Kaͤthchen von Heilbronn
oder
die Feuerprobe
den 17. 18. und 19. Maͤrz 1810.
in der Realſchulbuchhandlung,
1810.
[[2]][[3]]
Perſonen:
- Der Kaiſer.
- Gebhardt, Erzbiſchoff von Worms.
- Friedrich Wetter, Graf vom Strahl.
- Gräfin Helena, ſeine Mutter.
- Eleonore, ihre Nichte.
- Ritter Flammberg, des Grafen Vaſall.
- Gottſchalk, ſein Knecht.
- Brigitte, Haushälterin im gräflichen Schloß.
- Kunigunde von Thurneck.
- Roſalie, ihre Kammerzofe.
- Theobald Friedeborn, Waffenſchmidt aus Heil-
bronn. - Käthchen, ſeine Tochter.
- Gottfried Friedeborn, ihr Bräutigam.
- Maximilian, Burggraf von Freiburg.
- Georg von Waldſtätten, ſein Freund.
- Der Rheingraf vom Stein, Verlobter Kuni-
gundens. - Friedrich von Herrnſtadt,
- Eginhardt von der Wart,
- Graf Otto von der Flühe,
- Wenzel von Nachtheim,
- Hans von Bärenklau,
- Jacob Pech, ein Gaſtwirth.
- Drei Herren von Thurneck.
- Kunigundens alte Tanten.
- Ein Köhlerjunge.
- Ein Nachtwächter.
- Mehrere Ritter.
- Ein Herold, zwei Köhler, Bedienten, Boten,
Häſcher, Knechte und Volk.
ſeine Freunde.
[[4]]
Räthe des Kaiſers und
Richter des heimli-
chen Gerichts.
Die Handlung ſpielt in Schwaben.
Erſter Act.
gerichts, von einer Lampe erleuchtet.
Erſter Auftritt.
Nachtheim, Hans von Bärenklau (als Beyſaſſen), meh-
rere Grafen, Ritter und Herren (ſämmtlich vermummt),
Häſcher mit Fackeln u. ſ. w. — Theobald Friedeborn,
Bürger aus Heilbronn (als Kläger), Graf Wetter vom
Strahle (als Beklagter, ſtehen vor den Schranken).
Wir, Richter des hohen, heimlichen Gerichts, die
wir, die irdiſchen Schergen Gottes, Vorläufer der
geflügelten Heere, die er in ſeinen Wolken muſtert,
den Frevel aufſuchen, da, wo er, in der Höhle der
Bruſt, gleich einem Molche verkrochen, vom Arm
weltlicher Gerechtigkeit nicht aufgefunden werden kann:
[6] wir rufen dich, Theobald Friedeborn, ehrſamer und
vielbekannter Waffenſchmidt aus Heilbronn auf, deine
Klage anzubringen gegen Friedrich, Graf Wetter vom
Strahle; denn dort, auf den erſten Ruf der heiligen
Vehme, von des Vehmherolds Hand dreimal mit
dem Griff des Gerichtsſchwerdts, an die Thore ſei-
ner Burg, deinem Geſuch gemäß, iſt er erſchienen,
und fragt, was du willſt?
Ihr hohen, heiligen und geheimnißvollen Herren!
Hätte er, auf den ich klage, ſich bei mir ausrüſten
laſſen ‒ ſetzet in Silber, von Kopf bis zu Fuß, oder
in ſchwarzen Stahl, Schienen, Schnallen und Ringe
von Gold; und hätte nachher, wenn ich geſprochen:
Herr, bezahlt mich! geantwortet: Theobald! Was
willſt du? Ich bin dir nichts ſchuldig; oder wäre er
vor die Schranken meiner Obrigkeit getreten, und
hätte meine Ehre, mit der Zunge der Schlangen —
oder wäre er aus dem Dunkel mitternächtlicher Wäl-
der herausgebrochen und hätte mein Leben mit Schwerdt
und Dolch, angegriffen: ſo wahr mir Gott helfe! ich
glaube, ich hätte nicht vor euch geklagt. Ich erlitt,
in drei und funfzig Jahren, da ich lebe, ſo viel Un-
recht, daß meiner Seele Gefühl nun gegen ſeinen
Stachel wie gepanzert iſt; und während ich Waffen
[7] ſchmiede, für Andere, die die Mücken ſtechen, ſag ich
ſelbſt zum Skorpion: fort mit dir! und laß ihn fah-
ren. Friedrich, Graf Wetter vom Strahl, hat mir
mein Kind verführt, meine Katharine. Nehmt ihn,
ihr irdiſchen Schergen Gottes, und überliefert ihn
allen geharniſchten Schaaren, die an den Pforten
der Hölle ſtehen und ihre glutrothen Spieße ſchwen-
ken: ich klage ihn ſchändlicher Zauberei, aller Künſte
der ſchwarzen Nacht und der Verbrüderung mit dem
Satan an!
Meiſter Theobald von Heilbronn! Erwäge wohl,
was du ſagſt. Du bringſt vor, der Graf vom Strahl,
uns vielfältig und von guter Hand bekannt, habe dir
dein Kind verführt. Du klagſt ihn, hoff ich, der
Zauberei nicht an, weil er deines Kindes Herz von
dir abwendig gemacht? Weil er ein Mädchen, voll ra-
ſcher Einbildungen, mit einer Frage, wer ſie ſey?
oder wohl gar mit dem bloßen Schein ſeiner rothen
Wangen, unter dem Helmſturz hervorglühend, oder
mit irgend einer andern Kunſt des hellen Mittags
ausgeübt auf jedem Jahrmarkt, für ſich gewonnen
hat?
Es iſt wahr, ihr Herren, ich ſah ihn nicht zur
Nachtzeit, an Mooren und ſchilfreichen Geſtaden,
[8] oder wo ſonſt des Menſchen Fuß ſelten erſcheint, um-
herwandeln und mit den Irrlichtern Verkehr treiben.
Ich fand ihn nicht auf den Spitzen der Gebirge, den
Zauberſtab in der Hand, das unſichtbare Reich der
Luft abmeſſen, oder in unterirdiſchen Höhlen, die
kein Strahl erhellt, Beſchwörungsformeln aus dem
Staub heraufmurmeln. Ich ſah den Satan und die
Schaaren, deren Verbrüderten ich ihn nannte, mit
Hörnern, Schwänzen und Klauen, wie ſie zu Heil-
bronn, über dem Altar abgebildet ſind, an ſeiner
Seite nicht. Wenn ihr mich gleichwohl reden laſſen
wollt, ſo denke ich es durch eine ſchlichte Erzählung
deſſen, was ſich zugetragen, dahin zu bringen, daß
ihr aufbrecht, und ruft: unſrer ſind dreizehn und der
vierzehnte iſt der Teufel! zu den Thüren rennt und
den Wald, der dieſe Höhle umgiebt, auf dreihundert
Schritte im Umkreis, mit euren Taftmänteln und
Federhüthen beſäet.
Nun, du alter, wilder Kläger! ſo rede!
Zuvörderſt müßt ihr wiſſen, ihr Herren, daß mein
Käthchen Oſtern, die nun verfloſſen, funfzehn Jahre
alt war; geſund an Leib und Seele, wie die erſten
Menſchen, die gebohren worden ſein mögen; ein
Kind recht nach der Luſt Gottes, das heraufging aus
[9] der Wüſten, am ſtillen Feierabend meines Lebens,
wie ein gerader Rauch von Myrrhen und Wachhol-
dern! Ein Weſen von zarterer, frommerer und liebe-
rer Art müßt ihr euch nicht denken, und kämt ihr,
auf Flügeln der Einbildung, zu den lieben, kleinen
Engeln, die, mit hellen Augen, aus den Wolken,
unter Gottes Händen und Füßen hervorgucken. Ging
ſie in ihrem bürgerlichen Schmuck über die Straße,
den Strohhut auf, von gelbem Lack erglänzend, das
ſchwarzſammtene Leibchen, das ihre Bruſt umſchloß,
mit feinen Silberkettlein behängt: ſo lief es flüſternd
von allen Fenſtern herab: das iſt das Käthchen von
Heilbronn; das Käthchen von Heilbronn, ihr Her-
ren, als ob der Himmel von Schwaben ſie erzeugt,
und von ſeinem Kuß geſchwängert, die Stadt, die
unter ihm liegt, ſie gebohren hätte. Vettern und Baſen,
mit welchen die Verwandtſchaft, ſeit drey Menſchenge-
ſchlechtern vergeſſen worden war, nannten ſie, auf Kind-
taufen und Hochzeiten, ihr liebes Mühmchen, ihr liebes
Bäschen; der ganze Markt, auf dem wir wohnten, er-
ſchien an ihrem Namenstage, und bedrängte ſich und
wetteiferte, ſie zu beſchenken; wer ſie nur einmal, ge-
ſehen und einen Gruß im Vorübergehen von ihr em-
pfangen hatte, ſchloß ſie acht folgende Tage lang, als
ob ſie ihn gebeſſert hätte, in ſein Gebet ein. Eigen-
thümerin eines Landguts, das ihr der Großvater, mit
[10] Ausſchluß meiner, als einem Goldkinde, dem er ſich
liebreich bezeigen wollte, vermacht hatte, war ſie ſchon
unabhängig von mir, eine der wohlhabendſten Bürge-
rinnen der Stadt. Fünf Söhne wackerer Bürger,
bis in den Tod von ihrem Werthe gerührt, hatten
nun ſchon um ſie angehalten; die Ritter, die durch
die Stadt zogen, weinten, daß ſie kein Fräulein war;
ach, und wäre ſie Eines geweſen, das Morgenland
wäre aufgebrochen, und hätte Perlen und Edelge-
ſteine, von Mohren getragen, zu ihren Füßen gelegt.
Aber ſowohl ihre, als meine Seele, bewahrte der Him-
mel vor Stolz; und weil Gottfried Friedeborn, der
junge Landmann, deſſen Güter das ihrige umgränzen,
ſie zum Weibe begehrte, und ſie auf meine Frage:
Katharine, willt du ihn? antwortete: Vater! Dein
Wille ſei meiner; ſo ſagte ich: der Herr ſegne euch!
und weinte und jauchzte, und beſchloß, Oſtern, die
kommen, ſie nun zur Kirche zu bringen. — So war
ſie, ihr Herren, bevor ſie mir dieſer entführte.
Nun? Und wodurch entführte er ſie dir? Durch
welche Mittel hat er ſie dir und dem Pfade, auf wel-
chen du ſie geführt hatteſt, wieder entriſſen?
Durch welche Mittel? — Ihr Herren, wenn ich
das ſagen könnte, ſo begriffen es dieſe fünf Sinne,
[11] und ſo ſtänd ich nicht vor euch und klagte auf alle,
mir unbegreiflichen, Gräuel der Hölle. Was ſoll ich
vorbringen, wenn ihr mich fragt, durch welche Mit-
tel? Hat er ſie am Brunnen getroffen, wenn ſie Waſ-
ſer ſchöpfte, und geſagt: Lieb Mädel, wer biſt du?
hat er ſich an den Pfeiler geſtellt, wenn ſie aus der
Mette kam, und gefragt: Lieb Mädel, wo wohnſt
du? hat er ſich, bei nächtlicher Weile, an ihr Fenſter
geſchlichen, und, indem er ihr einen Halsſchmuck
umgehängt, geſagt: Lieb Mädel, wo ruhſt du? Ihr
hochheiligen Herren, damit war ſie nicht zu gewin-
nen! Den Judaskuß errieth unſer Heiland nicht ra-
ſcher, als ſie ſolche Künſte. Nicht mit Augen, ſeit
ſie gebohren ward, hat ſie ihn geſehen; ihren Rücken,
und das Maal darauf, das ſie von ihrer ſeeligen
Mutter erbte, kannte ſie beſſer, als ihn.
Und gleichwohl, wenn er ſie verführt hat, du
wunderlicher Alter, ſo muß es wann und irgendwo
geſchehen ſein?
Heiligen Abend vor Pfingſten, da er auf fünf
Minuten in meine Werkſtatt kam, um ſich, wie er
ſagte, eine Eiſenſchiene, die ihm zwiſchen Schulter
und Bruſt losgegangen war, wieder zuſammenheften
zu laſſen.
[12]
Was!
Am hellen Mittag?
Da er auf fünf Minuten in deine Werkſtatt kam,
um ſich eine Bruſtſchiene anheften zu laſſen?
Faſſe dich, Alter, und erzähle den Hergang.
Es mogte ohngefähr eilf Uhr Morgens ſein, als
er, mit einem Troß Reiſiger, vor mein Haus ſprengte,
raſſelnd, der Erzgepanzerte, vom Pferd ſtieg, und in
meine Werkſtatt trat: das Haupt tief herab neigt' er,
um mit den Reiherbüſchen, die ihm von Helm nie-
derwankten, durch die Thür zu kommen. Meiſter,
ſchau her, ſpricht er: dem Pfalzgrafen, der eure Wälle
niederreißen will, zieh ich entgegen; die Luſt, ihn zu
treffen, ſprengt mir die Schienen; nimm Eiſen nnd
Drath, ohne daß ich mich zu entkleiden brauche, und
heft' ſie mir wieder zuſammen. Herr! ſag ich: wenn
euch die Bruſt ſo die Rüſtung zerſchmeißt, ſo läßt
der Pfalzgraf unſere Wälle ganz; nöthig' ihn auf
einen Seſſel, in des Zimmers Mitte nieder, und:
Wein! ruf ich in die Thüre, und vom friſchgeräu-
[13] cherten Schinken, zum Imbiß! und ſetz', einen Sche-
mel, mit Werkzeugen verſehn, vor ihn, um ihm die
Schiene wieder herzuſtellen. Und während draußen
noch der Streithengſt wiehert, und, mit den Pferden
der Knechte, den Grund zerſtampft, daß der Staub,
als wär' ein Cherub vom Himmel niedergefahren,
emporquoll: öffnet langſam, ein großes, flaches Sil-
bergeſchirr auf dem Kopf tragend, auf welchem Fla-
ſchen, Gläſer und der Imbiß geſtellt waren, das
Mädchen die Thüre und tritt ein. Nun ſeht, wenn
mir Gott der Herr aus Wolken erſchiene, ſo würd
ich mich ohngefähr ſo faſſen, wie ſie. Geſchirr und
Becher und Imbiß, da ſie den Ritter erblickt, läßt
ſie fallen; und leichenbleich, mit Händen, wie zur
Anbetung verſchränkt, den Boden mit Bruſt und
Scheiteln küſſend, ſtürzt ſie vor ihm nieder, als ob
ſie ein Blitz nieder geſchmettert hätte! Und da ich
ſage: Herr meines Lebens! Was fehlt dem Kind?
und ſie aufhebe: ſchlingt ſie, wie ein Taſchenmeſſer
zuſammenfallend, den Arm um mich, das Antlitz
flammend auf ihn gerichtet, als ob ſie eine Erſchei-
nung hätte. Der Graf vom Strahl, indem er ihre
Hand nimmt, fragt: weß iſt das Kind? Geſellen
und Mägde ſtrömen herbey und jammern: hilf Him-
mel! Was iſt dem Jüngferlein widerfahren; doch da
ſie ſich, mit einigen ſchüchternen Blicken auf ſein
[14] Antlitz, erholt, ſo denk ich, der Anfall iſt wohl auch
vorüber und gehe, mit Pfriemen und Nadeln, an
mein Geſchäft. Drauf ſag ich: Wohlauf, Herr Ritter!
Nun mögt ihr den Pfalzgrafen treffen; die Schiene
iſt eingerenkt, das Herz wird ſie euch nicht mehr zer-
ſprengen. Der Graf ſteht auf; er ſchaut das Mäd-
chen, das ihm bis an die Bruſthöhle ragt, vom Wir-
bel zur Sohle, gedankenvoll an, und beugt ſich, und
küßt ihr die Stirn und ſpricht: der Herr ſeegne
dich, und behüte dich, und ſchenke dir ſeinen Frieden,
Amen! Und da wir an das Fenſter treten: ſchmeißt
ſich das Mädchen, in dem Augenblick, da er den
Streithengſt beſteigt, dreißig Fuß hoch, mit aufge-
hobenen Händen, auf das Pflaſter der Straße nie-
der: gleich einer Verlohrenen, die ihrer fünf Sinne
beraubt iſt! Und bricht ſich beide Lenden, ihr heiligen
Herren, beide zarten Lendchen, dicht über des Knie-
runds elfenbeinernem Bau; und ich, alter, bejam-
mernswürdiger Narr, der mein verſinkendes Leben auf
ſie ſtützen wollte, muß ſie, auf meinen Schultern, wie
zu Grabe tragen; indeſſen er dort, den Gott ver-
damme! zu Pferd, unter dem Volk, das herbeiſtrömt,
herüberruft von hinten, was vorgefallen ſei! — Hier
liegt ſie nun, auf dem Todbett, in der Glut des
hitzigen Fiebers, ſechs endloſe Wochen, ohne ſich zu
regen. Keinen Laut bringt ſie hervor; auch nicht
[15] der Wahnſinn, dieſer Dietrich aller Herzen, eröffnet
das ihrige; kein Menſch vermag das Geheimniß, das
in ihr waltet, ihr zu entlocken. Und prüft, da ſie
ſich ein wenig erholt hat, den Schritt, und ſchnürt
ihr Bündel, und tritt, beim Strahl der Morgen-
ſonne, in die Thür: wohin? fragt ſie die Magd;
zum Grafen Wetter vom Strahl antwortet ſie, und
verſchwindet.
Es iſt nicht möglich!
Verſchwindet?
Und läßt Alles hinter ſich zurück?
Eigenthum, Heimath und den Bräutigam, dem
ſie verlobt war?
Und begehrt auch deines Seegens nicht einmal?
Verſchwindet, ihr Herren — Verläßt mich und
Alles, woran Pflicht, Gewohnheit und Natur ſie knüpf-
ten — Küßt mir die Augen, die ſchlummernden, und
verſchwindet; ich wollte, ſie hätte ſie mir zugedrückt.
Beim Himmel! Ein ſeltſamer Vorfall. —
[16]
Seit jenem Tage folgt ſie ihm nun, gleich einer
Metze, in blinder Ergebung, von Ort zu Ort; ge-
führt am Strahl ſeines Angeſichts, fünfdräthig, wie
einen Tau, um ihre Seele gelegt; auf nackten, jedem
Kieſel ausgeſetzten, Füßen, das kurze Röckchen, das
ihre Hüfte deckt, im Winde flatternd, nichts als den
Strohhut auf, ſie gegen der Sonne Stich, oder den
Grimm empörter Witterung zu ſchützen. Wohin ſein
Fuß, im Lauf ſeiner Abentheuer, ſich wendet: durch
den Dampf der Klüfte, durch die Wüſte, die der
Mittag verſengt, durch die Nacht verwachſener Wäl-
der: wie ein Hund, der von ſeines Herren Schweiß
gekoſtet, ſchreitet ſie hinter ihm her; und die gewohnt
war, auf weichen Kiſſen zu ruhen, und das Knöt-
lein ſpürte, in des Bettuchs Faden, das ihre Hand
unachtſam darin eingeſponnen hatte: die liegt jetzt,
einer Magd gleich, in ſeinen Ställen, und ſinkt,
wenn die Nacht kömmt, ermüdet auf die Streu nie-
der, die ſeinen ſtolzen Roſſen untergeworfen wird.
Graf Wetter vom Strahl! Iſt dies gegründet?
Wahr iſts, ihr Herren; ſie geht auf der Spur,
die hinter mir zurückbleibt. Wenn ich mich umſehe,
erblick' ich zwei Dinge: meinen Schatten und ſie.
Graf
[17]
Und wie erklärt ihr euch dieſen ſonderbaren Um-
ſtand?
Ihr unbekannten Herren der Vehme! Wenn der
Teufel ſein Spiel mit ihr treibt, ſo braucht er mich
dabei, wie der Affe die Pfoten der Katze; ein Schelm
will ich ſein, holt er den Nußkern für mich. Wollt
ihr meinem Wort ſchlechthin, wies die heilige Schrift
vorſchreibt, glauben: ja, ja, nein, nein; gut! Wo
nicht, ſo will ich nach Worms, und den Kaiſer bit-
ten, daß er den Theobald ordinire. Hier werf' ich
ihm vorläufig meinen Handſchuh hin!
Ihr ſollt hier Rede ſtehn, auf unſre Frage!
Womit rechtfertigt ihr, daß ſie unter eurem Dache
ſchläft? Sie, die in das Haus hingehört, wo ſie ge-
bohren und erzogen ward?
Ich war, es mögen ohngefähr zwölf Wochen ſein,
auf einer Reiſe, die mich nach Straßburg führte,
ermüdet, in der Mittagshitze, an einer Felswand,
eingeſchlafen — nicht im Traum gedacht ich des Mäd-
chens mehr, das in Heilbronn aus dem Fenſter ge-
ſtürzt war — da liegt ſie mir, wie ich erwache, gleich
einer Roſe, entſchlummert zu Füßen; als ob ſie vom
[2]
[18] Himmel herabgeſchneit wäre! Und da ich zu den
Knechten, die im Graſe herumliegen, ſage: Ei, was
der Teufel! Das iſt ja das Käthchen von Heilbronn!
ſchlägt ſie die Augen auf, und bindet ſich das Hüt-
lein zuſammen, das ihr ſchlafend vom Haupt herab-
gerutſcht war. Katharine! ruf ich: Mädel! Wo
kömmſt auch her? Auf funfzehn Meilen von Heil-
bronn, fernab am Geſtade des Rheins? „Hab' ein
Geſchäft, geſtrenger Herr,“ antwortet ſie, „das mich
gen Straßburg führt; ſchauert mich im Wald ſo ein-
ſam zu wandern, und ſchlug mich zu euch.“ Drauf laß
ich ihr zur Erfriſchung reichen, was mir Gottſchalk,
der Knecht, mit ſich führt, und erkundige mich: wie
der Sturz abgelaufen? auch, was der Vater macht?
