über die
Aetiologie
der
Wundinfectionskrankheiten
Verlag von F. C. W. Vogel.
1878.
INHALTSVERZEICHNISS.
- Seite
- Erklärung der Abbildungen 1
- Vorrede 3
- Einleitung 5
- Jetziger Stand der Kenntnisse über die Beziehungen der Mikro¬
organismen zu den Wundinfectionskrankheiten 8 - 1. Das Vorkommen der Mikroorganismen im erkrankten mensch¬
lichen Körper 8 - 2. Experimentell nachgewiesene Beziehungen der Mikroorganismen
zu den Wundinfectionskrankheiten 14 - 3. Einwendungen gegen die Beweiskraft dieser Thatsachen 19
- Beschreibung der Untersuchungsmethode 29
- Künstliche Wundinfectionskrankheiten 40
- 1. Septicämie bei Mäusen 40
- 2. Progressive Gewebsnekrose (Gangrän) bei Mäusen 47
- 3. Progressive Abscessbildung bei Kaninchen 50
- 4. Pyämie bei Kaninchen 54
- 5. Septicämie bei Kaninchen 59
- 6. Erysipelatöser Process beim Kaninchen 62
- Milzbrand 65
- Schlussfolgerungen 69
Erklärung der Abbildungen.
Sämmtliche Abbildungen sind mit dem Zeichnenprisma möglichst natur¬
getreu grösstentheils mit Benutzung des C. Zeis'schen Oelimmersionssystem
1/12 Zoll angefertigt. Zur Bestimmung der Vergrösserung diente ein in der¬
selben Entfernung gezeichnetes Objectiv-Mikrometer.
- Fig. 1. Blut einer septicämischen Maus, am Deckglas eingetrocknet, mit
Methylviolett gefärbt, in Canadabalsam eingelegt. Rothe Blutkörperchen
und dazwischen kleine Bacillen.
Vergrösserung 700. - Fig. 2. Weisse Blutkörperchen aus der Zwerchfellvene einer septicämischen
Maus. Uebergänge von solchen Blutkörperchen, die wenige Bacillen ent¬
halten, bis zu solchen, die in einen von Bacillen gebildeten Haufen ver¬
wandelt sind.
Vergrösserung 700. - Fig. 3. Zwerchfellvene einer septicämischen Maus.
- a. Kerne der Gefässwand,
- b. Septicämiebacillen,
- c. in Bacillenhaufen verwandelte weisse Blutkörperchen,
- d. in die Vene einmündende Capillargefässe.
Vergrösserung 700.
- Fig. 4. Blut einer milzbrandigen Maus. Rothe Blutkörperchen und Milz¬
brandbacillen. Das zugehörige Präparat ist in derselben Weise hergestellt,
wie das in Fig. 1 gezeichnete. Die Gliederung der Bacillen ist zu stark
angegeben.
Vergrösserung 700. - Fig. 5. Längsschnitt vom Ohr einer Maus. Progressive Gewebsnekrose.
- a. Normaler Knorpel und zu beiden Seiten normales Gewebe,
- b. Demarcationslinie, Ansammlung von Kernen,
- c. kernloser, nekrotischer Theil des Ohrs,
- d. Gefässquerschnitte mit Mikrokokken angefüllt.
Vergrösserung 25.
- Fig. 6. Ein Theil des Knorpels und des anliegenden Gewebes aus Fig. 5 in
der Nähe von c bei 700 Vergrösserung. - a. Nekrotische Knorpelzellen,
- b. kettenförmige Mikrokokken in Haufen,
- c. dieselben einzeln.
- Fig. 7. Randzone vom käsigen Abscess eines Kaninchens. Untere Fläche.
- a. Kernanhäufung am äusseren Rande des Abscesses,
- b. Zooglöa, aus sehr kleinen Mikrokokken bestehend (dieselben sind theil¬
weise, namentlich im Innern der Zooglöa zu gross gezeichnet), - c. Zooglöa, theilweise absterbend,
- d. abgestorbene Zooglöa,
- e. Kerndetritus.
Vergrösserung 700.
- Fig. 8. Randzone vom käsigen Abscess eines Kaninchens. Seitentheil.
- a. Wolkenförmige Zooglöamassen,
- b. und c. kleinere, d. kleinste Mikrokokkencolonien,
- e. Kernanhäufung in der Nähe der Zooglöa,
- f. zerfallene Kerne,
- g. abgestorbener Theil der Zooglöa.
Vergrösserung 700.
- Fig. 9. Gefäss aus der Rindensubstanz der Niere von einem pyämischen
Kaninchen.- a. Kerne der Gefässwand,
- b. kleine Gruppe von Mikrokokken zwischen Blutkörperchen,
- c. dichter wandständiger Haufen von Mikrokokken, Blutkörperchen ein¬
schliessend, - d. Doppelmikrokokken am Rande des grossen Haufens.
Vergrösserung 700.
- Fig. 10. Glomerulus von einem septicämischen Kaninchen.
- a. Capillarschlinge mit membranartig ausgebreiteten ovalen Mikrokokken,
- b. den Wandungen eines Capillargefässes zu beiden Seiten angelagerte
Mikrokokken, - c. mit Mikrokokken vollständig ausgefüllte Schlinge,
- d. einzelne Mikrokokken in einem neben dem Glomerulus gelegenen
Capillargefäss.
Vergrösserung 700.
- Fig. 11. Capillargefäss aus der Dünndarmschleimhaut eines septicämischen
Kaninchens.- a. Kerne der Gefässwand,
- b. ovale Mikrokokken.
Vergrösserung 700.
- Fig. 12. Flächenschnitt vom Ohr eines Kaninchens. Erysipelas ähnlicher
Krankheitsprocess.- a. Knäulförmige Anhäufungen von Bacillen,
- b. Kernanhäufungen oberhalb der Bacillenschicht,
- c. Kern von platten dem Knorpel angehörigen Zellen unterhalb der
Bacillenschicht, - d. parallel angeordnete Bacillen.
Vergrösserung 700.
- Fig. 13. Darmzotte vom Kaninchen. Milzbrand. Isolirte Färbung.
- Vergrösserung 250.
- Fig. 14. Ein Theil des Gefässnetzes derselben. — Darmzotte bei 700
Vergrösserung.
VORREDE.
Die vorliegende Arbeit gehört einer Reihe von Untersuchungen
an, die ich über die Aetiologie der Infectionskrankheiten bereits
angestellt habe und in Zukunft noch weiter auszuführen gedenke.
Die gestellte Aufgabe war: Aufklärung darüber zu gewinnen, ob
die Wundinfectionskrankheiten parasitären Ursprungs sind oder
nicht. Durch äussere Verhältnisse gezwungen musste ich mich
indessen lediglich auf Experimente über die Wirkung putrider
Stoffe an Thieren beschränken. Diese haben mich zu positiven
und, wie mir scheint, nicht unwichtigen Ergebnissen geführt und
es wäre zur vollständigen Beantwortung der gestellten Frage nun
durchaus nothwendig gewesen, weitere ähnliche Versuchsreihen
an Thieren mit solchen Stoffen vorzunehmen, welche an Wundin¬
fectionskrankheiten leidenden oder gestorbenen Menschen entnom¬
men wurden, und was mir das Wichtigste zu sein scheint, nach
der bei meinen Versuchen bewährt gefundenen Methode die frag¬
lichen Mikroorganismen in menschlichem pathologischen Material
aufzusuchen.
Da mir jedoch die Gelegenheit, nach dieser Richtung hin
meine Untersuchungen zu vervollkommnen, fehlt, so habe ich mich
damit begnügt, experimentell an Thieren Krankheitsprocesse zu
erzeugen, welche den beim Menschen beobachteten Wundinfections¬
krankheiten ähnlich sind und als Beispiele für diese dienen können.
Nachdem es mir dann gelungen ist, diese Sammlung von
künstlichen Krankheitsprocessen so weit zu vervollständigen, dass
ich für die wichtigsten Wundinfectionskrankheiten, nämlich für
Septicämie, Pyämie, progressive Eiterung, Gangrän und Erysipelas
Beispiele aufweisen kann, so glaube ich meine Aufgabe, soweit
sie sich nur an Thieren ausführen lässt, gelöst zu haben und es
1*[4]Vorrede. scheint mir deswegen nothwendig, die bis jetzt gewonnenen Re¬
sultate zu veröffentlichen.
In Betreff der dieser Schrift beigegebenen Abbildungen habe
ich hier noch eine Bemerkung zu machen. In einem Aufsatze
über Untersuchung und Photographiren der Bakterien (Beiträge
zur Biologie der Pflanzen, herausgegeben von F. Cohn II. Bd.
3. Heft) hatte ich den Wunsch ausgesprochen, dass, um möglichst
naturgetreue Abbildungen der pathogenen Bakterien zu erhalten,
dieselben photographirt werden möchten. Um so mehr fühlte
ich die Verpflichtung, die bei den Wundinfectionskrankheiten in
thierischen Geweben aufgefundenen Bakterien photographisch ab¬
zubilden und habe es an Mühe, dieser Pflicht nachzukommen, auch
nicht fehlen lassen. Die kleinsten und gerade die am meisten in¬
teressirenden Bakterien lassen sich jedoch nur durch Färbung und
Benutzung ihres Farbenbildes in thierischen Geweben sichtbar
machen und es hat in diesem Falle die photographische Aufnahme
mit denselben Schwierigkeiten zu thun, wie bei der Photographie
makroskopischer gefärbter Objekte z. B. eines farbigen Tapeten¬
musters. Bekanntlich hat man diese Aufgabe mit Hülfe gefärbter
Collodien gelöst. Dies veranlasste mich, dasselbe Verfahren zum
Photographiren der gefärbten Bakterien zu verwenden und es
ist mir in der That gelungen, mit Eosincollodium und Abblendung
einzelner Theile des Spektrums durch farbige Gläser Bilder von
mit blauer und rother Anilinfarbe gefärbten Bakterien zu erhalten.
Doch ist eine so lange Belichtungszeit erforderlich, dass störende
Erschütterungen des Apparates gar nicht zu vermeiden sind und
deswegen das Bild der genügenden Schärfe entbehrt, um es nicht
allein als Ersatz für eine Zeichnung, sondern auch als Beweismittel
für das Gesehene benutzen zu können. Vorläufig musste ich da¬
her auf die Veröffentlichung photographischer Abbildungen ver¬
zichten, hoffe aber noch später, wenn verbesserte Methoden eine
kürzere Exposition gestatten, diesen Mangel ersetzen zu können.
EINLEITUNG.
Als Wundinfectionskrankheiten bezeichnet man heutzutage eine
Gruppe von Krankheiten die man früher perniciöses Wundfieber,
purulente Infection, putride Infection, Septicämie, Pyämie nannte
oder auch, als sich die Ansicht geltend machte, dass verschiedene
ähnliche Krankheiten hierhin gehören, unter dem Ausdruck py¬
ämische oder septicämische Processe zusammenfasste.
Streng genommen müsste man dazu alle diejenigen Krank¬
heiten rechnen, welche eine Folge von Verwundungen, selbst der
kleinsten, z. B. Stichen einer Impfnadel sind und deren An¬
steckungsfähigkeit durch klinische Beobachtung oder durch das
Experiment mit Sicherheit erwiesen ist. Beispielsweise würden
also die geimpften Kuhpocken, Milzbrand, Rotz, die Hundswuth,
selbst die Syphilis zu den Wundinfectionskrankheiten gezählt wer¬
den müssen. So weit dehnt man diese Bezeichnung jedoch nicht
aus und lässt sie gewöhnlich nur für die den Chirurgen speciell
interessirenden Krankheitsprocesse, welche Verletzungen und Ope¬
rationswunden zu compliciren pflegen, also für Septicämie, Pyämie,
progressive Eiterung oder Phlegmone und Erysipelas gelten. In
neuerer Zeit ist man immer mehr zu der Ueberzeugung gekom¬
men, dass auch das Puerperalfieber als eine von der Placentar¬
wundstelle oder von Verletzungen der Geburtswege ausgehende
infectiöse Wundkrankheit anzusehen ist. Ferner wird von den
meisten Autoren die Diphtheritis, weil sie sich gelegentlich zu
Verletzungen gesellt und ihre Uebertragbarkeit durch Impfungen
vielfach erwiesen ist, hierher gerechnet.
Bei den Erörterungen, welche ich dem experimentellen Theil
dieser Arbeit vorauszuschicken habe, werde ich mich gleichfalls
auf die zuletzt genannten Krankheitsprocesse beschränken, im
zweiten Abschnitte dagegen insofern von der üblichen Abgrenzung
[6]Einleitung. der Wundinfectionskrankheiten abweichen, dass ich auch den Milz¬
brand wegen seiner vielfachen Beziehungen zu der experimentell
bei Thieren erzeugten Septicämie berücksichtigen werde.
Die Ausdrücke Pyämie sowohl als auch Septicämie werden
vielfach in verschiedenem Sinne gebraucht und es ist deswegen
nothwendig, dasjenige, was ich mit diesen allgemein gebräuch¬
lichen Namen bezeichnen werde, zu präcisiren.
Lange Zeit unterschied man die Pyämie von der Septicämie
dadurch, dass bei der ersteren Metastasen vorkommen und bei
der letzteren fehlen. Als man aber darauf aufmerksam wurde,
dass auch in solchen Fällen, die man früher als zur Septicämie
gehörig bezeichnet hatte, vereinzelte mikroskopische Metastasen
nicht selten gefunden werden und deswegen eine sichere Unter¬
scheidung der beiden Processe nicht möglich ist, haben einige
Autoren es vorgezogen, die durch Aufnahme des gelösten putriden
Giftes veranlasste Krankheit Septicämie, alle übrigen, namentlich
die mit der Entwicklung von Mikroorganismen verbundenen Krank¬
heitsprocesse pyämische Processe zu nennen.
In diesem Sinne unterscheidet beispielsweise Birch-Hirsch¬
feld1) Pyämie und Septicämie. Er versteht unter Septicämie
eine Krankheit hervorgerufen durch Blutveränderungen, die eine
Folge der Aufnahme von Fäulnissproducten sind. Die Pyämie
charakterisirt er dagegen „als eine wahrscheinlich durch specifische
Organismen hervorgerufene und von der fauligen Infection unter¬
schiedene Allgemeininfection, welche von Wundflächen oder den
Herden primärer eiteriger Entzündung ausgeht.“ Auch Cohn¬
heim2) identificirt die Septicämie mit der putriden Intoxication
und leitet sie von dem Hineingelangen eines gelösten exquisit
putriden Giftes in die Säftemasse des Körpers ab. Davaine da¬
gegen, dessen Arbeiten ich später mehrfach zu erwähnen habe,
hält sich an die ältere Unterscheidung von Pyämie und Septi¬
cämie und rechnet zu letzterer alle die Fälle, bei denen die
Leichenuntersuchung keine Metastasen nachweist, obwohl er die
Mitwirkung specifischer Organismen auch für diese Fälle für er¬
wiesen hält.
Die Namen Pyämie und Septicämie entsprechen beide nicht
mehr dem, was man ursprünglich damit bezeichnet hat; denn die
[7]Einleitung. Pyämie entsteht nicht, wie man es früher glaubte, durch Ein¬
dringen von Eiter in die Blutgefässe und die Septicämie ist keine
Fäulniss des lebenden Blutes. Es sind schliesslich nur noch
Sammelnamen geblieben für eine Anzahl von Symptomen, welche
höchst wahrscheinlich einer Reihe von verschiedenen Krankheiten
angehören. So lange diese nicht genügend von einander geson¬
dert sind, ist es wohl das zweckmässigste, diese Namen vorläufig
in der allgemein gebräuchlich gewordenen Weise gelten zu lassen,
um nicht immer wieder in kurzen Zeiträumen zu neuen Definitio¬
nen gezwungen zu sein.
Aus diesem Grunde werde ich im Nachfolgenden unter der
Bezeichnung Septicämie alle diejenigen Fälle von allgemeiner
Wundinfection zusammenfassen, bei denen keine metastatischen
Veränderungen vorkommen und zur Pyämie die mit Metastasen
verlaufenden rechnen.
Jetziger Stand der Kenntnisse
über die Beziehungen der Mikroorganismen
zu den Wundinfectionskrankheiten.
1. Das Vorkommen der Mikroorganismen im erkrankten
menschlichen Körper.
Die erste Mittheilung über das Vorkommen von Bakterien in
den Organen der an Wundinfectionskrankheiten Gestorbenen machte
Rindfleisch im Jahre 1866.1) In kleinen, stecknadelkopfgrossen
Erweichungsherden, welche gelegentlich bei Pyämie, puerperalen
und ähnlichen Infectionen und dann immer in grösserer Anzahl
im Herzfleisch gefunden werden und die ursprünglich grauweisse
Stellen im Muskelfleisch, später mit dünnflüssigem Brei gefüllte
Höhlen bilden, besteht dieser Inhalt, wie Rindfleisch nachge¬
wiesen hat, nicht aus Eiterkörperchen, sondern allein aus „Vibrio¬
nen“. Dieselben liegen dicht gedrängt anfangs zwischen den Mus¬
kelbündeln, dann dringen sie unter gleichzeitiger Auflösung der
Muskelfaser in das Innere derselben ein. Weiter als bis zur Bil¬
dung kleiner abscessähnlicher Erweichungsherde konnte Rind¬
fleisch die Veränderungen nicht verfolgen, weil die ganze Affec¬
tion nur bei den heftigsten, rasch tödtlich endigenden Formen
jener Infectionskrankheiten vorkommt. Eine Beschreibung der von
ihm Vibrionen genannten Organismen, insbesondere ob sie stäb¬
chen- oder kugelförmig und wie gross sie waren, hat Rindfleisch
nicht gegeben.
Dass die Entwicklung der auch in anderen Organen vorkom¬
menden miliaren Eiterherde, wie sie bei Typhus, Pyämie u. s. w.
[9]1. Das Vorkommen der Mikroorganismen im erkrankten menschl. Körper. gefunden werden, durch parasitäre Organismen, nämlich Bakterien
bedingt wird, haben fast gleichzeitig v. Recklinghausen und
Waldeyer nachgewiesen. v. Recklinghausen1) bezeichnet die
in den kleinsten Nierenvenen, Glomeruli, Harnkanälchen, Lungen¬
alveolen gefundenen Organismen als Mikrokokken, die durch ihr
gleichmässiges Korn und Unveränderlichkeit in Glycerin, Essig¬
säure, Natronlauge u. s. w. von Detritus zu unterscheiden sind.
Ausserdem macht er auf die bräunliche Farbe im Centrum des
Herdes aufmerksam, sowie dass die Harnkanälchen und Gefässe
in denen die Mikrokokken lagen, stark knotig aufgetrieben waren.
Waldeyer bestätigte die Angabe von Rindfleisch über das
Auftreten zahlreicher miliarer Bakterienherde im Herzmuskel Py¬
ämischer und fand ausserdem Bakterien in kleinen abscessähn¬
lichen Herden in den Nieren.
Diese ersten Beobachtungen lenkten die Aufmerksamkeit auf
die bis dahin übersehenen oder nicht beachteten Bakterien in den
metastatischen Herden Pyämischer. Sie wurden durch vielfache
ähnliche Befunde bestätigt und erweitert, und es kann als eine
feststehende Thatsache betrachtet werden, dass in den meisten
Fällen von pyämischen Metastasen bei einer einigermaassen sorg¬
fältigen Untersuchung Bakterien in Form der sogenannten Zooglöa
aufzufinden sind. Etwas wesentlich Neues ist indessen zu den
ursprünglichen Beobachtungen von Rindfleisch, v. Reckling¬
hausen und Waldeyer durch spätere Untersuchungen mit Aus¬
nahme einiger gleich zu erwähnender nicht hinzugefügt und es ist
deswegen unnöthig die zahlreichen hierher gehörigen Angaben
speciell anzuführen.
Erwähnenswerth ist, dass P. Vogt2) im metastatischen Eiter¬
herd eines Pyämischen schon während des Lebens bewegliche
„Monaden“ gesehen bat. Sehr nahe liegend war es, den Wund¬
eiter einer Untersuchung zu unterwerfen, um zu erfahren ob die
in den metastatischen Herden gefundenen Bakterien sich im Eiter
der inficirten Wunden ansammeln und von da aus in die Gewebe
eindringen. Derartige umfassende Untersuchungen sind von Birch-
Hirschfeld3) angestellt. Er kam zu dem Resultat, dass die
[10]Jetziger Stand u. s. w. der Mikroorganismen zu den Wundinfectionskrankh. schlechte Beschaffenheit einer Wunde im Verhältniss zur Menge
der Kugelbakterien im Wundeiter steht. Je reichlicher dieselben
auftraten, um so mehr verschlechterte sich der Zustand der Wunde
und das Allgemeinbefinden des Kranken. Die ungünstigsten Fälle
waren die, bei welchen die Kugelbakterien sich in Colonieform
(Zooglöa) verbunden hatten. Mit der Zunahme der Kugelbakte¬
rien konnte auch regelmässig ihr Eindringen in die Eiterkörper¬
chen beobachtet werden. Birch-Hirschfeld untersuchte gleich¬
zeitig das Blut Pyämischer und fand die wichtige Thatsache, dass
dasselbe Bakterien enthält und dass die Schwere und der rasche
Verlauf der Allgemeininfection der Menge von Bakterien entspricht,
welche im Blute nachzuweisen sind.
Der Weg, auf dem die Bakterien in die metastatischen Herde
gelangen, wäre damit ziemlich genau bezeichnet. Nur die Art
und Weise, wie sie von der Wundoberfläche in die Blutbahn
kommen, würde noch nicht bekannt sein. Diese Lücke füllen
die Untersuchungen von Klebs aus. Aber nicht allein dieses
Umstandes wegen muss die Arbeit von Klebs1) hier erwähnt
werden, sondern weil sie die eingehendsten und zahlreichsten Be¬
obachtungen über die Bakterien der Wundkrankheiten bietet und
weil durch dieselbe zum ersten Mal der Versuch gemacht ist, mit
Hülfe eines reichhaltigen und vortrefflich benutzten Beobachtungs¬
materials den ursächlichen Zusammenhang zwischen Bakterien und
Wundinfectionskrankheiten zu beweisen. Klebs bezeichnet die im
Wundeiter vorkommenden Bakterien, indem er von der Ansicht
ausgeht, dass kugel- und stäbchenförmige Bakterien in genetischem
Zusammenhange stehen und auch die im Eiter gewöhnlich neben
einander gefundenen Mikrokokken und Stäbchenbakterien zusam¬
mengehören, als Microsporon septicum. Die Wucherungen dieses
Microsporon septicum in Form von auf der Wundfläche festsitzen¬
den Zooglöamassen wurden auf Granulationen, Gelenkflächen und
serösen Häuten von Klebs beobachtet. Er konnte dann weiter
das Eindringen der Zooglöa in die Spalten des Bindegewebes ver¬
folgen. Dasselbe geschieht entweder mit oder ohne Hülfe der
wandernden Lymphzellen. Die Verschleppung des Mikrosporon
auf dem Wege der Lymphbahnen liess sich nicht mit voller Sicher¬
heit verfolgen, dagegen wurde das Eindringen desselben durch
die arrodirte Wandung einer Vene in die Blutbahn in einem Falle
[11]1. Das Vorkommen der Mikroorganismen im erkrankten menschl. Körper.beobachtet. Weiter wurden die Elemente des Mikrosporon von
Klebs in den Thromben, welche sich hinter den Venenklappen
entwickeln, in den metastatischen Herden der Lunge und der
Leber nachgewiesen.
So zahlreich und bedeutungsvoll die Thatsachen sind, die bis
jetzt über die Abhängigkeit der Pyämie von der Entwicklung der
Bakterien in den erkrankten Körpertheilen gesammelt wurden, so
spärlich und unsicher sind die Angaben über das Vorkommen von
Bakterien bei Septicämie.
Coze und Feltz sowohl als Hueter1) wollten die septi¬
cämischen Erkrankungen häufig gesehene stachelförmige Gestalt¬
veränderung der rothen Blutkörperchen auf das Ankleben und
Eindringen von Bakterien zurückführen; eine Beobachtung die viel¬
fach und wohl mit Recht angezweifelt ist.
Ausser dieser habe ich nur noch eine Angabe von Collmann
von Schatteburg2) über Bakterien im septikämischen Blute
auffinden können. Derselbe sah in einem Falle von Septicämie
Stäbchen im Körperblut und in den Gefässschlingen der Glo¬
meruli.
Erheblich reichhaltigeres Material liegt über Erysipelas vor.
Nepveu3) fand im Blute Erysipelatöser Mikrokokken und zwar
reichlicher in den Blutproben, die aus den von dem Erysipel er¬
griffenen Hautpartien stammten.
Dieselbe Erfahrung machte Wilde4), der ausserdem angibt,
dass auch der Eiter solcher Wunden, von welchen erysipelatöse
Entzündung ausgeht, reichlich Mikrokokken enthält. Von Orth5)
wurden dann Mikrokokken im Inhalt der Erysipelasblasen nach¬
gewiesen.
Besonders wichtig ist die Entdeckung von v. Recklinghausen
und Lukomsky6), dass die Lymphgefässe und Saftkanäle der Haut
an der Grenze der erysipelatösen Affection mit Mikrokokken ge¬
füllt sind.
Bestätigt wurde diese Beobachtung von Billroth und Ehr¬
[12]Jetziger Stand u.s.w. der Mikroorganismen zu den Wundinfectionskrankh.lich1), die ebenfalls Mikrokokken aber nicht nur in den Lymph-,
sondern auch in den Blutgefässen auffanden.
Ferner sind Mikrokokken in erysipelatöser Haut von Till¬
manns2) gesehen, sowie von Letzerich3) bei Impferysipel in
den Impfwunden, in den Blutgefässen, Muskeln, Leber, Milz und
Nieren.
In Bezug auf phlegmonöse Eiterungen haben sich die Unter¬
suchungen anscheinend nur auf den Inhalt der Abscesse beschränkt,
während die Wandungen der letzteren, d. h. das angrenzende Ge¬
webe, das wie später gezeigt werden soll, der eigentliche Sitz
der Bakterienwucherungen ist, bis jetzt keine Berücksichtigung
gefunden hat. In dem Abscesseiter hat man ebenso wie im ge¬
wöhnlichen Wundeiter vielfach Bakterien und zwar fast immer
Mikrokokken gefunden. Einer besonderen Aufzählung der darüber
gemachten Angaben bedarf es deswegen nicht.
