Kritik der politischen Oekonomie.
Buch III:
Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion.
Kapitel XXIX bis LII.
Verlag von Otto Meissner.
1894.
[[II]][[III]]
Inhaltsverzeichniss.
- Seite
- Inhaltsverzeichniss III
- Drittes Buch.
- Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion.
- Fünfter Abschnitt.
- Spaltung des Profits in Zins und Unternehmergewinn.
Das zinstragende Kapital. - Seite
- Neunundzwanzigstes Kapitel. Bestandtheile des Bankkapitals1
- Dreissigstes Kapitel. Geldkapital und wirkliches Kapital. I. (Der
kommerzielle Kredit. Geldkapital und wirkliches Kapital in den
verschiedenen Phasen des industriellen Cyklus.) 13 - Einunddreissigstes Kapitel. Geldkapital und wirkliches Kapital. II.
(Verwandlung von Geld in Leihkapital. — Die Masse des Leihkapitals
unabhängig von der Menge des vorhandenen Geldes. — Verwandlung
von Revenue oder Kapital in Geld, das in Leihkapital verwandelt
werden soll.) 32 - Zweiunddreissigstes Kapitel. Geldkapital und wirkliches Kapital. III.
(Bildung von Leihkapital durch Freisetzung von wirklichem Kapital.
— Allgemeines. — Resultate.) 42 - Dreiunddreissigstes Kapitel. Das Umlaufsmittel unter dem Kredit-
system58 - Vierunddreissigstes Kapitel. Das Currency Principle und die englische
Bankgesetzgebung von 184485 - Fünfunddreissigstes Kapitel. Edelmetall und Wechselkurs104
- I. Die Bewegung des Goldschatzes 104
- II. Der Wechselkurs 113
- Sechsunddreissigstes Kapitel. Vorkapitalistisches132
- Sechster Abschnitt.
Verwandlung von Surplusprofit in Grundrente.
Siebenunddreissigstes Kapitel. Einleitendes153 - Achtunddreissigstes Kapitel. Die Differentialrente. Allgemeines.179
- Neununddreissigstes Kapitel. Erste Form der Differentialrente
(Differentialrente I)188 - Vierzigstes Kapitel. Zweite Form der Differentialrente (Diffe-
rentialrente II). Allgemeines212 - Einundvierzigstes Kapitel. Die Differentialrente II. Erster Fall:
Konstanter Produktionspreis224 - Seite
- Zweiundvierzigstes Kapitel. Die Differentialrente II. Zweiter Fall:
Fallender Produktionspreis231 - Dreiundvierzigstes Kapitel. Die Differentialrente II. Dritter Fall:
Steigender Produktionspreis. Resultate246 - Vierundvierzigstes Kapitel. Differentialrente auf dem schlechtesten
bebauten Boden271 - Fünfundvierzigstes Kapitel. Die absolute Grundrente280
- Sechsundvierzigstes Kapitel. Baustellenrente. Bergwerksrente.
Bodenpreis306 - Siebenundvierzigstes Kapitel. Genesis der kapitalistischen Grund-
rente315 - I. Einleitendes 315
- II. Die Arbeitsrente 323
- III. Die Produktenrente 327
- IV. Die Geldrente 330
- V. Die Metairiewirthschaft und das bäuerliche Parzellen-Eigen-
thum 336 - Siebenter Abschnitt.
Die Revenuen.
Achtundvierzigstes Kapitel. Die trinitäre Formel349 - Neunundvierzigstes Kapitel. Zur Analyse des Produktionsprocesses367
- Fünfzigstes Kapitel. Der Schein der Konkurrenz388
- Einundfünfzigstes Kapitel. Distributionsverhältnisse und Produk-
tionsverhältnisse413 - Zweiundfünfzigstes Kapitel. Die Klassen421
Drittes Buch.
Fünfter Abschnitt.
Spaltung des Profits in Zins und Unternehmergewinn.
Das zinstragende Kapital.
(Fortsetzung.)
Neunundzwanzigstes Kapitel.
Bestandtheile des Bankkapitals.
Es ist nun nöthig näher anzusehn, woraus das Bankkapital besteht.
Wir haben eben gesehn, dass Fullarton u. a. den Unterschied
zwischen Geld als Cirkulationsmittel und Geld als Zahlungsmittel (auch
als Weltgeld, soweit der Goldabfluss in Betracht kommt) verwandeln
in einen Unterschied zwischen Cirkulation (currency) und Kapital.
Die sonderbare Rolle, die das Kapital hier spielt, bringt es mit
sich, dass eben so sorgfältig wie die aufgeklärte Oekonomie ein-
zuprägen suchte, dass Geld nicht Kapital ist, ebenso sorgfältig
diese Bankiers-Oekonomie einprägt, dass in der That Geld das
Kapital par excellence ist.
Bei den spätern Untersuchungen zeigen wir, dass hierbei aber
Geldkapital verwechselt wird mit moneyed capital in dem Sinn des
zinstragenden Kapitals, während im ersteren Sinn das Geldkapital
stets nur eine Durchgangsform des Kapitals ist, als unterschieden
von den andern Formen des Kapitals, dem Waarenkapital und
produktiven Kapital.
Das Bankkapital besteht 1) aus baarem Geld, Gold oder Noten.
2) Werthpapieren. Diese können wir wieder in zwei Theile theilen:
Handelspapiere, Wechsel, die schwebend sind, von Zeit zu Zeit
verfallen, und in deren Diskontirung das eigentliche Geschäft des
Bankiers gemacht wird; und öffentliche Werthpapiere, wie Staats-
papiere, Schatzscheine, Aktien aller Art, kurz zinstragende Papiere,
die sich aber wesentlich von den Wechseln unterscheiden. Hierzu
können auch Hypotheken gerechnet werden. Das aus diesen sach-
lichen Bestandtheilen sich zusammensetzende Kapital scheidet sich
wieder in das Anlagekapital des Bankiers selbst, und in die Depo-
siten, die sein banking capital oder geborgtes Kapital bilden. Bei
den Banken mit Notenausgabe kommen noch die Noten hinzu.
Die Depositen und Noten lassen wir zunächst ausser Acht. So
Marx, Kapital III. 2. 1
[2] viel ist klar, dass es an den wirklichen Bestandtheilen des Bankier-
kapitals — Geld, Wechsel, Depôtpapiere — nichts ändert, ob diese
verschiednen Elemente sein eignes Kapital repräsentiren oder De-
positen, das Kapital andrer Leute. Dieselbe Eintheilung bliebe,
sowohl wenn er bloss mit eignem Kapital sein Geschäft betriebe,
wie wenn bloss mit bei ihm deponirten Kapital.
Die Form des zinstragenden Kapitals bringt es mit sich, dass
jede bestimmte und regelmässige Geldrevenue als Zins eines Kapitals
erscheint, sie mag aus einem Kapital entspringen oder nicht. Erst
wird das Geldeinkommen in Zins verwandelt, und mit dem Zins
findet sich dann auch das Kapital, woraus es entspringt. Ebenso
erscheint mit dem zinstragenden Kapital jede Werthsumme als
Kapital, sobald sie nicht als Revenue verausgabt wird; nämlich
als Hauptsumme (principal) im Gegensatz zum möglichen oder
wirklichen Zins, den sie tragen kann.
Die Sache ist einfach: Gesetzt der Durchschnittszinsfuss sei 5 %
jährlich. Eine Summe von 500 £ würde also jährlich, wenn in
zinstragendes Kapital verwandelt, 25 £ einbringen. Jede feste jähr-
liche Einnahme von 25 £ wird daher als Zins eines Kapitals von
500 £ betrachtet. Dies ist und bleibt jedoch eine rein illusorische
Vorstellung, ausser in dem Fall, dass die Quelle der 25 £, sei
diese nun ein blosser Eigenthumstitel resp. Schuldforderung, oder
sei sie ein wirkliches Produktionselement, wie etwa ein Grundstück,
direkt übertragbar ist oder eine Form erhält, worin sie übertrag-
bar wird. Nehmen wir als Beispiele Staatsschuld und Arbeitslohn.
Der Staat hat seinen Gläubigern jährlich ein gewisses Quantum
Zins für das geborgte Kapital zu zahlen. Der Gläubiger kann
hier nicht seinem Schuldner aufkündigen, sondern nur die Forde-
rung, seinen Besitztitel darüber, verkaufen. Das Kapital selbst ist
aufgegessen, verausgabt vom Staat. Es existirt nicht mehr. Was
der Staatsgläubiger besitzt, ist 1) ein Schuldschein auf den Staat,
sage von 100 £; 2) gibt dieser Schuldschein ihm den Anspruch
auf die jährlichen Staatseinnahmen, d. h. das jährliche Produkt der
Steuern, für einen gewissen Betrag, sage 5 £ oder 5 %; 3) kann er
diesen Schuldschein von 100 £ beliebig an andre Personen ver-
kaufen. Ist der Zinsfuss 5 %, und dazu Sicherheit des Staats
vorausgesetzt, so kann der Besitzer A den Schuldschein in der
Regel zu 100 £ an B verkaufen; denn für B ist es dasselbe, ob
er 100 £ zu 5 % jährlich ausleiht, oder ob er durch Zahlung von
100 £ sich einen jährlichen Tribut vom Staat zum Betrage von
5 £ sichert. Aber in allen diesen Fällen bleibt das Kapital, als
[3] dessen Abkömmling (Zins) die Staatszahlung betrachtet wird,
illusorisch, fiktives Kapital. Nicht nur, dass die Summe, die dem
Staat geliehen wurde, überhaupt nicht mehr existirt. Sie war über-
haupt nie bestimmt als Kapital verausgabt, angelegt zu werden,
und nur durch ihre Anlage als Kapital hätte sie in einen sich er-
haltenden Werth verwandelt werden können. Für den Original-
gläubiger A repräsentirt der ihm zufallende Theil der jährlichen
Steuer Zins von seinem Kapital, wie dem Wucherer der ihm zu-
fallende Theil des Vermögens des Verschwenders, obgleich in beiden
Fällen die geliehene Geldsumme nicht als Kapital verausgabt ward.
Die Möglichkeit, den Schuldschein auf den Staat zu verkaufen,
repräsentirt für A den möglichen Rückfluss der Hauptsumme. Was
den B angeht, so ist von seinem Privatstandpunkt aus sein Kapital
als zinstragendes Kapital angelegt. Der Sache nach ist er bloss
an die Stelle von A getreten und hat dessen Schuldforderung auf
den Staat gekauft. Diese Transaktionen mögen sich noch so sehr
vervielfältigen, das Kapital der Staatsschuld bleibt ein rein fiktives,
und von dem Moment an, wo die Schuldscheine unverkaufbar würden,
fiele der Schein dieses Kapitals weg. Nichtsdestoweniger, wie wir
gleich sehn werden, hat dies fiktive Kapital seine eigne Bewegung.
Im Gegensatz nun zum Kapital der Staatsschuld, wo ein Minus
als Kapital erscheint — wie das zinstragende Kapital überhaupt
die Mutter aller verrückten Formen ist, so dass z. B. Schulden in
der Vorstellung des Bankiers als Waaren erscheinen können —
wollen wir nun die Arbeitskraft betrachten. Der Arbeitslohn wird
hier als Zins aufgefasst, und daher die Arbeitskraft als das Kapital,
das diesen Zins abwirft. Ist z. B. der Arbeitslohn eines Jahrs
= 50 £ und steht der Zinsfuss auf 5 %, so gilt die jährliche Arbeits-
kraft als gleich einem Kapital von 1000 £. Die Verrücktheit der
kapitalistischen Vorstellungsweise erreicht hier ihre Spitze, indem
statt die Verwerthung des Kapitals aus der Exploitation der Arbeits-
kraft zu erklären, umgekehrt die Produktivität der Arbeitskraft
daraus erklärt wird, dass Arbeitskraft selbst dies mystische Ding,
zinstragendes Kapital ist. In der zweiten Hälfte des 17. Jahr-
hunderts (z. B. bei Petty) war dies eine Lieblingsvorstellung, die
aber auch heutzutage in allem Ernst theils von Vulgärökonomen,
theils und hauptsächlich von deutschen Statistikern gebraucht
wird.1) Es treten hier leider zwei, diese gedankenlose Vorstellung
1*
[4] unangenehm durchkreuzende Umstände ein, erstens, dass der Arbeiter
arbeiten muss, um diesen Zins zu erhalten, und zweitens, dass er
den Kapitalwerth seiner Arbeitskraft nicht durch Uebertragung
versilbern kann. Vielmehr ist der jährliche Werth seiner Arbeits-
kraft gleich seinem jährlichen Durchschnittslohn, und was er ihrem
Käufer durch seine Arbeit zu ersetzen hat, ist dieser Werth selbst
plus dem Mehrwerth, der Verwerthung desselben. Im Sklaven-
system hat der Arbeiter einen Kapitalwerth, nämlich seinen Kauf-
preis. Und wenn er vermiethet wird, hat der Miether erstens den
Zins des Kaufpreises zu zahlen und obendrein den jährlichen Ver-
schleiss des Kapitals zu ersetzen.
Die Bildung des fiktiven Kapitals nennt man kapitalisiren. Man
kapitalisirt jede regelmäßig sich wiederholende Einnahme, indem
man sie nach dem Durchschnittszinsfuss berechnet, als Ertrag, den
ein Kapital, zu diesem Zinsfuss ausgeliehen, abwerfen würde; z. B.
wenn die jährliche Einnahme = 100 £ und der Zinsfuss = 5 %,
so wären die 100 £ der jährliche Zins von 2000 £, und diese
2000 £ gelten nun als der Kapitalwerth des juristischen Eigen-
thumstitels auf die 100 £ jährlich. Für den der diesen Eigenthums-
titel kauft, stellen die 100 £ jährliche Einnahme dann in der That die
Verzinsung seines angelegten Kapitals zu 5 % vor. Aller Zusammen-
hang mit dem wirklichen Verwerthungsprocess des Kapitals geht so bis
auf die letzte Spur verloren, und die Vorstellung vom Kapital als einem
sich durch sich selbst verwerthenden Automaten befestigt sich.
Auch da, wo der Schuldschein — das Werthpapier — nicht wie
bei den Staatsschulden rein illusorisches Kapital vorstellt, ist der
Kapitalwerth dieses Papiers rein illusorisch. Man hat vorhin ge-
sehn, wie das Kreditwesen associirtes Kapital erzeugt. Die Papiere
gelten als Eigenthumstitel, die dies Kapital vorstellen. Die
Aktien von Eisenbahn-, Bergwerks-, Schifffahrts- etc. Gesellschaften
stellen wirkliches Kapital vor, nämlich das in diesen Unter-
nehmungen angelegte und fungirende Kapital, oder die Geldsumme,
welche von den Theilhabern vorgeschossen ist, um als Kapital in
solchen Unternehmungen verausgabt zu werden. Wobei keines-
wegs ausgeschlossen ist, dass sie auch blossen Schwindel vorstellen.
Aber dies Kapital existirt nicht doppelt, einmal als Kapitalwerth
der Eigenthumstitel, der Aktien, und das andremal als das in
1)
[5] jenen Unternehmungen wirklich angelegte oder anzulegende Kapital.
Es existirt nur in jener letztern Form, und die Aktie ist nichts
als ein Eigenthumstitel, pro rata, auf den durch jenes zu reali-
sirenden Mehrwerth. A mag diesen Titel an B, und B ihn an C
verkaufen. Diese Transaktionen ändern nichts an der Natur der
Sache. A oder B hat dann seinen Titel in Kapital, aber C sein
Kapital in einen blossen Eigenthumstitel auf den von dem Aktien-
kapital zu erwartenden Mehrwerth verwandelt.
Die selbständige Bewegung des Werths dieser Eigenthumstitel,
nicht nur der Staatseffekten, sondern auch der Aktien bestätigt
den Schein, als bildeten sie wirkliches Kapital neben dem Kapital
oder dem Anspruch, worauf sie möglicher Weise Titel sind. Sie
werden nämlich zu Waaren, deren Preis eine eigenthümliche Be-
wegung und Festsetzung hat. Ihr Marktwerth erhält eine von
ihrem Nominalwerth verschiedne Bestimmung, ohne dass sich der
Werth (wenn auch die Verwerthung) des wirklichen Kapitals
änderte. Einerseits schwankt ihr Marktwerth mit der Höhe und
Sicherheit der Erträge, worauf sie Rechtstitel geben. Ist der
Nominalwerth einer Aktie, d. h. die eingeschossne Summe, die die
Aktie ursprünglich repräsentirt, 100 £, und wirft das Unternehmen
statt 5 % 10 % ab, so steigt ihr Marktwerth bei sonst gleich-
bleibenden Umständen und bei einem Zinsfuss von 5 % auf 200 £,
denn zu 5 % kapitalisirt, stellt sie jetzt ein fiktives Kapital von
200 £ vor. Wer sie zu 200 £ kauft, erhält 5 % Revenue von
dieser Kapitalanlage. Umgekehrt, wenn der Ertrag der Unter-
nehmung abnimmt. Der Marktwerth dieser Papiere ist zum Theil
spekulativ, da er nicht nur durch die wirkliche Einnahme, sondern
durch die erwartete, vorweg berechnete bestimmt ist. Aber, die
Verwerthung des wirklichen Kapitals als konstant vorausgesetzt,
oder wo kein Kapital existirt, wie bei den Staatsschulden, den
jährlichen Ertrag als gesetzlich fixirt und auch sonst hinreichend
sicher vorausgesetzt, steigt und fällt der Preis dieser Werthpapiere
umgekehrt wie der Zinsfuss. Steigt der Zinsfuss von 5 auf 10 %,
so stellt ein Werthpapier, das einen Ertrag von 5 £ sichert, nur
noch ein Kapital von 50 £ vor. Fällt der Zinsfuss auf 2½ %,
so stellt dasselbe Werthpapier ein Kapital von 200 £ vor. Sein
Werth ist stets nur der kapitalisirte Ertrag, d. h. der Ertrag, be-
rechnet auf ein illusorisches Kapital nach dem bestehenden Zins-
fuss. In Zeiten einer Klemme im Geldmarkt werden diese Werth-
papiere also doppelt im Preise fallen; erstens, weil der Zinsfuss
steigt, und zweitens, weil sie massenhaft auf den Markt geworfen
[6] werden, um sie in Geld zu realisiren. Dieser Preisfall findet statt
unabhängig davon, ob der Ertrag, den diese Papiere ihrem Besitzer
sichern, konstant ist, wie bei den Staatseffekten, oder ob die Ver-
werthung des wirklichen Kapitals, das sie repräsentiren, wie bei
industriellen Unternehmungen, möglicherweise durch die Störung
des Reproduktionsprocesses mit betroffen wird. Im letztern Fall
tritt nur zu der erwähnten Entwerthung noch eine weitere hinzu.
Sobald der Sturm vorüber ist, steigen diese Papiere wieder auf ihre
frühere Höhe, soweit sie nicht verunglückte oder Schwindelunter-
nehmungen vorstellen. Ihre Depreciation in der Krise wirkt als
kräftiges Mittel zur Centralisation des Geldvermögens.2)
Soweit die Entwerthung oder Werthsteigerung dieser Papiere
unabhängig ist von der Werthbewegung des wirklichen Kapitals,
das sie repräsentiren, ist der Reichthum einer Nation gerade so
gross vor wie nach der Entwerthung oder Werthsteigerung. „Am
23. Oktober 1847 waren die öffentlichen Fonds und die Kanal-
und Eisenbahnaktien bereits entwerthet um 114725225 £.“ (Morris,
Gouverneur der Bank von England, Aussage in Bericht über
Commercial Distress 1847—48.) Soweit ihre Entwerthung nicht
wirklichen Stillstand der Produktion und des Verkehrs auf Eisen-
bahnen und Kanälen, oder Aufgeben von angefangnen Unternehmun-
gen ausdrückte, oder Wegwerfen von Kapital in positiv werthlosen
Unternehmungen, wurde die Nation um keinen Heller ärmer durch
das Zerplatzen dieser Seifenblasen von nominellem Geldkapital.
Alle diese Papiere stellen in der That nichts vor als akkumu-
lirte Ansprüche, Rechtstitel, auf künftige Produktion, deren Geld-
oder Kapitalwerth entweder gar kein Kapital repräsentirt, wie bei
den Staatsschulden, oder von dem Werth des wirklichen Kapitals,
das sie vorstellen, unabhängig regulirt wird.
In allen Ländern kapitalistischer Produktion existirt eine unge-
heure Masse des sog. zinstragenden Kapitals oder moneyed capital
in dieser Form. Und unter Akkumulation des Geldkapitals ist
zum grossen Theil nichts zu verstehn, als Akkumulation dieser
Ansprüche auf die Produktion, Akkumulation des Marktpreises, des
illusorischen Kapitalwerths dieser Ansprüche.
[7]
Ein Theil des Bankierkapitals ist nun angelegt in diesen sog.
zinstragenden Papieren. Es ist dies selbst ein Theil des Reserve-
kapitals, das nicht im wirklichen Bankgeschäft fungirt. Der be-
deutendste Theil besteht aus Wechseln d. h. Zahlungsversprechen
von industriellen Kapitalisten oder Kaufleuten. Für den Geldver-
leiher sind diese Wechsel zinstragende Papiere; d. h. wenn er sie
kauft, zieht er den Zins ab für die Zeit, die sie noch zu laufen
haben. Dies ist was man diskontiren nennt. Es hängt also vom
jedesmaligen Zinsfuss ab, wie gross der Abzug ist von der Summe,
die der Wechsel vorstellt. —
Der letzte Theil des Kapitals des Bankiers endlich besteht aus
seiner Geldreserve von Gold oder Noten. Die Depositen, wenn
nicht für längre Zeit kontraktlich ausbedungen, stehn stets zur
Verfügung der Depositoren. Sie befinden sich in beständiger Fluk-
tuation. Aber, wenn von den einen entzogen, werden sie von den
andern ersetzt, sodass der allgemeine Durchschnittsbetrag in Zeiten
normalen Geschäftsverlaufs wenig schwankt.
Die Reservefonds der Banken, in Ländern entwickelter kapita-
listischer Produktion, drücken immer im Durchschnitt die Grösse
des als Schatz vorhandnen Geldes aus, und ein Theil dieses Schatzes
besteht selbst wieder aus Papier, blossen Anweisungen auf Gold,
die aber keine Selbstwerthe sind. Der grösste Theil des Bankier-
kapitals ist daher rein fiktiv und besteht aus Schuldforderungen
(Wechseln), Staatspapieren (die vergangnes Kapital repräsentiren)
und Aktien (Anweisungen auf künftigen Ertrag). Wobei nicht
vergessen werden muss, dass der Geldwerth des Kapitals, den diese
Papiere in den Panzerschränken des Bankiers vorstellen, selbst so-
weit sie Anweisungen auf sichre Erträge (wie bei den Staatspapieren)
oder soweit sie Eigenthumstitel auf wirkliches Kapital (wie bei
den Aktien), durchaus fiktiv ist und von dem Werth des wirk-
lichen Kapitals, das sie wenigstens theilweise vorstellen, abweichend
regulirt wird; oder wo sie blosse Forderung auf Erträge vorstellen
und kein Kapital, die Forderung auf denselben Ertrag in beständig
wechselndem fiktivem Geldkapital sich ausdrückt. Ausserdem kommt
noch hinzu, dass dies fiktive Bankierkapital grossentheils nicht sein
Kapital, sondern das des Publikums vorstellt, das bei ihm deponirt,
sei es mit, sei es ohne Zinsen.
Die Depositen werden immer in Geld gemacht, in Gold oder
Noten, oder in Anweisungen darauf. Mit Ausnahme des Reserve-
fonds, der je nach dem Bedürfniss der wirklichen Cirkulation sich
zusammenzieht oder ausdehnt, befinden sich diese Depositen in
[8] Wirklichkeit stets in der Hand einerseits der industriellen Kapi-
talisten und Kaufleute, deren Wechsel damit diskontirt, und denen
Vorschüsse damit gemacht werden; andrerseits in der Hand der
Händler in Werthpapieren (Börsenmakler) oder in der Hand von
Privaten, die ihre Werthpapiere verkauft haben, oder in der Hand
der Regierung (bei Schatzscheinen und neuen Anleihen). Die Depo-
siten selbst spielen eine doppelte Rolle. Einerseits werden sie,
wie eben erwähnt, als zinstragendes Kapital ausgeliehen, und finden
sich also nicht in den Kassen der Banken, sondern figuriren nur
in ihren Büchern als Guthaben der Depositoren. Andrerseits fun-
giren sie als solche blosse Buchposten, soweit die wechselseitigen
Guthaben der Depositoren durch Cheques auf ihre Depositen sich
ausgleichen und gegen einander abgeschrieben werden; wobei es
ganz gleichgültig ist, ob die Depositen bei demselben Bankier
liegen, sodass dieser die verschiednen Conti gegeneinander abschreibt,
oder ob dies durch verschiedne Banken geschieht, die ihre Cheques
gegeneinander austauschen, und sich nur die Differenzen zahlen.
Mit der Entwicklung des zinstragenden Kapitals und des Kredit-
systems scheint sich alles Kapital zu verdoppeln und stellenweis
zu verdreifachen durch die verschiedne Weise, worin dasselbe
Kapital oder auch nur dieselbe Schuldforderung in verschiednen
Händen unter verschiednen Formen erscheint.3) Der grösste Theil
dieses „Geldkapitals“ ist rein fiktiv. Die sämmtlichen Depositen,
mit Ausnahme des Reservefonds, sind nichts als Guthaben an den
[9] Bankier, die aber nie im Depositum existiren. Soweit sie zum
Girogeschäft dienen, fungiren sie als Kapital für die Bankiers,
nachdem diese sie ausgeliehen haben. Sie zahlen sich unter ein-
ander die wechselseitigen Anweisungen auf die nichtexistirenden
Depositen durch Abrechnung dieser Guthaben gegen einander.
A Smith sagt mit Bezug auf die Rolle, die das Kapital im
Geldverleihen spielt: „Selbst im Geldgeschäft ist jedoch das Geld
gleichsam nur die Anweisung, die die Kapitale, für die ihre Eigen-
thümer keine Verwendung haben, aus einer Hand in die andre
überträgt. Diese Kapitale können fast beliebig grösser sein als
der Geldbetrag, der als Werkzeug ihrer Uebertragung dient; die-
selben Geldstücke dienen nach einander bei vielen verschiednen
Anleihen, ebensogut wie bei vielen verschiednen Einkäufen. Z. B.
A leiht an W 1000 £, womit W sofort von B für 1000 £ Waaren
kauft. Da B. selbst keine Verwendung für das Geld hat, leiht er
die identischen Geldstücke an X, womit X sogleich von C wieder
für 1000 £ Waaren kauft. In derselben Weise und aus dem-
selben Grund verleiht C das Geld an Y, der wieder Waaren damit
von D kauft. So können dieselben Stücke Gold oder Papier im
Lauf weniger Tage zur Vermittlung von drei verschiednen Anleihen
und von drei verschiednen Einkäufen dienen, deren jeder dem
Werth nach gleich ist dem ganzen Betrag dieser Stücke. Was
die drei Geldleute A, B und C den drei Borgern W, X und Y
überwiesen haben, ist die Macht, diese Einkäufe zu machen. In
dieser Macht besteht sowohl der Werth wie der Nutzen dieser
Anleihen. Das von den drei Geldleuten geliehene Kapital ist
gleich dem Werth der Waaren, die damit gekauft werden können,
und ist dreimal grösser als der Werth des Geldes, womit die
Käufe gemacht werden. Trotzdem können alle diese Anleihen
vollkommen sicher sein, da die damit von den verschiednen Schuldnern
gekauften Waaren so angewandt werden, dass sie ihrer Zeit einen
gleichen Werth von Gold- oder Papiergeld, sammt einem Profit, heim-
bringen. Und wie dieselben Geldstücke zur Vermittlung verschiedner
Anleihen bis zu ihrem dreifachen, oder selbst ihrem dreissigfachen
Werth dienen können, ebenso gut können sie nach einander wieder
als Mittel der Rückzahlung dienen.“ (Book II, chap. IV.)
Da dasselbe Geldstück verschiedne Einkäufe, je nach der Ge-
schwindigkeit seiner Cirkulation, verrichten kann, so kann es eben-
sogut verschiedne Anleihen vollziehn, denn die Einkäufe bringen
es aus einer Hand in die andre, und die Anleihe ist nur eine
Uebertragung von einer Hand in die andre, die durch keinen Kauf
[10] vermittelt ist. Jedem der Verkäufer stellt das Geld die ver-
wandelte Form seiner Waare vor; heutzutage, wo jeder Werth als
Kapitalwerth ausgedrückt wird, stellt es in den verschiednen An-
leihen der Reihe nach verschiedne Kapitale vor, was nur andrer
Ausdruck für den frühern Satz, dass es verschiedne Waarenwerthe
der Reihe nach realisiren kann. Zugleich dient es als Cirkulations-
mittel, um die sachlichen Kapitale aus einer Hand in die andre
zu befördern. Im Anleihen geht es nicht als Cirkulationsmittel
aus der einen Hand in die andre über. Solange es in der Hand
des Verleihers bleibt, ist es in seiner Hand nicht Cirkulations-
mittel, sondern Werthdasein seines Kapitals. Und in dieser Form
überträgt er es im Anleihen an einen dritten. Hätte A das Geld
an B, und B es an C geliehen, ohne die Vermittlung der Ein-
käufe, so würde dasselbe Geld nicht drei Kapitale, sondern nur eins
vorstellen, nur einen Kapitalwerth. Wie viele Kapitale es wirk-
lich vorstellt, hängt davon ab, wie oft es als die Werthform ver-
schiedner Waarenkapitale fungirt.
Dasselbe was A. Smith von den Anleihen überhaupt sagt, gilt
von den Depositen, die ja nur ein besondrer Name für die An-
leihen sind, die das Publikum den Bankiers macht. Dieselben
Geldstücke können als Instrument für eine beliebige Anzahl von
Depositen dienen.
„Es ist unstreitig wahr, dass die 1000 £, die jemand heute bei
A deponirt, morgen wieder ausgegeben werden und ein Depositum
bei B bilden. Den Tag nachher, weggezahlt durch B, können sie
ein Depositum bei C bilden, und so fort ins Unendliche. Dieselben
1000 £ in Geld können daher, durch eine Reihe von Ueber-
tragungen sich zu einer absolut unbestimmbaren Summe von De-
positen vervielfältigen. Es ist daher möglich, dass \frac{9}{10} aller
Depositen im Vereinigten Königreich keine Existenz haben, ausser
den sie belegenden Buchposten in den Büchern der Bankiers, die
ihrerseits darüber abzurechnen haben. . . . So z. B. in Schottland,
wo der Geldumlauf nie über 3 Millionen £ war, die Depositen
aber 27 Millionen. Entstünde nun nicht ein allgemeiner Ansturm
auf die Banken wegen der Depositen, so könnten dieselben 1000 £,
ihren Weg rückwärts verfolgend, mit derselben Leichtigkeit eine
ebenso unbestimmbare Summe wieder ausgleichen. Da dieselben
1000 £, womit jemand heute eine Schuld an einen Händler aus-
gleicht, morgen dessen Schuld an den Kaufmann ausgleichen
können, den Tag darauf die Schuld des Kaufmanns an die Bank,
und so fort ohne Ende; so können dieselben 1000 £ von Hand zu
[11] Hand und von Bank zu Bank wandern, und jede nur erdenkliche
Summe von Depositen ausgleichen.“ (The Currency Question
Reviewed. p. 162, 163.)
Wie alles in diesem Kreditsystem sich verdoppelt und verdrei-
facht und in blosses Hirngespinnst sich verwandelt, so gilt das
auch vom „Reservefonds“, wo man endlich glaubt etwas Solides
zu packen.
Hören wir wieder Herrn Morris, den Gouverneur der Bank von
England: „Die Reserven der Privatbanken sind in den Händen der
Bank von England in Form von Depositen. Die erste Wirkung
eines Goldabflusses scheint nur die Bank von England zu treffen;
aber er würde ebensogut auf die Reserven der andern Banken ein-
wirken, da es der Abfluss eines Theils der Reserve ist, die sie
in unsrer Bank haben. Geradeso würde er wirken auf die Re-
serven aller Provinzialbanken.“ (Commercial Distress 1847—48).
Schliesslich lösen sich also die Reservefonds in Wirklichkeit auf
in den Reservefonds der Bank von England.4) Aber auch dieser
Reservefonds hat wieder Doppelexistenz. Der Reservefonds des
banking department ist gleich dem Ueberschuss der Noten, die die
Bank berechtigt ist auszugeben, über die in Cirkulation befind-
lichen Noten. Das gesetzliche Maximum der auszugebenden Noten
ist = 14 Millionen (wofür keine Metallreserve erheischt; es ist der
ungefähre Betrag der Schuld des Staats an die Bank), plus dem
Betrag des Edelmetallvorraths der Bank. Wenn also dieser Vor-
rath = 14 Millionen £, so kann die Bank 28 Millionen £ in Noten
ausgeben, und wenn davon 20 Millionen cirkuliren, so ist der Re-
servefonds des banking department = 8 Millionen. Diese 8 Millionen
Noten sind dann gesetzlich das Bankierkapital, worüber die Bank
zu verfügen hat, und zugleich der Reservefonds für ihre Depositen.
Tritt nun ein Goldabfluss ein, der den Metallvorrath um 6 Millionen
vermindert — wofür ebensoviel Noten vernichtet werden müssen —
so würde die Reserve des banking department von 8 auf 2 Millionen
fallen. Einerseits würde die Bank ihren Zinsfuss sehr erhöhen;
andrerseits würden die Banken, die bei ihr deponirt haben, und die
andren Depositoren den Reservefonds für ihre eignen Guthaben bei
der Bank sehr abnehmen sehn. 1857 drohten die vier grössten
Aktienbanken von London, wenn die Bank von England nicht
einen „Regierungsbrief“ zur Suspension des Bankakts von 1844
[12] erwirke,5) ihre Depositen einzufordern, womit das banking depart-
ment bankrott gewesen wäre. So kann das banking department
falliren, wie 1847, während beliebige Millionen (z.B. 1847 8 Millionen)
in issue department liegen, als Garantie für die Konvertibilität der
cirkulirenden Noten. Dies ist aber wieder illusorisch.
„Der grosse Theil der Depositen, wofür die Bankiers selbst
keine unmittelbare Nachfrage haben, geht in die Hände der bill
brokers (buchstäblich Wechselmakler, der Sache nach halbe Bankiers),
die dem Bankier dagegen als Sicherheit für seinen Vorschuss
Handelswechsel geben, die sie schon für Leute in London und der
Provinz diskontirt haben. Der billbroker ist dem Bankier ver-
antwortlich für die Rückzahlung dieses money at call (Geld, das
auf Verlangen sofort rückzahlbar ist); und diese Geschäfte sind
von so gewaltigem Umfang, dass Herr Neave, der gegenwärtige
Gouverneur der Bank [von England], in seiner Zeugenaussage
sagt: „Wir wissen, dass ein broker 5 Millionen hatte, und wir
haben Grund anzunehmen, dass ein andrer zwischen 8 und 10 Mil-
lionen hatte; einer hatte 4, ein andrer 3½, ein dritter mehr als 8.
Ich spreche von Depositen bei den brokers.“ (Report of Com-
mittee on Bank Akts, 1857—58. p. 5, Absatz Nr. 8.)
[13]
„Die Londoner billbrokers .... führten ihr enormes Geschäft ohne
irgend welche Reserve in baar; sie verliessen sich auf die Ein-
gänge von ihren nach und nach verfallenden Wechseln, oder im
Nothfall auf ihre Macht, Vorschüsse von der Bank von England
gegen Depôt der von ihnen diskontirten Wechsel zu erhalten.“ —
Zwei Firmen von billbrokers in London stellten ihre Zahlungen
1847 ein; beide nahmen das Geschäft später wieder auf. 1857
suspendirten sie wieder. Die Passiva des einen Hauses waren 1847
in runder Zahl 2683000 £ bei einem Kapital von 180000 £;
seine Passiva waren 1857 = 5300000 £, während das Kapital
wahrscheinlich nicht mehr als einviertel betrug von dem, was es
1847 gewesen. Die Passiva der andern Firma waren beidemal
zwischen 3 und 4 Millionen, bei einem Kapital von nicht mehr
als 45000 £.“ (ibidem, p. XXI, Absatz Nr. 52.)
Dreissigstes Kapitel.
Geldkapital und wirkliches Kapital. I.
Die einzig schwierigen Fragen, denen wir uns jetzt mit Be-
ziehung auf das Kreditwesen nähern, sind folgende:
Erstens: Die Akkumulation des eigentlichen Geldkapitals. Wie
weit und wieweit nicht ist sie Anzeichen von wirklicher Akku-
mulation des Kapitals, d. h. von Reproduktion auf erweiterter
Stufenleiter? Die sog. Plethora des Kapitals, ein Ausdruck, der
immer nur vom zinstragenden, i.e. Geldkapital gebraucht wird, ist
sie nur eine besondre Manier, die industrielle Ueberproduktion aus-
zudrücken, oder bildet sie ein besondres Phänomen neben ihr?
Fällt diese Plethora, dies Ueberangebot von Geldkapital zusammen
mit Vorhandensein stagnanter Geldmassen (Barren, Goldgeld und
Banknoten), sodass dieser Ueberfluss an wirklichem Geld Ausdruck
und Erscheinungsform jener Plethora von Leihkapital ist?
Und zweitens: Wie weit drückt Geldklemme, d. h. Mangel an Leih-
kapital, einen Mangel an wirklichem Kapital (Waarenkapital und pro-
duktivem Kapital) aus? Wie weit fällt sie andrerseits zusammen
mit Mangel an Geld als solchem, Mangel an Cirkulationsmitteln?