Und was ſie in Straßburg zu erſchaffen denke? Doch
da ſie nicht freiherzig mit der Sprache herausrückt:
was auch gehts dich an, denk' ich; ding' ihr einen
Boten, der ſie durch [den] Wald führe, ſchwing mich
auf den Rappen, und reite ab. Abends, in der Her-
berg, an der Straßburger Straß, will ich mich eben
zur Ruh niederlegen: da kommt Gottſchalk, der Knecht,
und ſpricht: das Mädchen ſei unten und begehre in
meinen Ställen zu übernachten. Bei den Pferden?
frag' ich. Ich ſage: wenn's ihr weich genug iſt, mich
wird's nicht drücken. Und füge noch, indem ich mich
im Bett wende, hinzu: magſt ihr wohl eine Streu
[19] unterlegen, Gottſchalk, und ſorgen, daß ihr Nichts
widerfahre. Drauf, wandert ſie, kommenden Tages
früher aufgebrochen, als ich, wieder auf der Heer-
ſtraße, und lagert ſich wieder in meinen Ställen, und
lagert ſich Nacht für Nacht, ſo wie mir der Streif-
zug fortſchreitet, darin, als ob ſie zu meinem Troß
gehörte. Nun litt ich das, ihr Herren, um jenes
grauen, unwirrſchen Alten willen, der mich jetzt darum
ſtraft; denn der Gottſchalk, in ſeiner Wunderlichkeit,
hatte das Mädchen lieb gewonnen, und pflegte ihrer,
in der That, als ſeiner Tochter; führt dich die Reiſe
einſt, dacht' ich, durch Heilbronn, ſo wird der Alte
dirs danken. Doch da ſie ſich auch in Straßburg,
in der erzbiſchöflichen Burg, wieder bei mir einfindet,
und ich gleichwohl ſpüre, daß ſie nichts im Orte er-
ſchafft: denn mir hatte ſie ſich ganz und gar geweiht,
und wuſch und flickte, als ob es ſonſt am Rhein
nicht zu haben wäre: ſo trete ich eines Tages, da ich
ſie auf der Stallſchwelle finde, zu ihr und frage:
was für ein Geſchäft ſie in Straßburg betreibe? Ei,
ſpricht ſie geſtrenger Herr, und eine Röthe, daß ich
denke, ihre Schürze wird angehen, flammt über ihr
Antlitz empor: „was fragt ihr doch? ihr wißts ja!“
— Holla! denk ich, ſteht es ſo mit dir? und ſende
einen Boten flugs nach Heilbronn, dem Vater zu,
mit folgender Meldung: das Käthchen ſei bei mir;
[20] ich hütete ſeiner; in kurzem könne er es, vom Schloſſe
zu Strahl, wohin ich es zurückbringen würde, ab-
holen.
Nun? Und hierauf?
Der Alte holte die Jungfrau nicht ab?
Drauf, da er am zwanzigſten Tage, um ſie ab-
zuholen, bei mir erſcheint, und ich ihn in meiner Vä-
ter Saal führe: erſchau ich mit Befremden, daß er,
beim Eintritt in die Thür, die Hand in den Weih-
keſſel ſteckt, und mich mit dem Waſſer, das darin
befindlich iſt, beſprengt. Ich arglos, wie ich von
Natur bin, nöth'ge ihn auf einen Stuhl nieder; er-
zähle ihm, mit Offenherzigkeit, Alles, was vorgefal-
len; eröffne ihm auch, in meiner Theilnahme, die
Mittel, wie er die Sache, ſeinen Wünſchen gemäß,
wieder in's Geleis rücken könne; und tröſte ihn und
führ ihn, um ihn das Mädchen zu übergeben, in den
Stall hinunter, wo ſie ſteht, und mir eine Waffe von
Roſt ſäubert. So wie er in die Thür tritt, und die
Arme mit thränenvollen Augen öffnet, ſie zu em-
pfangen, ſtürzt mir das Mädchen leichenbleich zu Fü-
ßen, alle Heiligen anrufend, daß ich ſie vor ihm ſchütze.
Gleich einer Salzſäule ſteht er, bei dieſem Anblick,
[21] da; und ehe ich mich noch gefaßt habe, ſpricht er
ſchon, das entſetzensvolle Antlitz auf mich gerichtet:
das iſt der leibhaftige Satan! und ſchmeißt mir den
Hut, den er in der Hand hält, in's Geſicht, als
wollt' er ein Gräuelbild verſchwinden machen, und
läuft, als ſetzte die ganze Hölle ihm nach, nach Heil-
bronn zurück.
Du wunderlicher Alter! Was haſt du für Ein-
bildungen?
Was war in dem Verfahren des Ritters, das Ta-
del verdient? Kann er dafür, wenn ſich das Herz
deines thörichten Mädchens ihm zuwendet?
Was iſt in dieſem ganzen Vorfall, das ihn an-
klagt?
Was ihn anklagt? O du — Menſch, entſetzlicher,
als Worte faſſen, und der Gedanke ermißt: ſtehſt du
nicht rein da, als hätten die Cherubim ſich entkleidet,
und ihren Glanz dir, funkelnd wie Mailicht, um die
Seele gelegt! — Mußt' ich vor dem Menſchen nicht
erbeben, der die Natur, in dem reinſten Herzen, das
je geſchaffen ward, dergeſtalt umgekehrt hat, daß ſie
vor dem Vater, zu ihr gekommen, ſeiner Liebe Bruſt
[22] ihren Lippen zu reichen, kreideweißen Antlitzes ent-
weicht, wie vor dem Wolfe, der ſie zerreißen will?
Nun denn, ſo walte, Hekate, Fürſtinn des Zaubers,
moorduftige Königinn der Nacht! Sproßt, ihr dämo-
niſchen Kräfte, die die menſchliche Satzung ſonſt aus-
zujäten bemüht war, blüht auf, unter dem Athem
der Hexen, und ſchoßt zu Wäldern empor, daß die
Wipfel ſich zerſchlagen, und die Pflanze des Himmels,
die am Boden keimt, verweſe; rinnt, ihr Säfte der
Hölle, tröpfelnd aus Stämmen und Stielen gezo-
gen, fallt, wie ein Katarakt, ins Land, daß der
erſtickende Peſtqualm zu den Wolken empordampft;
fließt und ergießt euch durch alle Röhren des Lebens,
und ſchwemmt, in allgemeiner Sündfluth, Unſchuld
und Tugend hinweg!
Hat er ihr Gift eingeflößt?
Meinſt du, daß er ihr verzauberte Tränke gereicht?
Opiate, die des Menſchen Herz, der ſie genießt,
mit geheimnißvoller Gewalt umſtricken?
Gift? Opiate? Ihr hohen Herren, was fragt
ihr mich? Ich habe die Flaſchen nicht gepfropft, von
welchen er ihr, an der Wand des Felſens, zur Erfri-
[23] ſchung reichte; ich ſtand nicht dabei, als ſie in der
Herberge, Nacht für Nacht, in ſeinen Ställen ſchlief.
Wie ſoll ich wiſſen, ob er ihr Gift eingeflößt? habt
neun Monate Geduld; alsdann ſollt ihr ſehen, wies
ihrem jungen Leibe bekommen, iſt.
Der alte Eſel, der! Dem entgegn' ich nichts, als
meinen Namen! Ruft ſie herein; und wenn ſie ein
Wort ſagt, auch nur von fern duftend, wie dieſe
Gedanken, ſo nennt mich den Grafen von der ſtin-
kenden Pfütze, oder wie es ſonſt eurem gerechten Un-
willen beliebt.
Zweiter Auftritt.
ſchern — Die Häſcher (nehmen ihr das Tuch ab, und
gehen wieder fort). — Die Vorigen.
da ſie den Grafen erblickt eine Knie vor ihm).
Mein hoher Herr!
Was willſt du?
Vor meinen Richter hat man mich gerufen.
[24]
Dein Richter bin nicht ich. Steh auf, dort ſitzt er;
Hier ſteh ich, ein Verklagter, ſo wie du.
Mein hoher Herr! Du ſpotteſt.
Nein! Du hörſt!
Was neigſt du mir dein Angeſicht in Staub?
Ein Zaubrer bin ich, und geſtand es ſchon,
Und laß, aus jedem Band, das ich dir wirkte,
Jetzt deine junge Seele los.
Hier Jungfrau, wenn's beliebt; hier iſt die Schranke!
Hier ſitzen deine Richter!
Ihr verſucht mich.
Hier tritt heran! Hier ſollſt du Rede ſtehn.
und ſieht die Richter an).
Nun?
Wirds?
[25]
Wirſt du gefällig dich bemühn?
Wirſt dem Gebot dich deiner Richter fügen?
Sie rufen mich.
Nun, ja!
Was ſagte ſie?
Ihr Herrn, was fehlt dem ſonderbaren Weſen?
Vermummt von Kopf zu Füßen ſitzen ſie,
Wie das Gericht, am jüngſten Tage, da!
Du wunderliche Maid! Was träumſt, was treibſt
du?
Du ſtehſt hier vor dem heimlichen Gericht!
Auf jene böſe Kunſt bin ich verklagt,
Mit der ich mir, du weißt, dein Herz gewann,
Geh hin, und melde jetzo, was geſchehn!
— Du quälſt mich grauſam, das ich weinen
mögte!
[26] Belehre deine Magd, mein edler Herr,
Wie ſoll ich mich in dieſem Falle faſſen?
Belehren — was!
Bei Gott! Iſt es erhört?
Du ſollſt ſogleich vor jene Schranke treten,
Und Rede ſtehn, auf was man fragen wird!
Nein, ſprich! Du biſt verklagt?
Du hörſt.
Und jene Männer dort ſind deine Richter?
So iſt's.
Ihr würd'gen Herrn, wer ihr auch ſein mögt
dort,
Steht gleich vom Richtſtuhl auf und räumt ihn dieſem!
Denn, beim lebend'gen Gott, ich ſag' es euch,
Rein, wie ſein Harniſch iſt ſein Herz, und eures
Verglichen ihm, und meins, wie eure Mäntel.
Wenn hier geſündigt ward, iſt er der Richter,
Und ihr ſollt zitternd vor der Schranke ſtehn!
[27]
Du, Närrinn, jüngſt der Nabelſchnur entlau-
fen,
Woher kommt die prophet'ſche Kunde dir?
Welch ein Apoſtel hat dir das vertraut?
Seht die Unſeelige!
Mein theurer Vater!
Dort iſt der Ort jetzt, wo du hingehörſt!
Weiſ' mich nicht von dir.
— Kennſt du das Haar noch wieder,
Das deine Flucht mir jüngſthin grau gefärbt?
Kein Tag verging, daß ich nicht einmal dachte,
Wie ſeine Locken fallen. Sei geduldig,
Und gieb dich nicht unmäß'gem Grame Preis:
Wenn Freude Locken wieder dunkeln kann,
So ſollſt du wieder wie ein Jüngling blühn.
Ihr Häſcher dort! ergreift ſie! bringt ſie her!
[28]
Geh' hin, wo man dich ruft.
Was wollt ihr mir?
Saht ihr ein Kind, ſo ſtörrig je, als dies?
Du ſollſt hier Antwort geben, kurz und bündig,
Auf unſre Fragen! Denn wir, von unſerem
Gewiſſen eingeſetzt, ſind deine Richter,
Und an der Strafe, wenn du frevelteſt,
Wird's deine übermüth'ge Seele fühlen.
Sprecht ihr verehrten Herrn; was wollt ihr wiſſen?
Warum, als Friedrich Graf vom Strahl erſchien,
In deines Vaters Haus, biſt du zu Füßen,
Wie man vor Gott thut, nieder ihm geſtürzt?
Warum warfſt du, als er von dannen ritt,
Dich aus dem Fenſter ſinnlos auf die Straße,
Und folgteſt ihm, da kaum dein Bein vernarbt,
Von Ort zu Ort, durch Nacht und Graus und
Nebel,
Wohin ſein Roß den Fußtritt wendete?
Das ſoll ich hier vor dieſen Männern ſagen?
[29]
Die Närrin, die verwünſchte, ſinnverwirrte,
Was fragt ſie mich? Iſts nicht an jener Männer
Gebot, die Sache darzuthun, genug?
Nimm mir, o Herr, das Leben, wenn ich fehlte!
Was in des Buſens ſtillem Reich geſchehn,
Und Gott nicht ſtraft, das braucht kein Menſch zu
wiſſen;
Den nenn' ich grauſam, der mich darum fragt!
Wenn du es wiſſen willſt, wohlan, ſo rede,
Denn dir liegt meine Seele offen da!
Ward, ſeit die Welt ſteht, ſo etwas erlebt?
Im Staub liegt ſie vor ihm —
Geſtürzt auf Knieen —
Wie wir vor dem Erlöſer hingeſtreckt!
Ihr würd'gen Herrn, ihr rechnet hoff ich, mir
Nicht dieſes Mädchens Thorheit an! Daß ſie
Ein Wahn bethört, iſt klar, wenn euer Sinn
Auch gleich, wie meiner, noch nicht einſieht, welcher?
Erlaubt ihr mir, ſo frag ich ſie darum:
[30] Ihr mögt, aus meinen Wendungen entnehmen,
Ob meine Seele ſchuldig iſt, ob nicht?
Es ſei! Verſuchts einmal, Herr Graf, und fragt
ſie.
die noch immer auf Knieen liegt).
Willt den geheimſten der Gedanken mir,
Kathrina, der dir irgend, faſſ mich wohl,
Im Winkel wo des Herzens ſchlummert, geben?
Das ganze Herz, o Herr, dir, willt du es,
So biſt du ſicher deß, was darin wohnt.
Was iſts, mit einem Wort, mir rund geſagt,
Das dich aus deines Vaters Hauſe trieb?
Was feſſelt dich an meine Schritte an?
Mein hoher Herr! Da fragſt du mich zuviel.
Und läg' ich ſo, wie ich vor dir jetzt liege,
Vor meinem eigenen Bewuſtſein da:
Auf einem goldnen Richtſtuhl laß es thronen,
Und alle Schrecken des Gewiſſens ihm,
Im Flammenrüſtungen, zur Seite ſtehn;
So ſpräche jeglicher Gedanke noch,
Auf das, was du gefragt: ich weiß es nicht.
[31]
Du lügſt mir, Jungfrau? Willſt mein Wiſſen täuſchen?
Mir, der doch das Gefühl dir ganz umſtrickt;
Mir, deſſen Blick du da liegſt, wie die Roſe,
Die ihren jungen Kelch dem Licht erſchloß? —
Was hab ich dir einmal, du weißt, gethan?
Was iſt an Leib und Seel' dir widerfahren?
Wo?
Da oder dort.
Wann?
Jüngſt oder früherhin.
Hilf mir, mein hoher Herr.
Ja, ich dir helfen,
Du wunderliches Ding. —
Beſinnſt du dich auf nichts?
Was für ein Ort, wo du mich je geſehen,
Iſt dir im Geiſt, vor Andern, gegenwärtig.
[32]
Der Rhein iſt mir vor allen gegenwärtig.
Ganz recht. Da eben wars. Das wollt ich
wiſſen.
Der Felſen am Geſtad' des Rheins, wo wir
Zuſammen ruhten, in der Mittagshitze.
— Und du gedenkſt nicht, was dir da geſchehn?
Nein, mein verehrter Herr,
Nicht? Nicht?
— Was reicht' ich deiner Lippe zur Erfriſchung?
Du ſandteſt, weil ich deines Weins verſchmähte,
Den Gottſchalk, deinen treuen Knecht, und ließeſt
Ihn einen Trunk mir, aus der Grotte ſchöpfen.
Ich aber nahm dich bei der Hand, und reichte
Sonſt deiner Lippe — nicht? Was ſtockſt du da?
Wann?
Eben damals.
Nein, mein hoher Herr.
Der
[33]
Jedoch nachher.
In Straßburg?
Oder früher.
Du haſt mich niemals bei der Hand genommen.
Kathrina!
Ach vergieb mir; in Heilbronn!
Wann?
Als der Vater dir am Harniſch wirkte.
Und ſonſt nicht?
Nein, mein hoher Herr.
Kathrina!
Mich bei der Hand?
Ja, oder ſonſt, was weiß ich.
[3]
[34]
In Straßburg einſt, erinnr' ich mich, beim Kinn.
Wann?
Als ich auf der Schwelle ſaß und weinte,
Und dir auf was du ſprachſt, nicht Rede ſtand.
Warum nicht ſtandſt du Red'?
Ich ſchämte mich.
Du ſchämteſt dich? Ganz recht. Auf meinen
Antrag.
Du wardſt gluthroth bis an den Hals hinab.
Welch einen Antrag macht' ich dir?
Der Vater,
Der würd', ſprachſt du, daheim im Schwabenland',
Um mich ſich härmen, und befragteſt mich,
Ob ich mit Pferden, die du ſenden wollteſt,
Nicht nach Heilbronn zu ihm zurück begehrte?
Davon iſt nicht die Rede! — Nun, wo auch,
Wo hab' ich ſonſt im Leben dich getroffen?
— Ich hab' im Stall zuweilen dich beſucht.
[35]
Nein, mein verehrter Herr.
Nicht? Katharina!
Du haſt mich niemals in dem Stall beſucht,
Und noch viel wen'ger rührteſt du mich an.
Was! Niemals?
Nein, mein hoher Herr.
Katharina!
Niemals, mein hochverehrter Herr, niemals.
Nun ſeht, bei meiner Treu, die Lügnerinn!
Ich will nicht ſeelig ſeyn, ich will verderben,
Wenn du mich je —!
Heftigkeit).
Da ſchwört ſie und verflucht
Sich, die leichtfert'ge Dirne, noch und meint,
Gott werd' es ihrem jungen Blut vergeben!
— Was iſt geſchehn, fünf Tag', von hier, am Abend,
[36] In meinem Stall, als es ſchon dunkelte,
Und ich den Gottſchalk hieß, ſich zu entfernen?
O! Jeſus! Ich bedacht' es nicht! —
Im Stall zu Strahl, da haſt du mich beſucht.
Nun denn! Da iſt's heraus! Da hat ſie nun
Der Seelen Seeligkeit ſich weggeſchworen!
Im Stall zu Strahl, da hab' ich ſie beſucht!
Ihr quält das Kind zu ſehr.
Komm, meine Tochter.
Laß, laß!
Das nenn' ich menſchlich nicht verfahren.
Zuletzt iſt nichts im Stall zu Strahl geſchehen.
Bei Gott, ihr Herrn, wenn ihr des Glaubens
ſeid:
Ich bin's! Befehlt, ſo gehn wir aus einander.
[37]
Ihr ſollt das Kind befragen, iſt die Meinung,
Nicht mit barbariſchem Triumph verhöhnen.
Sei's, daß Natur euch ſolche Macht verliehen:
Geübt wie ihr's thut, iſt ſie haſſenswürd'ger,
Als ſelbſt die Höllenkunſt, der man euch zeiht.
Ihr Herrn, was ich gethan, das that ich nur,
Sie mit Triumph hier vor euch zu erheben!
Statt meiner —
ſteht mein Handſchuh vor Gericht!
Glaubt ihr von Schuld ſie rein, wie ſie es iſt,
Wohl, ſo erlaubt denn, daß ſie ſich entferne.
Es ſcheint ihr habt viel Gründe, das zu wün-
ſchen?
Ich? Gründ'? Entſcheidende! Ihr wollt ſie, hoff
ich,
Nicht mit barbarſchem Uebermuth verhöhnen?
Wir wünſchen doch, erlaubt ihrs, noch zu hören,
Was in dem Stall damals zu Strahl geſchehn.
Das wollt ihr Herrn noch —?
[38]
Allerdings!
zum Käthchen wendet).
Knie' nieder!
Ihr ſeid ſehr dreiſt, Herr Friedrich Graf vom
Strahl!
So! Recht! Mir giebſt du Antwort und ſonſt
keinem.
Erlaubt! Wir werden ſie —
Du rührſt dich nicht!
Hier ſoll dich keiner richten, als nur der,
Dem deine Seele frei ſich unterwirft.
Herr Graf, man wird hier Mittel —
Ich ſage, nein!
Der Teufel ſoll mich holen, zwingt ihr ſie! —
Was wollt ihr wiſſen, ihr verehrten Herrn?
Beim Himmel!
[39]
Solch ein Trotz ſoll —!
He! Die Häſcher!
Laßt, Freunde, laßt! Vergeßt nicht, wer er iſt.
Er hat nicht eben, drückt Verſchuldung ihn,
Mit Liſt ſie überhört.
Das ſag' ich auch!
Man kann ihm das Geſchäft wohl überlaſſen.
Befragt ſie, was geſchehn, fünf Tag' von hier,
Im Stall zu Strahl, als es ſchon dunkelte,
Und ihr den Gottſchalk hießt, ſich zu entfernen?
Was iſt geſchehn, fünf Tage von hier, am Abend,
Im Stall zu Strahl, als es ſchon dunkelte,
Und ich den Gottſchalk hieß, ſich zu entfernen?
Mein hoher Herr! Vergieb mir, wenn ich fehlte;
Jetzt leg' ich Alles, Punkt für Punkt, dir dar.
Gut. — — Da berührt' ich dich und zwar —
nicht? Freilich!
Das ſchon geſtand'ſt du?
[40]
Ja, mein verehrter Herr.
Nun?
Mein verehrter Herr?
Was will ich wiſſen?
Was du willſt wiſſen?
Heraus damit! Was ſtockſt du?
Ich nahm, und herzte dich, und küßte dich,
Und ſchlug den Arm dir —?
Nein, mein hoher Herr.
Was ſonſt?
Du ſtießeſt mich mit Füßen von dir.
Mit Füßen? Nein! Das thu' ich keinem Hund.
Warum? Weshalb? Was hatt'ſt du mir gethan?
Weil ich dem Vater, der voll Huld und Güte,
Gekommen war, mit Pferden, mich zu holen,
[41] Den Rücken, voller Schrecken, wendete,
Und mit der Bitte, mich vor ihm zu ſchützen
Im Staub vor dir bewuſtlos nieder ſank.
Da hätt' ich dich mit Füßen weggeſtoßen?
Ja, mein verehrter Herr.
Ei, Poſſen, was!
Das war nur Schelmerei, des Vaters wegen.
Du bliebſt doch nach wie vor im Schloß zu Strahl.
Nein, mein verehrter Herr.
Nicht? Wo auch ſonſt?
Als du die Peitſche, flammenden Geſichts,
Herab vom Riegel nahmſt, ging ich hinaus,
Vor das bemooſ'te Thor, und lagerte
Mich draußen, am zerfallnen Mauernring
Wo in ſüßduftenden Hollunderbüſchen
Ein Zeiſig zwitſchernd ſich das Neſt gebaut.
Hier aber jagt' ich dich mit Hunden weg?
Nein, mein verehrter Herr.
[42]
Und als du wichſt,
Verfolgt vom Hundgeklaff, von meiner Grenze,
Rief ich den Nachbar auf, dich zu verfolgen?
Nein, mein verehrter Herr! Was ſprichſt du da?
Nicht? Nicht? — Das werden dieſe Herren ta-
deln.
Du kümmerſt dich um dieſe Herren nicht.
Du ſandteſt Gottſchalk mir am dritten Tage,
Daß er mir ſag': dein liebes Käthchen wär' ich;
Vernünftig aber mögt' ich ſein, und gehn.
Und was entgegneteſt du dem?
Ich ſagte,
Den Zeiſig litteſt du, den zwitſchernden,
In den ſüßduftenden Hollunderbüſchen:
Mögt'ſt denn das Käthchen von Heilbronn auch
leiden.
Nun dann, ſo nehmt ſie hin, ihr Herrn der Vehme,
Und macht mit ihr und mir jetzt, was ihr wollt.
[43]
Der aberwitz'ge Tränmer, unbekannt
Mit dem gemeinen Zauber der Natur! —
Wenn euer Urtheil reif, wie meins, ihr Herrn,
Geh' ich zum Schluß, und laß die Stimmen ſammeln.
