Deutſche Turnkunſt
zur
Einrichtung der Turnplaͤtze
Auf Koſten der Herausgeber.
[[II]]
Gar leichtlich verlieren ſich die Kuͤnſt’, aber ſchwerlich und
durch lange Zeit werden ſie wieder erfunden.
[[III]]
Vorbericht.
Wie ſo viele Dinge in der Welt hat auch die
Deutſche Turnkunſt einen kleinen unmerkli-
chen Anfang gehabt. Ich wanderte gegen das
Ende des Jahrs 1809 nach Berlin, um den Ein-
zug des Königs zu ſehen. Bei dieſer Feier ging
mir ein Hoffnungsſtern auf, und nach langen
Irrjahren und Irrfahrten wurde ich hier hei-
miſch. Liebe zum Vaterlande und eigene Nei-
gung machten mich wieder zum Jugendlehrer,
was ich ſchon ſo oft geweſen. Zugleich ließ ich
mein „Deutſches Volksthum“ drucken.
In ſchöner Frühlingszeit des Jahrs 1810
gingen an den ſchulfreien Nachmittagen der
Mittwochen und Sonnabende erſt einige Schü-
ler mit mir in Feld und Wald, und dann immer
mehr und mehr. Die Zahl wuchs, und es wur-
den Jugendſpiele und einfache Übungen vorge-
nommen. So ging es fort bis zu den Hunds-
*tagen,
[IV] tagen, wo eine Unzahl von Knaben zuſammen-
kam, die ſich aber bald nachher verlief. Doch
ſonderte ſich ein Kern aus, der auch im Winter
als Stamm zuſammenhielt, und mit dem dann
im Frühjahr 1811 der erſte Turnplatz in der
Haſenheide eröffnet wurde.
Jetzt wurden im Freien, öffentlich und vor
jedermanns Augen von Knaben und Jünglin-
gen mancherlei Leibesübungen unter dem Na-
men Turnkunſt in Geſellſchaft getrieben. Da-
mals kamen die Benennungen Turnkunſt,
turnen, Turner, Turnplatz und ähnliche
mit einander zugleich auf.
Das gab nun bald ein gewaltig Gelaufe,
Geſchwatz und Geſchreibe. Selbſt durch Fran-
zöſiſche Tagblätter mußte die Sache Gaſſen lau-
fen. Aber auch hier zu Lande hieß es anfangs:
„Eine neue Narrheit, die alte Deutſchheit wie-
der aufbringen wollen.“ Dabei blieb es nicht.
Vorurtheile wie Sand am Meer wurden von
Zeit zu Zeit ruchtbar. Sie haben bekanntlich
niemals vernünftigen Grund, mithin wäre es
lächerlich geweſen, da mit Worten zu widerlegen,
wo das Werk deutlicher ſprach.
Im
[V]
Im Winter wurde nachgeleſen, was uͤber
die Turnkunſt habhaft zu werden. Dankbar
denken wir noch an unſere Vorarbeiter Vieth
und Gutsmuths. Die Größern und Heran-
gereiften, vom Turnweſen beſonders Ergriffenen,
unter denen auch mein jetziger Gehülfe und
Mitlehrer Ernſt Eiſelen war, übten ſich dabei
recht tüchtig und konnten im nächſten Sommer
als Vorturner auftreten. Von denen, die ſich
damals ganz beſonders auf das Schwingen
legten, es nachher kunſtrecht nach Folge und
Folgerung ausbilden halfen und ſelbſt große
Meiſter darin wurden, ſind zwei Piſchon und
Zenker am 13ten Sept. 1813 bei der Göhrde
gefallen.
Im Sommer 1812 wurden zugleich mit
dem Turnplatz die Turnübungen erweitert. Sie
geſtalteten ſich von Turntag zu Turntag vielfa-
cher, und wurden unter freudigem Tummeln im
jugendlichen Wettſtreben auf geſelligem Wege
gemeinſchaftlich ausgebildet. Es iſt nicht mehr
genau auszumitteln, wer dies und wer das zuerſt
entdeckt, erfunden, erſonnen, verſucht, erprobt und
vorgemacht. Von Anfang an zeugte die Turn-
kunſt
[VI] kunſt einen großen Gemeingeiſt und vaterländi-
ſchen Sinn, Beharrlichkeit und Selbſtverläug-
nung. Alle und jede Erweiterung und Ent-
wickelung galt gleich als Gemeingut. So iſt
es noch. Kunſtneid, das lächerliche Laſter der
Selbſucht, des Elends und der Verzweifelung,
kann keinen Turner behaften. Auguſt Thaer,
der jüngſte Bruder von einem Turnerdrei, brachte
damals am Reck bereits ſechzig Aufſchwünge
einerlei Art zu Stande, die in der Folge noch
auf hundert und zwei dreißig geſtiegen ſind
(Siehe Seite 87). Als Thaer während des
Krieges einen im Felde erkrankten Bruder pflegte,
raffte ihn 1814 die nämliche Seuche weg,
von der ſein Bruder genas. Zuvor hatte er
noch von Mögelin aus zur Einrichtung eines
Turnplatzes zu Wriezen an der Oder mit
Rath und That geholfen.
Nach Beendigung des Sommerturnens von
1812, bildete ſich zur wiſſenſchaftlichen Erforſchung
und kunſtrechten Begründung des Turnweſens
aus den Turnfertigſten und Allgemeingebildetſten
eine Art Turnkünſtler-Verein. Er beſtand jenen
ganzen Winter hindurch, in dem die Franzoſen
auf
[VII] auf der Flucht von Moskau erfroren. In die-
ſen Zuſammenkünften verwaltete das Ordner-
amt auf meinen Wunſch und Willen Fried-
rich Frieſen aus Magdeburg, der ſich beſon-
ders auf Bauweſen, Naturkunde, ſchöne Künſte
und Erziehungslehre gelegt hatte, bei Fichte ein
fleißiger Zuhörer geweſen, und bei Hagen in
der Altdeutſchen Sprache; vor allem aber wußte,
was dem Vaterlande Noth that Damals
ſtand er bei der Lehr- und Erziehungs-Anſtalt
des Dr.Plamann, die, obwohl wenig beachtet,
dem Vaterlande vortreffliche Lehrer ausgebildet.
Frieſen war ein aufblühender Mann in Ju-
gendfülle und Jugendſchöne an Leib und Seele
ohne Fehl voll Unſchuld und Weisheit, beredt
wie ein Seher; eine Siegfriedsgeſtalt, von gro-
ßen Gaben und Gnaden, den Jung und Alt
gleich lieb hatte; ein Meiſter des Schwerts auf
Hieb und Stoß, kurz, raſch, feſt, fein, gewaltig,
und nicht zu ermüden, wenn ſeine Hand erſt das
Eiſen faßte; ein kühner Schwimmer, dem kein
Deutſcher Strom zu breit und zu reißend; ein
reiſiger Reuter in allen Sätteln gerecht; ein
Sinner in der Turnkunſt, die ihm viel verdankt.
Ihm
[VIII] Ihm war nicht beſchieden ins freie Vaterland
heimzukehren, an dem ſeine Seele hielt. Von
wälſcher Tücke fiel er bei düſterer Winternacht
durch Meuchelſchuß in den Ardennen. Ihn
hätte auch im Kampf keines Sterblichen Klinge
gefället. Keinem zu Liebe und keinem zu Lei-
de —: Aber wie Scharnhorſt unter den Alten,
iſt Frieſen von der Jugend der Größeſte aller
Gebliebenen.
Beim Aufruf des Königs vom 3ten Fe-
bruar 1813, zogen alle wehrhafte Turner ins
Feld, und die Sache ſtand augenblicklich wie
verwaiſet. Nach langem Zureden gelang es mir
in Breslau einen meiner älteſten Schüler Ernſt
Eiſelen zu gewinnen, daß er während des Krie-
ges an meiner Statt das Turnweſen fortführen
wollte. Es war ihm dennoch ein harter Kampf
heim zu bleiben, ob gleich Ärzte und Kriegs-
männer ihm vorſtellten, und eigene Erfahrung
es täglich bewahrheitete, daß wegen einer frü-
hern langwierigen Krankheit und verfehlter Heil-
art ſeine Leibesbeſchaffenheit den Beſchwerden
des Krieges unterliegen müßte. Ich begleitete
Eiſelen ſelbſt von Breslau nach Berlin, zur
Zeit
[IX] Zeit, als ſich das Preußiſche Heer in Marſch
ſetzte, und die Hauptſtadt ſchon von den Fran-
zoſen geräumt war; ſtellte ihn den erſten Behör-
den und Schulvorſtehern vor, die ihm alle Un-
terſtützung verſprachen, und auch nachher Zu-
trauen bewieſen haben. Eiſelen hat darauf in
den Sommern von 1813 und 1814 und in dem
Zwiſchenwinter der Turnanſtalt vorgeſtanden und
mit den jüngern Nichtwehrhaften das Turnwe-
ſen weiter gefördert.
Am Ende des Heumonds 1814 kam ich wie-
der zurück nach Berlin, und nun wurde den
Spätſommer und Vorwinter ſehr ernſtlich an
der Verbeſſerung des Turnplatzes gearbeitet
Noch im Herbſt bekam er einen 60 Fuß hohen
Kletterthurm, nützlich und nothwendig zum Stei-
gen, unentbehrlich aber im flachen Lande zur
Übung des Auges für die Fernſicht. Im Win-
ter, als die Freiwilligen heimgekehrt und manche
Turner zurückgekommen waren, wurden die ge-
ſellſchaftlichen Unterhaltungen über die Turnkunſt
[erneuert] Die ganze Sommerübung wurde
durchdacht und durchſprochen, und ſo in Reden
und Gegenreden die Sache klar gemacht.
Bei
[X]
Bei Napoleons Ausbruch und Wiederkunft
gingen alle wehrhafte Turner abermals frei-
willig zu Feld, und nur zwei, ſo ſchon die Feld-
züge 1813 und 1814 mitgemacht hatten, blieben
wegen Nachwehen zurück. Es mußten nun die
jüngeren Heimbleibenden mit friſcher Kraft wie-
der an das Werk gehn. Auch im Frühjahr
und Sommer 1815 erhielt der Turnplatz noch
wieder weſentliche Verbeſſerungen und Erweite-
rungen, einen verſchließbaren Schuppen, Klei-
derrechen und Vierbaum.
Im Herbſt und Vorwinter wurde das
Turnweſen noch ein Mal ein Gegenſtand
geſellſchaftlicher Unterſuchung. Nachdem die
Sache in einem Turnrathe reiflich erwogen und
durchprüft, Meinungen verglichen, Erfahrungen
vernommen und Urtheile berichtiget worden —
begann man aus allen frühern und ſpätern Aus-
arbeitungen und einzelnen Bruchſtücken und Bei-
trägen ein Ganzes zu machen, was dann zuletzt
durch meine Feder gegangen.
Wenn auch zuerſt nur Einer als Bauherr
den Plan entworfen, ſo haben doch Meiſter,
Geſellen, Lehrlinge und Handlanger treu und
red-
[XI] redlich gearbeitet und das Ihrige mit Blick und
Schick beigetragen. Das iſt nicht ins Einzelne
zu verzetteln. Auch ſoll man nicht unheiliger
Weiſe Lebende ins Geſicht loben.
So iſt die kurze Geſchichte, wie Werk,
Wort und Buch entſtanden. Vollendet
und vollkommen kann keins von allen dreien
ſein; aber zum Erkennen des Muſterbildes mag
das Buch hinwürken. Darum wird das Auf-
geſtellte nur dargebracht, um dem Vaterlande
Rechenſchaft zu geben, in welchem Sein und
Sinn unſer Thun und Treiben waltet.
Dies gerade wollten viele Erzieher und
Schullehrer, Freunde der Jugend und Bieder-
männer gern erfahren, die wohl wiſſen, was dem
Vaterlande gebricht. Auch unſere ſonſtigen durch
alle Stände der bürgerlichen Geſellſchaft ver-
breiteten Schüler begehrten Nachricht vom ge-
genwärtigen Zuſtand der Sachen. Von allen
Seiten kamen wiederholte Anfragen und Wün-
ſche um ein Turnbuch. Schriftlich haben
wir ausgeholfen, ſo gut es anging und ſo viel
wir nur konnten. Wir hatten bis über den
Rhein und die Weichſel einen lebhaften Brief-
wech-
[XII] wechſel zu führen. Den dritten Abſchnitt die-
ſes Buchs haben wir auszugsweiſe jedem in
Abſchrift geſchickt, der ſich an uns wandte. Bei
der ſteigenden Ausbreitung des Turnweſens, bei
der Weiterbildung der Kunſt konnte ſo die
Sache auf die Länge nicht gehen. Wir konn-
ten unmöglich gleichgültig bleiben, daß die müh-
ſam wiederentdeckte und erweckte Deutſche Turn-
kunſt durch Halbwiſſerei, Halbſchreiberei und
Halbthuerei Schaden nehmen ſollte. Von blo-
ßem Hörenſagen und Zuſchauen kann einer über
die Turnkunſt nur wie der Blinde über die
Farbe ſchreiben. Man iſt es der heiligen Sache
der Jugend und des Vaterlandes ſchuldig zu
verhüten, daß ſie kein Gegenſtand eitler Buch-
macherei und buchkrämeriſcher Erwerbſucht
werde. Deshalb iſt dies Buch auf eigene Ko-
ſten herausgegeben, und der Preis ſo niedrig
geſetzt; auf damit etwas verdienen wollen — iſt
nicht gerechnet.
Es iſt aber noch lange nicht Alles abge-
handelt, was zur Turnkunſt gehört — nur die
erſten und weſentlichen Vor- Grund- und Haupt-
übungen ſind aufgeſtellt, und hoffentlich ſo um-
ſtänd-
[XIII] ſtändlich und deutlich beſchrieben, daß ſie auch
einem gar nicht mit der Sache Bekannten die-
ſelbe klar machen können. Die ſpätern und
ſchwerern Übungen, ſo man erſt bei größerer
Fertigkeit erlernen kann, ſind kürzer [aus] einan-
der geſetzt, ſo wie die kleinen Abänderungen nur
angedeutet — weil ſie für den Anfang entbehr-
lich ſind. Wer die [erſten] Übungen fertig kann
und genan kennt, wird auch dieſe Beſchreibung
verſtehen. Eigenes Anſchaun iſt viel werth, und
macht das Wort lebendig. Es ſollte ſich alſo
keiner Geld und Zeit reuen laſſen — wenigſtens
auf einige Zeit einen Turnplatz zu beſuchen.
Lehre und Leben, Wiſſen und Werken ſollten
zwar immer vereint ſein; aber hier laſſen ſie
ſich gar nicht trennen.
Auf ein größeres Werk über die
Turnkunſt müſſen wir für jetzt Fechten,
Schwimmen, Reiten, Tanzen, die Kriegs-
übungen für die Jugend, Kopfübern oder
Luftſpringen und Schlittſchuhlaufen ver-
ſparen.
Das Fechten iſt eine weſentliche Haupt-
übung, und zur vollſtändigen Turnbildung
ganz
[XIV] ganz unentbehrlich. Dazu muß es nach Deut-
ſcher Art auf Hieb und Stoß, und beides links
und rechts getrieben werden. Es ſchickt ſich nicht
recht für Turnplätze, wohl aber für Turnhäu-
ſer und- Säle. Bei der Berliner Turnanſtalt
wird es beſonders als Winterübung an den ge-
wöhnlichen Turnnachmittagen vorgenommen, im
Sommer aber von 6 bis 8 Uhr des Mor-
gens — auf einem dazu eigens gemietheten Sale.
Hier wird das Schwingen immer des Abends
getrieben, weil es eher bei Licht geſchehen kann,
und frühmorgens zu ſehr ermüden und für den
Tag abmatten würde.
Die Lehrart und Kunſtſprache der Fecht-
kunſt liegt ſehr im Argen. Es hat der Kunſt
als ſolcher geſchadet, daß ſie als Selbſthülfe und
Kampfſchirm ausſchließlich betrachtet worden.
So hat ſich jeder beſondere Kampfbrauch in
die Kunſt gemiſcht. Dadurch daß der Altdeut-
ſche Kampfwart erſt ein Mitmann, und
zuletzt ein Beiſtändner und lebendiger Schild-
halter geworden; durch Stichblätter wie Sup-
penteller, durch Sturmhüte, Rieſenſtulpen,
Schlag-
[XV] Schlaghoſen und Stiefeln wie Löſcheimer iſt ſie
auf den hohen Schulen ſehr ausgeartet.
Schwimmen darf man nicht an den
Turntagen mit den andern Turnübungen zugleich
treiben. Bei dieſer Übung muß der Staat ein-
treten, weil ſie Sicherheitsanſtalten erfordert.
Fiſcher, Fährleute, Flußſchiffer kann er
wohl zwingen, daß ſie ſchwimmen lernen. Aber
ſie mögen es aus Faulheit nicht üben, die ſie
noch dazu mit Dummheit beſchönigen: „Wenn
man dann ins Waſſer fällt, muß man zu [lange]
ampeln, ehe man ertrinkt.“ Könnten die Fiſcher
noch ſchwimmen, ſo wären auch die Fiſcherſte-
chen nicht faſt gänzlich abgekommen. Würden
alle Sommer Schwimmlehrer (wozu die Hallo-
ren in Halle vortrefflich wären) durchs Land
vertheilt, ſo würden die Unglücksliſten nichts von
Ertrunkenen melden, auch würden nicht ſo viele
Menſchen in der Blüthe der Jahre an ſcheus-
lichen Krankheiten durch Nichtbaden ſterben.
Ein Nichtſchwimmer hat immer die Waſſer-
ſcheu, und geht aus Angſt mit dem Schmutz
der Haut, den er im Leben aufſammelt, jämmer-
lich zu Grabe.
Rei-
[XVI]
Reiten ſollten alle ſchwingfertigen Tur-
ner nach dem 16ten oder 17ten Jahre
erlernen können. Dazu kann aber nur der
Staat helfen. In zarter Kindheit, und früher
Jugend iſt das Reiten ſchädlich für Wachsthum,
Geſundheit und Sittlichkeit. Ein Vater, der
ſeinen Sohn liebt, muß ihm als Knaben kein
Reitpferd halten. Das verfäult und verludert
den jungen Menſchen, ſetzt ihm den Dünkel
von Erwachſenheit und Vornehmigkeit in den
Kopf, verleitet ihn zu Verſchwendung und eitlen
Lüſten und Laſtern. Ohne Noth muß ſich kein
Menſch mit dem Thier gemein machen.
Dem Tanzen als Leibesübung kann ſein
Werth nicht genommen werden, es bildet den
Anſtand und gute Haltung; hingegen ſtärken
die andern Turnübungen weit mehr, und Zier-
lichkeit iſt in einem verweichlichten Zeitalter am
Erſten zu entrathen. Daß beide Geſchlechter
ſchon in den Kinderjahren zuſammen tanzen ler-
nen, iſt gar nicht zu dulden. So wie das Tan-
zen gewöhnlich getrieben wird, iſt es: Zerſtörer
der Geſundheit, Verderber der Sittlichkeit und
Verführer zur Sünde. Der neuern Tänze ſind
jetzt
[XVII] jetzt zweier Lei: Bühnentänze und Buhl-
tänze, dafür ſind die alten Reigen verloren
gegangen, bis auf ihre letzte Spur im Kehraus
und einigen geſellſchaftlichen Spielen. Der
Tanz gehört für die häuslichen und volklichen
hohen Feſte — Freude in Ehren, ſoll niemand
wehren.
Kriegsübungen, wenn auch ohne Ge-
wehr, bilden männlichen Anſtand, erwecken und
beleben den Ordnungsſinn, gewöhnen zur Folg-
ſamkeit und zum Aufmerken, lehren den Einzel-
nen ſich als Glied in ein großes Ganze fügen.
Eine wohlgeübte Kriegerſchaar iſt ein Schau-
ſpiel von der höchſten Einheit der Kraft und
des Willens. Jeder Turner ſoll zum Wehr-
mann reifen, ohne verdrillt zu werden.
Kopfübern oder Luftſpringen kann
nur mit großer Vorſicht und Auswahl getrieben
werden, und gehört auch dann nur für ſolche,
die durch die andern Übungen Stärke, Aus-
dauer, Schnelle und Geſchmeidigkeit erlangt
haben.
Schlittſchuhlaufen kann in manchen
Wintern an Orten, wo Gelegenheit dazu iſt,
**alle
[XVIII] alle ſolche Turner beſchäftigen, die nicht am
Schwingen und Fechten Theil nehmen können.
Jung und Alt ſollte es treiben, und nicht unter
ſeiner Würde halten.
Die Geſchichte der frühern Turnkunſt
in Deutſchen Landen verdient eine gründliche
Unterſuchung. Faſt alle Volksfeſte ſind durch
Vernachläßigung der Turnkunſt eingegangen
oder verkommen. Ein jedes Volksfeſt, was Beſtand
haben ſoll, muß ſeine Zeit halten, und ſeinen
Ort haben. Geſchichtliche Denkwürdigkeit wird
im lebendigen Anſchaun männlicher Kraft er-
neuert, und die Ehrenthat der Altvordern ver-
jüngt ſich im Wettturnen. Ein wirres Volks-
gewoge macht ſo wenig ein Volksfeſt, als die
bloße Menge einen Jahrmarkt. Es muß etwas
hinzu kommen, was dem Treiben einen Halt
giebt. Wo ſich allerlei Leute nur als müßige
Eckner mit dem Bahgeſicht angaffen können,
und weiter nichts zur Augenweide haben — da
ſtehen ſie ſich einander im Wege, und müden
ſich freudenlos ab, weil die feſtliche Würze fehlt.
Erſt wird die Zeit langweilig, und dann der
Tag unheilig. Da ſoll überreichliches Eſſen
und
[XIX] und Trinken den Mangel der Feſtlichkeit erſe-
tzen — aber der Menſch feiert kein Feſt auf dem
Maſtkoben. Er hat ja nur einen Magen.
Wohl hält nach dem wahren Sprichwort: Eſſen
und Trinken — Leib und Seele zuſammen; aber
That und Handlung muß hinzukommen, wenn
eine Erinnerung bleiben ſoll. Je voller der Ma-
gen, je todter das Auge, je leerer die Seele!
Nicht Quaas und Fraß — Leben und Weben
müſſen bei jedem Volksfeſte vorwalten.
Über die Turnſprache nur etwas Höchſt-
weſentliches, da es hier an Raum fehlt, um
für ſie nach allen Gründen und Gegengründen
gegen jedermann in einem offenen Kampfe zu
rechten und fechten. Es iſt ein unbeſtrittenes
Recht, eine Deutſche Sache in Deutſcher Spra-
che, ein Deutſches Werk mit Deutſchem Wort
zu benennen. Warum auch bei fremden Spra-
chen betteln gehn, und im Ausland auf Leih
und Borg nehmen, was man im Vaterlande
reichlich und beſſer hat. Kein gründlicher
Sprachkenner, kein echtdeutſcher Volks-
mann hat auch je der Wortmengerei die Stan-
ge gehalten. Nur Sprachſchwache und Af-
ter-
[XX]terdeutſche[werfen] ſo gern den Zweifel auf:
Ob man im Deutſchen ſich auch Deutſch aus-
drücken könne? Ihre Sprachſchwäche, Unwiſ-
ſenheit und Verkehrtheit dichten ſie der edeln
Deutſchen Heldenſprache an, verlaſſen dieſe feld-
flüchtig, ergeben ſich der Wälſchſucht und mein-
deutſchen.
Kunſtner und Wiſſenſchafter ſind in der
Regel für reindeutſche Kunſtwörter in allen an-
dern Künſten und Wiſſenſchaften. Von den
ihrigen kommt es ihnen immer zu ſchwer vor,
und darum laſſen ſie es auch ohne Verſuche
bewenden. Auch iſt ſelten unter ihnen ſolch ge-
ſelliger Verkehr und geſellſchaftlicher Verein, als
die Sprachbildung erfordert. Soll eine Kunſt-
ſprache lebendig ſein, ſo muß ſie aus dem Leben
hervorgehn. Ein Einzelner kann wohl die
Sprache zu ſeinem Theil rein halten, nur nicht
allein rein fegen.
Übrigens entſpringt alle Wortmengerei aus
Unkunde, Sprachfaulheit und Vornehmthuerei.
Leider können alle Klagen und Reden dagegen
nichts helfen, ſo lange die Deutſchen Kinder in
ihrer Kindheit gefliſſentlich um ihre Mutter-
ſprache
[XXI] ſprache betrogen werden; ſo lange man den
Kindern die Sprachmutter raubt, und ihnen
eine fremde Sprachamme gewaltſam aufdringt.
Die Geſchmackloſigkeit und die Unklarheit neuer
Schriftſteller entſtehen aus meindeutſcher
Volksvergeſſenheit. Kolbe, ein wackerer Käm-
pfer, hat die urkundlichen Beweiſe geliefert, in
ſeinen Schriften: Über Wortmengerei. 2te ver-
mehrte Auflage. Leipzig bei Reklam 1812.
(2 Thaler 12 gr.) — Abgeriſſene Bemerkungen
über Sprache. Ein Nachtrag zu der Schrift:
Über Wortmengerei, Leipzig bei Fleiſcher 1813
(20 gr.) — Noch ein Wort über Sprachein-
heit. Berlin. Realſchulbuchhandlung. 1815
(12 gr.). Die Vielſpracherei iſt der Sünden-
pfuhl, woraus aller Büchernebel dunſtet. Was
Einer Sprache recht bleibt, iſt der andern —
und der eigenen zumal, auch wohl billig. Was
eine lebendige Sprache um Leib und Leben
bringt, ſollte man ihr doch nicht zu Leide thun.
Nimmermehr wird die Deutſche Sprache eine
Mangſprache werden. Noch immer behauptet
ſie im ſiegreichen Kriege ihr Urrecht als Urſpra-
che. Ihr iſt Wortmengerei — Armuth, Rein-
heit
[XXII] heit — Reichthum, und Reinigung — Berei-
cherung. Die Fremdſucht iſt ihr Galle, Gift
und Grenel, ein Irrleuchten im Dämmer und
Nebel. Fremdwörter gehen als ſolche und wenn
ſie hunderttauſend Mal eingebürgert heißen, nie
in Gut und Blut über. Ein Fremdwort bleibt
immer ein Blendling ohne Zeugungskraft; es
müßte dann ſein Weſen wandeln und ſelber als
Urlaut und Urwort gelten können. Ohne ein
Urwort zu werden lauft es als Ächter durch die
Sprache. Wälſchen iſt Fälſchen, Entmannen
der Urkraft, Vergiften des Sprachquell, Hem-
men der Weiterbildſamkeit, und gänzliche Sprach-
ſinnloſigkeit.
Die Deutſche Sprache vereint reine Ur-
ſprünglichkeit mit Weiterbildſamkeit, und hohes
Alter mit jugendlicher Friſche. Sie iſt ein
Werk aus einem Guß und Fluß. Ihr gro-
ßer Reichthum an Urwörtern giebt ihr ein ent-
ſcheidendes Übergewicht. Die Fülle, Schärfe
und Feinheit der Worthülfen, ſo als Vor-
linge, Inlinge und Endlinge gebraucht
werden, und wie ſtehende Schriften der Wort-
bildung anzuſehen ſind, geben den Schlüſſel zu
dem
[XXIII] dem unendlichen Sprachſchatz. Dadurch wird
im Deutſchen das Mögliche auch wirklich.
Darum bleibt jede Wortzählung eine verun-
glückte Mühe und jeder Wortſtempel von ver-
altet und neugebildet ein ungewiß Ding. Un-
ter ſprachthümlichen Wörtern iſt kein Wortrang
von Erſtlingen und Spätlingen. Wörter ſind
nicht Wein und Lagerbier, ſo mit der Zeit an
Geiſtigkeit zunehmen. In der Bildſamkeit lebt
die Verjüngung der Sprache. Sie iſt der
Born ihrer Unſterblichkeit. Die Wortquellen
kann man im Deutſchen nur ergründen, nicht
erſchöpfen. Nicht fertig werden die Wörter ge-
geben, wohl aber hat die Sprache die Zuthat
und die Bildekraft in ihren Bildegeſetzen. Da
finden ſich Muſterwörter und Muſterweiſen.
Darum bedürfen Wörter keiner Buchahnen,
allein durch Sprachthümlichkeit ſind ſie ſprach-
bürtig.
In der Theilbarkeit, Zerſetzung, Verſetzung
und Zuſammenſetzung beſitzet die Deutſche Spra-
che eine Vielgeſtalt, die ſich wendet, ſchwenket
und kehrt, und nach allen möglichen Richtungen
fortſchreitet. Als Urſprache hat ſie eine Klarheit
zur
[XXIV] zur Mitgift, die jeder Afterſprache mangelt.
Sie iſt anſchaulich gebildet, und lebt im An-
ſchaun. Sie ſenkt ſich in die Tiefen des Ge-
müths, wenn ſie mit Geiſtesfittigen aufſchwingt.
Sie hat kindliche Einfalt treu bewahrt, iſt bün-
dig in der Darſtellung, erbaulich in der Rede,
erwecklich im Liede, und kernig und körnig im
Spruch.
Die Deutſche Sprache wird in Wiſſen-
ſchaft und Kunſt niemals Kenner und Könner
in Stich laſſen. Nimmer werden die Stufen-
wörter fehlen, jede Folge und Folgerung wird
auszudrücken ſein. Die Sprache wird treu ge-
pflegt mit dem Entwickelungsgange Schritt hal-
ten, für jede neue Geſtaltung unſers Volks paſ-
ſen, für jede Lebensfülle zureichend ſein, und mit
dem Wachsthum des Volks an Bildſamkeit
zunehmen. Aber vom Wißdünkel der Aller-
weltsbürgerei müſſen wir abſtehen. Mit dem
Allerweltsleben hat keine einzelne Sprache zu
ſchaffen, nur das eigene Volksleben iſt ihre Seele.
Wer Ungemeines beginnen will, und zur
That ſich anſchickt — braucht in ſeinem Gewiſ-
ſensrathe nie zu fragen: Hat ſchon irgend
jemand
[XXV] jemand Ähnliches gewollt, Gleiches angefangen
oder Daſſelbe vollführt? Aber wohl muß er
das Recht wägen: Darf man ſo handeln und
thun? Nicht anders mit dem Wortbildner.
Nimmt der nur gehörig Rückſicht auf die Ur-
geſetze der Sprache und ihr ganzes Sprach-
thum; ſo bleibt er frei von Tadel und Schuld.
Kein Splitterrichter hat Fug zu fragen: Hat
ſchon jemand ſo geſagt? Man muß prüfen:
Darf man ſo ſagen? Iſt es nicht beſſer auszu-
drücken? Denn jede lebendige Sprache bewegt
ſich in allgewaltiger Rege; aber Sprachlehren
und Wörterbücher kommen dann auf dem gang-
baren Pfade richternd hinterher.
Der Kunſtſprachenbildner ſoll ein Dollmet-
ſcher des ewigen Sprachgeiſtes ſein, der in dem
ganzen Sprachthum waltet. Darum muß er in die
Urzeit der Sprache zurückdenken, und ihren Bil-
dungsgang auf rechter Bahn verfolgen. Kann
er an der Quelle verſchollene Urlaute erlauſchen;
ſo muß er dieſe zuerſt vor allen Leuten lautbar
machen. Im Erwecken ſcheintodter Urwörter
liegt eine wahre Mehrung und Sprachſtärkung.
Kein Wort iſt für ausgeſtorben zu achten, ſo
lange
[XXVI] lange die Sprache nicht todt iſt; kein Wort für
veraltet, ſo lange die Sprache noch in Jugend-
kraft lebt. Begrabene Wurzeln, die noch grün
ſind, und im vollen Wachsthum neue Stämme,
Äſte und Zweige treiben können, bringen Segen
und Gedeihen. Die Schoſſen und Sproſſen
alter Herzwurzeln verkünden einen neuen Früh-
ling nach langer Winterſtarre. Da befreit
ſich die Sprache von Flick- und Stückwerk,
und geht wieder richt und ſtrack. Ohne das
Pflegen der Wurzelkeime wird die Sprache
als Saumroß und Packthier beladen, und muß
endlich unter der Laſt ſchwerfugiger Zuſammen-
ſetzung erliegen. Jedes wieder in Gebrauch
kommende Urwort iſt eine reichhaltige Quelle,
die den Fahrſtrom ſpeiſet, den Thalweg austie-
fet, und allen Oberwohnern Vorfluth ſchafft.
Turn mag als Beiſpiel dienen. Davon ſind
jetzt ſchon gebildet und bereits redebräuchlich:
Turnen, mitturnen, vorturnen, einturnen, wett-
turnen; Turner, Mitturner, Vorturner,
turneriſch; — turnluſtig, turnfertig,
turnmüde, turnfaul, turnreif, turn-
ſtark; — Turnkunſt, Turnkünſtler,
Turn-
[XXVII]Turnkünſtleriſch; — Turnkunde, Turn-
lehre, Turngeſchichte; — Turnanſtalt,
Turngeſellſchaft, Turngemeinde, Turn-
gemeinſchaft; — Turnplatz, Turnfeld,
Turnplan, Turnhof, Turnſtelle, Turn-
bahn; — Turnhaus, Turnſaal, Turn-
boden; — Turnzeit, Turnſtunde, Turn-
tag, Turnſommer, Turnjahr, Turn-
ſchule, Turnkühre, Turnraſt; — Turn-
lehrer, Turnmeiſter, Turnwart, Turn-
wartſchaft, Turnwalt; — Turnordnung,
Turngeſetz, Turnregel, Turnbrauch,
Turnſitte, Turnziehm, Turnſchick, Turn-
weiſe, Turnart; — Turnzeug, Turnge-
räth; — Turntracht u. ſ. w.; — Turnü-
bung, Turnſpiel, Turnfahrt, Turn-
feſt — Turnſprache, Turnwort, Turn-
ſpruch, Turnreim, Turnlied, Turn-
buch. — u. ſ. w.
Turn in turnen, Turner u. ſ. w. iſt ein
Deutſcher Urlaut, der auch in mehren Deut-
ſchen Schweſterſprachen vernommen wird, in aus-
geſtorbenen und noch lebenden, und überall dre-
hen, kehren, wenden, lenken, ſchwenken, großes
Re-
[XXVIII] Regen und Bewegen bedeutet. So durchklingt
er Langbardiſch, Altfränkiſch, Angelſächſiſch,
Engliſch, Schwediſch und Islandiſch. Schon
vor 1023 iſt es in Deutſchland ein Schriftwort.
Da braucht es Notker bei Pſalm 39 zur Er-
läuterung von einem Fuhrmann: „unde nuieo
ſamfto er fier ros ſament turnet, unde
unieo gehorig ſin imo ſind alles cheres,
ſo nuieo in luſtet.“ In einer alten Thier-
märe von Büſching bekannt gemacht (Wö-
chentliche Nachrichten für Freunde der Geſchichte,
Kunſt und Gelahrtheit des Mittelalters. Bres-
lau 1816. 4tes Stück, Seite 57 und 59) heißt
der Thiere König der Löwe: ein kühner Tur-
ner. Noch bis auf den heutigen Tag giebt es
Deutſche Geſchlechter, die Turner heißen.
Es iſt dem armen Worte lange ſehr übel
ergangen. Deutſche Sprachzweifler hatten es
längſt für todt erklärt, und ihm Theil und Erbe
am Deutſchen Sprachſchatz abgeſprochen. Arge
Wortſchnüffler und Schleichwarenriecher witter-
ten hier gleich verbotenen Smuggel, und verdamm-
ten das echtdeutſche und turnierfähige [tur-
nen] geradezu als Franzöſiſches Erzeugniß, ohne
ſich
[XXIX] ſich an ſeinen Sprachſtempel und Urſchein zu
kehren. Und doch bekennt ſelbſt der Franzöſi-
ſche Sprachforſcher Du Fresne, wie das Fran-
zöſiſche tourner durch die Deutſchen oder Fran-
ken nach Frankreich gekommen. Ein Deutſcher
Mann wird aber dadurch noch kein Franzoſe,
wenn ihn das Unglück traf, in Gefangenſchaft
zu gerathen. Nach ſeiner Entledigung kann er
gleich wieder in Reih’ und Glied eintreten.
Weder ein Deutſches Wort, noch ein Deutſches
Land wird dadurch ſchon Franzöſiſch, wenn es
die Franzoſen ſich zueignen. Entlehnte Kunſt-
wörter und entführte Kunſtwerke kann man zu
allen Zeiten rechtmäßig zurückfordern.
Wenn aber auch Du Fresne das Wort
aufgiebt, ſo will er doch das Werk als Fran-
zöſiſch retten, und ſeine Landesleute dem Sinn
und der Sage und aller Geſchichte zuwider zu
Erfindern der Turniere machen. Sein Beweis
iſt nicht halb, nicht ganz, nur eine einzelne
Stelle in einem einzelnen Franzöſiſchen Zeit-
buch. Dort heißt es (in Chronico Turonensi)
beiläufig und gelegentlich beim Jahre 1066, wie
der Tod des Gaufried Herrn von Preulli er-
wähnt
[XXX] wähnt wird: „Torneamenta invenit.“ Schwer-
lich ſoll das heißen: Er hat die Turniere erfun-
den — Denn das konnte kaum ein König und
Fürſt, geſchweige ein Sondermann. Der Sinn
jener Stelle iſt ſicherlich nur: Er hat ſie in
Frankreich in Gang gebracht. Das beſtätiget
eine Urkunde aus dem Schriftthum der Sonſt-
Reichsſtadt Rothenburg an der Tauber. Die
meldet bereits beim Jahr 942: „Vom andern
Thurnier zu Rothenburg.“ Dies wäre
eigentlich genug. Weil aber leider jeder Fran-
zöſiſche Lügenwind, ſobald er nach Deutſchland
herüberwehet, als Sturm wüthet und die Wahr-
heit entwurzelt; ſo will ich die Thatſache noch
weiter und breiter belegen. Martin Schmei-
zel’s [weiland Profeſſors der Geſchichte zu
Halle] hiſtoriſcher Erweis, daß die so-
lennen Turniere ſchon im zehnten Se-
culo in Teutſchland gebräuchlich gewe-
ſen iſt aus den Halliſchen Anzeigen, 43 u. 45ten
Stück vom Jahr 1733 wieder aufgenommen
in Schott’s Juristiſches Wochenblatt 50.
51 Stück. Leipzig 1772.
Das ganze Mittelalter hindurch iſt auch
nie-
[XXXI] niemals einem Deutſchen eingefallen, an der Ur-
thümlichkeit und Deutſchheit der Turniere zu
zweifeln. Wer den biedern und mannlichen Rit-
tern hätte wollen Franzoſenthum und Wälſch-
ſucht aufheften — der wäre gewiß ſchön ange-
kommen. Und der glühende Eiferer für Deutſch-
heit Mannhold von Sittewalt (nach ſei-
nem Schriftnamen) eröffnet in ſeinen Geſich-
ten: „Turner war bei den Alten ein jun-
„ger Soldat, ein tummelhafter wacker
„Kerl, ein friſcher junger Geſell, der ſich
„in ritterlichen Thaten übete, daher
„Turniren und ein Turnier ſeinen Na-
„men und Anfang genommen.“ (Leidener
Ausgabe von 1646. 2ten Theil. Seite 319.
Straßburger Ausgabe von letzter Hand. 1650.
1665. 2ten Theil. Seite 423).
Die Turnkunſt ſelbſt war lange eine ver-
ſchollene Alterthümlichkeit. Einer ſchwatzte und
ſchrieb zwar dem andern nach, wie herrlich die
Vorzeit und wie trefflich die Altvordern gewe-
ſen. In Wörterbüchern waren die Namen
einiger Übungen eingepfercht. Man kannte
noch Übungen von Hörenſagen ohne ihre Na-
men,
[XXXII] men, und vernahm wieder Namen ohne die
benamten Übungen zu kennen. Fiſchart’s
Gargantua von 1590 enthält einen Reich-
thum von Spiel- und Übungsnamen, aber wer
kennt die unbeſchriebenen bloß hergezählten Din-
ge, wenn ſie nicht vielleicht auch gauſäſſig
benannt ſind. Nur zwei Kunſtwörter habe ich
aus dieſem Wortſpeicher entnehmen können:
Heuſchreckenſprung und Arm durchſchlei-
fen; — denn Barlaufen und zum Ziel
ſchocken hatte ich auch ohne ihn noch aus der
Volksſprache. Hans Thurnmeier von
Abensberg (nach ſeinem Schriftnamen Aven-
tinus) der 1534 im 68 Jahr ſeines Alters ver-
ſchied, gedenkt des Barlaufen alſo: „mit dem
„Lermen umbſchlahen und Sturm haben ſie
„[die alten Deutſchen] den Barrit geheißen,
„davon man noch der Barlaufen ein Spiel
„heißt und nennt.“ So haben wir wiſſentlich
kein altes Deutſches Kunſtwort verkommen laſ-
ſen, wohl aber verſchollene wieder in die Sprache
des Lebens zurückgebracht. Die alte Kunſt iſt
auch ehrwürdig in ihren Sprachtrümmern. So
fand ſich Rung von Ringen (in Thomae
Gar-
[XXXIII]Garzonii Piazza universale, oder allgemeiner
Schauplatz aller Künſt verdeutſcht Frankfurth
am Main 1619 und 1659.) und ward freudig
aufgenommen. Wo nur irgend ein Halt war,
wurde er gleich als Hort ergriffen. Sonnen-
und Sternenbahnen, Kugelbahnen u. ſ. w. wa-
ren ſchriftſäſſig. Davon entlehnten wir
Bahn zur Bezeichnung des zu jeder Übung
erforderlichen Raumes vom Stand bis zum
Ziel, oder vom Anfang bis zum Ende. Wo
ein Bildegeſetz anſprach, wurde ihm unbedenklich
auf ſprachähnlichem Wege gefolgt. Anfußen
aus der Jagdſprache eröffneten den Reigen für
anferſen, anhanden, anmunden, anſchul-
tern, u. a. Bei dem erſten, wie bei den andern
bezeichnet das Wort nur das Glied, was einen
Gegenſtand berührt, und niemals dieſen. Im-
mer iſt nur die Rede vom Was, Womit und
Wodurch — niemals vom Wo, Wohin und
Woran.
So iſt der Bildungsanfang immer erſt
Rückkehrt zur Urbedeutung geweſen, wenn ſelbſt
auch jetzo die Nebenbedeutung bereits ſchon als
deren Stellvertreter gäng und gebe war, z. B.
***Reede
[XXXIV]Reede (Siehe Seite 237), handeln (45),
ſchweben und rennen. Nie wollte man der
Sprache Gewalt anthun, wohl aber die Ur-
rechte der Sprache aufrecht erhalten, und Selb-
ſtändigkeit und wahre Sprachfreiheit von wälſch-
ſüchtigen Meindeutſchen zurückerkämpfen.
Sprache iſt Gemeingut der Sprachgenoſſen,
das Sprachthum iſt die Handveſte; die Bilde-
geſetze ſind Gerechtſame, die jeder Einzelne wah-
ren, ſchützen und ſchirmen muß. Die Sprach-
gemeinde lebt auf uraltem Ganerbe, und darf
ihr Traugut nicht verſchulden, nicht verböſern,
nicht verbilden, nicht aufgeben und verſchleudern.
Sie muß, was ſie zu treuen Händen empfan-
gen, als eiſern überliefern, und urkräftig und
nachhaltig hinterlaſſen.
Unbedenklich entlehnten wir alte Wörter
aus den reingehaltenen Kunſtſprachen. Rah,
Nock und Ruſt ſind ſeemänniſch, Bühne iſt
bergmänniſch, Holm iſt zimmermänniſch. Auch
Ackerbau, Handwerk und Gewerbe ſind vergli-
chen. Selbſt ſogar die Kriegsſprache iſt benutzt,
ſo ſehr ſie auch noch an den Franzoſenmäh-
lern der alten Niederlagen leidet. (Zu verglei-
chen
[XXXV] chen [Dr. Karl Müller’s] Allgemeines Ver-
teutſchwörterbuch der Kriegſprache. Leipzig bei
Bruder und Hofmann 1814 — 1 Thaler —).
Niemals, auch nicht im Traum, iſt mir eingefal-
len bloß überſetzen zu wollen, und weiter nichts
Mit den Kunſtwörtern muß man es wie m [...]
den Sprichwörtern machen, die buchſtäblich [...]
immer Unſinn geben. Sinn durch Sinn, Eigen
heit durch Eigenheit, ein Urthum durch das an-
dere —: Das geht von Sprache zu Sprache.
Einzelne aufgefundene Wörter wurden die
Richtwörter der ganzen Reihenfolge. Steig-
und Werf- zeug hat die älteſte Verdeutſchung
des Vitruvius. Baſel 1614. Hebezeug iſt im
Bergweſen. Ihnen nachgebildet ſind: Spring-
zeug, Schwingzeug, Schwebezeug, Klet-
terzeug, Ziehzeug.
Nach den Sprachähnlichkeiten und den
Bildegeſetzen haben wir die Lücken der Kunſt-
ſprache ſprachthümlich auszufüllen geſucht, das
Fehlende ergänzt und dem Mangel abgeholfen.
Sache und Sprache haben wir immer beiſam-
men getrieben, und ſo ſollen die Kunſtwörter
Hand und Fuß haben und Kopf und Herz-
Ein
[XXXVI] Ein Wort muß das andere erklären, jedes iſt
ein Schlüſſel zur Sprachkammer, das erſte beſte
iſt der Reigenführer zur ganzen Wörterfolge,
wie bei der Angabe der Sprunghöhen
(Seite 28): Knöchelhoch, wadenhoch, knie-
hoch, ſchenkelhoch, hüfthoch, nabelhoch,
herzhoch, bruſthoch, halshoch, ſchulter-
hoch, kinnhoch, mundhoch, naſenhoch,
augenhoch, ſtirnhoch, ſcheitelhoch.
Eine durchgeführte Kunſtſprache muß ſchon
in der Wortbildung ein Wortfinden gewäh-
ren; als: Sprunghöhe, Sprungweite,
Sprungtiefe — und von turnſchen und
Turnſchene alle mögliche Arten. Mithin ſoll
aber auch kein Buchrichter ein einzelnes Kunſt-
wort herausgreifen, vor ſeinen Freiſtuhl ziehen,
und darüber dünkelweiſe aburtheln. Man muß
die Kunſtwörter einer Kunſtſprache alleſammt in
Reih und Glied muſtern, und dann Schau
über ſie halten, ob jedes an Ort und Stelle iſt,
und kunſtgerecht ſeinen Poſten einnimmt. Wer
nicht mit Umſicht, Überſicht und Einſicht erſt die
Kunſt und ihren Wortbedarf erforſcht —
mag leicht vorlaut Wörter verabſchieden, ſo er
nach
[XXXVII] nach langem Kühren und Kieſen wieder einbe-
rufen muß. Die Deutſche Sprache hat ſinn-
verwandtlichen Reichthum! Was aber von allen
Schaftgewehr könnte den Ger erſetzen? Nur er
iſt beides wurfrecht und ſtoßrecht, wuchtbar
auf fern und nah, wegen Geſtalt und Gehalt
nicht misdeutig. Dabei von uraltem Stamm
aus einer weitverbreiteten Deutſchen Wurzel, die
ſich durch Altgalliſch, Lateiniſch und Griechiſch
fortſtreckt, und endlich fern im Morgenland
unter Perſen, Arabern und Türken als Dſche-
rid zum Vorſchein kommt.
Alle Wörter, die ſich gegenſeitig erläutern,
prägen ſich leicht dem Gedächtniß ein, und kom-
men dem Erinnerungsvermögen zu Hülfe. Sol-
che wie: ſpringen, Springer, Springel; —
klimmen, Klimmer, Klimmel; — ſchwingen,
Schwinger, Schwingel; — fechten, Fechter,
Fechtel, Hiebfechtel, Stoßfechtel; — ſind
ſchon durch ihre Ableitung verſtändlich und ge-
rechtfertiget. Ihnen können, wer weiß wie viele,
noch nachgebildet werden.
Durch die altdeutſche Wortkehre hat
man die Turnſprache möglichſt geſchmeidig zu
er-
[XXXVIII] erhalten geſtrebt: Dauerlauf — Laufdauer,
Klettermaſt — Maſtklettern, Spring-
ſtab — Stabſpringen. u. ſ. w.
Der Wiederlaut wurde niemals ver-
ſchmäht, wo er ſich ungezwungen darbot:
Hinkfuß — Hangfuß, Springgraben —
Springgrube, lochen — legen, ſtützen —
ſtürzen u. a. m. Der Wiederlaut iſt ja auch
mit unſerer Urſprache geboren, und kann nur
mit ihr verenden.
Eben ſo wenig hat man ſich vor dem
Schlagreim geekelt und geziert. Iſt er doch
unter allen Sprechern der Altermann, ein mund-
rechter Worthalter für alle Leute, und ein leut-
ſeliger Redner ſonder Gleichen. Schick und
Blick, — Lauf ohne Schnauf, — Wage
und Lage, — Ruck und Druck, — klippen
und klappen, — kippen und wippen u. a. m.
ſprechen durchs Ohr deutlicher zum Gemüth,
als breite Redniſſe zum Verſtand. Kunſtwör-
ter müſſen möglichſt genau, beſtimmt, treffend
und merkbar ſein; Kunſtausdrücke ernſt, ge-
ſetzt, männlich und edel; Kunſtlehren, Re-
geln und Geſetze einfach, klar, bündig, herz-
lich
[XXXIX] lich, Deutſch heraus, nicht hinter dem Berg hal-
tend, wahrheitsvoll, volkfaßlich, gleich fern von
Schmutz und Putz; Kunſtſprüche ſchlecht und
recht, kurz, kernig und körnig.
Manche Turnwörter müſſen nothwendig
rufbar und ſchaltbar werden, und darum
einfach und volltonig wie Empfindungslaute.
Mit bloßen Schrift- und Leſewörtern kann
die Turnſprache nicht auskommen; ſie braucht
Sprech- und Lebewörter und die müſſen an-
ſtellig und ausrichtig, ja ringfertig lauten. Nur
darum iſt bisweilen die Saſſiſche Urweiſe
dem Sächſiſchen Herkommen vorgezogen
z. B.: Stopp! ſtoppen, wo Opitz ſtopfen ge-
braucht, was aber in dieſer Bedeutung unge-
wöhnlich undeutlich und kleinlaut. Auch ſind
ſtopp! und ſtoppen ſeemänniſche und werkmän-
niſche Rufe. Keine Kunſtſprache darf vornehm
und neuzeitig aufgefleihet dick thun, oder wohl
gar nach Art der Schmutzfinken und Sprach-
ſchinder ſich über die Mutterſprache was her-
ausnehmen. Bei allen andern echtdeutſchen
Kunſtſprachen muß ſie ihren Anklang finden.
Sie ſoll ihre Wortgebilde alle nach altem Schrot
und
[XL] und Korn prägen, keine Schwimmer in Umlauf
bringen, ſo die nächſte Flage und Fleihge
ſchon abſetzt.
Um nicht mit hausbackenem Verſtand auf
die Worthetz zu reiten, und Wortſchatten und
Schemen zu erjagen — ſind alle alte Bilder
wieder in Rahmen gefaßt und aufgeſtellt, ſo die
Sprache noch hatte, beſonders beim Schwingen
z. B. Bratenwender, Scheere, Jungfern-
ſprung, Diebsſprung u. d. Nach dieſem
Gebilder ſind beim Schwingen, Barren und
Recken ähnliche verſucht z. B. Neſt, Felge,
Welle, Mühle, Speiche, Halbmond,
Schlange und manche andere. So ſteht nun
in der Turnſprache alt und jung einträchtig
beiſammen, lauter bekannte Geſichter, denen ge-
wiß jeder bald heimiſch wird wie zu Hauſe.
Hier wo ſich ein leibhaftes und lebhaftes Weſen
darſtellt, muß auch jedes Kunſtwort lebendig ſein,
ſinnig, ſinnlich, ſinnbildlich und anſchaulich.
Das Wort iſt weniger wandelbar als das Werk.
Iſt alſo erſt die Kunſtſprache glücklich geordnet
und ſprachthümlich gefeſtet; ſo kann die Folge-
zeit
[XLI] zeit der Mühe entrathen, die Wörter aufs Neue
wieder umzudeutſchen.
Da in die Turnſprache manche weſentlich
nothwendige Wörter aus Mundarten aufge-
nommen ſind, z. B. Reck, Riege, Reede,
Tie, Schleet aus dem Saſſiſchen; — An-
mann (zu Vorder-Hinter- und Nebenmann) aus
dem Schweizeriſchen; — ſchocken zunächſt
aus dem Thüringiſchen; — die Herrn von der
Schriftfeder über das Verhältniß der Mund-
arten zur Geſammtſprache noch lange nicht im
Klaren zu ſein ſcheinen; ſo mögen folgende An-
deutungen auf eine künftige Berichtigung hin-
zielen.
Mundarten ſind keinesweges für bloße
Sprachbehelfe zu halten, für Ausdrucksweiſen
von niederm Range, die nur annoch in einem
Verſteck und Schlupfwinkel des Sprachreichs
aus Gnade und Barmherzigkeit Duldung ge-
nießen. Im Gegentheil ſind ſie nach altem
wohlhergebrachten Recht in irgend einem Gau
auf Grund und Boden erb- und eingeſeſſen.
Darum können ſie niemals die Rückſicht auf
Heimath und Wohnſtätte verläugnen. Sie
müſ-
[XLII] müſſen alle und jede Örtlichkeit beachten: Berg
und Thal, Wald und Feld, Wieſe und Weide,
Flur und Fluß, Acker und Aue, Land und See,
und tauſend andere. So bilden ſie Einzelnhei-
ten in Fülle aus, und die eigenſten Beſonderhei-
ten auf zweckmäßige Art und Weiſe. Ihre
Wohlhabenheit iſt der wahre Sprachreichthum.
Ihr beſchränkter Bereich iſt Samenbet, Gehäge
und Schonung von kräftigem Nachwuchs. Denn
in einem weit und breit durch Gauen, Marken
und Lande wohnenden Volke muß es natürlich
eine Menge höchſtnothwendiger Begriffe geben,
treffliche Bezeichnungen, gehaltene Schilderun-
gen, und ſprechende Gemählde, die doch niemals
in Büchern vorzukommen Gelegenheit hatten.
Aus dieſen mehrt ſich dann allezeit, wenn Noth
am Wort iſt, die Schriftſprache, die ohne ſie
nicht heil ſondern unganz iſt. Die Geſammt-
ſprache hat hier Fundgruben und Hülfsquellen,
die wahren Sparbüchſen und Nothpfennige des
Sprachſchatzes.
Mundarten zeugen immerfort den alten
Urſtamm in ſprachthümlicher Reinheit von Ge-
ſchlecht zu Geſchlecht. Der könnte ohne ihren
Schirm
[XLIII] Schirm gar leicht an einſeitiger Überfeinung
und Verzierlichung verſiechen, Saft und Kraft
verlieren, und marklos an der Auszehrung ver-
quinen. Da ſich die Mundarten nur ſprach-
thümlich fortpflanzen, nicht in Büchern, ſondern
in aller Leute Mund leben; ſo hindern ſie gewalt-
ſame Verregelungen und Verriegelungen der
Geſammtſprache. Sie treten in die Landwehr,
wenn das Buchheer geſchlagen. Offenbare
Sprachwidrigkeiten laſſen ſich Leute, die nach
ihrer Altvordern Weiſe trachten, nicht zu Schul-
den kommen, und laſſen ſich auch von ihres
Gleichen keine Sprachunbilden gefallen. Sie
köunen wohl Sprachfehler begehn, aber keine
Sprachfrevel. Ein Schriftſteller kann weit
eher der Sprache Gewalt anthun, und ſeine
Nothzucht noch obendrein in einem Buche zu
Ehren bringen, auch da ſeine Wälſchlinge und
Bankerte verſorgen. Vor aller Leute Ohren
und Munden geht das nicht ungeſtraft hin, da
kann jeder Rüger ſein.
