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Sieben und ſiebzig
Gedichte
aus den hinterlaſſenen Papieren
eines
reiſenden Waldhorniſten.
Gedichte
aus den hinterlaſſenen Papieren
eines
reiſenden Waldhorniſten.
Deſſau,: 1821.
BeiChriſtian Georg Ackermann.
BeiChriſtian Georg Ackermann.
Inhalt.
Die ſchoͤne Muͤllerin.
| Seite | |
| Der Dichter, als Prolog | 3 |
| Wanderſchaft | 7 |
| Wohin? | 9 |
| Halt! | 11 |
| Dankſagung an den Bach | 12 |
| Am Feierabend | 14 |
| Der Neugierige | 15 |
| Das Mühlenleben | 17 |
| Ungeduld | 20 |
| Morgengruß | 22 |
| Des Müllers Blumen | 24 |
| Thränenregen | 26 |
| Mein! | 28 |
| Pauſe | 29 |
| Mit dem grünen Lautenbande | 30 |
| Der Jäger | 31 |
| Eiferſucht und Stolz | 33 |
| Erſter Schmerz, letzter Scherz | 34 |
| Die liebe Farbe | 37 |
| Seite | |
| Die böſe Farbe | 39 |
| Blümlein Vergißmein | 41 |
| Trockne Blumen | 43 |
| Der Müller und der Bach | 45 |
| Des Baches Wiegenlied | 47 |
| Der Dichter, als Epilog | 49 |
Johannes und Eſther.
| Chriſtnacht | 53 |
| Gebet in der Chriſtnacht | 55 |
| Vereinigung | 56 |
| Die Paſſionsblume | 57 |
| Purim | 59 |
| Vor ihrem Fenſter | 61 |
| Die Lauberhütte | 63 |
| Der Perlenkranz | 65 |
| Maria | 67 |
| An Johannes | 68 |
Reiſelieder.
| Große Wanderſchaft | 71 |
| Wanderlieder eines rheiniſchen Handwerksburſchen. | |
| 1. Auszug | 74 |
| 2. Auf der Landſtraße | 76 |
| Seite | |
| 3. Einſamkeit | 77 |
| 4. Brüderſchaft | 79 |
| 5. Abendreihn | 81 |
| 6. Morgen. | 83 |
| 7. Frühlingsgruß | 86 |
| 8. Entſchuldigung | 88 |
| 9. Hier und dort | 89 |
| Des Poſtillons Morgenlied vor der Bergſchenke | 91 |
| Der Prager Muſikant | 94 |
| Die Prager Muſikantenbraut | 97 |
| Seefahrers Abſchied | 99 |
| Schiff und Vogel | 101 |
Die Monate.
| An Ludwig Sigismund Ruhl | 107 |
| Januar | 108 |
| Februar | 109 |
| März | 110 |
| April | 111 |
| Mai | 112 |
| Juni | 113 |
| Juli | 114 |
| Auguſt | 115 |
| September | 116 |
| October | 117 |
| Seite | |
| November | 118 |
| December | 119 |
Laͤndliche Lieder.
| Ländlicher Reigen | 123 |
| Schifferreigen | 126 |
| Das Hirtenfeuer in der roͤmiſchen Ebene | 129 |
| Doppelte Gefahr | 132 |
| Die glückliche Fiſcherin | 134 |
| Der Glockenguß zu Breslau | 139 |
| Thränen und Roſen | 146 |
| Faſtnachtslied, von den goldnen Zöpfen | 148 |
| Der Zephyr | 150 |
| Kuß und Lied | 151 |
| Die Blutorange, (Epiſtel aus Sorrent) | 152 |
| Des Finken Gruß | 154 |
| Des Finken Abſchied | 156 |
| Wir wiſſen uns zu finden. (Parodirende Gloſſe) | 158 |
[[1]]
Die ſchoͤne Muͤllerin.
(Im Winter zu leſen.)
1[[2]][[3]]
Der Dichter, als Prolog.
Ich lad' euch, ſchoͤne Damen, kluge Herrn,
Und die ihr hoͤrt und ſchaut was Gutes gern,
Zu einem funkelnagelneuen Spiel
Im allerfunkelnagelneuſten Styl;
Schlicht ausgedrechſelt, kunſtlos zugeſtutzt,
Mit edler deutſcher Rohheit aufgeputzt,
Keck wie ein Burſch' im Stadtſoldatenſtrauß,
Dazu wohl auch ein wenig fromm fuͤr's Haus:
Das mag genug mir zur Empfehlung ſein,
Wem die behagt, der trete nur herein.
Erhoffe, weil es grad' iſt Winterzeit,
Thut euch ein Stuͤndlein hier im Gruͤn nicht Leid;
Denn wißt es nur, daß heut' in meinem Lied
Der Lenz mit allen ſeinen Blumen bluͤht.
Im Freien geht die freie Handlung vor,
In reiner Luft, weit aus der Staͤdte Thor,
Durch Wald und Feld, in Gruͤnden, auf den Hoͤh'n;
Und was nur in vier Waͤnden darf geſchehn,
Das ſchaut ihr halb durch's offne Fenſter an,
So iſt der Kunſt und euch genug gethan.
Doch wenn ihr nach des Spiels Perſonen fragt,
So kann ich euch, den Muſen ſei's geklagt,
Nur eine praͤſentiren recht und aͤcht,
Das iſt ein junger blonder Muͤllersknecht.
Denn, ob der Bach zuletzt ein Wort auch ſpricht,
So wird ein Bach deshalb Perſon noch nicht.
Drum nehmt nur heut das Monodram vorlieb:
Wer mehr giebt, als er hat, der heißt ein Dieb.
Auch iſt dafuͤr die Scene reich geziert,
Mit gruͤnem Sammet unten tapeziert,
Der iſt mit tauſend Blumen bunt geſtickt,
Und Weg und Steg daruͤber ausgedruͤckt.
Die Sonne ſtrahlt von oben hell herein
Und bricht in Thau und Thraͤnen ihren Schein,
Und auch der Mond blickt aus der Wolken Flor
Schwermuͤthig, wie's die Mode will, hervor.
Den Hintergrund umkraͤnzt ein hoher Wald,
Der Hund ſchlaͤgt an, das muntre Jagdhorn ſchallt;
Hier ſtuͤrzt vom ſchroffen Fels der junge Quell
Und fließt im Thal als Baͤchlein ſilberhell;
Das Muͤhlrad brauſt, die Werke klappern drein,
Man hoͤrt die Voͤglein kaum im nahen Hain.
Drum denkt, wenn euch zu rauh manch Lied¬
chen klingt,
Daß das Lokal es alſo mit ſich bringt.
Doch, was das Schoͤnſte in der Muͤhle iſt,
Das wird euch ſagen mein Monodramiſt;
Verrieth' ich's euch, verduͤrb' ich ihm das Spiel:
Gehabt euch wohl und amuͤſirt euch viel!
Wanderſchaft.
Das Wandern iſt des Muͤllers Luſt,
Das Wandern!
Das muß ein ſchlechter Muͤller ſein,
Dem niemals fiel das Wandern ein,
Das Wandern.
Vom Waſſer haben wir's gelernt,
Vom Waſſer!
Das hat nicht Raſt bei Tag und Nacht,
Iſt ſtets auf Wanderſchaft bedacht,
Das Waſſer.
Das ſehn wir auch den Raͤdern ab,
Den Raͤdern!
Die gar nicht gerne ſtille ſtehn,
Die ſich mein Tag nicht muͤde drehn,
Die Raͤder.
Die Steine ſelbſt, ſo ſchwer ſie ſind,
Die Steine!
Sie tanzen mit den muntern Reihn
Und wollen gar noch ſchneller ſein,
Die Steine.
O Wandern, Wandern, meine Luſt,
O Wandern!
Herr Meiſter und Frau Meiſterin,
Laßt mich in Frieden weiter ziehn
Und wandern.
Wohin?
Ich hoͤrt' ein Baͤchlein rauſchen
Wohl aus dem Felſenquell,
Hinab zum Thale rauſchen
So friſch und wunderhell.
Ich weiß nicht, wie mir wurde,
Nicht, wer den Rath mir gab,
Ich mußte auch hinunter
Mit meinem Wanderſtab.
Hinunter und immer weiter,
Und immer dem Bache nach,
Und immer heller rauſchte
Und immer heller der Bach.
Iſt das denn meine Straße?
O Baͤchlein, ſprich, wohin?
Du haſt mit deinem Rauſchen
Mir ganz berauſcht den Sinn.
Was ſag' ich denn von Rauſchen?
Das kann kein Rauſchen ſein:
Es ſingen wohl die Nixen
Tief unten ihren Reihn.
Laß ſingen, Geſell, laß rauſchen,
Und wandre froͤhlich nach!
Es gehn ja Muͤhlenraͤder
In jedem klaren Bach.
Halt!
Eine Muͤhle ſeh' ich blicken
Aus den Erlen heraus,
Durch Rauſchen und Singen
Bricht Raͤdergebraus.
Ei willkommen, ei willkommen,
Suͤßer Muͤhlengeſang!
Und das Haus, wie ſo traulich!
Und die Fenſter, wie blank!
Und die Sonne, wie helle
Vom Himmel ſie ſcheint!
Ei, Baͤchlein, liebes Baͤchlein,
War es alſo gemeint?
Dankſagung an den Bach.
War es alſo gemeint,
Mein rauſchender Freund,
Dein Singen, dein Klingen,
War es alſo gemeint?
Zur Muͤllerin hin!
So lautet der Sinn,
Gelt, hab' ich's verſtanden?
Zur Muͤllerin hin!
Hat ſie dich geſchickt?
Oder haſt mich beruͤckt?
Das moͤcht' ich noch wiſſen,
Ob ſie dich geſchickt.
Nun wie's auch mag ſein,
Ich gebe mich drein:
Was ich ſuch', hab' ich funden,
Wie's immer mag ſein.
Nach Arbeit ich frug,
Nun hab' ich genug,
Fuͤr die Haͤnde, fuͤr's Herze
Vollauf genug!
Am Feierabend.
Haͤtt' ich tauſend
Arme zu ruͤhren!
Koͤnnt' ich brauſend
Die Raͤder fuͤhren!
Koͤnnt' ich wehen
Durch alle Haine,
Koͤnnt' ich drehen
Alle Steine!
Daß die ſchoͤne Muͤllerin
Merkte meinen treuen Sinn!
Ach, wie iſt mein Arm ſo ſchwach!
Was ich hebe, was ich trage,
Was ich ſchneide, was ich ſchlage,
Jeder Knappe thut es nach.
Und da ſitz' ich in der großen Runde,
In der ſtillen kuͤhlen Feierſtunde,
Und der Meiſter ſpricht zu Allen:
Euer Werk hat mir gefallen;
Und das liebe Maͤdchen ſagt
Allen eine gute Nacht.
Der Neugierige.
Ich frage keine Blume,
Ich frage keinen Stern,
Sie koͤnnen mir alle nicht ſagen,
Was ich erfuͤhr' ſo gern.
Ich bin ja auch kein Gaͤrtner,
Die Sterne ſtehn zu hoch;
Mein Baͤchlein will ich fragen,
Ob mich mein Herz belog.
O Baͤchlein meiner Liebe,
Wie biſt du heut ſo ſtumm!
Will ja nur Eines wiſſen,
Ein Woͤrtchen um und um.
Ja, heißt das eine Woͤrtchen,
Das andre heißet Nein,
Die beiden Woͤrtchen ſchließen
Die ganze Welt mir ein.
O Baͤchlein meiner Liebe,
Was biſt du wunderlich!
Will's ja nicht weiter ſagen,
Sag', Baͤchlein, liebt ſie mich?
Das Muͤhlenleben.
Seh' ich ſie am Bache ſitzen,
Wenn ſie Fliegennetze ſtrickt,
Oder Sonntags fuͤr die Fenſter
Friſche Wieſenblumen pfluͤckt;
Seh' ich ſie zum Garten wandeln,
Mit dem Koͤrbchen in der Hand,
Nach den erſten Beeren ſpaͤhen
An der gruͤnen Dornenwand:
Dann wird mir die Muͤhle enge,
Alle Mauern ziehn ſich ein,
Und ich moͤchte flugs ein Fiſcher,
Jaͤger oder Gaͤrtner ſein.
Und der Steine luſtig Pfeifen,
Und des Waſſerrad's Gebraus,
Und der Werke emſig Klappern,
'S jagt mich ſchier zum Thor hinaus.
Aber wenn in guter Stunde
Plaudernd ſie zum Burſchen trit,
Und als kluges Kind des Hauſes
Seitwaͤrts nach dem Rechten ſieht;
Und verſtaͤndig lobt den Einen,
Daß der Andre merken mag,
Wie er's beſſer treiben ſolle,
Geht er ihrem Danke nach —
Keiner fuͤhlt ſich recht getroffen,
Und doch ſchießt ſie nimmer fehl,
Jeder muß von Schonung ſagen,
Und doch hat ſie keinen Hehl.
