou bien enfin des lésions dues à la malveillance.
Ces deux dernières causes peuvent même amener une rupture
totale du fil. Il s’agit donc maintenant de trouver les moyens
de reconnaître sans trop de peine et dans le plus court délai
possible le lieu précis de ces deux genres de lésion.


Quant aux défauts d’isolement, l’opération est susceptible
d’être singulièrement abrégée à l’aide d’une formule que je vais
indiquer. Désignons par A et B les stations télégraphiques, entre
lesquelles existe la lésion de l’enduit. Nous nommerons extrémité A,
extrémité B du fil, les extrémités qui se trouvent aux stations A et B.
Soient de plus a et b les résistances du fil comprises entre les stations
A et B et le lieu de la lésion, α et β les résistances qu’éprouve un
courant à passer du fil au sol par les plaques métalliques submergées
aux stations A et B, enfin γ la résistance qu’un courant éprouve à
passer du fil au sol à l’endroit de la lésion. Alors, faisant commu-
niquer directement au sol l’extrémité B du fil et l’extrémité A par
l’intermédiaire d’une pile, et nommant d’ailleurs s et s' les intensités
des courants mésurées en A et B à l’aide de galvanomètres compa-
rables, on aura
, d’où l’on tire
.

Maintenant, qu’on renverse la disposition de manière que ce
soit l’extrémité A, qui communique directement au sol, et l’extré-
mité B, où se trouve la pile. En donnant au courant la direction
contraire dans le fil, afin que la polarisation en γ ait la même
valeur qu’auparavant, et nommant d’ailleurs σ et σ' les nouvelles
intensités des courants en A et B, l’on aura cette fois
.

En divisant la seconde équation par la première, on élimine γ
et l’on trouve:
, d’où l’on déduit le rapport de a et b. Dans cette formule, on n’a
pas tenu compte de la résistance de la pile; mais sur des lignes
[59] télégraphiques d’une longueur tant soit peu considérable, cette
résistance par rapport aux autres résistances est assez petite pour
être négligée sans inconvénient. La même considération pourra
presque toujours s’appliquer aux constantes α et β, dont la somme
revient à ce que l’on est convenu d’appeler la résistance de la terre;
sinon, il faudra avoir déterminé α et β par des expériences préalables.


Quelque imparfaites que restent nécessairement les mesures
de ce genre, la formule que je viens de donner, sert pourtant à
déterminer le lieu d’une lésion de l’enduit isolant à un centième
près de la longueur des lignes tant soit peu étendues et d’ailleurs
bien isolées. On arrive par là du moins à connaître les deux
stations du chemin de fer, entre lesquelles existe la lésion. Pour
en reserrer le lieu entre les limites plus étroites, on procède de
la manière suivante.


Les extrémités A et B du fil étant isolées, l’on se transporte
au milieu du trajet compris entre les deux stations du chemin
de fer, on y coupe le fil, et l’on en réunit successivement les
deux bouts au sol par l’intermédiaire d’une pile et d’un galvano-
mètre d’une sensibilité appropriée. Evidemment la lésion doit se
trouver du côté de l’endroit coupé, où l’on observe une déviation
de l’aiguille. Ainsi la longueur du fil qui renferme la lésion, est
réduite de moitié. Après avoir rétabli le fil, on va répéter la
même opération au milieu de la distance comprise entre les nou-
velles limites, et ainsi de suite. Douze bisections pareilles a peu
près, entre deux stations du chemin de fer de la distance moyenne
usitée en Allemagne (20 kilomètres), suffisent pour préciser le lieu
de la lésion à quelques mètres près. Alors il n’y à plus qu’a
déterrer une longueur correspondante du fil et à rétablir l’intégrité
de l’enduit par les procédés convenables.


Pour déterminer le lieu d’une rupture du fil métallique, on
établit à l’une des stations télégraphiques une pile en communi-
cation d’une part avec le fil, de l’autre avec le sol. On s’assure
de l’intégrité du circuit entre un endroit donné et la pile, en
plongeant dans l’enduit isolant, jusqu’au contact du fil métallique,
un stylet acéré, au bout duquel on applique la langue; on reconnaît
aisément la présence du courant à la saveur particulière qu’il
développe. Quoique ce moyen suffise, il va sans dire que l’on peut
aussi se servir du galvanomètre.


[60]

Si l’on a eu soin, dans l’établissement de la ligne, d’établir
de distance en distance des points d’un accès facile au fil souterrain,
et si dans le cours de l’opération on accélère le transport des
ouvriers à l’aide d’une draisine, il suffit d’un couple d’heures
pour rétablir l’intégrité soit du fil métallique, soit de l’enduit
isolant, sur un trajet d’une vingtaine de kilomètres.


Frais des fils souterrains. — Le prix du fil enduit de gutta-
percha, tel qu’il est employé sur les lignes du gouvernement prus-
sien, est à Berlin à peu près 400 francs par kilomètre, le kilo-
mètre pesant 50 kilogrammes. Pour les lignes des chemins de fer
on se contente d’un fil qui ne pèse que la moitié, et dont le kilo-
mètre en conséquence ne revient qu’à un peu plus de 200 francs.
L’établissement du fil revient dans l’Allemagne septentrionale
à 80—100 fr. par kilomètre, dépense qui toutefois se répartit égale-
ment sur le nombre de fils que l’on couche à la fois.


Avantages des fils souterrains. — Les frais des fils souterrains
en place excèdent donc dans la plupart des cas ceux des fils
aériens. Outre cet inconvénient on peut leur en reprocher encore
un autre, savoir que, pour établir des fils additionnels sur une
ligne télégraphique déjà existante, il faut ouvrir une nouvelle
tranchée dans toute l’étendue de la ligne, tandis que, dans le sy-
stème des fils aériens, les mêmes poteaux peuvent servir pour aug-
menter à volonté jusqu’à une certaine limite le nombre des fils
suspendus.


Malgré cela, comme on va le voir, l’avantage, même sous le
rapport des frais, est incontestablement du côté du système sou-
terrain.


Effectivement les conduits aériens sont sujets à deux causes
de détérioration qui en nécessitent le renouvellement à des époques
plus ou moins rapprochées. L’une de ces causes réside dans la
pourriture des poteaux continuellement exposés à toutes les intem-
péries de la saison; l’autre, dans une modification moléculaire qui
s’opère dans les fils, soit par la transmission incessante des courants
électriques, soit par la tension à laquelle ils sont soumis et les
vibrations qui en résultent à chaque courant d’air. Par suite de
cette modification les fils, après un certain temps, deviennent
cassants au point de se rompre, surtout par un froid rigoureux,
par l’effet d’un simple coup de vent. Cet accident se reproduisant
[61] presque journellement sur les divers points de lignes étendues, il
devient indispensable de renouveler les fils.


Les fils souterrains, au contraire, depuis trois ans qu’ils sont
en terre, n’ont encore éprouvé la moindre altération appréciable de
leur surface. On en peut conclure qu’il s’écoulera un temps presque
indéfini jusqu’à ce que l’altération, dont ils pourraient être menacés,
atteigne le fil métallique. Ils ne sont pas sujets à se rompre,
même quand ils seraient devenus cassants par l’effet de la transmis-
sion des courants, puisqu’ils ne sont soumis à aucune espèce d’ef-
fort mécanique. La durée de service des fils souterrains étant
ainsi assurée, tandis que celle des fils aériens est restreinte à des
limites assez étroites, il est évident qu’en dernière analyse les pre-
miers coûtent moins cher que les derniers.


Pour ce qui concerne la sûreté du service, il va sans dire
d’abord que les mêmes détériorations, qui après un certain temps
exigent impérieusement le renouvellement des fils aériens, commen-
cent par porter atteinte à la régularité des communications, et que,
sous ce rapport déjà, les fils souterrains offrent des garanties bien
supérieures. Tandis que les fils aériens sont exposés à toute sorte
d’accidents, ainsi qu’aux attaques de la malveillance, les fils
souterrains, presque entièrement à l’abri des premiers, échappent
encore facilement aux derniers, lors même que leur parcours sur
le plateau du chemin de fer ou de la grande route serait connu des
agresseurs. Il y a plus, si l’isolement des fils souterrains n’est
peut-être jamais aussi parfait que celui des fils aériens suspendus à
l’aide de cloches dans des conditions atmosphériques favorables, cet
isolement est, en revanche, complètement exempt des vicissitudes,
auxquelles l’isolement des fils aériens est si fort sujet. Or, comme
on l’a dit à l’entrée de ce chapitre, c’est précisément là le point
essentiel. Aussi n’est-il pas beaucoup plus rare de voir les télé-
graphes électriques à fils aériens mis hors de service par l’effet
d’une abondante pluie d’été, ou d’une copieuse chute de neige, que
cela n’était le cas autrefois pour les télégraphes optiques. Les fils
souterrains, au contraire, n’offrent pas même des traces de pareilles
influences et fonctionnent par tous les temps, hiver et été, avec
cette régularité qu’on avait d’abord eu l’espoir d’obtenir des télé-
graphes électriques, espoir auquel le système des fils aériens a si
peu répondu. Enfin, et comme on pouvait s’y attendre, la marche
[62] des télégraphes souterrains n’est que très-rarement entravée par
les influences de l’électricité atmosphérique, troisième grande classe
de perturbations, qui, ainsi qu’on l’a vu plus haut, vient mettre le
comble aux embarras qui compromettent la sûreté du service des
télégraphes à fils aériens. Ni les courants d’électricité atmosphéri-
que par un ciel serein, ni les courants induits par le mouvement
des nuages électriques, ni enfin les décharges brusques et délétères
en temps orageux n’ont de prise sur les fils souterrains à raison
de la couche conductrice de sol humide qui les recouvre. Il ne reste
pour les fils souterrains, en fait de perturbations de ce genre, que
des courants provenant du choc en retour, qui se manifestent
parfois dans le circuit en temps d’orage au moment d’une forte
décharge.


Phénomènes remarquables qu’offrent les conduits souterrains.
— Voici un phénomène bien remarquable qu’on a constamment
l’occasion d’observer sur de longues lignes télégraphiques bien
isolées. Supposons que l’extrémité B du fil soit isolée, et qu’on fasse
communiquer l’autre A à une pile dont l’autre pôle est réuni au
sol. A l’instant où l’on établit la communication, on observe dans
les parties du fil qui ne sont pas trop éloignées de la pile, un courant
de courte durée dans la direction du courant instantané qui s’éta-
blirait, si l’on fermait le circuit en réunissant l’extrémité B au sol;
sur les lignes d’isolement parfait, il ne reste aucune trace de ce
courant. Remplaçant tout à coup, à l’aide d’une bascule, la pile
par un conducteur inerte, on obtient un second courant instantané
d’intensité à peu près égale à celle du premier, mais cette fois en
sens inverse. Rompant ensuite à l’extrémité A toute communication
avec la pile et le sol, de manière à tenir cette extrémité isolée, et
réunissant au même instant au sol l’extrémité B, on observe encore
un courant instantané d’intensité à peu près égale et cette fois
de nouveau dans le sens du premier, c’est-à-dire du courant con-
tinu de la pile à circuit fermé. Cette dernière expérience ne peut
se faire, bien entendu, que lorsqu’on dispose d’une ligne à double
fil conducteur souterrain; alors les extrémités A et B du fil sont
supposées se trouver à la même station, les extrémités correspon-
dantes du double fil, à la station opposée, étant réunies bout à
bout et isolées du sol de manière à ne former qu’un circuit
unique.


[63]

On pourrait, au premier coup-d’oeil, et en n’ayant égard qu’à
la direction des courants, être tenté d’admettre que ces phénomènes
sont dus à des polarités secondaires développées sur le fil. Mais
bien des faits viennent combattre cette opinion. 1°. Les phéno-
mènes sont d’autant plus prononcés que le fil est mieux isolé. 2°.
Les courants sont de beaucoup plus courte durée que ceux dus
aux polarités secondaires. 3°. L’intensité des courants est propor-
tionnelle à la force de la pile, et indépendante de l’intensité du
courant dérivé, s’il en existe par suite d’imperfections de l’isole-
ment; il s’ensuit que l’intensité des courants instantanés peut
dépasser de beaucoup le maximum auquel, dans le même circuit,
l’intensité du courant dû aux polarités secondaires est assujettie.
4°. Enfin, l’intensité des courants instantanés est proportionnelle
à la longueur du fil, tandis qu’une relation inverse devrait avoir
lieu, si ces courants provenaient de la décharge de polarités se-
condaires.


Ainsi, il n’y a pas à songer à ces polarités pour l’expli-
cation du phénomène. Mais, pour le comprendre très-facilement,
il n’y a qu’à se rappeler la belle expérience, par laquelle Volta
fournit la preuve la plus éclatante de l’identité du galvanisme et
de l’électricité. Le physicien de Côme montra qu’en faisant com-
muniquer au sol l’une des extrémités d’une de ses piles et l’autre
à l’armature interne d’une batterie de Leyde non isolée, l’on
obtient, dans un espace de temps presque insensible, une charge
de la batterie proportionnelle à la force de la pile. En même
temps, on observe dans le conducteur, entre la pile et l’armature
interne, un courant instantané qui, d’après Ritter, offre toutes les
propriétés d’un courant ordinaire.


Or il est évident que le fil souterrain, avec son enduit isolant,
peut être exactement assimilé à une immense batterie de Leyde.
Le cristal des jarres, c’est l’enduit de gutta-percha; l’armature
interne, c’est la surface du fil de cuivre rouge; l’armature externe
enfin, c’est le sol humide qui fonctionne, en ce cas, comme la
main dans la première expérience du chanoine de Dantzig. Pour
se faire une idée de la capacité de cette nouvelle espèce de batterie,
il n’y a qu’à réfléchir que la surface du fil équivaut à environ
7 mètres carrés par kilomètre.


Faisant communiquer le fil par l’une de ses extrémités à une
[64] pile, dont l’autre extrémité communique au sol, tout en maintenant
isolée l’autre extrémité du fil, il faut que le fil prenne une charge
de même signe et de même tension que le pôle de la pile qu’on
lui fait toucher. C’est là ce qui se passe dans le premier des
courants instantanés, dont je viens de dénoter la présence. Dans
l’expérience de Volta, en rompant la communication entre la pile
et la batterie, et en établissant un arc conducteur entre les deux
armatures, on obtient la décharge comme à l’ordinaire. C’est à
cette décharge que correspondent, comme il est aisé de voir,
les deux courants instantanés que l’on observe en sens inverse
l’un de l’autre aux deux extrémités du fil, en faisant communiquer
ces extrémités au sol, à l’exclusion de la pile. On comprend
d’ailleurs que le premier courant instantané, celui dans lequel
s’opère la charge du fil, doit se produire également, quoiqu’à une
moindre intensité, lors même que l’autre extrémité du fil com-
munique au sol. Le courant instantané alors précède le courant
continu, ou, si l’on aime mieux, s’ajoute à lui dans les premiers
moments. Du reste, ce courant instantané a une intensité beaucoup
plus grande que le courant continu, sans doute parce que, dans
l’acte de la charge du fil, l’électricité, pour se rendre aux différents
points du fil, parcourt des chemins d’autant plus courts que ces
points sont plus rapprochés de la pile.


Quoi qu’il en soit, ces phénomènes, que je signale à l’atten-
tion des physiciens, impliquent, dans la construction d’appareils
destinés à desservir les lignes télégraphiques souterraines, cer-
taines dispositions dont il sera question plus tard.


Une autre singularité qu’offrent les fils souterrains c’est que,
quand il y a un circuit dérivateur par suite de l’isolement dé-
fectueux du fil, le courant dérivé qui existe dans ce circuit paraît
constamment d’une intensité plus grande quand le fil prend à la
pile l’électricité positive qu’en établissant la communication en
sens contraire. Malheureusement, l’étude de ce phénomène laisse
encore beaucoup à désirer, par la raison qu’il ne se produit d’une
manière tranchée que sur les lignes d’un isolement très-défectueux.


Je m’exprimerai avec plus de réserve sur un troisième phé-
nomène que je crois avoir constaté sur les lignes souterraines,
c’est la production de courants d’intensité et de direction variable
par l’effet des variations des éléments du magnétisme terrestre,
[65] qui accompagnent les aurores boréales. J’ai observé le fait le
plus saillant de ce genre le 18 octobre 1848 sur la ligne de
Berlin à Coethen de 20 milles d’Allemagne (environ 150 kilo-
mètres) de longueur, dirigée à peu près de l’E.-N.-E. à l’O.-S.-O.,
par conséquent presque normale au méridien magnétique. A la
nuit tombante une magnifique aurore boréale se déclara à l’horizon,
et dans le cours de la même soirée, comme j’appris plus tard
par les journaux, tous les télégraphes électriques de l’Angeleterre
refusèrent le service. Du reste, les fils aériens semblent devoir
être également soumis à la même influence: seulement au milieu
des nombreuses perturbations dont ces fils sont le siège, les cou-
rants d’induction magnéto-tellurique ne pourront pas être aussi
facilement distingués.


Chapiter II. — Des appareils télégraphiques.


Division des télégraphes électriques en deux classes. — Les
télégraphes actuellement en usage peuvent être répartis en deux
classes, savoir: 1° en télégraphes que je nommerai à signaux
combinés
, et 2° en télégraphes alphabétiques ou à cadran. Dans
les télégraphes de la première espèce, chaque signal, équivalant
par exemple à une lettre de l’alphabet, résulte de la combinaison
d’un certain nombre de signaux élémentaires simultanés ou suc-
cessifs. Dans les télégraphes de la seconde espèce une aiguille
qui parcourt un cadran par une succession de mouvements élé-
mentaires de même nature est susceptible de s’arrêter en un point
choisi du cadran et d’établir ainsi la correspondance.


Comparaison des deux classes de télégraphes électriques. —
Si l’on fait la comparaison de ces deux grandes classes d’appareils
télégraphiques, on arrive bientôt à voir que, sous le rapport si
essentiel de la sûreté du service, les télégraphes à cadran l’em-
portent d’une manière notable sur ceux à signaux combinés. En
effet, tandis que ces derniers exigent de la part des employés
une dextérité particulière souvent très-considérable et très-difficile
à acquérir, les télégraphes à cadran sont d’un usage facile, et
pour ainsi dire à la portée de tout le monde. Les signaux des
télégraphes à cadran se réduisent toujours à la coïncidence d’une
aiguille avec un des signes inscrits autour du cadran; il ne faut,
5
[66] pour les saisir, qu’un seul acte d’attention de la part de l’em-
ployé qui reçoit la dépèche. Au contraire, les signaux combinés
exigent autant de pareils actes qu’il y entre de signaux élémen-
taires. Cette espèce de signaux doit dont nécessairement fatiguer
beaucoup plus l’attention des stationnaires, et les chances d’erreur
se trouvent pour elle multipliées par le nombre moyen des signaux
élémentaires qui entrent dans la composition d’un signal combiné.
Il y a plus: à l’instant où, par une cause quelconque, les aiguilles
des télégraphes à cadran se sont détachées, l’employé est mis
au fait de l’accident soit par l’incohérence de la dépêche, soit,
si elle est en chiffres, par le désaccord entre les signaux de
rapport. Dans les télégraphes à signaux combinés, chaque signal
étant indépendant de ceux qui ont précédé, l’employé en recueillant
la dépèche n’est averti par rien de ce qu’elle est fautive, ce qui
peut donner lieu aux plus graves inconvénients. Et bien entendu,
l’impression des dépèches, ou leur fixation immédiate par tout
autre procédé, ne saurait rémédier à ce défaut, puisque ce mode
de transmission est bien capable d’éliminer les fautes de lecture,
mais non celles provenant de désordre des appareils.


Ainsi, la supériorité des télégraphes à cadran sur ceux
de l’autre espèce, sous le rapport de la sûreté, se trouve en prin-
cipe bien établie. Si, malgré cela, les télégraphes à signaux com-
binés sont aujourd’hui de beaucoup les plus répandus, il en faut
chercher la raison dans plusieurs circonstances. D’abord le mé-
canisme des télégraphes à cadran est en général plus compliqué,
et, par suite, le prix en est plus élevé. Ensuite ces télégraphes
ne paraissaient pas, jusqu’a présent, susceptibles de fonctionner
avec la même vitesse que les télégraphes à signaux combinés,
parce qu’il y a toujours entre chaque lettre et la suivante, le
temps perdu que l’aiguille met à parcourir la partie de la cir-
conférence du cadran comprise entre les deux lettres. Enfin, dans
les essais qu’on avait fait jusqu’ici, la marche des télégraphes à
cadran s’était toujours montrée excessivement sujette à toutes
sortes de désordre, surtout par des variations de l’intensité
des courants, comme elles ont lieu si fréquemment dans les cir-
cuits à fils aériens.


Dans la construction du télégraphe à cadran, dont on va
lire une description sommaire, je crois avoir été assez heureux
[67] pour conserver tous les avantages de cette espèce d’appareils,
tout en trouvant les moyens d’en éviter, du moins en grande
partie, les inconvénients.


Description d’un nouveau télégraphe à cadran. — Qu’on
s’imagine une pièce de fer doux pivotant autour d’une axe qui
passe par son centre de gravité, et servant d’armature à un ai-
mant temporaire, dont toutefois un ressort tend constamment à
la tenir éloignée. Quand on ferme le circuit d’une pile et de
l’aimant, l’armature est attirée. Mais les choses sont disposées
de manière que, par ce mouvement même de l’armature, le cir-
cuit se rouvre. Aussitôt le ressort reprend le dessus et rapelle
l’armature; mais par ce mouvement même de l’armature, opéré
en sens inverse du premier, le circuit est fermé de nouveau. On
comprend que le même jeu doit se reproduire indéfiniment, et
de là des oscillations de l’armature, qui peuvent acquérir une
très grande vitesse, proportionnelle toujours à l’intensité du cou-
rant qui anime l’aimant temporaire. Ces oscillations de l’arma-
ture sont le principe moteur de mon télégraphe.


En effet, l’armature porte un levier, à l’extrémité duquel se
trouve un encliquetage s’engageant dans les dents d’une roue à
rochet. Chaque rappel de l’armature fait faire un pas à la roue,
qui tourne ainsi dans une direction déterminée avec une vitesse
proportionnelle à l’intensité du courant. L’axe de la roue porte
une aiguille qui parcourt incessament le cadran à signaux. Au-
tour du cadran sont inscrites les lettres de l’alphabet ou tels
signes qu’on voudra, en nombre égal à celui des dents de la
roue à rochet. A chaque oscillation de l’armature répond donc
un signe parcouru par l’aiguille du cadran.


Inutile de dire, du reste, que le levier d’encliquetage sert
aussi à fermer et à rouvrir le circuit. A cet effet, ce levier os-
cille entre les deux bras d’une espèce de fourche susceptible d’un
petit mouvement latéral de va-et-vient dans le plan qui passe par
les deux bras de la fourche. Ce petit mouvement latéral, dans
l’un des sens, a pour résultat de fermer le circuit, en établissant
le contact entre le bras correspondant de la fourche et une pièce
d’arrêt conductrice. Le mouvement latéral de la fourche dans
l’autre sens, au contraire, a pour résultat d’ouvrir le circuit en met-
tant fin au contact qui vient d’être indiqué. Dans cette direction
5*
[68] le mouvement de la fourche est limité par un butoir en pierre, et
par conséquent isolant. Dans ses excursions de chaque côté le
levier vient alternativement s’appuyer sur l’un et l’autre bras de la
fourche, et la déplacer tantôt dans un sens, tantôt dans l’autre. On
comprend donc, comment il fait pour fermer et rouvrir alternative-
ment le circuit. Mais pour assurer la position de la fourche dans
les deux temps, il y a encore une disposition particulière. L’espèce
de levier qui, situé sous le levier d’encliquetage, porte la fourche,
se prolonge, au delà, en un ressort dont l’extrémité est garnie
d’une pierre taillée en forme de cône obtus. Le sommet de ce
cônes appuie sur une pierre taillée en forme de toit à angle très
ouvert. Chaque fois que le levier d’encliquetage fait changer de
position à la fourche, le cône franchit l’arête du toit; et l’action
du ressort qui tend à faire glisser le sommet du cône sur le plan
incliné du toit, presse le bras de la fourche contre le butoir cor-
respondant, et empêche ainsi le circuit de se fermer ou de se
rouvrir par l’effet des tremblements de la fourche, avant que le
levier, à la fin de l’excursion suivante, vienne lui-même remplir
cet office en temps opportun.


A la station opposée de la ligne télégraphique se trouve un
appareil tout semblable, et le même courant, provenant de deux
piles disposées dans le même sens aux deux stations, anime les
électro-aimants des deux appareils. L’interruption d’un circuit
en un seul endroit suffisant pour enrayer le courant dans toute
l’étendue du circuit, on comprend à l’instant que chaque fois que
l’armature est rappelée dans l’appareil A, elle l’est également
dans l’appareil B. Mais il n’est pas moins évident que l’arma-
ture A ne peut être attirée de nouveau par suite du rétablisse-
ment du contact en A avant que le ressort ait également rétabli
le contact en B. Il s’ensuit que les oscillations des armatures
en A et B devront être parfaitement synchrones. Donc aussi
les mouvements des aiguilles sur les cadrans en A et B devront
se correspondre exactement, et si, à l’origine, elles ont été dis-
posées d’une manière homologue, elles devront à chaque instant
de leur course spontanée, incessante et rapide indiquer la même
lettre du cadran.


Pour transmettre des signaux à l’aide de ces appareils il
n’y a donc plus qu’à trouver le moyen d’arrêter l’aiguille à une
[69] lettre donnée, la même sur les deux cadrans. Ce moyen est bien
simple. Il suffit évidemment pour cela d’empêcher le circuit de
se fermer de nouveau par l’action du ressort de l’appareil A, quand
l’aiguille sera arrivée à la lettre donnée, puisqu’alors le circuit
restant également ouvert pour l’appareil B, le courant ne pourra
plus passer, et qu’aucune des deux armatures ne sera attirée jus-
qu’à ce qu’on ait permis au ressort de l’appareil A de fermer le
circuit. A cet effet, on a disposé autour du cadran, qui d’ailleurs
est horizontal, un clavier circulaire dont les touches correspondent
aux lettres du cadran. En pressant une touche on abaisse une
cheville que vient rencontrer un bras fixé à l’axe de la roue à
rochet parallèlement à l’aiguille du cadran. La roue se trouve
ainsi arrêtée précisément au milieu du pas qu’elle allait accomplir
par l’action du ressort; par suite, le levier d’encliquetage reste
en suspens entre les bras de la fourche, et le circuit ne peut pas
se fermer de nouveau par l’action du ressort jusqu’à ce qu’on ait
enlevé l’obstacle en ôtant le doigt de la touche. A l’autre sta-
tion rien n’empêche pendant ce temps la roue à rochet d’accom-
plir son pas en entier, et le ressort de fermer le circuit; mais
le circuit étant ouvert en A, l’armature n’est point attirée de
nouveau, et l’aiguille en B s’arrêtera donc à la lettre voulue
un instant après celle de l’appareil A. Ainsi l’on a à chaque
station un cadran, sur lequel, lorsqu’on est en correspondance,
circule incessament une aiguille que chacun des stationnaires peut
arrêter à volonté à chaque compartiment du cadran; presque au
même instant l’aiguille sur le cadran de l’autre station s’arrête
au même compartiment.


Carillon d’alarme et méthode de se mettre en correspondance.
— A chacun de mes télégraphes est adapté un carillon d’alarme,
dont la construction et le jeu reviennent presque exactement à
ceux des appareils télégraphiques avec cette seule différence que
le levier que porte l’armature ne sert plus à faire mouvoir la
roue à rochet, mais que les oscillations de ce levier sont em-
ployées directement à frapper de coups redoublés le timbre du réveil.


Dans les temps de repos, lorsqu’on ne veut pas correspondre,
le circuit entre les deux stations A et B est formé uniquement
du fil conducteur, de la terre, et, à chaque station, des bobines
du carillon d’alarme, dont le ressort de rappel tient le circuit
[70] fermé. Quand le stationnaire A vent parler au stationnaire B,
il retire du circuit son carillon et le remplace par une pile et
par l’appareil télégraphique. Alors l’appareil télégraphique reste
immobile, tandis que le carillon de la station B donne l’alarme.


D’après ce qu’on a vu plus haut à l’égard de la solidarité
nécessaire des mouvements des aiguilles de deux de mes appareils,
c’est-à-dire des oscillations de leurs armatures, il doit paraître
surprenant que deux appareils semblables, le télégraphe et le ca-
rillon, puissent se trouver dans le même circuit, l’un marchant,
l’autre ne marchant pas. Pour comprendre ce phénomène il faut
se rappeler le fait, que le magnétisme temporaire du fer doux
par l’action du courant ne prend tout son développement qu’après
un certain temps écoulé. Qu’on s’imagine maintenant que dans
deux appareils installés dans le même circuit, le ressort de rappel
de l’un, A, soit hors de toute proportion plus fort ou plus tendu
que celui de l’appareil B. Alors, quand l’armature de B aura
déjà été attirée, l’aimant de A n’aura encore acquis peut-être
que la force nécessaire pour faire équilibre au ressort; et le cir-
cuit s’étant ouvert en B par le mouvement de l’armature, il n’est
pas non plus possible, en ce cas, que l’aimant de A acquière
jamais cette force. L’armature de A restera donc forcément im-
mobile, et le circuit constamment fermé de ce côté; il s’ensuit
que l’appareil B marchera seul. Une semblable discordance peut
encore se produire par d’autres causes, dont il sera question plus
tard. Le moyen d’y rémédier est aisé à deviner. Il suffit pour
cela de donner aux ressorts des deux appareils les tensions con-
venables à l’aide d’une vis accessible de dehors. Mais, dans
les carillons d’alarme, c’est le contraire qu’on a fait; on a pro-
fité de la possibilité d’un pareil désaccord pour placer dans le
même circuit le télégraphe de la station A, qui veut se mettre
en correspondance, et le carillon de la station B, dont le gardien
doit être averti. A cet effet, le ressort des carillons d’alarme a
été fait plus faible que celui des télégraphes, au point que les
appareils étant installés à la fois dans le circuit, les premiers
marchent déjà rapidement par l’action de la pile de l’autre sta-
tion, tandis que les derniers dans ces circonstances restent en-
core immobiles.


L’utilité de cet arrangement est facile à saisir. En effet, pour
[71] achever d’établir la correspondance, le stationnaire B, averti par
le réveil, retire du circuit son carillon d’alarme et le remplace
par le télégraphe et la pile; aussitôt les télégraphes marchent
ensemble. Cela ne pourrait pas avoir lieu, si le stationnaire A,
en donnant l’éveil, n’avait pas d’abord introduit son télégraphe
dans le circuit, et il n’aurait pas pu le faire, sans que, par suite,
les aiguilles des deux télégraphes se fussent trouvées détachées
l’une de l’autre, si son télégraphe n’était pas resté immobile pen-
dant que le carillon de l’autre station marchait.


Il va sans dire que toutes ces opérations, qui, à la première
vue, pourraient paraître compliquées, se font simplement en don-
nant différentes positions au levier d’un commutateur. Avant
d’entrer en besogne, les stationnaires s’assurent réciproquement
de la marche correspondante de leurs aiguilles par un signal
convenu, qui consiste à marquer les blancs du cadran. Si les
aiguilles s’étaient détachées, on les règle à l’aide d’une disposi-
tion qui permet de mouvoir l’aiguille sur son cadran en faisant
osciller l’armature à circuit ouvert par les pressions successives
qu’on exerce sur un bouton.


Intensité des courants employés à faire marcher le nouveau
télégraphe à cadran
. — Comme marche normale de mes télé-
graphes à cadran je considère celle où l’aiguille parcourt par
seconde la demi-circonférence, soit quinze signaux télégraphiques.
Pour obtenir cette vitesse, à l’exclusion de résistances étrangères
aux appareils, je fais usage d’une pile de 5 couples de Daniell
pour chaque appareil. Mais le nombre de couples nécessaires est
loin de s’accroître en proportion de la longueur du circuit télé-
graphique qui sépare les appareils. Ainsi, avec les fils sou-
terrains, les nouveaux télégraphes marchent très-bien à une dis-
tance de 50 milles d’Allemagne (environ 400 kilomètres), quand
ils sont animés de chaque côté par une pile de 25 couples de
Daniell. D’ailleurs, on ne fera usage de cette disposition que sur
des lignes dénuées de stations intermédiaires. Là où de pareilles
stations existent, il sera bien plus avantageux, quand il s’agira
de correspondre entre les stations extrêmes, de faire simplement
entrer dans le circuit les piles des stations intermédiaires, à l’ex-
clusion des télégraphes qui s’y trouvent, que d’accumuler indéfini-
ment les couples aux stations extrêmes.


[72]

Appareil additionel ou transmetteur servant à faire fonctionner
le télégraphe à de grandes distances
. — De quelque manière qu’on
s’y prenne, il faudra toujours, pour faire fonctionner convenable-
ment les télégraphes à de très grandes distances, augmenter le
nombre des couples dans une proportion qui finit par entraîner
de graves inconvénients. C’est pour parer à ces inconvénients,
que je munis en ce cas mes télégraphes d’un appareil additionnel
qui permet de n’employer, même aux plus grandes distances, que
des piles d’un nombre de couples fort limité. Cet appareil offre
en principe la disposition suivante.


Quand on ferme les circuits des piles des deux stations, le
courant n’entre pas d’abord dans les bobines des aimants des
deux télégraphes, quoiqu’il soit bien assujetti à franchir les lieux
de contact dans ces deux appareils, dont les ressorts de rappel
garantissent, en temps de repos, la perméabilité électrique. Au
lieu de ces bobines le courant traverse celle des aimants tem-
poraires des transmetteurs, vis-à-vis des pôles desquels pivotent
des armatures tout semblables à celles déjà décrites du télé-
graphe et du carillon. Ces armatures sont disposées de manière
qu’aussitôt qu’elles sont attirées, elles ferment une interruption
qui existait jusqu’alors entre une pièce d’arrêt conductrice et
un levier fixé aux armatures. Cette interruption reste fermée
tout le temps que passe le courant. Quand le courant cesse, les
armatures sont rappelées par des ressorts qui, à l’inverse des
ressorts des télégraphes des carillons, tendent donc constamment
à rompre le contact au lieu de le maintenir. D’ailleurs, ces éta-
blissements et ces ruptures de contact étant le seul travail dont
les armatures des transmetteurs soient chargées, on a pu réduire
extrêmement leur course et donner à leurs ressorts une tension
incomparablement plus petite même que celle des ressorts des
carillons. Donc aussi le moindre filet de courant suffira pour
mettre en jeu ces appareils.


Maintenant, à l’instant où les armatures des aimants des
transmetteurs établissent les contacts indiqués, le courant de la
pile correspondante, qui jusqu’alors avait à parcourir uniquement
le circuit télégraphique, y compris les bobines des transmetteurs
et les lieux de contact des télégraphes, et qui dans cette route
se renforçait du courant de la pile de la station opposée, trouve
[73] tout à coup à parcourir un circuit dérivateur beaucoup plus court
et par conséquent beaucoup moins résistant. En effet, ce nou-
veau circuit, indépendamment des lieux de contact des transmet-
teurs, se compose, pour la pile de chaque station, uniquement
des bobines du télégraphe correspondant. Il existe donc pendant
tout le temps que les armatures des transmetteurs sont attirées,
ou bien, ce qui revient au même, que les lieux de contact des
télégraphes sont perméables, pour chaque pile deux circuits d’iné-
gale résistance. L’un de ces circuits est formé, comme on vient
de le voir, par les bobines du télégraphe; l’autre, c’est le circuit
télégraphique lui-même qui, à l’autre station, se continue d’abord
dans les bobines du transmetteur, et puis se ramifie en deux
embranchements, la pile d’une part, les bobines du télégraphe de
l’autre. Il est facile de comprendre que les intensités des cou-
rants, dans les différents circuits qu’on leur ouvre, étant en raison
inverse des résistances de ces circuits, les bobines des télégraphes
se trouveront ainsi traversées par des courants bien plus intenses
que si l’on leur avait fait faire partie simplement du circuit télé-
graphique avec les deux piles. Voilà donc les télégraphes qui
entrent simultanément en action par l’effet du filet de courant
qui seul franchit tout le circuit télégraphique. Examinons ce qui
va se passer ultérieurement.


Les armatures des télégraphes sont attirées, et pendant le
temps de leur course rien n’est encore changé. Mais sitôt qu’ar-
rivées au terme de cette course, les armatures interrompent le
contact dans les télégraphes, le courant qui animait les aimants
des transmetteurs cesse, l’armature de ces aimants est rappelée,
et par suite le courant dérivé immédiatement de la pile qui animait
les aimants du télégraphe cesse aussi. Les armatures des télégraphes
retombent à l’appel de leurs ressorts et font faire aux deux aiguilles
un pas correspondant. D’ailleurs, ces armatures, au terme de leur
chute, venant de nouveau fermer le circuit télégraphique pour les bo-
bines du transmetteur, le même jeu se renouvelle indéfiniment,
comme dans le cas des télégraphes marchant sans transmetteurs.


Il va sans dire que le courant qui anime les aimants des
transmetteurs, éprouve une diminution sensible de son intensité,
aussitôt que ces aimants, par l’attraction de leurs armatures, ont
fermé le circuit dérivateur de moindre résistance. Or il peut se
[74] faire que le courant qui reste, ne soit plus capable alors de vaincre
les ressorts de rappel des transmetteurs, en sorte que les aimants
des télégraphes ne trouvent jamais le temps nécessaire pour faire
décrire à leurs armatures une course complète. Les aiguilles des
télégraphes restent donc stationnaires et le circuit télégraphique
fermé, tandis que les armatures des transmetteurs oscillent ra-
pidement sous la seule influence des variations dans l’intensité
du courant qui parcourt leurs bobines; variations que ces arma-
tures produisent elles-mêmes en fermant et rouvrant alternative-
ment le circuit dérivateur. On peut rémédier à ce défaut, soit
en détendant le ressort des transmetteurs, soit en introduisant
dans le circuit télégraphique une pile auxiliaire d’une force appro-
priée, qui reste en dehors du circuit dérivateur, quand celui-ci
est établi à travers les bobines des télégraphes.


En remplaçant à l’une des stations le télégraphe par le
carillon, le premier reste immobile, pendant que le second marche;
en sorte que la manoeuvre pour donner l’éveil est encore tout à
fait la même avec les transmetteurs que sans ces appareils.


Les transmetteurs ralentissant toujours un peu la marche
des télégraphes, on fera bien de n’y avoir recours que sur des
lignes d’une grande étendue sans stations intermédiaires. Pour
bien faire marcher les télégraphes avec les transmetteurs, à l’ex-
clusion de résistances étrangères aux appareils, il faut 3 couples
de Daniell de chaque côté. A une distance de 400 kilomètres
entre les deux stations chaque pile devra être de 6 éléments.


Appareil à impression. — A chacun de mes télégraphes peut
être adapté un appareil à impression, qui imprime en caractères
ordinaires les lettres dont on abaisse les touches correspondantes.
Voici quelle est en principe la construction de cet appareil.


Il y a d’abord un aimant temporaire, une armature avec son
ressort, un levier d’encliquetage, une roue à rochet, tout semblables
à ce qu’on a vu dans les télégraphes. Quand on fait entrer les
bobines de l’aimant dans le circuit télégraphique, soit directement,
soit par un mode de transmission analogue à celui qui vient
d’être décrit, il s’entend que la roue marchera du même pas que
celle des télégraphes. A la place de l’aiguille, l’axe de la roue
porte cette fois-ci la roue-type de M. Wheatstone, divisée en
autant de secteurs faisant ressort qu’il y a de signaux au cadran,
[75] chaque secteur portant un poinçon. Dans le mouvement de la
roue, la lettre correspondante à celle qu’indique à chaque instant
l’aiguille du cadran se trouve précisément au-dessus d’un marteau.
Au-dessus de la roue est disposé un rouleau noirci, entre lequel
et le poinçon passe la bande de papier à imprimer. Le rouleau
est composé d’une multitude de disques de papier enfilés à son
axe semblables à ceux dont se compose une pile sèche de Zamboni.
Cet assemblage de disques a été comprimé à la presse hydraulique,
et la tranche travaillée au tour.


Il ne s’agit donc plus, à présent, pour imprimer, que de faire
en sorte que chaque fois que l’on abaisse une touche du clavier
d’un des télégraphes, le marteau frappe son coup de bas en haut.
Or il y a dans l’appareil un second aimant temporaire d’une
grande puissance, que nous appellerons l’aimant à impression,
et dont les bobines sont en relation avec une pile auxiliaire
ou locale.


Le levier d’encliquetage oscille comme dans le télégraphe,
au-dessus d’un levier muni d’une pièce analogue à celle que, dans
le télégraphe, nous avons nommée fourche. Mais cette pièce se
distingue de la fourche en question en ce qu’elle n’a plus qu’un
seul bras. Elle est encore susceptible, comme dans le télégraphe,
d’un petit mouvement latéral. Dans l’une des positions qui en
résultent, le bras seul existant de la fourche appuie contre une
pièce d’arrêt conductrice. Dans l’autre sens le mouvement du
levier portant la fourche est limité par un butoir en pierre. Du
reste les deux positions du levier sont, comme dans le télégraphe,
assurées par un cône en pierre frottant à ressort sur un toit en
pierre à angle très-ouvert. A l’endroit du levier d’encliquetage
qui répond à la fourche, ce levier porte de chaque côté un bouton,
l’un isolant, l’autre conducteur. Dans les temps de repos de
l’appareil le bouton conducteur, par l’effet du ressort de rappel
de l’aimant temporaire, s’appuie contre une pièce d’arrêt conductrice;
quand l’armature est attirée, au contraire, le levier va frapper
de son bouton isolant le bras de la fourche, et lui inflige la po-
sition dans laquelle ce bras est au contact de la pièce d’arrêt
conductrice.


Tout ce système, bien entendu, n’est plus engagé dans le
circuit de l’aimant temporaire qui meut le levier d’encliquetage,
[76] et dont les alternatives d’aimantation proviennent du jeu des télé-
graphes; mais c’est le circuit de l’aimant à impression qu’il s’agit,
à l’aide du système en question, de fermer et de rouvrir en temps
opportun. Il existe donc, pour ce dernier circuit, deux lieux de
contact, où il est sujet à être interrompu. Supposons, en effet, le
bras de la fourche dans la position où nous l’avions laissé, c’est-à-
dire appuyé contre la pièce d’arrêt conductrice et le bouton con-
ducteur du levier, par l’action du ressort également au contact de
la pièce d’arrêt correspondante. Alors le courant de la pile
auxiliaire chemine ainsi qu’il suit. Au sortir des bobines le
courant entre dans le levier qui porte la fourche, passe à l’endroit
d’interruption de la fourche dans la pièce d’arrêt conductrice, de
là il gagne le levier d’encliquetage, franchit le second endroit
d’interruption et en retourne ainsi à la pile et aux bobines.


Pour peu que le levier d’encliquetage s’écarte de la pièce
d’arrêt correspondante par l’action de l’aimant temporaire engagé
dans le circuit télégraphique, le circuit de l’aimant d’impression
sera donc ouvert, et, pour peu que le bras de la fourche s’écarte
de son côté de la pièce d’arrêt correspondante, le circuit sera
également ouvert. A l’origine et quand l’impression doit com-
mencer, la fourche se trouve dans cette dernière position, le levier
d’encliquetage, au contraire, touche sa pièce d’arrêt conductrice;
le circuit de l’aimant à impression est donc ouvert. Le courant
télégraphique arrive; aussitôt le levier, par l’attraction de l’arma-
ture qui le porte, va chasser le bras de la fourche contre la pièce
d’arrêt et mettre fin ainsi à l’une des interruptions du circuit
d’impression. Le télégraphe, rouvrant le circuit de l’aimant, permet
au levier d’obéir à l’action du ressort, le levier retombe contre
l’arrêt conducteur, et, cette fois enfin, le circuit de l’aimant à
impression est bien fermé. Mais il y a une autre circonstance
qui vient encore l’empêcher d’agir. En effet, cette clôture n’est
qu’instantanée, parce que l’armature à peine rappelée est attirée
de nouveau par l’effet de la clôture du circuit télégraphique.
Or, pour faire entrer en action l’aimant à impression qui n’est
pas, comme les autres électro-aimants de mes appareils, composé
de tubes concentriques et fendus dans leur longueur, il ne suffit
pas d’un courant instantané. Son magnétisme, en ce cas, n’atteint
pas la hauteur convenable. Mais qu’on vienne à presser l’une
[77] des touches du clavier de l’un des télégraphes, de manière à tenir
tant soit peu plus longtemps ouvert le circuit télégraphique que
cela n’a lieu dans la marche ordinaire de l’appareil; alors le
levier d’encliquetage se reposant un moment contre sa pièce d’arrêt
conductrice, le circuit de l’aimant à impression reste assez long-
temps fermé, le magnétisme a le temps de se développer et
l’armature est attirée. Voici maintenant les diverses fonctions
que, dans son mouvement, cette armature est appelée à remplir.


1°. Le marteau en suspens au-dessous de la lettre à imprimer
est, comme on l’a sans doute deviné, fixé au bout d’un levier que
porte l’armature de l’aimant à impression. Par l’attraction de
cette armature le marteau frappe donc son coup, et la lettre
correspondante à celle qu’indique l’aiguille du télégraphe se trouve
imprimée sur le papier.


2°. Conformément à la distribution des signaux autour du
cadran des télégraphes, deux secteurs diamétralement opposés de
la roue-type sont restés vides. Donc quand le marteau vient à
frapper l’un de ces vides, l’armature peut décrire un angle un
peu plus grand que dans le cas des pleins, où le poinçon vient
aussitôt rencontrer le rouleau à imprimer. Or cela a pour effet
qu’un autre levier fixé à l’autre extrémité de l’armature peut, dans
le cas des vides, atteindre un timbre d’horloge et le faire résonner.
Comme, entre les mots de la dépèche, il est utile de laisser des
blancs, on est, à chaque mot, en touchant les blancs du cadran,
averti par le son du timbre qu’il y a accord entre les positions
de l’aiguille sur le cadran et de la roue-type au-dessus du marteau.
Si, par suite d’un accident quelconque, cet accord n’existait plus,
il est toujours facile de le rétablir à l’aide d’une disposition qui
permet de mouvoir la roue en faisant osciller l’armature à circuit
ouvert par les pressions successives qu’on exerce sur un bouton.


3°. Si le circuit de l’aimant à impression restait fermé plus
longtemps que cela n’est absolument nécessaire pour que l’ar-
mature puisse faire frapper leur coup aux marteaux, il en résulterait
plusieurs inconvénients graves. La pression du marteau contre
le rouleau serait d’abord continue. Le magnétisme acquerrait dans
le fer doux un développement tel que l’aimant ne lâcherait point
l’armature assez vite après la rupture du circuit. Par suite, le
marteau pourrait accrocher la roue, et si cet accident n’arrivait
[78] pas, l’armature n’aurait certes pas le temps de retomber sous l’action
de son ressort dans sa position primitive. Or on va voir que c’est
dans sa chute que l’armature fait avancer du pas nécessaire le
rouleau à imprimer, et d’ailleurs si le prochain coup de marteau
ne partait que d’un point de la course de l’armature plus ou moins
éloignée de l’aimant, il n’y aurait pas assez de force vive accu-
mulée, et l’on ne pourrait pas imprimer deux lettres voisines
du cadran. Enfin, comme immédiatement après la rupture du circuit
il est sujet à être fermé de nouveau à de courts intervalles quoique
pour de petits espaces de temps seulement, il pourrait même se
faire que l’armature ne se détachât plus du tout de ses pièces
d’arrêt.


Pour parer à ces inconvénients, il est donc de la plus haute
importance que le circuit à impression soit ouvert l’instant après
que la lettre a été imprimée. Eh bien, c’est à cela que sert l’appareil
à double interruption qui a été décrit plus haut. En effet, à l’instant
même où le coup de marteau est frappé, un troisième levier fixé à
l’armature vient imprimer à la fourche le mouvement latéral con-
venable pour l’écarter de sa pièce d’arrêt conductrice, contre la-
quelle elle avait été chassée par la première excursion du levier
d’encliquetage. Le circuit à impression est alors ouvert, l’armature
de l’aimant à impression a tout le temps de retomber, et quand
on abandonne le télégraphe à lui-même en ôtant le doigt de dessus
la touche, la première excursion du levier d’encliquetage commence
par rétablir le contact entre le bras de la fourche et la pièce
d’arrêt conductrice.


4°. Enfin, ainsi qu’il vient d’être indiqué, l’armature de
l’aimant à impression remplit encore un dernier office indispen-
sable. Cet office consiste à faire tourner le rouleau à imprimer
d’un angle correspondant, à sa circonférence, à la largeur d’une
lettre de la roue-type. Cela arrive à l’aide d’un levier d’enclique-
tage et d’une roue à rochet convenablement disposés. Le rouleau,
en tournant, entraîne la bande de papier qui circule entre sa sur-
face noircie et la roue-type. Mais on conçoit que ce simple dé-
placement du rouleau ne suffit pas. En effet, il en résulte que
dans chaque nouveau tour du rouleau qui répond à cent lettres
y compris les blancs, les lettres viendraient s’imprimer exactement
aux mêmes endroits, en sorte que non seulement la couche de noir
[79] serait bientôt épuisée, mais qu’encore le rouleau s’userait de la
manière la plus inégale possible. Pour que cela n’ait point lieu,
il y a d’abord un arrangement tel que le rouleau soit déplacé
d’une petite fraction de sa longueur à chaque pas de la roue à
rochet; après cinq tours il se trouve déplacé à peu près de la
hauteur d’une lettre. Mais de cette manière on comprend que
l’impression s’opérerait toujours sur des bandes de la surface du
rouleau parallèles à son axe, de sorte qu’il resterait entre ces
bandes d’usage permanent des bandes plus étroites à la vérité,
qui ne seraient jamais usées. On a donc encore pris la précaution
d’imprimer au rouleau un petit mouvement de rotation en avant,
qui devient cause que les empreintes du marteau dans chaque
nouveau tour du rouleau ne répondent plus exactement aux em-
preintes faites dans le tour précédent, mais empiètent continuelle-
ment sur elles comme les traits d’un vernier sur ceux de la
division.


Artifice pour préserver de détérioration les endroits du circuit,
où éclate l’étincelle
. — Tous les constructeurs d’appareils électro-
magnétiques ne savent que trop combien les lieux d’interruption
du circuit, où l’étincelle éclate, sont sujets à se détériorer rapide-
ment par l’action de courants tant soit peu intenses, lors même
qu’on fait usage du platine. Pendant longtemps aussi cette cir-
constance a semblé apporter un obstacle insurmontable à la marche
régulière et prolongée de mes appareils, jusqu’à ce que je trouvai
qu’en remplaçant le platine par un alliage de ce métal et de l’or,
on obtenait des revêtements des lieux d’interruption presque in-
altérables par des courants de l’intensité de ceux que j’emploie.
En effet, cet alliage possède une cohésion et une dureté bien
plus grandes que celles du platine et ne participe presque en
rien à la propriété de ce métal d’être réduit en poudre et trans-
porté au pôle négatif par l’action des courants.


Remarque générale sur le principe de construction des nouveaux
télégraphes à cadran
. — Après avoir donné la description des
nouveaux mécanismes que j’ai inventés pour servir à la cor-
respondance télégraphique, je vais entrer à présent dans quelques
considérations propres à faire ressortir les principaux avantages
que je crois leur appartenir.


La construction de ces appareils, comme on l’a vu, est d’une
[80] extrême simplicité. Il n’y entre aucun de ces mouvements d’hor-
logerie à poids ou à ressort qui compliquent si fort la plupart des
autres télégraphes à cadran. Elle se rapproche par là, si l’on veut,
de l’un des tétégraphes à cadran de M. Wheatstone; mais, en
principe, elle s’en distingue en un point capital.


Tout procédé de télégraphie électromagnétique se réduira
toujours, en dernière analyse, à l’usage convenable qu’on fera,
pour la transmission des signaux, d’une série d’aimantations et
de désaimantations successives effectuées à l’aide de l’établisse-
ment et de la rupture d’un circuit. Dans tous les autres télégraphes
à cadran, y compris celui de M. Wheatstone à action directe et
ceux construits sur le même type, cette opération essentielle
d’ouvrir et de fermer le circuit est mise entre les mains de celui
qui donne la dépèche, et d’ailleurs la rupture ne se fait qu’à une
seule des stations, celle où la dépèche est donnée. Au contraire,
chacun de mes appareils constitue en soi une machine électro-
magnétique à mouvement propre, de sorte que dans ces appareils
c’est le courant qui rompt lui-même le circuit et cela aux deux
extrémités de la ligne à la fois. Cette circonstance qui leur est
tout à fait particulière, implique une foule de conséquences remar-
quables dont je vais signaler quelques-unes des plus essentielles.
Effectivement, le principe de l’interruption spontanée du circuit
paraît devoir acquérir, en télégraphie électrique, la même im-
portance que, dans l’art de construire les machines à vapeur,
l’invention de cet enfant à qui l’ennui vint inspirer l’heureuse idée
de se décharger sur le moteur lui-même du soin fastidieux
d’ouvrir et de fermer, en temps opportun, les conduits de la
vapeur.


Avantages résidant dans le principe de construction des nouveaux
télégraphes
. — Si, d’après ce qui a été dit au commencement du
premier chapitre, il faut regarder comme se rapprochant le plus
de l’idéal de conduits télégraphiques ceux dans lesquels l’intensité
des courants est soumise au moins de variation possible, il faudra,
de l’autre part, considérer comme les plus parfaits des appareils
télégraphiques ceux dont la marche, sans secours étranger qui
leur vienne en aide, est le moins affectée par les variations de l’in-
tensité qui restent encore à surmonter. Or je crois ne pas trop
hasarder en affirmant que, sous se rapport, grâce au principe de
[81] l’interruption spontanée, il n’y pas de télégraphes qui puissent être
comparés aux miens.


Quand le soin de fermer et de rompre le circuit est aban-
donné à une action étrangère à l’appareil, il est à peu près im-
possible qu’elle dure chaque fois juste le temps nécessaire et
suffisant pour que l’aimant attire l’armature. Ce temps nécessaire
et suffisant est d’autant plus petit que l’intensité du courant est
plus grande. On pourra, à la vérité, déterminer par expérience,
pour une intensité donnée, la durée la plus convenable à accorder
aux clôtures et aux interruptions du circuit. Mais dès que l’in-
tensité du courant viendra à varier, surtout d’une grandeur inégale
aux deux stations, comme cela a cons’amment lieu avec les fils
aériens, on se trouvera de nouveau dans le vague: ou bien les
clôtures ne dureront pas assez longtemps pour l’intensité présente
du courant dans l’appareil récepteur, et alors l’aimant pourra ne
pas attirer l’armature; ou bien elles dureront trop et alors l’ar-
mature pourra rester collée, par l’effet de l’aimantation temporaire.
Dans les deux cas, l’appareil transmetteur devancera l’appareil
récepteur et la correspondance sera troublée. C’est surtout pour
diminuer les chances en faveur du dernier cas qu’il a fallu, dans
les appareils de cette nature, réduire à des proportions minimes
les masses de fer doux, parce que, à égale intensité du courant,
l’aimantation temporaire est d’autant plus considérable que l’aimant
est plus volumineux.


Au contraire, quand c’est l’appareil lui-même qui rompt le
circuit au terme de la course de l’armature, il ne peut jamais se
faire d’abord que le circuit ne reste pas assez longtemps fermé,
l’interruption ayant toujours lieu au point nommé; c’est-à-dire à
l’instant précis, où l’aimant a fourni le travail nécessaire pour faire
avancer l’aiguille d’un pas. D’autre part, le circuit ne restera
jamais fermé trop longtemps, car la quantité de magnétisme dé-
veloppée dans l’aimant sera toujours sensiblement la même au
moment de la rupture du circuit, quelle que soit l’intensité du
courant, parce que le mouvement de l’armature sera d’autant plus
rapide et que la rupture se fera toujours à l’instant, où l’aimant
aura acquis, dans un espace de temps plus ou moins court, selon
l’intensité, une force réglée par la force constante du ressort, et,
par suite, sensiblement constante elle-même. Quant au temps
6
[82] d’ouverture, à force égale du ressort, il sera toujours sensiblement
le même; de sorte que, quand l’appareil marchera plus vite sous
l’action d’un courant plus intense, le même degré d’aimantation
temporaire aura toujours le même temps pour s’effacer, et que
l’armature ne pourra jamais rester collée. On n’aura donc plus
rien à craindre de l’aimantation temporaire, et, par conséquent,
on pourra sans inconvénient augmenter la masse de fer doux;
ce qui offre l’avantage de pouvoir exercer le même effet avec
un courant plus faible. Il est évident, de plus, que les mêmes
actions se produisant dans chacun des deux appareils installés dans
le circuit, leur marche continuera à être synchrone par cette seule
raison, quelle que soit l’intensité du courant.


Mais la sûreté, sous ce rapport, s’accroît encore considérable-
ment, par le fait que l’interruption du circuit s’opère simultané-
ment aux deux extrémités de la ligne. En effet, chacun des deux
appareils tenant, pour ainsi dire, le courant sous clef pour l’autre
jusqu’au moment convenable, l’intensité des courants pourra être
différente dans les deux appareils, et néanmoins leurs armatures
seront attirées au même moment. Les appareils marcheront donc
ensemble jusqu’à une certaine limite qu’il est facile de prévoir.
Cette limite sera atteinte, lorsque l’armature de l’appareil animé
par le courant le plus intense, en arrivant au terme de sa course,
rouvre le circuit trop tôt pour que l’armature de l’autre appareil
puisse encore achever la sienne par l’effet tant des forces vives
qu’elle a recueillies pendant la clôture du circuit, que par celui de
l’aimantation temporaire des masses de fer doux. Quand cette
limite sera dépassée, l’armature de celui des deux télégraphes pour
lequel le courant est le plus faible, ne fera plus que de petites
oscillations impuissantes, et son aiguille restera immobile. Mais
on pourra facilement faire marcher ensemble les appareils même
dans ces circonstances, en détendant le ressort de l’appareil qui
refuse le service.


Par le même moyen, on pourrait d’ailleurs compenser, si
cela était nécessaire, un commencement de désaccord pareil qui
se rencontre par suite d’une qualité très-différente du fer doux
ou d’une disposition différente des aimants des deux appareils.
Il faudra détendre, en ce cas, le ressort de l’appareil dont le fer
aura plus de force coërcitive, ou dont l’aimant présentera une
[83] masse continue, au lieu d’être composé de tubes concentriques
et fendus dans leur longueur. J’ajouterai enfin que l’expérience
a montré que la marche des télégraphes est la plus rapide, lorsque
l’intensité du courant et la force du ressort sont réglées de manière
que les temps d’attraction et de rappel de l’armature sont égaux.


En résumé, on voit que, dans les télégraphes à double in-
terruption spontanée, la vitesse de marche des appareils s’adaptant
toujours tout naturellement à l’intensité des courants, cette vitesse
sert de régulateur, qui pare aux désordres qui pourraient résulter
des variations de l’intensité. On est maintenant mis à même de
comprendre une propriété bien curieuse qu’offrent ces télégraphes,
propriété qui, au premier aspect, doit même paraître paradoxale.


Admettons, en effet, que deux de ces appareils aient besoin,
pour attirer complètement leurs armatures, d’une intensité de
courant = a. Il sera indifférent évidemment de quelle manière
on procurera à chaque appareil cette intensité nécessaire a. Ainsi
donc on pourrait établir aux deux bouts de la ligne une pile
locale, incapable, à elle seule, de faire marcher l’appareil de la
station, parce qu’elle ne fournirait qu’une intensité b \< a. Alors
en lançant dans le circuit des deux appareils un courant de l’in-
tensité c = ou \> ab, on pourra faire marcher ensemble les
appareils, quelque petit que soit c par rapport à a, pourvu toutefois
que les choses soient disposées de manière que chacun des appa-
reils, en marchant, rompe à la fois le circuit de la pile locale
et celui du courant qui traverse le circuit en entier.


Or cette disposition est facile à réaliser. Qu’on imagine un
circuit télégraphique avec deux de mes appareils aux deux stations,
chaque appareil étant muni de sa pile, mais le courant résultant
des deux piles étant incapable de faire marcher les appareils.
Alors qu’on établisse à chaque station un circuit dérivateur, entre
le fil qui va de la pile au sol et celui qui va du télégraphe à
l’autre station; voici ce qui se passera. Dans chaque télégraphe
et chaque pile, le courant de la même pile augmentera d’intensité,
parce que l’établissement du circuit dérivateur diminuera la résis-
tance du circuit offert à la pile. Au contraire, dans chaque télé-
graphe et chaque pile, le courant de l’autre pile diminuera d’in-
tensité, parce que, dans plusieurs circuits offerts simultanément
à la même pile, les intensités sont en raison inverse des résis-
6*
[84] tances. Mais l’augmentation du courant de la pile correspondante
dans chaque télégraphe pourra surpasser la diminution du courant
de l’autre pile, et de cette manière, par le fait même de l’éta-
blissement des courants dérivateurs, l’intensité, dans chacun des
télégraphes, purra devenir assez grande pour qu’il entre en action.
Cependant, pour que les aiguilles restent d’accord, il faudra qu’une
condition soit remplie. Cette condition, c’est que le courant de
la pile de chaque station dans le télégraphe de la même station,
quand il circule dans le circuit dérivateur, ne soit pas assez in-
tense à lui seul pour faire marcher le télégraphe; car, si cela était le
cas, l’un des télégraphes pourrait marcher sans l’autre, puisque
la rupture du circuit à l’une des stations n’entraînerait plus la
rupture du circuit à l’autre station. Au reste, cette condition
pourra toujours être facilement remplie, en donnant une tension
suffisante aux ressorts de rappel des deux appareils.


Admettons maintenant que le courant des deux piles dans
le circuit télégraphique soit déjà, à lui seul, capable de faire
fonctionner les appareils; alors l’établissement des circuits déri-
vateurs les fera évidemment marcher plus vite. Admettons encore
que les circuits dérivateurs ou bien ne soient pas d’égale résis-
tance, ou bien qu’ils ne soient pas disposés symmétriquement, ou
que même il n’y en ait qu’un seul à l’une des extrémités de la
ligne; en ce cas, l’intensité du courant dans les deux appareils
ne sera plus la même; elle sera augmentée dans l’appareil, auquel
correspondra le circuit dérivateur de moindre résistance ou le
seul circuit pareil existant, et elle sera moins augmentée ou di-
minuée dans l’autre appareil. Néanmoins on comprend, d’après
tout ce qui précède, que les télégraphes marcheront ensemble,
et cela avec une vitesse qui, en ce cas encore, pourra excéder
de beaucoup celle qu’on aurait obtenue sans circuit dérivateur.
L’accord des appareils aura, il est vrai, une limite, la même qui
a été indiquée plus haut, au delà de laquelle l’un d’eux refusera
le service; mais il sera facile de rétablir l’accord en réglant con-
venablement la tension des ressorts.


Appliquons ces principes à ce qui se passe en réalité sur
les lignes télégraphiques. Tout ce qui vient d’être dit des cir-
cuits dérivateurs artificiels, s’applique également bien à ceux qui,
sur les lignes télégraphiques, résultent de l’isolement défectueux
[85] du fil. On se rappelle que ce sont de pareils circuits qui, en
offrant au courant de la pile un chemin plus court, occasionnent
ce que l’on a pris l’habitude de nommer des pertes, parce que
la seule chose qui, jusqu’à présent, avait frappé dans ce phéno-
mène, c’est l’affaiblissement du courant à la station opposée. M.
Wheatstone avait bien essayé de rémédier à ces pertes et aux
variations de leur grandeur en établissant une pile à chaque sta-
tion; mais avec ses télégraphes à cadran et ceux du même genre
cette précaution ne réussit pas, parce que, le circuit n’étant in-
terrompu qu’à l’une des stations, l’armature de l’appareil récepteur
reste trop facilement collée par l’effet du courant de la pile cor-
respondante qui subsiste encore dans le circuit dérivateur. Eh
bien, chose singulière, ces mêmes pertes, si redoutables pour tous
les autres appareils télégraphiques, non-seulement, comme on l’a
vu, ne font pas de tort à la marche régulière de mes télégraphes
à double interruption spontanée, mais même la favorisent et l’ac-
célèrent, et cela dans des limites extrêmement étendues, parce
que le courant établi dans le circuit dérivateur, pour porter le
désordre dans la correspondance, n’a pas seulement à tenir collée
une armature déjà attirée, mais qu’il faut qu’il devienne assez
puissant pour l’attirer à distance, après qu’elle a été rappelée
par le ressort, et avant que l’armature de l’autre appareil ait
également été rappelée tout à fait.


Cette propriété remarquable de mes appareils de fonctionner
rapidement et avec précision, même quand il y a des circuits dé-
rivateurs qui mettraient fin au service de tous les autres télé-
graphes, acquiert une importance plus grande encore par la rai-
son que voici. J’ai décrit, vers la fin du premier chapitre, les
phénomènes qui résultent de ce que le fil de cuivre, avec son
enduit isolant, figure une jarre de Leyde d’une capacité gigan-
tesque qui reçoit sa charge de la pile, avec laquelle l’une de ses
extrémités est en contact. Ces phénomènes donnent lieu à cer-
taines perturbations dans la marche des appareils télégraphiques
en général. Dans ceux de ma construction, ils deviennent facile-
ment cause que l’un des appareils reste stationnaire et que l’autre
marche avec une grande rapidité. Il y a un moyen très-simple de
rémédier à ces perturbations; ce moyen consiste précisément à
établir un circuit dérivateur artificiel du fil qui va à l’autre sta-
[86] tion, au fil qui va de la pile au sol; en sorte que, comme il n’y
a que mes appareils dont la marche ne soit pas gênée par la
présence de circuits dérivateurs, il n’y a aussi qu’eux, à l’aide
desquels on puisse recueillir tous les avantages des conduits sou-
terrains bien isolés.


Avantages résidant dans le mode d’action des nouveaux télé-
graphes
. — Dans mon système, il suffit d’un seul fil, et, à chaque
station, d’un seul appareil et d’un seul employé pour donner et
pour recevoir les signaux. On peut faire entrer dans le même
circuit autant d’appareils que l’on veut, tous marcheront ensemble
du même pas. De chaque station tous les appareils installés
dans le même circuit peuvent être arrêtés à la fois au même
instant. Ainsi, à chaque instant de la transmission de la dépêche,
quand il n’y a pas d’appareil à impression, chaque employé qui
la reçoit, peut couper la parole à celui qui la donne, et gagner
ainsi le temps nécessaire pour noter le mot qu’il a recueilli, sans
risquer que, pendant cette occupation, de nouveaux signaux
échappent à son attention. Rien de plus facile d’ailleurs que de
parler d’une des stations extrêmes à une station intermédiaire
quelconque, sans que les autres participent à la dépêche. A un
signal convenu, les employés des stations intermédiaires retirent
leurs télégraphes du circuit et les remplacent par une sonnerie
qui reste au repos, sous l’action du courant intermittent, mais
donne l’éveil quand un courant continu la traverse, en vertu du
même principe qui fait que l’aimant à impression, dans l’appareil
décrit plus haut, ne se met à fonctionner que quand le circuit
est tenu fermé pendant un certain temps. La dépêche finie, les
deux employés des stations en correspondance retirent à leur tour
du circuit leurs télégraphes qui rendaient intermittant le courant
des piles, de manière qu’il devienne continu, les carillons
des stations intermédiaires entrent en jeu et avertissent les em-
ployés qu’il est temps de réinstaller leurs télégraphes dans le
circuit. Toutes ces diverses combinaisons s’exécutent instantané-
ment à l’aide d’une manivelle qui a trois positions: dans l’une,
il y a communication avec les deux stations avoisinantes; dans
l’autre, la dépêche passe inaperçue d’une station à une autre, à
l’exclusion du télégraphe, comme cela vient d’être indiqué; dans
la troisième, enfin, tous les télégraphes participent à la fois à la
[87] même dépêche. Enfin, à chacun de mes télégraphes, comme on
l’a vu plus haut, peut être adapté un appareil à impression, en
sorte que la dépêche est imprimée à la fois aux deux stations.
L’exactitude de la dépêche se trouve ainsi complètement garantie,
sans qu’on ait besoin de se la faire rendre, et un désordre qui
se glisserait dans les appareils pendant la transmission, ne pourrait
même jamais affecter qu’un seul mot de la dépêche, parce qu’il
serait aussitôt trahi par le son du timbre qui, lorsque tout est en
règle, doit retentir entre chaque mot et le suivant d’accord avec
les blancs du cadran. L’appareil à impression ne communiquant
au télégraphe que par voie électrique, le mécanisme de celui-ci
n’en devient pas plus compliqué, et les désordres auxquels l’appareil
à impression pourrait être sujet, à raison de sa plus grande com-
plication, ne réagissent point sur le télégraphe. La marche du
télégraphe est tout aussi rapide avec l’appareil à impression que
sans celui-ci, et l’impression même n’implique dans la transmission
de la dépêche aucune perte de temps, parce qu’elle se fait à
l’instant où le télégraphe est censé s’arrêter un moment par l’effet
de l’abaissement d’une touche. Enfin, comme c’est le rouleau et
non la roue-type elle-même qui porte le noir, l’impression reste
toujours également noire et nette d’un bout de la dépêche à
l’autre, quelle que soit son étendue.


Ce télégraphe, avec l’appareil à impression comme sans celui-ci,
n’exige, pour être manié, aucune dextérité particulière, parce qu’il
suffit, à cet effet, de s’orienter simplement sur un clavier, et cela,
bien entendu, sans que de l’emploi de ce clavier il résulte la
moindre complication de l’appareil. Quant à la rapidité de la
correspondance, un employé tant soit peu exercé donne, par
minute, de cinquante à soixante signaux complets, soit lettres
imprimées en caractères ordinaires, y compris les blancs. Ce
chiffre peut ne pas paraître considérable auprès de ce que four-
nissent certains autres appareils, par exemple le télégraphe électro-
chimique de M. Bain; mais il faut bien faire attention à ce que
mon télégraphe, d’une part, n’exige pour fonctionner aucun pré-
paratif, qu’il est à chaque instant prêt à entrer en action, et que,
de l’autre, la dépêche est rendue en caractères ordinaires, en sorte
qu’il n’y a aucun temps perdu à la déchiffrer.


[88]

Conclusion.


Les appareils télégraphiques dont je viens de faire connaître
la construction et d’exposer les avantages, ne sont plus seulement
à l’état de projet. Bien au contraire, ces appareils sont depuis
trois ans adoptés par le gouvernement prussien; plusieurs directions
de chemins de fer ont suivi son exemple, et, aujourd’hui, plus de
cent cinquante de ces appareils fonctionnent dans le nord de
l’Allemagne, chiffre qui va être doublé dans le cours de cette
année. Depuis qu’ils sont en service, ils ont travaillé avec une
régularité irréprochable, en sorte qu’il se passe des mois sans que
les aiguilles se détachent l’une de l’autre.


Il va sans dire, au reste, que ces appareils, malgré la sim-
plicité de leur principe, exigent, en leur qualité de machines à
mouvement propre, un constructeur habile, intelligent et soigneux.
Qu’il me soit permis, à cette occasion, de faire mes remercîments
publics à mon collaborateur M. J. Halske, de Berlin, à l’admirable
talent duquel je dois attribuer la plus grande partie des succès
dont mes efforts, dans cette belle branche de la physique appli-
quée, ont peut-être été couronnés.


[[89]]

Kurze Darstellung
der
an den preussischen Telegraphenlinien
mit unterirdischen Leitungen gemachten
Erfahrungen.


Berlin. Verlag von Julius Springer.


1851.


Die bis zum Frühjahr 1848 in Berlin bestehende Com-
mission zur Vorbereitung der Telegraphenanlagen in Preussen,
hatte in richtiger Erkennung und Berücksichtigung der Gründe
der grossen Unsicherheit des Dienstes der in England und
Amerika bereits in sehr ausgedehntem Maasse bestehenden elek-
trischen Telegraphen ihr Augenmerk namentlich auf die Ver-
besserung der Leitungen gerichtet. Sie erkannte, dass die bis-
her allein benutzten oberirdischen Leitungen die Erreichung einer
vollständig und jederzeit sicheren telegraphischen Verbindung durch
principielle Mängel stets verhindern würden und dass nur gute,
unterirdisch geführte Leitungen die Erreichung dieses Zieles
möglich machten.


In ihrem Auftrage wurden im Sommer 1847 auf der An-
haltischen Eisenbahn zwei durch Guttapercha isolirte, eine halbe
Meile lange Drähte in verschiedener Tiefe eingelegt. Die Be-
kleidung dieser Drähte mit Guttapercha geschah auf eine noch
höchst unvollkommene Art mittels gekehlter Walzen. Es zeigte
sich bald, dass es unmöglich war, auf diese Art vollständig und
dauerhaft isolirte Drähte zu fabriciren. Die Verbindungsnähte
der Guttapercha-Streifen, aus denen der Ueberzug gebildet wurde,
waren nicht dicht herzustellen und verloren nach einiger Zeit
den festen Zusammenhang. Eine Maschine, vermittelst welcher
die Guttapercha in zusammenhängender Masse und ohne Naht
[90] um den Draht geformt werden sollte, war zur Beseitigung dieses
Uebelstandes construirt, jedoch im Frühjahr 1848 erst im Modell
ausgeführt und probirt. Entscheidende Erfahrungen über die
nöthige Tiefe des Einlegens der Drähte hatten bis dahin der
Kürze der Zeit wegen nicht gesammelt werden können. Die
Guttapercha selbst und ihre Eigenschaften waren damals noch
wenig bekannt; man wusste kaum, dass es verschiedene Sorten
derselben gab, und kannte die Ursachen ihres Verderbens und
die nachtheiligen Eigenschaften der schlechten Sorten natürlich
noch gar nicht.


Dies war der augenblickliche Standpunkt der Versuche, als
die politischen Ereignisse des Jahres 1848 die schleunige Aus-
führung der Telegraphenanlagen von Berlin nach Frankfurt a. M.
und nach Aachen geboten.


Da die schon mit so unvollkommenen Mitteln fabricirten
Drähte ein im Allgemeinen befriedigendes Resultat gegeben
hatten, und die noch vorhandenen Mängel durch Verbesserung
der Fabricationsmittel leicht zu beseitigen schienen, so hatte
sich die Commission günstig für die mit Guttapercha isolirten
unterirdischen Leitungen ausgesprochen und es sollten in Folge
dessen die genannten Linien auf diese Art ausgeführt werden.


Man muss gestehen, dass dieser Entschluss bei dem da-
maligen Standpunkte der Sache allerdings etwas kühn war; in-
dess rechtfertigten die grossen Vortheile, welche die Anwendung
guter unterirdischer Leitungen versprachen, die im Allgemeinen
günstigen Resultate der angestellten Versuche, so wie die un-
ruhigen Zeitverhältnisse, welche oberirdische Leitungen zu sehr
zu gefährden schienen, die getroffene Entscheidung. Es war
aber ein Unglück für diese Anlagen, so wie für das System
unterirdischer Leitungen im Allgemeinen, dass diese ersten Linien
in grosser Uebereilung angelegt werden mussten und dass weder
Zeit zur Ausbildung der Fabrication der Drähte vorhanden, noch
die Möglichkeit gegeben war, die bei der Anlage selbst gemachten
Erfahrungen gehörig zu benutzen.


Man entschloss sich zur Anwendung der mit Schwefel ver-
bundenen, sogenannten vulcanisirten Guttapercha. Die Gründe
dieser Wahl waren theils die grössere Härte dieser Verbindung,
theils die beobachtete grössere Beständigkeit derselben in freier
[91] Luft. Sie war aber erst seit Kurzem bekannt geworden; es
fehlten daher noch alle Erfahrungen über die richtige Anferti-
gung derselben so wie die Kenntniss der nöthigen Mischungs-
verhältnisse. Im Allgemeinen wurde die Masse zu sehr ge-
schwefelt, bei zu hoher Temperatur verarbeitet und theilweise
die Guttapercha vorher nicht hinlänglich entwässert. Die hier-
durch entstandenen Uebelstände haben sich den ersten Leitungen
besonders verderblich gezeigt.


Bei Ueberschuss von Schwefel und zu hoher Temperatur
verbindet sich das Kupfer mit dem Schwefel, das gebildete
Schwefelkupfer durchdringt die dem Draht zunächst liegende
Guttapercha und bildet mit ihm eine dunkelbraun aussehende,
die Electricität leitende Masse, die bei den ältesten Leitungen
oft bis ¼ Linie dick ist. Dennoch würde die Güte der Drähte
wenig hierdurch beeinträchtigt sein, wenn der Draht in der Mitte
der Guttapercha gelegen hätte, die oben erwähnte aus nicht iso-
lirender Guttapercha bestehende Schicht überall von guter Masse
umgeben und die Masse stets völlig entwässert gewesen wäre.


Dies war aber leider durchaus nicht der Fall. Es wollte
der mit der Bekleidung der Drähte beauftragten Fabrik anfäng-
lich nicht gelingen, mittels der neuen Maschine die Drähte mit
einer concentrischen Lage Guttapercha zu überziehen. Fast alle
damals überzogenen Drähte waren mehr oder weniger excentrisch
überzogen und häufig stellenweise nur mit einer dünnen Lage
Guttapercha bedeckt. Letztere enthielt ausserdem durchweg eine
Menge Blasen und Vertiefungen, die man noch nicht zu ver-
meiden verstand, sie wurde noch nicht gehörig gereinigt und
entwässert und war oft durch zu hohe Temperatur in einem
schwammigen und bald spröde werdenden Körper umgewandelt.
Häufig wurden auch schlechtere Sorten oder verdorbene Gutta-
percha, mit denen die gute Masse verfälscht war, verwendet.


Der technische Standpunkt der Drahtfabrication war mithin
noch sehr niedrig und es mussten in allen Richtungen noch viele
Erfahrungen gesammelt werden. Dennoch sollten die oben-
genannten Linien in kürzester Zeit vollendet werden. Es war
vorauszusehen, dass die Ausführung derselben sehr mangelhaft
ausfallen würde, und es war dies in der That in hohem Maasse
der Fall.


[92]

Aus den angeführten Gründen war es nur selten möglich,
vollkommen isolirte Drähte herzustellen. Häufig waren die
Drähte so sehr excentrisch, dass die den Kupferdraht umgebende,
nicht mehr isolirende Guttapercha-Schicht bis zur Oberfläche
reichte. Wo dies nicht der Fall war, wurde doch der Boden
der Vertiefungen und Luftblasen von derselben erreicht. Der
Ueberzug verlor dadurch theilweise seine isolirende Eigenschaft
und der durch die leitenden Stellen desselben beim späteren
Gebrauch der Leitungen hindurchgehende Strom zersetzte das
Schwefelkupfer und verwandelte im Laufe einiger Jahre die von
diesem durchgezogene Guttapercha in eine unzusammenhängende,
schwammige und vom Wasser durchdrungene Masse. Die Folge
hiervon war, dass der Kupferdraht selbst durch Elektrolyse oxy-
dirt und Kupferoxydhydrat gebildet wurde, welches die Hülle
endlich ganz auseinander sprengte und Längsrisse von oft sehr
beträchtlicher Ausdehnung in der Guttapercha erzeugte. Ueber-
all wo die mit Schwefelkupfer verbundene Guttapercha den Bo-
den einer Vertiefung im isolirenden Ueberzuge bildete, fand der-
selbe Process statt und es bildeten sich an Stelle der Vertie-
fungen bis zum Draht selbst hinunterreichende Löcher. Wären
von Anfang an nur vollständig isolirte Drähte verwendet, so
hätte diese namentlich auf der Frankfurt a. M.-Linie so störend
auftretende Erscheinung nie eintreten können. Es mussten aber
leider unter allen Umständen Drähte verwendet werden und eine
zu scharfe Controle der Isolation war daher nicht anwendbar.
Selbst die anfangs wegen zu unvollkommener Isolirung zurück-
gestellten Drähte kamen dennoch grösstentheils später zur Ver-
wendung, nachdem sie einen dünnen Ueberzug von Guttapercha-
Lösung erhalten hatten und dadurch für den Augenblick etwas
verbessert waren. Es wurden von diesen Drähten circa 15 Meilen
theils auf der Thüringer Bahn, grösstentheils aber zwischen Berlin
und Minden verbraucht. Eine beträchtliche Zahl derselben wurde
leider erst nach und nach, in viel späteren Zeitabschnitten, ver-
braucht und dadurch die anfängliche Unvollkommenheit der Draht-
fabrication auf viele der weit später angelegten Linien übertragen.
Der Grund der schlechten Isolation dieser Drähte lag nicht allein
in excentrischer Drahtlage. Häufig war die Zersetzung der ver-
wendeten guten Guttapercha durch zu grosse Hitze oder durch
[93] unvollkommene Entwässerung vor der Vulcanisirung, theils aber
auch die Verwendung vorher verdorbener oder verfälschter Gutta-
percha die Ursache derselben. Ueber den Einfluss der Tiefe
des Einlegens der Drähte lagen noch keine maassgebende Re-
sultate vor; man wusste wohl, dass die Guttapercha sich nur bei
Abschluss der atmosphärischen Luft vollständig unverändert er-
hält, unter Luftzutritt dagegen nach und nach in einen spröden,
im erwärmten Zustande klebrigen Körper verwandelt wird; man
kannte aber die Tiefe nicht, bis zu welcher ein Luftwechsel im
Erdboden stattfindet, und suchte zu sehr die Kosten der Anlage
durch möglichste Verminderung der Tiefe des Einlegens der
Drähte zu verringern. Die anfänglich gewählte Tiefe von 1½ Fuss
war jedenfalls zu gering, da diese Tiefe, wie die Erfahrung lehrt,
durch die Arbeiten auf dem Planum der Eisenbahnen oft erreicht
und der Draht in Folge dessen leicht beschädigt wird. Man
ging zwar bald zu der Tiefe von 2 Fuss über, jedoch wurde
diese Tiefe häufig nicht erreicht, und es kommen, namentlich auf
der Aachener Linie, häufig Strecken vor, wo der Draht kaum
1 Fuss tief unter dem Boden liegt. Diese Leitung wurde theil-
weise im Winter bei strengem Froste, und namentlich die Strecken
zwischen Potsdam und Brandenburg und zwischen Minden und
Köln in grösster Eile angelegt, wodurch sich das Abweichen
von der gegebenen Vorschrift erklärt. Das Einlegen der Drähte
in die Gräben fand bei den älteren Leitungen nicht ohne häufige
Beschädigung des Ueberzuges statt. Die Verpackung der Drähte
war noch mangelhaft und sie wurden daher häufig auf dem Trans-
port zum Arbeitsplatze beschädigt, die Arbeiter hatten noch
keine Uebung und hinlängliche Vorsicht in der Behandlung der-
selben gewonnen, die schlechte Jahreszeit erschwerte die Arbeit
und Beaufsichtigung, und in Folge der damals herrschenden poli-
tischen Aufregung kamen häufig absichtliche Beschädigungen vor.


Es war unter diesen Umständen erklärlich, dass der an-
fängliche Dienst der ersten Linien nicht sehr regelmässig und
sicher war. Die Isolation der Linien war zwar kurz nach dem
Einlegen in der Regel befriedigend, verschlechterte sich aber
nach und nach, wenn der Regen den Boden bis zum Draht
durchnässt hatte. Die beim Legen mit dem Aufsuchen der vor-
handenen Fehler und der Reparatur der Drähte vertraut gewor-
[94] denen Arbeiter mussten zu den weitern Anlagen benutzt und die
Revisionen daher in schlechter Jahreszeit ungeübten Leuten über-
tragen werden, wodurch die Leitungen häufig noch verschlechtert
wurden. Dazu kam, dass die unterirdischen Leitungen mehrere
wissenschaftlich ganz neue und unerwartete Erscheinungen dar-
boten, welche sich erst durch zweckentsprechende Constructions-
veränderungen der Apparate beherrschen liessen, nachdem man
ihr Wesen erkannt hatte.


Doch auch später veranlassten die Leitungen noch häufige
Störungen des Dienstes und gänzliche Unterbrechungen der tele-
graphischen Verbindung. Die von der Anlage herstammenden
Beschädigungen des Drahtes vergrösserten sich nach und nach
durch den Strom, und die Isolation verschlechterte sich daher
mehr und mehr. Eine gründliche, durch geübte Leute einige
Zeit nach der Vollendung der Leitungen oder im darauf folgenden
Sommer ausgeführte Revision würde diese Beschädigungen
auf einmal beseitigt haben. Dem stand aber ausser dem Kosten-
punkte noch die unausgesetzte Benutzung der Leitungen und die
grössere Schwierigkeit der Revision eines einzelnen Drahtes ohne
Störung der Correspondenz entgegen. Es bildete sich daher
leider bald die Praxis: erst dann eine Untersuchung einer Lei-
tung vorzunehmen, wenn die Isolation derselben so mangelhaft
geworden war, dass die Apparate den Dienst versagten. Da in
diesem Falle erst einer der wenigen Beamten, die mit der Sache
vertraut gemacht waren, von Berlin aus an den Ort der stören-
den Beschädigung geschickt werden musste, so vergingen stets
einige Tage, bis dem Uebel, und zwar nur für kurze Zeit, abge-
holfen war. Sehr häufige Unterbrechungen veranlasste auf diese
Weise die Leitung zwischen Minden und Cöln, die zwar fast
nur neue und besser fabricirte Drähte enthielt, jedoch grossen-
theils in felsigen Boden in grosser Uebereilung eingelegt wurde
und wo die Guttapercha daher sehr häufig durch Quetschungen
beschädigt war. Die häufigen Biegungen, denen die Drähte theils
noch in der Fabrik, theils beim Einlegen ausgesetzt waren, hatten
häufig zur Folge, dass der Draht im Inneren der Guttapercha
gebrochen war, ohne dass diese Brüche von Aussen erkennbar
gewesen wären. Hätte der Ueberzug aus ungeschwefelter Gutta-
percha bestanden, so würde nur in seltenen Fällen ein Strom
[95] durch diese Bruchstellen gegangen sein, sie wären daher schon
bei der Anlage leicht erkannt und beseitigt worden. Wie bereits
oben erwähnt, waren namentlich die zuerst, mit höherer Tempe-
ratur, fabricirten Drähte jedoch stets mit einer leitenden Hülle
von Guttapercha und Schwefelkupfer umgeben, welche den elek-
trischen Strom hinlänglich gut leitete, um durch sie hindurch
telegraphiren zu können. Des grossen Leitungswiderstandes
wegen, welchen diese Masse dem Strome entgegensetzte, erwärmte
sich dieselbe jedoch beim Gehrauch und verminderte sich hier-
durch die Leitungsfähigkeit des Drahtes noch mehr. Die Stärke
des Stroms war daher steten, sehr beträchtlichen Schwankungen
unterworfen und der Dienst der Instrumente wurde dadurch sehr
unsicher. Solche Bruchstellen wurden oft erst nach Verlauf einer
langen Zeit erkannt und beseitigt.


Bei den zuerst angelegten Linien, bei denen der Draht nicht
in hinlänglicher Tiefe eingelegt war, kamen auch häufig neue
Beschädigungen vor. Sie bestanden theilweise in Verletzungen
des Ueberzuges der Drähte oder in gänzlicher Zerstörung der-
selben durch Eisenbahnarbeiter, theils aber auch in Verletzungen
des Ueberzuges durch Nagethiere. Die letztere Art der Beschädi-
gungen hat besonders zu häufigen Angriffen der unterirdischen
Leitungen Veranlassung gegeben. Maulwürfe, Ratten, Mäuse
und derartige Thiere durchwühlen den Boden in der Regel nur
in geringer Tiefe, da sie in grösserer Tiefe keine Nahrung an-
treffen. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass die Tiefe von
1½ Fuss und in seltenen Fällen auch noch die Tiefe von 2 Fuss
die Drähte nicht unter allen Umständen gegen Beschädigungen
durch Benagung völlig sichert. Namentlich scheinen die Thiere
ihre Nester gern in grösserer Tiefe anzulegen. Treffen sie bei
dieser Beschäftigung auf ihrem Wege den Draht, so suchen sie
ihn natürlich durch Nagen zu beseitigen. Die sehr vereinzelten
Fälle, wo Drähte in der Tiefe von 2 Fuss durch Benagung be-
schädigt sind, würden sich durch geringe Vermehrung der Tiefe
des Einlegens und Berücksichtigung und Sicherung der, wie hier
immer der Fall war, durch besondere Ursachen gefährdeten Stellen
wohl leicht gänzlich beseitigen lassen. Schon bei einer Tiefe
von 2 Fuss sind mehrere Telegraphenlinien seit ihrer Anlage
nicht beschädigt worden.


[96]

Ein weiterer Grund häufiger Störungen des Dienstes der
älteren Linien lag in solchen bei der Fabrication der Drähte
begangenen Fehlern, die erst nach Verlauf längerer Zeit störend
auftraten.


Die nothwendige Folge einer sehr excentrischen Drahtlage
bei Anwendung vulcanisirter Guttapercha ist bereits erwähnt.
Bereits im vorigen Jahre zeigten sich diese Erscheinungen auf
den älteren Linien, und es mussten damals und in neuester Zeit
häufige Revisionen ausgeführt und oft ganze Adern, die durch
Excentricität des Drahts verdorben waren und Längsrisse be-
kommen hatten, ersetzt werden. Bei diesen Drähten war nur in
seltenen Fällen eine Erhärtung oder anderweitige Veränderung
der Guttapercha im Allgemeinen wahrzunehmen und gewöhnlich
nur dann, wenn die Drähte in sehr geringer Tiefe und leichtem
trockenem Boden lagen. Es haben sich diese Längenrisse über-
all nur da gezeigt, wo die Excentricität des Drahtes so bedeu-
tend war, dass die erwähnte, den Kupferdraht zunächst umgebende
Schicht leitender Guttapercha wirklich bis zur Oberfläche des
Ueberzuges reichte. Weniger excentrische Stellen haben sich
vollständig gut erhalten.


Bereits im vorigen Jahre kamen an einzelnen Stellen, na-
mentlich der Linie nach Minden, Drähte vor, bei denen die
Guttapercha alle Biegsamkeit und Elasticität verloren hatte, von
Sprüngen ohne Zahl durchfurcht war und in Folge dessen ihre
isolirende Eigenschaft grösstentheils verloren hatte. Diese Er-
scheinung ist jedenfalls die, welche die ernstesten Bedenken gegen
die fernere Anwendung der Guttapercha zu unterirdischen Lei-
tungen mit Recht hervorrufen musste. Sollte sich aus den diese
Erscheinungen begleitenden Umständen nicht eine specielle Ur-
sache der Zersetzung bestimmt nachweisen lassen, sollte man
annehmen müssen, dass die Guttapercha überhaupt der Zeit nicht
widerstehen könnte und auch im Erdboden, in gleicher Art wie
bei Zutritt der Luft, einer allgemeinen, wenn auch langsamen
Umwandlung entgegen ginge, so wäre natürlich damit der Stab
über die Anwendung der Guttapercha zu unterirdischen Leitungen
und vor der Hand wenigstens auch der unterirdischen Leitungen
im Allgemeinen gebrochen. Glücklicherweise ist der Beweis,
dass dies nicht der Fall ist, leicht und vollständig mit Hülfe
[97] der gemachten Erfahrungen zu führen. Es ist diese Erscheinung
der Erhärtung und gänzlichen Umwandlung der Guttapercha bei
den beiden ältern Linien bereits im Jahre nach ihrer Anlage in
einzelnen Fällen beobachtet worden, während bei den wenig
später, theils in demselben Jahre angelegten Linien bis jetzt
noch kein einziger ähnlicher Fall vorgekommen ist. Es sind
zwar auf den genannten neueren Linien in vereinzelten Fällen
durch Excentricität unbrauchbar gewordene Drähte angetroffen,
doch liess sich auch bei diesen fast immer mit Bestimmtheit
nachweisen, dass sie einer ältern Fabricationsperiode angehörten,
nie ist aber bisher ein Fall einer allgemeinen Erhärtung oder
Verharzung der Guttapercha vorgekommen. Am häufigsten hat
sich die in Rede stehende Erscheinung auf der Linie zwischen
Berlin und Minden, in einzelnen Fällen auch auf der Thüringer
Bahn gezeigt. Die verdorbenen Drähte tragen in der Regel noch
deutliche Spuren der Ueberziehung mit Guttapercha-Lösung, ob-
schon auch andere vorkommen, welche ohne solchen Ueberzug
verlegt waren. Die mit Guttapercha-Lösung überzogenen Drähte
waren, wie bereits erwähnt, theils in Folge excentrischer Fabri-
cation verworfen, bei vielen derselben war jedoch die Guttapercha
selbst, theils bereits vor der Verwendung, theils durch unzweck-
mässige Behandlung bei der Fabrication verdorben. Derartige
Guttapercha wird in sehr kurzer Zeit durchaus spröde und
brüchig und zwar findet diese Umwandlung, wie es scheint, auch
bei gänzlichem Abschluss der Luft statt.


Der grösste Theil der erwähnten Drähte nebst vielen an-
deren, die die damalige wenig scharfe Probe der Isolation ohne
Ueberzug bestanden, waren aus einer Guttapercha fabricirt, die
im bereits gereinigten Zustande aus England bezogen war. Es
schien schon damals wahrscheinlich, dass diese Guttapercha, die
nur selten völlig isolirte Drähte lieferte, grossentheils aus ver-
harzter oder vorsätzlich verfälschter Masse bestände. Da aber
das Material einmal beschafft, keine anderweitige Guttapercha
am Markte war, und Drähte unter allen Umständen gefertigt und
verbraucht werden mussten, so kam sie dennoch zur Verwendung.
Jedenfalls ergiebt sich mit Bestimmtheit, dass die beobachtete Zer-
setzung der Guttapercha nicht Folge der Zeit und Lage der Drähte,
sondern des Materials, aus welchem der Ueberzug besteht, ist. Es
7
[98] hat sich zwar herausgestellt, dass vorzugsweise da, wo der Draht
sehr wenig tief und in leichtem und trockenen Boden liegt, die
in Rede stehende Erscheinung zuerst auftritt, doch findet man
immer dicht neben solchen veränderten Drähten unter ganz den-
selben Verhältnissen wieder durchaus wohlerhaltene, an denen die
Zeit ganz spurlos vorübergegangen ist; man findet andererseits
bei den älteren Linien auch hin und wieder bei tiefer Drahtlage
und in schwerem Boden eine bereits weit vorgerückte Umwand-
lung, während dicht daneben, unter ganz gleichen Verhältnissen,
die Drähte von soeben fabricirten nicht zu unterscheiden sind.
Es kann mithin nur das Material, nicht äussere Umstände, Ur-
sache der beunruhigenden Erscheinung sein.


Im Bisherigen wird der Beweis geführt sein, dass die
schlechten Resultate, welche die ersten unterirdischen Linien ge-
geben haben, nur Folge der bei ihrer Anlage begangenen Fehler
sind, die theils in der durch die damaligen Zeitverhältnisse ge-
botenen Uebereilung, theils in dem gänzlichen Mangel an Er-
fahrungen über die Eigenschaften des zur Verwendung kommen-
den Materials und ungenügender Sorgfalt bei der Auswahl und
Verarbeitung desselben, ihren Grund haben. Dass die ersten Ver-
suche der Benutzung eines bis dahin so wenig bekannten Stoffes zu
einer ganz neuen und so viele andere Schwierigkeiten darbieten-
den Sache nicht gleich völlig befriedigend ausfallen würden, liess
sich wohl ziemlich bestimmt erwarten. Die Erfahrung lehrt dies
in solchen Fällen allgemein. Man muss erst Erfahrungen sam-
meln und Lehrgeld zahlen!


Es ist jetzt aber der Zeitpunkt eingetreten, wo man auf der
Grundlage wirklich gemachter Erfahrungen weiter bauen kann
und ein bestimmtes und wohlbegründetes Urtheil darüber zu
fällen im Stande ist: ob der neu eingeschlagene Weg überhaupt
zu dem gewünschten Ziele führen wird, oder ob er als verfehlt
zu betrachten und ganz zu verlassen ist.


Die Fragen, von deren Beantwortung diese Entscheidung
nur abhängen kann, sind folgende:


  • 1. Erhält sich die gute, unverfälschte und nicht verdorbene
    Guttapercha im Erdboden unverändert, oder unterliegt sie
    einer, wenn auch langsamen Umwandlung?

Es ist bereits oben erwähnt, dass auch die bei weitem
[99] grösste Zahl der Drähte der beiden älteren Linien sich trotz
der hier obwaltenden ungünstigen Verhältnisse bisher ganz voll-
ständig unverändert erhalten hat. Es ist bei den meisten auch
nicht das geringste Zeichen einer eintretenden Veränderung wahr-
zunehmen. Doch die Versuche reichen noch ein Jahr weiter
hinauf. Die auf der Anhaltischen Bahn gelegte Probeleitung
besteht aus nicht vulcanisirter Guttapercha. Einer dieser Drähte
ist mit guter wasserfreier Guttapercha bekleidet und 1½ Fuss
tief gelegt, der andere mit unvollständig entwässerter, theils
schlechter Masse und nur circa ¾ Fuss tief im Sandboden ein-
gelegt. Der ganze ersterwähnte Draht hat sich so vollständig
gut erhalten, dass es unmöglich ist, die Guttapercha von ganz
frisch verarbeiteter zu unterscheiden. Der zweite zeigt nur da,
wo schlechte Masse verwendet ist, eine eingetretene Verharzung.
Der Harzüberzug, welcher diesen Drähten beim Einlegen noch
ausser der Guttapercha gegeben wurde, hat sich theils abgelöst,
theils zersetzt, während die Oberfläche der Guttapercha selbst
ganz rein und durchaus unverändert geblieben ist. An den
Drähten der neueren Staats- und Eisenbahntelegraphen ist überall
keine Spur einer Veränderung der Guttapercha zu entdecken ge-
wesen.


Es lässt sich hieraus wohl mit Sicherheit folgern, dass die
Guttapercha, wenn unverfälscht und nicht vor oder bei der
Fabrication verdorben, sich in hinlänglicher Tiefe des Erd-
bodens ganz unverändert erhält und daher zu unterirdischen
Leitungen vollständig geeignet ist.


  • 2. Ist die Technik der Drahtfabrication und die Kenntniss
    des Materials so weit vorgeschritten, dass jetzt nur Drähte
    zur Verwendung kommen, welche nicht die Ursache bal-
    digen Verderbens in sich tragen?

Bereits die an den neueren Telegraphenlinien gemachten Er-
fahrungen bejahen diese Frage. Die im Frühjahr 1849 ange-
legten Linien von Berlin nach Hamburg und Stettin, von Breslau
nach Oderberg und von Cöln nach Aachen so wie auch die an-
gelegten Eisenbahn-Telegraphenlinien mit unterirdischer Leitung
sind in fast unausgesetzt gutem Betriebe geblieben. Noch nie
seit ihrer Anlage sind diese Linien einer eigentlichen Revision
unterworfen. Einzelne Unterbrechungen des Dienstes waren durch
7*
[100] noch nicht beseitigte, grobe Beschädigungen bei der Anlage oder
durch Eisenbahnbauten veranlasst und wurden schnell gehoben;
andere hatten darin ihren Grund, dass die Beamten mit den
ihren Händen anvertrauten Apparaten zu wenig bekannt waren
und dass die letzteren nicht in gutem Zustande erhalten wurden.
Es ist bisher noch kein Fall constatirt, dass auf diesen neueren,
doch schon im dritten Jahre bestehenden Linien eine Veränderung
der Guttapercha oder auch nur eine vorübergehende Dienstunter-
brechung einer Linie in Folge schlechter Fabrication der Drähte,
vorgekommen wäre. Eine scheinbare Ausnahme hiervon macht die
Verbindung der beiden Bahnhöfe zu Breslau, welche bereits
mehrere Male durch Excentricität der Drähte unbrauchbar wurde;
es lässt sich jedoch nachweisen, dass die hier verwandten Drähte
einer viel früheren Fabricationsperiode angehören.


Es soll jedoch damit keineswegs behauptet werden, dass auf
diesen Linien überhaupt keine Fabricationsfehler vorkommen.
Eine gründliche Revision der Leitungen wird gewiss noch eine
Menge solcher Fehler und auch hin und wieder noch Drähte,
die mit der Zeit verdorben werden, zum Vorschein bringen. Das
Vorkommen solcher Fehler würde sich nur durch eine sehr
strenge, gründliche und mit Benutzung aller Hülfsmittel der
Wissenschaft durchgeführte Controlirung der Fabrication selbst
und des zur Verwendung kommenden Materials vermeiden lassen.
Eine jährlich wiederholte gründliche Revision der Leitungen,
bei welcher alle vorhandenen Isolationsfehler beseitigt werden,
wird aber bei unterirdischen Leitungen dennoch stets nöthig sein.
Sind diese Revisionen ohne wesentliche Störung des Dienstes,
ohne grossen Kostenaufwand und mit vollständigem Erfolg durch-
führbar, wie hier der Fall ist, so erfüllen die Leitungen ihren
Zweck, und die Technik der Drahtfabrication muss für hinlänglich
ausgebildet erklärt werden, wenn auch noch hin und wieder
Fehler derselben vorkommen. Die jetzt in den Fabriken zur
Prüfung der Isolation benutzten, äusserst empfindlichen Instrumente
garantiren die Verwendung nur völlig isolirter Drähte. Eine sehr
excentrische Drahtlage, in beträchtlichem Maasse verharzte, ver-
brannte oder verfälschte Guttapercha zeigt sich fast immer durch
unvollständige Isolation. Die äusseren Merkmale dieser schlechten
Guttapercha sind deutlich und bekannt, man ist daher im Stande,
[101] ihre Verwendung gänzlich zu verhindern. Es ist mithin jetzt
möglich, nur gute und dauernd isolirt bleibende Drähte zu fabri-
ciren, oder doch wenigstens nur solche zur Verwendung kommen
zu lassen. Die Erfahrung hat auch gezeigt, dass die unvulcani-
sirte Guttapercha im feuchten Boden nicht, wie im Seewasser,
nach und nach in ein weniger gut isolirendes Hydrat umge-
wandelt wird. Die etwas geringere Härte und das etwas schnellere
Sprödewerden der ungeschwefelten Guttapercha in freier Luft sind
zwar noch bleibende Nachtheile derselben, dagegen lässt die
Schwefelung die Verwendung schlechter und wasserhaltiger Masse
weniger gut erkennen. Die Anwendung ungeschwefelter, gut
entwässerter Guttapercha ist daher rathsamer, indem sie die Ge-
fahr der Verwendung schlechter Drähte noch weiter vermindert.


  • 3. Sind die unterirdischen Drähte gegen äussere Beschädi-
    gungen hinlänglich zu sichern?

Die Tiefe der Drahtlage ist auf den genannten neueren Linien
durchschnittlich 2 Fuss. Diese Tiefe scheint gegen zufällige
Beschädigungen aller Art schon ziemlich vollständig zu sichern.
Demungeachtet erschien es vortheilhafter, bei den neueren Tele-
graphen-Anlagen für Eisenbahnen etc. die Tiefe des Einlegens
der Drähte bis auf 3 Fuss zu vermehren. Durch Anwendung
der in England gebräuchlichen Geräthschaften für das Ausheben
der Gräben für Wasserabzüge (drains) ist es möglich geworden,
die Gräben in der Tiefe von 3 Fuss für denselben Preis herzu-
stellen wie die früheren 1½füssigen. Diese Tiefe sichert die
Drähte nach allen bisherigen Erfahrungen nicht nur vollständig
gegen zufällige Beschädigung bei Ausführung der gewöhnlichen
Eisenbahnarbeiten und gegen Benagung durch Thiere, sondern
entzieht sie auch gänzlich dem Zutritt der atmosphärischen Luft
und beseitigt daher die Möglichkeit einer allmäligen Verharzung
der Guttapercha. An solchen Orten, wo der Draht durch be-
sondere Verhältnisse einer Beschädigung aus irgend welchem
Grunde ausgesetzt, oder wo die Tiefe von 2½—3 Fuss nicht zu
erreichen ist, kann derselbe leicht durch Thonrinnen oder, wo
es nöthig, durch eiserne Röhren gesichert werden.


Natürlich ist auch das hier Gesagte nicht so zu verstehen,
als wären äussere Verletzungen absolut zu verhindern. Die Er-
fahrung lehrt, dass die Arbeiten der Eisenbahnen nicht immer
[102] mit der gehörigen Berücksichtigung der Lage des Drahtes aus-
geführt werden. Es ist z. B. der Fall vorgekommen, dass die
Arbeiter einer Eisenbahn mit Mühe den Draht zerstörten, indem
sie in ihm eine widerspenstige Wurzel zu erkennen glaubten.
Doch dies sind vereinzelte Fälle, die wenig Gewicht haben, wenn
man nur die Möglichkeit solcher Fälle stets vor Augen und im
Voraus für möglichst schnelle Beseitigung derselben gesorgt hat.
Bei Eisenbahn-Telegraphen und den Staats-Telegraphenlinien, wo
ein Draht für die Eisenbahn in demselben Graben liegt, sind der-
artige fahrlässige und unbemerkt gebliebene Beschädigungen
meines Wissens noch nicht vorgekommen. Da die Lage der
Drähte auf dem Planum der Bahn und auf den Bahnhöfen stets
genau verzeichnet und durch Pfähle erkennbar gemacht wird, so
ist es in der That sehr leicht, bei aussergewöhnlich tief gehen-
den Arbeiten stets die nöthige Rücksicht auf dieselben zu nehmen.


Wenn die Beantwortung der gestellten entscheidenden Fragen
aber auch für die fernere Anwendung der durch alleinigen Ueber-
zug mit Guttapercha isolirten Drähte ausfallen musste, so er-
gaben sich doch auch manche Mängel der so gefertigten Lei-
tungen. Es wird stets schwierig sein, alle Fabricationsfehler zu
beseitigen und alle Beschädigungen beim Transport und dem Ein-
legen der Drähte, sowie bei denjenigen späteren Erdarbeiten, die
bis zum Drahte reichen, zu vermeiden. Sind diese Beschädi-
gungen auch ohne grosse Mühe, und in der Regel, ehe sie störend
einwirken können, zu beseitigen, die auf bisherige Weise isolirten
Drähte mithin wohl anwendbar, so muss doch zugestanden werden,
dass die Beseitigung der ihnen anhaftenden Mängel sehr wünschens-
werth wäre und der Werth der unterirdischen Leitungen hier-
durch sehr erhöht werden müsste. Dies geschieht durch die
neuerdings angewendete Ueberziehung der isolirten Drähte mit
Bleiröhren. Durch die Ueberziehung mit Blei wird die Gutta-
percha gänzlich dem Zutritt sowohl der Feuchtigkeit wie der
Luft entzogen. Da das Blei den Draht dicht umgiebt und die
etwa noch vorhandenen Zwischenräume durch Talg ausgefüllt
sind, so wird die Feuchtigkeit auch in dem Falle sich nicht
zwischen der Guttapercha und dem Blei durch Capillarkraft ver-
breiten können, wenn die Bleiröhre irgend wie beschädigt sein
sollte.


[103]

Selbst den Fall angenommen: die Guttapercha-Hülle wäre
undicht und isolirte mithin nur unvollkommen oder bestände aus
schlechtem Material, so würde dennoch die Isolation der Drähte
so lange durchaus vollständig bleiben als die Bleiröhre sich erhielte.
Ueber die Erhaltung des Bleies in der Erde liegen alte Er-
fahrungen vor. In reinem Sand- oder Thonboden, welcher keine
vegetabilischen Bestandtheile enthält, hat es sich Jahrhunderte,
ja Jahrtausende lang gut erhalten. Durch Einwirkung des
Sauerstoffs der Luft bildet sich zwar auch in gewisser Tiefe des
Erdbodens noch eine Oxydhaut auf der Oberfläche des Bleies,
doch nur in dem Falle dringt diese Zersetzung tiefer ein, wenn
ein gleichzeitiger Zutritt von Kohlensäure die Bildung von Blei-
weiss möglich macht. Wenn man bei dem Eingraben der Blei-
röhren einige Sorgfalt darauf verwendet, dass keine vegetabilischen
Bestandtheile in die unmittelbare Umgebung des Drahtes kommen,
so kann man auf die lange Erhaltung selbst dünner Bleiröhren
mit Sicherheit rechnen. Sollte aber auch durch irgend einen
Umstand das Blei irgendwo zerstört und die Guttapercha bloss-
gelegt werden, so würde die gute Isolation des Drahtes hier-
durch nur dann gefährdet sein, wenn dieselben Einflüsse, welche
das Blei nach und nach zerstörten, in gleicher Weise auf die
Guttapercha wirkten, was bei der gänzlichen Verschiedenheit der
Substanzen wohl nur in äusserst seltenen Fällen oder nie der Fall
sein kann. Der Bleiüberzug verhindert ferner die leichte Beschädi-
gung des isolirenden Guttapercha-Ueberzuges auf dem Transport
und beim Einlegen, er macht dennoch stattgefundene Beschädi-
gungen leichter erkennbar und entzieht die Guttapercha auch bei
nicht tiefem Einlegen gänzlich dem Einfluss der Luft. Die Gutta-
percha muss sich, auch wenn sie von schlechter Beschaffenheit
ist, in der sie allen äusseren Einflüssen entziehenden Bleiröhre
vollständig gut erhalten. Das in verbrannter Guttapercha ent-
haltene flüchtige Oel, durch dessen Verflüchtigung die Masse
auch im Erdboden bald erhärtet und brüchig wird, kann durch
die enganschliessende Bleihülle nicht entweichen, bleibt daher in
der Guttapercha und erhält sie biegsam.


Gegen die Anwendung des Bleies spricht ausser der Kosten-
vermehrung eine in ein ganz anderes Gebiet fallende Erscheinung,
die Vergrösserung der den unterirdischen Leitungen eigenthüm-
[104] lichen Ladungserscheinungen, die aber, nach den jetzt bereits
vorliegenden Erfahrungen an der circa 7 Meilen langen Tele-
graphen-Anlage in der Stadt Berlin, welche die Brandwachen
und Polizeibureaux verbindet, und bei welcher durchgängig mit
Blei bekleidete Drähte benutzt sind, nicht so beträchtlich ist, wie
zu befürchten war und durch die Wahl und Einrichtung der
telegraphischen Apparate unschädlich zu machen ist. Die Kosten-
vermehrung durch die Ueberziehung der isolirten Drähte mit
Bleiröhren ist nicht so bedeutend, wie es auf den ersten Blick
scheint. Da der isolirende Ueberzug allen äusseren Einwirkungen
entzogen ist, so kann er ohne Gefahr beträchtlich schwächer ge-
macht werden. Die Ersparung an Guttapercha ersetzt dann
den grössten Theil der Kosten des Bleiüberzuges. Ausserdem
erlaubt der mit Bleiröhren zu erzielende höhere Grad von Isola-
tion die Anwendung schwächerer Drähte für lange Linien.


Aus dem bisher Gesagten wird sich für jede unbefangene
Kritik ergeben, dass die ersten in Preussen angelegten unter-
irdischen Leitungen unter so ungünstigen Umständen angelegt
sind, dass die an ihnen gemachten Erfahrungen nur mit grosser
Vorsicht zur Beurtheilung des Werthes des Systems der unter-
irdischen Leitungen benutzt werden dürfen. Die schlechte Fa-
brication der dabei benutzten Drähte, die theilweise Verwen-
dung schlechter Sorten Guttapercha, die geringe Tiefe des
Einlegens der Drähte, die Anlage der Linien in grosser Eile, in
ungünstiger Jahreszeit und durch ungeübte Leute, haben zu viele
Quellen störender Einflüsse und schnellen Verderbens bei ihnen
eröffnet. Eine genauere Betrachtung der Ergebnisse der älteren
Linien und die bei den später angelegten Leitungen gemachten
Erfahrungen sprechen dagegen bisher durchaus für die unter-
irdischen Leitungen, wenn man auch die, bei den letzteren
grösstentheils aus Mangel an Erfahrung gemachten, und jetzt zu
vermeidenden Fehler berücksichtigt. Es ist bei allen neueren
unterirdischen Leitungen, auch bei denen, die unmittelbar nach
den beiden erstgenannten noch in demselben Jahre angelegt
wurden, bisher durchaus keine Veränderung der Guttapercha
bemerkbar gewesen, obschon die Tiefe des Einlegens auch bei
ihnen noch zu gering war. Nur selten haben sich Fabrications-
fehler gezeigt, die eine Revision der Leitung nöthig machten.
[105] Es haben nur wenig Beschädigungen beim Einlegen der Drähte
stattgefunden und spätere äussere Beschädigungen sind nur selten
vorgekommen. Wäre die Ueberwachung der unterirdischen Staats-
Telegraphen-Leitungen bereits gehörig organisirt, hätte eine regel-
mässige und gründliche jährliche Revision und eine stete genaue
Controlirung der Isolation der Leitungen stattgefunden, wären
wenn auch nicht alle, so doch ein grosser Theil der Telegraphen-
Beamten mit den so einfachen Manipulationen der Aufsuchung
und Wiederherstellung eingetretener grober Beschädigungen ver-
traut gemacht, so würden die selten eingetretenen Störungen oder
Unterbrechungen des Dienstes dieser Linien stets in sehr kurzer
Zeit gehoben und die Unterhaltungskosten der Leitungen ver-
hältnissmässig sehr gering gewesen sein. Wenn man auch zu-
geben muss, dass die oberirdischen Leitungen manche bedeutenden
Vorzüge vor den unterirdischen voraus haben und stets voraus
haben werden, so dürfen doch diese Vorzüge und die erkannten
wirklichen Schwächen der unterirdischen Leitungen nicht zu
einer einseitigen Beurtheilung führen. Die Bilance zwischen den
Vor- und Nachtheilen beider Leitungssysteme muss entscheiden.
Diese wird sich jetzt etwa folgendermaassen gestalten:


Die Vorzüge der oberirdischen Leitungen vor den unterir-
dischen bestehen im Wesentlichen darin, dass sie leichter be-
aufsichtigt und reparirt werden können, da sie überall sichtbar
sind, dass bis zu einer gewissen Grenze eine Vermehrung der
Drähte bei eintretendem Bedürfniss mit geringeren Kosten sich
ausführen lässt und dass die Anlagekosten im Allgemeinen ge-
ringer sind wie bei unterirdischen Leitungen. Diesen Vorzügen
steht aber eine grosse Reihe von Nachtheilen gegenüber. Die
oberirdischen Leitungen sind muthwilligen und zufälligen Zer-
störungen weit mehr ausgesetzt wie die unterirdischen. Sind
daher auch die Beschädigungen leichter und schneller auszu-
bessern, die Unterbrechungen des Dienstes mithin kürzer, so
treten sie dafür um so häufiger auf, und nur bei sehr solide an-
gelegten oberirdischen Leitungen würde die Sicherheit des Dienstes
der der bisherigen unterirdischen gleich zu setzen sein. Ver-
wéndet man zu den oberirdischen Leitungen, wie es in Deutsch-
land bisher am gebräuchlichsten war, Kupferdraht und dünne
Stangen, so lässt sich zwar bei ihnen eine sehr vollständige Iso-
[106] lation erzielen und die Anlage wird bedeutend billiger wie eine
unterirdische, doch ist der Draht dann, wie die Erfahrung lehrt,
dem Diebstahl sehr ausgesetzt, er dehnt sich nach und nach und
kommt in Folge dessen leicht mit anderen, an denselben Pfosten
befestigten Drähten in Berührung, er wird nach Verlauf von 6
bis 8 Jahren brüchig und muss dann erneuert werden, die
Stangen vermodern, werden dann vom Sturmwind leicht umge-
worfen und gefährden sogar die Sicherheit des Eisenbahndienstes.
Günstigere Resultate giebt die Anwendung des Eisendrahtes zu
oberirdischen Leitungen, wenn derselbe hinlänglich stark und
gut verzinkt ist. Dünner Eisendraht ist bald durch den Rost ver-
dorben und hat zu geringe Leitungsfähigkeit für längere Linien.


Die Verzinkung der Eisendrähte ist nur dann von Nutzen,
wenn das Zink mit dem Eisen da, wo beide Metalle in Berührung
sind, wirklich zusammengeschmolzen ist und in Folge dessen
beim Biegen des Drahtes nicht abspringt oder Risse bekommt.
Die Operation, durch welche dies erreicht wird, scheint bisher,
trotz der Veröffentlichung der Beschreibung des patentirten Ver-
fahrens, Geheimniss einiger englischen Fabriken zu sein, die sich
ihr Fabricat sehr theuer bezahlen lassen. Unverzinkte oder
schlecht verzinkte Drähte rosten auch bei grosser Stärke, nament-
lich an den Aufhängepunkten, sehr bald derartig, dass die Drähte
an diesen Stellen brechen. Starke Eisendrähte müssen natürlich
stark gespannt werden, damit sie nicht mit anderen in Berührung
kommen, und verlangen daher auch die Anwendung starker Pfosten
und besonderer Spannvorrichtungen, wodurch die Anlage be-
trächtlich vertheuert wird. Wie namentlich die englischen Er-
fahrungen lehren, wo in der Regel eine grosse Zahl von Drähten
an denselben Pfosten ausgespannt ist, muss eine stete, sehr sorg-
fältige Bewachung der Drähte stattfinden; sie müssen häufig
nachgespannt und bei eintretendem Froste wieder nachgelassen
werden, da sonst eine Berührung der Drähte oder das Reissen
derselben eintritt. Hierdurch werden für den Augenblick in der
Regel alle Drähte unbrauchbar, da die Enden des gerissenen mit
den übrigen in Berührung kommen. Auch die Eisendrähte wer-
den nach einem Zeitraume von 8 bis 10 Jahren spröde, und
mehrere englische Linien haben bereits aus dem Grunde erneuert
werden müssen, weil selbst bei dem dortigen milden Winter und
[107] trotz aller Vorsicht zu häufige Drahtbrüche eintraten. Es ist bis-
her nicht gelungen, die Spannvorrichtungen vollständig von ein-
ander und vom Boden zu isoliren. Bei Schneefall, Regen und
selbst nebligem Wetter finden daher in England sehr häufige
Störungen statt und man hilft sich dann dort in diesem Falle
dadurch, dass man nur einen oder wenigstens nur ein Paar aller
vorhandenen Drähte in Benutzung nimmt.


Bei der engen Verbindung, in welcher die englische Tele-
graphen-Compagnie mit den Eisenbahnen steht, lässt sich die
stets nöthige Ueberwachung der Drähte ohne grosse Kosten für
die Compagnie durch die Eisenbahnbeamten ausführen. Ob
dies bei den preussischen Staats-Telegraphenlinien im eigenen
und selbst in fremden Ländern ebenfalls überall der Fall sein
kann, scheint mindestens fraglich.


Alle die geschilderten Mängel der oberirdischen Leitungen
würden aber wohl die Frage noch nicht zu Gunsten der unter-
irdischen entscheiden, wenn nicht die elektrischen Störungen den
Gebrauch langer oberirdischer Leitungen stets unsicher machten.
Je besser die oberirdischen Leitungen isolirt sind, je mehr man
daher die Quelle der durch schlechte Isolation entstehenden Stö-
rungen verstopft hat, desto häufiger und stärker werden die elek-
trischen Störungen. Aus Erfahrungen an kleinen Linien kann
man hier durchaus nicht auf grössere schliessen. Die bei den
unterirdischen Leitungen häufig in höherem Maasse stattfindenden
Nebenschliessungen in Folge unvollkommener Isolation haben
immer einen constanten Charakter und sind daher durch richtige
Einstellung der Instrumente bis zu einem sehr hohen Grade
hin unschädlich zu machen. Die durch Luftelektricität in den
Drähten erzeugten Strömungen sind dagegen stets veränderlich
und machen daher schon bei geringer Stärke den Dienst der
Apparate unsicher. Bei den amerikanischen langen oberirdischen
Leitungen kann man aus diesem Grunde nur selten den Ueber-
trager beim Morseschen Telegraphen anwenden, da man nur durch
sehr kolossale Batterien die steten Neckereien der atmosphärischen
Elektricität, bis zu einer gewissen Grenze hin, unschädlich machen
kann. Hierzu kommt noch die bei oberirdischen Leitungen nicht
zu beseitigende Gefahr, dass einschlagende Blitze Leitungen und
Pfosten auf grösseren Strecken hin zertrümmern und die Beamten
[108] und Instrumente gefährden. Durch zweckmässige Blitzableiter
lassen sich die Stationszimmer und die in denselben befindlichen
Apparate wohl einigermassen beschützen, nicht aber die Wärter-
buden der Eisenbahnen, in welchen Glockenwerke angebracht
sind, die durch den elektrischen Strom ausgelöst werden sollen.
Bereits mehrere Male ist auf preussischen Eisenbahnen mit ober-
irdischer Leitung der Fall vorgekommen, dass Eisenbahnbeamte
durch Blitze betäubt und selbst erschlagen wurden. Die Eisen-
bahnwärter verlassen daher in der Regel bei aufziehenden Ge-
wittern ihre Buden und geben sich lieber dem Unwetter Preis,
um sich der drohenden Lebensgefahr zu entziehen.


Bei unterirdischen Leitungen üben nur wirkliche Gewitter
und einschlagende Blitze einen wenig störenden Einfluss auf den
Dienst der Apparate aus. Selbst bei den bisherigen unvollkom-
menen unterirdischen Anlagen gehörte eine plötzlich eintretende
gänzliche Zerstörung des Drahtes zu den grossen Seltenheiten
und dieselben würden bei einer zweckmässig organisirten Ueber-
wachung derselben stets in sehr kurzer Zeit beseitigt sein. Die
Gründe anhaltender Störungen haben bei ihnen meist nur darin
gelegen, dass aus irgend welchen Gründen eingetretene Beschä-
digungen des isolirenden Ueberzuges der Drähte eine allmälige
Verschlechterung der Isolation und endlich die gänzliche Durch-
fressung der Kupferdrähte zur Folge hatten. Es ist aber wiederum
Sache einer guten Verwaltung, eine Verschlechterung der Isolation
gar nicht aufkommen zu lassen, sondern entstandene Beschädi-
gungen zu beseitigen, bevor sie einen schädlichen Einfluss auf
die Sicherheit des Dienstes ausüben können.


Durch einen bei den preussischen Telegraphenanlagen statt-
findenden grossen Uebelstand, dem Vorhandensein nur Eines
Drahtes für die Gesammtcorrespondenz, wurde dies freilich be-
trächtlich erschwert. Die Revisionen einfacher unterirdischer
Leitungen lassen sich zwar ausführen, ohne den Dienst der Ap-
parate wesentlich zu stören, doch hat jede vorkommende Störung
das Aufhören aller Correspondenz zur Folge, während man sich
in anderen Ländern so lange mit einem Draht behilft, bis der
unbrauchbare zweite wieder hergestellt ist. Die Revision der
unterirdischen Leitungen selbst ist ferner unverhältnissmässig
schwieriger, wenn nur ein Draht vorhanden ist, selbst abgesehen
[109] von der gleichzeitigen störenden Benutzung desselben. Es ist
bei einem Drahte schwierig, eine vorhandene Beschädigung durch
Strommessungen und Berechnungen zu bestimmen, namentlich
desswegen, weil die Messungen gleichzeitig an beiden Endpunkten
der Leitung vorgenommen werden müssen; sind dagegen zwei
oder mehrere Drähte vorhanden, so lässt sich bei im Allgemeinen
guter Isolation die Lage einer oder einiger Beschädigungen durch
eine einfache Widerstandsmessung mit grösster Genauigkeit vom
Zimmer aus bestimmen, wodurch die Revisionen natürlich ausser-
ordentlich vereinfacht werden.


Die Anlagekosten unterirdischer Leitungen werden wohl stets
höher sein wie die oberirdischer. Ob dagegen die Unterhaltungs-
kosten gut angelegter unterirdischer Leitungen bei zweckmässiger
Organisation der Bewachung grösser sind, wie die der oberir-
dischen, ist wenigstens noch fraglich. Aber auch angenommen,
sie wären grösser, so bilden weder die Zinsen des Anlagecapi-
tals, noch die Erhaltungskosten der Leitungen die für die Ein-
träglichkeit der Telegraphenlinien entscheidenden Momente. Die
Kosten der Verwaltung im Allgemeinen und die Gehalte der
ausübenden Beamten sind, namentlich bei den preussischen Staats-
Telegraphenlinien, die unvergleichlich überwiegenden. Es hat
dies seine Ursache theils darin, dass aus Gründen, die nicht
zur Sache gehören, eine Menge für die telegraphische Correspon-
denz gänzlich unerheblicher Stationen in den einzigen vorhan-
denen Draht aufgenommen werden mussten, wodurch der Dienst
bedeutend erschwert und eine im Vergleich mit fremden Tele-
graphenlinien ungemein grosse Zahl von Beamten erforderlich
wurde; ferner darin, dass die Verhältnisse des Landes es mit
sich brachten, dass nur ausgediente Militärs als Telegraphen-
beamte angestellt wurden, während in anderen Ländern junge
Leute, oft selbst Knaben bei fast übermässig anstrengender Be-
schäftigung den Dienst verrichten. Man hat in Preussen mithin
hinsichtlich der ausübenden Beamten ein zwar kostspieligeres,
aber grössere Garantien der Sicherheit bietendes System ange-
nommen. Die hierfür aufgewandten grösseren Kosten können
aber nur dann durch grössere Sicherheit des Dienstes der Tele-
graphenlinien aufgewogen werden, wenn nicht ausserhalb des
Bereiches der Beamten liegende Ursachen steter Störungen vor-
[110] handen sind. Hat man daher die Ueberzeugung gewonnen, dass
mit guten unterirdischen Leitungen, die mit Benutzung der bis-
her gemachten Erfahrungen und Fortschritte angelegt werden,
eine grössere Sicherheit des Dienstes der Linien zu erreichen
ist, so können die vermehrten Anlagekosten keinen genügenden
Grund zur Verwerfung eines bessere Resultate gebenden Systems
abgeben. Die elektrische Telegraphie ist in jeder Beziehung noch
in der Kindheit ihrer Entwickelung. Erst dann kann sie diesen
Standpunkt überwinden und die ihr gebührende Stellung als ein
mächtiger Hebel des Staatsmechanismus und des öffentlichen
Verkehrs erringen, wenn man stets auf ihre Dienstfähigkeit und
die Untrüglichkeit ihrer Mittheilungen mit Sicherheit rechnen
kann und bei billigen Beförderungsgebühren jedem Anspruche
schnell und sicher Genüge gethan wird. Bis jetzt hat sie nir-
gends diese Höhe erreicht; sie kann es auch nur mit Hülfe eines
umfassenden Systems guter unterirdischer Leitungen. Schon bei
der jetzigen Entwickelung der Telegraphie in England, wo doch
nur in der Regel die Eisenbahn 2 bis 4 Drähte für ihren Ge-
brauch und die Telegraphen-Compagnie ein Paar für die Cor-
respondenz nach den wichtigsten Punkten des Landes und ein
Paar für die durchgehende Correspondenz nach den grossen End-
punkten hat, ist namentlich an solchen Stellen, wo zwei oder
mehrere Linien auf kurzen Strecken zusammenfallen oder sich
kreuzen, ein solches Gewirre von Drähten und es treten so leicht
gegenseitige Störungen ein, dass man mit Bestimmtheit behaupten
kann: dass eine beträchtliche Vermehrung der Drähte, wie sie
bei allgemeinerer Benutzung der Telegraphie erforderlich sein
würde, nicht ausführbar ist, ohne grosse Störungen und Unsicher-
heit hervorzubringen. Derselbe Grund, welcher bei einem noch
in der Kindheit befindlichem Systeme elektrischer Telegraphen
für die oberirdischen Leitungen spricht, wird sich bei weiterer
Entwickelung derselben daher gerade in das Gegentheil umkehren.
Bei unterirdischen Leitungen muss man freilich, um das leicht
nöthig werdende Hinzufügen eines Drahtes zu vermeiden, die
Anlage von vorn herein in grösserem Maassstabe machen und
mindestens gleich einen Draht mehr einlegen, als für den Augen-
blick nöthig scheint. Man muss auch bei dem Wege, den die
Drähte durchlaufen, gleich die nöthige Rücksicht auf das für
[111] spätere Anlagen nöthige Terrain nehmen. Es ist übrigens auch
nicht so schwierig und kostspielig, wie es auf den ersten Blick
erscheint, die bereits gelegten Drähte wieder aufzunehmen und
mit den hinzuzufügenden zugleich wieder einzulegen, nachdem sie
an Ort und Stelle einer genauen Prüfung unterworfen und etwa
vorgefundene oder bei der Arbeit entstandene Beschädigungen
ausgebessert sind. Die Störung des Dienstes bei dieser Arbeit
lässt sich durch eine provisorische oberirdische Leitung, die man
für die Dauer der Arbeit an der Arbeitsstelle anbringt und nach
Beendigung derselben fortrückt, leicht und ohne in Betracht
kommende Kosten verhindern.


Der Zweck diesser Blätter war: zu zeigen, dass die un-
günstigen Resultate, welche die ersten in Preussen angelegten
unterirdischen Leitungen gegeben haben, nicht Folge des ange-
nommenen Systems, sondern der meist durch Mangel an Erfah-
rung und ungünstige Verhältnisse herbeigeführten Fehler der An-
lage und späteren Verwaltung waren. Diese Fehler sind bei den
neueren Anlagen grossentheils vermieden und werden sich bei
späteren durch richtige Benutzung der gewonnenen Ertahrungen
und der Fortschritte der Technik gänzlich beseitigen lassen.


Es ist aber zu beklagen, dass durch diese ungünstigen
Resultate ein sehr allgemeines und unbegründetes Vorurtheil gegen
das System unterirdischer Leitungen überhaupt hervorgerufen
ist. Ueber den wahren Werth desselben kann nur eine genaue,
von wissenschaftlichen und sachkundigen Männern angestellte,
vergleichende Analyse der bisherigen Resultate endgültig ent-
scheiden. Es würde daher gerade jetzt von hoher Wichtigkeit und
grossem praktischen Nutzen sein, wenn die Regierung den schon
einmal betretenen Weg wieder einschlüge und das gutachtliche
Urtheil einer wissenschaftlichen Commission über die jetzt vor-
liegenden Resultate und die zu ergreifenden Massregeln, so wie
über diejenigen organischen Einrichtungen der Verwaltung, die
zur steten Erhaltung der Dienstfähigkeit der Leitungen und des
ganzen Instituts durchaus nothwendig sind, einholte.


[[112]][[113]]

Ueber
die Beförderung gleichzeitiger Depeschen
durch einen telegraphischen Leiter
.


(Poggendorff’s Annalen d. Phys. u. Chem. Bd. 98 S. 115. 183.)


1856.


Bereits im Jahre 1849 beschäftigte ich mich in Gemein-
schaft mit Halske mit der Lösung der Aufgabe, durch telegra-
phische Leiter eine die Zahl der Drähte übersteigende Zahl
gleichzeitiger Depeschen zu befördern. Wir gingen dabei von
folgenden Betrachtungen aus:


Wenn man das Ende jedes Leitungsdrahtes mit den Enden
aller übrigen Drähte durch ein telegraphisches Instrument mit
zugehöriger Batterie verbindet, so kann man solcher Tele-
graphenapparate auf jeder Seite der die Stationen A und B ver-
bindenden n Leitungsdrähte aufstellen. Schaltet man nun mit
einem der eingeschalteten Apparate die zugehörige Batterie
zwischen die betreffenden Drähte ein, so werden alle vorhandenen
Leitungsdrähte und Apparate von einem mehr oder weniger starken
Strome durchlauten. Die Aufgabe bestand nur darin, den den
homologen Apparat der anderen Station durchlaufenden Strom
möglichst stark und wirksam, die die übrigen Apparate durch-
laufenden Ströme dagegen entweder sehr schwach zu machen
oder ihre Wirkung ganz oder doch grösstentheils zu compensiren.
Es konnte dies durch passende Wahl von Widerständen, welche
mit den Batterien und Apparaten ein- und ausgeschaltet wurden,
durch locale Nebenschliessungen der thätigen Batterien und
durch zweckmässige Construction der Apparate selbst ausge-
führt werden.


8
[114]

Da die für eine geringe Anzahl von Drähten ausgeführten
Berechnungen sowie die angestellten Versuche ein günstiges Re-
sultat versprachen, so nahmen wir in ein am 23. October 1849
in England entnommenes Patent den Anspruch auf gleichzeitige
Beförderung einer grösseren Zahl von Depeschen durch combinirte
Drähte, auf. Weitere Beschäftigung mit diesem Gegenstande
zeigte uns jedoch bald, dass die Lösung bei einer grösseren
Zahl von Drähten zu schwierig und complicirt wurde und dass
sich das hauptsächlichste Erforderniss telegraphischer Einrich-
tungen — grösstmöglichste Sicherheit — nicht befriedigend
erreichen liess.


Einige Jahre später versuchte Hr. Dr. Kruse in Artlenburg
die Aufgabe der mehrfachen gleichzeitigen Benutzung telegra-
phischer Leiter auf eine ganz verschiedene Weise zu lösen.
Derselbe benutzte zu seinen Versuchen eine Modification unserer,
auf das Princip des Neeff’schen Hammers basirten Zeigertelegra-
phen1), welche darin besteht, dass sie mit einem Uebertrager
(relais) in Verbindung gebracht sind. Es geschieht dies auf
die Weise, dass die Windungen des Uebertragers vom Linien-
strome, die des Telegraphenmagnetes von einem Localstrome
durchlaufen werden, während der Contact des Uebertragers den
Localstrom, der des Telegraphen den Linienstrom abwechselnd
herstellt und unterbricht. Mit dieser Einrichtung versehen sind
die Zeigertelegraphen befähigt, mittels sehr kurzer und schwacher
Strömungen, welche die Leitung und die Windungen der Ueber-
trager durchlaufen, sicher und schnell zu gehen.


Man denke sich nun eine beliebige Zahl derartig combinirter
Zeiger oder Drucktelegraphen an jedem Ende der Leitung aufge-
stellt. Das eine Ende aller Uebertragerwindungen communicirt
durch die Schiebercontacte der zugehörigen Telegraphen hindurch
mit dem einen Pol einer gemeinsamen Batterie, deren anderer
Pol zur Erde abgeleitet ist. Das zweite, freie Ende jeder
Uebertragerspirale führt dagegen zu einer isolirten Contactfeder.
Diese Federn sind in gleichen Abständen um eine Contactscheibe
gruppirt. Der Rand dieser Scheibe, auf welchem die Federn
schleifen, ist in abwechselnd isolirende und leitende Felder
[115] derartig eingetheilt, dass stets nur eine Feder mit einem leiten-
den, alle übrigen dagegen mit isolirenden Feldern in Berührung
sind. Wird die Scheibe gedreht, so treten die Federn der Reihe
nach einen Augenblick in leitende Verbindung mit der Scheibe
und durch sie mit dem Leitungsdrath. Denkt man sich nun an
beiden Enden der Leitung dieselbe Einrichtung getroffen, beide
Batterien in gleicher Richtung eingeschaltet und beide Scheiben
genau gleichmässig gedreht, so werden sämmtliche Telegraphen
gleichmässig rotiren. Wird einer derselben angehalten und da-
durch die leitende Verbindung seiner Contactfeder mit der
Batterie dauernd unterbrochen, so muss auch der mit ihm
correspondirende, d. i. der mit einer homologen Feder verbundene
Apparat der andern Station, still stehen, da kein Strom die
Leitung durchlaufen kann, während diese Feder mit ihr in Ver-
bindung ist. Die gleichmässige Rotation der beiden Scheiben
bewirkt Hr. Kruse dadurch, dass er sie mit Zähnen versieht und
durch die Oscillationen der Telegraphenmagnete selbst drehen
lässt. Da stets gleich viel Apparate an beiden Enden der Leitung
in Bewegung sind und alle genau mit derselben Geschwindigkeit
rotiren, so müssen auch beide Scheiben genau gleichmässig fort-
schreiten. Werden einzelne Telegraphenpaare angehalten, so
wird dadurch zwar die Rotationsgeschwindigkeit der Scheiben
und mithin auch der übrigen Telegraphen vermindert, die Gleich-
mässigkeit der Rotation aber nicht gestört.


Es ist ersichtlich, dass diese sinnreiche Combination für prak-
tische Anwendung zu complicirt und zu unsicher ist. Namentlich
wird es sehr schwer sein, die Uebertrager so empfindlich und
schnell beweglich zu machen, dass sie mit Strömen von so
kurzer Dauer noch sicher functioniren und die Telegraphen in
Bewegung setzen.


Im zweiten Decemberheft des Leipziger polytechnischen
Centralblattes beschrieb Hr. Telegraphen-Inspector Galle eine
von Hin. Dr. Gintl auf der Linie Prag-Wien versuchte Methode
mittels des Morse’schen Schreibtelegraphen gleichzeitig Depeschen
in entgegengesetzter Richtung zu befördern. Sie bestand darin,
dass die Uebertragermagnete mit 2 Drahtspiralen versehen wurden,
von denen die eine mit dem Leitungsdrahte communicirte. War
der Schlüssel (Contacthebel) nicht niedergedrückt, so stellte sein
8*
[116] Ruhecontact die leitende Verbindung des freien Endes dieser
Spirale mit der Erde her; der leitende Kreis war mithin durch
den Drath, die betreffenden Spiralen der beiden Endstationen
und die Erde hergestellt. Durch Niederdrücken eines der Schlüssel
war die directe leitende Verbindung der Spirale mit der Erde
aufgehoben und sie dagegen mit dem freien Pole einer zur Erde
abgeleiteten Batterie hergestellt. Der Strom dieser Batterie
durchlief mithin jetzt den Leitungsdrath und die seine Fortsetzung
bildenden Spiralen. Um nun zu verhindern, dass dieser Strom
den am Orte der wirksamen Batterie befindlichen Magnet des
Uebertragers magnetisirte, ward durch dieselbe Hebelbewegung
gleichzeitig ein zweiter Contact hergestellt, welcher den Strom-
lauf einer zweiten Batterie durch die zweite Spirale des Magnetes
herstellte. Der Strom durchlief diese Spirale in entgegengesetzter
Richtung und ward durch einen eingeschalteten Rheostaten so
abgeglichen, dass seine magnetisirende Wirkung derjenigen des die
andere Spirale durchlaufenden Linienstromes gleich und entgegen-
gesetzt war. Der Uebertragermagnet der eigenen Station blieb
daher ganz unmagnetisch, während der Strom auf den Magnet
der Empfangstation seine volle Wirkung ausübte. War nun an
beiden Enden der Leitung dieselbe Einrichtung getroffen und
wurden gleichzeitig beide Contacthebel niedergedrückt, mithin
alle 4 Batterien eingeschaltet, so ward das Gleichgewicht der
Ströme in beiden Uebertragermagneten gestört und die Anker
beider mussten angezogen werden. Es musste daher jeder Apparat
die von der anderen Station gegebenen Zeichen erhalten, während
gleichzeitig andere Zeichen von ihm ausgingen und dort zum
Vorschein kamen.