Die Mundarten leben im ewigen Landfrie-
den mit der Geſammtſprache, und treten vor den
Riß, ſo bald in der Schriftſprache Lücken ent-
deckt
[XLIV] deckt werden. Ohne Mundarten wird der
Sprachleib ein Sprachleichnam. Die Schrift-
ſprache iſt die höchſte Anwaltſchaft der
Spracheinheit, die Mundarten bleiben die dazu
höchſt nöthigen Urverſammlungen der vielgeſtal-
teten Einzelnheit. Ein mundartiges gauſäſſi-
ges Wort muß, um durch Schriftwürdigkeit
zur Schriftſäſſigkeit zu gelangen:
- 1. eine Deutſche Wurzel ſein, oder nachweislich
von einer ſolchen ſtammen; - 2. den Deutſchen Wortbildegeſetzen nicht wider-
ſprechen, ſondern ſprachthümlich gebildet ſein; - 3. [echtdeutſch,] und nicht ſchriftwidrig lauten;
- 4. mit Hochdeutſchen Lauten ausſprechbar ſein,
und mit den gewöhnlichen Buchſtaben in der
Schrift darzuſtellen; - 5. einen Begriff bezeichnen, wofür es bis jetzt
noch kein Schriftwort gab; - 6. zu keiner falſchen Nebenbedeutung verleiten;
- 7. Weiterbildſamkeit beſitzen;
- 8. kein ſchwerzuſammengefugtes Angſt- Noth-
und Qualwort ſein; - 9. ein ſchlechteres Schriftwort ſchriftwürdiger
erſetzen.
Dies
[XLV]
Dies ſind die erſten Prüfregeln der Schrift-
würdigkeit gauſäſſiſcher Wörter. Von ſchir-
ken (Seite 125) ſind Schirk, Schirke, Schir-
kel gleich redebräuchlich geworden, und ſchir-
kig, ſchirkhaft, ſchirklich, verſchirken u. a.
dabei leicht zu finden. So gewinnt man mit
einem bildſamen Wort der Schriftſprache einen
ganzen Wortſtamm, und verpflanzt ihn in ein
nachhaltiges Fruchtland. Zur Vergleichung
ſteht Seite 126 die mir bekannte gauſäſſige
Sinnverwandtſchaft. Ein Urwort, oder ein ab-
geleitetes iſt allemal beſſer, als ein zuſammen-
geſetztes. Ein Wort ſoll aber gefugt, nicht
bloß zuſammengeſetzt; genuthet und
nicht genagelt; nicht geleimt, ſondern ge-
ſchweißt ſein. — —
Von den Förderern und Gönnern des
Turnweſens ſoll künftig im Jahrbuch der Turn-
kunſt die Rede ſein. Hier iſt nur vorläufig zu
erwähnen, daß die hohen Preußiſchen Staats-
behörden mit Wohlgefallen und Fürſorge ſo-
gleich an dieſe Angelegenheit dachten, als der
Staat von ausländiſcher Herrſchaft befreiet wie-
der ſelbſtändig daſtand. Ohne die Unterſtützung
des
[XLVI] des Miniſter von Schuckmann, des Finanz-
miniſters Grafen von Bülow, und des
Staatskanzlers Fürſten von Harden-
berg, wäre die Sache ſoweit nicht gediehen,
als ſie jetzt dem Vaterlande vorgelegt werden
kann.
In dem erſten Jahrbuche der Turn-
kunſt, was unfehlbar zur Oſtermeſſe 1817
herauskommen wird, wollen wir eine kurze bün-
dige Geſchichte der Berliniſchen Turnanſtalt lie-
fern, wünſchen auch eine Überſicht von allen
Deutſchen Turnanſtalten zu geben. Wir erbit-
ten uns dazu Beiträge über: Entſtehung, Ein-
richtung und Beſchaffenheit der Turnplätze, ihre
Größe und Lage; Turnerzahl nach Alter und
dem Stande der Ältern; Namhaftmachung
der Ausgezeichneten, nebſt der Angabe, was
ſie beſonders geleiſtet; Turnfahrten; Turnlie-
der; Volksſpiele, Volksbeluſtigungen, Volksfeſte
und Neubelebung durch die Turnkunſt, neue
Turn- Erfindungen oder Entdeckungen; Bü-
cher und einzelne Stellen, die Gegenſtände der
Turnkunſt betreffen; handſchriftliche Werke und
auf welchem Wege man zu ihrer Benutzung
ge-
[XLVII] gelangen könne; gauſäſſige Namen von Übun-
gen und Spielen.
Auch Nachrichten von frühern berühmten
Turnern aus gedruckten und ungedruckten Zeit-
büchern ſollen uns ſehr willkommen ſein; noch
mehr aber von ſolchen, die noch in Überlieferun-
gen und Sagen fortleben. Die Altvordern ha-
ben nicht verſchmäht, die turneriſche Fertigkeit
unſerer hochgefeierten Kaiſer und Könige zu
erwähnen. Von Karl dem Großen iſt es
bekannt, daß er gern und leicht über den Rhein
ſchwamm. Heinrich der Vogler war ſchon
als Jüngling vom Harz nach Rom zu Fuß ge-
wallfahrtet, und blieb als Mann in Turnübun-
gen allen Zeitgenoſſen überlegen. Maximi-
lian der erſte leuchtet in der Abendſonne der
Ritterzeit in Thaten, die als Abentheuer an die
alten Heldenſänge erinnern.
Die Jahrgeſchichte jeder Turnanſtalt muß
alljährlich mit dem 18ten October geſchloſſen
werden. Zu einzelnen Angaben über Turnfer-
tigkeit eignen ſich beſonders:
Freiſprünge und Stabſprünge nach Höhe
und Weite; Rieſenſprünge (Höhe und Länge des
Schwin-
[XLVIII] Schwingels); Doppelſchlag, Hinkſchlag; Stre-
cken (Umkreiſen mit den Händen auf die Dauer);
Barren- und Daumanmunden auf Dauer;
Klettern, mit Bemerk der Dicke und Höhe des
Kletterzeuges, und des Zeitraums; Klimmen
(Art, Dicke und Höhe des Klimmzeuges); Zieh-
klimmen auf Dauer; Schnelllauf und Dauer-
lauf, beide genau nach Raum- und Zeitmaaß;
Weite und Höhe der Würfe, nebſt der Schwere
des Geworfenen. Alle ſolche und ähnliche Bei-
träge müſſen aber ſchon vor Weihnachten ein-
geſchickt ſein.
Das Jahrbuch der Turnkunſt ſoll unaus-
geſetzt alljährlich erſcheinen, damit ſich die Turn-
kunſt immer vollkommner geſtalte und neu im
Leben verjünge.
Berlin den 31ten März 1816.
Friedrich Ludwig Jahn.
— Folgender wichtige, erſt ſpät bemerkte Druckfehler im
Buche wird, aus Mangel an anderweitigem Raume, hier
noch nachgetragen:
- Seite 238, ſtatt Zeile 10 und 11 v. unten, lies:
- Schlängelbahnriege: nicht uͤber 8.
- Wettlaufriege:
(wenn die Rennbahn 30 F. breit) nicht über 8.
- Seite V. von unten ſtatt 13 ten leis 16 ten.
[XLIX]
Inhalt.
- Erſter Abſchnitt.
Die Turnuͤbungen Seite- I.Gehen3.
- 1. Anſtand im Gange 3.
- 2. Dauer4.
- 3. Schnelle5.
- 4. Nichtachten der Oͤrtlichkeit 5.
- — Lediggang, Laſtgang 5.
- II.Laufen7.
- Laufvorrichtungen: Laufbahnen7.
- Laufhaltung 8.
- Laufregeln 9.
- A. Das Rennen10.
- 1. Schnellrennen 10.
- 2. Dauerrennen 11.
- B. Der Schlängellauf11.
- 1. Schnellſchlängeln 11.
- 2. Dauerſchlängeln 12.
- C. Der Zickzacklauf12.
- — Schlangenlauf 12.
- — Schneckenlauf 13.
- — Kibitzlauf 13.
- — Sturmlauf 13.
- — Lediglauf, Laſtlauf 14.
- Seite
- III.Springen15.
- Springvorübungen 15.
- Haltung 16.
- 1. Zehenſtand16.
- 2. Zehengang16.
- 3. Hüpfen17.
- 4. Anferſen17.
- a. Laufſchlag 18.
- b. Scheinlauf 18.
- c. Wechſelſchlag 18.
- d. Doppelſchlag 18.
- e. Hinkſchlag 19.
- 5. Hocken19.
- a. Sitzhocken 19.
- b. Springhocken 19.
- 6. Hinken20.
- — Hinkſprung 20.
- — Durchhink 21.
- — Hinkkampf 21.
- 7. (Strecken) 21.
- 8. Zuſammenſetzungen aus d. vorig. Arten 21.
- Von den Sprüngen im Allgemeinen 21.
- — Vom Aufſprung und Niederſprung 22.
- — Vom Standſprung 22.
- — Vom Sprung mit Vorſprung 22.
- — Vom Anlaufſprung 23.
- Der Heuſchreckenſprung24.
- Der Springlauf24.
- A. Der Freiſprung25.
- 1. Weitenſprung26.
- 2. Höhenſprung (am Freiſpringel) 27.
- — Sprung in die Weite und Höhe 29.
- Seite
- 3. Tiefenſprung29.
- — Sprung in die Tiefe und Weite 29.
- B. Das Stabſpringen30.
- Springel (Stabſpringel) 30.
- Springſtäbe 30.
- Stabhaltung 31.
- 1. Weitenſprung32.
- 2. Höhenſprung32.
- — Sprung in die Weite und Höhe 33.
- 3. Tiefenſprung33.
- — Sprung in die Tiefe und Weite 33.
- IV.Schwingen35.
- Schwingzeug:
- Schwingel 36.
- Schwingpferd 37.
- Zuſtände des Schwingens39.
- Schwingvorübungen39.
- 1. Hüpfen 40.
- 2. Hocken 40.
- 3. Grätſchen 40.
- 4. Spreizen 40.
- 5. Kreuzen 42.
- 6. Hurten 43.
- 7. Heben 43.
- 8. Wippen 44.
- 9. Hockwippen 44.
- 10. Handeln 45.
- Schwingregeln45.
- A. Einfache Sprünge48.
- a. Seitenſprünge49.
- 1. Erſtes Auf- und Abſitzen 49.
- 2. Zweites 49.
- 3. Jungfernſprung 50.
- Seite
- 4. Die Kehre 51.
- 5. Die Wende 51.
- 6. Die Scheere 52.
- 7. Die Mühle 52.
- 8. Der Hockſprung 52.
- 9. Die Nadel 53.
- 10. Die Gaffel 53.
- 11. Die Grätſche 53.
- b. Hinterſprünge53.
- 1. Die Wippe 53.
- 2. Die Spreize 54.
- 3. Der Jungfernſprung 54.
- 4. Die Spille 55.
- 5. Die Schraube 55.
- 6. Der Katzenſprung 55.
- 7. Der Affenſprung 56.
- 8. Der Froſchſprung 57.
- 9. Die Kehre 57.
- 10. Die Wende 57.
- 11. Der Rieſenſprung 57.
- Fechtſprünge (Sprünge mit einer Hand) 60.
- a. Seitenſprünge49.
- B. Geſchwünge61.
- 1. Der Kreis 62.
- 2. Der gewundene Jungfernſprung 62.
- 3. Das Vorſchweben 62.
- 4. Das Rad auf zwei Pauſchen 62.
- 5. Das Uhrwerk 63.
- 6. Kehrſchwung und Spille 63.
- 7. Der Bratenwender 63.
- 8. Das Rad auf einer Pauſche 63.
- 9. Die Finte 63.
- 10. Der Hexenſprung 64.
- Seite
- 11. Die Doppelkehre 64.
- 12. Kehrſchwung und Wende 64.
- a. Noch mehre einfache Sprünge64.
- „ „ fortgeſetzte Sprünge66.
- „ „ Doppelſprünge67.
- Sprünge von Dreien ausgeführt 68.
- b. Mehre Kopfüberſtücke68.
- „ Schwebeſtücke69.
- „ Freiſprünge69.
- Das Bockſpringen70.
- Schwingzeug:
- V.Schweben72.
- Schwebezeug (Liegebaum, Schwebebaum u. ſ. w.) 72.
- Schwebevorübungen 73.
- Schwebeübungen 73.
- 1. Schwebegang73.
- 2. Vorbeiſchweben73.
- 3. Aufnehmen eines Hutes ꝛc. am Zopfende 73.
- 4. Niederſetzen73.
- 5. Schwebekampf73.
- VIDie Reckübungen76.
- Turnzeug: Reck 76.
- Erklärungen77.
- a.
- Seithang 77.
- Querhang 77.
- b.
- Aufgriff 77.
- Untergriff 77.
- Zwiegriff 77.
- c.
- Sitz (Seitſitz und Reitſitz) 77.
- Stütz 78.
- Schwebe 78.
- a.
- A. Hangübungen78.
1.
[LIV]Seite- 1. Der Anhang 78.
- a. Vorlings78.
- 1. Querhangs
- 2. Seithangs
- b. Rücklings79.
- a. Vorlings78.
- 2. Der Liegehang 79.
- a. Vorlings79.
- 1. Querhangs
- 2. Seithangs
- b. Rücklings80.
- — DasNeſt und der Schwimmhang80.
- a. Vorlings79.
- 3. Der Schwebehang 81.
- a. Vorlings81.
- 1. Querhangs
- 2. Seithangs
- b. Rücklings 81.
- a. Vorlings81.
- 4. Der Abhang 81.
- a. Querhangs (Fußhang) 81.
- b. Seithangs
- 1. Kniehang82.
- 2. Riſthang82.
- 3. Ferſenhang82.
- 5. Das Hangeln (am Hangelreck) 82.
- 1. Anhangs 82.
- 2. Liegehangs (Liegehangeln) 82.
- 3. Kniehangs (Kniehangeln) 82.
- 4. mit Wendegriff und Kehrgriff 82.
- 6. Das Ziehklimmen 82.
- a. Querhangs 83.
- b. Seithangs 83.
- 7. Der Griffwechſel und das Stemmen 84.
- Seite
- 8. Das Handeln 85.
- 1. im Stütz (Stützhandeln) 85.
- 2. in der Schwebe (Schwebehandeln) 85.
- 9. Niederlaſſen und Erheben 85.
- Anmunden 86.
- Anſchultern 86.
- 1. Der Anhang 78.
- B. Schwungübungen86.
- 1. Der Aufſchwung 87.
- 1ſte Art: Wellaufſchwünge87.
- 2te Art: Sitzaufſchwünge88.
- 3te Art: Mühlaufſchwung88.
- 4te Art:
- a. Schwungſtemmen88.
- b. Felgaufſchwung89.
- c. Kreuzaufſchwung89.
- 5te Art: Knieaufſchwung89.
- 2. Der Umſchwung 89.
- a. Wellen89.
- 1. die gewöhnliche Welle 90.
- 2. die Kniewelle 90.
- 3. die Sitzwelle 90.
- 4. die Burzelwelle 90.
- 5. die Kniehangwelle 90.
- b. Die Felge90.
- c. Die Bauchfelge90.
- d. Die Kreuzbiege91.
- e. Die Speiche91.
- f. Der Überſchwung91.
- a. Wellen89.
- 3. Der Abſchwung 91.
- a. Reine Abſchwünge (Stehſchwung ꝛc) 91.
- b. Gemiſchte Abſchwünge 92.
- 4. Der Durchſchwung 92.
5.
[LVI]Seite - 5. Der Unterſchwung 92.
- — Folge der Reckübungen zu ihrer leichteren Erler-
nung und Durchübung nach der Riegenordnung 93.
- 1. Der Aufſchwung 87.
- VII.Barrenübungen96.
- Turnzeug: der Barren 96.
- A. Hebe-, Stütz und Stemmübungen97.
- 1. Hüpfen97.
- 2. Niederlaſſen und Erheben97.
- 3. Niederlaſſen und Aufkippen97.
- 4. Anmunden97.
- 5. Heben98.
- 6. Die Schwebe98.
- 7. Handeln98.
- a. im Stütz
- b. in der Schwebe
- 8. Die Stützkehre99.
- B. Schwungübungen99.
- 1. Der Sitzwechſel99.
- 2. Die Kehre100.
- 3. Die Wende100.
- 4. Sitzwechſel mit Kehre100.
- 5. Sitzwechſel mit Wende100.
- 6. Der Halbmond100.
- 7. Die Schlange100.
- 8. Der Schwebewechſel101.
- 9. Der Kreis 101.
- 10. Wippen101.
- 11. Abwippen102.
- 12. Überſchlagen102.
- a. aus dem Hang
- b. aus dem Stütz
- —Durchſchieben102.
VIII.
[LVII]Seite - VIII.Klettern104.
- Kletterzeug104.
- Klettergerüſte105.
- 1. Der Einbaum 105.
- 2. Der Zweibaum 106.
- 3. Der Vierbaum 107.
- 4. Der Klimmel 107.
- A. Das eigentliche Klettern108.
- Kletterregeln 108.
- 1. Stangenklettern110.
- 2. Maſtklettern110.
- 3. an der Lehnſtange110.
- 4. Tauklettern110.
- 5. Leiterklettern110.
- B. Das Klimmen111.
- 1. mit Senkgriff111.
- a. Tauklimmen 112.
- b. Stangenklimmen 112.
- c. an der Strickleiter 112.
- 2. mit Riſt- oder Wagegriff112.
— Ruckklimmen112.
- 1. mit Senkgriff111.
- — Wettklettern112.
- — Vorbeiklettern113.
- IX.Werfen114.
- A. Schießen115.
- 1. mit dem Feuergewehr 115.
- 2. mit der Armbruſt 115.
- 3. mit dem Bogen 116.
- 4. mit dem Schaft (Gerwerfen) 116.
- Wurfgeräth (der Ger) 116.
- Wurfzeug (d. Pfahlkopf) 117.
- Seite
- Wurfbahn 117.
- Wurfhaltung 117.
- Wurfvorübungen 118.
- a. Der Kernwurf119.
- b. Der Bogenwurf119.
- c. Der Tiefenwurf120.
- Treffer und Fehler beim Gerwerfen 120.
- B. Schocken121.
- Schockbahn 121.
- Schockziel (Schott) 121.
- Schockhaltung 122.
- Schockweiſe 122.
- C. Stoßen123.
- Stoßbahn 123.
- Stoßgeräth 123.
- Stoßweiſe 124.
- D. Schleudern124.
- E. Gellen125.
- F. Schirken125.
- A. Schießen115.
- X.Ziehen127.
- Ziehzeug 127.
- Ziehbahn 127.
- A. Handziehen127.
- 1. mit den Händen allein127.
- a. Hand in Hand 127.
- b. hakelnd 127.
- 2. am Ziehzeuge128.
- Emporziehen128.
- 1. mit den Händen allein127.
- B. Nackziehen129.
- a. ſtehend129.
- b. auf allen Vieren129.
- Seite
- XI.Schieben130.
- A. Schieben des Gegners 130.
- 1. Hand in Hand, 130.
- 2. Hände an den Achſeln 130.
- B. Schieben an beſondern Vorrichtungen 131.
- A. Schieben des Gegners 130.
- XII.Heben132.
- 1. Heben des Armkraft-Meſſers132.
- 2. Heben des Wagebalkens133.
- 3. Heben von Sandbeuteln133.
- XIII.Tragen134.
- A. Tragen lebloſer Dinge134.
- 1. Tragen in den Händen allein134.
- 2. Tragen auf den Schultern135.
- B. Tragen eines Menſchen135.
- 1. Huckeback135.
- 2. Huckeſchulter135.
- 3. Auf d. Handflechte135.
- a. einen ſitzend 136.
- b. einen liegend (Schwimmen-laſſen) 136.
- XIV.Strecken137.
- A. mit Gebrauch der Hände 137.
- Stufenfolge137.
- B. ohne Gebrauch der Hände 139.
- A. mit Gebrauch der Hände 137.
- XV.Ringen140.
- Ringplatz140.
- Ringhaltung140,
- Ringgriff141.
- a. Ganzer Griff 141.
- b. Halber Griff 141.
- Ringvorübungen141.
- Seite
- Was beim Ringen entſcheidet143.
- Was unerlaubt iſt im Ringen 143.
- XVI.Sprung im Reifen145.
- 1. Durchſchlag von vorn 145.
- 2. Durchſchlag von hinten 145.
- 3. Durchſchlag im Lauf 146.
- 4. Halber Durchſchlag ſeitwärts 146.
- 5. Ganzer Durchſchlag ſeitwärts 146.
- XVII.Sprung im Seile147.
- A. Im kurzen Seile 147.
- 1. Einfacher Durchſchlag147.
- a. Gerader Durchſchlag 147.
- b. Gekreuzter Durchſchlag 148.
- 2. Doppelter Durchſchlag148.
- a. Gerader Doppeldurchſchlag 148.
- b. Gekreuzter Doppeldurchſchlag 148.
- 3. Die Drehung149.
- 1. Einfacher Durchſchlag147.
- B. Im langen Seile 150.
- 1. wobei d. Springer auf d. Stelle bleibt150.
- 2. wobei d. Spr. nicht auf d. Stelle bleibt151.
- a. Durchlaufen des Seiles 151.
- b. Überſpringen des Seiles 151.
- c. Sprung in das Seil 151.
- d. Augenblick im Seile 151.
- e. der einfache Kreislauf 152.
- f. der doppelte Kreislauf 152.
- A. Im kurzen Seile 147.
- — Anhang mancherlei Übungen153 — 166.
- A. Tragen lebloſer Dinge134.
- I.Gehen3.
- Zweiter Abſchnitt.
DieTurnſpiele167.- Von den Turnſpielen überhaupt 169.
- Beſchreibung erprobter und bewährter Turnſpiele 173.
- Seite
- A. Spiele, ſo auf dem Turnplatze getrieben werden 173.
- 1. Schwarzer Mann173.
- 2. Barlaufen174.
- B. Spiele, ſo außerhalb des Turnplatzes vorge-
nommen werden müſſen 177.- 1. Ritter- und Bürgerſpiel177.
- 2. Jagdſpiel oder die Jagd181.
- 3. Das Stürmen oder der Sturmlauf182.
- 4. Das Deutſche Ballſpiel182.
- Dritter Abſchnitt
- I.Über Anlegung und Einrichtung
eines Turnplatzes187.- Vom Ort187.
- Von deſſen Lage188.
- Vom Schuppen (oder Hütte) und Tie189.
- Von der Geſtalt des Platzes 190.
- Von den Gränzen des Platzes 190.
- Von Einfahrt und Eingängen190.
- Von der Größe des Turnplatzes
und der einzelnen Turnſtellen 192. - Raum und Geräth für 400 Turner194.
- Von dem Nöthigen für 200 Turner196.
- Von den beſten Turnbäumen197.
- II.Anſchlag des Turnzeuges und- Ge-
räthes und der Vorrichtungen für
einen vollſtändig eingerichteten
Turnplatz, auf dem ſich 400 Turner tiegen-
weiſe zugleich üben können 199. - Seite
- I.Über Anlegung und Einrichtung
- Viertter Abſchnitt
- I. Über die Art, wie die Übungen zu treiben
und im Gange zu erhalten ſind 209.- Turnkunſt209.
- Turnanſtalten210.
- Turnplätze212.
- Das nothwendigſte Turnzeug für 80 Turner 214.
- Turnlehrer215.
- Turnübungen218.
- Turnzeit222.
- Turntracht225.
- Tie229.
- Zuſchauer230.
- II.Die Turngeſetze233.
- A. Geiſt der Turngeſetze233.
- B. Allgemeine Turngeſetze235.
- C. Beſondere Turngeſetze (Übungsgeſetze) 237.
- I. Über die Art, wie die Übungen zu treiben
- Fünfter Abſchnitt
- I.Zur Bücherkunde der Turnkunſt247.
- Nutzen und Nothwendigkeit der Turnkunſt 248.
- Von der Bewegung 249.
- Über die Turnkunſt der Griechen und Römer 249.
- Neuere allgemeine Werke 251.
- Ringen 251.
- Schießen 254.
- Baden und Schwimmen 255.
- Kopfübern oder Luftſpringen 256.
- Fahnenſchwenken 256.
- Spiele 257.
- Seite
- Tanzen 258.
- Schwingen 264
- Fechten 264.
- Turnkunde 271.
- II.Erklärung des Planes von einem
Turnplatze auf Platte 1 286.
- I.Zur Bücherkunde der Turnkunſt247.
[LXIV]
Einige Fehler.
- Seite 10. Zeile 1 v. oben ſtatt Schnellauf lies Schnelllauf.
- S. 11. Z. 11 v. unten ſtatt Schwebeu lies Schweben.
- S. 16. Z. 13 v. ob. ſtatt hiuten lies hinten.
- S. 19. Z. 1 v. unt. ſtatt Knies lies Kniees.
- S. 20. Z. 1 v. unt. ſtatt eiue lies eine.
- S. 25. Z. 8 v. unt. ſtatt gemichſten lies gemiſchten.
- S. 26. Z. 9 v. ob. ſtatt die lies den.
- S. 36. Z. 1 v. unt. ſtatt Abſchnitt 2, II. l. Abſchnitt 3, II.
- S. 37. Z. 13 v. unt. ſtatt beſteu lies beſten.
- S. 37. unter d. letzten Zeile ſtatt Dv lies Da.
- S. 39. Z. 8 v. ob. ſtatt Abſchnitt 2, II. lies Abſchnitt 3, II.
- S. 51. Z. 3 v. ob. ſtatt hängt lies hangt.
- S. 66. Z. 10 v. ob. ſtatt dach lies doch.
- S. 77. Z. 6. v. ob. ſtatt rechtwinklich lies rechtwinklig.
- S. 94. Z. 10 v. unt. ſtatt gewöhnliche lies gewöhnliche[.]
- S. 106 Z. 11 v. ob. ſtatt welches lies welche.
- S. 115. Z. 3 v. ob. ſtatt große Vorſicht vielen Raum
lies große Vorſicht, vielen Raum. - S. 116. Z. 9. v. unt. ſtatt ans lies aus.
- S. 122. Z. 12 v. unt. ſtatt geſtüzt lies geſtützt.
- S. 123. Z. 6 v. ob. ſtatt bloß, durch lies bloß durch.
- S. 123. Z. 13 v. ob. ſtatt den PlanXV lies den Plan, XV.
- S. 126. Z. 4 v. ob. ſtatt ſchueiden lies ſchneiden.
- S. 128. Z. 2 v. unt. ſtatt nur lies nun.
- S. 159. Z. 12. v. ob. ſtatt Kmapfe lies Kampfe.
- S. 160. Z. 2 v. unt. ſtatt von Innen nach Außen lies
von Außen nach Innen. - S. 171. Z. 4 v. ob. ſtatt Geſellſchaftsfpiel lies Geſell-
ſchaftsſpiel. - S. 177. Z. 4 v. ob. ſtatt dia lies die.
- S. 182 Z 12 v. unt. ſtatt abfſteigend lies aufſteigend.
- S. 274. Z. 12 v. ob. ſtatt 1794 lies 1795.
Erſter Abſchnitt.
Die Turnuͤbungen.
[[2]][[3]]
I.Gehen.
Ein guter Gänger muß mit Anſtand: zugleich Schnelle
und Dauer verbinden, und die Örtlichkeit — Berg
und Thal, Sand und Lehm — nicht achten.
Ein guter Gänger ſein — iſt eine große Kunſt,
ſie aber auf dem Turnplatze zu üben, wäre zu zeit-
raubend, daher muß ſie ſchon dem Kinde durch ſeine
früheſten Umgebungen gelehrt werden; denn ein Jeder
weiß, wie ſchwer es hält, frühere ſchlechte Angewohn-
heiten im Gange wieder abzulegen.
1. Anſtand im Gange. Hierzu gehört:
Eine grade natürliche Haltung des ganzen Lei-
bes, beſonders des Kopfes, ohne alle Künſtelei und
Ziererei; ein leichter, aber doch feſter Tritt auf den
ganzen Plattfuß, nicht mit einer Seite früher als
mit der andern; Streckung der Kniee bei jedem
Niedertritt. Die Füße müſſen ein wenig auswärts
gehalten werden, ſich aber in dieſer Stellung nicht
hin und her drehen.
A 2Die
[4]
Die Arme dürfen ſich etwas bewegen, aber
nicht ſchleudern: die Bewegung muß mehr mit dem
Unter- als Oberarm geſchehen. — Das Gehen darf
kein Schleichen, aber eben ſo wenig ein Hüpfen
werden, der Gang darf nicht ſchwanken und wie-
gen: er muß gerade aus und ſicher ſein: die Knö-
chel und Kniee dürfen dabei nicht an einander
ſtreichen. — Die Größe der Schritte muß mit
der Leibeslänge und beſonders den untern Gliedern
in richtigem Verhältniß ſtehen, ſo daß der Leib bei
keinem Schritt aus der Wage kommen darf.
2. Dauer im Gehen: erlangt man nur durch viele
Übung. Mit Kindern oft und wo möglich täg-
lich vorgenommene, und immer verlängerte Aus-
gänge und ſpäter größere Wanderungen und Fuß-
reiſen üben darin am beſten. Große Ausdauer im
Gehen und das Vermögen, dabei noch das nö-
thige Gepäck zu tragen, iſt eine Eigenſchaft, deren
Werth viele Menſchen noch nicht hinlänglich zu
ſchätzen wiſſen; frühe und häufige Gänge machen,
und dabei im Ranzen auf beiden Schultern Ge-
päck tragen, muß oft und kann nie genug geübt
werden. Doppelranzen und Querſäcke, von denen
die eine Hälfte vorn, die andere hinten hinab hängt,
ſind der Geſundheit äußerſt nachtheilig, zumal im
Knabenalter. Ranzen, Reiſetaſchen, Trageſäcke u. ſ. w.
dürfen
[5] dürfen niemals einriemig, müſſen allezeit zwei-
riemig ſein, damit die Laſt auf beiden Schultern
gleichvertheilt [ruht.] Doch kommt bei dem Laſtge-
hen, wie beim Lediggang, alles darauf an, daß
Arme und Hände zum Gebrauch frei ſind.
3. Schnelle des Ganges beruht auf Größe und
Schnelle der Schritte; daher kleine oder kurz ge-
ſpaltene Leute durch Schnelligkeit erſetzen müſſen,
was ihren Schritten an Größe abgeht. Die beſte
Übung iſt, oft einen und denſelben Weg in beſtimm-
ter und allmälig immer kürzerer Zeit zurückzulegen.
4. Nichtachtung der Örtlichkeit. Das Gehen
auf dem Wirrfelde (unebnem Boden) iſt weit ſchwie-
riger, als auf dem Blachfelde; aber auch weit ſtär-
kender, beſonders wenn die kleinen Höhen etwas
ſtark aufſteigen und abfallen; eben ſo das Gehen
durch tiefen Sand.
Wird eine Anhöhe ſo ſteil, daß zu dem Schritt eine
bedeutende Kraftanwendung gehört, und die Schritte
überhaupt mehr ſtufenweiſe geſchehen, ſo nennt man die
Bewegung nicht mehr gehen, ſondern ſteigen, welches
eben wie das Gehen, als Ledig- und Laſtſteigen
geübt werden kann.
Es wäre ſehr zu wünſchen, daß man in der Nähe
jedes Turnplatzes ein bedeutend Wirrfeld und kleine
ziemlich ſteile Anhöhen von 20 Fuß — 30 Fuß haben
könnte,
[6] könnte, um das Gehen und Laufen über unebnen Bo-
den, das Steigen und beſonders das (beim Laufen
vorkommende) Sturmlaufen zu üben. —
Kurzer Heideraſen, beſonders in Tangelwaldun-
gen, iſt wie gebohnter Fußboden. Wer hier ohne Fehl-
glitte gehen und laufen, ſpringen und ringen kann, iſt
ziemlich überall gangrecht, und hat ſprengen und ver-
renken wenig zu fürchten.
[7]
II.Laufen.
Das Laufen iſt, mit Vorſicht getrieben, eine beſon-
ders für die Bruſt und Lunge ſehr heilſame Übung.
Vorrichtungen:
Die Laufbahnen.
a. Die Rennbahn: am beſten ſchnurrecht. Sie
darf nicht mit Raſen bewachſen ſein, noch zu flüch-
tigen Sand haben, aber auch keinen fetten Boden,
der bei jedem Regen ſchlüpfrig wird.
Ihre Breite iſt 25 Fuß. Die Länge muß im-
mer der beſtimmte Theil einer Deutſchen Meile (zu
24,000 rheiniſchen Fußen) ſein, niemals unter
100 Schritt (= 200 F.).
Der Stand (Lauferſtand — Anfang d. Bahn)
und das Ziel (Ende) müſſen immer durch feſte
und aus der Ferne ſichtbare Gegenſtände bezeichnet
ſein: durch Bäume, Pfähle, Säulen oder Stangen
mit Fahnen ꝛc.
b. Schlängelbahn (ſ. Platte 1, den Plan, V.).
Auf feſtem ruſigen Boden werden drei Kreiſe be-
ſchrieben, deren Mittelpunkte in einer graden Linie
liegen.
[8] liegen. Zu beiden Seiten des Umfanges wird der
Raſen 9 Zoll breit ausgeſtochen, ſo daß eine 18 Z.
breite Bahn entſteht. Jedem Kreiſe kann man
21 F. 4 Z. Durchmeſſer geben, dann hat die ganze
Bahn ziemlich genau 200 F. (= 100 Schritt). —
Zwei an einander liegende gleiche Kreiſe muß die
Schlängelbahn wenigſtens haben, weil man in
einem Kreiſe bei der Neigung des Leibes zur
Kreismitte nur entweder links oder rechts laufen
kann; in einer doppelkreiſigen oder mehrkreiſigen
Bahn aber nothwendig abwechſelnd ſchlängeln muß.
Laufhaltung:
Bruſt heraus! Oberleib vor, jedoch beim
Schnelllaufen mehr, als beim langſamen.
Schultern zurück!
Arme an! Oberarme nahe dem Leibe, Ellenbogen
hinten aus! nur die Unterarme dürfen
ſich bewegen.
Sole leicht auf! Niedertritt auf den Ballen,
nicht auf dem Plattfuß.
Mund zu! bei allen Turnübungen, beſonders
beim Lauf.
Lange Athemzüge! das Ein- und Ausathmen
muß ebenmäßig und ebenzeitig
ſein (Lauf ohne Schnauf!), und
mehr
[9] mehr durch die Naſe, als durch den
Mund geſchehen.
Vorſichtsregeln:
- 1. Ausdauer im Laufen ſuche man nicht mit einem
Male, ſondern nur allmälig zu erlangen; man übe
ſich oft, und immer etwas länger. - 2. Man übe ſich beſonders an kühlen, windſtillen
Tagen. - 3. Man laufe in der erſten Übezeit nur mit dem
Wind, nicht gegen den Wind. - 4. Bei ſtarker Erhitzung, oder kurzem Athemholen
höre man auf. - 5. Nach dem Laufen kühle man ſich durch Herumge-
hen ab, nie durch Stillſtehen; am wenigſten aber
durch Niederlegen auf den Boden. Iſt man ſehr
erhitzt, und das Wetter mehr kalt als kühl, ſo ziehe
man gleich einen Rock an.
Laufveränderungen.
- A. ſchnurrecht, ohne alle Krümmen: das Rennen.
- B. ſchlängelnd, in Bogen und Kreislinien: der
Schlängellauf. - C. zickzackend, in geraden Linien und Winkeln:
der Zickzacklauf.
Dieſe drei Laufveränderungen können nun
ausgeführt werden
1.
[10]
1. auf die Schnelle — der Schnellauf.
2. auf die Dauer — Dauerlauf.
Das Mal finden, als Übung des Augenmaßes,
muß beſonders geübt werden. Wie der Schütze die
Schußweite, muß der Läufer die Laufweite kennen, und
daraus abnehmen, ob er im Schnelllauf das Ziel errei-
chen kann, oder nur im Dauerlauf.
A. das Rennen.
(der ſchnurrechte Lauf)
1. das Schnellrennen (der ſchnurrechte Schnell-
lauf) wird in der Rennbahn geübt. Man kann
die Turner hier, wie bei allen Wettübungen, zu-
ſammenſtellen: nach dem Alter, nach der Größe,
nach der Fähigkeit. Weniger als 100 Schritt
(200 F.) und mehr als 200 Schritt (400 F.) darf
man zum Wettrennen auf die Schnelle nicht leicht
nehmen. Hat man in der Nähe des Turnplatzes
keine breite Ebene, wo man viele zugleich kann
laufen laſſen, und man will die Folge nach der
Lauffertigkeit beſtimmen, ſo muß man die kleinen
Riegen,*)von 6 — 8 Läufern in der Rennbahn,
nach der Uhr laufen laſſen.
2.
[11]
2. das Dauerrennen (der ſchnurrechte Dauerlauf)
wird ebenfalls in der Rennbahn geübt. Will
man wiſſen, wie lange und wie weit ein jeder
läuft, ſo geſchehen die Umläufe in geraden Linien,
von einem Male zum andern; und jeder muß die
Zahl der Umläufe, die er gemacht hat, behalten.
Die Riege iſt unbeſtimmt. Beim Wettrennen auf
die Dauer gebührt dem der Preis, der den weite-
ſten Raum, in der kürzeſten Zeit, mit der minde-
ſten Anſtrengung zurücklegt, und am Ziele uner-
ſchöpft bei guten Kräften anlangt.
B. der Schlängellauf.
1. das Schnellſchlängeln (der ſchnelle Schlängel-
lauf) wird in der Schlängelbahn geübt. Im
Schlängellauf können Arme und Hände durch
[Schweben] den Leib in der Wage halten. Die Rie-
genzahl iſt ſechs. Alle ſechs Läufer treten, jeder
aber 3 Schritt vom andern, in den erſten Bahn-
kreis, und laufen auf ein gegebenes Wort oder
Zeichen ab. Sie folgen nun ſo der Krümmung
der Bahn, daß ſie durch jeden Berührungspunkt,
auf den ſie ſtoßen, in den andern Kreis hinüber-
laufen. Wer ſeinen Vordermann erreichen kann,
giebt ihm einen Schlag mit der Hand, und der
Geſchlagene muß die Bahn verlaſſen; eben ſo, wer
über die Bahnränder hinausgeglitten iſt. Wer
zu-
[12] zuletzt übrig bleibt, iſt Sieger. — Zu merken iſt
noch, daß in dem erſten Kreiſe, von dem die Lauf-
riege anlief, noch nicht geſchlagen wird, ſondern
erſt vom Berührungspunkt des zweiten an; in mit-
ten des Laufes natürlich in allen dreien.
2. das Dauerſchlängeln (der Schlängellauf auf
die Dauer) wird in der Schlängelbahn geübt.
Dauerſchlängelt einer allein, ſo muß Zahl und
Zeit der Umläufe gezählt werden. Dauerſchlän-
gelt die ganze Riege, ſo müſſen alle gleichen Ab-
ſtand und Tritt halten, damit nicht durch unglei-
chen Lauf ein Einholen erfolgt, und der Lauf
ſtocket.
C. der Zickzacklauf.
Schnelle ſcharfe Wendungen im Laufe machen zu
können, iſt von großem Nutzen. Um Bäume oder Pfähle
läßt ſich dieſe Laufart üben. Es würde ſehr gut ſein,
wenn man eine eigne Zickzackbahn dazu ausgraben
könnte; doch iſt dies nicht leicht thunlich, weil ſich die
ſcharfen Kanten bald abſtoßen würden. — —
Der Schlangenlauf. Der Vorläufer oder Anläu-
fer läuft in der Rennbahn von einem Rande zum
andern, ſo daß er jeden Rand um einige Schritte
weiter berührt, als vorher. Jeder Folgende hat
weiter nichts zu thun, als genau ſeinem Vorder-
mann zu folgen.
Der
[13]
Der [Schneckenlauf] wird auf dem Spielplatze
geübt. Der Vorläufer beſchreibt genau eine Schne-
ckenlinie, in der Mitte windet er ſich mit einem
Haken um, und läuft durch den gelaſſenen Zwi-
ſchenraum zurück. Die Folgenden halten wieder
nur genau ihren Vordermann.
Beim Schlangen- oder Schneckenlauf läßt man die
Hände an die Hüften legen (Daum hinten! Finger vorn!),
damit ſie durch Herumſchwanken nicht hindern. — Die
Laufriege iſt je größer, je beſſer.
Der Kibitzlauf iſt eine Art Zickzacklauf. Man ſetzt
nämlich einen Fuß ſeitwärts nach vorn, den andern
Fuß hinter dieſen, und nun den erſten wieder ſeit-
wärts nach vorn. Nun ſetzt man den zweiten auf
der andern Seite nach vorn, den erſten hinter die-
ſen, und dann jenen wieder ſeitwärts nach vorn.
Dieſe Bewegung wird immer wiederholt, ſo daß
jedesmal drei Tritte ſchnell hinter einander nach
einer Seite folgen. Dieſer Lauf von mehrern, wel-
che ſich die Hände auf die Schultern gelegt haben,
in gleichem Zeitmaaße gemacht, nimmt ſich gut
aus. —
Der Rücklauf (das Rückwärts-Laufen) iſt mehr
ein ſchnelles Trippeln, und kann ohne Gefahr nur
auf dem Blachfelde geübt werden. —
Der Sturmlauf: das Hinanlaufen an ziemlich ſteile
An-
[14] Anhöhen, was mitunter aus Steigen, Laufen und
Klettern zuſammengeſetzt iſt; eine ſehr wichtige
Übung zur Stärkung der Schenkel, Kniee und Wa-
den, und zum Heben der Bruſt. — Am bequem-
ſten iſt hierzu eine ſandige Anhöhe von ziemlicher
Ausdehnung, ſo daß eine ganze Riege zugleich lau-
fen kann. Bei hartem Boden wird mehr Vorſicht
erfordert, und hier geht auch die Übung wegen der
wenigen Haltung, beſonders wenn die Anhöhe ſehr
ſteil iſt, zu ſehr ins Klettern über, und hat nicht
den Nutzen für die unteren Glieder. — Halden,
abhängige Seitenſteilen, und Rutſchwände im Ge-
ſande ermüden den Steiger mehr als Felſen, da
jeder Tritt, nicht ſchnell und glücklich ausgeführt,
ein Rückglitt wird. — —
So wie das Gehen, kann auch das Laufen
im Laſtlauf und Lediglauf geübt werden, ſo-
wohl als Ledig- und Laſtrennen, als Ledig-
und Laſtſchlängeln. u. ſ. w.
III.Spri-
[15]
III.Springen.
Springen heißt: vermöge eines Abſtoßes aus einem
oder beiden Füßen ſich in die Luft ſchnellen.
Vorrichtungen und Springzeug werden bei
den verſchiedenen Sprungarten einzeln beſchrieben.
Springvorübungen:
ſind alle darauf berechnet, die unteren Glieder zu
ſtärken und gelenkig zu machen, und eine gute
Haltung beim Springen, wie im Allgemeinen an-
zugewöhnen. — Dieſe, ſo wie die Schwingvorü-
bungen, welche frei — ohne Vorrichtung — ge-
macht werden, können nicht genug empfohlen wer-
den; ſie ſind nicht bloß vorbereitend für die genann-
ten Übungen, ſondern überhaupt von großem Nu-
tzen für die allgemeine Ausbildung des Leibes. Mit
ihnen muß jede Unterweiſung im Turnen anfangen;
in ihnen muß jeder Turner durchaus Fertigkeit und
Ausdauer erlangen.
Sie ſind um ſo ſchätzbarer, da ſie ohne alle
Vorrichtung, im engen Raum vorgenommen wer-
den
[16] den können, und eben ſo gut zu gleicher Zeit von
einer großen Anzahl im Freien.
Haltung:
Fuß an Fuß! Füße und Kniee müſſen immer, ſo
dicht als möglich geſchloſſen ſein.
- Leib gerade!
- Bauch ein!
- Bruſt heraus!
Hände an! an die Hüften flach angelegt, der
Daumen hinten, die 4 Finger geſchloſ-
ſen vorn.
Mund zu! Lipp’ auf Lippe!
1. der Zehenſtand — (Unter Zehen werden hier
immer Zehen und Ballen zuſammen verſtanden) —
Der Turner hebt die Abſätze von der Erde
und ſteht feſt auf den Zehen. Dies hat wenig
Schwierigkeit, wenn die Zehgelenke ſcharf gebo-
gen und die Kniee ganz ſteif ſind. Dies muß auf
die Dauer geübt werden.
2. der Zehengang: wobei die Kniee ſich niemals
biegen und die Fußgelenke ſich wohl ſtrecken müſ-
ſen, wirkt beſonders auf Waden- und Kniemuskeln,
vorwärts.
tück-
[17]rückwärts.
ſeitwärts.
a. mit nebenſetzen ohne Anſchläge der Ferſen,
Knöchel und Kniee. Die Füße dürfen nicht klip-
pen und klappen.
b. mit überſetzen: vorwärts und rückwärts.
3. das Hüpfen: die Aufſchnellung des Körpers von
der Erde aus dem Zehenſtand, wobei die Kniee in
der Luft ganz geſtreckt ſind.
a. mit Knieſteifen: der Körper wird bloß
durch die Fußgelenke, durch ſchnell auf einander
folgende Abſtöße von der Erde geſchnellt.
b. mit Kniebeugen (nachgebenden Knien)
die Kniee biegen ſich ein wenig, ſtrecken ſich aber
ſogleich, nachdem die Zehen die Erde verlaſſen
haben. Beim Niederſprung biegen ſie ſich eben-
falls nur wenig.
Beide Arten, a und b können geübt werden
1. an Ort und Stelle.
2. von Ort und Stelle.
vorwärts.
rückwärts.
ſeitwärts.
rechts und links.
4. das Anferſen: die Berührung des Geſäßes mit
Bden
[18] den Ferſen. Dies übt die Gelenkigkeit der Kniee
noch weit mehr als das Hüpfen mit Kniebeugen.
a. der Laufſchlag: Anferſen im Lauf. Nur vor-
wärts. Während der eine Fuß die Erde berührt,
ſchlägt der andre an das Geſäß; der rechte Fuß
an die rechte Geſäßbacke, der linke an die linke.
Das Laufen muß nur langſam ſein, die Auf-
ſchnellung von der Erde aber hoch und ſchnell
auf einander folgend.
b. der Scheinlauf: die vorige Übung, indem
der Turner an Ort und Stelle verbleibt.
c. der Wechſelſchlag: unterſcheidet ſich nur da-
durch vom Scheinlauf, daß während der eine
Fuß anferſet, der andre ſtandfeſt bleibt; die ganze
Bewegung alſo nicht im Sprunge, ſondern aus
dem Stande geſchieht.
d. der Doppelſchlag: das Anferſen mit beiden
geſchloſſenen Füßen zugleich, eine der wichtig-
ſten Vorübungen. Je höher und leichter die
Aufſchnellung, deſto ſchöner der Doppelſchlag.
1. An Ort und Stelle bleibend.
2. Von Ort und Stelle ſich bewegend;
aber nur wenig vorſchreitend, und mit guter
Haltung des Leibes.
Auf die Dauer geübt, kann man den Doppelſchlag
bis hundert Mal und darüber machen.
e. der
[19] e. der Hinkſchlag: das Anferſen mit dem Fuße,
auf dem man hinkt; die ſchwerſte Art des An-
ferſens. Zwanzig Hinkſchläge mit einem Fuß
hinter einander greifen ſchon an.
5. das Hocken: die zuſammengezogene Stellung des
Leibes, wobei ſich die Kniee der Bruſt nähern.
a. Sitzhocken geſchieht in einer aus dem Zehen-
ſtande gemachten Kniebeugung. Der Oberleib
iſt alſo ſenkrecht, die Oberſchenkel wagerecht und
das Geſäß nahe an den Ferſen.
- 1. An Ort und Stelle verbleibend.
- 2. Von Ort und Stelle.
- Die Fortbewegung
in obiger Stellung greift
wegen der ſtarken Bie-
gung der Kniee dieſe ſehr
an; befördert aber auch
beſonders ihre Gelenkig-
keit und Stärke. - Vorwärts.
Rückwärts.
b. Springhocken: das gleichzeitige Hinaufziehen
beider Kniee bis an die Bruſt, welches natürlich
im Sprunge geſchehen muß: aber nur an Ort
und Stelle bleibend. Auf die grade Haltung
des Oberleibes muß hier beſonders geachtet wer-
den. — Um die Hüften vorzubereiten, übt man
das Knieſchnellen oder Schlagen jedes ein-
zelnen Knies gegen die Bruſt, während der
B 2an-
[20] andre Fuß ſtillſteht. Beim Knieſchnellen ſchirmt
ſich der Turner mit der wagerechten platten Hand
das Kinn, damit nicht durch zu heftigen und zu
hohen Knieſchneller die Zähne klappen.
6. das Hinken: dient dazu, jedem Fuße gleiche Kraft
zu geben, gleiche Abſtoßfertigkeit und gleiche Nie-
derſprungsfähigkeit.
a. links — auf dem linken Hinkfuß.
1. Hangfuß hinten.
2. Hangfuß vorn.
b. rechts — auf dem rechten Hinkfuß.
1. Hangfuß hinten.
2. Hangfuß vorn.
Vorwärts: iſt das leichtere,
Seitwärts und Rückwärts nur für Geübtere,
und auch nur auf dem Blachfelde; auf dem
Wirrfelde iſt’s gefährlich.
Üben kann man zugleich beim Hinken
den Fußfang, das ſchnelle Fangen des Hinkfußes,
in dem Augenblick, da er von der Erde ent-
fernt iſt.
Hieher gehört ferner
der Hinkſprung — nur vorwärts —
1. hinüber: über eine Weite.
über eine Höhe.
2. hin-
[21] 2. hinauf: auf eine Anhöhe, Treppe und dgl.
3. hinunter: mit großer Vorſicht;
der Durchhink: durch den Bogen, welcher entſteht,
wenn man mit der einen Hand die Spitze des
entgegengeſetzten Fußes faßt. — Den Durch-
hink kann man erſt durch einen längern, dann
kürzern Reifen u. ſ. w. verſuchen;
der Hinkkampf: das Gegeneinanderhinken mit ver-
ſchränkten unter der Bruſt feſtliegenden Armen.
Wer abſetzt, hat verloten. Zu üben
1. im Zweikampf (Einer gegen Einen).
2. im Dreikampf (Zwei gegen Einen).
Beim Hinkkampf werden immer zwei Gänge ge-
macht: links gegen links, und rechts gegen rechts.
7. Das Strecken (S. Übg. XIV.) kann nur als Si-
cherungsmittel gegen den Fall oder verunglückten
Sprung, mit zu den Vorübungen gerechnet
werden. —
8. Aus den beſchriebenen Vorübungen entſtehen noch
folgende wichtige und ſchwere Zuſammenſe-
tzungen:
1. das Hüpfen aus dem Sitzhocken.
2. der Doppelſchlag aus dem Sitzhocken.
3. das Springhocken aus dem Sitzhocken.
Von
[22]
Von den Sprüngen im Allgemeinen.
Jeder Sprung hat einen Aufſprung und Nie-
derſprung, als Anfang und Ende. Beide müſſen nur
auf Zehen und Ballen ausgeführt werden, nie mit dem
ganzen Plattfuß.
Beim Niederſprung, der immer mit geſchloſſe-
nen Füßen geſchieht, darf der Leib vom Scheitel bis zur
Sole nie eine ſenkrechte Linie bilden, ſondern muß den
Stoß durch die Brechung der Linie mildern, durch Bie-
gung der Fuß-, Knie- und Hüftgelenke, und ein geringes
Vorneigen des Oberleibes. —
Jeder Sprung kann geſchehen:
1. Von der Stelle (Standſprung).
2. mit Vorſprung.
3. mit Anlauf (Anlaufſprung).
Bei den beiden erſten Arten geſchieht der Aufſprung
immer mit geſchloſſenen Füßen.
1. Beim Springen von der Stelle macht man
auf dem Aufſprungsort bloß eine ſchnelle Kniebeu-
gung, und ſchnellt ſich, ohne in dieſer zu verwei-
len, mit angezogenen Füßen fort.
2. Beim Springen mit Vorſprung ſtellt man ſich
einen Schritt von dem Aufſprungsort, ſpringt auf
dieſen dann mit geſchloſſenen Füßen, und verfährt
wie vorher. —
Bei dieſen beiden Arten des Sprunges kann man
im
[23] im Anfange auch die Hände an die Hüfte legen, wie
bei den Vorübungen, um den Körper deſto beſſer in
ſeine Gewalt zu bekommen, und durch das Heraufreißen
der Arme nicht zu unregelmäßigen Bewegungen verführt
zu werden. —
3. Bei dem Springen mit Anlauf wird folgender-
maaßen verfahren. Man nimmt einen Anlauf
von 12 bis 15 Schritten. Dieſer muß leicht, und
weder ſehr raſch noch heftig ausgeführt werden.
Er ſoll bloß die Schnellkraft der Füße rege ma-
chen, und dem ganzen Körper einen ſtarken Schwung
geben. Das Ende des Anlaufs macht das augen-
blickliche Aufſetzen eines Fußes in die Stelle des
Aufſprungs, der andre Fuß wird nun im Nu vor-
an geworfen; der erſte ſtoßt ab und ſchließt ſich
ſo ſchnell als möglich an den voran geworfenen
an, ſo daß beide Füße noch vor der Mitte des
Sprunges geſchloſſen ſind. —
Es erfordert viel Übung, den Aufſprungsort
immer ſicher abzuſchätzen und mit dem Fuße richtig
zu finden. Man muß ſich durchaus gewöhnen,
beide Füße zum Abſtoßen gebrauchen zu lernen;
und fällt einem dies ſehr ſchwer, ſo kann man ſich
im Anfang eines Galoppanlaufes bedienen. Aus
dem Mangel der gleichen Abſtoßfertigkeit beider
Füße entſteht das lächerliche Bahlaufen, wo
man
[24] man plötzlich an dem Abſprungsorte ſtutzt, nicht
von der Stelle kann, und den Anlauf wiederho-
len muß. —
Wenn der Sprung die größte Höhe erreicht
hat, muß der Oberleib faſt ſenkrecht ſein, ſich aber
gegen Ende des Sprunges wieder etwas mehr ſen-
ken. Die Füße kann man im Sprunge ganz an-
gezogen, oder vorwärts geſtreckt halten; die letztere
Art iſt ſchwerer, fallt aber weit beſſer ins Auge. —
Als eigne beſondere Arten des Springens werden hier
angeführt:
1. der Heuſchreckenſprung: die Füße ſind eng ge-
ſchloſſen, und die Aufgabe iſt, einen beſtimmten
Raum mit der mindeſten Anzahl von Sprüngen
(mit beiden geſchloſſenen Beinen zugleich) zu durch-
meſſen; aber auch die Sprünge ſchnell auf einan-
der folgen zu laſſen, iſt ſchwer.
Die Übung iſt ſchwierig wegen der Haltung des
Gleichgewichtes.
2. der Springlauf: mit ungeſchloſſenen, ſpreizenden
Beinen und Füßen. Wenn die Sprünge auch noch
ſo klein gemacht werden, iſt der Springlauf doch
dadurch weſentlich vom Laufen unterſchieden, daß
der Leib immer vollkommen ſenkrecht, beinah rück-
wärts geneigt iſt, und die Beine ſich in den Knieen
beim Niedertritt nur wenig biegen, und ſonſt im-
mer
[25] mer geſtreckt mit geſenkten Fußſpitzen vorangewor-
fen werden. Der Körper muß jedesmal wie eine
Feder vom Erdboden geſchnellt werden. Keine an-
dre Übung macht wohl die Schnellkraft der unte-
ren Glieder reger, als eben dieſe. Bei dieſem
Springlauf kann man leicht mit jedem Sprunge
eine bedeutende Weite erreichen. Übt man ihn aber
in Rückſicht auf Schnelligkeit, ſo giebt er dem Leibe
einen faſt unaufhaltbaren Schwung. Er erfordert
aber feſten und ſehr ebnen Boden; Anſtand und
Schick, Schnelle und Dauer ſind dabei Hauptau-
genmerke. — —
Das Springen theilt ſich nach den Gliedern,
welche dabei in Anwendung kommen, in den Frei-
ſprung und den gemiſchten Sprung.
Der Freiſprung wird durch das bloße Abſchnel-
len der untern Glieder von dem Erdboden vollführt;
beim gemichſten Sprunge werden die Hände und
Arme zur Hülfe mit angewendet. Zu letzterm gehört
das Stabſpringen und das Schwingen, welches
letztere wegen ſeiner großen Ausdehnung und Mannigfal-
tigkeit als eigne Übung aufgeführt worden iſt.
A. das Freiſpringen.
Der Freiſprung kann geſchehen:
1. in die Weite — Weitenſprung.
2. in
[26]
2. in die Höhe — Höhenſprung.
3. in die Tiefe — Tiefenſprung.
1. Der Weitenſprung.
Vorrichtung: ein Graben (Springgraben) (ſ.
Platte 1. den Plan: VII, a und b), deſſen Borde
oder Ränder an einem Ende ſehr nahe ſind, am
andern weit aus einander laufen, Auf jeden Fuß
der Länge darf die Breite nicht über 4 Z. zuneh-
men. Man hat gern die Graben von 4 F. —
16 F. Weite, dann muß er aber 36 F. lang ſein.
1 F Tiefe iſt hinlänglich. Der Abſprungsbord muß
feſt, die Niederſprungsſeite weich und, wenn dies
nicht, wenigſtens flach abgearbeitet ſein.