Der Hospitalbrand unterscheidet sich von der Diphtheritis der
Schleimhäute so wenig, dass die über letztere gemachten Beob¬
achtungen auch für ersteren gelten können.
Nach Cohnheim4) setzt sich bei Tracheotomien zuweilen der
Infectionsprocess von der Schleimhaut auf die Operationswunde
fort. Aber auch ohne augenfällige Infection werden Wunden
öfters diphtheritisch und nach Cohnheim's Meinung ist es des¬
wegen sehr wahrscheinlich, dass der Hospitalbrand weiter nichts
als eine Diphtherie der Wundflächen ist.
Hueter5) fand auch in den grauen diphtheritischen Belägen
von Wunden und bei genauerer Untersuchung in den angrenzenden
anscheinend noch ganz gesunden Geweben dieselben kleinen, run¬
den, dunkel contourirten Körperchen, die er später in den Pseudo¬
membranen bei Diphtheritis des Larynx und Pharynx sah.
Durch die Arbeiten von Oertel, Nassiloff, Classen, Letze¬
rich, Klebs, Eberth6) ist es wohl ausser Zweifel gestellt, dass
in den diphtheritischen Auflagerungen grosse Mengen von Mikro¬
kokken vorhanden sind. Darüber jedoch, ob die Bakterien in
die Gewebe eindringen, lauten die Angaben noch widersprechend.
[13]1. Das Vorkommen der Mikroorganismen im erkrankten menschl. Körper.
Oertel1) fand indessen die entzündete Schleimhaut vollge¬
pfropft mit Mikrokokken und konnte sie ausserdem in den zu¬
führenden Lymphgefässen der nächstgelegenen Lymphdrüsen, in
den Drüsen selbst, sowie in den Blutgefässen der Nieren und an¬
derer innerer Organe nachweisen.
Dieselbe Beobachtung wurde von Eberth, Nassiloff und
Letzerich gemacht.
Später ist es noch wiederholt bestätigt2), dass bei Diphtheritis
kleine Bakterienherde im Herzfleisch, in der Leber, den Nieren
und andern Organen sich finden.
Von verschiedenen Beobachtern3), namentlich denjenigen,
welche die Diphtheritis auf die Kaninchencornea überimpften, wird
die bräunliche Färbung der Mikrokokkenmassen erwähnt.
Vergleicht man das Verhalten der Bakterien bei Diphtheritis
und bei Pyämie, dann fällt sofort eine merkwürdige Ueberein¬
stimmung auf. Bei beiden Krankheitsprocessen sind die Wund¬
flächen mit Mikrokokken-Anhäufungen bedeckt, die in die tieferen
Gewebsschichten und Lymphgefässe hineinwuchern, bei beiden
finden sich die eigenthümlichen miliaren Bakterienherde im Herz¬
fleisch, Leber, Nieren und zeigen diese Bakterienhaufen eine bräun¬
liche Farbe. Unwillkürlich drängt sich bei diesem Ergebniss die
Frage auf, ob nicht die parasitischen Mikroorganismen der Pyämie
und der Diphtheritis identisch sind?
Dieselbe Erscheinung wiederholt sich beim Puerperalfieber,
bei welcher Krankheit Waldeyer4) Kugelbakterien in den er¬
krankten Geweben, in den Lymphgefässen und im peritonitischen
Exsudat, ferner Birch-Hirschfeld5) Mikrokokkenmassen auf Va¬
ginalgeschwüren[,] im perivaginalen Zellgewebe, im Blute, in der
Milz und Leber aufgefunden haben. In den Nieren, Lungen und
im Herzmuskel wurden die Mikrokokken von Heiberg und Orth6)
nachgewiesen und es erwähnt letzterer die graugelbliche Farbe
der in den knotig aufgetriebenen Harnkanälchen liegenden Mikro¬
kokken.
Als zum Puerperalfieber wahrscheinlich in naher Beziehung
[14]Jetziger Stand u. s. w. der Mikroorganismen zu den Wundinfectionskrankh. stehend sei hier noch die zuerst von Orth1) als Mycosis septica
bezeichnete und beschriebene Affection der Neugebornen erwähnt,
bei der Mikrokokken im Blute, in der Pleurahöhle und in der
Harnblase in einem Falle beobachtet wurden.
Auch die sogenannte Nabelmykose der Neugebornen scheint
hierher zu gehören. Weigert2) beschreibt einen derartigen Fall
und berichtet, dass das Nabelgeschwür mit Mikrokokken bedeckt
war und dass ausserdem Mikrokokkenhaufen im Centrum von
kleinen Blutherden der Lungen und Nieren lagen.
Einen analogen Fall hat Hennig3) untersucht und ist zu dem¬
selben Resultat gekommen.
Weniger aufgeklärt scheint die höchst interessante Beobach¬
tung über das Auftreten von Bakterien bei Endocarditis zu sein.
Sämmtliche Forscher, die sich mit der Aufgabe, Bakterien in
pathologischen Objekten aufzusuchen beschäftigt haben, stimmen
darin überein, dass dies mit ganz ausserordentlichen, oft selbst
unüberwindlichen Schwierigkeiten verknüpft ist. Um die daraus
resultirende Unsicherheit des anatomischen Nachweises der Bak¬
terien durch andere beweisende Thatsachen auszugleichen, hat
man in den meisten Fällen das pathologische Experiment zu Hülfe
genommen und um einen vollständigen Ueberblick über das that¬
sächliche die Beziehungen der Bakterien zu den Wundinfections¬
krankheiten betreffende Material zu erhalten, bedarf es noch einer
kurzen Zusammenstellung der Ergebnisse der experimentellen Un¬
tersuchungen über Wundinfectionskrankheiten.
2. Experimentell nachgewiesene Beziehungen der Mikroorganismen
zu den Wundinfectionskrankheiten.
Die Erfahrung hatte gelehrt, dass mit dem Auftreten der
Wundinfectionskrankheiten die Wundsecretion und die Gewebssäfte
eine faulige Beschaffenheit annehmen. Oft stellte sich die Ver¬
änderung der Wunden schon vor dem bemerkbaren Ausbruch der
Krankheit ein und man schloss hieraus, dass die Fäulniss des
Wundsecretes die Ursache der Wundkrankheit sei. Von anderer
Seite wurde die Richtigkeit dieser Schlussfolgerung bestritten und
dagegen behauptet, dass innere Ursachen die Wundinfectionskrank¬
[15]2. Experim. nachgewiesene Beziehungen d. Mikroorganismen z. d. Wundinf. heiten hervorrufen und dass die Verschlechterung der Wunde etwas
Secundäres ist. Zur Entscheidung dieses Streites sind zahllose
Experimente vorgenommen. Aber die Experimentatoren beschränk¬
ten sich lange Zeit darauf, überhaupt den schädlichen Einfluss der
in das Blut oder das subcutane Gewebe gespritzten fauligen Sub¬
stanzen an Thieren zu erforschen und die in den Faulflüssigkeiten
enthaltene giftige Substanz zu isoliren. Ob die Krankheit, welche
sie durch die Einspritzung der giftigen Flüssigkeit hervorriefen,
in der That nur eine einfache Vergiftung war oder ob sie auch
wirklich die infectiösen Eigenschaften besass, wie die beim Men¬
schen beobachteten Krankheiten, darum haben sich die älteren
Experimentatoren und auch die meisten neueren gar nicht geküm¬
mert. Es genügte, am Thier durch Einspritzung einer Faulflüssig¬
keit eine der menschlichen Infectionskrankheit einigermaassen
durch Symptome und Leichenerscheinungen gleichende Krankheit
zu erzeugen, um beide sofort zu identificiren und aus diesem
Experiment weitgehende Schlüsse über Infectionskrankheiten zu
ziehen. Wenn derartige Experimente für oder gegen Infections¬
krankheiten etwas beweisen sollen, muss vor allen Dingen durch
weitere Uebertragung der Krankheit von einem Thier aufs andere
die Sicherheit gegeben werden, dass die experimentell erzeugte
Krankheit ebenfalls eine unzweifelhafte Infectionskrankheit war.
Da wir es hier nur mit Infectionskrankheiten zu thun haben,
so müssen alle die Untersuchungen, welche sich nur mit den
toxischen Eigenschaften der putriden Stoffe beschäftigt haben und
ebenfalls diejenigen, bei denen die Möglichkeit einer Verwechs¬
lung zwischen Intoxication und Infection nicht ausgeschlossen ist,
unberücksichtigt bleiben.
Der erste Versuch, künstliche Wundinfectionskrankheiten bei
Thieren hervorzurufen ist von Coze und Feltz1) angestellt. Diese
Forscher spritzten einige Gramm Blut von an putrider Vergiftung
und Puerperalfieber Verstorbenen in das subcutane Bindegewebe
von Kaninchen. In Folge dessen starben die Thiere unter be¬
stimmten charakteristischen Symptomen. Von dem Blute der in
dieser Weise getödteten Kaninchen wurde eine weit kleinere Menge
anderen Kaninchen ebenfalls subcutan injicirt und dieselben Krank¬
heitserscheinungen und tödtlicher Ausgang wie mit dem ursprüng¬
lichen putriden Blute bewirkt. Coze und Feltz setzten diese
[16]Jetziger Stand u. s. w. der Mikroorganismen zu den Wundinfectionskrankh.Uebertragung von Blut eines an putrider Infection gestorbenen
Thieres auf ein gesundes in immer kleineren Quantitäten fort und
es gelang ihnen, die Infection schliesslich mit sehr geringen Blut¬
mengen zu bewerkstelligen. Dies veranlasste sie, eine Steigerung
in der Virulenz dieses Blutes durch die fortgesetzte Impfung an¬
zunehmen. Im Blute der an putrider Infection gestorbenen Thiere
fanden sie Bakterien in grosser Zahl und zwar geben sie an,
gleichzeitig Ketten von kleinen Pünktchen gebildet, Stäbchen und
lange oscillirende und wurmförmig sich bewegende Fäden gesehen
zu haben.
Die Entdeckung von der steigenden Virulenz der successive
verimpften putriden Infection bei Thieren erregte das lebhafteste
Interesse.
Die Coze und Feltz'schen Experimente wurden von Clementi
und Thin, von Behier und Lionville1) wiederholt und bestätigt.
Auch diese überzeugten sich, dass zur ersten Infection eine ver¬
hältnissmässig grosse und zu der folgenden Infection ausserordent¬
lich geringe Mengen des inficirenden Stoffes, sei es Blut, Perito¬
nealflüssigkeit oder dergleichen, erforderlich ist und dass im Blute
der durch die Infection getödteten Thiere zahlreiche Bakterien
sich befinden.
Zu gleichen Resultaten kamen noch Colin, Vulpian, Ray¬
naud und Andere.2)
Am eingehendsten hat sich mit diesem Verhältnisse Davaine3)
beschäftigt, welcher die Infection durch eine Reihe von 25 Thieren
successive durchführte und zu der letzten wirksamen Uebertragung
des putriden Infectionsstoffes nur noch einen Trilliontheil eines
Bluttropfens anwandte. Auch Davaine sah im Blute dieser Thiere
Bakterien, die sich durch ihre Beweglichkeit von den unbeweg¬
lichen, von ihm deswegen Bakteridien genannten, Milzbrandbak¬
terien unterscheiden.
Obwohl die verschiedensten Flüssigkeiten bei diesen Ver¬
suchen zur ersten Infection benutzt wurden, nämlich faulendes
Blut, Blut von Pyämischen, Puerperalkranken, Scharlach-, Variola-
und Typhuskranken, so blieben die damit erzielten Wirkungen
[17]2. Experim. nachgewiesene Beziehungen d. Mikroorganismen z. d. Wundinf. immer die nämlichen und die Leichenuntersuchung der Thiere er¬
gab immer als Resultat: Milzanschwellung, keine Metastasen, Bak¬
terien im Blut. Davaine bezeichnet diese Krankheit deswegen
als Septicämie.
Von anderen Wundinfectionskrankheiten hat man Diphtheritis
und Erysipelas künstlich an Thieren erzeugt.
Die Versuche mit Uebertragung von Erysipelas sind von Orth1)
angestellt. Er injicirte den Inhalt einer Erysipelblase, der zahl¬
reiche Kugelbakterien enthielt unter die Haut eines Kaninchens.
Es entstand eine dem menschlichen Erysipelas vollkommen analoge
Entzündung und durch Application der Oedemflüssigkeit aus dem
subcutanen Gewebe dieses Thieres bei einem zweiten Kaninchen
wurde die charakteristisch verlaufende Entzündung auch auf dieses
letztere übertragen. Im subcutanen Oedem und in den afficirten
Hautstellen der an künstlichem Erysipelas erkrankten Thiere wies
Orth ebenfalls Bakterien in grosser Menge nach.
Auch Lukomsky (l. c.) hat an Kaninchen mit Erysipelflüssig¬
keit und Faulflüssigkeiten experimentirt, um Erysipelas künstlich
hervorzurufen. Er erhielt indessen bei seinen Versuchsthieren aus¬
gedehnte, stark phlegmonöse Unterhautgewebsentzündungen mit
bedeutender Betheiligung der Cutis. Aber auch in seinen Fällen
fanden sich in den Saftkanälen und Lymphgefässen Mikrokokken.
Die Uebertragbarkeit des diphtheritischen Krankheitsprocesses
auf Kaninchen ist durch Hueter, Tommasi, Oertel, Letzerich
(l. c.) festgestellt, sowie dass bei der künstlichen Diphtheritis die¬
selben Mikrokokken und in derselben Weise auftreten, wie bei
der klinisch beobachteten Diphtheritis.
Die Untersuchungen über Diphtheritis führten zu einem ausser¬
ordentlich wichtigen und für das Studium der pathogenen Bakte¬
rien lehrreichen Versuch, nämlich die durchsichtige Hornhaut des
Kaninchens als Impfstelle zu benutzen.
Nassiloff2) und Eberth3) führten diese Hornhautimpfungen
zuerst aus. Anfangs wurden [nur] diphtheritische Substanzen ge¬
impft, aber bald erkannte man, dass sich die verschiedensten
putriden Stoffe, Entzündungsproducte und dergleichen in gleicher
Weise auf die Cornea übertragen lassen.
Koch, Wundinfectionskrankheiten. 2[18]Jetziger Stand u. s. w. der Mikroorganismen zu den Wundinfectionskrankh.
Von Leber, Stromeyer, Dolschenkow, Orth und in beson¬
ders umfangreicher Weise von Frisch1) sind diese Versuche an¬
gestellt und in mannigfacher Weise modificirt.
Bei einer derartigen erfolgreichen Impfung bildet sich eine
eigenthümliche, mit konischen Ausläufern versehene, sternartige
Figur, die sogenannte Pilzfigur, deren Mittelpunkt vom Impfstich
gebildet wird. Die diese Figur zusammensetzenden Massen sind
bei Diphtheritisimpfungen dichte Haufen von Mikrokokken, welche
ebenso wie die Mikrokokken der pyämischen und diphtheritischen
miliaren Herde im Herzmuskel und in den Nieren eine gelbbraune
oder graubraune Farbe besitzen. Durch Impfung von Faulflüssig¬
keiten wurden auch Pilzfiguren erhalten, die aus stäbchenförmigen
Bakterien bestanden. Frisch2) impfte ferner die Hornhaut leben¬
der Kaninchen mit Milzbrandsubstanzen und beobachtete die Ent¬
wicklung ausgezeichneter Pilzfiguren, die nur aus Milzbrandbacillen
bestanden.
In allen diesen Versuchen standen die an der Cornea beobach¬
teten Reactions- und Entzündungserscheinungen in genauem Ver¬
hältniss zur Entwicklung und Ausbreitung der Bakterien. Eberth3)
fand das Zusammentreffen der Bakterien und der Impfdiphtheritis
der Hornhaut so constant, dass er geradezu sagt: Ohne diese
Pilze (d. i. Bakterien) keine Diphtheritis.
Eine eigenthümliche und vielversprechende Methode, um die
Entstehung der Infectionskrankheiten durch ein Contagium anima¬
tum zu beweisen, ist von Klebs4) befolgt. Er brachte Flüssigkeiten
und andere Substanzen, die an infectiösen Krankheiten Leidenden
oder Verstorbenen entnommen waren, in gut isolirte mit Nährflüssig¬
keiten beschickte Culturapparate. Nachdem eine Entwicklung von
Organismen in der Nährflüssigkeit stattgefunden hatte, wurde von
dieser eine kleine Menge genommen und in einen zweiten Cultur¬
apparat mi Nährflüssigkeit gebracht. Mit der Flüssigkeit des
zweiten wurde dann ein dritter inficirt und so fort durch eine
genügend lange Reihe, um annehmen zu können, dass von der
ursprünglich angewandten Infectionssubstanz ein verschwindend
[19]3. Einwendungen gegen die Beweiskraft dieser Thatsachen. kleiner Theil oder gar nichts mehr in der letzten Nährflüssigkeit
vorhanden sein kann. Die so vom ursprünglichen Infectionsstoff
gewissermaassen befreiten Flüssigkeiten wurden auf Thiere über¬
tragen. Klebs1) hat dieses Verfahren, das er als fractionirte
Cultur bezeichnet, ausser mit Material von verschiedenen anderen
Krankheiten, namentlich mit solchem von diphtheritischen und
septischen Processen angewandt. Die durch fractionirte Cultur
erhaltenen Flüssigkeiten brachten auf Thiere applicirt wieder Sep¬
ticämie und Diphtheritis hervor; ausserdem fand Klebs sowohl
in den Culturflüssigkeiten, als auch in den inficirten Thieren die
charakteristischen Mikrokokken.
In ähnlicher Weise hat Orth2) in Culturflüssigkeit die Bak¬
terien aus einer Erysipelasblase gezüchtet und durch die Injection
dieser Flüssigkeit wieder Erysipel bei Kaninchen erzeugt.
3. Einwendungen gegen die Beweiskraft dieser Thatsachen.
Das in den beiden vorhergehenden Abschnitten zusammen¬
gestellte thatsächliche Material hat, wie nicht zu leugnen ist, schon
einen ansehnlichen Umfang gewonnen. Manchen genügt dasselbe
schon, um unter Zuhülfenahme theoretischer Gründe und unter
dem Eindruck der eminenten Erfolge der antiseptischen Behand¬
lungsmethoden den Beweis für das Vorhandensein belebter Infec¬
tionsstoffe, ganz besonders auch für die Wundinfectionskrankheiten
anzunehmen. Andererseits hat man gegen diese Annahme ver¬
schiedene und, wie theilweise zugegeben werden muss, berechtigte
Bedenken geltend gemacht, deren kurze Besprechung erforderlich
ist, um ein Urtheil über die Bedeutung der Bakterien für die
Wundinfectionskrankheiten gewinnen zu können.
Eine nicht geringe Anzahl von Forschern hat die Behauptung
aufgestellt, dass das normale Blut und Gewebe des Menschen und
der Versuchsthiere schon Mikroorganismen enthalte und dass letz¬
tere nicht die Krankheit, sondern umgekehrt der Krankheitsprocess
eine abnorme Vermehrung dieser Organismen zur Folge habe, weil
dieselben in den krankhaft veränderten Säften des thierischen
Körpers günstigere Existenzbedingungen fänden. Von dieser
2*[20]Jetziger Stand u. s. w. der Mikroorganismen zu den Wundinfectionskrankh. Schlussfolgerung, die bis jetzt noch niemals experimentell be¬
wiesen, sondern aus theoretischen Voraussetzungen abgeleitet wurde,
kann abgesehen werden. Wäre es aber richtig, dass im normalen
Blute Bakterien vorkommen, und wenn später dieselben Bakterien
z. B. Mikrokokken in pathologisch veränderten Organen, sei es
auch in ungewöhnlicher Menge, angetroffen würden, dann müsste
allerdings dadurch der Beweis dafür, dass diese Mikrokokken die
Ursache der Erkrankung seien, ausserordentlich erschwert, viel¬
leicht ganz unmöglich gemacht werden. Sehen wir nun, wie es
mit der Richtigkeit der fraglichen Behauptung steht.
Lostorfer, Nedsvetzki und Béchamp1) entdeckten im nor¬
malen Menschenblut kleine bewegliche Körnchen. Lostorfer
nennt dieselben Mikrokokken und will ihre Weiterentwicklung
bis zu Sarcine verfolgt haben. Nedsvetzki hat diesen Körnchen
den Namen Haemococci gegeben, er hält sie für identisch mit den
von Béchamp beschriebenen Körperchen. Béchamp nun hat in
zahlreichen Aufsätzen seine Ansichten über die von ihm Mikro¬
zymen genannten Körperchen ausgesprochen. Fast in allen thie¬
rischen Flüssigkeiten will er sie gefunden haben und nach Ver¬
suchen, die er mit Estor zusammen anstellte, sollen diese Mikro¬
zymen durch ihre physiologische Thätigkeit die Blutgerinnung,
Käsebildung, Essigsäure- und Alkoholerzeugung bewirken können,
sie sollen bei der Umsetzung der Leberglykose, bei der Entwick¬
lung des Embryo im bebrüteten Hühnerei und bei allen möglichen
anderen Verrichtungen im thierischen Körper thätig sein. Dass
Béchamp seine Mikrozymen mit den Bakterien in innigen Connex
bringt, geht daraus hervor, dass nach ihm im Darm die Mikro¬
zymen unterhalb der Iliocöcalklappe normalerweise in Bakterien
sich verwandeln; an kranken Stellen des Dünndarms aber, z. B.
wo ein Bandwurm sitzt, da entwickeln sich sofort Bakterien aus
den Mikrozymen.
Ferner haben ihrer Meinung nach noch J. Lüders, Bettel¬
heim und Richardson5), dann Kolaczek Letzerich2) Bak¬
terien im normalen menschlichen Blut gesehen.
Auf indirectem Wege suchten Tiege3)Billroth4) den
[21]3. Einwendungen gegen die Beweiskraft dieser Thatsachen. Beweis für das Vorhandensein von Bakterien in normalen thieri¬
schen Geweben zu führen. Sie brachten unter gewissen Cautelen
frische Stücke von Muskeln, Leber u.s.w. in geschmolzenes Pa¬
raffin, schlossen diese Objecte also luftdicht ein und untersuchten
sie nach einiger Zeit auf Bakterien. Es fanden sich nun in der
That zahlreiche Bakterien darin und Billroth schliesst daraus
dass in den meisten Geweben des Körpers (vorwiegend wohl im
Blut) entwicklungsfähige Bakterienkeime sich befinden.
Den Versuchen von Billroth und Tiegel hat man vorge¬
worfen, dass der Einschluss in Paraffin nicht gegen das Eindringen
von Bakterien schützt, weil sich, wie gewiss schon Jeder, der
Objecte behufs mikroskopischer Untersuchung in Paraffin einge¬
schmolzen hat, zu beobachten Gelegenheit fand, beim Erkalten
und auch noch später Risse und Spalten im Paraffin bilden.
Als normales Blut von Pasteur1), Burdon-Sanderson2) und
Klebs3) nach einer alle Fehlerquellen ausschliessenden Methode
auf seine Entwicklungsfähigkeit von Fäulnissorganismen geprüft
wurde, fielen die Versuche negativ aus.
Auch den angeblichen unmittelbaren Beobachtungen von Bak¬
terien im normalen Blute stehen die Angaben von zuverlässigen
Mikroskopikern, wie Rindfleisch und Riess gegenüber4) die
bestimmt erklären, dass das normale Blut frei von Bakterien ist,
dagegen, wie Riess nachgewiesen hat, mehr oder weniger reich¬
lich kleine rundliche Körperchen enthält, die höchst wahrschein¬
lich Zerfallsproducte der weissen Blutkörperchen sind und wegen
ihrer Aehnlichkeit mit Mikrokokken zu Verwechslungen mit diesen
Veranlassung gegeben haben.
Nach meinen eigenen Erfahrungen ist die Untersuchung des
Blutes auf etwaigen Gehalt an Bakterien ungemein schwierig,
wenn man nicht die später zu beschreibenden Hülfsmittel, Färbung
und geeignete Beleuchtung gebraucht. Ohne dieselben ist es
meistens unmöglich, mit Sicherheit die von Riess so charakteri¬
stisch beschriebenen Körperchen von Mikrokokken zu unterschei¬
den und ist es mir deswegen wohl erklärlich, dass Mancher, je
nachdem er Bakterien finden oder nicht finden wollte, in einem
[22]Jetziger Stand u. s. w. der Mikroorganismen zu den Wundinfectionskrankh.Falle die körnigen Bestandteile des Blutes für Mikrokokken, im
anderen Falle etwa vorhandene Mikrokokken für die Reste zer¬
fallener weisser Blutkörperchen ansah. Normales Blut und nor¬
male Gewebe habe ich nun mit Hülfsmitteln, die das Uebersehen
von Bakterien und ihre Verwechslung mit gleich grossen körnigen
Massen nicht zulassen, vielfach untersucht und dabei nicht ein
einziges Mal Bakterien gefunden. Ich habe deswegen gleichfalls
die Ueberzeugung gewonnen, dass die Bakterien im Blut und in
den Geweben des gefunden thierischen sowohl als menschlichen Or¬
ganismus nicht vorkommen.
Dagegen scheinen mir folgende Einwendungen gegen die An¬
nahme, dass die Bakterien die Ursache der Wundinfectionskrank¬
heiten sind, berechtigt zu sein. Es muss, um einen vollgültigen
Beweis für diese Annahme zu gewinnen, verlangt werden, dass
die Bakterien ausnahmslos und in derartigen Verhältnissen betreffs
ihrer Menge und Vertheilung, nachgewiesen werden, dass die Sym¬
ptome der betreffenden Krankheit ihre vollständige Erklärung finden.
