[][][][][][][[I]]
GRUNDSÄTZE
DER
VOLKSWIRTHSCHAFTSLEHRE.


Erster, Allgemeiner Theil

WIEN : 1871.
WILHELM BRAUMÜLLER
K. K. HOF- UND UNIVERSITÄTSBUCHHÄNDLER.

[[II]][[III]]

DEM
Königlich Sächsischen Hofrathe
DR.WILHELM ROSCHER
PROFESSOR DER STAATS- UND CAMERALWISSENSCHAFTEN AN DER
UNIVERSITÄT IN LEIPZIG ETC.
IN ACHTUNGSVOLLER VEREHRUNG
ZUGEEIGNET

VOM VERFASSER.


[[IV]][[V]]

Vorrede.


Wenn unsere Zeit den Fortschritten auf dem Gebiete
der Naturwissenschaften eine so allgemeine und freudige
Anerkennung entgegenbringt, während unsere Wissen-
schaft eben in jenen Lebenskreisen, welchen sie die
Grundlage practischer Thätigkeit sein sollte, so wenig
beachtet und ihr Werth so sehr in Frage gestellt wird,
so kann der Grund hievon keinem Unbefangenen zweifel-
haft erscheinen. Nie hat es ein Zeitalter gegeben, welches
die wirthschaftlichen Interessen höher stellte, als das
unsere, niemals war das Bedürfniss nach einer wissen-
schaftlichen Grundlage des wirthschaftlichen Handelns
ein allgemeineres und tiefer gefühltes, niemals auch die
Fähigkeit der Practiker auf allen Gebieten menschlichen
Schaffens, die Errungenschaften der Wissenschaft sich
nutzbar zu machen, grösser, als in unseren Tagen. Nicht
die Folge des Leichtsinnes oder der Unfähigkeit der Prac-
tiker kann es demnach sein, wenn dieselben, unbekümmert
um die bisherigen Entwickelungen unserer Wissenschaft,
bei ihrer wirthschaftlichen Thätigkeit lediglich die eigenen
Lebenserfahrungen zu Rathe ziehen, nicht die Folge eines
hochmüthigen Zurückweisens der tieferen Einsicht, welche
die wahre Wissenschaft dem Practiker über die den
Erfolg seiner Thätigkeit bestimmenden Thatsachen und
Menger, Volkswirthschaftslehre. 1
[VI] Verhältnisse bietet. Der Grund einer so auffälligen
Gleichgiltigkeit kann vielmehr nirgends anders gesucht
werden, als in dem gegenwärtigen Zustande unserer
Wissenschaft selbst, in der Unfruchtbarkeit der bisherigen
Bemühungen, die empirischen Grundlagen derselben zu
gewinnen.


Ein jeder neue Versuch in dieser Richtung, mit so
schwachen Kräften er auch unternommen werden mag,
trägt desshalb seine Berechtigung in sich selbst. Die
Erforschung der Grundlagen unserer Wissenschaft
anstreben, heisst seine Kraft der Lösung einer mit der
Wohlfahrt der Menschen im engsten Zusammenhange
stehenden Aufgabe widmen, einem öffentlichen Interesse
von höchster Wichtigkeit dienen und einen Weg betreten,
auf welchem selbst der Irrthum nicht ganz ohne Ver-
dienst ist.


Damit ein solches Unternehmen aber nicht dem
gerechten Misstrauen der Sachkundigen begegne, dürfen
wir es einerseits nicht verabsäumen, allen Richtungen, in
welchen der Forschergeist auf dem Gebiete unserer
Wissenschaft bisher vorgedrungen ist, eine sorgfältige
Beachtung zuzuwenden, andererseits aber auch nicht davor
zurückschrecken, mit der vollen Selbstständigkeit des
Urtheiles an die Kritik der Ansichten unserer Vorgänger
und selbst jener Lehrmeinungen zu schreiten, welche
bisher für fest stehende Errungenschaften unserer Wissen-
schaft galten. Durch das erstere würden wir uns der
ganzen Summe von Erfahrungen freiwillig begeben, welche
so viele ausgezeichnete Geister aller Völker und Zeiten
auf dem Wege zum gleichen Ziele gesammelt haben,
durch das letztere auf jede Hoffnung einer tiefer gehen-
den Reform der Grundlagen unserer Wissenschaft von
vornherein verzichten. Wir weichen diesen Gefahren
[VII] aus, indem wir die Ansichten unserer Vorgänger zu
unserem geistigen Besitze machen, aber nirgends
davor zurückschrecken, dieselben zu prüfen, von Lehr-
meinungen an die Erfahrung, von Menschengedanken
an die Natur der Dinge zu appelliren.


Auf diesem Boden stehen wir. Wir waren in dem
Nachfolgenden bemüht, die complicirten Erscheinungen
der menschlichen Wirthschaft auf ihre einfachsten, der
sicheren Beobachtung noch zugänglichen Elemente zurück-
zuführen, an diese letztern das ihrer Natur entsprechende
Mass zu legen und mit Festhaltung desselben wieder zu
untersuchen, wie sich die complicirteren wirthschaft-
lichen Erscheinungen aus ihren Elementen gesetzmässig
entwickeln.


Es ist dies jene Methode der Forschung, welche, in
den Naturwissenschaften zur Geltung gelangt, zu so
grossen Resultaten führte und desshalb in missverständ-
licher Weise auch die naturwissenschaftliche genannt
wird, während sie doch allen Erfahrungswissenschaften
gemeinsam ist und richtiger die empirische genannt
werden sollte. Es ist diese Unterscheidung aber desshalb
von Wichtigkeit, weil jede Methode durch die Natur des
Wissensgebietes, auf welchem sie zur Anwendung kommt,
ihren besonderen Charakter erhält und demnach von
einer naturwissenschaftlichen Richtung in unserer Wissen-
schaft füglich nicht die Rede sein kann.


Die bisherigen Versuche, die Eigenthümlichkeiten
der naturwissenschaftlichen Methode der Forschung
kritiklos auf die Volkswirthschaftslehre zu übertragen,
haben denn auch zu den schwersten methodischen Miss-
griffen und zu einem leeren Spiele mit äusserlichen
Analogien zwischen den Erscheinungen der Volkswirth-
schaft und jenen der Natur geführt. Magna cum vanitate
*
[VIII] et desipientia inanes similitudines et sympathias rerum
describunt atque etiam quandoque affingunt *), sagt Baco
von Forschern dieser Art, ein Satz, der auch heute noch
und zwar seltsamerweise eben von jenen Bearbeitern
unserer Wissenschaft gilt, die sich unablässig die Schüler
Baco’s nennen, während sie den Geist seiner Methode
doch so sehr verkennen.


Wenn zur Rechtfertigung solcher Bestrebungen
angeführt wird, dass es die Aufgabe unserer Zeit sei,
den Zusammenhang aller Wissenschaften und die Einheit
ihrer höchsten Principien festzustellen, so möchten wir
den Beruf unserer Zeit zur Lösung dieses Problems denn
doch in Frage stellen. Nie werden, so glauben wir, die
Forscher auf den verschiedenen Gebieten der Wissenschaft
dies gemeinsame Endziel ihrer Bestrebungen ohne Nach-
theil aus dem Auge verlieren, mit Erfolg wird jedoch
an die Lösung dieser Aufgabe erst dann geschritten
werden können, wenn die einzelnen Wissensgebiete auf
das Sorgfältigste durchforscht und die ihnen eigen-
thümlichen Gesetze gefunden sein werden.


Zu welchen Resultaten uns die obige Methode der
Forschung geführt hat und ob es uns gelungen ist, durch
den Erfolg darzuthun, dass die Erscheinungen des
wirthschaftlichen Lebens sich strenge nach Gesetzen
regeln, gleich jenen der Natur, dies zu beurthei-
len ist nun Sache unserer Leser. Verwahren möchten
wir uns nur gegen die Meinung Jener, welche die Gesetz-
mässigkeit der volkswirthschaftlichen Erscheinungen mit
dem Hinweise auf die Willensfreiheit des Menschen
läugnen, weil hiedurch die Volkswirthschaftslehre als
exacte Wissenschaft überhaupt negirt wird.


[IX]

Ob und unter welchen Bedingungen ein Ding mir
nützlich, ob und unter welchen Bedingungen es ein
Gut, ob und unter welchen Bedingungen es ein wirth-
schaftliches Gut
ist, ob und unter welchen Bedin-
gungen dasselbe Werth für mich hat, und wie gross das
Mass dieses Werthes für mich ist, ob und unter welchen
Bedingungen ein ökonomischer Austausch von Gütern
zwischen zwei wirthschaftenden Subjecten statthaben, und
die Grenzen, innerhalb welcher die Preisbildung hiebei
erfolgen kann u. s. f., all’ dies ist von meinem Willen
ebenso unabhängig, wie ein Gesetz der Chemie von dem
Willen des practischen Chemikers. Die obige Ansicht
beruht demnach auf einem leicht ersichtlichen Irrthume
über das eigentliche Gebiet unserer Wissenschaft. Die
theoretische Volkswirthschaftslehre beschäftigt sich nicht
mit praktischen Vorschlägen für das wirthschaftliche
Handeln, sondern mit den Bedingungen, unter
welchen die Menschen die auf die Befriedigung ihrer
Bedürfnisse gerichtete vorsorgliche Thätigkeit entfalten.


Die theoretische Volkswirthschaftslehre verhält sich
zu der practischen Thätigkeit der wirthschaftenden
Menschen somit nicht anders, als etwa die Chemie zur
Thätigkeit des practischen Chemikers, und der Hinweis auf
die Freiheit des menschlichen Willens kann wohl als
ein Einwand gegen die volle Gesetzmässigkeit der wirth-
schaftlichen Handlungen, niemals aber als ein solcher
gegen die Gesetzmässigkeit der von dem menschlichen
Willen gänzlich unabhängigen Erscheinungen gelten,
welche den Erfolg der wirthschaftlichen Thätigkeit der
Menschen bedingen. Es sind aber eben diese Letzteren
der Gegenstand unserer Wissenschaft.


Eine besondere Aufmerksamkeit haben wir der
Erforschung des ursächlichen Zusammenhanges zwischen
[X] den wirthschaftlichen Erscheinungen an den Producten
und den bezüglichen Productions-Elementen zugewandt
und zwar nicht nur wegen der Feststellung einer der
Natur der Dinge entsprechenden, alle Preiserscheinungen
(somit auch den Kapitalzins, den Arbeitslohn, den Grund-
zins u. s. f.) unter einem einheitlichen Gesichtspunkte
zusammenfassenden Preistheorie, sondern auch wegen der
wichtigen Aufschlüsse, welche wir hiedurch über manche
andere bisher völlig unbegriffene wirthschaftliche Vor-
gänge erhalten. Es ist aber eben dieses Gebiet unserer
Wissenschaft dasjenige, auf welchem die Gesetzmässigkeit
der Erscheinungen des wirthschaftlichen Lebens am deut-
lichsten zu Tage tritt.


Eine besondere Freude war es uns, dass das hier
von uns bearbeitete, die allgemeinsten Lehren unserer
Wissenschaft umfassende Gebiet zum nicht geringen
Theile so recht eigentlich das Besitzthum der neueren
Entwickelungen der deutschen National-Oekonomie ist
und die hier versuchte Reform der höchsten Principien
unserer Wissenschaft demnach auf der Grundlage von
Vorarbeiten erfolgt, welche fast ausnahmslos deutscher
Forscherfleiss geschaffen hat.


Möge diese Schrift desshalb auch als ein freundlicher
Gruss eines Mitstrebenden aus Oesterreich betrachtet
werden, als ein schwacher Widerhall der wissenschaft-
lichen Anregungen, welche uns Oesterreichern von
Deutschland aus durch so viele ausgezeichnete Gelehrte,
die es uns sandte, und durch seine vortrefflichen Schriften
in so reichlichem Masse zu Theil geworden sind.


Dr. Carl Menger.


[[XI]]

Inhalt.


  • Seite
  • Erstes Capitel. Die allgemeine Lehre vom Gute.
  • §. 1. Ueber das Wesen der Güter 1
  • §. 2. Ueber den Causal-Zusammenhang der Güter 7
  • §. 3. Die Gesetze, unter welchen die Güter in Rücksicht auf ihre Güter-
    qualität stehen 11
  • §. 4. Zeit — Irrthum 21
  • §. 5. Ueber die Ursachen der fortschreitenden Wohlfahrt der Menschen 26
  • §. 6. Der Güterbesitz 29
  • Zweites Capitel. Die Wirthschaft und die wirthschaftlichen
    Güter.
  • Einleitung 32
  • §. 1. Der menschliche Bedarf 35
  • §. 2. Die verfügbaren Quantitäten 45
  • §. 3. Ueber den Ursprung der menschlichen Wirthschaft und die wirth-
    schaftlichen Güter 51
  • §. 4. Das Vermögen 70
  • Drittes Capitel. Die Lehre vom Werthe.
  • §. 1. Ueber das Wesen und den Ursprung des Güterwerthes 77
  • §. 2. Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes 87
  • §. 3. Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt 123
  • Viertes Capitel. Die Lehre vom Tausche.
  • §. 1. Die Grundlagen des ökonomischen Tausches 153
  • §. 2. Die Gränzen des ökonomischen Tausches 160
  • Fünftes Capitel. Die Lehre vom Preise.
  • Einleitung 172
  • §. 1. Die Preisbildung beim isolirten Tausche 175
  • §. 2. Die Preisbildung im Monopol handel 179
  • §. 3. Die Preisbildung und Gütervertheilung bei beiderseitiger Concurrenz 201
  • Seite
  • Sechstes Capitel. Gebrauchswerth und Tauschwerth213
  • Siebentes Capitel. Die Lehre von der Waare.
  • §. 1. Ueber den Begriff der Waare im populären und wissenschaft-
    lichen Sinne 225
  • §. 2. Ueber die Absatzfähigkeit der Waaren 233
  • Achtes Capitel. Die Lehre vom Gelde.
  • §. 1. Ueber das Wesen und den Ursprung des Geldes 250
  • §. 2. Ueber das jedem Volke und Zeitalter eigenthümliche Geld 260
  • §. 3. Das Geld als Massstab der Preise 271
  • § 4. Die Münze 279
[[1]]

Erstes Capitel.
Die allgemeine Lehre vom Gute.


§. 1.
Ueber das Wesen der Güter.


Alle Dinge stehen unter dem Gesetze von Ursache und
Wirkung. Dieses grosse Princip hat keine Ausnahme und ver-
gebens würden wir im Bereiche der Empirie nach einem Beispiele
von seinem Gegentheile suchen. Die fortschreitende menschliche
Entwicklung hat nicht die Tendenz, dies Princip zu erschüttern,
sondern vielmehr den Erfolg, dasselbe zu befestigen, die Erkennt-
niss des Gebietes seiner Geltung immer mehr zu erweitern und
die unerschütterte und wachsende Anerkennung desselben ist so-
mit geknüpft an den menschlichen Fortschritt.


Auch unsere eigene Persönlichkeit und jeder Zustand der-
selben sind Glieder dieses grossen Weltzusammenhanges und
der Uebergang unserer Person aus einem Zustande in einen
hievon verschiedenen ist in anderer Weise undenkbar, als
unter dem Gesetze der Causalität. Wenn demnach unsere
Person aus dem Zustande des Bedürfens in jenen des befriedigten
Bedürfnisses treten soll, so müssen ausreichende Ursachen hie-
für vorhanden sein, das ist, es müssen entweder die in unserem
Organismus waltenden Kräfte unseren gestörten Zustand be-
seitigen, oder aber äussere Dinge auf uns einwirken, welche
ihrer Natur nach geeignet sind, jenen Zustand herbeizuführen,
welchen wir die Befriedigung unserer Bedürfnisse nennen.


Diejenigen Dinge, welche die Tauglichkeit haben, in Causal-
Menger, Volkswirthschaftslehre. 1
[2]Ueber das Wesen der Güter.
Zusammenhang mit der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse
gesetzt zu werden, nennen wir Nützlichkeiten, wofern wir
diesen Causal-Zusammenhang aber erkennen und es zugleich in
unserer Macht haben, die in Rede stehenden Dinge zur Befrie-
digung unserer Bedürfnisse thatsächlich heranzuziehen, nennen
wir sie Güter*).


[3]Ueber das Wesen der Güter.

Damit ein Ding ein Gut werde, oder mit andern Worten,
damit es die Güterqualität erlange, ist demnach das Zusammen-
treffen folgender vier Voraussetzungen erforderlich:


1. Ein menschliches Bedürfniss.


2. Solche Eigenschaften des Dinges, welche es tauglich
machen, in ursächlichen Zusammenhang mit der Befriedigung
dieses Bedürfnisses gesetzt zu werden.


3. Die Erkenntniss dieses Causal-Zusammenhanges Seitens
der Menschen.


4. Die Verfügung über dies Ding, so zwar, dass es zur
Befriedigung jenes Bedürfnisses thatsächlich herangezogen wer-
den kann.


Nur wo diese Voraussetzungen zusammentreffen, kann ein
Ding zum Gute werden, wo immer aber auch nur eine derselben
mangelt, kann kein Ding die Güterqualität erlangen; besässe es
aber bereits dieselbe, so müsste sie doch sofort verloren gehen,
wenn auch nur eine jener vier Voraussetzungen entfallen würde *).


Es verliert demnach ein Ding seine Güterqualität, erstens,
wenn durch eine Veränderung im Bereiche der menschlichen
Bedürfnisse der Erfolg herbeigeführt wird, dass kein Bedürfniss,
zu dessen Befriedigung jenes Ding die Tauglichkeit hat, vor-
handen ist.


Der gleiche Erfolg tritt, zweitens, überall dort ein, wo
durch eine Veränderung in den Eigenschaften eines Dinges die
Tauglichkeit desselben, in ursachlichen Zusammenhang mit der
Befriedigung menschlicher Bedürfnisse gesetzt zu werden, ver-
loren geht.


Die Güterqualität eines Dinges geht, drittens, dadurch
verloren, dass die Erkenntniss des ursächlichen Zusammenhanges
zwischen demselben und der Befriedigung menschlicher Bedürf-
nisse untergeht.


Viertens büsst endlich ein Gut seine Güterqualität ein,
wenn die Menschen die Verfügung über dasselbe verlieren, so
1 *
[4]Ueber das Wesen der Güter.
zwar, dass sie es zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse weder un-
mittelbar heranziehen können, noch auch die Mittel besitzen,
um dasselbe wieder in ihre Gewalt zu bringen.


Ein eigenthümliches Verhältniss ist überall dort zu be-
obachten, wo Dinge, die in keinerlei ursächlichem Zusammen-
hange mit der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse gesetzt
werden können, von den Menschen nichts destoweniger als Güter
behandelt werden. Dieser Erfolg tritt ein, wenn Dingen irrthüm-
licherweise Eigenschaften, und somit Wirkungen zugeschrieben
werden, die ihnen in Wahrheit nicht zukommen, oder aber
menschliche Bedürfnisse irrthümlicherweise vorausgesetzt werden,
die in Wahrheit nicht vorhanden sind. In beiden Fällen liegen
demnach unserer Beurtheilung Dinge vor, die zwar nicht in der
Wirklichkeit, wohl aber in der Meinung der Menschen in jenem
eben dargelegten Verhältnisse stehen, wodurch die Güterqualität
der Dinge begründet wird. Zu den Dingen der ersteren Art ge-
hören die meisten Schönheitsmittel, die Amulette, die Mehrzahl
der Medicamente, welche den Kranken bei tief stehender Cultur,
bei rohen Völkern auch noch in der Gegenwart gereicht werden,
Wünschelruthen, Liebestränke u. dgl. m., denn alle diese Dinge
sind untauglich, diejenigen menschlichen Bedürfnisse, welchen
durch dieselben genügt werden soll, in der Wirklichkeit zu be-
friedigen. Zu den Dingen der zweiten Art gehören Medicamente
für Krankheiten, die in Wahrheit gar nicht bestehen, die Ge-
räthschaften, Bildsäulen, Gebäude etc. wie sie von heidnischen
Völkern für ihren Götzendienst verwandt werden, Folterwerk-
zeuge u. dgl. m. Solche Dinge nun, welche ihre Güterqualität
lediglich aus eingebildeten Eigenschaften derselben, oder aber
aus eingebildeten Bedürfnissen der Menschen herleiten, kann man
füglich auch eingebildete Güter nennen *).


Je höher die Cultur bei einem Volke steigt, und je tiefer
die Menschen das wahre Wesen der Dinge und ihrer eigenen
Natur erforschen, um so grösser wird die Zahl der wahren, um
so geringer, wie begreiflich, die Zahl der eingebildeten Güter,
und es ist kein geringer Beweis für den Zusammenhang zwischen
[5]Ueber das Wesen der Güter.
wahrer Erkenntniss, das ist, zwischen Wissen und Wohlfahrt der
Menschen, dass erfahrungsmässig bei denjenigen Völkern, welche
an wahren Gütern die ärmsten sind, die Zahl der sogenannten
eingebildeten Güter die grösste zu sein pflegt.


Von einem eigenthümlichen wissenschaftlichen Interesse
sind noch jene Güter, welche von einigen Bearbeitern unserer
Wissenschaft unter der Bezeichnung „Verhältnisse“ als eine
besondere Güter-Kategorie zusammengefasst werden. Es werden
hiezu Firmen, Kundschaften, Monopole, Verlagsrechte, Patente,
Realgewerberechte, Autorrechte, von einigen Schriftstellern auch
die Verhältnisse der Familie, der Freundschaft, der Liebe, kirch-
liche und wissenschaftliche Gemeinschaften u. s. f. gerechnet.
Dass ein Theil dieser Verhältnisse die strenge Prüfung derselben
auf ihre Güterqualität nicht zulässt, mag immerhin zugestanden
werden, dass aber ein anderer Theil, z. B. Firmen, Monopole
und Verlagsrechte, Kundenkreise und dergleichen Dinge mehr,
thatsächlich Güter sind, dafür spricht schon der Umstand, dass
wir denselben in zahlreichen Fällen im Verkehre begegnen.
Wenn nichts destoweniger derjenige Theoretiker, welcher sich am
eingehendsten mit diesem Gegenstand beschäftigt hat *), zuge-
[6]Ueber das Wesen der Güter.
steht, dass die Existenz dieser Verhältnisse als Güter etwas
Auffälliges an sich habe und dem unbefangenen Auge wie eine
Anomalie erscheine, so liegt der Grund hievon, wie ich glaube,
in der That etwas tiefer, als in dem unbewusst auch hier wir-
kenden realistischen Zuge unserer Zeit, welche nur Stoffe und
Kräfte (Sachgüter und Arbeitsleistungen) als Dinge, und somit
auch nur solche als Güter anerkennt.


Es ist von juristischer Seite schon mehrfach hervorgehoben
worden, dass unsere Sprache keinen Ausdruck für „nützliche Hand-
lungen“ im Allgemeinen, sondern nur einen solchen für „Arbeits-
leistungen“ habe. Nun giebt es aber eine Reihe von Handlungen, ja
selbst von blossen Unterlassungen, welche, ohne dass man sie Arbeits-
leistungen nennen kann, doch für bestimmte Personen entschieden
nützlich sind, ja einen sehr bedeutenden wirthschaftlichen Werth
haben. Der Umstand, dass Jemand bei mir seine Waaren einkauft,
oder meine Dienste als Advocat in Anspruch nimmt, ist sicher-
lich keine Arbeitsleistung desselben, aber eine mir nützliche
Handlung, und der Umstand, dass ein wohlhabender Arzt,
der in einem kleinen Landstädtchen wohnt, wo sich ausser ihm
nur noch ein anderer Arzt befindet, die Praxis auszuüben unter-
lässt, ist noch viel weniger eine Arbeitsleistung des Ersteren zu
nennen, aber jedenfalls eine für den Letzteren, der hierdurch
zum Monopolisten wird, sehr nützliche Unterlassung. Der Um-
stand, dass eine grössere oder kleinere Anzahl von Personen
(z. B. eine Anzahl von Kunden) solche irgend einer Person (z. B.
einem Krämer) nützliche Handlungen regelmässig ausübt, ver-
ändert die Natur dieser letzteren nicht, so wie der Umstand,
dass von Seiten einiger oder sämmtlicher Bewohner eines Ortes,
beziehungsweise eines Staates, gewisse einer Person nützliche
Unterlassungen freiwillig oder durch rechtlichen Zwang erfolgen
(natürliche oder rechtliche Monopole, Verlagsrechte, Marken-
schutz etc.), die Natur dieser nützlichen Unterlassungen durch-
aus nicht ändert. Was man demnach Kunden-Kreise, Publicum,
Monopole etc. nennt, sind, vom wirthschaftlichen Standpunkte
aus betrachtet, nützliche Handlungen, beziehungsweise Unter-
lassungen anderer Personen, oder aber, wie dies zum Beispiel
bei Firmen der Fall zu sein pflegt, Gesammtheiten von
Sachgütern, Arbeitsleistungen und sonstigen nützlichen Hand-
[7]Ueber den Causal-Zusammenhang der Güter.
lungen, beziehungsweise Unterlassungen. Selbst Freundschafts- und
Liebesverhältnisse, religiöse Gemeinschaften u. dgl. m. bestehen
offenbar in solchen uns nützlichen Handlungen oder Unter-
lassungen anderer Personen. Sind nun diese nützlichen Hand-
lungen oder Unterlassungen derart, dass wir über dieselben
verfügen können, wie dies zum Beispiel bei Kundenkreisen, Fir-
men, Monopolrechten etc. thatsächlich der Fall ist, so ist kein
Grund zu erkennen, weshalb wir denselben die Güterqualität
nicht zuerkennen sollten, ohne doch zu dem dunkeln Begriffe der
„Verhältnisse“ greifen und diese letztern den übrigen Gütern
als eine besondere Kategorie entgegenstellen zu müssen. Ich
glaube vielmehr, dass die Gesammtheit der Güter sich in die
beiden Kategorien der Sachgüter (einschliesslich aller Natur-
kräfte, so weit sie Güter sind) und in nützliche mensch-
liche Handlungen
(beziehungsweise Unterlassungen), deren
wichtigste die Arbeitsleistungen sind, einordnen lassen.


§. 2.
Ueber den Causal-Zusammenhang der Güter.


Es scheint mir nun vor Allem von der höchsten Wichtig-
keit zu sein, dass man in unserer Wissenschaft sich klar werde
über den ursächlichen Zusammenhang der Güter; denn wie in
allen anderen Wissenschaften, so wird auch in der unseren der
wahre und dauernde Fortschritt erst dann beginnen, wenn wir
die Objecte unserer wissenschaftlichen Beobachtung nicht mehr
lediglich als vereinzelte Erscheinungen betrachten, sondern uns
bemühen werden, den Causal-Zusammenhang derselben zu
erforschen und die Gesetze, unter welchen sie stehen. Das Brot,
das wir geniessen, das Mehl, aus [welchem] wir das Brot bereiten,
das Getreide, das wir zu Mehl vermahlen, der Acker, auf wel-
chem das Getreide wächst, alle diese Dinge sind Güter. Es ist diese
Erkenntniss jedoch für unsere Wissenschaft nicht ausreichend,
vielmehr ist es nothwendig, dass wir, wie dies in allen übrigen
Erfahrungswissenschaften geschehen ist, uns bemühen, die Güter
nach inneren Gründen zu ordnen, die Stelle kennen zu lernen,
welche jedes derselben in dem Causalnexus der Güter einnimmt
und schliesslich die Gesetze zu erforschen, unter welchen sie
in dieser Rücksicht stehen.


[8]Ueber den Causal-Zusammenhang der Güter.

Unsere Wohlfahrt, so weit dieselbe von der Befriedigung
unserer Bedürfnisse abhängt, ist gesichert, wenn wir jeweilig
über die zur unmittelbaren Befriedigung derselben nöthigen Güter
verfügen. Besitzen wir z. B. die nöthige Quantität Brot, so haben
wir es unmittelbar in unserer Gewalt, unser Nahrungsbedürfniss
zu stillen; der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Brote
und der Befriedigung eines unserer Bedürfnisse ist demnach ein
unmittelbarer und die Prüfung der Güterqualität desselben nach
den von uns im vorigen Capitel dargelegten Grundsätzen ohne
jede Schwierigkeit. Einer gleichen Beurtheilung unterliegen nun
aber auch alle übrigen Güter, die wir unmittelbar zur Befrie-
digung unserer Bedürfnisse zu verwenden vermögen, gleichwie
die Getränke, die Kleidungsstücke, die Schmuckgegenstände
u. dgl. m.


Der Kreis der Dinge, deren Güterqualität wir anerkennen,
ist jedoch hiemit nicht abgeschlossen. Neben diesen Gütern, die
wir um der Kürze des Ausdruckes willen im weiteren Verlauf
der Darstellung: „Güter der ersten Ordnung“ nennen werden, be-
gegnen wir vielmehr in der Wirthschaft der Menschen einer
grossen Anzahl anderer Dinge, die in keinerlei unmittelbaren
Causal-Zusammenhang mit der Befriedigung unserer Bedürfnisse
gesetzt werden können, und deren Güterqualität doch nicht min-
der feststeht als jene der Güter erster Ordnung. So sehen wir
auf unseren Märkten neben dem Brote, und unter anderen zur
unmittelbaren Befriedigung menschlicher Bedürfnisse tauglichen
Gütern, auch Quantitäten von Mehl, Brennstoffen, Salz; wir
sehen auch die Vorrichtungen und Werkzeuge zur Broterzeugung
im Verkehre stehen und nicht minder die qualificirten Arbeits-
leistungen, die hiebei erforderlich sind. Alle diese Dinge, oder
doch die weitaus grössere Mehrzahl derselben, sind untauglich,
menschliche Bedürfnisse in unmittelbarer Weise zu befriedigen;
denn welches menschliche Bedürfniss liesse sich mit der specifi-
schen Arbeitsleistung eines Bäckergesellen, mit einer Backvor-
richtung und selbst mit einer Quantität rohen Mehles in un-
mittelbarer Weise befriedigen? Wenn nun diese Dinge nichts
destoweniger in der menschlichen Wirthschaft ebensowohl als
Güter behandelt werden, wie die Güter erster Ordnung, so fin-
det dies seine Begründung darin, dass sie zur Hervorbringung
[9]Ueber den Causal-Zusammenhang der Güter.
von Brot und andern Gütern erster Ordnung dienen und solcher
Art — obzwar der Regel nach untauglich, menschliche Bedürf-
nisse in unmittelbarer Weise zu befriedigen — doch mittelbar
hiezu geeignet sind. In gleicher Weise verhält es sich aber mit
tausend anderen Dingen, die ohne die Tauglichkeit zu besitzen,
in unmittelbarer Weise menschliche Bedürfnisse zu befriedigen,
doch zur Hervorbringung von Gütern erster Ordnung dienen und
so in einen mittelbaren Causal-Zusammenhang mit der Befriedi-
gung menschlicher Bedürfnisse gesetzt werden können. Es ist
aber damit zugleich auch dargethan, dass das Verhältniss, wel-
ches die Güterqualität dieser und ähnlicher Dinge, die wir Güter
zweiter Ordnung nennen, begründet, seinem Wesen nach ganz
dasselbe ist, wie das der Güter erster Ordnung, denn der hier
obwaltende Unterschied, dass die Güter erster Ordnung in un-
mittelbarer, die Güter zweiter Ordnung aber in mittelbarer
Causal-Beziehung zur Befriedigung unserer Bedürfnisse stehen,
bewirkt keinen Unterschied in dem Wesen jenes Verhältnisses,
weil die Voraussetzung der Güterqualität wohl der Causal-Zusam-
menhang, nicht aber nothwendigerweise der unvermittelte Cau-
salnexus zwischen den Dingen und der Befriedigung menschlicher
Bedürfnisse ist.


Es wäre nun leicht, zu zeigen, dass auch mit diesen Gütern
der Kreis der Dinge, deren Güterqualität wir anerkennen, nicht
abgeschlossen ist und dass, um bei dem oben gewählten Bei-
spiele zu bleiben, sich uns Getreidemühlen, Weizen, Roggen,
die bei der Erzeugung des Mehles in Verwendung kommenden
Arbeitsleistungen u. s. f. als Güter dritter; Getreideäcker, die
zur Bearbeitung derselben erforderlichen Werkzeuge und Vor-
richtungen, die specifischen Arbeitsleistungen der Landleute, als
Güter vierter Ordnung darstellen. Ich glaube indess, dass der
Gedanke, der hier zum Ausdruck gelangen soll, bereits genügend
ersichtlich ist.


Wir haben im vorigen Abschnitte gesehen, dass die ursäch-
liche Beziehung eines Dinges zu der Befriedigung menschlicher
Bedürfnisse eine der Vorbedingungen der Güterqualität ist. Der
Gedanke, den wir in diesem Abschnitte darzulegen bemüht waren,
lässt sich nun dahin zusammenfassen, dass es keine Voraus-
setzung der Güterqualität eines Dinges ist, dass es im unmittel-
[10]Ueber den Causal-Zusammenhang der Güter.
baren Causal-Zusammenhang mit der Befriedigung menschlicher
Bedürfnisse gesetzt werden könne. Es ist aber auch zugleich
gezeigt worden, dass unter den Gütern, die in einem so ver-
mittelten Verhältnisse zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse
stehen, ein allerdings das Wesen ihrer Güterqualität nicht be-
rührender Unterschied obwaltet, indem dieselben bald in einer
näheren, bald in einer entfernteren ursächlichen Beziehung zur
Befriedigung unserer Bedürfnisse stehen, und wir haben in Rück-
sicht hierauf: Güter erster, zweiter, dritter, vierter Ordnung
u. s. w. unterschieden.


Auch hier ist es jedoch nöthig, dass wir uns von vorne-
herein gegen eine fehlerhafte Auffassung des Gesagten versichern.
Wir haben schon dort, wo wir von der Güterqualität überhaupt
sprachen, darauf hingewiesen, dass diese keine den Gütern an-
haftende Eigenschaft sei. Dieselbe Erinnerung muss nun auch
hier gemacht werden, wo es sich um die Ordnung handelt, welche
ein Gut im Causalnexus der Güter einnimmt. Auch diese zeigt
nur an, dass ein Gut sich mit Rücksicht auf eine bestimmte
Verwendung desselben in einer bald näheren, bald entfernteren
ursächlichen Beziehung zur Befriedigung eines menschlichen Be-
dürfnisses befinde und ist demnach nichts dem Gute Anhaftendes
am wenigsten eine Eigenschaft desselben.


Nicht die Ordnungsziffern sind es denn auch, auf welche
wir hier, sowie in der nachfolgenden Darstellung der Gesetze,
unter welchen die Güter stehen, das Gewicht legen, obzwar die-
selben uns hiebei, wofern sie richtig verstanden werden, ein
erwünschtes Hilfsmittel bei Darlegung eines ebenso schwierigen,
als wichtigen Gegenstandes darbieten werden; das, worauf wir
aber insbesondere Gewicht legen, ist der Einblick in den Causal-
Zusammenhang zwischen den Gütern und der Befriedigung mensch-
licher Bedürfnisse und die je nach der Bestimmung der ersteren,
mehr oder minder vermittelte ursächliche Beziehung derselben
zu dieser letzteren.


[11]Die Gesetze, unter welchen die Güter stehen.

§. 3.
Die Gesetze, unter welchen die Güter in Rücksicht auf ihre
Güterqualität stehen.


a. (Die Güter höherer Ordnung sind in ihrer Güterqualität dadurch bedingt,
dass wir auch über die entsprechenden complementären Güter verfügen.)


Verfügen wir über Güter erster Ordnung, so liegt es in
unserer Macht, dieselben unmittelbar zur Befriedigung unserer
Bedürfnisse zu verwenden. Verfügen wir über die entsprechenden
Güter zweiter Ordnung, so liegt es in unserer Macht, dieselben
in Güter erster Ordnung umzugestalten, und in so vermittelter
Weise der Befriedigung unserer Bedürfnisse zuzuführen. Ver-
fügen wir aber auch nur über Güter dritter Ordnung, so haben
wir es in unserer Macht, dieselben in die entsprechenden Güter
zweiter Ordnung, diese aber wieder in die entsprechenden Güter
erster Ordnung umzugestalten, und so die Güter dritter Ordnung,
allerdings in einer mehrfach vermittelten Weise, zur Befriedigung
unserer Bedürfnisse heranzuziehen. In gleicher Weise verhält es
sich nun mit allen Gütern höherer Ordnung, und wir können an
ihrer Güterqualität nicht zweifeln, wofern wir es nur in unserer
Macht haben, dieselben der Befriedigung unserer Bedürfnisse
thatsächlich zuzuführen.


In diesem letzten Umstande liegt aber, mit Rücksicht auf
die Güter höherer Ordnung, eine Beschränkung von nicht
geringer Wichtigkeit. Es steht nämlich durchaus nicht in
unserer Macht, ein einzelnes Gut höherer Ordnung zur Be-
friedigung unserer Bedürfnisse heranzuziehen, wofern wir nicht
zugleich über die übrigen (die complementären) Güter höherer
Ordnung verfügen.


Setzen wir zum Beispiele den Fall, es verfüge ein wirth-
schaftendes Individuum zwar nicht unmittelbar über Brot, wohl
aber über sämmtliche zur Erzeugung desselben nöthigen Güter
zweiter Ordnung, so ist kein Zweifel, dass dasselbe nichtsdesto-
weniger es in seiner Macht hätte, sein Bedürfniss nach Brot-
nahrung zu befriedigen. Setzen wir nun aber den Fall, dasselbe
Subject würde wohl über Mehl, über Salz, über die nöthigen
Gährstoffe, die bei der Broterzeugung erforderlichen Arbeits-
leistungen und selbst über sämmtliche hier erforderliche Vor-
[12]Die Gesetze, unter welchen die Güter stehen.
richtungen und Werkzeuge, aber über keinerlei Feuerung und
über kein Wasser verfügen, so ist klar, dass dasselbe in diesem
Falle nicht mehr die Macht hätte, die obigen Güter zweiter
Ordnung zur Befriedigung seines Bedürfnisses nach Brotnahrung
heranzuziehen, denn ohne Feuerung und ohne Wasser kann kein
Brot bereitet werden, selbst wenn man über alle übrigen hiezu
erforderlichen Güter verfügt. Es würden demnach in diesem
Falle die Güter zweiter Ordnung, in Rücksicht auf das Bedürf-
niss nach Brotnahrung, sofort ihre Güterqualität einbüssen, da
eine der vier Voraussetzungen derselben (in diesem Fall die
vierte Voraussetzung) mangeln würde.


Damit wäre durchaus nicht ausgeschlossen, dass die Dinge,
deren Güterqualität hier in Frage ist, selbst unter den obigen
Verhältnissen ihre Güterqualität mit Rücksicht auf andere Be-
dürfnisse jenes Individuums, in dessen Verfügung sie sich be-
finden, aufrecht erhalten könnten, in sofern dasselbe die Macht
besässe, diese Güter zur Befriedigung anderer Bedürfnisse als
jenes nach Brotnahrung heranzuziehen, oder aber trotz des
Mangels des einen oder des anderen complementären Gutes
doch die übrigen auch für sich geeignet wären, ein menschliches
Bedürfniss in mittelbarer oder unmittelbarer Weise zu befriedigen.
Würden aber die vorhandenen Güter zweiter Ordnung wegen des
Mangels an einem oder mehreren complementären Gütern weder
für sich allein, noch aber in Verbindung mit anderen verfüg-
baren Gütern zur Befriedigung irgend eines menschlichen Be-
dürfnisses herangezogen werden können, so würden jene Güter
allerdings durch den Mangel der complementären Güter allein
schon ihre Güterqualität vollständig einbüssen, denn die wirth-
schaftenden Menschen besässen dann nicht weiter die Gewalt,
sie zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse heranzuziehen und es ent-
fiele somit eine der wesentlichen Voraussetzungen der Güter-
qualität.


Als Resultat unserer bisherigen Untersuchung ergiebt sich
demnach vorerst der Satz, dass die Güter zweiter Ordnung
in ihrer Güterqualität dadurch bedingt sind, dass zugleich die
complementaren Güter derselben Ordnung zum mindesten mit
Rücksicht auf die Hervorbringung irgend eines Gutes erster
Ordnung der menschlichen Verfügung unterworfen sind.


[13]Die Gesetze, unter welchen die Güter stehen.

Mehr Schwierigkeit bietet die Beurtheilung der Frage, in
wiefern auch die Güter höherer als der zweiten Ordnung in
ihrer Güterqualität dadurch bedingt seien, dass die complemen-
tären Güter der Verfügung der Menschen unterworfen sind.
Diese Schwierigkeit liegt nun aber durchaus nicht in dem Ver-
hältniss der Güter höherer zu den entsprechenden Gütern der
nächst niederen Ordnung, also z. B. der Güter dritter Ordnung
zu den entsprechenden Gütern der zweiten, der Güter der
fünften Ordnung zu jenen der vierten, denn die blosse Be-
trachtung des Causal-Verhältnisses zwischen diesen Gütern er-
gibt eine vollständige Analogie desselben mit dem so eben dar-
gelegten Verhältnisse der Güter zweiter Ordnung zu den ent-
sprechenden Gütern der nächst niederen, das ist der ersten
Ordnung, so zwar, dass sich der obige Grundsatz in ganz na-
türlicher Weise zu dem Satz erweitert, dass die Güter höherer
Ordnung in ihrer Güterqualität zunächst dadurch bedingt sind,
dass der Verfügung der Menschen auch die complementären
Güter derselben Ordnung zum mindesten mit Rücksicht auf die
Hervorbringung irgend eines Gutes der nächst niederen Ordnung
unterstehen.


Die Schwierigkeit, von der wir bei den Gütern höherer, als
zweiter Ordnung sprachen, liegt vielmehr darin, dass selbst die
Verfügung über sämmtliche zur Hervorbringung eines Gutes der
nächst niederen Ordnung erforderliche Güter diesen nicht noth-
wendigerweise die Güterqualität sichert, wofern nicht die
Menschen zugleich auch noch über die sämmtlichen complemen-
tären Güter dieser letzten Ordnung und aller niederen Ord-
nungen zu verfügen vermögen. Setzen wir den Fall, dass Jemand
über sämmtliche Güter dritter Ordnung verfügen könnte, die
erforderlich sind, um ein Gut zweiter Ordnung herzustellen,
nicht aber zugleich über die übrigen complementären Güter
zweiter Ordnung, so würde ihm selbst die Verfügung über
sämmtliche, zur Hervorbringung eines einzelnen Gutes zweiter
Ordnung erforderlichen Güter dritter Ordnung nicht die Macht
gewähren, dieselben thatsächlich der Befriedigung menschlicher Be-
dürfnisse zuzuführen, denn er hätte wohl die Macht, die Güter
dritter Ordnung (deren Güterqualität hier in Frage ist) zu
Gütern zweiter Ordnung, nicht aber auch die Macht, jene Güter
[14]Die Gesetze, unter welchen die Güter stehen.
zweiter Ordnung in die entsprechenden Güter erster Ordnung
umzugestalten. Er hätte demnach auch nicht die Macht, die in
Rede stehenden Güter dritter Ordnung der Befriedigung seiner
Bedürfnisse zuzuführen und es würden beim Eintritte eines
solchen Verhältnisses jene Güter sofort ihre Güterqualität ein-
büssen.


Es leuchtet somit ein, dass der oben ausgesprochene Grund-
satz: „Die Güter höherer Ordnung sind in ihrer Güterqualität
zunächst dadurch bedingt, dass der Verfügung der Menschen
auch die complementären Güter derselben Ordnung zum min-
desten zum Zwecke der Hervorbringung irgend eines Gutes der
nächst niederen Ordnung unterstehen,“ nicht die ganze Summe
der Voraussetzungen umfasst, welche in Bezug auf die Güter-
qualität der Dinge daraus entspringen, dass nur die Verfügung
über die complementären Güter höherer Ordnung uns die Macht
gewährt, dieselben zur Befriedigung unserer Bedürfnisse heran-
zuziehen. Wenn wir über Güter dritter Ordnung verfügen, so
ist ihre Güterqualität allerdings zunächst dadurch bedingt, dass
wir dieselben zu Gütern zweiter Ordnung gestalten können, eine
weitere Bedingung ihrer Güterqualität liegt aber dann noch
darin, dass wir es in unserer Macht haben, die Güter zweiter
Ordnung zu Gütern erster Ordnung zu gestalten, was die Verfü-
gung über gewisse complementäre Güter zweiter Ordnung zur
weiteren Voraussetzung hat.


In ganz analoger Weise stellt sich das Verhältniss bei den
Gütern vierter, fünfter und höherer Ordnung dar. Auch hier ist
die Güterqualität der in so entfernter Beziehung zur Befriedigung
menschlicher Bedürfnisse stehenden Dinge zunächst dadurch be-
dingt, dass wir über die complementären Güter derselben Ord-
nung verfügen; die Güterqualität derselben ist aber dann auch
noch dadurch bedingt, dass wir auch über die complemen-
tären Güter der nächst niederen Ordnung, ferner über die
complementären Güter der hierauf folgenden Ordnung ver-
fügen u. s. w., so zwar, dass wir es thatsächlich in unserer
Macht haben, jene Güter höherer Ordnung zur Hervorbringung
eines Gutes erster Ordnung und in letzter Reihe zur Befriedigung
eines menschlichen Bedürfnisses heranzuziehen. Nennt man die
Gesammtheit der Güter, welche erforderlich sind, um ein Gut
[15]Die Gesetze, unter welchen die Güter stehen.
höherer Ordnung zur Hervorbringung eines Gutes erster Ord-
nung heranzuziehen, dessen complementare Güter im weiteren
Sinne des Wortes, so ergibt sich demnach der allgemeine Grund-
satz, dass die Güterqualität der Güter höherer Ord-
nung dadurch bedingt ist, dass wir über deren
complementäre Güter im obigen Sinne des Wortes
zu verfügen vermögen
.


Nichts vermag uns den grossen ursächlichen Zusammenhang
der Güter lebendiger vor die Augen zu stellen, als dieses Ge-
setz der gegenseitigen Bedingtheit der Güter.


Als im Jahre 1862 der nordamerikanische Bürgerkrieg
Europa die wichtigste Bezugsquelle von Baumwolle verschloss,
ging auch die Güterqualität tausend anderer Güter, deren comple-
mentäres Gut jene Baumwolle war, verloren. Ich meine die
Arbeitsleistungen der englischen und continentalen in der Baum-
wollfabrication thätig gewesenen Arbeiter, die nunmehr zum
grossen Theile feiern und die öffentliche Mildthätigkeit in An-
spruch nehmen mussten. Die Arbeitsleistungen, (über welche
diese tüchtigen Arbeiter verfügen konnten,) waren die gleichen ge-
blieben und doch verloren dieselben in grossen Quantitäten ihre
Güterqualität, denn das complementäre Gut, die Baumwolle,
blieb aus, und die specifischen Arbeitsleistungen konnten für sich
im Grossen und Ganzen zur Befriedigung keines menschlichen
Bedürfnisses herangezogen werden. Es wurden diese Arbeits-
leistungen aber sofort wieder Güter, als das complementäre Gut
derselben, das ist die nöthige Baumwolle, zum Theile durch
gesteigerte Zufuhr aus andern Bezugsorten, zum Theile nach
Beendigung des amerikanischen Bürgerkrieges auch aus der alten
Bezugsquelle wieder disponibel wurde.


Umgekehrt verlieren nicht selten Güter ihre Güterqualität
dadurch, dass die nöthigen Arbeitsleistungen, die zu ihnen in dem
Verhältniss von complementären Gütern stehen, der Verfü-
gung der Menschen nicht unterworfen sind. In Ländern mit
dünner Bevölkerung und zumal in solchen, in welchen vorwiegend
eine einzelne Gattung von Culturpflanzen, z. B. Weizen, gebaut
wird, pflegt nach besonders reichen Ernten ein sehr grosser
Mangel an Arbeitsleistungen zu entstehen, indem die ländlichen
Arbeiter, an und für sich in geringer Anzahl vorhanden, in
[16]Die Gesetze, unter welchen die Güter stehen.
Zeiten des Ueberflusses zumeist noch zur Arbeit eine geringe
Nöthigung finden und die Erntearbeiten wegen des einseitigen
Weizenbaues auf einen sehr kurzen Zeitraum zusammengedrängt
sind. Unter solchen Verhältnissen (z. B. in den fruchtbaren
Ebenen Ungarns), wo der Bedarf an Arbeitsleistungen innerhalb
eines kurzen Zeitraumes ein sehr grosser ist, die verfügbaren Ar-
beitsleistungen aber nicht ausreichen, pflegen grosse Quantitäten
Getreide auf den Feldern zu verderben; der Grund hievon liegt
aber darin, dass die complementären Güter der auf den Feldern
stehenden Früchte, (die zu ihrer Einbringung nöthigen Arbeits-
leistungen,) mangeln, und so jene Feldfrüchte selbst ihre Güter-
qualität einbüssen.


Wenn die wirthschaftlichen Verhältnisse eines Volkes hoch
entwickelt sind, so sind der Regel nach die verschiedenen com-
plementären Güter höherer Ordnung in den Händen verschie-
dener Personen. Die Producenten jedes einzelnen Artikels füh-
ren der Regel nach in mechanischer Weise ihr Geschäft fort,
während die Producenten der complementären Güter ebensowenig
sich es in den Sinn kommen lassen, dass die Güterqualität der Dinge,
die sie produciren oder verarbeiten, durch das Vorhandensein
anderer Güter bedingt sei, die sich gar nicht in ihrem Besitze
befinden, und es kann der Irrthum, dass die Güter höherer Ord-
nung auch für sich und ohne alle Rücksicht auf das Vorhanden-
sein complementärer Güter die Güterqualität besitzen, in der
That am leichtesten in Ländern entstehen, wo durch einen regen
Verkehr und eine hochentwickelte Volkswirthschaft fast jedes
Product unter der stillschweigenden, ja der Regel nach dem
Producenten gar nicht bewussten Voraussetzung entsteht, dass
andere mit ihm durch Verkehr verbundene Personen für die
complementären Güter rechtzeitig vorsorgen werden. Erst
wenn diese stillschweigende Voraussetzung bei einem Wechsel
der Verhältnisse nicht zutrifft, und die Gesetze, unter welchen
die Güter stehen, ihre Einwirkung bis auf die Oberfläche der
Erscheinungen erstrecken, pflegt dann der gewohnte mechanische
Geschäftsbetrieb unterbrochen zu werden, und die öffentliche
Aufmerksamkeit sich solchen Erscheinungen und ihren tiefer
liegenden Ursachen zuzuwenden.


[17]Die Gesetze, unter welchen die Güter stehen.

b. (Die Güter höherer Ordnung sind in ihrer Güterqualität durch jene der
entsprechenden Güter niederer Ordnung bedingt.)


Die Beobachtung des Wesens und des Causal-Zusammen-
hanges der Güter, wie wir dieselben in den beiden ersten Ab-
schnitten dargelegt haben, führt uns zur Erkenntniss eines wei-
teren Gesetzes, unter welchem die Güter als solche, das ist
ohne Rücksicht auf ihren ökonomischen Charakter, stehen.


Wir haben gezeigt, dass das Vorhandensein von mensch-
lichen Bedürfnissen eine der wesentlichen Voraussetzungen der
Güterqualität ist, und dass im Falle die menschlichen Bedürf-
nisse, mit deren Befriedigung ein Gut in ursächlichen Zusammen-
hang gesetzt werden kann, vollständig entfallen, ohne dass neue
Bedürfnisse nach demselben entstehen, seine Güterqualität sofort
verloren geht.


Dass demnach die Güter erster Ordnung, wofern die Be-
dürfnisse, zu deren Befriedigung sie bisher dienten, insgesammt
entfallen, ohne dass neue Bedürfnisse nach denselben entstehen,
sofort ihre Güterqualität einbüssen, ist nach dem, was wir über
das Wesen der Güter gesagt haben, unmittelbar einleuchtend.
Verwickelter wird diese Frage, wenn wir die Gesammtheit der
im Causalnexus mit der Befriedigung eines menschlichen Be-
dürfnisses stehenden Güter ins Auge fassen, und nunmehr dar-
nach fragen, welche Wirkung das Entfallen dieses Bedürfnisses
auf die Güterqualität der zur Befriedigung desselben in ursäch-
licher Beziehung stehenden Güter höherer Ordnung äussert.


Setzen wir den Fall, dass durch eine Aenderung in der
Geschmacksrichtung der Menschen das Bedürfniss nach dem
Genusse von Tabak vollständig beseitigt würde und zugleich alle
übrigen Bedürfnisse, zu deren Befriedigung der zum Genusse der
Menschen bereits zubereitete Tabak etwa noch dienlich ist,
gleichfalls entfallen würden. Dass in einem solchen Falle aller
Tabak, welcher sich in der Form, in der diese Pflanze von den
Menschen genossen wird, in dem Besitze derselben befände,
sofort seine Güterqualität einbüssen würde, ist sicher. Wie ver-
hielte es sich nun aber in diesem Falle mit den entsprechenden
Gütern höherer Ordnung? Wie mit den rohen Tabakblättern,
den bei der Erzeugung der verschiedenen Tabaksorten verwen-
Menger, Volkswirthschaftslehre. 2
[18]Die Gesetze, unter welchen die Güter stehen.
deten Werkzeugen und Vorrichtungen, den hier zur Verwendung
kommenden qualificirten Arbeitsleistungen, kurz mit sämmtlichen
zur Hervorbringung des zum menschlichen Genusse dienenden
Tabaks vorhandenen Gütern zweiter Ordnung? Wie ferner mit
dem Tabaksamen, den Tabakplantagen, den bei der Erzeugung
von rohem Tabak zur Verwendung kommenden Arbeitsleistungen
und den hier zur Anwendung kommenden Werkzeugen und Vor-
richtungen, und all’ den übrigen Gütern, die wir mit Rücksicht
auf das Bedürfniss des Menschen nach dem Tabakgenusse als Gü-
ter der dritten Ordnung bezeichnen können? Wie würde es sich
endlich mit den entsprechenden Gütern der vierten und fünften
Ordnung u. s. w. verhalten?


Die Güterqualität eines Dinges ist, wie wir sahen, dadurch
bedingt, dass es in ursächlichen Zusammenhang mit der Befrie-
digung menschlicher Bedürfnisse gesetzt werden kann. Wir haben
aber auch gesehen, dass der unmittelbare Causalnexus zwischen
Gut und Bedürfnissbefriedigung keineswegs eine nothwendige
Voraussetzung der Güterqualität eines Dinges ist, dass vielmehr
eine grosse Anzahl von Dingen die Güterqualität lediglich dar-
aus herleitet, dass sie sich in einem mehr oder minder ver-
mittelten
Causal-Zusammenhange mit der Befriedigung mensch-
licher Bedürfnisse befinden.


Steht es nun fest, dass das Vorhandensein zu befriedigen-
der menschlicher Bedürfnisse die Voraussetzung aller und jeder
Güterqualität ist, so ist damit zugleich der Grundsatz dargethan,
dass die Güter, ob sie nun unmittelbar in ursächlichen Zusam-
menhang mit der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse gesetzt
werden können, oder ihre Güterqualität aus einem mehr oder
minder vermittelten Causalnexus mit der Befriedigung mensch-
licher Bedürfnisse herleiten, doch ihre Güterqualität sofort ein-
büssen, wenn die Bedürfnisse, zu deren Befriedigung sie bisher
dienten, insgesammt verschwinden. Es ist nämlich klar, dass mit
den entsprechenden Bedürfnissen die ganze Grundlage jenes Ver-
hältnisses entfällt, das, wie wir sahen, die Güterqualität der
Dinge begründet.


Die Chinarinde würde dadurch, dass die Krankheiten, zu deren
Heilung sie dient, vollständig verschwinden würden, aufhören, ein
Gut zu sein, da das einzige Bedürfniss zu dessen Befriedigung die-
[19]Die Gesetze, unter welchen die Güter stehen.
selbe in ursächlicher Beziehung steht, dann nicht weiter vor-
handen wäre. Aber dies Entfallen des Gebrauchszweckes der China-
rinde hätte zur weiteren Folge, dass auch ein grosser Theil der ent-
sprechenden Güter höherer Ordnung seine Güterqualität ein-
büssen würde. Die Bewohner der Chininländer, welche sich durch
das Aufsuchen und Schälen der Chinabäume gegenwärtig ihren
Lebensunterhalt erwerben, würden plötzlich finden, dass nicht
nur ihre Vorräthe von Chinarinde, sondern in naturgemässer
Folge hievon auch ihre Chinabäume, die Werkzeuge und Vor-
richtungen, welche nur bei der Chinin-Production verwendbar
sind, und zumal jene specifischen Arbeitsleistungen, mit welchen
sie sich bisher ihren Lebensunterhalt erwarben, plötzlich ihre
Güterqualität einbüssen würden, denn dieselben würden unter
den geänderten Verhältnissen nicht weiter in irgend einer ursäch-
lichen Beziehung zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse
stehen. Wenn durch eine Geschmacksänderung das Bedürfniss
nach dem Genusse von Tabak vollständig entfallen würde, so
hätte dies nicht nur zur Folge, dass die gesammten Tabak-
vorräthe, die sich in der Form, in welcher die Menschen diese
Pflanze zu geniessen pflegen, in ihrer Verfügung befänden, die
Güterqualität einbüssen würden; es hätte dies vielmehr die
weitere Folge, dass auch die rohen Tabakblätter, die aus-
schliesslich zur Verarbeitung derselben tauglichen Maschinen,
Werkzeuge und Vorrichtungen, die bei jener Fabrication zur
Verwendung kommenden specifischen Arbeitsleistungen, die vor-
handenen Vorräthe von Tabaksamen u. s. w. ihre Güterqualität
verlören. Die gegenwärtig so gut bezahlten Leistungen jener
Agenten, welche in Cuba, Manila, Portorico, Havannah u. s. w,
in der Prüfung der Qualität des Tabaks und im Einkaufe des-
selben eine besondere Geschicklichkeit besitzen, würden auf-
hören, Güter zu sein, nicht minder aber die specifischen Arbeits-
leistungen der zahlreichen, in jenen fernen Ländern und in
Europa in der Cigarren-Fabrication beschäftigten Personen. Selbst
zahlreiche, gegenwärtig für Practiker höchst nützliche Bücher
über den Tabakbau und die Tabakindustrie würden dann auf-
hören, Güter zu sein und ihren Verlegern unverkäuflich am Lager
bleiben. Nicht genug daran, würden selbst die Tabaksdosen
2 *
[20]Die Gesetze, unter welchen die Güter stehen.
Cigarrenetuis und alle Arten von Tabakspfeifen, Pfeifenröhren u. s. w.
ihre Güterqualität einbüssen.


Diese scheinbar sehr complicirte Erscheinung fände aber
darin ihre Erklärung, dass alle obengenannten Güter ihre Güter-
qualität aus ihrem ursächlichen Zusammenhange mit der Be-
friedigung des Bedürfnisses der Menschen nach dem Genusse von
Tabak herleiten, und mit dem Entfallen dieses Bedürfnisses eine
der Grundlagen beseitigt würde, welche die Güterqualität der-
selben begründet.


Die Güter erster Ordnung leiten übrigens nicht selten, die
der höheren Ordnung sogar der Regel nach, ihre Güterqualität
nicht lediglich aus einer vereinzelten, sondern aus mehr ode[r]
minder zahlreichen Causal-Beziehungen zur Befriedigung mensch-
licher Bedürfnisse her, und ihre Güterqualität geht demnach in
diesem letzteren Falle nicht schon dadurch verloren, dass
ein einzelnes, oder überhaupt nur ein Theil dieser Bedürfnisse
entfällt. Es ist vielmehr klar, dass dieser Erfolg erst dann ein-
tritt, wenn die sämmtlichen Bedürfnisse, zu deren Befrie-
digung die Güter in ursächlicher Beziehung standen, beseitigt
erscheinen, indem diese Güter im entgegengesetzten Falle ihre
Güterqualität mit Rücksicht auf die auch dann noch vorhandenen
Bedürfnisse, zu deren Befriedigung sie auch unter den geänderten
Verhältnissen in ursächlicher Beziehung stehen, und zwar in
ganz gesetzmässiger Weise
aufrecht erhalten. Auch in
diesem Falle bleibt nämlich ihre Güterqualität nur in sofern
erhalten, als sie auch dann noch in ursächlicher Beziehung zur
Befriedigung menschlicher Bedürfnisse stehen, und dieselbe ver-
schwindet sofort, wenn auch diese letzteren Bedürfnisse entfallen.


Würde der oben angeführte Fall eintreten, und das Be-
dürfniss der Menschen nach dem Genusse von Tabak vollständig
entfallen, so würden z. B. der zum Gebrauche der Menschen bereits
zubereitete Tabak, und wohl auch die Vorräthe an rohen Tabak-
blättern, an Tabaksamen und so viele andere mit der Be-
friedigung des obigen Bedürfnisses der Menschen in ursächlicher
Beziehung stehende Güter höherer Ordnung, ihre Güterqualität
vollständig einbüssen, dieser Erfolg würde aber nicht noth-
wendigerweise bei allen hier einschlägigen Gütern höherer
Ordnung eintreten, indem zum Beispiel die zur Tabakcultur
[21]Die Gesetze, unter welchen die Güter stehen.
geeigneten Grundstücke und die hiebei in Anwendung kommenden
landwirthschaftlichen Geräthe, wohl auch viele in der Tabak-
industrie zur Verwendung kommende Werkzeuge und Maschinen,
mit Rücksicht auf andere menschliche Bedürfnisse, zu deren
Befriedigung sie auch nach dem Entfallen des Bedürfnisses nach
dem Tabaksgenusse in ursächlicher Beziehung stünden, in ihrer
Güterqualität erhalten bleiben würden.


Nicht als eine das Wesen des obigen Grundsatzes berührende
Modification, sondern lediglich als eine concretere Form dessel-
ben, ist das Gesetz zu betrachten, dass die Güter höherer Ord-
nung in Rücksicht auf ihre Güterqualität durch jene der Güter
niederer Ordnung bedingt sind, zu deren Hervorbringung sie
dienen.


Haben wir nämlich bisher die sämmtlichen, mit der Befrie-
digung eines menschlichen Bedürfnisses im Causal-Zusammen-
hange stehenden Güter im Grossen und Ganzen in Betracht
gezogen, und war demnach die ganze Causalkette bis auf die
letzte Einwirkung, die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse, der
Gegenstand unserer Untersuchung, so fassen wir, indem wir
den obigen Grundsatz aufstellen, nunmehr nur einige Glieder
derselben ins Auge, indem wir zum Beispiel von dem Causalnexus
der Güter dritter Ordnung mit der Befriedigung menschlicher
Bedürfnisse zunächst absehen, und nur den Causal-Zusammenhang
der Güter dieser Ordnung mit den entsprechenden Gütern irgend
einer willkürlich zu wählenden höheren Ordnung im Auge behalten.


§. 4.
Zeit — Irrthum.


Der Process, durch welchen die Güter höherer Ordnung
stufenweise in solche niederer Ordnung umgestaltet und diese
schliesslich der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse zugeführt
werden, ist, wie wir in den vorangehenden Abschnitten gesehen
haben, kein regelloser, sondern steht gleich allen übrigen Wand-
lungsprocessen unter den Gesetzen der Causalität. Die Idee der
Causalität ist nun aber unzertrennlich von der Idee der Zeit.
Ein jeder Wandlungsprocess bedeutet ein Entstehen, ein Werden,
ein solches ist jedoch nur denkbar in der Zeit. Es ist aber
darum auch sicher, dass wir den Causalnexus der einzelnen Er-
[22]Zeit — Irrthum.
scheinungen in diesem Processe und diesen selbst nie voll-
ständig zu erfassen vermögen, wofern wir denselben nicht in der
Zeit betrachten und das Mass derselben an ihn legen. Auch bei
dem Wandlungsprocesse, durch welchen die Güter höherer
Ordnung stufenweise in solche niederer Ordnung verwandelt
werden, bis diese schliesslich jenen Zustand bewirken, den wir
die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse nennen, ist deshalb
die Zeit ein wesentliches Moment unserer Beobachtung.


Wenn wir über die complementären Güter irgend einer
höheren Ordnung verfügen, so müssen diese Güter vorerst in
solche der nächst niederen und so stufenweise fort verwandelt
werden, bis dieselben zu Gütern erster Ordnung gestaltet sind,
welche letzteren wir erst der Befriedigung unserer Bedürfnisse
in unmittelbarer Weise zuführen können. Die Zeiträume, welche
zwischen den einzelnen Phasen dieses Processes liegen, mögen
in manchen Fällen noch so kurz erscheinen und die Fortschritte
in der Technik und im Verkehrswesen immerhin die Tendenz
haben, dieselben mehr und mehr abzukürzen — ein vollstän-
diges Verschwinden derselben ist indess undenkbar. Es ist unmög-
lich, Güter irgend einer höheren Ordnung durch einen blossen
Wink in die entsprechenden Güter niederer Ordnung zu ver-
wandeln; vielmehr ist nichts sicherer, als dass derjenige, der
über Güter höherer Ordnung verfügt, erst nach einem gewissen,
je nach der Natur des Falles bald kürzerem, bald längerem
Zeitraume über die entsprechenden Güter der nächst niederen
Ordnung zu verfügen in der Lage sein wird. Was nun aber
hier von dem einzelnen Gliede der Causalkette gesagt wird, gilt
im erhöhten Masse von dem ganzen Processe.


Der Zeitraum, welchen dieser Process in den einzelnen
Fällen ausfüllt, ist je nach der Natur dieser letzteren sehr ver-
schieden. Wer über die sämmtlichen zur Hervorbringung eines
Eichenwaldes nöthigen Grundstücke, Arbeitsleistungen, Werk-
zeuge und Samenfrüchte verfügt, wird an hundert Jahre warten
müssen, ehe er über einen schlagbaren Hochwald selbst zu ver-
fügen in der Lage sein wird, und in den meisten Fällen wird
dies wohl erst bei den Erben oder sonstigen Rechtsnachfolgern
desselben der Fall sein, dagegen mag derjenige, der über die
Ingredienzien von Speisen oder Getränken und die zu ihrer Er-
[23]Zeit — Irrthum.
zeugung nöthigen Werkzeuge, Arbeitsleistungen u. dgl. m. ver-
fügt, in einzelnen Fällen in wenigen Augenblicken schon über
die Speisen und Getränke selbst zu verfügen in der Lage sein; —
wie gross dieser Unterschied aber auch immer sein mag, eines
ist sicher, dass der Zeitraum, welcher zwischen der Verfügung
über Güter höherer Ordnung und jener über die entsprechenden
Güter niederer Ordnung liegt, niemals völlig beseitigt erscheint.
Die Güter höherer Ordnung erlangen und behaupten demnach
ihre Güterqualität nicht mit Rücksicht auf Bedürfnisse der un-
mittelbaren Gegenwart, sondern lediglich im Hinblicke auf Be-
dürfnisse, welche sich menschlicher Voraussicht zufolge erst in
solchen Zeitpunkten geltend machen werden, in welchen der
Productionsprocess, von dem wir oben sprachen, bereits vollendet
sein wird.


Ist es nach dem Gesagten sicher, dass wofern wir einen
bestimmten Gebrauchszweck im Auge haben, sich die Verfügung
über Güter höherer Ordnung von jener über die entsprechenden
Güter niederer Ordnung zunächst dadurch unterscheidet, dass
wir von den letzteren sofort den bezüglichen Gebrauch machen
können, während die ersteren eine frühere Stufe im Processe
der Güterbildung repräsentiren, und uns demnach erst nach dem
Verlaufe eines gewissen, je nach der Natur des Falles, bald
längeren, bald kürzeren Zeitraums diesen unmittelbaren Ge-
brauch gestatten, so fordert noch ein anderer höchst wichtiger
Unterschied zwischen der unmittelbaren Verfügung über ein
Gut und der mittelbaren Verfügung über dasselbe, (durch den
Besitz von entsprechenden Gütern höherer Ordnung,) uns zu
Betrachtungen heraus.


Wer über gewisse Güter unmittelbar verfügt, ist der Quan-
tität und Qualität derselben sicher. Wer indess über jene Güter
nur mittelbar, das ist durch den Besitz der entsprechenden
Güter höherer Ordnung verfügt, kann nicht mit gleicher Sicherheit
die Quantität und Qualität der Güter niederer Ordnung bestimmen,
über welche er am Schlusse des Processes der Gütererzeugung
zu verfügen in der Lage sein wird.


Wer hundert Metzen Korn besitzt, verfügt über diese Güter
mit Rücksicht auf Quantität und Qualität mit jener Sicherheit,
die der unmittelbare Besitz von Gütern überhaupt zu bieten
[24]Zeit — Irrthum.
vermag. Wer dagegen über eine solche Quantität von Grund-
stücken, Samen, Dünger, Arbeitsleistungen, landwirthschaftlichen
Geräthen u. s. w. verfügt, als der Regel nach zur Herstellung
von hundert Metzen Getreide erforderlich sind, steht der Even-
tualität gegenüber, mehr, aber auch weniger als die obige Quan-
tität von Getreide zu ernten, und es ist für denselben selbst die
Eventualität einer völligen Missernte nicht ausgeschlossen; er
wird überdies auch in Rücksicht auf die Qualität des Productes
einer gewissen Unsicherheit preisgegeben sein.


Diese Unsicherheit in Rücksicht auf Quantität und Qua-
lität des Productes, über welches man durch die entsprechenden
Güter höherer Ordnung verfügt, ist bei einigen Productions-
zweigen grösser, bei anderen geringer. Wer über die zur Er-
zeugung von Schuhen nöthigen Materialien, Werkzeuge und
Arbeitsleistungen verfügt, der wird aus der Quantität und Qua-
lität dieser seiner Verfügung unterstehenden Güter höherer
Ordnung mit einer ziemlich grossen Bestimmtheit auf die Quan-
tität und Qualität der Schuhe einen Rückschluss ziehen können,
über welche er am Ende des Productions-Processes zu verfügen
in der Lage sein wird. Wer dagegen über die Benützung eines
für die Cultur von Raps geeigneten Feldes und der entspre-
chenden landwirthschaftlichen Werkzeuge, ferner über die erfor-
derlichen Arbeitsleistungen, Samenfrüchte, Dungstoffe u. s. w.
verfügt, wird über die Quantität der Oelfrüchte, die er am Ende
des Productions-Processes ernten wird, und eben sowohl über
deren Qualität sich ein vollständig sicheres Urtheil nicht bilden
können. Und doch wird er in den beiden obigen Rücksichten
immer noch einer geringeren Unsicherheit preisgegeben sein, als
ein Hopfengärtner, ein Jäger oder gar ein Perlfischer. So gross
aber dieser Unterschied bei den verschiedenen Productions-
zweigen auch immer sein mag, und obzwar die fortschreitende
Cultur die Tendenz hat, die hier in Rede stehende Unsicherheit un-
ablässig zu vermindern, so viel ist sicher, dass ein gewisser, je
nach der Natur des Falles allerdings bald höherer, bald gerin-
gerer Grad von Unsicherheit über die Quantität und Qualität
des schliesslich zu erzielenden Productes allen Productionszweigen
gemein ist.


Die letzte Ursache dieser Erscheinung liegt in der eigen-
[25]Zeit — Irrthum.
thümlichen Stellung des Menschen zu jenem Causal-Processe,
den wir die Gütererzeugung nennen. Die Güter höherer Ordnung
werden nach den Gesetzen der Causalität zu solchen der nächst
niederen, diese so fort, bis sie zu Gütern erster Ordnung werden,
und schliesslich jenen Zustand bewirken, den wir die Befrie-
digung menschlicher Bedürfnisse nennen. Die Güter höherer
Ordnung sind die wichtigsten Elemente dieses Causal-Processes —
aber durchaus nicht die Gesammtheit derselben. Ausser diesen
der Güterwelt angehörigen Elementen wirken auf die Qualität
und Quantität des Productes jener Causal-Processe, welche wir
die Güter-Production nennen, auch Elemente ein, deren ursäch-
lichen Zusammenhang mit unserer Wohlfahrt wir entweder noch
nicht erkannt haben, oder aber solche Elemente, deren Einfluss
auf das Product wir wohl kennen, die aber aus irgend welchen
Gründen unserer Verfügung entrückt sind.


So kannten die Menschen bis vor Kurzem nicht den Einfluss
der verschiedenen Erdarten, Bodensalze und Düngungsstoffe auf
das Wachsthum verschiedener Pflanzen, so zwar, dass die
ersteren eine bald mehr, bald minder günstige oder ungünstige
Einwirkung auf das Endresultat des Productions-Processes in
quantitativer und qualitativer Beziehung äusserten. Durch die
Forschungen auf dem Gebiete der Agricultur-Chemie ist nun
aber gegenwärtig ein gewisser Theil jener Unsicherheit bereits
beseitigt und es nunmehr in die Hand der Menschen gegeben,
so weit die Forschungen reichen, die günstigen Einflüsse mit
Rücksicht auf jeden besonderen Fall herbeizuführen, die schäd-
lichen aber zu beseitigen.


Ein Beispiel für den zweiten Fall bietet uns der Witterungs-
wechsel. Die Landwirthe sind zwar in den meisten Fällen wohl
darüber im Klaren, welche Witterung für das Wachsthum der
Pflanzen die günstigste wäre, da sie es aber nicht in ihrer Macht
haben, die günstige Witterung herbeizuführen, oder aber die den
Saaten verderbliche zu verhindern, so sind sie in Rücksicht auf
die Qualität und Quantität des Ernteergebnisses in nicht geringem
Masse von Einflüssen abhängig, welche, obzwar sie sich gleich
allen übrigen auf der unabweisbaren Grundlage der Causal-
Gesetze geltend machen, doch um dessentwillen, weil sie ausser-
[26]Ueber die Ursachen der fortschreitenden Wohlfahrt.
halb der Machtsphäre der wirthschaftenden Menschen liegen,
diesen Letzteren als Zufälle erscheinen.


Der grosse oder geringere Grad von Sicherheit in der
Voraussicht der Qualität und Quantität des Productes, über wel-
ches die Menschen durch den Besitz der zu seiner Hervor-
bringung erforderlichen Güter höherer Ordnung verfügen, hängt
von der mehr oder minder vollständigen Erkenntniss der im ur-
sächlichen Zusammenhange mit der Production jener Güter ste-
henden Elemente des Causal-Processes und der mehr oder minder
vollständigen Unterwerfung derselben unter die Verfügung der
Menschen ab. Der Grad der Unsicherheit in den beiden obigen
Rücksichten ist durch das Gegentheil bedingt. Je mehr Ele-
mente bei dem Causal-Processe der Güterentstehung mitwirken,
die wir nicht kennen, oder über die wir, wofern wir sie kennen,
nicht zu verfügen vermögen, das ist, eine je grössere Anzahl die-
ser Elemente keine Güterqualität besitzt, um so grösser ist auch
die menschliche Unsicherheit über die Qualität und Quantität
des Productes des ganzen Causal-Processes, nämlich der ent-
sprechenden Güter niederer Ordnung.


Diese Unsicherheit ist nun eines der wesentlichsten Momente
der ökonomischen Unsicherheit der Menschen und wie wir in
der Folge sehen werden, von der grössten practischen Bedeutung
für die menschliche Wirthschaft.


§. 5.
Ueber die Ursachen der fortschreitenden Wohlfahrt der Menschen.


„Die grösste Zunahme in der hervorbringenden Kraft der
Arbeit,“ sagt Adam Smith, „und die Vermehrung der Geschick-
lichkeit, Fertigkeit und Einsicht, womit die Arbeit überall ge-
leitet oder verrichtet wird, scheint eine Wirkung der Arbeits-
theilung gewesen zu sein“ *) und „die grosse, durch die Arbeits-
theilung herbeigeführte Vermehrung der Producte in den ver-
schiedenen Gewerben bewirkt in einer gut regierten Gesellschaft
jene allgemeine Wohlhabenheit, welche sich bis in die untersten
Volksschichten erstreckt“ **).


[27]Ueber die Ursachen der fortschreitenden Wohlfahrt.

Adam Smith hat solcherart die fortschreitende Arbeits-
theilung zum Angelpuncte des wirthschaftlichen Fortschrittes der
Menschen gemacht, und zwar im Einklange mit der überwiegenden
Bedeutung, welche er dem Arbeitselemente in der menschlichen
Wirthschaft einräumt. Ich glaube indess, dass der ausgezeichnete
Forscher, von dem hier die Rede ist, in seinem Capitel über die
Arbeitstheilung nur eine einzelne Ursache des fortschreitenden
Wohlstandes der Menschen an’s Licht gezogen hat, andere nicht
minder wirksame jedoch seiner Beobachtung entgangen sind.


Man denke sich die, der Hauptsache nach, occupatorische
Arbeit eines australischen Volksstammes noch so zweckmässig
unter die einzelnen Mitglieder desselben vertheilt, eine Anzahl
davon als Jäger, andere als Fischer, noch andere ausschliesslich
mit der Occupation wild wachsender Pflanzenkost, die Weiber
zum Theile ausschliesslich mit der Zubereitung der Speisen, zum
anderen Theile mit der Anfertigung von Kleidungsstücken be-
schäftigt, ja man führe die Arbeitstheilung bei diesem Volke in
Gedanken noch weiter, so zwar, dass jede Verrichtung besonderer
Art auch durch besondere Functionäre ausgeführt würde, und frage
sich nun, ob eine, wenn auch noch so weit getriebene Theilung
der Arbeit jene vermehrende Wirkung auf die den Mitgliedern
des Volkes verfügbaren Genussmittel haben würde, welche Adam
Smith als eine Folge der fortschreitenden Arbeitstheilung be-
zeichnet. Offenbar wird jenes Volk, und so jedes andere, auf
dem obigen Wege die bisherige Arbeitswirkung mit geringerer
Anstrengung und mit der bisherigen Anstrengung eine grössere
Arbeitswirkung erzielen, also seine Lage, so weit dies auf
dem Wege einer zweckmässigeren und wirksameren Verrichtung
der occupatorischen Arbeiten überhaupt möglich ist, ver-
bessern; diese Verbesserung wird indess doch gar sehr ver-
schieden sein von jener, welche wir bei wirthschaftlich fort-
schreitenden Völkern thatsächlich beobachten können. Greift
dagegen ein Volk, anstatt sich lediglich auf die occupatorische
Thätigkeit, das ist auf das Aufsammeln der vorhandenen Güter
niederer Ordnung, (in den rohesten Zuständen der Menschen zu-
meist Güter erster und etwa zweiter Ordnung,) zu beschränken,
zu den Gütern dritter, vierter und höherer Ordnung und schreitet
dasselbe in der Heranziehung von Gütern zur Befriedigung seiner
[28]Ueber die Ursachen der fortschreitenden Wohlfahrt.
Bedürfnisse zu immer höheren Ordnungen fort, so werden wir,
zumal bei zweckmässiger Theilung der Arbeit, allerdings jenen
Fortschritt in seinem Wohlstande wahrnehmen können, welchen
Adam Smith ausschliesslich dem letztern Umstande zuzuschreiben
geneigt war.


Wir werden den Jäger, der das Wild mit einer Keule ver-
folgt, zur Jagd mit Bogen und Netz, zur Viehzucht, in weiterer
Folge zu immer intensiveren Formen dieser letztern, wir werden
die von wild wachsender Pflanzenkost lebenden Menschen zu
immer intensiveren Formen des Ackerbaues übergehen, Gewerbe
entstehen, sich durch Werkzeug und Maschine vervollkommnen
und in engstem Zusammenhange damit den Wohlstand dieses
Volkes sich mehren sehen.


Je weiter die Menschen in dieser Richtung fortschreiten, um
so vielfältiger werden die Güterarten, um so vielfältiger in Folge
dessen die Verrichtungen, um so nothwendiger und ökonomi-
scher auch die fortschreitende Theilung der Arbeit. Es ist in-
dess klar, dass die wachsende Vermehrung der den Menschen
verfügbaren Genussmittel nicht die ausschliessliche Wirkung die-
ses letztern Umstandes ist, ja dass derselbe nicht einmal als
die wichtigste Ursache des ökonomischen Fortschrittes der
Menschen bezeichnet werden kann, sondern richtig nur als
ein Factor jener grossen Einwirkungen aufgefasst werden darf,
welche das Menschengeschlecht aus der Rohheit und dem Elende
zur Cultur und zum Wohlstande führen.


Die Erklärung der vermehrenden Wirkung, welche die fort-
schreitende Heranziehung von Gütern höherer Ordnung auf die
den Menschen verfügbaren Genussmittel (Güter erster Ordnung)
äussert, ist nun aber unschwer zu finden.


Die roheste Form der occupatorischen Wirthschaft ist
auf die Aufsammlung der jeweilig von der Natur dargebote-
nen Güter niederster Ordnung beschränkt. Die wirthschaftenden
Menschen nehmen auf die Hervorbringung derselben keinen
Einfluss, ihr Entstehen ist unabhängig von den Wünschen und
Bedürfnissen der Menschen und diesen gegenüber ein zufälliges.
Wenn nun aber die Menschen diese roheste Form der Wirth-
schaft verlassen, die Dinge erforschen, durch deren Verbindung
im Causalprocesse die Genussmittel entstehen und dieselben in
[29]Ueber die Ursachen der fortschreitenden Wohlfahrt.
ihre Gewalt nehmen, das ist zu Gütern höherer Ordnung ge-
stalten, so erfolgt die Entstehung der Genussmittel zwar vor
wie nach auf Grundlage des Causal-Gesetzes, aber ihr Entstehen
ist den Wünschen und Bedürfnissen der Menschen gegenüber
nicht mehr etwas Zufälliges, sondern ein Process, der in der Ge-
walt der Menschen ist und sich innerhalb der durch die Natur-
gesetze gezogenen Schranken nach menschlichen Zwecken regelt.
Die Genussmittel, welche früher das Product eines zufälligen
Zusammentreffens der Bedingungen ihrer Entstehung waren, sind,
sobald die Menschen diese letztern erkannt und in ihre Gewalt
genommen haben, innerhalb der durch die Naturgesetze gezoge-
nen Grenzen ein Product ihres Willens, und die den Menschen
verfügbaren Quantitäten derselben finden ihre Grenze nur in
den Grenzen ihrer Einsicht in dem ursächlichen Zusammen-
hang der Dinge und in dem Umfang ihrer Macht über diese
letztern. Die fortschreitende Erkenntniss des ursächlichen Zu-
sammenhanges der Dinge mit ihrer Wohlfahrt und die fort-
schreitende Bemächtigung der entfernteren Bedingungen derselben
haben demnach die Menschen aus dem Zustande der Rohheit und
des tiefsten Elendes emporgeführt zu der gegenwärtigen Stufe ihrer
Cultur und Wohlfahrt, haben weite, von wenigen, mühselig und
doch in äusserster Armuth lebenden Menschen bewohnte Land-
striche in dicht bevölkerte Culturländer umgewandelt und es
ist nichts sicherer, als dass auch der wirthschaftliche Fortschritt
der Menschen in kommenden Zeitepochen sein Mass in den
obigen Fortschritten finden wird.


§. 6.
Der Güterbesitz.


Die Bedürfnisse der Menschen sind mannigfach und das
Leben und die Wohlfahrt derselben ist nicht gesichert, wenn
ihrer Verfügung lediglich die Mittel zur Befriedigung irgend
eines ihrer Bedürfnisse, wenn auch in noch so reichlichem Masse
unterworfen sind. Die Art und Weise, in welcher die Menschen
ihre Bedürfnisse befriedigen, kann demnach in Bezug auf Voll-
ständigkeit im Grossen und Ganzen eine nahezu unbegrenzte Ver-
schiedenheit aufweisen; eine gewisse Harmonie in der Be-
[30]Der Güterbesitz.
friedigung derselben ist indess bis zu einem gewissen Punkte
zur Erhaltung ihres Lebens und ihrer Wohlfahrt geradezu un-
erlässlich. Der Eine mag Paläste bewohnen, die ausgesuchtesten
Gerichte consumiren und sich mit den kostbarsten Gewändern
bekleiden, der Andere den dunkeln Winkel einer elenden Hütte
zu seinem Nachtlager aufsuchen, sich von Abfällen ernähren und
in Lumpen hüllen — aber jeder von Beiden wird dahin streben
müssen, sowohl sein Bedürfniss nach Wohnung und Kleidung,
als auch jenes nach Nahrung zu befriedigen. Es ist nämlich
klar, dass selbst die vollständigste Befriedigung eines einzelnen
Bedürfnisses unser Leben und unsere Wohlfahrt nicht zu er-
halten vermag.


In diesem Sinne lässt sich nicht mit Unrecht sagen, dass
die sämmtlichen, einem wirthschaftenden Subjecte verfügbaren
Güter in ihrer Güterqualität gegenseitig bedingt sind, denn ein
jedes einzelne derselben vermag den Gesammtzweck, dem sie
alle dienen, die Erhaltung unseres Lebens und unserer Wohl-
fahrt, nicht für sich allein, sondern nur im Vereine mit den
übrigen Gütern zu verwirklichen.


In der isolirten Wirthschaft, und selbst noch überall dort,
wo der Verkehr der Menschen ein geringfügiger ist, tritt uns
diese Zusammengehörigkeit der zur Erhaltung des Lebens und
der Wohlfahrt der Menschen erforderlichen Güter auch äusser-
lich in der Gesammtheit der den einzelnen wirthschaftenden In-
dividuen verfügbaren Güter entgegen und selbst die Harmonie,
mit welcher sie ihre Bedürfnisse zu befriedigen bemüht sind,
wiederspiegelt sich in ihrem Güterbesitze *). Bei höherer Cultur
und zumal unter unseren entwickelten Verkehrsverhältnissen, wo
der ausreichende Besitz einer Quantität irgend eines ökonomischen
Gutes uns die Verfügung über entsprechende Quantitäten aller
anderen verschafft, verwischt sich scheinbar das obige Bild be-
züglich der Wirthschaft des Einzelnen, es tritt uns aber dann
um so deutlicher in der Volkswirthschaft entgegen.


Ueberall sehen wir, dass nicht einzelne Güter, sondern
eine Gesammtheit von Gütern verschiedener Art den Zwecken
der wirthschaftenden Menschen dienen, eine Gesammtheit von
[31]Der Güterbesitz.
Gütern, welche entweder, gleich wie in der isolirten Wirthschaft
direct, oder wie dies unter unseren entwickelten Verhältnissen
der Fall ist, zum Theile in directer, zum Theile in indirecter
Weise den einzelnen wirthschaftenden Individuen verfügbar ist,
und nur in dieser Gesammtheit jenen Erfolg herbeiführt, den
wir die Deckung des Bedarfs und in weiterer Folge die Sicherung
des Lebens und der Wohlfahrt der Menschen nennen.


Die Gesammtheit der einem wirthschaftenden Individuum
für die Befriedigung seiner Bedürfnisse verfügbaren Güter nennen
wir seinen Güterbesitz, und stellt sich uns derselbe demnach
nicht als eine willkürlich zusammengefügte Quantität von
Gütern, sondern als das Spiegelbild seiner Bedürfnisse, als ein
gegliedertes Ganzes dar, das in keinem wesentlichen Theil ge-
mindert oder vermehrt werden kann, ohne dass die Verwirk-
lichung des Gesammtzweckes, dem es dient, dadurch berührt
würde.


[[32]]

Zweites Capitel.
Die Wirthschaft und die wirthschaftlichen Güter.


Die Bedürfnisse entspringen unseren Trieben, diese aber
wurzeln in unserer Natur; die Nichtbefriedigung der Bedürfnisse
hat die Vernichtung, die mangelhafte Befriedigung die Ver-
kümmerung unserer Natur zur Folge; seine Bedürfnisse befrie-
digen, heisst aber leben und gedeihen. Die Sorge für die Be-
friedigung unserer Bedürfnisse ist demnach gleichbedeutend mit
der Sorge für unser Leben und unsere Wohlfahrt; sie ist die
wichtigste aller menschlichen Bestrebungen, denn sie ist die Vor-
aussetzung und die Grundlage aller übrigen.


Diese Sorge äussert sich im practischen Leben der Menschen
dadurch, dass sie darauf bedacht sind, alles dasjenige in ihrer
Gewalt zu haben, wovon die Befriedigung ihrer Bedürfnisse ab-
hängt. Verfügen wir nämlich über die zur Befriedigung unserer
Bedürfnisse erforderlichen Güter, so hängt diese letztere dann
lediglich von unserem Willen ab; damit ist aber unserem prac-
tischen Zwecke vollkommen Genüge gethan, denn unser Leben
und unsere Wohlfahrt sind dann in unsere eigene Hand gegeben.
Die Quantität von Gütern, welche ein Mensch zur Befriedigung
seiner Bedürfnisse benöthigt, nennen wir seinen Bedarf. Die
Sorge der Menschen für die Aufrechterhaltung ihres Lebens und
ihrer Wohlfahrt wird demnach zur Sorge für die Deckung ihres
Bedarfes.


Nun wäre aber die Befriedigung der Bedürfnisse und so-
mit das Leben und die Wohlfahrt der Menschen sehr schlecht
gesichert, würden sie erst dann darauf bedacht sein, ihren Be-
darf an Gütern zu decken, wenn die Bedürfnisse nach diesen
letzteren sich bereits unmittelbar geltend machen.


Man setze den Fall, dass die Bewohner eines Landes beim
Einbruche der rauhen Jahreszeit ohne alle Vorräthe von Nahrungs-
mitteln und Bekleidungsstoffen wären, so ist kein Zweifel, dass
[33]Die Wirthschaft und die wirthschaftlichen Güter.
die Mehrzahl derselben, selbst bei den angestrengtesten auf die
Befriedigung ihrer Bedürfnisse gerichteten Thätigkeit, sich vom
Untergange nicht zu retten vermöchte. Je weiter aber die Cultur
fortschreitet und je mehr die Menschen angewiesen sind, die
zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse nöthigen Güter durch einen
langen Productionsprocess zu gewinnen (S. 21 ff.), um so zwingen-
der wird für dieselben die Nothwendigkeit, für die Befriedigung
ihrer Bedürfnisse von vorn herein zu sorgen, das ist, ihren Be-
darf für kommende Zeiträume zu decken.


So geht selbst der australische Wilde nicht erst dann auf
die Jagd, wenn ihn bereits hungert und er baut nicht erst dann
seine Behausung, wenn die rauhe Jahreszeit eingetreten und er
den schädlichen Einflüssen der Witterung bereits ausgesetzt
ist*). Die Culturmenschen zeichnen sich aber dadurch vor allen
andern wirthschaftenden Individuen aus, dass sie nicht nur für
eine kurze Spanne Zeit, sondern weit hinaus für die Befriedigung
ihrer Bedürfnisse sorgen, die Sicherstellung derselben für viele
Jahre, ja für ihr ganzes Leben anstreben und der Regel nach
noch darüber hinaus dafür Sorge tragen, dass es auch ihren
Nachkommen an den zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse erfor-
derlichen Mitteln nicht fehle.


Ueberall wo wir unsere Blicke hinwenden, sehen wir bei
Culturvölkern ein System grossartiger Vorsorge für die Befriedi-
gung menschlicher Bedürfnisse.


Während wir uns zum Schutze gegen die Winterkälte noch
in unsere Winterkleider hüllen, sind schon die fertigen Frühjahrs-
stoffe am Wege in die Läden der Detailhändler, und in den
Fabriken werden bereits die leichten Stoffe gewebt, mit welchen
wir uns im nächsten Sommer, und die Garne für die Stoffe ge-
sponnen, mit welchen wir uns im nächsten Winter bekleiden
werden. Wenn wir erkranken, bedürfen wir der Dienstleistungen
eines Arztes, und bei Rechtsstreitigkeiten des Beirathes eines
Rechtskundigen. Tritt nun für Jemanden ein solcher Fall ein,
dann wäre es für ihn viel zu spät, wollte er sich die medici-
nischen oder juridischen Kenntnisse und Fertigkeiten selbst an-
Menger, Volkswirthschaftslehre. 3
[34]Die Wirthschaft und die wirthschaftlichen Güter.
eignen, oder andere Personen für seinen Dienst besonders aus-
bilden lassen, selbst wenn er die Mittel hiefür besässe. Auch ist
in Culturländern für die Bedürfnisse der Gesellschaft nach sol-
chen und ähnlichen Dienstleistungen von langer Hand bereits
vorgesorgt, indem erfahrene und bewährte Männer, welche sich
bereits vor vielen Jahren für ihren Beruf herangebildet und
inzwischen durch ihre practische Thätigkeit reiche Erfah-
rungen gesammelt haben, der Gesellschaft ihre Dienste zur Ver-
fügung stellen. Während wir aber solcherart die Früchte der
Vorsorge vergangener Zeiten geniessen, bilden sich an unseren
Hochschulen bereits zahlreiche Männer heran, um den Bedürf-
nissen der Gesellschaft nach ähnlichen Dienstleistungen in der
Zukunft gerecht zu werden.


Die Sorge der Menschen für die Befriedigung ihrer Bedürf-
nisse wird demnach zur Vorsorge für die Deckung ihres Be-
darfes an Gütern für kommende Zeiträume, und wir nennen
dann den Bedarf eines Menschen jene Quantität von Gütern,
die erforderlich ist, um seine Bedürfnisse innerhalb jenes Zeit-
raumes, auf welchen sich seine Vorsorge erstreckt, zu befriedigen*).


Die Vorsorge der Menschen für die Befriedigung ihrer Be-
dürfnisse, soll sie anders eine erfolgreiche sein, hat nun aber
[35]Die Wirthschaft und die wirthschaftlichen Güter.
eine doppelte Erkenntniss zu ihrer Voraussetzung. Wir müssen
uns klar werden:


a) über unseren Bedarf, das ist, über die Güterquantitäten,
die wir in jenen Zeiträumen, auf welche sich unsere Vorsorge
erstreckt, zur Befriedigung unserer Bedürfnisse benöthigen wer-
den, und


b) über die Güterquantitäten, die uns für den obigen Zweck
zur Verfügung stehen.


Die gesammte auf die Befriedigung ihrer Bedürfnisse ge-
richtete vorsorgliche Thätigkeit der Menschen beruht auf der
Erkenntniss dieser beiden Grössen. Ohne die erstere Erkennt-
niss wäre sie eine blinde, denn die Menschen wären sich des
Zieles derselben nicht bewusst, ohne die zweite Erkenntniss wäre
sie eine planlose, denn sie wären ohne Einblick in die verfüg-
baren Mittel.


Wir werden aber in dem Nachfolgenden zunächst darthun,
wie die Menschen zur Erkenntniss ihres Bedarfes in kommenden
Zeiträumen gelangen, hierauf, wie sie die ihnen für diese Zeit-
räume verfügbaren Güterquantitäten berechnen, und endlich jene
Thätigkeit derselben zum Gegenstande unserer Darstellung ma-
chen, durch welche sie die ihnen verfügbaren Güterquantitäten
(Genuss- und Productionsmittel) der Befriedigung ihrer Bedürf-
nisse auf das zweckentsprechendste zuzuführen bemüht sind.


§. 1.
Der menschliche Bedarf.


a) Der Bedarf an Gütern erster Ordnung (an Genussmitteln).


Die Menschen empfinden zunächst und unmittelbar nur Be-
dürfnisse nach Gütern erster Ordnung, das ist nach solchen Gü-
tern, welche unmittelbar zur Befriedigung menschlicher Bedürf-
nisse herangezogen werden können. (S. 8.) Besteht kein Bedarf an
Gütern dieser Art, so kann auch ein Bedarf an Gütern höherer
Ordnung nicht entstehen. Der Bedarf an Gütern höherer Ord-
nung ist also durch unseren Bedarf an Gütern erster Ordnung
bedingt und die Untersuchung über diesen letzteren die Grund-
lage unserer Untersuchungen auf dem Gebiete des menschlichen
Bedarfes überhaupt. Wir werden uns demnach zuerst mit dem
3 *
[36]Der menschliche Bedarf.
Bedarfe der Menschen an Gütern erster Ordnung beschäftigen
und hierauf die Grundsätze darlegen, nach welchen sich der
menschliche Bedarf an Gütern höherer Ordnung regelt.


Die Quantität eines Gutes erster Ordnung, welche zur Be-
friedigung eines concreten menschlichen Bedürfnisses und somit
auch die Quantität, die zur Befriedigung der gesammten, inner-
halb eines gegebenen Zeitraumes nach einem Gute erster Ord-
nung sich geltend machenden Bedürfnisse erforderlich ist, ist
durch das Bedürfniss, beziehungsweise durch die Bedürfnisse
selbst in unmittelbarer Weise gegeben und findet in denselben
ihr Mass. Würden demnach die Menschen rücksichtlich jener
Zeiträume, auf welche sich ihre Vorsorge erstreckt, darüber
immer genau und vollständig unterrichtet sein, welche concreten
Bedürfnisse sie haben und mit welcher Itensität sich dieselben
geltend machen werden, so würden sie an der Hand der bis-
herigen Erfahrungen, über die ihnen zur Befriedigung derselben
erforderlichen Güterquantitäten, das ist über die Grösse ihres
Bedarfes an Gütern erster Ordnung niemals in Zweifel sein
können.