Soweit wir die eigenthümliche Form der Akkumulation des Geld-
kapitals und Geldvermögens überhaupt bis jetzt betrachtet haben,
hat sie sich aufgelöst in Akkumulation von Ansprüchen des Eigen-
thums auf die Arbeit. Die Akkumulation des Kapitals der Staats-
schuld heisst, wie sich gezeigt hat, weiter nichts als Vermehrung
einer Klasse von Staatsgläubigern, die gewisse Summen auf den
[14] Betrag der Steuern für sich vorwegzunehmen berechtigt sind.6)
In diesen Thatsachen, dass sogar eine Akkulumation von Schulden
als Akkumulation von Kapital erscheinen kann, zeigt sich die Voll-
endung der Verdrehung, die im Kreditsystem stattfindet. Diese
Schuldscheine, die für das ursprünglich geliehene und längst ver-
ausgabte Kapital ausgestellt sind, diese papiernen Duplikate von
vernichtetem Kapital, fungiren für ihre Besitzer soweit als Kapital,
als sie verkaufbare Waaren sind, und daher in Kapital rückver-
wandelt werden können.
Die Eigenthumstitel auf Gesellschaftsgeschäfte, Eisenbahnen, Berg-
werke etc. sind, wie wir ebenfalls gesehn haben, zwar in der That
Titel auf wirkliches Kapital. Indess geben sie keine Verfügung
über dies Kapital. Es kann nicht entzogen werden. Sie geben
nur Rechtsansprüche auf einen Theil des von demselben zu er-
werbenden Mehrwerths. Aber diese Titel werden ebenfalls papierne
Duplikate des wirklichen Kapitals, wie wenn der Ladungs-
schein einen Werth erhielte neben der Ladung und gleich-
zeitig mit ihr. Sie werden zu nominellen Repräsentanten nicht
existirender Kapitale. Denn das wirkliche Kapital existirt daneben
und ändert durchaus nicht die Hand dadurch, dass diese Duplikate
die Hände wechseln. Sie werden zu Formen des zinstragenden
Kapitals, weil sie nicht nur gewisse Erträge sichern, sondern auch,
weil durch Verkauf ihre Rückzahlung als Kapitalwerthe erhalten
werden kann. Soweit die Akkumulation dieser Papiere die Akku-
mulation von Eisenbahnen, Bergwerken, Dampfschiffen etc. aus-
drückt, drückt sie Erweiterung des wirklichen Reproduktions-
processes aus, ganz wie die Erweiterung einer Steuerliste z. B. auf
Mobilareigenthum die Expansion dieses Mobilars anzeigt. Aber als
Duplikate, die selbst als Waaren verhandelbar sind, und daher
selbst als Kapitalwerthe cirkuliren, sind sie illusorisch, und ihr
Werthbetrag kann fallen und steigen ganz unabhängig von der
[15] Werthbewegung des wirklichen Kapitals, auf das sie Titel sind.
Ihr Werthbetrag, d. h. ihre Kursnotirung an der Börse, hat mit
dem Fallen des Zinsfusses, soweit dies, unabhängig von den eigen-
thümlichen Bewegungen des Geldkapitals, einfache Folge des
tendenziellen Falles der Profitrate ist, nothwendig die Tendenz zu
steigen, sodass dieser imaginäre Reichthum, dem Werthausdruck
nach für jeden seiner aliquoten Theile von bestimmtem ursprüng-
lichem Nominalwerth, sich schon aus diesem Grunde im Entwick-
lungsgang der kapitalistischen Produktion expandirt.7)
Gewinnen und Verlieren durch Preisschwankungen dieser Eigen-
thumstitel, sowie deren Centralisation in den Händen von Eisen-
bahnkönigen u.s.w. wird der Natur der Sache nach mehr und
mehr Resultat des Spiels, das an der Stelle der Arbeit als die
ursprüngliche Erwerbsart von Kapitaleigenthum erscheint, und auch
an die Stelle der direkten Gewalt tritt. Diese Sorte imaginären
Geldvermögens bildet nicht nur einen sehr bedeutenden Theil des
Geldvermögens der Privaten, sondern auch des Bankierkapitals, wie
schon erwähnt.
Man könnte — wir erwähnen es nur um es rasch zu erledigen
— unter Akkumulation des Geldkapitals auch verstehn die Akku-
mulation des Reichthums in der Hand von Bankiers (Geldver-
leihern von Profession) als der Vermittler zwischen den Privat-
Geldkapitalisten hier, und dem Staat, den Gemeinden und den
reproducirenden Borgern dort; indem die ganze ungeheure Aus-
dehnung des Kreditsystems, überhaupt der gesammte Kredit, von
ihnen als ihr Privatkapital exploitirt wird. Diese Burschen be-
sitzen das Kapital und die Einnahme stets in Geldform oder in
direkten Forderungen auf Geld. Die Akkumulation des Vermögens
dieser Klasse kann vor sich gehn in sehr verschiedner Richtung
mit der wirklichen Akkumulation, beweist aber jedenfalls, dass
diese Klasse einen guten Theil von dieser letzteren einsteckt.
Um die vorliegende Frage auf engere Grenzen zurückzuführen:
Staatseffekten wie Aktien und andere Werthpapiere aller Art sind
Anlagesphären für verleihbares Kapital, für Kapital, das bestimmt
[16] ist zinstragend zu werden. Sie sind Formen es auszuleihen. Aber
sie sind nicht selbst das Leihkapital, das in ihnen angelegt wird.
Andrerseits, soweit der Kredit direkte Rolle im Reproduktions-
process spielt: Was der Industrielle oder Kaufmann braucht, wenn
er Wechsel diskontirt haben oder eine Anleihe aufnehmen will,
sind weder Aktien noch Staatspapiere. Was er braucht ist Geld.
Er versetzt oder verkauft also jene Werthpapiere, wenn er das
Geld sich anders nicht beschaffen kann. Es ist die Akkumulation
dieses Leihkapitals, von der wir hier zu handeln haben, und zwar
speciell von der des leihbaren Geldkapitals. Es handelt sich hier
nicht um Anleihen von Häusern, Maschinen, oder andrem fixen
Kapital. Es handelt sich auch nicht um die Vorschüsse, die sich
Industrielle und Kaufleute unter einander in Waaren und inner-
halb des Zirkels des Reproduktionsprocesses machen; obgleich wir
auch diesen Punkt vorher noch näher untersuchen müssen; es
handelt sich ausschliesslich um die Geldanleihen, die durch die
Bankiers, als Vermittler, den Industriellen und Kaufleuten ge-
macht werden.
Analysiren wir also zunächst den kommerciellen Kredit, d. h. den
Kredit, den die in der Reproduktion beschäftigten Kapitalisten
einander geben. Er bildet die Basis des Kreditsystems. Sein
Repräsentant ist der Wechsel, Schuldschein mit bestimmtem Zah-
lungstermin, document of deferred payment. Jeder gibt Kredit
mit der einen Hand und empfängt Kredit mit der andern. Sehn
wir zunächst ganz ab vom Bankierkredit, der ein ganz andres,
wesentlich verschiednes Moment bildet. Soweit diese Wechsel
unter den Kaufleuten selbst wieder als Zahlungsmittel cirkuliren,
durch Endossement von einem auf den andern, wo aber der Dis-
konto nicht dazwischen kommt, ist es nichts als eine Ueber-
tragung der Schuldforderung von A auf B, und ändert absolut nichts
am Zusammenhang. Es setzt nur eine Person an die Stelle einer
andern. Und selbst in diesem Fall kann die Liquidation ohne
Dazwischenkunft von Geld stattfinden. Der Spinner A z. B. hat
einen Wechsel zu zahlen an den Baumwollmakler B, dieser an
den Importeur C. Wenn C nun ebenfalls Garn exportirt, was oft
genug vorkommt, so kann er Garn von A gegen Wechsel kaufen,
und der Spinner A den Makler B mit dessen eignem, von C in
Zahlung erhaltnen Wechsel decken, wobei höchstens ein Saldo in
Geld zu zahlen ist. Die ganze Transaktion vermittelt dann nur
den Austausch von Baumwolle und Garn. Der Exporteur reprä-
[17] sentirt nur den Spinner, der Baumwollmakler den Baumwoll-
pflanzer.
Es ist nun bei dem Kreislauf dieses rein kommerciellen Kredits
zweierlei zu bemerken:
Erstens: Die Saldirung dieser wechselseitigen Schuldforderungen
hängt ab vom Rückfluss des Kapitals; d. h. von W—G, das nur
vertagt ist. Wenn der Spinner einen Wechsel vom Kattunfabri-
kanten erhalten hat, so kann der Kattunfabrikant zahlen, wenn der
Kattun, den er auf dem Markt hat, in der Zwischenzeit verkauft
ist. Hat der Kornspekulant einen Wechsel auf seinen Faktor ge-
geben, so kann der Faktor das Geld zahlen, wenn unterdess das
Korn zum erwarteten Preise verkauft ist. Es hängen also diese
Zahlungen ab von der Flüssigkeit der Reproduktion, d. h. des
Produktions- und Konsumtionsprocesses. Da die Kredite aber
wechselseitig sind, hängt die Zahlungsfähigkeit eines jeden zugleich
ab von der Zahlungsfähigkeit eines andern; denn beim Ausstellen
seines Wechsels kann jener entweder auf den Rückfluss des Ka-
pitals in seinem eignen Geschäft, oder auf Rückfluss im Geschäft
eines dritten gerechnet haben, der ihm in der Zwischenzeit einen
Wechsel zu zahlen hat. Abgesehn von der Aussicht auf Rück-
flüsse, kann die Zahlung nur möglich werden durch Reservekapital,
worüber der Wechselaussteller verfügt, um seinen Verpflichtungen
im Fall verzögerter Rückflüsse nachzukommen.
Zweitens: Dies Kreditsystem beseitigt nicht die Nothwendig-
keit baarer Geldzahlungen. Einmal ist ein grosser Theil der Aus-
lagen stets baar zu zahlen, Arbeitslohn, Steuern etc. Dann aber
z. B. hat B, der von C einen Wechsel an Zahlungsstatt erhaltén,
ehe dieser Wechsel fällig, selbst einen fälligen Wechsel an D zu
zahlen, und dafür muss er baares Geld haben. Ein so vollständiger
Kreislauf der Reproduktion, wie er oben vom Baumwollpflanzer
bis Baumwollspinner und umgekehrt vorausgesetzt worden, kann
nur eine Ausnahme bilden, und muss stets an vielen Stellen durch-
brochen werden. Wir haben beim Reproduktionsprocess (Buch II,
Abschn. III.) gesehn, dass die Producenten des konstanten Ka-
pitals zum Theil konstantes Kapital mit einander austauschen.
Dafür können sich die Wechsel mehr oder weniger ausgleichen.
Ebenso in aufsteigender Linie der Produktion, wo der Baumwoll-
makler auf den Spinner, der Spinner auf den Kattun-Fabrikanten,
dieser auf den Exporteur, dieser auf den Importeur (vielleicht
wieder von Baumwolle) zu ziehen hat. Aber es findet nicht zu-
gleich Kreislauf der Transaktionen und daher Umbiegung der For-
Marx, Kapital III. 2. 2
[18] derungsreihe statt. Die Forderung, z. B. des Spinners an den
Weber wird nicht saldirt durch die Forderung des Kohlenlieferanten
an den Maschinenbauer; der Spinner hat nie in seinem Geschäft Gegen-
forderungen auf den Maschinenbauer zu machen, weil sein Produkt,
Garn, nie als Element in dessen Reproduktionsprocess eingeht. Solche
Forderungen müssen daher durch Geld ausgeglichen werden.
Die Grenzen für diesen kommerciellen Kredit, für sich betrachtet
sind 1) der Reichthum der Industriellen und Kaufleute, d. h. ihre
Verfügung über Reservekapital im Fall verzögerter Rückflüsse;
2) diese Rückflüsse selbst. Diese können der Zeit nach verzögert
werden, oder die Waarenpreise können in der Zwischenzeit fallen,
oder die Waare kann momentan unverkäuflich werden bei Stockung
der Märkte. Je langsichtiger die Wechsel, desto grösser muss
erstens das Reservekapital sein und desto grösser ist die Möglich-
keit einer Schmälerung oder Verspätung des Rückflusses durch
Preisfall oder Ueberführung der Märkte. Und ferner sind die
Retouren um so unsicherer, je mehr die ursprüngliche Transaktion
durch Spekulation auf Steigen oder Fallen der Waarenpreise be-
dingt war. Es ist aber klar, dass mit der Entwicklung der Pro-
duktivkraft der Arbeit, und daher der Produktion auf grosser
Stufenleiter, 1) die Märkte sich ausdehnen und vom Produktions-
ort sich entfernen, 2) daher die Kredite sich verlängern müssen,
und also 3) das spekulative Element mehr und mehr die Trans-
aktionen beherrschen muss. Die Produktion auf grosser Stufenleiter
und für entfernte Märkte wirft das Gesammtprodukt in die Hand
des Handels; es ist aber unmöglich, dass sich das Kapital der
Nation verdopple, sodass der Handel für sich fähig wäre, mit
eignem Kapital das gesammte nationale Produkt aufzukaufen und
wieder zu verkaufen. Kredit ist hier also unerlässlich; Kredit, dem
Umfang nach wachsend mit dem wachsenden Werthumfang der
Produktion, und der Zeitdauer nach mit der zunehmenden Ent-
fernung der Märkte. Es findet hier Wechselwirkung statt. Die
Entwicklung des Produktionsprocesses erweitert den Kredit, und
der Kredit führt zur Ausdehnung der industriellen und merkantilen
Operationen.
Betrachten wir diesen Kredit, getrennt vom Bankierkredit, so
ist klar, dass er wächst mit dem Umfang des industriellen Kapitals
selbst. Leihkapital und industrielles Kapital sind hier identisch;
die geliehenen Kapitale sind Waarenkapitale, bestimmt entweder
für schliessliche individuelle Konsumtion, oder zum Ersatz der
konstanten Elemente von produktivem Kapital. Was hier also
[19] als geliehenes Kapital erscheint, ist immer Kapital, das sich in
einer bestimmten Phase des Reproduktionsprocesses befindet, aber
durch Kauf und Verkauf aus einer Hand in die andre übergeht,
während das Aequivalent dafür dem Käufer erst später zu be-
dungner Frist gezahlt wird. Z. B. die Baumwolle geht gegen
Wechsel in die Hand des Spinners über, das Garn gegen Wechsel
in die Hand des Kattunfabrikanten, der Kattun gegen Wechsel in
die Hand des Kaufmanns, aus dessen Hand gegen Wechsel in die
des Exporteurs, aus der Hand des Exporteurs gegen Wechsel in
die eines Kaufmanns in Indien, der ihn verkauft und dafür Indigo
kauft u. s. w. Während dieses Uebergangs aus einer Hand in die
andre vollzieht die Baumwolle ihre Verwandlung in Kattun, und
der Kattun wird schliesslich nach Indien transportirt und aus-
getauscht gegen Indigo, der nach Europa verschifft wird und dort
wieder in die Reproduktion eingeht. Die verschiednen Phasen des
Reproduktionsprocesses sind hier vermittelt durch den Kredit, ohne
dass der Spinner die Baumwolle, der Kattunfabrikant das Garn,
der Kaufmann den Kattun etc. gezahlt hat. In den ersten Akten
des Vorgangs geht die Waare: Baumwolle durch ihre verschiednen
Produktionsphasen, und dieser Uebergang wird vermittelt durch
den Kredit. Aber sobald die Baumwolle in der Produktion ihre
letzte Form als Waare erhalten hat, geht dasselbe Waarenkapital
nur noch durch die Hände verschiedner Kaufleute, die den Trans-
port zum entlegnen Markt vermitteln, und deren letzter sie schliess-
lich an den Konsumenten verkauft und andre Waare dafür ein-
kauft, die entweder in die Konsumtion eingeht oder in den Repro-
duktionsprocess. Es sind also hier zwei Abschnitte zu unterscheiden:
im ersten vermittelt der Kredit die wirklichen successiven Phasen
in der Produktion desselben Artikels; im zweiten bloss den Ueber-
gang aus der Hand eines Kaufmanns in die des andern, der den
Transport einschliesst, also den Akt W—G. Aber auch hier be-
findet sich die Waare wenigstens immer im Cirkulationsakt, also
in einer Phase des Reproduktionsprocesses.
Was demnach hier verliehen wird, ist nie unbeschäftigtes Kapital,
sondern Kapital, das in der Hand seines Besitzers seine Form
ändern muss, das in einer Form existirt, worin es für ihn blosses
Waarenkapital ist, d. h. Kapital, das rückverwandelt, und zwar
wenigstens zunächst in Geld umgesetzt werden muss. Es ist somit
die Metamorphose der Waare, die hier durch den Kredit vermittelt
wird; nicht nur W—G, sondern auch G—W und der wirkliche
Produktionsprocess. Viel Kredit innerhalb des reproduktiven Kreis-
2*
[20] laufs — abgesehn vom Bankierkredit — heisst nicht: viel unbe-
schäftigtes Kapital, das zu Anleihen ausgeboten wird und profitliche
Anlage sucht, sondern: grosse Beschäftigung von Kapital im Re-
produktionsprocess. Der Kredit vermittelt hier also 1) soweit die
industriellen Kapitalisten in Betracht kommen, den Uebergang des
industriellen Kapitals aus einer Phase in die andre, den Zusammen-
hang der zu einander gehörigen und in einander eingreifenden
Produktionssphären; 2) soweit die Kaufleute in Betracht kommen,
den Transport und den Uebergang der Waaren aus einer Hand
in die andre bis zu ihrem definitiven Verkauf für Geld oder ihrem
Austausch mit einer andern Waare.
Das Maximum des Kredits ist hier gleich der vollsten Beschäf-
tigung des industriellen Kapitals, d. h. der äussersten Anspannung
seiner Reproduktionskraft ohne Rücksicht auf die Grenzen der
Konsumtion. Diese Grenzen der Konsumtion werden erweitert
durch die Anspannung des Reproduktionsprocesses selbst; einerseits
vermehrt sie den Verzehr von Revenue durch Arbeiter und Kapita-
listen, andrerseits ist sie identisch mit Anspannung der produktiven
Konsumtion.
Solange der Reproduktionsprocess flüssig und damit der Rückfluss
gesichert bleibt, dauert dieser Kredit und dehnt sich aus, und
seine Ausdehnung ist basirt auf die Ausdehnung des Reproduktions-
processes selbst. Sobald eine Stockung eintritt, in Folge ver-
zögerter Rückflüsse, überführter Märkte, gefallner Preise, ist Ueber-
fluss von industriellem Kapital vorhanden, aber in einer Form,
worin es seine Funktionen nicht vollziehn kann. Masse von
Waarenkapital, aber unverkäuflich. Masse von fixem Kapital,
aber durch Stockung der Reproduktion grossentheils unbeschäftigt.
Der Kredit kontrahirt sich, 1) weil dies Kapital unbeschäftigt ist,
d. h. in einer seiner Reproduktionsphasen stockt, weil es seine
Metamorphose nicht vollziehn kann; 2) weil das Vertrauen in die
Flüssigkeit des Reproduktionsprocesses gebrochen ist; 3) weil die
Nachfrage nach diesem kommerciellen Kredit abnimmt. Der Spinner,
der seine Produktion einschränkt, und eine Masse unverkauftes
Garn auf Lager hat, braucht keine Baumwolle auf Kredit zu
kaufen; der Kaufmann braucht keine Waaren auf Kredit zu kaufen,
weil er deren schon mehr als genug hat.
Tritt also Störung in dieser Expansion oder auch nur in der
normalen Anspannung des Reproduktionsprocesses ein, so damit
auch Kreditmangel; Waaren sind schwerer auf Kredit zu erhalten.
Besonders aber ist das Verlangen nach baarer Zahlung und die
[21] Vorsicht im Kreditverkauf charakteristisch für die Phase des in-
dustriellen Cyklus, die auf den Krach folgt. In der Krisis selbst,
da jeder zu verkaufen hat und nicht verkaufen kann und doch
verkaufen muss um zu zahlen, ist die Masse, nicht des unbeschäf-
tigten, unterzubringenden Kapitals, sondern die des in seinem Re-
produktionsprocess gehemmten Kapitals gerade dann am grössten,
wenn auch der Kreditmangel am grössten ist (und daher bei
Bankierkredit die Diskontorate am höchsten). Das schon ausgelegte
Kapital ist dann in der That massenweis unbeschäftigt, weil der
Reproduktionsprocess stockt. Fabriken stehn still, Rohstoffe häufen
sich auf, fertige Produkte überfüllen als Waaren den Markt. Es
ist also nichts falscher als solchen Zustand einem Mangel an pro-
duktivem Kapital zuzuschreiben. Es ist gerade dann Ueberfluss
von produktivem Kapital vorhanden, theils in Bezug auf den nor-
malen, aber augenblicklich kontrahirten Maßstab der Reproduktion
theils in Bezug auf die gelähmte Konsumtion.
Denken wir uns die ganze Gesellschaft bloss aus industriellen
Kapitalisten und Lohnarbeitern zusammengesetzt. Sehn wir ferner
ab von den Preiswechseln, die grosse Portionen des Gesammt-
kapitals hindern, sich in ihren Durchschnittsverhältnissen zu er-
setzen, und die, bei dem allgemeinen Zusammenhang des ganzen
Reproduktionsprocesses, wie ihn namentlich der Kredit entwickelt,
immer zeitweilige allgemeine Stockungen hervorbringen müssen.
Sehn wir ab ebenfalls von den Scheingeschäften und spekulativen
Umsätzen, die das Kreditwesen fördert. Dann wäre eine Krise
nur erklärlich aus Missverhältniss der Produktion in verschiednen
Zweigen, und aus einem Missverhältniss, worin der Konsum der
Kapitalisten selbst zu ihrer Akkumulation stände. Wie aber die
Dinge liegen, hängt der Ersatz der in der Produktion angelegten
Kapitale grossentheils ab von der Konsumtionsfähigkeit der nicht
produktiven Klassen; während die Konsumtionsfähigkeit der Arbeiter
theils durch die Gesetze des Arbeitslohns, theils dadurch beschränkt
ist, dass sie nur solange angewandt werden, als sie mit Profit für
die Kapitalistenklasse angewandt werden können. Der letzte Grund
aller wirklichen Krisen bleibt immer die Armuth und Konsumtions-
beschränkung der Massen gegenüber dem Trieb der kapitalistischen
Produktion, die Produktivkräfte so zu entwickeln, als ob nur
die absolute Konsumtionsfähigkeit der Gesellschaft ihre Grenze
bilde.
Von wirklichem Mangel an produktivem Kapital, wenigstens bei
kapitalistisch entwickelten Nationen, kann nur gesprochen werden
[22] bei allgemeinen Missernten, sei es der Hauptnahrungsmittel, sei es
der hauptsächlichsten industriellen Rohstoffe.
Es kommt aber nun zu diesem kommerciellen Kredit der eigent-
liche Geldkredit hinzu. Das Vorschiessen der Industriellen und
Kaufleute unter einander verquickt sich mit dem Vorschiessen des
Geldes an sie seitens der Bankiers und Geldverleiher. Beim Dis-
kontiren der Wechsel ist der Vorschuss nur nominell. Ein Fabrikant
verkauft sein Produkt gegen Wechsel, und er diskontirt diesen
Wechsel bei einem billbroker. In der That schiesst dieser nur
den Kredit seines Bankiers vor, der ihm wieder das Geldkapital
seiner Depositoren vorschiesst, die gebildet werden von den Indu-
striellen und Kaufleuten selbst, aber auch von Arbeitern (ver-
mittelst Sparbanken), von Grundrentnern und den sonstigen unpro-
duktiven Klassen. So wird für jeden individuellen Fabrikanten
oder Kaufmann sowohl die Nothwendigkeit eines starken Reserve-
kapitals umgangen, wie die Abhängigkeit von den wirklichen
Rückflüssen. Andrerseits aber komplicirt sich theils durch einfache
Wechselreiterei, theils durch Waarengeschäfte zum Zweck der
blossen Wechselfabrikation der ganze Process so sehr, dass der
Schein eines sehr soliden Geschäfts und flotter Rückflüsse noch
ruhig fortexistiren kann, nachdem die Rückflüsse [in] der That schon
längst nur noch auf Kosten theils geprellter Geldverleiher, theils
geprellter Producenten gemacht worden sind. Daher scheint immer
das Geschäft fast übertrieben gesund gerade unmittelbar vor dem
Krach. Den besten Beweis liefern z. B. die Reports on Bank Acts
von 1857 und 58, wo alle Bankdirektoren, Kaufleute, kurz alle
vorgeladnen Sachverständigen, an ihrer Spitze Lord Overstone, sich
wechselseitig Glück wünschten über die Blüte und Gesundheit des
Geschäfts — genau einen Monat bevor die Krise im August 1857
ausbrach. Und sonderbarer Weise macht Tooke in seiner History
of Prices diese Illusion noch einmal als Geschichtsschreiber jeder
Krise durch. Das Geschäft ist immer kerngesund und die Kam-
pagne im gedeihlichsten Fortgang, bis auf einmal der Zusammen-
bruch erfolgt.
Wir kommen jetzt zurück auf die Akkumulation des Geld-
kapitals.
Nicht jede Vermehrung des leihbaren Geldkapitals zeigt wirk-
liche Kapitalakkumulation oder Erweiterung des Reproduktions-
processes an. Dies tritt am klarsten hervor in der Phase des
industriellen Cyklus unmittelbar nach überstandner Krisis, wo Leih-
[23] kapital massenhaft brach liegt. In solchen Momenten, wo der
Produktionsprocess eingeschränkt ist (die Produktion in den eng-
lischen Industriebezirken war nach der Krise von 1847 um ein-
drittel verringert), wo die Preise der Waaren auf ihrem niedrigsten
Punkt stehn, wo der Unternehmungsgeist gelähmt ist, herrscht
niedriger Stand des Zinsfusses, der hier nichts anzeigt als Ver-
mehrung des leihbaren Kapitals grade durch Kontraktion und
Lähmung des industriellen Kapitals. Dass weniger Cirkulations-
mittel erheischt sind mit gefallnen Waarenpreisen, verminderten
Umsätzen, und der Kontraktion des in Arbeitslohn ausgelegten
Kapitals; dass andrerseits, nach Liquidation der Schulden ans Aus-
land theils durch Goldabfluss und theils durch Bankrotte, kein zu-
schüssiges Geld für die Funktion als Weltgeld erheischt ist; dass
endlich der Umfang des Geschäfts des Wechseldiskontirens mit
der Zahl und den Beträgen dieser Wechsel selbst abnimmt, —
alles dies ist augenscheinlich. Die Nachfrage nach leihbarem Geld-
kapital, sei es für Cirkulationsmittel, sei es für Zahlungsmittel,
(von neuer Kapitalanlage ist noch keine Rede) nimmt daher ab,
und es wird damit relativ reichlich. Aber auch das Angebot des
leihbaren Geldkapitals nimmt unter solchen Umständen positiv zu,
wie sich später zeigen wird.
So herrschte nach der Krise von 1847 „eine Einschränkung der
Umsätze und ein grosser Ueberfluss an Geld.“ (Comm. Distress,
1847—48, Evid. No. 1664. Der Zinsfuss war sehr niedrig wegen
„fast vollständiger Vernichtung des Handels und fast gänzlicher
Abwesenheit der Möglichkeit Geld anzulegen.“ (l. c., p. 45. Aus-
sage von Hodgson, Direktor der Royal Bank of Liverpool.) Welchen
Unsinn diese Herren (und Hodgson ist noch einer der besten) zu-
sammenfabeln, um sich dies zu erklären, kann man aus folgender
Phrase sehn: „Die Klemme (1847) entsprang aus einer wirklichen
Verminderung des Geldkapitals im Lande, verursacht theils durch
die Nothwendigkeit, die Einfuhren aus allen Weltgegenden in Gold
zu bezahlen, und theils durch die Verwandlung von Cirkulations-
kapital (floating capital) in fixes.“ Wie die Verwandlung von
Cirkulationskapital in fixes das Geldkapital des Landes vermindern
soll, ist nicht abzusehn, da z. B. bei Eisenbahnen, worin haupt-
sächlich damals Kapital festgelegt worden, kein Gold oder Papier
zu Viadukten und Schienen verbraucht wird, und das Geld für die
Eisenbahnaktien, soweit es bloss für Einzahlungen deponirt, ganz
wie alles andre bei den Banken deponirte Geld fungirte, und selbst,
wie schon oben gezeigt, momentan das leihbare Geldkapital ver-
[24] mehrte; soweit es aber wirklich im Bau verausgabt, roulirte es
als Kauf- und Zahlungsmittel im Lande. Nur soweit fixes Kapital
kein exportirbarer Artikel ist, also mit der Unmöglichkeit der
Ausfuhr auch das disponible Kapital wegfällt, das durch Retouren
für ausgeführte Artikel beschafft wird, also auch die Retouren in baar
oder Barren, nur soweit könnte das Geldkapital afficirt werden.
Aber auch englische Exportartikel lagerten damals massenweise
unverkäuflich auf den auswärtigen Märkten. Für die Kaufleute
und Fabrikanten in Manchester u. s. w., die einen Theil ihres
normalen Geschäftskapitals in Eisenbahnaktien festgeritten, und zur
Führung ihres Geschäfts daher von Borgkapital abhingen, hatte
sich in der That ihr floating capital fixirt, und dafür mussten
sie die Folgen tragen. Es wäre aber dasselbe gewesen, wenn sie
das ihrem Geschäft gehörige, aber entzogne Kapital, statt in Eisen-
bahnen z. B. in Bergwerken angelegt gehabt hätten, deren Produkt
selbst wieder floating capital ist, Eisen, Kohle, Kupfer etc. —
Die wirkliche Verminderung des disponiblen Geldkapitals durch
Missernte, Korneinfuhr und Goldausfuhr, war natürlich ein Ereig-
niss, das mit dem Eisenbahnschwindel nichts zu thun hatte. —
„Fast alle kaufmännischen Häuser hatten angefangen ihr Geschäft
mehr oder weniger auszuhungern, um das Geld in Eisenbahnen
anzulegen.“ — „Die so ausgedehnten Vorschüsse, die an Eisen-
bahnen von Handelshäusern gemacht wurden, verleiteten diese,
sich viel zu sehr durch Wechseldiskonto auf die Banken zu stützen,
und dadurch ihre Handelsgeschäfte weiter zu führen.“ (Derselbe
Hodgson, l. c., p. 67.) „In Manchester fanden immense Verluste
statt durch die Spekulation in Eisenbahnen.“ (Der in Buch I, Kap. XIII.,
3, c, und sonst mehrfach angeführte R. Gardner, Aussagenummer
4877, l. c.)
Eine Hauptursache der Krisis von 1847 war die kolossale Markt-
überführung und der grenzenlose Schwindel im ostindischen Waaren-
geschäft. Aber auch andre Umstände brachten sehr reiche Häuser
dieses Zweigs zu Fall: „Sie hatten reichliche Mittel, aber sie waren
nicht flüssig zu machen. Ihr ganzes Kapital lag fest in Grund-
besitz in Mauritius, oder Indigo- und Zuckerfabriken. Wenn sie
dann Verpflichtungen bis zu 5—600000 £ eingegangen waren,
hatten sie keine flüssigen Mittel ihre Wechsel zu zahlen, und
schliesslich stellte sich heraus, dass, um ihre Wechsel zu zahlen,
sie sich gänzlich auf ihren Kredit verlassen mussten.“ (Ch. Turner,
grosser ostindischer Kaufmann in Liverpool, No. 730, l. c.) Ferner
Gardner (No. 4872, l. c.): „Gleich nach dem chinesischen Vertrag
[25] wurden dem Lande so grosse Aussichten gemacht auf eine ge-
waltige Ausdehnung unsers Handels mit China, dass viele grosse
Fabriken express für dies Geschäft gebaut wurden, um die im
chinesischen Markt hauptsächlich gangbaren Baumwollengewebe an-
zufertigen, und diese kamen zu allen unsern schon bestehenden
Fabriken hinzu. — 4874. Wie ist dieses Geschäft abgelaufen? —
Höchst ruinirend, sodass es fast jeder Beschreibung spottet; ich
glaube nicht dass von den sämmtlichen Verschiffungen von 1844
und 45 nach China, mehr als ⅔ des Betrags je zurückgekommen
sind; weil Thee der Hauptartikel des Rückexports ist und weil
man uns so grosse Erwartungen gemacht hatte, rechneten wir
Fabrikanten mit Sicherheit auf eine grosse Herabsetzung des Thee-
zolls.“ Und nun kommt, naiv ausgedrückt, das charakteristische
Credo des englischen Fabrikanten: „Unser Handel mit einem aus-
wärtigen Markt ist nicht beschränkt durch dessen Fähigkeit die
Waaren zu kaufen, aber er ist beschränkt hier im Lande, durch
unsre Fähigkeit die Produkte zu konsumiren, die wir als Retouren
für unsre Industrieerzeugnisse erhalten.“ (Die relativ armen Länder,
womit England handelt, können natürlich jeden nur möglichen
Belauf englischer Fabrikate zahlen und konsumiren, leider aber
kann das reiche England die Retourprodukte nicht verdauen.)
„4876. Ich schickte anfangs einige Waaren hinaus, und diese
wurden zu etwa 15 % Verlust verkauft, in der vollen Ueber-
zeugung, dass der Preis, zu dem meine Agenten Thee kaufen
konnten, beim Wiederverkauf hier einen so grossen Profit ergeben
würde, dass dieser Verlust gedeckt wäre; aber statt Profit zu
machen, verlor ich manchmal 25 und bis zu 50 %. — 4877.
Exportirten die Fabrikanten für eigne Rechnung? — Hauptsäch-
lich; die Kaufleute, scheint es, sahn sehr bald, dass nichts bei der
Sache herauskam, und sie ermunterten die Fabrikanten mehr zu
Konsignationen, als dass sie sich selbst dabei betheiligten.“ —
1857 dagegen fielen Verluste und Bankrotte vorzugsweise auf die
Kaufleute, da diesmal die Fabrikanten ihnen die Ueberführung
der fremden Märkte „auf eigne Rechnung“ überliessen.
Eine Expansion des Geldkapitals, die daraus entsteht, dass in
Folge der Ausbreitung des Bankwesens (siehe das Beispiel von
Ipswich weiter unten, wo im Lauf weniger Jahre unmittelbar
vor 1857 die Depositen der Pächter sich vervierfachten) das was
früher Privatschatz oder Münzreserve war, sich für bestimmte Zeit
immer in leihbares Kapital verwandelt, drückt ebensowenig ein
[26] Wachsen des produktiven Kapitals aus, wie die wachsenden Depo-
siten bei den Londoner Aktienbanken, sobald diese anfingen, Zinsen
auf Depositen zu zahlen. Solange die Produktionsleiter dieselbe
bleibt, bewirkt diese Expansion nur Reichlichkeit des leihbaren
Geldkapitals gegenüber dem produktiven. Daher niedriger Zinsfuss.
Hat der Reproduktionsprocess wieder den Stand der Blüte er-
reicht, der dem der Ueberanspannung vorhergeht, so erreicht der
kommercielle Kredit eine sehr grosse Ausdehnung, die dann in
der That wieder die „gesunde“ Basis leicht eingehender Rückflüsse
und ausgedehnter Produktion hat. In diesem Zustand ist der Zins-
fuss immer noch niedrig, wenn er auch über sein Minimum steigt.
Es ist dies in der That der einzige Zeitpunkt, wo gesagt werden
kann, dass niedriger Zinsfuss, und daher relative Reichlichkeit des
verleihbaren Kapitals, zusammenfällt mit wirklicher Ausdehnung
des industriellen Kapitals. Die Leichtigkeit und Regelmäßigkeit
der Rückflüsse, verknüpft mit einem ausgedehnten kommerciellen
Kredit, sichert das Angebot von Leihkapital trotz der gesteigerten
Nachfrage, und verhindert das Niveau des Zinsfusses zu steigen.
Andrerseits kommen jetzt erst in merklichem Grad die Ritter her-
ein, die ohne Reservekapital oder überhaupt ohne Kapital arbeiten,
und daher ganz auf den Geldkredit hin operiren. Es kommt jetzt
auch hinzu die grosse Ansdehnung des fixen Kapitals in allen
Formen, und die massenhafte Eröffnung neuer weitreichender Unter-
nehmungen. Der Zins steigt jetzt auf seine Durchschnittshöhe.
Sein Maximum erreicht er wieder, sobald die neue Krisis herein-
bricht, der Kredit plötzlich aufhört, die Zahlungen stocken, der
Reproduktionsprocess gelähmt wird und, mit früher erwähnten Aus-
nahmen, neben fast absolutem Mangel von Leihkapital, Ueberfluss
von unbeschäftigtem industriellem Kapital eintritt.
Im Ganzen also verläuft die Bewegung des Leihkapitals, wie sie
sich im Zinsfuss ausdrückt, in umgekehrter Richtung zu der des
industriellen Kapitals. Die Phase, wo der niedrige, aber über dem
Minimum stehende Zinsfuss mit der „Besserung“ und dem wach-
senden Vertrauen nach der Krise zusammenfällt, und besonders
die Phase, wo er seine Durchschnittshöhe erreicht, die Mitte, gleich-
weit entfernt von seinem Minimum und Maximum, nur diese beiden
Momente drücken das Zusammenfallen von reichlichem Leihkapital
mit grosser Expansion des industriellen Kapitals aus. Aber am
Anfang des industriellen Cyklus ist der niedrige Zinsfuss zusammen-
fallend mit Kontraktion, und am Ende des Cyklus der hohe Zins-
fuss mit Ueberreichlichkeit von industriellem Kapital. Der niedrige
[27] Zinsfuss, der die „Besserung“ begleitet, drückt aus, dass der kom-
mercielle Kredit nur in geringem Mass des Bankkredits bedarf,
indem er noch auf seinen eignen Füssen steht.