Denn wenn in einigen Fällen einer bestimmten Art von Wund¬
infectionskrankheiten Bakterien gefunden werden, in anderen
ebenso beschaffenen aber nicht, und wenn ferner die Bakterien
in so geringer Anzahl vorhanden sind, dass dadurch unmöglich
eine schwere Krankheit oder gar das tödtliche Ende bewirkt sein
kann, dann bleibt selbstverständlich nichts übrig, als das unbe¬
ständige Auftreten der Bakterien als ein vom Zufall abhängiges
und die geringe Menge derselben als einzige Ursache der betreffen¬
den Krankheit nicht ausreichend, also noch andere Ursachen da¬
neben anzunehmen. Diesen Anforderungen zu einem vollgültigen
Beweis entsprechen nun aber in der That die über das Vorkom¬
men der Bakterien bei Wundinfectionskrankheiten gemachten Be¬
obachtungen nicht.
Wegen der schon früher hervorgehobenen Schwierigkeit des
Nachweises von Bakterien im Blut und namentlich in den Geweben
sind viele der oben citirten Angaben auf erhebliche Zweifel ge¬
stossen, ob immer mit Recht, das muss dahingestellt bleiben; denn
die frühere Untersuchungsmethode ist eben in den meisten Fällen
ein Tappen im Finstern und die Resultate derselben konnten nur
sehr zweifelhaft ausfallen.
Aber auch abgesehen von dem unsicheren Ergebniss mancher
mühevollen Arbeit über die Bakterien der Wundinfectionskrank¬
heiten bringt die Literatur eine Menge von Angaben über das
[23]3. Einwendungen gegen die Beweiskraft dieser Thatsachen. vollständige Fehlen der Bakterien bei ganz unzweifelhaften Wund¬
infectionskrankheiten. Es würde keinen Zweck haben, alle ne¬
gativen Befunde hier aufzuzählen, da sie noch weit mehr als die
positiven einen bedingten Werth haben. Nur einige mögen zur
Illustration des Gesagten hier ihren Platz finden.
Birch-Hirschfeld1) sagt, dass negative Befunde in Betreff
des Vorkommens von Bakterien namentlich in Fällen fulminanter
Gangrän und putrider Infection keineswegs zu den Seltenheiten
gehören.
Nachdem Orth2) erwähnt hat, dass Mikrokokken im Blute
besonders bei septischen Wundkrankheiten, Puerperalerkrankungen
und Diphtheritis gefunden sind, hebt er ausdrücklich hervor, dass
dieselben durchaus keinen constanten Befund bilden.
Eberth3), der sich von dem häufigen Vorkommen von Bak¬
terien bei septicämischen Krankheitsprocessen überzeugt hatte,
führt die Septicämie keineswegs allein auf eine Infection des
Blutes durch die Bakterien zurück, und zwar aus dem Grunde,
weil er die ausgesprochenste Septicämie auch ohne Bakterien im
Blute auftreten sah.
Weigert4) spricht sich folgendermaassen über das Vorkom¬
men der Bakterien aus: So sicher man auch für einige patholo¬
gische Processe die Erzeugung derselben durch die Einwirkung
der Bakterien annehmen kann, so steht doch auf der anderen
Seite eine bei weitem grössere Reihe krankhafter Vorgänge, die
man aus theoretischen Gründen für mykotische zu halten geneigt
ist, bei denen aber der gewissenhafte Forscher nichts von einer
Einwirkung der Bakterien aufzufinden vermag.
Absichtlich habe ich diese Citate den Schriften solcher Autoren
entnommen, die durch positive Befunde bewiesen haben, dass sie
die bedeutenden Schwierigkeiten beim Auffinden der Bakterien
zu überwinden verstanden, und weil deswegen ihre Angaben über
das häufige Fehlen der Bakterien in Fällen von Wundinfections¬
krankheiten eine besondere Beachtung verdienen.
Der zweite Umstand, der mir bei Beurtheilung der Bakterien¬
frage von wesentlicher Bedeutung zu sein scheint, dass nämlich
fast in allen Fällen, in denen Bakterien gefunden wurden, die
[24]Jetziger Stand u. s. w. der Mikroorganismen zu den Wundinfectionskrankh.Menge derselben eine auffallend geringe war, ist bis jetzt zu wenig
hervorgehoben.
Wir wissen allerdings zur Zeit noch nicht, wie viel Bakterien
dazu gehören, um bei einem Menschen bestimmte Krankheits¬
symptome zu bewirken oder um ein Kilogramm Versuchsthier zu
tödten. Unzweifelhaft bestehen aber derartige ganz bestimmte,
höchstens in Folge von Verschiedenheiten der erkrankten Indivi¬
duen nur innerhalb geringer Grenzen schwankende Verhältnisse
zwischen der Menge der pathogenen Bakterien und ihrer Wirkung,
d. h. den Krankheitssymptomen. Die einzige Krankheit, von der
mit voller Sicherheit behauptet werden kann, dass sie eine Bak¬
terienkrankheit ist, der Milzbrand, gibt uns dafür genügende An¬
haltspunkte. Kleine Thiere sterben schneller nach Impfung mit
Milzbrandblut als grössere und bei Thieren derselben Gattung und
von gleicher Grösse tritt das tödtliche Ende später ein, wenn die
Impfflüssigkeit wenige entwicklungsfähige Sporen oder Bacillen
enthält, als wenn sie reich daran ist. Die Erklärung für diese
Erscheinungen kann doch nur darin gefunden werden, dass zur
Tödtung z. B. eines Schafes mehr Bacillen erforderlich sind als
für eine Maus und dass aus den bei der Impfung ohngefähr in
gleicher Menge bei beiden Thieren eingeführten Bacillen resp.
Sporen die kleinere für die Maus genügende Anzahl Bacillen
schneller als die bedeutende zur Tödtung des Schafes erforder¬
liche heranwächst und dass für Thiere derselben Gattung wieder
aus wenigen Sporen sich die tödtliche Menge von Bacillen später
entwickelt als aus von vornherein gegebenen zahlreichen Sporen.
Weiter lehrt die Milzbrandkrankheit, dass sich eine ungemein
grosse Anzahl von Bacillen im Blute entwickelt haben muss, ehe
der Tod eintritt. Auch der Typhus recurrens, dessen Beziehungen
zu den von Obermeier entdeckten Spirochaeten allerdings noch
nicht hinreichend aufgeklärt sind, der aber wegen des ganz con¬
stanten Auftretens dieser Bakterien in jedem einzelnen Fieberan¬
falle doch mit grösster Wahrscheinlichkeit ebenfalls als eine para¬
sitäre Krankheit anzusehen ist, zeigt in Bezug auf die Menge der
im Blute befindlichen Bakterien dasselbe Verhalten. Es ist nun
allerdings nicht anzunehmen, dass sich alle pathogenen Bakte¬
rien in diesem Punkte ganz gleich verhalten, aber so viel lässt
sich nach Analogie des Milzbrandes und Typhus recurrens wohl
schliessen, dass nur bedeutende Mengen von Bakterien krankheits¬
erregend wirken können. Dieser Forderung entsprechen aber die
[25]3. Einwendungen gegen die Beweiskraft dieser Thatsachen. bis jetzt vorliegenden Beobachtungen über die Bakterien der Wund¬
infectionskrankheiten in den meisten Fällen nicht. Gewöhnlich
wird von erheblicheren Mikrokokkenanhäufungen auf der Wund¬
oberfläche berichtet, die indessen nur bei grösseren Wunden in
Betracht kommen können; während in inneren Organen nichts
weiter als miliare Bakteriencolonien, oft in geringer Zahl gefunden
wurden. Das steht doch in gar keinem Verhältniss zu der kaum
glaublichen Menge von Bacillen im Milzbrandblut. Es können
deswegen auch nur solche Befunde als ausreichend zur Erklärung
des Krankheitsprocesses gelten, welche eine bedeutende Menge
von Bakterien nachgewiesen haben. Nun gibt es allerdings An¬
gaben über massenhaftes Auftreten von Mikrokokken im Blute
oder in den Geweben, das sind aber leider gerade diejenigen, die
aus den früher angegebenen Gründen am wenigsten zuverlässig sind.
Ein dritter Punkt muss noch gegen die Beweiskraft der Bak¬
terienfunde geltend gemacht werden. Es ist das die gleiche mor¬
phologische Beschaffenheit der bei den verschiedensten Wundin¬
fectionskrankheiten und selbst noch bei anderen gar nicht damit
verwandten Infectionskrankheiten angetroffenen Bakterien.
Jedem, der die Bakterienliteratur durchgeht, muss es sofort
auffallen, dass die beiden am besten bekannten Bakterienkrank¬
heiten, der Milzbrand und der Typhus recurrens sich durch die
wohl charakterisirte und leicht erkennbare Form ihrer Parasiten
auszeichnen, dass aber bei fast allen übrigen Infectionskrankheiten,
welche anscheinend mit Mikroorganismen in Beziehung stehen,
eine merkwürdige Uebereinstimmung in Gestalt, Grösse, Anord¬
nung, theilweise sogar in der Färbung der beobachteten Bakterien
herrscht. Gerade weil beim Typhus recurrens und Milzbrand so
bedeutende Unterschiede in dieser Beziehung bestehen, muss die
Gleichmässigkeit der übrigen pathogenen Bakterien Misstrauen
gegen die Richtigkeit der Beobachtung und gegen die Annahme
erwecken, dass Krankheiten, welche theilweise ebenso wenig mit¬
einander verwandt zu sein scheinen als jene, dennoch durch die¬
selben Organismen veranlasst werden sollten.
Diese Bedenken sind auch schon mehrfach geäussert.
So z. B. von Birch-Hirschfeld.1) Derselbe sagt: Die mor¬
phologischen Charaktere der bei der Pyämie, der Diphtheritis,
den Pocken, der Cholera gefundenen Bakterien sind so gleich¬
[26]Jetziger Stand u. s. w. der Mikroorganismen zu den Wundinfectionskrankh. artig, dass allerdings die Vorstellung nahe liegt, es handle sich
um identische Formen. Daraus würde aber hervorgehen, dass
man diesen Organismen keine specifische Bedeutung beilegen
könnte. Sie wären darnach Parasiten der Krankheit, nicht die
Ursache derselben.
Den von Birch-Hirschfeld angeführten Krankheiten lassen
sich noch eine Anzahl anderer anreihen, bei denen ebenfalls die
nicht weiter zu unterscheidenden Mikrokokken gefunden wurden.
Nämlich Erysipelas, Puerperalfieber, Nabelmykose der Neugebor¬
nen, Hospitalbrand, Intestinalmykose, Endocarditis (mit und ohne
acuten Gelenkrheumatismus), primäre infectiöse Periostitis, Schar¬
lach, Rinderpest, Lungenseuche. Unmöglich können doch alle
diese Krankheiten durch einen und denselben Parasiten erzeugt
werden. Es bleibt also nichts übrig als anzunehmen, dass es ent¬
weder wirklich immer dieselben Mikrokokken sind, die dann aber
nur als eine gelegentliche Complication sich mit den aufgezählten
ganz verschiedenen Krankheitsprocessen verbinden, oder dass die
uns wegen ihrer Kleinheit äusserlich sehr ähnlich oder selbst gleich
erscheinenden Mikrokokken dennoch innerlich verschieden und
deswegen im Stande sind, zu so verschiedenen Krankheiten Ver¬
anlassung zu geben.
Um zu zeigen, dass diese letztere Annahme nicht ausser dem
Bereich der Möglichkeit liegt, hat Cohn1) an die gleiche äussere
und mikroskopische Beschaffenheit der bittern und süssen Mandel
erinnert, die doch beide in ihrer physiologischen Wirkung himmel¬
weit von einander verschieden sind. Und Virchow2) hat zu dem¬
selben Zwecke darauf hingewiesen, dass man den Bildungszellen
des Eies und zahlreicher pathologischer Gewächse, trotzdem sie
neben Bakterien als förmliche Riesen erscheinen, auch nicht im
Voraus ansehen könne, was aus ihnen werden wird.
Die Möglichkeit, dass die Mikrokokken trotz ihres gleich¬
mässigen Aussehens verschieden und dass sie das vermuthete Con¬
tagium animatum jener Krankheiten sein können, muss gewiss
zugegeben werden. Aber als Unterlage für praktische Aufgaben,
zu denen vor allen Dingen die Prophylaxis und Therapie der In¬
fectionskrankheiten zu rechnen sind, können wir mit der Möglich¬
keit eines Contagium animatum nicht viel anfangen; dazu brauchen
[27]3. Einwendungen gegen die Beweiskraft dieser Thatsachen. wir die zwingende Gewissheit darüber, dass dieser oder jener be¬
stimmte und unter veränderten Verhältnissen an gewissen Kenn¬
zeichen immer wieder zu erkennende Mikrokokkus die einzige
Ursache der gegebenen Krankheit ist. Denn so lange nur die
Möglichkeit oder selbst die Wahrscheinlichkeit für die Existenz
des Contagium animatum gegeben ist, müssen alle weiteren davon
ausgehenden Untersuchungen die ebenfalls möglicherweise vor¬
handenen anderen Krankheitsursachen, z. B. das unbekannte x
eines bislang noch niemals nachgewiesenen unbelebten Krankheits¬
fermentes, das y des Genius epidemicus und andere unbekannte
Grössen in Rechnung ziehen. Dass damit aber die gestellte Auf¬
gabe im höchsten Grade complicirt und durch zahllose Fehler¬
quellen gefährdet, vermuthlich ganz unlösbar wird, liegt auf
der Hand.
Fassen wir das, was als thatsächlich Bekanntes zusammen¬
gestellt wurde, und die daran geknüpften Erörterungen kurz zu¬
sammen so kommen wir zu dem Ergebniss, dass die zahlreichen
Befunde von Mikroorganismen bei Wundinfectionskrankheiten und
die damit im Zusammenhang stehenden experimentellen Unter¬
suchungen die parasitische Natur dieser Krankheiten wahrschein¬
lich machen, dass ein vollgültiger Beweis dafür bis jetzt noch nicht
geliefert ist und auch nur dann geschafft werden kann, wenn es gelingt,
die parasitischen Mikroorganismen in allen Fällen der betreffenden
Krankheit aufzufinden, sie ferner in solcher Menge und Verthei¬
lung nachzuweisen, dass alle Krankheitserscheinungen dadurch ihre
Erklärung finden, und schliesslich für jede einzelne Wundinfecetions¬
krankheit einen morphologisch wohl charakterisirten Mikroorganis¬
mus als Parasiten festzustellen.
Sollte es denn nun aber möglich sein, diese Bedingungen
überhaupt jemals zu erfüllen? Oder sind wir hier an der Grenze
der Leistungsfähigkeit unserer optischen Hülfsmittel angelangt,
wie viele Mikroskopiker anzunehmen scheinen?
Diese Frage wird sich wohl Jeder, der sich eingehender mit
der Untersuchung der pathogenen Bakterien beschäftigt hat, oft
genug vorgelegt haben. Auch mich hat sie vielfach beschäftigt
und sie drängte sich mir sofort wieder auf, als ich allgemeine
Untersuchungen über Bakterien anstellte und erkannte, von welchem
bedeutenden Vortheil für das Erkennen und Unterscheiden gerade
[28]Jetziger Stand u. s. w. der Mikroorganismen zu den Wundinfectionskrankh. der kleinsten Bakterienformen, ferner der Sporen und Geiselfäden
der Bakterien die richtige Verwendung der mikroskopischen Hülfs¬
mittel ist.
Seitdem habe ich unablässig versucht, in ähnlicher Weise
das Verfahren zum Auffinden der pathogenen Bakterien in thieri¬
schen Geweben zu verbessern, weil ich den Gedanken nicht los
werden konnte, dass die zweifelhaften Ergebnisse der Unter¬
suchungen über die Parasiten der Infectionskrankheiten in der
Unvollkommenheit der dabei befolgten Methoden ihren Grund
haben möchten. Das Verfahren, welches sich mir schliesslich als
zweckmässig erwies und zu positiven Resultaten geführt hat, werde
ich, ehe ich zu dem Bericht über den experimentellen Theil meiner
Arbeit übergehe, zu schildern haben.
Beschreibung der Untersuchungsmethode.
Die von Recklinghausen zuerst befolgte Methode die grosse
Widerstandsfähigkeit der Bakterien gegen Säuren und Alkalien,
die den thierischen Geweben nicht eigen ist, zu benutzen, wird
auch wohl jetzt noch von den meisten Mikroskopikern gebraucht.
Sobald ein durch sein gleichmässiges Korn ausgezeichneter Haufen
kleinster Körperchen sich weder in Essigsäure noch in Kali- oder
Natronlauge verändert und man sonst Grund hat, darin Bakterien
zu vermuthen, dann ist gewöhnlich die Aufgabe gelöst und der
Mikrokokkus gefunden. Leicht kann dabei ein Irrthum auch nicht
vorkommen, denn das Aussehen eines dicht gedrängten Mikro¬
kokkenhaufens, der sogenannten Zooglöa, ist so charakteristisch,
dass, wer sich dieses Bild einmal eingeprägt hat, es jederzeit
wieder erkennen wird. Ungleich schwieriger gestalten sich aber
die Verhältnisse, wenn die Bakterien, namentlich gilt dies von
Mikrokokken, schwarmähnlich ausgebreitet sind, wenn sie sich in
kleinen lockeren Gruppen oder gar einzeln im Gewebe vertheilen.
Dann kommt das charakteristische Aussehen der Zooglöa nicht
mehr zu Hülfe und man kann sich nur noch auf die Resistenz
der Bakterien gegen Alkalien und Säuren verlassen, weil die An¬
zahl der ähnlich gestalteten und ausserordentlich leicht damit zu
verwechselnden kleinen Körnchen in pathologisch veränderten Ge¬
weben und im Blute sehr gross ist. Aber sehr bald wird man
gewahr werden, wie unzuverlässig dieses Unterscheidungsmerkmal
ist. Manche, namentlich sehr kleine Bakterien, werden durch
diese Reagentien ebenso zerstört oder verändert wie die thieri¬
schen Gewebe und auch in letzteren finden sich oft unbestimm¬
bare Körnchen, die durch Säuren und Alkalien nicht beseitigt
werden. Also mehr als Zooglöamassen nachzuweisen, vermag
dieses Verfahren nicht.
[30]Beschreibung der Untersuchungsmethode.
Man hat dann weiter versucht, mit Färbungsmethoden bessere
Resultate zu erzielen und zwar ist zunächst, wie es scheint gleich¬
zeitig von mehreren Seiten, die Hämatoxylinfärbung empfohlen.
Dieselbe leistet auch, namentlich wenn sie in der Art der soge¬
nannten Kernfärbung angewandt wird, erheblich mehr, als die
erste Methode. Aber insofern ist sie unvollkommen, als das Hä¬
matoxylin die stäbchenförmigen Bakterien nicht färbt und die
kugelförmigen nicht stark genug, um zerstreut liegende immer
mit Sicherheit erkennen zu lassen. Immerhin ist die Anwendung
des Hämatoxylin der einfachen Behandlung der Untersuchungs¬
objecte mit Reagentien insofern überlegen, als durch die Färbung
die Bakterienmassen sehr viel deutlicher im übrigen Gewebe her¬
vortreten und ein Uebersehen oder Verwechseln mit anderen Ob¬
jecten noch mehr ausgeschlossen ist. Auch gewährt dies Ver¬
fahren, das ja die Untersuchung mit Reagentien selbstverständlich
nicht ausschliesst, noch den grossen Vortheil, dass die gefärbten
Objecte in Canadabalsam conservirt und zur Vergleichung mit an¬
deren Präparaten dienen können.
Noch bessere Resultate als die Färbung mit Hämatoxylin hat
die mit Anilinfarben gegeben. Meines Wissens ist Anilinfärbung
zum Nachweis von Bakterien in thierischen Geweben zuerst von
Weigert1) angewandt. Sein Verfahren, durch dessen Mittheilung
er mich zu grösstem Dank verpflichtet hat, ist folgendes:
Die Untersuchungsobjecte werden in Alkohol gehärtet und
die daraus gefertigten Schnitte in einer ziemlich starken wässri¬
gen Lösung von Methylviolett längere Zeit liegen gelassen. Die
Schnitte werden dann mit verdünnter Essigsäure behandelt, mit
Alkohol entwässert, in Nelkenöl aufgehellt und in Canadabalsam
eingelegt.
Statt des Methylviolett können auch andere Anilinfarben
z. B. Fuchsin, Anilinbraun u. s. w. in derselben Weise gebraucht
werden.
Es sind dies allerdings nur die allgemeinen Umrisse, inner¬
halb deren sich das Verfahren bewegt, aber die einzelnen Gewebe
und namentlich die verschiedenen Bakterien verhalten sich zu un¬
gleich, als dass es möglich ist, ganz allgemeingültige, alle Einzel¬
heiten berührende Regeln anzugeben. Für manche Objecte eignet
[31]Beschreibung der Untersuchungsmethode. sich Fuchsin am besten, für andere passen wieder mehr die Me¬
thylfarben. Unter diesen letzteren herrscht eine solche Verschie¬
denheit in der färbenden Kraft, dass die Schnitte in der einen
Lösung wenige Minuten, in einer anderen mehrere Stunden bleiben
müssen. Es bleibt dem gegenüber nichts weiter übrig, als eine
grössere Menge Schnitte auf einmal in Arbeit zu nehmen und den
geeignetsten Farbstoff, sowie die Zeitdauer der Färbung auszu¬
probiren. Nach einiger Uebung wird man gewiss mit wenigen
Versuchen den geeignetsten Modus gefunden haben. Auf die Stärke
der Essigsäurelösung kommt nicht viel an. Man nehme am besten
eine wenige Procente starke Lösung und lasse sie nicht zu lange
einwirken. Die übrigen Manipulationen, also Entwässern, Auf¬
hellen und Einlegen sind genau dieselben, wie bei der Herstellung
anderer mikroskopischer Präparate. Ein zu langes Verweilen der
Schnitte im Alkohol und im Nelkenöl ist zu vermeiden, weil sonst
die Farbstoffe durch diese Flüssigkeiten ausgelaugt werden.
In den Präparaten, die in dieser Weise behandelt sind, er¬
blickt man nur die Kerne der Zellen und die Bakterien gefärbt.
Letztere nehmen sämmtlich die Anilinfärbung an und zwar fällt
die Färbung so stark aus, dass die einzelnen Bakterien bedeutend
besser zu erkennen sind, als nach Hämatoxylinfärbung. In mit
Anilinfärbung behandelten Präparaten ist es deswegen sehr leicht,
einzelne grosse Bakterien, z. B. die Milzbrandbacillen, mit voller
Sicherheit in den verschiedensten Geweben zu erkennen. Sobald
aber kleinere Bakterien in Frage kommen, dann wird allerdings
das Resultat unsicher und lässt schliesslich bei ganz kleinen For¬
men vollständig in Stich.
Um nun zu verstehen, woher es kommt, dass kleine Objecte
trotz intensiver Färbung in thierischen Geweben schwierig oder
gar nicht zu unterscheiden sind, muss man sich das Zustande¬
kommen des mikroskopischen Bildes klar machen; doch soll der
Einfachheit halber nur der hier vorliegende Fall, nämlich ein aus
thierischem Gewebe stammender in Canadabalsam nach gewöhn¬
licher Manier eingelegter Schnitt in Betracht gezogen werden.
Wenn sämmtliche Bestandteile dieses Gewebes farblos wären
und dasselbe Brechungsvermögen hätten wie der Canadabalsam,
dann würde von dem Gewebe gar nichts zu sehen sein. Das ist
nun aber nicht der Fall. Fasern, Kerne und manche andere
Theile des Gewebes differiren in ihrem Lichtbrechungsvermögen
vom Canadabalsam und erzeugen durch Diffraction der durch¬
[32]Beschreibung der Untersuchungsmethode.gehenden Lichtstrahlen ein aus Linien und Schatten bestehendes
Bild1), das Structurbild genannt werden mag.
Setzen wir nun aber einen zweiten Fall, dass nämlich Theile
jenes Gewebes z. B. Zellenkerne und Bakterien gefärbt sind, dann
würden sich die Verhältnisse folgendermaassen gestalten. Bei
ganz gleichem Brechungsvermögen von Gewebe und Canadabal¬
sam würden nur Kerne und Bakterien zu sehen sein und zwar
nur vermöge des Farbstoffes, mit dem sie imprägnirt sind; wir
würden also ein ganz reines Farbenbild haben, das von dem durch
Fasern, Membranen u. s. w. erzeugten Structurbild ganz verschie¬
den sein, theilweise mit diesem z. B. in den Kernbildern zusam¬
menfallen kann. Zum möglichst deutlichen Erkennen der Bakte¬
rien, die ja durch Anilinfarben ganz besonders intensiv gefärbt
werden, würde ein solches reines Farbenbild gewiss das Vortheil¬
hafteste sein. Nun kommt aber das unvermeidliche und störende
Structurbild dazu.
Grossen gefärbten Objecten, also beispielsweise wieder Milz¬
brandbacillen, geschieht dadurch in Betreff ihrer Erkennbarkeit
wenig Abbruch. Höchstens wenn der Schnitt oder sonstige Ge¬
webstheil sehr dick ist (z. B. die Darmschleimhaut in ihrer voll¬
ständigen Dicke), kann das Structurbild so überwiegend, die Menge
der über einander gelagerten Schatten so dicht werden, dass auch
die grossen Milzbrandbacillen nicht mehr gut zu unterscheiden
sind. Wenn aber die Bakterien kleiner und dünner sind, also an
sich schon weniger Farbstoff aufnehmen können, dann macht sich
der nachtheilige Einfluss des Structurbildes schon weit mehr gel¬
tend; eine breite dunkle Linie kann dann schon einige Bakterien
so verdecken, dass ihr Farbenbild zu schwach wird um im Auge
noch einen Eindruck zu machen. In dünnen Schnitten und solchen
Geweben, deren Structurbild aus wenigen Linien und Schatten
(z. B. Unterhautzellgewebe, Hornhaut) besteht, sind allerdings
noch recht kleine Bakterienformen mit einiger Genauigkeit zu
unterscheiden. Schliesslich kommt man aber doch an einen Punkt,
wo die Bakterien so klein sind, dass die winzigen gefärbten Pünkt¬
chen und Strichelchen durch die schwächsten Structurschatten
schon verdeckt und unsichtbar gemacht werden. An einzelnen
besonders günstigen Stellen hat man wohl noch eine Andeutung da¬
von, dass Bakterien vorhanden sein könnten, aber an ein sicheres
[33]Beschreibung der Untersuchungsmethode. Erkennen und Unterscheiden von Gestalt und Grösse der Bakte¬
rien ist nicht mehr zu denken.