Sprungveränderungen.
a. vorwärts (Vorwärtsſprung).
b. ſeitwärts (Seitwärtsſprung).
rechts.
links.
c. ſchräge (Schrägſprung), wobei der Anlauf aber
rechts. grade geſchieht.
links.
d. drehend (Drehſprung), wobei der Springer ſich
rechts. ganz um ſeine Achſe dreht; was
links. erſt auf der Stelle (als Stand-
ſprung) geübt werden muß.
e. rückwärts (Rückſprung).
Alle
[27]
Alle dieſe Sprünge können vom Stande, mit
Vorſprung und mit Anlauf vollführt werden;
rückwärts aber allein von der Stelle. Bei
allen, die ohne Anlauf gemacht werden, können die
Hände auch an die Hüften angelegt werden.
Das beſte Maaß bei der Sprungweite
iſt die eigne Leibeslänge des Springers. Zwei Lei-
beslängen lernt faſt ein jeder ſpringen, 2½ Leibes-
längen ſind ſchon ein guter Sprung, und drei ein
außerordentlicher.
Zur Übung wird der Weitenſprung am beſten
um die Wette gemacht.
2. Der Höhenſprung.
Springzeug: Springel (der): beſteht aus zweien mit
durchgebohrten Löchern verſehenen Pfählen, durch
die hölzerne Pflocke oder eiſerne Bolzen
geſteckt werden, über welche man durch Sand-
beutel ſtraff gezogene Schnüre legt, die bei der
leichteſten Berührung abfallen. Die Schnüre müſ-
ſen wo möglich roth ſein, und ſchon im Stoff ge-
färbt. Die Lochpfähle ſind 6 F. hoch und ſte-
hen 8 F. aus einander. Die Löcher fangen 1 F.
2 Z. über der Erde an, und ſind 2 Z. von Mittel zu
Mittel entfernt.
Die Bahn zum Anlauf muß hier, wie bei allen
Arten des Sprunges, feſt und eben ſein. Am be-
ſten
[28] ſten iſt es, wenn ſie ſich ein wenig neigt, und kurz
vor dem Auſſprungsort wieder etwas hebt.
Die Sprungveränderungen: ſind wie beim Wei-
tenſprung. Das beſte Maaß iſt auch hier die
eigne Leibeshöhe. Die vorzüglichſten Sprung-
höhen ſind:
Knöchelhoch,
Wadenhoch,
Kniehoch,
Schenkelhoch, zwiſchen Knie und Hüfte;
Hüfthoch,
Nabelhoch,
- Herzhoch,
- Bruſthoch, bis zur Bruſthöhle oder Herz-
grube;
- Halshoch, bis zur Halsgrube;
- Schulterhoch,
Kinnhoch,
Mundhoch,
Naſenhoch,
Augenhoch,
Stirnhoch, bis zum Anfang der Haare;
Scheitelhoch. — —
Bruſthoch lernen bei einiger Übung die meiſten
Menſchen ſpringen; ſcheitelhoch nur ſehr we-
nige.
Der
[29]
Der Sprung in die Weite und Höhe:
iſt aus den beiden abgehandelten Arten zuſammen-
geſetzt. Man kann ihn an einem gewöhnlichen
Springel üben; beſſer iſt es aber, wenn man einen
Springel mit Füßen hat, den man in den Spring-
graben ſetzen kann; denn hierdurch kann man im-
mer beſſer die Weite des Abſprungsortes von der
Schnur beſtimmen.
3. Der Tiefenſprung.
Vorrichtung: Ein beinah ſenkrecht abgeſtochner Hü-
gel, oder in deſſen Ermangelung: ein Gerüſt von
3 — 10 F. Höhe. Eine 24 — 36 Fuß lange Bohle,
die ohne zurückſchnellende Prellweiche wohlbefeſtigt
auf etwa 4 — 6 Ständern ruht, von denen der
niedrigſte 3 F., der höchſte 10 F. hoch, iſt hinrei-
chend. Der Niederſprungsort muß weicher Boden
ſein. — —
Jeder Tiefenſprung geſchieht nur von der
Stelle, nicht mit Anlauf; ein richtiger Nieder-
ſprung iſt dabei die Hauptſache. Er muß ſehr auf
die Zehen und mit nachgebenden Knieen geſchehen,
jedoch müſſen bei Berührung der Erde die Kniee
noch wenig gebogen ſein, damit ſie nicht zu raſch
nachgeben, und dadurch, wenn der Oberleib ſtark
vorfällt, wohl gar gegen das Kinn ſtoßen.
In die Tiefe und Weite darf man nur mit großer
Vor-
[30] Vorſicht und von geringen Hoͤhen ſpringen; ein
Bach oder Graben mit ungleichen Ufern iſt dazu
ſehr paſſend.
Zur Übung darf man die Sprungtiefe von
2 Leibeshöhen nicht überſchreiten.
B. Das Stabſpringen.
Springzeug: Springel (der) (ſ. Platte 1, Zeich. A),
wie beim Freiſprung, nur müſſen die Lochpfähle
10 F. hoch ſein und eben ſo viel von einander
abſtehen. Die Löcher ſind 3 Z. aus einander und
fangen 2 F. 3 Z. über der Erde an. An der aus-
wendigen Seite jedes Lochpfahles muß in einer
Höhe von 2 F. ein Tritt (Knagge) angebracht
werden, zum bequemern Höherſtecken (Lochen) der
Bolzen.
Springgeräth: Springſtäbe: junge getrocknete und
geſchälte Kienſtämme von 7 — 11 F. Länge und
verhältnißmäßiger Stärke, ſo daß jeder ſeinen Sprin-
ger mit Sicherheit trägt. Das untere (dicke) Ende
wird etwas zugeſpitzt, damit es deſto feſter im Bo-
den haftet.
Die Bahn iſt wie beim Freiſprung nur muß
etwa 1½ F. vor der Schnur eine kleine Grube zur
Einſetzung des Stabes gemacht ſein, oder wenig-
ſtens der Erdboden aufgelockert werden.
Stab-
[31]
Stabhaltung: die eine Hand faßt den Stab oben,
den Daumen nach oben, die andre den Stab nach
dem dicken untern Ende zu, den Daumen nach un-
ten. Es läßt ſich auf dieſe Art immer geſchickter
ſpringen, als wenn der Daumen der untern Hand
nach oben ſteht. —
Hauptaugenmerke ſind: der Fuß, der an der Seite
der unteren Hand iſt, muß jedesmal den Abſtoß
geben; wenn alſo die linke Hand unten iſt, der
linke Fuß. Das Aufſetzen des Fußes geſchieht im-
mer ein Paar Fuß hinter dem Staabe, — je nach-
dem der Sprung hoch iſt —, aber immer zu glei-
cher Zeit mit demſelben. Die Beine gehen an der
entgegengeſetzten Seite des abſtoßenden Fußes, alſo
wenn dieſes der linke war, rechts an dem Stabe
in die Höhe, und ſchwingen ſich geſchloſſen ſo hoch
als möglich voran, der untere Arm ſtreckt ſich, die
Bruſt kommt nahe an den Stab, und der Körper
dreht ſich ſo herum, daß man beim Niederſprung
nach dem Anlaufe hinſieht.
Um die Schwingung der Füße und die Hal-
tung des Gleichgewichts zu lernen, muß der Tur-
ner erſt den Stab in den Graben ſetzen und von
der Stelle ſpringen; und dann erſt ganz kurze An-
läufe nehmen, um das richtige Einſetzen des Fußes
zu lernen. Der Stab muß immer gerade in der
Rich-
[32] Richtung des Sprunges eingeſetzt werden, und ſich
dann in einer ſenkrechten Ebene bewegen. — Das
Rechts- und Linksſpringen iſt auch hier bald zu ler-
nen; wenn das richtige Einſetzen des Fußes einige
Schwierigkeit macht, ſo kann man ſich auch hier im
Anfange des Galoppanlaufs bedienen. Eine Haupt-
ſache iſt, daß der Stab beim Anlauf in die Rich-
tung des Sprunges und wagerecht gehalten wird;
das ſchiefe geſenkte Halten und nachherige Seit-
wärtsreißen beim Einſetzen hemmt den Schwung
und bringt aus dem Gleichgewicht.
Sprungveränderungen:
1. In die Weite: über den Springgraben.
a. von der Stelle, für Anfänger.
b. mit Anlauf. Das ſtarke Vorauswerfen
und Strecken des ganzen Leibes iſt hier
durchaus nothwendig, um einige Weite
zu erlangen.
2. in die Höhe: über die Springſchnur; iſt die
ſchwerſte Art.
a. mit Zurücklaß des Stabes; die gewöhn-
lichſte.
b. mit Hinübernahme des Stabes; erfordert
viele Übung.
Die Höhe des ausgeſtreckten Armes bis zu den
Fingerſpitzen giebt hier das Maaß eines guten
Sprun-
[33] Sprunges. Die ganze Drehung des Springers um
ſeine Achſe iſt beim Höhenſprung ein ſchweres
Stück.
Der Stabſprung in die Weite und Höhe muß
auch im Springgraben geübt werden. Die Höhe
kann man durch die vorgehaltene Schnur beurthei-
len, doch wird dieſe immer durch den Stab weg-
geriſſen werden.
3. In die Tiefe: bloß vom Stande. Die Hände
faſſen den Stab ſo tief als möglich, und können
im Sprunge ſelbſt noch tiefer gleiten, um einen
ſanfteren Niederſprung zu bewirken. Die Drehung
des Körpers iſt hierbei unnütz.
In die Tiefe und Weite: ein ſehr gewaltſamer
Sprung, darf daher nie von großer Höhe geſche-
hen. Die Drehung muß hier wieder Statt finden. —
Eine leichte und bequeme Art des Stabſprunges
iſt die mit zweien Stäben, zwiſchen denen man
durchſpringt. Sie iſt als Turnübung eigentlich zu leicht,
und verdient nur in folgender Art geübt zu werden, wo
ſie beſonders heilſam für das Kreuz iſt. Man ſetzt beide
Stäbe in die Mitte eines 3 — 4 F. tiefen Grabens, faßt
ſie in der Schulter- oder Scheitelhöhe, ſchwingt ſich zwi-
ſchen beiden hindurch, macht bei Berührung des jenſei-
tigen Ufers bloß eine Kniebeugung und ſchnellt ſich ſo-
gleich wieder rückwärts. Dieſe Bewegung, öfter fort-
Cgeſetzt,
[34] geſetzt, iſt, beſonders wenn der Graben 8 F. 10 Z. und
mehr breit iſt, ſehr angreifend.
Alle Sprünge können, wie die Gänge und Läufe,
Ledigſprünge und Laſtſprünge ſein, wobei
aber, wie dort, Arme und Hände ſtets laſtfrei ſein
müſſen.
IV. Schwin-
[35]
IV. Schwingen.
Das Schwingen gehört zum gemiſchten Sprunge,
indem der Schwung, den der Körper durch einen Ab-
ſtoß der Füße erhält, durch das Aufſetzen der Hände
unterſtützt wird. Der Gegenſtand, auf den die Hände
aufgeſetzt werden, muß immer feſt ſein. Man geht nun
aber weiter, und rechnet nicht nur alle Sprünge, die
den Turner mit Aufſetzung der Hände auf die zu die-
ſer Übung beſtimmte Vorrichtung, oder über ſie hinweg
bringen, zum Schwingen; ſondern auch alle Verände-
rungen, die der Turner auf derſelben vornimmt.
Das Schwingen, eine der vorzüglichſten Leibes-
übungen, wirkt faſt auf alle Theile des Leibes gleich
heilſam; ſtärkt beſonders Arme und Beine, Bauch- und
Rückenmuskeln, befördert ſehr die Gelenkigkeit, und bil-
det außerordentlich den körperlichen Anſtand.
Da das Schwingen ſo wichtig, und ſo ſehr als
Kunſt ausgebildet iſt, ſo verdient es, daß man ihm, ſo
wie dem Fechten, eigne Stunden in Schwingſälen widmet.
Hiezu eignet ſich beſonders der Winter, wo wegen der
C 2Wit-
[36] Witterung ohne dies die Übungen im Freien meiſt aus-
geſetzt werden müſſen, bis es Turnhäuſer giebt.
Schwingzeug: Schwingel (der), eine dem Pferde
ähnliche Vorrichtung, die, wenn man ſie polſtert,
mit Pferdehaut überzieht und ihr noch mehr das
Pferdeanſehen giebt, auch Schwingpferd genannt
wird. *) — Der Schwingel (ſ. Platte 1, Zeichn.
D.) iſt für Turner von 15 Jahren und dar-
über 6 F. lang und etwa 18 Z. dick, oben in ge-
rader Linie abgearbeitet, gegen den Kopf zu etwas
an Stärke abnehmend, jedoch hier, wie am Hin-
tertheile überall rund.
Gut iſt es, wenn der ſenkrechte Durchmeſſer etwas hö-
her als der wagerechte iſt. Das Kreuz hat 2 F. Länge, der
Sattel mit Pauſchen (die Sattelbogen, als Handgriffe)
1 F. 8 Z., und der Hals 2 F. 4 Z.. Die Pauſchen ſind
3½ Z., höchſtens 4 Z. hoch, und 2½ — 3 Z. dick; ſie müſſen
oben rund und nach unten etwas an Stärke abnehmend
ſein, ſo daß man ſie feſt halten kann; auch dürfen ſie
an keiner Seite überſtehen, ſondern müſſen dünn aus-
laufen. Sie werden, von gutem Holze gemacht, in den
Schwingel etwas eingelaſſen und mit großen Nägeln
befeſtigt. Die Beine werden etwa 1 F. vom hinteren, und
20
[37] 20 Z. vom vorderen Ende tief eingeſtämmt, und beſon-
ders nach vorn ſchräg geſtellt. Sie dürfen höchſtens 4 Z.
über die Seiten des Schwingels überſtehen und wenn
man ſie 6 — 8 F. in die Erde ſetzt, was auf dem Turn-
platz immer geſchehen muß, ſo können ſie noch enger ſein.
Bei einem Schwingpferde (ſ. Platte 1, Zeichn.
E.) läßt man das Kreuz vom Sattel nach dem
Schwanze zu 1 Z. aufſteigen, den Hals vom Sattel an
nach dem Kopfe zu ſoviel, als die Höhe der Pauſchen
beträgt (2 — 4 Z.). In der Dicke läßt man das Pferd
am Kreuz bis 20 Z. zunehmen, am Kopfe bis 12 Z., höch-
ſtens 10 Z. abnehmen. Das Polſtern geſchieht ſo: der
ganze Block wird mit Leinwand überzogen; auf dieſe
werden Haare genäht, am beſteu Pferdhaare; darüber
kommt wieder Leinwand, und über dieſe die gegerbte
Pferdehaut, ohne Haare — denn mit dieſen wird ſie nie
weich genug —. Das ganze Polſter wird ½ — ¾ Z.
ſtark. Auf dieſes werden nun die Holzpauſchen (Pltte 1,
Zeichn. F.) 5/4 Z. ſtark, 3 Z. hoch, jede mit 3: 8 — 9 Z.
langen und ⅜ Z. ſtarken Schrauben befeſtigt. Auf die
Pauſchen wird eine ½ — ¾ Z. ſtarke ausgeſtopfte leinene
Wulſt gelegt; die Seitenwände der Pauſchen werden
nun ebenfalls mit Haaren belegt und das Ganze mit
Leinwand überzogen, ſo daß die oben beſchriebene Ge-
ſtalt herauskömmt. Das Leder, welches man zum Über-
ziehen der Pauſchen nimmt, muß weich und dauerhaft ſein.
Da
[38]
Da das Schwingpferd zum Hoch- und Niedrig-
ſtellen ſein muß, ſo beſtehen die Beine aus Röhren und
Schiebern (Platte 1, Zeichn. G.). Jede Röhre iſt aus
vier 5/4 zolligen Brettern zuſammengeſetzt; die Kanten
müſſen ſorgfältig abgenommen werden, ſo daß das Ganz-
eine runde Geſtalt bekommt. Die Röhren müſſen 6 —
8 Z. in den Block gehen und feſt eingekeilt werden, un-
ten hält ſie ein eiſerner Ring zuſammen. Die Schieber
haben 2 Z. im Gevierte und müſſen genau paſſen. In
dieſe werden 6 — 7, ½ zollige Löcher gebohrt, die 2 Z.
über der Erde anfangen, und immer 2 Z. aus einander
ſind. Die Bolzen, welche man durch dieſe von aus-
wendig nach inwendig ſteckt, erhalten einen Knopf, der
das Durchgleiten verhindert. Kann man es daran wen-
den, die Schieber von Eiſen ſchmieden zu laſſen, ſo iſt
dies bei weitem beſſer; ſie brauchen dann nur 1 ½ —
1 ¾ Z. im Geviert zu haben.
Dem Schwingel eine ganz pferdähnliche Geſtalt zu
geben, iſt nur erlaubt, wenn dadurch nicht ſeiner Brauch-
barkeit geſchadet wird.
Die vorher angegebenen Maaße muß der Schwin-
gel haben, nachdem er gepolſtert iſt. Alle Ecken, Kan-
ten, hervorſtehende Nägel, Schnallen und Näthe müſ-
ſen auf das ſorgfältigſte vermieden werden.
Das Sattelkiſſen (Platte 1, Zeichn, E, a), wel-
ches auch jeder Schwingel mit Pauſchen bekommt, iſt ½ Z.
dick
[39] dick, und geht beinahe bis unter den Bauch, wo es um-
geſchnallt wird. —
Wenn das Schwingpferd auf dem niedrigſten
Stande 3 F. 8 Z. Höhe hat, ſo können ſich ſchon 11 — 12
jährige Knaben daran üben, und auch Erwachſenere.
Soll ein Schwingel bloß für 8 — 12 jährige Kna-
ben ſein, ſo kann man ihm nach den im Anſchlage
(Abſchn. 2, II.) angegebenen Verhältniſſen verkleinern.
Die paſſendſte Schwinghöhe für einen Jeden iſt:
etwas geringer als ſeine eigne Schulterhöhe.
Zuſtände des Schwingens:
- a. der Stand.
- b. der Lauf.
- c. der Sprung.
- d. der Stütz.
- e. der Sitz. *)
- f. der Schluß.
- g. die Schwebe.
- h. der Hub.
- i. der Schwung.
*) Der Sitz ſoll beim reinen Schwingen eigentlich
nicht vorkommen, und kann nur Anfängern bei weni-
gen Sprüngen erlaubt werden.
- 1. Hüpfen.
- 2. Hocken.
- 3. Grätſchen.
- 4. Spreizen.
- 5. Kreuzen.
- 6. Hurten.
- 7. Heben.
- 8. Wippen.
- 9. Hockwippen.
- 10. Handeln.
Die fünf erſten Vorübungen können ſowohl frei,
als am Schwingel geübt werden; die fünf letzten
bloß am Schwingel. —
Von
[40]
Von der freien Übung:
1 u. 2. Die zwei erſten ſind Springvorübungen; und
Fertigkeit in ihnen wird bei jedem Schwingluſtigen
vorausgeſetzt. — Unter Hüpfen wird hier bloß
das mit nachgebenden Knieen (Kniebeugen), und
unter Hocken das Springhocken verſtan-
den. —
Die eigentlichen Schwingvorübungen, ſo frei
geübt werden, haben beſonders zur Abſicht, die
Biegſamkeit der Hüftgelenke zu befördern.
3. Grätſchen (das) heißt die Bewegung beider Schen-
kel zu gleicher Zeit nach beiden Seiten. — Zuerſt
ſtellt man ſich an einen Stuhl oder anderen feſten
Gegenſtand, wo man die Hände auflegt, um das
Ausgleiten zu vermeiden, und läßt nun die Beine
langſam aus einander; die Füße werden dabei ein-
wärts gehalten, die Kniee geſtreckt, und die Soh-
len auf die Erde gedrückt. Dieſe Übung darf nie
gewaltſam getrieben werden, man muß ſie aber oft
wiederholen.
Hat man hierin Fertigkeit erlangt, ſo geſchieht
die Übung im Sprunge, d. h. man hüpft — die
Hände an die Hüften gelegt — in die Höhe, grätſcht
in der Luft, und kommt mit geſchloſſenen Beinen
wieder zur Erde, ſpringt ſogleich wieder auf u. ſ. w.
4. Spreizen (das) heißt die Bewegung eines Schenkels
im
[41] im Hüftgelenk, nach allen Seiten, während das andre
Bein auf der Erde ſtehen bleibt. Bei allem Sprei-
zen als Vorübung müſſen bei vollkommener Stre-
ckung der Kniee die Fußſpitzen angezogen (gegen
den Leib), und die Füße einwärts (d. h. gleichlau-
fend) gehalten werden, um die Spannkraft der
Sehnen in den Hüft- und Kniegelenken deſto mehr
zu befördern. —
a. vorwärts: mit einem Bein nach dem an-
dern. Das Knie des Stehbeines iſt hier immer
ſehr geneigt, ſich zu biegen, ſo wie die Fußſpitze
des Spreizbeines ſich zu ſtrecken.
b. ſeitwärts: die ſchwerſte, aber auch wich-
tigſte Art. Die Beine dürfen hier nicht im min-
deſten nach vorn oder hinten abweichen, und
der Oberleib ſich nicht nach dem Beine drehen
und ſchwanken; die Beine müſſen wenigſtens
einen rechten Winkel mit einander bilden.
c. rückwärts: die kleinſte Bewegung, wobei
das Kreuz ſehr nachgeben muß. Hier muß man
ſich nicht durch Vorneigen des Oberleibes, oder
Krümmen der Kniee helfen wollen.
Es giebt nun noch eine zuſammengeſetzte Spreiz-
art, nämlich nach vorn im Bogen: von inwen-
dig nach auswendig, oder umgekehrt. Man übt dies
über einen Gegenſtand, z. B. einen Stuhl, ſo wie
man
[42] man Beinkleider verſucht, ob ſie gehörigen Schritt
haben. Der Oberleib darf der Bewegung des Beines
nicht folgen, und das andre Bein muß feſt ſtehen.
Dieſes Spreizen kommt beim Schwingen häufig vor.
5. Kreuzen (das) iſt ein Grätſchen im Sprunge, wo-
bei beim Niederſprunge die Füße immer abwech-
ſelnd gekreuzt werden. Je mehr man grätſcht, kreuzt
und das Gleichgewicht hält; deſto beſſer iſt die Aus-
führung.
Vorübungen am Schwingel.
Bei den fünf erſten Vorübungen gelten folgende
allgemeine Beſtimmungen.
a. Der Turner tritt mit gerader Haltung und geſchloſ-
ſenen Füßen ſo dicht wie möglich an den Schwin-
gel, aber ohne ihn zu berühren; die Hände faſſen
die Mitte der Pauſchen, die Ellenbogen ſind nach
oben gerichtet.
b. Aus dieſer Stellung wird der Körper vermittelſt eines
Abſtoßes der Füße, mit Hülfe der Hände, ſo weit
ſenkrecht in die Höhe geſchnellt, bis die Arme ge-
ſtreckt ſind.
c. Hat der Körper dieſe Höhe erreicht, ſo ſinkt er ſo-
gleich wieder ſenkrecht zur Erde, berührt dieſelbe
nur einen Augenblick, und fährt ſo in der Bewe-
gung fort. Gewöhnliche Fehler hiebei ſind: das
Vorfallen des Oberleibes und Zurückwerfen der
Bei-
[43] Beine, die Nichtſtreckung der Arme, oder das Zie-
hen an den Pauſchen, wobei die Ellenbogen ſinken,
ſtatt des bloßen Druckes nach unten. —
Beim Hocken allein iſt es nicht möglich, den Oberleib
ganz ſenkrecht zu halten; nur muß man mit den
Knieen nicht an den Schwingel ſtoßen, und dieſe
recht über den Sattel bringen.
Beim Spreizen, welches hier bloß ſeitwärts und immer
wechſelbeinig geſchieht, muß man ſehr darauf ſehen,
daß das jedesmalige Hangbein recht ſenkrecht bleibt,
und nicht mitſpreizt.
6. Hurten (das). Man hüpft in die Höhe, läßt, ſo-
bald die Arme geſtreckt ſind, die Beine gegen den
Schwingel fallen, und bleibt im Stütz.
Aus dieſer Haltung werden nun die Beine, ohne
Krümmung der Kniee, bloß durch einen Ruck aus
dem Kreuze, beide gleichzeitig etwa eine Spanne
vom Schwingel abgeſtoßen oder abgeworfen; und
dieſe Bewegung öfter wiederholt.
7. Heben (das). Der Turner hüpft in den Stütz, wie
vorher, und ſitzt auf, wenn auch noch nicht kunſt-
und ſchwinggerecht. Er ſetzt nun beide Hände ſo
auf die erſte (vordere) Pauſche, daß der Daumen
nach vorn, die 4 Finger der Hand nach hinten ſte-
hen, die Ellenbogen ſich einander möglichſt nähern
und ganz geſtreckt ſind. Er läßt nun die Füße
vom
[44] vom Sattel los und iſt ſo, weit grätſchend, mit
geſtreckten Beinen, in der Schwebe. Aus dieſer
Haltung hebt er nun den Leib, durch Einziehen
des Unterleibes, ſo hoch als möglich, läßt ſich dann
wieder hinunter, biegt die Ellenbogen und ſenkt ſich
ſo tief, daß er beinah mit den Oberſchenkeln den
Sattel berührt; hebt ſich wieder und macht dieſe
Bewegung mehrere Male hinter einander, immer
ganz langſam ohne den mindeſten Schwung.
8. Wippen (das). Der Turner iſt in der Schwebe,
wie vorher, wobei immer die Hände ſo nah zuſam-
men ſtehen müſſen, daß ſie ſich beinah berühren.
Er bringt nun die Beine in Schwung, und wirft
ſie gleichmäßig nach hinten, wobei das Kreuz,
und nach vorn, wobei der Leib eingezogen wird.
Je höher und ebenmäßiger die Schwingungen, deſto
beſſer das Wippen. Ein Geübter ſchlägt hinten
und vorn mit den Füßen zuſammen, wobei die
Beine aber immer geſtreckt bleiben müſſen.
9. Hockwippen (das). Der Turner iſt auf der hin-
teren Pauſche in der Schwebe, zieht die Beine mit
einem Ruck an und ſetzt ſie beide vor ſich in den
Sattel; läßt ſie wieder in die Schwebe ſinken, und
ſetzt ſie hinter die Hände auf’s Kreuz. u. ſ. w. Die
Sohlen müſſen feſt aufgeſetzt, und die Füße ge-
ſchloſſen werden. Wer dieſe Übung von und auf
der
[45] der Pauſche kann, macht ſie vom Kreuze aus,
wobei die Hände dicht hinter die Pauſche geſetzt
werden.
10. Handeln (das) heißt in der Turnſprache immer,
ſich im Stütz oder in der Schwebe in aufrechter
Stellung des Oberleibes auf den Händen weiter
bewegen. Der Turner ſtellt ſich hinter den Schwin-
gel, ſetzt die Hände dicht neben einander auf das
Kreuz (die Daumwurzeln neben einander, die an-
dern 4 Finger jeder Hand nach auswärts), und
hüpft in die Schwebe; und in derſelben bewegt er
ſich nun mit kurzen Griffen über den ganzen Schwin-
gel fort. Die größte Schwierigkeit findet man an
den Pauſchen. — Das Handeln in der Schwebe
(das Schwebehandeln) wird vor- und rück-
wärts, das Handeln im Stütz (Stützhandeln)
rechts und links geübt.
Schwingregeln.
1. Beim Schwingen, ſo wie bei allen Turnübungen,
muß alles rechts und links geübt werden. —
Ein Sprung heißt rechts, wenn das rechte Bein
die ſchwerſte, erſte oder Hauptbewegung macht,
oder wenn daſſelbe oder die ganze rechte Seite des
Schwingers vorangeht. — Die Seite des Schwin-
gels oder Schwingpferdes entſcheidet nicht.
2. Die ſenkrechte Haltung des Kopfes und Leibes muß
bei
[46] bei allen Bewegungen geſucht und beobachtet wer-
den, ſo wie die Streckung der Knie- und Fußge-
lenke, wenn die Biegung nicht gerade Erforderniß
des Sprunges iſt.
3. Wie bei allem Springen geſchieht der Aufſprung mit,
und der Niederſprung auf Zehen und Ballen.
4. Wenn ein Sprung wiederholt wird, ſo darf bei dem
jedesmaligen Niederſprunge der Schwinger auch
keinen Augenblick auf der Erde verweilen, viel we-
niger öfter aufſpringen, ſondern muß ſich ſogleich
wieder in die Höhe ſchnellen.
5. Nach einem gemachten Aufſitzen ſoll ſich der Schwin-
ger im Schluß, nicht im Sitz befinden, weil nur
der Schluß dem Körper eine beſtimmte gute Hal-
tung, und beſonders beim Abſitzen eine feſte Unter-
ſtützung giebt. Der Schluß iſt folgender: der
Oberleib iſt gerade, das Kreuz eingezogen, die Hüft-
gelenke, welche beim Sitz nach vorn gebogen ſind,
werden ſo geſtreckt, daß die Schenkel in ſenkrechter
Richtung unter dem Leibe hangen. Dadurch ent-
ſteht zwiſchen dem Sattel und der Spalte ein Zwi-
ſchenraum, in den man gerade eine Hand bringen
kann. Iſt dieſer größer, ſo iſt der Schluß zu an-
geſtrengt.
6. Faſt alle Sprünge können gemacht werden:
a.
[47]
a. vom Stande, b. mit Vorſprung, c. mit An-
lauf.
a. Bei der erſten Art liegen die Hände ſchon früher
auf dem Schwingel und heben den Leib gleich nach
dem Abſtoß.
b. Der Vorſprung geſchieht immer — einige Sprün-
ge mit Einer Hand ausgenommen — mit ge-
ſchloſſenen Beinen und Füßen, nicht zu nahe am
Schwingel.
c. Der Anlauf darf nicht größer als 8 — 10 Schritt
ſein, und wird durch den Vorſprung geendigt.
Wichtig, für den Anfänger aber ſchwierig iſt nun
das rechtzeitige Aufſetzen der Hände nach dem Vor-
ſprung, beſonders bei den Hinterſprüngen. Der
Vorſprung darf nur leicht und flach über der Erde
geſchehen, die ganze Kraft wird in den Auf-
ſprung gelegt.
Durch den Vorſprung wird der ſtarke Schwung,
den der Körper durch den Anlauf bekam, gehemmt;
der Oberleib fliegt alſo vor und die Beine bleiben zu-
rück. Dieſe Bewegung wird durch den Aufſprung
verſtärkt, der die Schultern des Schwingers ſchon allein
über das Kreuz des Schwingels oder Schwingpferdes
bringt. In dieſem Augenblick alſo nach dem Aufſprung
werden beide Hände, nahe zuſammen, weit vorwärts,
leicht, doch feſt auf das Pferd geſetzt, aber nicht aufge-
ſchla-
[48] ſchlagen. Dieſe unterſtützen nun den Schwung des Kör-
pers nach vorn; in dem Augenblick aber, wo die Schul-
tern über dem Aufſetzungspunkt angekommen ſind, geben
ſie einen ſtarken Abſtoß. — Dieſe richtige Anwendung
der Regeln iſt es, welche Rieſenſprünge über 7 bis
8 F. lange Schwingel und Schwingpferde möglich macht.
Abkürzungen:
r. = rechts, H.=Hand, B.=Bein, P. 1. = Vorderpauſche,
l. = links, F. = Fuß, S. = Sattel, P. 2. = Hinterpauſche.
Alle Sprünge beim Schwingen theilen ſich A. in
einfache Sprünge und B. in Geſchwünge.
A. Einfache Sprünge.
die nur aus den Vorübungen und ganz einfachen
Bewegungen beſtehen, und von denen keiner in dem
andern enthalten iſt.
Je nachdem ſie von der Seite oder von hinten ge-
macht werden, ſind es, wie folgende Überſicht lehrt,
a. Seitenſprünge und b. Hinterſprünge.
| 1. Erſtes Aufſitzen und 1 tes Abſitzen. | 1. Wippe. |
| 2. Zweites Aufſitzen und 2 tes Abſitzen. | 2. Spreize. |
| 3. Jungfernſprung. | 3. Jungfernſprung. |
| 4. Kehre. | 4. Spille. |
| 5. Wende. | 5. Schraube. |
| 6. Katzenſprung mit Ab- hüpfen oder Dreh- |
[49]
| 6. Scheere. | ſprung, Scheere und Abwippen — oder mit |
| 7. Mühle. | 7. Affenſprung — oder mit |
| 8. Hockſprung. | 8. Froſchſprung. |
| 9. Nadel. | 9. Kehre. |
| 10. Gaffel. | 10. Wende. |
| 11. Grätſchſprung. | 11. Rieſenſprung: vorwärts. rückwärts. |
a. Die Seitenſprünge.
1. Das erſte Aufſitzen. Der Turner hüpft in den
Stütz, ſpreizt das r. B. bis zum r. Winkel, läßt
die r. H. los, und dreht nun B. und Leib zu glei-
cher Zeit herum, bis das Geſicht nach dem Kopf
des Pferdes ſteht; die r. H. greift vor in den Sat-
tel, und das r. B. ſchließt ſanft.
1 ſtes Abſitzen. Die r. H. bleibt im Sattel, das
r. B. und der Leib drehen ſich gleichzeitig zurück,
und die r. H. iſt ſchon früher auf P. 2, als das
r. B. an das l. B. anſchließt. Der Körper bleibt
einen Augenblick im Stütz, und macht dann den
Niederſprung.
2. Das zweite Auſſitzen. Der Turner hüpft in den
Stütz; die r. H. läßt das r. ſpreizende B. durch,
und nimmt ſogleich wieder ihre Stelle ein, ſo daß
ſie einen ſanften Schluß bewirkt.
D2 tes
[50]
2 tes Abſitzen. Die r. H. geht auf P. 2.; Leib
und B. drehen ſich wie vorher, die r. H. macht
dem B. Platz, und nimmt ſogleich wieder ihre
Stelle ein. Das Gewicht des Körpers muß wäh-
rend der Bewegung ganz auf den vordern Arm
gebracht werden. —
Gewöhnlich ſitzt man rechts auf, l. ab; links auf,
r. ab: und wiederholt dies noch einmal; und zwar erſt
mit dem erſten und wenn die Schwingriege durch iſt,
mit dem zweiten Auf- und Abſitzen.
Da es den Anfängern ſchwer wird, Bein und Leib
zugleich zu drehen, auch viele zu bequem ſind; ſo läßt
man es anfangs ſo machen, daß nach dem Überſchwun-
ge des B. die H. in den S. faßt, das B. aber nicht
ſchließt, ſondern bis an den Hals vor- und ſogleich zu-
rückſchwebt.
Der Schwung hilft ſehr zur gleichzeitigen Zurück-
nahme des Fußes, Leibes und der Hand. Dies läßt
man 3 — 4 mal raſch hinter einander machen, indem
man immer im Stütz bleibt.
3. Der Jungfernſprung. Der Schwinger hüpft in
den Stütz und hurtet; indem die Beine das Pferd
verlaſſen haben, wendet ſich der Körper ganz nach
vorn, das r. B. ſpreizt vorwärts im Bogen über
den Hals hinüber, in den Schluß. Die l. H. ver-
läßt P. 1. bloß ſo lange, bis das B. durch iſt.
Wäh-
[51] Während des Sprunges iſt der Oberleib gerade,
das Gewicht des Körpers liegt auf dem r. Arm und
das l. B. hängt ſenkrecht.
Abſitzen: das B. geht eben ſo zurück. Der Leib
dreht ſich erſt etwas vom Pferde ab und nachdem
das B. über der P. weg iſt, wieder gegen das
Pferd. Man kann auch bloß mit der r. H. abſi-
tzen, was aber bei weitem ſchwieriger iſt.
Der Jungfernſprung wird auch 2 mal hinter
einander auf und ab gemacht.
4. Die Kehre. Anfang wie zum Jungfernſprung,
aber ſtatt des Einen Beines werden beide geſchloſ-
ſen nach vorn im Bogen gehoben. Der Körper
iſt in ſitzender Stellung nach vorn gerichtet. Nach-
dem die l. Hand die Beine durchgelaſſen und wie-
der auf P. 1. gegangen iſt, ſtoßt die r. H. ab und
der Schwinger ſteht neben P. 1., an der rechten
Seite des Pferdes, das Geſicht nach vorn, die l. H.
auf P. 1.
5. Die Wende. Der Schwinger hüpft in den Stütz
und hurtet, die Beine gehen aber nach hinten (nach
d. Kreuz des Pf.) geſchloſſen in die Höhe; der
Oberleib ſenkt ſich gegen das Pferd, der ganze Kör-
per geht geſtreckt über das Pferd fort. Die r. H.
verläßt P. 2., die l. H. geht von P. 1. auf P. 2.
und neben dieſer geſchieht der Niederſprung.
D 2Die
[52]
Die fünf beſchriebenen Stücke übt man zwar ge-
wöhnlich am Sattel und von der l. Seite des Pferdes
rechts, und an der r. Seite des Pferdes links, ſo daß
bei Beendigung des Sprunges die Stellung nach vorn
iſt. Zur Übung muß man ſie aber auch am Kreuz und
Hals machen, und von jeder Seite des Pferdes rechts
und links.
6. Die Scheere. Der Schwinger macht die Schwebe
auf P. 1., wippt einige Mal, und indem ſich die
Füße hinten zum Zuſammenſchlagen nähern, kreuzt
er ſie, macht eine Drehung mit dem Leibe, ſtößt
mit den Händen ab, und fällt umgekehrt in den
Schluß. — Wird gewöhnlich vier Mal gemacht.
7. Die Mühle. Die Hände auf beiden Pauſchen, aber
Aufſitzen auf das Kreuz, und Schluß mit den Wa-
den. Das r. B. ſitzt ab, ſchließt ſich an das l. B.
an, und beide ſchwingen ſich geſchloſſen bis über
den Hals. Hier fallen ſie aus einander in den
Schluß; die Hände werden verwechſelt, und die
Bewegung einige Male wiederholt; gleich darauf
eben ſo zurück. Die erſte Bewegung war rechts,
weil das Abſitzen oder der Abſchwung hier am
ſchwierigſten, und auch die rechte Hand am meiſten
trägt.
8. Der Hockſprung oder die Hocke. Stütz, hur-
ten, hocken. Die Beine werden zwiſchen den Ar-
men
[53] men durchgeworfen, mit einem Abſtoß wieder zu-
rückgezogen; dieſes zweimal hin und her, und end-
lich wieder durchgeworfen mit Abſtoß der Hände
und guter Streckung der Beine. Mit Anlauf wird
der Sprung bloß vorwärts durch gemacht.
9. Die Nadel. Aufhüpfen, das r. B. geht gebogen
um den r. Arm herum, durch den Sattel; das
linke Bein und der Leib folgen, und der Schwin-
ger iſt umgekehrt im Schluß; er ſitzt links nach
vorn ab.
10. Die Gaffel. Stütz, das eine Bein hockt durch
den Sattel; indem das zweite durchgeht, geht das
erſte zurück, und ſofort.
11. Der Grätſchſprung oder die Grätſche. Stütz,
hurten, grätſchen. Die Hände ſtoßen ab, und
ſchnellen den Körper hinüber, ſo daß er auf der r.
Seite des Pferdes mit dem Rücken gegen den S.
zur Erde kömmt. Mit Anlauf dürfen die Beine
und Füße nicht das Pferd berühren.
b. Die Hinterſprünge.
1. Die Wippe: heißt jeder gerade Sprung, wobei der
Turner in die Schwebe fällt; und ſich darin erhält.
Stellung der Hände wie bei der Scheere. Man
übt ſie zuerſt auf P. 2., dann auf P. 1.. Das
weite Aufſetzen der Hände und gleichzeitige Loslaſ-
ſen, und Ergreifen der Pauſche iſt durchaus noth-
wen
[54] wendig. — Durch das Abwippen unterſcheiden
ſich dieſe Sprünge von den Längenſprüngen (ſ.
beim Rieſenſprung). Die Beine werden im Wip-
pen rückwärts über dem Pferde geſchloſſen, der
ganze Körper kommt in die wagerechte Lage. In
dieſem Schwunge nehmen die Arme, durch das Zu-
rückſchieben des Oberleibes, ſchon eine ſchräge Stel-
lung und ſind nun um ſo leichter im Stande, ſtark
abzuſtoßen. Die Hände kehren ſich nun ſogleich
gegen das Pferd, und gehen dicht geſchloſſen über
daſſelbe fort, um die Bruſt gegen das etwanige
Aufſchlagen zu ſichern. Durch die Streckung des
ganzen Leibes und der Beine wird allein das weite
und ſchöne Abwippen möglich.
2. Die Spreize. Aufſprung wie zur Wippe; im
Schwunge ſpreizt das r. B. vorwärts im Bogen
über P. 2. fort, die r. H. geht vom Kreuz über
das r. B. fort auf P. 2. In dieſem Augenblick,
wo das r. B. zwiſchen beiden H. iſt, ſtoßen dieſe
ab, und der Turner macht neben P. 2. mit ge-
ſchloſſenen Füßen den Niederſprung; die r. H. bleibt
auf der P. 2. — Die Beine dürfen bei dem gan-
zen Sprunge das Pferd nicht berühren.
3. Der Jungfernſprung. Gerader Vorſprung, Auf-
ſchwung beider geſchloſſenen B. nach der l. Seite
des Pferdes, und Jungfernſprung auf Kreuz, Sat-
tel
[55] tel oder Hals; verſteht ſich: in Einem Zuge. Ab-
ſitzen, wie beim Jungfernſprung von der Seite.
Die Richtung des Leibes muß bei dieſem Sprunge
immer nach vorn ſein.
4. Die Spille. Gerader Vorſprung. Aufſchwung der
geſchloſſenen Beine an die r. Seite des Pferdes.
Die r. H. faßt im Schwunge (oder gleich im An-
fang, welches aber ſchwerer) die Pauſche 2, das
r. B. ſitzt auf, ſchwebt vor, wobei die Bruſt nach
hinten (nach d. Kreuz d. Pf.); und der Turner
kommt mit demſelben Schwunge wieder auf der
Stelle des Vorſprungs, Bruſt nach vorn, zu ſtehen.
5. Die Schraube. Aufſchwung der B., wie bei der
Spille, aber an der l. Seite des Pferdes, ſo daß
das l. B. im S., das r. B. am Kreuz, die linke
H. auf P. 2, die r. H. auf dem Kreuz. Die r. H.
ſtoßt ab, der Körper dreht ſich um den l. Arm;
das r. B. ſpreizt rückwärts über den Hals, und
kommt in den Schluß (Bruſt nach vorn). Die r.
H. faßt ſogleich P. 1. mit dem Daumen nach vorn,
die l. H. geht auf den Hals (Daumen der P. 1.
zu) und es wird r. abgeſeſſen. Das Ganze ſo
raſch als möglich hinter einander.
6. Der Katzenſprung: jeder Sprung, bei dem man
von hinten zum Stehen auf das Pferd kommt. —
Der Aufſchwung der Beine iſt gegrätſcht und ge-
ſtreckt,
[56] ſtreckt, wie bei der Wippe; dann aber werden ſie,
wie die Hockwippe lehrt, ſchnell nach vorn ange-
zogen und vor den Händen auf das Pferd geſetzt.
Auf Kreuz, P. 2, S., P. 1, oder Hals. Das
ſchnelle gerade Aufrichten und Feſtſtehen iſt eine
Hauptſache. Wer viel Schwung hat, muß mit ge-
ſtreckten Beinen auf das Pferd kommen. Der Ab-
ſprung kann geſchehen:
a. durch Abhüpfen: vom Kreuz, P. 2, S. und
P. 1. — nicht vom Halſe. Man ſtellt ſich auf
die Ballen, ſpringt auf, grätſcht ſogleich, damit
die Füße nirgends einen Anſtoß finden, rück-
wärts über das Pf. fort; ſchließt dann die Beine
wieder und macht den Niederſprung auf der
Stelle des Vorſprungs. Die Hände ſind dabei
vorgeſtreckt. Vorher kann man auf den Pau-
ſchen auch raſch hin und her hüpfen (aber ſtets
nur auf den Ballen);
b. man macht den Drehſprung, d. h. man
ſpringt im S. in die Höhe, dreht ſich und fällt,
das Geſicht nach hinten, in den Schluß hinab.
Dann macht man die Scheere, und wippt von
P. 1 ab;
c. oder man macht:
7. den Affenſprung. Man hockt auf einer Pauſche
auf den Ballen: die eine H. zwiſchen beiden Füßen,
die
[57] die andre H. auf der andern P. In dieſer Stel-
lung hüpft man einige Mal von einer P. zur an-
dern, indem man die Hände immer verwechſelt, ſo-
wohl rechts herum, als links zurück. Dann macht
man einen Abſchwung wie mit der Wende vor ſich
hin über das Pferd: r., wenn die r. H. vorſteht,
und l., wenn die l. H. verſteht, indem ſich die H.
beim Niederſprunge, wie bei der Wende ver-
wechſeln;
d. oder man macht:
8. den Froſchſprung, d. h. man ſetzt die H. auf
den Kopf des Pferdes, und ſchwingt ſich grätſchend
über daſſelbe fort. —
9. Die Kehre. Anlauf und grader Vorſprung. Auf-
ſchwung der Beine nach der l. Seite des Pferdes;
Kehre rechts, Niederſprung neben P. 2. oder ne-
ben P. 1.
10. Die Wende. Aufſprung, wie zur Spille, und
dann Wende. Um den rechten Schwung zu er-
halten, geſtattet man anfangs die Hände auf dem
Kreuz zu haben. Eine ſchöne Ausführung des
Sprunges macht aber die r. H. auf P. 2 noth-
wendig.
11. Der Rieſenſprung: jeder Sprung von hinten,
der Länge nach, über das Pferd. — Da nun aber
zur Erlernung dieſes Sprunges große Übung gehört,
ſo
[58] ſo gehen ihm die Längen- oder Weitenſprünge
voraus. Jeder Längenſprung ſoll eine Wippe, oder
derſelben wenigſtens ähnlich ſein, d. h. die Beine
grätſchen ſo weit als möglich, die Hände verlaſſen
die Aufſetz- Stelle, und greifen ſo weit vor, als der
Schwung den Leib führt; ſo daß dieſer in die
Schwebe fallt. Iſt der Schwung zu ſtark, ſo müſ-
ſen ſie wenigſtens ſoviel halten, daß der Schwinger
ſanft in den Schluß kommt. Das Niederfallen in
den Sitz oder Schluß ohne Vorſetzung der Hände
iſt durchaus nicht zu geſtatten.
Der Rieſenſprung iſt zweierlei Art:
a. vorwärts, wobei die H., wenn das Pferd
nicht zu hoch, in den Sattel greifen. Noch ein-
mal auf dem Kopf aufſetzen iſt erlaubt, beſſer
iſt das einmalige Aufgreifen. Der Niederſprung
geſchieht, wie beim Springen, alſo etwas vor-
geneigt.
b. rückwärts: Im Aufſpr. dreht der Schwin-
ger Geſicht und Bruſt ganz nach hinten, zieht
den Leib ein, und hält die Hände vor.
Das Abſitzen geſchieht:
a. beim Längenſprung vorwärts, vom
Kreuz oder Sattel: durch gewöhnliches Abſitzen,
wobei die eine Hand weit vor, die andre dicht
vor den Körper geſetzt wird; vom Halſe: indem
der
[59] der Schwinger beide H. auf den Kopf ſetzt und
über dieſen eine Art Froſchſprung mit geſtreckten
Beinen macht;
b. beim Längenſprung rückwärts, vom
Kreuz: durch den eben angeführten Spr.; vom
Sattel: eben ſo, oder mit Abſitzen beim Jung-
fernſpr.; vom Halſe mit Abwippen.
Die Seitenſprünge macht man gewöhnlich über
dem Sattel und von beiden Seiten des Pferdes, rechts
und links, ſo daß das Geſicht gegen den Kopf des Pf.
gekehrt iſt. Zur Übung muß man ſie aber auch von
jeder Seite des Pf. rechts und links über den Hals und
Kreuz üben, und oft die Hände nicht die Pauſchen
greifen laſſen.
Man muß ferner die Seitenſprünge erſt aus dem
Stütz üben, dann von der Erde: die bloß auf das
Pferd gehenden nur mit Vorſpr. und Anlauf, die hinü-
ber gehenden mit beiden.
Bei der erſten Art ſind vier weſentliche Verſchie-
denheiten:
1. Man iſt im Stütz nach jedem Auf- und vor jedem
Niederſprunge, nach jedem Ab- und vor jedem Auf-
ſitzen.
2. Man macht das Aufſitzen in einem Zuge, iſt aber
nach jedem Abſitz oder vor jedem Niederſpr. im
Stütz.
3.
[60]
3. Man macht das Abſitzen in einem Zuge, iſt aber
vor jedem Aufſ. und nach jenem Aufſpr. im Stütz.
4. Man macht Auf- und Abſitzen in einem Zuge ohne
Stütz.
Viele der angeführten Sprünge können aber auch
mit einer Hand gemacht werden, und dies giebt die
Abtheilung der
Fechtſprünge
oder
Sprünge mit einer Hand.
Dieſe haben das Eigenthümliche, daß die meiſten,
Katzen-, Froſch- und Rieſenſprung ausgenommen, auch
mit einem Fuße ausgeführt werden. Bei denen von
der Seite wird die Stellung und der Anlauf immer
ſchräg genommen.
- 1. Aufſitzen: mit l. H. und r. F.
mit r. H. und l. F. - 2. Jungfernſprung:
- mit r. H. und r. F.
- mit l. H. und l. F.
3. Kehre:
- rechts, wo der linke F. abſtoßt.
- links, wo der rechte F. abſtoßt.
4. Wende von der Seite:
rechts, wenn der l. F. abſtoßt.
links, wenn der r. F. abſtoßt.
5.
[61]
5. Wolfſprung: zwiſchen Hockſprung und Kehre.
rechts, wenn der l. F. abſtoßt.
links, wenn der r. F. abſtoßt.
Ein reiner Hockſprung mit Vorſprung und gradem
Anlauf läßt ſich ausführen, wenn das Pferd ſehr nie-
drig iſt.
6. Katzenſprung:
- mit r. H.
- mit l. H.
7. Froſchſprung: mit r. H.
mit l. H.
8. Rieſenſprung:
- vorwärts
- rückwärts
B. Die Geſchwünge.
Man kann der Geſchwünge oder zuſammenge-
ſetzten Sprünge ſehr viele machen; die vorzüglichſten
ſind aber folgende:
1. Kreis.
2. Gewundener Jungfernſprung.
3. Vorſchweben auf beiden Pauſchen.
- 4. Rad auf 2 Pauſchen
- 5. Uhrwerk
6. Kehrſchwung und Spille.
7. Bratenwender.
8. Rad auf einer Pauſche.
9. Finte.
10.
[62] 10. Hexenſprung.
11. Doppelkehre.
12. Kehrſchwung und Wende.
Beſchreibung.
1. Der Kreis. Das r. B. macht das 2 te Aufſitzen,
[und], ohne den S. zu berühren, das Abſitzen zum
Jungfernſpr., Niederſprung und dann Jungfernſpr.
und 2 tes Abſitzen, Niederſprung: — und nun das
linke Bein daſſelbe.
2. Der gewundene Jungfernſprung. Kehrſchwung
links auf das Kreuz; das r. B. macht die Nadel,
das l. B. Abſitzen zum Jungfernſprung.
3. a. Das Vorſchweben auf beiden Pauſchen.
L. H. auf P. 2, r. H. auf dem Kreuz. Das r. B.
ſchwingt ſich auf, die r. H. geht auf P. 2, mit
dem Daumen nach vorn; indem das r. B. ab-
ſchwebt, geht l. H. auf P. 1, Niederſprung und
Kehre r. über den Hals. — Links, von der r.
Seite des Pferdes. Das Vorſchweben des Beines
muß bis über das Pf. gehen.
b. Jungfernſprung mit Vorſchweben, Nie-
derſprung und Kehre oder Wende, und eben
ſo zurück.
4. Das Rad auf zweien Pauſchen. Beide H. auf
beiden P., das r. B. ſchwingt ſich auf, und ſchwebt
vor, indem die r. H. auf P. 2. ſtehen bleibt und
das
[63] das l. B. feſt am S. liegt. Das r. B. ſchwebt
zurück und der Turner macht die Kehre r. oder
die Wende links.
5. Das Uhrwerk: Kehrſchwung l. über P. 2, aber ſo,
daß die r. H. bloß das l. B. durchläßt, und ihren
Platz zwiſchen beiden Beinen nimmt. Dann Zu-
rückwerfen des l. B. aus der Schwebe über den
Sattel, indem ſich die l. H. lüftet, und nun das
Rad rechts.
6. Kehrſchwung und Spille. Beide H. auf beiden
P., Kehrſchwung r. auf den Hals, die r. Hand
geht auf P. 1. neben die l. H., das l. B. macht
Spille oder vielmehr Aufſitzen und dann l. das 2te
Abſitzen; dann eben ſo Kehrſchwung r. auf das
Kreuz und wieder Auf- und Abſitzen links, alles im
Stütz, und endlich Kehre rechts.
7. Der Bratenwender. Schwebe auf P. 2, der
Daumen der r. H. nach vorn, der l. H. nach hin-
ten; die Beine gehoben und grätſchend. Der Kör-
per dreht ſich über die P. herum, die Hände fol-
gen der Bewegung.
8. Das Rad auf Einer Pauſche. Stellung der
Hände und des Körpers auf P. 2. wie zum Vor-
ſchweben, aber ſtatt deſſen die Kehre.
9. Die Finte. Kehrſchwung l. auf das Kreuz, ſtatt des
Vorſchwebens; und nun zurück das Rad.
10
[64]
10. Der Hexenſprung: ein öfters fortgeſetzter Kreis
über dem Sattel, der mit Vorſchweben anfängt, und
mit dem Jungfernſpr. endigt; nach dieſem und vor
dem Abſitzen, muß immer etwas angehalten wer-
den, um einen andern Schwung zu gewinnen.
11. a. Kehrſchwung mit Jungfernſprung und
2 tes Abſitzen, als Vorübung zur Doppelkehre.
b. Die Doppelkehre: Kehre r. über den Hals
auf, und Kehre zurück über das Kreuz ab, in
einem Zuge. Niederſprung auf der Stelle des
Aufſprunges.
12. Kehrſchwung und Wende: die l. H. auf P. 1,
die r. H. auf dem Hals, Kehrſchwung l. und Wende
r. über den Sattel zurück.
Es folgen hier noch mehrere einfache Sprünge,
welche, obgleich ſie nur Abarten von den angeführten
ſind, doch auch geübt werden müſſen; ferner mehrere
fortgeſetzte Sprünge, welche Kraftanwendung und
Ausdauer in einem hohen Grade üben; und endlich einige
Doppel- und dreifache Sprünge, wobei der
Schwinger die Bewegungen ſehr ſicher und in ſeiner
Gewalt haben muß, um ſie gleichzeitig mit ſeinen Mit-
ſchwingern auszuführen.
a. Einfache Sprünge.
1. Aufſitzen mit beiden Händen auf P. 1, und eben
ſo ab.
2. Jung-
[65]
- 2. Jungfernſprung
- 3. Kehre
- 4. Jungfernſprung
- 5. Kehre
6. Hockſprung mit einem B. und vor- oder tückwärts
ab. Schnell, in Geſtalt eines halben Kreiſes.
7. Hockſprung in den Stand auf das Pferd:
von der Seite und von hinten.
8. Scheeren:
a. beide Hände auf beiden P.; der Körper dazwi-
ſchen. Scheere nach vorn, Scheere nach hinten;
b. beide H. hinter dem Körper und Scheere nach
vorn, wo keine Schwebe und kein Wippen
Statt findet;
c. gewöhnliche Scheere, aber ohne Schwebe und
mit Auflegung des Bauches — (von wenigem
Werth) —.
9. Katzenſprung:
a. mit der Wende.
b. mit der Kehre.
c. auf einem Fuß.
10.
E
[66]
10. Sitzwechſel. Beide H. auf einer P., beide B. ge-
ſchloſſen an einer Seite des Pf. und nun Hin-
überwerfen der B. rückwärts von einer auf die
andre Seite.
11. Affenſprung auf Kreuz und Hals, mit Nieder-
ſprüngen wechſelnd. —
b. Fortgeſetzte Sprünge.
Bei dieſen iſt zu merken, daß, wenn man auch
nicht im Stande iſt, den Aufſprung gleich nach dem Nie-
derſprung folgen zu laſſen, man dach niemals ſtehen
bleiben darf; ſondern gleich einen neuen Vorſprung und
nach dieſem den Aufſprung nehmen muß.