Hr. Dr. Gintl scheint die an den beiden Enden des Leitungs-
drahtes befindlichen Batterien stets in entgegengesetztem Sinne
eingeschaltet und dies für unumgänglich nothwendig erachtet zu
haben, da er später mehrfach die sonderbare Ansicht ausge-
sprochen hat, dass die Möglichkeit des Gegensprechens den
Beweis liefere, dass zwei Ströme einen Drath in entgegengesetztem
Sinne durchlaufen könnten, ohne sich gegenseitig zu schwächen
oder aufzuheben! In dem vorliegenden Falle ist es für die Grösse
der Störung des Gleichgewichts der magnetisirenden Wirkungen
der die beiden Spiralen jedes Uebertragermagnetes durchlaufen-
[117] den Ströme ganz gleichgültig in welchem Sinne die Batterien
beider Stationen eingeschaltet werden. Werden sie in gleichem
Sinne, d. i. so eingeschaltet, dass sie als eine Batterie von
doppelter Zahl von Elementen wirken, so ist die Stromstärke im
Leitungsdraht und den mit ihnen verbundenen Spiralen doppelt
so gross wie die, welche eine einzelne Batterie in demselben
Kreise hervorbringt. Sind die Batterien dagegen gleich und ent-
gegengerichtet, so neutralisiren sie sich in einem völlig isolirten
Leitungskreise vollständig und es wird weder der Leitungsdraht
noch die zugehörigen Spiralen von einem Strome durchlaufen.
In beiden Fällen werden die Magnete durch die Differenz der
Wirkung des Linien- und des Gleichgewichtsstromes — mithin
ebenso stark wie bei einseitigem Strome — magnetisirt. Der
einzige Unterschied besteht darin, dass im ersteren Falle der
Linien-, im zweiten der Local-Gleichgewichtsstrom überwiegend
ist und die Magnetisirung bewirkt.


Die praktischen Resultate, welche Hr. Dr. Gintl bei den Ver-
suchen mit den wie eben beschrieben hergerichteten Apparaten
erzielte, konnten nur sehr ungünstig ausfallen. Zwei Batterien
bleiben nicht lange im Gleichgewicht ohne häufige Correcturen
des Widerstandes. Noch weit schwieriger, ja sogar unmöglich,
ist es, zwei Contacte wirklich gleichzeitig herzustellen und auf-
zuheben, wie es das Gintl’sche1) Gegensprechverfahren erfordert.
Ferner wird die leitende Verbindung des Leitungsdrahtes mit der
Erde während jedes Uebergangs aus einer Ruhelage in die andere
unterbrochen, der von der anderen Station kommende Strom mithin
während dieser Zeit aufgehoben, wodurch nothwendig Störungen
der ankommenden Schrift hervorgerufen werden. Endlich hat Herr
Dr. Gintl. dadurch, dass er die Batterien in entgegengesetzter
Richtung einschaltete, noch den Uebelstand herbeigeführt, dass
die Uebertragermagnete bei gleichzeitiger Schrift im Sinne der
[118] Gleichgewichtsströme, bei einseitiger dagegen im Sinne des Linien-
stromes magnetisirt wurden; bei jedem der zahlreichen Wechsel
zwischen Einzel- und Doppelschrift musste daher der Magnetismus
der Elektromagnete umgekehrt werden, was zur nothwendigen
Folge haben musste, dass häufig kurze Schriftzeichen fortblieben
und längere unterbrochen wurden.


Die ungünstigen Resultate, welche Hr. Gintl mit dem Gegen-
sprechen auf elektromagnetischem Wege erhielt, veranlassten den-
selben diesen Weg ganz zu verlassen, und die Lösung der Auf-
gabe mittels des Bain’schen elektrochemischen Telegraphen zu
versuchen. In einer am 30. Nov. 1854 der K. K. Academie der
Wissenschaften zu Wien mitgetheilten1) Abhandlung sucht Herr
Dr. Gintl den Beweis zu führen, dass zwei Ströme, ohne sich
gegenseitig zu stören, in entgegengesetzter Richtung denselben
Draht durchlaufen, dass mithin „jeder der beiden sich gleich-
zeitig durch den Draht fortpflanzenden Ströme an der entgegen-
gesetzten Station gerade so anlangte, als wenn er für sich allein
in dem Drahte dahingeleitet worden wäre“, und begründete auf
diesen, vermeintlich geführten Beweis die Construction seines
elektrochemischen Gegensprechers. Obgleich sich dieser Beweis,
wie leicht vorherzusehen, als gänzlich irrthümlich ergiebt und
nur zeigt, dass Hr. Dr. Gintl das Ohm’sche Gesetz und die
Lehre der Stromverzweigungen ausser Acht gelassen hat, so ist
der von demselben zuerst betretene Weg des Gegensprechens auf
elektrochemischem Wege doch sehr beachtenswerth. Es wird
daher am zweckmässigsten sein, durch eine einfache Rechnung
gleich die Bedingungen des elektrochemischen Gegensprechens
festzustellen und auf die Gintl’sche Beweisführung gar nicht
weiter einzugehen.


Es stelle in Fig. 9 a b die Drahtleitung, c d die als wider-
standslos betrachtete Verbindung durch die Erde vor, durch
welche die beiden Stationen A und B mit einander communi-
ciren. Die leitende Verbindung zwischen a und c, so wie zwischen
b und d ist durch die zur Aufnahme der telegraphischen Zeichen
bestimmten, mit einer der bekannten Salzlösungen getränkten
[119] Papierstreifen hergestellt und dadurch der galvanische Kreislauf
geschlossen. Schaltet nun eine der beiden Stationen, z. B. A,
eine Batterie E in den Kreis ein, so wird der Strom beide Papier-
streifen durchlaufen und an beiden Stationen eine Zersetzung des

Figure 9. Fig. 9.


Elektrolyten, mit welchem sie getränkt sind, bewirken. Die Auf-
gabe des Gegensprechens verlangt dagegen, dass nur in Station
B eine Zersetzung hervorgebracht, der Papierstreifen in Station A
mithin von keinem Strome durchlaufen wird. Dies kann dadurch
bewirkt werden, dass man gleichzeitig mit der Batterie E eine
zweite Batterie E' nebst einem noch zu ermittelnden Wider-
stande w', zwischen die beiden als Anoden dienenden Metall-
stifte, zwischen denen der Papierstreifen hindurchgeführt wird,
in der Weise einschaltet, dass der Papierstreifen den von keinem
Strome durchlaufenen Zweigdraht des Wheatstone’schen Strom-
netzes bildet. Bezeichnen E und E' die elektromotorischen Kräfte
der eingeschalteten Batterien, w den Widerstand des Leitungs-
drahtes zwischen A und B, w' den der Zweigleitung mit der Batterie
E', w″ den Widerstand des Papierstreifens, i, i', i″ endlich die in
den Widerständen w, w' und w″ herrschenden Stromstärken, so
ist nach der Kirchhoff’schen Form des Ohm’schen Gesetzes,
wenn durch die eingezeichneten Pfeile die Richtung der Ströme
bestimmt ist:

  • 1) w' i' + w i + w″ i = E + E'
  • 2) w' i'w″ i″ = E'
  • 3) i' + i″ = i.


Hieraus folgt für den gesuchten Fall, dass i″ = 0 werden soll,
E : E' = w + w″ : w'.
Es durchläuft mithin den Papierstreifen gar kein Strom, wenn
die Widerstände der Haupt- und Zweigleitung sich wie elektro-
[120] motorischen Kräfte der zugehörigen Batterien verhalten. Schaltet
nun Station B gleichzeitig mit Station A ihre beiden Batterien
E und E' mit dem ebenso abgeglichenen Widerstande w' auf
gleiche Weise ein, so sind die beiden Fälle zu betrachten, ob
die Batterien der beiden Stationen einander verstärken oder ent-
gegengerichtet sind. Im letzteren Falle wird die Leitung a b
von keinem Strome durchlaufen, da die in A und B befindlichen
elektromotorischen Kräfte gleich und entgegengesetzt sind. Durch
die Papierstreifen in A und B sind aber Nebenschliessungen der
Gleichgewichtsbatterien E' hergestellt. Die ersteren werden mithin
von einem Strome
durchlaufen. Es tritt daher gleichzeitig an beiden Stationen
eine Zersetzung der Flüssigkeit, mit welcher die Papierstreifen
getränkt sind, ein, die jedoch nicht Folge von Strömen, welche
im Leitungsdraht aneinander vorbeigehen, ist, sondern durch Local-
ströme der Gleichgewichtsbatterien veranlasst wird1).


Wenn die Batterien der beiden Stationen nicht entgegen,
sondern gleichgerichtet sind, so ergeben sich die Gleichungen:

  • 1) w . i + 2 w' . i' = 2 (E + E')
  • 2) w' i'w″ i″ = E'


[121]

  • 3) i' + i″ = i
  • 4) ;


woraus folgt, wenn i, i' und E eliminirt werden:
. Es findet mithin auch in diesem Falle eine gleichzeitige Zer-
setzung in beiden Papierstreifen statt, welche durch den im
Leitungsdraht herrschenden überwiegenden Strom bewirkt wird.


Um eine tadellose telgraphische Schrift zu erhalten, müsste
beim Einzel- wie beim Doppelsprechen die Stärke des die Papier-
streifen durchlaufenden Stromes gleich gross sein. Es müsste
mithin in dem zuerst betrachteten Falle
sein.


Diese Gleichung wird aber nur dadurch erfüllt, dass w″ = 0
gesetzt wird. Es lässt sich mithin nur dann eine gleichmässige
und sichere Schrift erzielen, wenn der Widerstand, den der ein-
geschaltete Papierstreifen dem Durchgange des Stromes entgegen-
setzt, im Vergleich mit den übrigen Widerständen sehr klein ist.


Dasselbe Resultat erhält man in dem Falle, wenn die
Batterien in gleichem Sinne eingeschaltet sind, aus der Gleichung:

Ersetzt man die Zersetzungsvorrichtungen durch die Win-
dungen zweier Uebertragermagnete, so eignet sich das Gintl’sche
Stromschema auch zum Gegensprechen mit elektromagnetischen
Telegraphen, doch ist hierbei der Uebelstand der ungleichen
Ströme beim Einzel- und Doppelsprechen noch nachtheiliger wie
bei elektrochemischen Apparaten.


Der praktischen Brauchbarkeit der beschriebenen Gintl’schen
Gegensprechmethode steht besonders die Schwierigkeit entgegen,
welche mit der Construction von Doppelcontacten, welche gleich-
zeitig und ohne Unterbrechung der Leitung wirken sollen, ver-
knüpft ist. Ueberhaupt eignet sich der elektrochemische Telegraph
nur zur Benutzung auf einzelnen, unverzweigten Linien, da er
die Weitertragung (Translation), d. i. die mechanische Weiter-
[122] gabe einer Depesche durch die empfangenden Apparate nicht
gestattet.


Im Sommer 1854 beschäftigten Halske und ich und unab-
hängig von uns Hr. Telegraphen-Ingenieur Frischen in Hannover
uns mit der Aufgabe, dem Gegensprechen mit Morse’schen Te-
legraphen eine praktisch brauchbare Form zu geben. Es gelang
uns dies auf völlig befriedigende Weise und zwar auf im We-
sentlichen gleichem Wege.


In dem Stromschema Fig. 10 sei a b der die Stationen
A und B verbindende Leitungsdraht, m und n seien die beiden

Figure 10. Fig. 10.


Spiralen des mit zwei Drähten umwundenen Uebertragermagnetes,
o der Schlüssel (Contacthebel) des Apparates, E die Batterie,
w' ein veränderlicher Widerstand, p die Metallplatte, welche die
leitende Verbindung mit dem Erdboden herstellt. Die verbin-
denden Linien sind leitende Drähte. Im Ruhestande, d. i. wenn
keiner der beiden Hebel o niedergedrückt ist, ist der Leitungs-
draht a b durch einen der beiden Umwindungsdrähte m und die
Ruhecontacte der Hebel o an beiden Stationen in leitender Ver-
bindung mit der Erde. Wird der Hebel o der Stationen A nieder-
gedrückt, so wird hierdurch die leitende Verbindung des Umwin-
dungsdrahtes m mit der Erde aufgehoben und derselbe dagegen
mit dem freien Pole einer zur Erde abgeleiteten Batterie E ver-
bunden. Der Strom dieser Batterie theilt sich nun in zwei Zweige.
Der eine Theilstrom durchläuft die Spirale m der Station A, den
Leitungsdraht a b, die Spirale m der Station B und geht durch
den Ruhecontact des dortigen Hebels o zur Erde. Der andere
Zweig durchläuft den Spiraldraht n der Station A und kehrt durch
den Widerstand w1 zur Batterie zurück. Die Spiralen m und n
und der Widerstand w1 müssen nun so angeordnet sein, dass die
beiden durch m und n gehenden Ströme einen gleichen und ent-
[123] gegengesetzten magnetisirenden Effect auf das eingeschlossene
Eisen des Uebertragermagnetes ausüben, mithin gar kein Magne-
tismus in demselben erzeugt wird. Es wird dann der von einer
Station ausgehende Strom nur den Uebertragermagnet der anderen
Station magnetisiren. Dieser Bedingung wird bei dem darge-
stellten Stromschema dadurch genügt, dass man die Producte der
Stromstärken der beiden Zweigströme in die Zahl der Windungen
der Spiralen m und n einander gleich macht. Da sich die Strom-
stärken in den beiden Zweigleitungen umgekehrt wie die Wider-
stände derselben verhalten, so müssen mithin die Windungszahlen
der beiden Spiralen sich wie die Gesammtwiderstände der zuge-
hörigen Kreise verhalten. Ist dies Verhältniss durch richtige
Einstellung des Widerstandes w hergestellt, so wird kein Magne-
tismus in dem Magnete des eigenen Uebertragers erzeugt, derselbe
behält mithin seine vollständige Empfänglichkeit für den von der
anderen Station kommenden Strom.


Als weitere Bedingung für das durchaus gesicherte gleich-
zeitige Sprechen tritt noch hinzu, dass der magnetisirende Effect
des von der anderen Station kommenden Stromes auch in dem
Falle von gleicher Grösse bleiben muss, wenn der Contacthebel
in Bewegung begriffen ist. Bezeichnet E die elektromotorische
Kraft der thätigen Batterie, w den Gesammtwiderstand der Haupt-
leitung a b, w' den Widerstand der Gleichgewichtsleitung, m und
n die Windungszahlen der gleich benannten Spiralen, und wird
der Widerstand der Batterien als unerheblich im Vergleich mit
den übrigen Widerständen vernachlässigt, so ergiebt sich aus
Obigem die Bedingungsgleichung:
, welcher Gleichung ebenfalls genügt wird, wenn man
macht, wie für das Gleichgewicht der von der eigenen Batterie
ausgehenden Ströme nothwendig ist. Bei praktischen Ausführun-
gen haben wir in der Regel vorgezogen, die Zahl der Windungen
beider Spiralen und mithin auch die Widerstände des Haupt- und
des Gleichgewichtskreises einander gleich zu machen, obschon
hierdurch der Verbrauch übersponnener Kupferdrähte für die
Uebertrager und übersponnener Neusilberdrähte zur Herstellung
[124] der Gleichgewichtswiderstände vergrössert wird. Wir thaten dies,
weil grössere Widerstände leichter mit, für praktische Zwecke
ausreichender Genauigkeit auszugleichen sind und die veränder-
lichen Widerstände der Berührungsstellen dabei weniger in Be-
tracht kommen, hauptsächlich aber um den durch die Leitung
gehenden Strom der Batterie nicht durch eine zu kurze Zweig-
leitung unnöthig zu schwächen und unconstant zu machen. Da
nämlich sehr oft in den Telegraphen-Bureaux inconstante Batterien,
aus Kohlen-Zinkketten mit verdünnter Schwefelsäure gefüllt be-
stehend, benutzt werden, so wird die etektromotorische Kraft
derselben sehr schnell durch Polarisation vermindert, wenn ihre
Thätigkeit beträchtlich in Anspruch genommen wird. Der an-
kommende Strom wird bei kurzen Gleichgewichtsleitungen daher
namentlich dann sehr veränderlich werden, wenn die Leitung
unvollkommen isolirt ist und dadurch der abgehende Strom be-
deutend verstärkt wird. Auch bei Anwendung constanter Ketten
haben kurze Zweigleitungen der Batterie den Nachtheil, dass man
viel grössere Elemente namentlich dann anwenden muss, wenn
mehrere Apparate durch eine Batterie betrieben werden sollen1).


[125]

Die Aufgabe des gleichzeitigen Sprechens in entgegenge-
setzter Richtung durch denselben Draht kann als vollständig ge-
löst durch die beschriebene Construction erachtet werden, wie
eine längere praktische Erfahrung es bestätigt. Es ist dies Ver-
fahren jedoch da nicht anwendbar, wo die durch die Telegraphen-
leitung gehenden Ströme nicht von constanter Stärke sind, mit-
hin weder bei längeren unterseeischen oder unterirdischen Lei-
tungen, noch in Fällen, wo eine grössere Zahl von Magnetspiralen
in die Leitung eingeschaltet ist. Im ersteren Falle überwiegt bei
Beginn des Stromes die Haupt-, im zweiten die Gleichgewichts-
spirale, es ist mithin in beiden Fällen kein vollständiges Gleich-
gewicht beider zu erzielen.


Ein weniger günstiges praktisches Resultat haben Halske und
ich bei der Lösung einer anderen Aufgabe, der des gleichzeitigen
Sprechens mit zwei Apparaten in derselben Richtung mittels
schreibender (Morse’scher) Apparate, erreicht.


Verbindet man mittels passender Mechanismen zwei Bat-
terien von verschiedener Stärke in der Weise mit dem einen
Ende eines telegraphischen Leiters und der Erde, dass man, ohne
die Continuität des Kreises zu unterbrechen, die eine oder die
andere der Batterien oder beide zugleich einschalten kann, so
kann man drei verschiedene Stromstärken im Leiter erzeugen.
Ist Batterie II doppelt so stark wie Batterie I, so werden die
durch Batterie I, II und I + II hervorgebrachten Stromstärken
sich wie 1 zu 2 zu 3 verhalten. Sind nun am andern Ende der
Leitung zwischen ihnen und die Erde zwei Uebertrager einge-
schaltet, von denen der erste durch Stromstärke 1 in Thätigkeit
gesetzt wird, während der zweite erst durch Stromstärke 2 zur
Anziehung gebracht wird, so erfordert die Lösung der Aufgabe,
dass der Uebertrager I nur durch Stromstärke 1 und Stromstärke
3, nicht aber durch Stromstärke 2 in Bewegung gesetzt wird.
1)
[126] Dies lässt sich auf sehr viele Weisen erreichen. Wir versuchten
zuerst, Anfangs vorigen Jahres, mittels einer Localbatterie die
Stromstärke 2 im Uebertrager I zu compensiren. Es geschah
dies dadurch, dass der Magnet des Uebertragers I mit zwei Drähten
umwunden ward, von denen der eine in die Hauptleitung einge-
schaltet war, während der andere von einem Zweigstrome der
Localbatterie durchströmt ward, wenn Uebertrager II seinen Anker
angezogen hatte. Es ward dieser Localstrom durch einen Rheostat
so regulirt, dass er im Uebertrager I einen gleichen und ent-
gegengesetzten Magnetismus wie Strom 2 erzeugte. Es ward
daher, wenn Batterie II in die Leitung eingeschaltet ward, Ueber-
trager I zwar momentan in Thätigkeit gesetzt, sobald jedoch auch
Uebertrager II seinen Anker angezogen hatte, begann die Wir-
kung des Gleickgewichtsstromes und der Anker des Uebertragers
I fiel wieder ab, bevor der durch ihn bewirkte momentane Schluss
der Localkette ein Zeichen auf dem Papierstreifen hervorbringen
konnte. Ward jedoch auch Batterie I eingeschaltet, so circu-
lirte in der Leitung Stromstärke 3, das Gleichgewicht der Ströme
im Uebertrager I ward daher gestört und derselbe zog seinen
Anker durch Wirkung der Differenz der Ströme — d. i. Strom-
stärke 1 — an. Das Resultat des Versuches war, wie leicht
vorherzusehen war, ungünstig. Abgesehen von der Schwierigkeit,
zwei von verschiedenen Batterien erzeugte Ströme in dauerndem
Gleichgewicht zu erhalten, war nicht einmal im Zimmer regel-
mässige Schrift zu erzielen, hauptsächlich aus dem Grunde, weil
die Wirkung des Uebertragers I zu träge wird, wenn die Gleich-
gewichtsspirale durch die Localbatterie geschlossen ist, und weil
Uebertrager II nicht sicher abwechselnd mit Stromstärke 1 und
3 arbeitet — wie es der Fall sein müsste.


Figure 11. Fig. 11.

Das Stromschema für die beschriebene Lösung der Auf-
gabe des Doppelsprechens ist Fig. 11 dargestellt. Die Spiralen
[127] der Uebertrager R1 und R2 sind mit s und s', die Gleichgewichts-
spirale des Uebertragers R' mit s″ bezeichnet. a und a' sind
die Anker der beiden Uebertrager, k und k' die Contacte der-
selben, durch deren Berührung mit a und a' der Strom der Local-
batterie B durch die Drahtspiralen S und S' der Schreibmagnete
hergestellt wird. Durch den Contact a'k' wird ferner eine
Nebenschliessung der Batterie E, durch den Rheostat w und die
zweite Spirale s″ des Uebertragers I hindurch, hergestellt. Der
Rheostat w wird so eingestellt, dass die Spiralen s und s″ bei
Stromstärke 2 gleichen und entgegengesetzten magnetisirenden
Effect auf den Eisenkern des Magnetes ausüben, sich mithin bei
dieser Stromstärke neutralisiren.


Beim Stromschema Fig. 12 wird dagegen die Spirale s″ dauernd

Figure 12. Fig. 12.


von einem Strome der Batterie B durchströmt und zwar in dem-
selben Sinne wie Spirale s. Wird die Leitung von Stromstärke 1
durchströmt, so wird durch gemeinschaftliche Wirkung beider
Spiralen der Anker angezogen. Wird dagegen bei Stromstärke 2
auch Anker a' angezogen, so hört der Localstrom durch s″ auf
und der Anker a fällt ab. Stromstärke 3 zieht denselben dagegen
wieder an.


Mit Hülfe eines dritten Uebertragers R3, welcher erst mit
Stromstärke 3 seinen Anker anzieht, lässt sich die unzuverlässige
Neutralisirung der Stromstärke 2 im Uebertrager R' durch einen
Localstrom beseitigen. Fig. 13 und Fig. 14 stellen zwei derartige
Stromschemas dar. Die Buchstaben haben dieselbe Bedeutung,
wie oben angegeben. Berücksichtigt man, dass die starken Linien
vom Linienstrome, die schwachen dagegen von Localströmen
durchlaufen werden, so werden diese Stromläufe auch ohne spe-
cielle Beschreibung verständlich sein. Es werde nur noch be-
merkt, dass im Schema Fig. 13 die Wirkung der Stromstärke 2
[128] im doppelt umwundenen Magnet des Schreibapparates compensirt
wird, während im Schema Fig. 14 diese Compensation im Ueber-
trager R' durch den Linienstrom selbst geschieht, indem der

Figure 13. Fig. 13.


Figure 14. Fig. 14.


Strom genöthigt ist, die beiden gleichen Spiralen des Ueber-
tragers R' in entgegengesetzter Richtung zu durchlaufen, wenn
Anker a' angezogen und dadurch seine Berührung mit seinem
Ruhecontact r aufgehoben wird.


Es lassen sich mit leichter Mühe eine Menge ähnlicher Strom-
leitungen combiniren, durch welche die Aufgabe des Doppel-
sprechens mit mehr oder weniger gutem Erfolge gelöst wird. Es
ist uns jedoch nicht gelungen, auf einem dieser Wege ein prak-
tisch brauchbares Resultat zu erzielen. Dies lässt sich auch
schon dadurch erklären, dass beim Doppelsprechen drei ver-
schiedene Stromstärken benutzt und regulirt werden müssen, um
die telegraphischen Zeichen beider Apparate getrennt zu erhalten,
während beim Gegensprechen nur zwei Stromstärken in Betracht
kommen. Das Doppelsprechen scheint daher nur geringe Aussicht
auf weitere Entwickelung zu haben1).


[129]

Der Vollständigkeit wegen will ich noch einen Versuch an-
führen, den Halske und ich anstellten, um die mehrfache gleich-
zeitige Benutzung eines Drahtes auf ganz abweichendem Wege
zu erreichen.


Wenn man in schneller Reihenfolge Ströme von gleicher
Stärke und Dauer und wechselnder Richtung, wie sie in der
Spirale eines Eisenankers, welcher vor den Polen eines kräftigen
Magnetes rotirt, erzeugt werden, durch die Spirale eines Electro-
magnetes gehen lässt, so wird im Eisenkerne desselben kein
Magnetismus erzeugt. Ein gleichzeitig von diesen Strömen durch-
laufener elektro-dynamischer Uebertrager (z. B. ein Weber’sches
Elektrodynamometer mit Contactvorrichtung) wird aber durch
sie in Thätigkeit gesetzt. Durch einen schwachen constanten
Strom, den man allein oder gleichzeitig mit den wechselnden
Strömen durch dieselben Spiralen gehen lässt, wird dagegen der
Elektromagnet zur Wirkung kommen, während der dynamische
Uebertrager, welcher stärkerer Ströme bedarf, durch ihn nicht
afficirt wird. Man kann daher auf diese Weise, wenn die
oscillirenden Ströme hinlängliche Stärke haben, das Doppelsprechen
1)
9
[130] mit Sicherheit ansführen. Da sich sowohl beim oscillirenden wie
beim einfachen Strome das oben beschriebene Gegensprech-Ver-
fahren anwenden lässt, so ist hierdurch auch die Möglichkeit
gegeben, Doppel- und Gegensprechen zugleich anzuwenden.


Für die praktische Benutzung ist diese Methode jedoch ebenso
wenig geeignet. Die Anwendung so starker Ströme, wie ein
elektrodynamischer Uebertrager sie erfordert, ist im Allgemeinen
unzweckmässig. Namentlich sind aber so schnell wechselnde
Ströme, wie sie erforderlich sind, damit der elektomagnetische
Uebertrager ganz unthätig bleibt, deswegen nicht brauchbar, weil
sie nicht auf grosse Entfernungen fortgepflanzt werden können.
Bei unterirdischen oder Untersee-Leitungen bedarf diese Erschei-
nung wohl kaum einer weiteren Begründung. Die von mir zuerst
in diesen Blättern beschriebene, später mehrseitig und nament-
lich durch die Untersuchungen Faraday’s bestätigte, elektrosta-
tische Ladung consumirt kurze alternirende Ströme gänzlich.
Sind die Stromwechsel beträchtlich schneller wie die Ladungs-
zeiten für den ganzen Draht, so werden zwar positive und negative
Ladungswellen sich im Drahte hintereinander fortbewegen, müssen
jedoch im Fortschreiten ineinanderfliessen und dadurch sehr
schnell an Intensität verlieren. Wie ich in einer besonderen Ab-
handlung über die Ladungserscheinungen später nachweisen werde,
sind auch die oberirdischen Leitungen als grosse Leydener
Flaschen, wenn auch von weit geringerer Capacität wie unter-
irdische von gleichen Dimensionen, zu betrachten, bei denen die
zwischen Draht und Erde befindliche Luft die Stelle des Glases
der Flasche vertritt. Sowohl die hieraus folgende Ladung ober-
irdischer Drähte, wie die stets unvollkommene Isolation derselben
und die damit verbundene, mit der Stromrichtung wechselnde
Polarisation des Drahtes und der die Verbindung mit der Erde
herstellenden Platten bewirken eine mit der Entfernung von der
Quelle der alternirenden Ströme schnell wachsende Schwächung
derselben.


[[131]]

Beantwortung
der
Bemerkungen von Edlund über die Beför-
derung gleichzeitiger Depeschen.


(Poggendorff’s Annalen d. Phys. u. Chem. S. 310.)


1856.


Hr. Edlund macht im achten Hefte dieser Annalen zuvörderst
darauf aufmerksam, dass die von mir beschriebene Methode des
Gegensprechens mittels verzweigter Ströme vollkommen mit der-
jenigen übereinstimme, welche er im Jahre 1848 zur Messung
der Faraday’schen Extraströme benutzt habe, und führt den Be-
weis, dass die von ihm damals benutzte Stromleitung mit geringen
Abänderungen zum Gegensprechen hätte benutzt werden können.
Hr. Edlund hätte mit gleichem Rechte noch weiter zurückgehen
können. Zwei Becquerel’sche Differentialgalvanometer mit dop-
pelten Windungen, wie sie seit lange allgemein zu Widerstands-
messungen benutzt wurden, bilden einen vollständig brauchbaren
Apparat zur Ausführung des Gegensprechens mit Zweigströmen.
Es kam nur darauf an, diese Idee zu erfassen und praktisch
brauchbar zu machen. Bekanntlich aber führt der Weg zu Erfin-
dungen sehr selten geraden Weges zu dem in der Regel sehr nahe
liegenden Ziele — wie Hr. Edlund selbst dies wieder recht über-
zeugend beweist.


Hr. Edlund theilt ferner mit, dass er im August 1854 das
Gegensprechen auf einer schwedischen Linie eingeführt und sein
Verfahren im Junihefte des Jahres 1855 der Verhandlungen der
Stockholmer Akademie der Wissenschaften beschrieben habe. Da
dieser Aufsatz meines Wissens in keiner weiteren Kreisen zu-
9*
[132] gänglichen Sprache wiedergegeben ist, so ist er mir allerdings
unbekannt geblieben. Es war mir zwar bekannt geworden, dass
Hr. Edlund ebenfalls ein Gegensprech-Verfahren erfunden und
darauf Patente in verschiedenen Ländern genommen habe, ich
wohnte auch, wie ganz richtig bemerkt wird, gelungenen Ver-
suchen mit einem nach seiner Angabe construirten Uebertrager
in Paris bei, konnte jedoch nicht in Erfahrung bringen, wie der-
selbe construirt sei, und musste annehmen, dass die Construction
noch geheim bleiben sollte. Das von Hrn. Frischen einer- und
Halske und mir andererseits erfundene Gegensprech-Verfahren
mittels verzweigter Ströme ist dagegen in mehreren deutschen
Zeitschriften und unter Anderem auch in dem Werke über elek-
trische Telegraphie von L. Galle1), welches im December 1854
in Leipzig erschien, vollständig beschrieben, mithin sechs Monate
früher publicirt, wie der Aufsatz des Hrn. Edlund.


Da nach herrschendem Gebrauche das Datum der Publication
und nicht das geheim gehaltener Versuche über die Priorität
entscheidet, so kommt es wenig darauf an, ob Hr. Edlund oder
wir früher Versuche auf der Linie angestellt haben. Wir waren
hierin ihm, wie Hrn. Frischen gegenüber im Nachtheile, da uns
die chemischen Telegraphenlinien leider nicht zugänglich sind,
wir daher unsere Versuche im Zimmer vollständig zum Abschluss
bringen müssen, um nicht zu oft die sehr anzuerkennende Ge-
fälligkeit der Telegraphen-Directionen benachbarter Länder in An-
spruch nehmen zu müssen. Jedenfalls hat Hr. Frischen zuerst
gelungene Versuche auf der Linie angestellt — wie er zu beweisen
verspricht, wenn Hrn. Edlund daran liegen sollte.


Hr. Edlund will eine wesentliche Verschiedenheit und einen
Vorzug seines Verfahrens darin finden, dass er den Gleichge-
wichtszweigen einen geringeren Widerstand und entsprechend ge-
ringere Windungszahl giebt wie dem Hauptzweige. Wir haben
dies, wie ich auch in meinem Aufsatze deutlich genug ausge-
sprochen habe, anfänglich stets und später, nachdem wir in
Uebereinstimmung mit den Erfahrungen des Hrn. Frischen die-
jenigen Apparate, welche auf langen Linien functioniren sollten,
mit gleichen Spiralen versehen hatten, noch sehr häufig gethan.
[133] Hr. Edlund hat indess ganz Recht, wenn er darauf aufmerksam
macht, dass das magnetische Gleichgewicht im Uebertrager der
gebenden Station gestört wird, während der Schlüssel der em-
pfangenden Station aus der einen Ruhelage in die andere über-
geht. Er übersieht jedoch in seiner Berechnung, dass man es
in praxi nie mit vollkommen isolirten Linien, wie er sie annimmt,
zu thun hat. Je grösser aber die Nebenschliessungen der benutzten
Leitung sind, desto verschwindender wird der Einfluss, den
Widerstandsänderungen am Ende derselben auf die Stromstärke
der Batterie ausüben. Demungeachtet würde Hr. Edlund im
Rechte sein, diesen immerhin nachtheiligen Einfluss so viel wie
möglich zu reduciren, wenn nicht andere Gründe dagegen sprächen.
Diese bestehen darin, dass sowohl in Folge unvollkommener
Isolation der Leitung, wie auch der der gleichmässigen Ent-
wickelung des galvanischen Stroms vorhergehenden elektrostati-
schen Ladung des Drahtes der durch den Zweigdraht des eigenen
Uebertragers gehende Strom viel stärker wird, wie der Theil
desselben, welcher die Windungen des entfernten Uebertragers
erreicht, und dass der erstgenannte, weit stärkere Strom in jedem
Augenblicke seines Entstehens im Gleichgewicht mit seinem
Zweigstrome sein muss. Da nun in einer dicken Spirale dünnen
Drahtes die Entwickelung des Stromes durch den Schliessungs-
Gegenstrom beträchtlich verlangsamt wird, wie Hr. Helmholtz 1)
durch Messungen bewiesen hat, während er in der aus wenig
Lagen bestehenden Gleichgewichts-Spirale momentan entsteht, so
ist es klar, dass in dieser Hinsicht gleichzeitig und in gleicher
Länge aufgewundene Zweigdrähte den Vorzug vor den von Hrn.
Edlund vertretenen ungleichen Spiralen verdienen. Dass der
Einfluss der Verzögerung der Entwickelung des Stromes nicht
unerheblich ist, geht schon daraus hervor, dass bei den bisher
bekannten Methoden das Gegensprechen gar nicht mehr gelingt,
wenn die Magnet-Spiralen einiger Zwischen-Stationen in die
Leitung eingeschaltet sind. Es bildet dies sogar bisher das
wesentlichste Hinderniss der allgemeineren Benutzung des Gegen-
sprechens.


Keineswegs will ich hiermit ausgesprochen haben, dass eine
[134] Verminderung des Widerstandes der Gleichgewichtszweige in der
Mehrheit der Anwendung unzweckmässig wäre; ich behaupte nur,
dass diese Frage zu complicirt ist, um auf andere Weise wie durch
praktische Erfahrung entschieden werden zu können. Wir nahmen
daher auch keinen Anstand, von unserer anfänglichen Praxis ab-
zugehen und die von Hrn. Frischen auf Grund seiner reicheren
Erfahrung bei Benutzung des Gegensprechens auf längeren Linien
vorgeschlagene Gleichartigkeit beider Spiralen zu adoptiren, als
es sich darum handelte, eine gleichmässige, gemeinschaftliche
Construction festzustellen.


Der Rechnung, durch welche Hr. Edlund den Beweis führt,
dass die Verstärkung der Kette, welche durch die Verminderung
des Widerstandes des Gleichgewichtszweiges nothwendig wird,
nicht wesentlich in Betracht komme, hat derselbe ebenfalls voll-
kommen isolirte Leitungen zu Grunde gelegt. Praktische Con-
structionen müssen jedoch auf die ungünstigsten basirt sein. Soll
das Gegensprechen sich allgemeineren Eingang verschaffen, so
muss es auch dann noch mit Sicherheit ausführbar sein, wenn
nur wenige Procente des in die Leitung eintretenden Stromes
das Ende derselben erreichen. Da jedoch in der Regel Ketten
von geringem Widerstande verwendet werden, so ist in der That
dieser von mir auch nur beiläufig angeführte Einwurf gegen die
Verminderung des Widerstandes des Gleichgewichtskreises ziem-
lich unerheblich.


Endlich greift Hr. Edlund noch meine Behauptung an, dass
die Stärke des Stromes in der Leitung mit der Grösse der Po-
larisation der benutzten inconstanten Kette variire, und sucht
durch eine Rechnung, welche mir unverständlich geblieben ist,
zu beweisen, dass die durch die Polarisation der Kette herbei-
geführte Schwächung des Linienstromes unabhängig von der Grösse
der Polarisation der Kette sei. Da aber die Polarisation als Ver-
minderung der elektromotorischen Kraft der Kette in Rechnung
zu ziehen ist, so muss selbstredend die Stromstärke in allen
Verzweigungen des Schliessungsbogens derselben gleichmässig mit
der Grösse der Polarisation abnehmen. Ist daher in dem einen
Falle die Grösse der Polarisation mit Hrn. Edlund gleich p, in
dem andern gleich n . p, so vermindert sich die Stromstärke in
allen Verzweigungen der Batterie — mithin auch im Uebertrager
[135] der entfernten Station — vom Beginn des Stromes bis zu dem
Augenblicke, in welchem die elektromotorische Kraft der Batterie
durch Polarisation um die Grösse p und resp. n . p vermindert ist,
im Verhältnisse dieser Verminderungen. War also die Schwächung
des ankommenden Stromes in einem Falle gleich p, so ist sie
im anderen gleich n . p, sie ist daher nicht unabhängig von der
Grösse der Polarisation, wie Hr. Edlund behauptet, sondern direct
abhängig von ihr.


Das von Hrn. Edlund in seinen Bemerkungen beschriebene
Verfahren der Regulirung des Gleichgewichts beider Spiralen
durch Veränderung der Zahl der Windungen, welche der einen
oder anderen Spirale angehören, ist sehr sinnreich und wird, ohn-
geachtet der grösseren Complication der Construction, häufig mit
Vortheil benutzt werden können.


Ich benutze schliesslich die sich mir darbietende Gelegen-
heit, um eine irrthümliche Ansicht, die ich in einer Anmerkung
meines Aufsatzes ausgesprochen habe, selbst zu rectificiren. Ich
stellte einer anders lautenden Behauptung des Hrn. Stark gegen-
über die Ansicht auf, dass es nicht möglich sei, denselben Draht
gleichzeitig zum Gegen- und Doppelsprechen zu benutzen, da
Beides auf Veränderung der Stromstärke im Leitungsdraht basire.
Dies ist zwar ganz richtig, jedoch nicht die daraus gezogene Fol-
gerung. Da nämlich die drei Batterien der gegensprechenden
Station ihre Ströme mit denen der anderen combiniren, so ent-
steht eine hinlängliche Zahl von Strömen verschiedener Stärke
um die Zeichen der vier Apparate geschieden zu halten. Natür-
lich kann nie die Rede von einer praktischen Benutzung des
theoretisch ausführbaren, gleichzeitigen Doppel- und Gegen-
sprechens sein.


[[136]][[137]]

Berichtigung der Schlussworte
des Herrn Edlund:
Ueber das telegraphische Gegensprechen.


(Poggendorff’s Annalen d. Phys. u. Chem. S. 653.)


1857.


Hr. Edlund hält meiner „Beantwortung“ seiner „Bemerkun-
gen“ gegenüber drei seiner Angriffspunkte aufrecht und zwingt
mich dadurch und noch mehr durch den abfertigenden Ton seiner
Schlussworte zu einer kurzen, aber hoffentlich verständlichen Be-
richtigung.


Obschon ich Hrn. Edlund zugegeben habe, dass Gleichge-
wichtsspiralen von geringerem Widerstande wie dem der Leitung
in mancher Hinsicht vortheilhafter sind, und wiederholt ange-
führt habe, dass Halske und ich nur auf Grund gemachter ver-
gleichender Versuche von unserer ursprünglichen Construction,
bei welcher wir Gleichgewichtsströme von grösserer Stärke be-
nutzten, später abgewichen sind, bemüht sich Hr. Edlund aber-
mals die Vorzüge derselben hervorzuheben. Ich führte in meiner
„Beantwortung“ an, dass der extra-current der Magnetspiralen,
die auch bei langen oberirdischen Leitungen auftretenden
Ladungsströme und die stets mehr oder weniger unvollkommene
Isolirung der Drähte bei der theoretischen Vergleichung beider
Constructionen in Betracht gezogen werden müssten, und erklärte,
dass die Frage zu complicirt sei, um auf andere Weise als durch
vergleichende Versuche entschieden werden zu können. Herr
Edlund berücksichtigt in seinen „Schlussworten“ nur den Ein-
wand der unvollständigen Isolirung der Leitungen, giebt zwar
zu, dass sie den Nachtheil grosser Gleichgewichtsspiralen zum
[138] Theil compensirte, behauptet aber, dass sie auf den dortigen
Linien nur gering sei, und belehrt mich, dass man die Erschei-
nungen des galvanischen Stromes hinreichend kenne, um die
Wirkungen verschiedener Spiralen im Voraus berechnen zu können.


Da Hr. Edlund nur einen der von mir angeführten Gründe
berücksichtigt hat, und da gerade die unvollkommene Isolirung
der Leitungen und die mit ihr zusammenhängenden Uebergangs-
ströme von einer Leitung zur anderen nebst dem nachtheiligen
Einflusse des extra-current’s die allgemeinere Benutzung des Gegen-
wie des Doppelsprechens vereitelt haben, so hat die Frage, ob
ein grösserer oder geringerer Gleichgewichtswiderstand zweck-
mässiger ist, augenblicklich kein praktisches Interesse mehr und
es lohnt sich nicht der Mühe, eingehendere Rechnungen darüber
anzustellen.


Hr. Edlund ist damit einverstanden, dass man bei Gleich-
gewichtsspiralen von geringerem Widerstande die Kette verstär-
ken müsse, um den Linienstrom ebenso stark zu machen wie
im anderen Falle. Er nennt diese Verstärkung unbedeutend.
Ich behauptete, sie „komme mehr in Betracht“, wenn die Isola-
tion der Leitung schlecht sei. Hr. Edlund sagt, es sei ihm un-
möglich, einzusehen, was ich damit habe sagen wollen. Geht die
Hälfte des Stromes durch Nebenschliessungen verloren, so muss
die Kette doppelt so stark werden, damit der ankommende Strom
die nöthige Stärke bekommt. Musste man bei gut isolirten Lei-
tungen daher z. B. die Kette um 10 Zellen vergrössern, wenn
man Gleichgewichtsdrähte von geringerem Widerstande benutzte,
so muss man sie um 20 vergrössern, wenn die Hälfte des Stromes
verloren geht. Da nun ein Mehrverbrauch von 20 Zellen mehr
in Betracht kommt, wie ein Mehrverbrauch von 10 Zellen, so
kann die Richtigkeit meiner Behauptung wohl nicht in Abrede
gestellt werden. Uebrigens wird die Zahl 20 noch vergrössert,
wenn man den Widerstand der hinzugesetzten Zellen berück-
sichtigt.


Hr. Edlund giebt mir schliesslich den Rath, seine Rech-
nung, welche beweisen soll, dass die durch die Polarisation der
Kette herbeigeführte Schwächung des Linienstromes durch die
Verstärkung des Stromes der Kette nicht vermehrt würde, noch
einmal durchzulesen und hofft, dass ich sie dann verstehen würde.


[139]

Ich bediente mich des Ausdrucks, sie sei mir unverständ-
lich geblieben, nur deshalb, weil ich glaubte, Hr. Edlund habe
den in derselben begangenen Fehler nur übersehen, und es sei
genügend, ihn darauf aufmerksam zu machen. Da er aber die
Richtigkeit seiner Rechnung wiederholt aufrecht erhält und be-
hauptet, die meinige beweise nur seine Voraussetzung, so kann
ich ein näheres Eingehen auf die vorliegende, sehr einfache
physikalische Frage nicht ferner vermeiden.


Der Strom einer unconstanten Kette theilt sich in zwei
Zweige, von denen der eine die Leitung, der andere einen Zweig-
draht durchläuft. Dieser Zweigdraht hat in dem einen der beiden
betrachteten Fälle gleichen Widerstand wie die Leitung, im
anderen einen bedeutend geringeren. Die Kette ist im zweiten
Falle um so viel verstärkt, dass der anfängliche Linienstrom
eben so gross ist wie im ersten Falle. Hr. Edlund will nun
durch seine Rechnung beweisen, dass die Schwächung des Linien-
stroms durch die Polarisation der Kette in beiden Fällen ganz
gleich sei, obgleich die Polarisation proportional dem Strome der
Kette, mithin im zweiten Falle weit grösser sei wie im ersteren.
Er sagt in seinen „Bemerkungen“ Bd. VIII, S. 636:


„Ist der Widerstand der Nebenschliessung dem der ganzen
Linie gleich, so geht die Hälfte des Stromes zur nächsten Station
über. Wir können mithin den ganzen Strom mit 2 und jeden
seiner beiden Theile mit 1 bezeichnen. Wird die Polarisation
der Kette mit 2p bezeichnet, so wird dadurch in dem nach der
entfernten Station gehenden Strome eine Schwächung erzeugt,
die gleich p ist“ etc.


In diesem „gleich p“ liegt der Irrthum der Rechnung. Die
Schwächung ist nicht gleich p, sondern proportional 2p. Ist also
im zweiten Falle die Polarisation gleich 2np, wie Hr. Edlund
annimmt, so verhalten sich die Stromschwächungen in beiden
Fällen wie 2p : 2np, mithin wie 1 : n oder wie die Stromstärken
der Kette.


Da diese, von mir in meinen „Bemerkungen“ schon ausge-
führte Rechnung Hrn. Edlund nicht von der Unrichtigkeit der
seinigen überzeugt hat, so will ich das gesuchte Verhältniss der
Stromschwächungen noch in einer allgemeineren Form entwickeln.


Es sei s und s' die anfängliche und endliche Stromstärke
[140] in dem einen, s und s″ dieselbe im zweiten Falle, so ist
das gesuchte Verhältniss der Stromschwächungen. Besteht nun
die Kette im ersten Falle aus n, im zweiten aus m Zellen, von
denen jede die elektromotorische Kraft e hat; wird ferner der
Widerstand der Leitung, des Zweigdrahtes und der Kette in
einem Falle mit l, w und W, im zweiten mit w, w' und W', ferner
die Polarisation einer Zelle jeder Kette mit p und p' bezeichnet,
so ist:
und
woraus n W = m W', ferner

und

Die Stromschwächungen verhalten sich daher wie die Polari-
sation gleicher Zellenzahlen der benutzten Ketten oder wie die
endlichen Stromstärken der Ketten.


Vielleicht hat Hr. Edlund durch 2p und 2np nicht die Po-
larisationen selbst, sondern die für sie zu substituirenden, gleiche
Stromschwächungen erzeugenden Gegenströme bezeichnen wollen,
ohne zu bedenken, dass dieselben in Schliessungsbögen von ver-
schiedenem Widerstande auftreten, sich mithin umgekehrt wie
die Quadrate derselben verhalten.


[[141]]

Ueber
eine neue Construction magnetelektrischer
Maschinen.


(Poggendorff’s Annalen d. Phys. u. Chem. Bd. 101 S. 271.)


1857.


Halske und ich haben in neuerer Zeit den schon von Wheat-
stone und Stöhrer betretenen, später aber wieder verlassenen
Weg der Anwendung magnetoelektrischer Ströme zur Bewegung
der Zeiger- oder Drucktelegraphen wieder aufgenommen. Die Be-
schreibung dieser Apparate selbst, wird für die Leser dieser Blätter
kaum ausreichendes Interesse haben.


Da jedoch die von uns dabei benutzten magnetoelektrischen
Maschinen von den bisherigen Constructionen wesentlich ver-
schieden sind und beträchtliche Vorzüge vor denselben haben,
so will ich sie hier kurz beschreiben.


Es handelte sich für uns darum, das Trägheitsmoment der
bewegten Theile der Maschine möglichst zu vermindern und bei
hinlänglicher Stärke der erzeugten Ströme den Wechsel derselben
möglichst schnell herbeiführen zu können, ohne dadurch den mag-
netischen Werth der einzelnen Strömungen wesentlich zu ver-
mindern. Ferner sollten die erzeugten Ströme von wechselnder
Richtung möglichst continuirlich zum Maximum anschwellen und
wieder verschwinden; es sollten mithin die bei den bisherigen
Maschinen während jedes Polwechsels mehr oder minder her-
vortretenden beiden Ströme gleicher Richtung in einen einzigen
continuirlichen Strom vereinigt werden. — Die hieraus hervor-
gegangene Construction bietet ausser den obigen Eigenschaften
noch den Vortheil, dass sie bei gleichem Stahl- und Drahtgewicht
kräftigere Ströme erzeugt und einfacher und billiger ist, wie die
[142] bisherigen von gleicher Stärke, und dass sie es gestattet, Ma-
schinen von jeder beliebigen Stärke ohne ausser Verhältniss
stehenden Mehrverbrauch an Material herzustellen. Fig. 15 zeigt
die Maschine in verticalem und horizontalem Durchschnitte.


An die Eisenplatte A B sind die Magnetstäbe A C und B D
befestigt. Dieselben sind am freien Ende an ihrer einander zu-

Figure 15. Fig. 15.


gekehrten Seite cylindrisch ausgedreht. In der hierdurch gebil-
deten cylindrischen Höhlung dreht sich der Cylinder E. Dieser
Cylinder besteht aus zwei Cylinderabschnitten F und F' aus
weichem Eisen, welche durch eine Eisenplatte G, durch deren
[143] Mitte die Axe des Cylinders geht, mit einander verbunden sind.
Diese Eisenplatte G ist etwas kürzer als die Cylinderabschnitte
F und F', und das Ganze bildet hierdurch eine Art Galvano-
meter-Rahmen. Nachdem derselbe mit Papier oder Leinewand
bekleidet ist, wird er mit isolirtem Draht vollgewickelt, so dass
die Cylinderform durch den Draht wieder hergestellt wird. Die
äussere Drahtlage wird darauf mit Messingblech bekleidet, um
eine Beschädigung der Windungen H zu verhüten und darauf
auf jedes Ende des Cylinders eine Messingkappe J und J' ge-
setzt, welche mit den Zapfen K und K' versehen sind. Diese
Zapfen K und K' bilden die Rotations-Axe des Cylinders.


Das eine Ende des Umwindungsdrahtes ist mit dem Eisen-
rahmen leitend verbunden, das andere endet in einer isolirten
Scheibe L, welche auf der Axe befestigt ist, und steht durch
diese mit zwei schleifenden Federn M und M' in leitender Ver-
bindung. Sollen gleich gerichtete Ströme erzeugt werden, so
wird anstatt der Schleifscheibe eine Commutator-Vorrichtung
aufgesetzt.


Die Magnetstäbe A C und B D umfassen etwas mehr als die
Hälfte der Peripherie des Cylinders und zwar so, dass der
Zwischenraum zwischen Magnet und Eisenanker möglichst klein
ist. Sie werden durch die Schrauben N gegen den Messing-
ständer O gepresst, und dadurch und durch die Schrauben P
und P' fest in ihrer Lage gehalten. Die Schraubenbolzen N
und N' bilden gleichzeitig die trennenden Zwischenlagen zwischen
den verschiedenen übereinander angebrachten Magnetstäben.
Die Zahl der Stäbe und die damit zusammenhängende Länge des
Cylinders richtet sich nach der Kraft, die man der Maschine
geben will.


Da die Magnetstäbe durch die Schraubenbolzen von einander
getrennt und bei jeder Stellung des den gemeinschaftlichen Eisen-
anker bildenden Cylinders E durch denselben als Hufeisen ge-
schlossen sind, so ist die gegenseitige Schwächung nur sehr un-
bedeutend. Die Kraft der Maschine wächst daher gleichmässig
mit der Zahl der angebrachten Magnete und der von ihr ab-
hängenden Länge des Cylinders.


Da die Construction es gestattet, anstatt weniger grosser
eine grosse Anzahl kleiner Magnete zu verwenden, so erzeugt ein
[144] bestimmtes Stahlgewicht bei diesen Maschinen kräftigere Ströme
wie bei den bisherigen, da bekanntlich ein grosser Magnet weniger
Magnetismus aufnimmt, wie mehrere kleine von gleichem Gesammt-
gewicht. In gleichem Sinne wirken die grossen Polflächen des
Cylinders, ihr geringer Abstand von den Stahlmagneten und die
Kürze des Schliessungsankers. Ich gedenke dies experimentell
nachzuweisen, wenn die in Arbeit befindlichen grösseren Ma-
schinen vollendet sind. Als vorläufiger Maassstab ihrer Wirk-
samkeit mag nur noch angeführt werden, dass eine Maschine
von der dreifachen Grösse der Zeichnung ausreicht, um zwei direct,
d. i. ohne Hülfskraft, gehende Zeigertelegraphen durch einen
Widerstand von 200 deutschen Meilen mit voller Sicherheit und
in einer solchen Geschwindigkeit zu bewegen, dass die Anker
der Zeigermagnete 120 Oscillationen in der Sekunde machen.


[[145]]

Ueber die elektrostatische Induction und
die Verzögerung des Stroms in Flaschen-
drähten.


(Poggendorff’s Ann. d. Phys. u. Chem. Bd. 102 S. 66.)


1857.


Vor mehreren Jahren beschrieb ich in diesen Annalen 1)
und an anderen Orten die Erscheinung, dass ein kräftiger Strom
von geringer Dauer auftritt, wenn man einen unterirdischen, gut
isolirten Telegraphendraht mit dem freien Pole einer zur Erde
abgeleiteten galvanischen Kette in leitende Verbindung setzt.
Ich wies ebendaselbst nach, dass diese Erscheinung der ver-
theilenden Wirkung der Volta-Elektricität im Drahte auf die
als äussere Belegung der Drahtflasche auftretende Feuchtigkeit
des Erdbodens zuzuschreiben sei, und auch dann auftreten müsse,
wenn ein Ende des Drahtes leitend mit der Erde verbunden sei.
Die meinem damaligen Aufsatze in diesen Annalen beigefügten
Ladungs-Figuren gaben vollständigen Aufschluss über die rela-
tiven Mengen der Elektricität, welche in jedem Punkte der
Oberfläche des isolirten oder abgeleiteten unterirdischen oder
Flaschendrahtes in statische Anordnung übergingen, wenn die
Dicke des Drahtes und des isolirenden Ueberzuges unverändert
blieb.


Durch anderweitige Thätigkeit, und später durch die Er-
setzung der früheren unterirdischen Telegraphenleitungen durch
oberirdische ward ich verhindert, die Versuche über diesen Ge-
10
[146] genstand weiter zu verfolgen, und die erwähnten Lücken aus-
zufüllen. Seit jedoch die von mir im Jahre 1847 in Vorschlag
gebrachte Isolirungsmethode telegraphischer Leitungen durch
Umpressung mit Guttapercha unter Anwendung eines besseren
Materials, wie uns damals zu Gebote stand, in England wieder
aufgenommen ist, und sowohl zu unterirdischen, wie namentlich
zu Untersee-Leitungen vielfach benutzt wird, hat auch die elektro-
statische Ladung dieser Drähte und die aus ihr folgende Ver-
zögerung des Auftretens des elektrischen Stroms am entfernten
Ende der Leitung die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich ge-
lenkt. Ohne meine Mittheilung zu kennen, haben ausgezeichnete
englische Physiker und Mathematiker, namentlich Faraday,
Wheatstone und Thomson die elektrostatische Ladung und die
Verzögerung des Stromes in Flaschendrähten zum Gegenstande
ihres Studiums gemacht und sehr werthvolle Arbeiten darüber
publicirt, durch welche theils meine früheren Beobachtungen voll-
ständig bestätigt und erweitert, theils, und namentlich durch die
von Thomson ausgeführten Rechnungen, die von mir offen ge-
lassenen Lücken ausfüllt wurden.


Ich werde auf diese neueren Arbeiten im zweiten Theil
meines Aufsatzes mehrfach zurückkommen. Schon vor dem Er-
scheinen derselben war ich mit der vorliegenden durch ander-
weitige Beschäftigung häufig unterbrochenen Experimental-Unter-
suchung der elektrostatischen Induction durch Volta-Elektricität
beschäftigt. Nächste Veranlassung zu derselben lag für mich in
Erscheinungen, welche ich mit der bisherigen Vertheilungstheorie
nicht in Uebereinstimmung zu bringen vermochte. Die oben er-
wähnten Arbeiten englischer Physiker bestärkten mich noch mehr
in meinem Vorhaben, da sie, namentlich Thomson bei seinen
Berechnungen, ganz von der von Faraday aufgestellten Theorie
der ausschliesslichen Molecular-Induction als Ursache der elek-
trischen Vertheilung ausgingen, ohne weitere Beweise der Rich-
tigkeit derselben zu geben, als bisher vorlagen. Mein Zweck
war nun der, auf rein experimentellem Wege die Gesetze der
elektrostatischen Vertheilung durch Volta-Elektricität zu finden
und zu constatiren, um dadurch eine sichere Basis für praktische
Constructionen zu gewinnen. Wissenschaftliche Betrachtungen
und Seitenblicke auf die Theorien, welche auf Versuche mit
[147] Elektricität von hoher Spannung begründet sind, konnte ich zwar
nicht vermeiden, lege aber nur insofern besonderen Werth auf
dieselben, als sie die für Volta-Elektricität gewonnenen Resultate
klarer beleuchten.


Volta hat durch seine Condensator-Versuche schon gezeigt,
dass die mit dem isolirten Pole einer galvanischen Kette in
leitende Verbindung gebrachten Körper auf benachbarte Leiter
wirken. Guillemin 1) publicirte zuerst Versuche, aus denen sich
ergab, dass der durch ein Galvanometer geführte Ladungsstrom
einer durch Volta-Elektricität geladenen Flasche die Nadel des
Instruments merkbar abzulenken vermag. Ich hatte zwar schon
im Sommer 1849 erkannt, dass der kräftige Ausschlag der Nadel
eines Galvanometers, welches zwischen einem isolirten in der
feuchten Erde oder im Wasser liegenden Flaschendraht und
einer abgeleiteten galvanischen Batterie eingeschaltet wird, auf
elektrostatischer Ladung des Flaschendrahtes beruhte, und diese
Ansicht, so wie die Versuche, auf welche sie sich stützte, der
Berliner physikalischen Gesellschaft am 18. Januar 1850 mit-
getheilt; mein Aufsatz ward aber später abgedruckt wie der
Guillemin’s.


Dieser verband die Stanniolbelegungen eines aus dünnem
Tafft oder Gutta-Percha gebildeten Condensators von 1 bis 2
Quadratmeter Oberfläche in schneller Reihenfolge abwechselnd
mit den Polen einer isolirten galvanischen Batterie und den
Drähten eines Galvanometers. Dies wurde durch einen Scheiben-
Commutator, welcher in schnelle Rotation gesetzt ward, ausge-
führt. Er fand auf diese Weise, dass die Nadel des Galvano-
meters abgelenkt ward, und dass diese Ablenkung mit der Ge-
schwindigkeit der Drehung des Commutators und der Stärke
der Batterie zunahm. Messende Versuche sind meines Wissens
weder von ihm, noch von Andern bisher hierüber angestellt
worden. Bei den im Jahre 1849 angestellten Versuchen be-
nutzte ich die vorhandenen unterirdischen Telegraphenleitungen.
Dieselben wurden am entfernten Ende isolirt und das andere
Ende mittels eines Commutators abwechselnd mit dem freien
Pole einer abgeleiteten galvanischen Batterie und mit einem
10*
[148] direct zur Erde führenden Drahte in leitende Verbindung ge-
bracht. Der Draht des zwischen dem [unterirdischen] Leiter und
dem Commutator eingeschalteten Galvanometers ward mithin
abwechselnd vom Ladungs- und vom Entladungsstrome durch-
laufen. War die Ladungszeit klein gegen die Schwingungsdauer
der Nadel, so konnte der Sinus des halben Ausschlagwinkels
als Mass der Elektricitätsmenge angenommen werden, welche
durch das Galvanometer gegangen war. Er war mithin auch
das Mass der Ladungsgrösse. Bei nicht zu langen, sehr gut
isolirten Leitungen bekam ich auf diese Weise ausreichend genaue
Resultate. Es ergab sich, dass der Ausschlag der Ladung eben
so gross war, wie der der Entladung. Die Ladung war ferner
proportional der Länge der Leitung und der elektromotorischen
Kraft der benutzten Batterie.


Zu genaueren Messungen liess sich diese Methode ausser
manchen localen Schwierigkeiten schon deswegen nicht benutzen,
weil die langen Leitungen nicht vollkommen genug isolirt waren,
und weil die Ladungsströme eine zu grosse Dauer hatten.


Meine späteren Versuche waren anfänglich auch nur darauf
gerichtet, die relative Grösse der Ladung bei Flaschendrähten
vou verschiedenen Dimensionen des Drahtes und des isolirenden
Ueberzuges, so wie die Ladung zwischen Doppeldrähten, welche,
in geringer Entfernung von einander, im Innern eines gemein-
schaftlichen Ueberzuges von Guttapercha von kreisförmigem
oder elliptischem Querschnitt liegen, zu bestimmen. Ich liess
mir zu diesem Zweck mehrere Drähte von einer englischen Meile
Länge anfertigen, bei denen die Dicke der isolirenden Gutta-
percha-Hülle innerhalb praktisch anwendbarer Grenzen variirte.
Diese Drähte wurden auf Holztrommeln gewickelt und in ein
hölzernes, mit Zinkblech ausgelegtes Bassin gelegt, welches mit
Wasser gefüllt ward. Wurde nun eine galvanische Batterie von
20 bis 60 Daniell’schen Elementen mit einem Galvanometer mit
einfacher Nadel und 24000 Windungen zwischen einem solchen
isolirten Draht und der Zinkhülle des Bassins eingeschaltet, so
erhielt ich hinlänglich grosse Ausschläge der Nadel zur Messung
der Ladung.


Ich überzeugte mich jedoch bald, dass ich auf diesem Wege
keine sicheren und allgemein gültigen Resultate erlangen konnte.
[149] Die geringste Unvollkommenheit der Isolation hatte einen sehr
beträchtlichen Einfluss auf die Grösse des Ausschlags der Nadel,
der sich bei der Veränderlichkeit des durch die Guttapercha
gehenden Stroms nicht in Rechnung stellen liess. Die Dauer
des Ladungsstroms war ferner schon beträchtlich genug, um
Einfluss auf den Ausschlag der Nadel auszuüben. Es ergab sich
endlich, dass die Resultate der Messungen so wesentlich von den
nach der Theorie erwarteten abwichen, dass eine allgemeinere
Untersuchung des Vorganges der elektrostatischen Induction durch
Volta-Elektricität geboten war.


Ich habe bei dieser Untersuchung die von Guillemin benutzte
Methode, eine continuirliche Reihe von Ladungs- oder Entladungs-
strömen durch ein empfindliches Galvanometer zu leiten, ange-
wandt. Um diese Methode zur Messung benutzen zu können,
musste ein Commutator construirt werden, welcher mit Sicherheit
und durchaus constanter Geschwindigkeit die Commutation aus-
führte. Ich benutzte dazu denselben Mechanismus, den ich bei
meinem an mehreren Orten beschriebenen Zeigertelegraphen mit
selbstthätiger Stromunterbrechung angewendet habe. Es bewog
mich dazu die bei diesen Telegraphen gemachte Beobachtung,
dass die Geschwindigkeit des Ganges des Telegraphen von der
Stromstärke nur in sehr geringem Grade abhängig war. Dies
erklärt sich dadurch, dass bei grösserer Stromstärke zwar der
Anzug des Ankers schneller ausgeführt wird, der Rückgang des-
selben jedoch durch den stärkeren rückbleibenden Magnetismus
so verzögert wird, dass die Zeit der Gesammtoscillation nahe
unverändert bleibt. Fig. 16 und 17 stellen die hiernach con-
struirte selbsthätige Wippe in oberer und Seitenansicht in halbem
Maasstabe dar.


Zwischen den Polen a und a' des unter der Grundplatte des
Apparats befindlichen Elektromagnets oscillirt das als Anker
dienende Eisenstück b. Dasselbe dreht sich um die verticale
Axe c. An der Axe ist der horizontale Arm d befestigt, welcher
durch die Zugfeder e das Zahnrad f bewegt und kurz vor der
Begrenzung seiner Oscillationen durch die Anschlagschrauben m
und n vermittels der mit isolirenden Steinen versehenen An-
schlagstücke i und i1 die Schieber K und K' bewegt. Diese
Schieber drehen sich um die Axe l und l'. Ihre Bewegung ist
[150]

Figure 16. Fig. 16.


[151]

Figure 17. Fig. 17.


[152] durch die Contactschrauben m und n und resp. m' und n' eng
begrenzt. Das federnde Ende der Schieber K und K' ist mit
einer abgerundeten Spitze aus glashartem Stahl versehen, welche
bei jeder Bewegung des Schiebers von einem Contacte zum
andern über die Schneide eines flachen Steinprismas fortgleiten
muss. In Fig. 18 ist dieser Mechanismus besonders abge-

Figure 18. Fig. 18.


bildet. Die Kraft, mit welcher die Spitze auf den geneigten
Flächen des Prismas fortzugleiten strebt, hält den Schieber in
sicherem Contact mit den seine Bewegung begrenzenden Contact-
schrauben. Wie schon erwähnt, schlagen die Steine der auf dem
Hebel d befestigten Metallstücke an die zu diesem Zwecke an
den Schiebern angebrachten Lappen o und p und o' und p' erst
kurz vor Beendigung jeder Oscillation, mithin dann, wenn die
Geschwindigkeit des Hebels am grössten ist. Die Zeit, welche
die Schieber gebrauchen, um ihren sehr kleinen Weg zurückzu-
legen, ist daher äusserst gering. Es ist noch der Zweck der am
[153] Hebel d befestigten Feder g und der Schraube h, welche ihr gegen-
übersteht, zu erwähnen. Sie dienen zur Beschleunigung der
Oscillationen. Die Schraube wird so gestellt, dass die Feder
sie trifft, wenn der der Anziehung der Magnetpole folgende Anker
etwa ⅔ seines Weges zurückgelegt hat. Die Feder muss sich
daher biegen und verstärkt hierdurch die der Anziehung des
Magnetpols entgegenwirkende Kraft der Spiralfeder q. Richtiger
würde es sein, statt der beiden Federn g und q eine einzige
Feder anzuwenden, welche so kurz wäre, dass ihre Kraft pro-
portional mit der Anziehung des Magnetes zunähme — was sich
aber nicht ausführen lässt. — Das Rad f ist mit 60 Zähnen ver-
sehen, die Zahl seiner Umdrehungen in der Minute giebt daher
die Zahl der doppelten Oscillationen in der Secunde. Der Schie-
ber k und die Contactschraube m bilden Theile der Stromleitung
der Batterie, welche den Apparat in Bewegung setzt. Sie be-
steht aus 3 bis 4 Daniell’schen Zellen. Sind die Federn g und
q richtig eingestellt, so erfolgen die Oscillationen sehr schnell
und durchaus gleichförmig, wie aus der nachfolgenden Versuchs-
reihe sich ergiebt. Der Schieber k' sowohl wie seine Contact-
anschläge sind durch gehärteten Kautschuck vollkommen isolirt.
Sie bilden zusammen eine einfache, schnell und gleichmässig
functionirende Wippe.


Zur Prüfung des Apparates setzte ich denselben mit drei
Daniell’schen Elementen in Gang. Dies liess sich vermittels
eines Contacthebels genau in dem Momente ausführen, in welchem
eine im Zimmer befindliche magnetoelektrische Uhr um eine
Minute vorrückte. Mit dem Schlage der zweiten Minute ward
der Contacthebel wieder geöffnet, und am Zähler und Zeiger die
Zahl der gemachten Oscillationen abgelesen. Der Apparat ward
darauf wieder in Gang gesetzt und jedes Mal nach Verlauf einer
Stunde der Versuch wiederholt. Ich erhielt hierdurch folgende
Zahlen:

[154]

Die kleinen Abweichungen erklären sich hinreichend durch
die Schwierigkeit, die Herstellung und Unterbrechung des Stromes
genau in dem Momente eintreten zu lassen, in dem man die
Uhr hört, ferner aus Stromschwankungen und der nicht ganz
constanten Arbeit, welche das Werk vollführen musste, um das
Rad und den Zähler zu bewegen. Ich liess daher bei den späteren
Messungen beide ganz fort, und überzeugte mich auf eine andere,
später zu beschreibende Art von der Gleichförmigkeit der Be-
wegung der Wippe.


Das benutzte Galvanometer ist eine sorgfältig gearbeitete
Sinusbussole mit einem Prismafernrohr von dreifacher Vergrösse-
rung, durch welches ich die Nadel mit grosser Genauigkeit bis
auf 1/10° auf den Theilstrich der Nulllinie einstellen konnte. Durch
einen fünftheiligen Nonius konnte ich ⅕ Grade ablesen und
1/10 Grade schätzen. Der Multiplicator ist mit zwei Drähten be-
wickelt, deren Enden an isolirten Klemmen befestigt sind, so
dass ich sie parallel, einzeln oder hintereinander einschalten
konnte. Das Galvanometer war durch Klötze von gehärtetem
Kautschuck gut isolirt, sorgfältig horizontal gestellt, und die Auf-
hängung des Fadens in die Drehaxe gebracht. Zur Beseitigung
der geringen Excentricität der Theilung machte ich in der Regel
bei jedem Versuch zwei Ablenkungen mit umgekehrter Strom-
richtung, und nahm das Mittel. Bei Anwendung astatischer
Nadeln, denen ich immer hinlängliche Richtkraft liess, ward
ausserdem noch nach jeder Ablesung die Ruhestellung controlirt.
Die Umkehrung des Stromes geschah durch einen neben dem
Instrumente befindlichen Commutator. Ein zweiter, bei der Batterie
befindlicher Commutator gestattete schnell die Stromleitung so
umzuschalten, dass der durch das isolirende Material etwa hin-
durchgehende Strom direct durch das Galvanometer ging. Die
Batterien, welche ich benutzte, bestanden ausschliesslich aus
Daniell’schen Elementen. Dieselben wurden jeden zweiten Tag
neu gefüllt, und erhielten sich dann im Laufe eines Tages hin-
länglich constant. Zu vergleichende Versuche stellte ich immer
kurz nach einander an. Bei Beginn und am Schlusse einer jeden
Versuchsreihe notirte ich die Ablenkung der Nadel durch die
continuirliche Entladung einer Maassflasche. Blieb dieselbe nicht
unverändert, so wurden die dazwischen ausgeführten Versuche
[155] wiederholt. Es diente dies zur Versicherung, dass in den Instru-
menten und Batterien keine Veränderung eingetreten war. Ausser-
dem gab dies Verfahren ein Mittel, die Beobachtung verschiede-
ner Zeitperioden zu vergleichen, von dem ich jedoch nur selten
Gebrauch gemacht habe. In den nachstehenden Versuchstabellen
bedeuten die Zahlen der ersten mit n bezeichneten Columne
durchgehends die Zahl der benutzten Zellen. In den ersten Ta-
bellen sind die Ablesungen des Nonius des Theilkreises selbst
angegeben. In den späteren ist nur die halbe Differenz der
beiden Ablesungen angegeben. Der Sinus dieses Winkels ist
proportional der Menge der Elektricität, welche in der Zeiteinheit
durch das Galvanometer gegangen ist, mithin bei constantem
Gange der elektromagnetischen Wippe auch proportional der
Grösse jeder einzelnen Ladung oder Entladung, vorausgesetzt,
dass die Magnetisirung der Nadeln keine Aenderung erleidet.


Die zu diesen Messungen benutzten Stromleitungen sind
Fig. 19, 20 und 21 dargestellt. a und b sind die Belegun-

Figure 19. Fig. 19.


Figure 20. Fig. 20.


Figure 21. Fig. 21.


gen der Flasche oder des Condensators, deren Ladung geprüft
werden sollte, c ist die oscillirende Zunge der Wippe, d und e
die isolirten Contactanschläge derselben, f das Galvanometer,
g die Batterie. War der Commutator so gestellt, dass Schema 1
[156] erfüllt war, so war das Galvanometer mit der Batterie direct
zwischen die Condensatorplatten oder die Belegungen der Flasche
eingeschaltet, die geringste Unvollkommenheit der Isolation musste
sich daher zeigen. Die Commutatorstellung 2 leitet alle Ladungs-,

Figure 22. Fig. 22.


die Stellung 3 alle Entladungsströme durch das Galvanometer.
Da sich bei der ersten Versuchsreihe die vollständige Gleichheit
der Ladungs- und Entladungsströme herausstellte, wenn die Iso-
lation vollkommen war, so benutzte ich später gewöhnlich nur
das Entladungsschema (3).


Der bei den nachstehenden Versuchen benutzte Condensator
bestand aus einem 0,98□dm grossen 0,1 mm dicken Glimmer-
blatte, welches auf beiden Seiten mit Staniol so bekleidet war,
dass der Rand etwa 5 mm breit unbelegt blieb. Der Conden-
sator lag auf einer isolirten Metallplatte, welche mit der Zunge
der Wippe leitend verbunden war. Die obere Belegung war
durch einen isolirten Draht mit der Batterie und dem Galvano-
meter der Art leitend verbunden, dass die Berührungsstelle sich
beliebig verschieben liess. Ferner konnte ich einen zu dem Gas-
leitungsrohr führenden Draht beliebig mit der einen oder der
andern Belegung verbinden. In den von der Belegung a zur
Wippe c führenden Draht war ein Rheostat eingeschaltet.
Derselbe ist Fig. 23 besonders abgebildet. Er besteht aus
einem mit Seide besponnenen dünnen Neusilberdraht, welcher
auf zwei Rollen A und B gewickelt ist. Nachdem bei der kleinen
Rolle A eine deutsche Meile Widerstand, auf zwei englische
Linien dicken Eisendraht reducirt, bei der grossen 10 Meilen
Widerstand aufgewickelt sind, ist ein Zweigdraht an ihm be-
festigt, welcher durch die Wand der Rolle hindurch zu einer
Klemme führt. Diese Abzweigung wiederholt sich bei der kleinen
Rolle nach fernerer Aufwickelung einer Meile, bei der grossen
[157] nach je 10 Meilen. Die Klemmen sind durch einen Metallstöpsel
beliebig mit dem einen Drahte der Stromleitung in Verbindung
zu setzen, deren anderes Ende mit dem Anfang des isolirten

Figure 23. Fig. 23.


Drahtes dauernd verbunden ist. Man konnte hierdurch leicht
1 bis 99 Meilen Widerstund in die Leitung einschalten.


Tabelle I.


[158]

Bei Anstellung jedes Versuches dieser Tabelle ward, nach-
dem die Nadel durch Drehung des Galvanometers wieder auf Null
zurückgeführt war, der ganze Widerstand von 99 Meilen einge-
schaltet und der Stand der Nadel wieder beobachtet. Darauf
ward die Leitung mit der Gasleitung in leitende Verbindung ge-
bracht, und dann der die andere Belegung berührende Draht von
der Mitte bis zur äussersten Kante der Belegung verschoben.
Endlich ward die Stromleitung so commutirt, dass anstatt der
Entladungs- die Ladungsströme durch das Galvanometer geleitet
wurden. Es ergab sich, dass durch alle diese Veränderungen
die Ablenkung der Nadel nicht im Mindesten verändert wurde.
Aus Columne 4 ergiebt sich, dass die Ablenkung der Nadel pro-
portional der Zahl der benutzten Zellen, mithin der elektromoto-
rischen Kraft der Batterie ist. Die kleine Verminderung der
berechneten Werthe für die Ablenkung durch ein Element mit
der Verstärkung der Batterie blieb bei späteren Versuchsreihen
fort, wenn das Mittel zweier Ablesungen mit umgekehrter Strom-
richtung genommen ward, ist mithin als Fehler des Instrumentes
zu betrachten. Es lassen sich hieraus folgende Schlüsse ziehen.


  • 1. „Die Ladung eines Condensators oder die Quantität der
    auf seinen Flächen angesammelten Elektricität ist propor-
    tional der elektromotorischen Kraft der Batterie.“
  • 2. „Sie ist unabhängig von dem Widerstande der Zuleitungs-
    drähte, und unabhängig von der Lage des Orts, wo der
    Zuleitungsdraht die Belegung des Condensators berührt.“
  • 3. „Sie wird durch ableitende Berührung eines Batteriepols
    oder einer der beiden Belegungen nicht geändert.“

Die erste dieser Schlussfolgerungen bedarf keines weiteren
Commentars. Es war zu erwarten und dem Verhalten der
Reibungselektricität analog, dass die Ladung eines Condensators
der elektrischen Kraft der Batterie oder der Dichtigkeit der
Elektricität der unerschöpflichen Quelle, durch welche er geladen
wird, proportional ist. Die zweite besagt noch, dass die Dauer
der einzelnen Ladungen oder Entladungen in diesem Falle ge-
ringer war als etwa 1/120 Secunde, d. i. die Dauer einer halben
Oscillation der Wippe und zwar auch dann noch, wenn die
Ladungszeit durch Einschaltung des Widerstandes von 99 Meilen
beträchtlich verlangsamt war. Die dritte bietet eben so wenig
[159] etwas Unerwartetes; dagegen war es mir sehr überraschend, dass
die Lage des Berührungspunktes des Zuleitungsdrahtes mit der
isolirten Condensatorplatte ohne allen Einfluss auf die Grösse
der Ablenkung der Nadel war. Es schien mir im Gegentheil
wahrscheinlich, dass die Ladung am grössten sein würde, wenn
man die Mitte der Belegung mit dem Zuleitungsdraht berührte,
und dass sie um so kleiner werden würde, je mehr man die Be-
rührungsstelle zum Rande hin verschöbe. Dies war jedoch durch-
aus nicht der Fall. Der Stand der Nadel blieb durchaus unver-
ändert, so lange der Zuleitungsdraht nur in Berührung mit der
Belegung war, selbst dann, wenn nur eine der äussersten Spitzen
der rechteckigen Staniolbelegung in Berührung mit ihm war.
Ich habe diesen Versuch mannigfach variirt, mit Condensatoren
und Leydener Flaschen der verschiedensten Form und Grösse,
aber immer mit ganz demselben Erfolge. Für den Fortgang
meiner Untersuchung war dies Resultat, d. i. die Unabhängig-
keit der Ladung eines Ansammlungs-Apparates von der Anbrin-
gung der Zuleitungsdrähte sehr wichtig, indem die Experimente
durch Wegfall dieser Rücksicht viel einfacher und zuverlässiger
wurden.


Die Betrachtung der obigen Versuchsreihe beseitigt gleich-
zeitig manche Bedenken, die man gegen die Zuverlässigkeit meiner
Untersuchungsmethode aufstellen konnte. Eine der wichtigsten
dürfte wohl diese sein, ob sich das Magnetisirungsverhältniss der
benutzten astatischen Nadeln nicht dauernd, oder auch nur vor-
übergehend, während der Entladungen verändert. In der That
habe ich immer grosse Vorsicht obwalten lassen müssen, um
mich vor hieraus entspringenden Fehlern zu sichern. Nur voll-
kommen glasharte Magnetnadeln aus Gussstahl, welcher sich
ganz besonders zur Anfertigung von Stahlmagneten eignet, waren
auch bei starken Entladungsströmen hinlänglich constant. Es
ergab sich dies sowohl daraus, dass die Schwingungsdauer des
Nadelpaars unverändert blieb, wie auch daraus, dass die Ruhe-
lage desselben sich nicht änderte. Wäre eine vorübergehende
Aenderung des Magnetisirungszustandes der Nadeln eingetreten,
so hätte sich die Ablenkung bei Einschaltung eines beträcht-
lichen Widerstandes in dem Kreise des Galvanometers verändern
müssen. Bei sehr starken Batterieen und sehr schwachen An-
[160] sammlungsapparaten habe ich in der That diese Erscheinung
beobachtet, wenn der Entladungsstrom nur den Widerstand des
Galvanometerdrahtes zu überwinden hatte. Da sich die Schwin-
gungsdauer und die Stellung der Nadeln hierbei nicht verändert
hatten, so muss man annehmen, dass die Stromstärke zwar aus-
reichend war, um den Magnetismus der Nadeln, namentlich den
der inneren zu ändern, dass die Dauer des Stromes aber nicht
gross genug war, um diese veränderte Magnetisirung zu fixiren.
Dass die Dauer des magnetisirenden Stromes von wesentlichem
Einfluss auf die Grösse des bleibenden Magnetismus ist, ist eine
bekannte Thatsache. Es ist daher wohl denkbar, dass ein hefti-
ger Strom von sehr kurzer Dauer, wie der Entladungsstrom einer
Leydener Flasche, den Magnetismus einer Nadel momentan voll-
ständig vernichten oder umkehren kann, dass mithin auch die
elektromagnetische Wirkung dieses Stromes auf die Nadel nicht
im erwarteten Masse oder gar nicht eintritt, dass aber dennoch
die bleibende Magnetisirung der Nadeln sich gar nicht oder wenig
geändert zeigt, wenn der Entladungsstrom aufgehört hat. Es
deutet dies darauf hin, dass harter Stahl sich hinsichtlich seiner
magnetischen Coërcitivkraft ähnlich verhält, wie unvollkommen
elastische Körper bei Stössen von sehr kurzer Dauer. Um gegen
derartige Störungen der Messungen ganz gesichert zu sein, habe
ich später stets den Widerstand von 99 Meilen in den Kreis des
Galvanometers eingeschaltet, und ausserdem die Belegungen einer
Batterie von 9 Leydener Flaschen oder eines anderen Ansamm-
lungsapparates von beträchtlich grosser Capacität mit den Galvano-
meterdrähten verbunden. Es musste sich dann die zu messende
Ladung erst auf die Belegungen dieses Ansammlungsapparates
ausbreiten, bevor sie die Widerstandsrolle und den Galvanometer-
draht durchlief. Der Entladungsstrom erhielt mithin grössere
Dauer und entsprechend geringere Intensität. Auf die Grösse
der Ablenkung der Nadel ist weder die Anbringung eines solchen
Reservoirs am Galvanometerdraht, noch die Einschaltung eines
Widerstandes in denselben von Einfluss, da die Entladungszeit
immer noch wesentlich kleiner ist, als die Dauer einer Oscillation
der Wippe.


Aus der Unabhängigkeit der Ablenkung der Nadel von der
Grösse des eingeschalteten Widerstandes könnte man leicht
[161] schliessen, dass die Beschaffenheit und Lage der Zuleitungsdrähte
ganz ohne Einfluss wäre. Dies ist jedoch nur in Bezug auf die
vom Ansammlungsapparat zu dem Galvanometer, nicht hinsicht-
lich der von der Batterie zur Wippe und zum Ansammlungs-
apparat führenden Drähte der Fall. Die letzteren bilden selbst
einen Ansammlungsapparat, wie später noch weiter erörtert werden
wird, dessen Ladungsstrom ebenfalls durch das Galvanometer
geht und die Nadeln ablenkt. Ich änderte daher meine erste
Disposition dahin ab, dass ich Wippe und Ansammlungsapparat
ganz in die Nähe der Batterie stellte, und mich bei Versuchen
mit sehr empfindlichen Nadeln vor Beginn derselben stets durch
Ausschliessung des benutzten Ansammlungsapparates von der
Wirkung der Zuleitungsdrähte allein überzeugte und sie eventuell
in Rechnung brachte. Auf die Grösse der Ladung des Ansamm-
lungsapparates selbst ist die Länge und Form der Zuleitungs-
drähte dagegen ganz ohne Einfluss. Wenn ich die Ladung eines
beliebigen Ansammlungsapparates mit kurzen Zuleitungsdrähten
mass und darauf einen frei zwischen den Gebäuden des Hofes
ausgespannten Kupferdraht von 1 mm Dicke und 50 m Länge
als Batteriedraht benutzte, so vermehrte sich die gemessene Ladung
ganz unabhängig von der Capacität des Ansammlungsapparates
bei unveränderter Batterie um eine constante Grösse, die genau
mit der Ladung des Zuleitungsdrahtes allein übereinstimmte.


Zur weiteren Controle der Zuverlässigkeit meiner Unter-
suchungsmethode und um gleichzeitig der von mir gemachten
Annahme, dass die Ladung eines jeden Punktes der Oberfläche
eines abgeleiteten Flaschendrahtes proportional der, nach dem
Ohm’schen elektroskopischen Gesetz, diesem Punkte zugehörigen
elektrischen Kraft oder Dichtigkeit sei, auch experimentell nach-
zuweisen, stellte ich die umstehende Versuchsreihe an.


Die hierbei benutzte Stromleitung ist in Fig. 24 dar-
gestellt. Der mit w und w' bezeichnete Kreis stellt die Draht-
leitung dar. In denselben ist die Batterie B dauernd eingeschaltet.
Die Zunge der Wippe A ist mit dem Knopfe einer Leydener
Flasche C, der eine Contact der Wippe mit dem Galvanometer
D in leitender Verbindung. Der andere Galvanometerdraht, die
äussere Belegung der Flasche und der eine Batteriepol sind unter
sich und mit dem Erdboden leitend verbunden. Der mit dem
11
[162]Tabelle II.

anderen Contacte der Wippe verbundene Draht, wird an den
Punkt des Kreises geführt, dessen „elektroskopische Kraft“ ge-
messen werden soll. Ist E die elektromotorische Kraft der Bat-

Figure 24. Fig. 24.


terie, so ist nach dem Ohm’schen Spannungsgesetze die elektrische
Kraft , wenn w und w' die Widerstände von dem
Punkte des Drahtes, an welchem x gemessen werden soll, bis
zur Batterie bezeichnen. Ich benutzte als Prüfungsdraht eine aus
übersponnenem Neusilberdraht aufgewickelte Widerstandsrolle,
deren Widerstand ziemlich genau in 10 Theile getheilt war, von
denen jeder dem Widerstande einer Telegraphenleitung aus 2 mm
dicken Eisendraht von 100 russischen Werst Länge entsprach.
Columne 1 giebt die Zahl der Zellen, Columne 2 und 3 die
[163] Widerstände w und w', 4 die Ablesungen des Theilkreises der
Sinusbussole, 5 die halbe Differenz derselben, mithin den ge-
messenen Ablenkungswinkel α, 6 den Sinus dieser Winkel,
welcher die Grösse der Ladung der Flaschen, mithin der Dich-
tigkeit x entspricht. Columne 7 giebt die nach der Formel be-
rechneten Werthe. Die Constante ist für jede Messung berechnet
und von allen das Mittel genommen. Sie ist gleich 0,53. Die
hinreichende Uebereinstimmung der beobachteten Werthe be-
weist die Richtigkeit meiner Voraussetzung und wird gleichzeitig
das Zutrauen zu der benutzten Messungsmethode erhöhen.


Ich ging nun dazu über, die Abhängigkeit der Ladungs-
grösse, von der Form und Grösse der Ansammlungsapparate zu
bestimmen.


Die nachstehende Versuchsreihe ist mit einer elektrischen
Batterie von 9 Flaschen angestellt, von denen jede 13 □ dem
innere Belegung und 4 mm durchschnittliche Glasstärke hatte.
n bezeichnet die Anzahl der benutzten Daniell’schen Zellen,
s die Anzahl der Flaschen, α den gemessenen Ablenkungswinkel.


Tabelle III.


Die hinreichend constanten Zahlenwerthe der letzten Columne
zeigen, dass die Ladung einer aus mehreren Flaschen zusammen-
gesetzten Batterie sich wie die Producte aus der Anzahl der
Flaschen in die elektromotorische Kraft der Kette verhält, wie
zu erwarten war. Wenn ich die Flaschen in einer Reihe neben
einander stellte, anstatt in drei Reihen nach gewöhnlicher Art
dicht neben einander, so änderte sich die Grösse der Ladung
11*
[164] dadurch nicht im Geringsten. Es war dies eine Bestätigung der
schon früher nachgewiesenen Unabhängigkeit der Ladung von
der Anbringung und Form der Zuleitungsdrähte, und machte es
mir noch wahrscheinlicher, dass bei Elektricität niedriger Span-
nung die Capacität der Ansammlungsapparate nur von der
Flächengrösse — bei unveränderter Dicke und Beschaffenheit
und Form des isolirenden Materials abhängig wäre. Ich habe die
bedingte Richtigkeit dieser Annahme vielfach erprobt und überall
bestätigt gefunden. Um Wiederholungen zu vermeiden, ver-
schiebe ich jedoch den experimentellen Nachweis dieses Satzes,
da die darüber angestellten Versuche gleichzeitig später zu er-
örternde Fragen beantworten.


Zur Untersuchung des Einflusses der Dicke der isolirenden,
die beiden parallelen Belegungen eines Condensators trennenden
Schichten liess ich mir mehrere möglichst parallel geschliffene
1 mm dicke Glasplatten, welche sämmtlich 0,26 m lang und
0,21 m breit waren, anfertigen. Ich überzeugte mich von der
hinlänglich gleichmässigen Dicke dieser Platten durch einen Fühl-
hebel, welcher mit Schärfe 1/100 mm angab. Zwei solche Platten
wurden mit zwei einander genau gegenüberstehenden 0,24 m langen
und 0,18 m breiten Stanniolbelegungen versehen. Die gemessene
Ladung ergab für beide ziemlich genau dieselbe Capacität. Es
wurden nun zwei andere Platten nur auf einer Seite mit
einer Stanniolbelegung von obigen Dimensionen versehen. Eine
solche einseitig belegte Platte ward auf etwa 6″ hohe iso-
lirende Stützen gelegt, und ihre Belegung mit der Zunge der
Wippe verbunden. Ward nun ein Batteriepol in leitende Ver-
bindung mit der einen, ein Galvanometerdraht mit der zweiten
Contactschraube der Wippe gesetzt, so wurde die Nadel abge-
lenkt und die Grösse der Ablenkung war der Zahl der Zellen
der benutzten Kette proportional. Die Ablenkung verminderte sich,
wenn die Glasplatte möglichst frei in der Mitte des Zimmers
gehalten wurde, und verstärkte sich um so mehr, je mehr man
dieselbe den Wänden des Zimmers näherte. Mit einem sehr em-
pfindlichen Nadelpaare und einer Batterie von 54 Daniell’schen
Elementen konnte ich dieselbe Erscheinung fast an jedem iso-
lirten Leiter nachweisen, welchen ich in leitende Verbindung mit
der oscillirenden Zunge der Wippe brachte, war mithin im Stande,
[165] auch die sogenannte freie Elektricität, welche durch die elektrische
Spannung des isolirten Batteriepols auf der Oberfläche eines be-
liebigen Conductors angehäuft wird, durch das Galvanometer zu
messen und mit der Flaschen-Elektricität quantitativ zu vergleichen.
Der wesentliche Einfluss der grösseren oder geringeren Nähe der
Zimmerwände auf die Quantität dieser freien Elehtricität machte
es mir jetzt schon sehr wahrscheinlich, dass dieselbe lediglich
eine Ladung zwischen dem Conductor und den leitenden Wänden
des Zimmers ist, in welchem er sich befindet — wie Faraday
es bekanntlich annahm.


Die Ladung eines Conductors besteht nun offenbar aus zwei
Theilen, der Ladung zwischen der isolirten Belegung und den
Zimmerwänden, und der zwischen der isolirten und nicht isolirten
Belegung. Das Galvanometer misst die Summe beider. Um die
letztere zu finden, verfuhr ich daher so, dass ich erst die freie
Elektricität der isolirten Belegung ermittelte und darauf die Ge-
sammtladung, indem die zweite Belegung, welche bisher isolirt
war, mit der Erde leitend verbunden wurde. Von dieser Ge-
sammtladung war die Hälfte der Ladung der isolirten Belegung
in Abzug gebracht. Dass nur die Hälfte in Abzug zu bringen ist,
ergiebt sich jetzt schon aus der Betrachtung, dass man die ab-
geleitete Belegung sich so dick denken kann, dass sie die Zimmer-
wand erreicht, ohne dass dadurch die Ladung vermehrt werden
kann. Es bleibt also nur die Ladungsgrösse der abgewendeten
Seite der isolirten Belegung mit den Zimmerwänden zu berück-
sichtigen.


Zur Erläuterung der nachstehenden Versuchsreihe mit 7 Glas-
platten von 1 mm Dicke bemerke ich noch, dass die wohlge-
reinigten Platten mit rectificirtem Terpentinöl benetzt und darauf
auf einander gerieben wurden, um die adhärirende Luft zu be-
seitigen. Die so vereinigten Platten wurden zwischen zwei Platten
aus vulcanisirtem Kautschuck gelegt, und mit einer zehn Pfund
schweren Metallplatte belastet. Zur Bestimmung der Ladung
zwischen den Belegungen einer einzelnen Glasplatte, wurde die-
selbe mit einer zweiten, auf gewöhnliche Weise auf dem Glase
befestigten Belegung versehen.


[166]

Tabelle IV.


Die erste Columne der obigen Tabelle giebt die Zahl m der
Glasplatten an, welche zwischen den vertheilend auf einander
wirkenden Belegungen sich befanden, α ist der gemessene Ab-
lenkungswinkel der Sinusbussole. Eine einzelne, isolirte Belegung
gab die Ablenkung 0,5. Wie schon erläutert, musste die Hälfte
des Sinus dieses Winkels von sin α abgezogen werden. Columne
5 ergiebt, dass die Ladung umgekehrt proportional der Anzahl
der Glasplatten, mithin der Dicke der isolirenden Schicht ist.
Die Differenzen übersteigen die Grenze der mit den benutzten
Hülfsmitteln zu erreichenden Genauigkeit nicht. Die geringe Ver-
grösserung derselben bei dickerem Glase deutet jedoch auf eine
Verstärkung der Ladung der Kanten der Belegungen hin, wie sie
eintreten muss, wenn eine Molecularvertheilung nach Faraday’s
Annahme vorhanden ist.


Die nachfolgende Versuchsreihe wurde mit 6 Platten aus
möglichst gleichförmig gewalzter Guttapercha angestellt, welche
mit Stanniolbelegungen auf beiden Seiten versehen waren. Diese
Platten wurden so aufeinander geschichtet, dass die sämmtlichen
Stanniolbelegungen genau übereinander lagen. Zwischen je zwei
Platten ward ein hervorragender Streifen Stanniol gelegt, welcher
dazu diente, die leitende Verbindung mit den betreffenden Be-
legungen herzustellen. Durch eine Handpresse wurden die Platten
darauf fest zwischen zwei ebenen Brettern und elastischen Kaut-
schuckplatten zusammengepresst, und in diesem Zustande die
Messungen vorgenommen. Es ward zuerst die Ladung zwischen
je zwei benachbarten Belegungen gemessen und darauf die Ladung
zwischen der ersten und allen übrigen der Reihe nach.


[167]

Tabelle V.


Tabelle VI.


Aus der ersten Tabelle (V) ergiebt sich, dass die Capacität
der aus 6 Guttapercha-Platten gebildeten Ansammlungsapparate
ziemlich gleich war. Nur die sechste Platte gab eine bemerkens-
werth geringere Ladung. Die gemessene Ladung einer einzelnen
Belegung gab 0,9°, es ward daher in Tabelle VI vom
Sinus des gemessenen Winkels α abgezogen. In der vorletzten
Columne sind die Producte dieses berichtigten Masses der
Ladung mit der Zahl der zwischen den wirksamen Belegungen
befindlichen Guttapercha-Platten, und in der letzten Columne
ihre Differenzen verzeichnet. Es stellt sich hier noch deutlicher,
wie bei den Versuchen mit Glasplatten eine geringe Vermehrung
der Differenzen mit dem Abstande der Condensatorplatten heraus,
welche sich durch Molecularwirkung der elektrostatischen Induction
in krummen Linien zwischen den Kanten der Belegungen voll-
ständig erklärt.


Eine der wichtigsten Fragen, deren Beantwortung auch die
Frage der Existenz der Vertheilung in krummen Linien ent-
scheidet, ist die des Einflusses der isolirenden Materie, welche
den die beiden Condensatorplatten trennenden Raum erfüllt, auf
die Grösse der elektrostatischen Induction. Dass die Capacität
eines Ansammlungsapparates wesentlich von dem Stoff des
trennenden Isolators abhängig ist, ist durch Faraday’s, auch
[168] anderweitig bestätigte Untersuchungen ausser Zweifel gesetzt.
Dagegen entschieden die bisherigen Versuche nicht darüber, ob
die von Faraday aufgestellte Ansicht, dass die elektrostatische
Induction ausschliesslich eine von Molecül zu Molecül des tren-
nenden Isolators fortgepflanzte Wirkung ist, richtig ist, oder ob
vielmehr der Einfluss des isolirenden Materials ein secundärer
ist, vielleicht auch directe Vertheilung und Molecularvertheilung
gleichzeitig auftreten. Dass in der That ein Eindringen der
Elektricität der Belegungen einer Leydener Flasche in die Substanz
des Glases stattfindet, und dadurch die Entfernung der sich ge-
genseitig anziehenden Elektricitäten von einander vermindert
wird, ist vielfach nachgewiesen, und folgt auch schon daraus,
dass eine vollständig entladene Flasche, die vorher längere Zeit
geladen war, sich nach kurzer Zeit wiederum geladen zeigt. Es
fragt sich daher, ob:


1. der Einfluss des den trennenden Raum erfüllenden iso-
lirenden Materials sich auch dann noch zeigt, wenn das Ein-
dringen der Elektricität in die Masse desselben verhindert, oder
der Versuch so angestellt ist, dass es auf das Resultat der
Messung keinen Einfluss äussern kann; ferner, wenn dies der
Fall ist, ob:


2. die elektrostatische Induction überall dem Gesetze der
Molecularanziehung, oder ganz oder theilweise dem der Anziehung
in Distanz folgt.


Versuche mit Volta-Elektricität scheinen mir besonders ge-
eignet zur Beantwortung dieser Fragen, da sie eine stets con-
stante und unerschöpfliche Elektricitätsquelle darbietet, durch
welche alle Messungen sehr vereinfacht werden. Die bisher be-
schriebenen Versuche werden dies, so wie auch die Zuverlässig-
keit der Angaben des Galvanometers, wohl überzeugend nach-
gewiesen haben.


Dass auch bei Volta-Elektricität die Capacität eines An-
sammlungsapparates wesentlich von der Beschaffenheit des Isolators,
welcher den die Collectorplatten trennenden Raum erfüllt, ab-
hängt, war leicht zu erkennen.


Wenn ich zwei runde, 15 cm im Durchmesser haltende
ebene Scheiben durch eine Glasplatte von 1 mm Dicke trennte,
so zeigte das Galvanometer eine nahe doppelt so grosse Ladung
[169] an, wie dann, wenn ich anstatt der Glasplatte kleine Glasstücke
von gleicher Dicke zwischen die Scheiben legte. Diese Verstär-
kung der Ladung trat in gleichem Grade bei Anwendung starker
und schwacher Ketten auf, war also unabhängig von der wirk-
samen elektrischen Kraft1) der Batterie.


Da die Tiefe des etwaigen Eindringens der Elektricität in
der durch die Wippe gegebenen Zeit jedenfalls von der Grösse
der wirksamen Kraft abhängig sein müsste, so liess sich hieraus
schon der Schluss ziehen, dass in ihr nicht der Grund der
beobachteten Vergrösserung der Ladung zu suchen sei. Noch
unzweifelhafter tritt dies bei folgendem Versuche hervor.


Ich liess mir eine Leydener Flasche aus zwei in einander
gesetzten Glascylindern anfertigen. Der innere war 0,57 m hoch
und hatte 0,18 cm inneren Durchmesser. Der äussere war ebenso
hoch und hatte 0,20 mm äusseren Durchmesser. Der concen-
trische Zwischenraum zwischen beiden Cylindern war etwa
15 mm dick. Die Glasstärke jedes Cylinders durchschnittlich
2,45 mm. Die Cylinder wurden mit Colophoniumkitt auf einem
Brette befestigt, und der Boden im Innern 1″ hoch mit ge-
schmolzenem Kitt übergossen. Die innere und äussere Fläche
des Doppelcylinders wurden mit Stanniol bis auf ½ dm vom
oberen und unteren Rande belegt, und die frei gebliebenen
Ränder auf gewohnte Weise mit isolirendem Lack überzogen.
Es wurde nun die Ladung der Flasche unter sonst gleichen
Verhältnissen gemessen, wenn der Raum zwischen den Cylindern
mit Luft, und wenn er ganz oder theilweise mit einem anderen
isolirenden Material angefüllt war. Fände nun auch ein Eindringen
der Elektricität in das Glas statt, durch welches die Ladung merk-
lich vergrössert würde, so könnte doch dies Eindringen unmög-
lich den in der Mitte des dicken und schon bei einfacher Glas-
stärke isolirenden Glases befindlichen Isolator erreichen. Dem-
[170] ohngeachtet ergab sich eine beträchtliche Vermehrung der Ladung
wenn ein fester Isolator z. B. ein Cylinder von Kautschuck oder
vollständig isolirender Guttapercha zwischen die Glaswände ge-
schoben ward. Man kann diesen sehr entscheidenden Versuch
auch einfacher und mit gleichem Erfolge mit zwei Glasplatten
anstellen, welche einseitig belegt und in solcher Entfernung von
einander aufgestellt sind, dass man eine dritte Glasplatte zwischen
sie einschieben kann, ohne den Abstand der Belegungen von
einander zu ändern.


Zur Bestimmung des Vertheilungscoëfficienten verschiedener
Isolatoren war das beschriebene Verfahren nicht geeignet. Ich
erhielt aber ziemlich constante Messungen auf folgende Weise:
Zwei ebene runde Messingplatten vom 15 cdm Durchmesser
wurden genau auf einander geschliffen. Durch drei Schrauben
mit feinem Gewinde, welche durch die eine (obere) der Scheiben
gingen, liessen sich dieselben beliebig von einander entfernen.
Die Enden der Schrauben waren mit eingesprengten Steinen
versehen, und hierdurch die Scheiben von einander isolirt. Ich
stellte nun diese Scheiben unter den Recipienten einer Luft-
pumpe. Die untere ward mit dem metallenen Teller der Luft-
pumpe, die obere mit einem isolirt durch den Teller geführten
Draht in leitende Verbindung gesetzt. Nachdem ich nun die
Verbindung mit der Wippe hergestellt und die Ablenkung der
Nadel beobachtet hatte, pumpte ich die Luft bis auf zwei Linien
des Quecksilber-Manometers aus. Der Stand der Nadel ver-
änderte sich dadurch nicht im Geringsten. Eben so wenig war
eine Aenderung desselben zu bemerken, wenn der Recipient der
Luftpumpe mit Kohlensäure oder Wasserstoffgas gefüllt wurde.
Es bestätigt sich dadurch vollkommen, dass „Gase jeder Art
und Dichtigkeit ein gleiches Vertheilungsvermögen haben.“


Wie zu erwarten war, änderte sich auch der Stand der
Nadel durch Erwärmung der Platten und der sie trennenden
Luft nicht, wenn die Erhitzung nicht so weit getrieben wurde,
dass die Platten sich verzogen. Ich gab nun den Platten des
Condensators durch gleichmässige Drehung der Schrauben einen
parallelen Abstand von etwa 1 mm. Es wurde hierauf ein Ge-
fäss mit flachem Boden 1 bis 1½″ hoch mit dem schmelzbaren
Isolator angefüllt, welcher untersucht werden sollte, und die
[171] Masse langsam geschmolzen. Nachdem die Oberfläche derselben
gut gereinigt war, ward erst die Grösse der Ladung zwischen
den beiden Scheiben in der Luft gemessen, und darauf beide
nach einander so in die geschmolzene Masse getaucht, dass keine
Luftblasen zwischen den Platten blieben. Das Verhältniss der
gemessenen Ladungen gab die Vertheilungs-Coëfficienten des ge-
prüften Isolators. — Es ergab sich auf diese Weise für Stearin
die Zahl 0,78, für Schwefel 2,9. Nach Erkaltung der Masse
wurden diese Zahlen kleiner. Es konnte dies jedoch daher
kommen, dass die obere Platte durch die Crystallisation etwas
gehoben wurde. Ausserdem kann die für den Vertheilungs-
coëfficienten des Schwefels gefundene Zahl dadurch etwas grösser
ausgefallen sein, dass die Messingplatte sich mit einer dünnen
Schicht leitenden Schwefelkupfers überzog.


Mit grösserer Genauigkeit prüfte ich die Vertheilungsfähig-
keit der Guttapercha und des Glases. Ich verfuhr dabei fol-
gendermassen. Eine ebene kreisrunde Guttapercha-Platte ward
auf die untere Condensatorplatte gelegt, nachdem sie mit drei
Löchern versehen war, durch welche die Schrauben der oberen
Platte hindurchgingen. Nachdem die letztere nun fest auf die
Guttapercha-Platte gedrückt und durch ein 10 Pfund schweres
Gewicht belastet war, wurden die Schrauben so lange gedreht,
bis ihre Steinspitzen die untere Scheibe berührten. Nachdem die
Ablenkung der Nadel beobachtet war, ward die Platte aufgehoben,
die Guttapercha-Platte entfernt und darauf die Messung wieder-
holt. Aehnlich ward mit plangeschliffenen Glasplatten verfahren.


Als ich eine Glasplatte, welche mir eine unerwartete Ab-
lenkung gab, erwärmte, um die vermuthete Feuchtigkeit von
ihrer Oberfläche zu entfernen, war ich überrascht, eine beträcht-
liche Zunahme der Ablenkung zu finden. Bei der Erwärmung
bis zum Schmelzpunkte des Zinnes war sie bis auf den zehn-
fachen Betrag gestiegen, und steigerte sich bei weiterer Erhitzung
bis zum Schmelzpunkte des Bleies bis zum 30 fachen des ursprüng-
lichen Betrages. Ward die obere Platte auf dem Glase etwas
verschoben, so schlug die Nadel, welche ursprünglich eine Ab-
weichung von 3° zeigte, an die Hemmung und ging sogleich
darauf auf 30 bis 40° zurück. Ich war anfangs geneigt, hieraus
auf eine Vergrösserung des Vertheilungsvermögens des Glases
[172] durch die Erwärmung zu schliessen, überzeugte mich jedoch
später, dass diese Erscheinung durch Elektrolyse der Glasmasse
herbeigeführt wurde.


Es ist bereits durch die Untersuchungen von Buff und Beetz
festgestellt, dass das Glas schon bei geringen Erhitzungen leitend
wird. Die Ladungsströme mussten daher scheinbar grösser
werden, da das Galvanometer gleichzeitig die Stärke des durch
das Glas gehenden Stromes angab. Die Entladungsströme mussten
dagegen durch Leitung der Glasmasse geschwächt werden, da
die Ladung sich nicht allein durch das Galvanometer, sondern
auch noch durch die Glasmasse hindurch ausgleichen konnte.
Die beobachtete grosse Verstärkung der Entladungsströme scheint
daher nur in der elektrolytischen Ausscheidung von metallischem
Kalium oder Natrium an der als negative Anode auftretenden
Belegung gesucht werden zu können. Ein ganz ähnliches Ver-
halten zeigte geschmolzenes Kochsalz und andere elektrolytische
Salze. Es traten auch bei diesen sehr kräftige Polarisationser-
scheinungen auf, die noch fortdauerten, als die Salzmasse schon
wieder ganz erstarrt war, und erst aufhörten, als sie vollstän-
dig abgekühlt war. Hartes Kaliglas begann bei etwa 40 °C.
schon leitend zu werden. Weiches weisses Natronglas noch
viel früher. Ich fand bei einer solchen Glasplatte sogar bis
— 5° geringe Abnahme der Entladungsablenkung der Nadel.
Bei Glimmerplatten war die Erwärmung ganz ohne Einfluss auf
die Ladung, und die Isolirung blieb auch bei der grössten an-
wendbaren Erhitzung noch vollkommen. Dagegen erhielt Gutta-
percha schon durch geringe Erwärmung eine beträchtliche
Leitungsfähigkeit. Als ich einen mit Guttapercha bekleideten
Kupferdraht von 5 dm Länge bis auf die freistehenden Enden
in ein Gefäss mit kaltem Wasser tauchte, zeigte er sich voll-
kommen isolirt. Tauchte ich ihn dagegen in Wasser, welches
etwa 40 °C. warm war, so zeigte das Galvanometer kurz darauf
eine Ablenkung von 6°, welche gänzlich wieder verschwand,
wenn das warme Wasser wieder durch kaltes ersetzt wurde.
Die Vergrösserung der Ladungsströme war dagegen hier sehr
viel schwächer, wie bei erwärmten Glastafeln, was sich dadurch
erklärt, dass Kalium und Natrium viel höher in der elektrischen
Spannungsreihe stehen wie Wasserstoff.


[173]

Es scheint mir nach diesen Versuchen wahrscheinlich, dass
alle diejenigen elektrolytischen starren Körper, welche im ge-
schmolzenen Zustande die Elektricität leiten, ihre Isolirungsfähig-
keit schon im starren Zustande verlieren, wenn sie sich ihrem
Schmelzpunkte nähern, und dass sie desto bessere Isolatoren sind,
je weiter ihre Temperatur unter der ihres Schmelzpunktes steht.


Die bisherigen Versuche werden keinen Zweifel mehr darüber
zulassen, dass der Einfluss des isolirenden Materials auf die
Grösse der elektrostatischen Induction auch bei Elektricität sehr
geringer Spannung besteht und dass derselbe nicht durch das
Eindringen der Elektricität in die Masse des Isolators zu erklären
ist. Dies vorausgesetzt kann man die beträchtliche Vergrösserung
der Vertheilungs- oder Influenz-Elektricität durch die Anwendung
starrer Isolatoren kaum anders erklären, als durch Annahme
der Faraday’schen Hypothese der Molecularinduction. Es ist nun
wohl denkbar, dass neben der Vertheilung durch Molecularin-
duction auch noch die directe Vertheilung durch unmittelbare
Fernwirkung existirt. Um darüber Aufklärung zu erhalten, legte
ich mehrere 1 mm dicke belegte Glasplatten aufeinander und ver-
band die untere mit der Ableitung zur Erde. Wurde nach der in
Fig. 24 angegebenen Schaltung verbunden, so gab die dauernde
Ablenkung der Nadel das Mass der Ladung des Condensators.
Ward anstatt der zweiten die dritte Belegung mit der Wippe
verbunden, so war die Ladung etwa halb so stark, wie schon aus
den früher mitgetheilten Versuchen folgt. Ich verband jetzt so-
wohl die zweite wie die dritte Belegung mit der Zunge der
Wippe. Da jetzt beide Belegungen elektrisch waren, so musste
die Ablenkung grösser werden, wenn die dritte Belegung, durch
die zweite hindurch, einen vertheilenden Einfluss auf die natür-
liche Elektricität der abgeleiteten Belegung ausübte. Dies fand
aber durchaus nicht statt. Selbst als 5 Belegungen mit der Zunge
der Wippe verbunden waren, blieb die Ablenkung genau so gross,
wie bei einer Belegung.


Ich bemerke noch, dass ich die zweite Belegung etwas
grösser gemacht hatte, wie die übrigen. War dies nicht der
Fall, so erhielt ich eine geringe Vergrösserung der Ablenkung,
die sich durch Vertheilung in krummen Linien leicht erklärt.


Dasselbe Resultat erhielt ich, als ich 3 Flaschen, welche
[174] aussen und innen mit Stanniolbelegungen versehen waren, in ein-
ander setzte. War die äussere Belegung abgeleitet, so erhielt ich
genau dieselbe Ladung, wenn die nächste Belegung allein oder
wenn gleichzeitig die beiden übrigen mit der Zunge der Wippe
verbunden waren. Es beweist dies jedenfalls, dass die ver-
theilende Kraft nicht durch einen gleich stark elektrisirten Leiter
hindurch wirkt und macht es sehr wahrscheinlich, dass die un-
mittelbare Vertheilung, wenn sie vorhanden ist, gegen die Mole-
cularvertheilung verschwindend klein ist.


Die bisher erlangten Resultate lehren, dass die Quantität Q
der Elektricität, welche ein aus zwei parallel gegenüberstehenden,
ebenen Platten von gleicher Grösse gebildeter Ansammlungs-
apparat aufnimmt, direct proportional ist der elektrischen Kraft
E der Batterie, direct proportional der Grösse F der gegenüber-
stehenden Flächen, umgekehrt proportional der Dicke d der iso-
lirenden Schicht und direct proportional einer Constante k, welche
von der Materie des benutzten Isolators abhängt. Es ist mithin
die Ladung
(1)
mit der Beschränkung, dass d gegen F sehr klein sei, oder eine
Correctur ausgeführt werden muss, welche den Einfluss der wahr-
scheinlichen Vertheilung in krummen Linien zwischen den Kanten
der Belegungen und um sie herum compensirt. Der Anblick
dieser Gleichung zeigt eine vollkommene Uebereinstimmung mit
dem Gesetz der Bewegung der Wärme und der Elektricität durch
Leiter. Denkt man sich den Isolator als Leiter, die Fläche F,
die Zuleitungsdrähte und die Kette selbst als widerstandslos, so
würde die Stromstärke
sein, wenn λ den Coefficienten der Leitungsfähigkeit des Materials
der die Flächen F trennenden Platte bezeichnet. Man kann sich
hiernach die Ladung als durch einen Strom von sehr kurzer
Dauer durch die Masse des Isolators hindurch entstanden vor-
stellen, und der obigen Gleichung die Form
[175] geben, wenn man unter V den Ausdruck versteht, für wel-
chen ich die Bezeichnung Vertheilungswiderstand vorschlage,
da er dem Leitungswiderstande des die Vertheilung vermittelnden
Raumes ganz analog ist.


Ist die elektrostatische Induction ausschliesslich eine Mole-
cularwirkung, wie es nach den bisherigen Resultaten wenigstens
als wahrscheinlich erscheinen muss, so muss die Gleichung
, deren Richtigkeit bisher nur für den einen Fall experi-
mentell nachgewiesen ist, wenn der Ansammlungsapparat aus
zwei parallelen Flächen besteht, deren Abstand gegen die Di-
mensionen der Collectorplatten sehr klein ist, allgemein gültig
sein. Als erste Prüfung schien mir die Anwendung der Formel
auf die Franklin’sche oder Cascaden-Batterie besonders geeignet.


Werden die gemessenen Ladungen einer Zahl von Ansamm-
lungsapparaten verschiedener Capacität mit q, q', q″ etc. und die
Vertheilungswiderstände derselben mit v, v', v″ etc. bezeichnet,
so ist nach dem aufgestellten Vertheilungsgesetze
und hieraus
.

Bezeichnet ferner Q die Ladung der als Cascaden-Batterie
verbundenen Collectoren und V den zugehörigen Vertheilungs-
widerstand dieser Batterie, so ist ferner
und
.


[176]

Der Vertheilungswiderstand sämmtlicher Collectoren besteht
nun aus der Summe der Widerstände der einzelnen Es ist mithin
etc.
(3) etc.
etc.


Zur Prüfung der Richtigkeit dieser Formel für die Ladung
der Cascaden-Batterie, liess ich drei meiner Glastafeln von 1 mm
Dicke mit Belegungen verschiedener Grösse versehen. Die mit
I bezeichnete Tafel erhielt auf beiden Seiten Belegungen, welche
ein Quadrat von 20 cm Seitenlänge bildeten und sich genau
gegenüberstanden. Die Belegungen der Tafel II hatte 14, die der
Tafel III 10 cm Seitenlänge. Es wurde zuerst die Ladung der
einzelnen Collectoren, dann die verschiedener, aus denselben ge-
bildeten Cascaden-Batterien gemessen.


Die Tabelle VII B zeigt Versuche mit 3 andern Tafeln von
20, 18 und 15 cm Seitenlänge.


Tabelle VII. A.


Tabelle VII. B.


[177]

Columne 1 bezeichnet die einzeln oder cascadenförmig com-
binirt geladenen Collectoren. Columne 3 giebt die beobachtete
Flaschenladung q der einzelnen Collectoren und die beobachtete
Gesammtladung der combinirten Batterien an. Columne 4 ent-
hält die nach der Formel
berechneten Ladungen der combinirten Batterien. Die Differen-
zen sind nicht allein durch Beobachtungsfehler zu erklären. Die
berechneten Werthe sind sämmtlich etwas kleiner wie die beobach-
teten, und zwar um so mehr, je mehr Collectoren combinirt
waren. Es erklärt sich dies leicht daraus, dass die Ladung
zwischen den Belegungen und den Zimmerwänden nicht in Rech-
nung gezogen werden konnte.


Die Messung der Ladung von Condensatoren mit Belegun-
gen verschiedener Grösse giebt Gelegenheit, den bisher noch
unvollständig gelassenen Nachweis zu führen, dass die Ladung
zweier Condensatoren von gleicher Glasdicke proportional der
Grösse der Flächen ist, welche sich gegenüberstehen, vorausge-
setzt dass der Einfluss der Vertheilung in krummen Linien an
den Kanten berücksichtigt wird.


Tabelle VIII.


Columne 5 der vorstehenden Tabelle enthält für 6 Collec-
toren von gleicher Glasdicke die Quotienten . Wie der Augen-
schein lehrt, sind die Unterschiede dieser Werthe noch ziemlich
12
[178] bedeutend. Die Differenzen sind zwar ziemlich beträchtlich,
doch durch die Ungleichförmigkeit der Glasplatten und nament-
lich die Vertheilung in krummen Linien zwischen den Kanten
und zwischen den abgewendeten Flächen zu erklären.


Noch geeigneter als Plattencollectoren sind zur Bestätigung
der aufgestellten Formel
für die Ladung der Cascaden-Batterie, Leydener Flaschen ver-
schiedener Grösse und Flaschendrähte. In nachstehender Tabelle
sind die mit solchen Batterien angestellten Versuche zusammen-
gestellt.


Tabelle IX.


Die durch Zwischenräume getrennten Versuche sind zu ver-
schiedenen Zeiten angestellt, mithin nicht direct vergleichbar.
Die berechneten Werthe sind bis auf einen etwas kleiner als
die beobachteten, wie zu erwarten war, da die Ladung der Zu-
[179] leitungsdrähte und der äusseren Belegungen der Flaschen mit
den Zimmerwänden nicht berücksichtigt ist. Die Flaschen I
bis VIII waren von verschiedenster Form und Glasstärke. Es
wurden die Cascaden-Batterien immer durch leitende Verbindung
der äusseren Belegung der einen Flasche mit dem Knopfe der
nächsten gebildet. Sämmtliche Flaschen standen getrennt von
einander auf einer Unterlage von Kautschuckhorn. Die mit A
und B bezeichneten Flaschen bestanden aus je 1 mm dicken,
30 m langen Drähten, welche gleichzeitig mit Guttapercha um-
presst waren. Der Querschnitt der Guttapercha bildete an-
nähernd eine Ellipse. Die Axen der Kupferdrähte der Draht-
flasche A waren 2,75 mm von einander entfernt, und die Durch-
messer des Guttapercha-Ueberzuges waren 8 und 9 mm. Der
Abstand der Drähte der Drahtflasche B war 4 mm und die Durch-
messer der Guttapercha-Hülle 10 und 13 mm.


Ich habe derartige Doppeldrähte zu langen Unterseeleitungen
in Vorschlag gebracht und werde später mehrfach auf dieselben
zurückkommen.


Das Verhältniss der Ladung dieser Drahtflaschen kann zur
weiteren Prüfung der Richtigkeit des Vertheilungsgesetzes dienen.
Nach Kirchhoff1) ist der Leitungswiderstand zwischen zwei
Kreisen in einer unbegrenzten Ebene
,
wenn a der Abstand der Mittelpunkte der Kreise, r der Radius
derselben und C eine Constante ist. Dieselbe Formel muss nun
auch für den Vertheilungswiderstand Anwendung finden, es muss
mithin
sein,
wenn a und b die Abstände der Drähte und r ihr Radius ist.
Nach Substituirung der Zahlenwerthe erhält man:
.


12*
[180]

Die Gleichung ist mithin ziemlich vollständig erfüllt. Wenn
man in Betracht zieht, dass die Drähte nicht vollständig parallel
liegen, dass die Formel für den Leitungswiderstand nur eine
Näherungsformel ist, und dass sie nur für den Fall der unbe-
grenzten Ebene von überall gleicher Leitungsfähigkeit gültig
ist, was hier nicht Anwendung findet, da der Vertheilungswider-
stand der Guttapercha nur etwa halb so gross ist wie der der
Luft, so erscheint die Differenz der beobachteten und berechne-
ten Werthe sogar auffallend gering.


In der nebenstehenden Tabelle sind die Versuche zusammen-
gestellt, welche ich über die Ladung von Flaschendrähten ver-
schiedener Dimensionen angestellt habe. Es waren dies Draht-
enden aus verschiedenen Fabricationsperioden, bei denen die
Guttapercha theilweise schon durch Berührung mit der Luft
etwas verändert war. Obgleich möglichst brauchbare Drähte
ausgewählt wurden, so war die Concentricität des Drahtes und
Ueberzuges doch bei allen mehr oder weniger unvollständig.
Grosse Genauigkeit konnte mithin von diesen Versuchen nicht
erwartet werden. Die Versuche wurden so angestellt, dass aus
den zu untersuchenden Drähten Rollen von etwa 1 Fuss innerem
Durchmesser gebildet, und diese in ein mit Wasser gefülltes
metallenes Gefäss gelegt wurden. Das eine Drahtende ragte aus
dem Wasser hervor, und das andere im Wasser befindliche war
vorher durch Umklebung mit erwärmter Guttapercha isolirt.
Der Draht ward mit der Zunge der Wippe verbunden. Die
leitende Verbindung mit dem Wasser ward durch das Metallge-
fäss bewirkt.


Columne 2 giebt die Länge l, Columne 3 den Radius des
metallischen Drahtes, Columne 4 den Radius des überzogenen
Drahtes. Columne 6 enthält die gemessene Ladung und Columne 7
die daraus berechnete Constante der später entwickelten Formel
für die Ladung. Die durch einen Zwischenraum getrennten Ver-
suche sind in verschiedenen Zeiten ausgeführt und nicht ver-
gleichbar. Der Versuch No. 9 ward mit einem mit Blei um-
pressten Draht von beträchtlicher Länge angestellt. Bei diesem
bildete der Draht die innere, das Blei die äussere Belegung der
Flasche. Da die Ladung dieses Drahtes durch die zu den übri-
gen Messungen benutzte Daniell’sche Batterie von 54 Zellen
[181]Tabelle X.

nicht mehr gemessen werden konnte, so wurde eine Batterie von
18 Zellen benutzt, und der Sinus des gemessenen Winkels mit 3
multiplicirt. Die Differenzen sind zwar beträchtlich, doch durch
die Beschaffenheit der untersuchten Drähte erklärlich.


Die Berechnung der Ladung der Flaschendrähte ist nach der
Formel
ausgeführt.


Sie ergiebt sich aus der Gleichung , wenn man sich
die cylindrische Guttapercha-Hülle in eine sehr grosse Anzahl
concentrischer Schichten getheilt denkt, und die Widerstände
aller summirt.


Ist dx die Dicke eines solchen Hohlcylinders vom Radius x,
so ist der Widerstand derselben
,
wenn k die Vertheilungsfähigkeit der Guttapercha bezeichnet.


Mithin
[182] und
(4) 1)
oder, wenn E unverändert bleibt
und
.


Wenn auch die Uebereinstimmung der hiernach berechneten
Constanten nicht befriedigend ist, so ergiebt sich doch wenigstens
mit Bestimmtheit daraus, dass die Vertheilung nicht dem Ge-
setze der directen Anziehung folgt. Die Anziehung paralleler
Linien, deren Länge unendlich oder wenigstens sehr gross gegen
ihre Entfernung ist, steht in umgekehrtem Verhältniss ihrer Ent-
fernung. Man kann sich nun den Mantel eines Cylinders, welcher
einen dünnen Draht concentrisch umgiebt, in eine grosse Zahl
schmaler Streifen zerlegt denken. Die Summe der Anziehung
zwischen dem Draht und allen Streifen bildet die Summe der
thätigen anziehenden Kräfte zwischen dem Cylinder-Mantel und
dem Draht und müsste das Mass der Vertheilungsgrösse sein,
wenn diese eine Wirkung der Anziehung „in Distanz“ wäre.
Da sich nun ein Cylindermantel von doppeltem [Durchmesser] in
doppelt so viele Streifen von gleicher Breite theilen lässt, von
denen jeder mit halb so grosser Kraft von der Axe angezogen
wird, die Gesammtanziehung zwischen Axe und Mantel mithin un-
abhängig vom Durchmesser des Cylinders ist, so müsste auch die
Ladung zwischen beiden es sein, was offenbar nicht der Fall ist.


Die unvollständige Erfüllung der Gleichung
[183] ist theils in excentrischer Lage des Drahtes in der Guttapercha,
grösstentheils aber darin zu suchen, dass die letztere selbst sehr
verschiedenartig und bei vielen Drähten schon sehr zusammen-
getrocknet und verharzt war. Es bildete sich dadurch ein mit
Luft erfüllter Zwischenraum zwischen Draht und Guttapercha.
Einige Drähte waren mit geschwefelter Guttapercha bekleidet.
Die dem Kupfer zunächst liegenden Schichten dieser Guttapercha
waren durch Aufnahme von Schwefelkupfer leitend geworden,
wodurch der wirksame Durchmesser des Drahtes etwas vergrössert
wird. Genaue Zahlenangaben waren mithin hier nicht zu er-
warten.


In der nachstehenden Tabelle habe ich einige Versuche zu-
sammengestellt, deren unerwartete Resultate für mich die erste
Veranlassung zu der vorliegenden Arbeit waren. Ich hoffte die
bei langen Unterseeleitungen so störenden Ladungen und die
durch sie bewirkte Verzögerung des Stromes dadurch grössten-
theils zu beseitigen, dass ich anstatt einfacher Leitungen und
Benutzung der Erde als Rückleitung oder als Reservoir, wenn
man diesen Ausdruck vorzieht, Doppeldrähte anwendete, welche
in einer gemeinschaftlichen Guttapercha-Hülle liegen und einen
ganz metallischen Kreislauf bilden. Da in diesem Fall die beiden
Drähte in gleicher Entfernung von der Batterie gleich und ent-
gegengesetzt elektrisch werden, so glaubte ich die auf der Ober-
fläche der gemeinschaftlichen Guttapercha-Hülle auftretende In-
fluenz-Elektricität müsse an allen denjenigen Punkten derselben
gleich Null sein, die gleichweit von den gleich und entgegenge-
setzt elektrisirten Drähten entfernt wären. Sie müsste dann an
den übrigen Punkten proportional der Differenz der vertheilenden
Wirkung der beiden Drähte, und die Ladung des ganzen Doppel-
drahtes mithin sehr viel geringer sein, wie die eines einfachen
Drahtes. Der Versuch lehrt nun aber, dass dies durchaus nicht
der Fall ist. Es findet nicht nur keine Verminderung der Ladung
im obigen Sinne statt, sondern im Gegentheil eine geringe Ver-
grösserung derselben.


Die Messungen der nachstehenden Tabelle sind mit den be-
schriebenen Doppeldrähten angestellt. Dieselben wurden in ein
Gefäss mit Wasser getaucht, welches mit der Erde in leitender
Verbindung war. Das eine Ende sämmtlicher Drähte war durch
[184] Umklebung mit erwärmter Guttapercha sorgfältig isolirt, das
andere ragte aus dem Wasser hervor.


Columne 2 enthält die Zahl der Daniell’schen Zellen n, Co-
lumne 3 die Bezeichnung der Drähte und der Verbindung der-
selben. Die Ueberschrift I in dieser Columne bezeichnet den
Doppeldraht mit 2,75 mm grossem, II den mit 4 mm grossem
Abstand der Drähte von einander. Die arabischen Zahlen 1 und
2 bezeichnen die einzelnen Drähte eines Doppeldrahtes, das
Zeichen ÷ zwischen zwei Drähten bedeutet, dass die Ladung
zwischen den durch sie bezeichneten Drähten gemessen ist. Der
Buchstabe T bezeichnet die Leitung zur Erde.


Durch 1 ÷ T ist mithin ausgedrückt, dass die Ladung
zwischen Draht 1 und der äusseren leitenden und abgeleiteten
Hülle der Guttapercha gemessen ist, 1 ÷ 2 dagegen bedeutet,
dass die durch Einschaltung der Batterie zwischen Draht 1 und
Draht 2 ohne jede Ableitung zur Erde bewirkte Ladung,
(1 + 2) ÷ T endlich dass die Ladung zwischen den beiden ver-
bundenen Drähten 1 und 2 und der Erde gemessen ist. Co-
lumne 4 giebt die Ladung, Columne 6 das Mittel aus beiden
auf die Ladung durch eine Zelle reducirten Messungen (s. Tab. XI).


Da bei der Ladung 1 ÷ 2 die Batterie direct zwischen die
beiden Drähte eingeschaltet wird und keine Ableitung zur Erde
existirt, so ist die elektrische Kraft beider Batteriepole gleich
gross und halb so stark wie die elektrische Kraft des isolirten
Pols derselben abgeleiteten Batterie. Die Ladung eines jeden Drahtes
ist bei diesen Versuchen daher nur durch die halbe Zahl der an-
gegebenen Zellen bewirkt. Dies wird noch anschaulicher, wenn
man sich die Batterie in der Mitte zur Erde abgeleitet vorstellt.
Werden die beiden Drähte dann gleichzeitig mit den beiden
freien, entgegengesetzt elektrischen Batteriepolen verbunden, so
muss die Ladung ganz eben so vor sich gehen, wie im vorlie-
genden Falle. Um die Ladungen der verschiedenen Combina-
tionen vergleichen zu können, müssen daher die Ladungen 1 ÷ 2
verdoppelt werden. Da diese Zahl grösser wird, wie die Ladung
1 ÷ T desselben Doppeldrahtes, so folgt daraus, dass keine Ver-
minderung, sondern eine Vergrösserung der Ladung durch die
Combination 1 ÷ 2 herbeigeführt ist. Nach der Molecularver-
theilungstheorie ist dies auch ganz richtig. Jeder Punkt der
[185]Tabelle XI.

kleinen Axe der Ellipse, welche ein Querschnitt der Guttapercha
bildet, ist gleichweit von den beiden gleich und entgegengesetzt
elektrischen Drähten entfernt. Für den elektrischen Strom
zwischen diesen Drähten ist die durch alle kleinen Axen gelegte
Ebene daher als vollkommen abgeleitet zu betrachten, da nach
dem Ohm’schen Spannungsgesetze die elektrische Kraft in der
ganzen Ebene gleich 0 wird. Hieraus folgt unmittelbar, dass
der Strom zwischen den beiden Drähten stärker sein müsse, wie
zwischen einem Draht und der Peripherie der Guttapercha, wenn in
beiden Fällen in den Drähten gleiche elektrische Kräfte auftreten.
Nach dem aufgestellten Widerstandsgesetze der elektrostatischen
Vertheilung muss nun dasselbe auch für die Ladung gelten.


Ich zweifle nicht daran, dass es einem geübteren Mathema-
tiker gelingen wird, die Richtigkeit des aufgestellten Vertheilungs-
[186] gesetzes an allen in der Tabelle aufgeführten Messungen noch
zu erweisen. Ich habe sie zu dem Zwecke und, weil ich im
zweiten die Verzögerung des Stromes durch die Ladung behan-
delnden Theile dieser Arbeit auf diese Messungen zurückkommen
werde, hier vollständig mitgetheilt.


Schon vor einigen Jahren habe ich gefunden, dass auch
lange, völlig isolirte oberirdische Telegraphenlinien durch die gal-
vanische Batterie geladen werden. Es ist mir sogar mehrfach
gelungen, durch die Grösse des Entladungsstromes die Lage des
Ortes zu bestimmen, wo die Leitung zerrissen war. Zur ge-
naueren Bestimmung der Capacität des aus einem oberirdischen
Telegraphendrahte, und dem Erdboden gebildeten Ansammlungs-
apparates, liess ich auf meinem Hofe einen Eisendraht von zwei
englischen Linien Stärke und 120,85 m Länge aufhängen. Der
Draht war in einem grossen Bogen ausgespannt, und befand sich
in einer durchschnittlichen Höhe von 8 m über dem Erdboden.
Die Befestigungspunkte waren sorgfältig isolirt, und das eine
Ende direct zu meinem Instrumente geführt. Ich verglich nun
die Ladung dieses Drahtes mit der eines Platten-Condensators
von 1 mm Glasdicke und 2,25 □ dm Belegfläche. Ich erhielt
folgendes Resultat:


Tabelle XII.


Hiernach hat ein oberirdischer Telegraphendraht von 1 m
Länge dieselbe Flaschencapacität wie eine 1 mm dicke Glastafel
mit 100 □ mm oder 0,00001 □ m Belegfläche, oder eine deutsche
Meile Leitung entspricht einer Flasche von 1 mm Glasdicke und
etwa 7,7 □ Fuss innerer Belegung.


Obschon die Höhe des Drahtes über dem Erdboden be-
[187] trächtlich grösser war, wie bei Telegraphenleitungen gebräuch-
lich ist, so wird doch die Flaschencapacität bei diesen nicht viel
grösser sein, da die Capacität meines Drahtes, durch hohe Ge-
bäude und Bäume, welche in seiner Umgebung standen, nicht
unwesentlich erhöht ist, und da überhaupt der Vertheilungswider-
stand mit der grösseren Entfernung vom Boden nur wenig, d. i.
im Verhältniss der Logarithmen der doppelten Höhe wächst,
wenn dieselbe gross ist im Verhältniss zum Durchmesser des
Drahtes. Man kann nämlich den Vertheilungswiderstand zwischen
Draht und Erde nach der Kirchhoff’schen Widerstandsformel
durch
ausdrücken, wenn h den Abstand des Drahtes von der Erde
bezeichnet, woraus sich die Richtigkeit der obigen Annahme
herleitet.


Von grosser Wichtigkeit ist die nachgewiesene, nicht unbe-
deutende Ladung der in der freien Luft ausgespannten Drähte
bei Beurtheilung der Resultate der Geschwindigkeitsmessung der
Elektricität. Da ich den grossen verzögernden Einfluss der
Ladung der Flaschendräthe auf die Strombildung in den ent-
fernten Theilen derselben später ausführlich behandeln werde,
so genügt es hier, nur darauf aufmerksam zu machen, dass die
Verzögerung des Stromes in Flaschendrähten im Verhältnisse
der Quadrate der Länge der Drähte steht. Es folgt dies schon
aus der Betrachtung, dass die Zeit, welche nothwendig ist, um
die in irgend einem Stücke des Drahtes zurückbleibende und
zur Ladung desselben nach Massgabe der ihm nach dem Ohm’-
schen Gesetz zukommenden „elektroskopischen Kraft“ verwen-
deten Elektricitätsmenge an Ort und Stelle zu schaffen, sich
direct wie die Elektricitätsmenge und umgekehrt wie der von
ihr zu überwindende Widerstand verhalten muss. Da nun bei
einem doppelt so langen Drahte sowohl die Quantität der in
statische Anordnung übergehenden Elektricität, wie auch der
mittlere zu überwindende Widerstand doppelt so gross ist, so
folgt daraus unmittelbar, dass die Ladungszeit, nach deren voll-
ständigem Verlauf der Strom am Ende des Drahtes erst auftreten
[188] kann, viermal so gross werden, mithin im Verhältniss der Qua-
drate der Drahtlängen stehen muss. Die ausgeführten Messungen
der Geschwindigkeit der Elektricitätsverbreitung in Drähten haben
nun die Summe der durch die Ladung und durch die Bewegungs-
geschwindigkeit der Elektricität bedingten Zeitverluste gemessen
von denen der erstgenannte im Verhältniss der Quadrate, der
zweite im einfachen Verhältnisse der Länge der benutzten Drähte
steht. Es erklären sich hierdurch die grossen Verschiedenheiten
der Zahlenangaben für die Geschwindigkeit. Sie mussten um so
grösser ausfallen, je kürzer und dünner die Drähte waren, mit
denen experimentirt wurde. Ausserdem ist es klar, dass die
wirkliche Geschwindigkeit der Elektricität sehr viel grösser sein
muss, wie die gemessenen Werthe, vorausgesetzt natürlich die
Richtigkeit der Messungen. Es scheint sogar wahrscheinlich,
dass die beobachteten Zeitunterschiede nur der Ladung der Drähte
zuzuschreiben sind.


Da es nicht möglich ist, Leitungen herzustellen, bei welchen
keine Flaschenladung stattfindet, so behandelt die Frage der
Geschwindigkeit der Stromverbreitung stets nur einen ideellen
Fall, dessen Bedingungen sich nie erfüllen lassen. Der einzige
Fall, in welchem die elektrostatische Induction auf die Umge-
bungen eines Drahtes in der That verschwindend klein ist, ist
der, wenn derselbe spiralförmig aufgewunden ist; es tritt dann
aber dafür die elektrostatische Induction der ungleich elektrischen
Windungen auf sich selbst und ausserdem die elektrodynamische
Induction auf, wodurch auch dieser Fall für Geschwindigkeits-
messungen unbrauchbar wird. Messungen der Bewegungsge-
schwindigkeit der Elektricität selbst würden sich daher nur so
ausführen lassen, dass man die Verzögerung des Stromes in ver-
schiedenen Entfernungen von der Batterie misst, und aus der
so gebildeten Reihe die Werthe für die Ladungszeit und die
Geschwindigkeit der Elektricität ableitet.


Es führen diese Betrachtungen zu der Frage, worin die
auf der Oberfläche der Conductoren angesammelte sogenannte
freie Elektricität eigentlich besteht, und worin sie von der
Ladungs- oder sogenannten „gebundenen“ Elektricität verschie-
den ist.


Faraday hat bekanntlich die Ansicht aufgestellt, dass die
[189] sogenannte freie Elektricität, oder gebundene oder Flaschen-
elektricität identisch sind, und dass bei ersterer die Zimmerwände
die äussere Belegung der Flasche bilden.


Das Vertheilungsgesetz bietet ein Mittel die Richtigkeit dieser
Ansicht zu prüfen. Der Vertheilungswiderstand d V einer sehr
dünnen Hohlkugel, deren Wandstärke gleich d x und deren Radius
gleich x ist, ist
unter k der Vertheilungscoëfficient des Materials der Hohlkugel
verstanden. Der Gesammtwiderstand aller auf einanderfolgenden
Hohlkugeln ist dann
.


Das Integral zwischen x = R und x = r genommen giebt
.


Es ist also
und
(5) .


Der Ausdruck 4πk ist mithin die von Riess sogenannte
Verstärkungszahl der Flasche vom inneren Radius r und dem
äusseren R, wofür man bei Kugelflaschen allgemein den Ausdruck
Capacität gebrauchen kann.


Sind R und r sehr wenig verschieden und setzt man:
und
, so geht obige Gleichung in
über, welche mit der von Poisson für den speciellen Fall, dass
die Glasdicke gegen den Radius der kleinsten Krümmung sehr
klein ist, entwickelten Formel identisch ist.


[190]

Ein in einem Zimmer von gewöhnlichen Dimensionen auf-
gestellter Conductor wird hinsichtlich der Capacität der Flasche,
die er mit den Zimmerwänden und dem Fussboden bildet, ohne
sehr grossen Fehler als im Centrum einer Hohlkugel von 3 m
Radius befindlich betrachtet werden können. Ist der Conductor
eine Kugel von 0,15 m Durchmesser, so ist seine Capacität, da
k hier gleich 1 ist, nach Gl. (5)
.


Die Capacität einer innen und aussen belegten Glaskugel
von 0,15 m innerem Durchmesser und 2 mm Glasdicke ist da-
gegen, wenn k = 2 gesetzt wird:
.


Das Verhältniss der Capacitäten beider Flaschen ist mithin:
1 : 160.


Versuche die ich mit einer innen mit Spiegelbelegung
versehenen Glaskugel anstellte, entsprachen diesem Verhältniss
mit hinreichender Genauigkeit. Frei im Zimmer aufgehängt gab
die Kugel mit einer abgeleiteten Batterie von 54 Daniell’schen
Zellen eine Ablenkung von 0,3°, während dieselbe Kugel in
Wasser eine Ablenkung von 52° gab. Bei der Unsicherheit
der Abschätzung der mittleren Entfernung der Zimmerwände,
so wie namentlich der mittleren Dicke des Glases ist diese Ueber-
einstimmung grösser als erwartet werden konnte.


In statischer Anordnung auf der Oberfläche eines Körpers
befindliche Elektricität kann daher stets als gebunden, latent,
oder durch entgegengesetzte Elektricität auf anderen benachbarten
Körpern beschäftigt betrachtet werden, und ein Unterschied
zwischen beiden Elektricitätsarten ist nur im Standpunkte des
Beobachters, ob in oder ausserhalb des thätigen Dielectricums,
zu finden.