Nun lehrt uns aber die Erfahrung, dass es mit Rücksicht
auf kommende Zeiträume nicht selten mehr oder minder ungewiss
ist, ob sich gewisse Bedürfnisse innerhalb derselben überhaupt
geltend machen werden. Dass wir innerhalb eines gegebenen
kommenden Zeitraumes Speise, Trank, Kleidung, Wohnung,
u. dgl. m. benöthigen werden, ist uns von vornherein bekannt;
nicht dasselbe ist aber rücksichtlich vieler anderen Güter der
Fall, z. B. rücksichtlich ärztlicher Dienstleistungen, Medicamente
u. dgl. m., da die Geltendmachung unserer Bedürfnisse nach die-
sen Gütern nicht selten von Einflüssen auf unsere Personen ab-
hängig ist, welche wir nicht mit Bestimmtheit voraus zu sehen
vermögen.


Hiezu tritt nun noch der Umstand, dass selbst bei jenen
Bedürfnissen, von welchen wir von vornherein wissen, dass sie
sich innerhalb jenes Zeitraumes, auf welchen sich unsere Vor-
sorge erstreckt, geltend machen werden, doch in quantitativer
Beziehung eine Unbestimmtheit vorhanden sein kann, indem wir
wohl die Thatsache, dass jene Bedürfnisse sich geltend machen
werden, nicht aber von vornherein eben so genau das Mass der
[37]Der menschliche Bedarf.
letztern, das ist die Güterquantitäten kennen, die zur Befriedigung
derselben erforderlich sein [werden]. Es sind aber hier eben diese
Quantitäten in Frage.


Was nun vorerst unsere Ungewissheit über den Umstand
betrifft, ob sich gewisse Bedürfnisse in dem Zeitraume, auf welchen
sich unsere Vorsorge erstreckt, überhaupt geltend machen
werden, so lehrt uns die Erfahrung, dass durch diese mangel-
hafte Erkenntniss die Vorsorge der Menschen für die eventuelle
Befriedigung dieser Bedürfnisse durchaus nicht ausgeschlossen
wird. Selbst gesunde Personen, die am Lande wohnen, sind, wo-
fern es ihre Mittel erlauben, im Besitze einer Hausapotheke,
oder doch einer Anzahl von Heilmitteln für unvorhergesehene
Fälle, vorsorgliche Hauswirthe besitzen Löschapparate, um für
den Fall einer Feuersbrunst ihr Eigenthum conserviren, und
Waffen, um dasselbe nöthigenfalls vertheidigen zu können, auch
wohl noch feuer- und einbruchsichere Schränke und so viele
andere ähnliche Güter mehr. Ja, ich glaube, dass selbst unter
den Gütern der ärmsten Personen sich irgend welche vorfinden,
welche denselben nur für gewisse unvorhergesehene Fälle dienen
sollen.


Der Umstand, dass es ungewiss ist, ob ein Bedürfniss nach
einem Gute innerhalb jenes Zeitraumes, auf welchen sich unsere
Vorsorge erstreckt, sich überhaupt geltend machen wird, schliesst
demnach die Vorsorge für die eventuelle Befriedigung desselben
nicht aus, und es hat demnach dieser Umstand auch nicht zur
Folge, dass unser Bedarf an den zur Befriedigung dieser Be-
dürfnisse erforderlichen Gütern in Frage steht. Vielmehr sorgen
die Menschen, wofern die ihnen verfügbaren Mittel hiezu aus-
reichen, auch für die eventuelle Befriedigung dieser Bedürfnisse
vor, und rechnen überall dort, wo es sich um die Bestimmung
ihres vollen Bedarfes handelt, auch die für die obigen Zwecke er-
forderlichen Güter in denselben ein*).


Was nun aber hier von jenen Bedürfnissen gesagt wurde,
von welchen es unbestimmt ist, ob sich dieselben überhaupt
geltend machen werden, gilt in gleichem Masse überall dort,
[38]Der menschliche Bedarf.
wo über das Bedürfniss nach einem Gute kein Zweifel obwaltet
und nur ungewiss ist, in welchem Masse sich dasselbe geltend
machen werde, denn auch in diesem Falle halten die Menschen,
und zwar mit Recht, ihren Bedarf erst dann für vollständig ge-
deckt, wenn sie über die für alle voraussichtlichen Fälle ausrei-
chenden Güterquantitäten zu verfügen vermögen.


Ein weiterer Umstand, der hier erwogen werden muss, ist
die Entwicklungsfähigkeit der menschlichen Bedürfnisse.
Sind nämlich die Bedürfnisse der Menschen entwicklungsfähig
und, wie bisweilen bemerkt wird, sogar in’s Unendliche entwick-
lungsfähig, so könnte es scheinen, als ob dadurch die Grenzen
der zu ihrer Befriedigung nöthigen Güterquantitäten fortwährend,
ja sogar bis in’s völlig Unbestimmte ausgedehnt und demnach
jede Voraussicht der Menschen in Bezug auf ihren Bedarf gänz-
lich unmöglich gemacht würde.


Was nun zunächst die unendliche Entwicklungsfähigkeit
der menschlichen Bedürfnisse betrifft, so scheint mir hier der
Begriff der Unendlichkeit nur auf den unbegrenzten Fortschritt
der Entwickelung menschlicher Bedürfnisse anwendbar, nicht
aber auf die zur Befriedigung derselben innerhalb eines be-
stimmten Zeitraumes erforderlichen Güterquantitäten. Zugegeben,
die Reihe sei eine unendliche, so ist doch jedes einzelne
Glied dieser Reihe ein endliches. Mögen die menschlichen
Bedürfnisse auch in den entferntesten Zeiträumen in ihrer Ent-
wickelung nicht gehemmt gedacht werden, so sind sie doch für
alle gegebenen und insbesondere für die in der Wirthschaft der
Menschen practisch in Betracht kommenden Zeiträume quan-
titativ bestimmbar. Selbst unter der Annahme eines ununter-
brochenen Fortschrittes in der Entwickelung menschlicher Be-
dürfnisse, haben wir es demnach, wofern wir nur bestimmte
Zeiträume in’s Auge fassen, mit endlichen und niemals mit un-
endlichen und deshalb völlig unbestimmbaren Grössen zu thun.


Wenn wir die Menschen bei der auf die Befriedigung
ihrer Bedürfnisse in kommenden Zeiträumen gerichteten vor-
sorglichen Thätigkeit beobachten, können wir denn auch leicht
wahrnehmen, dass sie, fern davon die Entwickelungsfähig-
keit ihrer Bedürfnisse ausser Acht zu lassen, vielmehr auf
das Eifrigste bemüht sind, dieser letzteren Rechnung zu tragen.
[39]Der menschliche Bedarf.
Wer eine Vermehrung seiner Familie, oder eine höhere gesell-
schaftliche Stellung zu erwarten hat, wird bei dem Baue und
der Einrichtung von Wohngebäuden, bei der Anschaffung von
Wagen u. dgl. Gütern von grösserer Dauerhaftigkeit mehr auf
die Steigerung seiner Bedürfnisse in kommenden Zeiträumen ge-
bührende Rücksicht nehmen und der Regel nach, so weit seine
Mittel reichen, nicht nur in einer einzelnen Beziehung, sondern
in Bezug auf seinen Güterbesitz überhaupt, den höheren An-
sprüchen der Zukunft Rechnung zu tragen suchen. Eine analoge
Erscheinung können wir im communalen Leben beobachten. Wir
sehen die Stadtgemeinden: Wasserleitungen, öffentliche Gebäude
(Schulen, Spitäler etc.), Gartenanlagen, Strassen u. dgl. m. nicht
nur mit Rücksicht auf die Bedürfnisse der Gegenwart, sondern
auch mit gebührender Rücksichtsnahme auf die gesteigerten Be-
dürfnisse der Zukunft anlegen, eine Tendenz, welche in der auf die
Befriedigung der staatlichen Bedürfnisse gerichteten Thätigkeit
der Menschen naturgemäss noch deutlicher zu Tage tritt.


Fassen wir das Gesagte zusammen, so ergiebt sich, dass
der Bedarf des Menschen an Genussmitteln eine Grösse ist, deren
quantitativer Bestimmung, mit Rücksicht auf kommende Zeit-
räume, keine principiellen Schwierigkeiten entgegenstehen, eine
Grösse, über welche die Menschen bei der auf die Befriedigung
ihrer Bedürfnisse gerichteten Thätigkeit denn auch thatsächlich
innerhalb der Grenzen der Möglichkeit, und soweit eine practische
Nöthigung hiezu vorliegt, also einerseits mit der Beschränkung
auf jene Zeiträume, auf welche sich ihre Vorsorge jeweilig
erstreckt, andererseits mit der Beschränkung auf jenen Grad
von Genauigkeit, welcher für den practischen Erfolg ihrer Thä-
tigkeit ausreichend ist, zur Klarheit zu gelangen bemüht sind.


b) Der Bedarf an Gütern höherer Ordnung (an Productionsmitteln).


Ist mit Rücksicht auf einen kommenden Zeitraum unser
Bedarf an Gütern erster Ordnung bereits unmittelbar durch
Quantitäten dieser letzteren gedeckt, so kann von einer weitern
Deckung des obigen Bedarfes durch Güter höherer Ordnung
nicht die Rede sein. Ist aber dieser Bedarf durch Güter erster
Ordnung, das ist in unmittelbarer Weise, nicht, oder doch nicht
vollständig gedeckt, so entsteht allerdings für den in Rede
[40]Der menschliche Bedarf.
stehenden Zeitraum ein Bedarf an Gütern höherer Ordnung, und
findet dieser letztere sein Mass in den, nach dem jeweiligen
Stande der Technik der betreffenden Productionszweige, zur vollen
Deckung unseres Bedarfes an Gütern erster Ordnung noch erfor-
derlichen Gütern höherer Ordnung.


Dies einfache Verhältniss, das wir mit Rücksicht auf unseren
Bedarf an Productionsmitteln soeben dargestellt haben, liegt
nun aber, wie wir sofort sehen werden, nur in seltenen Fällen
unserer Beobachtung vor, vielmehr bewirkt ein aus dem Causal-
nexus der Güter sich ergebender Umstand eine wichtige Modifi-
cation desselben.


Wir haben (S. 11) eines weiteren dargethan, dass es
den Mensehen unmöglich ist, irgend ein Gut höherer Ordnung
zur Hervorbringung der entsprechenden Güter niederer Ordnung
zu verwenden, wenn sie nicht zugleich über die complementären
Güter zu verfügen vermögen. Was wir nun oben von den Gütern
im Allgemeinen sagten, erhält hier seine schärfere Präcision,
wenn wir die Güter in Rücksicht auf die verfügbaren Quantitäten
derselben in Betracht ziehen. Haben wir früher gesehen, dass
wir Güter höherer Ordnung nur dann in Güter niederer Ordnung
verwandeln, und solcherart zur Befriedigung menschlicher Bedürf-
nisse heranziehen können, wenn wir zugleich über die comple-
mentären Güter zu verfügen vermögen, so stellt sich uns dieser
Grundsatz unter dem obigen Gesichtspunkte in der Weise dar,
dass wir Quantitäten von Gütern höher er Ordnung
zur Hervorbringung bestimmter Quantitäten von
Gütern niederer Ordnung und somit schliesslich
zur Deckung unseres Bedarfes nicht anders heran-
ziehen können, als wenn wir zugleich über die com-
plementären Quantitäten der übrigen Güter höherer
Ordnung zu verfügen in der Lage sind
. So können wir
zum Beispiel selbst die grösste Quantität von Grundstücken zur
Hervorbringung selbst der geringsten Quantität von Getreide
nicht heranziehen, wofern wir nicht über die zur Hervorbringung
dieser geringen Güterquantität erforderlichen (complementären)
Quantitäten von Samengetreide, Arbeitsleistungen u. dgl. m. ver-
fügen können.


Es tritt demnach auch niemals ein Bedarf an einem ein-
[41]Der menschliche Bedarf.
zelnen Gute höherer Ordnung auf, vielmehr ist wohl zu beachten,
dass, so oft der Bedarf an einem Gute niederer Ordnung nicht,
oder nur unvollständig gedeckt ist, der Bedarf an jedem ein-
zelnen der entsprechenden Güter höherer Ordnung stets nur
zugleich mit dem quantitativ entsprechenden Bedarfe an den
complementären Gütern höherer Ordnung sich thatsächlich
geltend macht.


Setzen wir z. B. den Fall, dass wir bei einem noch un-
gedeckten Bedarfe von 10.000 Paar Schuhen für einen gegebe-
nen Zeitraum wohl über die zur Herstellung einer solchen Quan-
tität von Schuhen erforderliche Quantität von Werkzeugen, Ar-
beitsleistungen etc. aber nur über die zur Hervorbringung von
5000 Paar Schuhen nöthigen Lederquantitäten, oder umgekehrt
über die sämmtlichen übrigen zur Herstellung von 10.000 Paar
Schuhen erforderlichen Güter höherer Ordnung, aber nur über
die zur Hervorbringung von 5000 Paar Schuhen erforderlichen Ar-
beitsleistungen verfügen könnten, so ist kein Zweifel, dass sich, mit
Rücksicht auf den obigen Zeitraum, unser Gesammtbedarf
vor wie nach auf solche Quantitäten der einzelnen zur Hervor-
bringung von Schuhen erforderlichen Güter höherer Ordnung
erstrecken würde, die zur Production der obigen Quantität von
Schuhen ausreichen; unser effectiver Bedarf würde sich jedoch
auch rücksichtlich der übrigen complementären Gütern nur auf
solche Quantitäten erstrecken, die zur Herstellung von 5000 Paar
Schuhen erforderlich sind, der übrige Bedarf aber ein latenter
sein und erst dann ein effectiver werden, wenn auch die obi-
gen uns mangelnden complementären Quantitäten uns verfügbar
würden.


Es ergiebt sich aber aus dem Gesagten das Gesetz,
dass, mit Rücksicht auf gegebene kommende Zeit-
räume, unser effectiver Bedarf an den einzelnen Gü-
tern höherer Ordnung dadurch bedingt ist, dass
wir über die complementären Quantitäten der ent-
sprechenden Güter höherer Ordnung zu verfügen
vermögen
.


Als in Folge des nordamerikanischen Bürgerkrieges die
Baumwollzufuhren nach Europa sich beträchtlich verminderten,
blieb der Bedarf an Baumwollstoffen offenbar ziemlich unver-
[42]Der menschliche Bedarf.
ändert, indem der obige Krieg das Bedürfniss nach diesen Gü-
tern nicht wesentlich ändern konnte. In soweit nun dieser Be-
darf an Baumwollstoffen für gegebene Zeiträume nicht bereits
durch fertige Manufacturproducte gedeckt war, entstand folge-
recht ein Bedarf an den entsprechenden Quantitäten der zur
Hervorbringung von Baumwollstoffen erforderlichen Gütern höhe-
rer
Ordnung und es ist klar, dass auch dieser Bedarf im Gros-
sen und Ganzen durch den Bürgerkrieg in keinerlei Weise be-
trächtlich alterirt werden konnte. Da indess die verfügbare
Quantität eines der hier erforderlichen Güter höherer Ordnung,
der rohen Baumwolle nämlich, sich beträchtlich verminderte, so
hatte dies zur naturgemässen Folge, dass ein Theil des bisheri-
gen Bedarfes an den mit Rücksicht auf die Erzeugung von
Baumwollstoffen complementären Gütern der Baumwolle (Ar-
beitsleistungen, Maschinen etc.) latent wurde, der effective
Bedarf an den complementären Gütern der rohen Baumwolle
sich aber bis auf die zur Verarbeitung der verfügbaren Quanti-
tät von roher Baumwolle erforderlichen Quantitäten herabmin-
derte. Sobald indess die Zufuhr von roher Baumwolle wieder
einen Aufschwung nahm, musste auch sofort der effective Bedarf
an diesen Gütern eine Steigerung erfahren, und zwar in dem
Verhältnisse, als der latente Bedarf sich verminderte.


Auswanderer verfallen in Folge der Anschauungen, die sie
aus hochentwickelten Mutterländern mitbringen, nicht selten in
den Fehler, zunächst und mit Hintansetzung wichtigerer Rück-
sichten, nach einem ausgedehnten Grundbesitze zu streben, selbst
ohne Rücksicht darauf, ob ihnen die entsprechenden Quantitäten
der übrigen complementären Güter jener Ländereien verfügbar
sind. Und doch ist nichts sicherer, als dass sie in der Heran-
ziehung von Grundstücken zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse
nur in dem Masse fortschreiten können, als sie sich die ent-
sprechenden complementären Quantitäten von Samen-Getreide,
Vieh, Ackerbauwerkzeugen, landwirthschaftlichen Arbeitsleistungen
u. dgl. m. zu verschaffen im Stande sind. Es liegt aber in ihrer
Handlungsweise ein Verkennen des obigen Gesetzes, das sich
unabweisbar geltend macht und dem sich die Menschen in
seinem Geltungsgebiete entweder fügen, oder aber die verderb-
lichen Folgen seiner Ausserachtlassung tragen müssen.


[43]Der menschliche Bedarf.

Je weiter die Menschen in der Cultur fortschreiten, um so
mehr pflegen bei hoch entwickelter Arbeitstheilung einzelne
Personen Quantitäten von Gütern höherer Ordnung unter der
stillschweigenden und, der Regel nach, auch zutreffenden
Voraussetzung zu produciren, dass andere Personen die ent-
sprechenden Quantitäten der complementären Güter ihrerseits
hervorbringen werden. Diejenigen, welche Operngläser verfertigen,
produciren in den seltensten Fällen die Glaslinsen, die Elfenbein-
oder Schildkrötendecken und die Bronce, aus welchen diese
Operngläser zusammengesetzt sind. Vielmehr ist bekannt, dass
die Verfertiger dieser Gläser der Regel nach die einzelnen Theile
derselben von besonderen Fabrikanten oder Künstlern beziehen,
diese Theile nur zusammensetzen und etwa noch die letzte
Hand an dieselben legen. Der Glasschleifer, welcher die Linsen,
der Galanteriewaaren-Arbeiter, der die Elfenbein- oder Schild-
krötendecken, und der Broncearbeiter, welcher das Broncewerk
verfertigt, alle diese Personen sind unter der stillschweigenden
Voraussetzung thätig, dass ein Bedarf an ihren Producten vor-
handen ist und doch ist nichts sicherer, als dass der effective
Bedarf an den Producten eines jeden einzelnen derselben durch
die Production der complementären Quantitäten bedingt ist, so
zwar, dass wenn die Production der Glaslinsen eine Unterbrechung
erleidet, auch der effective Bedarf an den übrigen zur Production
von Fernröhren, Operngläsern und dergleichen Güter mehr
erforderlichen Gütern höherer Ordnung latent wird und dann
wirthschaftliche Störungen zu Tage treten, welche man im ge-
wöhnlichen Leben als völlig abnorm zu bezeichnen pflegt, die in
Wahrheit aber ganz gesetzmässig sind.


c) Die Zeitgrenzen, innerhalb welcher sich die menschlichen Bedürfnisse
geltend machen.


Es erübrigt uns nur noch bei der gegenwärtigen Unter-
suchung das Moment der Zeit in Betracht zu ziehen und darzuthun,
innerhalb welcher Zeitgränzen unser Bedarf an Gütern that-
sächlich hervortritt.


Hier ist nun zunächst klar, dass unser Bedarf an Gütern
erster Ordnung, mit Rücksicht auf einen gegebenen kommenden
Zeitraum, gedeckt erscheint, wofern wir innerhalb dieses Zeit-
[44]Der menschliche Bedarf.
raumes über die bezügliche Quantität der in Rede stehenden
Güter erster Ordnung unmittelbar zu verfügen vermögen.
Anders verhält sich dies, wofern wir unseren Bedarf an Gütern
erster, oder überhaupt niederer Ordnung mittelbar, d. i. durch
Quantitäten der betreffenden Güter höherer Ordnung decken
sollen, und zwar wegen des Zeitaufwandes, welcher, wie wir oben
sahen, von jedem Productionsprocesse unzertrennlich ist. Nennen
wir den der Gegenwart zunächstliegenden, bis zu dem Zeitpuncte,
wo aus den in unserer Verfügung befindlichen Gütern zweiter
Ordnung bereits die entsprechenden Güter erster Ordnung her-
gestellt sein können, reichenden Zeitraum die Periode I, den
sich hieranschliessenden, bis zu dem Zeitpuncte, wo aus den uns
verfügbaren Gütern dritter Ordnung bereits Güter erster Ordnung
hergestellt sein können, reichenden Zeitraum die Periode II, und
so fort die folgenden Zeiträume die Perioden III, IV u. s. w., so
ergibt sich mit Rücksicht auf jede besondere Güterart eine
Reihenfolge von Zeiträumen, für welche wir zunächst und unmit-
telbar einen Bedarf an Gütern erster Ordnung haben, einen Be-
darf, der dadurch, dass wir innerhalb dieser Zeiträume über die
bezüglichen Quantitäten von Gütern erster Ordnung unmittelbar
verfügen, auch thatsächlich gedeckt ist.


Setzen wir nun aber den Fall, wir wollten unsern Bedarf
an Gütern erster Ordnung innerhalb der Periode II durch Güter
vierter Ordnung decken, so ist klar, dass dies physisch unmöglich
wäre, und eine Deckung des diesbezüglichen Bedarfes an Gütern
erster Ordnung innerhalb der gedachten Zeitperiode nur durch
Güter erster oder zweiter Ordnung erfolgen könnte.


Die obige Beobachtung gilt nicht nur für unseren Bedarf
an Gütern erster, sondern für unseren Bedarf an allen Gütern
niederer Ordnung im Gegenhalte zu den uns verfügbaren Gütern
höherer Ordnung. Wir können zum Beispiel unsern Bedarf an
Gütern dritter Ordnung innerhalb der Periode V nicht dadurch
decken, dass wir innerhalb dieser Periode über die entspre-
chenden Quantitäten von Gütern sechster Ordnung verfügen, es
ist vielmehr ersichtlich, dass wir zu diesem Zwecke über die
letzteren Güter bereits innerhalb der Periode II verfügen
müssten.


Wenn der Bedarf eines Volkes an Getreide für die lau-
[45]Der menschliche Bedarf.
fende Jahresperiode im Spätherbste nicht unmittelbar durch
Quantitäten von solchem gedeckt wäre, so würde es dann viel zu
spät sein, zu diesem Zwecke die verfügbaren Grundstücke, land-
wirthschaftlichen Geräthe, Arbeitsleistungen u. dgl. m. heranziehen
zu wollen, wohl aber wäre dies der rechte Zeitpunkt, um mit-
telst der obigen Güter höherer Ordnung den Getreidebedarf der
nächsten Jahresperiode zu decken, und, um unseren Bedarf an
den Arbeitsleistungen intelligenter Schullehrer in dem nächsten
Decennium seinerzeit decken zu können, müssen wir schon in der
Gegenwart taugliche Individuen hiefür heranbilden.


Der menschliche Bedarf an Gütern höherer Ordnung ist
demnach, gleich wie jener an Gütern erster Ordnung, nicht nur
eine Grösse, welche sich in quantitativer Beziehung in streng
gesetzmässiger Weise regelt und von den Menschen, so weit die
practische Nöthigung hiezu vorliegt, vorausberechnet werden kann,
sondern zugleich ein solcher, welcher innerhalb bestimmter Zeit-
grenzen zu Tage tritt, so zwar, dass die Menschen, auf Grund-
lage ihrer Erfahrungen über ihre Bedürfnisse und den Process
der Gütererzeugung, die Quantitäten der einzelnen Güter sowohl,
deren sie zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse benöthigen werden,
als auch die Zeiträume, innerhalb welcher ihr Bedarf an den ein-
zelnen Gütern zu Tage treten wird, mit einer für ihre prak-
tischen Bestrebungen ausreichenden, überdies aber, wie die
Erfahrung lehrt, sich stets vervollkommnenden Genauigkeit voraus
zu berechnen im Stande sind.


§. 2.
Die verfügbaren Quantitäten.


Ist es anders richtig, dass bei jeder Thätigkeit des Men-
schen die Klarheit des Handelnden über das Ziel seiner Bestre-
bungen ein wesentliches Moment des Erfolges ist, so ist auch
sicher, dass die Erkenntniss des Güterbedarfes in kommenden
Zeiträumen sich uns als die erste Voraussetzung aller auf die
Befriedigung der Bedürfnisse gerichteten vorsorglichen Thätig-
keit der Menschen darstellt. Wie immer demnach die äussern
Verhältnisse sein mögen, unter welchen sich die obige Thätig-
keit der Menschen entwickelt, der Erfolg derselben wird durch
[46]Die verfügbaren Quantitäten.
die richtige Voraussicht der ihnen in kommenden Zeiträumen
erforderlichen Güterquantitäten, das ist ihres Bedartes, wesent-
lich mitbedingt sein, und es ist klar, dass der völlige Mangel
dieser Voraussicht jede auf die Befriedigung ihrer Bedürfnisse
gerichtete vorsorgliche Thätigkeit überhaupt unmöglich machen
würde.


Das zweite Moment, welches den Erfolg der menschlichen
Thätigkeit bestimmt, ist der Einblick des Handelnden in die zur
Erreichung der angestrebten Zwecke ihm verfügbaren Mittel.
Wo immer demnach die Menschen ihre auf die Befriedigung
der Bedürfnisse gerichtete Thätigkeit entfalten, dort sehen wir
sie eifrig darauf bedacht, einen möglichst genauen Einblick in
die ihnen für den obigen Zweck verfügbaren Güterquantitäten
zu gewinnen. Die Art und Weise, in welcher sie hiebei vorgehen,
ist der Gegenstand, der uns in diesem Abschnitte beschäf-
tigen wird.


Die Grösse der den einzelnen Mitgliedern eines Volkes ver-
fügbaren Güterquantitäten ist jeweilig durch die Sachlage selbst
gegeben und dieselben haben bei Feststellung der in Rede ste-
henden Quantitäten keine andere Aufgabe, als die ihnen verfüg-
baren Güter zu inventarisiren und zu messen. Das ideale Ziel
dieser beiden Akte der vorsorglichen Thätigkeit der Menschen
ist die vollständige Aufnahme der ihnen in einem gegebenen
Zeitpunkte verfügbaren Güter, die Classificirung derselben in
vollkommen gleichartige Quantitäten und die genaue Bestimmung
der Grösse dieser letzteren. Im practischen Leben pflegen jedoch
die Menschen, fern davon dies ideale Ziel zu verfolgen, meist
nicht einmal die volle Genauigkeit anzustreben, welche nach dem
jeweiligen Stande der Kunst des Inventarisirens und Messens der
Güter zulässig ist und sich mit jenem Grade der Genauigkeit zu
begnügen, welchen ihre practischen Zwecke eben erfordern. Be-
zeichnend bleibt es indess jedenfalls für die hohe practische
Wichtigkeit, welche die genaue Kenntniss der jeweilig einer
Person verfügbaren Güterquantitäten für dieselbe hat, dass wir
eine solche in ganz vorzüglichem Masse bei Kaufleuten, Indu-
striellen und überhaupt bei solchen Personen finden, deren vor-
sorgliche Thätigkeit eine hoch entwickelte ist. Einer gewissen
Kenntniss der verfügbaren Güterquantitäten begegnen wir indess
[47]Die verfügbaren Quantitäten.
selbst auf den tiefsten Culturstufen, denn es ist klar, dass der
völlige Mangel derselben jede auf die Befriedigung ihrer Bedürf-
nisse gerichtete vorsorgliche Thätigkeit der Menschen überhaupt
unmöglich machen würde.


Sind solcherart die Menschen nach Massgabe der Ent-
wicklung ihrer auf die Befriedigung ihrer Bedürfnisse gerichteten
vorsorglichen Thätigkeit bemüht, über die Grösse der ihnen
jeweilig verfügbaren Güterquantitäten zur Klarheit zu gelangen,
so können wir überall dort, wo bereits ein nennenswerther Güter-
verkehr besteht, gleichzeitig das Bestreben derselben wahrnehmen,
auch über die jeweilig den übrigen Mitgliedern des Volkes, mit
welchen sie durch den Verkehr verbunden sind, verfügbaren
Güterquantitäten sich ein Urtheil zu bilden.


So lange die Menschen keinen nennenswerthen Verkehr
mit einander treiben, hat Jedermann selbstverständlich nur ein
geringes Interesse daran, zu wissen, welche Güterquantitäten
sich in den Händen anderer Personen befinden. Sobald indess,
zumal in Folge der Theilung der Arbeit, sich ein ausgedehnter
Verkehr entwickelt, und die Menschen sich rücksichtlich der
Deckung ihres Bedarfes zum grossen Theile auf den Austausch
angewiesen sehen, gewinnen dieselben naturgemäss ein sehr
naheliegendes Interesse daran, nicht nur über ihren eigenen
Güterbesitz, sondern auch über jenen aller andern mit ihnen im
Tauschverkehre stehenden Personen unterrichtet zu sein, denn
der Güterbesitz dieser Letztern ist ihnen dann, zum nicht ge-
ringen Theile, wenn auch nicht direct, so doch indirect (auf dem
Wege des Tausches) verfügbar.


Sobald die Cultur eines Volkes eine gewisse Höhe erreicht
hat, pflegt indess mit der wachsenden Arbeitstheilung eine beson-
dere Berufsclasse zu entstehen, welche den Verkehr vermittelt
und den übrigen Mitgliedern der Gesellschaft nicht nur die
Sorge für den mechanischen Theil der Verkehrs-Operationen
(Verfrachtung, Theilung, Conservirung der Güter etc.), sondern
auch für die Evidenzhaltung der verfügbaren Quantitäten abnimmt,
und so gelangen wir zu der Erscheinung, dass eine gewisse Classe
von Personen ein specielles, mit ihrem Berufe verknüpftes Inter-
esse daran hat, neben manchen anderen allgemeinen Verhält-
nissen, über welche wir uns später zu äussern Gelegenheit haben
[48]Die verfügbaren Quantitäten.
werden, auch den jeweiligen Stand der den einzelnen Volkstheilen
oder Völkern, deren Verkehr sie vermitteln, verfügbaren Güter-
quantitäten, der sogenannten Stocks im weitesten Sinne dieses
Wortes, in Evidenz zu halten, eine Thätigkeit, die sich nach
Massgabe der Stellung, welche die in Rede stehenden Mittels-
personen im Verkehrsleben einnehmen, auf engere oder weitere
Verkehrsgebiete, auf einzelne Kreise, Provinzen, oder aber auf
ganze Länder und Welttheile erstreckt.


Dieser Evidenzhaltung, so weit sie sich auf die, grösseren
Gruppen von Individuen, oder gar ganzen Völkern und Völker-
gruppen jeweilig verfügbaren Güterquantitäten bezieht, stellen
sich indess nicht geringe Schwierigkeiten entgegen, indem die
genaue Feststellung der hier in Rede stehenden Stocks doch
nur auf dem Wege der Erhebung stattfinden könnte, dieser
Weg indess einen complicirten, über ganze Verkehrsgebiete aus-
gedehnten Apparat von öffentlichen, mit den nöthigen Vollmachten
versehenen Beamten zur Voraussetzung hat, wie ein solcher nur
von Staatsregierungen und auch von diesen nur innerhalb ihrer
Territorien beigestellt werden kann, ein Apparat, dessen Wirk-
samkeit selbst innerhalb dieser Grenzen noch überdies, wie
jedem Sachverständigen bekannt ist, überall dort versagt, wo es
sich um Güter handelt, deren verfügbare Quantität der öffent-
lichen Controle nicht leicht zugänglich ist.


Auch können dergleichen Erhebungen füglich doch nur
von Zeit zu Zeit, und zwar meist nicht anders, als in längern
Zwischenräumen vorgenommen werden, so zwar, dass die für
bestimmte Zeitpunkte gewonnenen Angaben, selbst wenn sie auf
Verlässlichkeit Anspruch machen können, doch bei allen Gütern,
deren verfügbare Quantität einem starken Wechsel unterworfen
ist, ihren practischen Werth nicht selten schon dann eingebüsst
haben, wenn sie an die Oeffentlichkeit gelangen.


Die auf die Feststellung der einem Volke oder einem Volks-
theile jeweilig verfügbaren Güterquantitäten gerichtete staatliche
Thätigkeit beschränkt sich demnach naturgemäss auf solche
Güter, deren Quantitäten, wie dies bei Grundstücken, Gebäuden,
Hausthieren, Verkehrsmitteln etc. der Fall ist, nicht allzusehr
dem Wechsel unterliegen, so zwar, dass zeitweilig mit Rücksicht
auf bestimmte Zeitpunkte vorgenommene Erhebungen auch für
[49]Die verfügbaren Quantitäten.
spätere Zeitpunkte ihren Werth behaupten und auf Güter an-
dererseits, deren verfügbare Quantität der öffentlichen Controlle
in so weit unterworfen ist, dass die Richtigkeit der gewonnenen
Ziffern hiedurch doch einigermassen verbürgt wird.


Bei dem hervorragenden Interesse, welches unter den oben
gezeichneten Verhältnissen die Geschäftswelt an der möglichst
genauen Kenntniss der in gewissen Verkehrsgebieten verfügbaren
Quantitäten von Gütern hat, ist es jedoch begreiflich, dass
dieselbe sich mit den lückenhaften Ergebnissen der diesbezüg-
lichen, meist von geringem kaufmännischen Verständnisse geleiteten
Thätigkeit der Regierungen, welche sich überdies doch immer
nur auf bestimmte Länder oder Landestheile, nicht aber auf
ganze Verkehrsgebiete erstreckt, nicht begnügt, sondern sich
selbstständig, nicht selten mit grossen Opfern, eine allseitige und
möglichst genaue Kenntniss der in Rede stehenden Quantitäten
zu verschaffen sucht und dies Bedürfniss zahlreiche, den spe-
ciellen Interessen der Geschäftswelt dienende Organe hervorge-
rufen hat, deren Aufgabe nicht zum geringsten Theile darin
besteht, die Mitglieder jeder Geschäfts-Branche über den jeweili-
gen Stand der Stocks in den verschiedenen Verkehrsgebieten
zu unterrichten*).


Menger, Volkswirthschaftslehre. 4
[50]Die verfügbaren Quantitäten.

Diese Berichte beruhen auf öffentlichen Erhebungen aller
Art, welche die Geschäftswelt, wofern sie sich nur irgendwie als
verlässlich erweisen, sofort sich dienstbar zu machen bestrebt ist,
auf den Informationen, welche an Ort und Stelle von sach-
verständigen Correspondenten eingezogen werden, zum Theile
auch auf Combinationen erfahrener Geschäftsleute von alt-
bewährter Verlässlichkeit und erstrecken sich nicht nur auf die
jeweilig verfügbaren Stocks, sondern auch auf jene Güterquanti-
täten, welche voraussichtlich in kommenden Zeiträumen in die
Verfügung der Menschen treten werden*).


Es sind diese Angaben aber zumeist ausreichend, um die
Geschäftswelt über die in engeren oder weiteren Verkehrs-
gebieten jeweilig verfügbaren Quantitäten bestimmter Güter auf-
zuklären und ihr ein Urtheil über die voraussichtlichen Aen-
derungen der Stocks zu ermöglichen, wo aber thatsächlich Un-
*)
[51]Die verfügbaren Quantitäten.
bestimmtheiten vorliegen, dieselbe auf diesen Umstand aufmerksam
zu machen, um überall dort, wo in einem solchen Falle von
der grösseren oder geringeren verfügbaren Quantität eines
Gutes der Erfolg gewisser Geschäftsoperationen abhängt, der
Geschäftswelt den gewagten Charakter derselben bemerklich zu
machen.


§. 3.
Ueber den Ursprung der menschlichen Wirthschaft und die wirth-
schaftlichen (ökonomischen) Güter.


a) Die wirthschaftlichen Güter.


Wir haben in den beiden vorangehenden Abschnitten ge-
sehen, wie die einzelnen Individuen sowohl, als auch die durch
den Verkehr verbundenen Bewohner ganzer Länder und Länder-
gruppen bemüht sind, sich einerseits über ihren Bedarf in kom-
menden Zeiträumen und andererseits über die ihnen zur Deckung
desselben verfügbaren Güterquantitäten ein Urtheil zu bilden,
um solcherart die unentbehrliche Grundlage für ihre auf die
Befriedigung der Bedürfnisse gerichtete Thätigkeit zu gewinnen.
Die Aufgabe, an welche wir nunmehr schreiten, ist, darzuthun,
wie die Menschen, auf Grundlage der obigen Erkenntnisse, die
ihnen verfügbaren Güterquantitäten (Genussmittel und Produc-
tionsmittel) der möglichst vollständigen Befriedigung ihrer Be-
dürfnisse zuführen.


Das Resultat der obigen Untersuchung über Bedarf und
verfügbare Quantität der Güter kann ein dreifaches sein:


  • a) Der Bedarf ist grösser, als die verfügbare Quantität.
  • b) Der Bedarf ist geringer, als diese letztere.
  • c) Bedarf und verfügbare Quantität decken sich.

Nun können wir das erste dieser Verhältnisse, wobei noth-
wendigerweise ein Theil der Bedürfnisse nach den betreffenden
Gütern unbefriedigt bleiben muss, bei der weitaus grössern
Mehrzahl der Güter fortdauernd beobachten. Ich will hier nicht
auf die Luxusgegenstände hinweisen, weil bei diesen das obige
Verhältniss von selbst klar zu Tage tritt. Aber auch die gröbsten
Kleidungsstücke, die gewöhnlichsten Wohnräume und Einrich-
tungsstücke, die gemeinsten Nahrungsmittel u. s. f. sind Güter
dieser Art. Selbst Erden, Steine und die unscheinbarsten Ab-
4 *
[52]Ueber den Ursprung der menschlichen Wirthschaft
fälle sind uns, der Regel nach, nicht in so grosser Quantität ver-
fügbar, dass wir nicht noch weitere Quantitäten derselben ver-
wenden könnten.


Wo immer nun dies Verhältniss, im Hinblick auf einen ge-
gebenen Zeitraum, zu Tage tritt, d. i., von den Menschen
erkannt wird, dass der Bedarf an einem Gute grösser ist, als
die ihnen verfügbare Quantität, überall dort ergibt sich für die-
selben die weitere Erkenntniss, dass kein irgend wie practisch
bedeutender Theil der verfügbaren Quantität seine nützlichen
Eigenschaften einbüssen, oder der Verfügung der Menschen ent-
zogen werden kann, ohne dass irgend welche concrete mensch-
liche Bedürfnisse unbefriedigt bleiben müssten, für welche bis
dahin vorgesorgt war, oder dieselben doch nur minder vollständig
befriedigt werden könnten, als dies sonst der Fall gewesen wäre.


Die nächste Folge, welche diese Erkenntniss auf die der
möglichst vollständigen Befriedigung ihrer Bedürfnisse zugewen-
dete Thätigkeit der Menschen äussert, ist, dass dieselben be-
müht sind:


1. jede Theilquantität der in dem obigen Quantitäten-
verhältnisse stehenden Güter in ihrer Verfügung zu erhalten.


2. dieselbe in ihren nützlichen Eigenschaften zu conserviren.


Eine weitere Folge der Erkenntniss des obigen Verhält-
nisses zwischen Bedarf und verfügbarer Quantität ist, dass die
Menschen sich einerseits bewusst werden, dass unter allen Um-
ständen ein Theil ihrer Bedürfnisse nach den in Rede stehenden
Gütern unbefriedigt bleiben wird und andererseits, dass jede un-
zweckmässige Verwendung von Theilquantitäten dieser Güter zur
nothwendigen Folge haben muss, dass selbst ein Theil jener Be-
dürfnisse, für welche bei zweckmässiger Verwendung der ge-
sammten verfügbaren Gütermenge noch vorgesorgt sein würde,
unbefriedigt bleiben müsste.


Die Menschen sind bei der auf die Befriedigung ihrer Be-
dürfnisse gerichteten vorsorglichen Thätigkeit, rücksichtlich der im
obigen Quantitätenverhältnisse stehenden Güter, demnach bemüht:


3. eine Wahl zu treffen zwischen den wichtigeren Bedürf-
nissen, welche sie mit den ihnen verfügbaren Quantitäten der
in Rede stehenden Güter befriedigen, und jenen, welche, un-
befriedigt zu lassen, sie sich bescheiden werden.


[53]Ueber den Ursprung der menschlichen Wirthschaft.

4. mit jeder gegebenen Theilquantität der im obigen Quan-
titätenverhältnisse stehenden Güter durch zweckmässige Ver-
wendung einen möglichst grossen Erfolg und einen bestimmten
Erfolg mit einer möglichst geringen Quantität zu erzielen, oder
mit anderen Worten, die ihnen verfügbaren Quantitäten von Ge-
nussmitteln, zumal aber die ihnen verfügbaren Quantitäten von
Productionsmitteln, in zweckmässigster Weise der Befriedigung
ihrer Bedürfnisse zuzuführen.


Die auf die eben genannten Zwecke gerichtete Thätigkeit
der Menschen in ihrer Gesammtheit nennen wir nun aber ihre
Wirthschaft und die in dem obigen Quantitätenverhältnisse
stehenden Güter als die ausschliesslichen Objecte derselben: die
wirthschaftlichen Güter, im Gegensatze zu jenen, bei
welchen die Menschen keine practische Nöthigung zur wirth-
schaftlichen Thätigkeit finden, und zwar aus Ursachen, die, wie
wir weiter unten sehen werden, ebensowohl auf ein der exac-
testen Bestimmung zugängliches Quantitätenverhältniss zurück-
geführt werden können, wie wir dies bei den wirthschaftlichen
Gütern soeben gezeigt haben *).


[54]Ueber den Ursprung der menschlichen Wirthschaft.

Bevor wir jedoch an die Darlegung dieses Verhältnisses
und der Lebenserscheinungen schreiten, welche in demselben,
*)
[55]Ueber den Ursprung der menschlichen Wirthschaft.
ihre letzte Begründung finden, wollen wir noch einer Erschei-
nung des socialen Lebens gedenken, die von unermesslicher
Bedeutung für die Wohlfahrt der Menschen geworden ist, und
in ihren letzten Ursachen demselben Quantitätenverhältnisse ent-
springt, das wir oben kennen gelernt haben.


Wir haben bisher die Lebenserscheinungen, welche daraus
resultiren, dass bei einer Gruppe von Gütern der Bedarf der
Menschen grösser ist, als die ihnen verfügbare Quantität der-
selben, ganz im Allgemeinen, ohne besondere Rücksichtnahme
auf die sociale Gliederung der Menschen dargestellt, so zwar,
dass das bisher Gesagte, ebensowohl für das isolirte Individuum,
als für eine Gesellschaft in ihrer Gesammtheit, wie immer sie
auch organisirt sein mag, seine Geltung hat. Das Zusammen-
leben von Menschen, welche ihre individuellen Interessen auch
als Glieder der Gesellschaft verfolgen, fördert indess bei allen
jenen Gütern, welche in dem mehrerwähnten Quantitätenverhält-
nisse stehen, eine besondere Erscheinung zu Tage, deren Dar-
stellung hier ihre Stelle finden mag.


Tritt nämlich das obige Quantitätenverhältniss mit Rück-
sicht auf eine Gesellschaft ein, das ist, steht dem grösseren
Bedarfe einer Gesellschaft an einem Gute eine geringere verfüg-
bare Quantität desselben gegenüber, so ist, nach dem was wir
oben sagten, unmöglich, dass die bezüglichen Bedürfnisse aller
Individuen, aus welchen die Gesellschaft zusammengesetzt ist,
ihre vollständige Befriedigung finden, vielmehr ist nichts sicherer,
als dass die Bedürfnisse eines Theiles der Mitglieder dieser Ge-
sellschaft nicht, oder doch nur in unvollständiger Weise zur
Befriedigung gelangen werden. Da findet denn der menschliche
Egoismus einen Antrieb, sich geltend zu machen, und es wird
jedes Individuum bemüht sein, dort, wo die verfügbare Quan-
tität nicht für Alle ausreicht, seinen eigenen Bedarf mit Aus-
schluss der Andern möglichst vollständig zu decken.


*)


[56]Ueber den Ursprung der menschlichen Wirthschaft.

Bei diesem Bestreben werden die einzelnen Individuen sehr
verschiedene Erfolge erzielen. Wie immer aber auch die Ver-
theilung der in dem obigen Quantitätenverhältnisse stehenden
Güter erfolgen mag, stets wird der Bedarf eines Theiles der
Mitglieder der Gesellschaft nicht, oder doch nur unvollständig
gedeckt sein, und es werden diese letztern demnach mit Rücksicht
auf jede Theilquantität der verfügbaren Gütermenge ein Inter-
esse haben, welches dem der jeweiligen Besitzer entgegengesetzt
ist. Damit ist aber auch die Nothwendigkeit ausgesprochen,
dass die einzelnen Individuen in dem Besitze der in dem obigen
Quantitätenverhältnisse stehenden Güter durch die Gesellschaft
gegen allfällige Gewaltthätigkeiten anderer Individuen geschützt
werden, und so gelangen wir denn zu dem ökonomischen Ur-
sprunge unserer gegenwärtigen Rechtsordnung und zunächst des
sogenannten Besitzschutzes, der Grundlage des Eigenthums.


Es haben demnach die menschliche Wirthschaft und das
Eigenthum einen gemeinsamen wirthschaftlichen Ursprung, denn
beide haben ihren letzten Grund darin, dass es Güter gibt, deren
verfügbare Quantität geringer ist, als der Bedarf der Menschen,
und ist das Eigenthum somit, gleich wie die Wirthschaft der
Menschen, keine willkürliche Erfindung, sondern vielmehr die
einzig mögliche practische Lösung jenes Problems, das uns die
Natur der Dinge, das obige Missverhältniss zwischen Bedarf und
verfügbarer Gütermenge, bei allen wirthschaftlichen Gütern auf-
drängt.


Es ist demnach auch unmöglich, die Institution des Eigen-
thums zu beseitigen, ohne die Ursachen aufzuheben, die mit
Nothwendigkeit dazu führten, das ist, ohne zugleich die verfüg-
bare Quantität sämmtlicher ökonomischen Güter so weit zu
vermehren, dass der Bedarf aller Mitglieder der Gesellschaft
vollständig gedeckt sei, oder aber die Bedürfnisse der Menschen
so weit zu veringern, dass die ihnen verfügbaren Güter zur
vollständigen Befriedigung ihrer Bedürfnisse ausreichen würden.
Ohne dass solcherart das Gleichgewicht zwischen Bedarf und
verfügbarer Menge hergestellt werden würde, könnte eine neue
sociale Ordnung wohl bewirken, dass andere Personen die ver-
fügbaren Quantitäten ökonomischer Güter zur Befriedigung
ihrer Bedürfnisse verwenden würden, als dies gegenwärtig der
[57]Ueber den Ursprung der menschlichen Wirthschaft.
Fall ist, niemals könnte aber hierdurch verhindert werden,
dass es Personen gäbe, deren Bedarf an den ökonomischen
Gütern nicht, oder nur unvollständig gedeckt wäre, und denen
gegenüber die Besitzer ökonomischer Güter gegen allfällige Ge-
waltthätigkeiten geschützt werden müssten. Das Eigenthum in
dem obigen Sinne ist demnach unzertrennbar von der menschli-
chen Wirthschaft in ihrer socialen Gestalt und alle socialen
Reformpläne können vernünftigerweise nur auf eine zweck-
mässige Vertheilung der ökonomischen Güter, nicht aber auf die
Aufhebung der Institution des Eigenthums selbst, gerichtet sein.


b) Die nicht ökonomischen Güter.


Wir haben in dem vorhergehenden Abschnitte die Lebens-
erscheinungen dargethan, welche in Folge des Umstandes zu
Tage treten, dass der Bedarf an gewissen Gütern grösser ist,
als die verfügbare Quantität derselben. Wir gelangen nunmehr
zur Darlegung jener Thatsachen, welche in Folge des entgegen-
gesetzten Verhältnisses zur Erscheinung gelangen, des Verhält-
nisses nämlich, wornach der Bedarf der Menschen an einem
Gute geringer ist, als die ihnen verfügbare Quantität desselben.


Die nächste Folge dieses Verhältnisses ist die Erkenntniss
Seitens der Menschen, dass nicht nur für die Befriedigung aller
ihrer Bedürfnisse nach den betreffenden Gütern vollständig vor-
gesorgt ist, sondern dass sie die ganze ihnen verfügbare Quan-
tität der in dem obigen Verhältnisse stehenden Güter zur Be-
friedigung ihrer Bedürfnisse aufzubrauchen nicht in der Lage
sein werden. Setzen wir den Fall, ein Gebirgsbach, der an einem
Dorfe vorbeifliesst, führe während eines Tages 200.000 Eimer
Wasser, mit dem Unterschiede jedoch, dass er zur Zeit von
Regengüssen und im Frühjahre, wenn der Schnee der Berge
schmilzt, bis zu 300.000, zur Zeit der grössten Dürre aber nur
100.000 Eimer Wasser führt. Setzen wir nun weiter den Fall,
dass die Bewohner jenes Dorfes an Trink- und sonstigem
Nutzwasser, bei vollständiger Befriedigung ihrer Bedürfnisse nach
diesem Gute, der Regel nach 200, höchstens aber 300 Eimer
täglich benöthigen, so steht ihrem höchsten Bedarfe von
300 Eimern die Verfügung über wenigstens 100.000 Eimer täg-
lich gegenüber. In diesem und so in jedem anderen Falle, in
[58]Ueber den Ursprung der menschlichen Wirthschaft.
welchem das obige Quantitätenverhältniss vorliegt, ist nun klar,
dass nicht nur für die Befriedigung sämmtlicher Bedürfnisse nach
dem in Rede stehenden Gute vollständig vorgesorgt ist, sondern
die wirthschaftenden Subjecte die ihnen verfügbare Quantität
sogar nur theilweise zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse auf-
zubrauchen in der Lage sind. Auch ist ersichtlich, dass Theilquan-
titäten dieser Güter ihrer Verfügung entzogen werden, oder aber
ihre nützlichen Eigenschaften einbüssen können, ohne dass hie-
durch die Befriedigung ihrer Bedürfnisse irgendwie beeinträch-
tigt würde, wofern nur das obige Quantitätenverhältniss hiedurch
nicht etwa in sein Gegentheil umgewandelt wird. Es haben dem-
nach die wirthschaftenden Menschen, rücksichtlich dieser Güter
weder die practische Nöthigung, jede Theilquantität derselben
in ihrer Verfügung zu erhalten, noch auch jede dieser letztern
in ihren nützlichen Eigenschaften zu conserviren.


Auch die dritte und vierte der oben erwähnten Erscheinungs-
formen der wirthschaftlichen Thätigkeit der Menschen kann bei
den Gütern nicht beobachtet werden, deren verfügbare Quantität
grösser ist, als der Bedarf an denselben. Welchen Sinn hätte
nämlich, bei dem Vorhandensein dieses Verhältnisses, das Be-
streben der Menschen, eine Wahl zu treffen zwischen jenen Be-
dürfnissen, welche sie mit der ihnen verfügbaren Quantität
befriedigen, und jenen, die unbefriedigt zu lassen, sie sich be-
scheiden werden, dort, wo sie selbst bei vollständiger Befriedigung
ihrer Bedürfnisse die ganze ihnen verfügbare Quantität auf-
zubrauchen ausser Stande sind? Und was könnte die Menschen
bewegen, mit jeder gegebenen Quantität dieser Güter, einen
möglichst grossen Erfolg, und jeden gegebenen Erfolg mit einer
möglichst geringen Quantität derselben erzielen zu wollen?


Es ist somit klar, dass alle jene Formen, in welchen die wirth-
schaftliche Thätigkeit der Menschen zur Erscheinung gelangt, bei
jenen Gütern, deren verfügbare Quantität grösser ist, als der Bedarf
an denselben, in eben so naturgemässer Weise ausgeschlossen
sind, als dieselben bei den im entgegengesetzten Quantitäten-
verhältnisse stehenden Güter nothwendigerweise zu Tage treten;
sie sind denn auch keine Objecte der menschlichen Wirthschaft
und wir nennen sie desshalb die nicht ökonomischen Güter.


Wir haben bisher das Verhältniss, welches den nicht öko-
[59]Ueber den Ursprung der menschlichen Wirthschaft.
nomischen Charakter der Güter begründet, im Allgemeinen, also
ohne besondere Rücksichtsnahme auf den gegenwärtigen socialen
Zustand der Menschen betrachtet. Es erübrigt uns nur noch,
auf die besonderen socialen Erscheinungen hinzuweisen, welche
in Folge des obigen Quantitätenverhältnisses zu Tage treten.


Das Bestreben der einzelnen Mitglieder einer Gesellschaft,
mit Ausschluss aller übrigen Mitglieder derselben über cor-
recte Güterquantitäten zu verfügen, hat, wie wir sahen, darin
seinen Ursprung, dass die der Gesellschaft verfügbare Quan-
tität gewisser Güter geringer ist, als der Bedarf und dass
demnach, bei dem Umstande, als die vollständige Deckung des
Bedarfes aller Individuen unter dem Vorwalten eines solchen
Verhältnisses unmöglich ist, jedes einzelne Individuum den An-
trieb hat, seinen Bedarf mit Anschluss aller anderen wirth-
schaftenden Subjecte zu decken. Bei der Concurrenz sämmtlicher
Mitglieder der Gesellschaft um eine Güterquantität, die unter
allen Umständen nicht ausreicht, um alle Bedürfnisse der ein-
zelnen Individuen vollständig zu befriedigen, ist aber, wie wir
sahen, eine practische Lösung des hier obwaltenden Widerspruches
der Interessen nicht anders denkbar, als dadurch, dass die einzelnen
Theilquantitäten der gesammten der Gesellschaft verfügbaren
Quantität in den Besitz der einzelnen wirthschaftenden Subjecte
gelangen und diese letzteren, bei gleichzeitigem Ausschlusse aller
übrigen wirthschaftenden Individuen, in ihrem Besitze durch die
Gesellschaft geschützt werden.


Wesentlich anders verhält sich nun dies bei jenen Gütern,
die keinen ökonomischen Charakter haben. Hier ist die der Ge-
sellschaft verfügbare Güterquantität grösser, als ihr Bedarf, so
zwar, dass, selbst wenn alle Individuen ihre bezüglichen Bedürfnisse
vollständig befriedigen, doch noch Theilquantitäten der verfüg-
baren Gütermenge erübrigen, die völlig nutzlos für die Befrie-
digung menschlicher Bedürfnisse verloren gehen Unter solchen
Umständen liegt für kein Individuum die practische Nöthigung vor,
sich eine für die Deckung seines Bedarfes ausreichende Theilquanti-
tät sicher zu stellen, denn die blosse Erkenntniss jenes Quantitäten-
verhältnisses, das den nicht ökonomischen Charakter der be-
treffenden Güter begründet, ist ihm Bürgschaft zur Genüge,
dass, selbst wenn alle übrigen Mitglieder der Gesellschaft ihren
[60]Ueber den Ursprung der menschlichen Wirthschaft.
Bedarf an diesen Gütern vollständig decken, doch noch mehr
als ausreichende Quantitäten davon für die Befriedigung seiner
Bedürfnisse erübrigen werden.


Das Bestreben der einzelnen Individuen ist, wie die Er-
fahrung lehrt, denn auch nicht darauf gerichtet, Theilquan-
titäten der nicht ökonomischen Güter und zwar mit Ausschluss
aller übrigen Individuen für die Befriedigung ihrer individuellen
Bedürfnisse sich zu sichern, und es sind diese Güter, wie sie
überhaupt kein Gegenstand der Wirthschaft sind, so zunächst
auch kein Gegenstand des Eigenthumswillens der Menschen. Wir
können vielmehr bei allen Gütern, welche in dem den nicht
ökonomischen Charakter begründenden Verhältnisse stehen, auch
thatsächlich ein Bild des Communismus beobachten, denn die
Menschen sind Communisten überall, wo dies mit Rücksicht auf
die vorhandenen natürlichen Grundlagen möglich ist. In Ort-
schaften, welche an Flüssen liegen, die mehr Wasser führen, als die
Bewohner derselben zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse nach
diesem Gute zu verwenden vermögen, geht jedes Individuum
zum Flusse, um eine beliebige Quantität Wasser zu schöpfen;
in Urwäldern holt sich jeder ungehindert die ihm nöthige Quan-
tität Holz, auch lässt Jedermann soviel Luft und Licht in seine
Wohnung, als ihm gut dünkt. Dieser Communismus findet aber
in dem obigen Quantitätenverhältnisse seine ebenso natur-
gemässe Begründung, als das Eigenthum in dem entgegengesetz-
ten Verhältnisse.


c) Verhältniss zwischen den ökonomischen und den nicht ökonomischen Gütern.


Wir haben in den beiden vorangehenden Abschnitten das
Wesen und den Ursprung der menschlichen Wirthschaft in den
Kreis unserer Betrachtungen gezogen und dargethan, dass der
Unterschied zwischen den ökonomischen und den nicht ökono-
mischen Gütern in letzter Reihe in einer der exactesten Auf-
fassung zugänglichen Verschiedenheit im Verhältnisse zwischen
Bedarf und verfügbarer Quantität dieser Güter begründet ist.


Steht dies nun aber fest, so ist auch klar, dass der öko-
nomische, beziehungsweise der nicht ökonomische Charakter der
Güter nichts ihnen Anhaftendes, keine Eigenschaft derselben
ist, und dass desshalb jedes Gut, ohne Rücksicht auf innere
[61]Ueber den Ursprung der menschlichen Wirthschaft.
Eigenschaften, oder äusserliche Momente *) den ökonomischen
Charakter erlangt, falls es in das oben dargelegte Quantitäten-
verhältniss tritt und denselben einbüsst, wofern dies Verhältniss
in sein Gegentheil verwandelt wird.


Die Erfahrung lehrt uns denn auch, dass Güter derselben
Art, welche an bestimmten Orten keinen ökonomischen Charakter
aufweisen, an andern ökonomische Güter sind, ja dass Güter der-
selben Art an demselben Orte mit dem Wechsel der Verhält-
nisse auch den ökonomischen Charakter erlangen und einbüssen.


Während in quellenreichen Gegenden Quantitäten guten
Trinkwassers, in Urwäldern rohe Baumstämme, in manchen
[62]Ueber den Ursprung der menschlichen Wirthschaft.
Ländern selbst Grundstücke keinen ökonomischen Charakter
haben, weisen dieselben Güter gleichzeitig an anderen Orten
den ökonomischen Charakter auf, und die Beispiele sind nicht
minder zahlreich, dass Güter, welche zu einer gewissen Zeit
und an einem bestimmten Orte keinen ökonomischen Cha-
rakter hatten, an demselben Orte, aber zu einer anderen Zeit
den ökonomischen Charakter erlangten. Diese Verschiedenheiten
und dieser Wechsel der Güter kann demnach in den Eigen-
schaften derselben nicht begründet sein. Wir können uns viel-
mehr bei genauer und sorgfältiger Prüfung der vorliegenden
Verhältnisse in allen Fällen die Ueberzeugung verschaffen, dass
dort, wo Güter derselben Art gleichzeitig an zwei verschiedenen
Orten einen verschiedenen Charakter haben, das Verhältniss
zwischen Bedarf und verfügbarer Gütermenge an den beiden
Orten ein verschiedenes ist, und überall dort, wo an dem näm-
lichen Orte Güter, die ursprünglich den nicht ökonomischen
Charakter aufwiesen, zu ökonomischen wurden, oder der um-
gekehrte Fall eintrat, ein Wechsel in dem obigen Quantitäten-
verhältnisse stattgefunden hat.


Die Ursachen, aus welchen nicht ökonomische Güter zu
ökonomischen werden, können nach dem, was wir oben sagten,
nur doppelter Art sein. Entweder hat diese Erscheinung ein
Steigen des Bedürfnisses, oder eine Verminderung der verfüg-
baren Quantität zur Voraussetzung.


Die wichtigsten Ursachen, aus welchen sich eine Steigerung
des Bedarfes ergibt, sind:


1. die Vermehrung der Bevölkerung, zumal die locale An-
häufung derselben,


2. die Entwickelung der menschlichen Bedürfnisse, wodurch
der Bedarf derselben Volksmenge ein wachsender wird,


3. Fortschritte der Menschen in der Erkenntniss des ur-
sächlichen Zusammenhanges der Dinge mit ihrer Wohlfahrt, wo-
durch neue Gebrauchszwecke der Güter entstehen.


Es sind dies aber, wie wir wohl nicht besonders zu betonen
brauchen, durchaus Erscheinungen, welche den Uebergang der
Menschen aus niederen in höhere Culturstufen begleiten und es
ergibt sich daraus die naturgemässe Folge, dass mit der wach-
[63]Ueber den Ursprung der menschlichen Wirthschaft.
senden Cultur die nicht ökonomischen Güter die Tendenz haben,
den ökonomischen Charakter anzunehmen, und zwar hauptsächlich
desshalb, weil das eine der hier Einfluss nehmenden Momente, der
menschliche Bedarf nämlich, mit der Culturentwickelung sich
steigert. Tritt nun noch die Verminderung der verfügbaren
Quantität jener Güter, die bisher den nicht ökonomischen Charakter
aufwiesen, hinzu (z. B. beim Holze durch Ausrodung, oder
Devastirung von Wäldern, wie sie gewissen Culturentwicklungen
eigenthümlich sind), so ist nichts natürlicher, als dass Güter,
deren verfügbare Quantität auf einer frühern Culturstufe den
Bedarf weit überragte und die demnach den nicht ökonomischen
Charakter aufwiesen, im Laufe der Zeit zu ökonomischen werden.
An vielen Orten, zumal in der neuen Welt, lässt sich dieser
Uebergang des nicht ökonomischen Charakters in den ökono-
mischen bei einigen Gütern, zumal beim Holze und bei den Grund-
stücken historisch nachweisen, ja noch in der Gegenwart beob-
achten und ich glaube, obzwar die Nachrichten in dieser Be-
ziehung nur mangelhafte sind, dass sich in dem einst so wald-
reichen Deutschland doch nur wenige Orte finden werden, in
welchen die Bewohner jenen Uebergang, z. B. beim Holze, der-
einst nicht erfahren hätten.


Es ist aber nach dem Gesagten klar, dass auch aller
Wechsel, wodurch ökonomische Güter zu nicht ökonomischen,
und umgekehrt, diese letzten zu ökonomischen werden, lediglich
auf einen Wechsel des Verhältnisses zwischen Bedarf und verfüg-
barer Quantität zurückzuführen ist.


Ein eigenthümliches wissenschaftliches Interesse nehmen
die Güter in Anspruch, welche rücksichtlich der bei denselben
zu Tage tretenden Erscheinungen eine Mittelstellung zwischen
den ökonomischen und den nicht ökonomischen Gütern ein-
nehmen.


Zu diesen sind zunächst die Güter zu zählen, welche bei
hochentwickelter Cultur, um ihrer besondern Wichtigkeit willen,
Seitens der Gesellschaft in so grosser Quantität producirt und
der öffentlichen Benützung dargeboten werden, dass dieselben
auch dem ärmsten Gesellschaftsmitgliede in beliebiger Quantität
zur Verfügung stehen und somit für die Consumenten den nicht
ökonomischen Charakter erlangen.


[64]Ueber den Ursprung der menschlichen Wirthschaft.

Solch ein Gut pflegt bei hoher Cultur z. B. der Volks-
schulunterricht zu sein. Auch gutes gesundes Trinkwasser gilt
den Bewohnern vieler Städte für ein so wichtiges Gut, dass sie
dasselbe, wo es nicht in natürlicher Fülle vorhanden ist, mittelst
Wasserleitungen in die öffentlichen Brunnen führen und zwar in
so grossen Quantitäten, dass der Bedarf der Bewohner an
Trinkwasser nicht nur vollständig gedeckt ist, sondern der Regel
nach noch bedeutende Quantitäten über diesen Bedarf hinaus
verfügbar sind. Während auf niederen Culturstufen die Unter-
weisung eines Lehrers für den dieser Unterweisung Bedürftigen
ein ökonomisches Gut ist, wird dies Gut bei hoch entwickelter
Cultur, Dank der Vorsorge der Gesellschaft, für jeden einzelnen
Bewohner des Landes zu einem nicht ökonomischen und nicht
minder in vielen grossen Städten gutes und gesundes Trink-
wasser, wo es bisher für die Consumenten einen ökonomischen
Charakter hatte, zu einem nicht ökonomischen Gute.


Umgekehrt können Güter, welche den Menschen von Na-
tur aus in einer ihren Bedarf übersteigenden Quantität verfüg-
bar sind, doch für die Consumenten derselben den ökonomischen
Charakter erlangen, wenn ein Gewalthaber die übrigen wirth-
schaften Subjecte von der freien Verfügung über diese Güter
ausschliesst. In waldreichen Ländern sind die Ortschaften sehr
zahlreich, die von Natur aus von holzreichen Wäldern umgeben
sind, so zwar, dass die verfügbare Holzquantität den Bedarf
der Bewohner weitaus übersteigt und demnach das Holz in rohen
Baumstämmen dem natürlichen Laufe der Dinge nach keinen
ökonomischen Charakter haben würde. Dadurch aber, dass ein
Gewalthaber sich des ganzen Waldes, oder doch des weitaus
grösseren Theiles desselben bemächtigt, kann er die Holzquan-
titäten, die den Bewohnern der betreffenden Ortschaft thatsäch-
lich verfügbar sind, derart reguliren, dass das Holz für dieselben
nichtsdestoweniger einen ökonomischen Charakter gewinnt. In
den waldreichen Karpathen gibt es z. B. zahlreiche Ortschaften,
in welchen die Kleingrundbesitzer, die ehemaligen Grundholden,
von den Grossgrundbesitzern das ihnen nöthige Holz kaufen
müssen, während diese Letzteren selbst jährlich viele tausende
Baumstämme im Walde vermodern lassen, da die ihnen verfüg-
baren Quantitäten weitaus grösser sind als der vorhandene
[65]Ueber den Ursprung der menschlichen Wirthschaft.
Bedarf. Es ist dies aber ein Fall, in welchem Güter, die dem
natürlichen Laufe der Dinge nach keinen ökonomischen Cha-
rakter haben würden, für die Consumenten künstlicherweise zu
ökonomischen werden, und bei welchen denn auch thatsächlich
alle jene Erscheinungen des wirthschaftlichen Lebens beobachtet
werden können, die den ökonomischen Gütern eigenthümlich
sind *).


Endlich sind auch noch jene Güter hieher zu rechnen,
welche zwar mit Rücksicht auf die Gegenwart noch den nicht öko-
nomischen Charakter aufweisen, im Hinblick auf künftige Ent-
wickelungen jedoch von den wirthschaftenden Menschen in
mancher Beziehung bereits den ökonomischen Gütern gleich-
geachtet werden. Wenn nämlich die verfügbare Quantität eines
nicht ökonomischen Gutes sich fortdauernd verringert, beziehungs-
weise der Bedarf an demselben sich fortdauernd vermehrt, und
das Verhältniss zwischen beiden ein solches ist, dass der endliche
Uebergang des nicht ökonomischen Charakters des in Rede
stehenden Gutes in den ökonomischen vorausgesehen werden
kann, so pflegen die wirthschaftenden Individuen concrete Theil-
quantitäten desselben, auch wenn das den nicht ökonomischen
Charakter des Gutes begründende Quantitätenverhältniss noch that-
sächlich vorliegt, mit Rücksicht auf künftige Zeiträume, doch bereits
zu Gegenständen ihrer Wirthschaft zu machen und unter socialen
Verhältnissen sich ihren individuellen Bedarf durch Besitzergrei-
fung entsprechender Quantitäten sicherzustellen. Ein gleiches gilt
von jenen nicht ökonomischen Gütern, deren verfügbare Quantität
einem sehr starken Wechsel unterliegt, so zwar, dass nur die
Verfügung über einen gewissen Ueberfluss in gewöhnlichen Zeit-
läufen die Verfügung über den Bedarf in Zeiten des Mangels
sichert, und ebenso von allen jenen nicht ökonomischen Gütern, bei
welchen die Grenze zwischen Bedarf und verfügbarer Quantität
bereits so nahe gerückt ist (hieher gehört vor Allem der S. 51
erwähnte dritte Fall), dass Missbrauch oder Missverstand ein-
Menger, Volkswirthschaftslehre. 5
[66]Ueber den Ursprung der menschlichen Wirthschaft.
zelner wirthschaftenden Individuen den Uebrigen leicht verderblich
werden kann, oder besondere Rücksichten (z. B. der Bequem-
lichkeit, Reinlichkeit etc.) die Besitzergreifung concreter Theil-
quantitäten der nicht ökonomischen Güter räthlich erscheinen
lassen. Es kann demnach aus diesen und ähnlichen Gründen
die Erscheinung des Eigenthums auch bei solchen Gütern beobach-
tet werden, welche rücksichtlich der übrigen Erscheinungen des
wirthschaftlichen Lebens sich uns noch als nicht ökonomische
Güter darstellen.


Noch möchten wir die Aufmerksamkeit unserer Leser auf
einen Umstand lenken, welcher von grosser Wichtigkeit für die
Beurtheilung des ökonomischen Charakters der Güter ist, wir
meinen die Verschiedenheit der Qualität derselben. Wenn
nämlich die gesammte verfügbare Quantität eines Gutes den
Bedarf an demselben nicht zu decken vermag, so wird jede ein-
zelne concrete Theilquantität dieses Gutes zu einem Gegenstande
der menschlichen Wirthschaft, das ist, zu einem ökonomischen
Gute, und zwar ohne Rücksicht auf die höhere oder geringere
Qualität. Ist dagegen die verfügbare Quantität eines Gutes
grösser, als der Bedarf an demselben und giebt es demnach auch
Theilquantitäten, die zur Befriedigung keines wie immer ge-
arteten Bedürfnisses herangezogen werden, so müssten nach
dem, was wir oben über das Wesen der nicht ökonomischen
Güter gesagt haben, alle Theilquantitäten dieses Gutes den nicht
ökonomischen Charakter erlangen, wofern diese letzteren ins-
gesammt von gleicher Beschaffenheit wären. Dadurch aber,
dass Theilquantitäten der verfügbaren Menge eines Gutes ge-
wisse Vorzüge vor den übrigen haben, so zwar, dass mit-
telst derselben die bezüglichen Bedürfnisse der Menschen
besser, oder überhaupt vollständiger befriedigt werden können,
als mittelst der letztern, kann bewirkt werden, dass die be-
treffenden höher qualificirten Güter den ökonomischen Cha-
rakter erlangen, während die übrigen, minder qualificirten Güter
noch den nicht ökonomischen Charakter aufweisen. So können
zum Beispiel in einem Lande, in dem ein Ueberfluss an Grund-
stücken besteht, die der Bodenbeschaffenheit oder Lage nach
vorzüglicheren Grundstücke bereits den ökonomischen Charakter
erlangt haben, während die minderen noch den nicht ökono-
[67]Ueber den Ursprung der menschlichen Wirthschaft.
mischen Charakter aufweisen, und in einer Stadt, die an einem
Strome liegt, der trinkbares Wasser minderer Qualität führt,
können Quantitäten von Quellwasser bereits Gegenstand der
Individualwirthschaft sein, während das Stromwasser noch keinen
ökonomischen Charakter aufweist.


Tritt uns demnach bisweilen die Erscheinung entgegen,
dass verschiedene Theilquantitäten eines Gutes gleichzeitig
einen verschiedenen Charakter haben, so liegt der Grund
hievon doch auch in diesem Falle immer nur darin, dass die
verfügbare Quantität der höher qualificirten Güter geringer als
der Bedarf ist, während die minder qualificirten Güter in einer
den (durch die Güter besserer Qualität nicht bereits gedeckten)
Bedarf übersteigenden Quantität verfügbar sind, und es bilden
solche Fälle demnach nicht Ausnahmen, sondern vielmehr eine
Bestätigung der hier dargelegten Grundsätze.


d) Die Gesetze, unter welchen die Güter in Rücksicht auf ihren ökonomischen
Charakter stehen.


Wir sind in unseren Untersuchungen über die Gesetze,
nach welchen der menschliche Bedarf sich regelt, zu dem Re-
sultate gelangt, dass derselbe, so weit er sich auf Güter höherer
Ordnung bezieht, zunächst durch unseren Bedarf an den ent-
sprechenden Gütern niederer Ordnung, überdies aber auch noch
dadurch bedingt ist, dass unser Bedarf an diesen letzteren nicht,
oder doch nur zum Theile gedeckt ist. Die Güter, deren ver-
fügbare Quantität den Bedarf nicht vollständig deckt, haben
wir aber die ökonomischen genannt und es ergibt sich sonach
der Grundsatz, dass unser Bedarf an Gütern höherer
Ordnung durch den ökonomischen Charakter der
entsprechenden Güter niederer Ordnung bedingt ist
.


In Ortschaften, in welchen gutes und gesundes Trinkwasser
in einer den Bedarf der Bevölkerung übersteigenden Quantität
vorhanden ist und dies Gut demnach den nicht ökonomischen
Charakter aufweist, kann kein Bedarf an allen jenen Vorrich-
tungen oder Transportmitteln entstehen, welche ausschliesslich
zur Herleitung und Filtrirung, beziehungsweise zur Zufuhr von
Trinkwasser dienlich sind, und in Gegenden, in welchen ein
natürlicher Ueberfluss an Brennholz (eigentlich an Baumstämmen)
5 *
[68]Ueber den Ursprung der menschlichen Wirthschaft.
besteht, dieses Gut demnach den nicht ökonomischen Charakter
hat, ist offenbar jeder Bedarf an den ausschliesslich zur Her-
vorbringung von Brennholz tauglichen Gütern höherer Ord-
nung von vornherein ausgeschlossen, während in Gegenden, wo
das Trinkwasser, beziehungsweise das Brennholz den ökonomischen
Charakter aufweisen, ein Bedarf an den obigen Gütern höherer
Ordnung allerdings zu Tage tritt.


Ist es nun aber sicher, dass der menschliche Bedarf an
Gütern höherer Ordnung durch den ökonomischen Charakter
der entsprechenden Güter niederer Ordnung bedingt ist, und
dass ein Bedarf an Gütern höherer Ordnung, wofern dieselben
nicht zur Hervorbringung ökonomischer Güter verwendbar sind,
gar nicht entstehen kann, so kann dieser letztere in diesem Falle
auch nie grösser werden, als die etwa verfügbare, wenn auch
noch so geringfügige Quantität der betreffenden Güter höherer
Ordnung und ist somit der ökonomische Charakter dieser letz-
tern von vornherein ausgeschlossen.


Es ergibt sich aber hieraus der allgemeine Grundsatz,
dass der ökonomische Charakter der Güter höherer
Ordnung durch jenen der Güter niederer Ordnung
bedingt ist, zu deren Hervorbringung sie dienen
,
oder mit andern Worten, dass kein Gut höherer Ordnung den
ökonomischen Charakter erlangen, oder behaupten kann, es
wäre denn zur Hervorbringung ökonomischer Güter niederer
Ordnung tauglich.


Wenn demnach Güter niederer Ordnung, welche den
ökonomischen Charakter aufweisen, unserer Beurtheilung vor-
liegen und die Frage nach den letzten Ursachen des ökonomischen
Charakters derselben entsteht, so hiesse es das wahre Ver-
hältniss geradezu verkehren, wollte man annehmen, dass dieselben
desshalb ökonomische Güter sind, weil die zu ihrer Hervor-
bringung verwendeten Güter, ehe sie dem Productionsprocesse
unterzogen wurden, den ökonomischen Charakter aufwiesen.
Eine solche Annahme würde zunächst aller Erfahrung wider-
sprechen, welche uns lehrt, dass aus Gütern höherer Ordnung deren
ökonomischer Charakter ausser allem Zweifel steht, doch gänz-
lich unbrauchbare Dinge, demnach auch solche hervorgebracht
werden können, und in Folge ökonomischen Unverstandes that-
[69]Ueber den Ursprung der menschlichen Wirthschaft.
sächlich hervorgebracht werden, die nicht einmal die Güterqua-
lität, geschweige denn den ökonomischen Charakter aufweisen. Es
lassen sich aber auch Fälle denken, wo aus ökonomischen Gütern
höherer Ordnung Dinge producirt werden könnten, die zwar
Güterqualität, aber keinerlei ökonomischen Charakter hätten.
Man denke nur an Personen, die in Urwäldern mit dem Aufwande
von ökonomischen Gütern Holz produciren, in Gegenden, die
Ueberfluss an Trinkwasser haben, solches mit dem Aufwande
von ökonomischen Gütern herbeischaffen, oder aber mit Auf-
wendung kostbarer Stoffe Luft u. dgl. m. hervorbringen würden.


Der ökonomische Charakter eines Gutes kann demnach
nicht die Folge des Umstandes sein, dass dasselbe aus ökono-
mischen Gütern höherer Ordnung hervorgebracht wurde, und
wäre demnach diese Erklärung der obigen Erscheinung des
wirthschaftlichen Lebens der Menschen unter allen Umstän-
den und selbst dann zu verwerfen, wenn sie nicht auch sonst
noch einen inneren Widerspruch in sich trüge. Die Erklärung
des ökonomischen Charakters der Güter niederer Ordnung
durch jenen der Güter höherer Ordnung ist nämlich nur eine
scheinbare und erfüllt, abgesehen von ihrer Unrichtigkeit, und
dem Widerspruche, in welchem sie zu aller Erfahrung steht,
nicht einmal die formellen Bedingungen der Erklärung einer
Erscheinung. Dadurch nämlich, dass wi[r] den ök [...]nomischen
Charakter der Güter erster Ordnung durch jenen der Güter
zweiter Ordnung, diesen durch den ökonomischen Charakter der
Güter dritter Ordnung, diesen durch jenen der Güter vierter Ord-
nung und so fort erklären, wird die Lösung der Frage, im Grunde
genommen, auch nicht um einen Schritt gefördert, indem ja
dann doch noch immer die Frage nach der letzten und eigent-
lichen Ursache des ökonomischen Charakters der Güter unbe-
antwortet bleibt.


Aus unserer bisherigen Darstellung geht aber hervor, dass
der Mensch mit seinen Bedürfnissen und seiner Gewalt über die
Mittel zur Befriedigung derselben der Ausgangspunkt und Ziel-
punkt aller menschlichen Wirthschaft ist. Der Mensch empfindet
zunächst Bedürfnisse nach Gütern erster Ordnung und macht
diejenigen, deren ihm verfügbare Menge geringer ist, als sein
Bedarf, zu Gegenständen seiner wirthschaftlichen Thätigkeit, zu
[70]Das Vermögen.
wirthschaftlichen Gütern, während er die übrigen in den Kreis
seiner ökonomischen Thätigkeit einzubeziehen keine practische
Veranlassung findet.


Später führen Nachdenken und Erfahrung die Menschen
zu immer tieferer Erkenntniss des ursächlichen Zusammenhanges
der Dinge und zumal des Zusammenhanges derselben mit ihrer
Wohlfahrt, und sie lernen die Güter zweiter, dritter und höherer
Ordnung kennen. Aber auch bei diesen Gütern finden sie, gleich-
wie bei den Gütern erster Ordnung, dass einige derselben ihnen
in einer den Bedarf übersteigenden Quantität verfügbar sind,
während bei den übrigen das entgegengesetzte Verhältniss obwal-
tet, und sie scheiden auch diese Güter in solche, die sie in den
Kreis ihrer wirthschaftlichen Thätigkeit einbeziehen, und in an-
dere, bei welchen sie hiezu keine practische Nöthigung empfinden.
Dies ist aber der Ursprung des ökonomischen Charakters der
Güter höherer Ordnung.


§. 4.
Das Vermögen.


„Die Gesammtheit der einer Person verfügbaren Güter“
haben wir oben (S. 31) den Güterbesitz derselben genannt,
die Gesammtheit der einem wirthschaftenden Subjecte verfüg-
baren *)ökonomischen Güter nennen wir dagegen sein Ver-
mögen
**) und sind demnach die in der Verfügung eines wirth-
schaftenden Subjectes befindlichen nicht ökonomischen Güter,
wie sie überhaupt nicht Gegenstände seiner Wirthschaft sind,
so auch nicht als Theile seines Vermögens zu betrachten.
[71]Das Vermögen.
Nun haben wir gesehen, dass die ökonomischen Güter diejenigen
sind, deren verfügbare Quantität geringer ist, als der Bedarf
an denselben. Das Vermögen liesse sich demnach auch defi-
niren als „die Gesammtheit der einem wirthschaftenden Subjecte
verfügbaren Güter, deren Quantität geringer ist, als der
**)
[72]Das Vermögen.
Bedarf an denselben“, und gäbe es somit in einer Gesellschaft,
welcher alle Güter in einer ihren Bedarf übersteigenden Menge
verfügbar wären, weder ökonomische Güter, noch auch „Ver-
mögen.“ Das Vermögen ist demnach wohl ein Massstab für den
Grad der Vollständigkeit, mit welcher eine Person ihre Bedürf-
nisse im Vergleiche mit andern Personen, die unter gleichen Ver-
hältnissen ihre wirthschaftliche Thätigkeit entwickeln, befriedigen
kann, aber durchaus nicht ein absoluter Massstab derselben *),
denn die höchste Wohlfahrt aller Individuen und der Gesellschaft
wäre dann erreicht, wenn die der Gesellschaft verfügbaren Güter-
quantitäten so gross wären, dass Niemand eines Vermögens
bedürfte.


Es sollen aber diese Bemerkungen die Lösung eines Problems
einleiten, welches, wegen der scheinbaren Antinomien, zu welchen
es führt, geeignet ist, Misstrauen gegen die Richtigkeit der
Grundsätze unserer Wissenschaft hervorzurufen. Es wurde nämlich
darauf hingewiesen, dass durch eine fortgesetzte Vermehrung
der den wirthschaftenden Subjecten verfügbaren ökonomischen
Güter, diese letzteren schliesslich nothwendigerweise den öko-
nomischen Charakter einbüssen und solcherart die Vermögens-
bestandtheile eine Verminderung erfahren müssten. Es würde
demnach der eigenthümliche Widerspruch zu Tage treten, dass
eine fortgesetzte Vermehrung der Vermögens-Objecte schliesslich
eine Verminderung der Vermögens-Objecte zur nothwendigen
Folge hätte **).


[73]Das Vermögen.

Die verfügbare Quantität irgend eines Mineralwassers sei
beispielsweise bei einem Volke geringer, als der Bedarf. Die in
der Verfügung der einzelnen wirthschaftenden Personen befind-
lichen Theilquantitäten dieses Gutes, sowie die einzelnen Quellen,
sind demnach ökonomische Güter, Vermögensbestandtheile. Setzen
wir nun den Fall, dass plötzlich einige Bäche dies Heilwasser
zu führen begännen, und zwar in so reichlichem Masse, dass
dasselbe dadurch seinen bisherigen ökonomischen Charakter ein-
büssen würde. In diesem Falle ist nichts sicherer, als dass die
oben erwähnten, bis zum Eintritte des eben gedachten Ereignisses
den wirthschaftenden Individuen verfügbaren Quantitäten von
Mineralwasser, so wie die Mineralquellen selbst, aufhören würden
Vermögens-Bestandtheile zu sein, und es würde demnach aller-
dings der Fall eintreten, dass die fortgesetzte Vermehrung von
Vermögensbestandtheilen schliesslich und endlich eine Ver-
minderung derselben zur Folge haben würde.


Dieses Paradoxon ist auf den ersten Blick höchst auffällig,
erweist sich indess bei genauerer Betrachtung nur als ein schein-
bares. Die ökonomischen Güter sind, wie wir oben sahen, solche,
deren verfügbare Quantität geringer ist, als der Bedarf an den-
selben, also jene Güter, an welchen ein partieller Mangel besteht,
und das Vermögen der wirthschaftenden Individuen ist nichts
Anderes, als die Gesammtheit dieser Güter. Wird nun die ver-
fügbare Quantität derselben fortschreitend vermehrt, bis diese
Güter ihren ökonomischen Charakter endlich einbüssen, so existirt
dann eben nicht weiter Mangel an denselben und sie treten aus
dem Kreise jener Güter, welche Theile des Vermögens der
wirthschaftenden Menschen bilden, das ist aus dem Kreise jener
Güter, an welchen partieller Mangel besteht. In dem Umstande,
dass die fortgesetzte Vermehrung eines Gutes, an welchem Man-
gel besteht, schliesslich und endlich bewirkt, dass dasselbe auf-
hört, ein solches zu sein, darin liegt nun aber doch sicherlich
kein Widerspruch.


Dass die fortgesetzte Vermehrung der ökonomischen Güter
schliesslich eine Verminderung jener Güter zur Folge haben
muss, an welchen bis dahin Mangel bestand, ist vielmehr ein
Satz, der Jedermann ebenso unmittelbar einleuchtet, als der ent-
gegengesetzte, dass eine durch längere Zeit fortgesetzte Ver-
[74]Das Vermögen.
minderung der im Ueberflusse vorhandenen (der nicht öko-
nomischen Güter) schliesslich bewirken muss, dass dieselben zu
solchen werden, an welchen theilweiser Mangel besteht, das ist
zu Vermögensbestandtheilen und der Kreis dieser letzteren daher
eine Erweiterung erfährt.


Das obige Parodoxon, das übrigens nicht nur hier, wo es
sich lediglich um den Umfang der Vermögensobjecte handelt,
sondern in analoger Weise auch rücksichtlich des Werthes und
Preises der ökonomischen Güter aufgestellt wurde *), ist demnach
nur ein scheinbares und beruht auf der Verkennung des Wesens
des Vermögens und seiner Bestandtheile.


Wir haben das Vermögen als die Gesammtheit der einem
wirthschaftenden Subjecte verfügbaren ökonomischen Güter be-
zeichnet. Ein jedes Vermögen setzt demnach ein wirthschaftendes
Subject, oder doch ein solches voraus, für welches gewirthschaftet
wird. Die einem bestimmten Zweck gewidmeten Quantitäten
ökonomischer Güter sind demnach kein Vermögen im öko-
nomischen Sinne des Wortes, da die Fiction einer juristischen
Person wohl für die Zwecke der practischen Rechtspflege, oder
aber selbst zum Zweck juristischer Constructionen gelten mag,
für unsere Wissenschaft aber, die jede Fiction zurückweist, ent-
schieden nicht vorhanden ist. Die sogenannten „Zweckvermögen“
sind demnach Quantitäten ökonomischer Güter, welche bestimmten
Zwecken gewidmet sind, aber nicht Vermögen im ökonomischen
Sinne des Wortes.


Die obige Frage führt uns zu jener über das Wesen des
Volksvermögens. Staaten, einzelne Landestheile, Gemeinden
und Gesellschaften verfügen der Regel nach über Quantitäten
ökonomischer Güter, um ihre Bedürfnisse befriedigen, um ihre
Zwecke verwirklichen zu können. Hier ist die Fiction einer
juristischen Person für den Nationalökonomen nicht erforderlich.
Für den existirt ohne jede Fiction ein wirthschaftendes Subject,
eine Gesellschaft, welche gewisse, ihr für den Zweck der
Befriedigung ihrer Bedürfnisse verfügbare ökonomische Güter
durch ihre Organe verwaltet und dieser Bestimmung zuführt.
Niemand wird demnach auch Anstand nehmen, die Existenz von
[75]Das Vermögen.
Staats-, Landes-, Gemeinde- und Gesellschafts-Vermögen anzu-
erkennen.


Anders verhält es sich mit dem, was man mit dem Aus-
drucke „Volksvermögen“ bezeichnet. Hier handelt es sich
nicht um die Gesammtheit der einem Volke zur Befriedigung
seiner Bedürfnisse verfügbaren, von dessen Organen verwalte-
ten und der obigen Bestimmung zugeführten ökonomischen
Güter, sondern um die Gesammtheit derjenigen, welche den ein-
zelnen wirthschaftenden Individuen und Gesellschaften in einem
Volke und diesem selbst für ihre individuellen Zwecke verfüg-
bar sind, also um einen Begriff, der von dem, was wir ein Ver-
mögen nennen, in manchen wesentlichen Punkten abweicht.


Greift man zu der Fiction, dass man sich die Gesammtheit
der für die Befriedigung ihrer speciellen Bedürfnisse ökonomisch
thätigen, nicht selten von entgegengesetzten Interessen geleiteten
Personen in einem Volke als Ein grosses wirthschaftendes
Subject denkt, nimmt man ferner an, dass die den einzelnen
wirthschaftenden Personen verfügbaren Quantitäten von öko-
nomischen Gütern nicht für die Befriedigung der speciellen Be-
dürfnisse dieser letzteren, sondern für die Bedürfnisse der Ge-
sammtheit der wirthschaftenden Individuen, aus welchen ein
Volk besteht, bestimmt sind, dann gelangt man allerdings zu
dem Begriffe einer Gesammtheit von ökonomischen Gütern,
welche einem wirthschaftenden Subjecte (hier einem Volke)
für die Zwecke der Befriedigung seiner Bedürfnisse verfügbar
sind, also zum Begriffe dessen, was man ganz richtig ein Volks-
vermögen nennen würde. Unter unseren gegenwärtigen socialen
Verhältnissen bildet jedoch die Gesammtheit der den wirth-
schaftenden Personen in einem Volke zum Zwecke der Befriedi-
gung ihrer speciellen Bedürfnisse verfügbaren ökonomischen
Güter offenbar kein Vermögen in dem ökonomischen Sinne des
Wortes, sondern vielmehr einen durch den menschlichen Ver-
kehr verknüpften Complex von solchen *).


Das Bedürfniss nach einer wissenschaftlichen Bezeichnung
für die eben erwähnte Gütergesammtheit ist indess ein so be-
[76]Das Vermögen.
rechtigtes und der Ausdruck „Volksvermögen“ für den obigen
Begriff ein so allgemeiner und durch den Gebrauch sanctionirter,
dass es um so weniger einem Bedürfnisse entspräche, denselben
fallen zu lassen, je klarer wir uns über das eigentliche Wesen
des sogenannten Volksvermögens werden.


Nur ist es dann nothwendig, dass wir uns vor den Irr-
thümern bewahren, welche aus einer den obigen Unterschied ausser
Acht lassenden Argumentation sich ergeben müssten. Bei allen
Fragen, wo es sich lediglich um die quantitative Bestimmung
des sogenannten Volksvermögens handelt, mag die Gesammtheit
der Individualvermögen eines Volkes immerhin als Volksvermögen
gelten. Wo es sich aber um den Rückschluss von der Grösse
des Volksvermögens auf die Wohlfahrt des Volkes, oder aber
um jene Erscheinungen handelt, welche die Wirkung des Con-
tactes der einzelnen Wirthschaften sind, müsste die Auffassung
des Volksvermögens im buchstäblichen Sinne des Wortes noth-
wendigerweise zu häufigen Irrthümern führen. In allen diesen
Fällen werden wir vielmehr das Volksvermögen als Complex der
Individualvermögen eines Volkes zu betrachten und auch dem
verschiedenen Masse dieser letztern unsere Aufmerksamkeit zu-
zuwenden haben.


[[77]]

Drittes Capitel.
Die Lehre vom Werthe.


§. 1.
Ueber das Wesen und den Ursprung des Güterwerthes.


Wenn der Bedarf an einem Gute innerhalb eines Zeitrau-
mes, auf welchen sich die vorsorgliche Thätigkeit der Menschen
erstreckt, grösser ist, als die ihnen für diesen Zeitraum verfüg-
bare Quantität desselben, so empfinden die Menschen in dem
Streben, ihre Bedürfnisse so vollständig zu befriedigen, als dies
bei der gegebenen Sachlage möglich ist, rücksichtlich des in
Rede stehenden Gutes den Antrieb zu der von uns oben dar-
gelegten Thätigkeit, welche wir ihre Wirthschaft nannten.
Die Erkenntniss des obigen Verhältnisses fördert indess noch
eine andere Erscheinung zu Tage, deren tieferes Verständniss
von massgebender Wichtigkeit für unsere Wissenschaft ist —
wir meinen den Güterwerth.


Ist nämlich der Bedarf an einem Gute grösser, als die
verfügbare Quantität desselben, so steht zugleich fest, dass,
nachdem ein Theil der bezüglichen Bedürfnisse ohnehin wird un-
befriedigt bleiben müssen, die verfügbare Quantität des in Rede
stehenden Gutes um keine irgendwie practisch beachtenswerthe
Theilquantität verringert werden kann, ohne dass hiedurch irgend
ein Bedürfniss, für welches bis dahin vorgesorgt war, nicht, oder
doch nur minder vollständig befriedigt werden könnte, als dies
ohne den Eintritt der obigen Eventualität der Fall sein würde.
Bei allen Gütern, welche in dem obigen Quantitäten-Verhält-
nisse stehen, ist demnach von der Verfügung über jede concrete,
practisch noch beachtenswerthe Quantität derselben die Be-
friedigung irgend eines menschlichen Bedürfnisses abhängig.
Werden sich nun die wirthschaftenden Menschen dieses Um-
[78]Ueber das Wesen und den Ursprung des Güterwerthes.
standes bewusst, erkennen sie nämlich, dass von der Verfügung
über jede Theilquantität der in Rede stehenden Güter, bezie-
hungsweise von jedem concreten, in dem obigen Quantitäten-
Verhältnisse stehenden Gute, die Befriedigung eines ihrer Be-
dürfnisse, oder doch die grössere oder geringere Vollständigkeit
derselben abhängig ist, so gewinnen diese Güter für sie jene
Bedeutung, die wir den Werth nennen, und es ist somit der
Werth die Bedeutung, welche concrete Güter oder Güterquanti-
täten für uns dadurch erlangen, dass wir in der Befriedigung
unserer Bedürfnisse von der Verfügung über dieselben abhängig
zu sein uns bewusst sind *).


[79]Ueber das Wesen und den Ursprung des Güterwerthes.

Es entspringt demnach jene Lebenserscheinung, die wir den
Güterwerth nennen, aus derselben Quelle, wie der ökonomische
*)
[80]Ueber das Wesen und den Ursprung des Güterwerthes.
Charakter der Güter, das ist aus dem oben dargelegten Ver-
hältnisse zwischen Bedarf und verfügbarer Gütermenge *). Der
Unterschied zwischen beiden Erscheinungen liegt aber darin, dass
die Erkenntniss jenes Quantitäten-Verhältnisses einerseits unsere
vorsorgliche Thätigkeit anregt, und somit die Güter, welche in
*)
[81]Ueber das Wesen und den Ursprung des Güterwerthes.
diesem letzten stehen, Gegenstände unserer Wirthschaft, das ist
ökonomische Güter werden, andererseits aber die Erkenntniss
desselben Verhältnisses uns auch die Bedeutung zum Bewusst-
sein führt, welche die Verfügung über jede concrete *) Theilquan-
tität der uns verfügbaren Gütermenge für unser Leben, bezie-
hungsweise für unsere Wohlfahrt hat, und die im obigen Ver-
hältnisse stehenden Güter demnach für uns Werth erlangen **).


Es ist desshalb aber auch klar, warum nur die ökonomi-
schen Güter für uns Werth haben, während diejenigen Güter,
welche in dem den nicht ökonomischen Charakter der Güter be-
gründenden Quantitätenverhältnisse stehen, gar keinen Werth
für uns erlangen können.


Das Verhältniss, welches den nicht ökonomischen Charakter
Menger, Volkswirthschaftslehre. 6
[82]Ueber das Wesen und den Ursprung des Güterwerthes.
der Güter begründet, besteht darin, dass der Bedarf an den be-
treffenden Gütern geringer ist, als die verfügbare Quantität. Es
giebt somit immer Theilquantitäten der nicht ökonomischen Güter,
welchen kein zu befriedigendes menschliches Bedürfniss gegen-
übersteht und welche demnach ihre Güterqualität einbüssen
können, ohne dass dadurch die Befriedigung menschlicher Be-
dürfnisse irgendwie gefährdet würde. Es hängt somit von unserer
Verfügung über concrete Güter, die keinen ökonomischen Cha-
rakter haben, keine Bedürfnissbefriedigung ab, und so kommt es,
dass concrete Quantitäten der im obigen Verhältnisse stehenden,
das ist der nicht ökonomischen Güter, auch keinen Werth für
uns haben.


Wenn der Bewohner eines Urwaldes über einige hundert-
tausend Baumstämme verfügt, während er doch nur etwa zwanzig
Baumstämme jährlich zur vollen Deckung seines Holzbedarfes
benöthigt, so wird er sich in der Befriedigung seiner Bedürfnisse
keineswegs geschädigt erachten, wenn durch einen Waldbrand
etwa tausend dieser Baumstämme zu Grunde gehen würden, in-
solange er eben mit dem Reste derselben seine Bedürfnisse so
vollständig, wie früher, zu befriedigen in der Lage ist. Von der
Verfügung über einen einzelnen Baumstamm hängt demnach unter
solchen Verhältnissen die Befriedigung keines seiner Bedürfnisse ab
und hat ein solcher für ihn desshalb auch keinen Werth. Würden sich
dagegen im Urwalde auch zehn wilde Obstbäume befinden, deren
Früchte das obige Subject geniesst, und wäre das Verhältniss
ein solches, dass die ihm verfügbare Menge von Baumfrüchten
nicht grösser wäre, als sein Bedarf an diesem Gute, so könnte
allerdings kein einzelner dieser letztern Bäume zu Grunde gehen,
ohne dass er in Folge dieses Umstandes Hunger leiden, oder
sein Bedürfniss nach Baumfrüchten doch nur minder vollständig,
als bis dahin, befriedigen könnte, und jeder einzelne dieser Obst-
bäume hätte desshalb für ihn Werth.