Zum Schluß!
Die Stimmen!
Sammelt ſie!
Der Narr, der!
Der Fall iſt klar. Es iſt hier nichts zu richten.
Vehm-Herold nimm den Helm und ſammle ſie.
Helm, worin ſie liegen, dem Grafen).
Herr Friedrich Wetter Graf vom Strahl, du biſt
Einſtimmig von der Vehme losgeſprochen,
Und dir dort, Theobald, dir geb' ich auf,
Nicht fürder mit der Klage zu erſcheinen,
Bis du kannſt beſſere Beweiſe bringen.
Steht auf, ihr Herrn! die Sitzung iſt geſchloſſen.
[44]
Ihr hochverehrten Herrn, ihr ſprecht ihn ſchuldlos?
Gott ſagt ihr, hat die Welt aus nichts gemacht;
Und er, der ſie durch nichts und wieder nichts
Vernichtet, in das erſte Chaos ſtürzt,
Der ſollte nicht der leid'ge Satan ſein?
Schweig, alter, grauer Thor! Wir ſind nicht da,
Dir die verrückten Sinnen einzurenken.
Vehm-Häſcher, an dein Amt! Blend' ihm die Au-
gen,
Und führ' ihn wieder auf das Feld hinaus.
Was! Auf das Feld? Mich hilflos greiſen Alten?
Und dies mein einzig liebes Kind, —?
Herr Graf,
Das überläßt die Vehme euch! Ihr zeigtet
Von der Gewalt, die ihr hier übt, ſo manche
Beſondre Probe uns; laßt uns noch eine,
Die größeſte, bevor wir ſcheiden ſehn,
Und gebt ſie ihrem alten Vater wieder.
Ihr Herrn, was ich thun kann, ſoll geſchehn. —
Jungfrau!
[45]
Mein hoher Herr!
Du liebſt mich?
Herzlich!
So thu mir was zu Lieb'.
Was willſt du? Sprich.
Verfolg' mich nicht. Geh nach Heilbronn zurück.
— Willſt du das thun?
Ich hab es dir verſprochen.
Mein Kind! Mein Einziges! Hilf, Gott im
Himmel!
Dein Tuch her, Häſcher!
O verflucht ſei,
Mordſchaunder Baſiliskengeiſt! Mußt' ich
Auch dieſe Probe deiner Kunſt noch ſehn?
[46]
Was iſt geſchehn, ihr Herrn?
Sie ſank zu Boden.
Führt mich hinweg!
Der Hölle zu, du Satan!
Laß ihre ſchlangenhaar'gen Pförtner dich
An ihrem Eingang, Zauberer, ergreifen,
Und dich zehntauſend Klafter tiefer noch,
Als ihr wildſten Flammen lodern, ſchleudern!
Schweig Alter, ſchweig!
Mein Kind! Mein Käthchen!
Ach!
Sie ſchlägt die Augen auf!
Sie wird ſich faſſen.
Bringt in des Pförtners Wohnung ſie! Hinweg!
Zweiter Act.
Erſter Auftritt.
geführt von zwei Häſchern, die ihm die Augen aufbinden, und
alsdann in die Höhle zurückkehren — Er wirft ſich auf den
Boden nieder und weint).
Nun will ich hier, wie ein Schäfer liegen und kla-
gen. Die Sonne ſcheint noch röthlich durch die Stäm-
me, auf welchen die Wipfel des Waldes ruhn; und
wenn ich, nach einer kurzen Viertelſtunde, ſo bald ſie
hinter den Hügel geſunken iſt, aufſitze, und mich im
Blachfelde, wo der Weg eben iſt, ein wenig daran
halte, ſo komme ich noch nach Schloß Wetterſtrahl,
ehe die Lichter darin erloſchen ſind. Ich will mir ein-
bilden, meine Pferde dort unten, wo die Quelle rie-
ſelt, wären Schaafe und Ziegen, die an dem Felſen
kletterten, und an Gräſern und bittern Geſträuchen
riſſen; ein leichtes weißes linnenes Zeug bedeckte mich,
mit rothen Bändern zuſammengebunden, und um
[48] mich her flatterte eine Schaar muntrer Winde, um die
[Seufzer], die meiner, von Gram ſehr gepreßten, Bruſt
entquillen, gradaus zu der guten Götter Ohr empor
zu tragen. Wirklich und wahrhaftig! Ich will meine
Mutterſprache durchblättern, und das ganze, reiche
Kapitel, das dieſe Ueberſchrift führt: Empfindung,
dergeſtalt plündern, daß kein Reimſchmidt mehr, auf
eine neue Art, ſoll ſagen können: ich bin betrübt.
Alles, was die Wehmuth Rührendes hat, will ich auf-
bieten, Luſt und in den Tod gehende Betrübniß ſollen
ſich abwechſeln, und meine Stimme, wie einen ſchönen
Tänzer, durch alle Beugungen hindurch führen, die
die Seele bezaubern; und wenn die Bäume nicht in
der That bewegt werden, und ihren milden Thau, als
ob es geregnet hätte, herabträufeln laſſen, ſo ſind ſie
von Holz, und Alles, was uns die Dichter von ihnen
ſagen, ein bloßes liebliches Mährchen. O du — — —
wie nenn ich dich? Käthchen! Warum kann ich dich
nicht mein nennen? Käthchen, Mädchen, Käthchen!
Warum kann ich dich nicht mein nennen? Warum
kann ich dich nicht aufheben, und in das duftende
Himmelbett tragen, das mir die Mutter, daheim im
Prunkgemach, aufgerichtet hat? Käthchen, Käthchen,
Käthchen! Du, deren junge Seele, als ſie heut nackt
vor mir ſtand, von wollüſtiger Schönheit gänzlich
triefte, wie die mit Oelen geſalbte Braut eines Per-
ſer-
[49] ſerkönigs, wenn ſie, auf alle Teppiche niederregnend,
in ſein Gemach geführt wird! Käthchen, Mädchen,
Käthchen! Warum kann ich es nicht? Du Schönere,
als ich ſingen kann, ich will eine eigene Kunſt erfinden,
und dich weinen. Alle Phiolen der Empfindung, himm-
liſche und irdiſche, will ich eröffnen, und eine ſolche
Miſchung von Thränen, einen Erguß ſo eigenthüm-
licher Art, ſo heilig zugleich und üppig, zuſammen-
ſchütten, daß jeder Menſch gleich, an deſſen Hals
ich ſie weine, ſagen ſoll: ſie fließen dem Käthchen
von Heilbronn! — — — Ihr grauen, bärtigen Alten.
was wollt ihr? Warum verlaßt ihr eure goldnen
Rahmen, ihr Bilder meiner geharniſchten, Väter die
meinen Rüſtſaal bevölkern, und tretet, in unruhiger
Verſammlung, hier um mich herum, eure ehrwürdi-
gen Locken ſchüttelnd? Nein, nein, nein! Zum Weibe,
wenn ich ſie gleich liebe, begehr' ich ſie nicht; eurem
ſtolzen Reigen will ich mich anſchließen: das war be-
ſchloſſne Sache, noch ehe ihr kamt. Dich aber, Win-
fried, der ihn führt, du Erſter meines Namens, Gött-
licher mit der Scheitel des Zevs, dich frag ich, ob
die Mutter meines Geſchlechts war, wie dieſe: von
jeder frommen Jugend ſtrahlender, makelloſer an Leib
und Seele, mit jedem Liebreiz geſchmückter, als ſie?
O Winfried! Grauer Alter! Ich küſſe dir die Hand,
und danke dir, daß ich bin; doch hätteſt du ſie an
[4]
[50] die ſtählerne Bruſt gedrückt, du hätteſt ein Geſchlecht
von Königen erzeugt, und Wetter vom Strahl hieße
jedes Gebot auf Erden! Ich weiß, daß ich mich faſ-
ſen und dieſe Wunde vernarben werde: denn welche
Wunde vernarbte nicht der Menſch? Doch wenn ich
jemals ein Weib finde, Käthchen, dir gleich: ſo will
ich die Länder durchreiſen, und die Sprachen der
Welt lernen, und Gott preiſen in jeder Zunge, die
geredet wird. — Gottſchalk!
Zweiter Auftritt.
Heda! Herr Graf vom Strahl!
Was giebts?
Was zum Henker! — — Ein Bote iſt angekom-
men von eurer Mutter.
Ein Bote?
Geſtreckten Laufs, keuchend, mit verhängtem Zü-
gel; mein Seel, wenn euer Schloß ein eiſerner Bo-
[51] gen und er ein Pfeil geweſen wäre, er hätte nicht
raſcher herangeſchoſſen werden können.
Was hat er mir zu ſagen?
He! Ritter Franz!
Dritter Auftritt.
Flammberg! — Was führt dich ſo eilig zu mir her?
Gnädigſter Herr! eurer Mutter, der Gräfin, Ge-
bot; ſie befahl mir den beſten Renner zu nehmen,
und euch entgegen zu reiten!
Nun? Und was bringſt du mir?
Krieg, bei meinem Eid, Krieg! Ein Aufgebot zu
neuer Fehde, warm, wie ſie es eben von des Herolds
Lippen empfangen hat.
Weſſen? — Doch nicht des Burggrafen, mit dem
ich eben den Frieden abſchloß?
[52]
Des Rheingrafen, des Junkers vom Stein, der
unten am weinumblühten Neckar ſeinen Sitz hat.
Des Rheingrafen! — Was hab ich mit dem Rhein-
grafen zu ſchaffen, Flammberg?
Mein Seel! Was hattet ihr mit dem Burggrafen
zu ſchaffen? Und was wollte ſo mancher Andere von
euch, ehe ihr mit dem Burggrafen zu ſchaffen kriegtet?
Wenn ihr den kleinen griechiſchen Feuerfunken nicht
austretet, der dieſe Kriege veranlaßt, ſo ſollt ihr noch
das ganze Schwabengebirge wider euch auflodern ſehen,
und die Alpen und den Hundsrück obenein.
Es iſt nicht möglich! Fräulein Kunigunde —
Der Rheingraf fordert, im Namen Fräulein Kuni-
gundens von Thurneck, den Wiederkauf eurer Herr-
ſchaft Stauffen; jener drei Städtlein und ſiebzehn
Dörfer und Vorwerker, eurem Vorfahren Otto, von
Peter, dem ihrigen, unter der beſagten Clauſel, käuf-
lich abgetreten; grade ſo, wie dies der Burggraf von
Freiburg, und, in früheren Zeiten ſchon ihre Vettern,
in ihrem Namen gethan haben.
Die raſende Megäre! Iſt das nicht der dritte
[53] Reichsritter, den ſie mir, einem Hund' gleich, auf
den Hals hetzt, um mir dieſe Landſchaft abzujagen!
Ich glaube, das ganze Reich frißt ihr aus der Hand.
Kleopatra fand Einen, und als der ſich den Kopf zer-
ſchellt hatte, ſchauten die Anderen; doch ihr dient
Alles, was eine Ribbe weniger hat, als ſie, und für
jeden Einzelnen, den ich ihr zerzauſt zurückſende, ſte-
hen zehn Andere wider mich auf — Was führt' er
für Gründe an?
Wer? Der Herold?
Was führt' er für Gründe an?
Ei, geſtrenger Herr, da hätt' er ja roth werden
müſſen.
Er ſprach von Peter von Thurneck — nicht?
Und von der Landſchaft ungültigem Verkauf?
Allerdings. Und von den ſchwäbiſchen Geſetzen;
miſchte Pflicht und Gewiſſen bei jedem dritten Wort,
in die Rede, und rief Gott zum Zeugen an, daß
nichts als die reinſten Abſichten ſeinen Herrn, den
Rheingrafen, vermögten, des Fräuleins Sache zu
ergreifen.
[54]
Aber die rothen Wangen der Dame behielt er
für ſich?
Davon hat er kein Wort geſagt.
Daß ſie die Pocken kriegte! Ich wollte, ich könnte
den Nachtthau in Eimern auffaſſen, und über ihren
weißen Hals ausgießen! Ihr kleines verwünſchtes
Geſicht iſt der letzte Grund aller dieſer Kriege wider
mich; und ſo lange ich den Märzſchnee nicht vergif-
ten kann, mit welchem ſie ſich wäſcht, hab' ich auch
vor den Rittern des Landes keine Ruhe. Aber Ge-
duld nur! — Wo hält ſie ſich jetzt auf?
Auf der Burg zum Stein, wo ihr ſchon ſeit drei
Tagen Prunkgelage gefeiert werden, daß die Feſte
des Himmels erkracht, und Sonne, Mond und Sterne
nicht mehr angeſehen werden. Der Burggraf, den
ſie verabſchiedet hat, ſoll Rache kochen, und wenn
ihr einen Boten an ihn abſendet, ſo zweifl' ich nicht,
er zieht mit euch gegen den Rheingrafen zu Felde.
Wohlan! Führt mir die Pferde vor, ich will rei-
ten. — Ich habe dieſer jungen Aufwieglerin verſpro-
chen, wenn ſie die Waffen ihres kleinen ſchelmiſchen
[55] Angeſichts nicht ruhen ließe wider mich, ſo würd'
ich ihr einen Poſſen zu ſpielen wiſſen, daß ſie es ewig
in einer Scheide tragen ſollte; und ſo wahr ich dieſe
Rechte aufhebe, ich halte Wort! — Folgt mir, meine
Freunde!
Vierter Auftritt.
ſtädten (treten auf).
Hebt ſie vom Pferd' herunter! —
ſchlag).
— Ei, ſo ſchlag' ein wo du willſt; nur nicht
auf die Scheitel, belegt mit Kreide, meiner lieben
Braut, der Kunigunde von Thurneck!
He! Wo ſeid ihr?
Hier!
Habt ihr jemals eine ſolche Nacht erlebt?
Das gießt vom Himmel herab, Wipfel und Berg-
[56] ſpitzen erſäufend, als ob eine zweite Sündfluth heran-
bräche. — Hebt ſie vom Pferd' herunter!
Sie rührt ſich nicht.
Sie liegt, wie todt, zu des Pferdes Füßen da.
Ei, Poſſen! Da thut ſie bloß, um ihre falſchen
Zähne nicht zu verlieren. Sagt ihr, ich wäre der
Burggraf von Freiburg und die ächten, die ſie im
Mund' hätte, hätte ich gezählt. — So! bringt ſie her.
Thurneck (auf der Schulter tragend).
Dort iſt eine Köhlerhütte.
Fünfter Auftritt.
und die Reiſigen des Burggrafen. Zwei Köhler.
Die Vorigen.
Heda!
Wer klopfet?
[57]
Frag' nicht, du Schlingel, und mach' auf.
Holla! Nicht eher bis ich den Schlüſſel umgekehrt
habe. Wird doch der Kaiſer nicht vor der Thür ſein?
Hallunke! Wenn nicht der, doch Einer, der hier
regiert, und den Scepter gleich vom Aſt brechen wird,
um's dir zu zeigen.
Wer ſeid ihr? Was wollt ihr?
Ein Rittersmann bin ich; und dieſe Dame, die
hier todtkrank herangetragen wird, das iſt —
Das Licht weg!
Schmeißt ihm die Laterne aus der Hand!
Spitzbube! Du willſt hier leuchten?
Ihr Herren, ich will hoffen, der Größeſte unter
euch bin ich! Warum nehmt ihr mir die Laterne
weg?
Wer ſeid ihr? Und was wollt ihr?
[58]
Rittersleute, du Flegel, hab ich dir ſchon geſagt!
Wir ſind reiſende Ritter, ihr guten Leute, die das
Unwetter überraſcht hat.
Kriegsmänner, die von Jeruſalem kommen, und
in ihre Heimath ziehen; und jene Dame dort, die
herangetragen wird, von Kopf zu Fuß in einem Man-
tel eingewickelt, das iſt —
Ei, ſo plärr' du, daß die Wolken reißen! — Von
Jeruſalem, ſagt ihr?
Man kann vor dem breitmäuligen Donner kein
Wort verſtehen.
Von Jeruſalem, ja.
Und das Weibſen, das herangetragen wird —?
Das iſt des Herren kranke Schweſter, ihr ehrlichen
Leute, und begehrt —
Das iſt jenes Schweſter, du Schuft, und meine
[59] Gemahlin; todtkrank, wie du ſiehſt, von Schloſ-
ſen und Hagel halb erſchlagen, ſo daß ſie kein Wort
vorbringen kann: die begehrt eines Platzes in deiner
Hütte, bis das Ungewitter vorüber und der Tag an-
gebrochen iſt.
Die begehrt einen Platz in meiner Hütte?
Ja, ihr guten Köhler; bis das Gewitter vorüber
iſt, und wir unſre Reiſe fortſetzen können.
Mein Seel, da habt ihr Worte geſagt, die waren
den Lungenodem nicht werth, womit ihr ſie ausge-
ſtoßen.
Iſaak!
Du willſt das thun?
Des Kaiſers Hunden, ihr Herrn, wenn ſie vor
meiner Thür darum heulten. — Iſaak! Schlingel!
hörſt nicht?
He! ſag' ich. Was giebts?
Das Stroh ſchüttle auf, Schlingel, und die De-
[60] cken drüberhin; ein krank Weibſen wird kommen und
Platz nehmen, in der Hütten! Hörſt du?
Wer ſpricht drin?
Ei, ein Flachskopf von zehn Jahren, der uns an
die Hand geht.
Gut. — Tritt heran, Schauermann! hier iſt ein
Knebel losgegangen.
Wo?
Gleichviel! — In den Winkel mit ihr hin, dort!
— — Wenn der Tag anbricht, werd ich dich rufen.
Sechster Auftritt.
Nun, Georg, alle Saiten des Jubels ſchlag ich
an: wir haben ſie; wir haben dieſe Kunigunde von
Thurneck! So wahr ich nach meinem Vater getauft
[61] bin, nicht um den ganzen Himmel, um den meine
Jugend gebetet hat, geb' ich die Luſt weg, die mir be-
ſcheert iſt, wenn der morgende Tag anbricht! —.
Warum kamſt du nicht früher von Waldſtädten herab?
Weil du mich nicht früher rufen ließeſt.
O, Georg! Du hätteſt ſie ſehen ſollen, wie ſie
daher geritten kam, einer Fabel gleich, von den Rit-
tern des Landes umringt, gleich einer Sonne, unter
ihren Planeten! Wars nicht, als ob ſie zu den Kie-
ſeln ſagte, die unter ihr Funken ſprühten: ihr müßt
mir ſchmelzen, wenn ihr mich ſeht? Thaleſtris, die
Königin der Amazonen, als ſie herabzog vom Kauka-
ſus, Alexander den Großen zu bitten, daß er ſie küſſe:
ſie war nicht reizender und göttlicher, als ſie.
Wo fingſt du ſie?
Fünf Stunden, Georg, fünf Stunden von der
Steinburg, wo ihr der Rheingraf, durch drei Tage,
ſchallende Jubelfeſte gefeiert hatte. Die Ritter, die
ſie begleiteten, hatten ſie kaum verlaſſen, da werf' ich
ihren Vetter Iſidor, der bey ihr geblieben war, in
den Sand, und auf den Rappen mit ihr, und auf
und davon.
[62]
Aber, Max! Max! Was haſt du —?
Ich will dir ſagen, Freund —
Was bereiteſt du dir, mit allen dieſen ungeheuren
Anſtalten, vor?
Lieber! Guter! Wunderlicher! Honig von Hybla,
für dieſe vom Durſt der Rache zu Holz vertrocknete
Bruſt. Warum ſoll dies weſenloſe Bild länger, einer
olympiſchen Göttin gleich, auf dem Fußgeſtell pran-
gen, die Hallen der chriſtlichen Kirchen von uns und
unſers Gleichen entvölkernd? Lieber angefaßt, und
auf den Schutt hinaus, das Oberſte zu Unterſt, damit
mit Augen erſchaut wird, daß kein Gott in ihm wohnt.
Aber in aller Welt, ſag' mir, was iſt's, das dich
mit ſo raſendem Haß gegen ſie erfüllt?
O Georg! Der Menſch wirft Alles, was er ſein
nennt, in eine Pfütze, aber kein Gefühl. Georg, ich
liebte ſie, und ſie war deſſen nicht werth. Ich liebte
ſie und ward verſchmäht, Georg; und ſie war mei-
ner Liebe nicht werth. Ich will dir was ſagen —
Aber es macht mich blaß, wenn ich daran denke. Ge-
[63] org! Georg! Wenn die Teufel um eine Erfindung
verlegen ſind; ſo müſſen ſie einen Hahn fragen der
ſich vergebens um eine Henne gedreht hat, und hin-
terher ſieht, daß ſie, vom Ausſatz zerfreſſen, zu ſeinem
Spaße nicht taugt.
Du wirſt keine unritterliche Rache an ihr aus-
üben?
Nein; Gott behüt' mich! Keinem Knecht muth'
ich zu, ſie an ihr zu vollziehn. — Ich bringe ſie nach
der Steinburg zum Rheingrafen zurück, wo ich nichts
thun will, als ihr das Halstuch abnehmen: das ſoll
meine ganze Rache ſein!
Was! Das Halstuch abnehmen?
Ja Georg; und das Volk zuſammen rufen.
Nun, und wenn das geſchehn iſt, da willſt du —?
Ei, da will ich über ſie philoſophiren. Da will
ich euch einen metaphyſiſchen Satz über ſie geben,
wie Platon, und meinen Satz nachher erläutern, wie
der luſtige Diogenes gethan. Der Menſch iſt — —
Aber ſtill:
[64]
Nun! Der Menſch iſt? —
Der Menſch iſt, nach Platon, ein zweibeinigtes,
ungefiedertes Thier; du weißt, wie Diogenes dies
bewieſen; einen Hahn, glaub' ich, rupft er, und warf
ihn unter das Volk. — Und dieſe Kunigunde, Freund,
dieſe Kunigunde von Thurneck, die iſt nach mir —
— — Aber ſtill! So wahr ich ein Mann bin: dort
ſteigt jemand vom Pferd!
Siebenter Auftritt.
(treten auf. Nachher) Gottſchalk. — Die Vorigen.
Heda! Ihr wackern Köhlersleute!
Das iſt eine Nacht, die Wölfe in den Klüften
um ein Unterkommen anzuſprechen.
Iſts erlaubt, einzutreten?
Erlaubt, ihr Herrn! Wer ihr auch ſein mögt dort —
Ihr könnt hier nicht einkehren.
Graf
[85[65]]
Nicht? Warum nicht?
Weil kein Raum drin iſt, weder für euch noch für
uns. Meine Frau liegt darin todtkrank, den einzi-
gen Winkel der leer iſt mit ihrer Bedienung erfül-
lend: ihr werdet ſie nicht daraus vertreiben wollen.
Nein, bei meinem Eid! Vielmehr wünſche ich,
daß ſie ſich bald darin erholen möge. — Gottſchalk!
So müſſen wir beim Gaſtwirth zum blauen Him-
mel übernachten.
Gottſchalk ſag' ich!
