für die
Pharmacie.
des Apotheker-Vereins in Baiern
Mit einer Steindrucktafel.
bei Johann Leonhard Schrag.
5.
Einige Bemerkungen über die Berei-
tung und Zusammensetzung des
Brugnatellischen und Howard-
schen Knallsilbers.
(Vom Herrn Liebig, der Chemie Beflissenen
aus Darmstadt *).
Es scheint vielleicht überflüssig, zu den
vielen Vorschriften und Bereitungsarten die-
ses merkwürdigen Salzes noch eine neue hin-
zuzufügen; allein die älteren Angaben sind
mehr oder weniger unbestimmt und unsicher,
so, dass wenn man darnach arbeitet, ohne be-
sondere Uebung das Präparat meistentheils
misslingt. Schon seit 2 Jahren verfertige ich
nach der unten gegebenen Vorschrift eine
[413] grosse Menge Knallsilbers, ohne dass es mir
einmal missrathen wäre.
Descotils löste Silber in Salpetersäure
auf und goss, während die Auflösung vor
sich gieng, Alkohol hinzu. Die Auflösung
des Silbers in der Säure wird hiebei ausseror-
dentlich verlangsamt, und giesst man zuviel
Alkohol hinzu, ganz verhindert; die Menge
des hiernach zu erhaltenden Knallsilbers ist
sehr gering, und da weder die Menge noch
die Concentration der Säure und des Alko-
hols bestimmt wird, so ist die Bereitung
sehr unsicher.
Nach Wagenmann wird zu einer Auflö-
sung von einer Drachme Silbers in einer
Unze Salpetersäure von 1,180 Eigengew.
gegossen und dann zu der Mischung eine halbe
Unze rauchende Salpetersäure von 1,480 ge-
tröpfelt.
Die Erhitzung ist so stark, dass die Bil-
dung des Salzes meistentheils verhindert,
und wenn schon etwas sich erzeugt hat, die-
ses zum Theil wieder zersetzt wird, auch ist
[414] die Menge des Alkohols im Verhältnis zur
Säure zu gering.
Cruikshankwandte 40 Theile Silber,
60 Th. Salpetersäure, mit gleichviel Wasser
verdünnt, und 60 Th. Alkohol an.
Die Menge der Salpetersäure, so wie die
Menge des Alkohols ist im Verhältnis zum
Silber zu gering, um eine einigermassen ent-
sprechende Menge Knallsilber zu erhalten.
Mehrere dergleichen unvollständige An-
gaben fanden sich in den meisten Lehr- und
Wörterbüchern der Chemie; auch ist bei ei-
nigen Vorschriften der Zusatz von Terpentin-
öl zu dem Weingeiste, so wie auch die An-
wendung des geschmolzenen salpetersauren
Silbers mit rauchender Salpetersäure und Al-
kohol, wie es mir scheint, nichts weniger
als zweckmässig.
Ich kehre nun zur Bereitung dieses Salzes
zurück und werde alle Umstände berücksich-
tigen, bei welchen das Gelingen des Präpa-
rates möglich ist, und mir ein paar Bemer-
kungen über die Natur desselben hinzuzufü-
gen erlauben.
Man giesst in ein gewöhnliches Trink-
glas von nicht zu dickem Boden, das wenig-
stens die doppelte Menge der Flüssigkeit zu
fassen vermag, 10 Theile reine Salpetersäure
von 1,250 Eigengewicht, und löst darin (auf
einer Sandkapelle, unter mässiger Erwärmung)
1 Theil feines Silber auf, erhitzt darauf die
Auflösung etwas stärker, doch nicht bis zum
Sieden, und giesst sie dann in ein anderes
Glas, welches 16 Theil erwärmten Alkohol
von 0,825 Eigengewicht enthält. Man setzt
nun dieses Glas, welches den Alkohol und
die salpetersaure Silberauflösung enthält, wieder
auf die Sandkapelle, umschüttet es, so weit
die Flüssigkeit reicht, mit Sand, und erhitzt
es, bis sich auf der Flüssigkeit weisse Blasen
zeigen und bis man deutlich den Geruch
nach Salpeteräther bemerkt; man hüte sich
in die Nähe des Glases ein brennendes Licht
zu bringen, weil sich der Aetherdampf leicht
entzündet und desshalb die Zersprengung des
Glases nach sich ziehen kann. Man vermin-
dert nun das Feuer, oder zieht das Glas aus
dem warmen Sande heraus, ohne es von der
[416] Kapelle zu entfernen. Das Gemisch siedet
fort, so lange noch die Einwirkung der Salpe-
tersäure auf den Alkohol dauert; es ent-
wickelt sich dabei eine grosse Menge Salpe-
teräther *).