Wenn die Bewohner eines Dorfes täglich tausend Eimer
Wasser benöthigen, um ihren Bedarf an diesem Gute voll-
ständig zu decken, und über einen Bach verfügen, der täg-
lich hunderttausend Eimer Wasser führt, so hat für dieselben
eine concrete Theilquantität dieses Wassers, z. B. ein Eimer,
keinen Werth, weil sie ihr Bedürfniss nach Wasser auch dann
[83]Ueber das Wesen und den Ursprung des Güterwerthes.
noch ebenso vollständig befriedigen können, wenn diese Theil-
quantität ihrer Verfügung entzogen, oder dieselbe überhaupt ihre
Güterqualität einbüssen würde. Ja, sie werden täglich viele
tausend Eimer dieses Gutes dem Meere zufliessen lassen, ohne
um dessentwillen in der Befriedigung ihres Bedürfnisses nach
Wasser irgendwie geschädigt zu werden. Es wird demnach, so
lange das den nicht ökonomischen Charakter des Wassers be-
gründende Verhältniss erhalten bleibt, die Befriedigung keines
ihrer Bedürfnisse von der Verfügung über einen Eimer Wasser
in der Weise abhängig sein, dass diese Bedürfnissbefriedigung
nicht erfolgen würde, wofern sie über jenes Gut nicht verfü-
gen könnten und dies der Grund, warum eine solche Quantität
Wasser für dieselben keinen Werth hat. Würde dagegen die
Quantität Wasser, welche jener Bach führt, in Folge einer
aussergewöhnlichen Dürre, oder eines anderen Naturereignisses
bis auf fünfhundert Eimer täglich sinken, und wäre den Be-
wohnern des Dorfes, von dem wir hier sprechen, keine andere
Bezugsquelle von Wasser zugänglich, so zwar, dass die gesammte
denselben verfügbare Quantität nicht ausreichen würde, um ihr
Bedürfniss nach Wasser vollständig zu befriedigen, so würden
dieselben keinen irgendwie practisch bedeutenden Theil der ihnen
dann noch verfügbaren Quantität, z. B. einen Eimer, sich ent-
gehen lassen dürfen, ohne in der Befriedigung ihrer Bedürfnisse
geschädigt zu sein und jeder concrete Theil dieser ihnen ver-
fügbaren Quantität würde dann allerdings für sie Werth haben.


Die nicht ökonomischen Güter haben demnach nicht nur,
wie dies bisher angenommen wurde, keinen Tauschwerth, son-
dern überhaupt keinen Werth, und somit auch keinen Gebrauchs-
werth. Wir werden weiter unten, sobald wir noch einige wissen-
schaftliche Voraussetzungen gewonnen haben werden, das Ver-
hältniss zwischen dem Gebrauchswerthe und dem Tauschwerthe
eines weiteren darzulegen versuchen. Hier sei vorläufig nur be-
merkt, dass der Tauschwerth sowohl als der Gebrauchswerth
zwei dem allgemeinen Begriffe des Werthes subordinirte, also in
ihrem Verhältnisse zu einander coordinirte Begriffe sind, und
demnach Alles das, was wir oben vom Werthe im Allgemeinen
sagten, eben sowohl vom Gebrauchswerthe als vom Tausch-
werthe gilt.


6 *
[84]Ueber das Wesen und den Ursprung des Güterwerthes.

Wenn nun eine grosse Anzahl von Volkswirthschaftslehrern
den nicht ökonomischen Gütern zwar keinen Tauschwerth, wohl
aber Gebrauchswerth zuschreibt, ja einige neuere englische und
französische Nationalökonomen den Begriff des Gebrauchswerthes
überhaupt aus unserer Wissenschaft verbannt und an dessen
Stelle den Begriff der Nützlichkeit gesetzt sehen wollen; so
beruht dies auf einer Verkennung des wichtigen Unterschiedes
zwischen den beiden obigen Begriffen und den ihnen zu Grunde
liegenden Lebenserscheinungen.


Nützlichkeit ist die Tauglichkeit eines Dinges, der Befriedi-
gung menschlicher Bedürfnisse zu dienen, und demnach (und
zwar die erkannte Nützlichkeit) eine allgemeine Voraussetzung
der Güterqualität. Auch nicht ökonomische Güter sind nützlich,
indem dieselben zur Befriedigung unserer Bedürfnisse ebenso
wohl tauglich sind, als die ökonomischen, und diese Tauglichkeit
muss auch bei ihnen eine von den Menschen erkannte sein,
sonst könnten sie überhaupt nicht die Güterqualität erlangen.
Was aber ein nicht ökonomisches Gut von einem solchen unter-
scheidet, welches in dem den ökonomischen Charakter begrün-
denden Quantitätenverhältnisse steht, das ist der Umstand, dass
nicht von der Verfügung über concrete Quantitäten des erstern,
wohl aber von einer solchen über concrete Quantitäten des
letztern die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse abhängig ist,
und somit die ersteren wohl Nützlichkeit, nur die letzteren aber
neben ihrer Nützlichkeit auch jene Bedeutung für uns haben, die
wir Werth nennen.


Allerdings hat der Irrthum, welcher der [Verwechslung] von
Nützlichkeit und Gebrauchswerth zu Grunde liegt, auf die prac-
tische Thätigkeit der Menschen keinen Einfluss gehabt. Vor wie
nach hat kein wirthschaftendes Subject unter gewöhnlichen Ver-
hältnissen einem Cubikfuss Luft, oder in quellenreichen Gegenden
einem Schoppen Wasser Werth beigelegt, und der Practiker unter-
scheidet die Tauglichkeit einer Sache, zur Befriedigung eines
seiner Bedürfnisse zu dienen, gar sehr von ihrem Werthe; wohl
aber ist der obige Irrthum ein arges Hemmniss für die Ausbil-
dung der allgemeineren Lehren unserer Wissenschaft geworden *). —


[85]Ueber das Wesen und den Ursprung des Güterwerthes.

Der Umstand, dass ein Gut für uns Werth hat, liegt, wie
wir sahen, darin, dass die Verfügung darüber für uns die Be-
deutung einer Bedürfnissbefriedigung hat, da für dieselbe ohne
unsere Verfügung über das Gut nicht vorgesorgt wäre. Nun
mögen unsere Bedürfnisse immerhin zum Theile, wenigstens so
weit es sich um ihre Entstehung handelt, auch von unserem
Willen oder von unserer Gewöhnung abhängen, sind sie aber
einmal vorhanden, so ist der Werth, den die Güter für uns
haben, dann nichts willkürliches mehr, sondern die
zwingende Folge der Erkenntniss ihrer Bedeutung für unser
Leben oder unsere Wohlfahrt. Vergeblich würden wir uns dem-
nach bemühen, ein Gut für werthlos zu halten, von dem uns
bewusst ist, dass von der Verfügung über dasselbe die Befrie-
digung eines unserer Bedürfnisse abhängt, vergeblich würden
wir uns aber auch bemühen, Gütern, von denen in unserer Be-
dürfnissbefriedigung nicht abhängig zu sein wir uns bewusst
sind, Werth zuzuschreiben. Der Güterwerth ist demnach nichts
willkürliches, sondern überall die nothwendige Folge der Er-
kenntniss des Menschen, dass von der Verfügung über ein Gut
oder einer Güterquantität die Aufrechterhaltung seines Lebens,
seiner Wohlfahrt, oder doch eines, wenn auch noch so gering-
fügigen Theiles derselben abhängig ist.


Was aber diese Erkenntniss anbelangt, so können die
Menschen in Bezug auf den Werth der Güter ebensowohl irren,
wie bei allen übrigen Objecten menschlicher Erkenntniss, und
sie können demnach Dingen Werth zuschreiben, welche einen sol-
chen der ökonomischen Sachlage nach in Wahrheit nicht haben,
wofern sie nämlich irrthümlicherweise annehmen, dass von einem
Gute oder einer Güterquantität die mehr oder minder voll-
ständige Befriedigung ihrer Bedürfnisse abhängt, während dies
Verhältniss in Wirklichkeit nicht vorhanden ist, und es tritt uns
dann die Erscheinung des eingebildeten Werthes entgegen. —


Der Güterwerth ist in der Beziehung der Güter zu unseren
Bedürfnissen begründet, nicht in den Gütern selbst. Mit dem
Wechsel dieses Verhältnisses muss auch der Werth
entstehen oder vergehen. Für die Bewohner einer Oase, wel-
chen eine Quelle zu Gebote steht, die ihren Bedarf an Wasser
vollauf deckt, wird eine bestimmte Quantität davon an der
[86]Ueber das Wesen und den Ursprung des Güterwerthes.
Quelle selbst keinen Werth haben. Wenn jedoch die Quelle
plötzlich durch ein Erdbeben ihren Wasserreichthum so weit
einbüssen würde, dass für die Befriedigung der Bedürfnisse der
Bewohner jener Oase nicht mehr vollständig vorgesorgt wäre,
so zwar, dass die Befriedigung eines jeden concreten Bedürf-
nisses von der Verfügung über eine bestimmte Quantität abhängig
würde, so würde eine solche auch sofort für jeden Bewohner
Werth erlangen. Dieser Werth würde aber sogleich schwinden,
sobald das alte Verhältniss wieder platzgreifen und die Quelle
wieder ihren alten Wasserreichthum zurückerlangen würde. Ein
Aehnliches würde stattfinden, wenn die Bewohnerzahl der Oase
sich derart vermehren würde, dass das Wasser der Quelle nicht
mehr zur Befriedigung aller Bedürfnisse ausreichen würde. Ein
solcher Wechsel, herbeigeführt durch die vermehrte Zahl der
Consumenten, könnte sogar mit einer gewissen Regelmässigkeit,
und zwar zu solchen Zeiten stattfinden, wo die Oase von zahl-
reichen Karawanen besucht wäre.


Der Werth ist demnach nichts den Gütern Anhaftendes,
keine Eigenschaft derselben, eben so wenig aber auch ein selbst-
ständiges, für sich bestehendes Ding. Derselbe ist ein Urtheil, welches
die wirthschaftenden Menschen über die Bedeutung der in ihrer
Verfügung befindlichen Güter für die Aufrechthaltung ihres Le-
bens und ihrer Wohlfahrt fällen, und demnach ausserhalb des Be-
wusstseins derselben nicht vorhanden. Es ist demnach auch
durchaus irrig, wenn ein Gut, welches für die wirthschaftenden
Subjecte Werth hat, ein „Werth“ genannt wird, oder aber die
Volkswirthe gar von „Werthen“, gleichwie von selbstständigen
realen Dingen sprechen, und der Werth solcherart objectivirt
wird. Denn das, was objectiv besteht, sind doch immer nu
die Dinge, beziehungsweise die Quantitäten derselben, und ihr
Werth ist etwas von denselben wesentlich verschiedenes, ein
Urtheil nämlich, welches sich die wirthschaftenden Individuen
über die Bedeutung bilden, welche die Verfügung über die-
selben für die Aufrechterhaltung ihres Lebens, beziehungs-
weise ihrer Wohlfahrt hat. Es hat aber die Objectivirung
des seiner Natur nach durchaus subjectiven Güterwerthes
gleichfalls sehr viel zur Verwirrung der Grundlagen unserer Wis-
senschaft beigetragen.


[87]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.

§. 2.
Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.


Wir haben bisher das Wesen und die letzten Ursachen des
Werthes, somit die allem Werthe gemeinsamen Momente in den
Kreis unserer Betrachtungen gezogen. Nun tritt uns aber im
Leben der Werth der einzelnen Güter als eine sehr verschie-
dene, ja bei demselben Gute nicht selten wechselnde Grösse
entgegen. Die Untersuchung über die Ursachen der Verschie-
denheit des Güterwerthes und über das Mass desselben ist nun
der Gegenstand, der uns in diesem Abschnitte beschäftigen wird.
Der Gang unserer Untersuchung ergibt sich aber aus der nach-
folgenden Betrachtung.


Die Güter, die unserer Verfügung unterworfen sind, haben
nicht um ihrer selbst willen für uns Werth. Wir haben vielmehr
gesehen, dass zunächst nur die Befriedigung unserer Bedürf-
nisse für uns eine Bedeutung hat, weil unser Leben und unsere Wohl-
fahrt dadurch bedingt sind. Wir haben aber auch dargelegt,
dass die Menschen diese Bedeutung auf die ihrer Verfügung
unterworfenen Güter, wofern sie ihnen die Befriedigung von
Bedürfnissen sichern, für welche ohne die Verfügung über die-
selben nicht vorgesorgt sein würde, also auf die ökonomischen
Güter, übertragen. In allem Güterwerth tritt uns demnach ledig-
lich die Bedeutung entgegen, welche wir der Befriedigung un-
serer Bedürfnisse, also unserem Leben und unserer Wohlfahrt
beimessen. Haben wir damit das Wesen des Güterwerthes er-
schöpfend bezeichnet, und steht es fest, dass in letzter Reihe
nur die Befriedigung unserer Bedürfnisse für uns eine Bedeu-
tung hat und aller Güterwerth lediglich eine Uebertragung dieser
Bedeutung auf die wirthschaftlichen Güter ist, so kann die
Verschiedenheit der Grösse des Werthes der einzelnen Güter,
wie wir dieselbe im Leben zu beobachten vermögen, auch nur
in der Verschiedenheit der Grösse der Bedeutung begründet
sein, welche jene Bedürfnissbefriedigungen für uns haben, in
Rücksicht auf welche wir von der Verfügung über diese Güter
abhängig sind. Um die Verschiedenheit der Grösse des Werthes
der einzelnen Güter, wie wir dieselbe im Leben zu beobachten
[88]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
vermögen, auf ihre letzten Ursachen zurückzuführen, wird unsere
Aufgabe demnach eine doppelte sein. Wir werden zu unter-
suchen haben:


Erstens: In wiefern die Befriedigung verschiedener con-
creter Bedürfnisse für die Menschen eine verschiedene Bedeu-
tung hat? (subjectives Moment) und


Zweitens: Welche concrete Bedürfnissbefriedigungen in
jedem einzelnen Falle von unserer Verfügung über ein be-
stimmtes Gut abhängig sind? (objectives Moment).


Wird sich nun bei dieser Untersuchung herausstellen, dass
die einzelnen concreten Bedürfnissbefriedigungen für die Menschen
eine verschiedene Bedeutung haben, und ferner, dass von unserer
Verfügung über die einzelnen ökonomischen Güter Bedürfniss-
befriedigungen von so verschiedener Bedeutung abhängig sind,
so wird damit auch unsere obige Aufgabe gelöst, das ist, jene
Erscheinung des wirthschaftlichen Lebens auf ihre letzten Ur-
sachen zurückgeführt sein, deren Erklärung wir als Problem
an die Spitze dieser Untersuchung gestellt haben, wir meinen
die Verschiedenheit der Grösse des Güterwerthes.


Mit der Beantwortung der Frage nach den letzten Ursachen
der Verschiedenheit des Güterwerthes ist aber auch die Lösung
des Problems gegeben, wieso es kommt, dass der Werth der
einzelnen Güter selbst ein wechselnder ist. Aller Wechsel ist
nichts anderes, als eine Verschiedenheit in der Zeit und mit
der Erkenntniss der letzten Ursachen der Verschiedenheit einer
Kategorie von Grössen überhaupt ist demnach auch das tiefere
Verständniss des Wechsels derselben gegeben.


a) Verschiedenheit der Grösse der Bedeutung der einzelnen Bedürfnissbefrie-
digungen. (Subjectives Moment.)


Was nun vorerst die Verschiedenheit der Bedeutung an-
belangt, welche die einzelnen Bedürfnissbefriedigungen für uns
haben, so ist es eine Thatsache der gewöhnlichsten Erfahrung,
dass jene Bedürfnissbefriedigungen für die Menschen von der
höchsten Bedeutung zu sein pflegen, von welchen die Erhal-
[89]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
tung ihres Lebens abhängt, und dass das Mass der Bedeu-
tung der übrigen Bedürfnissbefriedigungen sich für dieselben
je nach dem Grade (Dauer und Intensivität) der Wohlfahrt
abstuft, welche von denselben abhängig ist. Sind demnach
wirthschaftende Menschen in der Lage, eine Wahl treffen
zu müssen zwischen der Befriedigung eines Bedürfnisses, von
welcher die Erhaltung ihres Lebens, und einer anderen, von
welcher lediglich ihr grösseres oder geringeres Wohlbefinden
abhängt, so pflegen sie der ersteren den Vorzug einzuräumen,
und nicht minder Bedürfnissbefriedigungen, von welchen ein
höherer Grad ihres Wohlbefindens, also bei gleicher Intensivität
ein länger andauerndes, bei gleicher Dauer ein intensiveres
Wohlbefinden abhängig ist, solchen vorziehen, bei welchen das
entgegengesetzte Verhältniss obwaltet.


Von der Befriedigung des Nahrungsbedürfnisses, und unter
unseren klimatischen Verhältnissen wohl auch von der Bekleidung
unseres Körpers und der Verfügung über einen Wohnraum, hängt
die Erhaltung unseres Lebens ab, während von der Verfügung
über eine Carosse, ein Spielbrett u. dgl. m. lediglich ein höherer
Grad unseres Wohlbefindens abhängig ist. Demgemäss können
wir denn auch beobachten, dass die Menschen den Mangel an
Nahrung, Bekleidung und an einem Wohnraume viel mehr
fürchten, als den Mangel an einer Carosse, einem Spielbrette
u. dgl. m., und der Sicherstellung der Befriedigung der ersteren
Bedürfnisse eine ungleich höhere Bedeutung beimessen, als der
Befriedigung jener, von welchen, wie zum Beispiel in den oben
erwähnten Fällen, nur ein vorübergehender Genuss, oder
erhöhter Comfort, also lediglich ein höherer Grad ihres Wohl-
befindens abhängig ist. Aber auch diese letzteren Bedürfniss-
befriedigungen haben eine sehr ungleiche Bedeutung für die
Menschen. Weder von der Verfügung über ein bequemes Nacht-
lager, noch auch von jener über ein Spielbrett hängt die Er-
haltung unseres Lebens ab, wohl aber trägt die Benutzung dieser
Güter — allerdings in sehr ungleichem Grade — zur Erhöhung
unseres Wohlbefindens bei. Eben deshalb kann aber auch kein
Zweifel darüber entstehen, dass die Menschen, wenn sie die
Wahl haben, entweder die Benützung eines bequemen Nacht-
[90]Ueber das ursprünglichste Maas des Güterwerthes.
lagers, oder die eines Spielbrettes zu entbehren, dieses letztere
viel leichter entbehren, als das erstere.


Haben wir solcherart gesehen, dass die Bedeutung, welche
die verschiedenen Bedürfnissbefriedigungen für die Menschen
haben, eine sehr ungleiche ist, indem es Bedürfnissbefriedigungen
gibt, welche für dieselben die volle Bedeutung der Erhaltung
ihres Lebens haben, andere, von denen ihre Wohlfahrt im
höheren, noch andere, von denen sie in geringerem Masse be-
dingt ist und so hinab bis zu jenen Bedürfnissbefriedigungen,
von welchen irgend ein geringfügier flüchtiger Genuss abhängt,
so zeigt uns eine sorgfältige Betrachtung der Lebenserscheinun-
gen, dass diese Verschiedenheit in der Bedeutung der einzelnen
Bedürfnissbefriedigungen nicht nur bei der Befriedigung ver-
schiedener
Bedürfnisse im Grossen und Ganzen, sondern auch
bei der mehr oder minder vollständigen Befriedigung
ein und desselben Bedürfnisses zu beobachten ist.


Von der Befriedigung unseres Nahrungsbedürfnisses im
Allgemeinen hängt unser Leben ab. Es wäre nun aber sehr
irrig, wollte man alle Nahrungsmittel, welche die Menschen zu
sich zu nehmen pflegen, als solche bezeichnen, welche zur Er-
haltung ihres Lebens, oder auch nur ihrer Gesundheit, das ist,
ihres dauernden Wohlbefindens, erforderlich sind. Jedermann
weiss, wie leicht es ist, ohne das Leben, ja auch nur die Ge-
sundheit zu gefährden, eine der gewohnten Mahlzeiten ausfallen
zu lassen, ja die Erfahrung lehrt, dass die eben nur zur Erhal-
tung des Lebens erforderliche Menge von Nahrungsmitteln nur
den kleineren Theil dessen ausmacht, was wohlhabende Personen
der Regel nach verzehren und dass die Menschen sogar weit
mehr Speise und Trank zu sich nehmen, als zur vollständigen
Aufrechterhaltung ihrer Gesundheit erforderlich sind. Die Men-
schen nehmen daher Nahrungsmittel zu sich, zunächst um ihr
Leben zu erhalten, hierauf weitere Quantitäten, um ihre Gesund-
heit zu bewahren, indem eine allzu karge Ernährung, bei
welcher eben nur das Leben erhalten bleibt, erfahrungsgemäss
von Störungen unseres Organismus begleitet ist, endlich con-
sumiren die Menschen aber auch noch Nahrungsmittel, nachdem
sie bereits die zur Erhaltung ihres Lebens und zur Aufrecht-
haltung ihrer Gesundheit nöthigen Quantitäten derselben ge-
[91]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
nossen haben, lediglich um des Genusses willen, welcher mit
der Verzehrung derselben verbunden ist.


Demgemäss ist auch die Bedeutung, welche die einzelnen
concreten Acte der Befriedigung des Nahrungsbedürfnisses für
die Menschen haben, eine sehr ungleiche. Die Befriedigung des
Nahrungsbedürfnisses bis zu jenem Puncte, wo hiedurch das
Leben gesichert ist, hat für jeden Menschen die volle Bedeutung
der Erhaltung seines Lebens, die darüber hinausgehende Con-
sumtion hat bis zu einem gewissen Puncte für die Menschen
die Bedeutung der Erhaltung ihrer Gesundheit, das ist ihrer
dauernden Wohlfahrt, die auch noch darüber hinausreichende
Consumtion hat für dieselben lediglich die Bedeutung eines —
wie die Beobachtung lehrt — noch überdiess sich immer
mehr abschwächenden Genusses, bis die Consumtion end-
lich an eine gewisse Grenze gelangt, wo die Befriedigung des
Nahrungsbedürfnisses bereits eine so vollständige ist, dass jede
weitere Aufnahme von Nahrungsmitteln weder zur Erhaltung
des Lebens, noch zu jener der Gesundheit beiträgt, noch auch
dem Consumenten einen Genuss gewährt, sondern ihm gleich-
giltig zu werden beginnt, um bei der etwaigen Fortsetzung der-
selben zur Pein zu werden, die Gesundheit und schliesslich das
Leben zu gefährden.


Aehnliche Beobachtungen können wir mit Rücksicht auf
die mehr oder minder vollständige Befriedigung jedes anderen
menschlichen Bedürfnisses anstellen. Ein Wohnraum, zum min-
desten irgend eine gegen die Einflüsse der Witterung geschützte
Schlafstelle, ist bei unseren klimatischen Verhältnissen zur Er-
haltung des Lebens, eine Wohnung von einer gewissen Geräumig-
keit zur Aufrechthaltung unserer Gesundheit nöthig. Ausserdem
pflegen die Menschen indess, sofern sie über die Mittel hiezu
verfügen, noch weitere Räumlichkeiten lediglich zu Genusszwecken
zu besitzen, (Empfangszimmer, Festsäle, Spielzimmer, Pavillons,
Jagdschlösser u. dgl. m.) Auch bei der Befriedigung des
Wohnungsbedürfnisses der Menschen ist demnach unschwer zu
erkennen, dass die Bedeutung, welche die einzelnen concreten
Acte dieser Befriedigung für die Menschen haben, sehr ungleich
ist. Von der Befriedigung unseres Wohnungsbedürfnisses bis
zu einem gewissen Puncte hängt unser Leben, von einer darüber
[92]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
hinausgehenden vollständigeren Befriedigung desselben unsere
Gesundheit, von einer auch darüber hinausgehenden Befriedigung
noch immer ein bald grösserer bald geringerer Genuss ab, bis
sich endlich mit Rücksicht auf jede Person ein Punct denken
lässt, wo derselben die weitere Benützung von ihr verfüg-
baren Wohnräumen völlig gleichgiltig, schliesslich sogar lästig
werden müsste,


Wir können demnach mit Rücksicht auf die grössere oder
geringere Vollständigkeit der Befriedigung eines und desselben
Bedürfnisses eine ähnliche Beobachtung anstellen, wie dies oben
mit Rücksicht auf die verschiedenen Bedürfnisse der Menschen
geschehen ist. Haben wir nämlich oben gesehen, dass die Be-
friedigung der verschiedenen Bedürfnisse der Menschen für die-
selben eine sehr ungleiche Bedeutung hat und diese letztere
sich von der Bedeutung, welche unser Leben für uns hat, bis
zu jener hinab, welche wir einem flüchtigen geringfügigen Ge-
nusse beilegen, abstuft, so sehen wir nunmehr, dass die Befrie-
digung irgend eines bestimmten Bedürfnisses bis zu einem ge-
wissen Grade der Vollständigkeit für uns die relativ höchste,
die darüber hinausgehende Befriedigung aber eine immer ge-
ringere Bedeutung hat, bis zuletzt ein Stadium eintritt, wo eine
noch vollständigere Befriedigung des betreffenden Bedürfnisses
den Menschen gleichgiltig ist und schliesslich ein solches, wo jeder
Act, welcher die äussere Erscheinung der Befriedigung des be-
treffenden Bedürfnisses hat, nicht nur keine Bedeutung mehr
für die Menschen besitzt, sondern ihnen vielmehr zur Last, zur
Pein wird.


Um nun zum Zwecke der Erleichterung des Verständnisses
der nachfolgenden schwierigen Untersuchungen zu einem ziffer-
mässigen Ausdruck der verschiedenen Grössen zu gelangen, von
welchen wir soeben gesprochen haben, wollen wir die Bedeutung
jener Bedürfnissbefriedigungen, von welchen unser Leben abhängt,
mit 10, und die stufenweise sich herabmindernde Bedeutung der
übrigen Bedürfnissbefriedigungen mit 9, 8, 7, 6 u. s. f. be-
zeichnen, so zwar, dass wir eine Scala der Bedeutung der ver-
schiedenen
Bedürfnissbefriedigungen erlangen, welche mit
10 beginnt und mit 1 endet.


Bringen wir nun die, in dem Masse, als das einzelne Be-
[93]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
dürfniss bereits befriedigt ist, sich herabmindernde Bedeutung
der ferneren Acte der Befriedigung desselben bei jeder ein-
zelnen der obigen verschiedenen Bedürfnissbefriedigungen gleich-
falls zum ziffermässigen Ausdruck, so ergiebt sich für jene Be-
dürfnissbefriedigungen, von welchen bis zu einem gewissen
Punkte unser Leben, hierauf ein mit dem Grade der Vollstän-
digkeit der erfolgten Bedürfnissbefriedigung sich herabmin-
derndes Wohlbefinden abhängig ist, eine Scala, die mit 10 be-
ginnt und mit 0 endet, für jene Bedürfnissbefriedigungen, deren
höchste Bedeutung gleich 9 ist, eine Scala, die mit dieser Ziffer
beginnt, und gleichfalls mit 0 endet u. s. f.


Die zehn Scalen, die sich solcherart ergeben, sind in dem
Folgenden veranschaulicht:

Nehmen wir an, Scala I drücke die sich je nach dem
Grade der bereits erfolgten Befriedigung herabmindernde Be-
deutung der Befriedigung des Nahrungsbedürfnisses, Scala V
aber des Bedürfnisses nach dem Tabakgenusse bei irgend einem
Individuum aus, so ist klar, dass die Befriedigung des Nahrungs-
bedürfnisses bis zu einem gewissen Grade der Vollständigkeit
eine entschieden höhere Bedeutung für jenes Individuum hat,
als die Befriedigung des Bedürfnisses nach dem Tabakgenusse.
Wofern aber das Nahrungsbedürfniss bereits bis zu einem ge-
wissen Grade der Vollständigkeit befriedigt ist, so zwar, dass
zum Beispiel die weitere Befriedigung desselben für jenes Indi-
viduum lediglich jene Bedeutung hat, welche wir durch die
Zahl 6 ziffermässig bezeichnet haben, so beginnt der Tabak-
[94]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
genuss bereits dieselbe Bedeutung für dies Individuum zu ge-
winnen, wie die fernere Befriedigung des Nahrungsbedürfnisses,
und dasselbe wird daher bemüht sein, von da ab die Befrie-
digung seines Bedürfnisses nach Tabak mit jenem nach Nahrungs-
mitteln in das Gleichgewicht zu bringen. Obzwar nämlich die Be-
friedigung des Nahrungsbedürfnisses im Allgemeinen eine ungleich
höhere Bedeutung, als die Befriedigung des Bedürfnisses nach
dem Tabaksgenusse, für das in Rede stehende Individuum hat,
so tritt doch bei fortgesetzter Befriedigung des ersteren, wie in
der obigen Tabelle veranschaulicht ist, ein Stadium ein, wo die
weiteren Acte der Befriedigung des Nahrungsbedürfnisses doch
für jenes Individuum eine geringere Bedeutung besitzen, als die
ersten Acte der Befriedigung des im Allgemeinen minder wich-
tigen, aber noch gänzlich unbefriedigten Bedürfnisses nach dem
Tabakgenusse.


Wir glauben, durch diesen Hinweis auf eine gewöhnliche
Lebenserscheinung den Sinn der obigen, lediglich um der Er-
leichterung der Demonstration eines eben so schwierigen, als
bisher unbearbeiteten Gebietes der Psychologie gewählten Ziffern
zur vollen Genüge erklärt zu haben.


Die verschiedene Bedeutung, welche die Befriedigung der
einzelnen concreten Bedürfnisse für die Menschen hat, ist, so
wenig auch bisher die Aufmerksamkeit der Forscher auf die hier
behandelten Erscheinungen gelenkt war, doch dem Bewusstsein
keines wirthschaftenden Menschen fremd. Wo immer Menschen
wohnen, und welche Stufe der Culturentwickelung sie auch immer
einnehmen, überall können wir beobachten, wie die wirthschaf-
tenden Individuen die Bedeutung der Befriedigung ihrer ver-
schiedenen Bedürfnisse im Allgemeinen und jene der Einzelnen
zur mehr oder minder vollständigen Befriedigung derselben füh-
renden Acte insbesondere gegen einander abwägen, und sich
schliesslich von dem Resultate dieser Prüfung in der auf die
möglichst vollständige Befriedigung ihrer Bedürfnisse gerich-
teten Thätigkeit (Wirthschaft) bestimmen lassen. Ja, es ist
dies Abwägen der verschiedenen Bedeutung der Bedürfnisse,
die Wahl zwischen jenen, welche unbefriedigt bleiben, und
jenen, welche, je nach den verfügbaren Mitteln, zur Befrie-
digung gelangen, und die Bestimmung des Grades, bis zu welchem
[95]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
diese letzteren ihre Befriedigung finden sollen, jener Theil der
ökonomischen Thätigkeit der Menschen, welcher ihre Geister
mehr als irgend ein anderer erfüllt, auf ihre ökonomischen Be-
strebungen den weittragendsten Einfluss nimmt, und von jedem
wirthschaftenden Subjecte fast ununterbrochen geübt wird. Die
Erkenntniss der verschiedenen Bedeutung, welche die Befrie-
digung der verschiedenen Bedürfnisse und der einzelnen Acte
derselben für die Menschen hat, ist aber zugleich die erste Ur-
sache der Verschiedenheit des Werthes der Güter.


b) Abhängigkeit der einzelnen Bedürfnissbefriedigungen von den concreten
Gütern. (Objectives Moment.)


Stünde nun jedem einzelnen, concreten Bedürfnisse der
Menschen nur die Verfügung über ein einziges, ausschliesslich
zur Befriedigung dieses Bedürfnisses taugliches Gut gegenüber,
so zwar, dass einerseits die Befriedigung jenes Bedürfnisses nicht
erfolgen würde, wofern wir über dies bestimmte Gut nicht zu
verfügen vermöchten, andererseits aber auch dies Gut eben nur
die Tauglichkeit hätte, zur Befriedigung jenes concreten Be-
dürfnisses und keines anderen zu dienen, so wäre die Bestimmung
des Werthes dieses Gutes sehr leicht. Er wäre nämlich gleich
der Bedeutung, welche die Befriedigung jenes Bedürfnisses für
uns hätte, denn es ist klar, dass, wofern wir in der Befriedigung
irgend eines Bedürfnisses von der Verfügung über ein bestimmtes
Gut in der Weise abhängig sind, dass diese Bedürfnissbefrie-
digung nicht erfolgen würde, wofern wir über dasselbe nicht
verfügen könnten, dies Gut aber zugleich zu keinem anderen
Gebrauchszwecke tauglich ist, als zur Befriedigung des in
Rede stehenden Bedürfnisses, dasselbe für uns zwar die volle,
aber jedenfalls auch keine andere Bedeutung gewinnen kann,
als diejenige, welch e die gedachte Bedürfnissbefriedigung für uns
hat. Je nachdem also die Bedeutung, welche jene Bedürfnissbefrie-
digung für uns hätte, eine grössere oder geringere wäre, würde auch
der Werth des betreffenden Gutes in solch’ einem Falle für uns ein
grösserer oder geringerer sein. Würde z. B. ein kurzsichtiges Indi-
viduum auf eine einsame Insel verschlagen, und fände sich unter
den Gütern, die es gerettet hätte, eine seine Kurzsichtigkeit be-
hebende Brille und keine zweite, so ist kein Zweifel, dass die-
[96]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
selbe für jenes Individuum die volle Bedeutung hätte, welche
dieses letztere einem geschärften Sehvermögen zuschreiben würde,
aber eben so sicher auch keine höhere, indem eine Brille zur
Befriedigung anderer Bedürfnisse nicht wohl verwendbar ist.


Im gewöhnlichen Leben ist nun aber das Verhältniss zwischen
den verfügbaren Gütern und unseren Bedürfnissen der Regel
nach ein viel complicirteres. Hier steht zumeist: nicht einem
einzelnen concreten Bedürfnisse, sondern einem Complexe von
solchen; nicht ein einzelnes Gut, sondern eine Quantität von
solchen gegenüber, so zwar, dass eine bald grössere, bald ge-
ringere Anzahl in ihrer Bedeutung höchst verschiedener Bedürf-
nissbefriedigungen von unserer Verfügung über eine Quantität
von Gütern abhängt, deren jedes einzelne wieder die Tauglich-
keit hat, die obigen in ihrer Bedeutung sehr verschiedenen
Bedürfnissbefriedigungen herbeizuführen.


Ein isolirt wirthschaftender Landmann verfügt nach einer
reichen Ernte über zweihundert Metzen Korn. Ein Theil hievon
sichert ihm die Erhaltung seines Lebens und jenes seiner Fa-
milie bis zur nächsten Ernte, ein anderer die Erhaltung der
Gesundheit, ein dritter Theil sichert ihm das Saamenkorn für
die nächste Saat, einen vierten vermag er zur Erzeugung von
Bier, Branntwein und zu anderen Luxuszwecken, einen fünften
noch zur Mästung seines Viehes zu verwenden, einige erübrigende
Metzen jedoch, die er für andere wichtigere Bedürfnissbefriedi-
gungen nicht mehr verwenden kann, hat er für die Ernährung
von Luxusthieren bestimmt, um dies Getreide doch irgendwie
nutzbar zu machen.


Es sind demnach Bedürfnissbefriedigungen von höchst ver-
schiedener Wichtigkeit, in Rücksicht auf welche der Landmann
von dem in seinen Händen befindlichen Getreide abhängt. Er
sichert damit zunächst sein und seiner Familie Leben, hierauf
sein und seiner Familie Gesundheit, er sichert damit ferner
den Fortbetrieb seiner Wirthschaft, also eine wichtige Grundlage
seiner dauernden Wohlfahrt, er verwendet endlich einen Theil
seines Getreides zu Genusszwecken und zwar wieder zu solchen,
die von höchst verschiedener Bedeutung für ihn sind.


Es liegt somit unserer Betrachtung ein Fall vor — es ist
dies aber das gewöhnliche Lebensverhältniss — in welchem Be-
[97]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
dürfnissbefriedigungen von sehr verschiedener Bedeutung von der
Verfügung über eine Güter-Quantität abhängen, welche, wie
wir hier um der grösseren Einfachheit willen annehmen wollen,
in allen ihren Theilen von völlig gleicher Beschaffenheit ist und
es fragt sich nun: Welchen Werth hat unter solchen Umständen
eine bestimmte Theilquantität des Getreides für unseren Land-
wirth? Werden diejenigen Metzen Getreide, welche ihm sein oder
seiner Familie Leben sichern, für ihn einen höheren Werth haben,
als diejenigen Metzen Getreide, die ihm seine und der Seinen
Gesundheit sichern, und diese einen höheren Werth, als jene,
welche ihm die Bestellung seiner Aecker ermöglichen und diese
letzteren einen höheren Werth, als diejenigen Metzen Getreide,
die er zu Luxuszwecken verwenden wird? u. s. f.


Niemand wird läugnen, dass die Bedeutung der Bedürfniss-
befriedigungen, die hier durch die einzelnen Theilquantitäten des
verfügbaren Getreides gesichert erscheinen, eine sehr ungleiche
ist, und sich von jener, die wir oben mit 10 bezeichnet haben, bis
zu jener abstuft, die wir mit 1 bezifferten, und doch wird Niemand
zu behaupten vermögen, dass einige Metzen Getreide (z. B. jene,
mit welchen der Landwirth sich und seine Familie bis zur näch-
sten Ernte ernähren will) eine höhere, andere von gleicher Qua-
lität (z. B. jene, aus welchen er Luxusgetränke erzeugen will)
einen geringeren Werth für ihn haben werden.


In diesem und so in jedem andern Falle, wo von der Ver-
fügung über gewisse Güterquantitäten Bedürfnissbefriedigungen
abhängen, deren Bedeutung eine verschiedene ist, tritt an uns nun
zunächst die schwierige Frage heran, welche concrete Bedürfniss-
befriedigung von einer concreten Theilquantität der in Rede
stehenden Güter abhängig ist?


Die Lösung dieser wichtigsten Frage der Werththeorie
ergiebt sich aber aus der Betrachtung der menschlichen Wirth-
schaft und jener des Wesens des Güterwerthes.


Wir haben gesehen, dass das Bestreben der Menschen dahin
geht, ihre Bedürfnisse vollständig, wo dies aber unthunlich er-
scheint, doch so vollständig als möglich zu befriedigen.
Steht nun eine Quantität von Gütern Bedürfnissen gegenüber,
deren Befriedigung für die Menschen eine verschiedene Bedeutung
hat, so werden sie zunächst jenen Bedürfnissen genügen, oder
Menger, Volkswirthschaftslehre. 7
[98]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
aber dafür vorsorgen, deren Befriedigung für sie die höchste
Bedeutung hat. Bleibt ihnen ein Ueberschuss, so werden sie den-
selben der Befriedigung derjenigen Bedürfnisse zuführen, welche
im Grade der Bedeutung jenen obigen Bedürfnissbefriedigungen
zunächst stehen, und so fort den allfälligen Rest der Befriedigung
der dem Grade nach nächst wichtigen Bedürfnisse *).


Fragen wir nun, welchen Werth für einen wirthschaftenden
Menschen, der sich im Besitze einer Güterquantität befindet,
irgend eine Theilquantität hievon hat, so präcisirt sich die Frage,
mit Rücksicht auf das Wesen des Werthes, dahin: Welche Be-
dürfnissbefriedigung würde nicht erfolgen, wofern das wirth-
schaftende Subject über jene Theilquantität nicht verfügen könnte,
das ist, nur die ihm verfügbare Gesammtquantität nach Abzug
jener Theilquantität in seiner Gewalt hätte? Die Antwort hier-
auf ergibt sich aus der obigen Darlegung des Wesens der
menschlichen Wirthschaft und lautet dahin, dass eine jede
wirthschaftende Person in diesem Falle mit der ihr dann noch
erübrigenden Güterquantität jedenfalls ihre wichtigeren Bedürf-
nisse mit Hintansetzung der minder wichtigen befriedigen würde,
und demnach nur jene der bisher gesicherten Bedürfniss-
befriedigungen nicht erfolgen würden, welche für dieselbe die ge-
ringste Bedeutung haben.


Es sind demnach in jedem concreten Falle von
der Verfügung über eine bestimmte Theilquantität
der einer wirthschaftenden Person verfügbaren

[99]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
Gütermenge nur jene der durch die Gesammtquan-
tität noch gesicherten Bedürfnissbefriedigungen
abhängig, welche für diese Person die geringste
Bedeutung unter diesen letztern haben und der
Werth einer Theilquantität der verfügbaren Güter-
menge ist für jene Person demnach gleich der Be-
deutung, welche die am wenigsten wichtige der
durch die Gesammtquantität noch gesicherten und
mit einer gleichen Theilquantität herbeizuführen-
den Bedürfnissbefriedigungen für sie haben
. *)


7 *
[100]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.

Die Untersuchung einiger concreter Fälle wird die hier
dargelegten Grundsätze vollständig ins Licht stellen, und ich
möchte mich dieser wichtigen Aufgabe nicht entziehen, so wohl
ich auch weiss, dass ich dadurch Einzelnen langweilig erscheinen
werde. Ich will es nämlich, nach dem Grundsatze Adam Smith’s,
immerhin mit etwas Langweile wagen, wenn dadurch die Klar-
heit der Darlegungen gewinnt.


Denken wir uns, um mit dem einfachsten Falle zu beginnen,
ein isolirt wirthschaftendes Subject, das eine felsige Meeresinsel
bewohnt, auf welcher sich eine einzige Quelle befindet, auf
die es in der Befriedigung seines Bedürfnisses nach Süss-
wasser ausschliesslich angewiesen ist. Setzen wir nun den Fall,
dieser isolirte Mensch hätte, um sein Leben zu erhalten, täglich
eine Mass Wasser für sich und neunzehn Mass für diejenigen
Thiere nöthig, deren Milch und Fleisch ihm den nothdürftigsten
Lebensunterhalt gewähren. Setzen wir weiter den Fall, er hätte
überdies vierzig Mass Wasser nöthig, theils um die volle, zur
Erhaltung nicht nur seines Lebens, sondern auch seiner Gesund-
heit nöthige Quantität hievon zu sich nehmen zu können, theils
zum Zwecke der Reinigung seines Körpers, seiner Kleider und
Geräthschaften, theils für die Erhaltung einiger Thiere, deren
Milch und Fleisch er benöthigt, alles dies, in soweit die Erhaltung
seiner Gesundheit und überhaupt seiner dauernden Wohlfahrt
davon abhängig ist; schliesslich bedarf derselbe noch weiterer
vierzig Mass Wasser täglich, theils für seinen Blumengarten,
theils für einige Thiere, die er, ohne ihrer zur Erhaltung seines
Lebens und seiner Gesundheit zu bedürfen, lediglich um der
*)
[101]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
Genüsse willen hält, welche ihm eine reichlichere Nahrung, oder
aber ihre blosse Gesellschaft bietet. Eine weitere Quantität,
das ist mehr als hundert Mass Wasser, wüsste er aber nicht zu
verwenden.


So lange nun die Quelle so reich an Wasser ist, dass er
nicht nur alle seine Bedürfnisse nach Wasser befriedigen, son-
dern täglich einige tausend Eimer ins Meer fliessen lassen kann,
kurz, so lange davon, ob er über eine bestimmte Quantität,
z. B. einen Eimer Wasser mehr oder weniger verfügt, die Be-
friedigung keines seiner Bedürfnisse abhängig ist, wird, wie wir
sahen, eine solche Quantität für ihn weder den ökonomischen
Charakter, noch auch Werth haben, und es kann somit auch von
einem Masse des letztern nicht die Rede sein. Würde nun aber
durch ein Naturereigniss bewirkt, dass die Quelle plötzlich so
weit versiegen würde, dass unser Inselbewohner nur über 90 Mass
Wasser täglich zu verfügen vermöchte, während ihm, wie wir
sahen, 100 Mass zur vollständigen Befriedigung seiner Bedürf-
nisse erforderlich sind, so wäre klar, dass von der Verfügung
über jede Theilquantität dieses Wassers für ihn dann bereits
eine Bedürfnissbefriedigung abhängig wäre, und somit jede con-
crete Quantität hievon für ihn jene Bedeutung erlangen würde,
welche wir Werth nennen.


Fragen wir nun aber, welche seiner Bedürfnissbefriedigungen
in dem vorliegenden Falle von einer bestimmten Theilquantität
der ihm verfügbaren 90 Mass Wasser z. B. von 10 Mass ab-
hängig sind, so stellt sich uns die Frage auch so dar: Welche
Bedürfnissbefriedigungen unseres isolirten Subjectes würden nicht
erfolgen, wenn dasselbe über diese Theilquantität nicht, d. i.
statt über 90 Mass nur über 80 Mass verfügen würde.


Nun ist nichts sicherer, als dass das obige wirthschaftende
Subject, auch wenn es nur über 80 Mass Wasser täglich ver-
fügen könnte, vor wie nach täglich die zur Erhaltung seines
Lebens nöthige Quantität Wasser zu sich nehmen, ferner so
viel Thiere erhalten würde, als ihm zur Erhaltung seines
Lebens unumgänglich erforderlich sind. Es würde, da diese Ge-
brauchszwecke nur 20 Mass Wasser täglich erfordern, die ihm
erübrigenden 60 Mass dazu verwenden, um zunächst alle jene
Bedürfnisse zu befriedigen, von deren Befriedigung seine Gesund-
[102]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
heit und dauernde Wohlfahrt überhaupt bedingt sind. Da es zu
diesem Zwecke im Ganzen nur 40 Eimer Wasser benöthigt,
würde ihm noch ein Quantum von 20 Mass täglich erübrigen,
die es zu blossen Genusszwecken verwenden könnte. Es könnte
demnach entweder seinen Blumengarten, oder diejenigen Thiere
erhalten, welche es bloss um des Vergnügens willen besitzt
und es würde jedenfalls die Wahl zwischen diesen beiden Be-
dürfnissbefriedigungen so treffen, dass die ihm wichtigere, mit
Hintansetzung der ihm minder wichtig erscheinenden, erfolgen
würde.


Ob desshalb unser Robinson bei einer ihm täglich verfüg-
baren Quantität von 90 Mass Wasser über 10 Mass mehr, oder
weniger verfügt, ist eine Frage, die für ihn gleichbedeutend mit
jener ist, ob er in der Lage sein wird, die am wenigsten wich-
tigen der bisher mit 10 Mass Wasser täglich befriedigten Be-
dürfnisse weiter zu befriedigen, oder nicht, und es werden dem-
nach zehn Mass Wasser, insolange er über die Gesammt-
quantität von 90 Mass Wasser täglich verfügt, für ihn nur jene
Bedeutung haben, welche diese letzteren Bedürfnissbefriedigungen
für ihn besitzen, also nur die Bedeutung relativ unwichtiger
Genüsse.


Setzen wir nun den Fall, die Quelle, welche das Subject
der isolirten Wirthschaft, von welchem wir hier sprechen, mit
Wasser versorgt, würde noch weiter versiegen, so zwar, dass es
nur über vierzig Mass Wasser täglich zu verfügen vermöchte.
Auch jetzt noch, gleich wie vorhin, werden von der Verfügung
über diese Quantität Wasser in ihrer Gesammtheit die Erhaltung
seines Lebens und seiner Wohlfahrt bedingt sein; die Sachlage
hätte sich indess in einem wichtigen Punkte geändert. War frü-
her von jeder irgendwie practisch bedeutenden Theilquantität,
z. B. einer Mass, ein Genuss oder irgend eine Annehmlichkeit
der wirthschaftenden Persönlichkeit abhängig, so ist die Frage:
ob eine Mass Wasser täglich mehr oder weniger? für unseren
Robinson jetzt bereits eine solche der mehr oder minder voll-
ständigen Erhaltung seiner Gesundheit, oder überhaupt seiner
Wohlfahrt, so zwar dass, wofern ihm eine solche Quantität ent-
gehen würde, dadurch bewirkt würde, dass er einigen seiner
Bedürfnisse nicht mehr genügen könnte, von deren Befriedigung
[103]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
die Erhaltung seiner Gesundheit und dauernden Wohlfahrt über-
haupt bedingt ist. Hatte für unseren Robinson, so lange er über
viele hundert Eimer Wasser verfügen konnte, ein einzelner Eimer
dieses Gutes gar keinen Werth, später, als er noch über neun-
zig Mass täglich verfügen konnte, jede Mass doch nur die Be-
deutung eines Genusses, der von ihr abhing, so hat jetzt jede
Theilquantität der ihm noch verfügbaren vierzig Mass für ihn
die Bedeutung viel wichtigerer Bedürfnissbefriedigungen, denn es
hängt jetzt von jeder Theilquantität jener vierzig Mass bereits die
Befriedigung von Bedürfnissen ab, deren Nichtbefriedigung seine Ge-
sundheit und seine dauernde Wohlfahrt gefährdet. Der Werth
einer jeden Güterquantität ist aber gleich der Bedeutung
derjenigen Bedürfnissbefriedigungen, die davon abhängen. War
der Werth einer Mass Wasser für unseren Robinson anfangs
gleich Null, im zweiten Falle z. B. gleich eins, so findet derselbe
seinen ziffermässigen Ausdruck jetzt z. B. bereits in der Zahl
sechs.


Wenn nun aber bei fortgesetzter Dürre die Quelle immer
mehr versiegen und schliesslich in derselben sich täglich nur
noch so viel Wasser ansammeln würde, als eben erforderlich
wäre, um das Leben jenes isolirten Menschen zu fristen, (also in
unserem Falle circa 20 Mass, denn so viel braucht er für sich
und jenen Theil seiner Heerde, ohne dessen Milch und Fleisch
er nicht leben kann;) so wäre klar, dass in einem solchen Falle
jede practisch noch beachtenswerthe Quantität Wasser, über die
er zu verfügen vermöchte, für ihn die volle Bedeutung der Er-
haltung seines Lebens, somit einen abermals erhöhten Werth
hätte, der bereits in der Zahl 10 seinen ziffermässigen Ausdruk
fände.


Wir haben demnach gesehen, dass im ersten Falle, insolange
nämlich dem in Rede stehenden Subjecte viele tausend Eimer
Wasser täglich zur Verfügung standen, eine Theilquantität hie-
von z. B. ein Eimer gar keinen Werth hatte — weil keinerlei
Bedürfnissbefriedigung von einem einzelnen Eimer abhängig war,
wir sahen im zweiten Falle, dass eine concrete Theilquantität
der ihm verfügbaren 90 Mass für ihn bereits die Bedeutung von
Genüssen erhielt, denn die am mindesten wichtigen Bedürfniss-
befriedigungen, die in diesem Falle von jener Quantität von
[104]Ueber das urspsünglichste Mass des Güterwerthes.
90 Mass abhingen, waren Genüsse, wir sahen, dass im dritten
Falle, wo nur 40 Mass Wasser täglich zu seiner Verfügung stan-
den, bereits wichtigere Bedürfnissbefriedigungen von der Ver-
fügung über jede concrete Theilquantität abhängig waren und
demgemäss sahen wir auch den Werth der Theilquantitäten
steigen, welcher im vierten Falle, als noch wichtigere Bedürf-
nissbefriedigungen von jeder concreten Theilquantität abhängig
wurden, sich abermals erhöhte.


Setzen wir nun, um zu complicirteren (socialen) Verhält-
nissen zu übergehen, den Fall, dass auf einem Segelschiffe, das
noch 20 Tagreisen vom Lande entfernt wäre, durch irgend einen
Unfall die Vorräthe an Nahrungsmitteln bis auf einen kleinen
Rest verloren gehen würden, so zwar, dass für jeden der Mit-
reisenden nur eine solche Quantität irgend eines Nahrungsmittels,
z. B. von Zwieback, erhalten bliebe, die eben zur Fortfristung
seines Lebens während dieser 20 Tage erforderlich wäre. Dies
würde ein Fall sein, in welchen bestimmten Bedürfnissen der auf
dem Segelschiffe weilenden Personen eben nur die Verfügung
über bestimmte Güter gegenüber stehen würde, so zwar, dass
die Befriedigung jener Bedürfnisse vollständig von der verfüg-
baren Gütermenge abhängig wäre. Vorausgesetzt nun, das Leben
der Reisenden würde nur dann erhalten bleiben können, falls
jeder derselben täglich ein halbes Pfund Zwieback zu sich
nehmen würde, und es verfügte jeder der Reisenden thatsächlich
nur über zehn Pfund Zwieback, so würde diese Quantität von
Nahrungsmitteln für jeden der Schiffsbewohner die volle Be-
deutung der Erhaltung seines Lebens haben. Unter solchen Ver-
hältnissen würde Niemand, für den sein Leben überhaupt Be-
deutung hätte, sich bewegen lassen, diese Güterquantitat, oder
auch nur einen irgendwie beachtenswerthen Theil davon, gegen
irgend welche andere Güter, die nicht Nahrungsmittel wären,
ja selbst gegen die im gemeinen Leben sonst werthvollsten
Güter hinzugeben. Wollte z. B. ein reicher Mann, der sich auf
dem Schiffe befände, um die Pein des Hungers zu mildern,
welcher von so schmaler Kost unzertrennlich wäre, für ein Pfund
Zwieback die gleiche Gewichtsmenge Gold hingeben, so würde
er keinen der Mitreisenden bereit finden, auf ein solches An-
erbieten einzugehen.


[105]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.

Setzen wir nun aber den Fall, die Bewohner des Schiffes ver-
fügten ausser den obigen zehn Pfund Schiffszwieback noch über
je fünf weitere Pfunde dieses Nahrungsmittels. In diesem Falle
würde das Leben dieser Personen nicht mehr von der Verfügung
über ein einzelnes Pfund hievon abhängen, denn ein solches
könnte ihrer Verfügung entrückt, oder aber von ihnen auch
gegen andere Güter, als Nahrungsmittel, veräussert werden,
ohne dass dadurch ihr Leben gefährdet werden möchte. Würde
nun aber unter solchen Verhältnissen auch nicht ihr Leben von
der Verfügung über ein Pfund dieses Nahrungsmittels abhängen,
so würde doch diese Quantität für sie nicht nur ein Mittel
gegen viele Schmerzen, sondern auch ein solches zur Erhaltung
ihrer Gesundheit sein, da eine durch zwanzig Tage fortgesetzte,
so ausserordentlich karge Ernährung, wie sie bei allen Jenen
statt fände, die nur über zehn Pfund verfügen könnten, jeden-
falls einen verderblichen Einfluss auf ihr Wohlbefinden haben
müsste, und ein einzelnes Pfund Zwieback hätte unter solchen
Verhältnissen für sie zwar nicht mehr die Bedeutung der Er-
haltung ihres Lebens, wohl aber immer noch diejenige Be-
deutung, welche jeder Einzelne derselben der Bewahrung seiner
Gesundheit, beziehungsweise seines Wohlbefindens, so weit es
von dieser Quantität abhängt, beilegen würde.


Setzen wir nun endlich den Fall, der Restaurant des Schiffes,
von dem hier die Rede ist, verlöre alle seine Vorräthe an
Nahrungsmitteln und die Reisenden wären gleichfalls ohne alle
eigenen Vorräthe an solchen, das Schiff wäre aber mit einigen
tausend Centnern Zwieback beladen und der Capitän des Schiffes
würde mit Rücksicht auf die peinliche Lage, in welcher sich die
Schiffsbewohner in Folge dieses Ereignisses befänden, Jedermann
freistellen, sich nach Belieben mit Zwieback zu ernähren. Die
Reisenden würden selbstverständlich zum Zwieback greifen, um
damit ihren Hunger zu stillen; Niemand wird aber daran
zweifeln, dass in solch einem Falle wohl ein Stück geniessbares
Fleisch für jeden der Reisenden, die durch zwanzig Tage
auf blosse Zwiebackkost gesetzt wären, einen ziemlich grossen
Werth, ein Pfund Zwieback jedoch nur einen ausserordentlich
geringen, wohl auch gar keinen Werth haben würde.


Was ist nun der Grund davon, dass im ersten Falle die
[106]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
Verfügung über ein Pfund Zwieback für jeden der Reisenden
die volle Bedeutung der Erhaltung seines Lebens, im zweiten
Falle noch eine sehr hohe, im dritten Falle aber gar keine, oder
doch nur eine höchst geringe Bedeutung hat?


Die Bedürfnisse der Schiffsbewohner sind in allen drei
Fällen dieselben geblieben, denn ihre Persönlichkeit und somit
auch ihr Bedarf haben sich nicht geändert. Was sich aber geändert
hat, war die diesem Bedarfe in jedem einzelnen Falle gegen-
überstehende Quantität des obigen Nahrungsmittels, indem dem
gleichen Bedarf der Schiffsbewohner nach Nahrungsmitteln in
dem ersten Falle nur je zehn Pfund, im zweiten eine grössere,
im dritten Falle aber eine noch grössere Quantität gegen-
überstand und somit von Fall zu Fall die Bedeutung jener Be-
dürfnissbefriedigungen sich verminderte, welche von concreten
Theilquantitäten jenes Nahrungsmittels abhängig waren.


Was wir nun aber hier zuerst an einem isolirten Individuum
und hierauf an einer kleinen, von den übrigen Menschen zeit-
weilig abgeschiedenen Gesellschaft beobachten konnten, das gilt
in gleicher Weise auch für die complicirteren Verhältnisse eines
Volkes und der menschlichen Gesellschaft überhaupt. Der Zu-
stand der Bewohner eines Landes nach einer schweren Miss-
ernte, nach einer Mittelernte und endlich in Jahren, die auf
sehr günstige Ernten folgen, weist Verhältnisse auf, welche den
oben gezeichneten dem Wesen nach analog sind, denn auch
hier steht einem bestimmten Bedarfe in dem ersten Falle eine
geringere verfügbare Quantität von Nahrungsmitteln gegenüber,
als im zweiten, im zweiten aber eine geringere, als im dritten,
so zwar, dass auch hier die Bedeutung der Bedürfnissbefriedi-
gungen, welche von concreten Theilquantitäten abhängen, eine
sehr verschiedene ist. Wenn in einem Lande nach einer über-
reichen Ernte ein Magazin mit 100.000 Metzen Korn verbrennt,
so wird in Folge dieses Unglücksfalles höchstens weniger
Alkohol erzeugt werden, oder aber der ärmere Theil der Be-
wohner jenes Landes im äussersten Falle etwas weniger voll-
ständig sich ernähren können, ohne um dessentwillen Noth zu
leiden; wenn dagegen ein solcher Unfall nach einer Mittelernte
zustösst, werden sich schon viele Menschen viel wichtigere Be-
dürfnissbefriedigungen versagen müssen, trifft indess ein solcher
[107]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
Unfall mit einer Hungersnoth zusammen, so werden zahlreiche
Menschen dem Hungertode anheimfallen. In jedem der drei
Fälle sind nämlich von jeder concreten Theilquantität des dem
betreffenden Volke verfügbaren Getreides, dem Grade der Wich-
tigkeit nach sehr verschiedene Bedürfnissbefriedigungen ab-
hängig und somit ist denn auch der Werth solcher Quantitäten
in allen drei Fällen ein sehr verschiedener.


Fassen wir das Gesagte zusammen, so ergeben sich als
Resultat unserer bisherigen Untersuchungen die nachfolgenden
Grundsätze:


1. Die Bedeutung, welche die Güter für uns haben, und
welche wir Werth nennen, ist lediglich eine übertragene. Ur-
sprünglich haben nur die Bedürfnissbefriedigungen für uns eine
Bedeutung, weil von ihnen die Aufrechterhaltung unseres Lebens
und unserer Wohlfahrt abhängt, wir übertragen aber in logi-
scher Consequenz diese Bedeutung auf jene Güter, von deren
Verfügung wir in der Befriedigung dieser Bedürfnisse abhängig
zu sein uns bewusst sind.


2. Die Grösse der Bedeutung, welche die verschiedenen
concreten Bedürfnissbefriedigungen (die einzelnen Acte derselben,
welche eben durch concrete Güter herbeigeführt werden kön-
nen) für uns haben, ist eine ungleiche und das Mass derselben
liegt in dem Grade ihrer Wichtigkeit für die Aufrechterhaltung
unseres Lebens und unserer Wohlfahrt.


3. Die Grösse der auf die Güter übertragenen Bedeutung
unserer Bedürfnissbefriedigungen, das ist die Grösse des Wer-
thes, ist somit gleichfalls eine verschiedene und das Mass der-
selben liegt in dem Masse der Bedeutung, welche die von den
betreffenden Gütern abhängigen Bedürfnissbefriedigungen für
uns haben.


4. In jedem concreten Falle sind von der Verfügung über
eine bestimmte Theilquantität der einem wirthschaftenden
Subjecte verfügbaren Gesammtquantität eines Gutes nur jene
der durch die letztere noch gesicherten Bedürfnissbefriedigungen
abhängig, welche für dies Subject die geringste Bedeutung unter
diesen letzteren haben.


5. Der Werth eines concreten Gutes, oder einer bestimmten
Theilquantität der einem wirthschaftenden Subjecte verfügbaren
[108]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
Gesammtquantität eines Gutes ist für dasselbe demnach gleich
der Bedeutung, welche die wenigst wichtigen von den durch
die verfügbare Gesammtquantität noch gesicherten und mit einer
solchen Theilquantität herbeizuführenden Bedürfnissbefriedigungen
für das obige Subject haben. Diese Bedürfnissbefriedigungen sind
es nämlich, rücksichtlich welcher das in Rede stehende wirth-
schaftende Subject von der Verfügung über das betreffende con-
crete Gut, beziehungsweise die betreffende Güterquantität ab-
hängt *).


[109]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.

Wir haben demnach in unseren bisherigen Untersuchungen
einerseits die Verschiedenheit des Güterwerthes auf ihre letzten
*)
[110]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
Ursachen zurückgeführt, andererseits aber auch das letzte und
ursprünglichste Mass gefunden, nach welchem aller Güterwerth
von den Menschen gemessen wird.


*)


[111]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.

Bei richtiger Auffassung des Gesagten kann es nunmehr
auch nicht schwer werden, jedes Problem, bei welchem es sich
*)
[112]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
um die Erklärung der Ursachen der Verschiedenheit des Werthes
zweier oder mehrerer concreter Güter oder Güterquantitäten
handelt, seiner Lösung zuzuführen.


*)


[113]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.

Fragen wir zum Beispiel darnach, warum ein Pfund Trink-
wasser für uns unter gewöhnlichen Verhältnissen gar keinen Werth
hat, während ein sehr geringer Bruchtheil eines Pfundes Gold
oder Diamanten für uns der Regel nach einen sehr hohen Werth
aufweist, so ergiebt sich die Beantwortung dieser Frage aus
der nachfolgenden Betrachtung.


Diamanten und Gold sind so selten, dass sich die den Men-
schen verfügbaren Quantitäten der erstern insgesammt in einer
Kiste, das den Menschen verfügbare Gold, wie eine einfache Be-
rechnung lehrt, in einem einzigen grossen Saal verwahren liessen.
Trinkwasser ist dagegen in so grossen Quantitäten auf der Erde vor-
handen, dass sich kaum ein Reservoir denken lässt, der gross genug
wäre, dasselbe zu umfassen. Demgemäss vermögen die Menschen
auch nur den wichtigsten Bedürfnissen, zu deren Befriedigung
Gold und Diamanten dienlich sind, Genüge zu thun, während sie
ihr Bedürfniss nach Trinkwasser der Regel nach nicht nur voll-
ständig zu befriedigen vermögen, sondern auch noch überdies
sehr grosse Quantitäten dieses Gutes unbenützt sich entgehen
lassen, weil sie die ganze ihnen verfügbare Quantität aufzubrau-
chen nicht im Stande sind. Von concreten Quantitäten Trink-
wasser ist demnach unter gewöhnlichen Verhältnissen kein [mensch-
liches]
[Bedürfniss] in seiner Befriedigung derart abhängig, dass
es unbefriedigt bleiben müsste, wofern die Menschen über diese
concrete Quantität nicht zu verfügen vermöchten, während bei
dem Golde und den Diamanten selbst die geringfügigsten unter
den durch die verfügbare Gesammtquantität gesicherten Bedürf-
*)
Menger, Volkswirthschaftslehre. 8
[114]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
nissbefriedigungen, noch immer eine relativ hohe Bedeutung für
die wirthschaftenden Menschen haben. Concrete Quantitäten von
Trinkwasser haben somit für die wirthschaftenden Menschen der
Regel nach keinen, solche von Gold oder Diamanten aber
einen hohen Werth.


Dies alles gilt nur für die gewöhnlichen Lebensverhältnisse,
wo uns das Trinkwasser in Ueberfülle, Diamanten und Gold aber
in sehr geringen Quantitäten verfügbar sind. In der Wüste aber,
wo von einem Trunke Wasser nicht selten das Leben eines
Reisenden abhängt, lässt sich dagegen allerdings der Fall den-
ken, dass für ein Individuum von einem Pfunde Wasser wich-
tigere Bedürfnissbefriedigungen abhängen würden, als selbst von
einem Pfunde Gold. In diesem Falle müsste folgerecht der Werth
eines Pfundes Wasser für das betreffende Individuum grösser sein,
als der eines Pfundes Gold. Die Erfahrung lehrt uns aber auch,
dass ein solches, oder doch ein ähnliches Verhältniss in der
That überall dort einzutreten pflegt, wo die ökonomische Sach-
lage eine derartige ist, wie wir sie soeben gezeichnet haben.


c) Einfluss der verschiedenen Qualität der Güter auf ihren Werth.


Die menschlichen Bedürfnisse können nicht selten durch
Güter verschiedener Art, noch häufiger aber durch Güter befrie-
digt werden, welche zwar nicht der Art, wohl aber der Species
nach verschieden sind. Dort, wo es sich um bestimmte Complexe
menschlicher Bedürfnisse einerseits, und die zu ihrer Befriedigung
verfügbaren Güterquantitäten andererseits handelt (S. 96), stehen
den ersteren demnach nicht immer völlig homogene Güterquan-
titäten gegenüber, sondern nicht selten Güter verschiedener Art,
noch häufiger aber solche, deren Species eine verschiedene ist.


Nun haben wir, um der grössern Einfachheit der Darlegung
willen, bisher von der Verschiedenheit dieser Güterquantitäten
abstrahirt, und in dem Vorangehenden nur jene Fälle in das Auge
gefasst, in welchen Bedürfnissen bestimmter Art (auf deren, je
nach dem Vollständigkeitsgrade der bereits erfolgten Bedürfniss-
befriedigung, sich abschwächende Bedeutung wir insbesondere hin-
gewiesen haben) völlig gleichartige Güterquantitäten gegenüber-
stehen, um solcherart den Einfluss, welchen die Verschiedenheit der
[115]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
verfügbaren Quantitäten auf den Werth der Güter äussert, desto
deutlicher hervortreten lassen zu können.


Es erübrigt uns nunmehr, noch jene Fälle unserer Betrach-
tung zu unterziehen, in welchen bestimmte menschliche Bedürf-
nisse durch Güter verschiedener Art oder Species befriedigt werden
können und somit einem gegebenen menschlichen Bedarfe verfüg-
bare Güterquantitäten gegenüber stehen, deren concrete Theil-
quantitäten von verschiedener innerer Beschaffenheit sind.


Hier ist nun zunächst zu bemerken, dass eine Verschieden-
heit der Güter, möge dieselbe eine solche der Art, oder der
Species sein, den Werth concreter Theilquantitäten der bezüg-
lichen Güter nicht tangiren kann, wenn durch dieselbe die Be-
friedigung menschlicher Bedürfnisse in keinerlei Weise berührt
wird. Güter, welche die menschlichen Bedürfnisse in völlig glei-
cher Weise befriedigen, werden deshalb in wirthschaftlicher Be-
ziehung mit Recht als völlig homogen betrachtet, wenngleich
auch dieselben ihrer äusseren Erscheinung nach verschiedenen
Arten oder Species angehören.


Damit die Verschiedenheit der Art, beziehungsweise der
Species zweier Güter, auch eine Verschiedenheit ihres Werthes
begründe, ist zugleich eine verschiedene Tauglichkeit derselben,
menschliche Bedürfnisse zu befriedigen, also was wir, vom wirth-
schaftlichen Standpunkte aus, eine verschiedene Qualität der-
selben nennen, erforderlich, und die Untersuchung über den Ein-
fluss, welchen diese letztere auf den Werth der concreten Güter
äussert, ist demnach der Gegenstand der nachfolgenden Unter-
suchung.


Die Verschiedenheit der Qualität der Güter kann in wirth-
schaftlicher Beziehung eine doppelte sein: Entweder können
mittelst gleicher Quantitäten verschieden qualificirter Güter
menschliche Bedürfnisse in quantitativ, oder aber in quali-
tativ
verschiedener Weise befriedigt werden. So kann zum
Beispiel mittelst einer bestimmten Quantität Buchenholz das
Wärmebedürfniss der Menschen in quantitativ viel intensiverer
Weise befriedigt werden, als mit einer gleichen Quantität
Tannenholz, während zwei gleiche Quantitäten von Nahrungs-
mitteln, deren Nährkraft dieselbe ist, doch das Nahrungs-
bedürfniss in qualitativ verschiedener Weise befriedigen
8 *
[116]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
können, indem z. B. mit der Verzehrung des einen ein Genuss,
mit jener des andern aber ein solcher entweder nicht, oder
doch nicht in gleichem Masse verbunden ist. Bei den Gütern
er erstern Kategorie kann die geringere Qualität durch diez
grössere Quantität vollständig ersetzt werden, bei den Gütern
der letztern Art ist dies nicht möglich. Buchenholz kann zu
Heizzwecken durch Tannenholz, Erlenholz durch Fichtenhlo-
ersetzt werden und Steinkohlen von geringerer Heizkraft, Eichen
lohe von geringerem Tanningehalte, die gewöhnlichen Arbeits-
leistungen träger, oder minder leistungsfähiger Taglöhner kön-
nen der Regel nach, wofern sie nur den wirthschaftenden Men-
schen in entsprechend grössern Quantitäten verfügbar sind, die
höher qualificirten Güter vollständig ersetzen; unschmackhafte
Speisen oder Getränke dagegen, dunkle und feuchte Wohnräume,
die Arbeitsleistungen unintelligenter Aerzte u. dgl. m. können,
selbst wenn sie uns in den grössten Quantitäten verfügbar sind,
unsere Bedürfnisse doch qualitativ nie so vollständig be-
friedigen, als die entsprechenden höher qualificirten Güter.


Da es nun bei der Werthschätzung der Güter Seitens der
wirthschaftenden Menschen, wie wir sahen, lediglich auf die Be-
deutung der Befriedigung jener Bedürfnisse ankommt, rück-
sichtlich welcher sie von der Verfügung über ein Gut abhängig
sind (S. 88), die Quantität eines Gutes, wodurch eine bestimmte
Bedürfnissbefriedigung herbeigeführt werden kann, hiebei aber
ein secundäres Moment ist, so ist auch klar, dass geringere
Quantitäten eines höher qualificirten Gutes, wofern sie, für sich
allein, ein menschliches Bedürfniss genau in derselben (also in
quantitativ und qualitativ gleicher) Weise befriedigen, wie
grössere Quantitäten des minder qualificirten Gutes, auch den
e[l]eichen Werth für die wirthschaftenden Menschen haben, wie
diese letztern, und demnach gleiche Quantitäten der verschieden
qualificirten Güter, nach Massgabe des obigen Verhältnisses,
[g]inen verschiedenen Werth aufweisen. Wenn demnach z. B. be
der Werthschätzung von Eichenlohe lediglich die Gärbkraft der-i
selben in Betracht kommt, so werden 7 Centner der einen Sorte,
welche eben so viel Wirksamkeit haben, wie 8 Centner der
andern, für die betreffenden Handwerker auch einen gleichen
Werth haben und die blosse Reduction der obigen Güter auf
[117]Ueber des ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
Quantitäten von gleicher ökonomischer Wirksamkeit, (ein Mittel,
das im wirthschaftlichen Leben der Menschen thatsächlich in
allen ähnlichen Fällen zur Anwendung kommt,) behebt demnach
vollständig die Schwierigkeit, welche aus der verschiedenen
Qualität der Güter, (sofern ihre Wirksamkeit lediglich eine quan-
titativ verschiedene ist,) für die Werthschätzung concreter Quan-
titäten derselben entstehen, indem hiedurch der in Rede stehende
complicirtere Fall auf das einfache Verhältniss, wie wir dasselbe
oben (S. 89 ff.) dargestellt haben, zurückgeführt wird.


Verwickelter ist die Frage nach dem Einflusse, welchen
die verschiedene Qualität auf den Werth concreter Güter oder
Güterquantitäten äussert, wenn in Folge der verschiedenen
Qualität der Güter die Bedürfnisse in qualitativ ver-
schiedener Weise zur Befriedigung gelangen. Dass auch hier
die Bedeutung jener Bedürfnisse, welche unbefriedigt blei-
ben müssten, wofern wir über ein seiner Art, aber auch
seiner besondern Qualität nach bestimmtes Gut nicht zu verfügen
vermöchten, das massgebende Moment seines Werthes ist, steht
nach dem, was wir oben über das allgemeine Princip der Werth-
bestimmung der Güter sagten, zwar ausser allem Zweifel (S. 88).
Die Schwierigkeit, von der wir hier sprechen, liegt denn auch
nicht in dem allgemeinen Principe der Werthbestimmung der
obigen Güter, sondern vielmehr in der Bestimmung jener Be-
dürfnissbefriedigung, welche eben von einem bestimmten concreten
Gute unter Umständen abhängig ist, wo einer Gesammtheit von
Bedürfnissen Güter gegenüberstehen, deren Theilquantitäten die
obigen Bedürfnisse in qualitativ verschiedener Weise zu befrie-
digen geeignet sind, also in der practischen Anwendung des obigen
Principes im wirthschaftlichen Leben der Menschen. Die Lösung
dieses Problems ergiebt sich nun aber aus den nachfolgenden
Betrachtungen.


Die wirthschaftenden Menschen verwenden die Quantitäten
der ihnen verfügbaren Güter nicht ohne Rücksicht auf die ver-
schiedene Qualität derselben, wo immer eine solche vorhanden
ist. Der Landwirth, welcher über Getreide von verschiedener
Qualität verfügt, verwendet z. B. nicht etwa das schlechteste
zur Aussaat, das Getreide mittlerer Qualität zur Viehmästung
und das vorzüglichste zu Nahrungszwecken und zur Erzeugung
[118]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
von Getränken, oder aber das verschieden qualificirte Getreide
ohne Wahl für den einen oder den andern Zweck, sondern das
vorzüglichste nach Massgabe des Bedarfes für den ersten, das
vorzüglichere von dem erübrigenden Reste für den letzten, das
Getreide mindester Qualität aber für den Zweck der Vieh-
mästung.


Während demnach bei Gütern, deren Theilquantitäten keine
verschiedene Qualität aufweisen, die gesammte verfügbare Quan-
tität derselben der Gesammtheit jener concreten Bedürfnisse
gegenübersteht, welche mittelst dieser Güter befriedigt werden
können; steht in dem Falle, wo die Theilquantitäten eines Gutes
menschliche Bedürfnisse in qualitativ verschiedener Weise be-
friedigen, nicht mehr die Gesammtheit der verfügbaren Quantität
den bezüglichen Bedürfnissen in ihrer Gesammtheit, sondern jede
verfügbare Quantität von besonderer Qualität auch besondern
Bedürfnissen der wirthschaftenden Menschen gegenüber.


Können nun Güter einer bestimmten Qualität mit Rück-
sicht auf gegebene Gebrauchszwecke durch anders qualificirte
Güter überhaupt nicht ersetzt werden, so findet das oben (S. 99)
dargelegte Gesetz der Werthbestimmung auf die concreten Quan-
titäten dieser Güter schon an und für sich seine volle Anwendung.
Der Werth concreter Quantitäten derselben ist nämlich gleich der
Bedeutung der mindest wichtigen Bedürfnissbefriedigung, für
welche durch die gesammte verfügbare Quantität des bestimmt
qualificirten Gutes noch vorgesorgt ist, denn diese Bedürfniss-
befriedigung ist es, rücksichtlich welcher wir von der Verfügung
über ein concretes Gut der obigen Qualität thatsächlich ab-
hängig sind.


Können dagegen menschliche Bedürfnisse durch verschieden
qualificirte Güter, wenngleich auch in qualitativ verschiedener
Weise befriedigt werden, so zwar, dass Güter der einen Qualität
durch solche einer andern, wenngleich auch nicht mit derselben
Wirksamkeit, ersetzt werden können, so ist der Werth eines
concreten bestimmt qualificirten Gutes, oder einer solchen Theil-
quantität, gleich der Bedeutung der am wenigsten wichtigen
Bedürfnissbefriedigung, für welche durch Güter der in Rede
stehenden Qualität vorgesorgt ist, abzüglich einer um so grössern
Werthquote, je geringer der Werth der Güter minderer Qualität
[119]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
ist, durch welche sich das bezügliche Bedürfniss gleichfalls be-
friedigen lässt und je geringer zugleich die Differenz zwischen
der Bedeutung ist, welche die Befriedigung des bezüglichen Be-
dürfnisses mit dem höher, und die Befriedigung desselben Bedürf-
nisses mit dem niederer qualificirten Gute für die Menschen hat.


Wir gelangen somit zum Resultate, dass auch überall dort,
wo einem Complexe von Bedürfnissen eine Quantität von Gütern
verschiedener Qualität gegenübersteht, doch von jeder concreten
Theilquantität dieser letztern, beziehungsweise von jedem con-
creten Gute, Bedürfnissbefriedigungen von bestimmter Intensivität
abhängig sind, und demnach auch in allen hier einschlägigen
Fällen das oben von uns aufgestellte Princip der Bestimmung
des Werthes concreter Güter seine volle Anwendbarkeit behält.


d) Subjectiver Charakter des Werthmasses. — Arbeit und Werth. — Irrthum.


Wir haben bereits oben, wo wir von dem Wesen des
Werthes sprachen, darauf hingewiesen, dass derselbe nichts den
Gütern Anhaftendes, keine Eigenschaft derselben, noch viel
weniger aber ein selbstständiges Ding sei und nichts dem ent-
gegenstehe, dass ein Gut für ein wirthschaftendes Subject Werth
habe, für ein anderes unter anderen Verhältnissen aber keinen
Werth aufweise. Aber auch das Mass des Werthes ist durch-
aus subjectiver Natur und ein Gut kann desshalb, je nach Ver-
schiedenheit des Bedarfes und der verfügbaren Menge, für ein
wirthschaftendes Subject einen grossen, für ein anderes einen
geringen, für ein drittes sogar keinen Werth haben. Was der
eine verschmäht, oder gering achtet, wird von dem andern ge-
sucht, was der eine preisgiebt, nicht selten von einem andern
aufgelesen, und während ein wirthschaftendes Subject eine ge-
wisse Quantität des einen Gutes einer grössern eines andern
Gutes gleichschätzt, ist bei einem andern wirthschaftenden Sub-
jecte nicht selten gerade das umgekehrte Verhältniss der Werth-
schätzung zu beobachten.


Der Werth ist demnach nicht nur seinem Wesen, sondern
auch seinem Masse nach subjectiver Natur. Die Güter haben
„Werth“ stets für bestimmte wirthschaftende Subjecte, aber
auch nur für solche einen bestimmten Werth. —


[120]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.

Der Werth, welchen ein Gut für ein wirthschaftendes Indi-
viduum hat, ist der Bedeutung jener Bedürfnissbefriedigung
gleich, rücksichtlich welcher das betreffende Individuum von der
Verfügung über das in Rede stehende Gut abhängig ist. Ob und
welche Quantitäten von Arbeit, oder von anderen Gütern höherer
Ordnung zur Hervorbringung des Gutes, dessen Werth in Frage
ist, verwendet wurden, hat mit der Grösse dieses letzteren keinen
nothwendigen und unmittelbaren Zusammenhang. Ein nicht
ökonomisches Gut (z. B. eine Quantität Holz in einem Ur-
walde) gewinnt deshalb keinen Werth für die Menschen, weil
grosse Quantitäten von Arbeit, oder von sonstigen ökonomischen
Gütern zur Hervorbringung desselben verwandt wurden, und ob
ein Diamant zufällig gefunden, oder mit einem Aufwande von
tausend Arbeitstagen in einer Diamantengrube gewonnen wurde,
ist für seinen Werth gänzlich gleichgiltig, wie denn überhaupt
im practischen Leben Niemand nach der Geschichte der Ent-
stehung eines Gutes fragt, sondern bei Beurtheilung des Werthes
desselben lediglich die Dienste im Auge hat, welche ihm das-
selbe leisten wird, und deren er entbehren müsste, wofern er
über das betreffende Gut nicht verfügen könnte. Es haben dem-
nach nicht selten Güter, auf die viel Arbeit verwandt wurde,
keinen, andere, auf welche keine Arbeit verwandt wurde, einen
grossen, solche, auf welche viel und andere, auf welche wenig,
oder keine Arbeit verwandt wurde, einen gleichen Werth für die
wirthschaftenden Menschen, und es können somit die auf Her-
stellung eines Gutes verwandten Quantitäten von Arbeit, oder von
sonstigen Productionsmitteln, nicht das massgebende Moment sei-
nes Werthes sein. Wohl zeigt uns die Vergleichung des Werthes
des Productes mit dem Werthe der zur Hervorbringung des-
selben verwandten Productionsmittel, ob und in wie weit die
Production desselben, also ein der Vergangenheit angehö-
render Act menschlicher Thätigkeit, ein zweckmässiger, ein öko-
nomischer war; auf den Werth des Productes selbst haben die
auf seine Hervorbringung verwandten Güterquantitäten aber
weder einen nothwendigen, noch auch einen unmittelbar mass-
gebenden Einfluss.


Auch die Meinung, dass die zur Reproduction der Gü-
ter nöthige Quantität von Arbeit, oder von sonstigen Productions-
[121]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
mitteln das massgebende Moment des Güterwerthes bilde, ist eine
unhaltbare. Es giebt eine grosse Anzahl von Gütern, die sich
nicht reproduciren lassen (z. B. Antiquitäten, Gemälde alter
Meister etc.). Es giebt demnach eine Anzahl von Erscheinungen
der Volkswirthschaft, bei welchen wir wohl den Werth, nicht
aber die Möglichkeit der Reproduction beobachten können, und
kann somit ein mit dieser letztern zusammenhängendes Moment
nicht das massgebende Princip des Werthes überhaupt sein.
Auch lehrt die Erfahrung, dass der Werth der zur Reproduction
zahlreicher Güter (z. B. aus der Mode gekommener Kleider,
veralteter Maschinen etc.) erforderlichen Productionsmittel ein weit
höherer, als der Werth des Productes selbst, in manchen Fällen
aber auch ein niederer ist, als der Werth dieses letzten. Weder
die zur Production eines Gutes verwendete, noch die zur Re-
production eines Gutes erforderliche Quantität von Arbeit, oder
sonstigen Gütern, ist demnach das massgebende Moment des
Güterwerthes, sondern vielmehr die Grösse der Bedeutung jener
Bedürfnissbefriedigungen, rücksichtlich welcher wir von der Ver-
fügung über ein Gut abhängig zu sein uns bewusst sind, denn
dies Princip der Werthbestimmung gilt für alle Fälle der Werth-
erscheinung und ist keine Ausnahme hievon im Bereiche der
menschlichen Wirthschaft vorhanden. —


Die Bedeutung, welche eine Bedürfnissbefriedigung für
uns hat, findet ihr Mass nicht in unserer Willkür, sondern
vielmehr in der von unserer Willkür unabhängigen Bedeutung,
welche jene Bedürfnissbefriedigung für unser Leben, oder für
unsere Wohlfahrt hat. Die Bedeutung der verschiedenen Bedürf-
nissbefriedigungen, beziehungsweise der einzelnen Acte derselben,
ist indess ein Gegenstand der Beurtheilung Seitens der wirth-
schaftenden Menschen, und die bezügliche Erkenntniss somit
unter Umständen auch dem Irrthume unterworfen.


Wir haben oben gesehen, dass für die Menschen jene Be-
dürfnissbefriedigungen die höchste Bedeutung haben, von welchen
ihr Leben abhängt, dass im Grade der Bedeutung hierauf jene
folgen, von welchen ihre Wohlfahrt bedingt ist, und zwar in
der Weise, dass diejenigen Bedürfnissbefriedigungen, von welchen
für die Menschen ein höherer Grad der Wohlfahrt abhängt (bei
gleicher Intensivität eine länger dauernde, bei gleicher Dauer
[122]Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
eine intensivere) eine höhere Bedeutung für dieselben haben, als
jene, von welchen ein geringerer Grad ihrer Wohlfahrt ab-
hängig ist.


Damit ist nun aber durchaus nicht ausgeschlossen, dass
thörichte Menschen in Folge ihrer mangelhaften Erkenntniss die
Bedeutung der einzelnen Bedürfnissbefriedigungen nicht bisweilen
in entgegengesetzter Weise schätzen, und selbst Individuen, deren
wirthschaftliche Thätigkeit eine verständige ist, die also jeden-
falls bemüht sind, die wahre Bedeutung der Bedürfnissbefriedi-
gungen zu erkennen, um solcherart eine richtige Grundlage für
ihre ökonomische Thätigkeit zu gewinnen, nicht dem Irrthume
ausgesetzt sind, der ja von aller menschlichen Erkenntniss unzer-
trennlich ist. Insbesondere lassen sich die Menschen leicht ver-
leiten, die Bedeutung von Bedürfnissbefriedigungen, welche in
intensiver, wenn gleich auch nur rasch vorübergehender Weise
ihr Wohlbefinden fördern, höher anzuschlagen, als solche Be-
dürfnissbefriedigungen, von welchen ein zwar minder intensives,
aber über lange Zeitperioden sich erstreckendes Wohlbefinden
abhängig ist, das ist, sie pflegen nicht selten vorübergehende
intensive Genüsse höher zu achten, als ihre dauernde Wohlfahrt,
ja bisweilen höher sogar, als ihr Leben.


Verfallen demnach die Menschen schon in Bezug auf die
Erkenntniss des subjectiven Momentes der Werthbestimmung
nicht selten dem Irrthume, wo es sich doch lediglich um die
Betrachtung ihrer persönlichen Zustände handelt, so liegt der
Irrthum noch viel näher überall dort, wo es sich um die Er-
kenntniss des objectiven Momentes der Werthbestimmung, zu-
mal um die Erkenntniss der Grösse der ihnen verfügbaren
Quantitäten und die verschiedenen Qualitäten der Güter handelt.
Eben deshalb ist es aber auch klar, warum gerade das Gebiet
der Werthbestimmung der concreten Güter im wirthschaftlichen
Leben so mannigfaltigen Irrthümern ausgesetzt ist, und wir nicht
selten, abgesehen von jenen Schwankungen des Werthes, welche
einem Wechsel im Bereiche der menschlichen Bedürfnisse, oder
der den Menschen verfügbaren Güterquantitäten, oder aber end-
lich einem solchen der innern Beschaffenheit der Güter ent-
springen, auch solche beobachten können, welche die letzte
Ursache lediglich in einer modificirten Erkenntniss der
[123]Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.
Bedeutung haben, welche die bezüglichen Güter für unser Leben
und unsere Wohlfahrt besitzen.


§. 3.
Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter höherer
Ordnung regelt.


a) Ueber das massgebende Princip des Werthes der Güter höherer Ordnung.


Unter den grundlegenden Irrthümern, welche von der
weittragendsten Bedeutung für die bisherige Entwicklung un-
serer Wissenschaft waren, steht in erster Reihe der Grundsatz:
dass die Güter desshalb für uns Werth erlangen, weil zur Her-
vorbringung derselben Güter verwandt wurden, welche Werth
für uns hatten. Wir werden dort, wo wir von dem Preise der
Güter höherer Ordnung sprechen werden, auf die besonderen Ur-
sachen hinweisen, welche den obigen Irrthum zu Tage förderten
und bewirkten, dass derselbe in einer allerdings mehrfach ver-
clausulirten Form die Grundlage der herrschenden Preis-
theorien wurde. Hier sei zunächst constatirt, dass der obige
Grundsatz so sehr aller Erfahrung widerstreitet (S. 120), dass
derselbe unbedingt auch dann verworfen werden müsste, wenn
das Problem der Feststellung eines Principes des Güterwerthes
durch denselben eine formell richtige Lösung fände.


Nun wird aber durch den obigen Grundsatz selbst dieser
Zweck nicht erreicht, denn er bietet uns wohl einen Erklärungs-
grund für den Werth jener Güter, welche wir als „Producte“
bezeichnen können, nicht aber für jenen aller übrigen Güter,
welche sich uns als die ursprünglichsten Elemente der Produc-
tion darstellen, also zumal für den Werth aller uns von der
Natur unmittelbar dargebotenen Güter, insbesondere der Boden-
nutzungen, ferner für den Werth der Arbeitsleistungen, und wie
wir in Folge sehen werden, auch der Capitalnutzungen. Der Werth
aller dieser Güter kann durch den obigen Grundsatz nicht er-
klärt werden, ja er wird durch denselben geradezu unbegreiflich.


Durch den obigen Grundsatz wird demnach das Problem,
einen für alle Fälle geltenden Erklärungsgrund des Güterwerthes
festzustellen, weder sachlich noch auch formell richtig gelöst,
denn einerseits steht er im Widerspruche zur Erfahrung, und
andererseits ist seine Anwendbarkeit überall dort ausgeschlossen,
[124]Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.
wo Güter unserer Beobachtung vorliegen, welche nicht das
Product der Verbindung von Gütern höherer Ordnung sind. Der
Werth, welchen die Güter niederer Ordnung für uns haben,
kann demnach nicht durch den Werth der Güter höherer Ord-
nung bedingt sein, welche bei der Production derselben ver-
wendet wurden, vielmehr ist es klar, dass umgekehrt der Werth
der Güter höherer Ordnung stets und ausnahmslos durch den
voraussichtlichen Werth jener Güter niederer Ordnung bedingt
ist, zu deren Hervorbringung sie dienen *).


Steht dies nun aber fest, so ist auch klar, dass der Werth
der Güter höherer Ordnung auch nicht das massgebende
Moment des voraussichtlichen Werthes der entsprechenden
Güter niederer Ordnung, oder aber der Werth der zur
Hervorbringung eines Gutes bereits verwendeten Güter höhe-
rer Ordnung das massgebende Moment seines effectiven Wer-
thes sein kann, sondern umgekehrt unter allen Umständen
der Werth der Güter höherer Ordnung sich nach dem
vorraussichtlichen Werthe der Güter niederer Ordnung richtet,
zu deren Hervorbringung dieselben von den wirthschaftenden
Menschen bestimmt sind, oder voraussichtlich werden bestimmt
werden.


Dieser voraussichtliche Werth der Güter niederer Ordnung
ist — was wohl beobachtet werden muss — nicht selten von
jenem, welchen ähnliche Güter in der Gegenwart für uns haben,
sehr verschieden, und finden desshalb die Güter höherer Ordnung,
[125]Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.
durch welche wir über Güter niederer Ordnung doch nur mit
Rücksicht auf einen künftigen Zeitraum verfügen (S. 21 ff.), das
Mass ihres Werthes keineswegs in dem letztern, sondern in dem
erstern.


Wenn wir z. B. über Salpeter, Schwefel, Kohle, die zur
Schiesspulvererzeugung erforderlichen Arbeitsleistungen, Vorrich-
tungen etc. und mittelbar durch dieselben über eine Quan-
tität Schiesspulver nach drei Monaten verfügen, so ist klar,
dass der Werth, welchen das in Rede stehende Schiess-
pulver voraussichtlich für uns nach drei Monaten haben wird,
nicht nothwendigerweise gleich sein muss, sondern grösser oder
geringer sein kann, als der Werth, welchen eine gleiche Quan-
tität dieses Gutes in der Gegenwart für uns hat und demgemäss
auch der Werth der obigen Güter höherer Ordnung sein Mass
nicht in dem Werthe des Schiesspulvers in der Gegenwart,
sondern in jenem findet, welchen das bezügliche Product voraus-
sichtlich nach Ablauf der Productionsfrist für uns haben wird.
Ja, es ist der Fall denkbar, dass eine bestimmte Quantität eines
Gutes niederer, beziehungsweise erster Ordnung, in der Gegen-
wart gänzlich werthlos ist (z. B. Eis im Winter), während doch die
uns gleichzeitig verfügbaren entsprechenden Güter höherer Ord-
nung, welche uns Quantitäten des obigen Gutes in kommen-
den Zeiträumen sicherstellen (z. B. die zur künstlichen Eis-
production erforderlichen Materialien und Vorrichtungen in ihrer
Gesammtheit) mit Rücksicht auf diese letztern Zeiträume aller-
dings Werth für uns haben und so umgekehrt.


Zwischen dem Werthe, welchen Güter niederer, beziehungs-
weise erster Ordnung, für uns in der Gegenwart haben, und dem
Werthe der zur Hervorbringung solcher Güter uns in der Gegen-
wart verfügbaren Güter höherer Ordnung, besteht demnach kein
nothwendiger Zusammenhang, vielmehr ist es klar, dass die
erstern ihren Werth aus dem Verhältnisse zwischen Bedarf und
verfügbarer Quantität in der Gegenwart herleiten, die letztern
aber aus dem voraussichtlichen Verhältnisse zwischen Bedarf
und verfügbarer Quantität mit Rücksicht auf jenen kommenden
Zeitraum, für welchen die bezüglichen Producte uns mittelst
der in Rede stehenden Güter höherer Ordnung verfügbar sein
[126]Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.
werden. Steigt der voraussichtliche Werth eines Gutes niederer
Ordnung in einem kommenden Zeitraume, so steigt auch unter
sonst gleichen Verhältnissen der Werth derjenigen Güter höherer
Ordnung, deren Besitz uns die Verfügung über die obigen Güter
in dem in Rede stehenden Zeitraume sichert, während das Steigen
oder Fallen des Werthes eines Gutes niederer Ordnung in der
Gegenwart in keinem nothwendigen ursächlichen Zusammenhange
mit dem Steigen oder Fallen des Werthes der entsprechenden
uns in der Gegenwart verfügbaren Güter höherer Ordnung steht.


Es ist demnach auch nicht der Werth der Güter niederer
Ordnung in der Gegenwart, wornach sich der Werth der ent-
sprechenden Güter höherer Ordnung richtet, sondern vielmehr
unter allen Umständen der voraussichtliche Werth des Productes,
welcher das massgebende Princip des Werthes der bezüglichen
Güter höherer Ordnung ist *).


[127]Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.

b) Ueber die Productivität des Capitals.


Die Umgestaltung von Gütern höherer in solche niederer
Ordnung erfolgt gleich jedem andern Wandlungsprocesse in der Zeit
und die Zeiträume, für welche wir über Güter erster Ordnung mit-
telbar durch unsern Besitz von Güter höherer Ordnung verfügen,
liegen um so ferner ab, je höher die Ordnung dieser letztern ist.
Die fortschreitende Heranziehung von Gütern höherer Ordnung
zur Befriedigung unserer Bedürfnisse hat demnach, wie wir oben
sahen (S. 26 ff.), allerdings den Erfolg, die Quantitäten der uns
verfügbaren Genussmittel fortschreitend zu vermehren, sie ist
aber nur unter der Voraussetzung möglich, dass die vorsorgliche
Thätigkeit der Menschen sich auf immer entferntere Zeiträume
erstreckt. Ein wilder Indianer ist ohne Unterlass damit be-
schäftigt, den Bedarf der nächsten Tage zu decken, der Nomade,
welcher die ihm verfügbaren Nutzthiere nicht consumirt, sondern
zur Aufzucht von Jungen bestimmt, producirt schon Güter, die
ihm erst nach einigen Monaten verfügbar sein werden, bei
Culturvölkern aber ist ein nicht geringer Theil der Mitglieder
der Gesellschaft sogar mit der Hervorbringung von Gütern be-
schäftigt, welche erst nach Jahren, ja nicht selten erst nach
Jahrzehnten, zur unmittelbaren Befriedigung menschlicher Be-
dürfnisse beitragen werden.


Die wirthschaftenden Menschen können demnach dadurch,
dass sie die occupatorische Wirthschaft verlassen und zur Heran-
ziehung von Gütern der höheren Ordnungen zur Befriedigung
ihrer Bedürfnisse fortschreiten, allerdings die ihnen verfügbaren
Genussmittel nach Massgabe dieses ihres Fortschrittes ver-
mehren, aber nur mit der Beschränkung, dass sie in demselben
Masse, als sie zu Gütern höherer Ordnung fortschreiten, die
Zeiträume hinausrücken, auf welche sich ihre vorsorgliche Thä-
tigkeit erstreckt.