Hier!
Schaff die Decken her! Wir wollen uns hier ein
Lager bereiten, unter den Zweigen.
Das weiß der Teufel, was das hier für eine Wirth-
ſchaft iſt. Der Junge ſagt, drinnen wäre ein gehar-
niſchter Mann, der ein Fräulein bewachte: das läge
[5]
[66] geknebelt und mit verſtopftem Munde da, wie ein
Kalb, das man zur Schlachtbank bringen will.
Was ſagſt du? Ein Fräulein? Geknebelt und mit
verſtopftem Munde? — Wer hat dir das geſagt?
Jung'! Woher weißt du das?
St! — Um aller Heiligen willen! Ihr Herren,
was macht ihr?
Komm her.
Ich ſage: St!
Jung'! Wer hat dir das geſagt? So ſprich.
Hab's geſchaut, ihr Herren. Lag auf dem Stroh,
als ſie ſie hineintrugen, und ſprachen, ſie ſei krank.
Kehrt' ihr die Lampe zu und erſchaut; daß ſie geſund
war, und Wangen hatt' als wie unſre Lore. Und wim-
mert' und druckt mir die Händ' und blinzelte, und
ſprach ſo vernehmlich, wie ein kluger Hund: mach
mich los, lieb Bübel, mach' mich los! daß ich's mit
Augen hört' und mit den Fingern verſtand.
Jung', du flachsköpfiger; ſo thu's!
[67]
Was ſäumſt du? Was machſt du?
Bind' ſie los und ſchick ſie her!
St! ſag' ich. — Ich wollt, daß ihr zu Fiſchen
würdet! — Da erheben ſich ihrer drei ſchon und kom-
men her, und ſehen, was es giebt?
Nichts, du wackrer Junge, nichts.
Sie haben nichts davon gehört.
Sie wechſeln bloß um des Regens willen ihre
Plätze.
Wollt ihr mich ſchützen?
Ja, ſo wahr ich ein Ritter bin; das will ich.
Darauf kannſt du dich verlaſſen.
Wohlan! Ich will's dem Vater ſagen. — Schaut
was ich thue, und ob ich in die Hütte gehe, oder nicht?
verliert ſich nachher in die Hütte
[68]
Sind das ſolche Kauze? Beelzebubs-Ritter, deren
Ordensmantel die Nacht iſt? Eheleute, auf der Land-
ſtraße mit Stricken und Banden an einander ge-
traut?
Krank, ſagten ſie!
Todtkrank, und dankten für alle Hülfe!
Nun wart'! Wir wollen ſie ſcheiden.
He! holla! Die Beſtie!
Auf, Flammberg; erhebe dich!
Was giebt's?
Ich bin angebunden! Ich bin angebunden!
Ihr Götter! Was erblick' ich?
[69]
Achter Auftritt.
entfeſſelten Haaren). — Die Vorigen.
Strahl nieder)
Mein Retter! Wer ihr immer ſeid! Nehmt einer
Vielfach geſchmähten und geſchändeten
Jungfrau euch an! Wenn euer ritterlicher Eid
Den Schutz der Unſchuld euch empfiehlt; hier liegt ſie
In Staub geſtreckt, die jetzt ihn von euch fordert!
Reißt ſie hinweg, ihr Männer!
Max! hör mich an.
Reißt ſie hinweg, ſag' ich; laßt ſie nicht reden!
Halt dort ihr Herrn! Was wollt ihr!
Was wir wollen?
Mein Weib will ich, zum Henker! — Auf! ergreift ſie!
Dein Weib? Du Lügnerherz!
[70]
Berühr' ſie nicht!
Wenn du von dieſer Dame was verlangſt,
So ſagſt du's mir! Denn mir gehört ſie jetzt,
Weil ſie ſich meinem Schutze anvertraut.
Wer biſt du, Uebermüthiger, daß du
Dich zwiſchen zwey Vermählte drängſt? Wer giebt
Das Recht dir, mir die Gattin zu verweigern?
Die Gattin? Böſewicht! Das bin ich nicht!
Und wer biſt du, Nichtswürdiger, daß du
Sie deine Gattin ſagſt, verfluchter Bube,
Daß du ſie dein nennſt, geiler Mädchenräuber,
Die Jungfrau, dir vom Teufel in der Hölle,
Mit Knebeln und mit Banden angetraut?
Wie? Was? Wer?
Max, ich bitte dich.
Wer biſt du?
Ihr Herrn, ihr irrt euch ſehr —
[71]
Wer biſt du, frag' ich?
Ihr Herren, wenn ihr glaubt, daß ich —
Schafft Licht her!
Dies Weib hier, das ich mitgebracht, das iſt —
Ich ſage Licht herbeigeſchafft!
Fakeln und Feuerhacken).
Ich bin —
Ein Raſender biſt du! Fort! Gleich hinweg!
Willſt du auf ewig nicht dein Wappen ſchänden.
So, meine wackern Köhler; leuchtet mir!
Wer biſt du jetzt, frag' ich? Oeffn' das Viſir.
Ihr Herrn, ich bin —
Oeffn' das Viſir.
[72]
Ihr hört.
Meinſt du, leichtfert'ger Bube, ungeſtraft
Die Antwort mir zu weigern, wie ich dir?
taumelt).
Schmeißt den Verwegenen doch gleich zu Boden!
Auf! Zieht!
Du Raſender, welch eine That!
weicht aus).
Du wehrſt dich mir, du Afterbräutigam?
So fahr' zur Hölle hin, woher du kamſt,
Und feire deine Flitterwochen drin!
Entſetzen! Schaut! Er ſtürzt, er wankt, er fällt!
Auf jetzt, ihr Freunde!
Fort! Entflieht!
[73]
Schlagt drein!
Jagt das Geſindel völlig in die Flucht!
Georg, der über den Burggrafen beſchäftigt iſt).
Freiburg! Was ſeh ich? Ihr allmächt'gen Götter!
Du biſt's?
Der undankbare Höllenfuchs!
Was galt dir dieſe Jungfrau, du Unſel'ger?
Was wollteſt du mit ihr?
— Er kann nicht reden.
Blut füllt, vom Scheitel quellend, ihm den Mund.
Laßt ihn erſticken drin!
Ein Traum erſcheint mir's!
Ein Menſch wie der, ſo wacker ſonſt, und gut.
— Kommt ihm zu Hülf', ihr Leute!
Auf! Greift an!
Und tragt ihn dort in jener Hütte Raum.
Ins Grab! Die Schaufeln her! Er ſei geweſen!
[74]
Beruhigt euch! — Wie er darnieder liegt,
Wird er auch unbeerdigt euch nicht ſchaden.
Ich bitt' um Waſſer!
Fühlt ihr euch nicht wohl?
Nichts, nichts — Es iſt — Wer hilft? — Iſt
hier kein Sitz?
— Weh mir!
Ihr Himmliſchen! He! Gottſchalk! hilf!
Die Fakeln her!
Laßt, Laßt!
Es geht vorüber?
Das Licht kehrt meinen trüben Augen wieder. —
Was war's, das ſo urplötzlich euch ergriff?
Ach, mein großmüth'ger Retter und Befreier,
Wie nenn' ich das? Welch ein entſetzensvoller,
[75] Unmenſchlicher Frevel war mir zugedacht?
Denk' ich, was ohne euch, vielleicht ſchon jetzt,
Mir widerfuhr, hebt ſich mein Haar empor,
Und meiner Glieder jegliches erſtarrt.
Wer ſeid ihr? Sprecht! Was iſt euch widerfah-
ren?
O Seligkeit, euch dies jetzt zu entdecken!
Die That, die euer Arm vollbracht, iſt keiner
Unwürdigen geſchehen; Kunigunde,
Freifrau von Thurneck, bin ich, daß ihr's wißt;
Das ſüße Leben, das ihr mir erhieltet,
Wird, außer mir, in Thurneck, dankbar noch
Ein ganz Geſchlecht euch von Verwandten lohnen.
Ihr ſeid? — Es iſt nicht möglich? Kunigunde
Von Thurneck? —
Ja, ſo ſagt' ich! Was erſtaunt ihr?
Nun denn, bei meinem Eid, es thut mir Leid,
So kamt ihr aus dem Regen in die Traufe:
Denn ich bin Friedrich Wetter Graf vom Strahl!
Was! Euer Name? — Der Name meines Retters? —
[76]
Iſt Friedrich Strahl, ihr hört's. Es thut mir Leid,
Daß ich euch keinen beſſern nennen kann.
Ihr Himmliſchen! Wie prüft ihr dieſes Herz?
Die Thurneck? hört' ich recht?
Bei Gott! Sie iſt's!
Es ſei. Es ſoll mir das Gefühl, das hier
In dieſem Buſen ſich entflammt, nicht ſtören.
Ich will nichts denken, fühlen will ich nichts,
Als Unſchuld, Ehre, Leben, Rettung — Schutz
Vor dieſem Wolf, der hier am Boden liegt. —
Komm her, du lieber, goldner Knabe, du,
Der mich befreit, nimm dieſen Ring von mir,
Es iſt jetzt Alles, was ich geben kann:
Einſt lohn' ich würdiger, du junger Held,
Die That dir, die mein Band gelöſ't, die muthige,
Die mich vor Schmach bewahrt, die mich errettet,
Die That, die mich zur Seeligen gemacht!
Euch, mein Gebieter — Euer nenn' ich Alles,
[77] Was mein iſt! Sprecht! Was habt ihr über mich
beſchloſſen?
In eurer Macht bin ich; was muß geſchehn?
Muß ich nach eurem Ritterſitz euch folgen?
Mein Fräulein — es iſt nicht eben allzuweit.
Wenn ihr ein Pferd beſteigt, ſo könnt ihr bei
Der Gräfin, meiner Mutter, übernachten.
Führt mir das Pferd vor!
Ihr vergebt mir,
Wenn die Verhältniſſe, in welchen wir —
Nichts, Nichts! Ich bitt euch ſehr! Beſchämt
mich nicht!
In eure Kerker klaglos würd' ich wandern.
In meinen Kerker! Was! Ihr überzeugt euch —
Drückt mich mit eurer Großmuth nicht zu Bo-
den! —
Ich bitt' um eure Hand!
He! Fackeln! Leuchtet!
[78]
Neunter Auftritt.
tritt auf, und ſetzt ſich vor einer Toilette nieder. Hinter ihr
Roſalie und die alte Brigitte.
Hier, Mütterchen, ſetz dich! Der Graf vom Strahl
hat ſich bei meinem Fräulein anmelden laſſen; ſie läßt
ſich nur noch die Haare von mir zurecht legen, und
mag gern dein Geſchwätz hören.
Alſo ihr ſeid Fräulein Kunigunde von Thurneck?
Ja Mütterchen; das bin ich.
Und nennt euch eine Tochter des Kaiſers?
Des Kaiſers? Nein; wer ſagt dir das? Der jetzt
lebende Kaiſer iſt mir fremd; die Urenkelin eines der
vorigen Kaiſer bin ich, die in verfloſſenen Jahrhun-
derten, auf dem deutſchen Thron ſaßen.
O Herr! Es iſt nicht möglich? Die Urenkeltochter —
Nun ja!
[79]
Hab ich es dir nicht geſagt?
Nun, bei meiner Treu, ſo kann ich mich ins
Grab legen: der Traum des Grafen vom Strahl
iſt aus!
Welch ein Traum?
Hört nur, hört! Es iſt die wunderlichſte Ge-
ſchichte von der Welt! — — Aber ſei bündig, Müt-
terchen, und ſpare den Eingang; denn die Zeit, wie
ich dir ſchon geſagt, iſt kurz.
Der Graf war gegen das Ende des vorletzten Jah-
res, nach einer ſeltſamen Schwermuth, von welcher
kein Menſch die Urſache ergründen konnte, erkrankt;
matt lag er da, mit glutrothem Antlitz und phanta-
ſirte; die Aerzte, die ihre Mittel erſchöpft hatten,
ſprachen, er ſei nicht zu retten. Alles, was in ſeinem
Herzen verſchloſſen war, lag nun, im Wahnſin des
Fiebers, auf ſeiner Zunge: er ſcheide gern, ſprach er
von hinnen; das Mädchen, das fähig wäre, ihn zu
lieben, ſei nicht vorhanden; Leben aber ohne Liebe ſei
Tod; die Welt nannt' er ein Grab, und das Grab eine
Wiege, und meinte, er würde nun erſt gebohren wer-
[80] den. — Drei hintereinander folgende Nächte, wäh-
rend welcher ſeine Mutter nicht von ſeinem Bette
wich, erzählte er ihr, ihm ſei ein Engel erſchienen
und habe ihm zugerufen: Vertraue, vertraue, ver-
traue! Auf der Gräfin Frage: ob ſein Herz ſich, durch
dieſen Zuruf des Himmliſchen, nicht geſtärkt fühle?
antwortete er: Geſtärkt? Nein! — und mit einem
Seufzer ſetzte er hinzu: „doch! doch, Mutter! Wenn
ich ſie werde geſehen haben!“ — Die Gräfin fragt:
und wirſt du ſie ſehen? „Gewiß!“ antwortet er.
Wann? fragt ſie. Wo? — In der Sylveſternacht,
wenn das neue Jahr eintritt; da wird er mich zu ihr
führen. Wer? fragt ſie, Lieber; zu wem? Der Engel,
ſpricht er, zu meinem Mädchen — wendet ſich und
ſchläft ein.
Geſchwätz!
Hört ſie nur weiter. — Nun?
Drauf in der Sylveſternacht, in dem Augenblick,
da eben das Jahr wechſelt, hebt er ſich halb vom La-
ger empor, ſtarrt, als ob er eine Erſcheinung hätte, ins
Zimmer hinein, und, indem er mit der Hand zeigt:
„Mutter! Mutter! Mutter!“ ſpricht er. Was giebt's?
fragt ſie. „Dort! Dort!“ Wo? „Geſchwind!“
ſpricht
[81] ſpricht er — Was? — „Den Helm! Den Harniſch!
Das Schwerdt!“ — Wo willſt du hin? fragt die Mut-
ter. „Zu ihr,“ ſpricht er; „zu ihr! So! ſo! ſo!“
und ſinkt zurück; „Ade, Mutter Ade!“ ſtreckt alle
Glieder von ſich, und liegt wie todt.
Todt?
Todt, ja!
Sie meint, einem Todten gleich.
Sie ſagt, todt! Stört ſie nicht. — Nun?
Wir horchten an ſeiner Bruſt: es war ſo ſtill
darin, wie in einer leeren Kammer. Eine Feder ward
ihm vorgehalten, ſeinen Athem zu prüfen: ſie rührte
ſich nicht. Der Arzt meinte in der That, ſein Geiſt
habe ihn verlaſſen; rief ihm ängſtlich ſeinen Namen
ins Ohr; reizt' ihn, um ihn zu erwecken, mit Gerü-
chen; reizt' ihn mit Stiften und Nadeln, riß ihm
ein Haar aus, daß ſich das Blut zeigte; vergebens:
er bewegte kein Glied und lag, wie todt.
Nun? Darauf?
[6]
[82]
Darauf, nachdem er einen Zeitraum ſo gelegen,
fährt er auf, kehrt ſich, mit dem Ausdruck der Be-
trübniß, der Wand zu, und ſpricht: „Ach! Nun brin-
gen ſie die Lichter! Nun iſt ſie mir wieder verſchwun-
den!“ — gleichſam, als ob er durch den Glanz der-
ſelben verſcheucht würde. — Und da die Gräfin ſich
über ihn neigt und ihn an ihre Bruſt hebt und ſpricht:
Mein Friedrich! Wo warſt du? „Bei ihr,“ verſetzt
er, mit freudiger Stimme; „bei ihr, die mich liebt!
bei der Braut, die mir der Himmel beſtimmt hat!
Geh, Mutter geh, und laß nun in allen Kirchen für
mich beten: denn nun wünſch' ich zu leben.“
Und beſſert ſich wirklich?
Das eben iſt das Wunder.
Beſſert ſich, mein Fräulein, beſſert ſich, in der
That; erholt ſich, von Stund' an, gewinnt, wie
durch himmliſchen Balſam geheilt, ſeine Kräfte wie-
der, und ehe der Mond ſich erneut, iſt er ſo geſund
wie zuvor.
Und erzählte? — Was erzählte er nun?
[83]
Ach, und erzählte, und fand kein Ende zu erzäh-
len: wie der Engel ihn, bei der Hand, durch die
Nacht geleitet; wie er ſanft des Mädchens Schlaf-
kämmerlein eröffnet, und alle Wände mit ſeinem Glanz
erleuchtend, zu ihr eingetreten ſei; wie es dagelegen,
das holde Kind, mit nichts, als dem Hemdchen an-
gethan, und die Augen bei ſeinem Anblick groß auf-
gemacht, und gerufen habe, mit einer Stimme, die
das Erſtaunen beklemmt: „Mariane!“ welches jemand
geweſen ſein müſſe, der in der Nebenkammer geſchla-
fen; wie ſie darauf, vom Purpur der Freude über
und über ſchimmernd, aus dem Bette geſtiegen, und ſich
auf Knieen vor ihm niedergelaſſen, das Haupt geſenkt,
und: mein hoher Herr! gelispelt; wie der Engel ihm
darauf, daß es eine Kaiſertochter ſei, geſagt, und
ihm ein Maal gezeigt, das dem Kindlein röthlich auf
dem Nacken verzeichnet war, — wie er, von unendli-
chem Entzücken durchbebt, ſie eben beim Kinn gefaßt,
um ihr ins Antlitz zu ſchauen: und wie die unſelige
Magd nun, die Mariane, mit Licht gekommen, und
die ganze Erſcheinung bei ihrem Eintritt wieder ver-
ſchwunden ſei.
Und nun meinſt du, dieſe Kaiſertochter ſei ich?
Wer ſonſt?
[84]
Das ſag' ich auch.
Die ganze Strahlburg, bei eurem Einzug, als ſie
erfuhr, wer ihr ſeid, ſchlug die Hände über den Kopf
zuſammen und rief: ſie iſt's!
Es fehlte nichts, als daß die Glocken ihre Zun-
gen gelöſ't, und gerufen hätten: ja, ja, ja!
Ich danke dir, Mütterchen, für deine Erzählung.
Inzwiſchen nimm dieſe Ohrringe zum Andenken, und
entferne dich.
Zehnter Auftritt.
gedankenlos ans Fenſter und öffnet es. — Pauſe).
Haſt du mir alles dort zurecht gelegt,
Was ich dem Grafen zugedacht, Roſalie?
Urkunden, Briefe, Zeugniſſe?
Hier ſind ſie.
In dieſem Einſchlag liegen ſie beiſammen
[85]
Gieb mir doch —
Was, mein Fräulein?
Schau, o Mädchen!
Iſt dies die Spur von einem Fittig nicht?
Was habt ihr da?
Leimruthen, die, ich weiß
Nicht wer? an dieſem Fenſter aufgeſtellt!
— Sieh, hat hier nicht ein Fittig ſchon geſtreift?
Gewiß! Da iſt die Spur. Was war's? Ein
Zeiſig?
Ein Finkenhähnchen war's, das ich vergebens
Den ganzen Morgen ſchon herangelockt.
Seht nur dies Federchen. Das ließ er ſtecken!
Gieb mir doch —
Was, mein Fräulein? Die Papiere?
[86]
Schelmin! — Die Hirſe will ich, die dort ſteht.
Eilfter Auftritt.
Graf Wetter vom Strahl, und die Gräfin ſeine
Mutter!
Raſch! Mit den Sachen weg.
Gleich, gleich!
Sie werden mir willkommen ſein.
Zwölfter Auftritt.
Fräulein Kunigunde.
Verehrungswürd'ge! Meines Retters Mutter,
Wem dank' ich, welchem Umſtand, das Vergnügen,
[87] Daß ihr mir euer Antlitz ſchenkt, daß ihr
Vergönnt, die theuren Hände euch zu küſſen?
Mein Fräulein, ihr demüthigt mich. Ich kam,
Um eure Stirn zu küſſen, und zu fragen,
Wie ihr in meinem Hauſe euch befindet?
Sehr wohl. Ich fand hier Alles, was ich brauchte.
Ich hatte nichts von eurer Huld verdient,
Und ihr beſorgtet mich, gleich einer Tochter.
Wenn irgend etwas mir die Ruhe ſtörte
So war es dies beſchämende Gefühl;
Doch ich bedurfte nur den Augenblick,
Um dieſen Streit in meiner Bruſt zu löſen.
Wie ſteht's mit eurer linken Hand, Graf Friedrich?
Mit meiner Hand? mein Fräulein! Dieſe Frage,
Iſt mir empfindlicher als ihre Wunde!
Der Sattel wars, ſonſt nichts, an dem ich mich
Unachtſam ſtieß, euch hier vom Pferde hebend.
Ward ſie verwundet? — Davon weiß ich nichts.
Es fand ſich, als wir dieſes Schloß erreichten,
Daß ihr, in hellen Tropfen, Blut entfloß.
[88]
Die Hand ſelbſt, ſeht ihr, hat es ſchon vergeſſen.
Wenn's Freiburg war, dem ich im Kampf um euch,
Dies Blut gezahlt, ſo kann ich wirklich ſagen:
Schlecht war der Preis, um den er euch verkauft.
Ihr denkt von ſeinem Werthe ſo — nicht ich.
— Doch wie? Wollt ihr euch, Gnädigſte, nicht ſetzen?
laſſen ſich ſämmtlich nieder).
Wie denkt ihr, über euere Zukunft, Fräulein?
Habt ihr die Lag', in der das Schickſal euch
Verſetzt, bereits erwogen? Wißt ihr ſchon,
Wie euer Herz darin ſich faſſen wird?
Verehrungswürdige und gnäd'ge Gräfin,
Die Tage, die mir zugemeſſen, denk ich
In Preis und Dank, in immer glühender
Erinnerung deſſ, was jüngſt für mich geſchehn,
In unauslöſchlicher Verehrung eurer,
Und eures Hauſes, bis auf den letzten Odem,
Der meine Bruſt bewegt, wenn's mir vergönnt iſt,
In Thurneck bei den Meinen hinzubringen.
[89]
Wann denkt ihr, zu den Euren aufzubrechen?
Ich wünſche — weil die Tanten mich erwarten,
— Wenn's ſein kann, morgen, — oder mindeſtens —
In dieſen Tagen, abgeführt zu werden.
Bedenkt ihr auch, was dem entgegen ſteht?
Nichts mehr, erlauchte Frau, wenn ihr mir nur
Vergönnt, mich offen vor euch zu erklären.
Nehmt dies von meiner Hand, Herr Graf vom
Strahl.
Mein Fräulein! Kann ich wiſſen, was es iſt?
Die Documente ſind's, den Streit betreffend,
Um eure Herrſchaft Stauffen, die Papiere
Auf die ich meinen Anſpruch gründete.
Mein Fräulein, ihr beſchämt mich, in der That!