Nach Verlauf von einiger Zeit bildet sich
eine kleine weisse Wolke, meistens am Bo-
den des Gefässes; die Flüssigkeit wird trübe,
und gleich darauf entstehen weisse Flocken,
welche, vermöge ihres grösseren Eigenge-
wichts, leicht zu Boden fallen. Die Bildung
des Knallsilbers dauert nun fort, so lange
noch die Flüssigkeit siedet; wenn sich die
Menge des am Boden liegenden Knallsilbers
nicht mehr vermehrt, so giesst man die oben
stehende klare Flüssigkeit ab (welche, wenn
sie etwas Kupfer enthält, schön blau gefärbt
erscheint), süsst das fertige Knallsilber mit
[417] destilliertem Wasser aus, schüttet es auf ein
Filter und trocknet es am Schatten, unter
leichter Bedeckung. Man bekommt gewöhn-
lich die Hälfte mehr, als das angewandte
Silber betrug.
Es besteht getrocknet aus schneeweissen,
stark glänzenden, undurchsichtigen, ½ bis
1 Linie langen prismatischen Nadeln, und ist
schwerlöslich, beinahe unauflöslich im Was-
ser. Der Geschmack ist gering, etwas bitter-
lich metallisch; nur dann, wenn es nicht ge-
hörig ausgesüsst worden und eben desshalb
noch salpetersaures Silber mechanisch adhä-
rirt, ist derselbe ätzend metallisch.
Durch koncentrirte Schwefelsäure wird
es, wie alle Oxalate, in seine Bestandtheile
zerlegt, und zwar unter heftiger Detonation;
dem blauen Lichte, so wie dem Sonnenlichte
ausgesetzt, wird es nach einiger Zeit schwarz,
entwickelt Stickgas, Kohlensäure, Wasser-
dunst und es bleibt schwarzes Suboxyd, nebst
noch wenigem unzerlegten Silbersalze zurück.
Ein halber Gran auf einer Eisenplatte, einem
Stein oder Amboss mit der Spitze eines Messers
[418] oder sonstigen Instrumentes gestossen, deto-
nirt sehr stark, mit einem dem Ohre höchst
empfindlichen Knalle; es wird bläulich- röth-
liches Licht entbunden, welches besonders
im Dunkeln sehr bemerkbar wird, und nach
der Explosion bemerkt man einen sichtbaren
grauen Rauch, von einem eigenthümlichen
elektrischen Geruche. Die Eisenplatte ist an
der Stelle, wo es explodirte, mit braunem
Oxyde überzogen. Mit Schiesspulver gemengt,
entzündet es dieses nicht, sondern letzteres wird
weit umhergeschleudert. Werden 4 Gran
mit frisch bereitetem Kalkwasser übergossen,
so färben sich die Krystalle braun, verschwin-
den endlich ganz, und am Boden zeigt sich
ein bräunliches Pulver, von dem sich ein klei-
ner, in der alkalischen Lauge herumschwim-
mender, äusserst fein zertheilter Theil, mit
der Lauge zur bräunlich gefärbten Flüssig-
keit zu verbinden scheint; setzt man nun et-
was koncentrirte Salpetersäure zu, so wird
die Flüssigkeit augenblicklich weiss, und es
sondern sich käsige nicht krystallinische
Flocken ab, welche sich als wiederhergestell-
[419] tes Knallsilber zeigen *). Uebrigens stimmt
es im Verhalten gegen Säuren grösstentheils
mit dem von Cruikshank angegebenen über-
ein. (Man sehe Klaproth’s und Wolf’s
chem. Wörterbuch u. dessen Supplemente d.
Artikel Knallsilber.)