Vergleicht man nach der Formel (5) die Ladung oder Elek-
tricitätsmenge Q und Q' zweier Kugelconductoren von verschie-
dener Grösse, so ist:
(6) .


[191]

Die Elektricitätsmenge, welche durch gleiche elektrische Kräfte
auf zwei in gleichen Räumen befindliche Kugelconductoren von
verschiedener Grösse angehäuft wird, verhält sich daher nicht
wie die Oberfläche derselben, sondern die Flächeneinheit der
kleinen Kugel enthält mehr Elektricität, wie die der grossen, oder
mit anderen Worten:


„Die Dichtigkeit der Elektricität der kleinen Kugel ist
grösser als die Dichtigkeit der Elektricität der grossen.“


Bezeichnet F die Oberfläche der Kugelconductoren, so ist
die Dichtigkeit.


Es ist dann:
und wenn R sehr gross gegen r ist:
(7) .


Die Dichtigkeiten zweier in sehr grossen Räumen befindlichen
Kugelconductoren, welche so weit von einander entfernt sind,
dass sie keine merkbare Influenz auf einander ausüben, verhalten
sich daher umgekehrt wie die Durchmesser der Kugeln.


Es erklärt sich dies dadurch, dass der Vertheilungswider-
stand hauptsächlich, in den den Kugeln zunächst liegenden
Schichten des Dielectricums zu suchen ist. Je kleiner nun der
Krümmungshalbmesser einer Fläche ist, desto schneller nehmen
die aufeinander folgenden concentrischen Schichten an Ausdehung
zu, mithin an Widerstand ab. Der auf die Flächeneinheit redu-
cirte Vertheilungswiderstand ist daher bei der kleinen Kugel ge-
ringer, wie bei der grossen, obschon der Abstand der Fläche der
kleinen von der Umgrenzung des Zimmers grösser ist.


Ich habe noch nicht durch Versuche feststellen können, ob
das durch die Gleichung (7) gegebene Verhältniss der Dichtigkeit
der Elektricität auf der Oberfläche kugelförmiger Conductoren
von verschiedener Grösse sich bestätigt. Ebensowenig sind mir
Versuche mit Reibungselektricität bekannt, an denen direct ge-
prüft werden könnte, ob dies Verhältniss mit dem Experiment
übereinstimmt. Dagegen bietet der Ausdruck für die Ladung
der Flaschendrähte hierzu sehr gute Anhaltspunkte. Nach
Gleichung (4) ist:
[192].


Man kann sich nun einen im Zimmer ausgespannten Draht
vom Radius r als von einem leitenden Cylindermantel umgeben
denken und die Elektricitätsmenge Q gleich der Flaschenladung
zwischen dem inneren und äusseren Cylinder nach dieser Formel
bestimmen. Die Dichtigkeit d der Elektricität auf der Oberfläche
des inneren Cylinders ist dann:
d. i. die Elektricitätsmenge dividirt durch die Fläche.


Es ist mithin
(8) .


Setzt man nun R = 5 Fuss und substituirt für r nach ein-
ander die Radien 1″, ½″, 1/12″, so erhält man:

In nachstehender Tabelle sind diese Werthe mit denen zu-
sammengestellt, die Coulomb für die Dichtigkeit gleich dicker,
durch Ansetzen an eine 8 zöllige Kugel elektrisirter Drähte an-
giebt1).


Tabelle XIII.


Die Berechnung stimmt mit der Beobachtung genauer wie
zu erwarten überein, wenn man bedenkt, dass die Substitution
[193] eines cylindrischen und concentrischen Zimmers nur auf Schätzng
beruht und weder der Einfluss der grösseren Dichtigkeit der
Drahtenden, noch die Erschöpflichkeit der von Coulomb be-
nutzten Elektricitätsquelle, d. i. einer elektrisirten 8zölligen Kugel
in Rechnung gezogen ist.


Nach Gleichung 7 und 8 verhält sich die Dichtigkeit D der
Kugel zu der Dichtigkeit d des angesetzten Cylinders:

Für r den Radius der von Coulomb benutzten 8zölligen
Kugel, für r' den Cylinder-Radius 1 und für R wie oben 60 ge-
setzt, erhält man D : d = 1 : 0,977, während Coulomb das Ver-
hältniss 1 : 1,28 fand. Es scheint hiernach R für Coulomb’s Ver-
suche zu gross gewählt zu sein. Nimmt man für R 37 Zoll als
die wahrscheinliche Entfernung seines Cylinders vom Fussboden,
so erhält man

Je kleiner in der Formel
der Radius r wird, desto kleiner wird der Nenner des Bruches,
desto grösser mithin die Dichtigkeit. Wird r verschwindend klein,
so wird d = ∞. Hieraus folgt, dass die Dichtigkeit der Elektri-
cität einer vollkommenen Spitze unendlich gross wird.


Es werden diese Beispiele ausreichend sein, um zu zeigen,
dass Faraday’s Vermuthung, dass freie statische Elektricität, wo
und in welcher Form sie auch auftritt, stets vermittels eines Di-
electricums in materieller Wechselwirkung mit einer gleichen
Quantität entgegengesetzter Elektricität steht, allem Anschein nach
nicht mit Thatsachen — wenn auch mit manchen sehr sinnreichen
und bisher allgemein anerkannten Theorien — in Widerspruch steht.
Durch den Nachweis, dass die freie Elektricität und Flaschenelektri-
cität als identisch betrachtet werden können, und dass die Anord-
nung der Elektricität auf der Oberfläche der Conductoren in einigen
13
[194] wichtigen Fällen auch bei Elektricität hoher Spannung durch das
nothwendige Gesetz der Molecularvertheilung begründet wird, ist
die Frage berechtigt, ob die statische Anordnung der Elektricität
auf der Oberfläche der Leiter nicht ausschliesslich als Folge der
Molecularvertheilung aufgefasst werden kann.


Ich wage nicht diese wichtige Frage unbedingt zu bejahen,
kann es auch nicht unternehmen, alle von der Form der Con-
ductoren und ihrer gegenseitigen Influenz abhängigen Dichtig-
keitsverhältnisse als durch das Gesetz der Molecularvertheilung
bedingt [nachzuweisen], da mich dies weit über die Grenzen hin-
ausführen würde, die ich der Ausdehnung der vorliegenden Arbeit
stecken musste, glaubte jedoch durch die mitgetheilten Resultate
berechtigt zu sein, diese Ansicht so lange für begründet zu er-
klären, bis der Nachweis des Gegentheils geführt ist.


Es ist nicht anzunehmen, dass zwei von einander unab-
hängige Ursachen die Dichtigkeit der Elektricität auf der Ober-
fläche der Körper bedingen, von denen jede in einzelnen Fällen
nicht nur die ganze Erscheinung erklärt, sondern sogar noth-
wendig bedingt. Ist daher die Ansicht Faraday’s dass die elektro-
statische Induction oder Vertheilung ausschliesslich eine Molecu-
larwirkung, keine Folge der directen Anziehung und Abstossung
der elektrischen Fluida ist, richtig — und nach den vorliegen-
den Versuchen scheint mir kaum noch ein Zweifel darüber zu-
lässig — so ist dieselbe auch die Ursache der Verschiedenheit
der Dichtigkeit der Elektricität auf der Oberfläche leitender,
elektrisirter Körper. Es kann daher die Kraft, mit welcher zwei
elektrisirte Körper sich erfahrungsmässig anziehen, resp. abstossen,
nicht gleichzeitig die erste Ursache der ungleichen Verbreitung der
Elektricität auf der Oberfläche der Körper sein, oder mit anderen
Worten: Die Anziehung und Abstossung ist nicht eine Eigen-
schaft der elektrischen Fluida, sondern der elektrisirten Materie.


Poisson begründet seine Berechnungen der Dichtigkeit der
Elektricität wesentlich auf die von ihm als nothwendig ange-
nommene Bedingung, dass die Resultante aller anziehenden Wir-
kungen der auf der Oberfläche eines Körpers befindlichen Elektri-
cität für jeden beliebigen Punkt im Innern gleich 0 sein müsse,
da anderenfalls eine Zerlegung der natürlichen Elektricität dieses
Punktes und dadurch eine Störung des angenommenen Gleich-
[195] gewichtes eintreten müsse. Ist jedoch die Vertheilung ausschliess-
lich eine Molecularwirkung des thätigen Dielectricums, so kann
gar keine Zerlegung im Innern des Leiters durch Anziehungs-
wirkung eintreten. Die erste Grundbedingung der Poisson’schen
Rechnungen fällt daher fort. Wahrscheinlich wird sich die
zweite Bedingung, „dass die freie Oberfläche der elektrischen
Schicht eine Gleichgewichtsfläche sein müsse“, aus dem Mole-
cularvertheilungsgesetz herleiten lassen — wodurch der Wider-
spruch zwischen beiden Theorien beseitigt würde.


Eine weitere Consequenz der Faraday’schen Theorie ist die
gänzliche Verschiedenheit der Begriffe „elektrische Kraft oder
Spannkraft“ und Dichtigkeit der Elektricität. Es zeigt sich diese
Verschiedenheit am klarsten in der als richtig erwiesenen An-
schauung, „dass die Elektricitätsmenge jedes Flächenelements als
durch einen elektrischen Strom von bestimmter kurzer Dauer
durch das leitend gedachte Dielectricum hindurch“ entstanden
gedacht werden kann. Die Dichtigkeit oder die Elektricitäts-
menge der Flächeneinheit entspricht daher der Stromstärke, nicht
der elektromotorischen Kraft des Ohm’schen Gesetzes. Hiermit
steht in scheinbarem Widerspruch, dass die Ausströmung und
die Schlagweite der Elektricität, welche wir als unmittelbare
Spannungserscheinungen zu betrachten gewöhnt sind, offenbar im
Verhältniss der „Dichtigkeit“ stehen. Der von Licht- und Wärme-
entwickelung begleitete Entladungsvorgang ist aber offenbar keine
statische, sondern eine Bewegungserscheinung und von diesem
Standpunkt aus zu betrachten.


Wenn man zwei dünne Glas- und Glimmerplatten einseitig
mit Stanniol belegt und die nicht belegten Seiten so aufeinander
legt, dass ein lufterfüllter Zwischenraum von geringer aber gleich-
mässiger Dicke sich zwischen ihnen befindet, so erhält man be-
kanntlich eine Lichterscheinung in dem ganzen lufterfüllten Raume,
wenn man den so gebildeten Collector durch eine hinlänglich
geladene Leydner Flasche ladet. Diese Lichterscheinung wieder-
holt sich bei der Entladung des Collectors. Das Leuchten des
Luftraums tritt nicht ein, wenn die Flasche sehr schwach geladen
ist. Es beginnt bei einer ganz bestimmten Ladung und ver-
stärkt sich von diesem Punkte an mit der Vergrösserung der
Ladung der Flasche.


13*
[196]

Es liegt nahe, aus dieser Erscheinung den Schluss zu ziehen,
dass die elektrische Polarisation der Molecüle eines Dielectricums,
als welche wir die Molecularvertheilung betrachten müssen, ein
bestimmtes, von der Natur und Dichtigkeit des Körpers abhän-
giges Maximum nicht überschreiten kann, und dass ein Spannungs-
oder Polarisations-Ueberschuss durch eine von Licht- und Wärme-
entwickelung oder chemischer Action begleitete Bewegungser-
scheinung noch unbekannter Natur ausgeglichen oder übertragen
wird. Gesetzt, der Gesammtvertheilungswiderstand des Glases
wäre gleich dem des Luftraumes zwischen den Glastafeln und
die elektrische Kraft E wäre so gewählt, dass das Vertheilungs-
maximum der Luft gerade erreicht wäre, so wäre, wenn v den
Vertheilungswiderstand der Glasmasse bezeichnet,

Wird nun die wirksame elektrische Kraft E verdoppelt, so
würde die Ladung
sein, wenn das Vertheilungsmaximum des Luftraumes nicht über-
schritten wäre. Da dies nun aber nach der Voraussetzung schon
bei der Hälfte dieser Ladung der Fall ist, so kann man sich die
Ladung in zwei Theile zerlegt denken, von denen der eine gleich
, der andere durch ausgedrückt werden kann, indem der
Vertheilungswiderstand der Luftschicht für den zweiten Theil
fortfällt. Es wird mithin die wirkliche Ladung des Collectors
sein.


Der Entladungsvorgang im lufterfüllten Raume muss daher
gleich sein. Das Arbeitsaequivalent dieser Ent-
ladung im Innern des Dielectricums muss als Licht, Wärme
oder Veränderung der Gruppirung der Körpermolecüle, d. i. als
chemische Action, auftreten. Im vorliegenden Falle findet gleich-
zeitig mit der Licht- und Wärmeentwickelung eine Umwandlung
des Sauerstoffs der Luft in Ozon1) statt.


[197]

Wären die inneren, durch Luft getrennten Glasflächen
leitend, so würde nur in dem Falle eine ganz gleiche, den ganzen
lufterfüllten Raum erfüllende Entladung zwischen denselben ein-
treten, wenn die Flächen absolut eben und parallel und die
Dichtigkeit der Luft überall vollkommen gleich wäre. Anderen-
falls würde die Entladung zuerst an den Stellen beginnen, die
einander am nächsten oder deren elektrische
Dichtigkeit am grössten wäre. Da durch die,
die Entladung begleitende Erwärmung die von
ihr ergriffene Luft verdünnt und ihr Vertheilungs-
maximum dadurch progressiv vermindert wird,
so muss sich jetzt die ganze Entladung da be-
werkstelligen, wo sie einmal begonnen hat; es
wird mithin anstatt einer allgemeinen Lichter-
scheinung eine auf einen kleinen Raum be-
schränkte — ein elektrischer Funke — auf-
treten.


Figure 25. Fig. 25.

1)


[198]

Dem analog kann man sich die Entladung eines Ansamm-
lungsapparates mithin auch eines Conductors durch Ausstrahlungs-
oder Entladungsfunken überall vorstellen. Eine an einem Con-
ductor befindliche vollkommene Spitze muss stets „ausströmen“,
da die Dichtigkeit der Elektricität der Spitze unendlich gross
ist, mithin bei den nächsten Luftschichten das Vertheilungs-
maximum jedenfalls überschritten wird. Der „Büschel“, d. i.
die Entladungssphäre, wird sich so weit ausdehnen, bis in Folge
der Erweiterung der Begrenzungsflächen des „Büschels“ die
Ueberschreitung des Vertheilungs- oder Polarisationsmaximums
der Luft nicht mehr stattfindet.


Nähert man dagegen einem geladenen Conductor eine ab-
geleitete Kugel, so wird die Entladung beginnen, wenn bei der
mit der Annäherung der Kugel schnell wachsenden Ladung
zwischen Kugel und Conductor die Grenze des Polarisations-
maximums der die Punkte grösster Dichtigkeit umgebenden Luft-
schichten überschritten wird. Dadurch, dass in diesem der Ent-
ladungsvorgang eintritt, wird die Luft erwärmt und verdünnt,
und hierdurch das Polarisationsmaximum derselben progressiv
vermindert. Die Entladung muss daher die entfernten, am
stärksten polarisirten Lufttheile angreifen und sogleich eine voll-
ständige werden und dabei auf eine geringe räumliche Ausdehnung
beschränkt bleiben.


Wenn durch diese Auffassung des Entladungsvorganges auch
noch nicht alle Erscheinungen genügend erklärt werden, so zeigt
sie doch, dass die Thatsache, dass die Entladung durch Funken
oder Büschel von der Dichtigkeit, nicht von der elektrischen
Kraft abhängt, der Molecularvertheilungstheorie nicht wider-
spricht.


Es liegt nicht in meiner Absicht, auf die im Obigen weiter
entwickelte Theorie der „elektrostatischen Molecularinduction“
eine allgemeine elektrische Theorie zu begründen, da ich glaube,
dass die Experimental-Untersuchungen hierzu noch nicht voll-
ständig genug sind. Ich will nur schliesslich noch darauf
aufmerksam machen, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass der
Sitz der Elektricität von den Leitern in die sie umgebenden
Nichtleiter zu verlegen und sie selbst als eine elektrische Polari-
sation der Molecüle der letzteren zu definiren ist. Die Leiter
[199] würden dann als nicht polarisirte Räume im elektrisch polari-
sirten Medium mit der Eigenschaft, die Polarisation ihrer Umge-
bung von einem Punkte ihrer Grenzfläche zu jedem anderen
übertragen zu können, aufzufassen sein. Nimmt man an, dass
der Vertheilungscoëfficient der Leiter sehr gross gegen den der
Nichtleiter und proportional ihrer Leitungsfähigkeit, das Ver-
theilungsmaximum derselben dagegen verschwindend klein ist —
so scheinen alle Bedingungen zur Erklärung der Erscheinungen
des elektrischen Stromes wie auch der Anziehung und Abstossung
erfüllt zu werden.


[[200]][[201]]

Der Inductions-Schreibtelegraph von
Siemens \& Halske.


(Organ f. Fortschr. d. Eisenbahnwesens Bd. 12, u. Zeitschr. d. deutsch-österreichischen Telegraphen-
vereins Bd. 4.)


1857.


1. Bestandtheile des Apparates.


Unser Inductions-Schreibtelegraph besteht aus folgenden
Theilen:


  • 1. aus dem Schreibapparate, welcher ganz derselbe, wie
    bei den gewöhnlichen Morse’schen Apparaten ist,
  • 2. aus dem Relais (Uebertrager), welches so construirt ist,
    dass der Contacthebel am Contacte oder am isolirten An-
    schlage liegen bleibt, wenn die eine oder die andere Lage
    mechanisch herbeigeführt ist,
  • 3. aus dem Inductor, welcher die kurzen inducirten Ströme
    liefert, und
  • 4. aus dem Taster, welcher sich von dem gewöhnlichen nur
    dadurch unterscheidet, dass er einen Contact mehr besitzt.

2. Beschreibung und Gebrauch des Apparates.


Das Relais dieses Apparates wird durch kurze inducirte
Ströme von wechselnder Richtung in Bewegung gesetzt. Zu diesem
Ende befinden sich die Polenden des in seiner Hülle drehbaren
Elektromagneten zwischen den entgegengesetzten Polen zweier
Stahlmagnete, welche so eingestellt werden, dass beide eine gleich
starke Anziehung auf den als Anker dienenden Elektromagneten
ausüben.


Geht nun ein Strom durch die Leitung und Relaiswindungen,
[202] so werden die Pole des Elektromagneten von dem einen Stahl-
magneten angezogen und von dem anderen abgestossen, und der
Anker geht zum Contacte; folgt sodann ein Strom von entgegen-
gesetzter Richtung, so kehrt sich Anzug und Abstossung um,
und der Anker kehrt zum isolirten Anschlage zurück.


Die momentanen Ströme von gleicher und entgegengesetzter
Richtung werden mittels des Inductors auf folgende Weise erzeugt:


Der Eisenkern desselben ist mit einer aus stärkerem Drahte
bestehenden primären und darüber mit einer secundären Spirale
umwunden. Wird nun der Strom der gewöhnlichen Localbatterie
mittels Niederdrücken des Tasters durch die primären Win-
dungen geleitet, so ruft derselbe in dem weichen Eisenkerne
einen starken Magnetismus und hierdurch in der secundären
Spirale einen kräftigen Inductionsstrom hervor, welcher letztere
die Leitung und alle eingeschalteten Relais durchläuft. Beim
Unterbrechen des in der primären Spirale circulirenden Stromes,
durch Loslassen des Tasters, entsteht in der secundären, mithin
auch in der Leitung, ein zweiter gleichstarker Strom von ent-
gegengesetzter Richtung, welcher ebenfalls die Leitung mit den
eingeschalteten Relais durchläuft.


Durch den ersten, durch Niederdrücken des Tasters erzeug-
ten Strom werden sämmtliche eingeschaltete Relais veranlasst,
die Contacte der Schreibmagnete zu schliessen und die Striche
auf dem Papiere zu beginnen; durch den beim Loslassen des
Tasters entstehenden entgegengesetzten Strom wird die Ruhe-
stellung der Relais wieder hergestellt und die Striche hören auf.
Die Länge der Striche ist mithin, ganz wie bei dem gewöhnlichen
Morse, von der Dauer des Niederdrückens des Tasters abhängig,
die Art des Telegraphirens mithin ganz unverändert.


3. Vortheile.


Die Vortheile, welche unsere Inductionstelegraphen bieten,
bestehen:


  • 1. in gänzlicher Ersparniss der Linienbatterien. Da die Lo-
    calbatterie, welche unverändert beibehalten werden muss,
    nur beim Empfange der Schrift zum Schreiben benutzt wird,
    so bleibt sie zur Erzeugung der primären Ströme beim
    Geben disponibel. Man braucht daher bei Anwendung des
    [203] Inductionsapparates nur für die 2 bis 4 Elemente der
    Schreibbatterie Sorge zu tragen.
  • 2. Alle Aenderungen der Relaisstellung bei veränderten Strömen
    und beim Wechsel der Entfernung fallen fort, da nur eine
    richtige Relaisstellung existirt, diese mithin für jede Strom-
    stärke dieselbe bleibt.
  • 3. Man kann das Relais richtig und möglichst empfindlich
    einstellen, ohne Zeichen von der andern Station zu em-
    pfangen. Galvanometer werden daher ganz nutzlos, da das
    Relais selbst immer richtig steht und an Empfindlichkeit
    die gebräuchlichen Galvanometer weit übertrifft.
  • 4. Man kann mit unserem Inductionstelegraphen auf weit
    grössere Entfernungen und bei weit schlechterer Isolation der
    Leitung sprechen. Es erklärt sich dies dadurch, dass die
    kurzen Strömungen kräftiger sind und einer sehr grossen
    Batterie entsprechen, während die Relais im Gegentheil schon
    von viel schwächeren Strömungen angesprochen werden,
    da die magnetische Kraft keine Federspannung zu über-
    winden hat.
    Beim gewöhnlichen Morse’schen Apparate kann man
    ferner aus dem Grunde nicht auf sehr weite Strecken mit
    Sicherheit sprechen, weil die Ströme zu veränderlich wer-
    den, mithin stets veränderte Federstellung des Relais be-
    dingen.
    Bei den Inductionsrelais fällt aber jeder Nachtheil ver-
    änderlicher Ströme fort.
  • 5. Als ein wesentlicher Vortheil lässt sich endlich noch an-
    führen, dass die neuen Apparate ohne alle Störung mit den
    bestehenden sich combiniren lassen; sie können sowohl
    Schrift an dieselben geben, wie von denselben empfangen,
    sowie mit einem alten zusammen als Translator benutzt
    werden.

Hierdurch wird der Uebergang von einem Systeme zum
andern sehr wesentlich erleichtert.


4. Kostenpunkt.


Schreibapparat, Relais und Schlüssel dieses Apparates können
fast um den nämlichen Preis wie beim Morse’schen Apparate
[204] geliefert werden. Es kommt dann nur noch der Inductor hinzu,
wogegen aber die Linienbatterie und das Galvanoskop wegfallen.


Der Preis des Inductors richtet sich nach der Entfernung,
welche direct durchsprochen werden soll. Beträgt diese gegen
20 bis 30 Meilen, so wird hierfür ein Inductor etwa 30 Thaler,
für 100 Meilen aber 80 Thaler kosten.


Die durch die Inductoren veranlassten Mehrkosten werden
durch die ersparten Batterien in kurzer Zeit ausgeglichen. Dass
also durch die Anwendung unseres neuen Apparates, bei ver-
mehrter Sicherheit des Ganges der Apparate, auch noch eine
bedeutende Oekonomie erzielt wird, bedarf keines weiteren Be-
weises.


Es sind bereits solche Apparate auf russischen, bayerischen
und hannoverschen Linien in Thätigkeit und haben sich dieselben
als vorzüglich bewährt. Es wurde dabei auf eine Entfernung
von 200 Meilen direct ohne Translation mit Sicherheit gesprochen.


Der Preis eines solchen Apparates für die Zwecke des Eisen-
bahnbetriebes stellt sich folgendermassen:

[[205]]

Constantes galvanisches Element.


(Auszug aus Poggendorff’s Ann. d. Phys. u. Chem. 108 S. 608.)


1859.


Eine andere Batterie zu praktischen Zwecken, eine Ab-
änderung der Daniell’schen, ist kürzlich von den HH. Siemens
und Halske beschrieben worden. Die nebenstehende Figur zeigt
ein Element derselben im senkrechten
Durchschnitt. a ist das Glasgefäss,
b ein unten etwas ausgeweitetes Glas-
rohr, c ein senkrecht stehender, in
mehreren Schneckenwindungen ge-
bogener Streifen Kupferblech, d ein
an demselben befestigter Draht, e eine
dünne Pappscheibe, f das Diaphragma
und g ein Zinkring mit Klemme.


Das Diaphragma besteht aus der
durch concentrirte Schwefelsäure um-
gewandelten Pflanzenfaser, welche,
nach den HH. Verfassern, die Eigen-
schaft besitzt, die Vermischung der
beiden Flüssigkeiten dieser Säule voll-
ständig zu verhindern, so dass sie
monatelang constant bleibt, und kei-
nen chemischen Verbrauch von Kupfer-
vitriol und Zink zulässt. Zur Berei-

Figure 26. Fig. 26.


tung dieses Diaphragmas wird die aus der Papierfabrik bezogene
Papiermasse gut ausgepresst, mit einem Viertel ihres Gewichts
an englischer Schwefelsäure übergossen und so lange umgerührt,
bis die ganze Masse eine homogene klebrige Structur angenommen
[206] hat. Darauf wird sie mit etwa der vierfachen Menge Wasser
bearbeitet und sodann in einer Presse unter starkem Druck von
dem überflüssigen sauren Wasser befreit, und zu ringförmigen
Scheiben geformt, welche den Zwischenraum zwischen den Glas-
wänden ausfüllen.


Sollen solche Elemente benutzt werden, so wird der innere
Glascylinder mit Kupfervitriolkrystallen gefüllt, darauf Wasser
hineingegossen und ebenso der ringförmige Zwischenraum mit
Wasser gefüllt, dem bei der ersten Füllung etwas Säure oder
Kochsalz zugesetzt wird. Man hat später nur darauf zu sehen,
dass der innere Glascylinder immer mit Kupfervitriolstücken ge-
füllt erhalten und das Wasser im äusseren Gefäss von Zeit zu
Zeit erneut werde, damit es den durch den Strom gebildeten
Zinkvitriol stets gelöst halten könne. Die zur Bildung des
Zinkvitriols nöthige Schwefelsäure wird durch den Strom selbst
durch das Diaphragma hin transportirt und somit gleichzeitig
die aus dem zersetzten Kupfervitriol frei werdende Schwefelsäure
entfernt. Dies ist von grosser Wichtigkeit, weil sonst die
Kupfervitriollösung zu viel freie Schwefelsäure enthalten und
dadurch die Löslichkeit des Kupfervitriols sehr vermindert würde.
Nach den seit etwa 6 Monaten an solchen Batterien gemachten
Erfahrungen ist die Wirkung derselben eine ausserordentlich
constante; man kann sie, ohne Beeinträchtigung ihrer Wirkung,
monatelang stehen lassen, wenn man nur Sorge trägt, dass immer
Kupfervitriol im Glasrohr sichtbar ist, und das verdunstete Wasser
ersetzt wird. Doch thut man wohl, etwa alle 14 Tage die Bat-
terie auseinander zu nehmen, den Zinkcylinder vollständig zu
reinigen, die Flüssigkeit abzugiessen und durch reines Wasser
zu ersetzen. Ist der benutzte Kupfervitriol sehr eisenhaltig, so
thut man wohl, die Elemente ganz umzukehren, damit auch die
unter dem Diaphragma befindliche Kupferlösung, die dann sehr
eisenhaltig ist, entfernt werde. Die Zinkringe dürfen nicht ver-
quickt werden. Um die im Zink enthaltenen fremden Metalle,
welche ungelöst zurückbleiben, von der Papiermasse getrennt zu
halten, bedeckt man diese mit einem Ringe h von irgend einem
lockeren Gewebe, welcher bei Reinigung der Batterie durch einen
neuen ersetzt wird. Man kann denselben durch verdünnte Sal-
petersäure, welche die ungelöst gebliebenen Metalle auflöst, leicht
[207] wieder brauchbar machen. Bei erneuter Füllung mit Wasser hat
man darauf zu achten, dass sich der Raum unter dem Diaphragma
vollständig mit Wasser anfülle. Zeigen sich Luftblasen, so lassen
sich dieselben leicht durch Neigung des Glases entfernen. Der
Widerstand derartiger Elemente ist nicht viel grösser als der
von den gebräuchlichen kleinen Daniell’schen Elementen mit hart
gebrannten Thonzellen. Sie eignen sich daher zu allen Linien-
batterien, haben dagegen als Localbatterien in der Regel zu
grossen Widerstand (Zeitschr. d. deutsch-österreich. Telegraphen-
Vereins 1859).


[[208]][[209]]

Der
magneto-elektrische Zeiger-Telegraph von
Siemens \& Halske.


(Dingler’s polytechnisches Journal Bd. 151 S. 377.)


1859.


Die Polenden eines in seiner Hülle drehbaren Elektromag-
netes A (Fig. 27) befinden sich zwischen den entgegengesetzten
Polen zweier Stahlmagnete B, B'. Die auf einem Schlitten C

Figure 27. Fig. 27.


angebrachten Magnete werden so eingestellt, dass beide eine
gleich starke Anziehung auf den als Anker dienenden Elektro-
magnet ausüben. Am drehbaren Magnete ist ein Arm D be-
festigt, welcher in zwei Arme d, d' mit den Hakenfedern e, e'
ausläuft. Diese Haken greifen in die Zähne eines kleinen Rades
f, welches durch jede hin- oder rückgehende Bewegung des
Hebels D um einen halben Zahn gedreht wird.


Die Haken haben über den Eingriff hinaus einen vom Rade
abwärts gebogenen Ansatz, gegen welchen eine Schraube g, g'
stösst, wenn die Bewegung des Armes durch Anschlag an die
Stellschrauben h, h' ihr Ende erreicht. Hierdurch wird das Fort-
schleudern des Rades nach Vollendung der vorgeschriebenen
14
[210] Drehung verhindert, wie aus der Special-Zeichnung des Rad-
eingriffs (Fig. 28) im dreifachen Massstabe ersichtlich.


Die Axe des Rades trägt den Zeiger.


Wenn nun die Leitung und die Windungen des Magnets
von einem Strome durchlaufen werden, so werden die Pole des

Figure 28. Fig. 28.


Elektromagnets von einem Stahlmag-
nete angezogen und von dem andern
abgestossen und das Rad f dadurch
um einen Zahn gedreht. Folgt darauf
ein gleich starker Strom von entgegen-
gesetzter Richtung, so kehrt sich An-
zug und Abstossung der Magnete um
und es folgt eine zweite Fortbewe-
gung des Zeigers etc.


Die zur Fortbewegung des Zei-
gers nothwendigen gleichen und ent-
gegengesetzten Ströme werden durch
einen Magnet-Inductor erzeugt, wel-
cher in Fig. 29 besonders dargestellt
ist, und dessen Construction wesent-
lich von bisher bekannten Construc-
tionen abweicht.


Ein Fig. 29 im Querschnitt und
im Aufrisse sichtbarer Eisencylinder E
ist in der im Durchschnitt angege-
benen Weise der Länge nach mit
zwei einander gegenüberstehenden 7/16 des Durchmessers tiefen
und etwa ⅔ des Durchmessers breiten Einschnitten versehen,
wodurch er ungefähr die Form eines Galvanometer-Rahmens
erhält.


Diese, der Länge nach um den so gebildeten Eisenrahmen
herumlaufende Nuth ist mit übersponnenem Kupferdraht derartig
umwunden, dass die cylindrische Form der Eisenstange durch
die Windungen wieder ausgefüllt wird.


Auf den Enden des so bewickelten Eisencylinders werden
die ausgedrehten Büchsen F, F' mit den Axen f, f' befestigt,
welche die Lagerzapfen des Cylinders bilden.


Derselbe dreht sich zwischen den Polen mehrerer mit ge-
[211] ringen Zwischenräumen auf einander gelegter kleiner Stahl-
magnete G, G'.


Diese Stahlmagnete bestehen aus magnetisirten Stahlstäben,
welche da, wo sie dem Cylinder E gegenüberstehen, einen kreis-

Figure 29. Fig. 29.


segmentförmigen Ausschnitt haben, welcher von dem Cylinder
mit geringem Zwischenraum ausgefüllt wird. Die hinteren Enden
der Magnetstäbe sind durch weiches Eisen hufeisenförmig ver-
bunden.


Der Cylinder E dient mithin sämmtlichen Magneten als ge-
meinschaftlicher Schliessungs-Anker. Wird derselbe nun umge-
dreht, so kehrt sich bei jeder halben Umdrehung der Magnetis-
mus im inneren flachen Eisenkerne der Spirale um und es ent-
steht jedesmal ein der Grösse des durch ihn gebundenen Magne-
tismus proportionaler Strom in den zu einem leitenden Kreise
geschlossenen Windungen.


Die auf einander folgenden Ströme haben wechselnde Rich-
tung und genau gleichen magnetischen Werth.


Die Drehung des Cylinders wird durch das Triebrad T be-
wirkt, welches in das Rad L greift. An der Axe dieses Rades
14*
[212] ist die Kurbel H befindlich, welche sich auf dem mit den Buch-
staben und Ziffern des Telegraphen beschriebenen Zifferblatt I
dreht.


Die Handhabe der Kurbel H kann durch einen leichten
Handdruck niedergedrückt werden. An ihrer unteren Fläche ist
eine federnde Nase befestigt, welche dann in dem nächsten der
Einschnitte i, welche am Rande des Zifferblattes angebracht
sind, einfällt und das Rad L und den Cylinder E arretirt.


Die Enden des Umwindungsdrahtes communiciren mit dem
einen Drahtende des Umwindungsdrahtes des zugehörigen Tele-
graphen (dessen anderes Ende mit der Leitung verbunden ist)
und der Erde.


Die so eingeschalteten Telegraphen beider Stationen werden
mithin bei jeder halben Umdrehung des Cylinders E um einen
Zahn vorrücken. Damit der Umwindungsdraht des Inductors
nicht unnöthig von dem ankommenden Strome durchlaufen zu
werden braucht, ist an dem unteren Ende des Cylinders E ein
Contact K angebracht, durch welchen der Inductor in sich ge-
schlossen wird, wenn der Cylinder E in der Ruhestellung sich
befindet, in welcher Lage während der Drehung kein Strom in
den Windungen circulirt.


Die Vortheile des beschriebenen Magnetinductors vor den
bisher bekannten bestehen in Folgendem:


1) Bei den bekannten Magnetinductoren entstehen während
einer Umdrehung vier abgesonderte Ströme: einer bei Ent-
fernung eines Eisenpoles von einem Magnetpole, ein zweiter
gleichgerichteter bei Annäherung an den andern Pol des Magnetes,
ein dritter entgegengesetzter bei Entfernung von diesem und ein
vierter ebenfalls entgegengesetzter bei Annäherung an den ersten
Magnetpol.


Stöhrer machte die beiden bei Annäherung und Entfernung
von einem Pole entstehenden Ströme durch einen Commutator
gleichgerichtet und benutzte sie auf diese Weise zur Magnetisirung
der Elektromagnete.


Bei dem beschriebenen Inductor kommen nur zwei kurze,
aber kräftige Strömungen vor und der Commutator fällt ganz fort.


2) Die Trägheit des rotirenden Cylinders ist bei gleicher
Stärke des inducirten Stromes kaum 1/25 so gross wie bei Stöhrer’-
[213] schen, Sinsteden’schen und anderen bisher gebräuchlichen Con-
structionen. Man kann daher ohne alle Beschwerde die Rotation
des Cylinders in der beschriebenen Weise durch die Hand be-
wirken, oder, wenn man ein Laufwerk und Arretirung durch
Tasten vorzieht, ohne besondere Beihülfe die Rotation durch das
Laufwerk allein in Gang setzen.


3) Man kann anstatt zweier grosser eine unbegrenzte Zahl
kleiner Magnete verwenden. Da die Tragweite der Magnete sich
wie die Wurzeln aus ihrem Gewichte verhalten, so erhält man
von demselben Stahlgewichte bei dem beschriebenen Inductor
unverhältnissmässig kräftigere Wirkungen. Man spart mithin bei
dieser Construction nicht allein wesentlich am Stahlgewichte,
sondern kann durch sie die Stärke der elektromagnetischen Ströme
unbegrenzt und ohne unverhältnissmässig grösseren Kostenauf-
wand vergrössern, was bei den anderen Constructionen nicht der
Fall ist.


[[214]][[215]]

Abriss der Principien und des praktischen
Verfahrens bei der Prüfung submariner
Telegraphenleitungen auf ihrem Leitungs-
zustand.


(Zeitschr. d. deutsch-österr. Telegr.-Vereins. Bd. 7.)


1860.


Die Störungen, welche ausgedehntere submarine elektrische
Telegraphenlinien seither nur zu oft erfahren, sind in fast allen
Fällen durch eine allmälige Abnahme der Isolation veranlasst
worden. Bei der Ausbesserung dieser Linien fand man in der
Regel, dass die Guttapercha an einzelnen Stellen durch die elek-
trolytische Wirkung des zum Betriebe der Linie benutzten Stromes
zerstört worden, und zwar an den Stellen, wo die Dicke der
isolirenden Schicht von Hause aus geringer war als die durch-
schnittliche, sei es in Folge irgend einer mechanischen Verletzung,
sei es, wie häufiger der Fall war, in Folge einer Blase im Ma-
terial, welche vom Wasser eingedrückt worden, oder in Folge
einer excentrischen Lage des Drahtes.


An solchen Stellen, wo die isolirende Guttaperchaschicht
von gleichförmiger und genügender Dicke war, ist nie eine Zer-
setzung oder theilweise Zerstörung des Materials wahrgenommen
worden, selbst wenn die Linie Jahre lang in Betrieb gewesen.
Die Schnelligkeit, mit der das Werk der Zerstörung an fehler-
haften Stellen fortschreitet, hängt ganz von der Intensität und
der Dauer des beim Betriebe der Linie angewendeten Stromes
ab. In langen Linien treten, wegen des grösseren Widerstandes
des metallischen Leiters, Störungen verhältnissmässig rascher ein.
Ihr Fortschritt kann durch Anwendung schwacher und alterni-
[216] render Ströme beim Betriebe verzögert, aber nie ganz aufgehalten
werden, und es ist als feststehend anzunehmen:
so lange dünne Stellen im isolirenden Guttaperchaüber-
zuge eines submarinen Kabel nicht ganz vermieden sind,
so lange wird ihre Isolation allmählich immer schlechter
werden.

Es ist also in erster Linie von Wichtigkeit, alle Unregelmässig-
keiten in dem isolirenden Ueberzuge möglichst zu vermeiden.
Das verwendete Material muss daher vollkommen homogen sein;
es muss in mehreren dicht aufeinander schliessenden Lagen auf
den Draht gebracht werden; Luftblasen müssen durchaus vermieden
und die Concentricität des ganzen Ueberzuges muss durch An-
wendung vollkommener Maschinen und Vermeidung jedes Anhal-
tens während des Processes des Ueberziehens, wobei die ver-
schiedenen Lagen des Ueberzuges durch die Hitze erweichen
könnten, gesichert werden.


In neuerer Zeit hat die Operation des Ueberziehens elek-
trischer Leiter mit Guttapercha und Zwischenlagen von der unter
dem Namen „Chatterton’s Mischung“ bekannten Composition
wichtige Vervollkommnungen erfahren, wie man aus der That-
sache ersehen kann, dass die für die Strecke Rangoon-Singa-
pore jetzt in Ausführung begriffene Kabel 10 mal besser isolirt
sind, als die Kabel der Linien im rothen Meer und nach Indien
vor deren Legung.


Diese bemerkenswerthe Verbesserung ist durch die von der
Guttapercha-Company auf die Fabrication verwendete grosse
Sorgfalt, verbunden mit einem System fortlaufender genauer
Untersuchungen, mit denen wir von der britischen Regierung
beauftragt sind, erreicht worden. Diese Untersuchungen sind der
Hauptsache nach dahin gerichtet, die specifische Leistungsfähig-
keit einer jeden Meile des überzogenen Drahtes zu ermitteln;
alle Strecken, deren Leitungsfähigkeit unter einer gewissen fest-
gesetzten Grenze bleibt, werden verworfen.


Die ausserordentliche Veränderlichkeit der Leitungsfähigkeit
der im Handel vorkommenden Kupfersorten sind Gegenstand
einer sehr gediegenen, auf Veranlassung der britischen Regierung
von Herrn Dr. Mathiessen ausgeführten Untersuchung geworden,
welche bereits veröffentlicht wurde.


[217]

In der Praxis fanden wir, dass bei den mit der grössten
Sorgfalt zu Telegraphenleitungen ausgewählten Kupferdräthen
Schwankungen des Leitungsvermögens bis zu 20 pCt. vorkommen,
und dass das reinere Kupfer stets auch das besser leitende ist.


Die Messungen des Leitungsvermögens für jede einzelne
Meile des isolirten Drahtes sind unerlässlich, nicht nur um man-
gelhaftes Material ausschiessen zu können, sondern auch um einen
vollständigen Nachweis über die Leitungsfähigkeit jedes einzelnen
Theiles der fertigen Kabel zu gewinnen, ohne welchen es später
nicht möglich ist, etwa vorkommende Beschädigungen durch gal-
vanische Versuche und Rechnung dem Orte nach genau zu be-
stimmen.


Am schwierigsten und gleichzeitig am wichtigsten sind die
Versuche zur Bestimmung der Leitungsfähigkeit der isolirenden
Umhüllung1) für jede Meile des überzogenen Leitungsdrahtes;
denn es genügt nicht, gröbere Fehler oder Löcher zu finden,
sondern es müssen auch die Stellen, wo der Draht excentrisch
liegt, Blasen und andere kleinere Mängel im isolirenden Material
ermittelt werden; alle Theile des Leitungsdrahtes, bei welchen
das isolirende Material in Bezug auf Leitungsfähigkeit sich nicht
in dem vollkommensten Zustande erweist, sind zu verwerfen.


Zu dem Ende war es zuvörderst nöthig, die Leitungsfähig-
keit des zur Isolation der Drähte benutzten Materials zu be-
stimmen; vorläufige Versuche lehrten, dass diese Leitungsfähig-
keit bei constanter Temperatur hinlänglich gleichmässig ist.


Der Einfluss der Temperatur auf die Leitungsfähigkeit der
Guttapercha und anderer isolirender Körper ist kürzlich von dem
wissenschaftlichen Comité, das die britische Regierung mit tele-
[218] graphischen Untersuchungen betraut hat, gründlich erforscht
worden; doch ist der Bericht über diese Untersuchungen noch
nicht veröffentlicht. Für unseren vorliegenden Zweck genügt es,
die Thatsache mitzutheilen, dass nach diesen Versuchen die
Leitungsfähigkeit der Isolirschicht bei den für die Strecke Ran-
goon-Singapore bestimmten Kabeln zwischen den Temperaturgren-
zen von 41 bis 80″ Fahrenheit (oder 5 bis 27° Celsius) nahe im
Verhältniss von 1:7 zunahm. Das Verhältniss dieser enormen
Zunahme ist indess keineswegs constant; in Ermangelung er-
schöpfender und verlässlicher experimenteller Resultate fanden
wir es daher rathsam, alle unsere Prüfungen bei derselben Tem-
peratur und zwar bei 75° F. (24 °C.) auszuführen. Dieser ver-
hältnissmässig hohe Temperaturgrad hat den Vortheil, dass er nach
der späteren Legung der Kabel in der Wirklichkeit selten über-
schritten wird, und dass, da bei dieser Temperatur das Leitungs-
vermögen fast 7 mal grösser ist als bei der Wintertemperatur von
41° F., der Einfluss kleinerer Fehler auf die Messinstrumente
verhältnissmässig wahrnehmbarer ist. Um diese Gleichförmigkeit
der Temperatur möglich genau zu erzielen, liess man die zu
untersuchenden Drahtringe 24 Stunden hindurch in einem Be-
hälter mit Wasser liegen, dessen Temperatur auf 75° erhalten
wurde; dann wurden sie herausgenommen, in den mit Wasser
von derselben Temperatur gefüllten und hermetisch verschliess-
baren Versuchskasten gebracht und einem hydraulischen Druck
von mindestens 600 Pfund auf den Quadratzoll ausgesetzt, damit
das Wasser in die etwa vorhandenen Höhlungen oder Risse
eindringe.


Es ist eine bemerkenswerthe Thatsache, welche durch
Beobachtungen an Kabeln während der Operation des Einsenkens
bekräftigt worden, dass unter hydrostatischem Druck die Lei-
tungsfähigkeit der Guttapercha sich merklich vermindert, nach
Aufhören des Druckes jedoch sich wieder bis etwas über den
ursprünglichen Werth steigert. Bei Drahtringen mit geringen
Fehlern dagegen erzeugt die Zunahme des äusseren Druckes
keine Zunahme oder selbst eine Abnahme des Isolationsvermögens;
dies bietet den Schlüssel um Mängel zu ermitteln, die auf andere
Weise nicht wahrnehmbar sein würden.


Die gewöhnliche Methode der Messung des Leitungsvermö-
[219] gens und der Isolation von Leitungen durch die Nadelablenkun-
gen gewöhnlicher Galvanometer, würde für den vorliegenden Zweck
ganz unzureichend sein.


Es war nöthig, das Leitungsvermögen sowohl des Leitungs-
drahtes, wie der isolirenden Bedeckung in einfachen Zahlen-
werthen nach Widerstandseinheiten auszudrücken.


Als Widerstandseinheit haben wir den Widerstand einer
Quecksilbersäule von 1 Meter Länge und 1 Quadratmillimeter
Querschnitt, bei der Temperatur 0″ gemessen, angenommen. Die
Vortheile dieser Einheit sind von Werner Siemens in einem Auf-
satze in Poggendorffs Annalen (siehe das vorige Heft dieser Zeit-
schrift S. 55) dargelegt.


Indem wir den Leitungswiderstand des Drahtes sowohl, wie
den des isolirenden Mittels in einer bestimmten Widerstandsein-
heit ausdrücken, erlangen wir nicht nur den Vortheil einer ge-
naueren Vergleichung zwischen den Resultaten verschiedener
Messungen, sondern wir gewinnen auch, wenn später die ein-
zelnen Drahtadern zu einem einzigen Kabel vereinigt sind, ein
treffliches Mittel, den elektrischen Zustand derselben zu prüfen,
indem wir, unter Beachtung der etwa obwaltenden Temperatur-
verschiedenheit, den Gesammtwiderstand des Leiters wie des
isolirenden Mittels mit der Summe der früheren, bei Unter-
suchung der einzelnen Drahtadern gefundenen Widerstände, ver-
gleichen.


Der Hauptvortheil dieses Systems von Messungen aber ist
der, dass es die Möglichkeit bietet, später, nach der Einsenkung,
in dem am Meeresgrunde liegenden Kabel den Ort einer etwa
eingetretenen Beschädigung durch Strommessungen und Rechnung
zu bestimmen.


Behufs der praktischen Ausführung dieses Systems von Prü-
fungen construirten wir zunächst Widerstandsrollen von bekann-
ter Widerstandsgrösse, welche dergestalt miteinander verbunden
werden können, dass der Gesammtwiderstand sich in den Gren-
zen von 1 bis 10,000 Einheiten beliebig ändern lässt.


Durch Einschaltung dieses änderbaren Widerstandes in einen
Zweig der Wheatstone’schen Brücke, kann der Widerstand des
Kupferdrahtes, sowie der der isolirenden Hülle einer Kabel von
beträchtlicher Länge leicht bestimmt werden. Wenn es sich
[220] aber um Messung von Widerständen handelt, die jenseits jener
Grenzen liegen, so geben wir der Wheatstone’schen Brücke
eine etwas andere Anordnung, indem wir auch die festen Zweige
derselben veränderlich machen.


Seien A, B, C, D in der nebenstehenden Skizze die 4 Zweige

Figure 30. Fig. 30.


einer Wheatstone’schen Brücke, A C und B D sind in Verbin-
dung mit dem Galvanometer A B und C D mit den Polen der
Batterie.


Bekanntlich besteht zwischen den Widerständen der 4 Zweige
die Relation , wenn der Strom im Galvanometerzweige
0 ist, die Nadel des Instrumentes also in der Ruhelage bleibt.
Bei der gewöhnlichen Anordnung pflegt nun A = B zu sein, es
wird also dann der unbekannte Widerstand D direct durch C
gemessen. Ein an Stelle von C eingeschalteter veränderlicher
Widerstand (Rheostat) von 1 bis 10,000 Widerstandseinheiten,
erlaubt also nur die Messung von Widerständen, welche inner-
halb dieser Grenzen liegen. Wenn aber auch A und B verän-
derlich eingerichtet werden, sodass jedes derselben nach Belieben
die Werthe 10, 100 oder 1000 erhalten kann, so sind wir im
Stande, mit derselben Genauigkeit Widerstände zwischen 0,01 und
1 Million Einheiten zu messen. Durch diese Anordnung können
wir den Widerstand von Kupferdrähten jeder Länge, sowie den
Widerstand der Isolationsschicht langer Kabeln bis auf 0,2 pCt.
genau bestimmen.


Für die Prüfung kurzer Kabelenden oder längerer Kabeln,
für welche besser isolirendes Material, wie etwa Kautschuk oder
Wrays Mischung1) verwendet worden, ist indess diese Methode
[221] nicht mehr anwendbar; denn Widerstandsrollen von so bedeu-
tender Verschiedenheit des Leitungswiderstandes, wie dann nöthig
wären, können ohne Nachtheil für die Genauigkeit nicht ange-
wendet werden, hauptsächlich deshalb, weil die dann erforderliche
grössere Batteriestärke die kürzeren Zweige beträchtlich erwär-
men und ihren Widerstand verändern würde, was erhebliche
Fehler im Resultate veranlassen würde.


Es war daher nöthig, zur Messung des Widerstandes der
isolirenden Schicht von kürzeren Kabelenden, etwa von 1 Knoten1)
Länge, ein anderes Verfahren anzuwenden. Wir benutzen für
solche Zwecke eine sehr empfindliche Sinusboussole, oder, wenn
die Localität es gestattet, ein Weber’sches Spiegelgalvanometer
mit 40,000 Umwindungen und magnetischem Spiegel. Mit Hülfe
eines regulirenden Magnets kann die Empfindlichkeit dieses In-
struments im Verhältnisse von 1 : 100 verändert werden.


Da die Astaticität der Nadeln des Sinusgalvanometers Ver-
änderungen unterworfen ist, so muss die Constante des Instru-
mentes während der Messungen zu wiederholten Malen bestimmt
werden.


Die Ablesungen des Instrumentes nach Graden führen wir
mittels der Formel
auf Widerstandseinheiten zurück; darin ist R der zu messende
Isolationswiderstand, φ der abgelesene Nadelausschlag, sin φ' die
Constante des Instrumentes und n die Anzahl der zur Batterie
verwendeten Elemente. Die Herleitung dieser Formel findet man
im ersten Anhange.


Dies Verfahren ist jedoch nur zur Messung grosser Wider-
stände innerhalb gewisser enger Grenzen anwendbar. Beim
Fortschritt der Fabrication der Kabel nimmt aber, in dem Masse,
wie die Länge der Kabel wächst, der Isolationswiderstand fort-
während ab, und das Instrument würde bald zu empfindlich sein.
1)
[222] Man könnte es allerdings in gleichem Masse unempfindlicher
machen, aber indem man damit fortführe, würde es schliesslich
nicht mehr empfindlich genug sein, um den Widerstand der
letzten an die Kabel gehängten Drahtader mit Genauigkeit zu
messen. Es musste also auf ein Mittel gedacht werden, um die
ursprüngliche Empfindlichkeit des Messinstrumentes unverändert
zu erhalten, wenn auch der Widerstand allmählich abnimmt. Zu
dem Ende wurde über die Drahtwindungen der Sinusboussole
noch eine zweite Lage von verhältnissmässig wenigen Windungen
gelegt, und durch diese permanent der Strom einer kleinen con-
stanten Batterie geleitet. Der zur Prüfung der Isolation dienende
Strom geht durch die inneren, ursprünglichen Umwindungen des
Instrumentes; der Strom in den äusseren Windungen geht in
entgegengesetzter Richtung und wird durch Einschaltung von
Widerständen so regulirt, dass er die Einwirkung des anderen
auf die Magnetnadel gerade aufhebt, diese also in der Ruhelage
verbleibt.


Wächst die Länge der Kabel, so muss der Widerstand in
der Kette der äusseren Umwindungen soweit vermindert werden,
bis das Gleichgewicht an der Nadel wieder hergestellt ist, und
da der Werth der Widerstandsänderung in Einheiten bekannt
ist, so braucht man diese Zahl nur mit dem festen Verhältniss
zwischen den Einwirkungen beider Umwindungen auf die Nadel
zu multipliciren, um das gewünschte Resultat zu erhalten.


Sei W der Widerstand der inneren Umwindungen der Sinus-

Figure 31. Fig. 31.


boussole, W1 der ihnen hinzugefügte Widerstand, m die Anzahl
der Elemente der Batterie, welche in diesen Kreis eingeschaltet
ist; ferner w der Widerstand der äusseren (Hülfs-) Umwindun-
[223] gen1), w1 der in diesen Kreis eingeschaltete Widerstand und n
die Anzahl der Elemente der zugehörigen Batterie; endlich K
ein Zahlencoefficient, welcher das constante Verhältniss zwischen
den Einwirkungen beider Umwindungen auf die Nadel darstellt.
Alsdann haben wir:
oder . Wird an Stelle von W' jetzt der bekannte Widerstand x der
Kabel eingeschaltet. und w' so verändert (in V), dass die Nadel
wieder in der Ruhelage verbleibt, so ist, wenn der grösseren
Allgemeinheit wegen angenommen wird, dass die Zahl der Ele-
mente in den Batterien auch nicht mehr dieselben seien wie
zuvor, sondern resp. M und N:
oder und nach Einführung des obigen Werthes von K
Der Hauptvortheil dieser Anordnung besteht darin, dass die
Empfindlichkeit des Instrumentes ungeändert bleibt, da der durch
die Isolationsschicht gehende Strom stets mit seiner ganzen Stärke
auf die Nadel wirkt, während diese jedoch stets auf o zurück-
geführt wird. Bei der Messung des Isolationswiderstandes kurzer
Kabelenden, wo dieser Widerstand also sehr gross ist, kann der
Widerstand der beiden Umwindungen des Instrumentes, W und
w vernachlässigt werden und man kann sich alsdann der abge-
kürzten Formel
bedienen. Der Coefficient K ist unabhängig von der Empfind-
lichkeit des Instrumentes und braucht nur ein für alle mal be-
stimmt zu werden.


Die Versuche sind somit auf eine sehr leichte und einfache
Methode zurückgeführt.


Um den Isolationszustand isolirter Drähte aus dem speci-
[224] fischen Leitungsvermögen der verwendeten Materialien zu be-
rechnen, und umgekehrt, benutzen wir die Formel:
, deren Herleitung von Werner Siemens in Poggendorffs Annalen
Jahrg. 1857 veröffentlicht worden, und im Anhange II im Aus-
zuge mitgetheilt ist.


Diese Methode reicht zur Bestimmung des Widerstandes der
isolirenden Schicht und des Leitungsdrahtes bei Kabeln von
allen Längen aus; sie umfasst aber nicht die zur Bestimmung
ihres Vertheilungsvermögens nöthigen Versuche.


[[225]]

Beschreibung ungewöhnlich starker elek-
trischer Erscheinungen auf der Cheops-
Pyramide bei Cairo während des Wehens
des Chamsin.


(Poggendorff’s Ann. d. Phys. u. Chem. Bd. 109 S. 355.)


1860.


Als ich am 14. April v. J. mit den mich zur Anlage der
Telegraphen-Linie durch das Rothe Meer begleitenden Ingenieu-
ren die Cheops-Pyramide erstieg, hatten wir Gelegenheit, eine
ungewöhnlich starke elektrische Erscheinung auf dem Gipfel der-
selben zu beobachten.


Als wir des Morgens früh Cairo verliessen, war der Himmel
wie gewöhnlich heiter und klar und kaum eine Luftbewegung
bemerkbar. Eine leichte blassrothe Färbung des südwestlichen
Horizonts schien aber meinen Eseltreiber zu beunruhigen. Er
deutete mehrfach nach jener Stelle hin und schien aus ihr den
Grund zu einer energischeren Antreibung meines Trägers zu
entnehmen.


Um 9½ Uhr langten wir am Fusse der Pyramide an und
befanden uns etwa 20 Minuten später auf dem Gipfel derselben,
weniger in Folge eigener Anstrengung als der kräftigen Impulse,
die einem Jeden von uns durch drei kräftige Araber zu Theil
wurden, welche uns gleich Waaren-Ballen von einer Stufe auf
die andere warfen. Oben angekommen, empfanden wir eine
kalte, scharfe Luftbewegung. Die Röthung des südwestlichen
Horizonts war in eine bis zum Zenith ausgedehnte, farblose
Trübung übergegangen, so dass wir anstatt der gehofften Ueber-
sicht über das Nilthal und die Stadt Cairo nur schwache Um-
risse der nächstgelegenen Gegenstände wahrnehmen konnten.
15
[226] Wir lagerten uns hinter den Steinblöcken, welche vereinzelt auf
dem abgeplatteten Gipfel dieser Pyramide liegen, um uns von
den Anstrengungen unseres unfreiwilligen Wettlaufs zu erholen
und gegen den kalten, immer stärker blasenden Wind zu schützen.


Es war interessant zu beobachten, wie der aufgewirbelte
Wüstenstaub, der die Ebene bereits mit einem undurchsichtigen
gelben Schleier bedeckte, immer höher an der Pyramide empor-
stieg. Als er auch die höchsten Stufen derselben erreicht hatte,
vernahmen wir ein sausendes Geräusch, welches ich der wachsen-
den Gewalt des Windes zuschrieb. Die Araber, welche um uns
her auf den nächsten Stufen kauerten, sprangen jedoch mit dem
Rufe Chamsin plötzlich auf und hielten den ausgestreckten Zeige-
finger in die Höhe. Es liess sich jetzt ein eigenthümlich zischen-
der Ton, ähnlich dem Ton des „singenden“ Wassers, hören.
Wir glaubten anfangs, die Araber brächten diesen Ton hervor,
doch überzeugte ich mich bald, dass derselbe ebenfalls entstand,
als ich mich auf den höchsten Punkt der Pyramide stellte und
meinen eigenen Zeigefinger hoch empor hielt. Dabei war ein
leises, kaum auffallendes Prickeln der dem Winde entgegenge-
richteten Hautfläche des Fingers bemerkbar. Ich konnte diese
von uns allen constatirte Thatsache nur als eine elektrische Er-
scheinung deuten, und als solche erwies sie sich auch in der
That. Als ich eine gefüllte Weinflasche, deren Kopf mit Stan-
niol bekleidet war, empor hielt, hörte ich denselben singenden
Ton wie bei Aufhebung des Fingers. Während dessen sprangen
von der Etiquette fortwährend kleine Funken zu meiner Hand
über und als ich darauf den Kopf der Flasche mit der anderen
Hand berührte, erhielt ich eine heftige elektrische Erschütterung,
während ein glänzender Funke vom metallenen Kopfe der Flasche
in meine Hand übersprang. Es ist klar, dass die durch den
feuchten Kork mit der Metallbelegung des Kopfes der Flasche
in leitender Verbindung stehende Flüssigkeit im Innern der-
selben, die innere Belegung einer Leydener Flasche bildete,
während Etiquette und Hand die abgeleitete äussere vertraten.
Auch eine entkorkte Flasche lud sich auf gleiche Weise, nament-
lich dann, wenn die Oeffnung gegen den Wind geneigt wurde,
wie Dr. Esselbach durch einen heftigen Schlag erkannte, den
er empfand, als er dieselbe an den Mund setzte. Als ich die
[227] äussere Belegung meiner Flasche durch Umhüllung derselben
mit angefeuchtetem Papier aus unserem Proviantkorbe vervoll-
ständigt hatte, wurde die Ladung derselben so stark, dass ich
mich ihrer als einer sehr wirksamen Vertheidigungswaffe be-
dienen konnte. Nachdem die Araber nämlich einige Zeit mit
Verwunderung unserm Treiben zugesehen hatten, kamen sie zu
der Ueberzeugung, wir trieben Zauberei und verlangten, wir
sollten die Pyramide verlassen. Als ihre uns verdollmetschten
Vorstellungen nichts fruchteten, wollten sie von dem Naturrechte
des Stärkeren Gebrauch machen und uns mit Gewalt von der
Spitze entfernen. Ich zog mich auf den höchsten Felsblock zu-
rück und lud meine verstärkte Flasche möglichst kräftig, während
der Führer der Araber meine Hand ergriff und mich von der
erklimmten Höhe fortzuziehen begann. In diesem kritischen
Augenblicke näherte ich den Kopf meiner Flasche seiner Nase
bis zur Schlagweite, die etwa 10 mm betragen mochte. Die
Wirkung der Entladung überstieg meine kühnsten Erwartungen.
Der Wüstensohn, dessen Nerven noch nie eine ähnliche Er-
schütterung empfunden hatten, fiel wie vom Blitz getroffen zu
Boden, sprang darauf mit lautem Geheul wieder auf und ver-
schwand mit einigen mächtigen Sprüngen aus unserem Gesichts-
kreise, gefolgt von seinen sämmtlichen Genossen!


Wir hatten nun volle Freiheit, unsere Experimente fortzu-
setzen. Leider fehlte es uns an allen Vorbereitungen zu den-
selben und sie wurden auch durch den immer heftiger gewor-
denen Wind, welcher es schwierig und selbst einigermassen ge-
fährlich machte, aufrecht zu stehen, noch mehr erschwert. Als
ich mich durch einen aus aufgestellten Flaschen improvisirten
Isolirschemel von der Steinmasse der Pyramide isolirte, hörte
das sausende Geräusch beim Emporheben des ausgestreckten
Fingers nach kurzer Zeit auf. Ich konnte jetzt meinen Ge-
fährten durch Näherung der Hand Funken ertheilen und empfand
eine gelinde Erschütterung, wenn ich den Boden berührte. Da-
gegen sträubten sich meine Haare weniger als die meiner nicht
isolirten Gefährten, wenn ich den Boden berührte. Die Art der
Elektricität zu bestimmen, gelang uns leider nicht mit voller
Sicherheit. Wir versuchten die Flasche durch eine aus Stanniol
gebildete Spitze zu laden und zu entladen, um aus den dabei beob-
15*
[228] achteten Erscheinungen auf die Art der atmosphärischen Elektrici-
tät zu schliessen, doch erlangten wir dabei kein sicheres Resultat.


Bemerkenswerth ist, dass wir die beschriebenen Erschei-
nungen nur auf der Spitze der Pyramide wahrnahmen. Schon
einige Stufen tiefer waren sie nur noch sehr schwach und in der
Ebene konnten wir gar keine elektrischen Erscheinungen mehr
entdecken. Dabei blies der Wind in ungeschwächter Stärke,
und es unterliegt keinem Zweifel, dass sie oben noch eben so
fortdauerten wie früher.


Da die elektrischen Erscheinungen erst dann bemerkbar
wurden, als der Wüstenstaub die Spitze der Pyramide erreichte,
so muss er als der eigentliche Träger und wahrscheinlich auch
als die Ursache der Elektricität betrachtet werden. Nimmt man
an, dass die vom Winde gepeitschten Staubtheilchen und Sand-
körnchen mit der trockenen Oberfläche des Bodens der Wüste
elektrisch geworden waren, so musste jedes elektrische Körn-
chen die eine Belegung eines Ansammlungsapparates bilden,
dessen andere der Erdkörper selbst war, während die zwischen
beiden befindliche Luft das die Belegungen trennende isolirende
Medium vertrat. Durch die aufsteigende Bewegung der Staub-
körnchen ward nun die isolirende Schicht verstärkt, die Schlag-
weite aller dieser kleinen geladenen Flaschen musste mithin zu-
nehmen und in der Höhe von etwa 500 Fuss über dem Boden
beträchtlich grösser sein als in seiner unmittelbaren Nähe. Der
Elektricität der gewaltigen elektrisirten Staubwolke, welche über
dem Erdboden lagerte, stand eine gleichgrosse Quantität ent-
gegengesetzter Elektricität der Erdoberfläche gegenüber. Die
leitende Pyramide musste nun einen sehr bedeutenden verdich-
teten Einfluss auf diese Elektricität der Erdoberfläche ausüben,
da sie als colossale Spitze zu betrachten ist. Es kann daher
gar nicht überraschen, dass der elektrische Unterschied zwischen
den auf dem Gipfel der Pyramide befindlichen höchsten und
feinsten Spitzen, wie dem aufgehobenen Finger oder Flaschen-
kopf, und den Staubkörnchen so gross war, dass zahllose kleine
Funken zwischen ihnen übersprangen, während in der Ebene
gar keine Elektricität wahrzunehmen war. Die beobachteten Er-
scheinungen finden durch diese Annahme ihre vollständige Er-
klärung.


[[229]]

Vorschlag
eines
reproducirbaren Widerstandsmasses.


(Poggendorff’s Ann. d. Phys. u. Chem. Bd. 110 S. 1.)


1860.


Der Mangel eines allgemein angenommenen Widerstands-
masses und die daraus namentlich für die technische Physik
entspringenden wesentlichen Uebelstände, veranlassten mich schon
vor einigen Jahren zur Anstellung der nachfolgend beschriebenen
Versuche.


Meine ursprüngliche Absicht war, dem Jacobi’schen Wider-
standsmasse allgemeineren Eingang in die Technik zu verschaffen.
Ich fand jedoch bald, dass dieses nicht ohne Nachtheil ausführ-
bar war. Einmal differirten mehrere Jacobi’sche Widerstands-
Etalons, die ich mir verschaffte, so wesentlich von einander und
waren in so geringer Uebereinstimmung mit den über ihren
Widerstand gemachten Angaben, dass ich nothwendig auf das
Jacobi’sche Normalmass hätte zurückgehen müssen, was mir je-
doch nicht zu Gebote stand. Aber auch abgesehen hiervon über-
zeugte ich mich, dass ein Widerstandsmass nur dann zur allge-
meinen Annahme sich eignet, wenn es reproducirbar ist. Ob
der Widerstand eines Metalldrahtes sich mit der Zeit, durch die
Erschütterungen des Transportes, durch die ihn durchlaufenden
Ströme und andere Einflüsse, verändert, ist noch immer nicht
vollständig entschieden. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass
eine solche Aenderung stattfindet und daher durchaus nicht zu-
lässig, den Widerstand eines bestimmten Drahtes als Urmass des
Widerstandes anzunehmen. Ferner werden durch das häufige
[230] Copiren eines Widerstandsmasses nach anderen Copien — wie
es doch bei allgemeiner Annahme desselben unvermeidlich wäre
— die Abweichungen vom Normalmass stets grösser. Für Un-
tersuchungen, die mit verbesserten Instrumenten und in grösserer
Schärfe ausgeführt werden sollen, sind aber Copien unbrauchbar,
die mit geringerer Schärfe bestimmt sind. Endlich ist es sehr
wünschenswerth und bequem einen bestimmten geometrischen
Begriff mit dem Widerstandsmass verbinden zu können, was bei
einem Metalldraht nie der Fall sein kann, da der Widerstand
der festen Körper von der Molecularbeschaffenheit derselben, so
wie von nicht leicht zu vermeidenden Verunreinigungen des
Metalls in hohem Grade abhängig ist.


Ebenso wenig geeignet zur allgemeinen Einführung schien
mir das absolute Widerstandsmass. Man kann es nur mittels
sehr vollkommener Instrumente in besonders dazu eingerichte-
ten Localen und bei grosser experimenteller Gewandtheit dar-
stellen und es fehlt ihm ebenfalls die in Praxi so wichtige kör-
perliche Vorstellung. Endlich sind seine Zahlen durch ihre
Grösse höchst unbequem.


Der einzig brauchbare Weg zur Aufstellung eines allen An-
forderungen genügenden, namentlich von Jedermann mit Leichtig-
keit und in den nöthigen Genauigkeit darstellbaren Widerstands-
masses, schien mir der zu sein, den Widerstand des Quecksil-
bers als Einheit zu benutzen. Quecksilber ist mit grosser Leich-
tigkeit in ausreichender, fast vollkommener Reinheit zu beziehen
oder herzustellen. Es hat, so lange es flüssig ist, keine ver-
schiedene, seine Leitungsfähigkeit modificirende Molecularbe-
schaffenheit; sein Widerstand ist weniger als der der anderen
einfachen Metalle von Temperaturänderungen abhängig, endlich
ist sein specifischer Widerstand sehr bedeutend, die Vergleichungs-
zahlen werden daher klein und bequem.


Ich entschloss mich also zu versuchen, ob es möglich sei,
mittels gewöhnlicher, im Handel vorkommender Glasröhren und
gereinigten Quecksilbers durch eine geeignete Methode bestimmte
Widerstandsmasse mit ausreichender Genauigkeit herzustellen.
Die grösste Schwierigkeit schien darin zu liegen, dass es nicht
möglich ist, sich genau cylindrische Glasröhren zu verschaffen.
Die käuflichen Glasröhren haben in der Regel eine grössere nebst
[231] einigen kleineren Ausbauchungen. Es ist aber leicht, sich durch
Kalibrirung mittels eines kurzen Quecksilberfadens aus einer
grösseren Anzahl von Glasröhren einige Stücke von 1 Meter
Länge herauszusuchen, bei welchen der Querschnitt sich ziemlich
gleichmässig verändert. Man kann alsdann das Rohr als abge-
stumpften Kegel betrachten und den Widerstand dieses Kegels
in Rechnung bringen. Das Volumen des mit Quecksilber ange-
füllten Kegels kann man durch Wägung des Metalls leicht und
mit grosser Schärfe bestimmen.


Es sei Fig. 32 ein solcher abgestumpfter Kegel, dessen
parallele Begrenzungskreise die Radien R und r haben und

Figure 32. Fig. 32.


dessen Länge l ist. In der Entfernung x von der Ebene A B
sei ein mit ihr paralleler Schnitt M N vom Radius z und der
Dicke d x durch den Kegel gelegt. Ist W der Widerstand des
Kegels in der Richtung seiner Axe, d W der Widerstand des
Schnittes M N nach derselben Richtung, so ist:
. Es ist aber
. Diesen Werth von z nach x differentiirt, giebt:
, folglich
. Durch Einsetzung dieses Werthes von d x in die erste Gleichung
erhält man:
[232]. Durch Integration dieser Gleichung nach z ensteht:
oder
1) .
Es sei ferner V das Volumen des abgestumpften Kegels, G das
Gewicht des darin enthaltenen Quecksilbers und σ das specifische
Gewicht desselben. Es ist
. Dividirt man diese Gleichung durch R r, so ergiebt sich:
und setzt man
, so folgt:
und hieraus:
oder für V den Werth gesetzt,
Dieser Werth von R r in die Gl. 1 eingesetzt giebt:
2)
Der auf diese Weise gefundene Werth von W ist selbstverständ-
lich für jede pyramidale Form des Leiters gültig, wenn nur a
das Verhältniss des grössten zum kleinsten Querschnitt ausdrückt.
Es ist ferner noch richtig, wenn man für einen abgestumpften
Kegel von der Länge l eine beliebige Anzahl n solcher Kegel
[233] substituirt, die gleich lang sind und deren Gesammtlänge gleich
l ist, wenn nur bei jedem das Verhältniss des grössten zum
kleinsten Querschnitt oder der reciproke Werth dieses Verhält-
nisses gleich a ist.


Es ist nämlich in diesem Falle, wenn
ist, wo λ die Länge eines Kegels bedeutet:
oder
oder

Da nun ferner der Correctionscoefficient für die conische
Form des Leiters
bei geringer Verschiedenheit der Durchmesser R und r nur sehr
wenig von 1 verschieden ist, so kann man ohne merklichen
Fehler jede nicht völlig cylindrische Röhre als einen abgestumpften
Kegel betrachten und die Verhältnisszahl a durch den Quotien-
ten der grössten und kleinsten Länge des zur Kalibrirung be-
nutzten Quecksilberfadens bilden.


Durch eine Reihe von Versuchen ermittelte ich nun, ob die
für verschiedene Röhren von sehr abweichenden mittleren Quer-
schnitten berechneten Werthe ihrer Widerstände, mit den ge-
messenen hinreichend genau übereinstimmten. Meine Methode
war folgende:


Es wurden käufliche Glasröhren von etwa ¾ bis 2 mm
innerem Durchmesser auf einem langen Massstab befestigt, darauf
in jedes Rohr ein Quecksilbertropfen gebracht und die Länge
des durch ihn gebildeten Fadens gemessen. Durch Neigung des
Rohres konnte man diesen [Quecksilberfaden] nach und nach das
[234] ganze Rohr durchlaufen lassen und somit dasjenige Stück des
Rohrs von etwa 1 m Länge ausfindig machen, welches sich am
meisten cylindrisch oder gleichförmig conisch erwies. Diese
Stücke wurden aus den Röhren ausgeschnitten und die Enden
durch eine kleine, von Halske zu diesem Zwecke construirte
Vorrichtung so abgeschliffen, dass die Röhren genau 1 Meter
lang waren. Die so vorbereiteten Röhren wurden sorgfältig ge-
reinigt. Dies liess sich am leichtesten so bewirken, dass man
zwei mit Seide übersponnene, dünne Neusilber- oder Stahldrähte
zusammendrehte, sie darauf durch das Rohr schob und dann mit
dem hervorragenden einen Ende der Drähte ein Bäuschchen reiner
Baumwolle zusammendrehte, welches darauf langsam und vor-
sichtig durch das Rohr gezogen wurde. Diese Operation erfor-
dert allerdings einige Sorgfalt, um das Zerbrechen des Rohrs zu
verhüten. Darauf wurde das Rohr mit gereinigtem Quecksilber
gefüllt und der Inhalt gewogen. Diese Operation wurde, wie
folgt, ausgeführt: Das eine Ende des Glasrohrs wurde mittels
eines Verbindungsstückes von vulcanisirtem Kautschuck so in der
einen Oeffnung einer kleinen Retorten-Vorlage, wie sie in chemi-
schen Laboratorien gebräuchlich sind, befestigt, dass das Ende des
Rohres in die Vorlage hineinragte. Um das andere Ende des Roh-
res ward eine eiserne Klemmvorrichtung, wie sie Fig. 33 zeigt,

Figure 33. Fig. 33.


angebracht, mittels welcher sich ein plangeschliffenes Eisenplätt-
chen gegen die Mündung des Rohrs schrauben liess. Nachdem
nun die passend befestigte Vorlage mit reinem Quecksilber an-
gefüllt war, liess man dasselbe durch die etwas geneigte Glas-
röhre in eine untergestellte Schale laufen. Wenn der Augen-
schein nach einiger Zeit lehrte, dass alle anfänglich sich bisweilen
zeigenden Luftbläschen vom durchströmenden Quecksilber ent-
fernt waren, so wurde die Ausflussöffnung durch Anziehen der
[235] das Eisenplättchen bewegenden Schraube dicht geschlossen, das
Rohr alsdann aufgerichtet und das andere Ende aus dem Kaut-
schuckschlauch gezogen. Geschah dieses mit Vorsicht, so war
das nun senkrecht aufgerichtete Rohr vollständig angefüllt und
die Quecksilbersäule endete in einer kleinen hervorragenden
Halbkugel. Durch Aufdrücken eines eben geschliffenen Glas-
plättchens wurde nun auch die obere Oeffnung geschlossen und
das überflüssige Quecksilber beseitigt. Nachdem endlich mit
einem Pinsel alle kleinen am Rohre haftenden Quecksilberkügel-
chen beseitigt waren, wurde der Inhalt der Röhre in ein kleines
Glasgefäss entleert und auf einer genauen chemischen Wage ge-
wogen. Wenn man die Vorsicht braucht, das Quecksilber sehr
langsam ausfliessen zu lassen, indem man das Rohr nur sehr
wenig neigt und das Eisenplättchen am anderen Ende nur sehr
allmählich lüftet, so bleiben keine Quecksilberkügelchen im Rohre
zurück, wie es ohne diese Massregel gewöhnlich der Fall ist.
Erwärmung des gefüllten Rohrs durch Berührung mit blossen
Händen wurde natürlich vermieden. Die Temperatur während
der Füllung der Röhren ward beobachtet und das gefundene Ge-
wicht auf Füllung beim Nullpunkt der Temperatur reducirt. Von
den nächstfolgenden Tabellen giebt Tabelle I die verschiedenen
Längen der Quecksilberfäden bei der Kalibrirung der benutzten
Röhrenstücke und die daraus gefundene Verhältnisszahl a des
grössten zum kleinsten Querschnitt. Tabelle II giebt die durch
Wägung gefundenen und auf Füllung bei 0° reducirten Gewichte
des Quecksilbers.
Tabelle I.

[236] und mithin die respectiven Correctionscoefficienten

Tabelle II.

Substituirt man in die oben gefundene Formel 2) für den
Widerstand
aus den Tabellen I und II die Werthe für G (in Milligrammen)
und des Correctionscoefficienten, nimmt man ferner für das spe-
cifische Gewicht des Quecksilbers bei 0° den Werth
und für die gemeinschaftliche Länge aller Röhren
,
so erhält man den Widerstand der Röhren in Einheiten des
Widerstandes eines Quecksilberwürfels von 1 mm Seitenlänge
ausgedrückt. Tabelle III giebt diese berechneten Werthe:


[237]

Tabelle III.


Es wurden nun die Widerstände dieser mit Quecksilber von
0° gefüllten Röhren mit der Copie eines Jacobi’schen Etalons
(B) verglichen und zwar geschah dieses mittels einer Wheat-
stone’schen Brücke. Da die von mir benutzte Brücke in der
von Halske und mir ihr gegebenen Form zu sehr genauen
Widerstandsmessungen geeignet ist, so wird ihre nähere Beschrei-
bung nicht ohne Interesse sein.


Fig. 34 stellt die Brücke in ihrer perspectivischen Ansicht
dar. A A ist ein Rahmen von Messing, auf welchem sich
der Schlitten B B verschiebt. Der drehbare Knopf C auf dem
Schlitten ist mit einem Zahnrade versehen, welches in eine am
Rahmen befestigte Zahnstange S eingreift. Der Schlitten ist
daher sowohl direct als durch Drehung des Knopfes verschiebbar.
Am Rahmen sind ferner die isolirten Stücke E E und der mit
Millimetertheilung versehene Massstab m m befestigt. Zwischen
den isolirten Metallstücken E E, deren innere Flächen normal
auf dem Massstab stehen und genau 1000 mm von einander
entfernt sind, ist ein etwa 0,16 mm dicker Platindraht ausge-
spannt. Dieser Draht, dessen Anfangs- und Endpunkt genau
mit den Theilstrichen 0 und 1000 übereinstimmen, wird von 2
kleinen Platinrollen umfasst, deren Axen am Schlitten B ver-
mittels der Federn G befestigt sind. Die zu vergleichenden
Widerstände werden zwischen der Metallschiene H, welche durch
den Contacthebel l mit dem einen Pole der Kette in Verbindung
zu setzen ist, und zwei in den Klemmenlagern K K verschiebbaren
dicken Kupferstangen L L eingeschaltet. Der andere Pol der
Kette, zu welcher gewöhnlich ein Daniell’sches Element benutzt
wurde, ist in leitender Verbindung mit dem Schlitten B und
den Platinrollen. Die Klemmenlager K K und die als Befesti-
gungspunkte des Platindrahtes dienenden isolirten Metallstücke
E E sind durch dicke Kupferstangen mit den 4 Lamellen des
Stöpselumschalters S in gut leitende Verbindung gesetzt. Es
lassen sich mithin durch Versetzung der beiden Stöpsel die zu
[238]

Figure 34. Fig. 34.


vergleichenden Wider-
stände vertauschen. Zu
den Metallstücken E E
sind ferner die Enden
des Multiplicatordrahtes
des zu benutzenden Gal-
vanometers geführt. Ich
benutzte zu den vorlie-
genden Messungen ein
Spiegelgalvanometer
mit rundem Stahlspie-
gel von 32 mm Durch-
messer und 36000 Win-
dungen von 0,15 mm
dickem Kupferdraht.
Der Abstand der mit
Millimetertheilung ver-
sehenen Scale vom Spie-
gel beträgt 6½ Meter.


Die mit dem beschrie-
benen Widerstands-
messapparat angestell-
ten und in nachfolgen-
den Tabellenzusammen-
gestellten Messungen
wurden grösstentheils
vom Hrn. Dr. Essel-
bach ausgeführt. Die
hierbei befolgte Me-
thode war folgende:


Jedes Ende des zu
prüfenden Glasrohres
wurde mittels eines
Kautschuckverschlusses
in das Innere einer Re-
torten-Vorlage geführt.
Diese Vorlage wurde
so gedreht, dass der un-
[239] benutzte weitere Hals nach oben gerichtet war und so mit dem sie
verbindenden Rohre in eine Rinne gelegt, die mit Eisstücken an-
gefüllt war. Darauf wurde die eine Vorlage mit gereinigtem und
trocknem Quecksilber gefüllt. Das Quecksilber füllte nun das
Rohr und lief durch dasselbe in die leere Vorlage. War das
Niveau des Quecksilbers in beiden Gefässen gleich, so war in
der Regel auch das Rohr ganz blasenfrei mit Quecksilber gefüllt.
Es wurden nun dicke amalgamirte Kupferdrähte durch die beiden
aufgerichteten Hülsen der Vorlagen in das Quecksilber geführt
und alsdann der Widerstand des Rohres mittels der oben be-
schriebenen Brücke mit dem eines Jacobi’schen Widerstands-
etalon verglichen1).


Der Widerstand der Zuleitungsdrähte wurde dadurch be-
stimmt, dass beide amalgamirte Kupfercylinder in ein gemein-
schaftliches, mit Quecksilber gefülltes Gefäss getaucht wurden.
Derselbe erwies sich jedoch als verschwindend klein im Vergleich
mit dem Widerstande der Röhren.


Die in der umstehenden Tabelle zusammengestellten Ver-
suche wurden so angestellt, dass erst bei der einen Stellung des
Commutators der Schieber B B so lange verschoben wurde, bis
das Galvanometer beim Niederdrücken des Contacthebels I keine
dauernde Ablenkung zeigte. Darauf werden durch den Commu-
tator die zu vergleichenden Widerstände vertauscht und abermals
der Schieber richtig eingestellt. Diese beiden Ablenkungen sind
in den mit a und b bezeichneten Columnen angegeben. Waren
die Beobachtungen fehlerfrei, so musste die Summe beider = 1000
sein, was in der Mehrheit der Fälle wenigstens sehr nahe der
Fall war. Es ist hierbei noch zu bemerken, dass nach Her-
stellung des Stromgleichgewichts beim Schliessen der Kette
stets ein kleiner Ausschlag von einigen Scalentheilen bemerkt
ward im Sinne eines grösseren Widerstandes des aus nebenein-
[240]Tabelle IV.

[241] anderliegenden Drahtspiralen gebildeten Jacobi’schen Etalons.
Da bei der Oeffnung der Kette ein entgegengesetzter Ausschlag
von gleicher Grösse erfolgte, so war dieses offenbar dem Extra-
curent in den Drahtspiralen des Jacobi’schen Etalons zuzu-
schreiben. Ferner stellte sich heraus, dass schon eine Erwärmung
des Quecksilbers bei längerer Dauer des Stromes eintrat, obgleich
nur eine Daniell’sche Zelle benutzt wurde. Bei der langsamen
Schwingung und der grossen Dämpfung der Elongationen meines
Spiegels liess sich der hieraus entspringende Fehler leicht dadurch
eliminiren, dass man nur kurze Strömungen durch das Instrument
gehen liess. Der Schlitten wurde immer so eingestellt, dass
beim Schliessen ein schwacher Ausschlag nach links eintrat, der
bei längerer Dauer des Stromes, in Folge der Erwärmung, in
eine Ablenkung nach rechts überging. Man konnte nun durch
geringe weitere Verschiebung des Schlittens den Ausschlag nach
links verschwindend klein machen und dadurch den Einfluss der
Erwärmung gänzlich beseitigen.


Die mit W1 bezeichnete Spalte ist durch Multiplication der
vorhergehenden mit der Zahl 661,8 gebildet, welche Zahl durch
Vergleichung des berechneten Widerstandes des Rohres No. 2
mit dem Widerstande des benutzten Jacobi’schen Etalons er-
mittelt ist. Die Zahlen dieser Spalte mussten mithin mit den
in Tabelle III berechneten Widerständen der Röhren überein-
stimmen. Die in der mit bezeichnete Spalte befindlichen
Quotienten der berechneten durch die beobachteten Widerstände
zeigen, dass die Differenzen nicht grösser sind, wie zu erwarten
war. Die wesentlichsten Abweichungen sind bei unseren
Messungen dadurch entstanden, dass weder die Temperaturen
des Quecksilbers, noch die des zur Vergleichung bestimmten
Kupferetalons völlig constant waren. Die Temperatur des Eis-
wassers schwankte zwischen 0 und 2° und die des Etalons
zwischen 19 und 22 °C. Da aber die Leitungsfähigkeit des
Kupfers durch Erwärmung um 1 °C. um etwa 0,4 PCt. vermin-
dert wird, so erklären sich hieraus die 1 PCt. nicht erreichenden
Abweichungen vollkommen und es kann nicht zweifelhaft sein,
dass die benutzte Methode geeignet ist, Widerstandsetalons bis
zu jedem Grade von Genauigkeit zu reproduciren.


16
[242]

Die beobachteten Widerstände der Tabelle IV hätten eigent-
lich noch um die Grösse des Ausbreitungswiderstandes des
Stromes im Quecksilber der Glasgefässe oder des Uebergangs-
widerstandes vom Querschnitt des Rohrs zu den amalgamirten
Zuleitungsdrähten vermindert werden müssen. Man kann diesen
Widerstand ohne grossen Fehler als den Widerstand einer Halb-
kugelschale definiren, deren innerer Radius gleich r, dem inneren
Radius des Rohres und deren äusserer Radius gegen r sehr gross
und daher in die Rechnung als unendlich gross einzuführen ist.
Der Widerstand einer halben Kugelschale von der Dicke d x
und dem Radius x, wird ausgedrückt durch
mithin
.


Der Widerstand der Ausbreitung in beiden Quecksilber-
massen ist also gleich dem Widerstande eine Verlängerung des
Rohrs um die Hälfte seines Durchmessers. Wenn nun auch
dadurch, dass die Endflächen des Rohrinhaltes eben und nicht,
wie in der Rechnung angenommen, halbkugelförmig sind, noch
eine geringe Vergrösserung des Ausbreitungswiderstandes herbei-
geführt wird, so ist die Gesammtgrösse desselben doch so gering,
dass er füglich vernachlässigt werden konnte.


Die zu den bisherigen Versuchen benutzten geraden Glas-
röhren sind ziemlich unbequem als Etalons zu verwenden. Ich
liess mir daher von Hrn. Geissler in Berlin ähnliche Röhren in
Spiralform aufwinden und die aufwärts gebogenen geraden
Enden mit kleinen Glasgefässen zur Aufnahme der Zuleitungs-
drähte versehen. Diese Glasspiralen wurden, wie Fig. 35 zeigt,
am Holzdeckel eines weiteren mit Wasser gefüllten Gefässes be-
festigt. Die Temperatur des Wassers ward durch ein Thermo-
meter, welches durch eine Oeffnung im Holzdeckel eingeführt
werden konnte, beobachtet. Die blasenfreie Füllung der Glas-
spiralen mit Quecksilber liess sich leicht dadurch herstellen, dass
man mittels eines geeigneten Propfens die Mündung des Rohres
in einem der Glasgefässe verstopfte, darauf das andere Gefäss
[243] mit Quecksilber füllte und dann den Pfropfen vorsichtig lüftete
und erst dann ganz entfernte, wenn das Quecksilber langsam
sämmtliche Windungen des Rohres durchlaufen hatte.


Da das Quecksilber in der Reihe von Metallen fehlt, für
welche Arndtsen1) die Veränderung des specifischen Wider-

Figure 35. Fig. 35.


standes mit der Temperatur bestimmt hat, so musste diese Lücke
erst ausgefüllt werden. Dies geschah durch Hrn. Dr. Esselbach
mit Hülfe der beschriebenen Vorrichtung. Es wurde der Wider-
stand einer der spiralförmig aufgewundenen Röhren mit dem der
geraden Röhren No. 2 zuerst bei der Temperatur des Eiswassers
und darauf bei höheren Temperaturen des gewundenen Rohres
verglichen. Bezeichnet w den Widerstand des Rohres No. 2,
nach Tabelle III gleich 498,7, ferner w, den Widerstand des ge-
wundenen Rohres und berücksichtigt man, dass die Widerstände
der Zuleitungsdrähte zur Röhre 2 und zur Spirale gleich gemacht
wurden und den Widerstand von 11 Quecksilberwürfeln von 1 mm
Seitenlänge hatten, so ergiebt sich
wenn a und b die Längen der Stücke des Platindrahtes der
16*
[244] Brücke bezeichnen, bei welchen kein Strom durch den Galvano-
meterzweig ging. Dies war der Fall wenn
war, woraus sich
ergab.


Es wurde nun die Temperatur des geraden Rohrs durch
schmelzendes Eis fortwährend auf der Temperatur 0 erhalten,
während das die Glasspirale umgebende Wasser erwärmt wurde.
In der folgenden Tabelle bezeichnet t die Temperatur des geraden
Rohres, t, die des gewundenen, a und b die im Zustande des
Stromgleichgewichts abgelesenen Drahtlängen, y den gesuchten
Coëfficienten, berechnet nach der von Arndtsen aufgestellten
Formel

Tabelle V.


Hiernach ist Quecksilber unter allen einfachen Metallen das-
jenige, dessen Widerstand sich bei zunehmender Temperatur am
wenigsten vergrössert.


Mit Hülte dieses Coëfficienten ward nun auch der Wider-
stand der beiden andern Glasspiralen A und B bestimmt, welche
später als Normalmasse zur Herstellung von Widerstands-
copien in Neusilberdraht benutzt wurden. Der Widerstand der
Spirale A war bei 0° gleich 514,45 und der Spirale B = 673,0.


Neusilberdraht eignet sich ganz besonders zur Anfertigung
von Widerstandsetalons, weil seine Leitungsfähigkeit sehr gering
ist und sich bei Temperaturveränderungen nur sehr wenig,
nach Arndtsen um etwa 0,04 PCt. pro Grad Celsius, ver-
ändert.


Bisher wurde in der vorliegenden Untersuchung stets der
[245] Widerstand eines Quecksilberwürfels von 1 mm Seitenlänge als
Einheit des Widerstandes angenommen. Für kleine Widerstände
und überhaupt für Widerstandsberechnungen hat diese Einheit
manche Vorzüge. Es erscheint aber doch als zweckmässiger das
Widerstandsmass in völlige Uebereinstimmung mit dem Meter-
mass zu bringen. Ich schlage daher vor als Einheit des Wider-
standes anzunehmen:


Den Widerstand eines Quecksilberprismas von 1 Meter Länge
und 1 Quadratmillim. Querschnitt bei 0°.


Sollte dieser Vorschlag allgemeineren Eingang finden, so
würden sich alle Widerstandsangaben ohne weitere Umschreibung
auf Angaben der Länge in Metermass reduciren. Es würde
dann jeder Physiker im Stande sein, sich sein Widerstandsmass
selbst so genau wie seine Instrumente es gestatten und erfordern,
darzustellen und die etwaige Veränderung des Widerstandes der
im Gebrauch bequemeren Etalons aus Metalldrähten zu con-
troliren. Selbstredend müsste jedoch dabei als Einheit der
Leitungsfähigkeit der Körper nicht, wie bisher, die des Kupfers
oder Silbers, sondern die des Quecksilbers angenommen werden.
Leider liegen nur wenige Vergleiche der Leitungsfähigkeit des
Quecksilbers mit der der festen Metalle vor, aus denen sich
eine solche Tabelle berechnen liesse und es fehlt auch bei den
meisten Vergleichungen der Leitungsfähigkeit der festen Metalle
unter sich die Angabe, ob hart gezogene oder ausgeglühte Drähte
benutzt wurden. Aus der umstehenden Tabelle ergiebt sich
aber, dass die Leitungsfähigkeit ausgeglühter Drähte beträchtlich
grösser ist wie die der nicht geglühten (s. Tab. S. 246 oben).


Es ist hiernach die specifische Leitungsfähigkeit des ausge-
glühten Silberdrahtes um 10 PCt., die des ausgeglühten Kupfer-
drahtes durchschnittlich um 6 PCt. grösser wie die des nicht
ausgeglühten Silbers, resp. Kupfers. Besonders auffallend ist
diese Zunahme beim Messing. Da die Härte gezogener Drähte
von der Grösse der Ausdehnung nach dem letzten Ausglühen
abhängt, so muss sie und ebenso die Leitungsfähigkeit stets ver-
schieden ausfallen, wenn auch das Metall völlig gleichartig ist.
Ebenso ist die Höhe der Temperatur, bei welcher die Drähte
ausgeglüht wurden, die Dauer des Glühens und die Geschwindig-
keit der Abkühlung nicht ohne Einfluss auf die Grösse der spe-
[246]

cifischen Leitungsfähigkeit. Die Columne 5 der obigen Tabelle
ist nach der früher entwickelten Formel
berechnet. Der Correctionscoëfficient für die Conicität,
, ist bei Metalldrähten fast immer ausser Betracht
zu lassen, da er nicht merklich von 1 verschieden ist. Wie er-
sichtlich ist diese Methode weit schärfer wie die bisher gebräuch-
liche, bei welcher der mittlere Durchmesser der Drähte durch
directe Messungen zu ermitteln war. Dieser ungenaue Werth
ging im Quadrat in die Rechnung ein, wodurch die Ungenauig-
keit der Methode noch wesentlich erhöht wurde. Bei der von
mir benutzten Methode sind dagegen sämmtliche Data mit
grösster Schärfe zu bestimmen, namentlich die Länge, welche
hier im Quadrat auftritt.


Vergleicht man die obige Tabelle mit der von Arndtsen
aufgestellten, so ergiebt sich, dass der gefundene mittlere Werth
der Leitungsfähigkeit des ungeglühten Platinadrahtes, nämlich
8,257 und der geringste gefundene Werth für ungeglühtes Silber,
56,252, genau in dem von Arndtsen angegebenen Verhältnisse
[247] stehen, während der Widerstand des Kupfers der Arndtsen’schen
Tabelle dem des ausgeglühten Kupferdrahtes der meinigen ziem-
lich genau entspricht. Da das von mir benutzte Silber und
Platina chemisch rein war und auch Arndtsen diese Metalle
in völliger Reinheit benutzte, so habe ich bei der Berechnung
der nachfolgenden Tabellen den Widerstand des Platina’s und
harten Silbers zu Grunde gelegt. Die aus der Arndtsen’schen
Tabelle entnommenen Werthe sind mit (A), die selbst beob-
achteten mit (S) bezeichnet.


Tabelle VI.


Leitungsfähigkeit der Metalle bei der Temperatur t, ver-
glichen mit der des Quecksilbers bei 0°.


  • Quecksilber (S)
  • Blei (A)
  • Platin (A,S)
  • Eisen (A)
  • Neusilber (A)
  • do. geglüht 4,137 (S)
  • Messing hart 11,439 (S)
  • do. geglüht 13,502 (S)
  • do. ‒ (A)
  • Aluminium (A)
  • Kupfer (A)
  • do. hart 52,207 (S)
  • do. geglüht 55,253 (S)
  • Silber, hart (A,S)
  • do. geglüht 64,38 (S)

[248]

Der Uebersichtlichkeit wegen habe ich die von Arndtsen
beobachteten Werthe mit den von ihm angegebenen Corrections-
coëfficienten für erhöhte Temperaturen versehen. Ob dieselben
bei geglühten und ungeglühten Drähten dieselben bleiben, habe
ich nicht untersuchen können. Das von mir untersuchte Messing
enthielt, wie die in meinem Laboratorio ausgeführte Analyse
ergab, 29,8 PCt. Zink und 70,2 PCt. Kupfer.


Schliesslich bemerke ich noch für Diejenigen, welche sich
Etalons in der beschriebenen Weise darstellen wollen, dass es
nothwendig ist, das Quecksilber vor dem Gebrauch unter einer
Decke von concentrirter Schwefelsäure mit einigen Tropfen Sal-
petersäure etliche Stunden zu erwärmen, damit alle metallischen
Verunreinigungen, so wie der absorbirte Sauerstoff, welche seine
Leitungsfähigkeit sehr wesentlich vergrössern, vollständig beseitigt
werden.


[[249]]

Ueber
Widerstandsmasse und die Abhängigkeit
des Leitungswiderstandes der Metalle von
der Wärme
.


(Poggendorff’s Ann. d. Phys. u. Chem. Bd. 113 S. 91.)


1861.


Dem von mir in diesen Annalen1) gemachten Vorschlage
eines reproducirbaren Widerstandsmasses ist von Herrn Matthies-
sen2) kürzlich ein anderer gegenüber gestellt worden. Während
ich vorschlug, als Einheit des Widerstandes den Widerstand eines
Quecksilberfadens von 1 m Länge und 1 qumm Querschnitt bei 0°
anzunehmen, schlägt Herr Matthiessen vor, die Weber’sche abso-
lute Einheit als allgemeines Widerstandsmass zu benutzen, das-
selbe mit dem Widerstande eines Drahtes aus einer Gold-Silber-
Legirung zu vergleichen und dann durch Anfertigung von Dräh-
ten aus derselben Legirung zu reproduciren.


Der erste Theil des Vorschlages des Herrn Matthiessen hat
auf den ersten Blick Manches für sich. Bei näherer Betrach-
tung sprechen aber sehr überwiegende Gründe dagegen. Ein
Mass kann nur dann seinen Zweck erfüllen, wenn es so genau
herzustellen ist, wie die Instrumente, denen es dienen soll, es
mit anderen vergleichen zu können. Erklärt man sich gegen
ein willkürlich gewähltes, durch Copirung zu vervielfältigendes
Grundmass, wie Herr Matthiessen es ebenfalls thut, so muss
das unmittelbar herstellbare Grundmass nothwendig in solcher
[250] Schärfe zu reproduciren sein, dass unsere empfindlichsten Instru-
mente keine Verschiedenheit wahrnehmen können.


Das ist nun leider bei der Bestimmung des absoluten Wider-
standes nach der Weber’schen Methode nicht der Fall. Es ist
auch nicht anzunehmen, dass die Methode sich so vervollkomm-
nen liesse, dass der obigen Anforderung auch nur annähernd
genügt würde, da der Bestimmung des absoluten Widerstandes
die der Messung der Stromstärke und der elektromotorischen
Kraft nach absolutem Masse vorhergehen muss, alle bei diesen
schwierigen Massbestimmungen begangenen Fehler sich also in
der Bestimmung des absoluten Widerstandes wiederfinden. Es
kann wohl mit Bestimmtheit behauptet werden, dass auch die
geübtesten und mit den vollkommensten Instrumenten und Lo-
calitäten ausgerüsteten Physiker nicht im Stande sein werden,
absolute Widerstandsbestimmungen zu machen, die nicht um
einige Procente von einander verschieden wären! Ein Mass,
welches so wenig genau ist, würde aber nicht einmal den An-
forderuugen der Technik genügen. Doch selbst wenn die Mög-
lichkeit gegeben wäre, das absolute Widerstandsmass in hin-
reichender Schärfe zu bestimmen, so würde man doch noch kein
absolutes Mass für die Leitungsfähigkeit der Körper haben,
müsste also doch wieder eine Einheit des Leitungsvermögens
willkürlich wählen. Dann ist es aber weit bequemer und an-
schaulicher das Widerstandsmass als den Widerstand eines
prismatischen Körpers aus dem Material, welches man als Ein-
heit der Leitungsfähigkeit angenommen hat, zu definiren. Ausser
diesen Gründen eignet sich das absolute Widerstandsmass auch
noch aus dem Grunde nicht zur allgemeinen Verwendung, weil
es unpraktisch klein ist, und nicht auf einer einfachen geometri-
schen Vorstellung beruht. So gross daher auch der Werth des
absoluten Widerstandsmasses für manche Betrachtungen und
Rechnungen ist, und so wichtig es ist, den Werth jedes andern
gebräuchlichen Widerstandsmasses in absoluten Einheiten zu
kennen, so muss man es doch als ganz unbrauchbar für ein all-
gemeines Grundmass des Leitungswiderstandes erklären. Herr
Matthiessen beschränkt sich übrigens auch auf die Erklärung
„das absolute Widerstandsmass sei das beste und werde es
stets bleiben“, ohne Gründe für diese Behauptung anzuführen
[251] oder Zahlen anzugeben, welche seine Darstellung vermittelst der
Gold-Silber-Legirung ermöglichten. Er will vorläufig nur den
Beweis führen, dass Drähte, die aus der von ihm angegebenen
Gold-Silber-Legirung gezogen wären, sich vorzugsweise zur
genauen Reproduction von Widerstandsmassen und zur Anferti-
gung von Widerstands-Etalons eigneten. Dieser Beweis ist ihm
aber nach seinen eignen Zahlenwerthen durchaus nicht gelungen.
Während z. B. seine weichen Drähte No. III die Leitungsfähig-
keit 14,92 (die eines harten Silberdrahtes = 100 gesetzt) geben,
hatten die weichen Drähte No. VII die mittlere Leitungsfähig-
keit 15,16; es bestanden also Abweichungen von mehr als
1½ pCt.


Auch wenn man die am wenigsten harmonirenden Zahlen
fortlässt, so erhält man doch in den meisten Fällen noch Diffe-
renzen, welche 0,01 nahe erreichen. Da nun gute Widerstands-
messapparate ohne Schwierigkeit Messungen gestatten, welche
bis auf 0,0001 übereinstimmen, so folgt schon aus den eigenen
Angaben des Herrn Matthiessen, dass sein Vorschlag durchaus
verfehlt ist. Selbst wenn die Leitungsfähigkeit der Legirung
stets vollkommen dieselbe und die Drähte völlig cylindrisch und
homogen wären, so würden sich kleine Widerstände doch nicht
mit Genauigkeit vermittels derselben herstellen lassen, da in
den Berührungsstellen der Drahtenden mit den Zuleitungsdrähten
immer noch variable Widerstände von wesentlicher Grösse auf-
treten.


Die Einwände, welche Herr Matthiessen gegen die Anwen-
dung des Quecksilbers als Mass der Leitungsfähigkeit und zur
Darstellung von Widerstands-Etalons erhebt, beruhen theilweise
auf der irrigen Voraussetzung, dass ich vorgeschlagen habe, die
mit Quecksilber angefüllten Glasröhren als Widerstands-Etalons,
welche in dauernder Benutzung bleiben sollen, zu verwenden.
Das ist aber durchaus nicht der Fall. Ich habe vorgeschlagen,
auf die von mir beschriebene Weise Widerstands-Etalons aus
Neusilberdraht herzustellen, welche den Widerstand der vorge-
schlagenen Quecksilbereinheit besitzen. Neusilber eignet sich
zur Anfertigung von Widerstands-Etalons jedenfalls weit besser
wie die kostbare Gold-Silber-Legirung, da sein Leitungsvermögen
weit geringer ist und sich noch weniger bei Temperaturschwan-
[252] kungen verändert. Das von Halske und mir zur Anfertigung
von Widerstands-Etalons und Scalen benutzte Neusilber hat nur
eine Leitungsfähigkeit von 3,22 — die des Quecksilbers = 1
gesetzt — und sein Widerstand vergrössert sich durch Erwär-
mung um 1 °C nur um 0,000272. Der Einwand des Hr. Mat-
thiessen, dass man das Quecksilber häufig erneuern müsse, weil
es durch die eintauchenden Kupferdrähte verunreinigt würde,
kann daher wohl nicht als erheblich angesehen werden, da man
sich der geringen Mühe des Füllens der Spiralröhren mit frisch
gereinigtem Quecksilber dann leicht unterziehen kann, wenn man
neue Etalons anfertigen oder alte controliren will. Ist man übri-
gens mit der von Herrn Matthiessen als ausreichend betrachte-
ten Genauigkeit von 1 bis 2 pCt. zufrieden, so kann man auch
ohne allen Nachtheil Platin- oder Eisendrähte anstatt der kupfer-
nen als Zuleitungen benutzen, da der Uebergangswiderstand vom
Quecksilber zum festen, nicht amalgamirten, Metall nur bei Mes-
sungen von grösserer Schärfe in Betracht kommt. Dass meine
Methode aber wirklich ihren Zweck erfüllt, nämlich die directe
Darstellung von Widerstands-Etalons bis zu jeder erforderlichen
Genauigkeit gestattet, mögen die in der nachfolgenden Tabelle
zusammengestellten Messungen beweisen, welche zu dem Behufe
mit grösster Sorgfalt angestellt wurden, um die von mir in Vor-
schlag gebrachte Einheit des Leitungswiderstandes, nämlich die
eines Quecksilberfadens von 1 m Länge und 1 mm Querschnitt
bei 0°, möglichst genau darzustellen. Die Glasröhren wurden
absichtlich von sehr verschiedenem Durchmesser gewählt und
mit Quecksilber aus verschiedenen Bezugsquellen, welches auf
die angegebene Weise durch Erhitzung mit englischer Schwefel-
säure gereinigt war, gefüllt (s. Tab. I).


Die Werthe der drei letzten mit w0 überschriebenen Co-
lumnen sind berechtigt nach der Formel
Die Zahlen der mit t überschriebenen Columnen bezeichnen die
Temperatur der geraden Normalröhren, t1 die der zu vergleichenden
Spiralröhren. Beide waren stets von bewegtem Wasser umge-
ben. Für α ist der Werth 0,001 anstatt des früher von mir
angegebenen Werthes 0,00095 angenommen, wie später gerecht-
[253]Tabelle I.

fertigt werden soll. Der Vergleich der gefundenen Widerstands-
werthe der Spiralröhren zeigt, dass die Summe der Beobachtungs-
fehler nur bei dem Spiralrohr SIII ½ pro mille erreicht, dass
also bis zu dieser Grenze der Genauigkeit die Etalons zuverlässig
sind. Sowohl die Normal- wie die Spiralröhren wurden vor
dem Gebrauche mit frisch gereinigtem Quecksilber gefüllt. Es
ist dies immer vortheilhaft, obschon vielfache Vergleichsversuche
mich überzeugt haben, dass sowohl der oxydirende Einfluss der
Luft wie die Verunreinigung des Quecksilbers durch Auflösung
von Kupfer nach achttägigem Gebrauche der gefüllten Glasröhren
noch ohne allen Einfluss auf den Widerstand derselben geblieben
waren1).


[254]

Ich muss hier den Vorwurf eines groben Irrthums, dessen
mich Hr. Matthiessen zeiht, entschieden ab und auf Denselben
zurückweisen. Hr. Matthiessen sagt in der meine Arbeit be-
handelnden Anmerkung wörtlich: „da Spuren fremder Metalle
(0,1 pCt. oder 0,2 pCt.) eine Abnahme in der Leitungsfähig-
keit des reinen Quecksilbers verursachen, nicht wie Siemens sagt,
eine Zunahme.“ Ich begreife wirklich nicht, wie ein solcher, so
leicht zu constatirender, qualitativer Irrthum sich hat einstellen
können. Ich muss meine Behauptung vollständig aufrecht er-
halten in Bezug auf alle von mir in dieser Beziehung unter-
suchten Metalle wenigstens, nämlich Silber, Kupfer, Zinn und
Zink.


Ich glaube mich sogar zu dem allgemeinen Ausspruch be-
rechtigt, dass die Leitungsfähigkeit flüssiger Metallgemische die
der getrennt nebeneinander liegenden Einzelmetalle in flüssigem
Zustande und von derselben Temperatur ist, und dass der Grund
der grossen Verminderung der Leitungsfähigkeit starrer Legirungen
nur im Erstarrungsprocesse selbst zu suchen ist. Die nachfol-
genden Versuche werden zeigen, dass diese Annahme wenigstens
grosse Wahrscheinlichkeit für sich hat.


Der Widerstand eines mit reinem Quecksilber gefüllten
Spiralrohrs ward auf gewöhnliche Weise mit dem eines ähnlichen
Rohres verglichen. Darauf ward das reine Quecksilber aus dem
Rohre entfernt und dieses mit Quecksilber gefüllt, in welchem
Zink aufgelöst war. Nach der Bestimmung des Widerstandes
wurde das im Rohr selbst befindliche Quecksilber sorgfältig auf-
gefangen und der Gehalt desselben an Zink durch Analyse be-
stimmt. Derselbe Versuch ward mit Quecksilber, welches weniger
Zink enthielt, mehrfach wiederholt. In der nachfolgenden Tabelle
enthalten die ersten beiden, mit t und t1 überschriebenen Verti-
calspalten die Temperaturen der mit Wasser umgebenen Spiral-
röhren, die mit a bezeichnete die Ablesung, die mit w bezeich-
neten die aus den vorherigen Daten berechneten Widerstände des
mit verunreinigtem Quecksilber gefüllten Spiralrohres, die fol-
1)
[255] genden den durch Analyse gefundenen Procentgehalt an Zink
und die letzte die hieraus berechnete Leitungsfähigkeit des Zinks.


Die Berechnung der Leitungsfähigkeit des Zinks geschah
nach der Formel
, in welcher W den Widerstand der mit reinem Quecksilber ge-
füllten Spirale, w den Widerstand des mit zinkhaltigem Queck-
silber gefüllten Rohres, m den Procentgehalt an Zink, s das
specifische Gewicht des Quecksilbers, σ das des Zinks bezeich-
net. Die Formel ergiebt sich aus der Betrachtung, dass das
Verhältniss des vom Zink erfüllten Theiles des Querschnittes des
Rohres zum gesammten Querschnitt = ist und dass also,
wenn q den Querschnitt des gesammten Rohres, q1 den des von
Zink erfüllten bezeichnet


  • 1) ,
  • 2) und
  • 3) ist.

Für s und σ sind die Werthe 13,56 und 6,9 angenommen.


Die hier gefundene Leitungsfähigkeit des Zinks ist grösser
als die von Becquerel gefundene, 8,3, aber beträchtlich kleiner
wie die von Matthiessen beobachtete, nämlich 18. Letztere An-
gabe ist wohl als die zuverlässigere anzusehen, da Matthiessen
ausdrücklich angiebt, chemisch reines Zink verwendet zu haben.
Ist die der Rechnung zu Grunde liegende Annahme richtig, so
müsste also flüssiges Zink bei gleicher Temperatur weit schlech-
ter leiten wie festes. Versuche, die mit Zinn, Kupfer und Silber
in ähnlicher Weise angestellt wurden, gaben dasselbe Resultat.
Bei Kupfer und Silber fällt die Leitungsfähigkeit sogar verhält-
[256] nissmässig noch weit geringer aus, wie aus der nachstehenden
Tabelle für Silber ersichtlich ist.


Der Widerstand der Glasspirale ward hier mit einer Ein-
heit aus Neusilberdraht verglichen. Der Silbergehalt ward aber
nicht durch nachträgliche Analyse bestimmt, sondern aus der
Zusammensetzung berechnet. Das specifische Gewicht des Sil-
bers ist = 10,5 gesetzt. Um zu verhüten, dass sich starres
Amalgam in den angeblasenen Glasgefässen abschied, wie es bei
langsamem Einströmen des Quecksilbers in das Glasrohr von
geringem Querschnitt leicht eintritt, ward es vermittelst einer
kleinen Pumpe unter kräftigem Druck hineingetrieben. Es ist
allerdings möglich, dass trotz dieser Vorsichtsmassregel der Sil-
bergehalt des im Rohre befindlichen Quecksilbers dennoch etwas
geringer ausgefallen ist; es müsste dann aber die Leitungsfähig-
keit des flüssigen Silbers noch kleiner ausfallen wie die Rech-
nung ergiebt. Sie wäre also noch kleiner im Verhältniss zum
flüssigen Zink, während sie 3 mal grösser ist, wenn beide Me-
talle im starren Zustande sind.


Dass der Widerstand einiger Metalle beim Uebergange aus
dem starren in den flüssigen Zustand plötzlich zunimmt, hat
Matthiessen für Kalium und Natrium nachgewiesen1) doch reichen
die verhältnissmässig geringen Unterschiede, welche derselbe
für diese Metalle fand, nicht aus, um die hier gefundenen grossen
Differenzen zu erklären. Um mir weitere Aufklärung hierüber
zu verschaffen, füllte ich eine Glasspirale im Stearinbade mit
reinem Zinn. Das Zinn schmolz nach meinem, nicht weiter
controllirten Quecksilberthermometer schon bei 224 °C. und füllte
das Glasrohr vollkommen. Nachdem ich das so gefüllte Glas-
rohr bis auf 280° erwärmt hatte, mass ich seinen Widerstand,
[257] liess es darauf langsam abkühlen, wobei das flüssige Stearin
durch Einblasen von Luft in steter Bewegung erhalten wurde
und wiederholte die Widerstandsmessungen, wenn die Temperatur
sich einige Zeit constant erhalten hatte. In nachfolgender Ta-
belle sind diese Messungen zusammengestellt.


Die Zahlen der mit wt überschriebenen Spalte sind nach
der Formel
berechnet, in welcher wt den Widerstand des Rohres bei der
Temperatur t, wo den Widerstand desselben bei 0°, a die Ab-
lesung am Nonius des Brücken-Messinstrumentes und l den
Widerstand der Zuleitungsdrähte zur Spirale bezeichnet. Letzterer
betrug 111,95 mm oder kleine Einheiten1). Die Zahlen der
Spalte a sind sämmtlich die Mittel aus zwei Messungen und
zwar solcher, bei denen die beiden Brückenzweige durch einen
widerstandslosen Commutator vertauscht waren. Messungen, bei
welchen die Summe der beiden erhaltenen Ablesungen um mehr
als 0,5 mm von 1000 verschieden waren, wurden verworfen.
Der Vergleichswiderstand ward durch Eis auf 0° erhalten. Mit
Quecksilber gefüllt hatte die Spirale bei 0° den Widerstand
742,24. Die Leitungsfähigkeit des Zinks ist mithin .
Die letzte Messung (9) ist eine am anderen Tage vorgenommene
17
[258] Control-Messung, nach welcher die Leitungsfähigkeit des Zinnes
ebenfalls = 9,1 wird. Aus den Zahlen der mit überschrie-
benen Spalte, welche die mittlere Widerstandszunahme für 1°
zwischen den benachbarten Temperaturen enthält, ergiebt sich,
dass die Widerstandszunahme des starren Zinnes mit der An-
näherung an den Schmelzpunkt in steigender Progression wächst,
dass beim Uebergange über den Schmelzpunkt eine sprungweise
Vergrösserung des Widerstandes eintritt, welche beinahe das
2½ fache des Widerstandes bei 0° erreicht, dass bei weiterer Er-
hitzung des flüssigen Zinns die Widerstandszunahme sich all-
mählich wieder vermindert und etwa 45° über dem Schmelz-
punkte nur noch ungefähr halb so gross ist wie in der Nähe des
Gefrierpunktes. Dividirt man die Zahlen dieser Spalte durch
den Widerstand bei 0° also durch 81,57, so erhält man den
Coefficienten der Widerstandszunahme für die betreffenden Tem-
peraturintervalle. Der Anblick der Zahlenwerthe, welche in der
mit α bezeichneten Spalte zusammengestellt sind, zeigt, dass die-
selben sich vom Schmelzpunkte an nach beiden Seiten einer
Constante nähern. Es ist wahrscheinlich, dass diese für festes
Zinn mit dem von Arndtsen für andere einfache feste Metalle
gefundenen Werthe übereinstimmt. Es liegt auch nahe, die für
das flüssige Zinn gefundenen Werthe mit dem Coefficienten des
Quecksilbers zu vergleichen, doch fehlt einem solchen Vergleiche
die bestimmte Grundlage, da das Quecksilber bei 0° flüssig ist,
sein Widerstand bei dieser Temperatur, mit welchem die Wider-
standszunahme durch den Coefficienten α verglichen wird, mithin
die durch das Flüssigwerden bewirkte Widerstandszunahme schon
enthält. Dass eine solche sprungweise Verminderung der Lei-
tungsfähigkeit durch das Flüssigwerden der einfachen Metalle
bei allen eintritt, ist wohl mit Bestimmtheit anzunehmen, da
dies nicht nur bei den 3 hierauf untersuchten — Kalium, Na-
trium, Zinn — der Fall ist, sondern von mir auch bei in der
Kälte starren Amalgamen und leichtflüssigen Legirungen beobach-
tet ist. Bei den letztgenannten ist der Sprung aber sehr viel
kleiner wie beim Zinn — ein Verhalten, welches den Legirungen
überhaupt eigen zu sein scheint und welches vielleicht die eigent-
liche Ursache der geringen Leitungsfähigkeit derselben bildet.
[259] Clausius machte schon darauf aufmerksam1), dass der Leitungs-
widerstand aller reinen Metalle2) der absoluten Temperatur nahe
proportional sei. In der That lassen sich die vorhandenen Diffe-
renzen aus kleinen Ungleichheiten des Leitungswiderstandes bei
0° in Folge von geringen Verunreinigungen und unvollkommener
Weichheit der verglichenen Metalle vollständig erklären. Nur
das Quecksilber machte eine entschiedene Ausnahme. Nach
Analogie des Zinns wird sich aber starres Quecksilber wahr-
scheinlich in hinreichendem Abstande vom Schmelzpunkte eben-
falls den anderen einfachen Metallen anschliessen, die von Clausius
bemerkte Thatsache daher alle reinen Metalle umfassen unter der
Einschränkung, dass der Abstand vom Schmelzpunkte ausreichend
gross sei. Die Abweichungen in der Nähe des Schmelzpunktes
lassen sich als eine allmähliche Einleitung und Vollendung des
Schmelzprocesses auffassen. Es würde hiernach die Leitungs-
fähigkeit aller einfachen Metalle beim absoluten Nullpunkt der
Temperatur unendlich gross sein oder der Leitungswiderstand
wäre eine die Temperatur begleitende und quantitativ direct von
ihr abhängige Erscheinung. Wäre es möglich, diese Abhängigkeit
des Leitungswiderstandes von der Temperatur oder von der im
Körper thätigen Wärmemenge, wie man wohl ohne wesentliche
Abweichung von den Thatsachen sagen kann, auch über den
Schmelzpunkt hinaus nachzuweisen, so liesse sich der Leitungs-
widerstand als eine reine Wärmeerscheinung auffassen, wodurch
ein wichtiges neues Verbindungsglied zwischen den beiden Na-
turkräften — Wärme und Elektricität — gewonnen wäre. Leider
liegen bisher noch zu wenig Untersuchungen über die latente
Wärme der flüssigen Metalle, die Wärmecapacität derselben und
ihre Veränderung mit der Temperatur, so wie auch über den
Leitungswiderstand flüssiger und zu höheren Temperaturgraden
erhitzter Metalle vor, um diesen vermutheten directen Zusammen-
hang nachweisen zu können.


Schliesslich füge ich noch zwei Versuchstabellen bei, welche
den Beweis liefern, dass die Widerstandszunahme sowohl bei
Quecksilber wie bei Kupfer innerhalb des Gefrier- und Siede-
17*
[260] punktes als constant zu betrachten ist. Das Quecksilber war
destillirt und kurz vor dem Gebrauch unter einer Decke von
englischer Schwefelsäure mit einigen Tropfen Salpetersäure bei
fortdauernder Bewegung erhitzt. Die beiden mit diesem Queck-
silber gefüllten Spiralröhren wurden in mit Wasser gefüllte Glas-
gefässe gesetzt, welche mit schlechten Wärmeleitern umgeben
waren. Die Temperatur des einen Gefässes wurde möglichst
constant erhalten, während die des anderen durch Wasserdampf,
welcher hineingeleitet wurde, nach und nach erhitzt wurde. Die
Temperatur wurde durch zwei Geissler’sche Thermometer, welche
1/10 Gradtheilung besassen, abgelesen. Um sicher zu sein, dass
die Temperatur der ganzen Wassermasse gleichmässig war, wurde
dieselbe durch Einblasen von Luft in lebhafter Bewegung er-
halten.


Die mit t1 überschriebene Spalte giebt die Temperatur des
Vergleichswiderstandes, die mit t überschriebene, die auf die
constante Temperatur 17,34 des Vergleichswiderstandes reducirte
Temperatur der erwärmten Spirale. Der zu den Messungen der
folgenden Tabelle benutzte Kupferdraht war etwa ⅕ mm dick
mit Seide umsponnen und auf einen kleinen Rahmen von Hart-
gummi lose aufgewickelt. Die Enden des Drahtes waren an
dicke Kupferdrähte gelöthet, welche den Widerstand 11,9 hatten,
während die Zuleitungen der Quecksilberspirale, welche diesmal
durch Eiswasser constant auf 0° erhalten wurde, nur 1,8 betrug.
[261] Der mit dem Kupferdraht umwickelte kleine Rahmen ward in
ein mit wohl ausgekochtem Oel gefülltes Reagensglas gesteckt,
welches seinerseits in ein mit Wasser gefülltes Gefäss tauchte.
Das Thermometer reichte in den Rahmen hinein, war also von
dem Drahte, dessen Temperatur bestimmt werden sollte, um-
geben. Die Erhitzung des Wassers geschah auf die beschriebene
Weise durch Wasserdampf. Durch Regulirung der Dampfbildung
liess sich die Temperatur im Reagensrohr lange Zeit vollständig
constant erhalten. Der Widerstand der als Vergleichswiderstand
benutzten Quecksilberspirale war bei 0° = 1997,5.


Die mit überschriebene Zahlenreihe, welche durch Di-
vision der in gleicher Höhe stehenden Zahlen der beiden vor-
hergehenden Columnen erhalten sind und die Widerstandszu-
nahme durch Erwärmung um einen Grad angiebt, sind in beiden
Tabellen hinlänglich übereinstimmend und zeigen, dass die Curve
der Widerstandszunahme, sowohl bei Quecksilber wie bei Kupfer
als gerade Linie anzunehmen ist. Dividirt man die mittlere
Widerstandszunahme durch den Widerstand bei 0°, so erhält man
den Coefficienten α, welcher also für Quecksilber = 0,000985
und für Kupfer = 0,00329 ist.


[262]

Sowohl der von mir früher für Quecksilber angegebene
Coefficient 0,00095 wie namentlich der später von Hrn. Schröder
van der Kolk1) mitgetheilte 0,0008 waren also zu klein. Dass
der für Kupfer gefundene Coefficient 0,00329 so beträchtlich
kleiner ist wie der von Arndtsen angegebene 0,0036, kann seinen
Grund darin haben, dass ich käufliches Kupfer von der Leitungs-
fähigkeit 46,7 benutzt habe, während völlig reines, durch Schmel-
zen galvanischen Kupfers unter Wasserstoff dargestelltes, die
Leitungsfähigkeit 56,4 hatte. Was Herrn Matthiessen zu der
am Schlusse seines oben erwähnten Aufsatzes gemachten Aeusse-
rung: dass die gewöhnliche Annahme, die Leitungsfähigkeit des
reinen wie käuflichen Kupfers ändere sich gleichmässig mit der
Temperatur, „weit von der Wahrheit entfernt“ sei, veranlasst
hat, kann ich nicht beurtheilen, da derselbe diesen Ausspruch
nicht auf mitgetheilte Versuche stützt.


[[263]]

Widerstands-Etalon.


(Notiz von Hrn. Poggendorff in Poggendorff’s Ann. d. Phys. u. Chem. Bd. 120 S. 512.)


1863.


Der Wunsch, zur Vereinigung über ein bestimmtes Mass
des Widerstandes gegen den Durchgang elektrischer Ströme bei-
zutragen, hat die genannten Inhaber der rühmlichst bekannten
Telegraphen-Bau-Anstalt veranlasst, eine Anzahl genauer Copien
der von Dr. W. Siemens vorgeschlagenen und dargestellten Ein-
heit des Widerstandes eines Quecksilberprismas von 1 Meter
Länge und 1 mm Querschnitt bei 0° (s. Pogg. Ann. Bd. CX,
S. 1 und Bd. CXIII, S. 91, sowie Phil. Mag. March 1863) anzu-
fertigen und dieselben an Physiker und Telegraphen-Techniker
mit der Bitte zu übersenden, sich ihrer bei Widerstandsbestim-
mungen zu bedienen.


Auch mich hat die Güte des Hrn. S. und H. mit einem
solchen Widerstands-Etalon versehen, begleitet zugleich von einem
anderen in Form von Glasspiralen, die zur Aufnahme von
Quecksilber bestimmt sind. Beide Instrumente, so wie Wider-
standsscalen von 1 bis 10000 Einheiten, nach dem Gewichts-
systeme geordnet, die ebenfalls in gedachter Anstalt verfertigt
werden, entsprechen ihrem Zweck gewiss in hohem Grade und
verdienen daher die weiteste Verbreitung.


[[264]][[265]]

Ueber
Erwärmung der Glaswand der Leydener
Flasche durch die Ladung.


(Monatsber. d. Berlin. Akad. 1864, Oct. Poggendorff’s Ann. d. Phys. u. Chemie Bd. 125 S. 137.)


1864.


Da es mir wahrscheinlich war, dass die Glaswand der
Leydener Flasche durch deren Ladung und Entladung erwärmt
werden müsste, so habe ich mir einen Apparat zusammengestellt,
durch welchen sich schon sehr geringe Erwärmungen mit Sicher-
heit erkennen lassen. Das Resultat der damit angestellten Ver-
suche entsprach meinen Erwartungen vollständig. Die Construc-
tion des Apparates ist folgende: Ich liess feinen Eisen- und
gleich starken Neusilberdraht mit Seide bespinnen. Diese Drähte
wurden darauf in etwa 1 dm lange Stücke geschnitten und je
ein Neusilberdraht mit einem Eisendraht zusammengelöthet. Die
so verbundenen Drähte wurden auf eine mit Kitt aus Kolophonium
und Schellack überzogene Glasplatte gelegt, so dass die Löth-
stellen von 180 Drähten, ohne sich zu berühren, etwa einen
Raum von 1 □ dm einnahmen. Durch Niederdrücken mit einem
erwärmten Eisen wurden die Drähte im Kitt eingeschmolzen und
so auf der Platte befestigt. Nachdem nun die benachbarten freien
Enden der Drähte mit einander verlöthet waren und dadurch
eine Thermosäule von 180 Elementen gebildet war, ward eine
ebenfalls mit Kitt überzogene zweite Glasplatte mit der Kitt-
fläche auf die erste gelegt. Durch vorsichtige Erwärmung wurde
der Kitt zwischen den Glasplatten darauf erweicht und ein Theil
desselben mit den vereinzelten Luftblasen, welche er umschloss,
herausgepresst. Die Thermosäule befand sich mithin jetzt in
einer luftfreien Kittfläche genau in der Mitte einer circa 5 mm
dicken Glasplatte. Der sämmtliche innere Löthstellen bedeckende,
mittlere Theil der Glasplatte wurde nun auf beiden Seiten mit
etwa 1 □ dm grossen Stanniol-Belegungen versehen, welche mit
[266] isolirten Zuleitungsdrähten verbunden wurden. Ebenso wurden
die beiden frei gebliebenen Enden der Thermosäule mit Kupfer-
drähten verbunden, welche zu einem empfindlichen Spiegelgalva-
nometer führten. Der ganze Apparat, mit Inbegriff der äusseren
Löthstellen, wurde sorgfältig vor jeder Temperaturänderung ge-
schützt. Es genügte dann schon eine kurze Folge von Ladungen
und Entladungen mittelst eines Volta-Inductors von etwa 1 Zoll
Schlagweite um die Scale meines Galvanometers aus dem Ge-
sichtsfelde zu treiben, und zwar im Sinne der Erwärmung der
zwischen den Belegungen liegenden Löthstellen. Diese Ablenkung
geht nach Aufhören der Ladungsfolge sehr langsam auf Null
zurück. Erst nach mehreren Stunden verschwindet sie gänzlich.
Sie ist unabhängig von der Richtung des Ladungsstromes und
anscheinend proportional der Zahl der Ladungen und der Schlag-
weite, bis zu welcher die Ladungstafel geladen wurde. Die Be-
wegung der Scale beginnt sofort nach der ersten Ladung und
schreitet dann regelmässig vor. Berührt man dagegen eine
der Belegungen mit dem Finger, so bleibt die Scale noch 2 bis
3 Secunden unbewegt stehen bevor sie ihre Bewegung beginnt,
die gewöhnlich erst ausserhalb des Gesichtsfeldes endet.


Die beobachtete Erwärmung kann weder durch Leitung der
Glasmasse noch durch die Compression derselben durch die
Anziehung der Belegungen, noch endlich durch das Eindringen
der Elektricität in die den Belegungen zunächst liegende Glas-
masse entstehen. Der erste Einwand wird durch die Anordnung
des Apparates und die beschriebenen Versuche direct beseitigt.
Die Erwärmung durch Compression würde durch die auf sie fol-
gende gleich starke Abkühlung durch Expansion ausgeglichen
werden, könnte also keine dauernde Erwärmung hervorbringen,
selbst wenn die äusserst geringe Anziehung dazu ausreichte.
Ebenso wenig kann die Ursache der Erwärmung im Eindringen
der Elektricität in die den Belegungen zunächst liegende Glas-
masse gesucht werden, da die Ablenkung dann nicht sofort,
sondern erst nach Verlauf etlicher Secunden beginnen könnte.
Nimmt man dagegen mit Hrn. Faraday an, dass die Ladung
und Entladung auf einem moleculären Bewegungsvorgang in dem
die Belegungen trennenden Isolator beruhe, so hat die Thatsache
der Erwärmung dieses Isolators nichts Auffallendes mehr.


[[267]]

Zur Frage der Widerstands-Einheit.


(Poggendorff’s Ann. d. Phys. u. Chemie Bd. 127 S. 327.)


1866.


Im Jahre 1860 veröffentlichte ich in diesen Blättern1) eine
Methode, mit deren Hülfe es mir gelungen war, Widerstands-
Etalons genau zu reconstruiren, und mache den Vorschlag, den
Widerstand eines Quecksilberprismas von 1 m Länge und 1 □ mm
Querschnitt, oder den millionenfachen Widerstand eines Queck-
silberwürfels von 1 m Seitenlänge, bei 0° Temperatur, als Ein-
heit des elektrischen Leitungswiderstandes und gleichzeitig den
specifischen Widerstand des Quecksilbers als Einheit des speci-
fischen Widerstandes der Körper anzunehmen. Die Gründe, auf
welche ich meinen Vorschlag stützte, waren kurz zusammenge-
fasst folgende:


Die Aufstellung eines willkürlich gewählten oder sich einem
in der Natur gegebenen mehr oder weniger genau anschliessen-
den materiellen Grundmasses des Widerstandes, welches wie
das Normal-Meter-Mass irgendwo deponirt und durch Copirung
vervielfältigt würde, ist nicht rathsam, da keine Garantie dafür
vorhanden ist, dass der Widerstand desselben sich nicht ändert.


Auch wenn man die Unveränderlichkeit eines solchen Grund-
masses sicher stellen könnte, würde die unvermeidliche häufige
Copirung und Wiedercopirung der Copien, in Verbindung mit
der möglicherweise eintretenden Veränderung ihres Widerstandes,
bald unrichtige Etalons in Cours bringen, wie es mit den Co-
pien des Jacobi’schen Normaletalons in so hohem Grade der
Fall war.


[268]

Das anzunehmende Widerstandsmass muss daher in einer
Definition bestehen oder ein absolutes Mass sein, welches man
jederzeit und überall reconstruiren kann. Als ein solches würde
sich für wissenschaftliche Zwecke vorzugsweise die Weber’sche
dynamische Widerstandseinheit eignen, wenn dieselbe in der
nöthigen Genauigkeit, die ungefähr die des Vergleiches zweier
verschiedener Widerstände sein muss, darstellbar wäre. Da dies
aber voraussichtlich nie der Fall sein wird, so eignet sich die
Weber’sche Einheit selbst nicht zum allgemeinen Widerstands-
masse, wenn es auch selbstverständlich von der grössten Wich-
tigkeit ist, dass das Verhältniss der zu wählenden Einheit zur
Weber’schen so genau wie möglich bestimmt wird. Da bei
der Aufstellung eines allgemeinen Widerstandsmasses die prak-
tischen Vorzüge desselben und nicht die wissenschaftliche Har-
monie des gesammten Masssystems in erster Linie berück-
sichtigt werden müssen, Widerstandsmessungen aber nur in sehr
seltenen, streng wissenschaftlichen Fällen mit dynamischen
Werthen combinirt, in der weit überwiegenden Mehrzahl der
Fälle dagegen zu Vergleichen des Widerstandes von Körpern
verschiedener Grösse, Gestalt oder Art benutzt werden, so ist
ein Widerstandsmass mit körperlicher Grundlage einem dyna-
mischen vorzuziehen.


Aus diesen Gründen empfiehlt sich das von mir vorge-
schlagene Widerstandsmass, bei welchem der Meter als Mass
des Raumes und das Quecksilber als derjenige Leiter, welcher
sich unzweifelhaft am besten zum Mass der Leitungsfähigkeit
eignet, gegeben sind und welches in völlig ausreichender, bei
grosser Sorgfalt fast unbegrenzter Genauigkeit reproducirbar ist.


Eine auf die Sache selbst eingehende Widerlegung dieser
Gründe habe ich bisher nicht gefunden. Dagegen machte Herr
Dr. Matthiessen im Jahre 1861 den Gegenvorschlag, anstatt
Quecksilber eine bestimmte Goldsilber-Legirung dem anzunehmen-
den reproducirbaren Widerstandsmasse zu Grunde zu legen, und
in demselben Jahre ernannte die British association eine Com-
mission, welche über das zweckmässigste Widerstandsmass an
die Gesellschaft berichten sollte.


Wer die grossen Schwierigkeiten praktisch kennen gelernt
hat, die damit verknüpft sind eine Legirung homogen und von
[269] durchaus gleicher Zusammensetzung herzustellen, Drähte anzu-
fertigen, welche ganz gleichen Querschnitt und Härtegrad haben,
bestimmte Längen derselben genau abzumessen ohne eine
Streckung oder Stauchung des Drahtes herbeizuführen, endlich
die Enden desselben so mit den dicken Zuleitungsstücken zu
verlöthen, dass keine Veränderung des Widerstandes des Drahtes
eintritt, wird schon dieser technischen Schwierigkeiten wegen
keine Vorliebe für den Vorschlag des Herrn Matthiessen em-
pfinden. Da er denselben später zu Gunsten des Vorschlages
der Commission der British association — deren Mitglied er
ist — fallen gelassen hat, so kann ich ihn weiterhin unberück-
sichtigt lassen.


Seitens dieser Commission liegen jetzt drei Berichte — pro
1862, 1863 und 1864 — an die Gesellschaft vor. Es wird in
diesen Berichten die Theorie des Weber’schen Masssystems
mit der Ausdehnung auf den Begriff der Einheit der geleisteten
Arbeit, welche W. Thomson ihm gegeben hat, in einer sehr
klaren Weise auseinandergesetzt. Der grosse wissenschaftliche
Werth der allgemeinen Einführung dieses „systematischen und
cohärenten“ Masssystems wird überzeugend geschildert, die von
W. Thomson vorgeschlagene Methode der Bestimmung der
Einheit entwickelt und der Gang und die Resultate der
angestellten Experimente eingehend auseinandergesetzt. Die
Namen W. Thomson und Clerk Maxwell sind hinlängliche
Bürgschaft für den hohen wissenschaftlichen Werth dieser Ar-
beiten. In der That ist es gelungen, die Genauigkeit der Be-
stimmung eines Widerstandes in absoluten Weber’schen Ein-
heiten, in Vergleich mit der, welche früher von W. Thomson
und W. Weber erreicht wurde, beträchtlich zu erhöhen. Die
Commission ist aber trotzdem zu der Ueberzeugung gelangt, dass
das Weber’sche Widerstandsmass selbst sich zur Widerstands-
einheit nicht eignet. Sie macht schon in ihrem ersten Berichte
den Vorschlag: einen materiellen Widerstandsetalon als Grund-
mass des Widerstandes anzunehmen, welcher dem Werthe 1010
Weber’sche Einheiten oder 107 so genau entspräche,
wie es mit unseren jetzigen Hülfsmitteln zu bestimmen möglich
ist. Dieses materielle Grundmass soll unveränderlich fest
[270] bleiben und unter dem Namen Einheit der B. A. oder Ohmad
das künftige allgemeine Widerstandsmass bilden. Von Zeit zu
Zeit sollen dann neue Bestimmungen dieser Einheit in Weber’-
schen absolutem Masse angestellt und Reductionscoefficienten
zur Benutzung bei Rechnungen mit dynamischen Werthen publi-
cirt werden. Dem Einwande, dass der Widerstand des Normal-
Etalons sich ändern könne, glaubt das aus den Herren Prof.
Maxwell, Dr. Matthiessen und Fleeming Jenkin be-
stehende Subcomité, welches mit der Anfertigung der Normal-
Etalons und der davon zu entnehmenden Copien betraut ist, da-
durch begegnet zu haben, dass es 10 verschiedene Normaletalons
aus Legirungen edeler Metalle und aus Quecksilber hergestellt
hat und die Copien aus einer Legirung von Silber mit Platin
anfertigt. Nach Dr. Matthiessen’s Untersuchungen soll der
Widerstand dieser Legirungen keiner Aenderung unterworfen
sein, während er bei anderen Metallen und Metalllegirungen we-
sentliche Aenderungen im Laufe zweier Jahre gefunden hat.