1. Kehren: r. hin und l. zurück, oder
l. hin und r. zurück,
welches die gewöhnlichſten; zur Übung aber auch:
r. hin und r. zurück; oder
l. hin und l. zurück.
Die beſte Zuſammenſtellung iſt:
r. über Kreuz, l. über Sattel, rechts über
Hals — oder
von der rechten Seite des Pferdes:
l. über Kreuz, r. über S., l. über Hals.
2. Wenden:
a. r. hin, l. zurück oder l. hin, r. zurück.
b. r. hin, r. zurück oder l. hin, l. zurück.
c.
[67] c. r. über Kreuz, l. über S., r. über Hals.
d. l. über Kreuz, r. über S., l. über Hals.
Verbindet man nun Kehren und Wenden, ſo erhält
man noch eine große Menge von Zuſammenſtellungen.
3. Hockſprung:
a. über S., Kreuz oder Hals hin und her.
b. über Kreuz hin, S. her und Hals hin
oder umgekehrt.
4. Grätſche: fortgeſetzt gemacht, würde eine große
Sicherheit und zwei Menſchen zur Hülfe erfordern.
c. Doppelſprünge,
ſo von zweien zu gleicher Zeit ausgeführt werden.
1. Aufſitzen auf Kreuz und Hals.
2. Jungfernſprung auf Kreuz und Hals.
3. Kehren über Kreuz und Hals.
4. Wenden über Kreuz und Hals.
5. Hockſprung über Kreuz und Hals.
6. Jungfernſprung von der Seite und Katzen-
ſprung von hinten auf’s Kreuz, und Abwippen
von den Schultern.
7. A. macht Jungfernſprung von der Seite,
B. die Wippe auf und von ſeinen Schultern.
8. Katzenſprung von hinten und vorn: auf Kreuz
und Hals, und P. 2. und P. 1, — und Abhüpfen;
oder Drehſprung, Scheere und Abwippen.
9. Wippe von vorn und hinten: auf Kreuz und Hals.
E 2d.
[68]
d. Sprünge
von Dreien zugleich ausgeführt.
1. Hockſprung über Kreuz, S. und Hals.
2. Jungfernſprung über Kreuz und Hals, und Hock-
ſprung im Sattel.
3. Kehren über Kreuz und Hals, und Hockſprung
im Sattel.
4. A.Katzenſprung auf den Hals, B. Katzenſprung
in den S., C. rückwärts auf das Kreuz; dann
A. und C. Froſchſprung und B. Drehſprung,
Scheere und Abwippen. — Vor dem A kann
allenfalls noch einer den Rieſenſprung
machen.
Hiermit wäre eigentlich der Abſchnitt vom Schwin-
gen geſchloſſen. Wir wollen aber noch einige Stücke
folgen laſſen, die man am Schwingpferde zu machen
pflegt, und theils Kopfüberſtücke, theils Schwebe-
ſtücke, theils (freie Stücke) Freiſprünge ſind:
a. Kopfüberſtücke.
1. Bärenſprung: von hinten in den S., beide H. auf
P. 1, Bauch aufgelegt und rechts oder links
überſchlagen.
2. Überſchlagen nach dem Hockſprunge. Hockſprung,
Lage im Kreuz auf dem S., beide H. feſt an
beiden P. und rückwärts überſchlagen.
[69]
3. Burzelöaum. Sitz auf P. 2, rückwärts burzelnd,
den Schwanz faſſend, und hinter dem Pferde
ſtehen.
4. Aus dem Stande im S. über- oder Radſchla-
gen, wobei der eine F. auf den Hals geſtellt
wird.
5. Todtenſprung. Anlauf von der Seite, beide H.
faſſen beide P., der Schwinger überſchlägt ſich
und ſteht jenſeits des Pferdes, den Rücken gegen
das Pferd.
— Windmühle.
— Beinſprung.
— Von der Seite auf die Seite überſchlagen.
— Von hinten auf das Kreuz überſchlagen.
— Von hinten auf- und überſchlagend in den
S. fallen.
b. Schwebeſtücke.
Die Wage. Der Leib ruht wagerecht auf dem Ellen-
bogen der r. H., welche die P. 2 faßt. Die l. H.
unterſtützt auf P. 1. oder, welches ſchwerer, auf
P. 2. oder, welches am ſchwerſten, gar nicht;
Der Drehling: das Umdrehen auf dem r. Arm, und
der Abſchwung nach der Wage; wobei man auch
überſchlagen kann.
c. Freiſprünge.
1. Halber Diebſprung: Anlauf von der Seite,
ein
[70] ein Fuß wird über den Sattel fort in den Sitz
geworfen.
2. Ganzer Diebſprung: Sprung mit beiden ge-
ſchloſſenen Füßen über den Sattel fort.
3. Rieſenſprung: ohne Aufſetzen der Hände, Ab-
ſtoß mit einem Fuß. Das Grätſchen fällt hierbei
ſchwer. — —
Das Bockſpringen (der Sprung über einen ſtehen-
den Menſchen) gehört mit zum Schwingen.
Stellung des Feſtſtehenden: ein F. vor dem andern,
beide auswärts; der Abſatz des vorderen vor der
Spitze des hinteren; das hintere B. im Knie gebo-
gen, das vordre geſtreckt, Knie an Knie. Hände
auf den Knien geſtützt, mit geſtreckten und ange-
ſchloſſenen Ellenbogen, der Kopf ſtark geſenkt auf
die Bruſt.
Das Bockſpringen kann zugleich von einer
ganzen Riege ausgeführt werden. Alle ſtehen
gleich weit von und hinter einander, in einer gera-
de ausgehenden ſchnurrechten, oder gekrümmten
und umgebogenen Linie. Der Letzte oder Hinterſte
beginnt zu ſpringen, der nun letzte folgt u. ſ. w.,
ſo daß jeder die ganze Reihe durchſpringt, und dieſe
ins Unendliche fortgeführt werden kann. Die Zwi-
ſchenräume richten ſich nach der Geübtheit der Bock-
ſpringer, ob ſie eines längern bequemern Zwiſchen-
An-
[71] Anlaufs bedürfen, oder ob die Niederſprungsſtelle
zugleich die Aufſprungsſtelle ſein ſoll. — Bockſprin-
gen muß aber immer nur von Gleichgroßen, Gleich-
alten, und Gleichſtarken getrieben werden. —
Das Schwingen darf immer nur unter Aufſicht
und mit ſteter Unterweiſung eines Sachverſtändigen ge-
trieben werden, der immer bei der Hand iſt, nöthigen
Falles die erforderlichen Hülfen zu geben. Dieſe ſind
nur dann richtig, wann ſie den Schwung des Schwin-
gers vermehren, ohne ihn in der Bewegung zu ſtören;
und ihn vor dem Fallen bewahren.
[72]
V.Schweben.
Schweben heißt Haltung im Gleichgewicht: in der
Ruhe, wie in der Bewegung.
Schwebezeug:
1. Der Liegebaum, ein an der Erde liegender
geſchälter Baumſtamm (Maſt). Bei einer klei-
nen Turnerzahl kann der an die Erde gelaſſene
Schwebebaum auch zum Liegebaum dienen.
2. Der Schwebebaum (Platte 1, Zeichn. N.):
ein ſchlanker geradwuchſiger Kien- oder Tan-
nenſtamm ohne Aſtknorren; je länger, deſto beſ-
ſer, nicht gut unter 40 F. Länge und 10 Zoll
Stärke am Stammende. Er ruht zwiſchen 2
Paar ſtarken Pfählen auf eiſernen Bolzen, die
hoch und niedrig geſteckt werden können. —
Er darf nicht zu viel, noch zu wenig ſchwanken,
ſondern muß das gehörige Leben haben.
3. Das Schleet mit Wackelenden, wuchsrund,
von der Dicke eines Stammes, woraus man
vier Latten ſchneidet, 16 Fuß im Lichten, über
einer Vertiefung von 1 bis höchſtens 2 Fuß.
Min
[73]
Minder nothwendiges Schwebezeug iſt folgendes:
1. der Schwebepfahl, ein 1 F. aus der Erde
hervorſtehender Pfahl;
2. die Ruſt, ein hochgekanntet Brett oder Planke,
ſo an den Enden feſtgemacht iſt;
3. der Steg mit feſten Enden und einer glatten,
doch ſchmalen Oberfläche über einer Vertiefung
von 1 bis 2 Fuß.
Schwebevorübungen:
1. Das Stehen auf einem Beine: indem man das
andre vor- oder rückwärts ſtreckt, krümmt, in die
Hand oder auf den Arm legt, u. ſ. w. Man kann
dabei auch andre Geſchäfte und Dinge verrichten,
als etwas zureichen, fangen, zuwerfen, die Jacke
ausziehen. Das Knie des Standfußes darf dabei
nicht knicken.
2. Das Gehen auf der Dielenritze: oder einer
andern geraden Linie, wobei die Füße auswärts.
3. Das Stapeln: Gehen mit langgeſtreckten hochge-
hobnen Beinen. Je langſamer die Fußhebung und
Niederlaſſung iſt, deſto ſchwerer wird es dem An-
fänger; Arme und Hände müſſen hinabhangen.
Schwebeübungen:
Die folgenden Übungen müſſen alle erſt auf dem
Liegebaum, dann auf dem Schwebebaum vorge-
nommen werden.
1.
[74] 1. Der Schwebegang: vom Stammende auf das
Zopfende. Füße auswärts! Tritt auf dem Platt-
fuß! Leib gerade! Mund zu! Blick auf den Weg!
a. vorwärts.
b. rückwärts.
über ein Hinderniß: Hut, vorgehaltne Ruthe
u.ſ.w. Hiebei muß das Umwenden, beſonders
am Zopfende, geübt werden.
2. Das Vorbeiſchweben: Ausweichen beim Begeg-
nen. Beide ſetzen ſtark auswärts den rechten gegen
den rechten, und den linken gegen den linken Fuß,
faſſen ſich an und treten dann mit dem andern ein-
wärts über.
3. Das Aufnehmen eines Hutes und dergl. vom
Zopfende.
4. Das Niederſetzen und Aufſtehen ohne Gebrauch
der Hände.
5. Der Schwebekampf, wo zwei Gegenüberſtehende
ſich durch leichte Schläge vom Schwebebaum zu
bringen ſuchen.
Haltung: Füße geſpreizt!
Vorderfuß auswärts! und ſtark gebogen.
Hinterfuß gequert und geſtreckt!
Arme breit! auseinander und etwas ge-
krümmt vorgeſtreckt.
Es
[75]
Es gelten nur Schläge mit der flachen Hand, auf
Hand, Arm und Schulter.
Nur beim Schlage des Gegners dürfen die Hände
zurückgezogen werden. Dies und das ſchnelle Rück-
und Vorbiegen des Oberleibes, ſo wie das Durch-
ſchlagen-laſſen des Gegners, und raſche Nachſchla-
gen ſind Hauptvortheile. — —
Wippen, Schaukeln und Stelzenlaufen ſind eben-
falls Schwebeübungen.
VI. Die
[76]
VI.Die Reckuͤbungen.
Unter dieſen Namen ſind begriffen alle Übungen, wel-
che an dem Turnzeuge, Reck genannt, vorgenommen
werden können.
Turnzeug: das Reck (Platte 1, Zeichn. K.), eine auf
Ständern (Platte 1, Zeichn. L.) wagerecht ruhende
2¼ — 2½ Z. ſtarke runde Stange. Der Abſtand
von einem Standpfahl zum andern muß über eine
Menſchenlänge betragen. Für Anfänger muß das
Reck ſchulter- oder ſcheitelhoch ſein, für Geübtere
ſo hoch, daß ſie darnach ſpringen müſſen. Der
Boden unter dem Reck muß weich ſein.
Alle Reckübungen laſſen ſich in zwei Abtheilungen
zuſammenfaſſen:
A. die Hangübungen: wo der Turner ſich übt, in
alle Arten des Hanges zu kommen, ſich darin zu
erhalten und zu bewegen;
B. die Schwungübungen: wobei der Turner alle
Arten des Schwunges in ſeine Gewalt zu bekom-
men ſucht.
Er
[77]
Erklärungen.
a. Aller Hang am Reck iſt entweder:
1. Seithang, wobei die Schulterlinie des Tur-
ners mit dem Reck gleichlaufend iſt; oder
2. Querhang, wobei die Schulterlinie die Rich-
tung des Recks rechtwinklich durchſchneidet.
b. Der Handgriff am Reck (der Reckgriff) kann ſein:
1. Im Seithange:
a. Aufgriff, wobei die Hände oder Arme
von oben aufgelegt werden.
b. Untergriff, indem die H. oder Arme
von unten durchgreifend aufgelegt werden.
c. Zwiegriff, wenn die eine Hand auf-,
die andre untergreift.
2. Im Querhang greift immer von jeder Seite
eine Hand oder Arm auf, ſo daß es nur
Einen Quergriff giebt.
c. [Auf] dem Reck kann ſich der Turner in folgenden Zu-
ſtänden befinden:
1. im Sitz:
a. Seitſitz: auf beiden Schenkeln.
b. Reitſitz: auf einem Schenkel, wobei
der andre zwar hinter dem Reck, die
Schulterlinie aber gleichlaufend iſt mit
dem Reck;
im
[78]im Spalt, den Blick längs dem Reck,
ein Schenkel an jeder Seite des Recks.
2. im Stütz: Bauch auf oder über dem Reck,
Beine geſchloſſen an einer Seite, Hände
Seitgriffs.
3. in der Schwebe, wo der Leib von den
Händen getragen das Reck nicht berührt,
und dieſe kann geſchehen aus dem Sitz (Seit-
ſitz und Reitſitz) oder Stütz.
A. Die Hangübungen.
1. Der Anhang: jeder Hang, in welchem der Turner
in aufrechter Stellung mit Händen oder Armen am
Reck hangt.
a. Vorlings.*)
1. Querhangs:
in der Hand (Querhang),
in den Unterarmen (Armquerhang);
2. Seithangs:
Aufgriffs:
in der Hand (Seithang),
- im Unterarm
- im Oberarm
Un-
[79] Untergriffs:
in der Hand (Seithang mit Untergriff);
Zwiegriffs:
in der Hand.
b. Rücklings, nur
Seithangs:
Aufgriffs:
in der Hand (Seithang rücklings),
im Unterarm (Armhang rücklings);
Untergriffs:
in der Hand (Seith. rückl. mit Un-
tergriff);
Zwiegriffs:
in der Hand.
2. Der Liegehang: iſt die Lage des Turners am Reck,
wenn er aus dem Anhang (oder Abhang) die frei-
hangenden Glieder an das Reck wirft. — Der dazu
nöthige Schwung heißt der Anſchwung.
a. Vorlings.
1. Aus dem Querhang der Hände werden
die Füße in den Querhang geworfen.
2. Aus dem Seithang der Hände:
- Aufgriffs
- Untergriffs
- Zwiegriffs
b.
[80]
b. Rücklings.
Aus dem Seithange rückl. in der Hand:
- Aufgriffs
- Untergriffs
- Zwiegriffs
Kniee ſeithangs zwiſchen
den Händen.
Weggelaſſen ſind hier nun, als leicht auffindbar, alle
vermiſchten Anhänge in einer Hand und einem Arm,
eben ſo alle Anhänge in einer Hand oder einem Arm;
ferner alle Abhänge in einem Fuße; und die aus bei-
den entſtehenden Liegehänge. Dieſe letztern kommen
jedoch alle bei den Aufſchwüngen vor. —
Hier folgen noch zwei Stücke, ſo zwar eigentlich
keine Liegehänge ſind, mit dieſen aber die meiſte Ähn-
lichkeit und Verwandſchaft haben:
Das Neſt. — Aus dem Seitliegehang, mit den Fuß-
ſpitzen am Reck, wird der Körper ſo durch die Arme
durchgedrängt, daß das Kreuz ſtark eingezogen und
gebogen, und der Kopf nach der entgegengeſetzten
Seite gedreht und gehoben wird;
Der Schwimmhang: im Querliegehang wird der Kör-
per ganz umgedreht, ſo daß der Bauch nach unten
kommt. Die eine Fußſpitze wird dabei feſt auf das
Reck gelegt, die andre faßt die Ferſe des erſtern
Fußes. Hände und Arme werden ebenfalls umge-
kehrt. — Dies kann auch in einer Hand und in
einem Fuß gemacht werden.
3.
[81]
3. Der Schwebehang: die Lage, in welche der
Turner kommt, wenn er die Beine aus dem An- oder
Liegehang ſo über die Höhe des Reckes bewegt, daß
ſie in der Schwebe ſind, d. h. ohne das Reck zu
berühren, ſich weder vor- noch rückwärts bewegen.
Der Schwebehang wird anfangs von der Erde,
dann immer aus dem freien Hange gemacht.
a. Vorlings:
1. Querhangs: wobei die Beine grätſchen,
In der Hand.
2. Seithangs: wobei die Beine geſchloſſen ſind,
- Aufgriffs
- Untergriffs
- Zwiegriffs
b. Rücklings, nur
Seithangs:
- Aufgriffs
- Untergriffs
- Zwiegriffs
Bei dieſem Schwebehange muß das Kreuz einge-
zogen, der Kopf unter, und die Füße über dem
Reck ſein.
4. Der Abhang: jeder Hang, in welchem der Turner
mit Füßen oder Unterſchenkeln, den Kopf nach un-
ten, am Reck hangt.
a. Querhangs:
Fin
[82] in den Füßen (Fußhang), wobei die Fuß-
ſpitzen verſchränkt werden und
die Füße ſich kreuzen;
b. Seithangs:
1. In den Knieen (Kniehang),
2. an den Fußſpitzen (Riſthang),
3. an den Ferſen (Ferſenhang).
Riſt- und Ferſenhang müſſen an einem Reck geübt
werden, wo der Turner mit dem Kopf beinah die
Erde berührt, damit dieſer nicht durch einen Fall
leiden kann. —
Das Hangen an einer Hand im Anhange muß man,
als beſte Vorübung zum Hangeln, üben. Jede der
Hände muß wenigſtens ſo lange das Reck einzeln
umfaſſen und halten, bis des andern geſtreckten
Armes Hand an den Schenkel geſchlagen hat. Je
länger man aber an einer Hand auf die Dauer
hangt, deſto ſchwieriger wird die Übung. Man
kann dies letztre Dauerhangen üben:
a. in der Hand: querhangs,
ſeithangs: aufgriffs und un-
tergriffs;
- b. im Unterarm
- c. im Oberarm
5. Hangeln heißt, ſich im Hange fortbewegen, welches
vorzüglich zur Stärkung der Arme und Schultern,
der
[83] der Bruſt und des Bauches dient, und ſehr auf die
Dauer geübt werden muß.
Man bedient ſich dazu des Hangelreckes (Platte
1, Zeichn. M.). Dies iſt ein vier- oder ſechseckiges Ge-
ſtell verbundener Recke, an deren Innenſeite man ſo
lange herum hangelt, als die Kräfte erlauben.
Das Hangeln kann geſchehen:
- 1. In allen Arten des Anhangs vorlings.
- 2. In allen Arten des Liegehangs (liegehangeln);
eben ſo ſchwimmhangs (ſchwimmhangeln). - 3. In allen Arten des Schwebehanges.
- 4. Im Kniehange.
- 5. Mit Wendegriff und Kehrgriff:
- a. mit Wendegriff: indem der Hangelnde immer
an einer Seite des Recks bleibt, und dabei
halbe Drehungen um ſeine Axe macht. Durch
die Drehung und das Herumgreifen kommen
die Hände immer aus Aufgriff in Untergriff,
und umgekehrt; - b. mit Kehrgriff: nur rückwärts; indem der
Hangler mit den Händen im verkehrten Quer-
hang iſt, ſo daß die Daumen nach vorn ſtehen.
Bei allem Hangeln müſſen die Beine geſtreckt und ge-
ſchloſſen ſein. - a. mit Wendegriff: indem der Hangelnde immer
- 6. Das Ziehklimmen: aus dem Hange mit geſtreck-
ten Armen, den Leib durch reines Ziehen ſo weit als
F 2mög-
[84] möglich in die Höhe bringen, ohne mit den Ellen-
bogen in die wagerechte Linie zu kommen — muß
ſchon darum ſehr geübt werden, weil man, ohne
einige Fertigkeit in demſelben, nichts aus dem freien
Hange machen kann:- a. Querhangs:
bis zum rechts- und links Anſchultern; - b. Seithangs:
- Aufgriffs
- Untergriffs
- Zwiegriffs
Der Leib kann bei allem Ziehklimmen ſein:- a. ganz geſtreckt: langhangend,
- b. in den Knieen gebogen: hangknieend,
- c. in den Hüften nach vorn gebogen, wobei die
Kniee geſtreckt ſind: hangſitzend.
Das Hangen in einer Hand, mit einem gebogenen
Arm, und langſame Herunterlaſſen iſt die beſte Vorü-
bung zum Ziehklimmen mit einem Arme, welches eine
der allerſchwierigſten Übungen iſt. - a. Querhangs:
7. Griffwechſel und Stemmen. Ihnen beiden
muß das Ziehklimmen, als dabei in Anwendung
kommende Übung, vorausgehen:
a. der Griffwechſel: das gleichzeitige Verwech-
ſeln der Griffarten durch Ziehklimmen:
1.
[85] 1. Aus Auf- in Untergriff — und umgekehrt,
2. Zwiegriffs,
3. Aus Armhang (Unterarm aufgriffs) in
Untergriff und umgekehrt;
b. das Stemmen: h. die Bewegung aus dem
Seithange mit gekrümmten Armen in den Stütz:
1. mit Auflegung der Unterarme,
2. mit wechſelarmigem Aufkippen der Ellen-
bogen,
3. mit gleicharmigem Aufkippen der Ellen-
bogen.8. Das Handeln h. den Körper im Stütz und in der
Schwebe (auf den Händen) weiter bewegen:
1. Im Stütz: rechts und links;
2. In der Schwebe:
a. aus d. Seitſitz: rechts und links,
b. aus d. Reitſitz:
1. auf einem Schenkel: rechts und
links,
2. im Spalt: vorw. und rückw.
c. aus dem Stütz: rechts und links.Beides — Stützhandeln und Schwebehan-
deln — kann wechſelhandig (Griff auf Griff), oder
gleichhandig (ruckweiſe) geſchehen. —9 Das Niederlaſſen und Erheben:
1.
[86] 1. aus dem Stütz: vorlings — das Anmunden,
rücklings — das Anſchultern;
2. aus der Schwebe (aus dem Reitſitz im Spalt):
das Heben des Leibes mit grätſchenden Bei-
nen, und Niederlaſſen mit nachgebenden El-
lenbogen, ſo tief als möglich, ohne jedoch
das Reck zu berühren — wie beim Schwingen.
B. Die Schwungübungen.
Der Schwung iſt dreierlei:
1. Aufſchwung: die Bewegung, welche den Tur-
ner aus dem Liegehang, Schwebehang oder Ab-
hang auf das Reck bringt;
2. Umſchwung: jede ganze Drehung des Turners
um die Axe des Reckes;
3. Abſchwung: jede Bewegung, welche den Tur-
ner aus dem Stütz oder Seitſitz vor- und rück-
wärts, mit einer wenigſtens halben Drehung
um ſeine Axe, auf die Erde bringt.
Es kann alſo kein regelmäßiger Abſchwung
aus dem Reitſitz auf einem Schenkel, und aus
dem im Spalt (welcher ſeitwärts geſchehen
müßte) gemacht werden.
Jedem Aufſchwunge geht der Anſchwung
vorher, welcher auch ſchon beim Liegehang
Schwimm-
[87] (Schwimmhang, Neſt), Schwebehang, Ab-
hang nothwendig war.
Der Anſchwung kann geſchehen von der
Erde (Standſchwung) oder aus dem (freien)
Hange (Hangſchwung), welcher letztere der
ſchwerere iſt.
1. Der Aufſchwung:
Erſte Art: — wobei der Turner in den Reitſitz
auf einem Schenkel kommt; geſchieht aus dem
Liegehang vorlings ſeithangs, in einem Knie;
das andre freihangende Bein giebt den Schwung.
Wenn Anfänger erſt den Querliegehang machen,
und dann den einen Arm aus dem Untergriff
in den Aufgriff bringen, ſo dient dies bloß zur
Erleichterung.
Dieſer Aufſchwung kann ſo gedacht werden,
daß die Oberarme, Unterarme oder Hände, einer
oder beide, rechts oder links, neben einander,
oder durch das Hangbein getheilt, aufgriffs, un-
kergriffs oder zwiegriffs, auf dem Reck liegen.
Daraus entſtehen ein hundert und zwei und drei-
ßig (132) verſchiedene Aufſchwünge, von denen
ungefähr die Hälfte vor- und rückwärts auszu-
führen iſt.
Dieſe alle werden gewöhnliche Auf-
ſchwünge oder Wellaufſchwünge genannt.
Hie-
[88] Hieher gehören noch:
Zwei Aufſchwünge mit verſchränkten Armen;
Ein Aufſchwung mit Faſſung des Kniees unter
dem Reck durch.
Zweite Art: wobei der Turner in den Seitſitz
kommt. Dieſe Aufſchwünge werden aus dem Lie-
gehang rücklings ſeithangs gemacht, vorwärts
und rückwärts, und heißen Sitzaufſchwünge.
Man kann aber die Schenkel auch durch eine
oder beide Hände theilen. Statt des Reckes
kann man bei dieſer Art auch die Füße faſſen.
Dritte Art: wobei der Turner in den Reitſitz im
Spult kommt. Dieſe Art geſchieht aus dem
Querſchwebehang, rechts und links, und heißt
Mühlaufſchwung.
Zur Erleichterung und ſchnellern Ausführung
faßt man das Reck ſeithangs aufgriffs, ſchwingt
die Beine wie zum Seitſchwebehang in die Höhe
und geht dann mit Zurückwerfung eines Beines
durch den Querſchwebehang durch.
Vierte Art: wobei der Turner in den Stütz
kommt; geſchieht aus dem Seitſchwebehang:
a. Aus dem Seitenſchweben vorlings:
1. Vorwärts (mit dem Kopf voran): wird
das Schwungſtemmen genannt. Die
Beine werden in den Seitſchwebehang
gewor-
[89] geworfen, gehen aber ſogleich mit einem
ſtarken Schwunge zurück, die Arme zie-
hen den in die Höhe gehenden Leib an
das Reck und ſtemmen,
2. Rückwärts (mit den Füßen voran): der
Felgaufſchwung. Die Beine werden
durch den Schwebehang hindurch ſo an
das Reck geworfen, daß der Bauch auf
daſſelbe zu liegen kömmt;
b. Aus dem Seitenſchweben rücklings
geht der Aufſchwung nur rückwärts (mit
den Füßen voran): Kreuzaufſchwung.
Der Schwung bringt hier den Turner mit
dem Kreuz auf das Reck, die folgende He-
bung des Kopfes aber in den Stütz rück-
lings.
Dieſer, ſo wie der Felgaufſchwung durch ein
bloßes Ziehen, alſo ohne Schwung iſt weit
ſchwieriger.
Fünfte Art: aus dem Kniehang kann ohne Hände
ein Aufſchwung vorwärts und rückwärts gemacht
werden, wodurch der Turner in den Seitſitz
kommt. Er wird der Knieaufſchwung ge-
nannt.
2. Der Umſchwung.
a. Wellen: — Welle (die) h. jeder fortgeſetzte Auf-
ſchwung
[90] ſchwung aus dem Lieghang oder Abhang, welcher
den Turner ein oder mehrere Male um das Reck
treibt:
1. die gewöhnliche Welle: aus dem ge-
wöhnlichen Aufſchwung vor- und rückwärts,
2. die Kniewelle: aus dem gewöhnlichen
Aufſchwung mit Faſſung des Kniees: vor-
und rückwärts,
3. die Sitzwelle: aus dem Sitzaufſchwung
vor- und rückwärts,
4. die Burzelwelle: aus dem Sitzaufſchwung
mit Faſſung der Füße, vor- und rückwärts,
5. die Kniehangwelle: aus dem Knieauf-
ſchwung rückwärts, bloß rückwärts. Hiezu iſt
nöthig, daß man den Stehſchwung ganz
ſicher hat;
b. Die Felge: aus dem Stütz,
1. vorwärts: fortgeſetzte Bewegung des Schwung-
ſtemmens,
2. rückwärts: fortgeſetzte Bewegung des Seit-
aufſchwungs.
Der Leib muß dabei ſo feſt als möglich an dem
Reck bleiben.
c. Die Bauchfelge: eine Felge, wobei die Ober-
ſchenkel von den Händen gefaßt werden.
d.
[91]
d. Die Kreuzbiege: aus dem Armhang rücklings,
vorwärts und rückwärts.
e. Die Speiche: aus dem Unterarmhang vor-
lings; bloß nach vorn, mit den Füßen voran.
f. Der Überſchwung: ein Seitaufſchwung, wo-
bei der Turner, ohne das Reck mit dem Leibe
zu berühren, über daſſelbe hinüber, bis auf die
Stelle des Aufſprungs kommt.
3. Der Abſchwung muß immer mit geſchloſſenen
Füßen und Beinen geſchehen.
a. Reine Abſchwünge: mit ganzer Drehung des
Turners um ſeine Achſe:
1. vorwärts aus dem Stütz: auch mit Hebung;
2. vorwärts mit Aufſetzung der Kniee;
3. rückwärts aus dem Seitſitz;
4. rückwärts wie vorher, aber mit Faſſung der
Füße, die aber nach beendigter halber
Drehung wieder losgelaſſen werden;
5. der Stehſchwung: Aus dem Seitſitz wirft
ſich der Turner, ohne Gebrauch der Hände,
rückwärts in den Kniehang, geht mit die-
ſem Schwunge beinahe bis in die wage-
rechte Linie, läßt die Kniee los und ſteht
vor dem Reck. — Erſt muß der Steh-
ſchwung aus dem Kniehange geübt wer-
den, dann das langſame Hinabwerfen in
den
[92] den Kniehang und endlich beides zuſam-
men; aber immer mit großer Vorſicht,
und anfangs mit Hülfe.
b. Gemiſchte Abſchwünge: mit halber Drehung
des Turners um ſeine Axe, nach welcher in
entgegengeſetzter Richtung eine zweite erfolgt:
1. vorwärts aus dem Seitſitz;
2. vorwärts wie vorher, aber mit Faſſung der
Füße; wie oben rückwärts.
Dieſe beiden Abſchwünge werden reine, wenn
man an die erſte halbe Drehung den Durch-
ſchwung rückwärts anhängt.
4. Der Durchſchwung: vorwärts und rückwärts;
ein Umſchwung, deſſen Axe nicht das Reck, ſondern
die Schultern des Turners ſind.
Bewegung wie zum Seitliegehang vorlings; die
Spitzen werden aber angezogen, die Füße geſchloſ-
ſen zwiſchen den Armen durchgeworfen; dann wird
der Körper ſo weit als möglich hinabgeſtreckt, und
die Bewegung wieder rückwärts gemacht.
5. Der Unterſchwung: die Beine werden beinah
bis in den Seitſchwebehang geworfen, nun aber der
Körper nachgeſchoben, das Kreuz eingezogen und
der Leib, in einem hohen, weiten Bogen nach vorn,
zur Erde geſchnellt. Die Hände müſſen weder zu
lange am Reck bleiben, noch zu früh loslaſſen.
Die
[93]
Die Reckübungen ſind hier nach ihrer natürli-
chen Folge und Folgerung, wie ſie auseinander entſtehen
und zuſammen gehören, aufgeführt. Bei der Erlernung
aber muß man eine Folge nach ihrer größeren Leichtig-
keit und Steigerung annehmen; und bei ihrer ſo großen
Zahl vieles im Anfang auslaſſen.
Zur Erlernung und Durchübung von einer größern
Anzahl und ganzen Riege möchte nachſtehende Reihe die
beſte und leichteſte ſein:
1. Seithang: Aufgriffs. — In demſelben das Reck
auf und abhangeln.
2. Unterarmhang — und das Reck zu Ende hangeln.
3. Oberarmhang — und das Reck zu Ende hangeln.
4. Querhang — und auf und abhangeln.
5. Ziehklimmen, auf die Dauer:
a. Querhangs,
b. Seithangs — aufgriffs.
- 6. Querliegehang
- 7. Seitliegehang
- 8. Kniehang: auch wechſelfußig.
- 9. Querſchwebehang
- 10. Seitſchwebehang
men
[94]
11. Wellaufſchwung im linken Knie, und Ab-
ſchwung vorwärts aus dem Stütz.
12. Wellaufſchwung im rechten Knie, und Ab-
ſchwung rückwärts aus dem Sitz.
13. Felgaufſchwung und Abſchwung vorwärts.
14. Das Anmunden.
15. Stemmen.
16. Schwungſtemmen und Abſchwung vorwärts.
17. Handeln im Stütz, rechts und links.
18. Durchſchwung und Kreuzaufſchwung, und
rückwärts Abſchwung.
19. Das Anſchultern.
- 20. Sitzaufſchwung: vorwärts u. rückw.
- Mühlaufſchwung rechts und links,
21. Wellen:
- a. gewöhnliche
- b. Kniewelle,
- c. Sitzwelle,
22. Mühle.
23. Felge: rückwärts, und vorwärts ab.
24. Kreuzbiege: rückwärts.
25. Speiche.
26. Überſchwung.
27. Durchſchwung: hin und her.
28. Unterſchwung.
29.
[95]
29. Stehſchwung.
30. Hangeln mit Wendegriff und Kehrgriff.
31. Griffwechſel.
32. Handeln in der Schwebe: vorwärts und rück-
wärts.
VII.Die
[96]
VII.Die Barrenuͤbungen.
Turnzeug: der Barren (Platte 1. Zeichn. H.): be-
ſteht aus zwei wagerechten gleichlaufenden 8 Fuß
langen Hölzern (Holmen), deren jedes auf 2 Stän-
dern ruht. Jeder Holm iſt 3 Z. hoch und 2½ —
3 Z. breit, oben und an den Enden ganz rund, auch
unten nicht mit ſcharfen Kanten. Die Ständer kön-
nen dicker ſein, müſſen ſich aber nach den Überla-
gen zu bis zur Dicke derſelben verjüngen, beſon-
ders nach der äußern Seite des Holmes zu (Platte
1. Zeichn. J.), und dürfen ebenfalls keine Kanten
haben; ſie ſtehen 1 F. von jedem Ende ab.
Für Anfänger muß der Barren nicht höher als
bis an die Achſelgrube reichen; für Geübte kann
er ſcheitelhoch und darüber ſein.
Alle Barrenübungen laſſen ſich in zwei große Ab-
theilungen bringen:
A. Alle Hebe-, Stütz- und Stemmübungen, welche
bloß die Stärkung der Arme beabſichtigen;
B. Alle Schwungübungen, wobei die ſtützenden
Ar-
[97] Arme nur Nebenſache und Mittel zum Zweck, der
künſtliche Schwung hingegen und die geregelte Be-
wegung des Leibes Hauptſache iſt.
Bei allen Barrübungen, wenn es nicht ausdrück-
lich widerrufen wird, iſt der Leib in der Mitte des Bar-
ren, jede Hand faßt einen Holm mit dem Daumen nach
inwendig.
A. Hebe-, Stütz- und Stemmübungen.
1. Das Hüpfen: am Ende des Barren, bis zur
Ausſtreckung der Arme, wie beim Schwingen:
a. mit Kniebeugen,
b. mit Knieſteifen.
Iſt der Barren ſcheitelhoch und darüber, ſo geht
es in ein Stemmen über.
2. Das Niederlaſſen bis zur Berührung
der Erde mit den Fußſpitzen oder Knieen, je
nachdem der Barren hoch, und wieder Er-
heben.
3. Das Niederlaſſen auf die Ellenbogen
und Aufkippen derſelben:
wechſelarmig,
gleicharmig.
4. Das Anmunden (Berühren des Barren mit
dem Munde):
- a. Anmunden des Barren
- b. Anmunden des eignen Daumen
GNach
[98]
Nach jedem Anmunden müſſen die Arme wieder
geſtreckt werden.
5. Das Heben. Die Füße werden vorwärts oder
rückwärts, mit zuſammengezogenem Leibe, ge-
ſtreckt gehoben, ganz langſam, ohne Schwung;
und mehrere Male hinter einander.
Aus dieſem Heben entſteht:
6. die Schwebe:
a. vorwärts: wo die Beine grätſchend über
dem Barren ruhen, und der Leib die Arme
nicht berührt;
b. rückwärts: wo die Beine grätſchend rechts
und links, hinter den Armen, neben dem
Barren hangen, und der Leib die Arme nicht
berührt;
c. über einem Holme: rechts und links.
7. Das Handeln: fortbewegen auf den Händen:
a. im Stütz:
1. mit geſtreckten Armen,
2. mit gebogenen Armen, wobei die Ellen-
bogen höher als die Schultern ſein
müſſen;
b. in der Schwebe: über einem Holm des
Barrens.
Alles Handeln kann geſchehen:
wech-
[99]
wechſelhandig: mit einer Hand nach der
andern;
gleichhandig: mit beiden Händen zu gleicher
Zeit.
8. Die Stützkehre: eine Drehung im Stütz, durch
Abſtoß der Hände, wobei dieſe ihre Plätze ver-
wechſeln. Sie muß erſt wechſelhandig, dann
gleichhandig geübt werden.
Die meiſten dieſer Übungen laſſen ſich auch mit aus-
wärts — nach der Außenſeite der Holme — ge-
drehten Daumen machen.
B. Die Schwungübungen.
1. Der Sitzwechſel: wobei die Beine immer ge-
ſchloſſen bei feſtſtehenden Händen, bald vor,
bald hinter dieſelben; bald von einem Holm
auf den andern geworfen werden:
a. zur Kehre: vor den Händen, rechts und
links.
b. zur Wende: hinter den Händen, rechts
und links.
c. zum Halbmond:
- 1. von r. hinten nach r. vorn
- 2. von l. hinten nach l. vorn
d. zur Schlange:
G 21.
[100]
- 1. von r. hinten nach l. vorn
- 2. von l. hinten nach r. vorn
2. Die Kehre: die Beine werden geſchloſſen vor-
wärts rechts oder links über den Barren fort-
geworfen, der Turner kommt auswendig am
Holm zur Erde. Bewegung des Körpers und
der Hände wie bei der Kehre im Schwingen.
3. Die Wende: die Beine werden geſchloſſen rück-
wärts, rechts oder links, über den Barren fort-
geworfen, der Turner kommt auswendig zur
Erde. Bewegung des Körpers und der Hände
wie bei der Wende im Schwingen.
4. Sitzwechſel mit Kehre: vorlings.
5. Sitzwechſel mit Wende: rücklings.
6. Der Halbmond: am rechten oden linken Holm
a. vorwärts: aus dem Sitzwechſel zum
Halbmond, mit Kehre.
b. rückwärts: aus dem Sitzwechſel zum
Halbmond, mit Wende.
7. Die Schlange: von rechts nach links, und von
links nach rechts:
a. vorwärts: aus dem Sitzwechſel zur
Schlange, mit Kehre.
b. rückwärts: aus dem Sitzwechſel zur
Schlange, mit Wende.
8.
[101]
8. Der Schwebewechſel: die Beine werden grät-
ſchend rückwärts über einen Barrenholm gewor-
fen, von da über den andren, und ſo hin und
her in der Schwebe, daß immer ein Bein aus
dem Barren, das andre in demſelben iſt.
9. Der Kreis, mit einem Beine beſchrieben:
a. von auswendig nach inwendig. Ein
Fuß wird rückwärts aus dem Barren ge-
worfen, und vorwärts wieder hinein, von
der Hand durchgelaſſen.
b. von inwendig nach auswendig. Der
Fuß wird vorwärts aus dem Barren,
und rückwärts hinein geworfen.
Der Kreis wird erſt am Barrenende, dann
in der Barrenmitte, doch immer mit Vor-
ſicht geübt.
10. Das Wippen: ein Rückwärts-bewegen der
Beine im Stütz, nach vorn gemacht wird
der Leib, nach hinten das Kreuz einge-
zogen.
Man übt dies mit mäßigem Schwunge oder
mit Rückſicht auf die Höhe, wobei es beinah
bis zum Überſchlagen geht. Letzteres mit gro-
ßer Vorſicht.
Anfangs hält man die Beine geſchloſſen, ſpäter
kann
[102] kann man aber vorwärts und rückwärts über
dem Barren grätſchen, wobei man in der Mitte
ſein muß; ſonſt wird dieſe Übung immer am
Ende des Barren getrieben.
11. Das Abwippen: vom Ende des Barren.
Man wippt einige Mal mäßig und ſtoßt dann
den Leib rückwärts wagerecht fort; wie beim
Schwingen. Ein gerechtes Maaß iſt die Lei-
beslänge mit ausgeſtrecktem Arme.
12. Das Überſchlagen:
a. aus dem Hange. Beide Hände faſſen
von unten, man überſchlägt ſich rück-
wärts, die Hände halten feſt. Die Füße
berühren die Erde und machen die Bewe-
gung rückwärts. Ein leichtes Stück.
b. aus dem Stütz: am Ende des Barren,
Geſicht nach außen. Man wippt ein-
oder einige Male vor und überſchlägt ſich,
ſo daß man vor dem Barren zu ſtehen
kommt. Anfangs immer mit Hülfe Zweier,
welche die Arme halten.
Anmerkung. Die meiſten dieſer Schwungübungen können
aus dem Stütz mit gebogenen Armen und mit
aufgelegten Ellenbogen vollführt werden.
Das Durchſchieben (der Durchſchub) gehört zu
keiner der angeführten Arten der Barrenübun-
gen.
[103] gen. Man ſteht neben dem Barren, faßt den
einen Holm auf-, unter-, oder zwiegriffs,
wirft die Füße unten durch auf den andern
Holm, ſchiebt den Leib bis in das Kreuz auf
den Barren, und richtet ſich auf.
VIII.
[104]
VIII.Klettern.
Klettern heißt: irgend einen erhabenen Gegenſtand,
den man mit den Füßen allein nicht erſteigen kann,
durch Hülfe der Hände und Füße, oder der Hände allein,
erreichen oder zu erreichen ſuchen.
Kletterzeug:
1. Die Kletterſtange von 2 — 4 Z. Stärke,
und verhältnißmäßiger Länge, 10 — 30 F.
hoch. Am beſten geſchnittene und rund geho-
belte Stangen aus gutem Kernholz.
2. Der Klettermaſt von 6 — 12 Z. Stärke am
Stammende, glatt gehobelt und oben mit einem
feſten Kreuz (Platte 2, Zeichn. W und Z.) zum
Ausruhen verſehen. Von 20 — 60 F. Höhe.
3. Das Klettertau: 5/4 — 6/4 Z. ſtark, mit einer
feſten Öſe zum Anſchleifen; 20, 30 und 40 F.
lang.
4. Die Leitern:
a. Holzleiter: ſehr feſt mit breiten einge-
ſtämmten, oben abgerundeten Sproſſen,
die
[105] die höchſtens 1 F. von Mittel zu Mittel
ſind. Neigung gegen die Erde 60°;
b. Strickleiter: 20 F. lang, wenigſtens mit
3 hölzernen Sproſſen: oben, unten und
in der Mitte.
5. Lehnſtangen und Lehnmaſte: d. h. Stan-
gen und Maſte, die in einem Winkel zwiſchen
45 und 70° feſt angelehnt ſind.
Die Anbringung des Kletterzeuges iſt ſehr verſchie-
den. Hat man hohe, ſtarke Bäume, ſo kann man Tau,
Stangen und Maſte an den Äſten oder an Rahen,
welche in die Bäume gelegt ſind, befeſtigen. Fehlen
dergleichen Bäume, ſo muß man Gerüſte errichten, an
denen ſich alsdann auch Mehrere zugleich üben können.
Alle dergleichen Gerüſte beſtehen aus 2, 3, 4 oder meh-
reren ſenkrechten Maſten, ſo durch Rahen verbunden
ſind, an denen Taue, Leitern und Stangen angebracht
werden.
Hier die Beſchreibung einiger bereits durch den Ge-
brauch bewährt gefundener
Klettergerüſte:
1. Der Einbaum (Platte 2, Zeichn. R.). Ein 40 F.
hoher, ſehr ſtarker Maſt wird in die Erde ge-
rammt, und am Zopfende durch 2 wagerechte
Balken eingefaßt. Dieſe ſtehen nach der einen
Seite 6 F. heraus, und werden durch ein
run-
[106] rundes Holz verbunden, woran man das Tau
befeſtigt. Durch eine ſchräge Leiter, die von ihrem
Ende bis 6 F. tiefer gegen den Maſt geht, wer-
den dieſe Balken geſtützt; auf der andern Seite
ſtehen ſie 3 F. über, und werden auch durch Stre-
ben gegen den Baum geſtützt. Sie laufen hier
aus einander, nahe am Maſt und am Ende ſind
ſie durch 8 Z. breite Sitzbretter verbunden; der
mittlere Raum von 20 Z. bleibt zum Durchſteigen.
Von dieſem Raume geht eine Leiter faſt ſenkrecht
15 F. tief auf eine andre Bühne, welches alſo
25 F. von der Erde an dem Baume angebracht
iſt; und von hier geht im Neigewinkel von 60°
gegen die Erde eine Klimmleiter, die in der Mitte
durch Streben geſtützt ſein muß. Bis zur Höhe
von 25 F. kann man auch noch 2 — 3 Streben
gehen laſſen, welche den Baum halten und zu-
gleich als Lehnſtangen zum Klettern dienen.
2. Der Zweibaum (Platte 2, Zeichn. S.). Zwei
Maſte werden 18 F. aus einander in die Erde
geſetzt. 20 F über der Erde werden ſie durch eine
ſtarke Rahe verbunden, die an beiden Seiten 4 bis
5 F. überſteht. An ihren beiden Enden (Nocken)
werden Taue befeſtigt. In der Mitte wird eine
Strickleiter gehängt und zwiſchen dieſer und den
Maſten werden 3 Z. ſtarke Stangen zum Klettern
und
[107] und Klimmen eingeſetzt. Von der einen Seite
liegt gegen jeden Maſt eine Lehnſtange, von der
andern eine Klimmleiter.
3. Der Vierbaum (Platte 2, Zeichn. T.). Ein ſtar-
ker Maſt wird eingerammt; aus ihm gehen in
einer Höhe von 30 F. über der Erde im Kreuz
4, zwölf Fuß lange, Rahen; dieſe werden 8 F.
weit vom Mittelmaſt durch Klettermaſte unter-
ſtützt. Am Ende jeder Rahe iſt ein Tau befeſtigt.
In einem Neigewinkel zweier Rahe wird eine
Klimmleiter angeſetzt. Vier Fuß vom Maſte kann
man an den Rahen noch Stangen anbringen.
Ein Gerüſt, welches für den Anfang gerade nicht
nöthig, aber auf einem vollſtändig eingerichteten Turn-
platze nicht fehlen ſollte, iſt:
4. der Klimmel (Platte 2, Zeichn. V.), eine Vor-
richtung zum Klimmen. Ein gleichſeitiges Viereck
von 9 F. im Geviert wird beſchrieben; in deſſen
Ecken werden 4 ſtarke Stiele, 6 F. hoch über der
Erde, geſetzt und dieſe werden mit 4 ſtarken Über-
lagen oder Rahmen verbunden. Auf dieſe werden
vier Fächer im Winkel von 60° errichtet.
Die 4 Strebebänder, welche die Fächer ver-
binden, werden von 1 zu 1 F. ihrer Länge, wie
eine Leiter, mit Sproſſen verbunden, deren in
jedem Fach fünf genug ſind. Die Sproſſen wer-
den
[108] den, wo ſie ſehr lang ausfallen, unten dick ge-
macht, damit ſie feſt ſind, und oben zum beſſern
Anfaſſen dünner bearbeitet.
Das Klettern iſt zweierlei:
A. das eigentliche Klettern (Klettern mit Hän-
den und Füßen)
iſt entweder:
a. Hangklettern: wo der Körper eine ſenk-
rechte oder rückwärts geneigte Lage hat;
oder
b. Reitklettern: wo der Körper eine vor-
wärts geneigte Lage hat, und ſich mit
den Füßen allein halten kann.
B. das Klimmen (Klettern mit den Händen
allein) iſt beſtändig ein Hangklettern.
A. Das eigentliche Klettern.
Kletterregeln. Iſt das Kletterzeug dünn (als Stange
und Tau), ſo müſſen die Hände das Meiſte thun,
und daher ſehr feſt umſpannen; iſt es über ſpann-
dick (Maſt), ſo können die Hände bloß mit den
Unterarmen feſt angelegt werden, und die Bruſt
muß von der andern Seite den Gegendruck ma-
chen. Bei einem ſtarken Maſte faßt eine Hand den
andern Unterarm; iſt er noch ſtärker, ſo werden die
Finger verſchränkt.
Die
[109]
Die Beine umſpannen das Kletterzeug ſo, daß
das eine vorn mit Wade und Ferſe, das andere
hinten mit dem Fußgelenk, Schienbein und Knie
gegenliegt. Das Tau wird bloß zwiſchen Ferſe und
Fußgelenk feſtgehalten.
Bei einem ſtarken Maſte, beſonders wenn er
rauh iſt, ſchließen beide Kniee und Oberſchenkel von
beiden Seiten, die Schienbeine werden nach hinten
angelegt und die Fußſpitzen von hinten gegenge-
ſetzt. — Bei einem ſehr ſtarken und glatten Maſte,
wo man die Finger verſchränkt, thut man auch
wohl, beide Beine nach vorn zu ſtrecken und die
Füße zu überknöcheln.
Beim Klettern greift immer eine Hand um die
andre und über die andre weg, nicht eine nach
der andern; alſo Vorgriff und Übergriff, nicht
Vorgriff und Nachgriff.
Es kommt alles darauf an, beſonders beim Tau,
daß die Hände ſo hoch als möglich greifen, und
dann die Füße ganz nah an die Hände heran ge-
zogen werden, d. h. daß man große Spannen
(Griffe) macht.
Beim Herabklettern am Tau muß man die
Hände niemals an demſelben gleiten laſſen, ſondern
Griffe machen, wie beim Hinaufkletern. An
Stange und Maſt kann man herabgleiten.
Das
[110]
Das Klettern an:
1. der Stange (Stangenklettern) iſt immer
Hangklettern und die leichteſte Art; man muß da-
her in dieſer große Fertigkeit erlangen;
2. dem Maſt (Maſtklettern) iſt immer Hangklet-
tern und die ſchwerſte Art; ſehr angreifend für den
ganzen Körper, wenn der Maſt ſehr hoch und
dick iſt;
3. der Lehnſtange:
an der Oberſeite — Reitklettern,
an der Unterſeite — Hangkletern;
iſt ſehr verſchieden, je nachdem die Stange wenig
oder viel Neigung hat, dünne oder dick iſt;
4. dem Tau, immer Hangklettern:
a. am ſenkrecht ſchlaffen Tau,
b. am ſenkrecht geſpannten Tau,
c. am ſchräg geſpannten Tau.
Das ſchwerſte Tauklettern iſt: mit beiden Fü-
ßen und einer Hand. Auch nicht leicht iſt das
Verkehrt-Klettern (die Beine oben, Kopf
nach unten);
5. der Leiter (Leiterklettern). Die ſchwerſte Art
iſt an der ſchlaffen Strickleiter, wegen der Nachgie-
bigkeit der Sproſſen; nächſt dieſem an der Innen-
ſeite der ſchrägſtehenden Holzleiter; an deren Au-
ßenſeite iſt es ein bloßes Steigen.
B.
[111]
B. Das Klimmen.
Da bei dieſer Übung der Körper bloß durch Hülfe
der Arme gehoben werden ſoll, ſo müſſen auch die Beine
und der ganze übrige Leib ſo ruhig als möglich gehal-
ten werden.
Das Ziehklimmen am Reck iſt die beſte Vor-
übung.
Alles Klimmen geſchieht entweder mit:
1. Senkgriff, am ſenkrechten oder ſchrägen Kletter-
zeuge, wo die Fläche der Hand ſenkrecht; oder mit:
2. Riſt- oder Wagegriff, am wagerechten Kletter-
zeuge, wo der Riſt der Hand nach oben und die
Fläche der Hand wagerecht.
1. Das Klimmen mit Senkgriff geſchieht immer
mit Vor- und Übergriff, nicht Nachgriff;
die Ellenbogen müſſen dabei ſo nahe als möglich
an den Leib geſchloſſen werden.
Der Leib kann dabei ſein:
a. ganz geſtreckt — langhangend,
b. in den Knieen gebogen — hangknieend,
c. in den Hüften nach vorn gebogen, wobei
die Kniee geſtreckt ſind — hangſitzend.
Die Beine können dabei gehalten werden:
- a. geſchloſſen an einer Seite
- b. grätſchend an beiden Seiten
Dies
[112]
Dies Klimmen geſchieht:
a. am Tau (Tauklimmen),
b. an der ſpanndicken Kletter- oder Lehn-
ſtange (Stangenklimmen),
c. an den beiden Hauptſeilen der Strick-
leiter.
2. Das Klimmen mit Riſt- oder Wagegriff: ge-
ſchieht faſt nur an der Holzleiter; an der Strick-
leiter iſt es, wegen Nachgiebigkeit der Sproſſen,
ſehr ſchwer. Es ſoll eigentlich immer mit Vor-
und Übergriff getrieben werden; im Anfang iſt
jedoch das Nachgreifen gern zu geſtatten, nur
muß es nicht immer mit derſelben Hand geſchehen.
Das Ruckklimmen mit beiden Händen zugleich,
darf nur nahe an der Erde auf 2 Sproſſen auf
und ab geſchehen, weil ein Fehlgriff dabei nicht
ſelten.
Am Klimmel geſchieht das Klimmen wie an
der Leiter; in einem Fach in die Höhe, im andern
herunter, und ſo weiter, ſo lange die Kräfte
dauern; oder auch immer in einem Fach auf und
ab. Der Klimmel hat den großen Nutzen, daß
ſich mehrere zu gleicher Zeit im Wettklimmen
üben können. —
Zum Wettklettern (und Wettklimmen) ſind wenig-
ſtens ein Paar gleich dicker und gleich hoher
Stangen
[113] Stangen (als am Zweibaum), Taue (am Zwei-
baum, Vierbaum) oder Maſte erforderlich.
Das Vorbeiklettern eines bei dem andern kann
geſchehen:
a. von unten nach oben (Überklettern),
b. von oben nach unten; und
iſt gewöhnlich Miſchübung von Klettern und
Klimmen.
HIX.
[114]
IX.Werfen.
Das Werfen iſt ſechserlei:
A. das Schießen:
1. mit dem Feuergewehr,
2. mit der Armbruſt,
3. mit dem Bogen,
4. mit dem Schaft (bei uns das Gerwerfen);
B. das Schocken: Werfen ſchwerer Gegenſtände,
wobei der Wurf die Kraft durch ein einfaches
Vor- und Rückſchwingen des geſtreckten Armes
bekommt;
C. das Stoßen, wobei ſchwere Körper bloß durch
das Strecken des vorher gekrümmten Armes fort-
bewegt werden;
D. das Schleudern, wobei leichte Körper durch
verſchiedenartige Schwingungen, bloß durch die
Hände oder vermittelſt eigener Werkzeuge gewor-
fen werden;
E. das Gellen (wälſch Ricochettiren);
F. das Schirken.
Das
[115]
Das Werfen iſt eine der wichtigſten Übungen,
zur Stärkung des Armes und Schärfung des Augen-
maaßes; jedoch erfordert es große Vorſicht vielen Raum
und Berechenbarkeit der Bahn. Daher können auch nur
das Gerwerfen, Schocken und Stoßen auf dem
Turnplatze getrieben werden, aber dieſe ſollten auch,
obgleich ſie nicht für Kinder unter 11 Jahren ſind, auf
keinem Turnplatze fehlen.
A. Das Schießen.
1. Mit dem Feuergewehr, beſonders der Büchſe, iſt
für Jünglinge eine herrliche Übung. Es wäre wohl
zu wünſchen, daß bei jedem Turnplatz eine eigne
Schießbahn außerhalb deſſelben wäre, oder man
wenigſtens eine andre benutzen könnte; auf der die
größeren Turner in eigenen Stunden Anweiſung
bekämen: die gewöhnliche Turnzeit würde zu ſehr
geſtört werden. Es kann hier nicht die Rede da-
von ſein, fertige Schützen zu bilden, denn dazu
gehört lange Übung; aber jeder Mann ſollte we-
nigſtens eine genaue Kenntniß des Feuergewehrs
erlangen, und damit umgehen lernen;
2. mit der Armbruſt. Dieſe vertritt, wenn ſie gut
iſt, beinahe die Stelle des Feuergewehrs, dann aber
iſt ſie auch koſtſpielig und erfordert gleichfalls viel
Vorſicht; das Feuergewehr iſt daher immer vorzu-
H 2zie-
[116] ziehen. Zum Vergnügen und für Knaben iſt die
Armbruſt jedoch ſehr gut;
3. mit dem Bogen. Das Bogenſchießen iſt eine ſehr
heilſame Übung, indem ſie einen feſten Arm und
ſcharfes Auge giebt, für das reifere wie für das
Knabenalter gleich vortheilhaft; daher außer dem
Turnplatz auch ſehr zu empfehlen;
4. mit dem Schafte, bei uns:
das Gerwerfen.