Dieser Fall trat auch bei meinen Untersuchungen ein. In
dem Material, das ich mir in der später zu beschreibenden Weise
verschafft hatte, fand ich grössere Bakterien auch kleinere, nament¬
lich wenn sie Anhäufungen in den Glomeruli bildeten, mit Leich¬
tigkeit. Nun lag aber die Vermuthung vor, dass auch in der Milz
und in den Lungencapillaren Bakterien zu finden sein müssten,
denn die Milz war geschwollen und das Blut aus dem linken
Herzen, das eben die Lunge passirt hatte, brachte durch Ver¬
impfung bei einem anderen Thiere dieselbe tödtliche Krankheit
und dieselben ausserordentlich feinkörnigen Mikrokokkenhaufen
in den Glomeruli wie bei dem ersten Thier zu Stande. Aber trotz
der grössten Mühe waren die vermutheten Bakterien nicht zu fin¬
den. Bei der Septicämie der Mäuse, die doch im höchsten Grade
infectiös ist, wie ich später zeigen werde, konnte ich überhaupt
keine Mikroorganismen nachweisen. Ich war also zu denselben
unvollkommenen Ergebnissen gelangt, wie die früheren mit den
Wundinfectionskrankheiten beschäftigten Forscher.
Damals war ich schon durch Versuche, die in Canadabalsam
eingelegten Bakterien zu photographiren, auf die Zusammensetzung
des mikroskopischen Bildes aus einem Structur- und einem Far¬
benbild aufmerksam geworden und hatte zugleich gefunden, dass
das Structurbild durch die Art der Beleuchtung wesentlich ver¬
stärkt oder abgeschwächt werden kann. Es ist das durchaus nichts
Neues. Jeder Mikroskopiker kennt die Wirkung der Blenden, die
unter dem Präparat angebracht sind. Eine enge Blende verdun¬
kelt nicht allein das Gesichtsfeld, sondern hebt die Structur des
Objectes mehr hervor, eine weite dagegen macht das Bild heller,
lässt aber auch einen Theil der Structur undeutlicher werden.
Noch auffallender tritt der Unterschied zwischen engen und weiten
Blenden hervor, wenn wie beim Photographiren zum Beleuchten
des Objectes nicht der Hohlspiegel, sondern eine Linse oder ein
Condensor gebraucht wird, weil man, besonders bei einem Con¬
densor von kurzer Brennweite, den Kegel der das Object beleuch¬
tenden Strahlen weit mehr modificiren kann. Durch eine vor die
Beleuchtungslinse gestellte enge Blende wird die Basis dieses
Kegels von Lichtstrahlen so klein, dass der Kegel fast als ein Bün¬
del paralleler Lichtstrahlen betrachtet werden kann. Je grösser
aber die Oeffnung der Blende wird, um so grösser wird auch bei
Koch, Wundinfectionskrankheiten. 3[34]Beschreibung der Untersuchungsmethode.gleicher Länge der Radius des Strahlenkegels, der den mit einem
gewöhnlichen Hohlspiegel erhaltenen, was die Breite der Basis
im Verhältniss zur Länge angeht, weit übertrifft. Betrachtet man
nun ein mikroskopisches Präparat bei einer Beleuchtung mit zu¬
erst schmalem und schliesslich immer breiter werdenden, aber
immer gleich langen Lichtkegel, dann wird man sich sofort davon
überzeugen, dass, wie es auch nach dioptrischen Gesetzen nicht
anders möglich ist, die Diffractionserscheinungen und damit das
Structurbild, welches bei der am meisten engen Blende am inten¬
sivsten war, immer mehr verschwindet. In demselben Maasse
aber, in dem das Structurbild abnimmt, wird das Farbenbild in¬
tensiver und schärfer. Damit war also ein Weg angedeutet, um
das Structurbild soweit unschädlich zu machen, dass auch die
kleinsten gefärbten Körper, natürlich soweit überhaupt das optische
Vermögen der Objectivsysteme reicht, deutlich unterscheidbar wer¬
den. Es musste nämlich ein Beleuchtungskegel von so grosser
Oeffnung zur Beleuchtung verwandt werden, dass die Diffractions¬
erscheinungen gänzlich zum Verschwinden gebracht werden. Nach¬
dem ich nun verschiedene Linsen und Condensoren nach dieser
Richtung versucht hatte, ohne dass ich einen Apparat traf, der
das Structurbild mehr oder weniger vollkommen beseitigte, fand
ich schliesslich in dem von Carl Zeiss in Jena angefertigten von
Abbe angegebenen Beleuchtungsapparat ein meinem Zweck voll¬
ständig entsprechendes Instrument.
Dieser Apparat besteht aus einer Linsencombination, deren
Brennpunkt nur einige Millimeter von der Frontlinse entfernt ist.
Wenn die combinirte Beleuchtungslinse also in der Oeffnung des
Mikroskoptisches und zwar ein wenig tiefer als die Tischebene
sich befindet, dann fällt der Brennpunkt mit dem zu beobachten¬
den Object zusammen und letzteres erhält in dieser Stellung die
günstigste Beleuchtung. Der Oeffnungswinkel der ausfahrenden
Strahlen ist so gross, dass die äussersten derselben in einer Was¬
serschicht fast 60 ° gegen die Axe geneigt sind, der gesammte
wirksame Lichtkegel demnach eine Oeffnung von 120° also eine
grössere Oeffnung als irgend ein andrer Condensor besitzt.1) Die
Lichtstrahlen werden dem Linsensystem durch einen Spiegel, der
nur um einen festen Punkt in der Axe des Mikroskops drehbar
ist, zugeführt. Zwischen Spiegel und Linse, nahe dem Brennpunkte
[35]Beschreibung der Untersuchungsmethode. des ersteren, befindet sich ein Träger für Blenden, die ausserdem
seitlich und kreisförmig beweglich sind, so dass der beleuchtende
Strahlenkegel in jeder beliebigen Weise verändert werden kann.
Durch mehr oder weniger grosse Blendenöffnung wird auch die
Oeffnung des Strahlenkegels von der kleinsten bis zur grössten
mit der Beleuchtungslinse überhaupt zu erzielenden modificirt. Seit¬
liche Verschiebung der Blendenöffnung gibt ohne Bewegung des
Spiegels schiefe Beleuchtung und mit Hülfe einer centralen Abblen¬
dung kann der mittlere Theil des Kegels ausgeschaltet werden.
Vermittelst dieses Apparates lässt sich das früher beschrie¬
bene Verhältniss zwischen Structur- und Farbenbild in der ein¬
fachsten und überzeugendsten Weise ersichtlich machen. Nehmen
wir den Fall, dass ein mit Anilin gefärbter Schnitt aus einem
sehr kleine Bakterien enthaltenden Gewebe mit Benutzung des
Abbe'schen Beleuchtungsapparates untersucht werden soll. Es
wird zuerst ein Diaphragma mit enger Blende1) auf den Diaphrag¬
menträger gelegt. Die Beleuchtung des Objectes ist dann unge¬
fähr dieselbe wie bei Hohlspiegelbeleuchtung mit mittlerer Cylin¬
derblendung. Dabei erscheint das Gesichtsfeld ziemlich dunkel,
die Gewebsstructur tritt deutlich hervor, namentlich die Kerne der
Zellen fallen als dunkle Körper mit dunkelblauer oder rother
wenig ausgesprochener Färbung ins Auge; kleine Körnchen lassen
gar nicht mit Sicherheit erkennen, ob sie gefärbt sind oder nicht,
ebensowenig ist zu unterscheiden, ob derartige Körnchen Bakte¬
rien oder Gewebsbestandtheile sind. Nun werden nacheinander
Blenden mit immer grösseren Oeffnungen auf den Träger gelegt.
Dann verändert sich allmählich das Bild in der auffallendsten
Weise. Die dunkeln Umrisse der Zellen und Zellkerne und die
scharfen Linien der elastischen Fasern, Gefässwände und der¬
gleichen werden blasser und unbestimmter; die Schatten der ober-
und unterhalb der Sehebene befindlichen Körper verschwinden
immer mehr; viele von den vorher bemerkten dunklen Pünktchen
und Körnchen, die möglicherweise für Bakterien gehalten werden
konnten, verschwinden vollständig, an anderen kleinen Objecten
die früher schwarz aussahen, macht sich eine Färbung bemerk¬
bar, auch die Farbe der Kerne wird deutlicher. Das Gesichtsfeld
3 *[36]Beschreibung der Untersuchungsmethode. hellt sich zugleich immer mehr auf. Je mehr nun Linien und
Schatten und je mehr im Bilde alle Unterschiede zwischen hell
und dunkel verschwinden, um so reiner und kräftiger treten alle
farbigen Objecte hervor und immer deutlicher erkennt man ihre
Umrisse, kleine Unterschiede im Farbenton und in der Stärke der
Färbung. Schliesslich, wenn auch das letzte Diaphragma entfernt
wird, ist alle Structurzeichnung verschwunden, das Gesichtsfeld
gleichmässig stark erhellt und nur noch farbige Objecte zu sehen und
je helleres Licht man zur Beleuchtung wählt, am besten das Licht
von der Sonne grell beleuchteter weisser Wolken, um so leuchten¬
der, intensiver und schärfer contourirt erscheinen dieselben. Dann
ist es leicht, unter den gefärbten Körpern die Bakterien, von denen
vorher nichts zu erblicken war, oder die als dunkle unbestimmte
Körnchen, Strichelchen u. s. w. erschienen, herauszufinden, nament¬
lich da fast weiter nichts im Präparat gefärbt ist als Kerne und
Bakterien. Umrisse und Grössenverhältnisse der Bakterien lassen
sich dann erkennen und durch die gleichmässige Form sind die
Bakterien von anderen etwa mit gefärbten körnigen Massen, z. B.
zerfallenden Zellkernen sofort mit Sicherheit zu unterscheiden.
Um die Wirkung des Abbe'schen Beleuchtungsapparates zu
veranschaulichen, kann noch eine einfache Vorrichtung dienen.
Dieselbe besteht aus einem kleinen mit Canadabalsam gefüllten
Glasgefäss, in welches kleine gefärbte und ungefärbte Glasperlen
gethan werden. Es sind also ähnliche Bedingungen gegeben, wie
bei einem in Canadabalsam eingelegten gefärbten Präparat. Die
gefärbten Perlen entsprechen den gefärbten Kernen oder Bakterien,
die farblosen Perlen den ungefärbt gebliebenen Gewebstheilen.
Sieht man nun durch das Glas auf ein dicht darunter gelegtes
breites, hell vom Tageslicht beschienenes Blatt Papier, dann ist
von den farblosen Perlen nichts zu sehen, die gefärbten hingegen
sind deutlich und scharf zu erkennen; wird aber das Papier von
dem Glase entfernt, also der die Perlen beleuchtende Strahlenkegel
bei gleicher Basis länger und sein Oeffnungswinkel immer kleiner,
dann tritt dieselbe Erscheinung ein, wie wenn beim Abbe'schen
Beleuchtungsapparat successive engere Blendenöffnungen genom¬
men werden; die ungefärbten Perlen fangen nämlich allmählich
an sichtbar zu werden, nehmen immer deutlichere und dunklere
Umrisse an, auch die gefärbten Perlen erscheinen dunkler, zuletzt
sind beide Perlensorten wenig mehr zu unterscheiden und es kön¬
nen farbige durch ungefärbte vollständig verdeckt werden.
[37]Beschreibung der Untersuchungsmethode.
Mikroskopiker, welche zum ersten Mal ein stark vergrössertes
mit dem Abbe'schen Beleuchtungsapparat ohne Blende beleuchtetes
Präparat untersuchen, finden dasselbe gewöhnlich ganz fremdartig,
zu hell und verschwommen, trotzdem die Umrisse der farbigen Ge¬
genstände ganz scharf sind. Es sind das solche Mikroskopiker,
die zu sehr an das dunkle Gesichtsfeld der gewöhnlichen Spiegel¬
beleuchtung gewöhnt sind und die die fehlende ihnen wohlbekannte
Structurzeichnung des Gewebes vermissen. Für diese ist es zweck¬
mässig, die Blenden nicht ganz wegzulassen, sondern die Blenden¬
öffnung so lange zu steigern, bis das zu untersuchende farbige
Object gerade deutlich genug erscheint; es bleibt dann vom Struc¬
turbild immer noch genug übrig, um sich über das Gewebe selbst
orientiren zu können.
Ueberhaupt ist es nothwendig, neben der Untersuchung der
Bakterien vermittelst des reinen Farbenbildes auch andere Metho¬
den, also gleichzeitige Beobachtung der Gewebsstructur, ferner die
Untersuchung der frischen Objecte mit und ohne Anwendung von
Alkalien und Säuren zu benutzen und ich erwähne hier ausdrück¬
lich, dass ich auch diese Verfahren häufig in controlirender
Weise neben meiner hauptsächlichen Untersuchungsmethode ver¬
werthet habe.
Obwohl die Anilinfärbung und der Abbe'sche Beleuchtungs¬
apparat so bedeutend die Untersuchung auf pathogene Bakterien
erleichtern, so darf man sich doch nicht vorstellen, dass damit
ohne Weiteres alle Schwierigkeiten beseitigt und alle Fehlerquel¬
len ausgeschlossen sind. Es gehört im Gegentheil eine nicht ge¬
ringe Uebung dazu, ehe man im Stande ist, diese ausgezeichneten
Hülfsmittel richtig zu verwerthen. Einige der hier in Frage kom¬
menden Schwierigkeiten sollen kurz berührt werden.
Da auch einzelne Bakterien dem beobachtenden Auge nicht
entgehen, so ereignet es sich nicht selten, dass man auf solche
vereinzelte Bakterien stösst, die aus den beim Färben, Auswaschen
u. s. w. gebrauchten Flüssigkeiten stammen. Denn selbst das
destillirte Wasser ist fast niemals frei von Bakterien. Aber sehr
bald lernt man diese Bakterienformen von anderen unterscheiden
und erkennt sie sofort als zufällige Verunreinigung.
Ferner ist jedesmal, wenn einzelne Bakterien nur in den ober¬
flächlichen Schichten von Organen gefunden werden, zu vermuthen,
dass es sich um beginnende Fäulniss handelt. Auch die bei der
Fäulniss auftretenden Bakterien, im Beginn gewöhnlich grosse
[38]Beschreibung der Untersuchungsmethode. Bacillen1), sind so charakteristisch, dass sie mit den pathogenen
Bakterien nicht leicht zu verwechseln sind. Dennoch ist es besser
Objecte, in denen sich schon Fäulnissbakterien eingefunden haben,
nur mit Reserve oder noch richtiger gar nicht zu benutzen. Ich
habe, um jeden Einwand von Verwechslung mit Fäulnissbakterien
auszuschliessen und um nicht zu der Meinung Veranlassung zu
geben, dass in Anordnung und Zahl der pathogenen Bakterien
nach dem Tode noch Veränderungen eingetreten sein könnten,
nur solche Objecte zur Untersuchung gezogen, die unmittelbar
nach dem Tode des Versuchsthieres, nur in wenigen Fällen einige
Stunden nach dem Tode, in absoluten Alkohol gelegt wurden.
Deswegen habe ich in meinen in dieser Weise gewonnenen Prä¬
paraten niemals Fäulnissbakterien gefunden. Dagegen habe ich
sie selten in menschlichen Leichentheilen, trotzdem die Section
15 bis 20 Stunden nach dem Tode gemacht war, vermisst.
Auf eine merkwürdige Art von Zellen will ich bei dieser Ge¬
legenheit noch aufmerksam machen, welche zu Verwechslungen
mit kleinen Mikrokokkenhaufen Veranlassung geben könnte. Es
sind das die von Ehrlich2) beschriebenen und abgebildeten so¬
genannten Plasmazellen, platte, meistens der Aussenwand von Ge¬
fässen aufsitzende Zellen, die aus einem rund um einen Kern
gruppirten Körnerhaufen bestehen. Sie verhalten sich den Anilin¬
farben gegenüber gerade entgegengesetzt wie alle übrigen Zellen.
Bei letzteren wird nur der Kern gefärbt, bei den Plasmazellen
färbt sich dagegen nur das feinkörnige Plasma und der Kern
bleibt ungefärbt. Da nun die Körnchen genau die Grösse mancher
Mikrokokken haben, so sieht, besonders wenn der Kern undeut¬
lich oder verschwunden ist, die Plasmazelle fast genau so aus,
wie eine kleine Mikrokokkenkolonie. Doch sind die Körnchen
gewöhnlich von ungleicher Grösse. Dieses letztere Verhalten, das
Vorhandensein eines Kernes und der Vergleich mit anderen eben¬
solchen Zellen sichern indessen leicht ihre Diagnose. In mensch¬
lichen Geweben sind sie nicht gerade häufig, aber massenhaft
kommen sie bei der Maus, besonders in der Haut des Ohrs, vor.
Handelt es sich darum, jede Verwechslung der Bakterien mit
thierischen Gewebstheilen auszuschliessen, oder kommt es darauf
[39]Beschreibung der Untersuchungsmethode.an, die Menge und Vertheilung der Bakterien in einem Organ
übersichtlich zu machen, dann kann noch ein besonderes Verfahren
zur Verwendung kommen. Werden nämlich nach der Anilinfärbung
die Schnitte anstatt mit Essigsäure mit einer schwachen Lösung
von kohlensaurem Kali behandelt, dann verlieren auch die Kerne
und Plasmazellen, überhaupt alles thierische Gewebe den Farb¬
stoff wieder und die Bakterien bleiben ganz allein gefärbt. Grosse
Schnitte in denen in der eben angegebenen Weise nur die Bak¬
terien gefärbt sind, gewähren ausgezeichnete und ganz über¬
raschende Uebersichtsbilder.
In der mikroskopischen Technik spielen Färbungsmethoden
eine Hauptrolle und viele der wichtigsten Entdeckungen sind schon
mit Hülfe derselben gemacht. Aber der Nutzen, den die Färbung
bei mikroskopischen Arbeiten gewährt, kann wie meine Unter¬
suchungen beweisen, nur vermittelst einer zweckentsprechenden Ver¬
wendung der Beleuchtungsapparate vollständig ausgebeutet werden.
Bislang ist dies meines Wissens nicht geschehen und ich halte
es deswegen nicht für überflüssig, meine Beleuchtungsmethode
auch für andere mikroskopische Untersuchungen zu empfehlen,
bei denen es sich vorwiegend um die Unterscheidung sehr kleiner
gefärbter Elemente handelt.
Für die Verwendung des Abbe'schen Beleuchtungsapparates
mache ich mich darauf aufmerksam, dass nur solche Systeme mit
demselben ein scharfes, nicht verschleiertes Farbenbild geben, bei
denen sämmtliche Zonen der Objectivöffnung richtig corrigirt
sind. Die aus der Zeiss'schen Werkstatt hervorgehenden Objectiv¬
systeme werden vermittelst des Abbe'schen Condensors auf das
richtige Zusammenwirken der einzelnen Zonen, namentlich der
Randzonen geprüft. Diese eignen sich deswegen sämmtlich zur
Beobachtung von Farbenbildern, ganz besonders die neuen nach
den Angaben von Abbe construirten Oelsysteme. Bei anderen
Systemen, welche ich zu demselben Zweck versuchte, waren fast
immer die Randzonen ungenügend corrigirt. Nur noch mit einem
System von Seibert und Kraft habe ich scharfe Farbenbilder
erhalten.
Künstliche Wundinfectionskrankheiten.
1. Septicämie bei Mäusen.
Mäuse eignen sich ganz besonders gut zu Versuchen mit In¬
fectionskrankheiten, wie ich schon früher bei Untersuchungen über
Milzbrand erfahren hatte.
Auf Grund dieser Erfahrung versuchte ich es denn auch nach
derselben Methode, die von Coze und Feltz, Davaini u. A. be¬
folgt ist, um bei Thieren künstliche Wundinfectionskrankheiten
hervorzurufen, an Mäusen dieselben oder doch ähnliche Krank¬
heiten zu erzielen.
Es wurden also Einspritzungen von putriden Flüssigkeiten,
z. B. von faulendem Blut, faulendem Fleischinfus unter die Rücken¬
haut einer Maus gemacht. Der Erfolg einer solchen Einspritzung
ist je nach der Art der Faulflüssigkeit und je nach der Menge,
die eingespritzt wird, ein sehr verschiedener. Blut und Fleisch¬
infus, das längere Zeit gefault hat, scheint weniger schädlich zu
wirken, wenige Tage faulende Flüssigkeiten haben dagegen eine
intensivere Wirkung. Von diesen letzteren Flüssigkeiten, nament¬
lich von nicht zu altem faulenden Blut genügen ungefähr fünf
Tropfen, um eine Maus binnen kurzer Zeit zu tödten. An dem
Thiere sind in diesem Falle sofort nach der Einspritzung ent¬
schiedene Krankheitssymptome zu bemerken. Es ist unruhig,
läuft viel umher, zeigt aber dabei grosse Schwäche und Unsicher¬
heit in allen Bewegungen, es frisst nicht mehr, die Respiration
wird unregelmässig, verlangsamt und nach 4–8 Stunden tritt der
Tod ein.
An einem solchen Thiere befindet sich im Zellgewebe der
Rückenhaut noch der grösste Theil des eingespritzten faulen Blutes
und zwar in demselben Zustande wie vor der Einspritzung. Es
enthält dieselbe Menge von Bakterien der verschiedensten Formen
[41]1. Septicämie bei Mäusen. regellos durcheinander gewürfelt, wie es auch die mikroskopische
Untersuchung vorher nachgewiesen hat. Eine Reaction ist in der
Umgebung der Injectionsstelle nicht zu bemerken. Auch die in¬
neren Organe sind unverändert. Wird Blut, das aus dem rechten
Vorhof genommen ist, einer anderen Maus eingeimpft, dann bleibt
diese Impfung ohne jede Wirkung. Bakterien sind in keinem
der inneren Organe und auch nicht im Herzblut aufzufinden.
Eine Infection war also durch die Einspritzung nicht ent¬
standen. Dagegen kann es keinem Zweifel unterliegen, dass der
Tod des Thieres durch das im faulenden Blute durch die Unter¬
sungen von Bergmann, Panum und verschiedenen anderen For¬
schern nachgewiesene lösliche Gift, das Sepsin bewirkt und dass
das Versuchsthier also nicht einer Infections- sondern einer In¬
toxicationskrankheit erlegen ist.
Bestätigt wird diese Annahme dadurch, dass je weniger
Flüssigkeit dem Thier applicirt wird, auch die sofort eintretenden
Vergiftungserscheinungen um so weniger ausgesprochen werden
und bei Einspritzung von einem oder höchstens zwei Tropfen ganz
fehlen. Nach Einspritzung so kleiner Mengen Blut bleiben Mäuse
vielfach auch dauernd ohne Krankheitserscheinungen. Aber un¬
gefähr ein Drittel derselben erkrankt nach ungefähr 24 Stunden,
während welcher Zeit sie noch anscheinend ganz gesund waren,
auf jeden Fall keine der vorher geschilderten Vergiftungssymptome
gezeigt haben, unter ganz charakteristischen und constanten Sym¬
ptomen.
Ehe ich dieselben beschreibe, will ich nur noch erwähnen,
dass auch mit weniger Faulflüssigkeit als mit einem Tropfen die
Infection noch gelingt. Aber mit der Menge der applicirten Faul¬
flüssigkeit nimmt auch die Zahl der Erfolge ab, so dass z. B. bei
einer in gewöhnlicher Weise vorgenommenen Impfung mit faulen¬
dem Blut, wobei also ungefähr 1/10—1/20 Tropfen zur
kommt, von 10—12 Thieren eins erfolgreich inficirt wird.
Das erste Krankheitssymptom bei den inficirten Thieren besteht
in einer vermehrten Secretion der Augenbindehaut. Das Auge sieht
trübe aus und es sammelt sich in der Lidspalte weisslicher Schleim,
der die Augen schliesslich ganz verklebt. Zugleich stellt sich
Mattigkeit ein, das erkrankte Thier bewegt sich wenig und lang¬
sam; meistens sitzt es mit stark gekrümmtem Rücken und fest
angezogenen Extremitäten ganz ruhig. Es hört dann auch auf zu
fressen. Die Respiration wird langsamer, die Schwäche nimmt
[42]Künstliche Wundinfectionskrankheiten. immer mehr zu und fast unmerklich tritt der Tod ein. Niemals
gehen Krämpfe vorher, wie es beim Milzbrand regelmässig der
Fall ist. Auch nach dem Tode bleibt das Thier in sitzender
Stellung mit stark gekrümmtem Rücken, während eine an Impf¬
milzbrand gestorbene Maus immer auf dem Rücken oder auf der
Seite liegt und die starren Extremitäten weit von sich streckt, so
dass schon an der Lage des Körpers nach dem Tode sofort die
stattgehabte Impfung mit faulendem Blute von der mit Milzbrand
zu unterscheiden ist. Der Tod der mit faulendem Blut inficirten
Mäuse erfolgt ungefähr 40—60 Stunden nach der Impfung.
Bei der Section findet sich an der Einspritzungs- oder Impf¬
stelle ein geringes Oedem des Unterhautzellgewebes, das aber auch
oft fehlt, und alle inneren Organe mit Ausnahme einer beträcht¬
lichen Milzanschwellung ganz unverändert.
Nimmt man nun von der subcutanen Oedemflüssigkeit oder
vom Blute aus dem Herzen eines solchen Thieres ein sehr geringes
Quantum (z. B. 1/10 Tropfen) und impft damit eine andere Maus,
dann treten bei dieser genau dieselben Krankheitserscheinungen,
in derselben Zeitdauer und Reihenfolge wie bei dem ersten Thier
und nach ungefähr 50 Stunden der Tod ein. Von diesem zweiten
Thier kann in eben derselben Weise ein drittes inficirt werden
und so weiter durch beliebig viele Impfgenerationen. Ich habe
diese Versuche an 54 Mäusen angestellt und immer das gleiche
Resultat gehabt. Davon wurden 17 Impfungen in einer successiven
Reihe, die anderen in kürzeren Reihen gemacht.