Keiner wuͤnſcht, ſie moͤchte gehen
Steht ſie auch als Herrin da,
Und faſt wie das Auge Gottes
Iſt ihr Bild uns immer nah.
Und wo wer zum Fallen ſtrauchelt,
Haͤlt es ihn im Sinken ſchier,
Und wo ich die Haͤnde falte,
Kniet es ſtill zur Seite mir —
Ei, da mag das Muͤhlenleben
Wohl des Liedes wuͤrdig ſein,
Und die Raͤder, Stein' und Stampfen
Stimmen als Begleitung ein.
Alles geht in ſchoͤnem Tanze
Auf und ab, und ein und aus:
Gott geſegne mir das Handwerk
Und des guten Meiſters Haus!
Ungeduld.
Ich ſchnitt' es gern in alle Rinden ein,
Ich gruͤb' es gern in jeden Kieſelſtein,
Ich moͤcht' es ſaͤ'n auf jedes friſche Beet
Mit Kreſſenſamen, der es ſchnell verraͤth,
Auf jeden weißen Zettel moͤcht' ich's ſchreiben:
Dein iſt mein Herz, und ſoll es ewig bleiben.
Ich moͤcht' mir ziehen einen jungen Staar,
Bis daß er ſpraͤch' die Worte rein und klar,
Bis er ſie ſpraͤch' mit meines Mundes Klang,
Mit meines Herzens vollem, heißen Drang;
Dann ſaͤng' er hell durch ihre Fenſterſcheiben:
Dein iſt mein Herz, und ſoll es ewig bleiben.
Den Morgenwinden moͤcht' ichs hauchen ein,
Ich moͤcht' es ſaͤuſeln durch den regen Hain;
O, leuchtet' es aus jedem Blumenſtern!
Truͤg' es der Duft zu ihr von nah und fern!
Ihr Wogen, koͤnnt ihr nichts als Raͤder treiben?
Dein iſt mein Herz, und ſoll es ewig bleiben.
Ich meint', es muͤßt' in meinen Augen ſtehn,
Auf meinen Wangen muͤßt' man's brennen ſehn,
Zu leſen waͤr's auf meinem ſtummen Mund,
Ein jeder Athemzug gaͤb's laut ihr kund;
Und ſie merkt nichts von all' dem bangen Treiben:
Dein iſt mein Herz, und ſoll es ewig bleiben!
Morgengruß.
Guten Morgen, ſchoͤne Muͤllerin!
Wo ſteckſt du gleich das Koͤpfchen hin,
Als waͤr' dir was geſchehen?
Verdrießt dich denn mein Gruß ſo ſchwer?
Verſtoͤrt dich denn mein Blick ſo ſehr?
So muß ich wieder gehen.
O laß mich nur von ferne ſtehn,
Nach deinem lieben Fenſter ſehn,
Von ferne, ganz von ferne!
Du blondes Koͤpfchen, komm hervor!
Hervor aus eurem runden Thor,
Ihr blauen Morgenſterne!
Ihr ſchlummertrunknen Aeugelein,
Ihr thaubetruͤbten Bluͤmelein,
Was ſcheuet ihr die Sonne?
Hat es die Nacht ſo gut gemeint,
Daß ihr euch ſchließt und buͤckt und weint,
Nach ihrer ſtillen Wonne?
Nun ſchuͤttelt ab der Traͤume Flor,
Und hebt euch friſch und frei empor
In Gottes hellen Morgen!
Die Lerche wirbelt in der Luft,
Und aus dem tiefen Herzen ruft
Die Liebe Leid und Sorgen.
Des Muͤllers Blumen.
Am Bach viel kleine Blumen ſtehn,
Aus hellen blauen Augen ſehn;
Der Bach der iſt des Muͤllers Freund,
Und hellblau Liebchens Auge ſcheint,
Drum ſind es meine Blumen.
Dicht unter ihrem Fenſterlein
Da will ich pflanzen die Blumen ein,
Da ruft ihr zu, wenn Alles ſchweigt,
Wenn ſich ihr Haupt zum Schlummer neigt,
Ihr wißt ja, was ich meine.
Und wenn ſie thaͤt die Aeuglein zu,
Und ſchlaͤft in ſuͤßer, ſuͤßer Ruh',
Dann lispelt als ein Traumgeſicht
Ihr zu: Vergiß, vergiß mein nicht!
Das iſt es, was ich meine.
Und ſchließt ſie fruͤh die Laden auf,
Dann ſchaut mit Liebesblick hinauf:
Der Thau in euren Aeugelein,
Das ſollen meine Thraͤnen ſein,
Die will ich auf euch weinen.
Thraͤnenregen.
Wir ſaßen ſo traulich beiſammen
Im kuͤhlen Erlendach,
Wir ſchauten ſo traulich zuſammen
Hinab in den rieſelnden Bach.
Der Mond war auch gekommen,
Die Sternlein hinterdrein,
Und ſchauten ſo traulich zuſammen
In den ſilbernen Spiegel hinein.
Ich ſah nach keinem Monde,
Nach keinem Sternenſchein,
Ich ſchaute nach ihrem Bilde,
Nach ihren Augen allein.
Und ſahe ſie nicken und blicken
Herauf aus dem ſeligen Bach,
Die Bluͤmlein am Ufer, die blauen,
Sie nickten und blickten ihr nach.
Und in den Bach verſunken
Der ganze Himmel ſchien,
Und wollte mich mit hinunter
In ſeine Tiefe ziehn.
Und uͤber den Wolken und Sternen
Da rieſelte munter der Bach,
Und rief mit Singen und Klingen:
Geſelle, Geſelle, mir nach.
Da gingen die Augen mir uͤber,
Da ward es im Spiegel ſo kraus:
Sie ſprach: Es kommt ein Regen,
Ade, ich geh' nach Haus.
Mein!
Baͤchlein, laß dein Rauſchen ſein!
Raͤder, ſtellt eu'r Brauſen ein!
All ihr muntern Waldvoͤgelein,
Groß und klein,
Endet eure Melodein!
Durch den Hain
Aus und ein
Schalle heut' ein Reim allein:
Die geliebte Muͤllerin iſt mein!
Mein!
Fruͤhling, ſind das alle deine Bluͤmelein?
Sonne, haſt du keinen hellern Schein?
Ach, ſo muß ich ganz allein,
Mit dem ſeligen Worte mein,
Unverſtanden in der weiten Schoͤpfung ſein!
Pauſe.
Meine Laute hab' ich gehaͤngt an die Wand,
Hab' ſie umſchlungen mit einem gruͤnen Band —
Ich kann nicht mehr ſingen, mein Herz iſt zu voll,
Weiß nicht, wie ich's in Reime zwingen ſoll.
Meiner Sehnſucht allerheißeſten Schmerz
Durft' ich aushauchen in Liederſcherz,
Und wie ich klagte ſo ſuͤß und fein,
Meint' ich doch, mein Leiden waͤr' nicht klein:
Ei, wie groß iſt wohl meines Gluͤckes Laſt,
Daß kein Klang auf Erden es in ſich faßt?
Nun, liebe Laute, ruh' an dem Nagel hier!
Und weht ein Luͤftchen uͤber die Saiten dir,
Und ſtreift eine Biene mit ihren Fluͤgeln dich,
Da wird mir bange und es durchſchauert mich.
Warum ließ ich das Band auch haͤngen ſo lang?
Oft fliegt's um die Saiten mit ſeufzendem Klang.
Iſt es der Nachklang meiner Liebespein?
Soll es das Vorſpiel neuer Lieder ſein?
Mit dem gruͤnen Lautenbande.
«Schad' um das ſchoͤne gruͤne Band,
«Daß es verbleicht hier an der Wand,
«Ich hab' das Gruͤn ſo gern!»
So ſprachſt du, Liebchen, heut zu mir;
Gleich knuͤpf' ich's ab und ſend' es dir:
Nun hab' das Gruͤne gern!
Iſt auch dein ganzer Liebſter weiß,
Soll Gruͤn doch haben ſeinen Preis,
Und ich auch hab' es gern.
Weil unſre Lieb' iſt immer gruͤn,
Weil gruͤn der Hoffnung Fernen bluͤhn,
Drum haben wir es gern.
Nun ſchlinge in die Locken dein
Das gruͤne Band gefaͤllig ein,
Du haſt ja's Gruͤn ſo gern.
Dann weiß ich, wo die Hoffnung wohnt,
Dann weiß ich, wo die Liebe thront,
Dann hab' ich's Gruͤn erſt gern.
Der Jaͤger.
Was ſucht denn der Jaͤger am Muͤhlbach hier?
Bleib, trotziger Jaͤger, in deinem Revier!
Hier giebt es kein Wild zu jagen fuͤr dich,
Hier wohnt nur ein Rehlein, ein zahmes, fuͤr mich.
Und willſt du das zaͤrtliche Rehlein ſehn,
So laß deine Buͤchſen im Walde ſtehn,
Und laß deine klaffenden Hunde zu Haus,
Und laß auf dem Horne den Saus und Braus,
Und ſcheere vom Kinne das ſtruppige Haar,
Sonſt ſcheut ſich im Garten das Rehlein, fuͤrwahr.
Doch beſſer, du bliebeſt im Walde dazu,
Und ließeſt die Muͤhlen und Muͤller in Ruh'.
Was taugen die Fiſchlein im gruͤnen Gezweig?
Was will denn das Eichhorn im blaͤulichen Teich?
Drum bleibe, du trotziger Jaͤger, im Hain,
Und laß mich mit meinen drei Raͤdern allein;
Und willſt meinem Schaͤtzchen dich machen beliebt,
So wiſſe, mein Freund, was ihr Herzchen betruͤbt:
[32]
Die Eber, die kommen zu Nacht aus dem Hain
Und brechen in ihren Kohlgarten ein,
Und treten und wuͤhlen herum in dem Feld:
Die Eber, die ſchieße, du Jaͤgerheld!
Eiferſucht und Stolz.
Wohin ſo ſchnell, ſo kraus, ſo wild, mein lieber Bach?
Eilſt du voll Zorn dem frechen Bruder Jaͤger nach?
Kehr' um, kehr' um, und ſchilt erſt deine Muͤllerin,
Fuͤr ihren leichten, loſen, kleinen Flatterſinn.
Sahſt du ſie geſtern Abend nicht am Thore ſtehn,
Mit langem Halſe nach der großen Straße ſehn?
Wenn von dem Fang der Jaͤger luſtig zieht nach Haus,
Da ſteckt kein ſittſam Kind den Kopf zum Fenſter 'naus.
Geh', Baͤchlein, hin und ſag' ihr das, doch ſag' ihr nicht,
Hörſt du, kein Wort, von meinem traurigen Geſicht;
Sag' ihr: Er ſchnitzt bei mir ſich eine Pfeif' aus Rohr,
Und blaͤſt den Kindern ſchoͤne Taͤnz' und Lieder vor.
Erſter Schmerz, letzter Scherz.
Nun ſitz' am Bache nieder
Mit deinem hellen Rohr,
Und blaſ' den lieben Kindern
Die ſchoͤnen Lieder vor.
Die Luſt iſt ja verrauſchet,
Das Leid hat immer Zeit:
Nun ſinge neue Lieder
Von alter Seligkeit.
Noch bluͤhn die alten Blumen,
Noch rauſcht der alte Bach,
Es ſcheint die liebe Sonne
Noch wie am erſten Tag.
Die Fenſterſcheiben glaͤnzen
Im klaren Morgenſchein,
Und hinter den Fenſterſcheiben
Da ſitzt die Liebſte mein.
Ein Jaͤger, ein gruͤner Jaͤger,
Der liegt in ihrem Arm —
Ei, Bach, wie luſtig du rauſcheſt,
Ei, Sonne, wie ſcheinſt du ſo warm!
Ich will einen Strauß dir pfluͤcken,
Herzliebſte, von buntem Klee,
Den ſollſt du mir ſtellen an's Fenſter,
Damit ich den Jaͤger nicht ſeh'.
Ich will mit Roſenblaͤttern
Den Muͤhlenſteg beſtreu'n:
Der Steg hat mich getragen
Zu dir, Herzliebſte mein!
Und wenn der ſtolze Jaͤger
Ein Blaͤttchen mir zertrit,
Dann ſtuͤrz', o Steg, zuſammen
Und nimm den Gruͤnen mit!
Und trag' ihn auf dem Ruͤcken
In's Meer, mit gutem Wind,
Nach einer fernen Inſel,
Wo keine Maͤdchen ſind.
Herzliebſte, das Vergeſſen,
Es kommt dir ja nicht ſchwer —
Willſt du den Muͤller wieder?
Vergißt dich nimmermehr.
Die liebe Farbe.
In Gruͤn will ich mich kleiden,
In gruͤne Thraͤnenweiden,
Mein Schatz hat's Gruͤn ſo gern.