Wenn dieſes Heft, wie ihr zu glauben ſcheint,
Ein Recht begründet: weichen will ich euch,
Und wenn es meine letzte Hütte gälte!
[90]
Nehmt, nehmt, Herr Graf vom Strahl! Die
Briefe ſind
Zweideutig, ſeh' ich ein, der Wiederkauf,
Zu dem ſie mich berechtigen, verjährt;
Doch wär' mein Recht ſo klar auch, wie die Sonne,
Nicht gegen euch mehr kann ich's geltend machen.
Niemals, mein Fräulein, niemals, in der That!
Mit Freuden nehm ich, wollt ihr mir ihn ſchenken,
Von euch den Frieden an; doch, wenn auch nur
Der Zweifel eines Rechts auf Staufen euer,
Das Document nicht, das ihn euch belegt!
Bringt eure Sache vor, bei Kaiſer und bei Reich,
Und das Geſetz entſcheide, wer ſich irrte.
Befreit denn ihr, verehrungswürd'ge Gräfin,
Von dieſen leid'gen Documenten mich,
Die mir in Händen brennen, widerwärtig
Zu dem Gefühl, das mir erregt iſt, ſtimmen,
Und mir auf Gottes weiter Welt zu nichts mehr,
Lebt' ich auch neunzig Jahre, helfen können.
Mein theures Fräulein! Eure Dankbarkeit
Führt euch zu weit. Ihr könnt, was eurer ganzen
Familie angehört, in einer flüchtigen
[91] Bewegung nicht, die euch ergriff, veräußern.
Nehmt meines Sohnes Vorſchlag an und laßt
In Wetzlar die Papiere unterſuchen;
Verſichert euch, ihr werdet werth uns bleiben,
Man mag auch dort entſcheiden, wie man wolle.
Nun denn, der Anſpruch war mein Eigenthum!
Ich brauche keinen Vetter zu befragen,
Und meinem Sohn vererb' ich einſt mein Herz!
Die Herrn in Wetzlar mag ich nicht bemühn:
Hier dieſe raſche Bruſt entſcheidet ſo!
Mein liebes, junges, unbeſonnes Kind,
Was habt ihr da gethan? — — Kommt her,
Weil's doch geſchehen iſt, daß ich euch küſſe.
Ich will daß dem Gefühl, das mir entflammt,
Im Buſen iſt, nichts fürder widerſpreche!
Ich will, die Scheidewand ſoll niederſinken,
Die zwiſchen mir und meinem Retter ſteht!
Ich will mein ganzes Leben ungeſtört,
Durchathmen, ihn zu preiſen, ihn zu lieben.
Gut, gut, mein Töchterchen. Es iſt ſchon gut,
Ihr ſeid zu ſehr erſchüttert.
[92]
— Ich will wünſchen,
Daß dieſe That euch nie gereuen möge.
Wann darf ich nun nach Thurneck wiederkehren,
Gleich! Wann ihr wollt! Mein Sohn ſelbſt wird
euch führen!
So ſei's — auf morgen denn!
Gut! Ihr begehrt es.
Obſchon ich gern euch länger bei mir ſähe. —
Doch heut bei Tiſch noch macht ihr uns die Freude?
Wenn ich mein Herz kann ſammeln, wart' ich auf.
Dreizehnter Auftritt.
So wahr, als ich ein Mann bin, die begehr ich
Zur Frau!
[93]
Nun, nun, nun, nun!
Was! Nicht?
Du willſt, daß ich mir Eine wählen ſoll;
Doch die nicht? Dieſe nicht? Die nicht?
Was willſt du?
Ich ſagte nicht, daß ſie mir ganz mißfällt.
Ich will auch nicht, daß heut noch Hochzeit ſei:
— Sie iſt vom Stamm der alten ſächſ'ſchen Kaiſer.
Und der Sylveſternachttraum ſpricht für ſie?
Nicht? Meinſt du nicht?
Was ſoll ich's bergen: ja!
Laſſ' uns die Sach' ein wenig überlegen.
[94]
Dritter Act.
Erſter Auftritt.
Käthchen (von einem Felſen herab).
Nimm dich in Acht, mein liebes Käthchen; der
Gebirgspfad, ſiehſt du, hat eine Spalte. Setze deinen
Fuß hier auf dieſen Stein, der ein wenig mit Moos
bewachſen iſt; wenn ich wüßte, wo eine Roſe wäre,
ſo wollte ich es dir ſagen. — So!
Doch haſt wohl Gott, Käthchen, nichts von der
Reiſe anvertraut, die du heut zu thun willens warſt? —
Ich glaubte, an dem Kreuzweg, wo das Marien-
bild ſteht, würden zwei Engel kommen, Jünglinge,
von hoher Geſtalt, mit ſchneeweißen Fittigen an den
Schultern, und ſagen: Ade, Theobald! Ade, Gott-
fried! Kehrt zurück, von wo ihr gekommen ſeid; wir
werden das Käthchen jetzt auf ſeinem Wege zu Gott
weiter führen. — Doch es war nichts; wir mußten
dich ganz bis ans Kloſter herbringen.
[95]
Die Eichen ſind ſo ſtill, die auf den Bergen ver-
ſtreut ſind: man hört den Specht, der daran pickt.
Ich glaube, ſie wiſſen, daß Käthchen angekommen iſt,
und lauſchen auf das, was ſie denkt. Wenn ich mich
doch in die Welt auflöſen könnte, um es zu erfahren.
Harfenklang muß nicht lieblicher ſeyn, als ihr Gefühl;
es würde Iſrael hinweggelockt von David und ſeinen
Zungen neue Pſalter gelehrt haben. — Mein liebes
Käthchen?
Mein lieber Vater!
Sprich ein Wort.
Sind wir am Ziele?
Wir ſind's. Dort in jenem freundlichen Gebäude,
das mit ſeinen Thürmen zwiſchen die Felſen geklemmt
iſt, ſind die ſtillen Zellen der frommen Auguſtiner-
mönche; und hier, der geheiligte Ort, wo ſie beten.
Ich fühle mich matt.
Wir wollen uns ſetzen. Komm, gieb mir deine
Hand, das ich dich ſtütze. Hier vor dieſem Gitter iſt
[96] eine Ruhebank, mit kurzem und dichtem Gras bewach-
ſen: ſchau her, das angenehmſte Plätzchen, das ich
jemals ſah.
Wie befindeſt du dich?
Sehr wohl.
Du ſcheinſt doch blaß, und deine Stirne iſt voll
Schweiß?
Sonſt warſt du ſo rüſtig, konnteſt meilenweit wan-
dern, durch Wald und Feld, und brauchteſt nichts, als
einen Stein, und das Bündel, das du auf der Schul-
ter trugſt, zum Pfühl, um dich wieder herzuſtellen;
und heut biſt du ſo erſchöpft, daß es ſcheint, als ob
alle Betten, in welchen die Kaiſerin ruht, dich nicht
wieder auf die Beine bringen würden.
Willſt du mit etwas erquickt ſein.
Soll ich gehen und dir einen Trunk Waſſer ſchöpfen?
Oder ſuchen wo dir eine Frucht blüht?
Gott-
[97]
Sprich, mein liebes Käthchen!
Ich danke dir, lieber Vater.
Du dankſt uns.
Du verſchmähſt Alles.
Du begehrſt nichts, als daß ich ein Ende mache:
hingehe und dem Prior Hatto, — meinem alten Freund,
ſage: der alte Theobald ſei da, der ſein einzig liebes
Kind begraben wolle.
Mein lieber Vater!
Nun gut. Es ſoll geſchehn. Doch bevor wir die
entſcheidenden Schritte thun, die nicht mehr zurück
zu nehmen ſind, will ich dir noch etwas ſagen. Ich
will dir ſagen, was Gottfried und mir eingefallen
iſt, auf dem Wege hierher, und was, wie uns ſcheint,
ins Werk zu richten nothwendig iſt, bevor wir den
Prior in dieſer Sache ſprechen. — Willſt du es
wiſſen?
Rede!
[7]
[98]
Nun wohlan, ſo merk' auf, und prüfe dein Herz
wohl! — Du willſt in das Kloſter der Urſulinerinnen
gehen, das tief im einſamen kieferreichen Gebirge ſei-
nen Sitz hat. Die Welt, der liebliche Schauplatz
des Lebens, reizt dich nicht mehr; Gottes Antlitz, in
Abgezogenheit und Frömmigkeit angeſchaut, ſoll dir
Vater, Hochzeit, Kind, und der Kuß kleiner blühen-
der Enkel ſeyn.
Ja, mein lieber Vater.
Wie wär's, wenn du auf ein Paar Wochen, da
die Witterung noch ſchön iſt, zu dem Gemäuer
zurückkehrteſt, und dir die Sache ein wenig über-
legteſt?
Wie?
Wenn du wieder hingingſt, mein' ich, nach der
Strahlburg, unter den Hollunderſtrauch, wo ſich der
Zeiſig das Neſt gebaut hat, am Hang des Felſens, du
weißt, von wo das Schloß, im Sonnenſtrahl funkelnd,
über die Gauen des Landes herniederſchaut?
Nein, mein lieber Vater!
[99]
Warum nicht?
Der Graf, mein Herr, hat es mir verboten.
Er hat es dir verboten. Gut. Und was er dir ver-
boten hat, das darfſt du nicht thun. Doch wie, wenn
ich hinginge und ihn bäte, daß er es erlaubte?
Wie? Was ſagſt du?
Wenn ich ihn erſuchte, dir das Plätzgen, wo dir
ſo wohl iſt, zu gönnen, und mir die Freiheit würde,
dich daſelbſt mit dem, was du zur Nothdurft brauchſt,
freundlich auszuſtatten?
Nein, mein lieber Vater.
Warum nicht?
Das würdeſt du nicht thun; und wenn du es thä-
teſt, ſo würde es der Graf nicht erlauben; und wenn
der Graf es erlaubte, ſo würd' ich doch von ſeiner
Erlaubniß keinen Gebrauch machen.
Käthchen! Mein liebes Käthchen! Ich will es
[100] thun. Ich will mich ſo vor ihm niederlegen, wie ich
es jetzt vor dir thue, und ſprechen: mein hoher Herr!
erlaubt, daß das Käthchen unter dem Himmel, der
über eure Burg geſpannt iſt, wohne; reitet ihr aus,
ſo vergönnt, daß ſie euch von fern, auf einen Pfeil-
ſchuß, folge, und räumt ihr, wenn die Nacht kömmt,
ein Plätzchen auf dem Stroh ein, das euren ſtolzen
Roſſen untergeſchüttet wird. Es iſt beſſer, als daß
ſie vor Gram vergehe.
Gott im höchſten Himmel; du vernichteſt mich!
Du legſt mir deine Worte kreuzweis, wie Meſſer, in
die Bruſt! Ich will jetzt nicht mehr ins Kloſter gehen,
nach Heilbronn will ich mit dir zurückkehren, ich will
den Grafen vergeſſen, und, wen du willſt heirathen;
müßt' auch ein Grab mir, von acht Ellen Tiefe, das
Brautbett ſein.
Biſt du mir bös, Käthchen?
Nein, nein! Was fällt dir ein?
Ich will dich ins Kloſter bringen!
Nimmer und nimmermehr! Weder auf die Strahl-
burg, noch ins Kloſter! — Schaff mir nur jetzt, bei
[101] dem Prior, ein Nachtlager, daß ich mein Haupt nie-
derlege, und mich erhole; mit Tagesanbruch, wenn
es ſein kann, gehen wir zurück.
Was haſt du gemacht, Alter?
Ach! Ich habe ſie gekränkt!
Prior Hatto iſt zu Hauſe?
Gelobt ſei Jeſus Chriſtus!
In Ewigkeit, Amen!
Vielleicht beſinnt ſie ſich!
Komm meine Tochter!
[102]
Zweiter Auftritt.
ſtadt (treten auf, ihnen folgt): Jacob Pech, der Gaſt-
wirth. Gefolge von Knechten.
Laßt die Pferde abſatteln! Stellt Wachen aus,
auf dreihundert Schritt um die Herberge, und laßt
jeden ein, niemand aus! Füttert und bleibt, in den
Ställen, und zeigt euch, ſo wenig es ſeyn kann; wenn
Eginhardt mit Kundſchaft aus der Thurneck zurück-
kommt, geb' ich euch meine weitern Befehle.
Wer wohnt hier?
Halten zu Gnaden, ich und meine Frau, geſtren-
ger Herr.
Und hier?
Vieh.
Wie?
Vieh. — Eine Sau mit ihrem Wurf, halten zu
[103] Gnaden; es iſt ein Schweinſtall, von Latten draußen
angebaut.
Gut. — Wer wohnt hier?
Wo?
Hinter dieſer dritten Thür?
Niemand, halten zu Gnaden.
Niemand?
Niemand geſtrenger Herr, gewiß und wahrhaftig.
Oder vielmehr jedermann. Es geht wieder auf's offne
Feld hinaus.
Gut. — Wie heißeſt du?
Jacob Pech.
Tritt ab, Jacob Pech. —
Ich will mich hier, wie die Spinne, zuſammen
knäueln, daß ich ausſehe, wie ein Häuflein argloſer
[104] Staub; und wenn ſie im Netz ſitzt, dieſe Kunigunde,
über ſie herfahren — den Stachel der Rache tief ein-
drücken in ihre treuloſe Bruſt: tödten, tödten, tödten,
und ihr Gerippe, als das Monument einer Erzbuhlerin,
in dem Gebälke der Steinburg aufbewahren!
Ruhig, ruhig Albrecht! Eginhardt, den du nach
Thurneck geſandt haſt, iſt noch, mit der Beſtätigung
deſſen, was du argwohnſt, nicht zurück.
Da haſt du Recht, Freund; Eginhardt iſt noch nicht
zurück. Zwar in dem Zettel, den mir die Bübin
ſchrieb, ſteht: ihre Empfehlung voran; es ſei nicht nö-
thig, daß ich mich fürder um ſie bemühe; Stauffen
ſei ihr von dem Grafen vom Strahl, auf dem Wege
freundlicher Vermittlung, abgetreten. Bei meiner un-
ſterblichen Seele, hat dies irgend einen Zuſammenhang,
der rechtſchaffen iſt: ſo will ich es hinunterſchlucken,
und die Kriegsrüſtung, die ich für ſie gemacht, wie-
der auseinander gehen laſſen. Doch wenn Eginhardt
kommt und mir ſagt, was mir das Gerüchte ſchon
geſteckt, daß ſie ihm mit ihrer Hand verlobt iſt:
ſo will ich meine Artigkeit, wie ein Taſchenmeſſer, zu-
ſammenlegen, und ihr die Kriegskoſten wieder abja-
gen: müßt' ich ſie umkehren, und ihr den Betrag
hellerweiſe aus den Taſchen herausſchütteln.
[105]
Dritter Auftritt.
Nun, Freund, alle Grüße treuer Brüderſchaft über
dich! — Wie ſteht's auf dem Schloſſe zu Thurneck?
Freunde, es iſt alles, wie der Ruf uns erzählt!
Sie gehen mit vollen Segeln auf dem Ocean der
Liebe, und ehe der Mond ſich erneut, ſind ſie in den
Hafen der Ehe eingelaufen.
Der Blitz ſoll ihre Maſten zerſplittern, ehe ſie
ihn erreichen!
Sie ſind miteinander verlobt?
Mit dürren Worten, glaub' ich, nein; doch wenn
Blicke reden, Mienen ſchreiben und Händedrücke ſie-
geln können, ſo ſind die Ehepacten fertig.
Wie iſt es mit der Schenkung von Stauffen zu-
gegangen? Das erzähle!
Wann machte er ihr das Geſchenk?
[106]
Ei! Vorgeſtern, am Morgen ihres Geburtstags,
da die Vettern ihr ein glänzendes Feſt in der Thur-
neck bereitet hatten. Die Sonne ſchien kaum röthlich
auf ihr Lager: da findet ſie das Document ſchon auf
der Decke liegen; das Document, verſteht mich, in ein
Briefchen des verliebten Grafen eingewickelt, mit der
Verſicherung, daß es ihr Brautgeſchenk ſei, wenn ſie
ſich entſchließen könne, ihm ihre Hand zu geben.
Sie nahm es? Natürlich! Sie ſtellte ſich vor den
Spiegel, knixte, und nahm es?
Das Document? Allerdings.
Aber die Hand, die dagegen gefordert ward?
O die verweigerte ſie nicht.
Was! Nicht?
Nein. Gott behüte! Wann hätte ſie je einem
Freier ihre Hand verweigert.
Aber ſie hält, wenn die Glocke geht, nicht Wort?
[107]
Danach habt ihr mich nicht gefragt.
Wie beantwortete ſie den Brief?
Sie ſey ſo gerührt, daß ihre Augen, wie, zwei
Quellen, niederträufelten, und ihre Schrift ertränk-
ten; — die Sprache, an die ſich wenden müſſe, ihr
Gefühl auszudrücken, ſei ein Bettler. — Er habe, auch
ohne dieſes Opfer, ein ewiges Recht an ihre Dank-
barkeit, und es ſei, wie mit einem Diamanten, in
ihre Bruſt geſchrieben; — kurz, einen Brief voll dop-
pelſinniger Fratzen, der, wie der Schillertaft, zwei
Farben ſpielt, und weder ja ſagt, noch nein.
Nun, Freunde; ihre Zauberei geht, mit dieſem
Kunſtſtück zu Grabe! Mich betrog ſie, und keinen
mehr; die Reihe derer, die ſie am Narrenſeil geführt
hat, ſchließt mit mir ab. — Wo ſind die beiden rei-
tenden Boten?
He!
[108]
Vierter Auftritt.
Dieſe beiden Briefe nehmt ihr — dieſen du, dieſen
du; und tragt ſie — dieſen hier du an den Dominica-
nerprior Hatto, verſtehſt du? Ich würd' Glock ſieben
gegen Abend kommen, und Abſolution in ſeinem Klo-
ſter empfangen? Dieſen hier du an Peter Quanz,
Haushofmeiſter in der Burg zu Thurneck; Schlag
zwölf um Mitternacht ſtünd' ich mit meinem Kriegs-
haufen vor dem Schloß, und bräche ein. Du gehſt
nicht eher in die Burg, du, bis es finſter iſt, und
läſſeſt dich vor keinem Menſchen ſehen; verſtehſt du
mich? — Du brauchſt das Tageslicht nicht zu ſcheuen.
— Habt ihr mich verſtanden?
Gut.
Hand).
Die Briefe ſind doch nicht verwechſelt?
Nein, Nein.
Nicht? — — Himmel und Erde!
[109]
Was giebt's?
Wer verſiegelte ſie?
Die Briefe?
Ja!
Tod und Verderben! Du verſiegelteſt ſie ſelbſt!
Ganz recht! hier, nehmt! Auf der Mühle, beim
Sturzbach, werd' ich euch erwarten. — Kommt meine
Freunde!
Fünfter Auftritt.
auf welchem zwei Lichter ſtehen. Er hält eine Laute in der Hand,
und thut einige Griffe darauf. Im Hintergrunde, bei ſeinen
Kleidern und Waffen beſchäftigt,) Gottſchalk.
Macht auf! Macht auf! Macht auf!
[110]
Holla! — Wer ruft?
Ich, Gottſchalk, bin's; ich bin's, du lieber Gott-
ſchalk!
Wer?
Ich!
Du?
Ja!
Wer?
Ich!
Die Stimme kenn' ich!
Mein Seel! Ich hab' ſie auch ſchon wo gehört.
Herr Graf vom Strahl! Macht auf! Herr Graf
vom Strahl!
Bei Gott! Das iſt —
[111]
Das iſt, ſo wahr ich lebe —
Das Käthchen iſt's! Wer ſonſt! Das Käthchen
iſt's,
Das kleine Käthchen von Heilbronn!
Wie? Was? zum Teufel!
Du, Mädel? Was! O Herzensmädel! Du?
Ward, ſeit die Welt ſteht, ſo etwas —?
Ich bin's.
Schaut her, bei Gott! Schaut her, ſie iſt es ſelbſt!
Sechster Auftritt.
Schmeiß ſie hinaus. Ich will nichts von ihr
wiſſen.
[112]
Was! Hört' ich recht —?
Wo iſt der Graf vom Strahl?
Schmeiß ſie hinaus! Ich will nichts von ihr
wiſſen!
Wie, gnädiger Herr, vergönnt —!
Hier! nehmt, Herr Graf!
Was willſt du hier? Was haſt du hier zu ſuchen?
Nichts! — Gott behüte! Dieſen Brief hier bitt
ich —
Ich will ihn nicht! — Was iſt dies für ein Brief?
Wo kommt er her? Und was enthält er mir?
Der Brief hier iſt —
Ich will davon nichts wiſſen!
Fort! Gieb ihn unten in dem Vorſaal ab.
Mein hoher Herr! Laßt' bitt ich, euch bedeuten —
Graf
[113]
Die Dirne, die landſtreichend unverſchämte!
Ich will nichts von ihr wiſſen! Hinweg, ſag' ich!
Zurück nach Heilbronn, wo du hingehörſt!
Herr meines Lebens! Gleich verlaſſ' ich euch!
Den Brief nur hier, der euch ſehr wichtig iſt,
Erniedrigt euch, von meiner Hand zu nehmen.
Ich aber will ihn nicht! Ich mag ihn nicht!
Fort! Augenblicks! Hinweg!
Mein hoher Herr!
Die Peitſche her! An welchem Nagel hängt ſie?
Ich will doch ſehn, ob ich, vor loſen Mädchen,
In meinem Haus nicht Ruh mir kann verſchaffen.
O Gnäd'ger Herr! Was macht ihr? Was beginnt
ihr?
Warum auch wollt ihr, den nicht ſie verfaßt,
Den Brief, nicht freundlich aus der Hand ihr neh-
men?
Schweig, alter Eſel, du, ſag' ich.
[8]
[114]
Laß, Laß!
In Thurneck bin ich hier, weiß, was ich thue;
Ich will den Brief aus ihrer Hand nicht nehmen!
— Willſt du jetzt gehn?
Ja, mein verehrter Herr!
Wohlan!
Sei ruhig. Fürchte nichts.
So fern' dich! —
Am Eingang ſteht ein Knecht, dem gieb den Brief,
Und kehr des Weges heim, von wo du kamſt.
Gut, gut. Du wirſt mich dir gehorſam finden.
Peitſch mich nur nicht, bis ich mit Gottſchalk ſprach. —
Nimm du den Brief.
Gieb her, mein liebes Kind.
Was iſt dies für ein Brief? Und was enthält er?
Der Brief hier iſt vom Graf vom Stein, verſtehſt du?
[115] Ein Anſchlag, der noch heut vollführt ſoll werden,
Auf Thurneck, dieſe Burg, darin enthalten,
Und auf das ſchöne Fräulein Kunigunde,
Des Grafen, meines hohen Herren, Braut.
Ein Anſchlag auf die Burg? Es iſt nicht möglich!
Und vom Graf Stein? — Wie kamſt du zu dem
Brief?