In diesem Umstande liegt nun aber eine wichtige Schranke
des wirthschaftlichen Fortschrittes. Auf die Sicherstellung der
den Menschen zur Erhaltung ihres Lebens und ihrer Wohlfahrt
in der Gegenwart, oder der nächsten Zukunft erforderlichen Genuss-
mittel ist stets ihre ängstlichste Sorge gerichtet, eine Sorge, die
sich in dem Grade abschwächt, je ferner der Zeitraum ist, auf
[128]Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.
welchen sie sich erstreckt. Diese Erscheinung ist keine zufällige,
sondern im Wesen der menschlichen Natur tief begründet. So-
weit nämlich von der Befriedigung unserer Bedürfnisse die Erhal-
tung unseres Lebens abhängig ist, muss die Sicherstellung der
Befriedigung der Bedürfnisse früherer Zeiträume nothwendiger-
weise jener der spätern vorangehen. Auch dort, wo von unserer
Verfügung über eine Güterquantität nicht unser Leben, sondern
lediglich unsere dauernde Wohlfahrt, (also zumal unsere Gesund-
heit,) abhängig ist, ist die Erhaltung dieser letztern in einem
vorangehenden Zeitraume der Regel nach die Vorbedingung der-
selben in einem nachfolgenden. Die Verfügung über die Mittel
zur Erhaltung unserer Wohlfahrt in einem entfernten Zeitraume
nützt uns nämlich wenig, wenn Noth und Mangel unsere Gesund-
heit in einem vorangehenden bereits zerrüttet, oder unsere Ent-
wickelung behindert haben. Aehnlich verhält es sich selbst in
Rücksicht auf solche Bedürfnissbefriedigungen, welche für uns
blos die Bedeutung von Genüssen haben. Ein Genuss pflegt den
Menschen, wie alle Erfahrung lehrt, in der Gegenwart, oder in
einer nähern Zukunft wichtiger zu erscheinen, als ein solcher
von gleicher Intensität in einem entfernteren Zeitpuncte.


Das Leben der Menschen ist ein Process, in welchem die
kommenden Entwickelungsphasen stets durch die vorangehenden
bedingt sind, ein Process, welcher, wenn einmal unterbrochen,
nicht wieder fortgesetzt, wenn einmal essentiell gestört, nicht
wieder vollständig hergestellt werden kann. Die Vorsorge für die
Erhaltung unseres Lebens und für unsere Entwickelung in kom-
menden Lebensepochen hat demnach die bezügliehe Vorsorge für
die vorangehenden Lebensepochen zur nothwendigen Voraus-
setzung und so können wir denn auch in der That, von krank-
haften Erscheinungen der Wirthschaft abgesehen, die allgemeine
Beobachtung machen, dass die wirthschaftenden Menschen zu-
nächst bemüht sind, die Befriedigung der Bedürfnisse der näch-
sten Zukunft und hierauf erst die ferner liegenden Zeiträume
nach Massgabe der Zeitfolge sicherzustellen.


Der Umstand, welcher den wirthschaftenden Menschen in
ihrem Bestreben nach fortschreitender Heranziehung von Gütern
höherer Ordnungen eine Schranke setzt, ist demnach die Nöthi-
gung, mit den ihnen jeweilig verfügbaren Gütern zunächst für
[129]Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.
die Befriedigung ihrer Bedürfnisse in der nächsten Zukunft, und
erst hierauf für jene der ferneren Zeiträume Vorsorge zu treffen,
oder mit andern Worten, der wirthschaftliche Nutzen, welcher
sich für die Menschen aus der fortschreitenden Heranziehung
von Gütern höherer Ordnung zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse
erzielen lässt, ist dadurch bedingt, dass sie nach erfolgter
Deckung des Bedarfes der nächsten Zukunft auch noch Quan-
titäten von Gütern für die entfernteren Zeiträume
verfügbar haben
.


In den Anfängen der Culturentwickelung und beim Beginne
einer jeden neuen Phase derselben, wo erst einzelne wirthschaf-
tende Individuen zu der Heranziehung von Gütern der nächst
höheren Ordnung übergehen, (die ersten Entdecker, Erfinder,
beziehungsweise Unternehmer,) pflegt jener Theil der Güter dieser
Ordnung, welcher bisher noch keinerlei Verwendung in der
menschlichen Wirthschaft fand, nach welchem demnach auch
kein Bedarf bestand, naturgemäss den nicht ökonomischen Cha-
rakter zu haben. Grundstücke pflegen bei einem Jägervolke, das
zum Ackerbaue übergeht, Materialien irgend welcher Art, welche
bisher ungenützt waren und nunmehr zum erstenmale zur Be-
friedigung irgend eines menschlichen Bedürfnisses herangezogen
werden, (z. B. Kalk, Sand, Bauholz, Bausteine etc.,) selbst nach
dem Eintritt dieser letztern Eventualität, durch einige Zeit den
nicht ökonomischen Charakter zu bewahren. Diese Güter sind es
demnach nicht, deren begrenzte Quantität in den Anfängen der
Cultur die wirthschaftenden Menschen von der fortschreitenden
Heranziehung von Gütern höherer Ordnung zur Befriedigung
ihrer Bedürfnisse abhält.


Ein anderer Theil der complementären Güter höherer
Ordnung ist indess der Regel nach ein solcher, welcher bereits
vor der Heranziehung einer neuen Ordnung von Gütern in irgend
einem Productionszweige zur Befriedigung menschlicher Bedürf-
nisse diente und den ökonomischen Charakter aufwies. Das
Saamengetreide und die Arbeitsleistungen, deren ein Indivi-
duum, das von der occupatorischen Wirthschaft zum Ackerbaue
übergehen möchte, benöthigt, sind z. B. Güter dieser Art.


Diese Güter nun, welche das in Rede stehende Individuum bis-
her als Güter niederer Ordnung verwendete und auch fernerhin
Menger, Volkswirthschaftslehre. 9
[130]Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.
als solche gebrauchen könnte, ist es als Güter höherer Ordnung
zu verwenden genöthigt, wofern dasselbe an dem wirthschaft-
lichen Nutzen participiren will, von welchem wir oben sprachen,
oder mit andern Worten, es kann diesen letzteren sich nur auf
dem Wege zuwenden, dass es Güter, welche ihm auch je nach
seiner Wahl für die Gegenwart, beziehungsweise für eine
nähere Zukunft verfügbar sind, zur Befriedigung der Bedürf-
nisse einer ferneren Zeitperiode verwendet.


Mit der steigenden Culturentwickelung und der fortschrei-
tenden Heranziehung neuer Quantitäten von Gütern höherer
Ordnung Seitens der wirthschaftenden Subjecte gewinnt indess
auch ein grosser Theil der erstgenannten Güter höherer Ord-
nung (zum Beispiel: Grundstücke, Kalksteine, Sand, Bauholz etc.)
den ökonomischen Charakter (S. 62 ff.) und die Möglichkeit, an den
wirthschaftlichen Vortheilen zu participiren, welche mit der
Heranziehung von Gütern höherer Ordnung, im Gegenhalte zu
der rein occupatorischen Thätigkeit, ja bei höherer Culturent-
wickelung überhaupt mit der Heranziehung von Gütern höherer
Ordnung, im Gegenhalte zu der Beschränkung auf Productions-
mittel niederer Ordnung, verbunden sind, ist demnach für jedes
Individium dadurch bedingt, dass dasselbe über Quantitäten
von ökonomischen Gütern höherer Ordnung, (überall dort, wo sich
aber bereits ein lebhafter Verkehr entwickelt hat, und Güter
jeder Art gegen einander ausgetauscht werden können, über
Quantitäten von ökonomischen Gütern überhaupt,) bereits in der
Gegenwart für kommende Zeiträume verfüge, oder mit andern
Worten: Capital*) besitze.


[131]Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.

Wir sind aber damit zu einer der wichtigsten Wahrheiten
unserer Wissenschaft gelangt, zu dem Satze von der „Producti-
*)
9 *
[132]Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.
vität des Capitals,“ ein Satz, welcher indess nicht in der Weise
aufgefasst werden darf, als ob die Verfügung über Quantitäten
ökonomischer Güter (für entferntere Zeiträume bereits in voran-
gehenden Zeitperioden, also) innerhalb bestimmter Zeiträume
an und für sich etwas zur Vermehrung der den Menschen ver-
fügbaren Genussmittel beitragen könnte, sondern lediglich den
Sinn hat, dass die Verfügung über Quantitäten ökonomischer
Güter innerhalb bestimmter Zeiträume für wirthschaftende
Subjecte
ein Mittel zur bessern und vollständigeren Befriedi-
gung ihrer Bedürfnisse, demnach ein Gut und zwar ein wirth-
schaftliches Gut
ist, überall dort, wo die uns verfügbaren
Quantitäten von Capitalnutzungen geringer sind, als der Bedarf
an denselben.


*)


[133]Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.

Von der Verfügung über Quantitäten ökonomischer Güter
innerhalb bestimmter Zeiträume (von Capitalnutzungen) ist dem-
nach die mehr oder minder vollständige Befriedigung unserer
Bedürfnisse nicht minder abhängig, als von unserer Verfügung
über andere ökonomische Güter, und dieselben werden demnach
Objecte unserer Werthschätzung, und wie wir in der Folge sehen
werden, auch Objecte des menschlichen Verkehres*).


c) Ueber den Werth der complementären Quantitäten von Gütern höherer
Ordnung.


Um Güter höherer Ordnung**) in solche niederer Ordnung
umzugestalten, ist der Ablauf eines gewissen Zeitraumes, also
überall dort, wo es sich um Hervorbringung ökonomischer Güter
handelt, die Verfügung über Capitalnutzungen von
bestimmter Zeitdauer erforderlich
. Diese letztere ist
je nach der Natur der Productionsprocesse verschieden und, mit
[134]Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.
Rücksicht auf denselben Productionszweig, um so grösser,
je höher die Ordnung der Güter ist, welche zur Befriedigung
menschlicher Bedürfnisse herangezogen werden sollen; sie ist in-
dess von jeder Production unzertrennlich.


Innerhalb dieser Zeiträume ist die Quantität von ökonomischen
Gütern, von welcher wir hier sprechen (das Capital), gebunden,
für andere Productionszwecke nicht verfügbar. Um demnach über
ein Gut niederer Ordnung, beziehungsweise eine Quantität von
solchen, in einem kommenden Zeitpuncte zu verfügen, genügt es
nicht, dass wir die entsprechenden Güter höherer Ordnung in
irgend einem Zeitpunkte vorübergehend in unserm Besitz haben,
sondern es ist diess von der Voraussetzung abhängig, dass wir
die in Rede stehenden Güter höherer Ordnung während eines,
je nach der Natur des Productionsprocesses bald längern, bald
kürzern Zeitraumes in unserer Verfügung behalten und in dem
Productionsprocesse binden.


Nun haben wir im vorigen Abschnitte gesehen, dass die
Verfügung über Quantitäten ökonomischer Güter innerhalb ge-
gebener Zeiträume für die wirthschaftenden Menschen Werth
hat, gleich andern ökonomischen Gütern, und es ist demnach
klar, dass überall dort, wo es sich um den Werth handelt, welchen
die Gesammtheit der zur Hervorbringung eines Gutes niederer
Ordnung erforderlichen Güter höherer Ordnung für die wirth-
schaftenden Menschen mit Rücksicht auf die Gegenwart hat,
dieser letztere dem voraussichtlichen Werthe des Productes nur
insoferne gleich gesetzt werden kann, als in denselben auch der
Werth der bezüglichen Capitalnutzung inbegriffen ist.


Fragt es sich demnach z. B. um den Werth derjenigen
Güter höherer Ordnung, durch welche wir über eine bestimmte
Quantität von Getreide nach Ablauf eines Jahres verfügen wer-
den, so wird der Werth des Samengetreides, der Bodenbenützung,
der bezüglichen landwirthschaftlichen Arbeitsleistungen etc., das
ist der zur Hervorbringung des obigen Getreides erforderlichen
Güter höherer Ordnung in ihrer Gesammtheit, allerdings sein
Mass in dem voraussichtlichen Werthe dieses letztern nach
Ablauf eines Jahres finden (S. 124), aber nur unter der Voraussetzung,
dass in den Werth der erstern auch jener inbegriffen ist, welchen
die Verfügung über die bezüglichen ökonomischen Güter inner-
[135]Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.
halb eines Jahres für die betreffenden wirthschaftenden Subjecte
hat, während der Werth der in Rede stehenden Güter höherer
Ordnung in der Gegenwart an und für sich nur dem Werthe
des voraussichtlichen Productes nach Abzug des Werthes der
bezüglichen Capitalnutzung gleich gesetzt werden kann.


Setzen wir, um zu einem ziffermässigen Ausdruck des oben
Gesagten zu gelangen, den voraussichtlichen Werth des nach einem
Jahre verfügbaren Productes gleich 100, den Werth der Ver-
fügung über die Quantität der bezüglichen ökonomischen Güter
höherer Ordnung innerhalb eines Jahres (den Werth der Capi-
talbenützung) gleich 10, so ist klar, dass der Werth, welchen
die Gesammtheit der complementären zur Hervorbringung des
obigen Productes erforderlichen Quantitäten von Gütern höherer
Ordnung mit Ausschluss der in Rede stehenden Capitalnutzung
für das wirthschaftende Subject mit Rücksicht auf die Gegenwart
hat, nicht gleich 100, sondern nur gleich 90 und, wenn der
Werth der bezüglichen Capitalbenützung 15 betrüge, gar nur
gleich 85 wäre.


Der Werth, welchen die Güter für die einzelnen wirth-
schaftenden Individuen haben, ist, wie bereits mehrfach erwähnt,
die wichtigste Grundlage der Preisbildung. Wenn wir nun im
Leben sehen, dass die Käufer von Gütern höherer Ordnung für
die complementären, zur Hervorbringung eines Gutes niederer
Ordnung erforderlichen technischen Productionsmittel*) niemals
den ganzen voraussichtlichen Preis der erstern bezahlen, sondern
stets nur solche Preise zu bewilligen in der Lage sind und that-
sächlich bewilligen, welche in etwas tiefer stehen, als derselbe,
also der Verkauf von Gütern höherer Ordnung eine gewisse
Aehnlichkeit mit dem Escomptiren hat**), wobei der voraus-
[136]Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.
sichtliche Preis des Productes die Grundlage der Berechnung
bildet, so findet diese Erscheinung in dem obigen ihre Er-
klärung*).


Der Process der Umgestaltung von Gütern höherer Ord-
nung in solche niederer Ordnung, beziehungsweise in Güter erster
Ordnung, soll er anders ein ökonomischer sein, ist ferner unter
allen Umständen dadurch bedingt, dass ein wirthschaftendes
Subject denselben vorbereite und in ökonomischem Sinne leite,
also die ökonomischen Berechnungen, von welchen wir oben
sprachen, anstelle und die Güter höherer Ordnung, einschliesslich
der technischen Arbeitsleistungen, dem Processe thatsächlich zu-
führe, oder zuführen lasse. Diese sogenannte Unternehmerthätig-
keit**), welche in den Anfängen der Cultur und auch später noch
**)
[137]Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.
beim Kleingewerbe der Regel nach von demselben wirthschaftenden
Subjecte entwickelt wird, welches auch durch seine technischen
Arbeitsleistungen in den Productionsprocess eingreift, bei fort-
schreitender Theilung der Arbeit und Vergrösserung der Unter-
nehmungen jedoch nicht selten die volle Zeit des betreffenden
wirthschaftenden Subjectes in Anspruch nimmt, ist desshalb
ein eben so nothwendiges Element der Gütererzeugung, wie die
technischen Arbeitsleistungen und hat den Charakter eines Gutes
höherer Ordnung und zwar, da dieselbe gleich den letztern der
Regel nach ein ökonomisches Gut ist, auch Werth. Ueberall dort,
**)
[138]Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.
wo der Werth in Frage ist, welchen complementäre Quantitäten
von Gütern höherer Ordnung für uns mit Rücksicht auf die Ge-
genwart haben, ist demnach allerdings der voraussichtliche
Werth des entsprechenden Productes massgebend für den Werth
der Gesammtheit derselben, aber doch nur unter der Voraus-
setzung, dass in diesem letztern auch der Werth der Unterneh-
merthätigkeit mit inbegriffen ist.


Fassen wir das hier Gesagte zusammen, so ergibt sich,
dass der Werth, welchen die Gesammtheit der zur Hervor-
bringung eines Gutes niederer, beziehungsweise erster Ordnung
erforderlichen complementären Quantitäten von Gütern höherer
Ordnung, (also die Gesammtheit von Rohstoffen, Arbeitsleistungen,
Benützungen von Grundstücken, Maschinen, Werkzeugen etc.,)
für uns mit Rücksicht auf die Gegenwart hat, sein Mass in dem
voraussichtlichen Werthe des entsprechenden Productes findet,
zu den erstern indess nicht bloss die zur technischen Production
erforderlichen Güter höherer Ordnung, sondern auch die Capitals-
nutzungen und die Unternehmerthätigkeit gerechnet werden
müssen, indem diese letzteren eben so unausweichliche Vor-
bedingungen jeder ökonomischen Gütererzeugung sind, als die
obigen technischen Erfordernisse derselben, und desshalb der
Werth, welchen die technischen Elemente der Production an und für
sich mit Rücksicht auf die Gegenwart haben, nicht gleich dem
ganzen voraussichtlichen Werthe des Productes ist, sondern sich
stets in solcher Weise regelt, dass zugleich eine Marge für den
Werth der Capitalbenützung und der Unternehmerthätigkeit
offen bleibt.


d) Ueber den Werth, welchen die einzelnen Güter höherer Ordnung für uns haben.


Wir haben gesehen, dass der Werth eines concreten Gutes,
beziehungsweise einer concreten Güterquantität, für das wirth-
schaftende Subject, das darüber verfügt, gleich ist der Bedeutung
jener Bedürfnissbefriedigungen, welche das erstere entbehren
müsste, wofern es über das betreffende Gut, beziehungsweise die
betreffende Güterquantität, nicht zu verfügen vermöchte, und wir
könnten ohne Schwierigkeit zum Schlusse gelangen, dass auch
bei Gütern höherer Ordnung der Werth einer jeden Theil-
quantität derselben gleich der Bedeutung ist, welche jene Be-
[139]Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.
dürfnissbefriedigungen für uns haben, deren Sicherstellung von
unserer Verfügung über die in Rede stehende Quantität abhängen,
wenn dem nicht der Umstand entgegenstünde, dass ein Gut
höherer Ordnung nicht für sich allein, sondern nur im Vereine
mit andern (den complementären) Gütern höherer Ordnung zur
Befriedigung menschlicher Bedürfnisse herangezogen werden
kann und demgemäss die Meinung Platz greifen könnte, als ob
wir in der Befriedigung concreter Bedürfnisse nicht wohl von
der Verfügung über ein einzelnes concretes Gut höherer Ord-
nung, beziehungsweise eine concrete Quantität eines solchen,
sondern nur von der Verfügung über complementäre Quantitäten
solcher Güter in ihrer Gesammtheit abhängig sein und somit
auch nur solche für ein wirthschaftendes Subject einen selbst-
ständigen Werth erlangen könnten.


Nun ist es allerdings richtig, dass wir nur mittelst com-
plementärer
Quantitäten von Gütern höherer Ordnung
über Quantitäten von Gütern niederer Ordnung verfügen,
ebenso sicher ist es aber auch, dass nicht nur festbestimmte
Quantitäten der einzelnen Güter höherer Ordnung mit einander
im Productionswege in Verbindung gebracht werden können,
etwa in der Weise, wie dies bei chemischen Verbindungen zu be-
obachten ist, wo nur eine gewisse Anzahl von Gewichtseinheiten
des einen Stoffes sich mit einer ebenso genau begrenzten An-
zahl von Gewichtseinheiten anderer Stoffe zu einem bestimmten
chemischen Producte verbinden. Vielmehr lehrt uns die allge-
meinste Erfahrung, dass eine bestimmte Quantität irgend eines
Gutes niederer Ordnung aus Gütern höherer Ordnung, welche
in sehr verschiedenen Quantitätenverhältnissen zu einander
stehen, hervorgebracht werden kann, ja nicht selten ein, oder
mehrere Güter höherer Ordnung, welche den complementären
Charakter mit Rücksicht auf eine Gruppe von gewissen Gütern
höherer Ordnung haben, gänzlich entfallen können, ohne dass
die übrigen Güter dadurch die Tauglichkeit zur Hervorbringung
des Gutes niederer Ordnung, bezüglich dessen sie den comple-
mentären Charakter besitzen, einbüssen würden. Um Getreide
zu erzeugen, kommen Bodennutzungen, Samenfrüchte, Arbeits-
leistungen, Düngstoffe, Benützungen von landwirthschaftlichen
Geräthen etc. zur Anwendung. Niemand wird indess in Abrede
[140]Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.
stellen können, dass sich eine bestimmte Quantität Getreide
auch ohne Düngungsmittel und ohne die Anwendung eines grossen
Theiles der gebräuchlichen landwirthschaftlichen Geräthe hervor-
bringen lässt, wofern man nur über die übrigen zur Erzeugung
des Getreides erforderlichen Güter höherer Ordnung in ent-
sprechend grösseren Quantitäten verfügt.


Lehrt uns solcherart die Erfahrung, dass einzelne comple-
mentäre Güter höherer Ordnung bei der Production von Gütern
niederer Ordnung nicht selten gänzlich wegfallen können, so
können wir noch viel häufiger die Beobachtung anstellen, dass
nicht lediglich aus bestimmten Quantitäten von Gütern höherer
Ordnung bestimmte Producte hervorgebracht werden können,
sondern vielmehr der Regel nach ein sehr weiter Spielraum be-
steht, innerhalb welches die Production sich bewegen kann, und
sich thatsächlich bewegt. Jedermann ist bekannt, dass sich, selbst
bei gleicher Qualität der Aecker, eine bestimmte Quantität
Getreide auf Grundstücken von sehr verschiedener Ausdehnung
erzeugen lässt, je nachdem man dieselben mehr oder minder
intensiv bewirthschaftet, das ist, je nachdem eine grössere, oder
geringere Quantität der übrigen complementären Güter höherer
Ordnung in Anwendung gebracht wird. So lässt sich zumal eine
schwächere Düngung durch Herbeiziehung einer grösseren Quan-
tität von Grundstücken, durch bessere Maschinen, oder intensivere
Anwendung von landwirthschaftlichen Arbeitsleistungen ersetzen
und so die verminderte Quantität fast jedes einzelnen Gutes
höherer Ordnung durch eine entsprechende Mehrverwendung der
übrigen complementären Güter.


Aber selbst dort, wo die einzelnen Güter höherer Ordnung
durch Quantitäten anderer complementärer Güter nicht ersetzt
werden können und durch eine Minderung der verfügbaren Quan-
tität irgend eines einzelnen Gutes höherer Ordnung eine ent-
sprechende Minderung des Productes herbeigeführt wird, (z. B.
bei der Production mancher Chemikalien,) werden durch den
Mangel des einen Productionsmittels die entsprechenden Quan-
titäten der übrigen Productionsmittel doch nicht nothwendiger-
weise werthlos, denn diese letztern können der Regel nach
doch zur Hervorbringung anderer Güter und somit in letzter
Reihe zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse, wenngleich
[141]Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.
auch der Regel nach minder wichtiger, verwendet werden, als
dies der Fall sein würde, wenn die mangelnde Quantität des
complementären Gutes, das hier in Rede ist, verfügbar wäre.


Von einer bestimmten Quantität eines Gutes höherer Ord-
nung hängt demnach der Regel nach nicht die Verfügung über
eine genau entsprechende Quantität des Productes ab, zu dessen
Erzeugung jenes Gut dient, sondern lediglich eine Theilquantität
dieses letztern, nicht selten blos die höhere Qualität des Pro-
ductes, und der Werth einer Quantität eines einzelnen Gutes
höherer Ordnung ist demnach auch nicht gleich der Bedeutung
der Bedrüfnissbefriedigungen, welche von dem ganzen Producte
abhängen, zu dessen Hervorbringung es dient, sondern lediglich
der Bedeutung jener Bedürfnissbefriedigungen, für welche durch
die Theilquantität des Productes vorgesorgt ist, um welche sich
das letztere mindern würde, wofern wir über die in Rede stehende
Quantität des Gutes höherer Ordnung nicht zu verfügen ver-
möchten; dort aber, wo nicht eine Minderung der Quantität,
sondern lediglich eine solche der Qualität des Productes die
Folge einer Verminderung der verfügbaren Quantität eines Gutes
höherer Ordnung wäre, ist der Werth der Quantitat eines ein-
zelnen Gutes höherer Ordnung gleich der Differenz zwischen der
Bedeutung jener Bedürfnissbefriedigungen, welche mit dem höher,
und jenen, welche mit dem niederer qualificirten Producte her-
beigeführt werden können. In beiden Fällen sind nämlich nur
Bedürfnissbefriedigungen von solcher Bedeutung von der Ver-
fügung über die in Rede stehende Quantität eines einzelnen
Gutes höherer Ordnung abhängig.


Aber selbst in dem Falle, dass durch die Minderung der
verfügbaren Quantität eines einzelnen Gutes höherer Ordnung
eine verhältnissmässige Minderung des Productes bedingt ist,
(z. B. bei manchen chemischen Producten,) selbst in diesem Falle
werden die übrigen complementären Quantitäten von Gütern
höherer Ordnung, für welche das eine complementäre Element
der Production nunmehr mangelt, doch nicht werthlos, indem
dieselben zur Production anderer Güter niederer Ordnung und
somit zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse, wenngleich auch
vielleicht in etwas minder wichtiger, als diess sonst der Fall
gewesen wäre, herangezogen werden können. Auch in diesem
[142]Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.
Falle ist demnach nicht der volle Werth des Productes, welches
durch den Mangel eines einzelnen Gutes höherer Ordnung uns
entgehen würde, massgebend für den Werth dieses letzteren,
sondern lediglich die Differenz zwischen der Bedeutung jener
Bedürfnissbefriedigungen, welche sichergestellt sind, wofern wir
über die Quantität des Gutes höherer Ordnung, dessen Werth
in Frage ist, verfügen, und jener der Bedürfnissbefriedigungen,
welche im entgegengesetzten Falle erfolgen würden.


Fassen wir die drei obigen Fälle zusammen, so ergibt sich
als allgemeines Gesetz der Werthbestimmung einer concreten
Quantität eines Gutes höherer Ordnung, dass der Werth der-
selben gleich ist der Differenz zwischen der Bedeutung jener
Bedürfnissbefriedigungen, welche im Falle unserer Verfügung
über die Quantität des Gutes höherer Ordnung, dessen Werth in
Frage ist, und jener, welche im entgegengesetzten Falle, bei
jedesmaliger ökonomischer Verwendung der Gesammtheit der
uns verfügbaren Güter höherer Ordnung, erfolgen würden.


Es entspricht aber das obige Gesetz genau dem allgemeinen
Gesetze der Werthbestimmung (S. 87 ff.), denn die durch das obige
Gesetz ausgedrückte Differenz kennzeichnet eben die Bedeutung
jener Bedürfnissbefriedigungen, welche von unserer Verfügung
über ein concretes Gut höherer Ordnung abhängig ist.


Fassen wir dies Gesetz mit Rücksicht auf dasjenige ins
Auge, was wir oben (S. 133 ff.) rücksichtlich des Werthes der
zur Hervorbringung eines Gutes erforderlichen complementären
Quantitäten von Gütern höherer Ordnung gesagt haben, so er-
gibt sich der weitere Grundsatz, dass der Werth eines Gutes
höherer Ordnung um so grösser ist, je grösser der voraussicht-
liche Werth des Productes bei gleichem Werthe der übrigen
zur Hervorbringung desselben erforderlichen complementären
Güter, oder je niedriger der letztere unter sonst gleichen Ver-
hältnissen ist.


[143]Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.

e) Ueber den Werth der Boden- und Capitalnutzung und der Arbeitsleistun-
gen insbesondere*).


Die Grundstücke haben keine exceptionelle Stellung im
Kreise der übrigen Güter. Werden dieselben zu Genusszwecken
[144]Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.
verwendet, (als Lustgärten, Rennbahnen etc.,) so sind sie Gü-
ter erster, werden sie zur Hervorbringung anderer Güter be-
nützt, Güter höherer Ordnung, gleich vielen anderen. Wo immer
es sich desshalb um die Bestimmung ihres Werthes, oder jenes
der Bodenbenützungen handelt, sind sie den Gesetzen der Werth-
bestimmung überhaupt und, wofern sie den Charakter von Gütern
höherer Ordnung haben, insbesondere auch jenen unterworfen,
welche wir soeben bezüglich der Güter höherer Ordnung ent-
wickelt haben.


Eine verbreitete Schule von Volkswirthen hat nun zwar
ganz richtig erkannt, dass der Werth von Grund und Boden
sich füglich nicht auf Arbeit, oder auf Capitalsaufwendungen
zurückführen lasse, aber daraus die Berechtigung hergeleitet,
den Grundstücken eine exceptionelle Stellung im Bereiche der
Güter einzuräumen. Der methodische Missgriff, welcher in diesem
Vorgehen liegt, ist indess leicht ersichtlich. Dass eine grosse und
wichtige Gruppe von Erscheinungen sich unter die allgemeinen
Gesetze einer Wissenschaft, welche sich mit denselben befasst,
*)
[145]Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.
nicht einordnen lässt, ist ein deutlicher Beweis für die Reform-
bedürftigkeit dieser letztern, nicht aber ein Grund, der zu dem
bedenklichsten methodischen Hilfsmittel berechtigen würde, zu
der Absonderung einer Gruppe von Erscheinungen von den
übrigen, ihrer allgemeinen Natur nach völlig gleichartigen Ob-
jecten der Beobachtung, und zur Aufstellung besonderer höchster
Principien für jede der beiden Gruppen.


Diese Erkenntniss hat denn auch in neuerer Zeit zu mannig-
fachen Versuchen geführt, die Bodenbenützungen und die Grund-
stücke, gleich allen andern Gütern, in den Rahmen der volks-
wirthschaftlichen Systeme einzuordnen und den herrschenden
Principien gemäss, ihren Werth, beziehungsweise die Preise,
welche für dieselben erzielt werden können, auf menschliche
Arbeit, oder auf Capitalsaufwendungen zurückzuführen*).


Die Gewaltsamkeiten, zu welchen dieser Versuch bei den
Gütern im Allgemeinen und bei den Grundstücken insbesondere
führen muss, sind indess offenliegend. Ob ein Grundstück mit
dem grössten Aufwande menschlicher Arbeit dem Meere abge-
rungen, oder ohne jede Arbeit angeschwemmt, ob dasselbe ur-
sprünglich mit Urwald bewachsen und mit Steinen übersät und
erst in der Folge mit grosser Anstrengung und ökonomischen
Opfern gerodet, gereinigt und mit fruchtbaren Erden bedeckt
wurde, oder aber von vornherein waldfrei und fruchtbar war,
ist für die Beurtheilung seiner natürlichen Fruchtbarkeit, auch
wohl für die Frage von Interesse, ob die Verwendungen
von ökonomischen Gütern auf dies Grundstück

(die Ameliorirungen) zweckmässig und ökonomisch
waren
, nicht aber dort, wo es sich um die allgemeinen wirth-
schaftlichen Beziehungen desselben und insbesondere um seinen
Werth, also um die Bedeutung handelt, welche Güter für uns
lediglich mit Rücksicht auf die der Zukunft angehörigen Be-
dürfnissbefriedigungen**) erlangen.


Menger, Volkswirthschaftslehre. 10
[146]Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.

Sind solcherart die neuern Versuche, den Werth der Boden-
benutzungen, beziehungsweise der Grundstücke selbst, auf Arbeits-
oder Capitalsaufwendungen zurückzuführen, lediglich als ein
Ausfluss des Bestrebens zu betrachten, die herrschende Grund-
rententheorie, also einen Theil unserer Wissenschaft, welcher
verhältnissmässig noch am wenigsten im Widerspruche mit den
Erscheinungen des wirklichen Lebens steht, den gangbaren Irr-
thümern in den höchsten Principien unserer Wissenschaft con-
form zu gestalten, so muss gegen dieselbe, zumal in jener Form,
in welcher Ricardo*) sie ausgesprochen hat, doch der Vor-
wurf erhoben werden, dass hiedurch nicht das Princip des
Werthes, welchen Bodenbenützungen für die wirthschaftenden
Menschen haben**), sondern lediglich ein vereinzelntes Moment
seiner Verschiedenheit ans Licht gebracht und dasselbe irrthüm-
licherweise zum Principe erhoben wird.


Die verschiedene Beschaffenheit und Lage der Grundstücke
ist unzweifelhaft eine der wichtigsten Ursachen der Verschieden-
heit des Werthes der Bodenbenützungen und der Grundstücke
selbst, es sind aber ausser ihr noch andere Ursachen der
Verschiedenheit des Werthes dieser Güter vorhanden. Sie
ist demnach nicht einmal das massgebende Princip dieser letztern,
noch viel weniger aber das Princip des Werthes der Boden-
benützungen und der Grundstücke überhaupt. Wären alle Grund-
stücke von gleicher Beschaffenheit und gleich günstiger Lage,
so würden sie nach Ricardo gar keine Rente abwerfen können,
während doch nichts sicherer ist, als dass in solch einem Falle
**)
[147]Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.
wohl ein einzelnes Moment der Verschiedenheit der Rente, welche
die Grundstücke abwerfen, aber weder die Gesammtheit dieser
letztern, noch aber auch die Rente selbst entfallen müsste.
Andererseits ist nicht minder klar, dass in einem Lande, wo
grosser Mangel an Boden besteht, auch die ungünstigst gelegenen
und qualificirten Grundstücke eine Rente abwerfen würden, ohne
dass dieselbe in der Theorie Ricardo’s ihre Erklärung finden
könnte.


Die Grundstücke und Bodenbenützungen in ihrer concreten
Erscheinungsform sind Objecte unserer Werthschätzung gleich
allen anderen Gütern; auch sie erlangen nur insofern Werth,
als wir in der Befriedigung unserer Bedürfnisse von der
Verfügung über dieselben abhängig sind und die massgebenden
Factoren ihres Werthes sind keine anderen, als jene, welche wir
oben (Seite 87 und 114) rücksichtlich der Güter überhaupt
kennen gelernt haben*). Auch das tiefere Verständniss der Ver-
schiedenheit ihres Werthes ist desshalb nur auf dem Wege er-
reichbar, dass wir die Bodenbenützungen und die Grundstücke
selbst unter den allgemeinen Gesichtspunkten unserer Wissen-
schaft und, so weit sie Güter höherer Ordnung sind, zumal
auch in ihren Beziehungen zu den entsprechenden Gütern nie-
derer Ordnung und insbesondere zu den complementären Gü-
tern ins Auge fassen.


Wir sind oben zu dem Resultate gelangt, dass die Gesammt-
heit der zur Hervorbringung eines Gutes erforderlichen Güter
höherer Ordnung (die Capitalbenützung und die Unternehmer-
10 *
[148]Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.
thätigkeit mit inbegriffen) das Mass ihres Werthes in dem voraus-
sichtlichen Werthe des Productes findet. Wo immer Boden-
benützungen zur Hervorbringung von Gütern niederer Ordnung
herangezogen werden, finden demnach auch sie im Vereine mit
den übrigen complementären Gütern das Mass des Werthes in
dem voraussichtlichen Werthe des Gutes niederer, beziehungs-
weise erster Ordnung, zu dessen Hervorbringung sie bestimmt
sind, und je nachdem dieser letztere grösser oder geringer ist,
bestimmt sich auch unter sonst gleichen Verhältnissen der
höhere oder geringere Werth derselben. Was aber den Werth
betrifft, welchen concrete Bodennutzungen, beziehungsweise con-
crete Grundstücke an und für sich für die wirthschaftenden
Menschen haben, so regelt sich derselbe eben so wohl, wie jener
aller andern Güter höherer Ordnung, nach dem Grundsatze, dass
der Werth eines Gutes höherer Ordnung um so grösser ist, je
grösser der Werth des voraussichtlichen Productes und je ge-
ringer unter sonst gleichen Verhältnissen der Werth der com-
plementären Güter höherer Ordnung ist*).


Die Bodennutzungen stehen demnach rücksichtlich ihres
Werthes unter keinen anderen allgemeinen Gesetzen, als z. B.
die Nutzungen von Maschinen, Werkzeugen, Wohnhäusern,
Fabriken, ja als alle übrigen ökonomischen Güter, welcher Art
sie auch immer sein mögen.


Damit sollen die besonderen Eigenthümlichkeiten, welche
die Bodennützungen, beziehungsweise die Grundstücke, gleichwie
viele andere Güterarten aufweisen, durchaus nicht negirt werden.
Die in Rede stehenden Güter sind einem Volke der Regel nach
[149]Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt,
nur in bestimmten, nicht leicht vermehrbaren Quantitäten ver-
fügbar, dieselben sind unbeweglich und von ausserordentlich
verschiedener Qualität. Auf diese drei Ursachen können alle
Eigenthümlichkeiten der Wertherscheinungen, wie wir sie bei
Bodennutzungen und Grundstücken zu beobachten vermögen,
zurückgeführt werden. Es sind dies aber insgesammt solche
Eigenthümlichkeiten, welche sich lediglich auf die den wirth-
schaftenden Menschen überhaupt, und den Bewohnern bestimmter
Territorien insbesondere verfügbaren Quantitäten und auf die
Qualität derselben beziehen, demnach Momente der Werth-
bestimmung, welche nicht nur den Werth der Bodennutzungen
und Grundstücke, sondern, wie wir sahen, jenen aller Güter
beeinflussen, und haben die bezüglichen Wertherscheinungen
desshalb keinen exceptionellen Charakter.


Der Umstand, dass auch der Preis der Arbeitsleistungen*)
[150]Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.
sich, gleichwie jener der Bodenbenützungen, nicht ohne die
grössten Gewaltsamkeiten auf den Preis der Productionskosten
derselben zurückführen lässt, hat rücksichtlich dieser Kategorie
von Preiserscheinungen gleichfalls zur Aufstellung besonderer
Grundsätze geführt. Die gemeinste Arbeit, wird gesagt, müsse
den Arbeiter sammt Familie ernähren, sonst könnte sie der Ge-
sellschaft nicht dauernd geleistet werden; die Arbeit könne aber
dem Arbeiter auch nicht viel mehr bieten, als die Subsistenz-
mittel, sonst würde eine Vermehrung der Arbeiter eintreten,
welche den Preis ihrer Arbeitsleistungen wieder auf das obige
Niveau herabdrücken würde. Das Subsistenzminimum im obigen
Sinne sei deshalb das Princip, nach welchem sich der Preis der
gemeinsten Arbeit regle, während der höhere Preis der übrigen
Arbeitsleistungen auf Capitalsanlagen, beziehungsweise auf Talent-
renten u. dgl. m., zurückgeführt werden müsse.


Nun lehrt uns aber die Erfahrung, dass es concrete Arbeits-
leistungen giebt, welche für die wirthschaftenden Menschen völlig
nutzlos, ja schädlich, also keine Güter sind, andere, welche trotz
ihrer Güterqualität doch keinen ökonomischen Charakter und
keinen Werth aufweisen, und somit gleichwie die ersteren (wie
wir in der Folge sehen werden) gar keinen Preis haben können.
(Hiezu gehören alle Arbeitsleistungen, welche aus irgend welchen
Gründen der Gesellschaft in so grossen Quantitäten verfügbar
sind, dass sie den nichtökonomischen Charakter erlangen, z. B.
die mit manchen unbesoldeten Aemtern verbundenen Arbeits-
leistungen etc.). Die Arbeitsleistungen sind demnach nicht an
und für sich und unter allen Umständen Güter, oder gar
ökonomische Güter, sie haben nicht nothwendigerweise Werth,
und lässt sich desshalb nicht für jede Arbeitsleistung ein Preis
überhaupt, am wenigsten aber ein bestimmter Preis erzielen.


Die Erfahrung lehrt uns denn auch, dass viele Arbeits-
*)
[151]Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.
leistungen von dem Arbeiter nicht einmal gegen die noth-
dürftigsten Subsistenzmittel ausgetauscht werden können*), wäh-
rend für andere Arbeitsleistungen die zehn-, zwanzig- und selbst
hundertfache Quantität der zur Subsistenz eines Menschen er-
forderlichen Güter leicht zu erlangen ist. Wo immer jedoch die
Arbeitsleistungen eines Menschen thatsächlich gegen die Sub-
sistenzmittel desselben ausgetauscht werden, ist dies doch nur
die Folge des zufälligen Umstandes, dass dieselben nach den
allgemeinen Grundsätzen der Preisbildung eben nur gegen einen
solchen Preis und keinen anderen ausgetauscht werden konnten.
Die Subsistenzmittel des Arbeiters, beziehungsweise die Sub-
sistenzminima können demnach weder die unmittelbare Ursache,
noch auch das massgebende Princip des Preises der Arbeits-
leistungen sein**).


In Wahrheit regelt sich denn auch der Preis concreter
Arbeitsleistungen, wie wir sehen werden, gleich jenem aller
anderen Güter nach ihrem Werthe. Dieser letztere aber regelt
sich, wie oben dargelegt wurde, nach der Grösse der Bedeutung
jener Bedürfnissbefriedigungen, welche wir entbehren müssten,
wofern wir über die betreffenden Arbeitsleistungen nicht zu ver-
fügen vermöchten; wofern diese letztern aber Güter höherer
Ordnung sind, zunächst und unmittelbar nach dem Grundsatze,
dass Güter höherer Ordnung einen um so grösseren Werth für
die wirthschaftenden Menschen haben, je grösser der voraus-
sichtliche Werth des Productes bei gleichem Werthe der com-
plementären Güter höherer Ordnung, beziehungsweise je niedriger
der Werth dieser letztern ist.


Die Unzulänglichkeit der Theorie, wornach der Preis der
[152]Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.
Güter durch jenen der Güter höherer Ordnung erklärt wird,
welche zur Hervorbringung derselben dienten, musste sich natur-
gemäss auch überall dort geltend machen, wo der Preis von
Capitalnutzungen in Frage kam. Wir haben die letzten
Ursachen des ökonomischen Charakters, beziehungsweise des
Werthes der Güter dieser Art bereits oben eines Weitern dar-
gelegt, und auch auf die Irrthümlichkeit jener Theorie hin-
gewiesen, welche den Preis der Capitalnutzungen als eine Ent-
schädigung der Enthaltsamkeit des Capitalbesitzers hinstellt. In
Wahrheit ist der Preis, welcher für Capitalnutzungen erlangt
werden kann, wie wir sehen werden, nicht minder eine Folge
ihres ökonomischen Charakters und ihres Werthes, als wie jener
aller übrigen Güter, das massgebende Princip ihres Werthes
aber wiederum kein anderes, als jenes der Güter überhaupt*).


[[153]]

Viertes Capitel.
Die Lehre vom Tausche.


§. 1.
Die Grundlagen des ökonomischen Tausches.


„Ob der Hang der Menschen, zu tauschen, zu handeln und
eine Sache gegen eine andere hinzugeben, einer von den ursprüng-
lichen Principien der menschlichen Natur ist, oder ob die noth-
wendige Folge der Vernunft und des Sprachvermögens der
Menschen,“ oder welche Ursachen sonst die Menschen zum Aus-
tausche ihrer Güter führen, diese Frage hat Adam Smith un-
beantwortet gelassen. Sicher sei nur so viel, bemerkt der aus-
gezeichnete Denker, dass die Lust am Tausche allen Menschen
gemein ist und bei keiner Thiergattung sich vorfindet *).


Setzen wir nun, um zunächst das obige Problem vollkommen
klar zu stellen, den Fall, zwei benachbarte Landleute hätten nach
einer günstigen Ernte einen grossen Ueberfluss an Gerste der-
selben Art, und es würde dem thatsächlichen Austausche von
Quantitäten derselben kein Hinderniss entgegenstehen. In diesem
Falle könnten die beiden Landleute sich der Lust am Tausche
in unbeschränkter Weise hingeben und z. B. je 100 Metzen ihrer
Gerste, oder sonst beliebige Quantitäten dieses Gutes gegen-
einander austauschen und wieder austauschen. Obzwar nun
aber nicht abzusehen ist, warum sie nicht auch in diesem Falle
tauschen sollten, wofern der Austausch von Gütern an und für
sich für die Tauschenden mit einer Lust verbunden wäre, so ist,
wie ich glaube, doch nichts sicherer, als dass dieselben in dem
obigen Falle sich jedes Austausches enthalten, und falls sie
nichtsdestoweniger einen solchen Tausch vornehmen würden, in
die Gefahr kämen, von den übrigen wirthschaftenden Individuen,
um solcher Lust am Tausche willen, geradezu für unsinnig er-
klärt zu werden.


[154]Die Grundlagen und die Grenzen des ökonomischen Tausches.

Setzen wir nun aber gar den Fall, dass ein Jäger einen
grossen Ueberfluss an Thierfellen, also an Stoffen zur Bekleidung,
aber nur einen sehr geringen Vorrath an Nahrungsmitteln be-
sässe, so zwar, dass für sein Bedürfniss nach Bekleidung vollauf,
für sein Nahrungsbedürfniss aber nur in sehr mangelhafter Weise
vorgesorgt wäre, während bei einem ihm benachbarten Acker-
bauer gerade das umgekehrte Verhältniss obwalten würde, und
nehmen wir weiter an, dass auch in diesem Falle dem Vollzuge
eines Austausches von Nahrungsmitteln des Jägers gegen Be-
kleidungsstoffe des Ackerbauers keinerlei Hinderniss entgegen-
stünde, so ist doch nicht minder klar, dass in diesem Falle ein
solcher Austausch von Gütern zwischen den beiden obigen
Subjecten noch viel weniger stattfinden wird, als in dem
obigen. Würde nämlich der Jäger seinen geringen Vorrath von
Nahrungsmitteln gegen den eben so geringfügigen Vorrath des
Ackerbauers an Thierfellen umtauschen, so würde der Ueberfluss
des Jägers an Bekleidungsstoffen und zugleich der Ueberfluss
des Ackerbauers an Nahrungsmitteln zwar noch in etwas grösser
werden, als vor dem Tausche. Da aber nunmehr für die Befrie-
digung des Nahrungsbedürfnisses des Jägers und für die Befrie-
digung des Bedürfnisses des Landmannes nach Kleidung gar
nicht vorgesorgt wäre, die wirthschaftliche Lage der Tauschenden
sich somit entschieden verschlechtert hätte, so könnte doch
Niemand behaupten, dass diese beiden wirthschaftenden Subjecte
an solch einem Tausche eine Lust empfinden würden; vielmehr
ist nichts sicherer, als dass sowohl der Jäger, als auch der
Landwirth sich gegen solch’ einen Tausch, durch welchen ihre
Wohlfahrt entschieden beeinträchtigt, vielleicht gar ihr Leben in
Gefahr gesetzt würde, auf das Entschiedenste sträuben würden,
und wäre er dennoch erfolgt, nichts Eiligeres zu thun hätten,
als denselben wieder rückgängig zu machen.


Der Hang der Menschen zum Tausche muss demnach einen
anderen Grund haben, als die Lust an dem Tausche selbst,
denn wäre der Tausch an und für sich eine Lust, also Selbst-
zweck, und nicht vielmehr eine, nicht selten mühselige und mit
Gefahren und ökonomischen Opfern verbundene Thätigkeit, so
wäre in der That nicht abzusehen, warum die Menschen nicht
auch in den obigen und so in tausend anderen Fällen tauschen,
[155]Die Grundlagen und die Grenzen des ökonomischen Tausches.
ja den Tausch bis ins Unbegrenzte fortsetzen würden, während
wir doch im Leben überall zu beobachten vermögen, dass die
wirthschaftenden Menschen sich jeden Tausch vorher wohl über-
legen und schliesslich für jeden gegebenen Zeitpunct eine Grenze
eintritt, über welche hinaus zwei Individuen nicht weiter
tauschen.


Ist es nun sicher, dass der Tausch für die Menschen kein
Selbstzweck, noch weniger an und für sich eine Lust ist, so wird
es nunmehr unsere Aufgabe sein, Wesen und Ursprung des
Tausches in dem Nachfolgenden darzulegen.


Denken wir uns, um mit dem einfachsten Falle zu beginnen,
zwei Landleute A und B, von welchen jeder bisher eine isolirte
Wirthschaft führte und von denen der erstere nach einer ausser-
gewöhnlich reichen Ernte so viel Getreide besässe, dass er
nach einer noch so reichlichen Vorsorge für die Befriedigung
aller seiner Bedürfnisse einen gewissen Theil davon für sich und
sein Hauswesen nicht mehr zu verwenden vermöchte. Der zweite
Landwirth B, ein Nachbar des ersten, hätte wiederum, wie wir
annehmen wollen, eine so gute Weinernte gehabt, dass er aus
Mangel an Gefässen und weil sein Keller ohnehin noch von
früheren Jahrgängen her gefüllt ist, schon nahe daran wäre,
einen Theil des eingelagerten älteren Weines, der von einem
schlechteren Jahrgange herrührt, auszuschütten. Diesem Ueber-
flusse auf der einen Seite könnte der grösste Mangel auf der
andern Seite gegenüberstehen. Der Landmann, der einen Ueber-
fluss an Getreide hat, muss den Genuss des Weines vollständig
entbehren, weil er überhaupt keine Weinberge besitzt, und der
zweite Landwirth von dessen Ueberfluss an Wein wir hörten,
leidet Mangel an Nahrungsmitteln. Während demnach der erste
Landwirth viele Metzen Korn auf seinen Aeckern verderben las-
sen kann, würde ihm ein Eimer Wein viele Genüsse verschaffen,
die er jetzt entbehren muss; während der zweite Landwirth
daran ist, nicht nur einen, sondern mehrere Eimer Wein dem
Verderben Preis zu geben, könnte er doch einige Metzen Ge-
treide in seiner Wirthschaft sehr wohl verwenden. Der
erste Landmann dürstet, der zweite hungert, während doch schon
durch jenes Getreide, das A auf seinen Aeckern verfaulen zu
lassen, und durch jenen Wein, den B auszuschütten entschlossen
[156]Die Grundlagen und die Grenzen des ökonomischen Tausches.
ist, beiden Theilen geholfen wäre. Der erste Landwirth könnte
dann vor wie nach sein Nahrungsbedürfniss und jenes seiner
Familie vollständig befriedigen, aber nebenbei sich auch noch
den Genuss des Weintrinkens gewähren, während der zweite
Landwirth vor wie nach Wein in Fülle geniessen könnte, aber
nicht zu hungern brauchte. Es ist demnach klar, dass uns hier
ein Fall vorliegt, wo dadurch, dass die Verfügung über
concrete Güter des A an B und umgekehrt con-
creter Güter des B an A übergehen würde, die
Bedürfnisse beider wirthschaftenden Subjecte bes-
ser befriedigt werden könnten, als dies ohne eine
solche gegenseitige Uebertragung der Fall sein
würde
.


Der eben dargelegte Fall, in welchem durch die wechselsei-
tige Uebertragung von Gütern, die für keinen der beiden Tauschen-
den Werth haben, also ohne jedwedes ökonomische Opfer, die
Bedürfnisse derselben besser befriedigt werden können, als ohne
eine solche Uebertragung der Fall wäre, ist allerdings geeignet,
uns das Wesen jenes ökonomischen Verhältnisses auf’s Ein-
leuchtendste vor das Bewusstsein zu führen, dessen Ausbeutung
der Tausch ist. Wir würden jedoch das hier vorliegende Ver-
hältniss viel zu enge auffassen, wollten wir es lediglich auf jene
Fälle beschränken, wo der Verfügung einer Person, Quantitäten
eines Gutes unterstehen, die grösser sind, als selbst ihr voller
Bedarf, und diese Person doch zugleich Mangel an einem anderen
Gute leidet, während eine zweite Person wiederum einen eben
so grossen Ueberfluss an diesem letzteren und Mangel an dem
ersteren Gute hat; jenes Verhältniss liegt vielmehr schon
überall dort unserer Beobachtung vor, wo sich in dem Besitze
einer Person Güter befinden, von welchen bestimmte Quantitäten
für dieselbe überhaupt einen geringeren Werth haben, als
Quantitäten eines anderen im Besitze einer zweiten Person be-
findlichen Gutes, während bei dieser letzteren Person das um-
gekehrte Verhältniss statt hat. Nehmen wir z. B. an, dass in
dem obigen Falle der erstere Landmann zwar nicht so viel Ge-
treide, und der zweite Landmann nicht so viel Wein geerntet
hätte, dass der erstere einen Theil hievon auf seinen Aeckern
verderben, der letztere aber einen Theil seines Weines weg-
[157]Die Grundlagen und die Grenzen des ökonomischen Tausches.
schütten könnte, ohne in der Befriedigung seiner Bedürfnisse
geschädigt zu werden, nehmen wir vielmehr an, dass jeder der
beiden Landleute die ganze seiner Verfügung unterstehende
Quantität des betreffenden Gutes doch irgendwie nutzbringend
für sich und sein Hauswesen verwenden könnte.


Setzen wir z. B. den Fall, dass der erstere Landwirth seinen
ganzen Vorrath an Getreide dadurch nutzbringend machen
könnte, dass er nach der vollständigen Vorsorge für die Be-
friedigung seiner wichtigeren Be[d]ürfnisse nach diesem Gute,
eine gewisse Quantität hievon zur Mästung seines Viehes ver-
wenden würde, während der zweite Landwirth nicht einen so
grossen Ueberfluss an Wein hätte, dass er etwa einen Theil
hievon wegschütten müsste, vielmehr die ihm verfügbare Quan-
tität dieses Gutes nur eben noch ausreichen würde, um Theil-
quantitäten hievon an seine Sclaven zur Anreizung ihrer Arbeits-
kraft zu verabfolgen: so ist kein Zweifel, dass ein bestimmtes
Quantum, z. B. ein Metzen Getreide für den ersten, ein be-
stimmtes Quantum, z. B. ein Eimer Wein für den zweiten
Landwirth, zwar nur einen geringen, aber doch immerhin irgend
einen Werth hätte, weil in mittelbarer oder unmittelbarer Weise
von einem solchen Quantum in beiden Fällen eine gewisse Be-
dürfnissbefriedigung der beiden Landleute abhängen würde. Hat
nun aber in einem solchen Falle für den ersten Landwirth eine
bestimmte Quantität, z. B. ein Metzen Getreide, einen gewissen
Werth, so ist dadurch doch keineswegs ausgeschlossen, dass eine
bestimmte Quantität, z. B. ein Eimer Wein, für ihn nicht einen
höheren Werth hätte, (indem die Genüsse, die er sich hiedurch
zu verschaffen vermöchte, für ihn eine viel höhere Bedeutung
haben würden, als die mehr oder minder reichliche Mästung
seines Viehes mit Getreide;) während wiederum für den zweiten
Landwirth ein Eimer Wein zwar gleichfalls einen gewissen Werth
hat, damit aber durchaus nicht ausgeschlossen ist, dass ein
Metzen Getreide für ihn nicht einen viel höheren Werth haben
kann, indem derselbe ihm und seiner Familie eine reichlichere
Ernährung, vielleicht gar die Vermeidung der Qualen des Hungers
sichert.


Die allgemeinste Fassung jenes Verhältnisses, das wir hier
als die wichtigste Grundlage alles menschlichen Güterverkehres
[158]Die Grundlagen und die Grenzen des ökonomischen Tausches.
zur Darlegung bringen, ist demnach die folgende: Ein wirth-
schaftendes Subject A verfügt über concrete Quantitäten eines
Gutes, welche für dasselbe einen geringeren Werth haben, als
gewisse Quantitäten eines anderen Gutes, die sich in der Ver-
fügung eines anderen wirthschaftenden Subjectes B befinden,
während bei diesem letzteren in Rücksicht auf die Werthschätzung
derselben Güterquantitäten das umgekehrte Verhältniss eintritt,
so zwar, dass die gleiche Quantität des zweiten Gutes für ihn
einen geringeren Werth hat, als jene des ersteren in der Ver-
fügung des A befindlichen Gutes *).


Tritt nun zu diesem Verhältnisse noch


a) die Erkenntniss desselben Seitens beider wirthschaftenden
Subjecte, die hier in Rede sind, und


b) die Macht, jene Güterübertragung, von welcher wir oben
sprachen, thatsächlich zu bewerkstelligen,


so liegt unserer Beobachtung ein Verhältniss vor, wobei es
lediglich von dem übereinstimmenden Willen zweier wirthschaf-
tender Subjecte abhängt, für die Befriedigung ihrer Bedürfnisse
besser oder vollständiger vorzusorgen, als dies ohne die Aus-
beutung jenes Verhältnisses der Fall wäre.


Dasselbe Princip nun, welches die Menschen in ihrer wirth-
schaftlichen Thätigkeit überhaupt leitet, das Bestreben,
ihre Bedürfnisse möglichst vollständig zu befrie-
digen
, dasselbe Princip also, das die Menschen dazu führt, die
Nützlichkeiten in der äusseren Natur zu erforschen und ihrer
Verfügung zu unterwerfen, dieselbe Sorge nach Verbesserung
[159]Die Grundlagen und die Grenzen des ökonomischen Tausches.
ihrer wirthschaftlichen Lage, führt nun dieselben auch dazu,
die obigen Verhältnisse, wo immer sie vorliegen, auf das Eifrigste
zu erforschen und zum Zwecke der besseren Befriedigung ihrer
Bedürfnisse auszubeuten, das ist, in unserem Falle zu bewirken,
dass jene Güterübertragung, von der wir oben sprachen, auch
thatsächlich erfolge. Es ist dies aber die Ursache aller jener
Erscheinungen des wirthschaftlichen Lebens, welche wir mit dem
Worte „Tausch“ bezeichnen, ein Begriff, welcher in diesem
unserer Wissenschaft eigenthümlichen Sinne viel weiter, als im
populären, oder insbesondere auch im juristischen Sinne des
Wortes ist, indem er im erstern Sinne auch den Kauf und alle
partiellen Uebertragungen ökonomischer Güter, so weit sie gegen
Entgelt erfolgen, (Pachtung, Miethe etc.) umfasst.


Fassen wir das Gesagte zusammen, so ergibt sich als Re-
sultat unserer bisherigen Untersuchung: dass das Princip, welches
die Menschen zum Tausche führt, kein anderes ist, als dasjenige,
dass sie bei ihrer gesammten ökonomischen Thätigkeit überhaupt
leitet, d. i. das Streben nach der möglichst vollständigen Be-
friedigung ihrer Bedürfnisse. Die Lust, welche die Menschen bei
dem ökonomischen Austausche von Gütern empfinden, ist
aber jenes allgemeine Gefühl der Freude, welches die Menschen
empfinden, wofern durch irgend ein Ereigniss für die Befriedigung
ihrer Bedürfnisse besser vorgesorgt wird, als dies ohne den Ein-
tritt desselben der Fall gewesen wäre. Dieser Erfolg ist jedoch
mit Rücksicht auf die gegenseitige Uebertragung von Gütern,
wie wir sahen, an drei Voraussetzungen gebunden:


a) Es müssen sich in der Verfügung des einen wirthschaf-
tenden Subjectes Güterquantitäten befinden, welche für dasselbe
einen geringeren Werth haben, als andere Güterquantitäten,
über welche ein anderes wirthschaftendes Subject verfügt, während
bei diesem letzteren das umgekehrte Verhältniss der Werth-
schätzung derselben Güter stattfindet.


b) Die beiden wirthschaftenden Subjecte müssen zur Er-
kenntniss dieses Verhältnisses gelangt sein und


c) dieselben müssen es in ihrer Gewalt haben, den obigen
Güteraustausch auch thatsächlich zu vollziehen.


Wo auch nur eine dieser drei Vorbedingungen mangelt,
fehlen die Grundlagen zu einem ökonomischen Tausche und ist
[160]Die Grundlagen und die Grenzen des ökonomischen Tausches.
ein solcher dadurch in Rücksicht auf die bezüglichen wirth-
schaftenden Subjecte und Güter ökonomisch ausgeschlossen.


§. 2.
Die Grenzen des ökonomischen Tausches.


Würden die einzelnen wirthschaftenden Subjecte von jeder
Güterart nur über je ein einzelnes, im Hinblick auf seine Güter-
qualität untheilbares Gut verfügen, so böte die Erforschung der
Grenze, bis zu welcher dieselben in jedem gegebenen Falle die
Tauschoperationen vorzunehmen haben würden, um sich den
höchsten ökonomischen Nutzen zuzuwenden, welcher sich unter
den obwaltenden Verhältnissen erzielen liesse, keinerlei Schwierig-
keit. Setzen wir den Fall, A besitze einen gläsernen Becher und
B einen Schmuckgegenstand aus dem gleichen Stoffe und sowohl
der erstere, als auch der letztere würde über kein weiteres
Gut derselben Art verfügen, so wären nach dem, was wir im
vorhergehenden Capitel sagten, nur zwei Eventualitäten denk-
bar: Entweder würden in Rücksicht auf die beiden obigen Güter
die Grundlagen für einen ökonomischen Tausch zwischen den
beiden in Rede stehenden Subjecten vorhanden sein, oder sie
würden mangeln. In dem letzteren Falle würde ein Austausch
jener Güter vom ökonomischen Standpunkte aus gar nicht in
Frage kommen, im ersteren aber ebensowenig ein Zweifel
darüber entstehen können, dass mit dem thatsächlich erfolgten
Austausche der beiden obigen Güter jedem weiteren Austausche
von Gütern derselben Art zwischen A und B eine natürliche
Grenze gesetzt wäre.


Anders verhält es sich überall dort, wo sich Quantitäten
von Gütern in der Verfügung verschiedener Personen befinden,
die sich in beliebige Theilquantitäten sondern lassen, oder aber
aus mehreren wenngleich auch ihrer Natur oder Bestimmung
nach untheilbaren concreten Stücken bestehen.


Setzen wir den Fall, A, ein amerikanischer Blockhaus-
besitzer, verfüge über mehrere Pferde, besässe aber keine Kuh,
während B, ein Nachbar desselben, eine Anzahl von Kühen, aber
kein Pferd besässe. Dass in einem solchen Falle, wofern A einen
Bedarf an Milch und Milchproducten und B einen solchen an
Zugthieren hat, die Grundlagen ökonomischer Tauschoperationen
[161]Die Grenzen des ökonomischen Tausches.
vorhanden sein können, ist naheliegend. Niemand wird aber in
diesem Falle behaupten, dass z. B. schon durch den Austausch
eines Pferdes des A gegen eine Kuh des B die etwa vor-
handenen Grundlagen ökonomischer Tauschoperationen zwischen
A und B mit Rücksicht auf die in Rede stehenden Güter er-
schöpft sein müssten. Ebenso unzweifelhaft ist es aber auch,
dass diese Grundlagen nicht nothwendigerweise für die obigen
Güterquantitäten in ihrer Gesammtheit vorhanden sein müssen.
A, der z. B. sechs Pferde hat, würde seine Bedürfnisse besser
befriedigen können, falls er ein, zwei, oder vielleicht selbst drei
seiner Pferde gegen Kühe des B umtauschen würde; daraus
folgt aber keineswegs, dass er nothwendigerweise auch dann
einen ökonomischen Nutzen aus dem Tauschgeschäfte ziehen
würde, falls er seine sämmtlichen Pferde gegen die sämmtlichen
Kühe des B im Tausche hingeben würde. In diesem Falle könnte
es nämlich geschehen, dass, obzwar der ökonomischen Sachlage
nach die Grundlagen für ökonomische Tauschoperationen zwischen
A und B vorlagen, doch wegen des zu weit getriebenen Tausches
für die Bedürfnisse beider Contrahenten nach Vollzug desselben
sogar schlechter vorgesorgt wäre, als vor demselben.


Das obige Vorhältniss, wornach nicht lediglich einzelne
concrete Güter, sondern Quantitäten von solchen der Verfügung
der Menschen unterstehen, ist nun aber der Regel nach in der
Wirthschaft der Menschen zu beobachten und es liegt demnach
unserer Beobachtung eine Unzahl von Fällen vor, in welchen
zwei wirthschaftende Individuen über Quantitäten verschiedener
Güter verfügen, auch die Grundlagen zu ökonomischen Tausch-
operationen vorhanden sind, aber der Nutzen, der sich aus der Aus-
beutung derselben ziehen lässt, einerseits nur unvollständig ausge-
beutet werden würde, falls die beiden wirthschaftenden Subjecte zu
geringe Theilquantitäten der betreffenden Güter gegeneinander
austauschen würden, andererseits aber dieser Nutzen wieder
gemindert, ja völlig aufgehoben und sogar in sein Gegentheil
verwandelt werden möchte, falls dieselben ihre Tauschoperationen
zu weit treiben, das ist zu grosse Theilquantitäten der ihrer
Verfügung unterstehenden Güter gegen einander austauschen
würden.


Liegen nun aber unserer Beobachtung Fälle vor, wo ein
Menger, Volkswirthschaftslehre. 11
[162]Die Grenzen des ökonomischen Tausches.
„zu wenig“ des Tausches nicht den vollen ökonomischen Nutzen
gewährt, der sich aus der Ausbeutung eines vorliegenden Ver-
hältnisses erzielen lässt, ein „zu viel“ desselben aber die gleiche
Wirkung, ja nicht selten sogar eine Verschlechterung der
ökonomischen Lage der beiden Tauschenden zur Folge hat, so
muss es eine Grenze geben, wo der volle ökonomische Nutzen,
der sich aus der Ausbeutung eines gegebenen Verhältnisses er-
zielen lässt, bereits erreicht ist und jeder weitere Austausch
von Theilquantitäten unökonomisch zu werden beginnt. Die Be-
stimmung dieser Grenze ist nun der Gegenstand der nachfolgenden
Untersuchung.


Zu diesem Zwecke wollen wir einen einfachen Fall zur
Darstellung bringen, an welchen wir das hier obwaltende Ver-
hältniss, ungestört durch nebensächliche Einflüsse, auf das sorg-
fältigste beobachten können.


Setzen wir den Fall, in einem Urwalde wohnten fern von
den übrigen wirthschaftenden Individuen zwei Blockhausbesitzer,
die mit einander im friedlichen Verkehre stünden und deren
Bedürfnisse ihrem Umfange und ihrer Intensität nach vollständig
gleich wären. Jeder derselben hätte zur Bearbeitung seiner Grund-
stücke mehrere Pferde nöthig, wovon eines ganz unumgänglich,
falls er für sich und die Seinen den nöthigen Lebensbedarf an
Nahrungsmitteln hervorbringen will, das andere um einen Ueber-
schuss über diese letztern, das ist solche Nahrungsmittel zu er-
zeugen, die ihm zur ausreichenden Ernährung seiner Person und
seiner Familie erforderlich sind. Um das ihm nöthige Bau- und
Brennholz aus dem Walde bis zum Blockhause zu schaffen, Steine,
Sand u. dgl. m. zuführen und endlich ein Grundstück zu be-
arbeiten, auf welchem er einige Genussmittel für sich und seine
Familie hervorbringt, kann jeder der beiden Landwirthe ein
drittes Pferd, ein viertes aber wohl noch zu Vergnügungszwecken
verwenden, ein fünftes Pferd hätte für jeden der Beiden nur
noch die Bedeutung, dass es ihnen als Reserve für den Fall
dienen würde, dass eines der übrigen Pferde leistungsunfähig
würde, ein sechstes Pferd aber wüsste keiner der beiden Block-
hausbesitzer in seiner Wirthschaft zu verwenden. Ferner
bedarf ein jeder der beiden Blockhausbesitzer, um seinen Bedarf
an Milch und Milchproducten zu decken, fünf Kühe und zwar
[163]Die Grenzen des ökonomischen Tausches.
mit der gleichen Abstufung der Wichtigkeit der diesbezüglichen
Bedürfnisse, so zwar, dass er eine sechste Kuh nicht mehr zu
verwenden wüsste.


Bringen wir nun, um der grössern Anschaulichkeit willen, das
obige Verhältniss zum ziffermässigen Ausdruck (S. 92 ff.), so können
wir uns die sich abstufende Bedeutung der obigen Bedürfniss-
befriedigungen für die beiden Blockhausbesitzer durch eine Reihe
von Ziffern *) veranschaulichen, welche im arithmetischen Ver-
hältnisse abnehmen, z. B. durch die Reihe: 50, 40, 30, 20, 10, 0.


Setzen wir nun den Fall, A, der erste der beiden Block-
hausbesitzer, besässe 6 Pferde, aber nur eine Kuh, während bei
B, dem zweiten Blockhausbesitzer, das umgekehrte Verhältniss
obwalten würde, so können wir uns die sich abstufende Be-
deutung der Bedürfnissbefriedigungen, für welche durch den
Güterbesitz der beiden obigen Personen vorgesorgt ist, durch
die nachfolgende Tabelle versinnbildlichen:

Dass hier die Grundlagen zu ökonomischen Tauschoperationen
vorhanden sind, ist nach dem, was wir im vorigen Abschnitte
dieses Capitels gesagt haben, leicht ersichtlich. Die Bedeutung,
welche für A ein Pferd hat, ist gleich 0, die Bedeutung,
welche für ihn eine zweite Kuh haben würde, gleich 40, während
umgekehrt für B eine Kuh einen Werth hat, der gleich 0, ein
zweites Pferd aber einen solchen haben würde, der gleich 40
ist, (S. 98). Es können demnach, sowohl A, als auch B, für die
11 *
[164]Die Grenzen des ökonomischen Tausches.
Befriedigung ihrer Bedürfnisse beträchtlich besser vorsorgen, wenn
A dem B ein Pferd und B dem A eine Kuh im Austausche hin-
giebt, und es ist kein Zweifel, dass dieselben, wofern sie wirth-
schaftende Subjecte sind, diesen Tausch auch thatsächlich vor-
nehmen werden.


Nach diesem ersten Tausche wird sich aber die Bedeutung
der Bedürfnissbefriedigungen, für welche durch den Güterbesitz
der beiden obigen Personen vorgesorgt ist, in der nachfolgenden
Weise darstellen:

und es ist somit leicht ersichtlich, dass durch den obigen Tausch
jedem der beiden Tauschenden ein eben so grosser ökonomischer
Vortheil zugewachsen ist, als wenn sich sein Vermögen um ein
Gut, dessen Werth für jede der beiden hier in Rede stehenden
Personen gleich 40 ist, vermehrt hätte *). Ebenso sicher ist aber
auch, dass mit diesem ersten Tausche die Grundlagen ökono-
mischer Tauschoperationen keineswegs erschöpft sind, vielmehr
ist für A ein Pferd immer noch viel weniger werth, als eine neu
in seinen Güterbesitz tretende Kuh für ihn werth sein würde,
(10 das erste, 30 die zweite), während für B umgekehrt eine
Kuh nur 10, ein neu in seine Wirthschaft tretendes Pferd aber 30
(also dreimal so viel) werth wäre. Es liegt demnach in dem
ökonomischen Interesse der beiden wirthschaftenden Individuen,
noch eine zweite Tauschoperation vorzunehmen.


[165]Die Grenzen des ökonomischen Tausches.

Die Sachlage nach dem zweiten Tausche lässt sich wie
folgt darstellen:

und ist demnach ersichtlich, dass auch durch diesen Tausch
jeder der beiden obigen Personen ein ökonomischer Nutzen und
zwar kein geringerer zugewachsen ist, als wenn ihr Vermögen sich
um ein Gut von einem Werthe gleich 20 vermehrt hätte.


Untersuchen wir nun, ob auch bei der obigen Sach-
lage noch die Grundlagen zu weiteren ökonomischen Tausch-
operationen vorliegen. Ein Pferd hat für A die Bedeutung von 20,
eine neu hinzutretende Kuh gleichfalls eine Bedeutung von 20,
und was B betrifft, so liegt für denselben genau dasselbe Ver-
hältniss vor. Es steht aber nach dem, was wir sagten, fest, dass
ein Austausch eines Pferdes des A gegen eine Kuh des B unter
solchen Verhältnissen gänzlich müssig, das ist ohne allen ökono-
mischen Nutzen, sein würde.


Setzen wir nun aber den Fall, A und B würden nichts-
destoweniger einen dritten Tausch eingehen, so ist klar, dass,
falls die Effectuirung desselben keine nennenswerthen ökono-
mischen Opfer erfordern würde (Transportskosten, Zeitverlust etc.),
durch einen solchen Tausch die ökonomische Lage der beiden
Contrahenten zwar nicht verschlechtert, aber auch nicht ver-
bessert werden würde *). Ihre Lage nach diesem Tausche wäre
nämlich die folgende:

[166]Die Grenzen des ökonomischen Tausches.

Fragen wir nun weiter nach dem ökonomischen Erfolge
noch weitergehender Täusche eines Pferdes des A gegen eine
Kuh des B. Die Sachlage nach einem vierten Tausche wäre
die folgende:

Wie man sieht, ist die ökonomische Sachlage nach dem
vierten Tausche sowohl für A, als auch für B eine ungünstigere,
als vor demselben. A hat wohl eine fünfte Kuh erlangt und
sich dadurch die Befriedigung eines Bedürfnisses gesichert, welche
für ihn eine Bedeutung gleich 10 hat, aber dafür ein Pferd hin-
gegeben, das für ihn die Bedeutung von Bedürfnissbefriedigungen
hatte, die wir gleich 30 schätzten und seine ökonomische Lage
nach diesem Tausche ist demnach keine andere, als wäre ein
Gut von einem Werthe gleich 20 ohne jede Gegenleistung
seinem Vermögen entzogen worden. Ganz dasselbe ist aber
auch bei B zu beobachten und somit der ökonomische Nachtheil
aus der vierten Tauschoperation ein beiderseitiger. Anstatt
demnach durch diesen Austausch zu gewinnen, würden A und B
in Folge desselben einen ökonomischen Verlust erleiden.


Würden nun die beiden Personen A und B den Austausch
von Pferden gegen Kühe auch noch über diese vierte Tausch-
operation hinaus fortsetzen, so würde sich die Sachlage nach
dem fünften Tausche folgendermassen darstellen:

nach dem sechsten Tausche aber in folgender Weise:
[167]Die Grenzen des ökonomischen Tausches.

und es ist leicht ersichtlich, dass die beiden tauschenden Sub-
jecte nach dem fünften Tausche eines Pferdes des A gegen eine
Kuh des B, rücksichtlich der Vollständigkeit, mit welcher für
die Befriedigung ihrer Bedürfnisse vorgesorgt sein würde, dort-
hin gelangen würden, wo sie beim Anfange des Tauschgeschäftes
standen, während sie nach dem sechsten Tausche ihre ökono-
mische Lage noch darüber hinaus beträchtlich verschlechtert
hätten und nichts Besseres thun könnten, als so unökonomische
Tauschoperationen wieder rückgängig zu machen.


Was wir nun hier an einem einzelnen concreten Falle dar-
gelegt haben, das lässt sich überall dort beobachten, wo sich
Quantitäten verschiedener Güter in dem Besitze verschiedener
Personen befinden und die Grundlagen zu ökonomischen Tausch-
operationen vorliegen, und wir würden bei der Wahl anderer
Beispiele wohl Verschiedenheiten in Rücksicht auf nebensäch-
liche Umstände, nicht aber in Rücksicht auf das Wesen des
obigen Verhältnisses vorfinden.


Ueberall würden wir zunächst für jeden gegebenen Zeit-
punkt eine Grenze wahrnehmen, bis zu welcher zwei Personen
ihre Güter zu ihrem beiderseitigen ökonomischen Nutzen gegen
einander austauschen können, eine Grenze, welche sie aber auch
nicht überschreiten dürfen, ohne sich hiedurch in eine ungün-
stigere ökonomische Lage zu versetzen, kurz, wir würden überall
eine Grenze wahrnehmen, wo der ökonomische Gesammtnutzen,
welcher sich aus der Ausbeutung des vorliegenden Verhältnisses
erzielen lässt, erschöpft ist, und von da ab sich durch fort-
gesetzte Tauschoperationen wieder mindert, also eine Grenze,
über welche hinaus jeder weitere Austausch von Theilquantitäten
als unökonomisch erscheint. Diese Grenze ist aber dann
[168]Die Grenzen des ökonomischen Tausches.
erreicht, wenn sich keine Güterquantität mehr in
dem Besitze des einen der beiden Contrahenten be-
findet, die für ihn einen geringeren Werth hätte,
als eine Quantität eines andern in der Verfügung
des zweiten Contrahenten befindlichen Gutes, wäh-
rend zugleich bei dieser letzteren Person das um-
gekehrte Verhältniss der Werthschätzung statt-
findet
.


Und so sehen wir denn auch in der That, dass die Menschen
im practischen Leben nicht ins Unbestimmte und Unbegrenzte
hinein tauschen, sondern bestimmte Personen für jeden gegebenen
Zeitpunkt und mit Rücksicht auf bestimmte Güterarten und jede
gegebene ökonomische Sachlage zu einer gewissen Grenze ge-
langen, bei der sie mit jedem weiteren Tausche einhalten *).


In dem Verkehre der Einzelnen, noch mehr aber in dem
Verkehre ganzer Völker miteinander, macht sich allerdings der
Regel nach der Umstand bemerkbar, dass der Werth, welchen
die concreten Güter für die Menschen haben, einem steten
Wechsel unterliegt, hauptsächlich deshalb, weil durch den Pro-
ductionsprocess immer neue Güterquantitäten in die Verfügung
der einzelnen wirthschaftenden Individuen treten und hiedurch
die Grundlagen ökonomischer Täusche fortdauernd erneuert
werden, und es bietet sich deshalb unserem Auge die Erschei-
nung einer fortlaufenden Reihe von Tauschoperationen dar. Aber
auch in dieser Kette von Transactionen können wir bei genauer
Beobachtung für gegebene Zeitpunkte Personen und Güterarten
stets Ruhepunkte finden, in welchen ein Austausch von Gütern
[169]Die Grenzen des ökonomischen Tausches.
nicht stattfindet, weil die ökonomische Grenze desselben bereits
eingetreten ist.


Eine weitere Beobachtung, die wir oben machten, betraf
den sich stufenweise mindernden ökonomischen Nutzen, der sich
aus der Ausbeutung einer gegebenen Tauschgelegenheit für be-
stimmte wirthschaftende Individuen ergiebt. Die erste Berührung
der wirthschaftenden Subjecte im Tauschverkehre pflegt für die-
selben stets die ökonomisch vortheilhafteste zu sein und erst
später pflegen auch jene Tauschgelegenheiten ausgebeutet zu
werden, welche minderen ökonomischen Vortheil versprechen.
Dies gilt nicht nur von dem Verkehre der Individuen, sondern
ebensowohl von dem ganzer Nationen. Wenn zwei Völker, deren
Häfen oder Grenzen für den gegenseitigen Verkehr bisher über-
haupt, oder doch durch längere Zeit verschlossen waren, die-
selben plötzlich dem Verkehre öffnen, oder auch nur einige der
bisherigen Hindernisse fortgeräumt werden, so entwickelt sich
sofort ein sehr reger Güterverkehr, denn die Zahl der aus-
zubeutenden Tauschgelegenheiten und der hier zu erzielende
ökonomische Vortheil sind gross. Später tritt ein solcher Ver-
kehr in das Geleise gewöhnlicher, nutzbringender Geschäfte.
Wenn aber der volle Nutzen eines solchen jungen Verkehres
bisweilen nicht sofort an den Tag tritt, so hat dies seinen
Grund darin, dass die zwei anderen Voraussetzungen des ökono-
mischen Tausches, die Erkenntniss der Tauschgelegenheiten und
die Macht, die als ökonomisch erkannten Tauschoperationen
auszuführen, der Regel nach erst nach Verlauf eines gewissen
Zeitraumes für die tauschenden Individuen vorhanden sind. Es
ist aber denn auch eine der eifrigsten Bemühungen handel
treibender Nationen, in diesen beiden Richtungen alle dem Ver-
kehre entgegenstehenden Hindernisse zu überwinden, (durch
genaues Studium der commerciellen Verhältnisse, durch Bau
guter Strassen und sonstiger Verkehrswege etc.).


Bevor ich diese Untersuchung über die Grundlagen und
die Grenzen des ökonomischen Tausches schliesse, möchte ich
noch auf einen Umstand hinweisen, dessen Berücksichtigung für
die richtige Auffassung der hier dargelegten Grundsätze von
nicht geringer Wichtigkeit ist, ich meine die ökonomischen
Opfer, welche die Tauschoperationen erfordern.


[170]Die Grenzen des ökonomischen Tausches.

Wären die Menschen und ihr Güterbesitz (die mensch-
lichen Wirthschaften) nicht räumlich getrennt, und hätte somit
die gegenseitige Uebertragung der Güter aus der Verfügung
eines wirthschaftenden Subjectes in jene eines anderen nicht der
Regel nach eine Güteroewegung und noch viele andere öko-
nomische Opfer zu ihrer Voraussetzung, so würde der ganze
aus dem Tauschgeschäfte resultirende ökonomische Nutzen, wie
wir ihn oben dargelegt haben, den beiden Tauschenden zufallen.
Dieser Fall ist aber jedenfalls nur selten vorhanden. Wir können
uns nämlich wohl Fälle denken, wo die ökonomischen Opfer
einer Tauschoperation auf ein Minimum herabsinken, so zwar,
dass sie im practischen Leben nicht beachtet werden, nicht
leicht wird sich aber in der Wirklichkeit ein Fall finden lassen,
wo sich eine Tauschoperation gänzlich ohne ökonomische Opfer,
und beschränkten sich dieselben auch nur auf einen Zeitverlust,
bewerkstelligen liesse. Frachtkosten, Primagen, Mauthgebühren,
Havarien, Kosten der Correspondenz, Assecuranzen, Provisionen
und Commissionsgebühren, Courtagen, Waggelder, Kosten der
Emballagen, Lagergelder, ja die Ernährung der Handelsleute *)
und ihrer Hilfsarbeiter überhaupt, die ganzen Kosten des Geld-
wesens u. s. f. sind nichts anderes, als die verschiedenen ökono-
mischen Opfer, welche die Tauschoperationen verlangen und
die einen Theil des ökonomischen Nutzens absorbiren, wel-
cher aus der Ausbeutung der vorhandenen Tauschgelegenheiten
resultirt, ja nicht selten diese letztere dort unmöglich machen,
wo sie, falls jene „Spesen,“ im allgemeinen volkswirthschaftlichen
Sinne des Wortes, nicht beständen, noch möglich wäre.


Die Entwicklung der Volkswirthschaft hat die Tendenz,
diese ökonomischen Opfer herabzumindern, und solcherart werden
ökonomische Täusche nach und nach selbst zwischen den ent-
ferntesten Ländern und überhaupt dort möglich, wo sie bis
dahin nicht statthaben konnten.


[171]Die Grenzen des ökonomischen Tausches.

Es liegt in dem obigen aber zugleich auch die Erklärung
der Quelle, aus welcher alle jene tausende von Personen, welche
den Verkehr vermitteln, ihr Einkommen beziehen, trotzdem dass
sie zur physischen Vermehrung der Güter nicht unmittelbar bei-
tragen und ihre Thätigkeit desshalb nicht selten für unproductiv
gehalten wurde. Ein ökonomischer Tausch trägt, wie wir sahen,
zur besseren Befriedigung menschlicher Bedürfnisse und zur
Vermehrung des Vermögens der Tauschenden eben so wohl bei,
als die physische Vermehrung der ökonomischen Güter und alle
jene Personen, die ihn vermitteln, sind desshalb — immer vor-
ausgesetzt, dass die Tauschoperationen ökonomische sind —
ebensowohl productiv, als die Ackerbauer und Fabrikanten, denn
das Ziel aller Wirthschaft ist nicht die physische Vermehrung
der Güter, sondern die möglichst vollständige Befriedigung der
menschlichen Bedürfnisse und zur Erreichung dieses Zieles tragen
die Handelsleute nicht minder bei, wie jene Personen, welche
man bis lange, von einem höchst einseitigen Standpunkte aus,
ausschliesslich die productiven nannte.


[[172]]

Fünftes Capitel.
Die Lehre vom Preise.


Die Preise, oder mit andern Worten, die im Tausche zur
Erscheinung gelangenden Güterquantitäten, so sehr sie sich
auch unseren Sinnen aufdrängen und desshalb den gewöhnlichsten
Gegenstand der wissenschaftlichen Beobachtung bilden, sind doch
nichts weniger als das Wesentliche der ökonomischen Erschei-
nung des Tausches. Dieses liegt vielmehr in der durch den
Tausch herbeigeführten besseren Vorsorge für die Befriedigung
der Bedürfnisse der beiden Tauschenden. Die wirthschaftenden
Menschen haben das Bestreben, ihre ökonomische Lage nach
Möglichkeit zu verbessern. Zu diesem Zwecke setzen sie ihre
wirthschaftliche Thätigkeit überhaupt in Bewegung und zu diesem
Zwecke tauschen sie auch die Güter aus, wo immer hiedurch
derselbe erreicht werden kann. Die Preise sind hiebei aber
lediglich accidentielle Erscheinungen, Symptome des ökonomischen
Ausgleiches zwischen den menschlichen Wirthschaften.


Wenn man die Schleussen zwischen zwei ruhig stehenden
Gewässern, deren Niveau ein verschiedenes ist, wegräumt, so
werfen sie Wellen, so lange, bis der Spiegel sich schliesslich
wieder glättet. Diese Wellen sind aber nur ein Symptom der
Einwirkung jener Kräfte, die wir die Schwere und die Trägheit
nennen. Solchen Wellen gleichen auch die Güterpreise, diese
Symptome des ökonomischen Ausgleiches des Güterbesitzes
zwischen den Wirthschaften. Die Kraft, die sie aber an die
Oberfläche der Erscheinung treibt, ist die letzte und allgemeine
Ursache aller wirthschaftlichen Bewegung, das Bestreben der
Menschen, ihre Bedürfnisse möglichst vollständig zu befriedigen,
ihre ökonomische Lage zu verbessern. Weil aber die Preise die
einzigen sinnlich wahrnehmbaren Erscheinungen des ganzen Pro-
cesses sind, ihre Höhe sich genau messen lässt und das tägliche
[173]Die Lehre vom Preise.
Leben uns dieselben ohne Unterlass vor Augen führt, so war
der Irrthum naheliegend, die Grösse derselben als das
Wesentliche am Tausche, und, in weiterer Consequenz dieses
Irrthums, die im Austausch erscheinenden Güterquantitäten
als Aequivalente zu betrachten. Hiedurch wurde aber der
unberechenbare Nachtheil für unsere Wissenschaft herbeigeführt,
dass sich die Forscher auf dem Gebiete der Preiserscheinungen
auf die Lösung des Problems verlegten, die angebliche Gleich-
heit
*) zwischen zwei Güterquantitäten auf ihre Ursachen zu-
rückzuführen und die einen dieselben in gleichen auf diese Güter
verwandten Arbeitsquantitäten, die andern in gleichen Produc-
tionskosten suchten, ja sogar darüber Streit entstand, ob die
Güter gegen einander hingegeben werden, weil sie Aequivalente
[174]Die Lehre vom Preise.
sind, oder ob die Güter Aequivalente sind, weil sie im Aus-
tausche gegen einander hingegeben werden, während eine solche
Gleichheit des Werthes zweier Güterquantitäten (eine Gleichheit
im objectiven Sinne) in Wahrheit nirgends besteht.


Der Irrthum, welcher den obigen Theorien zu Grunde
liegt, wird sofort ersichtlich, wenn wir uns von der Einseitigkeit
frei machen, welche bisher in der Beobachtung der Preiserschei-
nungen zu Tage getreten ist. Aequivalente (im objectiven Sinne
der Wortes) könnten nur solche Güterquantitäten genannt wer-
den, welche sich in einem gegebenen Momente in beliebiger
Weise umsetzen liessen, so zwar, dass, falls die eine angeboten
würde, die andere dafür zu erwerben wäre, und so umgekehrt.
Solche Aequivalente sind nun aber im wirthschaftlichen Leben
der Menschen nirgends vorhanden. Gäbe es nämlich Aequivalente
in diesem Sinne, so wäre nicht abzusehen, warum nicht jeder
Tausch, insolange die Conjunctur noch unverändert ist, rück-
gängig gemacht werden könnte. Man setze den Fall, A habe
sein Haus dem B gegen dessen Landgut, oder gegen eine Summe
von 20.000 Thalern, hingegeben. Wären nun die obigen Güter
durch das Tauschgeschäft Aequivalente im objectiven Sinne des
Wortes geworden, oder vor dem Tausche schon solche gewesen,
so wäre nicht abzusehen, warum die beiden Tauschenden nicht
bereit sein sollten, den Tausch sofort wieder rückgängig zu
machen, während doch die Erfahrung lehrt, dass in solch einem
Falle der Regel nach Keiner von Beiden einem solchen Arrangement
seine Zustimmung geben würde.


Die gleiche Beobachtung kann ebensowohl unter den ent-
wickeltesten Verkehrsverhältnissen und zwar selbst rücksichtlich
der absatzfähigsten Waaren gemacht werden. Man versuche, auf
einem Getreidemarkte, oder auf einer Effectenbörse Getreide, be-
ziehungsweise Effecten, zu kaufen und, ehe die Conjunctur eine
Veränderung erfahren, dieselben wieder zu veräussern, oder im
selben Momente eine Waare zu verkaufen und eine gleiche zu
kaufen, und man wird leicht zur Ueberzeugung gelangen, dass
die Differenz, welche zwischen den Preisen beim Anbote und
jenen bei der Nachfrage besteht, keine blosse Zufälligkeit, son-
dern eine allgemeine Erscheinung der Volkswirthschaft ist.


Waaren, welche gegeneinander in bestimmten Quantitäten
[175]Die Preisbildung beim isolirten Tausche.
ausgetauscht werden könnten, also z. B. eine Geldsumme und
eine Quantität eines andern ökonomischen Gutes, welche eben-
sowohl im Kaufe als im Verkaufe beliebig gegeneinander um-
gesetzt werden könnten, kurz, Aequivalente im objectiven
Sinne des Wortes
, existiren desshalb — selbst mit Rücksicht
auf einen bestimmten Markt und einen bestimmten Zeitpunkt
— nicht, ja, was viel wichtiger ist, das tiefere Verständniss der
Ursachen, welche zum Gütertausche und zum menschlichen Ver-
kehre überhaupt führen, lehrt uns, dass solche Aequivalente
durch die Natur des Verhältnisses selbst völlig ausgeschlossen
sind und in Wirklichkeit gar nicht bestehen können.


Eine richtige Theorie der Preise kann demnach nicht die
Aufgabe haben, jene angebliche, in Wahrheit aber nirgends be-
stehende „Werthgleichheit“ zwischen zwei Güterquantitäten zu
erklären, eine Aufgabe, bei welcher der subjective Charakter des
Werthes und die Natur des Tausches völlig verkannt werden,
sondern muss darauf gerichtet sein, zu zeigen, wie die wirth-
schaftenden Menschen bei ihrem auf die möglichst vollständige
Befriedigung ihrer Bedürfnisse gerichteten Streben dazu geführt
werden, Güter, und zwar bestimmte Quantitäten derselben
gegeneinander hinzugeben. Wir werden aber bei den hier
einschlägigen Untersuchen, nach der in diesem Werke überhaupt
befolgten Methode, mit der Beobachtung der einfachsten Er-
scheinungsform der Preisbildung beginnen und allmählig zu den
complicirteren Erscheinungsformen derselben übergehen.


§. 1.
Die Preisbildung beim isolirten Tausche.


Wir haben in dem vorigen Capitel gesehen, dass die Mög-
lichkeit eines ökonomischen Austausches von Gütern an die
Bedingung geknüpft ist, dass sich in der Verfügung eines wirth-
schaftenden Subjectes Güter befinden, welche für dasselbe einen
geringern Werth haben, als andere in der Verfügung eines andern
wirthschaftenden Subjectes befindliche Güter, während bei diesem
letztern das umgekehrte Verhältniss der Werthschätzung statt-
finden muss. Hierin liegt nun aber bereits eine streng gezogene
[176]Die Preisbildung beim isolirten Tausche.
Grenze, innerhalb welcher die Preisbildung in jedem gegebenen
Falle erfolgen muss.


Setzen wir z. B. den Fall, es hätten für A 100 Mass seines
Getreides einen eben so grossen Werth, als 40 Mass Wein, so
ist zunächst sicher, dass A unter keinen Umständen mehr als
100 Mass Getreide für jene Quantität Wein im Austausche hin-
zugeben bereit sein wird, da nach einem solchen Tausche für seine
Bedürfnisse schlechter vorgesorgt sein würde, als vor demselben;
ja er wird sich sogar nur dann zu dem Austausche verstehen,
wenn er durch denselben für seine Bedürfnisse besser vorzusorgen
vermag, als dies ohne den Austausch der Fall sein würde. Er
wird desshalb nur dann bereit sein, Wein gegen sein Getreide
einzutauschen, wenn er für 40 Mass Wein weniger, als 100 Mass
Getreide hinzugeben hätte. Wie immer sich demnach der
Preis von 40 Mass Wein bei einem allfälligen Austausche des
Getreides des A gegen den Wein irgend eines andern wirth-
schaftenden Subjectes stellen wird, so viel ist sicher, dass er
in unserem Falle, schon um der ökonomischen Lage des A
willen, 100 Mass Getreide nicht wird erreichen dürfen.


Findet nun A kein anderes wirthschaftendes Subject, für
welches eine geringere Quantität von Getreide, als 100 Mass,
eine höhere Bedeutung hat, als 40 Mass Wein, so wird er über-
haupt nicht in die Lage kommen, sein Getreide gegen Wein
auszutauschen, indem dann die Grundlagen für einen ökono-
mischen
Tausch rücksichtlich der in Rede stehenden Güter
für ihn nicht vorhanden sind. Findet aber A ein zweites wirth-
schaftendes Subject B, für welches z. B. schon 80 Mass Getreide
einen eben so hohen Werth haben, als 40 Mass Wein, so ist,
wofern die beiden hier in Rede stehenden Subjecte dies Ver-
hältniss erkennen und dem Vollzuge des Tausches keine Hinder-
nisse entgegenstehen, für A und B allerdings die Voraussetzung
eines ökonomischen Tausches vorhanden, damit aber zugleich
eine zweite Grenze für die Preisbildung gegeben. Folgt nämlich
aus der ökonomischen Lage des A, dass der Preis für 40 Mass
Wein sich unter 100 Mass Getreide wird stellen müssen, (indem
er sonst keinen ökonomischen Nutzen aus dem Tauschgeschäfte
ziehen würde,) so folgt aus jener des B, dass ihm für seine
40 Mass Wein eine grössere Quantität Getreide, als 80 Mass,
[177]Die Preisbildung beim isolirten Tausche.
geboten werden muss. Wie immer sich demnach der Preis von
40 Mass Wein bei einem ökonomischen Tausche zwischen A
und B stellen wird, so viel ist sicher, dass er sich zwischen den
Grenzen von 80 und 100 Mass Getreide, und zwar jedenfalls
über 80 und unter 100 Mass Getreide, wird bilden müssen.


Nun ist es unschwer, zu erkennen, dass A in dem obigen
Falle selbst dann für die Befriedigung seiner Bedürfnisse besser
vorsorgen würde, falls er sogar 99 Mass Getreide für jene
40 Mass Wein hingeben, so wie andererseits B gleichfalls öko-
nomisch handeln möchte, falls er auch nur 81 Mass Getreide
für seine 40 Mass Wein im Austausche annehmen würde. Da
nun aber in dem vorliegenden Falle die Gelegenheit zur Aus-
beutung eines weit grösseren ökonomischen Vortheiles für beide
wirthschaftende Subjecte vorhanden ist, so wird das Bestreben
jedes derselben darauf gerichtet sein, so viel als möglich von
jenem ökonomischen Nutzen sich zuzuwenden. Es wird aber
dadurch jene Erscheinung hervorgerufen werden, die wir im
Leben das Feilschen nennen. Jeder der beiden Tauschenden
wird bestrebt sein, einen möglichst grossen Antheil an dem bei
Ausbeutung dieser Tauschgelegenheit sich ergebenden ökono-
mischen Nutzen zu erlangen und selbst beim Bestreben, sich
auch nur einen billigen Antheil an dem in Rede stehenden Ge-
winne zuzueignen, zu um so höheren Preisforderungen geneigt
sein, je weniger er die ökonomische Lage des andern Tauschen-
den und die äusserste Grenze kennt, bis zu welcher derselbe zu
gehen vermag.


Welches wird nun aber das ziffermässige Resultat dieses
Preiskampfes sein?