Es verhält sich mit diesem industriellen Cyklus so, dass derselbe
Kreislauf, nachdem der erste Anstoss einmal gegeben, sich periodisch
reproduciren muss.8) Im Zustand der Abspannung sinkt die Pro-
duktion unter die Stufe, die sie im vorigen Cyklus erreicht, und
wofür jetzt die technische Basis gelegt ist. In der Prosperität —
der Mittelperiode — entwickelt sie sich weiter auf dieser Basis.
In der Periode der Ueberproduktion und des Schwindels spannt
sie die Produktivkräfte aufs höchste an, bis hinaus über die kapi-
talistischen Schranken des Produktionsprocesses.
Dass es in der Periode der Krise an Zahlungsmitteln fehlt, ist
selbsteinleuchtend. Die Konvertibilität der Wechsel hat sich sub-
stituirt der Metamorphose der Waaren selbst, und grade zu solcher
Zeit um so mehr, jemehr ein Theil der Geschäftshäuser bloss auf
Kredit arbeitet. Unwissende und verkehrte Bankgesetzgebung, wie
die von 1844—45, kann diese Geldkrise erschweren. Aber keine
Art Bankgesetzgebung kann die Krise beseitigen.
[28]
In einem Produktionssystem, wo der ganze Zusammenhang des
Reproduktionsprocesses auf dem Kredit beruht, wenn da der Kredit
plötzlich aufhört und nur noch baare Zahlung gilt, muss augen-
scheinlich eine Krise eintreten, ein gewaltsamer Andrang nach
Zahlungsmitteln. Auf den ersten Blick stellt sich daher die ganze
Krise nur als Kreditkrise und Geldkrise dar. Und in der That
handelt es sich nur um die Konvertibilität der Wechsel in Geld.
Aber diese Wechsel repräsentiren der Mehrzahl nach wirkliche
Käufe und Verkäufe, deren das gesellschaftliche Bedürfniss weit
überschreitende Ausdehnung schliesslich der ganzen Krisis zu
Grunde liegt. Daneben aber stellt auch eine ungeheure Masse
dieser Wechsel blosse Schwindelgeschäfte vor, die jetzt an’s Tages-
licht kommen und platzen; ferner mit fremdem Kapital getriebne,
aber verunglückte Spekulationen; endlich Waarenkapitale, die ent-
werthet oder gar unverkäuflich sind, oder Rückflüsse, die nie mehr
einkommen können. Das ganze künstliche System gewaltsamer
Ausdehnung des Reproduktionsprocesses kann natürlich nicht da-
durch kurirt werden, dass nun etwa eine Bank, z. B. die Bank
von England, in ihrem Papier allen Schwindlern das fehlende
Kapital gibt und die sämmtlichen entwertheten Waaren zu ihren
alten Nominalwerthen kauft. Uebrigens erscheint hier alles ver-
dreht, da in dieser papiernen Welt nirgendswo der reale Preis und
seine realen Momente erscheinen, sondern nur Barren, Hartgeld,
Noten, Wechsel, Werthpapiere. Namentlich in den Centren, wo
das ganze Geldgeschäft des Landes zusammengedrängt, wie London,
erscheint diese Verkehrung; der ganze Vorgang wird unbegreiflich;
weniger schon in den Centren der Produktion.
Uebrigens ist mit Bezug auf die in den Krisen zu Tage tretende
Ueberreichlichkeit des industriellen Kapitals zu bemerken: Das
Waarenkapital ist an sich zugleich Geldkapital, d. h. bestimmte
Werthsumme, ausgedrückt im Preis der Waare. Als Gebrauchs-
werth ist es bestimmtes Quantum bestimmter Gebrauchsgegenstände,
und dies ist im Moment der Krise im Ueberfluss vorhanden. Aber
als Geldkapital an sich, als potentielles Geldkapital, ist es be-
ständiger Expansion und Kontraktion unterworfen. Am Vorabend
der Krise und innerhalb derselben ist das Waarenkapital in seiner
Eigenschaft als potentielles Geldkapital kontrahirt. Es stellt für
seinen Besitzer und dessen Gläubiger (wie auch als Sicherheit für
Wechsel und Anleihen) weniger Geldkapital vor, als zur Zeit, wo
es eingekauft und wo die auf es begründeten Diskontirungen und
Pfandgeschäfte abgeschlossen wurden. Soll dies der Sinn der Be-
[29] hauptung sein, dass das Geldkapital eines Landes in Zeiten der
Klemme vermindert ist, so ist dies identisch damit, dass die Preise
der Waaren gefallen sind. Ein solcher Zusammenbruch der Preise
gleicht übrigens nur ihre frühere Aufblähung aus.
Die Einnahmen der unproduktiven Klassen und derer, die von
festem Einkommen leben, bleiben zum grössten Theil stationär
während der Preisaufblähung, die mit der Ueberproduktion und
Ueberspekulation Hand in Hand geht. Ihre Konsumtionsfähigkeit
vermindert sich daher relativ, und damit ihre Fähigkeit, den Theil
der Gesammtreproduktion zu ersetzen, der normaliter in ihre Kon-
sumtion eingehn müsste. Selbst wenn ihre Nachfrage nominell
dieselbe bleibt, nimmt sie in Wirklichkeit ab.
Mit Bezug auf Einfuhr und Ausfuhr ist zu bemerken, dass der
Reihe nach alle Länder in die Krisis verwickelt werden und dass
es sich dann zeigt, dass sie alle, mit wenigen Ausnahmen, zuviel
exportirt und importirt haben, also die Zahlungsbilanz gegen
alle ist, die Sache also in der That nicht an der Zahlungsbilanz
liegt. Z. B. England laborirt an Goldabfluss. Es hat überimportirt.
Aber zugleich sind alle andren Länder mit englischen Waaren
überladen. Sie haben also auch überimportirt, oder sind über-
importirt worden. (Allerdings tritt ein Unterschied ein zwischen dem
Land, das auf Kredit exportirt, und denen, die nicht oder nur
wenig gegen Kredit exportiren. Die letzteren importiren dann aber
auf Kredit; und dies ist nur dann nicht der Fall, wenn die Waare
dorthin auf Konsignation geschickt wird.) Die Krise mag zuerst in
England ausbrechen, in dem Lande, das den meisten Kredit gibt
und den wenigsten nimmt, weil die Zahlungsbilanz, die Bilanz der
fälligen Zahlungen, die sofort liquidirt werden muss, gegen es,
obgleich die allgemeine Handelsbilanz für es ist. Dies letztere
erklärt sich theils aus dem von ihm gegebnen Kredit, theils aus
der Masse ans Ausland verliehner Kapitale, sodass eine Masse Rück-
flüsse in Waaren, ausser den eigentlichen Handelsretouren, ihm zu-
strömen. (Die Krise brach aber zuweilen auch zuerst in Amerika
aus, dem Lande, das den meisten Handels- und Kapitalkredit von
England nimmt.) Der Krach in England, eingeleitet und begleitet
von Goldabfluss, saldirt Englands Zahlungsbilanz, theils durch den
Bankrott seiner Importeurs (worüber weiter unten), theils durch
Wegtreiben eines Theils seines Waarenkapitals zu wohlfeilen
Preisen ins Ausland, theils durch Verkauf fremder Werthpapiere,
Ankauf von englischen etc. Nun kommt die Reihe an ein andres
Land. Die Zahlungsbilanz war momentan für es; aber jetzt ist
[30] der in normalen Zeiten geltende Termin zwischen Zahlungsbilanz
und Handelsbilanz weggefallen oder doch verkürzt durch die Krise;
alle Zahlungen sollen auf einmal erledigt werden. Dieselbe Sache
wiederholt sich nun hier. England hat jetzt Goldrückfluss, das
andre Land Goldabfluss. Was in dem einen Land als Ueberein-
fuhr, erscheint in dem andren als Ueberausfuhr und umgekehrt.
Es hat aber Uebereinfuhr und Ueberausfuhr in allen Ländern statt-
gefunden (wir sprechen hier nicht von Missernten etc., sondern
von allgemeiner Krise); d. h. Ueberproduktion, befördert durch den
Kredit und die ihn begleitende allgemeine Aufblähung der Preise.
1857 brach die Krisis in den Vereinigten Staaten aus. Es er-
folgte Goldabfluss aus England nach Amerika. Aber sobald die
Aufblähung in Amerika geplatzt, erfolgte Krise in England und
Goldabfluss von Amerika nach England. Ebenso zwischen Eng-
land und dem Kontinent. Die Zahlungsbilanz ist in Zeiten der
allgemeinen Krise gegen jede Nation, wenigstens gegen jede kom-
merciell entwickelte Nation, aber stets bei einer nach der andern,
wie in einem Rottenfeuer, sobald die Reihe der Zahlung an sie
kommt; und die einmal, z. B. in England, ausgebrochne Krise
drängt die Reihe dieser Termine in eine ganz kurze Periode zu-
sammen. Es zeigt sich dann, dass alle diese Nationen gleichzeitig
überexportirt (also überproducirt) und überimportirt (also über-
handelt) haben, dass in allen die Preise aufgetrieben waren, und
der Kredit überspannt. Und bei allen folgt derselbe Zusammen-
bruch. Die Erscheinung des Goldabflusses kommt dann an alle der
Reihe nach, und zeigt eben durch ihre Allgemeinheit 1) dass der
Goldabfluss blosses Phänomen der Krise, nicht ihr Grund ist;
2) dass die Reihenfolge, worin er bei den verschiednen Nationen
eintritt, nur anzeigt, wann die Reihe an sie gekommen, ihre Rech-
nung mit dem Himmel zu schliessen, wann der Termin der Krise
bei ihnen eingetreten und die latenten Elemente derselben bei ihnen
zum Ausbruch kommen.
Es ist charakteristisch für die englischen ökonomischen Schrift-
steller — und die erwähnenswerthe ökonomische Literatur seit
1830 löst sich hauptsächlich auf in Literatur über currency, Kredit,
Krisen — dass sie den Export von Edelmetall, trotz der Wendung
der Wechselkurse, in Zeiten der Krise bloss vom Standpunkt von
England aus betrachten, als ein rein nationales Phänomen, und
ihre Augen resolut gegen die Thatsache verschliessen, dass wenn
ihre Bank in Zeiten der Krise den Zinsfuss erhöht, alle andern
europäischen Banken dasselbe thun, und dass, wenn heute bei
[31] ihnen der Nothschrei wegen des Goldabflusses ertönt, er morgen
in Amerika, übermorgen in Deutschland und Frankreich erschallt.
1847 „war den auf England laufenden Verpflichtungen“ [zum
sehr grossen Theil für Korn] „nachzukommen. Unglücklicher-
weise kam man ihnen grossentheils nach durch Bankrotte.“ [Das
reiche England verschaffte sich Luft durch Bankrott gegenüber
dem Kontinent und Amerika.] „Aber soweit man sie nicht durch
Bankrott erledigte, kam man ihnen nach durch Ausfuhr von Edel-
metallen.“ (Report of Committee on Bank-Acts, 1857.) Soweit
also die Krise in England verschärft wird durch die Bankgesetz-
gebung, ist diese Gesetzgebung ein Mittel, um in Zeiten der Hungers-
noth die kornausführenden Nationen zu prellen, erst um ihr Korn,
und dann um das Geld für ihr Korn. Ein Verbot der Kornaus-
fuhr in solchen Zeiten für Länder, die selbst mehr oder weniger
an Theuerung laboriren, ist also ein sehr rationelles Mittel gegen
diesen Plan der Bank von England, „Verpflichtungen nachzu-
kommen“ für Korneinfuhr „durch Bankrotte“. Es ist dann viel
besser, dass die Kornproducenten und Spekulanten einen Theil
ihres Profits zum Besten des Landes verlieren, als ihr Kapital zum
Besten Englands.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass das Waarenkapital seine
Eigenschaft, potentielles Geldkapital darzustellen, in der Krise und
überhaupt in Geschäftsstockungen in grossem Maß verliert. Das-
selbe gilt von dem fiktiven Kapital, den zinstragenden Papieren,
soweit diese selbst als Geldkapitale auf der Börse cirkuliren. Mit
dem steigenden Zins fällt ihr Preis. Er fällt ferner durch den
allgemeinen Kreditmangel, der ihre Eigner zwingt, sie massenweis
auf dem Markt loszuschlagen, um sich Geld zu verschaffen. Er
fällt endlich bei Aktien, theils in Folge der Abnahme der Revenuen,
worauf sie Anweisungen sind, theils in Folge des Schwindel-
charakters der Unternehmungen, die sie oft genug repräsentiren.
Dies fiktive Geldkapital ist in Krisen enorm vermindert, und damit
die Macht seiner Eigner, Geld darauf im Markt aufzunehmen. Die
Verminderung der Geldnamen dieser Werthpapiere im Kurszettel
hat jedoch nichts zu thun mit dem wirklichen Kapital, das sie vor-
stellen, dagegen sehr viel mit der Zahlungsfähigkeit seiner Eigner.
[32]
Einunddreissigstes Kapitel.
Geldkapital und wirkliches Kapital. II.
(Fortsetzung.)
Wir sind noch immer nicht zu Ende mit der Frage, wie weit
die Akkumulation des Kapitals in Form von leihbarem Geldkapital
zusammenfällt mit der wirklichen Akkumulation, der Erweiterung
des Reproduktionsprocesses.
Die Verwandlung von Geld in leihbares Geldkapital ist eine
viel einfachere Geschichte, als die Verwandlung von Geld in pro-
duktives Kapital. Aber wir haben hier zweierlei zu unterscheiden.
1) Die blosse Verwandlung von Geld in Leihkapital;
2) die Verwandlung von Kapital oder Revenue in Geld, das in
Leihkapital verwandelt wird.
Es ist bloss der letztere Punkt, der eine, mit der wirklichen
Akkumulation des industriellen Kapitals zusammenhängende, posi-
tive Akkumulation des Leihkapitals einschliessen kann.
1) Verwandlung von Geld in Leihkapital.
Wir haben bereits gesehn, dass eine Anhäufung, eine Ueber-
reichlichkeit von Leihkapital stattfinden kann, die nur insofern
mit der produktiven Akkumulation zusammenhängt, als sie im um-
gekehrten Verhältniss dazu steht. Dies ist in zwei Phasen des indu-
striellen Cyklus der Fall, nämlich erstens zur Zeit, wo das indu-
strielle Kapital, in den beiden Formen des produktiven und des
Waarenkapitals, kontrahirt ist, also am Beginn des Cyklus nach
der Krise; und zweitens zur Zeit, wo die Besserung beginnt, aber
der kommercielle Kredit den Bankkredit noch wenig in Anspruch
nimmt. Im ersten Fall erscheint das Geldkapitel, das früher in
Produktion und Handel angewandt war, als unbeschäftigtes Leih-
kapital; im zweiten Fall erscheint es in steigendem Maß ange-
wandt, aber zu sehr niedrigem Zinsfuss, weil jetzt der industrielle
und kommercielle Kapitalist dem Geldkapitalisten die Bedingungen
vorschreibt. Der Ueberfluss an Leihkapital drückt im ersten Fall
eine Stagnation des industriellen Kapitals aus, und im zweiten
relative Unabhängigkeit des kommerciellen Kredits vom Bankkredit,
beruhend auf Flüssigkeit des Rückstroms, kurzen Kreditterminen,
und vorwiegendem Arbeiten mit eignem Kapital. Die Spekulanten,
die auf fremdes Kreditkapital rechnen, sind noch nicht ins Feld
gerückt; die Leute, die mit eignem Kapital arbeiten, sind noch
weit entfernt von annähernd reinen Kreditoperationen. In der
ersteren Phase ist der Ueberfluss an Leihkapital das gerade Gegen-
[33] theil vom Ausdruck der wirklichen Akkumulation. In der zweiten
Phase fällt er zusammen mit erneuter Expansion des Reproduktions-
processes, begleitet sie, ist aber nicht Ursache davon. Der Ueber-
fluss an Leihkapital nimmt schon ab, ist nur noch relativ, im Ver-
hältniss zur Nachfrage. In beiden Fällen wird die Ausdehnung
des wirklichen Akkumulationsprocesses dadurch gefördert, weil der
niedrige Zins, der im ersten Fall mit niedrigen Preisen, im zweiten
mit langsam steigenden Preisen zusammenfällt, den Theil des Profits
vergrössert, der sich in Unternehmergewinn verwandelt. Noch
mehr findet dies statt beim Steigen des Zinses auf seinen Durch-
schnitt während der Höhe der Prosperitätszeit, wo er zwar ge-
wachsen ist, aber nicht im Verhältniss zum Profit.
Wir haben andrerseits gesehn, dass eine Akkumulation des Leih-
kapitals stattfinden kann, ohne alle wirkliche Akkumulation, durch
bloss technische Mittel, wie Ausdehnung und Koncentration des
Bankwesens, Ersparung der Cirkulationsreserve oder auch der
Reservefonds von Zahlungsmitteln der Privaten, die dadurch immer
für kurze Zeiten in Leihkapital verwandelt werden. Obgleich dies
Leihkapital, was daher auch schwebendes Kapital (floating capital)
genannt wird, stets nur für kurze Perioden die Form von Leih-
kapital behält (wie ja auch nur für kurze Perioden diskontirt
werden soll) so fliesst es beständig zu und ab. Zieht der eine es
weg, so bringt der andre es hin. Die Masse des leihbaren Geld-
kapitals (wir sprechen hier überhaupt nicht von Anleihen auf
Jahre, sondern nur von kurzlebigen gegen Wechsel und Depôt)
wächst so in der That ganz unabhängig von der wirklichen Akku-
mulation.
B. C. 1857. Frage 501. „Was verstehn Sie unter floating capital?“
[Herr Weguelin, Gouverneur der Bank von England:] „Es ist
Kapital, verwendbar für Geldanleihen auf kurze Zeit … (502.)
Noten der Bank von England … der Provinzialbanken, und der
Betrag des im Land vorhandnen Geldes. — [Frage:] Es scheint
nicht, nach den dem Ausschuss vorliegenden Ausweisen, dass, wenn
Sie unter floating capital die aktive Cirkulation“ [nämlich der
Noten der Bank von England] „verstehn, in dieser aktiven Cirku-
lation irgend welche sehr bedeutende Schwankung vorkommt?
[Es ist aber ein sehr grosser Unterschied, durch wen die aktive
Cirkulation vorgeschossen ist, ob durch den Geldverleiher, oder
durch den reproduktiven Kapitalisten selbst. — Antwort Weguelin’s:]
Ich schliesse in das floating capital die Reserven der Bankiers ein,
in denen bedeutende Schwankung ist.“ D. h. also, bedeutende
Marx, Kapital III. 2. 3
[34] Schwankung findet statt in dem Theil der Depositen, den die
Bankiers nicht wieder verliehen haben, sondern der als ihre Reserve,
grossentheils aber auch als die Reserve der Bank von England
figurirt, bei der sie deponirt sind. Zuletzt sagt derselbe Herr:
floating capital sei — bullion, d. h. Barren und Hartgeld. (503).
Es ist überhaupt wundervoll, wie in diesem Kreditkauderwelsch
des Geldmarkts alle Kategorien der politischen Oekonomie einen
andern Sinn und eine andre Form erhalten. Floating capital ist
dort der Ausdruck für circulating capital, was natürlich etwas
ganz andres ist, und money ist capital und bullion ist capital und
Banknoten sind circulation, und Kapital ist a commodity und
Schulden sind commodities und fixed capital ist Geld, das in schwer
verkäuflichen Papieren angelegt ist!
„Die Aktienbanken von London … haben ihre Depositen ver-
mehrt von 8850774 £ in 1847 auf 43100724 £ in 1857 …
Die dem Ausschuss vorgelegten Nachweise und Aussagen lassen
schliessen, dass von diesem ungeheuren Betrage ein grosser Theil
aus Quellen abgeleitet ist, die früher für diesen Zweck nicht be-
nutzbar waren; und dass die Gewohnheit eine Rechnung beim
Bankier zu eröffnen und Geld bei ihm zu deponiren, sich aus-
gedehnt hat auf zahlreiche Quellen, die früher für diesen Zweck
nicht benutzbar waren; und dass die Gewohnheit Rechnung beim
Bankier zu eröffnen und Geld bei ihm zu deponiren sich ausge-
breitet hat auf zahlreiche Klassen, die früher ihr Kapital (!) nicht
in dieser Weise anlegten, Herr Rodwell, Präsident der Association
der Provinzial-Privatbanken“ [im Unterschied von Aktienbanken]
„und delegirt von ihr, um vor dem Ausschuss auszusagen, gibt
an, dass in der Gegend von Ipswich diese Gewohnheit neuerdings
sich um’s vierfache vermehrt hat unter den Pächtern und Klein-
händlern jenes Bezirks; dass fast alle Pächter, selbst die nur 50 £
jährliche Pacht zahlen, jetzt bei Banken Depositen halten. Die
Masse dieser Depositen findet natürlich ihren Weg zur Verwendung
im Geschäft, und gravitirt namentlich nach London, dem Centrum
der kommerciellen Thätigkeit, wo sie zunächst Verwendung findet
im Wechseldiskonto und in andren Vorschüssen an die Kunden
der Londoner Bankiers. Ein grosser Theil jedoch, wofür die
Bankiers selbst keine unmittelbare Nachfrage haben, geht in die
Hände der billbrokers, die den Bankiers dagegen Handelswechsel
geben, welche sie schon einmal für Leute in London und in den
Provinzen diskontirt haben.“ (B. C. 1858, p. 8.)
Indem der Bankier auf die Wechsel, die der billbroker bereits
[35] einmal diskontirt hat, diesem billbroker Vorschüsse macht, redis-
kontirt er sie thatsächlich noch einmal; aber in Wirklichkeit sind
sehr viele dieser Wechsel bereits vom billbroker rediskontirt worden,
und mit demselben Geld, womit der Bankier die Wechsel des
billbroker’s rediskontirt, rediskontirt dieser neue Wechsel. Wozu
dies führt: „Ausgedehnte fiktive Kredite sind geschaffen worden
durch Akkomodationswechsel und Blankokredite, was sehr erleichtert
wurde durch das Verfahren der provinziellen Aktienbanken, die
solche Wechsel diskontirten und sie dann bei billbrokers im Lon-
doner Markt rediskontiren liessen, und zwar allein auf den Kredit
der Bank hin, ohne Rücksicht auf die sonstige Qualität der
Wechsel.“ (l. c.)
Ueber dies Rediskontiren und über den Vorschub, die diese
bloss technische Vermehrung des leihbaren Geldkapitals bei Kredit-
schwindeleien leistet, ist folgende Stelle aus dem Economist inter-
essant: „Während vieler Jahre akkumulirte sich das Kapital“
[nämlich das leihbare Geldkapital] „in einigen Distrikten des
Landes rascher als es angewandt werden konnte, während in andren
die Mittel seiner Anlage rascher wuchsen als das Kapital selbst.
Während so die Bankiers in den Ackerbaudistrikten keine Gelegen-
heit fanden ihre Depositen profitlich [und] sicher in ihrer eignen
Gegend anzulegen, hatten diejenigen in den Industriebezirken und
den Handelsstädten mehr Nachfrage nach Kapital als sie liefern
konnten. Die Wirkung dieser verschiednen Lagen in den ver-
schiednen Distrikten hat in den letzten Jahren zur Entstehung
und reissend schnellen Ausdehnung einer neuen, in der Vertheilung
des Kapitals beschäftigten Klasse von Häusern geführt, die, obgleich
gewöhnlich billbrokers genannt, in Wirklichkeit Bankiers auf dem
allergrössten Maßstabe sind. Das Geschäft dieser Häuser ist, für
bestimmt abgemachte Perioden und zu bestimmt abgemachten Zinsen
das Surplus-Kapital zu übernehmen von den Banken der Distrikte,
wo es nicht verwandt werden konnte, ebenso wie die zeitweis
brachliegenden Mittel von Aktiengesellschaften und grossen kauf-
männischen Häusern, und dies Geld vorzuschiessen, zu höherem
Zinsfuss, an die Banken der Distrikte, wo Kapital mehr gefragt
wird; in der Regel durch Rediskontiren der Wechsel von ihren
Kunden … So wurde Lombardstreet das grosse Centrum, wo die
Uebertragung von brachliegendem Kapital erfolgt von einem Theil
des Landes, wo es nicht nützlich verwandt werden kann, zu einem
andern, wo Nachfrage darnach; und dies sowohl für die ver-
schiednen Landestheile, wie auch für ähnlich gestellte Individuen.
3*
[36] Ursprünglich waren diese Geschäfte fast ausschliesslich beschränkt
auf Borgen und auf Leihen gegen bankmäßiges Unterpfand. Aber
im Verhältniss wie das Kapital des Landes rasch anwuchs und
durch Errichtung von Banken immer mehr ökonomisirt wurde,
wurden die Fonds zur Verfügung dieser Diskontohäuser so gross,
dass sie dazu übergingen, Vorschüsse zu machen, zuerst auf dock
warrants (Lagerscheine auf Waaren in den Docks) und dann auch
auf Ladescheine, die noch gar nicht angekommene Produkte reprä-
sentirten, obgleich manchmal, wenn nicht regelmäßig, schon
Wechsel darauf auf den Waarenmakler gezogen waren. Diese
Praxis änderte bald den ganzen Charakter des englischen Geschäfts.
Die so in Lombardstreet gebotnen Erleichterungen gaben den
Waarenmaklern in Mincing Lane eine sehr verstärkte Stellung;
diese gaben ihrerseits wieder den ganzen Vortheil den importirenden
Kaufleuten; diese letzteren nahmen so sehr Theil daran, dass,
während 25 Jahre vorher Kreditnahme auf seine Ladescheine oder
selbst seine dock warrants den Kredit eines Kaufmanns ruinirt
hätte, in den letzten Jahren diese Praxis so allgemein wurde, dass
man sie als die Regel betrachten kann, und nicht mehr, wie vor
25 Jahren, als seltne Ausnahme. Ja dies System ist soweit aus-
gedehnt worden, dass grosse Summen in Lombard Street aufge-
nommen worden sind auf Wechsel, gezogen gegen die noch
wachsende Ernte entlegner Kolonien. Die Folge solcher Er-
leichterungen war, dass die Importkaufleute ihre auswärtigen Ge-
schäfte erweiterten, und ihr schwebendes (floating) Kapital, womit
ihr Geschäft bisher geführt worden, festlegten in der verwerflichsten
aller Anlagen, in Kolonialplantagen, worüber sie wenig oder gar
keine Kontrolle ausüben konnten. So sehn wir die direkte Ver-
kettung der Kredite. Das Kapital des Landes, das in unsern
Ackerbaudistrikten angesammelt, wird in kleinen Beträgen als
Depositen in Landbanken niedergelegt, nnd zur Verwendung in
Lombard Street centralisirt. Aber nutzbar gemacht worden ist es
erstens zur Ausdehnung des Geschäfts in unsern Bergwerks- und
Industriebezirken vermittelst Rediskontiren von Wechseln an dortige
Banken; sodann aber auch zur Gewährung grössrer Erleichterungen
an Importeure auswärtiger Produkte durch Vorschüsse auf dock
warrants und Ladescheine, wodurch das „legitime“ Kaufmanns-
kapital von Häusern im auswärtigen und Kolonialgeschäft freige-
setzt und so zu den verwerflichsten Anlagearten in überseeischen
Plantagen verwandt werden konnte.“ (Economist, 1847, p. 1334.)
Es ist dies die „schöne“ Verschlingung der Kredite. Der länd-
[37] liche Depositor bildet sich ein, nur bei seinem Bankier zu depo-
niren, und bildet sich ferner ein, dass wenn der Bankier ausleiht,
dies an diesem bekannte Privatpersonen geschieht. Er hat nicht
die entfernteste Ahnung, dass dieser Bankier sein Depositum zur
Verfügung eines Londoner billbrokers stellt, über dessen Operationen
sie beide nicht die geringste Kontrolle haben.
Wie grosse öffentliche Unternehmungen, z. B. Eisenbahnbau,
momentan das Leihkapital vermehren können, indem die eingezahlten
Beträge bis zu ihrer wirklichen Verwendung immer während einer
gewissen Zeit in den Händen der Banken disponibel bleiben, haben
wir bereits gesehn.
Die Masse des Leihkapitals ist übrigens durchaus verschieden
von der Quantität der Cirkulation. Unter Quantität der Cirkulation
verstehn wir hier die Summe aller in einem Lande befindlichen,
cirkulirenden Banknoten und alles Hartgeldes, incl. der Barren
von Edelmetall. Ein Theil dieser Quantität bildet die ihrer Grösse
nach stets wechselnde Reserve der Banken.
„Am 12. Nov. 1857“ [dem Datum der Suspension des Bankakts
von 1844] „betrug die Gesammtreserve der Bank von England,
alle Zweigbanken einbegriffen, nur 580751 £; die Summe der Depo-
siten betrug gleichzeitig 22½ Millionen £, wovon nahe an 6½
Millionen den Londoner Bankiers gehörten.“ (B. A. 1858. p. LVII.)
Die Variationen des Zinsfusses (abgesehn von den in längern
Perioden erfolgenden, oder von dem Unterschied des Zinsfusses in
verschiednen Ländern; die erstern sind bedingt durch Variationen
in der allgemeinen Profitrate, die zweiten durch Differenzen in den
Profitraten und in der Entwicklung des Kredits) hängen ab vom
Angebot des Leihkapitals (alle andern Umstände, Stand des Ver-
trauens etc., gleichgesetzt), d. h. des Kapitals, das in Form von
Geld, Hartgeld und Noten, verliehen wird; im Unterschied zum in-
dustriellen Kapital, das als solches, in Waarenform, vermittelst des
kommerciellen Kredits, unter den reproduktiven Agenten selbst ver-
liehen wird.
Aber dennoch ist die Masse dieses leihbaren Geldkapitals ver-
schieden und unabhängig von der Masse des cirkulirenden Geldes.
Wenn 20 £ z. B. fünfmal per Tag verliehen würden, so würde
ein Geldkapital von 100 £ verliehen, und dies würde zugleich ein-
schliessen, dass diese 20 £ ausserdem wenigstens viermal als
Kauf- oder Zahlungsmittel fungirt hätten; denn wäre es ohne Ver-
mittlung von Kauf und Zahlung, sodass es nicht wenigstens viermal
[38] die verwandelte Form von Kapital (Waare, darunter auch Arbeits-
kraft eingeschlossen) vorgestellt hätte, würde es nicht ein Kapital
von 100 £, sondern nur fünf Forderungen auf je 20 £ konstituiren.
In Ländern von entwickeltem Kredit können wir annehmen, dass
alles zur Verleihung disponible Geldkapital in der Form von
Depositen bei Banken und Geldverleihern existirt. Dies gilt
wenigstens für das Geschäft im Ganzen und Grossen. Zudem wird
in guten Geschäftszeiten, ehe die eigentliche Spekulation losgelassen
wird, bei leichtem Kredit und wachsendem Vertrauen der grösste
Theil der Cirkulationsfunktionen durch einfache Kreditübertragung
erledigt, ohne Dazwischenkunft von Metall- oder papiernem Geld.
Die blosse Möglichkeit grosser Depositenbeträge, bei relativ ge-
ringem Quantum von Cirkulationsmitteln, hängt einzig ab:
1) von der Anzahl der Käufe und Zahlungen, die dasselbe Geld-
stück verrichtet;
2) der Anzahl seiner Rückwanderungen, worin es als Depositum
zu den Banken zurückkehrt, sodass seine wiederholte Funktion als
Kauf- und Zahlungsmittel vermittelt ist durch seine erneuerte Ver-
wandlung in Depositum. Z. B. ein Kleinhändler deponire wöchent-
lich beim Bankier 100 £ in Geld; der Bankier zahlt damit einen
Theil des Depositums des Fabrikanten aus; dieser zahlt es weg an
die Arbeiter; diese zahlen damit beim Kleinhändler, der es aufs
neue bei der Bank deponirt. Die vom Kleinhändler deponirten
100 £ haben also gedient, erstens ein Depositum des Fabrikanten
auszuzahlen, zweitens die Arbeiter zu zahlen, drittens den Klein-
händler selbst zu zahlen, viertens einen ferneren Theil des Geld-
kapitals desselben Kleinhändlers zu deponiren; denn am Schluss
von 20 Wochen, wenn er selbst nicht gegen dies Geld zu ziehn
hätte, hätte er so mit denselben 100 £ 2000 £ beim Bankier
deponirt.
Wie weit dies Geldkapital unbeschäftigt ist, zeigt sich nur im
Ab- und Zufluss der Reservefonds der Banken. Daher schliesst
Herr Weguelin, 1857 Gouverneur der Bank von England, dass das
Gold in der Bank von England das „einzige“ Reservekapital ist:
„1258. Nach meiner Ansicht wird die Diskontrate thatsächlich
bestimmt durch den Belauf des unbeschäftigten Kapitals, das im
Land vorhanden ist. Der Betrag des unbeschäftigten Kapitals wird
repräsentirt durch die Reserve der Bank von England, die that-
sächlich eine Goldreserve ist. Wenn also das Gold abfliesst, so
vermindert dies den Betrag des unbeschäftigten Kapitals im Lande,
und steigert deshalb den Werth des noch übrigen Theils. — 1364.
[39] Die Goldreserve der Bank von England ist in Wahrheit die Central-
reserve oder der Baarschatz, auf Grundlage wovon das ganze
Geschäft des Landes bewirkt wird … Es ist dieser Schatz oder
dies Reservoir, worauf die Wirkung der auswärtigen Wechselkurse
immer fällt.“ (Report on Bank Acts 1857.)
Für die Akkumulation des wirklichen, d.h. produktiven und Waaren-
kapitals gibt einen Maßstab die Statistik der Ausfuhr und Einfuhr.
Und da zeigt sich stets, dass für die in zehnjährigen Cyklen sich be-
wegende Entwicklungsperiode der englischen Industrie (1815—1870)
jedesmal das Maximum der letzten Prosperitätszeit vor der Krise
als Minimum der nächstfolgenden Prosperitätszeit wieder erscheint,
um dann zu einem weit höheren neuen Maximum zu steigen.
Der wirkliche oder deklarirte Werth der ausgeführten Produkte
von Grossbritannien und Irland im Prosperitätsjahr 1824 war
40396300 £. Der Betrag der Ausfuhr fällt dann mit der Krisis
von 1825 unter diese Summe und schwankt zwischen 35 und
39 Millionen jährlich. Mit der wiederkehrenden Prosperität 1834
steigt er über das frühere höchste Niveau auf 41649191 £, und
erreicht 1836 das neue Maximum von 53368571 £. Mit 1837
fällt er wieder auf 42 Millionen, sodass das neue Minimum bereits
höher steht als das alte Maximum, und schwankt dann zwischen
50 und 53 Millionen. Die Rückkehr der Prosperität hebt den
Ausfuhrbetrag 1844 auf 58½ Millionen, wo das Maximum von
1836 schon wieder weit übertroffen ist. 1845 erreicht er 60111082 £;
fällt dann auf über 57 Millionen 1846, 1847 beinahe 59 Millionen,
1848 beinahe 53 Millionen, steigt 1849 auf 63½ Millionen, 1853
beinahe 99 Millionen, 1854 97 Millionen, 1855 94½ Millionen,
1856 beinahe 116 Millionen und erreicht das Maximum 1857 mit
122 Millionen. Er fällt 1858 auf 116 Millionen, steigt aber schon
1859 auf 130 Millionen, 1860 beinahe 136 Millionen, 1861 nur
125 Millionen (hier wieder das neue Minimum höher als das
frühere Maximum), 1863 146½ Millionen.
Dasselbe könnte natürlich auch nachgewiesen werden für die
Einfuhr, die die Ausdehnung des Markts zeigt; hier haben wir es
nur mit der Stufenleiter der Produktion zu thun. [Dies gilt für
England selbstverständlich nur für die Zeit des thatsächlichen in-
dustriellen Monopols; es gilt aber überhaupt für die Gesammtheit
der Länder mit moderner grosser Industrie, solange der Weltmarkt
sich noch expandirt. — F. E.]
[40]
2) Verwandlung von Kapital oder Revenue in Geld, das
in Leihkapital verwandelt wird.
Wir betrachten hier die Akkumulation des Geldkapitals, soweit
sie nicht Ausdruck ist entweder einer Stockung im Fluss des
kommerciellen Kredits, oder aber einer Oekonomisirung, sei es des
wirklich umlaufenden Mittels, sei es des Reservekapitals der in der
Reproduktion beschäftigten Agenten.
Ausser diesen beiden Fällen kann Akkumulation von Geldkapital
entstehn durch aussergewöhnlichen Goldzufluss, wie 1852 und 53
in Folge der australischen und kalifornischen neuen Goldminen.
Solches Gold wurde in der Bank von England deponirt. Die
Depositoren nahmen Noten dagegen, die sie nicht wieder direkt
bei Bankiers deponirten. Dadurch wurde das cirkulirende Mittel
aussergewöhnlich vermehrt. (Aussage von Weguelin, B. C. 1857,
No. 1329.) Die Bank suchte diese Depositen zu verwerthen durch
Erniedrigung des Discontos auf 2 %. Die in der Bank aufgehäufte
Goldmasse stieg während sechs Monaten von 1853 auf 22—23 Mill.
Die Akkumulation aller Geld verleihenden Kapitalisten geschieht
selbstredend stets unmittelbar in der Geldform, während wir gesehn
haben, dass die wirkliche Akkumulation der industriellen Kapi-
talisten in der Regel durch Vermehrung der Elemente des reproduk-
tiven Kapitals selbst sich vollzieht. Die Entwicklung des Kredit-
wesens und die ungeheure Koncentration des Geld verleihenden
Geschäfts in den Händen grosser Banken muss also an und für
sich schon die Akkumulation des leihbaren Kapitals beschleunigen
als eine von der wirklichen Akkumulation verschiedne Form.