Die Sicherheit, mit der sich der Infectionsstoff von einer Maus
auf die andere übertragen lässt, ist noch bedeutender als beim
Milzbrand. Bei letzterem muss, um sicher zu gehen, das Impf¬
material aus der Milz genommen werden, weil das Blut von milz¬
brandigen Mäusen oft sehr wenige Bacillen enthält. Bei der mit
faulendem Blut erzeugten Krankheit der Mäuse ist es, besonders
in den späteren Impfgenerationen, dagegen gleichgültig, von wel¬
chem Organ man impft und selbst die kleinste Menge Substanz
hat noch eine sichere Wirkung. Es ist vollständig hinreichend,
über eine kleine Hautwunde einer Maus die Scalpellspitze, die mit
dem infectiösen Blute nur in Berührung gekommen ist, hinweg¬
zustreichen, um das so geimpfte Thier binnen ungefähr 50 Stunden
zu tödten. Mehrmals habe ich den Versuch gemacht, das sub¬
cutane Gewebe von einer Maus, die nach Impfung am Schwanz
gestorben war, an der entgegengesetzten Körperseite, also z. B.
[43]1. Septicämie bei Mäusen.am Kopf mit dem Messer zu berühren und einer anderen Maus
mit diesem Messer einen kleinen Hautriss am Ohr beizubringen,
aber auch in diesen Fällen starben die Thiere ausnahmslos an
der geschilderten Krankheit.
Diese Krankheit ist hiernach zweifellos eine Infectionskrank¬
heit, die nach dem Sectionsergebniss als Septicämie bezeichnet
werden muss.
Die bedeutende Virulenz, welche das Blut septicämischer
Mäuse besitzt, liess vermuthen, dass, wenn diese Krankheit eine
parasitische, durch Bakterien bedingte ist, die Parasiten im Blute
und zwar in grosser Anzahl vorhanden sein müssten. Aber ver¬
geblich habe ich mich anfangs bemüht, Bakterien im septicämi¬
schen Blute zu entdecken, erst mit Hülfe des Abbe'schen Conden¬
sors gelang es mir, dieselben trotz ihrer geringen Grösse mit aller
Sicherheit nachzuweisen.
Die Blutuntersuchung nahm ich in der bei einer anderen
Gelegenheit von mir angegebenen Weise1) (Eintrocknen am Deck¬
glase und Färben mit Methylviolett) vor, die sich auch hier voll¬
ständig bewährte.
Bei Thieren, welche nach Einspritzung von ein bis zehn
Tropfen faulenden Blutes krank geworden waren, fanden sich im
Blute gewöhnlich verschiedene Bakterien in geringer Zahl, Mikro¬
kokken, grössere und sehr kleine Bacillen. Starben die Thiere
aber nach Impfung mit faulendem oder septicämischem Blut, dann
zeigten sich im Blute nur die kleinen Bacillen und zwar ohne
dass jemals eine Ausnahme vorgekommen wäre und immer in
grosser Menge. Diese Bacillen (Taf. I. Fig. 1), die zerstreut oder
in kleinen Gruppen zwischen den rothen Blutkörperchen liegen,
haben eine Länge von 0,8—1 Mikrm.2) Ihre Dicke, die sich nicht
mehr messen, sondern nur schätzen lässt, beträgt ungefähr 0,1 bis
0,2 Mikrm. Um einen Vergleich mit anderen bekannten Bakterien
anstellen zu können, sind in Fig. 4 ebenso stark vergrösserte Milz¬
brandbacillen aus dem Blut einer Maus abgebildet, das genau in
derselben Weise wie das septicämische Blut am Deckglas einge¬
trocknet und gefärbt ist (die Gliederung der Milzbrandbacillen ist
in der Zeichnung etwas zu stark ausgefallen). Die Bacillen im
septicämischen Blut sieht man oft zu zwei aneinanderhängen ent¬
[44]Künstliche Wundinfectionskrankheiten. weder in gerader Linie oder einen stumpfen Winkel bildend.
Längere Ketten bis zu vier Bacillen kommen auch wohl vor, sind
aber selten. Sie haben beim ersten Anblick grosse Aehnlichkeit
mit kleinen nadelförmigen Krystallen. Dass es aber unzweifelhaft
pflanzliche Gebilde sind, geht daraus hervor, dass, wenn septi¬
cämisches Blut in einen hohlen Objectträger und in den Brütappa¬
rat gebracht wird, die Bacillen ebenso wie Milzbrandbacillen
wachsen, aber nicht wie diese zu langen Fäden, sondern sie ver¬
mehren sich zu dichten Haufen, die aus getrennten Bacillen be¬
stehen. In einigen Fällen habe ich auch Sporen in den Bacillen
auftreten sehen. Weiter konnte ich aus Mangel an Zeit die Le¬
bensbedingungen und Vegetationsverhältnisse dieser Septicämie¬
bacillen noch nicht verfolgen, beabsichtige aber bei späterer Ge¬
legenheit mich noch mit dieser Aufgabe zu beschäftigen. Ohne
Anwendung von Färbungsmitteln sind die Bacillen im frischen
Blute, auch wenn man ihre Form schon kennt, ungemein schwer
zu erkennen und ich habe darüber, ob sie eigene Bewegung be¬
sitzen, keine Gewissheit erlangen können. Eigenthümlich ist ihr
Verhalten zu den weissen Blutkörperchen. Sie dringen in die¬
selben ein und vermehren sich in ihnen. Oft findet man fast kein
einziges weisses Blutkörperchen mehr, in dessen Innern nicht
Bacillen zu erblicken sind. Manche Blutkörperchen enthalten nur
einzelne, andere dichte Massen von Bacillen, neben denen der
Kern noch zu erkennen ist; in noch anderen ist der Kern nicht
mehr zu unterscheiden und schliesslich ist aus dem Blutkörperchen
ein dichter, an den Rändern zerfallender Bacillenklumpen gewor¬
den, dessen Entstehung man sich nicht erklären könnte, wenn man
nicht oft alle Uebergänge bis zum intacten weissen Blutkörperchen
nahe bei einander zu sehen bekäme (Taf. I. Fig. 2).
Von der Impfstelle ausgehend lässt sich der Weg, auf dem
sich die Bacillen im Körper verbreiten, leicht ermitteln. Im sub¬
cutanen Zellgewebe in der Umgebung der Impfstelle sind sie, wie
man am besten nach Impfungen am Ohr sehen kann, reichlich
vorhanden, bisweilen schwarmähnliche Anhäufungen bildend. Be¬
sonders dicht liegen sie auf der Oberfläche des Ohrknorpels und
sind hier von einer Schicht Lymphkörperchen bedeckt. Letztere
finden sich nebst zahlreichen rothen Blutkörperchen auch im locke¬
ren Bindegewebe.
Das reichliche Austreten der rothen Blutkörperchen lässt auf
eine Veränderung der Gefässwände schliessen, und es ist sehr
[45]1. Septicämie bei Mäusen. wahrscheinlich, dass die Bacillen unmittelbar durch die Lücken
der Gefässwand, die den weit grösseren rothen Blutkörperchen
den Durchtritt gestatten, in die Gefässe hinein wuchern und so
in den Blutstrom gelangen. In den Lymphbahnen habe ich sie
niemals getroffen. Selbst in den stark vergrösserten Lymphdrüsen
sind sie nur in den Blutcapillaren, welche die Drüse durchziehen,
nicht aber in den Lymphräumen derselben zu finden. Im locke¬
ren Zellgewebe dringen sie oft weit vor und können vom Ohr bis
in das Mediastinum, vom Rücken bis in das Beckenzellgewebe
gelangen. Frei in den Körperhöhlen habe ich sie nicht gefunden.
Ihre Verbreitung in den Blutgefässen lässt sich am besten am
Zwerchfell ermitteln, wenn die am Rand des Centrum tendineum
verlaufenden Gefässe zur Untersuchung gewählt werden. Grössere
Venen (Taf. III. Fig. 3 zeigt einen kleinen Abschnitt einer solchen)
enthalten bedeutende Mengen ziemlich gleichmässig vertheilter Ba¬
cillen und zahlreiche aus weissen Blutkörperchen hervorgegangene
Bacillenhaufen. Die freischwimmenden Bacillen sind fast sämmt¬
lich mit ihrer Längsaxe nach der Richtung des Blutstromes ge¬
lagert und beweisen dadurch, dass sie noch durch das strömende
Blut in diese Lage gebracht sind und nach dem Stillstande
desselben sich nicht vermehrt oder fortbewegt haben. In den
Capillaren häufen sich die Bacillen besonders an den Theilungs¬
stellen an, doch habe ich niemals gesehen, dass es zur vollstän¬
digen Verstopfung kleinerer Gefässe gekommen wäre. Auch die
Innenwand der Arterien ist oft mit längsgerichteten Bacillen dicht
besetzt.
Ganz in derselben Weise sind die Bacillen nun auch im ge¬
sammten übrigen Blutgefässsystem vertheilt. Ueberall stösst man
bei der Untersuchung von Schnitten aus Lunge, Leber, Niere und
Milz auf Gefässdurchschnitte mit freien Bacillen und bacillenhal¬
tigen weissen Blutkörperchen im Innern. Stärkere Ansammlungen
in den Glomeruli bilden die Bacillen nicht; auffallenderweise sind
sie auch in der erheblieh vergrösserten Milz nicht zahlreicher als
in den anderen Organen.
Der ganze Krankheitsprocess hat grosse Aehnlichkeit mit
Milzbrand. In beiden Krankheiten ist die Infectionsfähigkeit an
das Vorhandensein der Bacillen im Blute gebunden; sobald diese
fehlen, lässt sich die Krankheit nicht mehr durch Verimpfung des
Blutes übertragen. Beide Krankheiten sind durch die ausnahms¬
los eintretende Entwicklung von überaus zahlreichen Bacillen aus¬
[46]Künstliche Wundinfectionskrankheiten.gezeichnet. Es kann deswegen auch keinem Zweifel unterliegen,
dass die Bacillen der hier beschriebenen Septicämie dieselbe Be¬
deutung haben wie die Milzbrandbacillen, dass sie nämlich als
das Contagium dieser Krankheit anzusehen sind.
Da Milzbrand mit Erfolg auf verschiedene Thiergattungen
übertragen ist, so versuchte ich auch mit dem Blut septicämischer
Mäuse andere Thierarten zu inficiren. Aus Mangel an anderen
Thieren konnte ich diese Experimente nur an Kaninchen und an
Feldmäusen anstellen. Bei beiden fiel der Versuch negativ aus.
Kaninchen wurden anfangs geimpft, später das gesammte von
einer septicämischen Maus gesammelte Blut denselben subcutan
injicirt und schliesslich Blut, Lungen, Herz, Leber, Nieren und
Milz einer septicämischen Maus einem Kaninchen unter die Haut
gebracht. Diese Thiere zeigten sämmtlich nicht die geringsten
Krankheitserscheinungen weder local an der Applicationsstelle
noch Allgemeinerscheinungen.
Eigenthümlich erscheint es, dass auch Feldmäuse die den
Hausmäusen in Grösse und Gestalt so ähnlich sind, dass sie auf
den ersten Blick kaum von einander unterschieden werden kön¬
nen, Immunität gegen diese Septicämie besitzen. Diese Thiere
sind indessen auch gegen Milzbrand bedeutend weniger empfäng¬
lich als die Hausmäuse. Ich beziehe dieses abweichende Ver¬
halten auf Verschiedenheiten im Blute der beiden nahe verwandten
Thiere, die sofort bei der Untersuchung des frischen Blutes auf¬
fallen. Im Blute der Hausmaus bilden sich nämlich selten Blut¬
krystalle und wenn es der Fall ist, dann schiessen nur an den
Rändern des Bluttropfens kleine rechteckige Täfelchen und Nadeln
an. Das Feldmausblut verändert sich dagegen regelmässig sehr
bald nach der Entfernung aus dem Körper, indem alle rothen
Blutkörperchen unmittelbar, oder nachdem sie mit benachbarten
Körperchen zusammengeflossen sind, in grosse regelmässig gebil¬
dete sechseckige Tafeln übergehen, so dass der Tropfen in kurzer
Zeit in einen Krystallbrei verwandelt ist. Wenn es nun auch
nicht geglückt ist, die Septicämie der Mäuse auf die genannten
beiden Thierarten zu übertragen, so folgt daraus durchaus noch
nicht, dass auch alle übrigen Arten gegen diese Krankheit immun
sind. Auch gegen den Milzbrand sind manche Arten unempfäng¬
lich. Es wäre gewiss eine lohnende Aufgabe, möglichst viele ver¬
schiedene Thiere in Bezug auf ihr Verhalten gegen diese Septi¬
cämie zu prüfen.
[47]2. Progressive Gewebsnekrose (Gangrän) bei Mäusen.
2. Progressive Gewebsnekrose (Gangrän) bei Mäusen.
Zugleich mit den eben beschriebenen Septicämiebacillen habe
ich einige Male bei Mäusen nach Einspritzung mit faulendem Blut
in der Umgebung der Injectionsstelle einen Mikrokokkus gefun¬
den, der sich durch seine schnelle Vermehrung und durch regel¬
mässige Kettenbildung bemerklich machte. Gewöhnlich sind von
der grossen Menge Bakterien, die mit dem faulenden Blute ein¬
gespritzt wurden, wenn das Thier ungefähr nach zwei Tagen an
Septicämie stirbt, ausser den Septicämiebacillen nichts oder doch
nur wenige kümmerlich vegetirende Reste zu finden. Es liess sich
also annehmen, dass alle anderen zugleich eingespritzten Bakte¬
rien im Körper der lebenden Maus keinen geeigneten Nährboden
finden und schneller oder langsamer zu Grunde gehen. Deswegen
fiel es sofort auf, wenn ausnahmsweise massenhaft wuchernde und
gleichmässig charakteristisch geformte Mikrokokken gefunden wur¬
den. Im Blute waren sie nicht zu bemerken und durch Impfung
mit dem Blut wurden immer nur die Septicämiebacillen über¬
tragen. Um ihre Impffähigkeit zu prüfen, musste also die Impf¬
substanz aus der Nähe der Injectionsstelle genommen werden. In
dieser Weise vorgenommene Impfungen waren denn auch erfolg¬
reich und die Virulenz des die Mikrokokken enthaltenden aus
dem subcutanen Bindegewebe entnommenen Serum war ebenso
bedeutend wie die des septicämischen Blutes. Wenn eine gut
gereinigte Messerspitze mit dem subcutanen Gewebe an einem von
der Injections- oder Impfstelle ungefähr anderthalb Centimeter
entfernten Punkt nur eben in Berührung gebracht und damit ein
anderes Thier geimpft wurde, dann glückte die Impfung jedes¬
mal. Natürlich wurde weil das Serum auch Septicämiebacillen
enthielt, immer Septicämie zugleich verimpft. Der Einfluss dieser
Mikrokokken auf thierische Gewebe und ihre Weiterverbreitung
lässt sich am besten am Ohr einer Maus verfolgen und besonders
lehrreich ist es, ein Ohr, auf das nur Septicämiebacillen und ein
anderes auf das Bacillen und kettenförmige Mikrokokken geimpft
wurden, zu vergleichen. Bei jenem Ohr ist das Zellgewebe von
rothen Blutkörperchen und Lymphkörperchen dicht erfüllt, so dass
die Bacillen oft schwer unter der Menge von Zellkernen zu er¬
kennen sind. Das zweite Ohr hat dagegen ein vollständig an¬
deres Ansehen. Von der Impfstelle ausgehend sieht man theils zu
dichteren Massen zusammengedrängt, theils weitläufig angeordnet
[48]Künstliche Wundinfectionskrankheiten.äusserst zierliche und regelmässige Mikrokokkenketten (Tafel III
Fig. 6), deren einzelne Elemente, wie sich aus Messungen längerer
Ketten berechnen lässt, einen Durchmesser von 0,5 Mikrm. be¬
sitzen. Dieselben lassen sich bis fast an die Basis des Ohrs ver¬
folgen und in dem ganzen Gebiet, das sie einnehmen, sind sämmt¬
liche Gewebe in erheblicher Weise verändert. So weit nämlich
die Mikrokokken reichen, ist kein rothes Blutkörperchen, keine
Kerne von Lymph- oder Bindegewebszellen mehr zu sehen. Selbst
die am meisten resistenten Knorpelzellen und die im Mauseohr
so reichlich vertretenen Plasmazellen, die sich ebenfalls durch
grosse Widerstandsfähigkeit auszeichnen, sind blass und kaum zu
erkennen. Sämmtliche Gewebsbestandtheile sehen so aus, als
wären sie mit Kalilauge behandelt; sie sind abgestorben, nekro¬
tisch geworden. Um so kräftiger entwickeln sich unter diesen
Verhältnissen die Bakterien. Die Mikrokokken dringen vielfach
in die verödeten Blut- und Lymphgefässe ein und füllen dieselben
stellenweise so aus, dass sie wie injicirt aussehen. Dazwischen
sieht man sehr deutlich, weil sie von keinen Kernen mehr ver¬
deckt werden, die Septikämiebacillen in kleinen Schwärmen, die
bisweilen so dicht werden, dass sie in ihrer Gestalt an die Pilz¬
figuren der geimpften Cornea erinnern. Während nun die Bacillen
bis zur Wurzel des Ohrs und darüber hinaus zu verfolgen sind,
im Blute sich ungeheuer vermehrt haben und das Thier schliess¬
lich tödten, sind die Mikrokokken in ihrer Verbreitung und dem
damit verbundenen Zerstörungsprocess bis zum Tode des Thieres,
also innerhalb ungefähr 50 Stunden, nur bis in die Nähe der Ohr¬
wurzel gedrungen. Die Grenze ihres Vordringens ist ganz scharf
bezeichnet, wie an einem Längsschnitt des Ohrs bei schwacher
(25facher) Vergrösserung sehr gut zu übersehen ist (Taf. I Fig. 5).
Der obere Theil (c), von der Spitze bis b ist nekrotisch. Die
grösseren dunklen, länglich- bis kreisrunden Stellen (d) sind Ge¬
fässquerschnitte mit Mikrokokkenmassen. Die diffus verbreiteten
Mikrokokkenketten sind natürlich bei dieser Vergrösserung nicht
zu sehen. Nur im unteren Viertel des nekrotischen Gebietes be¬
finden sich dichtere Gruppen, die sich als dunkle Pünktchen be¬
merklich machen. Dann tritt bei b mit einem Mal eine dicht
gehäufte Kernmasse, gewissermaassen als ein Wall gegen die Mi¬
krokokkeninvasion, auf und dies ist auch die Grenze bis zu der
noch Mikrokokken zu finden sind, selbst in den Blutgefässen
wuchern sie über diese Stelle nicht hinaus. Der Kernwall hat
[49]2. Progressive Gewebsnekrose (Gangrän) bei Mäusen. keine bedeutende Breite und dicht dahinter folgt normales Ge¬
webe. Bei starker Vergrösserung stellt sich indessen heraus, dass
die Mikrokokken nicht ganz bis an die Kernschicht heranreichen.
Die Kerne sind an der dem Mikrokokkengebiet zugekehrten Seite
der Lymphzellenanhäufung im Zerfall begriffen. Zahllose immer
kleiner werdende Fragmente von ganz unregelmässigen Formen
bilden die obere Grenze des Kernwalles und sobald man im Prä¬
parat in diese Region kommt, kann man mit Sicherheit auf die
Nähe der Mikrokokken schliessen. Doch bleibt zwischen den
letzten Kernresten und den Mikrokokken fast immer noch ein nur
aus nekrotischem Gewebe bestehender ziemlich breiter Strich, in
dem weder Mikrokokken noch Kerne zu finden sind; selten ist
es, dass die Mikrokokkenketten noch in die zerfallende Kern¬
schichte hineinreichen.
Hiernach muss man sich das Verhalten der die Nekrose ver¬
anlassenden kettenförmigen Mikrokokken so vorstellen, dass sie,
durch die Impfung in lebende thierische Gewebe gebracht, sich
vermehren und bei ihrem Vegetationsprocess lösliche Substanzen
abscheiden, die durch Diffusion in die Umgebung gelangen. In
grösserer Concentration, also in der Nähe der Mikrokokken hat
dieses gelöste Product der Mikrokokken eine so deletäre Wirkung
auf alle Zellen, dass sie zu Grunde gehen und schliesslich völlig
verschwinden. Entfernter von den Mikrokokken wird die Lösung
verdünnter, wirkt weniger intensiv und ruft in einem gewissen
Abstand nur noch Entzündungsreiz und Anhäufung von Lymph¬
zellen hervor. So kommt es denn, dass die Mikrokokken sich
immer in nekrotischem Gewebe befinden und bei ihrer Ausbrei¬
tung einen Kernwall vor sich herschieben, der auf der ihnen zu¬
gewandten Seite fortwährend abschmilzt und auf der entgegenge¬
setzten Seite durch sich immer von Neuem anlegende Lymphzellen
ersetzt wird.
Diese Beobachtungen beziehen sich indessen auf Impfungen
mit Flüssigkeit, die Mikrokokken und Bacillen enthielt, und man
könnte annehmen, dass die Septicämiebacillen zur Entwicklung
der Mikrokokken die nothwendigen Vorgänger abgeben, diesen
also gewissermaassen den Weg bahnen mussten. Es wurde des¬
wegen in verschiedener Weise versucht, die beiden Parasiten von
einander zu trennen, indem das eine Mal mehr, das andere Mal
weniger Impfflüssigkeit, näher oder entfernter von der Impfstelle
genommen, auch die Applicationsstellen möglichst variirt wurden.
Koch, Wundinfectionskrankheiten. 4[50]Künstliche Wundinfectionskrankheiten.Aber das half Alles nichts; entweder wurde reine Septicämie
oder Septicämie mit progressiver Nekrose zusammen, niemals
aber letztere allein erhalten. Da brachte mich der Zufall auf den
richtigen Weg. Es wurde eine Feldmaus, die, wie ich früher er¬
wähnte, gegen Septicämie immun ist, mit Septicämiebacillen und
kettenförmigen Mikrokokken geimpft. Der Versuch war in der
Erwartung angestellt, dass beide Parasiten nicht zur Entwicklung
kommen würden. Diese Erwartung ging aber nicht in Erfüllung,
denn die Bacillen blieben allerdings wirkungslos, aber die Mikro¬
kokken vermehrten und verbreiteten sich ganz in derselben Weise,
wie es vom Ohr der Hausmaus geschildert ist. Von der Impf¬
stelle an der Schwanzwurzel beginnend schritt die Nekrose am
Rücken aufwärts, bis tief in die Rückenmusculatur eindringend
und zu beiden Seiten abwärts nach der Bauchwand zu. Das Thier
starb drei Tage nach der Impfung. Die nekrotischen Theile waren
von Epidermis und Haaren theilweise entblösst und von ketten¬
förmigen Mikrokokken in ausserordentlicher Menge durchsetzt.
Auch an der Oberfläche der Bauchorgane, obwohl eine makro¬
skopisch bemerkbare Peritonitis nicht eingetreten war, fanden sich
dieselben Mikrokokken. Das Blut und das Innere der Organe
war dagegen frei davon. Von diesem Thiere wurden andere Feld¬
mäuse und später von diesen wieder Hausmäuse in mehreren
Impfgenerationen inficirt und zwar immer mit dem Erfolg, dass
nur die kettenförmigen Mikrokokken und in deren Gefolge die
progressive Nekrose erhalten wurde.
3. Progressive Abscessbildung bei Kaninchen.
Coze und Feltz, Davaine und mehrere Andere haben bei
Kaninchen durch Einspritzungen mit faulendem Blute eine infec¬
tiöse septicämieähnliche Krankheit erzielt und das veranlasste mich,
diesen Versuch zu wiederholen. Es ist mir nun allerdings nicht
gelungen, Kaninchen in der von Davaine beschriebenen Weise zu
inficiren, aber ich konnte dieselbe Beobachtung machen, wie viele
Andere, die in ähnlicher Weise an Kaninchen experimentirt haben,
dass nämlich bei diesen Thieren sehr oft nach subcutaner Injec¬
tion von Faulflüssigkeiten sich im Unterhautzellgewebe eine immer
weiter um sich greifende Abscessbildung entwickelt, ohne dass
es zu einer Allgemeininfection kommt. Solche Thiere sind an¬
fangs ohne Krankheitserscheinungen. Nur an der Injectionsstelle
[51]3. Progressive Abscessbildung bei Kaninchen. ist eine flache, linsenförmige, harte Infiltration zu fühlen. Erst
nach mehreren Tagen breitet sich diese Härte nach allen Rich¬
tungen hin aus, nach oben zu am wenigsten, um so mehr aber nach
dem Bauch und den Vorderextremitäten zu. Das Thier fängt zu¬
gleich an abzumagern und schwach zu werden und stirbt unge¬
fähr 12 bis 15 Tage nach der Einspritzung.
Die Section ergibt ausgedehnte, mit einem käsigen Inhalt ver¬
sehene, flache Abscesse im Unterhautzellgewebe, welche nach
verschiedenen Richtungen hin Ausbuchtungen besitzen und unter¬
einander zusammenhängen. Ausserdem Abmagerung im höchsten
Grade, aber keine Veränderungen am Bauchfell, Darm, Nieren,
Milz, Leber, Herz und Lungen. Im Blute sind die weissen Blut¬
körperchen stark vermehrt, aber keine Bakterien aufzufinden. Der
käsige Inhalt der Abscesse besteht aus einer feinkörnigen Masse,
in der stellenweise zerfallende Kerne, aber Bakterien nicht mit
Sicherheit nachzuweisen sind.
Es liegt hier also derselbe Fall vor, der beim Menschen schon
mehrfach gefunden und als Beweis gegen die parasitische Natur
eines derartigen Krankheitsprocesses ausgebeutet ist, dass nämlich
der Inhalt von Abscessen, die aus phlegmonösen Entzündungen
hervorgingen und die man als durch Infection entstanden ansehen
musste, frei von Mikroorganismen war.