Sicher ist, wie wir sahen, dass der Preis von 40 Mass
Wein höher, als 80, und niedrieger als 100 Mass Getreide sein
wird. Eben so gewiss scheint mir aber auch, dass, je nach der
verschiedenen Individualität der Tauschenden, ihrer grösseren,
oder geringeren Kenntniss des Geschäftslebens und der Lage
des anderen Contrahenten, das Resultat des Tausches bald mehr
zu Gunsten des einen, bald mehr zu Gunsten des andern aus-
fallen wird. Da indess bei der Aufstellung allgemeiner Prin-
cipien kein Grund zur Annahme vorhanden ist, dass der eine
oder der andere der beiden Contrahenten eine überwiegende
Menger, Volkswirthschaftslehre. 12
[178]Die Preisbildung beim isolirten Tausche.
ökonomische Tüchtigkeit besitze, oder die sonstigen Umstände
einem derselben günstiger seien, als dem andern, so werden wir,
unter der Annahme ökonomisch gleich tüchtiger Individuen und
gleicher sonstiger Verhältnisse, als allgemeine Regel aufstellen
dürfen, dass das Bestreben beider Contrahenten, einen möglichst
grossen ökonomischen Vortheil zu erzielen, sich gegenseitig
paralysiren wird, und demnach auch die Preise von den beiden
Extremen, innerhalb welcher sie sich bilden können, gleich weit
entfernt bleiben werden.


In unserem Falle wird demnach der Preis einer Quantität
Wein von 40 Mass, über welchen sich die beiden Tauschenden
schliesslich einigen werden, jedenfalls innerhalb der Grenzen von
80 und 100 Mass Getreide liegen, und zwar mit der weiteren
Beschränkung, dass er unter allen Umständen höher als 80 und
niedriger als 100 Mass sein wird. Was aber dessen Fixirung
innerhalb dieser Grenzen anbetrifft, so wird er sich, unter sonst
gleichen Verhältnissen der beiden Contrahenten, auf 90 Mass
Getreide stellen, ohne dass, falls die eben erwähnte Voraus-
setzung nicht eintrifft, ein Austausch zu andern, aber innerhalb
der obigen Grenzen liegenden Preisen ökonomisch ausge-
schlossen wäre.


Was nun von der Preisbildung in dem einen Falle gesagt
wurde, gilt in gleicher Weise von jeder andern. Ueberall, wo
die Grundlagen eines ökonomischen Austausches zwischen zwei
wirthschaftenden Subjecten rücksichtlich zweier Güter vorhanden
sind, sind durch die Natur des Verhältnisses selbst bestimmte
Grenzen gegeben, innerhalb welcher die Preisbildung erfolgen
muss, wofern der Austausch der Güter überhaupt einen ökono-
mischen Charakter haben soll. Diese Grenzen sind durch die
verschiedenen Quantitäten der Tauschgüter gegeben, welche für
die beiden Contrahenten Aequivalente sind (Aequivalente im
subjectiven Sinne.) (In unserem obigen Beispiele sind zum Bei-
spiele 100 Mass Getreide das Aequivalent von 40 Mass Wein
für A, 80 Mass Getreide das Aequivalent derselben Quantität
Weines für B.) Innerhalb dieser Grenzen tendirt indess die
Preisbildung gegen den Durchschnitt der beiden Aequivalente,
(im obigen Falle gegen 90 Mass Getreide, als dem Durchschnitte
zwischen 80 und 100 Mass.)


[179]Die Preisbildung im Monopolhandel.

Die Güterquantitäten, die beim ökonomischen Tausche
gegeneinander hingegeben werden, sind demnach durch die je-
weilig gegebene ökonomische Sachlage genau determinirt und,
wenn auch die menschliche Willkür hier einen gewissen Spiel-
raum hat, indem innerhalb gewisser Grenzen verschiedene Güter-
quantitäten ausgetauscht werden können, ohne dass darum die
bezüglichen Tauschoperationen ihren ökonomischen Charakter
einbüssen würden, so ist doch eben so gewiss, dass das beider-
seitige Bestreben der Contrahenten, einen möglichst grossen
Gewinn aus dem Tauschgeschäfte zu ziehen, sich in den meisten
Fällen paralysirt und somit die Preise gegen den oben er-
wähnten Durchschnitt tendiren. Treten nun individuelle, oder
sonstige in den äusseren Verhältnissen, unter welchen die beiden
wirthschaftenden Subjecte das Tauschgeschäft vornehmen, be-
gründete Momente hinzu, so können die Preise von diesem
ihrem natürlichen Mittelpunkte, innerhalb der oben dargelegten
Grenzen, abweichen, ohne dass die Tauschoperationen desshalb
den ökonomischen Charakter einbüssen würden. Es sind aber
diese Abweichungen dann auch nicht ökonomischer Natur, son-
dern in individuellen, oder in besonderen äusseren Ursachen
begründet, die keinerlei ökonomischen Charakter haben.


§. 2.
Die Preisbildung im Monopolhandel.


Wir haben in dem vorigen Abschnitte auf die Gesetz-
mässigkeit der Preisbildung und Gütervertheilung hingewiesen,
indem wir vorerst jenen einfachsten Fall unserer Betrachtung
unterzogen, in welchem ein Austausch von Gütern zwischen
zwei wirthschaftenden Subjecten, ohne die Einflussnahme der
ökonomischen Thätigkeit anderer Personen, stattfindet. Dieser
Fall, den man den isolirten Tausch nennen könnte, ist in den
Anfängen der Culturentwicklung die gewöhnlichste Form des
menschlichen Verkehrs, behält seine Bedeutung auch späterhin
in dünn bevölkerten Landstrichen bei schwach entwickelter
Cultur und ist selbst unter fortgeschrittenen wirthschaftlichen
Verhältnissen nicht völlig ausgeschlossen, denn wir können ihn
auch bei hochentwickelter Volkswirthschaft überall dort be-
12 *
[180]Die Preisbildung im Monopolhandel.
obachten, wo ein Austausch von Gütern stattfindet, welche einen
auf zwei wirthschaftende Individuen beschränkten Werth haben,
oder aber sonstige eigenthümliche Verhältnisse die beiden
Tauschenden ökonomisch isoliren.


Je höher nun aber die Cultur eines Volkes sich entwickelt,
um so seltener wird der Fall, dass die Grundlagen eines öko-
nomischen Austausches von Gütern lediglich für zwei wirth-
schaftende Subjecte vorhanden sind. A besitzt z. B. ein Pferd, das
für ihn einen Werth hat, welcher dem von 10 Metzen Getreide
gleichkommt, die neu in seine Verfügung treten würden, so
zwar, dass er für die Befriedigung seiner Bedürfnisse besser
vorsorgen würde, falls er dies Thier auch nur gegen 11 Metzen
Getreide austauschen möchte. Für den Landwirth B dagegen,
der über einen grossen Vorrath von Getreide verfügt, aber
Mangel an Pferden hat, ist ein neu in seinen Besitz tretendes
Pferd ein Aequivalent für 20 Metzen seines Getreides, so zwar,
dass er für die Befriedigung seiner Bedürfnisse bessere Vorsorge
treffen würde, wenn er für das Pferd des A selbst 19, der Land-
wirth B2 auch dann, wenn er dafür z. B. 29, und der Landwirth B3
selbst dann, wenn er dafür 39 Metzen Getreide im Austausche
hingeben möchte. In diesem Falle sind, nach dem, was wir oben
sagten, rücksichtlich der in Rede stehenden Güter die Grund-
lagen des ökonomischen Tausches offenbar nicht nur für A und
einen einzelnen der obigen Landwirthe vorhanden, sondern A
kann sein Pferd jedem derselben im ökonomischen Austausche
hingeben und jeder dieser letzteren dasselbe im ökonomischen
Austausche übernehmen.


Anschaulicher noch wird das Gesagte, wenn wir den Fall
in Betracht ziehen, dass nicht nur für A, sondern auch noch
für mehrere andere Pferdebesitzer A2, A3 u. s. f. die Grundlagen
für ökonomische Tauschoperationen mit den obigen Landwirthen
bestehen würden. Setzen wir z. B. den Fall, dass für A2 schon 8,
für A3 gar schon 6 neu in ihre Verfügung tretende Metzen Ge-
treide einen ebenso grossen Werth haben würden, wie eines
ihrer Pferde, so besteht kein Zweifel darüber, dass hier sogar
die Grundlagen ökonomischer Tausche zwischen jedem einzelnen
der obigen Viehzüchter und jedem einzelnen der obigen Land-
wirthe vorhanden wären.


[181]Die Preisbildung im Monopolhandel.

In diesen beiden Fällen, also sowohl in dem ersten, wo
die Grundlagen ökonomischer Tauschoperationen zwischen einem
Monopolisten im weitesten Sinne dieses Wortes und jedem einzelnen
von mehreren andern wirthschaftenden Subjecten bestehen und
diese letzteren in ihrem Bestreben, diese Verhältnisse auszu-
beuten, um den Erwerb der Monopolgüter mit einander in Con-
currenz treten, als auch in dem zweiten Falle, wo auf der einen
Seite für jeden einzelnen von mehreren Besitzern irgend eines
bestimmten Gutes, und auf der anderen Seite für jeden einzelnen
von mehreren Besitzern irgend eines anderen Gutes, gleichzeitig
die Grundlagen zu ökonomischen Tauschoperationen vorhanden
sind und diese Personen demnach beiderseitig mit einander con-
curriren, in beiden Fällen haben wir es mit viel complicirteren
Verhältnissen zu thun, als dasjenige es war, welches wir im
ersten Abschnitte dieses Capitels zur Darstellung gebracht
haben.


Wir werden aber mit dem einfacheren der beiden Fälle,
der Mitbewerbung mehrerer wirthschaftenden Personen um Mo-
nopolgüter beginnen und hierauf zu dem verwickelteren Falle,
der Preisbildung bei der Mitbewerbung auf beiden Seiten,
übergehen.


a) Preisbildung und Gütervertheilung bei der Concurrenz mehrerer Personen
um ein einzelnes untheilbares Monopolgut.


Wir haben bei Darlegung der Grundsätze der Preisbildung
beim isolirten Tausche (S. 175 ff.) gesehen, dass, je nach den
vorliegenden Grundlagen desselben, ein bald grösserer bald
geringerer Spielraum vorhanden ist, innerhalb welches in
jedem einzelnen Falle die Preisbildung erfolgen kann, ohne dass
dadurch der Tausch seinen ökonomischen Charakter einbüssen
würde. Zwar haben wir bemerkt, dass die Preisbildung die
Tendenz hat, den ökonomischen Nutzen, welcher sich aus der
Ausbeutung des vorliegenden Verhältnisses erzielen lässt, nach
beiden Seiten hin gleich zu vertheilen, und dass sich dem-
nach in jedem gegebenen Falle ein gewisser Durchschnitt ergibt,
nach welchem die Preise hinstreben, indess haben wir hiebei
betont, dass keinerlei ökonomische Einwirkungen den Punkt
fixiren, auf welchem innerhalb des oben bezeichneten Spielraumes
[182]Die Preisbildung im Monopolhandel.
die Preisbildung nothwendigerweise erfolgen müsste. Wenn dem ‒
nach z. B. in einem gegebenen Falle für ein wirthschaftendes Indivi-
duum A ein Pferd, dass sich in seiner Verfügung befindet, keinen
grössern Werth hat, als 10 Metzen Getreide, die neu in seine
Verfügung treten würden, während für B, der eine reiche Ge-
treideernte hatte, erst 80 Metzen Getreide einen gleichen Werth
haben, wie ein in seinen Güterbesitz tretendes Pferd, so ist
zunächst klar, dass, wofern A und B dies Verhältniss erkennen
und auch die Macht haben, den Austausch der bezüglichen Güter
thatsächlich zu bewerkstelligen, die Grundlagen eines ökonomischen
Tausches des Pferdes des A gegen Getreide des B vorhanden
sind. Es ist aber auch eben so sicher, dass sich der Preis des
Pferdes zwischen den weiten Grenzen von 10 und 80 Metzen
Getreide wird bilden können, ohne dass dadurch, dass der Preis
sich mehr dem einen, oder dem anderen Extreme nähern würde,
der ökonomische Charakter des Tausches verloren gehen möchte.
Allerdings mag es höchst unwahrscheinlich sein, dass in dem
obigen Falle sich der Preis jenes Pferdes etwa auf 11, oder 12,
oder aber wiederum auf 78 oder 79 Metzen Getreide stellen
wird, sicher ist jedoch, dass keinerlei ökonomische Ursachen
vorhanden sind, die selbst eine solche Preisbildung völlig aus-
schliessen würden. Zugleich ist aber auch klar, dass insolange
B in seinem Bestreben, das Pferd des A einzutauschen, keinen
Concurrenten findet, das Tauschgeschäft naturgemäss nur zwischen
A und B stattfinden kann.


Setzen wir nun aber den Fall, B1 erhalte einen Concurrenten
B2, der, ohne einen so grossen Ueberfluss an Getreide zu be-
sitzen, wie B1, oder aber einen so dringenden Bedarf an einem
Pferde zu haben, wie dieser letztere, ein Pferd doch immer noch
so hoch, wie 30 Metzen Getreide, schätzen würde, so zwar, dass
er für die Befriedigung seiner Bedürfnisse schon besser vor-
sorgen möchte, wofern er selbst 29 Metzen Getreide für A’s
Pferd hingeben würde, so ist klar, dass sowohl zwischen B1 und
A, als auch zwischen B2 und A die Grundlagen für einen ökono-
mischen Austausch rücksichtlich des Pferdes und einer Quantität
Getreide vorhanden sind. Da nun aber doch nur einer von den
beiden Concurrenten um A’s Pferd dasselbe thatsächlich erstehen
kann, so treten an uns zwei Fragen heran:


[183]Die Preisbildung im Monopolhandel.

a) Mit welchem der beiden Concurrenten wird der Mono-
polist A das Tauschgeschäft abschliessen? und


b) innerhalb welcher Grenzen wird die Preisbildung in
diesem Falle erfolgen?


Die Beantwortung der ersten Frage ergiebt sich aus der
nachfolgenden Betrachtung. Für B2 hat das Pferd des A einen
Werth, der 30 Metzen seines Getreides gleichkommt. Er würde
demnach selbst dann noch für die Befriedigung seiner Bedürf-
nisse besser vorsorgen, wenn er auch 29 Metzen seines Getreides
dem A für sein Pferd hingeben würde. Nun ist damit keines-
wegs gesagt, das B2 dem A sofort 29 Metzen für sein Pferd
bieten wird, so viel ist aber sicher, dass er, um der Con-
currenz des B1 nach Möglichkeit zu begegnen, selbst zu diesem
Anbote sich entschliessen wird, da er höchst unökonomisch
handeln würde, wofern er im äussersten Falle sich nicht selbst
mit einem so geringen Tauschnutzen begnügen würde, als bei
einem Austausche von 29 Metzen Getreide gegen A’s Pferd sich
für ihn ergeben möchte. B1 würde dagegen offenbar unökono-
misch handeln, wenn er bei dem Wettbewerb um das Pferd
des A zuliesse, dass B2 dasselbe selbst um den Preis von
29 Metzen Getreide erstehen würde, denn sein ökonomischer
Nutzen ist ja immer noch ein beträchtlicher, selbst dann, wenn
er 30 Metzen Getreide und mehr für jenes Pferd hingiebt, das ist
B2 von jenem Tauschgeschäfte ökonomisch ausschliesst*).


Der Umstand also, dass das Tauschgeschäft noch inner-
halb eines Spielraumes der Preisbildung, wo dasselbe für B2
bereits unökonomisch wäre, für B1 noch immer seinen ökono-
mischen Charakter beibehält, ermöglicht es diesem letzteren,
[184]Die Preisbildung im Monopolhandel.
sich des aus dem Tausche resultirenden Nutzens zu bemächtigen,
indem er das Geschäft zugleich für seinen Concurrenten ökono-
misch unmöglich macht.


Da nun aber A jedenfalls unökonomisch handeln würde,
falls er sein Monopolgut nicht demjenigen Concurrenten über-
lassen würde, welcher ihm dafür den grössten Preis zu bieten
vermag, so ist nichts sicherer, als dass bei der oben gegebenen
ökonomischen Sachlage das Tauschgeschäft zwischen A und B1
statthaben wird.


Was nun aber die zweite Frage, jene nach den Grenzen
betrifft, innerhalb welcher die Preisbildung in diesem Falle er-
folgen wird, so steht zunächst fest, dass der Preis, den B1 dem A
gewähren wird, 80 Metzen Getreide nicht erreichen darf, indem
sonst das Tauschgeschäft für B1 den ökonomischen Charakter
einbüssen würde. Es wird der Preis aber jedenfalls auch nicht
unter 30 Metzen Getreide sinken können, denn sonst würde die
Preisbildung innerhalb jener Grenzen fallen, wo das Tausch-
geschäft auch für B2 noch vortheilhaft wäre und dieser demnach
ein ökonomisches Interesse hätte, so lange mitzubieten, bis der
Preis jene Grenze wieder erreichen würde. Es wird sich dem-
nach der Preis in unserem Falle nothwendigerweise innerhalb
der Grenzen von 30 und 80 Metzen Getreide bilden müssen *).


Die Concurrenz des B2 bewirkt demnach, dass die Preis-
bildung beim Gütertausche zwischen A und B nicht mehr, wie
dies sonst der Fall gewesen wäre, innerhalb der weiten Grenzen
[185]Die Preisbildung im Monopolhandel.
von 10 und 80, sondern in den engeren Grenzen von 30 und
80 Metzen Getreide erfolgen wird, denn nur bei einer innerhalb
dieser Grenzen erfolgenden Preisbildung erwächst den beiden
Tauschenden ein ökonomischer Nutzen aus dem Tauschgeschäfte,
während doch zugleich die Concurrenz des B2 ökonomisch aus-
geschlossen ist. Damit ist aber dann das einfache Verhältniss
des isolirten Tausches wieder hergestellt, mit dem einzigen
Unterschiede, dass die Grenzen der Preisbildung engere ge-
worden sind, und finden die oben hinsichtlich des isolirten
Tausches dargelegten Grundsätze (S. 178) im Uebrigen denn
auch hier ihre volle Anwendung.


Setzen wir nun weiter den Fall, dass zu den beiden bis-
herigen Concurrenten um das Pferd des A, nämlich zu B1 und
B2, noch ein dritter Concurrent B3 hinzutreten würde, für
welchen jenes Pferd einen Werth von 50 Metzen Getreide hätte,
so ist nach dem, was wir soeben sagten, klar, dass das Tausch-
geschäft zwar gleichfalls zwischen A und B1 stattfinden, die
Preisbildung hiebei indess innerhalb der Grenzen von 50 und
80 Metzen, bei einem vierten Concurrenten, B4, für welchen das
Pferd des A einen Werth von 70 Metzen Getreide hätte, das
Tauschgeschäft nicht minder zwischen A und B1 stattfände, aber
die Preisbildung innerhalb der Grenzen von 70 und 80 Metzen
erfolgen müsste.


Erst wenn ein Concurrent, z. B. das wirthschaftende Sub-
ject B5, auftreten würde, für welchen das in Rede stehende
Monopolgut gar einen Werth von 90 Metzen Getreide hätte,
würde das Tauschgeschäft zwischen A und diesem letzteren
stattfinden, der Preis des Pferdes sich hiebei aber zwischen 80
und 90 Metzen Getreide fixiren. Es ist nämlich klar, dass der
in Rede stehende Concurrent die vorhandene Tauschgelegenheit
zu seinem ökonomischen Nutzen auszubeuten, und doch sämmt-
liche übrige Concurrenten (einschliesslich B1) von demselben
ökonomisch auszuschliessen in der Lage wäre. Die Preisbildung
zwischen 80 und 90 Metzen Getreide fände aber darin ihre Be-
gründung, dass einerseits der Concurrent B1 nur durch einen
Preis von mindestens 80 Metzen Getreide von dem Tausch-
geschäfte ökonomisch ausgeschlossen werden könnte, also der
Preis nicht unter diese Höhe sinken, andererseits aber auch
[186]Die Preisbildung im Monopolhandel.
nicht 90 Metzen Getreide erreichen, oder gar übersteigen dürfte,
indem sonst das Tauschgeschäft für B5 den ökonomischen Cha-
rakter einbüssen möchte.


Fassen wir das Gesagte, das ebensowohl für jeden andern
Fall gilt, in welchem zwischen einem Monopolisten, rücksichtlich
eines untheilbaren Gutes, und mehreren anderen wirthschaftenden
Subjecten, rücksichtlich eines andern Gutes, die Grundlagen zu
ökonomischen Tauschoperationen vorliegen, zusammen, so er-
halten wir die nachfolgenden Grundsätze:


1. Ein untheilbares Monopolgut fällt bei der Concurrenz
mehrerer wirthschaftender Subjecte, für welche die Grundlagen
des ökonomischen Tausches rücksichtlich des in Rede stehenden
Monopolgutes vorhanden sind, demjenigen Concurrenten zu, für
welchen dasselbe das Aequivalent der grössten Quantität des
dagegen im Austausche zu bietenden Gutes ist.


2. Die Preisbildung erfolgt in diesem Falle innerhalb der
Grenzen, welche durch die Aequivalente des in Rede stehenden
Monopolgutes für die beiden tauschlustigsten, beziehungsweise
tauschkräftigsten Concurrenten gegeben sind.


3. Die Fixirung des Preises innerhalb der obigen Grenzen
der Preisbildung erfolgt aber nach den beim isolirten Tausche
dargelegten Grundsätzen.


b) Preisbildung und Gütervertheilung bei der Concurrenz um Quantitäten
eines Monopols.


Wir haben in dem Vorangehenden jenen einfachsten Fall
des Monopolhandels zum Gegenstande unserer Untersuchung
gemacht, in welchem ein Monopolist ein einzelnes, untheil-
bares
Gut zu Markte bringt und die Preisbildung unter dem
Einflusse der Concurrenz mehrerer wirthschaftenden Subjecte
um dasselbe erfolgt.


Der complicirtere Fall, den wir nunmehr zu behandeln ge-
denken, ist derjenige, in welchem zwischen einem Monopolisten,
welcher über Quantitäten eines Monopolgutes verfügt, einer-
seits, und mehreren wirthschaftenden Subjecten, welche über
Quantitäten eines andern Gutes verfügen, andererseits, gleich-
zeitig die Grundlagen zu ökonomischen Tauschoperationen be-
stehen.


[187]Die Preisbildung im Monopolhandel.

Setzen wir den Fall, dass für den Landwirth B1, der über
eine grosse Quantität Getreide, aber über keine Pferde verfügt,
ein in seinen Besitz tretendes Pferd einen so hohen Werth
hätte, wie 80 Metzen seines Getreides, für einen zweiten
Landwirth B2 ein in seinen Besitz tretendes Pferd 70, für
B3 60, für B4 50, für B5 40, für B6 30, für B7 20, für B8
gar nur 10 Metzen Getreide werth wäre, ein zweites Pferd aber
für jeden dieser Landwirthe, so weit sie eines solchen überhaupt
bedürfen, um 10 Metzen weniger werth als das erste, ein drittes
um 10 Metzen weniger als das zweite u. s. f. jedes weitere um
10 Metzen weniger als das vorangehende, so lässt sich die eben
dargelegte ökonomische Sachlage in ihren wesentlichen Momenten
durch die nachfolgende Tabelle veranschaulichen:

Wenn nun in diesem Falle der Monopolist A nur ein
Pferd zu Markte bringt, so ist nach dem, was wir im vorigen
Abschnitte sagten, sicher, dass B1 dasselbe erstehen wird, und
zwar zu einem Preise, der sich zwischen 70 und 80 Metzen Ge-
treide fixiren muss.


Setzen wir nun aber den Fall, der Monopolist A bringe
nicht nur ein einzelnes Pferd, sondern 3 Pferde zu Markte, so
sind wir bei jenem Falle angelangt, der hier den Gegenstand
unserer speciellen Untersuchung bildet, und es fragt sich nun:
Welcher von den obigen acht Landleuten, beziehungsweise welche
von diesen letzteren werden die vom Monopolisten zur Ver-
äusserung gebrachten Pferde erstehen, und welche Preise werden
hiebei zur Erscheinung gelangen?


Fassen wir zu diesem Zwecke die obige Tabelle in’s Auge,
so ist zunächst ersichtlich, dass ein erstes, in den Besitz des
B1 tretendes Pferd für denselben einen Werth von 80, ein
[188]Die Preisbildung im Monopolhandel.
zweites nur noch einen solchen von 70, ein drittes von
60 Metzen Getreide haben würde. Bei dieser Sachlage könnte
B1 zwar ein Pferd in ökonomischer Weise zu einem Preise
von 70—80 Metzen Getreide erstehen und dadurch seine sämmt-
lichen Concurrenten vom Tausche ökonomisch ausschliessen, in
Rücksicht auf das zweite Pferd würde er indess bereits un-
ökonomisch handeln, falls er dafür 70 Metzen Getreide, oder
mehr bieten würde, da durch einen solchen Tausch für die Be-
friedigung seiner Bedürfnisse nicht besser vorgesorgt wäre, als
vorher. Beim dritten Pferde wäre aber, bei einem Preise,
welcher B2 noch vom Tausche ausschliessen sollte, also jeden-
falls zum mindesten 70 Metzen Getreide betragen müsste, der
ökonomische Nachtheil für B1, und somit der nicht ökonomische
Charakter des bezüglichen Tauschgeschäftes, noch viel ein-
leuchtender.


Die ökonomische Sachlage ist demnach in dem obigen Falle
eine solche, dass B1, rücksichtlich aller drei zu Markte ge-
brachten Pferde, seine sämmtlichen Mitconcurrenten um dieselben
einerseits nur dann ausschliessen kann, wenn er für jedes der-
selben einen Preis von 70 Metzen Getreide, oder mehr bewilligen
würde, andererseits aber bei diesem Preise nur ein Pferd in
ökonomischer Weise erstehen, den Eintausch der beiden anderen
Pferde zu dem obigen Preise jedoch nicht ohne seinen ökono-
mischen Nachtheil bewirken könnte.


Da wir uns nun aber unter B1 ein ökonomisch handelndes
Subject denken, also B1 seine Concurrenten nicht zwecklos,
oder gar zum eigenen Schaden, sondern lediglich in der Absicht
und in so weit von dem Erwerbe von Quantitäten des Monopol-
gutes ausschliesst, als er sich hiedurch selbst eines ökonomischen
Vortheiles bemächtigen kann, der ihm entgehen würde, falls er
die übrigen Concurrenten zum Austausche von Quantitäten des
Monopolgutes zulassen würde, so besteht auch kein Zweifel dar-
über, dass derselbe in unserem Falle, wo ein Ausschluss sämmt-
licher Concurrenten um das Monopolgut nach der ökonomischen
Sachlage für ihn ökonomisch unmöglich ist, zunächst den Con-
currenten B2 an dem Eintausche von Quantitäten des Monopol-
gutes participiren zu lassen sich genöthigt sehen und sogar das
gemeinschaftliche Interesse mit diesem Letzteren haben wird,
[189]Die Preisbildung im Monopolhandel.
dass der Preis der einzelnen Theilquantitäten des Monopolgutes,
hier eines Pferdes, sich so niedrig stelle, als unter den gegebenen
Verhältnissen nur immer möglich ist. Fern davon also, den Preis
eines Pferdes auf 70 Metzen Getreide und darüber zu treiben, wird
demnach B1 sowohl, als B2 ein Interesse daran haben, zu bewirken,
dass dieser Preis so tief unter 70 Metzen Getreide sich fixire,
als der ökonomischen Sachlage nach nur immer zulässig ist.


In diesem Bestreben werden B1 und B2 jedoch in der
Mitbewerbung der übrigen Concurrenten, also zunächst in jener
des B3 eine Grenze finden, und demnach doch zu solchen
Preisen sich verstehen müssen, bei welchen die übrigen Con-
currenten um das Monopolgut (einschliesslich des B3) vom Tausch-
geschäfte ökonomisch ausgeschlossen sein werden. Der Preis
wird in unserem Falle sich demnach zwischen 60 und 70 Metzen
Getreide bilden müssen. Zu einem innerhalb dieser Grenzen
gelegenen Preise kann sich nämlich B1 mit zwei, B2 mit einem
Pferde, und zwar in allen einzelnen Fällen in ökonomischer
Weise
versorgen, während doch gleichzeitig sämmtliche übrige
Concurrenten um das Monopolgut von dem Erwerbe von Quan-
titäten desselben ausgeschlossen sind.


Die Preisbildung innerhalb dieser Grenzen ist aber auch
die einzig mögliche. Würde nämlich dieselbe unter der Grenze
von 60 Metzen erfolgen, so würde B3 vom Tauschgeschäfte nicht
ausgeschlossen sein und demnach den aus der Ausbeutung des
vorliegenden Verhältnisses resultirenden Nutzen sich zuzueignen
bemüht sein, was B1 und B2, die zu höheren Preisen immer
noch einen beträchtlichen ökonomischen Nutzen sich zuzuwenden
in der Lage sind, als wirthschaftende Subjecte nicht zulassen
können; würde der Preis die Grenze von 70 Metzen Getreide
erreichen, oder gar übersteigen, so würde B2 sich gar kein, B1
aber nur ein Pferd in ökonomischer Weise austauschen können
und demnach nur eines der drei zur Veräusserung gebrachten
Pferde thatsächlich zur Veräusserung gelangen können. Die
Preisbildung ausserhalb der Grenzen von 60 und 70 Metzen
Getreide ist demnach in unserem Falle ökonomisch aus-
geschlossen.


Würde nun A anstatt 3 Pferden 6 Pferde zu Markte brin-
gen, so könnten wir in ähnlicher Weise darthun, dass B1 3, B2
[190]Die Preisbildung im Monopolhandel.
2 Pferde, B3 aber 1 Pferd erstehen, der Preis für ein solches aber
zwischen 50 und 60 Metzen Getreide sich bilden müsste; würde
aber A 10 Pferde zu Markte bringen, so würde B1 4 Pferde,
B2 3 Pferde, B3 2 Pferde, B4 endlich 1 Pferd erstehen, der
Preis sich aber zwischen 40 und 50 Metzen Getreide fixiren, und
es ist kein Zweifel, dass, wofern der Monopolist A noch grössere
Quantitäten des Monopolgutes zur Veräusserung brächte, einer-
seits eine immer geringere Anzahl der obigen Landwirthe von
dem Eintausche von Quantitäten des Monopolgutes ökonomisch
ausgeschlossen wäre, andererseits aber auch der Preis einer be-
stimmten Quantität dieses letzteren immer mehr und mehr herab-
gedrückt werden würde.


Denken wir uns unter B1 und B2 u. s. f. nicht einzelne
Individuen, sondern Repräsentanten von Gruppen der Bevöl-
kerung eines Landes, so zwar, dass wir unter B1 jene Gruppe
von wirthschaftenden Individuen verstehen, welche rücksicht-
lich der beiden oben in Rede stehenden Güter (des Monopol-
gutes und des Getreides) die tauschkräftigsten und tausch-
lustigsten, B2 jene Gruppe von wirthschaftenden Individuen,
welche in dieser Rücksicht den erstern folgen u. s. f., so steht
vor uns das Bild des Monopolhandels, wie uns derselbe unter
den gewöhnlichen Lebensverhältnissen thatsächlich vor die
Augen tritt.


Wir sehen Bevölkerungsschichten von sehr verschiedener
Tauschkraft um die zu Markte gelangenden Quantitäten der
Monopolgüter concurriren, sehen dieselben sich, gleich wie diess
oben an einzelnen Individuen gezeigt wurde, ökonomisch von
dem Eintausche dieser Quantitäten ausschliessen, die Be-
völkerungsschichten, welche den Genuss von Monopolgütern
entbehren müssen, desto zahlreicher werden, je geringer die zu
Markte gebrachte Quantität des Monopolgutes, und umgekehrt
die Monopolgüter in um so minder tauschkräftige Bevölkerungs-
schichten eindringen, je grösser diese Quantität ist, und parallel-
laufend mit den obigen Erscheinungen die Preise der Monopol-
güter steigen und fallen.


Fassen wir das Gesagte zusammen, so ergeben sich die
nachfolgenden Grundsätze:


1. Die von einem Monopolisten zur Veräusserung gebrachte
[191]Die Preisbildung im Monopolhandel.
Quantität des Monopolgutes gelangt in die Hände derjenigen
Concurrenten um dasselbe, für welche die Masseinheiten des
Monopolgutes Aequivalente der grössten Quantität des dagegen
im Austausche zu bietenden Gutes sind, und vertheilt sich unter
dieselben in der Weise, dass für jeden Erwerber von Theil-
quantitäten des Monopolgutes eine Masseinheit desselben das
Aequivalent einer gleichen Quantität des Gegengutes wird (z. B.
1 Pferd gleich 50 Metzen Getreide).


2. Die Preisbildung erfolgt innerhalb der Grenzen, welche
durch die Aequivalente einer Masseinheit des Monopolgutes
für den am mindest tauschkräftigen und tauschlustigen Con-
currenten, welcher noch zum Austausche gelangt, und für den
tauschkräftigsten und tauschlustigsten unter jenen Concurrenten,
welche vom Austausche ökonomisch ausgeschlossen sind, be-
zeichnet werden.


3. Je grösser die von dem Monopolisten zur Veräusserung
gebrachte Quantität des Monopolgutes ist, um so weniger Con-
currenten um das Monopolgut werden von der Erwerbung von
Theilquantitäten desselben ökonomisch ausgeschlossen, um so
vollständiger wird aber auch die Versorgung jener wirthschaften-
den Subjecte, welche auch bei geringeren, zur Veräusserung ge-
brachten Quantitäten des Monopolgutes Theilquantitäten des-
selben auszutauschen in der Lage gewesen wären.


4. Je grösser die von dem Monopolisten zur Veräusserung
gebrachte Quantität des Monopolgutes ist, in um so weniger
tauschkräftige, beziehungsweise tauschlustige Schichten der Con-
currenten um dieselbe muss er herabsteigen, um die ganze
Quantität abzusetzen, um so niedriger stellen sich demnach auch
die Preise der Masseinheiten des Monopolgutes.


c) Einfluss der von dem Monopolisten fixirten Preise auf die in den Verkehr
tretenden Quantitäten des Monopolgutes und auf die Vertheilung derselben
unter die Concurrenten.


Der Regel nach pflegt der Monopolist nicht bestimmte
Quantitäten des Monopolgutes mit der Absicht zu Markte zu
bringen, dieselben unter allen Umständen zu veräussern und,
gleichwie bei einer Auction, den Erfolg der Mitbewerbung rück-
sichtlich der Preisbildung abzuwarten. Der gewöhnliche Weg ist
[192]Die Preisbildung im Monopolhandel.
vielmehr der, dass er eine Quantität seines Monopolgutes zu
Markte bringt, oder zur Veräusserung bereit hält, aber für die
einzelnen Masseinheiten derselben selbst bestimmte Preisforde-
rungen stellt. Der Grund hievon ist der Regel nach wohl in
practischen Rücksichten zu suchen, zumal in dem Umstande,
dass die oben dargestellte Methode der Veräusserung von Gütern,
sollen anders die Preise unter Einflussnahme aller hier wirk-
samen ökonomischen Factoren erfolgen, den gleichzeitigen Zu-
sammentritt einer möglichst grossen Anzahl von Concurrenten
um das Monopolgut und zugleich die Beobachtung mannig-
facher Förmlichkeiten erfordert, welche die Anwendung derselben
nur in einzelnen, nicht allzu häufigen Fällen als zweckmässig er-
scheinen lässt.


Der Monopolist wird demnach in jenen Fällen, in welchen
er auf einen Zusammentritt der sämmtlichen, oder doch einer
ausreichenden Anzahl von Concurrenten rechnen kann und die be-
rührten Förmlichkeiten ohne unverhältnissmässige ökonomische
Opfer erfüllt werden können, wie dies z. B. bei längere Zeit vorher
angekündigten Auctionen in dem Hauptemporium eines Monopol-
artikels der Fall ist, allerdings den oben dargelegten Weg als
den sichersten einschlagen, um die gesammte ihm verfügbare
Menge des Monopolgutes in ökonomischester Weise an den Mann
zu bringen, und auch sonst überall dort, wo es ihm um einen
vollständigen Ausverkauf grösserer Quantitäten des Monopolgutes
innerhalb einer bestimmten Zeitfrist zu thun ist, zur Auction
schreiten. Der gewöhnliche Weg, auf welchem der Monopolist
seine Waare in den Verkehr bringt, wird indess, wie gesagt, der
sein, dass er die ihm verfügbaren Quantitäten des Monopolgutes
zwar zur Veräusserung bereit halten, aber Theilquantitäten
derselben gegen einen von ihm bestimmten Preis den Concur-
renten um dieselben anbieten wird.


Unter solchen Umständen, das ist überall dort, wo ein
Monopolist den Preis der Masseinheit des Monopolgutes fixirt
und den Concurrenten um dasselbe freistellt, ihren Bedarf an
diesem Gute zu diesem Preise zu decken, also die Frage der
Preisbildung der Hauptsache nach von vornherein gelöst ist,
haben wir zu untersuchen:


Erstens, welche Concurrenten bei der jeweiligen Höhe
[193]Die Preisbildung im Monopolhandel.
des Preises einer Masseinheit des Monopolgutes von der Er-
werbung von Quantitäten desselben ökonomisch ausgeschlossen
sind;


zweitens, welchen Einfluss der höhere, oder niedere, vom
Monopolisten fixirte Preis auf die zur Veräusserung gelangenden
Quantitäten des Monopolgutes hat, und


drittens, in welcher Weise die thatsächlich abgesetzte
Quantität des Monopolgutes sich unter die einzelnen Concur-
renten um dasselbe vertheilt?


Hier ist nun zunächst sicher, dass, wofern der Monopolist
den Preis einer Masseinheit des Monopolgutes so hoch fixiren
würde, dass eine solche selbst für den tauschkräftigsten und
tauschlustigsten der vorhandenen Concurrenten um das Monopol-
gut nicht einen höhern Werth hätte, als der von dem Mono-
polisten beanspruchte Preis, sämmtliche Concurrenten um das
Monopolgut von der Erwerbung irgend welcher Theilquantitäten
desselben ausgeschlossen sein würden und ein Absatz des Monopol-
gutes demnach überhaupt nicht stattfinden könnte. Dies würde
bei der durch das mehrerwähnte Schema (S. 187) dargestellten
Sachlage dann eintreten, wenn der Monopolist A den Preis
eines Pferdes z. B. auf 100, oder selbst auch nur auf volle
80 Metzen Getreide fixiren würde, denn es ist klar, dass bei
einem solchen Preise die Möglichkeit eines ökonomischen Tau-
sches für keinen der in unserem Falle in Betracht kommenden
acht Concurrenten um das Monopolgut vorhanden wäre.


Setzen wir nun aber den Fall, der obige Monopolist fixire
den Preis eines Pferdes nicht so hoch, dass sämmtliche Con-
currenten um das Monopolgut vom Austausche von Quantitäten
desselben ökonomisch ausgeschlossen sein würden, so werden
dieselben in ihrem Bestreben, ihre ökonomische Lage zu ver-
bessern, die sich ihnen darbietende Gelegenheit ohne Zweifel
ergreifen und innerhalb der im vorigen Capitel dargelegten
Grenzen auch thatsächlich Tauschoperationen mit dem Mono-
polisten eingehen. Es ist aber klar, dass der Umfang derselben
durch die Höhe der Preise wesentlich mitbestimmt werden wird.
Setzen wir z. B. den Fall, dass A den Preis eines Pferdes auf
75 Metzen Getreide fixiren würde, so ist ersichtlich, dass B1
bereits in der Lage wäre, ein solches in ökonomischer Weise
Menger, Volkswirthschaftslehre. 13
[194]Die Preisbildung im Monopolhandel.
einzutauschen, bei einem Preise von 62 Metzen Getreide B1
zwei Pferde, B2 aber ein Pferd; bei einem Preise von 54 Metzen
Getreide: B1 drei, B2 zwei Pferde und B3 ein Pferd; bei einem
Preise von 36 Metzen Getreide B1 fünf, B2 vier, B3 drei, B4 zwei
Pferde, B5 ein Pferd erstehen wird u. s. f.


Die obige Darlegung, bei welcher wir uns unter B1, B2,
B3 und so fort, eben so wohl auch Concurrentengruppen von
verschiedener Tauschkraft und Tauschlust vorstellen können,
versinnbildlicht uns den Einfluss, welchen die von einem Mono-
polisten fixirten Preise, je nach der Verschiedenheit ihrer Höhe,
auf die Volkswirthschaft äussern, auf das deutlichste. Je höher
diese Preise, um so zahlreicher die Individuen, beziehungsweise
die Schichten der Bevölkerung, welche von dem Genusse des
Monopolgutes vollständig ausgeschlossen sind, um so kärglicher
die Versorgung der übrigen Schichten der Bevölkerung, um so
geringer aber auch die Quantitäten des Monopolgutes, welche
der Monopolist umsetzt, während bei Ermässigung der Preise
immer weniger wirthschaftende Subjecte (beziehungsweise Be-
völkerungsschichten) von dem Erwerbe von Quantitäten des Mo-
nopolgutes vollständig ausgeschlossen werden, die Versorgung
der zum Eintausch gelangenden zugleich immer vollständiger
wird und der Absatz des Monopolisten fortschreitend wächst.
Die genauere Präcisirung findet das oben Gesagte in den nach-
folgenden Grundsätzen.


1. Durch den vom Monopolisten fixirten Preis einer Mass-
einheit des Monopolgutes werden alle jene Concurrenten um
das Monopolgut von der Erwerbung von Quantitäten dieses
letzteren vollständig ausgeschlossen, für welche eine Mass-
einheit des Monopolgutes das Aequivalent einer gleichen, oder
geringeren Quantität des im Austausche dagegen zu bietenden
Gutes ist, als der Preis beträgt.


2. Die Concurrenten um Quantitäten des Monopolgutes, für
welche eine Masseinheit desselben das Aequivalent einer
grösseren Quantität des dagegen zu bietenden Gutes ist, als der
vom Monopolisten fixirte Preis beträgt, versorgen sich bis zu
jener Grenze mit Quantitäten des Monopolgutes, wo eine Mass-
einheit desselben für sie das Aequivalent der durch den Mo-
nopolpreis ausgedrückten Quantität des bezüglichen Gutes wird
[195]Die Preisbildung im Monopolhandel.
und findet die in die Hände jedes einzelnen dieser Concurrenten
übergehende Quantität des Monopolgutes ihr Mass in jener
Quantität, rücksichtlich welcher für das betreffende Subject bei
den vom Monopolisten fixirten Preisen die Grundlagen zu
ökonomischen Tauschoperationen vorhanden sind.


3. Je höher der Preis einer Masseinheit des Monopolgutes
vom Monopolisten fixirt wird, um so zahlreichere Schichten von
Concurrenten um das Monopolgut werden von dem Erwerbe von
Quantitäten desselben ausgeschlossen, um so unvollständiger ist
die Versorgung der übrigen Schichten der Bevölkerung mit dem
Monopolgute, um so geringer der Absatz des Monopolisten,
während im umgekehrten Falle die entgegengesetzten Erschei-
nungen zu Tage treten.


d) Die Grundsätze des Monopolhandels, (Monopolisten-Politik.)


Wir haben in den beiden vorhergehenden Abschnitten dar-
gelegt, welchen Einfluss die grössere, oder geringere zur Ver-
äusserung gebrachte Quantität des Monopolgutes, beziehungs-
weise die von Seite des Monopolisten höher, oder niedriger ge-
stellten Preise, in dem ersten Falle auf die Preisbildung, im
letzteren auf die in den Verkehr tretenden Quantitäten, in beiden
Fällen aber zugleich auch auf die Vertheilung der Monopolgüter
unter die einzelnen Concurrenten um dieselben ausüben.


Hiebei haben wir gesehen, dass der Monopolist nicht rück-
sichtlich sämmtlicher hier zu Tage tretenden ökonomischen Er-
scheinungen die allein bestimmende und massgebende Persönlich-
keit ist. Nicht nur, dass das allgemeine Gesetz alles ökonomischen
Gütertausches, wornach bei jedem Tausche beiden Theilen ein
wirthschaftlicher Vortheil erwachsen muss, auch beim Monopol-
handel seine ungeschmälerte Geltung behält, ist der Monopolist
auch innerhalb dieses so begrenzten Spielraumes seiner Beein-
flussung der ökonomischen Erscheinungen durchaus nicht völlig
unbeschränkt. Der Monopolist kann, wie wir sahen, wofern er
bestimmte Quantitäten des Monopolgutes zur Veräusserung
bringen will, nicht zugleich die Preise willkürlich fixiren; der
Monopolist kann ferner, wofern er die Preise fixirt, nicht zugleich
die Quantitäten bestimmen, welche bei diesen Preisen zur Ver-
äusserung gelangen werden. Er kann demnach z. B. nicht grosse
13 *
[196]Die Preisbildung im Monopolhandel.
Quantitäten des Monopolgutes absetzen und zugleich bewirken,
dass sich die Preise so hoch bilden, als dies der Fall wäre,
wenn er geringere Quantitäten zur Veräusserung gebracht hätte,
und er kann nicht die Preise in bestimmter Höhe fixiren und
zugleich den Erfolg herbeiführen, dass er einen so grossen Ab-
satz erziele, als dies bei niedrigeren Preisen der Fall sein würde.
Was ihm aber eine exceptionelle Stellung im wirthschaftlichen
Leben gibt, das ist der Umstand, dass er in jedem gegebenen
Falle die Wahl hat, entweder die in den Verkehr gelangenden
Quantitäten des Monopolgutes, oder aber die Preise dieses
letzteren, allein und ohne Einflussnahme anderer wirthschaftenden
Subjecte, je nach dem dies die Rücksichtsnahme auf seinen öko-
nomischen Vortheil erfordert, zu bestimmen, und es demnach in
seiner Hand hat, entweder dadurch, dass er geringere, oder
grössere Quantitäten des Monopolgutes in den Verkehr bringt, die
Preise, oder dadurch, dass er die Preise höher, oder niedriger
stellt, die in den Verkehr gelangenden Quantitäten des Monopol-
gutes, je nach seinem ökonomischen Interesse, zu regeln.


Die Preise des Monopolisten werden demnach innerhalb
der durch den ökonomischen Charakter der Tauschoperationen
gezogenen Grenzen emporschnellen, wenn er sich davon, dass
er geringe Quantitäten des Monopolgutes bei hohen Preisen
zur Veräusserung bringt, einen grösseren ökonomischen Nutzen
verspricht, und er wird mit seinen Preisen herabgehen, falls es
ihm vortheilhafter erscheint, grössere Quantitäten des Monopol-
gutes zu geringeren Preisen in den Verkehr zu bringen. Er wird
im Anfange die Preise möglichst hoch stellen und solcherart
nur geringe Quantitäten des Monopolgutes in den Verkehr
bringen, und später die Preise nur allmählig bei wachsendem
Absatze ermässigen, um solcherart alle Schichten der Gesell-
schaft nach und nach auszubeuten, falls er sich auf diese Weise
den höchsten ökonomischen Nutzen zuwenden kann. Er wird
umgekehrt sofort grosse Quantitäten des Monopolgutes bei nie-
drigen Preisen in den Verkehr bringen, wenn sein ökonomischer
Vortheil ihm dies gebietet. Ja, er wird unter Umständen Ver-
anlassung finden, einen Theil der ihm verfügbaren Quantität des
Monopolgutes, anstatt denselben in den Verkehr zu bringen,
der Vernichtung preiszugeben, oder, was mit Rücksicht auf
[197]Die Preisbildung im Monopolhandel.
den Erfolg dasselbe ist, einen Theil der bezüglichen Productions-
mittel, über welche er verfügen kann, statt sie zur Production
des Monopolgutes zu verwenden, ruhen zu lassen, oder zu zer-
stören, falls er dadurch, dass er die ganze ihm unmittelbar, oder
mittelbar verfügbare Quantität des Monopolgutes in den Verkehr
brächte, zu Schichten der Bevölkerung hinabsteigen müsste, die
so wenig tauschkräftig, oder tauschlustig sind, dass er bei den
hiedurch bedingten niederen Preisen, trotz der in den Verkehr
gebrachten grösseren Quantitäten des Monopolgutes, doch einen
geringeren Erlös erzielen würde, als dadurch, dass er einen
Theil der ihm verfügbaren Quantität des Monopolgutes vernichtet
und nur den Rest zu höheren Preisen an die tauschkräftigeren
Schichten der Bevölkerung veräussert *).


[198]Die Preisbildung im Monopolhandel.

Die Politik aller Monopolisten, wenn anders dieselben
wirthschaftende Individuen sind, die ihren Vortheil wahrnehmen,
geht naturgemäss weder dahin, möglichst niedrige Preise zu fixi-
ren, noch auch möglichst grosse Quantitäten des Monopolgutes
umzusetzen. Sie geht weder darauf hin, das Monopolgut mög-
lichst vielen wirthschaftenden Individuen, beziehungsweise Grup-
pen von solchen zugänglich zu machen, noch auch die einzelnen
Individuen möglichst vollständig mit dem Monopolgute zu ver-
sorgen. An all’ dem hat der Monopolist kein wirthschaftliches
Interesse. Seine Wirthschaftspolitik geht rücksichtlich der ihm
verfügbaren Quantitäten des Monopolgutes auf den möglichst
grossen Erlös. Er bringt demnach nicht die ganze ihm ver-
fügbare Quantität des Monopolgutes, sondern nur eine solche
zur Auction, von deren Veräusserung er sich, bei der zu erwar-
tenden Preisbildung, den grössten Erlöss verspricht. Er fixirt
die Preise nicht eben nur so hoch, um die ganze ihm verfüg-
bare Quantität des Monopolgutes umzusetzen, sondern in einer
solchen Weise, welche ihm den grössten Erlös verspricht, und seine
Wirthschaftspolitik wird offenbar dann die richtigste sein, wenn
er nur solche Quantitäten des Monopolgutes zur Veräusserung
bringt, beziehungsweise die Höhe der Preise in solcher Weise
fixirt, dass der obige Erfolg in dem einen, wie in dem anderen
Falle eintritt.


Unrichtig wäre vom monopolitischen Standpunkte jedenfalls
seine Politik, wenn, trotzdem er für geringere in den Verkehr
gelangende Quantitäten des Monopolgutes einen höheren Erlös
erzielen könnte, er doch eine grössere Quantität zur Veräusserung
brächte, noch unökonomischer, falls er, anstatt sich in der Pro-
duction des Monopolgutes auf jene Quantitäten zu beschränken,
deren Veräusserung ihm den höchsten Gewinn verspricht, mit
Aufwendung ökonomischer Güter, also mit seinerseits zu brin-
genden Opfern, diese Quantität vermehren und dadurch bewirken
möchte, dass sein Erlös nichtsdestoweniger ein geringerer würde.
Unrichtig wäre es, falls er die Preise so niedrig stellen würde,
*)
[199]Die Preisbildung im Monopolhandel.
dass er zwar grössere Quantitäten umsetzen, aber dafür einen
geringeren Erlös erzielen würde, als wofern er höhere Preise
fixirt hätte, unrichtig vor allem wäre es, wenn er die Preise
des Monopolgutes so tief stellen würde, dass er nicht sämmt-
liche Concurrenten um das Monopolgut, für welche bei diesen
Preisen die Grundlagen zu ökonomischen Täuschen vorliegen,
mit der ihm verfügbaren Quantität des Monopolgutes versorgen
könnte und einige derselben leer ausgehen würden, denn es
wäre dies ein deutlicher Beweis dafür, dass er die Preise zu
tief gestellt habe.


Bekräftigt wird das hier Gesagte durch Erfahrung und Ge-
schichte. Die Politik aller Monopolisten hat sich inner-
halb der obigen, ihrer ökonomischen Thätigkeit klar vorgezeich-
neten Grenzen bewegt. Wenn die holländisch-ostindische Com-
pagnie im siebzehnten Jahrhundert einen Theil der Gewürz-
pflanzen auf den Molukken ausrotten liess, und auch sonst häufig
grosse Mengen von Gewürzen in Ostindien und von Tabak in
Nordamerika verbrannt wurden, wenn die Zünfte durch aller-
hand Mittel die Zahl der Gewerbtreibenden möglichst zu be-
schränken suchten (lange Lehrzeit, Verbot, mehr als eine be-
stimmte Anzahl von Lehrjungen zu halten etc.), so waren dies
insgesammt, vom monopolistischen Standpunkte aus betrachtet,
richtige Massregeln, um die in den Verkehr gelangenden Quan-
titäten der bezüglichen Monopol-Waaren in einer für die
Interessen der Monopolisten, oder der Corporationen von
solchen, günstigen Weise zu regeln. Als durch die freiere
Gestaltung des Verkehrs, durch den Fabriksbetrieb und andere
hier Einfluss nehmende Umstände, den Zünften die selbstän-
dige Regulirung der in den Verkehr gelangenden Güterquanti-
täten unmöglich gemacht worden war, wurde desshalb auch die
ganze Zunftorganisation, soweit sie einen monopolistischen Cha-
rakter hatte, wirkungslos. Die monopolistischen Taxen u. dgl.
die Preisbildung direct beeinflussenden Momente mussten der
Gewalt der grösseren in den Verkehr tretenden Güterquantitäten
sofort weichen. Ursprünglich zunächst darauf berechnet, ein-
zelne das Interesse der ganzen Zunft, beziehungsweise das In-
teresse der Gesammtheit der Monopolisten verkennende Individuen,
(Preisverderber!) in die der monopolistischen Gruppe nützlichen
[200]Die Preisbildung im Monopolhandel.
Schranken zurückzuweisen, wurden dieselben, sobald die Re-
gulirung der zu Markte gebrachten Quantitäten den Zünften aus
der Hand genommen war, in sich unhaltbar. Die ihren Interessen
entsprechende Regulirung der in den Verkehr gelangenden
Quantitäten von Gewerbserzeugnissen war deshalb stets die
eifrigste Sorge aller Zunftgenossen, diejenigen, welche sie in
dieser Regulirung störten, galten ihnen stets als ihre ge-
fährlichsten Gegner, gegen welche sie unaufhörlich den Schutz
der Regierungen anriefen, und der Durchbruch dieser ihrer
regulirenden Thätigkeit durch die von der Grossindustrie in
den Verkehr geworfenen Quantitäten von Gewerbserzeugnissen
bedeutete den Untergang des Zunftwesens.


Fassen wir das in diesem Abschnitte Gesagte zusammen,
so ergibt sich, dass bei jeder Seitens des Monopolisten zur Ver-
äusserung gebrachten Quantität des Monopolgutes sich die Preis-
bildung, und bei jeder von dem Monopolisten fixirten Preishöhe
der Masseinheit des Monopolgutes die in den Verkehr gelangende
Quantität desselben, in beiden Fällen aber auch die Güterver-
theilung nach bestimmten Gesetzen regelt und die hiebei zu
Tage tretenden ökonomischen Erscheinungen demnach durchaus
keinen zufälligen, sondern einen streng gesetzmässigen Cha-
rakter haben.


Aber auch der Umstand, dass der Monopolist es in seiner
Hand hat, je nach seiner Wahl entweder die Preise, oder die
zur Veräusserung gelangenden Quantitäten des Monopolgutes zu
reguliren, schliesst, wie wir sahen, doch durchaus keine Unbe-
stimmtheit bezüglich der hieraus resultirenden ökonomischen
Erscheinungen in sich.


Der Monopolist hat es allerdings in seiner Hand, höhere,
oder niedrigere Preise zu fixiren, grössere, oder geringere Quan-
titäten des Monopolgutes zur Veräusserung zu bringen, aber nur
eine bestimmte Preisfixirung, nur eine bestimmte zu Markte
gebrachte Quantität des Monopolgutes entspricht seinen öko-
nomischen Interessen am vollständigsten. Der Monopolist geht
deshalb, wenn anders er ein wirthschaftendes Subject ist, auch
in Bezug auf die Preisforderung, beziehungsweise rücksichtlich
der zur Veräusserung gelangenden Quantitäten des Monopol-
gutes, durchaus nicht willkürlich, sondern nach bestimmten
[201]Preisbildung und Gütervertheilung bei beiderseitiger Concurrenz.
Grundsätzen vor. Jede gegebene ökonomische Sachlage fördert
eine innerhalb bestimmter Grenzen sich bewegende Preisbildung
und Gütervertheilung zu Tage, jede andere Preisbildung und
Gütervertheilung ist ökonomisch ausgeschlossen und es bieten
uns somit die Erscheinungen des Monopolhandels in jeder Be-
ziehung das Bild strenger Gesetzmässigkeit. Irrthum und mangel-
hafte Erkenntniss können wohl auch hier Abweichungen zu Tage
fördern, es sind dies indess dann pathologische Erscheinungen
der Volkswirthschaft, welche ebensowenig gegen die Gesetze der
Volkswirthschaftslehre beweisen, als die Erscheinungen am kranken
Körper gegen die Gesetze der Physiologie.


§. 3.
Preisbildung und Gütervertheilung bei beiderseitiger Concurrenz.


a) Die Entstehung der Concurrenz.


Man würde den Begriff des Monopolisten viel zu enge auf-
fassen, wollte man denselben auf jene Personen beschränken,
welche gegen die Concurrenz anderer wirthschaftender Subjecte
durch die Staatsgewalt, oder sonst in gesellschaftlicher Weise
geschützt sind. Es giebt Personen, welche durch ihren Besitz,
oder in Folge eigenthümlicher Fähigkeiten und Verhältnisse
Güter zu Markte bringen können, rücksichtlich welcher andere
wirthschaftende Personen, durch die physische, oder ökonomische
Unmöglichkeit, ein Gleiches zu thun, von der Concurrenz im An-
bote an und für sich ausgeschlossen sind. Aber auch dort, wo
solche eigenthümliche Verhältnisse nicht vorhanden sind, können
ohne jede gesellschaftliche Beschränkung Monopolisten erstehen.
Jeder Handwerksmann, der sich in einem Orte, wo Seinesgleichen
noch nicht bestehen, etablirt, jeder Kaufmann, Arzt oder Rechts-
anwalt, der sich in einem Orte niederlässt, wo bisher noch Nie-
mand sein Gewerbe, oder seine Kunst ausübt, ist in einem
gewissen Sinne Monopolist, denn die von ihm der Gesellschaft
zum Austausch angebotenen Güter können, zum mindesten in
zahlreichen Fällen, eben nur bei ihm erstanden werden. Die
Chroniken mancher blühenden Städte wissen uns nicht selten
von dem ersten Kunstweber zu erzählen, der sich, als die Ort-
schaft noch klein und schwach bevölkert war, daselbst angesiedelt,
[202]Preisbildung und Gütervertheilung bei beiderseitiger Concurrenz.
und noch jetzt kann der Reisende in Osteuropa und selbst bei
uns in kleinern Ortschaften der in Rede stehenden eigenthüm-
lichen Gattung von Monopolisten auf Schritt und Tritt begegnen,
Das Monopol, als factischer Zustand und nicht als gesellschaft-
liche Beschränkung der freien Concurrenz aufgefasst, ist dem-
nach der Regel nach das ältere, das ursprünglichere, die Con-
currenz das der Zeitfolge nach spätere und der Darsteller der
eigenthümlichen Erscheinungen des Tauschhandels unter dem
Vorherrschen der Concurrenz wird demnach mit Vortheil an
die Erscheinungen des Monopolhandels anknüpfen.


Die Art und Weise, in welcher sich die Concurrenz aus
dem Monopol entwickelt, hängt innig mit dem Fortschritte der
wirthschaftlichen Cultur zusammen. Das Anwachsen der Bevöl-
kerung, die gesteigerten Bedürfnisse der einzelnen wirthschaften-
den Individuen, ihr steigender Wohlstand, zwingen den Mono-
polisten in zahlreichen Fällen, selbst bei gesteigerter Production,
immer mehr Schichten der Bevölkerung von dem Genusse des
Monopolgutes auszuschliessen, gestatten ihm gleichzeitig, seine
Preise immer mehr und mehr emporzuschrauben und die Ge-
sellschaft wird solcherart zu einem immer günstigeren Objecte
für seine monopolistische Ausbeutungspolitik. Ein erster Hand-
werker irgend einer bestimmten Art, ein erster Arzt, ein erster
Rechtsfreund ist in jedem Orte ein willkommener Mann. Wenn
derselbe indess keiner Concurrenz begegnet, während gleich-
zeitig der Ort aufblüht, wird er fast ohne Ausnahme nach einiger
Zeit bei den minder wohlhabenden Schichten der Bevölkerung
in den Ruf eines harten und selbstsüchtigen Mannes kommen
und selbst bei den wohlhabenderen Bewohnern des Ortes für
eigennützig gelten. Dem wachsenden Bedarf der Gesellschaft
nach seinen Waaren, (beziehungsweise nach seinen Dienstleistun-
gen,) kann der Monopolist nicht immer entsprechen und, wenn
er es vermag, liegt eine entsprechende Vermehrung seines Ab-
satzes, wie wir sahen, nicht immer in seinem ökonomischen
Interesse. Er wird demnach in den meisten Fällen dazu geführt
werden, eine Auswahl zwischen seinen Kunden zu treffen und
ein Theil der Concurrenten um sein Monopolgut wird entweder
ganz leer ausgehen, oder damit doch nur widerwillig und schlecht
versorgt werden und selbst die wohlhabenderen Kunden werden
[203]Preisbildung und Gütervertheilung bei beiderseitiger Concurrenz.
oft über Vernachlässigungen aller Art und über die Kostspielig-
keit der Dienstleistungen zu klagen haben.


Die eben dargelegte wirthschaftliche Sachlage pflegt nun
zugleich auch diejenige zu sein, welche, mit dem Bedürfnisse
nach der Concurrenz, wo immer nicht gesellschaftliche, oder son-
stige Hindernisse dem entgegenstehen, die Concurrenz selbst
hervorruft und es wird unsere Aufgabe sein, die Wirkungen zu
untersuchen, welche das Auftreten derselben auf die Güterver-
theilung, den Umsatz und den Preis einer Waare, im Vergleiche
zu den analogen, beim Monopolhandel beobachteten Erschei-
nungen, ausüben.


b) Wirkung der von den Concurrenten im Anbote zur Veräusserung gebrach-
ten Quantitäten einer Waare auf die Preisbildung, und bestimmter von ihnen
fixirten Preise auf den Absatz und in beiden Fällen auf die Vertheilung der
Waare unter die Concurrenten um dieselbe *).


Nehmen wir, um der leichtern Uebersichtlichkeit willen,
den bei der Darlegung der Gesetze des Monopolhandels bei-
spielsweise angeführten Fall auch hier zur Grundlage unserer
Darstellung, so ergiebt sich das nachfolgende Schema:

in welchem B1, B2, B3 etc. einzelne Landleute, oder Gruppen
von solchen darstellen, für welche ein jedes erste in ihre Ver-
fügung tretende Pferd ein Aequivalent der daneben gestellten
Quantität von Getreide, jedes weitere Pferd das Aequivalent
einer um 10 Metzen Getreide geringern Quantität ist, und es
fragt sich nunmehr, welchen Einfluss die grössern, oder gerin-
[204]Preisbildung und Gütervertheilung bei beiderseitiger Concurrenz.
gern, von mehreren Concurrenten im Anbote zur Veräusserung
gebrachten Quantitäten einer Waare auf die Preisbildung, be-
ziehungsweise auf die Vertheilung der bezüglichen Waare unter
die Concurrenten um dieselbe haben werden.


Nehmen wir nun zunächst an, es seien zwei Concurrenten
im Anbote A1 und A2 vorhanden und dieselben brächten zu-
sammen 3 Pferde zur Veräusserung, wovon A1 2 Pferde und A2
1 Pferd; so ist nach dem, was wir oben sagten, klar, dass in die-
sem Falle der Landwirth B1 2 Pferde, der Landwirth B2 aber 1 Pferd
und zwar zu Preisen erstehen wird, welche zwischen 70 und
60 Metzen Getreide sich bilden werden, indem ein höherer Preis
durch das ökonomische Interesse der beiden Landleute B1 und
B2, ein niederer Preis durch die Concurrenz des B3 ausgeschlossen
ist. Nehmen wir den Fall, dass A1 und A2 6 Pferde zur Ver-
äusserung bringen, so ist nicht minder sicher, dass B1 hievon 3,
B2 2 und B3 1 Stück erstehen, der Preis aber sich zwischen
60 und 50 Metzen Getreide stellen wird u. s. f.*).


Vergleichen wir die hier mit Rücksicht auf bestimmte, von
mehreren Concurrenten zur Veräusserung gebrachte Quantitäten
einer Waare erfolgende Preisbildung und Gütervertheilung mit
jener, welche wir beim Monopolhandel beobachtet haben, so be-
gegnen wir einer vollständigen Analogie. Ob ein Monopolist,
oder aber mehrere Concurrenten im Anbote eine
bestimmte Quantität einer Waare zur Veräusserung
bringen, und in welcher Weise diese Quantität auch
immer unter die einzelnen Concurrenten im Anbote
vertheilt ist, die Wirkung auf die Preisbildung
,
[205]Preisbildung und Gütervertheilung bei beiderseitiger Concurrenz.
beziehungsweise auf die Gütervertheilung unter
die Concurrenten um die bezügliche Waare ist
immer die gleiche
.


Die grössere oder geringere zur Veräusserung gebrachte
Quantität eines Gutes hat demnach allerdings einen sehr be-
stimmenden Einfluss auf die Preisbildung und auf die Güter-
vertheilung beim Monopolhandel sowohl, wie bei dem Tausch-
handel unter dem Einflusse der Concurrenz, ob aber eine
bestimmte Quantität einer Waare von einem Monopolisten allein,
oder von mehreren Concurrenten im Anbote zusammengenommen
zur Veräusserung gebracht wird, hat keinen Einfluss auf die
eben erwähnten Erscheinungen des wirthschaftlichen Lebens.


Ein Gleiches können wir dort beobachten, wo Waaren zu
bestimmten Preisen angeboten werden.


Die grössere, oder geringere Höhe der Preise hat, wie wir
sahen, einen sehr wichtigen Einfluss auf den Gesammtabsatz
der betreffenden Waare sowohl, als auch auf die Quantität,
welche jeder einzelne Concurrent um dieselbe thatsächlich er-
werben wird; ob aber die Waaren (bei den so fixirten Preisen)
von einem einzelnen, oder von mehreren wirthschaftenden Sub-
jecten zu Markte gebracht werden, hat weder auf den Absatz
im Ganzen, noch auch auf die Quantitäten, welche in die Hände
der einzelnen wirthschaftenden Individuen übergehen, einen un-
mittelbaren und nothwendigen Einfluss.


Die Grundsätze, welche wir bezüglich der Einwirkung be-
stimmter, zur Veräusserung gebrachter Quantitäten einer
Monopolwaare auf die Preisbildung (S. 186) und jene, welche
wir bezüglich bestimmter Preise auf den Absatz derselben
(S. 191 ff.), in beiden Fällen aber auch auf ihre Vertheilung unter
die einzelnen Concurrenten um dieselbe, entwickelt haben, sind
demnach ihrem vollen Inhalte nach auch für alle jene Fälle an-
wendbar, wo eine Anzahl von wirthschaftenden Subjecten (Con-
currenten in der Nachfrage) um die ihnen von mehreren anderen
wirthschaftenden Subjecten (Concurrenten im Anbote) zum Aus-
tausch angebotenen Quantitäten einer Waare in Concurrenz
treten.


[206]Preisbildung und Gütervertheilung bei beiderseitiger Concurrenz.

c) Rückwirkung der Concurrenz im Anbote eines Gutes auf die zur Ver-
äusserung gelangenden Quantitäten desselben, beziehungsweise auf die Anbot-
preise (Concurrenz-Politik.)


Dass bei jeder bestimmten, zur Veräusserung gebrachten
Quantität eines Gutes sich bestimmte Preise bilden, und bei jeder
Preisfixirung ein bestimmter Absatz, in beiden Fällen aber auch eine
bestimmte Gütervertheilung zur Erscheinung gelangt, und dass in
dieser Rücksicht es gleichgiltig ist, ob die betreffenden Quan-
titäten des in Rede stehenden Gutes von einem Monopolisten,
oder mehreren Concurrenten im Anbote zu Markte gebracht
werden, haben wir soeben dargelegt.


Ob demnach z. B. 1000 Masseinheiten eines Gutes von
einem Monopolisten, oder von mehreren Concurrenten im Anbote
zur Veräusserung gebracht werden, die Preisbildung und Güter-
vertheilung werden in beiden Fällen, unter sonst gleichen Ver-
hältnissen, gleich sein; ob eine Waare von einem Monopolisten,
oder von mehreren Concurrenten zu einem bestimmten Preise,
z. B. zum Preise von drei Masseinheiten des Gegengutes für eine
Masseinheit der erstern, ausgeboten wird, der Absatz wird in
beiden Fällen ein gleich grosser, die Vertheilung der abgesetzten
Quantitäten unter die einzelnen Concurrenten um das in Rede
stehende Gut die nämliche sein.


Wenn demnach die Concurrenz im Anbote überhaupt welche
Wirkungen auf die Preisbildung, den Gesammtabsatz und die
Vertheilung eines Gutes unter die Concurrenten um dasselbe
äussern soll, so kann dies nur in der Weise erfolgen, dass unter
der Herrschaft der Concurrenz im Anbote, entweder andere
Quantitäten
des betreffenden Gutes zur Veräusserung ge-
langen, oder aber die Concurrenten im Anbote der Gesellschaft
andere Preise zu stellen sich genöthigt sehen, als dies beim
Monopolhandel der Fall ist.


Der Einfluss der Concurrenz im Anbote einer Waare
auf die zur Veräusserung gelangenden Quantitäten und die
Vertheilung derselben, beziehungsweise auf die Ausbotpreise,
ist nun der Gegenstand, der uns in dem Nachfolgenden beschäf-
tigen wird.


Fassen wir zur vollständigen Klarstellung der hier hervor-
[207]Preisbildung und Gütervertheilung bei beiderseitiger Concurrenz.
tretenden ökonomischen Erscheinungen den einfachen Fall in’s
Auge, dass die einem Monopolisten verfügbare Quantität des
Monopolgutes plötzlich in die Hände zweier Concurrenten ge-
langen würde. Ein Monopolist ist gestorben und hat seine
Monopolgüter und Productionsmittel zwei Erben zu gleichen
Theilen hinterlassen — dies wäre ein solcher Fall, wie wir ihn
eben hingestellt haben. Nun ist es nicht unmöglich, dass die
beiden Erben des Monopolisten, anstatt gegenseitig zu concur-
riren, die oben dargelegte Monopolpolitik des Erblassers ge-
meinschaftlich fortsetzen, oder aber zur gemeinsamen Aus-
beutung der Consumenten in ein gegenseitiges Einverständniss
treten und dann gemeinsam die Quantitäten der zur Veräusserung
gelangenden Güter, beziehungsweise die Preise derselben regu-
liren werden. Es ist auch nicht undenkbar, dass dieselben ohne
ausdrückliche Uebereinkunft „in dem gegenseitigen wohlverstan-
denen Interesse“ die obige monopolistische Politik, soweit
sie dieselbe in ihrem eigenen ökonomischen Interesse gelegen
finden, gegen ihre Kunden beobachten werden. In diesen
beiden Fällen, die wir in der wirthschaftlichen Entwickelung
der Menschen aller Orten beobachten können *), würden dann
allerdings dieselben Erscheinungen zu Tage treten, welche
wir oben beim Monopolhandel beobachten konnten; die
bezüglichen wirthschaftenden Subjecte wären aber dann eben
keine Concurrenten im Anbote, sondern Monopolisten, und
von diesen ist hier nicht die Rede. Setzen wir aber den Fall,
jeder der beiden Erben des Monopolisten sei entschlossen, in
selbständiger Weise den Vertrieb des bisherigen Monopolgutes
[208]Preisbildung und Gütervertheilung bei beiderseitiger Concurrenz.
fortzusetzen, so haben wir einen Fall der wirklichen Concurrenz
vor uns und es fragt sich, welche Quantitäten des bisherigen
Monopolgutes werden nunmehr im Gegensatze zu der frühern
Sachlage zur Veräusserung gelangen, beziehungsweise welche
Preise im Anbote von den beiden Concurrenten fixirt werden?


Wir haben im vorigen Abschnitte gesehen, dass es nicht
selten im ökonomischen Interesse des Monopolisten liegt, Theil-
quantitäten der ihm verfügbaren Menge des Monopolgutes nicht
in den Verkehr zu bringen, das ist, dieselben zu zerstören, oder
sonst dem Verderben preiszugeben, weil er für eine geringere
Quantität desselben am Markte nicht selten einen grösseren
Erlös erzielen kann, als wenn er die ganze ihm verfügbare
Quantität bei niedrigeren Preisen zur Veräusserung bringen
würde. Ein Monopolist verfügt über 1000 Pfund einer Monopol-
waare. Derselbe kann nach der gegebenen ökonomischen Sach-
lage 800 Pfund zum Preise von je 9 Loth Silber absetzen, wäh-
rend er die ganze ihm verfügbare Quantität der Monopolwaare
nur zu je 6 Loth Silber an den Mann bringen könnte. Es steht
demnach in seiner Hand, 6000 Loth Silber für die ganze ihm
verfügbare Quantität der Monopolwaare, oder 7200 Loth Silber
für 800 Pfund derselben zu lösen. Die Wahl, die der Monopolist,
falls er ein wirthschaftendes Subject ist, das seine Interessen
wahrnimmt, hier treffen wird, ist nicht zweifelhaft. Er wird
200 Pfund seiner Monopolwaare vernichten, dem Verderben
preisgeben, oder aber in sonstiger Weise dem Verkehre ent-
ziehen und nur die erübrigenden 800 Pfund zur Veräusserung
bringen, oder, was dasselbe ist, solche Preise stellen, bei welchen
der eben bezeichnete Erfolg eintritt.


Werden nun aber die in Rede stehenden 1000 Pfund der
bisherigen Monopolwaare zwischen zwei Concurrenten getheilt,
so wird die obige Politik für jeden einzelnen dieser letztern
sofort ökonomisch unmöglich sein. Würde nämlich der eine von
beiden einen Theil der ihm verfügbaren Quantität vernichten,
oder sonst dem Verkehre entziehen, so würde er dadurch aller-
dings eine gewisse Preissteigerung einer Masseinheit seiner Waare
hervorrufen, was er aber nicht, oder doch nur in sehr seltenen
Fällen zu bewirken vermöchte, ist die Erzielung eines höheren
Erlöses auf diesem Wege. Setzen wir den Fall, A1, der erste
[209]Preisbildung und Gütervertheilung bei beiderseitiger Concurrenz.
der beiden Concurrenten, würde von den ihm verfügbaren
500 Pfund des Monopolgutes 200 Pfund vernichten, oder sonst
dem Verkehre entziehen, so würde er hiedurch allerdings be-
wirken können, dass der Preis einer Masseinheit des in Rede
stehenden Gutes z. B. von 6 auf 9 Loth Silber steigen, nicht
aber, dass ihm ein grösserer Gesammterlös zufallen würde; der
Erfolg seiner Massregel wäre nämlich, dass A2 für seine 500 Pfund,
statt 3000 Loth Silber, 4500 Loth Silber, er selbst aber für die
ihm erübrigenden 300 Masseinheiten (statt 3000) nur 2700 Loth
Silber im Austausch erlangen, also der beabsichtigte Nutzen
lediglich seinem Concurrenten zufallen, ihm selbst aber ein
beträchtlicher Schaden erwachsen würde.


Die erste Folge des Auftretens einer jeden wahren Con-
currenz im Anbote ist demnach, dass keiner der Concurrenten
im Anbote einen ökonomischen Vortheil daraus ziehen kann,
dass er etwa einen Theil der ihm verfügbaren Quantität einer
Waare der Vernichtung preisgiebt, dem Verkehre entzieht, oder,
was dasselbe ist, die ihm zur Erzeugung derselben verfügbaren
Productionsmittel ungenützt lässt.


Auch eine zweite dem Monopol eigenthümliche Erscheinung
des wirthschaftlichen Lebens wird durch die Concurrenz be-
seitigt, wir meinen die successive Ausbeutung der verschiedenen
Gesellschaftsschichten, von der wir im vorigen Capitel gesprochen
haben. Haben wir nämlich gesehen, dass es für den Monopolisten
nicht selten vortheilhaft sein kann, im Anfange nur geringe
Quantitäten des Monopolgutes bei hohen Preisen in den Ver-
kehr zu bringen, und nur nach und nach minder tauschkräftige
Schichten der Bevölkerung zum Tausche hinzuzulassen, um so
alle Schichten der Bevölkerung allmälig auszubeuten, so ist ein
solches Vorgehen durch die Concurrenz sofort unmöglich ge-
macht. Würde nämlich A1 trotz der Concurrenz des A2 eine
solche stufenweise Ausbeutung der Gesellschaftsschichten ver-
suchen und im Anfange nur geringe Quantitäten des bezüglichen
Gutes in den Verkehr bringen, so würde er hiedurch nicht etwa
bewirken, dass die Preise bis zu jener Grenze emporschnellen
würden, wo ihm ein Nutzen erwächst, sondern nur den Erfolg
herbeiführen, dass sein Concurrent die so geschaffenen Lücken
Menger, Volkswirthschaftslehre. 14
[210]Preisbildung und Gütervertheilung bei beiderseitiger Concurrenz.
ausfüllen und den beabsichtigten ökonomischen Nutzen sich zu-
eignen würde.


Was immer demnach die Wirkungen jeder wahren Concur-
renz auf die Gütervertheilung und Preisbildung sind, so viel
steht zunächst fest, dass durch dieselbe jene zwei für die Ge-
sellschaft verderblichsten Auswüchse des Monopolhandels, von
denen wir oben sprachen, jedenfalls beseitigt werden. Weder die
Vernichtung eines Theiles der verfügbaren Quantität der Waare,
rücksichtlich welcher Concurrenz im Anbote besteht, noch auch
die Vernichtung eines Theiles der zu ihrer Hervorbringung dien-
lichen Mittel liegt im Interesse der einzelnen Concurrenten und
die allmählige Ausbeutung der verschiedenen Gesellschafts-
schichten wird unmöglich.


Aber noch eine andere viel wichtigere Folge für das wirth-
schaftliche Leben der Menschen hat das Auftreten der Concur-
renz. Ich meine die Vermehrung der den wirthschaftenden
Menschen verfügbaren Quantitäten der bis dahin monopolisirten
Waare. Das Monopol hat zur Folge, dass der Regel nach nur
ein Theil der dem Monopolisten verfügbaren Quantität der
Monopolgüter zur Veräusserung gelangt, beziehungsweise nur
ein Theil der ihm verfügbaren Productivmittel in Thätigkeit ver-
setzt wird; diesen Uebelstand beseitigt sofort jede wahre Con-
currenz. Aber sie hat den weiteren Erfolg, dass sie die verfüg-
bare Quantität der bis dahin monopolisirten Waare überhaupt
steigert. Es ist jedenfalls eine sehr seltene Erscheinung, dass
die zwei, oder mehreren Concurrenten im Anbote zusammen-
genommen verfügbaren Productionsmittel so eng begrenzt sind,
als diejenigen, über welche ein Monopolist verfügt und die Quan-
tität einer Waare, über welche mehrere Concurrenten zusammen-
genommen verfügen können, ist demnach in der weitaus grössern
Mehrzahl der Fälle bedeutend grösser, als diejenige, welche
ein Monopolist zu Markte zu bringen vermag. Das Auftreten
einer jeden wahren Concurrenz hat demnach zur Folge, dass
nicht nur die gesammte verfügbare Quantität einer Waare
thatsächlich zur Veräusserung gelangt, sondern auch den weitern
viel wichtigeren Erfolg, dass sie diese letztere noch überdiess
bedeutend steigert, solcherart, wenn anders nicht eine natür-
liche Beschränkung der Productionsmittel vorliegt, immer mehr
[211]Preisbildung und Gütervertheilung bei beiderseitiger Concurrenz.
und mehr Gesellschaftskreise bei sinkenden Preisen zur Con-
sumtion des Artikels gelangen und die Versorgung der Gesell-
schaft überhaupt eine immer vollständigere wird *).


Auch in der Tendenz der ökonomischen Thätigkeit der bei
der Erzeugung eines Gutes betheiligten wirthschaftenden Per-
sonen findet durch das Auftreten der Concurrenz ein mächtiger
Umschwung statt. Dem Monopolisten ist naturgemäss das Be-
streben eigen, seine Monopolgüter nur den höhern Gesellschafts-
schichten zugänglich zu machen und alle minder tauschkräftigen
Schichten der Gesellschaft vom Genusse derselben auszuschliessen,
weil es für ihn der Regel nach viel vortheilhafter und immer
bequemer ist, grosse Gewinne an geringern, als geringe Gewinne
an grössern Quantitäten zu erzielen; die Concurrenz, welche
selbst den geringsten ökonomischen Gewinn, wo immer er mög-
lich ist, auszubeuten bemüht ist, hat dagegen die Tendenz, mit
den Gütern in so tiefe Gesellschaftskreise herabzusteigen, als
die jeweilige ökonomische Sachlage dies nur immer gestattet.
Der Monopolist hat die Regelung der Preise, beziehungsweise
14 *
[212]Preisbildung und Gütervertheilung bei beiderseitiger Concurrenz.
der in den Verkehr gelangenden Quantitäten des Monopolgutes
innerhalb gewisser Grenzen in der Hand und verzichtet bereit-
willig auf den kleinen Gewinn, der sich an Gütern machen
lässt, die für den Consum der ärmern Volksschichten berechnet
sind, um die tauschkräftigern um so besser ausbeuten zu können.
Bei der Concurrenz dagegen, wo kein einzelner Producent die
Regelung der Preise, beziehungsweise der in den Verkehr ge-
langenden Quantitäten eines Gutes selbständig in seiner Hand
hat, ist dem einzelnen Concurrenten selbst der geringste Gewinn
erwünscht und die Ausbeutung der vorhandenen Möglichkeit,
solche Gewinne zu machen, wird nicht ferner versäumt. Die
Concurrenz führt denn auch zu der Production im Grossen mit
ihrer auf viele kleine Gewinne gerichteten Tendenz und ihrem
hohen Grade von Wirthschaftlichkeit, denn je geringer der Ge-
winn bei dem einzelnen Gute, um so gefährlicher wird jeder
unökonomische Schlendrian, und je heftiger die Concurrenz, um
so weniger möglich der gedankenlose Fortbetrieb der Geschäfte
nach altgewohnten Methoden.


[[213]]

Sechstes Capitel.
Gebrauchswerth und Tauschwerth.


a) Ueber das Wesen des Gebrauchswerthes und des Tauschwerthes.


So lange die wirthschaftliche Entwickelung eines Volkes so
tief steht, dass bei dem Mangel eines jeden nennenswerthen
Verkehrs der Güterbedarf der einzelnen Familien direct durch
ihre eigene Production gedeckt werden muss, haben die Güter
für die wirthschaftenden Subjecte selbstverständlich nur unter
der Voraussetzung Werth, dass sie ihrer inneren Natur nach
geeignet sind, Bedürfnisse der isolirt wirthschaftenden Individuen,
oder solche ihrer Familien *), in directer Weise zu befriedigen.
Wenn aber die wirthschaftenden Menschen in Folge der fort-
schreitenden Erkenntniss ihrer ökonomischen Interessen in Ver-
kehr mit einander treten, Güter gegen Güter zu tauschen
beginnen und sich schliesslich ein Zustand ergibt, in welchem
der Besitz von ökonomischen Gütern denjenigen, welche über
dieselben verfügen, die Macht gibt, durch Zuhilfenahme von
Tauschoperationen über Güter anderer Art zu verfügen, dann
ist es zur Sicherstellung der Befriedigung bestimmter Bedürf-
nisse nicht mehr unbedingt erforderlich, dass die wirthschaften-
den Individuen über die zur directen Befriedigung dieser letz-
tern erforderlichen Güter verfügen. Unter entwickelten Cultur-
verhältnissen können die wirthschaftenden Subjecte sich die
Befriedigung ihrer Bedürfnisse zwar vor wie nach dadurch
sicher stellen, dass sie sich in den Besitz solcher Güter
setzen, welche bei directer Verwendung jenen Erfolg herbei-
führen, den wir die Befriedigung dieser Bedürfnisse nennen, sie
können denselben Erfolg aber auch in indirecter Weise herbei-
führen, indem sie Güter ihrer Verfügung unterwerfen, welche je
[214]Gebrauchswerth und Tauschwerth.
nach der ökonomischen Sachlage geeignet sind, gegen die obigen
zur directen Befriedigung der in Rede stehenden Bedürfnisse
erforderlichen Güter umgetauscht zu werden, und es entfällt so-
mit die obige besondere Voraussetzung des Güterwerthes.


Nun ist der Werth, wie wir sahen, die Bedeutung, welche
ein Gut für uns dadurch erlangt, dass wir uns in der Befriedi-
gung eines unserer Bedürfnisse von der Verfügung über dasselbe
abhängig zu sein bewusst sind, so zwar, dass diese Befriedigung
nicht erfolgen würde, wofern wir über das in Rede stehende
Gut nicht zu verfügen vermöchten. Ohne das Eintreffen dieser
Vorbedingung ist die Erscheinung des Werthes undenkbar,
aber sie ist nicht geknüpft an die Vorbedingung der directen,
oder aber der indirecten Sicherstellung unseres Bedarfes. Damit
ein Gut Werth erlange, muss es uns die Befriedigung von Be-
dürfnissen sichern, für welche nicht vorgesorgt wäre, wofern wir
über jenes Gut nicht verfügen könnten; ob dies indess in
directer oder indirecter Weise geschieht, ist überall dort, wo
es sich um die allgemeine Erscheinung des Werthes handelt,
ganz nebensächlich. Für einen isolirten Pelzjäger hat das Fell
eines erlegten Bären nur insoferne Werth, als er die Befriedi-
gung irgend eines Bedürfnisses entbehren müsste, wofern er dar-
über nicht verfügen würde; für denselben Jäger hat, nachdem
er in den Tauschverkehr getreten, das gleiche Pelzwerk genau
unter denselben Voraussetzungen Werth. Der Unterschied in
den beiden Fällen, der indess das Wesen der Wertherscheinung
im Allgemeinen durchaus nicht berührt, besteht nur darin, dass
der Pelzjäger im ersten Falle den schädlichen Einflüssen der
Witterung preisgegeben wäre, oder die Befriedigung irgend eines
andern Bedürfnisses entbehren müsste, zu welcher das in Rede
stehende Gut in directer Weise verwendet werden kann, im
zweiten Falle aber auf Bedürfnissbefriedigungen verzichten müsste,
welche er mittelst jener Güter herbeizuführen vermag, über die
er durch den Besitz des Pelzwerkes indirect (auf dem Wege
des Tausches) zu verfügen vermag.


Der Werth in dem ersten und der Werth in dem zweiten
Falle sind demnach lediglich zwei verschiedene Formen der-
selben Erscheinung des wirthschaftlichen Lebens und bestehen
beide in der Bedeutung, welche Güter für wirthschaftende Sub-
[215]Gebrauchswerth und Tauschwerth.
jecte dadurch erlangen, dass diese letztern in der Befriedigung ihrer
Bedürfnisse von der Verfügung über dieselben abhängig zu sein
sich bewusst sind. Was aber der Erscheinung des Werthes in
jedem der beiden Fälle einen besonderen Charakter verleiht, das
ist der Umstand, dass die Güter für die wirthschaftenden Sub-
jecte, welche über dieselben verfügen, in dem ersten Falle mit
Rücksicht auf ihre directe, im zweiten Falle mit Rücksicht
auf ihre indirecte Verwendung jene Bedeutung erlangen,
welche wir den Güterwerth nennen, ein Unterschied, der indess
für das Leben und nicht minder für unsere Wissenschaft wichtig
genug ist, um die Nothwendigkeit einer besonderen Bezeichnung
dieser beiden Formen der Einen allgemeinen Wertherscheinung
hervortreten zu lassen und so nennen wir denn den Werth in
dem ersten Falle Gebrauchswerth, im letzteren aber
Tauschwerth*).


[216]Gebrauchswerth und Tauschwerth.

Der Gebrauchswerth ist demnach die Bedeutung, welche
Güter dadurch für uns erlangen, dass sie uns in directer Weise
die Befriedigung von Bedürfnissen unter Umständen sichern,
unter welchen ohne unsere Verfügung über dieselben für diese
Bedürfnissbefriedigungen nicht vorgesorgt wäre; der Tausch-
werth aber ist die Bedeutung, welche Güter dadurch für uns
erlangen, dass durch den Besitz derselben der gleiche Erfolg
unter gleichen Verhältnissen in indirecter Weise gesichert
wird.


b) Ueber das Verhältniss zwischen dem Gebrauchswerthe und Tauschwerthe
der Güter.


In der isolirten Wirthschaft haben die den wirthschaftenden
Individuen verfügbaren ökonomischen Güter für dieselben ent-
*)
[217]Gebrauchswerth und Tauschwerth.
weder Gebrauchswerth, oder überhaupt keinen Werth. Aber auch
unter entwickelten Culturverhältnissen und bei lebhaftem Verkehre
können zahlreiche Fälle beobachtet werden, wo ökonomische
Güter für die wirthschaftenden Subjecte, welche über dieselben
verfügen, keinerlei Tauschwerth haben, obzwar ihr Gebrauchs-
werth für diese Personen ganz ausser allem Zweifel steht.


Die Krücke eines eigenthümlich verkrüppelten Menschen,
Notizen, welche nur derjenige, welcher sie abgefasst hat, zu be-
nützen vermag, Familiendocumente, alle diese und so zahlreiche
andere Güter haben für bestimmte Individuen nicht selten einen
sehr bedeutenden Gebrauchswerth, während dieselben Individuen
in den meisten Fällen es doch vergeblich versuchen würden,
irgend welche Bedürfnisse in indirecter, durch Tausch ver-
mittelten Weise mit jenen Gütern zu befriedigen. Viel häufiger
noch können wir bei fortgeschrittener Cultur jedoch das ent-
gegensetzte Verhältniss beobachten. Die Brillen und optischen
Instrumente, welche ein Optiker am Lager hält, haben für diesen
letzteren, chirurgische Instrumente für diejenigen, welche sie ver-
fertigen und damit Handel treiben, Werke in fremden, nur
wenigen Gelehrten verständlichen Sprachen für die Buchhändler
der Regel nach keinen Gebrauchswerth, während alle diese Güter
mit Rücksicht auf die sich darbietenden Tauschgelegenheiten,
für die obengenannten Personen doch zumeist einen unzweifel-
haften Tauschwerth haben.


In diesen und so in allen andern Fällen, wo ökonomische
Güter für diejenigen, welche darüber verfügen, entweder nur Ge-
brauchswerth, oder nur Tauschwerth haben, kann die Frage,
welcher von beiden der die wirthschaftliche Thätigkeit der be-
treffenden Individuen bestimmende ist, gar nicht entstehen. Diese
Fälle bilden indess doch nur Ausnahmen im wirthschaftlichen
Leben der Menschen, denn der Regel nach haben die wirth-
schaftenden Individuen überall dort, wo sich bereits ein nennens-
werther Tauschverkehr entwickelt hat, die Wahl, die in ihrer
Verfügung befindlichen ökonomischen Güter, entweder in directer,
oder aber in indirecter Weise, zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse
heranzuziehen und die ökonomischen Güter haben somit für die-
selben der Regel nach eben sowohl Gebrauchswerth, als auch
Tauschwerth. Die Kleidungsstücke, die Zimmereinrichtungsstücke,
[218]Gebrauchswerth und Tauschwerth.
das Geschmeide, und so tausend andere Güter, welche sich in
unserer Verfügung befinden, haben für uns der Regel nach einen
ganz unzweifelhaften Gebrauchswerth; aber eben so sicher ist
es, dass wir dieselben unter entwickelten Verkehrsverhältnissen
auch in indirecter Weise zur Befriedigung von Bedürfnissen
heranziehen können, und es haben diese Güter für uns demnach
gleichzeitig auch Tauschwerth.


Die Bedeutung, welche diese Güter mit Rücksicht auf die
directe, und jene, welche sie mit Rücksicht auf die indirecte
Verwendung zur Befriedigung unserer Bedürfnisse für uns haben,
sind nun zwar, wie wir sahen, lediglich verschiedene Formen
der einen, allgemeinen Erscheinung des Werthes; ihrem Grade
nach kann jedoch diese Bedeutung in den beiden Fällen sehr
grosse Verschiedenheiten aufweisen. Der goldene Becher, welchen
ein armer Mann in einer Lotterie gewinnt, wird für ihn unzwei-
felhaft einen hohen Tauschwerth haben, denn er wird in den
Stand gesetzt sein, mittelst des in Rede stehenden Bechers viele
Bedürfnisse, für welche sonst nicht vorgesorgt sein würde, in
indirecter, das ist durch Tausch vermittelter Weise zu befrie-
digen. Der Gebrauchswerth dieses Bechers wird dagegen für
dasselbe wirthschaftende Subject jedenfalls ein kaum nennens-
werther sein. Umgekehrt hat eine dem Auge ihres Besitzers
genau entsprechende Brille für denselben der Regel nach einen
nicht unbedeutenden Gebrauchswerth, während der Tauschwerth
einer solchen in den meisten Fällen ein sehr geringer ist.


Ist es nun aber sicher, dass im wirthschaftlichen Leben
der Menschen zahlreiche Fälle beobachtet werden können, in
welchen ökonomische Güter für die wirthschaftenden Subjecte,
in deren Verfügung sie sich befinden, gleichzeitig Gebrauchs-
werth und Tauschwerth haben, und ist es ferner sicher, dass
diese letztern sich uns nicht selten als verschiedene Grössen
darstellen, so fragt es sich nun, welche dieser beiden Grössen in
jedem gegebenen Falle für das ökonomische Bewusstsein und
das ökonomische Handeln der Menschen die massgebende, oder
aber mit andern Worten, welcher dieser beiden Werthe in jedem
einzelnen Falle der ökonomische ist.


Die Lösung dieser Frage ergiebt sich aus der Betrachtung
des Wesens der menschlichen Wirthschaft und jenes des Werthes.
[219]Gebrauchswerth und Tauschwerth.
Der leitende Gedanke der gesammten wirthschaftlichen Thätig-
keit der Menschen ist die möglichst vollständige Befriedigung
ihrer Bedürfnisse. Sind nun mit Rücksicht auf die directe
Verwendung eines Gutes wichtigere Bedürfnissbefriedigungen der
wirthschaftenden Subjecte durch dasselbe sichergestellt, als bei
indirecter Verwendung, ist es demnach sicher, dass, wofern das
wirthschaftende Subject ein Gut in indirecter Weise zur Be-
friedigung seiner Bedürfnisse heranziehen würde, wichtigere
Bedürfnisse desselben unbefriedigt bleiben müssten, als bei der
directen Verwendung, so kann kein Zweifel darüber bestehen,
dass der Gebrauchswerth desselben der für das wirthschaftliche
Bewusstsein und für das ökonomische Handeln des betreffenden
wirthschaftenden Subjectes Bestimmende sein wird, im umge-
kehrten Falle aber der Tauschwerth. Die im erstern Falle bei
directer, im zweiten Falle aber bei indirecter Verwendung der
Güter gesicherten Bedürfnissbefriedigungen sind nämlich die-
jenigen, die bei wirthschaftenden Individuen jedenfalls erfolgen
würden und demnach von ihnen entbehrt werden müssten, wo-
fern sie über die betreffenden Güter nicht verfügen würden.
Es ist demnach in allen Fällen, wo ein Gut für dessen Besitzer
sowohl Gebrauchswerth, als auch Tauschwerth hat, derjenige
der ökonomische, welcher der grössere ist. Es ist aber nach
dem, was wir im vierten Capitel sagten, klar, dass in allen
Fällen, wo die Grundlagen eines ökonomischen Tausches vor-
handen sind, der Tauschwerth, dort, wo dies nicht der Fall ist,
der Gebrauchswerth der Güter der ökonomische ist.


c) Ueber den Wechsel im ökonomischen Schwerpunkte des Güterwerthes.


Den ökonomischen Werth der Güter zu erkennen, das ist,
jeweilig darüber im Klaren zu sein, ob ihr Gebrauchswerth oder
ihr Tauschwerth der ökonomische ist, gehört zu den wichtigsten
Aufgaben der wirthschaftenden Menschen. Von dieser Erkennt-
niss hängt nämlich die Entscheidung der Frage ab, welche Güter,
beziehungsweise welche Theilquantitäten derselben, in ihrem
Besitze zu behalten, und welche zur Veräusserung zu bringen
in ihrem ökonomischen Interesse liegt. Die richtige Beurtheilung
[220]Gebrauchswerth und Tauschwerth.
dieses Verhältnisses gehört aber zugleich auch zu den schwierigsten
Aufgaben der practischen Wirthschaft, und zwar nicht nur des-
halb, weil selbst bei verwickelteren Verkehrsverhältnissen hiezu ein
Ueberblick über alle vorhandenen Gebrauchs- und Tauschgelegen-
heiten erforderlich ist, sondern vor Allem auch um dessentwillen,
weil die Verhältnisse, welche die Grundlage für eine richtige
Beurtheilung der obigen Frage bilden, vielfachem Wechsel unter-
worfen sind. Es ist nämlich klar, dass Alles, was den Gebrauchs-
werth eines Gutes für uns verringert, unter sonst gleichen Um-
ständen zu bewirken vermag, dass der Tauschwerth dieser Güter
zum ökonomischen wird, alles aber, was den Gebrauchswerth
eines Gutes für uns erhöht, den Erfolg haben kann, dass für
uns der Tauschwerth in den Hintergrund der Bedeutung tritt,
die Erhöhung, oder Verringerung des Tauschwerthes eines Gutes
unter sonst gleichen Verhältnissen aber die entgegengesetzte
Wirkung auszuüben vermag.