Diese rasche Entwicklung des Leihkapitals ist daher ein Resultat
der wirklichen Akkumulation, denn sie ist die Folge der Ent-
wicklung des Reproduktionsprocesses, und der Profit, der die Akku-
mulationsquelle dieser Geldkapitalisten bildet, ist nur ein Abzug
von dem Mehrwerth, den die Reproduktiven herausschlagen (zu-
gleich Aneignung eines Theils des Zinses von fremden Ersparungen).
Das Leihkapital akkumulirt auf Kosten zugleich der Industriellen
und Kommerciellen. Wir haben gesehn, wie in den ungünstigen
Phasen des industriellen Cyklus der Zinsfuss so hoch steigen kann,
dass er für einzelne, besonders nachtheilig gestellte Geschäftszweige
den Profit zeitweilig ganz verschlingt. Gleichzeitig fallen die Preise
der Staatseffekten und andren Werthpapiere. Dies ist der Moment,
wo die Geldkapitalisten diese entwertheten Papiere massenhaft auf-
kaufen, die in den spätern Phasen bald wieder auf und über ihre
normale Höhe steigen. Dann werden sie losgeschlagen und so ein
[41] Theil des Geldkapitals des Publikums angeeignet. Der Theil, der
nicht losgeschlagen wird, wirft höhere Zinsen ab, weil unter dem
Preis gekauft. Allen Profit aber, den die Geldkapitalisten machen,
und den sie in Kapital rückverwandeln, verwandeln sie zunächst
in leihbares Geldkapital. Die Akkumulation des letzteren, als unter-
schieden von der wirklichen Akkumulation, obgleich deren Spröss-
ling, folgt also schon, wenn wir nur die Geldkapitalisten, Bankiers
etc. selbst betrachten, als Akkumulation dieser besonderen Klasse
von Kapitalisten. Und sie muss wachsen mit jeder Ausdehnung
des Kreditwesens, wie es die wirkliche Erweiterung des Reproduk-
tionsprocesses begleitet.
Steht der Zinsfuss niedrig, so fällt diese Entwerthung des
Geldkapitals hauptsächlich auf die Depositoren, nicht auf die
Banken. Vor der Entwicklung der Aktienbanken lagen in Eng-
land ¾ aller Depositen bei den Banken unverzinst. Wo jetzt
Zins dafür gezahlt wird, beträgt dieser mindestens 1 % weniger
als der Tageszinsfuss.
Was die Geldakkumulation der übrigen Klassen von Kapitalisten
anbetrifft, so sehn wir ab von dem Theil, der in zinstragenden
Papieren angelegt wird und in dieser Form akkumulirt. Wir be-
trachten bloss den Theil, der als leihbares Geldkapital auf den
Markt geworfen wird.
Wir haben hier erstens den Theil des Profits, der nicht als
Revenue verausgabt, sondern zur Akkumulation bestimmt wird,
wofür aber die industriellen Kapitalisten zunächst keine Verwendung
in ihrem eignen Geschäft haben. Unmittelbar existirt dieser Profit
im Waarenkapital, von dessen Werth er einen Theil ausmacht,
und wird mit diesem in Geld realisirt. Wird er nun nicht (wir
sehn zunächst vom Kaufmann ab, von dem wir besonders sprechen
werden) rückverwandelt in die Produktionselemente des Waaren-
kapitals, so muss er eine zeitlang in Form des Geldes verharren.
Diese Masse steigt mit der Masse des Kapitals selbst, auch bei
abnehmender Profitrate. Der Theil, der als Revenue verausgabt
werden soll, wird nach und nach verzehrt, bildet aber in der
Zwischenzeit als Depositum Leihkapital beim Bankier. Also selbst
das Wachsen des als Revenue verausgabten Theils des Profits
drückt sich aus in einer allmäligen sich beständig wiederholenden
Akkumulation von Leihkapital. Und ebenso der andre Theil, der
zur Akkumulation bestimmt ist. Mit Entwicklung des Kredit-
wesens und seiner Organisation drückt sich also selbst das Steigen
der Revenue, d. h. der Konsumtion der industriellen und kommer-
[42] ciellen Kapitalisten aus als Akkumulation von Leihkapital. Und
dies gilt von allen Revenuen, soweit sie nach und nach verzehrt
werden, also von Grundrente, Arbeitslohn in seinen höhern Formen,
Einnahme der unproduktiven Klassen etc. Sie alle nehmen für
eine gewisse Zeit die Form der Geldrevenue an, und sind daher
verwandelbar in Depositen und damit in Leihkapital. Es gilt von
aller Revenue, ob zur Konsumtion oder zur Akkumulation bestimmt,
sobald sie in irgend welcher Geldform existirt, dass sie ein in
Geld verwandelter Werththeil des Waarenkapitals ist, und daher Aus-
druck und Resultat der wirklichen Akkumulation, aber nicht das
produktive Kapital selbst. Wenn ein Spinner sein Garn ausge-
tauscht hat gegen Baumwolle, den Theil aber, der Revenue bildet,
gegen Geld, so ist das wirkliche Dasein seines industriellen Kapitals
das Garn, das in die Hand des Webers oder auch etwa des Privat-
konsumenten übergegangen, und zwar ist das Garn das Dasein —
sei es für Reproduktion, sei es für Konsumtion — sowohl des
Kapitalwerths wie des Mehrwerths, der in ihm steckt. Die Grösse
des in Geld verwandelten Mehrwerths hängt ab von der Grösse
des im Garn steckenden Mehrwerths. Sobald es aber in Geld
verwandelt, ist dies Geld nur das Werthdasein dieses Mehrwerths.
Und als solches wird es Moment des Leihkapitals. Dazu ist nichts
nöthig, als dass es sich in Depositum verwandelt, wenn nicht schon
durch seinen Eigner selbst ausgeliehn. Um in produktives Kapital
rückverwandelt zu werden, muss es dagegen schon eine bestimmte
Minimalgrenze erreicht haben.
Zweiunddreissigstes Kapitel.
Geldkapital und wirkliches Kapital. III.
(Schluss.)
Die Masse des so in Kapital rückzuverwandelnden Geldes ist
Resultat des massenhaften Reproduktionsprocesses, aber für sich
betrachtet, als leihbares Geldkapital, ist sie nicht selbst Masse von
reproduktivem Kapital.
Das Wichtigste von dem bisher Entwickelten ist, dass die Aus-
dehnung des Theils der Revenue, der zur Konsumtion bestimmt
ist (wobei vom Arbeiter abgesehn wird, weil seine Revenue = dem
variablen Kapital), zunächst als Akkumulation von Geldkapital sich
darstellt. Es geht also ein Moment in die Akkumulation des
Geldkapitals ein, das wesentlich verschieden ist von der wirklichen
[43] Akkumulation des industriellen Kapitals; denn der zur Konsumtion
bestimmte Theil des jährlichen Produkts wird in keiner Weise
Kapital. Ein Theil davon ersetzt Kapital, d. h. das konstante
Kapital der Producenten von Konsumtionsmitteln, aber, soweit er
wirklich sich in Kapital verwandelt, existirt er in der Naturalform
der Revenue der Producenten dieses konstanten Kapitals. Dasselbe
Geld, das die Revenue repräsentirt, das als blosser Vermittler der
Konsumtion dient, verwandelt sich regelmäßig für eine Zeitlang,
in leihbares Geldkapital. Soweit dies Geld Arbeitslohn darstellt,
ist es zugleich die Geldform des variablen Kapitals; und soweit
es das konstante Kapital der Producenten von Konsumtionsmitteln
ersetzt, ist es die Geldform, die ihr konstantes Kapital momentan
annimmt, und dient zum Ankauf der Naturalelemente ihres zu er-
setzenden konstanten Kapitals. Weder in der einen noch in der
andern Form drückt es an sich Akkumulation aus, obgleich seine
Masse wächst mit dem Umfang des Reproduktionsprocesses. Aber
es verrichtet zeitweilig die Funktion von ausleihbarem Geld, also
von Geldkapital. Nach dieser Seite hin muss also die Akkumu-
lation des Geldkapitals immer eine grössere Akkumulation von
Kapital wiederspiegeln, als wirklich vorhanden ist, indem die Aus-
dehnung der individuellen Konsumtion, weil vermittelt durch Geld,
als Akkumulation von Geldkapital erscheint, weil sie die Geldform
liefert für wirkliche Akkumulation, für Geld, das neue Kapital-
anlagen eröffnet.
Die Akkumulation des leihbaren Geldkapitals drückt also zum
Theil nichts aus als die Thatsache, dass alles Geld, worin das in-
dustrielle Kapital im Process seines Kreislaufs sich verwandelt, die
Form annimmt, nicht von Geld, das die Reproduktiven vor-
schiessen, sondern von Geld, das sie borgen; sodass in der That
der Vorschuss des Geldes, der im Reproduktionsprocess geschehn
muss, als Vorschuss von geliehenem Geld erscheint. In der That
leiht auf Grundlage des kommerciellen Kredits der eine dem andern
das Geld, das er im Reproduktionsprocess braucht. Dies nimmt
nun aber die Form an, dass der Bankier, dem ein Theil der Re-
produktiven es leiht, es dem andern Theil der Reproduktiven leiht,
wobei dann der Bankier als der Segenspender erscheint; und zu-
gleich, dass die Verfügung über dies Kapital ganz in die Hände
der Bankiers als Mittelspersonen geräth.
Es sind nun noch einige besondre Formen der Akkumulation
von Geldkapital anzuführen. Es wird Kapital freigesetzt, z. B.
durch Fall im Preis der Produktionselemente, Rohstoffe etc. Kann
[44] der Industrielle nicht unmittelbar seinen Reproduktionsprocess aus-
dehnen, so wird ein Theil seines Geldkapitals als überschüssig aus
dem Kreislauf abgestossen, und verwandelt sich in leihbares Geld-
kapital. Zweitens aber wird Kapital in Geldform freigesetzt, nament-
lich beim Kaufmann, sobald Unterbrechungen im Geschäft ein-
treten. Hat der Kaufmann eine Reihe von Geschäften erledigt,
und kann in Folge solcher Unterbrechungen die neue Reihe erst
später beginnen, so repräsentirt das realisirte Geld für ihn nur
Schatz, überschüssiges Kapital. Aber zugleich stellt es unmittelbar
Akkumulation von leihbarem Geldkapital dar. Im ersten Fall
drückt die Akkumulation des Geldkapitals Wiederholung des Re-
produktionsprocesses unter günstigern Bedingungen aus, wirkliches
Freiwerden eines Theils des früher gebundnen Kapitals, also Be-
fähigung zur Erweiterung des Reproduktionsprocesses mit denselben
Geldmitteln. Im andern Fall dagegen blosse Unterbrechung des
Flusses der Transaktionen. Aber in beiden Fällen verwandelt es
sich in leihbares Geldkapital, stellt Akkumulation desselben dar,
wirkt gleichmäßig auf Geldmarkt und Zinsfuss, obgleich es hier
Beförderung, dort Hemmung des wirklichen Akkumulationsprocesses
ausdrückt. Endlich wird Akkumulation von Geldkapital bewirkt
durch die Anzahl von Leuten, die ihr Schäfchen ins Trockne ge-
bracht, und die sich von der Reproduktion zurückziehn. Jemehr
Profite im Lauf des industriellen Cyklus gemacht worden, desto
grösser ihre Anzahl. Hier drückt die Akkumulation des leihbaren
Geldkapitals einerseits wirkliche Akkumulation aus (ihrem relativen
Umfang nach); andrerseits bloss den Umfang der Verwandlung
industrieller Kapitalisten in blosse Geldkapitalisten.
Was nun den andern Theil des Profits angeht, der nicht be-
stimmt ist als Revenue konsumirt zu werden, so verwandelt er
sich nur in Geldkapital, wenn nicht unmittelbar anwendbar zur
Erweiterung des Geschäfts in der Produktionssphäre, worin er ge-
macht ist. Dies kann aus zwei Gründen herrühren. Entweder
weil diese Sphäre mit Kapital gesättigt ist. Oder weil die Akku-
mulation, um als Kapital fungiren zu können, erst einen gewissen
Umfang erreicht haben muss, je nach den Maßverhältnissen der
Anlage von neuem Kapital in diesem bestimmten Geschäft. Sie
verwandelt sich also zunächst in leihbares Geldkapital und dient
zur Erweiterung der Produktion in andren Sphären. Alle andren
Umstände als gleichbleibend angenommen, wird die Masse des zur
Rückverwandlung in Kapital bestimmten Profits abhängen von der
Masse des gemachten Profits, und daher von der Ausdehnung des
[45] Reproduktionsprocesses selbst. Stösst aber diese neue Akkumulation
in ihrer Anwendung auf Schwierigkeiten, auf Mangel an Anlage-
sphären, findet also Ueberfüllung der Produktionszweige und Ueber-
angebot von Leihkapital statt, so beweist diese Plethora des leih-
baren Geldkapitals nichts als die Schranken der kapitalistischen
Produktion. Der nachfolgende Kreditschwindel beweist, dass kein
positives Hinderniss der Anwendung dieses überflüssigen Kapitals
besteht. Wohl aber ein Hinderniss vermöge seiner Verwerthungs-
gesetze, vermöge der Schranken, worin sich das Kapital als Kapital
verwerthen kann. Plethora von Geldkapital als solchem drückt
nicht nothwendig Ueberproduktion aus, noch auch nur Mangel an
Verwendungssphären für Kapital.
Die Akkumulation des Leihkapitals besteht einfach darin, dass
Geld sich als verleihbares Geld niederschlägt. Dieser Process ist
sehr verschieden von der wirklichen Verwandlung in Kapital; es
ist nur die Akkumulation von Geld in einer Form, worin es in
Kapital verwandelt werden kann. Diese Akkumulation kann aber,
wie nachgewiesen, Momente ausdrücken, die von der wirklichen
Akkumulation sehr verschieden sind. Bei beständiger Erweiterung
der wirklichen Akkumulation, kann diese erweiterte Akkumulation
von Geldkapital theils ihr Resultat sein, theils das Resultat von
Momenten, die sie begleiten, aber ganz von ihr verschieden sind,
theils endlich auch das Resultat sogar von Stockungen der wirk-
lichen Akkumulation. Schon weil die Akkumulation von Leih-
kapital angeschwellt wird durch solche, von der wirklichen Akku-
mulation unabhängige, aber dennoch sie begleitende Momente,
muss in bestimmten Phasen des Cyklus beständig Plethora von
Geldkapital stattfinden, und diese Plethora mit der Ausbildung des
Kredits sich entwickeln. Mit ihr muss sich also zugleich die
Nothwendigkeit entwickeln, den Productionsprocess über seine
kapitalistischen Schranken hinauszutreiben: Ueberhandel, Ueber-
produktion, Ueberkredit. Gleichzeitig muss dies stets in Formen
geschehn, die einen Rückschlag hervorrufen.
Was die Akkumulation des Geldkapitals aus Grundrente, Arbeits-
lohn etc. angeht, so ist es überflüssig hier darauf einzugehn.
Nur dies Moment ist hervorzuheben, dass das Geschäft des wirk-
lichen Sparens und Entsagens (durch Schatzbildner), soweit es
Elemente der Akkumulation liefert, durch die Theilung der Arbeit
im Fortschritt der kapitalistischen Produktion denen überlassen
wird, die das Minimum solcher Elemente beziehn, und oft genug
noch ihr Erspartes verlieren, wie die Arbeiter bei Falliten von
[46] Banken. Einerseits wird das Kapital des industriellen Kapitalisten
nicht von ihm selbst „erspart“, sondern im Verhältniss zur Grösse
seines Kapitals verfügt er über fremde Ersparungen; andrerseits
macht der Geldkapitalist die fremden Ersparungen zu seinem
Kapital, und den Kredit, den sich die reproduktiven Kapitalisten
unter einander geben, und den ihnen das Publikum gibt, zu seiner
privaten Bereicherungsquelle. Die letzte Illusion des kapitalistischen
Systems, als ob Kapital der Sprössling eigner Arbeit und Er-
sparung wäre, geht damit in die Brüche. Nicht nur besteht der
Profit in Aneignung fremder Arbeit, sondern das Kapital, womit
diese fremde Arbeit in Bewegung gesetzt und ausgebeutet wird,
besteht aus fremdem Eigenthum, das der Geldkapitalist den indu-
striellen Kapitalisten zur Verfügung stellt, und wofür er diesen
seinerseits exploitirt.
Es ist noch Einiges über das Kreditkapital zu bemerken.
Wie oft dasselbe Geldstück als Leihkapital figuriren kann, hängt,
wie schon oben entwickelt, ganz davon ab
1) wie oft es Waarenwerthe in Verkauf oder in Zahlung realisirt,
also Kapital überträgt, und ferner davon, wie oft es Revenue
realisirt. Wie oft es in andre Hand kommt als realisirter Werth,
sei es von Kapital oder Revenue, hängt daher offenbar ab von
Umfang und Masse der wirklichen Umsätze;
2) hängt dies ab von der Oekonomie der Zahlungen, und von
der Entwicklung und Organisation des Kreditwesens.
3) Endlich von der Verkettung und Aktionsgeschwindigkeit der
Kredite, sodass wenn es an einem Punkt als Depositum niederfällt,
es auf dem andern sofort wieder als Anleihe hinausgeht.
Selbst gesetzt die Form, worin das Leihkapitel existirt, sei bloss
die des wirklichen Geldes, Goldes oder Silbers, der Waare, deren
Stoff als Maß der Werthe dient, so ist nothwendig stets ein
grosser Theil dieses Geldkapitals bloss fiktiv, d. h. Titel auf Werth,
ganz wie die Werthzeichen. Soweit Geld fungirt im Kreislauf des
Kapitals, bildet es zwar für einen Moment Geldkapital; aber es
verwandelt sich nicht in leihbares Geldkapital, sondern wird ent-
weder ausgetauscht gegen die Elemente des produktiven Kapitals,
oder bei Realisirung der Revenue als Umlaufsmittel weggezahlt,
und kann sich also nicht für seinen Besitzer in Leihkapital ver-
wandeln. Soweit es sich aber in Leihkapital verwandelt, und das-
selbe Geld wiederholt Leihkapital vorstellt, ist klar, dass es nur
an Einem Punkt als metallisches Geld existirt; an allen andern
Punkten existirt es nur in der Form von Anspruch auf Kapital.
[47] Die Akkumulation dieser Ansprüche, nach der Voraussetzung, ent-
springt aus der wirklichen Akkumulation, d. h. aus der Verwandlung
des Werths des Waarenkapitals etc. in Geld; aber dennoch ist die
Akkumulation dieser Ansprüche oder Titel als solche verschieden,
sowohl von der wirklichen Akkumulation, der sie entspringt, wie
von der zukünftigen Akkumulation (dem neuen Produktionsprocess),
welche durch das Ausleihen des Geldes vermittelt wird.
Prima facie existirt das Leihkapital immer in der Form des
Geldes9), später als Anspruch auf Geld, indem das Geld, worin
es ursprünglich existirt, nun in der Hand des Borgers in wirklicher
Geldform vorhanden ist. Für den Verleiher hat es sich in Anspruch
auf Geld, in einen Eigenthumstitel verwandelt. Dieselbe Masse
wirkliches Geld kann daher sehr verschiedene Massen von Geld-
kapital vorstellen. Blosses Geld, ob es realisirtes Kapital oder
realisirte Revenue vorstellt, wird Leihkapital durch den blossen
Akt des Ausleihens, durch seine Verwandlung in Depositum, wenn
wir die allgemeine Form bei entwickeltem Kreditsystem betrachten.
Das Depositum ist Geldkapital für den Depositor. Es mag aber
in der Hand des Bankiers nur potentielles Geldkapital sein, das
in seiner Kasse brach liegt statt in der seines Eigenthümers10).
[48]
Mit dem Wachsthum des stofflichen Reichthums wächst die
Klasse der Geldkapitalisten; es vermehrt sich einerseits die Zahl
und der Reichthum der sich zurückziehenden Kapitalisten, der
Rentiers; und zweitens wird die Entwicklung des Kreditsystems
gefördert und damit die Zahl der Bankiers, Geldverleiher, Finan-
ciers etc. vermehrt. — Mit der Entwicklung des disponiblen Geld-
kapitals entwickelt sich die Masse der zinstragenden Papiere,
Staatspapiere, Aktien etc., wie früher entwickelt. Aber damit zu-
gleich die Nachfrage nach disponiblem Geldkapital, indem die
Jobbers, die in diesen Papieren Spekulationsgeschäfte machen, eine
Hauptrolle im Geldmarkt spielen. Wären alle Käufe und Verkäufe
dieser Papiere nur der Ausdruck wirklicher Kapitalanlage, so wäre
es richtig zu sagen, dass sie nicht auf die Nachfrage nach Leih-
kapital wirken können, indem, wenn A sein Papier verkauft, er
gerade soviel Geld herauszieht, wie B in das Papier steckt. Indess
selbst dann, da das Papier zwar existirt, aber nicht das Kapital
(wenigstens nicht als Geldkapital), das es ursprünglich vorstellt,
erzeugt es immer pro tanto neue Nachfrage für solches Geldkapital.
10)
[49] Aber jedenfalls ist es dann Geldkapital, worüber früher B, jetzt
A disponirt.
B. A. 1857. No. 4886: „Ist es nach Ihrer Ansicht eine richtige
Angabe der Ursachen, die die Diskontorate bestimmen, wenn ich
sage, dass sie geregelt wird durch die Menge des im Markt be-
findlichen Kapitals, das verwendbar ist für den Diskonto von
Handelswechseln, im Unterschied von andern Arten von Werth-
papieren? — [Chapman:] Nein; ich halte dafür, dass der Zinsfuss
afficirt wird durch alle leichtkonvertiblen Werthpapiere (all con-
vertible securities of a current character); es würde unrecht sein,
die Frage einfach auf den Wechseldiskonto zu beschränken; denn
wenn grosse Nachfrage für Geld besteht auf [Depôt von] Konsols,
oder selbst Schatzscheine, wie das neuerdings stark der Fall war,
und zu einem viel höhern als dem kommerciellen Zinsfuss, so wäre
es absurd zu sagen, dass unsre Handelswelt nicht davon berührt
würde; sie wird sehr wesentlich davon berührt. — 4890. Wenn
gute und gangbare Werthpapiere, wie Bankiers sie als solche an-
erkennen, im Markt sind, und die Eigner Geld darauf aufnehmen
wollen, so hat das ganz sicher seine Wirkung auf Handelswechsel;
ich kann z. B. nicht erwarten, dass ein Mann mir sein Geld zu
5 % auf Handelswechsel gibt, wenn er dies Geld gleichzeitig zu
6 % auf Konsols u. s. w. ausleihen kann; es afficirt uns in der-
selben Weise; Niemand kann von mir verlangen, dass ich seine
Wechsel zu 5½ % diskontire, wenn ich mein Geld zu 6 % ausleihen
kann. — 4892. Von Leuten, die für 2000 £ oder 5000 £ oder
10000 £ Werthpapiere als feste Kapitalanlagen kaufen, sprechen
wir nicht, als ob sie wesentlich auf den Geldmarkt einwirken.
Wenn Sie mich fragen nach dem Zinsfuss auf [Depôt von] Konsols,
so spreche ich von Leuten, die Geschäfte zum Betrag von Hundert-
tausenden machen, von so genannten Jobbers, die grosse Beträge
öffentlicher Anleihen zeichnen, oder im Markt kaufen, und die
dann diese Papiere halten müssen, bis sie sie mit einem Profit
loswerden können; diese Leute müssen zu diesem Zweck Geld
aufnehmen.“
Mit der Entwicklung des Kreditwesens werden grosse koncentrirte
Geldmärkte geschaffen, wie London, die zugleich Hauptsitze des
Handels in diesen Papieren sind. Die Bankiers stellen dem Ge-
lichter dieser Händler das Geldkapital des Publikums massenhaft
zur Verfügung, und so wächst diese Brut von Spielern. „Geld
ist auf der Effektenbörse gewöhnlich wohlfeiler als irgendwo
anders,“ sagt 1848 der damalige Gouverneur der Bank v. E.
Marx, Kapital III. 2. 4
[50] vor dem geheimen Komité der Lords, C. D. 1848, printed 1857,
No. 219.)
Es ist bereits bei Betrachtung des zinstragenden Kapitals dar-
gestellt worden, dass der Durchschnittszins für eine längere Reihe
von Jahren, bei sonst gleichbleibenden Umständen, bestimmt wird
durch die Durchschnittsrate des Profits; nicht des Unternehmer-
gewinns, der selbst nichts ist als der Profit minus den Zins.
Dass auch für die Variationen des kommerciellen Zinses — des
Zinses, der für Diskontirungen und Anleihen innerhalb des Kreises
der Handelswelt von den Geldverleihern berechnet wird — im
Verlauf des industriellen Cyklus eine Phase eintritt, wo der Zinsfuss
sein Minimum übersteigt und die mittlere Durchschnittshöhe er-
reicht (die er dann später überschreitet), und wo diese Bewegung
Folge des Steigens des Profits ist — auch dies ist bereits erwähnt
und wird noch weiter untersucht werden.
Indess ist hier zweierlei zu bemerken:
Erstens: Wenn der Zinsfuss sich für längere Zeit hochhält
(wir sprechen hier vom Zinsfuss in einem gegebnen Land wie
England, wo der mittlere Zinsfuss für längere Zeit gegeben ist, und
sich auch darstellt in dem für Anleihen auf längere Perioden be-
zahlten Zins, was man Privatzins nennen kann), so ist dies prima
facie Beweis, dass während dieser Zeit die Rate des Profits hoch
ist, beweist aber nicht nothwendig, dass die Rate des Unternehmer-
gewinns hoch ist. Dieser letztere Unterschied fällt mehr oder we-
niger weg für Kapitalisten, die vorwiegend mit eignem Kapital
arbeiten; sie realisiren die hohe Rate des Profits, da sie sich den
Zins selbst zahlen. Die Möglichkeit länger dauernden hohen Zins-
fusses — wir sprechen hier nicht von der Phase der eigentlichen
Klemme — ist gegeben mit hoher Rate des Profits. Es ist aber
möglich, dass diese hohe Profitrate, nach Abzug der hohen Zins-
rate, nur eine niedrige Rate des Unternehmergewinns übrig lässt.
Diese letztere mag einschrumpfen, während die hohe Profitrate
fortdauert. Es ist dies möglich, weil die einmal in Angriff ge-
nommenen Unternehmungen fortgeführt werden müssen. In dieser
Phase wird stark mit blossem Kreditkapital (fremdem Kapital)
gearbeitet; und die hohe Profitrate kann stellenweise spekulativ,
prospektiv sein. Hohe Zinsrate kann gezahlt werden mit hoher
Profitrate, aber abnehmendem Unternehmergewinn. Sie kann ge-
zahlt werden — und dies ist z. Th. der Fall in Zeiten der Speku-
lation — nicht aus dem Profit, sondern aus dem geborgten fremden
Kapital selbst, und dies kann eine Zeit lang fortdauern.
[51]
Zweitens: Der Ausdruck, dass die Nachfrage nach Geldkapital
und daher die Zinsrate wächst, weil die Profitrate hoch, ist nicht
identisch damit, dass die Nachfrage nach industriellem Kapital
wächst, und daher die Zinsrate hoch ist.
In Zeiten der Krise erreicht die Nachfrage nach Leihkapital und
damit die Zinsrate ihr Maximum; die Profitrate und mit ihr die
Nachfrage nach industriellem Kapital ist sogut wie verschwunden.
In solchen Zeiten borgt jeder nur um zu zahlen, um bereits ein-
gegangne Verpflichtungen abzuwickeln. Dagegen in Zeiten der
Wiederbelebung nach der Krise wird Leihkapital verlangt um zu
kaufen, und um das Geldkapital in produktives oder kommercielles
Kapital zu verwandeln. Und dann wird es verlangt entweder vom
industriellen Kapitalisten oder vom Kaufmann. Der industrielle
Kapitalist legt es aus in Produktionsmitteln und in Arbeitskraft.
Die steigende Nachfrage nach Arbeitskraft kann an sich nie
Grund sein für steigenden Zinsfuss, soweit er durch die Profitrate
bestimmt wird. Höherer Arbeitslohn ist nie Grund eines höhern
Profits, obgleich er, besondre Phasen des industriellen Cyklus be-
trachtet, eine seiner Folgen sein kann.
Es kann die Nachfrage nach Arbeitskraft zunehmen, weil die
Exploitation der Arbeit unter besonders günstigen Umständen vor
sich geht, aber die steigende Nachfrage nach Arbeitskraft und daher
nach variablem Kapital vermehrt an und für sich nicht den Profit,
sondern schmälert ihn pro tanto. Dennoch kann aber damit die
Nachfrage nach variablem Kapital zunehmen, also auch die Nach-
frage nach Geldkapital, und dies den Zinsfuss erhöhen. Der Markt-
preis der Arbeitskraft steigt dann über seinen Durchschnitt, es
wird eine mehr als die durchschnittliche Zahl von Arbeitern be-
schäftigt, und gleichzeitig steigt der Zinsfuss, weil mit jenen Um-
ständen die Nachfrage nach Geldkapital die steigende Nachfrage
nach Arbeitskraft vertheuert. Diese Waare wie jede andre steigert
ihren Preis, aber nicht den Profit, der hauptsächlich auf der rela-
tiven Wohlfeilheit gerade dieser Waare beruht. Sie erhöht aber
zugleich — unter den vorausgesetzten Umständen — die Zinsrate,
weil sie die Nachfrage nach Geldkapital erhöht. Verwandelte sich
der Geldkapitalist, statt das Geld auszuleihen, in einen Industriellen,
so würde der Umstand, dass er die Arbeit theurer zu zahlen hat,
an und für sich seinen Profit nicht erhöhen, sondern pro tanto ver-
mindern. Die Konjunktur der Umstände mag so sein, dass trotzdem
sein Profit steigt, aber nie weil er die Arbeit theurer zahlt. Der
letztre Umstand, soweit er die Nachfrage nach Geldkapital ver-
4*
[52] mehrt, ist aber hinreichend um die Zinsrate zu erhöhen. Stiege
aus irgend welchen Ursachen der Arbeitslohn, bei sonst ungünstigen
Konjunkturen, so würde das Steigen des Arbeitslohns die Profitrate
senken, aber die Zinsrate steigern in dem Maß, wie es die Nach-
frage nach Geldkapital vermehrte.
Von der Arbeit abgesehn, besteht das was Overstone die „Nach-
frage nach Kapital“ nennt, nur in Nachfrage nach Waaren. Die
Nachfrage nach Waaren steigert ihren Preis, sei es, dass sie über
den Durchschnitt steigt, oder dass die Zufuhr unter den Durch-
schnitt fällt. Wenn der industrielle Kapitalist oder Kaufmann jetzt
z. B. 150 £ für dieselbe Waarenmasse zu zahlen hat, wofür er
früher 100 £ zahlte, so hätte er 150 £ anzuleihen, wo sonst
100 £, und hätte daher bei 5 % Zins 7½ £ zu zahlen, wo er
sonst 5 £ zahlte. Die Masse des von ihm zu zahlenden Zinses
würde steigen, weil die Masse des geborgten Kapitals.
Der ganze Versuch des Herrn Overstone besteht darin, die In-
teressen des Leihkapitals und des industriellen Kapitals als iden-
tisch darzustellen, während sein Bankakt gerade darauf berechnet
ist, die Differenz dieser Interessen zum Vortheil des Geldkapi-
tals auszubeuten.
Es ist möglich, dass die Nachfrage nach Waaren, im Fall ihre
Zufuhr unter den Durchschnitt gefallen, nicht mehr Geldkapital
absorbirt als früher. Es ist dieselbe Summe, vielleicht eine klei-
nere, zu zahlen für ihren Gesammtwerth, aber für dieselbe Summe
wird ein kleineres Quantum von Gebrauchswerthen erhalten. In
diesem Falle wird die Nachfrage nach leihbarem Geldkapital die-
selbe bleiben, also der Zinsfuss nicht steigen, obgleich die Nach-
frage nach der Waare im Verhältniss zu ihrer Zufuhr, und daher
der Preis der Waare gestiegen wäre. Der Zinsfuss kann nur berührt
werden, sobald die Gesammtnachfrage nach Leihkapital wächst, und
dies ist unter obigen Voraussetzungen nicht der Fall.
Die Zufuhr eines Artikels kann aber auch unter den Durchschnitt
fallen, wie bei Missernte in Korn, Baumwolle etc., und die Nach-
frage nach Leihkapital wachsen, weil darauf spekulirt wird, dass
die Preise noch höher steigen, und das nächste Mittel sie steigen
zu machen, darin besteht, einen Theil der Zufuhr dem Markt zeit-
weilig zu entziehn. Um aber die gekaufte Waare zu bezahlen
ohne sie zu verkaufen, wird vermittelst der kommerciellen „Wechsel-
wirthschaft“ Geld verschafft. In diesem Fall wächst die Nachfrage
nach Leihkapital, und der Zinsfuss kann steigen in Folge dieses
Versuchs, die Zufuhr der Waare zum Markt künstlich zu ver-
[53] hindern. Der höhere Zinsfuss drückt dann eine künstliche Ver-
minderung der Zufuhr des Waarenkapitals aus.
Andrerseits kann die Nachfrage nach einem Artikel wachsen,
weil seine Zufuhr gewachsen ist und der Artikel unter seinem
Durchschnittspreis steht.
In diesem Fall kann die Nachfrage nach Leihkapital dieselbe
bleiben oder selbst fallen, weil mit derselben Geldsumme mehr
Waaren zu haben sind. Es könnte aber auch spekulative Vorrath-
bildung eintreten, theils zur Benutzung des günstigen Moments für
Produktionszwecke, theils in Erwartung späterer Preissteigerung.
In diesem Fall könnte die Nachfrage nach Leihkapital wachsen,
und der erhöhte Zinsfuss wäre so Ausdruck von Kapitalanlage in
überschüssiger Vorrathbildung von Elementen des produktiven Ka-
pitals. Wir betrachten hier nur die Nachfrage nach Leihkapital,
wie sie beeinflusst wird durch die Nachfrage und Zufuhr des
Waarenkapitals. Es ist schon früher auseinandergesetzt, wie der
wechselnde Stand des Reproduktionsprocesses in den Phasen des
industriellen Cyklus auf das Angebot von Leihkapital wirkt. Den
trivialen Satz, dass die Marktrate des Zinsfusses bestimmt ist durch
Zufuhr und Nachfrage von (Leih-) Kapital, wirft Overstone schlauer-
weise zusammen mit seiner eignen Annahme, wonach Leihkapital
identisch ist mit Kapital überhaupt, und sucht dadurch den
Wucherer in den einzigen Kapitalisten und sein Kapital in das
einzige Kapital zu verwandeln.
In Zeiten der Klemme ist die Nachfrage nach Leihkapital Nach-
frage nach Zahlungsmittel und weiter gar nichts; keineswegs Nach-
frage nach Geld als Kaufmittel. Der Zinsfuss kann dabei sehr hoch
gehn, einerlei ob reales Kapital — produktives und Waarenkapital
— im Uebermaß vorhanden oder knapp. Die Nachfrage nach
Zahlungsmitteln ist blosse Nachfrage nach Umsetzbarkeit in Geld,
soweit die Kaufleute und Producenten gute Sicherheiten bieten
können; sie ist Nachfrage nach Geldkapital, soweit dies nicht
der Fall ist, soweit also ein Vorschuss von Zahlungsmitteln ihnen
nicht nur die Geldform gibt, sondern das ihnen mangelnde
Aequivalent, in welcher Form es sei, zum Zahlen. Dies ist der
Punkt, wo beide Seiten der landläufigen Theorie bei Beurtheilung
der Krisen Recht und Unrecht haben. Die da sagen, dass bloss
Mangel an Zahlungsmitteln existirt, haben entweder bloss die Be-
sitzer von bona fide Sicherheiten im Auge, oder sind Narren, die
glauben, es sei die Pflicht und in der Macht einer Bank, durch
Papierzettel alle bankrotten Schwindler in zahlungsfähige solide
[54] Kapitalisten zu verwandeln. Die da sagen, dass bloss Mangel an
Kapital existirt, machen entweder blosse Wortklauberei, da ja
in solchen Zeiten das inkonvertible Kapital in Folge von Ueber-
einfuhr und Ueberproduktion massenhaft vorhanden ist, oder sie
sprechen bloss von jenen Kreditrittern, die nun in der That in
Umstände gesetzt sind, wo sie nicht länger fremdes Kapital er-
halten um damit zu wirthschaften, und nun verlangen, die Bank
solle ihnen nicht nur das verlorne Kapital zahlen helfen, sondern
sie auch noch zur Fortsetzung des Schwindels befähigen.
Es ist Grundlage der kapitalistischen Produktion, dass das Geld,
als selbständige Form des Werths, der Waare gegenübertritt, oder
dass der Tauschwerth selbstständige Form im Geld erhalten muss,
und dies ist nur möglich, indem eine bestimmte Waare das
Material wird, in deren Werth sich alle andern Waaren messen,
dass sie eben dadurch die allgemeine Waare, die Waare par
excellence im Gegensatz zu allen andern Waaren wird. Dies muss
sich in doppelter Hinsicht zeigen, und namentlich bei kapitalistisch
entwickelten Nationen, die das Geld in grossem Maß ersetzen,
einerseits durch Kreditoperationen, andrerseits durch Kreditgeld.
In Zeiten der Klemme, wo der Kredit einschrumpft oder ganz auf-
hört, tritt plötzlich Geld als einziges Zahlungsmittel und wahres
Dasein des Werths absolut den Waaren gegenüber. Daher die
allgemeine Entwerthung der Waaren, die Schwierigkeit, ja die
Unmöglichkeit, sie in Geld zu verwandeln, d. h. in ihre eigne rein
phantastische Form. Zweitens aber: das Kreditgeld selbst ist nur
Geld, soweit es im Betrage seines Nominalwerths absolut das wirk-
liche Geld vertritt. Mit dem Goldabfluss wird seine Konvertibilität
in Geld problematisch, d. h. seine Identität mit wirklichem Gold.