Ich will die eben angeführten Beobachtungen Dr. Mat-
thiessen’s
keineswegs in ihrem Werthe unterschätzen, glaube
aber nicht, dass sein Ausspruch, dass die Legirungen von Silber
mit Gold oder Platin sich nicht ändern, schon als so feststehend
und unbedingt gültig anzusehen ist, um darauf ein für alle Zeit
feststehendes Normalmass des Widerstandes begründen zu kön-
nen! Auffallend ist es, dass Dr. Matthiessen bei Neusilber
so beträchtliche Aenderung der Leitungsfähigkeit in kurzen Zeit-
abschnitten beobachtet hat, während ich gerade diese Legirung
besonders constant gefunden habe. Es zeigt dies, dass bei der
Veränderung der Leitungsfähigkeit noch viele unbekannte Fac-
toren auftreten, die erst durch längeres Studium ermittelt wer-
den können. Der von Dr. Matthiessen angeführte Beweis,
dass die Gold-Silberlegirung sich nicht ändern könne, da man
niemals beobachtet habe, dass eine goldene Kette brüchig ge-
worden sei, kann wohl kaum ernsthaft gemeint sein! Es mag
aber gern zugegeben werden, dass die Aenderung des Wider-
standes der Normaletalons so wie der Copien so klein sein wird,
dass sie ohne praktische Bedeutung für unsere gegenwärtigen
Untersuchungen ist. Das Normalmass der B. A. soll aber auch
späteren Zeiten dienen, in denen wahrscheinlich unendlich viel
[271] höhere Ansprüche an die Genauigkeit eines Masses gestellt
werden, wie wir es thun. Aus diesem Grunde ist es schon sehr
bedenklich, dass die Commission 10 Normaletalons anstatt eines
einzigen aufgestellt hat, wenn sie auch — wie angegeben ist —
gegenwärtig bis auf 0,03 Proc. mit einander übereinstimmen.
Ginge ferner die Uebereinstimmung des Werthes der B. A. Ein-
heit mit der 107 Einheit auch wirklich bis auf 0,1 pCt.,
wie im Bericht pro 1864 behauptet wird, so wäre dieselbe doch
immer noch viel zu gering, um die Einheit der B. A. auch
künftig als gleichwerthig mit der 107 Einheit erschei-
nen zu lassen. Muss aber einmal ein Reductionscoefficient be-
nutzt werden, so ist es ganz gleichgültig, ob derselbe etwas
mehr oder weniger von Eins verschieden ist! Es ist übrigens
noch keineswegs nachgewiesen, dass diese behauptete grosse
Uebereinstimmung der B. A. Einheit mit der 107 Ein-
heit auch wirklich stattfindet. Der Anblick, der im Rapport für
1864 gegebenen Versuchs-Tabelle1) lehrt, dass zwischen den zu
einem Paare combinirten beiden Zahlenwerthen Differenzen be-
stehen, welche bis über 8 pCt. betragen! Auch die mittleren
Werthe dieser Paare differiren noch bis zu 1,4 pCt. Wodurch
das Subcomité sich für berechtigt hält, bei einer so grossen Ver-
schiedenheit der einzelnen Messungen auf einen wahrscheinlichen
Fehler von nur 0,1 pCt. zu schliessen, weiss ich nicht. Welche
Methode man auch zur Berechnung des mittleren Werthes der
gegebenen Zahlen anwenden mag, man wird durch Fortlassen
einiger sehr abweichender Messungen oder auch einiger mittlerer
Werthe zu weit grösseren Unterschieden kommen. Meiner An-
sicht nach liegt die Sicherheit nur innerhalb der nicht als fehler-
haft verdächtigen und deshalb verworfenen Zahlenwerthe. Ist es
aber schon unmöglich, aus den vorliegenden Versuchsreihen auf
eine so genaue Uebereinstimmung des Werthes der B. A. Ein-
heit mit der wahren 107 Einheit, wie das Subcomité sie
annimmt, zu schliessen, so stellt sich die wahrscheinliche Ver-
schiedenheit als noch viel grösser heraus, wenn man bedenkt,
[272] dass die Werthe der Tabelle mit demselben Apparate unter An-
wendung derselben Constanten und Corrections-Coefficienten und
durch dieselben Beobachter erlangt sind. Es ist zwar ange-
geben, dass die Bestimmung der Constanten bis auf 0,0001
genau gewesen wäre; man muss aber annehmen, dass dies nur
in Folge bestimmter individueller Handgriffe und willkürlich ge-
wählter Methoden der Messung erreicht ist. Bekanntlich ist es
ganz unmöglich, einen weichen übersponnenen Draht zu einer
einigermassen runden und festen Drahtrolle aufzuwinden, ohne
dass er sich ansehnlich streckt. Diese Streckung schwankt mit
der Dicke des Drahtes und der Grösse der Drahtspannung beim
Aufwinden zwischen 1 und 6 pCt. Es dürfte demnach kaum
möglich sein, mit einiger Sicherheit auf die wirkliche Länge des
aufgewundenen Drahtes bis auf ½ pCt. zu schliessen. Die
effective Länge ist aber auf 311,2356 Meter angegeben! Es ist
ferner unmöglich, eine Rolle von übersponnenem Drahte rund
und concentrisch zu wickeln. Der Umfang, der mittlere Radius,
die Dicke der Umwindungsschicht sind mithin unmöglich genau
zu bestimmen. Dennoch sind diese Werthe bis auf Tausendstel
Millimeter angegeben und sollen bis auf ein Zehntausendstel
ihrer Grösse zuverlässig sein! Ob das magnetische Moment des
aufgehängten Magnetes und die augenblickliche horizontale Com-
ponente des Erdmagnetismus sich bis auf denselben Grad von
Genauigkeit bestimmen lassen, mag hier unerörtert bleiben. Ich
halte es nicht für möglich.


Ich bin, wie schon gesagt, weit entfernt davon, die Be-
hauptung aufzustellen, dass die Messungen nicht wirklich in der
angegebenen Genauigkeit gemacht wären, sie können aber nur
das Resultat von Proceduren sein, die keine allgemeine Gültig-
keit haben.


Bevor nicht die Versuche an anderen Orten, mit ganz neuen
Instrumenten und von ganz anderen Experimentatoren wiederholt
sind und durch die Vergleichung der dann erhaltenen Resultate
mit denen des Subcomité’s der Beweis geführt ist, dass eine
grössere Uebereinstimmung erreicht ist, halte ich mich zu der
Behauptung berechtigt, dass die Einheit der B. A. höchstens
innerhalb einiger Procente mit der 107 Einheit überein-
stimmt.


[273]

Ich kann aus diesen Gründen meine oben recapitulirten Be-
denken gegen die Annahme der materiellen Etalons des Sub-
comités als Grundlage des allgemeinen Widerstandsmasses nicht
für erledigt erachten. Dabei verkenne ich nicht im Mindesten
den hohen Werth der durch die British association veranlassten,
möglichst genauen Bestimmung der Weber’schen Widerstands-
einheit, bin im Gegentheil der Ansicht, dass der Wissenschaft
durch diese werthvolle Arbeit ein wesentlicher Dienst erwiesen
ist. Ich glaube aber, die Commission hätte besser gethan, nach-
dem sie sich überzeugt hatte, dass die Weber’sche absolute
Einheit selbst sich zum Normalmasse nicht eignete, keine neue
willkürliche Einheit aufzustellen, sondern die von mir vorge-
schlagene Quecksilber oder kürzer m . Hg-Einheit
mit aller für derartige Arbeiten nöthigen Sorgfalt darzustellen,
diese schon sehr allgemein verwendete und dem praktischen Be-
dürfnisse besonders entsprechende Einheit in genauen Copien zu
verbreiten und den Reductionscoefficienten derselben auf Weber
sches dynamisches Mass so genau wie möglich festzustellen.
Das Comité würde dadurch in Uebereinstimmung mit dem Vor-
schlage Kirchhoff’s, dem es sich in dem ersten Berichte an-
schliessen zu wollen erklärte, geblieben sein, da Kirchhoff
sich in seinem im Appendix dieses Berichtes abgedruckten
Briefe für Beibehaltung beider Masse erklärte und nicht für
die unbedingte und ausschliessliche Annahme des Weber’schen,
wie später behauptet ist, eine Ansicht, für welche auch Wilhelm
Weber
selbst dem Verfasser gegenüber sich aussprach. Dass
die m . Hg-Einheit bei einer solchen sorgfältigen Bestimmung
durch das mit den reichen Mitteln der British association ausge-
rüstete und über so hervorragende Kräfte gebietende Comité
vollständig den jetzt erforderlichen Grad der Genauigkeit, d. i.
den der Vergleichung zweier verschiedener Widerstände, erreicht
haben würde, zeigen sowohl meine ursprünglichen Versuche,
wie namentlich die späteren, mit grösserer Sorgfalt angestellten
Messungen des Hrn. Sabine1). Bei künftigen weiteren Fort-
schritten in der Genauigkeit physikalischer Messungen wird frei-
18
[274] lich immer wieder eine genauere Reproduction der m . Hg-Einheit
nothwendig werden, es kann dies aber kaum eine merkliche
Störung hervorbringen, da die wahre Grösse der Einheit un-
zweifelhaft feststeht, da die bei der Reproduction sich heraus-
stellenden Differenzen bei gewöhnlichen Widerstandsmessungen
wegen ihrer Geringfügigkeit unberücksichtigt bleiben können und
da für exacte Messungen eine häufige Controle der benutzten
Widerstandsetalons, ihrer wahrscheinlichen Aenderung wegen,
doch unvermeidlich ist.


Leider hat die Commission diesen von mir ihr vorgeschla-
genen Weg nicht betreten, die mit der Anfertigung der British
association Einheit und der zu verbreitenden Copien derselben
betrauten Mitglieder des Subcomité’s, die Hrn. Dr. Matthiessen
und Fleeming Jenkin, haben im Gegentheil sowohl in den
erwähnten Berichten an die British association, wie in besonderen
noch näher zu beleuchtenden Aufsätzen1), meinen Vorschlag in
einer Weise angegriffen, welche bisher bei wissenschaftlicher
Kritik nicht gebräuchlich war. Der gemeinsam von ihnen be-
folgte Plan besteht darin, meinen Vorschlag nicht mit Gründen
zu bekämpfen, sondern meine Arbeiten als unzuverlässig und
zweifelhaft darzustellen.


Hr. Dr. Matthiessen stellt die beiden Thesen auf:


  • 1. „dass keine wahre Quecksilber-Einheit je aufgestellt ist“
    und
  • 2. „dass die von Zeit zu Zeit aufgestellten Einheiten nicht
    denselben Werth repräsentiren“.

Beide Sätze will er dadurch rechtfertigen, dass ich nicht
das richtige specifische Gewicht des Quecksilbers in Rechnung
gezogen hätte, dass zwei Widerstandsscalen, welche in der
Londoner Ausstellung pro 1862 ausgestellt waren, um 1,2 pCt. von
einander differirt hätten, dass in meinen ersten Bestimmungen
der m . Hg-Einheit Differenzen von 1,6 pCt. vorhanden wären
und dass seine eigenen Versuche mit den meinigen nicht überein-
stimmten.


Die erste Behauptung betreffend, so übersieht Hr. Mat-
thiessen
, dass das von mir vorgeschlagene Widersandsmass
[275] in einer Definition besteht, also ein absolutes ist. Dass die von
mir dargestellten Widerstandsetalons dieser wahren Einheit völlig
entsprächen, habe ich nie behauptet, im Gegentheil wiederholt
den Wunsch ausgesprochen, dass sich bald in exacten Messungen
geübtere Physiker der Mühe unterziehen möchten, auf dem von
mir angegebenen, sehr einfachen und sicheren Wege Etalons her-
zustellen, welche mit der gegebenen Definition so genau überein-
stimmten, wie es mit unseren jetzigen Hülfsmitteln zu erreichen
ist. Hr. Matthiessen wäre zu seiner Behauptung nur berech-
tigt, wenn meine Definition zweifelhaft oder wenn die angegebene
Methode unzuverlässig oder fehlerhaft wäre. Beides ist von ihm
nicht nachgewiesen, auch nicht einmal behauptet. Ist die von
ihm aufgestellte Thesis aber auch unzweifelhaft falsch, so gebe
ich ihm dagegen gern zu, dass das von mir in Rechnung ge-
zogene specifische Gewicht des Quecksilbers nicht richtig ist.
Als ich im Jahre 1858 die ersten Versuche darüber anstellte,
ob sich die m . Hg-Einheit in hinreichender Genauigkeit darstellen
liesse, fand ich die Zahl 13,557 und nahm sie als richtig an, da
sie von anderer Seite durch directe Vergleichung der Höhe der
Quecksilber- und Wassersäule in communicirenden Röhren Be-
stätigung fand. Leider ist auch bei den späteren, mit grösserer
Sorgfalt und verbesserten Instrumenten ausgeführten Repro-
ductionen der m . Hg-Einheit dieser Coefficient beibehalten und
nicht die Regnault’sche Zahl 13,596 angenommen, deren Rich-
tigkeit seitdem von mehreren Seiten bestätigt ist. Hiernach sind
in der That die bisher angefertigten Etalons um 0,287 pCt. zu
gross1). Nimmt man den Coefficienten der Zunahme des speci-
fischen Leitungswiderstandes des zu den Widerstandsetalons be-
nutzten Neusilberdrahtes = 0,00272 an2), so repräsentiren die-
selben die m . Hg-Einheit nicht bei der auf ihnen vermerkten,
18*
[276] sondern bei einer um 10°,5 C. niedrigeren Temperatur. Es ist
ein unbestreitbares Verdienst des Hrn. Matthiessen, zu dieser
Berichtigung Veranlassung gegeben zu haben, die übrigens, wie
schon hervorgehoben, mit der Beurtheilung des Werthes der
m . Hg-Einheit gar nichts zu thun hat.


Hr. Matthiessen behauptet ferner, dass die von Zeit zu
Zeit aufgestellten m . Hg-Einheiten nicht denselben Widerstand
repräsentirten. Dass die m . Hg-Einheit in meinem Laboratorio
in drei verschiedenen Zeitperioden dargestellt ist und jedesmal
eine grössere Annäherung an den wirklichen Werth gefunden
hat, ist Hrn. M. bekannt. Hr. Sabine hat die Abweichungen
dieser drei Reproductionen in folgender Tabelle zusammengestellt:

Die grössten Differenzen zwischen der ersten und dritten
Darstellung erreicht mithin noch nicht 0,1 pCt. und nicht nahe
2 pCt., wie behauptet ist. Nach der ersten Bestimmung sind
nur einige für den eigenen Gebrauch bestimmte Etalons und
Widerstandsscalen angefertigt. Ebenso sind nur Widerstands-
scalen für technische Benutzung nach den Werthen der ersten
Reproduction angefertigt und in den Verkehr gekommen. Erst
den mittleren Werth der dritten Bestimmung habe ich zur An-
fertigung von etwa 100 Etalons von je einer Einheit benutzt,
welche ich unter mir bekannten, namhaften Physikern, Technikern
und wissenschaftlichen Instituten vertheilt habe, um die allge-
meine Annahme eines rationellen Widerstandsmasses dadurch
zu befördern.


Diese Etalons waren bei ihrer Versendung genau gleich und
sind, falls sie sich nicht verändert haben, bis auf 0,05 pCt. mit
der wahren m . Hg-Einheit übereinstimmend, wenn sie, wie schon
gesagt, bei einer um 10°,5 C. niedrigeren Temperatur gemessen
werden, wie auf ihnen angegeben ist. Andere Widerstandsetalons,
wie die von den HH. Matthiessen und Jenkin mit Siemens
[277] 1864 bezeichneten, sind von mir nicht ausgegeben. Hr. Mat-
thiessen
stützt seine Behauptung, dass die von mir aufgestellten
Einheiten nicht denselben Widerstand repräsentirten, auf Messungen,
die Hr. Jenkin, welcher als Juror der Londoner Ausstellung von
1862 functionirte, an zwei nach dem Gewichtssysteme eingerich-
teten, von 1 bis 10000 Einheiten reichenden Widerstandsscalen
angestellt hat. Ob Hr. Jenkin richtig gemessen hat, als er
zwischen diesen Scalen eine Differenz von 1,2 pCt. fand, weiss
ich nicht. Ganz unbegreiflich ist es mir aber, wie Hr. Dr. Mat-
thiessen
derartige, technischen Zwecken dienende Widerstands-
scalen mit Massetalons in eine Linie stellen und wie er eine so
schwere Anschuldigung, wie er sie vorgebracht hat, ausschliess-
lich auf die uncontrolirte Aussage eines Ausstellungsjurors basiren
kann! Er sollte doch wissen, dass Berührungstellen fester Metalle
stets einen veränderlichen Widerstand hervorbringen, dass also
die 20 Stöpselcontacte, welche der Strom bei diesen Scalen ganz
oder theilweise durchlaufen muss, einen nachtheiligen Einfluss
auf die Genauigkeit der Widerstandsangaben ausüben müssen.
Er sollte ferner die grossen Schwierigkeiten, die sich anfänglich
der fehlerfreien Summirung von 10000 Einheiten entgegenstellten,
zu würdigen wissen. Die eine dieser Scalen, von Hrn. Mat-
thiessen
mit Siemens (London) bezeichnet, war eine der
ersten, bereits im Jahre 1859 nach einer noch unvollkommenen
Summirungsmethode zum eigenen technischen Gebrauche ange-
fertigten, nach dem Gewichtssyteme eingerichteten Widerstands-
scalen. Sie bildete den einen Widerstandszweig einer soge-
nannten Messbrücke, mit welcher die Widerstandsmessungen
während und nach der Legung des Kabels durch das rothe Meer
nach Indien ausgeführt waren, und fand wegen des sich an diese
erste Messbrücke knüpfenden historischen Interesses Aufnahme
in den Ausstellungsräumen, da mit ihrer Hülfe die bis dahin ge-
bräuchlichen nichtssagenden Stromangaben bei submarinen Kabeln
zuerst in exacte Widerstandsangaben verwandelt wurden. Diese
älteren Messbrücken wurden später von Neuem regulirt und mit
den nach einer verbesserten Summirungsmethode angefertigten,
von den HH. Matthiessen und Jenkin mit Siemens (Berlin)
bezeichneten Widerstandsscalen übereinstimmend gemacht. Herr
Matthiessen behauptet nun aber, dass auch diese später ange-
[278] fertigten Widerstandsscalen um etwa 0,5 pCt. grösser gewesen
wären, wie die 1864 von mir ausgegebenen Widerstandsetalons.
Er schliesst dies aus dem Widerstande eines Kupferdrahtes,
welchen Hr. Jenkin während der Ausstellung von 1862 mit
dem der Scalen verglichen habe. Welche Temperatur der
Kupferdraht bei beiden, vier Jahre aus einander liegenden
Messungen hatte, ist nicht angegeben. War dieselbe nur um
1½ °C. verschieden, so erklärt sich dadurch die Differenz voll-
ständig! Jedenfalls waren die HH. Matthiessen und Jenkin
nicht berechtigt, eine einzelne, von ihnen selbst angestellte, so
zweifelhafte und unsichere Bestimmung dazu zu benutzen, in allen
Tabellen der Berichte des Comité’s sowie in ihren eigenen Mit-
theilungen neben der Columne „Siemens 1863“ noch die beiden
anderen: Siemens (Berlin) und Siemens (London) aufzuführen
und dadurch den unrichtigen Schein zu verbreiten, als coursirten
in der That von mir ausgegebene Etalons der m . Hg-Einheit
von so verschiedenem Widerstande!


Eine ähnliche Bewandtniss hat es mit der mehrfach wieder-
holten Behauptung, dass zwischen meinen Bestimmungen der
m. Hg-Einheit Differenzen von 1,6 pCt. beständen, dies also die
zu erreichende Grenze der Genauigkeit wäre. Es kommt aller-
dings in meiner ersten, 1860 publicirten Arbeit über diesen Ge-
genstand eine solche Differenz vor. Ich habe aber damals auch
den Grund angegeben, nämlich Temperaturschwankungen des
zum Vergleich dienenden Kupferdrahtes bis 3 °C. und des mit
Quecksilber gefüllten Normalrohrs bis 2 °C. Es waren ferner
absichtlich wenig cylindrische Röhren gewählt, da die beschrie-
benen Versuche nicht den Zweck hatten, Normaletalons darzu-
stellen, sondern den Beweis zu führen, dass die vorgeschlagene
Methode zu einer solchen Darstellung geeignet sei. Für den
praktischen Gebrauch war damals eine Genauigkeit von ½ pCt.
ausreichend. Ist doch Hr. Matthiessen selbst in jener Zeit mit
Werthangaben für die Leitungsfähigkeit der Metalle zufrieden,
welche mehrere Procente von einander abweichen.


Die von mir ausgegebenen Widerstandsetalons sind sämmt-
lich nach den Werthen der dritten, durch Hrn. Sabine ausge-
führten Reproduction regulirt. Ein Blick auf diese nachfolgend
abgedruckte Arbeit wird die Ueberzeugung geben, dass dieselbe
[279] mit grösster Sorgfalt durchgeführt wurde, und dass die von mir
behauptete Uebereinstimmung der angefertigten Etalons mit der
wahren m . Hg-Einheit innerhalb 0,05 pCt. nicht auf zweifel-
haften Mittelwerthen beruht, sondern, dass sämmtliche Normal-
röhren innerhalb dieser Grenze das gleiche Resultat geben. Diesen
Messungen stellt Hr. Matthiessen nun seine eigenen gegen-
über, welche einen um 0,8 Procent grösseren Werth gegeben
haben. Einen Grund für diese Abweichung oder für die
Unzuverlässigkeit meiner Methode oder der Sabine’schen
Messungen hat er nirgends angegeben. Mindestens hätte er seine
Arbeit dann aber mit gleicher Sorgfalt anstellen und die be-
nutzte Methode, wenn er sie nicht vollständig befolgen wollte,
nicht in wesentlichen Punkten verschlechtern dürfen! Hr Mat-
thiessen
wendet eine Correctionsformel für die conische Form
der Röhren an, welche grössere Abweichungen giebt, wie die
meinige, da er sich das Rohr aus cylindrischen Stücken anstatt
aus conischen zusammengesetzt vorstellt. Dadurch wird der be-
rechnete mittlere Querschnitt kleiner, der berechnete Widerstand
des Rohres mithin zu gross. Ferner füllt er das Rohr durch
Eintauchen in eine mit Quecksilber gefüllte Rinne und hebt es
aus diesem Bade, indem er seine Enden zwischen zwei Finger
presst. Natürlich werden dadurch die Rohrenden mit der weichen
Haut seiner Fingerspitzen anstatt mit Quecksilber ausgefüllt, wo-
durch der Inhalt des Rohres zu klein, der berechnete Wider-
stand mithin zu gross wird. Eine Unrichtigkeit in gleichem
Sinne kann möglicherweise auch noch daraus hervorgegangen
sein, dass Hr. Matthiessen die Vorsicht nicht befolgt hat, die
zu vergleichenden Widerstände bei jeder Messung durch einen
Commutator zu verwechseln und nur diejenigen Messungen als
zuverlässig zu betrachten, welche sich zu 1000 ergänzen. Ohne
diese Vorsicht erhält man sehr leicht falsche Messungen durch
Erwärmung des dünnen Platindrahtes der Brücke.


Sollten diese von Hrn. Matthiessen bei seiner Reproduction
begangenen Fehler auch den bedeutenden, von ihm gefundenen
Unterschied von 0,8 pCt. noch nicht vollständig erklären, so
genügen sie doch, um zu zeigen, wie gering der Grad von Sorg-
falt war, welchen er bei derselben aufgewendet hat. Als ein
Beweis der Unrichtigkeit meiner Messungen und namentlich der
[280] sehr viel umfassenderen und genaueren Bestimmungen des Hrn.
Sabine können sie keinenfalls gelten.


Hr. Jenkin bringt in seinem Aufsatze „Ueber die neue
von der B. A. adoptirte elektrische Widerstandseinheit1)“ keine
neuen Gesichtspunkte, verwerthet aber die schon behandelten
Schlussfolgerungen und Versuche des Hrn. Matthiessen in noch
ausgedehnterer Weise wie dieser. Von Interesse ist seine Mit-
theilung, dass vier von den von mir 1864 vertheilten Etalons
der m . Hg-Einheit von vier verschiedenen Beobachtern mit vier
Copien der B. A. Einheit verglichen sind und die Werthe 1,0456;
1,0455; 1,0456 und 1,0457 ergeben haben. Es ist mithin der
mittlere Werth dieser Beobachtungen oder 1,0456 multiplicirt
mit dem Correctionscoefficienten für das richtige specifische Ge-
wicht des Quecksilbers also .·1,0456 oder 1,0486 der
Werth einer Einheit der B. A. in m . Hg-Einheiten oder
1 m Hg E = 0,9536 B. A. E.


Bei der nachgewiesenen, noch bestehenden Unsicherheit des
Verhältnisses der B. A. U. zur 107 Einheit kann man
mithin gegenwärtig einen in m . Hg Einheiten ausgedrücktan
Widerstand durch Abzug von 5 pCt. möglichst genau in
1010 faches Weber’sches Mass oder 107 faches Mass
verwandeln.


Die historische Uebersicht über die Reihenfolge der Vor-
schläge von Widerstandsmassen und die Fortschritte im Gebiete
der Widerstandmessungen, welche Hr. Jenkin seinem Aufsatze
vorausschickt, veranlasst mich noch zu einigen Bemerkungen zur
Berichtigung mich betreffender Irrthümer und Uebergehungen.


Vollständige Widerstandsscalen, von 1 bis 100 reichend, mit
dem Widerstande eines Kupferdrahtes von einer Linie Durch-
messer und einer geographischen Meile Länge bei 20 °C. als
Einheit, sind bereits seit 1848 in grosser Zahl in dem Berliner
Etablissement von Halske und mir angefertigt, vielfach beschrieben
und weit verbreitet. Hr. Jenkin sagt: „Bis zum Jahre 1850
waren Widerstandsmessungen bis auf wenige Ausnahmen auf das
[281] Laboratorium beschränkt; als aber zu dieser Zeit unterirdische
und bald darauf unterseeische Telegraphenleitungen eingeführt
wurden, erkannte bald der praktische Ingenieur, von welchem
Vortheil ihm bei der Untersuchung und Einrichtung die Kennt-
niss der Elektricitätsgesetze wäre“. Es sollte Hrn. Jenkin be-
kannt sein, dass bereits in den Jahren 1847 und 1848 unterir-
dische Leitungen von bedeutender Länge in Deutschland gebaut
waren. Bei der Herstellung dieser Leitungen und bei der Aus-
führung der leider oft nothwendigen Fehlerbestimmungen nach
den von mir beschriebenen Methoden hatte der praktische In-
genieur schon damals vielfach Gelegenheit, genaue Widerstands-
messungen anzustellen und den Nutzen der Kenntniss der Natur-
gesetze schätzen zu lernen! Vollständige, nach dem Gewichts-
systeme eingerichtete Widerstandsscalen von 1 bis 10000 Ein-
heiten m . Hg wurden schon im Jahre 1859 vielfach bei den
Kabelprüfungen, die meinem Bruder Wilhelm und mir in Eng-
land oblagen, benutzt. Es wird Hrn. Jenkin noch in der Er-
innerung sein, dass er selbst die Prüfungen des indischen Kabels
in Birkenhead unter meiner Leitung mit Hülfe solcher Scalen
ausführte. Er hätte in seiner „historischen Uebersicht“ nicht
vergessen sollen hervorzuheben, dass bereits in unserem Berichte
über das Rothe-Meer-Kabel im Jahre 1859 die Leitungs- und
Isolationsverhältnisse desselben in m . Hg-Einheiten angegeben
waren, und dass die von uns hierbei befolgte Methode den Wider-
stand zu messen, welchen die isolirende Hülle dem elektrischen
Strome entgegensetzt, und denselben mit dem aus dem specifi-
schen Widerstande des isolirenden Materials berechneten Wider-
stande zu vergleichen, die Grundlage des von uns eingeführten,
rationellen Kabelprüfungssystems bildet, welches mit geringen
Abweichungen in Methoden und Instrumenten noch jetzt allge-
mein in Anwendung ist. Hr. Jenkin hätte ferner den Vortrag1)
meines Bruders in der 18. Sitzung der British association nicht
ganz mit Stillschweigen übergehen sollen, in welchem unser
System der Kabelprüfungen vor, während und nach der Legung
und der Fehlerbestimmung durch Widerstandsmessungen er-
[282] schöpfend behandelt ist. Dass ausser den von mir aufgestellten
Fehlerbestimmungsmethoden noch andere vorhanden sind, ist mir
bisher nicht bekannt geworden. Hinsichtlich der m . Hg-Einheit
giebt Hr. Jenkin Marié Davy — ohne Anführung eines Pu-
blicationscitates — die Ehre des Vorschlages des Quecksilbers,
als „eines für ein Normalmass passenden Materials“, und vindi-
cirt mir nur das Verdienst, „dass meine mit grösster Sorgfalt
angefertigten Rollen und Apparate die Beobachtung einer stricten
Genauigkeit wesentlich gefördert hätten“. Er verschweigt dabei,
dass diejenigen, welche schon früher auf Quecksilber als ein ge-
eignetes Material aufmerksam gemacht haben, keine Methode an-
gaben, mit deren Hülfe sich genaue Etalons vermittels Queck-
silbers darstellen liessen.


Hr. Jenkin wird selbst zugeben müssen, dass seine „historische
Uebersicht“ merkwürdig unvollständig ist!


[[283]]

Ueber
das Bewegungsgesetz der Gase in Röhren.


(Auszug aus: Ueber die pneumatische Depeschenbeförderung in Berlin.
Ztschr. d. deutsch-österr. Telegr.-Vereins Bd. 13.)


1866.


Die Frage, ob die Beförderung von Briefen, Depeschen etc.
durch Röhren vermittelst pneumatischen Druckes in grösserem
Massstabe mit Nutzen anwendbar ist, und welches die vortheil-
hafteste Construction der Röhrenleitung, der Stationseinrichtung,
der Behälter für zu befördernde Gegenstände und endlich des
pneumatischen Apparates ist, hängt wesentlich von dem Gesetze
der Bewegung der Luft in den Röhren ab. Ohne dieses genau
zu kennen, ohne die Grösse der Einwirkung der verschiedenen
die Geschwindigkeit der Luftbewegung in allen Theilen der
Rohrleitung bedingenden Factoren zu kennen, hat man keine
bestimmte Basis für die Construction und tappt im Finstern.
Es giebt nun zwar eine Menge von Formeln für die Bewegung
von Gasen in Röhren; sie sind aber sämmtlich nur auf Er-
fahrungen gestützt, welche bei sehr geringem Druck und ver-
hältnissmässig sehr weiten Röhren gewonnen sind, und erweisen
sich für engere Röhren und grössere Druckdifferenzen, wie sie
zur Erzielung ansehnlicher Geschwindigkeit nothwendig sind, als
unzureichend. Es war daher nöthig, vorerst das Bewegungs-
gesetz der Gase in Röhren auf experimentellem Wege zu er-
mitteln.


Die Versuche konnten natürlich in der kurzen disponiblen
Zeit nicht mit voller wissenschaftlicher Strenge durchgeführt
werden. Man musste sich auf Röhren von geringem Durch-
messer und geringer Länge beschränken und die Druckdifferenz
[284] konnte das Maximum von ⅓ Atmosphäre nicht überschreiten.
Da es sich jedoch hier um einen praktischen Zweck handelte,
so waren die auf diese Weise erreichbaren Näherungsformeln
völlig ausreichend. Die benutzte Methode war folgende:


Es wurden gezogene Bleiröhren von verschiedenem Durch-
messer und verschiedener Länge verwendet. Durch eine Pumpe
mit Schwungrad und Kurbel, welche entweder als Saug- oder
als Druckpumpe oder gleichzeitig als Saug- und Druckpumpe
benutzt werden konnte, wurde die Luft in einem im Verhältniss
zum Volumen des Pumpenstiefels grossen Reservoir verdünnt oder
verdichtet. Das Reservoir communicirte durch das Rohr, in
welchem die Geschwindigkeit der Luft gemessen werden sollte,
mit der Atmosphäre. Der im Reservoir befindliche Druck
wurde durch ein Quecksilbermanometer gemessen. Es war nun
leicht, die Kurbel der Pumpe so schnell zu drehen, dass der
Druck im Reservoir eine constante Grösse beibehielt, dass also
in derselben Zeit stets eine gleiche Menge Luft in das Reservoir
gepumpt wurde, wie das Rohr abführte, oder umgekehrt. Das
Rohr endete in einen sorgfältig construirten Gasmesser, welcher
genau die Luftmenge angab, die in einer gewissen Zeit das Rohr
passirte. Die gemessene Luftmenge, dividirt durch den Quer-
schnitt des Rohres, ergab nun die Geschwindigkeit, mit welcher
die Luft von atmosphärischer Dichtigkeit aus dem Rohre in den
Gasmesser trat, wenn im Reservoir ein höherer Druck herrschte,
oder umgekehrt die Geschwindigkeit, mit welcher sie in das Rohr
eintrat, wenn die Pumpe saugend wirkte. Da stets dieselbe Luft-
masse in derselben Zeit aus- und eintreten muss, wenn die Strömung
eine gleichförmige geworden ist, so kann man aus der gemessenen
Luftmenge vermittelst des Mariotte’schen Gesetzes leicht die
Geschwindigkeit derselben am entgegengesetzten Ende der Rohr-
leitung berechnen. War z. B. die Luft im Reservoir auf ½ Atmo-
sphäre verdünnt, und ergab sich die Geschwindigkeit der Luft von
atmosphärischer Spannung beim Eintritt in das Rohr gleich 50 Fuss,
so musste dasselbe Luftquantum beim Austritt in das Reservoir
das doppelte Volumen annehmen, die Geschwindigkeit musste
daher hier 100 Fuss gross sein. Ebenso konnte man die Ge-
schwindigkeit in den übrigen Theilen des Rohres durch Messung
des Druckes, unter welchem die Luft die betreffende Stelle
[285] passirt, mittelst eingeschalteter Manometer bestimmen. Durch
Wiederholung dieser Versuche mit Röhren von gleichem Durch-
messer und verschiedener Länge, sowie mit Röhren von gleicher
Länge und verschiedenem Durchmesser wurde nun der Einfluss
der Länge und des Durchmessers auf die Bewegungsgeschwindig-
keit der Luft ermittelt, um so schliesslich zur Bestimmung der-
selben als Function des Anfangs- und Enddrucks und der Röhren-
dimensionen nebst einer von der Natur der inneren Röhren-
fläche abhängigen Constanten zu gelangen.


In dem Anhange sind einige der zahlreichen Versuchsreihen,
welche angestellt wurden, aufgeführt. Dieselben führten zu folgen-
der Formel für die Endgeschwindigkeit der Luft im Rohre,
aus welcher sich dann die Anfangsgeschwindigkeit v͵͵ und all-
gemein die Geschwindigkeit v an irgend einem Punkte in der
Entfernung x, vom Anfang des Rohres gemessen, endlich noch
die mittlere Geschwindigkeit ergiebt. Darin be-
zeichnet l die Länge des Rohres, d dessen lichten Durchmesser,
h den Druck der Luft beim Eintritte, h͵ den Druck derselben
beim Austritte, also h—h͵ den wirksamen Ueberdruck, endlich α
die vorhin erwähnte Constante.


  • I. Die Endgeschwindigkeit: .
  • II. Die Anfangsgeschwindigkeit; .
  • III. Die Geschwindigkeit in der Enfernung x vom Rohranfang:
    .
  • IV. Die mittlere Geschwindigkeit: .

Wie die Versuchsreihen ergaben, sind diese Formeln nur
Näherungsformeln. Die mittlere Geschwindigkeit der Luft nimmt
in Wirklichkeit schneller zu, als die Wurzeln aus den Rohr-
durchmessern. Diese Abweichung rührt wahrscheinlich von der
auf der Röhrenwand durch Molecularanziehung festgehaltenen
und den Querschnitt vermindernden Luftschicht her, die bei
engen Röhren nicht ausser Betracht zu lassen ist. Da der hier-
durch entstehende Fehler eine grössere Geschwindigkeit der Luft
in weiteren Röhren bedingt, also bessere Resultate in Praxi her-
[286] vorbringt, wie die Rechnung ergiebt, so konnte darüber fortge-
gangen werden.


Die in den Formeln vorkommende, von der Natur der
inneren Rohrfläche abhängige Constante α ergiebt sich aus den
Versuchsresultaten = 15950. Berechnet man mit Benutzung
dieser Zahl die mittlere Geschwindigkeit der Luftbewegung in
einem Rohre von 13000 Fuss Länge und 3 Zoll Durchmesser für
eine Druckdifferenz von 1 Atm., so erhält man


  • 1) bei einer Atmosphäre Ueberdruck,
    also h = 2,
    = 1 Atm. eine mittlere Geschwindigkeit von 26,2' pro
    Secunde,
  • 2) bei einer Atmosphäre Unterdruck,
    also h = 1
    = 0 Atm. eine mittlere Geschwindigkeit von 35,0' pro
    Secunde,
  • 3) bei ½ Atmosphäre Ueber- und ½ Atmosphäre Unterdruck,
    also h=1½
    = ½ Atm. eine mittlere Geschwindigkeit von 31,1' pro
    Secunde.

Es ergiebt sich aus dem Vorstehenden, dass man auch bei
langen Röhrenleitungen von mässiger Weite mit praktisch aus-
führbaren Druckdifferenzen eine ausreichende Geschwindigkeit
der Luftbewegung im Rohre erzielen kann. Richtet man den
Behälter für die zu transportirenden Gegenstände so ein, dass
er mit sehr geringer Reibung das Rohr durchläuft, so ist die
Geschwindigkeit der Depeschenbeförderung nahezu zusammen-
fallend mit der der Luftbewegung.


Von dem geringen Trägheitsmoment der Masse des Behälters
kann man hierbei ebenso wie von der Trägheit der Luft selbst
ganz absehen, da beide Kräfte gegen die zu überwindende Reibung
der Luft im Rohre fast vollständig verschwinden. Ganz anders
würde sich aber das Verhältniss herausstellen, wenn der Behälter
der Depeschen eine in Betracht kommende Kraft zur Fort-
schiebung im Rohre in Anspruch nähme. In diesem Falle
müsste hinter dem Behälter eine um so viel grössere Com-
pression der Luft stattfinden, wie vor demselben, dass der Druck-
unterschied den Reibungswiderstand der Luft an der Rohrwand
[287] compensirte. Dies würde unter sonst gleichen Verhältnissen
eine sehr wesentliche Geschwindigkeitsverminderung hervor-
bringen. Namentlich würde dieser Nachtheil bei verhältniss-
mässig engen Röhren eintreten. Es ist daher nothwendig, den
Depeschenbehälter möglichst ohne Reibungswiderstand, also auf
Rädern von möglichst grossem Durchmesser laufen zu lassen.
Die Dimensionen der Rohrleitung sind durch das Bedürfniss be-
dingt. Da die Geschwindigkeit nur wie die Wurzeln der Rohr-
durchmesser — unter sonst gleichen Verhältnissen — zu und
wie die Wurzeln aus den Rohrlängen abnimmt, so kann man,
ohne die Druckverhältnisse an den Rohrenden zu ändern, die
Beförderung auf pneumatischem Wege soweit ausdehnen, als man
den Durchmesser proportional der Länge des Rohrs vergrössern
kann. Durch ein doppelt so weites Rohr kann man also die
doppelte Entfernung bei gleichen Druckverhältnissen mit gleicher
Geschwindigkeit durchlaufen.


Zu dem vorliegenden Zwecke der Beförderung telegraphischer
couvertirter Depeschen wird ein Rohrdurchmesser von 3 Zoll aus-
reichen, da man den Couverts keine grössere Breite als 2 bis
höchstens 2½ Zoll zu geben braucht.


Zur Hin- und Herbeförderung der Depeschen könnte man
nun ein einfaches Rohr benutzen, indem man durch die auf der
Centralstation aufgestellte Maschine ein Reservoir evacuiren und
ein anderes mit comprimirter Luft anfüllen liesse und dann das
Ende der Rohrleitung, je nachdem man den Depeschenbehälter
heranholen oder fortsenden wolle, mit dem einen oder anderen
Reservoir in Verbindung setzte. Eine solche Einrichtung würde
aber, selbst abgesehen von den bedeutenden Dimensionen, welche
die Reservoire haben müssten, nur eine geringe Leistungsfähig-
keit haben und wäre nicht entwickelungsfähig. Das Bedürfniss
wird sich nämlich bald herausstellen, dieselbe Rohrleitung zur
pneumatischen Communication mit mehreren Stationen zu benutzen,
die ursprünglich angelegte Rohrleitung also zu verlängern und
die bisherige Endstation für weiter gehende Depeschen zur Durch-
gangsstation zu machen. Es empfiehlt sich daher, die Einrich-
tung gleich so zu machen, dass dieser wenn auch ferner liegende
Zweck sich erreichen lässt. Es wird daher vortheilhaft sein,
gleich zwei Röhren zu legen, von denen die eine stets zum
[288] Geben, die andere zum Empfangen der Depeschen benutzt wird.
Sollen dann später noch andere Stationen eingeführt werden, so
wird bei der ausserdem zu erwartenden beträchtlichen Steigerung
des Depeschenverkehrs ein schnelles Aufeinanderfolgen der Sen-
dungen nothwendig werden. Um dies ermöglichen zu können,
muss die Einrichtung so getroffen werden, dass die von der
Centralstation ausgehende und zu ihr zurückkehrende Röhren-
leitung als eine von der Centralstation ausgehende und zu ihr
zurückkehrende Kreisleitung formirt wird. Durch diese Luftleitung
muss durch die Pumpe der Centralstation ein permanenter Luft-
strom getrieben werden, der den irgendwo in die Röhre einge-
führten Depeschenwagen ergreift und event. durch die übrigen
Stationen hindurch zur Centralstation führt, wenn nicht eine
andere Station, durch den telegraphischen Signalapparat dazu
aufgefordert, dieselben vorher in Empfang nimmt. Wie das aus-
zuführen ist, soll später auseinandergesetzt werden.


Wenn es sich aber auch schon aus diesem Grunde empfiehlt,
Kreisleitungen in Anwendung zu bringen, welche von einem per-
manenten Luftstrom durchlaufen werden, so sprechen dafür doch
auch noch andere gewichtige Gründe. Wie sich aus der Formel IV
ergiebt, hängt die mittlere Geschwindigkeit der Luftbewegung
von dem Factor ab, bleibt also unverändert, wenn h und
und also auch ihre Differenz proportional vermindert werden.
Die durch die Pumpe auszuführende Arbeit ist aber direct pro-
portional der Dichtigkeit der zu comprimirenden Luft, nimmt
also mit gleichmässig ab. Ist mithin die Kreisleitung luft-
dicht hergestellt und die Einrichtung der Art getroffen, dass man
die mittlere Dichtigkeit im Rohre beliebig vermindern kann, so
erspart man im gleichen Verhältniss an Arbeitskraft.


Anhang.


Die von uns zur Prüfung resp. Berichtigung der bereits auf-
gestellten Formeln angestellten Versuche sind in folgenden Ta-
bellen zusammengetragen:


[289]

Tabelle I.
Abhängigkeit der Geschwindigkeit von dem Drucke.


1) Einerseits Ueberdruck, andererseits atmosphärischer Druck.


Bei obigen Beobachtungen wurden die Apparate so gestellt,
dass aus einem Reservoir in unmittelbarer Verbindung mit der
Luftpumpe Luft, deren Spannung mittels eines Quecksilbermano-
meters gemessen wurde, durch die Röhrenleitung und endlich
durch den Gasmesser in die Atmosphäre floss. Unterdessen
wurde von Zeit zu Zeit der Barometerstand beobachtet und der-
selbe ergab sich als constant (0,76 m). Das zum Versuche
dienende Bleirohr hatte eine Länge von 348' preuss. und einen
Durchmesser von ¼″ preuss. Die Col. 1 giebt die Differenzen
der Drucke an den beiden Enden des Rohres an, die Col. 2 das
Verhältniss dieser Differenzen zum grösseren Druck, die Col. 3
die in einer Minute durchfliessende Quantität Luft, die Col. 4.
die entsprechenden beobachteten und Col. 5 die berechneten
Geschwindigkeiten in Fussen pro Secunde.


Die letzteren sind unter der Voraussetzung berechnet, dass
die Geschwindigkeiten im geraden Verhältniss der Druckdiffe-
renzen und im umgekehrten Verhältniss des grösseren Drucks
stehen. Diese Annahme ist, wenn auch nicht ganz richtig, so
doch innerhalb unserer Bedürfnisse ohne bedeutenden Fehler zu-
lässig. Dieses einfache Verhältniss ist daher anwendbar, weil
die theoretischen Werthe mit einem veränderlichen (und zwar
mit dem Wachsen des Druckes abnehmenden) Erfahrungs-
Coefficienten zu multipliciren sind, um die beobachteten Werthe
zu erhalten.


19
[290]

Tabelle II.
Abhängigkeit der Geschwindigkeit vom Drucke.


2) Einerseits Ueberdruck, andererseits Unterdruck.


Zu diesen Versuchen mag noch bemerkt werden:


Der Gasmesser befand sich in der Mitte des Bleirohres und
es wurde der Druck in der Mitte und im verdünnten Raume ge-
messen. Durch längeres Pumpen waren wir im Stande, in der
Mitte des Rohrs den atmosphärischen Druck constant zu erhalten.
Für diesen Fall wurden alsdann die Messungen gemacht und da
das Gesetz, dass der Druck in einem Rohre proportional der
Länge abnimmt, als richtig angenommen wurde, so schlossen
wir bei beobachtetem atmosphärischen Druck in der Mitte des
Rohres auf einen Ueberdruck im verdichteten Raume gleich dem
gemessenen Unterdruck im verdünnten Raume. Die Col. 3 giebt
die in der Mitte des Rohres gemessenen Quantitäten bei
atmosphärischem Druck, die Col. 4. die daraus mit Anwendung
des Mariotte’schen Gesetzes berechneten Ausflussquantitäten (in
den verdünnten Raum). Die Col. 5. enthält die berechneten
Ausflussquantitäten, indem jede Nummer aus nächst folgenden
berechnet ist.


Tabelle III.
Abhängigkeit der Geschwindigkeit von der Länge des Rohres.


[291]

Tabelle IV.
Abhängigkeit der Geschwindigkeit vom Durchmesser des Rohres.


Bemerkungen zu Tabelle III. und IV.


Die Längen der Röhren und deren Durchmesser wurden
direct gemessen. Iu Tabelle III. giebt die Col. II. die Differenz
h—h͵ in Quecksilberzollen an, während h—h͵ in der Tabelle IV.
in Quecksilbercentimeter aufgeführt ist. Die in der Tabelle III.
Col. VII. enthaltenen Zahlen sind sämmtlich aus der ersten Ge-
schwindigkeit (34,4) berechnet, unter der Annahme, dass die
Geschwindigkeiten sich umgekehrt wie die Quadratwurzeln der
Länge verhalten. Die in Col. VII. der Tabelle IV. enthaltenen
Zahlen sind Nr. 2 und 3 nach Nr. 1 und Nr. 5 und 6 nach
Nr. 4 berechnet und ergeben das Gesetz, dass die Geschwindig-
keiten im geraden Verhältniss der Quadratwurzeln der Durch-
messer des Rohres stehen.


Resultate.


Es ergiebt sich hieraus für die Ausflussgeschwindigkeit der
Luft aus einer cylindrischen Röhrenleitung der Werth:
1)
in welcher Formel l die Länge des Rohres, d der Durchmesser
desselben, h der grössere und der kleinere Druck, endlich α
eine Constante bedeutet. Berechnet man nach dieser Formel
mit Hülfe der in den obigen Tabellen enthaltenen Data den
Werth der Constanten, so erhält man für dieselbe:
2) α = 15950.


Unter Anwendung des Mariotte’schen Gesetzes kann man
von der Ausflussgeschwindigkeit auf die Eintrittsgeschwindigkeit
19*
[292] schliessen. Das Mittel aus diesen beiden ergiebt alsdann die
für uns maassgebende mittlere Geschwindigkeit der Luft in
einer Röhrenleitung. Man findet diese mittlere Geschwindigkeit:
3)


Nach Formel 2. sind die mittleren Geschwindigkeiten der
Luft in Röhren von 13000 Fuss Länge (die doppelte Entfernung
zwischen der Central- und der vorgeschlagenen Endstation der
projectirten Linie) von verschiedenem Durchmesser und mit An-
wendung von


  • a) 1 Atmosphäre Ueberdruck,
  • b) 1 Atmosphäre Unterdruck,
  • c) ½ Atmosphäre Ueber- und ½ Atmosphäre Unterdruck
    folgende:
[[293]]

Methode
für
fortlaufende Beobachtungen der Meeres-
temperatur bei Tiefenmessungen.


(Monatsber. d. Berl. Akad. d. W. Juni. Poggendorff’s Ann. d. Phys. u. Chem. Bd. 129 S. 647.)


1866.


Herr Ehrenberg legte die folgende Mittheilung vor, welche
er auf seine Anfrage von Hrn. Dr. W. Siemens hierselbst über
eine von diesem in Gemeinschaft mit seinem Bruder Wilhelm
in London vorgeschlagene Methode für fortlaufende Beobachtun-
gen der Meerestemperatur bei Tiefenmessungen erhalten hat.


Die Methode beruht auf der Thatsache, dass der Wider-
stand der Metalle von ihrer Temperatur abhängig ist. Durch
Messung des Widerstandes einer isolirten Drahtrolle, deren
Widerstand bei einer bestimmten Temperatur bekannt ist, kann
man mithin auf die Temperatur des die Rolle umgebenden Meer-
wassers schliessen. Es ändert sich z. B. der Widerstand des
Kupfers für 1 Grad der hunderttheiligen Scala um 0,394 pCt.


Diese Methode leidet aber an dem Uebelstande, dass man
die Enden der Widerstandsrolle durch sehr gut leitende, also
dicke Drähte mit dem Schiffe verbinden muss, damit der durch
die veränderte Temperatur ebenfalls geänderte Widerstand der
Zuleitungsdrähte keinen merklichen Fehler hervorbringt. Auch
erfordern genaue Widerstandsbestimmungen sehr gute Apparate
und experimentelle Gewandtheit. Wir haben daher in neuerer
Zeit die Methode insofern abgeändert, dass die Widerstands-
messungen ganz fortfallen und die Temperatur der Meerestiefe
am Bord des Schiffes durch ein gewöhnliches Quecksilberthermo-
meter abgelesen wird. Es wird dies dadurch ermöglicht, dass
[294] die am Ende des zweidrähtigen Kabels, welches als Lothschnur
dient, eingeschaltete Widerstandsrolle mit drei anderen, am Bord
des Schiffes befindlichen, genau gleichen Widerstandsrollen und
einem Galvanometer mit astatischer Nadel zu einer sogenannten

Figure 36. Fig. 36.


Wheatstone’schen Brücke com-
binirt wird, wie dies aus der
nebenstehenden Figur zu er-
sehen ist. Die eine der auf
dem Schiff befindlichen Wi-
derstandsrollen liegt in einem
Wasser- oder Oelbade, welches
beliebig abgekühlt oder er-
wärmt werden kann. Ist die
Temperatur dieses Bades, mit-
hin auch die der in ihm be-
findlichen Drahtrolle, verschie-
den von der Temperatur des
Wassers, welches die ins Meer
versenkte Drahtrolle umgiebt,
so durchläuft ein Strom das
Galvanometer und die Nadel
desselben wird abgelenkt. Fin-
det keine Ablenkung statt, so
sind die Temperaturen des
Meerwassers und des Bades
genau gleich. Die Ablesung
des in letzterem befindlichen
Thermometers giebt mithin
die Temperatur der Meeres-
tiefe. Da der eine Zuleitungs-
draht dem Zweige der ver-
senkten Rolle, der andere dem
der im Bade befindlichen Rolle
angehört, und beide gleich-
mässig durch das umgebende Meerwasser erwärmt oder abgekühlt
werden, so ist ihr störender Einfluss vollständig eliminirt. Es
können mithin sehr dünne Zuleitungsdrähte benutzt werden, was
von bedeutender praktischer Wichtigkeit ist.


[295]

Das beim Aufstossen auf den Meeresgrund ablösbare Ge-
wicht und die Einrichtung zum Heraufholen von Grundproben
bleiben unverändert. Die Ersetzung der bisher gebräuchlichen
Hanfschnur durch ein dünnes, zweidrähtiges, mit Hanf umspon-
nenes Kabel vertheuert allerdings den Apparat ansehnlich und
macht ausserdem die Anwendung einer besonderen Vorrichtung
zum Aufwinden und Abrollen des Kabels nothwendig; dagegen
wird aber die grosse Festigkeit eines solchen Kabels auch den
häufigen Verlust der gebräuchlichen Hanfschnur verhüten.


[[296]][[297]]

Ueber die Umwandlung von Arbeitskraft
in elektrischen Strom ohne permanente
Magnete.


(Mon.ber. d. Berl Akad. v. 17. Januar.)


1867.


Wenn man zwei parallele Drähte, welche Theile des
Schliessungskreises einer galvanischen Kette bilden, einander
nähert oder von einander entfernt, so beobachtet man eine
Schwächung oder eine Verstärkung des Stromes der Kette, je
nachdem die Bewegung im Sinne der Kräfte, welche die Ströme
auf einander ausüben, oder im entgegengesetzten stattfindet.
Dieselbe Erscheinung tritt in verstärktem Masse ein, wenn man
die Polenden zweier Elektromagnete, deren Windungen Theile
desselben Schliessungskreises bilden, einander nähert oder von
einander entfernt. Wird die Richtung des Stromes in dem einen
Drahte im Augenblicke der grössten Annäherung und Entfernung
umgekehrt, wie es bei elektrodynamischen Rotationsapparaten
und elektromagnetischen Maschinen auf mechanischem Wege
ausgeführt wird, so tritt mithin eine dauernde Verminderung der
Stromstärke der Kette ein, sobald der Apparat sich in Bewe-
gung setzt. Diese Schwächung des Stromes der Kette durch
die Gegenströme, welche durch die Bewegung im Sinne der be-
wegenden Kräfte erzeugt werden, ist so bedeutend, dass sie den
Grund bildet, warum elektromagnetische. Kraft-Maschinen nicht
mit Erfolg durch galvanische Ketten betrieben werden können.
Wird eine solche Maschine durch eine äussere Arbeitskraft im
entgegengesetzten Sinne gedreht, so muss der Strom der Kette
dagegen durch die jetzt ihm gleich gerichteten inducirten Ströme
[298] verstärkt werden. Da diese Verstärkung des Stromes auch eine
Verstärkung des Magnetismus des Elektromagnetes mithin auch
eine Verstärkung des folgenden inducirten Stromes hervorbringt,
so wächst der Strom der Kette in rascher Progression bis zu
einer solchen Höhe, dass man sie selbst ganz ausschalten kann
ohne eine Verminderung desselben wahrzunehmen. Unterbricht
man die Drehung, so verschwindet natürlich auch der Strom
und der feststehende Elektromagnet verliert seinen Magnetismus.
Der geringe Grad von Magnetismus, welcher auch im weichsten
Eisen stets zurückbleibt, genügt aber, um bei wieder eintreten-
der Drehung das progressive Anwachsen des Stromes im
Schliessungskreise von Neuem einzuleiten. Es bedarf daher nur
eines einmaligen kurzen Stromes einer Kette durch die Win-
dungen des festen Elektromagnetes, um den Apparat für alle
Zeit leistungsfähig zu machen. Die Richtung des Stromes,
welchen der Apparat erzeugt, ist von der Polarität des rück-
bleibenden Magnetismus abhängig. Aendert man dieselbe ver-
mittelst eines kurzen entgegengesetzten Stromes durch die Win-
dung des festen Magnetes, so genügt dies, um auch allen später
durch Rotation erzeugten mächtigen Strömen die umgekehrte
Richtung zu geben.


Die beschriebene Wirkung muss zwar bei jeder elektro-
magnetischen Maschine eintreten, die auf Anziehung und Ab-
stossung von Elektromagneten begründet ist, deren Windungen
Theile desselben Schliessungskreises bilden; es bedarf aber doch
besonderer Rücksichten zur Herstellung von solchen elektrody-
namischen Inductoren von grosser Wirkung. Der von den
commutirten, gleichgerichteten Strömen umkreiste, feststehende
Magnet muss eine hinreichende magnetische Trägheit haben, um
auch während der Stromwechsel den in ihm erzeugten höchsten
Grad des Magnetismus ungeschwächt beizubehalten, und die
sich gegenüberstehenden Polflächen der beiden Magnete müssen
so beschaffen sein, dass der feststehende Magnet stets durch
benachbartes Eisen geschlossen bleibt, während der bewegliche
sich dreht. Diese Bedingungen werden am besten durch die
von mir vor längerer Zeit in Vorschlag gebrachte und seitdem
von mir und Anderen vielfältig benutzte Anordnung der Magnet-
inductoren erfüllt. Der rotirende Elektromagnet besteht bei der-
[299] selben aus einem um seine Axe rotirenden Eisencylinder, welcher
mit zwei gegenüberstehenden, der Axe parallel laufenden Ein-
schnitten versehen ist, die den isolirten Umwindungsdraht auf-
nehmen. Die Polenden einer grösseren Zahl von Stahlmagneten
oder im vorliegenden Fall die Polenden des feststehenden
Elektromagnetes, umfassen die Peripherie dieses Eisencylinders
in seiner ganzen Länge mit möglichst geringem Zwischenraume.


Mit Hülfe einer derartig eingerichteten Maschine kann man,
wenn die Verhältnisse der einzelnen Theile richtig bestimmt
sind und der Commutator richtig eingestellt ist, bei hinläng-
lich schneller Drehung in geschlossenen Leitungskreisen von
geringem ausserwesentlichen Widerstande Ströme von solcher
Stärke erzeugen, dass die Umwindungsdrähte der Elektromag-
nete durch sie in kurzer Zeit bis zu einer Temperatur erwärmt
werden, bei welcher die Umspinnung der Drähte verkohlt. Bei
anhaltender Benutzung der Maschine muss diese Gefahr durch
Einschaltung von Widerständen oder durch Mässigung der Dre-
hungsgeschwindigkeit vermieden werden. Während die Leistung
der magnetoelektrischen Inductoren nicht in gleichem Verhält-
nisse mit der Vergrösserung ihrer Dimensionen zunimmt, findet
bei der beschriebenen das umgekehrte Verhältniss statt. Es
hat dies darin seinen Grund, dass die Kraft der Stahlmagnete
in weit geringerem Verhältniss zunimmt, als die Masse des zu
ihrer Herstellung verwendeten Stahls, und dass sich die magne-
tische Kraft einer grossen Anzahl kleiner Stahlmagnete nicht
auf eine kleine Polfläche concentriren lässt, ohne die Wirkung
sämmtlicher Magnete bedeutend zu schwächen oder sie selbst
zum Theil ganz zu entmagnetisiren. Magnetinductoren mit
Stahlmagneten sind daher nicht geeignet, wo es sich um Er-
zeugung sehr starker andauernder Ströme handelt. Man hat es
zwar schon mehrfach versucht, solche kräftige magnetelektrische
Inductoren herzustellen und auch so kräftige Ströme mit ihnen
erzeugt, dass sie ein intensives elektrisches Licht gaben, doch
mussten diese Maschinen colossale Dimensionen erhalten, wo-
durch sie sehr kostbar wurden. Die Stahlmagnete verloren
ferner bald den grössten Theil ihres Magnetismus und die Ma-
schine ihre anfängliche Kraft.


Neuerdings hat der Mechaniker Wilde in Birmingham die
[300] Leistungsfähigkeit der magnetelektrischen Maschinen dadurch
wesentlich erhöht, dass er zwei Magnetinductoren meiner oben
beschriebenen Construction zu einer Maschine combinirte. Den
einen, grösseren dieser Inductoren versieht er mit einem Elek-
tromagnet an Stelle der Stahlmagnete und verwendet den an-
deren zur dauernden Magnetisirung dieses Elektromagnetes. Da
der Elektromagnet kräftiger wird, als die Stahlmagnete, welche
er ersetzt, so muss auch der erzeugte Strom durch diese Com-
bination in mindestens gleichem Masse verstärkt werden.


Es lässt sich leicht erkennen, dass Wilde durch diese Com-
bination die geschilderten Mängel der Stahlmagnet-Inductoren
wesentlich vermindert hat. Abgesehen von der Unbequemlich-
keit der gleichzeitigen Verwendung zweier Inductoren zur Er-
zeugung eines Stromes, bleibt sein Apparat doch immer abhän-
gig von der unzuverlässigen Leistung der Stahlmagnete.


Der Technik sind gegenwärtig die Mittel gegeben, elek-
trische Ströme von unbegrenzter Stärke auf billige und bequeme
Weise überall da zu erzeugen, wo Arbeitskraft disponibel ist.
Diese Thatsache wird auf mehreren Gebieten derselben von
wesentlicher Bedeutung werden.


[[301]]

Das Universal-Galvanometer.


(Separat-Abdruck aus der Zeitschr. d. deutsch-österr. Tel.-Vereins Jahrg. XV.)


1868.


Messungen der galvanischen Factoren: der Stromstärke, des
Widerstandes und der elektromotorischen Kraft von Batterien
sind Arbeiten, welche gegenwärtig nicht mehr ausschliesslich dem
Physiker von Fach obliegen, sondern auch, und sogar weit
häufiger, vom Telegraphen-Techniker ausgeführt werden müssen.
Wenn diese Arbeiten an sich schon eine grössere Sorgfalt und
Umsicht fordern, so ist doch besonders störend, namentlich für
den Techniker, die Vielzahl der Apparate und Instrumente, die
man bis jetzt dabei zu benutzen pflegte, wo im Allgemeinen jede
der gedachten Operationen ein anderes, besonders dazu einge-
richtetes Instrument erforderte, das wieder seine eigene, durch
besondere Versuche erst zu bestimmende Constante hat.


Es war wünschenswerth ein einziges Instrument zu besitzen,
welches so eingerichtet und mit den nöthigen Widerständen aus-
gerüstet ist, dass es nach Bedürfniss zu jeder der drei gedachten
Operationen dienen kann.


Nach diesem Gesichtspunkt ist das nachstehend beschriebene
Universal-Galvanometer construirt.


Es ist ein empfindliches Galvanometer, das auf seinem
Untergestell in horizontaler Ebene drehbar ist, so dass es als
Sinusbussole benutzt werden kann, verbunden mit einer Wheat-
stone’schen Brücke, deren Draht aber nicht geradlinig, sondern
in einem Kreise ausgespannt ist, und versehen mit den zur
Widerstandsmessung erforderlichen Masseinheiten.


Zur Messung von Stromstärken wird das Iustrument einfach
als Sinusbussole benutzt.


[302]

Die Messung der elektromotorischen Kraft geschieht nach
der von Prof. E. Du Bois-Reymond angegebenen Modification der
Poggendorff’schen Compensationsmethode, wobei der Brücken-
drath als Agometer dient. Für die Widerstandsmessung wird
das Instrument als Wheatstone’sche Brücke benutzt.


Um grosse wie kleine Widerstände mit ausreichender

Figure 37. Fig. 37.


Schärfe messen zu können, sind drei verschiedene Masseinheiten
beigegeben von den Werthen von 1, 10 und 100 Siemens-Ein-
heiten 1).


Die Wahl dieser Werthe der Masseinheiten erscheint um so
[303] mehr gerechtfertigt, da auf der im Sommer d. J. in Wien abge-
haltenen internationalen Telegraphen-Conferenz die Siemens’sche
Widerstands-Einheit für den allgemeinen internationalen Verkehr
officiell adoptirt worden ist.


Figur 37 zeigt die Oberansicht, Figur 38 die Seitenansicht
des Instrumentes.


Figure 38. Fig. 38.

A ist eine auf drei Stellschrauben b, b stehende kreisförmige
Platte von polirtem Holz. In ihrem Centrum ist ein Metalllager
eingelassen, in welchem der das ganze eigentliche Instrument
tragende, verticale Zapfen a ruht, der darin eine sehr sichere
Führung findet, so dass das Instrument um diesen Zapfen leicht,
aber ohne alles Schlottern und ohne seine horizontale Lage zu
[304] verlieren, wenn dieselbe einmal hergestellt worden, sich drehen
lässt. An diesem Zapfen sitzt zunächst eine etwa 1 Zoll dicke,
mit dem Fortsatze c versehene, kreisförmige Scheibe C von po-
lirtem Holz, in deren Umfang eine Nuth zur Aufnahme der
Widerstandsdrähte eingedreht ist. Der Fortsatz c trägt vier
isolirte, mit Klemmschrauben versehene und mit I, II, III und
IV bezeichnete Metallschienen, wie Figur 37 zeigt. Die Schienen
III und IV können durch einen Stöpsel mit einander verbunden
werden. Ueber der Scheibe C liegt eine etwas grössere, genau
kreisrund gedrehte, über dem Fortsatz c aber etwas ausge-
schnittene (wie in Fig. 37 sichtbar) Scheibe von Schiefer und
diese trägt in der Mitte das Galvanometer G und vor demselben,

Figure 39. Fig. 39.


längs des Ausschnittes, vier isolirte Metallschienen h1h2h3h4,
welche durch Stöpsel mit einander verbunden werden können
und an welche die Enden der Widerstandsdrähte geführt sind,
wie die Skizze (Fig. 39) zeigt.


[305]

Das Galvanometer bietet in seiner Einrichtung nichts Un-
gewöhnliches; es hat ein an einem Cocconfaden aufgehängtes
astatisches Nadelsystem und einen flachen Multiplicatorrahmen
mit feinem Draht; bei dem uns augenblicklich vorliegenden
Exemplare enthält derselbe 482 Windungen im Widerstande von
10 S.-E. Die Nadel schwingt über einem auf Carton gedruckten,
nach Graden getheilten Limbus; da aber beim Gebrauche des
Instrumentes nie die Nadelablenkung abgelesen, sondern stets
die Nadel auf dem Nullpunkt zurückgeführt wird, so befinden
sich zu beiden Seiten dieses Punktes, etwa bei den Theilstrichen
20°, elfenbeinene Hemmstifte. Der Knopf K, an welchem der
Coconfaden befestigt ist, trägt ferner auch einen kleinen dreh-
baren Richtmagnet. Das eine Ende der Umwindungen ist, wie
aus Fig. 39 ersichtlich, an die erste der aut der Schieferplatte
stehenden Schienen h1, das andere Ende an die Schiene IV ge-
führt.


In die etwas abgerundete Peripherie der Schieferplatte ist
eine feine Nuth eingedreht, in welcher, straff gespannt, der
Brückendraht (aus Platin oder aus Neusilber) so liegt, dass sein
äusserer Umfang noch etwas aus dem Schiefer hervorragt. Seine
Enden sind an 2 an der Schieferplatte befestigte, genau an die
Seitenflächen des Ausschnitts derselben sich anlegende Messing-
platten l und l1 angelöthet. Die eine dieser Platten, l ist mit der
Schiene h1, die andere aber mit der Schiene III durch dicke
Kupferdrähte oder Blechstreifen (λ in Fig. 37) leitend ver-
bunden. Schiefer wurde für die Scheibe f desshalb gewählt, weil
dies Material erfahrungsmässig am wenigsten empfindlich gegen
Aenderungen der Temperatur und der Witterungsverhältnisse ist.
Auf der Oberseite der Schieferplatte ist der Umfang derselben
von Ausschnitt zu Ausschnitt mit einer Theilung versehen und
zwar ist der Bogen zwischen den beiden Ausschnitten in 300
gleiche Theile getheilt. Der Nullpunkt liegt genau in der Mitte,
der Mitte des Drathes gegenüber und von hier läuft die Be-
zeichnung von 10 zu 10 nach beiden Seiten hin, so dass an
beiden Endpunkten des Drathes bei l und l1 sich die Zahl 150
findet.


Den beweglichen Contactpunkt längs des Brückendrahtes
bildet die kleine drehbare Platinwalze e, welche von dem unter-
20
[306] halb der Holzscheibe C über den Zapfen a des Instrumentes ge-
schobenen und um diesen leicht aber sicher drehbaren Arm D
getragen wird. An diesem Arm ist, etwas hinter dem Hand-
griff g, ein Messingstück d in verticaler Stellung, zwischen
Schraubenspitzen r etwas drehbar, angebracht, welches in einem
Ausschnitt am oberen Ende die Platinwalze trägt und die Lager
für die verticale Axe derselben enthält; eine Feder drückt das
Stück d gegen die Schieferscheibe hin und sichert den Contact
der Platinwalze e mit dem Brückendraht. Dieser, von den
übrigen Apparattheilen isolirte Arm D und also auch die
Walze e, ist mit der Schiene I leitend verbunden. Am oberen
Theile des Stückes d ist ferner ein Index Z befestigt, der über
die obere Seite der Schieferplatte bis dicht an die Theilung der-
selben herüberragt.


Die Benutzung des Apparates bedarf nach dem Vorstehenden
wohl kaum noch einer weiteren Erläuterung. Die schematischen
Skizzen Fig. 40 — 45 werden genügen. Wir fügen gleichwohl
die für den Techniker bestimmte Gebrauchs-Instruction bei,
sowie auch eine Tabelle zum Gebrauch bei den Widerstands-
messungen.


In Bezug auf Einrichtung der letzteren noch einige Worte.
Wie aus Fig. 40 erhellt, ist das Verhältniss zwischen dem
gesuchten Widerstand x und der Mass-Einheit n, wenn die Ab-
lesung α auf die linke, mit A bezeichnete Seite der Schiefer-
platte fällt:
also .


Dagegen ergiebt sich:
wenn die Ablesung α auf der rechten, mit B bezeichneten
Hälfte der Schieferplatte liegt.


Die Werthe dieser beiden Brüche zeigt die Tabelle in den
mit A und B überschriebenen Spalten für die verschiedenen, um
0°,5 fortschreitenden Werthe von α.


[307]

Tabelle zum Universal-Galvanometer.


20*
[308]

Instruction zum Universal-Galvanometer von
Dr. Werner Siemens.


Das Instrument ist zu folgenden Zwecken zu benutzen:


  • A. Einen unbekannten Widerstand x zu finden.
    • a) Die Nadel i wird auf den 0Punkt der kleinen Scala ge-
      bracht durch Drehung des Galvanometers G.
    • b) Der Zeiger Z mittelst des Griffes g auf den 0Punkt der
      grossen Scala gebracht.
    • c) Das Loch zwischen Klemme III und IV ist gestöpselt.
    • d) Eins der Löcher 1, 10 oder 100 ist geöffnet und zwar
      eins der ersteren, wenn man es mit kleinen, das Loch 100,
      wenn man es mit grösseren zu vergleichenden Wider-
      ständen zu thun hat.
    • e) Die beiden Enden des zu messenden Widerstandes werden
      an die Klemmen II und IV und
    • f) die Pole KZ einiger galvanischer Elemente an die Klem-
      men I und II gebracht.

Es lenkt die Nadel i in Folge dieser Verbindung beispiels-
weise nach rechts ab.


Mittelst des Griffes g wird der Zeiger Z ebenfalls nach

Figure 40. Fig. 40.


Figure 41. Fig. 41.


rechts hin auf die BSeite der Scala gedreht. Erhält man dann
eine noch grössere Ablenkung der Nadel i nach rechts hin, so
muss man den Zeiger Z nach links über den 0Punkt seiner
Scala bewegen.


Danach nähert sich die Nadel dem Nullpunkt der Galvano-
meterscala, den sie durch fortgesetztes Drehen des Zeigers Z
nach links erreicht.


Ist letzterer dabei z. B. auf der Zahl 50 der A Seite stehen
[310] geblieben und ist bei n das Loch 100 ungestöpselt, so ergiebt
sich nun folgendes Verhältniss:
150 — 50 : 150 + 50 = n : x oder x = = 200 Einheiten.


Für die Messung kleiner Widerstände reicht ein einziges
Element aus. Zur Messung grosser Widerstände und wenn
gegen n = 100 gemessen wird, hat man etwa 10 Elemente an-
zuwenden.


  • B. Zwei elektromotorische Kräfte E1 und E2 zu vergleichen.
    Die Manipulationen a und b wie bei A.
    • c) Das Loch zwischen III und IV ist offen.
    • d) Die Löcher 1, 10, 100 sind gestöpselt.
    • e) Die beiden Pole eines Elektromotors von der elektromo-
      torischen Kraft E0 (welche grösser sein muss als E1 und
      E2) werden an die Klemmen II und III,
      Figure 42. Fig. 42.

      Figure 43. Fig. 43.
    • f) die des einen zu vergleichenden Elektromotors z. B. E1 an
      die Klemmen I und IV gebracht (jedoch so, dass gleiche
      Pole an I und III sowie an II und IV liegen).

Die Nadel des Galvanometers wird abgelenkt werden. Durch
[311] Drehung des Zeigers Z wird man im Stande sein, bei einer
bestimmten Stellung desselben sie auf Null zurückzuführen.
Steht dann der Zeiger z. B. auf 30 der A Seite, so gilt folgende
Gleichung
. . . . . . (1)
wobei u der Widerstand der Batterie E0 ist.


An Stelle der Batterie E1 wird nun die Batterie E2 einge-
schaltet, die Nadel erleidet eine Ablenkung und lässt sich wieder
durch Drehung des Zeigers Z auf Null zurückführen. Steht
nunmehr der Zeiger z. B. auf 40 der BSeite, so gilt jetzt die
Gleichung
. . . . . . (2)


Aus Gleichung 1 und 2 zieht man die von u ganz unab-
hängige Gleichung:
E1 : E2 = (150 — 30) : (150 + 40) = 12 : 19 . . (3)


Die beiden elektromotorischen Kräfte verhalten sich wie die
beiden beobachteten Abstände des Zeigers von 150 der A Seite.


Figure 44. Fig. 44.

Figure 45. Fig. 45.

  • C. Gebrauch als Sinus-Galvanometer.
    Die Manipulationen a, b, c, d wie bei B.
    • e) Es wird der eine Pol einer Batterie an Klemme II, der
      andere an Erde, sowie
    • f) die Leitung an Klemme IV gebracht.

[312]

Schlägt die Nadel i aus, so dreht man das Galvanometer
in derselben Richtung dieses Ausschlages so lange, bis dieselbe
wieder auf 0 einsteht. Da bei dieser Drehung die grosse Scala
sich an dem stillstehenden Zeiger Z vorbei drehte, so hat man
jetzt nur die Zahl abzulesen, auf welcher Z steht und den Sinus
derselben aufzusuchen, um die der Stromstärke proportionale Zahl
zu erhalten.


[[313]]

Directe Messung des Widerstandes
galvanischer Ketten.


(Pogg. Ann. d. Phys. u. Chem. Jubelband S. 445.)


1874.


Die Ohm’sche Methode der wiederholten Strommessung bei
Einschaltung bekannter Widerstände giebt bekanntlich die nö-
thigen Data zur Berechnung resp. Vergleichung der 3 Constanten
der galvanischen Kette. Da Strommessungen aber die Benutzung
sehr exacter Messinstrumente bedingen und die Methode über-
haupt sehr umständlich und zeitraubend ist, wenn sie einiger-
massen befriedigende Resultate gewähren soll, so war das Be-
streben, die einzelnen Constanten der Kette durch directe
Messungen zu bestimmen, ein berechtigtes. In sehr vollkom-
menem Grade ist dies für die Widerstandsmessungen derjenigen
Theile der Kette, in welchen keine elektromotorische Kraft
thätig ist, mit Hülfe des unter dem Namen der Wheatstone’schen
Brücke bekannten Stromverzweigungsschemas gelungen. Auch
die Vergleichung der elektromotorischen Kraft zweier Ketten ist
durch Herrn Poggendorff vermittelst seiner Compensations-Methode
zu einem hohen Grade der Vollkommenheit gebracht, wenn die-
selbe auch noch den grossen Mangel hat, dass die elektromotorischen
Kräfte nicht unter gleichen Bedingungen, sondern so verglichen
werden, dass die eine Kette durch einen bestimmten Widerstand
geschlossen, also in Thätigkeit, die andere dagegen stromlos ist.
In neuerer Zeit haben die Herren Paalzow, Beetz und Andere
Methoden angegeben, um mit Hülfe des von Dubois vervoll-
kommneten Poggendorff’schen Compensations-Verfahrens auch den
wesentlichen Widerstand der thätigen Kette zu bestimmen. Wenn
[314] auch nicht in Abrede zu stellen ist, dass hierdurch die Aufgabe,
ohne Strommessungen den Widerstand galvanischer Ketten zu
bestimmen, im Princip gelöst ist, so leiden diese indirecten Me-
thoden doch an sehr wesentlichen Mängeln. Der gesuchte Wider-
stand der Kette erscheint bei diesen Methoden als Resultat einer
Rechnung, in welcher ausser den eingeschalteten bekannten
Widerständen auch der Widerstand der Vergleichskette und das
Verhältniss der elektromotorischen Kräfte beider Ketten auftritt.
Da nun bekanntlich — wie auch die später beschriebenen Ver-
suche bestätigen — weder die elektromotorische Kraft noch der
Widerstand eines galvanischen Elementes wirklich constant ist,
sondern beide sich mit der relativen Stromstärke, also dem
Thätigkeitsmasse der Flächeneinheit des Elementes ändert, so
muss nothwendig das Hereinziehen der elektromotorischen Kräfte
der Ketten in die Rechnung das gefundene Resultat wesentlich
beeinträchtigen. Doch auch abgesehen von diesem theoretischen
Mangel sind die durch das Compensationsprincip begründeten
Methoden namentlich für technische Benutzung zu umständlich
und schwerfällig.


Meine Methode 1) der directen Bestimmung des wesentlichen
Widerstandes der Kette beruht wie die Wheatstone’sche Wider-
standsmessungsmethode auf einem Stromverzweigungsgesetze.


Ist A, B, C, D (Fig. 46) in beifolgendem Stromschema der

Figure 46. Fig. 46.


Schliessungsbogen der Kette E, deren wesentlicher Widerstand
zu bestimmen ist, bezeichnet ferner der Punkt C den Halbirungs-
[315] punkt des Widerstandes des gesammten Schliessungskreises, so
dass A B C = A C D = a ist, ist ferner B C = C D = b; ist
dann ein Zweigdraht vom Widerstande w mit A verbunden,
welcher beliebig durch einen Commutator mit dem Punkte B oder
D in leitende Verbindung gebracht werden kann, so ist nach
Kirchhoff’s Rechnungsmethode:


  • I (ab) J + (a + b) i = E,
  • II W. i1 — (a + b) i = o.
  • III i1 + i = J;

und wenn man aus diesen drei Gleichungen J und i1 eliminirt
.


In diesem Ausdrucke für die Stromstärke i in dem Theile
des Hauptkreises, welcher keine elektromotorische Kraft enthält,
kommt der Abstand b der Nebenschliessung vom Halbirungs-
punkte des Widerstandes nur im Quadrat vor; i bleibt daher
unverändert, wenn — b anstatt b gesetzt wird, oder wenn die
Nebenschliessung an den Punkt D anstatt an B gelegt wird. Es
ist leicht, sich eine Einrichtung zu machen, um mit Hülfe dieses
Stromverzweigungsgesetzes den wesentlichen Widerstand einer
Kette zu messen. Ist B C D = 2 b ein beliebiger Widerstand,
dessen Grösse am besten zwischen dem einfachen und doppelten
Widerstande der Kette liegt, ist ferner A D = ab der Um-
windungsdrath eines Galvanometers und w eine Widerstands-
rolle, deren eines Ende mit dem einen Pole der Kette und dem
einen Ende des Galvanometerdrahtes leitend verbunden ist, wäh-
rend das andere Ende in schnellem Wechsel an den Punkt B
oder D anzulegen ist, so braucht man zwischen dem freien Pole
der Kette und dem Punkte B nur so lange vermittelst eines
Rheostaten Widerstand ein- oder auszuschalten, bis die Nadel
des Galvanometers unverändert bleibt, mag die Nebenschliessung
an dem Punkte B oder D des Kreises anliegen. Es ist dann
der wesentliche Widerstand der Kette gleich dem des Galvano-
meters, weniger dem zur Erzielung des Gleichgewichtes einge-
schalteten Widerstande. — Ich schliesse hieran eine Versuchs-
reihe, welche Dr. Frölich in meinem Laboratorium mit dieser
Methode ausgeführt hat und durch welche ihre Sicherheit und
praktische Brauchbarkeit constatirt wird.


[316]

Nach der Methode von Dr. W. Siemens zur Messung von
Batteriewiderständen wurden zahlreiche Bestimmungen an den
verschiedenen Formen des Daniell’schen Elementes ausgeführt;
es ergab sich, dass, um constante und vergleichbare Resultate zu
erhalten, folgende Bedingungen erfüllt sein müssen:


  • 1. dass der Strom überhaupt während der Messung völlig
    constant bleibt,
  • 2. dass die Stromverhältnisse im Batteriezweig innerhalb
    gewisser Grenzen gleich gehalten werden.

Die Erfüllung der ersten Bedingung ist selbstverständlich
und wird leicht dadurch erreicht, dass die Elemente sorgfältig
angesetzt und einige Zeit vor der Messung so geschlossen wer-
den, dass die Stromstärke einen ähnlichen Werth annimmt, wie
später in der Messung selbst.


Die Nothwendigkeit der zweiten Bedingung war ebenfalls
zu erwarten, da der Uebergangswiderstand, auf den es hier
wesentlich ankommt, eine Function der Stromstärke ist. Will
man daher verschiedene constante Elemente in Bezug auf ihren
Widerstand vergleichen, sei es die einzelnen unter sich oder
mehrere mit einzelnen, so hat man, um richtige Resultate zu
erhalten, die Widerstände im Schliessungskreise so einzurichten,
dass die beiden Stromstärken im Batteriezweig, welche den
beiden Stellungen des Zweiges C (in nachstehender Figur 47)
entsprechen, in den einzelnen Messungen je dieselben Werthe
erhalten.


Da die stricte Erfüllung dieser Bedingung lästig ist, so han-
delte es sich darum, experimentell festzustellen, wieviel die be-
zeichneten Stromstärken von einander abweichen dürfen, ohne
das Resultat der Messung zu beeinträchtigen; ferner sollte die
Zuverlässigkeit der Methode geprüft werden.


Die sicherste Probe für diese letztere besteht wohl darin,
mehrere Elemente einzeln in Bezug auf ihren Widerstand zu
messen, dann in verschiedenen Gruppen hinter einander zu schal-
ten und wieder den Widerstand zu messen; die Widerstände
jener Gruppen müssen dann übereinstimmen mit den Summen
der Widerstände der betreffenden einzelnen Elemente.


Diese Probe wurde an fünf kleinen Daniell’schen Elementen
ausgeführt, ihre Widerstände wurden zuerst einzeln, dann in
[317] Gruppen von je 2, je 3, je 4 und 5 bestimmt und dabei die
beiden Stromstärken im Batteriezweig A in den verschiedenen
Messungen ungefähr gleich gemacht. Es ergab sich beinahe voll-
kommene Uebereinstimmung der Resultate; die Abweichungen
sind ungefähr von derselben Ordnung wie die Beobachtungs-
fehler; und es zeigte sich ferner, dass für das Gleichhalten der
Stromstärken im Batteriezweig ein ziemlich weiter Spielraum
gestattet ist.


In Bezug auf die Empfindlichkeit der Methode kann man
im Allgemeinen die Regel aufstellen, dass das Maximum erreicht
wird, wenn im Batteriezweig A kein Widerstand ausser dem-
jenigen des Elementes sich befindet und in den Zweigen B und
C die Widerstände ungefähr ähnliche Werthe besitzen, wie im
Batteriezweig.


Die Stromstärke im Batteriezweig wurde an einer Tangenten-
bussole gemessen, diejenige im Zweige G an einem feinen
Spiegelgalvanometer; dieses letztere befand sich jedoch in einem
dem Zweige G angefügten Zweige N (s. Fig. 47), in welchem der

Figure 47. Fig. 47.


Widerstand stets so gross in Bezug auf denjenigen in G gehalten
wurde, dass für die Berechnung des Widerstandes der Ele-
mente der Nebenschluss N ganz ausser Betracht fiel.


Als Stromwender diente eine Poggendorff’sche Wippe.


Die Empfindlichkeit der Messung, d. h. des Unterschieds
der beiden Ströme, wenn in G 0,1 S. E. mehr oder weniger ein-
geschaltet wurde, betrug bei der Messung der einzelnen Elemente:
2,0 mm Ausschlag am Spiegelgalvanometer, bei derjenigen der
fünf Elemente hintereinander: 0,5 mm.


Nachstehende Tabelle enthält die Messungen der Wider-
[318] stände der verschiedenen Gruppen von Elementen. Die Aus-
schläge am Spiegelgalvanometer sind beigefügt, um zu zeigen,
dass auch im Galvanometerzweig die Stromstärke ungefähr den-
selben Werth beibehielt; es ist dies zwar unwesentlich, hier-
durch wurde jedoch der Fehler, welcher von Schwankungen der
Nullstellung der Magnetnadel herrührt, bei allen Messungen
gleich gemacht.


E


Bei allen Messungen betrug der Drahtwiderstand in A: 0,40
(Zuleitung zu den Elementen), die Widerstände in den Zweigen
B, C, N waren wie folgt:

Hieraus berechnen sich die Widerstände der Elemente, indem
man einfach den Drahtwiderstand in A von G abzieht. Man erhält:
[319]

Die Gruppen zu je 2, zu je 3 etc. sind mittelst der für die
einzelnen Elemente erhaltenen Werthe berechnet; das Resultat
E
ergiebt einfach, dass der Widerstand des Elementes III um 0,05
zu klein gemessen wurde.


Die Variationen der Stromstärke im Batteriezweig A sind
folgende:
in Stellung 1 des Zweiges C: von 0,270 bis 0,378
„ „ 2 „ „ „ 0,176 bis 0,224


Im Allgemeinen geht aus diesen Messungen hervor, dass die
vorliegende Methode bei richtiger Handhabung durchaus zuver-
lässige Resultate liefert, dass man aber bei der Erfüllung der
zweiten, oben genannten Vorschrift durchaus nicht ängstlich zu
verfahren braucht, dass also die Methode ausserdem noch den
Vortheil bequemer und rascher Ausführung bietet.


[[320]][[321]]

Capillargalvanometer zu Widerstands-
messungen an submarinen Kabeln.


(Mon.ber. d. Berl. Akad. d. W. v. 16. Febr.)


1874.


Hr. Siemens legte der Klasse ein von ihm construirtes Ca-
pillar-Galvanoskop vor, welches vorzugsweise die Bestimmung
hat, Widerstandsmessungen an submarinen Kabeln auf schwan-
kenden Schiffen zu ermöglichen.


Das Instrument ist eine Modification des Lippmann’schen
Capillar-Elektrometers. Es besteht aus zwei senkrecht im un-
gefähren Abstande von 3 cm. von einander auf einem kleinen
Brette befestigten weiten Glasröhren. Dicht über der Ober-
fläche des Brettchens sind dieselben durch ein schwach nach
oben gebogenes dünnes Glasrohr von etwa ½ mm. innerer Weite
verbunden. Unter diesem capillaren Verbindungsrohre wird auf
dem Brettchen eine Scale mit Millimetertheilung befestigt. Die
beiden weiten senkrechten Glasröhren nebst dem capillaren Ver-
bindungsrohre werden nun luftfrei mit reinem Quecksilber so
gefüllt, dass in der Mitte des Capillarrohres der Quecksilber-
faden durch einen einige Millimeter langen Schwefelsäurefaden
unterbrochen wird. Bei einiger Uebung lässt sich diese Füllung
leicht luftfrei herstellen.


Vor der Lippmann’schen Anordnung, bei welcher das Ca-
pillarrohr zur Hälfte mit Quecksilber und zur Hälfte mit Schwefel-
säure gefüllt ist, hat die oben beschriebene wesentliche Vorzüge.
Bei der Lippmann’schen Anordnung ist die Verschiebung des
Meniscus, welche durch die mit der Polarisation verknüpfte Ver-
änderung der Capillar ‒ Constante hervorgerufen wird, weit ge-
21
[322] ringer, da durch die Verlängerung oder Verkürzung der Queck-
silbersäule im senkrechten Capillarrohre eine schnell wachsende
Gegenkraft hervorgerufen wird, welche die Verschiebung be-
grenzt. Bei der beschriebenen Anordnung findet dagegen keine
merkliche Veränderung des niveaus der Quecksilberkuppen der
weiten senkrechten Röhren statt. Es ist daher sogar noth-
wendig, das Capillar-Verbindungsrohr schwach nach oben zu
krümmen, damit nicht schon der schwächste Strom den Schwefel-
säure-Tropfen ganz aus dem Rohre hinaustreibt. Sollte dies je-
doch bei Benutzung zu starker Ströme einmal eintreten, so bleibt
der Schwefelsäure-Tropfen durch Adhäsion an der Mündung des
Capillarrohres haften und kehrt bei Umkehr des Stromes wieder
zurück. Ein zweiter wesentlicher Vorzug der beschriebenen An-
ordnung besteht darin, dass bei derselben beide den Schwefel-
säurefaden begrenzenden Quecksilberkuppen polarisirt werden,
wodurch die verschiebende Kraft verstärkt und für beide Strom-
richtungen gleich gross wird. Endlich ist der durch die Ad-
häsion der Schwefelsäure an der Glaswand des Capillarrohres
erzeugte Widerstand gegen die Verschiebung bei der beschrie-
benen Construction der Kürze des Schwefelsäurefadens wegen
eine weit geringere.


Soll das Instrument gegen die Schiffsschwankungen un-
empfindlich gemacht werden, so werden die senkrechten Glas-
röhren mit Ansatzröhren versehen, welche nach innen gebogen
sind, so dass die Quecksilberkuppen derselben nahe zusammen
über der Mitte des Capillarrohres liegen.


Ein die Benutzung dieses Capillar-Galvanoskops erschwe-
render Uebelstand ist der, dass der Schwefelsäurefaden nach ge-
schehener Ablenkung durch einen Strom nur äusserst langsam
in seine Ruhelage zurückkehrt, wenn auch für die Depolarisirung
der Quecksilberkuppen durch metallische Verbindung der beiden
Quecksilbersäulen gesorgt wird. Wird jedoch dieselbe Elektri-
citätsmenge, welche die Polarisirung bewirkte, in entgegenge-
setzter Richtung durch das Instrument geschickt, so kommt der
Faden schnell und genau wieder in seine ursprüngliche Lage.
Man bewirkt dies leicht dadurch, dass man in den Stromkreis
einen Condensator einschaltet, durch dessen Ladung die Ver-
schiebung des Fadens und durch dessen Entladung die Zurück-
[323] führung desselben erfolgt. Zu exacten Messungen lässt sich das
Instrument nur dann verwenden, wenn sehr grosse Widerstände
und beträchtliche elektromotorische Kräfte im Spiele sind. Ist
die elektromotorische Kraft der Kette nicht mindestens 1/50 Daniell,
so erfolgt keine merkbare Verschiebung des Fadens. Dem un-
geachtet wird das Instrument in vielen Fällen ein nützliches
Hülfsmittel werden, namentlich dann, wenn sehr grosse Wider-
stände im Stromkreis enthalten sind. Diese verlangsamen zwar
die Bewegung des Schwefelsäurefadens, sind aber auf die Grösse
seiner Verschiebung ganz ohne Einfluss.



[[324]][[325]]

Antrittsrede des Herrn Siemens und Ant-
wort des Herrn du Bois-Reymond, Secretars
der physik.-mathem. Klasse.


(Gelesen in der öffentlichen Sitzung der Königl. Akademie der Wissensch. zu Berlin am 2. Juli.)


1874.


Durch meine Aufnahme unter die Zahl ihrer Mitglieder hat
die Akademie mir eine Ehre erwiesen, welche ich nicht erstrebt
habe und die ich auch nicht zu erwarten berechtigt war. Zu
diesen, durch die hohen wissenschaftlichen Leistungen früherer
wie gegenwärtiger Inhaber ehrwürdigen Sitzen wurden bisher
nur Gelehrte berufen, welchen die Wissenschaft Lebensberuf war
und welche derselben ihre ganzen geistigen Kräfte erfolgreich ge-
widmet hatten. Es sprachen auch gewichtige Gründe für die
Aufrechterhaltung dieser Sitte. Die deutsche Wissenschaft ver-
dankt die allgemeine Huldigung, welche die Welt ihr darbringt,
dem wohlbegründeten Ruf der Gediegenheit ihrer Leistungen, der
Tiefe ihrer Forschungen, wesentlich dem strengen Gebote der
gründlichen und planmässigen Vorbildung für den wissenschaft-
lichen Beruf. Diese flösst dem Jünglinge die Liebe zur Wissen-
schaft ein und stärkt ihn bei der Durchführung des Entschlusses,
ihr fortan sein Leben zu weihen. Sie ist es, die der deutschen
Wissenschaft die Reinheit des wissenschaftlichen Strebens be-
wahrt hat, welche ihre höchste Zierde bildet. Der deutsche Ge-
lehrte fragt nicht, ob das Problem, dessen Lösung er unter-
nehmen, ob die Untersuchung, der er sich hingeben will, ihm
selbst oder Anderen unmittelbaren Nutzen bringen wird; es ist
die reine selbstlose Liebe zur Wissenschaft, welche ihm seine
Aufgaben vorzeichnet, es ist der Wissensdrang, welcher ihn an-
[326] spornt, ihrer Durchführung seine ganze Geisteskraft, oft unter
drückenden Lebenssorgen, bis zur Erschöpfung zu widmen.
Als Lohn genügt ihm das Bewusstsein, den einzig wahrhaften
Schatz der Menschheit, ihren Wissensschatz, vermehrt zu haben,
und sein Ehrgeiz ist befriedigt, wenn sein Name mit der Auf-
findung einer neuen Wahrheit, einer neuen wissenschaftlichen
Thatsache oder Folgerung, dauernd verknüpft ist.


Die Akademie ist mit meiner Wahl von dem Systeme ab-
gewichen, welches so Grosses erwirkte. Sie hat einen Mann für
würdig erklärt, in ihre Reihen einzutreten, dessen berufsmässige
Thätigkeit weder der Wissenschaft selbst, noch dem ihr nahe
stehenden wissenschaftlichen Lehrfache angehörte, dem es auch
nicht vergönnt war, als Jünger hoher Meister unter sicherer
Führung die lichte Höhe des heutigen Wissens zu erklimmen,
um dann, von diesem festen Grunde der in einer langen Reihe
von Jahrtausenden angesammelten geistigen Arbeit des ganzen
Menschengeschlechtes aus, mit verhältnissmässig leichter Mühe
am weiteren Aufbau desselben mitarbeiten zu können.


Ich bin nicht anmassend genug, um zu glauben, dass die
rein wissenschaftlichen Leistungen, welche ich aufzuweisen habe,
allein entscheidend hierfür gewesen sind. Ich glaube, und finde
eine Beruhigung in dieser Annahme, dass schwerer wiegende
Gründe für die Akademie massgebend waren. Diese erkenne
ich darin, dass — Dank der besseren Schulbildung und der
höheren Entwickelung des geistigen Verkehrs, welcher heute
jeden neuen Gedanken, jede neue wissenschaftliche Thatsache
schnell zum fortan unverlierbaren Gemeingute der Menschheit
macht — die wissenschaftliche Kenntniss und Methode nicht
mehr auf den engen Kreis der Berufsgelehrten beschränkt ist,
sondern belebend und befruchtend auf grössere Gesellschaftskreise
eingewirkt hat. Das Lehrfach, das Beamtenthum, die Industrie,
die Landwirthschaft, ja fast jedes Gewerbe hat sich wesentliche
Bestandtheile derselben angeeignet. Es sind dadurch der
Wissenschaft Tausende von Mitarbeitern erwachsen, welche zwar
grösstentheils nicht auf einer weiten Ueberblick gewährenden
Wissenshöhe stehen, dafür aber ihr Specialfach gründlich kennen
und bei dem Bestreben dasselbe mit Hülfe der erworbenen wissen-
schaftlichen Kenntnisse weiter auszubilden überall den Grenzen
[327] unseres heutigen Wissens begegnen. Die Kenntniss neuer That-
sachen, bisher unbekannter Erscheinungen fliesst daher von hier
in lebendigem Strome zur Wissenschaft zurück. Doch nicht allein
im eigenen Interesse der Wissenschaft liegt es, in engere Ver-
bindung mit der Anwendung ihrer Forschungsresultate im prak-
tischen Leben zu treten, weil dasselbe ihr reichlich zurückbringt,
was es empfängt; es ist für sie auch ein Gebot der Pflicht.
Denn dadurch erhält die Wissenschaft erst ihre höhere Weihe,
das giebt ihr erst ein Anrecht auf die dankbare Liebe und Ver-
ehrung der Völker, dass sie nicht ihrer selbst wegen besteht,
zur Befriedigung des Wissensdranges der beschränkten Zahl ihrer
Bekenner, sondern dass ihre Aufgabe die ist, den Schatz des
Wissens und Könnens des ganzen Menschengeschlechtes zu er-
höhen und dasselbe damit einer höheren Culturstufe zuzuführen.
Sie bildet gleichsam das Nervennetz, welches den Organismus
menschlicher Cultur durchzieht, das auch in seinen feinsten,
kaum noch bemerkbaren Verzweigungen noch neues frisches
Leben in ihm erzeugt und dadurch nicht allein die idealen Güter
der Menschheit vermehrt, sondern ihr auch durch Dienstbar-
machung der noch unerkannt schlummernden Kräfte der Natur
den schweren Kampf um das materielle Dasein erleichtert.


Diesem Endzwecke wissenschaftlichen Strebens waren auch
meine Kräfte in meiner Berufsthätigkeit, der wissenschaftlichen
Technik, stets zugewandt. Leider liess mir dieselbe bisher nur
wenig Musse für rein wissenschaftliche Forschungen, zu denen
ich mich immer besonders hingezogen fühlte. Meine Aufgaben
wurden mir gewöhnlich durch meine Berufsthätigkeit vorge-
schrieben, indem die Ausfüllung wissenschaftlicher Lücken, auf
welche ich stiess, sich als ein technisches Bedürfniss erwies.
Ich will hier nur flüchtig erwähnen meine Methode der Messung
grosser Geschwindigkeiten durch den elektrischen Funken, die
Auffindung der elektrostatischen Ladung telegraphischer Leitungen
und ihrer Gesetze, die Aufstellung von Methoden und Formeln
für die Untersuchung unterirdischer und unterseeischer Leitungen,
so wie für die Bestimmung des Ortes vorhandener Isolationsfehler,
meine Experimentaluntersuchung über die elektrostatische In-
duction und die Verzögerung des elektrischen Stromes durch die-
selbe, die Aufstellung und Darstellung eines reproducirbaren
[328] Grundmasses für den elektrischen Leitungswiderstand, den Nach-
weis der Erwärmung des Dielektricums des Condensators durch
plötzliche Entladung, die Auffindung und Begründung der dynamo-
elektrischen Maschine. Ich glaube auch anführen zu können,
dass manche meiner technischen Leistungen nicht ohne wissen-
schaftlichen Werth sind. Ich nenne von denselben den Diffe-
rential-Regulator, die Herstellung isolirter Leitungen durch Um-
pressung mit Guttapercha, die telegraphischen Gegen-, Doppel-,
Inductions- und automatischen Sprechapparate, den Ozon-Apparat
und Messinstrumente verschiedener Art. Mir ward die Ehre, dies
seitens der Berliner Universität durch meine Promotion zum
Doctor phil. hon. c. anerkannt zu sehen. Ich kann auch nicht
unterlassen, an dieser Stelle dankend hervorzuheben, dass das
freundliche Wohlwollen, mit welchem viele der älteren Mitglieder
dieser Akademie meine Bestrebungen stets begleiteten, so wie die
Freundschaftsbande, welche mich mit manchen der jüngeren ver-
knüpfen, wesentlich dazu mitwirkten, die Liebe zur Wissenschaft
während meiner langen technischen Laufbahn in mir lebendig
zu erhalten. Freilich blieb mir nur selten die Musse, neue Er-
scheinungen, die mir begegneten, über die Grenzen des tech-
nischen Bedürfnisses hinaus mit wissenschaftlicher Consequenz
zu verfolgen und auch künftig wird die Arbeitslast meiner Be-
rufsthätigkeit mich hindern, meiner wissenschaftlichen Neigung
gänzlich Folge zu leisten.


Doch die Akademie hat durch meine Wahl zu ihrem Mit-
gliede zur Neigung die Pflicht gesellt — eine Mahnung, die im
Staate Friedrich’s des Grossen besonders kräftig zu wirken pflegt
und auch auf mich nicht ohne Einfluss bleiben wird!


Hierauf folgte die Antrittsrede des Hrn. Virchow.


Auf die Antrittsreden der beiden neuaufgenommenen Mit-
glieder der physikalisch-mathematischen Klasse, der HH. Siemens
und Virchow, antwortete Hr. du Bois-Reymond, als Secretar der
Klasse, Folgendes:


Dein Eintritt in die Akademie, mein theurer Siemens, und
der Ihre, Herr Virchow, treffen nicht bloss zeitlich zusammen,
sondern noch in mehreren anderen Punkten. Beide gehören nicht
zu den gewöhnlichen Ereignissen im Leben unserer Körperschaft.
In der Regel füllt diese die Lücken, welche das Verhängniss in
[329] ihrem Kreise riss, mit jüngeren Kräften aus, deren reicher Ent-
faltung in der Zukunft sie sich versichert hält. Nicht selten
auch sind es schon gereifte und allgemein anerkannte Männer,
die sie sich einverleibt: doch geschieht dies meist bei deren
Uebersiedelung nach Berlin. Die Namen Siemens und Virchow
dagegen waren längst eine hervorragende Zierde des gelehrten
Berlins. Könnte am heutigen Vorgang etwas die Aussenstehen-
den befremden, so wäre es, dass er erst heute vor sich ging.
Aber die Verdienste, mit denen die Welt gewohnt ist, beide
Namen zu verknüpfen, sind zum Theil einer Art, der Akademien
naturgemäss fremd bleiben; und indem ihr Glanz den doch darin
enthaltenen akademischen Kern blendend verdeckte, trugen sie
seltsamerweise eher dazu bei, den heutigen Tag zu verspäten,
als ihn rascher herbeizuführen.


Die praktische Anwendung der Wissenschaft, ihre Dienstbar-
machung für technische Zwecke, in welcher Du, mein theurer
Siemens, so Grosses geleistet, liegt ausserhalb des Kreises un-
serer Beschäftigungen. Insofern diese Anwendung dem, der sich
ihr mit Erfolg widmet, Reichthum, Macht und Ansehen sichert,
wird sie ohne Schaden sich überlassen, und bedarf sie keiner
ihr vom Staate bereiteten Stätte. Es wird ihr an Kräften und
Mitteln, an ermunternder Theilnahme nie fehlen. Die Entwicke-
lung der Industrie seit einem Jahrhundert, zu welcher die ge-
lehrten Gesellschaften unmittelbar sehr wenig beitrugen, zeigt
dies genugsam. Jedenfalls dürfte eine gute Patentgesetzgebung
der Industrie mehr nützen, als unmittelbare Betheiligung der
Akademien an der Lösung industrieller Aufgaben, ja ein nur zu
nahe liegendes Beispiel lehrt, dass, um lebenskräftig zu gedeihen,
die Industrie nicht einmal diese Hülfe braucht.


Benjamin Franklin, einer der ersten Apostel des Utilitaria-
nismus, nannte den Menschen das werkzeugmachende Thier.
Kaum ein Jahrhundert verfloss seitdem, und stolz fügen wir
hinzu, er ist das Thier, das mit dem Dampfe reist, mit dem
Blitze schreibt, mit dem Sonnenstrahle malt. Planmässige Aus-
beutung der Naturschätze, methodische Bändigung der Natur-
kräfte sind unstreitig eines der erhabensten Ziele, welche die
Menschheit sich stecken kann, und wir nähern uns heute diesem
Ziele mit einer Sicherheit und Stetigkeit, die fast jede Hoffnung
[330] berechtigt und den Menschen gottähnlicher erscheinen lassen als
je zuvor. Denn unter den gegebenen Bedingungen die Summe
unseres Wohlbefindens, unserer Genüsse zu einem Maximum,
die unserer Leiden und Entbehrungen zu einem Minimum zu
machen, ist eine Aufgabe ähnlich der, welche nach Leibnitz, in
dessen Namen wir heute hier versammelt sind, der Gottheit
selber bei Erschaffung der Welt vorschwebte.


Aber der Mensch lebt nicht von Brod allein, und man kann
mit Novalis fragen: Was ist praktischer, den Menschen Brod,
oder ihnen eine Idee geben? Nachdem auch der Schönheits-
sinn befriedigt ist, den nach Darwin der Vogel mit uns theilt,
wirkt im Menschen noch ein Trieb, der, wie die Sprache, unter
allen Lebendigen einzig ihm gehört. Das Wort: Warum?
welches von den Lippen der Kinder ungelehrt uns entgegen-
tönt, wie es vor Jahrtausenden von denen morgenländischer
Weisen klang, ist unter den Wörtern der menschlichen Sprache
so zu sagen das menschlichste Wort. Die Sehnsucht nach dem
zureichenden Grunde erscheint gleichsam als Blüthe dessen, was
die zum Hirn zusammengefügte, Bewusstsein erzeugende Materie
vermag.


Die Stillung dieses Sehnens, die Befriedigung des Causali-
tätstriebes ist die abgelegene Höhe, wo der akademische Geist
weilt, ohne einige Veranstaltung aber bald vereinsamen würde.
Denn wer nur dem ewig Wahren nachspürt, braucht sich nicht
umzusehen, um zu wissen, dass nur Wenige seines Weges gehen.
Irdische Güter beut die Wissenschaft nicht, und der wissenschaft-
liche Ehrgeiz ist mehr ein Zeichen des Talentes, als dass er an
sich der Forschung Jünger erweckte.


Daher ist zum Fortbau an der wissenschaftlichen Erkennt-
niss um ihrer selber willen die Akademie da. Dass noch kein
demokratisches oder oligarchisches Gemeinwesen eine Akademie
gründete, wirft ein eigenes Licht auf den Geist der verschiedenen
Regierungsformen.


Der idealistisch gesinnten Renaissance entsprossen, ragen
die Akademien in den heute sie umdrängenden Realismus fast
als fremdartige Schöpfungen hinein. Auch ist unvermeidlich, dass
ihr Standpunkt nach den Forderungen der Zeit sich etwas ver-
rücke. Aber eine wissenschaftliche Gestalt gleich der Deinigen,
[331] mein theurer Siemens, sich anzueignen, braucht keine Akademie
ihren Grundsätzen untreu zu werden.


Dein ist das Talent des mechanischen Erfindens, welches
nicht mit Unrecht Urvölkern göttlich hiess, und dessen Ausbil-
dung die Ueberlegenheit der modernen Cultur ausmacht. Ohne
in der praktischen Mechanik selber Hand anzulegen, hast Du
als schaffender und organisirender Kopf das Höchste in der Kunst
erreicht. Hellen Blicks und kühnen Sinnes ergriffst Du früh die
grossen praktischen Aufgaben der Elektrotelegraphie und sicher-
test Deutschland darin einen Vorsprung, den nicht Gauss und
Wilhelm Weber und nicht Steinheil ihm hatten verschaffen
können. Lange ehe der wiedererwachte deutsche Genius auf dem
Schlachtfeld und im Parlament das höhnische Vorurtheil zer-
streute, wir seien ein Volk von Träumern, zwangen Deine und
unseres Halske’s Apparate auf jeder der grossen Weltausstellun-
gen das missgünstige Ausland zur bewundernden Anerkennung
dessen, was deutsches Wissen und deutscher Kunstfleiss zu leisten
im Stande sind. Deine Werkstätten wurden für Elektricität, was
einst die Fraunhofer’sche für Licht, und Du selber der James
Watt des Elektromagnetismus. Nun gebietest Du einer Welt, die
Du schufest. Deine Telegraphendrähte umstricken den Erdball.
Deine Kabeldampfer befahren den Ocean. Unter den Zelten
Bogen und Pfeil führender Nomaden, deren Weidegründe Deine
Botschaften durchfliegen, wird Dein Name mit abergläubischer
Scheu genannt.


Aber weniger diese Art von Erfolgen, die Dir solche Lebens-
stellung und weithin solchen Ruhm gewannen, öffnete Dir die
Thore der Akademie. Sondern dass Du auf solcher Höhe, als
ein Fürst der Technik, die Fäden unzähliger Combinationen in
der Hand haltend, hundert Pläne im Kopfe wälzend, im Inner-
sten der deutsche Gelehrte in des Wortes edelstem Sinne bliebst,
als der Du geboren bist, zu dem Du nicht einmal erzogen wur-
dest; dass in jedem Augenblick, wo die Last der Geschäfte es
Dir erlaubte, Du mit Liebe zum Phänomen, mit Treue zum Ex-
periment, mit Unbefangenheit zur Theorie, genug mit ächter Be-
geisterung zur reinen Wissenschaft zurückkehrtest: das stempelte
Dich, von Deinem Scharfsinn, Deiner Erfindsamkeit, Deiner Be-
obachtungsgabe zu schweigen, in unseren Augen zum Akademiker.
[332] Gerade weil Du nicht den gewöhnlichen Bildungsgang des deut-
schen Fachgelehrten durchmachtest, zählt die Akademie beson-
ders auf Dich. Nicht bloss in dem Sinne, dass der ungewöhnliche
Weg, auf dem Du Dich emporschwangst, ein Wahrzeichen unge-
wöhnlicher Befähigung ist, sondern weil dadurch, wie wir dies
von manchen englischen Physikern rühmen, Dein Blick frischer,
Deine Auffassung unbeirrter, Dein Urtheil freier blieb, als wenn
Du gleich Anderen an den Lehrmeinungen der Schule gegängelt
worden wärest.


Mir aber, der ich Deinen Werth früh erkannte und seit
dreissig Jahren Dir durch eine Freundschaft verbunden bin, die
ich zu den grössten Segnungen meines Lebens rechne, mir konnte
als Sprecher dieser Körperschaft Erfreulicheres nicht begegnen,
als Dich in deren Namen heut in unserer Mitte willkommen zu
heissen.


(Folgt Ansprache an Hrn. Virchow.)


[[333]]

Beiträge
zur
Theorie der Legung und Untersuchung
submariner Telegraphenleitungen.


(Mon.ber. d. Berl. Akad. d. W. v. 17. Dec.)


1874.


Als Ausgangspunkt der submarinen Telegraphie sind die in
den Jahren 1847 bis 1852 in Preussen angelegten unterirdischen
Leitungen zu betrachten. Es waren zwar schon früher Versuche
mit Isolirung der zu unterirdischen Leitungen bestimmten Drähte
durch Glasröhren, Kautschuck etc. gemacht, unter denen nament-
lich die von Jacobi in Petersburg im Jahre 18421) in ziemlich
grossem Massstabe durchgeführten Erwähnung verdienen, — doch
alle waren fehlgeschlagen. Im Jahre 1846 schlug ich der preus-
sischen Regierung die Anwendung der kurz vorher in Europa
bekannt gewordenen Guttapercha als Isolirungsmittel vor. Die
Eigenschaft derselben, im erwärmten Zustande plastisch zu werden,
verbunden mit ihrer isolirenden Eigenschaft, liessen sie als be-
sonders geeignet für den vorliegenden Zweck erscheinen. Doch
auch die hier, sowie auch zu gleicher Zeit in England mit diesem
Material angestellten Versuche ergaben kein befriedigendes Re-
sultat, da die Verbindungsnähte der um den Draht gewalzten
Guttapercha sich nach kurzer Zeit wieder trennten. Erst mit
Hülfe einer von mir und Halske im Jahre 1847 construirten und
in Thätigkeit gesetzten Umpressungsmaschine, durch welche die
durch Erwärmung plastisch gemachte Guttapercha ohne Naht
[334] um den Draht gepresst wird, fand das Problem der Herstellung
hinreichend isolirter unterirdischer oder submariner Leitungen
seine Lösung.


Wenn auch das ausgedehnte Netz unterirdischer, mittelst
umpresster Guttapercha isolirter Leitungen, welches in den fol-
genden Jahren mit zu grosser Hast über Norddeutschland und
in Russland ausgebreitet wurde, sich keiner langen Dauer zu er-
freuen hatte — namentlich aus dem Grunde, weil zur Ersparung
von Kosten die Drähte ohne äusseren Schutz und in zu geringer
Tiefe in den Boden gelegt waren, — so gaben sie doch Gelegen-
heit, Erfahrungen über die Herstellung und Instandhaltung solcher
isolirter Leitung zu sammeln und deren physikalische Eigen-
schaften zu studiren. Es blieb jedoch dem englischen Unterneh-
mungsgeiste vorbehalten, diese hier gewonnenen Kenntnisse und
Erfahrungen auf einem Gebiete zu verwerthen, wo die Concurrenz
der billigeren oberirdischen Leitungen ausgeschlossen ist, — dem
der submarinen Telegraphie.


Schon im Jahre 1850 legte Mr. Brett zuerst einen einfachen,
mit Guttapercha isolirten Leitungsdraht durch den Kanal von
Dover nach Calais. Da dieser sich, wie vorauszusehen, nicht als
dauerhaft erwies, ersetzte er ihn 1851 durch einen mit umpresster
Guttapercha isolirten Leitungsdraht, der mit einem Gewinde von
starken Eisendrähten zum Schutze gegen äussere Beschädigungen
übersponnen war, und stellte damit das erste brauchbare sub-
marine Kabel her.


Die Legung dieser Kabel bot bei der dortigen geringen
Wassertiefe keine grossen Schwierigkeiten dar. Die Versuche,
welche Brett später machte, derartige Kabel auch durch tiefe
Meeresstrecken hindurch zu legen, misslangen jedoch, weil man
die bei der Auslegung von Tiefseekabeln auftretenden Kräfte
noch nicht richtig erkannt und daher auch die nothwendigen
Vorkehrungen zu ihrer Beherrschung nicht richtig getroffen hatte.
Die erste gelungene Tiefseekabellegung zwischen Cagliari und
Bona im Jahre 1857, bei der ich mitzuwirken berufen war, bot
mir Veranlassung, den mechanischen Vorgang der Legung von
Kabeln zu untersuchen. Das Kabel wird nach der in England
angenommenen Praxis in einen oder mehrere ringförmige Räume,
welche im Legungsschiffe hergerichtet sind, derartig in einer
[335] fortlaufenden Spirale eingebettet, dass es über eine über dem
Kabel in der Axe des Ringes angebrachte Rolle auslaufen kann,
ohne sich zu verschlingen oder anderweitig gehindert zu werden.
Denkt man sich das Schiff nun in dauernder gleichmässiger und
geradliniger Fortbewegung das Kabel hinter sich ins Meer fallen
lassend, so wird jeder Theil des, bei der grossen suspendirten
Länge als vollkommen biegsam anzunehmenden Kabels mit einer
gleichen und constanten Geschwindigkeit zum Meeresboden nieder-
sinken. Es muss der Abstand eines jeden Theiles des fallenden
Kabels von der Oberfläehe des Wassers mithin proportional der
Zeit sein, welche verstrichen ist, seit derselbe das Schiff verliess.
War nun die Geschwindigkeit des Schiffes constant, so sind diese
Zeiten der horizontalen Entfernung des Schiffes proportional,
d. h. das Kabel muss eine gerade Linie vom Schiff bis zum
Meeresboden bilden. Diese gerade Linie sinkt parallel mit sich
selbst zu Boden. Das Schiff muss sich nach Verlauf der Zeit-
einheit mithin gerade an dem Punkte befinden, wo die nieder-
sinkende Kabellinie dann die Wasseroberfläche schneidet. Fällt
also jeder Theil des suspendirten Kabels durch sein Gewicht im
Wasser mit der Geschwindigkeit v zu Boden und wird die Schiffs-
geschwindigkeit mit c bezeichnet, so muss der Winkel α, welchen
die Kabellinie mit dem Horizonte bildet, durch die Gleichung
1)
bestimmt werden, wenn man annimmt, dass bei der stationären
Bewegung eines parallel mit sich selbst im Wasser fallenden
Kabelstückes der Weg proportional der Kraft ist. Das Gewicht w
der Einheit der Kabellänge im Wasser lässt sich in zwei Com-
ponenten zerlegen, von denen die eine, w. cos α, das Kabel senk-
recht auf seine Richtung durch das Wasser zu Boden zieht,
während die andere, w. sin α, einen Zug in der Axe des Kabels
ausübt, mithin bestrebt ist, das geradlinige Kabel auf der vom
Wasser gebildeten schiefen Ebene, auf der es ruht, hinabzuziehen.
Die Gesammtwirkung dieser letzten Kräfte ist w.l. sin a, wenn l.
die Länge des suspendirten Kabels bezeichnet, oder, da l. sin α = h,
d. i. gleich der Wassertiefe ist, so ist der gesammte Zug P = w.h
oder stets gleich dem Gewichte des bei ruhendem Schiffe senk-
recht zum Meeresboden hinabhängenden Kabels. Wird das Kabel
[336] auf dem Schiffe nicht durch Friction zurückgehalten, so wirkt
dieser Zugkraft P nur die Reibung entgegen, welche das Wasser
dem Niedergleiten des Kabels in der Axenrichtung entgegensetzt.
Die Grösse derselben ist von der Beschaffenheit der Oberfläche
und dem Durchmesser des Kabels abhängig. Bei schweren, mit
Eisen umhüllten Kabeln ist sie im Vergleich zum specifischen
Gewichte des Kabels so gering, dass man den bei Weitem grössten
Theil des Zuges P oder w. h durch Friction am Bord des Schiffes
äquilibriren muss, wenn man verhindern will, dass das Kabel
mit grosser Geschwindigkeit nutzlos in die Tiefe hinabgeleitet.


Um die nöthige Grösse dieses auf dem Schiffe anzubringenden
Frictionswiderstandes jederzeit richtig feststellen zu können, ist
die Kenntniss der Meerestiefe an jeder vom Kabel zu überschrei-
tenden Stelle und die Anbringung eines Dynamometers nothwendig,
welcher stets die Grösse der Spannung anzeigt, mit welcher das
Kabel das Schiff verlässt. Da ferner die horizontale Componente
dieser Kabelspannung das Schiff im Fortschreiten hemmt, so muss
die Kraft, mit welcher das Schiff fortbewegt wird, hinlänglich
gross sein, um diesen Widerstand überwinden und das Schiff
doch noch in hinreichender Geschwindigkeit forttreiben zu können.
Als dem entsprechend der mit dem Kabel beladene Dampfer mit
einem hinlänglich kräftigen Bremsapparat und einem von mir
nach Analogie der Kettenwage construirten Dynamometer ver-
sehen und seine, für Ueberwindung des auf das schwere Kabel
auszuübenden grossen Bremszuges viel zu geringe Maschinenkraft
durch Vorspann eines anderen, stärkeren Dampfschiffes ausreichend
verstärkt war, gelang es, die dortige bedeutende Meerestiefe mit
dem Kabel glücklich zu überschreiten.


Die Herren Longridge und Brooks haben später1) die Theorie
der Kabellegung einer eingehenden Untersuchung unterworfen.
Dieselbe ist in mathematischer Beziehung nicht anfechtbar und
führt namentlich in aller Strenge den Fall eines schief im Wasser
liegenden Kabels und die Curve durch, welche dasselbe während
des Auslegens im Wasser in dem Falle annimmt, wenn es mit
Spannung am Meeresboden gelegt wird. In physikalischer Be-
[337] ziehung giebt die Arbeit und die aus ihr gezogenen Folgerungen
aber grossen Bedenken Raum, da eines der angenommenen Grund-
principien, welches wesentlichen Einfluss auf die gewonnenen Re-
sultate hat, unrichtig ist. Es fehlt der Arbeit auch sehr an
klarer Erkenntniss der wesentlichen Momente und übersichtlicher
Entwickelung der gegebenen Resultate.


Die Kräfte, welche auf das fallende Kabel einwirken, sind
die Schwere und die ihr entgegenwirkenden Reibungskräfte.
Unter letzteren sind zu unterscheiden die Gleitreibung, welche
dem Hinabgleiten des Kabels in seiner eigenen Richtung ent-
gegenwirkt und die Reibung mit Verdrängung von Wassermasse,
welche beim Falle des Kabels in senkrechter Richtung auf seine
eigene auftritt. Die letztere ist proportional dem Quadrate der
Fallgeschwindigkeit, die erstere proportional der Geschwindigkeit
selbst. Longridge und Brooks haben beide Kräfte als propor-
tional dem Quadrate der Geschwindigkeit angenommen und ge-
langen desshalb namentlich bei der Bestimmung der Grösse der
Bremskraft, welche auf dem Schiffe angebracht werden muss, zu
unrichtigen Resultaten. Bei der früher von mir aufgestellten
Gleichung habe ich zwar auch die Fallgeschwindigkeit
senkrecht zur Kabelrichtung als proportional der Geschwindig-
keit angenommen, es wird sich aber später zeigen, dass dies für
diejenigen Werthe des Winkels α, welche beim Kabellegen ge-
wöhnlich vorkommen, beinahe streng richtig ist. Meine An-
nahme, dass das Kabel bei gleichmässiger Schiffsgeschwindig-
keit eine gerade Linie bildet, ist von der Wirkungsweise der
Reibungskräfte unabhängig. Das Kabel legt sich stets in eine
Gerade von solcher Neigung, dass die Componente der Schwere
in der Richtung des Kabels durch die Gleitreibung, die auf
diese senkrechte Componente durch die Reibung mit Massen-
verdrängung äquilibirt wird. Es ist dann Bewegungsgleichge-
wicht und daher gleichförmige Bewegung vorhanden.


Es bezeichne im Folgenden:


  • α den Winkel zwischen der Horizontalen und der Richtung
    des Kabels,
  • φ den Winkel zwischen der Richtung des Kabels und der Rich-
    tung, in welcher jedes Kabelstück wirklich zu Boden sinkt,

22
[338]
  • c die Schiffsgeschwindigkeit,
  • u die constante Geschwindigkeit, mit welcher das Kabel in
    verticaler Lage im Wasser fällt,
  • v die Fallgeschwindigkeit, wenn die Lage des Kabels hori-
    rizontal ist,
  • w das Gewicht der Längeneinheit des Kabels im Wasser,
  • h die Tiefe des Meeres,
  • l die Länge des geradlinig im Wasser suspendirten Kabels,
  • p die Reibungs- oder Bremskraft, mit welcher das Kabel auf
    dem Schiffe zurückgehalten wird,
  • s den Ueberschuss der auslaufenden Kabellänge über den
    gleichzeitigen Fortschritt des Schiffes oder das, was die
    englische Terminologie slack nennt.

Es sei A'B' die Lage, in welche das Kabel A B nach der
Zeiteinheit gelangt ist. Ein Punkt a des Kabels gelange in der

Figure 48. Fig. 48.


Zeiteinheit nach d. Die Bewegung a d werde in die beiden Be-
wegungen a b und a c zerlegt. Es müssen sich dann in beiden
Richtungen alle Kräfte aufheben, damit die vorhandene Ge-
schwindigkeit unverändert bleibt. Der Coefficient der Gleitrei-
bung werde vorläufig mit r, derjenige der Reibung mit Massen-
verdrängung mit q bezeichnet. Die Bedingung des Gleichge-
wichts der Kräfte in den beiden Richtungen a b und a c giebt
dann die Gleichungen:
[339]a)
b)

Die übrigen Grössen werden ausgedrückt durch die Relationen
Die letzte Relation findet ihre Begründung darin, dass die Rich-
tung, in welcher sich der Punkt a bewegen muss, wenn ohne
Mehrverbrauch an Kabel ausgelegt wird, den Winkel c a g hal-
biren muss, damit BC = BA wird. Für die Coefficienten r und
q sind die oben definirten Geschwindigkeiten u und v einzu-
führen. Es ist nämlich beim senkrechten Falle des Kabels im
Wasser:
in verticaler Lage
in horizontaler Lage

u, v und w sind Constanten des Kabels, welche vor dem Légen
bestimmt werden können. Es sind dies zugleich die einzigen
Kabelconstanten, deren Kenntniss hier erforderlich ist.


Für den Winkel α, welchen das Kabel mit der Horizontalen
bildet, erhält man aus der Gleichung b) und den übrigen Rela-
tionen:
oder, wenn man hieraus entwickelt:
2)
Diese Gleichung ist streng richtig. Bei der praktischen Kabellegung
kommen jedoch meistens nur kleinere Werthe von α vor, für
welche Gleichung 1) genügend genaue Resultate giebt, da für
kleine Werthe von α der Ausdruck nahe gleich 1 ist.
Es sollen jedoch im Folgenden zuerst die aus den Gleichungen
22*
[340] a) und b) und den übrigen streng richtigen Relationen abzulei-
tenden Folgerungen gezogen und die erhaltenen Formeln dann
später durch Einführung der für kleinere Werthe von ange-
nähert richtigen Gleichung tg vereinfacht werden.


Zunächst erhält man für die Bremskraft p bei belie-
bigem slack
:
3)
und, indem man hierin s = 0 setzt, für die Bremskraft P
ohne slack
:

In Gleichung 3) hat das erste Glied w h unter gewöhn-
lichen Verhältnissen weitaus überwiegenden Werth, so dass im
Wesentlichen die Bremskraft gleich dem Gewicht des
Kabels
ist, wenn dasselbe senkrecht vom Schiff herunter-
hängend
gedacht wird; dieser Werth ist zugleich die obere
Grenze für die Bremskraft, welche beinahe erreicht wird, wenn
das Schiff bei sehr grosser Geschwindigkeit das Kabel ohne
überschüssige Mehrausgabe auslegt.


Von dieser oberen Grenze kommen zwei Glieder in Abzug,
welche wir mit P' und S bezeichnen wollen, nämlich
,


Dieselben haben sehr einfache Bedeutungen:
es ist
,
ist aber die Strecke, um welche das Kabel hinuntergleitet,
wenn ohne überschüssige Mehrausgabe gelegt wird; ist die
Strecke, welche noch zu hinzukommt, wenn mit überschüssiger
Mehrausgabe gelegt wird; P ist daher der Betrag der Gleitreibung
im ersten Fall, S derjenige Betrag derselben, welcher im zweiten
Fall noch hinzukommt.


P' ist zugleich, da P = w h — P', die Grösse, um welche
beim Legen ohne überschüssige Mehrausgabe die Bremskraft ge-
ringer ist als das Gewicht w h; von derselben lässt sich auf ver-
[341] schiedene Weise einsehen, dass sie beinahe völlig unabhängig
ist von der Schiffsgeschwindigkeit
, ausser bei ganz ge-
ringen Werthen dieser letzteren, und ausserdem proportional
der Tiefe
h.


Die Grösse S ist ebenfalls proportional der Tiefe, aber
ausserdem, wenigstens bei mittleren und grösseren Schiffsge-
schwindigkeiten, proportional dem Quadrat der Schiffs-
geschwindigkeit
.


Um die Abhängigkeit der Grössen P' und S von den übrigen
und namentlich von der Schiffsgeschwindigkeit zu veranschau-
lichen, hat Hr. Dr. Frölich, dem ich für seine freundliche Unter-
stützung bei diesen Berechnungen zu danken habe, in der folgen-
den Tabelle eine Uebersicht der Werthe von P, P', c, s für alle
vorkommenden Schiffsgeschwindigkeiten berechnet, wenn die
Tiefe = 2000 Faden und s = 10 pCt., für das schwere atlan-
tische Kabel, welches Longridge und Brooks behandeln, bei
welchem
w = 0.3208 (engl. Pfunde),
u = 24.201, v = 3.082 (engl. Fuss, Secunde).


Tabelle I.


Um ferner eine Anschauung zu geben von den bedeutenden
Veränderungen des Bremsgewichtes für ein bestimmtes s, lassen
wir eine Tabelle der Werthe dieser Grösse (p) folgen, für die
beim atlantischen Kabel vorkommenden Tiefen, wenn die über-
schüssige Mehrausgabe s = 10 pCt.


Tabelle II.


[342]

Für den Winkel φ, welcher die Richtung der wirklichen
Bewegung des Kabels bestimmt, hat man die Gleichung
4)
und endlich für s, die überschüssige Mehrausgabe von Kabel,
5)
oder auch

Zum Vergleich mit den obigen Formeln 2) bis 5) lassen wir
die entsprechenden folgen, welche sich aus der Darstellung von
Longridge und Brooks ergeben, mit unseren Bezeichnungen.


Die Formel 2) bleibt dieselbe; dagegen erhält man
statt 3): ,
statt 4): ,
statt 5):


Die Abweichung dieser Formeln von den unsrigen liegt in
der Annahme eines quadratischen Gesetzes für die Gleitreibung;
man erhält aus denselben zu hohe Bremsgewichte, wenn man
bei bekannter Schiffsgeschwindigkeit und Tiefe mit einer be-
stimmten Mehrausgabe legen will, und ferner eine zu hohe Mehr-
ausgabe s, wenn Tiefe, Schiffsgeschwindigkeit und Bremsgewicht
gegeben sind und s aus den Werthen für diese Grössen berechnet
wird.


Wir führen nun die in der Gleichung 1) enthaltene Näherung
ein, indem wir dieselbe an Stelle von Gleichung 2) setzen und
vermittelst derselben den Winkel α, der sich in der Praxis kaum
bestimmen lässt, aus allen übrigen Formeln eliminiren.


Zunächst vergleichen wir in der folgenden Tabelle die nach
beiden Gleichungen für das oben behandelte Kabel für die vor-
kommenden Schiffsgeschwindigkeiten erhaltenen Werthe:


[343]

Tabelle III.


Aus dieser Vergleichung ergiebt sich, dass bei einer Schiffs-
geschwindigkeit von mehr als 8' per Secunde oder von circa
5 Seemeilen per Stunde für praktische Zwecke Gleichung 1) als
richtig angenommen werden kann.


Wir setzen daher im Folgenden tg und vernachlässi-
gen die Grössen von der Ordnung . Alsdann erhalten wir
die angenäherten Formeln:
3')
4') , und
5')


Die Gleichung 5') zeigt, dass die überschüssige Mehraus-
gabe s umgekehrt proportional ist dem Quadrat der
Schiffsgeschwindigkeit
, ferner das erste wichtigere Glied im
Ausdruck für sproportional der Differenz w hp, d. h.
zwischen dem Gewicht des senkrecht hängenden Kabels
und der Bremskraft
.


Beim Legen eines Kabels kann sich die Mehrausgabe s aus
drei Ursachen ändern: wegen Aenderung der Tiefeh, wegen
Aenderung der Bremskraftp und wegen Aenderung der Schiffs-
geschwindigkeit
c. Differenzirt man s nach diesen 3 Grössen
und dividirt immer durch s, so erhält man die procentischen
Aenderungen von s in Bezug auf dieselben, nämlich:
,
,
,


[344]

Wenn z. B. h = 2000 Faden, p = 3261.8 Pfund, c = 8 Fuss,
so ist s = 0.10 = 10 pCt.; nun ist aber in diesem Fall
und .


Wenn sich nun z. B. h, p und c, jedes um 10 pCt. seiner
eigenen Grösse, vergrössern, so ändert sich s im ersten Fall etwa
um + 99 pCt., im zweiten etwa um — 99 pCt., im dritten um
— 21 pCt. seiner eigenen Grösse; man hat also statt 10 pCt.
Mehrausgabe resp. 19.9 pCt., 0.1 pCt., 7.9 pCt. Man ersieht
hieraus, dass die überschüssige Mehrausgabe, wenn p, h
oder c sich ändern, sich bedeutend stärker verändert,
als jene Grössen selbst
, dass aber die Aenderungen der-
selben durch Veränderung der Tiefe und der Brems-
kraft viel stärker sind als diejenigen durch Verände-
rungen der Schiffsgeschwindigkeit
.


Eine wichtige Bemerkung ergiebt sich noch aus Gleichung 4'),
dass nämlich P, die Bremskraft beim Legen ohne über-
schüssige Mehrausgabe
, bei nicht ganz geringer Schiffsge-
schwindigkeit nur abhängt von der Tiefe und derselben
proportional
ist; dies zeigte auch schon Tab. I. Daraus folgt
aber, dass man umgekehrt die Tiefe aus der BremskraftP
bestimmen kann; wie genau dies geschehen kann bei Schiffs-
geschwindigkeiten von 4' an, zeigen die folgenden Tabellen.
In Tab. IV sind die Bremskräfte P nach der streng gültigen
Formel
berechnet; Tab. V enthält die aus diesen Werthen nach der an-
genähert richtigen Formel
berechneten Tiefen, d. h. man denkt sich P experimentell ge-
messen und die Kabelconstanten u, v, w bekannt, und bestimmt
nun hieraus die Tiefe h.


[345]

Tabelle IV.


Tabelle V.


Im Allgemeinen ergiebt sich, auch aus den angenäherten
Formeln, dass, um ein Kabel mit bestimmter Mehrausgabe zu
legen, genaue Kenntniss der Constanten des Kabels, ausserdem
aber noch der Tiefe und der Schiffsgeschwindigkeit nothwendig
ist. Die Kabelconstanten können wir uns als vor der Legung
gut bestimmt denken; die Messungen jedoch der Tiefe und der
Schiffsgeschwindigkeit lassen sich während der Legung nur sehr
unvollkommen ausführen. Es fragt sich nun, ob es kein Mittel
gebe, diese Schwierigkeiten zu umgehen oder zu heben.


Es wirft sich vor allem die [Frage] auf, ob man nicht ohne
Bremsgewicht legen
könne? In diesem Fall wäre nämlich
,
d. h. die überschüssige Mehrausgabe nur abhängig von
der Schiffsgeschwindig
keit, nicht mehr von der Tiefe.


Ohne Bremsgewicht und ohne überschüssige Mehrausgabe zu
legen ist nach dieser Formel nur möglich, wenn
2 uv = 0, also v = 2 u,
d. h. wenn das Kabel mit einer sehr grossen Gleitreibung aus-
gestattet würde; in diesem Fall wäre es aber auch nicht möglich,
mit Mehrausgabe zu legen.


Nehmen wir nun an, man wolle mit 10% Mehrausgabe legen
und ohne Bremsgewicht, so müsste bei dem oben behandelten
schweren (atlantischen) Kabel die Schiffsgeschwindigkeit 26'.4, bei
[346] dem von Longridge angeführten leichten Kabel (v = 1.404,
u = 11.024. w = 0.06578) 12'.0 sein; überhaupt, da hierfür
ist, würde man durch Verringerung des spec. Gewichts, nament-
lich aber durch Vergrösserung der Gleitreibung ein Kabel con-
struiren können, das ohne Bremsgewicht gelegt werden könnte,
und bei welchem die Regulirung der Mehrausgabe bloss durch
Veränderung der Schiffsgeschwindigkeit geschähe.


Verzichtet man aus irgendwelchen Gründen auf Veränderung
der Construction des Kabels, so bietet sich noch die Anwendung
eines von meinem Bruder Dr. C. W. Siemens vorgeschlagenen
praktischen Mittels dar, nämlich durch einen Versuch zu bestim-
men, welche Bremskraft man in Anwendung bringen muss, um
bei den obwaltenden Verhältnissen die gewollte Mehrausgabe von
Kabel zu erhalten. Es besteht derselbe darin, dass man bei con-
stanter Schiffsgeschwindigkeit die Bremse so lange stärker be-
lastet, bis keine Abnahme der Geschwindigkeit des Auslaufens
des Kabels bei weiterer Belastung der Bremse mehr eintritt.
Man hat dann die Belastung gefunden, bei welcher bei der ob-
waltenden Schiffsgeschwindigkeit ohne slack gelegt wird und kann
nun leicht die Belastung der Bremse so reguliren, dass die ge-
wollte Mehrausgabe erzielt wird. Bei stark bewegtem Schiffe
und den durch diese Bewegungen hervorgerufenen Unregelmässig-
keiten der Auslaufsgeschwindigkeit sowie bei sehr unebenem
Meeresgrunde muss aber auch dies Mittel häufig versagen.


Mit Sicherheit wird man nur in der Weise stets einen vor-
herbestimmten Mehrverbrauch erzielen können, wenn man gleich-
zeitig mit dem Kabel eine Schnur oder einen Draht auslaufen
lässt, dessen Coefficienten u und v annähernd dieselben wie die
des Kabels sind. Wenn man dieses Kabelmodell dann stets mit
einer mindestens so grossen Bremskraft zurückhält, dass es ohne
Mehrverbrauch, also mit Spannung, am Meeresgrunde ausgelegt
wird, so bildet ein angebrachter Zählapparat einen unfehlbaren,
auch durch Meeresströmungen nicht beeinträchtigten Messer der
Schiffsgeschwindigkeit über dem Meeresgrunde und man braucht
dann die Kabelbremse nur immer so stark zu belasten, dass die
stets ersichtliche Auslaufgeschwindigkeit des des Kabels in dem
[347] gewünschten Verhältnisse zu der des Kabelmodells steht. Die
hierdurch erwachsenen Mehrkosten werden dadurch reichlich auf-
gewogen werden, dass der ohne slack ausgelegte Draht nicht die
horizontale Schiffsgeschwindigkeit, sondern die überschrittene
Länge des Meeresbodens misst, daher den nöthigen Kabelbedarf,
um den Unebenheiten desselben ohne Spannung im Kabel folgen
zu können, in seiner Länge schon enthält. Um die Gefahr des
Eintretens einer solchen Spannung auf unebenem Meeresgrunde
und die Bildung von längeren Kettenlinien des Kabels daselbst
zu vermeiden, ist aber die gebräuchliche Mehrausgabe von 10 bis
15 Procent Kabel hauptsächlich nothwendig. Durch Ersparung
an ausgelegtem Kabel würde man daher die Kosten des Kabel-
modells reichlich wiedergewinnen.


Ein submarines Kabel oder eine unterirdische Leitung bietet
nur dann Garantien längeren guten Dienstes, wenn seine Isolation
vollständig ist, d. i. wenn der Widerstand seiner isolirenden Um-
hüllung gleich dem ist, welcher sich aus der Rechnung, unter
Zugrundelegung des specifischen Leitungswiderstandes des ver-
wendeten isolirenden Materials, ergiebt. Zeigt sich eine Ver-
minderung dieses Isolationswiderstandes, so ist anzunehmen, dass
an einer oder mehreren Stellen eine Oeffnung im isolirenden
Ueberzuge vorhanden ist, welche dem Wasser Zutritt zum Leiter
gestattet. Es kann dieser Fall schon bei der Fabrikation ein-
treten; er zeigt sich aber auch oft erst bei der Legung selbst oder
auch mehr oder weniger lange Zeit nach derselben. Es findet
daher sowohl während der Fabrication wie auch während und
nach der Legung eine fortlaufende Controle der physikalischen
Eigenschaften des Kabels statt. Stellt sich das Vorhandensein
eines Fehlers heraus, so ist es von der grössten Wichtigkeit, mit
möglichster Genauigkeit den Ort des Fehlers, d. i. seine Ent-
fernung von den Enden, zu bestimmen. Beim Legen des Kabels
ist es auch von Wichtigkeit, dass diese Bestimmung möglichst
rasch ausgeführt werden kann, damit das Schiff, falls der Fehler
noch in seiner Nähe liegt, das zuletzt gelegte Kabelstück mit
dem Fehler sogleich zurücknehmen kann. Die theoretische
Grundlage solcher Fehlerbestimmungen habe ich schon im Jahre
1850 angegeben 1). Sie besteht darin, dass man sich durch zwei
[348] Strom- oder Widerstandsmessungen zwei [Gleichungen] verschafft,
mit Hülfe deren man den unbekannten Widerstand des Fehlers,
d. i. des Widerstandes, den die Fehlerstelle dem Durch-
gange der Elektricität zur Erde entgegensetzt, eliminiren
und dann das Verhältniss der Entfernung des Fehlers von
den Enden der Leitung bestimmen kann. Die Strommessung
kann entweder gleichzeitig von beiden Seiten des isolirten Leiters
geschehen, wobei das entfernte Ende isolirt oder zur Erde abge-
leitet sein kann, oder sie geschehen beide von einer Seite aus,
während das entfernte Ende bei der einen Messung isolirt, bei
der anderen zur Erde abgeleitet ist. Da Strommessungen weniger
genau und schwieriger auszuführen sind, wie Widerstandsmes-
sungen, so formte ich später, nachdem ich eine feste, reproducir-
bare Widerstandseinheit dargestellt und auf Grundlage derselben
nach dem Gewichtssysteme geordnete, genaue Widerstandsscalen
angefertigt hatte1), die auf Strommessungen basirten Formeln für
die Fehlerlage in äquivalente, auf Widerstandsmessungen ba-
sirte, um2).


Ist ab = l der isolirte Leitungsdraht, dessen Länge und
Leitungswiderstand bekannt sind, sind x und y die Entfernungen
des Fehlers von a und b und z der Widerstand der Fehlerstelle,
so sind die von mir aufgestellten Bestimmungsgleichungen für
die Entfernung x des Fehlers vom Ende a folgende:


  • 1. , wenn beide Enden in demselben Raum und w und
    die Widerstände der Brückenzweige bezeichnen, bei
    welchen kein Strom durch das Galvanometer geht;
  • 2. , wenn a und b die von beiden Seiten ge-
    messenen Widerstände sind, während jedes-
    mal das entfernte Ende mit Erde verbun-
    den war;
  • 3. , wenn ai und bi die von beiden Seiten ge-
    messenen Widerstände sind, während das
    entfernte Ende isolirt war und l den Wi-
    derstand der fehlerfreien Leitung bezeichnet;

[349]
  • 4. , wenn bei der obigen Bezeich-
    nung von l, bi und b nur
    Messungen von einem Ende
    der Leitung zur Fehlerbe-
    stimmung benutzt werden.