Will ſuchen einen Cypreſſenhain,
Eine Haide von gruͤnem Rosmarein,
Mein Schatz hat's Gruͤn ſo gern.
Wohlauf zum froͤhlichen Jagen!
Wohlauf durch Haid' und Hagen!
Mein Schatz hat's Jagen ſo gern.
Das Wild, das ich jage, das iſt der Tod,
Die Haide, die heiß' ich die Liebesnoth,
Mein Schatz hat's Jagen ſo gern.
Grabt mir ein Grab im Waſen,
Deckt mich mit gruͤnem Raſen,
Mein Schatz hat's Gruͤn ſo gern.
Kein Kreuzlein ſchwarz, kein Bluͤmlein bunt,
Gruͤn, Alles gruͤn ſo rings und rund!
Mein Schatz hat's Gruͤn ſo gern.
Die boͤſe Farbe.
Ich moͤchte ziehn in die Welt hinaus,
Hinaus in die weite Welt,
Wenn's nur ſo gruͤn, ſo gruͤn nicht waͤr'
Da draußen in Wald und Feld!
Ich moͤchte die gruͤnen Blaͤtter all'
Pfluͤcken von jedem Zweig,
Ich moͤchte die gruͤnen Graͤſer all'
Weinen ganz todtenbleich.
Ach Gruͤn, du boͤſe Farbe du,
Was ſiehſt mich immer an,
So ſtolz, ſo keck, ſo ſchadenfroh,
Mich armen weißen Mann?
Ich moͤchte liegen vor ihrer Thuͤr,
In Sturm und Regen und Schnee,
Und ſingen ganz leiſe bei Tag und Nacht
Das eine Woͤrtchen Ade!
Horch, wenn im Wald ein Jagdhorn ruft,
Da klingt ihr Fenſterlein,
Und ſchaut ſie auch nach mir nicht aus,
Darf ich doch ſchauen hinein.
O binde von der Stirn dir ab
Das gruͤne, gruͤne Band,
Ade, Ade! und reiche mir
Zum Abſchied deine Hand!
Bluͤmlein Vergißmein.
Was treibt mich jeden Morgen
So tief in's Holz hinein?
Was frommt mir, mich zu bergen
Im unbelauſchten Hain?
Es bluͤht auf allen Fluren
Bluͤmlein Vergiß mein nicht,
Es ſchaut vom heitern Himmel
Herab in blauem Licht.
Und ſoll ich's niedertreten,
Bebt mir der Fuß zuruͤck,
Es fleht aus jedem Kelche
Ein wohlbekannter Blick.
Weißt du, in welchem Garten
Bluͤmlein Vergiß mein ſteht?
Das Bluͤmlein muß ich ſuchen,
Wie auch die Straße geht.
'S iſt nicht fuͤr Maͤdchenbuſen,
So ſchoͤn ſieht es nicht aus:
Schwarz, ſchwarz iſt ſeine Farbe,
Es paßt in keinen Strauß.
Hat keine gruͤne Blaͤtter,
Hat keinen Bluͤthenduft,
Es windet ſich am Boden
In naͤchtig dumpfer Luft.
Waͤchſt auch an einem Ufer,
Doch unten fließt kein Bach,
Und willſt das Bluͤmlein pfluͤcken,
Dich zieht der Abgrund nach.
Das iſt der rechte Garten,
Ein ſchwarzer, ſchwarzer Flor:
Darauf magſt du dich betten —
Schleuß zu das Gartenthor!
Trockne Blumen.
Ihr Bluͤmlein alle,
Die ſie mir gab,
Euch ſoll man legen
Mit mir in's Grab.
Wie ſeht ihr alle
Mich an ſo weh,
Als ob ihr wuͤßtet,
Wie mir geſcheh'?
Ihr Bluͤmlein alle,
Wie welk, wie blaß?
Ihr Bluͤmlein alle,
Wovon ſo naß?
Ach, Thraͤnen machen
Nicht maiengruͤn,
Machen todte Liebe
Nicht wieder bluͤh'n.
Und Lenz wird kommen,
Und Winter wird gehn,
Und Bluͤmlein werden
Im Graſe ſtehn,
Und Bluͤmlein liegen
In meinem Grab,
Die Bluͤmlein alle,
Die ſie mir gab.
Und wenn ſie wandelt
Am Huͤgel vorbei,
Und denkt im Herzen:
Der meint' es treu!
Dann Bluͤmlein alle,
Heraus, heraus!
Der Mai iſt kommen,
Der Winter iſt aus.
Der Muͤller und der Bach.
Der Muͤller.
Wo ein treues Herze
In Liebe vergeht,
Da welken die Lilien
Auf jedem Beet.
Da muß in die Wolken
Der Vollmond gehn,
Damit ſeine Thraͤnen
Die Menſchen nicht ſehn.
Da halten die Englein
Die Augen ſich zu,
Und ſchluchzen und ſingen
Die Seele zu Ruh'.
Der Bach.
Und wenn ſich die Liebe
Dem Schmerz entringt,
Ein Sternlein, ein neues,
Am Himmel erblinkt.
Da ſpringen drei Roſen,
Halb roth, halb weiß,
Die welken nicht wieder,
Aus Dornenreis.
Und die Engelein ſchneiden
Die Fluͤgel ſich ab,
Und gehn alle Morgen
Zur Erde herab.
Der Muͤller.
Ach, Baͤchlein, liebes Baͤchlein,
Du meinſt es ſo gut:
Ach, Baͤchlein, aber weißt du
Wie Liebe thut?
Ach, unten, da unten,
Die kuͤhle Ruh'!
Ach, Baͤchlein, liebes Baͤchlein,
So ſinge nur zu.
Des Baches Wiegenlied.
Gute Ruh', gute Ruh'!
Thu die Augen zu!
Wandrer, du muͤder, du biſt zu Haus.
Die Treu' iſt hier,
Sollſt liegen bei mir,
Bis das Meer will trinken die Baͤchlein aus.
Will betten dich kuͤhl,
Auf weichem Pfuͤhl,
In dem blauen kryſtallenen Kaͤmmerlein.
Heran, heran,
Was wiegen kann,
Woget und wieget den Knaben mir ein!
Wenn ein Jagdhorn ſchallt
Aus dem gruͤnen Wald,
Will ich ſauſen und brauſen wohl um dich her.
Blickt nicht herein,
Blaue Bluͤmelein!
Ihr macht meinem Schlaͤfer die Traͤume ſo ſchwer.
Hinweg, hinweg,
Von dem Muͤhlenſteg,
Boͤſes Maͤgdlein, daß ihn dein Schatten nicht weckt!
Wirf mir herein
Dein Tuͤchlein fein,
Daß ich die Augen ihm halte bedeckt!
Gute Nacht, gute Nacht!
Bis Alles wacht,
Schlaf' aus deine Freude, ſchlaf' aus dein Leid!
Der Vollmond ſteigt,
Der Nebel weicht,
Und der Himmel da oben, wie iſt er ſo weit!
Der Dichter, als Epilog.
Weil gern man ſchließt mit einer runden Zahl,
Tret' ich noch einmal in den vollen Saal,
Als letztes, fuͤnf und zwanzigſtes Gedicht,
Als Epilog, der gern das Kluͤgſte ſpricht.
Doch pfuſchte mir der Bach in's Handwerk ſchon
Mit ſeiner Leichenred' im naſſen Ton.
Aus ſolchem hohlen Waſſerorgelſchall
Zieht Jeder ſelbſt ſich beſſer die Moral;
Ich geb' es auf, und laſſe dieſen Zwiſt,
Weil Widerſpruch nicht meines Amtes iſt.
So hab' ich denn nichts lieber hier zu thun,
Als euch zum Schluß zu wuͤnſchen, wohl zu ruhn.
Wir blaſen unſre Sonn' und Sternlein aus —
Nun findet euch im Dunkel gut nach Haus,
Und wollt ihr traͤumen einen leichten Traum,
So denkt an Muͤhlenrad und Waſſerſchaum,
Wenn ihr die Augen ſchließt zu langer Nacht,
Bis es den Kopf zum Drehen euch gebracht.
4[50]
Und wer ein Maͤdchen fuͤhrt an ſeiner Hand,
Der bitte ſcheidend um ein Liebespfand,
Und giebt ſie heute, was ſie oft verſagt,
So ſei des treuen Muͤllers treu gedacht
Bei jedem Haͤndedruck, bei jedem Kuß,
Bei jedem heißen Herzensuͤberfluß:
Geb' ihm die Liebe fuͤr ſein kurzes Leid
In eurem Buſen lange Seligkeit!
Johannes und Eſther.
(Im Frühling zu leſen.)
4*[[52]][[53]]
Chriſtnacht.
Durch die Fenſter ſeh' ich's flimmern,
Goldengruͤn und Kerzenſchein,
Jauchzend hoͤr' ich durch die Laden
Helle Kinderſtimmen ſchrein.
Schmetternde Poſaunen ſchallen
Von dem Kirchenthurm herab:
Lobt den Vater in der Hoͤhe,
Der der Welt das Kindlein gab!
Herz, mein Herz, wie biſt ſo ſelig?
Herz, mein Herz, und ſo allein?
Unſre Gaben, unſre Wuͤnſche,
Duͤrfen wir ſie Keinem weihn?
Eine weiß ich wohl zu finden,
Der ich Vieles goͤnnen mag;
Offen ſteht mir ihre Pforte,
Und es kennt mich ihr Gemach.
Aber in dem ſtillen Hauſe
Brennt kein feſtlich helles Licht,
Und im ſchwarzen Wochenkleide
Sitzt ſie da und freut ſich nicht.
Ach, ihr iſt er nicht geboren,
Der in dieſer ſel'gen Nacht
Freud' und Fried' und Wohlgefallen
Hat zu uns herabgebracht.
Seine Liebe, ſeine Leiden
Dringen nicht zu ihr hinein:
Ueber ihre zarte Seele
Herrſchet ein Geſetz von Stein.
Gebet in der Chriſtnacht.
O Liebe, die am Kreuze rang,
O Liebe, die den Tod bezwang
Fuͤr alle Menſchenkinder,
Gedenk' in dieſer ſel'gen Nacht,
Die dich zu uns herabgebracht,
Der Seelen, die dir fehlen!
O Liebe, die den Stern geſandt
Hinaus in's ferne Morgenland,
Die Koͤnige zu rufen;
Die laut durch ihres Boten Mund
Sich gab den armen Hirten kund,
Wie biſt du ſtill geworden?
Noch eine fromme Hirtin liegt
In blinden Schlummer eingewiegt,
Und traͤumt von gruͤnen Baͤumen.
Singt nicht vor ihrem Fenſterlein
Ein Engel: Eſther, laß mich ein,
Der Heiland iſt geboren?
Vereinigung.
Wenn ich nur darf in deine Augen ſchauen,
In deine klaren, treuen, frommen Sterne,
So fuͤhl' ich weichen das geheime Grauen,
Das Lieb' und Liebe haͤlt in ſtummer Ferne.
Und unſre Herzen wollen ſich begegnen
In langen Blicken, die mit Thraͤnen ringen,
Und unſre Liebe will ein Engel ſegnen:
Er ſchlaͤgt um uns die weichen, warmen Schwingen.
Nach ſeinem Namen wag' ich nicht zu fragen,
Noch nach dem Namen deſſen, der ihn ſendet;
Ich darf ja wieder weinen, wieder klagen:
Fuͤrwahr, mich hat kein eitler Wahn geblendet!
Die Paſſionsblume.
Hochgebenedeite Pflanze,
Deren ſchoͤner Bluͤthenſtern
Uns in mildem, weißen Glanze
Zeigt das Marterthum des Herrn;
Voller Bluͤthen ſeh' ich immer
Dich vor ihrem Fenſter ſtehn:
Willſt du denn, als eitler Schimmer,
Nur in Farb' und Duft vergehn?
Ward dir kein geheimes Leben,
Unverwelklicher Natur,
Von dem Heiland eingegeben,
Der dich pflanzt' in unſre Flur,
Als ein Bild von ſeinen Leiden,
Seinem bittern Liebestod,
Daß daran wir ſollen weiden
Unſre Seel' in Luſt und Noth?
Haſt du nicht in ſtillen Stunden,
Heil'ge Blum', ihr zugehaucht
Das Geheimniß von den Wunden,
Von dem Dorn, in Blut getaucht?
Eſther ſchlaͤft, und Traͤume ſchließen
Auf der reinen Seele Schrein:
Laß aus deinem Sterne fließen
Einen Strahl zu ihr hinein!
Purim.
Was meint ſie mit dem Aſchenkleide
An dieſem freudenreichen Tag,
Wo Alles gern in Sammt und Seide,
In Gold und Steinen prangen mag?
Es ſchwimmt das feſtlich bunte Zimmer
In hoher Kerzen Duft und Schein:
Sie ſchleicht ſich aus der Freude Schimmer,
Und ſteht am Fenſter ganz allein.