Daher Zwangsmaßregeln, Heraufsetzung des Zinsfusses etc., um die
Bedingungen dieser Konvertibilität zu sichern. Dies kann mehr
oder minder auf die Spitze getrieben werden durch falsche Gesetz-
gebung, beruhend auf falschen Theorien vom Geld, und der Nation
aufgedrängt durch das Interesse der Geldhändler, der Overstone
und Konsorten. Die Grundlage aber ist gegeben mit der Grund-
lage der Produktionsweise selbst. Eine Entwerthung des Kredit-
geldes (gar nicht zu sprechen von einer übrigens nur imaginären
Entgeldung desselben) würde alle bestehenden Verhältnisse er-
schüttern. Der Werth der Waaren wird daher geopfert, um das
phantastische und selbständige Dasein dieses Werths im Geld zu
sichern. Als Geldwerth ist er überhaupt nur gesichert, so lange
das Geld gesichert ist. Für ein paar Millionen Geld müssen daher
[55] viele Millionen Waaren zum Opfer gebracht werden. Dies ist un-
vermeidlich in der kapitalistischen Produktion und bildet eine ihrer
Schönheiten. In frühern Produktionsweisen kommt dies nicht vor,
weil bei der engen Basis, auf der sie sich bewegen, weder der
Kredit noch das Kreditgeld zur Entwicklung kommt. Solange der
gesellschaftliche Charakter der Arbeit als das Gelddasein
der Waare, und daher als ein Ding ausser der wirklichen Pro-
duktion erscheint, sind Geldkrisen, unabhängig oder als Verschärfung
wirklicher Krisen, unvermeidlich. Es ist andrerseits klar, dass, so-
lange der Kredit einer Bank nicht erschüttert ist, sie durch Ver-
mehrung des Kreditgelds in solchen Fällen die Panik lindert, durch
dessen Einziehung sie aber vermehrt. Alle Geschichte der modernen
Industrie zeigt, dass Metall in der That nur erheischt wäre zur
Saldirung des internationalen Handels, sobald dessen Gleichgewicht
momentan verschoben ist, wenn die inländische Produktion orga-
nisirt wäre. Dass das Inland schon jetzt kein Metallgeld bedarf,
beweist die Suspension der Baarzahlungen der sog. Nationalbanken,
zu der, als zum einzigen Hülfsmittel, in allen extremen Fällen
gegriffen wird.
Bei zwei Individuen wäre es lächerlich zu sagen, dass im Ver-
kehr unter einander beide die Zahlungsbilanz gegen sich haben.
Wenn sie wechselseitig Schuldner und Gläubiger von einander
sind, ist es klar dass, wenn ihre Forderungen sich nicht ausgleichen,
für den Rest der eine der Schuldner des andern sein muss. Bei
Nationen ist dies keineswegs der Fall. Und dass es nicht der Fall
ist, ist von allen Oekonomen in dem Satz anerkannt, dass die
Zahlungsbilanz für oder gegen eine Nation sein kann, obwohl ihre
Handelsbilanz sich schliesslich ausgleichen muss. Die Zahlungs-
bilanz unterscheidet sich dadurch von der Handelsbilanz, dass sie
eine in einer bestimmten Zeit fällige Handelsbilanz ist. Was nun
die Krisen thun, ist, dass sie die Differenz zwischen der Zahlungs-
bilanz und der Handelsbilanz in eine kurze Zeit zusammendrängen;
und die bestimmten Zustände, die sich bei der Nation entwickeln,
bei der die Krise ist, bei der daher jetzt der Zahlungstermin ein-
tritt, — diese Zustände bringen schon eine solche Kontraktion der
Ausgleichungszeit mit sich. Erstens das Wegsenden von Edel-
metallen; dann das Losschlagen konsignirter Waaren; das Expor-
tiren von Waaren, um sie loszuschlagen, oder um im Inland Geld-
vorschüsse darauf aufzutreiben; das Steigen des Zinsfusses, das
Aufkündigen der Kredite, das Fallen der Werthpapiere, das Los-
schlagen fremder Werthpapiere, die Attraktion von fremdem Kapital
[56] zur Anlage in diesen entwertheten Werthpapieren, endlich der
Bankrott, der eine Masse Forderungen ausgleicht. Es wird dabei
oft noch Metall versandt nach dem Land, wo die Krise ausgebrochen,
weil die Wechsel darauf unsicher, also die Zahlung am sichersten
in Metall erfolgt. Es kommt dazu der Umstand, dass mit Bezug
auf Asien alle kapitalistischen Nationen meist gleichzeitig, direkt
oder indirekt, seine Schuldner sind. Sobald diese verschiednen
Umstände auf die andre betheiligte Nation ihre volle Wirkung
üben, tritt auch bei ihr Gold- oder Silberexport, kurz der Zahlungs-
termin ein, und dieselben Phänomene wiederholen sich.
Bei dem kommerciellen Kredit geht der Zins, als Unterschied
des Kreditpreises vom Baarpreise, nur soweit in den Waarenpreis
ein, als die Wechsel längre als gewöhnliche Laufzeit haben.
Andernfalls nicht. Und dies erklärt sich daraus, dass jeder mit
der einen Hand diesen Kredit nimmt und ihn mit der andern gibt.
[Dies stimmt nicht mit meiner Erfahrung. F. E.] Soweit aber der
Diskonto in dieser Form hier eingeht, ist er nicht durch diesen
kommerciellen Kredit, sondern durch den Geldmarkt geregelt.
Wären Nachfrage und Angebot von Geldkapital, die den Zins-
fuss bestimmten, identisch mit Nachfrage und Angebot von wirk-
lichem Kapital, wie Overstone behauptet, so müsste, je nachdem
man verschiedne Waaren, oder dieselbe Waare in verschiednen
Stadien (Rohstoff, Halbfabrikat, fertiges Produkt) betrachtet,
der Zins gleichzeitig niedrig und hoch sein. 1844 schwankte
der Zinsfuss der B. v. E. zwischen 4 % (von Januar bis September)
und 2½ und 3 % von November bis Jahresschluss. 1845 war er
2½, 2¾, 3 %, von Januar bis Oktober, zwischen 3 und 5 % in
den letzten Monaten. Der Durchschnittspreis von fair Orleans
Baumwolle war 1844 6¼ d. und 1845 4⅞ d. Am 3. März 1844
war der Baumwollvorrath in Liverpool 627042 Ballen, und am
3. März 1845: 773800 Ballen. Nach dem niedrigen Preis der
Baumwolle zu schliessen musste der Zinsfuss 1845 niedrig sein,
was er in der That während des grössten Theils dieser Zeit war.
Aber nach den Garn zu schliessen, hätte er hoch sein müssen,
denn die Preise waren relativ, und die Profite absolut, hoch. Aus
Baumwolle zu 4 d. das Pfund konnte 1845 mit 4 d. Spinnkosten
ein Garn gesponnen werden (No. 40 gut secunda mule twist), das
dem Spinner also 8 d. kostete und das er September und Oktober
1845 zu 10½ oder 11½ d. per Pfund verkaufen konnte. (S. Aus-
sage von Wylie weiter unten.)
Die ganze Sache kann dadurch zur Entscheidung gebracht werden:
[57]
Nachfrage und Angebot von Leihkapital wäre identisch mit Nach-
frage und Angebot von Kapital überhaupt (obgleich diese letztere
Phrase absurd ist; für den Industriellen oder Kaufmann ist die
Waare eine Form seines Kapitals, aber er verlangt doch nie
Kapital als solches, sondern stets nur diese specielle Waare als
solche, kauft und zahlt sie als Waare, Korn oder Baumwolle, unab-
hängig von der Rolle, die sie im Kreislauf seines Kapitals einzu-
nehmen hat), wenn es keine Geldverleiher gäbe, und statt deren
die verleihenden Kapitalisten im Besitz von Maschinerie, Roh-
stoff etc. wären, und sie diese ausliehen oder vermietheten, wie
jetzt Häuser, an die industriellen Kapitalisten, die selbst Eigner
eines Theils dieser Gegenstände sind. Unter solchen Umständen
wäre die Zufuhr von Leihkapital identisch mit Zufuhr von Produk-
tionselementen für den industriellen Kapitalisten, von Waaren für
den Kaufmann. Es ist aber klar, dass dann die Theilung des
Profits zwischen Leiher und Borger zunächst ganz abhängen würde
von dem Verhältniss, worin dies Kapital geliehen ist, und worin
es Eigenthum dessen, der es anwendet.
Nach Herrn Weguelin (B. A. 1857) ist der Zinsfuss bestimmt
durch „die Masse des unbeschäftigten Kapitals;“ (252); ist „nur
ein Index der Masse des unbeschäftigten Kapitals, das Anlage
sucht“ (271); später heisst dies unbeschäftigte Kapital „floating
capital“ (485) und darunter versteht er „Noten der Bank von
England und andre Cirkulationsmittel im Lande; z. B. die Noten
der Provinzialbanken und die im Lande vorhandne Münze … ich
schliesse unter floating capital auch die Reserven der Banken ein“
(502, 503), und später auch Barrengold (503). So sagt derselbe
Weguelin, dass die Bank von England grossen Einfluss auf den
Zinsfuss hat zu Zeiten „wo wir“ [die B. v. E.] thatsächlich den
grössten Theil des unbeschäftigten Kapitals in unsrer Hand haben
(1198), während nach obigen Aussagen des Herrn Overstone die
Bank von England „kein Platz für Kapital ist.“ Ferner sagt
Weguelin: „Nach meiner Ansicht wird die Diskontorate regulirt
durch die Menge des unbeschäftigten Kapitals im Lande. Die
Menge des unbeschäftigten Kapitals ist repräsentirt durch die Re-
serve der B. v. E., die thatsächlich eine Metallreserve ist. Wenn
also der Metallschatz vermindert wird, vermindert dies die Menge
des unbeschäftigten Kapitals im Lande und steigert also den Werth
des noch vorhandnen Rests.“ (1258.) J. Stuart Mill sagt 1102:
„Die Bank ist genöthigt, um ihr banking department solvent zu
erhalten, ihr Möglichstes zu thun, die Reserve dieses Departements
[58] zu füllen; sobald sie also findet, dass ein Abfluss eintritt, muss
sie sich eine Reserve sichern und entweder ihre Diskontirungen
einschränken oder Werthpapiere verkaufen.“ — Die Reserve, so-
weit bloss das banking department betrachtet wird, ist Reserve
nur für die Depositen. Nach den Overstones soll das banking
department bloss als Bankier handeln, ohne Rücksicht auf die
„automatische“ Notenausgabe. Aber in Zeiten wirklicher Klemme
hat das Institut, unabhängig von der Reserve des banking depart-
ment, die nur aus Noten besteht, ein sehr scharfes Auge auf den
Metallschatz, und muss es haben, wenn es nicht falliren will.
Denn im selben Maß wie der Metallschatz schwindet, schwindet
auch die Reserve von Banknoten, und niemand sollte dies besser
wissen als Herr Overstone, der dies eben durch seinen Bankakt
von 1844 so weise eingerichtet hat.
Dreiunddreissigstes Kapitel.
Das Umlaufsmittel unter dem Kreditsystem.
„Der grosse Regulator der Geschwindigkeit der Cirkulation ist
der Kredit. Daher erklärt sich, warum eine scharfe Klemme im
Geldmarkt gewöhnlich zusammenfällt mit einer gefüllten Cirku-
lation.“ (The Currency Question Reviewed. p. 65.) Dies ist doppelt
zu verstehn. Einerseits sind alle Methoden, die Cirkulationsmittel
ersparen, begründet auf den Kredit. Zweitens aber: nimm z. B.
eine 500 £ Note. A gibt sie heute in Zahlung eines Wechsels
an B; B deponirt sie denselben Tag bei seinem Bankier; dieser
diskontirt noch selben Tags einen Wechsel damit für C; C zahlt
sie an seine Bank, die Bank gibt sie dem billbroker auf Vor-
schuss etc. Die Geschwindigkeit, mit der die Note hier cirkulirt,
zu Käufen oder Zahlungen dient, ist vermittelt durch die Ge-
schwindigkeit, womit sie immer wieder in der Form des Depositums
zu jemandem zurückkehrt, und in der Form des Anlehens wieder
zu jemand anders übergeht. Das blosse Oekonomisiren des Cir-
kulationsmittels erscheint am höchsten entwickelt im Clearing
House, dem blossen Austausch von fälligen Wechseln, und der
vorwiegenden Funktion des Geldes als Zahlungsmittel zum Aus-
gleich blosser Ueberschüsse. Aber das Dasein dieser Wechsel be-
ruht selbst wieder auf dem Kredit, den sich die Industriellen und
Kaufleute unter einander geben. Nimmt dieser Kredit ab, so
nimmt die Zahl der Wechsel ab, namentlich der langsichtigen,
[59] also auch die Wirksamkeit dieser Methode der Ausgleichungen.
Und diese Oekonomie, die in der Beseitigung des Geldes aus den
Umsätzen besteht, und die ganz auf der Funktion des Geldes als
Zahlungsmittel beruht, welche wieder auf dem Kredit beruht, kann
(abgesehn von der mehr oder minder entwickelten Technik in der
Koncentration dieser Zahlungen) nur zweierlei Art sein: Wechsel-
seitige Schuldforderungen, repräsentirt durch Wechsel oder Cheques,
gleichen sich aus entweder bei demselben Bankier, der nur die
Forderung vom Konto des einen auf das des andern überschreibt;
oder die verschiednen Bankiers gleichen unter einander aus.11)
Die Koncentration von 8—10 Millionen Wechseln in der Hand
eines billbrokers, wie z. B. der Firma Overend, Gurney \& Co., war
eins der Hauptmittel, die Stufenleiter dieser Ausgleichung lokal
zu erweitern. Durch diese Oekonomisirung wird die Wirksamkeit
des Umlaufsmittels erhöht, soweit ein geringres Quantum davon
erfordert wird zur blossen Saldirung der Bilanz. Andrerseits hängt
die Geschwindigkeit des als Cirkulationsmittel umlaufenden Geldes
(wodurch es auch ökonomisirt wird) ganz ab von dem Fluss der
Käufe und Verkäufe, oder auch von der Verkettung der Zahlungen,
soweit sie nacheinander in Geld erfolgen. Aber der Kredit ver-
mittelt, und erhöht dadurch die Geschwindigkeit der Cirkulation.
Das einzelne Geldstück kann z. B. nur fünf Umläufe bewirken
und bleibt länger in jeder einzelnen Hand ruhen — als blosses
Cirkulationsmittel ohne Dazwischenkunft des Kredits — wenn A,
sein ursprünglicher Besitzer, von B, B von C, C von D, D von
E, E von F kauft, also sein Uebergang von einer Hand in die
andre nur durch wirkliche Käufe und Verkäufe vermittelt ist.
Wenn aber B das von A in Zahlung erhaltne Geld bei seinem
Bankier deponirt und dieser es ausgibt in Wechseldiskont an C,
dieser von D kauft, D es bei seinem Bankier deponirt und dieser
es an E leiht, der von F kauft, so ist selbst seine Geschwindigkeit
[60] als blosses Cirkulationsmittel (Kaufmittel) vermittelt durch mehrere
Kreditoperationen: das Deponiren des B bei seinem Bankier und
dessen Diskontiren für C, das Deponiren des D bei seinem Bankier
und dessen Diskontiren für E; also durch vier Kreditoperationen.
Ohne diese Kreditoperationen hätte dasselbe Geldstück nicht fünf
Käufe nach einander im gegebnen Zeitraum verrichtet. Dass es
ohne Vermittlung von wirklichem Kauf und Verkauf — als Depo-
situm und im Diskonto — die Hände wechselte, hat hier seinen
Händewechsel in der Reihe wirklicher Absätze beschleunigt.
Es hat sich vorhin gezeigt, wie eine und dieselbe Banknote
Depositen bei verschiednen Bankiers bilden kann. Ebenso kann
sie verschiedne Depositen bei demselben Bankier bilden. Er dis-
kontirt mit der Note, die A deponirt hat, den Wechsel von B,
B zahlt an C, C deponirt dieselbe Note bei demselben Bankier
der sie verausgabt.
Es ist bereits bei Betrachtung der einfachen Geldcirkulation
(Buch I, Kap. III, 2) nachgewiesen worden, dass die Masse des
wirklich cirkulirenden Geldes, Geschwindigkeit der Cirkulation und
Oekonomie der Zahlungen als gegeben vorausgesetzt, bestimmt ist
durch die Preise der Waaren und die Masse der Transaktionen.
Dasselbe Gesetz herrscht bei der Notencirkulation.
In der folgenden Tabelle sind für jedes Jahr die Jahresdurch-
schnitte der Noten der Bank von England, soweit sich solche in
der Hand des Publikums befanden, verzeichnet, und zwar die Be-
träge der 5 und 10 Pfundnoten, die der Noten von 20—100 £
und die der höheren Noten von £ 200—1000; sowie der Procent-
satz der Gesammtcirkulation, den jede dieser Rubriken liefert.
Die Beträge sind in Tausenden, unter Streichung der drei letzten
Stellen.
(B. A. 1858, p. I. II.). Die Gesammtsumme der cirkulirenden Bank-
noten hat also von 1844 bis 1857 positiv abgenommen, obgleich der
durch Ausfuhr und Einfuhr nachgewiesene Geschäftsverkehr sich mehr
als verdoppelt hatte. Die kleinern Banknoten von 5 £ und 10 £
nahmen zu, wie die Liste zeigt, von £ 9263000 in 1844 auf £ 10659000
in 1857. Und dies gleichzeitig mit der gerade damals so starken
Vermehrung der Goldcirkulation. Dagegen Abnahme der Noten
von höhern Beträgen (von 200—1000 £) von £ 5865000 in 1852,
auf £ 3241000 in 1857. Also Abnahme von mehr als 2½ Mill. £.
Dies wird erklärt wie folgt: „Am 8. Juni 1854 liessen die Privat-
bankiers von London die Aktienbanken an der Einrichtung des
Clearing House theilnehmen, und bald darauf wurde das schliess-
liche clearing in der Bank von England eingerichtet. Die täg-
lichen Saldirungen werden erledigt durch Ueberschreibung auf den
Kontos, die die verschiednen Banken in der Bank von England
halten. Durch Einführung dieses Systems sind die Noten von
hohem Betrag, deren sich die Banken früher zur Ausgleichung
ihrer gegenseitigen Rechnungen bedienten, überflüssig geworden.“
(B. A. 1858, p. V.)
Wie sehr der Gebrauch des Geldes im Grosshandel auf ein ge-
ringes Minimum reducirt ist, darüber vgl. die Tabelle, die Buch I,
Kap. III, Note 103 abgedruckt, und die dem Bankausschuss ge-
liefert wurde von Morrison Dillon \& Co., einem der grössten der-
jenigen Londoner Häuser, wo ein Kleinhändler seinen ganzen Vor-
rath von Waaren aller Art einkaufen kann.
Nach der Aussage vou W. Newmarch vor dem B. A. 1857
No. 1741 trugen auch noch andre Umstände zur Ersparung von
Cirkulationsmitteln bei: das Penny-Briefporto, die Eisenbahnen, die
Telegraphen, kurz die verbesserten Verkehrsmittel; sodass England
jetzt bei ungefähr derselben Banknotencirkulation ein fünf bis
sechsmal so grosses Geschäft machen kann. Dies sei aber auch
wesentlich der Ausschaltung der Noten von mehr als £ 10.
[62] aus der Cirkulation geschuldet. Dies scheint ihm eine natürliche
Erklärung dafür, dass in Schottland und Irland, wo auch 1 £
Noten cirkuliren, die Notencirkulation um ungefähr 31 % gestiegen
ist. (1747.) Die Gesammtcirkulation von Banknoten im Vereinigten
Königreich, mit Einschluss der 1 £ Noten, sei 39 Mill. £. (1749.)
Die Goldcirkulation = 70 Mill. £. (1750.) In Schottland war die
Notencirkulation 1834 — 3120000 £; 1844 — 3020000 £; 1854 —
4050000 £. (1752.)
Schon hieraus geht hervor, dass es keineswegs in der Hand der
Noten ausgebenden Banken steht, die Zahl der cirkulirenden Noten
zu vermehren, so lange diese Noten jederzeit gegen Geld aus-
tauschbar sind. [Von inkonvertiblem Papiergeld ist hier überhaupt
nicht die Rede; inkonvertible Banknoten können nur da allge-
meines Cirkulationsmittel werden, wo sie thatsächlich durch Staats-
kredit gestützt werden, wie z. B. gegenwärtig in Russland. Sie
fallen damit unter die Gesetze des inkonvertiblen Staatspapiergelds,
die schon entwickelt sind (Buch I, Kap. III, 2, c: die Münze, das
Werthzeichen.) — F. E.]
Die Menge der cirkulirenden Noten richtet sich nach den Be-
dürfnissen des Verkehrs, und jede überflüssige Note wandert sofort
zurück zu ihrem Ausgeber. Da in England nur die Noten der
Bank von England als gesetzliches Zahlungsmittel allgemein um-
laufen, können wir die unbedeutende und nur lokale Notencirku-
lation der Provinzialbanken hier vernachlässigen.
Vor dem B. A. 1858 sagt Herr Neave, Gouverneur der Bank
von England aus: „No. 947. (Frage:) Welche Maßregeln auch
immer Sie ergreifen, der Notenbetrag in den Händen des Publikums,
sagen Sie, bleibt derselbe; d. h. ungefähr 20 Mill. £? — In ge-
wöhnlichen Zeiten scheint der Gebrauch des Publikums ungefähr
20 Mill. zu erfordern. Zu gewissen periodisch wiederkehrenden
Zeiten im Jahr steigen sie um 1 oder 1½ Mill. Wenn das
Publikum mehr braucht, so kann es sie, wie ich sagte, stets bei
der Bank von England bekommen. — 948. Sie sagten, dass
während der Panik das Publikum Ihnen nicht erlauben wollte den
Notenbetrag zu vermindern; wollen Sie das begründen? — In
Zeiten der Panik hat das Publikum, wie mir scheint, volle Macht
sich Noten zu verschaffen; und natürlich, so lange die Bank eine
Verpflichtung hat, kann das Publikum auf diese Verpflichtung hin
die Noten von der Bank entnehmen. — 949. Es scheinen also
jederzeit ungefähr 20 Mill. Noten der B. v. E. erforderlich zu
sein? — 20 Mill. Noten in der Hand des Publikums; es wechselt.
[63] Es sind 18½, 19, 20 Mill. u. s. w.; aber im Durchschnitt können
Sie sagen 19—20 Millionen.“
Aussage von Thomas Tooke vor dem Ausschuss der Lords über
Commercial Distress (C. D. 1848/57); No. 3094: „Die Bank hat
keine Macht, nach eignem Willen den Betrag der Noten in der
Hand des Publikums zu erweitern; sie hat die Macht, den Noten-
betrag in der Hand des Publikums zu vermindern, aber nur ver-
mittelst einer sehr gewaltsamen Operation.“
J. C. Wright, seit 30 Jahren Bankier in Nottingham, nachdem
er ausführlich die Unmöglichkeit auseinander gesetzt, dass die-
Provinzialbanken jemals mehr Noten in Umlauf erhalten könnten
als das Publikum braucht und will, sagt von den Noten der Bank
von England (C. D. 1848/57) No. 2844: „Ich weiss von keiner
Schranke“ (der Notenausgabe) „für die B. von E., aber jeder Ueber-
schuss der Cirkulation wird in die Depositen übergehn und so eine-
andre Form annehmen.“
Dasselbe gilt für Schottland, wo fast nur Papier cirkulirt, weil
dort wie in Irland auch Einpfundnoten gestattet sind und „the
scotch hate gold.“ Kennedy, Dirigent einer schottischen Bank, er-
klärt, die Banken könnten ihre Notencirkulation nicht einmal ver-
mindern, und ist „der Ansicht, dass, so lange inländische Geschäfts-
abschlüsse Noten oder Gold erfordern, um zu stande zu kommen,
die Bankiers soviel Umlaufsmittel liefern müssen, wie diese Ge-
schäfte erfordern — sei es auf Verlangen ihrer Depositoren oder
sonstwie. … Die schottischen Banken können ihre Geschäfte ein-
schränken, aber sie können keine Kontrole ausüben über ihre Noten-
ausgabe.“ (ib. No. 3446—48.) Desgleichen Anderson, Dirigent der
Union Bank of Scotland, ib. No. 3578: „Verhindert das System
des gegenseitigen Notenaustausches [zwischen den schottischen
Banken] „eine Ueberausgabe von Noten von Seiten einer einzelnen
Bank? — Jawohl; wir haben aber ein wirksameres Mittel als den
Notenaustausch“ [der in der That gar nichts damit zu thun hat,
wohl aber die Umlaufsfähigkeit der Noten jeder Bank über ganz
Schottland sichert] „und dies ist der allgemeine Gebrauch in
Schottland ein Bankkonto zu halten; jedermann der irgendwie Geld
hat, hat auch ein Konto bei einer Bank und zahlt tagtäglich alles
Geld ein, das er nicht unmittelbar selbst nöthig hat, sodass am
Schluss eines jeden Geschäftstags alles Geld in den Banken ist,
ausgenommen was jeder in der Tasche hat.“
Ebenso für Irland, s. die Aussagen des Gouverneurs der Bank
[64] von Irland MacDonnell und des Dirigenten der Provincial Bank of
Ireland, Murray, vor demselben Ausschuss.
Ebenso unabhängig wie vom Willen der Bank von England,
ist die Notencirkulation vom Stand des Goldschatzes in den Kellern
der Bank, der die Konvertibilität dieser Noten sichert. „Am
18. September 1846 war die Notencirkulation der Bank von Eng-
land 20900000 £ und ihr Metallschatz 16273000 £; am 5. April
1847 die Cirkulation 20815000 £ und der Metallschatz 10246000 £.
Also fand trotz des Exports der 6 Millionen £ Edelmetall keine
Einschrumpfung der Cirkulation statt.“ (J. G. Kinnear, The Crisis
and the Currency, Ld. 1847, p. 5.) Es versteht sich jedoch, dass
dies nur gilt unter den in England heute herrschenden Verhält-
nissen, und auch da nur, soweit nicht die Gesetzgebung über das
Verhältniss von Notenausgabe und Metallschatz ein anderes befiehlt.
Es sind also nur die Bedürfnisse des Geschäfts selbst, die einen
Einfluss auf die Quantität des cirkulirenden Geldes — Noten und
Gold — ausüben. Hier kommen zunächst die periodischen Schwan-
kungen in Betracht, die sich jedes Jahr wiederholen, was auch die
allgemeine Geschäftslage sein mag, sodass seit 20 Jahren „in
einem bestimmten Monat die Cirkulation hoch, in einem andern
niedrig ist, und in einem dritten bestimmten Monat ein mittlerer
Punkt vorkommt.“ (Newmarch, B. A. 1857, No. 1650.)
So gehn im August jedes Jahres einige Millionen, meist in Gold,
aus der B. von E. in die inländische Cirkulation, um die Kosten
der Ernte zu zahlen; da es sich in der Hauptsache um Zahlung
von Arbeitslöhnen handelt, sind Banknoten hier für England weniger
zu gebrauchen. Bis Jahresschluss ist dies Geld der Bank dann
wieder zurückgeströmt. In Schottland gibt es statt Sovereigns fast
nur Pfundnoten; hier dehnt sich daher im entsprechenden Fall die
Notencirkulation aus, und zwar zweimal im Jahr, im Mai und
November, von 3 auf 4 Millionen; nach 14 Tagen stellt sich be-
reits der Rückfluss ein, in einem Monat ist er fast vollendet.
(Anderson, l. c. No. 3595—3600).
Die Notencirkulation der Bank von England erfährt auch viertel-
jährlich eine momentane Schwankung infolge der vierteljährlichen
Zahlung der „Dividenden“, d. h. der Zinsen der Staatsschuld, wo-
durch zuerst Banknoten der Cirkulation entzogen und dann wieder
unter das Publikum geworfen werden; sie fliessen aber sehr bald
wieder zurück. Weguelin (B. A. 1857 No. 38) gibt den Betrag
der hierdurch verursachten Schwankung der Notencirkulation auf
2½ Millionen an. Dagegen berechnet Herr Chapman von der
[65] notorischen Firma Overend Gurney \& Co. den Betrag der hierdurch
auf dem Geldmarkt hervorgerufenen Störung weit höher. „Wenn
Sie aus der Cirkulation 6 oder 7 Millionen für Steuern heraus-
nehmen, um damit die Dividenden zu zahlen, so muss irgend jemand
da sein, der diesen Betrag in der Zwischenzeit zur Verfügung
stellt.“ (B. A. 1857, No. 5196.)
Viel bedeutender und nachhaltiger sind die Schwankungen im
Betrag des umlaufenden Mittels, die den verschiednen Phasen des
industriellen Cyklus entsprechen. Hören wir hierüber einen andern
Associé jener Firma, den würdigen Quäker Samuel Gurney (C. D.
1848/57, No. 2645): „Ende Oktober (1847) waren 20800000 £
Noten in den Händen des Publikums. Zu jener Zeit herrschte
eine grosse Schwierigkeit, Banknoten im Geldmarkt zu bekommen.
Dies entstand aus der allgemeinen Befürchtung, man werde in
Folge der Beschränkung des Bankakts von 1844 nicht im Stande
sein sie sich zu verschaffen. Gegenwärtig [März 1848] ist der
Betrag der Banknoten in Händen des Publikums … 17700000 £,
aber da jetzt keinerlei kommercieller Alarm herrscht, ist dies viel
mehr als was gebraucht wird. Es gibt keinen Bankier oder
keinen Geldhändler in London, der nicht mehr Banknoten hat als
er gebrauchen kann. — 2650. Der Belauf der Banknoten …
ausserhalb des Gewahrsams der Bank von England bildet einen
total ungenügenden Exponenten des aktiven Standes der Cirkulation,
wenn man nicht ebenfalls gleichzeitig in Erwägung zieht … den
Stand der Handelswelt und des Kredits. — 2651. Das Gefühl,
dass wir bei dem gegenwärtigen Belauf der Cirkulation in den
Händen des Publikums einen Ueberschuss haben, entspringt in
hohem Grad aus unsrer gegenwärtigen Lage grosser Stagnation.
Bei hohen Preisen und aufgeregtem Geschäft würden uns 17700000 £
ein Gefühl der Knappheit verursachen.“
[So lange die Geschäftslage derart ist, dass die Rückflüsse für
die gemachten Vorschüsse regelmäßig eingehn und also der Kredit
unerschüttert bleibt, richtet sich die Ausdehnung und Zusammen-
ziehung der Cirkulation einfach nach den Bedürfnissen der Indu-
striellen und Kaufleute. Da wenigstens in England Gold für den
Grosshandel nicht in Betracht kommt und die Goldcirkulation, ab-
gesehn von den jahreszeitlichen Schwankungen, als eine für längere
Zeit ziemlich konstante Grösse angesehn werden kann, so bildet
die Notencirkulation der B. von E. den hinreichend genauen Grad-
messer dieser Veränderungen. In der stillen Zeit nach der Krise
läuft am wenigsten um, mit der Wiederbelebung der Nachfrage
Marx, Kapital III. 2. 5
[66] tritt auch grösserer Bedarf an Umlaufsmitteln ein, der sich steigert
mit der steigenden Prosperität; den Höhepunkt erreicht die Menge
des Umlaufsmittels in der Periode der Ueberspannung und Ueber-
spekulation — da bricht die Krise herein und über Nacht sind
die gestern noch so reichlichen Banknoten vom Markt verschwunden,
und mit ihnen die Diskontirer von Wechseln, die Vorschussleister
auf Werthpapiere, die Käufer von Waaren. Die Bank von Eng-
land soll helfen — aber auch ihre Kräfte sind bald erschöpft, der
Bankakt von 1844 zwingt sie ihre Notencirkulation einzuschränken
grade im Moment, wo alle Welt nach Banknoten schreit, wo die
Waarenbesitzer nicht verkaufen können und doch zahlen sollen
und jedes Opfer zu bringen bereit sind, wenn sie nur Banknoten
erhalten. „Während des Alarms,“ sagt der obenerwähnte Bankier
Wright l. c. No. 2930, „gebraucht das Land zweimal soviel Cirku-
lation wie in gewöhnlichen Zeiten, weil das Umlaufsmittel von
Bankiers und andern aufgespeichert wird.“
Sowie die Krise hereinbricht, handelt es sich nur noch um
Zahlungsmittel. Da aber jeder vom andern abhängig ist für den
Eingang dieser Zahlungsmittel und keiner weiss, ob der andre im-
stand sein wird, am Verfalltag zu zahlen, tritt ein vollständiges
Kirchthurmrennen ein um die im Markt befindlichen Zahlungs-
mittel, d. h. für Banknoten. Jeder schatzt davon auf, so viele er
erhalten kann, und so verschwinden die Noten aus der Cirkulation
am selben Tag, wo man sie am nöthigsten braucht. Samuel Gurney
(C. D. 1848/57, No. 1116) gibt die Zahl der so im Moment des
Schreckens unter Schloss und Riegel gebrachten Banknoten für
Oktober 1847 auf 4—5 Millionen £ an. — F. E.]
In dieser Beziehung ist besonders interessant das Verhör des
Associés von Gurney, des bereits erwähnten Chapman, vor dem
B. A. von 1857. Ich gebe hier den Hauptinhalt desselben im
Zusammenhang, obwohl auch einige Punkte darin behandelt werden,
die wir erst später untersuchen.
Herr Chapman lässt sich vernehmen wie folgt.
„4963. Ich nehme auch keinen Anstand zu sagen, dass ich
es nicht für in der Ordnung halte, dass der Geldmarkt unter der
Macht eines beliebigen individuellen Kapitalisten stehn sollte, (wie
es in London deren gibt), der einen ungeheuren Geldmangel und
eine Klemme erzeugen kann, wenn die Cirkulation grade sehr
niedrig steht. . . . Das ist möglich … es gibt mehr als einen
Kapitalisten, der aus dem Cirkulationsmittel 1 oder 2 Mill. £ Noten
herausnehmen kann, wenn er einen Zweck dadurch erreicht.“ 4995.
[67] Ein grosser Spekulant kann für 1 oder 2 Mill. Konsols verkaufen
und so das Geld aus dem Markt nehmen. Etwas Aehnliches ist vor
ganz kurzem geschehn, „es erzeugt eine äusserst heftige Klemme.“ —
4967. Die Noten sind dann allerdings unproduktiv. „Aber das
ist nichts, wenn es einen grossen Zweck bewirkt; sein grosser
Zweck ist die Fondspreise zu werfen, eine Geldklemme zu schaffen,
und das zu thun, hat er vollständig in seiner Gewalt.“ Ein Bei-
spiel: Eines Morgens war grosse Geldnachfrage auf der Fondsbörse;
niemand kannte die Ursache; jemand bot Chapman an, dieser solle
ihm 50000 £ zu 7 % leihen. Chapman war erstaunt, sein Zins-
fuss stand viel niedriger; er griff zu. Gleich darauf kam der
Mann wieder, nahm weitre 50000 £ zu 7½ %, dann 100000 £
zu 8 %, und wollte noch mehr haben zu 8½ %. Da bekam aber
selbst Chapmann Angst. Es stellte sich nachher heraus, dass
plötzlich eine bedeutende Summe Geldes dem Markt entzogen
worden war. Aber, sagt Chapman, „ich habe doch eine bedeutende
Summe zu 8 % ausgeliehen; weiter zu gehn hatte ich Angst; ich
wusste nicht, was kommen würde.“
Man muss nie vergessen, dass obgleich ziemlich beständig 19 bis
20 Mill. Noten angeblich in der Hand des Publikums sind, doch
einerseits der Theil dieser Noten, der wirklich cirkulirt, und andrer-
seits der, der unbeschäftigt als Reserve bei den Banken liegt,
gegeneinander beständig und bedeutend variirt. Ist diese Reserve
gross, also die wirkliche Cirkulation niedrig, so heisst das vom
Standpunkt des Geldmarkts, dass die Cirkulation voll (the circu-
lation is full, money is plentiful) ist; ist die Reserve klein, also
die wirkliche Cirkulation voll, so nennt der Geldmarkt sie niedrig;
(the circulation is low, money is scarce) nämlich der Theil hat
einen niedrigen Betrag, der unbeschäftigtes Leihkapital vorstellt.
Wirkliche, von den Phasen des industriellen Cyklus unabhängige
Expansion oder Kontraktion der Cirkulation — sodass aber der
Betrag, den das Publikum braucht, derselbe bleibt — findet nur
aus technischen Gründen statt, z. B. an den Zahlungsterminen der
Steuern oder der Zinsen der Staatsschuld. Bei Steuerzahlung
fliessen Noten und Gold in die Bank von England über das ge-
wöhnliche Maß, und kontrahiren faktisch die Cirkulation, ohne
Rücksicht auf das Bedürfniss für letztre. Umgekehrt wenn die
Dividenden der Staatsschuld ausgezahlt werden. Im ersten Fall
werden Anleihen bei der Bank gemacht um Cirkulationsmittel zu
erhalten. Im letztren Fall sinkt der Zinsfuss bei den Privatbanken
wegen des momentanen Wachsens ihrer Reserven. Es hat dies
5*
[68] mit der absoluten Masse der Umlaufsmittel nichts zu thun, sondern
nur mit der Bankfirma, die diese Umlaufsmittel in Cirkulation setzt,
und für die sich dieser Process als Veräusserung von Leihkapital
darstellt, und die daher den Profit davon in die Tasche steckt.