Da im ersten Falle die veränderliche Grösse des Fehler-
widerstandes sowie die Polarisation, welche in höchst störender
Weise an der Fehlerstelle auftritt, nicht in Betracht kommt, weil
beide bestimmenden Messungen in demselben Augenblicke aus-
geführt werden, so gewährt diese Methode, wo sie anwendbar
ist, ausreichend genaue Bestimmungen der Fehlerlage. Ganz
anders liegt die Sache aber bei denjenigen Messungen, bei wel-
chen die Drahtenden weit von einander entfernt sind, wie bei
einem ausgelegten submarinen Kabel. Die feinen, oft kaum mit
dem Auge erkennbaren Oeffnungen, durch welche das Wasser in
leitende Verbindung mit dem Leitungsdrahte tritt, bieten dem
Durchgange des Stromes einen ausserordentlich veränderlichen
Widerstand dar. Ausserdem ist die Polarisation, welche an
diesen Fehlerstellen auftritt, oft sehr bedeutend und sehr variabel.
Die Massbestimmungen, welche man durch Anwendung der obigen
Formel erhält, sind daher nur selten und in der Regel nur dann
befriedigend, wenn der Fehler gross ist, d. i. geringen Wider-
stand hat.


In neuerer Zeit sind von den Herren Clark und Jenkin
zwei Methoden zur Bestimmung der Lage eines Fehlers an aus-
gelegten Kabeln bekannt gemacht, welche die Unsicherheit, die
der Fehlerbestimmung nach meinen älteren Methoden in Folge
der Variabilität der physikalischen Eigenschaften der Fehlerstelle
anhaftet, grossentheils beseitigen. Hr. Clark isolirt das eine Ende
der Leitung und schaltet zwischen das andere Ende und die
Erde eine galvanische Kette und einen bekannten Widerstand
ein. Mit Hülfe genau übereinstimmender Elektrometer wird
dann die Potentialdifferenz des mit dem Widerstande verbundenen
Batteriepoles und des Kabelendes und gleichzeitig das Potential
des isolirten anderen Endes der Leitung gemessen. Dieser
letztere giebt das an der Stelle des Fehlers in der Leitung vor-
handene Potential an und es ist dann, wenn w der eingeschaltete
Widerstand, P und P' die gemessenen Potentiale der Enden des-
[350] selben, p das am anderen Ende der Leitung gemessene Potential
der Fehlerstelle ist,
,
wenn x den Widerstand der Leitung von der Station, wo die
Batterie eingeschaltet ist, bis zum Fehler bezeichnet. Es ist
daraus
.
Da vorausgesetzt wird, dass die Messungen von P, P' und p
gleichzeitig und entweder in absolutem Masse oder mit genau
übereinstimmenden Instrumenten gemacht werden, so ist die Ver-
änderlichkeit des Widerstandes der Fehlerstelle in der That ohne
Einfluss auf das Resultat. Ebenso wird der nachtheilige Ein-
fluss der Polarisation der Fehlerstelle eliminirt, da dieselbe nur
den Effect hat, das Potential der Fehlerstelle zu vergrössern,
also hier ebenso wie die Vergrösserung des Fehlerwiderstandes
wirkt. Die Schwierigkeiten der praktischen Durchführbarkeit
der drei gleichzeitigen Messungen an verschiedenen Orten sind
aber sehr gross und Elektrometer-Messungen werden auch bei
grösster Sorgfalt der Beobachter kaum den hinreichenden Grad
von Genauigkeit geben.


Die von Hrn. Jenkin publicirte Methode basirt darauf, dass
gleichzeitig der durch den Fehler hindurchgehende Strom und
das Potential beider Enden der Leitung gemessen wird. Zu
dem Zwecke wird eine Batterie nebst einem Galvanometer
zwischen das eine Ende der Leitung und die Erde eingeschaltet,
während das andere Ende der Leitung isolirt ist. Ausserdem
sind beide Leitungsenden mit Elektrometern verbunden. In der
Formel des Hrn. Jenkin:
in welcher x den gesuchten Abstand, k den Widerstand der
Längeneinheit des Leiters, i den Isolationswiderstand der Län-
[351] geneinheit des Kabels, J den in absolutem Masse gemessenen
Strom durch das Galvanometer und P und P' die in absolutem
Masse gemessenen Potentiale am Anfang und Ende des Leiters
bezeichnen, ist der Stromverlust durch die isolirende Hülle des
Leiters in Rechnung gezogen. Da die unvollkommene Isolation
bei kleinen Kabelfehlern, deren Bestimmung stets die grössten
Schwierigkeiten macht, schon wesentlich ins Gewicht fällt, so
würde die Jenkin’sche Fehlerbestimmungsformel von grossem
Werthe sein, wenn nicht schon die gleichzeitige Messung einer
Stromstärke und zweier Potentiale nach absolutem Masse an ver-
schiedenen Orten und in der für die Zuverlässigkeit des Resul-
tates nothwendigen Genauigkeit dieselbe für praktische Verwen-
dung wenig brauchbar machte.


Wie sich aus dem Obigen ergiebt, kann eine Fehlerbestim-
mungsmethode nur dann zuverlässige Resultate geben, wenn der
ungemein unconstante Widerstand und die variable Polarisation
der Fehlerstelle durch sie unschädlich gemacht sind. Für Feh-
ler mit grossem Widerstande in langen Leitungen kommt noch
die Bedingung hinzu, dass der Isolationsstrom, d. i. der auf der
ganzen Länge des fehlerfreien Kabels durch die Masse des Iso-
lators hindurchgehende Strom, durch sie Berücksichtigung findet
oder eliminirt wird. Die Methode muss ferner schnell und leicht
ausführbar sein.


Ich glaube diesen Bedingungen durch folgende Methode
einigermassen entsprochen zu haben.

Figure 49. Fig. 49.


Es bezeichne AB das fehlerhafte Kabel, F die Lage des Feh-
lers, dessen Widerstand im Augenblick der Messung = z = FG
= FH sei. AC = P sei das Mass des Potentials, welches eine
[352] zwischen A und die Erde eingeschaltete galvanische Kette dem
Kabelende ertheilt. Es wird dann CH das Gefälle des durch
den Fehler gehenden Stromes und EF das Potential in F
sein, wenn das andere Ende der Leitung in B isolirt ist. In
B wird dann ebenfalls das Potential p auftreten, wenn, wie
einstweilen angenommen wird, die Kabelhülle bis auf die Fehler-
stelle F vollkommen isolirend ist. Zieht man nun durch G und
E eine gerade Linie, so ist DB das Mass eines Potentials P',
welches, wenn umgekehrt das Kabel in A isolirt ist, der Fehler-
stelle F dasselbe Potential p ertheilt, welches sie vorher durch
P von A aus erhielt. Es sind nun die Dreiecke CGE und
DHE ähnlich, mithin
,
wenn x und y die Abstände des Fehlers von beiden Enden A
und B der Leitung bezeichnen. Da x + y die bekannte Länge
der Leitung bezeichnet, so ist die Fehlerlage hierdurch vollständig
bestimmt. Unter der Voraussetzung, dass Widerstand und Po-
larisation bei beiden kurz nach einander erfolgenden Messungen
dieselben waren, bleiben dieselben ohne Einfluss auf das Re-
sultat der Messung. Ebenso ist die unvollkommene Isolation
durch die Hülle des Leiters in dem Falle ohne Einfluss auf das
Messungsresultat, wenn der Fehler in der Mitte der Leitung
oder derselben nahe liegt. Ist die Lage des Fehlers dagegen
näher dem einen Ende der Leitung, so kann man leicht eine
Correctur anbringen, welche den Einfluss auf das Messungsre-
sultat in einer für praktische Zwecke ausreichenden Genauigkeit
compensirt.


Die Ausführung der Potentialmessungen ist leicht mit aus-
reichender Genauigkeit ausführbar, wenn jede Endstation ein
empfindliches Spiegelgalvanometer, dem durch eine regulirbare
Nebenschliessung jeder Grad der Empfindlichkeit gegeben wer-
den kann, einen sehr grossen Widerstand, etwa von einigen
Millionen Einheiten und die Mittel besitzt, sich eine Batterie
von bestimmter elektromotorischer Kraft zusammenstellen zu
können. Verwendet man zu diesen Batterien die Daniell’sche
Kette mit Zinkvitriollösung und trägt man dafür Sorge, dass die
Zinkpole aus gleichem Material bestehen und gut verquickt sind,
und dass die Flüssigkeiten gleichmässig zusammengesetzt sind,
[353] so hat eine gleiche Anzahl von solchen Elementen eine gleiche
elektromotorische Kraft, wenn die Temperatur derselben eine
constante ist. Ist letzteres der Fall und dadurch die Vermeh-
rung oder Verminderung der elektromotorischen Kraft durch
Thermoströme in Folge der Berührung ungleich erwärmter Me-
talle und Flüssigkeiten vermieden, so ist die elektromotorische
Kraft solcher Zellen unabhängig von ihrer Temperatur. Es ist
nun leicht, den beiden Galvanometern gleiche Empfindlichkeit
zu geben, indem man jedes mit dem zugehörigen grossen Wider-
stande und einer Batterie von einer vorher bestimmten Zahl
von Elementen in einen Leitungskreis schaltet und die Neben-
schliessung des Galvanometers so regulirt, dass dessen Magnet
eine ebenfalls für beide Stationen vorher bestimmte Ablenkung
zeigt. Ungleichheiten des Leitungswiderstandes der Batterien
und der Galvanometer können hierbei vernachlässigt werden,
wenn die eingeschalteten Widerstände, wie vorausgesetzt, sehr
gross sind. Schaltet man nun die mit ihrem zugehörigen
grossen Widerstande auf gleiche Empfindlichkeit gebrachten
Galvanometer mit diesen zwischen die Enden des Kabels und
die Erde ein, so giebt die Grösse ihrer Ablenkung das mit
gleichem Masse gemessene Potential der Berührungsstellen an.
Eine messbare Veränderung des Potentials wird durch diese
Nebenschliessung nicht verursacht, wenn der Widerstand der
Batterien und des ganzen Kabels ihr gegenüber sehr klein ist.


Die Ausführung der für diese Fehlerbestimmungsmethode
erforderlichen Messungen geschieht einfach in der Weise, dass
Station A eine beliebige Batterie zwischen Kabelende und Erde
einschaltet. Ist die Ladung und Polarisation der Fehlerstelle
constant geworden, so lesen A und B die Ablenkung ihres Gal-
vanometers ab, und Station A unterbricht darauf den Contact
des Kabelendes mit dem freien Batteriepole. Station B erkennt
dies aus der Verminderung der Ablenkung seines Galvanometers.
Sie theilt dann der Station A durch conventionelle Stromimpulse
die Grösse der erhaltenen Ablenkung mit und bringt darauf
dauernd den gleichen freien Pol seiner Batterie mit seinem
Kabelende in Contact. Station A giebt ihr dann durch ein ver-
einbartes Zeichen die Nachricht, ob dessen Galvanometer mehr
oder weniger abgelenkt wurde, wie die Ablenkung in B betrug.
23
[354]B vergrössert oder vermindert nun die elektromotorische Kraft
seiner Batterie so lange, bis es von A das Zeichen bekommt,
dass die Gleichheit der Ablenkung erreicht ist. Zur Controlle
verbinden dann abwechselnd A und B ihre Batterien mit dem
Kabelende und corrigiren die elektromotorische Kraft ihrer Bat-
terien dabei so lange, bis jede an dem anderen Ende der Lei-
tung die gleiche Ablenkung hervorbringt. Die Aenderung der
elektromotorischen Kräfte der Batterien kann entweder durch
Vermehrung oder Verminderung der Zahl der Elemente oder
durch Anbringung von Nebenschliessungen geschehen.


Wie leicht ersichtlich, wird bei dieser Fehlerbestimmungs-
methode der durch die Leitungsfähigkeit des Isolators hervor-
gebrachte Fehler vollständig eliminirt, wenn die beschädigte
Stelle in der Mitte der Leitung oder ihr nahe liegt. Bei einer
sehr excentrischen Fehlerlage ist dies zwar nicht vollständig, aber
doch annähernd der Fall.


Anstatt wie bei der obigen Methode den schädlichen Ein-
fluss der Veränderlichkeit der physikalischen Eigenschaften der
Fehlerstelle dadurch zu beseitigen, dass man die bestimmenden
Messungen an beiden Leitungsenden möglichst gleichzeitig aus-
führt, so dass der Fehler für beide als constant betrachtet wer-
den kann, lässt sich dies auch dadurch erzielen, dass man das
elektrische Potential der Fehlerstelle = 0 macht.


Wenn man an das eine Ende eines isolirten cylindrischen
Leiters den positiven, an den anderen den negativen Pol einer
abgeleiteten galvanischen Kette legt, so durchschneidet die Span-
nungscurve das Kabel in der Mitte, wenn der Leiter homogen
und gleichmässig isolirt ist und die Batterien gleiche elektromo-
torische Kraft haben. Durch Ein- und Ausschaltung von Wider-
ständen zwischen den Batterien und den zugehörigen Kabelenden
kann man diesen spannungslosen Punkt im Kabel beliebig ver-
schieben. Ist er derart verschoben, dass er mit der Fehlerstelle
zusammenfällt, so geht kein Strom durch den Fehler, er bleibt
also ganz ohne Einfluss auf die Stromstärke der Kabelenden und
die Form der Spannungscurve.


Wenn im nebenstehenden Spannungsschema AB das Kabel,
CE und DF gleiche Widerstände, EA und BF gleiche, aber ver-
änderliche Widerstände bezeichnen, ferner GJZKH die Spannungs-
[355] linie des fehlerfreien Kabels, so wird die Potentialdifferens GCJE
vergrössert und dagegen die Spannungsdifferenz DHFK ver-
kleinert, wenn ein Fehler bei M sich einstellt. Vergrössert nun
Station A ihren veränderlichen Widerstand EA und verkleinert

Figure 50. Fig. 50.


zu gleicher Zeit Station B ihren veränderlichen Widerstand BF
so lange, bis an beiden Stationen die früher gemessene Potential-
differenz GCJE = DHFK wieder hergestellt ist, so bildet die
punktirte Linie G' MH' die nun bestehende Spannungslinie, und
es ist dann der in A ein- und in B ausgeschaltete Widerstand
das Mass der Verschiebung des spannungslosen Punktes im
Kabel, also auch das Mass des Abstandes des Fehlers von der
Mitte. Ist die Messung richtig ausgeführt, so muss der auf der
einen Station ausgeschaltete Widerstand dem auf der anderen ein-
geschalteten gleich sein.


Die Potentialdifferenz CGEJ, resp. DHFK kann, wie
oben, durch Entladung eines Condensators, dessen Belegungen mit
C und E, resp. mit D und F verbunden sind oder durch Ab-
lenkung eines empfindlichen Galvanometers, dessen Drahtenden
durch sehr grosse Widerstände mit C und E, resp. mit D und F
verbunden sind, gemessen werden.


Ausser den bisher behandelten Isolationsfehlern, bei welchen
angenommen ist, dass der Leiter selbst nicht beschädigt ist und
continuirlich von einer Station bis zur anderen geht, kommen
auch Fehler anderer Art vor. Es kann der Leiter innerhalb der
isolirenden Hülle gebrochen und dadurch die metallische Ver-
bindung unterbrochen oder es kann auch das ganze Kabel ge-
rissen sein, in welchem Falle fast ohne Ausnahme eine leitende
23*
[356] Verbindung der Enden des Leiters mit dem Wasser eintritt.
Im ersteren Falle kann die Entfernung von der Bruchstelle durch
Messung der Capacität der Leydener Flasche, welche von einem
der beiden Stücken des Leiters gebildet wird, und Vergleichung
mit der Capacität der Längeneinheit des Leiters leicht bestimmt
werden. Es geschieht dies entweder durch directe Ablesung
des Ausschlages eines Spiegelgalvanometers durch den Ladungs-
resp. Entladungsstrom oder nach dem Vorschlage von de Sauty
und Varley dadurch, dass man die Ladung des zu messenden
Kabels und des als Mass dienenden Condensators gleichzeitig
durch dieselbe galvanische Kette ausführt und die Zweige einer
Wheatstone’schen Brückencombination oder eines Differential-
Galvanometers mit Hülfe häufig wiederholter Ladungen so re-
gulirt, dass das Galvanometer nicht abgelenkt wird. Das Ver-
hältniss der Brückenzweige giebt dann das Verhältniss der La-
dungen.


Diese für kurze Kabel sehr geeigneten Methoden verlieren
die nöthige Schärfe, wenn die Kabel sehr lang sind. Einmal
vergeht dann zu lange Zeit, bis die Ladung des Kabels vollständig
ist, und zweitens müssen die Galvanometer zu unempfindlich ge-
macht werden, um den Durchfluss der grossen Quantität der in
einem langen Kabel angesammelten Elektricität noch mit der
nöthigen Schärfe messen zu können. Es gilt dies auch von der
de Sauty’schen Differentialmessung, da bei zu empfindlichen
Galvanometern der anfänglich sehr viel stärkere Ladungsstrom des
Condensators den Magnet des Galvanometers in seinem Sinne
fortschleudert, während der langsam verlaufende Kabel-Ladungs-
strom ihn später nach der entgegengesetzten Seite treibt.


Es lassen sich diese Mängel der bisher bekannten Methoden
dadurch beseitigen, dass man den Entladungsausschlag eines durch
eine constante Kette geladenen Condensators von bekannter Ca-
pacität bestimmt, darauf denselben Condensator gleichsam als
Massflasche zur wiederholten partiellen Entladung des Kabels
benutzt und endlich die n te Entladung dieser Massflasche eben-
falls misst. Es sei k die Capacität des Masscondensators, wenn
die Einheit der Kabellänge die Einheit der Capacität ist, ferner x
die Capacität des ganzen Kabels von der Länge x. Es sei ferner
P das Potential, zu welchem das Kabel und der Masscondensator
[357] geladen sind, ferner P1, P2, P3, … Pn die Potentiale des Kabels,
resp. des mit ihm verbundenen Condensators nach der ersten,
zweiten etc. n ten Entladung des letzteren. Es seien endlich a
und an die Entladungsausschläge des Condensators bei der ersten
oder n ten Entladung. Es verhalten sich dann
mithin
oder
oder wenn a und an die Ausschläge des Galvanometers bezeichnen,
welche den durch P und Pn bewirkten Ladungen des Mass-
condensators entsprechen,

Weit schwieriger ist die Bestimmung der Entfernung der
Bruchstelle eines Kabels, wenn, wie gewöhnlich der Fall ist, das
Ende des gerissenen Leitungsdrahtes in leitende Verbindung mit
dem Wasser tritt.


Es pflegt der Bruch gewöhnlich so zu geschehen, dass der
Leiter und die isolirende Hülle nicht in demselben Querschnitte
reissen, so dass entweder ein Stück des Drahtes frei ins Wasser
hineinragt, oder dass derselbe nur durch ein enges, unvollkommen
mit Wasser gefülltes Rohr mit dem umgebenden Wasser in
[358] leitender Verbindung steht. Im ersteren Falle gewähren mit
Vorsicht ausgeführte Widerstandsmessungen vom Lande aus in
der Regel ein ausreichend genaues Resultat. Hierbei ist ausser
der variablen Polarisation der Fehlerstelle jedoch noch der Um-
stand sehr störend, dass fast ununterbrochen in grösserem oder
geringerem Masse sogenannte Erdströme in den Leitungen auf-
traten. Auch ohne dass des Nachts am Himmel Nordlichter-
scheinungen sichtbar sind, treten oft solche auf tellurische und
kosmische Ursachen zurückzuführende Ströme in Kabeln, deren
beiden Enden mit dem Wasser in leitender Verbindung sind,
auf, welche der electromotorischen Kraft von 6 bis 8 Daniells
entsprechen. Es ist mir gelungen, den nachtheiligen Einfluss
dieser Erdströme auf die Messung dadurch zu compensiren, dass
ich dem Brückenzweige des Kabels eine Nebenschliessung mit
veränderlichem Widerstande und einer ausreichenden elektromo-
torischen Kraft gab und den Widerstand so gross machte, dass
dem Erdstrome gerade das Gleichgewicht gehalten wurde. Es
ist dies daraus erkennbar, dass das im Brückendrahte befindliche
Galvanometer keinen Strom anzeigt. Ich werde auf die zahl-
reichen hierbei gemachten Beobachtungen der Erdströme zu einer
anderen Zeit zurückkommen. Wenn aber auch die Strömungen
der Widerstands-Messungen durch den Erdstrom in der be-
schriebenen Weise beseitigt werden können, so geben dieselben
doch niemals ein sicheres Resultat, da man nur den Gesammt-
widerstand des Kabels und der Fehlerstelle durch sie erhält und
nicht weiss, wie gross der letztere ist. Häufig ist dieser Ueber-
gangswiderstand vom Leiter zum Wasser weit grösser als der
zu messende Kabelwiderstand selbst.


Das einzige Mittel, welches bei solchen Kabeln, deren zweites
Ende nicht zugänglich ist, zur Aufstellung einer zweiten Gleichung
führen kann, um mit Hülfe derselben den Uebergangswiderstand
zu eliminiren, ist die Messung der Flaschencapacität des Kabel-
stücks.


Es sei AB ein Kabelstück von der Länge l, dessen Ende B
unisolirt im Wasser liegt. BD = z sei der in Einheiten von l
ausgedrückte Widerstand des Ueberganges vom Leiter zum Wasser,
CA = w der Widerstand des Galvanometers, durch welchen die
Entladung gemessen wird, AE = P bezeichne das Potential, wel-
[359] ches dem Endpunkte A des Kabels durch eine zwischen A und
die Erde eingeschaltete Batterie gegeben wird, so stellt ABFE
die Ladungsfigur des Kabels dar1). In der Entfernung x von A
ist dann die Ordinate y das daselbst auftretende Potential. Wird

Figure 51. Fig. 51.


nun die Elektricitätsmenge, welche nach eingetretener Ladung im
Kabel stationär geworden ist und welche der Ladungsfläche AEGB
entspricht, mit Q bezeichnet, so ist:
und
Die Elektricitätsmenge y . d x = d Q wird nun, wenn beide Enden
C und D des Leiters in Verbindung mit der Erde stehen und die
die Ladung bewirkt habende elektromotorische Kraft P in A ent-
fernt ist, nach beiden Seiten hin abfliessen. Es werde mit d Q,
derjenige Theil von d Q bezeichnet, welcher durch A und C zur
Erde zurückfliesst, während d Q͵͵ den Theil bezeichne, der durch
B und D zur Erde geht. Diese Quantitäten müssen sich umge-
kehrt wie die von ihnen zu durchlaufenden Widerstände verhalten.
Es ist also
oder in
ist
Da nun ferner
[360] also
ist, so ist
oder
Setzt man in diese Gleichung den aus einer gleichzeitig mit der
Ladung des Kabels ausgeführten Widerstandsmessung gefundenen
Werth a, mithin l + z = a, so erhält man für die Grösse der
Rückladung:
und hieraus
.
Oder da P . l = 2 Q die Ladungsgrösse des ganzen isolirten fehler-
freien Kabels ist, mithin P gleich der Ladungsgrösse q der isolirten
Kabeleinheit zu setzen ist,
.
Da l = az durch die gleichzeitig ausgeführte Widerstands-
messung bekannt ist, so ist hierdurch auch die Länge des zer-
rissenen Kabels l gegeben.


Ist der Uebergangswiderstand z = 0 mithin auch a = l, so
folgt aus der obigen Gleichung für z:
;
das heisst also: wird ein am entfernten Ende ohne Widerstand
zur Erde abgeleitetes geladenes Kabel widerstandslos mit Erde
verbunden, so fliessen ⅔ der im Kabel vorhandenen Ladung zur
ladenden Station zurück, während ⅓ derselben am entfernten Ende
zur Erde geht.


[361]

Selbstverständlich darf zwischen der Ausschaltung der Batterie
und der Einschaltung des zur Erde abgeleiteten Galvanometers
nicht der geringste Zeitverlust eintreten, da sonst während der
Isolation des Ladungsendes ein ansehnlicher Theil der Elektricität
durch das andere Ende zur Erde geht, die gemessene Rückladung
also zu klein ausfällt. Wird die Umschaltung aber so eingerich-
tet, dass sie in demselben Momente vor sich geht, wie Helm-
holtz dies bereits im Jahre 1851 ausführte, so giebt die Methode
bei nicht zu langen Leitungen sehr übereinstimmende und genaue
Resultate. Sind die zu untersuchenden Leitungen aber sehr
lang, so tritt die Verzögerung des Stromes in Folge der Ladung
störend auf. Es bedarf die aufgestellte Formel daher für diesen
Fall noch einer Correctur für die Verzögerung (retardation) des
Stromes, deren Entwickelung mir bisher nicht gelungen ist.


[[362]][[363]]

Ueber den
Einfluss der Beleuchtung auf die Leitungs-
fähigkeit des krystallinischen Selens.


(Mon.ber. d. Berl Akad. d. W. v. 13. Mai.)


1875.


Die von Willougby Smith zuerst beschriebene und von
Sale1) näher untersuchte Eigenschaft des krystallinischen Selens,
im beleuchteten Zustande die Elektricität besser zu leiten als im
Dunkeln, habe ich näher untersucht und die Richtigkeit der
Thatsache constatirt. Die specifische Leitungsfähigkeit des durch
Erhitzung auf 100 bis 150 °C. krystallinisch gemachten Selens
ist jedoch sehr gering und ausserordentlich veränderlich und auch
die Vergrösserung der Leitungsfähigkeit durch Beleuchtung ist
sehr inconstant, so dass es unmöglich war, eine bestimmte Ab-
hängigkeit der Leitungsfähigkeit von der Beleuchtung festzustellen.
Es gelang mir aber durch andauernde Erhitzung des amorphen
Selens bis zur Temperatur von 210 °C., sowie auch durch Ab-
kühlung des geschmolzenen Selens zur Temperatur von 210°, bei
welcher Temperatur das Selen bei längerer Dauer derselben in
einen grobkörnig-krystallinischen Zustand übergeht, eine andere
Modification des krystallinischen Selens darzustellen, welche eine
bedeutend grössere Leitungsfähigkeit hat, dieselbe dauernd bei-
behält und die Elektricität metallisch leitet, so dass die Leitungs-
fähigkeit mit Erhöhung der Temperatur abnimmt. Auch die Ein-
wirkung des Lichtes auf diese Modification krystallinischen Selens
[364] ist weit grösser und scheinbar völlig constant. Durch Ein-
schmelzung zweier flacher Drahtspiralen, im Abstande von ca.
1 mm. von einander, zwischen zwei Glimmerblättern in grob-
krystallinisches Selen ist es mir gelungen, einen ausserordentlich
empfindlichen Lichtmesser herzustellen. Dunkle Wärmestrahlen
sind bei demselben ohne directen Einfluss auf die Leitungs-
fähigkeit, und Erwärmung des Selens vermindert dieselbe. Dif-
fuses Tageslicht verdoppelt schon seine Leitungsfähigkeit und
directes Sonnenlicht erhöht sie unter Umständen auf mehr als
das Zehnfache. Die Vermehrung der Leitungsfähigkeit des grob-
körnigen Selens durch Beleuchtung geht ausserordentlich schnell
vor sich. Ebenso tritt die Verminderung derselben bei Ab-
sperrung des Lichtes scheinbar momentan ein, doch vergeht län-
gere Zeit, bis der der Dunkelheit entsprechende Zustand wieder
vollständig hergestellt ist. Die Zunahme der Leitungsfähigkeit
ist nicht proportional der Lichtstärke, sondern eine Function der-
selben, welche sich näher dem Verhältniss der Quadratwurzeln
der Lichtstärken anschliesst.


Ich behalte mir vor, der Akademie über diese interessante
Eigenschaft des Selens ausführlichere Mittheilungen nach Abschluss
meiner Versuche zu machen, und bemerke nur noch, dass ich
hoffe, dieselbe zur Construction eines zuverlässigen Photometers
verwerthen zu können.


[[365]]

Messung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit
der Elektricität in suspendirten Drähten.


Mon.ber. d. Berl. Akad. d. W. v. 6. Dec.)


1875.


Das andauernde Frostwetter des letzten Winters und das
freundliche Entgegenkommen der Verwaltung der Niederschlesisch-
Märkischen Eisenbahn und namentlich ihres Telegraphen-Inspec-
tors, des Herrn Wehrhahn, machten es mir möglich, einen schon
im Jahre 1845 von mir gemachten Vorschlag zur directen Messung
der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Elektricität1) in Ausführung
zu bringen. Leider verhinderte das während der Versuche ein-
tretende Thauwetter die vollständige Durchführung derselben, doch
erscheinen die erhaltenen Resultate schon wichtig genug, um ihre
Mittheilung vor völligem Abschlusse dieser Arbeit zu rechtfertigen.


Die von mir hierbei zur Anwendung gebrachte Methode
weicht in einigen wesentlichen Punkten von meinem früheren
Vorschlage ab. Nach diesem bedurfte es zur Ausführung der
Messung zweier von einander und vom Erdboden isolirter, gleich-
mässig rotirender Stahlcylinder und zweier Doppelleitungen, von
denen die eine die beiden Cylinder, die andere zwei isolirte
Spitzen leitend verband, welche den Peripherien der Cylinder
nahe gegenüber standen. Entlud man eine Leydener Flasche
zwischen einer Spitze und dem ihr zugehörigen Drahtende, so
musste der Entladungsstrom den ganzen Leitungskreis durchlaufen
und auf dem Mantel jedes der beiden Stahlcylinder eine Funken-
marke zurücklassen. Die Differenz der Abstände dieser während
[366] der Rotation der Cylinder erzeugten Marken von den in gleicher
Weise bei ruhenden Cylindern hervorgebrachten war dann das
Mass der Zeit, welche die Elektricität zum Durchlaufen des halben
Kreislaufes gebrauchte.


Der Ausführung dieses Planes standen erhebliche Schwierig-
keiten entgegen. Diese bestanden einmal in der Schwierigkeit,
4 gleich lange, von demselben Orte ausgehende, hinlänglich gut
isolirte Leitungen zu beschaffen, hauptsächlich aber in der me-
chanischen Aufgabe, zwei von einander und vom Erdboden völlig
isolirte Stahlcylinder so leicht herzustellen und so vollkommen
zu centriren, dass ihnen die nöthige Umdrehungsgeschwindigkeit
von 100 bis 150 Umdrehungen in der Secunde gegeben werden
konnte. Ich wandte daher eine veränderte Methode an, bei welcher
nur Ein nicht isolirter Stahlcylinder und nur Eine Doppelleitung
erforderlich war.


Sie beruht auf der Anwendung zweier Leydener Flaschen
oder Ladungstafeln, von denen die innere Belegung der einen
direct durch einen kurzen Draht, die der anderen durch die lange
Kreisleitung mit der dem rotirenden, zur Erde abgeleiteten Cy-
linder nahe gegenüberstehenden Spitze verbunden ist. Die äusseren,
isolirten Belegungen der Flaschen sind metallisch verbunden.
Werden sie zur Erde abgeleitet, so wird in demselben Momente
die Elektricität der inneren Belegung beider Flaschen frei und
entladet sich durch die Spitze und den rotirenden Cylinder zur
Erde. Ist die Rotation hinlänglich geschwind und die Leitung
lang genug, so entstehen auf dem Cylinder zwei räumlich ge-
trennte Marken, deren Abstand das Mass der Zeit ist, welche
die Elektricität zum Durchlaufen der Drahtleitung von der Flasche
zur Spitze gebrauchte.


Ich modificirte diese Anordnung auch in der Weise, dass
ich anstatt einer Spitze deren zwei dem Cylindermantel gegen-
überstellte und die eine Spitze direct mit der einen, die andere
[durch] die Leitung mit der anderen Flasche verband. Die Spitzen
wurden möglichst nahe nebeneinander gestellt, so dass die gleich-
zeitig von beiden bei ruhendem Cylinder hervorgebrachten Marken
dicht beisammen und möglichst in einer mit der Axe parallelen
Ebene lagen. Es wurde dann zuerst eine Entladung der Flaschen
bei ruhendem Cylinder und darauf erst die zur Messung dienende
[367] Entladung bei rotirendem Cylinder gemacht. Der Apparat selbst
war derselbe, den ich zur Messung der Geschwindigkeit der Ge-
schosse im Geschütz- oder Gewehrlaufe benutze und an anderen
Orten beschrieben habe. Der Stahlcylinder ist möglichst leicht
aus einem massiven Stahlcylinder ausgedreht. Er hat einen Durch-
messer von 40 mm. und eine Seitenhöhe von 10 mm. Seine Stahl-
axe ist mit einem Gewinde versehen, in welches die Zähne eines
Steigrades eingreifen. Dies wird durch ein kräftiges Laufwerk
mit Gewichtsbetrieb gleichmässig gedreht. Die Geschwindigkeit
der Drehung des Cylinders lässt sich durch einen ebenfalls ander-
weitig beschriebenen Regulator während der Rotation beliebig
innerhalb weiter Grenzen abändern. Das mit 100 Zähnen ver-
sehene Steigrad trägt eine kleine Nase, durch welche nach jeder
Umdrehung ein leichter Hammer gehoben wird, der an eine kleine
Glocke schlägt. Wenn der Regulator so eingestellt ist, dass die
Glockenschläge mit den Pendelschlägen eines Secundenpendels
genau zusammenfallen, so rotirt der Cylinder genau 100 mal
in der Secunde. Dem Cylindermantel gegenüber ist eine kleine
Lupe mit Fadenkreuz befestigt, welche zur Ablesung des Winkel-
abstandes der Funkenmarken dient.


Im Zustande der Ruhe kann durch Bewegung eines Hebels
eine Schraube ohne Ende mit geschnittenem Kopfe mit dem Cy-
linder in Eingriff gebracht werden, durch welche dieser so lange
langsam gedreht werden kann, bis der Faden der Lupe durch
die Mitte der Funkenmarke geht. Es können auf diese Weise
Millionstel Secunden noch genau abgelesen und 10 Millionstel ge-
schätzt werden.


Die dem Cylindermantel gegenüberstehende leitende Spitze
besteht aus einem dünnen Glasrohre, in welches ein möglichst
feiner Platinadraht eingeschmolzen ist. Nachdem dies Glasrohr
in ein Metallrohr mit Schraubengewinde eingefuttert und das dem
Cylindermantel gegenüberstehende Ende desselben sorgfältig halb-
kugelförmig abgeschliffen ist, wird es so nahe wie möglich an
den rotirenden Cylinder herangeschraubt.


Durch die Glashülle, welche den Platinadraht bis zu seinem
äussersten Ende umgiebt, soll verhindert werden, dass Funken
eine seitliche Richtung einschlagen. Sehr schwache Funken hinter-
lassen auf einer polirten Stahlfläche einen einzelnen hellglänzenden
[368] Punkt, stärkere ein Bündel von Funken, auf dessen Mitte das
Fadenkreuz eingestellt werden muss. Um das Auffinden der
Funkenmarken zu erleichtern, wird der Cylinder vor dem Ge-
brauche in bekannter Weise berusst. Es ist dann jede, auch die
schwächste und mit blossem Auge kaum sichtbare Funkenmarke
mit einem deutlichen ringförmigen Hofe umgeben, der es ermög-
licht, sie leicht in das Gesichtsfeld des Mikroskopes zu bringen.
Anstatt der Leydener Flaschen benutzte ich in der Regel Ladungs-
tafeln aus mit Staniol belegten Glimmerblättern. Dieselben wurden
sorgfältig in eine Harzmasse eingeschmolzen, so dass sie im
Stande waren, die angenommene Ladung längere Zeit ohne merk-
liche Schwächung festzuhalten. Sie waren mit einem Umschalter
versehen, welcher gestattete, sie getrennt von der Spitze (oder
den beiden Spitzen, wenn deren 2 benutzt wurden) gleichzeitig
durch eine Holz’sche Maschine zu laden und dann im letzten
Momente vor dem Versuche die bis dahin mit der Erde verbun-
denen Belegungen mit der oder den respectiven Spitzen zu ver-
binden, während die leitend verbundenen anderen Belegungen in
einem mit Guttapercha isolirten Drahte endeten. Die Entladung
wurde dann dadurch bewirkt, dass ein mit der Erde leitend verbun-
denes Messer mittelst eines kräftigen Hammerschlages durch den
isolirten Draht getrieben und dadurch eine kurze aber möglichst
widerstandslose Ableitung der verbundenen Belegungen zur Erde
herbeigeführt wurde. Auf diese Weise gelang es, die anfänglich
sehr störenden, durch langsame Entladung der Ladungstafeln her-
vorgerufenen, falschen Entladungsmarken auf dem Cylinder völlig
zu beseitigen.


Mit dem so vorbereiteten Apparate wurden nun fürs Erste
im Zimmer eine Reihe von Versuchen angestellt. Es wurde con-
statirt, dass die Entladung einer Flasche in einem Entladungs-
kreise von geringem Widerstande so schnell verläuft, dass das
Markenbündel auf dem rotirenden Cylinder nicht wesentlich ver-
schieden von dem auf ruhendem Cylinder erzeugten ist. Ver-
einzelte Funkenmarken, die sich fast immer ohne Regelmässigkeit
auf der Cylinderfläche finden, sind offenbar dem sogenannten Re-
siduum der Ladungstafeln zuzuschreiben. Die Erscheinung ändert
sich, wenn die Entladung durch sehr grosse Widerstände statt-
findet. In diesem Falle bildet sich auf dem Cylinder eine con-
[369] tinuirliche Reihe von Funkenmarken, niemals aber ein homogener
Strich, welcher einem eine messbare Zeit andauernden elektrischen
Strome entsprechen würde. Es ist aber hieraus nicht zu schliessen,
dass die Gesammtentladung auch in diesem Falle aus einer
Reihe von Partialentladungen von unmessbar kurzer Dauer be-
steht. Denkt man sich im Gegentheil, die Entladung bestände
aus einem continuirlichen Strome von abnehmender Stärke, der
Funken wäre mithin als andauernder Davy’scher Lichtbogen auf-
zufassen, so lässt sich dennoch dies Auftreten einer Reihe von
räumlich getrennten Funkenmarken erklären.


Durch den rotirenden Cylindermantel werden nämlich die
nächsten Luftschichten mit fortgerissen und zwar um so vollstän-
diger, je näher die Luftschicht der rotirenden Cylinderfläche ist.
Nimmt man nun an, der Beginn der Entladung hätte die mit
dem Cylinder rotirende Luftschicht zwischen der Spitze und dem
Cylinder durchbrochen, also einen glühenden, gut leitenden Kanal
zwischen Spitze und Cylinder hergestellt, so wird dieser Kanal
durch die Rotation mit fortgeführt. Findet nun ein continuirlicher
Nachschub von Elektricität von der Spitze aus statt, so wird der
Kanal von dieser aus continuirlich verlängert, da er trotz grösserer
Länge der Elektricität geringeren Widerstand darbietet, wie die
undurchbrochene kalte Luft, die sich zwischen Spitze und Cy-
linderwand eingeschoben hat. Hat diese Entladungsstrasse jedoch
eine gewisse Länge erreicht, so wird ihr Widerstand grösser wie
der der kalten Luft zwischen Spitze und Cylinder, es findet ein
neuer Durchbruch und damit die Bildung einer neuen Funken-
marke und Entladungsstrasse statt.


Die Entladung einer Flasche durch ein mit Wasser gefülltes
Kautschuckrohr oder durch eine nasse Schnur gab eine, wie
es schien, vielfach um den ganzen Cylinder herumgehende Serie
von feinen Funkenmarken; es war aber kein Zeitverlust für den
Beginn der [Entladungen] zu constatiren. Da es mir aus man-
chen Gründen, namentlich auch in Folge der von Fizeau und
Gounelle erhaltenen Resultate, als wahrscheinlich erschien, dass
die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Elektricität der specifischen
Leitungsfähigkeit der Materie proportional sein müsse, so wieder-
holte ich diesen Versuch mit einem 100 Fuss langen, 20 mm.
im Lichten starken Kautschuckrohre, welches mit Zinkvitriollö-
24
[370] sung gefüllt war. Zu meiner grossen Ueberraschung war aber
auch hier keine Zeitdifferenz zwischen der directen Entladungs-
marke und der Marke der ersten Partialentladung durch das
100 Fuss lange Flüssigkeitsrohr [aufzufinden]. Da eine Differenz
von 5 Millionstel Secunde noch sicher zu erkennen gewesen
wäre, so ist hierdurch constatirt, dass die Fortpflanzungsge-
schwindigkeit der Elektricität in Flüssigkeiten über 800 geogr.
Meilen per Secunde betragen muss.


Da nun die Leitungsfähigkeit des Kupfers mindestens 200
Millionenmal grösser ist wie die der Zinkvitriollösung, so müsste
die Geschwindigkeit der Elektricität im Kupfer mindestens
160,000 Millionen Meilen betragen, wenn die specifische Lei-
tungsfähigkeit mit Geschwindigkeit der Elektricität gleichbedeu-
tend wäre.


Dass elektrolytische Leiter die Elektricität schneller wie
Metalle von gleicher Leitungsfähigkeit leiten sollten, wird kaum
angenommen werden können; es war das Gegentheil wahrschein-
licher, da angenommen werden muss, dass bei der elektroly-
tischen Leitung Molekularbewegungen stattfinden.


Bei den mit längeren Telegraphenleitungen auszuführenden
Versuchen sollte nun die Frage entschieden werden, ob der
Elektricität wie dem Lichte eine bestimmte messbare Fortpflan-
zungsgeschwindigkeit zuzuschreiben ist, oder ob die von ver-
schiedenen Beobachtern gemessenen Verzögerungswerthe ganz
oder doch zum grossen Theile der Verzögerung der Stromer-
scheinung am entfernten Leitungsende durch Flaschenladung des
Drahtes zuzuschreiben sind. Zu dem Ende sollten die Versuche
kurz nach einander mit möglichst verschiedenen Drahtlängen an-
gestellt und jedesmal die Flaschencapacität dieser Drahtlänge
gemessen werden.


Die ersten Versuche fanden am 23. Februar dieses Jahres
in Köpnick statt, wohin Herr Dr. Frölich, der die nachfol-
genden Messungen sowohl hier wie später in Sagan mit ge-
wohnter Geschicklichkeit und Sorgfalt ausgeführt hat, schon vor-
her mit den Apparaten gegangen war.


Zunächst wurde durch eine Reihe von Versuchen constatirt,
dass die Isolation der Leitung bei dem obwaltenden milden
Frostwetter ausreichte, um den Entladungsfunken durch die
[371] ganze, nach dem 12,68 Kilom. entfernten Erkner und zurück
führende Telegraphenleitung (aus 5 mm. dickem Eisendrahte)
hindurch zum rotirenden Cylinder zu leiten.


Die Versuche wurden mit 2 Spitzen gemacht, d. h. also,
es wurde die eine (kleinere) Flasche direct durch die eine
Spitze, die zweite beträchtlich grössere Flasche durch die Lei-
tung und die andere Spitze entladen. Es wurden 7 Entla-
dungen gemacht. Die am folgenden Tage gemachten Ablesun-
gen ergaben


  • 122,8
  • 111,7
  • 125,3
  • 142,7
  • 117,6
  • 121,8
  • 134,3
  • im Mittel 125,2 Millionenstel Secunden.

Da die hin- und zurückgehende Leitung 2 . 12,68 = 25,36
Kilometer betrug, so ergiebt dies eine Geschwindigkeit von
202600 Km. oder 27300 geogr. Meilen in der Secunde. Es
stellte sich hierbei heraus, dass der durch die eine Spitze ge-
hende, directe Entladungsfunke der kleinen Flasche stets einen
kleinen Büschel von Funkenmarken bildete, umgeben von einem
grösseren concentrischen Hofe, innerhalb dessen der Russ fort-
geschleudert war, während durch die zweite Spitze eine Serie
von kleineren Funkenmarken gebildet wurde, die von keinem
oder doch nur einem sehr schwachen Hofe umgeben waren.


Häufig war in der Linie der letzten Spitze, genau gegen-
über der Local-Entladungsmarke, ebenfalls ein schwacher Punkt
sichtbar. Derselbe war entweder Folge einer Rück- oder Seiten-
entladung vom Cylinder auf die benachbarte Spitze, oder wahr-
scheinlicher eine Influenzwirkung zwischen den zunächst dem
Cylinder liegenden Theilen der an denselben Stangen befestigten
hin- und rückkehrenden Leitung. Im allgemeinen war die Lo-
cal-Entladung weit stärker wie nothwendig, was den Nachtheil
mit sich führte, dass der erste Linienentladungspunkt häufig
noch in den Hof der Localentladung fiel und dadurch schwer
zu erkennen war.


24*
[372]

Durch eintretendes Thauwetter, bei welchem die Isolation
der Telegraphenlinien für Fortleitung von Reibungselektricität
nicht genügend ist, wurden die weiteren beabsichtigten Ver-
suche für längere Zeit verhindert. Als später wieder Frost-
wetter eintrat, wurden uns von Herrn Wehrhahn die von der
Station Sagan ausgehenden Doppellinien nach Malmitz und einem
zwischen Sagan und Malmitz liegenden Streckenblock zur Ver-
fügung gestellt. Es gelang Herrn Dr. Frölich, der sich mit den
Apparaten nach Sagan begab, zwei werthvolle Beobachtungs-
reihen zu machen. Sie wurden zum Theil mit zwei, zum Theil
mit einer Spitze gemacht. Es trat bei diesen Versuchen der
Doppelpunkt stets auf und Herr Dr. Frölich überzeugte sich
durch eine Reihe von Controlversuchen, dass dieser Doppel-
oder vielmehr Anfangspunkt eine locale Ursache hatte und nicht
von Elektricität herrühren konnte, welche die ganze Leitung
durchlaufen hatte. Die Linien-Entladungen bildeten hier einen
ziemlich langen Schweif von 6 bis 8 Punkten, deren Abstand
von einander anfangs etwa 30, am Ende 15 bis 20 Millionstel
Secunden betrug und dem häufig ein kurzer Strich ohne deut-
liche Punkte folgte. Es harmonirt dies recht gut mit der obigen
Erklärung des Auftretens von Entladungspunkten bei continuir-
licher Entladung. Je stärker der Entladungsstrom ist, desto
länger erhält sich der Entladungskanal auf der Peripherie des
rotirenden Cylinders, desto weiter müssen also auch die Punkte
auseinander liegen. Ist die Entladung nahe vollendet, so sind
Stromstärke und Wärmeentwickelung so schwach, dass sich gar
kein Entladungskanal mehr erhalten kann, die Punktreihe mit-
hin in einen schwachen Strich übergeht.


Es wurde zuerst die Doppellinie von Sagan bis zum
11,686 Km. entfernten Malmitz benutzt. Die Ablesung von 22
Entladungen ergab


  • 100,4
  • 102,7
  • 91,2
  • 100,8
  • 100,6
  • 91,4

  • 88,7
  • 103,6
  • 95,6
  • 97,5
  • 100,5
  • 104,7

  • 108,7
  • 101,1
  • 108,3
  • 102,0
  • 104,2
  • 102,6

  • 104,2
  • 104,2
  • 107,3
  • 110,3

[373]

im Mittel 101,4 Millionstel Secunden. Da der durchlaufene
Weg 2. 11,686 Km. = 23,372 Km. lang war, so war die Ge-
schwindigkeit 230500 Km. = 31060 geogr. Meilen.


Die demnächst eingeschaltete 3,676 Km. lange Doppellinie
Sagan-Streckenblock ergab bei 12 Entladungen:


  • 39,4
  • 41,9
  • 27,8
  • 27,0
  • 35,6
  • 28,4

  • 23,0
  • 25,9
  • 30,5
  • 22,1
  • 28,9
  • 34,8

im Mittel 30,4 Millionstel Secunden. Es ergiebt dies eine Ge-
schwindigkeit von 241800 Km. = 32590 geogr. Meilen.


Eine demnächst angestellte Serie von 13 Entladungen mit
einer Spitze, welcher Dr. Frölich weniger Zutrauen schenkt, da
die Regulirung des Laufwerks weniger sorgfältig ausgeführt
war, gab


  • 87,8
  • 76,4
  • 84,5
  • 93,2

  • 78,2
  • 96,3
  • 93,1
  • 85,5

  • 80,8
  • 96,3
  • 93,5
  • 101,2
  • 117,9

im Mittel 91,1 Millionstel Secunden, mithin eine Geschwindig-
keit von 256600 Km. oder 34580 geogr. Meilen.


Wenn diese Messungen auch noch nicht den Grad von Ueber-
einstimmung ergeben, der von der Methode zu erwarten ist und
der auch bei einer Wiederholung der Versuche unter günstigen
Umständen erzielt werden wird, so ergeben sie doch zur Evi-
denz, dass die Fortbewegung der Elektricität in Leitern mit
einer bestimmten, von der Länge der Leiter nicht abhängigen
Geschwindigkeit geschieht, die in Eisendrähten zwischen 30000
und 35000 Meilen per Secunde liegt. Ich neigte mich vor diesen
Versuchen in Folge der mit dem Kautschuckrohre erhaltenen
Resultate der Ansicht zu, dass die wirkliche Geschwindigkeit
der Elektricität unmessbar gross sei und dass die durch Wheat-
stone (Pogg. Ann. 34, 464), Fizeau und Andere gefundenen Ver-
zögerungen gänzlich auf Flaschenwirkung der oberirdischen Lei-
tungen begründet wären.


[374]

Wenn dem so wäre, so müsste die fast 3 mal so lange Lei-
tung Sagan-Malmitz eine ca. 9 mal grössere Verzögerung ergeben
haben wie die Leitung Sagan-Streckenblock, während die Ge-
schwindigkeit nach den unter gleichen Bedingungen angestellten
Versuchen mit Doppelspitzen sich wie 31 : 32,6 verhielt. Doch
abgesehen von diesen, dem quadratischen Verzögerungsgesetze
widersprechenden Zahlen ist die Verzögerung überhaupt viel zu
gross, um durch Ladungsverzögerung erklärt werden zu können.
Die Flaschencapacität der beiden Leitungen wurde von Herrn
Dr. Frölich mit der continuirlichen Wippe nach der früher von
mir zur Ermittelung der Ladungsgesetze benutzten Methode1) ge-
messen. Die Messung ergab:


  • Für Sagan-Malmitz m. f.
  • Galvanometer im Ladungskreise 0,181
  • im Entladungskreise 0,120
  • im Mittel 0,1505
  • Für Sagan-Streckenblock
  • Galvanometer im Ladungskreise 0,066
  • im Entladungskreise 0,061
  • im Mittel 0,0635

was im Mittel eine Flaschencapacität der oberirdischen Leitung
von 5 mm. Drahtstärke von 0,053 m. f. pro Meile ergiebt.


Als Einheit der Capacität ist das in der Kabeltechnik ein-
geführte, aus der Weberschen absoluten Einheit der Elektricitäts-
menge abgeleitete sogen. Mikrofarad (m. f.) angenommen.


Zur directen Vergleichung der gemessenen Verzögerungs-
werthe mit denjenigen, welche sich als Folge der Ladung der
Drähte herausstellen müssen, können die Verzögerungsmessungen
dienen, welche Hr. Dr. Obach mit Hülfe eines künstlichen Kabels,
d. h. einer Serie von 32 Condensern à ca. 20 m. f., die durch
Widerstände von je 550 E. untereinander verbunden waren, in
meinem Laboratorium angestellt hat.


Die Messungen geschahen mit meinem ungemein empfind-
lichen elektrodynamischen (eisenfreien) Relais und einem chemischen
Schreibtelegraphen mit Doppelnadel.


[375]
  • 1. 32 Abtheilungen des Kabelschrankes wurden eingeschaltet.
    Sie repräsentirten einen Widerstand von 17600 Q. E = W
    und eine Capacität von 639,6 m. f. = C. Es ergab sich
    eine Verzögerung von 0,72 Sec. also pro Million des Pro-
    ductes Widerstand × Capacität (W. C) von 0,0640 Sec.
  • 2. 24 Abtheilungen eingeschaltet
    W = 13200 Q. E.
    C = 483,9 m. f.

    ergaben Verzögerung 0,45 Sec.
    pro Million W. C 0,0715
  • 3. 16 Abtheilungen
    W = 8800
    C = 319,6

    ergaben Verzögerung 0,22
    pro Million W. C 0,078 Sec.

Es giebt dies im Mittel eine Verzögerung für 1 Millon W. C von
0,0712 Sec.


Die Leitung Sagan-Malmitz und zurück hat nach der von
Hrn. Dr. Frölich ausgeführten Messung
eine Capacität C = 0,151 m. f.
Widerstand W = 189,0 Q. E.
mithin W. C = 28,5;

hiernach könnte durch die Flaschenladung, unter Annahme des
quadratischen Gesetzes, nur eine Verzögerung von 2,0 Millionstel
Secunden herbeigeführt sein, während sie für die Linie Sagan-
Streckenblock nur 0,3 Millionstel Secunden betragen könnte.


Zieht man nun auch in Betracht, dass diese Verzögerungs-
zeiten wesentlich grösser ausfallen mussten, wie bei den Kabel-
messungen, weil längere Zeit verging, bis das elektrische Potential
der funkengebenden Spitze so gross war, dass der Funke zum
Cylinder überspringen konnte, so ist es doch evident, dass z. B.
die auf der Strecke Sagan-Streckenblock gemessene Verzögerung
von 30,4 Millionstel Secunden anderen Ursprungs sein muss, als
die auf 0,3 Millionstel Secunden berechnete Flaschenverzögerung.


Ich hoffe im Laufe dieses Winters Gelegenheit zu finden,
nicht nur die obigen Versuche unter besseren Verhältnissen und
mit verbesserten Vorrichtungen wiederholen, sondern sie auch
auf eine Kupferleitung ausdehnen zu können, um durch directe
[376] Messungen die Frage zu entscheiden, ob die Geschwindigkeit der
Elektricität von der Natur des metallischen Leiters abhängt oder
nicht. Nach den mit dem mit Zinkvitriollösung gefüllten Kaut-
schuckrohre angestellten Versuchen erscheint mir letzteres wahr-
scheinlich. Kirchhoff hat unter Zugrundelegung des Weber’schen
Fundamentalgesetzes für die Bewegung der Elektricität die Zahl
41000 Meilen für die Geschwindigkeit der Elektricität in Leitern
durch Rechnung gefunden und ist dabei zu dem Resultat gekommen,
dass diese Geschwindigkeit gleich gross in allen Leitern sein
müsse. Unsere Messungen schliessen sich dem Kirchhoffschen
Werthe wenigstens weit näher an, wie dem von Wheatstone aus
dem Zurückbleiben des mittleren Funkens geschätzten von 61900
geogr. Meilen.


Fizeau und Gounelle haben mit Hülfe ihrer Differentialmess-
methode für galvanische Ströme in Telegraphenleitungen für Kupfer
177792 Km., für Eisen 101710 Km. gefunden, für Eisen also nur
eine etwa halb so grosse Geschwindigheit wie unsere Messungen
ergeben haben.


Noch weit geringere Geschwindigkeitswerthe haben Walker,
Mitchell und Gould auf amerikanischen Telegraphenlinien mit
elektromagnetischen Registrirapparaten gefunden, letzterer sogar
nur 12851 englische Meilen. Auf diese Messungen ist kein grosses
Gewicht zu legen, da die Trägheit der elektromagnetischen Instru-
mente zu gross und ungleich für die Messung so kleiner Zeittheile
ist. Von weit grösserem Gewichte erscheinen die Messungen von
Fizeau und Gounelle. Dieselben haben den verzögernden Ein-
fluss der Ladung, auf den ich erst nach Anstellung ihrer Versuche
aufmerksam machte, keine Rücksicht nehmen können und es fehlen
in der Beschreibung ihrer Versuche auch die nöthigen Data, um
die Ladungs-Verzögerung nachträglich berechnen zu können.
Wenn aber auch die Ladungsverzögerung der verhältnissmässig
grossen Länge ihrer Leitung wegen (ca. 300 Km.) über 1000 mal
grösser wie bei meinen Versuchen sein müsste, so reicht sie doch
zur Erklärung der Differenz noch nicht aus. Ich glaube daher,
dass auch die von Fizeau gefundene Verschiedenheit der Ge-
schwindigkeit der Elektricität in Eisen und Kupfer noch nicht
als constatirt anzusehen ist.


[[377]]

Ueber die
Abhängigkeit der elektrischen Leitungsfähig-
keit des Selens von Wärme und Licht.


(Mon.ber. d. Berl. Akad. d. W. v. 17. Febr.)


1876.


Das von Berzelius 1817 entdeckte Selen steht wie das Tellur
auf der Grenze zwischen den Metallen und Metalloiden und hat
sowohl chemische wie physikalische Eigenschaften beider Klassen
von Körpern.


Die physikalischen Eigenschaften des Selens sind namentlich
von Hittorf1) in seiner Abhandlung über die Allotropie des Se-
lens untersucht. Er fand, dass es bei 217 °C. schmilzt, dass es
bei der Abkühlung bis weit unter seinen Schmelzpunkt flüssig
bleibt, dass es bei weiterer schneller Abkühlung zu einer glasigen,
amorphen, die Elektricität nicht leitenden Masse von etwas grün-
lichem Ansehen vom specifischen Gewichte 4,276 erstarrt, ohne
seine latente Schmelzwärme abzugeben. Wird dies amorphe Selen
wieder erhitzt, so beginnt bereits bei 80 °C. eine Umwandlung
desselben. Es bekommt ein weisses, metallisches Ansehen, ein
feinkörniges, krystallinisches Gefüge, verdichtet sich zum speci-
fischen Gewichte 4,7962) und entbindet dabei eine so bedeutende
Wärmemenge, dass es sich in grösseren Mengen bis zu seinem
Schmelzpunkte erhitzt. Es leitet in diesem krystallinischen Zu-
stande die Elektricität wie die Kohle, das Tellur und die Elek-
[378] trolyten, indem seine Leitungsfähigkeit mit steigender Temperatur
zunimmt. In der Nähe des Schmelzpunktes ist diese Leitungs-
fähigkeit im Verhältniss zu seiner Leitungsfähigkeit bei der Luft-
temperatur sehr bedeutend. Wird die Schmelztemperatur über-
schritten, so sinkt die Leitungsfähigkeit mit Aufnahme der laten-
ten Wärme beträchtlich, doch leitet es auch im geschmolzenen
Zustande die Elektricität.


Durch die Beobachtung des Superintendent May der Valentia-
Kabelstation, dass die Leitungsfähigkeit des Selens durch Beleuch-
tung vergrössert wird, eine Beobachtung, die von Willoughby
Smith publicirt und darauf vom Lieutenant Sale constatirt1) und
näher untersucht wurde, ist die Aufmerksamkeit der Physiker
neuerdings in hohem Grade auf das Selen gelenkt.


Sale fand, dass Licht aller Farben die Leitungsfähigkeit des
Selens erhöht, dass die dunklen, actinischen Strahlen des Spe-
ctrums keinen Einfluss auf dasselbe ausüben, und von hier aus
die Lichtwirkung bis zum Roth zunimmt, dass sie beim Ultraroth
abnimmt und die Wirkung der jenseits desselben liegenden dunk-
len Wärmestrahlen nur gering ist.


Ich habe in einer der Akademie im Mai vorigen Jahres ge-
machten vorläufigen Mittheilung2) diese Angaben Sale’s bestätigt.
Es war mir gelungen, das amorphe Selen durch eine mehrere
Stunden anhaltende Erhitzung auf eine Temperatur von 200 bis
210° in eine Modification überzuführen, welche bei der Lufttem-
peratur eine 20 bis 30 mal grössere Leitungsfähigkeit und eine
entsprechend grössere Lichtempfindlichkeit hat, als das durch Er-
hitzung auf 100 bis 150° krystallinisch gemachte Selen zeigt.
Diese Modification hat ferner die Eigenschaft, die Elektricität wie
ein Metall, d. i. in der Weise zu leiten, dass die Leitungsfähig-
keit mit steigender Temperatur abnimmt. Ich fand ferner, dass
der Einfluss des Lichtes sich nicht auf die ganze Masse des
Selens ertreckt, sondern wesentlich eine Oberflächenwirkung ist.
Hierdurch geleitet, gelang es mir, durch Einschmelzen des Selens
zwischen die Windungen zweier flacher, in einander liegender
Drahtspiralen ein äusserst lichtempfindliches Präparat herzustellen,
[379] welches ich zur Construction eines Selen-Photometers benutzte.
Endlich constatirte ich, dass die Zunahme der Leitungsfähigkeit
des Selens durch Beleuchtung annähernd den Quadratwurzeln
der Lichtstärken proportional ist.


W. G. Adams1) hat gleichzeitig mit mir die Lichtwirkung
auf das Selen untersucht. Er fand, abweichend von Hittorf,
dass die Leitungsfähigkeit seiner Selenstange, über deren Her-
stellung er keine Angaben macht, mit zunehmender Temperatur
abnahm, also ein ähnliches Verhalten zeigte, wie ich es durch
anhaltende Erhitzung des Selens auf 200 °C. hervorrief. Ferner
constatirte er, dass der durch eine Kirchhoff-Wheatstone’sche
Brücke gemessene Widerstand des Selens um so geringer ausfiel,
je grösser die Anzahl der Zellen der zur Messung benutzten Kette
war. Adams lässt es unentschieden, ob die Lichtwirkung auf
das Selen in einer Veränderung seiner Oberfläche bestände oder
ob durch Beleuchtung im Selen ein Polarisationsstrom hervor-
gerufen würde, welcher sich dem Durchgange des messenden
Stromes entgegensetzte und dadurch seine Leitungsfähigkeit er-
höhte. In gleicher Weise will er die Verminderung des Wider-
standes des Selens bei Anwendung stärkerer Batterien erklären.
Hierbei ist er aber offenbar in einem Irrthum befangen, da ein
solcher durch das Licht oder durch den Strom hervorgerufener
Gegenstrom den entgegengesetzten Effect haben müsste. Es
müsste das Licht die Leitungsfähigkeit vermindern und bei An-
wendung stärkerer Batterien müsste man einen grösseren Wider-
stand finden.


Zunächst bemühte ich mich, die höchst merkwürdige Eigen-
schaft des Lichtes, das beleuchtete Selen besser leitend zu machen,
auch bei anderen Körpern aufzufinden. Diese Bemühungen waren
aber gänzlich erfolglos. Ich glaubte schon am Tellur eine analoge
Wirkung gefunden zu haben, überzeugte mich aber bald, dass die
beoachtete geringe Steigerung der Leitungsfähigkeit der Erwär-
mung des Tellurs durch Licht und Wärmestrahlen zuzuschreiben
war. Da ich hiernach annehmen musste, dass es sich hier nicht
um eine allgemeinere Eigenschaft des Lichtes, sondern um ein
abnormes Verhalten des Selens handelte, so entschloss ich mich,
[380] das Verhalten dieses Körpers zur Wärme und dem galvanischen
Strome näher zu untersuchen, in der Hoffnung, hierdurch Anhalts-
punkte zur Erklärung der Einwirkung der Beleuchtung auf den-
selben zu gewinnen. Zunächst wiederholte ich den Hittorf’schen
Versuch mit meinen besseren Messinstrumenten für galvanische
Ströme.


Da Glas und selbst Porcellan bei höheren Temperaturen die
Elektricität leiten, so liess ich mir aus einem Stück Speckstein,
welches selbst bei Glühhitze noch völlig isolirt, einen dickwan-
digen Tiegel herstellen, welcher etwa 6 Gramm Selen aufnehmen
konnte. Durch den gutschliessenden Specksteindeckel reichte ein
Thermometer bis in die Mitte der Höhlung des Tiegels hinein.
Die circa 10 mm. dicke Tiegelwand war etwa in halber Höhe
durchbohrt und die beiden Löcher durch genau eingepasste Cylinder
aus Gaskohle, welche nach innen und aussen vorragten, ausge-
füllt. Nachdem der Tiegel mit geschmolzenem Selen angefüllt
und dann schnell erkaltet war, so dass amorphes Selen ihn an-
füllte, wurden die äusseren Enden der Gaskohlencylinder mit den
gut isolirten Zuleitungsdrähten meines sehr empfindlichen Spiegel-
galvanometers mit aperiodisch schwingendem Glockenmagnet ver-
bunden und in den Leitungskreis eine Daniell’sche Zelle einge-
schaltet, nachdem ich mich überzeugt hatte, dass selbst bei Ein-
schaltung einer Batterie von 100 Daniell’schen Zellen kein Strom
durch das amorphe Selen ging. Der so vorbereitete Tiegel wurde
nun schnell in ein grösseres Gefäss mit Paraffin, dessen Tem-
peratur 280 °C. war und während des Versuches möglichst genau
auf dieser Temperatur gehalten wurde, eingetaucht und die Tem-
peratur des Selens im Tiegel sowie die Ablenkung meines Spie-
gels fortlaufend gleichzeitig beobachtet und notirt. Bei dem be-
deutenden Leitungswiderstande des Selens, in Folge dessen der
Widerstand des zwischen den Kohlenspitzen befindlichen Selens
selbst bei höheren Temperaturen noch immer sehr gross gegen
den Widerstand des Galvanometers ist, können die Ablenkungen
des Spiegels ohne wesentlichen Fehler der Leitungsfähigkeit des
Selens proportional gesetzt werden.


Die Ergebnisse dieses Versuches sind in der Taf. I Fig. 1
zur Anschauung gebracht. Die mit A bezeichnete Curve giebt
die Temperatur des Selens, die Curve B die Stromstärke oder
[]

Verlag von Julius Springer, Berlin N.


[][381] die Leitungsfähigkeit des Selens an, während Curve C die
berechnete Curve darstellt, nach welcher die Temperatur im
inneren Gefässe steigen müsste, wenn keine selbstthätige Tem-
peraturveränderungen des Selens stattfänden. Die Abscissenaxe
bezeichnet die seit der Eintauchung verflossene Zeit, die Ordi-
natenaxe gleichzeitig die Temperatur des Selens in Curve A und
die Leitungsfähigkeit desselben in Curve B.


Es ergiebt sich aus der Betrachtung dieser Curven, dass
etwa 2½ Minuten vergingen, bis eine Temperaturzunahme des
Selens bemerklich wurde. Nach Verlauf von 5 Minuten hat sie
80° erreicht, ohne von der Normalcurve abzuweichen. Dann steigt
sie schnell über die Normalcurve und bleibt bedeutend über der-
selben, bis die Schmelzung bei 217° beginnt.


Das Maximum der Erhebung der Selen-Temperatur über die
der Normalcurve findet etwa bei 170° statt und beträgt hier
circa 13°. Von hier ab nähert sie sich wieder der letzteren,
schneidet sie bei 215°, zeigt dann über 15 Minuten lang ziemlich
constante Temperatur, nähert sich darauf wieder, anfänglich schnell
später langsamer, der Normalcurve, ohne sie vollständig zu er-
reichen. Es zeigt dies Verhalten, in Uebereinstimmung mit Hittorf,
dass das armophe Selen bei etwa 80 °C. sich in krystallinisches
umzuwandeln beginnt und dabei seine latente Wärme ganz oder
doch zum grossen Theil abgiebt. Etwa bei 170° hat diese
Wärmeentwickelung ihr Maximum erreicht und die Temperatur
des Selens steigt von jetzt ab langsamer als die der Normal-
curve. Bei 217° beginnt das Selen zu schmelzen und es wird
von ihm wieder Wärme absorbirt, wodurch bewirkt wird, dass seine
Temperatur beinahe 20 Minuten nahe constant bleibt. Darauf
nähert sie sich wieder der Normalcurve, anfangs schnell, dann
langsam, ohne sie vollständig zu erreichen.


Während dieser Temperaturänderungen des Selens sind
nun ganz merkwürdige Veränderungen seiner Leitungsfähigkeit
zu constatiren, wie sie durch Curve B veranschaulicht werden.
5 Minuten nach der Eintauchung des Tiegels, also bei der Selen-
Temperatur von 80° war das Selen noch vollständig nichtleitend.
Nach 10 Minuten, bei der Selen-Temperatur 162°, war die Ab-
lenkung des Spiegels schon 870 Scalentheile, nach weiteren
5 Minuten, bei der Selen-Temperatur 200°, war sie 152 und
[382] nach abermals 5 Minuten bei der Selen-Temperatur 215 nur
noch 120 Scalentheile. Während der jetzt vor sich gehenden
Schmelzung des Selens fiel die Ablenkung auf 70, stieg dann
mit wachsender Temperatur des geschmolzenen Selens erst
schneller, später langsamer bis 300. Eine Grenze des Anstei-
gens der Leitungsfähigkeit war hier nach Verlauf von 140 Mi-
nuten nach der Eintauchung des Tiegels noch nicht zu erkennen,
obschon die Selen-Temperatur bereits nach Verlauf von 60 Mi-
nuten constant geworden war.


Die Zahlenwerthe dieser Versuchsreihe können nur einen
relativen Werth haben, da die von Wärme schlecht leitendem,
starrem Selen umschlossene Thermometerkugel, bei steigender
Temperatur durch Wärmezufluss von aussen, immer zu niedrige
Werthe angeben musste, wogegen sie bei innerer Wärmeent-
wicklung höhere Temperaturen zeigen konnte als die des Selens
in der Nähe der Tiegelwand, welches mit den Kohlencylindern
in Berührung war; sie bestätigten aber vollständig die Hittorf’-
schen Beobachtungen, wonach das amorphe Selen bei ca. 80 °C.
seine Umwandlung in krystallinisches Selen beginnt, dabei eine
bedeutende Wärmemenge entbindet und leitend für Elektricität
wird. Es bestätigt sich ferner Hittorf’s Angabe, dass die Lei-
tungsfähigkeit des krystallinischen Selens mit der Temperatur in
steigender Progression zunimmt und dass dieselbe sich mit Auf-
nahme der latenten Schmelzwärme bei gleichbleibender Tempe-
ratur wieder beträchtlich vermindert.


Es geht aus diesen Versuchen ferner hervor, dass auch die
Leitungsfähigkeit des geschmolzenen Selens mit steigender Tem-
peratur sich vergrössert. Ich fand bei einer anderen Versuchs-
reihe, bei welcher ein ähnlicher Specksteintiegel durch eine
Flamme direct erhitzt wurde, dass die Leitungsfähigkeit des ge-
schmolzenen Selens bis zur Temperatur von 350°, bei welcher
bereits eine reichliche Verdampfung eintrat, noch fortwährend
wuchs. Eine auffallende Erscheinung ist hierbei die, dass so-
wohl beim festen wie beim geschmolzenen Selen die Leitungs-
fähigkeit sich mit der Dauer der Erhitzung vermindert, so dass
es bei schneller Erhitzung auf eine bestimmte Temperatur weit
besser leitet, wie bei langsamer Erhitzung auf dieselbe, so wie
ferner, dass durch andauernden Strom durch erhitztes Selen
[383] ebenfalls eine schnelle Verminderung der Leitungsfähigkeit her-
beigeführt wird, wie wenn eine Polarisation einträte, welche
dem Durchgange des Stromes entgegenwirkte. Die angestellten
zahlreichen Messungen der Temperatur und der zugehörigen
Leitungsfähigkeit konnten aus diesen Gründen keine überein-
stimmenden Zahlenwerthe ergeben. Als ein lehrreiches Beispiel
dieser Versuche ist in Fig. 2 eine Curventafel dargestellt,
welche ziemlich übereinstimmend die Abhängigkeit der Leitungs-
fähigkeit von der Temperatur bei sehr langsamer, mehrere Stun-
den dauernder Erwärmung und Abkühlung zur Anschauung
bringt. Das im Specksteintiegel befindliche Selen war erst durch
Abkühlung amorph gemacht, dann auf 150° erhitzt und mehrere
Stunden auf dieser Temperatur erhalten, worauf es langsam ab-
gekühlt wurde. Es musste also krystallinisches Selen sein,
welches seine latente Wärme bereits abgegeben hatte. Curve
A zeigt nun die Steigerung der Leitungsfähigkeit mit der Zu-
nahme der in der Abscissenaxe angegebenen Temperatur. Die
Messung geschah derart, dass durch einen Morse-Taster eine
Daniell’sche Zelle in den aus dem Selen, den Gaskohlenspitzen
und dem Galvonometerdraht gebildeten Schliessungskreis so
lange eingeschaltet wurde, bis die Ablenkung des Spiegels ein
Maximum geworden war. Da das Galvanometer vollkommen
aperiodisch war, so fiel dies Maximum des Ausschlages mit der
dauernden Ablenkung vollkommen zusammen. Beim Loslassen
des Tasters wurde die Daniell’sche Zelle ausgeschaltet. Es bot
diese Methode den Vortheil, dass man mit der Messung des
Stromes gleich eine Messung der etwa vorhandenen Polarisation
verbinden konnte. Wird nämlich durch Anbringung eines Richt-
stabes, in passender Entfernung unter dem Magnete des Galva-
nometers, die Richtkraft des letzteren so gross gemacht, dass
die Aperiodicität gerade vollständig ist, ohne überschritten zu
sein, wie dies bei meinem Galvanometer ohne Richtstab der
Fall ist, so geht der Spiegel bei Rückstromschaltung ebenso
wie bei Unterbrechung des Stromes genau in seine O-Stellung
zurück, ohne darüber hinauszuschwanken. Ist aber Polarisation
vorhanden, durchläuft also ein Rückstrom die Galvanometerwin-
dungen während des Rückganges des Spiegels, so wirkt dieser
Strom beschleunigend auf den Magnet und treibt ihn über die
[384] Ruhelage hinaus. Die Grösse dieser Ueberschreitung der Ruhe-
lage ist dann ein Mass der Stärke der Polarisation. Die später
angeführten Polarisationsmessungen sind in dieser Weise ausge-
führt, wenn nicht angegeben ist, dass sie mit der continuirlichen
Wippe oder ohne gleichzeitige Strommessung, von der Ruhestel-
lung aus, angestellt sind.


Wie sich aus dem Anblick der Curve A, A' ergiebt, nimmt
die Leitungsfähigkeit mit wachsender Temperatur in schneller
Progression zu. Bei der ersten Messung bei 50 °C. war sie 15,
bei 100° : 78, bei 150° : 290, bei 200° : 927. Auf dieser Tempe-
ratur wurde das Bad 15 Minuten lang erhalten. Die Leitungs-
fähigkeit sank dadurch auf 819 zurück und erhob sich erst nach
weiterer Erhitzung auf 203° wieder bis 923. Als die Tempera-
tur nun wieder 50 Minuten nahe constant erhalten wurde, sank
die Leitungsfähigkeit wieder bis auf 815 hinab. Bei der jetzt
beginnenden Abkühlung war sie bei 200° : 789, bei 150 : 267,
bei 130° : 170, wo der Versuch abgebrochen werden musste. Am
folgenden Tage wurde der Versuch in gleicher Weise wieder-
holt und ergab die ähnlichen, in Curve A bei aufsteigenden und
Curve A' bei fallenden Temperaturen dargestellten Curven. Dr.
Frölich hat versucht, eine empirische Formel für die Abhängig-
keit der Leitungsfähigkeit von der Temperatur aufzustellen. Die
Curve B ist nach der von ihm gefundenen Formel k = C + a.eat
oder in Zahlen k = — 17 + 8.48 (1,025)t, gezeichnet. Hiernach
ist, da C = k—∞, d. h. die Leitungsfähigkeit bei sehr niederer
Temperatur
d. h. das Wachsthum der Leitungsfähigkeit k' proportional mit
k' selbst.


Die beschriebenen Versuche waren mit Zuleitungen aus
Gaskohle angestellt, um sicher zu sein, dass keine Verbindung
des geschmolzenen oder stark erhitzten Selens mit denselben
einträte. Nachdem ich mich aber überzeugt hatte, dass weder
Platina noch Eisen von festem Selen angegriffen wird, benutzte
ich bei den weiteren Versuchen die weit bequemeren, oben be-
[]

Verlag von Julius Springer, Berlin N.


[][385] schriebenen Drahtspiralen oder Gitter, deren Zwischenräume mit
Selen ausgefüllt waren.


Es kam mir jetzt vor allen Dingen darauf an, Anhalts-
punkte zur Erklärung der merkwürdigen Thatsache zu finden,
dass amorphes Selen, längere Zeit auf 200 bis 210° erhitzt,
seine physikalischen Eigenschaften so vollständig ändert, dass
seine Leitungsfähigkeit bei gewöhnlicher Temperatur 30 bis
50 mal grösser wird, als die des durch Erhitzung auf 100 bis
150° krystallinisch gemachten Selens, und jetzt mit steigender
Temperatur sich vermindert, während die des letzteren sich ver-
grössert. Es erschien mir wahrscheinlich, dass diese Umwand-
lung in innigem Zusammenhange mit der Erscheinung stehen
müsse, dass die Leitungsfähigkeit des Selens sich bei höheren
Temperaturen mit der Zeit der Erhitzung vermindert.


Zwei Drahtgitter aus 10 parallelen Drähten von 0,04 mm.
Dicke im Abstande von 1 mm., etwa 12 mm. im Quadrat gross,
wurden zwischen zwei Glimmerblättern im Abstande von etwa
0,7 mm. mit amorphem Selen ausgefüllt. Die Einrichtung war
so getroffen, dass die Verlängerung der beiden Gitterdrähte aus
dem Paraffinbade, in welches sie eingetaucht wurden, hervor-
ragten und leicht mit den Galvanometerdrähten verbunden wer-
den konnten. Es wurde dann das Paraffin schnell auf 200 °C.
erhitzt. Bis zur Temperatur 100 °C. war kein Strom zwischen
beiden Gitterdrähten durch eine Batterie von 6 Elementen wahr-
zunehmen. Dann begannen beide Gitter zu leiten und bei 180°
war der Strom eines Daniells nur mit Hülfe einer am Galvano-
meter angebrachten Nebenschliessung zu messen, welche seine
Empfindlichkeit auf 1/10 verminderte. Bei 200° erreichte der
Strom bei beiden Gittern sein Maximum. Gitter No. 33 hatte
die Leitungsfähigkeit 2720, Gitter No. 36 die Leitungsfähigkeit
2120. Die Temperatur wurde nun 4 Stunden lang constant
auf 200° erhalten. Nach der ersten Stunde war die Leitungs-
fähigkeit von dem ersten auf 1240, die vom zweiten auf 940
gesunken. Nach Verlauf der zweiten Stunde war die Leitungs-
fähigkeit des ersten noch 1090, die des zweiten 820, und nach
Verlauf der vierten Stunde waren sie 1000 resp. 800. Es wurde
jetzt No. 36 rasch durch Eintauchen in kaltes Petroleum abge-
kühlt, während No. 36 langsam abgekühlt und während dieser
25
[386] Zeit die Leitungsfähigkeit von Zeit zu Zeit gemessen wurde.
Das letztere hatte bei 180° die Leitungsfähigkeit 1020, bei 150°
die Leitungsfähigkeit 2460, bei 130° die Leitungsfähigkeit 5730,
bei 120° die Leitungsfähigkeit 8320. Bei 100° ging der Spiegel
über die Scala und es musste ein grösserer Nebenschluss am
Galvanometer angebracht werden, welcher seine Empfindlichkeit
auf [...] reducirte. Die Leitungsfähigkeit war nun bei 100° : 17020,
bei 80° : 21280 und nahm von hier an langsam wieder ab. Da
das Parraffin bei 60° erstarrte, so nahm auch dessen Tempe-
ratur von hier an nur sehr langsam ab. Nach vollständiger
Abkühlung am anderen Tage war die Leitungsfähigkeit nur
noch 6190.


Das rasch von der Temperatur 200° in kaltem Petroleum ab-
gekühlte Gitter No. 33 hatte nach der Abkühlung die Leitungs-
fähigkeit 16450 und ging jetzt continuirlich, erst schneller, dann
immer langsamer, zurück. Nach 1½ Stunden war sie noch 14330
und am nächsten Tage noch 7710.


Es folgt aus diesen Versuchen, dass das längere Zeit auf
200° erhitzte amorphe Selen eine Umwandlung erfährt, durch die
seine Leitungsfähigkeit bei dieser Temperatur bis auf etwa ⅓ ihrer
anfänglichen Grösse vermindert wird. Es hat dann die Eigen-
schaft der Metalle, dass die Leitungsfähigkeit bei abnehmender
Temperatur wächst, während dieselbe bei krystallinischem Selen,
welches nicht längere Zeit erhitzt war, mit abnehmender Tem-
peratur rasch abnimmt.


Bei schneller Abkühlung zur Luftemperatur leitet das abge-
kühlte Selen über 16 mal besser wie bei der Temperatur von 200°.
Es behält diese grosse Leitungsfähigkeit aber nicht dauernd. Die-
selbe verliert sich nach und nach wieder und nähert sich erst
nach Verlauf mehrerer Tage einer Constanten.


Hat die Erhitzung des Selens auf 200 bis 210° so lange ge-
dauert, bis keine weitere Verminderung der Leitungsfähigkeit mehr
stattfindet, so beginnt bei eintretender Abkühlung sofort die Ver-
grösserung der Leitungsfähigkeit. War diese Grenze nicht er-
reicht, so nimmt die Leitungsfähigkeit bei eintretender Abkühlung
zuerst ab, nähert sich dann einem Wendepunkte, von dem ab sie
dann wieder zunimmt. Die Höhelage dieses Wendepunktes hängt
von der Dauer der Erhitzung und der durch sie herbeigeführten
[387] Verminderung der Leitungsfähigkeit während derselben ab. Dauert
die Erhitzung nur kurze Zeit, so wird der Charakter des Selens
dadurch nicht geändert; seine Leitungsfähigkeit vermindert sich
fortwährend mit der Erniedrigung der Temperatur, wie bei un-
verändertem krystallinischen Selen.


Das Gitter, mit welchem dies letztere constatirt ward, wurde
darauf 8 Minuten in das Paraffinbad von 205° getaucht und dann
durch einen Luftstrom, nachdem es aus dem Bade genommen
war, rasch abgekühlt. Seine Leitungsfähigkeit war während dieser
Zeit von 100, die es etwa 15 Sec. nach der Eintauchung ange-
nommen hatte, auf 39 gefallen. Bei der Abkühlung fiel seine
Leitungsfähigkeit schnell auf 5 hinab und stieg dann wieder auf
37. Nachdem es wiederum ¼ Stunde erhitzt war, fiel die Lei-
tungsfähigkeit nach der Abkühlung von Leitungsfähigkeit 132,
die es jetzt im Paraffinbade von 212° angenommen hatte, auf 50
und stieg darauf bis 200. Es behielt diese erhöhte Leitungs-
fähigkeit aber nicht, sondern sie sank nach und nach auf einen
geringen Betrag.


Es muss hierbei bemerkt werden, dass das beschriebene
merkwürdige Verhalten des Selens, bei andauernder Erhitzung
auf 200° den Charakter der metallischen Stromleitung anzunehmen,
nur dann in dieser Weise beobachtet wurde, wenn amorphes Se-
len direct auf 200° erhitzt ward. War es erst längere Zeit auf
100° erhitzt und dadurch vollständig in einfaches krystallinisches
Selen umgewandelt, so trat diese Umwandlung bei weiterer an-
dauernder Erhitzung auf 200° gar nicht oder doch nur in weit
geringerem Masse ein. Ebenso ist Selen, welches aus dem flüssigen
Zustande direct in den krystallinischen Zustand übergeführt ist,
was eintritt, wenn man Selen schmilzt und dann sehr lange in
einer Temperatur von 200 bis 210° erhält, nicht metallisch leitend,
wie ich früher annahm, sondern verhält sich wie das bei ge-
ringerer Temperatur umgewandelte krystallinische Selen. Diese
Krystallisation aus dem flüssigen Zustande geht äusserst langsam
vor sich. Ein Glasrohr von 6 mm. Weite, welches auf ⅔ seiner
Länge mit Selen gefüllt war, wurde zugeschmolzen und in einem
Paraffinbade erst eine Stunde lang zur Temperatur von 230° er-
hitzt. Die Temperatur des Bades wurde dann auf 205° erniedrigt
und mit Hülfe eines mechanischen Wärmeregulators während
25*
[388] 24 Stunden unausgesetzt auf einer zwischen 205 und 208° schwan-
kenden Temperatur erhalten. Beim Herausnehmen des Rohres
erschien das Selen in demselben gänzlich erstarrt zu sein. Als
es jedoch zerbrochen wurde, nachdem es schnell abgekühlt war,
zeigte sich, dass nur der obere Theil der Masse grob krystallinisch
war, während der untere Theil, etwa ⅕ der ganzen Masse, noch
aus amorphem Selen bestand. Es wird der untere Theil des Bades,
in welchem das Rohr sich in senkrechter Lage befand, wahr-
scheinlich etwas wärmer gewesen sein, als der obere und daher
die Krystallisation von oben begonnen haben. Die Masse des
krystallinischen Selens war blasig, was vielleicht damit zusammen-
hing, dass bei Oeffnung des Rohres ein starker Geruch nach
Selen-Wasserstoff sich verbreitete. Das Selen wie das Glasrohr
waren zwar lufttrocken, doch waren keine Vorsichtsmassregeln
zur Abhaltung von Wasserdampf angewandt. Es wurde aus dieser
krystallinischen Selenstange ein Cylinder geschnitten und dieser
zwischen zwei mit einer Lage Kupferamalgam bedeckten Metall-
platten eingespannt. Neben diesem, in der beifolgenden Tabelle
mit A bezeichneten Selencylinder wurde ein ähnlicher aus krystalli-
nischem Selen, das durch Erhitzung des amorphen Selens auf
100 °C. erzeugt war und die Bezeichnung B trägt, und eines
dritten durch 10stündige Erhitzung amorphen Selens auf 200°
erzeugten und mit C bezeichneten der Widerstandsmessung unter-
zogen und die specifische Leitungsfähigkeit der Masse bei 15 °C.
— auf Leitungsfähigkeit des Quecksilbers als Einheit bezogen —
gemessen. Diese Zahlen machen jedoch nur auf geringe Genauig-
keit Anspruch, da namentlich bei C. die einzelnen Bestimmungen
erheblich von einander abweichen.


Im Folgenden wird stets


  • Mod. I: Selen, welches wie Cylinder B,
  • Mod. II: Selen, welches wie Cylinder C,
  • Mod. III: Selen, welches wie Cylinder A

behandelt wurde, bezeichnen.


[389]

Eine sehr merkwürdige Eigenschaft des krystallinischen Se-
der Mod. II ist die von Adams beobachtete, dass seine Leitungs-
fähigkeit mit der elektromotorischen Kraft der zur Messung be-
nutzten Batterie zunimmt. Bei den Versuchen der folgenden Ta-
belle wurde ein durch lange Erhitzung auf 205° umgewandeltes
Selengitter der Mod. II benutzt. Das Gitter wurde in Petroleum
getaucht, welches durch umgebendes schmelzendes Eis auf der
constanten Temperatur von 1,3 °C. erhalten wurde.


Da das mit den beiden Glimmerblättern, zwischen denen es
lag, nicht viel über 0,5 mm. dicke Gitter von Petroleum von con-
stanter Temperatur umgeben war, so konnten die Messungen
durch Erwärmung durch den Strom nicht sehr beeinträchtigt sein.
Da Erwärmung bei Selen der Mod. II die Leitungsfähigkeit des-
selben vermindert, so könnten jedoch die gemessenen Werthe bei
grösserer Zellenzahl vielleicht noch etwas zu klein ausgefallen
sein. Bei höheren Temperaturen fällt die Steigerung der Leitungs-
fähigkeit mit wachsender elektromtorischen Kraft etwas geringer
aus. Als dasselbe Gitter auf 18° erhalten wurde, erhielt man:

Die absoluten Werthe beider Versuchsreihen sind nicht vergleich-
bar, da die Leitungsfähigkeit des Gitters sich am folgenden
Tage geändert hatte und der Galvanometer-Nebenschluss ver-
schieden war. Es scheint hiernach, dass diese Eigenthümlichkeit
des Selens mit Annäherung an seinen Wendepunkt, der bei diesem
Gitter zwischen 30 und 40° lag, mehr und mehr verschwindet.
Bei Selen der Mod. I, welches nicht höher wie 150° erhitzt ist,
[390] ist diese Erscheinung nur bei sehr geringen elektromotorischen
Kräften noch nachzuweisen. Werden Erwärmung und Veränderung
der Leitungsfähigkeit durch andauernde Ströme vermieden, so
bleibt die Leitungsfähigkeit bei Anwendung von 1 bis 15 Ele-
menten bei ihm ziemlich unverändert. Da Adam’s Selenstange
die Eigenschaften der Mod. II hatte, wahrscheinlich weil sie zu-
fällig bei sehr hoher Temperatur aus amorphem Selen umge-
wandelt war, so ist erklärlich, dass er die Zunahme der Leitungs-
fähigkeit bei Anwendung grösserer elektromotorischer Kräfte für
eine allgemeine Eigenschaft des krystallinischen Selens hielt.


Die gleiche elektromotorische Kraft der benutzten Daniell’-
schen Zellen, welche bei diesen Versuchen sowohl wie bei allen
späteren sehr constante Daniell’sche Ketten, sogenannte Pappele-
mente, waren, wurde vor Anstellung der Versuche constatirt.


Es ist schon hervorgehoben, dass der galvanische Strom die
Leitungsfähigkeit des Selens verändert. Diese Aenderung geschieht
stets in demselben Sinne, als wenn es durch den Strom erwärmt
wäre. Es nimmt also durch dauernden Strom die Leitungsfähig-
keit von Mod. I zu, die von Mod. II ab. Wäre aber die Er-
wärmung der Selenmasse die Ursache der Veränderung, so müsste
die Veränderung den Quadraten der Stromstärke proportional sein
und sie müsste weit geringer sein, wenn die Gitter durch ihre
Umgebung auf constanter Temperatur erhalten werden. Es ist
dies aber nicht der Fall. Die Versuche wurden mit gleichen
Gittern gemacht, von denen das eine Mod. I, das andere Mod. II
war. Die Ergebnisse derselben sind in Fig. 3 graphisch darge-
stellt. Beide Gitter befanden sich in Petroleum von der Tempe-
ratur der Luft. Mod. I wurde durch 12, Mod. II durch 3 einge-
schaltete Daniell’sche Zellen dauernd durch den Galvanometerdraht
geschlossen. Die Abscissenaxe giebt die Zeit der Schliessung des
Stromlaufes durch das Gitter in Minuten, die Ordinatenaxe die
beobachteten Ablenkungen des Spiegels, dessen Ruhelage häufig
controlirt wurde. Curve A giebt die Leitungsfähigkeit des Gitters
der Mod. I an und zwar wurde dieselbe hier, wie bei den übrigen
Curven, nach jeder Temperatur-Aenderung von 5° beobachtet.
Wie ersichtlich, steigt die Leitungsfähigkeit fortwährend und
zwar erst schnell und mit der Zeit immer langsamer, so dass sie
sich asymptotisch einer Constanten zu nähern scheint.


[391]

Die in den Curven B und C dargestellten Versuche sind mit
dem Gitter der Mod. II und 3 Zellen angestellt, und zwar war
das Gitter bei der Versuchsreihe B in Luft von constanter Tem-
peratur, bei Versuchsreihe der Curve C, welche am folgenden
Tage ausgeführt wurde, in Petroleum von nahe gleicher Tempe-
ratur. Da die elektromotorische Kraft der benutzten Batterie nur
¼ derjenigen war, mit welcher die Versuchsreihe der Curve A
ausgeführt wurde, so müssen die Ordinaten der ersteren mit 4
multiplicirt werden, um mit denen der letzteren vergleichbar
zu sein.


Es ergiebt sich aus diesen Curven, dass die Leitungsfähig-
keit erst schnell, dann langsamer, fortwährend abnimmt. Nach
Aufhören des Stromes nimmt das Selen nach Verlauf einer
längeren Zeit seine frühere Leitungsfähigkeit nahe wieder an.
Wäre die Erhitzung der Selenmasse durch den Strom die Ur-
sache der Verminderung der Leitungsfähigkeit, so müsste eine
beträchtliche Verschiedenheit zwischen den Curven B und C vor-
handen sein.


Wird die Richtung des Stromes durch das Selen umgekehrt,
nachdem seine Leitungsfähigkeit durch den Strom bedeutend ver-
mindert ist, so beobachtet man sehr veränderliche und schwer
vorherzubestimmende Erscheinungen, die zum Theil von der mehr
oder weniger vollständigen Umwandlung des Selens in Mod. I
oder II, zum Theil von der Zeit, die seit der Umwandlung ver-
flossen ist, abzuhängen scheinen. Manche Gitter sind nur geringen
Einflüssen des Stromes unterworfen und zeigen auch nicht die
geringste Polarisation, selbst wenn sie mit einer schnellgehenden
Wippe darauf geprüft werden. Bei anderen tritt Polarisation auf,
wenn die Stromstärke eine gewisse Grenze überschreitet, bei
noch anderen endlich tritt sie auch bei ganz schwachen elektro-
motorischen Kräften schon auf. Bei diesen, gewöhnlich frisch
umgewandelten Gittern sinkt die Leitungsfähigkeit bei andauern-
dem Strome nach und nach bis auf einen ganz geringen Betrag.
Kehrt man nun die Stromrichtung um, so erhält man keinen
Polarisationsausschlag; die erste Ablenkung des Spiegels ist nicht
grösser als sie vor der Umkehr war, fängt aber bald darauf an
zu steigen und der Strom kann in wenig Minuten den 1000fachen
Betrag des anfänglichen erreichen. Nach Ueberschreitung des
[392] Maximums fällt die Ablenkung wieder und geht bei längerer
Fortdauer des Stromes langsam wieder auf den ersten geringen
Betrag zurück. Es schien zuerst, als wenn man es hier mit
Peltier’schen Strömen, die durch Erwärmung und Abkühlung der
Berührungsflächen zwischen Selen und Gitterdrähten durch den
Strom hervorgerufen wären, zu thun hätte, doch ist dadurch das
allmähliche Ansteigen des Stromes nach der Umkehr nicht zu er-
klären. Man wird aber lebhaft an die von Hittorf beschriebenen
eigenthümlichen Erscheinungen erinnert, die derselbe beim Halb-
Schwefelkupfer beobachtet hat. Dieselben sind in ähnlicher Weise
auch bei fehlerhaften Unterseekabeln bemerklich, wenn sie durch
vulcanisirtes Kautschuck oder Guttapercha isolirt sind, ferner bei
den sogen. unipolaren Leitern, wie Seife etc., und sind hier auf
eine elektrolytische Aenderung dieser Körper an den Contact-
flächen und in deren Umgebung zurückzuführen.


Ganz absonderlich ist auch das Verhalten des Selens bei
eintretendem Temperaturwechsel. Das Selen nimmt, sobald seine
Temperatur verändert ist, sofort eine dieser Temperatur ent-
sprechende Leitungsfähigkeit an und zwar bei steigender Tempe-
ratur eine grössere, wenn es aus Mod. I, eine geringere, wenn
es aus Mod. II besteht. Es behält aber diese Leitungsfähigkeit
nicht dauernd. Bei Mod. II sinkt dieselbe nach jeder Temperatur-
änderung, mag dieselbe in einer Erhöhung oder einer Erniedri-
gung der Temperatur bestanden haben, und nähert sich erst
schnell, dann langsamer einem Grenzwerthe. Je tiefer unter dem
Wendepunkte die Temperatur liegt, die dem Selen ertheilt wird,
desto grösser ist die Leitungsfähigkeit, die es sogleich annimmt,
desto schneller und grösser ist aber auch der Rückgang derselben.
Wird es später wieder auf die höhere Temperatur gebracht, so
nimmt es allmählich die derselben entsprechende Leitungsfähigkeit
wieder an, erreicht sie aber nicht vollständig wieder, wenn die
Temperaturdifferenz beträchtlich war. Ist das Selen lange in der
niederen Temperatur gewesen und seine Leitungsfähigkeit auf ein
Minimum hinabgesunken, so kann die eigenthümliche Erscheinung
eintreten, dass eine Temperaturerhöhung im ersten Augenblicke
eine Erhöhung der Leitungsfähigkeit bei der Mod. II hervorbringt,
wenn die Leitungsfähigkeit bei der niedrigen Temperatur unter
diejenige, die der höheren Temperatur zukommt, hinabgesunken
[393] war. Ist dann das Minimum für diese Temperatur eingetreten,
so fällt dies aber wieder niedriger aus als das Minimum, welches
bei der höheren Temperatur eintrat.


Sehr grosse Abkühlung, z. B. eine Temperaturerniedrigung
auf — 15°, scheint die metallische Eigenschaft der Mod. II gänz-
lich zu zerstören oder drückt doch mindestens den Wendepunkt
bis unter die Lufttemperatur hinab, so dass ein Gitter der
Mod. II nach einer solchen Abkühlung die Eigenschaften der
Mod. I zeigt.


Bei Gittern der Mod. I sind diese Erscheinungen constanter.
Die Leitungsfähigkeit geht bei Temperaturerhöhung so wie bei
Temperaturerniedrigung erst schnell, dann langsamer direct auf
die der betreffenden Temperatur zugehörige Grösse.


Es ist hier noch eine Erscheinung hervorzuheben, der man
bei den Versuchen mit Selen häufig begegnet, und die sehr störend
in die meinigen eingriff, ehe es gelang, die Ursache derselben
zu erkennen oder doch wenigstens die Bedingungen festzustellen,
unter denen sie eintritt. Während es in der Regel, wenigstens
bei älteren Selengittern, bei denen die oben beschriebene Polari-
sation nicht mehr eintritt, für die Widerstandsmessung ganz gleich-
gültig ist, welches die Richtung des Stromes durch das Selen ist,
tritt bisweilen der Fall ein, dass die Widerstandsmessung bei
der einen Stromrichtung viel grösser — bisweilen über doppelt
so gross — ausfällt als bei der anderen. Es hat sich nun ge-
zeigt, dass diese auffällige Erscheinung dann eintritt, wenn die
Berührungsfläche zwischen dem Selen und den Zuleitungsdrähten
sehr ungleich gross sind. Als ich zu Beleuchtungsversuchen beide
Seiten eines etwa ½ mm. dicken Selenplättchens der Mod. II mit
einem Drahtgitter aus 0mm,03 dicken Platinadrähten versehen hatte,
die auf der einen Seite des Plättchens 1 mm., auf der anderen
½ mm. Abstand von einander hatten, zeigte sich, dass die Lei-
tungsfähigkeit des Plättchens etwa doppelt so gross war, wenn
das zwischen den beiden Drathgittern eingeschaltete Element so
angelegt war, dass der Kupferpol mit dem aus 10 parallelen
Drähten bestehenden weiten Gitter, der Zinkpol mit dem aus
20 Drähten bestehenden engen Gitter von ½ mm. Abstand ver-
bunden war, als bei der umgekehrten Einschaltung.


Bei zwei möglichst gleich angefertigten Doppelgittern der be-
[394] schriebenen Art. A und B, ergaben sich für die angegebenen
Schaltungen die Leitungsfähigkeiten:

Es scheint hiernach, als wenn hier der Leitungswiderstand des
Selens fast ganz von der Grösse der positiven Anode abhängig ist.
Die früher bei gleich grossen Zuleitungsflächen beobachtete ähn-
liche Erscheinung erklärte sich danach einfach dadurch, dass beide
nicht in gleich inniger, leitender Verbindung mit der Selenmasse
waren. Polarisation war in allen diesen Fällen nicht vorhanden.


Bei Mod. I und dem aus flüssigem Selen krystallisirten, viel
grobkörnigeren und besser leitenden Selen, welches wir Mod. III
nennen wollen, hat sich diese Erscheinung nicht gszeigt.


Durch die beschriebenen Versuche ist ersichtlich, dass das
krystallinische Selen sich in seinem Verhalten gegen Wärme und
Elektricität wesentlich von den anderen einfachen Körpern unter-
scheidet. Mit dem Tellur und der Kohle hat es die abweichende
Eigenschaft gemein, die Elektricität besser bei höherer Temperatur
zu leiten, während alle übrigen einfachen, die Elektricität leitenden
Körper, d. i. die Metalle, dieselbe bei niederer Temperatur besser
leiten. Das Selen behält aber diese Eigenschaft nicht bei allen
Temperaturen bei, sondern verliert sie bei längerer Erhitzung auf
200 °C. und verhält sich dann der Elektricität gegenüber ebenfalls
wie ein Metall, d. i. seine Leitungsfähigkeit nimmt mit der Ab-
kühlung zu. Dieser metallische Zustand des bei höherer Temperatur
in den krystallinischen Zustand übergeführten amorphen Selens
ist aber nicht stabil. Er bildet sich bei und nach der Abkühlung
langsam wieder in den des nicht metallisch sondern elektrolytisch
leitenden, bei geringerer Temperatur krystallinisch gewordenen
Selens zurück, bis auf einen im letzteren gelöst bleibenden Rest,
dessen Grösse von der Höhe der Temperatur, bis zu welcher es
abgekühlt wurde, abhängt. Da das Selen ein einfacher Körper
ist, so können es nicht eigentliche chemische Verbindungen oder
Umwandlungen sein, welche diese verschiedenen Zustände bedingen,
[395] und es liegt die Annahme nahe, dass es ein dritter allotroper Zu-
stand ist, den das feste Selen bei längerer Erhitzung auf 200 °C.
annimmt, ein Zustand, der nur bei dieser Temperatur stabil ist
und bei niedrigeren Temperaturen nur dadurch vor gänzlicher Zer-
störung und Umbildung in elektrolytisch leitendes Selen geschützt
wird, dass es in diesem gelöst oder mit ihm verbunden ist. Es
erklärt sich hierdurch das Auftreten eines Wendepunktes, bei dessen
Ueberschreitung die metallische Leitung in die den Charakter der
elektrolytischen Leitung tragende übergeht, so wie das Herabsinken
desselben mit der Zeit und der Temperaturerniedrigung. Diese
Anschauung wird noch durch manche andere Erscheinungen und
Analogieen unterstützt.


Durch Arndsen1) ist nachgewiesen und anderseitig mehrfach
constatirt, dass der Leitungswiderstand eines reinen festen Metalles
nahe geradlinig vom absoluten Nullpunkte der Temperatur bis in
die Nähe seines Schmelzpunktes steigt. Man kann dies auch so
ausdrücken, dass der specifische Leitungswiderstand eines reinen,
festen Metalles der absoluten Wärmemenge äquivalent ist, welche
das Metall enthält. Einfache Metalle in festem Zustande können
demnach keine latente Wärme enthalten und es ist nicht unwahr-
scheinlich, dass gerade hierin die Bedingung der metallischen Lei-
tung zu suchen ist. Durch Matthiessen2) ist nämlich für Kalium
und Natrium, durch mich3) für Zinn direct, für Kupfer, Silber und
Zink indirect nachgewiesen, dass durch Aufnahme der latenten
Schmelzwärme eine sprungweise Erhöhung des Leitungswider-
standes eintritt. Diese Erhöhung beginnt schon in geringem
Masse vor der Schmelztemperatur und dauert nach Eintritt des
flüssigen Zustandes noch fort — was man vielleicht durch eine
schon beginnende und noch nicht ganz vollendete Schmelzung er-
klären kann. — Nach meinen früheren Versuchen, die für das
Zinn in Fig. 4 graphisch dargestellt sind, würde die Widerstands-
zunahme des Zinns nach Aufnahme der latenten Schmelzwärme
etwa der durch eine Temperaturzunahme um ca. 511 °C. hervor-
gerufenen entsprechen. Rudberg4) giebt die latente Schmelz-
[396] wärme des Zinns auf 13,314, Person1) auf 14,25 an. Nimmt
man die specifische Wärme des Zinns zu 0,051 an, so würde die
absolute Wärmemenge des Zinns in der Nähe seines Schmelzpunktes
ca. 25,3 Wärmeeinheiten betragen, wenn man die Veränderung
der specifischen Wärme in der Nähe des Schmelzpunktes ausser
Betracht lässt, und die durch den Schmelzvorgang hinzutretende
Wärmemenge dürfte nur einer Temperaturerhöhung von 259° ent-
sprechen. Hiernach vergrössern beim Zinn latente und freie Wärme
den Leitungswiderstand nicht in gleichem Masse, sondern es ist
der Einfluss der latenten Wärme nahe doppelt so gross wie der
der freien.


Wenn es hiernach auch nicht zulässig ist, den Arndsen’schen
Satz dahin zu erweitern, dass der Leitungswiderstand der reinen
Metalle allgemein, also auch im geschmolzenen Zustande der ab-
soluten Wärmemenge äquivalent ist, so bleibt es doch das am
meisten charakteristische Merkmal des Metalles, dass sein Leitungs-
widerstand sowohl mit der Temperatur, als mit der latenten Wärme,
die es aufnimmt, zunimmt. Es gilt dies auch von den Legirungen.
Dass der Widerstand der sogenannten chemischen Legirungen
grösser ist, wie der der gesonderten Metalle, aus denen sie be-
stehen, erklärt sich dadurch, dass sie beim Erstarren latente Wärme
zurückbehalten, wie durch Rudberg2) und Andere constatirt ist.


Nimmt man die obige Definition für das Metall an, so kann
man Selen und Tellur und überhaupt solche andere einfache Körper,
wie die Kohle, die die Elektricität zwar ohne Zersetzung leiten,
deren Widerstand aber mit steigender Temperatur abnimmt, nicht
zu ihnen rechnen. Da Selen aber nach längerer Erhitzung auf 200°
bei dieser Temperatur metallisch leitet, so muss es in diesem Zu-
stande als Metall angesehen werden. Die eingetretene Umwandlung
kann, wie unter ähnlichen Umständen beim Phosphor, nur in
einer Abgabe latenter Wärme gesucht werden. Man muss daher
annehmen, dass das Selen im krystallinischen ebensowohl wie im
amorphen Zustande eine allotrope Modification des metallischen,
d. i. von latenter Wärme freien Selens ist, und dass es sich von den
eigentlichen Metallen wesentlich dadurch unterscheidet, dass diese
nur bei Veränderung ihres Aggregatzustandes, ersteres aber auch
[397] bei allen unter 200° liegenden Temperaturen latente Wärme auf-
nimmt.


Es liegt die Vermuthung nahe, dass Tellur und Kohle sich
ähnlich verhalten. Vielleicht werden spätere Untersuchungen er-
geben, dass auch alle die Elektricität nicht leitenden einfachen
Körper allotrope Zustände ihrer, für sich nicht existenzfähigen,
einfachen Radicale sind, d. i. im festen Zustande latente Wärme
enthalten und aus diesem Grunde Nichtleiter der Elektricität sind,
wie das amorphe Selen.


Es wird durch diese Theorie allerdings nichts direct erklärt,
wie es kommt, dass die auf der Grenze zwischen Metallen und
Metalloiden stehenden Körper, wie Selen, Tellur und Kohle die
Elektricität mit steigender Temperatur besser leiten, obschon die
Summe der enthaltenen Wärme grösser wird. Da aber beim Selen
mit steigender Temperatur offenbar die Kraft, mit welcher es die
in den festen Zustand mit übergeführte latente Wärme festhält,
sich vermindert, derart dass es bei 80° schon beginnt, einen Theil,
bei 200° den Rest derselben abzugeben, so kann man annehmen,
dass der elektrische Strom den ihm durch die latente Wärme ent-
gegengesetzten Widerstand um so leichter überwindet, je geringer
diese Kraft, mithin je höher die Temperatur ist1).


[398]

Um an der Hand dieser Anschauung die eigenthümlichen
und widerspruchsvollen Erscheinungen zu erklären, welche nament-
lich bei Mod. II, die danach als Lösung von metallischem in kry-
stallinischem Selen zu betrachten wäre, beobachtet wurden, muss
man annehmen, dass ein wesentlicher Theil des Widerstandes
des Selens in den Grenzschichten desselben an den Zuleitungs-
flächen seinen Sitz hat und dass diese Grenzschichten durch den
elektrischen Strom elektrolytisch verändert werden. Diese Ver-
änderung kann unter Umständen darin bestehen, dass das metallische
Selen vom krystallinischen getrennt und dadurch vorübergehend
oder dauernd zerstört und in krystallinisches oder amorphes um-
gewandelt wird. Durch Umkehr des Stromes, durch Temperatur
und Zeit, welche alle auf allmähliche Aenderung dieses wenig
stabilen Zustandes einwirken, kann nachher eine Rückbildung
oder anderweitige Umbildung herbeigeführt werden, durch welche
die Leitungsfähigkeit sich wiederum ändert.


Eine eingehende Betrachtung und Klarstellung der speciellen
Ursachen dieser Erscheinungen bedürfte weit eingehenderer und
zeitraubenderer Versuche, wie es mir ihnen zu widmen möglich
war. Sie sind aber wenigstens in einen gewissen ursächlichen
Zusammenhang gebracht und es ist dadurch auch eine Grundlage
für die Erklärung der räthselhaften Erscheinung gewonnen, dass
die Leitungsfähigkeit des Selens durch Beleuchtung zunimmt,
eine Erscheinung, welche die Veranlassung zu dieser Arbeit ist
und ihre Fortsetzung bilden wird.


Schliesslich habe ich den HHrn. Dr. Frölich und Dr. Obach,
welche die zahlreichen und zum Theil schwierigen und zeitrauben-
den Versuche ausführten, von denen nur der kleinste Theil Auf-
nahme in Obigem finden konnte, für ihre werthvolle Unterstützung
zu danken.


1)


[[399]]

Ueber die Abhängigkeit der elektrischen
Leitungsfähigkeit des Selens von
Wärme und Licht.


(Mon.ber. d. Berl. Akad. v. 7. Juni.)


1877


Am 17. Februar 1876 theilte ich der Akademie den ersten
Theil dieser Untersuchung mit, welcher sich auf die Beschrei-
bung der Veränderungen beschränkte, welche das Selen durch
Einwirkung der Wärme und des elektrischen Stromes erleidet.
Da es mir nicht gelungen war, den von Anderen, sowie von mir
selbst früher beschriebenen Einfluss der Beleuchtung auf die
elektrische Leitungsfähigkeit des Selens auch bei anderen Kör-
pern nachzuweisen, so musste ich diese Erscheinung als eng
verknüpft mit den besonderen Eigenschaften des Selens be-
trachten, und es erschien eine eingehendere Untersuchung der-
selben der einzige Weg zu sein, um eine Erklärung für diese
merkwürdige Lichtwirkung zu finden.


Leider machte es mir meine Thätigkeit auf anderen Gebie-
ten bisher unmöglich, die schon damals grösstentheils ange-
stellten Versuche über die Lichtwirkung auf das Selen zum Ab-
schluss zu bringen.


Inzwischen ist unter dem Titel „der Einfluss des Lichtes
auf den elektrischen Leitungswiderstand der Metalle“ eine Arbeit
des Dr. Richard Börnstein in Heidelberg erschienen, welche die
Grundlage meiner Arbeit dadurch in Frage stellt, dass Hr. Börn-
stein die Führung des Nachweises unternimmt, dass die Ver-
grösserung der Leitungsfähigkeit der Metalle durch Beleuchtung
[400] nicht auf Selen beschränkt sei, sondern auch beim Tellur,
Platin, Gold und Silber und wahrscheinlich auch bei allen übri-
gen Metallen eintrete.


Bei meinen Versuchen über den Einfluss der Beleuchtung
auf andere Metalle hatte ich zwar bei der Wahl der Methoden
und Instrumente stets die grösstmögliche Empfindlichkeit ange-
strebt, war auch von demselben Principe ausgegangen wie Hr.
Börnstein, die beleuchtete Fläche im Verhältniss zu der Dicke
möglichst gross zu machen; ich war aber doch immer von der
Ansicht geleitet worden, dass eine etwaige Vergrösserung der
Leitungsfähigkeit in einem gewissen Verhältnisse zur specifischen
Leitungsfähigkeit des betreffenden Metalles stehen müsste. Da
nun das Selen auch in der bestleitenden und zugleich licht-
empfindlichsten, von mir mit Modification II bezeichneten Form
noch etwa 240000 Millionen mal schlechter leitet als Silber, so
müsste eine Vergrösserung der Leitungsfähigkeit eines dünnen
Metallblattes voraussichtlich auch mit wenig empfindlichen In-
strumenten noch leicht zu erkennen sein, wenn die Zunahme der
Leitungsfähigkeit der beleuchteten Oberfläche des Metalles von
der specifischen Leitungsfähigkeit desselben abhängig war.


Anders stellt sich die Sache jedoch, wenn man annimmt,
dass durch die Lichtwirkung auf der Oberfläche des Metalles
eine leitende Schicht hergestellt wird, deren Leitungsfähigkeit
in keinem directen Verhältniss zur specifischen Leitungsfähigkeit
des beleuchteten Metalles selbst steht, also bei gut leitenden
Metallen vielleicht nicht besser leitet, als die auf der Oberfläche
des Selens erzeugte. Da wir die Leitungsfähigkeit der hinzuge-
kommenen leitenden Schicht nur als Vergrösserung der Leitungs-
fähigkeit des beleuchteten Metalles messen können und in der
Verminderung der Dicke desselben durch den zu erhaltenden
Zusammenhang des Metallblattes beschränkt sind, so erreichen
wir bei gut leitenden Metallen bald die Grenze der durch die
empfindlichsten Messinstrumente nicht mehr zu erkennenden
Unterschiede. Ein Selenplättchen z. B., wie ich sie zu meinen
Versuchen und zu Selen-Photometern verwendet habe, besteht
aus 11 parallelen, 0,1 mm. dicken Drähten von 10 mm. Länge,
in 1 mm. Abstand von einander, und hat dabei einen Leitungs-
widerstand von circa 1 Million Q. Einh. Man kann sich das
[401] Selen daher ersetzt denken durch eine, die parallelen Drähte
leitend verbindende, Quecksilberschicht von der Dicke x, welche
durch die Gleichung gegeben ist:
oder
Bei einer Beleuchtung, welche die Leitungsfähigkeit des Selen-
Plättchens verdoppelt, würde die hinzutretende leitende Beleuch-
tungsschicht durch eine Quecksilberschicht von gleicher Dicke
ersetzt werden können.


Das von Hrn. Börnstein zu seinen Versuchen benutzte Gold-
blatt, an welchem er durch die Brückenmethode eine Zunahme
der Leitungsfähigkeit von 0,0001 gefunden hat, hatte einen
Widerstand von 3 Q. E., eine Länge von 24 und eine Breite
von 9 mm. Wenn man daher das Goldblatt durch eine Queck-
silberschicht von der Dicke y ersetzt, so hat man für y:
oder es ist

Wenn die Leitungsfähigkeit des Goldblattes sich um 0,0001
durch Beleuchtung vergrösserte, wie Hr. Börnstein fand, so
musste die hinzugekommene Beleuchtungsschicht einer Queck-
silberschicht von 0,0001 dieser Dicke, also von mm., ent-
sprechen, der Beleuchtungseffect war also circa 8900 mal so
gross als beim Selen, wenn angenommen wird, dass die von
Hrn. Börnstein benutzte Beleuchtung die Leitungsfähigkeit des
Selenplättchens verdoppelt hätte! Um die Lichtwirkung auf
das Selen durch eine bei allen Metallen gleiche Beleuchtungs-
schicht zu erklären, braucht die Leitungsfähigkeit des Börnstein-
schen Goldblattes nur um 1/89 Millionstel ihres Werthes ver-
grössert zu werden, eine Grösse, die sich wohl niemals auf ex-
perimentellem Wege wird nachweisen lassen. Am meisten Aus-
26
[402] sicht dazu gäbe wohl das Tellur, da dessen Leitungsfähigkeit
nur 0,00042 von der des Goldes ist, falls es gelingen sollte, das
Tellur in so dünnen leitenden Schichten darzustellen, wie das
Goldblatt.


Die Gründe, aus welchen ich die Annahme einer auf allen
Metallen auftretenden, leitenden Beleuchtungsschicht verwarf,
stützen sich daher nicht auf die negativen Resultate meiner
Bemühungen, die Lichtempfindlichkeit bei anderen Körpern als
Selen nachzuweisen, sondern wesentlich darauf, dass die Licht-
empfindlichkeit des Selens in hohem Grade abhängig ist von der
Reinheit und molekularen Beschaffenheit desselben. Die ge-
ringste Verunreinigung mit anderen Metallen vermindert seine
Lichtempfindlichkeit in sehr hohem Grade. Als ich dem zur
Anfertigung von Selenplättchen benutzten Selen nur ½ Proc.
Silber zusetzte, war gar keine Lichtempfindlichkeit mehr wahr-
zunehmen. Durch zu starke Lichtwirkung, durch starke Abküh-
lung oder Erhitzung wird die Lichtempfindlichkeit in hohem
Grade beeinträchtigt, selbst wenn keine wesentliche Veränderung
der Leitungsfähigkeit des Präparates selbst eintritt. Alles dies
wäre nur schwer erklärlich, wenn sich auf der Selen-Oberfläche
eine leitende Schicht durch Einwirkung des Lichtes bildete, die
von dem unter ihr liegenden Leiter unabhängig wäre. Es liesse
sich die Entstehung einer solchen leitenden Beleuchtungsschicht
überhaupt wohl nur so erklären, dass man annähme, es würden
die auf der Oberfläche der Metalle condensirten Gase durch
Lichtwirkung chemisch so modificirt, dass sie leitend würden,
und dass nach dem Aufhören der Beleuchtung eine Rückbildung
in den nicht leitenden Zustand einträte. Dann müsste aber eine
an Glas oder Glimmer durch Schmelzung fest anliegende Selen-
schicht gar keine oder doch nur eine weit geringere Licht-
empfindlichkeit zeigen, als eine der Luft ausgesetzte; dies ist
jedoch nicht der Fall, wie schon aus der Construction meiner
lichtempfindlichen Selen-Präparate sich ergiebt, die zwischen
Glimmerplatten eingeschmolzen werden.


Wenn ich aber durch diese Betrachtungen auch in der An-
sicht bestärkt wurde, dass die Lichtempfindlichkeit eine specifische
Eigenschaft bestimmter Selen-Modificationen sei und bei anderen
Körpern nicht vorkomme, so erschien es mir doch durchaus
[403] nicht unmöglich, dass empfindlichere Methoden und Instrumente,
als ich sie benutzte, eine Lichtempfindlichkeit auch bei anderen
Metallen nachweisen könnten. Das Experiment konnte hier allein
entscheiden.


Bei der Arbeit des Hrn. Börnstein waren mir, ausser eini-
gen missverstandenen Anführungen aus meiner Untersuchung, auf
die ich später zurückkomme, von vorn herein einige seiner Resul-
tate sehr auffallend. Einmal findet er bei Platindrähten von
0,00022 mm Dicke eine noch etwas grössere Zunahme der Lei-
tungsfähigkeit wie bei einem Goldblatte von mm Dicke,
obgleich die Verhältnisse der Projection der beleuchteten Fläche
zum Querschnitte des Metalls in beiden Fällen sich wie 2348:1
verhält. Wäre dies richtig, so müsste die lichtempfindliche Schicht
beim Platin über 2000 mal besser leiten, wie beim Golde, was
jedenfalls nicht wahrscheinlich erscheint. In gleichem Grade auf-
fällig ist die überraschend grosse Verschiedenheit der Lichtempfind-
lichkeit, welche sich durch Messung mittelst der Brücken- und
der Weber’schen Dämpfungsmethode ergibt. Während die Brücken-
messung eine Vermehrung der Leitungsfähigkeit von etwa 0,01
pCt. nachwies, ergab die Dämpfungsmethode unter ähnlichen
Verhältnissen eine Vergrösserung der Leitungsfähigkeit von 3 bis
5 pCt., dieselbe war also in diesem Falle 300 bis 500 mal so
gross, als im ersten. Hr. Börnstein vermuthet, dass diese grosse
Verschiedenheit seiner Messresultate davon herrührt, dass die
durch den schwingenden Magnetstab in den Drahtwindungen er-
zeugten Ströme sehr viel schwächer gewesen seien, als die des
Leclanché’schen Elementes, mit dem er die Brückenmessungen
ausführte, und begründet hierauf den Satz, dass „die vom elek-
trischen Strome erzeugte Verminderung der Leitungsfähigkeit, die
er als elektrische Nachwirkung bezeichnete, begleitet sei von einer
Abnahme der Lichtempfindlichkeit“. Wie gross die elektromoto-
rischen Kräfte waren, welche von den schwingenden Magnetstäben
in den Windungen erzeugt wurden, mag dahin gestellt bleiben,
da eine Berechnung nicht ausführbar ist, weil die bezüglichen An-
gaben des Hrn. Börnstein nicht vollständig genug sind. Jedenfalls
widerspricht aber eine so grosse Abhängigkeit der Lichtwirkung
von der Stromstärke den beim Selen gemachten Erfahrungen.


26*
[404]

War die Ansicht des Hrn. Börnstein richtig, dass die directe
Widerstandsvergleichung aus dem Grunde ein so bedeutend ge-
ringeres Resultat ergab, als die Widerstandsmessung mittelst der
Dämpfungsmethode, weil die Lichtwirkung durch Erwärmung der
beleuchteten dünnen Metallplatten durch den Strom und die gleich-
zeitig eintretende Verminderung der Lichtempfindlichkeit durch
denselben verdeckt, resp. vermindert wurde, so mussten jeden-
falls directe Widerstandsmessungen mit sehr geringen elektromo-
torischen Kräften ähnliche Resultate ergeben, wie er sie durch
die Dämpfungsmethode erhielt. Ich ersetzte daher mein Galva-
nometer mit aperiodisch schwingendem Glockenmagnete und 8
Meter Scalenabstand, mit dem die früheren Versuche angestellt
waren, durch ein Galvanometer mit einem astatischem Paare von
zwei kleinen Glockenmagneten, die an einem Aluminium-Draht
in einem Abstande von circa 100 mm befestigt waren. Jeder
Magnet befand sich im Centrum einer Drahtspirale mit durch-
schnittlich 445 Windungen 1 mm dicken Drahtes von 1,84 Q. E.
Widerstand. Am oberen Ende des Aluminiumdrahtes war ein
Steinheil’scher leichter Spiegel von 9 mm Durchmesser befestigt,
der durch ein Gehäuse mit Spiegelscheibe gegen Luftströmungen
geschützt war. Durch einen in beliebiger Entfernung unter dem
Magnetpaare anzubringenden, drehbaren Magnetstab liess sich dem
Magnet-Systeme eine beliebige Richtkraft geben und die Ein-
stellung auf die Mitte der, wie früher, 8 m entfernten Scala,
von 1 m Länge mit Millimeter-Theilung, bewirken. Dies äusserst
empfindliche Galvanometer combinirte ich mit einer Brückenver-
zweigung, deren vier Zweige, von denen das zu untersuchende
Metallblatt den einen bildete, möglichst gleich gross und wenig
verschieden von dem Widerstande des Galvanometers gemacht
wurden. Zwischen die beiden veränderlichen Brückenzweige aus
Neusilberdraht war ein um die Peripherie einer runden, mit Theil-
kreis versehenen Schieferscheibe ausgespannter Neusilberdraht
von 300 mm Länge und 3 Q. E. Widerstand eingeschaltet, auf
welchem sich eine Platinrolle mit Index und Nonius verschieben
liess. Die Platinrolle war mit dem einen Pole eines Daniell’schen
Elementes verbunden, dessen Widerstand durch Einschaltung eines
Drahtwiderstandes auf 10 Q. E. gebracht wurde. Vermittelst
einer Widerstandsscala konnte dies Element durch eine be-
[405] liebig grosse Nebenschliessung geschlossen werden. Die in den
nahe gleich grossen Brückenzweigen wirksame elektromotorische
Kraft E' war dann , wenn w der Widerstand, E die
elektromotorische Kraft des Elementes und w' der Widerstand der
Zweigleitung war. Um die Empfindlichkeit der Messung genau
controliren zu können, wurde in den das zu untersuchende Metall-
blatt enthaltenden Brückenzweig ein Kupferdraht von 0,001 Q. E.
Widerstand eingeschaltet, der durch einen kurzen, dicken, amalga-
mirten Kupferbügel mit Hülfe zweier Quecksilbernäpfchen ausge-
schlossen werden konnte. War durch wiederholte kurze Schlies-
sungen der erst schwächeren, dann bis auf die Stärke von 1
Daniell verstärkten, wirksamen Kette vollständiges Gleichgewicht
hergestellt, so ergab die Ein- oder Ausschaltung des Widerstandes
von 0,001 Q. E. eine Ablenkung der Nadel von circa 20 Scalen-
theilen; es mussten also Veränderungen der Leitungsfähigkeit
eines Brückenzweiges von 0,0001 Q. E. noch mit grösster Deut-
lichkeit erkannt werden.


Die Objecte, welche ich prüfte, waren auf Glasplatten aus-
gebreitete dünne Goldhäutchen, welche an den Enden durch aus-
getropftes, geschmolzenes Rose’sches Metall mit Stanniolbelegungen
und den Zuleitungsdrähten metallisch verlöthet waren, ferner sehr
dünne, noch hell durchscheinende, auf verschiedenen Wegen her-
gestellte Niederschläge von Gold, Platin und Silber, die auf ähn-
liche Weise mit den Zuleitungsdrähten verlöthet waren, endlich
möglichst dünne Plättchen von Aluminium und Tellur. Diese
Präparate wurden in den betreffenden Brückenzweig eingeschaltet,
während sie durch einen übergedeckten Pappkasten vor Licht-
wirkung geschützt waren. Nachdem das Gleichgewicht hergestellt
und einige Zeit verstrichen war, wurde der Batteriecontact hergestellt
und nachdem die gewöhnlich eintretende, geringe Ablenkung des
Spiegels abgelesen war, der Pappkasten abgenommen. Das Metall-
blatt war dann der Beleuchtung durch eine in einer Laterne mit
weitem Spalt aufgestellte Petroleumlampe ausgesetzt, deren Strahlen
durch ein 12 cm im Durchmesser haltendes, cylindrisches und mit
concentrirter Alaunlösung gefülltes Glasgefäss gingen und dadurch
auf dem Metallblatte concentrirt wurden, während die Wärme-
strahlen durch die Alaunlösung absorbirt wurden. Der Papp-
[406] kasten wurde dann wiederholt aufgesetzt und abgenommen, wäh-
rend die Kette dauernd geschlossen blieb. In fast allen Fällen
ergaben sich die Wirkungen einer langsam eintretenden, schwachen
Erwärmung des Metallblattes durch den Strom und die Beleuch-
tung, aber niemals sichere Anzeichen einer Verminderung des
Leitungswiderstandes durch Lichtwirkung.


Leider zeigte sich, dass das Galvanometer nicht ruhig genug
zu erhalten war, um bei dieser Empfindlichkeit zuverlässige Mes-
sungen ausführen zu können, welche die Frage entscheiden konnten,
ob überhaupt eine messbare Lichtwirkung auf andere Metalle, als
Selen stattfindet. Weder das Galvanometer selbst war vor äusse-
ren [Strömungen] ausreichend zu schützen, noch waren die Thermo-
ströme, die bei so geringen Widerständen und elektromotorischen
Kräften ohne besondere Vorkehrungen sehr störend auftreten, hin-
länglich auszuschliessen.


Ein gleiches negatives Resultat erhielt ich bei einer anderen
Anordnung meiner Versuche. Es wurde das zu untersuchende
Metallblatt direct in den Galvanometer-Kreis eingeschaltet. Wurde
der Kreislauf mit einer wirksamen elektromotorischen Kraft E'
von 0,01 Daniell geschlossen, so ging der Spiegel über die Scala
weg. Durch einen in geeigneter Weise dem Galvanometer ge-
näherten Magnetstab wurde er darauf wieder auf die Mitte der
Scala zurückgeführt. War dies einmal eingestellt, so stellte sich
auch nach längerer Ruhe beim Schliessen der Kette das Faden-
kreuz meines Fernrohrs bei der vollkommenen Aperiodicität des
Galvanometers ohne Schwankungen auf einen Theilstrich der
Scala ein. In diesem Momente wurde durch einen Gehülfen der
Pappkasten abgenommen und dadurch die Metallplatte beleuchtet.
Auch hierbei war bei allen oben erwähnten Metallblättern keine
unzweifelhafte Lichtwirkung zu erkennen, obgleich eine Vermin-
derung des Widerstandes um 0,0001 noch mit grösster Deutlich-
keit hätte hervortreten müssen. Wäre Hrn. Börnstein’s Annahme
richtig, dass durch Verminderung der elektromotorischen Kraft
eine so bedeutende Vergrösserung der Lichtwirkung eintritt, als
er sie bei Anwendung der Dämpfungsmethode gefunden hat, so
hätte dieselbe bei Anwendung von 0,01 Daniell doch schon in
einem beträchtlich höheren Grade hervortreten müssen als bei
[407] bei Anwendung von 1 Leclanché-Element, welches er bei der
Brückenmessung benutzte.


Ich musste aus den schon erwähnten Gründen darauf ver-
zichten, die Empfindlichkeit der benutzten Galvanometer noch
weiter zu steigern, und konnte nur noch versuchen, die etwa vor-
handene Lichtwirkung durch Herstellung möglichst dünner und
dabei sicher leitender Metallblätter noch zu verstärken. Es ge-
lang in der That mit Hülfe bekannter Methoden, äusserst dünne,
noch leitende Metallbeläge auf Glasplatten herzustellen und mit
sicheren Zuleitungen zu versehen. Letzteres gelang nur auf die
Weise vollständig, dass der mit dem dünnen Metallbelage ver-
sehene Glasstreifen in einer Lösung von unterschwefligsaurem
Silber oder Gold galvanisch versilbert oder vergoldet wurde,
wobei ein Querstreifen durch eine Lackschicht, die man später
durch Alkohol oder Aether entfernte, vor der Versilberung ge-
schützt wurde. Es gelang auf diese Weise, eine noch gut leitende
Goldschicht herzustellen, die im reflectirten Lichte als schöner
Goldspiegel erschien, das Tageslicht aber nicht mehr in grüner,
sondern in hellblauer Farbe durchscheinen liess. Der Widerstand
dieses 15 mm langen und 10 mm breiten Goldspiegels betrug
nach wiederholten und constant bleibenden Messungen 7000 Q. E.
Danach würde die Dicke der Goldschicht, wenn man die Leitungs-
fähigkeit des Goldes = 34 setzt — die des reinen Quecksilbers
= 1 angenommen — 0.0000000063 mm betragen haben, falls
eine so dünne Schicht ebenso leitet wie eine dickere Metall-
masse1). Auch mit diesem Präparate konnte ich keine Licht-
wirkung wahrnehmen, obschon ich des grossen Widerstandes
wegen mein Galvanometer mit 40000 Drahtwindungen aus
dünnem Drahte von 7613 Q. E. Widerstand versehen und da-
durch seine Empfindlichkeit sehr bedeutend gesteigert hatte.
Bemerkenswerth ist aber, dass der Widerstand dieser so äusserst
dünnen Goldschicht bei Anwendung einer elektromotorischen
Kraft von 0,01 Daniell noch durchaus constant war und die
von Hrn. Börnstein gefundene Nachwirkung des Stromes nicht
zeigte.


[408]

Da mir daran lag, meine negativen Versuchsresultate einer
Controlle durch andere Experimentatoren zu unterwerfen, und es
mir auch von Wichtigkeit schien, durch Anwendung weit em-
pfindlicherer Methoden, als Hr. Börnstein und ich selbst sie an-
wenden konnten, zu untersuchen, ob überhaupt eine Lichtwirkung
bei anderen Metallen als Selen nachzuweisen ist, so veranlasste
ich meinen Freund Gustav Hansemann, in seinem zur Unter-
suchung von schwachen Thermo-Strömen eingerichteten Labora-
torium eine Untersuchung der Sache vorzunehmen. Im Hanse-
mann’schen Laboratorium ist durch eine Wand aus dicken Spiegel-
glasscheiben, die den Beobachter von den Instrumenten trennt,
ein relativ dunkler Raum abgeschieden, in welchem die Instrumente
aufgestellt sind, so dass alle Luftströmungen und sonstige Ur-
sachen localer Temperaturänderungen vermieden werden. Die
nöthigen Bewegungen werden durch Schnüre, die durch die
Glaswand gehen, ausgeführt. Dies und die grosse Empfindlichkeit
seines Spiegelgalvanometers mit Drahtwindungen von 0,5 Q. E.
Widerstand machte es ihm möglich, als Elektromotor ein Eisen-
kupfer-Thermo-Element anzuwenden, welches eine constante elek-
tromotorische Kraft von nahe 0,001 Daniell gab, wenn die eine
Löthstelle durch kochendes Wasser, die andere durch einen Strom
von Wasserleitungswasser auf constanter Temperatur erhalten
wurde. Bei dieser geringen elektromotorischen Kraft konnte von
einer Verdeckung der Lichtwirkung durch Erwärmung des Metall-
blattes und durch Nachwirkung des Stromes gar nicht mehr die
Rede sein und es war anzunehmen, dass die von Hrn. Börnstein
mit Anwendung der Dämpfungsmethode gefundenen, 3 bis 500 mal
grösseren Beleuchtungswerthe jetzt sicher hervortreten würden,
wenn sie nicht auf Selbsttäuschung beruhten. Da Hr. Hansemann
seine Versuche in einem dieser Abhandlung angeschlossenen Auf-
satze selbst beschrieben hat, so will ich hier nur hervorheben,
dass derselbe ebenso wenig als ich einen Einfluss des Lichtes
zu finden vermochte. Auch die Dämpfungsmethode, mit welcher
Hr. Hansemann die Börnstein’schen auffallenden Versuchsresultate
mit Hülfe eine spassend scheinenden Spiegelgalvanometers, welches
ich ihm hierzu zur Verfügung gestellt hatte, zu reproduciren suchte,
ergaben bei Anwendung der nöthigen Vorsicht gegen Auftreten
[409] von Thermoströmen und anderen Störungen kein positives Er-
gebniss.


Welches die Ursachen der abweichenden Versuchsresultate
des Hrn. Börnstein sind, lässt sich nicht beurtheilen, da die Ver-
suche desselben hierzu nicht eingehend genug beschrieben sind.
Bei derartigen Messungen, welche die höchste Empfindlichkeit
der Instrumente beanspruchen, treten leicht Störungen mit einer
gewissen Constanz auf, und es ist immer etwas gewagt, neue
Fundamentalerscheinungen ausschliesslich auf Mittelwerthe zu
basiren, namentlich dann, wenn das Ergebniss noch weit inner-
halb der Fehlergrenzen der einzelnen Versuche liegt, wie es bei
den Börnstein’schen Versuchen der Fall ist.


Nach Obigem kann ich die Schlussfolgerungen, die Hr. Börn-
stein aus seinen Versuchen zieht, nicht anerkennen, muss im
Gegentheil bei meiner Ansicht stehen bleiben, dass eine Licht-
wirkung bei anderen Metallen als beim Selen mit den bisherigen
Hülfsmitteln nicht nachzuweisen ist.


Ich will damit nicht die Möglichkeit in Abrede stellen, dass
dies künftig mit sehr verfeinerten Messmethoden noch geschehen
kann, und dass dann auch die Lichtwirkung auf das Selen durch
diese verallgemeinerte Wirkung des Lichtes zu erklären wäre,
glaube aber nicht, dass wir berechtigt sind, dieselbe als bestehend
anzunehmen, bevor sie nicht durch unzweifelhafte Versuche nach-
gewiesen ist. Bis dahin müssen wir die Lichtwirkung auf das
Selen als dem Selen ausschliesslich zukommend ansehen und
versuchen, in den besonderen Eigenschaften desselben eine Er-
klärung für diese Lichtwirkung zu finden.


Bevor ich hierzu übergehe, muss ich noch kurz auf einige
Anführungen des Hrn. Börnstein aus meiner der Akademie mit-
getheilten Untersuchung über das Verhalten des Selens gegen
Wärme und den elektrischen Strom zurückgehen.


Hr. Börnstein hat wiederholt Angaben, die sich nur auf den
gerade besprochenen Versuch bezogen, als allgemein gültige Ver-
suchsresultate angeführt. So ist der mir zugeschriebene Satz, dass
mit der Dauer der Erhitzung des amorphen Selens die Leitungs-
fähigkeit, aber nicht die Lichtempfindlichkeit wachse, in dieser
Allgemeinheit nicht richtig. Ebenso ist es nicht richtig, dass
sich stets ein Polarisationsstrom zeigt, als Folge anhaltender
[410] Ströme durch das Selen. Ich habe im Gegentheil bestimmt aus-
gesprochen, dass dieser nur in exceptionellen Fällen, bei starken
Strömen und frisch hergestellten Selenplättchen der gut leitenden
Modification II nachweisbar sei, und dass in den meisten Fällen
auch mit den empfindlichsten Hülfsmitteln keine Polarisation zu
finden sei. Ich erklärte diese Polarisation als eine Elektrolyse
der Berührungsfläche zwischen dem Selen und den dasselbe be-
grenzenden Leitern. Die Lichtempfindlichkeit des Tellurs nimmt
Hr. Börnstein als Thatsache an, ohne sie selbst untersucht zu
haben, obgleich ich sie bestimmt in Abrede gestellt habe. Er
stützt sich dabei ausschliesslich auf den gelegentlichen Versuch
des Hrn. Adams, der an einem 1 Zoll langen Tellurstabe eine
Lichtwirkung zu erkennen glaubte.


Da das Tellur nach Matthiessen ca. 2400 mal so grossen
specifischen Leitungswiderstand hat, als Gold, und ausserdem
viele physikalische Eigenschaften mit dem Selen gemein hat, so
ist es gar nicht unwahrscheinlich, dass das Tellur unter Um-
ständen lichtempfindlich ist. Sein specifischer Leitungswiderstand
ist aber immer erst circa 1 Millionstel von dem des Selens und
da es seiner Sprödigkeit wegen bisher nicht in die Form so
dünner Blätter gebracht werden kann, als die ductilen Metalle,
so wird seine Lichtempfindlichkeit unter gewöhnlichen Umständen
schwerlich nachweisbar sein. Mir ist dieser Nachweis auch mit
circa 0,01 mm dicken Platten, die zwischen erwärmten Glas-
platten aus geschmolzenem Tellur durch starken Druck ausgepresst
waren, nicht gelungen.


Bereits in meiner vorläufigen Mittheilung an die Akademie
von 1875 habe ich angegeben, dass die Zunahme der Leitungs-
fähigkeit des Selens durch Beleuchtung im annähernden Verhält-
nisse der Quadratwurzeln aus den Lichtstärken stehe. Bevor ich
zur näheren Untersuchung dieser Frage überging, suchte ich mich
erst zu vergewissern, dass gleiche Lichtstärken gleichfarbigen
Lichtes bei demselben Selenpräparate unter sonst gleichen Verhält-
nissen auch sicher die gleiche Lichtwirkung zeigten. Es sollten
diese Versuche zugleich die Frage entscheiden, ob das Selen sich
zur Herstellung eines brauchbaren Photometers eignete, das dann
vor den bisher benutzten den grossen Vorzug haben würde, dass
es frei von den bei photometrischen Messungen so störenden per-
[411] sönlichen Fehlern des Beobachters sein und auch für den Ver-
gleich verschiedenfarbigen Lichtes bestimmte Zahlenwerthe geben
würde.