Zu den hauptsächlichsten Ursachen dieses Wechsels ge-
hören folgende:


Erstens: Der Wechsel in der Bedeutung jener Bedürf-
nissbefriedigungen, zu welchen ein Gut dem wirthschaftenden
Subjecte, welches darüber verfügt, dient, insofern als hiedurch
der Gebrauchswerth desselben für dessen Besitzer vermehrt, oder
vermindert wird. So wird der Tabak- oder der Weinvorrath,
welcher sich im Besitze einer Person befindet, für sie einen
vorwiegenden Tauschwerth erhalten, falls dieselbe am Tabak-
oder Weingenusse den Geschmack verliert. So veräussern Jagd-
liebhaber, oder Freunde des Sports, wenn ihre Liebhabereien
für sie die frühere Bedeutung verlieren, lediglich aus diesem
Grunde ihre Jagdgeräthe und Jagdthiere etc., da durch die Min-
derung des Gebrauchswerthes der obigen Güter der Tausch-
werth derselben für sie in den Vordergrund der Bedeutung tritt.


Insbesondere pflegt der Uebergang aus einem Lebensalter
in das andere solche Veränderungen im Gefolge zu haben. Die
Befriedigung desselben Bedürfnisses hat für den Jüngling eine
andere Bedeutung, als für den Mann, und für diesen letztern
wiederum eine andere Bedeutung, als für den Greis. Die natür-
liche Entwicklung des Menschen hat demnach schon an und für
[221]Gebrauchswerth und Tauschwerth.
sich im Gefolge, dass der Gebrauchswerth der Güter einem
nicht unbeträchtlichen Wechsel unterliegt, und so z. B. die
naiven Unterhaltungsmittel des Kindes für den Jüngling, die
Bildungsmittel dieses letzteren für den Mann, die Erwerbs-
mittel des Mannes für den Greis an Gebrauchswerth einbüssen
und einen vorwiegenden Tauschwerth erlangen. Es ist denn
auch keine Erscheinung gewöhnlicher, als dass die Güter, welche
für das kindliche Lebensalter einen überwiegenden Gebrauchs-
werth hatten, von dem Jünglinge veräussert werden. Wir sehen
Personen, die in das Mannesalter treten, der Regel nach nicht
nur viele dem Jünglingsalter eigenthümliche Genussmittel, son-
dern auch die Bildungsmittel ihrer Jugend veräussern, wie denn
auch bei Greisen uns die Erscheinung so häufig entgegetritt,
dass sie nicht nur die Genussmittel des Mannesalters, deren
Benützung Lebenskraft und Muth erfordert, sondern auch die
Erwerbsmittel (Fabriken, Gewerbsunternehmungen u. dgl. m.)
in andere Hände gelangen lassen. Wenn die wirthschaftliche Be-
wegung, welche eine Folge dieses Umstandes ist, nicht so stark
an die Oberfläche der Erscheinungen tritt, als dies dem natür-
lichen Verlaufe der Dinge nach der Fall sein müsste, so ist der
Grund hievon in dem Familienleben der Menschen zu suchen
und dem, nicht so sehr in Folge entgeltlicher Verträge, als
vielmehr in Folge der Befriedigung von Gemüthsbedürfnissen
vor sich gehenden Uebergange von Gütern aus dem Besitze der
ältern Familienglieder in jenen der Jüngern. So ist denn die
Familie mit der ihr eigenthümlichen Wirthschaft ein wesent-
liches Moment der Stabilität der wirthschaftlichen Verhältnisse
der Menschen.


Die Erhöhung des Gebrauchswerthes eines Gutes für dessen
Besitzer hat naturgemäss den entgegengesetzten Erfolg. Der
Besitzer eines Forstes z. B., für welchen die jährlich geschla-
gene Holzquantität bisher nur Tauschwerth hatte, wird den
Austausch seines Holzes gegen andere Güter der Regel nach
sofort einstellen, wenn er einen Hochofen zur Eisenschmel-
zung angelegt hat und zum Betriebe desselben des vollen
Erzeugnisses seiner Waldungen bedarf. Der Literat, wel-
cher bisher seine Arbeiten an Verleger veräusserte, wird
[222]Gebrauchswerth und Tauschwerth.
dies ferner unterlassen, wenn er ein eigenes Journal begründet
hat u. s. f.


Zweitens kann der blosse Wechsel in der Beschaffenheit
eines Gutes den Schwerpunkt der ökonomischen Bedeutung des-
selben verrücken, insofern als dadurch der Gebrauchswerth des-
selben für den Besitzer verändert wird, der Tauschwerth aber
entweder unverändert bleibt oder doch nicht in gleichem Ver-
hältnisse wie der erstere steigt oder fällt.


So pflegen Kleider, Pferde, Hunde, Carossen und der-
gleichen Gegenstände, wenn sie in äusserlich leicht erkennbarer
Weise Schaden nehmen, für reiche Leute ihren Gebrauchswerth
fast gänzlich einzubüssen und ihr Tauschwerth, obzwar gleich-
falls gemindert, tritt dann in den Vordergrund der Bedeutung.
Sie pflegen an Gebrauchswerth für die obigen Personen noch
mehr zu verlieren, als an Tauschwerth.


Umgekehrt verändern sich die Güter in vielen Fällen der-
art, dass der Tauschwerth derselben, welcher bisher der ökono
mische war, für die wirthschaftenden Subjecte, welche darüber
verfügen, gegen den Gebrauchswerth zurücktritt. So pflegen
Speisewirthe und Delikatessenhändler Gerichte, die äusser-
lich Schaden nehmen, für ihren eigenen Gebrauch zu ver-
wenden, da diese Güter hiedurch ihren Tauschwerth fast
gänzlich einbüssen, während der Gebrauchswerth derselben nicht
selten derselbe bleibt, oder sich doch nicht in dem gleichen Masse
wie der Tauschwerth mindert. Aehnliche Erscheinungen können
wir auch bei den übrigen Gewerbsleuten beobachten, und so
kommt es, dass Schuhmacher, zumal in kleinen Ortschaften,
nicht selten misslungene Schuhe, Schneider verschnittene Kleider,
und Hutmacher Hüte tragen, mit welchen ihnen ein kleiner
Unfall zugestossen ist.


Wir gelangen nun zur dritten und wichtigsten Ursache
des Wechsels im ökonomischen Schwerpunkt des Güterwerthes:
Wir meinen die Vermehrung der Gütermenge, welche der Ver-
fügung der wirthschaftenden Subjecte untersteht.


Durch die Vermehrung der Quantität irgend eines Gutes,
welche der Verfügung einer Person untersteht, wird der Ge-
brauchswerth einer jeden Theilquantität hievon für ihren Besitzer
unter sonst gleichen Verhältnissen fast immer vermindert, so
[223]Gebrauchswerth und Tauschwerth.
zwar, dass der Tauschwerth derselben dann für den Besitzer
leicht eine überwiegende Bedeutung erhält. Nach der Ernte
wird der Tauschwerth des Getreides für die Landwirthe fast
ohne Ausnahme der ökonomische und bleibt dies so lange, bis durch
fortgesetzte Veräusserung von Theilquantitäten der Gebrauchs-
werth desselben wieder der überwiegende wird. Das Getreide,
welches die Landwirthe noch im Sommer besitzen, hat denn
auch in der That der Regel nach für sie bereits einen vor-
wiegenden Gebrauchswerth. Wir haben aber an einer andern
Stelle dieses Werkes (Cap. IV, §. 2) gezeigt, wo die Grenze
liegt, bei welcher der Tauschwerth der Güter gegen den Ge-
brauchswerth derselben in den Hintergrund der Bedeutung tritt.
Für einen Erben, der bereits vor dem Anfalle der Erbschaft
mit Möbeln in ausreichender Weise versehen war, und in dem
Nachlasse des Erblassers noch ein anderes reiches Mobiliar
findet, werden viele Möbelstücke einen sehr geringen, manche
vielleicht gar keinen Gebrauchswerth haben und demnach einen
vorwiegenden Tauschwerth erlangen. Der Erbe wird aber in
der Veräusserung von Möbelstücken so lange fortfahren, bis der
in seinem Besitze befindliche Rest für ihn wiederum einen über-
wiegenden Gebrauchswerth haben wird.


Umgekehrt hat die Verminderung der einem wirthschaften-
den Subjecte verfügbaren Quantität eines Gutes zumeist zur
Folge, dass der Gebrauchswerth desselben für den Besitzer steigt
und dadurch Quantitäten dieses Gutes, welche sonst zum Aus-
tausche bestimmt gewesen wären, einen vorwiegenden Ge-
brauchswerth erhalten.


Von besonderer Wichtigkeit ist in dieser Beziehung die
Wirkung der Veränderung im Vermögensbesitze überhaupt. Die
Vermehrung oder Verminderung des Vermögens ist unter ent-
wickelten Verkehrsverhältnissen für das wirthschaftende Sub-
ject, welches die Vermögensänderung erfährt, gleichbedeutend
mit einer Vermehrung, beziehungsweise einer Verminderung fast
jeder einzelnen Art von ökonomischen Gütern. Ein Mann, der
verarmt, ist genöthigt, sich in der Befriedigung fast sämmtlicher
Bedürfnisse einzuschränken. Er wird einzelne Bedürfnisse quan-
titativ und qualitativ minder vollständig, andere wohl auch gar
nicht befriedigen. Finden sich nun nach seiner Verarmung in
[224]Gebrauchswerth und Tauschwerth.
seinem Besitze feinere Genussmittel, oder Luxusgegenstände,
welche ehedem zur harmonischen Befriedigung seiner Bedürf-
nisse beitrugen, den geänderten Verhältnissen indess nicht mehr
entsprechen, so wird er dieselben, wofern er ein wirthschaften-
des Subject ist, veräussern, um mit ihrem Erlöse wichtigere
Bedürfnisse seiner Person und seiner Familie zu befriedigen,
die sonst unbefriedigt bleiben müssten. Personen, die ihr Ver-
mögen durch unglückliche Speculationen, oder durch sonstige
Unglücksfälle zum grossen Theil einbüssen, verkaufen denn auch
in der That ihren Schmuck, die in ihrem Besitze befindlichen
Kunstwerke und sonstige Luxusgegenstände, um sich mit den
Nothwendigkeiten des Lebens zu versehen. Aber auch der
steigende Reichthum hat eine ähnliche, obwohl ihrer Tendenz
nach entgegengesetzte Wirkung im Gefolge, indem hiedurch
viele Güter, die bisher vorwiegenden Gebrauchswerth für den
Besitzer hatten, diesen letztern einbüssen, und der Tauschwerth
derselben in den Vordergrund der ökonomischen Bedeutung tritt.
So pflegen plötzlich reich gewordene Leute ihr einfaches Mobiliar,
ihren ärmlichen Schmuck, ihre unzureichenden Wohnhäuser und
sonstige Güter, die bisher für sie einen überwiegenden Ge-
brauchswerth hatten, zu veräussern.


[[225]]

Siebentes Capitel.
Die Lehre von der Waare.


§. 1.
Ueber den Begriff der Waare im populären und wissenschaft-
lichen Sinne.


In der isolirten Wirthschaft ist die productive Thätigkeit
jeder einzelnen wirthschaftenden Person lediglich auf die Her-
stellung der zum Eigenverbrauche nöthigen Güter gerichtet und
somit die Production von Gütern zum Zwecke des Austausches
derselben durch die eigenthümliche Natur dieser Wirthschaft
von selbst ausgeschlossen. Dabei können die zur Deckung des
Eigenbedarfes erforderlichen Arbeitsleistungen von dem Haupte der
Familie immerhin den einzelnen Mitgliedern derselben und dem
etwa vorhandenen Gesinde mit entsprechender Rücksichtnahme
auf ihre besonderen Fähigkeiten und Fertigkeiten zugetheilt
werden. Was die isolirte Wirthschaft charakterisirt, ist demnach
nicht der Mangel an jeder Arbeitstheilung, sondern ihre Selbst-
genügsamkeit, die ausschliessliche Richtung der Production auf
die Hervorbringung von Gütern für den Eigenbedarf und der
vollständige Mangel an solchen Gütern, welche zum Austausche
gegen andere bestimmt sind.


Dass die Arbeitstheilung im Bereiche der isolirten Wirth-
schaft eine sehr eng begrenzte bleibt, versteht sich dagegen von
selbst. Der Bedarf einer Familie an einem einzelnen Gute ist
zumeist viel zu gering, als dass ein sich ausschliesslich mit der
Hervorbringung desselben, oder gar mit einer einzelnen Hand-
tirung beschäftigendes Individuum im Bereiche derselben einen aus-
reichenden Wirkungskreis fände und die verfügbaren Mittel sind
zur Ernährung zahlreicher Arbeiter meist viel zu klein. Alle
niederen Culturentwicklungen bieten uns das Bild complicirterer
Menger, Volkswirthschaftslehre. 15
[226]Ueber den Begriff der Waare.
Arbeitstheilung denn auch nur in den Wirthschaften einzelner
Grossen dar, während die übrigen wirthschaftenden Subjecte bei
geringer Arbeitstheilung und eng begränzten Bedürfnissen ver-
harren.


Als erster Schritt in der wirthschaftlichen Culturentwickelung
eines Volkes ist es zu betrachten, wenn Personen, welche sich
gewisse Kunstfertigkeiten angeeignet haben, ihre Dienste der
Gesellschaft anbieten und den ihnen dargereichten Rohstoff gegen
eine Entschädigung verarbeiten. Die Thetes der Griechen schei-
nen in den ältern Zeiten Handwerker dieser Art gewesen zu
sein. In vielen Gegenden Osteuropa’s giebt es selbt heute noch
keine andern Handwerker. Das im Hause des Consumenten
selbst gesponnene Garn wird von dem Weber zu Stoffen, das
selbst erzeugte Getreide vom Müller zu Mehl verarbeitet und
selbst der Zimmermann und Schmied erhalten bei grössern Auf-
trägen den Rohstoff für das bestellte Product zugemessen.


Es ist als ein neuer Schritt auf dem Wege wirthschaft-
licher Culturentwickelung, zumal als ein Zeichen wachsenden Wohl-
standes zu betrachten, wenn die Handwerker das Rohmaterial
für ihre Producte selbst beizustellen beginnen, wenngleich sie
diese letzteren noch immer nur über Bestellung Seitens der
Consumenten verfertigen. Es ist dies die Sachlage, wie wir sie
mit geringen Ausnahmen in kleineren Städten und zum Theile
auch noch in grösseren Ortschaften bei manchen Gewerben be-
obachten können. Der Gewerbsmann verfertigt allerdings noch
kein Product auf ungewissen Verkauf, er ist indess bereits in
der Lage, den Bedürfnissen seiner Kunden nach Massgabe seiner
Arbeitskraft zu entsprechen, indem er sie zugleich der Mühe
des ihrerseits meist in höchst unökonomischer Weise erfolgenden
Einkaufes, beziehungsweise der Production des Rohmaterials
enthebt*).


Diese Methode der Versorgung der Gesellschaft mit Gütern
bedeutet für die Consumenten sowohl, als auch für die Pro-
ducenten bereits einen erheblichen Fortschritt in Bezug auf
[227]Ueber den Begriff der Waare.
Wirthschaftlichkeit und Bequemlichkeit, ist aber nichtsdesto-
weniger für beide noch mit manchen schwer wiegenden Nachtheilen
verbunden. Der Consument muss noch immer einige Zeit auf
das Product warten und ist der Beschaffenheit desselben von
vornherein nie ganz sicher, der Producent ist bisweilen ganz
unbeschäftigt, bisweilen wiederum mit Aufträgen überhäuft, so
zwar, dass er bald feiern muss, bald dem auftretenden Bedarfe
nicht voll entsprechen kann. Diese Uebelstände haben zur Pro-
duction von Gütern auf ungewissen Verkauf geführt, also zur
Erzeugung von Gütern, welche der Producent am Lager hält,
um dem auftretenden Bedarfe sofort entsprechen zu können. Es
ist dies jene Methode der Versorgung der Gesellschaft, welche
bei fortschreitender Entwicklung der Volkswirthschaft einerseits
zur Fabriksindustrie (zur Massenproduction) und andererseits
zum Einkaufe von fertiger (Confections-)Waare Seitens der Con-
sumenten führt, also rücksichtlich der Producenten, wegen der
Möglichkeit der vollständigen Ausbeutung der Arbeitstheilung
und der Anwendung von Maschinen, die höchste Wirthschaftlich-
keit, rücksichtlich der Consumenten die höchste Sicherheit
(Augenschein vor dem Ankaufe) und Bequemlichkeit mit sich
bringt.


Die von dem Producenten, oder dem Zwischenhändler für
den Austausch bereit gehaltenen Producte nennt nun der ge-
meine Sprachgebrauch mit Beschränkung des Begriffes auf be-
wegliche Sachgüter, die nicht Geld sind, Waaren*).


15 *
[228]Ueber den Begriff der Waare.

In der wissenschaftlichen Darstellung machte sich indess
das Bedürfniss nach einer Bezeichnung aller für den Austausch
bestimmten ökonomischen Güter, ohne Rücksicht auf ihre Körper-
lichkeit, Beweglichkeit, ihren Charakter als Arbeitsproducte, oder
die Person, welche dieselben feilbietet, geltend, und so versteht
denn eine grosse Anzahl zumal deutscher Nationalökonomen
unter Waaren: zum Austausch bestimmte (ökonomische)
Güter jeder Art
.


Der Begriff der Waare im populären Sinne des Wortes
ist aber nicht nur deshalb von Wichtigkeit, weil die Gesetz-
gebungen *) und eine grosse Anzahl von National-Oekonomen
*)
[229]Ueber den Begriff der Waare
den Begriff der Waare in populärem Sinne gebrauchen, sondern
auch um dessentwillen, weil ein Theil derjenigen, welche den
Begriff der Waare in dem weitern wissenschaftlichen Sinne des
Wortes auffassen, doch bald dies, bald jenes Element der
engeren populären Begriffsbestimmung in seine Definitionen auf-
nimmt *).


*)


[230]Ueber den Begriff der Waare.

Aus dem eben dargelegten Begriff der Waare im wissen-
schaftlichen Sinne des Wortes ist zugleich ersichtlich, dass der
*)
[231]Ueber den Begriff der Waare.
Waarencharakter nichts einem Gute Anhaftendes, keine Eigen-
schaft, sondern lediglich eine besondere Beziehung desselben zu
derjenigen Person ist, welche darüber verfügt, eine Beziehung,
mit deren Verschwinden auch der Waarencharakter der Güter
selbst entfallen muss. Ein Gut hört demnach auf, Waare zu
sein, sobald dasjenige wirthschaftende Subject, welches darüber
verfügt, seine Absicht, dasselbe zu veräussern, aufgiebt, oder das
betreffende Gut in die Hände derjenigen Person gelangt, welche
dasselbe nicht weiter auszutauschen, sondern zu consumiren be-
absichtigt. Der Hut, welchen ein Hutmacher, der Seidenstoff,
welchen ein Seidenwaarenhändler in seinem Laden zum Zwecke der
Veräusserung ausstellt, sind z. B. Waaren, sie hören aber sofort
auf, Waaren zu sein, wenn der erstere den Hut zum eigenen
Gebrauche, der letztere den Seidenstoff etwa zu einem Geschenke
für seine Frau bestimmt, und Zuckerhüte, oder Orangen sind in
den Händen des Krämers Waaren, büssen ihren Waarencharakter
aber ein, sobald dieselben in die Hände der Consumenten
übergegangen sind. Auch das gemünzte Metall hört sofort auf,
„Waare“ zu sein, wenn dasselbe von seinem Besitzer nicht weiter
*)
[232]Ueber den Begriff der Waare.
zum Austausche, sondern zu irgend einem Gebrauchszwecke be-
stimmt wird, z. B., wenn Thaler dem Silberarbeiter zu dem
Zwecke übergeben werden, um daraus Silbergeschirre zu ver-
fertigen.


Der Waarencharakter ist demnach nicht nur keine Eigen-
schaft der Güter, sondern der Regel nach nur eine vorüber-
gehende
Beziehung derselben zu den wirthschaftenden Sub-
jecten. Gewisse Güter sind von ihren Besitzern für den Austausch
gegen Güter anderer wirthschaftenden Subjecte bestimmt. In
der Zwischenzeit des bisweilen durch mehrere Hände vermittelten
Ueberganges aus dem Besitze der ersteren in den der letzteren
nennen wir dieselben „Waaren,“ haben sie aber ihr ökono-
misches Ziel erreicht, das ist, befinden sie sich in den Händen
der Consumenten, so hören sie selbstverständlich auf, Waaren
zu sein und werden „Gebrauchsgüter“ im engeren, dem
der „Waare“ entgegengesetzten Sinne des Wortes. Wo dies
indess nicht der Fall ist, wie z. B. sehr häufig bei Gold,
Silber etc., zumal in gemünztem Zustande, bleiben sie natur-
gemäss insolange „Waaren,“ als sie sich eben in dem den
Waarencharakter begründenden Verhältnisse befinden *).


[233]Ueber die Absatzfähigkeit der Waaren.

§. 2.
Ueber die Absatzfähigkeit der Waaren.


a) Ueber die Grenzen der Absatzfähigkeit der Waaren.


Das Problem, die Ursachen des verschiedenen und wech
selnden Verhältnisses zwischen den im Austausch erscheinenden
Güterquantitäten darzulegen, ist von den Forschern auf dem Ge-
biete der Volkswirthschaftslehre stets einer besonderen Aufmerk-
samkeit gewürdigt worden; der Versuche, dies Problem zu lösen,
giebt es so viele, als selbstständige Bearbeitungen unserer Wissen-
schaft, ja, diese letztere ist bei manchen Bearbeitern in eine
Theorie der Preise geradezu aufgegangen. Der Umstand dagegen,
dass die verschiedenen Güter nicht mit gleicher Leichtigkeit
gegen einander umgesetzt werden können, ist bisher nur wenig
beachtet worden. Und doch ist die in die Augen fallende Ver-
schiedenheit der Absatzfähigkeit der Waaren eine Erscheinung
von so weit gehender practischer Bedeutung, von der richtigen
Erkenntniss der hier wirkenden Einflüsse hängt in jedem ein-
zelnen Falle so sehr der Erfolg der wirthschaftlichen Thätigkeit
des Producenten sowohl, als des Handelsmannes ab, dass die
Wissenschaft sich einer genauen Untersuchung der Natur und
der Ursachen dieser Erscheinung für die Dauer nicht wohl ent-
schlagen kann. Auch ist es ja klar, dass die bisher noch immer
controverse Lehre über den Ursprung des Geldes, des absatz-
fähigsten aller Güter, in den hier einschlägigen Untersuchungen
allein ihre volle und befriedigende Begründung finden kann.


So viel ich nun beobachten konnte, ist die Absatzfähigkeit
der Waaren in vier Richtungen begrenzt:


Erstens in Rücksicht auf die Personen, an welche
dieselben abgesetzt werden können
.


Der Besitzer von Waaren hat es nicht in seiner Macht,
dieselben an jede beliebige Person abzusetzen; es ist vielmehr
stets nur ein bestimmter Kreis von wirthschaftenden Individuen
vorhanden, an welche ein Absatz derselben stattfinden kann.


Er hat keine Aussicht, seine Waaren abzusetzen an alle
jene, welche:


[234]Ueber die Absatzfähigkeit der Waaren.

a) keinen Bedarf an der Waare haben,


b) aus rechtlichen, oder physischen Gründen an dem Ein-
tausche der Waare verhindert sind*),


c) keine Kenntniss von der ihnen dargebotenen Tausch-
gelegenheit haben**), und endlich an


d) alle jene, für welche Quantitäten der in Rede stehenden
Waare nicht das Aequivalent einer grössern Quantität des im
Austausche dagegen zu bietenden Gutes sind, als dies beim Be-
sitzer der Waare der Fall ist***).


Fassen wir nun die Kreise von Personen ins Auge, auf
welche sich die Absatzfähigkeit der verschiedenen Waaren be-
schränkt, so bietet sich uns das Bild der grössten Verschieden-
heit dar. Man vergleiche nur den Kreis von Personen, an welchen
Brod und Fleisch, und jenen, an welchen astronomische Instru-
mente, den Kreis von Personen, an welchen Wein und Tabak,
und jenen, an welchen Sanskritwerke Absatz finden können. Die
gleiche Wahrnehmung kann in fast noch auffälligerer Weise bei
den verschiedenen Species von Waaren derselben Gattung und
Art gemacht werden. Unsere Optiker halten Brillen für alle
Grade der Weitsichtigkeit und Kurzsichtigkeit zum Austausche
[235]Ueber die Absatzfähigkeit der Waaren.
bereit und unsere Hut- und Handschuhhändler, unsere Schuh-
macher und Kürschner: Hüte, Handschuhe, Schuhe und Kürschner-
waaren von verschiedener Grösse und Qualität. Wie gross ist
aber die Verschiedenheit des Kreises von Personen, auf welche
sich die Absatzfähigkeit von Brillen vom schärfsten vorhandenen
Schliffe beschränkt, und jene von Brillen mittlerer Schärfe?
Wie gross die Verschiedenheit des Kreises von Personen, auf
welche sich die Absatzfähigkeit von Handschuhen und Hüten
von mittlerer, und solcher von aussergewöhnlicher Grösse er-
streckt?


Die Absatzfähigkeit der Waaren ist zweitens
in Rücksicht auf das Gebiet begrenzt, innerhalb
welches dieselbe Absatz finden kann
.


Damit eine Waare nach irgend einem Orte Absatz finden
könne, ist ausser dem obigen Erfordernisse, dass daselbst ein
Kreis von Personen bestehe, an welchen dieselbe abgesetzt
werden kann, nöthig:


a) dass kein physisches, oder rechtliches Hinderniss ihres
Transportes nach jenem Orte und ihrer Feilbietung daselbst
bestehe,


b) dass durch die mit dem Transporte verbundenen Kosten
und Spesen nicht der aus den etwa vorhandenen Tauschgelegen-
heiten zu erzielende Nutzen erschöpft werde (S. 170 ff).


Was nun den Umfang dieser Grenzen betrifft, so
ist die Verschiedenheit desselben bei den einzelnen Waaren
keine geringere, als jene, welche wir rücksichtlich des Kreises
von Personen beobachtet haben, an welche die Waaren Absatz
finden können. Es giebt Waaren, welche schon wegen des auf
gewisse räumliche Grenzen beschränkten Bedarfes nur in einer
einzelnen Ortschaft, andere, die nur in einzelnen Bezirken,
andere, die nur in einem gewissen Lande, noch andere, welche
in allen Culturländern, und solche, die selbst darüber hinaus
fast in allen bewohnten Theilen der Erde Absatz finden können.
Die eigenthümlichen Hüte, wie sie in manchen Thälern Tirol’s
von der Landbevölkerung getragen werden, sind durchaus nur
in einem bestimmten Thale, die Hüte der schwäbischen Bauern,
oder der ungarischen Landleute nicht leicht wo anders, als in
Schwaben, oder Ungarn abzusetzen, während Hüten der neuesten
[236]Ueber die Absatzfähigkeit der Waaren.
französischen Mode die Märkte der ganzen civilisirten Welt offen
stehen. Schwere Pelzwaaren sind aus demselben Grunde in ihrer
Absatzfähigkeit lediglich auf nördliche Gegenden, schwere Woll-
waaren auf die Landstriche der nördlichen und der gemässigten
Zone beschränkt, während leichte Cottonwaaren fast auf der
ganzen Erde Absatz finden können.


Einen nicht minder wichtigen Unterschied in dem Umfange
der Absatzgebiete begründen die verschiedenen, mit dem Trans-
porte der Waaren nach entfernten Märkten verbundenen öko-
nomischen Opfer. Das Absatzgebiet der aus einem Steinbruche,
welcher nicht an einer Wasserstrasse liegt, gewonnenen gewöhn-
lichen Bausteine, das Absatzgebiet gewöhnlichen Sandes, Thones,
oder Stalldüngers reicht dort, wo keine Eisenbahnen vorhanden
sind, nicht leicht weiter als 2—3 Meilen im Umkreise, und
selbst dort, wo Eisenbahnen bestehen, nur in den seltensten
Fällen über 15—20 Meilen. Das Absatzgebiet von Steinkohlen,
Torf und Brennholz ist unter gleichen Verhältnissen ein aus-
gedehnteres, aber immerhin doch enge begrenztes. Beträchtlich
weiter ist das Absatzgebiet von Roheisen und Weizen, noch
weiter das von Stahl und Weizenmehl, und das Absatzgebiet von
edlen Metallen, Edelsteinen und Perlen umfasst so ziemlich alle
Theile der Erde, wo Bedarf an diesen Gütern besteht und die
Tauschmittel hiefür vorhanden sind.


Die ökonomischen Opfer, welche mit dem Transporte ver-
bunden sind, müssen durch die Differenz des Preises am Orte,
wo sie sich befinden, und an ihrem Bestimmungsorte gedeckt
werden. Bei Waaren von geringer Kostbarkeit kann diese Dif-
ferenz an und für sich nie bedeutend sein. Das Brennholz in
den Urwäldern Brasiliens und selbst in manchen Gegenden Ost-
Europas ist um verschwindende Preise zu erstehen, in vielen
Fällen in grossen Quantitäten geradezu kostenlos zu haben, der
Preis eines Centners Brennholz ist aber nirgends ein so grosser,
dass die Differenz zwischen demselben und dem Preise am Er-
zeugungsorte, und wäre dieser letztere gleich Null, die Kosten
eines weiten Landtransportes decken könnte, während bei
Waaren von grosser Kostbarkeit, z. B. bei Taschenuhren, die
Differenz zwischen dem Preise eines Centners dieser Waare
am Erzeugungsorte und auf den entferntesten Märkten z. B. in
[237]Ueber die Absatzfähigkeit der Waaren.
Genf und in New-York, oder Rio-Janeiro, trotz des an und
für sich beträchtlichen Preises derselben am ersteren Markte,
leicht gross genug sein kann, um die Kosten und Spesen des
Transportes der Waare nach jenem fernen Absatzgebiete zu er-
setzen. Je kostbarer eine Waare, desto grösser ist demnach
unter sonst gleichen Umständen ihr Absatzgebiet.


Drittens sind die Waaren in ihrer Absatz-
fähigkeit in quantitativer Weise begrenzt
.


Die Absatzfähigkeit einer Waare ist in quantitativer Be-
ziehung auf den noch ungedeckten Bedarf an derselben und
weiter noch auf jene Quantitäten beschränkt, rücksichtlich welcher
die Grundlagen zu ökonomischen Tauschoperationen vorhanden
sind. Der Bedarf eines einzelnen Individuums an einer Waare
mag noch so weite Grenzen haben, über diese Grenzen hinaus
ist auf eine weitere Aufnahme von Quantitäten derselben inner-
halb jedes gegebenen Zeitraumes nicht zu rechnen und selbst
innerhalb dieser Grenzen wird dies Individuum nur solche Quan-
titäten der Waare einzutauschen bereit sein, rücksichtlich welcher
die Grundlagen ökonomischer Tauschoperationen für dasselbe
vorhanden sind. Aus der Nachfrage der einzelnen wirthschaften-
den Individuuen nach einer Waare setzt sich die Nachfrage nach
derselben überhaupt zusammen und die Quantität einer Waare,
welche im Grossen und Ganzen an die Mitglieder einer Gesell-
schaft abgesetzt werden kann, ist demnach bei jeder gegebenen
ökonomischen Sachlage eine streng begrenzte, ein Absatz über
diese Grenze hinaus undenkbar.


Was nun den Umfang dieser Grenzen betrifft, so weist
auch dieser in Rücksicht auf die einzelnen Güter eine sehr be-
merkenswerthe Verschiedenheit auf. Es giebt solche Waaren,
von welchen wegen des enge begrenzten Bedarfes unter allen
Umständen nur eng begrenzte Quantitäten jeweilig Absatz finden
können, andere bei welchen der Bedarf ein grösserer ist und in
Folge dessen die quantitativen Grenzen der Absatzfähigkeit be-
trächtlich weiter sind, noch andere bei welchen nahezu jede
practisch in Betracht kommende Quantität Absatz finden kann.


Der Verleger eines Werkes über die Sprache der Tupi-
Indianer kann bei einem mässigen Preise des Werkes auf einen
Absatz von etwa 300, aber selbst bei dem geringsten Preise
[238]Ueber die Absatzfähigkeit der Waaren.
nicht auf einen höheren Absatz als von 600 Exemplaren rechnen.
Ein Gelehrtenwerk, für welches sich nur ein enger Kreis von
Fachgenossen interessirt, ist überdies der Regel nach noch für die
Bedürfnisse mehrerer Gelehrtengenerationen berechnet — findet
in vielen Fällen erst mit dem wachsenden Rufe seines Ver-
fassers Absatz, und ist anders als allmälig durchaus nicht abzu-
setzen. Ein Werk, welches eine Wissenschaft behandelt, an
welche sich ein allgemeines Interesse knüpft, mag dagegen, trotz
seines gelehrten Charakters, doch immerhin einen Absatz von
mehreren Tausend, populär wissenschaftliche Schriften einen
solchen von 20—30.000 und mehr, bedeutende Dichterwerke
unter günstigen Umständen einen Absatz von vielen hundert-
tausend Exemplaren finden. Man erwäge aber auch nur den
Unterschied der quantitativen Grenzen der Absatzfähigkeit eines
Werkes über peruanische Alterthümer und der Gedichte Friedrich
Schillers, oder eines Sanskritwerkes und der Dramen Shakes-
peare’s! Viel grösser erscheint noch die Verschiedenheit in den
quantitativen Grenzen der Absatzfähigkeit der Waaren, wenn
wir etwa, einerseits Brod und Fleisch, und andererseits China-
rinde und Bibergeil, oder aber, einerseits Baumwollstoffe und
Schafwollwaaren, und andererseits astronomische Instrumente und
anatomische Präparate in Betracht ziehen. Man vergleiche end-
lich die quantitativen Grenzen der Absatzfähigkeit von Hüten
und Handschuhen mittlerer und solcher von äusserster Grösse!


Endlich sind viertens die Waaren in ihrer Ab-
satzfähigkeit auch rücksichtlich der Zeitgrenzen
beschränkt, innerhalb welcher sie Absatz finden
können
.


Es giebt Güter, nach welchen nur im Winter, andere, nach
welchen nur im Sommer ein Bedarf vorhanden ist, noch andere,
für welche nur innerhalb eines kürzeren oder längeren, vorüber-
gehenden Zeitraumes Nachfrage besteht. Programme für bevor-
stehende Festlichkeiten, oder Kunstvorstellungen und im gewissen
Sinne selbst Journale und Modeartikel sind Güter dieser Art.
Ja, alle Güter von kurzer Conservirungsfähigkeit sind schon
ihrer inneren Natur nach rücksichtlich ihrer Absatzfähigkeit auf
einen engen Zeitraum beschränkt.


Hiezu tritt nun noch der Umstand, dass das „am Lager
[239]Ueber die Absatzfähigkeit der Waaren.
halten“ der Waaren für den Eigner der Regel nach mit nicht
unbeträchtlichen ökonomischen Opfern verbunden ist. Was für
die Absatzfähigkeit der Waaren in räumlicher Beziehung die
Frachtkosten und Frachtspesen, das sind für die zeitlichen
Grenzen der Absatzfähigkeit der Waaren die Kosten der Lage-
rung, der Conservirung und die Zinsverluste. Ein Viehhändler,
welcher unter unsern Culturverhältnissen eine Heerde Schlacht-
thiere feil hält, wird wegen ihrer beschränkten Conservirungs-
fähigkeit, wegen der Zinsverluste, hauptsächlich aber um der
sonstigen ökonomischen Opfer willen, welche mit dem Besitze
dieser Thiere als „Waaren“ verbunden sind, für den Absatz der-
selben innerhalb gewisser zeitlicher Grenzen nothwendigerweise
Sorge tragen müssen, und auch der Wollhändler, der Eisen-
händler besitzen Waaren, deren Absatzfähigkeit zum Theile aus
physischen, zum Theile aus ökonomischen Gründen (Lagerungs-
kosten, Zinsverluste) auf gewisse Zeitgrenzen beschränkt ist.


Auch rücksichtlich dieser letztern können wir indess bei den
verschiedenen Waaren eine stark in die Augen fallende Ver-
schiedenheit beobachten. Die zeitlichen Grenzen, innerhalb welcher
z. B. Austern, frisches Fleisch, manche zubereitete Speisen und
Getränke, Blumensträusse, Programme für bevorstehende Fest-
lichkeiten, politische Tagesblätter u. s. f. Absatz finden können,
beschränken sich im Grossen und Ganzen auf wenige Tage,
nicht selten auf wenige Stunden, die der meisten frischen Baum-
früchte, vieler Modewaaren, von Wildpret, von Topfgewächsen
u. dgl. m. auf wenige Wochen, die anderer ähnlicher Waaren
auf wenige Monate, während dieselben bei noch anderen Waaren,
zum mindesten soweit dieselben von ihrer Conservirungsdauer
und dem andauernden Bedarfe an jenen Gütern abhängen, sich
auf Jahre, Jahrzehnte und selbst auf Jahrhunderte erstrecken.


Hiezu tritt nun noch der Umstand, dass die mit der Con-
servirung und Lagerung der Waaren verbundenen ökonomischen
Opfer ausserordentlich verschieden sind und dadurch ein weiteres
sehr wichtiges Moment der Verschiedenheit der zeitlichen
Grenzen der Absatzfähigkeit der Waaren entsteht. Wer Brenn-
holz oder Bausteine feil hält, die er im Freien lagern kann,
wird der Regel nach nicht so sehr zu einem raschen Absatz
gedrängt sein, als ein Möbelhändler, und dieser wieder weniger
[240]Ueber die Absatzfähigkeit der Waaren.
als ein Pferdehändler, und der Besitzer von Gold oder Silber,
Edelsteinen und sonstigen (wenn man von dem Zinsverluste ab-
sieht) fast kostenlos zu lagernden Waaren, besitzt Güter, deren
Absatzfähigkeit sich auf viel weitere zeitliche Grenzen erstreckt,
als jene aller oben genannten.


b) Ueber den verschiedenen Grad der Absatzfähigkeit der Waaren.


Wir haben in dem bisherigen gesehen, dass die Absatz-
fähigkeit der Waaren bald auf einen engeren, bald auf einen
weiteren Kreis von Personen, bald auf engere, bald auf weitere
räumliche, zeitliche und quantitative Grenzen beschränkt ist.
Mit all’ dem haben wir indess nur die äusseren Grenzen ge-
kennzeichnet, innerhalb welcher bei jeder gegebenen ökonomischen
Sachlage der Absatz der Waaren stattfinden kann, und es er-
übrigt uns nunmehr zu untersuchen, von welchen Ursachen die
grössere oder geringere Leichtigkeit, mit welcher Waaren inner-
halb der obigen, ihrer Absatzfähigkeit gezogenen Grenzen um-
gesetzt werden können, abhängig ist.


Zu diesem Zwecke ist es nothwendig, dass wir einige Worte
über die Natur und Bestimmung der Waare vorausschicken. Die
Waare ist ein für den Austausch bestimmtes ökonomisches
Gut; sie ist indess nicht schlechthin für den Austausch be-
stimmt. Der Eigner der Waare hat die Absicht, dieselbe aus-
zutauschen, aber durchaus nicht für jeden Preis. Wer ein Lager
von Taschenuhren besitzt, kann dasselbe fast unter allen denk-
baren Umständen räumen, falls er die Taschenuhren um einen
Thaler das Stück, und ein Lederhändler das seine, falls er das
Leder zu ähnlichen Schleuderpreisen veräussern wollte. Nichts
destoweniger werden sich die beiden obigen Handelsleute even-
tuell für berechtigt halten, über mangelnden Absatz zu klagen,
denn ihre Waaren sind, wie gesagt, zwar zur Veräusserung be-
stimmt, aber nicht zu jedem, sondern zu dem der allgemeinen
ökonomischen Sachlage entsprechenden Preise.


Die effectiven Preise sind nun aber das Product der jewei-
ligen Concurrenz-Verhältnisse (S. 203) und dieselben entsprechen
um so mehr der allgemeinen wirthschaftlichen Sachlage,
je vollständiger die Concurrenz auf beiden Seiten stattfindet.
Wird durch irgend welche Umstände ein Theil derjenigen,
[241]Ueber die Absatzfähigkeit der Waaren.
welche Bedarf an einer Waare haben, von der Concurrenz zu-
rückgehalten, so sinkt der Preis unter das der allgemeinen
wirthschaftlichen Sachlage entsprechende Niveau, erfolgt dies
bei der Concurrenz in dem Anbote, so steigt der Preis der
Waare über dasselbe.


Ist nun die Concurrenz um eine Waare eine ungeregelte,
so zwar, dass die Gefahr besteht, dass die Eigner dieselbe bei
der Veräusserung zu den ökonomischen Preisen nicht werden
absetzen können, während diese Gefahr für die Eigner anderer
Waaren nicht, oder doch nicht in gleichem Masse besteht, so ist
es klar, dass dieser Umstand einen sehr wichtigen Unterschied
in der Absatzfähigkeit der in Rede stehenden Waaren begründet,
denn die erstern Waaren können ihrer Bestimmung leicht und
sicher, die andern oft nur mit ökonomischen Opfern, unter Um-
ständen wohl auch gar nicht zugeführt werden.


Märkte, Messen, Börsen, periodisch wiederkehrende öffent-
liche Auctionen, wie sie z. B. in grossen Seestädten stattfinden,
und dergleichen öffentliche Einrichtungen mehr, haben den Zweck,
die sämmtlichen massgebenden Interessenten bei der Preisbildung
einer Waare dauernd, oder doch periodisch an gewissen Punkten
zu versammeln und dadurch die Preisbildung zu einer ökono-
mischen zu machen. Waaren, für welche ein geregelter Markt
besteht, können desshalb von ihrem Besitzer leicht zu den der
jeweiligen allgemeinen ökonomischen Sachlage entsprechenden
Preisen abgesetzt werden, während andere, deren Umsatz ein
ungeregelter ist, auch zu ungeregelten Preisen die Hände wech-
seln, bisweilen gar nicht an den Mann zu bringen sind. Die Er-
richtung eines Marktes für einen Artikel hat den Erfolg, den
Producenten desselben, beziehungsweise denjenigen wirthschaf-
tenden Subjecten, welche damit Handel treiben, die Aussicht zu
eröffnen, ihre Waaren jeweilig zu ökonomischen Preisen absetzen
zu können, und es ist klar, dass z. B. die Errichtung eines
Woll- oder Getreidemarktes in einer Stadt die Absatzfähigkeit der
Wolle, beziehungsweise des Getreides, in dem umliegenden Pro-
ductionsgebiete dieses Artikels bedeutend vermehrt, wie denn
z. B. auch die Zulassung eines Effectes zum Handel auf der
Börse, die sogenannte Cotirung, zur ökonomischen Preisbildung
beim Umsatze desselben, und wegen der Garantie, welche dieser
Menger, Volkswirthschaftslehre. 16
[242]Ueber die Absatzfähigkeit der Waaren.
Umstand den Besitzern des bezüglichen Effectes für einen Ab-
satz zu ökonomischen Preisen gewährt, auch zur Vermehrung
der Absatzfähigkeit desselben in eminenter Weise beiträgt.


Schon der Umstand, dass jeder Consument die Besitzer
einer Waare aufzufinden weiss, — was beim Grosshandel wohl am
besten dadurch geschieht, dass die Eigner der Waare mit ihren
Lagern möglichst nahe zusammenrücken, um durch ihre Con-
centrirung eine ähnliche Concentrirung der Consumenten hervor
zurufen, — steigert im hohen Masse die Wahrscheinlichkeit, dass
die betreffenden Waaren jeweilig zu ökonomischen Preisen zur
Veräusserung gelangen werden und der Mangel einer solchen
beim Grosshandel ganz allgemein zu beobachtenden Concen-
trirung im Detailhandel, so naturgemäss er sich auch aus der
Rücksichtnahme auf die Bequemlichkeit und Zeitersparniss der
Consumenten ergiebt, bildet doch den Hauptgrund der minder
ökonomischen Preisbildung in diesem letztern Zweige des Ver-
kehres.


Der Umstand, dass für eine Waare gewisse Concentrations-
punkte des Verkehres und der ökonomischen Preisbildung be-
stehen, hat indess nicht nur den Erfolg, dass ihr Umsatz daselbst
zu ökonomischen Preisen erfolgt. Die Preise, die sich in diesen
Centren des Verkehres bilden, gelangen fortlaufend zur Kennt-
niss des Publicums und bieten die bezüglichen Veröffentlichun-
gen auch den ausserhalb jener Verkehrscentren befindlichen In-
teressenten die Möglichkeit, Geschäfte zu den der jeweiligen
ökonomischen Sachlage entsprechenden Preisen abzuschliessen.
Allerdings wird dies nur sehr selten bei den grossen Käufern
oder Verkäufern einer Waare der Fall sein, welche durch ihre
Transactionen einen massgebenden Einfluss auf die Preisbildung
selbst ausüben, aber die „kleinen Leute,“ deren Geschäfte zu
unbedeutend sind, um nennenswerthe Preisschwankungen hervor-
zurufen, sind durch jene Veröffentlichungen in den Stand ge-
setzt, auch ausserhalb des Verkehrsmittelpunktes ihre Umsätze
in ökonomischer Weise zu bewerkstelligen und participiren so-
mit an den Vortheilen des Marktes, den sie nicht einmal be-
suchen. In der Nachbarschaft von London mag es vorkommen,
dass ein Pächter nach der Notirung der „Times“ über das Getreidé-
geschäft in Marklane mit einem Müller abschliesst und in Wien
[243]Ueber die Absatzfähigkeit der Waaren.
geschehen geringfügigere Spiritusverkäufe nicht selten nach der
Notiz der „Neuen freien Presse,“ oder eines anderen bewährten
Blattes und so haben Concentrationspunkte des Verkehres in
einer Waare ganz allgemein den Erfolg, dass die Eigner von
Waaren dieselben an jedes wirthschaftende Subject, das nach
denselben Begehr hat, zu ökonomischen Preisen abzusetzen in
der Lage sind.


Der Umstand nun, dass der Kreis von Personen, auf
welche sich die Absatzfähigkeit der verschiedenen Waaren er-
streckt, wie wir oben sahen, zum Theile enger, zum Theile
weiter ist und die Concentrationspuncte der Interessenten bei
der Preisbildung dieser Waaren bald besser bald schlechter or-
ganisirt sind, ist die erste Ursache der verschiedenen Absatz-
fähigkeit der Waaren.


Es giebt zweitens Waaren, welche innerhalb der ihrer
Absatzfähigkeit gezogenen Grenzen fast überall Märkte finden.
Nutzvieh, Getreide, Metalle und ähnliche Güter des allgemeinsten
Gebrauches haben ihren Markt fast überall, wo überhaupt ein
Verkehr besteht, und jedes Städtchen und selbst der kleinste
Marktflecken wird in gewissen Zeiten zum Markte für diese
Güter, während für andere Waaren (Rauhwaaren, Thee, Indigo)
nur wenige durch weite Gebiete getrennte Märkte bestehen.
Diese Märkte sind rücksichtlich der Preisbildung von einander
nicht unabhängig. Die Berichte über die auf einem Markte vor-
fallenden Transactionen werden, wofern der Markt von mass-
gebender Wichtigkeit ist, nach allen übrigen Hauptmärkten ge-
meldet und eine eigene Classe von wirthschaftenden Individuen,
die der Arbitrageurs, sorgt dafür, dass die Preisdifferenzen zwischen
den einzelnen Märkten nicht in nennenswerther Weise die Kosten
und Spesen des Transportes übersteigen.


Der Umstand nun, dass die Absatzfähigkeit der Waaren
zum Theile auf ein weiteres, zum Theile auf ein engeres räum-
liches Gebiet beschränkt ist, und dass die einen Waaren inner-
halb dieses Gebietes an zahlreichen, die andern nur an wenigen
Verkehrspunkten zu ökonomischen Preisen Absatz finden können,
der Besitzer der ersteren Waaren, demnach dieselben, je nach
seinem Belieben, an zahlreichen Punkten eines weitern, der an-
dere nur an wenigen Punkten eines engeren Verkehrsgebietes
16 *
[244]Ueber die Absatzfähigkeit der Waaren.
zu ökonomischen Preisen absetzen kann, ist die zweite Ursache
der verschiedenen Absatzfähigkeit der Waaren.


Es giebt drittens Waaren, in welchen eine lebhafte und
wohl geregelte Speculation besteht, welche jede jeweilig zu
Markte gelangende Theilquantität der verfügbaren Menge der-
selben, wenngleich sie auch den laufenden Bedarf übersteigt,
aufnimmt, während sich die Speculation an dem Verkehre
in anderen Waaren nicht, oder doch nicht in gleichem Masse
betheiligt und bei Ueberfüllung des Marktes die Preise entweder
rapide sinken, oder aber die zugeführten Waaren unveräussert
vom Markte zurückgeführt werden müssen. Güter der ersten
Art können der Regel nach jeweilig in jeder thatsächlich vor-
handenen Quantität mit geringer Preiseinbusse zur Veräusserung
gebracht werden, während der Eigner einer Waare, in welcher
keine Speculation besteht, dieselbe in einer den laufenden Be-
darf übersteigenden Quantität entweder gar nicht, oder doch
nur mit grossen Verlusten umsetzen kann.


Wir haben schon oben in gewissen für specifische Gelehrten-
kreise berechneten Schriften ein Beispiel für die letztere Classe
von Waaren gegeben. Wichtiger in dieser Hinsicht sind indess
jene Waaren, welche für sich keine selbstständige Bedeutung
haben und nur als Theil einer anderen begehrt werden. Was
immer der Preis der Spiralfedern für Taschenuhren, oder der
Druckmesser von Dampfmaschinen sein mag, der Bedarf an den-
selben wird sich ziemlich genau nach der Quantität der
zu verfertigenden Uhren und Dampfmaschinen richten und
eine beträchtlich grössere Quantität der obigen Waaren wäre
zu keinem Preise anbringlich. Gold und Silber dagegen und so
manche andere Güter, bei welchen einer eng begrenzten verfüg-
baren Quantität ein fast ungemessener Bedarf entgegensteht,
sind in ihrer Absatzfähigkeit in quantitativer Beziehung nahe-
zu unbegrenzt. Es ist kein Zweifel, dass auch die tausend-
fache Quantität des jetzt vorhandenen Goldes und die hundert-
fache des jetzt vorhandenen Silbers noch immer Käufer fänden,
wenn sie zu Markte gebracht würden. Die eben genannten
Metalle würden hiedurch tief im Preise sinken und dann ohne
Zweifel auch von minder begüterten Personen zu Geräth und
gewöhnlichem Geschirr, und selbst von den ärmeren Leuten zu
[245]Ueber die Absatzfähigkeit der Waaren.
Schmuck verwendet werden, aber selbst bei der obigen enormen
Vermehrung würden sie nicht vergeblich zu Markte gebracht
werden und vor wie nach Absatz finden, während eine gleiche
Vermehrung des besten Gelehrtenwerkes, der vorzüglichsten
optischen Instrumente, ja selbst so wichtiger Waaren, wie Brod
und Fleisch, dieselben geradezu unverkäuflich machen müsste.
Aus dem Obigen folgt für den Besitzer von Gold und Silber die
grosse Leichtigkeit, für jeden Theil der jeweilig vorhandenen
Quantität dieser Güter, im schlimmsten Falle mit einem kleinen
Preisverluste, Absatz zu finden, während bei den meisten anderen
Gütern bei plötzlichen Waarenanhäufungen die Preisverluste
leicht viel grösser sind, noch andere Güter unter solchen Um-
ständen gar nicht veräussert werden können.


Der Umstand nun, dass die quantitativen Grenzen der Ab-
satzfähigkeit einer Waare bald weiter, bald enger sind, und von
der einen Waare innerhalb dieser Grenzen jede factisch zu
Markte gelangende Quantität leicht zu ökonomischen Preisen
Absatz findet, während das Gleiche bei anderen Waaren nicht,
oder doch nicht in dem gleichen Masse stattfindet, ist die dritte
Ursache der verschiedenen Absatzfähigkeit der Waaren.


Es giebt endlich viertens Waaren, für welche ein fast
ununterbrochener Markt besteht. Effecten und in Orten, wo
Waarenbörsen bestehen, auch eine Anzahl von Rohproducten
können täglich zur Veräusserung gebracht werden, andere
Waaren werden an zwei oder drei Wochentagen gehandelt, für
Getreide und sonstige Körnerfrüchte bestehen meist Wochen-
märkte, für Manufacturwaaren Vierteljahrsmessen, für Pferde
und sonstige Nutzthiere meist zwei oder mehr sogenannte Jahr-
märkte etc.


Der Umstand nun, dass die zeitlichen Grenzen der Absatz-
fähigkeit der Waaren zum Theile weiter, zum Theile enger sind
und innerhalb dieser Grenzen einige Waaren in jedem beliebigen
Zeitpunkte, die anderen nur in mehr oder minder entfernten
Zeitabschnitten zu ökonomischen Preisen zur Veräusserung ge-
langen können, ist die vierte Ursache der verschiedenen Absatz-
fähigkeit der Waaren.


Wenn wir einen Blick auf die Erscheinungen des wirth-
schaftlichen Lebens werfen und uns die ausserordentliche Ver-
[246]Ueber die Absatzfähigkeit der Waaren.
schiedenheit der Absatzfähigkeit der einzelnen Waaren ent-
gegentritt, so wird es uns nunmehr nicht schwer werden, die-
selbe auf eine oder mehrere der oben dargelegten Ursachen
zurückzuführen.


Wer eine Quantität Getreide besitzt, hat eine Waare in
den Händen, deren er sich, dort wo Fruchtbörsen bestehen,
so zu sagen jeden Augenblick, dort wo lediglich Wochenmärkte
bestehen, doch jede Woche zu den der ökonomischen Sachlage
entsprechenden Preisen entledigen kann, eine Waare, welche,
um einen kaufmännischen und sehr bezeichnenden Ausdruck zu
gebrauchen, gleichsam „baar Geld“ ist. Die Ursache hievon
liegt in dem weiten Kreise von Personen, welche Bedarf an
diesem Gute haben, in den weiten räumlichen, zeitlichen und
quantitativen Grenzen der Absatzfähigkeit desselben, in der
meist tüchtigen Organisation des Marktwesens und der lebhaften
Speculation in dieser Waare.


Wer Rauhwaaren am Lager hat, wird in mehrfacher Be-
ziehung etwas ungünstiger gestellt sein. Die quantitativen Grenzen
der Absatzfähigkeit dieses Artikels sind viel enger, das Markt-
wesen ist weitaus nicht so wohl geregelt, als beim Getreide, die
Märkte für diese Waare sind zeitlich und räumlich meist sehr
entfernt von einander und die Speculation in diesem Artikel
ist eine viel weniger lebhafte, als beim Getreide. Wer Weizen be-
sitzt, wird sich fast unter allen Umständen seiner Waare ent-
ledigen können, falls er dieselbe um einige wenige Kreuzer
unter der laufenden Notirung abgeben will, in Rauhwaaren wird
dies nicht immer der Fall sein und es wird bei diesem Artikel
leichter der Fall eintreten, dass der Eigner seine Waare nur
mit verhältnissmässig grossen Verlusten, oder aber in einem
gegebenen Momente wohl auch gar nicht umzusetzen in der
Lage, und eine längere Zeit zuzuwarten gezwungen sein wird.


Und nun vergleiche man die Absatzfähigkeit des Ge-
treides gar mit jener von solchen Artikeln, wie Fernröhre,
Meerschaumwaaren, Topfgewächse im Allgemeinen, oder gar
mit jener der minder gangbaren Sorten dieser Waaren!!


c) Ueber die Circulationsfähigkeit der Waaren.


Wir haben in dem Obigen die allgemeinen und besonderen
Ursachen der verschiedenen Absatzfähigkeit der Waaren dar-
[247]Ueber die Absatzfähigkeit der Waaren.
gelegt, oder, mit andern Worten, die Ursachen der grösseren,
oder geringeren Leichtigkeit, mit welcher ein Eigner seine
Waaren zu ökonomischen Preisen zu veräussern Aussicht hat.
Damit wäre auch die Frage der grösseren, oder geringeren
Leichtigkeit, mit welcher die verschiedenen Waaren durch
mehrere Hände circuliren können, gelöst, indem jede Circulation
einer Waare durch mehrere Hände sich doch lediglich aus den
einzelnen Transactionen zusammensetzt, und eine Waare, die
leicht aus der Hand ihres Eigners in die eines anderen wirth-
schaftenden Subjectes gebracht werden kann, auf den ersten
Blick, eben so leicht ihren Weg aus der zweiten in die dritte
Hand u. s. f. finden sollte. Diese Voraussetzung trifft jedoch
erfahrungsgemäss nicht bei allen Waaren zu, und es wird in dem
Nachfolgenden unsere Aufgabe sein, zu untersuchen, welche be-
sonderen Gründe bewirken, dass ein Theil der Waaren leicht von
Hand zu Hand circulirt, während das Gleiche bei den übrigen,
und unter andern selbst bei Waaren von grosser Absatzfähigkeit
nicht beobachtet werden kann.


Es giebt Waaren, welche in der Hand eines jeden wirth-
schaftenden Individuums nahezu die gleiche Absatzfähigkeit
haben. Die Goldkörner, welcher ein schmutziger siebenbürger
Zigeuner in dem Sande des Aranyos gewonnen hat, sind in sei-
nen Händen eben so absatzfähig, als in jenen des Besitzers eines
Goldbergwerkes, wofern er nur den richtigen Markt für seine
Waaren aufzufinden weiss, und die Goldkörner können durch
eine beliebige Anzahl von Händen gehen, ohne hiedurch an
ihrer Absatzfähigkeit etwas einzubüssen. Kleidungsstücke, Bett-
stücke, zubereitete Speisen etc. wären dagegen in den Händen
der obigen Person, falls sie dieselben auch nicht in Gebrauch
gezogen, und selbst dann, wenn sie dieselben von vorn herein
lediglich zum Zwecke der Weiterbegebung im Austausche über-
nommen hätte, verdächtig, fast unanbringlich und jedenfalls
sehr entwerthet. Waaren dieser Art mögen in den Händen
der betreffenden Producenten, oder gewisser Handelsleute noch
so absatzfähig sein, sie büssen ihre Absatzfähigkeit ganz, oder
doch zum Theile ein, wenn auch nur der Verdacht entsteht,
dass sie sich bereits im Gebrauche, oder auch nur in unsaubern
Händen befunden haben, und sie sind desshalb nicht wohl ge-
[248]Ueber die Absatzfähigkeit der Waaren.
eignet, im ökonomischen Austausche von Hand zu Hand zu
circuliren.


Andere Waaren erfordern zu ihrem Vertriebe besondere
Kenntnisse, Fertigkeiten, Verbindungen, oder behördliche Ver-
willigungen, Privilegien u. dgl. m. und sind in den Händen eines
wirthschaftenden Subjectes, bei welchem diese Voraussetzungen
nicht zutreffen, nicht, oder doch schwer veräusserlich und jeden-
falls entwerthet. Waaren, die für den indischen oder süd-
amerikanischen Verkehr bestimmt sind, Apothekerwaaren,
Monopolartikel u. dgl. m. mögen in den Händen gewisser Per-
sonen sehr absatzfähig sein, in den Händen anderer Personen
büssen sie dagegen einen grossen Theil ihrer Absatzfähigkeit
ein und sind desshalb eben so wenig, wie die oben genannten
Waaren, geeignet, von Hand zu Hand zu circuliren.


Selbst Güter, welche, um überhaupt verwendbar zu sein,
dem Bedürfnisse des Consumenten erst noch besonders ange-
passt werden müssen, sind nicht in der Hand eines jeden Eigners
in gleichem Masse absatzfähig. Schuhe, Hüte u. dgl. Artikel
mehr, von welcher Grösse sie auch immer sein mögen, sind in
den Händen eines Schuhwaarenhändlers, beziehungsweise eines
Hutmachers, in dessen Werkstätte oder Kaufladen sich ein
grosser Consumentenkreis versammelt, immer von einer gewissen
Absatzfähigkeit, insbesondere da die obigen Geschäftsleute der
Regel nach die Mittel in den Händen haben, um die Waare den
speciellen Bedürfnissen ihrer Kunden anzupassen. In den Händen
einer andern Person sind diese Waaren schwer und fast immer
nur mit bedeutendem Verluste abzusetzen. Auch solche Waaren
sind nicht dazu geeignet, von Hand zu Hand zu circuliren.


Auch Güter, deren Preis nicht wohl bekannt, oder bedeu-
tenden Schwankungen ausgesetzt ist, sind nicht leicht von Hand
zu Hand übertragbar. Dem Uebernehmer dieser Güter droht
die Gefahr, dieselben zu „überzahlen,“ oder, bevor er sie weiter
begeben hat, durch eine Minderung ihres Preises zu Schaden
zu kommen. Eine „Partie Getreide“ pflegt auf Fruchtbörsen,
und ein Posten gangbarer Effecten auf Geldbörsen leicht zehn-
mal während weniger Stunden die „Hände“ zu wechseln, während
Landgüter oder gar Fabriken, deren Werth sich erst nach einer
genauen Untersuchung aller Umstände feststellen lässt, zu einer
[249]Ueber die Absatzfähigkeit der Waaren.
so raschen Circulation ganz und gar untauglich sind. Selbst
Personen, welche ausserhalb der Börse stehen, nehmen leicht
Effecten, deren Preis keinen beträchtlichen Schwankungen unter-
liegt, an Zahlungsstatt, während Waaren, die heftigen Preis-
schwankungen unterliegen, nicht leicht anders als „unter dem
Preise“ circuliren können, da alle jene Personen, welche der
Speculation ferne stehen, sich gegen Verluste sicher stellen
wollen. Auch Waaren, deren Preis ein unbestimmter, beziehungs-
weise ein stark schwankender ist, sind demnach nicht wohl ge-
eignet, von Hand zu Hand zu circuliren.


Klar ist endlich, dass die einzelnen, die Absatzfähigkeit der
Waaren beschränkenden Momente überall dort, wo es sich um
die Uebertragung derselben von Hand zu Hand, von Ort zu Ort
und aus einem Zeitraume in den andern handelt, in potencirter
Weise in’s Gewicht fallen. Waaren, deren Absatzfähigkeit auf
einen engen Kreis von Personen beschränkt, deren Absatzge-
biet ein enges, deren Conservirungsdauer eine kurze, oder aber
Waaren, deren Conservirung mit beträchtlichen ökonomischen
Opfern verbunden ist, Waaren, welche jeweilig nur in eng be-
grenzten Quantitäten zu Markte gelangen können, deren Preise
nicht wohl regulirt sind u. s. f., mögen in gewissen, wenn auch
noch so engen Grenzen ein gewisses Mass der Absatzfähigkeit
behaupten — circulationsfähig können sie aber nicht werden.


So stellt sich uns die Circulationsfähigkeit der Waaren
als eine auf jedes wirthschaftende Subject, in dessen Händen sie
sich befinden, erstreckende Absatzfähigkeit, im weitesten Sinne
dieses Wortes, zugleich aber auch als eine solche dar, bei welcher
nicht nur ein einzelnes Moment, sondern die sämmtlichen oben
erwähnten vier Momente der höheren Absatzfähigkeit einer
Waare zusammentreffen.


[[250]]

Achtes Capitel.
Die Lehre vom Gelde.


§. 1.
Ueber das Wesen und den Ursprung des Geldes *).


In den Anfängen des menschlichen Verkehrs, wo die Er-
kenntniss des ökonomischen Nutzens, welcher sich aus der Aus-
beutung der vorhandenen Tauschgelegenheiten erzielen lässt,
bei den wirthschaftenden Subjecten erst allmählig erwacht, ihre
Zwecke, wie dies der Einfachheit aller Culturanfänge entspricht,
vorerst nur auf das Nächstliegende gerichtet sind, und dem-
gemäss Jedermann bei den Gütern, die er im Austausche er-
halten soll, lediglich den Gebrauchswerth im Auge hat, werden
die factisch zu Stande kommenden Tauschoperationen sich natur-
gemäss auf jene Fälle beschränken, wo Güter für die wirth-
schaftenden Subjecte, in deren Besitze sie sich befinden, einen
geringeren Gebrauchswerth haben, als andere im Besitze
anderer Subjecte befindliche Güter, während bei diesen letzteren
Subjecten wiederum, rücksichtlich derselben Güter, das umge-
kehrte Verhältniss der Werthschätzung stattfindet. A besitzt
ein Schwert, das für ihn einen geringeren Gebrauchswerth
[251]Ueber das Wesen und den Ursprung des Geldes.
hat, als der Pflug des B, während für B derselbe Pflug einen
geringeren Gebrauchswerth hat, als das Schwert des A; — auf
solche und ähnliche Fälle beschränken sich unter den obigen
Verhältnissen nothwendigerweise die thatsächlich zur Ausführung
gelangenden Tauschoperationen.


Nun ist es unschwer zu erkennen, dass unter solchen Ver-
hältnissen die Zahl der thatsächlich zu Stande kommenden
Tauschoperationen nur eine sehr eng begrenzte sein kann. Wie
selten trifft sich nämlich der Fall, dass für eine Person ein in
ihrem Besitze befindliches Gut einen geringeren Gebrauchswerth
hat, als ein anderes im Besitze einer anderen Person befindliches,
während zugleich für diese letztere gerade das umgekehrte Ver-
hältniss stattfindet, um wie viel seltener noch der Fall, dass
diese beiden Personen, selbst wenn das obige Verhältniss in
einzelnen Fällen besteht, sich gegenseitig finden! A hat ein Fisch-
netz, das er gern gegen eine Quantität Hanf eintauschen möchte.
Damit dieser Tausch wirklich zu Stande komme, ist nicht nur
erforderlich, dass ein anderes wirthschaftendes Individuum B
existire, das eine Quantität Hanf, wie sie den Wünschen
des A entspricht, gegen das Fischnetz desselben hinzu-
geben bereit ist, sondern auch die weitere Voraussetzung, dass
die beiden wirthschaftenden Individuen sich mit ihren Wünschen
begegnen. Der Landwirth C besitzt ein Pferd, das er gern gegen
eine Anzahl von Ackerbauwerkzeugen und Kleidungsstücken aus-
tauschen möchte. Wie unwahrscheinlich ist es nun gar, dass
dieser letztere eine andere Person auffinden werde, welche seines
Pferdes bedarf und zugleich in der Lage und Willens ist, ihm
dafür die sämmtlichen von ihm begehrten Werkzeuge und Klei-
dungsstücke im Austausche hinzugeben?


Diese Schwierigkeit wäre eine geradezu unüberwindliche
geworden, so zwar, dass den Fortschritten der Arbeitstheilung
und zumal auch der Production von Gütern auf ungewissen
Verkau[f] schwere Hemmnisse erwachsen sein würden, hätte nicht
in der Natur der Dinge selbst ein Aushilfsmittel gelegen, wel-
ches, ohne dass eine besondere Uebereinkunft, oder gar ein
staatlicher Zwang erforderlich gewesen wäre, die wirtschaf-
tenden Menschen aller Orten mit unabweislicher Gewalt zu
[252]Ueber das Wesen und den Ursprung des Geldes.
einem Zustande der Dinge führte, bei welchem die obige Schwie-
rigkeit vollständig beseitigt erscheint.


Die directe Deckung des Bedarfes ist das Endziel aller
wirthschaftlichen Bestrebungen der Menschen. Dieselben ver-
folgen bei ihren Tauschoperationen demnach ganz naturgemäss
den Endzweck, sich für ihre Waaren solche Güter auszu-
tauschen, welche für sie Gebrauchswerth haben, und ist dies
Bestreben auf allen Culturstufen gleichmässig vorhanden und
ökonomisch durchaus berechtigt. Die wirthschaftenden Individuen
würden indess offenbar sehr unökonomisch handeln falls sie
überall dort, wo dies Endziel nicht sofort und unmittelbar
zu erreichen ist, es verschmähen würden, sich demselben über-
haupt zu nähern.


Ein Waffenschmied des homerischen Zeitalters hat zwei
kupferne Rüstungen verfertigt und gedenkt dieselben gegen
Kupfer, Brennmaterialien und gegen Nahrungsmittel auszutau-
schen. Er begibt sich auf den Markt, bietet seine Waare
gegen die obigen Güter aus und ist sicherlich sehr befriedigt,
wenn er daselbst mit Personen zusammentrifft, die Rüstungen
einzutauschen beabsichtigen und zugleich sämmtliche ihm noth-
wendige Rohmaterialien und Nahrungsmittel feilbieten. Es müsste
indess offenbar als ein besonders glücklicher Zufall betrachtet
werden, falls er unter der jeweilig geringen Zahl von Personen,
welche ein so wenig absatzfähiges Gut, wie dies seine Rüstungen
sind, einzutauschen beabsichtigen, gerade solche fände, welche
jene Güter insgesammt ausbieten, deren er benöthigt. Er würde
demnach auf den Austsusch seiner Waaren verzichten, zum min-
desten aber denselben nur mit bedeutendem Zeitverluste be-
werkstelligen können, falls er so unökonomisch handeln würde,
eben nur die ihm nöthigen Gebrauchsgüter im Austausche gegen
seine Waaren annehmen zu wollen und nicht auch andere Güter,
die zwar für ihn gleichfalls den Waarencharakter haben, aber
von grösserer Absatzfähigkeit sind als die seinen,
Waaren deren Besitz ihm demnach das Auffinden von Personen,
welche eben jene Güter besitzen, deren er bedarf, bedeutend
erleichtert. In den Zeiten, von welchen wir hier sprechen, ist
das Vieh, wie wir weiter unten sehen werden, die absatzfähigste
aller Waaren. Der Waffenschmied müsste nun, sagen wir, selbst
[253]Ueber das Wesen und den Ursprung des Geldes.
unter der Voraussetzung, dass er bereits für seinen directen Be-
darf genügend mit Vieh versorgt wäre, sehr unökonomisch
handeln, falls er seine Rüstungen nicht auch gegen eine Anzahl
von Häuptern Vieh hingeben würde. Er tauscht damit gegen
seine Waare allerdings nicht Gebrauchsgüter (im engern, dem
der „Waare“ entgegengesetzten Sinne dieses Wortes), sondern
nur solche Güter ein, welche für ihn gleichfalls den Waaren-
charakter haben, wohl aber erhält er für seine minder absatz-
fähigen Waaren solche von grösserer Absatzfähigkeit und es ist
klar, dass der Besitz dieser letzteren ihm die Wahrscheinlichkeit
vervielfacht, am Markte Personen aufzufinden, welche die ihm selbst
erforderlichen Gebrauchsgüter feil bieten. Unser Rüstungschmied
wird demnach bei richtiger Erkenntniss seines individuellen
Interesses naturgemäss, ohne Zwang, oder besondere Ueberein-
kunft dazu geführt werden, seine Rüstungen gegen eine ent-
sprechende Anzahl Viehhäupter hinzugeben und mit den so ge-
wonnenen absatzfähigeren Waaren sich zu jenen Marktbesuchern
verfügen, welche Kupfer, Brennmaterialien und Nahrungsmittel
feil bieten, um nunmehr mit vervielfachter Wahrscheinlichkeit
und jedenfalls viel rascher und in ökonomischerer Weise seinen
Endzweck, den Austausch der ihm nöthigen Gebrauchsgüter
zu erreichen.


Das ökonomische Interesse der einzelnen wirthschaften-
den Individuen führt sie demnach, bei gesteigerter Erkenntniss
dieses ihres Interesses, ohne alle Uebereinkunft, ohne
legislativen Zwang, ja ohne alle Rücksichtsnahme
auf das öffentliche Interesse
dazu, ihre Waaren gegen
andere, absatzfähigere Waaren im Austausche hinzugeben,
selbst wenn sie dieser letzteren für ihre unmittelbaren Gebrauchs-
zwecke nicht bedürfen, und so tritt denn unter dem mächtigen
Einflusse der Gewohnheit die allerorten mit der steigenden
ökonomischen Cultur zu beobachtende Erscheinung zu Tage, dass
eine gewisse Anzahl von Gütern, und zwar jene, welche mit
Rücksicht auf Zeit und Ort die absatzfähigsten sind, von Jeder-
mann im Austausche angenommen werden und desshalb auch
gegen jede andere Waare umgesetzt werden können, Güter,
welche unsere Vorfahren Geld nannten, von „gelten,“ das ist
[254]Ueber das Wesen und den Ursprung des Geldes.
„leisten, zahlen,“ wornach denn das Geld in unserer Sprache
schlechthin das Zahlungsobject bedeutet*).


Von welcher hohen Bedeutung gerade die Gewohnheit**)
für die Entstehung des Geldes ist, ergiebt sich unmittelbar aus
der Betrachtung des eben dargelegten Processes, durch welchen
[255]Ueber das Wesen und den Ursprung des Geldes.
bestimmte Güter zum Gelde werden. Der Austausch von minder
absatzfähigen Waaren gegen solche von höherer Absatzfähigkeit
liegt im ökonomischen Interesse jedes einzelnen wirthschaf-
tenden Individuums, aber der factische Abschluss solcher Tausch-
operationen setzt die Erkenntniss dieses Interesses Seitens jener
wirthschaftenden Subjecte voraus, welche ein ihnen an und für
sich vielleicht gänzlich unnützes Gut um seiner höheren Absatz-
fähigkeit willen im Austausche gegen ihre Waaren annehmen
sollen. Diese Erkenntniss wird niemals bei allen Gliedern eines
Volkes zugleich entstehen. Vielmehr wird stets zunächst nur
eine Anzahl von wirthschaftenden Subjecten den Vortheil er-
kennen, welcher ihnen dadurch erwächst, dass sie überall dort,
wo ein unmittelbarer Austausch ihrer Waaren gegen Gebrauchs-
güter nicht möglich, oder höchst ungewiss ist, gegen ihre Waaren
andere, absatzfähigere Waaren im Austausche annehmen, ein
Vortheil, der an und für sich unabhängig ist von der
allgemeinen Anerkennung einer Waare als Geld
,
da immer und unter allen Umständen ein solcher Austausch
das einzelne wirthschaftende Individuum seinem Endziele, der
Erwerbung der ihm nöthigen Gebrauchsgüter um ein beträcht-
liches näher bringt. Da es nun aber kein besseres Mittel giebt,
die Menschen über ihre ökonomischen Interessen aufzuklären,
als die Betrachtung der ökonomischen Erfolge jener, welche die
richtigen Mittel zur Erreichung derselben ins Werk setzen, so
ist auch klar, dass nichts so sehr die Entstehung des Geldes
begünstigte, als die Seitens der einsichtsvollsten und tüchtigsten
wirtschaftenden Subjecte zum eigenen ökonomischen Nutzen
durch längere Zeit geübte Annahme eminent absatzfähiger Waaren
gegen alle andern. Solcherart haben Uebung und Gewohnheit
sicherlich nicht wenig dazu beigetragen, die jeweilig absatz-
fähigsten Waaren zu solchen zu machen, welche nicht nur von
vielen, sondern von allen wirthschaftenden Individuen im Aus-
tausche gegen ihre Waaren angenommen wurden *).


[256]Ueber das Wesen und den Ursprung des Geldes.

Einen nicht zu leugnenden, wenn auch geringeren Einfluss
auf den Geldcharakter einer Waare, pflegt innerhalb der staat-
*)
[257]Ueber das Wesen und den Ursprung des Geldes.
lichen Grenzen die Rechtsordnung zu haben. Der Ursprung des
Geldes (zu unterscheiden von der Abart desselben der Münze)
*)
Menger, Volkswirthschaftslehre. 17
[258]Ueber das Wesen und den Ursprung des Geldes.
ist wie wir sahen, ein durchaus naturgemässer, und er weist dem-
nach auch nur in den seltensten Fällen auf legislative Einflüsse zu-
*)
[259]Ueber das Wesen und den Ursprung des Geldes.
rück. Das Geld ist keine staatliche Erfindung, nicht das Product eines
legislativen Actes und die Sanction desselben Seitens der staat-
*)
17 *
[260]Ueber das jedem Zeitalter eigenthümliche Geld.
lichen Autorität ist demnach dem Begriffe des Geldes überhaupt
fremd. Auch die Existenz bestimmter Waaren als Geld hat sich
naturgemäss aus den ökonomischen Verhältnissen herausgebildet,
ohne dass die staatliche Einflussnahme hiebei erforderlich ge-
wesen wäre.


Erhält nun aber in Uebereinstimmung mit den Bedürf-
nissen des Verkehres ein Gut die staatliche Sanction als Geld,
so wird dadurch bewirkt, dass nicht nur jede Leistung an den
Staat selbst, sondern auch alle übrigen Leistungen, deren Inhalt
im concreten Fall nicht anderweitig normirt ist, namentlich also
jede anstatt der ursprünglich festgestellten und aus irgend einem
Grunde weggefallenen subsidiarisch eintretende Leistung nur in
jenem Gute mit rechtlicher Wirkung gefordert und angeboten
werden kann, dass also diesem Gute der Charakter der univer-
sellen Vertretungsfähigkeit von Staatswegen aufgedrückt wird,
ein Umstand, der das betreffende Gut nicht erst zum Gelde
macht, wohl aber seinen Geldcharakter bedeutend vervoll-
kommnet *).


§. 2.
Ueber das jedem Volke und jedem Zeitalter eigenthümliche Geld.


Das Geld ist kein Product des Uebereinkommens der
wirthschaftenden Menschen, oder gar das Product legislativer
Acte. Das Geld ist keine Erfindung der Völker. Die einzelnen
wirthschaftenden Individuen im Volke gelangten allerorten mit
der steigenden Einsicht in ihre ökonomischen Interessen zugleich
auch zu der nahe liegenden Erkenntniss, dass durch die Hingabe
minder absatzfähiger Waaren gegen solche von grösserer Ab-
satzfähigkeit ihre speciellen ökonomischen Zwecke um einen
bedeutenden Schritt gefördert werden und so entstand das Geld
an zahlreichen von einander unabhängigen Culturcentren mit
*)
[261]Ueber das jedem Zeitalter eigenthümliche Geld.
der fortschreitenden Entwicklung der Volkswirthschaft. Aber
eben desshalb, weil das Geld sich uns als ein naturgemässes
Product der menschlichen Wirthschaft darstellt, war seine be-
sondere Erscheinungsform auch allerorten und zu allen Zeiten
das Ergebniss der besonderen und wechselnden ökonomischen
Sachlage und es haben bei denselben Völkern zu verschiedenen
Zeiten, und bei verschiedenen Völkern zur selben Zeit verschie-
dene Güter jene eigenthümliche Stellung im Verkehre erlangt,
auf welche wir oben hingewiesen haben.


In den frühesten Perioden wirthschaftlicher Entwicklung
scheint bei den meisten Völkern der alten Welt das Vieh die
absatzfähigste Waare geworden zu sein. Nutzthiere bilden bei
Nomaden und allen aus dem Nomadenthume zur Bodenwirth-
schaft übergehenden Völkern den hauptsächlichsten Theil des
Vermögensbesitzes jedes Einzelnen, und ihre Absatzfähigkeit er-
streckt sich geradezu auf sämmtliche wirthschaftende Subjecte,
bei dem Mangel an Kunststrassen und dem Umstande, dass das
Vieh sich selbst transportirt (in den Culturanfägen nahezu
kostenlos!) auf weitere räumliche Grenzen, als die der meisten
andern Waaren. Vieh ist eine Waare von ausreichender Con-
servirungsfähigkeit, seine Erhaltungskosten sind dort, wo Weide-
land in Fülle vorhanden ist und die Thiere im Freien gehalten
werden, verschwindend klein und dasselbe kann auf Culturstufen,
wo Jedermann nach dem Besitze möglichst grosser Heerden
strebt, auch nicht leicht in übergrosser Menge zu Markte ge-
langen, es ist deshalb auch in Rücksicht auf die zeitlichen und
quantitativen Grenzen seiner Absatzfähigkeit begünstigt. Bei
keiner andern Waare treffen in jener Epoche, von welcher wir
hier sprechen, die Bedingungen einer auf weite Grenzen sich
erstreckenden Absatzfähigkeit in gleicher Weise zusammen.
Fügen wir nun noch hinzu, dass unter den obigen Verhältnissen
der Verkehr mit Nutzthieren, wenn der irgend einer anderen
Waare, sicherlich verhältnissmässig wohl entwickelt war, so stellt
sich uns das Vieh als die absatzfähigste unter allen vorhandenen
Waaren, als das natürliche Geld *) der Völker der alten Welt dar.


[262]Ueber das jedem Zeitalter eigenthümliche Geld.

Das gebildeteste Volk des Alterthumes, die Griechen,
dessen Entwickelungsstufen uns die Geschichte in ziemlich deut-
lichen Umrissen erkennen lässt, zeigt uns denn auch selbst noch
zu den Zeiten Homers in Handel und Wandel keine Spur unseres
heutigen gemünzten Geldes. Jener war noch vorwiegend Tausch-
handel, Heerden bilden den Reichthum der Menschen, in Vieh
werden Zahlungen geleistet, die Preise der Waaren geschätzt
und Strafbussen entrichtet. Noch Drakon legt Viehbussen auf,
welche letztere erst Solon, offenbar nachdem sie sich bereits
überlebt hatten, nach dem Massstabe von einer Drachme
für das Schaf und von fünf Drachmen für das Rind in Metall-
geld umschreibt. Viel deutlicher noch, als bei den Griechen,
lassen sich die Spuren des Viehgeldes bei den Viehzucht trei-
*)
[263]Ueber das jedem Zeitalter eigenthümliche Geld.
benden Vorältern der Italiker erkennen. Bis in die spätere
Zeit dient bei den Römern das Rind und daneben das Schaf
als Tauschmittel. Die ältesten gesetzlichen Strafen sind Vieh-
bussen (in Rindern und Schafen angesetzt), dieselben kommen
noch in der lex Aternia Tarpeia v. J. 454 zum Vorscheine und
werden erst 24 Jahre später in Beträge gemünzten Metalles
umgesetzt *). Bei unseren Vorfahren, den alten Germanen,
galt zu einer Zeit, wo sie, nach Tacitus, silbernes und thönernes
Geschirr noch gleich hoch schätzten, ein grosser Viehstand und
Reichthum für eins. Wie bei den Griechen des homerischen
Zeitalters steht der Tauschhandel im Vordergrunde, doch dienen
auch hier Viehstücke, zumal aber Pferde (daneben Waffen!)
bereits als Tauschmittel. Vieh ist ihr liebster Besitz, den sie
jedem andern vorziehen, in Vieh und Waffen, wie später in
Metallgeld werden die gerichtlichen Bussen entrichtet **). Noch
Otto der Grosse legt Viehbussen auf. Bei den Arabern hat
die Viehwährung noch zu Mohamet’s Zeiten bestanden ***) und
bei den Völkern des östlichen Asiens, bei welchen die heiligen
Schriften des Zoroaster, die Zendavesta Geltung hatten, haben
andere Formen des Geldes die Viehwährung erst spät ver-
drängt, nachdem die Nachbarvölker schon längst zum Metall-
gelde übergegangen waren †). Dass das Vieh bei den Hebräern ††),
den Kleinasiaten und den Bewohnern von Mesopotamien in vor-
historischer Zeit als Geld im Gebrauche war, mag vermuthet
werden; Belege hiefür finden sich nicht. Alle diese Völker treten
auf einer Culturstufe in die Geschichte, wo sie die Viehwährung
bereits hinter sich hatten, wofern man auf eine solche aus der
Analogie der spätern Entwickelung und dem Umstande, dass es
der Einfachheit der Culturanfänge entgegen zu sein scheint,
[264]Ueber das jedem Zeitalter eigenthümliche Geld.
grosse Zahlungen in Metall, oder Metallgeräthen zu leisten, über-
haupt schliessen darf *).


Die fortschreitende Cultur, zumal die Trennung der Be-
schäftigungen und die natürliche Folge dieser Trennung, die
allmälige Begründung von Städten mit vorwiegend Industrie
treibender Bevölkerung, müssen indess allenthalben zur Folge haben,
dass die Absatzfähigkeit des Viehes in demselben Masse schwindet,
in welchem sie bei andern Waaren, zumal bei den Nutzmetallen,
zunimmt. Der Handwerker, der mit dem Ackerbauer einen Tausch
eingeht, ist wohl nur ausnahmsweise in der Lage, Vieh als
Geld anzunehmen, und unter allen Umständen ist für den
Stadtbewohner der vorübergehende Besitz von Vieh nicht nur
lästig, sondern zugleich mit beträchtlichen ökonomischen Opfern
verbunden. Selbst für den Landwirth bedeutet die Verwahrung
und Verpflegung des Viehes nur insolange kein nennenswerthes
ökonomisches Opfer, als ihm Weideflächen in beliebiger Menge
zur Verfügung stehen und man das Vieh im Freien zu halten
gewöhnt ist. Das Vieh büsst demnach mit der fortschreitenden
Culturentwicklung die weiten Grenzen seiner Absatzfähigkeit
rücksichtlich des Kreises von Personen, an welche, und des
Zeitraumes, innerhalb dessen es in ökonomischer Weise abgesetzt
werden kann, grossentheils ein, während es in Rücksicht auf
die räumlichen und quantitativen Grenzen seiner Absatzfähig-
keit gegen andere Güter immer mehr in den Hintergrund tritt.
Es hört auf, die absatzfähigste Waare, das ökonomische
Geld und damit schliesslich und endlich überhaupt Geld zu sein.


Alle Culturvölker, bei welchen ehedem das Vieh den
Charakter des Geldes hatte, haben denn auch mit dem Ueber-
gange aus dem Nomadenthume und der reinen Bodenwirthschaft
in die spätere, daneben Gewerbe treibende Epoche, das Viehgeld
verlassen und zu den Nutzmetallen, und unter diesen haupt-
sächlich zu den um ihrer leichten Gewinnung und Geschmeidig-
keit willen zuerst von den Menschen bearbeiteten: dem Kupfer,
dem Silber, dem Golde, in einzelnen Fällen auch zum Eisen ge-
griffen, ein Uebergang, der, sobald er nothwendig geworden, um
so leichter erfolgte, als überall neben der Viehwährung ohne
[265]Ueber das jedem Zeitalter eigenthümliche Geld.
Zweifel schon früher bei kleinern Zahlungen Metallgeräth und
das Rohmaterial selbst als Geld in Verwendung stand.


Kupfer war das älteste Metall, aus welchem der Ackerbauer
seinen Pflug, der Krieger seine Waffen, der Handwerker seine
Werkzeuge verfertigte, Kupfer, Gold und Silber das älteste
Material für Geschirr und Schmuck aller Art. Auf jener Cultur-
stufe, wo die Völker vom Vieh- zum blossen Metallgelde über-
giengen, waren solcherart das Kupfer, und etwa noch einige
Legirungen desselben, Güter des allgemeinsten Gebrauches, Gold
und Silber, als die wichtigsten Mittel zur Befriedigung der all-
gemeinsten Leidenschaft niedrig cultivirter Menschen, der Sucht,
vor den Stammesgenossen äusserlich hervorzuglänzen, Güter des
allgemeinsten Wunsches. Fügen wir nun noch hinzu, dass diese
Metalle, so lange es der Verwendungen wenige gab, in ver-
arbeitetem Zustande, später, als Rohmaterialien von unbegrenzter
Verwendbarkeit und Theilbarkeit, in ihrer Absatzfähigkeit weder
auf einen engen Kreis von wirthschaftenden Personen, noch auch
wegen ihres allen Völkern gemeinsamen Gebrauches und ihres
leichten und mit relativ geringen ökonomischen Opfern verbun-
denen Transportes, auf enge räumliche Grenzen, wegen ihrer
Dauerhaftigkeit in dieser Rücksicht ebensowenig auf enge zeit-
liche Grenzen beschränkt waren und bei der allgemeinen Concur-
renz um dieselben auch in höherem Masse, als irgend eine
andere Waare in jeder gegebenen Quantität zu ökonomischen
Preisen verausgabt werden konnten (S. 214), so haben wir die
wirthschaftliche Sachlage vor unseren Augen, bei deren Bestande
die drei erwähnten Metalle, als die absatzfähigsten Güter, zum
ausschliesslichen Tauschmittel der auf das Nomadenthum und
die reine Bodenwirthschaft folgenden Epoche wurden.


Dieser Uebergang hat sich weder plötzlich, noch bei allen
Völkern in gleicher Weise vollzogen. Die neuere Metall-Währung
mag lange neben der ältern Viehwährung im Gebrauche gewesen
sein, bevor sie dieselbe völlig verdrängte und die Bewerthung
eines Viehstückes in dem zum Gelde gewordenen Metalle auch
späterhin, als das letztere ausschliesslich den Verkehr durch-
drang, sich als Masseinheit erhalten haben. Die Dekaboion,
Tesseraboion, Hekatomboion der Griechen und das älteste
Metall-Geld der Römer und Gallier mag solcher Art gewesen
[266]Ueber das jedem Zeitalter eigenthümliche Geld.
sein und das auf den Metallstücken erscheinende Thier-Bild,
das Symbol dieser Bewerthung *).


Dass das Kupfer, beziehungsweise die Bronze, als das
wichtigste Nutzmetall, das ältere Tauschmittel gewesen, und die
edlen Metalle erst später als Geld in Function traten, ist zum
mindesten ungewiss. Im Osten von Asien, in China, vielleicht
auch in Indien ist die Kupferwährung allerdings zur vollständig-
sten Ausbildung gelangt und ebenso in Central-Italien das Kupfer
zu einer eigenthümlichen Währung entwickelt worden. In den
uralten Culturgebieten des Euphrat und Tigris finden sich da-
gegen nicht einmal Spuren des ehemaligen Bestandes einer
selbstständigen Kupferwährung und in Vorderasien, Aegypten,
in Griechenland, Sicilien und Unter-Italien ist die selbst-
ständige Ausbildung derselben, wo sie überhaupt bestand,
durch die grossartige Entwicklung des Waarenaustausches im
Mittelmeere, welcher mit Kupfer füglich nicht betrieben werden
konnte, aufgehalten worden. Fest steht dagegen, dass alle
Völker, welche durch die äusseren Verhältnisse, unter welchen
sich ihre wirthschaftliche Cultur entwickelte, zur Kupferwährung
geführt wurden, mit den Fortschritten der Culturentwicklung,
zumal aber mit der räumlichen Ausdehnung ihres Waarenver-
kehres von den minder kostbaren Metallen zu den kostbareren,
vom Kupfer und Eisen zum Silber und Golde, und dort, wo die
Silberwährung in Aufnahme kam, zur Goldwährung übergingen,
oder bei ihnen doch die Tendenz hiezu besteht, wenngleich auch
der Uebergang selbst nicht überall thatsächlich erfolgt ist.
Im engen Verkehre einer alten sabinischen Stadt mit der
umliegenden Landschaft und bei der Einfachheit sabinischer
Sitte war, sobald die Viehwährung sich überlebt hatte,
das den praktischen Zwecken der Landleute, wie der Stadtbe-
wohner in gleicher Weise dienliche wichtigste Nutzmetall, das
Kupfer, allerdings diejenige Waare, deren Absatzfähigkeit sich
auf den weitesten Kreis von Personen erstreckte und in quan-
titativer Beziehung die weitesten Grenzen hatte — in den An-
fängen der Cultur die wichtigsten Erfordernisse des Geldes —
ein Gut überdiess, dessen leichte und kostenlose Conservirung
[267]Ueber das jedem Zeitalter eigenthümliche Geld.
und Aufbewahrung in kleinern Beträgen und dessen relativ
billiger Transport dasselbe innerhalb enger räumlicher Grenzen
in ausreichender Weise zu Geldzwecken qualificirten. Sobald
jedoch die Grenzen des Verkehrs sich erweitern und grosse
Waarenumsätze stattfinden, verliert das Kupfer naturgemäss
eben so sehr an Geldtüchtigkeit, als die edlen Metalle immer
mehr und mehr zu den absatzfähigsten Waaren der fortge-
schrittenen Culturepochen werden, mit ihrem die ganze Erde
umspannenden Waarenverkehr, ihren grossen Waarenumsätzen
und dem mit der steigenden Arbeitstheilung immer mehr hervor-
tretenden Bedürfnisse jedes einzelnen wirthschaftenden Subjectes,
Geld bei sich zu führen. Die edlen Metalle werden mit der
fortschreitenden Cultur zu den absatzfähigsten Waaren und
damit zum natürlichen Gelde wirthschaftlich fortgeschrittener
Völker.


Die Geschichte anderer Völker bietet uns ein sehr ver-
schiedenes Bild ihrer wirthschaftlichen Entwicklung und demge-
mäss auch ihres Geldwesens dar.


Als Mexiko das erstemal von Europäern betreten wurde,
scheint dasselbe, nach den Berichten zu schliessen, welche
Augenzeugen über den damaligen Zustand des Landes veröffent-
licht haben, bereits einen nicht gewöhnlichen Grad wirthschaft-
licher Cultur erreicht zu haben. Es ist aber das Verkehrswesen
der alten Azteken für uns aus doppeltem Grunde von beson-
derem Interesse. Einerseits beweist es uns, dass der ökonomische
Gedanke, welcher die Menschen bei ihrer auf die möglichst voll-
ständige Befriedigung ihrer Bedürfnisse gerichteten Thätigkeit
leitet, überall zu analogen ökonomischen Erscheinungen führt,
andererseits bietet uns das alte Mexiko das Bild eines Landes
dar, welches sich in dem Uebergangsstadium aus dem blossen
Tauschhandel zur Geldwirthschaft befindet, das Bild von Zu-
ständen demnach, an welchen wir den eigenthümlichen Process,
durch welchen eine Anzahl von Gütern aus dem Kreise aller
andern hervortreten und zum Gelde werden, unmittelbar beob-
achten können.


Die Berichte der Eroberer und zeitgenössischer Schrift-
steller schildern uns Mexiko als ein Land mit zahlreichen
Städten und einem wohlgeregelten grossartigen Güterverkehre.
[268]Ueber das jedem Zeitalter eigenthümliche Geld.
In den Städten werden täglich Märkte gehalten, alle fünf Tage
aber Hauptmärkte, welche in solcher Weise über das Reich ver-
theilt sind, dass der Hauptmarkt keiner Stadt durch die Con-
currenz eines benachbarten beeinträchtigt wird. Für den Waaren-
verkehr bestehen in jeder Ortschaft eigene grosse Plätze, auf
welchen wiederum für jede Waare ein bestimmter Ort ange-
wiesen ist, ausserhalb welches sie nicht verkauft werden darf,
und sind nur für die Nahrungsmittel und schwer transportable
Gegenstände (Hölzer, Gerbstoffe, Steine etc.) Ausnahmen hievon
gestattet. Die Zahl der Personen, welche sich auf dem Markte
der Hauptstadt Mexiko versammeln, wird an gewöhnlichen
Tagen auf 20—25,000, an Haupttagen auf 40—50,000 geschätzt
und die Waaren, welche hier umgesetzt werden, sind von sehr
grosser Mannigfaltigkeit *).


Hier entsteht nun die interessante Frage, ob auf den
Märkten des alten Mexiko, welche so viele Analogien mit denen
der alten Welt aufweisen, nicht auch bereits unserem Gelde,
dem Wesen und dem Ursprunge nach, analoge Erscheinungen zu
Tage getreten sind.


Thatsächlich berichten die spanischen Eroberer, dass der
Verkehr Mexiko’s zur Zeit, als sie das Land zum erstenmale
betraten, sich lange nicht mehr ausschliesslich in den Grenzen
des reinen Tauschverkehrs bewegt habe, sondern bereits einige
Waaren jene eigenthümliche Stellung im Güterverkehre erlangt
hatten, welche wir oben eines weiteren dargelegt haben, das
ist die Stellung des Geldes. Kakaobohnen in Säckchen zu
8—24,000 Stück, gewisse kleine Baumwolltücher, Goldstaub in
Gänsekielen, die nach Verhältniss ihrer Grösse angenommen
wurden (die Wage und Wäginstrumente überhaupt waren den
alten Mexikanern unbekannt), Kupferstücke und endlich dünne
Stücke Zinn scheinen diejenigen Waaren gewesen zu sein,
welche dort, wo ein unmittelbarer Austausch von Gebrauchs-
gütern nicht zu erzielen war, von Jedermann bereitwillig (als
Geld) angenommen wurden, auch wenn die betreffende Person
ihrer unmittelbar nicht bedurfte. Von Waaren, welche auf den
mexikanischen Märkten umgesetzt wurden, werden von den
[269]Ueber das jedem Zeitalter eigenthümliche Geld.
Augenzeugen die nachfolgenden erwähnt: Lebende und todte
Thiere, Kakao, alle sonstigen Esswaaren, Edelsteine, Medicinal-
waaren, Kräuter, Gummen, Harze, Erden, bereitete Heilmittel,
aus den Fäden der Aloe, der Bergpalme und aus Thierhaaren
bereitete Waaren, ferner Arbeiten aus Federn, Holz und Steinen,
endlich Gold, Kupfer, Zinn, Holz, Steine, Gerbstoffe und Felle.
Zieht man nun diese Waaren und den Umstand in Betracht,
dass Mexiko zur Zeit, wo es von den Europäern entdeckt wurde,
bereits ein fortgeschrittenes, industrietreibendes Land mit einer
zahlreichen städtischen Bevölkerung war, aus diesem Grunde
und weil es die meisten unserer Nutzthiere nicht kannte,
eine Viehwährung ganz ausser Betracht kommt, und berück-
sichtigt man ferner, dass Kakao das tägliche Getränke, Baum-
wollstoffe das allgemeinste Bekleidungsmittel, Gold, Kupfer und
Zinn die gebräuchlichsten Nutzmetalle des Aztekenvolkes waren,
Güter also, welche ihrer innern Natur, wie ihrem allgemeinen
Gebrauche nach eine über alle übrigen Waaren hervorragende
Absatzfähigkeit besassen, so ist unschwer zu erkennen, warum
eben diese Güter zum Gelde des Aztekenvolkes wurden. Sie
waren das natürliche, wenn auch noch wenig entwickelte Geld
des alten Mexiko.