In dem einen Fall findet bloss temporäres Deplacement des cir-
kulirenden Mediums statt, das die B. v. E. dadurch ausgleicht, dass
sie kurz vor Verfall der vierteljährlichen Steuern und der eben-
falls vierteljährlichen Dividenden kurze Vorschüsse zu niedrigen
Zinsen macht; diese so ausgegebnen überzähligen Noten füllen,
nun zuerst die Lücke aus, die das Zahlen der Steuern verursacht
während ihre Rückzahlung an die Bank gleich darauf den Noten-
überfluss zurückbringt, den das Ausszahlen der Dividenden ins
Publikum geworfen.
In dem andern Fall ist niedrige oder volle Cirkulation immer
nur andre Vertheilung derselben Masse Umlaufsmittel in aktive
Circulation und Depositen, d. h. Instrument von Anleihen.
Andrerseits, wenn z. B. durch Goldzufluss zur Bank von Eng-
land die Zahl der dagegen ausgegebnen Noten vermehrt wird, so
helfen diese zum Diskontiren ausserhalb der Bank, und fliessen
zurück in Abzahlung von Anleihen, sodass die absolute Masse der
cirkulirenden Noten nur momentan vermehrt wird.
Ist die Cirkulation voll, wegen Ausdehnung des Geschäfts (was
auch bei relativ niedrigen Preisen möglich), so kann der Zinsfuss
relativ hoch sein wegen Nachfrage nach Leihkapital in Folge
steigender Profite und vermehrter Neuanlagen. Ist sie niedrig,
wegen Kontraktion des Geschäfts oder auch wegen grosser Flüssig-
keit des Kredits, so kann der Zinsfuss niedrig sein auch bei hohen
Preisen. (Siehe Hubbard.)
Die absolute Quantität der Cirkulation wirkt bestimmend auf
den Zinsfuss nur in Zeiten der Klemme. Entweder drückt hier
die Nachfrage nach voller Cirkulation nur Nachfrage für Mittel
der Schatzbildung aus (abgesehn von der verminderten Geschwin-
digkeit, womit das Geld cirkulirt, und womit dieselben identischen
Geldstücke sich beständig in Leihkapital umsetzen) wegen der
Kreditlosigkeit, wie 1847, wo die Suspension des Bankakts keine
Expansion der Cirkulation veranlasste, aber hinreichte die aufge-
schatzten Noten wieder ans Licht zu ziehen und in die Cirkulation
zn werfen. Oder es kann wirklich unter den Umständen mehr
Cirkulationsmittel erheischt sein, wie 1857 die Cirkulation nach
der Suspension des Bankakts für einige Zeit wirklich wuchs.
Sonst wirkt die absolute Masse der Cirkulation nicht auf den
[69] Zinsfuss, da sie — Oekonomie und Geschwindigkeit des Umlaufs
als konstant vorausgesetzt — erstens bestimmt ist durch die Preise
der Waaren und die Masse der Transaktionen (wobei meist ein
Moment die Wirkung des andern paralysirt), und endlich durch
den Stand des Kredits, während sie keineswegs umgekehrt den
letztren bestimmt; und da zweitens Waarenpreise und Zins in
keinem nothwendigen Zusammenhang stehn.
Während des Bank Restriction Act (1797—1820) fand ein Ueber-
fluss an currency statt, der Zinsfuss war stets viel höher als seit
Wiederaufnahme der Baarzahlungen. Er fiel später rasch mit Ein-
schränkung der Notenausgabe und steigenden Wechselkursen. 1822,
1823, 1832 war die allgemeine Cirkulation niedrig, der Zinsfuss
ebenfalls niedrig. 1824, 1825, 1836 war die Cirkulation hoch,
der Zinsfuss stieg. Sommer 1830 war die Cirkulation hoch, der
Zinsfuss niedrig. Seit den Goldentdeckungen hat sich der Geld-
umlauf in ganz Europa expandirt, der Zinsfuss stieg. Der Zins-
fuss hängt also nicht ab von der Menge des umlaufenden Geldes.
Der Unterschied zwischen Ausgabe von Umlaufsmittel und Aus-
leihen von Kapital zeigt sich am besten beim wirklichen Repro-
duktionsprocess. Wir haben dort (Buch II, Abschnitt III) gesehn,
wie sich die verschiednen Bestandtheile der Produktion austauschen.
Z. B. das variable Kapital besteht sachlich in den Lebensmitteln
der Arbeiter, einem Theil ihres eignen Produkts. Es ist ihnen
aber stückweise ausgezahlt worden in Geld. Dies muss der Kapi-
talist vorschiessen, und es hängt sehr ab von der Organisation des
Kreditwesens, ob er die nächste Woche das neue variable Kapital
wieder auszahlen kann mit dem alten Geld, das er vorige Woche
auszahlte. Ebenso in den Austauschakten zwischen den verschiednen
Bestandtheilen eines gesellschaftlichen Gesammtkapitals, z. B. zwischen
Konsumtionsmitteln und den Produktionsmitteln von Konsumtions-
mitteln. Das Geld zu ihrer Cirkulation muss, wie wir gesehn
haben, von einem oder beiden der Austauschenden vorgeschossen
werden. Es bleibt dann in Cirkulation, kehrt aber nach voll-
endetem Austausch immer wieder zu dem zurück, der es vorschoss,
da es von ihm über sein wirklich beschäftigtes industrielles Kapital
hinaus vorgeschossen worden war (s. Buch II, 20. Kapitel). Bei
entwickeltem Kreditwesen, wo sich das Geld in den Händen der
Banken koncentrirt, sind sie es, wenigstens nominell, die es vor-
schiessen. Dieser Vorschuss bezieht sich nur auf das in Cirku-
lation befindliche Geld. Es ist Vorschuss von Cirkulation, nicht
Vorschuss der Kapitale, die es cirkulirt.
[70]
Chapman: „5062. Es können Zeiten vorkommen, wo die Bank-
noten in der Hand des Publikums einen sehr grossen Betrag aus-
machen, und dennoch keine zu haben sind.“ Geld ist auch während
der Panik da; aber jeder hütet sich wohl, es in leihbares Kapital,
in leihbares Geld zu verwandeln; jeder hält es fest für wirkliches
Zahlungsbedürfniss.
„5099. Die Banken in den ländlichen Bezirken schicken ihre
unbeschäftigten Ueberschüsse an Sie und andre Londoner Häuser?
— Jawohl. — 5100. Auf der andren Seite lassen die Fabrik-
distrikte von Lancashire und Yorkshire Wechsel bei Ihnen dis-
kontiren für ihre Geschäftszwecke? — Jawohl. — 5101. Sodass
auf diesem Wege das überschüssige Geld eines Landestheils nutzbar
gemacht wird für die Anforderungen eines andern Landestheils? —
Ganz richtig.“
Chapman sagt, die Sitte der Banken, ihr überschüssiges Geld-
kapital für kürzere Zeit im Ankauf von Konsols und Schatz-
scheinen anzulegen, habe in der letzten Zeit sehr abgenommen,
seitdem es Gebrauch geworden sei, dies Geld at call (von Tag zu
Tag, jederzeit rückforderbar) auszuleihn. Er selbst hält den An-
kauf solcher Papiere für sein Geschäft für höchst unzweckmäßig.
Er legt es desshalb in guten Wechseln an, von denen täglich ein
Theil verfällt, sodass er stets weiss auf wieviel flüssiges Geld er
jeden Tag zu rechnen hat. [5001—5005.] —
Selbst das Wachsen der Ausfuhr stellt sich mehr oder weniger
für jedes Land, zumeist aber für das Land, das Kredit gibt, als
wachsende Anforderung auf den inländischen Geldmarkt dar, die
aber erst in Zeiten der Klemme als solche gefühlt wird. In Zeiten
wo die Ausfuhr zunimmt, werden gegen Konsignationen brittischer
Fabrikate in der Regel langsichtige Wechsel von Fabrikanten auf
den Exportkaufmann gezogen. (5126.) „5127. Ist es nicht häufig
der Fall, dass ein Uebereinkommen existirt, dass diese Wechsel
von Zeit zu Zeit erneuert werden? — [Chapman.] Dies ist eine
Sache, die sie uns geheimhalten; wir würden keinen Wechsel derart
zulassen. … Es mag sicherlich geschehn, aber ich kann über
etwas derartiges nichts sagen.“ [Der unschuldige Chapman.] —
„5123. Wenn eine grosse Zunahme der Ausfuhr stattfindet, wie
allein im letzten Jahr von 20 Mill. £, führt das nicht von selbst
zu einer grossen Nachfrage nach Kapital für den Diskonto von
Wechseln, die diese Ausfuhren vorstellen? — Unzweifelhaft. —
5130. Da England in der Regel dem Ausland für alle seine Aus-
fuhren Kredit gibt, würde das nicht die Absorption eines ent-
[71] sprechenden Zusatzkapitals bedingen, für die Zeit wo dies dauert? —
England gibt einen ungeheuren Kredit; aber dagegen nimmt es
Kredit für seine Rohstoffe. Man zieht auf uns von Amerika immer
auf 60 Tage, und von andern Gegenden auf 90 Tage. Auf der
andern Seite geben wir Kredit; wenn wir Waaren nach Deutsch-
land schicken, geben wir 2 oder 3 Monate.“
Wilson fragt Chapman (5131), ob gegen diese importirten Roh-
stoffe und Kolonialwaaren nicht gleichzeitig mit deren Verladung
bereits Wechsel auf England gezogen werden, und ob sie nicht
schon selbst gleichzeitig mit den Ladescheinen ankommen? Chap-
man glaubt so, weiss nichts von diesen „kaufmännischen“ Ge-
schäften, man solle kundigere Leute fragen. — Im Export nach
Amerika, sagt Chapman, würden „die Waaren im Transit symbo-
lisirt“; dies Kauderwelsch soll heissen, dass der englische Export-
kaufmann gegen die Waaren auf eins der grossen amerikanischen
Bankhäuser in London Viermonatswechsel zieht, und das Bankhaus
von Amerika Deckung erhält.
„5136. Werden nicht in der Regel die Geschäfte nach weit
entlegnen Ländern durch den Kaufmann geführt, der auf sein
Kapital wartet, bis die Waaren verkauft sind? — Es mag Häuser
von grossem Privatreichthum geben, die im Stande sind ihr eignes
Kapital auszulegen, ohne Vorschüsse auf die Waaren zu nehmen;
aber diese Waaren werden meistens in Vorschüsse verwandelt
durch die Accepte wohlbekannter Firmen. — 5137. Diese Häuser
sind etablirt … in London, Liverpool und anderswo. — 5138.
Es macht also keinen Unterschied, ob der Fabrikant sein eignes
Geld hergeben muss, oder ob er einen Kaufmann in London oder
Liverpool bekommt, der es vorschiesst; es bleibt immer ein in
England gemachter Vorschuss? — Ganz richtig. Der Fabrikant
hat nur in wenigen Fällen etwas damit zu thun“ [dagegen 1847
in fast allen Fällen]. „Ein Händler in Fabrikaten, z. B. in Man-
chester, kauft Waaren und verschifft sie durch ein respektables
Haus in London; sobald das Londoner Haus sich überzeugt hat,
dass alles nach Uebereinkunft verpackt ist, zieht er Sechsmonats-
wechsel auf das Londoner Haus gegen diese nach Indien, China,
oder sonst wohin gehenden Waaren; dann kommt die Bankwelt
herein und diskontirt ihm diese Wechsel; sodass um die Zeit, wo
er für diese Waaren zu zahlen hat, er das Geld bereit liegen hat
vermöge der Diskontirung jener Wechsel. — 5139. Aber wenn
jener auch das Geld hat, so hat der Bankier es doch vorschiessen
müssen? — Der Bankier hat den Wechsel; der Bankier
[72] hat den Wechsel gekauft; er verwendet sein Bankkapital in
dieser Form, nämlich im Diskontiren von Handelswechseln.“. [Also
auch Chapman sieht das Diskontiren von Wechseln nicht als Vor-
schuss an, sondern als Waarenkauf. — F. E.] — „5140. Aber
das bildet doch immer einen Theil der Anforderungen an den
Geldmarkt in London? — Unzweifelhaft; es ist das die wesent-
liche Beschäftigung des Geldmarkts und der Bank von England.
Die Bank von England ist ebenso froh diese Wechsel zu bekommen
wie wir, sie weiss, dass sie eine gute Anlage sind. — 5141. Auf
die Weise, wie das Exportgeschäft wächst, wächst auch die Nach-
frage im Geldmarkt? — Im Maß wie die Prosperität des Landes
wächst, nehmen wir“ [die Chapman’s] „mit Theil daran. — 5142.
Wenn also diese verschiednen Felder der Kapitalanlage sich plötz-
lich ausdehnen, so ist die natürliche Folge ein Steigen des Zins-
fusses? — Kein Zweifel daran.“
5143 kann Chapman „nicht ganz begreifen, dass bei unsern
grossen Ausfuhren wir so viel Verwendung für Gold hatten.“
5144 fragt der würdige Wilson: „Kann es nicht sein, dass wir
grössre Kredite auf unsre Ausfuhr geben als wir auf unsre Ein-
fuhr nehmen? — Ich selbst möchte diesen Punkt bezweifeln.
Wenn jemand gegen seine nach Indien gesandten Manchester-
Waaren acceptiren lässt, so können Sie nicht für weniger als
10 Monate acceptiren. Wir haben, und das ist ganz sicher,
Amerika für seine Baumwolle bezahlen müssen, einige Zeit ehe
Indien uns bezahlt; aber wie das wirkt, das zu untersuchen, ist
ein ziemlich feiner Punkt. — 5145. Wenn wir, wie im vorigen
Jahr, eine Zunahme der Ausfuhr von Manufakturwaaren von 20
Mill. £ hatten, so müssen wir doch vorher schon eine sehr be-
deutende Zunahme der Einfuhr von Rohstoffen gehabt haben“
[und schon in dieser Weise ist Ueberexport identisch mit Ueber-
import, und Ueberproduktion mit Ueberhandel] „um diese ver-
mehrte Quantität von Waaren zu produciren? — Unzweifelhaft;
wir müssen eine sehr beträchtliche Bilanz zu zahlen gehabt haben;
d. h. die Bilanz muss während der Zeit gegen uns gewesen sein,
aber auf die Dauer ist der Wechselkurs mit Amerika für uns, und
wir haben seit längrer Zeit bedeutende Zufuhren vou Edelmetall
von Amerika erhalten.“
5148 fragt Wilson den Erzwucherer Chapman, ob er seine hohen
Zinsen nicht als Zeichen grosser Prosperität und hoher Profite
betrachte. Chapman, offenbar erstaunt über die Naivität dieses
Sykophanten, bejaht dies natürlich, ist jedoch aufrichtig genug,
[73] folgende Klausel zu machen: „Es gibt einige, die sich nicht anders
helfen können; sie haben Verpflichtungen zu erfüllen, und sie
müssen sie erfüllen, ob es profitlich ist oder nicht; aber wenn er
dauert“ [der hohe Zinsfuss] „würde er Prosperität anzeigen.“ Beide
vergessen, dass er auch anzeigen kann, wie 1857 der Fall war,
dass die fahrenden Ritter des Kredits das Land unsicher machen,
die hohen Zins zahlen können, weil sie ihn aus fremder Tasche
zahlen (dabei aber den Zinsfuss für alle bestimmen helfen) und
inzwischen flott auf anticipirte Profite leben. Gleichzeitig kann
grade dies übrigens für Fabrikanten u. s. w. ein wirklich sehr
profitables Geschäft abwerfen. Die Rückflüsse werden durch das
Vorschusssystem vollständig trügerisch. Dies erklärt auch folgendes,
was mit Bezug auf die Bank v. E. keiner Erklärung bedarf, weil
sie bei hohem Zinsfuss niedriger diskontirt als die andern.
„5156. Ich kann wohl sagen, sagt Chapman, dass unsre Dis-
kontobeträge im gegenwärtigen Augenblick, wo wir für so lange
Zeit einen hohen Zinsfuss hatten, auf ihrem Maximum sind.“ [Dies
sagte Chapman am 21. Juli 1857, ein paar Monate vor dem Krach.]
„5157. 1852“ [wo der Zins niedrig] „waren sie bei weitem nicht
so gross.“ Weil in der That damals das Geschäft noch viel ge-
sunder war.
„5159. Wenn eine grosse Geldüberflutung auf dem Markt
wäre … und der Bankdiskonto niedrig, würden wir eine Abnahme
von Wechseln haben … 1852 waren wir in einer ganz andern
Phase. Die Ausfuhren und Einfuhren des Landes waren damals
gar nichts verglichen mit heute. — 5161. Unter dieser hohen Dis-
kontorate sind unsre Diskontirungen ebenso gross wie 1854.“ [Wo
der Zins 5—5½ %.]
Höchst amüsant ist im Zeugenverhör des Chapman, wie diese
Leute in der That das Geld des Publikums als ihr Eigenthum
betrachten, und ein Recht zu haben glauben auf stete Konver-
tibilität der von ihnen diskontirten Wechsel. Die Naivetät in den
Fragen und Antworten ist gross. Es wird Pflicht der Gesetz-
gebung, die von grossen Häusern acceptirten Wechsel immer kon-
vertibel zu machen; dafür zu sorgen, dass die Bank von England
sie unter allen Umständen den billbrokers wieder weiter diskontirt.
Und dabei fallirten 1857 drei solcher billbrokers mit ungefähr
8 Millionen, und einem gegen diese Schulden verschwindenden
eignen Kapital. — „5177. Wollen Sie damit sagen, dass nach Ihrer
Meinung sie [Accepte von Barings oder Loyds] zwangsmäßig dis-
kontirbar sein sollten, in der Art wie eine Note der Bank von
[74] England jetzt zwangsmäßig gegen Gold einwechselbar ist? — Ich
bin der Ansicht, dass es eine sehr beklagenswerthe Sache sein
würde, wenn sie nicht diskontirbar wären; eine höchst ausserordent-
liche Lage, dass ein Mann die Zahlungen einstellen müsste, weil
er Accepte von Smith, Payne \& Co. oder Jones, Loyd \& Co. besitzt
und sie nicht diskontiren kann. — 5178. Ist nicht das Accept
von Baring’s eine Verpflichtung, eine gewisse Summe Geldes zu
zahlen, wenn der Wechsel verfällt? — Das ist ganz richtig; aber
die Herren Baring, wenn sie eine solche Verpflichtung übernehmen,
wie jeder Kaufmann, wenn er eine solche Verpflichtung übernimmt,
denken nicht im Traum daran, dass sie das werden in Sovereigns
bezahlen müssen; sie rechnen darauf, dass sie es im Clearing
House bezahlen werden. — 5180. Meinen Sie dann, es müsse eine
Art Maschinerie erdacht werden, vermittelst deren das Publikum
ein Recht hätte, Geld zu empfangen vor Verfall des Wechsels
dadurch dass jemand anders ihn diskontiren müsste? — Nein,
nicht vom Acceptanten; aber wenn Sie damit meinen, dass wir
nicht die Möglichkeit haben sollen, kommercielle Wechsel dis-
kontirt zu bekommen, dann müssen wir die ganze Verfassung der
Dinge ändern. — 5182. Sie glauben also er [ein Handelswechsel]
müsste in Geld konvertibel sein, genau so wie eine Note der Bank
von England in Gold konvertibel sein muss? — Ganz entschieden,
unter gewissen Umständen. — 5184. Sie glauben also, dass die
Einrichtungen der currency so gestaltet werden müssten, dass ein
Handelswechsel von unbezweifelter Solidität zu allen Zeiten ebenso
leicht gegen Geld umwechselbar wäre wie eine Banknote? — Das
glaube ich. — 5185. Sie gehn nicht soweit zu sagen, dass, sei
es die Bank von England, sei es irgend jemand anders, gesetzlich
gezwungen werden sollte ihn einzuwechseln? — Ich gehe aller-
dings soweit zu sagen, dass wenn wir ein Gesetz zur Regelung
der currency machen, wir Vorkehrungen treffen sollten die Mög-
lichkeit zu verhindern, dass eine Inkonvertibilität der inländischen
Handelswechsel eintritt, soweit diese Wechsel unbezweifelt solid
und legitim sind.“ — Dies ist die Konvertibilität des Handels-
wechsels gegen die Konvertibilität der Banknote.
„5189. Die Geldhändler des Landes repräsentiren thatsächlich
nur das Publikum“ — wie Herr Chapman später vor den Assisen
im Fall Davison. Siehe die Great City Frauds.
„5196. Während der Quartalzeiten“ [wenn die Dividenden ge-
zahlt werden] „ist es … absolut nöthig, dass wir uns an die
Bank von England wenden. Wenn Sie aus der Cirkulation 6 oder
[75] 7 Millionen Staatseinkommen in Anticipation der Dividenden her-
ausnehmen, so muss irgend jemand da sein, der diesen Betrag in
der Zwischenzeit zur Verfügung stellt.“ — [In diesem Fall handelt
es sich also um Zufuhr von Geld, nicht von Kapital oder Leihkapital.]
„5169. Jeder der unsre Handelswelt kennt, muss wissen, dass
wenn wir in einer solchen Lage sind, dass Schatzscheine unver-
käuflich werden, dass Obligationen der ostindischen Kompagnie
vollkommen nutzlos sind, dass man die besten Handelswechsel
nicht diskontiren kann, eine grosse Besorgniss herrschen muss bei
denen, deren Geschäft sie in den Fall bringt, auf einfaches Ver-
langen augenblicklich Zahlungen im landesüblichen Cirkulations-
mittel zu machen, und dies ist der Fall mit allen Bankiers. Die
Wirkung davon ist dann, dass jedermann seine Reserve verdoppelt.
Nun sehn Sie mal, was die Wirkung davon im ganzen Lande ist,
wenn jeder Landbankier, deren es ungefähr 500 gibt, seinen Lon-
doner Korrespondenten zu beauftragen hat, ihm 5000 £ in Bank-
noten zu remittiren. Selbst wenn wir eine so kleine Summe als
Durchschnitt nehmen, was schon ganz absurd ist, kommen wir auf
2½ Mill. £, die der Cirkulation entzogen werden. Wie sollen die
ersetzt werden?“
Andrerseits wollen die Privatkapitalisten etc., die Geld haben,
es zu keinem Zins hergeben, denn sie sagen nach Chapman: „5194.
Wir wollen lieber gar keine Zinsen haben, als im Zweifel sein,
ob wir das Geld bekommen können, falls wir es brauchen.“
„5173. Unser System ist dies: Wir haben 300 Mill. £ Ver-
pflichtungen, deren Bezahlung in laufender Landesmünze in einem
einzigen gegebnen Moment verlangt werden kann; und diese Landes-
münze, wenn wir sie alle darauf verwenden, beträgt 23 Mill. £,
oder wie viel es sein mag; ist das nicht ein Zustand, der uns jeden
Augenblick in Konvulsionen werfen kann?“ Daher in den Krisen
der plötzliche Umschlag des Kreditsystems in das Monetarsystem.
Abgesehn von der inländischen Panik in den Krisen, kann von
Quantität des Geldes nur die Rede sein, soweit es Metall betrifft,
das Weltgeld. Und grade dies schliesst Chapman aus, er spricht
nur von 23 Mill. Banknoten.
Derselbe Chapman: „5218. Die ursprüngliche Ursache der
Störung im Geldmarkt“ [April und später Oktober 1847] „war
unbezweifelt in der Menge des Geldes, das erforderlich war um
die Wechselkurse zu reguliren, in Folge der ausserordentlichen Ein-
fuhren des Jahres.“
Erstens war dieser Schatz des Weltmarktsgeldes damals auf sein
[76] Minimum reducirt. Zweitens diente er zugleich als Sicherheit für
die Konvertibilität des Kreditgeldes, der Banknoten. Er vereinigte
so zwei ganz verschiedne Funktionen, die aber beide aus der Natur
des Geldes hervorgehn, da das wirkliche Geld stets Weltmarkts-
geld ist, und das Kreditgeld stets auf dem Weltmarktsgeld beruht.
1847, ohne Suspension des Bankakts von 1844, „hätten die
Clearing Houses ihre Geschäfte nicht erledigen können.“ (5221.)
Dass Chapman doch eine Ahnung der bevorstehenden Krise
hatte: „5236. Es gibt gewisse Lagen des Geldmarktes (und die
gegenwärtige ist nicht sehr entfernt davon), wo Geld sehr schwierig
ist, und man zur Bank seine Zuflucht nehmen muss.
„5239. Was die Summen angeht, die wir von der Bank ent-
nahmen am Freitag, Samstag und Montag, den 19., 20. und 22.
Oktober 1847, so wären wir nur zu dankbar gewesen am folgenden
Mittwoch, hätten wir die Wechsel zurückbekommen können; das
Geld floss augenblicklich zu uns zurück, sobald die Panik vorüber
war.“ — Am Dienstag 23. Oktober wurde nämlich der Bankakt
suspendirt und die Krise war damit gebrochen.
Chapman glaubt 5274, dass die gleichzeitig auf London schwe-
benden Wechsel 100—120 Mill. £ betragen. Dies begreift nicht
die Lokalwechsel auf Provinzialplätze.
„5287. Während im Oktober 1856 der Notenbetrag in den
Händen des Publikums auf 21155000 £ stieg, war doch eine ganz
ausserordentliche Schwierigkeit Geld zu bekommen; trotzdem dass
das Publikum so viel in der Hand hatte, konnten wir es nicht in
die Finger bekommen.“ Nämlich in Folge der Besorgnisse, er-
zeugt durch die Klemme, in der sich die Eastern Bank eine Zeit
lang (März 1856) befunden hatte.
5190—92. Sobald die Panik einmal vorüber, „fangen alle Ban-
kiers, die ihren Profit aus dem Zins machen, sofort an ihr Geld
zu beschäftigen.“
5302. Chapman erklärt die Beunruhigung bei Abnahme der
Bankreserve nicht aus Furcht wegen der Depositen, sondern weil
alle diejenigen, die grosse Geldsummen plötzlich zu zahlen in den
Fall kommen können, sehr wohl wissen, dass sie zur Bank als
letzter Hülfsquelle bei Klemme im Geldmarkt getrieben werden
können; und „wenn die Bank eine sehr kleine Reserve hat, ist sie
nicht erfreut, uns zu empfangen, im Gegentheil.“
Es ist übrigens schön, wie die Reserve als faktische Grösse ver-
schwindet. Die Bankiers halten ein Minimum für ihr laufendes
Geschäft theils bei sich, theils bei der Bank von England. Die
[77] billbrokers halten das „lose Bankgeld des Landes“ ohne Reserve.
Und die Bank v. E. hat gegen ihre Depositenschulden nur die
Reserve der Bankiers und anderer, nebst public deposits etc., die
sie auf den niedrigsten Punkt kommen lässt, z. B. bis auf 2 Mill.
Ausser diesen 2 Mill. Papier hat daher dieser ganze Schwindel,
in Zeiten der Klemme (und diese vermindert die Reserve, weil die
Noten, die gegen abfliessendes Metall eingehn, annullirt werden
müssen) absolut keine andre Reserve als den Metallschatz, und daher
steigert jede Verminderung desselben durch Goldabfluss die Krise.
„5306. Wenn kein Geld vorhanden wäre, um die Ausgleichungen
im Clearing House zu erledigen, so sehe ich nicht, dass uns etwas
andres übrig bliebe als zusammen zu kommen, und unsre Zah-
lungen in Primawechseln zu machen, Wechseln auf das Schatzamt,
Smith, Payne \& Co. etc. — 5307. Also, falls die Regierung er-
mangelte, Sie mit Cirkulationsmittel zu versehn, würden Sie eins
für sich selbst schaffen? — Was können wir thun? Das Publikum
kommt herein und nimmt uns das Cirkulationsmittel aus der Hand;
es existirt nicht. — 5308. Sie würden also bloss das in London
thun, was man in Manchester jeden Tag thut? — Jawohl.“
Sehr gut ist die Antwort Chapman’s auf die Frage, die Cayley
(Birmingham-man der Attwoodschen Schule) mit Bezug auf Over-
stone’s [Vorstellung] von Kapital stellt: „5315. Es ist vor dem
Komité ausgesagt worden, dass in einer Klemme wie die von
1847, man sich nicht nach Geld umsieht, sondern nach Kapital;
was ist Ihre Meinung darüber? — Ich verstehe Sie nicht; wir
handeln nur in Geld; ich verstehe nicht, was Sie damit meinen. —
5316. Wenn Sie darunter“ [kommercielles Kapital] „die Menge
des ihm selbst gehörigen Geldes verstehn, das ein Mann in seinem
Geschäft hat, wenn Sie das Kapital nennen, so bildet das meistens
einen sehr geringen Theil des Geldes, womit er in seinen Ge-
schäften wirthschaftet, vermittelst des Kredits, den ihm das Publikum
gibt“ — durch die Vermittlung der Chapmans.
„5339. Ist es Mangel an Reichthum, dass wir unsre Baar-
zahlungen suspendiren? — Keineswegs; … wir haben keinen
Mangel an Reichthum, sondern wir bewegen uns unter einem höchst
künstlichen System, und wenn wir eine ungeheure drohende (super-
incumbent) Nachfrage nach unserm Cirkulationsmittel haben, so
mögen Umstände eintreten, die uns verhindern, dieses Cirkulations-
mittels habhaft zu werden. Soll deswegen die ganze kommercielle
Industrie des Landes lahmgelegt werden? Sollen wir alle Zugänge
der Beschäftigung zuschliessen? — 5338. Sollten wir vor die
[78] Frage gestellt werden, was wir aufrecht erhalten wollen, die Baar-
zahlungen oder die Industrie des Landes, so weiss ich, welches von
beiden ich fallen liesse.“
Ueber Aufschatzung von Banknoten „mit der Absicht die Klemme
zu verschärfen, und von den Folgen Nutzen zu ziehn“ [5358] sagt
er, dass dies sehr leicht geschehn kann. Drei grosse Banken würden
dazu hinreichen. „5383. Muss es Ihnen nicht bekannt sein, als
einem mit den grossen Geschäften unsrer Hauptstadt vertrauten
Mann, dass Kapitalisten diese Krisen benutzen, um enorme Profite
zu machen aus dem Ruin derjenigen, die zum Opfer fallen? —
Daran kann kein Zweifel sein.“ Und Herrn Chapman dürfen wir
dies glauben, obwohl er schliesslich über dem Versuch „aus dem
Ruin der Opfer enorme Profite zu machen,“ kommerciell den Hals
gebrochen hat. Denn wenn sein Associé Gurney sagt: jede Aen-
derung im Geschäft ist vortheilhaft für den, der Bescheid weiss,
so sagt Chapman: „Der eine Theil der Gesellschaft weiss nichts
vom andern; da ist z. B. der Fabrikant, der nach dem Kontinent
exportirt, oder seinen Rohstoff importirt, er weiss nichts von dem
andern, der in Goldbarren macht.“ (5046). Und so geschah es,
dass eines Tags Gurney und Chapman selbst nicht „Bescheid
wussten“ und einen berüchtigten Bankerott machten.
Wir sahen schon oben, dass Ausgabe von Noten nicht in allen
Fällen Vorschuss von Kapital bedeutet. Die jetzt folgende Aus-
sage von Tooke vor dem C. D. Ausschuss der Lords 1848 beweist
nur, dass Kapitalvorschuss, selbst wenn von der Bank durch Aus-
gabe neuer Noten bewerkstelligt, nicht ohne weiteres eine Ver-
mehrung der Menge der umlaufenden Noten bedeutet:
„3099. Glauben Sie, dass die B. v. E. z. B. ihre Vorschüsse
bedeutend erweitern könne, ohne dass dies zu vermehrter Noten-
ausgabe führte? — Es liegen Thatsachen im Ueberfluss vor, die
dies beweisen. Eins der schlagendsten Beispiele war 1835, wo die
Bank von den westindischen Depositen und von der Anleihe bei
der ostindischen Kompagnie Gebrauch machte zu vermehrten Vor-
schüssen ans Publikum; da nahm zur selben Zeit der Notenbetrag
in den Händen des Publikums thatsächlich etwas ab. … Etwas
ähnliches ist bemerkbar 1846 zur Zeit der Einzahlungen der Eisen-
bahndepositen in die Bank; die Werthpapiere [in Diskonto und
Depôt] stiegen auf ungefähr 30 Mill., während keine merkliche
Wirkung eintrat auf den Notenbetrag in der Hand des Publikums.“
Neben den Banknoten aber hat der Grosshandel ein zweites und
für ihn weit wichtigeres Cirkulationsmittel: die Wechsel. Herr
[79] Chapman hat uns gezeigt, wie wesentlich es ist für einen regel-
mäßigen Geschäftsgang, dass gute Wechsel überall und unter allen
Umständen in Zahlung genommen werden: gilt nicht mehr der
Tausves Jontof, was soll gelten, Zeter, Zeter! Wie verhalten sich
nun diese beiden Umlaufsmittel zu einander?
Gilbart sagt hierüber: „Die Beschränkung des Betrags der Noten-
cirkulation vermehrt regelmäßig den Betrag der Wechselcirkulation.
Die Wechsel sind zweierlei Art — Handelswechsel und Bankier-
wechsel — … wird das Geld selten, so sagen die Geldverleiher:
„Ziehen Sie auf uns und wir werden acceptiren,“ und wenn ein
Provinzialbankier einem Kunden einen Wechsel diskontirt, so gibt
er ihm nicht baares Geld, sondern seine eigne Tratte für 21 Tage
auf seinen Londoner Agenten. Diese Wechsel dienen als ein Cir-
kulationsmittel.“ (G. W. Gilbart, An Inquiry into the Causes of the
Pressure etc. p. 31.)
Dies wird, in etwas modificirter Form, bestätigt durch Newmarch,
B. A. 1857, No. 1426:
„Es besteht kein Zusammenhang zwischen den Schwankungen
im Betrag der cirkulirenden Wechsel und denen in den cirku-
lirenden Banknoten … das einzige ziemlich gleichmäßige Resultat
ist … dass sobald die geringste Klemme im Geldmarkt eintritt,
wie eine Steigerung der Diskontrate sie anzeigt, der Umfang der
Wechselcirkulation bedeutend vermehrt wird und umgekehrt.“
Die in solchen Zeiten gezognen Wechsel sind aber keineswegs
nur die kurzen Bankwechsel, die Gilbart erwähnt. Im Gegentheil;
es sind zum grossen Theil Akkommodationswechsel, die gar kein
wirkliches Geschäft repräsentiren oder nur Geschäfte, die bloss ein-
geleitet wurden um darauf hin Wechsel ziehen zu können; von
beidem haben wir Beispiele genug gegeben. Daher sagt der
Economist (Wilson), die Sicherheit solcher Wechsel vergleichend
mit der der Banknoten: „Bei Vorzeigung zahlbare Banknoten
können nie im Uebermass draussen bleiben, weil das Uebermaß
immer zur Bank zur Auswechslung zurückfliessen würde, während
Zweimonats-Wechsel in grossem Uebermaß ausgegeben werden
können, da es kein Mittel gibt, die Ausgabe zu kontroliren, bis
sie verfallen, wo sie dann vielleicht schon wieder durch andre er-
setzt sind. Dass eine Nation die Sicherheit der Cirkulation von
Wechseln, zahlbar an einem künftigen Termin, zugeben, dagegen
aber Bedenken erheben sollte gegen eine Cirkulation von Papier-
geld, zahlbar bei Vorzeigung, ist für uns vollständig unbegreiflich“.
(Economist, 1847. p. 572.)
[80]
Die Menge der cirkulirenden Wechsel ist also, wie die der
Banknoten, lediglich bestimmt durch die Bedürfnisse des Verkehrs;
in gewöhnlichen Zeiten cirkulirten in den fünfziger Jahren im Ver-
einigten Königreich neben 39 Mill. Banknoten ungefähr 300 Mill.
Wechsel, davon 100—120 Mill. auf London allein. Der Umfang,
worin die Wechsel cirkuliren, hat keinen Einfluss auf den Umfang
der Notencirkulation, und wird von diesem letzteren beeinflusst nur
in Zeiten der Geldknappheit, wo die Quantität der Wechsel zu-
nimmt und ihre Qualität sich verschlechtert. Endlich, im Moment
der Krise, versagt die Wechselcirkulation gänzlich; kein Mensch
kann Zahlungsversprechen brauchen, da jeder nur Baarzahlung
nehmen will; nur die Banknote bewahrt, wenigstens bis jetzt in
England, die Umlaufsfähigkeit, da die Nation mit ihrem Gesammt-
reichthum hinter der Bank von England steht.
Wir haben gesehn, wie selbst Herr Chapman, der doch 1857
selbst ein Magnat auf dem Geldmarkt war, sich bitter darüber be-
klagt, dass es in London mehrere grosse Geldkapitalisten gebe,
stark genug um in einem gegebnen Moment den ganzen Geldmarkt
in Unordnung zu bringen und dadurch die kleineren Geldhändler
schmählichst zu schröpfen. So gebe es mehrere solche grosse
Haifische, die eine Klemme bedeutend verschärfen könnten, indem
sie 1—2 Millionen Konsols verkauften und dadurch einen gleichen
Betrag von Banknoten (und gleichzeitig von disponiblem Leih-
kapital) aus dem Markt nähmen. Durch ein gleiches Manöver
eine Klemme in eine Panik zu verwandeln, dazu würde das Zu-
sammenwirken dreier grosser Banken hinreichen.
Die grösste Kapitalmacht in London ist natürlich die Bank von
England, die aber durch ihre Stellung als halbes Staatsinstitut in
die Unmöglichkeit versetzt ist, ihre Herrschaft in so brutaler Weise
kund zu thun. Trotzdem weiss auch sie Mittel und Wege genug
— namentlich seit dem Bankakt von 1844 — wie sie ihr Schäfchen
ins Trockne bringt.