Die zu diesen Versuchen benutzten Selenpräparate waren
dieselben, wie ich sie in dem ersten Theile dieser Untersuchung
beschrieben habe. Sie bestanden aus zwei 0,05 bis 0,10 mm
dicken Platina-, Stahl- oder Kupferdrähten, die von einander
isolirt auf einem Glimmerblättchen so befestigt waren, dass ein
Zwischenraum von 0,5 bis 1 mm zwischen den Drähten frei
blieb. Die Befestigung geschah auf die Weise, dass das Glimmer-
blatt mit zwei Reihen feiner Löcher im Abstande von ca. 10 mm
von einander versehen wurde. Durch diese Löcher wurden die
Drähte gezogen und die Enden so verbunden, dass ein Draht-
gitter auf der Oberfläche des Glimmerblattes entstand, dessen
Drähte abwechselnd mit dem einen oder anderen der beiden Zu-
leitungsdrähte verbunden waren. Auf dies Gitter wurde nun
eine etwa ½ mm dicke Platte amorphen Selens gebracht, darauf
eine zweite Glimmerplatte auf dieselbe gelegt und diese mit der
ersten Glimmerplatte fest verbunden. Darauf wurde das Ganze
zwischen zwei kleine Metallplatten mit elastischem Drucke ein-
gesperrt und dann mit diesen in ein Paraffinbad getaucht, welches
auf eine Temperatur von 200° bis 210 °C. gebracht war, und in
dieser Temperatur mehrere Stunden lang durch einen passenden
Wärmeregulator erhalten wurde. Nach eingetretener Abkühlung
hatte das Plättchen dann in der Regel einen Leitungswiderstand
von 500000 bis 1500000 Q. E. und eine Lichtempfindlichkeit,
die einer Vergrösserung der Leitungsfähigkeit durch diffuses
Tageslicht um 0,2 bis 0,5 entsprach; Lichtempfindlichkeit und
Leitungsfähigkeit pflegten nach etlichen Tagen etwa auf die Hälfte
zurückzugehen. Ein solches Selenplättchen wurde nun auf den
Boden eines etwa 30 mm weiten und 60 mm langen Metallrohres
befestigt, und die Zuleitungsdrähte mit ausserhalb desselben an-
gebrachten isolirten Klemmen verbunden. Das Rohr selbst war
um eine verticale Axe drehbar, so dass man das Selenplättchen
durch Drehung des Rohres schnell und sicher von einer Licht-
quelle auf die andere richten konnte. An dem Gestelle, welches
die Axe trug, war ein 1 m langer Holzstab mit Millimeter-
Theilung so befestigt, dass die Axe mit dem Beginn der Theilung
[412] zusammenfiel. Auf dem Holzstabe war ein Lichthalter mit Index
verschiebbar, der zur Aufnahme der Normalkerze bestimmt war,
die zum Vergleiche der gemessenen Lichtquelle diente.


Zur Ausführung der Messung wurde der Apparat so aufge-
stellt, dass der Massstab mit der Normalkerze einen rechten
Winkel mit der zu messenden Lichtquelle bildete, so dass man
durch schnelle Drehung des Rohres von einem Anschlage zum
anderen das Selen ohne wesentlichen Zeitverlust der Einwirkung
der einen oder der anderen Lichtquelle aussetzen konnte. Die
Contact-Klemmen des Rohres wurden dann in Verbindung mit
den Zuleitungsröhren eines empfindlichen Galvanometers ge-
bracht, in welche durch einen Contactgeber eine passende gal-
vanische Kette eingeschaltet werden konnte. Je nach der Licht-
empfindlichkeit des Selenplättchens und der Empfindlichkeit des
Galvanometers wurden 1 bis 10 Daniell’sche Elemente, unter
Umständen auch noch stärkere Batterien eingeschaltet. Es wur-
den nun zuerst 4 Normalkerzen in einer Entfernung von 100 cm
vom Selen-Plättchen neben einander aufgestellt und die auf dem
Schieber befindliche Normalkerze so lange genähert, bis beim
schnellen Wechsel des Selenrohres von einer Lichtquelle zur
anderen keine dauernde Aenderung der Ablenkung des Spiegels
mehr eintrat, wenn auch der kurze Moment der Dunkelheit
während des Ueberganges des Rohres aus einer Stellung in die
andere stets ein kurzes Zurückzucken des Spiegels bemerkbar
machte. Die Stellung des Index ergab eine Entfernung der
Normalkerze von 49,1 cm anstatt 50, die es nach dem umge-
kehrten Quadrate der Entfernung hätte zeigen müssen. Der
Grund dieser Verschiedenheit lag ersichtlich in der verstärkten
Flamme der vier neben einander stehenden Kerzen durch gegen-
seitige Erwärmung.


Bei einem weiteren Versuch wurde eine sehr gleichmässig
brennende Petroleumlampe, welche in einem geschlossenen, in-
wendig geschwärzten Gehäuse mit Blendung aufgestellt wurde,
in verschiedenen Entfernungen mit der Normalkerze verglichen,
deren Flammenhöhe durch häufiges Putzen des Dochtes auf
24 mm Höhe erhalten wurde.


[413]

Die Abweichungen der berechneten Lichtstärken sind durch
die unvermeidlichen Schwankungen der Helligkeit der Normal-
kerze erklärlich. Bei den grösseren Entfernungen macht sich
die Beleuchtung der Zimmerwände durch die offen brennende
Normalkerze, durch welche der Beleuchtungswerth der letzteren
erhöht wurde, sehr bemerklich.


Um diesen Uebelstand zu beseitigen, wurden zwei mit Ge-
häusen versehene Petroleumlampen in verschiedenen Enfernungen
aufgestellt, und die Entfernung der einen so lange geändert, bis
Gleichgewicht eintrat.


Unzweifelhaft würde die Anwendung grösserer Sorfalt auf
diese Versuche zu weit übereinstimmenderen Resultaten führen.
[414] Es genügte mir hier, durch die Versuche den Nachweis zu füh-
ren, dass das Selen-Photometer auch ohne Anwendung beson-
derer Sorgfalt hinreichend genaue Vergleichsresultate giebt,
um in der Technik als praktisch brauchbares Photometer ver-
wendet werden zu können.


Bei Beginn meiner Versuche mit dem Selen hoffte ich, dass
sich mit Hülfe desselben ein Photometer construiren lassen
würde, welches directe Angaben der Lichtstärke geben könne,
und bemühte mich, zu dem Ende bestimmte Relationen zwi-
schen der Lichtstärke und der Zunahme der Leitungsfähigkeit
des Selens zu finden. Es zeigte sich jedoch, dass die Leitungs-
fähigkeit desselben von zu vielen, nicht controllirbaren Factoren
abhängt, um direct als Mass der Beleuchtung benutzt werden
zu können. Namentlich tritt die Dauer der Beleuchtung, ebenso
wie die Lichtstärke, als ein wirksamer Factor auf. Bei Modi-
fication I bewirkt andauernde Beleuchtung eine fortschreitende
Vergrösserung der Leitungsfähigkeit, während bei Modification II
die Leitungsfähigkeit schon nach kurzer Zeit, oft schon nach 5
bis 10 Secunden ihr Maximum erreicht und dann erst schneller,
dann langsamer, wieder abnimmt.


Diese Eigenschaft der Vergrösserung oder Verminderung
der Leitungsfähigkeit durch die Dauer der Beleuchtung tritt bei
verschiedenen Selen-Präparaten in sehr verschiedener Stärke auf.
Je sorgfältiger man verhindert hat, dass das Selen sich bei sei-
ner Umwandlung aus dem amorphen in den krystallinischen Zu-
stand über 100 °C. erhitzt, desto geringer ist seine Leitungs-
fähigkeit, und desto langsamer steigt dieselbe durch die Dauer
der Beleuchtung. Das in der ersten der folgenden Versuchs-
reihen, die mit A bezeichnet ist, benutzte Selenplättchen war
durch Eintauchen in ein auf 100 °C. erhitztes Petroleumbad um-
gewandelt, während das zu der mit B bezeichneten Versuchs-
reihe benutzte Plättchen langsam mit seinem Petroleumbade bis
100 °C. erhitzt und dann mehrere Stunden in dieser Temperatur
erhalten wurde. Die Versuche wurden in der Weise ausge-
führt, dass durch eine, vor der Diaphragma-Oeffnung einer
hellbrennenden Petroleumlampe aufgestellte Linse ein circa 14 mm
grosses, scharfes Lichtbild auf das Selenplättchen geworfen
wurde. Durch einen mit Alaunlösung gefüllten, 3,5 cm dicken
[415] Glastrog wurden dunkle Wärmestrahlen möglichst absorbirt. Der
elektrische Strom ging nur während der Messung und nur so
lange durch das Selen-Präparat, bis der Spiegel des aperiodisch
schwingenden Galvanometers seine Ruhelage erreicht hatte.


Tabelle A. (Mod. I.)


Die Messungen sind mit 12 Daniell’schen Elementen ausgeführt, welche vor
Eintritt der Beleuchtung eine Ablenkung von 92 Scalentheilen hervorbrachten.


Tabelle B. (Mod. I.)


Die Messungen sind mit 50 Daniell’schen Elementen ausgeführt.


Am folgenden Tage hatten beide Plättchen im Dunkeln nahe
dieselbe Leitungsfähigkeit wie vor dem Versuche. Wie ersicht-
lich, tritt die Lichtwirkung bei dem viel schlechter im Dunkeln
leitenden Selenplättchen der zweiten Versuchsreihe viel langsamer
ein, so dass sie erst nach Verlauf von 6 Stunden ihr Maximum
erreichte. Die grossen Unregelmässigkeiten sind wahrscheinlich
Folge verschiedener Temperatur. Die Zimmertemperatur war
während des Versuches von 21 auf 25 °C. gestiegen.


Ein ganz verschiedenes Verhalten zeigt nun bei dauernder
Beleuchtung das Selen, welches bei einer Temperatur von 200°
bis 210° in krystallinisches umgewandelt und dabei längere Zeit
in dieser Temperatur erhalten ist. Die in der folgenden Tabelle
zusammengestellten Messungen sind in oben beschriebener Weise
mit einem Plättchen der Mod. II ausgeführt. Es wurde 1 Daniell
dazu verwendet und dasselbe jedesmal so lange eingeschaltet,
[416] bis die Ablenkung ihr Maximum erreicht hatte, was nach etwa
10 Secunden der Fall war. Das unbeleuchtete Selenplättchen
gab eine Ablenkung von 35 Scalentheilen.


Tabelle C. (Mod. II.)


Nach mehrstündiger Dunkelheit ging die Ablenkung auf 32 Scalen-
theile zurück.


Es ergiebt sich aus diesen Versuchen, dass die beiden Mo-
dificationen des Selens sich einmal durch sehr verschiedene Lei-
tungsfähigkeit, hauptsächlich aber dadurch unterscheiden, dass
die Mod. II schon nach Verlauf weniger Secunden, das bei niedri-
ger Temperatur umgewandelte Selen aber erst nach längerer Zeit
das Maximum seiner Leitungsfähigkeit erreicht. Ist dies Maximum
erreicht, so beginnt die Lichtwirkung sich wieder zu vermindern
— ein Vorgang, den man als Ermüdung des Selens bezeichnen
kann — und nähert sich asymptotisch bei Mod. II einem Mini-
mum. In wie weit dieser Rückgang auch bei Mod. I eintritt, ist
nicht untersucht worden; es scheint aber die Abnahme der Licht-
wirkung nach Ueberschreitung des Maximums einen eben so lang-
samen Verlauf zu haben, als das Ansteigen bis zum Maximum.


Dieser bei jedem Selen-Präparate verschiedene Einfluss der
Beleuchtungsdauer auf die Grösse der Lichtwirkung macht es,
wie schon gesagt, schwierig, bestimmte Relationen zwischen der
Lichtstärke und der Lichtwirkung festzustellen. Die zahlreichen
und vielseitigen Versuche, welche ich hierüber angestellt habe,
gaben keine hinreichend übereinstimmenden Resultate. Sie ergaben
[417] nur, dass die Lichtwirkung in noch geringerem Masse als die
Quadratwurzeln aus den Lichtstärken zunimmt. Die Versuche
wurden einmal in der Weise angestellt, dass zwei constante Licht-
quellen in verschiedenen Entfernungen in auf- und absteigender
Reihe verglichen wurden. Ferner wurde vor die grosse, helle
Flamme einer englischen Lampe mit doppeltem, flachen Dochte
ein verschiebbares, dünnes Blech mit Löchern, die möglichst
genau 1, 2, 3 bis 6 mm Durchmesser hatten, gesetzt, und das
Selenpräparat wiederholt in auf- und absteigender Reihe nach-
einander der Bestrahlung durch diese Löcher ausgesetzt. War
das quadratische Gesetz richtig, so musste die Lichtwirkung
dann den Durchmessern der Löcher proportional sein. Die über-
einstimmendsten und zuverlässigsten Resultate gab eine dritte
Methode, die darin bestand, dass ein Lichtbündel durch ein
Doppelprisma in zwei Lichtbündel zerlegt und das Selen-
plättchen abwechselnd dem einen oder anderen Strahlenbündel
allein oder beiden zugleich ausgesetzt wurde. Es wurde zu
diesen Versuchen die erwähnte Petroleumlampe mit doppeltem
Flachbrenner mit einem Diaphragma von 2 mm Durchmesser be-
nutzt. Im Dunkeln gab das Selen mit 4 Daniell’schen Elementen
eine Ablenkung von 50 Scalentheilen.


Also Mittel der Ablenkung durch einen Strahl = 51,7,
Mittel der Ablenkung durch den Gesammtstrahl = 63,5,

was nahe dem Verhältnisse der Kubikwurzeln aus den Licht-
stärken entspricht. Wie schon bei der Besprechung der Arbeit
27
[418] des Hrn. Börnstein hervorgehoben wurde, lässt sich die auf-
fallende Erscheinung, dass das Licht die elektrische Leitungs-
fähigkeit des Selens vergrössert, bisher nur bei diesem nachweisen;
und erscheint es daher nicht zulässig, zur Erklärung desselben
dem Lichte eine neue Eigenschaft beizulegen, welche mit den
bisher beobachteten in keiner Verbindung steht. Jedenfalls würde
dies erst dann zulässig sein, wenn die besonderen Eigenschaften
des Selens gar keine Handhabe dafür darböten, diese Erschei-
nung auf die bekannten Eigenschaften des Lichtes zurückzuführen.
Das in meinem früheren Aufsatze beschriebene besondere Ver-
halten des Selens gegen Wärme und den elektrischen Strom und
das oben auseinandergesetzte Verhalten desselben bei eintretender
Beleuchtung seiner Oberfläche gestatten jedoch die Lichtwirkung
auf das Selen als eine der bekannten chemischen Wirkung der
Lichtstrahlen ganz analoge Erscheinung aufzufassen.


Wie schon gesagt, kann man das krystallinische Selen,
welches durch Erwärmung des amorphen Selens auf 100 °C. unter
Abgabe latenter Wärme sich bildet, ebenso wie das amorphe als
eine allotrope Modification des hypothetischen metallischen, d. h.
von latenter Wärme freien Selens betrachten. Erhitzt man amor-
phes Selen auf 200° anstatt auf 100 °C. und erhält es längere
Zeit auf dieser Temperatur, so giebt es mehr latente Wärme ab,
als bei Erhitzung auf 100°, und leitet dann im abgekühlten Zu-
stande die Elektricität so wie die wirklichen Metalle, d. i. in
der Weise, dass die Leitungsfähigkeit mit steigender Temperatur
abnimmt, während sie bei dem bei 100 °C. umgewandelten kry-
stallinischen Selen, wie bei der Kohle, mit steigender Temperatur
zunimmt. Dabei leitet die erstere, von mir mit II bezeichnete
Modification sehr viel besser als die letztere, von mir I genannte
Modification1).


[419]

Man kann sich nun die Modification II als eine Mischung
oder Verbindung von krystallinischem und metallischem Selen
vorstellen. Eine vollständige Umwandlung in metallisches Selen
ist nicht möglich, da das letztere im reinen Zustande bei ge-
wöhnlicher Lufttemperatur kein stabiler Zustand ist und sich
bei eintretender Abkühlung bis auf einen durch Mischung oder
Verbindung mit krystallinischem Selen vor Rückbildung ge-
schützten Rest wieder in krystallinisches Selen, unter Aufnahme
latenter Wärme, zurückbildet. Ein ganz analoges Verhalten finden
wir beim Ozon. Wenn man reinen Sauerstoff der Gaselektrolyse
durch den von mir beschriebenen Ozon-Apparat1) unterwirft, so
wird ein Theil des Sauerstoffs in Ozon umgewandelt. Entzieht
man das gebildete Ozon durch eine eingelegte Silberplatte oder
auf andere Weise fortwährend der entstandenen Mischung von
Sauerstoff und Ozon, so kann man nach und nach die ganze
Sauerstoffmenge umwandeln. Beseitigt man das gebildete Ozon
dagegen nicht, so tritt bald die Grenze auf, wo keine weitere
Ozonbildung mehr stattfindet, da nur eine bestimmte Menge Ozon
durch Mischung mit unactivem Sauerstoff vor Rückbildung in
diesen geschützt wird. Wahrscheinlich ist das Ozon eine „von
latenter Wärme freie“, allotrope Modification des Sauerstoffs und
könnte als metallischer Sauerstoff bezeichnet werden ebenso wie
das hypothetische metallische Selen. In diesem „von latenter
Wärme freien“ oder „metallischen“ Zustande haben die Körper
das grösste Bestreben, in chemische Verbindung mit einander
zu treten, und es ist wahrscheinlich allgemein als der sogenannte
active Zustand der Körper, wie er im status nascendi auftritt,
zu betrachten. Da die Wärme die Stabilität der latente Wärme
haltigen allotropen Zustände der Körper vermindert, so erklärt
diese Anschauung auch die ziemlich allgemein beobachtete Be-
günstigung chemischer Umbildungen durch Erwärmung. Ebenso
erklärt sie die allgemein beobachtete Thatsache, dass die elek-
trolytische Leitung durch Erwärmung begünstigt wird, da man
annehmen muss, dass auch die chemischen Verbindungen ver-
schiedener Körper allotrope, latente Wärme haltige Molekular-
Zustände annehmen, die erst in den „metallischen“ Zustand zu-
27*
[420] rückgeführt werden müssen, bevor sie neue Verbindungen eingehen
können. Die Thatsache, dass auch einfache Körper wie Kohle,
Tellur, Selen nach Art der Elektrolyten leiten, indem ihre Lei-
tungsfähigkeit bei erhöhter Temperatur grösser wird, würde dann
beweisen, dass bei dieser Leitung wirklich ein elektrolytischer
Vorgang stattfindet, dass sich also an der einen Anode z. B.
metallisches Selen, an der anderen eine höhere oder mehr latente
Wärme enthaltende, allotrope Modification desselben abschiede,
von denen wenigstens die erstere bei gewöhnlicher Temperatur
im reinen Zustande nicht stabil ist, sich also nach Aufhören des
Stromes oder vielleicht noch während seiner Dauer durch Wieder-
aufnahme latenter Wärme zurückbildet. In ähnlicher Weise hätte
man sich die chemische Wirkung des Lichtes so vorzustellen,
dass die Aetherschwingungen der chemischen Lichtstrahlen die
Stabilität der „latente Wärme haltigen“ allotropen Molekular-
zustände aufheben und dadurch den activen oder metallischen
Zustand der bestrahlten Körpermoleküle herstellen.


An der Hand dieser Theorie ist nun die Wirkung des Lichtes
auf das Selen in der Weise zu erklären, dass den Lichtstrahlen,
welche die Oberfläche des Selens treffen und bis zu einer gewissen,
sehr geringen Tiefe in dasselbe eindringen, eine ähnliche Wirkung
zugeschrieben wird, wie die höhere Temperatur sie ausübt. Sie
reduciren das krystallinische Selen zu metallischem, sehr viel
besser leitendem, und machen die latente Wärme des ersteren
frei. Nach Aufhören der Beleuchtung bildet sich die metallische
Selenoberfläche wieder in krystallinisches Selen zurück, da der
metallische Zustand nur bei Beleuchtung oder bei hoher Tem-
peratur stabil ist. Dass diese Wirkung wesentlich nur durch
die dem Auge sichtbaren Strahlen des Spectrums und nicht
auch durch die ausserhalb des sichtbaren Spectrums liegenden
chemischen und dunklen Wärmestrahlen ausgeübt wird, ist zwar
bisher nicht zu erklären. Vielleicht werden aber später ein-
gehendere Untersuchungen den Nachweis führen, dass jedem
Körper eine bestimmte Schwingungsdauer der Aetherwellen ent-
spricht, welche bei ihm das Maximum der chemischen Licht-
wirkung ausübt, oder auch, dass die Verminderung der Stabilität
der allotropen Modificationen der einfachen Körper am stärksten
durch Aetherschwingungen mittlerer, die der zusammengesetzten
[421] Körper mehr durch Aetherschwingungen kleiner Wellenlänge
bewirkt wird.


Dass die Lichtwirkung auf die besser leitende, schon me-
tallisches Selen gelöst haltende Mod. II weit schneller von statten
geht und weit grösser ist, als auf das ungemischte krystallinische
Selen, erklärt sich z. Th. dadurch, dass bei dem ersteren eine
geringere Menge krystallinischen Selens zu reduciren ist, um
eine leitende metallische Oberfläche herzustellen, zum Theil aber
auch dadurch, dass die gut leitende Oberfläche wohl nur an
wenigen Punkten mit den Zuleitungsdrähten in directer leitender
Verbindung stehen. Es wird fast überall vom Strome noch eine
nicht in den metallischen Zustand übergeführte Selenschicht zu
durchlaufen sein, von deren Leitungswiderstande die Stärke des
Stromes abhängig ist.


Zur Erklärung der merkwürdigen Erscheinung der Ermüdung
des Selens bei andauernder Lichtwirkung muss man annehmen,
dass das krystallinische Selen in höherem Grade durchscheinend
ist als das metallische. In diesem Falle wird sich die Licht-
wirkung anfangs auf grössere Tiefen erstrecken und schlecht
leitendes krystallinisches Selen in gut leitendes metallisches um-
wandeln. Sobald aber die Selenoberfläche eine zusammenhängende
metallische Schicht geworden ist, so wirkt diese als ein Schirm,
welcher das Licht von den anfänglich in grösserer Tiefe umge-
wandelten metallischen Molekülen abhält und diesen dadurch ge-
stattet, sich in krystallinisches Selen zurückzubilden. Bei einfach
krystallinischem Selen tritt diese Ermüdung scheinbar nicht ein,
im Gegentheil nimmt die Leitungsfähigkeit desselben durch Be-
strahlung, wie früher nachgewiesen ist, mehrere Stunden lang
zu. In Wirklichkeit tritt die vollständige Lichtwirkung aber nur
sehr viel langsamer ein, da nach mehrstündiger Beleuchtung das
Maximum der Lichtwirkung erreicht ist und dann ebenfalls ein
Rückgang der Leitungsfähigkeit constatirt ist.


Dass die Lichtwirkung sich auf die Oberfläche und die der
Oberfläche zunächst liegenden Selenschichten beschränkt, davon
kann man sich leicht durch Vergleich der Lichtwirkung auf die
beiden Seiten eines Selenplättchens überzeugen. Die Herstellung
derselben bedingt, dass das Drahtgitter auf der einen Seite die
Oberfläche des Plättchens berührt, während die andere Seite des
[422] Gitters von einer dünnen Selenschicht bedeckt ist. Wird die
erstere Seite beleuchtet, so ist die Lichtwirkung 2 bis 3 mal so
gross, als bei Beleuchtung der letzteren.


Es bleibt noch die verschiedene Lichtwirkung der farbigen
Lichtstrahlen und der störende Einfluss derselben auf die Ver-
gleichung verschiedenfarbigen Lichtes durch das Selen-Photometer
zu erörtern.


Ich habe die Angaben Sale’s bestätigt gefunden, dass die
Lichtwirkung erst mit den sichtbaren violetten Strahlen des
Spectrums beginnt, von da ziemlich gleichmässig bis zum Roth
steigt, im Ultraroth noch vorhanden ist und durch die darüber
hinaus liegenden Strahlen nicht mehr stattfindet. Die nachstehende
Versuchsreihe wurde mit einem schmalen, nur aus 2 parallelen
Platindrähten in 1 mm Abstand bestehenden Selenplättchen bei
Anwendung von 4 Daniell’schen Elementen ausgeführt. Das
Spectrum wurde durch ein Glasprisma und eine hellbrennende
Petroleumlampe mit Spalt hervorgebracht.


Diese ohne besondere Sorgfalt und nur zur Orientirung aus-
geführte Versuchsreihe zeigt doch schon hinlänglich, dass das
Selen-Photometer nicht ohne Weiteres zur Vergleichung ver-
schiedenfarbigen Lichtes benutzt werden kann.


Es führt dies auf die Frage, was man sich bei der photo-
metrischen Vergleichung verschiedenfarbigen Lichtes eigentlich
zu denken hat. Eine Vergleichung der durch unsere Sehorgane
hervorgerufenen Helligkeitsempfindung ist unausführbar und ganz
individuell. Das Licht dient uns aber auch nicht dazu, eine mehr
oder weniger grosse Helligkeit zu empfinden, sondern dazu, ent-
fernte Gegenstände deutlich unterscheiden oder erkennen zu können,
und ein richtiges Photometer sollte verschiedenfarbiges Licht als
gleich angeben, wenn es uns in gleicher Weise entfernte Objecte
[423] erkennbar machte. Mit der Empfindung gleicher Helligkeit fällt
diese Eigenschaft durchaus nicht zusammen. Betrachtet man
eine Landschaft abwechselnd durch ein blaues und ein gelbes
Glas, so erscheint sie uns im letzteren Falle viel heller; aber es
ist darum, wenn das gelbe Glas viel Licht absorbirte, doch nicht
ausgeschlossen, dass man durch das blaue Glas die Gegenstände
der Landschaft viel deutlicher erkennt.


Das blaue Licht, welches in unser Auge gelangt, hat in
diesem Falle für uns einen höheren Beleuchtungswerth, wenn es
auch eine geringere Helligkeitsempfindung hervorruft. Den so
definirten Beleuchtungswerth des farbigen Lichtes sollte ein für
praktische Zwecke dienendes Photometer angeben.


Die bisherigen Photometer, welche auf Hervorbringung gleicher
Helligkeitsempfindung beruhen, sind hierfür durchaus ungeeignet.
Selbst abgesehen von dem verschiedenen Beleuchtungswerthe des
farbigen Lichtes, ist es nicht möglich, sich ein bestimmtes Urtheil
darüber zu bilden, wenn zwei verschiedenfarbige Beleuchtungen
gleich hell sind. Jedenfalls ist ein solches Urtheil ein durchaus
subjectives. Das Selen-Photometer hat vor diesen Photometern
nun allerdings den grossen Vorzug, dass es unzweifelhafte An-
gaben der Lichtwirkung des Lichtes aller Farben macht; diese
Angaben sind aber nicht direct verwendbar, da das Selen von
verschiedenfarbigem Lichte in verschiedenem Grade beeinflusst
wird. Auch die Ermittelung und Benutzung einer Scala für die
Lichtwirkung der verschiedenen Farben des Spectrums zur Cor-
rectur der Angaben des Selen-Photometers reicht nicht aus, da
es durchaus nicht feststeht, welchen Beleuchtungswerth die far-
bigen Strahlen des Sonnenspectrums haben. Wäre aber auch
eine Scala dafür ermittelt, so hätte sie doch nur einen ganz
beschränkten Werth, da sie zur Vergleichung des Beleuchtungs-
werthes farbigen Lichtes terrestrischer Lichtquellen nicht an-
wendbar wäre.


Ich habe nun versucht, auf empirischem Wege eine Scala
des Beleuchtungswerthes verschiedenfarbigen Lichtes, welches auf
das Selen die gleiche Lichtwirkung ausübt, herzustellen.


Es wurde eine feine Druckschrift auf weissem Papier in
einer Entfernung von ca. 5 Meter durch ein Fernrohr betrachtet.
Eine gleichmässig und mit ziemlich weisser Flamme brennende
[424] Petroleumlampe konnte vom Beobachter durch einen Schnurlauf
der Druckschrift so lange genähert werden, bis dieselbe in dem
sonst dunklen Raume eben lesbar war. Dieselbe Procedur wurde
wiederholt, nachdem eine farbige Glasscheibe vor die Lampe
gesetzt war. War die Lampe so weit genähert, dass die Druck-
schrift wieder eben lesbar war, so hatten beide Beleuchtungen
den gleichen Beleuchtungswerth. Wurde nun die Lichtwirkung
auf ein in der Ebene des Papiers angebrachtes Selen-Plättchen
jedesmal bestimmt, so hatte man in dem Verhältnisse dieser
Lichtwirkungen einen Factor, mit welchem die Angaben des
Selen-Photometers für gleichen Beleuchtungswerth dieses farbigen
Lichtes zu multipliciren waren. Es sollten in dieser Weise die
Coefficienten für alle Farben des Spectrums ermittelt und so
eine Correctur-Tabelle für die Vergleichung verschiedenfarbigen
Lichtes gebildet werden. Leider ergab sich aber, dass die Augen
der Beobachter durch die Anstrengung des Erkennens der Druck-
schrift bei schwacher Beleuchtung und namentlich auch durch
den schroffen Wechsel der Lichtfarbe in solchem Masse und
und bei verschiedenen Personen so ungleich angegriffen wurden,
dass keine übereinstimmenden Resultate zu erreichen waren und
die Versuche aufgegeben werden mussten. Es ist zu hoffen, dass
es anderen Beobachtern mit besseren Hülfsmitteln gelingen wird,
eine solche Correctur-Tabelle für gleichen Beleuchtungswerth
farbigen Lichtes herzustellen. Die Lichtempfindlichkeit des Selens
würde uns dann zu einem Photometer verholfen haben, welches
nicht, wie alle bisherigen, nur farbloses oder gleichfarbiges, son-
dern Licht aller Farben vergleichen könnte und dabei frei vom
persönlichen Fehler des Beobachters wäre.


Doch selbst ohne eine solche Corrections-Tabelle hat das
Selen-Photometer den wesentlichen Vorzug vor anderen, dass es
nicht, wie diese, bei geringen Differenzen der Lichtfarbe zu
falschen Schätzungen verleitet, sondern bestimmte Angaben macht,
über deren Bedeutung man sich verständigen kann.


[[425]]

Ueber Telephonie.


(Monatsbericht der Berliner Akademie vom 21. Januar.)


1878.


Die überraschenden Leistungen der elektrischen Telephone
von Bell und Edison nehmen mit Recht auch das Interesse der
Naturforscher in hohem Masse in Anspruch. Die durch sie an-
gebahnte Lösung des Problems der Uebertragung der Töne und
Sprachlaute nach entfernten Orten verspricht der Menschheit ein
neues Verkehrs- und Culturmittel zu geben, welches ihre socialen
Verhältnisse wesentlich beeinflussen und auch der Wissenschaft
wesentliche Dienste leisten wird! Es erscheint daher angemessen,
dass auch die Akademie diese so viel versprechenden Erfindungen
in den Kreis ihrer Betrachtungen zieht.


Die Möglichkeit, nicht nur Töne, sondern auch Klänge und
Sprachlaute in grösseren Entfernungen mechanisch zu reprodu-
ciren, ist theoretisch durch Helmholtz’ bahnbrechende Unter-
suchungen, welche das Wesen der Tonfarbe und Sprachgeräusche
klar legten, gegeben.


Sind, wie er nachgewiesen hat, die Klänge und Laute nur
dadurch von den reinen Tönen verschieden, dass letztere aus ein-
fachen, erstere aus mehrfach über einander gelagerten Wellen-
zügen des den Schall vermittelnden Mediums bestehen, und sind
die Sprachgeräusche als unregelmässige Schwingungen, mit denen
die Vocallaute beginnen oder enden, aufzufassen, so ist auch die
Möglichkeit gegeben, auf mechanischem Wege eine gewisse Folge
solcher Schwingungen an entfernten Orten wieder hervorzubringen.
Das praktische Leben ist hierin sogar, wie häufig der Fall, der
Wissenschaft vorangeeilt. Der bisher nicht genug beachtete so-
genannte „Sprechtelegraph“, bestehend aus zwei Membranen, die
[426] durch einen starken und dabei möglichst leichten Faden oder
feinen Draht, der an ihrer Mitte befestigt ist, gespannt werden,
bewirkt eine vollkommen deutliche Uebertragung der Sprache auf
viele hundert Meter Entfernung. Der Faden kann dabei an be-
liebig vielen Punkten durch elastische Fäden von einigen Zoll
Länge getragen, kann auch, bei ähnlicher elastischer Befestigung
an den Ecken, beliebige Winkel bilden, ohne dass der Apparat
die Fähigkeit verliert, selbst die völlig tonlose Flüstersprache mit
vollständiger Deutlichkeit und Treue zu übertragen — eine
Leistung, welche bisher kein elektrisches Telephon auszuführen
vermag. Wenn auch dieser „Sprechtelegraph“, oder richtiger
dies „Faden-Telephon“ keinen praktischen Werth hat, da seine
Wirkung auf kurze Entfernungen beschränkt bleibt und durch
Wind und Regen unterbrochen wird, so ist er doch desswegen
höchst bemerkenswerth, weil er den Nachweis führt, dass gespannte
Membranen befähigt sind, alle Luftschwingungen, von denen sie
getroffen werden, in nahe vollkommener Weise aufzunehmen und
alle Sprachlaute und Geräusche andererseits wieder hervorzu-
bringen, wenn sie auf mechanischem Wege in ähnliche Schwin-
gungen versetzt werden.


Reis versuchte bekanntlich zuerst, die Uebertragung von
Tönen anstatt durch einen gespannten Faden durch elektrische
Ströme zu bewirken. Er benutzte die Schwingungen einer den
Schallwellen ausgesetzten Membran zur Hervorbringung von
Schliessungs-Contacten einer galvanischen Kette. Die hierdurch
erzeugten Stromwellen durchliefen am andern Ende der Leitung
die Windungen eines Elektromagnetstabes, der, mit passenden
Resonanzvorrichtungen versehen, dieselben Töne annähernd wieder
hervorbrachte, von welchen die von den Schallwellen getroffene
Membran in Schwingungen gesetzt wurde. Es konnte dies nur
in sehr unvollkommener Weise geschehen, da die Contactvor-
richtungen nur bei den grösseren Schwingungen der Membran
wirksam werden und auch diese nur unvollständig wieder geben
konnten.


Bell scheint zuerst den glücklichen Gedanken gehabt zu
haben, durch die schwingende Membran selbst die zur Ueber-
tragung ihrer Schwingungen dienenden Ströme hervorbringen zu
lassen, indem er dieselbe aus weichem Eisen herstellte und ihre
[427] Mitte dem mit isolirtem Draht umwundenen Ende eines Stahl-
magnetes sehr nahe gegenüberstellte. Durch die Schwingungen
der Membran wurde nun die Anziehung zwischen Platte und
Magnet und damit das magnetische Potential des umwundenen
Endes des Magnetstabes abwechselnd vergrössert und verringert;
es entstehen hiedurch im Umwindungsdrahte und der Leitung
Ströme, welche bei der Kleinheit der Schwingungen der Platte
den Schwingungen der Luftmasse entsprechende elektrische Sinus-
Schwingungen erzeugten, die also im Stande waren, in einem
am anderen Ende der Leitung eingeschalteten, ähnlichen Apparate
wiederum Membran- und Luftschwingungen hervorzurufen. Es
bleibt hiebei ohne Einfluss, dass, wie du Bois-Reymond (Archiv
für Physiologie, 1877, S. 573 und 582) nachgewiesen hat, in der
empfangenden Membran die Phasen und Amplitudenverhältnisse
der Partialtöne andere sind, als in der gebenden Membran.


Ein wesentlich verschiedener Weg ist, wie es scheint, gleich-
zeitig mit Bell von Edison betreten. Derselbe benutzt eine gal-
vanische Kette, welche einen dauernden Strom durch die Leitung
sendet.


In den Leitungskreis ist am gebenden Ende eine Schicht
gepulverten Graphits eingeschaltet, welche sich zwischen zwei
von einander isolirten Metallplatten in gelinder Pressung befindet.
Die obere Platte ist an der schwingenden Membran befestigt
und drückt das Graphitpulver, den Luftschwingungen entsprechend,
mehr oder weniger zusammen. Dadurch wird der Leitungswider-
stand des Graphitpulvers entprechend verändert, und hierdurch
werden wiederum sinusoïde, den Luftschwingungen äquivalente
Aenderungen der Stärke des die Leitung durchlaufenden Stromes
hervorgerufen. Als Empfangsapparat benutzt Edison keine Membran,
sondern eine andere, ganz eigenthümliche Vorrichtung. Sie be-
ruht auf der Erfahrung, dass die Reibung, welche zwischen einem
Metallstück und einem mit einer leitenden Flüssigkeit getränkten,
gegen das Metallstück gedrückten Papierbande besteht, vermindert
wird, wenn ein Strom durch das Papier zu diesem Metallstücke
geht. Ich habe diese merkwürdige Erscheinung für den Fall be-
stätigt gefunden, dass der Strom so gerichtet ist, dass sich Wasser-
stoff an der Metallplatte ablagert, oder wenn das Metallstück aus
einem nicht oxydirbaren Metalle besteht. Die Verminderung des
[428] Reibungscoefficienten durch den Strom rührt daher offenbar von
elektrolytisch erzeugten Gasen her, welche sich auf der Metall-
platte ablagern. Auffallend bleibt dabei aber die fast momentan
zu nennende Schnelligkeit, mit welcher die Wirkung auch bei
sehr schwachen Strömen eintritt.


Edison befestigt nun die gegen das feuchte Papier gedrückte
Metallplatte an einem Schallbrette und zieht das über eine Walze
geführte feuchte Papier durch continuirliche Drehung dieser Walze
unter dem Metallstücke durch. Wenn nun das Metallstück und
die metallene Walze in den Leitungskreis eingeschaltet sind, so
bewirken die Stromänderungen, welche durch das stärker oder
schwächer gepresste Graphitpulver hervorgerufen werden, äqui-
valente Veränderungen des Reibungscoefficienten zwischen dem
am Schallbrette befestigten Metallstücke und dem Papiere, wo-
durch jenes in entsprechende Schwingungen versetzt wird, die
sich dem Schallbrette und durch dieses der Luft mittheilen.


Das Edison’sche Telephon ist sehr bemerkenswerth durch
die Neuheit der Hülfsmittel, welche bei demselben zur Verwendung
kommen, ist aber offenbar noch nicht zur praktischen Brauch-
barkeit durchgearbeitet. Das Bell’sche Telephon dagegen hat in
seiner merkwürdig einfachen Form in kurzer Zeit, namentlich in
Deutschland, eine grosse Verbreitung gefunden, und es liegt bereits
ein grosses Erfahrungsmaterial zur Beurtheilung seiner Brauch-
barkeit vor. Seine Mängel bestehen namentlich in der grossen
Schwäche der reproducirten Sprachlaute, die für ein deutliches
Verständniss ein Andrücken der Schallöffnung an’s Ohr und
andrerseits ein unmittelbares Hineinsprechen in dieselbe erforder-
lich machen. Dabei ist eine stille Umgebung nothwendig, damit
das Ohr nicht durch fremde Geräusche abgestumpft und gestört
wird. Ein noch schwerer wiegendes Hinderniss seiner praktischen
Verwendung besteht aber darin, dass es auch vollständiger
elektrischer Ruhe bedarf. Da es ausserordentlich schwache Ströme
sind, welche durch die schwingende Eisenmembran erzeugt werden,
und die andrerseits die Eisenmembran des anderen Instrumentes
in ähnliche Schwingungen versetzen, so genügen auch sehr
schwache fremde Ströme, um die letzteren zu stören und ver-
wirrende Geräusche anderen Ursprungs dem Ohre zuzuführen.


Um mir Anhaltspunkte für die Beurtheilung der Stärke der
[429] Ströme zu verschaffen, welche im Telephon thätig sind, stellte
ich ein Bell’sches Telephon, dessen Magnetpol mit 800 Windungen
0.10 mm dicken Kupferdrahtes von 110 Q. E. Widerstand um-
wunden war, in einen Leitungskreis ein, der ein Daniell’sches
Element mit einem Commutator enthielt, durch den die Strom-
richtung etwa 200 mal in der Secunde umgekehrt wurde.


Ohne eingeschalteten Widerstand erzeugten diese Stromwellen
im Telephon ein weithin hörbares, höchst unharmonisches und
dicht am Ohr kaum zu ertragendes Geräusch. Durch Einschal-
tung von Widerstand verminderte sich dies Geräusch, war aber
bei Einschaltung von 200000 Einheiten noch sehr laut vernehm-
bar. Selbst einfache Schliessungen und Oeffnungen der Kette
waren durch diesen Widerstand noch deutlich als kurzer Schall
vernehmbar. Wurden 6 Daniells eingeschaltet, so konnte man
das Geräusch durch 10 Millionen Einheiten noch deutlich ver-
nehmen. Schaltete man 12 Daniells und 20 Millionen Einheiten
Widerstand ein, so war das Geräusch entschieden deutlicher als
im vorhergehenden Falle. In gleicher Weise fand ein Zunehmen
seiner Stärke statt, als man 30 und 50 Millionen Einheiten mit
18 und resp. 30 Daniells einschaltete. Es ist dies eine Bestätigung
der Beobachtung von Beetz, dass der Elektromagnetismus bei
gleicher Stromstärke schneller in Leitungskreisen von grossem
Widerstande mit entsprechend grösseren elektromotorischen Kräften
hervorgerufen wird, als in Leitungskreisen mit geringem Wider-
stande und verhältnissmässig geringeren elektromotorischen Kräften,
da die in den Windungen des Elektromagneten auftretenden Gegen-
ströme im letzteren Falle mehr zur Geltung kommen, als im
ersteren.


Schaltet man in den Leitungskreis des Commutators die pri-
märe Spirale eines kleinen Voltainductors, wie solche von Aerzten
gewöhnlich verwendet werden, während Telephon und Widerstands-
scala sich in dem Kreise des secundären Drahtes befanden, so
erhielt man mit einem Daniell noch ein laut schallendes Geräusch
bei Einschaltung von 50 Millionen Q. E., was selbst dann noch
deutlich hörbar war, als man die secundäre Spirale ganz bis
zum Ende der primären zurück schob.


Diese grosse Empfindlichkeit des Bell’schen Telephons für
schwache Ströme macht es sehr brauchbar als Galvanoskop,
[430] namentlich zum Nachweis schwacher, schnell sich verändernder
Ströme, für welche es bisher kaum ein anderes Prüfungsmittel
gab, als die Zuckungen des Froschschenkels. Auch bei Wider-
standsmessungen mittelst der Brückenmethode wird das Telephon
oft mit Vortheil anstatt des Galvanometers im Zweigdrahte der
Brücke verwendet werden können. Es ist hiebei aber nöthig,
nur gerade, in grösserer Entfernung von einander ausgestreckte
Drähte als Widerstände zu verwenden, da anderenfalls Störungen
durch Induction entstehen würden.


Es erklärt sich hierdurch vollständig die grosse Empfindlich-
keit des Telephons gegen elektrische Störungen in den Leitungen,
die seine Anwendung auf oberirdischen Leitungen sogar fast gänz-
lich ausschliesst, wenn an denselben Stangen sich Leitungen be-
finden, welche zu telegraphischer Correspondenz benutzt werden.
Selbst wenn man zwei benachbarte, an denselben Stangen be-
findliche Leitungen zur Bildung des Leitungskreises verwendet,
wobei die von den entfernteren, übrigen Drähten ausgehende,
elektrodynamische, wie elektrostatische Induction sich zum grössten
Theile compensirt, hört man im Telephon doch jeden Strom, der
durch einen dieser Drähte geht, als laut klatschendes Geräusch,
welches die Telephonsprache ganz unverständlich macht, wenn
es sich häufig wiederholt.


Noch weit schlimmer sind diese Störungen, wenn man die
Erde zur Schliessung des Leitungskreises benutzt. Selbst wenn
man für den Telephondraht besondere Erdplatten nimmt oder
eine Gas- oder Wasserleitung als solche benutzt, hört man deut-
lich jeden Strom, der durch benachbarte Erdplatten der Erde zu-
geführt wird. Da das elektrische Potential bei der Verbreitung
eines Stromes im Erdboden mit den Kuben der Entfernung vom
Zuleitungspunkte abnimmt, so beweist auch dies die ungemeine
Empfindlichkeit des Telephons für schwache Ströme.


Bei oberirdischer Drahtführung sind Telephone aus diesen
Gründen nur zu verwenden, wenn besondere Gestänge für die
Telephonleitungen verwendet werden. Ferner ist die Erdleitung
nur an Orten zu benutzen, die keine Telegraphenstationen haben,
oder wo die zum Telegraphiren benutzten Erdplatten weit entfernt
von denjenigen sind, welche für die Telephonleitungen benutzt
werden.


[431]

Trotz dieser grossen Empfindlichkeit des Bell’schen Telephons
überträgt es doch die Schallwellen, von denen seine Membran
getroffen wird, nur sehr unvollständig auf die correspondirende
Membran und das derselben genäherte Ohr. Als der Schallöffnung
eines nach Bell’s Angaben construirten, sehr empfindlichen Tele-
phons eine laut tickende Taschenuhr genähert wurde, konnte man
das laute Ticken derselben im andern Telephon nicht hören,
selbst dann nicht, als die Uhr das Gehäuse des Telephons un-
mittelbar berührte. Das oben erwähnte Fadentelephon übertrug
das Ticken dagegen durch einen ca. 20 m langen Faden noch
sehr deutlich. Dasselbe war noch vernehmbar, wenn die Uhr
8 cm von der Mündung des cylindrischen Hörrohrs entfernt
war. Direct war das Ticken mit ungefähr gleicher Deutlichkeit
noch auf 130 cm Entfernung hörbar, das Fadentelephon über-
trug mithin etwa 1/260 der Schallstärke. Da das elektrische Tele-
phon die leiseste Sprache noch verständlich übertrug, so muss es
das tonlose, tickende, wenn auch lautere Geräusch der schnellen
und unregelmässigen Schwingungen wegen, die es bilden, nicht
mehr übermitteln können.


Aus gleicher Ursache ist auch die eigentliche, ganz tonlose
Flüsterstimme durch das elektrische Telephon nicht mehr ver-
nehmbar, während sie durch das Fadentelephon auf 20 m Ent-
fernung noch deutlich vernehmbar ist. Ebenso übertragen elek-
trische Telephone, welche die leiseste Sprache noch deutlich
wiedergeben, den lauten, aber tonlosen Schlag zweier Eisenstücke
oder Glasstücke gar nicht oder doch kaum merkbar.


Auffallend ist es, dass das elektrische Telephon trotz dieser
geringen Fähigkeit, die aus sehr schnellen und unregelmässigen
Schwingungen bestehenden Geräusche zu übertragen, doch die
Klangfarbe der Töne und Sprachlaute so treu wiedergiebt, dass
man die Stimmen des Sprechenden fast eben so gut durch das
Telephon, als direct erkennen kann. Doch klingt die Stimme
etwas klangreicher, was dem Umstande zuzuschreiben ist, dass
die Töne besser und kräftiger reproducirt werden, als die Sprach-
geräusche. Auch der Gesang klingt durch das Telephon in der
Regel weicher und tonreicher als direct.


Um einen Anhalt dafür zu gewinnen, welchen Bruchtheil
der Schallstärke, welche die Membran des einen Telephons trifft,
[432] von der des anderen wiedergegeben wird, stellte ich einige Ver-
suche mit Spieldosen an. Die kleinere, welche kurze scharfe
Töne gab, war im Freien auf offener Fläche von guten Ohren
noch in 125 Meter Entfernung hörbar, während man durch das
Telephon nur noch einzelne Töne hörte, wenn das Telephon
mehr als 0,2 m von der Spieldose entfernt wurde. Es wurde
hier also nur ca. 1/390000 des Schalles wirklich übertragen. Ein
etwas grösseres Spielwerk, welches weniger hoch gestimmt war
und länger andauernde Töne gab, war im Freien nicht viel
weiter zu hören als die kleine Spieldose, aber das Telephon liess
die gespielte Melodie noch in 1,2 m Entfernung erkennen. Es
ergiebt dies eine Uebertragung von ca. 1/10000 der vom Telephon
aufgenommenen Schallstärke. Wenn nun auch die Sprachlaute,
so wie tiefere und mehr getragene Töne wahrscheinlich besser
übertragen werden als die Töne der Spieldosen, so ist doch
nicht anzunehmen, dass ein Bell’sches Telephon im Durchschnitt
mehr wie 1/10000 der Schallmasse, von der es getroffen wird, auf
das andere Telephon überträgt.


Es folgt aus dem Obigen, dass das Bell’sche Telephon trotz
seiner überraschenden Leistungen doch nur in sehr unvollkom-
mener Weise die Schallübertragung bewirkt.


Dass wir die Sprache des durch so ungemein schwache
Ströme erregten Telephons verstehen, verdanken wir nur der
ausserordentlichen Empfindlichkeit und dem grossen Umfange
unseres Hörorgans, welche dasselbe befähigt, den Schall des
Kanonenschusses, den es noch in 5 Meter [Entfernung] erträgt,
in einer Entfernung von 50 km noch zu hören, also Luft-
schwingungen noch innerhalb der 100 millionenfachen Stärke
als Schall zu empfinden.


Das Telephon ist hiernach der Verbesserung noch in hohem
Grade fähig und bedürftig. Wenn es auch nicht möglich ist,
den Schallverlust ganz zu beseitigen — was annähernd der Fall
sein würde, wenn zu bewirken wäre, dass die Schwingungen der
zweiten Membran dieselbe Amplitude wie die der ersten erhiel-
ten — da bei den wiederholten Umformungen von Bewegungen
und Kräften immer ein Verlust an lebendiger Kraft durch Um-
wandlung in Wärme stattfinden muss, so ist das vorhandene
Missverhältniss doch viel zu gross. Mit der Verminderung
[433] dieses Verlustes und der dadurch erzielten Verstärkung des an-
kommenden Schalles würde aber erreicht werden, dass das Ge-
hör weniger angestrengt zu werden brauchte und in grösserem
Abstande vom Instrumente die übermittelten Laute noch deut-
lich vernehmen und unterscheiden könnte. Es würden denn
auch die durch fremde, schwache elektrische Ströme hervor-
gerufenen Störungen weniger störend empfunden werden, da
sie von den ankommenden stärkeren Sprachlauten überdeckt
würden.


Es ist hierdurch auch die Richtung angegeben, welche zur
Verbesserung des Bell’schen Telephons einzuschlagen ist.


Um stärkere Ströme hervorzubringen, muss die zur Auf-
nahme der Schallwellen bestimmte Membran hinlänglich gross
und so beschaffen sein, dass die ihre Fläche treffenden Schall-
wellen einen möglichst grossen Theil ihrer lebendigen Kraft auf
sie übertragen können. Die Membran muss dabei hinlänglich
beweglich sein, damit ihre Schwingungen nicht zu klein aus-
fallen, und die zur Hervorbringung der elektrischen Ströme auf-
gewandte Arbeit muss so gross sein, dass die in der Membran-
schwingung angesammelte lebendige Kraft durch dieselbe consu-
mirt wird, oder mit anderen Worten so gross, dass sie die Mem-
branschwingungen aperiodisch macht. Eine Vergrösserung des
Bell’schen Eisenblechs ist nur innerhalb sehr beschränkter
Grenzen vortheilhaft, da grössere und entsprechend dickere
Platten leicht Eigenschwingungen annehmen, welche die Deut-
lichkeit der übermittelten Laute vermindern. Auch die magne-
tische Anziehung der Eisenplatte darf beim Bell’schen Telephon
nicht zu hoch gesteigert werden, da dieselbe sonst zu sehr ein-
seitig durchgebogen und gespannt wird, was ebenfalls die Deut-
lichkeit beeinträchtigt.


Ich habe nun mit wesentlichem Erfolge versucht, die mag-
netische Anziehung zwischen der Eisenmembran und dem mit
Draht umwundenen Magnetpole zu verstärken, ohne die ersteren
aus ihrer Gleichgewichtslage zu bringen, indem ich sie zwischen
die Polenden eines kräftigen Hufeisenmagnetes brachte.


Der über dem Eisenblech befindliche Pol bildete einen Ring,
dessen Oeffnung das ziemlich weite Schallloch bildete, während
der untere Pol des Hufeisens der Mitte der Schallöffnung gegen-
28
[434] über den mit Drahtrolle versehenen Eisenstift trug. Die Mem-
bran selbst bestand nur in der Mitte aus Eisen, soweit sie dem
ringförmigen Pole gegenüberstand, während der übrige Theil aus
Messingblech, an welches das Eisen angelöthet wurde, herge-
stellt war. Durch die Einwirkung des magnetischen Eisenringes
ward nun die Mitte des Eisenblechs selbst stark magnetisch, es
fand also eine sehr verstärkte Anziehung zwischen demselben
und dem entgegengesetzt magnetischen Eisenstift statt, während
die von beiden Seiten gleich stark angezogene Eisenplatte mit
der ganzen Membran im Gleichgewichtszustande blieb, also frei
nach beiden Seiten hin schwingen konnte.


Eine andere Modification bestand darin, dass ich beide
Magnetpole ringförmig machte und mit kurzen, aufgeschnittenen
Eisenröhren versah, die mit Windungen versehen wurden. Es
standen jetzt der Eisenplatte zwei gleichartige, ringförmige Mag-
netpole gerade gegenüber, während diese selbst die entgegenge-
setzte Polarität hatte. Es ist dies dieselbe Combination, welche
ich bei sogenannten polarisirtsn Relais vielfach mit gutem Er-
folge verwende, bei denen die bewegliche, stark magnetische
Eisenzunge zwischen zwei entgegengesetzt magnetischen und
gleich weit von derselben entfernten Magnetpolen, deren Enden
mit Windungen versehen sind, sich befindet.


Auch für telephonische Rufsignal-Apparate hat sich diese
Anordnung bewährt. Befindet sich eine Stelle des Randes einer
Stahlglocke, welche selbst an dem einen Pole eines Hufeisen-
Magnetes befestigt ist, zwischen zwei mit Windungen versehenen
Eisenstiften, welche den andern Pol des Hufeisen-Magnetes bilden,
so giebt eine zweite, gleich gestimmte und ähnlich eingerichtete
Glocke jeden Glockenschlag an die andere mit überraschender
Stärke wieder, wenn die Windungen beider in einen Leitungs-
kreis eingeschaltet sind. Dasselbe gilt von gleich gestimmten
Stimmgabeln.


Anstatt zweier gleichgestimmter Glocken oder Stimmgabeln
genügt es auch, wenn es sich nur um Uebertragung des Glocken-
tons als Alarmsignal handelt, nur eine Glocke oder Stimmgabel
in den Telephonkreis einzuschalten. Die Telephone geben dann
laut tönende Glockenschläge.


Wenn auf diese Weise auch die Leistungsfähigkeit des Tele-
[435] phons bedeutend erhöht werden kann, so bleibt man doch bei
Beibehaltung der Bell’schen Eisenmembran an ziemlich enge
Grenzen gebunden, sowohl hinsichtlich der Grösse der den
Schall aufnehmenden Membran, als der Stärke des wirksamen
Magnetismus, deren Ueberschreitung die Sprachlaute undeut-
lich macht und ihnen einen fremden, unangenehmen Neben-
klang giebt.


Zur Construction grösserer, weit kräftigere Ströme liefernder
Telephone benutze ich daher keine schwingende Eisenplatte, son-
dern befestige an der die Schallwellen aufnehmenden Membran,
die aus nicht magnetischem Material hergestellt wird, eine leichte
Drahtrolle, welche frei in einem ringförmigen, stark magnetischen
Felde schwebt. Durch die Schwingungen der Drahtrolle werden
in derselben kräftige Ströme wechselnder Richtung inducirt,
welche am andern Ende der Leitung entweder die Drahtrolle
eines ähnlichen Instrumentes, oder die Eisenmembran eines
Bell’schen Telephons in ähnliche Schwingungen versetzen.


Da man eine ebene Membran nicht über eine ziemlich enge
Grenze hinaus vergrössern kann, ohne die übertragenen Sprach-
laute zu verwirren, so habe ich auf Helmholtz’ Rath der Mem-
bran die Form des Trommelfelles des Ohres gegeben.


Man erhält diese Form nach Helmholtz, wenn man eine
feuchte Pergamenthaut oder Blase über den Rand eines Ringes
spannt und ihre Mitte dann durch eine Schraube oder ander-
weitig bis zur gewünschten Tiefe allmählich niederdrückt. Im
getrockneten Zustande behält die Membran dann diese Form bei.
Bildet man darauf nach dieser Form ein Metallmodell, so kann
man Metallmembranen aus Messing oder besser Aluminiumblech
mit Hülfe derselben drücken, welche genau dieselbe Form haben,
wie die erstere. So geformte Membranen sind namentlich zur
Aufnahme der Schallwellen und zur Uebertragung der lebendigen
Kraft derselben auf in Schwingung zu setzende Massen — ein
Zweck, den sie auch im Ohre zu erfüllen haben — besonders geeig-
net, da ihre Durchbiegung hauptsächlich in der Nähe des Randes
der Membran erfolgt, während dieselbe bei der ebenen Membran
mehr in der Nähe des Centrum stattfindet, bei ihr daher auch
nur die die Mitte der Platte treffenden Schallwellen zur vollen
Wirkung kommen. Ein solches Telephon mit einer Pergament-
28*
[436] membran von 20 cm Durchmesser, einer Drahtrolle von 25 mm
Durchmesser, 10 mm Höhe und 5 mm Dicke, in einem durch
einen starken Elektromagnet erzeugten, kräftigen, magnetischen
Felde, überträgt jeden in einem Zimmer von mässiger Grösse an
beliebiger Stelle hervorgebrachten Laut mit voller Deutlichkeit
auf eine grössere Zahl kleinerer Telephone. Bemerkenswerth ist
dabei die grosse Reinheit und Klarheit, mit der das Telephon
die Sprachlaute und Töne überträgt. Es kann dies zum Theil
von der zweckmässigen Membranform, zum Theil aber auch
davon herrühren, dass die Rolle bei der Verschiebung im cylin-
drischen, magnetischen Felde regelmässigere sinusoïde Ströme
erzeugt, als eine schwingende Eisenplatte. Wird eine solche
Drahtrolle vermittelst einer Kurbel mit langer Krummzapfen-
stange schnell auf und nieder bewegt, so kann man sich eines
solchen Apparates mit Vortheil zur Erzeugung von kräftigen
Sinus-Strömen bedienen.


Zur Wiedergabe der Sprachlaute ist die Trommelfell-Mem-
bran-Form weniger gut geeignet. Es erscheint auch allgemein
zweckmässiger, mit kräftigen, grösseren Instrumenten zu geben
und mit kleinen, zarter und leichter construirten zu empfangen,
wobei man das Instrument in die zweckmässigste Lage zum
Ohre bringt.


Zu kräftige Empfangsapparate haben den Nachtheil, dass die
durch die Schwingungen ihrer Membran erzeugten Gegenströme
die bewegenden Ströme schwächen und die sinusoïden Wellenzüge
der inducirten Ströme verschieben, wodurch die Sprache undeut-
lich wird und fremde Klangfarben annimmt.


Es ist überhaupt kaum anzunehmen, dass es gelingen wird,
Telephone nach Bell’schem Princip, bei denen die Schallwellen
selbst die Arbeit der Hervorbringung der zu ihrer Uebertragung
erforderlichen Ströme zu leisten haben, in der Art herzustellen,
dass sie eine in grösserer Entfernung vom Telephon deutlich
vernehmbare Sprache reden, und ganz unmöglich ist es, wie
schon hervorgehoben, zu erzielen, dass sie die Schallmasse, von
der ihre Membran getroffen wird, ungeschwächt oder gar ver-
stärkt reproduciren. Diese Möglichkeit ist aber nicht ausgeschlossen,
wenn eine galvanische Kette zur Bewegung der Membran des
Empfangsapparates benutzt wird, welche dann die aufzuwendende
[437] Arbeit leistet. Reis hat dies mit Hülfe von Contacten, Edison
mit Hülfe des Graphitpulvers, welches er in den Leitungskreis
der Kette einschaltet, auszuführen versucht.


Contacte werden schwerlich hinreichend constant und zuver-
lässig functioniren, um die Sprachlaute rein wiedergeben zu
können. Möglich ist es aber, dass die Aufgabe auf dem von
Edison eingeschlagenen Wege gelöst wird. Es kommt dabei
nur darauf an, ein Material oder eine Vorrichtung aufzufinden,
mit deren Hülfe beträchtliche und der Schwingungsamplitude der
Membran proportionale Aenderungen des Widerstandes des Lei-
tungskreises hervorgebracht werden. Das Graphitpulver hat eine
zu unbeständige Form und Beschaffenheit, um diese Aufgabe mit
Sicherheit erfüllen zu können. Versuche mit anderen Einrich-
tungen, welche ich angestellt habe, haben bisher kein befriedi-
gendes Resultat gegeben. Demungeachtet bleibt der Vorgang
Edison’s sehr beachtenswerth, da er möglicherweise den
Schlüssel zu künftiger bedeutender Fortentwickelung der Tele-
phonie bildet.


Wenn aber hiernach die telephonischen Instrumente auch
der weiteren Ausbildung innerhalb weiter Grenzen unterliegen,
so werden die Leitungen doch immer den Anwendungskreis der-
selben ziemlich eng begrenzen. Auch wenn man, wie schon
früher als nothwendig nachgewiesen ist, für Telephonleitungen
besondere Gestänge verwendet, an denen sich keine Telegraphen-
leitungen befinden, und überall Doppelleitungen für die Telephone
verwendet, so würde sich doch auch die Telephoncorrespondenz
auf mehreren, an denselben Stangen befestigten Leitungen bei
zunehmender Länge der Leitungen bald gegenseitig stören, so-
wohl dadurch, dass durch unvollkommene Isolation Zweigströme
auf die benachbarten Leitungen übergehen, als auch dadurch,
dass durch elektrodynamische und elektrostatische Induction
secundäre Ströme in denselben hervorgerufen werden, welche
verwirrende Laute erzeugen. Die elektrodynamische Induction
ist bei telegraphischen Leitungen in der Regel ganz zu vernach-
lässigen, da sie mit der Länge der Leitungen nicht zunimmt,
wenn vom Widerstande der Umwindungsdrähte abgesehen wird,
und da die Dauer der elektrodynamisch inducirten Ströme zu
kurz ist, um die telegraphischen Instrumente beeinflussen zu
[438] können. Bei telephonischen Apparaten bringen die kurzen,
durch Voltainduction erzeugten Ströme aber schon sehr vernehm-
bare Laute hervor, wenn die Leitungen auch nur auf kurze
Strecken nebeneinander herlaufen.


Die secundäre, elektrostatische Induction, welche mit den
Quadraten der Länge der Leitung wächst, wird ferner auch bei
längeren oberirdischen Leitungen bald eine Grenze der Anwend-
barkeit des Telephons, selbst dann, wenn nur telephonische
Leitungen an denselben Stangen befestigt sind, herbeiführen.


Viel günstiger gestaltet sich in dieser Hinsicht das Verhält-
niss für das Telephon bei Anwendung unterirdischer oder unter-
seeischer Leitungen. Bevor ich erkannt hatte, dass die Stärke
der Ströme, welche noch befähigt sind, das Telephon zur Her-
vorbringung deutlich verständlicher Sprachlaute zu erregen, so
ausserordentlich klein ist, bezweifelte ich die Anwendbarkeit der
unterirdischen Leitungen auf grössere Entfernungen wegen der
grossen Schwächung, welche die durch schnell wechselnde elektro-
motorische Kräfte in den Leitungen hervorgerufenen Stromwellen
mit der Länge der Leitung erleiden. Die Versuche, welche der
Generalpostmeister Dr. Stephan, dem das deutsche Reich die
Wiedereinführung der seit einem Vierteljahrhundert fast in Ver-
gessenheit gekommenen unterirdischen Leitungen verdankt, mit
Bell’schen Telephonen anstellen liess, gaben aber das über-
raschende Resultat, dass man mit denselben auf Entfernungen
von ca. 60 km noch vollkommen deutlich und verständlich
sprechen kann. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass man mit
Telephonen verstärkter Wirkung auch noch auf die doppelte oder
selbst dreifache Entfernung eine gute Verständigung erzielen
wird. Dies dürfte allerdings die Entfernungs-Grenze sein, inner-
halb deren telephonische Correspondenz überhaupt praktisch ver-
wendbar ist.


Leider sind auch bei unterirdischen Leitungen Störungen
durch Rückströme aus der Erde, sowie durch elektrodynamische
und elektrostatische Induction nicht ausgeschlossen. Die ersteren
liessen sich, wie bei den oberirdischen Leitungen, durch An-
wendung ganz metallischer Leitungskreise, unter Ausschluss der
Erde als Rückleiter, ziemlich vollständig beseitigen. Dasselbe
gilt in dem Falle auch von den Störungen durch Induction,
[439] wenn man die beiden, einen Telephonkreis bildenden isolirten
Leiter zu einem besonderen, mit Eisendrähten umhüllten Kabel
vereinigt. Wenn man dagegen, wie gewöhnlich der Kostener-
sparung wegen der Fall ist, eine grössere Zahl von isolirten
Leitern zu einem Kabel vereinigt, so treten Volta- wie statische
Induction, des geringen Abstandes wegen, in verstärktem Masse
auf und wirken sehr störend auf die telephonische Correspon-
denz ein. Diese secundäre elektrostatische Induction tritt
auch bei langen Kabelleistungen für telegraphische Correspon-
denz, bei welcher sehr empfindliche Apparate zur Verwendung
kommen müssen, schon störend auf. Ich habe daher vorge-
schlagen, zu ihrer Beseitigung die einzelnen, zu einem mehr-
drähtigen Kabel vereinigten Leitungen mit einer leitenden me-
tallischen Hülle, die mit der äusseren Eisenbespinnung bez. dem
Erdboden in leitender Verbindung steht, zu versehen. Schon
eine Umhüllung der einzelnen isolirten Leitungen mit einer
dünnen Stanniolschicht beseitigt die secundäre elektrostatische In-
duction vollständig. Man kann sich hiervon leicht durch das
Experiment überzeugen, wenn man zwei auf beiden Seiten mit
Stanniol beklebte Glimmer- oder dünne Guttapercha-Platten auf
einander legt. Isolirt man die inneren Belegungen und prüft
die Ladung zwischen den äusseren Belegungen durch den
Ausschlag eines Galvanometers, indem man den freien Pol einer
abgeleiteten Batterie mit der einen äusseren Belegung verbindet,
während man die zweite durch den Galvanometerdraht mit der
Erde verbindet, oder in ähnlicher Weise mit Hülfe der Wippe,
so erhält man eine eben so grosse Ladung, als wenn die mitt-
leren Belegungen ganz fehlten. Verbindet man die letzteren
dagegen mit der Erde, so erhält man keine Spur von secundärer
Ladung in der mit dem Galvanometer verbundenen Stanniolbe-
legung.


Dasselbe negative Resultat erhält man, wenn man die ein-
zelnen isolirten Leiter eines aus mehreren Leitern bestehenden
Kabels der ganzen Länge nach dicht mit Stanniol oder dünnen
Blechstreifen aus einem beliebigen Metall umwickelt hat. Die
metallische, wenn auch sehr dünne, leitende Hülle verhindert
vollständig jede secundäre elektrostatische Induction oder Ladung
eines Leiters durch die Ladung eines anderen. Dagegen wird
[440] die elektrodynamische Induction der Drähte auf einander dadurch
nicht aufgehoben, wie Foucault behauptete 1).


Man kann sich hiervon ebenfalls leicht durch einen ein-
fachen Versuch überzeugen.


Wenn man zwei mit Guttapercha oder Kautschuck isolirte
Drähte zusammen auf eine Rolle aufwickelt, so sind in dem einen
Drahte kräftige Ladungs-, so wie Volta-Inductionsströme zu be-
obachten, wenn durch den andern eine galvanische Kette ab-
wechselnd geschlossen und geöffnet wird. Stellt man die Rolle
nun in ein Gefäss und füllt dasselbe nach und nach mit Wasser,
so vermindern sich die Ladungsströme im ersteren Drahte und
hören ganz auf, wenn das Wasser die Zwischenräume zwischen
den Drähten vollständig ausgefüllt hat, wogegen die elektrodyna-
misch inducirten Ströme sogar etwas stärker werden.


Für Telegraphenleitungen sind diese elektrodynamisch in-
ducirten Ströme, wie schon hervorgehoben, ohne Bedeutung, da
sie mit der Länge der Leitung nicht zunehmen; das so äusserst
empfindliche Telephon wird jedoch durch dieselben noch erregt,
wenn die inducirenden Ströme nicht ausserordentlich schwach
sind. Man wird daher für Telephone auch besondere Kabellei-
tungen anlegen müssen, so wie sie besonderer Gestänge bei ober-
irdischer Drahtführung bedürfen.


Wie sich aus dem Obigen ergiebt, ist das Telephon noch
wesentlicher Verbesserung fähig. Es werden zuverlässig in kur-
zer Zeit Telephone hergestellt werden, welche die Sprache
sowie musikalische Töne unvergleichlich lauter, deutlicher und
reiner auf mässige Entfernungen hin übertragen, als es durch
das Bell’sche Telephon bisher geschieht.


Das Telephon wird dann für den Verkehr in Städten und
zwischen benachbarten Ortschaften grosse Dienste leisten, die
weit über das hinausgehen, was der Telegraph für kurze Ent-
fernungen zu leisten vermag. Das Telephon ist ein elektrisches
Sprachrohr, welches ebenso wie dieses von Jedermann gehand-
[441] habt werden und die persönliche Besprechung vollständig ersetzen
kann. Aber, wie es auf ganze kurze Entfernungen das Sprachrohr
nie verdrängen wird, eben so wenig wird es je für grössere Ent-
fernungen den Telegraphen ersetzen können. Doch auch in dem
so beschränkten Kreise seiner Anwendbarkeit wird es bald zu
den wichtigsten Trägern moderner Cultur gezählt werden, wenn
nicht äussere Hindernisse seiner Entwickelung und Anwendung
entgegen treten.


[[442]][[443]]

Physikalisch ‒ mechanische Betrachtungen,
veranlasst durch eine Beobachtung der
Thätigkeit des Vesuvs im Mai 1878.


(Mon.ber. d. Berl. Akad. v. 17. Oct.)


1878.


Der Vesuv trug während meiner Anwesenheit in Neapel im
Mai d. J. eine Dampfkrone, welche sich hin und wieder bei
windstillem Wetter etwa bis auf ⅓ seiner Höhe über dem Meeres-
spiegel erhob. Während der Nacht erschien die Dampfkrone
schwach leuchtend. Auffallend war mir hierbei, dass dieselbe, mit
einem guten Fernrohre betrachtet, aus schnell auf einander fol-
genden Dampfringen zu bestehen schien. Der Lichtschein war
nicht constant. Seine Helligkeit war sehr veränderlich und hin
und wieder schien er intermittirend zu sein.


Als ich am 14. Mai die recht beschwerliche Aufsteigung bis
zum alten Kraterrande überwunden hatte, war ich im höchsten
Masse überrascht durch den sich mir darbietenden Anblick.
Auf der höchsten Spitze des Aschenkegels, welcher sich in der
Mitte des grossen Kraters etwa bis zur halben Höhe seines Ran-
des erhob, sah man eine hellglühende Oeffnung, aus welcher in
ziemlich regelmässiger Folge alle 2 bis 3 Secunden heftige Ex-
plosionen hervorbrachen. Die Stärke dieser Explosionen liess
sich ohngefähr daraus ermessen, dass durch dieselben glühende
Steine und Schlackenstücke in Menge bis bedeutend über meinen
Standpunkt auf dem Rande des alten Kraters emporgeschleudert
wurden und nach ihrem fast senkrecht erfolgenden Niederfalle
auf der Oberfläche des inneren Axenkegels niederrollten. Die
hellglühende Oeffnung des thätigen Kraters bildete ein unregel-
[444] mässiges Viereck, dessen mittlere Seitenlänge ich auf 5 bis 6
Meter schätzte. Jede Explosion riss die umgebende Luft mit sich
fort und bildete dadurch über dem Berggipfel einen in sich von innen
nach aussen rotirenden und sich beim Ausfsteigen erweiternden
Dampfring. Sie war von einem dumpfen Knalle begleitet, wel-
cher den ganzen Berggipfel merklich erschütterte. Eine eigent-
liche Flammenerscheinung war nicht zu beobachten. Da jedoch
heller Sonnenschein herrschte, so hatte die ausgestossene Dampf-
masse in der Nähe der Krateröffnung die gelbliche Färbung,
welche schwach leuchtende Flammen im Sonnenschein anzuneh-
men pflegen.


Diese imposante Erscheinung wich wesentlich von der Vor-
stellung ab, die ich mir von der Vulcanthätigkeit nach den ge-
lesenen Beschreibungen gebildet hatte. Diese kurzen, scharfen,
explosionsartigen, sich in so kurzen Zeitintervallen folgenden
Dampfausstossungen waren nicht durch die Annahme zu erklären,
dass dem flüssigen Erdinnern entstammende, oder in der aufstei-
genden Lava durch Verdampfung eingeschlossenen Wassers er-
zeugte Dampfmassen in Folge überwiegender Spannung die Lava
im Kraterkanale durchbrochen hätten! Eine Gas- oder Dampf-
blase, die durch überlagernde Flüssigkeiten emporsteigt, kann
entweder nur in ähnlicher Weise wie eine Luftblase im Wasser
langsam emporsteigen, indem sie ihr Volumen, der Druckvermin-
derung entsprechend, continuirlich vergrössert und dann ohne
Ueberdruck die Flüssigkeit verlässt, oder sie muss, wenn die hohe
Spannung plötzlich entsteht und den Druck der in einem engen
Kanale eingeschlossenen Flüssigkeit bedeutend überwiegt, die letz-
tere in zusammenhängender Masse hinausschleudern. Im ersteren
Falle müsste das Empordringen einer jeden Dampfblase eine
ruhige, durchaus nicht explosionsartige Dampfbildung verursachen,
im letzteren dagegen müssten mit jeder Explosion grosse Lava-
massen herausgeschleudert werden, und es müsste längere Zeit
verstreichen, bis eine folgende Explosion nach Wiederanfüllung
des Kraterkanals mit Lava eintreten könnte. Es ist aber auch
gar kein Grund zu erkennen, wodurch eine solche plötzliche
überwiegende Dampfspannung in der glühenden Tiefe entstehen
sollte. Nehmen wir auch an, dass in der Lava oder dem Magma
eingeschlossene Wassermassen mit demselben im Kraterkanale
[445] emporstiegen und nach entsprechender Druckverminderung in
Dampfform übergingen, so kann dieser Uebergang niemals plötz-
lich sein, da der Druck sich nur langsam mit der abnehmenden
Tiefe vermindert und da das Wasser, um in Dampfform über-
zugehen, latente Wärme aufnehmen muss, wodurch dasselbe sowie
die umgebende Lava abgekühlt, also die Ursache der Dampf-
bildung so lange aufgehoben wird, bis die durch den entstan-
denen Dampf bewirkte Abkühlung durch Wärmezuleitung von
den entfernteren Lavatheilen ersetzt ist.


Noch eine andere scheinbare Möglichkeit der plötzlichen
Entwickelung einer überwiegenden Dampfspannung möge hier
erörtert werden. Bei sehr hoher Temperatur werden die Bestand-
theile des Wassers wie die anderer chemischen Verbindungen
bekanntlich dissociirt. Man könnte nun annehmen, dass im Magma
nicht Wasser, sondern die dissociirten Bestandtheile desselben,
also verdichtetes Knallgas enthalten wäre und dass dasselbe
wieder zu Wasser verbrennt, wenn die Temperatur durch Ver-
minderung der Drucksäule, und damit der Compression des
Magma, auf einen gewissen Grad herabgesunken wäre. Es ist
aber einmal im höchsten Grade unwahrscheinlich, dass auch unter
dem gewaltigen Drucke, den die starre Erdkruste auf das Magma
ausübt, eine Dissociation des Wassers eintreten kann, da der
Druck die Verbindung der Gase zu dem dichteren Wasser be-
günstigt. Frühere Versuche haben mir gezeigt, dass bei einem
sehr hohen Drucke kaltes Knallgas explodirt und in Wasserdampf
verwandelt wird1). Wollte man aber auch annehmen, dass die
[446] dissociirende Kraft der Temperatur die associirende des Druckes
überwindet, dass also das Wasser in Form verdichteten Knall-
gases im Magma enthalten sei, so wäre doch nicht anzunehmen,
dass eine plötzliche, mit bedeutender fernerer Erwärmung ver-
knüpfte Verbindung der Wasserbestandtheile zu Wasserdampf
eintreten könnte, da die entstehende grössere Erhitzung ja sogleich
wieder dissociirend wirken müsste, der Process also nur langsam
verlaufen könnte.


Es bleibt hiernach nur übrig, anzunehmen, dass im Krater
Wasserstoffgas oder brennbare Wasserstoffverbindungen empor-
stiegen, die auf irgend eine Weise mit Sauerstoff zu einer ex-
plosiven Gasmischung vermischt und nach erfolgter Mischung
im oberen Theile des Kraterganges entzündet wurden. Woher
stammte aber das brennbare Gas, woher kam der Sauerstoff, und
wie wurde in so kurzen Zeitabschnitten die nöthige vollständige
Mischung bewirkt?


Erst nach längerer Betrachtung des interessanten Schauspiels
machte ich eine Beobachtung, welche den letztgenannten Vorgang,
die Mischung des aufsteigenden brennbaren Gases mit Sauerstoff,
erklärte. Von der emporgeschleuderten Dampfwolke sonderten
sich häufig kleine Wölkchen ab, die sich dann schnell seitwärts
bewegten und mit grosser Geschwindigkeit in den Krater zu-
rückkehrten. Bald darauf erfolgte dann die folgende Explosion.
Der Anfangs so räthselhaft erscheinende, mechanische Vorgang
1)
[447] wurde durch diese von meinen Begleitern bestätigte Beobachtung
vollständig aufgeklärt. Nimmt man an, dass aus dem bis zu
grösserer Tiefe leeren oder mit losem Gerölle angefüllten Krater-
gange ein continuirlicher Strom brennbaren Gases hervorbricht,
so würde dieser, einmal entzündet, mit dem Sauerstoffe der at-
mosphärischen Luft als mächtige, wenn auch wenig leuchtende
Flamme verbrennen. Beim Beginn der vulcanischen Thätigkeit
wird aber der leere Krater mit atmosphärischer Luft gefüllt sein.
Tritt nun ein abermaliges Aufsteigen von Lava und damit ein
Emporströmen brennbaren Gases ein, so wird sich dieses leich-
tere und heisse Gas sehr schnell mit der darüber befindlichen,
kalten und schweren atmosphärischen Luft mischen und mit der-
selben ein explosives Gemenge bilden, welches dann durch mit-
gerissene glühende Lavatheile entzündet wird. Die Folge kann
eine mächtige Explosion sein, wie sie ja oft beim Beginn einer
Ausbruchsperiode beobachtet ist. Ist die Krateröffnung weit und
offen, so dass die atmosphärische Luft leichten Zugang zu dessen
Innerem hat, so wird häufig diese erste Explosion keine weiteren
im Gefolge haben, sondern es wird das nachströmende brennbare
Gas mit der continuirlich einfliessenden, schweren atmosphärischen
Luft ruhig in der Tiefe des Kraters verbrennen. Ist dagegen,
wie beim Vesuv der Fall war, die Krateröffnung eng, so dass
kein gleichzeitiges Aus- und Einströmen von Gasen und Luft
durch dieselbe stattfinden kann, so sind alle Bedingungen für
eine Reihe von Explosionen gegeben. Der durch die erste Ex-
plosion gebildete, stark erhitzte Wasserdampf wird zum grössten
Theile in grosser Geschwindigkeit aus der Oeffnung geworfen. Im
nächsten Momente wirken zwei Kräfte zusammen, um eine rela-
tive Leere im Krater zu erzeugen. Einmal wird der noch im
oberen Theile desselben befindliche Dampf seinen Weg in Folge
der Trägheit seiner Masse nach fortsetzen, wenn schon atmo-
sphärisches Gleichgewicht eingetreten ist, und dadurch im Krater
eine relative Leere erzeugen, und zweitens wird die in Folge
dessen nach der Explosion eintretende kalte Luft den noch zu-
rückgebliebenen Wasserdampf zum Theil condensiren und dadurch
ein weiteres Nachströmen von atmosphärischer Luft verursachen.
Diese einströmende Luft muss sich nun mit dem aus der Tiefe
regelmässig zuströmenden, brennbaren Gase um so schneller
[448] mischen, als die schwerere Luft sich über der leichten befindet,
und beide lebhaft bewegt sind. Sobald die Mischung explosiv
geworden ist, wird die zweite Explosion erfolgen, und so fort.
Eine grössere Zahl solcher Explosionen wird die dadurch erzeugte
hohe Temperatur den Wänden der Kratermündung mittheilen und
dieselben zum Glühen bringen. Wahrscheinlich rührte die beo-
bachtete helle Gluth der Krateröffnung nur von diesen andauern-
den Explosionen her, und es ist sogar nicht unwahrscheinlich,
dass der Kratergang erst in bedeutenden Tiefen dem Erdinnern
entstammende Glühhitze hatte, während die mittleren Tiefen dun-
kel waren. Das Zeitintervall zwischen den Explosionen muss
hauptsächlich von der Grösse des lufterfüllten Raumes im Krater
abhängen. Es ist daher zu vermuthen, dass eine Beschleunigung
der Folge der Explosionen auf ein Ansteigen der Lava im Krater,
mithin auf einen nahenden Lava-Ausbruch hindeutet1).


Schwieriger als die Frage der Mischung des brennbaren Ga-
ses mit atmosphärischer Luft sind die Fragen zu beantworten,
welches die Art und der Ursprung des brennbaren Gases ist,
das dem Erdinnern durch den Krater entsteigt, und welche Kräfte
die geschmolzenen Massen bei Ausbrüchen bis zum Gipfel der
Vulcane emporheben.


Die starke Dampfbildung macht es sehr wahrscheinlich, dass
hauptsächlich Wasserstoff zur Verbrennung gekommen ist, sie
lässt aber unentschieden, ob der Wasserstoff frei oder an andere
brennbare Stoffe, wie Schwefel, Kohle etc., gebunden war. Viel-
leicht war das brennbare Gas auch stark mit Wasserdampf ge-
mischt, welcher dann die Dampfwolken zum Theil bilden konnte.
Unzweifelhaft enthielten diese beträchtliche Quantitäten schwefli-
ger Säure. Wenn der Wind meinem Standpunkte etwas von dem
schon in hohem Masse mit atmosphärischer Luft gemischten
Dampfe zuführte, so musste ich denselben schleunigst verändern,
da das Einathmen der schwefligen Säure mir unerträglich war.
Schwefelwasserstoff, welcher mit Sauerstoff zu schwefliger Säure
verbrennt, könnte sich durch Wasserzersetzung erst in den tiefe-
ren Schichten der festen Erdrinde gebildet haben. Wenn der
Kratergang durch mächtige, vielleicht vielfach zerklüftete Lager
[449] von Schwefeleisen hindurchführt, so müssen glühende, aus dem
flüssigen Erdinnern, dem Magma, entbundene und durch den
Kratergang dringende Wasserdämpfe das Schwefeleisen zersetzen
und Schwefelwasserstoff bilden, welcher dann, mit unzersetztem
Wasserdampfe gemischt, emporsteigt. Dasselbe würde geschehen,
wenn in die mit Tages- oder Meerwasser gefüllten Spalten auf-
steigendes glühendes Magma eintritt. Wenn sich aber auch die
Vesuv-Thätigkeit vielleicht so erklären lässt, so kann man doch
nicht annehmen, dass dies für alle Vulcane gilt, da die Ver-
brennungs-Producte vieler derselben gar keine oder doch nur
sehr wenig schweflige Säure enthalten, und da auch wohl kaum
anzunehmen ist, dass sich unter allen Vulcanen Lager von
Schwefelkies oder Schwefeleisen befinden. Schwefelwasserstoff
und Kohlenwasserstoff zersetzen sich bei hoher Temperatur unter
geringem Drucke. Damit ist allerdings nicht erwiesen, dass sie
bei dem hohen Drucke, unter welchem das Magma steht, nicht
trotz der hohen Temperatur desselben in ihm bestehen könnten;
es muss aber jedenfalls Zersetzung eintreten, wenn beim Aufstei-
gen mit dem Magma oder durch dasselbe hindurch der Druck sich
vermindert. Dass das Magma Wasser und Wasserstoff enthält,
ist für Ersteres erwiesen und auch nicht überraschend, wenn man
von der Kant-Laplace’schen Weltbildungstheorie ausgeht. Nach
dieser muss man annehmen, dass die Körperatome im Anfang ein-
zeln im Raume des Weltalls zerstreut waren. Hatten sich —
vielleicht durch ungleiche Vertheilung — Anziehungscentren ge-
bildet, so mussten sie sich zu diesen hin bewegen. Nach der
mechanischen Wärmetheorie musste, wie Helmholtz nachwies, die
in den beschleunigt bewegten Atomen angesammelte lebendige
Kraft beim Aufeinandertreffen sich in Wärme umsetzen, und die
Temperatur musste sich bei fortschreitender Verdichtung in
schneller Progression erhöhen. Mit der steigenden Temperatur
musste das Spiel der chemischen Verbindungskräfte beginnen.
Verwandte, in Berührung kommende Atome mussten sich zu
Körpermolekülen verbinden, die vielleicht bei anderweitigen Be-
rührungen und bei durch grössere Verdichtung gestiegener Tem-
peratur wieder zu anderen Verbindungen auseinander- und zu-
sammengingen. Alle bei den herrschenden Temperatur- und
Druckverhältnissen möglichen chemischen Verbindungen mussten
29
[450] entstehen und in der durch Wärmeverlust und Massendruck
flüssig gewordenen Erdmasse, dem Magma, in inniger Mischung
vorhanden sein.


Der gewöhnliche Ausgangspunkt geologischer Betrachtungen,
dass die Erde eine feuerflüssige, wesentlich aus Silicaten beste-
hende Kugel gewesen, und das Wasser mit den Gasen dieselbe
als glühende Atmosphäre umgeben hätte, entspricht der obigen
Anschauung nicht. Nur aus den äusseren, unter geringem Drucke
stehenden Schichten der flüssig werdenden Erdmasse konnten
Wasser und Gase sofort in Gasform entweichen, während sie in
grössern Tiefen in dem Magma theils gelöst, theils in inniger
Mischung von demselben zurückgehalten bleiben mussten. —
Gegen die Annahme, dass auch Wasserstoff und andere brenn-
bare Stoffe im Magma zurückblieben, könnte die Thatsache
sprechen, dass Sauerstoff jetzt einen grossen Theil unserer Atmo-
sphäre bildet, also im Ueberschuss vorhanden gewesen sein
müsste. Wir kennen aber den Einfluss des gewaltigen Druckes
und der ihm entsprechenden hohen Temperatur, die im Erdinnern
bei ihrer Bildung herrschten und der durch spätere Abkühlung
bewirkten Aenderung der Verwandtschaftskräfte noch viel zu
wenig, um entscheiden zu können, ob nicht der Sauerstoff bei
der Erdbildung gänzlich verbunden war und erst in späteren
Perioden mit dem grössten Theile des jetzt auf der Erdoberfläche
befindlichen Wassers aus dem bereits flüssigen Magma entbunden
wurde. Dass die Sonnenatmosphäre nach den Ergebnissen der
Spectralanalyse zum grossen Theile aus freiem Wasserstoff be-
steht und noch jetzt mächtige Wasserstoffmassen aus dem Son-
nenkerne hervorbrechen, spricht für den Ueberschuss des Wasser-
stoffs im Sonnensysteme, also für die letztere Ansicht. Dass wir
in unserer Atmosphäre keinen freien Wasserstoff mehr vorfinden,
könnte vielleicht dadurch erklärt werden, das der specifisch
leichtere und in viel weiteren Grenzen compressible Wasserstoff
eine weit höhere Atmosphäre als die schweren Gase bilden muss
und der Erde dadurch fast ganz entzogen wurde, dass die Grenze
derselben die Gleichgewichtsgrenze zwischen Anziehung und Centri-
fugalkraft überschreitet. Wir wissen, dass unter Druck hoch er-
hitztes Wasser Quarz und Silicate in beträchtlicher Menge löst,
so wie andererseits, dass geschmolzene Silicate sowohl Wasser,
[451] als sogenannte permanente Gase absorbiren. Wie weit diese
Eigenschaften durch den gewaltigen Druak und die hohen Tem-
peraturen im Innern der Erde verstärkt werden, wissen wir
nicht. Wahrscheinlich ist, dass mit Silicaten gesättigtes, glühen-
des Wasser und mit Wasser gesättigte Silicate unverbunden,
aber in inniger Mischung neben einander bestanden und z. Th.
noch bestehen. Dasselbe wird von der Kohlensäure gelten,
deren wässerige Lösung unter hohem Druck Kalk, Magnesia etc.
in beträchtlichen Quantitäten aufnimmt. Es treten nun in dieser
nicht homogenen Masse Kräfte auf, welche im Lauf der Zeit
eine Sonderung der unverbunden neben einander lagernden flüssi-
gen Massen bewirken mussten. Die Schwerkraft musste die
specifisch schwereren allmählich dem tieferen Erdinnern zuführen,
die leichteren also zur Peripherie bewegen, während die gegen-
seitige stärkere Anziehung der schweren Massen die leichteren
in ähnlicher Weise abstossen musste, wie Luftblasen in Flüssig-
keiten sich abstossen.


Das Resultat dieser, namentlich in zähen Flüssigkeiten sehr
langsam wirkenden Kräfte, von denen die erste, wirksamste bei
zunehmender Tiefe noch mit der Intensität der Schwere abnimmt,
musste eine ganz allmähliche Scheidung der schweren Flüssig-
keiten von den leichten und eine Zusammenballung und Bewe-
gung der letzteren zur Peripherie sein. Es können aber auch
von vorn herein schon bei der Bildung der Erdkugel schwere
und leichtere, mehr Alkalien, Kohlensäure und Wasser haltende
Massen-Regionen gebildet sein, weil die Stoffe ursprünglich nicht
gleichmässig, sondern gruppenweise im Weltall verbreitet waren.


Dieser Gruppirung schwerer und leichter Massen im Erdin-
nern, oder dieser „Schlierenbildung“, wie Reyer es ausdrückt,
muss ein bedeutender Antheil an der Formation der Erdkruste,
so wie an den noch jetzt zu Tage tretenden vulcanischen Er-
scheinungen zugeschrieben werden. Bevor ich hierauf näher ein-
gehe, muss ich jedoch erst die gewichtigen Gründe in Betracht
ziehen, welche Sir William Thomson der Annahme, dass die
Erde im Innern noch flüssig sei oder auch nur bei Bildung der
ersten festen Kruste noch flüssig gewesen sei, entgegenstellt.


Thomson behauptet, dass die Erde eine weit grössere Starr-
heit als eine massive Glas- oder selbst Stahlkugel haben müsse,
29*
[452] weil andernfalls die Meeresfluth in der beobachteten Grösse nicht
eintreten könnte. Wäre die Erde im Innern noch flüssig, so
müssten Land und Wasser gemeinsam die Fluthbewegungen
ausführen, es könnte mithin keine relative Hebung des Wassers
eintreten. Der geringe Widerstand einer mässig dicken, festen
Kruste könne hierin nichts ändern. Wäre die Erde eine massive
Glaskugel, so würde die Elasticität derselben ihr noch eine Fluth-
bewegung gestatten, welche die für eine vollkommen starre Erde
berechnete und mit der Erfahrung so ziemlich übereinstimmende
Meeresfluth auf ⅖ und, wenn sie von Stahl wäre, auf ⅔ ihrer
Grösse reduciren würde. Er erklärt es auch für unmöglich, dass
sich eine feste Kruste bilden konnte, bevor die ganze Erde starr
war, weil die festen Gesteine derselben nach Bischof’s Versuchen
ca. 20 pCt. specifisch schwerer seien als die geschmolzene Masse,
aus der sie erstarrt seien. Thomson nimmt daher an, die Erde
sei ein fester Kern mit einem tiefen Meere geschmolzener Sili-
cate, welches denselben bedeckt hätte, gewesen. Als sich bei
weiterer Abkühlung erstarrte Felsmassen auf der Oberfläche bil-
deten, seien dieselben bis auf den festen Kern hinabgesunken.
Erst nachdem das ganze feuerflüssige Meer auf diese Weise mit
Felsschollen ausgefüllt war, konnte sich eine dauernde feste
Kruste bilden. Die Zwischenräume zwischen den versunkenen
Schollen blieben mit geschmolzenen Massen angefüllt und sind
es zum Theil noch jetzt. Diesen im starren Erdkörper einge-
schlossenen flüssigen Lava-Massen entspringt nach Thomson’s
Ansicht die Lava der Vulcane, und die von der Decke solcher
Hohlräume auf den Boden derselben niederfallenden Felsmassen
sind der Grund der Erdbeben. W. Thomson begründet diese
Anschauung auf eine Rechnung seines Bruders James Thomson,
nach welcher der Erstarrungspunkt flüssiger Massen durch
den Druck in verschiedenem Sinne verschoben wird, je nach-
dem der Körper sich beim Erstarren ausdehnt oder zu-
sammenzieht. Beim Eise hat sich diese Rechnung voll-
ständig bestätigt. Unter Zugrundelegung der Bischof’schen Ver-
suche und der Hypothese von Laplace, nach welcher die Zu-
nahme des Quadrates der Dichtigkeit der Zunahme des Druckes
proportional ist, berechnet nun Thomson, dass für das Erdinnere
die Schmelztemperatur der Silicate stets höher gewesen sei als
[453] die durch die Compression entstandene Temperatur. Da die
hiernach berechnete Massenvertheilung im Erdkörper der zur
Hervorbringung der beobachteten Präcession und Nutation er-
forderlichen entspricht, so hält W. Thomson die Richtigkeit der
Laplace’schen Hypothese und damit auch seine Anschauung von
der Beschaffenheit und Bildung des Erdkörpers für erwiesen.
Mallet, Roth und andere Geologen haben dieselbe mit geologi-
schen Gründen bekämpft. Mallet greift auch die Richtigkeit der
Bischof’schen Versuche an und hat durch eigene Versuche ge-
funden, dass Hochofenschlacken sich beim Erstarren von der
Schmelztemperatur bis zur Erstarrung nur um 6 pCt. zusammen-
ziehen. Versuche, die mein Bruder Friedrich Siemens in seiner
Flaschen-Glashütte in Dresden auf meine Veranlassung ange-
stellt hat, erklären diese grossen Verschiedenheiten der Versuchs-
Resultate. Es hat sich ergeben, dass das dünnflüssig geschmol-
zene, sehr quarzreiche Flaschenglas sich von einem bestimmten
Temperaturgrade an sehr schnell zusammenzieht und dabei zäh-
flüssig wird. Je weiter die Abkühlung vorschreitet, desto ge-
ringer wird die Zusammenziehung, und bei der Erstarrung selbst
aus der noch plastischen Glasmasse findet sogar eine geringere
Zusammenziehung statt, als bei festem Glase bei gleicher Tem-
peraturdifferenz, was einer geringen Ausdehnung beim Uebergang
in den festen Zustand gleichbedeutend ist. Von der bedeutenden
Zusammenziehung des dünnflüssigen Glases bei eintretender Ab-
kühlung konnte man sich schon durch den Augenschein über-
zeugen, wenn man einen Tiegel im Ofenraum mit geläuterter,
d. i. blasenfreier Glasmasse bis zum Rande füllte und denselben
dann aus dem Ofen nahm. Das Niveau der Glasmasse sank
dann ersichtlich, anfangs schneller, dann langsamer, obschon die
Zusammenziehung der zuerst erkaltenden Tiegelwand eine ent-
gegengesetzte Wirkung ausüben musste. Die Grösse dieser Zu-
sammenziehung von der Temperatur des geschmolzenen Glases
bis zur Lufttemperatur konnte für zwei Temperaturen mit aus-
reichender Genauigkeit bestimmt werden. In den grossen, conti-
nuirlich functionirenden Wannenöfen meines Bruders sind Schmelz-
und Arbeitsraum räumlich geschieden und haben verschiedene,
aber stets ziemlich gleichbleibende Temperaturen. Diese Tem-
peraturen sind nach mehrfachen Bestimmungen meines Bruders
[454] im Schmelzraume 1600° bis 1700°, im Arbeitsraume 1200° bis
1300 °C. Es wurden nun zwei möglichst gleiche, oben etwas
verengte Tiegel aus Glashafenmasse angefertigt und in jeder Ofen-
abtheilung einer derselben mit blasenfreiem Glase bis zum mög-
lichst ebenen und horizontalen Tiegelrande gefüllt. Beide wurden
dann mit grosser Vorsicht aus dem Ofen genommen und in den
Kühlofen gestellt. Um zu verhindern, dass die Oberfläche des
Glases zuerst erstarrte, wurde eine besonders hierfür angefertigte,
sehr dicke, hoch erhitzte Haube auf jeden Tiegel gesetzt. Es
fand sich nach der Abkühlung, dass die Oberfläche des Glases
in beiden Tiegeln ganz gleichförmig eingesunken war. Das Vo-
lumen dieser Einsenkung wurde darauf in meinem Laboratorium
durch Ausfüllung des Raumes mit Quecksilber genau ermittelt,
darauf die Tiegel vorsichtig zerschlagen und das Volumen der
festen Glaskörper durch Wägung im Wasser ermittelt. Eine Luft-
blase, die sich in der Glasmasse befand, wurde nach Zertrüm-
merung des Glaskörpers bestimmt und in Rechnung gebracht.
Das Ergebniss war:

Die Volum-Ausdehnung des flüssigen Glases zwischen den obigen
Temperaturen betrug mithin pro 100 °C. 1,18 pCt., während festes
Glas sich um 0,24 also um etwa ⅕ dieses Betrages ausdehnt.
Diese bedeutende Volumverminderung der geschmolzenen Glas-
masse bei ihrer Abkühlung kann nicht der gewöhnlichen Aus-
dehnung der Körper durch Erwärmung zugeschrieben werden.
Wenn man auch annimmt, dass die Volum-Ausdehnung des flüs-
sigen Glases durch Temperaturerhöhung beträchtlich grösser ist,
als die des festen, so würde doch eine so grosse Steigerung des
Ausdehnungscoefficienten mit der Temperatur ohne alle Analogie
sein. Dass die Glasmasse sich bei der schliesslichen Erstarrung
aus dem noch plastischen Zustande nicht weiter zusammenzieht,
wurde durch Einblasen einer weiten Glasflasche in eine kalte
[455] eiserne Form festgestellt. Eine beim Herausnehmen. aus der
Form noch dunkelrothe Flasche hatte nach der Abkühlung im
Kühlofen einen Umfang von 293,3 cm. Ein Gypsklumpen, der
in derselben Form erstarrt war, was bekanntlich ohne Schwinden
geschieht, hatte an derselben Stelle einen Umfang von 290,2 cm.
Nimmt man an, dass der Temperaturunterschied zwischen roth-
glühendem, noch plastischem Glase und der Lufttemperatur 800°
C. betrug und dass die lineare Ausdehnung des schwer schmelz-
baren Flaschenglases 0,0008 bei Erwärmung um 100 °C. beträgt,
so würde die Contraction des festen Glases etwa doppelt so gross
gewesen sein, als die hier gefundene, was auf eine Ausdehnung
beim wirklichen Erstarren schliessen liess.


Entscheidender für die Frage, ob mit der Festwerdung aus
dem noch plastischen Zustande der Silicate eine Contraction oder
Ausdehnung verknüpft ist, ist die von Mallet ausgeführte Zusam-
menstellung jahrelang durchgeführter Messungen der Grösse der
in der Plate Glass Co. zu Blackwall gefertigten Spiegelplatten
im rothglühenden, noch zähen und im abgekühlten Zustande.
Dieselben ergaben eine Contraction von 0,53 pCt. Nimmt man
auch hier einen Temperaturunterschied von 800 °C. und den Aus-
dehnungscoefficienten für lineare Ausdehnung des festen Spiegel-
glases zu 1/1100 oder 0,0009 pro 100 °C. an, so würde die lineare
Contraction fester Glasmassen durch die Abkühlung 0,72 pCt.
betragen, also eine geringe Ausdehnung beim eigentlichen Er-
starren eingetreten sein. Die Frage, ob beim Uebergang in den
krystallinischen Zustand bei den Silicaten eine Ausdehnung oder
Zusammenziehung stattfindet, ist bisher durch Versuche nicht
entschieden. Durch Schmelzung von krystallinischen Massen
lässt sie sich auch kaum entscheiden, da erfahrungsmässig bei
solchen Schmelzungen ein grosser Gewichtsverlust durch Ver-
flüchtigung etc. eintritt. Wahrscheinlich ist, dass die Aenderung
des specifischen Gewichtes durch die Krystallisation bei den ver-
schiedenen Silicaten eben so verschieden ist als bei den übrigen
Krystallen, bei denen nach noch unbekannten Gesetzen bisweilen
Ausdehnung, bisweilen Zusammenziehung eintritt.


Es ergiebt sich aus dem Vorherigen, dass die Annahme,
welche Thomson seinen Rechnungen zu Grunde gelegt hat, dass
beim Uebergange der Silicate aus dem flüssigen in den festen
[456] Zustand eine Volumverminderung von ca. 20 pCt. einträte, nicht
zulässig ist. Die Contraction findet beim Uebergang in den
amorphen Zustand gänzlich, beim Uebergange in den krystallini-
schen wenigstens sicher zum bei Weitem grössten Theile wäh-
rend des Ueberganges aus dem dünnflüssigen in den zähflüssigen
Zustand statt. Die Thomson’sche Rechnung ergibt daher nicht,
wie er annimmt, dass die Erde durch den Druck im Innern starr,
sondern dass sie durch denselben zähflüssig oder plastisch wer-
den musste.


Dieser zähflüssige Zustand, welchen der Quarz und die quarz-
reichen Silicate bei der Abkühlung und nach Thomson’s Rech-
nung auch durch den Druck annehmen, macht es auch erklärlich,
dass sich eine feste Kruste aus schwererem Material auf der noch
flüssigen Erde bilden konnte. Als die Abkühlung so weit vor-
geschritten war, dass eine Erstarrung der äussersten Schichten
des Erd-Ellipsoids möglich wurde, gingen dieselben zunächst in
einen zähflüssigen Zustand über, der noch dadurch begünstigt
wurde, dass Wasser, Kohlensäure und andere flüchtige Körper in
Gasform aus demselben entwichen waren. Diese schwereren
Schichten mussten in dem dünnflüssigen Magma versinken und
wurden nach der Thomson’schen Theorie hierdurch noch zäher.
Es musste sich also bis auf unbekannte Tiefen hin eine zusam-
menhängende, zähe Stütz- und Schutzschicht für die demnächst
sich bildende feste Kruste bilden. Diese zähe, plastische Masse
musste in Folge ihrer Bildungsweise vielfach von Schichten und
Kanälen leichtflüssigeren Magmas durchsetzt sein und so den letz-
teren vielfach den Zugang zur erstarrten Rinde und der Erdober-
fläche gestatten.


Der Annahme, dass ein solcher Zustand auch jetzt noch be-
stehe, steht jedoch das Resultat Thomson’s gegenüber, dass die
vorhandene Meeresfluth unbedingt eine starre Beschaffenheit der
Erde erheische. Dem gegenüber muss ich aber auf einen, wie
mir scheint, von Thomson ausser Betracht gelassenen Factor
hinweisen. Es ist dies die Zeit, welche verfliessen muss, bis das
Maximum der durch die [Anziehung] des Mondes und der Sonne
bedingten Deformation des Erdellipsoids eingetreten ist. Bei den
gewaltigen Dimensionen, welche der Erdkörper hat, muss diese
Zeit eine beträchtliche sein, namentlich wenn man das Erdinnere
[457] als zähflüssig annimmt, wie es ja auch nach Thomson’s Rech-
nungen wahrscheinlich ist. Wie langsam zähe Massen einem auf
sie ausgeübten Drucke nachgeben, zeigt schon eine Kugel aus Pech
oder einer ähnlichen zähen Substanz, die erst nach Monaten dem
durch die Anziehung der Erde auf dieselbe ausgeübten Drucke
vollständig nachgibt und zu einem Kuchen zerfliesst! Selbst wenn
die Erde aus vollständig elastischem Material bestände, könnte
das Fluth-Ellipsoid erst nach Verlauf einer bestimmten Zeit voll-
ständig zu Stande kommen — wie sich schon aus der Betrachtung
ergiebt, dass der Schall im Wasser ca. 2 Stunden gebrauchen
würde, um vom Centrum der Erde bis zu ihrer Peripherie zu
gelangen. Zähflüssige Massen pflanzen den Schall nur in sehr
geringem Grade fort. Es erscheint daher wahrscheinlich, dass
die Erdfluth — auch wenn man annimmt, dass der Kruste keine
in Betracht kommende Starrheit oder Elasticität zuzuschreiben
ist — bei der Rotation der Erde so weit hinter der Meeresfluth
zurückbleibt, dass sie nur einen geringen vermindernden Einfluss
auf dieselbe ausüben kann.


Bei der von Thomson adoptirten Ansicht, dass die Erde
schon bei der ersten Bildung ihrer Oberfläche starr gewesen sei,
und dass die vulcanischen Lavaergüsse Höhlungen im festen Erd-
innern entstammten, in welchen nicht erstarrte Massen zurück-
geblieben wären, ist nicht verständlich, durch welche Kräfte die
Laven dann bis zur Höhe der Kratermündungen gehoben werden.
Wenn auch angenommen wird, dass die eingeschlossene Lava bei
der fortschreitenden Abkühlung der Erde noch nicht erstarrte, weil
sie aus leichtflüssigeren Silicaten bestand als die umgebenden
festen Massen, so musste sie doch immer kälter werden, und dabei
musste ihr Volumen in höherem Masse abnehmen als das der
Höhlungen, in denen sie sich befand. Standen diese durch Krater-
kanäle in Verbindung mit der Atmosphäre, so konnte durch fort-
schreitende Abkühlung keine Lava ausgetrieben, sondern es musste
im Gegentheil Luft eingesogen werden. Auch eindringendes
Tageswasser konnte keine Hebung der Lava verursachen, da es
entweder durch den Kratergang dampfförmig entweichen konnte,
oder der weitere Wasserzutritt durch die eintretende Dampfspan-
nung inhibirt werden musste. Noch schwerer wäre bei der Thom-
son’schen Annahme die Bildung der viele Tausend Fuss starken
[458] Sedimentschichten zu erklären, welche fast ohne Ausnahme die
ganze Erdoberfläche bedecken. Wenn das Meer anfangs auch
die ganze Erde bedeckte und vermöge seiner hohen Temperatur
einen weit grösseren auflösenden und zerstörenden Einfluss auf
seine felsige Unterlage ausüben musste, so konnte diese Wirkung
sich doch nur auf geringe Tiefen erstrecken, da die aus dem
Meere abgelagerten Sedimente das Urgestein bald vor weiterer
Zerstörung schützen mussten. Ganz undenkbar ist es aber, in
welcher Weise die oft zu vielen Tausenden vorhandenen und weite
Länderstrecken gleichmässig bedeckenden, geschichteten Sedimente
von wechselnder Zusammensetzung enstanden sein sollten. Die
Geologen erklären diese Schichtungen bisher, ebenfalls ungenügend,
dadurch, dass häufig wiederholte Hebungen und Senkungen einge-
treten seien, durch welche ein andauernder Wechsel zwischen
Festland und Meeresboden stattgefunden hätte. Ganz abgesehen
von der Frage, durch welche Kräfte diese so häufig wiederholten
Hebungen und Senkungen hervorgebracht werden konnten, und
warum kein Theil der Erdoberfläche bei diesem Schaukelspiel
vergessen wurde, erklärt sich durch diese Hypothese nicht die
Mächtigkeit der Sedimentschichten. Denn wenn einmal eine
Sedimentschicht von hinlänglicher Stärke, um die darunter lagern-
den Urgesteine vor weiterer Verwitterung zu schützen, gebildet
war, so mussten bei nachfolgenden Hebungen zunächst diese Se-
dimente durch die Tageswasser wieder zerstört und dem Meere
zugeführt werden. Eine weitere wesentliche Vermehrung der
Sedimentmassen konnte also dann gar nicht mehr eintreten. Um
die Bildung dieser und namentlich ihre Schichtung zu erklären,
muss man nothwendig ihren Ursprung im Innern der Erde suchen.
War das Meer nach Bildung und hinlänglicher Abkühlung der
Kruste zum grössten Theil noch mit dem Magma verbunden, wie
früher als wahrscheinlich angenommen wurde, so musste dem noch
die ganze Erde bedeckenden Meere von geringer Tiefe durch un-
zählige Krater wässeriges Magma zugeführt werden, dessen ge-
löste oder lösliche Substanz das Meerwasser aufnahm, um sie
durch seine Strömungen zu verbreiten und demnächst zur Bildung
der Sedimentschichten zu verwenden. Erst als die Sedimente
sich zum grössten Theile abgelagert hatten, begannen die Conti-
nente sich zu heben, und es konnten nun weitere Umbildungen
[459] der trocken gewordenen Theile der Oberfläche durch die Ein-
wirkung der Tageswasser und weitere, durch organisches Leben
unterstützte Ablagerungen auf dem Meeresboden eintreten. Da
aus dem sich allmählich abkühlenden Magma auch an der inneren
Fläche der Erdkruste krystallinische Ablagerungen ausgeschieden
werden mussten, so wurde das in demselben enthaltene Wasser
um so ärmer an festen und gelösten Stoffen, je dicker die Erdkruste
geworden war, und je langsamer daher die Abkühlung vorschritt.
Es ist aus diesem Grunde wahrscheinlich, dass der Periode der
feuerflüssigen Schlammvulcane eine andere Periode heisser Quellen
folgte, welche das Meer fortdauernd erwärmten und dadurch or-
ganisches Leben auch in den höchsten Breiten ermöglichten.
Als endlich auch diese Quellen bis auf einige schwache Reste
versiegten und Meer und Atmosphäre in den höheren Breiten
sich hinlänglich abgekühlt hatten, musste das in den niederen
Breiten noch wärmere Meer durch seine grössere Verdunstung in
jenen gewaltige Niederschläge erzeugen, welche ihre Temperatur
hinabdrückten und die Gletscherzeit hervorriefen 1). Erst als der
erwärmende Einfluss des Erdinneren fast ganz geschwunden war,
konnten die heutigen klimatischen Zustände entstehen.


Die Zeit der Ausscheidung der Sedimentmassen durch Aus-
bruch von Wasser- und Kohlensäure-haltigem Magma musste
von einer vermehrten Verkleinerung des Volumens des flüssigen
oder plastischen Erdinnern begleitet sein. Mallet hatte bereits
nachgewiesen, dass diese Volum-Verkleinerung, die er nur der
Abkühlung durch Wärmeleitung der noch dünnen Erdkruste und
nicht gleichzeitig dem Substanzverlust des Erdinneren durch
Ausscheidung des grössten Theils des Meeres und der Sediment-
massen zuschreibt, die Erdkruste zwingen musste, sich durch
Runzeln, Erhebung von Gebirgen und Zerdrücken der Gesteine
an ihren schwächsten Stellen dem Volumen des plastischen
[460] Kernes wider anzuschliessen. In der That kann man sich diese
geologischen Erscheinungen mit Dana und Mallet nur durch das
Auftreten tangential in der Erdrinde wirkender Kräfte erklären.
Die Festigkeit der Erdkruste und deren Reaction gegen das flüs-
sige oder doch plastische Erdinnere ist bei dem grossen Durch-
messer der Erde auch bei den günstigsten Annahmen eine sehr
geringe. Nimmt man an, dass dieselbe aus einer homogenen
Basaltmasse ohne Sprünge oder geschwächte Stellen von 100
Kilometer Dicke bestehe, und dass die absolute so wie die rück-
wirkende Festigkeit des Basalts 2000 Kilogramm pro □cm be-
trage, so muss der Druck, den diese Hülle auf den Kern ausübt,
etwa 30000 Atmosphären betragen. Nimmt man ferner der Ein-
fachheit wegen die Erde als Kugel vom Umfange von 40 Mil-
lionen Meter an, so würde ein grösster Schnitt durch die feste
Hohlkugel einen Querschnitt der Wandstärke derselben von
4. 107. 105. 104 oder von 4. 1016 □ cm ergeben. Die abso-
lute Festigkeit des Querschnitts würde mithin 8. 1019 kg be-
tragen. Um die Kugel zu sprengen, müsste im Innern ein Ueber-
druck herrschen, welcher auf den Querschnitt der ganzen Kugel
einen grösseren Druck ausübte. Da eine Atmosphäre auf einen
□ cm mit ca. 1 k drückt und der Querschnitt der ganzen Erde
□ cm ist, so ist die Zahl der Atmo-
sphären für das Gleichgewicht π = 20 π oder = 62,8.
Es würde also eine Druckvermehrung von 63 Atmosphären oder
der Druck einer Säule geschmolzenen Gesteins von ca. 250 Me-
ter genügen, um die feste Hülle der Erde unter den gemachten
Voraussetzungen zu zersprengen, und eine gleiche Verminderung
des Gegendrucks der flüssigen Masse müsste ausreichen, um sie
zusammenzustauchen oder in ihren schwächsten Stellen zu zer-
drücken oder endlich in Linien geringsten Widerstandes in Form
mächtiger Schollen als fortlaufende Gebirgsketten in die Höhe
zu treiben 1). Mallet nimmt nun an, dass diese Zerdrückungen der
[461] Erdkruste in Folge der Erkaltung und Zusammenziehung ihres Kerns
nicht nur in früheren Perioden, wo die Abkühlung wegen der geringen
Dicke der Kruste schneller von Statten ging, die jetzige Gestal-
1)
[462] tung der Erdoberfläche hervorgebracht haben, sondern auch, dass
diese Thätigkeit noch heute fortdauere und dass die bei der Zu-
sammendrückung, Zertrümmerung oder mit Reibung verbundenen
*)
[463] Verschiebung der Gesteine in den Linien geringster Festigkeit
geleistete Arbeit eine locale Schmelzung der Gesteine durch
Umsetzung in Wärme hervorbrächte, deren Producte dann zum
Theil als Lavaergüsse der Vulcane zu Tage treten. Roth hat
bereits hervorgehoben, dass diese Verschiebungen und Zerdrü-
ckungen einen langsamen, auf grosse Zeitabschnitte ausgedehnten
Verlauf haben müssen und daher die zur Schmelzung der Ge-
steine nothwendige Hitze nicht hervorbringen können. Es dürfte
auch ausserdem unmöglich sein, die grossen Mengen der Gase
und des Wassers, welche die Vulcane entbinden, durch solche
locale Erhitzungen und Gesteinsschmelzungen zu erklären.


Wenn nun aber sowohl aus mechanischen, als aus geologi-
schen Gründen die Ansicht der vollständigen Erstarrung des Erd-
körpers verworfen und an der Ansicht festgehalten werden muss,
dass das Erdinnere noch feurigflüssig oder wenigstens noch im
plastischen Zustande von einer festen Rinde von mässiger Dicke
umgeben ist, so fragt es sich, welche Kräfte die Eruptivgesteine
früherer Perioden und noch heute die Laven bis zu den Mün-
dungen hoch gelegener Krater emporhoben. Bei der nachgewie-
senen geringen Widerstandskraft der festen Rinde muss man von
einem Ueberdrucke des flüssigen Innern ganz absehen, denn ein-
mal ist bei der stets fortschreitenden Abkühlung desselben kein
Grund zu erkennen, welcher einen solchen Ueberdruck hervor-
bringen könnte, und dann würde schon der geringste Ueberdruck
durch ein allmähliches Nachgeben der gegen inneren Druck so
wenig widerstandsfähigen Kruste wieder ausgeglichen werden.
*)
[464] Es folgt aber hieraus auch, dass die Kruste überall, wenigstens
in allen grösseren Abschnitten, von der unterlagernden, flüssigen
oder plastischen Masse getragen werden muss, dass also überall
in der Erde hydrostatisches Gleichgewicht herrschen muss. Nun
müssen die leichtflüssigen alkalinischen und wasserhaltigen Laven,
welche sich zwischen den zusammengeballten, zähen, die Grund-
lage der festen Kruste bildenden Silicatmassen in verhältniss-
mässig engen Kanälen und Hohlräumen im flüssigen Zustande
erhalten haben, ein geringeres specifisches Gewicht haben, als
die Erdrinde und die zähflüssigen Silicatmassen. Eröffnet sich
ihnen daher durch Spaltungen in den jüngst erstarrten, unteren
Schichtungen der festen Hülle ein Zugang zu den in dieser noch
vorhandenen älteren, zur Oberfläche führenden Kanälen, so muss
die Lava in ihnen emporsteigen, bis das hydrostatische Gleich-
gewicht hergestellt oder der Kanal durch nachdringende zäh-
flüssige Massen wieder verstopft ist. Dieser Auftrieb der flüssi-
gen Laven durch hydrostatischen Druck wird in den höher
gelegenen Kratertheilen durch Dampf und Gase, welche sich bei
vermindertem Drucke aus den Laven entbinden, noch wesentlich
verstärkt werden. Eine schwieriger zu beantwortende Frage
bleibt aber die, wie eine neue Eruptionsthätigkeit entstehen
kann, wenn der der vorhergehenden Eruption dienende Krater-
gang durch erkaltete Lava geschlossen ist. Allein durch neu
entstehende Spaltungen, welche neue Wege vom Erdinnern zu
dem Kraterkanal eröffnen, erklärt sich die Sache nicht, wenn
denselben auch eine wesentliche Mitwirkung zugeschrieben werden
muss. Um den alten, durch erstarrte Lava verstopften Kanal
wieder zu öffnen, ist offenbar Schmelzhitze erforderlich, die
nicht von aus der Tiefe neu andringender, flüssiger Lava her-
gegeben werden kann, da diese selbst dadurch bald zum Er-
starren gebracht würde. Doch kann man eine einigermassen
befriedigende Erklärung der Erscheinung, dass die alten Lava-
wege sich wieder öffnen, wohl darin finden, dass die Lava bei
ihrer Erstarrung aus dem dünnflüssigen Zustande sich um min-
destens 1/10 ihres Volums zusammenzieht und dass der zähe Zu-
stand, den sie dabei annimmt, sie verhindert, im Kraterkanale
wieder niederzusinken. Sie wird daher vielfach zerklüftet er-
starren, kann daher auch nach der Erstarrung brennbaren Gasen
[465] und glühenden Wasserdämpfen, die aus dem Innern von Neuem her-
vordringen, den Durchgang gestatten. Diese werden theils durch Ab-
gabe ihrer eigenen Wärme, theils durch die Wärme, welche durch Ver-
brennung der Gase mit von oben oder durch Seitenwege eingedrun-
gener Luft erzeugt wurde, die von frühern Ausbrüchen zurückgeblie-
benen Laven wieder zum Schmelzen bringen und dadurch eine
neue Ausbruchperiode einleiten. Die erste Veranlassung zu einer
neuen Eruption werden wohl, wie schon erwähnt, immer neu-
entstehende Spaltungen in den tieferen Schichten der Rinde in
der Umgebung des Kraters geben. Die Erfahrung, dass Aus-
brüche ruhender Vulcane fast immer durch Erdbeben angekün-
digt werden, spricht auch dafür. Dass gerade in der Umgegend
von Vulcanen, mögen sie noch thätig oder erloschen sein, häufig
Erdbeben auftreten, beweist jedoch nicht, dass die Erdbeben
Folge der vulcanischen Thätigkeit sind; es ist wahrscheinlich
umgekehrt anzunehmen, dass Gegenden, welche häufigen Erd-
beben ausgesetzt sind, die vulcanische Thätigkeit begünstigen.
Dass häufig Risse in den jüngeren Gesteinbildungen der inneren
Krustenseite auftreten müssen, erscheint unzweifelhaft. Diese
Ablagerungen werden ganz verschiedener Natur sein je nach der
örtlichen Beschaffenheit des Magma, aus dem sie sich ausschie-
den. Ihr Contractions-Coefficient wird daher ebenfalls ganz ver-
schieden sein. Bei fortschreitender Abkühlung dieser unteren
Schichten müssen daher örtliche Spannungen eintreten, die zum
Reissen der von anderen eingeschlossenen, sich stärker zusammen-
ziehenden Massen führen müssen. Dies wird noch dadurch
begünstigt, dass diese jüngeren Gesteine fest verbunden mit der
älteren, bereits in früheren Perioden vielfach zerklüfteten Rinde
sind, welche jetzt nur noch geringen Temperaturänderungen
unterworfen ist. So wie von zwei aneinander geschmolzenen
Glastafeln diejenige bei der Abkühlung zerspringen muss, welche
sich stärker zusammenzieht, so müssen auch die jüngern Ge-
steine bei ihrer Abkühlung platzen. Das Entstehen solcher,
vielleicht weite Strecken fortlaufender, weit auseinander klaffen-
der Risse muss auf der Oberfläche nothwendig als Erschütterung
wahrgenommen werden, die um so stärker sein muss, je älter
das zersprungene Gestein ist, je näher also die Spaltungen zur
Oberfläche hinauf reichten. Auch in den oberen, neptunisch
30
[466] gebildeten Gesteinschichten können sich unter Umständen Spal-
tungen aus denselben Ursachen bilden. Eine entstandene Spal-
tung wird in der Regel mehrere andere im Gefolge haben, bis
das elastische Gleichgewicht wieder hergestellt ist und die Spal-
ten durch die benachbarten und tiefer liegenden Massen unter
dem herrschenden Drucke wieder ausgefüllt sind.


Man muss nun annehmen, das in vulcanischen, häufigen
Erdbeben ausgesetzten Gegenden solche Spaltungen durch die
Natur des Gesteins und der dasselbe umgebenden Gesteinmassen
besonders begünstigt sind. Es können auch häufig durch tan-
gentiale Kräfte bewirkte, locale Verschiebungen der Erdrinde in
Folge fortschreitender Verminderung des Volums des flüssigen
Kerns die Veranlassung zur Zerreissung von Gesteinschichten
bilden.


Man wird sich demnach die Grundlage der Vulcane als aus
bereits vielfach zerklüfteten und zu immer weiteren Zerklüftungen
disponirten Gesteinschichten zu denken haben, in die der wahr-
scheinlich ebenfalls vielfach verzweigte Kratergang hinabreicht.
Die älteren Zerklüftungen sind durch hineingepresstes zähes und
schwer schmelzbares, später durch Abkühlung erstarrtes Magma
ausgefüllt. Durch neu entstehende Spalten, welch ihrerseits wie-
der andere hervorrufen, können Brüche entstehen, welche durch
Bildung domartiger Kuppelgewölbe dem Druck der höher lagern-
den Steinmassen entzogen werden. In diese dringt das entlastete
plastische Magma ein, doch eilen ihm die eingeschlossenen leicht-
flüssigen Laven sowie die entfesselten Dämpfe und Gase voraus.
Ist nun gleichzeitig eine Verbindung mit dem zur Oberfläche
führenden Kratergange durch die neuen Spalten hergestellt, so
beginnen die letzteren, indem sie durch die Spalten der älteren
Füllung des Kraterganges entweichen, ihre erhitzende und schmel-
zende Thätigkeit, bis schliesslich die über dem plastischen Magma
angesammelte Lava durch den hydrostatischen Druck, der auf
sie ausgeübt wird, im wieder aufgeschlossenen Kratergange empor-
getrieben wird. Ob sie die Mündung erreicht und zu Tage tritt,
hängt von der Menge der angesammelten leichtflüssigen Lava,
aber auch von der Höhe des Vulcans und dem specifischen Ge-
wichte, so wie dem Gas- und Wassergehalte der Lava ab. Sehr
hohe Vulcane geben zum Theil keine Laven mehr, sondern sie
[467] stossen nur mächtige Flammen und Wasser aus. Das hydrosta-
tische Gleichgewicht wird bei ihnen bei der jetzigen Beschaffen-
heit der Lava schon hergestellt werden, bevor die Lavasäule bis
zum Gipfel des Kraters gestiegen ist. Es mag dies auch der
Grund sein, warum die noch thätigen Vulcane meistens im oder
am Meere liegen.


Wenn aber auch der Mechanismus der vulcanischen Thätig-
keit und mancher anderer geologischer Thatsachen durch die An-
nahme einer festen, auf einer feuerflüssigen oder plastischen Masse
schwimmenden Erdkruste in einigermassen befriedigender Weise
erklärt werden kann, so besteht doch noch eine Thatsache, wel-
che nur durch Einführung einer weiteren neuen Hypothese mit
dieser Annahme in Einklang zu bringen ist. Es ist dies die be-
deutende Erhebung der Continente über den Meeresboden und die
noch jetzt fortdauernde seculäre Hebung vieler Landstrecken.
Die Höhendifferenz zwischen dem Hochplateau Asiens und dem
Boden des stillen Meeres wird man mindestens auf 12000 Meter
und, wenn man das auf Gesteingewicht reducirte Gewicht des
Meerwassers in Abzug bringt, auf 10000 Meter veranschlagen
können. Es repräsentirt das eine Druckdifferenz von ca. 1000
Atmosphären. Bei der nachgewiesenen geringen Festigkeit der
Erdrinde erscheint es unabwendbar, dass das Hochplateau von
Asien und mit ihm die übrigen Continente sich bis zur Gleich-
gewichtslage niedersenken und der Boden der Meere sich bis zu
derselben wieder erheben müsste. Will oder kann man daher
die Annahme eines feuerflüssigen Erdinnern nicht aufgeben, so
muss man annehmen, dass das nothwendige hydrostatische Gleich-
gewicht durch die Verschiedenheit des specifischen Gewichtes der
Gesteine, welche die Continente und den Meeresboden bilden,
hergestellt ist, dass also der Meeresboden aus schwererem Gestein
besteht als die Continente, oder auch dass die unter der festen
Hülle befindlichen halbflüssigen Massen eine solche Dicke und
ein so verschiedenes specifisches Gewicht haben, dass die Druck-
differenz dadurch ausgeglichen wird. Die seculäre Hebung wäre
dann die locale Fortbildung dieses Unterschiedes.



[[468]][[469]]

Die Elektricität im Dienste des Lebens.


Dieser Vortrag war für die Hauptversammlung der Naturforscherversammlung zu Baden-Baden
bestimmt, konnte aber wegen verspäteter Anmeldung nur im Auszug in der physikalischen
Section gehalten werden.


1879.


Es mag befremden, dass ich in dieser wissenschaftlichen
Bestrebungen gewidmeten Versammlung über ein Thema zu
sprechen übernehme, welches nach seinem Titel: „Die Elektrici-
tät im Dienste des Lebens“, mehr technischer als wissenschaft-
licher Natur zu sein scheint. Nun, meine Herren, ich habe es
schon vor Jahren an einem anderen Orte, der, wie mir mein
lieber Jugendfreund du Bois-Reymond mich berichtigend erwi-
derte, „allein dem Fortbau der wissenschaftlichen Erkenntniss um
ihrer selbst willen bestimmt ist“, in meiner Antrittsrede ausge-
sprochen: dass der höhere und wahre Beruf der Wissenschaft
der ist, „den Schatz des Wissens und Könnens der ganzen
Menschheit zu erhöhen und dieselbe dadurch einer höheren Cul-
turstufe zuzuführen“. Es geziemt sich daher auch wohl für eine
wissenschaftliche Versammlung, von Zeit zu Zeit Umschau zu
halten im Leben und sich der Resultate zu erfreuen, welche
wissenschaftliche Forschung im Bunde mit praktisch schaffender
Thätigkeit in diesem Sinne errungen hat! Dabei möchte ich
aber nicht dahin missverstanden werden, als wollte ich den
Werth wissenschaftlicher Forschung überhaupt mit dem Masse
des praktischen Nutzens messen. Jeder neue Gedanke, jede neu
erkannte Thatsache, jede bessere Erkenntniss ist eine Vermeh-
rung des grossen einzig werthvollen Schatzes der Menschheit,
ihres Wissensschatzes, und diesen zu bereichern, ohne jede
Rücksicht auf etwaigen directen Nutzen oder damit verknüpften
[470] Gewinn, ist namentlich immer ein Ruhmestitel der deutschen
Wissenschaft gewesen und wird es hoffentlich auch ferner blei-
ben! Ob eine ganz unscheinbare Vermehrung unserer Kenntniss
nicht früher oder später einmal eine grosse Bedeutung erhält, ist
nie vorauszusehen. Wer konnte seiner Zeit eine Ahnung davon
haben, dass die so unscheinbare Beobachtung Galvani’s, dass ein
Froschschenkel unter gewissen Umständen bei der Berührung
mit einem eisernen Gitter zuckte, der Ausgangspunkt für die
Entdeckung einer mächtigen Naturkraft sein würde, die nach
kurzer Zeit gewaltsam umgestaltend in das Leben der Mensch-
heit eingreifen und die Grenzen ihrer Macht und ihrer Herr-
schaft über die Kräfte der Natur in noch gar nicht übersehbarer
Weise hinausrücken würde! Unsere Väter waren zum Theil
noch Zeitgenossen Galvani’s und Volta’s, haben also noch an
der Wiege des Galvanismus gestanden, und heute schon giebt es
kaum ein grösseres Gebiet des Lebens, in welches der elek-
trische Strom nicht umgestaltend oder wenigstens helfend und
belebend eingriffe!


Ich will Sie weder mit der Beschreibung aller Anwendungen
des elektrischen Stromes zu praktischen Zwecken ermüden, noch
Ihnen eine Geschichte dieser Anwendungen vorführen; aber ein
kurzer Hinweis auf die Vielseitigkeit derselben, sowie auf die
in den verschiedenen Perioden der Entwickelung angestrebten
und erreichten Ziele wird am Platze sein, da man das, was man
lange Zeit immer vor Augen hat, leicht als selbstverständlich
betrachtet und sich kaum noch der Zeiten erinnert, wo es fehlte.
Wer findet es heute noch überraschend, dass der Telegraph ihm
in wenigen Minuten oder doch Stunden ersehnte Nachricht von
weit entfernten Freunden bringt, dass er täglich in den Zeitun-
gen eine Zusammenstellung aller am gleichen oder vorhergegan-
genen Tage vorgekommenen wichtigen Ereignisse aus allen Län-
dern der Erde findet? Wem scheint es noch auffallend, dass der
elektrische Strom die Metalle aus ihren Lösungen in fester
Form niederschlägt? Und doch erinnern sich die Aelteren unter
Ihnen wohl noch ihres ehrfurchtsvollen Anstaunens des geheim-
nissvollen Waltens der Naturkräfte, als sie zum ersten Mal einer
telegraphischen Correspondenz mit einem entfernten Orte bei-
wohnten, oder als sie zum ersten Mal beobachteten, wie sich
[471] in der Vergoldungszelle vor ihren Augen ein gemeines Metall in
wenigen Augenblicken mit einer festen Hülle glänzenden Goldes
bedeckte! Unsere Jugend betrachtet Telegraphie und Galvano-
plastik wie Dampfmaschine und Eisenbahn schon als so selbst-
verständliche Dinge, wie unsere ältere Generation, welche alle
diese Wunderdinge hat mitentstehen sehen oder selbstthätig bei
ihrer Erschaffung mitgewirkt hat, in ihrer Jugendzeit etwa das
Schiesspulver und die Buchdruckerkunst! Man könnte sich wirk-
lich versucht fühlen, die Jugend zu bedauern, dass es ihr nicht
vergönnt war, diesen schöpferischen Entwicklungsprocess mitzu-
erleben — wenn man sie nicht vielmehr darum beneiden müsste,
dass sie Aussicht hat, die Wunder der Zukunft mitzuerschaffen,
die aus der Saat erspriessen müssen, die wir gelegt haben!


Schon bald nachdem Volta die Grundlage unserer heutigen
Kenntniss des elektrischen Stromes aufgedeckt und durch die
Construction der nach ihm benannten Volta’schen Säule das Mittel
gefunden hatte, einen andauernden elektrischen Strom herzustellen,
begannen erfindungsreiche Köpfe auch über die Nutzbarkeit die-
ser neuen wunderbaren Kraft zu grübeln. Schon 1808 schlug
Dr. Sömmering vor, sie zur Telegraphie zu benutzen, und stellte
auch ein Modell her, welches den Zweck zu erfüllen im Stande
war. Um seinen Plan ins Leben einzuführen, bedurfte es frei-
lich noch langer Jahre ernster Gelehrtenarbeit. Erst nachdem
neben den physiologischen, chemischen und thermischen Wir-
kungen des Stromes auch noch die Fernewirkungen desselben
durch Oersted entdeckt und ihre Gesetze durch Männer wie
Ampère, Schweigger, Arago, Faraday, Gauss und Weber, Wheat-
stone, Lenz und Jacobi, Poggendorf, Dove und viele Andere näher
ergründet waren, konnte der kühne Plan Sömmering’s in Erfül-
lung gehen. Aber obschon die Telegraphen, welche Gauss und
Weber in Göttingen, Steinheil bei München Anfangs der dreissiger
Jahre wirklich herstellten, gut arbeiteten, verging doch noch ein
Decennium, bis der praktische Sinn der Amerikaner und der Eng-
länder die Telegraphie thatsächlich ins Leben rief. Von dieser
Zeit an, seit etwa 30 Jahren, beginnt nun die Telegraphie ihre
schnelle Entwickelung bis zu ihrer jetzigen hohen Bedeutung im
Culturleben der Menschen. Alle Völker nehmen an diesem
Wettlaufe Theil und unser deutsches Vaterland mit in erster
[472] Linie. Welch ein unentbehrliches Verkehrsmittel die Telegraphie
bereits geworden ist, zeigt sich am besten, wenn durch heftige
Stürme oder durch ein anderes ausserordentliches Ereigniss ein-
mal eine dauernde Störung des Telegraphenbetriebes irgendwo
eintritt. Es wird dies als eine kaum erträgliche Calamität em-
pfunden, und unzählige Interessen leiden darunter schwer. Aber
dennoch bürgt der bisherige Entwicklungsgang dafür, dass wir
erst im Beginne der telegraphischen Aera stehen. Ist doch erst
in der allerneuesten Zeit das Telephon erfunden worden, welches
dem Telegraphen, der bis dahin schon anzeigte, schrieb, druckte
und zeichnete, auch noch die Fähigkeit gegeben hat, die mensch-
liche Sprache direct zu übertragen! Doch nicht auf die Mitthei-
lung von Nachrichten allein beschränkt sich die Telegraphie im
weiteren Sinne. Die durch den elektrischen Strom gegebene
Möglichkeit, ohne merklichen Zeitverlust an entfernten Orten
eine mechanische Wirkung auszuüben, hat ihm eine grosse Zahl
anderweitiger Dienstleistungen auferlegt. Der Eisenbahntele-
graph regelt den Gang der Züge, elektrische Signaleinrichtungen
aller Art sichern diese und das Publicum gegen Gefahren. Die
Blockirungsapparate vergrössern die Leistungsfähigkeit der Bah-
nen, die Stationsblockapparate geleiten die Züge gefahrlos durch
das Wirrsal von Geleisen und Weichen der Bahnhöfe, indem sie
Entgleisungen oder Zusammenstösse, die durch Irrthümer oder
Fahrlässigkeit hervorgerufen werden könnten, verhüten. Die
elektrische Klingel verdrängt mehr und mehr die unbequeme
und unsichere mechanische sowohl in den Wohnhäusern, als in
Fabriken und Bergwerken. Der Feuertelegraph meldet das be-
ginnende, noch leicht zu löschende Feuer, und telegraphisch wird
ein versuchter Einbruch selbstthätig angezeigt. Der Militärtele-
graph leitet die Bewegung und die Verpflegung des Heeres, der
Vorpostentelegraph bringt sogar dessen äusserste Fühlhörner,
die Vorposten, in steten directen Verkehr mit der Führung.
Der elektrische Distanzmesser verkündet den Batterieen die
Entfernung und Stellung des feindlichen Schiffes und zeigt
den Augenblick an, in welchem der Verderben bringende Tor-
pedo elektrisch zu zünden ist. Der elektrische Strom misst die
Geschwindigkeit des Geschosses in der Luft und die Zunahme
seiner Geschwindigkeit in jedem Theile des Geschützrohres.
[473] Der Börsentelegraph bringt dem Bankherrn fortlaufend und ohne
jede Mitwirkung die Curse aller Börsenplätze und die wichtigen
politischen Ereignisse gedruckt auf seinen Arbeitstisch. Dem
Schiffer, dem Landmann bringt der Telegraph die Nachricht,
dass ein Gewittersturm langsam heranzieht. Der elektrische Was-
serstandszeiger zeigt der Pumpstation jeden Augenblick die Höhe
des Wasserstandes im Reservoir, dem Schiffer im Hafen die
Höhe der Fluth auf der zu überschreitenden Barre. Der elek-
trische Grubengasmelder warnt vor Explosionsgefahr durch schla-
gende Wetter — kurz, wohin man sieht, trifft man den elek-
trischen Strom als Helfer oder Beschützer! Doch nicht allein die
grosse Fortpflanzungsgeschwindigkeit des elektrischen Stromes,
die ihn zur schnellen Uebertragung von Signalen und überhaupt
zur Ausführung kleiner mechanischen Leistungen an entfernten
Orten so sehr geeignet macht, hat ihm eine ausgedehnte Be-
nutzung im Leben verschafft, sondern auch seine zuerst entdeck-
ten Eigenschaften, seine physiologischen, chemischen und ther-
mischen Wirkungen. Die Aerzte bedienen sich zur Heilung
menschlicher Leiden des elektrischen Stromes und machen un-
blutige Operationen mit elektrisch zum Glühen gebrachten
Drähten; der Bergmann, der Mineur sprengt seine Mine mittelst
galvanischer Batterien oder mit Hülfe des magneto-elektrischen
oder dynamo-elektrischen Minenzünders. Der Galvanoplastiker
überlässt dem elektrischen Strome die Ausfüllung seiner Formen
mit festem Metall; der elektrische Strom gravirt, vergoldet,
versilbert, verkupfert, vernickelt. Dem Chemiker dient er zur
Ausführung seiner Analysen, dem Physiker in unzähligen In-
strumenten und Einrichtungen zu seinen wissenschaftlichen Un-
tersuchungen.


Bei allen diesen Anwendungen des elektrischen Stromes wird
demselben keine grosse Arbeitsleistung aufgebürdet, und es ge-
nügen zu seiner Hervorbringung die nach und nach vervollkomm-
neten galvanischen Batterien oder die Magnet-Inductoren. Es
lag der Gedanke nahe, diese Grenze zu überschreiten und vom
elektrischen Strom auch grössere Arbeitsleistungen ausführen zu
lassen. Eine solche Aufgabe war die Erzeugung des elektrischen
Lichtes. Wenn man einen vom elektrischen Strom durchflosse-
nen Leiter plötzlich unterbricht, so erhält man an der Trennungs-
[474] stelle einen leuchtenden Funken. War der Strom und die ihn
erzeugende elektrische Spannung stark genug und die Entfernung
der Enden des unterbrochenen Leiters von einander nicht zu gross,
so dauert der Strom fort, und der trennende Luftraum wird durch
eine glänzende andauernde Lichterscheinung, den sogenannten
Davy’schen Bogen, ausgefüllt, welcher die leitende Verbindung
wiederherstellt. Der Lichtbogen ist besonders glänzend und
leuchtend, wenn die Enden des Leiters aus Kohle bestehen.
Dieses „elektrische Licht“ hat Gelehrte und Techniker lange be-
schäftigt und auch vielfache Verwendung gefunden. Es waren
zu seiner Erzeugung aber galvanische Ketten aus einer grossen
Anzahl grosser Elemente nöthig, deren Beschaffung und Unter-
haltung kostspielig, deren Aufstellung beschwerlich und deren
starke Ausdünstungen schädlich sind. Die Anwendung des elek-
trischen Lichtes blieb daher fast ein halbes Jahrhundert lang
eine sehr beschränkte. Auch die Herstellung und Anwendung
grosser magneto-elektrischer Maschinen, auf die ich später zurück-
kommen werde, hat darin wenig geändert. Eben so wenig Erfolg
hatte es, mittelst des elektrischen Stromes grössere Arbeitsleis-
tungen zu erzeugen oder zu übertragen. Es hat sich eine grosse
Anzahl von Constructeuren, von denen ich hier nur Jacobi in
St. Petersburg, den Erfinder der Galvanoplastik, und den Ameri-
kaner Page nennen will, mit der Herstellung grösserer elektrischer
Kraftmaschinen beschäftigt; es hatte sogar der selige deutsche
Bundestag eine Nationalbelohnung für eine gelungene Construc-
tion solcher Maschinen ausgesetzt — alle diese Anstrengungen
scheiterten aber an der Kostspieligkeit und Schwierigkeit der
Erzeugung der erforderlichen starken Ströme. Es gelang zwar
Page, eine elektrische Maschine herzustellen, welche eine Arbeits-
kraft von mehreren Pferdestärken leistete, und Jacobi fuhr mit
einem elektrisch betriebenen Boot auf der Newa; doch erklärte
schliesslich Letzterer selbst auf Grund seiner Versuche die Lösung
der Aufgabe für unmöglich, weil die Erzeugung des elektrischen
Stromes durch galvanische Batterien zu kostbar sei, und weil
ferner durch die Gegenkraft, welche die arbeitende elektrische
Maschine erzeugt, die wirkende kraft der Batterie zu sehr ver-
mindert würde. Zu demselben Urtheil müssen wir durch das
Mayer-Helmholtz’sche Gesetz der Erhaltung der Kraft gelangen.
[475] Arbeitskraft ist danach ein Aequivalent der Wärme, die zu ihrer
Erzeugung verbraucht worden ist. Bei der Dampfmaschine wird
diese Wärme durch Verbrennung von Kohle, bei der elektrischen
durch Verbrennung von Zink in Salpetersäure oder einer anderen
oxydirenden Flüssigkeit hervorgebracht. Dieses ist aber ein
ganz unvergleichlich viel kostbareres Brennmaterial als Kohle!
Wir werden daher wenigstens so lange auf die directe Erzeugung
von grösseren Arbeitskräften durch Elektricität verzichten müssen,
als nicht die Wissenschaft ganz neue Wege aufdeckt, welche uns
zur billigen directen Erzeugung starker elektrischer Ströme führen.