Der Brief ward Prior Hatto übergeben,
Als ich mit Vater juſt, durch Gottes Fügung,
In deſſen ſtiller Klauſe mich befand.
Der Prior, der verſtand den Inhalt nicht,
Und wollt' ihn ſchon dem Boten wiedergeben;
Ich aber riß den Brief ihm aus der Hand,
Und eilte gleich nach Thurneck her, euch Alles
Zu melden, in die Harniſche zu jagen;
Denn heut, Schlag zwölf um Mitternacht, ſoll ſchon
Der mörderiſche Frevel ſich vollſtrecken.
Wie kam der Prior Hatto zu dem Brief?
Lieber, das weiß ich nicht; es iſt gleichviel.
Er iſt, du ſiehſt an irgend wen geſchrieben,
Der hier im Schloß zu Thurneck wohnhaft iſt;
Was er dem Prior ſoll, begreift man nicht.
[116] Doch daß es mit dem Anſchlag richtig iſt,
Das hab' ich ſelbſt geſehn; denn kurz und gut,
Der Graf zieht auf die Thurneck ſchon heran:
Ich bin ihm, auf dem Pfad' hieher, begegnet.
Du ſiehſt Geſpenſter, Töchterchen!
Geſpenſter! —
Ich ſage, nein! So wahr ich Käthchen bin!
Der Graf liegt draußen vor der Burg, und wer
Ein Pferd beſteigen will, und um ſich ſchauen,
Der kann den ganzen weiten Wald ringsum
Erfüllt von ſeinen Reiſigen erblicken!
— Nehmt doch den Brief, Herr Graf, und ſeht
ſelbſt zu.
Ich weiß nicht, was ich davon denken ſoll.
nimmt den Brief und entfaltet ihn).
„Um zwölf Uhr, wenn das Glöckchen ſchlägt,
bin ich
Vor Thurneck. Laß die Thore offen ſein.
Sobald die Flamme zuckt, zieh' ich hinein.
Auf niemand münz' ich es, als Kunigunden,
Und ihren Bräutigam, den Graf vom Strahl:
Thu mir zu wiſſen, Alter, wo ſie wohnen.“
[117]
Ein Höllenfrevel! — Und die Unterſchrift?
Das ſind drei Kreuze.
Wie ſtark fandſt du den Kriegstroß, Katharina?
Auf ſechzig Mann, mein hoher Herr, bis ſiebzig.
Sahſt du ihn ſelbſt den Graf vom Stein?
Ihn nicht.
Wer führte ſeine Mannſchaft an?
Zwey Ritter,
Mein hochverehrter Herr, die ich nicht kannte.
Und jetzt, ſagſt du, ſie lägen vor der Burg?
Ja, mein verehrter Herr.
Wie weit von hier?
Auf ein dreitauſend Schritt, verſtreut im Walde.
[118]
Rechts, auf der Straße?
Links, im Föhrengrunde,
Wo überm Sturzbach ſich die Brücke baut.
Ein Anſchlag, gräuelhaft, und unerhört!
Ruf mir ſogleich die Herrn von Thurneck her!
— Wie hoch iſt's an der Zeit?
Glock halb auf zwölf.
So iſt kein Augenblick mehr zu verlieren.
Gleich, gleich; ich gehe ſchon! — Komm, liebes
Käthchen,
Daß ich dir das erſchöpfte Herz erquicke! —
Wie großen Dank, bei Gott, ſind wir dir ſchuldig?
So in der Nacht, durch Wald und Feld und Thal —
Haſt du mir ſonſt noch, Jungfrau, was zu ſagen?
Nein, mein verehrter Herr.
[119]
— Was ſuchſt du da?
Den Einſchlag, der vielleicht dir wichtig iſt.
Ich glaub', ich hab' —? Ich glaub', er iſt —?
Der Einſchlag?
Nein, hier.
Gieb her!
Dein Antlitz ſpeit ja Flammen! —
Du nimmſt dir gleich ein Tuch um, Katharina,
Und trinkſt nicht ehr, bis du dich abgekühlt.
— Du aber haſt keins?
Nein —
wendet ſich plötzlich, und wirft ſie auf den Tiſch).
So nimm die Schärpe.
Wenn du zum Vater wieder heim willſt kehren,
Werd' ich, wie ſich's von ſelbſt verſteht —
[120]
Was wirſt du?
Was macht die Peitſche hier?
Ihr ſelbſt ja nahmt ſie —!
Hab' ich hier Hunde, die zu ſchmeißen ſind?
Fenſter; hierauf zu Käthchen):
Pferd' dir, mein liebes Kind, und Wagen geben,
Die ſicher nach Heilbronn dich heimgeleiten.
— Wann denkſt du heim?
Gleich, mein verehrter Herr
Gleich nicht! Du kannſt im Wirthshaus über-
nachten.
— Was glotzt er da? Geh, nimm die Scherben auf!
vom Tiſch, und giebt ſie Käthchen).
Da! Wenn du dich gekühlt, gieb mir ſie wieder.
Mein hoher Herr!
[121]
Leb wohl! Leb wohl! Leb wohl!
Gott, der Allmächtige!
Was iſt? Was giebts?
Iſt das nicht Sturm?
Sturm?
Auf! Ihr Herrn von Thurneck!
Der Rheingraf, beim Lebend'gen, iſt ſchon da!
brennt. Sturmgeläute.
Siebenter Auftritt.
Feuer! Feuer! Feuer! Erwacht ihr Männer von
Thurneck, ihr Weiber und Kinder des Fleckens er-
wacht! Werft den Schlaf nieder, der, wie ein Rieſe,
über euch liegt; beſinnt euch, erſteht und erwacht!
[122] Feuer! Der Frevel zog auf Socken durchs Thor!
Der Mord ſteht, mit Pfeil und Bogen, mitten unter
euch, und die Verheerung, um ihm zu leuchten, ſchlägt
ihre Fackel an alle Ecken der Burg! Feuer! Feuer!
O daß ich eine Lunge von Erz und ein Wort hätte,
das ſich mehr ſchreien ließe, als dies: Feuer! Feuer!
Feuer!
Achter Auftritt.
Gefolge. Der Nachtwächter.
Himmel und Erde! Wer ſteckte das Schloß in
Brand? — Gottſchalk!
He!
Mein Schild, meine Lanze!
Was iſt geſchehn?
Fragt nicht, nehmt was hier ſteht, fliegt auf die Wäl-
le, kämpft und ſchlagt um euch, wie angeſchoſſene Eber!
Der Rheingraf iſt vor den Thoren?
[123]
Vor den Thoren, ihr Herrn, und ehe ihr den
Riegel vorſchiebt, drinn: Verrätherei, im Innern
des Schloſſes, hat ſie ihm geöffnet!
Der Mordanſchlag, der unerhörte! — Auf!
Gottſchalk!
He!
Mein Schwerdt! Mein Schild! meine Lanze.
Neunter Auftritt.
Hier!
und es ſich umgürtet).
Was willſt du?
Ich bringe dir die Waffen.
Dich rief ich nicht!
[124]
Gottſchalk rettet.
Warum ſchickt er den Buben nicht? — Du dringſt
Dich ſchon wieder auf?
Zehnter Auftritt.
Ei, ſo blaſe du, daß dir die Wangen berſten! Fi-
ſche und Maulwürfe wiſſen, daß Feuer iſt, was braucht
es deines gottesläſterlichen Geſangs, um es uns zu
verkündigen?
Wer da?
Strahlburgiſche!
Flammberg?
Er ſelbſt!
Tritt heran! — Verweil' hier, bis wir erfahren,
wo der Kampf tobt!
[125]
Eilfter Auftritt.
Gott helf' uns!
Ruhig, ruhig.
Wir ſind verloren! Wir ſind geſpießt.
Wo iſt Fräulein Kunigunde, eure Nichte?
Das Fräulein, unſre Nichte?
Helft! Ihr Menſchen! Helft!
Gott im Himmel! War das nicht ihre Stimme?
Sie rief! — Eilt, eilt!
Dort erſcheint ſie im Portal!
Geſchwind! Um aller Heiligen! Sie wankt, ſie fällt!
Eilt ſie zu unterſtützen!
[126]
Zwölfter Auftritt.
Meine Kunigunde!
Das Bild, das ihr mir jüngſt geſchenkt, Graf
Friedrich!
Das Bild mit dem Futtral!
Was ſoll's? Wo iſt's?
Im Feu'r! Weh mir! Helft! Rettet! Es verbrennt.
Laßt, Laßt! Habt ihr mich ſelbſt nicht, Theuerſte?
Das Bild mit dem Futtral, Herr Graf vom Strahl!
Das Bild mit dem Futtral!
Wo liegt's, Wo ſteht's?
Im Schreibtiſch! Hier, mein Goldkind, iſt der
Schlüſſel!
Hör; Käthchen!
[127]
Eile!
Hör, mein Kind!
Hinweg!
Warum auch ſtellt ihr wehrend euch —?
Mein Fräulein,
Ich will zehn andre Bilder euch ſtatt deſſen —
Dies brauch ich, dies; ſonſt keins! — Was es
mir gilt,
Iſt hier der Ort jetzt nicht, euch zu erklären. —
Geh, Mädchen geh, ſchaff Bild mir und Futtral:
Mit einem Diamanten lohn' ich's dir!
Wohlan, ſo ſchaff's! Es iſt der Thörin recht!
Was hatte ſie an dieſem Ort zu ſuchen?
Das Zimmer — rechts?
Links, Liebchen; eine Treppe,
Dort, wo der Altan, ſchau, den Eingang ziert!
Im Mittelzimmer?
[128]
In dem Mittelzimmer!
Du fehlſt nicht, lauf; denn die Gefahr iſt dringend!
Auf! Auf! Mit Gott! Mit Gott! Ich bring' es euch!
Dreizehnter Auftritt.
Ihr Leut', hier iſt ein Beutel Gold für den,
Der in das Haus ihr folgt!
Warum? Weshalb?
Veit Schmidt! Hans, du! Karl Böttiger! Fritz
Töpfer!
Iſt niemand unter euch?
Was fällt euch ein?
Mein Fräulein, in der That, ich muß geſtehn —
Welch ein beſondrer Eifer glüht euch an? —
Was iſt dies für ein Kind?
Graf
[129]
— Es iſt die Jungfrau,
Die heut mit ſo viel Eifer uns gedient.
Bei Gott, und wenn's des Kaiſers Tochter wäre!
— Was fürchtet ihr? Das Haus, wenn es gleich
brennt,
Steht, wie ein Fels, auf dem Gebälke noch;
Sie wird, auf dieſem Gang, nicht gleich verderben.
Die Treppe war noch unberührt vom Strahl;
Rauch iſt das einz'ge Uebel, das ſie findet.
Mein Fräulein! He! Hilf Gott! Der Rauch
erſtickt mich!
— Es iſt der rechte Schlüſſel nicht.
Tod und Teufel!
Warum regiert ihr eure Hand nicht beſſer?
Der rechte Schlüſſel nicht?
Hilf Gott! Hilf Gott!
Komm herab, mein Kind!
Laßt, laßt!
[ 9 ]
[130]
Komm herab, ſag ich!
Was ſollſt du ohne Schlüſſel dort? Komm herab!
Laßt einen Augenblick — !
Wie? Was, zum Teufel!
Der Schlüſſel, liebes Herzens-Töchterchen,
Hängt, jetzt erinnr' ich mich's, am Stift des Spiegels,
Der überm Putztiſch glänzend eingefugt!
Am Spiegelſtift?
Beim Gott der Welt! Ich wollte,
Er hätte nie gelebt, der mich gezeichnet,
Und er, der mich gemacht hat, obenein!
— So ſuch!
Mein Augenlicht! Am Putztiſch, hörſt du?
Wo iſt der Putztiſch? Voller Rauch iſt Alles.
Such!
An der Wand rechts.
[131]
Rechts?
Such', ſag' ich!
Hilf Gott! Hilf Gott! Hilf Gott!
Ich ſage, ſuch! —
Verflucht die hündiſche Dienſtfertigkeit!
Wenn ſie nicht eilt: das Haus ſtürzt gleich zu-
ſammen!
Schafft eine Leiter her!
Wie, mein Geliebter?
Schafft eine Leiter her! Ich will hinauf.
Mein theurer Freund! Ihr ſelber wollt —?
Ich bitte!
Räumt mir den Platz! Ich will das Bild euch ſchaffen.
Harrt einen Augenblick noch, ich beſchwör' euch.
Sie bringt es gleich herab.
[132]
Ich ſage, laßt mich! —
Putztiſch und Spiegel iſt, und Nagelſtift,
Ihr unbekannt, mir nicht; ich find's heraus,
Das Bild von Kreid' und Oel auf Leinewand,
Und bring's euch her, nach eures Herzens Wunſch.
— Hier! Legt die Leiter an!
Holla! Da hinten!
Wo?
Wo das Fenſter offen iſt.
O ha!
Blitz! Bleibt zurück, ihr hinten da! Was macht ihr?
Die Leiter iſt zu lang!
Das Fenſter ein!
Das Kreuz des Fenſters eingeſtoßen! So!
Jetzt ſteht die Leiter feſt und rührt ſich nicht!
Wohlan denn!
[133]
Mein Geliebter! Hört mich an!
Ich bin gleich wieder da!
Halt! Gott im Himmel!
Was giebt's?
Das Haus ſinkt! Fort zurücke!
Heiland der Welt! Da liegt's in Schutt und
Trümmern!
beide Hände vor die Stirne; Alles, was auf der Bühne iſt, weicht
zurück und wendet ſich gleichfalls ab. — Pauſe).
Vierzehnter Auftritt.
Portal, das ſtehen geblieben iſt, auf; hinter ihr) ein Cherub
(in der Geſtalt eines Jünglings, von Licht umfloſſen, blondlockig,
Fittige an den Schultern und einen Palmzweig in der Hand).
und ſtürzt vor ihm nieder).
Schirmt mich, ihr Himmliſchen! Was widerfährt mir?
[134]
Palmzweigs und verſchwindet.)
Funfzehnter Auftritt.
Nun, beim lebend'gen Gott, ich glaub', ich träu-
me! —
Mein Freund! Schaut her!
Flammberg!
Ihr Vettern! Tanten! —
Herr Graf! ſo hört doch an!
Geht, geht! — — Ich bitt' euch.
Ihr Thoren! Seid ihr Säulen Salz geworden?
Gelöſ't iſt alles glücklich.
Troſtlos mir!
Die Erd' hat nichts mehr Schönes. Laßt mich ſein.
[135]
Raſch, Brüder, raſch!
Herbei, mit Hacken, Spaten!
Laßt uns den Schutt durchſuchen, ob ſie lebt!
Die Alten, bärt'gen Gecken, die! das Mädchen,
Das ſie verbrannt zu Feuersaſche glauben,
Friſch und geſund am Boden liegt ſie da,
Die Schürze kichernd vor dem Mund, und lacht!
Wo?
Hier!
Nein, ſprecht! Es iſt nicht möglich.
Das Mädchen wär —?
O Himmel! Schaut! Da liegt ſie.
Nun über dich ſchwebt Gott mit ſeinen Schaaren!
Wo kommſt du her?
[136]
Weiß nit, mein hoher Herr.
Hier ſtand ein Haus, dünkt mich, und du warſt
drin.
— Nicht? War's nicht ſo?
— Wo warſt du, als es ſank?
Weiß nit, ihr Herren, was mir widerfahren.
Und hat noch obenein das Bild.
Wo?
Hier.
Nicht? Iſt's das Bild nicht? — Freilich!
Wunderbar!
Wer gab dir es? Sag an!
[137]
auf die Backen giebt).
Die dumme Trine!
Hatt' ich ihr nicht geſagt, das Futteral?
Nun, beim gerechten Gott, das muß ich ſagen —!
— Ihr wolltet das Futtral?
Ja und nichts Anders!
Ihr hattet euren Namen drauf geſchrieben;
Es war mir werth, ich hatt's ihr eingeprägt.
Wahrhaftig, wenn es ſonſt nichts war —
So? Meint ihr?
Das kommt zu prüfen mir zu, und nicht euch.
Mein Fräulein, eure Güte macht mich ſtumm.
Warum nahmſt du's heraus, aus dem Futteral?
Warum nahmſt du's heraus, mein Kind?
Das Bild?
Ja!
[138]
Ich nahm es nicht heraus, mein hoher Herr.
Das Bild, halb aufgerollt, im Schreibtiſchwinkel,
Den ich erſchloß, lag neben dem Futtral.
Fort! — das Geſicht der Aeffin!
Kunigunde! —
Hätt' ich's hinein erſt wieder ordentlich
In das Futtral —?
Nein, nein, mein liebes Käthchen!
Ich lobe dich, du haſt es recht gemacht.
Wie konnteſt du den Werth der Pappe kennen?
Ein Satan leitet' ihr die Hand!
Sei ruhig! —
Das Fräulein meint es nicht ſo bös. — Tritt ab.
Wenn du mich nur nicht ſchlägſt, mein hoher Herr!
unter die Knechte).
[139]
Sechzehnter Auftritt.
Triumph, ihr Herrn! Der Sturm iſt abgeſchlagen!
Der Rheingraf zieht mit blut'gem Schädel heim!
Was! Iſt er fort?
Heil, Heil!
Zu Pferd, zu Pferd!
Laßt uns den Sturzbach ungeſäumt erreichen,
So ſchneiden wir die ganze Rotte ab!
[140]
Vierter Act.
Erſter Auftritt.
Fußvolk (über die Brücke. Ihnen folgt) Der Graf vom
Strahl (zu Pferd; bald darauf) Ritter Flammberg mit
Knechten und Reiſigen (zu Fuß. Zuletzt) Gottſchalk
(gleichfalls zu Pferd, neben ihm) das Käthchen.
Ueber die Brücke, Kinder, über die Brücke! Die-
ſer Wetter vom Strahl kracht, wie vom Sturmwind
getragen, hinter uns drein; wir müſſen die Brücke
abwerfen, oder wir ſind Alle verloren!
Reißt die Brücke nieder!
Pferd tummelnd).
Hinweg! — Wollt ihr den Steg unberührt laſſen?
[141]
len auf ihn).
Hei! Dieſe Pfeile zur Antwort dir!
Meuchelmörder! — He! Flammberg!
Mein hoher Herr!
Die Schützen her!
Auf Wiederſehn, Herr Graf! Wenn ihr ſchwim-
men könnt, ſo ſchwimmt; auf der Steinburg, diesſeits
der Brücke, ſind wir zu finden.
Habt Dank ihr Herrn! Wenn der Fluß trägt, ſo
ſprech' ich bei euch ein!
Halt! zum Henker! nehmt euch in Acht!
Herr Graf vom Strahl!
Schafft Balken und Bretter her!
Was! biſt du ein Jud'?
[142]
Setzt hindurch! Setzt hindurch!
Folgt! Folgt! Es iſt ein Forellenbach, weder
breit noch tief! So recht! So recht! Laßt uns das
Geſindel völlig in die Pfanne hauen!
Herr Graf vom Strahl! Herr Graf vom Strahl!
Ja, was lärmſt und ſchreiſt du? — Was haſt du
hier im Getümmel zu ſuchen? Warum läufſt du hin-
ter uns drein?
Himmel!
Komm! Schürz' und ſchwinge dich! Ich will das
Pferd an die Hand nehmen, und dich hindurch führen.
Gottſchalk!
Gleich, gnädiger Herr, gleich! Was befehlt ihr?
Meine Lanze will ich haben!
[143]
Ich bringe ſie ſchon!
Das Pferd iſt ſcheu.
Steh, Mordmähre! — — — So zieh dir Schuh
und Strümpfe aus!
Geſchwind!
Gottſchalk!
Gleich, gleich! Ich bringe die Lanze ſchon. —
Was haſt du denn da in der Hand?
Das Futteral, Lieber, das geſtern — nun!
Was! Das im Feuer zurück blieb?
Freilich! Um das ich geſcholten ward. Früh mor-
gens, im Schutt, heut' ſucht' ich nach und durch
Gottes Fügung — — nun, ſo!
Je, was der Teufel!
[144]
Und unverſehrt, bei meiner Treu, als wärs Stein!
— Was ſtekt denn drinn?
Ich weiß nicht.
„Acte, die Schenkung, Stauffen betreffend, von
Friedrich Grafen vom Strahl“ — Je, verflucht!
Gottſchalk!
Gleich, gnädiger Herr, gleich!
Nun bin ich fertig!
Nun, das mußt du dem Grafen geben!
das Futtral wieder).
Komm, reich mir die Hand, und folg'
mir!
Ah!
Du mußt dich ein wenig ſchürzen.
Nein, bei Leibe, ſchürzen nicht!
Bis an den Zwickel nur, Käthchen!
Käth-
[145]
Nein! Lieber ſuch' ich mir einen Steg!
Bis an den Knöchel nur, Kind! bis an die äu-
ßerſte, unterſte Kante der Sohle!
Nein, nein, nein, nein; ich bin gleich wieder bei dir!
ihr nach).
Käthchen! Käthchen! Ich will mich umkehren!
Ich will mir die Augen zuhalten! Käthchen! Es iſt
kein Steg auf Meilenweite zu finden! — — Ei
ſo wollt ich, daß ihr der Gürtel platzte! Da läuft ſie
am Ufer entlang, der Quelle zu, den weißen ſchroffen
Spitzen der Berge; mein Seel, wenn ſich kein Fähr-
mann ihrer erbarmt, ſo geht ſie verloren!
Gottſchalk! Himmel und Erde! Gottſchalk!
Ei, ſo ſchrei du! — — Hier, gnädiger Herr; ich
komme ſchon.
[10]
[146]
am äußeren zerfallenen Mauernring der Burg. Vorn ein Hol-
lunderſtrauch, der eine Art von natürlicher Laube bildet, wor-
unter von Feldſteinen, mit einer Strohmatte bedeckt, ein Sitz.
An den Zweigen ſieht man ein Hemdchen und ein paar Strüm-
pfe u. ſ. w. zum Trocknen aufgehängt.
Zweiter Auftritt.
(tritt auf).
den Buſen ſteckt).