Da legt ſich, wie ein weißer Schleier,
Des Mondes Strahl um ihr Geſicht,
Und eine ſtille, tiefe Feier
Aus ihren ſel'gen Augen ſpricht.
O waͤr' ich aus den Truggeſtalten
Der wilden, blinden Maskenluſt,
Und duͤrfte meine Haͤnde falten
Entlarvt im Tempel ihrer Bruſt!
Vor ihrem Fenſter.
Wie freut es mich, in dunkeln Abendſtunden
Vor deinem hellen Fenſter ſtill zu ſtehn!
Den Vorhang find' ich hoch hinaufgewunden,
Frei darf mein Blick in ſeinen Himmel ſehn.
Die Blumen, die ſich an die Rahmen ſchmiegen,
Umſchlingen mir dein Bild mit ihrem Kranz,
Und meines Odems Hauche uͤberfliegen
Mit truͤbem Nebelduft der Scheiben Glanz.
Da ſitzeſt du, ſo ſtill und unbefangen,
Das ſchoͤne Haupt geſtuͤtzt auf deinen Arm,
Und ich bin dir ſo nah mit Luſt und Bangen,
Mit meiner Wuͤnſche ungeſtuͤmem Schwarm.
Du ſchaueſt her: es wiſſen deine Augen
Vom ſuͤßen Zauber ihrer Blicke nicht,
Wie meine ſich aus ihnen trunken ſaugen,
Und hell ergluͤhen nur von ihrem Licht.
Du ahneſt nicht, wie ſich mein ganzes Leben
Gleich einem Mond um deine Sonne dreht,
Der bald ſich will auf ſtolzen Strahlen heben,
Bald tief gebeugt in Thraͤnen untergeht.
Still, ſtill, mein Herz! Was meint dein wildes
Schlagen?
Schau uͤber dich, der Himmel iſt nicht fern;
Und Flammen, die aus Sternen fallen, tragen
Der Menſchen Seufzer vor den Thron des Herrn.
Die Lauberhuͤtte.
Sei mir gegruͤßt, du Holde,
In deinem gruͤnen Zelt!
Hier ſeh' ich erſt dich bluͤhen,
Hier bluͤhet deine Welt.
Mir iſt's, als ob ich traͤte
In ein gelobtes Land,
Als ob der Lauf der Zeiten
Sich habe umgewandt.
Entlaubt ſind unſre Baͤume,
Verbluͤht iſt unſer Feld:
Hier ſeh' ich Lenz und Sommer
Als Bruͤder froh geſellt.
Der Herbſt will auch nicht fehlen
In dieſem ſchoͤnen Haus,
Und ſucht fuͤr ſeine Fruͤchte
Sich Blumenzweiglein aus.
So pruͤfen Duft und Schimmer
Wetteifernd ihre Macht:
Es flammen hohe Kerzen
Wie Sterne durch die Nacht.
Und aus den blanken Becken
Steigt Weihrauch ſtolz empor:
Da trauert manche Roſe,
Weil ſie den Rang verlor.
Du ſiehſt mich an, Geliebte,
Und mir verſagt das Wort:
Du wirſt mich nicht verſtehen
An dieſem Zauberort.
Wie, ſollteſt du mir folgen
In truͤbe, kalte Luft,
Aus deinem Vaterlande
Voll Gluth und Glanz und Duft?
Der Perlenkranz.
Ein Kraͤnzlein moͤcht' ich ſehen
Gewunden um dein Haupt,
Nicht bunt von Sommerblumen,
Nicht immergruͤn belaubt.
Von hellen, weißen Perlen
Soll es geflochten ſein:
Durch deine ſchwarzen Locken
Fließt es wie Sternenſchein.
Neige dein Haupt, du Liebe,
Loͤſ' auf dein langes Haar!
Kennſt du die Perlenkrone,
Durchſichtig, waſſerklar?
Bebt Ahnung dir im Herzen?
O glaube, was ſie ſpricht.
Laß auf dein Haupt mich weinen:
Tauft denn die Thraͤne nicht?
Maria.
Maria moͤcht' ich dich begruͤßen,
Mein Herz hat ſtets dich ſo genannt. —
Seh' ich ein klares Baͤchlein fließen,
Setz' ich mich ſtill an ſeinen Rand:
Maria, rieſeln ſeine Wogen,
Maria ſoll ihr Name ſein;
Ein weißes Taͤubchen kommt geflogen,
Schwebt uͤber mir im Sonnenſchein.
Geliebte, haſt du nichts vernommen,
Wie Orgelton und Waſſerfall?
Der heil'ge Jordan kommt geſchwommen
Durch Berg und Meer mit Jubelſchall.
Der Geiſt des Herrn ſchwingt ſein Gefieder
Und ruft: Wo iſt die Tochter mein?
Tauch' in die Liebesfluthen nieder:
Maria ſoll dein Name ſein!
An Johannes.
Aus deiner Bruſt hab' ich empor geſungen
Verſchwieg'ner Liebesflammen Luſt und Schmerz,
Und von den Klaͤngen fuͤhl' ich nun durchdrungen
Mit tiefer Regung faſt mein eignes Herz.
Der Fruͤhling naht: ſchon traͤgt man aus dem Hauſe
Die Blumen an das freie Tageslicht;
Und laͤnger bleiben auch in ihrer Klauſe
Die Winterbluͤthen meiner Muſe nicht.
Gedeihen muß die Lenzluft ihnen geben
Und junges Gruͤn und friſchen Knoſpendrang,
Auf daß ſie ſich befreunden mit dem Leben,
Und werben nach der Leute Lob und Dank.
So ziehn ſie aus im Duft und Glanz des Maien,
Bekraͤnzt mit ſchwarzem Leid und bunter Luſt;
Und will der Winter ſie mit Schnee beſtreuen,
So fluͤchten ſie zuruͤck in deine Bruſt.
Reiſelieder.
[[70]][[71]]Große Wanderſchaft.
Wandern, wandern!
Geſtern dort und heute hier;
Morgen, wohin ziehen wir?
Wandern, wandern!
Wißt ihr wohl das Loſungswort,
Das die Welt treibt fort und fort?
Wandern, wandern!
Sehet Sonne, Mond und Sterne,
Wie die wandern all' ſo gerne!
Wandern, wandern!
Auch die Erde macht ſich auf
Alle Jahr zum friſchen Lauf.
Wandern, wandern!
Ei, ſo laß das Sitzen ſein,
Menſch, du mußt doch hinterdrein!
Wandern, wandern!
[72]
Kind und Juͤngling, Mann und Greis,
Alſo heißt die Lebensreiſ'.
Wandern, wandern!
Ei, wie ſchoͤne Kompanei!
Fuͤrſtengunſt und Frauentreu'!
Wandern, wandern!
Frau Fortuna fuͤhrt uns an,
Amor iſt der zweite Mann.
Wandern, wandern!
Auch die Muſen koͤnnt ihr ſehn
All' in Reiſeſchuhen gehn.
Wandern, wandern!
Mars faͤhrt auf Aprillenwetter,
Laune heißt des Ruhmes Vetter.
Wandern, wandern!
Liebes Herz, ſo zieh' nur mit,
Halte wacker Schritt und Tritt!
Wandern, wandern!
Heute hier und morgen dort,
Und zu Haus an jedem Ort.
Wandern, wandern!
Regen, Sturm und Sonnenſchein,
Rebenſaft und Gerſtenwein.
Wandern, wandern!
Heute blond und morgen braun
Iſt mein Schaͤtzchen anzuſchaun.
Wandern, wandern!
[73]
Kalt und warm und ſchlicht und kraus,
Bienenſchwarm und Schneckenhaus.
Wandern, wandern!
Heut' hab' ich dies Lied erdacht,
Morgen wird es ausgelacht.
Wandern, wandern!
Wanderlieder eines rheiniſchen Handwerks¬
burſchen.
1. Auszug.
Ich ziehe ſo luſtig zum Thore hinaus,
Als ob's ein Spaß nur waͤr':
Das macht, es wallt Feinliebchens Bild
Gar helle vor mir her.
Da merk' ich dann im Herzen bald:
Ich ſei dort, oder hier,
Ich gehe fort, ich kehre heim,
Ich ziehe doch immer zu ihr.
Und wer zu ſeinem Liebchen reiſ't,
Dem wird kein Weg zu ſchwer,
Der laͤuft bei Tag und laͤuft bei Nacht,
Und ruht ſich nimmermehr.
Und ob es regnet, ob es ſtuͤrmt,
Mir thut kein Wetter weh:
Es hat mein Liebchen mir geſagt
Ein freundliches Ade!
2. Auf der Landſtraße.
Was ſuchen doch die Menſchen all'
Zu Roß und auch zu Fuß?
Das wandert hin und wandert her
Zeitlebens ohn' Verdruß.
Die haben wohl kein Liebchen heim,
Und auch ihr Herz dabei:
Sie ſehn mich an und wundern ſich,
Daß ich ſo langſam ſei.
Ach, wer mit jedem, jedem Fuß,
Den er ſetzt in die Welt hinein,
Einen Schritt von ſeiner Liebſten thut,
Der macht ihn gerne klein.
Wer hat das Wandern doch erdacht?
Der hatt' ein Herz von Stein;
Und waͤr' es heut' noch nicht bekannt,
Ich ließ' es wahrlich ſein.
3.Einſamkeit.
Der Mai iſt auf dem Wege,
Der Mai iſt vor der Thuͤr:
Im Garten, auf der Wieſen,
Ihr Bluͤmlein kommt herfuͤr!
Da hab' ich den Stab genommen,
Da hab' ich das Buͤndel geſchnuͤrt,
Zieh weiter und immer weiter,
Wohin die Straße mich fuͤhrt.
Und uͤber mir ziehen die Voͤgel,
Sie ziehen in luſtigem Reihn,
Sie zwitſchern und trillern und floͤten,
Als ging's in den Himmel hinein.
Der Wandrer geht alleine,
Geht ſchweigend ſeinen Gang;
Das Buͤndel will ihn druͤcken,
Der Weg wird ihm zu lang.
Ja, wenn wir allzuſammen
So zoͤgen in's Land hinein!
Und wenn auch das nicht waͤre,
Koͤnnt' Eine nur mit mir ſein!
4. Bruͤderſchaft.
Im Krug zum gruͤnen Kranze
Da kehrt' ich durſtig ein:
Da ſaß ein Wandrer drinnen
Am Tiſch bei kuͤhlem Wein.
Ein Glas war eingegoſſen,
Das wurde nimmer leer;
Sein Haupt ruht' auf dem Buͤndel,
Als waͤr's ihm viel zu ſchwer.
Ich thaͤt mich zu ihm ſetzen,
Ich ſah ihm in's Geſicht,
Das ſchien mir gar befreundet,
Und dennoch kannt' ich's nicht.
Da ſah auch mir in's Auge
Der fremde Wandersmann,
Und fuͤllte meinen Becher,
Und ſah mich wieder an.
Hei, was die Becher klangen,
Wie brannte Hand in Hand:
«Es lebe die Liebſte deine,
«Herzbruder, im Vaterland!
5.Abendreihn.
Guten Abend, lieber Mondenſchein!
Wie blickſt mir ſo traulich in's Herz herein?
Nun ſprich, und laß dich nicht lange fragen,
Du haſt mir gewiß einen Gruß zu ſagen,
Einen Gruß von meinem Schatz.
«Wie ſollt' ich bringen den Gruß zu dir?
«Du haſt ja keinen Schatz bei mir.
«Und was mir da unten die Burſche ſagen,
«Und was mir die Frauen und Maͤdchen klagen,
«Ei, das verſteh' ich nicht.»
Haſt Recht, mein lieber Mondenſchein,
Du darfſt auch Schaͤtzchens Bote nicht ſein,
Denn thaͤtſt du zu tief ihr in's Auge ſehn,
Du koͤnnteſt ja nimmermehr untergehn,
Schienſt ewig nur fuͤr ſie.
Dies Liedchen iſt ein Abendreihn,
Ein Wandrer ſang's im Vollmondſchein;
Und die es leſen bei Kerzenlicht,
Die Leute verſtehn das Liedchen nicht,
Und iſt doch kinderleicht.
6. Morgen.
In die gruͤne Welt hinein
Zieh' ich mit dem Morgenſchein,
Abendluſt und Abendleid
Hinter mir ſo weit, ſo weit!
Ei, wie roth deine Wangen ſind,
Morgen, Morgen, ſuͤßes Kind!
Bluͤmlein weinten die ganze Nacht,
Weil man dich zu Bett gebracht;
Mittag kam, der ſtolze Ritter,
Abend kam, der muͤde Schnitter,
Keinen haben ſie angeſchaut,
Haben ſtill auf dich vertraut.
Und nun biſt du wieder da,
Biſt ſo freundlich, biſt ſo nah!