Wurfgeräth: der Ger (Platte 1, Zeichn. C.), eine
geſchnittene Stange als Schaft. Die Spitze (Platte
1, Zeichn. C, a.) wird mit einem 4. Z. langen
eiſernen Beſchlage verſehen, der ſich halbkugel- oder
kegelförmig endigt. Das Schaftende (Platte 1.
Zeichn. C, b.) bekommt einen 2 Z. langen eiſernen
Ring als Beſchlag, der ſo viel Gegengewicht hal-
ten muß, daß der Schwerpunkt des Gers nur etwa
2 — 3 Z. ans der Mitte nach der Spitze zu fällt.
Für Kinder und Knaben, bis 12 Jahre alt, muß
der Ger 6 F. lang und 1 Z. höchſtens 5/4 Z. ſtark
ſein; für Größere und Ältere nach Verhältniß
ihrer Stärke 7 oder 8 F. lang, und 5/4 oder 6/4 Z.
ſtark. Von einem andern Verhältniß ſollte und
muß kein Ger auf dem Turnplatze geduldet wer-
den, ſonſt wird er entweder zu dünn oder zu dick.
Zu den Geren muß beſonders trocken Holz genom-
men
[117] men werden; wenn man es haben kann, Eſchen-
holz, ſonſt muß man ſich mit Kienenholz behelfen
Wurfzeug: ein Pfahlkopf (Platte 1, Zeichn. B.)
als Wurfziel. Ein 12 — 16 Z. hoher, kopfähn-
licher Klotz (Platte 1, Zeichn. B, a.) wird durch
eine eiſerne Krampe, auf einem 4 — 4½ F. hohen,
5 — 6 Z. ſtarken Ständer (Platte 1, Zeichn. B, b.)
befeſtigt. Die Krampe wird durch 2 ſtarke Eiſen-
ringe an den Ständer und Kopf befeſtigt; ſo daß
dieſer vom Wurfe getroffen, überſchlägt, aber han-
gen bleibt.
Die Wurfbahn muß, wegen der oft weit vom Pfahle
abſpringenden Würfe und Gere wenigſtens 30 F.
breit ſein. Am Ende der Bahn wirft man einen
Erdwall von 3 — 4 F. Höhe auf, von dieſem ſteht
der Pfahlkopf wenigſtens 20 F. ab. Ein Verſchlag
von Brettern, ein Schott, iſt noch beſſer, da die
Gere bei ſtarken und geraden Würfen leicht über
den Wall rutſchen, und in einer andern Bahn hin-
dern. Zum Wurf ohne Anlauf müſſen 40 — 50
F., und daher die ganze Bahn wenigſtens 70 F.
lang ſein.
Wurfhaltung: Beine geſpreizt;
Fuß des Wurfarms hinten und
gequert;
Fuß
[118]
Fuß des Ruharms vor, und ein
wenig auswärts;
Ruharm in einem ſpitzen ſchräg lie-
genden Winkel: Fauſt ge-
ballt, Nägel ſichtwärts;
Wurfarm in einem ſpitzen Winkel, hält
den Ger mit der Fauſt nahe
am Geſicht in der Schwebe.
Beide Füße beim Wurf ſtandfeſt.
Vorübungen:
a. die Schwebe des Gers finden und abwägen;
b. in der Schwebe halten und tragen, im Stand
und Lauf;
c. Rucken: den Ger durch einen Ruck der Hand
und des Unterarms plötzlich wagerecht nach hin-
ten bewegen;
d. Schnellen: den geruckten Ger durch einen
Schneller wieder vorwärts ſtoßen, wobei er
wagerecht bleiben muß und nicht aus den Fin-
gern ſchießen darf;
e. Ruck und Schneller wiederholen, und beide
Vor- und Rückbewegungen ſo ſchnell und kraft-
voll als möglich;
f. dann Abwürfe verſuchen; erſt kürzere, dann
längere, wobei alle Finger zugleich losgelaſſen
werden müſſen. —
Der
[119]
Der Gerwurf iſt: Kernwurf, Bogenwurf und
Tiefenwurf.
1. Kernwurf geſchieht ganz, wie aus der Haltung
und den Vorübungen folgt, wagerecht, ſoviel es
die Schwerkraft erlaubt. Der Kernwurf muß
erſt von einem Jeden ziemlich fertig gemacht wer-
den können, bevor er zum Bogenwurf übergeht.
2. Bogenwurf, der in einem ſtarken Bogen auf
das Ziel geht, erfordert bei weniger Kraft mehr
Übung und Geſchicklichkeit. — Der Ger wird ſo
gefaßt, daß er etwas Übergewicht nach vorn hat;
und der Vortheil beſteht darin, dem Ger beim
Abwurf einen ſolchen Stoß oder Druck zu geben,
daß er ſich bei erreichter größter Höhe unter dem
richtigen Winkel mit der Spitze zuerſt ſenkt.
Der Winkel, unter welchem der Ger auftrifft,
muß unter 45° ſein; ſonſt ſchlägt er über und
hat zu wenig Kraft. —
Beim Bogenwurf kann der Ger ſo geführt
werden:
a. daß der Arm ſich beim Anziehen faſt ganz
ſtreckt, und ſich ſo dreht, daß die Öffnung
der Finger von oben kommt; die Bruſt
wendet ſich etwas gegen den Ger. — die
gewöhnliche Art;
b. daß der Arm ſich beim Anziehen weniger
ſtreckt
[120] ſtreckt und gar nicht dreht. Die Bruſt
wendet ſich auch nicht, der Oberleib biegt
ſich aber ſtark rückwärts. Dieſen Wurf em-
pfindet man ſtark im Kreuz.
Der Bogenwurf reicht weiter als der Kernwurf;
man muß ihn aber auch in Rückſicht auf Höhe
allein, und dann auf Höhe und Weite zugleich üben.
3. Tiefenwurf: von einer Anhöhe in die Tiefe,
kann Kern- und Bogenwurf ſein.
Kernwurf, Bogenwurf und Tiefenwurf können
gemacht werden:
1. a. vom Stande (Standwurf),
b. mit Anlauf (Anlaufwurf);
dabei 2. a. rechts,
b. links, welches eben ſo ſehr, als Rechts-
werfen geübt werden muß.
Hieraus entſtehen 12 Veränderungen. —
Treffer ſind, wenn der Ger
beim Kernwurf anſpitzet,
beim Bogenwurf aufſpitzet,
beim Tiefenwurf einſpitzet.
Fehler ſind, wenn der Ger,
ſtatt wagerecht und im Bogen zu ſchießen, ſchlän-
kert, kippt und wippt, quert und trummt
(wie ein Trumm herunter fällt), wenn er anſchaf-
tet — mit dem Schaftende anſtreifft —; oder
auf-
[121]aufſchaftet — mit dem Schaftende zuerſt auf-
fällt —: überhaupt, wenn er nicht ſpitzet.
B. Das Schocken.
Schocken iſt das Werfen ſchwerer Gegenſtände,
welche wie Kugeln bein Kegelſpiel in die Hand gelegt
werden. — Mit beiden Händen zugleich ſchocken iſt
nicht turneriſch. Auf dem Turnplatze, wo man nach
einem Ziele ſchocket, gebraucht man nur 1 — 3 pfün-
dige Geſchützkugeln. Anderthalb- bis zweipfündige Ku-
geln laſſen ſich am bequemſten werfen und ſchocken.
Die Schockbahn muß 16 — 20 Fuß breit, und eben
ſein, an beiden Seiten aber freien Raum haben;
ſo daß die Wurflinie auf beiden Seiten 30 F. von
allen Übungsplätzen abliegt: — alſo 60 F. Breite
für den ganzen Platz. Länge der Bahn vom
Stande bis zum Ziele 100 Fuß.
Das Schockziel beſteht aus einem 8 — 9 F. hohen,
4 F breiten ſenkrechten Rahmen von 4 — 5 zol-
ligem Holze. In die Mitte deſſelben wird ein
prall ausgeſtopfter Sack in Geſtalt eines Eies
gehängt, welcher getroffen ausweicht.
Sechs bis acht Fuß hinter dem Ziele iſt ein Schott
angebracht — ein ſchräger Wall mit ſtarken Bret-
tern belegt — je höher, je beſſer und dabei am
beſten ein Flügelſchott —, das die Kugeln,
welche
[122] welche darauf fallen, in die Bahn zurückrollen
läßt. Hinter dem Schott muß, für den etwani-
gen hinüber- und wegfliegenden Wurf noch 20 F.
frei ſein, und die Gränze des Ganzen gegen das
Fortrollen mit einem niedrigen Erdwall eingefaßt
ſein. Der ganze Platz muß alſo wenigſtens 60 F.
breit und 130 F. lang ſein.
Schockhaltung. Für das Rechtsſchocken:
Der rechte Fuß (Fuß des Wurfarmes) ſteht hin-
ten und gequert; der linke Fuß (Fuß des Ruh-
atmes) vor und gerade aus. Rechter Arm (Wurf-
arm) geſenkt neben und am rechten Oberſchenkel,
Handgelenk ſtark gebogen. Linker Arm (Ruharm)
auf den linken Schenkel geſtüzt.
Schockweiſe. Die rechte Hand faßt die Kugel, der
Arm macht einige Rück- und Vorſchwünge, wobei
ſich der Leib nicht vor- und rückwärts neigt, und
dann den Abwurf, wobei die Kugel gleichzeitig
von Hand und Finger losgelaſſen werden muß.
Es geſchieht immer ein Wurf rechts, dann einer
links. Der Schocker tritt in die Mitte der Bahn,
die übrigen der Riege an die entgegengeſetzte Seite
ſeines Wurfarmes, damit ſie von keinem Miswurf
getroffen werden können.
Eine Art des Schockens, die aber nicht auf
den
[123] den Turnplatz gehört, iſt das Werfen einer höl-
zernen, ſteinernen oder eiſernen u. ſ. w. Linſe (Di-
ſcus), die während des Wurfes durch die Luft
rädeln muß.
C. Das Stoßen.
Stoßen: Werfen, bei dem bloß, durch Ausſtre-
ckung (Ausſtoßen) des vorher gebogenen Armes der
Wurf geſchieht. Da daſſelbe nie angewendet werden
kann, um ein Ziel ſicher und weit zu treffen, ſo bedient
man ſich ſeiner bloß zur Stärkung des Armes, und
wirft daher nur ſchwere Laſten in die Weite oder
Tiefe.
Stoßbahn (ſ. Platte 1, den Plan XV.), 20 —
30 F. breit und 40 F. lang. Der Stand muß
6 — 8 F. breit mit einem zur Hälfte ſeiner Dicke
in der Erde liegenden Baume begränzt ſein, gegen
welchen der vordere Fuß beim Stoßen geſetzt wird.
Das Ende der Bahn muß einen kleinen Wall ha-
ben, der das Fortrollen der Kugeln verhindert.
Gut iſt es, wenn vor dem Stande eine Vertie-
fung (Graben o. d. g.) iſt, wo hinüber man ſtoßt.
Stoßgeräth: 6 — 24pfündige Geſchützkugeln ſind
am bequemſten, weil ſie ſich gut faſſen laſſen, und
ihre Schwere und ihr Gewicht bekannt iſt.
Stoß-
[124]
Stoßweiſe. Haltung und Stellung wie beim Scho-
cken. Der Stoßarm wird aber in einem ſpitzen
Winkel gebogen, mit der Hand dem Geſichte gleich
gehalten. Die Kugel wird nun in die offne Hand
gelegt und nach einigen kleinen Vor- und Rück-
biegungen des Leibes und der Hand fortgeſtoßen. —
Folgende Übung gehört zwar nicht zum Wer-
fen; da es aber die einzige eigentliche Stoßübung
iſt, die man auf dem Turnplatze noch treiben kann,
ſo wird ſie hiermit aufgeführt:
Ein ſchwerer Balken, der ſich um einen ſtarken
Nagel auf einem etwa 4 F. hohen Ständer in der
Schwebe dreht, wird durch Stoßen ſchnell herum ge-
dreht. Die Stärke des Stoßes wird nach der Zahl der
Umdrehen berechnet, welche der Balken macht, und dieſe
kann man leicht durch einen angebrachten Schnäpper
zählen.
D. Das Schleudern.
Werfen leichter Körper, welche mit den Händen
allein, oder mit eigenen Werkzeugen durch verſchieden-
artige Schwingungen fortgeſchlendert werden.
1. Schleudern mit den Händen allein, das ge-
wöhnliche Werfen. Die Wurfweiſen ſind ſehr ver-
ſchieden; die gewöhnlichſten ſind:
a. der Wurfarm holt hinten hoch aus,
b.
[125]
b. der Wurfarm holt hinten tief aus,
c. die Wurfhand liegt anfangs mit dem Riſt
gegen den Rücken.
Man wirft mit kleinen Steinen, Bällen und dergl.,
die nicht über ½ Pfund ſchwer ſind:
- in die Weite
- in die Höhe
- nach dem Ziele
2. Schleudern mit eignen Werkzeugen: als
Schleuder, Wurfſtock, Wurfriemen, Wurfſchnur und
dergleichen.
Alles Schleudern gehört, wie ſchon oben geſagt,
nicht auf den Turnplatz. Eben ſo:
E. Das Gellen.
Werfen mit Prall auf feſte Erde, kann wegen des
An- und Abgellens, was nicht bahnmäßig zu berech-
nen iſt, nicht auf dem Turnplatze getrieben werden. Das
Brummerwerfen gehört mit dazu.
F. Das Schirken.
Werfen mit einem flachen Stein, Schiefer oder
Scherben ſchief auf die Waſſerfläche, ſo daß das Gewor-
fene (Schirkel) mehrmals in die Höhe prallend, hü-
pfend darüber hinweg gleitet (Schirke macht) — iſt
keine Übung für den Turnplatz.
In allen Waſſergegenden iſt das Schirken eine
Be-
[126] Beluſtigung der Knaben, und hat nach den einzelnen
Mundarten in Landſchaften und Gauen verſchiedene Na-
men: bämmeln, das Bäuerlein löſen, bleiern, die Braut
führen, die Braut ſchlagen, Brot ſchneiden, Butterbäm-
men ſtreichen, Butterbrot ſchmieren, — werfen, But-
terſtollen werfen, fiſcheln, flacheln, Flätter — auch Pflä-
ter — werfen, flötzen, flözern, Fröſche werfen, hitzerlen,
Jungfern ſchießen, — werfen — eine ein- zwei- oder
dreibeinige Jungfer, Kindli werfen, die liebe Frau löſen,
pfleizern, pflinzern, plätſchern, plätteln, putjen, Schiffchen
machen — ſchlagen, ſchiffeln, ſchippern, Schneller ſchla-
gen, ſchnellern, Schüſſelchen werfen, ſpätzeln, Staaren
ſtechen, Steinblitzer machen, ſteineln, ſtelzeln, Suppen
ſchlagen — ſchmeißen — ſchmelzen.
X.Zie
[127]
X.Ziehen.
Ziehzeug:
1. Ziehtau (oder Ziehſeil), wenigſtens 20 F. lang
und 1 Z. ſtark, und an beiden Seiten mit Öſen
verſehen. Sollen dreißig gegen einander ziehen,
ſo muß es ſchon 60 F. lang ſein.
2. Nackziehſeil (Platte 1, Zeichn. O.) beſteht aus
zwei, 2 — 3 F. langen und 2 — 3 Z. breiten
Gurten oder Hülfen, deren Enden durch zwei, 10
F. lange, Stränge verbunden werden.
3. Stäbe, 2 — 3 F. lang und 5/4 — 6/4 Z. ſtark.
Die Ziehbahn muß eben, und nach Verhältniß der
Taulänge auch lang ſein.
A. Das Handziehen, ziehen mit den Händen:
1. mit den Händen allein:
a. Hand in Hand: einfach: rechts gegen rechts,
links gegen links;
b. häkelnd: einfach: rechts gegen rechts, links
gegen links;
[128]
doppelt: rechts gegen links, links
gegen rechts;
mit 4 Fingern, mit 1 Finger;
2. am Ziehzeuge:
a. am Ziehtau — (das Tauziehen) ein Zieh-
kampf. Geſchieht rückwärts gehend, die Hände
faſſen das Tau — der Daum gegen den Geg-
ner —. Die Zahl kann auf beiden Seiten da-
bei gleich oder ungleich ſein. Sind es viele
gegen viele, ſo muß jede Parthei immer ruck-
weiſe zu ziehen ſuchen. Der Ziehkampf kann
alſo ſein
ein Zweikampf,
ein Dreikampf,
ein Vielkampf;
b. am Ziehſtabe (das Stabziehen),
am kurzen gequerten Stabe:
im Zweikampf: Einer faßt den Stab
auswendig (Außengriff), der Andere in-
wendig (Innengriff).
Das Emporziehen eines am Boden Liegen-
den, — auf mehrere der vorigen Arten. Die beſte von
dieſen iſt aber, daß ſich 2 an die Erde ſetzen, Sole ge-
gegen Sole geſtemmt, und nur am kurzen gequerten
Stabe ſich aufzuziehen ſuchen.
B.
[129]
B. Das Nackziehen — Ziehen mit dem Nacken:
a. ſtehend: — das Nackziehſeil wird ausge-
ſpannt, jeder legt ſich einen Gurt über den
Nacken, ſieht den Gegner an und ſucht ihn
rückwärts zu ziehen. Stäts Aug’ in Auge da-
bei! man darf ſich nicht drehen, auch das Seil
nicht mit den Händen berühren oder faſſen,
welche am beſten an die Hüften (Daumen hin-
ten!) gelegt werden;
b. auf allen Vieren. Das Nackziehſeil wird
ausgeſpannt. Jeder tritt mit dem einen Fuß
über beide Stränge, Rücken gegen den Geg-
ner (Sole zu Sole!) gekehrt, legt den Gurt
über den Nacken, ſo daß die Stränge zwiſchen
den Beinen durchgehen; läßt ſich auf Hände
und Füße nieder und ſucht nun den Gegner
zu ziehen, wobei das Kreuz geſtreckt und der
Kopf gehoben ſein muß. Die Übung iſt nicht
gefährlich, was Nichtturner ſich einbilden.
Alle Ziehübungen haben den Vortheil, daß
zu ihrem Betreiben keine weitere Vorübung
gehört, und Ungelenke und Ungeſchirkte gleich
daran Theil nehmen können.
JXI.
[130]
XI.Schieben.
Das Schieben iſt zweierlei:
A. Schieben des Gegners, wo Kraft gegen
Kraft wirkt:
1. Hand in Hand:
- rechts gegen rechts, oder
- links gegen links;
Hier kommt es darauf an, den Gegner zum
Weichen oder zum Biegen des Armes zu be-
wegen.
2. Hände an den Achſeln:
a. Hände feſt! (mit der Handfeſte), wobei
beide Hände entweder inwendig, oder eine
H. inwendig, die andere auswendig ſteht;
b. mit Handwenden, wo jeder bemüht iſt,
dem andern den vortheilhafteſten Griff (den
Innengriff) abzugewinnen.
Dieſer Schiebekampf kann nun geſchehen:
1. auf beiden Füßen: nach obigem a und b;
2.
[131]
2. auf einem Fuß — Hinkſchieben, nach
a und b:
— der Stärkere hinkt allein, oder
— beide Gegner hinken.
B. Schieben an beſonderen Vorrich-
tungen, wo man bloß die Schwere des zu
ſchiebenden Gegenſtandes zu überwinden hat.
Wenn man dies auf dem Turnplatz treiben
wollte, ſo wäre am ſchicklichſten dazu ein Wa-
gen mit 4 Rädern, auf einer feſten glatten
Bahn, der mit Kugeln oder Steinen von beſtimm-
tem Gewichte gefüllt würde.
J 2XII.
[132]
XII.Heben.
Alles Heben von großen Laſten, vorzüglich mit
geſpreizten Beinen und geſtreckten Armen, welches ſo ſehr
auf den Unterleib wirkt, iſt nicht für den Turnplatz.
Hieher gehört nur das Heben mit wagerecht ge-
ſtreckten Armen, welches für dieſe ſo außerordentlich
ſtärkend iſt.
1. Das Heben des Kraftmeſſers (Platte
1, Zeichn. P.). Ein 4 — 5 F. langer Stab wird
von Zoll zu Zoll mit Einſchnitten verſehen, in
welche Gewichte von 1 — 2 Pfd. gehängt wer-
den, das obere Ende von 6 Z. bleibt rund zum
Handgriffe.
Haltung des Kraftmeſſers. Die Hand umfaßt
den Griff feſt, ſo daß die Öffnung zwiſchen Dau-
men und Zeigefinger nach oben, die Öffnung der
Finger nach inwendig ſteht. Arm und Kraftmeſ-
ſer ſind in gerader Linie; das Ende von dieſem
ruht auf der Erde.
Das Heben geſchieht immer mit 2 Kraftmeſſern, in
jeder
[133] jeder Hand einen; man bringt ſie langſam etwas
über die wagerechte Linie und läßt ſie dann eben
ſo bis auf den Boden ſinken. Ein Gewicht von
2 Pfd. in einer Entfernung von 50 Z. zu heben,
erfordert ſchon ziemlich viele Kraft. Das wage-
rechte Halten auf die Dauer iſt ſehr übend.
2. Das Heben des Wagebalkens.
Ein ſchwerer Balken wird auf eine 2 — 3 F.
hohe Unterlage in die Wage gelegt, und an einer
Seite mit einer Handhabe verſehen. Dieſe faßt
man mit geſtrecktem Arme und ſucht den Balken
zu halten, indem er aus dem Mittel gerückt, oder
mit Gewichten beſchwert wird.
3. Das Heben von Sandbeuteln, oder
beſſer Gewichten — aber mit Vorſicht —, welche
an die ausgeſtreckten Arme gehängt werden.
XIII.
[134]
XIII.Tragen.
Das Tragen darf man weder zu früh noch zu ſpät
anfangen. Im erſten Anfange muß die Laſt ſehr ge-
ringe ſein, und nur allmälig kann ſie beim Wachſen der
Kräfte vermehrt werden.
Um es im Tragen zu einer Fertigkeit zu bringen,
gehört Zeit, Geduld, Gewöhnung, ſtätes Wiederholen
und Beharrlichkeit.
Auf Dauerbarkeit beruht die Fertigkeit des Trägers,
und daß er noch zu andern gleichzeitigen Bewegungen
rüſtig iſt.
Große Laſten, unter deren Wucht man keucht, ſoll
er als Turner nicht ſchleppen, wohl aber ſich zu einer
mäßigen Beilaſt gewöhnen.
A. Das Tragen lebloſer Dinge.
1. Das Tragen in den Händen:
a. mit wagerechten Armen, indem man
Sandſäcke in die Hände nimmt — iſt mehr
eine Hebeübung;
b. mit geſenkten Armen, indem man
Ge-
[135] Gewehre oder ſchwere Stangen in die
Hände nimmt. Für die Arme ſehr ſtär-
kend.
2. Das Tragen auf den Schultern:
a. ſchwerer Stangen oder Gewehre;
b. eines doppelriemigen Tragbeutels,
der auf beiden Schultern hangt, und nur
ſo ſchwer iſt, daß der Turner andere Übun-
gen damit vornehmen kann, indem Hände
und Arme frei ſind. — So nützlich dieſe
Übung mit dem Ranzen auch iſt, beſon-
ders bei kleinen Fußreiſen (Turnfahrten),
ſo ſchädlich kann ſie für die Bruſt werden,
wenn man ſie übertreibt und ſchwere La-
ſten trägt (Siehe Gehen, S. 4 bis 5.).
B. Das Tragen eines Menſchen. Nur
Größere und Stärkere dürfen Kleinere und Leich-
tere tragen.
1. Huckeback — Schenkel auf den Hüften.
2. Huckeſchulter — Schenkel auf den Schul-
tern.
3. Auf der Handflechte. Die Handflechte
wird von zweien ſich Gegenüberſtehenden
gemacht, die mit der rechten Hand ihr lin-
kes Handgelenk faſſen, und mit der linken
das rechte des Gegners; oder umgekehrt:
a.
[136]
a. Einen ſitzend, wozu ein Tragepaar;
b. Einen liegend, wozu eine Paarreihe.
Aus dieſer Übung geht das ſogenannte
Schwimmen-laſſen hervor, wobei
die Paarreihe den Getragenen, welcher
ſich ganz ſtreckt, in die Höhe wirft, und
auf der Handflechte wieder auffängt,
ſo daß der Schwimmende mit jedem
Schwub ein Tragepaar weiter kommt.
Jedes Tragepaar muß ſeine Arme hart
an die Arme ſeiner Nebenpaare halten,
beim Ruhen wie beim Heben.
Der Schwimmende darf bei keinem
Schwub aus der Paarreihe kommen, noch
höher als ſie. Der Schwub des Paares
zu Häupten kann etwas ſtärker ſein,
als der anderen Paare, und vom Kopf
bis zu den Füßen allmälig abnehmen.
Will man weiter ſchwimmen laſſen, als
die Parreihe lang iſt; ſo treten die Paare,
bei denen der Schwimmende vorbei iſt,
wieder zu den Füßen Paarweiſe an.
Dieſes muß aber mit großer Vorſicht
und nie ohne Aufſicht geſchehen.
XIV.
[137]
XIV.Strecken.
Strecken heißt die Übung, wobei der Leib vom Hin-
terkopf bis zur Ferſe eine gerade Linie macht. Die ver-
ſchiedenen Stücke dieſer Übung beſtehen darin, den Leib
in dieſer Stellung oder Lage zu erhalten oder zu bewe-
gen, wobei theils die Hände unterſtützen, theils mit den
Armen ruhend an den Leib geſchloſſen werden. Alle
ſind außerordentlich ſtärkend für das Kreuz.
A. Strecken mit Gebrauch der Hände.
Stufenfolge:
Stand! und Haltung wie beim Springen.
Zehenſtand!
Hocken!
Hände ab! und vor! geſtreckt.
Nieder! auf die Hände, ohne mit den Knieen die
Erde zu berühren.
Geſtreckt! Ausſtrecken, bis der Leib vom Hinter-
kopf bis zur Ferſe eine gerade Linie macht;
alſo ohne Katzenbuckel und Hangeleib.
Ruhen in der vorigen Stellung. Die
Arme
[138] Arme ſind ſchon ganz geſtreckt, wenn ſie
mit dem Leibe einen rechten Winkel ma-
chen. Eine größre Streckung ermüdet zu
bald. Übung auf die Dauer bis das
Wort Auf! zum Aufrichten ruft; oder ver-
bunden mit dem Umdrehen (Umkreiſen):
Kreis um!
a. Umkreiſen mit den Händen, d. h.
mit den Händen einen Kreis beſchrei-
ben, indem die Füße feſt ſtehen blei-
ben: rechts und links; eine herrliche
Übung, die man mit Recht die Rücken-
probe nennen kann. Auf die Dauer
(Handkreiſen — Handkreis).
b. Umkreiſen mit den Füßen, wobei
die Hände feſt! iſt weniger wichtig
(Fußkreiſen — Fußkreis).
Beides Strecken und Umkreiſen können geübt werden:
a. indem das Geſicht erdwärts gekehrt,
und die Füße alſo aufzehen;
b. indem das Geſicht himmelwärts
gekehrt iſt, und die Füße aufferſen.
Das Ruhen, und das Umkreiſen noch
mehr, in dieſer Streckung iſt ſehr ſchwer.
Dies Strecken kann von einer großen langen Streck-
riege zugleich geübt werden, wobei man ſich am beſten
obiger
[139] obiger Achtwörter der Stufenfolge bedienen kann.
Dabei muß jeder in der Streckriege gehörigen Raum
zum Umkreiſen haben.
B. Strecken, ohne Gebrauch der Hände.
Dieſe werden mit den Armen am Leib, in deſſen
Richtung, gehalten.
1. Sich von der Erde vor- und rückwärts ausge-
ſtreckt aufheben laſſen.
2. Ausgeſtreckt über einer Vertiefung liegen:
a. auf zwei Stühlen, da Hinterkopf und Ferſen
nur aufliegen; der dritte unterm Geſäß ſtehende
wird vom Liegenden ſelbſt herausgezogen, in
die Höhe gehoben, und hin und her überge-
wechſelt;
b. auf einer Latte, deren Enden auf zwei Schämeln
ruhen:
mit einem Schwebeſtock (leichter),
ohne einen Schwebeſtock (ſchwerer).
3. Sich erhebend ausſtrecken, wenn die Beine
bis in das Kniegelenk vom Fuß an auf einer Er-
höhung (Stuhl, Bank und dergl.) feſtgehalten
werden, und der Leib in der Tiefe liegt; bis zum
rechten Winkel im Hüftgelenk, wobei die Beine im
Knie geſtreckt.
XV.
[140]
XV.Ringen.
Ringplatz: er muß ſo groß ſein, daß ſich vier bis ſechs
Ringerpaare bequem tummeln können, ohne ſich zu
ſtören. Sollen große Vielkämpfe darauf geführt
werden, ſo muß er 60 — 100 F. lang und 40 —
50 F. breit ſein. Er muß weichen Boden haben;
und muß von allen Steinchen, Wurzeln, Kraut-
ſtängeln und Spänen ꝛc. ſorgfältig rein gehalten
werden.
Ringhaltung: Ein Fuß vorn nach dem Gegner zu,
und das Knie gebogen;
Ein Fuß hinten und gequert;
Ellenbogen am Leibe;
Fäuſte geballt, vor dem Leibe, nahe
an einander;
Oberleib vor gebeugt.
So in der Wage ſtehend hat der Menſch die
größeſte Laſt für den, der ihn aufheben und von
der Stelle rücken will. Der Ringer muß nie hoch,
ſondern niedrig gegen ſeinen Gegner gehen.
Der
[141]
Der Ringgriff theilt ſich in den ganzen und hal-
ben Griff:
Ganzer Griff, wobei man mit beiden Armen
unter denen des Gegners deſſen Leib umfaßt;
Halber Griff, wo der eine Arm über dem
einen, der andere unter dem andern des Geg-
ners liegt.
Beim Umfaſſen des Gegners werden die Finger
niemals verſchränkt; ſondern, wo man kann, iſt
das beſte die Handflechte, wobei die gefaßte
Hand geballt am beſten zum Drücken in das Kreuz
des Gegners, und dadurch zum Niederdrücken deſ-
ſelben gebraucht wird.
Vorübungen:
1. das Abgewinnen des ganzen Griffs;
- 2. das Heben
- 3. das Rückbeugen
- 4. das Legen: rechts,
links;
5. das Feſthalten an der Erde, eines Stärkeren
von Schwächeren:
a. indem Einer dem auf dem Rücken Liegenden die
Arme ſeitwärts ausbreitet, und des Gegners
Beine mit ſeinen Beinen unterſchlingt;
b. indem der Haltende ſich quet, im beinah rech-
ten Winkel, Bruſt über Bruſt legt, des Gegners
Bruſt
[142] Bruſt und Rücken mit ſeinen ſich verflechtenden
Armen umſchlingt. Wenn der Gegner ſich einem
zum Umwenden und Abkommen nähert, rückt
man immer weiter herum, um den rechten Win-
kel wieder zu erlangen;
c. wenn zwei Kleinere, dem Gegner zuſammen an
Kräften gewachſen, denſelben feſthalten, der eine
zu Haupte nach b, der andre zu Füßen, die er
feſt mit den Armen umſchlingt.
Ungeachtet dieſes Feſthaltens muß der
Gehaltene nun verſuchen
6. das Aufkommen. Wer auf dem Rücken dabei
liegt, muß zuerſt ſuchen, ſich umzuwerfen, damit
er auf den Bauch komme, wo er des Gegners auf
verſchiedne Art ſich beſſer entledigen kann.
Nach dieſen Vorübungen kann man, um die Lei-
besſchwere und Stärke, abgeſehen von aller Ringfertig-
keit, zu erproben, im Gleichfaſſen ringen. Die Geg-
ner treten einander gegenüber, ſtrecken jeder den nämli-
chen Arm hoch und den andern erdwärts. Jedes Rin-
gers Arme ſind in einem Strich übereck in der Gehre
(wälſch Diagonale). Beim Gleichfaſſen ſind entweder
beider rechte Arme oder beider linke Arme unten.
Das Ringen im Gleichfaſſen macht den Über-
gang zum Ringen im Zulauf.
Das Ringen mit Angriff und Vertheidigung,
Griff
[143] Griff und Gegengriff kunſtgerecht nach Folge und Fol-
gerung darſtellen zu wollen, geht nicht füglich an, indem
die Zahl der Griffe ins Unendliche geht und jeder Ge-
gengriff nach Umſtänden und Gelegenheit verſchieden iſt;
man muß ſich daher begnügen, eine Auswahl von guten
Ringgriffen aufzuſtellen, wozu aber hier nicht Platz und
Zeit iſt. Durch Übung lernt man bald viele kennen.
Nicht das Niederwerfen, ſondern das Feſt-
halten des Unterliegenden entſcheidet den Kampf.
Jeder Rung iſt ein Kampf von Kräften, wo es nur
Gegner giebt, aber keine Feinde.
Sich wehrhaft, den Gegner wehrlos zu machen,
iſt Zweck des Ringens. Mann an Mann. Die
letzte Kraftäußerung, wo der Leib ſelbſt die einzige
Wehr und Waffe. Unerlaubt iſt:
Packen in die Kleider,
Stoßen und Schlagen,
Beißen und Kratzen,
Haargreifen,
Fingerfaſſen,
Umdrehen einzelner Glieder,
Der Griff zwiſchen beide Oberſchenkel hindurch
(wohl aber das Faſſen einzelner oder beider
Beine!),
Bruſtknien, noch überhaupt Knieen auf des Geg-
ners Leib und Gliedern.
Ge-
[144]
Gerungen kann werden im:
Zweikampf: Einer gegen Einen;
Dreikampf: Einer gegen Zweie;
Vierkampf: Einer gegen Drei, u. ſ. w.;
Vielkampf: Viele gegen Viele.
Beim Vielkampf müſſen die Gegner an ihren
Jacken hinten und vorn Abzeichen haben, am
beſten ein farbenes Leibband.
Schwächliche, Verſteifte, Unbeholfne, noch
nicht Eingeturnte dürfen nicht gleich in der erſten
Turnzeit zum Ringen gelaſſen werden.
Ohne Aufſicht darf kein Ringen geſtattet
werden. Kein Ringkampf (Rung) darf bis zur
gänzlichen Erſchöpfung des Gegners ausgerun-
gen werden. Sobald einer oder beide Ringer
heftiger werden, als dem Turner geziemt, muß
der Ringwart ſogleich den Kampf aufheben.
Der Rung darf beim Liegeringen nicht zu
lange dauern, beim Stehringen kann er län-
ger ſein.
XVI.
[145]
XVI.Sprung im Reifen.
Die Reifübungen haben zwar bei Weitem nicht das
Mannigfaltige und Bildende als die folgenden Übun-
gen im kurzen Seile; ſie verdienen aber dennoch ge-
trieben zu werden, und dies geſchieht auf dem Platze
für die eben genannten Übungen (S. Platte 1., den Plan).
Der Reifen, ein leichter Tonnenband, feſt verbunden
und ohne Knoten, muß dem Springer ſo hoch ge-
hen, daß er ihn nur ſo eben unter den Füßen
durchrollen kann, d. i. etwa bis ins Hüftgelenk
reicht. — Der Reifen darf von den Händen nie-
mals feſtgehalten werden, und nicht durch dieſe,
ſondern durch den Schwung ſeine Drehung erhalten.
1. Durchſchlag des Reifen von vorn. Bei dieſer
und den beiden folgenden Übungen (2 u. 3) wird
der Reifen mit beiden Händen, jede einige Zoll
von der andern, gefaßt. Der Reifen geht zuerſt
unter den Füßen und dann über den Kopf weg
und ſo fort.
2. Durchſchlag des Neifen von hinten. Der
KRei-
[146] Reifen geht zuerſt über den Kopf, und dann von
hinten unter den Füßen weg.
3. Durchſchlag im Lauf:
a. im Galopp, wo nach jedem Durchſchlag beide
Füße die Erde berühren, und immer derſelbe
vorgreift;
b. im Trabe, wo nach jedem Durchſchlag nur
ein Fuß die Erde berührt, und der andre
ſchwebend gehalten wird.
4. Halber Durchſchlag ſeitwärts. Die eine Hand
hält den Reifen ſeitwärts hoch, ſchlägt ihn unter
den Füßen durch, und nach erfolgtem Aufſprunge
ſogleich wieder zurück.
5. Ganzer Durchſchlag ſeitwärts. Haltung wie
vorher, der Reifen macht aber ganze Umſchwünge;
a. erſt unter den Füßen, dann über den Kopf
weg (von auswendig nach inwendig);
b. erſt über den Kopf und dann unter den Füßen
weg (von inwendig nach auswendig).
XVII.
[147]
XVII.Sprung im Seile.
A. Im kurzen Seile, welches der Springer ſel-
ber ſchwingt.
Das Seil muß ½ — ¾ Z. ſtark ſein, und wird ſo
lang gefaßt, daß, wenn der Springer darauf tritt,
es ihm zu beiden Seiten bis an die Hüften geht;
bei dem gekreuzten Durchſchlage etwas länger.
Die Haltung iſt hier und beim Reifenſprung, wie
bei den Springvorübungen:
die Arme werden etwas gekrümmt nahe an
den Leib gebracht,
die Hände in der Gegend der Hüften, nur we-
nig vorgeſtreckt;
die Seilſchwingung geſchieht bloß durch Dre-
hung der Handgelenke; die Arme dür-
fen ſich gar nicht oder nur wenig
rühren.
1. Einfacher Durchſchlag.
a. Gerader Durchſchlag:
auf der Stelle:
K 2von
[148]
von vorn,
von hinten;
im Laufe:
im Galopp,
im Trabe.
b. Gekreuzter Durchſchlag, wobei die Unter-
arme kreuzweiſe über einander liegen:
1. mit derſelben Kreuzung:
auf der Stelle:
von vorn,
von hinten;
im Laufe:
im Galopp,
im Trabe;
2. mit ſtets wechſelnder Kreuzung:
auf der Stelle:
von vorn,
von hinten;
im Laufe:
im Galopp,
im Trabe.
2. Doppelter Durchſchlag, wobei das Seil bei
jedem Aufſpr. zweimal unter den Füßen durchgeht.
- a. Gerader Doppeldurchſchlag,
- b. Gekreuzter Doppeldurchſchlag.
3.
[149]
3. Die Drehung, um a. den Durchſchlag von
vorn in den von hinten zu verwandeln, und b.
umgekehrt:
a. der Springer ſchwingt das Seil in demſelben
Augenblick, da er es eigentlich von vorn nach
hinten unter den Füßen durchſchlagen ſollte,
ſtatt deſſen an ſeiner rechten Seite vorbei in
die Höhe, dreht ſich zugleich ſchnell rechts
herum, und macht nun den Durchſchlag von
hinten nach vorn. —
Gehet ebenfalls mit der linken Drehung;
b. der Springer dreht ſich in dem Augenblick,
da er das Seil von hinten nach vorn unter
den Füßen durchgeſchlagen hat und es vorn
hochſchwingt, raſch um, und macht nun ſo
den Durchſchlag von vorn nach hinten.
Anfangs langſam, dann auf Schnelle und
Dauer.
Bei Erlernung der gekreuzten und doppelten Durch-
ſchläge wird man anfangs zur Erleichterung immer mit
einfachen abwechſeln; überhaupt iſt es aber auch eine
ſchöne Übung, nach einer beſtimmten Reihenfolge mit
den verſchiedenen Arten von Durchſchlägen abzuwechſeln;
und dabei kann man noch bald die Kniee ſtrecken, bald
die Füße anziehen oder ganz den Doppelſchlag der
Füße
[150] Füße machen (anferſen), auf einem Fuße hüpfen (hin-
ken) oder bei jedem Aufſprunge mit den Füßen wechſeln.
B. Im langen Seile, welches von einem andern
geſchwungen wird.
Das Schwungſeil muß etwa ¾ Z. ſtark, weich und
biegſam, und 16 — 20 F. lang ſein. Das Seil
wird an einem Pfahle, Baume ꝛc. etwa 3 ½ F.
hoch vom Boden befeſtigt. — Wer das Seil
ſchwingen will, ergreift es etwa 14 F. von ſei-
ner Befeſtigung, und bringt es nur durch eine kleine
Drehung der Hand in beſtändige Kreisſchwingun-
gen, bei denen es ganz nahe über dem Erdboden
weg gehen muß. Man erlangt hierin bald Fertig-
keit, ſo wie im ſchnellen und langſamen Dre-
hen und im Nachgeben. Das Letztere iſt beſon-
ders nothwendig, um einen Anſtoßenden nicht hart
fallen zu laſſen.
Die Übungen im langen Seil theilen ſich in ſolche,
1. wobei der Springer auf der Stelle bleibt.
Der Springer tritt vorwärts, rückwärts oder
ſeitwärts zur Mitte des Seiles, welches nun da-
nach von vorn, von hinten oder von der
Seite unter den Füßen weg geſchwungen wird.
Die Kniee kann man in der Luft ſtrecken oder
anziehen, und auch den Doppelſchlag mit den
Füßen machen;
2.
[151]
2. wobei der Springer nicht auf der Stelle
bleibt:
a. das Durchlaufen des Seiles. Das Seil
wird — vom Springer abwärts — gedreht.
Dieſer nimmt den Augenblick wahr, wo es ihm
am nächſten iſt, und läuft, indem es ſich von
ihm entfernt, hinter daſſelbe her, welches nun
vor ihm in die Höhe geht und ihm Zeit läßt
zum Entwiſchen. Dies kann von einer ganzen
Riege hinter einander geübt werden;
b. das Überſpringen des Seiles. Das Seil
wird dem Springer entgegen gedreht. In dem
Augenblick, wo es am höchſten iſt, macht der-
ſelbe den Aufſprung; während er ſich auf-
ſchnellt, ſinkt das Seil bis zur größten Tiefe.
Der Sprung und Springer muß aber raſch
ſein, damit er nicht vom Seile ereilt wird;
c. der Sprung in das Seil und das Her-
auslaufen. Das Hinüberſpringen iſt wie
vorher, der Springer bleibt aber auf der Nie-
derſprungſtelle, läßt das Seil einige Mal unter
ſich durchgehen und läuft dann rückwärts
hinaus;
d. der Augenblick im Seile. Der Hinein-
ſprung iſt wie vorher, aber das Herauslaufen
folgt
[152] folgt ſogleich, ohne daß man einen Umſchwung
des Seiles abwartet.
e. der einfache Kreislauf: iſt die Übung unter
a und b. Die Riege iſt aber ſo groß, daß
ſie den Kreis, deſſen Mittelpunkt der Pfahl und
deſſen Halbmeſſer die halbe Länge des Seiles
iſt, ausfüllt. Der Lauf geht immer fort, und
bei jedem Umſchwunge muß Einer durchlan-
fen oder überſpringen. — Auf der andern
Seite des Pfahles kann noch ein Seil, wie
das erſte oder ihm entgegen, geſchwungen wer-
den, ſo daß man bei jedem Umlaufe 2 Seile
durchlaufen oder überſpringen, oder eins durch-
laufen und das andre überſpringen muß;
f. der doppelte Kreislauf. Es machen zwei
Riegen in entgegengeſetzter Richtung zugleich
den Kreislauf, die eine läuft inwendig, die
andre auswendig; die eine überſpringt das
Seil, wenn die andre durchläuft.
Alle dieſe Übungen laſſen ſich nun mit denen im
Reifen und kurzen Seile verbinden, wodurch wies
der eine große Menge von künſtlichen Zuſammenſetzun-
gen entſteht.
An-
[153]
Anhang
mancherlei Übungen.
1. Das Überſpringen einer mit der Hand gehal-
tenen kurzen Ruthe, eines Stabes oder der zuſam-
mengehaltenen Hände.
2. Die ganze Drehung um die Axe und mehr, beim
Sprung auf der Stelle.
3. Setzen und Aufſtehen ohne Gebrauch der Hände:
a. die Beine unter gekreuzt;
b. ein Bein vorgeſtreckt, welches beim Setzen und
Aufſtehen gar nicht berühren darf, alſo auf
einem Fuße;
c. lang ſich hinlegend, mit verſchränkten Armen,
und nun aufſtehen, ohne Arme und Hände zu
gebrauchen; — auch von einer ganzen Liege-
reihe nach dem Wort und Ruf in die Wette
geübt.
4. Ohrfaſſen und Armdurchſchleifen:
1. mit der linken Hand das rechte Ohr,
und den rechten Arm hindurch geſchleift;
2.
[154]
2. mit der rechten Hand das linke Ohr,
und den rechten Arm durchgeſchleift.
Bei beiden Arten entweder
a. das Ohr oben gefaßt (leichter), oder
b. am Ohrläppchen gefaßt (ſchwerer).
5. Das Berühren der Stirn mit dem Fuße; das
Legen des Fußes in den Nacken.
6. Das Umfaſſen des Hinterkopfes mit Arm und
Hand, bis zum Kinn und weiter mit den Finger-
ſpitzen reichend.
7. Das Herausziehen eines Meſſers, welches
neben dem kleinen Zehen im Boden ſteckt, wobei
die entgegengeſetzte Hand hinter den Füßen herum-
greift, und dieſe feſt und grade aus ſtehen bleiben.
8. Das Aufheben eines vor Einem liegenden Gegen-
ſtandes, wenn die Ferſen nur wenige Zoll von
einer Wand ſtehen.
9. Das Berühren der Erde mit den Fingern, wenn
die Kniee ganz geſtreckt bleiben.
10. Ein Stück Geld oder dergl., in der Entfernung von
etwas weniger als der eignen Leibeslänge, mit dem
Munde von der Erde aufnehmen, ohne dieſe
mit dem Leibe zu berühren, alſo geſtreckt.
11. Bückkreiſeln.
Man faßt mit einer Hand das Ohrläppchen der
andern Seite, nimmt in die freie Hand einen höl-
zernen
[155] zernen Teller, Scheibe ꝛc., ſtreckt den Arm und bückt
ſich ſo weit vorn über, daß das in der Hand Ge-
haltene auf der Erde ſtreichend einen Kreis beſchreibt.
Nach etwa dreimaligem Umkreiſeln richtet man ſich
in die Höhe, läßt das Ohrläppchen los, hält den
Teller mit dem Arme wagerecht, und verſucht grade
aus zu gehen.
12. Die Quern.
Ein Paar Gleichgroßer und Gleichſchwerer tritt
auf einem ebenen Platz ſichtwärts gegen einander,
ſchließt die geſtreckten Füße, ſtellt ſie gegenſeitig Ze-
hen an Zehen, ſtreckt Arme und Hände aus, ſo daß
letztere einhäkeln, wobei einer die Unterhand, der
andere die Oberhand hat. Nun quernt das Paar
entweder links oder rechts herum, und darf ſich
während des Quernens nicht loslaſſen.
Anmerkung. Bückkreiſeln und Quernen ſind eine ſehr
gute Mithülfe, um ſchwindelfeſt zu werden.
13. Das ſteife Anlehnen an eine Wand, in immer
ſchrägerer und weiterer Richtung und Lage, und
das ſteife Abſtoßen aus dem Kreuz und Nacken
im Stande, wobei die Arme am Leibe geſtreckt ge-
halten werden.
14. Man ſetzt ſich auf etwas Rundes, Walzen- oder
Kugelförmiges, z. B. ſteinerne Flaſche (Kruke) ꝛc.
ſtreckt
[156] ſtreckt die Beine nach vorn über einander, ſo daß
nur ein Abſatz den Boden berührt (leichtere Art).
Zweite Art (die ſchwerere): die Beine werden
über einen Stock gekreuzt, der mit ſeinem Unter-
ende auf dem Fußboden, und mit dem Oberende
auf dem Schooß liegt.
In dieſer Haltung nimmt man nun allerlei vor:
Nadel einfädeln, ein Licht am andern anzünden,
ſeinen Namen auf ein Blatt ſchreiben, ſprechen mit
Begleitung von Handgebärden, aus einem Bächer
trinken, ohne ſich zu begießen oder etwas zu ver-
ſchütten.
15. Das Knicken der Handgelenke mit verſchränk-
ten Fingern und gegen einander geſtützten Ellen-
bogen; nur bis zum Nachgeben der Handgelenke,
nicht aber der Finger.
Das Knicken kann geſchehen:
a. einhandig:
links gegen links,
links gegen rechts,
rechts gegen rechts;
b. beidhandig:
hier werden die Finger gegenſeitig ſo ver-
ſchränkt, daß die rechte Hand des Einen gegen
die linke des Andern kommt, und eben ſo um-
ge-
[157] gekehrt. Überhaupt linke Hand gegen rechte,
und rechte gegen linke.
Man macht zwei Gänge, damit jeder die
Daumen ein Mal auswendig haben kann.
16. Das Schmitzen.
Erſte Art: muß umzechig, Schmitz um Schmitz,
geſchehen. Man pflegt dabei wohl die ganze
Buchſtabenreihe nach ihrer Folge durchzuſchmi-
tzen, ſo daß der Erſte (Anſchmitzer) bei dem
Schmitzgeben A., und der Andre, ſobald er ſei-
nen Schmitz giebt, B. ſagt. Zum Schmitzem-
pfangen muß Jeder Zeige- und Mittelfinger wa-
gerecht geſtreckt halten. Wer abzieht, iſt über-
wunden; dagegen kommt der Fehlſchmitz dem
Stillhaltenden zu Gut.
Zweite Art. Hier hat Einer beide Hände oben
(Oberhand), der Andre beide Hände unten (Un-
terhand). Die beiden vorderen Fingergelenke
werden gegenſeitig etwas einwärts gebogen, ſo
daß ſich die Fingerſpitzen an den hinteren Fin-
gergelenken gegenſeitig berühren.
Die Unterhand fängt an, oder hat das An-
ſchmitzen. Eine Hand oder beide Hände ſchnell
unten hervorgezogen, gekehrt, und dann mit der
Fläche auf die Außenſeite der Hände des Geg-
ners
[158] ners geſchmitzt. Das Schmitzen kann einfacher
Schmitz, Doppelſchmitz und Kreuzſchmitz ſein.
17. Das Knöchen.
Zwei ſtellen ſich ſichtwärts gegen einander, in dem
Maaß, daß Jeder den ausgeſtreckten Unterarm des
Andern bequem mit der Fauſt erreichen kann. Jetzt
biegt Jeder ſeinen Kampfarm etwas einwärts. Die
Fäuſte werden geballt. Der Ruharm wird wage-
recht vor den Bauch gelegt, und darf auf keinerlei
Weiſe gebraucht werden. Der Eine hält nun zuerſt
ſeinen gebogenen Unterarm ziemlich wagerecht hin,
daß der Andere ihn mit der Fauſt treffen (knöchen)
kann. Dem, der ſeinen Arm hinhält, ſteht frei
durch Bewegung des Armes die Fauſt des Gegners
aufzufangen, auch mit dem Ellenbogen; nur Abzie-
hen gilt nicht. Doch muß das Knöchen mit ruhi-
gem Hinhalten des Armes und Aushalten des
Knöchs zuerſt geübt werden; die geballte Fauſt
knöcht aber ſtets flach (mit dem Mittelgliede der
vier Finger), nie ſcharf (mit den Mittelknöcheln
derſelben). So wie der Eine geknöcht hat, hält
er ſeinen Unterarm wieder dem Andern hin; denn
das Knöchen geſchieht immer umzechig oder wech-
ſelweiſe (Knöch um Knöch). Wer die mehrſten
Knöche aushalten und austheilen kann, iſt Sieger-
Keiner
[159] Keiner darf beim Knöchen ausfallen, ſondern muß
das Maaß halten.
Nur Gleichgroße und Gleichſtarke dürfen gegen
einander knöchen.
Anmerk. Schmitzen und Knöchen machen den Über-
gang vom Scherz zum Ernſt, und müſſen daher
immer mit Vorſicht und Aufſicht getrieben werden.
Bei den andern Turnkämpfen iſt es nicht, wie
hier, Zweck, dem Gegner Schmerz zu verurſachen,
und ihn dadurch zu überwinden. Es iſt aber höchſt
nothwendig, daß der Turner über den Schmerz Herr
wird, und ihn im Kmapfe mit Anſtand und Würde
ohne Murren ertragen lernt.
Schmitzen und Knöchen gewöhnen an Ertra-
gung von leichtem Schmerz, an Überwindung des
Unmuthes bei unangenehmen Gefühlen, zum Aus-
halten und Ausharren bei einer mit Schmerz ver-
knüpften Anſtrengung.
18. Armproben:
a. Armſteifen und- beugen.
Einer ſtreckt ſeinen geſteiften Arm aus, ſo daß
er nicht völlig wagerecht liegt, ſondern ſich
etwas erdwärts ſenkt, wobei er die Fauſt ballt.
Der Andere, ſo den geſtreckten ſteifen Arm beu-
gen will, faßt ihn oberhalb des Handgelenkes
mit ſeiner entgegengeſetzten Hand von außen
im Aufgriff. Alſo — iſt der rechte Arm ſteif ge-
ſtreckt
[160] ſtreckt, ſo muß der Beuger mit ſeiner linken
Hand faſſen, und wäre es der linke Arm, mit
der rechten. Der Beuger muß alle Mal [auf]
der Außenſeite des ſteif geſtreckten Armes ſtehen.
Die andre Hand legt er über die Hand des
ſteif geſtreckten Armes, ſo daß jeder Finger auf
den nämlichen Finger kommt, und der Daum
den Daum kreuzt.
Nun ſucht man durch kräftigen Druck auf
die geballte Fauſt, und feſten Widerhalt mit
der andern Hand, das Handgelenk zu beugen,
worauf der Arm auch im Ellenbogengelenk
nachgiebt.
Das Beugen darf nur durch gleichmäßigen
Druck und Widerhalt geſchehen, niemals durch
Ruck und Zuck, was gefährlich iſt.
b. Armſtützen und- ſtürzen. Zwei ſetzen ſich an
einen überreichbaren Tiſch gegen über, ſtützen
jeder einen und den nämlichen Ellenbogen,
entweder den rechten oder den linken auf den
Tiſch, ſo daß ſich Unterarm und vorausge-
ſtreckte Hand vornüber neigen. Beide legen
nun die Druckhände feſt in einander (handen
ein) und ſuchen durch ebenmäßigen Dauerdruck
von Innen nach Außen des Gegners Arm nie-
derzudrücken (zu ſtürzen). Rucke und Zucke
dür-
[161] dürfen dabei nicht Statt finden, die Ruhhand
bleibt unter dem Tiſch, und wird auf den
Schenkel der nämlichen Seite geſtützt.
Es muß zwiefach geübt werden:
links gegen links,
rechts gegen rechts.
c. Armſtraffen und- ſchlaffen:
Bauch etwas eingezogen, die Arme wagerecht
vorgeſtreckt, daß ſie mit dem Leibe eine ſechs-
eckige Zelle bilden, wobei ſich die Spitzen der
Mittelfinger berühren. Der Straffer darf ſeine
Arme nicht nahe an ſeiner Bruſt haben.
Das Schlaffen muß ohne Ruck, bloß durch
Ziehen geſchehen. Der Schlaffer faßt die Arme
des Straffers neben dem Handgelenke im Auf-
griff.
19. Schulterübungen.
a. Das Zuſammenſchlagen der Ellenbogen:
1. vorwärts — wobei der Rücken der Hände
gegen die Seite geſetzt wird;
2. rückwärts.
b. Das Zuſammenſchlagen der Hände mit
wagerecht ausgeſtreckten Armen:
1. die Hände ſchlagen vorn mit der Fläche und
hinten mit dem Rücken zuſammen;
L2.
[162]
2. die Hände ſchlagen vorn mit dem Rücken
und hinten mit der Fläche zuſammen.
c. Die Arme hangen ſenkrecht herunter, mit
dem Rücken der Hand nach vorn; und wer-
den nun vorwärts in die Höhe und ſo weit
als möglich zurück bewegt, dann eben ſo hin-
ab und nach hinten hinauf; alſo in einer ſenk-
rechten Ebene; in dieſer haben die Schultern
etwas weniger Freiheit als in der wagerechten.
d. Das Radſchlagen der geſtreckten Arme.