Die Bank von England hat ein Kapital von 14553000 £, und
verfügt ausserdem über circa 3 Millionen £ „Rest“, d. h. unver-
theilte Profite, sowie über alle bei der Regierung für Steuern etc.
eingehenden Gelder, die bei ihr deponirt werden müssen, bis sie
gebraucht werden. Rechnet man hierzu noch die Summe der
sonstigen Depositengelder (in gewöhnlichen Zeiten etwa 30 Mill. £)
und der ungedeckt ausgegebnen Banknoten, so wird man Newmarch’s
Schätzung noch ziemlich mäßig finden, wenn dieser (B. A. 1857
[81] No. 1889) sagt: „ich habe mich überzeugt, dass die Gesammt-
summe der fortwährend im [Londoner] Geldmarkt beschäftigten
Fonds auf ungefähr 120 Mill. £ angeschlagen werden kann; und
von diesen 120 Millionen verfügt die Bank v. E. über einen sehr
bedeutenden Theil, gegen 15—20 %.“
Soweit die Bank Noten ausgibt, die nicht durch den Metall-
schatz in ihren Gewölben gedeckt sind, kreirt sie Werthzeichen,
die nicht nur Umlaufsmittel, sondern auch zusätzliches — wenn
auch fiktives — Kapital für sie bilden zum Nominalbetrag dieser
ungedeckten Noten. Und dies Zusatzkapital wirft ihr einen
zusätzlichen Profit ab. — B. A. 1857, fragt Wilson den
Newmarch: „1563. Die Cirkulation der eignen Banknoten einer
Bank, d. h. der durchschnittlich in den Händen des Publikums
verbleibende Betrag, bildet einen Zusatz zum effektiven Kapital
jener Bank, nicht wahr? — Ganz gewiss. — 1564. Aller Profit
also, den die Bank aus dieser Cirkulation zieht, ist ein Profit; der
vom Kredit, und nicht von einem von ihr wirklich besessenen
Kapital herstammt? — Ganz gewiss.“
Dasselbe gilt natürlich auch für die Noten ausgebenden Privat-
banken. In seinen Antworten No. 1866—68 betrachtet Newmarch
zweidrittel aller von diesen ausgegebnen Banknoten (für das
letzte Drittel müssen diese Banken Metallreserve halten) als
„Schöpfung von so viel Kapital“ weil Hartgeld zu diesem Betrag
erspart wird. Der Profit des Bankiers mag deshalb nicht grösser
sein als der Profit andrer Kapitalisten. Die Thatsache bleibt, dass
er den Profit zieht aus dieser nationalen Ersparung von Hartgeld.
Dass eine nationale Ersparung als Privatprofit erscheint, choquirt
gar nicht den bürgerlichen Oekonomen, da der Profit überhaupt
Aneignung nationaler Arbeit ist. Gibt es etwas Verrückteres als
z. B. die Bank von England 1797—1817, deren Noten nur durch
den Staat Kredit haben, und die sich dann vom Staat, also vom
Publikum, in der Form von Zinsen für Staatsanleihen, bezahlen
lässt für die Macht, die der Staat ihr gibt, diese selben Noten
aus Papier in Geld zu verwandeln und sie dann dem Staat zu
leihen?
Die Banken haben übrigens noch andre Mittel Kapital zu kreiren.
Nach demselben Newmarch haben die Provinzialbanken, wie schon
oben erwähnt, die Gepflogenheit, ihre überflüssigen Fonds (d. h.
Noten der B. v. E.) an Londoner billbrokers zu schicken, die ihnen
dagegen diskontirte Wechsel zurückschicken. Mit diesen Wechseln
bedient die Bank ihre Kunden, da es Regel für sie ist, die von
Marx, Kapital III. 2. 6
[82] ihren Lokalkunden empfangnen Wechsel nicht wieder auszugeben,
damit nicht die Geschäftsoperationen dieser Kunden in ihrer eignen
Nachbarschaft bekannt werden. Diese von London erhaltnen Wechsel
dienen nicht nur dazu, an Kunden ausgegeben zu werden, die direkt
Zahlungen in London zu machen haben, falls diese nicht vorziehn
sich von der Bank eine eigne Anweisung auf London ausstellen
zu lassen; sie dienen auch zur Erledigung von Zahlungen in der
Provinz, denn das Endossement des Bankiers sichert ihnen den
lokalen Kredit. Sie haben so, z. B. in Lancashire, alle eignen
Noten von Lokalbanken und einen grossen Theil der Bank v. E.
Noten aus der Cirkulation verdrängt. (ibidem, 1568—74.)
Wir sehn hier also, wie die Banken Kredit und Kapital kreiren:
1) durch Ausgabe eigner Banknoten; 2) durch Ausstellung von An-
weisungen auf London mit bis zu 21 Tagen Laufzeit, die ihnen aber
bei Ausstellung gleich baar bezahlt werden; 3) durch Wegzahlung
diskontirter Wechsel, deren Kreditfähigkeit zunächst und wesentlich,
wenigstens für den betreffenden Lokalbezirk, durch das Endossement
der Bank hergestellt wurde.
Die Macht der Bank von England zeigt sich in ihrer Regu-
lirung der Marktrate des Zinsfusses. In Zeiten normalen Geschäfts-
verlaufs kann es vorkommen, dass die Bank v. E. einem mäßigen
Goldabfluss aus ihrem Metallschatz nicht durch Erhöhung der Dis-
kontorate12) einen Riegel vorschieben kann, weil der Bedarf an
Zahlungsmitteln durch die Privat- und Aktienbanken und bill-
brokers, die in den letzten dreissig Jahren bedeutend an Kapital-
macht gewonnen, befriedigt wird. Sie hat dann andre Mittel an-
zuwenden. Aber für kritische Momente gilt noch immer, was der
Bankier Glyn (von Glyn, Mills, Currie \& Co.) von dem C. D. 1848/57
aussagte: „1709. In Zeiten grosser Klemme im Lande komman-
dirt die Bank v. E. den Zinsfuss. — 1710. In Zeiten ausseror-
dentlicher Klemme … wenn die Diskontirungen der Privatbankiers
oder Brokers verhältnissmäßig eingeschränkt werden, fallen sie auf
[83] die Bank v. E., und dann hat sie die Macht, die Marktrate des
Zinsfusses festzustellen.“
Allerdings darf sie, als öffentliches Institut unter Staatsschutz
und mit Staatsprivilegien, diese ihre Macht nicht schonungslos aus-
nutzen, wie die Privatgeschäfte sich dies erlauben dürfen. Desshalb
sagt auch Hubbard vor dem Bankkomité B. A. 1857: „2844.
[Frage:] Ist es nicht der Fall, dass wenn die Diskontorate am
höchsten, dann die Bank von England am wohlfeilsten bedient,
und wenn am niedrigsten, dann die Brokers am wohlfeilsten? —
[Hubbard:] Das wird immer der Fall sein, denn die Bank v. E.
geht nie so sehr herunter wie ihre Konkurrenten, und wenn die
Rate am höchsten, geht sie nie ganz so hoch hinauf.“
Trotzdem aber ist es ein ernsthaftes Ereigniss im Geschäftsleben,
wenn die Bank in Zeiten der Klemme, nach dem landläufigen Aus-
druck, die Schraube anzieht, d. h. den schon über dem Durchschnitt
stehenden Zinsfuss noch höher setzt. „Sobald die Bank v. E. die
Schraube anzieht, hören alle Einkäufe für Ausfuhr ins Ausland
auf … die Exporteure warten, bis die Depression der Preise den
niedrigsten Punkt erreicht hat, und erst dann und nicht früher
kaufen sie ein. Aber wenn dieser Punkt erreicht ist, sind die
Kurse schon wieder geregelt — Gold hört auf exportirt zu werden,
ehe dieser niedrigste Punkt der Depression erreicht ist. Waaren-
käufe für Export können möglicherweise einen Theil des auswärts
gesandten Goldes zurückbringen, aber sie kommen zu spät, den
Abfluss zu verhindern.“ (G. W. Gilbart, An Inquiry into the Causes
of the Pressure on the Money Market. London 1840. p. 37.)
„Eine andre Wirkung der Regulirung des Cirkulationsmittels ver-
mittelst der auswärtigen Wechselkurse ist, dass sie in Zeiten der
Klemme einen enormen Zinsfuss herbeiführt.“ (l. c., p. 40.) „Die
Kosten, die aus der Wiederherstellung der Wechselkurse entstehn,
fallen auf die produktive Industrie des Landes, während im Ver-
lauf dieses Processes der Profit der Bank v. E. positiv dadurch
gesteigert wird, dass sie ihr Geschäft mit einem geringern Betrag
von Edelmetall fortführt.“ (l. c., p. 52.)
Aber, sagt Freund Samuel Gurney, „diese grossen Schwankungen
des Zinsfusses sind den Bankiers und Geldhändlern vortheilhaft —
alle Schwankungen im Geschäft sind vortheilhaft für den, der
Bescheid weiss.“ Und wenn auch die Gurneys den Rahm der
rücksichtslosen Ausbeutung der Geschäftsnothlage abschöpfen,
während die Bank v. E. sich dies nicht mit derselben Freiheit er-
lauben darf, so fallen auch für sie ganz hübsche Profite ab —
6*
[84] von den Privatprofiten nicht zu sprechen, die den Herren Direk-
toren, in Folge ihrer ausnahmsweisen Gelegenheit zur Kenntniss-
nahme der allgemeinen Geschäftslage, von selbst in den Schooss
fallen. Nach Angabe vor dem Lord’s Committee 1817 bei Wieder-
aufnahme der Baarzahlungen, betrugen diese Profite der Bank von
England für die gesammte Zeit von 1797—1817:
- Bonuses and increased dividends . . . . . . 7451136
- New stock divided among proprietors . . . . 7276500
- Increased value of capital . . . . . . . . 14553000
- Summa 29280636
auf ein Kapital von 11642100 £ in 19 Jahren. (D. Hardcastle
Banks and Bankers. 2nd ed. London 1843, p. 120.) Schätzen wir
den Totalgewinn der Bank von Irland, die auch 1797 die Baar-
zahlungen suspendirte, nach demselben Princip, so erhalten wir
folgendes Resultat:
- Dividends as by returns due 1821 . . . . . 4736085
- Declared bonus . . . . . . . . . . . . 1225000
- Increased assets . . . . . . . . . . . 1214800
- Increased value of capital . . . . . . . . 4185000
- Summa 11360885
auf ein Kapital von 3 Mill. £ (ibidem, p. 163.)
Man spreche noch von Centralisation! Das Kreditsystem, das
seinen Mittelpunkt hat in den angeblichen Nationalbanken und
den grossen Geldverleihern und Wucherern um sie herum, ist eine
enorme Centralisation, und gibt dieser Parasitenklasse eine fabel-
hafte Macht, nicht nur die industriellen Kapitalisten periodisch zu
decimiren, sondern auf die gefährlichste Weise in die wirkliche
Produktion einzugreifen — und diese Bande weiss nichts von der
Produktion und hat nichts mit ihr zu thun. Die Akte von 1844
und 45 sind Beweise der wachsenden Macht dieser Banditen, an
die sich die Financiers und stockjobbers anschliessen.
Wenn aber noch jemand zweifelt, dass diese ehrbaren Banditen
die nationale und internationale Produktion ausbeuten nur im In-
teresse der Produktion und der Ausgebeuteten selbst, der wird
sicher eines Bessern belehrt durch folgenden Exkurs über die hohe
sittliche Würde des Bankiers: „Die Banketablissements sind religiöse
und moralische Institutionen. Wie oft hat die Furcht, durch das
wachsame und missbilligende Auge seines Bankiers gesehn zu
werden, den jungen Handelsmann abgeschreckt von der Gesell-
schaft lärmender und ausschweifender Freunde? Welche Angst
[85] hat er, gut in der Achtung des Bankiers zu stehn, immer respek-
tabel zu erscheinen! Das Stirnrunzeln des Bankiers hat mehr Ein-
fluss auf ihn, als die Moralpredigten seiner Freunde; zittert er
nicht im Verdacht zu stehn, sich einer Täuschung oder der kleinsten
unrichtigen Aussage schuldig gemacht zu haben, aus Furcht, dies
könne Verdacht erregen, und in Folge dessen könne seine Bank-
akkomodation beschränkt oder gekündigt werden! Der Rath des
Bankiers ist ihm wichtiger als der des Geistlichen.“ (G. M. Bell,
schottischer Bankdirigent, The Philosophy of Joint Stock Banking.
London 1840, p. 46, 47.)
Vierunddreissigstes Kapitel.
Das Currency Principle und die englische Bankgesetzgebung
von 1844.
[In einer frühern Schrift13) ist die Theorie Ricardo’s über den
Werth des Geldes im Verhältniss zu den Preisen der Waaren
untersucht worden; wir können uns daher hier auf das Nöthigste
beschränken. Nach Ricardo wird der Werth des — metallischen —
Geldes bestimmt durch die in ihm vergegenständlichte Arbeitszeit,
aber nur solange die Quantität des Geldes im richtigen Verhältniss
steht zu Menge und Preis der umzusetzenden Waaren. Steigt die
Quantität des Geldes über dies Verhältniss, so sinkt sein Werth,
die Waarenpreise steigen; fällt sie unter das richtige Verhältniss,
so steigt sein Werth, und die Waarenpreise fallen — bei sonst
gleichbleibenden Umständen. Im ersten Fall wird das Land, wo
dieser Ueberschuss von Gold besteht, das unter seinen Werth ge-
sunkene Gold ausführen und Waaren einführen; im zweiten wird
Gold hinströmen zu den Ländern, wo es über seinen Werth ge-
schätzt wird, während die unterschätzten Waaren von dort zu
andern Märkten fliessen, wo sie normale Preise erzielen können.
Da unter diesen Voraussetzungen „das Gold selbst, sei es als
Münze, sei es als Barre, Werthzeichen von grösserem oder ge-
ringerem Metallwerth als seinem eignen werden kann, so versteht
es sich, dass etwa cirkulirende konvertible Banknoten dasselbe
Schicksal theilen. Obgleich die Banknoten konvertibel sind, also
ihr Realwerth ihrem Nominalwerth entspricht, kann die Gesammt-
masse des cirkulirenden Geldes, Gold und Noten (the aggregate
[86] currency consisting of metal and of convertible notes) appreciirt
oder depreciirt werden, je nachdem ihre Gesammtquantität, aus den
vorher entwickelten Gründen, über oder unter das Niveau steigt
oder fällt, das durch den Tauschwerth der cirkulirenden Waaren
und den Metallwerth des Goldes bestimmt ist … Diese Depre-
ciation, nicht des Papiers gegen Gold, sondern des Goldes und
Papiers zusammengenommen, oder der gesammten Masse der Cir-
kulationsmittel eines Landes, ist eine der Haupterfindungen Ricardo’s,
die Lord Overstone \& Co. in ihren Dienst pressten und zu einem
Fundamentalprincip von Sir Robert Peel’s Bankgesetzgebung von
1844 und 1845 machten.“ (l. c. p. 155.)
Den an derselben Stelle geführten Nachweis von der Verkehrt-
heit dieser Ricardoschen Theorie brauchen wir hier nicht zu wieder-
holen. Uns interessirt nur die Art und Weise, wie Ricardo’s Lehr-
sätze verarbeitet wurden von der Schule von Banktheoretikern, die
die obigen Peelschen Bankakte diktirte.
„Die Handelskrisen während des 19. Jahrhunderts, namentlich
die grossen Krisen von 1825 und 1836, riefen keine Fortentwick-
lung, wohl aber neue Nutzanwendung der Ricardoschen Geldtheorie
hervor. Es waren nicht mehr einzelne ökonomische Phänomene,
wie bei Hume die Depreciation der edlen Metalle im 16. und 17.
Jahrhundert, oder wie bei Ricardo die Depreciation des Papier-
gelds während des 18. und im Anfang des 19. Jahrhunderts,
sondern die grossen Weltmarktsungewitter, worin der Widerstreit
aller Elemente des bürgerlichen Produktionsprocesses sich entladet,
deren Ursprung und Abwehr innerhalb der oberflächlichsten und
abstraktesten Sphäre dieses Processes, der Sphäre der Geldcirku-
lation, gesucht wurden. Die eigentlich theoretische Voraussetzung,
wovon die Schule der ökonomischen Wetterkünstler ausgeht, be-
steht in der That in nichts andrem als dem Dogma, dass Ricardo
die Gesetze der rein metallischen Cirkulation entdeckt hat. Was
ihnen zu thun übrig blieb, war die Unterwerfung der Kredit- oder
Banknotencirkulation unter diese Gesetze.
„Das allgemeinste und sinnfälligste Phänomen der Handelskrisen
ist plötzlicher, allgemeiner Fall der Waarenpreise, folgend auf ein
längeres, allgemeines Steigen derselben. Allgemeiner Fall der
Waarenpreise kann ausgedrückt werden als Steigen im relativen
Werth des Geldes, verglichen mit allen Waaren, und allgemeines
Steigen der Preise umgekehrt als Fallen des relativen Werths des
Geldes. In beiden Ausdrucksweisen ist das Phänomen ausgesprochen,
nicht erklärt. … Die verschiedene Phraseologie lässt die Aufgabe
[87] ebenso unverändert. wie es ihre Uebersetzung aus der deutschen
in die englische Sprache thun würde. Ricardo’s Geldtheorie kam
daher ungemein gelegen, da sie einer Tautologie den Schein eines
Kausalverhältnisses gibt. Woher das periodische allgemeine Fallen
der Waarenpreise? Vom periodischen Steigen des relativen Werths
des Geldes. Woher umgekehrt das periodische, allgemeine Steigen
der Waarenpreise? Von einem periodischen Fall im relativen Werth
des Geldes. Es könnte ebenso richtig gesagt werden, dass das
periodische Steigen und Fallen der Preise von ihrem periodischen
Steigen und Fallen herrührt … Die Verwandlung der Tautologie
in ein Kausalverhältniss einmal zugegeben ergibt sich alles andre
mit Leichtigkeit. Das Steigen der Waarenpreise entspringt aus
dem Fallen des Werths des Geldes. Das Fallen des Geldwerths
aber, wie wir von Ricardo wissen, aus übervoller Cirkulation, d. h.
daher dass die Masse des cirkulirenden Geldes über das, durch
seinen eignen immanenten Werth und die immanenten Werthe
der Waaren bestimmte Niveau steigt. Ebenso umgekehrt das all-
gemeine Fallen der Waarenpreise aus dem Steigen des Geldwerths
über seinen immanenten Werth in Folge einer untervollen Cirku-
lation. Die Preise steigen und fallen also periodisch, weil periodisch
zu viel oder zu wenig Geld cirkulirt. Wird nun etwa nachge-
wiesen, dass das Steigen der Preise mit einer verminderten Geld-
cirkulation, und das Fallen der Preise mit einer vermehrten Cir-
kulation zusammenfiel, so kann trotzdem behauptet werden, in
Folge irgend einer, wenn auch statistisch durchaus unnachweis-
baren, Verminderung oder Vermehrung der cirkulirenden Waaren-
masse sei die Quantität des cirkulirenden Geldes, obgleich nicht
absolut, doch relativ vermehrt oder vermindert worden. Wir sahen
nun, dass nach Ricardo diese allgemeinen Schwankungen der Preise
auch bei einer rein metallischen Cirkulation stattfinden müssen,
sich aber durch ihre Abwechslung ausgleichen, indem z. B. unter-
volle Cirkulation das Fallen der Waarenpreise, Ausfuhr der Waaren
ins Ausland, diese Ausfuhr aber Einfuhr von Gold ins Inland,
dieser Einfluss von Geld aber wieder Steigen der Waarenpreise
hervorruft. Umgekehrt bei einer übervollen Cirkulation, wo
Waaren importirt und Gold exportirt werden. Da nun trotz dieser,
aus der Natur der Ricardoschen Metallcirkulation selbst entsprin-
genden, allgemeinen Preisschwankungen ihre heftige und gewalt-
same Form, ihre Krisenform, den Perioden entwickelten Kredit-
wesens angehört, so wird es sonnenklar, dass die Ausgabe von
Banknoten nicht exakt nach den Gesetzen der metallischen Cirku-
[88] lation regulirt wird. Die metallische Cirkulation besitzt ihr Heil-
mittel im Import und Export der edlen Metalle, die sofort als
Münze in Umlauf treten, und so durch ihren Einfluss oder Aus-
fluss die Waarenpreise fallen oder steigen machen. Dieselbe
Wirkung auf die Waarenpreise muss nun künstlich durch Nach-
ahmung der Gesetze der Metallcirkulation von den Banken her-
vorgebracht werden. Fliesst Geld vom Ausland ein, so ist das
ein Beweis, dass die Cirkulation untervoll ist, der Geldwerth zu
hoch und die Waarenpreise zu niedrig stehn, und folglich Bank-
noten im Verhältniss zu dem neu importirten Gold in Cirkulation
geworfen werden müssen. Sie müssen umgekehrt der Cirkulation
entzogen werden, im Verhältniss wie Gold aus dem Land aus-
strömt. In andern Worten, die Ausgabe von Banknoten muss
regulirt werden nach dem Import und Export der edlen Metalle
oder nach dem Wechselkurs. Ricardo’s falsche Voraussetzung,
dass Gold nur Münze ist, daher alles importirte Gold das um-
laufende Geld vermehrt, und darum die Preise steigen macht,
alles exportirte Gold die Münze vermindert und darum die Preise
fallen macht, diese theoretische Voraussetzung wird hier zum prak-
tischen Experiment, soviel Münze cirkuliren zu machen
als jedesmal Gold vorhanden ist. Lord Overstone (Banquier
Jones Loyd), Oberst Torrens, Norman, Clay, Arbuthnot und eine
Anzahl andrer Schriftsteller, in England bekannt unter dem Namen
der Schule des „Currency Principle“, haben diese Doktrin nicht
nur gepredigt, sondern vermittelst Sir R. Peel’s Bankakten von
1844 und 1845 zur Grundlage der englischen und schottischen
Bankgesetzgebung gemacht. Ihr schmähliches Fiasko theoretisch
wie praktisch, nach Experimenten auf der grössten nationalen
Stufenleiter, kann erst in der Lehre vom Kredit dargestellt werden.“
(l. c. p. 165—168.)
Die Kritik dieser Schule wurde geliefert von Thomas Tooke,
James Wilson (im Economist von 1844—47) und John Fullarton.
Wie mangelhaft aber auch sie die Natur des Goldes durchschauten
und wie unklar sie über das Verhältniss von Geld und Kapital
waren, haben wir mehrfach, namentlich im Kapitel XXVIII dieses
Buchs gesehn. Hier nun noch einiges im Anschluss an die Ver-
handlungen des Unterhaus-Ausschusses von 1857 über die Peelschen
Bankakte (B. C. 1857) — F. E.]
J. G. Hubbard, ehemaliger Gouverneur der Bank v. E. sagt aus:
„2400. — Die Wirkung der Goldausfuhr … bezieht sich absolut
nicht auf die Waarenpreise. Dagegen sehr bedeutend auf die
[89] Preise der Werthpapiere, weil im Maß wie der Zinsfuss wechselt,
der Werth von Waaren, die diesen Zins verkörpern, nothwendiger-
weise gewaltig afficirt wird.“ Er legt zwei Tabellen vor über die
Jahre 1834—43 und 1845—56, welche beweisen dass die Preis-
bewegung von fünfzehn der bedeutendsten Handelsartikel ganz unab-
hängig war vom Ab- und Zufluss des Goldes und vom Zinsfuss.
Dagegen aber beweisen sie einen engen Zusammenhang zwischen
dem Ab- und Zufluss des Goldes, das in der That „der Repräsen-
tant unsres Anlage suchenden Kapitals“ ist, und dem Zinsfuss. —
„1847 wurde ein sehr grosser Betrag amerikanischer Werthpapiere
nach Amerika zurückübertragen, ebenso russische Werthpapiere
nach Russland, und andre kontinentale Papiere nach den Ländern,
von denen wir unsre Kornzufuhr bezogen.“
Die in der folgenden Hubbardschen Tabelle zu Grunde gelegten
15 Hauptartikel sind: Baumwolle, Baumwollengarn, ditto Gewebe,
Wolle, Wollentuch, Flachs, Leinwand, Indigo, Roheisen, Weiss-
blech, Kupfer, Talg, Zucker, Kaffee, Seide.
I. Von 1834—1843.
Von 15 Hauptartikeln sind
II. Von 1844—1853.
Von 15 Hauptartikeln sind
Hubbard macht dazu die Glosse: „Wie in den 10 Jahren 1834—43,
so waren in 1844—53 Schwankungen im Gold der Bank in jedem
Fall begleitet von einer Zunahme oder Abnahme des leihbaren
Werthes des auf Diskonto vorgeschossnen Geldes; und andrerseits
zeigen die Aenderungen in den Waarenpreisen des Inlandes eine
vollständige Unabhängigkeit von der Masse der Cirkulation, wie
sie sich in den Goldschwankungen der Bank von England zeigt.“
(Bank Acts Report, 1857. II. p. 290 u. 291.)
Da die Nachfrage und Zufuhr von Waaren deren Marktpreise
regulirt, wird hier klar, wie falsch Overstone’s Identifikation der
Nachfrage nach leihbarem Geldkapital (oder vielmehr der Ab-
weichungen der Zufuhr davon) wie sie sich in der Diskontorate
ausdrückt, und der Nachfrage nach wirklichem „Kapital.“ Die
Behauptung, dass die Waarenpreise durch die Schwankungen im
Betrag der Currency regulirt sind, versteckt sich jetzt unter der
Phrase, dass die Schwankungen der Diskontorate Schwankungen in
der Nachfrage nach wirklichem stofflichen Kapital ausdrücken, im
Unterschied vom Geldkapital. Wir haben gesehn, wie sowohl
Norman wie Overstone dies in der That vor demselben Ausschuss
behaupteten, und zu welchen lahmen Ausflüchten namentlich letz-
terer dabei gedrängt wurde, bis er schliesslich ganz fest sass.
(Kapitel XXVI.) Es ist in der That die alte Flause, dass die
Aenderungen in der Masse des vorhandnen Goldes, indem sie die
Menge des Umlaufsmittels im Lande vermehren oder vermindern,
innerhalb dieses Landes die Waarenpreise steigern oder senken
müssten. Wird Gold ausgeführt, so müssen nach dieser Currency-
Theorie die Preise der Waaren steigen in dem Lande, wohin das
Gold geht, und damit der Werth der Exporte des Gold ausführenden
Landes auf dem Markt des Gold einführenden; der Werth der Ex-
porte des letzteren auf dem Markt des ersteren würde dagegen fallen,
während er stiege in ihrem Ursprungsland, wohin das Gold geht.
In der That aber steigert die Verminderung der Goldmenge nur
den Zinsfuss, während ihre Vermehrung ihn senkt; [und] kämen
diese Schwankungen des Zinsfusses nicht in Rechnung bei Fest-
stellung der Kostpreise, oder bei der Bestimmung von Nachfrage
und Angebot, so würden sie die Waarenpreise gänzlich unberührt
lassen. —
Im selben Bericht spricht sich N. Alexander, Chef eines grossen
Hauses im indischen Geschäft, folgendermaßen aus über den starken
Abfluss von Silber nach Indien und China um die Mitte der
50 er Jahre, in Folge theils des chinesischen Bürgerkriegs, der dem
[91] Absatz englischer Gewebe in China Einhalt that, theils der Seiden-
würmer-Krankheit in Europa, die die italienische und französische
Seidenzucht stark einschränkte:
„4337. Ist der Abfluss nach China oder nach Indien? — Sie
schicken das Silber nach Indien, und mit einem guten Theil davon
kaufen Sie Opium, das alles nach China geht um Fonds zu bilden
zum Einkauf für Seide; und der Stand der Märkte in Indien (trotz
der Akkumulation von Silber dort) macht es profitlicher für den
Kaufmann, Silber hinzuschicken, als Gewebe oder andre brittische
Fabrikate. — 4338. Fand nicht ein grosser Abfluss aus Frankreich
statt, wodurch wir das Silber bekamen? — Jawohl, ein sehr grosser.
— 4344. Statt Seide von Frankreich und Italien einzuführen,
schicken wir sie in grossen Quantitäten hin, sowohl bengalische
wie chinesische.“
Also wurden nach Asien Silber — das Geldmetall dieses Welt-
theils — geschickt statt Waare, nicht weil die Preise dieser Waaren
gestiegen waren in dem Land, das sie producirt (England), sondern
gefallen — gefallen durch Ueberimport — in dem Land, wohin
es sie importirt; obgleich dies Silber von England aus Frankreich
bezogen, und theilweise mit Gold bezahlt werden musste. Nach der
Currency-Theorie hätten bei solchem Import die Preise in England
fallen und in Indien und China steigen müssen.
Ein andres Beispiel. Vor dem Ausschuss der Lords (C.D. 1848/1857)
sagt Wylie, einer der ersten Liverpooler Kaufleute, aus wie folgt:
„1994. Ende 1845 gab es kein lohnenderes Geschäft und keins,
das so grosse Profite abwarf [als die Baumwollspinnerei]. Der
Baumwollvorrath war gross und gute brauchbare Baumwolle war
zu 4 d. das Pfund zu haben, und von solcher Baumwolle konnte
gut secunda mule twist No. 40 gesponnen werden mit einer Aus-
lage ebenfalls von 4 d., etwa zu 8 d. Gesammtauslage für den
Spinner. Dieses Garn wurde in grossen Massen verkauft im Sep-
tember und Oktober 1845, und ebenso grosse Lieferungskontrakte
abgeschlossen, zu 10½ und 11½ d pro ℔, und in einigen Fällen
haben die Spinner einen Profit realisirt, der dem Einkaufspreis der
Baumwolle gleichkam. — 1996. Das Geschäft blieb lohnend bis
Anfang 1846. — 2000. Am 3. März 1844 war der Baumwoll-
vorrath [627042 Ballen] mehr als das doppelte von dem, was er
heute [am 7. März 1848, wo er 301070 Ballen war], und den-
noch war der Preis 1¼ d. per ℔ theurer.“ [6¼ d. gegen 5 d.] Gleich-
zeitig war Garn—gut secunda mule twist No. 40—von 11½—12 d. ge-
fallen auf 9½ d. im Oktober, und 7¾ d. Ende Decbr. 1847; es wurde
[92] Garn verkauft zum Einkaufspreis der Baumwolle, woraus es ge-
sponnen war. (ib. No. 2021, 2023.) Dies zeigt die interessirte
Weisheit Overstone’s, dass das Geld „theuer“ sein soll, weil Ka-
pital „selten“ ist. Am 3. März 1844 stand der Bankzinsfuss auf
3 %; Okt. und Nov. 1847 ging er auf 8 und 9 % und stand am
7. März 1848 noch auf 4 %. Die Baumwollpreise wurden durch
die totale Absatzstockung und die Panik mit dem ihr entsprechenden
hohen Zinsfuss niedergeschlagen tief unter ihren, dem Stand der
Zufuhr entsprechenden Preis. Die Folge davon war einerseits unge-
heure Abnahme der Einfuhr 1848, und andrerseits Abnahme der
Produktion in Amerika; daher neues Steigen der Baumwollpreise
1849. Nach Overstone waren die Waaren zu theuer, weil zu viel
Geld im Lande war.
„2002. Die neuliche Verschlechterung in der Lage der Baum-
wollindustrie ist nicht dem Mangel an Rohstoff geschuldet, da der
Preis niedriger ist, obwohl der Vorrath von Rohbaumwolle be-
deutend vermindert.“ Aber angenehme Verwechslung bei Overstone
zwischen dem Preis, resp. Werth der Waare, und dem Werth des
Geldes, nämlich dem Zinsfuss. In der Antwort auf Frage 2026
gibt Wylie sein Gesammturtheil über die currency-Theorie, wonach
Cardwell und Sir Charles Wood im Mai 1847 „die Nothwendig-
keit behauptet hatten den Bankakt von 1844 in seinem ganzen
Inhalt durchzuführen“: „Diese Principien scheinen mir von einer
Art zu sein, dass sie dem Geld einen künstlichen hohen Werth,
und allen Waaren einen künstlichen, ruinirend niedrigen Werth
geben würden.“ — Er sagt ferner über die Wirkungen dieses Bank-
akts auf das allgemeine Geschäft: „Da Viermonatswechsel, die die
regelmäßigen Tratten der Fabrikstädte auf Kaufleute und Bankiers
gegen gekaufte und für die Vereinigten Staaten bestimmte Waaren
sind, nur noch mit grossen Opfern diskontirt werden konnten,
wurde die Ausführung von Aufträgen in bedeutendem Maß ge-
hemmt, bis nach dem Regierungsbrief vom 25. Oktober“ (Suspension
des Bankakts] „wo diese Viermonatswechsel wieder diskontirbar
wurden.“ (2097.) Also auch in der Provinz wirkte die Suspension
dieses Bankakts wie eine Erlösung. — „2102. Im vorigen Oktober“
[1847] „haben fast alle amerikanischen Einkäufer, die hier Waaren
kaufen, soviel wie möglich ihre Aufträge sofort eingeschränkt;
und als die Nachricht von der Geldtheuerung nach Amerika kam,
hörten alle neuen Aufträge auf. — 2134. Korn und Zucker waren
Specialfälle. Der Kornmarkt wurde afficirt durch die Ernteaussichten,
und Zucker wurde afficirt durch die ungeheuren Vorräthe und
[93] Einfuhren. — 2163. Von unsern Zahlungsverpflichtungen gegen
Amerika … wurde vieles liquidirt durch Zwangsverkäufe von kon-
signirter Waare, und vieles, fürchte ich, wurde annullirt durch die
Bankerotte hier. — 2196. Wenn ich mich recht erinnere, wurden auf
unsrer Fondsbörse im Oktober 1847 bis 70 % Zinsen gezahlt.“
[Die Krisis von 1837 mit ihren langen Nachwehen, an die sich
1842 noch eine vollständige Nachkrise schloss, und die interessirte
Verblendung der Industriellen und Kaufleute, die platterdings keine
Ueberproduktion sehn wollten — diese war ja, nach der Vulgär-
ökonomie, ein Unsinn und eine Unmöglichkeit! — hatten endlich
diejenige Verwirrung in den Köpfen verursacht, die der Currency-
Schule erlaubte, ihr Dogma auf nationalem Maßstab in die Praxis
zu übersetzen. Die Bankgesetzgebung von 1844—45 ging durch.
Der Bankakt von 1844 theilt die Bank von England in ein Notenaus-
gabe-Departement und ein Bankdepartement. Das erstere erhält Sicher-
heiten — grösstentheils Regierungsschuld — für 14 Millionen, und
den gesammten Metallschatz, der zu höchstens ¼ aus Silber be-
stehn darf, und gibt für den Gesammtbetrag beider eine gleiche
Summe von Noten aus. Soweit sich diese nicht in den Händen
des Publikums befinden, liegen sie im Bankdepartement und bilden,
mit der wenigen zum täglichen Gebrauch nöthigen Münze (etwa
einer Million) dessen stets bereite Reserve. Das Ausgabe-Departe-
ment gibt dem Publikum Gold für Noten und Noten für Gold;
den übrigen Verkehr mit dem Publikum besorgt das Bankdeparte-
ment. Die 1844 zur Ausgabe eigner Noten in England und Wales
berechtigten Privatbanken behalten dies Recht, doch wird ihre
Notenausgabe kontingentirt; hört eine dieser Banken auf, eigne
Noten auszugeben, so kann die Bank von England ihren unge-
deckten Notenbetrag um ⅔ des eingegangnen Kontingents erhöhen;
auf diesem Weg ist derselbe bis 1892 von 14 auf 16½ Millionen £
(genau 16450000 £) gestiegen.
Für jede fünf Pfund in Gold also, die aus dem Bankschatz
abfliessen, geht eine Fünfpfundnote zurück an das Ausgabe-
Departement und wird vernichtet; für jede dem Schatz zugehenden
fünf Sovereigns kommt eine neue Fünfpfundnote in Umlauf. Da-
mit ist Overstone’s ideale Papiercirkulation, die sich genau nach
den Gesetzen der metallischen Cirkulation richtet, praktisch aus-
geführt, und damit sind, nach den Behauptungen der Currency-
Leute, die Krisen für immer unmöglich gemacht.
In Wirklichkeit aber entzog die Trennung der Bank in zwei
unabhängige Departements der Direktion die Möglichkeit, in ent-
[94] scheidenden Momenten über ihre gesammten disponiblen Mittel
frei zu verfügen, sodass Fälle eintreten konnten, wo das Bank-
departement vor dem Bankerott stand, während das Ausgabe-
Departement mehrere Millionen in Gold und ausserdem noch seine
14 Millionen Sicherheiten intakt besass. Und zwar konnte dies
um so leichter eintreten, als in fast jeder Krise ein Abschnitt vor-
kommt, wo ein starker Goldabfluss ins Ausland stattfindet, der in
der Hauptsache durch den Metallschatz der Bank zu decken ist.
Für jede fünf Pfund aber, die dann ins Ausland fliessen, wird der
Cirkulation des Inlands eine Fünfpfundnote entzogen, also die
Menge des Umlaufsmittels grade in dem Augenblick verkleinert,
wo am meisten davon, und am nöthigsten, gebraucht wird. Der
Bankakt von 1844 provocirt also die sämmtliche Handelswelt
direkt dazu, bei hereinbrechender Krise sich einen Reserveschatz
von Banknoten bei Zeiten anzulegen, also die Krise zu beschleu-
nigen und zu verschärfen; er treibt durch diese, im entscheidenden
Augenblick wirksam werdende, künstliche Steigerung der Nach-
frage nach Geldakkomodation, d. h. nach Zahlungsmittel, bei gleich-
zeitiger Beschränkung der Zufuhr davon, den Zinsfuss in Krisen
zu bisher unerhörter Höhe; statt also die Krisen zu beseitigen,
steigert er sie vielmehr bis auf den Punkt, wo entweder die ganze
industrielle Welt in die Brüche gehn muss, oder der Bankakt.