Und ſie richten ſich empor,
Schuͤtteln ab der Traͤume Flor:
Wie ſie wanken, wie ſie beben,
Scheu die trunknen Blicke heben!
6*[84]
War's dein Kuß, der ſie erweckte?
War's ein Zephyr, der ſie neckte?
Welcher Schrecken, welche Luſt,
Mund an Mund, und Bruſt an Bruſt!
Guten Morgen, guten Morgen!
In die Winde alle Sorgen,
Alle Thraͤnen von den Wangen,
Aus dem Herzen alles Bangen,
Alles froh und Alles frei,
Ob's der erſte Welttag ſei!
Auch die kleinen Waldvoͤgelein
Wollen bei dem Feſte ſein,
Laſſen ihre Stimmlein klingen,
Einen Gruß hinaufzuſingen.
Wißt ihr, wer's am beſten meint
Mit dem jungen Himmelsfreund?
Lerche ſich zum Hoͤchſten ſchwingt,
Und ihm grad' an's Herze ſinkt.
Lerche, Lerche, einen Gruß,
Lerche, Lerche, Gruß und Kuß,
Nimm ſie mit dir von uns Allen,
Und laß deine Stimme ſchallen,
Wenn wir dich nicht mehr erſehn,
Aus den lieben blauen Hoͤh'n!
Fiſchlein, Fiſchlein in dem See,
Wird's da unten euch zu weh?
Drang ſein helles Roſenlicht
Noch in eure Tiefe nicht?
Ei, ſo ſpringt einmal heraus
Aus dem duͤſtern Wogenhaus,
Schnappt von ſeinen Aeugelein
Einen Blick zu euch hinein,
Und die Lampen von Kryſtall
Zuͤndet an mit ſeinem Strahl!
Morgenſtund hat Gold im Mund!
Arme Wandrer, rings und rund,
Auf und fort im Morgenſchein,
Wollt ihr reiche Leute ſein!
7.Fruͤhlingsgruß.
Du heller linder Abendwind,
Flieg hin zu meinem Schatz geſchwind,
Es wird dich nicht verdrießen,
Und faͤchl' ihr ſanft um Wang' und Kinn,
Treib deine juͤngſten Duͤfte hin,
Und ſprich: Der Lenz laͤßt gruͤßen!
Die Laute nehm' ich von der Wand,
Und ſchlinge drum ein gruͤnes Band,
Ein Voͤglein hoͤrt' ich ſchlagen;
Es ſchlug: Wer bindet an mit mir
Zu Lieb' und Sang ein Feſtturnier
In gruͤnen Roſenhagen?
Wohl auf im hellen Mondenſchein,
Durch alle Gaſſen aus und ein,
Mit Fiedeln und Schalmeien!
Thut auf, thut auf die Fenſterlein,
Ihr Maͤgdlein, laßt den Fruͤhling ein!
Duͤrft euch vor ihm nicht ſcheuen.
Er iſt ein wohlgezog'ner Gaſt,
Ein Knaͤblein jung und bloͤde faſt,
Auch etwas unerfahren:
Nehmt Amorn ihm als Lehrer an,
So wird er bald ein kluger Mann,
Noch eh' er kommt zu Jahren.
Du heller linder Abendwind,
Was meint zu dir das liebe Kind,
Gefaͤllt ihr deine Kunde?
Gut' Nacht, gut' Nacht, die Fenſter zu!
Der neue Gaſt verlangt nach Ruh',
Der Waͤchter blaͤſt die Stunde.
8. Entſchuldigung.
Wenn wir durch die Straßen ziehen,
Recht wie Burſch' in Saus und Braus,
Schauen Augen, blau' und graue,
Schwarz' und braun' aus manchem Haus.
Und ich laſſ' die Blicke ſchweifen
Durch die Fenſter hin und her,
Faſt als wollt' ich Eine ſuchen,
Die mir die Allerliebſte waͤr'.
Und doch weiß ich, daß die Eine
Wohnt viel Meilen weit von mir,
Und doch kann ich's Schaun nicht laſſen
Nach den ſchmucken Jungfern hier.
Liebchen, woll' dich nicht betruͤben,
Wenn dir Eins die Kunde bringt,
Und daß dich's nicht uͤberraſche,
Dieſes Lied der Wandrer ſingt.
9. Hier und dort.
Mein Liebchen hat g'ſagt:
Dein Sang mir behagt!
Ach, wenn ich doch ſelber
Ein Lied gleich waͤr',
Meinem Schaͤtzchen zu Ehr'!
Da wollt' ich mich ſchreiben
Auf ſeid'nes Papier,
Und wollte mich ſchicken
Per Poſt zu ihr.
Flugs thaͤt' ſie erbrechen
Das Briefchen ſo fein,
Und ſchaute ſchnurgrade
In's Herz mir hinein.
Und ſaͤhe und hoͤrte,
Wie gut ich ihr bin,
Und wie ich ihr diene
Mit ſtetigem Sinn.
Und Liebchen thaͤt' ſagen:
Du thuſt mir behagen!
[90]
Und ſagte und ſaͤnge
Und ſpielte nur mich,
Und truͤg' im Mund, im Kopf, im Herzen
Mich ewiglich.
Haͤtt' Gott mich gefragt,
Als die Welt er gemacht,
So haͤtt' ich ein Liebchen,
Das waͤre fein hier,
Und waͤr' ſie wo anders,
So waͤr' ich bei ihr.
Dies Lied hat geſungen
Ein Wandrer vom Rhein.
Hier trinkt er das Waſſer,
Dort trank er den Wein.
Des Poſtillons Morgenlied vor der Bergſchenke.
Vivat, und in's Horn ich ſtoße,
Vivat, wie ſo hell es klingt,
Wenn es in der Morgenſtunde
Meinem Schatz ein Vivat bringt!
Und die Peitſche knallt dazwiſchen,
Und die Raͤder raſſeln drein,
Und die Funken und die Flammen
Fliegen uͤber Stock und Stein.
Bravo, bravo, braver Schwager!
Ruft mir zu der Paſſagier:
Mag er's loben und bezahlen,
Liebſte, aber's gilt nur dir.
Kann ich's mit dem Schwert nicht zeigen,
Mit dem blanken Ritterſporn,
Hat mein Herz fuͤr ſeine Liebe
Doch dies kleine runde Horn.
Wer's verſteht, es klingt nicht uͤbel,
Friſch und ſcharf wie Morgenwind,
Und die Liebſte, die ich meine,
Iſt kein ſchwaͤchlich ſtaͤdtiſch Kind.
In dem Wald iſt ſie geboren,
Iſt des Schenken Toͤchterlein;
Klang der Becher, Zank der Zecher
Mußt' ihr Wiegenliedchen ſein.
In dem Walde ſteht die Schenke
Einſam auf dem hoͤchſten Berg,
Durch den Schornſtein blaͤſ't die Hexe,
Und im Keller wuͤhlt der Zwerg.
Aber ſie, die flinke Dirne,
Weiß mit Geiſtern umzugehn,
Wenn ihr Schluͤſſelbund nur klappert,
Laͤßt kein Spuk ſich weiter ſehn.
Und wie trefflich kann ſie bannen
Geiſter auch von Fleiſch und Bein,
Die Berauſchten, ſei's von Liebe,
Sei's von Bier und Brantewein.
Keiner wagt ſich ihr zu nahen,
Weil den Zauberkreis er kennt,
Der dem kecken Ueberſpringer
Zung' und Finger gleich verbrennt.
Aber freundlich und geſpraͤchig
Iſt ſie dem beſcheidnen Gaſt,
Und an ihrem Thor voruͤber
Rollt kein Wagen ohne Raſt.
Bravo, bravo, braver Schwager!
Ruft mir zu der Paſſagier:
Gut gefahren, gut gehalten
Bei der ſchmucken Dirne hier.
Mag er's loben und bezahlen,
Liebſte, aber's gilt nur dir.
Schoͤne Schenkin, ach, ich duͤrſte,
Schenke, ſchenke Liebe mir!
Vivat, und in's Horn ich ſtoße,
Und es muß geſchieden ſein!
Vivat, und wie ſoll es ſchmettern,
Kehr' ich hier auf ewig ein!
Der Prager Muſikant.
Mit der Fiedel auf dem Ruͤcken,
Mit dem Kappel in der Hand,
Ziehn wir Prager Muſikanten
Durch das weite Chriſtenland.
Unſer Schutzpatron im Himmel
Heißt der heil'ge Nepomuk,
Steht mit ſeinem Sternenkraͤnzel
Mitten auf der Prager Bruck.
Als ich da hinausgewandert,
Hab' ich Reverenz gemacht,
Ein Gebet ihm aus dem Kopfe
Recht bedaͤchtig hergeſagt.
Steht alſo in keinem Buͤchel,
Wie man's auf dem Herzen hat:
Wanderſchaft mit leerem Beutel,
Und ein Schaͤtzel in der Stadt.
Wenn das Maͤdel ſingen koͤnnte,
Waͤr's gezogen mit hinaus,
Doch nun hat's 'ne heiſ're Kehle,
Mußt' es laſſen drum zu Haus.
Ei, da gab es naſſe Augen,
'S war mir ſelbſt nicht einerlei:
Sprach itzt: 'S iſt ja nicht fuͤr ewig,
Schoͤnſtes Nannerl, laß mich frei!
Und ich ſchluͤpft' aus ihren Armen,
Aus der Pforte, aus dem Haus,
Konnt' nicht wieder ruͤckwaͤrts ſchauen,
Bis ich war zur Stadt hinaus.
Da hab' ich dies Lied geſungen,
Hab' die Fiedel zu geſpielt,
Bis ich in den Morgenluͤften
Auf' der Bruſt mich leicht gefuͤhlt.
Manches Voͤglein hat's vernommen:
Floͤg' nur eins an Liebchens Ohr,
Saͤng' ihr, wenn ſie weinen wollte,
Dieſes friſche Liedel vor!
Wenn ich aus der Fremde komme,
Spiel' ich auf aus anderm Ton,
Abends unter ihrem Fenſter:
Schaͤtzel, Schaͤtzel, ſchlaͤfſt du ſchon?
Hoch geſchwenkt den vollen Beutel,
Das giebt eine Muſika!
'S Fenſter klirrt, es rauſcht der Laden,
Heilige Caͤcilia!
All' ihr Prager Muſikanten,
Auf, heraus mit Horn und Baß,
Spielt den ſchoͤnſten Hochzeitreigen!
Morgen leeren wir ein Faß.
Die Prager Muſikantenbraut.
Und wißt ihr, wer mein Schaͤtzel iſt?
Ein Prager Muſikant,
Ein Muſikant von feiner Kunſt
In Baß und in Diskant.
Und wißt ihr, wo mein Schaͤtzel iſt,
So wißt ihr mehr als ich,
Denn weil er halt nicht ſchreiben kann,
So denkt er nur an mich.
Und's Denken iſt ein luſtig Ding,
Summt leiſ' in's Herz hinein;
Woher es kommt, wohin es geht,
Das muß errathen ſein.
Ei, kommſt denn nimmermehr zu Ruh',
Du Muſikantenblut?
Ei, lernſt denn nimmermehr verſtehn,
Wie lieb's in Boͤhmen thut?
So zieh nur hin durch Stadt und Land,
Mit dir Sankt Nepomuk,
Der ſegne Fiedel dir und Baß
Mit gutem Strich und Druck!
Und wo in Gottes weiter Welt
Du klopfſt an Thuͤr und Thor,
Find' offne Beutel uͤberall
Und ein geneigtes Ohr.
Die Maͤdel ſchaun dir in's Geſicht,
Die Maͤnner nach der Hand,
Und Einer und die Andre ſpricht:
Ein braver Muſikant!
Dann ſing' ein Lied von deiner Braut,
Die an der Moldau iſt:
Das klingt mir hell durch Mark und Bein,
Und ſagt mir, wo du biſt.
Und ſagt mir noch ſo mancherlei,
Was ſchwer ſich ſagt im Reim,
Und ſagt mir: Wann die Lerche kommt,
Kehr' ich nach Boͤhmen heim.
Seefahrers Abſchied.
Die du fliegſt in hohen Luͤften,
Kleine Schwalbe, komm herab,
Weil ich dir ein Wort im Stillen
Unten zu vertrauen hab'.
Sollſt mir eine Feder ſchenken
Aus den ſchwarzen Fluͤgeln dein,
Will an meine Liebe ſchreiben:
Herz, es muß geſchieden ſein!
Morgen fahr' ich auf dem Meere,
Wind und Woge weiß wohin,
Und es fragen mich die Freunde,
Was ich doch ſo traurig bin.
Aber Wind und Woge ſprechen
Viel von Unbeſtaͤndigkeit,
Und der Sklave ſingt zum Ruder:
Maͤchtig, maͤchtig iſt die Zeit!
Gott, und ſoll ich untergehen,
Sei es in dem tiefen Meer,
Nur nicht in der Liebſten Herzen,
Wo ich gern geborgen waͤr'.