Als nun aber Querschnitte von gehärteten Stücken dieser
Abscesse gemacht und diese untersucht wurden, stellte sich das
überraschende Resultat heraus, dass sich im Innern des Abscesses
allerdings keine Bakterien befanden, dass aber die Wand dessel¬
ben nach allen Seiten hin von einer dünnen Schicht, zu dichten
Zooglöahaufen verbundener Mikrokokken gebildet wird. Diese
Mikrokokken sind unter den pathogenen Mikrokokken die klein¬
sten, die ich bis jetzt beobachtet habe. An einzelnen günstigen
Stellen, an denen es möglich war, mehrere aneinander gereihte
Exemplare zu zählen und zu messen, fand ich als (natürlich nur
annähernd richtigen) Werth 0,15 Mikrom. für den Durchmesser
dieser Mikrokokken. Aus der Gestalt und Beschaffenheit der den
Abscess einschliessenden Zooglöamassen geht indess hervor, dass
dieselben in innigster Beziehung zum Abscessinhalt stehen, dass
dieser letztere aus den Zooglöamassen und von diesen eingeschlos¬
senen abgestorbenen Gewebstheilen hervorgeht. Dieser Vorgang
vollzieht sich in folgender Weise. Die Mikrokokken wuchern
nur in geschlossenen Massen, die an der Peripherie des mehr
4 *[52]Künſtliche Wundinfectionskrankheiten. oder weniger linsenförmigen Abscesses eine andere Gestalt haben,
als an der oberen und namentlich unteren Fläche desselben. Die
Abscessränder erstrecken sich in die lockeren Maschen des sub¬
cutanen Bindegewebes hinein; hier findet die Ausbreitung der
Mikrokokken den geringsten Widerstand und hier sieht man sie
in dichten wolkenähnlichen Massen den Abscess umsäumen (Taf. I.
Fig. 8). Das zunächst folgende Bindegewebe ist mehr oder weniger
reichlich von Kernen (e) durchsetzt, zwischen denen man einzelne
kleinere Mikrokokkencolonien (b, c) als Vorläufer der geschlosse¬
nen Zooglöamasse erblickt. Die kleinsten noch aufzufindenden
Haufen (d) lassen durch ihre mit spitzen Ausläufern versehene
Gestalt darauf schliessen, dass sie sich in den Saftkanälen des
Bindegewebes befinden. Einen Zusammenhang der Mikrokokken
mit den Bindegewebskörpern, wie etwas Aehnliches in der geimpf¬
ten Hornhaut beobachtet ist, habe ich nicht auffinden können. An
der unteren Fläche des Abscesses, wo den Mikrokokken die festen
Lagen des sich zur Fascie verdichtenden Bindegewebes entgegen¬
treten, können sie sich nicht in so üppiger Weise entwickeln, wie
an den Abscessrändern. Hier findet man sie verhältnissmässig
klein und abgeplattet (Taf. III. Fig. 7). Nur an einzelnen Stellen
schicken sie Ausläufer (b) in die darunter befindlichen von Kernen
durchsetzten Bindegewebsschichten. Eine ganz eigenthümliche Er¬
scheinung macht sich nun aber bemerkbar, wenn man die Zooglöa¬
massen selbst näher ins Auge fasst. Ihre Aussenränder, darunter
verstehe ich die dem Bindegewebe zugekehrte Seite der Zooglöen
(Fig. 8, a), sind von der Anilinfarbe dunkel und kräftig gefärbt
und lassen die einzelnen Mikrokokken deutlich unterscheiden. Be¬
sonders in kleinen, offenbar noch jungen Colonien (Fig. 8, b, c, d;
Fig. 7, b) sind die Mikrokokken gleichmässig gefärbt. Wenn
man aber in der Richtung nach dem Abscesse zu geht, bemerkt
man, dass die Zooglöa blasser wird, ihre Mikrokokken sich nicht
mehr genau unterscheiden lassen, sie werden scheinbar immer
feinkörniger und gehen in eine fast homogene Masse über, die
keinen Farbstoff mehr annimmt (Fig. 8, g)1). Noch weiter nach
dem Abscesse zu findet man blasse unverkennbar aus Zooglöen
hervorgegangene Schollen (Fig. 7, d) untermischt mit Kerndetritus
(Fig. 7, e; Fig. 8, f), und nur aus diesen beiden Substanzen, den
[53]3. Progressive Abscessbildung bei Kaninchen. abgestorbenen Zooglöen und Kernresten, und zwar erstere in über¬
wiegender Menge, besteht der käsige Inhalt der Abscesse. Ich
nannte jene ungefärbt bleibenden Schollen abgestorbene Zooglöen
und habe dazu folgende Gründe: Einmal liegt diese Erklärung
so nahe, sie geht aus der unmittelbaren Betrachtung und aus dem
Vergleich der im fortschreitenden Wachsthum befindlichen kleinen
Mikrokokkencolonien mit den weiter zurückliegenden grossen Zoo¬
glöen, die ihren Vegetationsprocess durchgemacht haben, so un¬
abweislich hervor, dass es dazu keiner besonderen Beweise be¬
dürfte. Man könnte das Wachsen der Mikrokokken nach der
einen Seite hin und das Absterben der Zurückbleibenden sehr gut
mit der Vegetation der Torfmoose vergleichen. Ausserdem kann
man bei verschiedenen anderen Gelegenheiten sich davon über¬
zeugen, dass es ein sicheres Kennzeichen für das Abgestorbensein
der Bakterien ist, wenn sie die Anilinfarbstoffe nicht mehr auf¬
nehmen. Diese Art der Bakterien-Vegetation, wie sie hier be¬
schrieben ist, verdient die höchste Beachtung. Denn es liegt auf
der Hand, wie leicht in ähnlichen Fällen der schmale Saum der
in noch vollem Wachsthum befindlichen und nur in diesem Zu¬
stande leicht nachzuweisenden Bakterien übersehen werden kann.
Anscheinend kommen auch bei den menschlichen Infectionskrank¬
heiten ähnliche Verhältnisse vor; denn Klebs1) fand bei Endo¬
carditis, dass die an der Aortenklappe abgelagerten Mikrokokken
gegen die Oberfläche hin dunkler gefärbt waren, in den tieferen
Lagen dagegen immer blasser und blasser wurden und schliesslich
ganz verschwanden, in eine homogene Masse übergehend.
Um nun noch zu ermitteln, ob sich dieser als progressive
Abscessbildung bezeichnete Krankheitsprocess auf andere Thiere
übertragen lasse, wurden Einspritzungen mit Blut der an dieser
Krankheit gestorbenen Kaninchen bei anderen Kaninchen vorge¬
nommen, doch blieben diese Thiere gesund. Es wurde dann eine
geringe Menge des käsigen Abscessinhaltes genommen, mit dest.
Wasser verdünnt und unter die Haut eines Kaninchens gespritzt.
Darnach entstand genau dieselbe Abscessbildung wie bei dem
ersten Thiere. Die Abscesse breiteten sich in derselben Weise,
wie früher beschrieben wurde, aus und führten nach anderthalb
Wochen den Tod des Versuchsthieres herbei. Von diesem Thiere
[54]Künstliche Wundinfectionskrankheiten.wurde die Krankheit auf ein drittes und so noch durch mehrere
Generationen übertragen.
Es erwies sich mithin, dass die Krankheit nicht nur in Folge
der Einspritzung grösserer Mengen faulenden Blutes entsteht, son¬
dern einen entschieden infectiösen Charakter trägt. Wenn aber
früher angenommen wurde, dass die in dem käsigen Abscessinhalt
befindlichen Mikrokokken abgestorben sind, so würde das ja mit
diesem Impfresultat nicht in Uebereinstimmung stehen. Dieser
Widerspruch scheint mir indessen nicht unlösbar; denn es ist
sehr wahrscheinlich, dass die Mikrokokken ebenso, wie andere
Bakterien, nach Ablauf ihres Vegetationsprocesses Dauersporen
bilden, die ebenfalls, wie z. B. die Bacillensporen, von Anilin¬
farben nicht gefärbt werden und deswegen im Canadabalsamprä¬
parat unsichtbar bleiben, und dass die Infection durch solche
Dauersporen vermittelt wird.
4. Pyämie bei Kaninchen.
Nachdem es mehrfach missglückt war, bei Kaninchen durch
faulendes Blut eine Allgemeininfection zu erzielen, wurden andere
putride Flüssigkeiten zu diesem Zweck verwandt.
Ein Stück Mausefell von der Grösse eines Quadratcentimeter
war in 30 Grm. destillirten Wassers zwei Tage lang macerirt
und von dieser Flüssigkeit wurde einem Kaninchen eine Spritze
voll unter die Rückenhaut gespritzt. Das Thier blieb zwei Tage
lang ohne bemerkbare Krankheitssymptome, dann aber frass es
weniger, wurde immer schwächer und starb 105 Stunden nach
der Einspritzung. Bei der sofort vorgenommenen Section fand
sich eine von der Injectionsstelle ausgehende, flache, eitrige (nicht
käsige) Infiltration im subcutanen Bindegewebe, die sich bis zur
Hüfte und zur Linea alba erstreckte. Am Bauche drang die
gelbgefärbte Infiltration stellenweise durch die Bauchmuskeln und
bis zum Peritonäum. Letzteres war glanzlos, vielfach mit zarten
weisslichen Gerinnseln besetzt. In der Bauchhöhle befand sich
eine geringe Menge trüber Flüssigkeit. Die Därme waren durch
weisse fibrinöse Massen verklebt. Leber, Magen und Milz waren
mit dünnen weissen Fibrinschichten überzogen, die Milz ausser¬
dem stark vergrössert. Die Leber sah nach Entfernung des Be¬
lags grau marmorirt aus, hatte auf dem Durchschnitt keilförmige
graugefärbte Stellen; auch waren die Ränder stellenweise grau
[55]4. Pyämie bei Kaninchen. gefärbt. In der Lunge befanden sich einige erbsengrosse dunkel¬
roth gefärbte luftleere Stellen. Im Uebrigen, namentlich am
Herzen, waren keine Veränderungen wahrzunehmen.
Vom Blute, das aus dem Herzen dieses Thieres genommen
war, wurde eine Spritze voll einem zweiten Kaninchen unter die
Rückenhaut gespritzt. Dasselbe starb nach 40 Stunden. Das
Sectionsergebniss war im Wesentlichen dasselbe. Nur war die
Infiltration in der Umgebung der Injectionsstelle mehr ödematös
und von kleinen Blutextravasaten durchsetzt; auch die Peritonitis
war weniger weit gediehen; am Dünn- und Dickdarm fanden
sich einige kleine subseröse Blutextravasate; Lunge und Leber
zeigten aber dieselben metastatischen Herde, wie beim ersten
Kaninchen.
Da es sich hier also unzweifelhaft um eine Allgemeininfection
handelte und möglicherweise derselbe Krankheitsprocess vorlag,
den Coze und Feltz sowohl, als Davaine nach Einspritzungen
von putriden Flüssigkeiten bei Kaninchen erhalten hatten und
sie zu ihren Beobachtungen über die sich steigernde Virulenz des
septicämischen Durchgangsblutes geführt hatten, so beschloss ich
eine ähnliche Versuchsreihe wie Davaine durchzuführen.
Um das Ergebniss der bezüglichen Versuche übersichtlicher zu
machen, werde ich sie in einer kleinen Tabelle zusammenstellen.
Die Verdünnung des Blutes wurde in derselben Weise be¬
werkstelligt, wie es Davaine bei seinen Versuchen gemacht hat.
Um 1/1000 Tropfen zur Injection zu erhalten, wurde nämlich ein
Tropfen Blut mit hundert Tropfen destillirten Wassers, von dieser
Mischung ein Tropfen nochmals mit hundert Tropfen destillirten
Wassers vermischt und von der so erhaltenen Verdünnung (also
1/10000 Verdünnung) zehn Tropfen injicirt. Die Tabelle umfasst
nur wenige Versuche, aber das Verhältniss zwischen dem Quan¬
tum des injicirten Blutes und der Dauer bis zum Eintritt des Todes
ist ein so gleichmässiges, dass es nicht durch Zufälligkeiten be¬
dingt sein kann. Eine steigende Virulenz des successive ver¬
[56]Künstliche Wundinfectionskrankheiten. impften Blutes hat sich nicht herausgestellt. Je weniger Blut in¬
jicirt wurde, um so länger dauerte es, ehe der Tod eintrat, und
bei einer Verdünnung auf 1/1000 Tropfen blieb der Erfolg ganz
aus. Es soll damit nicht gesagt sein, dass die Infectionsfähigkeit
des Blutes bei der tausendfachen Verdünnung schon aufgehört
hatte. Denn der Versuch wurde nur an einem Thier ausgeführt
und möglicherweise hätte, wenn mehreren Thieren zu gleicher
Zeit tausendfach verdünntes Blut injicirt wäre, doch das eine oder
andere erkrankt oder gestorben sein können. Aber das geht aus
der Tabelle hervor, dass ein geringeres Quantum eine verlang¬
samte Wirkung hat und dass schliesslich der Erfolg ein unsicherer
resp. negativer wird. Es kann dieses Verhältniss nur durch die
Annahme erklärt werden, dass das Blut immer eine gleiche Menge
von ungelösten inficirenden Formelementen enthält und dass diese
Formelemente sich bis zu einer gewissen Zahl vermehrt haben
müssen, bis sie im Stande sind, das Thier zu tödten.
Denn ein gelöster Infectionsstoff der sich von 10 Tropfen bis
zu 1/10 Tropfen verdünnt wirksam zeigt, müsste auch noch in Ver¬
dünnung von 1/1000 Tropfen unter allen Umständen inficirend sein,
nur hätte der Tod entsprechend später eintreten müssen.
Wenn aber nur ein ungelöster Infectionsstoff annehmbar bleibt
und das z. B. Bakterien sind, von denen eine gleichbleibende
Menge zur Tödtung eines Kaninchens erforderlich ist, dann ist
die Erklärung für die verzögerte Wirkung bei zunehmender Ver¬
dünnung des injicirten Blutes sofort gegeben. Denn je mehr das
Blut verdünnt wird, um so weniger Bakterien muss es verhält¬
nissmässig enthalten und wenn dem Versuchsthier bei der Injection
weniger Bakterien beigebracht werden, dann brauchen diese selbst¬
verständlich mehr Zeit, bis sie sich bis zur erforderlichen Zahl,
um ein Kaninchen zu tödten, vermehrt haben, als wenn von vorn¬
herein eine grössere Zahl injicirt wurde. Wird die Verdünnung
nun noch weiter fortgesetzt, dann wird zuletzt ein Moment ein¬
treten, wo in einem gegebenen Quantum Flüssigkeit, etwa in
10 Tropfen, wie sie zur Einspritzung genommen wurden, nicht
immer mit Sicherheit eine oder doch so viel Bakterien, wie zur
Infection erforderlich suspendirt sind. Dann wird die Infection
unsicher werden.
Sehen wir nun, wie die Thatsachen, welche die mikroskopische
Untersuchung liefert, mit diesen Erklärungsversuchen stimmen.
Zuvor habe ich noch zu erwähnen, dass auch bei den drei
[57]4. Pyämie bei Kaninchen.letzten Kaninchen mit unbedeutenden Abweichungen dieselben
Leichenerscheinungen, wie bei den beiden ersten, also locale puru¬
lent-ödematöse Infiltration des subcutanen Bindegewebes, meta¬
statische Herde in Lunge und Leber, Milzanschwellung, Peritonitis
gefunden wurden. Dieser Befund ist mit dem, was gewöhnlich
als Pyämie bezeichnet wird, so übereinstimmend, dass ich nicht
anstehe, diesen Namen auch für die vorliegende Krankheit an¬
zuwenden.
Das Mikroskop zeigt nun überall im Körper und besonders
an den schon makroskopisch als pathologisch verändert zu er¬
kennenden Stellen Mikrokokken in bedeutender Menge. Meistens
sind diese Mikrokokken einzeln oder zu zweien verbunden. Die
Messung derselben ist deswegen schwierig. Als Mittelzahl von
zehn Messungen, die an Doppelmikrokokken ausgeführt sind und
wenig von einander differiren, ergibt sich der Durchmesser für
einen Mikrokokkus 0,25 Mikrm. Sie stehen also in Betreff ihrer
Grösse in der Mitte zwischen dem kettenförmigen Mikrokokkus
der progressiven Gewebsnekrose und dem zooglöabildenden Mi¬
krokokkus der käsigen Abscesse beim Kaninchen. Ihr Verhalten
in den Blutgefässen lässt sich am besten in den Niereneapillaren
überblicken und ich habe deswegen zur Abbildung (Taf. V. Fig. 9)
ein kleines Gefäss aus der Nierenrinde gewählt. Die Grössen¬
verhältnisse der Mikrokokken sind in der Zeichnung unmöglich
immer richtig wiederzugeben; sie müssten hier im Verhältniss zu
den Mikrokokken der Figg. 7 und 8 etwas grösser gezeichnet
sein. In der Mitte des Gefässes bei c. befindet sich eine wand¬
ständige compakte Mikrokokkenablagerung, die eine Anzahl rother
Blutkörperchen einschliesst und vermuthlich sehr bald das Lumen
des Gefässes ausgefüllt hätte; denn an den Seiten lagern sich
immer neue Blutkörperchen an und werden von zarten Ausläufern
des Mikrokokkenhaufens umsponnen. Hieraus lässt sich auf die
Fähigkeit dieser Mikrokokken schliessen, entweder an und für
sich durch die Beschaffenheit ihrer Oberfläche die rothen Blut¬
körperchen, an die sie sich anhängen, zum Zusammenkleben zu
bringen oder auf geringe Distanzen hin eine Gerinnung des Blutes
und auf diese Weise Thrombenbildung zu veranlassen.
Die Art und Weise, wie die Mikrokokken die Blutkörperchen
gewissermaassen umspinnen und einschliessen, scheint mir für
diese besondere Mikrokokkenform ganz charakteristisch zu sein.
Zu solchen theilweisen oder vollkommenen Thrombenbildungen
[58]Künstliche Wundinfectionskrankheiten.kommt es in den Nierengefässen an vielen Stellen, besonders in
den Glomeruli, in denen einzelne Capillarschlingen vollständig
mit Mikrokokken ausgestopft sein können. Aber auch in diesen
ganz dichten zooglöaartigen Mikrokokkenmassen erkennt man
noch die von den eingeschlossenen rothen Blutkörperchen her¬
rührenden hellen Kreise. Grösstentheils trifft man indessen auf
kleinere Gruppen von Mikrokokken, von denen in Fig. 9 bei b
ein Beispiel gegeben ist. In dieser Weise nur wenige Blutkörper¬
chen umspinnend und verklebend finden sie sich im Capillar¬
gefässsystem sämmtlicher untersuchten Organe. So namentlich
in der Milz und Lunge. In grösseren Gefässen bilden sich auch
bedeutendere Gruppen und ich möchte annehmen, dass die grös¬
seren metastatischen Herde in Leber und Lunge nicht durch all¬
mähliches Heranwachsen eines Mikrokokkenhaufens in der Form,
wie es in Fig. 9 der Fall ist, sondern durch Steckenbleiben sol¬
cher stärkeren im strömenden Blute sich bildenden Mikrokokken¬
gruppen und der damit verbundenen Gerinnsel, also durch wirk¬
liche Embolie zu Stande kommen. In den metastatischen Herden
finden sich ausgedehnte Mikrokokkenwucherungen, die nicht allein
auf die Gefässe beschränkt bleiben, sondern auch in das benach¬
barte Gewebe übergreifen.
Die Bauchorgane sind mit einzelnen Doppelmikrokokken an
ihrer Oberfläche ziemlich gleichmässig besetzt. Dichtere Mikro¬
kokkenmassen bilden sich in der Bauchhöhle nicht; auch kleine
in der Flüssigkeit der Bauchhöhle suspendirte Eiterflocken und
der mit vielen Eiterzellen durchsetzte fibrinöse Belag der Bauch¬
organe enthält nur gleichmässig vertheilte, höchstens zu kleineren
Gruppen gehäufte Mikrokokken.
In der Umgebung der Injectionsstelle liegen im Unterhaut¬
zellgewebe flach ausgebreitete Ansammlungen von Eiterzellen die
von mehr oder weniger dichten, aber niemals zooglöaähnlichen
Mikrokokkenwucherungen umgeben sind. Letztere umziehen auch
die stark ausgedehnten und mit Blutkörperchen strotzend gefüllten
subcutanen Venen und lassen sich an vielen Stellen in den Ge¬
fässwandungen nachweisen und diese durchdringend bis in das
Innere der Gefässe verfolgen. In den Lymphgefässen und den
benachbarten stark geschwollenen Lymphdrüsen waren keine Mi¬
krokokken aufzufinden.
Vergleicht man nun das Resultat der mikroskopischen Unter¬
suchung mit dem Ergebniss der Infectionsversuche, so ergibt
[59]5. Septicämie bei Kaninchen.sich die vollkommenste Uebereinstimmung, wie sich leicht dar¬
legen lässt.
Zu den Infectionsversuchen wurde das Blut aus dem Herzen
genommen und es sind deswegen nur die Verhältnisse des in
grösseren Gefässen befindlichen Blutes zu berücksichtigen. Dieses
enthält, wie gezeigt wurde, reichlich Mikrokokken. Also der eine
Theil der Annahme, dass die inficirenden Formelemente Bakterien
seien, wäre damit erwiesen. Würden dieselben aber ihren Wachs¬
thumsprocess ebenso wie die Septicämie- und Milzbrandbacillen
im Blute vollziehen, dann müssten sie zu ungefähr ebenso grosser
Menge wie diese im Blutstrom heranwachsen und die Virulenz
des Blutes müsste eine weit bedeutendere sein, als wie sie gefun¬
den wurde. Wie wir gesehen haben, verhalten sich die Pyämie¬
mikrokokken in diesem Punkte aber anders als jene. Sobald sie
nämlich mit den rothen Blutkörperchen in Berührung kommen,
dieselben zum Zusammenkleben bringen und mehr oder weniger
grosse Gerinnsel im Blute bilden, können sie nicht mehr wie die
frei zwischen den rothen Blutkörperchen sich bewegenden Bacillen
durch die engsten Capillarnetze hindurch passiren, sondern bleiben
bald in grösseren, bald in kleineren Gefässen stecken. Es werden
gewiss von der Infectionsstelle aus immer neue Mikrokokken ein¬
dringen, auch von den kleinen Thromben und Embolien sich ein¬
zelne Mikrokokken ablösen und dem Blutstrome beimengen. Gleich¬
wohl kann ihre Gesammtmenge im strömenden Blute nicht über
eine gewisse Grenze hinausgehen, da sie immer wieder nach kurzer
Zeit irgendwo deponirt werden. So erklärt es sich sehr einfach,
dass die Menge der überhaupt im Körper des Versuchsthieres be¬
findlichen Mikrokokken immer mehr zunimmt und schliesslich,
auch abgesehen von den durch die Mikrokokken bedingten Cir¬
culationsstörungen, eine für das Thier tödtliche Höhe erreicht, dass
aber zugleich die Zahl der Mikrokokken in dem zur Weiterin¬
fection verwandten Herzblut eine ziemlich gleichmässige und so
niedrige ist, um bei tausendfacher Verdünnung in der Wirkung
unsicher zu werden.
5. Septicämie bei Kaninchen.
Eine Allgemeininfection anderer Art, die ohne Metastasen
bleibt und die ich deswegen als Septicämie im Gegensatz zu der
vorigen bezeichne, habe ich zweimal bei Kaninchen nach Ein¬
spritzung mit faulendem Fleischinfus erhalten. Dieses Infus ent¬
[60]Künstliche Wundinfectionskrankheiten.hielt ebenso wie die zu den früheren Versuchen gebrauchten
putriden Flüssigkeiten eine Menge der verschiedensten Bakterien¬
formen. Unter die Rückenhaut eines Kaninchens gespritzt be¬
wirkte es eine jauchige Vereiterung des Unterhautzellgewebes in
weiter Ausdehnung und den Tod des Thieres nach dritthalb Tagen.
In dem Jaucheherd, der wegen seiner Grösse wohl als unmittel¬
bare Todesursache (Resorption gelöster giftig wirkender Stoffe)
anzusehen war, fanden sich noch dieselben regellos durcheinander
geworfenen Bakterienformen wie in dem Fleischinfus, aber an der
Grenze desselben war das Zellgewebe von einer leicht getrübten
wässrigen Flüssigkeit durchtränkt, die sich von der bräunlichen
stinkenden Jauche in der Nähe der Injectionsstelle auffallend unter¬
schied, und in dieser Oedemflüssigkeit befanden sich fast nur grosse
Mengen von ziemlich grossen Mikrokokken, die eine ovale Ge¬
stalt besassen. Auch im Blut liessen sich dieselben Mikrokokken,
wenn auch nur in geringer Zahl nachweisen. Ferner waren in
den Nierenpapillen und in der stark vergrößerten Milz einzelne
kleine Venen auf kurze Strecken mit diesen ovalen Mikrokokken
vollgestopft.
Es wurden zwei Tropfen der Oedemflüssigkeit einem zweiten
Kaninchen unter die Rückenhaut gespritzt. Dasselbe starb nach
22 Stunden. Bei diesem Thiere war in der Umgebung der In¬
jectionsstelle keine Spur von Jauchebildung zu bemerken. Da¬
gegen zog sich ein geringes Oedem und streifige weissliche Fär¬
bung des subcutanen Bindegewebes von der Injectionsstelle bis
zum Bauche hin. In diesem ödematösen Bindegewebe lagen zahl¬
reiche bis 1/2 Ctm. breite flache Blutergüsse, die von stark ge¬
füllten Gefässen umgeben waren. Auch die Musculatur der Ober¬
schenkel und die Bauchmuskeln waren von kleineren Blutergüssen
durchsetzt. An Herz und Lungen wurden keine Veränderungen
gefunden. In der Bauchhöhle befand sich keine Flüssigkeit, das
Bauchfell war unverändert, die Darmschlingen nicht verklebt.
Aber die Oberfläche derselben sah in Folge einer Menge kleiner
subseröser Blutergüsse stellenweise wie mit Blut bespritzt aus.