Die Arme werden aufwärts bewegt wie vor-
her, dann aber nach hinten gedreht und herab
geworfen, wieder gehoben u. ſ. w.; alles ſoviel
als möglich in der ſenkrechten Ebene.
Alle dieſe Bewegungen werden von beiden Ar-
men zugleich ausgeführt.
20. Die Rückwippe: das Rückheben Zweier, die ſich
mit den Rücken gegen einander ſtellen und die Arme
in einander ſchlingen.
21. Das Handeln auf der Erde.
a. Aus dem Sitz auf der Erde ſich auf den Hän-
den in die Schwebe heben, und dann fort-
handeln (Beine geſtreckt nach vorn): vor-
wärts und rückwärts.
b. Aus der Stellung zum Sitzhocken die Hände
zwiſchen den Knieen auf die Erde ſetzen (die
Kniee
[163] Kniee daran klemmend), ſich in die Schwebe
heben und forthandeln: vorwärts und
rückwärts.
22. Der Sprung gegen die Wand, mit Übertritt
des andern Fußes und Drehung beim Niederſprung
(Rücken wandwärts).
23. Das Hinanlaufen an einer Wand mit Dre-
hung beim Niederſprung.
24. Das Stabwinden. Die Hände faſſen den Win-
deſtab, wie beim Stabſpringen, und ſetzen ihn feſt
gegen die Erde.
Wenn die rechte Hand oben iſt, tritt der linke
Fuß über den rechten fort; der Turner dreht und
biegt ſich rückwärts mit Kopf und Leib unter dem
Stabe durch, und eben ſo zurück. Je tiefer die
Hände, deſto ſchwerer.
25. Das Überſteigen des Stabes. Der Stab iſt
dünn und etwa 3 F. lang.
a. Erſte Art:
1. Haltung hinter dem Rücken, Däume nach außen,
2. Wende über den Kopf nach vorn (Vornwende),
3. Durchſteigen mit beiden Füßen,
4. Rückwende des Stabes.
b. Zweite Art:
1. wie bei a.,
2. wie bei a.,
L 23.
[164]
3. Übertritt von vorn nach hinten um einen Arm,
mit dem rechten oder linken Fuß,
4. Wende über den Kopf mit der linken oder rech-
ten Hand,
5. Rücktritt mit dem rechten oder linken Fuß,
6. Rückwende.
26. Durchſteigen.
Erſte Art (oder die leichtere). Beide Hände wer-
den flach auf die vordern Ecken des Schämels
oder Stuhles geſtützt, die Arme geſteift; worauf
der Turner erſt mit dem einen Fuß durchſteigt,
und, ſo bald er dieſen auf die Erde geſetzt hat,
den anderen nachholt.
Die Hände dürfen nicht gelüftet werden, ſon-
dern müſſen feſt auf den Ecken bleiben; auch muß
der Sitz des Schämels oder Stuhles eigentlich
gar nicht, oder doch nur ſehr leiſe von der Sohle
geſtreift werden.
Dies gilt vom Vor- und Rückdurchſteigen. Der
Turner kann anfangen und enden:
1. an der linken Seite des Schämels oder
Stuhles ſtehend,
2. an der rechten.
Zweite Art (oder die ſchwerere). Die eine Hand
wird auf eine Vorderecke flach geſtützt, die an-
dere
[165] dere übereck in der Gehre (wälſch Diagonale)
auf die Hinterecke:
1. linke Hand auf der Vorderecke,
2. rechte Hand auf der Vorderecke.
27. Das Sillen: eine luſtige ſcherzhafte Übung.
Sillzeug: iſt der Sillbaum, eine wenigſtens
4 F. lange runde Stange, die 4 — 5 F. hoch
über der Erde auf 2 Ständern oder an Bäu-
men befeſtigt wird.
Sillgeräth:
Sillſeil, ein Seil von 15 — 20 F. Länge
und ½ bis ¾ Z. Stärke;
Sillpflock: ein hölzerner Pflock von 2 Zoll
Länge, der in ein kleines Loch oder Spalte
an der untern Seite des Sillbaumes loſe
geſteckt wird.
Die Sillübung:
Das Seil wird ſo über den Sillbaum gewor-
fen, daß es jenſeits in einem Bogen beinah bis
zur Erde hangt, die beiden Enden hangen dies-
ſeits zu beiden Seiten des Sillpflockes. Der
Siller tritt nun mit einem Fuße in den Bo-
gen des Seiles und faßt die Enden mit beiden
Händen; bringt nun den andern Fuß neben
dem erſteren hindurch, zieht ſich durch Anzie-
hung der Seilenden in die Höhe und ſchlägt
mit
[166] mit dem freien Fuße den Sillpflock heraus;
zieht dann den freien Fuß wieder durch das
Seil zurück, und läßt ſich langſam zur Erde
nieder. Sobald der Siller nicht mit Geſchick
zu Werke geht und darin etwas verſieht, fällt
er herunter; an ſich iſt die Übung leicht. Da
nun das Fallen oft geſchieht, ſo muß der Sill-
baum nicht höher als beſchrieben iſt, und die
Erde unter ihm weich und aufgelockert ſein.
Man kann links ſillen und rechts ſillen,
je nachdem man mit dem linken oder rechten
Fuße den Sillpflock herausſchlägt. Man kann
dabei auch beide Enden des Seiles mit einer
Hand faſſen, oder den Pflock nach dem Heraus-
ſchlagen wieder aufnehmen und hineinſtecken,
und mehrere dergleichen Veränderungen machen.
[[167]]
Zweiter Abſchnitt.
Die Turnſpiele.
[[168]][169]
Von den Turnſpielen uͤberhaupt.
Zur Turnkunſt gehören ſehr weſentlich die Turnſpiele.
Sie ſchließen ſich genau an die Turnübungen, und bil-
den mit ihnen zuſammen eine große Ringelkette. Ohne
Turnſpiele kann das Turnweſen nicht gedeihen, ohne
Spielplatz iſt ein Turnplatz gar nicht zu denken. Auch
außerhalb der Schranken des Turnplatzes ſollte von
Rechts wegen jede Turnanſtalt ein Turnfeld haben, wo
Blache und Wirre mit einander abwechſeln, wo Hain,
Gebüſch, Geſtäude, Dickicht und offne Räume anzutref-
fen, Laubholz und Tangelholz.
In jeder Turnübung liegt eine Schule, obſchon die
freie Aneignung der Kraft hier bei weitem größer iſt als
anderswo; in jedem echten Turnſpiel regt ſich eine Welt.
So machen Turnſpiele den Übergang zum größern Volks-
leben, und führen den Reigen der Jugend. In ihnen
lebt ein geſelliger freudiger lebensfriſcher Wettkampf.
Hier paart ſich Arbeit mit Luſt, und Ernſt mit Jubel.
Da lernt die Jugend von klein auf, gleiches Recht und
Geſetz mit andern halten. Da hat ſie Brauch, Sitte,
Ziem
[170] Ziem und Schick im lebendigen Anſchaun vor Augen.
Frühe mit ſeines Gleichen, und unter ſeines Glei-
chen leben iſt die Wiege der Größe für den Mann.
Jeder Einling verirrt ſo leicht zur Selbſucht, wozu den
Geſpielen die Geſpielſchaft nicht kommen läſſet. Auch
hat der Einling keinen Spiegel, ſich in wahrer Geſtalt
zu erblicken, kein lebendiges Maaß, ſeine Kraftmehrung
zu meſſen, keine Richterwage für ſeinen Eigenwerth,
keine Schule für den Willen, und keine Gelegenheit zu
ſchnellem Entſchluß und Thatkraft.
Knaben und Jünglinge kennen ihre Geſpielen, Ge-
ſellen, Gefährten und Geſpanne ſehr genau, nach allen
ihren guten und ſchlimmen, ſchwachen und ſtarken Sei-
ten. Daher kommen die ſogenannten Ekel-Spitz- und
Spottnamen in Schule, Feld und Welt. So iſt das
Zuſammenleben der wähligen Jugend der beſte Sitten-
richter und Zuchtmeiſter. Ihr Witz iſt ein fröhliches
Treibjagen auf Mängel und Fehler. Die Geſpielſchaft
iſt der ſcharfſichtigſte Wächter, dem nichts entgeht, ein
unbeſtechlicher Richter, der keinen Nennwerth für voll
nimmt. So erzieht ſich die Jugend auf eigenem und
geſelligem Wege in kindlicher Gemeinde, und lebt ſich
Bill und Recht ins Herz hinein. Selbſtling, Spielver-
derber, oder nach dem Kinderreim: “Spielverläu-
fer — Katzenverſäufer” mag auch die unverſchäm-
teſte
[171] teſte Range nicht heißen. Es giebt zur Größenlehnur
den gemeinen Pfad, keine vornehmen Wege.
Von der zahlreichen Menge ſogenannter Knen-,
Jugend- und Geſellſchaftsfpiele können nur äußerwe-
nige Turnſpiele heißen, Zuerſt fallen alle Sitzſele
ſammt und ſonders aus; ein Turnſpiel will Beweing,
gemeinſames Regen und Tummeln auf dem Wettan.
Noch weit weniger iſt von der Unzahl jener ſchon bli-
chen oder leider noch erdenklichen Spiele die Rede die
den Reiz zur ſchnöden Gewinnſucht nähren, und, [...]nn
das Glück einſchlägt, etwas Erkleckliches abwerfen. Ein
Spiel ſollte nie einen Erwerb geben. Turnſpiel eht
um Sieg und Gewinn, aber niemals um Gew [...]ſt.
Darum ſind ſelbſt dem kleinſten Turner auch außerder
Turnzeit niemals: Marmel, Knippkügelchen, Knpf-
und Nadelſpiele u. a. d. — zu geſtatten. Mit ſo[lch]en
Nichtswürdigkeiten fängt man an, und mit ſeinem der
anderer Leute Vermögen hört man auf. Die S [...]d-
fluth von Kinderſchriften hat einen Schwall von auge-
ſonnenen Kinderſpielen, die keinem kindlichen Kinde recht
ſind. Denn es giebt wahnbefangene Schriftleute, die
ſchreiben läppiſch für Kinder und albern für’s Volk.
Manche vortreffliche volksthümliche Spiele ſind durch
böſe Zeitläufte und Ausländerei in Deutſchen Landen
aus dem Leben verſchwunden. Ihre Namen, aber auch
weiter nichts, kennt man noch von Hörenſagen. Sie
ha-
[172] haben ſich zugleich mit alten Volksfeſten verloren. Die
Jugend hat viel wieder gut zu machen, und in der Fol-
gezeit durch Turnkunſt, fröhliche Reigen und Turnſpiel
die Volksfeſte zeitgemäß zu beleben.
Ein gutes Turnſpiel muß:
1. keine zu große und weitläuftige Vorrichtungen er-
fordern;
2. leicht erlernbar ſein, und doch regelfeſt in ſich be-
gründet;
3. nicht vom bloßen Zufall oder meiſt von ihm abhängen;
4. eine nicht zu kleine Anzahl von Spielern turngemäß
beſchäftigen;
5. nicht einen zu großen Raum bedürfen, der mit der
kleinen Spielerzahl in keinem Verhältniß ſteht;
6. unter den Mitſpielern keine müßige Zuſchauer brauchen;
7. bewürken, daß jeder ſich gehörig rührt, und keiner
müßig feiert;
8. eine zweckmäßige Vertheilung von Laſt und Raſt
haben;
9. nicht einſeitig und ohne Abwechſelung im ewigen Ei-
nerlei bleiben;
10. um gut geſpielt zu werden, eine große Gewandheit
und Geſchicklichkeit der Mitſpieler verlangen;
11. immer wieder mit neuem Eifer und reger Theilnah-
me geſpielt werden können;
12. vor allem aber dem jugendlichen Gemüthe behagen.
Be-
[173]
Beſchreibung
einiger erprobten und bewährten Turnſpiele.
A. Spiele, ſo auf dem Turnplatze und zwar auf
dem Spielplatze (S. Platte 1; Plan, XIX.) vor-
genommen werden können.
1. Schwarzer Mann.
Die ganze Anzahl der Spielenden, nicht gut un-
ter 20 und über 100, ſtellt ſich auf das eine
Mal des Spielplatzes. Von Allen muß nun
Einer den Schwarzen Mann abgeben, wel-
cher ſich, mit einem Abzeichen (Leibband, Tuch,
etwas Grünem oder dergl.) verſehen, auf das
andre Mal begiebt. Der Schwarze Mann
kommt nun den Andern mit dem Rufe: „fürch-
tet ihr euch vor dem Schwarzen Mann?“
dieſe Alle aber mit dem luſtigen lauten Schrei:
„Nein! — Nein! —“ oder dergleichen dem
Schwarzen Mann entgegen und ſuchen das an-
dre Mal zu erreichen. Der Schwarze Mann
dagegen ſucht ſich Geſpielen zu erhaſchen, und
wer von ihm mit einer Hand drei Schläge
hinter einander erhält, iſt gefangen und tritt als
Schwarzer Mann neben ihm auf. — Dieſer
Gang des Spiels wiederholt ſich nun ſo oft, bis
Alle Schwarze Männer geworden ſind. Wann
aber zuletzt eine kleine Schaar oder Einer drei
Male
[174]Male hinter einander durchkommt, ohne daß
alle oder einer gefangen werden, ſo ſind ſie
frei.
Die Schwarzen Männer müſſen jedesmal
zuſammen von ihrem Male ausgehen und
rufen. Wenn aber von einem derſelben ein
noch nicht Gefangener in ihrem Male betroffen
wird, ſo iſt er, ohne einen Schlag erhalten zu
haben, gefangen, eben ſo wer über die Gränzen
des Platzes läuft; dagegen mag ſich aber auch
kein Schwarzer Mann in dem Male der An-
dern erblicken laſſen! — Jeder Gefangene muß
ſofort ein kennbares, von der Schwarzen
Männer-Schaar angenommenes, Zeichen an-
thun.
2. Barlaufen.
Die ganze Zahl der Spielenden, nicht gut unter
20 und über 60, wird nach der Fertigkeit
im Laufen erſt paarweiſe geſtellt und dann in
zwei gleichzählige Hälften (Geſpielſchaften) ge-
theilt, deren jede ein Mal einnimmt. Die eine
Spielhälfte ſchickt einen ihrer Spieler zum For-
dern, womit jedes Spiel eröffnet wird. Dieſer
ſucht ſich einen Feind, den er fordern will, her-
aus. Beide ſetzen einen Fuß gegen einander,
und den andern nach hinten. Der Geforderte
legt
[175] legt ſich weit vor, ohne den hinteren Fuß zu
heben, und ſtreckt beide Arme aus; der Forde-
rer legt ſich zurück und giebt mit einer Hand
dem Geforderten drei Schläge, ſo ſchnell oder
langſam als er will, auf eine oder beide Hände:
nach dem dritten Schlage ſucht er aber ſein Heil
in der Flucht. Der Andre ſucht ihn ſogleich
oder auf der Verfolgung mit einem Schlage zu
erreichen. Kann er dies, ſo hat er ihn zum Ge-
fangenen gemacht. Erreicht er ihn aber nicht
ſogleich (wenigſtens bis zur Mitte der Spiel-
bahn), ſo ſchickt die andre Spielſchaar dem For-
derer einen Andern zur Hülfe, vor dem der
Geforderte weichen muß.
Überhaupt iſt nun das waltende Geſetz im
Spiele, daß jeder vor ſolchem Gegner weichen
muß, und von dem durch einen Schlag gefan-
gen werden kann, welcher ſpäter aus ſeinem
Male gekommen und ausgelaufen iſt, als er
ſelbſt. Das Auslaufen geſchieht zwar nach kei-
ner beſtimmten Ordnung, doch iſt es in den mei-
ſten Fällen als Regel zu beobachten, daß jeder
nur gegen einen Gegner ausläuft, dem er im
Laufen gewachſen iſt.
Auch [muß] der Vorturner, welcher ſelbſt
als beiderſeitiger Spiel- und Schiedrichter nicht
mit-
[176] mitſpielt, darauf ſehen, daß Einer nicht zu oft,
Mancher gar nicht und nie zu Viele auf ein Mal
auslaufen. Wird der Platz einen Augenblick leer,
ſo finden ſich von einer Hälfte ſogleich Blänker
ein, welche den Feind locken.
Drei bis vier Schritt von jedem Male an Einer
Seite der Bahn, von beiden Hälften rechts oder
links (d. h. immer von den quer gegenüberliegen-
den Winkeln des Spielplatzes), ſteht ein Pfahl oder
dergl., an welchen die Gefangenen geſtellt wer-
den. Dieſe ſtehen mit grätſchenden Beinen, von
denen der eine immer den des Nebenmannes berüh-
ren muß, an der Seite des Platzes; der äußerſte
(ſeiner Spielſchaar zu der erſte) ſtreckt die Hand
ſeiner Spielſchaar entgegen. Jede Spielſchaar kann
ihre Gefangenen erlöſen, wobei nur der äußerſte
derſelben einen Schlag zu erhalten braucht, und
alle ſind befreit, die mit einander in Berührung
ſtanden; doch muß der Befreier ſich hüten, nicht
vorher geſchlagen zu werden; indem oft ſolche ſtrei-
tige Fälle vorkommen, daß der Befreier nach der
Gegenſchaar Behauptung eher geſchlagen worden
und alſo gefangen ſein ſoll. Bei ſo ſtreitigen
Fällen entſcheidet der Vorturner im Spiele.
Das Erlöſen bringt noch ein größeres Leben
in
[177] in das Spiel, indem die Einen auf Erlöſung aus-
gehen, die Andern die Gefangenen bewachen.
Geſetze beim Spiele:
1. Vier bis ſechs Gefangene, je nachdem die
Zahl der Spieler iſt, machen ein Spiel.
2. Die Hälfte, welche gewonnen, fordert im näch-
ſten Spiele.
3. Sobald ein Gefangener gemacht iſt, hört das Spiel
ſo lange auf, bis jede Hälfte in ihrem Male iſt
und die Gefangenen ſtehen.
4. Wer über die Gränzen des Platzes läuft, iſt ge-
fangen.
5. Nur nach Endigung eines Spieles können Spieler
abgehen.
6. Auch können alsdann von beiden Seiten durch Ka-
beln neue Spieler angenommen werden, ſo lange
die Spielerſchaft nicht die angenommene Richtzahl
von ſechszig überſteigt.
7. Sind zwei Spiele geendigt, und wollen Andre
ſpielen, ſo müſſen die früheren Barläufer Platz
machen.
B. Spiele, ſo außerhalb des Turnplatzes vor-
genommen werden müſſen.
1. Das Ritter- und Bürgerſpiel:
Will man dies Spiel mit einzelnen Abtheilungen vor-
Mneh-
[178] nehmen, während die andern ſich auf dem Turn-
platze üben, ſo muß der dazu nöthige Platz ganz
in der Nähe des Turnplatzes ſein. Findet man
ihn nur entfernt, ſo muß man mit allen Turnern
auf mehrere Stunden dort hin ziehen.
Die beſte Beſchaffenheit und Gelegenheit des
Platzes iſt folgende:
Ein waldiger Platz von 200 — 400 Schritt
im Geviert. Kienenſchonungen und dichtes Unter-
holz ſind am beſten. Der Platz muß wo möglich
vieles und dichtes Gebüſch und auch freie Stellen
haben, ſo wie Erhöhungen und Vertiefungen (Tol-
len und Tellen) oder Graben. Die Zahl der Spie-
ler wird nach der Stärke ſo eingetheilt, daß nach
ausgetheilten Beſatzungen auf beiden Seiten gleich
viele ſind. Die eine Spielſchaar ſtellt Ritter, die
andre Bürger vor. Die Ritter haben 4 Bur-
gen, jede etwa 20 — 50 Schritt von einer Ecke
des Platzes entfernt. Die Bürger haben eine
Stadt, in mitten des Platzes.
Die Stadtbeſatzung muß wenigſtens 2 Mann
und immer ſo ſtark ſein, als die Beſatzungen
von 2 Burgen zuſammen. Wenn 50 — 60 Spie-
ler ſind, ſo müſſen in die Stadt 4, in jede Burg
2 Mann gelegt werden. —
Das ganze Spiel geht nun darauf aus, den Feind
durch
[179] durch Gefangennehmung ſeiner Leute ſo zu ſchwä-
chen, daß er nicht mehr im Stande iſt, im freien
Felde und offner Feldſchlacht Widerſtand zu leiſten.
Die hiezu nöthigen Kämpfe werden durch Rin-
gen geführt. Die Leiter des Spieles, die Anführer
der Spielſchaaren müſſen beſonders darauf ſehen,
daß daſſelbe nicht in ein bloßes Balgen ausartet.
Schlagen und Stoßen iſt niemals erlaubt. Um
dies zu bezwecken, muß man Folgendes beobachten.
Eine offne Schlacht muß immer vermieden
werden, ſo man ihres Ausganges nicht ziemlich ge-
wiß iſt. Man muß den Feind von deſſen Veſten
ab und nach den ſeinigen hin zu ziehen und locken
ſuchen; man muß oft kleine Abtheilungen oder Ein-
zelne abſchicken, ſeine Stellung, die Stärke ſeiner
Beſatzungen, die Örter, wo er die Gefangenen hält
und bewahrt u. ſ. w., auszuforſchen und bekund-
ſchaften; man muß ſeine einzelne Poſten (Vor-
poſten u. ſ. w.) abſchneiden und aufheben, Ver-
ſtecke und Hinterhalte legen und aus dieſen
Haltſtätten dem Feinde Schaden und Abbruch thun;
falſche Angriffe und Überfälle machen u. ſ. w. Der
heſtigſte Kampf entſteht gewöhnlich bei Gefangen-
nehmungen und den Verſuchen, die Gefangenen zu
befreien. Nur geübte und ringfertige Turner
dürfen zu dieſem Kampfſpiele gelaſſen werden,
M 2und
[180] und niemals ein Gemiſch von ſehr verſchiedenem Alter.
So dürfen, wenn die 16 und 17 jährigen ſpielen,
keine 12 und 13 jährige zugelaſſen werden. Es
folgen nun die nothwendigſten Spielgeſetze:
1. Es ſind 4 Burgen und 1 Stadt.
2. Die Spieler ſind ſo vertheilt, daß nach beſetzten
Plätzen auf jeder Seite gleich viele ſind.
3. In der Stadt muß immer ſo viel Beſatzung ſein,
als in zweien Burgen zuſammen.
4. Bei voller Beſatzung darf kein Platz genom-
men werden; bei unvollzähliger durch die
fünffache Zahl derſelben.
5. Unbeſetzte Plätze werden genommen, und mit
der für ſie beſtimmten Zahl belegt.
6. Zu je zwei Gefangenen gehört ein Mann
Beſatzung.
7. Gefangene werden befreit, wenn der Entſatz
fünfmal ſo zahlreich iſt, als ihre Bewacher.
8. Gefangene werden in jedem Fall befreit, wenn
der Feind mit ſeiner ganzen noch übrigen Macht,
die jedoch größer ſein muß als die Zahl der Ge-
fangenen, vor den Platz rückt, und nur die geſetz-
mäßigen Bewacher drinn ſind.
Will eine Anzahl von 16 — 30 Ritter und
Bürger ſpielen, ſo müſſen ſie 2 ſchräg gegen ein-
ander liegende Burgen nehmen; die beiden andern
Bur-
[181] Burgen und die Stadt aber unbeſetzt und nicht
gelten laſſen.
2. Das Jagdſpiel oder die Jagd.
Hiezu kann der Platz des Ritter- und Bürger-
ſpieles genommen werden, und, wenn dieſer fehlt,
ein anderer von wenigſtens 100 Schritt Länge und
50 Schritt Breite, ebenfalls bewachſen.
Ein Spieler wird zum Jäger gewählt, der
ſich 1 — 3 andere (je nachdem der Platz groß iſt)
zu Hunden ausſucht. Jäger und Hunde müſſen
gut ſichtbare Zeichen tragen. — Das Wild verſam-
melt ſich nun auf der beſtimmten Freiſtatt. Der
Jäger rufet laut: „Freier Abzug!“, worauf ſich
das Wild in den Wald zerſtreut und verſteckt. Nach
einer Weile rufet der Jäger weit hörbar, als Zei-
chen, daß die Jagd beginnt: „Hallo! Hallo!
oder Freier Abzug aus!“ oder dergl., und zieht
nun mit den Hunden aus. Das Wild kann nun
nach Belieben in die Freiſtatt zurückkehren, wenn
es ſich nur vor Hund und Jäger in Acht nimmt.
Die Hunde können das Wild nur feſthalten; ge-
fangen iſt es erſt, wenn der vom Hunde herbei
gerufene Jäger ihm drei Schläge gegeben hat. —
Findet nun der Jäger kein Wild mehr im Walde,
ſo zieht er nach der Freiſtatt, und ruft von Neuem:
„Freier Abzug.“ Das gefangene Wild wird jetzt
zu
[182] zu Hunden, und das Spiel ſo lange fortgeführt,
bis kein Wild mehr vorhanden iſt. Mit dem Frei-
ſein am Ende des Spieles iſt es wie beim
Schwarzen Mann.
3. Das Stürmen oder der Sturmlauf.
Das Spiel kann nur geübt werden, wenn man in
der Nähe der Turnplatzes 10 — 20 F. hohe An-
höhen hat. — Sind dieſe ſteil und von harter
Erde, ſo kann man bloß das Sturmlaufen
üben. — Man bildet nämlich Riegen, deren
Größe nach der Ausdehnung und Breite der An-
höhen verſchieden iſt; und läßt immer eine auf ein
gegebenes Zeichen oder Wort ablaufen: wer zuerſt
oben iſt, hat gewonnen. — Sind die Anhöhen
ſandig, und nicht ſehr ſteil abfſteigend, ſo kann
man dieſelben von einer Schaar beſetzen, und von
der andern ſtürmen laſſen.
Wer dabei hinunterläuft oder- gezogen wird, iſt
gefangen; eben ſo, wer hinaufgezogen wird, oben
fällt oder niedergeworfen wird, und darf an dieſem
Spiel nicht weiter Theil nehmen. Die Entkräftung
des einen oder andern Theiles endet und entſcheidet
das Spiel.
4. Das Deutſche Ballſpiel: iſt beſonders au-
ßer der Turnzeit ſehr zu empfehlen. Bei ſeiner
Einfachheit vereint es große Mannigfaltigkeit, und
ge-
[183] gewährt eine vielſeitige Regſamkeit, da Werfen,
Schlagen, Laufen, Fangen und Bücken abwechſelnd
vorkommen, und das Augenmaaß ſehr geſchärft
wird.
Bekanntlich theilen ſich ſämmtliche Mitſpieler
in zwei gleiche Hälften (Geſpielſchaften), von denen
die eine den Schlag und die andere den Fang hat.
Die Zahl der Geſpielen auf jeder Seite (Geſpiel-
ſchaft) kann füglich nur acht, höchſtens zehn ſein.
Iſt am Turnplatz ſo viel Außenraum und ſonſtige
Gelegenheit, daß mehre Ballſpiele zu gleicher Zeit
ungeſtört Statt finden können; ſo hat man eine
Abwechſelung mehr und ein vortreffliches Turnſpiel.
[[184]][[185]]
Dritter Abſchnitt.
I.Über Anlegung und Einrichtung eines Turn-
platzes.
II.Anſchlag des Turnzeuges und-Geräthes,
für einen vollſtändig eingerichteten Turn-
platz.
[[186]][187]
I.Ueber Anlegung und Einrichtung
eines Turnplatzes.
Angaben über Anlegung und Einrichtung eines Turn-
platzes ſind durchaus nicht im Allgemeinen, für alle be-
ſonderen Fälle, im Voraus zu machen. Sie müſſen ſich
allemal nach der Örtlichkeit, den Umſtänden und Bedürf-
niſſen richten. Über die Grundſätze, nach welchen man
die Zahl und Abſtufungen des Turnzeuges und der Turn-
gerüſte beſtimmen muß, leſe man Abſchn. 4, I. nach. —
Auf alle beſonderen Rückſichten kann man ſich hier nicht
einlaſſen, ſondern nur die allgemeinen, welche bei jedem
Turnplatze zu nehmen ſind, und danach die Beſchrei-
bung eines vollſtändig eingerichteten Turnplatzes lie-
fern. — Wird ein Turnplatz angelegt für eine öffent-
liche Schule, Waiſenhaus, Erziehungsanſtalt u. dgl., wo
täglich beſtimmte Turnſtunden gehalten werden und ſo
in den ganzen Lehrgang eingreifen; ſo wäre es nöthig,
einen ſehr nahe gelegenen Platz zu erlangen; doch möch-
ten wir keinen öffentlichen Platz in einer Stadt dazu
vorſchlagen. Soll dagegen ein Turnplatz für die Ju-
gend
[188] gend eines oder mehrer Dörfer, einer ganzen Stadt,
oder auf einer einzelnen Anſtalt angelegt werden, wo
die freien Nachmittage zu der Übung angewendet wer-
den; ſo ſchadet es nichts, wenn der Turnplatz eine halbe
Stunde von der Stadt liegt, ja es wäre ſelbſt ein ¾ bis
1 Stunde weit gelegner einem weit näheren, minder
brauchbaren vorzuziehen. Denn für Kinder von acht
bis neun Jahren, die man ohnehin nicht fortwährend
mit Übungen beſchäftigen kann, iſt die Übung im Ge-
hen ſchon ſehr wichtig, und für Alle iſt ein weiterer
Weg und Gang nach dem Eſſen dienlicher als die andern
Leibesübungen.
Jeder Turnplatz muß wo möglich folgende Beſchaf-
fenheit, Gelegenheit und Örtlichkeit haben. — Er muß
eben ſein, muß hoch liegen, — denn auf der Höhe iſt
eine freiere reinere Luft, und die Übungen können nicht
ſo leicht durch Feuchtigkeit unterbrochen werden — er
muß feſten, mit kurzem Raſen bedeckten Boden haben,
und mit Bäumen beſtanden ſein, — aber nicht mit Kie-
nen, wegen des Ausgleiten’s auf den Nadeln, Kienäp-
feln und Wurzeln. — Fehlen die Bäume ganz, ſo muß
man welche anpflanzen, wenigſtens an den Gränzen und
auf dem Tie (Verſammlungs-, Geſellſchafts- und Ruh-
platz); wenn es ſein kann, auch zwiſchen den einzelnen
Übungsplätzen. Bäume ſind in zweien Rückſichten vor-
theilhaft. Sind ſie groß, ſo läßt ſich manches Kletter-
zeug
[189] zeug daran anbringen und dadurch viele Koſten erſpa-
ren, in jedem Fall aber geben ſie gegen die Sonne und
den Wind Schutz, der nie ganz zu entbehren iſt. Be-
ſonders gern hält man ſich den Oſt- und Nordoſtwind
von Turnplätzen ab; und darum iſt es ſehr gut, wenn
dieſelben in oder am Walde liegen. Bei großen Städ-
ten iſt auf der Südweſtſeite, weil von dort her die
feuchten Winde wehen, die geſundeſte Lage. Kann man
in der Nähe einen bequemen Platz zum Ritter- und
Bürgerſpiel und eine Anhöhe zum Stürmen und zum
Tiefenſprung haben, ſo iſt das ſehr viel werth. —
Wenn drei und mehre Stunden zum Turnen an-
gewendet werden, ſo muß durchaus trinkbares Waſſer
auf den Turnplatz geſchafft werden können. — Ein
Hauptbedürfniß für jeden Turnplatz, der nicht nahe an
Gebäuden liegt, iſt eine verſchließbare feſte Hütte, ein
Schuppen oder kleines Haus neben dem Tie, zur Auf-
bewahrung des beweglichen Turnzeuges und-Geräthes.
Soll auch das feſtſtehende, welches man im Winter
ausgräbt, darin aufbewahrt werden, beſonders die gro-
ßen Leitern, ſo muß es freilich 40 F. lang ſein (davon
ein Weitres bei Erklärung des Planes). —
Wo die Natur weniger gethan hat, muß man mehr
Arbeit und Koſten anwenden. Die Bahnen zum Sprin-
gen, Schwingen u. ſ. w. müſſen überall, wo kein feſter
Boden iſt, wenigſtens ½ Fuß hoch von Lehm geſchlagen
und
[190] und mit Sand überſtreut werden. Hat die Rennbahn
fetten Boden, ſo muß ſie auch mit Sand überſtreut wer-
den; hat ſie tiefen Sand, ſo iſt dies ſchlimmer, und
dieſem Übelſtande kann ſchwer, und nur durch Überleh-
mung oder Auffahren feſterer Erdarten abgeholfen wer-
den. Auch verbrauchte Lohe thut gute Dienſte.
Die beſte Geſtalt eines Turnplatzes iſt ein Rechteck,
das beinah noch einmal ſo lang als breit iſt; weil man
dann der Rennbahn die gehörige Ausdehnung in gera-
der Linie geben kann, und keine Übung, durch eine zu
große Tiefe des Platzes, dem Auge des immer außen
ſtehenden Zuſchauers entzogen wird. — Ein Turnplatz
muß feſte Gränzen haben, am beſten feſte Schranken,
wenigſtens einen Graben. Schranken und hinter denſel-
ben eine niedrige Dornhecke in einem Graben ſind ſehr
vortheilhaft gegen das Durchkriechen des kleinen Viehes
(beſonders der Schaafe und Gänſe, deren Dünger höchſt
ſtörend und hindernd iſt). Ein Baumgang oder wenig-
ſtens eine Baumreihe um den Turnplatz iſt für Turner
und Zuſchauer ſehr angenehm. —
Jeder Turnplatz muß wenigſtens eine Einfahrt
und einen Eingang haben, welche beide zuſammenfal-
len können. Liegt der Platz zum Ritter- und Bürger-
ſpiel oder die Höhe zum Stürmen nach einer anderen
Seite, ſo kann man noch ein bis zwei andre Ausgänge
haben. Die Wege von den Eingängen bis zum Tie
dür-
[191] dürfen aber keine Bahn weg- und durchlaufen. Bei der
Auswahl der Stellen für die einzelnen Übungen muß
man ſehr darauf ſehen, daß die, welche zu einer Haupt-
art und- gattung gehören, nie zu weit aus einander
kommen, wie z. B. alle Laufbahnen (Rennbahn, Schlän-
gelbahn, Spielplatz), alle Stellen zum Höhen-, Weiten-,
Tiefen- und Stabſprunge, u. ſ. w. Man muß ferner
darauf ſehen, daß die einzelnen Übungsplätze eine gute
Verbindung unter einander haben und zwar durch be-
ſtimmte Wege; ſo daß man, um von einer Übung zur
andern zu kommen, nie eine Bahn zu durchkreuzen
braucht. Die Ordnung kann in dieſer Hinſicht nicht zu
weit getrieben werden, indem nur bei wenigen jungen
Leuten der Ordnungsſinn ſo feſt iſt, daß man nicht nö-
thig hätte, durch äußere Mittel zu Hülfe zu kommen.
Daher muß die Breite und Länge jeder Bahn und, wo
es ſein kann, ſelbſt die Richtung und Stellung aller Rie-
gen genau bezeichnet ſein.
Ein mit Raſen bewachſener Platz erleichtert dies
ſehr; man hat nur nöthig, bei allen Anläufen, Bahnen
und Niederſprungsörtern den Raſen wegzuſtechen; auch
die Gränzen der einzelnen Übungsplätze und Wege kann
man durch ſchmale Furchen bezeichnen.
Der Tie, Schuppen und die Kleidergeſtelle müſſen
immer dicht zuſammen und wo möglich in der Mitte
des Platzes liegen. Das bewegliche Turnzeug und Turn-
geräth
[192] geräth, welches von einem Turntage zum andern im
Schuppen aufbewahrt wird, iſt folgendes:
Alles Ziehzeug, lange und kurze Schwungſeile,
Springſchnüre nebſt Beuteln und Bolzen, Spring-
ſtäbe, Gere, Sattelkiſſen, Schock- und Stoßkugeln,
Geſetztafeln; Waſſergefäße, Maaßſtäbe, Handwerk-
zeug (Spaten, Beil u. ſ. w.). — Die Klettertaue
werden nicht abgenommen, ſondern nur nach dem
Gebrauch in die Höhe gezogen und oben umge-
ſchlungen.
Von der Größe des Platzes.
Da die Größe eines Platzes nur nach der Anzahl
und Größe der einzelnen Turnſtellen berechnet werden
kann, ſo ſei, obgleich bei jeder Übung der dazu gehörige
Raum angegeben iſt, dies noch einmal überſichtlich hin-
geſtellt, nach Rheinländiſchem Maaß, wonach im Buch
überall nur berechnet iſt.
Es gehört:
zur Rennbahn: 24 — 30 F. Breite und 300 — 400
F. Länge;
zur Schlängelbahn: 30 F. Br. und 70 F. Länge;
zum Freiſpringel: 14 F. Br. und 40 F. L.
zum Stabſpringel: 16 F. Br. und 40 F. L.
zum Springgraben: 40 F. Br. und 50 F. L.
zur Vorrichtung beim Tiefenſprung: 20 F. Br.
und 40 F. Länge;
zum
[193] zum Schwingel: 20 F. Br. und 40 F. L.
zum Schwebebaum: 12 — 16 F. Br. und 60 — 80 F. L.
zum Reck: 12 — 20 F. Br. und 16 — 20 F. L.
zum Barren: 12 F. Br. und 24 F. L.
zum Hangelreck: 20 — 24 F. im Geviert;
zum Klimmel 10 — 12 F. im Geviert;
zum Einbaum: 30 F. im Geviert;
zum Zweibaum: 30 F. im Geviert;
zum Vierbaum: 30 F. im Geviert;
zu einem Klettermaſt: 4 — 6 F. im Geviert;
zur Gerwurfbahn: 30 F. Br. und 70 F. L.
zur Schockbahn: 60 F. Br. und 120 — 140 F. L.
zur Stoßbahn: 30 F. Br. und 40 F. L.
zur Ziehbahn: 10 — 12 F. Br. und wenn 20 gegen
20 ziehen ſollen, wenigſtens 100 F. Länge;
zum langen Schwungſeil: Platz von wenigſtens 30
F. Durchmeſſer;
zum kurzen Schwungſeil: 20 — 30 F. Br. und
etwa eben ſo viel Länge. Sollen die Übungen im
Laufe gemacht werden, ſo muß er etwas länger
ſein;
zum Vorübungsplatz: wenigſtens 20 F. Br. und
40 F. L.
zum Spielplatz: 60 — 120 F. Br. und 100 — 120 F. L.
zum Tie: 50 F. im Geviert;
Nzum
[194] zum Schuppen und den Kleiderrechen: 50 F. im
Geviert.
Iſt man nun im Klaren, wieviel Turnzeug man
gebraucht, ſo wird man daraus und aus den eben ge-
machten Angaben leicht die Größe des Platzes berechnen
können.
Ein Turnplatz iſt, nach den im 4ten Abſchnitt, I.
aufgeſtellten Grundſätzen nur dann vollſtändig einge-
richtet:
wenn er ſo viel Turnzeug und Vorrichtungen ent-
hält, daß, bei jeder beliebigen Eintheilung, alle
Turner zu gleicher Zeit riegenweiſe beſchäftigt
werden können.
Danach würde zu einem Turnplatze für 400 Tur-
ner ein Flächenraum von 465 F. Länge und 260 F.
Breite gehören, und Folgendes an Vorrichtungen, Gerü-
ſten und Turnzeug:
1. Rennbahn.
2. Schlängelbahn.
3. Zwei lange und 30 kurze Seile.
4. Ein langes, ein kurzes Ziehtau, ein Nackzieh-
ſeil, — Ziehſtäbe.
5.
[195]
5. 12 Schwingel:
a. mit Pauſchen:
1 von 3 F. Höhe.
2 „ 3 F. 4 Z. „
2 „ 3 F. 8 Z. „
2 „ 4 F. „
1 „ 4 F. 4 Z. „
1 „ 4 F. 8 Z. „
b. ohne Pauſchen:
1 von 3 F. 6 Z. Höhe.
1 „ 4 F. „
1 „ 4 F. 6 Z. „
Die Dicke und Länge und die Verhältniſſe des Kreuzes,
Sattels und Halſes ſiehe beim Anſchlage.
6. 2 Freiſpringel.
7. 3 Stabſpringel.
8. 1 Springgraben — wo möglich noch ein klei-
nerer dazu.
9. 1 Vorrichtung zum Tiefenſprung.
10. 2 Schwebebäume und 1 Liegebaum.
11. 12 Recke:
2 von 3 F. 6 Z. Höhe
2 „ 4 F. „
2 „ 4 F. 6 Z. „
2 „ 5 F. „
1 „ 5 F. 6 Z. „
1 „ 6 F. „
1 „ 6 F. 6 Z. „
1 „ 7 F. „
N 212.
[196]
12. 9 Barren:
1 von 2 F. 6 Z. Höhe
2 „ 3 F. „
2 „ 3 F. 6 Z. „
2 „ 4 F. „
1 „ 4 F. 6 Z. „
1 „ 5 F. „
Die Weite zu jedem
Höhenverhältniß ſ.
beim Anſchlage.
13. Kletterzeug:
Einbaum,
Zweibaum,
Vierbaum (dieſer iſt, wenn Einb. und Zweib.
da ſind, am erſten zu entbehren),
Klimmel,
3 Klettermaſte.
14. Hangelreck.
15. Spielplatz.
16. Ringplatz.
17. Vorübungsplatz.
18. Schockbahn.
19. Stoßbahn.
20. Gerwurfbahn.
Bei 200 Turnern würde ſich die Zahl des ange-
gebenen Turnzeuges, beſonders in Hinſicht der Springel,
Schwingel, Recke und Barren ſehr ändern und mindern.
Es wäre unnöthig, hier noch Beiſpiele angeben zu wol-
len; wer den 4ten Abſchnitt, I. lieſt und verſteht, wird
ſich
[197] ſich in jedem Fall ſein Bedürfniß leicht berechnen kön-
nen. In Hinſicht des Platzes wird ſich auch ein Jeder
zu helfen wiſſen. Iſt derſelbe ſehr beſchränkt, ſo muß
man den Spielplatz außerhalb deſſelben ſuchen, die Schock-
bahn weglaſſen, Vorübungen und Seilübungen auf der
Rennbahn treiben u. ſ. w.; dies richtet ſich alles nach der
Örtlichkeit und den vorhandenen Mitteln. Wo Raum
genug iſt, thut man wohl, lieber etwas zu viel, als zu
wenig zu nehmen. Alle angegebenen Verhältniſſe paſſen
nur auf baumloſe freie Räume. — Finden ſich aber
hin- und wieder Bäume, und ſtehen ſie bald enger, bald
dichter; ſo muß man ihren Umfang und die etwanige
Hinderung durch ihren Stand bei den Übungen zuvor
abrechnen, und danach einen größern Raum haben.
Alle Bäume auf dem Turnplatze müſſen außerhalb der
einzelnen Turnbahnen ſein.
Für den Turnplatz ſchickt ſich kein Tangelholz, Kie-
nen, Tannen, Fichten u. ſ. w. Schotendorn, Roßkäſten,
und Raupenpappeln ſind gar nicht zu dulden. Wo Er-
len gut wachſen, iſt der Boden zum Turnen zu feucht;
Birken gedeihen überall. Die beſten Turnbäume bleiben
Eichen, Linden und Ahorn.
Eine Aufzählung des nothwendigſten Turnzeuges
für 80 Turner findet man im 4ten Abſchn., I., weil dort
zugleich für dieſe beſtimmte Anzahl von Turnern und
Turn-
[198] Turnzeug die Eintheilung der Übungen und danach die
Abtheilungen der Turner angegeben ſind.
Die Erklärungen des auf dem erſten Kupferblatte
befindlichen Planes eines Turnplatzes für 400 Turner,
iſt demſelben auf einem eigenen Druckblatte vorgefügt.
II.
[199]
II.Anſchlag
des Turnzeuges und- Geräthes und der Vor-
richtungen für einen vollſtändig einge-
richteten Turnplatz, auf dem ſich 400 Turner
riegenweiſe zugleich üben können.
Von einem Koſtenanſchlage kann hier nicht die Rede
ſein, denn Holzpreiſe und Arbeitslohn ſind überall ver-
ſchieden. Es ſoll hier nur der Bedarf an Holz und
anderen Sachen angegeben werden, ſo wie die Zahl der
verſchiedenen Abſtufungen, ihre Verhältniſſe nach Länge,
Breite, Dicke u. ſ. w. Alles nach Rheinländiſchem Maaß.
Dieſer Anſchlag iſt für 400 Turner; und wo ſich dieſe
finden, ſind auch ſchon die Koſten daran zu wenden.
Unternimmt ein Einzelner die Anlegung eines Turnpla-
tzes ohne gehörige Unterſtützung, ſo muß er ſich freilich
in der Menge und Vielfältigkeit der Gerüſte und Gerä-
the, beſonders aber auch bei den größeren Gerüſten
(Klettergerüſten u. ſ. w.) nach den vorhandenen Mitteln
und Bedürfniſſen richten.
Springen.
2 Freiſpringel: 6 F. über-, 2 F. in der Erde.
(4
[200] (4 F. x 8 F.) = 32 F., 3 — 4zollig Kreuz-
oder Ganzholz.
3 Stabſpringel: 10 F. über-, 3 F. in der Erde.
(6 x 13 F.) = 78 F. vierzollig Kreuz- oder
Ganzholz. 20 — 30 F. Kreuzholz zu Tritten oder
Knaggen.
5 Paar eiſerne Bolzen: 6 Z. lang, ½ Z. ſtark.
2 Springſchnüre: von 10 F. Länge und ½ Z. Stärke.
3 Springſchnüre: von 12 F. L. und ½ Z. St.
10 Springbeutel (Sandbeutel): etwa 2 Pfd. ſchwer.
Springſtäbe: 1 Schock, 7 — 11 fußige, von jeder
Art 12; wenn nicht jeder Turner einen eignen
haben muß.
Spinggraben.
Brett zum Tiefenſprung: 24 F. lang, auf 4 Pfäh-
len, von 4 — 10 F. Höhe ſteigend.
Schwingel.
Mit Pauſchen:
[201]
Ohne Pauſchen:
- 1 von 3 F. 6 Z. Höhe und 4 F. 8 Z. Länge.
- 1 „ 4 F. „ — 5 F. 4 Z. „
- 1 „ 4 F. 6 Z. „ — 6 F. „
Die größte Dicke iſt nicht über 18 Z., nicht unter
14 Zoll.
Alſo ſind nöthig:
Zwei Enden Stammholz: 1 von 30 F., 1 von 24 F.
L.; und 18 — 14 Z. Stärke.
Zu Füßen:
- (4 x 3 ½) F. = 14 F.
- (8 x 4) F = 32 F.
- (8 F. x 4 F. 4 Z.) = 34 F. 8 Z.
- (8 F. x 4 F. 8 Z.) = 37 F. 4 Z.
- (4 x 5) F. = 20 F.
- (4 F x 5 F. 4 Z.) = 21 F. 4 Z.
- (4 x 4) F. = 16 F.
- (4 F. x 4 ½) F. = 18 F.
- (4 x 5) F. = 20 F.
213 F. 4 Z.
Schwebezeug.
2 Schwebebäume und 1 Liegebaum:
3 Kien- oder Tannenſtämme von 40 — 80 F. L.,
und wenigſtens 12 Z. Stärke am Stammende.
Zu
[202]
Zu Geſtellen:
die Ständer beim gr. Schwebeb. 6 F. über ‚3 F. in der Erde.
„ „ „ „ kleinen „ 4F. „ ‚3F. „ „ „
Alſo:
- (4 x 9) F. = 36 F.
- (4 x 7) F. = 28 F.
Die Löcher in den Ständern 6 Z. aus einander.
4 eiſerne Bolzen, auf denen die Bäume liegen, von
1 — \frac{5}{4} Z. Stärke.
Recke.
12 Stück von 8 verſchiedenen Höhen, jedes 16 F. lang
und auf 3 Ständern:
- 2 von 3 F. 6 Z.
- 2 „ 4 F.
- 2 „ 4 F. 6 Z.
- 2 „ 5 F.
- 1 „ 5 F. 6 Z.
- 1 „ 6 F.
- 1 „ 6 F 6 Z.
- 1 „ 7 F.
Dazu:
12 Stangen von 16 F. Länge und 2 ⅜ Z. Stärke.
An
[203]
An Ständern:
- (6 F. x 5 F. 6 Z.) = 33 F.
- (6 x 6) F. = 36 F.
- (6 x 7) F. = 42 F.
- (6 x 7½) F. = 45 F.
- (3 x 8) F. = 24 F.
- (3 x 9) F. = 27 F.
- (3 F. x 9 F 6 Z.) = 28½ F.
- (3 x 10) F. = 30 F.
Zum Hangelreck:
6 Stangen von 9 F. Länge und 2 ½ Z. Stärke.
6 Ständer, 7 F. über-, 2 F. in der Erde: macht
(6 x 9) F. = 54 F., vier- bis fünfzollig Kreuz-
oder Ganzholz.
Barren.
9 Barren, jeder 10 F. lang: macht an Überlagen
(18 x 10 F.) = 180 F. dreizollig Kreuzholz.
Höhe v. d. Erde. Weite. macht an Ständern:
- 1 von 2 F. 6 Z. — 12 Z. — (4 x 4)F. = 16 F.
- 2 „ 3 F. — 14 Z. — (8 x 5) F. = 40 F.
- 2 „ 3 F. 6 Z. — 16 Z. — (8 x 5½) F. = 44 F.
- 2 „ 4 F. — 17 Z. — (8 x 6) F. = 48 F.
- 1 „ 4 F. 6 Z. — 18 Z. — (4 x 7) F. = 28 F.
- 1 „ 5 F. — 20 Z. — (4 x 7½) F. = 30 F.
206 F.
Klet-
[204]
Kletterzeug.
Taue: alle \frac{5}{4} — \frac{6}{4} Z. ſtark, mit einer feſten Öſe;
- 2 von 20 F.
- 4 „ 30 F.
- 1 „ 40 F.
1 Strickleiter von 20 F. Länge.
An Holz:
Zum Zweibaum:
2 Maſte: 10 — 12 Z. ſtark; 20 F. über-, 4 F. in
der Erde;
2 Kletterſtangen: 3 Z. ſtark; 20 F. über-, 2 — 4
F. in der Erde;
2 Lehnſtangen: 4 — 6 Z. ſtark; 24 F. über-, 4 F.
in der Erde;
1 Rah, 5 — 6 Z. ſtark und 28 F. lang;
2 Klimmleitern von 24 F. Länge.
Zum Vierbaum:
1 Maſt: 30 F. über-, 5 — 6 F. in der Erde; 14
— 18 Z. ſtark;
4 Maſte: 30 F. über-, 4 F. in der Erde; 8 —
10 Z. ſtark;
4 Rahen: 12 F. lang und 6 Z. ſtark;
1 Klimmleiter von 35 F. Länge.
Zum Einbaum:
1 ſtarker Maſt, 40 F. über, 7 — 8 F. in der Erde;
3 Lehnſtangen, wo möglich bis zum erſten Abſatze;
80.
[205] 80 — 90 F. Kreuzholz;
2 vier und zwanzigfußige Bretter;
1 Leiter von 9 F. zur Unterſtützung des Schnabels;
1 Leiter von 16 F;
1 Klimmleiter von 30 F.
Zum Klimmel:
80 F.: 5 — 6 zollig Kreuz- oder Ganzholz zu Stie-
len und Rahmen;
20 F. Kreuzholz zu oberen Stielen;
130 F.: 3 zollig Kreuzholz zu den Sproſſen und
Holmen.
3 Klettermaſte: zwiſchen 20 und 60 F.; mit einem
feſten Kreuze von Eichenholz, mit vier Winkel-
eiſen, die unter dem Kreuze und am Maſte mit
Schloßnägeln befeſtigt werden.
Gerwerfen.
2 Pfahlköpfe (ſ. die Beſchreibung).
Den Ger hält ſich jeder Turner ſelbſt.
Schocken.
12 Dreipfünder;
12 Anderthalb- oder Zweipfünder;
einige Bretter zum Schott (Kugelfang);
das hölzerne Viereck und der Sack.
Stoßen.
Kugeln von 6 — 24 Pfd.
Zie-
[206]
Ziehen.
- 1 Tau von 15 — 20 F. Länge
- 1 „ von 30 — 100 F. „
Zu 2 Nackziehſeilen:
4: 2 — 3 F. lange Gurte, mit Öſen an beiden
Seiten;
4: ½ — ¾ Z. ſtarke und 10 F. lange Stränge oder
Seile.
Stäbe: 2 — 3 F. lang und ¾ — \frac{6}{4} Z. ſtark.
Schwungſeile.
2 lange von 16 — 20 F. L., ½ — ¾ Z. Stärke mit
einer Öſe.
40 kurze von 6 — 8 F. L. und ½ Z. Stärke; wofern
nicht jeder Turner ſein eignes hat.
Armkraft-Meſſer.
(ſ. Beſchreibung unter Heben).
Windeſtäbe.
(ſ. Anhang mancherlei Übungen).
An allem Turnzeuge, ſelbſt an den Stielen von
Kreuzholz müſſen ſcharfe Kanten ſtets vermieden werden.
Vier-
[[207]]
Vierter Abſchnitt.
I. Über die Art, wie die Turnübungen zu
treiben ſind.
II. Die Turngeſetze.
[[208]][209]
I.Ueber die Art, wie die Turnuͤbun-
bungen zu treiben und im Gange
zu erhalten.
Turnkunſt.
Die Turnkunſt ſoll die verloren gegangene Gleich-
mäßigkeit der menſchlichen Bildung wieder herſtellen, der
bloß einſeitigen Vergeiſtigung die wahre Leibhaftigkeit
zuordnen, der Überverfeinerung in der wiedergewonne-
nen Mannlichkeit das nothwendige Gegengewicht geben,
und im jugendlichen Zuſammenleben den ganzen Men-
ſchen umfaſſen und ergreifen.
So lange der Menſch noch hienieden einen Leib
hat und zu ſeinem irdiſchen Daſein auch ein leibliches
Leben bedarf, was ohne Kraft und Stärke, ohne Dauer-
barkeit und Nachhaltigkeit, ohne Gewandtheit und An-
ſtelligkeit zum nichtigen Schatten verſiecht — wird die
Turnkunſt einen Haupttheil der menſchlichen Ausbildung
einnehmen müſſen. Unbegreiflich, daß dieſe Brauchkunſt
des Leibes und Lebens, dieſe Schutz- und Schirmlehre,
dieſe Wehrhaftmachung ſo lange verſchollen geweſen.
OAber
[210] Aber dieſe Sünde früherer leib- und liebloſer Zeit wird
auch noch jetzt an jeglichem Menſchen mehr oder min-
der heimgeſucht. Darum iſt die Turnkunſt eine menſch-
heitliche Angelegenheit, die überall hingehört, wo ſterbliche
Menſchen das Erdreich bewohneu. Aber ſie wird immer
wieder in ihrer beſondern Geſtalt und Ausübung recht
eigentlich ein vaterländiſches Werk und volkthümliches
Weſen. Immer iſt ſie nur zeit- und volkgemäß zu trei-
ben, nach den Bedürfniſſen von Himmel, Boden, Land
und Volk. Im Volk und Vaterland iſt ſie heimiſch,
und bleibt mit ihnen immer im innigſten Bunde. Auch
gedeiht ſie nur unter ſelbſtändigen Völkern, und gehört
auch nur für freie Leute. Der Sklavenleib iſt für die
menſchliche Seele nur ein Zwinger und Kerker.
Turnanſtalten.
Jede Turnanſtalt iſt ein Tummelplatz leiblicher Kraft,
eine Erwerbſchule mannlicher Ningfertigkeit, ein Wett-
plan der Ritterlichkeit, Erziehungsnachhülfe, Geſundheits-
pflege und öffentliche Wohlthat; ſie iſt Lehr- und Lern-
anſtalt zugleich in einem ſtäten Wechſelgetriebe. Zeigen,
Vormachen, Unterweiſen, Selbſtverſuchen, Üben, Wettüben
und Weiterlehren folgen in einem Kreislauf. Die Turner
haben daher die Sache nicht von Hörenſagen, ſie haben kein
fliegendes Wort aufgefangen: ſie haben das Werk erlebt,
eingelebt, verſucht, geübt, geprüft, erprobt, erfahren und
mit
[211] mit durchgemacht. Das erweckt alle ſchlummernden
Kräfte, verleiht Selbſtvertrauen und Zuverſicht, die den
Muth niemals im Elend laſſen. Nur langſam ſteigert
ſich die Kraft, allmälig iſt die Stärke gewachſen, nach
und nach die Fertigkeit gewonnen, oft ein ſchwer Stück
vergeblich verſucht, bis es nach harter Arbeit, ſaurer
Mühe und raſtloſem Fleiß endlich gelungen. Das bringt
das Wollen durch die Irrwege der Willelei zum folge-
rechten Willen, zum Ausharren, worin aller Sieg ruht.