In dem ſtillen klaren Spiegel
Male ſich mein treues Bild,
Wann um mich in Ungewittern
Die empoͤrte Woge ſchwillt.
Liebe, ſieh, wie Well' auf Welle
Ringt nach dem erſehnten Strand:
Aber manche wird verſchlungen,
Eh' ſie kuͤßt das gruͤne Land.
Wenn du an dem Ufer wandelſt,
Huͤpft die Fluth nach deinem Fuß:
Wogen hab' ich nur und Winde,
Dir zu ſchicken meinen Gruß.
Wann die fernen Hoͤhen daͤmmern,
Jauchzet Alles nach dem Land:
Nur zwei muͤde Augen bleiben
Still dem Meere zugewandt.
Wann die Segel wieder glaͤnzen,
Wann die Winde heimwaͤrts wehn,
Laßt mich auf dem Maſte ſitzen:
Liebe kann durch Wolken ſehn.
Schiff und Vogel.
Die Fluͤſſe rauſchen in das Meer,
Voruͤber an Burgen und Staͤdten,
Die Winde blaſen hinterher
Mit luſtigen Trompeten.
Die Wolken ziehen hoch voran,
Wir Voͤglein mitten drinnen,
Und Alles, was fliegen und ſingen kann,
Nur nach, nur mit uns, nur von hinnen!
Ich gruͤße dich, Schifflein! Wohin, woher,
Mit dem flatternden goldenen Bande?
«Ich gruͤße dich, Voͤglein! In's weite Meer
«Fahr' ich hin aus dem engen Lande.
«All' meine Segel ſind geſchwellt,
«Kein Berg iſt mehr zu ſehen:
«Ich hab' mein' Sach' auf den Wind geſtellt,
«Der Wind laͤßt mich nicht ſtehen.
«Und willſt du, Voͤglein, mit hinaus,
«Magſt dich auf den Maſtbaum ſtellen;
«Denn voll zum Sinken iſt mein Haus
«Von gluͤcklichen Geſellen.
«Sie tanzen und ſpringen den ganzen Tag,
«Und klimpern und ſpielen und trinken,
«Und wer nicht mehr tanzen und trinken mag,
«Seiner Nachbarin muß er winken.»
Geſellen, die brauch' ich und ſuch' ich nicht,
Lieb Schifflein, ich kann ja noch ſingen;
Dem Maſtbaum waͤr' ich ein boͤſes Gewicht,
Lieb Schifflein, ich habe ja Schwingen.
Hoch uͤber dem Segel, hoch uͤber dem Maſt,
Wer will mir die Luſt verwehren?
Und haͤlt deine wilde Geſellſchaft Raſt,
So ſollſt du mich ſingen hoͤren.
Und wer nicht ruhen und horchen mag,
Gott geſegn' ihm die beſſere Freude!
So ſchwing' ich mich auf in den blauen Tag,
In die goldene Sonnenweide.
So ſing' ich meinen Jubelgeſang
Hinaus in alle vier Winde,
Daß ihn mein und ſein Lebelang
Kein Schreiber und Drucker finde!
Die Monate.
Florenz, im September 1818.
[[106]][[107]]
An Ludwig Sigismund Ruhl.
Ich zog mit dir aus Roma's heil'gen Mauern,
Den Ruͤcken jenen Fluren zugewendet,
Wo ſich der Himmel nimmer muͤde ſpendet
Mit ſeines Fuͤllhorns friſchen Blumenſchauern.
Da faßte ploͤtzlich dich ein heißes Trauern,
Das uͤber ihren Strom dir nachgeſendet
Die Stadt, der du, ich weiß nicht was, verpfaͤndet:
Ich hoͤrte deine Seufzer mit Bedauern.
Germania, mach' auf dich ohne Weilen,
Geſchmuͤckt mit aller deiner Reize Waffen,
Den hart gefeiten Fluͤchtling zu begruͤßen!
Heiß der zwoͤlf Monde Schaar voraus dir eilen,
Und was ein jeder Beſtes kann erſchaffen,
Leg' er als Angebind' ihm gern zu Fuͤßen.
Januar.
Ich bringe dir in weißen kalten Haͤnden
Ein warmes Haus, erhellt von tauſend Kerzen,
Bewohnt von bunten Spielen, Taͤnzen, Scherzen,
Von Amoretten auch, die Pfeile ſenden.
Sie flattern auf und ab an allen Enden,
Die Jungfrau ſchaut beſorgt nach ihrem Herzen,
Die Andre ſchon nach Einem, der den Schmerzen
Der Wunde moͤchte ſuͤßen Balſam ſpenden.
Als huͤlfreich hab' ich immer dich erfunden,
Vor Allem, wo es gilt den ſchwachen Schoͤnen,
Drum, denk' ich, wird ſie nicht bis morgen klagen.
Bald ſind verrauſcht des Feſtes heiße Stunden,
Schon hoͤr' ich Hufſchlag vor dem Thore droͤhnen:
Reich' ihr den Arm und fuͤhre ſie zum Wagen!
Februar.
Erkennſt du mich in meinem bunten Kleide,
Mit meiner Pritſche, meinem Schellenhut,
Mit meinem unermuͤdlich krauſen Muth,
Voll Scherz und Rank und Witz und Schadenfreude?
Doch zapft man hier, zu meinem großen Leide,
Mir jaͤhrlich ab ein Becken wildes Blut:
Humanitas meint es mit mir nicht gut,
Und ſchwaͤrzt mich an mit unhumanem Neide.
Ich darf nicht mehr frei durch die Straße wandern,
In enge Saͤle ſchließen ſie mich ein,
Und wollen gar, ich ſoll vernuͤnftig ſein.
Wie thut mir's weh um dich vor allen Andern!
Ich moͤchte gern dich roͤmiſch luſtig ſehn,
Und muͤßt' ich ſelbſt dabei zu Grunde gehn.
Maͤrz.
Mit einem Strauß von Blumen, die mit Schneee
Die kleinen weißen Kelche gern bedecken,
Moͤcht' ich, wie ſie, mich deinem Blick verſtecken,
Weil ich allein ſo aͤrmlich vor dir ſtehe.
Wohin ich auch nach beſſern Gaben ſpaͤhe,
Nur Keim und Knospe ſind' ich aller Ecken;
Wohl moͤcht' ich Laub und Bluͤthe dir erwecken,
Doch fuͤrcht' ich ſehr, mein Hauch thaͤt' ihnen wehe.
So nimm denn, was ich bringe, als zum Pfande
Der ſchoͤnen Zeit, die ich nur darf verkuͤnden,
Daher ſie mich den Mond der Hoffnung nennen.
Und wenn der Wonnemond regiert im Lande,
Wirſt du Erfuͤllung auf den Fluren finden,
Und ungeloͤſcht ſoll dir kein Wunſch verbrennen.
April.
Leichtſinnig, launig, neckiſch, ausgelaſſen,
Wandl' ich in jeder Stunde Leib und Sinn:
Kaum weiß ich ſelbſt, wie ich beſchaffen bin,
Wie ſollen mich die fremden Leute faſſen?
Hier werf' ich einen Schneeball durch die Gaſſen,
Dort ſchweb' ich blau in jungen Duͤften hin,
Bald ſtreich' ich ſanft der Schoͤnen weiches Kinn,
Bald ſagen ſie, ich waͤre grob im Spaßen.
Gern wollt' ich dir noch Vieles von mir ſagen,
Doch druͤckt mich des Sonettes enges Band,
Das mir die Muſe um den Mund geſchlagen.
Sie ſprach: Ich kenne dich als ungezogen,
Und jener Herr hat in dem welſchen Land
Der beſten Sitt' als Kavalier gepflogen.
Mai.
Ich moͤchte ſchweigend, Lieber, dich umfangen,
Gehuͤllt in ſuͤße, bange Daͤmmerungen:
Es wird ſo viel zu meinem Preis geſungen,
Daß mir die Luſt am Liede faſt vergangen.
Waͤrſt du ſo heiß von ſeligem Verlangen,
Wie eine Lilie, deren weiße Zungen
Den langen Tag nach kuͤhlem Troſt gerungen,
Bis daß ſie muͤd' und matt zur Erde hangen:
Komm her zu mir, ich gebe dir zu trinken,
So viel du magſt, mein treuer deutſcher Zecher,
Aus meinem bodenloſen Liebesbecher!
Siehſt du die hellen Thauestropfen blinken
Dort an den Lilien in der Morgenſonne?
Wie maͤßig ſchaltet ihr mit meiner Wonne!
Juni.
Ich trag' ein Kleid von weichen Roſenherzen,
Ich ſchlaf' in einem Bett' von Roſenduft,
Bis mich der roſenrothe Morgen ruft,
Ein Stuͤndlein in den Knospen zu verſcherzen.
Der Mittag liebt ein herzlicheres Herzen,
Dringt heiß bis in des Kelches tiefſte Kluft:
Da fliegt manch Roſenblaͤttchen durch die Luft,
Und ſeufzt von Minneluſt und Minneſchmerzen.
Der Abend kommt, den Blumen Troſt zu geben,
Die matt und blaß in ſeinem Thau ſich baden,
Bis allen ihren Zorn ſie ausgekuͤhlt.
Behagt dir, Freund, dies rothe Roſenleben,
So ſei von mir auf morgen eingeladen,
Denn alle Tage wird ſolch Spiel geſpielt.
Juli.
Auf kuͤhlen Bergen, an des Meeres Strande,
Iſt dir ein heitrer Gartenſitz bereitet,
Nicht allzu eng, auch nicht zu weit verbreitet:
Man liebt ſich einzuſchraͤnken auf dem Lande.
Ein junger Quell im Bett von weichem Sande
Iſt zierlich durch die Gaͤnge hingeleitet,
Bis er betrogen in ein Becken gleitet,
Das ihm verſteckt der Blumenhain am Rande.
Da muß er, eingezwaͤngt in ſchlanker Saͤule,
Aufſteigen aus dem runden Marmormunde,
Und auf der Hoͤhe ſich in Schaum zerſtaͤuben.
Das Moosbeet winkt zu mittaͤglicher Weile:
Es ſchlummert Alles, nur im klaren Grunde
Seh' ich die goldnen Fiſchlein Spiele treiben.
Auguſt.
Wann durch das Feld die blanken Senſen klingen,
Wann ſich die hohen goldnen Halme neigen,
Wann um den Aehrenkranz in wilden Reigen
Die Schnitter mit den Schnitterinnen ſpringen:
Dann will ein Jeder um die Stirne ſchlingen
Ein buntes Band, und ſich als Maͤher zeigen;
Wer iſt ſo arm, daß er ſich nicht zu eigen
Ein Saatenfeld und Saamen koͤnnt' erringen?
Die Hoffnung pfluͤgt fuͤr Alle das Gefilde,
Und flinke Wuͤnſche ſtreun mit vollen Haͤnden
Die Koͤrner in den weichen Schooß der Erden.
Dir iſt das Jahr mit den zwoͤlf Monden milde,
Drum will ich dir die ſchaͤrfſte Sichel ſpenden,
Die nimmer ſtumpf ſoll in der Ernte werden.
September.
Ich gruͤße dich mit hellem Waldhornklange;
Hirſchfaͤnger, Buͤchſe, Netz und gruͤnes Kleid,
Ein Roß, zu jedem kecken Sprung bereit,
Verehr' ich dir, und wuͤnſche Gluͤck zum Fange.
Friſch auf! Um das Revier ſei mir nicht bange:
Ich habe Eichenwaͤlder tief und breit,
Mit Bahnen rings durchhauen fuͤr die Waid,
Und Hirſch' und Rehe, wie ich ſie verlange.
Den Hut geſchmuͤckt mit einem gruͤnen Reiſe,
Die Haͤnde purpurroth von edlem Schweiße,
Die Wagen krachend unter ihrer Laſt:
So ziehe heim mit deinen Jagdgeſellen,
Wenn du nicht erſt ein Wort noch zu beſtellen
Hier bei der ſchoͤnen Foͤrſterstochter haſt.
October.
Vom alten Rhein ſiehſt du daher mich ſchweben,
Auf einem kuͤhlen, klaren Mondenſtrahl,
Mit einem vollen, ſchaͤumenden Pokal,
Die heiße Stirn umweht von friſchen Reben.
Es wogt ein unergruͤndlich tiefes Leben
In meiner Beere guͤldenem Kryſtall:
Willſt du's entfeſſeln, laß in hellem Schall
Zwei Bruderbecher an einander beben.
Und unterthaͤnig dieſem Zauberklange,
Schwingt flugs ein unzaͤhlbares Elfenchor
Aus Silberperlen ſprudelnd ſich empor.
Den Rand umhuͤpfen ſie in buntem Drange,
Mit Spieß und Degen, Saitenſpiel und Kranz,
Bockshorn und Eulenohr und Drachenſchwanz.
November.