Zu erwähnen ist noch die erhebliche Vergrösserung der Milz.
In diesem zweiten Falle waren in dem ödematösen Binde¬
gewebe nur noch die ovalen Mikrokokken anzutreffen, alle übrigen
Bakterien waren verschwunden. Die Zahl der Mikrokokken war
eine ganz bedeutende. Viele kleine Hautvenen waren dicht damit
gefüllt. In den Blutergüssen lagen, was sich besonders gut in
[61]5. Septicämie bei Kaninchen. der Oberschenkelmusculatur nachweisen liess, kleine von Mikro¬
kokken dicht angefüllte und dadurch spindelförmig aufgetriebene
Venen, die an einzelnen Stellen gesprengt waren und die Mikro¬
kokken in grosser Menge in das umgebende Bindegewebe aus¬
treten liessen.
Die Lungencapillaren enthielten nicht sehr zahlreiche Mikro¬
kokken, die vereinzelt oder zu zweien verbunden, auch kleine
wenig zusammenhängende Gruppen bildend im Blute vertheilt
waren. Bedeutend reichlicher waren die Nieren mit Mikrokokken
versehen. Die grosse Mehrzahl der Glomeruli erschien vergrössert,
wie aufgequollen, ihre Capillarschlingen waren erweitert und mit
rothen Blutkörperchen stark gefüllt. Die übrigen Glomeruli waren
verkleinert, die Kerne ihrer Capillarwände dicht zusammengerückt,
so dass sie aussahen, als wären sie comprimirt. In den ver¬
grösserten Glomeruli fanden sich ausnahmslos mehr oder weniger
ausgebreitete Einlagerungen der ovalen Mikrokokken, die reihen¬
förmig hinter- und nebeneinander liegend einschichtig die Innen¬
wand der Capillaren auskleideten und zwar nur auf kurze Strecken
und nicht ringsherum. Die Mikrokokkencolonien gewannen da¬
durch das Aussehen von kurzen halbaufgerollten Schalen oder
Rinnen. An anderen Stellen füllten sie indessen einige Gefäss¬
schlingen auch vollständig aus und ausserdem fanden sich alle
Uebergänge von diesen dichten obturirenden Massen bis zu lockeren
kleinen Colonien und einzelnen Mikrokokken (Taf. V, Fig. 10).
In den comprimirten Glomeruli waren nur ausnahmsweise kleine
Colonien zu sehen. Einzelne obturirende Mikrokokkenmassen
kamen auch im Capillargefässnetz der Marksubstanz vor. Im
Uebrigen zeigten sie sich vereinzelt fast in allen Gefässen. An¬
häufungen von Lymphzellen in der Umgebung der Mikrokokken
und Veränderungen an den Epithelzellen der Harnkanälchen waren
nicht zu bemerken. Auch lagen die Mikrokokken niemals im
Innern der Harnkanälchen. Die Milz enthielt zerstreute lockere
Mikrokokkencolonien in den Capillaren in mässiger Zahl, daneben
vereinzelte dichtere Anhäufungen, welche kleine Gefässe am Rande
und im Innern der Malpighischen Körperchen auf kurze Strecken
ausfüllten.
Im Darm kamen zahlreiche obturirende Mikrokokkenmassen
in den Capillaren, welche die Darmdrüsen umgeben, vor (Taf. 1.
Fig. 11). An manchen Punkten waren dieselben so ausgedehnt, dass
verästelte ganz aus Mikrokokken bestehende Figuren entstanden.
[62]Künstliche Wundinfectionskrankheiten.
Die Leber enthielt ähnlich wie die Lunge keine stärkeren
Ansammlungen von Mikrokokken.
Der grösste Durchmesser eines einzelnen Mikrokokkus beträgt
0,8—1,0 Mikrm.
Diese Mikrokokken differiren von den Pyämiemikrokokken
in Betreff der Grösse also wesentlich. Ebenso aber auch in den
meisten übrigen Verhältnissen. Sie schliessen, auch wenn sie sich
im Innern der Blutgefässe stärker anhäufen, niemals die Blutkör¬
perchen ein, sondern drängen sie zur Seite. Sie bewirken keine
Gerinnungen im Blute und deswegen auch keine embolischen Pro¬
cesse. Nur in einem Punkte sind sie den Pyämiemikrokokken
ähnlich, dass sie nämlich ebenfalls bei fortgesetzter Uebertragung
keine steigende Virulenz zeigen, wie aus folgenden Versuchen her¬
vorgeht.
Es wurde vom zweiten Kaninchen eine volle Spritze (10 Tropfen)
Blut aus dem Herzen einem dritten Kaninchen subcutan injicirt.
Dasselbe starb nach 36 Stunden. Makroskopischer und mikro¬
skopischer Befund war ebenso wie beim zweiten Kaninchen.
Vom dritten Kaninchen wurden 2 Tropfen Blut einer Maus,
und 1 Tropfen einem Kaninchen injicirt.
Die Maus starb nach 37 Stunden. Das Kaninchen blieb
gesund.
Von der Maus, in deren Blut und sämmtlichen Organen die
ovalen Mikrokokken in ähnlicher Weise, wie bei den Kaninchen
sich fanden, wurde und zwar mit Blut aus dem Herzen eine
zweite Maus in der Weise geimpft, dass ein Skalpell mit der
Spitze in das Blut getaucht und ungefähr 1/10 Tropfen an der
Schwanzwurzel in eine kleine taschenförmige Wunde gebracht
wurde.
Diese zweite Maus blieb ebenfalls gesund.
Noch ein zweites Mal habe ich durch Einspritzung mit fau¬
lendem Fleischinfus denselben durch ovale Mikrokokken bedingten
septicämischen Process bei einem Kaninchen bekommen.
Die weitere Uebertragung gelang aber auch diesmal nur ver¬
mittelst Injection von mindestens 5—10 Tropfen Blut.
6. Erysipelatöser Process beim Kaninchen.
Ausser den Einspritzungen grösserer Mengen von putriden
Flüssigkeiten wurden an Kaninchen auch mehrfach Impfungen mit
[63]6. Erysipelatöser Process beim Kaninchen. verschiedenen faulenden Stoffen versucht. Dieselben blieben in¬
dessen wirkungslos. Nur in einem Falle entstand nach Impfung
mit Mäusekoth, der in destillirtem Wasser aufgeweicht war, am
Ohr eines Kaninchens eine sich von der Impfstelle langsam nach
abwärts ausbreitende Röthung und Schwellung. Dieselbe erreichte
am 5. Tage die Ohrwurzel. Während das nicht geimpfte Ohr
ganz unverändert war und gegen das Sonnenlicht gehalten nur
die Hauptgefässe durchschimmern liess, sah das geimpfte Ohr bei
derselben Beleuchtung gleichmässig dunkelroth aus und einzelne
Gefässe waren nicht mehr zu erkennen. Es war dicker und zu¬
gleich schlaffer geworden, die Spitze war umgebogen und hing
in Folge ihrer Schwere herab. Das Thier war dabei sichtlich
krank und starb am 7. Tag.
Eine Einspritzung mit Blut desselben bei einem anderen
Thier hatte keine Erkrankung desselben zur Folge.
Leider ist es unterblieben, eine directe Uebertragung des
Krankheitsprocesses durch Impfung mit Substanz vom Ohr des
erkrankten Kaninchens auf das Ohr eines anderen Thieres zu ver¬
suchen.
Im Blut und sonst in inneren Organen des Kaninchens fanden
sich keine bemerkenswerthen Veränderungen, namentlich auch
keine Bakterien. Die Verhältnisse am erkrankten Ohr waren da¬
gegen so bemerkenswerth und trugen so unverkennbar den Cha¬
rakter einer parasitischen Krankheit, dass ich es für zweckmässig
hielt, obwohl die Ansteckungsfälligkeit in diesem Falle nicht di¬
rect erwiesen ist, eine Darstellung derselben hier zu geben.
An Querschnitten des Ohrs zeigten sich die Blutgefässe stark
erweitert und mit rothen Blutkörperchen gefüllt und mit zahl¬
reichen Kernen von Lymphzellen umgeben. Diese Kerne wurden
nach dem Ohrknorpel zu zahlreicher und bildeten an dessen Ober¬
fläche eine ziemlich gleichmässige dichte Schicht. Zwischen letz¬
terer und den eigentlichen Knorpelzellen aber Hessen sich in ziem¬
lich regelmässigen Abständen feine Stäbchen unterscheiden, welche
in dem dichteren Bindegewebe, das den Knorpelzellen unmittel¬
bar aufliegt, sämmtlich in der Ebene des Knorpels verliefen. An
manchen Stellen waren die Stäbchen einzeln, an anderen lagen
mehrere parallel neben einander, bisweilen, und zwar waren das
immer Stellen, an denen die Lymphzellen etwas dichter angehäuft
waren als sonst, fanden sich dicht zusammengefilzte, aus denselben
Stäbchen bestehende Knäuel. Die Stäbchen waren an keiner an¬
[64]Künstliche Wundinfectionskrankheiten.deren Stelle zu finden, als dicht am Knorpel. Es wurden des¬
wegen Flächenschnitte angefertigt, die denn auch die Verbreitung
der Stäbchen an der Knorpeloberfläche sehr gut zur Anschauung
brachten. Figur 12 auf Tafel I ist nach einem solchen Flächen¬
schnitt gezeichnet. Die grossen rundlichen Körper (c) sind die
Kerne von grossen platten Zellen, unter welchen die Knorpel¬
zellen folgen. Auf der von den platten Zellen gebildeten Schicht
breitet sich ein dichtes Netz aus, das aus Bacillen besteht und
über den Bacillen, sie theilweise verdeckend, liegen die Kerne
(b) der Lymphzellen, von denen der Schnitt jedoch nur einen
kleinen Rest zurückgelassen hat. An vielen Stellen haben die
Bacillen mehr oder weniger runde, dicht zusammengesetzte Klum¬
pen gebildet (wie sie Fig. 12 a zeigt), die einem Haarwulst ähnlich
sind. Von diesen aus ziehen nach allen Richtungen in parallelen
Zügen sich immer mehr vereinzelnd lange Reihen von Bacillen. Es
erinnert dieser Anblick sofort an die eigentümlichen, oft stern¬
artigen Figuren der auf die lebende Kaninchenhornhaut verimpften
Milzbrandbacillen1). Dieses Bacillennetz erstreckte sich über den
ganzen Ohrknorpel und zwar auf beiden Seiten desselben. Da
der Krankheitsprocess in seinem Entstehen an der Impfstelle und
Fortschreiten auf die übrigen Theile des Ohres sich verfolgen
liess und in der ganzen Ausdehnung derselben die Bacillen ge¬
funden wurden und weil ferner die Zeichen entzündlicher Reaction
in unmittelbarer Nähe der Bacillen am bedeutendsten waren, so
halte ich es für unzweifelhaft, dass die Bacillen auch als die
Krankheitsursache anzusehen sind. Eine Sporenbildung habe ich
an ihnen nicht gesehen. Ihre Länge ist sehr verschieden. Ein
Stäbchen, an dem ich mit Sicherheit nur zwei Glieder unter¬
scheiden konnte, war 3,0 Mikrm. lang. Die längsten, welche dem¬
nach aus 6 — 7 Gliedern bestanden, erreichten die Höhe von 9,0
bis 10,0 Mikrm. Die Dicke beträgt 0,3 Mikrm. (Die Milzbrand¬
bacillen haben eine Länge bis 20,0 Mikrm. und Dicke von 1,0
bis 1,25 Mikrm., sind also ungefähr noch einmal so lang und drei-
bis viermal so dick wie die Bacillen des Kaninchenohrs.)
Milzbrand.
Die vielfachen Untersuchungen über Milzbrand haben sich
fast alle mit dem Verhalten der Milzbrandbacillen ausserhalb des
thierischen Körpers beschäftigt. Ueber ihre Menge im Blute machte
man sich gewöhnlich nur nach der Blutprobe, die man aus einem
beliebigen Körpertheil genommen hatte, eine Vorstellung. Von
der im Körper wirklich vorhandenen Menge der Bacillen, von
ihrer Vertheilung im Blutgefässsystem sind aber bis jetzt keine
Angaben zur Veröffentlichung gekommen.
Um diese Lücke auszufüllen und weil die Milzbrandbacillen
sich den Septicämiebacillen so ähnlich verhalten und zum Ver¬
gleich mit diesen sowohl als auch mit den anderen hier geschil¬
derten pathogenen Bakterien dienen können, habe ich es unter¬
nommen, an Impfmilzbrand gestorbene Kaninchen und Mäuse in
derselben Weise, wie die durch künstliche Wundinfectionskrank¬
heiten getödteten Thiere zu untersuchen.
Hierbei erwies sich die isolirte Färbung der Milzbrandbacillen,
wie sie durch Behandlung der in Methylviolett gefärbten Schnitte
mit kohlensaurem Kali erzielt wird, von grösstem Vortheil. Magen-
und Darmschleimhaut lassen sich beispielsweise vermittelst dieses
Verfahrens für die Untersuchung so präpariren, dass selbst bei
schwacher Vergrösserung die Bacillen im ganzen Gefässgebiet
derselben zu übersehen sind. Ebenso geben Schnitte aus den
Lungen, Leber und Nieren ausserordentlich übersichtliche und
instructive Präparate.
Obwohl ich nun vielfach das Blut von milzbrandigen Thieren
früher untersucht hatte und keine geringe Meinung von der Zahl
der Bacillen im Körper eines milzbrandigen Thieres hatte, so
war ich doch ganz überrascht, als ich zum ersten Mal isolirt ge¬
färbte Schnitte und Theile von milzbrandigen Organen, z. B. die
Koch, Wundinfectionskrankheiten.[66]Milzbrand. Darmschleimhaut und die Iris von einem Kaninchen vor Augen
hatte. Bei einer 50 fachen Vergrösserung sieht ein solches Prä¬
parat beim ersten Anblick genau so aus, als wäre in die Gefässe
eine blaue Injectionsmasse gespritzt. Jede einzelne Darmzotte
ist von einem äusserst zierlichen blauen Netz durchzogen; in der
Magenschleimhaut ist das gesammte, die Labdrüsen umspinnende
Capillargefässnetz blaugefärbt; am Ciliarkörper ist jeder einzelne
Vorsprung injicirt und ein spiralförmig gewundenes, dunkelblau¬
gefärbtes Gefäss führt von da zur Iris und löst sich in ein mit
bogenförmigen, gegen den Irisrand gerichteten Ausbuchtungen ver¬
sehenes feines blaues Netz auf. Leber und Lunge, drüsige Appa¬
rate, wie Pankreas, Speicheldrüse sind von denselben vollständig
injicirten blauen Gefässnetzen durchzogen. Ueberhaupt ist kein
Organ, das nicht mehr oder weniger von der blaugefärbten Masse
injicirt ist. Im höchsten Grade auffallend ist aber dabei, dass
diese Injection nur das Capillargefässsystem betrifft. Alle grösseren
Gefässe, selbst schon die Arterie und Vene einer Darmzotte sieht
man entweder gar nicht gefärbt oder nur mit einem leichten
blauen Anflug, und auch das nur stellenweise, versehen. Bei einer
250 fachen Vergrösserung erkennt man schon, dass die Linien des
blauen Capillarnetzes aus vielen feinen Stäbchen zusammengesetzt
sind (Taf. III, Fig. 13) und bei 700 facher Vergrösserung (Taf. V,
Fig. 14) stellt sich heraus, dass die scheinbare Injection nichts
weiter ist, als die bekannten, in diesem Falle dunkelblau gefärbten
Milzbrandbacillen, die in ganz unglaublichen Mengen im gesammten
Capillargebiet abgelagert sind. In allen übrigen Gefässen, nament¬
lich in den grössten, sind die Bacillen oft nur vereinzelt, auf
längeren Strecken selbst ganz fehlend. Es gibt dies wieder ein
schlagendes Beispiel dafür, wie wenig maassgebend bei Infections¬
krankheiten die Untersuchung irgend einer beliebigen Blutprobe
ist; denn es ist gar nicht unmöglich, dass man aus dem Herzen
einen Tropfen Blut nimmt und keine Mikroorganismen darin
findet, die wenigen darin vorhandenen auch wohl übersieht und
dass trotzdem das Capillargefässsystem mit Parasiten überladen ist.
Indessen ist auch die Vertheilung der Milzbrandbacillen im
Capillargebiet keine ganz gleichmässige. Am spärlichsten sind
sie im Gehirn, in der Haut, in den Muskelcapillaren, in der Zunge.
In der Lunge, Leber, Niere, Milz, Darm, Magen sind sie dagegen
gleichmässig in der vorher geschilderten gewaltigen Menge ver¬
treten. Die Milz, die der Krankheit zum Namen verholfen hat,
[67]Milzbrand. zeichnet sich vor den anderen genannten Organen durch grösseren
Gehalt an Bacillen nicht aus. In den Capillaren selbst häufen
sich die Bacillen am meisten immer an dem Punkte an, der von
der nächsten zuführenden Arterie und von der ableitenden Vene
am weitesten entfernt ist, also da wo die arteriellen Capillaren
in die venösen übergehen, wo zugleich die Blutbahn am breitesten
ist und der Blutstrom am langsamsten fliesst. In den Darmzotten
ist dies die Spitze und der benachbarte Theil der Peripherie; in
der Leber liegt dieser Punkt in der Mitte zwischen den letzten
Aestchen der Lebervene und der Pfortader. Zu diesen Stellen,
an denen die Bacillen sich reichlicher ablagern, gehören auch die
Nierenglomeruli, die grösstentheils in Bacillenklumpen verwandelt
sind. Nicht selten kommt es unter dem Druck der sich schnell
vermehrenden Bacillen an den bezeichneten Orten, also vorzugs¬
weise in den Glomeruli, Darmzotten, ausserdem auch in der
Magenschleimhaut, Speicheldrüsen, Pankreas, zum Zerreissen ein¬
zelner Capillaren und zum Austritt von Blut und Bacillen. Am
meisten ereignet sich dies in den Glomeruli. Viele derselben
werden gesprengt und die Bacillen gehen in die Harnkanälchen
über. Doch gelangen sie nicht weit, wenigstens habe ich sie nur
im Anfang der gewundenen Harnkanälchen gefunden, in denen
sie zu durcheinander gefilzten langen Fäden auswachsen; in den
geraden Harnkanälchen dagegen habe ich niemals Bacillen an¬
getroffen.
Diese eben geschilderten Verhältnisse gelten vom Kaninchen.
Mäuse, die ich vielfach untersucht habe, verhalten sich indessen
im Wesentlichen ebenso. Nur ist bei diesen Thieren die Milz
vorzugsweise mit Bacillen versehen, demnächst die Lungen, am
wenigsten die Nieren. Der Unterschied zwischen der ungemein
grossen Menge von Bacillen im Capillargebiet und der spärlichen
Anzahl derselben in den grossen Gefässen ist bei der Maus noch
auffallender als beim Kaninchen.
Ferner hatte ich noch Gelegenheit, Lungen, Leber, Milz und
Niere von einem milzbrandigen Schaf zu untersuchen und fand
auch bei diesem dieselbe Menge und Vertheilung der Bacillen
wie beim Kaninchen.
Das Studium von milzbrandigen Organen mit Hülfe der iso¬
lirten Färbung möchte ich allen Denen empfehlen, die trotz aller
bis jetzt schon dafür gelieferten Beweise den Milzbrand immer
noch nicht für eine parasitische Krankheit halten. Die einfache
5 *[68]Milzbrand.Thatsache, dass 24 Stunden nach der Impfung mit dem kleinsten
Tröpfchen Milzbrandblut, vorausgesetzt, dass es Bacillen oder
deren Sporen enthält, der Tod eintritt und fast sämmtliche Ca¬
pillaren in den (sofort nach den Tod in absoluten Alkohol ge¬
legten) Lungen, Nieren, Leber, Milz, Darm, Magen u. s. w. mit
einer erstaunlichen Menge derselben Bacillen angefüllt sind, ist
doch so einfach, dass sie eigentlich gar keines Commentars weiter
bedarf. Wer da noch die Milzbrandbacillen für zufällig, über¬
haupt gleichgültig oder nur nebensächlich hält, der muss den
Verlust an Blutbestandtheilen, die zum Aufbau dieser unzähligen
Bacillen dienten, nicht minder die Abfallsproducte, welche ein
so rapider Stoffwechsel, wie derjenige der Milzbrandbacillen, noth¬
wendigerweise liefern muss, und schliesslich die durch Verstopfung
der meisten Capillaren bedingten Störungen im Blutkreislauf und
in der Ernährung wichtiger Organe, alles dies muss er ebenfalls
für gleichgültig, nebensächlich halten, um statt dessen ein unbe¬
kanntes Krankheitsferment für den Tod des Thieres verantwort¬
lich machen zu können. Dann ist aber auch gar nicht einzusehen,
warum nicht für die Trichinosis, selbst für die Krätze und andere
unmittelbar übertragbare parasitische Krankheiten mit demselben
Recht ausser Trichinen, Milben u. s. w. noch specifische Krank¬
heitsfermente gefordert werden.
Schlussfolgerungen.
Dass die vorstehend geschilderten Untersuchungen viele Lücken
und Mängel besitzen, dessen bin ich mir wohl bewusst. Manche
Organe, welche bei Untersuchungen über Infectionskrankheiten
nicht unberücksichtigt bleiben sollten, wie Gehirn, Herz, Retina
mussten, um Zeit für die wichtigsten und unerlässlichsten Arbeiten
zu gewinnen, bei Seite gelassen werden. Aus demselben Grunde
konnten keine Temperaturmessungen, die gewiss die interessan¬
testen Resultate geliefert hätten, vorgenommen werden. Auf
pathologisch-anatomische Details bin ich absichtlich nicht ein¬
gegangen, da mich nur die Aetiologie interessirte und ich mich
ausserdem einer pathologisch-anatomischen Bearbeitung der Wund¬
infectionskrankheiten nicht gewachsen gefühlt hätte, die ich des¬
wegen berufeneren Kräften überlassen muss.
Trotzdem halte ich das durch meine Untersuchungen gewonnene
Material für ausreichend, um einige wohlbegründete Schlüsse daraus
ziehen zu können.
Bei meinen Schlussfolgerungen werde ich mich indessen nur
auf das Nächstliegende beschränken. Es ist zwar in letzter Zeit
üblich geworden, aus jeder, auch der unbedeutendsten Beobach¬
tung über Bakterien die weitgehendsten Folgerungen über die
Infectionskrankheiten im Allgemeinen zu ziehen, doch werde ich,
obwohl das mir zu Gebote stehende Material reichlichen Stoff zu
Betrachtungen in dieser Richtung abgeben würde, dieser Sitte
nicht folgen. Denn je länger ich mich mit dem Studium der
Infectionskrankheiten befasst habe, um so mehr habe ich die
Ueberzeugung gewonnen, dass das Generalisiren neuer Thatsachen
hier verfrüht ist und dass jede einzelne Infectionskrankheit oder
Gruppe nahe verwandter Infectionskrankheiten für sich erforscht
werden muss.
[70]Schlussfolgerungen.
Was nun zunächst die von mir beobachteten künstlichen
Wundinfectionskrankheiten betrifft, so sind für die fünf ersten
vollständig, für die sechste nur theilweise die Bedingungen erfüllt,
welche zum Beweis für ihre parasitische Natur erforderlich sind.
Denn es wurde die Infection durch so geringe Mengen Blut,
Serum, Eiter bewerkstelligt, dass eine Verwechslung mit Intoxi¬
cation ausgeschlossen bleiben muss.
In den zur Impfung oder Einspritzung genommenen Substanzen
wurden ferner ausnahmslos Bakterien und zwar für jede der ein¬
zelnen Krankheiten eine andere wohl unterscheidbare Form nach¬
gewiesen.
Ebenso wurden ausnahmslos in den an der künstlichen Wund¬
infectionskrankheit gestorbenen Thieren Bakterien in solcher Menge
und Vertheilung gefunden, dass die Krankheitssymptome und der
Tod ausreichend Erklärung finden. Zugleich waren die vor¬
gefundenen Bakterien identisch mit denjenigen, die in den Impf¬
flüssigkeiten enthalten waren und es entsprach also in jeder Be¬
ziehung einer bestimmten Krankheit auch eine bestimmte Form
von Bakterien.
Diese künstlichen Wundinfectionskrankheiten haben in ihrer
Entstehungsweise durch putride Substanzen, in ihrem Verlauf und
Sectionsresultat die grösste Aehnlichkeit mit den menschlichen
Wundinfectionskrankheiten. Ausserdem konnten bei ersteren ebenso
wie bei letzteren die parasitischen Organismen mit den früheren
Untersuchungsmethoden nur unvollkommen nachgewiesen werden
und erst mit Hülfe eines verbesserten Verfahrens war es möglich,
den Beweis zu führen, dass sie parasitische Krankheiten sind.
Deswegen ist der Schluss gerechtfertigt, dass auch die mensch¬
lichen Wundinfectionskrankheiten sich höchst wahrscheinlich bei
Anwendung derselben verbesserten Untersuchungsmethode sämmt¬
lich als parasitische Krankheiten erweisen werden.
Andererseits geht daraus, dass eine bestimmte pathogene
Bakterienform, z. B. die Septicämiebacillen, sich nicht auf jede
andere Thierart übertragen lässt (Aehnliches ist auch von den
Milzbrandbacillen bekannt), hervor, dass nicht unter allen Um¬
ständen die Septicämie der Mäuse, Kaninchen, Menschen u. s. w.
durch die nämliche Bakterienform veranlasst sein muss. Es ist
immerhin möglich, dass die eine oder andere der bei Thieren
gefundenen Bakterienformen auch in menschlichen Wundkrank¬
heiten eine Rolle spielt. Es muss das aber jedesmal speciell
[71]Schlussfolgerungen.nachgewiesen werden; von vornherein lässt sich nur erwarten,
dass überhaupt Bakterien vorhanden sind, die Gestalt, Grösse,
Wachsthumsverhältnisse derselben können ähnlich, müssen aber
für ähnlich erscheinende Krankheiten verschiedener Thierarten
nicht immer dieselben sein.