Der Vorgang bei der Bildung des Knall-
silbers scheint folgender zu seyn. Während
der Auflösung des Silbers in Salpetersäure,
wird neben salpetersaurem Silber auch salpe-
tersaures Ammoniak erzeugt; wird nun Alko-
hol hinzugebracht, so ist noch freie Säure
genug zugegen, um auf den Alkohol zerle-
gend zu wirken. Der Sauerstoff der Säure
wirkt oxydirend auf einen Theil des Alkohils,
es bildet sich neben Oxalsäure wenig Aepfel-
und Essigsäure; ein Antheil durch die Zerle-
gung der Säure entstandene salpetrichte Säure
oder Salpetergas, verbindet sich mit einem
[420] andern Antheile Alkohol zu Salpeteräther, und
die gebildete Oxalsäure vereinigt sich mit
dem Ammonium und Silberoxyde zu einem
dreifachen Salze, oder das Silberoxyd tritt
mit der Oxalsäure zusammen, eine Doppel-
säure bildend, gegen welche das Ammoniak
als Base erscheint. Wenn man die Flüssig-
keit (dieselbe vom Feuer nehmend) schüttelt,
so bekommt man blos ein weisses Pulver von
undeutlicher Krystallgestalt. Bei sehr grosser
Sorgfalt habe ich schon 2 Linien lange Kry-
stalle erhalten, jedoch sehr selten, indem
vielleicht fremde Umstände zufällig mitwirkten.
Lässt man die Flüssigkeit länger auf der
Sandkapelle kochen, so zersetzt sich ein
Theil des Salzes wieder, es entstehen von
dem Boden des Glases ausgehende Explosio-
nen, welche oft das schon gebildete Knall-
silber bis über den Rand des Glases schleu-
dern, und die Menge, welche man nun be-
kommt, ist merklich geringer. Erhitzt man
die Auflösung nicht bis zum Kochen, oder
überhaupt Anfangs zu gelinde, so entsteht
kein Knallsilber, und die Flüssigkeit bleibt
[421] klar; um diesem Uebelstande zu begegnen,
dampft man das Ganze bis auf eine Unze ab,
und behandelt dieses wiederum, unter Zusatz
von etwas Silber, mit der oben angegebenen
Menge Säure und Alkohol. Betrachtet man
mit einer Lupe das im krystllisiren begriffene
Salz, so lässt sich hier sehr schön die Rich-
tungsentgegengesetztheit des werdenden Kry-
stalls beobachten. Deutlich sieht man, wie
sich die Krystalltheilchen, andere anziehend
oder abstossend, vergrössern; (man sehe
Kastner’s Einleitung 1814. S. 279. ff., Des-
senGrundzüge der Phys. u. Chem. St 32. ff.,
System d. Chemie den Artikel Magnetismus,
und Grundriss der Physik, 2te Aufl. Iten Bds.
IVtes u. IIten Bds. XIItes Kap.). Wenn sich
in der Flüssigkeit ein Stäubchen oder Fäser-
chen befindet, so bilden sich an diesem die
ersten Krystalle, dasselbe sternförmig umge-
bend. Ist die Bildung des Salzes beendet,
so setzt es sich ohngefähr einen halben Zoll
hoch von dem Boden in dem Glase an, und
man bemerkt in der sich niedergesetzten
Masse viele, ohngefähr erbsengrosse, bis an
[422] den Boden des Glases gehende Oeffnungen,
aus welchen sich fortwährend Gasblasen ent-
binden. Die überstehende Flüssigkeit ist
noch sehr silberhaltig, man kann dasselbe
durch Kupfer fällen, oder die Flüssigkeit zu
sonstigen Zwecken benutzen. Die Bereitungs-
art des Howard’schen Knallquecksil-
bers beruht auf denselben Gründen.
Weitere Versuche, welche ich mir für
die Folge bei grösserer Musse vorbehalte,
werden die Natur und Menge der in dem
Salze sich befindenden Bestandtheile, die Art
seines chemischen Bestandes und die Reaction
anderer Substanzen gegen diese merkwürdige
Verbindung zeigen.
Nachtrag.
Descotil’s (von Figuier jedoch nicht
bestätigten) Versuchen zufolge, wird das Ho-
ward’sche Knallsilber durch wässriges
Kali zersetzt und seines Verpuffungsvermö-
gens beraubt, indem sich schwarzes Silberoyd
ausscheidet und Ammoniak entwickelt; dieser
Beobachtung scheint jene des Herrn Liebig
[423] entgegenzustehen, welcher zu Folge das Knall-
silber in wässrigen Alkalien sich unzersetzt
auflöst; um hierüber ins Reine zu kommen,
unterwarf ich ihnen einen Theil des von Herrn L.