Zu rechter Zeit hab' ich dir's angeſehen,
Daß du, auf Tanz und Jagd und Becherklingen,
Verlangen fuͤhlſt nach wuͤrdigeren Dingen,
Womit ich gleich dir kann zu Dienſten ſtehen.
Durch Leipzigs volle Laden ging ich ſpaͤhen,
Was uns die deutſchen Preſſen Neues bringen:
Die Bogen, die noch auf den Seilen hingen,
Sie mußten ungetrocknet mit mir gehen.
Sparoͤfen kauft' ich auch und Sorgenſtuͤhle,
Kaffee und Knaſter, von der beſten Sorte,
Und lange runde Bernſteinpfeifenſpitzen.
Entreiß dich, Freund, dem eitlen Weltgewuͤhle:
Ich fuͤhre zu der Weisheit heil'gen Pforte
Die Juͤnger, ohne ſehr ſie zu erhitzen.
December.
Mit Peitſchenknall und lautem Schellenklange
Meld' ich mich dir, und ſchuͤttle weiße Flocken
Durch alle Straßen hin aus meinen Locken:
Dich, hoff' ich, macht das Ungethuͤm nicht bange.
Es ſchnaubt der Renner an des Schlittens Stange,
Das blanke Halsband ſchuͤtteln deine Doggen,
Die Dame huͤllt in warme Flaumenſocken
Den zarten Fuß, und denkt: Er bleibt ſo lange.
Was zauderſt du? Sitz' auf, mein Freund, geſchwinde!
Und ſei mir auf der Fahrt nicht zu verwegen,
Muß ich im Namen deiner Schoͤnen bitten.
Den ſuͤßen, warmen Odem wehn die Winde
Und manche weiche Locke dir entgegen:
Halt kurz das Roß, und ſieh auf deinen Schlitten!
Laͤndliche Lieder.
[[122]][[123]]Laͤndlicher Reigen.
Schnitter.
Ich hab' ein Herz verloren
Wohl in dem gruͤnen Mai,
Und Keine will mir ſagen,
Wo's nun geblieben ſei.
Ihr ſchmucken Dirnen alle,
Nun Eine hat es doch,
Und habt ihr's nicht gefunden,
So liegt's im Graſe noch.
Und wenn es liegt im Graſe,
So liegt's auf kuͤhler Streu,
Und wann ihr maͤht die Wieſen,
So ſchneidet's nicht entzwei.
Schnitterin.
Ich hab' ein Herz gefunden
Wohl in dem Mond April,
Wo alle Narren wandern:
Einen Narren ich nicht will.
Drum will ich's weiter ſchicken,
Bis daß es wird geſcheit,
Und kommt es klug zuruͤcke,
Zum Lieben iſt's immer noch Zeit.
Schnitter.
Ich hab' ein Herz begraben
Wohl im Dezemberſchnee,
Und wenn das Eis zerrinnet,
So faͤllt es in den See.
Und ſchwimmet auf und nieder,
Und huͤpfet her und hin,
Bis es in's Netz geſprungen
Der ſchoͤnſten Fiſcherin.
Schnitterin.
Ich hab' manch Herz gefangen
Wohl in dem Erntetanz:
All' Jahr ein friſches Herzchen,
All' Jahr ein friſcher Kranz!
Und wem das nicht behaget,
Der ſeh' dem Tanze zu;
So mag er's Herz behalten,
Dazu auch ganze Schuh'.
Schifferreigen.
Erſter Schiffer.
Es kommt ein Fink geflogen
Des Morgens uͤber Meer,
Der bringt mir Gruͤß' und Lieder
Von meinem Liebchen her.
Wenn ich ein Vogel waͤre,
Stellt' ich das Schiffen ein,
Und wenn ich waͤr' kein Schiffer,
Ein Schwimmer muͤßt' ich ſein.
Zweiter Schiffer.
Ich laſſ' mein Schifflein treiben
Hinauf, hinab die Fluth;
Ob Wind und Woge ſchlafen,
Das Schiff ſich nimmer ruht.
Gieb mir mein Ruder wieder
Und laß das Spielen ſein,
O Diebin, oder nimm mich
In deinen Rachen ein!
Dritter Schiffer.
Es kommt ein Schwan gezogen
Des Abends auf der Fluth;
Ich will am Strande liegen,
Es traͤumt ſich hier ſo gut.
Da ſchwimmen auf den Wogen
Viel Schiffe groß und klein:
Ich kann nicht mit euch fahren,
Mein Nachen ſank mir ein.
Schifferin.
Ich bin zur Welt gekommen
In Wogen und in Wind,
Und Wind und Wogen wiegten
Mich als ein kleines Kind.
Dann bin ich Jungfrau worden,
Bekam ein Herz geſchwind;
Und Herz und Jungfrau waren
Wie lauter Wog' und Wind.
Bald klar und ſtill zu ſchauen,
Bald wieder wild und kraus,
So lock' ich manchen Rachen
Auf Klipp' und Sand hinaus.
Ihr Schiffer, laßt das Singen,
Es geht in Wog' und Wind;
Ihr ſolltet ja wohl wiſſen,
Was das fuͤr Dinge ſind.
Das Hirtenfeuer in der roͤmiſchen Ebene.
Hirt.
Ade, Ade, Geliebte,
Und reich' mir deine Hand!
Ich treibe meine Heerde
Hinab in's Niederland.
Die Saaten ſind gemaͤhet,
Das Stoppelfeld iſt frei:
Laß uns mit blauem Bande
Verknuͤpfen Lieb' und Treu'.
Ich trag' es auf dem Hute,
Du traͤgſt es auf der Bruſt,
Und pocht dein Herz dagegen,
Ich fuͤhl's in banger Luſt.
Schauſt du herab vom Berge
Wohl in der dunkeln Nacht,
Tief unten brennt ein Feuer,
Wo dein Geliebter wacht.
Und hoͤher ſchlaͤgt die Lohe,
Und heller gluͤht der Schein:
Dann denk', es iſt ſein Herze,
Das will hier oben ſein.
Hirtin.
Ade, Ade, Geliebter!
Wie zeig' ich dir mein Herz?
In enger, ſtiller Kammer
Verſchließt es Luſt und Schmerz.
Und ſchau' ich aus dem Fenſter
Hinab in's weite Feld,
Du findeſt keine Thraͤne,
Die dort hinunterfaͤllt.
Ich ſeh' ein Feuer brennen
Wohl durch die dunkle Nacht:
Geſegnet ſei die Staͤtte,
Wo mein Geliebter wacht!
Und hoͤher ſchlaͤgt die Lohe,
Und heller gluͤht der Schein,
Ich wieg' auf ſeinen Flammen
All' meine Sorgen ein.
Laß nicht den Brand erloͤſchen,
Geliebter, eh' es tagt:
Kann ich den Schlaf nicht finden,
Kuͤrzt mir dein Licht die Nacht.
Doppelte Gefahr.
Ich armer Fiſcherbube,
Wo ſoll ich ſchiffen hin?
Mein Rachen iſt gar kleine,
Gar ſchuͤchtern iſt mein Sinn.
Im hohen Meere draußen,
Da ſind die Wogen groß,
Da laͤßt aus Oſt und Weſten
Der Himmel die Stuͤrme los.
Da jagen die Korſaren
Nach jungem Chriſtenblut,
Da ſingen die Sirenen
Und locken hinab in die Fluth.
Am Ufer ſitzt ein Maͤdchen,
Die hat ein Augenpaar,
Das droht mit Feuerflammen
Mir toͤdtliche Gefahr.
Sie ſtrickt an einem Netze,
Will drin mich fangen ein,
Ihr Haar hat lange Flechten,
Dran ſoll ich gebunden ſein.
Du liebliche Sirene,
Sirene von dem Strand,
Laß deine Stimme toͤnen
Hell uͤber Meer und Land.
Tief unten in den Fluthen
Da iſt ein goldnes Haus,
Da ruhen die Ertrunknen
In weichen Armen aus.
In dieſem Liebesmeere
Wo wird die Ruhſtaͤtt' ſein?
Entweder an deinem Herzen,
Ach! oder im Grabe mein.
Die gluͤckliche Fiſcherin.
Sie ſtand im Boot und fiſchte,
Ich ſah's vom Ufer her:
In's Netz die Fiſchlein ſprangen,
Als ob's zum Tanze waͤr';
Wollt' keins im Meere bleiben,
Das Netz war viel zu klein:
Sie ließ es ſich gefallen,
Und dacht', es muß ſo ſein.
Sie ſtieg aus ihrem Boote,
Am Strande blieb ſie ſtehn,
Da ſchwoll das Meer und wogte,
Als moͤcht' es mit ihr gehn;
Und Muſcheln und Korallen
Trieb es ihr hinterdrein:
Sie hob ſie auf vom Boden,
Und dacht', es muß ſo ſein.
Ich armer Hirtenbube,
Was frommt mein Werben mir
Mit Blumen und mit Baͤndern?
Die Welt gehoͤret ihr.
Ihr ſchlagen alle Herzen,
Und waͤren ſie von Stein:
Sie nimmt's wie Wogenrauſchen,
Und denkt, es muß ſo ſein.
Koͤnnt' ich ihr ſelber bringen
Der Sterne Silberlicht,
Des Himmels Abendblaͤue,
Was Neues waͤr' es nicht.
Sie hielt's an ihre Augen,
Und ſpraͤch': es iſt ja mein!
Vergaͤße mir zu danken,
Und daͤcht', es muß ſo ſein.
Was frommt dein bloͤdes Klingen,
Mein kleines Saitenſpiel?
Iſt auch ihr Fenſter offen,
Sie hoͤrt dich doch nicht viel,
Vor allen Jaͤgerhoͤrnern
Und Floͤten und Schalmei'n;
Sie tanzt dazu den Reigen,
Und denkt, es muß ſo ſein.
Muſterkarte.
[[138]][[139]]
Der Glockenguß zu Breslau.
War einſt ein Glockengießer
Zu Breslau in der Stadt,
Ein ehrenwerther Meiſter,
Gewandt in Rath und That.
Er hatte ſchon gegoſſen
Viel Glocken, gelb und weiß,
Fuͤr Kirchen und Kapellen
Zu Gottes Lob und Preis.
Und ſeine Glocken klangen
So voll, ſo hell, ſo rein:
Er goß auch Lieb' und Glauben
Mit in die Form hinein.
Doch aller Glocken Krone,
Die er gegoſſen hat,
Das iſt die Suͤnderglocke
Zu Breslau in der Stadt.
Im Magdalenenthurme
Da haͤngt das Meiſterſtuͤck,
Rief ſchon manch ſtarres Herze
Zu ſeinem Gott zuruͤck.
Wie hat der gute Meiſter
So treu das Werk bedacht!
Wie hat er ſeine Haͤnde
Geruͤhrt bei Tag und Nacht!
Und als die Stunde kommen,
Daß Alles fertig war,
Die Form iſt eingemauert,
Die Speiſe gut und gar.
Da ſpricht der Glockenmeiſter
Zu ſeinem Buͤbelein:
Ich laſſ' ein kurzes Weilchen
Beim Keſſel dich allein.
Will mich mit einem Trunke
Noch ſtaͤrken zu dem Guß;
Das giebt der zaͤhen Speiſe
Erſt einen rechten Fluß.
Doch huͤte dich, und ruͤhre
Den Hahn mir nimmer an:
Sonſt waͤr' es um dein Leben,
Fuͤrwitziger, gethan!
Der Bube ſteht am Keſſel,
Schaut in die Gluth hinein:
Das wogt und wallt und wirbelt,
Und will entfeſſelt ſein.
Und ziſcht ihm in die Ohren,
Und zuckt ihm durch den Sinn,
Und zieht an allen Fingern
Ihn nach dem Hahne hin.
Er fuͤhlt ihn in den Haͤnden,
Hat ſchnell ihn umgedreht:
Da wird ihm angſt und bange,
Er weiß nicht, was er thaͤt.
Und laͤuft hinaus zum Meiſter,
Die Schuld ihm zu geſtehn,
Will ſeine Knie' umfaſſen
Und ihn um Gnade flehn.
Doch wie der nur vernommen
Des Knaben erſtes Wort,
Da reißt die kluge Rechte
Der jaͤhe Zorn ihm fort.
Er ſtoͤßt ſein ſcharfes Meſſer
Dem Buben in die Bruſt,
Dann ſtuͤrzt er nach dem Keſſel,
Sein ſelber kaum bewußt.
Vielleicht, daß er noch retten,
Den Strom noch hemmen kann: —
Doch ſieh, der Guß iſt fertig,
Es fehlt kein Tropfen dran.
Da eilt er abzuraͤumen,
Und ſieht, und will's nicht ſehn,
Ganz ohne Fleck und Makel
Die Glocke vor ſich ſtehn.
Der Knabe liegt am Boden,
Er ſchaut ſein Werk nicht mehr.