Man trägt ein göttliches Gefühl in der Bruſt, ſo bald
man erſt weiß, daß man etwas kann, wenn man nur
will. Geſehen haben, was anderen endlich möglich gewor-
den, gewährt die freudige Hoffnung es auch zu leiſten.
In der Turngemeinſchaft wird der Wagemuth heimiſch.
Da wird alle Anſtrengung leicht, und die Laſt Luſt,
wo andere mit wettturnen. Einer erſtarkt bei der
Arbeit an dem andern, ſtählt ſich an ihrer Kraft, ermu-
thiget ſich und richtet ſich empor. Ein Beiſpiel wird ſo
das Vorbild, und reicht weiter als tauſend Lehren. Eine
echte That iſt noch nie ohne Nachkommen geblieben.
Ohne eine Turnanſtalt ſollte billig keine nam-
hafte Stadt in Deutſchen Landen forthin bleiben. Den
Einwurf: „Es koſtet was“ können nur Tröpfe vor-
bringen, die gern als Köpfe ſpuken möchten. Menſchen
werden gezählt, Männer gewogen und ſind nicht zu
erdrillen.
O 2Turn-
[212]
Turnplätze.
Auch der kleinſte Ort könnte und ſollte von Rechts
wegen, wenn er eine Schule hat, auch nach ſeinen be-
ſchränktern Bedürfniſſen einen Turnplatz haben. In
jedem Kirchſpiel des platten Landes müßte wenigſtens
ein vollſtändiger Turnplatz ſein, wo ſich dann aus den
größern und kleinern Ortſchaften die turnfähige Jugend
zuſammenfinde, und in jugendlichem Wettturnen verſu-
che. Wenigſtens an den Denktagen der Erlöſung,
Auferſtehung und Rettung des Deutſchen Volks ſollte
dazu Rath werden. Der 31te März, 18te Junius
und 18te October ſind recht eigentlich zu großen
Turntagen gewonnen. Im Laufe der Zeit können
gar leicht aus dieſen kleinen Anfängen größere Feſte
werden. Wann dann die geſammte Jugend erſt einge-
turnt iſt, ſo wandern die Turnfertigſten aus dem kleinern
Ort in den größern, von dort am folgenden großen
Turntage die Preiserringer zur Gauſtadt, und ſo an
jedem kommenden Feſte immer weiter zur Mark- und
Landesſtadt, bis ſich endlich die beſten Turner des gan-
zen Volks am großen Hauptfeſte in der Haupt-
ſtadt treffen.
Wer den erſten Abſchnitt des Buchs: die Turn
übungen, und den dritten: I. Über Anlegung eines
Turnplatzes mit Aufmerkſamkeit geleſen, und beide
verglichen hat — wird auch gewiß einſehen, daß es
durch-
[213] durchaus nothwendig iſt, Turnzeug in gehöriger Zahl
und Zweckmäßigkeit anzuſchaffen. Dies gilt ganz beſon-
ders von Reck, Barren, Springel und Schwin-
gel. Die drei erſten ſind überall wohlfeil zu bekom-
men. Sind einem aber die Schwingel zu theuer, ſo
muß man in ſolchem Fall nur einige hinſetzen, und ſich
darauf beſchränken, daß nur die größeren Turner das
Schwingen treiben. Schon eher iſt ein koſtſpieliges
Klettergerüſt zu erſparen. Ein niedriges und ein hohes
Tau allenfalls an Rahen in Bäumen angebracht, eine
kleine, und eine große Klimmleiter reichen zur Noth
ſchon hin.
Wer aber den Schluß machen wollte, daß, wenn
für vierhundert (400) Turner das in dem Anſchlag
(Siehe Seite 199) angegebene Turnzeug nöthig wäre,
man alsdann für 200 Turner nur die Hälfte, für 100
das Viertel und für 50 bloß das Achtel gebrauche,
würde einen großen Fehlſchluß machen. Denn funfzig
(50) Turner von jedem Alter und jeder Größe brauchen
eigentlich Turnzeug von eben ſo viel Abſtufungen, als
die vierhundert (400), wenn auch nicht von jedem Grad
zwei bis drei Stück.
Für Diejenigen, welche ſich ſonſt noch nicht mit
dem Turnweſen beſchäftiget haben, und doch die Grund-
ſätze kennen zu lernen wünſchen, nach denen das Turnzeug
anzuſchaffen iſt, folgt hier noch ein Beiſpiel, was viel-
leicht
[214] leicht an kleinern Orten, Dörfern u. ſ. w. öfters Anwen-
dung finden möchte.
Das nothwendigſte Turnzeug für achtzig
Turner.
Springel:
- 2 zum Freiſprung,
2 zum Stabſprung;
Springſtangen.
1 Springgraben.
Recke: 4 Stück: 16 F. lang, von 3 F. 6 Z., 4 F.
6 Z., 5 F. 6 Z. und 6 F. 6 Z. Höhe.
Barren: 4 Stück: 8 F. lang und 2 F. 6 Z., 3 F.,
3 F. 6 Z. und 4 F. 6 Z. hoch, und 14, 15, 16
und 18 Z. breit.
Schwingel: 4 Stück: mit Pauſchen, 3 F., 3 F. 4 Z.,
3 F. 8 Z. und 4 F. hoch.
1 Schwebebaum.
1 Pfahlkopf und wenigſtens für die drei erſten Ab-
theilungen Gere.
1 Nackziehſeil.
1 Seil: von 20 — 30 F. Länge und ¾ Z. Stärke,
als Ziehtau und zu den Seilübungen.
Kurze Seile: für die erſte und zweite Abtheilung.
2 Klettertaue: etwa von 20 und 30 F., ſo einfach
als möglich angebracht.
1 Klettermaſt: etwa 20 — 30 F. hoch und 6 — 8
Z. ſtark; eingegraben.
2
[215]
2 Kletterſtangen: von 10 — 20 F. Höhe und 2 —
3 Z. Stärke; an Baumäſten od. dergleichen befe-
ſtigt, und eingegraben.
1 Klimmleiter: von 12 — 15 F. Höhe; die Sproſ-
ſen 10 Z. von Mittel zu Mittel.
Turnlehrer.
Ein Vorſteher einer Turnanſtalt (Turnwart)
übernimmt eine hohe Verpflichtung, und mag ſich zuvor
wohl prüfen, ob er dem wichtigen Amte gewachſen iſt.
Er ſoll die jugendliche Einfalt hegen und pflegen, daß
ſie nicht durch frühreife Unzeitigkeit gebrochen werde.
Offenbarer als jedem andern entfaltet ſich ihm das
jugendliche Herz. Der Jugend Gedanken und Gefühle,
ihre Wünſche und Neigungen, ihre Gemüthsbewegungen
und Leidenſchaften, die Morgenträume des jungen Le-
bens bleiben ihm keine Geheimniſſe. Er ſteht der Ju-
gend am Nächſten, und iſt ihr darum zum Bewahrer
und Berather verpflichtet, zum Hort und Halt und zum
Anwalt ihres künftigen Lebens. Werdende Männer ſind
ſeiner Obhut anvertraut, die künftigen Säulen des Staats,
die Leuchten der Kirche, und die Zierden des Vaterlan-
des. Keinem augenblicklichen Zeitgeiſte darf er fröhnen,
keiner Rückſichtelei auf Verhältniſſe der großen Welt,
die oft im Argen liegt. Wer nicht von Kindlichkeit und
Volksthümlichkeit innigſt durchdrungen iſt, bleibe fern
von
[216] von der Turnwartſchaft. Es iſt ein heiliges Werk und
Weſen.
Einzig nur im Selbſtbewußtſein der Pflichterfül-
lung liegt der Lohn. Später beſchleicht einen das Alter,
unter dem Tummeln der Jugend. Auch in den höſcſten
Zeitläuften bewahren ſich Glaube, Liebe und Hoffnung,
wenn man ſchaut, wie ſich im Nachwuchs des Volks
das Vaterland verjüngt. Vom Schein muß der Turn-
lehrer abſtehen, für die Außenwelt kann jeder Gaukler
beſſer prunken. Unter allen Lehrern der Jugend hat
ein Turnlehrer den ſchwerſten Stand. Bei andern Leh-
rern beruht das Geſchäft auf Wiſſen und Wiſſenſchaft, in
denen beim allſtündlichen und alltäglichen Betreiben von
Zeit zu Zeit weitere Fortſchritte zu machen ſind. Des
Turnlehrers Würken iſt unzertrennlich von Kennen und
Können. Ein anderer Lehrer wird dem größten Theile
ſeiner Schüler immer voraus bleiben; einen Turnlehrer
müſſen aber die Knaben und Jünglinge bald in den
Turnübungen einholen, und können ihn dann leicht
übertreffen.
Dennoch muß ein Turnlehrer vor allen Dingen
bemüht ſein, ſich in den Turnübungen ſo viel Fertigkeit
zu erwerben und zu erhalten — als ſeine Leibesbeſchaf-
fenheit erlaubt. Nur eigenes Selbſtverſuchthaben und
Erproben geben ihm einen deutlichen und klaren Begriff
von der einzelnen Bewegung und Übung, und von den
Wir-
[217] Wirkungen, ſo ſie hervorbringen. Dabei muß er ſich
ſehr hüten und ſorgfältig in Acht nehmen, daß er den
kleinern Turnern kein Bild der Lächerlichkeit und auf-
fallender Ungeſchicklichkeit giebt. Größere ehren ſchon
den guten Willen und das mühevolle Beſtreben. Geht
ihm auch die Erwerbung einzelner Turnfertigkeiten nicht
von Statten; ſo muß er doch in alle Theile der Turn-
kunſt eindringen, und in den Geiſt des Turnweſens.
Die Turnſchüler müſſen den Turnlehrer als Mann von
gleichmäßiger Bildung und Volksthümlichkeit achten kön-
nen, der Zeit und Welt kennt und das Urbild, wonach
zu ſtreben iſt; ſonſt wird er bei aller turneriſchen Fer-
tigkeit ihnen nur wie ein Faſelhans und Künſtemacher
vorkommen. Ein Turnlehrer muß:
1. der Jugend kein böſes Beiſpiel geben, weder auf
noch außer dem Turnplatze;
2. ſich während der Turnzeit aller ſolcher Genüſſe ent-
halten, die der Jugend nicht geziemen z. B. To-
back rauchen, Schnapps trinken u. a. dgl.,
3. ſich nicht vornehmthueriſch und aufthueriſch gebär-
den, ſondern ſtets leutſeelig ſein und bleiben;
4. nicht zu ſpät auf den Turnplatz kommen, ſondern
wo möglich immer mit den Frühſten da ſein;
5. als Geſetzbewahrer die Geſetze zuerſt halten, und
ſich nicht hoffährtig davon ausnehmen, ſondern
der ſtrengſte Richter gegen ſich ſelbſt ſein;
6.
[218]
6. es bei Leibe nicht allen Turnern zuvor- oder gleich-
thun wollen, ſondern ſich ſtill und beſcheiden, ohne
Lärm und Geſchrei einturnen;
7. die Geſpräche der Jugend ſo leiten, daß ſie lehr-
reich und unterhaltend werden, und in Wort und
Werk keinen Anſtoß geben;
8. auch den Schein von Schulſteifheit vermeiden, und
in ſeinem Betragen und Benehmen freundſchaftlich
mit Ernſt und herzlich mit Würde ſein;
9. es deutlich an den Tag legen, daß er von der
Wichtigkeit der Sache begeiſtert iſt, und nicht von
feiler Selbſucht und ſchnöder Eitelkeit getrieben
wird;
10. mit ſeinen Schülern, Zöglingen und Anvertrauten
zu leben verſtehen und umzugehen wiſſen, daß ſie
ihn als Menſchen lieben und als Mann achten;
11. die verſteckten Eigenthümlichkeiten auffinden, die
keimenden Tugenden pflegen, und die hervorge-
ſproſſenen volkthümlich ausbilden;
12. als der ältere Freund, Ordner, Schiedsrichter,
Rathgeber und Warner unter den Turnern walten.
Turnübungen.
Alles Turnen hat ſein Geſetz und ſeine Regel, ſeine
Schule und Zucht, ſein Maaß und ſein Ziel. Die höch-
ſte Eigenthümlichkeit beim Einzelnen und die höchſte
Volks-
[219] Volksthümlichkeit bei Allen. Lehre und Leben bilden
hier keinen Gegenſatz. Beide ſind einträchtig und eins.
Daher iſt es möglich und findet würklich Statt, daß
auf einem und demſelben Turnplatze jeder Turner ſein
eigen Gepräge erhält nach ſeinem eigenen Schrot und
Korn. Die Turnkunſt als Pflegerin der Selbſtthätigkeit,
führt auf geradem Wege zur Selbſtändigkeit. Sie för-
dert die leibliche Geſammtausbildung des Menſchen durch
geſellige Regſamkeit in lebensfriſcher Gemeinſchaft.
Bei den Turnübungen muß ſich immer eins aus
dem andern ergeben, ohne Drillerei, ſo die freie Eigen-
thümlichkeit der Einzelnen durch ihr Schalten gefangen
nimmt. Die Turnübungen in Folge und Folgerung
ergänzen ſich wechſelſeitig, und können und müſſen um-
zechig getrieben werden. Die richtige Vertheilung von
Raſt und Laſt gewährt die Dauerkraft. Indem einige
müde geturnte Glieder feiern, arbeiten die andern wie-
der. Die Turnkunſt iſt gegen jede Einſeitigkeit. Links
und rechts ſind ihr Bedingniſſe, wovon keins erlaſſen
werden darf. Sie will einen ganzen Mann, und iſt
mit keinem zufrieden, deſſen Leib in die Brüche geht.
Übereinſtimmung und Folgerechtheit entwickeln die allſei-
tige Kraft.
Es giebt freilich Übungen, die nach dem Weſen der
Sache hintereinander getrieben werden müſſen, und erſt
dann, wenn die Vorübung beendigt iſt und ein Ganzes
be-
[220] bereits ausmacht. Viele Übungen müſſen aber ſchlech-
terdings gleichzeitig getrieben werden, weil ſonſt die Be-
ſonderheit und Einerleiheit auch ſelbſt der beſten Übung
der Geſammtbildung widerſtreiten würde. Wollte man
bloß eine Übung erſt bis zur höchſten Vollkommenheit
bringen, um dann zu einer andern überzugehen; ſo
würde die Jugendzeit nicht lang genug ſein, um nur
in ein Paar Hauptturnübungen Fertigkeit zu erlangen.
Die leibliche Kraft läßt es auch nicht dahin kommen.
In ſolchem Zerren und Renken würde ſie erlahmen und
erſtarren. Nur die öftere Wiederholung erzeugt die
Vollkommenheit, wenn anders die Wechſelwürkung ande-
rer Übungen hinzukommt.
So wenig man aber einen Knaben in einem fort
immer nur bloß mit einer Übung beſchäftigen ſoll, ſo
giebt es doch gewiſſe, mit welchen man den Anfang
machen muß, und die gleichſam Einleitung und Vor-
ſchule zum Ganzen der Turnkunſt ſind. Jeder nicht ein-
geturnte Knabe oder Jüngling iſt entweder verſteift,
oder wenn er auch noch Gelenkigkeit beſitzt, ſo verſteht
er wenigſtens ſelten mit ſeinen Gliedern regelrechte Be-
wegungen zu machen. Allen dieſen Mängeln helfen die
beſchriebenen Spring- und Schwingvorübungen
(S. Seite 15 — 21 und Seite 39 — 42.) am Zweck-
mäßigſten ab. Sie muß man mit jedem Neuen, der zur
Turnanſtalt kommt, zuerſt und viel üben, und dann oft
wie-
[221] wiederholen. Nach dieſer Einleitung muß man nun die
leichteſten Anfänge jeder Übung vornehmen, als: die
erſten Lauf- Spring- und Kletterübungen, das Ziehen,
Hangeln, Handeln am Barren und Schwebegehen.
Hiedurch prüft man am beſten die Kraft, ſieht wo es
dieſem oder jenem fehlt, und wie dem Mangel abzu-
helfen.
Im Anfang, beſonders wenn ein Turnplatz gleich
ganz, oder auch nur meiſten Theils eingerichtet iſt, thut
man wohl feſtzuſetzen, daß die Turner nur ſolche Übun-
gen treiben, die ihnen erlaubt, und nur ſolche Stücke
machen, die ihnen bereits gezeigt ſind. Ungeübte kön-
nen, ſich ſelbſt überlaſſen, bei ihnen unbekannten Übun-
gen leicht Schaden nehmen.
Sobald in einer beginnenden Turnanſtalt nur eini-
ge Fortſchritte gemacht ſind, muß der Vorſteher (Turn-
wart) oder Turnlehrer, aus den Verſtändigſten und
Turnfertigſten — Vorturner erwählen, oder erwäh-
len laſſen. Die Vorturner müſſen die Neuen in den
Vorübungen unterweiſen, und bei den Übungen, wo es
Noth thut, ſelbſt vormachen (vorturnen). Sie müſſen
Hülfen zu geben wiſſen, und, wo ein Ausgleiten oder
Fallen leicht möglich iſt, beſonders Acht geben und bei
der Hand ſein, um allen Schaden zu verhüten. Auch
müſſen ſie die Beſonnenheit beſitzen, aus den einzelnen
Stücken einer vielgeſtalten Übung jedes Mal eine zweck-
mä-
[222] mäßige Auswahl zu treffen. Bei der Aufſicht über
Jüngere und Schwächere müſſen ſie beſonders berück-
ſichtigen, daß es hier nicht ſowohl auf Erlangung von
Fertigkeiten, als auf allgemeine Vorbereitung zur Turn-
fähigkeit ankommt.
Turnzeit.
Auf dem Turnplatze iſt die Aufgabe zu löſen, viele
Turner zu gleicher Zeit planmäßig zu beſchäftigen. Zur
Turnzeit ſollten immer billig ganze Nachmittage ver-
wandt werden. Mittwoch und Sonnabend Nach-
mittag ſind auch in der ganzen Deutſchen Welt ſogar
durch hohe landesherrliche Geſetze ſchulfrei. In der
neuern Zeit iſt der Misbrauch eingeriſſen, daß man
auch auf Schulen das Lernen in Hefte zwängt, wodurch
blutwenig im Gedächtniß haftet, und die arme Jugend
in der Schreibfrohne dem lieben Gott den Tag ab-
ſchmiert. Je mehr Leben wieder in die Welt gekommen,
deſto weniger dürfen die Schulen am Buchſtaben hangen.
Von bloßen Augenblicken, wo ſich die Jugend nur
kümmerlich auslüftet, iſt natürlich hier nicht die Rede.
An Turntagen wird der ganze Nachmittag in zwei
gleiche Hälften getheilt. Die erſte Hälfte iſt für die
freiwillige Beſchäftigung (Turnkühr), die andere Hälfte
für die vorgeſchriebene (Turnſchule). In der erſten
Hälfte wählt ſich jeder ſeine Beſchäftigung ſelbſt, und
treibt
[223] treibt Übungen, die ihm am meiſten behagen, oder in
welchen er ſich ſchwach fühlt, oder auch in denen er ſich
vorzüglich ausbilden will. Lehrer und Vorturner müſ-
ſen aber immer in Thätigkeit ſein, um die Ordnung zu
erhalten, bald dieſen bald jenen, auch manchmal eine
ganze Riege zu unterweiſen. Während dieſer frei-
willigen Beſchäftigung (Turnkühr) hat der Lehrer
die beſte Gelegenheit, ſich von dem Selbſttriebe
und der Selbſtthätigkeit eines jeden, und von den
Neigungen, Anlagen, Beſtrebungen, Entwickelungen,
Fortſchritten und Fertigkeiten anſchaulich zu überzeugen.
Am Ende dieſer Zeit werden die Turner durch ein
überall auf dem Turnplatze hörbares Zeichen z. B Klap-
per, Glocke o. dgl. auf dem Tie verſammelt. Dies iſt
die beſte Zeit, wo die Turner nach gehörigem Ausruhen
und Abkühlen mit Brot und Waſſer ihren Hunger und
Durſt ſtillen können. Das Brot bringt ſich jeder von
Hauſe mit. Es würde die ganze Turnordnung ſtören
und ein unbändiges Hin- und Hergelaufe geben, dürfte
es während der Turnraſt etwa in der Nähe des
Platzes erkauft werden. Überhaupt iſt das Verlaſſen
des Turnplatzes während der Turnzeit nur in dringen-
den Fällen zu geſtatten, aber niemals um Lebensmittel
zu holen. Das Waſſer wird auf den Turnplatz ge-
ſchafft, aber außer der Turnraſt darf keiner trinken.
Sobald alle getrunken haben, wird wieder ein Zei-
chen
[224] chen gegeben, worauf alle Turner ſich nach ihren Jah-
ren auf einen ein für alle Mal angewieſenen Stand
ſtellen. Hier werden die Liſten verleſen, und die Feh-
lenden ſogleich aufgezeichnet. Über den Nichtbeſuch des
Turnplatzes wird Nachfrage gehalten, damit nicht böſe
Buben unter dem Vorwand und Behelf des Turnpla-
tzes ſich auf den Müßiggang geben und jugendwidri-
gen Zeitvertreib.
Nun fängt die vorgeſchriebene Beſchäftigung (Turn-
ſchule) an. Die Turner ſind ein für alle Mal nach
ihrem Alter in beſtimmte Abtheilungen gebracht. Alle
in einem Jahr Geborne gehören zu einer und derſelben
Abtheilung. Sollten ſich einige finden, die eine Aus-
nahme von der Regel machen, entweder bei weitem grö-
ßer oder kleiner, oder ſtärker oder ſchwächer als ihre
Jahrgenoſſen ſind, und ſich alſo nicht mit dieſen zugleich
üben können; ſo müſſen ſie in die zunächſt ältere oder
jüngere Abtheilung verſetzt werden. Iſt eine Abtheilung
unverhältnißmäßig gering, ſo muß man ſie mit einer
andern Abtheilung vereinigen. Iſt ſie hingegen ſehr
zahlreich, ſo muß ſie getheilt werden.
Alle Übungen werden nun in ſo viele einzelne
Schulen getheilt, als Turnerabtheilungen ſind. Hienach
werden jeder Abtheilung für einen Tag beſtimmte Haupt-
und Nebenübungen angewieſen, damit jeder Turner in
einer Reihe von Turntagen die Schule von ſämmtlichen
Turn-
[225] Turnübungen durchmacht, und nach einander in allen
Unterweiſung erhält.
Jeder Abtheilung iſt ein Vorturner zugeſellt, der
die Abtheilung in Riegen theilt, und ihre Übungen
leitet. Vorzuturnen braucht er nicht immer ſelbſt, ſon-
dern das thut der Erſte oder der Anmann von jeder
Riege.
Bei dieſer Turnweiſe iſt es einzig und allein
möglich, die Zahl und den Grad (Abſtufungen) des
Turnzeuges zu berechnen. Es muß nämlich ſo viel da
ſein, daß alle Turner, man mag den Abtheilungen Übun-
gen anweiſen, welche man will, ſich zugleich riegenweiſe
üben können. Allerdings erfordert dies viel Turnzeug,
und mit unter wohl zwei Stück von jedem beſondern
Grad (Siehe Reck, Barren, Schwingel); aber ſtatt deſ-
ſen die Abtheilungen aus allen Jahren und Altern zu
miſchen iſt nicht rathſam und thunlich. Wollte man
ſolch Gemiſch zuſammen wettturnen laſſen, z. B. ringen,
ſo könnte der Schwächere leicht Schaden nehmen. Ohne
jene Turnweiſe können aber nicht die Turner ihre
Stärke und Turnfertigkeit gegen ihres Alters Gleichen
prüfen und abwägen.
Turntracht.
Ohne eine bleibende Turntracht kann keine Turn-
anſtalt gedeihen. Der leidige Trachtwechſel würde bald
Pnach
[226] nach einander alle Übungen unmöglich machen, und ſo
das Turnweſen wieder vernichten.
Eine Turntracht muß dauerhaft und wohlfeil ſein,
und zu allen Bewegungen geſchickt. Graue ungebleichte
Leinwand iſt der beſte Stoff. Alle andere Zeuge ſind
weniger dauerhaft und wohlfeil, und doch nicht ſo leicht
zu reinigen. Eine grauleinene Jacke und eben
ſolche Beinkleider kann ſich jeder anſchaffen. Wür-
den Zeuge aus ausländiſchen Stoffen geduldet; ſo müß-
ten ſich die Übungen gar bald in Übungen für Rei-
che, Vermögende, Bemittelte, Wohlhabende,
Unbemittelte, Dürftige und Arme theilen.
Die Turntracht muß eine Gleichtracht von gleichem
Stoff und gleichem Schnitt ſein; damit ſie nicht den
einen fördert und den andern hindert. Alle Turnübungen
werden barhand und barhaupt vorgenommen, auch
im Winter braucht der Deutſche keine Pelzmütze.
Halstücher ſind auf keinen Fall unter keinerlei
Bedingung zu dulden, ſie mögen den Wundbinden oder
Hunde-Halsbändern gleichen, galgenſtrickmäßig umgelegt
ſein oder gar wie Dohnenſchleifen.
Hoſenträger dürfen ſich nicht vorn kreuzen; hin-
ten mögen ſie gekreuzt oder beſſer noch durch zwei
Querſtreifen verbunden ſein.
Stiefel dürfen keine ſchwere Reuter- und Poſt-
knecht- Stiefel ſein, oder gar Gebäue wie Löſcheimer.
Spo-
[227]Sporen können ſogar lebensgefährlich werden. Zug-
ſtiefel gehören mit den Schnürbrüſten zu dem Folterge-
räth, was die Putzwuth für Zierlinge erteufelt hat. Die
zweckmäßigſte Fußbekleidung für Turner ſind Halbſtie-
fel — aber keine Schnürſtiefel —, die eben über die
Knöchel hinaufreichen, zum Anziehen weit genug ſind
und mit einem Überſchlag verſehen, mit einem Riemen
oberhalb der Knöchel befeſtiget werden. In ſolches
Schuhzeug fällt beim Gehen kein Steinchen und kein
Sandkorn, und doch wird die Wade nicht eingezwängt,
wie bei den Überſtrümpfen.
Lederne Beinkleider taugen nicht auf den
Turnplatz, auch Überziehhoſen ſind nichts nutz, ſelbſt
wenn ſie auch nur zum Schein falſche Knopfreihen ha-
ben. Turnbeinkleider müſſen gehörigen Schritt haben,
im Bund gebürend weit ſein, daß ſie den Bauch nicht
preſſen; und an einem Hoſenträger hangen. So hoch
dürfen ſie nicht hinauf gehen, daß das Herz in den
Hoſen ſitzt. Es iſt ſehr zweckwidrig und der Geſund-
heit nachtheilig, ſie mit Riemen, Knöpfen und derglei-
chen über Schuh und Stiefeln zu befeſtigen. Im Ge-
gentheil ſollen ſie auch nicht auf der Erde ſchleppen.
Ein ordentliches Maaß kommt ihnen zu, was jede Glie-
derbewegung erlaubt und erleichtert. Es verſteht ſich
von ſelbſt, daß ſie weder weit wie ein Sack, noch eng
wie ein Darm ſein dürfen. Am aller Ungeſundeſten iſt
P 2eſ,
[228] es, ſie über die Hüſten zu ſchnallen und zu ſchnüren.
Das giebt einen Schmachtriem, wodurch die Wohlge-
ſtalt des Menſchenleibes als Weſpenleichnam von ein-
ander zu brechen ſcheint, und die Hälften wie Vorder-
und Hinterwagen nur noch nothdürftig zuſammenhangen.
Bei den Turnübungen ſelbſt kann man nicht kühl
gekleidet genug gehen; nach vollendeter Arbeit, nach dem
Abmüden und dem Erhitztſein muß man einen Rock zum
Überziehen haben, um ſich gegen plötzliche Erkältung zu
ſchützen. Tuchene Jacken ſind gar nichts werth, und
müſſen von jedem Turnplatze verbannt ſein. Ein Frack,
Wrack, das heißt zerbrochener Rock, auch Kluft genannt,
weil er mitten von einander geſpalten — iſt ein höchſt
unnützes Gepäck, und nur eine Scheinkleidung. Die
nothwendigſten Theile bleiben unbedeckt — Bauch und
Kreuz. Statt deſſen flattert der Zwieſelſchwanz der
Rockfittige wie ein Fächer und Fliegenwedel hinterher.
Ein Deutſcher Rock, der hinten zu iſt und vorn zu
geht — bleibt immer die angemeſſenſte und anſtändigſte
Tracht. Er muß ſo weit ſein, daß er bequem über
die Turnjacke gezogen und doch zugeknöpft werden
kann. Über die Kniee darf er nicht hinunter reichen,
weil er ſonſt den Gang ſchwer macht. Auf kleinen
Wanderungen (Turnfahrten) vertritt er dann zugleich
die Stelle eines Mantels.
Tie.
[229]
Tie.
Der Turnplatz iſt kein Drillort, und kann alſo nicht
von Schulſteifheit ſtarren. Bei den Übungen ſelbſt darf
ausdrücklich nichts anders von den Turnern geſprochen
werden, als was zur Sache gehört. Dafür muß aber
natürlich jeder Turnplatz einen der Größe der Turnan-
ſtalt angemeſſenen Tie haben. Der Tie iſt Verſamm-
lung-, Erhohlung-, Unterhaltung- und Geſellſchafts-
Platz. Schattenbäume müſſen ihn umgeben. In der
Mitte muß eine etwas erhabene Dingſtatt ſein, und
ein Dingbaum, woran an einem ſchwarzen Brette die
Turngeſetze und andere Dinge zu leſen. Von der Ding-
ſtatt herab wird den Turnern das Nöthige bekannt
gemacht. Hier werden die neuen Turner eingeſchrieben,
und die etwanigen Händel geſchlichtet. Hier ſind die
Anzeigetafeln von verlornen und gefundenen Sachen.
Hier hangen die Geſetze. Hier iſt das Tagebuch. Hier
iſt die Glocke oder ein ähnliches Werkzeug, womit man
die Turner zuſammenruft.
Auf dem Tie ſtehen Bänke zur Bequemlichkeit der
Turner, wo ſich die eben Angekommenen ausruhen, die
Turnmüden erholen und die Freunde gegenſeitig etwas
mittheilen können. Hier werden mancherlei Geſchäfte
abgemacht. Hier iſt fröhliches Geſpräch, munterer Scherz,
jugendlicher Witz und Geſang. Hier einzig und allein
darf
[230] darf auf dem ganzen Turnplatz nur gegeſſen und ge-
trunken werden. Dafür kann auf dem Tie ſchlechter-
dings keine Turnübung Statt finden.
Auf dem Turnplatze wird nur trocken Brot gegeſ-
ſen und Waſſer getrunken. Wem trocken Brot nicht
mundet, hat keinen Hunger, und kann füglich warten,
bis er nach Hauſe kommt. Wen Waſſer nicht erquickt,
hat entweder keinen Durſt, oder noch nicht lange genug
geturnk, vielleicht auch ſich überhaupt zu wenig in freier
Luft bewegt.
Zuſchauer.
Der Turnplatz iſt keine Bühne, und kein Zu-
ſchauer hat Recht, auf ihm ein Schauſpiel zu erwar-
ten. Aber er iſt eben ſo wenig eine geheime Halle:
feſte Schranken muß er freilich haben, die den Tur-
ner von dem bloßen Zuſchauer abſondern. Dafür müſ-
ſen die Übungsplätze nach den einzelnen Orten und
Stellen ſo angeordnet werden, daß ſie von außen hin-
reichend zu ſehen ſind, und ſich gerade von dort für
den Zuſchauer am beſten ausnehmen. So hat alsdann
jedermann hinlängliche Gelegenheit, ſich durch den Au-
genſchein von dem Weſen und Werth der Turnübungen
zu überzeugen.
An den Turntagen aber auf dem Turnplatze ſelbſt
Beſuche anzunehmen und anderweitige Anfragen zu be-
ant-
[231] antworten, iſt die Zeit zu kurz. Wer noch etwas An-
deres wiſſen will, als der Augenſchein lehrt und die
eigene Anſicht, muß zu ſeiner Belehrung eine andere
Zeit wählen.
Durch die Öffentlichkeit der Turnübungen werden
die nachgeglaubten und nachgelallten Vorurtheile am
beſten bekämpft und in ihrer grundloſen Nichtigkeit und
argen Blöße dargeſtellt.
Viele geſchämige Leute, Knaben wie Jünglinge und
Männer, lernen vom Zuſehen und üben zu Hauſe nach,
was ihnen auf dem Turnplatze vorgeübt wurde. Die
Menge bekommt dadurch Geſchmack und Gefallen am
Turnen, und ſelbſt ältere verſteifte Leute ſehen ſo viel
ab, um manches Verſäumte nachzuholen.
Die Ältern, Lehrer, Pfleger und Vormünder der
Jugend haben ſo die ſchönſte Gelegenheit, ihre Kinder,
Schüler und Zöglinge ſich ſelbſt überlaſſen unter und
neben ihres Gleichen unvermerkt zu beobachten. So
können ſie tiefer in die Kindlichkeit der Ihrigen blicken,
als wenn ſie dieſelben immer um und neben ſich wie
am Schnürchen haben.
Bei zweckmäßig eingerichteten Turnplätzen haben
alle Leute zugleich die Mitobhut und Mitaufſicht. Wäh-
rend ſie zuſchauen, verwalten ſie zugleich eine Anwalt-
ſchaft der Sitten.
Dafür müſſen ſie ſich aber gänzlich beſcheiden, drau-
ßen
[232] ßen zu bleiben, und ſich nicht müßig feiernd unter die
arbeitenden Turner miſchen wollen. Zärtliche Mütter
und andere Verwandtinnen ſind auf dem Turnplatze
nur im Wege. Das giebt dann Gelegenheit zu Hätſche-
lei, Loberei, Rühmerei und Markelei, impft dadurch
jugendliche Gemüther mit Eitelkeit, die ſie von Grund
aus verdirbt.
[233]
II.Die Turngeſetze.
A. Geiſt der Turngeſetze.
Gute Sitten müſſen auf dem Turnplatz mehr wür-
ken und gelten, als anders wo weiſe Geſetze. Die höch-
ſte hier zu verhängende Strafe bleibt immer der Aus-
ſchluß aus der Turngemeinſchaft.
Man kann es dem Turner, der eigentlich leibt und
lebt und ſich leibhaftig erweiſet, nicht oft und nach-
drücklich genug einſchärfen, daß keiner den Adel des
Leibes und der Seele mehr wahren müſſe, denn gerade
er. Am wenigſten darf er ſich irgend eines Tugend-
gebots darum entheben, weil er leiblich tauglicher iſt.
Tugendſam und tüchtig, rein und ringfertig, keuſch und
kühn, wahrhaft und wehrhaft ſei ſein Wandel. Friſch,
frey, fröhlich und fromm — iſt des Turners
Reichthum. Das allgemeine Sittengeſetz iſt auch ſeine
höchſte Richtſchnur und Regel. Was andere entehrt,
ſchändet auch ihn. Muſter, Beiſpiel und Vorbild zu
werden — danach ſoll er ſtreben. Dazu ſind die
Hauptlehren: nach der höchſten Gleichmäßigkeit in der
Aus-
[234] Aus- und Durchbildung ringen; fleißig ſein; was Gründ-
liches lernen; nichts Unmännliches mitmachen; ſich auch
durch keine Verführung hinreißen laſſen, Genüſſe, Ver-
gnügungen und Zeitvertreib zu ſuchen, die dem Jugend-
leben nicht geziemen. Die meiſten Ermahnungen und
Warnungen müſſen freilich immer ſo eingekleidet ſein,
daß die Tugendlehre keine Laſterſchule wird.
Aber im Gegentheil darf man nie verhehlen, daß
des Deutſchen Knaben und Deutſchen Jünglings höchſte
und heiligſte Pflicht iſt, ein Deutſcher Mann zu werden
und geworden zu bleiben, um für Volk und Vaterland
kräftig zu würken, unſern Urahnen den Weltrettern ähn-
lich. So wird man am beſten heimliche Jugendſünden
verhüten, wenn man Knaben und Jünglingen das Rei-
fen zum Biedermanne als Beſtrebungsziel hinſtellt. Das
Vergeuden der Jugendkraft und Jugendzeit durch ent-
markenden Zeitvertreib, faulthieriſches Hindämmern, brün-
ſtige Lüſte und hundswüthige Ausſchweifungen wird auf-
hören — ſobald die Jugend das Urbild männlicher Le-
bensfülle erkennt. Alle Erziehung aber iſt nichtig und
eitel, die den Zögling in dem öden Elend wahngeſchaf-
fener Weltbürgerlichkeit als Irrwiſch ſchweifen läſſet,
und nicht im Vaterlande heimiſch macht. Und ſo iſt
auch ſelbſt in ſchlimmſter Franzoſenzeit der Turnjugend
die Liebe zu König und Vaterland ins Herz gepredigt
und geprägt worden. Wer wider die Deutſche Sache
und
[235] und Sprache freventlich thut oder verächtlich handelt,
mit Worten oder Werken, heimlich wie öffentlich — der
ſoll erſt ermahnt, dann gewarnt, und ſo er von ſeinem
undeutſchen Thun und Treiben nicht abläſſet, vor jeder-
mann vom Turnplatz verwieſen werden. Keiner darf
zur Turngemeinſchaft kommen, der wiſſentlich Verkehrer
der Deutſchen Volksthümlichkeit iſt, und Ausländerei
liebt, lobt, treibt und beſchönigt.
So hat ſich die Turngemeinde in der dumpfen
Gewitterſchwüle des Valand, für das Vaterland geſtäh-
let, gerüſtet, gewappnet, ermuthiget und ermannt.
Glaube Liebe Hoffnung haben ſie keinen Augenblick ver-
laſſen. Gott verläßt keinen Deutſchen iſt immer
der Wahlſpruch geweſen. Im Kriege iſt nur heim
aber nicht müßig geblieben, der zu jung und zu ſchwach
war. Theure Opfer hat die Turnanſtalt in den drei
Jahren dargebracht. Sie ruhen auf den Wahlplätzen
von den Thoren Berlins bis zur feindlichen Hauptſtadt.
B. Allgemeine Turngeſetze.
1. Jeder, der Mitglied der Turngemeinſchaft werden
will, muß zuvor verſprechen, der Turnordnung
nachzuleben, und nicht anders zu handeln — auf
keinerlei Weiſe.
2. Jeder ſoll nur in grau leinener Turntracht auf den
Turnplatz kommen.
3.
[236]
3. Kein Turner ſoll einigen Unwillen, Fehd und Feind-
ſchaft, ſo er mit einem und dem andern Mitturner
hat, während der Turnzeit und auf dem Turn-
felde äußern; ſondern jeder ſoll bloß turnen —
und in Friede, Freude und Freundſchaft.
4. Es ſoll auch keines Haſſes oder Grolles auf dem
Turnfelde gedacht werden; und eben ſo wenig auf
dem Hingang und Heimgang, auch auf keinen
Turnfahrten.*)
5. Jeder Turner darf nur auf den bezeichneten Wegen
und Stegen zum und vom Turnplatze kommen und
gehen, (weder durchkriechen, noch überſteigen, auch
nicht überſpringen).
6. Beim Kommen und Gehen muß jeder Turner auf
den Tie gehen, und am Dingbaum ſchauen, was
vor iſt, was es giebt und was jedermann kund
und zu wiſſen Noth thut.
7. Welcher Turner irgend etwas erfährt, was für
und wider die Turnkunſt und unſre Übung der-
ſelben Freund oder Feind ſprechen, ſchreiben und
wirken: muß davon ſogleich Anzeige machen, damit
zu ſeiner Zeit und an ſeinem Orte aller ſolcher
Kunden — mit Glimpf oder Schimpf — könne
gedacht werden.
8.
[237]
8. Und ſo ſoll ein Jeder nach unſerm löblichen Turn-
brauch ſich richten und nicht neuſüchtig Neuerungen
aufbringen, ohne vorherige Rückſprache und Be-
rathung.
C. Beſondere Turngeſetze.
(Übungsgeſetze)
1. Jeder Turner ſoll nur nach Ablegung von Rock und
Stock, Hut und Halstuch turnen.
2. Jeder Turner ſoll nach der Ordnung turnen, wie er
auf den einzelnen Turnſtellen ankommt, und ſeine
Reihe halten.
3. Die Turner theilen ſich bei den Übungen in Riegen.*)
4. Die Richtzahl einer Riege darf nicht überſchritten
werden.
5. Es darf kein Turner von einer Riege zur andern
laufen, ſo lange die Mitturner bei dieſer Übung
bleiben; es ſei dann, daß ihm dieſe zu ſchwer fiele.
6. Es darf ſich keiner in eine Riege eindrängen oder
einſchleichen, ſondern muß, wenn ſie vollzählig iſt,
auf der Reede**) warten, bis einer abgeht, oder
die ganze Riege aufhört.
7.
[238]
7. Die Richtzahl der Riegen iſt folgende:
Wurfriegen:
Gerriege: nicht über 12.
Schockriege: “ “ 12.
Stoßriege: “ “ 12.
Springriegen:
Freiſprungriege nicht über 12.
Stabſprungriege “ “ 8.
Riege zum Grabenſprung:
frei —: nicht über 20.
mit Stab —: “ “ 12.
Schwingriege: nicht über 10.
Reckriege: “ “ 8.
Barrenriege: “ “ 8.
Schweberiege: “ “ 12.
Schwungſeilriege: “ “ 12.
Schlängelriege:
(wenn die Schlängelbahn 30 F. breit) nicht über 8.
8. Jeder Turner ſoll die Bahn frei laſſen, bei jeder
Turnübung, und auf den Ruf: „Bahn frei!“
ſogleich und willig folgen, ohne Widerrede und
Verzug.
9. Jeder Turner ſoll alles und jedes Turnzeug und
Turngeräth nur zur beſtimmten Turnübung gebrau-
chen und bloß an ſeinem gehörigen Orte. — Eben
ſo ſoll alles bewegliche Turngeräth (als Ger,
Spring-
[239] Springſtäbe u. ſ. w.) nach der Übung an ſeine
Ruhſtelle kommen.
10. Bei keiner Übung darf etwas Anderes geſprochen
werden, als was zur Sache gehört.
11. Welcher Turner einer Übung zuſehen will, mag ſich
auf den Reeden ſtellen, ſetzen oder lagern.
12. Niemals ſollen die Übungen nach der Außenſeite
durch Zwiſchenſteher gedeckt ſein.
13. Verſammlungen und Unterhaltungen, Geſpräche und
Mittheilungen, Eſſen und Trinken gehören auf
den Tie.
Vom Laufen.
14. Es ſoll beim Laufen, zumal beim Maſſenlauf nicht
geſprochen werden.
15. Nach dem Laufen ſoll keiner gleich ſtill ſtehen, noch
ſich ſetzen oder gar lagern, ſondern zur allmäli-
gen Abkühlung und Erholung umhergehen.
Vom Springen.
16. Die Stab- und Freiſpringel, ſo wie die zu ihnen
gehörenden Bolzen und Schnüre dürfen nicht ver-
wechſelt werden.
17. Es ſoll an keinem Springel gezerrt, geſtiegen, ge-
klettert, noch irgend eine Übung an den Lochpfäh-
len vorgenommen werden.
Auch ſollen immer zwei an angebrachten Knag-
gen lochen: der eine rechts, der andre links.
18.
[240]
18. Die Springſtäbe; welche auf dem Turnplatze gehal-
ten werden, ſind 7 F., 8 F., 9 F., 10 F. und 11 F.
lang und verhältnißmäßig dick. Wenn ein Turner
ſich einen eignen Springſtab hält, ſoll er ihn nach
dieſen Maaßen einrichten, und mit ſeinem Namen
bezeichnen. Zu dünne und unbenamte Stäbe wer-
den weggenommen.
19. Niemand darf ſeinen Springſtab verleihen, noch
ſich ſelbſt eines fremden bedienen. Wer keinen
eignen hat, ſoll die allgemeinen gebrauchen und
anwenden.
20. Wem ein Springſtab von ſieben Fuß Länge und
verhältnißmäßiger Dicke zu ſchwer fällt — der iſt
noch nicht reif zum Stabſpringen.
Vom Schwingen.
21. Es ſoll niemand, ſo er nicht ſchon Fertigkeit in den
Vorübungen erlangt hat, eigentliche Schwingſtücke
ſich einüben.
22. Solche, die Theil nehmen wollen an den ordentli-
chen Schwingſtunden außerhalb des Turnplatzes,
ſollen nur unter folgenden Bedingungen dazu ge-
laſſen ſein:
1. Gehörige Fertigkeit in allen Hauptübungen, als:
a. das Einbaumtau erklettern;
b. den Felgaufſchwung aus dem Hange;
c.
[241] c. den Freiſprung bis zur Nabelhöhe;
d. das Barrenanmunden rechts und links;
2. Fertigkeit in allen Spring- und Schwingvor-
übungen.
Vom Schweben.
23. Der Schwebebaum ſoll nur am Stammende beſtie-
gen werden.
24. Es ſollen beim Schwebekampf nur drei Turner
darauf ſein: 2 Schläger (in der Mitte) und einer
auf Anwartſchaft (am Geſtell).
25. Beim Schwebegang ſollen auch nur drei Turner
darauf ſein: 2 Schweber und ein Wartender. So-
bald der Erſte an das Zopfende gelangt, ſteht der
Zweite ſtill.
26. Jeder vom Zopfende Abgeſprungene ſoll daſſelbe
anhalten, und auf den Ruf: „Stopp!“, ſo er
es vergeſſen, deſſen ſich mahnen und rathen laſſen.
27. Schaukeln und Reiten, Kippen und Wippen auf
dem Schwebebaum ſoll nicht geſtattet werden; auch
ſoll keiner unter dem Baum durchlaufen, durchge-
hen oder durchkriechen.
Vom Reck.
28. Es ſoll niemand an einem Reck turnen, das er
nicht erreichen kann, im Stand oder Hangſprung.
Vom Barren.
29. Es ſoll ſich niemand an einem Barren üben, an
Qdem
[242] dem er nicht in den Stütz hüpfen oder ſtemmen
kann; denn nicht zum Klettern ſind die Barren.
30. Die Barrenſtellen ſollen rings herum frei bleiben.
Vom Klettern.
31. Es ſollen die Taue nicht geſchwenkt werden, auch
ſoll keiner daran ſich ſchaukeln.
32. Wenn einer bereits klettert, ſoll ein anderer ihn
nicht hindern, ſei’s durch Nachklettern, ſei’s durch
Straffhalten des Taues; wenn er’s nicht ſelber
verlangt.
33. Keiner darf die Leiter an einem Klettergerüſt erſtei-
gen; es ſei dann, daß er das Tau deſſelben Ge-
rüſtes erklettern kann.
34. Nur beim Einbaum iſt es erlaubt, nach Erſteigung
des Taues die Leiter herabzukommen; beim Vier-
baum und Zweibaum hingegen muß ein jeder am
Tau ſelbſt oder an den Stangen und Maſten her-
abklettern.
35. Oben auf allen Klettergerüſten dürfen höchſtens 2
zugleich ſein; und einer muß ſogleich herab, ſobald
ein Dritter das Tau erklettert.
36. Auf den Kreuzen der Klettermaſte ſoll nur Einer
ſitzen und auch dieſer nur ſo lange, als Noth thut
und gehörig iſt.
37. Es darf ſich niemand an einem Tau üben, ſobald
er das nächſt niedrige nicht erklettern kann.
38.
[243]
38. Im Klimmel, ſo wie innerhalb der andern Kletter-
gerüſte, darf niemand, beſonders kein Schauluſti-
ger ſtehen.
Vom Gerwerfen.
39. Jeder Turner und Werfluſtige ſoll ſeinen eigenen
Ger halten, und mit ſeinem Namen am Schaftende.
40. Die Maaße für einen Ger ſind:
6 F., 7 F. oder 8 F. Länge und 1 Z., 5/4 Z. und
6/4 Z. Stärke. Es ſoll daher kein Ger geduldet wer-
den, wenn er nicht eines der angegebenen Maaße
hat.
41. Niemand ſoll mit einem fremden Gere werfen, auch
ſoll es keiner dem andern zulaſſen und erlauben.
Vom Schocken und Stoßen.
42. Niemand darf eine Kugel in der Bahn liegen laſ-
ſen, ſondern er muß ſie wieder in den Kaſten legen.
43. Schock- und Stoßbahnen müſſen von ſchauluſtigen
Turnern vermieden werden; dieſe dürfen nur ſchräg
rückwärts vom Werfenden ſtehen, d. i. auf der
Seite der Riege.
Vom Ringen.
44. Es darf kein Turner eine Ausforderung zum Zwei-
kampf im Ringen ausſchlagen; er ſei dann krank,
unwohl, turnmüde oder durch ein örtliches Übel
verhindert; — die Kleidung entſchuldigt nicht.
Q 2Von
[244]
Von Turnſpielen.
45. Von Turnſpielen ſollen alle Schwache und ſehr
Kleine ausgeſchloſſen bleiben, auch die, ſo noch
nicht über die Vorübungen weg ſind.
46. Es ſoll kein Spiel ohne Erlaubniß unternommen
werden.
47. Niemand ſoll mitſpielen, der nicht vorher bei der
Theilung zugegen geweſen und abgetheilt worden.
48. Überhaupt ſoll ſich keiner in irgend eine Spiel-
ſchaar einſchleichen oder eindrängen; es ſei denn
für dieſen Tag beſonders geſtattet und vorher be-
kannt gemacht.
49. Die allgemeinen Turngeſetze ſind auch bei den
Turnſpielen gültig, wie in jedem Vielkampf; doch
kann gemeinſame Übereinkunft vor Beginn eines
Spieles in Nebendingen einen Spielbrauch ordnen,
ſtellen und feſtſetzen.
Fünf-
[[245]]
Fuͤnfter Abſchnitt.
- I.Zur Bücherkunde der Turnkunſt.
- II.Erklärung von dem Plane eines Turnpla-
tzes auf Platte 1.
[[246]][247]
I.Zur Buͤcherkunde der Turnkunſt.
Auf Vollſtändigkeit macht dieſer Anfang zu einer Bü-
cherkunde der Turnkunſt keinen Anſpruch. Er ſoll zur
Beförderung des Turnweſens würken, indem er für
Freund und Feind zur weitern Belehrung und zum
Rath-einholen Bücher nachweiſet über Gegenſtände, die
in die Turnkunſt einſchlagen. So wird vielleicht man-
cher Befangene, der noch Vorurtheile wider die Turn-
kunſt hegt, ſie ſich aus alten Büchern von Weiſen und
Erfahrnen wegleſen. Dieſe Anzeigen geben vielleicht
Gelegenheit, daß manches handſchriftliche Werk oder
gedruckte Buch aus ſeiner Verborgenheit hervorkommt.
Bücherkundner und Buchwarte, Buch- und Bü-
cherhändler, denen dieſe Schrift etwa vor Augen
kommt, werden dadurch in Stand geſetzt, uns Merke
und Nachweiſe von Büchern zu geben. Zu dieſem
Zwecke ſind alle Bücher, ſo wir nicht beſitzen und die
wir nur von Hörenſagen und aus Verzeichniſſen kennen,
mit einem Sternlein (*) bezeichnet. Vielleicht daß irgend
ein Freund und Gönner der Turnkunſt, der dieſe oder
an-
[248] andere noch nicht von uns namhaft gemachte Bücher
beſitzt, ſich dadurch veranlaßt fühlt, ſie uns zu leihen
oder zu verkaufen oder zu ſchenken. Dankbar werden
wir jeden Beitrag zur Weiterbildung der Turnkunſt an-
nehmen, und zu ſeiner Zeit davon Rede und Rechen-
ſchaft geben.
Bei der Aufzeichnung der Bücher iſt zur leichtern
Überſicht und ſchuellern Auffindlichkeit eine gewiſſe Folge
beobachtet; doch haben wir für jetzt noch nicht nach
Ley, Fach, Falt und Art ordnen wollen.
Nutzen und Nothwendigkeit der Turn-
kunſt.
Galenus de sanitate tuenda.
Joh. Pet. Frank Syſtem einer vollſtändigen mediei-
niſchen Polizei. 4 Bände, 8. Mannheim. 1 ter Band
3 te Aufl. 1804; 2 ter Band 1804; 3 — 4 ter V.
1783 — 1788. (8 Thlr. 4 gr.) [2 ter Band, Dritte
Abtheilung: Von zu früher Anſpannung der Ju-
gend. Von geſunder Beſtellung des Schulweſens.
Von Wiederherſtellung der Gymnastik. — Alles
klar, kurz und bündig.]
F. Hoffmann de motu, optima corporis medicina.
Hebenstreit exercitationes adolescenti ætati
salubres.
Krüger Erziehung der Kinder.
Zü-
[249]
Zückert von Erziehung der Kinder.
• Ballexserd de l’Education physique des En-
fans.
Der Schleſiſche Arzt.
Unzer der Arzt, eine Wochenſchrift. 6 Bände (7 Thlr.
12 gr.).
Tiſſot von der Geſundheit der Gelehrten; aus dem
Franzöſiſchen überſetzt. Leipzig b. Müller. 1775 (8 gr.).
Von der Bewegung.
A. Ypey phyſiologiſche Beobachtungen über die will-
kührlichen und unwillkührlichen Bewegungen der
Muskeln, überſetzt mit Anmerkungen von J. K. F.
Leune. Leipzig b. Walter. 1789 (14 gr.).
Joſ. A. Rougemont über die ſchädlichen Folgen einer
gewaltſamen Auſtrengung der Kräfte. Bonn. 1789.
Joſ. Barthez neue Mechanik der willkührlichen Bewe-
gungen der Menſchen und Thiere; aus dem Fran-
zöſiſchen überſetzt von Kurt Sprengel. Halle b.
Kümmel. 1800 (1 Thlr. 8 gr.).
Franz FullerMedicina Gymnastica ꝛc. nach der
ſechſten Herausgabe aus dem Engliſchen überſetzt.
Lemgo b. Meyer. 1750.
Über die Turnkunſt der Griechen und
Römer.
Vegetius de re militari.
Hie-
[250]
Hieronymi Mercurialis de arte gymnastica
libri sex. [Erſchien zuerſt 1573. 4 te Auflage 1601.
Hier giebt im Anhang zum Cap. XI. Lib. I. der
Verfaſſer dem Petrus Faber ein wortreiches Gegen-
lob, wobei er ſelbſt nicht zu kurz kommt. Neuere
Ausgabe Amſterdam 1672. Die Abbildungen ſind
in allen Ausgaben ſchlecht, undeutlich, und auch bis-
weilen verzeichnet.]
Petri Fabri Agonisticon. [wahrſcheinlich zuerſt
1590. Vermehrte und verbeſſerte Auflage, Lyon
1595. Seite 550 (Lib. III. C. XV.) giebt er Mer-
curialis die Ehre, daß ihn dieſer zuerſt auf den Ge-
danken zu dieſem Buche gebracht. In der Vorrede
und am Schluß des zweiten Buchs ſetzt er ſich aber
auf das hohe Pferd. Beide Bücher ergänzen ſich
wechſelſeitig.]
Lud. Caelii Rhodigini Lectionum antiquarum
libri triginta. [Die älteſte Ausgabe Paris 1517;
die beſte Frankfurth und Leipzig 1666. Da bei ihm
über die Turnkunſt das meiſte beiläufig und gele-
gentlich vorkommt; ſo muß man die Stellen von
mehr als hundert Orten zuſammenleſen, wo man
ſie oft gar nicht ſuchen ſollte. Abgerechnet, daß er
vom Hundertſten ins Tauſendſte kommt — ſonſt klar
und bündig, und gar oft mit dem ſchlagendſten und
eigenſten Ausdruck.]
Pe-
[251]
Petri Victorii variarum lectionum libri XXV.
[Florenz 1553 iſt die erſte und die beſte Ausgabe.
Ein ſcharfſinniger Vergleicher der alten Schriftſteller,
voll feiner Bemerkungen über die Redniſſe des Alter-
thums; denen ſehr zu empfehlen, die Alles buchſtäb-
lich für baare Münze nehmen.]
Alexander ab Alexandro dierum genialium
libri. [Manche treffliche Merke zur Geſchichte der
Turnkunſt. Beleſen, nicht verleſen.]
Neuere allgemeine Werke.
Gerhard Ulrich Anton Vieth Verſuch einer Ency-
klopädie der Leibesübungen. 2 Theile mit Kupfern.