Analoge Ursachen bewirken, dass unter Jägervölkern, in-
soferne dieselben auswärtigen Handel treiben, Thierfelle zum
Gelde werden. Bei Jägervölkern wird naturgemäss ein Ueber-
fluss an Pelzwerk bestehen, da die Versorgung einer Familie
mit Nahrungsmitteln auf dem Wege der Jagd die Anhäufung
von so grossen Quantitäten von Thierfellen zur Folge hat,
dass unter den einzelnen Mitgliedern des Jägerstammes
höchstens eine Concurrenz um besonders schöne oder seltene
Species von Thierfellen entstehen kann. Tritt ein Jägerstamm
indess mit fremden Völkern in Tauschverkehr und entsteht
ein Markt für Thierfelle, auf welchem hiefür zahlreiche Ge-
brauchsgüter, je nach der Wahl der Pelzjäger, eingetauscht
werden können, so ist nichts natürlicher, als dass das Pelzwerk
zum absatzfähigsten Gute und somit auch bei allfälligen Täuschen
der Pelzjäger unter sich selbst mit Vorliebe im Tausche an-
genommen wird. Der Pelzjäger A benöthigt allerdings nicht
die Thierfelle des Pelzjägers B, die er im Tausche annimmt,
[270]Ueber das jedem Zeitalter eigenthümliche Geld.
ihm ist indess bewusst, dass er dieselben leicht gegen andere
ihm nützliche Gebrauchsgüter am Markte auszutauschen in der
Lage ist, und er zieht dieselben demnach, obgleich sie für ihn
auch nur den Charakter von Waaren haben, doch andern all-
fällig in seinem Besitze befindlichen Waaren von geringerer Ab-
satzfähigkeit vor. Wir können denn auch in der That beobachten,
dass das eben dargelegte Verhältniss fast bei allen Jägerstämmen,
welche mit dem Pelzwerke auswärtigen Handel treiben, vor-
handen ist *).


Der Umstand, dass Salztafeln und Sclaven im Innern von
Africa, Wachskuchen am obern Amazonenstrome, Stockfische in
Island und in Neufoundland, Tabak in Maryland und Virginien,
Zucker im englischen Westindien, Elfenbein in der Nachbar-
schaft der portugiesischen Besitzungen zum Gelde wurden, er-
klärt sich aus dem Umstande, dass diese Güter daselbst die
hauptsächlichen Handelsartikel bildeten, oder noch bilden, und
demgemäss, gleichwie das Pelzwerk bei Jägervölkern, eine emi-
nente Absatzfähigkeit erlangten, wie andererseits der örtliche
Geldcharakter vieler anderen Güter auf ihren örtlich grossen
und allgemeinen Gebrauchswerth und die hieraus resultirende
grosse Absatzfähigkeit derselben zurückzuführen ist, so z. B. der
Geldcharakter der Datteln auf der Oase von Siwah, der Thee-
ziegeln in Hochasien und in Sibirien, der Glasperlen in Nubien
und Senar, des Ghussub, einer Art Hirse, im Reiche Ahir
(Africa), oder auf beide Momente, wie dies z. B. bei den Kauris
der Fall ist, welche allgemein beliebter Schmuck und Handels-
waare zugleich sind **).


[271]Das Geld als Massstab der Preise.

So stellt sich uns das Geld denn auch in seinen besonderen
örtlich und zeitlich verschiedenen Erscheinungsformen nicht
als das Ergebniss einer Uebereinkunft, oder eines legisla-
tiven Zwanges, eben so wenig aber auch als ein solches des
blossen Zufalles dar, sondern als das naturgemässe Product der
verschiedenen ökonomischen Sachlage verschiedener Völker in
denselben, und derselben Völker in verschiedenen Zeitperioden.


§. 3.
Das Geld als „Massstab der Preise“ und als ökonomischeste
Form der Tauschvorräthe.


Wenn in Folge der fortschreitenden Entwickelung des Ver-
kehres und der Functionirung des Geldes sich ein wirthschaft-
licher Zustand herausbildet, bei welchem Waaren aller Art gegen
einander umgesetzt werden, und die Grenzen, innerhalb welcher
die Preisbildung erfolgt, unter dem Einflusse einer lebhaften
Concurrenz immer enger werden (S. 184 ff.), so liegt die Annahme
nahe, dass alle Waaren, mit Rücksicht auf einen gegebenen Ort
und Zeitpunkt, in einem gewissen Preisverhältnisse zu einander
stehen, auf Grund welches sie gegen einander beliebig umge-
setzt werden können.


Setzen wir den Fall, die Preisbildung der unten angeführten
Waaren, (wobei bestimmte Qualitäten vorausgesetzt werden,)
erfolge auf einem gegebenen Markte und in einem gegebenen
Zeitpunkte in der nachstehenden Weise:

Nimmt man nun an, dass der Durchschnittspreis einer
Waare derjenige ist, zu welchem sie ebensowohl gekauft als
verkauft werden kann, so erscheinen uns in dem obigen Falle
z. B. 4 Ctr. Zucker als das „Aequivalent“ von 3⅓ Ctr. Baum-
wolle, diese letzteren als das „Aequivalent“ von 16⅔ Ctr. Weizen-
mehl und von 100 Thlrn. und so umgekehrt, und wir brauchen
dann nur das so verstandene Aequivalent einer Waare, oder
eines von den vielen Aequivalenten derselben, ihren „Tausch-
[272]Das Geld als Massstab der Preise.
werth,“ die Geldsumme aber, für welche sie ebensowohl er-
worben, als auch veräussert werden kann, ihren „Tauschwerth
im vorzugsweisen Sinne“ zu nennen, um zu der in unserer
Wissenschaft herrschenden Anschauung vom Tauschwerthe im
Allgemeinen und von dem Gelde, als „Massstab des Tausch-
werthes,“ insbesondere zu gelangen.


„In einem Lande, in welchem ein lebhafter Verkehr be-
steht,“ schreibt Turgot, „wird jede Güterart einen laufenden
Preis im Verhältnisse zu jeder andern Güterart erlangen, so
zwar, dass eine bestimmte Quantität der einen Art sich uns als
das Aequivalent einer bestimmten Quantität jeder andern dar-
stellen wird. Um nun den Tauschwerth eines Gutes insbe-
sondere auszudrücken, genügt es offenbar, die Quantität einer
andern bekannten Waare zu nennen, welche das Aequivalent
jenes Gutes bildet. Es ist aber hieraus ersichtlich, dass alle
Gütergattungen, welche Objecte des Verkehres sein können,
sich, wenn man so sagen darf, gegenseitig messen, und dass jede
einzelne als Massstab für alle andern dienen kann.“ In ähnlicher
Weise sprechen sich fast alle übrigen Nationalökonomen aus
und kommen, gleichwie Turgot, im Verlaufe seiner berühmten
Abhandlung über die Entstehung und Vertheilung des Volks-
vermögens *) zum Schlusse, dass das Geld unter allen möglichen
„Massstäben des Tauschwerthes“ der zweckmässigste und des-
halb auch der allgemeinste sei. Der einzige Fehler dieses Mass-
stabes liege in dem Umstande, dass der Werth des Geldes
selbst keine fixe, sondern eine wandelbare Grösse **) sei und
dasselbe somit wohl für jeden gegebenen Zeitpunkt, nicht aber
für verschiedene Zeitpunkte einen sichern Massstab des „Tausch-
werthes“ abgebe.


Nun haben wir in der Lehre vom Preise gezeigt, dass
Güter-Aequivalente im objectiven Sinne des Wortes nirgends in der
Wirthschaft der Menschen beobachtet werden können (S. 172 ff.)
und die ganze obige Theorie, wornach das Geld als „Massstab
des Tauschwerthes“ der Güter hingestellt wird, zerfällt demnach
[273]Das Geld als Massstab der Preise.
in nichts, denn die Grundlage derselben ist eine Fiction, ein
Irrthum.


Wenn auf einem Wollmarkte der Centner Wolle irgend
einer bestimmten Qualität in dem einen Falle für 103 fl. ver-
kauft wird, finden nicht selten am selben Markte gleichzeitig
Transactionen zu höheren und zu niedrigeren Preisen, z. B. zu
104, 103½ und zu 102 und 102½ fl. statt, und während die
am Markte noch vorhandenen Käufer sich bereit erklären, mit
101 fl. zu „nehmen,“ wollen die Verkäufer gleichzeitig nur mit
105 fl. „geben.“ Was ist in einem solchen Falle der „Tausch-
werth“ eines Centners Wolle? Oder umgekehrt, welche Quan-
tität von Wolle ist z. B. der „Tauschwerth“ von 100 fl.? Offenbar
lässt sich nur sagen, dass ein Centner Wolle innerhalb der Grenzen
von 101—105 fl. auf dem in Rede stehenden Markte und in dem
gegebenen Zeitpunkte abgesetzt, beziehungsweise erstanden wer-
den kann, aber eine bestimmte Quantität von Wolle und eine
bestimmte Quantität von Geld, (oder sonst einer Waare,)
welche wechselseitig umgetauscht werden könnten, also Aequi-
valente im objectiven Sinne des Wortes sind nirgends zu be-
obachten — nirgends vorhanden, und es kann demnach auch
von einem Masse dieser Aequivalente (des „Tauschwerthes“)
nicht die Rede sein.


Wohl hat das practische Leben mit Rücksicht auf manche
wirthschaftliche Zwecke auch das Bedürfniss nach Schätzungen
von ungefährer Genauigkeit, zumal nach solchen in Gelde, zu
Tage gefördert, und werden in allen Fällen, wo es nur auf eine
annäherungsweise Richtigkeit der Berechnungen ankommt, die
Durchschnittspreise, als diejenigen, welche diesem Zwecke im
allgemeinen am besten entsprechen, mit Recht den bezüglichen
Schätzungen zu Grunde gelegt. Es ist aber klar, dass diese Me-
thode der Schätzung von Gütern, wo immer es auf einen höheren
Grad von Genauigkeit ankommt, sich selbst für das practische
Leben als völlig unzureichend, ja geradezu als irreführend er-
weisen müsste. Ueberall dort, wo es sich um eine genaue
Schätzung handelt, muss vielmehr, je nach der Absicht des
Schätzenden, ein Dreifaches unterschieden werden. Die Absicht
des Schätzenden kann darauf gerichtet sein:


1. den Preis zu berechnen, für welchen bestimmte Güter,
Menger, Volkswirthschaftslehre. 18
[274]Das Geld als Massstab der Preise.
wenn sie zu Markte gebracht würden, veräussert werden
könnten,


2. den Preis zu berechnen, für welchen Güter bestimmter
Art und Beschaffenheit am Markte erstanden werden könn-
ten, und


3. eine Waarenquantität, beziehungsweise eine Geldsumme
zu berechnen, welche für ein bestimmtes Subject das
Aequivalent eines Gutes, beziehungsweise einer Güterquanti-
tät ist.


Die Lösung der beiden ersten Aufgaben ergiebt sich
bereits aus dem Gesagten. Die Preisbildung erfolgt, wie wir
sahen, jeweilig zwischen zwei Extremen, von welchen man das
niedere auch den Nachfragepreis (Preis, zu welchem die
Waare am Markte gesucht wird), das höhere den Anbotpreis
(Preis, zu welchem die Waare am Markte ausgeboten wird)
nennen könnte. Der erstere wird der Regel nach die Grundlage
der Berechnung ad 1), der letztere die Grundlage jener ad 2)
bilden. Schwieriger ist die Beantwortung der dritten Frage,
indem hiebei die besondere Stellung, welche das Gut, beziehungs-
weise die Güterquantität, deren Aequivalent (im subjectiven
Sinne des Wortes) in Frage ist, in der Wirthschaft des be-
treffenden Subjectes einnimmt, zumal aber der Umstand in
Betracht gezogen werden muss, ob das Gut überwiegenden Ge-
brauchswerth, oder überwiegenden Tauschwerth für dasselbe
hat, bei Güterquantitäten aber auch noch die Theilquantität,
rücksichtlich welcher das eine und das andere der Fall ist.


A besitzt die Güter a, b, c, welche für ihn überwiegenden
Gebrauchswerth, und die Güter d, e, f, welche für ihn über-
wiegenden Tauschwerth haben. Die Geldsumme, welche er aus
der Veräusserung der erstern voraussichtlich lösen könnte, wäre
für ihn kein Aequivalent dieser Güter, weil der Gebrauchswerth
derselben für ihn der höhere, der ökonomische ist. Vielmehr
wird für ihn nur jener Betrag, für welchen gleiche Güter, oder
aber doch solche, die für ihn einen gleichen Gebrauchswerth
haben, erstanden werden könnten, ein Aequivalent derselben
sein. Was dagegen die Güter d, e, f anbelangt, so sind sie
Waaren, also ohnehin zum Austausche bestimmt, und zwar dem
gewöhnlichen Laufe der Dinge nach zum Austausche gegen Geld,
[275]Das Geld als Massstab der Preise.
und der voraussichtlich dafür zu erzielende Preis ist für das
wirthschaftende Subject A allerdings der Regel nach das Aequi-
valent dieser Güter. Die richtige Bestimmung des Aequivalentes
eines Gutes kann demnach nicht anders, als mit Rücksicht-
nahme auf den Besitzer und die wirthschaftliche Stellung des
Gutes zu demselben vorgenommen werden, und die Bestimmung
des Aequivalentes eines Gütercomplexes, beziehungsweise eines
Vermögens, hat die gesonderte Berechnung des Aequivalentes
der Gebrauchsgüter und jenes der Waaren zur nothwendigen
Voraussetzung *).


Muss nach dem Gesagten, gleichwie die Theorie des
„Tauschwerthes“ überhaupt, so auch in nothwendiger Conse-
quenz hievon die Theorie vom Gelde als „Massstab des Tausch-
werthes“ insbesondere, als unhaltbar bezeichnet werden, so lehrt
uns doch die Betrachtung der Natur und der Function des
Geldes, dass die verschiedenen Schätzungen, von welchen wir
soeben sprachen (zu unterscheiden von der Messung des „Tausch-
werthes“ der Güter), der Regel nach doch am zweckmässigsten in
Gelde erfolgen werden. Der Zweck der beiden erstern Schätzun-
gen ist die Berechnung der Güterquantitäten, für welche eine
Waare in einem gegebenen Zeitpunkte und auf einem gegebenen
Markte veräussert, beziehungsweise erstanden werden könnte.
Diese Güterquantitäten würden, falls die bezüglichen Trans-
actionen thatsächlich zur Ausführung gelangten, der Regel
nach doch nur in Gelde bestehen und die Kenntniss der
Geldsummen, für welche eine Waare veräussert, beziehungs-
weise erstanden werden kann, ist somit naturgemäss der nächste,
in der ökonomischen Aufgabe der Schätzung begründete Zweck
derselben.


18 *
[276]Das Geld als Massstab der Preise.

Es ist aber das Geld unter entwickelten Verkehrsverhält-
nissen zugleich diejenige Waare, in welcher allein die Schätzung
aller andern ohne Umwege vorgenommen werden kann. Wo
der Tauschhandel im engeren Sinne des Wortes verschwindet
und im Grossen und Ganzen nur Geldsummen als Preise der
verschiedenen Waaren thatsächlich zur Erscheinung gelangen,
dort fehlt es nämlich an der sichern Grundlage für jede andere
Schätzung. Eine Schätzung von Getreide, oder Wolle in Geld
ist z. B. verhältnissmässig sehr einfach, eine Schätzung von
Wolle in Getreide, oder umgekehrt von Getreide in Wolle, aber
schon desshalb mit grössern Schwierigkeiten verbunden, weil ein
unmittelbarer Austausch dieser beiden Güter nicht, oder doch
nur in den seltensten Ausnahmsfällen vorkommt, und demnach
die Grundlage der Schätzung, die bezüglichen effectiven Preise
fehlen. Eine Schätzung dieser Art ist demnach zumeist
nur auf Grundlage einer Berechnung möglich, welche die
Schätzung der bezüglichen Güter in Gelde bereits zur Voraus-
setzung hat, während die Schätzung eines Gutes in Gelde un-
mittelbar auf Grundlage der vorhandenen Effectivpreise er-
folgen kann.


Die Schätzung von Waaren in Gelde entspricht demnach,
nicht nur, wie wir oben sahen, am besten den gewöhnlichen practi-
schen Zwecken der Schätzung, sondern ist auch rücksichtlich der
practischen Durchführung das nächstliegende, das einfachere,
eine Schätzung in anderen Waaren, das complicirtere Vorgehen,
welches die erstere Schätzung bereits zur Voraussetzung hat.


Ein gleiches gilt auch rücksichtlich der Berechnung der
Güteräquivalente im subjectiven Sinne des Wortes, denn diese
letztere hat, wie wir sahen, wiederum die beiden erstern Schätzun-
gen zu ihrer Grundlage und Voraussetzung.


Es ist somit klar, warum eben das Geld diejenige Waare
ist, in welcher Schätzungen der Regel nach vorgenommen werden
und in diesem Sinne, (als Waare, in welcher unter entwickelten
Verkehrsverhältnissen Schätzungen der Regel nach *) am zweck-
[277]Das Geld als Massstab der Preise.
mässigsten vorgenommen werden, mag man dasselbe immerhin
einen Preismassstab nennen. *)


Die gleiche Ursache bewirkt, dass das Geld auch das vor-
züglichste Mittel zur Anlage aller jener Vermögensbestandtheile
ist, mittelst welcher der Besitzer andere Güter (sei es nun Ge-
nuss- oder Productionsmittel) einzutauschen beabsichtiget. Die-
jenigen Vermögenstheile, welche ein wirthschaftendes Individuum
dazu bestimmt, um sich mittelst derselben Genussmittel einzu-
*)
[278]Das Geld als Massstab der Preise.
tauschen, erlangen dadurch, dass sie zunächst gegen Geld um-
gesetzt werden, jene Form, in welcher der Besitzer seine Be-
dürfnisse jeweilig am raschesten und sichersten zu befriedigen
vermag, und auch rücksichtlich desjenigen Theiles des Capitals
eines wirthschaftenden Individuums, welcher nicht bereits aus
Elementen der beabsichtigten Production besteht, ist aus dem
gleichen Grunde die Geldform viel zweckmässiger, als jede andere,
denn jede Waare anderer Art muss erst gegen Geld ausgetauscht
werden, um weiter gegen die erforderlichen Productionsmittel
umgesetzt werden zu können. In der That lehrt uns die tägliche
Erfahrung, dass die wirthschaftenden Menschen denjenigen Theil
ihres Consumtionsvorrathes, welcher nicht aus Gütern, die zur
directen Befriedigung ihrer Bedürfnisse dienen, sondern aus
Waaren besteht, gegen Geld umzusetzen bemüht sind und auch
jenen Theil ihres Capitals, welcher nicht aus Elementen der be-
absichtigten Production besteht, zunächst zu Gelde machen, um
solcherart ihre wirthschaftlichen Zwecke um einen nicht unwesent-
lichen Schritt zu fördern.


Als irrthümlich muss dagegen jene Ansicht bezeichnet
werden, welche dem Gelde als solchen zugleich die Function zu-
schreibt, „Werthe“ aus der Gegenwart in die Zukunft zu über-
tragen; denn, obzwar das Metallgeld wegen seiner Dauerhaftig-
keit, der wenig kostspieligen Conservirung desselben etc.,
allerdings auch zu diesem Zwecke geeignet ist, so ist doch
klar, dass andere Waaren hiezu eine noch höhere Eignung auf-
weisen, ja die Erfahrung lehrt, dass überall dort, wo nicht die
edlen Metalle, sondern minder conservirungsfähige Güter den
Geldcharakter erlangt haben, diese letztern wohl den Zwecken
der Circulation, nicht aber jenen der Conservirung von „Wer-
then“ zu dienen pflegen. *)


[279]Die Münze.

Fassen wir das Gesagte zusammen, so gelangen wir zu
dem Schlusse, dass die zum Gelde gewordene Waare, wo immer
in den Eigenthümlichkeiten derselben begründete Hindernisse
dem nicht entgegenstehen, zwar zugleich diejenige ist, in welcher
die den practischen Zwecken der wirthschaftenden Menschen
entsprechenden Schätzungen, sowie die Anlage der Tausch-
vorräthe am zweckmässigten vorgenommen werden können, und
das Metallgeld, (welches die Forscher auf dem Gebiete un-
serer Wissenschaft stets zunächst im Auge haben, wenn sie vom
Gelde im Allgemeinen sprechen,) diesen Zwecken auch that-
sächlich in hohem Grade entspricht. Eben so sicher scheint
es uns aber auch, dass dem Gelde als solchen nicht die
Function als „Werthmassstab“ und „Werthbewahrer“ zu-
geschrieben werden darf, denn dieselben sind lediglich acciden-
tieller Natur und nicht bereits in dem Begriffe des Geldes ent-
halten.


§. 4.
Die Münze.


Aus der vorangehenden Darstellung des Wesens und des
Ursprunges des Geldes ist ersichtlich, dass unter den gewöhn-
lichen Verkehrsverhältnissen civilisirter Völker die edlen Metalle
naturgemäss zum ökonomischen Gelde wurden. Der Gebrauch
*)
[280]Die Münze.
derselben zu Geldzwecken ist indess mit einigen Uebelständen
verbunden, deren Beseitigung das Bestreben der wirthschaften-
den Menschen sein musste. Die hauptsächlichen Uebelstände, die
sich bei Verwendung der edlen Metalle zu Geldzwecken ergeben,
liegen in der schwierigen Feststellung ihrer Echtheit, ihres
Feinheitsgrades und in der Nothwendigkeit, die zähen Stoffe bei
allen vorkommenden Transactionen in entsprechende Stücke zu
zerlegen, Schwierigkeiten, die nicht leicht ohne Zeitverlust und
ökonomische Opfer zu beheben sind.


Die Prüfung der Echtheit der edlen Metalle, beziehungs-
weise ihres Feinheitsgrades, erfordert die Anwendung von Che-
micalien und specifische Arbeitsleistungen, indem dieselbe nur
von Sachverständigen vorgenommen werden kann, und die
Theilung der zähen Metalle in die jeweilig erforderlichen Stücke
ist eine Operation, welche bei der Genauigkeit, mit welcher
dieselbe vorgenommen werden muss, nicht nur Mühe, Zeitauf-
wand und genaue Instrumente erfordert, sondern auch mit einem
nicht unerheblichen Verluste am edlen Metalle selbst verbunden
ist, (durch Versplitterung und wiederholte Einschmelzung).


Eine sehr anschauliche Schilderung der Schwierigkeiten,
welche sich aus der Verwendung der edlen Metalle zu Geld-
zwecken ergeben, bietet uns der bekannte Bereiser Hinter-
indiens Bastian in seinem Werke über Birma, ein Land, in
welchem das Silber noch in ungemünztem Zustande circulirt.


„Wenn man in Birma auf den Markt geht,“ erzählt
Bastian, „hat man sich mit einem Stück Silber, mit einem
Hammer, einem Meissel, einer Waage und den entsprechenden
Gewichten zu versehen.“ „Was kosten die Kochtöpfe?“ „Zeigen
Sie mir Ihr Geld,“ entgegnet der Kaufmann und bestimmt nach
dem Ansehen desselben den Preis zu dem, oder jenem Gewicht.
Man lässt sich dann vom Kaufmann einen kleinen Amboss
geben und hämmert an dem Stücke Silber herum, bis man
glaubt, das richtige Gewicht gefunden zu haben. Das wiegt man
mit der eigenen Waage, da denen der Kaufleute nicht zu trauen
ist, und fügt zu, oder nimmt fort, bis das Gewicht richtig ist.
Natürlich geht durch die abfallenden Splitter viel verloren und
es ist immer vorzuziehen, nicht genau die gewünschte Quantität
zu kaufen, sondern das Aequivalent desjenigen Stückes Silber,
[281]Die Münze.
das man gerade abgeschlagen hat. Bei grössern Einkäufen, die
nur mit dem feinsten Silber gemacht werden, ist der Process
noch umständlicher, indem man erst einen Assayer rufen muss,
um das Silber in der Feinheit genau zu bestimmen und dafür
bezahlt zu werden.“


Die obige Schilderung bietet uns ein klares Bild der
Schwierigkeiten, mit welchen der Verkehr aller Völker ver-
bunden war, bevor sie Metalle münzen lernten und die Be-
seitigung dieser Schwierigkeiten musste um so wünschenswerther
erscheinen, je mehr dieselben durch ihre häufige Wiederkehr
jedem einzelnen wirthschaftenden Individuum empfindlich wurden.


Die erste der beiden Schwierigkeiten, die Feststellung der
Feinhaltigkeit des Metalles, scheint diejenige gewesen zu
sein, deren Beseitigung den wirthschaftenden Menschen zunächst
von Wichtigkeit erschien. Ein Stempel, von der öffentlichen
Gewalt, oder von einer vertrauenswürdigen Person auf einen
Metallbarren gedrückt, garantirte nicht dessen Gewicht, wohl
aber dessen Feinheitsgrad und enthob den Besitzer bei Weiter-
begebung des Metalles an Personen, welche die Verlässlichkeit
des Stempels zu würdigen wussten, der lästigen und kostspieligen
Probe. So geprägtes Metall musste zwar vor wie nach gewogen
werden, dessen Feinheit erforderte indess keine weitere Unter-
suchung.


Gleichzeitig, in manchen Fällen vielleicht auch etwas
später, scheinen die wirthschaftenden Menschen auf den Ge-
danken verfallen zu sein, auch das Gewicht der Metallstücke
in ähnlicher Weise zu bezeichnen und die Metalle von vorn-
herein in Stücke zu zerlegen, welche ihrem Feingehalte, aber
zugleich auch ihrem Gewichte nach, in vertrauenswürdiger Weise
bezeichnet waren. Dies geschah naturgemäss am besten da-
durch, dass das edle Metall in kleine, dem Bedürfnisse des Ver-
kehres entsprechende Stücke getheilt, die Bezeichnung des edlen
Metalles aber in solcher Weise vorgenommen wurde, dass kein
nennenswerther Theil der ihrem Gewichte und Feingehalte nach
bestimmten Metallstücke defraudirt werden konnte, ohne dass
dies sofort bemerkbar wurde. Diesen Zweck erreichte man durch
Ausmünzung des Metalls und so erstanden unsere Münzen,
welche demnach ihrem Wesen nach nichts anderes sind, als
[282]Die Münze.
Metallstücke, deren Feingehalt und Gewicht in vertrauenswür-
diger Weise und mit einer für die practischen Zwecke des wirth-
schaftlichen Lebens ausreichenden Genauigkeit festgestellt und
gegen Betrug in möglichst wirksamer Weise geschützt sind, ein
Umstand, welcher uns bei allen Transactionen die erforderlichen
Gewichtsmengen edlen Metalles, ohne lästige Probe, Theilung
und Wägung desselben, durch blosses Zuzählen in verlässlicher
Weise festzustellen, ermöglicht. Die volkswirthschaftliche Be-
deutung der Münze liegt also darin, dass sie (abgesehen von
der mechanischen Operation der Theilung des edlen Metalles in
die erforderlichen Quantitäten) uns bei der Uebernahme der-
selben die Prüfung der Echtheit, Feinhaltigkeit und des Ge-
wichtes des edlen Metalles, bei der Weiterbegebung aber den
Beweis dieser Umstände erspart, uns solcherart vor vielen
lästigen, zeitraubenden und mit ökonomischen Opfern ver-
bundenen Vorkehrungen bewahrt und in Folge dieses Umstandes
die von Natur aus grosse Absatzfähigkeit der edlen Metalle
noch um ein namhaftes gesteigert wird. *)


[283]Die Münze.

Dass die beste Gewährleistung für das Vollgewicht und die
verbürgte Feinheit der Münzen durch die Staatsgewalt selbst
geboten werden kann, weil dieselbe Jedermann bekannt und
von Jedermann anerkannt ist und zugleich die Macht hat, Münz-
verbrechen hintanzuhalten und zu bestrafen, liegt in der Natur
der Sache. Die Regierungen haben sich es denn auch zumeist
zur Pflicht gemacht, die für den Verkehr nöthigen Münzen aus-
zuprägen, dabei aber ihre Gewalt nicht selten so sehr miss-
braucht, dass bei den wirthschaftenden Subjecten schliesslich
der Umstand fast in Vergessenheit gerieth, dass eine Münze
nichts anderes sei, als ein seinem Feingehalte und Gewichte
nach bestimmtes Stück edles Metall, für dessen Feinheit und
Vollwichtigkeit die Würde und Rechtlichkeit des Ausprägers
Gewähr leistet, und man sogar darüber in Zweifel gerieth, ob
überhaupt das Geld eine Waare sei, ja dasselbe schliesslich für
etwas rein Imaginäres und bloss auf menschlicher Convenienz
Beruhendes erklärte. Der Umstand, dass die Regierungen das
Geld so behandelten, als wäre es thatsächlich lediglich ein
Product der menschlichen Convenienz im Allgemeinen und ihrer
legislativen Willkür insbesondere, hat solcherart nicht wenig
dazu beigetragen, den Irrthümern über das Wesen des Geldes
Vorschub zu leisten.


Die Unvollkommenheiten unserer Münzen bestehen haupt-
sächlich darin, dass sie ihrem Gewichte nach nicht vollkommen
genau fabricirt werden können und selbst die erreichbare Ge-
nauigkeit aus practischen Gründen (wegen des Kostenpunctes)
bei der in den Münzstätten üblichen Fabrication nicht ange-
strebt wird. Die Gebrechen, mit welchen behaftet die Münzen
bereits die Münzstätte verlassen, vermehren sich noch während
ihres Umlaufes durch Abnutzung, so zwar, dass leicht eine
empfindliche Ungleichheit im Gewichte der einzelnen Münzen
von gleichem Course entsteht.


Selbstverständlich treten diese Uebelstände um so stärker
hervor, je kleiner die Quantitäten sind, in welche das edle
Metall getheilt wird. Die Ausmünzung desselben in so leichte
Stücke, wie sie der Kleinverkehr erfordert, müsste sogar zu den
*)
[284]Die Münze.
grössten technischen Schwierigkeiten führen, und, wofern die-
selbe auch nur halbwegs sorgfältig vorgenommen werden sollte,
ökonomische Opfer in Anspruch nehmen, welche in keinem Ver-
hältnisse zum Course der Münzen stehen würden. Zu welchen
Schwierigkeiten dagegen der Mangel an kleiner Münze führt,
ist für jeden des Verkehres Kundigen leicht ersichtlich.


„Eine kleinere Münze als 2 Annas,“ erzählt Bastian, „giebt
es in Siam nicht, und wer etwas unter diesem Preise zu kaufen
wünschte, hatte zu warten, bis das Hinzutreten eines neuen Be-
dürfnisses die Ausgabe eines solchen rechtfertigte, oder musste
sich mit andern Kauflustigen zusammenthun, und sich mit ihnen
halbpart berechnen. Mitunter konnte man sich durch Tassen
Reis helfen und in Socatra sollen kleine Stücke Ghi oder Butter
zum auswechseln dienen.“ In Mexiko erhielt Bastian in den
Städten Seifenstücke, auf dem Lande Eier als Scheidemünze.
Auf dem Hochlande Perus pflegen die Eingebornen einen Korb
parat zu halten, der, in Fächerchen getheilt, in dem einen
Nähnadeln, in dem andern Zwirnknäuel, im andern Wachskerzen,
oder sonstige Dinge des täglichen Verbrauches enthält und bieten
hievon in Auswahl nach dem Betrage der rückständigen Scheide-
münze. Im obern Birma gebraucht man für die kleinsten Ein-
käufe, wie Früchte, Cigarren etc., Bleiklumpen, von denen jeder
Kaufmann einen grossen Kasten voll neben sich hat, und die
auf einer massiveren Wage als das Silber gewogen werden. In
Dörfern, wo keine Aussicht ist, Silber zu wechseln, muss für
kleine Einkäufe der Diener mit einem schweren Sack Blei folgen.


In den meisten Culturstaaten weicht man den technischen
und ökonomischen Schwierigkeiten, welche mit der Ausmünzung
der edlen Metalle in allzuleichte Stücke verbunden sind, indess
dadurch aus, dass man Münzen aus irgend einem gemeinen
Metalle, zumeist aus Kupfer oder Bronce prägt.


Da schon aus Bequemlichkeitsrücksichten Niemand ohne
Noth einen grössern Theil seines Tauschvorrathes in jenen
Münzen anlegt, so haben sie lediglich eine secundäre Stellung
im Verkehre und können zur grössern Bequemlichkeit der
Tauschenden sogar ohne Schaden nur halbwichtig, oder noch
darunter ausgeprägt werden, vorausgesetzt nur, dass sie jeder-
zeit gegen Münze aus edlem Metalle beim Münzherrn einge-
wechselt werden können, oder doch nur in so geringer Menge
[285]Die Münze.
ausgegeben werden, dass der Verkehr sie festhält. Jedenfalls
ist der erste Weg der correctere und zugleich eine sichere
Schutzwehr gegen Missbräuche der Regierungen bei der ihnen
vortheilhaften Emission dieser Münzen. Man nennt solche Geld-
stücke Scheidemünzen und ihr Werth liegt nur zum Theile
in ihnen selbst, im übrigen aber darin, dass man für eine
bestimmte Anzahl derselben eine grössere Münze beim Münz-
herrn austauschen, beziehungsweise mit diesen Münzen seinen
Verpflichtungen gegen den Münzherrn überhaupt, gegen andere
Personen aber bis zur Höhe des Betrages der kleinsten
vollwichtigen Münze gerecht werden kann. Das Publicum dul-
det in diesem Falle, um der grössern Bequemlichkeit willen,
die mit leichten Bronce- oder Kupfermünzen verbunden ist,
gerne die kleine wirthschaftliche Anomalie, da der Nutzen der
leichtern Transportabilität und Bequemlichkeit bei Münzen, die
nie der Angelpunkt bedeutender ökonomischer Interessen sind,
viel wichtiger ist, als die Vollwichtigkeit. In ähnlicher Weise
werden in vielen Ländern selbst aus Silber leichtere Münzen
ausgeprägt, und zwar ohne Nachtheil, so lange sie nur auf Be-
träge lauten, für die sich aus technischen oder ökonomischen
Gründen keine dem Zwecke entsprechende vollwichtige Münze
herstellen lässt.


[]

Appendix A Berichtigungen.


  • S. 6, Z. 6 v. o. sind die Worte: „(Sachgüter und Arbeitsleistungen)“
    nach dem Worte: „solche“ (Z. 7) zu stellen.
  • S. 29, Z. 14 v. o. ist statt „dem“ „den“ zu lesen.
  • S. 54, Z. 3 v. o. ist nach „sucht“ der Satz: „gestützt auf A. Smith,
    W. of. N. B. II, Ch. III“ ausgefallen.
  • S. 81, Z. 14 v. u. ist: (vgl. O. Michaelis, „Das Capitel v. Werthe,“
    Vierteljahrsschrift F. V. W. 1863, I, S. 16 ff.) einzuschalten.
  • S. 86, Z. 10 v. u. ist nur statt nu zu lesen.
  • S. 116, Z. 4 v. o. ist statt „er“ „der“ und statt „diez“ „die“ und Z. 7
    statt Fichtenhlo—: Fichtenholz; Z. 9 v. u. statt „eleichen“: gleichen, Z. 6
    v. u. statt „ginen“: „einen,“ statt „be“ „bei,“ Z. 5 v. u. am Ende statt
    „der—i“: „der“ zu bessern.
  • S. 128, Z. 19 v. u. ist statt „Intensität“: „Intensivität“, Z. 6 v. u.
    statt „liegenden“: „liegender“ zu lesen.
  • S. 130, Z. 9 ist statt „Herrmann“: „Hermann,“ ebenso S. 131, Z. 3
    und 9 zu lesen.

Appendix B

Druck v. Ilirschfeld.