verfertigten Präparats folgenden Gegenwir-
kungen, und erhielt nachstehende Ergebnisse:
- 1) Zehnwöchentliches Stehen des Präparats in
einer mässig und nie von direct einfal-
lendem Sonnenlichte erleuchteten Kammer,
hatte an demselben eine ins blasspurpurne
spielende Farbenänderung hervorgerufen,
ohne dass dadurch sein Verpuffungsver-
mögen im mindesten geschwächt worden
war; - 2) Mit wässrigen Aetzkali begossen, wandelte
sich die krystallinische Masse in ein bräun-
lich violettes (nicht schwarzes) Gemenge
um; die überstehende Flüssigkeit durch
Filtration gesondert, war vollkommen
farblos und reagirte basisch; - 3) Bei der eben erwähnten Extraction ent-
wickelte sich keine merkbare Menge Ammo-
niak, wohl aber ein der Salpeternaphta
[[424]] ähnlich riechendes Gas, jedoch nur in
sehr geringer Menge; - 4) Die basische (Fernambuckpapier ins Vio-
lette treibende, geröthetes Lakmuspapier
bläuende) Auflösung schmeckte bitterlich
metallisch scharf, bildete mit schwefelwas-
serstoffsaurem Ammoniak einen schwar-
zen Niederschlag, trübte, zuvor neu-
tralisirt, neutralen salzsauren Kalk, und
wurde sowohl von Salzsäure, als auch von
(chemisch – reiner) Essigsäure, Salpeter-
säure etc. augenblicklich unter Abschei-
dung eines feinen weissen Nieder-
schlags zersetzt. Dieser nahm, ausge-
süsst, beim Trocknen im Sonnenlichte eine
kaum merklich ins Violette spielende,
gelblich weisse Farbe an, und verpuffte
genau so stark, als das Knallsilber,
vor der Behandlung mit wässrigem Kali; - 5) Der bei 2) erhaltene Rückstand verpuffte
eben so stark als der bei 4) erhaltene
weisse; wiederholt mit Kalilauge begossen,
gewährte er stets die bereits beschriebenen
Erscheinungen. - 6) Kalkwasser verhielt sich zu dem Knallsilber
ähnlich dem tropfbaren Kalihydrat; jedoch
wurde (basisch reagirende) Kalk haltige
Auflösung wohl durch (reine) Salpeter-
säure, aber nicht durch Essigsäure gefällt;
Salzsäure erzeugte augenblickliche, weisse
Trübung. Nach einigen Stunden wurde der
bis dahin zu Boden gefallene Niederschlag
auf Fliesspapier gesammelt, getrocknet und
an einer Kerzenflamme erhitzt; er explodirte,
verlor aber diese Eigenschaft, unter Gas-
entbindung in Chlorsilber übergehend, als
ich ihn mit überschüssiger Salzsäure erwärmte. - 7) Ein Theil des bei (2) erhaltenden Rück-
standes mit Kalkwasser geschüttelt, löste
sich zur farblosen Flüssigkeit auf; diese einem
Zinkkupferplatten-Paare preisgegeben, gab
an der Zinkplatte kleine spiessige Krystalle,
die jedoch, der höchst geringen Menge
wegen, durch Fliesspapier kaum getrennt
werden konnten; das Papier getrocknet
und erhitzt verbrannte unter schwachem,
kaum hörbaren Geräusch, von dem es
zweifelhaft bleibt, ob es kleinen Detonatio-
[426] nen zugeschrieben werden darf; eine gal-
vanische Säule würde entscheidendere Phä-
nomene dargeboten haben.
Hiernach scheint das Howard’sche
Knallsilber eine Säure zu seyn, welche etwas
Ammoniak (?) und ätherischen Kohlenwasser-
stoff enthält, die aber zum Verpuffen nicht
merklich beitragen, da die Säure, auch von
ihnen getrennt, ihr Detonationsvemögen un-
geschwächt beibehält; die Bestandtheile
dieser metallischen Säure dürften seyn: Sil-
ber, Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenstoff, Was-
serstoff, oder, als Doppelsäure betrachtet:
Silbersäure (Silberoxyd) und weinige salpe-
trichte Säure? Kastner.
mentellen Fleisses eines jungen Chemikers mit
Nachsicht aufnehmen. Der Hr. Verf. widmete
sich der Chemie bereits in Bonnmit achtungs-
werthem Eifer und setzte hier seine Studien in
gleichem Geiste fort. Kastner
statt des offenen Glases, würde dieser Aether,
oder vielmehr diese Salpeternaphta nicht
verloren gehen. K.
lich des angegebenen Ammoniakgehalts, als
auch rücksichtlich der Oxalsaure weitere
Prüfung verdient. K.
- License
-
CC-BY-4.0
Link to license
- Citation Suggestion for this Edition
- TextGrid Repository (2025). Liebig, Justus von. Einige Bemerkungen über die Bereitung und Zusammensetzung des Brugnatellischen und Howardschen Knallsilbers. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bnpw.0