Berlin b. Hartmann. 1794 — 1795. (2 Thlr. 12 gr.)
J. Ch. F. GutsMuths Gymnaſtik für die Jugend.
Schnepfenthal. [Erſte Ausgabe 1796. Zweite Auf-
lage 1804, mit 12 Tafeln. (3 Thaler)
Valentin Trichter’sCuriöses Reit-Jagd-Fecht-
Tanz- oder Ritter-Exercitien-Lexicon. Leipzig b.
Gladitſch 1742.
Ringen.
ὉΠΛΟΔΙΔΑΣΚΑΛΙΑsive Armorum Tractan-
dorum Meditatio Alberti Dureri. Anno ciϽiϽxii.
[iſt der vollſtändige Titel eines handſchriftlichen
Werks, was ſich auf der Magdalänen-Bibliothek zu
Bres-
[252] Breslau befindet, und wovon wir eine Abſchrift beſi-
tzen. Von Dürer iſt es nicht, ſondern einer ſeiner
Schüler hat es ſich nach Art und Weiſe unſerer heu-
tigen Hefte zuſammengeſchrieben. So gar die Lücken
(Schwänze) mit vielem weißen Papier fehlen nicht.
Hin und wieder ſind alte Kernſprüche hinein verwebt:
Manche Kernworte mögen wohl vom Meiſter (Dü-
rer) geſprochen ſein. In der Handſchrift wird er
nicht namentlich genannt, nur vom Meiſter iſt die
Rede. Ein großer Theil der Handſchrift heißt: „Ur-
ſprüngliche Kunſt des Meſſerfechtens mit allen Regeln
und gründlichen Haltungen der Alten, zum Ringen,
Greifen und Werfen, desgleichen Hauen, Stechen
und Schneiden von Herrn Hanſen Lebkhommers
von Nürnberg komponirt.“ Das Ringen enthält
hundert und dreizehn (113) turneriſche Rünge,
ohne diejenigen, wo es Kopf und Kragen, Leib und
Leben koſtet. Bei dem einen Rung ſteht: „Dies
Stück gefallt dem Sebaſtian Krößl gar wohl.“
Auf der Innenſeite des Vorderdeckels ſteht von der-
ſelben Hand, welche die Handſchrift geſchrieben: Se-
bastiano Cresselio a Vilsegg mancipatus pareo.]
Fabian von Auerswald. Ringerkunſt fünf und
achtzig Stücke, zu ehren kurfürſtlichen gnaden zu
Sach-
[253] Sachſſen ꝛc. zugericht durch. • Gedruckt zu Wit-
temberg durch Hans Lufft 1539. [Ein gründliches
Buch, was in eine größere Deutſche Turnkunſt ganz
aufgenommen zu werden verdient. Fabian von
Auerswald verfaßte ſeine Ringerkunſt 1537 zu Wit-
temberg im fünf und ſiebenzigſten Jahr ſeines
Alters.]
Joh. Georg Paſchen Vollſtändiges Ringbuch ꝛc.
Hall in Hachſen. [1688]
Klare Onderrichtinge der voortreffelÿcke Worstel-
konst, Uytgevonden door den wÿtberoemden en
vermaerden Worstelaer Nicolaus Petter. Am-
ſterdam 1674. 4. [16 Seiten mit 71 Abbildungen.] [Die-
ſes Buch ward vor dem Kriege im Jahr 1813 einem
Sprachmeiſter J. F. Lürmann zum Überſetzen für die
Berliniſche Turnanſtalt anvertraut, der ſich nachher im
Jahr 1814 nicht entblödete, eine Überſetzung heraus
zu geben: „Das Ringerbuch von dem berühmten
Fauſtfechter und Ringer Nicolaus Petter. Berlin
gedruckt bei Quien“ (4 gr.). Eine heilloſe Buch-
macherei, da der Überſetzer der Urſchrift getreu aller-
lei greuliche Dinge nach der Reihe abhandelt:
Stöße vor die Bruſt, Bruſtſtöße, Haar-
griffe, Armbrechen, Fauſtſchläge, Gurgel-
griffe und Beinſchläge. Und dieſe leib- und
lebensgefährliche Mord- und Todſchlag- Künſte em-
pfiehlt
[254] pfiehlt die Vorede der Jugend „fleißig zu üben und
ſich eigen zu machen.]
F. J. Stalder Fragmente über Entlebuch. 2 Theile.
Zürich bei Orell. Geßuer Füßli und Comp. 1797.
1798. [Zweit. Theil Seite 8 u. f. Über die Gym-
naſtik der Entlebucher, beſchreibt die hirtenſchweize-
riſche Abart des Ringens
Schießen.
Der Gewehr-gerechte Jäger. Stutgard 1762.
Verſuch über Gewehrfabriken, die Schießkunſt
und das Jagdweſen; aus dem Engliſchen nach der
zweiten Ausgabe mit Anmerkungen von Timäus.
Leipzig bei Reinecke 1792. (1 Thaler)
J. Ch. Hendel’s Archiv für Deutſche Schützengeſell-
ſchaften ꝛc. 3 Bände, 1802. 1803. Halle bei Hendel
(4 Thaler).
J. G. Meyer’s vollſtändiger Unterricht im Scheiben-
ſchießen zum allgemeinen Nutzen und Vergnügen.
Manheim bei Schwan und Götz, 1805. (12 gr.)
v. Scharnhorſt über die Würkung des Feuergewehrs.
Berlin bei Nauck, 1813.
• The english Bowman, or tracts on Archery,
to wich is adedd the second part of the Bow-
mans glory, by T. Roberts a member of the
toxophilite society. London bei Eggerton und
Waring, 1801. (3 Thlr. 16 gr.)
Ba-
[255]
Baden und Schwimmen.
W. Gf. Plouquet das Waſſerbet; ein Vorſchlag zu
einer bequemen und ſichern Badeanſtalt in Flüſſen
und Bächen. Tübingen bei Cotta. 1798. (2 gr.)
Ebendeſſelben Beſchreibung eines ſichern, bequemen
und eleganten Schwimmgürtels. Tübingen bei Heer-
brandt. 1805. (2 gr.)
Kr. Ant. Zwierlein über die neueſten Badeanſtalten
in Deutſchland auf Flüſſen, zur See und an Bade-
örtern, deren Nutzen, Schaden und Charlatanerien
dabei. Frankfurth am Main b. Simon. 1803. (12 gr.)
Dieth. Lavater über den Nutzen und die Gefahren
des Badens der Jugend an freien Örtern, nebſt
Vorſchlägen, wie dieſe letztere zu mindern ſeien, und
einer Anleitung, wie man im Waſſer Verunglückte
behandeln ſoll. Zürich bei Ziegler. 1804. (4 gr.)
J. C. Meyer der Rathgeber vor, bei und nach dem
Bade ꝛc. Pirna bei Frieſe. 1805. (12 gr.)
Engelb. Wichelhauſen über die Bäder des Alter-
thums, inſonderheit der alten Römer, ihren Verfall
und die Nothwendigkeit, ſie allgemein wieder einzu-
führen, Manheim bei Schwan und Götz. 1807.
(1 Thlr. 6 gr.)
Über Schwimmſchulen Siehe Geſundheitszeitung
vom Jahr 1774.
Oron-
[256]
Oronzio de Bernardi’s vollſtändiger Lehrbegriff der
Schwimmkunſt; aus dem Italiäniſchen überſetzt von
Friedrich Kries. Weimar Industrie Comptoir. 1797,
2 Theile. (2 Thaler.)
J. Ch. F. Guts Muths kleines Lehrbuch der Schwimm-
kunſt zum Selbſtunterricht nach den Grundſätzen der
neuen Italiäniſchen Schule des Bernardi und der
ältern Deutſchen. Weimar Industrie Comptoir 1798.
(12 gr.) [Ein ſehr brauchbares Buch].
Kopfübern oder Luftſpringen.
Trois Dialogues du St. Archange Tuccaro de
l’abbruzzo au royaume de Naples. A Paris
chez Claude de Monstroeil. 1589. [Die Geſprä-
che werden oft lange Waſchreden, halten ſich lange
bei unnützen Eingängen auf, und überfluthen mit
einem unausſtehlichen Wortſchwall. Die würklichen
guten Körner muß man erſt mit großer Mühe von
der Spreu ſondern.]
Fahnenſchwenken.
Johann Georg Paſche deutliche Beſchreibung unter-
ſchiedener Fahnen Lectionen in acht Spiel eingethei-
let, nebſt dem Pikenſpiel, Partiſan und halben Piken
oder Jägerſtock. Hall in Sachſen. 1673. [Franzö-
ſiſch und Deutſch].
Spie-
[257]
Spiele.
Danielis Souteri Palamedes, sive de tabula
lusoria, alea et variis ludis, libri tres, quorum
I. philologicus, II. historicus, III. ethicus seu
moralis. Leiden 1622.
Meursius de ludis Græcorum.
Iulius Caesar Bulenger de ludis veterum [im
Gron. Thes. VII.]
Fr. A. v. Garſault die Kunſt des Ball- und Raqueten-
machers und des Ballſpiels; aus dem Franzöſiſchen
von Dn. Gf. Schreber. Berlin bei Pauli. 1768. 4.
mit Kupfern. (20 gr.)
Guthsmuths Spiele zur Übung und Erholung des
Körpers und Geiſtes, für die Jugend, ihre Erzieher
und alle Freunde unſchuldiger Jugendfreuden. 3 te
verbeſſerte Auflage. Schnepfenthal im Verlage der
Buchhandlung der Erziehungsanſtallt. 1802. 8.
A. H.. über öffentliche und gemeinſchaftliche Vergnü-
gungen der Landleute; ein Verſuch, Polizeidirecto-
ren, Menſchenfreunden, Obrigkeiten und wahren
Volksfreunden zur Prüfung vorgelegt. Altenburg
bei Schnuphaſe. 1804 (9 gr.).
Über Volksſpiele und deren Einfluß auf Erweckung
und Erhaltung deutſcher Kraft und deutſchen Sinnes:
von Wilhelm Beſſer in Quedlinburg. 8.
RTan-
[258]
Tanzen.
(Von Seiten der Geſundheitslehre)
• J. Lipawpsky. 1792 [wahrſcheinlich Prag].
G. L. W. Sponitzer das Tauzen in pathologiſch-
moraliſcher Hinſicht erwogen. Berlin bei Maurer.
1795. (3 gr.)
• Joh. Evangeliſt Wetzler über den Einfluß des
Tanzens auf die Geſundheit nebſt Verhaltungsregeln.
Landshut bei Weber. 1801. (2 gr.)
• J. Wendt über den Tanz als Vergnügen und
Schädlichkeit, ein Beitrag zur Diätetik. mit 1 Kupf.
Breslau bei Schall. 1802. (8 gr.)
Folgende Anzeige von Schriften über das Tanzen iſt
mit allen Bemerkungen wörtlich aus Vieth (En-
ryklopädie der Leibesübungen. 2 ter Th. S. 452 —
456) genommen.
In das Urtheil eines ſo würdigen Mannes iſt
gewiß kein Mistrauen zu ſetzen. Die mit einem
Kreuzlein (†) bezeichneten Schriften hat Vieth nach
ſeiner Angabe (S. 451) zu ſeiner Abhandlung benutzt.
† • Πεϱὶ ὀϱχήσεως: vom Lurian. Amſt. 1687. Dieſe
Schrift enthält ein Geſpräch zwiſchen Lucian und
Kraton, worin jener dieſen von dem Werthe der
Tanzkunſt überzeugt. Hiſtoriſche Nachrichten, die
Tanzkunſt der Alten betreffend. Erforderniſſe eines
guten Pantomimiſchen Tänzers.
† • Deut-
[259]
† • Deutſche Überſetzung in der Sammlung verm. Schr.
z. Beförd. d. ſch. Wiſſ. und fr. Künſte, 1 B. Berlin
bei Nikolai. 1759.
Athenaeus Deipn. L. 1. c. 18.
Apulejus Metom. L. 1. c. 10.
† • Traité historique de la Danse par M. Louis
Cahusac. Paris. 1753. 12. 3. P.; eine allerdings
ſchätzbare Abhandlung, worin man jedoch weniger Rai-
ſonnement und mehr hiſtoriſche Data wünſchen möchte.
† • Deutſch in der Sammlung verm. Schrift. 1 u. f. B.
Jo. Meursii Orchestra s. de saltatione veterum;
im 8 ten B. S. 1234 des Gronowſchen Thesaurus.
• Jo. Bilbergh de Orchestra s. de saltatione
veterum. Upsal. 1685.
• Traité de l’origine de la danse, in dem Extraor-
dinaire des Mercure galant. 1680, 10. u. 11. B.
• Deux memoires pour servir à l’histoire de la
danse des Anciens par Jean Burette, im
2 ten Bande der Memoir. d. l’ac. des Inscriptions.
• Dial. sopra le antiche saltazioni di Pier. Ant.
Gaetani im 36 ten B. der Raccolta d’Opusc.
scient. ed. filol.
• Chriſt. Heinr. Brömel’s Abhandlung v. d. Feſt-
tänzen der erſten Chriſten. Jena. 1704. 4.
• Muſſard von den aus dem Heidenthum in die chriſt-
liche Kirche übergegangenen Gebräuchen. Kap. 5.
R 2(Ich
[260]
(Ich finde dies Buch, wo von den Kirchentänzen
Nachricht gegeben wird, ohne Angabe des Druck-
orts und der Jahrzahl erwähnt.)
• Gust. G. Zeltneri Dissert. de Choreis veter.
Hebræor. Alt. 1726. 4.
• Jo. Seb. Rentzii Dissert. de religiosis saltatio-
nib. vet. Judæorum. Lips. 1738. 4.
• Essay towards the history of Dancing. Lond.
1712. 12. (Ohne Anzeige d. Verf.)
• Dan. le Roy Ordeelkundige Aanmerkingen
over de Dansseryen zu der ouden, as lateren
Volkeren. Rotterd. 1722. 8.
• Pierre Bonnet Bourdelot histoire de la
danse sacrée et profane, ses progrès, et ses
révolutions depuis son origine jusqu’à présent
Par. 1724. 12.
• Octav. Ferrarii Dissert. de Mimis et Panto-
mimis, im 2 ten B. von Sallengre’s Thes. S.
677 u. f.
• Nic. Calliachii de ludis scenic. Mimor. ac
Pantomim. syntagma. ebend. S. 699 u. f.
• John Weaver history of the Mimes and Pan-
tomimes with an historical account of several
performers in dancing, living in the times of
the Roman Emperors. Lond. 1728. 8.
• Bou-
[261]
• Boulanger de Rivery Recherches historiques
sur les Mimes et Pantomimes. Par. 1751. 12.
• Claude François Menestrier des ballets
anciens et modernes selon les regles du théa-
tre. Paris. 1682. 8. S. auch Act. erud. 1683. S.
238. f.
• l’Abbe du Parc Idée des Spectacles anc. et
nouv. Paris. 1668. 12.
• Art of dancing by Gallini. Lond. (ohne Anzeige
der Jahrszahl).
• Festin de Pierre Ballet Pantomime composé par
Mr. Angiolini et representé à Vienne en
Octob. 1761. Dieſe Beſchreibung iſt von H. Cal-
zabigi.
• D. Grünenberg disput. An liceat saltare?
• Meletaon von der Nutzbarkeit des Tauzens.
• Berends Tanzkunſt. 1713.
• Bonin neueſte Art der galanten und theatraliſchen
Tanzkunſt 1712.
• Paſche’ns Beſchreibung wahrer Tanzkunſt, mit einer
Vorrede von Borkmann. Leipz. 1713. (Paſche
war Tanzmeiſter in Leipzig im Anfange dieſes [vori-
gen] Jahrhunderts. Borkmann in Zerbſt.) (alt 6 gr.)
* Lambranzi theutral. Tanzkunſt m. K. 1716. (alt
3 Thlr.)
* Hänſels Tanzkunſt. 1755. (alt 6 gr.)
• Foi-
[262]
• Foinet Arbeau orchesographie, 1688.
† Feuillet (Maitre de Danse à Paris) Chorégra-
phie ou l’art d’écrire la danse par caracteres,
figures et signes demonstratifs. 2. Ed. 1701.
Deutſch in folgendem Werke:
† • Gottfried Taubert’s (Tanzmeiſter zu Leipzig)
rechtſchaffener Tanzmeiſter, oder gründliche Erklä-
rung … u. ſ. w. u. ſ. w. u. ſ. w. Leipz. 1717. Ein
dickes Buch von 1176 Seiten in 4 ohne Vorrede
und Regiſter, mit mehr als 50 Kupfertafeln voll
choregraphiſcher Figuren. (alt 2 Thlr.) (Ermüdend
weikläuftig, von Gelehrſamkeit ſtrotzend, aber immer
eins der vorzüglichern Werke).
• C. Chr. Lange Anfangsgründe zur Tanzkunſt. (in
der Mappemonde liter. ohne weitere Anzeige
erwähnt).
† • Charles Pauli (maitre à danser à l’univ. de
Leipsic) Elemens de la Danse. Leipzig 1756.
96 S. 8. (enthält ein kleines Wörterbuch von Be-
nennungen, die in der Tanzkunſt vorkommen und
manche gute Bemerkungen). (alt 8 gr.)
† • C. J. V. F • • Kunſt nach der Choregraphie zu
tanzen und Tänze zu ſchreiben. Braunſchw. 1767.
56 Seiten. 8. (Ein ziemlich magerer Auszug aus
Feuillet).
[C.
[263]
[C. J. v. Feldtenſtein Erweiterungen der Kunſt nach
der Choregraphie zu tanzen ꝛc. Braunſchw. 1772.]
† • Theod. Franzisk. Peterſen praktiſche Einlei-
tung in die Choregraphie oder Tanzzeichnungskunſt,
nach dem franzöſ. Original (welchem? Feuillet?)
nebſt 12 engl. Tänzen. Erſt. Theil. 1791. Schles-
wig. 84 S. 8. Angehängt ſind die Artikel „Tanz“
u. „Tanzkunſt“ aus Sulzer; ein ganz brauchbares
Büchelchen für Liebhaber des geſellſchaftlichen Tan-
zes. Rezenſirt Allg. Litt. Zeit. 1793. N. 355.
† • Noverre Lettres sur la danse et sur les
ballets. Wien. 1767. 444 S. 8. (Ein Hauptbuch
für den, der die höhere Tanzkunſt zu ſeinem Stu-
dium macht.)
† • Joh. Georg Sulzer Allgem. Theorie der ſchö-
nen Künſte in alphab. Ordnung. IV Th. Leipzig
1786. u. 87.
I. Theil; Artikel: Allemande. Ausdruck. Ballet.
Bewegung. Bourree. Choregraphie. Ciaconne.
Courante.
II. Th. Figur. Figuranten. Folie d’Espagne.
Forlane. Gavotte. Geſellſchaftstänze. Gique. Hal-
tung des Körpers.
III. Th. Loure. Menuet. Musette. Pantomi-
me. Passacaille. Passepied. Pastoral. Polonoise.
IV.
[264]
IV. Th. Sarabande. Schritt. Stellung. Tanz.
Tanzkunſt. Tanzſtück.
[Neuer Tanz- und Ballkalender für das Jahr 1801.
Berlin, bei Johann Friedrich Unger; mit 13 Kupf.
(6 gr.). Inhalt: Geſchichte der Tanzkunſt; Über die
Philoſophie der Tanzkunſt — ein Geſpräch; über
alte und neue Bälle; über den Tanz, in patho-
logiſcher Rückſicht; über Maskaraden; über Seil-
tänzer; über den Tanz in Anatomiſcher Rückſicht;
über Thiertänze; über den Tanz in pädagogiſcher
Hinſicht; Tanzlieder.] [jetzt bei Schade in Berlin.]
Schwingen.
Joh. Georg Paſchen kurze jedoch gründliche Be-
ſchreibung des Voltiger. ꝛc. Halle in Sachſen, 1683.
Joh. Andreas Schmidt: gründlich lehrende Fecht-
ſchule, nebſt einem curiöſen Unterricht vom Volti-
giren und Ringen ꝛc. Nürnberg, 1749. Quer 8.
• Alexander Doyle Auslegung der Veltagirkunſt.
Nürnberg, 1729.
Fechten.
• Der alten Fechter anfengliche Kunſt. Frankf. (ohne
Jahreszahl).
• Fechtkunſt, die ritterlich mennliche Kunſt und Hand-
arbeit Fechtens und Kempfens. Frankf. 1558.
• Trat-
[265]
• Trattato di Scienza d’arme; di M. Cam. Agrip-
pa. in Venet. 1568.
Arte dell’Armi di Achille Marozzo Bolognese. In
Venetia appresso Antonio Pinargenti. mdlxvii.
gr. 4.
Die italiſchen Fechtbücher von Jacob Modonense,
Guido Antonio und Lucano Bolognese
ſind bald nachher geſchrieben.
• Ragione di adoptas sicuramente l’arme, si de
offesa, come da difesa. etc. di Giac. di Grassi
in Venet. 1570.
• Joach. Meyer gründliche Beſchreibung der freien
ritterlichen und adelichen Kunſt des Fechtens u. ſ. w.
Straßburg 1570 und Augsb. 1600 und 1660.
• Dell arte di Scrimia Libri III. di M. Giov. dall
Agocchie. in Venet. 1572.
• Henr. a Gunterodt de veris principiis artis
dimicatoriæ. Witteb. 1579.
• Trattato dello Schermo d’Angelo Vizani dall
Montone in Bologna, 1588.
• Paradoxe of Defense wherein is proved the
trave grounds of fight to be in the short an-
cien Weapons and that the short Sward hath
advantage of the long Sward, or lang Rapier;
by George Silver. Lond. 1599.
Li-
[166[266]]
• Libro de las grandezas de la Espada por D.
Luys Pacheco de Narvaez en Madrid. 1600.
• Schola, o vero Teatro, nel quale sono rappre-
sentate diverse maniere, e modi, di parare, e
diferire di Spada sola et pugnale di Nico-
lette Giganti in Venet. 1606. ed in Padoua
1628.
• Scienta e practica d’arme di Salvatore Fa-
bris in Copenh. 1606. Deutſch Leipz. 1677.
Scienza e practica d’arme di Salvatore Fabris,
deutſch von Joh. Joach. Hymitzſchen. Leipzig 1713.
bei Joh. Herbord Kloßen [auf jeder Seite ital. und
deutſch.] Fol.
Des kunſtreichen und weitberümten Fechtmeiſters Sal-
vatoris Fabri Italiäniſche Fechtkunſt. Leiden, bei
Iſack Elzevier. Anno 1619. Fol.
• Ein new künſtlich Fechtbuch im Rappier, zum Fechten
und Balgen. u. ſ. w. durch Mich. Hundt. 1611.
• Joach. Koppen newer Diskurs von der rittermä-
ßigen und weitberühmten Kunſt des Fechtens u. ſ.
w. 1619.
• Hans Mich. Schöffer von Diez gründliche und
eigentliche Beſchreibung der freien adelichen und rit-
terlichen Fechtkunſt. Marpurg. 1620.
• Oplomachia di Bonav. Pistofilo nella quale…
etc. si tratta par via di Teorica e di Practica
dell
[267]dell maneggio e dell’uso delle armi in Siena
1621.
* Academie de l’Epée ou pratique du maniement
des armes par Girard Thibauld. 1628 und
1668.
• Jo. Salgen Kriegsübung u. ſ. w. … den friſchan-
fahenden Fechtern und Soldaten für erſt nützlich
und nöthig zu wiſſen. 1637.
• La Scherma di Francesco Jeronimo Alfieri.
in Padoua. 1640.
• L’arte di ben maneggiare la Spada di F. J. Al-
fieri. in Padoua. 1653.
• Kurze jedoch deutliche Beſchreibung, handelnd vom
Fechten auf den Stoß und Hieb. Halle. 1661.
• Jo. Ge. Trieglers neues künſtliches Fechtbuch. Leip-
zig 1664.
• Fecht-Ring- und Voltagir-Buch Leipz. 1673.
• Jo. Ge. Bruchii grondige Beschryvinge van
de edele en de ridderlyke Scherm- ofte Wa-
pen- Konste. tot Amsterdam. 1676.
• Der künſtliche Fechter, oder Theodori Verolini Be-
ſchreibung des Fechtens im Rappier, Duſacken und
Schwerdt. Würzburg, 1679.
Der Adelichen Gemüther Wohlerfahrne Exercitien Mei-
ſter das iſt: vollſtändige Fecht-, Ring- und Voul-
te-
[268]tesier-Kunſt. von Joh. Georg Paſchen. Frankf.
und Leipz. bei Kriſtian Weidemannen, 1683. Fol.
• Le Maitre d’Armes, ou l’exercice de l’Epée seule,
dans sa perfection, par le Sieur de Lian-
cour à Paris et à Amsterd. 1692.
• Alexander Doyle Neu altmodiſche ritterliche Fecht-
und Schirmkunſt. Nürnb. und Frkf. 1715.
Anton Friedrich Kahn, Oberfechtmeiſter zu Helm-
ſtädt [erſt zu Göttingen, Schüler des Kreusler in
Jena] [Anfangsgründe] der Fechtkunſt. Göttingen
1739. 4.
Neue Ausgabe, Helmſtädt 1761. 4.
L’academie de l’homme d’epée etc. par Ms. Gi-
rard. A. la Haye. 1740 und 1755. Quer Fol.
Jo. Andreas Schmidt gründlich lehrende Fechtſchule,
oder leichte Anweiſung auf Stoß und Hieb ſicher
zu fechten, nebſt einem curieuſen Unterricht vom
Voltigiren und Ringen, mit viel ſaubern dazu dien-
lichen Kupfern verſehen. Nürnb. 1749. Quer 8.
[ſ. Schwingen.]
L’école des armes par Angelo à Londres. 1758.
Quer Fol.
• Übungen auf dem fürſtl. Sächſiſchen Hoffechtboden zu
Weimar. Verb. und verm. Auflage. Weimar, 1764.
8. [v. Hauptm. S. C. F. Weiſchner.]
• Weiſch-
[269]
• Weiſchner ritterliche Geſchicklichkeit im Fechten. Weim.
1766.
• Traité de l’art des Armes, par de la Boissiere.
Paris 1766.
Gme Danet L’art des armes, ou la maniere la
plus certaine de se servir utilement de l’E-
pée; à Paris chez Herissant. 1766. 2 Theile.
Heinr. Chriſtoph Ranis Anweiſung zur Fechtkunſt.
Berlin bei Mylius, 1771.
• Theorie pratique de l’escrim pour la pointe
seule, avec des Remarques instructives pour
l’assant par Battier. 12. Paris. 1772.
• The Fencers Guide, by Lonnergan. 8. London
1772.
• Maximes et Instructions sur l’art de tirer des
armes, par le Chev. de Treville. 8. Peters-
bourg 1775.
• Temlich’s Anfangsgründe der Fechtkunſt. 8. Halle
1776.
• Veſter’s Anleitung zur adelichen Fechtkunſt. 8. Bres-
lau 1777.
• Nouveau Traité de l’art des armes, dans le quel
on établit les principes certains de cet art et
ou l’on enseîgne les moyens les plus simples
de les mettre en pratique, par Demeuse. 12.
Liege 1778.
• Tre-
[270]
• Treatise on the theory and practice of Fencing,
by M. Arthur. 4. London 1781.
Joh. Georg Heinrich Haspelmacher’s ſyſtemati-
ſche Abhandlung von den ſchädlichen Folgen einer
nicht auf ſichern Regeln gegründeten Fechtkunſt, nebſt
einer Anweiſung, wie man ſolche vermeiden kann.
Helmſtädt bei Joh. Heinr. Kühnlin. 1783.
Flüchtige Bemerkungen über die verſchiedene Art zu fech-
ten einiger Univerſitäten von einem fleißigen Beo-
bachter, Halle 1791.
Gründliche Abhandlung der Fechtkunſt auf den Hieb zu
Fuß und zu Pferde mit Kupf. v. Karl Timlich.
Wien, 1796. 4.
Schmidts Lehrſchule der Fechtkunſt. 1 Theil, oder Lehr-
buch für die Gavallerie zum vortheilhaften Ge-
brauch des Säbels. 4. Berlin 1797.
Die Fechtkunſt auf Univerſitäten mit Kupf. 8. Köthen
bei Aue.
• Art of Defense on foot with the broad Sword
and sabre, uniting the Scotch and Austrians
methods into one regular System, to which
are added Remarks on the spadroon. 8. Lon-
don 1798.
Gründliche und vollſtändige Anweiſung in der Deutſchen
Fechtkunſt auf Stoß und Hieb aus ihren innerſten
Geheimniſſen wiſſenſchaftlich erläutert u. ſ. w. mit
Kupf.
[271] Kupf. Jena in Wolfgang Stahl’s Buchhandlung.
1798. (v. Roux.)
Grundriß der Fechtkunſt als gymnaſtiſche Übung betrach-
tet. v. Joh. Adolf Karl Roux. Jena 1798. 8.
Theoretiſch praktiſche Anweiſung über das Hiebfechten
v. Joh. Adolf Karl Roux. Furth. 1803. 8.
Anleitung zur Fechtkunſt von Dr.Joh. Wilh. Roux.
Erſtes Bändchen, die Anleitung zum Stoß enthal-
tend; mit 10 Kupf. Jena 1808. 4.
Die Fechtkunſt auf Stoß und Hieb von Venturini.
Braunſchweig 1802.
Abhandlung der Fechtkunſt auf den Stoß, mit choro-
graphiſchen Kupfertafeln von Ch. C. Timlich. Wien
1807. 12.
Turnkunde.
Vieth (Encyclopædie der Leibesübungen) handelt
im 1 ſten Theil nur von einer allgemeinen Turnkunde.
Aus den ſeitdem (1794) in Deutſchland erſchienenen
oder ins Deutſche überſetzten Reiſebeſchteibungen und
andern Schriften zur Länder- und Völkerkunde iſt
nun Manches nachzutragen.
Chriſt. Gottlob Haltaus Jahrzeitbuch der Deut-
ſchen des Mittelalters ꝛc. In einer freien Überſe-
tzung mit vielen Zuſätzen und Berichtigungen aus
den ältern und neuern Zeiten dargeſtellt. Erlangen
bei
[272] bei Joh. Jacob Palm. 1797. (1 Thlr. 8 gr.). [Hier
findet ſich viel von eingegangenen und aufgehobenen
Jugend- und Volksfeſten.]
Kinder- und Knabenfeſte waren ſonſt ſehr häufig.
Joh. Guil. Stuckii Antiquitatum couvivialium
Lib. III. Amſterdam, 1695; erzählt Lib. I. Cap.
XVII, daß zu ſeiner Zeit die Baſeler Jugend
am Georgstag mit kriegriſchem Spiel zum Thor
hinaus auf ein raumes und luſtiges Feld zog, und
dort einige Stunden lang um ausgeſetzte Preiſe im
Laufen, Ringen, Schießen und andern Übungen wett-
turnte. Gleichfalls verſammelte ſich die Züricher
Jugen von ſämmtlichen Schulen ſammt ihren Leh-
rern alle Sommer ein Mal auf einer Aue unter
Trommel- und Pfeifen-Klang, hielt erſt ein fröhli-
ches Turnſpiel, und dann zuſammen ein Mahl.
Milch und Brot waren hier die Hauptgerichte. Des-
halb hieß dies Jugendfeſt: In die Milch ziehen.
Damals hatte die Berner Jugend ein Feſt, was
Tiſchlintag genannt wurde. — Zu Salzwedel
in der Altmark hielten noch in den 90. Jahren die
Schüler aus den obern Ordnungen von der dorti-
gen gelehrten Schule allſommerlich eine Waldfahrt
nach dem Ferchauer Eichenwalde. Nachher ſoll es
in ein Kneiplaufen zum Hannöveriſchen Städt-
chen Wuſtrow verzierbengelt ſein. — In Hamburg
nach
[273] nach Richey (Idioticon, Hamburg. 1743.): In’t
Grön gahn (ins Grün gehn), das Sommerfeſt
der Schulkinder, da ihnen ein gewiſſer Tag zu ihrer
Erluſtigung im Grünen feſtgeſetzt wird.
Graal, laute Fröhlichkeit und freudiges Getümmel, hieß
ſonſt ein Feſt, was nach Rethmeier Braunſchwei-
giſcher Kirchenchronik all ſieben Jahr vor der
Stadt Braunſchweig auf dem Lindenberg gefeiert
wurde. Pomarius Magdeburgiſche Chro-
nik beſchreibt unter dem 25ten Erzbiſchof einen
Turniergraal. Siehe Friſch Wörterbuch unter
Gral. Dem ähnlich heißt in manchen Städten,
namentlich in Mecklenburgiſch Friedland, Mahl und
Tanz nach dem Königsſchießen Königs Häge (Hag,
Behagen).
Bei Wittenberg auf der Bleſerſchen Wieſe ward
ſonſt nach der Heuärnte ein großes Wettrennen
gehalten, wo auch flinke aufgeſchürzte Dirnen um
den Preis liefen.
Fiſcherſtechen bei Kröllwitz auf der Saale, dem
Giebichenſtein gegenüber.
Maſtklettern noch ſeht im Gange, auch in Schön-
feld bei Leipzig.
Wettreiten, ſonſt ſehr üblich auf dem Lande
im Braudenburgiſchen. Der letzte heißt Neſtling
Sund
[274] und wird in weidene Gerten eingeflochten, auf den
Hof ſeines Herrn gebracht.
Wettreiten und Schlagen mit einem Prügel nach
einer hochhangenden Tonne, die mit Steinen gefüllt
iſt — im Brandenburgiſchen und Pommern. Sehr
gewöhnlich in den Zeiten von Derflinger, Seid-
litz und Ziethen.
Wettläuten, beſonders eine Art das Beiern beim
Einläuten der Feſte, im Brandenburgiſchen.
Ball geben im Magdeburgiſchen, auch im Branden-
burgiſchen, ein alter Brauch. Siehe deutſche Mo-
natsſchrift, 1794 und Campens Verdeutſchungswör-
terbuch unter Ball.
Tummelhaus, jetzt Tollhaus zu Sora[u] in der Nie-
derlauſitz.
Quäſte zu Quäſtenberg im Harz an der goldenen
Aue, eine Stunde von Bennungen, ſonſt alle
Jahre, jetzt aus leidiger Knikkerei nur ein Jahr ums
andere am dritten Pfingſttage. Die Jünglinge des
Dorfs dürfen ſich nach uraltem Recht die größeſte
Eiche im Forſt ausſuchen und abhauen. Dieſen
Baum bringen ſie nun durch Walzen, Ziehen und
Heben der bloßen Hände, ohne Hebebäume und
Seile den höchſten Berg hinan, der die alten Burg-
trümmer überhöht. Auf der Berges Spitze wird
der Baum aufgerichtet, an einem Querholz ein gro-
ßer
[275] ßer Kranz von grünen Zweigen (Quäſte) daran auf-
gehangen. Dann wird einige Mal um den Baum
getanzt, und im feierlichen Zuge mit klingendem Spiele
zum Prediger hinabgezogen, der darauf in der Kir-
che eine Predigt hält. Nachher bis tief in die Nacht
Tanz, Geſang und Gelag. Siehe: Reiſe durch den
Harz und die Heſſiſchen Lande, beſonders in Hin-
ſicht auf Naturſchönheiten, Anbau und Alterthümer.
Braunſchweig 1797. (20 gr.). Volksſagen vom Harz
nacherzählt von Ottmar [Nachtigall]. Bremen [jetzt
Frankfurth am Main] bei Willmans. Friedrich
Gottſchalk Taſchenbuch für Reiſende in den Harz.
Turnkunſt der Dithmarſen. Siehe Dithmarſiſche
Chronik ꝛc. durch M. Ant. Heinrich Walthern. Schleß-
wig. gedruckt durch Johan Holwein, 1683. — „Im
„Jahr 1533 iſt zu Büſen Dirk Dammers im
„103ten Jahr ſeines Alters geſtorben, welcher zu
„ſeiner Zeit der ſtärkſte in Dithmarſen geweſen; der
„zum Süderdiek 16 Tonnen Weizen für ſich auf
„die Hände genommen, und auf den Boden gewor-
„fen, und damit denſelben gewonnen —; der in
„Städten und Ländern den Stein und Baum
„acht Fuß höher und weiter werfen konnte als
„alle andere, und der eines mal dem Lande große
„Ehre eingelegt, als die Bevollmächtigten des Lan-
„des mit dem Fürſten von Hollſtein auf dem Kuck-
S 2wall
[276] „wall einen Tag gehalten, und er nach vollendeter
„Handlung einen ſehr ſtarken Mann, der ſich ſon-
„derlich ſeiner Stärke gerühmet, und auf den die
„Holſten feſt getrotzet, hat im Ringen überwunden
„und ihn über das Mal oder Ziel mit zwei Fingern
„gezogen, weil dem Volke gemeiniglich zwei Finger
„krumm in der Hand liegen, und als der Holſte ge-
„ſagt: „Gieb mir die ganze Hand“ hat er geant-
„wortet: „Neen, du bist so fahrlik; rit’st du
„mi twe Finger ut, so will ik noch twe behol-
„den, dar ik Kohl mit eten kann.“ [Nein, Du
biſt ſo gefährlich; reißeſt Du mir zwei Finger aus,
ſo will ich noch zwei behalten, daß ich Kohl damit
eſſen kann.] „Und weil beide Theile, ein jeder bei
„ſeinem Mann, drei Ahmen aufgeſetzet, als ſein
„dieſelben ausgetrunken, und von den Holſten gezah-
„let worden.“
„Kale Mertens Johann iſt ſo ſtark gewe-
„ſen, daß er den Notarium Johann Bolt, welcher
„ein dicker und ſtarker Mann geweſen, auf die Hand
„genommen, und von der Erden auf den Tiſch ge-
„ſetzet — dergleichen er auch gethan bei Lange Jo-
„hann von Barlte, dem allerlängſten in Dithmar-
„ſchen. Er hat zwei Tonnen Hamburger Bier in
„beide Hände nehmen und tragen können, hat auch
„dritthalb Tonnen Bier zugleich können tragen, der-
glei-
[277] „gleichen noch Peter Block zu Herſebull im Nord-
„ſtrande weiland thun können. Er hat es in Ham-
„burg allen im Baumſchießen und Steinwer-
„fen vorgethan, hat eine leere Tonne über Süwels
„Bartels Haus geworfen. In ſeinem Alter hat er
„eine Tonne Salz zwiſchen beiden Händen aufge-
„richtet, dieſelbe auf einer Hand im Hauſe herum-
„getragen, und beim Feuer niedergeſetzet — hat
„auch kurz vor ſeinem Ende einen Stein auf dem
„Kirchhofe, daran vier ſtarke Männer mit Bäumen
„gearbeitet, aus einer Kuhlen gehoben. Sonſt iſt er
„ein frommer Mann geweſen, der M Henning Müh-
„len in ſeinen Letzten bekannt, daß er ſeine Tage
„nichts zu heben vorgenommen, ſo ihm gefehlet
„hätte. Den 9ten Februar 1578 iſt er geſtorben.“
Reigen und Tänze der alten Dithmarſen. Siehe
Viethens Beſchreibung und Geſchichte des Landes
Dithmarſchen. Hamburg 1733. 4. — Seite 107
wird hier etwas Oberflächliches über die Dithmarſi-
ſchen Tänze und Tanzlieder gemeldet, und dann fol-
gen vier Lieder in Saſſiſcher Mundart, die man
gewöhnlich ganz unrichtig Plattdeutſch nennt.
Beiträge zur Gymnastik der Schweizer giebt
Stalder in den Fragmenten über Entlebuch. Zweit.
Th. Seite 183 — 354.
Über die Volksvergnügungen in Pommern,
von
[278] von Friedrich Rühs, in der Zeitſchrift: Eurynome
und Nemesis; Stettin 1806 — 1807 — 1808.
Fechtergeſellſchaften gab es ſonſt in Deutſchland
zwei uralte von Kaiſern beſtätigt eund bevorrechtete:
die Geſellſchaft von St. Marcus von Löwenberg,
und die Geſellſchaft der Freifechter von der Feder
von Greifenfels. Jene hatten den heiligen Markus,
dieſe den heilgen Veit zum Schutzheiligen. Der
erſten Hauptmann war nebſt der Lade und den Ur-
kunden in Frankfurth am Main, der andern aber
nebſt Lade und Urkunden in Prag. Der Oberhaupt-
mann beider Geſellſchaften war beſtändig im Kai-
ſerlichen Hoflager, als ihr Vertreter und Anwalt.
Die Mitglieder beider Geſellſchaften führten durchge-
hends gleiche Waffen, mußten das Ringen und
Schwingen verſtehen, hielten gleichen Fechtbrauch
und hatten gleiche Fecht- und Ringgeſetze, wo-
nach Augenſtoß, Bein- und Armbruch und
Schäftſtoß d. h. nach dem männlichen Gliede ver-
boten war. Wer ſich nicht in die Geſetze und den
Brauch fügte, auch nicht mit reinen Stößen und
Schlägen nach redlicher Fechter Weiſe umging, ward
nicht für tüchtig und zunftmäßig geachtet, ſondern
als ein grauſamer und tückiſcher Lux (Luchs von
lugen) angeſehen und Luxbruder (wälſch Natu-
ralist) genannt. Ein Luxbruder konnte in keiner
Fech-
[279] Fechtergeſellſchaft Geſell und Meiſter werden, durfte
keine Fechtſchule halten oder andere Übungen als
Lehrmeiſter treiben; doch geſtatteten beide Geſellſchaf-
ten, daß ſich Luxbrüder mit ihnen auf Hieb und
Stoß ſchlugen. Wer Meiſter werden wollte, wurde
in öffentlicher und freier Fechtſchul den anweſenden
Brüdern vorgeſtellt, die ihn dann in allen ritterli-
chen Gewehren, von der kürzeſten zur längſten und
von der längſten bis zur kürzeſten Wehre nach ihrer
beſten Kunſt und ihrem beſten Vermögen probten
und verſuchten. Wenn er ſich dann ehrlich und
wehrlich, redlich und männlich gegen ſeine Gegner
gehalten und ihnen auch aus allen ritterlichen Ge-
wehren der Kunſt gemäß genug gethan, ſo wurden
ſie vom Hauptmann gefragt: ob ſie den gegenwär-
tigen — — für einen ehrlichen Meiſter des Schwerts
erkennen wollten? Antworteten ſie ſämmtlich Ja —
ſo wurde der ehrenfeſte und mannhafte — —
weil er die ritterliche und adeliche Kunſt des
Fechtens aufrichtig und ehrlich erlernt, und
um ſeiner wohlbeſtandenen Fechtkunſt Wil-
len, woran jedermännlich Wohlgefallen
gehabt und getragen zu einem angelobigen
Meiſter des Schwerts geſchlagen. Zuvor
mußte er aber mit einen Eid angeloben und ſchwö-
ren: allen Geſetzen, ſo ſich bei der Meiſter
des
[280]des Schwerts Freiheit befinden, treu und
ehrlich nachzukommen, und denſelben nicht
widerſetzen oder widerſtreiten, noch viel
weniger einem andern Anlaß dazu geben.
Solcher Meiſter konnte laut kaiſerlicher Bevorrech-
tung den Degen an der Seite und die Feder auf
dem Hute tragen, ritterliche Übungen gleich den Ade-
lichen treiben, auch zu Pferde turniren, aller
Orten unter Erlaubniß der Orts Obrigkeit Fechtſchu-
len halten, und ihre Geſchicklichkeit öffentlich ſehen
laſſen.
Die Geſellſchaft der Markusbrüder war die älte-
ſte, die der Freifechter wurde die am meiſten ver-
breitete. Gemeiniglich waren den Freifechtern
zugethan: Drathzieher, Drechsler, Färber, Feuer-
mauerkehrer, Gürtler, Hutmacher, Klipper oder
Klämpner, Meſſerſchmiede, Nadler, Schloſſer, Schnei-
der, Schuhmacher, Seiler, Uhrmacher, Windenmacher
und Zinngießer. Marcusbrüder hingegen waren
mehr: Bäcker, Feilenhauer, Hammerſchmiede, Kirſch-
ner, Posementirer, Rothgießer, Schellenmacher,
Sägenſchmiede und Tuchmacher.
Beide Geſellſchaften hielten ſehr auf Ehre, Zucht,
Sitte, Treu und Glauben. Wer dawider frevelte,
wider Verbot mörderlich Gewehr brauchte, oder da-
mit verletzte; muthwillig Schulden machte und nicht
be-
[281] hezahlte; überhaupt etwas beging, was ihm und der
ganzen Geſellſchaft zu Schimpf und Schande gereichte: —
der wurde für einen untüchtigen Meiſter erkannt. Ihm
wurde das Schwert öffentlich gelegt, und er ſo aus der
Rolle einer löblichen Zunft ausgelöſchet und getilget.
Siehe Gottfried Rudolph Pommer’s eigentl. Bugen-
hagen Sammlung hiſtoriſcher und geographiſcher Merk-
würdigkeiten, nach des Verfaſſers Tode herausgegeben
von Abraham Gotthelf Käſtner. Altenburg bei
Richter, 1752. Hier ſteht ein Meiſterbrief eines Fechters
von St. Marco und Löwenberg ertheilt: Danzig den
22ſten Junius 1682; ferner ein Lehrbrief eines Frey-
fechters: Mainz den 27ſten Januar 1719 — und noch
einer: Prag den 15ten Junius 1735.
In Augsburg hatte Burgemeiſter und Rath die
Ordnung der Fechtſchulen dieſer Geſellſchaften in den
Jahren 1568, 1596 und 1611 beſtätiget. Sie hielten
ihre Schulen für gewöhnlich im Tanzhaus. Als dieſes
1632 abbrannte, gab Konrad Bodenehr Bürger und
Methſieder 1637 Hof und Stadel dazu her. Boden-
ehr ließ 1651 den Stadel zu einer Schaubühne einrich-
ten, aber 1661 verkaufte er Gebäude, Schaubühne und
Fechtſchule zugleich mit der erlangten Gerechtigkeit an
das ältere Almosen (Armenpflegamt), wobei aber die
Fechterübungen fortdauerten. Die Fechtſchule wurde
baufällig und im Jahr 1776 bei Erbauung eines neuen
Schau-
[282] Schauſpielhauſes gänzlich abgetragen. Der Turnfeind
und allen männlichen Leibesübungen abholde Paul von
Stetten der jüngere, in ſeiner Kunſt-Gewerb- und Hand-
werksgeſchichte der Reichsſtadt Augsburg (Augsburg
1779), kann darüber ſeine Freude nicht bergen.
Über die Fechtſchulen in Nürnberg meldet [Will’s]
Historischdiplomatiſches Magazin für das Vaterland.
Nürnberg 1780 — 1782 (2ter Band S. 513): „Wenn
„die Fechtſchulen zu Nürnberg aufgekommen, iſt ſo genau
„nicht zu ſagen. Über das 16te Jahrhundert gehen
„ſie wohl nicht hinaus. Aber in der erſten Hälfte deſ-
„ſelben zwiſchen 1500 und 1550 ſind ſie gewiß ſchon
„gehalten worden. 1561 ſind ſie wieder erlaubet und
„die erſte Endreßen Stengel, einem Schuhmacher, ver-
„williget worden, nachdem man 10 Jahre vorher und
„ſeit dem Markgräfiſchen Krieg keine Fechtſchule zu
„Nürnberg geſehen. Sie ſind auf dem Egidier Hof,
„im Heilsbrunner Hof und in Gaſthöfen gehalten wor-
„den, bis man endlich 1623 das Fechthaus erbauet,
„welches noch ſtehet und vornehmlich zu dieſem, ſo wie
„nachgehends zu allen andern Spectakeln gebraucht
„wurde. Was ſich in den Müllneriſchen Annalen und
„ſonſt findet, iſt außer dem bereits angezeigten folgen-
„des. 1576 wurde eine Fechtſchule auf St. Egidien
„Hof gehalten. 1582 hat ein berühmter Meiſter des
„langen Schwerts, Melchior von Hahn genannt, ſeines
Hand-
[283] „Handwerks ein Kürſchner zu Nürnberg, Fechtſchule
„gehalten, zu welcher unverſehens etliche Sächſiſche
„Trabanten gekommen, die ihm zwar heftig zugeſetzet,
„ihn aber doch nicht haben verletzen können. Es war
„dies eine ſehr tapfere Fechtſchule, dergleichen in vielen
„Jahren zu Nürnberg nicht geſehen worden. 1585 ſind
„die Fechtſchulen wegen Sterbeläufte verboten, und
„1593 wieder eine auf dem Egidier Hof gehalten wor-
„den. 1691 den 20ten Jul. ſind die Fechtſchulen durch
„ein Mandat verboten worden, weis aber nicht aus
„welcher Urſache. Denn ſie dauerten doch noch, und
„erinnere ich mich, daß ſich in der erſten Hälfte des
„gegenwärtigen Jahrhunderts noch Klopf- und Feder-
„fechter im Fechthauſe haben ſehen laſſen.“
Neben dieſen Fechtergeſellſchaften aus dem Bürger-
und Handwerker-Stande blühte die Fechtkunſt auf hohen
Schulen. Hier wurde leider aus nichtiger Vornehm-
thuerei, und um den Götzen des Franzoſenthums zu
fröhnen, die Kunſtſprache verfälſcht und verwälſcht. Aus-
ländiſche Brocken und Flicken verlappten das Ganze,
bis es als etwas Entlehntes ausſah; Kreusler, Vater
und Sohn, haben wenigſtens die Deutſche Fechtkunſt
auf den Stoß in der Werkthätigkeit erhalten. Ihre
Schüler haben in allen Landen das Übergewicht der
Deutſchen Fechtkunſt herrlich gewieſen, und durch ſie ſo
obgeſiegt, daß einſt in Paris keiner als Fechtmeiſter
be-
[284] beſtallt wurde, er habe denn zuvor mit einem dort leben-
den Deutſchen, einem Schüler von Kreusler, einige
Gänge gemacht, und ihn zu beſtehen gewagt. Das
ganze 17te Jahrhundert hatte Deutſchland die erſten
Fechtmeiſter, unter denen Heinrich von und zum
Velde einer der hochberühmteſten. Er war 1585 auf
der Juſel Rügen geboren, und ſtarb 1662 zu Leipzig,
des Stifts St. Petri Pauli zu Magdeburg Senior.
Einer ſeiner Schüler war Joh Joachim Heyuitzſch aus
Nordhauſen, 1713 noch Fechtmeiſter zu Leipzig. Ein
Zeit-Kunſt- und Ruhmgenoſſe von ihm war Hans
Wulf von Mulßheim in Straßburg, deſſen Schüler
ſich in alle Lande mit Lob ausbreiteten. Aber ſie reich-
ten alle nicht an Kreusler. Einſt kam er unerkannt
nach Dresden, und ging als Fremder auf den Fecht-
ſaal der Edelknaben wo ihn König Auguſt der Starke
aufforderte mit ihm zu fechten. Aber gleich nach dem
erſten Gange warf der König hoch erfreut den Fechtel
fort, und grüßte ihn: Du biſt Kreusler oder der
Teufel.“ Von allen dieſen Dingen ſcheint Joh.
Gottfried Hoyer nichts gewußt zu haben. Unmög-
lich hätte er ſonſt in ſeiner Geſchichte der Kriegskunſt.
Göttingen 1799 (2ten B. S. 104) vom Fechten ſchrei-
ben können: „weniger Geſchmack hingegen fand der
„Deutſche an einer Leibesübung, die eine viel größere
„Beweglichkeit des Körpers erforderte, als ihm zu erlan-
gen
[285] „gen möglich war. Hier blieb die Fechtkunſt ein aus-
„ſchließliches Vorrecht der Officiere und des Adels,
„der auf den [Ritter-] Academien und in den Ca-
„detten-Häuſern darin [nur nach Franzöſiſcher Art]
„unterwieſen ward und bei dem ſie ſich bekanntlich bis
„auf unſere Zeiten [ſo nothdürftig] erhalten hat.“ [daß
bis auf den Aufruf des Königs von Preußen im Jahr 1813
ſich keiner vom Wehrſtande mit Mitgliedern hoher Schulen
gern auf die Klinge ſchlug, ſondern weit lieber ſchoß.]
Merkwürdig bleibt es, daß ein altdeutſches Wort,
nämlich Schirm, was bei Ottfried Scirmu, bei Not-
ker Skerm, im Nibelungenliede Scherm lautet, wo es
an allen drei Orten den Schild bedeutet, mit Schir-
men oder ſich ſchilden, decken, ſchützen, vertheidigen in
Römiſche Tochterſprachen übergegangen iſt. Im Itali-
ſchen: Schermo, Scherma, schermare, scrimiare,
schermire, für Schild, Fechtkunſt, fechten. Im Fran-
zöſiſchen: Escrime, escrimer, escrimeur für Fecht-
kunſt, fechten und Fechter. Auch ins Slawiſche hat
ſich die Deutſche Wurzel verbreitet z. B. im Böhmi-
ſchen iſt Shermyr Fechter und Kämpfer. In den
Deutſchen Geſchwiſterſprachen hat das Urwort Verwandte
Scherm-School im Niederländiſchen Fechtſchu[f]e.
Im EngliſchenSkirmish Gefecht, Streit, Schlägerei,
und Skirmish im Handgemenge ſtreiten, wie unſer ſcharmü-
tzeln. Im Schwediſchen Skärma, früher Skirma fechten.
II.Er-
[286]
II.Erklaͤrung von dem Plane eines
Turnplatzes
auf
Platte I.
I. 10 F. breiter Raum zur Umgränzung (mit
Schranken, Bäumen, Hecken u. ſ. w.).
II.Einfahrt und Eingang, 15 F. breit.
III.Gänge, theils 5 F., theils 10 F. breit.
IV. die Rennbahn, 400 F. lang, 30 F. breit.
a. Stand.
b. Ziel.
V. die Schlängelbahn, in einem Platz von 70 F.
Länge und 30 F. Breite.
VI. in einem Platz von 80 F. L. und 40 F. Br:
a. Stabſpringel.
b. Freiſpringel.
VII. in einem Platz von 90 F. L., und 40 F. Br:
- a. Großer
- b. Kleiner
c. Vorrichtung zum Tiefenſprung.
VIII.
[287]
VIII.Schwingplatz, v. 240 F. L. und 40 F. Br.
- a. Schwingel ohne
- b. Schwingel mit
IX.Schwebeplatz, v. 80 F. L. und 30 F. Br.
- a. Großer
- b. Kleiner
c. Liegebaum.
X.Reckplatz, v. 200 F. L. und 30 F. Br.
XI.Barrenplatz, v. 120 F. L. und 30 F. Br.
XII.Kletterplatz, v. 135 F. L. und 40 F. Br.
a. Klettermaſte.
b. Zweibaum.
c. Einbaum.
d. Vierbaum.
e. Klimmel.
f. Hangelreck.
XIII. Platz von 230 F. L. und 40 F. Br.
a. Gerwurfbahn.
b. Ziehbahn.
XIV. Platz zum Schocken v. 130. F. L. und 60 F. Br.
a. Ziel der Schockbahn.
b. Schott (Kugelfang).
c. Kleiner Wall.
XV.Stoßbahn, v. 40 F. L. und 30 F. Br.
a. Stand.
b. Kleiner Wall.
XVI.
[288]
XVI. Platz zu den Seilübungen, von 60 F. L.
und 60 F. Br:
a. a. Plätze zum langen Schwungſeil, jeder 30
F. L. und 30 F. Br.
b. Platz zum kurzen Seil, 60 F. L. und 30 F. Br.
XVII.Ringplatz, v. 60. F. L. und 60 F. Br.
XVIII.Vorübungsplatz, v. 60 F. L. und 40 F. Br.
XIX.Spielplatz v. 120 F. L. und 120 F. Br.
a. a. die Male.
XX. Platz von 150 F. L. und 50 F. Br:
a. der Tie (50 F. l. und 50 F. breit);
[☉]Dingſtatt (Rechteck von 12 Fuß);
b. der Schuppen (40 F. l. und 20 F. tief.)
c. Kleidergeſtelle.
: : : : : : bezeichnet die Anläufe.
[][][][][][][]
Dingen, die in einer gewiſſen Ordnung und Reihe ge-
dacht werden.
tung des Körpers in Lage, Stellung, Haltung beim Zu-
ſtande der Ruhe; vorwärts und rückwärts aber deu-
ten ſeine Bewegung an.
rücklings, vorwärts und rückwärts — Seite 65.
(daher dann auch ein Platz, wo ſich die Schiffe zur Ab-
fahrt bereit machen).
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- Zitationsvorschlag für diese Edition
- TextGrid Repository (2025). Jahn, Friedrich Ludwig. Die deutsche Turnkunst zur Einrichtung der Turnplätze. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bnp5.0