Gottſchalk, der mir dies Futteral gebracht; hat
mir geſagt, das Käthchen wäre wieder da. Kuni-
gunde zog eben, weil ihre Burg niedergebrannt iſt,
in die Thore der meinigen ein; da kommt er und
ſpricht: unter dem Hollunderſtrauch läge ſie wieder
da, und ſchliefe; und bat mich, mit thränenden
Augen, ich möchte ihm doch erlauben, ſie in den
Stall zu nehmen. Ich ſagte, bis der alte Vater,
der Theobald ſich aufgefunden, würd' ich ihr in der
Herberge ein Unterkommen verſchaffen; und indeſſen
hab' ich mich herabgeſchlichen, um einen Entwurf mit
ihr auszuführen. — Ich kann dieſen Jammer nicht
mehr zuſehen. Dies Mädchen, beſtimmt, den herr-
lichſten Bürger von Schwaben zu beglücken, wiſſen
[147] will ich, warnm ich verdammt bin, ſie einer Metze
gleich, mit mir herum zu führen; wiſſen, warum
ſie hinter mir herſchreitet, einem Hunde gleich, durch
Feuer und Waſſer, mir Elenden, der nichts für ſich
hat, als das Wappen auf ſeinem Schild. — Es iſt
mehr, als der bloße ſympathetiſche Zug des Herzens; es
iſt irgend von der Hölle angefacht, ein Wahn, der in
ihrem Buſen ſein Spiel treibt. So oft ich ſie ge-
fragt habe: Käthchen! Warum erſchrackſt du doch ſo,
als du mich zuerſt in Heilbronn ſahſt? hat ſie mich
immer zerſtreut angeſehen, und dann geantwortet:
Ei, geſtrenger Herr! ihr wißt's ja! — — — Dort iſt
ſie! — Wahrhaftig, wenn ich ſie ſo daliegen ſehe, mit
rothen Backen und verſchränkten Händchen, ſo kommt
die ganze Empfindung der Weiber über mich, und
macht meine Thränen fließen. Ich will gleich ſterben,
wenn ſie mir nicht die Peitſche vergeben hat — ach!
was ſag' ich? wenn ſie nicht im Gebet für mich, der
ſie mißhandelte, eingeſchlafen! — — — Doch raſch,
ehe Gottſchalk kommt, und mich ſtört. Dreierlei hat
er mir geſagt: einmal, daß ſie einen Schlaf hat, wie
ein Murmelthier; zweitens, daß ſie, wie ein Jagd-
hund, immer träumt, und drittens, daß ſie, im Schlaf
ſpricht; und auf dieſe Eigenſchaften hin, will ich mei-
nen Verſuch gründen. — Thue ich eine Sünde, ſo
mag ſie mir Gott verzeihen.
[148]
Arme ſanft um ihren Leib. — Sie macht eine Bewegung als
ob ſie erwachen wollte, liegt aber gleich wieder ſtill).
Käthchen! Schläfſt du?
Nein, mein verehrter Herr.
Und doch haſt du die Augenlieder zu.
Die Augenlieder?
Ja; und feſt, dünkt mich.
— Ach, geh!
Was! Nicht? Du hätt'ſt die Augen auf?
Groß auf, ſo weit ich kann, mein beſter Herr;
Ich ſehe dich ja, wie du zu Pferde ſitzeſt.
So! — Auf dem Fuchs — nicht?
Nicht doch! Auf dem Schimmel.
[149]
Wo biſt du denn, mein Herzchen? Sag mir an.
Auf einer ſchönen grünen Wieſe bin ich,
Wo Alles bunt und voller Blumen iſt.
Ach, die Vergißmeinnicht! Ach, die Kamillen!
Und hier die Veilchen; ſchau! ein ganzer Buſch.
Ich will vom Pferde niederſteigen, Käthchen,
Und mich ins Gras ein wenig zu dir ſetzen.
— Soll ich?
Das thu, mein hoher Herr.
He, Gottſchalk! —
Wo, laß ich doch das Pferd? — Gottſchalk! Wo
biſt du?
Je, laß es ſtehn. Die Lieſe läuft nicht weg.
Meinſt du? — Nun denn, ſo ſei's!
Mein liebes Käthchen.
[150]
Mein hoher Herr!
Du biſt mir wohl recht gut.
Gewiß! Von Herzen.
Aber ich — was meinſt du?
Ich nicht.
O Schelm!
Was, Schelm! Ich hoff' —?
O geh! —
Verliebt ja, wie ein Käfer, biſt du mir.
Ein Käfer! Was! Ich glaub' du biſt —?
Was ſagſt du?
Ihr Glaub' iſt, wie ein Thurm, ſo feſt gegründet! —
Sei's! Ich ergebe mich darin. — Doch, Käthchen,
Wenn's iſt, wie du mir ſagſt —
Nun? Was beliebt?
[151]
Was, ſprich, was ſoll draus werden?
Was draus ſoll werden?
Ja! haſt du's ſchon bedacht?
Je, nun.
— Was heißt das?
Zu Oſtern, über's Jahr, wirſt du mich heuern.
So! Heuern! In der That! Das wußt ich nicht!
Kathrinchen, ſchau! — Wer hat dir das geſagt?
Das hat die Mariane mir geſagt.
So! Die Mariane! Ei! — Wer iſt denn das?
Das iſt die Magd, die ſonſt das Haus uns fegte.
Und die, die wußt' es wiederum — von wem?
Die ſah's im Blei, das ſie geheimnißvoll
In der Sylveſternacht, mir zugegoſſen.
[152]
Was du mir ſagſt! Da prophezeihte ſie —?
Ein großer, ſchöner Ritter würd' mich heuern.
Und nun meinſt du ſo friſchweg, das ſei ich?
Ja, mein verehrter Herr.
— Ich will dir ſagen,
Mein Kind, ich glaub', es iſt ein Anderer.
Der Ritter Flammberg. Oder ſonſt. Was meinſt du?
Nein, nein!
Nicht?
Nein, nein, nein!
Warum nicht? Rede!
— Als ich zu Bett' ging, da das Blei gegoſſen,
In der Sylveſternacht, bat ich zu Gott,
Wenn's wahr wär, was mir die Mariane ſagte,
Mögt' er den Ritter mir im Traume zeigen.
[153] Und da erſchienſt du ja, um Mitternacht,
Leibhaftig, wie ich jetzt dich vor mir ſehe,
Als deine Braut mich liebend zu begrüßen.
Ich wär dir —? Herzchen! Davon weiß ich nichts.
— Wann hätt' ich dich —?
In der Sylveſternacht.
Wenn wiederum Sylveſter kommt, zwei Jahr.
Wo? In dem Schloß zu Strahl?
Nicht! In Heilbronn;
Im Kämmerlein, wo mir das Bette ſteht.
Was du da ſchwatzſt, mein liebes Kind. — Ich lag
Und obenein todtkrank, im Schloß zu Strahl.
Was ſagſt du?
Wer?
Du!
Ich? Ich ſagte nichts.
[154]
Seltſam, beim Himmel! In der Sylveſternacht —
— Erzähl' mir doch etwas davon, mein Käthchen!
Kam ich allein?
Nein, mein verehrter Herr.
Nicht? — Wer war bei mir?
Ach, ſo geh!
So rede!
Das weißt du nicht mehr?
Nein, ſo wahr ich lebe.
Ein Cherubim, mein hoher Herr, war bei dir,
Mit Flügeln, weiß wie Schnee, auf beiden Schul-
tern,
Und Licht — o Herr! das funkelte! das glänzte! —
Der führt', an ſeiner Hand, dich zu mir ein.
So wahr, als ich will ſelig ſeyn, ich glaube,
Da haſt du recht!
[155]
Ja, mein verehrter Herr.
Auf einem härnen Kiſſen lagſt du da,
Das Bettuch weiß, die wollne Decke roth?
Ganz recht! ſo wars!
Im bloßen leichten Hemdchen?
Im Hemdchen? — Nein.
Was! Nicht?
Im leichten Hemdchen?
Mariane, riefſt du?
Mariane, rief ich!
Geſchwind! Ihr Mädchen! Kommt doch her! Chriſtine!
Sahſt groß, mit ſchwarzem Aug', mich an?
Ja, weil ich glaubt', es wär ein Traum.
Stiegſt langſam,
[156] An allen Gliedern zitternd, aus dem Bett,
Und ſankſt zu Füßen mir —?
Und flüſterte —
Und flüſterteſt, mein hochverehrter Herr!
Nun! Siehſt du wohl? — Der Engel zeigte
dir —
Das Mal — Schützt mich, ihr Himmliſchen! Das
haſt du?
Je, freilich!
Wo? Am Halſe?
Bitte, bitte.
O ihr Urewigen! — Und als ich jetzt,
Dein Kinn erhob, ins Antlitz dir zu ſchauen?
Ja, da kam die unſelige Mariane
Mit Licht — — — und Alles war vorbei;
Ich lag im Hemdchen auf der Erde da,
Und die Mariane ſpottete mich aus.
[157]
Nun ſteht mir bei, ihr Götter: ich bin doppelt!
Ein Geiſt bin ich und wandele zur Nacht!
Gott, meines Lebens Herr! Was widerfährt mir!
Was mir ein Traum ſchien, nackte Wahrheit iſt's:
Im Schloß zu Strahl, todtkrank am Nervenfieber,
Lag ich danieder, und hinweggeführt,
Von einem Cherubim, beſuchte ſie
Mein Geiſt in ihrer Klauſe zu Heilbronn!
Himmel! Der Graf!
Was thu ich jetzt? Was laſſ' ich?
Mein hoher Herr, hier lieg' ich dir zu Füßen,
Gewärtig deſſen, was du mir verhängſt!
An deines Schloſſes Mauer fandſt du mich,
Trotz des Gebots, das du mir eingeſchärft;
Ich ſchwör's, es war ein Stündchen nur zu ruhn,
Und jetzt will ich gleich wieder weiter gehn.
[158]
Weh mir! Mein Geiſt, von Wunderlicht geblendet,
Schwankt an des Wahnſinns grauſem Hang umher!
Denn wie begreif' ich die Verkündigung,
Die mir noch ſilbern wiederklingt im Ohr,
Daß ſie die Tochter meines Kaiſers ſei?
Käthchen! He, junge Maid!
Geſchwind erhebe dich!
Mach dir das Tuch zurecht! Wie ſiehſt du aus?
Dritter Auftritt.
Gut, Gottſchalk, das du kommſt! Du fragteſt
mich,
Ob du die Jungfrau in den Stall darfſt nehmen;
Das aber ſchickt aus manchem Grund ſich nicht;
Die Friedborn zieht aufs Schloß zu meiner Mutter.
Wie? Was? Wo? — Oben auf das Schloß
hinauf?
[159]
Ja, und das gleich! Nimm ihre Sachen auf,
Und auf dem Pfad zum Schloſſe folg' ihr nach.
Gott's Blitz auch, Käthchen! haſt du das gehört?
Mein hochverehrter Herr! Ich nehm' es an,
Bis ich werd' wiſſen, wo mein Vater iſt.
Gut, gut! Ich werd mich gleich nach ihm erkund'gen.
hilft ihm).
Nun? Iſt's geſchehn?
Was! Du bemühſt dich mir?
Gieb deine Hand!
Mein hochverehrter Herr!
vorangehen und folgt).
(Alle ab).
[160]
Vierter Auftritt.
verhüllt und) Roſalie (treten auf).
Wo ritt der Graf vom Strahl hin?
Mein Fräulein, es iſt dem ganzen Schloß unbe-
greiflich. Drei kaiſerliche Commiſſarien kamen ſpät
in der Nacht, und weckten ihn auf; er verſchloß ſich
mit ihnen, und heut, bei Anbruch des Tages ſchwingt
er ſich auf's Pferd, und verſchwindet.
Schließ' mir die Grotte auf.
Sie iſt ſchon offen.
Ritter Flammberg, hör ich, macht dir den Hof;
zu Mittag, wann ich mich gebadet und angekleidet,
werd' ich dich fragen, was dieſer Vorfall zu bedeu-
ten?
Fünf-
[161]
Fünfter Auftritt.
Guten Morgen, Roſalie.
Guten Morgen, mein Fräulein! — Was führt
euch ſo früh ſchon hierher?
Ei, ich will mich mit Käthchen, dem kleinen, hol-
den Gaſt, den uns der Graf ins Schloß gebracht,
weil die Luft ſo heiß iſt, in dieſer Grotte baden.
Vergebt! — Fräulein Kunigunde iſt in der Grotte.
Fräulein Kunigunde? — Wer gab euch den Schlüſſel?
Den Schlüſſel? — Die Grotte war offen.
Habt ihr das Käthchen nicht darin gefunden?
Nein, mein Fräulein. Keinen Menſchen.
Ei, das Käthchen, ſo wahr ich lebe, iſt drin!
In der Grotte? Unmöglich!
[11]
[162]
Wahrhaftig! In der Nebenkammern eine, die
dunkel und verſteckt ſind. — Sie war vorangegangen;
ich ſagte, nur, als wir an die Pforte kamen, ich
wollte mir ein Tuch von der Gräfin zum Troknen
holen. — O Herr meines Lebens; da iſt ſie ſchon!
Sechſter Auftritt.
Himmel! Was ſeh' ich dort?
Eleonore!
Ei, Käthchen! Biſt du ſchon im Bad geweſen?
Schaut, wie das Mädchen funkelt, wie es glänzet!
Dem Schwane gleich, der in die Bruſt geworfen,
Aus des Kryſtallſees blauen Fluthen ſteigt!
— Haſt du die jungen Glieder dir erfriſcht?
Eleonore! Komm hinweg.
Was fehlt dir?
[163]
Wo kommſt du her? Aus jener Grotte dort?
Du hatteſt in den Gängen dich verſteckt?
Eleonore! Ich beſchwöre dich!
Roſalie!
Gleich, mein Fräulein!
Haſt ſie geſehn?
Was giebt's? Sag an! — Du bleichſt?
Eleonore!
Hilf, Gott im Himmel! Käthchen! Kind! Was
fehlt dir?
Roſalie!
Nun, beim Himmel! Dir wär beſſer,
Du riſſeſt dir die Augen aus, als daß ſie
Der Zunge anvertrauten, was ſie ſahn!
[164]
Siebenter Auftritt.
Was iſt geſchehn, mein Kind? Was ſchilt man dich?
Was macht an allen Gliedern ſo dich zittern?
Wär dir der Tod, in jenem Haus, erſchienen,
Mit Hipp' und Stundenglas, von Schrecken könnte
Dein Buſen grimmiger erfaßt nicht ſein!
Ich will dir ſagen —
Nun, ſag' an! Ich höre.
— Doch du gelobſt mir, nimmermehr, Lenore,
Wem es auch ſei, den Vorfall zu entdecken.
Nein, keiner Seele; nein! Verlaß dich drauf.
Schau, in die Seitengrotte hatt' ich mich,
Durch die verborgne Thüre eingeſchlichen;
Das große Prachtgewölb' war mir zu hell.
Und nun, da mich das Bad erquickt, tret' ich
In jene größre Mitte ſcherzend ein,
[165] Und denke du, du ſeiſt's, die darin rauſcht:
Und eben von dem Rand ins Becken ſteigend,
Erblickt mein Aug' —
Nun, was? wen? Sprich!
Was ſag' ich!
Du mußt ſogleich zum Grafen, Leonore,
Und von der ganzen Sach' ihn unterrichten.
Mein Kind! Wenn ich nur wüßte, was es wäre?
— Doch ihm nicht ſagen, nein, um's Himmels
willen,
Daß es von mir kommt. Hörſt du? Eher wollt' ich,
Daß er den Gräuel nimmermehr entdeckte.
In welchen Räthſeln ſprichſt du, liebſtes Käth-
chen?
Was für ein Gräu'l? Was iſt's, das du erſchaut?
Ach, Leonor', ich fühle, es iſt beſſer,
Das Wort kommt über meine Lippen nie!
Durch mich kann er, durch mich, enttäuſcht nicht
werden!
[166]
Warum nicht? Welch ein Grund iſt, ihm zu ber-
gen —?
Wenn du nur ſagteſt —
Horch!
Was giebt's?
Es kommt!
Das Fräulein iſt's, ſonſt niemand, und Roſalie.
Fort! Gleich! Hinweg!
Warum?
Fort, Raſende!
Wohin?
Hier fort, aus dieſem Garten will ich —
Biſt du bei Sinnen?
[167]
Liebe Leonore!
Ich bin verlohren, wenn ſie mich hier trifft!
Fort! In der Gräfin Arme flücht' ich mich!
Achter Auftritt.
Hier, nimm! — Im Schubfach, unter meinem
Spiegel;
Das Pulver, in der ſchwarzen Schachtel, rechts,
Schütt' es in Wein, in Waſſer oder Milch,
Und ſprich: komm her, mein Käthchen! — Doch du
nimmſt
Vielleicht ſie lieber zwiſchen deine Kniee?
Gift, Tod und Rache! Mach' es, wie du willſt,
Doch ſorge mir, daß ſie's hinunterſchluckt.
Hört mich nur an, mein Fräulein —
Gift! Peſt! Verweſung!
Stumm mache ſie und rede nicht!
Wenn ſie vergiftet, todt iſt, eingeſargt,
[168] Verſcharrt, verweſ't, zerſtiebt, als Myrthenſtengel,
Von dem, was ſie jetzt ſah, im Winde flüſtert;
So komm und ſprich von Sanftmuth und Vergebung,
Pflicht und Geſetz und Gott und Höll' und Teufel,
Von Reue und Gewiſſensbiſſen mir.
Sie hat es ſchon entdeckt, es hilft zu nichts.
Gift! Aſche! Nacht! Chaotiſche Verwirrung!
Das Pulver reicht, die Burg ganz wegzufreſſen,
Mit Hund und Katzen hin! — Thu, wie ich ſagte!
Sie buhlt mir ſo zur Seite um ſein Herz,
Wie ich vernahm, und ich — des Todes ſterb' ich,
Wenn ihn das Affenangeſicht nicht rührt;
Fort! In die Dünſte mit ihr hin: die Welt,
Hat nicht mehr Raum genug, für mich und ſie!
[169]
Fünfter Act.
Seite ein Thron; im Hintergrunde die Schranken des Gottes-
gerichts.
Erſter Auftritt.
ſchof vom Worms, Graf Otto von der Flühe und
mehrere andere Ritter, Herren und Trabanten. Der
Graf vom Strahl (im leichten Helm und Harniſch, und)
Theobald (von Kopf zu Fuß in voller Rüſtung; beide
ſtehen dem Thron gegenüber).
Graf Wetterſtrahl, du haſt, auf einem Zuge,
Der durch Heilbronn dich, vor drei Monden, führte,
In einer Thörin Buſen eingeſchlagen;
Den alten Vater jüngſt verließ die Dirne,
Und, ſtatt ſie heimzuſenden, birgſt du ſie
Im Flügel deiner väterlichen Burg.
Nun ſprengſt du, ſolchen Frevel zu beſchönen,
[170] Gerüchte, lächerlich und gottlos, aus;
Ein Cherubim, der dir zu Nacht erſchienen,
Hab' dir vertraut, die Maid, die bei dir wohnt,
Sei meiner kaiſerlichen Lenden Kind.
Solch eines abgeſchmackt prophet'ſchen Grußes
Spott' ich, wie ſich's verſteht, und meinethalb
Magſt du die Krone ſelbſt auf's Haupt ihr ſetzen;
Von Schwaben einſt, begreifſt du, erbt ſie nichts,
Und meinem Hof' auch bleibt ſie fern zu Worms.
Hier aber ſteht ein tiefgebeugter Mann,
Dem du, zufrieden mit der Tochter nicht,
Auch noch die Mutter willſt zur Metze machen;
Denn er, ſein Lebelang fand er ſie treu,
Und rühmt des Kinds unſel'gen Vater ſich.
Darum, auf ſeine ſchweren Klagen, riefen wir
Vor unſern Thron dich her, die Schmach, womit
Du ihre Gruft geſchändet, darzuthun;
Auf, rüſte dich, du Freund der Himmliſchen:
Denn du biſt da, mit einem Wort von Stahl,
Im Zweikampf ihren Ausſpruch zu beweiſen!
willens).
Mein kaiſerlicher Herr! Hier iſt ein Arm,
Von Kräften ſtrotzend, markig, ſtahlgeſchient,
Geſchickt im Kampf dem Teufel zu begegnen;
Treff' ich auf jene graue Scheitel dort,
[171] Flach ſchmettr' ich ſie, wie einen Schweizerkäſe,
Der gährend auf dem Brett des Sennen liegt.
Erlaſſ', in deiner Huld und Gnade, mir,
Ein Mährchen, aberwitzig, ſinnverwirrt,
Dir darzuthun, das ſich das Volk aus zwei
Ereigniſſen, zuſammen ſeltſam freilich,
Wie die zwei Hälften eines Ringes, paſſend,
Mit müß'gem Scharfſin, an einanderſetzte.
Begreif', ich bitte dich, in deiner Weisheit,
Den ganzen Vorfall der Sylveſternacht,
Als ein Gebild des Fiebers, und ſo wenig
Als es mich kümmern würde, träumteſt du,
Ich ſei ein Jud', ſo wenig kümmre dich,
Daß ich geraſ't, die Tochter jenes Mannes
Sei meines hochverehrten Kaiſers Kind!
Mein Fürſt und Herr, mit dieſem Wort, fürwahr,
Kann ſich des Klägers wackres Herz beruh'gen.
Geheimer Wiſſenſchaft, ſein Weib betreffend,
Rühmt er ſich nicht; ſchau, was er der Mariane
Jüngſt, in geheimer Zwieſprach', vorgeſchwatzt:
Er hat es eben jetzo widerrufen!
Straft um den Wunderbau der Welt ihn nicht,
Der ihn, auf einen Augenblick, verwirrt.
Er gab, vor einer Stund', o Theobald,
Mir ſeine Hand, das Käthchen, wenn du kommſt
[172] Zu Strahl, in ſeiner Burg, dir abzuliefern;
Geh' hin und tröſte dich und hohle ſie,
Du alter Herr, und laß die Sache ruhn!
Verfluchter Heuchler, du, wie kannſt du läugnen,
Daß deine Seele ganz durchdrungen iſt,
Vom Wirbel bis zur Sohle, von dem Glauben,
Daß ſie des Kaiſers Bänkeltochter ſei?
Haſt du den Tag nicht, bei dem Kirchenſpiel,
Erforſcht, wann ſie gebohren, nicht berechnet,
Wohin die Stunde der Empfängniß fällt;
Nicht ausgemittelt, mit verruchtem Witze,
Daß die erhabne Majeſtät des Kaiſers
Vor ſechzehn Lenzen durch Heilbronn geſchweift?
Verwegner, du, aus eines Gottes Kuß,
Auf einer Furie Mund gedrückt, entſprungen;
Ein glanzumfloſſner Vatermördergeiſt,
An jeder der granitnen Säulen rüttelnd,
In dem urew'gen Tempel der Natur;
Ein Sohn der Hölle, den mein gutes Schwerdt
Entlarven jetzo, oder, rückgewendet,
Mich ſelbſt zur Nacht des Grabes ſchleudern ſoll!
Nun, den Gott ſelbſt verdamme, gifterfüllter
Verfolger meiner, der dich nie beleidigt,
Und deines Mitleids eher würdig wäre,
[173] So ſei's, Mordraufer, denn, ſo wie du willſt.
Ein Cherubim, der mir, in Glanz gerüſtet,
Zu Nacht erſchien, als ich im Tode lag,
Hat mir, was läugn' ich's länger, Wiſſenſchaft,
Entſchöpft dem Himmelsbronnen, anvertraut.
Hier vor des höchſtens Gottes Antlitz ſteh' ich,
Und die Behauptung ſchmettr' ich dir ins Ohr:
Käthchen von Heilbronn, die dein Kind du ſagſt,
Iſt meines höchſten Kaiſers dort; komm her,
Mich von dem Gegentheil zu überzeugen!