Ausser den bis jetzt bei Thieren gefundenen pathogenen Bak¬
terien gibt es gewiss noch manche andere. Meine Versuche be¬
ziehen sich nur auf tödtlich verlaufende Krankheiten. Auch diese
sind vermuthlich durch die sechs geschilderten Formen noch nicht
erschöpft. Bei weiteren Experimenten an vielen verschiedenen
Thierspecies, mit den verschiedensten putriden Substanzen und
mit möglichst modificirten Applicationsweisen wird zweifellos noch
eine Anzahl weiterer Infectionskrankheiten gefunden werden, die
noch zu weiteren Aufschlüssen über die menschlichen Wundkrank¬
heiten und die pathogenen Bakterien führen werden.
Aber schon in den wenigen Versuchsreihen die ich vorführen
konnte, tritt eine Erscheinung so evident hervor, dass ich sie als
feststehend betrachten muss und, weil sie die meisten Bedenken
gegen die Annahme des Contagium animatum für die Wundinfec¬
tionskrankheiten beseitigen hilft, als das wichtigste Ergebniss
meiner Arbeit ansehe. Es ist das die Verschiedenheit der patho¬
genen Bakterien und ihre Unabänderlichkeit. Einer jeden Krank¬
heit entspricht, wie wir gesellen haben, eine besondere Bakterien¬
form und diese bleibt, so vielfach auch die Krankheit von einem
Thier auf das andere übertragen wird, immer dieselbe. Auch
wenn es gelingt, dieselbe Krankheit von Neuem wieder durch
putride Substanzen hervorzurufen, tritt nicht eine andere, sondern
dieselbe schon früher für diese Krankheit als specifisch gefundene
Bakterienform auf. Ferner sind die Unterschiede dieser Bakte¬
rienformen so gross, wie sie bei Organismen, die theilweise an
der Grenze des Sichtbaren stehen, nur erwartet werden können.
Diese Unterschiede suche ich allerdings nicht allein in der Grösse
und Gestalt der Bakterien, sondern daneben noch in ihren Wachs¬
thumsverhältnissen, die sich am besten aus der Lagerung und
Gruppirung ersehen lassen. Ich fasse deswegen nicht nur das
einzelne Individuum sondern die ganze Gruppe von Bakterien ins
Auge und würde beispielsweise einen Mikrokokkus, der bei einer
Thierart nur in geschlossenen Haufen, also in Zooglöaform vor¬
[72]Schlussfolgerungen.kommt, für verschieden von einem anderen ebenso grossen halten,
der bei derselben Thierart, also unter denselben Lebensbedingun¬
gen, nur zerstreut gefunden wird. Ausserdem muss noch die ver¬
schiedene physiologische Wirkung berücksichtigt werden, wofür
ich kaum ein treffenderes Beispiel wüsste, als die nebeneinander
im Ohrzellgewebe einer Maus vegetirenden Bacillen und ketten¬
förmigen Mikrokokken, von denen die einen ins Blut übergehen
und in die weissen Blutkörperchen eindringen, die anderen lang¬
sam im Gewebe sich ausbreiten und alles um sich her zerstören;
dann die Septicämie- und Pyämiemikrokokken des Kaninchens
in ihrem verschiedenen Verhalten zum Blute, ferner die nur an
der Oberfläche des Ohrknorpels von Kaninchen sich ausbreiten¬
den Bacillen bei der erysipelasartigen Krankheit im Gegensatz zu
den ebenfalls am Kaninchenohr eingeimpften schnell ins Blut über¬
gehenden Milzbrandbacillen.
Wenn nun aber jeder der untersuchten Krankheiten eine durch
physiologische Wirkung, durch Wachsthumsverhältnisse, Grösse
und Gestalt genau charakterisirte Bakterienform entspricht, die,
so oft auch die Krankheit weiter verpflanzt wird, immer dieselbe
bleibt und niemals in andere Formen z. B. von der kugelförmigen
in eine stabförmige übergeht, dann bleibt nichts weiter übrig, als
dass diese verschiedenen Formen von pathogenen Bakterien vor¬
läufig als constante Arten anzusehen sind.
Dies ist allerdings eine Behauptung, welche vielfachen Wider¬
spruch namentlich bei Botanikern finden wird, vor deren Forum
diese Angelegenheit eigentlich gehört.
Zu denjenigen Botanikern, die sich gegen die Trennung der
Bakterien in Arten erklären, gehört beispielsweise Naegeli1) in¬
dem er sagt „ich habe seit 10 Jahren wohl tausende von ver¬
schiedenen Spalthefeformen untersucht und ich könnte nicht be¬
haupten, dass auch nur zur Trennung in zwei specifische Formen
Nöthigung vorhanden sei.“
Auch Brefeld2) will nur dann specifische Formen, die zur
Aufstellung von Arten berechtigen, gelten lassen, wenn die ge¬
sammte Entwicklungsgeschichte im Wege der Cultur continuirlich
von Spore zu Spore in den verschiedensten Nährlösungen beob¬
achtet ist.
[73]Schlussfolgerungen.
Brefeld's Forderung ist theoretisch unzweifelhaft richtig, sie
darf aber nicht als conditio sine qua non für jede Untersuchung
über pathogene Bakterien vorweg gestellt werden. Wir würden
sonst die Arbeiten über die Aetiologie der Infectionskrankheiten
vorläufig ruhen lassen müssen, bis es den Botanikern gelungen ist,
durch Reinculturen und Züchtung von Spore zu Spore die ver¬
schiedenen Bakterienarten festzustellen. Es könnte sich dabei sehr
leicht ereignen, dass die unendliche Mühe der Reincultur auf
irgend eine Bakterienart verschwendet wird, die sich schliesslich
als eine kaum beachtenswerthe herausstellt. In der Praxis kann
nur das umgekehrte Verfahren stattfinden. Zuerst werden gewisse
Eigenschaften einer Bakterienform, die sie vor anderen auszeich¬
nen und die Unabänderlichkeit derselben dazu zwingen, diese Form
von den übrigen weniger bekannten und minder interessirenden
Formen abzutrennen und bis auf Weiteres als Art hinzustellen.
Dann erst wird zur Controle dieser vorläufigen Annahme die Cul¬
tur von Spore zu Spore zu machen sein. Gelingt sie unter Ver¬
hältnissen, die gar keinen Einwand gegen ihre Richtigkeit zu¬
lassen und liefert sie ein den früheren Beobachtungen entgegen¬
stehendes Resultat, dann muss auch das Urtheil, welches aus
diesen Beobachtungen gezogen wurde und das zur Aufstellung der
Bakterienart führte, berichtigt werden.
Auf diesen, wie mir scheint einzig richtigen, praktischen
Standpunkt stelle ich mich und unterscheide also bis dahin, dass
die Cultur von Spore zu Spore mich eines Besseren belehrt, ver¬
schiedene Arten von pathogenen Bakterien.
Um übrigens zu beweisen, dass ich in dieser Anschauung
nicht allein stehe, will ich hier noch die Meinung von Botanikern
anführen, die ein gleiches Urtheil schon früher ausgesprochen
haben.
Cohn1) erklärt, trotzdem der Gliederung der Bakterien in
Gattungen und Arten von Manchen die Berechtigung abgesprochen
werde, dennoch an der von ihm bisher befolgten Methode fest¬
halten zu müssen, Bakterien von verschiedener Gestaltung und
verschiedener Fermentthätigkeit als verschiedene Arten und Gat¬
tungen so lange aus einander zu halten, als nicht der Beweis
ihrer Identität mit voller Evidenz geführt ist.
Auf Grund seiner Untersuchungen über die Einwirkung ver¬
[74]Schlussfolgerungen. schiedener Temperaturen und des Eintrocknens auf die Entwick¬
lung von Bacterium termo kam Eidam1) zu dem Schluss, dass
die verschiedenen Bakterienformen verschiedene Ernährungsbe¬
dingungen erfordern, dass sie sich auch den chemischen und phy¬
sikalischen Einflüssen gegenüber verschieden verhalten und dieser
Umstand ein weiterer Beweis für die streng durchzuführende
Speciesunterscheidung sei.
Für die Notwendigkeit, die von mir beschriebenen patho¬
genen Bakterien als specifische Arten ansehen zu müssen, will
ich noch einen Grund anführen.
Man legt und das mit vollem Recht das grösste Gewicht bei
Bakterienuntersuchungen auf die sogenannten Reinculturen, die
nur eine bestimmte Form von Bakterien enthalten. Ganz offenbar
geschieht dies nur in der Meinung, dass, wenn man durch eine
Reihe von Culturen immer dieselbe Form zu erhalten vermag,
diesen Formen eine besondere Bedeutung zukommt, dass man sie
als constante Form, mit einem Wort als Art anzunehmen hat.
Gibt es denn nun aber wirkliche durch eine Reihe von Versuchen
von jeder Beimengung anderer Bakterien frei zu haltende Rein¬
culturen? Allerdings gibt es solche, aber nur in ganz beschränkten
Verhältnissen. Nur solche Bakterien lassen sich mit den jetzt zu
Gebote stehenden Hülfsmitteln rein cultiviren, die wegen ihrer
Grösse und leicht erkennbaren Form, wie die Milzbrandbacillen,
oder durch Production eines charakteristischen Farbstoffes, wie
die Pigmentbakterien, stets in Bezug auf ihre Reinheit controlirt
werden können. Sobald in eine Cultur, wie es unter allen Um¬
ständen ab und zu vorkommt, eine fremde Bakterienart durch Zu¬
fall sich eingeschmuggelt hat, dann wird es in diesen Fällen so¬
fort bemerkt und die verunglückte Cultur wird aus der Versuchs¬
reihe ausgemerzt, ohne dass die Untersuchung in ihrem Fortgang
dadurch gestört zu werden braucht.
Ganz anders ist es aber, wenn Reinculturen mit sehr kleinen
Bakterien vorgenommen werden sollen, die ohne Färbung viel¬
leicht überhaupt nicht mehr zu erkennen sind, wie soll man da
eine Verunreinigung der Cultur entdecken? Das ist nicht aus¬
führbar und deswegen müssen alle Versuche mit Reinculturen in
Apparaten, und wenn sie noch so vortrefflich construirt sind, so¬
bald sie kleine, wenig charakteristische Bakterien betreffen, als
[75]Schlussfolgerungen. mit unvermeidlichen Fehlerquellen behaftet und für sich allein
nicht beweisend gehalten werden.
Und dennoch gibt es auch für die kleinsten und am schwie¬
rigsten zu erkennenden Bakterien Reinculturen. Aber nicht in
Culturapparaten, sondern im thierischen Körper finden diese statt.
Das beweisen meine Versuche. In sämmtlichen Fällen, die zu
einer bestimmten Krankheit gehören, z. B. zur Septicämie der
Mäuse, wurden nur die kleinen Bacillen und niemals, wenn die
Krankheit nicht absichtlich mit der Gewebsnekrose zusammen
verimpft wurde, irgend eine andere Bakterienart daneben gefun¬
den. Es gibt eben keinen besseren Culturapparat für pathogene
Bakterien als den Thierkörper. Es vermögen in demselben über¬
haupt nur eine beschränkte Zahl von Bakterien zu vegetiren und
das Eindringen derselben ist so erschwert, dass der unverletzte
Körper eines Thieres als vollständig isolirt gegen andere Bakterien¬
arten, als die absichtlich eingeimpften, betrachtet werden kann.
Ganz evident stellt es sich heraus, dass in meinen Versuchen
wirkliche Reinculturen gelungen sind, wenn man die beiden an
Mäusen erhaltenen Krankheiten, die Septicämie und Gewebs¬
nekrose, einer Betrachtung unterwirft. Im faulenden Blute, das
die beiden Krankheiten entstehen liess, waren die verschiedensten
Bakterienarten enthalten. Von diesen allen finden nur zwei im
Körper der lebenden Maus die zu ihrer Existenz nöthigen Be¬
dingungen. Alle anderen gehen zu Grunde und nur diese beiden,
ein kleiner Bacillus und ein kettenförmiger Mikrokokkus bleiben
und vermehren sich. Beliebig oft können diese beiden zugleich
weitergeimpft werden, ohne dass sie ihre charakteristische Form,
ihre specifischen physiologischen Wirkungen ändern und ohne dass
auch nur einmal eine andere Bakterienart sich dazwischen drängt.
Nun ist es aber ganz in das Belieben des Experimentirenden ge¬
stellt, die beiden Bakterienarten, wie ich bewiesen habe, zu
trennen. Durch Blut, in das nur die Bacillen überzugehen ver¬
mögen, werden diese allein verpflanzt und von da ab ganz rein er¬
halten, während vermittelst Verimpfung beider Bakterien auf Feld¬
mäuse die Bacillen beseitigt und die Mikrokokken rein weiter cul¬
tivirt werden. Es ist unzweifelhaft, dass auch der Versuch gelungen
wäre, beide wieder auf einem Thier durch Einimpfung zu ver¬
einigen. Kurz, man hat es vollkommen in der Gewalt, mehrere
Bakterienarten neben einander unvermischt und rein weiter zu
cultiviren, sie zu trennen und eventuell wieder zu combiniren.
[76]Schlussfolgerungen.Höhere Anforderungen lassen sich wohl nicht an eine Reincultur
stellen und ich muss deswegen die fortgesetzte Uebertragung der
künstlichen Infectionskrankheiten für die besten und sichersten
Reinculturen halten. Damit haben sie aber auch Anspruch auf
die Beweiskraft, welche untadelhaften Reinculturen für die Auf¬
stellung specifischer Arten der Bakterien zugestanden werden
muss.
Der Umstand, dass der thierische Körper ein so vortrefflicher
Apparat für Reinculturen ist und dass, wie wir gesehen haben,
bei zweckmässiger Anordnung des Experiments und ausreichenden
optischen Hülfsmitteln bei den künstlichen Wundinfectionskrank¬
heiten immer nur eine specifische Bakterienart als einer bestimmten
Krankheit entsprechend gefunden wurde, führt nun ferner zu dem
Schluss, dass, wenn bei Untersuchung einer Wundinfectionskrank¬
heit mehrere verschiedene Bakterienarten gefunden werden, wie
z. B. von Coze und Feltz bei der künstlichen Septicämie der
Kaninchen (vgl. S. 16) zugleich Ketten von kleinen Pünktchen,
Stäbchen und lange oscillirende Fäden, dass also in solchem Falle
entweder eine combinirte, mithin keine reine Infectionskrankheit,
oder, was im citirten Falle das Wahrscheinlichere ist, eine un¬
genaue und fehlerhafte Beobachtung vorliegt. Sobald also meh¬
rere Bakterienarten zugleich unter pathologischen Verhältnissen
vorkommen, muss entweder der Beweis geliefert werden, dass
sie sämmtlich an dem pathologischen Process betheiligt sind, oder
es muss darnach getrachtet werden, sie zu isoliren und eine wirk¬
liche Reincultur zu erhalten, ehe man bestimmte Schlüsse über
die Beziehungen der betreffenden Krankheit zu den Bakterien
machen kann. Andernfalls wird man dem Vorwurf nicht entgehen,
dass das Experiment kein reines, also kein beweiskräftiges war.
Eine weitere Consequenz, die aus der Annahme verschiedener
Arten von pathogenen Bakterien notwendiger Weise folgt, will
ich nur kurz andeuten. Die Zahl der pathogenen Bakterienarten
ist eine beschränkte, denn von der Menge der in putriden Flüssig¬
keiten enthaltenen Arten kommen im günstigsten Falle eine oder
nur wenige im thierischen Körper zur Weiterentwicklung. Die zu
Grunde gehenden Arten sind also, wenigstens für die betreffende
Thierart, nicht pathogene Bakterien. Wenn es aber, was hiernach
unzweifelhaft angenommen werden muss, schädliche und unschäd¬
liche Bakterien gibt, dann können auch alle Versuche, die mit
unschädlichen Bakterien, z. B. mit Bacterium termo, an Thieren
[77]Schlussfolgerungen.vorgenommen wurden, absolut nichts für oder gegen das Ver¬
halten der schädlichen, der pathogenen Bakterien beweisen. Nun
sind aber fast sämmtliche derartige Experimente mit dem ersten
besten Gemenge von Bakterienarten ausgeführt, ohne dass fest¬
stand, ob in diesem Gemisch auch wirklich pathogene Bakterien
enthalten waren. Es ist also einleuchtend, dass alle diese Expe¬
rimente zu einem Beweise für oder gegen den Parasitismus der
Infectionskrankheiten nicht verwerthet werden können.
In allen meinen Versuchen hat sich ausser der Beständigkeit
der Bakterien in Grösse und Gestalt auch die grösste Gleich¬
mässigkeit in ihren Wirkungen auf den thierischen Organismus,
aber keine Steigerung der Virulenz, wie sie von Coze und Feltz,
Davaine und Anderen beobachtet ist, ergeben. Dies veranlasst
mich noch zu einigen Bemerkungen über das von den genannten
Forschern gefundene resp. bestätigte angebliche Gesetz von der
zunehmenden Virulenz des Durchgangsblutes.
Die Entdeckung dieses Gesetzes ist bekanntlich mit grossem
Enthusiasmus aufgenommen und hat durch die Beziehungen, die
demselben zur Lehre von der Anpassung und Vererbung gegeben
wurden, kein geringes Interesse erregt. Einige sonst ganz exacte
Forscher haben sich durch die verführerische Theorie blenden
lassen, dass die unbedeutende Wirkung einer einfachen Fäulniss¬
bakterie durch fortgesetzte Anpassung und Vererbung bis zum
quadrillionfach verdünnten, noch tödtlichen Agens gesteigert wer¬
den könne. Sie haben die schönsten Nutzanwendungen für die
Praxis daraus geschaffen und nicht dabei bedacht, dass die frag¬
lichen Bakterien noch nicht einmal mit Sicherheit nachgewie¬
sen sind.
Die Originalarbeiten von Coze und Feltz, sowie von Davaine
stehen mir nicht zur Verfügung und ich muss deswegen auf eine
vollständige Kritik derselben verzichten. Soweit ich nun aber
aus den mir zugänglichen Referaten, namentlich aus den ausführ¬
lichen Berichten im Virchow-Hirsch'schen Jahresbericht, ent¬
nehme, scheint ein eigentlicher Beweis dafür, dass die Virulenz
des septicämischen Blutes von Generation zu Generation zunimmt,
gar nicht geliefert zu sein. Es wurde anscheinend allmählich eine
immer stärkere Verdünnung des Blutes eingespritzt und man war
[78]Schlussfolgerungen.erstaunt, wenn dieselbe immer wieder wirkte und schrieb diese
Wirkung der zunehmenden Virulenz zu. Aber Controlversuche,
ob nicht schon in der zweiten und dritten Generation das septi¬
cämische Blut ebenso virulent war, als in der fünfundzwanzigsten
Generation, scheinen nicht gemacht zu sein. Meine Versuche
sprechen wenigstens dafür und soweit stimmen sie mit den Er¬
fahrungen von Coze, Feltz und Davaine, dass zur ersten In¬
fection eines Thieres verhältnissmässig grosse Quantitäten putrider
Flüssigkeiten erforderlich sind, dass ferner in der zweiten Gene¬
ration oder spätestens in der dritten Generation die volle Virulenz
erreicht wird und von da ab constant bleibt.
Der Davaine'schen künstlichen Septicämie entspricht von
meinen künstlichen Wundinfectionskrankheiten am meisten die
Septicämie der Mäuse. Würde man mit dieser Krankheit in der¬
selben Weise wie Davaine experimentiren, dann würde man ohne
Controlversuche dieselbe zunehmende Virulenz wie bei jener Krank¬
heit finden können. Man brauchte nur langsam absteigend immer
weniger Blut zur Impfung zu nehmen und könnte sich dann jede
beliebige Progression für die Virulenz herausrechnen. Ich habe
aber schon vom ersten oder zweiten Thiere ein möglichst kleines
Quantum Impfsubstanz genommen und bin deswegen schneller
beim höchsten Punkte der Virulenz angelangt. Ehe ich deswegen
nicht die Gewissheit habe, dass auch bei der von Davaine beob¬
achteten Septicämie solche Controlversuche gemacht sind, kann
ich die Steigerung der Virulenz nur für die ersten Generationen
gelten lassen. Um diese aber zu erklären, brauchen wir nicht
zum Zauberstab der Anpassung und Vererbung zu greifen, sondern
können auf ganz natürlichem Wege zu einer brauchbaren Erklä¬
rung gelangen. Nehmen wir als passendstes Beispiel wieder die
Septicämie der Mäuse.
Werden einem solchen Thier zwei Tropfen faulenden Blutes
eingespritzt, so werden ihm damit nicht nur eine Menge ganz ver¬
schiedener Bakterienarten, sondern auch ein gewisses an sich noch
nicht tödtliches aber für die Gesundheit der Maus doch gewiss
nicht gleichgültiges Quantum gelösten putriden Giftes (Sepsin)
beigebracht. Es wirken also verschiedene Factoren auf die Ge¬
sundheit des Thieres ein. Einmal das gelöste Gift, dann ver¬
schiedene Bakterienarten, von denen aber vielleicht nur zwei, wie
es in unserem Beispiel wirklich der Fall war, sich in dem Körper
der Maus vermehren und einen fortgesetzt nachteiligen Einfluss
[79]Schlussfolgerungen. ausüben können. Eine von diesen beiden Arten ist nur im Stande,
in das Blut zu gelangen und, wenn ausschliesslich Blut zur wei¬
teren Uebertragung benutzt wird, wird auch nur diese eine Art
aus dem vermeintlichen Kampf ums Dasein siegreich hervorgehen.
Es kommt nun für die weitere Entwicklung des Experiments ganz
darauf an, wie gross die Menge des putriden Giftes und wie das
Zahlverhältniss der beiden Bakterien zu einander ist. Ist viel
putrides Gift und eine grosse Anzahl der local sich vermehren¬
den Bakterienart (in unserem Fall sind dies die Gewebsnekrose
veranlassenden kettenförmigen Mikrokokken), aber wenige Exem¬
plare von der ins Blut übergehenden Bakterienart (hier Bacillen)
eingespritzt, dann wird' das erste Versuchsthier in Folge des
überwiegenden Einflusses der beiden anderen Factoren eher ster¬
ben, als bis viel Bacillen ins Blut gelangt und sich dort weiter
vermehrt haben. Von dem Blut dieses ersten Thieres, das ver¬
hältnissmässig noch sehr wenig Bacillen enthält, muss vielleicht
ein fünftel bis zehntel Tropfen verimpft werden um die Krank¬
heit sicher zu übertragen. Auf das zweite Thier sind mit dem
Blute aber nur noch die Bacillen verpflanzt, die sich nun unge¬
stört im Blute entwickeln. Zur Infection des dritten Thieres ge¬
nügt dann schon das kleinste überhaupt zulässige Quantum Blut
und von dieser dritten Generation bleibt die Virulenz des Blutes
gleichmässig.
Man kann sich auch noch einen anderen Fall denken, bei
dem die Steigerung der Virulenz durch mehr als drei Generatio¬
nen ohne irgend welche Anpassung und Vererbung eintreten kann.
Es würde dies der Fall sein, wenn mehrere ins Blut übergehende
Bakterienarten bei der ersten Einspritzung in den Körper des
Versuchsthieres gelangen. Nehmen wir beispielsweise an, dass
demselben faulenden Blute, welches dem vorigen Versuch diente,
noch Milzbrandbacillen beigemengt wären, dann würden im Blute
des zweiten Thieres ausser den Septicämiebacillen auch Milz¬
brandbacillen enthalten sein und zwar von beiden nur wenig
Exemplare; von den Milzbrandbacillen aber noch weniger als von
den anderen, weil sie sich bei Mäusen vorzugsweise in der Milz,
Lunge u. s. w. ablagern, im Blute aber auch im günstigsten Falle
nur spärlich vertreten sind. Andererseits haben die Milzbrand¬
bacillen den Vortheil, dass sie das Thier, wenn sie in reichlicher
Zahl eingeimpft wurden, schon binnen 20 Stunden tödten, was
den Septicämiebacillen erst nach 50 Stunden gelingt. Im Blute
[80]Schlussfolgerungen.des dritten Thieres würden beide Bacillenarten schon reichlicher
enthalten sein, aber doch noch nicht in der Menge, als wenn jede
einzeln verimpft wäre. Es muss also immer noch ein grösseres
Quantum Blut zur Uebertragung auf das vierte Thier genommen
werden. Vielleicht würde das sogar noch in der fünften Gene¬
ration der Fall sein, bis die eine oder andere Bacillenart schliess¬
lich noch allein im Blute vorhanden ist. Wahrscheinlich würden
es die Septicämiebacillen sein.
In dieser Weise lässt sich das Coze-Feltz-Davaine'sche Ex¬
periment auf einfache Verhältnisse zurückführen und mit meinen
Versuchen in Einklang bringen.
Appendix A
Druck von J. B. Hirschfeld in Leipzig.
[][]
Appendix B
Tafel l u. ll.
Tafel III. u. IV.
Tafel V.
S. 199.)
Birch-Hirschfeld, Med. Jahrbb. Bd. 155. Heft 1).
Leipzig 1876. S. 469 und Med. Jahrbb. Bd. 166. S. 184.
pilze. Separatabdr. aus d. med. Jahrbb.
in den Geweben. Erlangen 1874.
Wien 1876.
drei Jahrzehnten. Rede, gehalten in München bei der 50. Versammlung
deutscher Naturforscher. Leipzig, Vogel, 1878.
Cultur. 10. December 1875.
von denen die auf einander folgenden Nummern eine immer um einen Milli¬
meter grössere Oeffnung besitzen, um alle Abstufungen in der Beleuchtung
herstellen zu können.
Beiträge zur Biologie der Pflanzen. 2. Bd. 3. Heft. Photogramm Nr. 6 auf
Taf. XVI.
namentlich nach dem Innern der Zooglöa zu, zu gross gezeichnet.
(Taf. II. Fig. 3.)
naturforschender Freunde in Berlin vom 19. Febr. 1878.
- License
-
CC-BY-4.0
Link to license
- Citation Suggestion for this Edition
- TextGrid Repository (2025). Koch, Robert. Untersuchung über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bnhw.0