Ach, Meiſter, wilder Meiſter,
Du ſtießeſt gar zu ſehr!
Er ſtellt ſich dem Gerichte,
Und klagt ſich ſelber an:
Es thaͤt den Richtern wehe
Wohl um den wackern Mann.
Doch kann ihn Keiner retten,
Und Blut will wieder Blut:
Er hoͤrt ſein Todesurthel
Mit gar gefaßtem Muth.
Und als der Tag gekommen,
Daß man ihn fuͤhrt hinaus,
Da wird ihm angeboten
Der letzte Gnadenſchmaus.
Ich dank' euch, ſpricht der Meiſter,
Ihr Herren lieb und werth,
Doch eine andre Gnade
Mein Herz von euch begehrt.
Laßt mich nur einmal hoͤren
Der neuen Glocke Klang!
Ich hab' ſie ja bereitet:
Moͤcht' wiſſen, ob's gelang.
Die Bitte ward gewaͤhret,
Sie ſchien den Herr'n gering,
Die Glocke ward gelaͤutet,
Als er zum Tode ging.
Der Meiſter hoͤrt ſie klingen,
So voll, ſo hell, ſo rein:
Die Augen gehn ihm uͤber,
Es muß vor Freude ſein.
Und ſeine Blicke leuchten,
Als waͤren ſie verklaͤrt:
Er hatte in dem Klange
Wohl mehr als Klang gehoͤrt.
Hat auch geneigt den Nacken
Zum Streich voll Zuverſicht;
Und was der Tod verſprochen,
Das bricht das Leben nicht.
Das iſt der Glocken Krone,
Die er gegoſſen hat,
Die Magdalenenglocke
Zu Breslau in der Stadt.
Die ward zur Suͤnderglocke
Seit jenem Tag geweiht:
Weiß nicht, ob's anders worden
In dieſer neuen Zeit.
Thraͤnen und Roſen.
Ein Knaͤblein ging ſpazieren
Wohl um die Abendſtund'
In einem Roſengarten,
Da bluͤhten Bluͤmlein bunt.
Er ging wohl auf und nieder
Vor eines Gaͤrtners Haus,
Da lag ein Maͤgdlein ſchoͤne
Zum Fenſterlein heraus.
Ein Roͤslein thaͤt' er brechen,
Warf's in das Fenſterlein:
Thuſt ſchlafen oder wachen,
Herzallerliebſte mein?
«Ich habe nicht geſchlafen,
«Ich habe nicht gewacht,
«Ich habe nur getraͤumet,
«An dich hab' ich gedacht.»
Du haſt ja auch geweinet,
Dein' Aeuglein ſind ſo naß;
Eine Thraͤn' fiel aus dem Fenſter,
Da wuchs eine Roſ' im Gras.
«Und iſt eine Roſ' gewachſen,
«So wuchs ſie nur fuͤr dich,
«Und wenn ich hab' geweinet,
«So weint' ich nur um mich.»
Was zog er aus der Taſche?
Ein ſeidnes Tuͤchelein.
Nimm hin, Herzallerliebſte,
Wiſch' ab dein' Aeugelein!
Und bin ich in der Fremde,
Weit, weit von deinem Haus,
So weine deine Thraͤnen
Zum Fenſter nicht hinaus.
So weine ſie bedaͤchtig
All' in das Tuch hinein,
Damit kein boͤſer Bube
Zertritt die Roͤſelein.
Faſtnachtslied
von den goldenen Zoͤpfen.
Maͤgdlein mit den goldnen Zoͤpfen,
Maͤgdlein mit dem goldnen Haar!
Oder iſt es wohl von Seide,
Oder iſt's von beiden gar?
Nenn' ich's goldgediegne Seide?
Nenn' ich's ſeidenfeines Gold?
Und welch zartes Elfenhaͤndchen
Hat die Flechten dir gerollt?
Maͤgdlein mit den goldnen Zoͤpfen! —
Und an jedem haͤngt ein Herz,
Hier ein junges, da ein altes,
Hier mit Luſt, und da mit Schmerz.
Und das meine, ach das meine! —
Iſt kein einzig Zoͤpfchen leer?
Maͤgdlein mit den goldnen Zoͤpfen,
Dichterherzen ſind nicht ſchwer.
Und die goldnen Zoͤpfe fliegen
Um den Nacken, um den Leib,
Und das Fliegen und das Schmiegen
Iſt der Herzen Zeitvertreib.
Einer hat ſich faſt verirret
Um die Schulter ganz allein:
Maͤgdlein, ſtreich' ihn nicht zuruͤcke,
Freiheit ſteht dem Haar ſo fein.
Maͤgdlein mit den goldnen Zoͤpfen,
Maͤgdlein mit dem goldnen Haar!
Herz an Herz ein ſtilles Plaͤtzchen,
Eins iſt Eins, und Zwei ein Paar.
Loͤſe deine goldnen Flechten,
Alle Herzen fallen aus,
Und nur eines, und nur meines,
Maͤgdlein, traͤgſt du mit nach Haus!
Der Zephyr.
Auf einer Roſe ward ich jung,
Ein Roſenblatt war meine Wiege,
Ein Roſenblatt iſt einſt mein Grab.
Ich ſchlafe, wann der Winter tobt,
Und mit dem Lenze werd' ich munter,
Und naͤhre mich von Duft und Kuß.
Du armer, ſtolzer Herr der Welt,
Du keuchſt einher mit deiner Krone,
Und dienſtbar trockn' ich deinen Schweiß!
Kuß und Lied.
Juͤngſt kuͤßt' ich einen rothen Mund;
Ein Liedchen ſaß auf meinen Lippen,
Und aus dem Liedchen ward ein Kuß.
Jetzt iſt mein Maͤdchen fern von mir;
Zum Kuſſe will mein Mund ſich ſchwellen,
Und aus dem Kuſſe wird ein Lied.
Fliegt nun, ihr lieben Verſe, hin,
Und druͤckt ſie euch an ihre Lippen,
So werdet wieder, was ihr war't!
Die Blutorange.
Epiſtel aus Sorrent.
In Sorrento's Felſengaͤrten
Hoͤrt' ich heut' ein Maͤhrchen ſagen
Von der blutigen Orange
Und der Bluͤthe der Granate.
Alſo ſprach der kluge Gaͤrtner:
Golden, wie noch heut' die Schale,
Gluͤhten einſt die innern Saͤfte
Dieſer wuͤrzigen Orangen
Von dem Baume hier am Ufer.
Und ein Sproͤßling der Granate,
Jung und ſchlank, wuchs auf daneben.
Als der Winter zog von dannen,
Trieb das Baͤumchen erſte Knoſpen,
Und gleich heißen Blutes Flammen
Brachen Bluͤthen aus den Keimen.
Und die Nachbarin Orange,
Staunend, wie in Liebesandacht,
Bog die hohen Zweige ſchmachtend
Nach der fremden Gluth hinuͤber,
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Daß die Silberbluͤthen alle
Offnen Auges landwaͤrts ſchauten,
Und das Meer nur Gruͤnes ſahe.
Und als nun der Herbſt gekommen,
Und den erſten goldnen Apfel
Pruͤfend ich vom Baume pfluͤckte,
Ward mir klar der Zweige Schwanken
Und der Bluͤthen ſeltſam Draͤngen:
Denn gleich heißen Blutes Flammen,
Voll, wie langverhalt'nes Sehnen,
Floß der Saft aus goldner Schale.
Alſo ſprach der kluge Gaͤrtner,
Und ich pfluͤckte mir Orangen
Von dem ſeltnen Uferbaume.
Iſt zu Ende nun die Sage,
Schweig' auch ich, und was im Herzen
Mir ſich regt mit jedem Schlage,
Hat ſich heute ſtill getrunken
In dem kuͤhlen Wunderſafte,
Und ſo ſend' ich ohne Deutung,
Freundin, dir die Gaͤrtnerſage.
Des Finken Gruß.
Im Fliederſtrauch ein Finke ſaß
Und ſang,
Er ſang wohl dies und ſang wohl das,
Was klang.
Nun werft den Winter aus der Thuͤr
Weit weit!
Der liebe Mai iſt wieder hier,
Ihr Leut'!
Er hat ein gruͤnes Roͤckchen an
Von Gras,
Hat bunte blanke Knoͤpfe dran
Von Glas.
Ein großes Auge hat der Fant,
Iſt blau:
Paßt auf, ob nicht durch Thuͤr und Wand
Er ſchau'!
Sein Odem traͤnkt ſo friſch und rein
Die Luft,
Sein Haar muß ganz gepudert ſein
Mit Duft.
Er weiß mit Jungfern umzugehn
Gar fein,
Die Burſchen auch ihn gerne ſehn
Im Hain.
Den Kindern bringt er Spielwerk mit:
Woher?
Aus Nuͤrnberg von dem Blumenſchmidt,
Daher!
Und was ſoll fuͤr die Philiſter ſein?
Ja was?
Die fangen ſich Muͤcken und Fliegen ein
Zum Spaß.
Des Finken Abſchied.
Es ſaß ein Fink auf gruͤnem Zweig,
Der war ſo friſch und blaͤtterreich,
Und ſang wohl Dies und Jenes:
Durch Lenz und Sommer und Herbſt er ſang,
Haͤtt' da geſungen ſein Lebelang,
Waͤr' nicht der Winter kommen.
Der Winter kam mit Saus und Braus:
„Ihr Muͤßiggaͤnger, zum Reich heraus,
„Ihr Flattrer und Saͤnger und Horcher!
„Herab vom Baum, du gruͤnes Blatt!
„Zum Bauen und zum Brennen hat
„Der Herr das Holz erſchaffen.“
Da geht im Hain das Schuͤtteln los,
Und flugs ſteht Alles blank und bloß,
Bis auf den Zweig des Finken.
Jetzt, naſeweiſes Voͤglein, flieh!
Mit ſolcher Staatsoͤkonomie
Da iſt nicht viel zu ſpaßen.
Und's Voͤglein flog und ſang: Ade!
Da warf der Winter Reif und Schnee
Ihm hinterdrein, und traf's nicht.
Der Finke lacht aus voller Kehl':
Bewahre Gott jede Chriſtenſeel'
Vor dieſem Landesvater!
Und als ich mal nach Welſchland zog,
Manch Voͤglein mit dem Wandrer flog,
Da war auch jenes drunter:
Und waͤr's geweſt eine Nachtigall,
So haͤtt' mein Lied einen beſſern Schall,
Ich hab's ihm nachgeſungen.
Wir wiſſen uns zu finden.
Parodirende Gloſſe.
Lerche als Thema.
Sollſt nicht murren, ſollſt nicht ſchelten,
Wenn die Sommerzeit vergeht,
Denn es iſt das Loos der Welten,
Alles kommt und Alles geht.
Junge Frau.
Hoͤr' ich's da nicht zwoͤlfe ſchlagen?
Und er iſt noch nicht zu Haus.
Ach, ſchon in den Flittertagen
Iſt's mit ſeinem Lieben aus.
Hat er Pfeifen nur und Karten,
Mag zu Haus die Gattin warten:
Was bekuͤmmert ihn ihr Schmerz?
Doch, er ſoll es mir entgelten! —
Still, er kommt, o ſtill, mein Herz!
Sollſt nicht murren, ſollſt nicht ſchelten.
Roſenwuͤrmchen.
Kam der Sommer hergezogen,
Roſenbluͤthchen war dabei,
Bin ich hinterdrein geflogen,
Wußte nicht, ob's ſchicklich ſei.
Roſenbluͤthchen, woll' mir geben
Nur ein Blaͤttchen, drauf zu leben!
Sprach es: Klein iſt dein Bewerben,
Doch gar ſchnell mein Duft verweht.
Sprach ich: Mit dir will ich ſterben,
Wenn die Sommerzeit vergeht.
Philoſophiſche Troͤſterin.
Schweſter, trockne deine Zaͤhren!
Hin iſt hin, und todt iſt todt.
Nichts bei uns kann ewig waͤhren,
Heute bleich, was geſtern roth.
Eins auch wolle noch bedenken:
Ungluͤck kann zum Gluͤck ſich lenken,
Einen Beſſern kannſt du frein.
Reiche Wittwen ſterben ſelten:
Darum, Schweſter, gieb dich drein,
Denn es iſt das Loos der Welten.
Leipziger Gaſtwirth.
Ja, wenn's immer Meſſe waͤre,
Und die Meſſ' auch immer gut,
Gaͤb' ich mein Hotel, auf Ehre,
Nicht um einen Rathsherrnhut.
Doch, ſchon kleiner wird die Schuͤſſel,
Und ich ſeh' die vielen Schluͤſſel
Wieder haͤngen an den Waͤnden.
Drum, wer ſeine Kunſt verſteht,
Denke, wenn er's hat in Haͤnden:
Alles kommt und Alles geht.
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- TextGrid Repository (2025). Collection 2. Sieben und siebzig Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten. Sieben und siebzig Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bnwx.0