Trompeter, blaß't, dem Läſterer zum Tode!
Und wäre gleich mein Schwerdt auch eine Binſe,
Und einem Griffe, locker, wandelbar,
Von gelbem Wachs geknetet, eingefugt,
So wollt' ich doch von Kopf zu Fuß dich ſpalten,
Wie einen Giftpilz, der der Haid' entblüht,
Der Welt zum Zeugniß, Mordgeiſt, daß du logſt!
und giebt es weg).
Und wär mein Helm gleich und die Stirn, die
drunter,
Durchſichtig, meſſerrückendün, zerbrechlich,
Die Schaale eines ausgenomm'nen Ei's,
[174] So ſollte doch dein Sarras, Funken ſprühend,
Abprallen, und in alle Ecken ſplittern,
Als hätt'ſt du einen Diamant getroffen,
Der Welt zum Zeugniß, daß ich wahr geſprochen!
Hau, und laſſ' jetzt mich ſehn, weſſ' Sache rein?
Setz' dir den Helm auf!
Hau!
Setz' dir den Helm auf!
Dich lähmt der bloße Blitz aus meiner Wimper?
und ſetzt ihm den Fuß auf die Bruſt).
Was hindert mich, im Grimm gerechten Siegs,
Daß ich den Fuß ins Hirn dir drücke? — Lebe!
Mag es die alte Sphynx, die Zeit, dir löſen,
Das Käthchen aber iſt, wie ich geſagt,
Die Tochter meiner höchſten Majeſtät!
Himmel! Graf Wetterſtrahl hat obgeſiegt!
Brecht auf, ihr Herrn!
[175]
Wohin?
Was iſt geſchehn?
Allmächt'ger Gott! Was fehlt der Majeſtät?
Ihr Herren, folgt! Es ſcheint, ihr iſt nicht wohl?
Zweiter Auftritt.
Hinweg! Es ſoll mir niemand folgen! Den Burg-
grafen von Freiburg und den Ritter von Waldſtätten
laßt herein; das ſind die einzigen Männer, die ich
ſprechen will!
— — — Der En-
gel Gottes, der dem Grafen vom Strahl verſichert hat,
das Käthchen ſei meine Tochter: ich glaube, bei meiner
kaiſerlichen Ehre, er hat Recht! Das Mädchen iſt,
wie ich höre, funfzehn Jahr alt; und vor ſechszehn
Jahren, weniger drei Monaten, genau gezählt, fei-
erte ich der Pfalzgräfin, meiner Schweſter, zu Ehren
das große Turnier in Heilbronn! Es mogte ohnge-
[176] fähr eilf Uhr Abends ſein, und der Jupiter ging eben,
mit ſeinem funkelnden Licht, im Oſten auf, als ich,
vom Tanz ſehr ermüdet, aus dem Schloßthor trat,
um mich in dem Garten, der daran ſtößt, unerkannt,
unter dem Volk, das ihn erfüllte, zu erlaben; und
ein Stern, mild und kräftig, wie der, leuchtete, wie
ich gar nicht zweifle, bei ihrer Empfängniß. Gertrud,
ſo viel ich mich erinnere, hieß ſie, mit der ich mich
in einem, von dem Volk minder beſuchten, Theil des
Gartens, beim Schein verlöſchender Lampen, während
die Muſik, fern von dem Tanzſaal her, in den Duft
der Linden niederſäuſelte, unterhielt; und Käthchens
Mutter heißt Gertrud! Ich weiß, daß ich mir, als
ſie ſehr weinte, ein Schauſtück, mit dem Bildniß
Pabſt Leo's, von der Bruſt los machte, und es ihr,
als ein Andenken von mir, den ſie gleichfalls nicht
kannte, in das Mieder ſteckte; und ein ſolches Schau-
ſtück, wie ich eben vernehme, beſitzt das Käthchen von
Heilbronn! O Himmel! Die Welt wankt aus ihren
Fugen! Wenn der Graf vom Strahl, dieſer Vertraute
der Auserwählten, von der Buhlerin, an die er ge-
knüpft iſt, loslaſſen kann: ſo werd' ich die Verkündi-
gung wahrmachen, den Theobald, unter welchem Vor-
wand es ſei, bewegen müſſen, daß er mir dies Kind
abtrete, und ſie mit ihm verheirathen müſſen: will
ich nicht wagen, daß der Cherub zum zweitenmal zur
Erde
[177] Erde ſteige und das ganze Geheimniß, das ich hier
den vier Wänden anvertraut, ausbringe!
Dritter Auftritt.
(treten auf. Ihnen folgt) Ritter Flammberg.
Herr Burggraf von Freiburg! — Seid ihr es, oder
iſt es euer Geiſt? O eilt nicht, ich beſchwör euch —!
Was willſt du?
Wen ſuchſt du?
Meinen bejammernswürdigen Herrn, den Grafen
vom Strahl! Fräulein Kunigunde, ſeine Braut —
o hätten wir ſie euch nimmermehr abgewonnen! Den
Koch hat ſie beſtechen wollen, dem Käthchen Gift zu
reichen —: Gift, ihr geſtrengen Herren, und zwar
aus dem abſcheulichen, unbegreiflichen und räthſelhaf-
ten Grunde, weil das Kind ſie im Bade belauſchte!
Und das begreift ihr nicht?
[12]
[178]
Nein!
So will ich es dir ſagen. Sie iſt eine moſaiſche
Arbeit, aus allen drei Reichen der Natur zuſammen-
geſetzt. Ihre Zähne gehören einem Mädchen aus Mün-
chen, ihre Haare ſind aus Frankreich verſchrieben,
ihrer Wangen Geſundheit kommt aus den Bergwer-
ken in Ungarn, und den Wuchs, den ihr an ihr bewun-
dert, hat ſie einem Hemde zu danken, das ihr der
Schmidt, aus ſchwediſchem Eiſen, verfertigt hat. —
Haſt du verſtanden?
Was!
Meinen Empfehl an deinen Herrn!
Den meinigen auch! — Der Graf iſt bereits nach
der Strahlburg zurück; ſag' ihm wenn er den Haupt-
ſchlüſſel nehmen, und ſie in der Morgenſtunde, wenn
ihre Reize auf den Stühlen liegen, überraſchen wolle,
ſo könne er ſeine eigne Bildſäule werden und ſich, zur
Verewigung ſeiner Heldenthat, bei der Köhlerhütte
aufſtellen laſſen!
[179]
Vierter Auftritt.
(tritt ungeſchminkt, wie ſie aus dem Bette kömmt auf; bald
darauf) der Graf vom Strahl.
Haſt du die Thür beſorgt?
Sie iſt verſchloſſen.
Verſchloſſen! Was! Verriegelt, will ich wiſſen!
Verſchloſſen und verriegelt, jedesmal!
kommt ihr entgegen).
Mein Gott! Wie kommt ihr hier herein, Herr Graf?
— Mein Fräulein!
Wer?
Seht, bitt' ich euch!
Roſalie!
[180]
Fünfter Auftritt.
Wer war die unbekannte Dame?
— Wo?
Die, wie der Thurm von Piſa, hier vorbeiging? —
Doch, hoff ich, nicht —?
Wer?
Fräulein Kunigunde?
Bei Gott, ich glaub', ihr ſcherzt! Sybille, meine
Stiefmutter, gnäd'ger Herr —
Roſalie!
Das Fräulein, das im Bett liegt, ruft nach mir. —
Verzeiht, wenn ich —!
Wollt ihr euch gütigſt ſetzen?
[181]
Sechſter Auftritt.
Nun, du allmächt'ger Himmel, meine Seele,
Sie iſt doch werth nicht, daß ſie alſo heiße!
Das Maaß, womit ſie, auf dem Markt der Welt,
Die Dinge mißt, iſt falſch; ſcheuſel'ge Bosheit
Hab ich für die milde Herrlichkeit erſtanden!
Wohin flücht' ich, Elender, vor mir ſelbſt?
Wenn ein Gewitter wo in Schwaben tobte,
Mein Pferd könnt' ich, in meiner Wuth, beſteigen,
Und ſuchen, wo der Keil mein Haupt zerſchlägt!
Was iſt zu thun, mein Herz? Was iſt zu laſſen?
Siebenter Auftritt.
alte Sybille (die ſchwächlich auf Krücken, durch die
Mittelthür abgeht).
Sieh da, Graf Friedrich! Was für ein Anlaß
führt euch ſo früh in meine Zimmer her?
Augen verfolgt).
Was! Sind die Hexen doppelt?
[182]
Wer?
Vergebt! —
Nach eurem Wohlſein wollt' ich mich erkunden.
Nun? — Iſt zur Hochzeit Alles vorbereitet?
prüft).
Es iſt, bis auf den Hauptpunct, ziemlich Alles —
Auf wann iſt ſie beſtimmt?
Sie war's — auf morgen.
Ein Tag mit Sehnſucht längſt von mir erharrt!
— Ihr aber ſeid nicht froh, dünkt mich, nicht heiter?
Erlaubt! ich bin der Glücklichſte der Menſchen!
Iſt's wahr, daß jenes Kind, das Käthchen, geſtern,
Das ihr im Schloß beherbergt habt —?
O Teufel!
Was fehlt euch? Sprecht!
[183]
Verwünſcht!
— Das Loos der Welt!
Man hat ſie ſchon im Kirchhof beigeſetzt.
Was ihr mir ſagt!
Jedoch noch nicht begraben?
Ich muß ſie doch im Leichenkleid, noch ſehn.
Achter Auftritt.
Gottſchalk ſchickt einen Boten, gnädger Herr,
Der euch im Vorgemach zu ſprechen wünſcht!
Gottſchalk?
Von wo?
Vom Sarge der Verblichnen!
Laßt euch im Putz, ich bitte ſehr, nicht ſtören!
[184]
Neunter Auftritt.
Er weiß, umſonſt iſt's, Alles hilft zu nichts,
Er hat's geſehn, es iſt um mich gethan!
Er weiß es nicht!
Er weiß!
Er weiß es nicht!
Ihr klagt, und ich, vor Freuden mögt' ich hüpfen.
Er ſteht im Wahn, daß die, die hier geſeſſen,
Sybille, meine Mutter, ſei geweſen;
Und nimmer war ein Zufall glücklicher
Als daß ſie juſt in eurem Zimmer war;
Schnee, im Gebirg geſammelt, wollte ſie,
Zum Waſchen eben euch in's Becken tragen.
Du ſahſt, wie er mich prüfte, mich ermaß.
Gleichviel! Er traut den Augen nicht! Ich bin
So fröhlich, wie ein Eichhorn in den Fichten!
Laßt ſein, daß ihm von fern ein Zweifel kam;
[185] Daß ihr euch zeigtet, groß und ſchlank und herrlich,
Schlägt ſeinen Zweifel völlig wieder nieder.
Des Todes will ich ſterben, wenn er nicht,
Den Handſchuh jedem hinwirft, der da zweifelt,
Daß ihr die Königin der Frauen ſeid.
O ſeid nicht muthlos! Kommt und zieht euch an;
Der nächſten Sonne Strahl, was gilt's begrüßt euch,
Als Gräfin Kunigunde Wetterſtrahl!
Ich wollte, daß die Erde mich verſchlänge!
Landſchaft.
Zehnter Auftritt.
den Kopf an die Wand gelehnt) Graf Otto von der Flühe,
Wenzel von Nachtheim, Hans von Bärenklau (in
der Tracht kaiſerlicher Reichsräthe, und) Gottſchalk (treten auf)
Gefolge (zuletzt) der Kaiſer und Theobald, (welche
in Mänteln verhüllt, im Hintergrunde bleiben).
Jungfrau von Heilbronn! Warum herbergſt du,
Dem Sperber gleich, in dieſer Höhle Raum?
[186]
O Gott! Wer ſind die Herrn?
Erſchreckt ſie nicht! —
Der Anſchlag einer Feindin, ſie zu tödten,
Zwang uns, in dieſe Berge ſie zu flüchten.
Wo iſt dein Herr, der Reichsgraf, dem du dienſt?
Ich weiß es nicht.
Er wird ſogleich erſcheinen!
Nimm dieſe Rolle hier; es iſt ein Schreiben,
Verfaßt von kaiſerlicher Majeſtät.
Durchfleuchs und folge mir; hier iſt kein Ort,
Jungfraun, von deinem Range, zu bewirthen;
Worms nimmt fortan, in ſeinem Schloß, dich auf!
Ein lieber Anblick!
O ein wahrer Engel!
[187]
Eilfter Auftritt.
Reichsräth', in feſtlichem Gepräng', aus Worms!
Seid uns gegrüßt, Herr Graf!
— Was bringt ihr mir?
Ein kaiſerliches Schreiben dieſer Jungfrau!
Befragt ſie ſelbſt; ſie wird es euch bedeuten.
O Herz, was pochſt du?
Kind, was hältſt du da?
Weiß nit, mein hoher Herr. —
Gieb, gieb, mein Herzchen.
„Der Himmel, wiſſet, hat mein Herz geſtellt,
Das Wort des Auserwählten einzulöſen.
Das Käthchen iſt nicht mehr des Theobalds,
Des Waffenſchmidts, der, mir ſie abgetreten,
Das Käthchen fürderhin iſt meine Tochter,
[188] Und Katharina heißt ſie jetzt von Schwaben.“
Und hier: „Kund ſei“ — Und hier: „das Schloß zu Schwabach“ —
Nun mögt' ich vor der Hochgebenedeyten
In Staub mich werfen, ihren Fuß ergreifen,
Und mit des Danks glutheißer Thräne waſchen.
Gottſchalk, hilf, ſteh mir bei; mir iſt nicht wohl!
Wo iſt der Kaiſer? Wo der Theobald?
Hier ſind ſie!
Gott im hohen Himmel! Vater!
Der Kaiſer! Ei, ſo wahr ich bin! Da ſteht er!
Nun, ſprich du — Göttlicher! Wie nenn' ich dich?
— Sprich, las ich recht?
Beim Himmel, ja, das thatſt du!
Die einen Cherubim zum Freunde hat,
Der kann mit Stolz ein Kaiſer Vater ſein!
[189] Das Käthchen iſt die Erſt' itzt vor den Menſchen,
Wie ſie's vor Gott längſt war; wer ſie begehrt,
Der muß bei mir jetzt würdig um ſie frein.
Nun, hier auf Knieen bitt ich: gieb ſie mir!
Herr Graf! Was fällt ihm ein?
Gieb, gieb ſie mir!
Welch' andern Zweck erſänn' ich deiner That?
So! Meint er das? — Der Tod nur iſt umſonſt,
Und die Bedingung ſetz' ich dir.
Sprich! Rede!
In deinem Haus den Vater nimmſt du auf!
Du ſpotteſt!
Was! du weigerſt dich?
In Händen!
In meines Herzens Händen nehm' ich ihn!
Nun, Alter; hörteſt du?
[190]
So gieb ſie ihm!
Was Gott fügt, heißt es, ſoll der Menſch nicht ſcheiden.
Nun denn, zum Selgen haſt du mich gemacht! —
Laßt einen Kuß mich, Väter, einen Kuß nur
Auf ihre himmelſüßen Lippen drücken.
Hätt' ich zehn Leben, nach der Hochzeitsnacht,
Opfr' ich ſie jauchzend jedem von euch hin!
Fort jetzt! daß er das Räthſel ihr erkläre!
Zwölfter Auftritt.
nimmt, und ſich ſetzt).
Nun denn, mein Käthchen, komm! komm her,
o Mädchen!
Mein Mund hat jetzt dir etwas zu vertraun.
Mein hoher Herr! Sprich! Was bedeutet mir —?
Zuerſt, mein ſüßes Kind, muß ich dir ſagen,
[191] Daß ich mit Liebe dir, unſäglich, ewig,
Durch alle meine Sinne zugethan.
Der Hirſch, der von der Mittagsglut gequält,
Den Grund zerwühlt, mit ſpitzigem Geweih,
Er ſehnt ſich ſo begierig nicht,
Vom Felſen in den Waldſtrom ſich zu ſtürzen,
Den reißenden, als ich, jetzt, da du mein biſt,
In alle deine jungen Reize mich.
Jeſus! Was ſprichſt du? Ich verſteh' dich nicht.
Vergieb mir, wenn mein Wort dich oft gekränkt,
Beleidigt; meine roh mishandelnde
Gebährde dir zuweilen weh gethan.
Denk' ich, wie lieblos einſt mein Herz geeifert,
Dich von mir wegzuſtoßen — und ſeh' ich gleichwohl
jetzo dich
So voll von Huld und Güte vor mir ſtehn,
Sieh, ſo kommt Wehmuth, Käthchen, über mich,
Und meine Thränen halt' ich nicht zurück.
Himmel! Was fehlt dir? Was bewegt dich ſo?
Was haſt du mir gethan? Ich weiß von nichts.
O Mädchen, wenn die Sonne wieder ſcheint,
[192] Will ich den Fuß in Gold und Seide legen,
Der einſt auf meiner Spur ſich wund gelaufen.
Ein Baldachin ſoll dieſe Scheitel ſchirmen,
Die einſt der Mittag hinter mir verſengt.
Arabien ſoll ſein ſchönſtes Pferd mir ſchicken,
Geſchirrt in Gold, mein ſüßes Kind zu tragen,
Wenn mich in's Feld der Klang der Hörner ruft;
Und wo der Zeiſig ſich das Neſt gebaut,
Der zwitſchernde, in dem Hollunderſtrauch,
Soll ſich ein Sommerſitz dir auferbaun,
In heitern, weitverbreiteten Gemächern,
Mein Käthchen, kehr' ich wieder, zu empfangen.
Mein Friederich! Mein angebeteter!
Was ſoll ich auch von dieſer Rede denken?
Du willſt? — Du ſagſt? —
Nichts, nichts, mein ſüßes Kind.
Nichts?
Nichts. Vergieb. Ich glaubt', es wäre
morgen.
— Was
[193] — Was wollt' ich doch ſchon ſagen? — Ja, ganz recht,
Ich wollte dich um einen Dienſt erſuchen.
Um einen Dienſt? Nun, welchen? Sag nur an.
Ganz recht. Das war's. — Du weißt, ich mache
morgen Hochzeit.
Es iſt zur Feier Alles ſchon bereitet;
Am nächſten Mittag bricht der Zug,
Mit meiner Braut bereits zum Altar auf.
Nun ſann' ich mir ein Feſt aus, ſüßes Mädchen,
Zu welchen du die Göttin ſpielen ſollſt.
Du ſollſt, aus Lieb' zu deinem Herrn, für morgen
Die Kleidung, die dich deckt, bei Seite legen,
Und in ein reiches Schmuckgewand dich werfen,
Das Mutter ſchon für dich zurecht gelegt.
— Willſt du das thun?
Ja, ja, es ſoll geſchehn.
Jedoch recht ſchön; hörſt du? Still aber prächtig!
Recht, wie's Natur und Weiſ' in dir erheiſcht.
Man wird dir Perlen und Smaragden reichen;
Gern mögt' ich daß du alle Fraun im Schloß,
[13]
[194] Selbſt noch die Kunigunde überſtrahlſt. —
Was weinſt du?
— Ich weiß nicht, mein verehrter Herr.
Es iſt in's Aug' mir was gekommen.
Ins Auge? Wo?
Nun komm nur fort. Es wird ſich ſchon erhellen.
Zur Linken, mehr in der Tiefe, das Schloß, mit einer
Rampe. Im Hintergrund' die Kirche.
Dreizehnter Auftritt.
Trabanten. Ein Baldachin (von) vier Mohren (ge-
tragen. In der Mitte des Schloßplatzes ſtehen) der Kaiſer,
der Graf vom Strahl, Theobald, Graf Otto von
der Flühe, der Rheingraf vom Stein, der Burg-
graf von Freiburg (und das) übrige Gefolge des Kai-
ſers (und empfangen den Baldachin. Unter dem Portal, rechts
[195] Fräulein Kunigunde von Thurneck (im Brautſchmuck, mit
ihren) Tanten und Vettern (um ſich dem Zuge anzuſchließen.
Im Hintergrunde) Volk (worunter) Flammberg, Gott-
ſchalk, Roſalie u. ſ. w.
Halt hier, mit dem Baldachin! — Herold, thue
dein Amt!
„Kund und zu wiſſen ſei hiermit jedermann, daß
der Reichsgraf, Friedrich Wetter vom Strahl, heut
ſeine Vermählung feiert, mit Katharina, Prinzeſſin
von Schwaben, Tochter unſers durchlauchtigſten Herrn
Herrn und Kaiſers. Der Himmel ſegne das hohe
Brautpaar, und ſchütte das ganze Füllhorn von
Glück, das in den Wolken ſchwebt, über ihre theuren
Häupter aus!
Iſt dieſer Mann beſeſſen, Roſalie?
Beim Himmel! Wenn er es nicht iſt, ſo iſt es
darauf angelegt, uns dazu zu machen. —
Wo iſt die Braut?
Hier, ihr verehrungswürdigen Herren!
[196]
Wo?
Hier ſteht das Fräulein, unſere Muhme, unter
dieſem Portal!
Wir ſuchen die Braut des Grafen vom Strahl.
— Ihr Herren, an euer Amt! Folgt mir und laßt
uns ſie holen.
und der Rheingraf vom Stein, beſteigen die Rampe und
gehen ins Schloß).
Hölle, Tod und Teufel! Was haben dieſe Anſtal-
ten zu bedeuten?
Vierzehnter Auftritt.
Helena und Fräulein Eleonore (ihre Schleppe von) drei
Pagen (getragen; hinter ihr) Burggraf von Freiburg
u. ſ. w. (ſteigen die Rampe herab).
Heil dir, o Jungfrau!
[197]
Heil dir, Käthchen von Heilbronn, kaiſerliche Prin-
zeſſin von Schwaben!
Heil dir! Heil! Heil dir!
Platz geblieben).
Iſt dies die Braut?
Dies iſt ſie.
Ich? Ihr hohen Herren! Weſſen?
Deſſen, den dir der Cherub geworben. Willſt du
dieſen Ring mit ihm wechſeln?
Willſt du dem Grafen deine Hand geben?
Käthchen! Meine Braut! Willſt du mich?
Schütze mich Gott und alle Heiligen!
Wohlan, ſo nehmt ſie, Herr Graf vom Strahl,
und führt ſie zur Kirche!
[198]
Peſt, Tod und Rache! Dieſen Schimpf ſollt ihr
mir büßen!
Giftmiſcherin!
Grafen vom Strahl unter den Baldachin; die Damen und
Ritter folgen, Trabanten beſchließen den Zug. — Alle ab).
Ende.
Seite 119, fünfte Zeile von unten, lies: Schürze,
ſtatt Schärpe.
S. 172 funfzehnte Zeile von oben: Ein Uebermü-
thiger, ſtatt Verwegener, du
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- TextGrid Repository (2025). Kleist, Heinrich von. Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bnfz.0