Wenn wir aber auch zur ersten Erzeugung der Arbeitskraft
auf die calorischen Maschinen, welche Wärme — sei es direct
oder vermittelst Wasserdampfes — in Arbeit umsetzen, oder auf
die Benutzung der in der Natur vorhandenen Kraftquellen ange-
wiesen bleiben, so tritt doch die Frage auf: ob wir diese Arbeits-
kräfte nicht zur Erzeugung starker elektrischer Ströme mit Vor-
theil benutzen können, die dann ihrerseits wiederum zur Her-
vorbringung elektrischen Lichtes, zu galvanischen Umsetzungen
oder zur Uebertragung von Arbeitskraft nach anderen Orten hin
technisch benutzt werden könnten. In der That ist dies mit
Hülfe der magneto-elektrischen Maschinen ausführbar und auch
seit längerer Zeit geschehen. Die magneto-elektrische Maschine
beruht auf der von Faraday entdeckten Induction, d. i. der That-
sache, dass in einem zum leitenden Kreise verbundenen Leiter,
den man einem anderen Leiter nähert, in welchem ein Strom
circulirt, während der Annäherung ein entgegengesetzt gerichteter,
bei der Entfernung dagegen ein gleichgerichteter Strom entsteht.
Dasselbe findet statt, wenn anstatt des von einem dauernden
Strom durchflossenen Leiters ein Magnet vorhanden ist, dem der
Leiter genähert oder von dem derselbe entfernt wird. Da gleich-
gerichtete Ströme sich anziehen, ungleichgerichtete sich abstossen,
so kostet sowohl die Annäherung des inducirten Leiters an den
vom Strom dauernd durchlaufenen Leiter oder den seine Stelle
vertretenden Magnet, als auch die Entfernung von demselben
einen dem erzeugten Strom äquivalenten Verbrauch von Arbeit.
Man nannte die hierauf basirten Maschinen zur Erzeugung elek-
trischer Ströme magneto-elektrische Maschinen im Gegensatze zu
den elektro-magnetischen, um dadurch anzudeuten, dass bei den
[476] magneto-elektrischen mit Hülfe von vorhandenen permanenten
Magneten elektrischer Strom, bei den elektro-magnetischen da-
gegen durch vorhandenen Strom Arbeit erzeugt wird. Die magneto-
elektrischen Stromerzeuger sind in vielen verschiedenen Formen
ausgeführt und bilden eines der wesentlichsten Hülfsmittel der
Elektrotechnik. Es ist auch gelungen, magneto-elektrische Ma-
schinen von solcher Stärke herzustellen, dass mittelst der durch
sie erzeugten Ströme elektrisches Licht hervorgebracht werden
konnte. Es tritt bei ihnen aber ein Uebelstand auf, der ihre
Anwendbarkeit begrenzt. Stahlmagnete nehmen im Verhältniss
zu Elektromagneten nur einen geringen Grad von Magnetismus
an, und sie schwächen sich gegenseitig, wenn man sie einander
mit gleichen Polen nähert oder deren mehrere zu einem grösseren
Magneten vereinigt. Magneto-elektrische Maschinen müssen daher
in sehr grossen Dimensionen ausgeführt werden, wenn sie kräftige
Ströme erzeugen sollen, was sie schwerfällig und kostspielig macht.
Ausserdem verlieren grössere Mengen benachbarter Stahlmagnete
mit der Zeit und unter Mitwirkung der unvermeidlichen Stösse,
die sie erleiden, ihren Magnetismus. So nützlich und unent-
behrlich die magneto-elektrischen Maschinen daher auch zur
Hervorbringung schwächerer Ströme sind, so eignen sich diesel-
ben doch nicht zur Erzeugung so starker Ströme, wie sie das
elektrische Licht, die Kraftübertragung und die Verwendung zu
metallurgischen Zwecken verlangen.


Einen ersten bemerkenswerthen Schritt in dieser Richtung
machte der englische Mechaniker Wilde, indem er eine kleinere
magneto-elektrische Maschine mit einer grösseren combinirte und
bei letzterer die Stahlmagnete durch einen grossen Elektromag-
neten ersetzte. Er bediente sich hiebei meiner Construction der
magneto-elektrischen Maschinen, bei welcher der bewegte Theil
die Form eines um seine Axe rotirenden Cylinders (Doppel-T-
Anker) hat. Lässt man beide Cylinder rotiren und leitet den
durch einen Commutator gleichgerichteten Strom der magneto-
elektrischen Maschine durch die Windungen des feststehenden
Elektromagnetes der grösseren, so erzeugt letztere sehr kräftige
Ströme, die auch von Wilde zur Hervorbringung elektrischen
Lichtes und zur Herstellung von Kupferniederschlägen im Grossen
benutzt wurden.


[477]

Es gelang mir, die Aufgabe der sicheren und billigen Er-
zeugung starker elektrischer Ströme auf einem anderen Wege zu
lösen, wobei die Anwendung von Stahlmagneten gänzlich fort-
fiel. Das Prinzip, auf welchem diese Maschinen beruhen, ist
dasselbe, auf welches die Elektrisirmaschinen von Töpler und
Holtz begründet sind, das der Verstärkung der Ursache der Er-
zeugung elektrischer Spannung durch die Wirkung derselben.
Denkt man sich in einer magneto-elektrischen Maschine die
Stahlmagnete durch Elektromagnete ersetzt und die durch einen
Commutator gleichgerichteten Ströme des rotirenden Theils der
Maschine in der Weise durch die Windungen des die Stahl-
magnete ersetzenden Elektromagnetes geleitet, dass der Strom den
Magnetismus im richtigen Sinne verstärkt, so muss der verstärkte
Magnetismus wieder stärkere Ströme hervorbringen und so fort,
bis — wenn die Drehung gleichmässig fortdauert — entweder
das Maximum des Magnetismus im Eisen erreicht oder die Ma-
schine durch zu grosse Wärmeentwickelung in den Drähten zer-
stört wird. Es genügt dabei für den Beginn der sich steigernden
Wirkung oder für das „Angehen“ der Maschine ein sehr ge-
ringer Grad von Magnetismus in den feststehenden Elektro-
magneten. Nicht nur der auch in dem weichsten Eisen zurück-
bleibende Magnetismus reicht für das sofortige „Angehen“ der
Maschine aus, es wird dies in der Regel bei neu erbauten Ma-
schinen auch schon durch den Erdmagnetismus bewirkt. Ich
habe diese Maschinen in meiner ersten Mittheilung über das den-
selben zu Grunde liegende Prinzip an die königliche Akademie
der Wissenschaften zu Berlin im Januar 1867 dynamo-elektrische
Maschinen genannt, um dadurch anzudeuten, dass durch sie
Arbeitskraft direct, d. h. hier ohne Vermittlung vorhandener
permanenter Magnete, in elektrischen Strom umgewandelt wird.
Da jede arbeitende elektro-magnetische Maschine, wie schon
früher hervorgehoben, Gegenströme erzeugt, welche den sie be-
wegenden elektrischen Strom schwächen, und da die Richtung
dieser Ströme von der Richtung der Drehung der Maschine
abhängig ist, so muss eine Rückwärtsdrehung derselben ihn um-
gekehrt verstärken. Es wird daher, genau genommen, jede
elektro-magnetische Maschine durch Rückwärtsdrehung eine dy-
namo-elektrische. Dass man durch diesen Umstand nicht schon
[478] längst zufällig auf die dynamo-elektrische Stromerzeugung ge-
kommen ist, erklärt sich wohl dadurch, dass besondere Con-
structionsbedingungen bei den elektro-magnetischen Maschinen
erfüllt werden müssen, damit sie als dynamo-elektrische Maschinen
wirksam werden können.


Anfänglich wurden solche dynamo-elektrische Maschinen
mit meinen früher erwähnten rotirenden Cylinder-Ankern herge-
stellt. Es stellte sich aber heraus, dass das Eisen dieser Anker
sich durch den schnellen und kräftigen Polwechsel stark erhitzt.
Später sind durch Gramme und v. Hefner-Alteneck verbesserte
Maschinen construirt worden, bei denen dieser Uebelstand in
Wegfall kommt. Bei diesen mit unwesentlichen Modificationen
jetzt allgemein benutzten dynamo-elektrischen Maschinen findet
keine besondere Commutirung der inducirten Ströme wechselnder
Richtung, wie bei den älteren magneto-elektrischen und dynamo-
elektrischen Maschinen, statt, sondern es treten die Wechsel-
ströme, welche in einer zusammenhängenden Reihe von Induc-
tionsspiralen nach einander erzeugt werden, in einer Zweig- oder
Brückenleitung direct zu einem continuirlichen gleichgerichteten
Strome zusammen. Ich hatte eine solche Combination bereits
bei einem Volta-Inductor in Anwendung gebracht, welcher in der
ersten Pariser Ausstellung im Jahre 1855 ausgestellt war und
sich jetzt in der historischen Sammlung des Postmuseums zu
Berlin befindet. Diese, wegen ihrer Form so genannte Teller-
maschine diente dazu, mit wenigen Elementen Ströme hoher
Spannung zu erzeugen, wie sie zum Betriebe langer Telegraphen-
linien erforderlich sind. Zur Erzeugung starker Ströme war sie
nicht geeignet. Die Gramme’sche Maschine ist in allen wesent-
lichen Punkten identisch mit der vom Professor Pacinotti con-
struirten elektro-magnetischen Maschine, die Gramme durch Rück-
wärtsdrehung, nach meinem Vorschlage, zu einem dynamo-elek-
trischen Stromerzeuger machte. Sie besteht aus einem mit isolir-
tem Draht umwundenen Eisenringe, der zwischen den Polen
eines kräftigen Elektromagnetes rotirt. Der in sich geschlossene
Umwindungsdraht ist in eine Anzahl gleicher Theile getheilt und
an den Theilstellen mit Contacten versehen, welche bei der Ro-
tation mit feststehenden federnden Contacten an zwei sich dia-
metral gegenüberstehenden Punkten in Berührung kommen. Stehen
[479] diese Contacte senkrecht auf der Verbindungslinie der Pole des
Magnetes und bilden sie die Endpunkte eines Zweigdrahtes, so
nimmt dieser, wie bei der Tellermaschine, die in den beiden
Windungshälften des Ringes inducirten entgegengerichteten Ströme
als continuirlichen Strom auf. Die v. Hefner’sche Construction
unterscheidet sich von der Pacinotti-Gramme’schen wesentlich
dadurch, dass der Erstere nicht, wie die Letzteren, einen um-
wickelten Ring benutzt, sondern einen vollen oder hohlen Eisen-
Cylinder, welcher nur an seiner äusseren Fläche mit longitudi-
nalen, in sich geschlossenen Windungen umgeben ist. Die einzelnen
Abtheilungen dieser äusseren Windungen sind mit den sich dia-
metral gegenüberstehenden Schleifcontacten in einer ohne Zeich-
nung schwer verständlich zu machenden Weise derart combinirt,
dass wiederum sämmtliche in den Umwindungsdrähten inducirte
Ströme im Brückendraht als continuirlicher Strom auftreten. Vor
der Pacinotti-Gramme’schen hat die v. Hefner’sche Construction
den grossen Vorzug, dass bei ihr der grösste Theil des Umwin-
dungsdrahtes der Induction unterworfen, also wirksam ist, wäh-
rend bei der Gramme’schen nur der auf der äusseren Fläche
des Ringes befindliche Draht, also nur etwa die Hälfte dessel-
ben, zur Wirkung kommt.


Ich habe die dynamo-elektrische Maschine in ihren verschie-
denen Formen eingehender als andere behandelt, da sie die Brücke
zu einer weiteren grossartigen Entwicklung der Dienste bildet,
welche die Elektricität der Menschheit zu leisten berufen ist. Wie
ich schon bei der ersten Mittheilung des Prinzips der dynamo-
elektrischen Maschine hervorhob, ist durch diese die Möglichkeit
gegeben, Arbeitskraft in jedem Betrag in elektrischen Strom um-
zuwandeln, um diesen zur elektrischen Beleuchtung, zu metallur-
gischen Processen, zur Kraftübertragung und vielleicht künftig zu
anderen uns noch unbekannten Zwecken zu benutzen. Es hat
allerdings seitdem schon einer 12jährigen Arbeitszeit bedurft,
um die Schwierigkeiten zu überwinden, welche der sicheren Er-
zeugung und Verwendung dieser starken Ströme entgegentraten,
und es wird auch noch weiterhin viel Arbeit und Geld aufge-
wendet werden müssen, um die noch nothwendigen weiteren
Fortschritte zu machen; wir können aber doch jetzt schon mit
Zuversicht aussprechen, dass uns mit der dynamo-elektrischen
[480] Maschine ein weiteres wichtiges Hülfsmittel zur Nutzbarmachung
der Naturkräfte im Dienste der Menschheit gegeben ist. Es tritt
dies besonders klar hervor bei den Fortschritten, welche in
neuerer Zeit die elektrische Beleuchtung gemacht hat. Es wird
noch kaum ein wichtiger Leuchtthurm erbaut, der nicht elek-
trisches Licht erhält. Mit elektrischem Lichte suchen schon jetzt
grössere Schiffe Nachts und bei Nebel die gefahrdrohenden
Klippen und begegnende Fahrzeuge zu erkennen; mit Hülfe des-
selben vermögen die Schleppdampfer auch bei Nacht ihren Weg
in Flüssen und Canälen zu finden. Elektrisches Licht beleuchtet
schon vielfach Fabriken, Arbeitsplätze und grössere Hallen. Es
spielt eine wichtige Rolle im Angriffs- wie im Vertheidigungs-
krieg und hat sich überall da einen weiten Anwendungskreis
geschaffen, wo grosse Helligkeit, die Schönheit des blendend
weissen Lichtes und dessen verhältnissmässig geringe Heizkraft,
sowie die Abwesenheit schädlicher Verbrennungsproducte in erster
Linie in Betracht kommen. Bis vor wenigen Jahren bestand
aber noch ein grosses Hinderniss der allgemeineren Verbreitung
des elektrischen Lichtes — seine geringe Theilbarkeit. Es war
bis dahin nicht möglich, in einer Stromleitung mit Sicherheit
mehr als einen Lichtbogen herzustellen. Es erklärt sich dies da-
durch, dass die Regulirung des Mechanismus, welcher die Ab-
stände der Kohlenspitzen, zwischen denen das elektrische Licht
entsteht, regelt, durch die Stromstärke bewirkt wird, welche
im Leitungskreise vorherrscht. Wird der Davy’sche Lichtbogen
durch Abbrennen der Kohlen verlängert, so wird der Widerstand
desselben grösser und damit auch die Stromstärke im Leitungs-
kreise geringer, wodurch dann eine entsprechende Zusammen-
schiebung der Kohlen durch den Lampenmechanismus bewirkt
wird. Befinden sich nun mehrere Lichtbogen in demselben Lei-
tungskreise, so ist die Stromstärke in demselben von der Summe
der Widerstände sämmtlicher Lichtbogen abhängig, wobei es
gleichgiltig bleibt, wie gross der Widerstand eines einzelnen ist.


Die Stromstärke kann also dann nicht mehr zur Regulirung
der Bogenlängen der einzelnen Lichtbogen benutzt werden. Um
diesem Uebelstand abzuhelfen und eine unbegrenzte Theilung des
elektrischen Lichtes zu ermöglichen, hat man vielfach und bis in
die neueste Zeit versucht, anstatt des Lichtbogens dünne Kohlen-
[481] oder Metallstäbchen, welche durch den elektrischen Strom glühend
gemacht werden, als Lichtquellen zu benutzen. Es ist das so
erzeugte Licht aber verhältnissmässig sehr schwach, kostet viel
Strom, mithin viel Arbeitskraft und ist wohl kaum noch elek-
trisches Licht zu nennen. Einen ersten wichtigen Schritt in der
Richtung der Theilung des Lichtbogens machte Jablochkoff.
Derselbe stellte zwei Kohlenstäbchen parallel neben einander und
füllte den Zwischenraum mit Gips oder einer anderen schwer
schmelzbaren Substanz aus. Von solchen „elektrischen Kerzen“
konnten vier bis sechs in einen Leitungskreis eingesetzt werden,
da die Bogenlänge hier für alle eine gegebene war.


Um ein gleichmässiges Abbrennen beider Kohlen zu erzielen,
wurden nicht gleichgerichtete, sondern Wechselströme zur Licht-
erzeugung benutzt, wie es schon früher bei Anwendung der
magneto-elektrischen Maschinen zur Lichterzeugung geschehen
war. Diese „elektrischen Kerzen“ haben wesentlich zur Verbrei-
tung der elektrischen Beleuchtung beigetragen, erfüllen aber
ihren Zweck namentlich aus dem Grunde nur unvollkommen,
weil sämmtliche Kerzen erlöschen, wenn eine aus irgend welchem
Grunde versagt, und weil das Licht sich dann nicht selbstthätig
wieder entzündet, wie es bei Anwendung elektrischer Lampen
der Fall ist.


Es war der neuesten Zeit vorbehalten, die Lösung des Pro-
blems der Theilung des elektrischen Lichtbogens bei Anwendung
von die Bogenlängen regulirenden Mechanismen zu finden, und
dadurch das wesentlichste Hinderniss zu beseitigen, welches der
allgemeineren Anwendung der elektrischen Beleuchtung bisher
noch entgegenstand. Es beruht die Regulirung hierbei auf der
Anbringung einer Nebenschliessung für jeden Lichtbogen. In
einer Stromverzweigung wird der Strom des einen Zweiges um
so stärker, je grösser der Widerstand des anderen Zweiges wird.
Ist nun die Lampe so construirt, dass eine Verstärkung des
Stromes im Nebenzweige des Lichtbogens eine Annäherung der
Kohlenspitzen bewirkt, so muss dies auch durch eintretende Ver-
längerung des Lichtbogens geschehen und dadurch jeder Bogen
in der normalen Länge erhalten werden. Ich hatte diese Ver-
wendbarbarkeit des Nebenschlusses zur Regulirung des Licht-
bogens schon früher erkannt und bei der Construction elek-
31
[482] trischer Lampen benutzt; wir verdanken aber dem schon genann-
ten Herrn v. Hefner, dem Vorstande des Constructionsbureaus
von Siemens \& Halske, die gelungene Construction einer Lampe,
welche mit Hülfe einer Differentialwirkung zwischen Haupt- und
Nebenstrom die Aufgabe in sehr einfacher und vollkommener
Weise löst. Mittelst solcher Lampen wurde zuerst die Kaiser-
gallerie in Berlin als Annex der Berliner Gewerbeausstellung
während der ganzen Ausstellungszeit beleuchtet.


Es sind ferner bereits die Empfangshalle der königlichen
Ostbahn und das Reichstagsgebäude zu Berlin, der Münchener
neue Bahnhof und mehrere Privatgebäude in dieser Weise elek-
trisch beleuchtet. Es hat sich hierbei herausgestellt, dass die
Kosten der Beleuchtung grösserer passender Räume bei etwa
dreifacher Minimalhelligkeit des Bodens selbst bei Betrieb mit
Gaskraftmaschinen nur etwa gleich den Kosten der Gasbeleuch-
tung sind. Ich möchte hierbei aber doch bemerken, dass trotz-
dem das elektrische Licht schwerlich jemals das Gaslicht wird
verdrängen können. Die grosse Bequemlichkeit, Reinlichkeit,
unbegrenzte Theilbarkeit des Gaslichtes, sowie die heizenden
Eigenschaften des Gases werden demselben überall da den Vor-
zug vor der Elektricität sichern, wo nicht die grössere Hellig-
keit, welche durch elektrische Beleuchtung zu erzielen ist, die
reine Weisse des Lichtes, die geringe Erwärmung und Verunrei-
nigung der Luft der zu beleuchtenden grösseren Räume ent-
scheidend für Anwendung der elektrischen Beleuchtung sprechen.


Weit weniger entwickelt als die Anwendung starker elek-
trischer Ströme zur Beleuchtung ist bisher die Benutzung der-
selben zur Kraftübertragung und zu chemischen Umformungen
in der Metallurgie und chemischen Grossindustrie. In der Ber-
liner Gewerbe-Ausstellung sind von Siemens \& Halske zwei
Beispiele der Kraftübertragung durch dynamo-elektrische Maschi-
nen ausgestellt. Ein grosser Webstuhl und einige kleinere
Maschinen werden durch eine elektro-dynamische Maschine be-
trieben, die von einer, mit Ausnahme der Stellung der Feder-
contacte, gleich construirten dynamo-elektrischen Maschine,
welche im Maschinenraum aufgestellt ist, mittelst einer Draht-
leitung in Bewegung gesetzt wird. Ferner ist eine etwa 300 m
lange, in sich selbst geschlossene, schmalspurige Eisenbahn aus-
[483] gestellt, auf welcher eine kleine elektrische Locomotive mit drei
angehängten Personenwagen in einer Geschwindigkeit von 3 bis
4 m per Secunde circulirt. Die Laufschienen der Bahn bilden
die eine Leitung zu der im Maschinenraume stehenden dynamo-
elektrischen Lichtmaschine grösserer Sorte, während eine zwischen
den Laufschienen und ohne metallische Verbindung mit diesen
angebrachte Mittelschiene das Ende der anderen Leitung bildet.
Die Locomotive besteht im Wesentlichen aus einer der strom-
gebenden ganz gleichen Maschine, deren eines Drahtende durch
die Räder der Locomotive mit den Laufschienen in leitender
Verbindung steht, während das andere Ende durch eine Contact-
vorrichtung mit der Mittelschiene communicirt. Wird der Strom-
lauf geschlossen und die stromgebende Maschine mit etwa 600 bis
700 Umdrehungen per Minute continuirlich gedreht, so setzt sich
die Locomotive mit grosser Kraft in Bewegung und durchläuft
mit constanter Geschwindigkeit die Bahn. Die Locomotive zieht
an ihrem Zughaken mit etwa 200 kg, wenn die Wagen fest-
gehalten werden, und mit 70—80 kg während der Fahrt mit 3 m
Geschwindigkeit, was etwa einer Arbeitsleistung von drei effec-
tiven Pferdestärken entspricht. Auffallend erscheint hierbei, dass
diese Geschwindigkeit sich nur wenig ändert, wenn anstatt der
gewöhnlichen Belastung der Personenwagen (mit 18 Personen)
eine doppelte und selbst dreifache Belastung eintritt, und dass
die Kraft des ersten Anzuges eine so sehr bedeutende ist. Es
ist dies aber eine Eigenthümlichkeit der elektrischen Kraftüber-
tragung überhaupt. Die Theorie derselben lässt sich in Kürze
unter folgende Gesichtspunkte bringen. Denkt man sich eine
dynamo-elektrische Maschine der Gramme’schen oder v. Hefner’-
schen Construction mit geschlossener Leitung in Drehung gesetzt,
so wächst der Strom und damit der Magnetismus des fest-
stehenden Elektromagnetes so weit an, wie die specielle Con-
struction der Maschine und der eingeschaltete Widerstand es
zulassen. Die Arbeitskraft, welche erforderlich ist, um die vom
Strome durchlaufenden Umwindungsdrähte des rotirenden Eisen-
ringes des Cylinders durch die Anziehungssphäre der Magnet-
pole (das magnetische Feld) hindurchzutreiben, ist dabei einmal
der Stromstärke in den Drähten, zweitens der Stärke des Magne-
tismus, welcher innerhalb gewisser Grenzen ebenfalls proportio-
31*
[484] nal der Stromstärke ist, und drittens der Geschwindigkeit der
Drähte oder der Rotationsgeschwindigkeit proportional. Da nun
auch die Stromstärke dieser Geschwindigkeit als ihrer erzeugen-
den Ursache proportional ist, so muss die zur Drehung verwen-
dete Arbeit im Verhältniss der dritten Potenz der Rotations-
geschwindigkeit stehen. Anders ist das Verhältniss, wenn eine
zweite gleiche oder ähnliche Maschine in den Kreislauf ein-
geschaltet ist. Diese wird durch den Strom, den die mecha-
nisch in Drehung gesetzte dynamo-elektrische Maschine erzeugt,
ihrerseits als elektro-magnetische Maschine gedreht und bringt
dann, wie schon Jacobi fand, einen Gegenstrom hervor, der den
wirkenden Strom schwächt. Ist diese arbeiterzeugende Maschine
von gleicher Construction wie die stromerzeugende, so ist der
auftretende Gegenstrom ebenfalls dem Quadrat ihrer Drehungs-
geschwindigkeit proportional. Das Endresultat ist mithin eine
im ganzen Leitungskreise thätige Stromstärke, die dem Quadrat
der Geschwindigkeitsdifferenz beider Maschinen proportional ist.
Sind c und c' die Geschwindigkeiten der beiden entgegengesetzt
rotirenden Maschinen, so ist mithin die herrschende Stromstärke
proportional (c—c')2.


Es ist dann die von der stromerzeugenden Maschine
verbrauchte Arbeit (c—c')2 · c · k und die von der durch
den Strom gedrehten Maschine geleistete Arbeit (c—c')2
· c' · k, wobei k eine von der Construction der Maschinen
und dem Leitungswiderstande des ganzen Kreises abhängige
Constante bezeichnet. Die Maximalrechnung ergiebt nun,
dass das Maximum der Arbeitsleistung dann eintritt, wenn
ist, woraus gleichzeitig folgt, dass bei Erzielung des
Arbeitsmaximums nur ⅓ der verwendeten Arbeitskraft zur Be-
nutzung kommt. Andererseits ist aber das Verhältniss der auf-
gewendeten zur geleisteten Arbeit , was
besagt, dass die nutzbar gemachte Arbeit mit der Geschwindig-
keit der Drehung proportional zunimmt. Die Frage: der wie-
vielte Theil der aufgewendeten Arbeitskraft bei der elektrischen
Kraftübertragung gewonnen wird, ist mithin allgemein nur dahin
zu beantworten, dass der Kraftverlust um so geringer wird, je
[485] schneller die Maschine sich drehen, und dass er = 0 werden
würde, wenn man sie unendlich schnell drehen könnte. Es folgt
ferner aus der Formel, dass die Zugkraft der arbeitenden Ma-
schine in viel grösserem Verhältniss als die Geschwindigkeits-
differenz der beiden Maschinen ansteigt, woraus unmittelbar die
geringe Abhängigkeit der Fortbewegungsgeschwindigkeit der
Locomotive von der zu bewegenden Last und die grosse Kraft
des ersten Anzugs sich ergiebt. Es muss hierbei bemerkt werden,
dass die obige Rechnung weder die innere Reibung der Ma-
schinen, noch den veränderlichen Widerstand der Schleifcon-
tacte u. s. w. berücksichtigt, welche unter Umständen schwer
ins Gewicht fallen.


Obgleich noch viele constructive Schwierigkeiten zu über-
winden und viele Erfindungen noch zu machen sind, um elek-
trische Kraftübertragung im Allgemeinen und elektrischen Eisen-
bahn- oder besser Spurwegsbetrieb im Speciellen zur praktischen
Benutzung im grossen Massstab völlig geeignet zu machen, so
muss man doch die ersten damit gewonnenen Resultate für sehr
befriedigend und vielversprechend erklären. Unter günstigen
Verhältnissen können sie schon in ihrem gegenwärtigen Ent-
wickelungsstadium sehr gute Dienste leisten.


Noch weit weniger entwickelt ist aber bisher die Anwen-
dung starker elektrischer Ströme, wie sie jetzt durch Verbrauch von
Arbeitskraft billig erzeugt werden können, zu chemischen und
metallurgischen Zwecken. Die Anwendung beschränkt sich bis-
her wesentlich auf die galvanische Reinigung des Kupfers und
zur Scheidung desselben von Gold und Silber. Und doch wird
der elektrische Strom gerade auf diesem Gebiete voraussichtlich
künftig die grössten Erfolge aufzuweisen haben und auf ihm der
Menschheit die grössten Dienste leisten! Technisch noch ganz
unbebaut liegt das weite, so viel versprechende Gebiet der Elek-
trolyse feuerflüssiger Leiter da, und weder die wissenschaftliche
noch die technische Chemie hat die analytische und synthetische
Kraft des Stromes bisher gebührend gewürdigt! Durch Auf-
wendung von Arbeitskraft können mit Hülfe des elektrischen
Stromes die festesten chemischen Verbindungen zerlegt und die
Körperelemente in andere Zustände und Verbindungen über-
geführt werden, in denen die verbrauchte Arbeit gleichsam auf-
[486] gespeichert ist. So repräsentirt die Verbrennungswärme des gal-
vanisch in seine Elemente zerlegten Wassers das Aequivalent
der zur Scheidung verbrauchten Arbeit. Es ist durchaus wahr-
scheinlich, dass die Wissenschaft der Zukunft lehren wird, auch
bequemer zu handhabende Brennstoffe, wie den Wasserstoff,
durch Arbeitsaufwand mit Hülfe des elektrischen Stromes her-
zustellen. Auch der weitere Schritt von der Darstellung von
Brenn- zu der von Nährstoffen ist durchaus nicht undenkbar.
Es gehört sogar kein allzukühner Flug der Phantasie dazu, um
sich eine Zukunft auszumalen, in der die Menschheit die leben-
dige Kraft, welche die Sonnenstrahlen der Erde in ungemesse-
nem Betrag zuführen, und die sich uns zum Theil im Wind und
in den Wasserfällen zur directen Benutzung zur Verfügung stellt,
mit Hülfe des elektrischen Stromes zur Herstellung alles nöthi-
gen Brennstoffes verwendet, und die für ihre Kindheit von der
Natur vorsichtig aufgestapelten Kohlenlager ohne Nachtheil zu
entbehren lernt!


[[487]]

Ueber die elektrische Eisenbahn der
Berliner Gewerbeausstellung.


(Verein z. Beförderung d. Gewerbfleisses, Sitzung v. 9. Juni.)


1879.


Meine Herren, wenn Sie es wünschen, bin ich umsomehr
dazu bereit über die elektrische Eisenbahn zu sprechen, als ich
gehört habe, dass die Construction vielfach falsch aufgefasst wird.
Es ist diese Eisenbahn nichts als ein Beispiel der Kraftüber-
tragung, wie sie auch an einer anderen Stelle der Ausstellung
dargestellt ist, wo eine dynamo-elektrische Maschine eine andere
treibt, die ihrerseits einen Webstuhl in Bewegung setzt, dessen
grosse Schützen sehr gut arbeiten. Hierbei ist ein Regulator an-
gebracht, der sehr präcise wirkt. Dasselbe Prinzip der Kraftüber-
tragung durch dynamo-elektrische Maschinen ist nun bei der Eisen-
bahn auf die Bewegung von Wagen angewendet worden. Die
erste Veranlassung zu der Einrichtung gab eine Anfrage des Bau-
meister Westphal aus Cottbus über die Möglichkeit, die Kraft dort
verbrannter Kohlen nach Berlin zu transportiren. Der Betreffende
hatte nämlich eine Bemerkung meines Bruders Wilhelm in London
über die Möglichkeit des Transports der Kraft des Niagarafalles
gelesen und wollte dies hier in die Praxis übertragen. Ging dies
auch nicht an, so sind wir doch der Sache näher getreten, um
zu sehen, wie weit sich die elektrische Krafttransmission zum
Transportiren auf Schienenbahnen benutzen lasse. Der Versuch,
den wir machten, ist recht gut ausgefallen. Die Einrichtung, wie
sie Ihnen in der Ausstellung entgegentritt, ist folgende: Es ist
eine kleine schmalspurige Bahn, bei der die Schienen in einer
Curve in sich zurückgehen, angelegt. In der Mitte derselben
[488] befindet sich eine dritte Schiene, ein aufrecht stehendes Flach-
eisen. Die Locomotive trägt zwei Rollen, durch welche sie mit
der letzteren in Verbindung steht — ob Rollen oder Bürsten
besser sind, muss noch ausprobirt werden. Eine dynamo-elektrische
Maschine steht in der Maschinenhalle und eine gleiche bildet die
Locomotive. Die Maschine in der Maschinenhalle wird durch die
Dampfmaschine gedreht. Einer ihrer Pole steht in Verbindung
mit der inneren Schiene, während der andere Pol mit den äusse-
ren Schienen verbunden wird. Infolge dessen entsteht eine elek-
trische Differenz zwischen der mittleren und den äusseren Schienen
und die dynamo-elektrische Maschine der Locomotive, welche jetzt
als elektro-magnetische, arbeitende Maschine auftritt, leitet durch
ihre Umwindungsdrähte den elektrischen Strom von der inneren
zu den äusseren Schienen, wobei die Räder der Locomotive den
Contact mit äusseren Schienen bilden. Wo also auch die Ma-
schine sich auf der Bahn befindet, wird sie von dem elektrischen
Strome der dynamo-elektrischen Maschine in der Maschinenhalle
durchlaufen und setzt dabei ihren Lauf so lange fort, bis dieser
Strom unterbrochen wird. Sie müssen hier im Auge behalten,
dass es eben dynamo-elektrische Maschinen sind, die sich ihre
Magnete selber bilden. Ich wählte diesen Namen, als ich das
Prinzip der dynamo-elektrischen Maschinen der Berliner Akademie
der Wissenschaften im Januar 1866 zuerst mittheilte, in Analogie
mit den gebräuchlichen Bezeichnungen „elektro-magnetische“ und
„magneto-elektrische“ Maschinen, von denen erstere durch vor-
handenen Strom Magnetismus, letztere durch vorhandenen Mag-
netismus Strom erzeugen, während bei dynamo-elektrischen Ma-
schinen Arbeitskraft direct in Strom verwandelt wird. Der
kleine Rückstand von Magnetismus, der in dem Eisen der Elek-
tromagnete stets zurückbleibt, genügt bei diesen Maschinen, um
einen ganz schwachen Strom im bewegten Theile der Maschine
zu erzeugen, dieser verstärkt den Magnetismus der feststehenden
Magnete, wodurch wiederum stärkerer Strom erzeugt wird, und
so arbeitet sich der Magnetismus durch die verwendete Kraft
selbstthätig in die Höhe, bis die Ströme so stark werden, als es
eben die Drähte vertragen können, ohne zu sehr erhitzt zu wer-
den. Wird nun in einem solchen activen dynamo-elektrischen
Kreise irgendwo die Leitung unterbrochen, so hört der elektrische
[489] Strom und damit auch der Magnetismus der primären Maschine
auf. Diesem Umstande ist es zuzuschreiben, dass mangelhafte
Isolation der Schienen nicht sehr schädlich ist. Ist die Loco-
motive im Gange, so bilden ihre Leitungsdrähte eine viel bessere
Leitung, wie die feuchte Erde, und ist die Leitung unterbrochen,
so genügt diese Nebenleitung nicht, die dynamo-elektrische Wir-
kung im Gange zu erhalten, der Magnetismus verschwindet daher
und damit auch der Nebenstrom. Die Kraftübertragung und da-
mit auch die Geschwindigkeit lassen sich innerhalb weiter Gren-
zen steigern. Die ganze Sache ist aber noch zu neu, um schon
jetzt bestimmte Angaben über die Grenzen des praktisch Erreich-
baren machen zu können.


Wir haben 30, 40 bis 60 pCt. Kraftübertragung erzielt, doch
können wir definitive Zahlen erst nach längerer Praxis angeben.
Wie weit sich der Arbeitsverlust bei der elektrischen Kraftüber-
tragung wird vermindern lassen, lässt sich noch nicht beurtheilen.
Vorläufig wird man sich mit 30 bis 40 pCt. effectiver Arbeits-
leistung begnügen müssen. Einen grossen Vorzug hat die elek-
trische Kraftübertragung dadurch, dass sie die Lösung eines noch
ungelösten mechanischen Problems von selber bringt. Es ist
dies eine Construction, welche bewirkt, dass Maschinen sowohl
bei langsamer wie bei schneller Bewegung immer mit voller Kraft
arbeiten. Hätten wir dies Problem rein mechanisch praktisch
gelöst, so würden wir auch weiter in der Construction der
Strassenlocomotiven sein. Bei der dynamo-elektrischen Kraftüber-
tragung ist es eben anders. Wenn die kraftgebende oder secun-
däre Maschine grosse Arbeit zu leisten hat, mithin langsam geht,
so sind die von ihr erzeugten Gegenströme entsprechend schwach
und es verstärkt sich dadurch in gleichem Masse der Strom
durch die Leitung. Dadurch wird der Elektromagnetismus und
ihm entsprechend die Zugkraft der Maschine vergrössert. Die
dynamo-elektrische Locomotive hat ferner den Vortheil, dass sie
gleich in sich selbst die Kraft zum Bremsen trägt, indem sie als
primäre oder stromerzeugende Maschine auftritt, wenn sie schneller
wie diese umgedreht wird, mithin diese und mit ihr die arbei-
tende Dampfmaschine umgekehrt zu drehen sucht.


Ich meine, es wird schon jetzt viele Fälle geben, wo elek-
trische Kraftübertragung sowie auch elektrische Locomotiven
[490] praktisch mit Vortheil verwendbar sind. Die Maschine der Aus-
stellung ist ursprünglich nicht dazu gemacht, um die 3 eleganten
kleinen Personenwagen mit 18 bis 24 Personen in 1 bis 2 Minuten
über die gegen 300 Meter lange Kreisbahn zu befördern, sondern
um aus dem Kohlenstollen des Herrn Westphal Kohlen zu Tage
zu fördern! Man muss daher auch ihre Leistungen als Schnell-
zuglocomotive für das Ausstellungspublicum mit Nachsicht beur-
theilen! Die Frage der Ausdehnung, welche der Anwendung
der dynamo-elektrischen Locomotive möglicherweise zu geben ist,
ist bisher schwer zu entscheiden. Sie hängt einmal vom Leitungs-
widerstande der Schienen und zweitens von der Möglichkeit ab,
dieselben hinreichend zu isoliren. Das erste Erforderniss, gerin-
ger Leitungswiderstand der Schienen, lässt sich bei längeren
Bahnen zum Theil dadurch erreichen, dass man von Zeit zu Zeit
neue primäre Dynamomaschinen aufstellt, welche die elektrische
Spannungs-Differenz zwischen der inneren und den äusseren
Schienen aufrecht erhalten. Das zweite wird sich für längere
Bahnen kaum auf anderem Wege erfüllen lassen als durch Con-
struction hängender Eisenbahnen. Im ersten Erfindungseifer nach
Auffindung des dynamo-elektrischen Prinzipes und der dadurch
gegebenen Möglichkeit, beliebig starke Ströme billig zu erzeugen,
träumte ich schon von einem Netze hängender elektrischer Eisen-
bahnen über den Strassen Berlins, dessen niedriger Wasserstand
leider kein unterirdisches Eisenbahnnetz gestattet und gab dem
auch in einer Mittheilung an dieser Stelle Ausdruck. Es war
aber ein langer Weg technischer Fortschritte bis zum jetzigen
Standpunkte erst zurückzulegen und es wird auch noch ferner
viel Wasser durch die Spree fliessen, bevor mein Traum auch
nur in beschränktem Massstabe zur Ausführung kommen kann!


[[491]]

Ueber die dynamo-elektrische Maschine
und deren Verwendung zum Betriebe von
elektrischen Eisenbahnen
.


(Vortrag im elektrotechn. Verein v. 27. Januar.)


1880.


Meine Herren! Wenn man früher einem Elektrotechniker
eine Aufgabe stellte, bei welcher die Elektricität grössere Arbeit
auszuüben hatte, dann pflegte er wohl zu sagen: die Elektricität
thut keine Hausknechtsarbeit, die ist für feine Arbeit bestimmt;
sie commandirt, dirigirt, löst Kräfte aus und ein, aber schwere
Arbeit selbst zu thun, ist nicht ihre Sache! Das hat sich nun
in der neueren Zeit vollständig geändert. Die dynamo-elektrische
Maschine befähigt uns jetzt elektrische Ströme von jeder ge-
wünschten Stärke billig zu erzeugen. Die Elektricität kann
mithin jetzt auch in die Reihe der schwer arbeitenden Mächte
eintreten.


Da die Bildung des elektrotechnischen Vereins ungefähr mit
der Zeit der vollständigen praktischen Ausbildung der dynamo-
elektrischen Maschine zusammenfällt, so hielt der geschäftsfüh-
rende Ausschuss es für angemessen, dass in der ersten Sitzung
des elektrotechnischen Vereins gerade über die dynamo-elektrische
Maschine und über einen Vorschlag, den ich schon vor längerer
Zeit gemacht habe und der Ihnen Allen von der Berliner Ge-
werbe-Ausstellung her schon bekannt ist, den Vorschlag der An-
wendung der Elektricität zur Fortbewegung von Fahrzeugen oder
zum Betriebe elektrischer Eisenbahnen hier zuerst ein Vortrag
gehalten werde.


Ich werde wohl damit beginnen müssen, Ihnen den Nach-
[492] weis zu liefern, warum wir früher nicht im Stande waren, grosse
Kraftleistungen durch elektrische Ströme auszuüben. Wir hat-
ten ja galvanische Säulen oder Batterien, wir konnten dieselben
beliebig vergrössern und der Glaube, dass es gelingen würde,
mit ihrer Hülfe elektrische Motoren herzustellen, die mit der
Dampfmaschine concurriren könnten erschien nicht als unbe-
rechtigt. Bekanntlich hatte der deutsche Bundestag sogar einen
Preis ausgeschrieben für den, der die erste brauchbare elek-
trische Locomotive herstellen würde. Es haben sich nament-
lich Professor Jacoby in Petersburg und Page in Amerika sehr
eingehend mit der Sache beschäftigt. Ersterer ist auch mit einem
durch Elektricität getriebenen Boote auf der Newa spazieren ge-
fahren; er erklärte jedoch am Schlusse seiner Versuche selbst,
dass die Elektricität zur Leistung von schwerer Arbeit nicht
brauchbar wäre, weil dieselbe zu kostspielig würde, und weil
viele andere, ihm unüberwindlich scheinende, technische Schwie-
rigkeiten der Lösung der Aufgabe entgegen träten.


Dass die Arbeitskraft des Stromes der galvanischen Batterie
unverhältnissmässig kostspielig werden muss, ergiebt sich schon aus
der Betrachtung, dass bei der galvanischen Säule Zink in oxy-
direnden Säuren verbrannt wird. Das ist aber ein unverhältniss-
mässig theureres Brennmaterial, als Kohle, die im Sauerstoff der
atmosphärischen Luft verbrennt! Dazu kommt noch, dass die
galvanische Kette aus Metallen und Flüssigkeiten besteht, dass
der galvanische Leitungswiderstand der Flüssigkeiten aber ein
ausserordentlich grosser ist. Galvanische Batterien müssen da-
her mächtige Dimensionen erhalten, wenn sie geringen Leitungs-
widerstand haben sollen. Geringer Widerstand des Leitungs-
kreises ist aber für die Wirksamkeit elektrischer Kraftmaschinen
ein unbedingtes Erforderniss; denn anderenfalls wird die Elek-
tricität im Leitungsdrahte grösstentheils in Wärme umgewandelt
und nicht in Arbeit.


Eine andere Quelle elektrischer Ströme ist die Thermo-Elek-
tricität. Diese von Seebeck in Berlin entdeckte elektrische
Kraft wird vielfach zur Erzeugung schwacher Ströme angewandt,
die zur Messung sehr kleiner Temperaturunterschiede und zu
ähnlichen Zwecken dienen. In neuerer Zeit hat man versucht,
Thermosäulen in grossem Massstabe zu bauen und hat in der
[493] That sehr ansehnliche Ströme durch dieselben erzeugt. Indessen
sind die Metalle, die gute Thermo-Elemente bilden, leider auch
sehr schlechte Leiter für die Elektricität, und daher haben auch
die Thermoketten grossen Leitungswiderstand, wenn sie nicht
sehr grossen Querschnitt bekommen. In diesem Falle wird
aber auch die Wärme von den erwärmten Löthstellen schnell zu
den kalten fortgeführt, und es entsteht ein grosser Wärmeverlust.
Ausserdem haben sich grössere, für starke Ströme eingerichtete
Thermoketten bisher nicht als constant erwiesen.


Die dritte Methode, elektrische Ströme zu erzeugen, besteht
in der Anwendung der von Faraday entdeckten Induction. Es
sei mir gestattet, zum besseren Verständniss des Folgenden einige
Worte über das Wesen der Induction zu sagen.


Denken Sie sich zwei in sich geschlossene Leitungskreise, z. B.
zwei Drähte, deren Anfang und Ende mit einander verbunden
sind, von denen der eine von einem elektrischen Strome andau-
ernd durchlaufen wird. Nähert man nun zwei parallele Theile
dieser Strombahnen einander, so entsteht in dem stromlosen
Leiter während der Annäherung ein Strom, welcher dem im an-
deren vorhandenen Strome gleichgerichtet ist und der so lange
andauert als die annähernde Bewegung. Entfernt man die Strom-
bahnen wieder von einander, so entsteht im stromlosen Leiter
ein gleich starker Strom, aber von entgegengesetzter, also dem
vorhandenen primären Strome gleicher Richtung. Ein gleicher
Vorgang findet statt, wenn man zwei parallele Theile des-
selben von einem Strome dauernd durchflossenen Leiters einan-
der nähert oder von einander entfernt. Im ersteren Falle findet
mithin eine Verstärkung, im zweiten eine Schwächung des
Stromes statt. Da nun gleichgerichtete Ströme, wie Ampère
entdeckte, sich anziehen, während entgegengesetzte sich abstossen,
so kann man aus zwei solchen beweglichen Theilen einer Strom-
bahn eine sich selbstständig fortbewegende elektromagnetische
oder hier besser elektrodynamische Maschine bilden, wenn man
im Augenblicke der grössten Annäherung und der grössten Ent-
fernung durch einen geeigneten Mechanismus, einen Commutator,
die Enden des einen der beweglichen Theile der Strombahn mit
einander verwechselt, also auch die Richtung des ihn durchlau-
fenden Stromes umkehrt. Dann wird sowohl bei der Annäherung
[494] als bei der Entfernung der Strombahnen eine Arbeit im glei-
chen Sinne vom elektrischen Strome geleistet, es findet aber
auch in beiden Fällen eine ihr entsprechende Schwächung des
vorhandenen Stromes statt. Dieselbe Erscheinung findet im ver-
stärkten Masse statt, wenn man die beiden Theile der Strom-
bahn um Eisenkerne wickelt und die Pole der so gebildeten
Elektromagnete sich einander anziehend nähern oder abstossend
von einander entfernen lässt. Eine solche elektromagnetische
Maschine bewegt sich und leistet Arbeit, bewirkt aber gleich-
zeitig eine ihre Leistung vermindernde Schwächung des wirksamen
Stromes, der die Windungen des Elektromagnetes durchströmt.
Dasselbe findet statt, wenn man anstatt des vom dauernden,
nicht commutirten Strome umströmten Elektromagnetes Stahl-
magnete verwendet. Auch bei solchen Maschinen findet eine
der geleisteten Arbeit äquivalente Verminderung des den beweg-
lichen Elektromagnet durchlaufenden elektrischen Stromes statt.
Dreht man nun durch anderweitige Kräfte eine solche elektro-
magnetische Maschine mit Stahlmagneten anstatt feststehender
Elektromagnete, in deren Windungen kein Strom circulirt, in ent-
gegengesetzter Richtung, wie die, in der sie durch einen elektrischen
Strom bewegt wird, so kehrt sich auch die Richtung der indu-
cirten Ströme um, man erhält mithin in dem Umwindungsdrahte
eine Reihe von kurzen inducirten Strömen gleicher Richtung,
die aber derjenigen entgegengesetzt ist, welche ein Strom haben
müsste, der die Maschine selbst in Bewegung setzen sollte. Der-
artige sogenante magneto-elektrische Stromerzeuger sind, bald
nachdem Faraday die Induction entdeckt hatte, von Pixii, Clarke,
Stöhrer und Anderen construirt und vielfach benutzt. Sie sind
später durch die Alliance Co., durch mich selbst und durch
Wilde noch weiter verbessert, so dass sie selbst Ströme von
solcher Stärke lieferten, dass dieselben zur Erzeugung elektri-
schen Lichtes verwendet werden konnten. Diese magneto-elek-
trischen Stromerzeuger leiden jedoch an wesentlichen Mängeln,
die sie zur sicheren Erzeugung sehr starker Ströme nicht geeignet
machen. Einmal ist der Stahlmagnetismus sehr viel schwächer
als der Magnetismus, den Elektromagnete gleicher Grösse anneh-
men können; ferner nimmt der Stahlmagnetismus in viel gerin-
gerem Masse zu, als die Masse des verwendeten Stahles, und
[495] endlich ist der Stahlmagnetismus, namentlich in grossen und
kräftigen Magneten, wenig constant und verliert sich mit der
Zeit zum grössten Theile. Endlich bedingt die grosse Stahl-
masse, die zu kräftigen magneto-elektrischen Stromerzeugern ver-
wendet werden muss, ein grosses Volumen der Maschine und
mithin auch grosse oder eine grosse Zahl von Elektromagneten,
die wiederum eine grosse Länge des Umwindungsdrahtes, also
auch viel inneren Leitungswiderstand der Maschine bedingen.
Dies bewirkt aber, dass ein grosser Theil der Energie des
Stromes in Wärme anstatt in Arbeit umgewandelt wird. Aus
allen diesen Gründen ist die magneto-elektrische Maschine weder
zur Leistung von grösserer Arbeit, noch zur Erzeugung starker
Ströme geeignet.


Dies war die Sachlage, als ich im Jahre 1866 auf den Ge-
danken kam, dass eine elektromagnetische Maschine, in umge-
kehrter Richtung von der, in der sie durch einen sie durchlau-
fenden Strom bewegt wird, gedreht, eine Verstärkung dieses
Stromes bewirken müsse. Der Gedanke lag eigentlich sehr nahe,
da schon Jacoby den Nachweis geführt hatte, dass bei jeder
durch den Strom bewegten elektromagnetischen Maschine ein
Gegenstrom entstehen müsse, der den wirkenden Strom schwächt,
und da, wie oben erörtert, die umgekehrte Bewegung die Rich-
tung dieses schwächeren inducirten Stromes umkehren muss.
In der That bestätigte sich nicht nur meine Voraussetzung, son-
dern es stellte sich auch heraus, dass der auch im weichsten
Eisen zurückbleibende Magnetismus schon ausreicht, um den
Verstärkungsprocess des durch ihn erzeugten äusserst schwachen
Stromes einzuleiten. Schon nach wenigen schnellen Umdrehun-
gen ist bei einer passend eingerichteten dynamo-elektrischen
Maschine der ihre Windung durchlaufende Strom so stark ge-
worden, dass man die Drehungsgeschwindigkeit mässigen oder
äussere Widerstände oder Gegenkräfte einschalten muss, um die
Zerstörung der Maschine durch Ueberhitzung zu verhüten.


Ich habe in meiner Mittheilung über diese neue Stromer-
zeugungsmethode an die hiesige Akademie der Wissenschaften
am 17. Januar 1867 für sie den Namen dynamo-elektrische oder
Dynamo-Maschine vorgeschlagen, um dadurch anzudeuten, dass
bei ihr nicht, wie bei der magneto-elektrischen, vorhandener per-
[496] manenter Magnetismus zur Stromerzeugung benutzt wird, son-
dern dass von ihr Arbeitskraft direct in elektrischen Strom um-
gewandelt wird, wobei der erzeugte Magnetismus nur gleichsam
als Zwischenproduct auftritt.


Schon nach den ersten erfolgreichen Resultaten erkannte
ich und sprach es in meiner Mittheilung an die Akademie auch
aus, dass durch diese neue Stromquelle der Anwendung des
elektrischen Stromes neue weite technische Gebiete erschlossen
würden. In der That befähigt uns das dynamo-elektrische Prin-
cip, Maschinen in verhältnissmässig kleinen Dimensionen herzu-
stellen, welche durch aufgewendete Arbeitskraft Ströme jeder
Stärke zu erzeugen und direct technisch zu verwenden oder
durch analoge Maschinen wieder in Arbeitskraft umzuwandeln
gestatten.


Eine dynamo-elektrische Maschine ist hiernach nichts weiter
als eine richtig construirte, umgekehrt — d. h. gegen die Rich-
tung, in welcher sie sich durch einen hindurchgeleiteten Strom
von selber bewegt — gedrehte elektromagnetische Maschine.


Die grossen Pläne, die ich schon damals auf dies neu-
geborene Kind — wie man es in der ersten Freude zu thun
pflegt — baute, waren aber noch nicht lebensfähig. Ich dachte
unter Anderem damals auch schon an elektrische Bahnen durch
Berlin, um den Verkehr auf den Strassen zu vermindern. Die
dynamo ‒ elektrische Maschine war aber noch nicht fertig und
hatte ihre Kinderkrankheiten noch erst zu überstehen. Als eine
solche stellte sich eine neue Erscheinung, die Erhitzung des
Eisens bei schnellem Wechsel der magnetischen Polarität, heraus.
Die Moleküle des Eisens wollten sich nicht schnell genug drehen,
und es bedurfte dazu aufzuwendender innerer Arbeit, die als Er-
hitzung des Eisens auftrat. Die kräftigen Maschinen, die ich
zur Erzeugung elektrischen Lichtes anfertigen liess, mussten aus
diesem Grunde stets mit Wasser gekühlt werden, weil sonst die
Magnete und Drähte zu heiss wurden.


Da kamen nun zwei Erfindungen zu Hülfe, welche die Sache
bedeutend gefördert haben. Einmal erfand ein italienischer Ge-
lehrter Pacinotti den nach ihm benannten Pacinotti’schen Ring.
Es ist dies ein umwickelter Eisenring, oder mit anderen Worten
ein zu einem geschlossenen Ringe gebogener, mit isolirtem Draht
[497] umwickelter Eisenstab. Wenn man einen solchen Ring in der
Weise zwischen die Pole eines Elektromagnetes bringt, dass die
Ebene des Ringes zwischen den concaven Polflächen liegt, und
ihn dann um seine Axe dreht, so entstehen in den Windungen
der beiden Ringhälften constante Ströme, die sich gegenseitig
aufheben, wenn keine Ableitung vorhanden ist. Wird jedoch
eine solche Ableitung durch Schleiffedern, die senkrecht auf der
Verbindungslinie der Pole einander gegenüberstehen und nach
einander mit den Abtheilungen des in sich geschlossenen Um-
windungsdrahtes in leitende Berührung kommen, hergestellt, so
combiniren sich die Ströme der beiden Ringhälften zu einem
einzigen constanten Strome, der die Ableitung oder den Neben-
schluss durchläuft.


Durch diesen Pacinotti’schen Ring hatten wir das Mittel
gewonnen, einen inducirten Strom zu erzeugen ohne Polwechsel
im Eisen, konnten mithin die Erhitzung desselben beseitigen.


Gramme in Paris hat das grosse Verdienst, zuerst mein
dynamo-elektrisches Princip auf den Pacinotti’schen Ring ange-
wendet und dadurch zuerst einen praktisch brauchbaren Strom-
erzeuger für starke Ströme hergestellt zu haben. Einem der
Oberingenieure meiner Firma, Herrn v. Hefner-Alteneck, gelang
es bald darauf, diese Aufgabe auf eine wesentlich verschiedene
und noch weit vortheilhaftere Weise zu lösen. Um dies ver-
ständlich zu machen, muss ich erst sagen, dass die im Inneren
des Pacinotti’schen Ringes liegenden Theile des Umwindungs-
drahtes eigentlich keiner Inductionswirkung unterliegen; es ist
mithin so ziemlich die Hälfte des Drahtes beim Pacinotti’schen
Ringe für die eigentliche Wirkung verloren. v. Hefner-Alteneck
hat nun anstatt des Ringes einen vollen Cylinder angewendet
und diesen nur ausserhalb parallel der Axe mit isolirtem Draht
umwickelt. Durch eine sinnreiche Stromschaltung hat er be-
wirkt, dass, wenn der Cylinder sich zwischen den Polen eines
Magnetes um seine Axe dreht, gleichgerichtete Ströme wie bei
der Gramme’schen Maschine in der Schleifcontacte verbindenden
Leitung entstehen. Der Vortheil, der durch diese Construction
erzielt wird, ist klar; er besteht im Wesentlichen darin, dass
bei ihr keine inneren Drähte vorhanden sind, die der Induction
nicht unterworfen sind. Die v. Hefner’sche Maschine hat daher
32
[498] geringeren inneren Widerstand bei gleicher elektromotorischer
Kraft, was von wesentlicher Bedeutung ist und ihr namentlich
für Kraftübertragung ein Uebergewicht über die Gramme’sche
Maschine giebt.


Diese beiden Maschinen sind es nun, auf denen die Erwei-
terung des Gebietes der Elektrotechnik beruht. Es giebt zwar
noch viele andere Constructionen dynamo-elektrischer Maschinen
— in Amerika allein ist eine ganze Menge patentirt — es sind
das aber alles nur Nachahmungen oder unwesentliche Modifica-
tionen der obigen beiden, der Gramme’schen und der v. Hef-
ner’schen Maschine.


Die ausgedehnteste Anwendung, welche die dynamo-elek-
trische Maschine bisher in der Elektrotechnik gefunden hat, ist
die zur Erzeugung elektrischen Lichtes. Diese wird wahrschein-
lich in einer der nächsten Sitzungen des Vereins ausführlicher
besprochen werden. Ich will mich hier daher auf die Kraft-
übertragung beschränken, und zwar speciell auf die Kraftüber-
tragung in ihrer Anwendung auf die Beförderung von Lasten mit
Hülfe der Elektricität.


Wie ich Ihnen schon auseinandergesetzt habe, ist die
dynamo-elektrische Maschine nichts als eine passend eingerich-
tete, rückwärts gedrehte elektromagnetische. Wenn Sie also den
Strom einer dynamo-elektrischen Maschine durch die Windungen
einer ganz ähnlichen gehen lassen, dann muss sich diese drehen,
und zwar muss sie sich in umgekehrter Richtung drehen, als
wie die dynamo-elektrische gedreht wird. Es fragt sich nun,
welche Kräfte dabei auftreten und welche Wirkungen erfolgen.
Die getriebene dynamo-elektrische Maschine tritt jetzt als elektro-
magnetische auf und hat die Eigenschaft aller elektromagneti-
schen Maschinen, einen Gegenstrom zu erzeugen, der die
Tendenz hat, den Strom der stromerzeugenden Maschine zu
schwächen.


Nehmen wir nun an, wir hätten zwei ganz gleiche, wider-
standslose, dynamo-elektrische Maschinen miteinander verbunden
und wir drehten die eine in der zur Stromerzeugung erforder-
lichen Richtung, dann würde die andere in entgegengesetzter
Richtung rotiren. Da sie keinen Widerstand zu überwinden hat,
müsste sich ihre Umdrehungsgeschwindigkeit so lange ver-
[499] grössern, bis der Gegenstrom, den sie erzeugt, gerade so stark
wäre, als der Strom der Maschine, der sie in Bewegung setzt.
Dann würde Gleichgewicht eintreten, es würde kein Strom mehr
durch die Leitung gehen, aber es würde auch weder von der
einen, noch von der anderen Maschine Arbeit verbraucht oder
geleistet werden. Wenn Sie aber nun die getriebene Maschine
belasten, so vermindern Sie dadurch zunächst ihre Geschwindig-
keit; sowie sich die Geschwindigkeit vermindert, vermindert sich
auch sogleich der von ihr erzeugte Gegenstrom; die Leitung
und die Maschinen müssen mithin jetzt von einem Strom durch-
laufen werden, der der Differenz der Rotationsgeschwindigkeiten
beider Maschinen entspricht.


Dieser Ueberschuss des Stromes der stromerzeugenden Ma-
schinen verursacht, dass sie der Drehung Widerstand leistet,
also Arbeit consumirt, dass dagegen die getriebene Maschine
eine der Stromstärke und der Drehungsgeschwindigkeit ent-
sprechende Arbeit leistet.


Ich habe über diese Dinge an einer anderen Stelle Berech-
nungen publicirt; es würde hier zu weit führen, diese zu ent-
wickeln. Sie sehen aber schon aus der obigen Theorie, dass,
je schneller die beiden Maschinen laufen, desto grösser die Ar-
beit wird, die ein Strom von einer gewissen Stärke, der durch
die Leitung geht, ausübt, und desto grösser anderentheils natür-
lich auch die Arbeitskraft wird, die dazu nöthig ist, um den
Strom zu erzeugen. Man kann daher die durch zwei Maschinen
zu übertragende Arbeitskraft durch Vergrösserung der Rotations-
geschwindigkeit fast unbegrenzt vermehren, wenigstens bis zu
der Geschwindigkeitsgrenze, die noch praktisch zulässig ist. Es
folgt auch aus dieser Betrachtung, dass eine bestimmte Arbeit bei
grösserer Geschwindigkeit durch einen schwächeren Strom, mithin
durch eine geringere Geschwindigkeitsdifferenz beider Maschinen
zu erzielen ist. Da nun der Arbeitsverlust bei der Kraftüber-
tragung, abgesehen von der Reibung und dem Stromverlust
durch Erwärmung der Leitung, durch die Geschwindigkeits-
differenz auszudrücken ist, so folgt hieraus auch, dass die Arbeit
um so vollständiger übertragen wird, je grösser die Rotations-
geschwindigkeit der Maschine ist. Die Frage, wie gross der
Kraftverlust bei der elektrischen Kraftübertragung ist, kann da-
32*
[500] her nicht positiv beantwortet werden. Er ist um so kleiner, je
kräftiger die Maschinen sind und je grösser ihre Rotationsge-
schwindigkeit ist. Stellt man die Frage aber so: bei welcher
Geschwindigkeitsdifferenz der getriebenen Maschine ist die über-
tragene Arbeit bei constanter Geschwindigkeit des Stromerzeu-
gers ein Maximum? so ergiebt die Rechnung, dass dies bei voll-
kommenen dynamo-elektrischen Maschinen bei ⅓ der Umdrehungs-
geschwindigkeit der getriebenen der Fall sein würde. Unter
einer vollkommenen dynamo-elektrischen Maschine verstehe ich
hier eine solche, bei welcher die Eisenmassen so gross sind,
dass der Magnetismus noch proportional der Stromstärke in den
Umwindungsdrähten zunimmt, und bei welcher keine anderweiti-
gen Störungen auftreten. Unter dieser Voraussetzung müsste
die Arbeit einer Dynamo-Maschine mit den dritten Potenzen
der Drehungsgeschwindigkeit zunehmen. Es ergiebt sich dies
aus der Betrachtung, dass der bei der Drehung zu überwindende
Widerstand der Stärke des Magnetismus und der Geschwindigkeit,
mit welcher die Stromleiter an den Polen vorübergeführt werden,
proportional sein muss. Da nun auch die Stärke des inducirten
Stromes dieser Geschwindigkeit proportional ist und nach obiger
Annahme die Stärke des durch den Strom erzeugten Magnetis-
mus der Stromstärke mithin ebenfalls der Geschwindigkeit pro-
portional ist, so ist der bei der Drehung zu überwindende Wider-
stand dem Quadrat der Drehung proportional. Die Arbeit,
welche die Ueberwindung dieses Widerstandes kostet, ist nun
aber ihrerseits dem Product aus Widerstand in die Geschwin-
digkeit, in der er überwunden werden muss, gleich. Es müsste
danach die Arbeit, welche die Drehung einer einzelnen in sich
geschlossenen Dynamo-Maschine kostet, der dritten Potenz der
Umdrehungsgeschwindigkeit proportional sein.


Die Versuche lehren nun aber, dass dem nicht so ist; das
Anwachsen der Arbeitskraft geht weit langsamer vor sich. Da-
für giebt es verschiedene Gründe. Einmal vergrössert sich der
Widerstand der Schleifcontacte wegen der Rauhheit der Flächen
mit wachsender Geschwindigkeit. Dann ist die Stellung des
Commutators von grossem Einfluss. Ist der die Windungen
durchlaufende Strom stark, dann sind zwei Kräfte da, die die
Lage der Magnetpole bedingen. Die eine ist der Magnetismus
[501] des feststehenden Elektromagnetes, die zweite die magnetisirende
Kraft der Windungen, die bestrebt ist, die magnetische Axe
senkrecht auf ihre Ebene zu stellen. Es resultirt hieraus eine
Verschiebung der Lage der Magnetpole in der Richtung der
Drehung, oder mit anderen Worten: ich muss die Gleitstellen
nicht senkrecht zur Verbindungslinie der Pole des feststehenden
Magnetes legen, sondern ich muss sie in der Richtung der Be-
wegung verschieben. Den gleichen Einfluss hat die Geschwin-
digkeit der Drehung an sich. Diese hat sogar einen merkwür-
dig starken Einfluss, der darauf hindeutet, dass die Geschwin-
digkeit, mit der der Magnetismus im Eisen sich fortbewegt, nicht
unbegrenzt ist.


Diese Ursachen, zu denen vielleicht noch andere bisher
nicht erkannte kommen, bewirken nun, wie die Versuche lehren,
dass das Anwachsen der Arbeitskraft, welche die Drehung
erfordert, nicht mit den dritten Potenzen der Drehungsgeschwin-
digkeit wächst, sondern in einem wesentlich geringeren Grade.
Würde die erstere Annahme richtig sein, dann müsste, wie schon
gesagt, eine dynamo-elektrische Maschine, die eine elektromag-
netische treibt, in dieser eine Arbeitskraft erzeugen, die am
grössten wäre, wenn die Geschwindigkeit der getriebenen auf ein
Drittel reducirt würde. Bei der magneto-elektrischen Maschine
zeigt dieselbe Rechnung, dass das Maximum der Arbeit bei ein-
halb Verzögerung eintritt, — wohlverstanden das Maximum
der Arbeit, die eine Maschine von einer bestimmten Grösse
leisten kann, nicht das Maximum der Uebertragungsfähigkeit
von Arbeit, die bei der kleinsten Verminderung der Geschwin-
digkeit liegt.


Aus den zahlreichen Versuchen, die wir in neuerer Zeit
über Kraftübertragung angestellt haben, ergiebt sich, dass bei
mässiger Umdrehungsgeschwindigkeit etwa 45 bis 50 % der Ar-
beitskraft als nutzbare Arbeit übertragen werden. Bei schnellerer
Rotation ist diese Nutzarkeit bis auf 60 % der aufgewendeten
Arbeit gestiegen; also von 100 Pferdekraft, mit der die strom-
erzeugende Dynamo-Maschine getrieben würde, würden 60 Pferde-
kraft von der elektromagnetischen Maschine wieder hergegeben
werden können.


Meiner Ansicht nach ist die Frage, wie viel Procente der
[502] Arbeitskraft man elektrisch in maximo übertragen kann, damit
aber noch nicht abgeschlossen; es ist das nur eine Frage der
Construction und der Geschwindigkeit. Grosse Maschinen in
grosser Geschwindigkeit bewegt werden immer einen höheren Nutz-
effect geben als kleinere Maschinen und geringere Geschwindig-
keit, und ich rechne ziemlich fest darauf, dass man auf 70 % und
vielleicht noch höhere Procentsätze der Kraftübertragung ge-
langen wird.


Jedenfalls ist die von einem französischen Gelehrten aufge-
stellte Rechnung, dass 50 % das Maximum wäre, was theoretisch
übertragen werden könnte, falsch. Das beweisen schon die hier
vorliegenden Versuchstabellen.


Wenn man nun sagt: ja, 50 % Verlust ist doch immer noch
sehr viel, so kann ich das nur bedingt zugeben. Berücksichtigt
man, dass der Krafterzeuger, also der arbeitende Motor, hier
feststeht und so schwer und so gross gemacht werden kann, wie
es vortheilhaft erscheint, dass er also mit so guten Kesseln und
so guter Heizung versehen werden kann, wie es erforderlich ist,
um den grössten Nutzeffect vom Brennmaterial zu erzielen, dass
dies aber bei kleineren Maschinen und namentlich bei Locomo-
tiven nicht möglich ist, so ergiebt sich, dass ein elektrischer
Betrieb schon mit 50 % Arbeitsverlust nicht weniger ökonomisch
ist als der Locomotivbetrieb. Die Heizungskosten einer Loco-
motive sind, wie mir von verschiedenen Sachverständigen ver-
sichert worden ist, immer mindestens doppelt so gross, als die
einer guten, grossen, stehenden Dampfmaschine mit grosser Ex-
pansion und guten Kesseln. Ich sehe, mein Freund Schwartz-
kopff schüttelt den Kopf, es ist möglich, dass ich etwas zu weit
in dieser Annahme gegangen bin, aber sehr gross wird mein
Irrthum wohl nicht sein.


Nimmt man dies aber als richtig an, dann würde die elektrische
Uebertragung von einer grossen feststehenden Maschine schon
bei 50 % Nutzeffect nicht mehr Heizkosten verursachen, wie eine
Dampflocomotive auf Schienen bei gleicher Arbeitsleistung. In-
dessen darauf kommt es meiner Ansicht nach gar nicht einmal
so sehr an. Auf den grossen Verkehrsadern, auf die unser ganzes
Leben jetzt zugeschnitten ist, auf den grossen Eisenbahnen, wird
die Elektricität der Dampflocomotive keine Concurrenz machen,
[503] ebenso wenig wie das elektrische Licht meiner Ansicht nach je
das Gas vollständig verdrängen wird, trotz aller amerikanischen
Reclamen. Die Elektricität ist ganz bescheiden, sowohl bei der
Beleuchtung, wie bei der Kraftübertragung, sie will nicht ver-
drängen und absetzen, sondern sie will nur diejenigen Gebiete
an sich nehmen, die von den anderen vorhandenen bewährten
Einrichtungen schlecht bedient werden. Elektrisch wird man
z. B. grosse Räume erleuchten, deren Luft nicht durch eine
Masse Gasflammen erhitzt und verdorben werden soll. Denn
jede Gasflamme macht beinahe so viel Hitze und verdirbt so
viel Luft wie ein Dutzend Personen. Und so giebt es Fälle in
Menge, wo das elektrische Licht ausgezeichnete Dienste leisten
wird, die das Gas nicht leisten kann.


Die elektrische Kraftübertragung soll auch nur in solchen
Fällen eintreten, wo mechanische Uebertragung nicht gut ver-
wendbar ist und wo die Dampflocomotive nicht am Platze ist,
oder das Verlangte nicht leisten kann. So ist es z. B. für den
Eisenbahnbau von grosser Wichtigkeit, mit den Zügen grössere
Steigungen überwinden zu können wie bisher. Es könnten dann
sehr kostspielige lange Tunnels ganz vermieden oder abgekürzt
werden. Mit der Verstärkung der Locomotiven scheint die äusserste
Grenze erreicht zu sein, da die Adhäsion der Räder begrenzt ist
und auch das Gewicht der Locomotiven eine gewisse Grenze
nicht übersteigen darf, da sonst die Hebung der eigenen Last den
grössten Theil ihrer Leistung bildet. Auch die Vergrösserung
der Anzahl der Locomotiven kann aus diesem Grunde nicht helfen.
Hier würde nun die Elektricität wirksame Dienste leisten können,
da es mit ihrer Hülfe thunlich ist, die Zugkraft auf beliebig
viele Axen des Zuges selbst zu vertheilen.


Doch nicht allein bei der Ersteigung, sondern auch für die
Bremsung beim Niedergange des Zuges würde die Elektricität
kräftig mitwirken können, da die Dynamo-Maschine gleich gute
Dienste sowohl zur Arbeitsleistung als zur Arbeitsvernichtung
leistet.


Der zweite Punkt ist die Anwendung dieser Maschinen bei
kleinen Bahnen, auf Arbeitsplätzen in Bergwerken, in Tunnels,
in der Tiefe von Schächten, wobei die Motoren draussen über
Tage stehen und die Arbeitszüge in der Tiefe laufen, wird in
[504] Zukunft die elektrische Beförderungskraft von wesentlicher Be-
deutung sein.


Eine dritte Anwendung ist der Betrieb elektrischer Hoch-
bahnen. Wir wissen ja, dass man in Amerika jetzt die elevated
railroad oder Säulenbahn in grossen Städten vielfach baut;
namentlich in New-York ist sie schon in bedeutenter Ausdeh-
nung vorhanden. Als ich im Jahre 1867, während der Pariser
Ausstellung, einem höheren Eisenbahn-Fachmann meinen Plan
mittheilte, Eisenbahnen auf freistehenden eisernen Säulen durch
die Strassen Berlins zu bauen und dieselben elektrisch zu be-
treiben, da erschien derselbe ihm mit Recht als eine kaum reali-
sirbare Idee. Aber jetzt, nachdem die Amerikaner sie factisch
durchgeführt haben, seitdem dort sogar schwere Locomotiven
und volle Züge oben über die Säulen hinweglaufen und doch
noch kein Unglücksfall dabei vorgekommen ist, kann man schon
mit grösserem Vertrauen darauf eingehen. Meinerseits halte ich
es für eine Grossstadt für eine absolute Nothwendigkeit, ausser
den Strassenflächen für die Wagen und Fussgänger noch
eine zweite Communicationsetage für den schnellen Ver-
kehr zu haben. Sie sehen, wie mit dem steigenden
Verkehr sich unsere belebteren Strassen schon jetzt täg-
lich mehr verstopfen, es ist oft kaum mehr durchzukommen und
kein Constabler kann das ändern. Wie soll das werden
nach 10, 20, 50 Jahren! Die Statistik über die Zunahme des
Verkehrs berechtigt uns mit der vollsten Bestimmtheit zu sagen,
dass die Strassenfläche demselben schon in der nächsten Zeit
nicht mehr genügen kann. Eine Abhülfe muss gefunden werden,
wenn das auf wachsenden Verkehr sich gründende grossstädtische
Leben nicht verkümmern und die weitere Entwickelung der
Reichshauptstadt nicht vollständig gehemmt werden soll. Es
muss also nothwendig für Berlin ein neues Communicationsnetz für
schnellen Personen- und Güterverkehr geschaffen werden, wel-
ches den Strassenverkehr nicht hindert und durch ihn nicht ge-
hindert wird. Dazu erhalten wir nun die Stadtbahn. Diese
schliesst aber nur eine einzige mitten durch Berlin gehende
Linie auf. Die in der Nähe derselben Wohnenden haben zwar
den Vortheil nach zwei Richtungen hin fahren zu können; der
Verkehr strebt aber nach allen Richtungen hin. Die Stadtbahn
[505] kann dem Bedürfniss nach besseren Verkehrsmitteln daher in
der That nur sehr einseitige und ungenügende Dienste leisten.
Um ihm zu genügen, müsste ein Netz von ähnlichen Stadtbah-
nen über ganz Berlin gelegt werden, was kaum erschwingliche
Kosten und gewaltige Umwälzungen verursachen und die Stadt
selbst im höchsten Grade verunzieren würde.


Ungemein viel leichter würde derselbe Zweck zum grossen
Theil erreicht werden, wenn von allen Stationen der Stadtbahn
nach Süden und Norden hin elektrische Hochbahnen gebaut
würden, die ohne den Strassenverkehr zu hemmen, die Stadt-
bahn mit allen Theilen Berlins in Verbindung bringen würde.
Dann wäre wirklich ganz Berlin durch sie aufgeschlossen.


Eine weitere sehr nützliche Anwendung der elektrischen
Triebkraft würde noch die sein, auf grosse Entfernungen hin kleine
verdeckte Bahnen zu bauen, die dasselbe für grosse Entfernungen
thun sollen, was mit so grossem Vortheil die pneumatische Post im
kleineren Rayon, also im Innern von Städten ausübt. Es ist
jetzt, wie die Herren vom Eisenbahnfache mir Alle bezeugen
werden, eine grosse Belastung für die Eisenbahnen, dass sie oft
nur des Post- und namentlich des Briefverkehrs wegen so häufig
und schnell fahren müssen. Andererseits ist es für den Brief-
verkehr, der doch immer die Basis allen Verkehrs ist, wieder
von der grössten Bedeutung, möglichst schnelle Verbindungen
zwischen allen Verkehrsplätzen des In- und Auslandes zu haben.
Die Rohrpost erfüllt dies Bedürfniss für kleine Entfernungen,
sie ist aber nur innerhalb sehr enger Grenzen anwendbar. Die
elektrische Beförderung soll hier eintreten, um einen schnellen
Briefverkehr, wie ihn die Rohrpost für kleine Entfernungen ge-
währt, auch für grosse Entfernungen zu ermöglichen.


Ein solche „elektrische Post“ ist in den Fig. 7 und 8 der
Tafel schematisch dargestellt. Es ist angenommen, dass die
kleine bedeckte Bahn [auf] dem Eisenbahndamme, von niedrigen
eisernen Säulen S getragen, fortgeführt ist. Sind Wegeüber-
gänge oder Stationen zu überschreiten so geschieht dies ent-
weder durch Senkung der Bahn in bedeckte Canäle oder durch
Steigung derselben bis zu der nöthigen Höhe. Auf den Säulen
sind etwa ½ m lange Holzschwellen befestigt. Diese tragen die
ebenfalls etwa ½ m hohen Blechträger b1, b2, die gleichzeitig die
[506] Seitenwände der eisernen Bahnbedeckung bilden. Zwischen
diesen Blechträgern sind in passender Entfernung von einander
leichte Holzschwellen durch Winkeleisen befestigt, auf denen die
leichten Schienen a1, a2 gelagert sind. Von diesen Schienen ist
die eine häufig mit den Blechträgern, die oben mittelst einer
stückweise abnehmbaren Blechdecke d verbunden sind, die an-
dere mit sämmtlichen eisernen Säulen leitend verbunden. Auf
den Schienen laufen kleine vierrädrige Wagen mit 30cm hohen
Rädern, deren Axen aus zwei von einander isolirton Theilen
bestehen. Die eine Axe wird durch den rotirenden Cylinder
einer kleinen v. Hefner’schen Dynamo-Maschine gebildet; jeder
Umdrehung dieses Cylinders entspricht daher einer Umdrehung
der Wagenräder. Wird nun eine stehende stromerzeugende Dynamo-
Maschine an irgend einer Stelle der Bahn zwischen die beiden
Schienen eingeschaltet, so bildet die eine Schiene nebst der
Bahnbedeckung die eine isolirte Leitung, während die Erde ver-
mittelst der eisernen Tragesäulen die Rückleitung bildet. Die
leitende Verbindung der Schienen mit den Umwindungsdrähten
der Triebmaschine wird durch die Räder hergestellt. Da der
Widerstand bei einer Blechstärke der gleichzeitig als Bedeckung,
als Träger und als Leiter des elektrischen Stromes dienenden
Blechhülle der Bahn von 3 mm Blechstärke nur etwa 0,02 Queck-
silber-Einheiten pro Kilometer beträgt so genügt es alle 20 km
eine stehende Dynamo-Maschine zur Stromerzeugung aufzustellen.
Da die Wagen, welche die Briefbehälter bilden, sehr leicht sind
und ihre Last ebenfalls nicht gross ist, so werden ihre Axen
800 bis 1000 Umdrehungen machen können, sie also die Strecke
mit Eisenbahngeschwindigkeit durchlaufen. Sind die stehenden
Dynamo-Maschinen wesentlich stärker wie die Triebmaschinen,
so wird die Geschwindigkeit eines Wagens sich nicht merklich
vermindern, wenn mehrere Wagen gleichzeitig auf der Bahn
laufen. Es können also Briefwagen in kurzen Zeitintervallen
nach einander abgelassen werden. Die Einrichtungen zum all-
mäligen Herabmindern der Geschwindigkeit und zum schliess-
lichen Anhalten der Wagen an der Empfangsstation sind leicht
herzustellen und werden hier übergangen.


Die Kosten einer solchen Anlage werden wesentlich von den
Eisenpreisen abhängen. Bei der augenblicklichen unnatürlichen
[507] Höhe derselben wird man sie in der projectirten Grösse kaum
unter 18000 Mark pro Kilometer herstellen können.


Indem ich diesen Vorschlag der öffentlichen Kritik unter-
breite, will ich nur noch darauf aufmerksam machen, dass solche
elektrische Postanlagen nicht an die Eisenbahnen gebunden sind,
da einmal das Wesen der Dynamo-Maschine es ermöglicht, auch
grosse Steigungen ohne eine ihnen entsprechende Verminderung
der Geschwindigkeit zu überwinden, und da man das erforder-
liche Niveau der Bahn durch die Höhe der tragenden Säulen
herbeiführen kann, ohne eines geebneten Terrains zu bedürfen.
Die elektrische Post gestattet daher auch Orte, die keine Eisen-
bahnverbindung haben, der Wohlthat des schnellen Briefverkehrs
theilhaftig zu machen.


Wir kommen zur zweiten Einrichtung, das ist die von mir
vorgeschlagene elektrische Hochbahn. Auf beifolgender Tafel,
Fig. 1 bis 4, ist eine solche dargestellt. Die Säulen S aus
Schmiedeisen sind in etwa 10 m Entfernung von einander an der
Strassenkante des Trottoirs, an der Stelle, wo die Strassenlaternen-
Pfosten zu stehen pflegen, aufgestellt. Sie sind 4,5 m hoch, so
dass bei Strassenübergängen auch die höchstbeladenen Wagen
ungehindert unter den Blechträgern T, welche die Schienen
tragen, passiren können. Diese Blechträger sind 40 cm hoch
und lagern auf Schwellen H aus hartem Holze, die auf den
Säulen befestigt sind. Auf den eisernen Längsträgern ruhen die
niedrigen Schienen s. Ich übergehe hier die projectirten Sicher-
heitsvorrichtungen gegen seitliche Schwankungen, Temperatur-
ausdehnungen des Eisens etc., die aus den Zeichnungen direct
ersichtlich sind und vielfach modificirt werden können. Von
Wichtigkeit ist aber, dass die Längsträger mit den auf ihnen
lagernden Schienen in keiner metallischen Verbindung mit ein-
ander stehen dürfen. Das Geleise ist 1 m breit angenommen.
Auf ihm bewegen sich die in Fig. 5 und 6 in grösserem Mass-
stabe gezeichneten Personenwagen, die möglichst leicht für
15 Personen construirt sind. Bei diesen will ich nur hervor-
heben, dass jedes Rad besonders gelagert ist, und dass die Axen-
lager der Räder jeder Seite in leitender Verbindung mit einander
stehen. Die beiden Triebräder R sind mit Riemscheiben r ver-
sehen und erhalten durch diese ihre Triebkraft von der Dynamo-
[508] Maschine, die unter dem Boden des Wagens angebracht ist. Die
Riemen können vom Inneren des Wagens aus nachgespannt
werden. Die Polenden des Umwindungsdrahtes der treibenden
Dynamo-Maschine stehen mit den stromleitenden Längsträgern
und Schienen durch die Räder der rechten und linken Seite des
Wagens in leitender Verbindung. Der elektrische Leitungs-
widerstand der Träger und Schienen ist etwa 1/90 Einheit pro
Kilometer, und es wird daher nur eine stehende Maschine für
eine ganz Berlin durchlaufende elektrische Hochbahn erforderlich
sein. Es sind treibende Maschinen angenommen, die mit 5 Pferde-
kraft arbeiten und dem Wagen eine Geschwindigkeit von 30 bis
40 km geben. Die Bremsung geschieht durch Stromunterbrechung,
gewöhnliche Bremsung kann aber auch durch Kurzschluss der
Maschine des Wagens in sehr kurzer Zeit geschehen. Obschon
man in Amerika die früheren Sicherheitseinrichtungen gegen
Entgleisungen der Hochbahnwagen als unnöthig fortgelassen hat,
ist hier doch eine Fangeinrichtung G projectirt, die auch bei
eintretender Entgleisung das Herabfallen des Wagens von den
Trägern T unmöglich macht. Es sind das starke eiserne Fang-
arme, die die obere Flansche der Träger umfassen. Der Preis
einer solchen Hochbahn hängt ebenfalls wesentlich vom Eisen-
preise ab. Obschon die Anlagekosten aber auch hoch sind
(etwa 150000 Mark pro Kilometer), so macht doch schon ein
Verkehr von 5 Personen pro Wagen bei 12 Wagen in der Stunde
die Anlage rentabel — eine Folge der äusserst geringen Betriebs-
kosten des elektrischen Betriebes. Ich übergehe die Einrich-
tungen der Perrons, der Kreuzungen u. s. w., um Ihre Zeit nicht
zu lange in Anspruch zu nehmen, und will nur noch bemerken,
dass bei der beschriebenen Einrichtung ebenso wie bei der
elektrischen Post mehrere Wagen gleichzeitig auf dem Geleise
sich bewegen können, ohne dass die Geschwindigkeit dadurch
wesentlich vermindert wird.


Wenn auch nicht zu verkennen ist, dass derartige, die Strassen
durchlaufende Hochbahnen für die Bewohner der Strassen, durch
die sie gehen, manches Unangenehme mit sich führen, so werden
diese Unannehmlichkeiten doch durch die Wohlthat des schnellen,
die Strasse entlastenden Verkehrs auch für sie reichlich aufge-
wogen. Die Contruction der Bahn selbst kann bei unbedingter
[]

Figure 52. Fig. 1.


Figure 53. Fig. 2.


Figure 54. Fig. 4.


Figure 55. Fig. 6.


Figure 56. Fig. 5.


Figure 57. Fig. 3.


[figure]

[][509] Sicherheit doch so leicht und zierlich ausgeführt werden, dass
von einer Verunstaltung der Strasse durch sie kaum die Rede
sein kann. Die elektrisch betriebenen Wagen werden so schnell
und geräuschlos, ohne jede andere unangenehme Erscheinungen,
wie die Anwendung der Dampflocomotive sie mit sich
bringen, über dem Verkehrsgewirre der Strassen dahin eilen,
dass man sie bald kaum noch beachten wird. Da man der
elektrischen Bahn nicht viele Haltestellen geben wird, so werden
diese die natürlichen Ausgangs- und Knotenpunkte für Pferde-
bahn- und Omnibuslinien bilden, diesen aber die unrentabeln
langen Touren abnehmen. Mit ihrer Hülfe und unter Vermitte-
lung der Stadtbahn würde dann ganz Berlin ein rationelles,
schnelles, die Strassen entlastendes Verkehrssystem erhalten, wie
keine andere Grossstadt es aufzuweisen hätte.


Berlin ist die Geburtsstätte der dynamo-elektrischen Maschine
und der elektrischen Eisenbahn — es sollte daher auch der Welt
mit der Anlage eines Systems elektrischer Hochbahnen voran-
gehen, dem es sich auf die Dauer doch nicht wird entziehen
können! Ich bitte Sie, meine Herren, zur Realisirung dieses
Vorschlages mitzuwirken!


Schliesslich habe ich noch die Anwendung des elektrischen
Stromes der Dynamo-Maschine als Hülfstriebkraft für Locomotiv-
bahnen zu erörtern. Eine solche Einrichtung, die sich mannig-
fach modificiren lässt, ist in den beiden obenstehenden Abbil-
dungen in 1/100 nat. Gr. schematisch dargestellt.


In der Mitte zwischen den Schienen, oder besser dicht neben
dem Geleise, sind gabelförmige Stützen 8 aus Hartglas oder gut
mit Firniss getränktem Holze aufgestellt, die ein kupfernes starkes
Leitungsseil, welches an den Enden federnd gespannt ist, tragen.
Die Wagen, welche mit treibenden Dynamo-Maschinen M in
ähnlicher Weise, wie bei den elektrischen Hochbahnen beschrieben
ist, versehen sind, tragen ein System von Rollen r, welche in
ähnlicher Weise wie bei der Seil-Schleppschifffahrt das Leitungs-
seil S aus seinen Gabelstützen aufnehmen und es nach dem
Passiren des Wagens wieder in dieselben niederlegen. Die
Rollen, deren Zahl sich nach Bedarf vermehren lässt, bilden die
leitende Verbindung zwischen dem Seil und der treibenden elek-
trischen Maschine, welche unter dem Wagen angebracht werden
[510] kann, und welche durch Riemenbetrieb oder auf andere Weise
eine Axe des Wagens dreht. Die Rückleitung geschieht ver-
mittelst des eisernen Gestelles des Wagens und der Räder R
durch die Bahnschienen, wenn man es nicht vorzieht, zwei Lei-
tungsseile anzuwenden und nur diese zur Stromleitung zu be-
nutzen. Eine starke stehende Dynamo-Maschine, die zwischen
dem Kupferdrahtseile und den Schienen oder event. zwischen
den beiden Drahtseilen eingeschaltet ist, gestattet dann, eine
beliebige Zahl von Axen des Zuges mit Triebkraft zu versehen.
Anstatt des Drahtseiles kann man auch eine feste Leitschiene
neben oder auch über der Bahn durch Hartglas oder Holz, isolirt
vom Erdboden, anbringen und den Contact derselben mit den
treibenden Dynamo-Maschinen durch einen auf der Leitungs-
schiene laufenden Contactwagen herstellen, der vom Zuge durch
ein leitendes Seil nachgezogen wird. Sollen die Dynamo-Ma-
schinen zur Bremsung beim Niedergang des Zuges dienen, so
brauchen die Polenden der Umwindungsdrähte nur durch einen
Metallstreifen in directe leitende Verbindung mit einander ge-
bracht werden. Sie treten dann als stromerzeugende Dynamo-
Maschinen auf und erhitzen den durch Wasser gekühlten Metall-
streifen. Die vom niederrollenden Zuge geleistete Arbeit wird
dann zur Dampfentwickelung verbraucht.


Bei Gebirgsbahnen mit häufig wechselnden Steigungen würde
der nöthige Aufenthalt zum Aus- und Einlegen des Drahtseils
u. s. w. unbequem sein. Man kann dann auch den Dampf-
erzeuger und Motor, sowie die stromerzeugende Dynamo-Maschine
auf einem besonderen Wagen mitführen oder sie mit der Loco-
motive verbinden. Es kann dann eine beliebige Anzahl von
Wagen mit Triebmaschinen versehen werden, die durch Leitungs-
seile mit der stromerzeugenden Dynamo-Maschine verbunden sind
und durch sie getrieben werden.


Die Dynamo-Maschine wird dem Eisenbahnbetriebe noch
auf vielen anderen Gebieten durch Kraftübertragung Dienste
leisten; ich glaube aber schon über die Gebühr die Geduld der
Versammlung in Anspruch genommen zu haben und bitte nur
noch um wohlwollende und nachsichtige Kritik meiner Vorschläge.


[[511]]

Ueber die Abhängigkeit der elektrischen
Leitungsfähigkeit der Kohle von der
Temperatur.


(Mon.ber. d. Berl. Akad. d. Wiss. v. 5. Jan.)


1874.


Matthiessen machte zuerst1) auf die merkwürdige Eigen-
schaft der Kohle aufmerksam, bei höherer Temperatur die Elek-
tricität besser zu leiten, als bei niedriger. Er fand für die am
besten leitende und zugleich schwerste und festeste Modification
derselben, die Gasretortenkohle, welche durch Zersetzung des
überhitzten Leuchtgases entsteht und an den Wandungen der
Retorten der Gasbereitungsanstalten abgesetzt wird, die specifische
Leitungsfähigkeit (Quecksilber = 1 gesetzt) 0,0236 bei 25 °C. und
zwischen 0 und 140 eine Verminderung des Widerstandes um
0,00245 für jeden Grad Celsius.


Beetz fand die Thatsache der Zunahme der Leitungsfähigkeit
bei steigender Temperatur nur bei sogenannter künstlicher Kohle
bestätigt, die aus Kohlenpulver mit einem geringen bindenden
Zusatz von Theer oder Zuckerlösung zusammengepresst und
darauf erhitzt wird, wodurch die Zuckerlösung in entweichendes
Gas und Kohle zerlegt wird, aber nicht für Kohlenstäbe, die aus
Retortenkohle geschnitten waren. Bei diesen konnte er keine
Zunahme der Leitungsfähigkeit bei Erhöhung der Temperatur
beobachten. Die Zunahme der Leitungsfähigkeit der sogenannten
künstlichen Kohle erklärte Beetz durch einen stärkeren Druck,
welchen die nur lose zusammenhängenden Kohlentheilchen auf
[512] einander ausüben müssten, wenn sie durch Erwärmung aus-
gedehnt werden. Ich selbst hatte öfters Gelegenheit, mich bei
anderweitigen Versuchen zu überzeugen, dass Matthiessen’s An-
gabe richtig war. Um so auffallender war mir das Resultat einer
neueren Arbeit von Felix Auerbach, vorgelegt von Riecke der
Kgl. Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen, Jan. 1879,
dahin gehend, dass die Gasretortenkohle sich hinsichtlich der
elektrischen Leitungsfähigkeit wie die Metalllegirungen verhalte,
indem ihr Leitungswiderstand bei wachsender Temperatur in
steigendem Verhältniss zunehme. Dass ein so exacter Beobachter,
wie Matthiessen, sich so vollständig geirrt haben sollte, konnte
ich kaum annehmen, obschon auch Beetz bei der Gasretortenkohle
keine Zunahme der Leitungsfähigkeit finden konnte; die Versuche
Auerbach’s waren jedoch andererseits offenbar mit Sorgfalt und
mit guten Instrumenten durchgeführt. Leider hatten alle drei
Beobachter ihre Versuche nicht detaillirt genug beschrieben, um
durch eine kritische Untersuchung derselben den Grund der
Verschiedenheit ihrer Resultate ermitteln zu können. Bei der
allgemeinen Anordnung der Auerbach’schen Versuche lässt sich
im Wesentlichen nur die Art der Erhitzung der Kohlenstäbe und
der geringe Widerstand derselben bemängeln. Die gleichmässige
Erwärmung der ca. 6mm dicken und 122mm langen Stange in
einer lufterfüllten Kammer bis zu einer bestimmten Temperatur
dürfte sich nur sehr schwer ausführen lassen. Wie die Erwärmung
der Luft ausgeführt wurde, ist aus der Beschreibung der Versuche
nicht zu erkennen. Die Annahme, dass die Temperatur des
Stabes mit der des Thermometers übereingestimmt habe, wenn
keine weitere Veränderung des Widerstandes am Galvanometer
zu bemerken war, dürfte für exacte Messungen wohl nicht zu-
lässig sein. Da nur Mittel aus mehreren Messungen für jede
Temperatur angegeben sind, ohne Angabe der Abweichung der
einzelnen Messungen von einander, so fehlt jede Controle der
Richtigkeit der vorausgesetzten Temperaturen der Kohlenstäbe.
Immerhin ist die Uebereinstimmung der beobachteten und be-
rechneten Resultate gross genug, um den Gedanken auszu-
schliessen, dass das Endresultat der Messungen des Hrn. Auer-
bach nur auf Beobachtungsfehlern beruhen könnte. Da eine un-
zweifelhafte Entscheidung der Frage, ob und in welchem Grade
[]

Figure 58. Fig. 7.


Figure 59. Fig. 8.


Figure 60. Fig. 9.


Figure 61. Fig. 10.


[][513] der Widerstand der Kohle bei Temperaturänderungen zu- oder
abnimmt, nicht nur wissenschaftlich von grösstem Interesse ist,
sondern auch eine grosse technische Wichtigkeit erlangt hat, so
entschloss ich mich zu einer eingehenden Untersuchung derselben.


Ich liess mir cylindrische Kohlenstäbe verschiedener Dicke
und Länge anfertigen. Dieselben wurden an den Enden etwa
15mm weit galvanisch verkupfert. Dann wurden die Drähte einer
Kupferlitze an die verkupferten Enden gelegt und dieselben mit
feinem Kupferdraht einige Male umwunden, um sie dadurch an
der Kohle zu befestigen. Das so vorbereitete Kohlenende wurde
nun wieder in die Kupferlösung gebracht, und so viel Kupfer
darauf niedergeschlagen, dass die Kupferdrähte mit der ersten
Verkupferung und dadurch auch mit der Kohle fest verwachsen
waren. Die Erwärmung der so vorbereiteten Kohlen geschah in
dem Bade einer nicht leitenden Flüssigkeit. Für niedrige Tem-
peraturen bis 60 °C. benutzte ich ein schweres Petroleum, für
höhere bis 270 °C. geschmolzenes Paraffin. Die Flüssigkeit be-
fand sich in einem Blechtroge und konnte durch untergesetzte
Brenner erhitzt oder durch Einsetzen des Troges in Schnee abge-
kühlt werden. Der ca. 260 mm lange, 75 mm breite und 80 mm hohe
Trog wurde durch eine Schieferplatte bedeckt, die von zwei
kupfernen Bolzen durchbohrt war, welche an beiden Enden ge-
eignete Klemmen trugen. In die unteren Klemmen wurden die
Kupferenden der Kohle eingespannt und darauf zu noch grösserer
Sicherheit mit denselben verlöthet. Vermittelst der oberen
Klemmen des Schieferdeckels des Troges wurde die Kohle in
eine Brückencombination eingeführt, welche aus zwei genau ab-
geglichenen Widerständen im Verhältniss 1 : 100 und einer
Widerstandsscala, die 1/10 bis 10000 Q. E. einzuschalten ge-
stattete, bestand. Als Galvanometer diente ein empfindliches
Spiegelgalvanometer mit vier Drahtrollen und einem astatischen
Magnetnadelpaare. Zur Controle der Einrichtung und Consta-
tirung ihrer Empfindlichkeit sowie der Genauigkeit der Messungen
wurde zunächst anstatt der Kohle eine zweite Widerstandsscala
eingeschaltet, und constatirt, dass beim Gleichgewicht die Wider-
stände der beiden Scalen sich immer im Verhältniss 1 : 100 be-
fanden, wenn der Widerstand der Zuleitungen, der auf 0,033 Q. E.
bestimmt wurde, in Rechnung gezogen wurde. Die Einschaltung
33
[514] von 1/10 Q. E. im grossen Brückenzweige über oder unter das
Gleichgewicht bewirkte eine Ablenkung des Spiegels um circa
20 Scalenteile, wenn 1 Einheit im kleinen Brückenzweige ein-
geschaltet war. Die Temperatur des Bades wurde mittels zweier
verglichener Fuess’scher Thermometer abgelesen, von denen das
eine Temperaturen von — 30 bis + 70 mit 0,1 Grad Theilung,
das andere Temperaturen von 10 bis 300° mit Gradtheilung ab-
zulesen gestattete. Das Thermometer wurde durch einen seit-
lichen Schlitz in der Schieferplatte in das Bad eingeführt, welcher
gestattete, dasselbe in der Nähe des Kohlenstabes in der ganzen
Länge des Bades hin- und herzuführen, um dadurch eine gleich-
mässige Temperatur desselben und die Uebereinstimmung der
Temperaturen des Thermometers und der Kohle zu bewirken.
Es gelang mir auf diese Weise leicht, eine beliebige Temperatur
hervorzubringen und so lange zu erhalten, bis mein Sohn Wil-
helm, der mir bei diesen Versuchen assistirte, die Einstöpselung
des Gleichgewichtswiderstandes vollendet hatte. Es wurden ge-
wöhnlich mit derselben Kohle die Temperaturen von 0 bis 250 °C.
ein oder auch mehrere Male in auf- und absteigender Reihen-
folge durchgemessen.


Der Widerstand der Zuleitungsdrähte betrug bei sämmtlichen
Messungen 0,033 Q. E.; derselbe ist in Vertical-Colonne 4 von
dem abgelesenen Widerstande in Col. 3 abgezogen. In Col. 8
[515] ist die procentische Zunahme der Leitungsfähigkeit zwischen
zwei benachbarten Messungen für 1° Temperatur berechnet. Die
Messungen derselben Kohle wichen an verschiedenen Tagen er-
heblich von einander ab, was sich zum Theil aus Temperatur-
[schwankungen] der Zimmerluft erklärt, welche das Verhältniss
des Widerstandes der Brückenzweige etwas veränderte. Genaue
Versuche mit höherer Erhitzung als 270° (die noch durch ein
Paraffinbad zu erreichen ist) sind nur schwierig anzustellen, da
es an einer sicheren Erhitzungsmethode, so wie an bequemen
Mitteln, die Temperatur der Kohle mit Genauigkeit zu bestim-
men, fehlt. Um jedoch Gewissheit darüber zu erlangen, ob der
Widerstand der Kohle auch bei Erhitzungen bis zur Glühhitze
noch stetig abnimmt, liess ich ein ca. 200 mm langes Kupferrohr
von ca. 20 mm lichter Weite anfertigen. Vermittelst zweier durch-
bohrter Gypspfropfen, durch welche die Kupferansätze der Kohlen-
enden hindurchgeführt wurden, ward der Kohlenstab so ziemlich
in der Mitte des Kupferrohres schwebend erhalten. Das so vor-
bereitete Kupferrohr ward nun auf einen kleinen offenen Cha-
motte-Ofen gelegt und durch ein in demselben angefachtes gleich-
mässiges Holzkohlenfeuer erhitzt. Der Widerstand der Kohle
war bei Lufttemperatur vor der Erhitzung = 1,452 Q. E. Wäh-
rend der Erhitzung verminderte sich der Widerstand fortdauernd.
Als das Kupferrohr so weit erhitzt war, dass kleine Zinnstück-
chen in Berührung mit seiner Oberfläche schmolzen, war der
Widerstand = 1,375 Q. E. und als auch Zinkstückchen schmolzen,
war er 1,298 Q. E. Nimmt man die Schmelztemperatur des
Zinnes zu 230 °C. und die des Zinkes zu 423 °C. an, so ergiebt
dies, die Zimmertemperatur zu 20 °C. angenommen, zwischen
ihr und der Zinnschmelztemperatur eine procentische Zunahme
der Leitungsfähigkeit von 0,00025 und zwischen dieser und der
Zinkschmelztemperatur eine Zunahme von 0,00029 für jeden
Temperaturgrad. Wahrscheinlich hatte die Kohle noch nicht
vollständig die Temperatur der Röhre angenommen. Es wurde
darauf die Erhitzung bis zur dunkelen Rothgluth des Kupferrohres
fortgesetzt. Der Widerstand der Kohle veränderte sich dabei
sehr unregelmässig und schwankend. Als die Temperatur des
Rohres jedoch einige Minuten in der Rothgluth erhalten war,
wurde er constant und auf 1,300 bestimmt. Es wurden nun die
33*
[516] Kohlen schnell aus dem Ofen entfernt, und das Rohr schnell ab-
gekühlt. Dabei nahm der Widerstand der Kohle stetig zu, bis
er, als das Rohr die Zimmertemperatur wieder angenommen hatte,
auf 1,685 stehen blieb. Die beobachtete bedeutende Vergrösse-
rung des Widerstandes, den die Kohle nach erfolgter Abkühlung
im Vergleich mit der Messung bei Beginn des Versuches zeigte,
ist wohl wesentlich dem Umstande zuzuschreiben, dass der im
Rohre enthaltene Sauerstoff einen Theil der Kohle verzehrt
und ihren Widerstand dadurch dauernd vergrössert hatte. Da-
für spricht auch die Vergrösserung des Widerstandes während
der langsamen Erhitzung von der Zinkschmelzhitze bis zur
Rothgluth. Während der schnellen Abkühlung von dieser bis zur
Zimmertemperatur konnte keine in Betracht kommende weitere
Verbrennung der Kohle eintreten. Nimmt man die Rothgluth zu
900 °C. an, so ergiebt die Widerstandszunahme während der
Abkühlung eine procentische Verminderung der Leitungsfähigkeit
von 0,00033 pro Grad, — eine Uebereinstimmung mit den bei
niedrigen Temperaturen gefundenen Werthen, die bei der Un-
sicherheit der Temperaturannahme wohl nur zufällig ist. Als
erwiesen ist aber durch diesen Versuch anzusehen, dass die
Leitungsfähigkeit der Kohle bis zur Gluthhitze hin zunimmt.


Der Umstand, dass ich wie Matthiessen die Verbindung der
Kohlenenden mit den Zuleitungsdrähten durch galvanische Ver-
kupferung hergestellt hatte, während Auerbach sie dadurch be-
wirkte, dass er die Kohlenenden in geschmolzenes Loth tauchte
und darin erkalten liess, machte es mir wahrscheinlich, dass
hierin der hauptsächliche Grund der unrichtigen Ergebnisse der
Versuche des Letzteren zu suchen sei. Ich habe bereits im
Jahre 18601) auf die Beobachtung hingewiesen, dass Metall-
drähte, wenn sie ohne vorherige Amalgamirung in ein Queck-
silberbad getaucht werden, einen Uebergangswiderstand zeigen,
der wohl unzweifelhaft von einer schlecht leitenden, auf der
Oberfläche der Metalle durch Molekularanziehung verdichteten
Luftschicht, die der Strom durchlaufen muss, herrührt. Da die
Kohlenstäbe, welche Auerbach benutzte, bei geringer Länge ver-
hältnissmässig stark (etwa 6 mm im Quadrat) waren, mithin nur
[517] wenig Widerstand hatten, so konnte der Widerstand einer ähn-
lichen Luftschicht, die auf der Oberfläche der Kohle wegen ihrer
viel grösseren Verdichtungskraft für Gase auch viel stärker sein
wird als bei den Metallen, einen überwiegenden Einfluss auf
seine Messungsresultate ausgeübt haben. Zur Prüfung dieser
Vermuthung brach ich einen Kohlenstab, der bereits zu Messun-
gen gedient und eine entschiedene Vergrösserung der Leitungs-
fähigkeit bei wachsender Temperatur gezeigt hatte, etwa 20 mm
von dem Kupferüberzuge des einen Endes ab und tauchte das
freie Ende nach Auerbach’s Methode in geschmolzenes Loth, an
welches nach der Erkaltung der andere Zuleitungsdrath zur Brücke
festgelöthet wurde. Der Erfolg war ein überraschender. Der
Widerstand des jetzt etwa 10 mm langen Kohlenstabes ver-
grösserte sich ganz entschieden bei steigender Temperatur! Ein
anderer Versuch mit einem längeren Kohlenstabe, dessen eines
Ende ebenfalls nach Auerbach’s Methode durch Loth mit dem
Brückendrahte verbunden wurde, ergab zwar noch eine Zunahme
der Leitungsfähigkeit bei wachsender Temperatur, doch war der
Coefficient derselben ein weit kleinerer geworden. Eine genaue
Messung erwies sich als unthunlich, da der Widerstand, nament-
lich bei höheren Temperaturen, zu schwankend war.


Endlich wurde noch ein Gasretortenkohlenstab von quadra-
tischem Querschnitte, von 63 □mm Durchnittsfläche und 120 mm
Länge, zunächt an den Enden mit Loth umgossen, und dann
der Widerstand bei verschiedenen Temperaturen gemessen. Die
Messungen waren sehr unconstant, doch war ein entschiedenes
Ansteigen des Widerstandes bei steigender Temperatur zu beob-
achten. Darauf wurden die Lothkappen entfernt und die Enden
galvanisch verkupfert. Es ergab sich jetzt bei steigender Tem-
peratur eine ebenso entschiedene und ganz regelmässige Vermin-
derung des Widerstandes.


Durch diese Versuche ist wohl unzweifelhaft erwiesen, dass
bei der von Auerbach benutzten Methode der Umgiessung der
Kohlenenden mit Loth keine directe Verbindung der Kohle mit
dem Metalle erzielt wird, dass im Gegentheil wie beim Eintauchen
eines nicht direct amalgamirbaren Metalles in Quecksilber eine
die Kohle und das umhüllende Metall trennende Schicht verdich-
teter Luft auch nach der Erkaltung des Lothes fortbesteht, und
[518] dass die abweichenden Resultate Auerbach’s hierdurch ihre voll-
ständige Erklärung finden.


Es ist hiermit aber die Frage noch nicht entschieden, ob
die den Leitungswiderstand vergrössernde Luftschicht selbst die
Eigenschaft besitzt, ihren Leitungswiderstand bei wachsender
Temperatur in dem beobachteten Masse zu vergrössern. Es ist
auch denkbar, dass die ungleiche Ausdehnung des Metalles und
der Kohle eine Lockerung und Verbindung und eine Verminde-
rung der Zahl der wirklichen Berührungspunkte zwischen Kohle
und Metall herbeiführt. Dass bei der galvanischen Verkupferung
eine [trennende] Luftschicht nicht auftritt, ist wohl namentlich
dem Umstande zuzuschreiben, dass die Flüssigkeit das auf der
Kohlenoberfläche condensirte Gas auflöst, bevor der Kupfernieder-
schlag beginnt. Es empfiehlt sich aus diesem Grunde auch, die
Kohlenenden vor Beginn der Verkupferung auszukochen oder
doch einige Zeit in der erhitzten Verkupferungsflüssigkeit stehen
zu lassen. Anstatt der Verkupferung habe ich mich auch mit
gutem Erfolge der Vergoldung der Kohlenenden in einer heissen
Cyan-Goldlösung bedient. Mit der Goldschicht wurden dann die
kupfernen Zuleitungen durch Kupferniederschlag in der beschrie-
benen Weise metallisch verbunden.


Mit einem auf diese Weise mit Zuleitung versehenen runden
Kohlenstabe von 2,43 mm Dicke und 148 mm Länge zwischen
den Kupferansätzen, welche aus einem ausgewählten, sehr dich-
ten und feinkörnigen Stück Berliner Gasretortenkohle geschnitten
waren, wurde dann die folgende Versuchsreihe erzielt. Bei
dieser so wie bei den späteren Versuchsreihen wurde sowohl der
Widerstand genauer gemessen, als auch die Temperatur längere
Zeit constant gehalten, als bei den früheren Versuchen. (Siehe
Tabelle A auf nebenstehender Seite.)


Die specifische Leitungsfähigkeit der Gasretortenkohle ist
hiernach bei 0 °C 0,0136 (Quecksilber = 1) und der Coefficient
der Zunahme der Leitungsfähigkeit 0,000345 pro Grad Celsius.


Die sogenannte künstliche Kohle, welche jetzt vorzugsweise
zur Erzeugung des elektrischen Lichtes benutzt wird, wird in
der Regel aus gepulverter Gasretortenkohle mit Theer oder con-
centrirter Zuckerlösung als Bindemittel gepresst und durch wieder-
holtes Glühen und Tränken dicht und gut leitend gemacht. Für
[519]Tabelle A.

Tabelle B.

[520] diese hatte Beetz eine beträchtliche Zunahme der Leitungsfähig-
keit bei wachsender Temperatur constatirt, während er eine
solche bei Kohlenstäben, die aus Gasretortekohlen geschnitten
waren, nicht fand. Es erschien nicht unwahrscheinlich, dass die
aus zersetztem Theer oder Zucker entstandene Kohle, welche
die Gaskohlen-Partikelchen trennt, andere Eigenschaften besitzt als
die Gasretortenkohle, da die aus festen Kohlenwasserstoffen re-
ducirte Kohle sehr hartnäckig auch noch bei starker Erhitzung
Wasserstoff zurückhält und dann ein sehr schlechter Leiter ist —
wie z. B. die nicht sehr stark und anhaltend geglühte Holzkohle.
Eine solche schlecht leitende Zwischenschicht konnte auch den
Coefficienten der Zunahme der Leitungsfähigkeit wesentlich be-
einflussen. Der Versuch hat dies jedoch nicht bestätigt. Es
wurden zwei verschiedene französische, künstliche, runde Kohlen-
stäbe in der beschriebenen Weise mit Zuleitungen versehen und
ihr Widerstand bei verschiedenen Temperaturen gemessen. Es
ergaben sich dabei folgende Tabellen (siehe Tabelle B auf vor-
stehender Seite):


Es folgt hieraus, dass die künstlichen, durch Pressung aus
Kohlenpulver erzeugten Kohlenstangen, ebenso wie die aus Gas-
retortenkohle geschnittenen, bei wachsenden Temperaturen eine
grössere Leitungsfähigkeit zeigen, und dass die Zunahme nicht
ganz so gross ist wie bei der Gasretortenkohle. Die von ande-
ren Beobachtern gefundenen abweichenden Resultate werden wahr-
scheinlich ebenfalls auf mangelhafte Verbindung der Enden zu-
rückzuführen sein.


Bei den beschriebenen Versuchen stellt sich keine bestimmte
Vergrösserung oder Verminderung des Zunahme-Coefficienten mit
der Temperatur heraus. Ich nehme auch um so mehr Anstand,
aus den mitgetheilten Messungen in dieser Hinsicht eine be-
stimmte Ansicht auszusprechen, als sie überhaupt nicht so be-
stimmte und sichere Resultate angegeben haben, wie die ange-
wendete Methode sie erwarten liess. Ob diese bisher nicht er-
klärlichen Unregelmässigkeiten darin zu suchen sind, dass die
leitende Verbindung auch bei der galvanischen Verkupferung
noch nicht als vollkommen zu betrachten ist, oder ob die Kohle
ähnlichen, ihre Leitungsfähigkeit ändernden Einflüssen unterliegt,
wie das Selen, muss einer eingehenderen Untersuchung vorbe-
[521] halten bleiben. Die Erklärung, welche Beetz für die Erschei-
nung der Zunahme der Leitungsfähigkeit der Kohle bei steigen-
der Temperatur gegeben hat, würde nur auf Kohlenpulver oder
lose zusammenhängende Kohle anwendbar sein, welche von festen,
sich weniger wie die Kohle ausdehnenden Wänden umschlossen
war. Da das Gesammtvolumen des Körpers in demselben Ver-
hältniss wächst wie das seiner Theile, so kann eine vergrösserte
Pressung der Theile bei gleichmässiger Temperaturerhöhung bei
nicht eingeschlossenen Körpern auch nicht eintreten. Beetz führt
zur Unterstützung seiner Hypothese einige Versuche an, die er
mit Metallspähnen angestellt hat. Sowohl durch äussere Com-
pression als durch Erhitzung verminderte sich der Leitungs-
widerstand derselben. Dass dies eintreten muss, wenn wirk-
lich eine Compression des Pulvers auftritt, ist wohl unzweifel-
haft und auch durch Versuche vielfach bestätigt. Wenn das
Pulver von Gefässwänden theilweise umschlossen war, konnte da-
her sehr wohl eine Verminderung des Widerstandes eintreten.
Wahrscheinlich ist aber auch die auf der Oberfläche der Theil-
chen des Pulvers condensirte Luft von Einfluss gewesen. Der
Rückschluss vom Pulver auf eine zusammenhängende Masse ohne
umschliessende Wände, wie die geformte Kohle, kann aber nicht
zugestanden werden. Dass selbst ein starker Druck die Lei-
tungsfähigkeit der geformten Kohle nicht ändert, ist durch einen
einfachen Versuch nachzuweisen. Versieht man die Enden eines
Kohlencylinders durch galvanische Verkupferung mit sicheren,
angelötheten Zuleitungen, und setzt dann den Kohlenstab in
der Richtung seiner Axe einer starken Pressung aus, so verän-
dert sich der Leitungswiderstand desselben nicht im mindesten,
wenn man selbst den Druck bis zur Zertrümmerung der Kohle
steigert. Es zeigt dies, dass die gut imprägnirte und gebrannte
geformte Kohle als fester, wenn auch noch poröser Körper und
nicht mehr als nur lose zusammenhängendes, verschiebbares Pul-
ver zu betrachten ist. In noch viel höherem Grade gilt dies
von der ungepulverten, festen Gasretortenkohle. Der Bildungs-
process dieser Kohle geht in ähnlicher Weise vor sich, wie die
galvanische Abscheidung der Metalle, da, wie schon hervorge-
hoben wurde, die Kohle in unmittelbarer Berührung mit der
Fläche der Retortenwand frei wird und sieh durch Molekular-
[522] anziehung im Augenblick des Freiwerdens an einander legt. Die
Gasretortenkohle ist mithin nicht als zusammengebackenes Pul-
ver, sondern als eine feste Kohlenmasse zu betrachten. Dass
das specifische Gewicht der Gasretortenkohle ein verschiedenes
ist, wird wohl mehr eine Folge eingeschlossener kleiner Hohl-
räume und der Einschliessung fremder Körper als einer Ver-
schiedenheit der Masse selbst zuzuschreiben sein. Die allge-
mein gültige Eigenschaft der Kohle, in höherer Temperatur
besser zu leiten, muss daher als eine Eigenschaft der Kohlen-
materie selbst und nicht als eine Folge ihrer Structur aufgefasst
werden.


Eine Analogie für dies Verhalten der Kohle bildet das der
Elektrolyte — zu denen nach Hittorf auch Einfach-Schwefel-
kupfer und andere zusammengesetzte feste Körper zu rechnen
sind — und von einfachen Körpern Tellur und Selen. Letzteres
ist bei schneller Abkühlung aus dem geschmolzenen Zustande
ein Nichtleiter — wie auch der Diamant. Wird es bis 100 °C.
erwärmt, so wird es krystallinisch und leitet dann die Elektri-
cität, wie die Kohle, in der Weise, dass seine Leitungsfähigkeit
bei wachsender Temperatur zunimmt. Das Selen verliert bei
der Erwärmung auf 100 °C. latente Wärme; es ist daher wahr-
scheinlich, dass diese Verminderung der latenten Wärme es zu
einem Leiter der Elektricität gemacht hat. Wenn man schnell
erstarrtes, sogenanntes amorphes Selen bis in die Nähe seines
Schmelzpunktes, d. i. bis über 200 °C. erhitzt und längere Zeit
in dieser Temperatur erhält, so verliert es noch mehr latente
Wärme und nimmt dann, wie ich gezeigt habe1), eine weit
grössere Leitungsfähigkeit an. Es leitet die Elektricität aber
jetzt wie ein Metall, d. i. seine Leitungsfähigkeit nimmt bei
Erhöhung der Temperatur ab. Es erscheint daher wahrschein-
lich, dass die Eigenschaft des krystallinischen, noch latente
Wärme haltenden Selens, die Elektricität wie die Elektrolyte
und die Kohle in der Weise zu leiten, dass die Leitungsfähig-
keit mit der Temperatur zunimmt, daher rührt, dass es noch
latente Wärme enthält. Da latente wie freie Wärme ein Hinder-
[523] niss der Elektricitätsleitung bilden oder wahrscheinlich sogar die
Ursache des Leitungswiderstandes sind, und da die Stabilität
allotroper Zustände, welche Wärme gebunden halten, durch Er-
hitzung sich vermindert oder ganz verloren geht, wobei dann die
latente Wärme entweicht, so muss das Hinderniss, welches die
letztere dem Durchgange des elektrischen Stromes entgegensetzt,
bei erhöhter Temperatur geringer werden. Die bessere Leitungs-
fähigkeit der Kohle bei höherer Temperatur lässt sich daher
wie beim krystallinischen Selen erklären, wenn man annimmt,
dass die Kohle wie dieses eine latente Wärme enthaltende,
allotrope Modification eines hypothetischen metallischen Kohlen-
stoffs ist.


Für diese Annahme spricht auch das Verhalten der Kohlen-
stäbe, zwischen denen ein Davy’scher Lichtbogen gebildet wird.
Das elektrische Licht hat bekanntlich seinen Sitz namentlich auf
der hell glühenden Oberfläche der positiven Kohle. Von dieser
geht nun auch der Transport der Kohle zur negativen Kohle aus.
Stellt man zwei nicht zu starke Kohlenstäbe mit ebenen paral-
lelen Grenzflächen einander dicht, etwa 1 mm von einander,
gegenüber und lässt einen sehr starken Strom zwischen ihnen
übergehen, so findet ein schnelles Uebergehen der Kohle von der
positiven zur negativen Kohle statt, und die letztere wächst
eben so schnell, als die obere verzehrt wird. Die Folge ist,
dass der Zwischenraum fortwandert, ohne merklich grösser zu
werden. Es erklärt sich dies dadurch, dass die Kohle während
ihres Transportes durch den Bogen nicht verbrennen kann, weil
der schmale Zwischenraum das Eindringen der Luft nicht oder
doch nur in sehr geringem Masse gestattet. Den durch gleich-
gerichteten Strom gebildeten elektrischen Lichtbogen pflegt man
so zu reguliren, dass der Bogen gerade die nöthige Länge hat,
um alle transportirte Kohle zu verbrennen. In diesem Falle
bemerkt man deutlich durch ein lichtschwächendes Glas, dass es
wesentlich die oft wechselnden Stellen der positiven Kohlenober-
fläche, von denen der Davy’sche Bogen grösstentheils ausgeht,
sind, die sehr hell leuchten. Es ist also nicht, wie wohl ange-
nommen wird, das Aufschlagen der durch den Bogen losgeris-
senen und transportirten Kohlentheilchen auf die negative Kohle,
sondern das Loslösen derselben von der positiven Kohle, was
[524] das Licht wesentlich erzeugt. Diese Wärmeerzeugung an der
Trennungsstelle der losgelösten von der festen Kohle ist kaum
anders zu erklären als dadurch, dass der Kohlenstoff durch den
elektrischen Strom in metallischer Form fortgeführt wird, dass
mithin die latente Wärme der Kohle an der Trennungsstelle frei
wird und dadurch diese vorzugsweise hoch erhitzt.


[[525]]

Ueber elektro-technische Hülfsmittel gegen
schlagende Wetter in Bergwerken.


(Vortrag im elektrotechn. Verein v. 25. Mai.)


1880.


Die Veranlassung dieser Mittheilung ist das Entsetzen,
welches ich und wohl wir Alle so häufig empfinden, wenn wir
in den Zeitungen lesen: in einem Bergwerke sind wieder viele,
oft hunderte von Menschenleben durch schlagende Wetter zu
Grunde gegangen! Es kommt dies in den Kohlenbergwerken aller
Länder mit einer schrecklichen Regelmässigkeit vor, und man
merkt nicht, dass etwas Wirksames geschieht, um diese traurigen
Katastrophen zu beseitigen, und sieht nicht, dass im Laufe der Zeit
grössere Sicherheit herbeigeführt ist. Die Elektricität ist ja häufig
Helferin in der Noth, und es scheint mir eine wichtige Aufgabe
für den Elektro-technischen Verein zu sein, auch diese Humani-
tätsfrage vor sein Forum zu ziehen. Ich glaube, dass dies auch
nicht ohne Nutzen sein wird, da in der That mehrere Vorschläge,
die schon vor längerer Zeit gemacht, aber erfolglos geblieben
sind, wesentlich, weil die damalige Technik noch nicht hinreichend
entwickelt war, jetzt ausführbar erscheinen. Es ist immer gut, in
solchen Fällen von Zeit zu Zeit eine Revision vorzunehmen und
Alles, was früher nicht praktisch erschien, mit dem Wissen und
Können der neueren Zeit zu beleuchten. Ich möchte Ihnen daher
zuerst eine kleine Uebersicht über die Ursachen dieser schreck-
lichen Explosionen und die Mittel, die zu ihrer Vermeidung in
Anwendung kommen, geben, soweit ich sie als Laie kenne; denn
ich bin kein Bergmann, kann also die schlagenden Wetter nur
vom physikalischen und chemischen Standpunkt, und nicht vom
rein bergmännischen aus behandeln.


[526]

Die schlagenden Wetter bestehen bekanntlich aus Gruben-
oder Sumpfgas, einer Verbindung von 4 Aequivalenten Wasser-
stoff und 2 Aequivalenten Kohle. Es scheint, als wenn bei seiner
Bildung ein besonderes chemisches Agens, die Zeit, die wesent-
lichste Rolle spielte. Im Laufe langer Zeitabschnitte finden che-
mische Actionen statt, die wir in der kurzen Spanne Zeit, die
uns im Laboratorium zu Gebote steht, nicht nachmachen können.
Die Braunkohle, die Steinkohle, der Anthracit sind in dieser
Reihenfolge aus Holzablagerungen entstanden, die im Laufe der
Zeit verkohlt sind, nicht durch Hitze, sondern durch den Einfluss der
Zeit. Im Laufe der Zeit hat sich anscheinend Wasser aus der Holz-
substanz ausgeschieden. Dieses hat sich im Augenblick des Frei-
werdens zerlegt, der Sauerstoff hat sich mit Kohle zu Kohlensäure,
und der Wasserstoff mit weiterer Kohle aus dem grossen Kohlen-
vorrathe zu Kohlenwasserstoffgas verbunden, und es entstehen so
die beiden Arten schädlicher Grubengase, die nur erstickend wir-
kende Kohlensäure und das brennbare Kohlenwasserstoffgas, wel-
ches, mit atmosphärischer Luft gemischt, die sogenannten schlagen-
den Wetter bildet. Aus dieser Entstehungsweise folgt schon, dass
kein Kohlenlager von ihnen ganz frei sein kann. Es ist sogar anzu-
nehmen, dass der grösste Theil der gebildeten Gase im Laufe der Zeit
— die wahrscheinlich nach Millionen von Jahren zu rechnen ist —
durch die überlagernden Stein- und Erdschichten nach und nach
entwichen ist, und dass wir es nur mit einem zurückgebliebenen
Reste zu thun haben. Ganz frei von ihnen wird wohl kaum irgend
ein Kohlenlager sein. Wenn nun ein solches Lager durch einen
Schacht oder Stollen aufgeschlossen und dadurch in Verbindung
mit der Atmosphäre gebracht wird, so muss das Gas, welches
sich zum Theil auf der Oberfläche der Kohlenstücke condensirt,
zum Theil gasförmig in den vorhandenen Poren desselben be-
findet, sich mit der atmosphärischen Luft ins Gleichgewicht setzen
und ein entsprechendes Ausströmen desselben stattfinden. Diese
Entwickelung des brennbaren Gases muss um so stärker sein,
je geringer der Luftdruck ist. Die grossen unheilvollen Explo-
sionen schlagender Wetter sollen daher auch meistens nach einem
starken Fallen des Barometers eingetreten sein. Das leichte Gruben-
gas sammelt sich zunächst an der Grubendecke und mischt sich
dann allmählich durch Diffusion mit der atmosphärischen Luft, was
[527] unter Umständen durch Bewegung der Luft noch befördert wird.
Dann erst tritt die Gefahr ein. Das Grubengas ist nämlich zwar
brennbar, explodirt aber erst, wenn es mit Luft, also mit Sauer-
stoff in hinlänglichem Masse vermischt ist, so dass eine gleich-
zeitige Verbrennung der ganzen Masse stattfinden kann. Es folgt
schon hieraus, dass man kaum dahin gelangen wird, die schla-
gende Wettergefahr vollständig zu beseitigen.


Man kann sich dies auf drei Weisen vorstellen: die eine
wäre im Prinzip die, dass man das Auftreten der Gase aus dem
Flöz in die Grubenluft überhaupt verhinderte. Die zweite wäre
die, dass man die austretenden Gase sofort und noch bevor eine
gefährliche Mischung entstände, unschädlich macht; es kann dies
durch Ventilation oder Verbrennung geschehen. Die dritte Me-
thode wäre ein passendes Signalsystem, welches nicht nur in der
Grube selbst, sondern auch den Beamten ausserhalb der Grube
fortlaufend und selbstthätig anzeigt, welches der Stand der Gruben-
gas-Entwickelung und Ausquellung in der Grube ist, so dass man
keine Leute hineinlässt, wenn Gefahr vorhanden ist, und sie
rechtzeitig zurückruft, wenn sie während der Arbeit entsteht.
Das sind die drei Wege, auf denen man dem Feinde zu Leibe
zu gehen und ihn wenigstens unschädlich zu machen suchen kann.
Das beste, wirksamste Mittel wird immer eine gute Ventilation
der Grube sein. Diese wird auch überall und meist mit grosser
Sorgfalt angewendet, und sie ist das Mittel, die grossen Kohlen-
massen zu fördern ohne zu grosse Verluste an Menschenleben.
Das zweite allgemein angewendete Hülfsmittel ist die Verwendung
der segensreichen Erfindung der Grubenlampe von Humphrey Davy.
Sie beruht darauf, dass Flammen erlöschen, wenn sie unter die
Glühhitze abgekühlt werden. Hält man eine Kerzenflamme unter
ein engmaschiges Drahtnetz, so brennt sie nur bis zu diesem
Netze. Das Drahtnetz entzieht dem hindurchstreichenden brennen-
den Gase viel Wärme, und da die Flamme ohne Glühhitze nicht
bestehen kann, so erlischt sie innerhalb des Netzes. Ist also eine
Lampe mit einem guten, engen Drahtnetz umgeben, so kann eine
Explosion sich nicht durch das Netz hindurch fortpflanzen, es
wird mithin das ausserhalb des Netzes befindliche explosive Gas
nicht entzündet. Der Bergmann kann aus dem eigenthümlichen
Zucken der Flamme ersehen, dass Gefahr vorhanden ist. Das sind
[528] recht schöne und ausserordentlich wirksame Mittel, die gewiss vielen
Tausenden das Leben gerettet haben. Leider hat aber die Erfahrung
des letzten halben Jahrhunderts gezeigt, dass sie nicht ausreichen;
denn wenn sie ausreichten, würden wir nicht fortlaufend noch so
viele Explosionen haben, und die häufigen Unglücksfälle durch
mörderische schlagende Wetter, die, ich muss sagen, zur Schmach
der Wissenschaft und Technik noch überall in der Welt so häufig
vorkommen, würden ausbleiben oder doch wenigstens nur selten
eintreten. Es vergeht aber fast kein Monat, wo nicht eine solche
verderbliche Explosion durch die öffentlichen Blätter gemeldet
wird. Es zeigt dies unwiderleglich, dass die bisherigen Mittel
nicht ausreichen und dass noch nach anderen gesucht werden
muss.


Es haben sich auch schon vielfach Gelehrte und Techniker
mit dieser Frage beschäftigt und haben Hülfsmittel anderer Art
in Vorschlag gebracht. Davy selbst, dann Graham, ein berühmter
englischer Chemiker, haben die Natur der schlagenden Wetter
in einigen Gruben, die besonders gefährlich waren, genau unter-
sucht und die chemischen Eigenschaften des Grubengases ermittelt.
Merkwürdigerweise hat Graham 1) gefunden, dass fein vertheiltes
Platina auf reines Kohlengrubengas nicht, wie auf andere Kohlen-
wasserstoffe, katalytisch einwirkte. Die Autorität Grahams ist
wohl der Grund gewesen, weshalb das fein vertheilte Platina als
Hülfsmittel zur Anzeige vorhandenen Grubengases bis auf neuere
Zeit ausser Betracht geblieben ist. Im Jahre 1847 machte
Payerne in Paris 2) allerdings den Vorschlag, Pumpen in der
Grube aufzustellen, welche die Luft durch grosse Diaphragmen,
die mit Platinmohr oder Platinschwamm belegt waren, pumpen
sollten. Er sagt, im Widerspruch mit Graham und Dr. Ure, das
Grubengas würde langsam durch die Contactwirkung des fein ver-
theilten Platinas verbrennen, und daher eine gefahrlose Reinigung
der Luft von Grubengas eintreten. Dieser Vorschlag hat weiter
keinen Erfolg gehabt. Vielleicht ist er der Kostspieligkeit der
nöthigen grossen Massen von Platina wegen gar nicht praktisch
versucht.


[529]

Im Jahre 1868 machte Delaurier 1) der Pariser Akademie
einen ganz originellen Vorschlag zur Sicherung der Arbeiter gegen
Grubengas-Explosionen. Er wollte einen isolirten Draht durch
die ganze Grube legen, der an verschiedenen Stellen verdünnt
und daselbst mit Schwefelblumen bestreut werden sollte. Bevor
die Arbeiter die Grube beträten, sollte dann der Strom einer
kräftigen galvanischen Batterie durch den Draht geleitet werden.
Dieser würde die verdünnten Stellen des Drahtes erhitzen und den
Schwefel entzünden, der dann seinerseits die schlagenden Wetter
entzünden würde, wenn irgend welche vorhanden waren. Ent-
stände keine Explosion, so könnten die Arbeiter ohne Gefahr
die Grube betreten. Dieser Vorschlag, eine Prüfung auf Explo-
sion vor dem Eintritt der Arbeiter in die Grube vorzunehmen,
erscheint sehr beachtenswerth.


Die dritte vorgeschlagene Methode besteht nun darin, ein
gutes Anzeigesystem zu organisiren, dass die nöthigen Mittel
gewährt, die Gefahr zur rechten Zeit zu erkennen und sie durch
richtig geleitete Ventilation zu beseitigen, bevor die Gasmischung
explosiv wird.


Ansell in London schlug 1867 2) vor, die Gefährlichkeit der
schlagenden Wetter dadurch zu verringern, dass man Apparate
aufstellte, welche auf elektrischem Wege angesammeltes Gruben-
gas in der Grube selbst wie ausserhalb derselben anzeigten.
Sein Apparat beruhte auf der Erscheinung, dass manche Stoffe,
wie Kautschuck, Marmor u. s. w. undurchdringlich für atmo-
sphärische Luft, aber leicht durchdringlich für Grubengas und
manche andere Gase sind. Da die Anfüllung eines Raumes
mit einem Gase kein Hinderniss für die gleichzeitige Anfüllung
mit einem anderen Gase ist, so muss daher in eine mit Luft
gefüllte Kautschuckblase, die in einen grubengashaltigen Raum
gebracht wird, Grubengas durch die Kautschuckwand hindurch
einströmen und die Blase sich in Folge dessen ausdehnen.
Ansell construirte nun Apparate, bei welchen diese durch En-
dosmose bewirkte Druckvermehrung im Innern eines mit einer
Kautschuck- oder Marmorplatte abgeschlossenen Luftraumes zur
34
[530] Hervorbringung eines Contactes benutzt wurde, durch welchen
an beliebigen Stellen ein elektrisches Warnungssignal gegeben
wurde. Auch dieser sinnreiche Vorschlag hat meines Wissens
keine praktische Anwendung gefunden. Vielleicht war der Um-
stand daran Schuld, dass eine Ansammlung von Kohlensäure
osmotisch ähnlich wirkt, wie Grubengas, man daher nicht sicher
wissen konnte, welches Gas durch den Apparat angezeigt
wurde.


Dr. van der Weyde hat 1870 1) eine Modification des An-
sell’schen Apparates vorgeschlagen, während A. Winkler 1879 2)
vorschlug, häufige Analysen des in der Grubenluft vorhandenen
Grubengases vorzunehmen, indem man das durch beigemischtes
Grubengas verminderte specifische Gewicht der Grubenluft be-
stimmt. Endlich hat ein A. P. unterzeichneter Anonymus 1877 3)
vorgeschlagen, durch fortdauernde Inductionsfunken das ent-
zündlich gewordene Gemisch von atmosphärischer Luft und
Grubengas in einem mit Drahtwalzen verschlossenen Gefässe zu
entzünden und durch die entstehende Explosion einen Contact
herzustellen, welcher ein Gefahrsignal geben sollte.


Neuerdings hat ein Herr Studiosus Körner in Freiberg ein
Deutsches Reichspatent Nr. 6179 auf einen Apparat genommen,
welcher auf der von Graham geleugneten, jedoch von Payerne
im Widerspruch mit diesem und mit Dr. Ure aufrecht erhaltenen
und zu seinem Vorschlage benutzten langsamen Verbrennung des
Grubengases durch fein vertheiltes Platina (Platina-Moor oder
Schwamm) beruht. Er will die Wärme, die durch diese lang-
same Verbrennung entsteht, dazu benutzen, Quecksilber-Thermo-
meter zu erhitzen und die steigende Quecksilber-Säule zur Her-
stellung von Contacten in ähnlicher Weise wie Ansel verwenden,
um Signale drohender Gefahr zu geben. Auf den etwas com-
plicirten telegraphischen Mechanismus, welcher die Nummer oder
den Ort des Gefahr meldenden Apparates ausserhalb der Grube
anzeigen soll, will ich hier nicht näher eingehen.


Wie aus dieser historischen Uebersicht der zu meiner
[531] Kenntniss gekommenen Vorschläge, die bisher gemacht sind, um
die schrecklich grossen Verluste an Menschenleben und Eigen-
thum, welche fortwährend durch schlagende Wetter verursacht
werden, zu verhüten, hervorgeht, giebt es ausser der Venti-
lation und der Sicherheitslampe noch mehrere Mittel, um entweder
die Ansammlung schlagender Wetter in gefahrbringender Grösse
zu verhindern oder die Gefahr rechtzeitig anzumelden und da-
durch den Verlusten vorzubeugen. In der Praxis sind dieselben
meines Wissens bisher alle nicht zur Anwendung gekommen.
Es ist möglich, dass Versuche mit einzelnen dieser Vorschläge
gemacht und dass dieselben nicht befriedigend ausgefallen sind.
Wenn die Theorie aber richtig ist, dürfen einzelne ungünstige
Versuche nicht zurückschrecken, da praktische Schwierigkeiten
fast immer zu überwinden sind. Ausserdem ist namentlich die
Elektrotechnik in neuerer Zeit sehr vorgeschritten und macht
Manches jetzt leicht und sicher ausführbar, woran früher alle
Mühen scheiterten! Es lohnt sich daher wohl, die Frage der er-
höhten Sicherung der Kohlengruben gegen schlagende Wetter an
der Hand der bisher gemachten Vorschläge und unter Berück-
sichtigung des jetzigen Standpunktes der Technik einer Prüfung
zu unterziehen.