[]
Notes
*)
Novum Organ. II. 27.
*)
Aristoteles nennt (Polit. I. 3) die Mittel zum Leben und Wohler-
gehen der Menschen: „Güter.“ Der vorwiegend ethische Standpunkt, von welchem
das Alterthum die Lebensverhältnisse betrachtet, macht sich im [Uebrigen]
in den Anschauungen der meisten Alten über das Wesen der Nützlichkeit, bez.
der Güter geltend, gleichwie der religiöse Standpunkt in jenen der mittelalter-
lichen Schriftsteller. „Nihil utile, nisi quod ad vitae illius eternae prosit
gratiam,“ sagt Ambrosius, und noch Thomassin, seinen wirthschaftlichen
Anschauungen nach dem Mittelalter angehörig, schreibt in seinem: Traité
de negoce 1697 (S. 22): „L’utilité même se mesure par les considérations
de la vie eternelle.“ Von den Neuern definirt Forbonnais die Güter (biens):
„Les propriétés, qui ne rendent pas une production annuelle, telles que les
meubles precieux, les fruits destinées à la consommation“ (Principes écono-
miques, 1767, Chap. I., S. 174. ff., ed. Daire), indem er dieselben den
„richesses“ (Gütern, welche einen Ertrag abwerfen) gegenüberstellt, wie dies
in einem andern Sinne auch von Dupont (Physiokratie, p. CXVIII) ge-
schieht. Der Gebrauch des Wortes „Gut“ in dem der heutigen Wissenschaft
eigenthümlichen Sinne schon bei Le Trosne, (de l’intérêt social, 1777
Ch. I. §. 1,) welcher den Bedürfnissen die Mittel zur Befriedigung derselben
gegenüberstellt, und diese letztern Güter (biens) nennt. Vgl. auch Necker:
Legislation et commerce des grains, 1775, Part. I., Ch. 4. Say nennt (Cours
d’écon. polit., 1828, I., S. 132) Güter (biens): „les moyens que nous avons de
satisfaire nos besoins.“ Die Entwickelung, welche die Lehre vom Gute in
Deutschland genommen, ist aus dem Nachfolgenden ersichtlich: Es definiren
den Begriff des Gutes: Soden (Nationalökonomie, 1805, I., §. 43): = Genuss-
mittel; H. L. v. Jacob (Grundsätze der Nationalök., 1806, §. 23): „Alles,
was zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse dient;“ Hufeland: (Neue
Grundlegung der Staatswiss., 1807, I., §. 1): „Jedes Mittel zu einem Zwecke
eines Menschen;“ Storch: (Cours d’économ. polit., 1815, I., p. 56 ff.) sagt:
„L’arrêt que notre jugement porte sur l’utilité des choses… en fait des
biens.“ Auf seiner Grundlage definirt dann Fulda (Kammeralwissenschaften,
1816, S. 2, ed. 1820): „Gut“ = jede Sache, welche der Mensch zur Be-
friedigung seiner Bedürfnisse als Mittel anerkennt“ (vgl. aber auch schon
Hufeland a. a. O., I., §. 5), Roscher (System I., §. 1): „Alles dasjenige, was
zur Befriedigung eines wahren menschlichen Bedürfnisses anerkannt
brauchbar ist.“
*)
Aus dem Obigen ist ersichtlich, dass die Güterqualität nichts den
Gütern Anhaftendes, das ist keine Eigenschaft derselben ist, sondern sich
uns lediglich als eine Beziehung darstellt, in welcher sich gewisse Dinge zu
den Menschen befinden, eine Beziehung, mit deren Verschwinden dieselben
selbstverständlich auch aufhören, Güter zu sein.
*)
Schon Aristoteles (de anima, III. 10) unterscheidet wahre und
eingebildete Güter, je nachdem das Bedürfniss von vernünftiger Ueberlegung
geleitet, oder unvernünftig ist.
*)
Schäffle, Theorie der ausschliessenden Verhältnisse, 1867, S. 2 —
Vgl. Steuart: Principles of polit. economy. Basil 1796, II., S. 128 ff., wo
die Güter bereits in Sachen, in persönliche Dienstleistungen und in Rechte
getheilt und zu diesen letztern (ibid. S. 141) auch verkäufliche Privilegien
gerechnet werden; Say zählt zu den Gütern (biens.): Advocatenstuben, Kun-
denkreise eines Kaufmannes, Zeitungsunternehmungen, aber auch den Ruf
eines militärischen Führers etc. (Cours complet III. S. 219, 1828); Her-
mann
(Staatswirthschaftliche Untersuchungen, 1832, S. 2, 3, 7, 289) fasst
unter den Begriff der äusseren Güter eine grosse Anzahl von Lebensverhält-
nissen (Verhältnisse der Geselligkeit, der Liebe, der Familie, des Erwer-
bes etc.) zusammen und stellt dieselben den Sachgütern und persönlichen
Dienstleistungen als eine besondere Kategorie von Gütern entgegen; Roscher
System I., §. 3, rechnet auch den Staat zu den „Verhältnissen,“ während
Schäffle den Begriff der Verhältnisse auf „übertragbare, durch private Be-
herrschung des Absatzes und Verdrängung der Concurrenz ausschliesslich
gemachte Renten“ beschränkt (a. a. O. S. 12), wobei der Begriff der „Rente“
in dem diesem Schriftsteller eigenthümlichen Sinne (Das gesellschaftliche
System der menschlichen Wirthschaft, 1867, S. 192 ff.) zu verstehen ist. Vgl.
auch noch Soden (Nationalökonomie I., §. 26 ff.) und Hufeland (Neue
Grundleg. I., S. 30. d. ed. 1815).
*)
Wealth. of. Nat. B. I. Ch. 1. Basil 1801, T. 1, S. 6.
**)
ibid. S. 11, ff.
*)
Vergl. Stein, Lehrbuch, S. 36, ff.
*)
Selbst manche Thiere legen Vorräthe an und sorgen so von vorn
herein dafür, dass es ihnen im Winter nicht an Nahrung und einem warmen
Lager gebreche.
*)
Das Wort „Bedarf“ hat in unserer Sprache eine doppelte Bedeu-
tung. Einerseits bezeichnet man damit die zur vollständigen Befriedigung der
Bedürfnisse einer Person erforderlichen, andererseits jene Güterquantitäten,
welche eine Person voraussichtlich consumiren wird. In diesem letztern Sinne
hat z. B. ein Mann, der 20.000 Thaler Renten hat und dieselben zu
verbrauchen gewöhnt ist, einen sehr grossen, ein ländlicher Arbeiter, dessen
Einkommen 100 Thaler beträgt, einen sehr geringen und ein dem Elende
preisgegebener Bettler gar keinen Bedarf, während in ersterer Beziehung der
Bedarf der Menschen, je nach ihrer Bildungsstufe und ihren Gewohnheiten,
zwar gleichfalls eine sehr grosse Verschiedenheit aufweist, indess selbst eine
Person, die von allen Mitteln entblösst ist, noch immer einen Bedarf hat, der
in den zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse erforderlichen Güterquantitäten
sein Mass findet. Kaufleute und Industrielle gebrauchen den Ausdruck „Bedarf“
der Regel nach in dem engeren Sinne des Wortes und verstehen darunter
nicht selten die „voraussichtliche Nachfrage“ nach einem Gute. In diesen
Sinne sagt man [auch], dass „zu einem gewissen Preise“ Bedarf an einer Waare
besteht, zu einem andern Preise jedoch nicht, u. dgl. m.
*)
Vgl. Condillac: Le commerce et le gouvernement. (I. Chap. 1. p. 248.
ed. Daire.)
*)
Zu diesen Organen gehören zunächst die Correspondenten, welche
von grossen Geschäftshäusern in allen Hauptplätzen jener Artikel, mit wel-
chen sie sich befassen, unterhalten werden, und zu deren hauptsächlichen
Pflichten es gehört, ihre Auftraggeber über den jeweiligen Stand der Stocks
im Laufenden zu erhalten. Ausserdem besteht für jeden wichtigeren Artikel
eine förmliche Literatur periodisch erscheinender kaufmännischer Berichte,
welche dem gleichen Zwecke dienen. Wer die Berichte von Bell in
London, von Meyer in Berlin über Getreide, von Licht in Magdeburg
über Zucker, von Ellison und Haywood in Liverpool über Baum-
wolle u. dgl. m. aufmerksam verfolgt, wird in denselben neben manchen
anderen für die Geschäftswelt wichtigen Daten, über welche wir uns spä-
ter zu äussern Gelegenheit haben werden, auch sorgfältige, auf Erhebungen aller
Art, und wo diese mangeln, auf scharfsinnige Berechnungen gestützte An-
gaben über den jeweiligen Stand der Stocks finden, Angaben, welche, wie
wir sehen werden, einen sehr bestimmenden Einfluss auf die volkswirthschaft-
lichen Erscheinungen, zumal auf die Preisbildung ausüben. So enthalten z. B.
die oben erwähnten Baumwoll-Circulare von Ellison und Haywood fortlaufende
Berichte über den jeweiligen Baumwoll-Stock in Liverpool und in England
überhaupt, mit Rücksicht auf die verschiedenen Gattungen der Baumwolle und
*)
So finden sich z. B. in dem oben erwähnten Licht’schen Berichte
nicht nur Mittheilungen über den jeweiligen Stand der Zuckerstocks in allen
mit Deutschland in Verbindung stehenden Verkehrsgebieten, sondern auch
alle auf die Rohstoffe und die Productionsrichtung Einfluss nehmenden That-
sachen auf das sorgfältigste gesammelt; so zumal Berichte über den jeweili-
gen Umfang der mit Zuckerrohr bepflanzten, beziehungsweise der Rübencultur
gewidmeten Bodenflächen, den jeweiligen Stand der Zuckerpflanzungen und
Rübenfelder, Berichte über den voraussichtlichen Einfluss der Witterung auf
die Erntezeit, auf den quantitativen und qualitativen Ausfall der Ernte, Be-
richte über diese letztere selbst, über die Anzahl der in Betrieb stehenden
und feiernden Zuckerfabriken und Raffinerien, über die Leistungsfähigkeit
der ersteren, über die Quantitäten fremder und einheimischer Producte,
welche voraussichtlich auf den deutschen Markt gelangen werden und über
die Zeitpuncte, in welchen dies voraussichtlich erfolgen wird, über Fort-
schritte in der Technik der Zuckerfabrication, über Verkehrsstörungen etc.
Aehnliche Mittheilungen finden sich rücksichtlich anderer Artikel auch in den
übrigen kaufmännischen Circulären, deren wir oben erwähnten.
*)
ähnliche Ausweise für den Continent, ferner für Amerika, Indien, Egypten
und die übrigen Productionsgebiete. Diese Circulare belehren uns über die
jeweilig auf dem Meere befindlichen Quantitäten von Baumwolle (schwim-
mende Waare), über die Häfen, nach welchen dieselben dirigirt sind, und
bezüglich der in England vorfindlichen Quantitäten, auch darüber, ob sich
dieselben bereits in den Magazinen der Spinner und sonstiger Consumenten,
oder aber noch in der ersten Hand befinden, über die Quantitäten, welche
für den Export angemeldet wurden u. s. f.
*)
Die Untersuchung über das Wesen der ökonomischen Güter beginnt
mit den Versuchen, den Vermögensbegriff im Sinne der Individualwirthschaft
festzustellen. A. Smith hat die Frage nur flüchtig berührt, doch sind die
Anregungen, welche von ihm ausgegangen sind, von den weittragendsten
Folgen auch für die obige Lehre geworden. „Wenn die Theilung der Arbeit
einmal platzgegriffen hat,“ sagt er (W. o. N. Chap. V, Basil, 1801. S. 43 ff.),
„so ist Jedermann reich oder arm, je nach der Quantität von Arbeit, über
welche er verfügen, oder die er kaufen kann.“ Der Umstand, dass ein Gut
uns die Verfügung über Arbeit verschafft oder, was im Geiste S’s dasselbe ist
dass es Tauschwerth hat, ist demnach in consequenter Ausbildung der S’schen
Theorie das Kriterium seines Charakters als „Vermögensobject“ im obigen Sinne
des Wortes. Dieser Anregung folgt denn auch Say. Er sondert (Traité d’économie
politique, 1803. S. 2.) die Güter, welche Tauschwerth haben, von jenen, welche
keinen solchen aufweisen, und schliesst die letztern aus dem Bereiche der
Vermögensobjecte aus, („ce qui n’a point de valeur, ne saurait être une
richesse. Ces choses ne sont pas du domaine de l’économie politique.“) Auch
Ricardo unterscheidet zwischen „Werthen“ und Gütern, die sich uns nicht
als solche darstellen (Principles, XX. S. 165 der ed. 1846) und weicht nur
in sofern von seinen Vorgängern ab, als er das Wort „riches“ in einem
wesentlich andern Sinne gebraucht, als Say das Wort „richesse.“ Malthus
*)
sucht das Kriterium des Vermögenscharakters der Güter Anfangs (Principles
1820. S. 28) ausschliesslich in der Körperlichkeit der Güter und beschränkt
auch in seinen späteren Schriften den Begriff der Vermögensobjecte auf die
materiellen Güter. Der letztern Ansicht sind in Deutschland: Storch,
(Cours, I., S. 108, ff. 1815); Fulda, (Cameralwissensch. 1816, S. 2 der
ed. 1820); Oberndorfer, (Nationalökonom. 1822, §. 23); Rau, (Volkswirth-
schaftslehre, §. 1, 1826); Lotz, (Staatswirthschaftslehre, I., S. 19, der ed.
1837); Bernhardi, (Kritik der Gründe etc., 1849, S. 134 ff., insb. 143 ff.)
Gegen die Ausscheidung der immateriellen Güter: Say, (Cours I., S. 161.
1828); Mac Culloch, (Principles of P. E., ed 1864, S. 4); Hermann,
(Staatswirthschaftliche Untersuchungen, S. 8., 1832); Roscher, (System I.,
§. 3). Dass durch die Beschränkung des Vermögensbegriffes auf die materiel-
len Güter der Begriff der Vermögensobjecte keineswegs richtig begränzt wird,
hat übrigens schon Malthus erkannt, (Principles, 2. Aufl. 1836, S. 34), von
dessen wechselnden Versuchen, den obigen Begriff festzustellen, wir weiter
unten sprechen. Von den neuesten Vertretern der Volkswirthschaftslehre in
England wird der Begriff des Vermögensobjectes fast ausnahmslos wieder
an den Tauschwerth geknüpft. So von: Mac Culloch, (Principles, S. 4 der
ed. 1864); J. St. Mill, (Principles 6. Aufl. Prelim. Rem.); Senior, (Polit. Eco-
nom., S. 6, 1863.) Unter den neuern Franzosen folgen insbesondere A. Cle-
ment
und A. Walras dieser Ansicht. Während solcherart die französischen
und englischen Volkswirthe lediglich zwischen Gütern unterscheiden, welche
Vermögensobjecte sind und jenen, die sich uns nicht als solche darstellen,
geht Hermann (Staatswirthschaftliche Untersuch. S. 3, 1832) viel tiefer,
indem er die wirthschaftlichen Güter (Objecte der Wirthschaft) den freien
Gütern entgegenstellt, eine Unterscheidung, welche seither von der deutschen
Wissenschaft mit wenigen Ausnahmen festgehalten wurde. Doch definirt Her-
mann
selbst den Begriff der wirthschaftlichen Güter zu enge. „Wirthschaft-
liches Gut ist,“ sagt H., „was nur gegen bestimmte Aufopferung, durch Arbeit
oder Vergeltung hergestellt werden kann“ (a. a. O. S. 3) und macht dadurch
den ökonomischen Charakter der Güter von der Arbeit, (ibid. S. 4 auch
vom menschlichen Verkehre) abhängig. Aber sind die Baumfrüchte, welche
ein isolirtes Subject mühelos erlangen kann, für dasselbe kein wirthschaft-
liches Gut, falls dieselben ihm in einer geringeren Quantität verfüg bar sind,
als sein Bedarf beträgt, während doch das zwar eben so mühelos, aber ihm
in einer den Bedarf übersteigenden Quantität verfügbare Quellwasser ein
nicht ökonomisches Gut ist? Roscher, welcher in seinem Grundriss (1843,
S. 3) die wirthschaftlichen Güter als solche definirt hatte, „die in den Ver-
kehr kommen“ und in den ältern Auflagen seines Systems als „Güter, welche
des Verkehrs fähig sind, oder wenigstens denselben fördern können.“ (System
*)
I. 1857, S. 3) definirt in den neuern Auflagen seines Hauptwerkes die wirth-
schaftlichen Güter = „Zwecke und Mittel der Wirthschaft,“ eine Definition,
welche, da sie lediglich eine Umschreibung des zu definirenden Begriffes
ist, anzeigt, dass der ausgezeichnete Gelehrte die Frage nach dem Kriterium
der ökonomischen und nicht ökonomischen Güter als eine offene behandelt
Vgl. auch Schäffle: Tübing, Univ. Schrift. 1862, Abth. 5, S. 22, und: Das
gesellschaftliche System der menschlichen Wirthschaft, 1867, S. 2.
*)
Der ökonomische Charakter der Güter ist in keinerlei Weise an die
Vorbedingung der menschlichen Wirthschaft in ihrer socialen Erscheinung
geknüpft. Ist der Bedarf eines isolirt wirthschaftenden Subjectes an einem
Gute grösser, als die ihm verfügbare Quantität, so werden wir dasselbe jede
Theilquantität dieses Gutes in seiner Verfügung erhalten, conserviren, auf das
Zweckmässigste zur Befriedigung seiner Bedürfnisse verwenden und eine Wahl
treffen sehen zwischen jenen Bedürfnissen, welche es mit der ihm verfüg-
baren Quantität befriedigen, und denjenigen, welche es unbefriedigt lassen
wird, während dasselbe Subject bei allen jenen Gütern, welche ihm in einer
seinen Bedarf übersteigenden Quantität verfügbar sind, keinen Anlass zu der
eben gezeichneten Thätigkeit haben wird. Es werden demnach auch für das
obige isolirte Subject ökonomische und nicht ökonomische Güter vorhanden sein.
Weder der Umstand, dass ein Gut: „Verkehrsobject“ noch auch der, dass es
„Eigenthumsobject“ ist, kann demnach die Ursache seines ökonomischen Charak-
ters sein. Ebensowenig kann aber auch der Umstand, dass die Güter
zum Theile Arbeitsproducte sind, zum andern Theile uns von der Natur ohne
Arbeit dargeboten werden, als Kriterinm des ökonomischen, beziehungsweise
des nicht ökonomischen Charakters der Güter hingestellt werden, so grosser
Scharfsinn auch darauf verwandt wurde, um die dem obigen Gesichtspuncte
widersprechenden Lebenserscheinungen im Sinne desselben zu interpretiren.
Die Erfahrung lehrt uns nämlich, dass zahlreiche Güter, auf welche keine
Arbeit verwandt wurde (z. B. angeschwemmtes Land, Wasserkräfte etc.) den
ökonomischen Charakter überall dort aufweisen, wo sie in einer unsern Be-
darf nicht erreichenden Quantität uns verfügbar sind, wie denn andererseits
der Umstand, dass ein Ding ein Arbeitsproduct ist, an und für sich nicht
einmal die Güterqualität, geschweige denn den ökonomischen Charakter desselben
zur nothwendigen Folge hat. Auch die auf ein Gut aufgewendete Arbeit kann
demnach nicht das Kriterium des ökonomischen Charakters der Güter sein,
es ist vielmehr klar, dass dasselbe ganz ausschliesslich in dem Verhältnisse
zwischen Bedarf und verfügbarer Quantität derselben zu suchen ist.
*)
Man könnte nach einer in unserer Wissenschaft bereits gebräuch-
lichen analogen Ausdrucksweise die letztern, zum Unterschiede von den eigent-
lichen ökonomischen Gütern, die quasi ökonomischen, die erstern die
quasi nicht ökonomischen Güter nennen.
*)
Verfügbar,“ im wirthschaftlichen Sinne des Wortes, ist Je-
manden ein Gut, wenn er dasselbe zur Befriedigung seiner Bedürfnisse heran-
zuziehen in der Lage ist. Dem können physische, oder rechtliche Hindernisse
entgegenstehen. Das Vermögen eines Mündels z. B. ist dem Vormunde nicht
verfügbar im obigen Sinne des Wortes.
**)
Hermann, Staatswirthschaftliche Untersuch. 1832, S. 6. — Welche
Schwierigkeit für die nicht deutschen Nationalökonomen bei der Definirung
des Begriffes „Vermögen“ daraus entsteht, dass sie den Begriff der „ökono-
mischen Güter“ nicht kennen, dafür sind die Schriften eines Malthus das
deutlichste Zeugniss. In der ersten Auflage seiner „Principles of pol. econ.[,]
welche 1820 erschien, definirt er (S. 28) wealth = „those material objects,
which are necessary, useful or agreeable to mankind.“ Diese Definition um-
**)
fasst unter dem Vermögensbegriff alle (materiellen) Güter, auch die nicht
ökonomischen, und ist deshalb entschieden zu weit. In seinen „Definitions,“
welche er sieben Jahre später erscheinen liess, fügt er denn auch (Chap. II
Art. „Wealth“, S. 7 der edit. 1853) der obigen, im Wesentlichen unveränder-
ten Definition den Nachsatz hinzu: „which have required some portion of
human industry to appropriate or produce.“ Als Grund dieses Beisatzes giebt
er in der zweiten Ausgabe seiner Principles (1836, S. 34) an: „this latter
part was added to exclude air, light, rain etc.“ Aber auch diese Definition
erkennt er später als unhaltbar an, denn „there is some objection,“ sagt er
a. a. O.: „to the introduction of the term industry or labour into the Defini-
tion (of wealth), because an object might be considered as wealth, which has
had no labour employed upon it“ und gelangt schliesslich (Principles o. P. E.
1836, S. 33) zu folgender Definition des Begriffes „Vermögen“: I should
define wealth to be the material objects, necessary, useful or agreeable to
man, which are voluntary appropriated by individuals or nations,“ also zur
Bestimmung der Vermögensobjecte als materielle Güter, die von den Menschen
freiwillig in ihr Eigeuthum genommen wurden,“ und verfällt demnach in einen
neuen Irrthum, indem er den Umstand, dass ein Gut sich im Eigenthume
wirthschaftender Menschen befindet, zum Principe der Vermögensqualität (des
ökonomischen Charakters) desselben macht. Fast eben so wechselnde Versuche,
den Begriff des Vermögensobjectes festzustellen, finden wir in den Schriften
Say’s. In seinem „Traité d’econ. pol.“ (1803) stellt er den Werth (Tausch-
werth) als Princip der Vermögensqualität der Güter auf: „ce qui n’a point de
valeur, ne saurait être une richesse (S. 2).“ Diese Ansicht wird von Tor-
rens
(On production of wealth S. 7, 1821) bekämpft und Say gelangt denn
auch in seinem Cours d’E. P. (1828, I. S. 133 ff.) bezüglich jener Güter,
welche Vermögensobjecte sind, zu der nachfolgenden Ansicht: „Nous sommes
forcés d’acheter, pour ainsi dire, ces biens par des traveaux, des économies
des privations; en un mot par de veritables sacrifices,“ also zu einer An-
schauung, welche jener, welcher Malthus in seinen „Definitions“ folgte, ver-
wandt ist. Dagegen sagt Say (a. a. O. S. 133 weiter unten): On ne peut
pas separer de ces biens l’idée de la proprieté. Ils n’existeraient pas, si la
possession exclusive n’en était assuré à celui qui les a acquis .... (S. 34)
D’un autre côté la propriété suppose une société quelconque, des conven-
tions, des lois. On peut en consequence nommer les richesses ainsi acquises
„des richesses sociales.“
*)
Der bloss relative Massstab, welchen das Vermögen für die Be-
urtheilung des Grades der Vollständigkeit bietet, mit welcher ein Individuum
seine Bedürfnisse befriedigen kann, hat dazu geführt, dass einige Schrift-
steller das Vermögen im Sinne der Individualwirthschaft wohl als die Ge-
sammtheit der ökonomischen, das Vermögen im Sinne der Volkswirthschaft
dagegen als die Gesammtheit aller Güter definirten, und zwar zunächst des-
halb, weil sie bei dem erstern die relative Wohlfahrt der einzelnen Individuen,
bei dem letztern die absolute Wohlfahrt der Gesellschaft im Auge hatten. So
zumal Landerdale, Inquiry into the nature etc. S. 39 ff. insb. S. 56 ff.
1804. Auch die von Roscher (System I, §. 8) neuerdings aufgeworfene
Frage, ob nicht das Volksvermögen nach seinem Gebrauchswerthe, das Privat-
vermögen aber nach seinem Tauschwerthe zu schätzen sei, ist auf den obigen
Gegensatz zurückzuführen.
**)
Vgl. schon Landerdale a. a. O. S. 43.
*)
Proudhon, Contradictions, Chap. II. §. 1.
*)
Vgl. Dietzel: Die Volkswirthschaft und ihr Verhältniss zu Gesell-
sellschaft und Staat, 1884, S. 106 ff.
*)
Das Bestreben, die allen Erscheinungsformen des Güterwerthes
gemeinsamen Elemente festzustellen, d. i. den allgemeinen Begriff des
„Werthes“ zu gewinnen, findet sich bei allen neuern Deutschen, welche die
Lehre vom Werthe in selbstständiger Weise bearbeitet haben. Ebenso
das Bestreben, den Gebrauchswerth der Güter von der blossen Nützlich-
keit zu unterscheiden. Friedländer (Theorie d. Werthes, Dorpater Univ.
Progr. 1852, S. 48) definirt den Werth als „das im menschlichen Urtheil
erkannte Verhältniss, wornach ein Ding Mittel für die Erfüllung eines erstrebens-
werthen Zweckes sein kann“ (vergl. auch Storch, Cours d’économ. polit.
T. I., S. 36). Da nun das obige Verhältniss, (wofern der erstrebenswerthe
Zweck die Befriedigung eines menschlichen Bedürfnisses ist, oder doch mit
einer solchen im Zusammenhang steht,) eben die Nützlichkeit eines Dinges
begründet, so ist die obige Definition gleichbedeutend mit jener, wornach
der Güterwerth als die anerkannte Zweck-Tauglichkeit, beziehungsweise
als die anerkannte Nützlichkeit eines Dinges aufgefasst wird. Es ist diese
letztere aber eine allgemeine Voraussetzung der Güterqualität und demnach die
Definition Friedländer’s, abgesehen davon, dass sie das Wesen des Werthes
nicht berührt, auch zu weit. In der That kommt derselbe (S. 50) zum
Schlusse, dass die nicht ökonomischen Güter eben so wohl Objecte der Werth-
schätzung der Menschen sind, als die ökonomischen. Knies (Lehre vom Werth,
Tübing. Zeitschr. 1855, S. 423) erkennt in dem Werthe, gleich wie viele
seiner Vorgänger, den Grad der Brauchbarkeit eines Gutes für menschliche
Zwecke, (vgl. noch die ältern Auflagen von Roscher’s System I., §. 4,)
eine Ansicht, welcher ich jedoch um dessentwillen nicht folgen kann,
weil der Werth wohl eine Grösse ist, welche gemessen werden kann, das
Mass desselben aber eben so wenig zu seinem Wesen gehört, als zu jenem
des Raumes, oder der Zeit. In der That fühlt Knies auch die Schwierigkeiten,
zu welchen diese Auffassung vom Werthe in ihren weitern Consequenzen
führt, denn er erkennt auch die Begriffsbestimmung des Werthes als Brauch-
barkeit, Nützlichkeit Güterqualität selbst an und bemerkt „die Werththeorie sei
*)
an einzelnen Stellen thatsächlich im Ganzen auf die Combination beider Be-
deutungen des Wortes „Werth“ aufgebaut,“ gelangt demnach zu keinem ein-
heitlichen Principe. — Schäffle geht (Tübing. Universitätsschrft. 1862, Abth. 5,
S. 10,) von der Ansicht aus, „eine potentielle oder actuelle vom Menschen
mit bewusstem Wollen gestaltete Beziehung zwischen Person und unpersön-
lichen Aussendingen sei stets erforderlich, wenn von Wirthschaften und von
wirthschaftlichen Gütern solle die Rede sein können. Diese Beziehung lasse
sich nun sowohl von Seite des wirthschaftlichen Objectes, als von Seite
des wirthschaftlichen Subjectes auffassen. Objectiv sei sie die Brauchbar-
keit
, subjectiv der Werth des Gutes. Brauchbarkeit (Nützlichkeit) sei die
Tauglichkeit der Sache, einem menschlichen Zwecke zu dienen. Werth aber
sei die Bedeutung, welche das Gut vermöge seiner Brauchbarkeit für das
ökonomische Zweckbewusstsein der wirthschaftlichen Persönlichkeit habe.“
Auch diese Begriffsbestimmung des Werthes ist indess, wie Schäffle dadurch,
dass er in seinen spätern Schriften, (Das gesellschaftliche System, 1867, S. 6,)
den Werth als „die Bedeutung eines Gutes, um der dafür zu bringen-
den Opfer
“ definirt, selbst andeutet, entschieden zu weit, denn auch die
nicht ökonomischen Güter haben Brauchbarkeit und stehen in dem obigen
Verhältnisse zum Zweckbewusstsein der Menschen, ohne doch Werth auf-
zuweisen. Durch Schäffle’s ältere Begriffsbestimmung wird demnach der Werth
nicht auf die ökonomischen Güter beschränkt, obzwar der scharfsinnige Forscher,
(Tübinger Universitätsschr. 1862, a. a. O. S. 11,) sich sehr genau des
Umstandes bewusst ist, dass bei den nicht ökonomischen Gütern die Werth-
erscheinung nicht zu Tage treten könne. Die neuere Definition Schäffle’s
ist dagegen entschieden zu enge, denn nichts ist sicherer, als dass es zahl-
reiche ökonomische Güter gibt, welche ohne die geringsten dafür zu bringen-
den Opfer in die Verfügung der Menschen gelangen (z. B. Angesch wemmtes
Land etc.), andere, welche durch ökonomische Opfer nicht erlangt werden
können (z. B. Naturanlagen). Ein wichtiges Moment der tiefern Einsicht
in das Wesen des Werthes wird aber hier bereits in das vollste Licht gestellt:
Nicht die objective Tauglichkeit an sich (Tübing, Universitätsschr. S. 11), auch
nicht der Grad der Brauchbarkeit (ibid, S. 31), sondern die Bedeutung
des Gutes für das wirthschaftende Subject macht nach Schäffle das Wesen
des Güterwerthes aus. — Einen interessanten Beitrag zur richtigen Auffassung
des Werthes fördert auch Rösler (Theorie des Werthes, Hildeb. Jahrbücher
1868, IX., S. 272 ff. 406 ff.) zu Tage. Derselbe kommt zum Schlusse, „dass
die herkömmliche Unterscheidung zwischen Gebrauchswerth und Tauschwerth
unrichtig sei, und mit dem Moment des nützlichen Gebrauches der Dinge
der Begriff des Werthes absolut nicht verbunden werden könne; dass viel-
mehr der Begriff des Werthes nur ein einheitlicher sei, die Vermögens-
*)
Mit den Versuchen, den Unterschied zwischen den ökonomischen
und den nicht ökonomischen Gütern darauf zurückzuführen, dass die erstern
Arbeitsproducte seien, die letztern aber „freiwillige Gaben der Natur,“ die
erstern sich uns als Objecte des Tauschverkehres darstellen, die letztern aber
nicht, haben wir uns in dem vorigen Capitel eines weitern beschäftigt,
und sind hiebei zum Resultate gelangt, dass der ökonomische Charakter der
Güter von den beiden obigen Momenten unabhängig ist. Ein Gleiches gilt von
dem Werthe. Derselbe ist, gleich wie der ökonomische Charakter der Güter,
die Folge des mehrerwähnten Verhältnisses zwischen Bedarf und verfügbarer
Quantität der Güter, und die gleichen Gründe, welche dagegen sprechen, dass
die ökonomischen Güter als „Arbeitsproducte“, beziehungsweise als „Verkehrs-
güter“ definirt werden, schliessen die diesbezüglichen Kriterien auch überall
dort aus, wo es sich um die Unterscheidung der Güter handelt, welche für
uns Werth haben, und jener, die keinen solchen aufweisen.
*)
qualität der Dinge bezeichne und durch Realisirung der Vermögensrechtsord-
nung zur concreten Erscheinunggelange.“ Der eigenthümliche Standpunkt Rösler’s
ist aus dem Obigen ersichtlich und zugleich der Fortschritt, welcher in seiner
Auffassung liegt, in dem er den Kreis der Werthobjecte richtig begränzt und
die Nützlichkeit vom Werthe der Güter streng scheidet. Nicht einverstanden
kann ich mich dagegen damit erklären, dass Rösler die Vermögensqualität
eines Gutes, welche eben so wohl die Folge des oben dargelegten Quan-
titätenverhältnisses, als der Werth ist, zum Principe des letztern macht; auch
scheint mir bedenklich, dass Rösler den Begriff der Vermögensqualität der Juris-
prudenz entlehnt. (S.295, 302 ff. vgl. auch Ch. Schlözer Anfangsg. I. §. 15). Der Werth
der Güter ist, gleichwie der ökonomische Charakter derselben, unabhängig von
der menschlichen Wirthschaft in ihrer socialen Erscheinung, unabhängig auch von
der Rechtsordnung, ja von dem Bestande der Gesellschaft. Er ist auch in der isolirten
Wirthschaft zu beobachten und kann demnach nicht in der Rechtsordnung wurzeln.
Von ältern Versuchen, den allgemeinen Begriff des Werthes festzustellen,
seien hier jene Montanari’s, † 1687, (della Moneta III, S. 43, p. a. der
ed. Custodi), Turgot’s (Valeurs et monnaies, S. 79 ff., ed. Daire), Con-
dillac
’s (Le commerce et le gouvernement 1776, S. 151 ff., ed. Daire), Gar-
nier
’s (S. 5 der Vorrede zu seiner Uebersetzung A. Smith’s), Storch’s
(Cours d’économ. polit. 1815, I, S. 56 ff.) erwähnt. Zumal ist es Condillac,
dessen Begriffsbestimmung des Werthes keine geringe Aehnlichkeit mit ein-
zelnen neuern Entwickelungen dieser Lehre in Deutschland hat.
*)
Der Verwechslung von „Gebrauchswerth“ und „Nützlichkeit,“ be-
ziehungsweise des erstern mit dem „Grade der Nützlichkeit“ oder mit der
„erkannten Nützlichkeit,“ entspringt auch die Lehre vom abstracten Werthe
der Güter (Siehe Rau, „Volkswirthschaftslehre,“ §. 58 ff., 1863). Eine Gat-
tung kann nützliche Eigenschaften haben, welche die concreten Güter zur Be-
friedigung menschlicher Bedürfnisse tauglich machen, der Grad der Nütz-
lichkeit kann bei den verschiedenen Gattungen mit Rücksicht auf bestimmte
Gebrauchszwecke ein ungleicher sein (Buchenholz und Weidenholz für Heiz-
zwecke u. dgl. m.); weder die Nützlichkeit der Gattung, noch aber auch der
verschiedene Grad derselben bei den verschiedenen Gattungen oder Species
kann indess „Werth“ genannt werden. Nicht die Gattungen, sondern stets nur
die concreten Güter sind den wirthschaftenden Individuen verfügbar, nur
diese letztern demnach Güter und nur solche: Objecte unserer Wirth-
schaft
und unserer Werthschätzung.
**)
Wie eine tiefer gehende Untersuchung der seelischen Vorgänge uns
die Erkenntniss der Aussendinge lediglich als die zu unserem Bewusstsein
gelangte Einwirkung der Dinge auf uns selbst, das ist in letzter Reihe als
die Erkenntniss eines Zustandes unserer eigenen Person erscheinen lässt, so
ist auch alle Bedeutung, welche wir den Dingen der Aussenwelt beimessen,
in letzter Reihe nur ein Ausfluss jener Bedeutung, welche die Aufrecht-
haltung unserer Natur in ihrem Wesen und ihrer Entwickelung, das ist unser
Leben und unsere Wohlfahrt für uns haben. Der Werth ist demnach nichts
den Gütern Anhaftendes, keine Eigenschaft derselben, sondern vielmehr ledig-
lich jene Bedeutung, welche wir zunächst der Befriedigung unserer Bedürf-
nisse, beziehungsweise unserem Leben und unserer Wohlfahrt beilegen und
in weiterer Folge auf die ökonomischen Güter, als die ausschliessenden Ur-
sachen derselben, übertragen.
*)
Proudhon (Système des contradictions économiques, Ch. II, §. 1) wird
durch den obigen Irrthum verleitet, einen unlösbaren Widerspruch zwischen
dem Gebrauchswerthe und dem Tauschwerthe zu constatiren.
*)
Ist ein Gut zur Befriedigung mehrerer, der Art nach verschiedenen
Bedürfnisse tauglich, deren einzelne Acte wieder eine, je nach dem Grade
der Vollständigkeit der bereits erfolgten Befriedigung der bezüglichen Be-
dürfnisse sich abschwächende Bedeutung haben, so verwenden die wirthschaf-
tenden Menschen auch in diesem Falle die ihnen verfügbaren Quantitäten des-
selben zunächst zur Sicherstellung jener Acte der in Rede stehenden Bedürfniss-
befriedigungen, welche für sie ohne Rücksicht auf die Art des Bedürfnisses
die höchste Bedeutung haben, den Rest zur Sicherstellung, jener concreten
Bedürfnissbefriedigungen, welche in Rücksicht auf ihre Bedeutung den erstern
zunächst stehen und so fort zur Sicherstellung der minder wichtigen Bedürf-
nisse, ein Vorgehen, welches den Erfolg hat, dass die wichtigsten jener con-
creten Bedürfnisse, die nicht mehr zur Befriedigung gelangen, bei allen Arten
der obigen Bedürfnisse jeweilig von gleicher Bedeutung sind, also alle Bedürf-
nisse bis zu einem gleichen Grade der Wichtigkeit der concreten Acte der-
selben zur Befriedigung gelangen.
*)
Setzen wir den Fall, ein wirthschaftendes Individuum bedürfte zur
vollen Befriedigung seiner sämmtlichen, rücksichtlich ihrer Wichtigkeit sich
von 10 bis zu 1 abstufenden Bedürfnisse nach einem Gute, 10 concrete Güter,
oder Quantitäten von solchen (also 10 Q.), während ihm nur 7 solche Güter,
oder Quantitäten (also 7 Q) verfügbar wären, so ist nach dem, was wir über
das Wesen der menschlichen Wirthschaft gesagt haben, zunächst sicher, dass
das obige Individuum mit der ihm verfügbaren Gesammtquantität (mit 7 Q.)
nur jene Bedürfnisse befriedigen wird, deren Wichtigkeit sich von 10—4
abstuft, während die übrigen, rücksichtlich ihrer Wichtigkeit sich von 3—1
abstufenden Bedürfnisse unbefriedigt bleiben werden. Welchen Werth würde
nun in diesem Falle ein concretes Gut, beziehungsweise eine der obigen
7 Quantitäten (also 1 Q.), für das in Rede stehende wirthschaftende Indi-
viduum haben? Diese Frage ist nach dem, was wir über das Wesen des
Güterwerthes wissen, gleichbedeutend mit der Frage nach der Bedeutung jener
Bedürnissbefriedigungen, welche nicht erfolgen würden, wofern das betref-
fende Individuum statt über 7 nur über 6 Güter oder Güterquantitäten (über
6 Q.) zu verfügen vermöchte? Nun ist es klar, dass die in Rede stehende
Person, wenn ihr durch irgend ein Ereigniss eines der sieben ihr ver-
fügbaren Güter, beziehungsweise Theilquantitäten entzogen würde, mit den
übrigen sechs die Befriedigung der wichtigeren Bedürfnisse mit Hintansetzung
der minder wichtigen vornehmen würde und demnach die Entziehung
eines Gutes, oder einer der obigen Theilquantitäten, lediglich den Erfolg
hätte, dass jene Bedürfnissbefriedigung entfallen möchte, deren Bedeutung
unter den durch die verfügbare Gesammtquantität (also durch 7 Q.) noch
gesicherten Bedürfnissbefriedungen die niedrigste ist, also diejenige, deren
Bedeutung wir oben mit 4 bezeichnet haben, während die Bedürfnissbefriedi-
gungen, beziehungsweise jene Acte derselben, deren Bedeutung von 10—5
herabreicht, vor wie nach erfolgen würden. Von der Verfügung über ein
concretes Gut oder eine solche Theilquantität wäre demnach in dem obigen
Falle nur eine Bedürfnissbefriedigung abhängig, deren Bedeutung wir mit
4 bezeichneten und diese Bedeutung wäre, insolange die hier in Rede ste-
hende Person über 7 concrete Güter, beziehungsweise über die sieben oben
*)
erwähnten Theilquantitäten verfügte, der Werth jedes einzelnen Gutes, be-
ziehungsweise jeder einzelnen Theilquantítät. Nur eine Bedürfnissbefrie-
digung von diesem Masse der Bedeutung wäre nämlich in dem gegebenen
Falle von jenem Gute, beziehungsweise von jener Theilquantität der verfüg-
baren Gütermenge abhängig. Befänden sich aber unter sonst gleichen Ver-
hältnissen nur fünf Güter, beziehungsweise fünf der obigen Theilquantitäten,
in der Verfügung des in Rede stehenden wirthschaftenden [Subjectes], so ist
ebenso klar, dass, insolange diese ökonomische Sachlage vorhanden wäre,
jedes concrete Gut, beziehungsweise jede der obigen Theilquantitäten, eine
Bedeutung für dasselbe hätte, die in der Zahl 6, bei 3 Gütern oder Theil-
quantitäten eine solche, die in der Zahl 8, bei einem einzigen Gute endlich
eine solche, die in der Zahl 10 ihren ziffermässigen Ausdruck fände.
*)
Der Versuch, einen Massstab des Gebrauchswerthes der Güter auf-
zufinden und diesen letztern als Grundlage des Tauschwerthes derselben hin-
zustellen, wurde bereits von Aristoteles gemacht. „Es muss Etwas geben,“
sagt derselbe (Ethic. Nic. V. 8), „was das Mass von Allem sein kann.....
Dieses Mass ist nun in Wahrheit nichts anderes, als das Bedürfniss,
welches Alles zusammenhält: denn bedürfte man nichts, oder Alles auf
die gleiche Weise, so würde es keinen Gütertausch geben.“ In demselben
Sinne schreibt Galiani (Della moneta L. I, Cap. II, S. 27 der ed. 1780):
„Essendo varie le dispositioni degli animi umani e varii i bisogni, vario è il
valor delle cose.“ Turgot, der sich mit der obigen Frage in seiner uns als
Fragment überkommenen Abhandlung: „Valeurs et Monnaies“ in eingehender
Weise beschäftigt, sagt (a. a. O. S. 81. Daire): Sobald die Cultur einen ge-
wissen Grad erreicht hat, fängt der Mensch an, die Bedürfnisse mit einander
zu vergleichen, um die Vorsorge für die Herbeischaffung der Güter dem
Grade der Nothwendigkeit und Nützlichkeit der verschiedenen Güter (besoins,
in diesem Sinne bei den Physiokraten sehr häufig) anzupassen. Bei der Be-
werthung der Güter berücksichtige der Mensch indess auch die grössere oder
geringere Schwierigkeit der Herbeischaffung derselben, und so kommt Turgot
(ibid S. 83) zum Schlusse: „La valeur estimative d’un objet, pour l’homme
isolé, est precisement la portion du total de ses facultés, qui répond au désir
qu’il a de cet objet, ou celle qu’il veut employer á satisfaire ce desir.“ Zu
andern Resultaten gelangt Condillac. Er sagt (Le commerce et le gouver-
nement 1777, S. 250 ff., Daire.): On dit qu’une chose est utile, lorsqu’elle
sert à quelquesuns de nos besoins. D’après cette utilité, nous l’estimons plus
ou moins. Or, cette éstime est ce que nous appelons valeur.“ Während dem-
nach bei Turgot die auf die Herbeischaffung eines Gutes gewendete Kraft-
aufopferung eines Menschen das Mass für den Gebrauchswerth eines Gutes
ist, ist es nach Condillac der Grad seiner Nützlichkeit: zwei Grund-
anschauungen, welche seither vielfach in den Schriften englischer und fran-
zösischer Nationalökonomen wiederkehren. Eine tiefer gehende Behandlung
hat die Frage nach dem Masse des Gebrauchswerthes indess erst bei den
Deutschen gefunden. In einer vielfach angeführten Stelle, in welcher B. Hil-
*)
debrand Proudhon’s Widersprüche gegen die herrschende Werththeorie
zurückweist (Nationalökonomie der Gegenwart und Zukunft, 1848, S. 318 ff)
sagt derselbe: „Da der Nutzwerth immer eine Relation der Sache zum Men-
schen ist, so hat jede Gütergattung das Mass ihres Nutzwerthes an der Summe
und Rangordnung der menschlichen Bedürfnisse, welche sie befriedigt, und
wo keine Menschen und keine Bedürfnisse existiren, dort giebt es auch keinen
Nutzwerth. Die Summe des Nutzwerthes, welche jede Gütergattung besitzt,
bleibt daher, sobald sich nicht die Bedürfnisse der menschlichen Gesellschaft
ändern, unveränderlich, und vertheilt sich auf die einzelnen Stücke
der Gattung, je nach der [Quantität] derselben
. Je mehr sich die
Summe der Stücke vergrössert, desto geringer wird der Antheil, welcher
jedem Stücke vom Nutzwerthe der Gattung zufällt und umgekehrt.“ Die
obige Darlegung, welche eine unvergleichliche Anregung zur Forschung bot,
leidet nichtsdestoweniger an zwei Gebrechen, welche, wie wir sehen werden,
spätere Bearbeiter der Lehre zum Theile auch empfunden haben und zu
beseitigen bemüht waren. Unter dem Werthe einer „Gütergattung“ kann
in dem obigen Zusammenhange füglich nichts Anderes verstanden werden,
als der Werth, welchen die Gesammtheit der verfügbaren Güter einer Gattung
für die menschliche Gesellschaft hat. Dieser Werth ist indess nicht realer
Natur
, das ist: nirgends in Wahrheit zu beobachten, indem der Werth stets
nur im Individuum und zwar rücksichtlich concreter Güterquantitäten zur
Erscheinung gelangt (v. oben S. 81). Würde man aber auch davon absehen und den
obigen „Gattungswerth“ als die Gesammtheit des Werthes auffassen, welchen
die concreten Güter einer Gattung für die einzelnen Mitglieder der Gesell-
schaft, in deren Verfügung sie sich befinden, haben, so würde der obige
Satz H’s doch nicht bestehen können, denn es ist klar, dass schon eine ver-
schiedene Vertheilung der in Rede stehenden Güter, geschweige denn die
Veränderung der verfügbaren Quantität derselben den „Gattungswerth“ in
diesem Sinne verändern, ja, unter Umständen gänzlich aufheben müsste.
Ein „Gattungswerth“ im eigentlichen Sinne des Wortes ist demnach, wofern
man die „Nützlichkeit,“ die „erkannte Nützlichkeit,“ beziehungsweise den
„Grad der Nützlichkeit“ nicht mit dem „Werthe“ verwechselt, nicht realer
Natur, nicht existent, der Gattungswerth im Sinne der Gesammtheit des
Werthes der concreten Güter einer gewissen Gattung für die einzelnen Mit-
glieder der menschlichen Gesellschaft aber — auch wenn die Bedürfnisse dieser
letzteren sich nicht ändern — keine unveränderliche Grösse und die Grund-
lage, auf welcher H. sein Calcul aufbaut, demnach anfechtbar. Dazu tritt
noch der Umstand, dass H. die verschiedene Bedeutung, welche die Befrie-
digung der einzelnen concreten Bedürfnisse für die Menschen hat, nicht
in Berücksichtigung zieht, wenn er den „Werth der Gattnug“ auf die einzel-
*)
nen Stücke der Gattung je nach der Quantität vertheilt. (Vgl. schon
Knie’s Tüb. Ztsch. 1855, S. 463 ff.) Das wahre Element der obigen Lehre,
H’s, liegt in der scharfsinnigen und für alle Zeiten giltigen Beobachtung,
dass der Gebrauchswerth der Güter sich mehrt, wenn die verfügbare Quan-
tität derselben vermindert wird, und so umgekehrt, H. geht aber entschie-
den zu weit, indem er überall eine genaue Verhältnissmässigkeit annimmt.
— Einen Versuch zur Lösung des obigen Problems in anderer Richtung macht
Friedländer (Die Theorie des Werthes; Dorpater Univ. Schr. 1852,
Seite 60 ff.). Derselbe kommt zu dem Resultate, dass „die durch-
schnittliche concrete Bedürfnisseinheit (das Mittel der innerhalb der
verschiedenen Classen der Gesellschaft gefundenen besonderen Bedürfniss-
einheiten) der allgemeine Ausdruck für den objectiven volkswirthschaftlichen
Gebrauchswerth sei und der Bruch, welcher die Quoten ausdrückt, welche
die einzelnen Brauchlichkeiten zur Bedürfnisseinheit beitragen und das Werth-
verhältniss derselben zur mittleren concreten Bedürfnisseinheit anzeigt, das
Mass für den objectiven Werth der einzelnen Brauchlichkeiten abgebe.“ Ich
glaube, dass gegen die obige Lösung des Problems vor Allem einzuwenden
ist, dass der subjective Charakter des Güterwerthes vollständig verkannt
wird, wenn ein „mittlerer Mensch“ mit einem „Durchschnittsbedarf“ con-
struirt wird, da ja der Gebrauchswerth, welchen ein und dasselbe Gut für
zwei verschiedene Personen nach Massgabe ihres Bedarfes und der ihnen ver-
fügbaren Quantität hat, ein höchst verschiedener zu sein pflegt. „Die Fest-
stellung des Gebrauchswerthes in Bezug auf den mittleren Menschen“ löst
demnach in Wahrheit nicht das obige Problem, da es sich bei demselben um
das Mass des Gebrauchswerthes der Güter, wie derselbe von uns in den con-
creten Fällen beobachtet werden kann, also mit Rücksicht auf concrete Men-
schen handelt. Fr. gelangt denn auch lediglich zur Bestimmung des Masses
für „den objectiven Werth“ der einzelnen Güter (S. 68), während ein
solcher in Wahrheit doch gar nicht vorhanden ist. — Einen tief gehenden Ver-
such, das obige Problem zu lösen, hat auch Knies in der bereits erwähnten
Abhandlung (Die nat.-ökon. Lehre vom Werthe, Tübing. Ztsch. 1855) gemacht.
„Die Bedingungen für die Abschätzung des Gebrauchswerthes der Güter,“
sagt K. (S. 429) ganz richtig, „können in nichts Anderem, als in den wesent-
lichen Elementen für den Begriff des Gebrauchswerthes gefunden werden.“ Der
Umstand, dass K. diesen letztern, wie wir oben sahen, nicht eng genug begrenzt,
verleitet ihn indess auch zu manchen anfechtbaren Schlüssen rücksichtlich der
Bestimmung des Werthmasses. „Die Grösse des Gebrauchswerthes der Güter,“
fährt K. fort, „hängt ab: a) von der Intensivität des menschlichen Bedürf-
nisses, welches sie befriedigen, b) von der Intensivität, in welcher sie ein
*)
menschliches Bedürfniss befriedigen … Hiernach stellt sich eine Classifi-
cation und Stufenleiter der menschlichen Bedürfnisse ein, mit welcher eine
Classification und Stufenleiter der Gütergattungen correspondirt.“ Nun ist das
Bedürfniss nach Wasser eines der intensivsten unter den menschlichen Be-
dürfnissen, denn von seiner Befriedigung hängt unser Leben ab, und Niemand
vermag zu läugnen, dass frisches Quellwasser dies Bedürfniss in der inten-
sivsten Weise befriedigt. Es müsste demnach dies Gut — wofern K’s Princip
des Werthmasses das richtige wäre — auf der Stufenleiter der Gütergattun-
gen eine der höchsten Stufen einnehmen, während doch concrete Quan-
titäten
hievon der Regel nach keinen Werth haben, Gütergattungen
aber, wie wir bereits oben zeigten, überhaupt keinen Werth haben
können. Wenn K. im Verlaufe seiner Abhandlung nach einer ausführ-
lichen Untersuchung über das Mass des „abstracten Güterwerthes“ auch den
privatwirthschaftlich-concreten Gebrauchswerth (S. 461) zur Sprache bringt,
so geschieht es doch nur, um mit Rau den häufigen Gegensatz zwischen dem
„Gattungswerthe“ (in Wahrheit „Nützlichkeit“) und dem concreten Werthe
der Güter, also den sehr richtigen Satz darzuthun, dass das Mass der Nütz-
lichkeit der Dinge etwas von dem Masse ihres Werthes wesentlich verschie-
denes ist. Zu einem Principe der Grössenbestimmung des Gebrauchswerthes in
seiner concreten Form gelangt K. nicht, obzwar er demselben an einer
Stelle seiner gedankenreichen Abhandlung (S. 441) sehr nahe kommt. — Von
einem anderen Standpunkte aus ist Schäffle (Tübing. Univers. Schriften,
1862, 5. Abth., S. 12 ff.) an die Lösung der Frage gegangen. „Die Thätig-
keit des Wirthschaftens,“ schreibt der scharfsinnige Forscher, „wird um so
energischer in Anregung kommen, je dringender das persönliche Bedürfniss
für ein Gut, und je schwieriger das diesem Bedürfniss entsprechende Gut
zu beschaffen ist. Je mehr diese beiden Factoren: Intensivität des Begehrens
und Intensivität der Schwierigkeit des Erlangens, auf einander wirken, desto
stärker tritt die Bedeutung des Gutes in das die wirthschaftliche Thätigkeit
leitende Bewusstsein. Auf dieses Grundverhältniss führen alle Sätze über
Mass und Bewegung des Werthes zurück.“ Ich stimme nun Sch. vollkommen
bei, wenn er sagt, dass je dringender das persönliche Bedürfniss nach einem
Gute ist, um so energischer auch unsere wirthschaftliche Thätigkeit in Be-
wegung gesetzt wird, überall dort, wo es sich darum handelt, uns das bezügliche
Gut zu verschaffen; andererseits ist aber nicht minder sicher, dass nicht
wenige Güter, nach welchen wir die dringendsten Bedürfnisse empfinden
(z. B. Wasser), der Regel nach gar keinen, andere, welche nur zur Befrie-
digung von Bedürfnissen von viel geringerer Bedeutung tauglich sind
(Jagdschlösser, künstliche Wildententeiche u. dgl. m.) einen nicht un-
beträchtlichen Werth für die Menschen haben. Die Dringlichkeit der Be-
*)
dürfnisse, zu deren Befriedigung ein Gut tauglich ist, kann demnach an und
für sich nicht das massgebende Moment des Werthes eines Gutes sein,
selbst wenn man von dem Umstande absehen will, dass die meisten Güter
doch zur Befriedigung verschiedener Bedürfnisse, deren Intensivität gleich-
falls eine verschiedene ist, dienlich sind, und somit bei dem obigen Prin-
cipe die sichere Bestimmung der massgebenden Grösse, also dasjenige zweifel-
haft bleibt, was eben in Frage ist. Eben so wenig ist aber auch die Inten-
sivität der Schwierigkeit des Erlangens eines Gutes an und für sich das
Mass seines Werthes. Güter von sehr geringem Werthe sind nicht selten nur mit
den grössten Schwierigkeiten zu erlangen, und ist es nicht richtig, dass die
wirthschaftliche Thätigkeit der Menschen um so energischer in Anregung
kommt, je grösser die obigen Schwierigkeiten sind. Im Gegentheil richten
die Menschen ihre wirthschaftliche Thätigkeit stets auf die Erlangung jener
Güter, welche bei gleicher Dringlichkeit des Bedürfnisses mit den geringsten
Schwierigkeiten erlangt werden können. Weder der eine noch der andere
Theil des obigen Doppelprincips bietet demnach an und für sich ein mass-
gebendes Princip für die Werthbestimmung. Allerdings sagt Sch.: „Je mehr
diese beiden Factoren: Intensivität des Begehrens und Intensivität der
Schwierigkeit des Erlangens, auf einander wirken, desto stärker tritt
die Bedeutung des Gutes in das die wirthschaftliche Thätigkeit leitende Be-
wusstsein.“ Es ist aber klar, dass, wenn wir uns auch, wie Sch. dies (a. a. O.
S. 7) ausdrücklich betont, die wirthschaftliche Thätigkeit „mit Bewusstsein
auf die allseitige Erfüllung der sittlich vernünftigen Lebenszwecke gerichtet,“
oder mit andern Worten die Güter in den Händen vernünftig wirthschaf-
tender Subjecte denken — ein Umstand, in dem, wie Sch. ganz richtig erkannt
hat, allerdings ein wesentliches Moment zur Lösung der obigen Widersprüche
liegt — doch die Frage ungelöst bleibt, wie eigentlich „die beiden obigen
Factoren auf einander wirken“ und wie so in Folge dieser gegenseitigen
Einwirkung ein jedes Gut ein bestimmtes Mass der Bedeutung für die
wirthschaftenden Menschen erlangt. — Unter den neuern Nationalökonomen,
welche die Lehre vom Werthmasse als Theil eines Systens behandelt haben, ist
insbesondere Stein wegen der originellen Auffassung dieser Lehre zu
nennen. St., welcher den Werth (System der Staatswissenschaft I., S. 169 ff.,
1852) als „das Verhältniss des Masses eines bestimmten Gutes zum Leben
der Güter überhaupt“ definirt, gelangt (S. 171 ff.) zu der folgenden Formel für
die Bestimmung des Werthmasses: „Das wirkliche Werthmass eines Gutes
wird gefunden, indem die Masse der übrigen Güter mit der Masse des frag-
lichen Gutes dividirt wird. Um dies aber zu können, muss zuerst für die
gesammte Gütermasse ein gleichnamiger Nenner gefunden werden.
Dieser gleichartige Nenner, oder die Gleichartigkeit der Güter, ist für sie aber
*)
nur gegeben in ihrem gleichartigen Wesen; darin dass alles wirkliche Gut
wieder aus den sechs Elementen des Stoffes, der Arbeit, des Erzeugnisses,
des Bedürfnisses, der Verwendung und der wirklichen Consumtion besteht,
indem, wo eins dieser Elemente wegfällt, das Object ein Gut zu sein auf-
hört. Diese Elemente eines jeden wirklichen Gutes sind nun in diesem Gute
wieder in bestimmtem Masse enthalten, und das Mass dieser Elemente
bestimmt das Mass des einzelnen, wirklichen Gutes für sich. Daraus folgt,
dass das Massverhältniss aller einzelnen Güter untereinander, oder ihr all-
gemeines Werthmass gegeben ist in dem Verhältniss der Güterelemente und
ihrer Masse innerhalb des einen Gutes zu demjenigen innerhalb des andern.
Und die Bestimmung und Berechnung dieses Verhältnisses ist mithin die Be-
stimmung des wirklichen Werthmasses.“ (Vergl. auch a. a. O. S. 181 ff. die
Formel der Werthgleichung.)
*)
Unser Bedarf an Gütern höherer Ordnung ist bedingt durch den
voraussichtlichen ökonomischen Charakter (S. 67), beziehungsweise durch den
voraussichtlichen Werth der Güter, zu deren Hervorbringung sie dienen.
Wir können somit in der Sicherstellung unseres Bedarfes, beziehungsweise in
der Befriedigung unserer Bedürfnisse auch nicht von der Verfügung über Gü-
ter abhängig sein, welche lediglich zur Hervorbringung solcher Güter
niederer Ordung dienlich sind, die voraussichtlich keinen Werth haben wer-
den (weil wir an ihnen eben keinen Bedarf haben), und es ergiebt sich somit
der Grundsatz, dass der Werth der Güter höherer Ordnung durch den voraus-
sichtlichen Werth der Güter niederer Ordnung bedingt ist, zu deren Hervor-
bringung sie dienen. Güter höherer Ordnung können demnach nur insoferne
Werth erlangen, den erlangten aber auch nur insolange behaupten, als sie zur
Hervorbringung von Gütern dienen, welche voraussichtlich Werth für uns
haben werden.
*)
Zunächst und unmittelbar hat nur die Befriedigung unserer Bedürf-
nisse für uns eine Bedeutung, und findet diese letztere in jedem concreten
Falle ihr Mass in der Wichtigkeit der bezüglichen Bedürfnissbefriedigung für
unser Leben und unsere Wohlfahrt. Diese Bedeutung, und zwar in ihrer
quantitativen Bestimmtheit, übertragen wir zunächst auf jene concreten Güter,
von welchen wir, in der Befriedigung der betreffenden Bedürfnisse un-
mittelbar abhängig zu sein, uns bewusst sind, das ist auf die ökonomischen
Güter erster Ordnung, nach den im vorigen Abschnitte dargelegten Grund-
sätzen. Wo immer aber unser Bedarf durch Güter erster Ordnung nicht, oder
nicht vollständig gedeckt ist, das ist in allen Fällen, wo die Güter erster
Ordnung eben Werth für uns erlangen, greifen wir in dem Bestreben unsere
Bedürfnisse möglichst vollständig zu befriedigen nach den entsprechenden
Gütern der nächst höheren Ordnung und übertragen den Werth der Güter
erster Ordnung, fortschreitend auf die Güter zweiter, dritter und höherer
Ordnung überall dort, wo auch diese letztern den ökonomischen Charakter
aufweisen. Auch der Werth der Güter höherer Ordnung ist demnach in
letzter Reihe nichts anderes, als eine besondere Erscheinungsform jener Be-
deutung, welche wir unserem eigenen Leben und unserer Wohlfahrt beimessen,
und das massgebende Moment desselben, gleichwie bei den Gütern erster Ord-
nung, in letzter Reihe lediglich die Bedeutung, welche jene Bedürfnissbefrie-
digungen für uns haben, rücksichtlich welcher wir von der Verfügung über
die Güter höherer Ordnung, deren Werth in Frage ist, abhängig zu sein uns
bewusst sind. Der Causalnexus der Güter bewirkt indess, dass der Werth der
Güter höherer Ordnung sein Mass nicht unmittelbar in der voraussichtlichen
Bedeutung der endlichen Bedürfnissbefriedigung, sondern zunächst in dem
voraussichtlichen Werthe der entsprechenden Güter niederer Ordnung findet.
*)
Der häufigste Fehler, welcher nicht nur bei der Eintheilung, sondern
auch bei der Begriffsbestimmung des Capitals begangen wird, ist, dass der
technische, statt des wirthschaftlichen Standpunktes betont wird.
(Vid. dagegen schon Lotz: Staatswirthschaft I., 19, und Herrmann: Staatsw.
Untersuchungen, 1832, S. 62.) Die Eintheilung der Güter in Productiv- und
Genussmittel, (Güter höherer und erster Ordnung,) ist eine wissenschaftlich
berechtigte, fällt aber mit der Eintheilung des Vermögens in Capital und
Nichtcapital durchaus nicht zusammen. Ebenso unhaltbar scheint mir die
Meinung derjenigen zu sein, welche jeden Vermögensbestandtheil, welcher
dauernd Einkommen gewährt, „Capital“ nennen. Die consequente Aus-
bildung dieser Lehre führt (wofern der Begriff des Vermögens auch auf die
Arbeitskraft und jener des Einkommens auch auf die Nutzungen von
*)
Gebrauchsgütern Seitens ihrer Besitzer ausgedehnt wird; vid. Herrmann:
Staatsw. Unters. 1832, S. 300 ff., und Schmoller: Die Lehre vom Ein-
kommen, Tübing. Zeitsch., 1863, S. 53 ff., S. 76 ff.) dazu. dass, sowohl die
Arbeitskraft, (vid. schon Canard, Principies d’econ. pol. S. 9; Say,
Cours, 1828, I., p. 285), als auch Grundstücke (vid. Ehrenberg: Staatsw.
nach Naturgesetzen, 1819, S. 13; Oberndorfer: Nationalökonomie, 1822,
S. 207; Edinb. Review. Vol. IV., p. 364 ff.; Herrmann: Staatsw. Unters,
1832, S. 48 ff., Hasner: System I., 294) endlich auch alle Gebrauchsgüter
von einiger Dauer (Hermann: Staatsw. Untersuch., 1832, S. 63) Capitalien
genannt werden müssten. In Wahrheit versteht man unter Capitalien aber
nur jene Quantitäten ökonomischer Güter. welche uns in der Gegenwart
für kommende Zeiträume, also innerhalb gegebener Zeiträume verfügbar
sind und uns jene Nutzung gestatten, deren Wesen und ökonomischen Charakter
wir oben (S. 127 ff.) eines weitern dargelegt haben. Damit dieser Erfolg eintreten
könne, ist indess das Zusammentreffen der folgenden Voraussetzungen nöthig. Es
muss 1. der Zeitraum, innerhalb welches das wirthschaftende Subject über die
bezüglichen Quantitäten ökonomischer Güter verfügt, ausreichend sein, um
demselben eine Production (im wirthschaftlichen Sinne des Wortes, S. 133) zu
ermöglichen. 2. Es müssen die Quantitäten dem Umfange und der Beschaffen-
heit nach der Art sein, dass das bezügliche wirthschaftende Subject durch
dieselben entweder mittelbar oder unmittelbar über die zur Hervorbringung
von Gütern niederer Ordnung erforderlichen complementären Quantitäten von
Gütern höherer Ordnung verfügt. Quantitäten von ökonomischen Gütern,
welche den wirthschaftenden Subjecten nur für so kurze Zeiträume, oder in
Rücksicht auf Quantität, Beschaffenheit oder andere Thatumstände derart ver-
fügbar sind, dass die Productivität derselben ausgeschlossen ist, sind demnach
keine Capitalien. Der wichtigste Unterschied zwischen einzelnen Vermögens-
objecten, welche Einkommen gewähren (Grundstücke, Gebäude etc.) und Ca-
pitalien besteht darin, dass die erstern concrete, dauerhafte Güter sind,
deren Nutzungen selbst wieder Güterqualität und ökonomischen Charakter
aufweisen, die letztern aber, sei es nun mittelbar oder unmittelbar, Ge-
sammtheiten
von ökonomischen Gütern höherer Ordnung (complementäre
Quantitäten von solchen) darstellen, deren Nutzung zwar gleichfalls den
ökonomischen Charakter hat und desshalb Einkommen gewährt, deren Pro-
ductivität indess wesentlich anderer Natur ist, als jene der obigen Vermögens-
objecte. Auf das sprachwidrige Zusammenfassen der beiden obigen Gruppen
von Einkommensquellen unter dem Begriff des Capitals lassen sich fast sämmt-
liche Schwierigkeiten zurückführen, welche aus der Lehre vom Capital für
die Theorie entstanden sind. — Der Umstand, dass unter entwickelten Verkehrs-
verhältnissen Capitalien sehr häufig in der bequemen Form von Geldsummen
*)
und auch sonst der Regel nach in Gelde geschätzt den Capitalbedürfti-
gen zur Benützung dargeboten werden, hat zur Folge gehabt, dass im
gemeinen Leben unter Capitalien der Regel nach Geldsummen verstanden
werden. Dass der Begriff des Capitals hiebei viel zu eng aufgefasst und eine
besondere Species des letztern zum Typus desselben überhaupt erhoben wird,
ist einleuchtend. In den entgegengesetzten Fehler verfallen dagegen jene,
welche die Geldcapitalien nicht als wahre Capitalien, sondern blos als Re-
präsentanten von solchen ansehen. Die Ansicht der erstern ist jener der
Mercantilisten analog, welche nur im Gelde „Vermögen“ sahen, die letztere
jener mancher zu weit gehenden Gegner des Mercantilismus, welche in Geld-
summen überhaupt keine wahren Vermögensobjecte erkennen. (Siehe von
Neuern namentlich: Chevalier, Cours d’econ. polit., III., p. 380, und Carey:
Socialwissenschaft, XXXII., §. 3.) In Wahrheit ist das Geldcapital nur eine
bequeme, dem Zwecke des Capitals unter entwickelten Verkehrsverhält-
nissen besonders entsprechende Form desselben (Vgl. H. Brocher in
Hildebr. Jahrbüch. VII, S. 33 ff.). Sehr schön betont dies Knies (Die
politische Oekonomie, 1853, S. 87) vom historischen Standpunkte aus: „Wir
finden bei allen einzelnen Nationen insofern eine Analogie der Entwickelung,
als überall das Capital seine wirthschaftliche Kraft erst nach der Einführung
und der verbreiteteren Anwendung des Metallgeldes stärker entwickeln, seine
ausgedehntere Macht erst auf den höheren Culturstufen entfalten konnte.“
Das Geld erleichtert demnach allerdings die Uebertragung von Capitalien aus
einer Hand in die andere, insbesondere auch den Verkehr mit Capitalnutzungen
und den Umsatz des Capitals in jede beliebige Form (die beliebige Be-
nützung derselben), dem Begriffe des Capitals ist jedoch jener des Geldes
vollständig fremd. (Vgl. Dühring: Zur Kritik des Capitalbegriffes „Hilde-
brand’s Jahrbücher, V., S. 318 ff., und Kleinwächter: „Beitrag zur Lehre
vom Capitale,“ ibid. IX., 369 ff.)
*)
Wenn von einigen Nationalökonomen die Zinszahlung als eine Ent-
schädigung für die Enthaltsamkeit des Capitalbesitzers hingestellt wird, so
ist dagegen zu bemerken, dass die Enthaltsamkeit einer Person an und für
sich nicht die Güterqualität und demnach auch nicht Werth für uns erlangen
kann. Auch entsteht das Capital durchaus nicht in allen Fällen durch Ent-
haltsamkeit, sondern in vielen Fällen (z. B. überall dort, wo bisher nicht-
ökonomische Güter höherer Ordnung durch den wachsenden Bedarf der Ge-
sellschaft den ökonomischen Charakter erlangen) durch blosse Occupation. Die
Zinszahlung ist demnach nicht als Entschädigung des Capitalbesitzers für
seine Enthaltsamkeit zu betrachten, sondern nichts anderes, als der Eintausch
eines ökonomischen Gutes (der Capitalbenützung) gegen ein anderes, (z. B.
gegen Geld). Allerdings verfällt Carey (Socialwissenschaft, XXXIX, §. 6)
in den entgegengesetzten Irrthum, wenn er der Sparsamkeit eine der Capi-
talerzeugung geradezu feindliche Tendenz zuschreibt.
**)
Als Güter höherer Ordnung sind nicht nur die technischen Produc-
tionsmittel zu betrachten, sondern überhaupt alle Güter, welche erst durch
die Verbindung mit andern Gütern höherer Ordnung der Befriedigung mensch-
licher Bedürfnisse zugeführt werden. Die Waaren, welche der Grosshändler
nur mit Aufwendung von Capitalnutzungen, Frachten und verschiedenen speci-
fischen Arbeitsleistungen in die Hände der Detailhändler gelangen lassen
kann, sind als Güter höherer Ordnung zu betrachten, und eben so die Waa-
ren, welche sich in den Händen des Krämers befinden. Selbst der Speculant
fügt den Objecten seiner Speculation zum mindesten seine Unternehmerthätig-
keit und Capitalnutzungen hinzu, nicht selten auch Conservirungsarbeiten,
Magazinsbenutzungen u. dgl. m. (Vgl. Hermann: Staatsw. Unters., 1832, S. 62.)
*)
Vgl. Hasner: System d. pol. Oekonomie. 1860, I., S. 29.
**)
Wer über die zur Hervorbringung von Gütern niederer Ordnung
erforderlichen Güter höherer Ordnung verfügt, verfügt dadurch nicht sofort
und unmittelbar über die erstern, sondern erst nach Ablauf eines durch die
Natur des Productionsprocesses bedingten, bald längern, bald kürzern Zeit-
raumes. Will er nun für seine Güter höherer Ordnung sofort die ent-
sprechenden Güter niederer Ordnung, oder was unter entwickelten Verkehrs-
verhältnissen dasselbe ist, die entsprechende Geldsumme, austauschen, so
befindet er sich allerdings in einer ähnlichen Lage, wie derjenige, welcher
über eine Summe in einem kommenden Zeitpunkte (z. B. nach 6 Monaten)
*)
Je länger der Zeitraum ist, welchen eine Production in Anspruch
nimmt, um so höher ist allerdings unter sonst gleichen Umständen die Pro-
ductivität derselben, um so grösser aber auch der Werth der Capital-
benützung, so zwar, dass sich der Werth von Gütern höherer Ordnung, welche
für Productionen von sehr verschiedener Dauer in Gebrauch gezogen werden
können und uns je nach unserer Wahl Genussmittel von verschiedenem
Werthe in verschiedenen Zeiträumen sichern, mit Rücksicht auf die Gegenwart
ins Gleichgewicht stellt.
**)
Es ist bereits mehrfach die Frage aufgeworfen worden, welche
Functionen zur Unternehmerthätigkeit gehören. Hier ist nun zunächst
im Auge zu behalten, dass zu den Gütern höherer Ordnung, über welche ein
Unternehmer zum Zwecke einer bestimmten Production verfügt, nicht selten
**)
verfügt und dieselbe sich sofort verfügbar machen will. Ist die Absicht des
Besitzers von Gütern höherer Ordnung wohl darauf gerichtet, dieselben an
eine dritte Person zu übertragen, begnügt er sich aber damit, dass ihm
das Entgelt erst nach Beendigung des Productionsprocesses geleistet werde,
so entfällt naturgemäss dies „Escomptiren“ und wir können denn auch in der
That beobachten, dass der Preis von Gütern, welche auf Credit gegeben
werden, (ganz abgesehen von der Gefahrprämie,) um so höher ist, je ferner
der vereinbarte Zahlungstermin liegt. In dem Obigen liegt aber auch zugleich
die Erklärung der grossen Förderung der productiven Thätigkeit eines Volkes
durch den Credit. In der weitaus grössern Mehrzahl von Fällen bestehen
Creditgeschäfte in der Hingabe vou Gütern höherer Ordnung an diejenigen,
welche dieselben zu den entsprechenden Gütern niederer Ordnung verarbeiten.
Durch den Credit wird die Production, oder doch der umfangreichere Betrieb,
sehr oft erst ermöglicht, und daher die verderbliche Stockung und Beschränkung
der Productiven Thätigkeit eines Volkes, wenn der Credit desselben plötzlich
versiegt.
**)
auch seine eigenen technischen Arbeitsleistungen gehören, die er in einem
solchen Falle denn auch gleich jenen anderer Personen ihrer Bestimmung
zuführt. Der Journaleigenthümer ist demnach nicht selten zugleich Mitarbeiter
seines Journales, der Gewerbeunternehmer zugleich Arbeiter. Unternehmer sind
beide jedoch nicht durch ihre technische Mitwirkung beim Productionsprocesse,
sondern dadurch, dass sie Güter höherer Ordnung durch ihr wirthschaftliches
Calcül und schliesslich durch einen Willensact einem bestimmten Productions-
zwecke zuführen. Die Unternehmerthätigkeit umfasst a) die Information
über die wirthschaftliche Sachlage, b) die sämmtlichen Berechnungen, welche
ein Productionsprocess, soll er anders ein ökonomischer sein, zu seiner Vor-
aussetzung hat, oder mit andern Worten das wirthschaftliche Calcül, c) den
Willensact, durch welchen Güter höherer Ordnung (unter entwickelten
Verkehrsverhältnissen, wo der Regel nach jedes ökonomische Gut gegen andere
umgesetzt werden kann, Güter überhaupt) einer bestimmten Production ge-
widmet werden, und endlich d) die Ueberwachung der möglichst öko-
nomischen Durchführung des Productionsplanes. Die hier dargelegte Unter-
nehmerthätigkeit pflegt bei geringfügigen Unternehmungen nur einen sehr
unbeträchtlichen Theil der Zeit des Unternehmers in Anspruch zu nehmen,
während bei grossen Unternehmungen nicht nur der Unternehmer selbst,
sondern nicht selten auch noch einige Gehilfen von derselben vollauf in An-
spruch genommen werden. Wie gross aber auch immer die Thätigkeit dieser
letztern sein mag, immer lassen sich in jener des Unternehmers die vier
obigen Elemente beobachten, selbst dann noch, wenn dieselbe sich schliesslich und
endlich auf die Widmung von Vermögenstheilen zu gewissen, nur der Gattung
nach bestimmten Productionszwecken, auf die Auswahl von Personen und die
Controle beschränkt, (z. B. bei Actiengesellschaften.) Nicht einverstanden
kann ich mich, nach dem Gesagten, mit Mangoldt erklären, welcher (Die
Lehre vom Unternehmergewinn, 1855, S. 36 ff) „die Uebernahme der Gefahr“
bei einer Production als das wesentliche an der Unternehmung bezeich-
net, während die „Gefahr“ doch nur etwas accidentielles ist und der Verlust-
die Gewinn-Chance gegenübersteht.
*)
Der Umstand, dass der Preis der Bodennutzungen, der Capital-
nutzungen und der Arbeitsleistungen, oder mit andern Worten: Bodenrente,
Capitalzins und Arbeitslohn, wie wir in der Folge sehen werden, nicht ohne
die grössten Gewaltsamkeiten auf Arbeitsquantitäten, beziehungsweise auf Pro-
ductionskosten zurückgeführt werden können, hat die Vertreter der dies-
bezüglichen Theorien in die Nothwendigkeit versetzt, für die obigen drei
Güterarten Principien der Preisbildung aufzustellen, welche von den für die
übrigen Güter geltenden Grundsätzen vollständig abweichen. Nun haben wir
in dem Vorangehenden dargethan, dass alle Wertherscheinungen, hinsichtlich
welcher Güter sie auch immer zu Tage treten, derselben Natur sind, den-
selben Ursprung haben und der Werth auch rücksichtlich seines Masses in
allen Fällen
nach den gleichen Principien sich regelt. Da nun, wie wir in
den beiden nächsten Capiteln sehen werden, der Preis der Güter eine Folge
ihres Werthes für die wirthschaftenden Menschen ist und auch die Grösse
des erstern unter allen Umständen in jener des letztern ihr massgebendes
Princip findet, so ist zugleich klar, dass auch die Bodenrente, der Capitalzins und
der Arbeitslohn sich nach den gleichen allgemeinen Grundsätzen regeln. In
dem Obigen befassen wir uns indess lediglich mit dem Werthe der Boden-
nutzungen, der [Capitalnutzungen] und der Arbeitsleistungen, und werden erst
dann auf Grundlage der hier gewonnenen Resultate die Grundsätze aufstellen,
nach welchen sich der Preis der obigen Güter regelt, wenn wir die allgemeine
Theorie des Preises überhaupt dargelegt haben werden.
Zu den seltsamsten wissenschaftlichen Streitfragen gehört jedenfalls
auch die, ob die Bodenrente, beziehungsweise der Capitalzins, vom moralischen
Standpunkte aus berechtigt, oder „unmoralisch“ seien. Ich glaube nämlich,
dass unsere Wissenschaft unter Anderem wohl auch die Ursachen zu erforschen
habe, warum, und unter welchen Voraussetzungen die Bodennutzungen, be-
ziehungsweise die Capitalnutzungen, für uns Güter sind, den ökonomischen
Charakter aufweisen, Werth erlangen und endlich im Güterverkehre erscheinen,
also für dieselben Quantitäten anderer ökonomischer Güter (Preise) erlangt
werden können — die Frage nach dem rechtlichen oder moralischen Charakter
dieser Thatsachen aber ausserhalb der Sphäre unserer Wissenschaft liegt. Wo
immer die Boden- und Capitalnutzungen Preise haben, überall dort ist dies
die Folge ihres Werthes; dieser letztere ist aber nichts willkürliches (S. 85),
sondern die nothwendige Consequenz ihres ökonomischen Charakters; die
Preise der obigen Güter (die Bodenrente und der Capitalzins) sind demnach das
nothwendige Product der ökonomischen Sachlage, unter welcher sie entstehen
*)
und werden dieselben um so sicherer entrichtet, je ausgebildeter der Rechts-
zustand eines Volkes und je geläuterter dessen öffentliche Moral ist. Wohl
mag es für den Menschenfreund betrübend erscheinen, dass die Verfügung über
ein Grundstück oder ein Capital innerhalb eines bestimmten Zeitraumes dem
Besitzer nicht selten ein höheres Einkommen gewährt, als die angestrengteste
Thätigkeit dem Arbeiter innerhalb desselben Zeitraumes. Der Grund hievon
ist indess kein unmoralischer, sondern liegt darin, dass in den obigen Fällen
eben von der Nutzung jenes Grundstückes, beziehungsweise jenes Capitals,
die Befriedigung wichtigerer menschlicher Bedürfnisse abhängig sind, als von
den in Rede stehenden Arbeitsleistungen. Die Agitation jener, welche einen
grösseren Antheil der einer Gesellschaft verfügbaren Genussmittel den Arbeitern
zugewendet sehen möchten, als dies gegenwärtig der Fall ist, verlangen dem-
nach, so weit dies Begehren nicht Hand in Hand mit einer tüchtigeren Aus-
bildung des Arbeiterstandes geht, oder sich auf eine freiere Entfaltung der
Concurrenzverhältnisse beschränkt, nichts anderes, als eine Entlohnung der
Arbeit über ihren Werth, das ist Entlohnung der Arbeiter nicht so sehr nach
dem, was ihre Leistungen der Gesellschaft werth sind, als vielmehr nach dem
Massstabe einer würdigeren Existenz derselben, einer möglichst gleichen
Vertheilung der Genussmittel und Mühseligkeiten des Lebens. Die Lösung
der Frage auf dieser Grundlage hat nun aber allerdings eine völlige Um-
gestaltung unserer socialen Verhältnisse zur Voraussetzung. (Vgl. Schütz
Tübing. Ztsch., 1855., S. 171 ff.)
*)
Canard: Principes d’econ. polit., 1801, S. 5 ff.; Carey: Princi-
ples
of Soc. Sc. XLII §. 1; Bastiat: Harmonies écon., Chap. 9; Max
Wirth: Grundzüge d. Nationalök., 1861, S. 347 ff.; Rösler: Grundsätze
der Volkswirthschaftslehre, 1864, §. 100.
**)
Aus dem Obigen ergibt sich zugleich, dass wir überall dort, wo wir
von Bodennutzungen sprechen, darunter die zeitlich gemessenen Nutzungen
*)
Ricardo: Principles of P. E., Chap. 2 und 33.
**)
Vgl. Rodbertus: Sociale Briefe an v. Kirchmann, 3. Br., 1851, S. 9 ff.
**)
von Grundstücken verstehen, wie sie in der Wirthschaft der Menschen that-
sächlich vorkommen und nicht die Benützung „ursprünglicher Kräfte,“ denn
nur die erstern sind Gegenstände der menschlichen Wirthschaft, die letztern
im concreten Falle lediglich Gegenstand einer zumeist noch sehr aussichts-
losen historischen Untersuchung und für die wirthschaftenden Menschen
irrelevant. Ob der Boden, den ein Landwirth für ein Jahr, oder für eine
Reihe von Jahren pachtet, seine Fruchtbarkeit aus Capitalaufwendungen aller
Art herleitet, oder von vornherein fruchtbar war, kümmert diesen wenig und
hat keinen Einfluss auf den Preis, den er für die Bodenbenützung bezahlt
und der Käufer eines Grundstückes bringt bei seinem Calcül wohl die „Zu-
kunft,“ nicht aber die „Vergangnheit“ des Grundstückes in Rechnung.
*)
Wenn Rodbertus (Sociale Briefe an v. Kirchmann, 3. Brief, S. 41 ff.)
zum Schlusse gelangt, dass die Capitalbesitzer und Grundeigenthümer in
Folge unserer socialen Einrichtungen in der Lage sind, den Arbeitern einen
Theil des Arbeitsproductes zu entziehen und solcherart, ohne zu arbeiten,
„mitleben“ können, so beruht dies auf der irrigen Voraussetzung, dass das
ganze Ergebniss eines Productionsprocesses als Arbeitsproduct zu betrachten
sei. Die Arbeitsleistungen sind lediglich ein Element des obigen Processes
und auch nicht in höherem Masse ökonomische Güter, als die übrigen Ele-
mente der Production und insbesondere die Boden- und Capitalnutzungen. Die
Capital- und Grundbesitzer leben demnach auch nicht von dem, was sie den
Arbeitern entziehen, sondern von ihren Capital- und Bodennutzungen, welche
für Individuum und Gesellschaft ebenso wohl Werth haben, als die Arbeits-
leistungen.
*)
Der Werth der Grundstücke richtet sich nach dem voraussichtlichen
Werthe der Bodennutzungen, nicht umgekehrt dieser letztere nach dem
erstern. Der Werth der Grundstücke ist nichts anderes, als der voraus-
sichtliche Werth der Gesammtheit der Bodennutzungen zurückbezogen auf
die Gegenwart. Je höher der voraussichtliche Werth der Bodennutzungen
und je geringer der Werth der Capitalnutzungen, um so höher somit der
Werth der Grundstücke. Wir werden in der Folge sehen, dass der Werth
der Güter die Grundlage der Preise derselben ist. Wenn in Zeiten des
wirthschaftlichen Aufschwunges eines Volkes regelmässig die Erscheinung zu
Tage tritt, dass der Preis der Grundstücke in rascher Progression wächst,
so hat dies seinen Grund einerseits in dem Steigen der Bodenrente und
andererseits in dem Sinken des Zinsfusses.
*)
Eine besondere Eigenthümlichkeit der Arbeitsleistungen, welche
auch auf die bezüglichen Wertherscheinungen einwirkt, besteht darin, dass
ein Theil derselben für den Arbeiter mit unangenehmen Empfindungen ver-
bunden ist und demnach nicht leicht anders als gegen ökonomische Vor-
theile, welche demselben aus seiner Thätigkeit entstehen, wirksam wird.
Arbeiten dieser Art können desshalb für die Gesellschaft nicht leicht den
nicht ökonomischen Charakter erlangen. Indess wird der Werth, welchen die
Unthätigkeit im Allgemeinen für den Arbeiter hat, der Regel nach denn doch
stark überschätzt. Die Beschäftigungen der weitaus grössern Mehrzahl von
Menschen gewähren ihnen Freude, sind für dieselben eine wahre Bedürfniss-
befriedigung und würden, wenn auch in geringerem Masse, oder in modi-
ficirter Weise, auch dann ausgeübt werden, wenn die Menschen durch die
Noth zur Entfaltung ihrer Kräfte nicht gezwungen würden. Die Bethätigung
seiner Kraft ist für jeden wohlorganisirten Menschen Bedürfniss, und wenn
nichtsdestoweniger nur wenige Personen ohne Aussicht auf wirthschaftliche
Vortheile arbeiten, so liegt der Grund hievon nicht so sehr in der Unannehm-
lichkeit der Arbeit im Grossen und Ganzen, als vielmehr darin, dass Gelegen-
heit genug zur lohnenden Arbeit vorhanden ist. — Zu den Arbeitsleistungen
ist entschieden auch die Unternehmerthätigkeit zu rechnen. Auch sie
ist der Regel nach ein ökonomisches Gut und hat als solches Werth für die
wirthschaftenden Menschen. Die Eigenthümlichkeiten dieser Kategorie von
Arbeitsleistungen sind doppelter Art: a) Sind dieselben ihrer Natur nach
keine Waaren (nicht zum Austausche bestimmt) und kommt demnach keine
Preisbildung bei denselben zur Erscheinung. b) Haben dieselben die Ver-
*)
fügung über Capitalnutzungen zur nothwendigen Voraussetzung, indem die-
selben sonst nicht wirksam werden können. Dieser letztere Umstand be-
schränkt die einem Volke verfügbare Unternehmerthätigkeit im Allgemeinen
und insbesondere jene, welche nur unter der Voraussetzung wirksam werden
kann, dass den bezüglichen wirthschaftenden Individuen Nutzungen grosser
Capitalien verfügbar sind, auf verhältnissmässig sehr geringe Quantitäten.
Der Credit vermehrt, Rechtsunsicherheit vermindert dieselben.
*)
In Berlin kann keine Weissnähterin sich mit ihrer Hände Arbeit bei
15stündigem täglichem Nähen dasjenige verdienen, was sie zu ihrem Leben
braucht; Nahrung, Wohnung und Holz vermag ihre Einnahme zu decken, aber
die Kleidung kann sie sich auch bei dem angestrengtesten Fleisse nicht ver-
dienen. (Vgl. Carnap in der deutschen Vierteljahrschrift 1868, II. Abth.,
S. 165.) Ein Aehnliches ist auch in den meisten der übrigen Grossstädte zu
beobachten.
**)
Die Lebensweise der Arbeiter ist durch ihr Einkommen bedingt,
nicht aber das Einkommen durch ihre Lebensweise, obzwar dies letztere in
einer sonderbaren Verwechslung von Ursache und Wirkung allerdings oft
behauptet wurde.
*)
Eine besondere Eigenthümlichkeit trifft bei der Preisbildung
der Capitalnutzungen, wie wir in der Folge sehen werden, insofern zu Tage,
als dieselben in den meisten Fällen nicht veräussert werden können, ohne
dass die betreffenden Capitalien selbst in das Eigenthum der Ersteher der
Capitalnutzungen übergeben werden, ein Umstand, welcher eine Gefahr für
den Capitalbesitzer in sich schliesst, für welche derselbe durch eine Prämie
entschädigt werden muss.
*)
Wealth o. N. B. I, Ch. 2, Basil 1801, S. 20.
*)
Nennen wir die beiden hier in Rede stehenden Personen A und B,
die in der Verfügung des A befindliche Quantität des ersten Gutes 10 a, die
in der Verfügung des B befindliche Quantität des zweiten Gutes 10 b. Nennen
wir nun den Werth, den die Quantität 1 a für A hat = W, den Werth, den
1 b für ihn hätte, wofern er darüber verfügen könnte = W + x; den Werth,
den 1 b für B hat = w und jenen, welchen 1 a für ihn hätte = w + y; so
ist sicher, dass durch die Uebertragung von 1 a aus der Verfügung des A
in jene des B, und umgekehrt von 1 b aus der Verfügung des B in jene des
A, dieser letztere an Werth x, während B an Werth y gewinnt, oder mit
anderen Worten, sich A nach dem Tausche in derselben Lage befindet, als
ob ein Gut, dessen Werth für ihn gleich x ist, und B, als ob ein Gut, dessen
Werth für ihn gleich y ist, neu zu seinem bisherigen Vermögen hinzu-
getreten wäre.
*)
Die obigen Ziffern haben, wie wir wohl nicht besonders hervorzuheben
brauchen, nicht den Zweck die absolute, sondern lediglich den, die rela-
tive
Grösse der Bedeutung der bezüglichen Bedürfnissbefriedigungen zum
ziffermässigen Ausdruck zu bringen. Wenn wir demnach die Bedeutung zweier
verschiedener Bedürfnissbefriedigungen z. B. mit 40 und 20 bezeichnen, so
drücken wir damit lediglich aus, dass die erstere für das betreffende wirth-
schaftende Subject die doppelte Bedeutung der letztern habe.
*)
Wenn von einigen Schriftstellern, (unter den neuern Deutschen noch
von Lotz und Rau,) die Productivität des Handels geläugnet wird, so findet
dies in dem Obigen seine vollständige Widerlegung. Ein jeder ökonomische
Gütertausch hat auf die wirthschaftliche Lage beider Tauschenden die näm-
liche Wirkung, als ob in den Besitz derselben ein neues Vermögensobject
treten würde und ist demnach wirthschaftlich nicht minder productiv, als
die industrielle, oder landwirthschaftliche Thätigkeit.
*)
Solche indifferente Tauschoperationen rechne ich entschieden zu den
unökonomischen, denn es wird hier die vorsorgliche Thätigkeit der Men-
schen, abgesehen von allen ökonomischen Opfern, die ein solcher Tausch etwa
erfordern könnte, zwecklos in Bewegung gesetzt.
*)
Die Volkswirthschaft setzt sich aus den Wirthschaften der Indi-
viduen zusammen und das oben Gesagte gilt desshalb ebensowohl für den
Verkehr ganzer Völker, als für jenen einzelner wirthschaftender Subjecte.
Zwei Nationen, von welchen die eine hauptsächlich Ackerbau, die andere
vorwiegend Industrie betreibt, werden ihre Bedürfnisse viel vollständiger zu
befriedigen in der Lage sein, wenn dieselben einen Theil ihrer Producte,
(die erstere einen Theil ihrer Bodenerzeugnisse, die letztere einen Theil
ihrer Industrieproducte) austauschen. Sie werden indess den Tausch nicht
in das Unbestimmte und Unbegränzte vornehmen, sondern mit Rücksicht auf
jeden gegebenen Zeitpunkt zu einer Grenze gelangen, über welche hinaus
jeder weitere Austausch von Bodenerzeugnissen gegen Industrieproducte für
beide Völker unökonomisch sein würde.
*)
Wenn Carey (Principles of Social Science XXXVIII. §. 4,) die
Handelsleute desshalb, weil sie einen Theil des aus der Ausbeutung der vor-
handenen Gelegenheiten zu ökonomischen Tauschoperationen sich ergebenden
Nutzens für sich in Anspruch nehmen, als wirthschaftliche Parasiten dar-
stellt, so beruht dies auf seinen irrigen Vorstellungen über die Productivität
des Tausches.
*)
Schon Aristoteles (Eth. Nicom. V. 7) verfällt in diesen Irrthum:
„Wenn Jemand mehr erhält, als er ursprünglich hatte, so sagt man, er sei
im Vortheil; wenn er weniger erhält, so ist er im Nachtheil; so beim Kaufen
und Verkaufen. Wenn aber der ursprüngliche Besitz weder grösser, noch
kleiner geworden, sondern im Verkehre gleichgeblieben, so heisst es, man
habe das seinige, und sei weder im Vortheil noch im Nachtheil.“ Derselbe
sagt (ibid. V. 8): „Wenn vorerst die verhältnissmässige Gleichheit bestimmt
ist und demgemäss die Vergeltung oder Ausgleichung stattfindet, so ist dies
das, was wir meinen. .... Denn ein Austausch ist unmöglich ohne Gleich-
heit.“ Aehnlich Montonari. (Della moneta, ed. Custodi; p. a. III., S. 119.)
Quesnay (Dialogue sur les travaux etc S. 196, Daire) sagt: „Le commerce
n’est qu’un échange de valeur pour valeur égale.“ Vgl. auch Turgot: Sur
la formation et la distribut. des richesses, §. 35 ff.; Le Trosne: De l’interêt
social, Chap. I., S. 903 (Daire); Smith: W. o. N. I. Ch. V.; Ricardo:
Principles, Chap. I. Sect. I.; J. B. Say: Cours d’econ. pol. II. Ch. 13., II.
S. 204, 1828. — Gegen die obige Ansicht schon Condillac, (Le commerce
et le gouvernement 1776 I. Chap. VI., S. 267, Daire.) obzwar mit einseitigen
Gründen. Was Say a. a. O. gegen Condillac vorbringt, beruht auf einer
Verwechslung des Gebrauchswerthes, den Condillac (vgl. a. a. O. S. 250 ff.)
und des Tauschwerthes im Sinne eines Güteraequivalentes, welchen Say im
Auge hat, eine Verwechslung, zu welcher allerdings der unsichere Gebrauch
des Wortes „valeur“ Seitens Condillac’s Veranlassung gegeben hat. Eine tief-
gehende Kritik der englischen Preistheorien hat Bernhardi (Versuch einer
Kritik der Gründe etc. 1849, S. 67—236) geboten. In jüngster Zeit haben
Rösler („Theorie der Preise“ in Hildebrand’s Jahrbüchern, B. 12, 1869,
S. 81 ff.) und Komorzynski (Tübinger Zeitschrift, 1869, S. 189 ff.) die bis-
herigen Preistheorien einer eingehenden Kritik unterzogen. Vgl. auch Knies:
Tübinger-Ztschr. 1855, S. 467.
*)
Wir sagen oben, dass B1 den B2ökonomisch ausschliesst, um
den Gegensatz zur Anwendung von physischer Gewalt, oder aber zur recht-
lichen Ausschliessung des B2 vom Tauschgeschäfte zu bezeichnen. Dieser Un-
terschied ist aber insofern wichtig, als B2 sich leicht im Besitze einiger hun-
dert Metzen Getreide befinden und ihm demnach physisch und rechtlich die
Möglichkeit offen stehen kann, das Pferd des A einzutauschen, der einzige
Grund aber, warum er dies nicht thut, ökonomischer Natur ist, das ist darin
liegt, dass er durch Hingabe einer grösseren Quantität Getreides, als
29 Metzen, für die Befriedigung seiner Bedürfnisse nicht besser versorgen
würde, als dies ohne den Tausch der Fall wäre.
*)
Es könnte die Meinung entstehen, dass die Preisbildung in dem
obigen Falle nicht so sehr zwischen 30 und 80, als vielmehr genau mit
30 Metzen erfolgen werde. Dies wäre nun auch vollkommen richtig, falls es
sich um einen Gantverkauf ohne fixirten Minimalpreis handeln würde, oder
der Ausrufspreis bei einem solchen unter 30 Metzen Getreide festgestellt
wäre. In diesem Falle müsste sich nämlich A nach dem natürlichen Sinne des
Gantgeschäftes allerdings mit dem Preise von 30 Metzen begnügen und sind
in analogen Verhältnissen die Ursachen der eigenthümlichen Preisbildung bei
Auctionen zu suchen. Wofern indess das wirthschaftende Subject A sich durch
einen Gantvertrag nicht von vornherein bindet und seine Interessen völlig
frei wahrnehmen kann, liegt kein Hinderniss vor, dass der Preis sich auch
mit 79 fixire, wie andererseits allerdings auch die Eventualität ökonomisch
nicht ausgeschlossen ist, dass zwischen A und B1 der Preis des Pferdes auf
30 Metzen fixirt werde.
*)
Es wäre sehr irrig, würde man annehmen, dass die Preise des Mo-
nopolgutes unter allen Umständen, oder selbst auch nur der Regel nach, ge-
nau
in dem umgekehrten Verhältnisse zu den vom Monopolisten zur Veräusse-
rung gebrachten Quantitäten des Monopolgutes steigen, oder fallen, oder aber
dass zwischen den vom Monopolisten fixirten Preisen und den zur Veräusse-
rung gelangenden Quantitäten des Monopolgutes eine solche Verhältnissmässig-
keit besteht. Dadurch, dass vom Monopolisten z. B. statt 1000 Masseinheiten
des Monopolgutes 2000 Masseinheiten desselben zur Veräusserung gebracht
werden, wird der Preis einer Masseinheit des Monopolgutes nicht nothwen-
digerweise z. B. von 6 fl. auf 3 fl. sinken, sondern, je nach der ökonomischen
Sachlage, in dem einen Falle beispielweise nur auf 5 fl., in dem andern aber
sogar auf 2 fl. Der Gesammterlös, welchen der Monopolist aus einer grössern
zur Veräusserung gebrachten Quantität des Monopolgutes erzielt, kann dem-
nach unter Umständen genau derselbe sein, wie jener aus einer geringern
Quantität, er kann aber je nach den vorliegenden Verhältnissen auch grösser,
oder geringer sein. Könnte z. B. der Monopolist in dem obigen Falle für
1000 Masseinheiten des Monopolgutes, falls er sie zur Veräusserung bringen
würde, 6000 fl. erzielen, so wird er für 2000 Masseinheiten nicht nothwen-
digerweise gleichfalls 6000 fl. erhalten, sondern je nach Umständen auch
10.000 fl., oder nur 4000 fl. Die Ursache hievon liegt in letzter Reihe darin,
dass die Aequivalentereihen für die einzelnen Individuen, rücksichtlich ver-
schiedener Güter, eine sehr grosse Mannigfaltigkeit aufweisen. Für B kann
z. B. die erste Masseinheit eines in seinen Besitz tretenden Gutes das Aequi-
valent von 10, die zweite von 9, die dritte von 4 und die vierte nur noch
von Einer Masseinheit des Gegengutes sein, während die obige Reihe mit Rück-
sicht auf ein anderes Gut sich z. B. in der nachfolgenden Weise darstellt:
8, 7, 6, 5… Denken wir uns unter dem erstern Gute Getreide, unter dem
letztern irgend eine Luxuswaare, so wäre klar, dass die Vermehrung der zur
*)
Veräusserung gebrachten Quantitäten des erstern über einen gewissen Punct
hinaus ein viel rapideres Sinken (die Verminderung der zur [Veräusserung] ge-
brachten Quantitäten aber auch ein viel rapideres Steigen) der Getreidepreise
zur Folge haben würde, als jene der Luxuswaare.
*)
Vgl. J. Prince-Smith in der Vierteljahrschrift für Volksw., 1863,
IV., S. 148 ff.
*)
Aus dem Obigen ist zugleich ersichtlich, von welch’ hoher Wich-
tigkeit Märkte, Messen, Börsen und überhaupt alle Concentrationspuncte
des Verkehres für die Wirthschaft des Menschen sind, indem bei com-
plicirteren Verkehrsverhältnissen eine ökonomische Preisbildung ohne die
obigen Einrichtungen geradezu unmöglich ist. Die Speculation, welche sich
daselbst entwickelt, hat die Wirkung, die unökonomische Preisbildung —
aus welchen Ursachen dieselbe auch immer erfolgen mag — zu verhindern,
oder doch in ihrem schädlichen Einfluss auf die menschliche Wirthschaft ab-
zuschwächen. (Vgl. J. Prince Smith in der Berliner „Vierteljahrschrift für
Volksw.“ 1863, IV, S. 143 ff.; O. Michaelis, ibid. 1864, IV, S. 130 ff.,
1865, V u. VI; K. Scholz, ibid. 1867, I, S. 25 ff., u. A. Emminghaus,
ibid. S. 61 ff.)
*)
Keine Erscheinung ist gewöhnlicher, als dass ein Monopolist sich
gegen das Auftreten eines Concurrenten in feindseligster Weise wehrt, keine
aber auch häufiger, als dass er sich mit dem bereits etablirten Concurrenten
verständigt. Sein Interesse geht dahin, den Concurrenten nicht aufkommen
zu lassen. Hat sich dieser aber nichtsdestoweniger festgesetzt, so geht dann
sein ökonomisches Interesse dahin, gemeinschaftlich mit ihm eine gemilderte Mono-
polpolitik weiter zu treiben, überall dort, wo ein Spielraum für Monopolisten-
politik auch nach dem Auftreten eines Concurrenten vorhanden ist. Die scharfe
Concurrenz pflegt in solchen Fällen beiden wirthschaftenden Subjecten nach-
theilig zu sein und daher die der Regel nach rasch erfolgende Verständigung
der Anfangs so feindlich sich gegenüberstehenden Concurrenten.
*)
Wir haben in dem Vorangehenden auf die Ursachen hingewiesen,
welche bewirken, dass der Monopolist der Regel nach nicht bestimmte Quan-
titäten seiner Waare schlechthin zur Veräusserung bringt, und die Preis-
bildung, gleich wie bei einer Auction, abwartet, sondern in den meisten Fällen
von vornherein gewisse Preise für eine Waare fixirt und der Wirkung der-
selben auf den Absatz entgegensieht. Ein Aehnliches gilt nun auch dort, wo
mehrere Concurrenten im Anbote einer Waare auftreten. Auch hier pflegt
jeder derselben seine Waare zu einem bestimmten Preise auszubieten und
denselben so zu calculiren, dass ihm voraussichtlich ein möglichst hoher Erlös
zufalle. Was aber seine diesbezügliche Thätigkeit von jener des Monopo-
listen unterscheidet, ist, dass dieser Letztere, wie wir sahen, es oft in seinem
Interesse gelegen finden kann, die Preise so hoch zu stellen, dass nur ein
Theil der ihm verfügbaren Quantität in den Consum gelangt, während der
Erstere durch die Concurrenz gezwungen ist, die Preise mit Rücksicht auf
die gesammte in seinen und seiner Concurrenten Händen befindlichen Quan-
titäten festzustellen, und die Preise demnach — von Irrthum und Unkenntniss
der wirthschaftenden Subjecte abgesehen — sich unter der Einwirkung der
gesammten, den Concurrenten im Anbote verfügbaren Quantitäten bilden. Dazu
tritt nun noch der Umstand, dass die verfügbare Quantität der Waaren
durch die Concurrenz, wie wir sahen, überhaupt beträchtlich gesteigert wird,
und es liegt hierin die Ursache der Ermässigung der Preise, welche die Con-
currenz im Gefolge hat.
*)
Vgl. Schmoller, Tübing. Ztsch. 1863, S. 53.
*)
Bernhardi sagt (Versuch einer Kritik der Gründe etc., 1849,
S. 79): Es sei in neuerer Zeit mehrfach hervorgehoben worden, dass schon
Aristoteles (Pol. I, 6) den Unterschied zwischen dem Gebrauchswerthe
und dem Tauschwerthe gekannt hätte; A. Smith habe dieselben indess un-
abhängig vom griechischen Weisen scharf gesondert. Dagegen ist nun zu
bemerken, dass der grössere Theil der berühmt gewordenen Stelle A. Smith’s
(Wealth. of Nat. I, Ch. IV; Vol. I, p. 42, Basil, 1801) mit einer Stelle Law’s
(Considération sur le nummeraire, Chap. I, p. 443 ff., ed. Daire) fast wörtlich
übereinstimmt und Turgot (Valeurs et monnaies, S. 79 ff., Daire) den Ge-
brauchswerth und Tauschwerth (valeur estimative und valeur commerçable)
nicht nur scharf gesondert, sondern auch bereits eingehend behandelt hat.
Von dogmengeschichtlichem Interesse ist auch eine Stelle aus den Werken
des schottischen Moralphilosophen Hutcheson, des berühmten Lehrers
A. Smith’s (System of moral philosophy 1755, II, p. 53 ff.), in welcher sich
die Unterscheidung zwischen Gebrauchswerth und Tauschwerth, wenn auch
noch nicht die von A. Smith gebrauchte Terminologie bereits vorfindet. (Vgl.
auch Locke: Considérations of the lowering of interest ect. Works, II,
p. 20 ff. und Le Trosne: De l’interêt social (1777) Chap. I, §. 3.) — Von
Neueren haben ausser den bereits oben (S. 78) Genannten: Friedländer
Knies, Schäffle, Rösler
, welche die Theorie des Werthes gleichwie
Michaelis (Vierteljahrschrift für Volksw., 1863, I, S. 1) und Lindwurm
(Hildebrand’s Jahrbücher, IV, 1865, S. 165 ff.) zum Gegenstande von Special-
forschungen machten, den Unterschied zwischen Gebrauchswerth und Tauschwerth
eingehend behandelt: Soden: Nationalökonomie, 1805, I, §. 42 ff. u. IV,
§. 52 ff.; Hufeland: N. Grundlegung, 1807, I, §. 30 ff.; Storch: Cours
*)
d’écon. pol. I, S. 37 ff.; Lotz: Handbuch, 1837, I, §. 9; Rau: Volkswirth-
schaftslehre, I, §. 57 ff.; Bernhardi: Untersuchung d. Gründe etc., 1849,
S. 69 ff.; Roscher: System, I, §. 4 ff.; Thomas: Theorie d. Verkehrs, I,
S. 11; Stein: System, I, S. 168 ff. — Nichts zeigt übrigens das Streben
nach philosophischer Vertiefung der Volkswirthschaftslehre bei den Deutschen
und den auf das practische gerichteten Sinn der Engländer besser, als etwa
eine Vergleichung der Bearbeitungen, welche die Lehre vom Werthe bei den
Deutschen und den Engländern gefunden hat. Ricardo: Principles (1817),
Chap. 28; Malthus: Principles, 1820, S. 51 u. Definitions, 1827, Chap. II,
S. 7 der edit. 1853; J. St. Mill: Principles, B. III, Ch. I, §. 2, 6. ed. ge-
brauchen, gleichwie A. Smith „value in use“ gleichbedeutend mit „utility.“
Torrens: On the production of wealth, S. 8, und Mac Culloch halten sogar
den Ausdruck „utility“ anstatt „value in use“ fest (Principles, 1864, S. 4),
gleichwie unter den neuern Franzosen Bastiat (Harmonies écon. 1864,
S. 256). Lauderdale (An Inquiry etc., 1804, S. 12) und Senior (Politic.
Economy, 1863, S. 6 ff.) kennzeichnen die Nützlichkeit wohl als eine Bedin-
gung des Tauschwerthes, aber nicht als Gebrauchswerth, welchen letztern
Begriff sie überhaupt zurückweisen. Was man in England aber unter Tausch-
werth versteht, geht wohl am besten aus der nachfolgenden Stelle J. St. Mill’s
(Book III, Chap. I, §. 2) hervor: „The words „Value“ and „Price“ were used
as synonymous by the early political economists and are not always discri-
minated even by Ricardo. But the most accurate modern writers, to avoid
the wasteful expenditure of two good scientific terms on a single idea, have
employed Price to express the value of a thing in relation to money; the
quantity of money for which it will exchange; by the Value, or exchange
value of a thing (we shall understand) its general power of purchasing;
the command which its possession gives over purchaseable commodities in general.“
*)
Roscher: Ansichten der Volksw. S. 117, 1861; B. Hildebrand,
in seinen Jahrbüchern II, 1864, S. 17; Scheel, ibid. VI, S. 15, 1866; Schmol-
ler:
Zur Gesch. des deutschen Kleingewerbes, 1870, S. 165, 180, 511 ff.
*)
Da der Umstand, dass ein Vermögensbestandtheil von dem Besitzer für den
Austausch bereit gehalten wird, für dritte Personen nicht in allen Fällen erkennbar
ist, so ist es begreiflich, dass der Begriff der Waare im gemeinen Leben noch
weiter verengert wurde und im Volksmunde ganz allgemein nur jene Güter
„Waaren“ genannt werden, bei welchen die Absicht des Besitzers, sie zu ver-
äussern, auch für dritte Personen ersichtlich ist. Diese Absicht kann auf
sehr verschiedene Weise ausgedrückt werden. Am gewöhnlichsten erfolgt dies
jedoch durch Ausstellung derselben an Orten, wo Käufer derselben sich zu
versammeln pflegen, wie z. B. auf Märkten, Messen, Börsen, oder aber in
eigenen Localen, welche durch die äussere Bezeichnung und andere in
die Augen fallende Merkmale, den Zweck, zur Aufnahme von Waaren zu
dienen, documentiren, oder doch bekanntermassen zur Aufnahme solcher
Güter bestimmt sind, z. B. Verkaufsläden, Magazine, Lagerhäuser etc
*)
Auch das deutsche Handelsgesetzbuch gebraucht das Wort
„Waare“ im populären, und nicht im technischen Sinne. Anstatt des Aus-
druckes „Waare“ findet sich bisweilen „Gut“ (Art. 365, 366, 367), „Gegen-
stand“ (Art. 349, 359) oder „bewegliche Sache“ (Art. 272, 301, 342); Art.
*)
Der Begriff der Waare verengert sich demnach in dem Volksmunde natur-
gemäss zu einer Bezeichnung jener ökonomischen Güter, welche sich unter
solchen äusseren Verhältnissen befinden, dass ein Rückschluss auf die
Absicht ihrer Besitzer, dieselben zu veräussern, dem Beurtheiler möglich ist.
— Je weiter die Cultur eines Volkes fortschreitet, und je einseitiger die
Production der einzelnen wirthschaftenden Individuen wird, um so umfang-
reicher werden die Grundlagen zu ökonomischen Täuschen, um so grösser die
absolute und relative Menge derjenigen Güter, welche jeweilig den Waaren-
charakter haben, und es ist der ökonomische Nutzen, welcher sich aus der
Ausbeutung der obigen Verhältnisse ziehen lässt, schliesslich gross genug,
um eine besondere Classe von wirthschaftenden Individuen hervorzurufen,
welche den intellectuellen und mechanischen Theil der Tauschoperationen für
die Gesellschaft besorgt, und sich dafür mit einem Theile des Tauschnutzens
belohnen lässt. Die ökonomischen Güter nehmen dann ihren Weg zumeist
nicht unmittelbar von den Producenten zu den Consumenten, sondern gehen
einen oft sehr complicirten Weg durch die Hände von mehr, oder minder zahl-
reichen Mittelspersonen, die durch ihren Beruf schon bestimmte ökonomi-
sche Güter als Waaren zu behandeln gewöhnt sind, und eigene Localitäten
zum Zwecke des Austausches dieser Güter für das Publicum offen halten. Auf
die betreffenden, in den Händen dieser Personen und solcher Producenten
befindlichen Güter, welche dieselben zum offenkundigen Zwecke der Veräus-
serung hervorbringen, hat nun der Volksmund insbesondere den Begriff der
Waare beschränkt und zwar unzweifelhaft aus dem Grunde, weil die Absicht
der Besitzer, jene Güter zu veräussern, in diesen Fällen für Jedermann
insbesondere leicht ersichtlich ist, (Kaufmannsgüter, marchandises, merchan-
dises, mercanzie etc.)
*)
Die Lehre von der Waare hat bei den Engländern, Franzosen
und Italienern mit einzelnen Ausnahmen überhaupt keine selbständige Bear-
beitung gefunden. Die Ausdrücke: goods, marchandises, merci etc. werden
fast durchwegs in dem populären Sinne von „Handelsgütern.“ „Kaufobjecten,“
und auch da nicht in technischem Sinne, sondern in höchst schwankender
Weise gebraucht. Häufig werden die Waaren den Arbeitsleistungen
und dem Gelde (Necker: Legislation et commerce des grains, I, Chap. 12;
Genovesi: Lezioni, II, 2, §. 4), regelmässig den unbeweglichen Gütern
(Guillaumin et Cocquelin: Dictionnaire, II, 131. Art. „marchandise“ v. Hor.
Say), bisweilen als Manufacturproducte den Rohstoffen (Quesnay: Maximes
generales XVII.), oder den Unterhaltsmitteln: denrées (Dutot: Sur le com-
merce etc., Chap. I, 10) entgegengesetzt, während Montesquieu (Esprit
des lois, XXII, 7) „marchandises“ eben im Sinne von: „denrées“ gebraucht.
Roberts, ein Zeitgenosse Mun’s, definirt (Merchant’s map, 4th ed, S. 6 ff.): the
things wherewith the merchants negotiate and traffick are termend „merchan-
dises,“ und theilt die letztern in „wares“ und „moneys.“ Der Diction naire
*)
271 heisst es: „Waaren, oder andere bewegliche Sachen, oder für den Han-
delsverkehr bestimmte Werthpapiere.“ Immobilien und Arbeitslei-
stungen
werden im deutschen Handelsgesetzbuche niemals zu den Waaren
gerechnet, desgleichen Firmen als solche, welche, nebenbei gesagt, abge-
sondert von dem Geschäft, für welches sie geführt werden, im rechtlichen
Sinne gar nicht Waaren sein können (Art. 23), gleichwie alle übrigen „res
extra commercium.“ Schiffe werden im deutschen Handelsrecht den Waaren
entgegengestellt (Art. 67), doch gelten dieselben in manchen andern Codifi-
cationen für „bewegliche Sachen“ und können den Waarencharakter erlangen
(s. Goldschmidt Handelsrecht, I, 2. Abth., §. 60, pag. 527, Anm. 7, 1868).
Die juristische Literatur über den Begriff Waare: ibid. pag. 525; doch be-
stimmt Goldschmidt selbst (I, 1, Abth. 298) den Begriff „Waare“ auch vom
juristischen Standpunkte aus zu eng, wenn er die vom Producenten für
den Austausch bereit gehaltenen Güter nicht zu den Waaren rechnet. In den
römischen Rechtsquellen werden „merx, respromercalis, mercatura“ etc. bald in
dem engern Sinne des Handelsobjectes, bald in dem weiteren der feilgebo-
tenen Sache gebraucht. (1. 73, §. 4, D. de legat. (32, 3); 1. 32, §. 4, D.
de aur. arg. 34, 2; 1. 1, pr. §. 1, D. de cont. emt. (18, 1); 1. 42, D. de
fidejus. (46, 1). Das österreichische bürgerliche Gesetzbuch stellt (§. 991) die
Waaren den Schuldforderungen gegenüber.
*)
de l’Academie française nennt Waaren: „ce qui se vend, se débite
dans les boutiques, magasins, foires, marchés.“ — Wo gelegentlich Waaren
in dem weitern wissenschaftlichen Sinne bezeichnet werden sollen, geschieht
dies durch Umschreibungen, z. B.: Quantité à vendre (Necker); superflu
autant qu’il peut être échangé (Forbonnais); things who have not reached
the hands of those, who are finally to use them (A. Smith); cio che sop-
prabonda in alcuni per sussistere essi stessi, e ch’essi passano ad altri (Ortes);
doch nennt schon Condillac (Le commerce et le gouvernement, Part. I, 5)
„marchandises“: „Ces choses, qu’on offre à échanger,“ und wird damit der
Vorläufer des (französisch schreibenden) Storch, welcher (Cours I, S. 82,
1815): „Les choses destinées à l’échange se nomment marchandises“ definirt. —
Unter den Deutschen gebrauchen Justi, Büsch, Sonnenfels, Jacob
das Wort „Waare“ noch im populären Sinne. Soden nennt „allen Pro-
ductstoff
“: „Waare“ (Nationalökonomie, I, S. 285, 1815), wobei er unter
„Productstoff“ alle Roh- und Industrieproducte versteht (ibid. S. 54), wäh-
rend Hufeland, (N. Grundleg., II, §. 96) gleichfalls zu weit: „Waare ist Alles,
was weggegeben, besonders für etwas Anderes weggegeben werden kann,“
definirt. Rau folgt (Volkswirthschaftslehre, I, §. 407) der Definition Storch’s;
auch ihm sind „alle Vorräthe von Gütern, welche zum Tausche bestimmt
sind“: „Waaren“; auch Grundstücke können Waaren werden; das Geld ist
seinem Stoffe nach, nicht aber als solches, Waare (ibid. I, §. 258); dass
übrigens Rau nur Sachgüter als Waaren anerkennt, geht schon aus seiner
allgemeinen Auffassung des Begriffes „Gut“ hervor. Fast parallel mit den
Ansichten Rau’s gehen jene Murhardt’s (Theorie des Handels, I, S. 22,
1831.) Zachariae (40 Bücher v. St., V. Band, 1. Abth., S. 2, 1832) dehnt
den Begriff der Waare gleichfalls auf Grundstücke aus, wogegen Baumstark
(Cameral-Enkyclopädie, S. 449, 1835) ihn wieder auf bewegliche Sachgüter
beschränkt, und ausserdem eine gewisse Handelswürdigkeit der Güter, welche
Waaren werden sollen, verlangt. Hiemit kommt er der populären Auffassung
nahe, welche in den Schriften von Fulda, Lotz, Schön und Herr-
mann
wieder die herrschende wird. Riedel, (Nationalökon. I, S. 336,
1838) und Roscher, (Syst. I, 95) stellen den wissenschaftlichen Begriff
der Waare wieder her. Der Erstere nennt sie „die zum Tausch oder
Verkauf bereit liegenden Güter,“ der Letztere: „Jedes zum Austausche be-
stimmte Gut,“ wobei ökonomische Güter gemeint werden (ibid. I, §. 2).
Diesen folgen Mangoldt (Grundriss, S. 27); Knies (Tübinger Zeitschrift
1856, S. 266: „Für den Verkehr überschüssige Güter“); Rentsch (Handwör-
terbuch d. V. Art. „Waare“: „Tauschwerthe und zum Tausch bestimmte Güter,“
und der Hauptsache nach auch Hasner (System, I, S. 288 u. 302: abstracter
Tauschwerth mit den beiden Hauptformen: Waarenvorrath und Baarfond).
*)
Die Eigenschaft des Productes halten von den Neuern beim Begriff der Waare
fest: Glaser (Allgem. Wirthschaftsl., S. 115, 1858), welcher „jedes Product’
welches in den Handel kommt,“ Rösler (Volkswirthsch. S. 217, 1864), welcher
„die für den Umlauf bestimmten, oder im Umlaufe befindlichen Producte,“
Scheel (Hildebrandt’s Jahrbücher, VI, S. 15), welcher „die einzelnen zum
Austausch bestimmten Producte“ Waaren nennt. Auch Stein bezeichnet
(Lehrbuch d. Volksw., S. 152, 1858) die Waare als „einzelnes, selbstän-
diges Product der Unternehmung“. In neuerer Zeit ist wieder eine Anzahl
zum Theil sehr namhafter Gelehrten zum Gebrauche des Wortes „Waare“
im populären Sinne zurückgekehrt. So unter Andern B. Hildebrandt, wel-
cher in seinen Jahrbüchern (II, S. 14), Schäffle, welcher in seinem „Ge-
sellschaftlichen System d. m. W. S. 456 u. 465, die Waaren den Dienstleistungen
gegenüberstellt. Der wissenschaftliche Begriff der Waare geht indess hiebei
nicht verloren. Schäffle trennt im Gebrauche sogar sehr scharf die Waa-
ren im populären und im wissenschaftlichen Sinne und nennt diese letz-
tern „Tauschgüter“ (ibid., S. 50, 51 u. s. f.). Höchst eigenthümlich, wie
in manchen andern Lehren, ist Schmalz, welcher (Staatsw. in Briefen, 1818,
I, S. 63) in Folge einer irrigen Auffassung des Verhältnisses zwischen Geld
und Waare den Begriff dieser letztern mit dem der Gebrauchsgüter in engerm
Sinne des Wortes verwechselt, also gerade zu dem Gegentheil der obigen
wissenschaftlichen Definition der Waare gelangt.
*)
Aus dem Obigen ist ein Doppeltes ersichtlich: einerseits, dass mit
dem allgemeinen Hinweise darauf, dass das Geld eine „Waare“ sei, nichts
für die Erklärung der eigenthümlichen Stellung des Geldes im
Kreise der Waaren
gewonnen ist; andererseits, dass die Ansicht der-
jenigen, welche den Waarencharakter des Geldes bestreiten, „weil dasselbe
als solches, zumal als Münze keinem Gebrauchszwecke diene,“ (abgesehen
von der Verkennung der wichtigen Function des Geldes, welche in dieser
letztern Annahme liegt), schon um dessentwillen unhaltbar ist, weil der näm-
liche Einwurf auch gegen die Waarenqualität aller andern Güter erhoben
werden kann. Keine „Waare“ als solche dient nämlich einem Gebrauchs-
zwecke, am wenigsten in ihrer Verkehrsform (in Barren, Ballen, Gebinden,
im verpackten Zustande etc.). Jedes Gut muss, um in Gebrauch gezogen zu
werden, aufhören, „Waare“ zu sein, und seiner allfälligen Verkehrsform ent-
ledigt (eingeschmolzen, zerlegt, ausgepackt) werden. Die Münze und der
Barren sind nun aber die gebräuchlichsten Verkehrsformen der edlen Metalle
und der Umstand, dass dieselben bevor sie in Gebrauch gezogen werden,
dieser ihrer Verkehrsform entledigt werden müssen, ist demnach nichts,
was zu einem Zweifel an ihrem Waarencharakter berechtigt.
*)
Hier sind insbesondere die Beschränkungen zu erwähnen, welche
durch Luxus- und Sicherheitspolizei-Gesetze für die Absatzfähigkeit der
Waaren entstehen. Im Mittelalter war beispielsweise in vielen Ländern die
Absatzfähigkeit von Sammet auf die dem Ritterstande und dem Clerus an-
gehörigen Personen, und die Absatzfähigkeit von Waffen ist in manchen
Ländern noch heutzutage auf solche Personen beschränkt, welche die behörd-
liche Bewilligung zum Besitze derselben haben.
**)
Waaren, welche wenig gekannt sind („unbekannte Artikel“), haben
schon aus diesem Grunde einen sehr engen Kreis von Abnehmern. Die Pro-
ducenten pflegen daher ihre Waaren nicht selten mit grossen ökonomischen
Opfern „bekannt“ zu machen, um den Kreis von Personen, auf welche sich
die Absatzfähigkeit derselben erstreckt, zu erweitern. Hierin liegt auch die
volkswirthschaftliche Bedeutung der öffentlichen Ankündigungen, Inserate,
Reclamen etc.
***)
Durch die Entwickelung der Bedürfnisse und den steigenden Wohl-
stand eines Volkes wird die Absatzfähigkeit der Waaren im Allgemeinen
bedeutend erhöht, rücksichtlich einiger Waaren allerdings auch vermindert.
Manche Waare, welche in einem armen Lande leicht abgesetzt werden
kann, ist in demselben, sobald es zur wirthschaftlichen Blüthe gelangt ist,
geradezu unanbringlich (Vgl. S. 223 ff).
*)
Mommsen: Geschichte des röm. Münzwesens, Einleitung und
S. 169 ff.; v. Carnap: Zur Geschichte der Münzwissenschaft und der Werth-
zeichen, Tübing. Ztschrift. 1860, S. 348 ff.; Kenner: Die Anfänge des Geld-
wesens im Alterthum, Wiener Akad. Schriften, philos. hist. Section, 1863,
S. 382 ff.; Roscher: System I, §. 16; B. Hildebrandt in seinen Jahr-
büchern, II, S. 5, 1864; Scheel: Der Begriff des Geldes in seiner histor.
Entwickelung, ibid. VI, S. 12 ff.; Bernardakis: De l’origine des monnaies
et de leurs noms. Journ, des Econom. 1870, XVIII, S. 209.
*)
Im Althochdeutschen vertritt der Regel nach das Wort „scaz“ die
Stelle unseres „Geld,“ im Gothischen „skatts,“ doch übersetzt Ulfilas das
Wort ἀργύριον (Marcus 14. 11, wo es Geld im Allgemeinen bedeutet) mit
„faihu“ (Vieh, Geld). Das althochdeutsche „gelt“ kommt für „Vergeltung, Ab-
gabe, Lösung,“ in einem Bibelglossar des 10. Jahrhundertes = dem lat. aes
vor. Im Altnordischen ist dagegen „giald“ bereits im Sinne unseres heutigen
„Geld“ gebräuchlich. Im Mittelhochdeutschen heisst „gelt“ sehr gewöhnlich
„Zahlung“ (Act und Object der Zahlung) „Vermögen,“ „Einkünfte,“ wird
jedoch auch bereits vielfach in der heutigen Bedeutung von „Geld“ gebraucht.
Z. B. in Martina von Hugo von Langenstein (Basl. Handschrift, 215) „ze
gelde keren“ (in Geld anschlagen), bei Peter Suchewirts, edit. Premisser, 31.
104 u. s. f. (vide Graff: Althochdeutscher Sprachschatz, IV, 191; Müller-
Benecke
: Mittelhochd. Wörterb. I, 522; Diefenbach: Vergleichendes
Wörterbuch d. goth. Sprache, II, 403, 1851.) Nicht ohne Interesse ist die
Art und Weise, wie andere Völker das Geld bezeichnen. Die Griechen,
Hebräer
und in einer Ausdrucksweise auch die Römer nannten das Geld:
Silber“ (ἀργύριον, keseph, argentum), sowie heut noch die Franzosen
(argent); die Engländer, Spanier, Portugiesen, sowie auch in einer
andern Ausdrucksweise die Hebräer, Griechen und Franzosen: „Münze
(money, monéda, moeda, maoth, νόμισμα, monnaie). Die Italiener und
Russen sprechen von Geldstücken (Denaren), wenn sie Geld im All-
gemeinen bezeichnen wollen (danaro, dengi), dessgleichen in einer andern
Ausdrucksweise die Spanier und Portugiesen. Die Polen, Böhmen
und Slovenen nennen das Geld Pfennige (= Geldstücke): pienadze, penize,
penize), desgleichen die Croaten, Dalmatiner und Bosnier. Auch die
Dänen, Schweden und Magyaren sprechen von Geldstücken (Pfennigen)
wenn sie „Geld“ bezeichnen wollen (penge, penningar, penz). Der Araber
thut dasselbe, denn sein Ausdruck für Geld „fulus“ bedeutet „Münzen.“ In
der Sprache der Bari, die am obern Nil wohnen, heisst naglia, die Glas-
perle
, zugleich „Geld“ (Fr. Müller in den Wien. Acad.-Schriften, phil. hist.
Sect. B. 45, S. 117) und die Nubier nennen das Metallgeld: schongir =
Muschel des Schriftzeichens“ (mit einem Schriftzeichen (Prägung!) versehenes
Kauri).
**)
Die Gewohnheit als Moment der Entstehung des Geldes wird betont
von Condillac (Le commerce et le gouvernement, 1776, Part. I, Ch. 14);
Le Trosne (de l’intérêt social, 1777, Ch. III, 1).
*)
Die Erklärung des eigenthümlichen Vorganges, dass eine Anzahl
von Gütern, bei fortgeschrittener Cultur: Gold und Silber in gemünztem
Zustande, von Jedermann im Austausche gegen alle andern Waaren bereit-
willig angenommen werden, und zwar auch von solchen Personen, welche
keinen unmittelbaren Bedarf an diesen Gütern, oder denselben doch bereits
*)
in ausreichender Weise gedeckt haben, hat bereits die grossen Denker des
Alterthums und bis auf unsere Tage eine lange Reihe der ausgezeichnetsten
Forscher beschäftigt, wie kein anderes Problem unserer Wissenschaft. Dass
ein Gut von seinem Besitzer gegen ein anderes ihm nützlicheres im Aus-
tausche hingegeben wird, ist eine Erscheinung, die auch dem gemeinsten
Verstande einleuchtet; dass aber jedes wirthschaftende Subject eines Volkes
begierig sein sollte, seine Waaren gegen kleine Metall-Platten einzutauschen,
von welchen der Regel nach doch nur Wenige in directer Weise Ge-
brauch zu machen in der Lage sind, dies ist ein dem gewöhnlichen Laufe
der Dinge so widersprechender Vorgang, dass es uns nicht Wunder nehmen
darf, wenn er selbst einem so ausgezeichneten Denker, wie Savigny (Obligat.
II, 406), geradezu als „geheimnissvoll“ erscheint. Die Aufgabe, welche die
Wissenschaft hier zu lösen hat, besteht in der Erklärung eines allge-
meinen
Handelns der Menschen, dessen Motive nicht klar zu Tage liegen,
und der Gedanke, dasselbe auf eine Uebereinkunft der Menschen, beziehungs-
weise auf den Ausdruck ihres Gesammtwillens, das Gesetz, zurückzuführen,
lag demnach, insbesondere mit Rücksicht auf die Münzform des Geldes, am
nächsten. Platon und Aristoteles folgen dieser Meinung. Der Erstere
nennt (de. rep. II, 12) das Geld „ein verabredetes Zeichen für den Tausch“
und Aristoteles sagt an einer vielfach angeführten Stelle (Eth. Nic. V, 8),
das Geld sei durch Uebereinkunft entstanden; nicht durch die Natur, sondern
durch das Gesetz. Deutlicher gibt er noch an einer andern Stelle (Pol. I, 6)
dieser Meinung Ausdruck. „Die Menschen,“ sagt er, „sind übereingekommen,
etwas als Aequivalent für jede Waare zu geben und zu nehmen,“ und daher
die Erscheinung des Geldes. — Der römische Jurist Paulus, dessen An-
sichten über den Ursprung des Geldes uns in Justinian’s Gesetzsammlung
(L. 1, D. de contr. emt. 18, 1) erhalten blieben, entledigt sich der Aufgabe
in ähnlicher Weise, wie die griechischen Philosophen. Er weist auf die
Schwierigkeiten hin, welche dem blossen Tauschhandel entgegenstehen, und
gibt seine Meinung dahin ab, dass dieselben durch eine öffentliche Einrich-
tung — das Geld — behoben worden seien. „Es wurde ein Stoff aus-
gewählt,“ schreibt Paulus, „dessen öffentliche, den Schwankungen der
übrigen Waaren entrückte Bewerthung ihm einen stets gleichmässigen äussern
(Nominal-) Werth gab; dieser Stoff sei Seitens der Gesellschaft mit einem
Zeichen (seines äussern Werthes) versehen worden und gründe seinen Gebrauch
und seine Tauschkraft nicht so sehr auf die Substanz, als vielmehr auf seinen
Neunwerth.“ Auch Paulus führt demnach den Ursprung des Geldes auf die
gesellschaftliche Autorität zurück. — Daneben macht sich allerdings auch
schon im Alterthume das Bestreben geltend, die eigenthümliche Stellung,
welche die edlen Metalle im Kreise der übrigen Waaren einnehmen, auf
*)
ihre besondern Eigenschaften zurückführen. Aristoteles weist (Polit. I, 6)
auf ihre leichte Handhabung und Transportabilität, und an einer andern
Stelle (Eth. Nic. V, 6) auf ihre relativ grosse Stabilität im Preise hin, und
Xenophon (de vectigal. Athen. 4) beobachtet sogar schon die weiten quan-
titativen Grenzen ihrer Absatzfähigkeit, zumal jene des Silbers. Würden, so
argumentirt er, die Producte der Kupferschmiede, Schmiede, ja selbst Wein
und Getreide in aussergewöhnlich grossen Quantitäten zu Markte gelangen,
so müssten sie stark im Preise sinken, während Silber und in beschränkterer
Weise auch Gold stets lohnenden Absatz fänden. Die Dauerhaftigkeit und
Unzerstörbarkeit der edlen Metalle, zumal des Goldes, hat schon Plinius
(hist. nat. 33, c. 19, 31) hervorgehoben.
Die ausserordentlich reiche Literatur, welche das Mittelalter und
das sechzehnte Jahrhundert über das Münz- und Masswesen zu Tage
gefördert hat, findet man in der: „Bibliotheca nummaria“ des Philipp
Labbe (ed. Reichenberg, 1692) sorgfältig gesammelt. Die „Collectio
Budeliana“ (1591), Marquardus Freher: De re monetaria (1605) (hier
die Tractate von Oresmius und Gabr. Byel) enthalten viele bemerkenswerthe
Publicationen dieses Zeitraumes. Roscher hat in seinem System I, §. 116, 5
einige der wichtigsten mit grossem Forscherfleisse hervorgehoben. Dieselben
beschäftigen sich zumeist mit practischen Fragen des Münzwesens, zumal mit
der durch vielfache Missbräuche der Staatsverwaltungen wichtig gewordenen
Frage nach dem Bestande und den Grenzen des Rechtes der Fürsten, Münz-
veränderungen vorzunehmen, und den vermögensrechtlichen Folgen dieser
letzteren. Hiebei nehmen einige derselben Anlass, auch die Frage vom Ur-
sprunge des Geldes zu behandeln und entledigen sich dieser Aufgabe auf
Grundlage der Forschungen des Alterthums, mit stetem Hinweise auf Ari-
stoteles. So Nic. Oresmius († 1383): Tractat. de orig. et jure etc., ed.
Freher, S. 2 append.; Gabr. Byel († 1495): Tract. de Monetis, ed. Freher,
S. 33; Carol. Molinaeus: Tract. de mutatione monetarum (1555), edit.
Budeliana, S. 485; Didacus Couarouvia: Veter. numm. collat. (um 1560)
edit. Bud. S. 648; Malestroit: Paradoxa (1566), ibid. S. 747; J. Me-
nochius
: Consilia, ibid. S. 705; R. Budelius: De monetis et re num-
maria (1591), S. 10. Der Gang der Untersuchung bei diesen Schriftstellern
lässt sich fast durchwegs dahin zusammenfassen, dass sie zunächst die Schwie-
rigkeiten darlegen, welche aus dem blossen Tauschhandel für den Verkehr
entstehen, hierauf auf die Möglichkeit hinweisen, diese Schwierigkeiten durch
Einführung des Geldes zu beheben, im weitern Verlaufe der Darstellung
die besondere Eignung der edlen Metalle zu diesem Zwecke betonen, und
endlich mit Berufung auf Aristoteles zum Schlusse gelangen, dieselben seien
durch Menschensatzung thatsächlich zum Gelde geworden („pecunia instru-
mentum artificialiter adinventum,“ sagt Oresmius, S. 2, a. a. O.; „vel ex
*)
sui natura, vel ex hominum instituto etc.“ sagt G. Byel, S. 33, a. a. O.;
„inventio et institutio monetae est de jure gentium: Molinaeus, S. 486,
a. a. O.) So grosse Verdienste sich einzelne dieser Schriftsteller dadurch
erworben haben, dass sie gegen die Seitens der Fürsten geübten Missbräuche
in der Münzverwaltung auftraten — was die Frage des Ursprunges des Geldes
betrifft, sind sie über die Einsichten der Alten nicht gekommen. Die ältern
Italiener und Engländer machen hievon keine Ausnahmen. Davanzati:
Lezioni sulle monete (1588) folgt noch strenge dem Urtheile des Aristoteles
und Paulus, und führt den Ursprung des Geldes (S. 24, ed. Cust.) auf die
staatliche Autorität zurück („per legge accordata“); ebenso Montanari,
(† 1687) (Della Moneta, Cap. I, S. 17, 32 und Cap. VII, S. 118 ed. Cust.).
Auch Roberts, dessen weitverbreitete Handelsencyclopädie: „Merchants map
of commerce, 1638“ besser als ein anderes Werk des siebzehnten Jahrhun-
dertes die volkswirthschaftlichen Ansichten Englands in jenem Zeitalter
wiederspiegelt, führt (S. 15 der edit. 1700) den Ursprung des Geldes au
die gleiche Quelle zurück.
Unter den Finanzschriftstellern der ersten Hälfte des achtzehnten
Jahrhundertes ragt Law durch seine Forschungen über den Ursprung des
Geldes hervor. Noch Boizard führt denselben auf die öffentliche Autorität
zurück, und Vauban (Dîme royale, 1707, S. 51, ed. Daire), sowie Boisguil-
lebert
(† 1714): (Dissertation sur la nature des richesses, Chap. II), be-
schränken sich darauf, die Nothwendigkeit des Geldes, als Mittel zur Erleich-
terung des Verkehres zu betonen. Law (Consideration sur le nummeraire,
1720, Chap. I, ursprünglich: Trade and money, 1705, und Memoire sur l’usage
des monnaies, 1720, P. I), verwirft dagegen auf das Entschiedenste die Con-
ventionstheorie, erkennt, wie Niemand vor ihm, die eigenthümliche Stellung
der edlen Metalle im Kreise der übrigen Waaren, den Geldcharakter
derselben aus den Eigenthümlichkeiten der edlen Metalle, genetisch zu
entwickeln und wird solcherart der Begründer der richtigen Theorie vom
Ursprunge des Geldes. Ihm folgen Genovesi (Lezioni, Part. II, C. 2,
4, 1769) und Turgot (Sur la formation et distribut. des richesses 1771,
§§. 42—45) in der Bekämpfung der Theorie, welche den Ursprung des
Geldes auf menschliche Convention zurückführt, während Beccaria (Eco-
nomia publica, P. IV, C. II, §§. 7—8); Verri (Della economia politica,
§. 2, und Riflessioni sulle leggi, P. I, S. 21, ed. Custodi); Turgot (a. a. O.,
und Lettre sur le papier-monnaie, S. 97, ed. Daire); A. Smith (Wealth of
Nat. B. I, Chap. IV, 1776 und Büsch (Geldumlauf II, B. VI) den Versuch
Law’s, den Geldcharakter der edlen Metalle aus der eigenthümlichen Natur dieser
Waaren genetisch zu erklären, von Neuem aufnehmen, und in zum Theile
trefflicher Weise durchführen. An sie schliessen sich von neuern Schriftstellern:
*)
Malthus (Principl. of P. E., Chap. II, Sect. I); Mac Culloch (Principl.
of P. E., P. I, Ch. 24); J. St. Mill (Principl. of P. E., B. III, Chap. VII);
Gioja (Nuovo prospetto, 1815, I, S. 118 ff.); Baudrillart (Manuel, Part
III, Chap. III, 1, 1863); Garnier (Traité, Chap. XVII, 1868); und von
deutschen Nationalökonomen: Ch. J. Kraus (Staatsw., B. I, S. 61 ff., ed.
1808); Lueder (National-Industrie, 1800, I, S. 48 ff.). Im Uebrigen zeigen
die deutschen Nationalökonomen in den ersten Decennien dieses Jahrhunderts
wenig Sinn für historische Forschung und das Interesse für unsere Frage
geht in den Schriften eines Oberndorfer, Pölitz, Lotz, Zachariae, Herrmann,
fast vollständig verloren, bis Rau, Eiselen, Roscher, Hildebrandt,
Knies
, gleichwie schon früher Murchardt, mit dem Erwachen der historischen
Forschung auf dem Gebiete unserer Wissenschaft die Frage nach dem Ur-
sprunge des Geldes wieder aufnehmen. — Wenig gefördert wurde die Unter-
suchung durch die bisher erschienenen Monographien. Ad. Müller (Theorie d.
Geldes, 1816) constatirt das Verlangen der Menschen nach dem Staate und
meint, die edlen Metalle vollzögen diese Vereinigung, (S. 156) — dies sei
der Ursprung des Geldes; Hoffmann führt (Lehre vom Gelde, 1838,
S. 10) den Ursprung des Geldes wieder auf die Uebereinkunft der
Menschen zurück, ebenso Mich. Chevalier (La monnaie, Cours III, S. 3,
1850). Von grösserem Interesse für unsere Frage ist Oppenheim’s Mono-
graphie (Die Natur des Geldes, 1855), obzwar sie ihre Bedeutung nicht so
sehr in einer eigenthümlichen Auffassung vom ersten Ursprunge des Geldes
(S. 4 ff.), als in der Darlegung des Processes sucht, durch welchen die zum
Tauschmittel gewordene Waare diesen ihren anfänglichen Charakter einbüsst,
und schliesslich zu einem blossen Zeichen des Werthes wird. Wenn wir
nämlich auch der letztern Meinung entschieden widersprechen müssen, so liegt
ihr doch ein aus der Darstellung Oppenheim’s klar hervortretender Gedanke,
oder vielmehr eine Beobachtung zu Grunde, welche allein erklärt, dass wir
dem obigen Irrthume in den Schriften so vieler ausgezeichneten National-
ökonomen begegnen. Ich meine die Beobachtung, dass der Charakter des
Geldes als Nutzmetall in Folge unseres bequemen Verkehrs-Mechanismus,
dem Bewusstsein der wirtschaftenden Menschen nicht selten ganz ent-
schwindet und in weiterer Consequenz dieses Umstandes lediglich sein Cha-
rakter als Tauschmittel beachtet wird. Die Macht der Gewohnheit ist es
solcherart, welche dem Gelde, auch dort, wo dessen Charakter als Nutz-
metall nicht unmittelbar beachtet wird, doch seine Tauschkraft sichert.
Diese Beobachtung ist ganz richtig. Es ist aber klar, dass die Tauschkraft
des Geldes sammt der ihr zu Grunde liegenden Gewohnheit sofort ver-
schwinden würde, wenn der Charakter des Geldes als Nutzmetall durch
irgend ein Ereigniss beseitigt würde. Dass das Geld vielen wirthschaf-
*)
Vgl. Stein, Lehrbuch der Volksw. 1858, S. 55, insbes. Knies:
Tübing. Ztschr. 1858, S. 266 und Mommsen: Geschichte des röm. Münz-
wesens, 1860. Einleit. VII und VIII.
*)
tenden Menschen bei hoch entwickeltem Verkehre lediglich als ein Zeichen
erscheint, kann deshalb zugegeben werden. Es ist aber sicher, dass diese
leicht erklärliche Täuschung sofort aufhören würde, wenn der Charakter der
Geldstücke, als Quantitäten von Nutzmetall, verloren ginge.
*)
Die Verbindung der Vorstellungen des Geldes und des Viehes, als des
ältesten Tauschmittels, tritt aus den meisten Sprachen hervor. Im altnordischen
heisst „naut“ das Rind und das Geld, im altfriesischen „sket“ Vieh und Geld.
*)
Das gothische „faihu“ das angelsächsische „féoh,“ das nordhumbrische „feh“
und die entsprechenden Ausdrücke in allen übrigen germanischen Mundarten
werden in der wechselnden Bedeutung von Vieh, Vermögen, Geld u. s. f. ge-
braucht (Wackernagel in Haupt’s Zeitschrift, IX, p. 549, Note 101; Die-
fenbach
: Vergleichendes Wörterbuch der gothischen Sprache, I, 350 ff.
2, 757; siehe auch die interressante Note in Trench: A select glossary of
english words, p. 30). Jn der lex Fris. add. 11 heisst es: equam vel quamli-
bet pecuniam; im gl. Cassell. F. 12: pecunia fihu. Das altslavische: skotum
= „Vieh“ bedeutet in seiner litauischen Diminutivform: skatikas vel skatiks
so viel, wie Groschen. (Nesselmann: Litauisches Wörterbuch). Auf die Her-
leitung des lateinischen pecunia, peculium etc. von pecus, das Vieh, ist be-
reits vielfach hingewiesen worden, desgleichen auf die von Pollux erwähnte
Sage, wornach das älteste Geld der Athener βοῦς geheissen haben solle, eine
Bezeichnung, die sich in dem Sprichworte βοῦς ἐπὶ γλώττης erhalten hätte.
Bekannt sind auch die Ausdrücke: Dekaboion, Tesseraboion, Hekatomboion
als Bezeichnungen von Geldbeträgen. Die Ansicht, dass diese Ausdrücke
nicht auf ein ehemals bestandenes Viehgeld, sondern auf das älteste mit Thier-
zeichen versehene Metallgeld zurückzuführen sei, findet sich schon bei Pol-
lux
und Plutarch, neuerdings bei Beulé und vielen Neuern. Richtiger
scheint mir indess die Ansicht zu sein, dass bei dem allmäligen Uebergange
von der gewohnten Viehwährung zur Metallwährung der Metallwerth eines
Viehstückes ursprünglich das Nominale der neuen Währung bildete und
daher Ausdrücke, welche Quantitäten von Viehhäuptern bezeichnen, auf
Metallmünzen und Beträge von solchen übertragen wurden. Dass auch im
Arabischen die Begriffe Vieh und Geld verwandt sind, dafür spricht das
Wort „mâl,“ das in der Einzahl Besitzthum, Vieh, in der Mehrzahl (amwâl)
Vermögen und Geld bedeutet (Freytag, Arab. Lexik. IV, 221, Maninski
p. 4225.)
*)
Böckh: Metrologische Unters. 1838, S. 385 ff., 420 ff.; Momm-
sen
: Geschichte des römischen Münzwesens, 1860, S. 169; F. Hultsch:
Griechische und römische Metrologie, 1862, S. 124 ff., 188 ff.
**)
Wackernagel, Gewerbe, Handel und Schifffahrt der alten Ger-
manen, in Haupt’s Zeitschrift IX, 548 ff.; Grimm, deutsche Rechtsalter-
thümer, S. 586 ff.; Soetbeer, Beiträge zur Geschichte des Geld- und Münz-
wesens in den Forschungen zur deutschen Geschichte, I, 215.
***)
Sprenger, Leben Mohamed’s, III, S. 139.
†)
Spiegel, Avesta (deutsche Bearbeitung), I, S. 94 ff.
††)
Levy, Geschichte der jüdischen Münzen, S. 7.
*)
Vgl. Roscher, System, I, §. 118, Not. 5.
*)
Plut. Thes. 19; Plinius h. n. 18. 3; Schreiber in seinem Taschen-
buche für Gesch. 2. 67 ff. 240 ffg. 3. 401 fgg.
*)
Clavigero: Geschichte von Mexiko, I. Band, VII. Buch, 35. Abth.
*)
Noch gegenwärtig bildet das Biberfell in mehreren Ländern der
Hudsonsbay-Gesellschaft die Masseinheit des Verkehres. 3 Marder werden
gleich 1 Biber geschätzt, 1 weisser Fuchs gleich 2 Bibern, 1 schwarzer Fuchs,
oder Bär gleich 4 Bibern, 1 Flinte gleich 15 Bibern (Ausland, 1846, Nr. 21).
Das esthnische Wort raha, Geld, hat in der verwandten Sprache der Lappen
die Bedeutung von Pelzwerth (Ph. Krug, Zur Münzkunde Russlands, 1805).
Vom Pelzgelde im russischen Mittelalter: Nestor, übersetzt von Schlöger, III,
S. 90. Das alte Wort kung = Geld bedeutet eigentlich Marder. Noch 1610
wird eine russische Kriegscasse vom Feinde genommen, worin sich 5450 Rubel
Silber und 7000 Rubel an Pelzwerk finden (Karamsin, XI, S. 183). Roscher,
System, I, §. 118, 3, 1868; Siehe auch Storch, Uebersetz. v. Rau, III, S. 25.
**)
Roscher: System I, §. 119, Note 12.
*)
Sur la form, et distrib. des richesses, S. 25 ed. Daire. Vgl. auch
Foscher: System, I, §. 116, 1868; Knies: Tübing, Ztsch. 1858, S. 262.
**)
Siehe hierüber insbes. Helferich: Von den periodischen Schwan-
kungen im Werthe der edlen Metalle, 1843.
*)
Der obige Unterschied, welcher in unserer Wissenschaft bisher nicht
genügend beachtet wurde, ist seit langem der Gegenstand sehr eingehender Unter-
suchungen Seitens der Juristen, indem für diese letztern, überall dort, wo
Schadenansprüche vorliegen, und auch in manchen andern Fällen (bei allen
subsidiären Leistungen), die obige Frage practisch wird. Man denke nur
z. B. an den Fall, dass einem Gelehrten von irgend einer Person in unrecht-
mässiger Weise seine Bibliothek entzogen würde. Der „Verkaufspreis
derselben würde ihm eine sehr ungenügende Entschädigung für seinen Verlust
bieten. Dagegen würde derselbe das richtige Aequivalent der Bibliothek für
einen Erben des Gelehrten sein, für welchen dieselbe überwiegenden Tausch-
werth hätte.
*)
Wir haben in dem Obigen die Ursachen dargelegt, welche bewirken,
dass die Schätzungen überall dort, wo eine Waare bereits den Charakter
des Geldes erlangt hat, der Regel nach am zweckmässigsten in dieser letz-
teren vorgenommen werden können, und demnach, wo nicht dem Zwecke der
*)
Das Geld, als Massstab im Güterverkehre der Menschen wird schon
von Aristoteles (Ethic. Nicom. V, 8 und IX, 1,) beobachtet. Von den Schrift-
stellern, welche den Ursprung des Geldes ausschliesslich, oder doch vor-
wiegend auf das Bedürfniss der wirthschaftenden Menschen nach einem Mass-
stabe des „Tauschwerthes,“ beziehungsweise der Preise, und den Geldcharakter
der edlen Metalle auf ihre besondere Eignung zu diesem Zwecke zurück-
führen, seien hier erwähnt: Broggia (Delle monete, 1743, C. I, S. 304 ed.
Cust.); Neri (Osservazioni, 1751, Cap. VI, Art. I, §. 14 ff.); Galiani
(Della moneta, 1750, Lib. I, c. 1, S. 23 ff. und Lib. II. C. 1, S. 120 ff. der
ed. 1831); Genovesi (Lezioni, Part. II, C. 2, 4, 1769); Hutcheson
(A system of moral philosophy, 1755; Book II, Ch. XII, §. 2); Ricardo
(Principles of P. E. Chap. III, S. 46, ed. 1846); Storch (Cours d’écon. poli-
tique, Petersb. 1815, I, Introd. gen., S. 8 ff.); Stein (System d. Staats-
wissenschaft, 1852, I, S. 217 ff.); Schäffle (Das gesellschaftliche System
der menschlichen Wirthschaft, 1867, §. 60 ff.).
*)
Schätzung hinderliche Eigenthümlichkeiten der zum Gelde gewordenen Waare
dem entgegenstehen, auch thatsächlich vorgenommen werden. Dies letztere
ist aber nicht eine nothwendige Folge des Geldcharakters einer Waare,
und lassen sich sehr wohl Fälle denken, dass eine Waare, die den Geld-
charakter nicht besitzt, zum „Preismesser“ würde, oder doch von mehreren
Waaren, die den Geldcharakter erlangt haben, nur die eine, oder die andere.
Die Function als Preismesser ist demnach nicht nothwendigerweise an die-
jenigen Waaren geknüpft, welche den Geldcharakter erlangt haben, nicht
eine nothwendige Consequenz dieses letztern, am wenigsten aber Voraus-
setzung und Ursache desselben. Das Geld ist allerdings der Regel nach, und
das Metallgeld wegen der hohen Fungibilität desselben und der relativ grossen
Stabilität der seinen Werth bestimmenden Momente thatsächlich zugleich ein
sehr zweckmässiger Preismesser. Andere Waaren, welche den Geldcharakter
erlangten (Waffen, Metallgeräthe, Bronceringe u. dgl. m.) sind dagegen wohl
nie als Preismesser verwendet worden. Diese letztere Function liegt demnach
nicht in dem Begriffe des Geldes, und wenn bei einigen Nationalökonomen
dieser letztere in dem des „Werthmassstabes“ geradezu aufgeht, so liegt
hierin eine Verkennung der wahren Natur des Geldes.
*)
Diese Theorie hat ihre hauptsächlichen Vertreter in den grossen eng-
lischen Philosophen des siebzehnten Jahrhundertes gefunden. Hobbes geht
(Leviathan: de civitate, Pars II, C. 24, S. 123, oper. 1668) von dem Be-
dürfnisse der Menschen nach Conservirung vergänglicher, aber nicht zur
sofortigen Consumtion bestimmter Vermögenswerthe aus, und zeigt, wie durch
den Umsatz (die „concoctio“) derselben in Metallgeld dieser Zweck, sowie
der Zweck der leichtern Transportabilität erreicht wird. Ebenso Locke (Of
civil government, Book II, Ch. 5, §. 46 ff., 1691 und Further Considerations
*)
concerning raising the value of money, I, §. 1, 1698). — Einen bereits in Ari-
stoteles Anschauungen vom Gelde gelegenen Keim entwickelt Bandini (Dis-
corso economico, 1737, bei Custodi, S. 142 ff.) Derselbe beginnt seine Dar-
stellung mit dem Hinweise auf die Schwierigkeiten, zu welchen der blosse
Tauschverkehr führt; derjenige, dessen Güter von Andern begehrt wurden,
sei nicht immer in der Lage gewesen, die Güter dieser letzteren gebrauchen
zu können, und deshalb sei ein Pfand (un mallevadore, sagt Bandini) nöthig
geworden, dessen Uebergabe ihm die künftige Gegenleistung sichern sollte.
Zu dieser Function seien die edlen Metalle gewählt worden. Diese Theorie
bilden Ortes (Della economia nazionale LVI, c. 1 und Lettere: XVI,
S. 258, edit. Custodi), Corniari (Riflessioni sulle monete III und: Lettera
ad un legislatore, S. 153, bei Custodi) und Carli (Del origine del commercio
e della moneta §§. 1 und 2) in Italien, Dutôt (Reflexions sur le commerce
et finances, 1738, Chap. III, 1, S. 895, Daire) in Frankreich aus. Schmalz
hat dieselbe (Staatsw. in Briefen, 1818, S. 48 ff.) in Deutschland, und
Macleod (Elements of P. E., 1858, S. 24) neuerdings in England revidirt.
*)
Ursprünglich wurden die Münz-Metalle wohl durchaus in Stücke
zerlegt, welche die auch sonst im Handel üblichen Gewichtsmengen aus-
drückten. Das römische As war ursprünglich ein Pfund Kupfer, das englische
Pfund Sterling enthielt zur Zeit Eduard’s I nach Tower-Gewicht ein Pfund
Silber von bestimmtem Feingehalte, ebenso der französische livre zur Zeit
Karl des Grossen nach Troyes-Gewicht ein Pfund Silber. Der englische
Shilling und Penny waren gleichfalls im Handel gebräuchliche Gewichtsmen-
gen. „Wenn der Weizen zwölf Shilling das Quarter kostet,“ sagt ein altes
Statut Heinrich III., „so soll ein Weissbrod für einen Penny eilf Shilling und
vier Pence wiegen.“ (Vgl. Ad. Smith, W. o. N. B. I, Ch. 4.) Dass auch unsere
Mark, Schilling, Pfennig etc. ursprünglich Handelsgewichte gewesen, ist be-
kannt. Die Münzverschlechterungen, welche in der Folgezeit wiederholt von
den Münzherren vorgenommen wurden, haben bewirkt, dass das gemeine
Handelsgewicht und das Gewicht, nach welchem die edlen Metalle gehandelt
(beziehungsweise als Münzen zugezählt) werden, in den meisten Ländern bald
eine sehr grosse Verschiedenheit aufwiesen, ein Umstand, welcher seinerseits
wiederum nicht wenig dazu beitrug, dass in dem Gelde ein eigenthümlicher
„Massstab des Tauschwerthes“ erblickt wurde, während doch in jeder natur-
gemässen Volkswirthschaft der Münzfuss nichts anderes als die Gewichts-
bestimmung ist, nach welcher die edlen Metalle gehandelt werden. In neuerer
Zeit hat man vielfach versucht, das Handelsgewicht, so weit dies die Rück-
sichtsnahme auf die Bequemlichkeit des Verkehres gestattet, mit dem Münz-
*)
gewichte wieder in Einklang zu bringen, so zumal auch in Deutschland und
Oesterreich, wo das Zollpfund zur Grundlage des Münzsystems gewählt wurde.

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TextGrid Repository (2025). Menger, Carl. Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bnkf.0