Die Möglichkeit, den Austritt von Grubengas überhaupt durch
Erzeugung eines dauernden Ueberdruckes im ganzen Bergwerke
zu verhindern, ist wohl kaum zu bezweifeln, da ja schon die ge-
ringe Veränderung des Atmosphärendruckes sich so ausser-
ordentlich bemerklich macht. Wahrscheinlich würde ein diese
Schwankungen wenig übersteigender Ueberdruck schon ausreichen,
um nicht nur jedes Einströmen von Grubengas zu verhindern,
sondern es würde umgekehrt häufig Luft durch die Kohlenflöze
getrieben werden und diese dadurch nach und nach von Gruben-
gas befreit werden. Ob sich aber wirklich durch kräftige Ven-
tilation und geeignete Verschlussvorrichtungen ein Ueberdruck
in der Grube wird herstellen lassen, wird in jedem Einzelfalle
erst festgestellt werden müssen. In der Regel wird man diese
Methode wahrscheinlich nicht anwenden können. Noch viel
weniger wird sich zu allgemeinerer Verwendung die von Payerne
vorgeschlagene, fortlaufende Reinigung der Luft der Gruben von
Grubengas durch wiederholtes Hindurchtreiben derselben durch
34*
[532] fein vertheiltes Platina eignen. Schon die grosse Veränderlich-
keit der Grubengaseinströmung würde diese Methode — ganz
abgesehen von ihrer Kostspieligkeit — unanwendbar und selbst
gefährlich machen. Beachtenswerther ist dagegen, wie schon
hervorgehoben, das von Delaurier vorgeschlagene Mittel, vor
Eintritt der Arbeiter in die Grube an verschiedenen Stellen der-
selben galvanische Zündungsversuche zu machen. Bei dem jetzigen,
weit entwickelteren Stande der galvanischen Zündungen würde
sich dies mit grosser Sicherheit und mit verhältnissmässig ge-
ringen Mühen und Kosten durchführen lassen. Freilich wäre
der Schutz gegen Explosionen während der Arbeit immer noch
nicht erreicht. Um auch diesen zu erzielen, müssten an sehr
vielen und namentlich den hochgelegenen und besonders gefähr-
deten Stellen stets sichere Zündungsstellen vorhanden sein, wie
z. B. offene Flammen. Das leichte Grubengas lagert sich zu-
nächst stets an der Decke der inneren Räume (Gänge u. s. w.)
der Grube ab und vermischt sich erst allmählich durch Diffusion
und Luftströme mit der atmosphärischen Luft zu explosivem
Gemenge. Wird es angezündet, bevor diese Mischung eingetreten
ist, so findet eine gefahrlose, ruhige Verbrennung des Gases statt,
welche den Arbeitern Zeit lässt, sich zurückzuziehen. Die Gruben
durch viele, nahe der Decke angebrachte, offene Flammen zu-
gleich zu erleuchten und gegen Explosionen zu sichern, ist meines
Wissens auch schon vorgeschlagen. Gas-, Petroleum- oder Oel-
flammen verzehren aber sehr schnell den Sauerstoff der Luft in
den Gruben und mischen sie mit ihren nicht athembaren Ver-
brennungsproducten. Ohne diesen Uebelstand würde sich aber
derselbe Zweck durch elektrische Beleuchtung erzielen lassen.
Es lassen sich jetzt in einen Leitungskreis 20 bis 30 kleine elek-
trische Lichter einschalten, die von einer am Tage stehenden
Kraftmaschine gespeist und jederzeit gleichzeitig entzündet und
ausgelöscht werden können. Die verhältnissmässig geringen Kosten
dieser Grubenbeleuchtung würden durch bessere und schnellere
Arbeit bei heller Beleuchtung wahrscheinlich mehr wie äquilibrirt
werden. Wenn die Flammen einige Zeit vor dem Einfahren der
Arbeiter angesteckt und während der Arbeitszeit leuchtend er-
halten werden, wird kaum jemals ein grösserer Unglücksfall
durch schlagende Wetter zu verzeichnen sein! In vielen Fällen
[533] wird man freilich der nicht ganz unbedeutenden Kosten der ersten
Anlage, der geringen Mächtigkeit der Kohlenflötze und der grossen
Ausdehnung des Arbeitsfeldes wegen diese Sicherungsmethode
nicht anwenden können. Es bieten dann die Vorschläge von
Ansell und Körner ebenfalls wirksame Mittel zur Verhütung von
Unglücksfällen durch schlagende Wetter. Beide Vorschläge kom-
men, wie schon hervorgehoben, darauf hinaus, an verschiedenen
und namentlich den besonders gefährdeten Stellen des Gruben-
baues Instrumente aufzustellen, welche das Auftreten von Gruben-
gas sowohl den in der Grube beschäftigten Arbeitern wie an
einem ausserhalb der Grube gelegenen Orte sogleich anzeigen.
Functioniren die Apparate unter allen Umständen sicher und sind
sie in ausreichender Zahl und an den richtigen Stellen in der
Grube aufgestellt, so wird die durch ein solches Controlsystem
gegebene Sicherheit ebenfalls eine ziemlich ausreichende sein.
Ein Ansell’scher, durch Endosmose wirksamer Anzeiger für
Grubengas lässt sich sehr einfach und billig herstellen. Sie sehen
dort einen solchen Apparat, der einfach aus einem Metallringe
besteht, dessen Oeffnungen mit einer Kautschuckmembran ver-
schlossen sind. Die eine dieser Membrane ist in ihrer Mitte mit
einem Stückchen Platinablech versehen, an welches ein Draht ge-
löthet ist, der zu einer Klemme führt. Dem Platinaplättchen
steht eine Contactschraube nahe gegenüber, die mit einer anderen
Klemme leitend verbunden ist. Ist die Luft, in welcher der
kleine Apparat steht, nun mit Grubengas geschwängert, so dringt
dieses durch den Kautschuck hindurch und vermehrt das Volumen
der eingeschlossenen Luft. Das Platinaplättchen kommt daher
in Berührung mit der Contactschraube, wodurch der Leitungs-
kreis, in den der Apparat vermittelst seiner beiden Klemmen
eingeschaltet war, geschlossen wird. Sind in denselben eine gal-
vanische Kette und ein oder mehrere Klingelwerke eingeschaltet,
so werden diese ertönen und die Gefahr anzeigen. Wenn man
einem jeden dieser Apparate eine besondere Leitung zu Tage
giebt oder wenigstens die Apparate in Gruppen theilt, von denen
jede ihren besonderen Leitungsdraht hat (bei Benutzung der Erde
als Rückleitung), so ist auch sofort zu erkennen, welcher Apparat
oder welche Gruppe die Gefahr gemeldet hat. Als Mängel dieser
Einrichtung ist aber zu bezeichnen, dass es einmal zweifelhaft
[534] bleibt, ob Grubengashlen oder Kosäure das Alarmsignal verursacht
hat, sowie ferner, dass nach Beseitigung der alarmirenden Gas-
mischung noch eine geraume Zeit verstreicht, bis das eingedrun-
gene Gas durch Exosmose wieder ausgetrieben ist und dadurch
der Contact selbstthätig wieder aufgehoben wird. Von diesen
beiden Uebelständen ist der Körner’sche Apparat, welcher auf
der Erhitzung des fein vertheilten Platinas durch langsame Ver-
brennung des Grubengases beruht, frei. Dagegen musste es —
abgesehen von der unnöthig complicirten Construction des An-
zeigeapparates — zweifelhaft erscheinen, ob die Erhitzung des
Platinamoors durch geringe Mengen beigemengten Grubengases
auch unter allen Umständen sicher eintreten würde. Wie schon
erwähnt, hatte der hochverdiente Professor Graham, der Entdecker
der Osmose, bei Untersuchung des reinen Grubengases, welches
an einer Stelle einer Kohlengrube continuirlich ausströmte, ge-
funden, dass dasselbe durch Berührung mit kaltem Platinamoor
nicht, wie andere Kohlenwasserstoffe und Wasserstoff, langsam
verbrennt, und erklärte dies sogar für ein Unterscheidungsmerk-
mal des Grubengases. Dem widersprach Payerne, ohne, wie es
scheint, bei den Chemikern rechten Glauben gefunden zu haben.
Es ist mir wenigstens über entscheidende anderweitige Versuche
nichts bekannt geworden. Eine Reihe von Versuchen, die Herr
Dr. Fellinger in meinem Laboratorium angestellt hat, haben nun
aber entscheidend festgestellt, dass reines, aus essigsaurem Blei
erzeugtes Grubengas in der That ebenso wie Wasserstoff und die
übrigen gasförmigen Kohlenwasserstoffe durch die katalytische
Wirkung des Platinamoors auch dann mit Sauerstoff verbunden
wird, wenn das Platinamoor nicht erwärmt ist. Auch ist die
katalytische Wirkung des Platinamoors in ausreichendem Grade
constant, um es zur Construction eines Grubengasmelders ver
wenden zu können.


Weniger geeignet wie Endosmose und katalytische Wirkung
des Platinas erscheint die von Winkler 1879 vorgeschlagene
Methode der Anzeige des Grubengases durch Bestimmung der
Verminderung des specifischen Gewichtes der Grubenluft. Ein-
mal erfordern derartige Wägungen sehr exacte Einrichtungen
mit grossen Ballons, die in den feuchten, engen Grubengängen
schwer anzubringen und in Ordnung zu halten sind, und zweitens
[535] können Schwankungen des Atmosphärendruckes und Kohlen-
säuregehaltes der Luft dieselben vollständig fälschen. Aber auch
sowohl die Ansell’sche als die Körner’sche Methode der Anzeige
von Grubengas leiden an dem Uebelstande, dass sie, abgesehen
von Störungen, nur einen bestimmten Grad der Mischung der
Grubenluft mit Grubengas anzeigen. Da eine geringe Bei-
mengung von Grubengas niemals, auch bei kräftigster, völlig
ausreichender Ventilation nicht, zu vermeiden ist, so zeigen die
Apparate nur an, ob der zulässige Grad von Beimischung über-
schritten ist, oder nicht, geben aber keinen Anhalt dafür, in
welchem Grade es der Fall ist und ob sich der Grubengasgehalt
mit bedrohlicher Geschwindigkeit steigert oder constant bleibt.
Dies wird sich in befriedigender Weise dadurch erzielen lassen,
dass man anstatt gewöhnlicher Quecksilber-Thermometer, wie
Körner sie verwendet, thermo-elektrische Ketten benutzt. Sie
sehen hier drei solcher Ketten, von denen die eine Seite mit
einer dünnen Lage Platinamoor bedeckt ist. Jede dieser Ketten
communicirt durch einen Leitungsdraht mit gemeinschaftlicher
Rückleitung mit einem Galvanometer, das in Praxi im Gruben-
hause aufgestellt sein würde. Sobald man unter eine dieser
Glocken, unter welchen sich die thermo-elektrischen Ketten be-
finden, eine kleine Quantität Grubengas oder auch gewöhnliches
Leuchtgas bringt, wird die betreffende Nadel abgelenkt. Die
Grösse ihrer Ablenkung bildet nun ein Mass der Menge des
Grubengases, welches der Luft beigemengt ist. Denkt man sich
nun eine Reihe von solchen thermo-elektrischen Indicatoren an
geeigneten Stellen vertheilt und lässt die Leitungen in das
Grubenhaus münden, so geben die Ablenkungen der Galvano-
meter ein getreues Bild der jedesmaligen Beimischung von
Grubengas in den verschiedenen Theilen der Grube. Der control-
lirende Ingenieur kann daher den Ventilationsapparat functioniren
lassen, um einer wachsenden Beimischung von Grubengas ent-
gegen zu wirken, oder er giebt, falls bereits eine wirkliche Ge-
fahr im Anzuge ist, ein elektrisches Glockensignal, welches die
Arbeiter aus dem Schachte zurückruft. Man könnte auch, wie
es bei der hier vorgelegten Einrichtung geschehen ist, die
osmotische und katalytische Methode combiniren und die eine
zur Controle der anderen benutzen. Die osmotischen Anzeiger
[536] würden dann so einzustellen sein, dass sie erst eine wirklich
eintretende Gefahr durch Klingelsignale in- und ausserhalb der
Grube anmeldeten, während die katalytischen durch die Ab-
lenkung der Galvanometernadeln den Nachweis führten, dass die
gemeldete Beimischung eines fremden Gases aus Grubengas oder
einem anderen brennbaren Gase und nicht aus Kohlensäure be-
steht, und gleichzeitig Ort und Art des Anwachsens der gefähr-
lichen Gasmischung anzeigten. Der Nachtheil des thermo-
elektrischen Anzeigers gegenüber dem Körner’schen Vorschlage,
dass er eine grosse Anzahl isolirter Leitungen erfordert, kommt
bei dem heutigen Stande der Technik weniger in Betracht, da
sich mit verhältnissmässig geringen Kosten eine grosse Menge
hinlänglich isolirter Leitungen in einem Kabel vereinigen lässt.
Wenn nun auch keine mechanische Einrichtung stets unfehlbar
functionirt, mithin auch durch die gemachten Vorschläge keine
absolute Sicherheit gegen schlagende Wetter zu erreichen ist, so
erscheint es doch als ganz ausser Frage stehend, dass sich auf
den angedeuteten Wegen die Sicherheit der Grubenarbeiter in
sehr bedeutendem Grade erhöhen lässt. Der elektro-technische
Verein wird sich hoffentlich noch öfter mit dieser wichtigen
Frage zu beschäftigen haben. Hat er durch diese Anregung er-
zielt, dass die Frage erhöhter Sicherheit gegen Schädigung durch
schlagende Wetter überall in den betreffenden Fachkreisen ernst
in Betracht gezogen und von ihnen anerkannt wird, dass es
ausser Ventilation und Davy’scher Laterne noch andere, allem
Anscheine nach brauchbare Hülfsmittel giebt, und dass es eine
Pflicht ist, ihre praktische Anwendbarkeit zu prüfen, so hat er
sich ein unbestreitbares Verdienst erworben.


[[537]]

Maschine zur Trennung magnetischer und
unmagnetischer Erze.


(Vortrag im Verein z. Bef. d. Gewerbfleisses. 7. Juni.)


1880.


Meine Herren, es ist eigentlich eine uralte Sache, über die
ich Ihnen hier einige Worte sagen will. Die bekannte und viel-
fach angewendete Kraft des Magnetes, Eisen anzuziehen, ist in
Gewerben fast so lange, als die Magnete existiren, angewendet.
Man hat immer durch Kämme von Stahlmagneten aus den Spänen
das Eisen entfernt; man wandte, um gleich auf die neueste Zeit
überzuspringen, in der Müllerei, seit man nicht mehr mit Steinen,
sondern mit Walzen zu mahlen anfing, wieder die Magnete an,
um Eisenstücke aus dem Korn zu entfernen, weil ein solches
Eisenstück, welches hineinkommt, die Walzen zerstört. In der
Regel macht man es so, dass man Kämme aus Stahlmagneten
in verschiedenen Lagen hinter einander setzt, so dass der be-
treffende Gegenstand von einem Kamm auf den andern fällt;
das Eisen bleibt auf den Kämmen sitzen und wird dann von
Zeit zu Zeit abgeputzt. Man hat auch Walzen gemacht, die aus
lauter Magneten bestehen, deren Pole nach aussen gewendet
sind, auf die man das zu reinigende Korn auffallen lässt, und
die nun herumgedreht werden, so dass während der Drehung
das Eisen sitzen bleibt, welches dann durch Bürsten entfernt
wird. Das geht alles recht gut, doch ist es nur anwendbar da,
wo stark anziehende Kräfte vorhanden, also wo metallisches
Eisen zu beseitigen ist, ferner da, wo es sich nicht um
grosse Quantitäten handelt, denn diese Procedur ist ziemlich
umständlich.


[538]

Veranlassung zu meiner Construction gab eine belgische
Gesellschaft, die Zinkerze in Spanien verarbeitet, und die dort
einen Galmei bricht, der mit Eisenstein, ich glaube Spatheisenstein,
umschlossen und schwer ganz von ihm zu trennen ist, so dass
die zerkleinerte Masse aus einer Mischung von Spatheisenstein
und von Galmei besteht; diese konnten durch keine Aufbereitungs-
arbeit von einander getrennt werden; das ganze Eisen musste
der Destillationsbehandlung mit unterzogen werden, und das
kostete viele Kohle, die dort sehr theuer ist. Der Director der
Gesellschaft kam also zu mir und fragte, ob wir ihm keine
Maschinen machen könnten, die die Erze trennten, und zwar
20 Tonnen täglich. Ich lehnte es erst ab, aber die Herren be-
standen darauf, und wir machten einen Vertrag, der das beider-
seitige Interesse wahrte. So habe ich mir denn die Sache weiter
durchdacht und bin dann zu dieser Maschine gekommen.


Wenn wir uns das technische Vorhaben überlegen, finden
wir, dass es drei Momente sind, auf die man seine Constructions-
gedanken richten muss. Die Magnete sollen nur das festhalten,
was in ihre unmittelbare Nähe kommt; wenn man sie zu stark
machte, würden sie auch nicht-magnetische Stücke mit fest
halten; es darf also die magnetische Anziehungskraft nicht zu
gross sein. Weiter ist nöthig, den Magneten eine häufige Wahl
zu geben, um alle Theile des durchgehenden Erzgemisches in
wirkliche Berührung mit einem Magnetpole zu bringen. Es
müssen also viele Magnetpole vorhanden sein, und diese müssen
sich mit wechselnder Polarität gegenüber stehen, damit durch
magnetische Induction das Anhaften noch vergrössert wird und
so auch die grösseren Stücke festgehalten werden können. Ein
zweiter Grundsatz muss ferner der sein, dass das Entfernen der
magnetischen Theile continuirlich vor sich geht, überhaupt muss
der ganze Prozess continuirlich verlaufen, sonst kann er keine
Massen befördern; Elektromagnete, die abwechselnd magnetisch
und unmagnetisch werden, sind hierbei nicht anzuwenden, weil
diese zu grosse elektrische Arbeit kosten und keinen Apparat
geben, der viel schaffen kann; es musste also eine Einrichtung
getroffen werden, dass das, was an den Magneten fest gehalten
wird, continuirlich abgestreift wird. Nun sehen Sie hier (Fig. 52)
eine Maschine, wie ich sie auf diese Grundsätze hin construirt habe.
[539]

Figure 62. Fig. 52.


[540] Sie besteht aus einer etwas schief liegenden Axe, die mit einem
Schraubengewinde umgeben ist; um dieses Schraubengewinde ist
eine feststehende Messingröhre gelegt (die Axe ist Stahl, aber
die Schraube und die Röhre Messing); die Röhre ist oben auf-
geschnitten und aufgebogen und mit einem Abstreifer versehen,
der sich tangential von innen an den magnetischen Hohlcylinder
anlegt; dieser Hohlcylinder besteht nun aus lauter Eisenscheiben,
die neben einander liegen und durch zwischenliegende Messing-
ringe von einander getrennt sind; ausserhalb sind diese Eisen-
scheiben durch Eisenstangen verbunden, so dass sie also eigen-
thümlich gestellte Hufeisenmagnete werden, deren ringförmige
Pole die innere Wand des Hohlcylinders bilden. Die Magneti-
sirung wird durch isolirte Drähte hervorgebracht, welche vor
Anbringung der äusseren Eisenstangen zwischen die Scheiben
gewickelt werden. Die ersten Zwischenräume erhalten aus einem
Grunde, den ich nachher hervorhebe, nur wenig Windungen, die
folgenden mehr, und nur am Ende sind sie vollgewickelt. Durch
den die Windungen durchlaufenden elektrischen Strom entsteht
eine regelmässige Folge von Nord- und Südpol. Wir haben also
eine glatte Röhrenfläche, die aus lauter ringförmigen Nord- und
Südpolen, die dicht neben einander liegen, besteht. Der so aus
magnetischen Scheiben wechselnder Polarität gebildete Hohl-
cylinder ist an dem einen Ende durch eine durchlöcherte Scheibe
mit der Axe des Apparats verbunden und am andern lagert er
an der feststehenden inneren Messingröhre. Das zu trennende
Material wird dem ersteren Ende des Hohlcylinders zugeführt
und durchläuft dann langsam den etwas schräg gestellten roti-
renden Cylinder. Es muss hierbei die rotirenden ringförmigen
Magnetpole passiren, die die magnetischen Theile festhalten und
mit in die Höhe nehmen, wo sie durch den Abstreifer festgehalten
und in die feststehende innere Röhre geworfen werden, aus
welcher sie durch die Schraube hinausgeschraubt werden. Wenn
nun gleich am Anfange ein sehr starker Magnetismus vorhanden
wäre, so würde hier gleich alles magnetische Material in zu
grosser Masse festsitzen; der ganze Raum würde gefüllt werden
und die Trennung würde entweder schon hier bei den ersten
Ringen ganz vor sich gehen, oder, wenn das nicht ginge, würde
der Apparat das nicht leisten können, was er soll; darum ist die
[541] Einrichtung getroffen, dass der Magnetismus erst allmählich in
voller Stärke auftritt, so dass beim Durchgange des Erzes durch
den rotirenden Hohlcylinder immer stärker werdende magnetische
Kräfte auf die magnetischen Theile des Gemisches wirken. Wie
stark der Strom zu machen ist, hängt von der Natur des Erzes
und dem Grade der Röstung desselben ab. Es genügt gewöhn-
lich der Strom einer kleinen dynamo- oder magnet-elektrischen
Maschine, da die neue, hier zur Verwendung gekommene Form
der Elektromagnete einen sehr starken Magnetismus erzeugt.
Es hat sich herausgestellt, dass der vom Eisenerz zu trennende
Galmei ebenfalls etwas eisenhaltig ist; er enthält 5 bis 10 pCt.
Bei vollständiger Röstung genügt dieser Eisengehalt, um auch
den Galmei durch die Magnetpole festzuhalten, wenn man zu
starke Ströme anwendet. Es giebt also keine wirklich exacte
Scheidung, weil auch das Eisen ein bischen Zink enthält. Des-
wegen muss der Strom so gewählt werden, dass man das ge-
wünschte Scheidungsverhältniss bekommt; das kann man dadurch
machen, dass man die stromerzeugende Maschine so schnell dreht,
dass man das gewünschte Scheidungsverhältniss bekommt.


Es scheint mir nun, dass eine solche Maschine heutzutage
nicht ohne Werth wäre, nicht allein für das specielle Erzvor-
kommen, für welche sie construirt ist; ich meine, es giebt auch
andere Fälle, wo es sich darum handelt, magnetische von un-
magnetischen Erzen oder anderen Stoffen zu trennen. Wenn das
kleine, hier in natürlicher Grösse gezeichnete Ding in Betrieb
ist, giebt es schon 1 bis 2 Tonnen in der Stunde. Da man die
Maschine beliebig vergrössern kann, so würde man auch weit
grössere Quantitäten mit geringer Mühe und geringen Kosten
verarbeiten können.


Ein anderer Punkt ist die Verwendung für die Müllerei.
Ich las neulich eine Notiz in einer amerikanischen Zeitung, es
hätte dort Jemand eine ähnliche Maschine gemacht, die die über-
raschende Thatsache nachwiese, dass so viel Eisen im Korn
wäre, dass man beinahe eine Eisenhütte auf alles das Eisen an-
legen könnte. Das wäre ja nun eine Kleinigkeit, dass das Korn
gleich vom Händler durch eine solche Maschine gelassen und
damit die Gefahr, die für die Mühlen entsteht, wenn Eisen im
Korn ist, beseitigt würde. Ich glaube also, dass die Maschine
[542] von allgemeinerer Bedeutung ist. Ich glaube auch, dass die Con-
struction möglichst einfach und richtig ist. Man kann sie sich
gar nicht anders denken, als eine Röhre, durch die das Material
schnell hindurch läuft, die sich schnell dreht, um allen Molecülen
Gelegenheit zu geben, die Magnetpole zu berühren. In der Praxis
hat sich die Maschine gut bewährt, die Besteller hatten 1000 kg
von ihrem Erz herkommen lassen, die in Zeit einer Stunde völlig
befriedigend getrennt wurden.


[[543]]

Der elektrische Aufzug.


(Vortrag im elektrotechn. Verein. 26. Oct.)


1880.


Die Kraftübertragung durch dynamo-elektrische Maschinen
hat in dem von der Firma Siemens \& Halske in Mannheim aus-
gestellten Aufzuge (lift) für Personen eine neue Anwendung ge-
funden, die von grosser Bedeutung zu werden verspricht. Auf-
züge von Personen, wie sie in grossen Hotels und Geschäfts-
localen häufig eingerichtet werden, um den Gästen die Mühe
und den Zeitaufwand des Treppensteigens zu ersparen, werden
bisher fast ausnahmslos hydraulisch eingerichtet. Seilaufzüge,
wie sie zur Hebung von Waaren u. s. w. allgemein benutzt wer-
den, erachtet man als nicht sicher genug für die Personen-
beförderung. Der hydraulische Aufzug ist aber sehr kostspielig
in der Anlage und häufig kaum ausführbar, da er die Einsenkung
eines Druckrohres von gleicher Tiefe wie die grösste Höhe der
beabsichtigten Hebung bedingt. Auch der Betrieb solcher hy-
draulischen Aufzüge ist gewöhnlich sehr kostspielig, da jede ein-
zelne Hebung die Füllung des Druckrohres mit unter hohem
Druck stehendem Leitungswasser erfordert.


Der elektrische Aufzug soll nun diese Mängel des hydrau-
lischen Aufzuges beseitigen, ohne eine geringere Sicherheit wie
dieser darzubieten. Er beruht auf der Kraftübertragung durch
dynamo-elektrische Maschinen. Das geringe Gewicht einer
solchen Maschine im Vergleich mit ihrer Arbeitsleistung ge-
stattet, die Maschine auf den durch sie zu bewegenden Fahrstuhl
zu setzen und ihr durch Drahtleitungen den bewegenden elek-
trischen Strom zuzuführen. Die Einrichtung kann also in der
[544] Weise getroffen werden, dass die Maschine an einer festliegenden
Leiter oder Zahnstange gleichsam hinaufklettert und den an ihr
befestigten Fahrstuhl mitnimmt. Dieser feststehenden Leiter
oder Zahnstange kann man jede gewünschte Festigkeit geben,
so dass eine Gefahr ihres Bruches ganz ausgeschlossen ist. Bei
sehr hohen Aufzügen kann man die Zahnstange auch an den
Wandungen des Gebäudes oder Schachtes beliebig oft befestigen,
so dass sie sich nicht in der ganzen Länge selbst zu tragen
braucht.


Der erste derartige Aufzug, der von Siemens \& Halske in
der Mannheimer Industrieausstellung ausgestellt wurde, und der
dazu diente, das Publicum auf einen Aussichtsthurm von un-
gefähr 20 m Höhe emporzuheben, ist nach diesen Grundsätzen
gebaut. Die Zahnstange L ist, wie die vier zugehörigen Ab-
bildungen erkennen lassen, hier eine aus Stahl bestehende Leiter,
deren Wangen aus dreifachen Stahlblechen von etwa 5 mm Dicke
und 60 mm Breite bestehen, die derartig mit einander vernietet
sind, dass immer mindestens die volle Tragfähigkeit zweier
Bleche in jeder der beiden Wangen zur Geltung kommt. Die
beiden Wangen sind durch vernietete Sprossen aus Rundstahl
von 15 mm Dicke mit einander zu einer leiterartigen Zahn-
stange verbunden. Die Sprossen haben einen Abstand von
35 mm, von Mitte zu Mitte gemessen. Diese Leiter L reicht
in senkrechter Lage von der Höhe des Aussichtsthurmes zum
Boden und ist oben und unten an starken Balken sicher be-
festigt. Die Leiter geht durch die Mitte des Fahrstuhles, unter
welchem sich, von einem sie rings umschliessenden Holzkasten H
umgeben, die Dynamo-Maschine M befindet. Die Axe dieser
Dynamo-Maschine endet in einer Schraube ohne Ende S, die
zwei Zahnräder R1 und R2 dreht, welche von beiden Seiten in
die Sprossen der Leiter eingreifen. Ein auf dem Fahrstuhle
befindlicher Hebel h ist mit einem Stromschalter derartig ver-
bunden, dass bei der mittleren Stellung des Hebels die Strom-
leitung unterbrochen ist, während die Hebelstellungen nach rechts
oder links bewirken, dass die Dynamo-Maschine und mit ihr die
treibende Schraube ohne Ende in dem einen oder anderen Sinne
rotiren, den Fahrstuhl mithin auf- oder abwärts bewegen.
Durch passende Einrichtungen wird bewirkt, dass sich diese
[][]

Figure 63. Fig. 53.


Figure 64. Fig. 54.


Figure 65. Fig. 55.


Figure 66. Fig. 56.


Verlag von Julius Springer, Berlin N.


[545] Umschaltung selbstthätig an jedem Endpunkte der Hebung bezw.
Senkung vollzieht.


Die Ganghöhe der treibenden Schraube ist so klein, dass
ein Hinabschnellen des Fahrstuhles bei Unterbrechung des
Stromes nicht eintreten kann. Um jedoch die Arbeit der He-
bung der Last des Fahrstuhles und der Dynamo-Maschine zu
ersparen und die Arbeitsleistung der Dynamo-Maschine beim
Auf- und Niedergang des Fahrstuhles annähernd gleich zu
machen, ist der Fahrstuhl und seine mittlere Belastung durch
ein Gegengewicht, welches an zwei Drahtbandseilen D hängt,
ausgeglichen. Das andere Ende der beiden, über zwei Rollen
am oberen Ende des Aussichtsthurmes laufenden Drahtseile ist
an dem Fahrstuhle befestigt. Diese Drahtseile und die Zahn-
stange selbst finden gleichzeitig Verwendung als Leiter der
Elektricität, indem sie die primäre und secundäre Dynamo-Ma-
schine mit einander leitend verbinden.


Fig. 53 (Fig. 53—56 auf Tafel V) zeigt den Fahrstuhl in
seiner höchsten Stellung auf der Höhe des Aussichtsthurmes,
Fig. 54 giebt ihn in seiner tiefsten Stellung, im Begriff seine
Bewegung nach oben anzutreten; Fig. 55 und 56 erläutern die
Anordnung der unter dem Fahrstuhl angebrachten dynamo-elek-
trischen Maschine M, der von ihr getriebenen Schraube ohne
Ende S, sowie der beiden in die Leiter L eingreifenden Zahn-
räder R1 und R2. Die Leiter L wird von zwei Paar, oberhalb
und unterhalb des Fahrstuhls angebrachten Rollen berührt, welche
den Strom aus der Leiter L der Maschine M zuführen.


Durch den beschriebenen elektrischen Aufzug sind in den
wenigen Wochen seiner Thätigkeit in der Mannheimer Ausstellung
etwa 8000 Personen ohne jede Störung auf den Aussichtsthurm
gehoben und wieder hinab befördert worden. Die Geschwindig-
keit betrug etwa 0,5 m in der Secunde.


Als Vorzüge dieses Systems vor dem hydraulischen lassen
sich namentlich anführen: 1. die verhältnissmässig billige Her-
stellung und leichte Aufstellung und 2. der billige Betrieb. Dies
gilt namentlich dann, wenn ein Motor zum Treiben der primären
Dynamo-Maschine bereits vorhanden ist, oder wenn sich mehrere
benachbarte Aufzugsbesitzer zur Einrichtung einer gemeinsamen
Maschinenanlage zum Betriebe derselben vereinigen.


35
[546]

Zur Hebung von Gütern, Baumaterialien u. s. w., bei welcher
absolute Sicherheit nicht, wie bei der Personenbeförderung, erste
Bedingung ist, wird man sich der oben beschriebenen Hebungs-
einrichtung ausser etwa bei Hebungen auf sehr bedeutende
Höhen, wohl nicht bedienen und statt derselben die Hebung
durch Drahtseile verwenden. Es wird aber in vielen Fällen sehr
zweckmässig sein, elektrische Transmission zur Drehung der
Seiltrommeln zu verwenden. Namentlich bei Bauten und an-
deren Hebeeinrichtungen für vorübergehenden Gebrauch wird die
elektrische Krafttransmission der Einfachheit und Leichtigkeit
der Einrichtung und Aufstellung wegen sich häufig als sehr vor-
theilhaft erweisen.


[[547]]

Die dynamo-elektrische Maschine.


(Mon.ber. d. Berl. Akad. d. Wiss. v. 18. Nov.)


1880.


Mit dem Namen „dynamo-elektrische Maschine“ bezeichnete
ich in einer Mittheilung, welche der Akademie von meinem ver-
ehrten Lehrer und Freunde Martin Magnus am 17. Januar 1867
gemacht wurde, ein Maschinensystem, bei welchem die bis dahin
bei Inductionsmaschinen zur Erzeugung elektrischer Ströme ver-
wendeten Stahl- oder dauernd magnetisirten Elektromagnete durch
solche Elektromagnete ersetzt waren, deren Drahtwindungen
einen Theil des Stromlaufes der inducirten Drahtspiralen bildeten.
Ich wies in dieser Mittheilung nach, dass bei jeder elektromag-
netischen Kraftmaschine, wenn sie durch äussere Kräfte in ent-
gegengesetztem Sinne gedreht wird, als der, in welchem sie sich
durch eine in ihren Stromkreis eingeschaltete galvanische Kette
bewegt, eine fortlaufende Verstärkung des in ihren Windungen
circulirenden Stromes eintreten muss. Ich zeigte ferner, dass
bei zweckentsprechender Construction der Maschine der im
Eisen zurückbleibende Magnetismus ausreicht, um bei hinläng-
lich schneller Drehung diesen Steigerungsprocess einzuleiten, so
dass eine einmal thätig gewesene Maschine für immer die Eigen-
schaft gewonnen hat, elektrische Ströme zu erzeugen, deren
Stärke eine Function der Drehungsgeschwindigkeit ist. Endlich
wies ich schon in dieser Mittheilung darauf hin, dass durch diese
Combination das bisher bestandene Hinderniss der Erzeugung
sehr starker Ströme durch Aufwendung von Arbeitskraft hin-
weggeräumt sei, und sprach die Erwartung aus, dass viele Ge-
biete der Technik durch die ihr von nun an zu Gebote stehen-
35*
[548] den, leicht und billig zu erzeugenden, starken Ströme einen
wichtigen Antrieb zu weiterer Entwickelung finden würden.


Es bedurfte eines Zeitraumes von vierzehn Jahren, bis die
letztere Erwartung ersichtlich in Erfüllung ging. Gegenwärtig
benutzt die Hüttenindustrie bereits dynamo-elektrische Maschinen,
welche täglich Tonnen Kupfers galvanisch in chemisch reinem Zu-
stande niederschlagen und es dabei von den Edelmetallen, die
es enthielt, trennen. Durch dynamo-elektrische Maschinen er-
zeugte Ströme speisen bereits hunderttausende von elektrischen
Lichtern, und diese [beginnen] schon in vielen Fällen die älte-
ren Beleuchtungsarten zu verdrängen. Eine kaum übersehbare
Tragweite scheint aber in neuerer Zeit die Uebertragung und
Vertheilung von Arbeitskraft durch dynamo-elektrische Maschinen
und namentlich die Fortbewegung von Personen und Lasten
durch den elektrischen Strom zu gewinnen.


Obgleich ich an dieser Entwickelung der dynamo-elektri-
schen Machine und ihrer Anwendung stets thätigen Antheil ge-
nommen habe, fand ich doch keine Veranlassung, der Akademie
über diese Arbeiten zu berichten, da es weniger wissenschaftliche
als technische Aufgaben waren, die gelöst werden mussten, um
die Maschine selbst und die Hülfsorgane derselben für ihre tech-
nische Verwendung zweckentsprechend auszubilden.


Nachdem jedoch gegenwärtig hierin ein gewisser Abschnitt
erreicht ist, bitte ich die Akademie, mir zu gestatten, ihr zu-
nächst eine Uebersicht des Ganges dieser Entwickelung und der
Richtungen, in welchen weitere Verbesserungen anzustreben sind,
und demnächst eine Arbeit des Dr. Frölich vorzulegen, in welcher
derselbe die zahlreichen zon mir veranlassten Versuche mit dy-
namo-elektrischen Maschinen zusammenstellt und eine Theorie
ihrer Wirkung und ihrer Benutzung zur Kraftübertragung ent-
wickelt hat.


Bei der ursprünglich von mir construirten dynamo-elektri-
schen Maschine bestand der bewegliche Theil aus meinem roti-
renden Cylindermagnete, dessen Construction im Jahre 1857 von
mir publicirt wurde 1). Die Wechselströme, welche in den Lei-
tungsdrähten dieses Cylindermagnetes bei seiner Rotation zwi-
[549] schen den ausgehöhlten Polen eines starken Elektromagnetes auf-
treten, wurden durch einen Commutator mit Schleiffedern gleich
gerichtet und durchliefen dann die Windungen des fest stehenden
Elektromagnetes. Es stellte sich bei dieser Maschine der uner-
wartete Umstand ein, dass die Erwärmung des rotirenden Ankers
eine viel grössere war, als die Rechnung ergab, wenn man nur
den Leitungswiderstand des Umwindungsdrahtes und die Strom-
stärke in Betracht zog. Als Ursache dieser grösseren Wärme-
entwickelung ergab sich bald, dass das Eisen des Ankers selbst
sich bedeutend erwärmte. Zum Theil war diese Erwärmung den
Strömen zuzuschreiben, welche der Magnetismus des festen Mag-
netes im Eisen des rotirenden Ankers erzeugen musste (den
sogen. Foucault’schen Strömen); doch sie blieb auch zum grössten
Theile noch bestehen, als der Anker aus dünnen Eisenblechen
mit isolirenden Zwischenlagen, die den Foucault’schen Strömen
den Weg versperrten, hergestellt war. Es musste daher eine
andere Ursache der Wärmeentwickelung im Eisen wirksam sein.
Eine nähere Untersuchung der Erscheinung ergab in der That,
dass das Eisen bei sehr schnellem und plötzlichem Wechsel
seiner magnetischen Polarität sich erhitzt, wenn die Magnetisi-
rung sich dem Maximum der magnetischen Capacität des Eisens
nähert. Dieser Uebelstand der Erhitzung des rotirenden Ankers
machte es nothwendig, denselben bei längerem Gebrauche der
Maschine durch einen Wasserstrom zu kühlen, um die Verbren-
nung der Umspinnung der Drähte und anderer durch Erhitzung
zerstörbarer Theile derselben zu verhindern. Die Unbequemlich-
keit dieser Kühlung und der durch die Umwandlung von Arbeit
in Wärme bedingte beträchtliche Arbeitsverlust bildeten jedoch
ein grosses Hinderniss der Anwendung der dynamo-elektrischen
Maschine. Die Beseitigung desselben wurde angebahnt durch
den magnet-elektrischen Stromgeber, welchen Pacinotti im Nuovo
Cimento 1863 publicirte. Derselbe bestand aus einem Eisen-
ringe, welcher seiner ganzen Länge nach mit einer Drahtspirale
umwunden war und der zwischen den ausgehöhlten Polen eines per-
manenten Magnetes rotirte. Durch magnetische Vertheilung bil-
deten sich in diesem Eisenringe Magnetpole, welche den entgegen-
gesetzten Polen des festen Magnetes gegenüberstanden und ihre
Lage auch dann beibehielten, wenn der Eisenring rotirte. Da
[550] hierbei die äusseren Theile der Drahtwindungen des Ringes con-
tinuirlich die beiden feststehenden magnetischen Felder zwischen
den Magnetpolen und dem Eisenringe durchliefen, so mussten
in dem in sich geschlossenen Umwindungsdrahte entgegengesetzt
gerichtete elektro-motorische Kräfte auftreten, die keinen Strom
erzeugen konnten, weil sie gleich gross waren. Verband man
aber die einzelnen Drahtwindungen oder gleichmässig auf der
Ringoberfläche vertheilte Gruppen dieser Windungen leitend mit
Metallstücken, die concentrisch um die Rotationsaxe des Ringes
gruppirt waren, und liess man diese unter zwei feststehenden
Schleiffedern fortgehen, welche sich in gleichem Abstande von
beiden Magnetpolen gegenüberstanden, so vereinigten sich die
beiden entgegengesetzten Ströme der Drahtwindungen, welche
nun eine Ableitung fanden, zu einem einzigen continuirlichen
Strome durch den die Schleiffedern verbindenden Stromleiter.
Ich hatte zwar schon viel früher eine ähnliche Combination be-
nutzt, um continuirliche Ströme mit Hülfe einer in sich geschlos-
senen Inductionsspirale zu erzeugen 1), der Pacinotti’sche Ring
[551] hat aber vor dieser den Vorzug grösserer Einfacheit, und dass
der allmählich vor sich gehende Polwechsel im Eisen weniger
Wärme entwickelt. Dem Anschein nach hat Pacinotti seine
Ringmaschine nur zur Herstellung kleiner magnet-elektrischer
Stromerzeuger und kleiner elektro-magnetischer Maschinen ver-
wendet. Gramme in Paris hatte zuerst, im Jahre 1868, den
glücklichen Gedanken, dynamo-elektrische Maschinen mit Hülfe
des Pacinotti’schen Ringes auszuführen und dadurch die lästige
Erhitzung des Eisens der rotirenden Cylindermagnete zu be-
seitigen.


Der Gramme’schen dynamo-elektrischen Maschine haftet aber
noch der Mangel an, dass nur die die magnetischen Felder durch-
laufenden äusseren Theile der Drahtwindungen der inducirenden
Wirkung unterliegen, während die innere Hälfte derselben ohne
wesentliche Wirkung bleibt und den Widerstand der Strombahn
nur nutzlos erhöht. v. Hefner-Alteneck beseitigte denselben bei
der nach ihm benannten dynamo-elektrischen Maschine zum
grossen Theile dadurch, dass er den rotirenden Ring oder auch
einen massiven Eisencylinder nur an der Aussenseite mit Win-
dungen versah, welche gruppenweise, wie bei der Gramme’schen
Maschine, mit Contactstücken und Schleiffedern oder Drahtbürsten
communicirten. Die Gramme’sche und die v. Hefner’sche Maschine
sind vielfach in wissenschaftlichen und technischen Schriften dar-
gestellt und erörtert worden, ich werde daher hier auf eine spe-
cielle Beschreibung derselben nicht eingehen. Sie bilden gegen-
wärtig die typischen Grundformen für Maschinen zur Erzeugung
starker elektrischer Ströme für technische Zwecke und werden
diesen entsprechend in den verschiedensten Formen und Grössen
ausgeführt. So besitzen z. B. die Maschinen v. Hefner’scher
Construction, welche zur Kupferraffinirung in der Kupferhütte
zu Oker benutzt werden und von denen eine jede täglich in zwölf
hinter einander geschalteten Zellen ca. 300 kg Rohkupfer auflöst
und galvanisch in Plattform wieder niederschlägt, Umwindungs-
drähte von 13 □ cm Querschnitt, während Maschinen zur Er-
zeugung vieler elektrischer Lichter und zur Kraftübertragung Um-
windungsdrähte vom Gewichte mehrerer Centner haben.


Diese im Vergleich mit früheren elektrischen Apparaten
colossalen Leistungen und Dimensionen werden jedoch noch be-
[552] deutend überschritten werden, wenn die neuerdings angebahnte
Anwendung der dynamo-elektrischen Maschine zur Kraftüber-
tragung allgemeiner geworden ist.


Wenn man zwei dynamo-elektrische Maschinen in denselben
Kreislauf bringt und die eine mit constanter Geschwindigkeit
dreht, so muss die andere sich als elektro-magnetische Maschine
in umgekehrter Richtung drehen, wie schon aus der Betrachtung
folgt, dass eine dynamo-elektrische Maschine eine in umge-
kehrter Richtung gedrehte elektro-magnetische Maschine ist. Der
Gegenstrom, den diese durch den Strom rotirende Maschine er-
zeugt, schwächt nun den durch die primäre dynamo-elektrische
Maschine erzeugten Strom und vermindert dadurch zugleich auch
die Arbeit, welche zur Drehung der letzteren erforderlich ist.
Hätte die secundäre Maschine weder innere noch äussere Arbeit
zu verrichten, so würde sich ihre Geschwindigkeit so weit steigern,
bis ihre elektromotorische Gegenkraft der der primären Maschine
das Gleichgewicht hielte. Es würde dann kein Strom mehr durch
die Leitung gehen, aber auch weder Arbeit consumirt noch ge-
leistet. Vollständig kann dieser Gleichgewichtszustand natürlich
niemals erreicht werden, weil die secundäre Maschine innere
Widerstände zu überwinden hat und weil die primäre Maschine
eine von ihrer Construction abhängende Geschwindigkeit erreichen
muss, bevor der dynamo-elektrische Verstärkungsprozess des
Stromes seinen Anfang nimmt. Wird der secundären Maschine
nun eine Arbeitsleistung aufgebürdet, so vermindert sich dadurch
ihre Geschwindigkeit. Mit dieser vermindert sich die von der
Rotationsgeschwindigkeit abhängige Gegenkraft, und es durch-
läuft nun beide Maschinen ein der Differenz ihrer elektrischen
Kräfte entsprechender Strom, dessen Erzeugung Kraft verbraucht
und der seinerseits in der secundären Maschine die ihr auferlegte
Arbeit leistet. Ich habe bereits an anderen Orten1) darauf hin-
gewiesen, dass der bei dieser Kraftübertragung erzielte Nutzeffect
keine constante Grösse ist, sondern von dem Verhältnisse der
Geschwindigkeit beider Maschinen abhängt, und dass er mit der
Rotationsgeschwindigkeit derselben wächst. Durch die nachfolgend
beschriebene Untersuchung hat sich dies innerhalb gewisser
[553] Grenzen bestätigt. Praktisch ist bisher ein Nutzeffect bis zu
60 pCt. der aufgewendeten Arbeit erzielt worden, und es sind
mit den grössten zur Verwendung gekommenen Maschinen, —
die allerdings nicht speciell für Kraftübertragung, sondern für
Beleuchtungszwecke construirt waren, — bis zu 10 mit dem
Prony’schen Zaume gemessene Pferdekräfte übertragen worden,
mit einem Nutzeffecte von durchschittlich 50 pCt. Es wird hier-
nach bei der elektrischen Kraftübertragung bisher nur etwa
die Hälfte der aufgewendeten Arbeit als Nutzarbeit wieder ge-
wonnen, während die Hälfte zur Ueberwindung der Maschinen-
und Leitungswiderstände verbraucht und in Wärme umgewandelt
wird. Die Grösse dieses Kraftverlustes ist offenbar von der
Construction der Maschine abhängig. Wäre keine Aussicht vor-
handen, durch Verbesserung dieser Constructionen eine wesent-
liche Verminderung desselben herbeizuführen, so würde die tech-
nische Verwendung der elektrischen Kraftübertragung eine einiger-
massen beschränkte bleiben. Es ist daher von Wichtigkeit, die
in der Maschinenconstruction liegenden Ursachen des Kraftver-
lustes festzustellen und dann in Betracht zu ziehen, ob und auf
welchem Wege eine gänzliche oder theilweise Beseitigung dieser
Verlustquellen anzubahnen ist. Es können hierbei die rein
mechanischen Kraftverluste durch Reibungen, Luftwiderstände,
Stösse etc. in den Maschinen ausser Betracht gelassen werden.
Sie bilden nur einen kleinen Theil des Verlustes, und ihre mög-
lichste Verminderung ist durch Anwendung bekannter Construc-
tionsgrundsätze herbeizuführen.


Die wesentliche und niemals ganz zu beseitigende physika-
lische Ursache des Kraftverlustes ist die Erwärmung der Leiter
durch den elektrischen Strom. Da bei den Maschinen, bei welchen
kein plötzlicher Wechsel des Magnetismus stattfindet, auch keine
merkliche unmittelbare Erwärmung des Eisens der Elektromagnete
eintritt, so braucht bei diesen überhaupt nur diese Erwärmung
der Leiter durch die sie durchlaufenden Ströme in Betracht ge-
zogen zu werden. Diese Leiter sind hier nicht nur die Lei-
tungsdrähte der Maschinen und die leitende Verbindung der-
selben, sondern auch die bewegten Metallmassen der Maschinen,
in welchen Ströme inducirt werden, die sie erwärmen (die soge-
nannten Foucault’schen Ströme). Als wesentlicher Grundsatz
[554] für die Construction der dynamo-elektrischen Maschinen ergiebt
sich hiernach, dass


  • 1. alle ausserwesentlichen Widerstände der Maschine, d. i.
    hier alle diejenigen Leitungsdrähte, welche nicht elektro-
    motorisch wirken, möglichst beseitigt oder doch vermindert
    werden;
  • 2. dass die Leitungsfähigkeit aller Leiter, auch der elektro-
    motorisch wirksamen, möglichst gross gemacht wird;
  • 3. dass durch die Anordnung der Metallmassen, in welchen
    durch bewegte Stromleiter oder Magnete Foucault’sche
    Ströme erzeugt werden können, diesen die Strombahn
    möglichst abgeschnitten wird;
  • 4. dass der in den Elektromagneten erzeugte Magnetismus
    möglichst vollständig und direct zur Wirkung kommt;
  • 5. dass die Abtheilungen der Windungen des inducirten
    Drahtes, welche von Strömen wechselnder Richtung
    durchströmt werden, möglichst klein, die Zahl der Abthei-
    lungen mithin möglichst gross gemacht wird, damit der
    beim Stromwechsel eintretende Extracurrent möglichst
    klein wird.

Betrachten wir die beiden diesen Betrachtungen zu Grunde
liegenden Maschinensysteme, das Gramme’sche und das v. Hef-
ner’sche, vom Standpunkte dieser Constructionsbedingungen aus,
so finden wir, dass dieselben bei beiden nur in unvollkommener
Weise erfüllt werden.


Bei beiden Maschinen wirkt der Magnetismus nicht direct
inducirend auf die bewegten Drähte des Ankers, sondern es
geschieht dies im Wesentlichen erst indirect durch den im
Gramme’schen Ringe oder dem v. Hefner’schen äusserlich um-
wickelten Eisencylinder durch die ausgehöhlten Magnetpole der
festen Magnete erregten Magnetismus. Dass die directe induci-
rende Wirkung der ausgehöhlten Magnetpole auf die rotirenden
Drähte nur gering ist, ergiebt das Experiment, wenn man bei
der v. Hefner’schen Maschine den Eisencylinder durch einen
Cylinder aus nicht magnetischem Material ersetzt. Es folgt dies
aber auch schon aus der Betrachtung, dass auf einen bewegten
Draht nur diejenigen Theile des ausgehöhlten Magnetpoles in
gleichem Sinne wie der Magnetismus des inneren Cylinders in-
[555] ducirend einwirken, welche ausserhalb der der Drehungsaxe pa-
rallelen, durch den rotirenden Draht gelegten Ebene liegen, die
senkrecht auf dem Drehungsradius des Drahtes steht, während
die innerhalb dieser Ebene liegenden Theile der ausgehöhlten
Pole eine entgegengesetzte Wirkung ausüben. Es muss daher
bei beiden Maschinen zur Herbeiführung einer bestimmten In-
ductionswirkung ein weit stärkerer Elektromagnet zur Wirkung
kommen, wie unter günstigeren Bedingungen erforderlich wäre.
Um diesen stärkeren Magnetismus zu erzeugen, muss ein grösserer
Theil des zur Maschine verwendeten Leitungsdrahtes auf Kosten
der Länge des inducirten Drahtes zur Magnetisirung des festen
Magnetes verwendet werden.


Zur Beseitigung der Foucault’schen Ströme im rotirenden
Eisenringe wird letzterer sowohl bei der Gramme’schen wie bei
der v. Hefner’schen Maschine aus übersponnenen oder lackirten
Eisendrähten gewickelt. Der Kreislauf dieser Ströme wird hier-
durch auf den Umfang der Eisendrähte eingeschränkt, mithin
auch der Wärmeverlust durch dieselben sehr klein gemacht.
Dagegen bieten die ausgehöhlten Magnetpole diesen Strömen
noch grössere geschlossene Strombahnen dar, welche Wärme-
verluste bedingen.


Bei dem Pacinotti’schen Ringe der Gramme’schen Maschine
liegt, wie schon hervorgehoben, ein grosser Kraftverlust, durch
nutzlose Verlängerung des Umwindungsdrahtes, in dem Umstande,
dass nur die äusseren Theile des Umwindungsdrahtes elektro-
motorisch wirken, während die im Inneren des Ringes liegenden
Theile desselben nur als Leiter auftreten und nutzlos erwärmt
werden müssen. Bei dem nur äusserlich umwickelten v. Hefner-
schen Eisencylinder ist dies Verhältniss wesentlich günstiger,
doch bilden auch bei diesem die die Stirnflächen der Cylinder
bedeckenden Drahtstücke todte Widerstände. Ist die Länge des
Cylinders, wie gewöhnlich der Fall, ein Vielfaches des Durch-
messers, so ist der durch die nicht inducirend wirksamen Drähte
erzeugte Verlust an Leitungsfähigkeit allerdings weit geringer,
wie bei der Gramme’schen Maschine. Dagegen hat diese aber
den Vorzug einer einfacheren Drahtführung, welche die Möglich-
keit gewährt, eine grössere Zahl kleinerer Windungsabtheilungen
einzuführen, wodurch der Kraftverlust durch den beim Wechsel
[556] der Stromrichtung eintretenden Extracurrent und die zum Theil
von diesem abhängige lästige Funkenbildung vermindert wird.


Von noch grösserer Bedeutung, wie diese Verlustquellen,
welche alle auf unnütze Vergrösserung der zur Erzielung eines
bestimmten Effectes erforderlichen Maschine und ihres Leitungs-
widerstandes hinführen, ist aber, wie aus der Zusammenstellung
unserer Versuche durch Dr. Frölich hervorgeht, der rückwir-
kende Einfluss der die Drähte der Maschine durchlaufenden in-
ducirten Ströme selbst. Dieser Einfluss ist bei beiden hier be-
trachteten Maschinensystemen ein doppelter, nämlich einmal die
Verschiebung der Lage der magnetischen Pole des Pacinotti’schen
Ringes, resp. des v. Hefner’schen Cylinders, und zweitens die
Herabdrückung des magnetischen Maximums, sowohl der festen
Magnetpole, wie des Ringes, durch Magnetisirung des Eisens im
Sinne der inducirten Ströme, mithin senkrecht auf die Richtung
des wirksamen Magnetismus. Die inducirten Ströme suchen den
Ring resp. den Cylinder derart zu magnetisiren, dass die Polebene
senkrecht auf der Polebene der festen Magnete steht, es muss die wirk-
liche Polebene daher die Resultante der beiden, senkrecht auf
einander stehenden, magnetisirenden Einflüsse sein. Es ergiebt
sich dies auch daraus, dass man die Schleiffedern beim Gange
der Maschine um einen von der Stärke des inducirenden Stromes
abhängigen Betrag nachstellen muss, um das Maximum der Wir-
kung zu erhalten. Durch diese Magnetisirung in einer zur
Richtung des inducirenden Magnetismus senkrechten Richtung
wird nun ein Theil der hypothetischen magnetischen Eisenmole-
küle in Anspruch genommen; es muss daher die Magnetisirung
des Ringes durch den festen Magnet entsprechend kleiner wer-
den. Aus dem Umstande, dass man die Contactfedern oder
Bürsten bei schnellerer Rotation des Cylinders mehr wie bei
langsamerem Gange nachstellen muss, auch wenn durch äussere
eingeschaltete Widerstände die Stromstärke constant erhalten
wird, ergiebt sich ferner, dass entweder ein Mitführen des im
Ringe oder Cylinder durch die feststehenden Magnetpole erzeug-
ten Magnetismus durch das rotirende Eisen stattfindet, oder dass
Zeit zur Ausführung der Magnetisirung erforderlich ist, die
Ringmagnetisirung mithin um so kleiner wird, je grösser die
Rotationsgeschwindigkeit des Ringes ist.


[557]

Diesen Ursachen ist auch die auffallende Erscheinung zuzu-
schreiben, dass die Stromstärke der in sich geschlossenen Dyna-
momaschine nach Beendigung des Steigerungsprocesses der
Drehungsgeschwindigkeit nahe proportional ist, während das
dynamo-elektrische Princip an sich (d. h. ohne Berücksichtigung
der Erwärmung der Drähte, der secundären Wirkung der indu-
cirten Ströme u. s. w.) bei jeder Drehungsgeschwindigkeit ein
Ansteigen des Stromes bis zu derselben unendlichen Höhe be-
dingt, wenn der Magnetismus der Stromstärke proportional ist.


Ob und in wie weit eine Vervollkommnung der Construc-
tion der dynamo-elektrischen Maschinen die geschilderten Mängel
derselben zu beseitigen im Stande ist, lässt sich theoretisch
nicht feststellen. Auf die Pläne, durch welche eine solche Ver-
vollkommnung angestrebt wird, hier einzugehen, würde zweck-
los sein. Um jedoch das Bild der gegenwärtigen Sachlage zu
vervollständigen, will ich noch einige meiner Versuchsconstruc-
tionen beschreiben, welche den Ausgangspunct zu diesen Be-
strebungen bilden. Dieselben hatten den directen Zweck, Ma-
schinen für chemische Zwecke herzustellen, bei welchen geringe
elektromotorische Kraft ausreichend, aber sehr geringer innerer
Widerstand erforderlich ist.


Die eine dieser Versuchsconstructionen, die sogenannte Topf-
maschine, hat als Grundlage meinen schon früher beschriebenen
Cylindermagnet oder Doppel-T-Anker (Siemens armature). Wenn
man einen solchen transversal umwickelten Magnet, dessen Pol-
flächen Theile eines Cylindermantels sind, mit parallelen Leitern
umgiebt, die an einem Ende sämmtlich mit einander leitend ver-
bunden sind, und dieselben um den Cylindermagnet rotiren lässt,
so werden in denjenigen Drähten, welche sich gerade über der
einen Polfläche befinden, positive, in den über der anderen be-
findlichen negative Ströme inducirt, welche sich durch passend
angebrachte Schleifcontacte, welche alle in gleichem Sinne indu-
cirten Drähte oder Kupferstäbe leitend mit einander verbinden,
zu Strömen grosser Stärke vereinigen, da der Widerstand der
Maschine ein ausserordentlich geringer ist.


Die Potentialdifferenz der beiden Schleifcontacte konnte der
Kürze der inducirten Leiter wegen selbstverständlich nur eine
geringe sein. Sie erreichte bei der grössten zulässigen Rota-
[558] tionsgeschwindigkeit noch nicht ein Daniell, was aber ausreichend
für galvanoplastische Zwecke ist.


Durch Anbringung eines Mantels aus isolirten Eisendrähten
lässt sich die Stärke der magnetischen Felder und damit die
elektro-motorische Kraft des Stromes noch beträchtlich verstärken.
Bei dieser Construction der dynamo-elektrischen Maschine wirkt
der Magnetismus direct inducirend; es fällt daher bei ihr eine
Reihe der oben erörterten Constructionsfehler fort. Sie bildet
daher den Ausgangspunkt für verbesserte Constructionen von
dynamo-elektrischen Maschinen, über welche ich mir weitere
Mittheilungen vorbehalte.


Eine zweite Construction ruht auf einer ganz abweichenden
Grundlage, nämlich auf der sogenannten unipolaren Induction.
Bekanntlich entsteht in einem Hohlcylinder, welchen man um
das Nord- oder Südende eines Magnetstabes rotiren lässt, ein
Stromimpuls, der sich durch einen Strom in der leitenden Ver-
bindung von Schleiffedern an den beiden Enden des rotirenden
Cylinders kundgiebt. Es wurde nun ein Hufeisen mit langen
cylindrischen Schenkeln so placirt, dass die Polenden nach oben
gerichtet waren. Das untere Drittheil der Schenkel wurde mit
Drahtwindungen von sehr grossem Querschnitt (etwa 20 □ cm,
umgeben. Um die oberen zwei Drittel der Länge der Schenkel
rotirten zwei Hohlcylinder aus Kupfer, deren untere Enden mit
den oberen Anfängen der unter sich verbundenen Spiralen durch
ein System von Schleiffedern communicirten, während die an dem
oberen Ende derselben angebrachten Schleiffedern isolirt waren.
Die rotirenden Cylinder waren mit einem eisernen Mantel um-
geben, welcher den Zweck hatte, den Magnetismus des Elektro-
magnetes, resp. die Stärke der cylindrischen magnetischen Felder,
in denen die Kupfercylinder arbeiteten, zu vergrössern. Es ge-
lang bei den allerdings bedeutenden Dimensionen dieser Ma-
schine, durch unipolare Induction einen Strom zu erzeugen,
welcher in einem äusserst geringen Widerstande thätig war und
eine elektro-motorische Kraft von ca. 1. Daniell besass. Trotz
dieser verhältnissmässig bedeutenden Leistungen war der Nutz-
effect dieser Maschine nicht befriedigend, da die Reibung der
Schleiffedern zu gross war und die Leistung der Grösse der
Maschine nicht entsprach.


[559]

Ich will hier noch bemerken, dass mein Freund G. Kirch-
hoff mir einen beachtenswerthen Vorschlag machte, um die
elektromotorische Kraft dieser Maschine durch Vergrösserung der
Länge des inducirten Leiters zu vermehren.


Er schlug vor, die Wände der rotirenden Hohlcylinder durch
Längsschnitte zu trennen und sie dann mit isolirenden Zwischen-
lagen wieder zu einem Hohlcylinder zusammenzufügen. Jedes
Ende eines der so gebildeten isolirten Stäbe sollte mit einem
isolirten Schleifringe leitend verbunden werden. Durch die im
Kreise anzuordnenden Schleiffedern konnten dann die Enden der
Stäbe beider Cylinder derartig verbunden werden, dass sie in
demselben Sinne elektromotorisch wirkten. Technische Schwierig-
keiten haben die Durchführung dieses beachtenswerthen Vor-
schlages bisher verhindert, es ist aber nicht unwahrscheinlich,
dass dieselben zu überwinden sind. Auffallend ist bei dieser
Maschine, dass der Magnetismus des grossen Hufeisenmagnetes
viel früher von der Proportionalität mit dem (primären) Strom
abweicht, als zu erwarten war. In der nachfolgenden Tabelle
enthält die erste Colonne die Stärke des magnetisirenden Stromes
in Stromeinheiten, die zweite die Spannungsdifferenz an den
Schleiffedern in Daniells, die dritte die Umdrehungszahl der
Kupfercylinder. Wäre der Magnetismus der Stärke des primären
Stromes proportional, so müssten die Zahlen der vierten Colonne
denen der ersten proportional sein, — was ersichtlich nicht der
Fall ist. Ebenso wenig ist bei dem durch einen Widerstand
geschlossenen Leitungskreise die in der letzten Colonne an-
gegebene Stromstärke in demselben dem Producte aus Strom-
stärke des primären Kreises in die Tourenzahl, dividirt durch
den eingeschalteten Widerstand, proportional. (Siehe Tabelle auf
S. 560.)


Dass die Magnetschenkel, die aus Eisenröhren von 16 cm
äusserem, 9 cm innerem Durchmesser und 116 cm Länge bestanden,
schon bis zum Maximum magnetisirt gewesen waren, ist schon
aus dem Grunde nicht anzunehmen, weil der schwache rück-
bleibende Magnetismus bereits etwa ein Achtel der stärksten
Spannung gab, wie aus dem 10. Versuch hervorgeht. Es ist
aber möglich, dass der Magnetismus nicht gleichmässig auf
der Peripherie der feststehenden Magnetschenkel vertheilt war,
[560] und dass daher die augenblicklich in schwächeren magnetischen
Feldern befindlichen Theile der rotirenden Cylinder eine Neben-
schliessung für die in stärkeren Feldern inducirten Ströme bildeten.
Bei Durchführung des Kirchhoff’schen Vorschlages würde dies
fortfallen.

[[561]]

Beiträge zur Theorie des Elektro-
magnetismus.


(Mon.ber. d. Berl. Akad. v. 23. Juni.)


1881.


Veranlassung zu dieser Untersuchung gab mir die Frage,
welchen Einfluss auf die Grösse der Magnetisirung der im Eisen
eines Elektromagnetes bereits vorhandene oder gleichzeitig in ihm
in einer anderen Richtung durch äussere Kräfte hervorgerufene
Magnetismus ausübt.


Die Ampère’sche Theorie verlangt die Annahme eines
solchen Einflusses, wenn man mit Wilhelm Weber annimmt,
dass der Magnetismus, in Uebereinstimmung mit Müller’s Ver-
suchen, in den magnetischen Körpern stets vollständig, aber in
einer begrenzten Menge vorhanden ist. Giebt es aber nur eine
begrenzte Zahl von Elementarmagneten oder von sie ersetzenden
Solenoiden im Eisen, so kann eine magnetisirende oder richtende
Kraft nicht dieselbe Wirkung haben, wenn eine auf ihr senkrecht
stehende Richtkraft gleichzeitig auf die Elementarmagnete drehend
einwirkt. Es ergiebt sich dies für das Maximum der Magnetisirung
ohne Weiteres aus der Betrachtung, dass man zwei gleichzeitig
auf eine Eisenmasse wirkende Kräfte, die dieselbe in zwei senk-
recht auf einander stehenden Richtungen zu magnetisiren bestrebt
sind, immer durch eine dritte in der Richtung und Stärke der
Resultante dieser Kräfte wirkende Kraft ersetzen kann. Die
Magnetisirung der Eisenmasse wird daher im Sinne der Resultante
der magnetisirenden Kräfte erfolgen und wird in dieser Richtung
ihr Maximum erreichen. Das magnetische Moment der in der
Richtung dieser Resultante gerichteten Elementarmagnete muss
36
[562] daher in der Richtung der wirksamen, hier als gleich gross an-
genommenen Kräfte betragen. Es muss dies wenigstens dann
der Fall sein, wenn der magnetisirte Eisenkörper eine Kugel
ist und das Maximum der Magnetisirung in der Richtung der
Componente der Kräfte wirklich erreicht wird. Für Eisenmassen
mit verschiedenen Dimensionen complicirt sich diese Betrachtung
durch die Verschiedenheit der gegenseitigen Verstärkung des
Magnetismus, welche die magnetisirten Eisenmolecüle auf ein-
ander ausüben, worauf ich später zurückkommen werde.


Durch Versuche ist diese Folgerung aus der Ampère-Weber-
schen Theorie bisher meines Wissens noch nicht bestätigt. Es
hat dies zum Theil wohl darin seinen Grund, dass der Vorgang
der Magnetisirung der magnetischen Körper überhaupt noch nicht
in allen Richtungen aufgeklärt ist, wodurch die experimentelle
Entscheidung einer bestimmten Frage sehr erschwert wird, zum
Theil bei dieser speciellen Frage aber darin, dass es schwer fiel,
den störenden Einfluss der starken magnetisirenden Kräfte selbst
auf die Messung eines bestimmten magnetischen Momentes des
Eisens zu eliminiren. Um dies zu erzielen, war es nöthig, be-
sonders geformte Elektromagnete in Anwendung zu bringen, bei
denen sowohl die magnetisirende Kraft, wie der von ihr im Eisen
erzeugte Magnetismus der einen Richtung ohne Einfluss auf die
Angaben des Mess-Apparates blieben, mit dem die Magnetisirung
in einer anderen Richtung gemessen wurde.


Diese Bedingung wird erfüllt durch ein gerades Eisenrohr,
welches mit der Axe parallel laufenden, isolirten Drähten derart
umwunden ist, dass die äussere und die innere Wandfläche des
Rohres gleichförmig mit parallelen Drähten bedeckt sind. Eine
solche longitudinale Umwindung — wie sie bei dem in der
Elektrotechnik vielfach verwendeten Pacinotti’schen Ringe zur
Verwendung kommt — bewirkt, wenn sie von einem elektrischen
Strome durchlaufen wird, in allen ihren Theilen eine Magneti-
sirung der Rohrwand im Sinne der Tangenten des Rohres, so
dass das Rohr einen in sich selbst geschlossenen Ring-Magnet
darstellt. Wie Kirchhoff1) nachgewiesen hat, übt ein solcher, in
sich geschlossener Ring-Elektromagnet keine Wirkung nach aussen
[563] aus. Für die Axe des Eisenrohres ergiebt sich dies auch schon
aus der Betrachtung, dass alle Theile der Rohrwand, sowie die
longitudinalen Windungen symmetrisch zu der Axe liegen und
dass die magnetische Fernwirkung entgegengesetzt liegender
Windungen und magnetisirter Eisentheile sich in Bezug auf sie
aufhebt. Umgiebt man nun das longitudinal umwickelte Eisen-
rohr mit einer zweiten äusseren, transversal gewickelten Spirale,
welche, von einem Strome durchlaufen, das Eisenrohr im Sinne
der Axe des Rohres magnetisirt, so ist die Summe der magne-
tischen Momente der Spirale und des Eisenrohres in dieser
Richtung
an einem in der Axe des Rohres aufgestellten Spiegel-
Magnetometer zu messen, während ein Strom durch die longitu-
dinalen Windungen und der durch sie hervorgerufene tangentiale
Magnetismus der Rohrwand ohne Einfluss auf das Magnetometer
bleiben.


Bei den Versuchen wurde ein Eisenrohr von 15 mm innerem
Durchmesser, 150 mm Länge und 3 mm Wandstärke benutzt,
welches mit 36 longitudinalen Windungen von 1 mm dickem
Kupferdrahte versehen war. Das longitudinal umwundene Rohr
wurde in eine Drahtspirale aus 328 Windungen gleichen Drahtes
von 100 mm Länge gesteckt. Das Rohr ragte etwa 25 mm auf
beiden Seiten aus der Spirale heraus. Die Wirkung der Spirale
auf das Galvanometer wurde durch eine zweite, von der ersteren
entfernten Spirale compensirt, welche eine Verlängerung des
Drahtes der ersteren bildete, so dass beide Spiralen stets von
demselben Strome durchlaufen wurden.


Wurde nun das so umwundene Eisenrohr senkrecht zum
Meridian in die Richtung nach einem Magnetometer mit aperio-
disch schwingendem Glockenmagneten gebracht und ein Strom
von etwa 10 Bunsen-Elementen durch die äussere Spirale B ge-
schickt, so gab das Magnetometer einen Scalenausschlag, der ein
Mass des im Sinne der Axe des Rohres erzeugten Magnetismus
bildete. Es wurde demnächst nach einander eine Batterie von
1 bis 8 Elementen gleichzeitig in die innere (longitudinale) Spi-
rale A eingeschaltet. Die Ablenkung des Magnetometers ver-
minderte
sich in Folge dessen, und zwar nahm diese Vermin-
derung mit der Verstärkung der Batterie in der longitudinalen
Spirale zu.


36*
[564]

Die Versuche wurden so angestellt, dass erst die Ablenkung
des Magnetometers bei Einstellung der Batterie in die äussere
(transversale) Spirale ohne Strom in der longitudinalen Spirale
abgelesen, dann nach einander stärkere Batterien in die longi-
tudinale Spirale eingeschaltet und die dann erfolgenden Ablen-
kungen beobachtet wurden:


Tabelle 1.


Wie hieraus ersichtlich, nahm der dem Strom in B ent-
sprechende Ausschlag des Magnetometers während der Versuche
ab, was offenbar von der gleichzeitigen Abnahme des Stromes in
B herrührt. In der Curve zu Tab. 1 (Taf. VI) sind diese Versuche
auf gleich starken Strom in B reducirt aufgezeichnet (Abscisse:
Stromstärke in A, Ordinate: Ausschlag des Magnetometers).


Es ist hierdurch nachgewiesen, dass der durch eine mag-
netisirende Kraft in einer Eisenmasse erzeugte Magnetismus
kleiner wird, wenn gleichzeitig durch andere Kräfte eine Mag-
netisirung derselben in einer senkrecht auf ihr stehenden Rich-
tung stattfindet. Die Umkehr der Stromrichtung in der longi-
tudinalen Spirale bleibt dabei ganz ohne Einfluss auf die Grösse
der Ablenkung.


Der Ringmagnetismus nähert sich schon bei verhältniss-
mässig schwachen Strömen seinem Maximum. Es rührt dies ein-
mal davon her, dass die magnetisirende Gesammtwirkung eines
von Eisen ganz umgebenen, von einem elektrischen Strome durch-
laufenen Drahtes eine sehr viel grössere ist, als wenn derselbe
Draht um einen Eisenstab gewunden ist, und ferner von der
[565] bedeutenden verstärkenden Wirkung, die der Ankerschluss in
einem kurzen Magnete auf den Magnetismus ausübt. Die mag-
netisirende Wirkung eines, der Einfachheit wegen als unendlich
lang angenommenen, mit der Cylinderaxe zusammenfallenden
Drahtes lässt sich durch eine einfache Rechnung bestimmen.


Figure 67. Fig. 57.

Es sei A ein Eisenrohr von der Länge l, dem mittleren
Halbmesser ϱ und einer geringen Wandstärke s. Es sei ferner
m n die Axe des Rohres, welche mit der eines geraden un-
begrenzt langen Leiters m n zusammenfällt. Das Stromelement d x
wird dann auf einen in der Röhrenwand liegenden Eisenkörper
von den Dimensionen ϱ. d α, s und d l eine magnetisirende Kraft im
Sinne der Tangente des Rohres ausüben, welche ausgedrückt
wird, wenn mit i die Stromstärke und mit α der Peripherie-
winkel bezeichnet wird, durch:
oder für den ganzen Ring durch:

Der Magnetismus des ganzen Ringes im Sinne seiner Peri-
pherie ist dann
und da auf alle Ringe der ganzen Rohrlänge dieselbe Wirkung
stattfindet, hat der Magnetismus des ganzen Rohres von der
Länge l den Werth

Da der Werth von ϱ in diesem Ausdrucke nicht mehr vor-
kommt, so ist der Durchmesser des Rohres auf die Grösse des
erzeugten Magnetismus ohne Einfluss. Der in der Eisenwand
[566] eines Rohres durch einen centralen unbegrenzten Leiter erzeugte
Gesammtmagnetismus ist daher unabhängig von dem Durchmesser
des Rohres und direct proportional seiner Länge und seiner
Wandstärke.


Zur Prüfung der Richtigkeit dieses Rechnungsresultates
wurden 3 Eisenröhren von gleicher Länge, aber verschiedener
Wandstärke und verschiedenem Durchmesser angefertigt, und
jedes der Rohre mit zwei longitudinalen Spiralen versehen. Die
primäre Spirale bestand bei jedem Rohre aus 90, die secundäre
aus 30 Windungen. Durch die primäre Spirale wurden Ströme
wechselnder Richtung geschickt und der in der secundären Spi-
rale durch die Umkehr des Magnetismus erzeugte inducirte Strom
durch den Ausschlag des Spiegelgalvanometers gemessen. Die
Dimensionen der Eisenrohre a, b, und c von 100 mm Länge waren

Die Resultate der Versuche sind in Tab. 2 und den zugehörigen
Curven der Tafel VI enthalten; in den Curven ist die Stromstärke
Abscisse, der Magnetismus Ordinate. Wie aus dem Diagramm I
ersichtlich, in welchem die horizontalen Abscissen die gemes-
sene Stromstärke, die verticalen die durch die zugehörigen In-
ductionsspiralen erzeugten Ausschläge bedeuten, ist der durch diese
gemessene Magnetismus der Wandstärke ziemlich proportional,
während die grössere lichte Weite zwar einen vermindernden
Einfluss ausübt, der aber nicht bedeutend ist und durch die Art
der Messung seine Erklärung findet. Genaue Uebereinstimmung
liess sich bei diesen Versuchen aus dem Grunde nicht erwarten,
weil die Beschaffenheit des Eisens bei Elektromagneten einen
wesentlichen Einfluss ausübt.


Es ist bisher nur die directe magnetisirende Wirkung, welche
ein mit der Ringaxe zusammenfallender Strom auf das Eisenrohr
ausübt, in Betracht gezogen, nicht die verstärkende Wirkung,
welche die durch den Strom aus ihrer Gleichgewichtslage im
Sinne der Magnetisirungsrichtung abgelenkten Elementarmagnete
[567] oder Solenoide auf einander ausüben und dadurch den Magnetis-
mus vermehren. Es ist schwer, sich von dieser verstärkenden
Molecularwirkung, welche eine so wesentliche Rolle bei den
elektromagnetischen Erscheinungen bildet, Rechenschaft zu geben,
wenn man an der Ampère-Weber’schen Anschauung festhält,
dass die Molecularmagnete mit gleichmässigem Abstande ihrer
Mittelpunkte in allen möglichen Richtungen gelagert sind. Es
ist auch kaum denkbar und meines Wissens auch niemals nach-
zuweisen versucht, dass bei dieser Annahme die Wirkung der
beliebig geformten Grenzschichten des Körpers ganz ohne Ein-
fluss blieben und an keiner Stelle eines nicht magnetisirten
Eisenkörpers eine Fernwirkung der Molecularmagnete auftreten
könne. Diese Schwierigkeit wird gehoben und gleichzeitig eine
leicht übersichtliche Erklärung für viele elektromagnetische Er-
scheinungen gewonnen, wenn man die Ampère-Weber’sche
Theorie durch die Annahme modificirt, dass jedes Eisen-Molecül
aus zwei einander mit entgegengesetzten Polen nahe gegenüber-
stehenden Elementarmagneten besteht, die zusammen in jeder
Richtung frei und ohne Arbeitsaufwand drehbar sind, während
jedes Molecularmagnetpaar durch äussere magnetisirende Kräfte
in ähnlicher Weise auseinander gedreht wird, wie es mit einem
astatischen Nadelpaare der Fall sein würde, wenn die Magnet-
Nadeln sich einzeln in ihren parallelen Schwingungsebenen
drehen könnten. Wird der Abstand der Elementarmagnete von
einander als klein dem Abstande der gepaarten Molecüle gegen-
über angenommen, so kann eine Fernwirkung der nicht durch
äussere Kräfte magnetisirten Eisenmasse auch an den Grenz-
flächen des Körpers nicht eintreten. Tritt dagegen eine richtende
äussere Kraft auf, so muss dieselbe die beiden Elementarmagnete
der gepaarten Eisenmolecüle in verschiedenem Sinne drehen, so
dass alle Nordpole der einen, alle Südpole der entgegengesetzten
Richtung zugewendet werden. Wenn keine Wirkung der so
magnetisirten Eisenmolecüle auf einander stattfände, so müsste
das Kräftepaar, welches als magnetisirende Kraft die Elementar-
magnete eines Molecüls aus einander zu drehen bestrebt ist,
gleich der Kraft sein, mit der die aus ihrer Ruhelage getriebenen
Elementarmagnetpole der Drehung entgegen auf einander wirken.
Es findet aber ausserdem eine gegenseitige Anziehung zwischen
[568] den entgegengesetzten Polen aller so gerichteten Elementar-
magnetpole und eine Abstossung zwischen allen gleichen Polen
statt, deren Resultante eine Verstärkung der durch die magne-
tisirende Kraft direct erzeugten Drehung ergiebt. Diese ver-
stärkende Wechselwirkung findet nur in der Richtung der
Magnetisirung statt, da die Wechselwirkungen neben einander
liegender Molecularmagnetgruppen sich ausgleichen. Die Erschei-
nung der Remanenz des Magnetismus oder der magnetischen
Coërcitivkraft, sowie die Erwärmung der Elektromagnete durch
häufigen schnellen Polwechsel verlangen ferner die Annahme,
dass sich der Drehung der Elementarmagnete gegeneinander ein
Reibungswiderstand entgegensetzt, während die gepaarten Mole-
cüle sich, wie angenommen, widerstandslos in jeder Richtung
drehen können. Dieser Reibungswiderstand begrenzt die gegen-
seitige Verstärkung der Drehung der Elementarmagnete und ver-
hindert andererseits das vollständige Verschwinden des Magne-
tismus nach Aufhören der äusseren magnetisirenden Kraft.


Durch Annahme dieser Modification der Ampère-Weber’schen
Theorie finden manche bisher unklare magnetische Erscheinungen
ihre einfache Erklärung. Es muss nach ihr der Magnetismus
eines Eisenstabes, auf dessen sämmtliche Molecüle eine gleiche
magnetisirende Kraft ausgeübt wird, mit der Länge des Stabes
so lange zunehmen, bis ein Gleichgewichtszustand zwischen allen
Drehungs- und Reibungsmomenten sämmtlicher im Sinne der
Magnetisirung vor einanderliegenden Molecularmagneten einge-
treten ist.


Es muss die Mitte des Stabes daher am stärksten magnetisirt
werden und hier am ehesten eine Annäherung an das Maximum
der Magnetisirung eintreten. Es muss ferner ein dünner Stab
durch gleiche auf ihn einwirkende Kräfte stärker magnetisirt
werden, sich also auch früher dem Maximum der Magnetisirung
nähern wie ein dicker, da beim dünnen Stabe alle verstärkend
auf einander wirkenden Molecularmagnete mehr direct hinter ein-
ander liegen, die Gesammtwirkung daher grösser sein muss. Da
die Molecule der Endflächen der Elektromagnet-Stäbe nur der
den Magnetismus verstärkenden Wirkung der Molecular Magnete
von einer Seite ausgesetzt sind, so muss der Magnetismus der
Endflächen kurzer Stäbe gleich sein der Hälfte des Magnetismus
[569] der Mitte des Stabes + der directen Magnetisirung durch die
magnetisirende Kraft. Dass diese letztere directe Drehung klein
ist im Vergleich mit der der gegenseitigen Verstärkung, folgt aus
der starken Magnetisirung kurzer geschlossener Ring- oder Huf-
eisenmagnete durch schwache magnetisirende Kräfte. Bei einem
solchen in sich geschlossenen Ringmagnete muss die Magnetisirung
eines jeden Querschnittes des Ringes sich verhalten, wie die des
Querschnittes durch die Mitte eines sehr langen Magnetstabes, da
im Ringe die verstärkende Wirkung ebenso wie die äussere magne-
tisirende in jedem Querschnitte dieselbe ist. Die Grösse der
Magnetisirung eines geschlossenen Ringmagnetes wird daher einmal
durch das Maximum der Magnetisirbarkeit des Eisens und zweitens
durch die Summe der Reibungswiderstände der Molecularmagnete
des ganzen Kreises bedingt. Bei gleicher magnetisirender Ein-
wirkung auf alle Molecularmagnete durch äussere Kräfte muss
daher die verstärkende Wirkung mit der Länge des zum Ringe
gebogenen Eisens abnehmen. Es musste daher auch bei den oben
beschriebenen Versuchen das weitere Rohr c durch gleiche magne-
tisirende Kräfte einen geringeren Magnetismus annehmen wie das
engere Rohr b von gleicher Wandstärke. Wie schon aus den oben
mitgetheilten Versuchen sich ergiebt und durch die späteren sich
noch bestimmter herausstellen wird, genügt schon ein verhält-
nissmässig schwacher Strom in der magnetisirenden Spirale,
um den Ringmagnetismus der Maximalmagnetisirung zu nähern.
Es muss mithin die gegenseitige Verstärkung des Magnetismus
der Molecularmagnete die directe Magnetisirung durch die äussere
magnetisirende Kraft bedeutend überwiegen. Es wird dies auch
durch die Thatsache bestätigt, dass eine dünne Eisenscheibe, die
auf die Polfläche eines starken Magnetes gelegt wird, von diesem
nicht merklich angezogen wird, wenn die Ränder der Scheibe
nicht über die Polflächen hinausragen, dass aber sofort eine starke
Anziehung eintritt, wenn ein Theil der Eisenplatte über den Rand
der Polfläche hinausragt.


Ein Widerspruch gegen diese Anschauung schien darin zu
liegen, dass die Tragkraft von geschlossenen Hufeisenmagneten
nach einigen Beobachtern mit dem Quadrat des Magnetismus,
nach anderen wenigstens in einem viel höheren Verhältnisse, wie
der Magnetismus selbst, zunehmen soll. Wie aus den folgenden
[570] Versuchen sich ergiebt, ist die Tragkraft eines kurzen Ring- oder
Röhrenmagnetes aber nahe direct proportional dem durch In-
duction gemessenen wirksamen Magnetismus. Dass dies der
Fall sein muss, ergiebt sich aus der Betrachtung, dass die
magnetische Anziehung zweier unendlich naher Querschnitte des
Ringes der Summe der gegenseitigen Anziehung aller magneti-
sirten Molecularmagnete auf beiden Seiten der Schnittfläche
gleich sein muss, dass diese Summe aller anziehenden Kräfte
aber auch als der im Ringquerschnitte thätige Magnetismus zu
betrachten ist. Die abweichenden Beobachtungen werden durch
zu grosse Länge des magnetischen Kreises, durch unvollkommene
Berührung der Anker- und Magnetflächen und durch zu geringe
Grösse der Berührungsflächen zu erklären sein.


Es wurde ein Röhrenmagnet von 10,8 mm lichter Weite,
2,3 mm Wandstärke und 150 mm Länge so hergerichtet, dass
er durch einen durch die Rohraxe gehenden Schnitt in zwei
Halbcylinder getheilt wurde. Die Röhrenhälften wurden sorg-
fältig auf einander geschliffen und jede mit einer Hälfte der beiden
Drahtspiralen umwunden. Durch passende Vorrichtungen konnte
nun das Gewicht bestimmt werden, welches erforderlich war,
um die Röhrenhälften auseinander zu reissen und gleichzeitig der
in der Inductionsspirale bei der Trennung entstehende Inductions-
strom gemessen werden. In der folgenden Tabelle 2 (S. 571, 572)
enthält die erste Verticalspalte die Stromstärke der Magnetisirungs-
spirale, die zweite den beim Abreissen entstehenden inducirten
Strom, die dritte die Abreissgewichte in Kilogrammen, die vierte
den Quotienten der Zahlen der beiden letzten Spalten. Diese
Quotienten der vierten Spalte sollten alle gleich sein, wenn die
Tragkraft dem thätigen Magnetismus direct proportional war.
Wie ersichtlich finden beträchtliche Abweichungen statt und die
Quotienten nehmen mit steigender Stromstärke etwas ab. Es
kann dies aber auch der grösseren Zusammenpressung der Schnitt-
flächen, der Verbiegung und anderen mechanischen Ursachen zu-
geschrieben werden.


Eine zweckmässigere Form ist diesem Röhrenmagneten da-
durch zu geben, dass das Eisenrohr zum Kreise gebogen wird.
Ist der von Eisen rings umschlossene, ringförmige Hohlraum mit
einer passend gewickelten Drahtspirale ausgefüllt, nachdem das
[571]Tabelle 2.
a) Eisenrohr I.
Wandstärke = 2,3 mm; Lichtweite 10,8 mm.

b) Eisenrohr II.
Wandstärke = 4,5 mm; Lichtweite 11 mm.

[572]c) Eisenrohr III.
Wandstärke = 4,5 mm; Lichtweite 17,5 mm.

kreisförmige Rohr durch einen Schnitt durch die grösste Ring-
ebene in zwei gleiche Halbringe getheilt und dadurch das Ein-
legen der Drahtspirale ermöglicht ist, so wird man ohne grossen
Fehler für diesen ringförmigen Rohrmagnet die oben entwickelte
Formel für die Magnetisirung und die Tragkraft anwenden können,
wenn der Radius des Ringes nicht zu klein ist.


Tabelle 3.


Die Tabelle 3 giebt die mit einem solchen ringförmigen
Röhrenmagnete angestellten Abreissversuche.


[]

Verlag von Julius Springer, Berlin N.


[][573]

Die beiden gleichen ringförmigen Eisenschalen, welche, auf-
einander gelegt, den Röhrenmagnet bilden, waren gut aufein-
ander geschliffen. An jeder Schale war ein messingener Bügel
befestigt, mittelst deren die Magnetschalen auseinander gerissen
werden konnten. Die Spirale bestand aus 360 Windungen über-
sponnenen Kupferdrahtes von 0,5 mm Dicke und 8,7 Einheiten
Widerstand. Der innere Durchmesser derselben betrug 62 mm, der
äussere 81 mm, ihr Querschnitt war mithin ein Kreis von 86 mm
Durchmesser. Die Wandstärke der Eisenschalen betrug 2 mm.
Zur Messung des im Röhrenmagnet entwickelten Magnetismus
waren 50 Windungen feinen isolirten Drahtes mit der Draht-
spirale zusammen aufgewickelt, so dass diese aus der beschrie-
benen Hauptspirale und einer Nebenspirale bestand, die von ein-
ander isolirt waren. Haupt- und Nebenspirale waren mit der
oberen Eisenschale fest verbunden, so dass die untere Eisen-
schale den abzureissenden Anker bildete. Die Bewegung nach
dem Abreissen war durch eine durch den Ring hindurchgehende,
am Bügel der unteren Ringschale befestigte Stange mit Anschlag
auf einige Millimeter begrenzt.


Es wurde nun ein stark gedämpftes Spiegelgalvanometer
durch einen passend eingerichteten Commutator in der Weise
mit den beiden Spiralen verbunden, dass man bei der einen
Commutator-Stellung mit Hülfe einer Nebenschliessung der Haupt-
spirale die Stromstärke der letzteren, bei der anderen den beim
Abreissen in der Inductions-Spirale inducirten Strom messen
konnte. Das Abreissen geschah in der Weise, dass der untere
Theil der an dem Ankerbügel befestigten Stange ebenfalls mit
einem Ansatze versehen war, welcher gestattete, scheibenförmige
Bleigewichte mit Einschnitten, die bis zur Mitte der Scheiben
reichten, auf die Stange zu schieben, die dann durch den An-
satz festgehalten wurden. War durch Ansetzen der nöthigen
Anzahl solcher Gewichte die Tragkraft des Magnetes annähernd
äquilibrirt, so wurde ein ebenfalls an der Tragstange des Ankers
befestigte Federwage langsam angezogen und das von ihr im
Augenblicke des Abreissens angezeigte Gewicht notirt, während
ein anderer Beobachter den Ausschlag des Spiegelgalvanometers
beobachtete, welcher den beim Abreissen in der Inductionsspirale
erzeugten Strom angab. Dieser Ausschlag ist ein Mass des beim
[574] Abreissen des Ankers im Magnete verschwundenen Magnetismus,
also auch ein Mass der Verstärkung des Magnetismus durch
den Ankerschluss. Um den ganzen vor dem Abreissen im Mag-
nete vorhandenen wirksamen Magnetismus zu erhalten, muss
man den Ausschlag hinzuzählen, der bei Unterbrechung des mag-
netisirenden Stromes eintritt, nachdem von demselben der durch
die Induction der Hauptspirale selbst auf die Inductionsspirale
bedingte Ausschlag abgezogen ist. Diesen Zahlen sind die Ab-
reissgewichte annähernd proportional. Die Abweichungen er-
klären sich genügend dadurch, dass auch bei geöffneter Kette
noch Magnetismus im Eisen des Magnetes zurückbleibt, sowie
durch die trotz sorgfältiger Aufschleifung doch immer noch un-
vollkommene Berührung aller Eisenmolecüle beider Seiten der
Schnittfläche an einander. Die Berührung muss um so voll-
ständiger werden, je stärker der Druck der Flächen auf ein-
ander ist.


Wie sich aus der Tabelle ergiebt, ist die beobachtete Maxi-
mal-Tragkraft 65,2 Kilogramm. Das aus dem Ansteigen der
Tragkraft zu berechnende Maximum der Tragkraft würde etwa
75 Kilogramm sein. Das Gewicht der zum Ringe gebogenen
Eisen-Röhre betrug 192,54 Gramm, das Gewicht der Draht-
spirale 130 Gramm. Ein Gramm Eisengewicht (Magnet und
Anker zusammen gerechnet) trug daher 323 Gramm, und bei
obiger Annahme für das Maximum des Magnetismus war die
Tragkraft das 390 fache des Gesammt-Gewichtes des Eisens.


Mit dem beschriebenen Apparate wurde darauf die Ver-
änderung vorgenommen, dass er mit 12 äusseren Drahtrollen
versehen wurde, die getheilt auf den in sich geschlossenen Ring
aufgesetzt waren und dann mit isolirtem Draht bewickelt wurden.
Die innere Weite der Rolle war etwa 5 mm grösser als die
Ringdicke, so dass ein Abreissen der Ringhälften von einander
ausgeführt werden konnte, ohne durch die Drahtrollen gehindert
zu werden. Die Rollen wurden darauf mit einem gleichen iso-
lirten Drahte bewickelt, wie der war, welcher zur inneren Haupt-
spirale verwendet wurde. Zwei gegenüberstehende dieser Rollen
wurden als Inductionsspirale geschaltet, die übrigen bildeten eine
Hauptspirale zur Erzeugung einer Magnetisirung des Ringes,
deren Richtung überall senkrecht auf der Richtung des durch
[575] die innere Hauptspirale erzeugten Rohrmagnetismus stehen musste.
Die Grösse des erzeugten Ringmagnetismus konnte durch den
Ausschlag gemessen werden, der bei Schliessung der äusseren
Hauptspirale in der Inductionsspirale hervorgebracht wurde.
Dieser Ausschlag giebt zwar nur die Grösse desjenigen Magne-
tismus an, der in dem Theile des Ringes entsteht, welcher von
der Inductionsspirale umschlossen ist, also durch Ringtheile, welche
keiner oder doch nur einer geringen directen Magnetisirung durch
die Hauptspirale unterliegen, er kann aber doch als Mass des
gesammten, im Ringe erzeugten Magnetismus ohne beträchtlichen
Fehler gelten, weil einmal, wie schon hervorgehoben ist, die
directe Drehung der Elementarmagnete durch die magnetisirende
äussere Kraft nur klein ist im Vergleich mit der gegenseitigen
Verstärkung der Molecularmagnete, und weil die Schwächung der
Fortpflanzung der Magnetisirung durch geringe Längen weichen
Eisens von hinlänglichem Querschnitt nicht bedeutend ist.


Es wurde nun in die äussere (transversale) Hauptspirale
eine Batterie eingeschaltet. Durch geeignete Commutation wurde
an demselben Spiegel-Galvanometer erst der durch die Inductions-
spirale bewirkte Ausschlag und darauf die herrschende Stromstärke
in der Hauptspirale gemessen und dies mehrere Male wiederholt,
wobei die Stromrichtung der Hauptspirale jedesmal umgekehrt
wurde. Der durch die Inductionsspirale bewirkte Ausschlag bildete
dann das Mass des durch die Stromstärke I im Ringe erzeugten
Magnetismus.


Liess man nun in einem der beiden magnetischen Kreise
den Strom der Hauptspirale fortdauern und schloss dann die
Hauptspirale des anderen Kreises, so erhielt man in der Induc-
tionsspirale des letzteren einen Ausschlag, der eine Verminderung
des in diesem Kreise erzeugten Magnetismus anzeigte. Es wurde
dadurch das mit geraden Röhrenmagneten erhaltene Resultat be-
stätigt, dass die Magnetisirung des Eisens durch eine äussere
magnetisirende Kraft kleiner wird, wenn eine gleichzeitige Magne-
tisirung in einem auf ihr senkrecht stehenden Sinne vorhanden
ist oder hervorgerufen wird.


Während der ersten Abtheilung der Versuche betrug die
Stärke des äusseren Stromes ungefähr 800, während der zweiten
Abtheilung ungefähr 200; diejenigen Versuche, in denen diese
[576] Stromstärke von den genannten Zahlen abwich, wurden auf die
Zahlen 800 bez. 200 reducirt unter der Annahme, dass die Ein-
wirkung des äusseren Stromes proportional dessen Stärke sei, was
bei den geringen Abweichungen zulässig erschien.


Tabelle 4.


Es wurde ferner das Ansteigen des von der äusseren pri-
mären Spirale allein erzeugten Magnetismus beobachtet, indem
die in der äusseren secundären Spirale auftretenden Ausschläge
gemessen wurden. Das An- oder Absetzen der unteren Hälfte
des Eisenringes ergab in diesem Falle keine Induction; die In-
ductionsausschläge sind die nach mehrmaligem Schliessen und
Oeffnen des Stromes von Einer Richtung erhaltenen; die beim
ersten Schliessen erhaltenen waren, namentlich bei schwachem
Strom, etwas grösser, jedoch höchstens um 5 % (s. Tab. 5).


War in der inneren Spirale Strom, und wurde der Strom
in der äusseren Spirale gewechselt (+ geschlossen, geöffnet, —
[577]Tabelle 5.

geschlossen, geöffnet u. s. w.), und wurde ferner in der inneren
secundären Spirale beobachtet, so war der erste Ausschlag um
ca. 2 % grösser als die folgenden.


Hiernach scheint die dem äusseren Strom allein entsprechende
Remanenz erheblich geringer zu sein, als die dem inneren Strom
entsprechende.


In der Tafel VI bedeuten a1a die Curven des dem inneren
Strom allein entsprechenden Magnetismus (Tab. 4, Sp. 2), b1 u.
b2 die Curven bei gleichzeitiger Einwirkung des äusseren
Stromes und zwar b1 für die Stromstärke 200, b2 für die Strom
stärke 800.


Die specielle Anordnung der Versuche war folgende.


Zunächst wurde das Ansteigen des Magnetismus in der zur
Mittellinie des Ringes senkrechten Richtung beobachtet, bei Ein-
wirkung sowohl des inneren Stromes (Windungen in der Richtung
der Mittellinie), als des äusseren Stromes (Windungen senkrecht
zur Mittellinie); als Mass dieses Magnetismus wurde der in einer
inneren, secundären Spirale (Windungen in der Richtung der
Mittellinie, inducirte Strom angenommen; die in der folgenden
Tabelle enthaltenen Ausschläge sind mit Ausnahme der Spalten
3 und 5 sämmtlich in der inneren, secundären Spirale beobachtet.
Es wurde gemessen (in dieser Reihenfolge) s. Tab. 4:


1. Der Ausschlag beim Ansetzen der unteren Hälfte des
Eisenringes an die obere; 2. der Ausschlag bei Schliessung des
inneren Stromes; 3. die Stärke des inneren Stromes; 4. der Aus-
schlag bei Schliessung des äusseren Stromes; 5. die Stärke des
äusseren Stromes: 6. der Ausschlag bei Oeffnung des äusseren
Stromes; 7. der Ausschlag bei Oeffnung des inneren Stromes;
37
[578] 8. der Ausschlag bei Abnahme der unteren Hälfte des Eisen-
ringes.


Nimmt man an, dass nach Oeffnung der Ströme und Ab-
nahme der unteren Ringhälfte davon kein oder ein ganz con-
stanter remanenter Magnetismus vorhanden sei, so muss die
Summe aller Inductionsausschläge Null sein; dies ist auch mit
genügender Annäherung der Fall, wie Spalte 9 zeigt; Spalte 10
[(1) + (2)] zeigt den durch den inneren Strom, Spalte 11 [(1)
+ (2) + (4)] den durch den inneren und den äusseren Strom
erzeugten Magnetismus; Spalte 12 [(1) + (2) + (7) + (8)] den
dem inneren Strom entsprechenden remanenten Magnetismus.


Aus dem nachgewiesenen, schwächendem Einflusse, den zu-
rückgebliebener oder gleichzeitig erzeugter transversal gerichteter
Magnetismus auf die Grösse der Magnetisirung ausübt, erklären
sich viele störende Erscheinungen bei wissenschaftlichen elek-
tromagnetischen Untersuchungen, sowie bei der technischen An-
wendung des Magnetismus.


Die zu den beschriebenen Versuchen benutzten geraden oder
ringförmigen Röhren-Elektromagnete zeichnen sich dadurch vor
den bisher benutzten Elektromagnet-Constructionen aus, dass sie
bei gegebenem Eisen- und Kupfergewichte einen weit grösseren
magnetischen Effect geben, wie die letzteren. Sie werden daher
namentlich in der Elektrotechnik häufig eine nützliche Verwendung
finden. Die Eigenschaft des ringförmigen Röhrenmagnetes, den
Leitungsdraht vollständig mit einem Eisenmantel zu umgeben,
macht ihn aber auch zur Beantwortung wissenschaftlicher Fragen,
für deren Lösung es bisher an geeigneten Hülfsmitteln fehlte, be-
sonders geeignet. Es ist eine solche z. B. die Frage der Schirm-
wirkung des Eisens. Es erschien zwar wahrscheinlich und wurde
bisher auch wohl ziemlich allgemein angenommen, dass die magne-
tische Fernwirkung durch einen zwischenliegenden Eisenschirm
nicht direct beeinflusst würde und dass die beobachtete Aende-
rung der magnetischen Fernwirkung durch die Wirkung des im
zwischenliegenden Eisenschirme hervorgerufenen Magnetismus zu
erklären sei. Entscheidende Versuche sind darüber aber meines
Wissens noch nicht angestellt, und es war dies mit den bisher
bekannten Hülfsmitteln auch kaum ausführbar.


Um die Frage mit Hülfe des ringförmigen Röhrenmagnetes
[579] zu entscheiden, liess ich zwei möglichst gleiche solcher Magnete
anfertigen und stellte sie auf beiden Seiten des Glockenmagnetes
eines aperiodisch schwingenden Spiegelmagnetometers in der Weise
auf, dass ich die Drahtspiralen mittelst gespannter Drähte an
senkrecht stehenden Rahmen befestigte, welche dem Magnete
beliebig zu nähern waren. Es wurde nun derselbe Strom durch
die beiden Drahtspiralen hintereinander geleitet und das eine
Brett so lange verschoben, bis keine Ablenkung des Magneto-
meters beim Eintritt und bei der Unterbrechung des Stromes
mehr stattfand. Es wurde dann abwechselnd die eine oder die
andere Drahtspirale mit ihren beiden Rohrhälften bedeckt, so
dass dieselbe jetzt einen geschlossenen Röhrenmagnet bildete, und
die entstehenden Ablenkungen des Magnetometers bei Strom-
schluss in Scalentheilen abgelesen. Die Versuche ergaben, dass in
der That eine unzweifelhafte, wenn auch nur geringe, dauernde
Verminderung des magnetischen Momentes einer Drahtspirale ein-
tritt, wenn sie ganz von einem Eisenrohr umschlossen ist. Durch
Annäherung der geschwächten Spirale lässt sich die Grösse dieser
Schirmwirkung bestimmen. Sie ist scheinbar proportional der
Dicke der Rohrwand, doch bedarf dies noch weiterer Bestätigung.
Ich will hier nur noch bemerken, dass eine magnetische Fern-
wirkung des Eisens, wenn eine solche bei einem als Röhren-
magnet magnetisirten röhrenförmigen Ringmagnete als vorhan-
den angenommen werden könnte, eine Verstärkung und keine
Schwächung der Fernwirkung der Spirale hervorbringen müsste.
Ich hoffe, zu einer näheren Untersuchung dieser Frage später
Gelegenheit zu finden und enthalte mich einstweilen einer Er-
klärung dieser auffallenden Erscheinung.


Diese thatsächlich stattfindende, wenn auch nur geringe
Schirmwirkung des Eisens legte mir die Frage nahe, ob sich mit
Hülfe des Röhren-Magnetes nicht entscheiden liesse, ob die
magnetische Fernwirkung eine direct und geradlinig wirkende,
unmittelbare ist, wie es seit Newton von der Schwerkraft ange-
nommen wird, oder ob sie eine von Molecül zu Molecül der
zwischen liegenden Materie oder des hypothetischen Aethers fort-
schreitende Wirkung ist, wie es für die elektrische Vertheilung
von Faraday zuerst angenommen und von mir auf experimen-
37*
[580] tellem Wege als zulässig nachgewiesen wurde1). In der That
schien eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür vorhanden zu sein,
dass die von einer Drahtspirale ausgehende magnetische Kraft
nicht gleichzeitig in der geschlossenen Röhrenwand, die sie durch-
dringen muss, eine beträchtliche Arbeit, die Magnetisirung des
geschlossenen Röhrenmagnetes, ausführen und während dieser
Zeit zugleich eine ungeschwächte Fernwirkung ausüben könne.
Es erschien wahrscheinlicher, dass die Fernwirkung hinter der
Rohrwand erst beginnen würde, wenn die beim Durchgang durch
das Eisen in der Drehung der Elementarmagnete zu leistende
Arbeit gethan war. Die Versuche haben diese Vermuthung nicht
bestätigt. Es wurde zu denselben mit geringer Abänderung die-
selbe Zusammenstellung zweier getheilter ringförmiger Röhren-
magnete mit einem zwischen ihnen aufgestellten Spiegelmagneto-
meter benutzt, wie sie bei dem oben beschriebenen Versuche
benutzt wurden. Zunächst wurden die parallelen und gleich
grossen, auf beiden Seiten des Magnetometers aufgestellten Draht-
spiralen so eingestellt, dass ein Strom, der sie beide hinterein-
einander durchlief, keine Einwirkung auf das Magnetometer zeigte.
Darauf wurde eine der beiden Spiralen, ohne ihre Lage zu verän-
dern, mit den zugehörigen Eisenschaalen bedeckt und der Versuch
wiederholt. Es zeigte sich auch jetzt keine sichere Ablenkung des
Magnetometers, wie es der Fall sein müsste, wenn der Strom
der einen Spirale länger oder stärker auf das Magnetometer ge-
wirkt hätte, wie der der anderen. Da die Zeitdifferenz mög-
licher Weise sehr kurz war und dadurch ihre Wirkung unmerk-
lich wurde bei der kräftigen Gesammtwirkung jeder Spirale, so
modificirte ich den Versuch auf Vorschlag des Dr. Frölich, dem
ich für die Leitung dieser und der früher beschriebenen Ver-
suche zu danken habe, in der Weise, dass anstatt des Magne-
tometers eine dritte, unbedeckte Spirale aufgestellt und die
äusseren, ebenfalls unbedeckten Spiralen wieder so eingestellt
wurden, dass kein Strom in der mittleren Spirale durch sie in-
ducirt wurde. Zur Messung desselben wurde die Ladung eines
Glimmercondensators benutzt, mit dessen beiden Belegungen die
Drahtenden der mittleren Spirale in Verbindung gesetzt waren.
[581] Mein mehrfach beschriebener Fallhammer zur Hervorbringung
von Strömen sehr kurzer Zeitdauer wurde nun so eingeschaltet,
dass ein kräftiger Strom [durch] die beiden Spiralen dauernd cir-
culirte. Der eine der beiden verstellbaren Stifte des Fallhammers
unterbrach nun diesen Strom, während der zweite nach einer sehr
kurzen Zeit den Kreis der mittleren Drahtspirale und des Con-
densators unterbrach. Da die mittlere Spirale aus einer sehr
grossen Anzahl Windungen feinen Drahtes bestand, so musste
schon eine sehr geringe Differenz der magnetischen Momente der
beiden äusseren Spiralen eine messbare Ladung des Condensators
hervorbringen. Da durch die Unterbrechung des einen Verbin-
dungsdrahtes zwischen mittlerer Spule und Condensator dieser
isolirt wurde und derselbe in diesem Zustande eine Ladung
mehrere Minuten ohne merkliche Schwächung derselben behielt,
wie durch Versuche constatirt wurde, so musste die spätere Ent-
ladung des Condensators durch ein empfindliches Spiegelgalvano-
meter ein Mass der im Augenblicke der Unterbrechung des Con-
densatordrahtes an den Enden des Umwindungsdrahtes der mitt-
leren Spirale herrschenden Potential-Differenz bilden. Es wird frei-
lich bei dieser Anordnung des Versuches nicht eigentlich die Ver-
zögerung des Eintrittes der Fernwirkung der im Eisen einge-
schlossenen Drahtspirale gemessen, sondern gleichsam das Com-
plement derselben, nämlich die vermuthete Verstärkung der
magnetischen Fernwirkung dieser Spirale bei Aufhören der Mag-
netisirung des Eisens des Röhrenmagnetes nach Unterbrechung
des Stromes. Es ist aber wohl anzunehmen, dass diese Wirkung
eintreten müsste, wenn die vermuthete Verzögerung der Fernwir-
kung durch die Magnetisirung vorhanden wäre, weil anderenfalls
Energie verloren ginge. Auch diese Versuche geben ein negatives
Resultat. Wenigstens waren die erhaltenen Differenzen so klein
und schwankend, dass sie nicht als entscheidend zu betrachten
waren.


Die zuletzt beschriebenen Versuche haben gelegentlich auf
eine recht schlagende und einfache Weise die Helmholtz’sche
Theorie der Entladung des Condensators durch eine Reihe
wechselnder Entladungen und erneuten Ladungen bestätigt. Lässt
man nur eine unbedeckte Spirale auf die Inductionsspirale ein-
wirken und vergrössert zwischen je zwei Versuchen die Dauer
[582] der Verbindung des Condensators mit der inducirten Spirale, so
gehen die anfänglich positiven Entladungsausschläge des Conden-
sators bald in negative über. Bei weiterer Verlängerung der Zeit
der Verbindung werden sie wieder positiv, und so fort. Dabei
nehmen die Ausschläge allmählich ab.

Appendix A

Buchdruckerei von Gustav Schade (Otto Francke) in Berlin N.


[][][][]
Notes
1).
Arch. d. sc. ph. et nat. XIV. 41.
1).
Hr. Dr. Gintl hat selbst das oben beschriebene Verfahren des gleich-
zeitigen Sprechens durch denselben Draht mit Morse’schen Telegraphen
nirgends mit Bestimmtheit als seine Erfindung in Anspruch genommen.
Da häufig der verstorbene Professor Petrina in Prag als derjenige bezeichnet
wird, welcher der österreichischen Regierung die leitende Idee zu dem be-
schriebenen Versuche mitgetheilt habe, so wäre eine bestimmte Erklärung
hierüber sehr wünschenswerth.
1).
Sitzungsberichte der math.-naturw. Klasse der Kais. Acad. d.
Wissenschaften Bd. XIV, S. 400.
1).
Hr. Zantedeschi hat in zwei, am 16. Juli und 6. August vorigen
Jahres der Pariser Academie der Wissenschaften überreichten Abhandlungen
den Ruhm in Anspruch genommen, bereits im Jahre 1829 den gleichzeitigen
Durchgang elektrischer Ströme von entgegengesetzter Richtung durch den-
selben Leiter nachgewiesen zu haben. Seine Beweisführung ist der Gintl’schen
sehr ähnlich und wie diese im Widerspruch mit dem Ohm’schen Gesetze.
Wenn es auch nicht angemessen erscheint, in diesen Blättern auf eine
specielle Widerlegung derartiger unbegründeter Hypothesen, welche durch
keine neue, bis dahin nicht zu erklärende Erscheinungen hervorgerufen
sind, einzugehen, so bleibt doch zu bedauern, dass die Aufstellung derselben
nicht sogleich gerügt ist, da dadurch in manchen Kreisen eine grosse Ver-
wirrung der Ansichten entstanden ist. Dass zwei gleiche in entgegenge-
setzter Richtung in einen leitenden Kreis eingeschaltete Batterien wirklich
unthätig sind, erweist sich dadurch, dass keine Wärme im Verbindungs-
bogen erzeugt wird, da die Wärmeentwicklung nothwenig Begleiterin jedes
Stromes ist, welcher einen Widerstand überwindet, so wie auch dadurch,
dass in den Batterien keine chemische Action stattfindet, ohne welche eben
so wenig ein hydro-elektrischer Strom denkbar ist.
1).
Hr. Dr. Stark in Wien hat im 8. Heft der Zeitschrift des deutsch-
öster. Telegraphen-Vereins 1855 eine Verbesserung unserer Methode des
Gegensprechens beschrieben, welche darin besteht, dass er, abweichend von
den von uns nach Wien gelieferten Apparaten, das Verhältniss der Zahl
der Windungen beider Zweigleitungen ungleich macht. Die Gründe, welche
uns bewogen haben, den Widerstand und die Zahl der Windungen beider
Zweigleitungen gewöhnlich gleich gross zu machen, habe ich bereits ange-
führt. Hr. Dr. Stark berechnet, dass sein mit ungleicher Windungszahl
versehener Magnet in Folge dessen eine grössere Empfindlichkeit im Ver-
hältniss wie 1 : 1,67 erhalten habe. Er hat jedoch hierbei weder in Be-
tracht gezogen, dass der Widerstand des vom Leitungsstrome durchlaufenen
Umwindungsdrahtes und mithin auch der der ganzen Leitung bei seiner
Annahme vergrössert wird, noch dass man für einen grösseren Widerstand
ein passenderes Verhältniss des Durchmessers des Umwindungsdrahtes wählen
und dadurch den von ihm berechneten Vortheil der ungleichen Umwindungs-
zahl nahe compensiren kann. Eine Vergrösserung des Widerstandes der in
die Leitung eingeschalteten Magnetspiralen ist aber nicht rathsam, weil die
durch unvollkommene Isolation verursachten Nebenschliessungen des Leitungs-
drahtes um so schädlicher wirken, je grössere Widerstände zwischen ihnen
und der Batterie liegen. Wir haben unsere ersten Versuche im Sinne der
Verbesserung des Hrn. Dr. Stark angestellt und auch später häufig Gegen-
sprecher mit kleinerem Gleichgewichtswiderstande ausgeführt, fanden jedoch
1).
praktisch, dass das Gleichgewicht der Ströme am leichtesten herzustellen
und zu erhalten ist, wenn beide Drähte gleichzeitig und in gleicher Win-
dungszahl aufgewunden werden. Man erhält hierdurch namentlich den
Vortheil, dass man in die beiden Leitungszweige die Drähte eines Diffe-
rential-Galvanoskops einschalten und mit Hülfe desselben mit Leichtigkeit
die richtige Einstellung des Widerstandes der Gleichgewichtsleitung be-
wirken kann.
1).
Hr. Dr. Stark hat in Heft 10, Jahrg. II des Journ. des deutsch-
österr. Telegraphen-Vereins zwei Schema’s für Doppelsprechen angegeben,
1).
von denen das eine mit dem zuerst beschriebenen nahe übereinstimmt. Das
andere, mit 3 Uebertragern, ist wenigstens nicht zweckmässiger wie die von
uns versuchten. Obschon wir eine Publication unserer Versuche bisher
unterlassen haben, indem wir dieselben vorher gänzlich durchzuführen
wünschten, so haben wir doch im Laufe des vorigen Jahres häufig münd-
lich und schriftlich Mittheilungen darüber an alle Diejenigen gemacht,
welche sich für die Sache interessirten. Im August v. J. theilte ich u. A.
auch Hr. Prof. Pouillet in Paris einige Stromschema’s zur Aufnahme in ein
im Druck begriffenes Werk mit.
Am Schlusse seines Aufsatzes stellt Hr. Dr. Stark eine irrthümliche
Behauptung auf, welche nicht unberührt bleiben darf, da sie beweist, dass
auch er die Ansicht des Hrn. Dr. Gintl, dass elektrische Ströme einander
gleichsam durchdringen, ohne sich gegenseitig zu stören, theilt! Er be-
hauptet nämlich, dass sich das Gegensprechen mit dem von ihm beschrie-
benen Doppelsprechen verbinden lasse, man mithin mit vier Telegraphen
gleichzeitig durch denselben Draht telegraphiren könne. Gegen- wie Doppel-
sprechen durch denselben Draht und mit Morse’schen Schreib- oder über-
haupt solchen Telegraphen, welche zur Darstellung ihrer Zeichen Ströme
verschiedener Dauer bedürfen, ist nur durch Veränderung der Stromstärke
im Leitungsdraht möglich. Gegen- und Doppelsprechen in bisher beschrie-
bener Weise muss sich daher nothwendig gegenseitig stören, ist mithin
nicht gleichzeitig ausführbar.
1).
Katechismus d. elektrischen Telegraphie; von L. Galle. Leipzig 1855.
1).
Pogg. Ann. LXXXIII. 505.
1).
Bd. 79. 1850. S. 481. — Annales de chim. et de phys. 3me Sér.
t. XXIX, p. 385.
1).
Compt. rend. T. XXIX, p. 632. Ann. Bd. 79. S. 335.
1).
Ich habe vorgezogen, statt „elektromotorische Kraft“ den Ausdruck
„elektrische Kraft“ zu gebrauchen, da es sich bei den vorliegenden Ver-
suchen nur um die elektroskopische oder Spannkraft der Elektricität des
Batteriepols handelt, nicht wie bei rein galvanischen Erscheinungen um
das Resultat dieser Kraft, d. i. den elektrischen Strom. Der Ausdruck
Dichtigkeit der Elektricität hat eine wesentlich verschiedene Bedeutung
und kann hier nicht benutzt werden.
1).
Ann. Bd. 64, S. 497.
1).
Wm. Thomson hat auf anderem Wege für die Capacität der Längen-
einheit eines Flaschendrahtes den Werth gefunden. Da mir bis-
her nur ein Auszug seiner Arbeit bekannt geworden ist, so vermag ich
nicht anzugeben, weshalb die Constante (½ anstatt 2π) der Thomson’schen
Formel von der meinigen verschieden ist.
1).
Riess, Lehrbuch der Elektricität Bd. I S. 174.
1).
Ich habe diese Erscheinung zur Construction eines Apparates be-
nutzt, der die Ozonisirung des Sauerstoffs durch inducirte Ströme bezweckt.
1).
Zwei Glasröhren aus möglichst dünnem Glase, von
denen die eine an einem Ende geschlossen und etwas
enger ist, wie die andere, werden so in einander ge-
setzt, dass der ringförmige Zwischenraum zwischen
beiden Röhren überall gleich dick ist. Beide Röhren
werden darauf an einem Ende zusammengeschmolzen
und das äussere Rohr mit einem zum ringförmigen
Raume führenden Ansatzrohr versehen. Das andere
Ende des äusseren Rohres wird zu einem dünnen
Rohre ausgezogen. Fig. 25 zeigt diesen Apparat in
Auf- und Grundriss. Es wird hierdurch ein Glasrohr
mit hohlen Wänden gebildet, deren Höhlungen durch
zwei möglichst von einander entfernte Ansatzröhren in
Verbindung mit der äusseren Luft stehen. Ist nun die
äussere und [innere] Oberfläche des Glasrohrs mit einer
metallischen Belegung versehen und werden die Draht-
enden der secundären Spirale eines kräftigen Inductions-
apparates mit Wagner’schem Hammer mit demselben
leitend verbunden, so beginnt der Zwischenraum zwischen
den Glasröhren zu leuchten und die in ihm befindliche
Luft wird ozonisirt. Durch Hineinblasen in das eine An-
satzrohr kann man die Luft leicht wechseln und auf diese Weise schnell
grosse Mengen ozonisirter Luft erhalten.
1).
Um allen Missverständnissen vorzubeugen, erlauben wir uns, den
geehrten Leser daran zu erinnern, dass Guttapercha, Kautschuck, sowie
alle Körper, die wir Isolatoren zu nennen pflegen, dies nicht im absoluten
Sinne des Wortes sind, dass vielmehr alle Körper die Elektricität mehr
oder weniger leiten und die Leitungsfähigkeit der sogenannten Isolatoren
nur im Vergleich zu der der Metalle ausserordentlich gering ist. Die Er-
fahrung hat indess gelehrt, dass selbst diese geringe Leitungsfähigkeit
der Guttapercha bei langen unterseeischen Leitungen, wo es sich um eine
sehr ausgedehnte und verhältnissmässig dünne Schicht dieses Materials
handelt, nicht ganz verschwindend ist, weshalb sie oben mit in die Unter-
suchung gezogen.
1).
Wray’s Mischung besteht dem Vernehmen nach aus Kautschuck,
Schellack, und feinem Quarzpulver. Wir werden in einem der nächsten
1).
Knoten am Logseile, Einheit bei der Bestimmung der Geschwin-
digkeit von Schiffen mittels des Log = ¼ geogr. Meile.
1).
Hefte dieser Zeitschrift zusammenstellen, was über diese und andere zum
Ersatz der Guttapercha bei Unterseekabeln vorgeschlagenen Mischungen
bisher bekannt geworden.
1).
In der Skizze sind dieselben, der grösseren Deutlichkeit wegen,
nicht über, sondern neben die anderen gezeichnet.
1).
Anfänglich benutzten wir anstatt amalgamirter Kupferdrähte Cy-
linder von Eisen als Zuleitungen. Es stellte sich aber heraus, dass ein
sehr beträchtlicher Uebergangswiderstand vom Eisen zum Quecksilber auf-
trat, obgleich die Oberfläche des Eisens vollständig rein war. Dieser
Widerstand, der auch bei unverquicktem Kupfer auftrat, war besonders
stark, wenn die Cylinder nach der Reinigung noch einige Zeit an der Luft
gelegen hatten, und es ist daher wahrscheinlich diese Erscheinung der auf
der Oberfläche condensirten Gasschicht zuzuschreiben.
1).
Diese Ann. Bd. 102, S. 1.
1).
Pogg. Ann. Bd. 110, S. 1.
2).
Pogg. Ann. Bd. 112, S. 353.
1).
Da Hr. Matthiessen die Schwierigkeit hervorhebt, sich vollkommen
reines Quecksilber in hinreichender Menge zu beschaffen, so scheint er
dadurch die Behauptung aussprechen zu wollen, dass er die von mir be-
nutzte, sehr einfache Reinigungsmethode des käuflichen Quecksilbers nicht
für ausreichend hält. Zur Beseitigung dieses Zweifels war Hr. Dr. Quincke
so gütig, mir eine Quantität seines von ihm selbst mit grösster Vorsicht
aus Quecksilberoxyd dargestellten Quecksilbers zu einem vergleichenden
Versuche zur Disposition zu stellen. Hr. Dr. Quincke überzeugte sich aber
durch eigene Beobachtung, dass nicht die geringste Verschiedenheit des
Widerstandes einer meiner Spiralröhren zu erkennen war, als das darin
befindliche gereinigte käufliche Quecksilber durch sein frisch gereinigtes,
chemisch reines Quecksilber ersetzt worden war. Die Leitungsfähigkeit
beider konnte daher wenigstens nicht um 0,0001 verschieden sein, da meine
Instrumente eine solche Verschiedenheit noch sicher angeben.
Gleichzeitig überzeugte sich Hr. Dr. Quincke davon, dass der Wider-
1).
stand der Spirale kleiner wurde, als das Quecksilber mit etwas Kupfer-
amalgam verunreinigt wurde, seine Leitungsfähigkeit sich also beträchtlich
vergrösserte.
1).
Pogg. Ann. Bd. 100, S. 177.
1).
Als Widerstandsmass ist mithin Einheit oder der Widerstand
eines Würfels von 1 mm Seitenlänge angenommen.
1).
Pogg. Ann. Bd. 104, S. 650.
2).
Eisen ist stets kohlehaltig, kann also nicht als einfaches Metall
betrachtet werden.
1).
Pogg. Ann. Bd. 110, S. 452.
1).
Diese Ann Bd. 110, S. 1.
1).
Pogg. Ann. Bd. CXXVI, S. 386.
1).
Phil. mag. March 1863, p. 1. — Der Aufsatz ist in der Uebersetzung
dieser Arbeit angeschlossen.
1).
Pogg. Ann. Bd. 125, S. 497 und Pogg. Ann. Bd. 126, S. 369.
1).
Nach der benutzten Formel
, in welcher W den Widerstand des Normalrohrs, l seine Länge, Q das
Gewicht, σ das specifische Gewicht des Quecksilbers und a das Verhältniss
des grössten zum kleinsten Querschnitte des Rohres bezeichnet.
2).
Pogg. Ann. Bd. CXIII S. 4.
1).
Pogg. Ann. Bd. 126, S. 369.
1).
Outline of the principles and practice involving in dealing with the
electrical conditions of Submarine electric telegraphs by Werner and C.
W. Siemens, Report of the British association, Oxford 1860.
1).
Bisweilen auch von 10, 100 und 1000 S.-E.
1).
Ich habe diese Methode bereits der Society of telegraph Engineers
in London in ihrer Sitzung vom 11. Dec. 1872 mitgetheilt.
1).
Pogg. Ann. Bd. 28. p. 409.
1).
Longridge and Brooks, on submerging telegraphic cables Proc. of
the instit. of civil engineers. vol. XVII. London. W. Clowes and sons 1858.
1).
Pogg. Ann. Bd. 79 pag. 192 Jahrg. 1850.
1).
Pogg. Ann. Bd. 90 p. 1, Bd. 93 p. 91, Bd. 120 p. 512.
2).
Outline of the principles and practice involving in dealing with the
electrical conditions of submarine electric telegraphes by Werner and
C. W. Siemens July 1860.
1).
Pogg. Ann. Bd. 79 pag. 499 Jahrg. 1850.
1).
Proceed. of the Roy. Soc. Vol. XXI p. 283. — Pogg. Ann. Bd. 150
S. 333.
1).
Pogg. Ann. Bd. 66 pag. 435.
1).
Pogg. Ann. 102, 66.
1).
Pogg. Ann. Bd. 84, pag. 214. 1851.
2).
Rammelsberg hat neuerdings das sp. Gewicht des amorphen Selens
auf 4,28, das des krystallinischen auf 4,8 resp. 4,5 bestimmt.
1).
Pogg. Ann. 150, pag. 333.
2).
Diese Berichte, S. 280.
1).
Proc. of the Royal Soc. Vol. XXIII, pag. 535. Juni 1875.
1).
Pogg. Ann. Bd. 104, S. 1 u. Bd. 105, S. 148.
2).
Pogg. Ann. Bd. 100, S. 177.
3).
Pogg. Ann. Bd. 189, S. 99.
4).
Pogg. Ann. Bd. 19, S. 133.
1).
Pogg. Ann. Bd. 146, S. 300.
2).
Pogg. Ann. Bd. 121, S. 460.
1).
Der Ausdruck, dass den Körpern eine Kraft beiwohnt, mit der sie
die latente Wärme mehr oder weniger festhalten, ist nur bildlich zu nehmen.
Nach der mechanischen Wärmetheorie kann man sich die Erscheinung, dass
Körper bei bestimmten Temperaturen Wärme aufnehmen oder frei geben —
sei sie mit Aenderung des Aggregatzustandes oder der Dichtigkeit verbunden
oder nicht — nur so auffassen, dass die Körperelemente in eine veränderte
Lage zu einander treten, zu deren Herbeiführung mehr oder weniger innere
Arbeit im positiven oder negativen Sinne verbraucht wird, die dann als ver-
schwindende oder auftretende freie Wärme zur Erscheinung kommt. Diesen
verschiedenen Molekularzuständen muss nun eine gewisse Stabilität zuge-
schrieben werden, die sich mit steigender Temperatur vermindert. Ist die
Temperatur erreicht, bei welcher der Zustand keine Stabilität mehr hat, so
tritt eine neue Gleichgewichtslage der Körperelemente ein, die wiederum
zwischen bestimmten Temperaturgrenzen stabil ist. Der metallische Zustand
eines festen Körpers wäre demnach derjenige, bei dessen Herbeiführung keine
Arbeit verbraucht ist — ein Zustand, welcher nur bei den Metallen stabil
ist und welcher sie befähigt, die Elektricität zu leiten und zwar in der Weise,
dass der Leitungswiderstand der absoluten Temperatur proportional ist.
Die elektrolytische Leitung hätte man sich danach so vorzustellen,
1).
dass die Elektricität den metallischen Molekularzustand vorübergehend her-
beiführte — was sie um so leichter und vollständiger bewirken kann, je
weniger stabil der vorhandene Molekularzustand ist, also je höher die
Temperatur ist. Da geschmolzene Metalle die Elektricität noch metallisch
leiten, so muss man annehmen, dass durch die Schmelzung der metallische
Charakter der gegenseitigen Lage der Körperelemente nicht verloren geht,
wie es bei den allotropen Modificationen ohne Veränderung des Aggregat-
zustandes der Fall ist.
1).
Letzteres ist in Wirklichkeit schon desshalb nicht anzunehmen, weil
die Oberfläche nicht spiegelnd, also rauh ist.
1).
Um diese rein zu erhalten, muss man das amorphe Selen in dünnen
Platten in Steinöl oder einer anderen Wärme leitenden Flüssigkeit auf circa
100 °C. erhitzen und längere Zeit in dieser Temperatur erhalten. Braucht
man diese Vorsicht nicht, so erhitzt sich das in dickeren Stücken umge-
wandelte Selen durch Abgabe latenter Wärme dermassen, dass schon eine
weitere Abgabe von latenter Wärme, also eine theilweise Umwandlung in
Modification II eintritt. Es lassen sich hieraus viele scheinbare Wider-
sprüche in den Angaben verschiedener Experimentatoren erklären.
1).
Pogg. Ann. Band 102, pag. 120.
1).
Foucault nahm am 2. Juli 1869 in England ein Patent auf Um-
hüllung der einzelnen Leiter mit Stanniol oder anderen leitenden Körpern
mit dem ausgesprochenen Zwecke, die elektrodynamische Induction durch
die in der Zinnhülle entstehenden Gegenströme zu compensiren.
1).
Ich stellte den Versuch folgendermassen an: Etwa 50 cm lange
Glasröhren von ca. 1½ mm innerem und 4 bis 5 mm äusserem Durchmesser
wurden an einem Ende zugeschmolzen und zum grössten Theile mit ange-
säuertem Wasser gefüllt. In das offene Ende wurden dann 2 stark um-
sponnene Platindrähte von etwa 15 cm Länge gesteckt, das aufrecht
stehende Rohr an diesem Ende mit einer Papierhülle umgeben, welche mit
dem bekannten, aus Kolophonium und Wachs zusammengeschmolzenen
Mechaniker-Kitt vollgegossen wurde, nachdem die Luft im offenen Ende
des Rohres durch Erwärmung desselben etwas ausgedehnt war. Der Kitt
zog sich dann beim Erkalten einige Centimeter in das Rohr hinein und
bildete einen vollkommenen Verschluss desselben. Wurde nun das Rohr
in etwas schiefer Lage, so dass die Flüssigkeit die Platinadrähte vollständig
umgab, in einen Holzkasten gebracht, und dann eine galvanische Kette
1).
von 10 Daniell’schen Elementen zwischen die Enden der Platinadrähte ge-
stellt, so begann sogleich eine Wasserzersetzung. Wurden nur 3 bis 4
Daniells benutzt, so hörte die Wasserzersetzung nach kurzer Zeit auf und
begann erst wieder, wenn die Zahl der Zellen vermehrt war. Wurden
stärkere Batterien eingeschaltet, so erfolgte regelmässig nach Verlauf von
10 bis 30 Minuten eine Explosion mit Feuererscheinung, welche das Rohr
zertrümmerte. Die Lichterscheinung wurde in einem Spiegel beobachtet,
welcher vor einer Oeffnung im Kasten angebracht war. Die Erscheinung
wiederholte sich unter gleichen Umständen mit vollständiger Regelmässig-
keit; es konnte daher nur der Druck die Ursache der Entzündung des
Knallgases sein. Die Grösse des zur Explosion bei bestimmter Temperatur
erforderlichen Druckes habe ich nicht bestimmt. Nach der Rechnung konnte
ein Glasrohr, wie die verwendeten, ca. 2000 Atm. Druck ertragen, ich
glaube aber nicht, dass die Gasspannung vor der Explosion die Hälfte
dieses Druckes erreicht hat.
1).
Es ist inzwischen eingetroffen.
1).
Dass grössere Niederschläge die Temperatur der den Polarregionen
benachbarten Breiten herabdrücken, hat Dove bereits als Grund der grös-
seren Ausdehnung der Eisregion der südlichen Hemisphäre hervorgehoben.
Da durch die vermehrten Niederschläge in der Atmosphäre auch mehr la-
tente Wärme frei wird, so werden sie eine Ausbreitung der kalten Zone
auf Kosten der Kälte der höheren Breiten hervorrufen. Es wird mithin
die Polartemperatur in der Eiszeit höher gewesen sein als jetzt.
1).
Die obige Annahme, dass die Druckfestigkeit gleich der absoluten
sei, ist offenbar nicht genau richtig. Die erstere ist wahrscheinlich be-
trächtlich grösser anzunehmen, was aber bei den ungeheuren Tangential-
1).
kräften, die durch theilweise Aufhebung des Gegendruckes des flüssigen
Erdinnern in der Erdrinde auftreten, ganz unerheblich ist.
Die Druckfestigkeit, oder der Widerstand, den die Körper dem Zer-
drücktwerden entgegensetzen, bildet noch einen ziemlich dunklen Abschnitt
der Mechanik. Es ist weder das Wesen der thätigen widerstehenden
Kräfte bestimmt definirt, noch liegen zuverlässige, nach derselben Methode
an demselben Material angestellte Versuche vor, aus denen sich ein Verhältniss
oder Zusammenhang zwischen der absoluten und rückwirkenden Festigkeit
herleiten liesse. Die vorhandenen Versuche zur Bestimmung der rückwir-
kenden Festigkeit der Gesteine sind zum Theil ganz unrichtig angestellt.
So sind in dem geologischen Lehrbuche von Pfaff Versuche angeführt*),
welche eine ganz exorbitante Festigkeit der Gesteine ergaben. Kalkstein
sollte danach einen Druck von 21800 Atmosphären ertragen können. Der
Fehler lag darin, dass der zu zerdrückende Stein eine viel grössere Fläche
hatte als der drückende Stempel, dass also die Kraft, welche nöthig war,
um das umgebende, nicht gedrückte Material zn zersprengen, nicht berück-
sichtigt ward.
Bekanntlich setzen elastische Körper einer geringen Ausdehnung und
Zusammendrückung innerhalb ihrer Elasticitätsgrenze gleichen Widerstand
entgegen. Dies macht es wahrscheinlich, dass ein wesentlicher Unter-
schied auch da nicht besteht, wo die Elasticitätsgrenze überschritten wird,
wo der Körper also reisst oder zerdrückt wird. Man kann sich nun die
Aufgabe stellen, die Last zu bestimmen, welche ein möglichst günstig be-
lasteter Cylinder in der Richtung seiner Achse zu tragen im Stade ist,
wenn nur die Kraft, mit der die Massentheilchen aneinander haften, also
nur die absolute Festigkeit als wirksam angesehen wird.
Es sei AB eine sehr dünne, cylindrische Scheibe aus festem, homoge-
nem und elastischem Material, welche ohne Reibung auf einer festen,
ebenen Fläche liegt; der Coefficient der absoluten Festigkeit des Materials
der Scheibe sei a. Wird ein concentrischer Ring derselben vom inneren
Radius x und dem äusseren Radius x + dx gleichmässig belastet, so wird
er sich comprimiren und einen der Belastung entsprechenden Seitendruck
nach aussen und innen ausüben. Der erstere wird den umgebenden Ring
zersprengen, wenn der Druck auf die Durchschnittsfläche des ganzen Rin-
ges grösser wird als die absolute Festigkeit der Ringwand. Für das Gleich-
gewicht wäre also, da die Höhe des Ringes aus der Rechnung fällt, wenn
z den für das Gleichgewicht erforderlichen Druck auf die Flächeneinheit
des Ringes bezeichnet,
*)
Allgemeine Geologie als exacte Wissenschaft von Dr. Friedr. Pfaff S. 302.
*)
Der auf der Fläche des Ringes 2 x π . d x lastende Druck d P ist dann,
wenn P den gesuchten Gesammtdruck bezeichnet,
das Integral, zwischen den Grenzen r und 0 genommen, gibt
Die Zerdrückung einer solchen, ohne Reibung gleichmässig unter-
stützten Scheibe würde also bei richtiger Belastung gerade so viel Kraft
erfordern, als ihre Zerreissung. Bei einer gleichmässigen Belastung der
Oberfläche würden die äusseren Ringe früher brechen, die Druckfestigkeit
würde also geringer sein. Ein richtiger Ausdruck für die Druckfestigkeit
würde durch diese Rechnung nur dann gewonnen, wenn der Seitendruck,
welchen ein gedrücktes Massentheilchen ausübt, dem Drucke selbst gleich
wäre, wie bei Flüssigkeiten, was aber nicht der Fall ist. Da der Seiten-
druck aber geringer und von der Natur des Materials abhängig ist, so
muss die Druckfestigkeit grösser sein, als die obige Rechnung ergiebt.
Die Rechnung zeigt aber, dass die Druckfestigkeit von der Vertheilung
des Druckes auf der Oberfläche des gedrückten Körpers abhängig ist,
und erklärt, warum Druckfestigkeitsversuche stets so wenig übereinstim-
mende Resultate gaben.
Sehr modificirt wird die Festigkeit gegen das Zerdrücken unter Um-
ständen durch die Gewölbebildung. Als ein vollkommenes Gewölbe kann
man eine Hohlkugel von gleichmässiger homogener Wandstärke betrachten.
Wird eine solche einem ganz gleichförmigen, äusseren Druck ausgesetzt,
so muss sie sich dem Druck entsprechend zusammenziehen, ohne zu
brechen. Es ergiebt sich dies aus der Betrachtung, dass ein Ausweichen
der Moleküle der Kugelschaale nach aussen nicht eintreten kann, da die-
selben ganz gleichmässig durch den äusseren Druck in ihrer Lage zurück-
gehalten werden. Ebensowenig kann ein Ausweichen nach innen stattfin-
den, da hiermit, der Concavität der inneren Fläche wegen, eine grössere
Annäherung der Moleküle aneinander, also eine grössere locale Compres-
sion verbunden wäre, als dem äusseren Drucke entspricht. Das Resultat
des äusseren Druckes kann daher nur eine gleichmässige, ihm entsprechende
Verminderung des Durchmessers der Hohlkugel sein. Wird die Kugel-
schale dagegen von inneren, anstatt äusseren Kräften comprimirt, so gel-
ten diese Betrachtungen für die äussere Fläche nicht. Hier kann ein Ausweichen
*)
der Moleküle durch die resultirenden Tangentialkräfte unbehindert eintreten.
Die Erhebungen von Theilen der Erdrinde durch solchen überwiegenden
tangentialen Druck mussten daher auch stets nach aussen und nicht nach
innen erfolgen. Es ergiebt sich hieraus auch, dass Kanäle in Felsmassen
bis in die grössten Tiefen hinabreichen können, ohne zusammengedrückt
zu werden. Dass dieselben wirklich kreisförmige Querschnitte haben, ist
hierbei nicht nothwendig, da sich die Flächen grössten Widerstandes oder
die Gewölbeflächen in der umgebenden Felswand selbstthätig bilden. Es
ergiebt sich ferner, dass von einer Gewölbewirkung grösserer Theile der
festen Erdrinde, durch welche nach Ansicht mancher Geologen die Bildung
grosser Hohlräume unter derselben ermöglicht werden soll, nicht die Rede
sein kann. Es fehlt eben die Grundbedingung für die Gewölbewirkung,
der gleichmässige, auf die äussere Fläche wirkende Druck.
1).
Pogg. Ann. Bd. 103 S. 428 (1858).
1).
Pogg. Ann. Bd. 110. p. 11.
1).
Pogg. Ann. 159, S. 127.
1).
Chemical Gazette, Dec. 1845, No. 75. Dinglers Polytechnisches
Journal Bd. 99, S. 138.
2).
Dinglers P. J. Bd. 103, S. 153.
1).
Dinglers P. J. Bd. 190, S. 339.
2).
Dinglers P. J. Bd. 183, S. 552: Jahrg. 1867.
1).
Dinglers P. J. Bd. 196, S. 513: Jahrg. 1870.
2).
Dinglers P. J. Bd. 231, S. 280: Jahrg. 1879.
3).
Dinglers P. J. Bd. 226, S. 510: Jahrg. 1877.
1).
Poggend. Ann. Bd. 101. p. 271.
1).
Eine derartige Maschine zur Hervorbringung continuirlicher hoch-
gespannter Ströme für telegraphische Zwecke war von Siemens \& Halske
in der Londoner Industrieausstellung von 1855 ausgestellt und befindet sich
gegenwärtig im hiesigen Postmuseum. Sie besteht aus einem flachen Conus
oder Teller, welcher auf einer ebenen Fläche sich abrollt. War der Rand
der Mantelfläche des Conus mit kleinen Elektromagneten besetzt, deren
Windungen einen in sich geschlossenen Leitungskreis bildeten, während die
ebene Fläche mit Stahlmagneten armirt war, so näherte sich bei dem Fort-
rollen des Tellers die Hälfte der Elektromagnetpole den Polen der Stahl-
magnete, während sich die andere Hälfte von denselben entfernte. Der gemein-
same Umwindungsdraht communicirte zwischen je zwei der Hufeisen-Elek-
tromagnete, die sich in radialer Lage befanden, mit Contactstücken, die
im Kreise um die Welle angebracht waren, welche den Teller drehte, d. i.
rollen liess. Zwei mit der Welle verbundene isolirte Schleiffedern waren
so eingestellt, dass sie stets die Contactstellen berührten, welche zu dem
den Stahlmagneten nächsten und zu dem ihnen fernsten Elektromagnete
führten. Da bei der Annäherung und Entfernung der Elektromagnete von
den permanenten Magneten Ströme entgegengesetzter Richtung in den
Windungen der ersteren inducirt werden, so vereinigen sich dieselben in
den Schleiffedern zu einem continuirlichen, bei gleichmässiger Drehung
constanten Strome. Sollte die Maschine als elektro-magnetische Kraft-
maschine benutzt werden, so wurde ein eiserner Conus verwendet und die
Elektromagnete in die ebene Fläche gesetzt.
1).
Zeitschrift des elektro-technischen Vereins. Februarheft 1879.
1).
Poggendorff’s Annalen Ergänzungsbd. 5, S. 1.
1).
Pogg. Ann. Bd. 102 pag. 66.

Lizenz
CC-BY-4.0
Link zur Lizenz

Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2025). Siemens, Werner von. Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bnz5.0