Zweimal, am 25. Okt. 1847 und am 12. Nov. war die Krisis auf
diese Höhe gestiegen; da befreite die Regierung die Bank von
der Beschränkung ihrer Notenausgabe, indem sie den Akt von
1844 suspendirte, und dies reichte beidemal hin die Krise zu
brechen. 1847 genügte die Gewissheit, dass nun wieder Bank-
noten gegen Sicherheit ersten Rangs zu haben seien, um die auf-
geschatzten 4—5 Millionen Noten wieder ans Tageslicht und in
die Cirkulation zu bringen; 1857 wurde bis nicht ganz eine Million
in Noten über das gesetzliche Quantum ausgegeben, aber nur für
ganz kurze Zeit.
Zu erwähnen ist auch, dass die Gesetzgebung von 1844 noch
die Spuren der Erinnerung an die ersten zwanzig Jahre des Jahr-
hunderts aufweist, die Zeit der Einstellung der Baarzahlungen der
Bank und der Notenentwerthung. Die Furcht, die Banknoten
möchten ihren Kredit verlieren, ist noch sehr bemerkbar; eine
sehr überflüssige Furcht, da schon 1825 die Ausgabe eines vor-
gefundnen alten Vorraths ausser Kurs gesetzter Einpfundnoten die
Krise gebrochen und damit bewiesen hatte, dass schon damals der
Kredit der Noten, selbst in der Zeit des allgemeinsten und stärksten
[95] Misstrauens, unerschüttert blieb. Es ist dies auch ganz begreiflich;
steht doch thatsächlich die gesammte Nation mit ihrem Kredit
hinter diesen Werthzeichen. — F. E.]
Hören wir nun ein paar Zeugnisse über die Wirkung des Bankakts.
J. St. Mill glaubt, dass der Bankakt von 1847 die Ueberspeku-
lation niedergehalten habe. Dieser weise Mann sprach glücklicher-
weise am 12. Juni 1857. Vier Monate später war die Krisis los-
gebrochen. Er gratulirt buchstäblich den „Bankdirektoren und
dem kommerciellen Publikum im allgemeinen“ dazu, dass sie „die
Natur einer Handelskrisis weit besser verstehn als früher, und
den sehr grossen Schaden, den sie sich selbst und dem Publikum
durch Unterstützung der Ueberspekulation anthun.“ (B. C. 1857,
No. 2031.)
Der weise Mill meint, wenn 1 £ Noten ausgegeben werden
„als Vorschüsse an Fabrikanten u. a., welche Arbeitslöhne aus-
zahlen … so können die Noten in die Hände von andren kommen,
die sie zu Konsumtionszwecken ausgeben, und in diesem Fall
konstituiren die Noten in sich selbst eine Nachfrage nach Waaren,
und können zeitweilig eine Preiserhöhung zu befördern streben.“
Herr Mill nimmt also an, dass die Fabrikanten höhern Lohn
zahlen werden, weil sie ihn in Papier statt in Gold zahlen? Oder
glaubt er, wenn der Fabrikant seinen Vorschuss in 100 £ Noten
erhält, diese auswechselt gegen Gold, so würde dieser Lohn weniger
Nachfrage bilden, als wenn sogleich in 1 £ Noten bezahlt? Und
weiss er nicht, dass z. B. in gewissen Bergwerksbezirken Arbeits-
lohn gezahlt wurde in Noten von Lokalbanken, sodass mehrere
Arbeiter zusammen eine 5 £ Note erhielten? Vermehrt dies ihre
Nachfrage? Oder werden die Bankiers den Fabrikanten in kleinen
Noten leichter und mehr Geld vorschiessen als in grossen?
[Diese sonderbare Angst Mill’s vor Einpfundnoten wäre uner-
klärlich, zeigte nicht sein ganzes Werk über politische Oekonomie
einen Eklekticismus, der vor keinen Widersprüchen zurückschreckt.
Einerseits gibt er Tooke in vielen Dingen gegen Overstone recht,
andrerseits glaubt er an die Bestimmung der Waarenpreise durch
die Menge des vorhandnen Geldes. Er ist also keineswegs über-
zeugt, dass für jede ausgegebne Einpfundnote — alle andren Um-
stände gleich gesetzt — ein Sovereign in den Schatz der Bank
wandert; er fürchtet, die Masse des Cirkulationsmittels könne ver-
mehrt und somit entwerthet werden, d. h. die Waarenpreise steigern.
Das ist es, und weiter nichts, was sich hinter obiger Bedenklich-
keit verbirgt. — F. E.]
[96]
Ueber die Zweitheilung der Bank, und die übermäßige Vorsorge
für Sicherstellung der Banknoten-Einlösung spricht sich Tooke aus
vor dem C. D. 1848/57:
Die grössern Schwankungen des Zinsfusses 1847, verglichen mit
1837 und ’39 seien nur der Trennung der Bank in zwei Departe-
ments geschuldet. (3010.) — Die Sicherheit der Banknoten wurde
nicht afficirt, weder 1825 noch 1837 und ’39. (3015.) — Die Nach-
frage nach Gold 1825 bezweckte nur den leeren Raum auszufüllen,
entstanden durch die gänzliche Diskreditirung der 1 £ Noten der
Provinzialbanken; dieser leere Raum konnte nur durch Gold aus-
gefüllt werden, bis die Bank von England auch 1 £ Noten aus-
gab. (3022.) — Im November und Dezember 1825 existirte nicht
die geringste Nachfrage nach Gold für Ausfuhr. (3023.)
„Was eine Diskreditirung der Bank im In- und Auslande be-
trifft, würde eine Suspension der Zahlung von Dividenden und
Depositen von viel schwereren Folgen sein, als eine Suspension
der Zahlung der Banknoten. (3028.)“
„3035. Würden Sie nicht sagen dass jeder Umstand, der in
letzter Instanz die Konvertibilität der Banknoten gefährdete, in
einem Augenblick der kommerciellen Klemme neue und ernstliche
Schwierigkeiten erzeugen könnte? — Ganz und gar nicht.“
Im Lauf von 1847 „würde eine vermehrte Notenausgabe viel-
leicht dazu beigetragen haben den Goldschatz der Bank wieder
zu füllen, wie sie dies 1825 that.“ (3058.)
Vor dem B. A. 1857 sagt Newmarch aus: „1357. Die erste
schlimme Wirkung … dieser Trennung der beiden Departements
(der Bank) und der daraus nothwendig folgenden Zweitheilung
der Goldreserve war die, dass das Bankgeschäft der B. v. E., also
derjenige ganze Zweig ihrer Operationen, der sie in direktere Ver-
bindung mit dem Handel des Landes bringt, mit nur der Hälfte
des Betrags der frühern Reserve fortgeführt worden ist. In Folge
dieser Spaltung der Reserve ist es gekommen, dass sobald die
Reserve des Bankdepartements nur im geringsten zusammenschmolz,
die Bank gezwungen war, ihre Diskontrate zu erhöhen. Diese ver-
minderte Reserve hat daher eine Reihe stossweiser Veränderungen
in der Diskontrate verursacht. — 1358. Solche Aenderungen sind
seit 1844“ [bis Juni 1857] „einige 60 in der Zahl gewesen,
während sie vor 1844 in derselben Zeit kaum ein Dutzend betrugen.“
Von besondrem Interesse ist auch die Aussage von Palmer, seit
1811 Direktor und eine zeitlang Gouverneur der Bank von Eng-
land, vor dem C. D. Ausschuss der Lords (1848/57):
[97]
„828. Im December 1825 hatte die Bank nur noch ungefähr
1100000 £ Gold übrig behalten. Damals müsste sie ganz un-
fehlbar total fallirt haben, wenn dieser Akt [von 1844] damals
bestanden hätte. Im December gab sie, glaube ich, 5 oder 6 Mil-
lionen Noten in einer Woche aus, und das erleichterte die damalige
Panik bedeutend.
„825. Die erste Periode [seit 1. Juli 1825], wo die gegen-
wärtige Bankgesetzgebung zusammengebrochen wäre, wenn die
Bank versucht hätte, die einmal in Angriff genommenen Trans-
aktionen zu Ende zu führen, war am 28. Februar 1837; damals
waren 3900000 £ bis 4 Millionen £ im Besitz der Bank, und
sie würde dann nur noch 650000 £ in Reserve behalten haben.
Eine andre Periode ist 1839, und dauerte vom 9. Juli bis 5. De-
cember. — 826. Was war der Betrag der Reserve in diesem Fall?
Die Reserve bestand in einem Deficit von insgesammt 200000 £
(the reserve was minus altogether 200000 £) am 5. September.
Am 5. November stieg sie auf ungefähr 1 bis 1½ Mill. — 830.
Der Akt von 1844 würde die Bank verhindert haben dem ameri-
kanischen Geschäft 1837 beizustehn. — 831. Drei der hauptsäch-
lichsten amerikanischen Häuser fallirten … Fast jedes Haus im
amerikanischen Geschäft war ausser Kredit gesetzt, und wäre da-
mals die Bank nicht zu Hülfe gekommen, so glaube ich nicht,
dass mehr als 1 oder 2 Häuser sich hätten halten können. — 836.
Die Klemme von 1837 ist gar nicht zu vergleichen mit der von
1847. Die von 1837 beschränkte sich hauptsächlich auf das ameri-
kanische Geschäft.“ — 838. (Anfangs Juni 1837 wurde in der
Bankdirektion die Frage diskutirt wie der Klemme abzuhelfen sei.)
„Worauf einige Herren die Meinung vertheidigten … das richtige
Princip sei, den Zinsfuss zu erhöhen, wodurch die Waarenpreise
fallen würden; kurz, Geld theuer und Waaren wohlfeil zu machen,
wodurch die Zahlung ans Ausland zu Stande gebracht würde (by
which the foreign payment would be accomplished). — 906. Die
Einführung einer künstlichen Beschränkung der Vollmachten der
Bank durch den Akt von 1844, statt der alten und natürlichen
Schranke ihrer Vollmacht, des wirklichen Betrags ihres Metall-
vorraths, erzeugt künstliche Geschäftserschwerung, und damit eine
Wirkung auf die Waarenpreise, die ganz unnöthig war ohne diesen
Akt. — 968. Unter der Wirkung des Akts von 1844 kann man
den Metallvorrath der Bank, unter gewöhnlichen Umständen, nicht
wesentlich unter 9½ Mill. reduciren. Dies würde einen Druck
auf Preise und Kredit verursachen, der einen solchen Umschwung
Marx, Kapital III. 2. 7
[98] in den auswärtigen Wechselkursen herbeiführen müsste, dass die
Goldeinfuhr stiege, und damit den Betrag des Goldes im Ausgabe-
Departement vermehrte. — 996. Unter der jetzigen Beschränkung
haben Sie“ [die Bank] „nicht das Kommando über Silber, das er-
forderlich ist zu Zeiten, wo man Silber braucht, um auf den aus-
wärtigen Kurs zu wirken. — 999. Was war der Zweck der Vor-
schrift, die den Silbervorrath der Bank auf ⅕ ihres Metallvor-
raths beschränkt? — Die Frage kann ich nicht beantworten.“
Der Zweck war Geld theuer zu machen; ganz wie, abgesehn
von der Currency-Theorie, die Trennung der beiden Bankdeparte-
ments, und der Zwang für die schottischen und irischen Banken,
für Notenausgabe über einen gewissen Satz hinaus Gold in Reserve
zu halten. Es entstand so eine Decentralisation des nationalen
Metallschatzes, der ihn weniger fähig machte ungünstige Wechsel-
kurse zu korrigiren. Auf Steigerung des Zinsfusses laufen alle
diese Bestimmungen hinaus: dass die B. v. E. nicht Noten ausgeben
darf über 14 Mill. ausser gegen Goldreserve; dass das Bank-
departement als gewöhnliche Bank verwaltet werden soll, den
Zinsfuss herabdrückend in Zeiten des Geldüberflusses, ihn herauf-
treibend in Zeiten der Klemme; die Beschränkung des Silbervor-
raths, des hauptsächlichen Mittels, die Wechselkurse mit dem Kon-
tinent und Asien zu rektificiren; die Vorschriften wegen der
schottischen und irischen Banken, die nie Geld für Export brauchen,
und es jetzt halten müssen unter dem Vorwand einer, thatsächlich
rein illusorischen, Konvertibilität ihrer Noten. Die Thatsache ist,
dass der Akt von 1844 zum ersten Mal einen Ansturm nach Gold
auf die schottischen Banken 1857 producirte. Die neue Bank-
gesetzgebung macht ebenfalls keinen Unterschied zwischen Gold-
abfluss ins Ausland und dem für’s Inland, obgleich deren Wirkungen
selbstredend durchaus verschieden. Daher die beständigen heftigen
Schwankungen in der Marktrate des Zinses. Mit Bezug auf Silber
sagt Palmer zweimal, 992 und 994, dass die Bank nur Silber
gegen Noten kaufen kann, wenn der Wechselkurs günstig für
England, das Silber also überflüssig ist; denn: „1003. Der ein-
zige Zweck, weshalb ein beträchtlicher Theil des Metallschatzes
in Silber gehalten werden kann, ist der, ausländische Zahlungen
zu erleichtern, während der Zeit wo die Wechselkurse gegen
England sind. — 1008. Silber ist eine Waare, die, weil sie Geld
ist in der ganzen übrigen Welt, desshalb die passendste Waare …
für diesen Zweck ist“ [Zahlung ans Ausland]. „Nur die Vereinigten
Staaten haben in der letzten Zeit ausschliesslich Gold genommen.“
[99]
Nach seiner Ansicht brauchte die Bank in Zeiten der Klemme,
solange keine ungünstigen Wechselkurse das Gold ins Ausland
ziehn, den Zinsfuss nicht über den alten Stand von 5 % zu erhöhen.
Wäre nicht der Akt von 1844, so würde sie dabei ohne Schwierig-
keit alle Wechsel ersten Ranges (first class bills), die ihr präsen-
tirt würden, diskontiren können. [1018—20.] Aber mit dem Akt
von 1844, und in der Lage, in der die Bank im Oktober 1847
war, „gab es keinen Zinsfuss, den die Bank kreditfähigen Häusern
abverlangen konnte, den sie nicht bereitwillig gezahlt hätten um
ihre Zahlungen fortzuführen.“ Und dieser hohe Zinsfuss war
grade der Zweck des Akts.
„1029. Ich muss einen grossen Unterschied machen zwischen
der Wirkung des Zinsfusses auf ausländische Nachfrage“ [für
Edelmetall] „und einer Zinserhöhung zum Zweck der Hemmung
eines Andrangs auf die Bank während einer Periode inländischen
Kreditmangels. — 1023. Vor dem Akt von 1844, wenn die Kurse zu
Gunsten Englands waren, und Beunruhigung, ja positive Panik im
Lande herrschte, war keine Grenze gesetzt auf die Notenausgabe,
durch die allein dieser Zustand der Klemme erleichtert werden
konnte.“
So spricht ein Mann sich aus, der 39 Jahre lang in der Direktion
der Bank von England gesessen. Hören wir nun einen Privat-
bankier, Twells, seit 1801 Associé von Spooner, Attwoods \& Co.
Er ist der einzige unter sämmtlichen Zeugen vor dem B. C. 1857
der einen Blick in den wirklichen Zustand des Landes thun lässt,
und die Krisis herannahen sieht. Im Uebrigen ist er eine Art
von Birminghamer Little-Shilling-Mann, wie denn seine Associés,
die Brüder Attwood, die Stifter dieser Schule sind (s. Zur Kritik
der pol. Oek. S. 59.) Er sagt aus: „4488. Wie glauben Sie, dass
der Akt von 1844 gewirkt hat? — Sollte ich Ihnen als Bankier
antworten, so würde ich sagen, dass er ganz ausgezeichnet gewirkt
hat, denn er hat den Bankiers und [Geld-] Kapitalisten aller Art
eine reiche Ernte geliefert. Aber er hat sehr schlecht gewirkt
für den ehrlichen fleissigen Geschäftsmann, der Stetigkeit in der
Diskontorate bedarf, sodass er seine Arrangements mit Zuversicht
machen kann … er hat das Geldverleihen zu einem höchst profit-
lichen Geschäft gemacht. — 4489. Er [der Bankakt] befähigt die
Londoner Aktienbanken den Aktionären 20—22 % zu zahlen? —
Eine zahlte neulich 18 % und ich glaube eine andre 20 %; sie
haben allen Grund sehr entschieden für den Akt einzutreten. —
4490. Kleine Geschäftsleute und respektable Kaufleute, die kein
7*
[100] grosses Kapital haben … er kneift sie sehr … Das einzige
Mittel, das ich habe um dies zu erfahren ist, dass ich eine so er-
staunliche Masse ihrer Accepte sehe, die nicht bezahlt werden.
Diese Accepte sind immer klein, etwa von 20—100 £, viele von
ihnen werden nicht bezahlt, und gehn zurück mit Mangelzahlung
nach allen Theilen des Landes, und dies ist immer ein Zeichen
der Gedrücktheit unter … den Kleinhändlern.“ — 4494 erklärt
er, das Geschäft sei jetzt nicht profitabel. Seine folgenden Be-
merkungen sind wichtig, weil er das latente Dasein der Krise sah,
als noch keiner der Uebrigen es ahnte.
„4494. Die Preise in Mincing Lane halten sich noch ziemlich,
aber es wird nichts verkauft, man kann zu keinem Preise ver-
kaufen; man hält sich auf dem nominellen Preis.“ — 4495. Er
erzählt einen Fall: ein Franzose schickt einem Makler in Mincing
Lane Waaren für 3000 £ zum Verkauf für einen gewissen Preis.
Der Makler kann den Preis nicht machen, der Franzose kann unter
dem Preise nicht verkaufen. Die Waare bleibt liegen, aber der
Franzose braucht Geld. Der Makler schiesst ihm also 1000 £
vor, derart, dass der Franzose auf Sicherheit der Waaren einen
Wechsel für 1000 £ für 3 Monate auf den Makler zieht. Nach
3 Monaten verfällt der Wechsel, aber die Waaren sind noch immer
unverkäuflich. Der Makler muss dann den Wechsel zahlen und
obgleich er Deckung für 3000 £ hat, kann er sie nicht flüssig
machen, und geräth in Schwierigkeiten. So zieht einer den andern
mit herunter. — 4496. „Was die starken Ausfuhren betrifft …
wenn das Geschäft im Innern gedrückt ist, so ruft dies mit Noth-
wendigkeit auch eine starke Ausfuhr hervor. — 4497. Glauben
Sie, dass die inländische Konsumtion abgenommen hat? — Sehr
bedeutend … ganz ungeheuer … die Kleinhändler sind hier
die beste Autorität. — 4498. Und doch sind die Einfuhren sehr
gross; zeigt das nicht eine starke Konsumtion an? — Jawohl,
wenn Sie verkaufen können; aber viele Waarenlager sind voll
von diesen Sachen; in dem Beispiel, das ich soeben erzählt habe,
sind für 3000 £ Waaren importirt worden, die unverkäuflich sind.
„4514. Wenn Geld theuer ist, würden Sie sagen, dass dann
Kapital wohlfeil ist? — Jawohl.“ — Der Mann ist also keines-
wegs der Meinung Overstone’s, dass hoher Zinsfuss dasselbe sei wie
theures Kapital.
Wie das Geschäft jetzt betrieben wird: 4516 … „Andre gehn
sehr bedeutend ins Geschirr, machen ein riesiges Geschäft in Aus-
fuhren und Einfuhren, weit über das Maß hinaus, wozu ihr Kapital
[101] sie berechtigt; daran kann nicht der geringste Zweifel sein. Das
kann diesen Leuten glücken; sie können durch irgend welchen
Glücksfall grosse Vermögen machen und alles abzahlen. Das ist
in grossem Maß das System, auf dem heutzutage ein bedeutender
Theil des Geschäfts geführt wird. Solche Leute verlieren willig
20, 30 und 40 % auf eine Verschiffung; das nächste Geschäft kann
es ihnen zurückbringen. Schlägt ihnen eins nach dem andern fehl,
dann sind sie kaput; und das ist gerade der Fall, den wir in der
letzten Zeit oft gesehn haben; Geschäftshäuser haben fallirt, ohne
dass für einen Schilling Aktiva übrig blieben.
„4791. Der niedrigere Zinsfuss [während der letzten 10 Jahre]
wirkt allerdings gegen die Bankiers, aber ohne Ihnen die Geschäfts-
bücher vorzulegen, würde ich Ihnen nur sehr schwer erklären
können, um wie viel höher der Profit [sein eigner] jetzt ist gegen
früher. Wenn der Zinsfuss niedrig ist, in Folge übermäßiger
Notenausgabe, haben wir bedeutende Depositen; wenn der Zinsfuss
hoch ist, so bringt uns das direkten Gewinn. — 4794. Wenn
Geld zu mäßigem Zinsfuss zu haben ist, haben wir mehr Nach-
frage dafür; wir leihen mehr aus; es wirkt [für uns, die Bankiers]
auf diesem Wege. Wenn er steigt, so bekommen wir mehr dafür
als billig ist; wir bekommen mehr als wir haben sollten.“
Wir haben gesehn, wie der Kredit der Noten der Bank von Eng-
[land] bei allen Sachverständigen als unerschütterlich gilt. Trotzdem
legt der Bankakt 9—10 Millionen in Gold zu ihrer Einlösbarkeit
absolut fest. Die Heiligkeit und Unantastbarkeit des Schatzes wird
damit ganz anders durchgeführt als bei den alten Schatzbildnern.
W. Brown (Liverpool) sagt aus, C. D. 1847/58, 2311: „In Beziehung
auf den Nutzen, den dies Geld“ [der Metallschatz im Ausgabe-
Departement] „damals brachte, so hätte man es ebensogut in die
See werfen können; man konnte ja nicht das geringste davon ver-
wenden, ohne den Parlamentsakt zu brechen.“
Der Bau-Unternehmer E. Capps, derselbe der schon früher an-
geführt, und dessen Aussage auch die Schilderung des modernen
Londoner Bausystems (Buch II, Kap. XII) entlehnt ist, fasst seine
Ansicht über den Bankakt von 1844 zusammen wie folgt (B. A. 1857)
„5508. Sie sind also im allgemeinen der Ansicht, dass das gegen-
wärtige System [der. Bankgesetzgebung] eine recht geschickte Ein-
richtung ist, um die Profite der Industrie periodisch in den Geld-
sack des Wucherers zu bringen? — Das ist meine Ansicht. Ich
weiss, dass es im Baugeschäft so gewirkt hat.“
[102]
Wie schon erwähnt, wurden die schottischen Banken durch den
Bankakt von 1845 in ein System gezwängt, das sich dem eng-
lischen annäherte. Es wurde ihnen die Verpflichtung auferlegt,
für ihre Notenausgabe über einen für jede Bank festgesetzten Be-
trag hinaus, Gold in Reserve zu halten. Welche Wirkung dies
gehabt, darüber hier einige Zeugnisse vor dem B. C. 1857.
Kennedy, Dirigent einer schottischen Bank: „3375. Gab es irgend
etwas in Schottland, das man eine Goldcirkulation nennen könnte,
vor Einführung des Akts von 1845? — Nichts derart. — 3376.
Ist seitdem eine zusätzliche Cirkulation von Gold eingetreten? —
Nicht im geringsten; die Leute wollen kein Gold haben (the people
dislike gold).“ — 3450. Die ungefähr 900000 £ in Gold, die die
schottischen Banken halten müssen seit 1845, sind nach seiner
Ansicht nur schädlich und „absorbiren unprofitlich einen gleichen
Theil des Kapitals von Schottland.“
Ferner Anderson, Dirigent der Union Bank of Scotland: „3558.
Die einzige starke Nachfrage für Gold, die bei der Bank von Eng-
land von Seiten der schottischen Banken stattfand, fand statt
wegen der auswärtigen Wechselkurse? — Dem ist so; und diese
Nachfrage wird nicht vermindert dadurch, dass wir Gold in Edin-
burg halten. — 3590. Solange wir denselben Betrag von Werth-
papieren in der Bank von England“ [oder bei den Privatbanken
in England] „liegen haben, haben wir dieselbe Macht wie vorher,
einen Goldabfluss bei der B. v. E. herbeizuführen“.
Endlich noch ein Artikel des Economist (Wilson): „Die schot-
tischen Banken halten unbeschäftigte Baarbeträge bei ihren Londoner
Agenten; diese halten sie bei der Bank von England. Dies gibt
den schottischen Banken, innerhalb der Grenzen dieser Beträge,
Kommando über den Metallschatz in der Bank, und hier ist er
immer auf der Stelle, wo er gebraucht wird, wenn auswärtige
Zahlungen zu machen sind.“ Dies System wurde gestört durch den
Akt von 1845: „In Folge des Akts von 1845 für Schottland hat
in der letzten Zeit ein starker Abfluss von Goldmünze aus der
Bank v. E. stattgefunden, um einer bloss möglichen Nachfrage in
Schottland zu begegnen, die vielleicht nie eintreten würde … Seit
dieser Zeit findet sich eine bedeutende Summe regelmäßig festge-
legt in Schottland, und eine andre beträchtliche Summe ist be-
ständig auf der Reise hin und her zwischen London und Schott-
land. Tritt eine Zeit ein, wo ein schottischer Bankier vermehrte
Nachfrage nach seinen Noten erwartet, so wird eine Kiste mit
Gold von London hinübergeschickt; ist diese Zeit vorbei, so geht
[103] dieselbe Kiste, meist ohne je geöffnet worden zu sein, nach London
zurück.“ (Economist, 23. Oct. 1847.)
[Und was sagt der Vater des Bankakts, Bankier Samuel Jones
Loyd, alias Lord Overstone, zu alledem?
Er hat bereits 1848 vor dem C. D. Ausschuss der Lords wieder-
holt, dass „Geldklemme und hoher Zinsfuss, verursacht durch Man-
gel an hinreichendem Kapital, nicht erleichtert werden kann durch
vermehrte Ausgabe von Banknoten“ (1514) obwohl die blosse
Erlaubniss der vermehrten Notenausgabe durch den Regierungs-
brief vom 25. Okt. 1847 hingereicht hatte der Krise die Spitze
abzubrechen.
Es bleibt dabei, dass „die hohe Rate des Zinsfusses und die
gedrückte Lage der Fabrikindustrie die nothwendige Folge war
der Verminderung des materiellen Kapitals, das für industrielle
und kommerzielle Zwecke verwendbar war.“ (1604.) Und doch be-
stand die gedrückte Lage der Fabrikindustrie seit Monaten darin,
dass das materielle Waarenkapital im Ueberfluss die Speicher füllte
und gradezu unverkäuflich war und dass ebendesshalb das mate-
rielle produktive Kapital ganz oder halb brach lag, um nicht noch
mehr unverkäufliches Waarenkapital zu produziren.
Und vor dem Bankausschuss 1857 sagt er: „Durch strenge und
prompte Einhaltung der Grundsätze des Akts von 1844 ist alles
mit Regelmäßigkeit und Leichtigkeit verlaufen, das Geldsystem ist
sicher und unerschüttert, die Prosperität des Landes ist unbe-
stritten, das öffentliche Vertrauen in den Akt von 1844 gewinnt
täglich an Stärke. Wünscht der Ausschuss noch weitere praktische
Belege für die Gesundheit der Prinzipien, auf denen dieser Akt
beruht, und der wohlthätigen Folgen, die er sicher gestellt hat,
so ist die wahre und hinreichende Antwort diese: Schauen Sie um
sich; betrachten Sie die gegenwärtige Lage des Geschäfts unsres
Landes, betrachten Sie die Zufriedenheit des Volks; betrachten Sie
den Reichthum und die Prosperität aller Klassen der Gesellschaft;
und dann, nachdem dies geschehn, wird der Ausschuss im Stande
sein zu entscheiden, ob er die Fortdauer eines Akts verhindern will,
unter dem solche Erfolge erreicht worden sind“ (B. C. 1857, No. 4189.)
Auf diesen Dithyrambus, den Overstone dem Ausschuss am
14. Juli vorsang, antwortete die Gegenstrophe am 12. November
desselben Jahrs, den Brief an die Bankdirektion, worin die Regie-
rung das wunderthätige Gesetz von 1844 suspendirte, um zu retten
was noch zu retten war. — F. E.]
[104]
Fünfunddreissigstes Kapitel.
Edelmetall und Wechselkurs.
I. Die Bewegung des Goldschatzes.
Mit Bezug auf die Aufspeicherung von Noten in Zeiten der
Klemme ist zu bemerken, dass hier die Schatzbildung mit edlen
Metallen, wie sie in den ursprünglichsten Zuständen der Gesell-
schaft in unruhigen Zeiten vorkommt, sich wiederholt. Der Akt
von 1844 ist in seinen Wirkungen deswegen interessant, weil er
alles im Land befindliche Edelmetall in Cirkulationsmittel ver-
wandeln will; er sucht Goldabfluss mit Kontraktion des Umlaufs-
mittels und Goldzufluss mit Expansion des Umlaufsmittels gleich-
zusetzen. Dadurch ist dann experimentell der Beweis des Gegen-
theils geliefert worden. Mit einer einzigen Ausnahme, die wir
gleich erwähnen werden, hat die Masse der cirkulirenden Noten
der Bank von England seit 1844 nie das Maximum erreicht, das
die Bank ausgeben durfte. Und die Krisis von 1857 bewies andrer-
seits, dass unter gewissen Umständen dies Maximum nicht aus-
reicht. Vom 13.—30. November 1857 cirkulirten im Durchschnitt
täglich 488830 £ über dies Maximum hinaus. (B. A. 1858. p. XI.)
Das gesetzliche Maximum war damals 14475000 £ plus dem Be-
trag des Metallschatzes in den Bankkellern.
Mit Bezug auf den Ab- und Zufluss von Edelmetall zu bemerken:
Erstens ist zu unterscheiden, zwischen dem Hin- und Herlaufen
des Metalls innerhalb des Gebiets, das kein Gold und Silber pro-
ducirt, einerseits, und andrerseits dem Strom des Golds und Silbers
von ihren Produktionsquellen über die verschiednen andren Länder
und der Vertheilung dieses Zuschusses unter die letztren.
Vor der Einwirkung der russischen, kalifornischen und austra-
lischen Goldminen, war seit Anfang dieses Jahrhunderts die Zu-
fuhr nur hinreichend zum Ersatz der verschlissenen Münzen, zum
gewöhnlichen Gebrauch als Luxusmaterial, und zur Ausfuhr von
Silber nach Asien.
Seit jener Zeit jedoch wuchs erstens, mit dem asiatischen Handel
Amerika’s und Europas, die Silberausfuhr nach Asien ausserordentlich.
Das aus Europa ausgeführte Silber wurde zum grossen Theil er-
setzt durch das zusätzliche Gold. Ferner wurde ein Theil des neu-
zugeführten Goldes von der innern Geldcirkulation absorbirt. Es
wird geschätzt, dass bis 1857 ungefähr 30 Mill. Gold zusätzlich
in die innere Cirkulation von England eingingen.14) Sodann ver-
[105] mehrte sich seit 1844 die Durchschnittshöhe der Metallreserven in
allen Centralbanken von Europa und Nordamerika. Das Wachs-
thum der inländischen Geldcirkulation brachte es zugleich mit sich,
dass nach der Panik, in der darauffolgenden Stillstandsperiode, die
Bankreserve schon rascher wuchs in Folge der grössern Masse der,
von der inländischen Cirkulation abgestossnen und immobilisirten
Goldmünze. Endlich stieg seit den neuen Goldentdeckungen der
Konsum von Edelmetall für Luxusartikel in Folge des gewachsnen
Reichthums.
Zweitens. Zwischen den nicht Gold und Silber producirenden
Ländern fliesst Edelmetall beständig ab und zu; dasselbe Land im-
portirt davon beständig, und exportirt ebenso beständig. Es ist
nur das Ueberwiegen der Bewegung nach der einen oder andern
Seite, welches entscheidet, ob schliesslich Abfluss oder Zufluss
stattfindet, da die bloss oscillirenden und oft parallelen Bewegungen
sich grossentheils neutralisiren. Aber deswegen wird auch, mit
Rücksicht auf dies Resultat, die Beständigkeit und der im ganzen
parallele Verlauf beider Bewegungen übersehn. Es wird immer
nur so aufgefasst, als ob Mehr-Einfuhr und Mehr-Ausfuhr von
Edelmetall nur Wirkung und Ausdruck des Verhältnisses von Ein-
fuhr und Ausfuhr von Waaren, während es zugleich Ausdruck des
Verhältnisses einer, vom Waarenhandel unabhängigen Einfuhr und
Ausfuhr von Edelmetall selbst ist.
Drittens. Das Ueberwiegen der Einfuhr über die Ausfuhr und
umgekehrt misst sich im ganzen an der Zu- oder Abnahme der
Metallreserve in den Centralbanken. Wie weit dieser Gradmesser
mehr oder minder exakt ist, hängt natürlich zunächst davon ab,
wie weit das Bankwesen überhaupt centralisirt ist. Denn davon
hängt es ab, wie weit das in der sog. Nationalbank aufgespeicherte
14)
[106] Edelmetall überhaupt den nationalen Metallschatz repräsentirt. Vor-
ausgesetzt aber dass dies der Fall ist, ist der Gradmesser nicht
exakt, weil zuschüssige Einfuhr unter gewissen Umständen aufge-
sogen wird durch inländische Cirkulation und wachsende Luxus-
verwendung von Gold und Silber; ferner aber, weil ohne zu-
schüssige Einfuhr ein Herausziehn von Goldmünze für inländische
Cirkulation stattfinden, und so der Metallschatz abnehmen könnte,
auch ohne gleichzeitige Vermehrung der Ausfuhr.
Viertens. Eine Metallausfuhr nimmt die Gestalt eines Abflusses
(drain) an, wenn die Bewegung der Abnahme für längere Zeit fort-
dauert, sodass die Abnahme als Tendenz der Bewegung sich dar-
stellt, und die Metallreserve der Bank bedeutend unter ihre mittlere
Höhe herabdrückt, bis gegen das mittlere Minimum dieser Reserve
hin. Dies letztre ist insofern mehr oder minder willkürlich fest-
gesetzt, da es durch die Gesetzgebung über die Deckung für Baar-
zahlung der Noten etc. in jedem einzelnen Fall verschieden be-
stimmt ist. Ueber die quantitativen Grenzen, die ein solcher Ab-
fluss in England erreichen kann, sagt Newmarch vor dem B. A.
1857, Evid. No. 1494: „Nach der Erfahrung zu urtheilen, ist es
sehr unwahrscheinlich, dass der Metallabfluss in Folge irgend welcher
Schwankung im auswärtigen Geschäft 3 oder 4 Millionen £ über-
steigen wird.“ 1847 zeigt der niedrigste Stand der Goldreserve
der B. of E. am 23. Okt. gegen den 26. Decbr. 1846 ein Minus
von £ 5198156, und gegen den höchsten Stand von 1846 (29. August)
ein Minus von £ 6453748.
Fünftens. Die Bestimmung der Metallreserve der sog. National-
bank, eine Bestimmung, die aber keineswegs allein die Grösse des
Metallschatzes regulirt, denn er kann wachsen durch blosse Läh-
mung des innern und äussern Geschäfts — ist dreifach: 1) Reserve-
fonds für internationale Zahlungen, in einem Wort Reservefonds
von Weltgeld. 2) Reservefonds für die abwechselnd expandirende
und kontrahirende inländische metallische Cirkulation. 3) Was mit
der Bankfunktion zusammenhängt und mit den Funktionen des
Geldes als blossen Geldes nichts zu thun hat: Reservefonds für
Depositenzahlung und für Konvertibilität von Noten. Er kann
daher auch afficirt werden durch Verhältnisse, die jede einzelne
dieser drei Funktionen berühren; also als internationaler Fonds
durch die Zahlungsbilanz, von welchen Gründen diese auch immer
bestimmt, und was auch immer ihr Verhältniss zur Handelsbilanz
sei; als Reservefonds der inländischen metallischen Cirkulation,
durch deren Ausdehnung oder Einschrumpfung. Die dritte Funktion,
[107] als Garantiefonds, bestimmt zwar nicht die selbständige Bewegung
der Metallreserve, wirkt aber doppelt. Werden Noten ausgegeben,
die das Metallgeld, (also auch Silbermünze in Ländern wo Silber
das Werthmaß) in der inländischen Cirkulation ersetzen, so fällt
die Funktion sub 2) des Reservefonds fort. Und ein Theil des
Edelmetalls, der dazu gedient hat, wird dauernd ins Ausland
wandern. In diesem Falle findet kein Herausziehn von metallischer
Münze für inländische Cirkulation statt, und damit fällt zugleich
die zeitweilige Verstärkung der Metallreserve durch Immobilisirung
eines Theils des cirkulirenden gemünzten Metalls fort. Ferner:
Muss ein Minimum von Metallschatz für Auszahlung von Depositen
und Konvertibilität von Noten unter allen Umständen festgehalten
werden, so afficirt dies in eigner Art die Wirkungen eines Gold-
Abflusses oder -Zuflusses; es wirkt auf den Theil des Schatzes, den
die Bank unter allen Umständen zu halten verbunden ist, oder
auf den, den sie zu andrer Zeit als nutzlos loszuwerden sucht.
Bei rein metallischer Cirkulation und koncentrirtem Bankwesen
würde die Bank ihren Metallschatz ebenfalls als Garantie für Aus-
zahlung ihrer Depositen zu betrachten haben, und bei einem Metall-
abfluss könnte dieselbe Panik eintreten wie 1857 in Hamburg.
Sechstens: Mit Ausnahme von etwa 1837, brach die wirkliche
Krise immer los erst nach Wendung der Wechselkurse, d. h. so-
bald die Einfuhr von Edelmetall über die Ausfuhr wieder die Ober-
hand gewonnen.
1825 trat der wirkliche Krach ein, nachdem der Goldabfluss auf-
gehört hatte. 1839 fand Goldabfluss statt ohne dass es zum Krach
kam. 1847 hörte der Goldabfluss auf im April, und der Krach kam
im Oktober. 1857 hatte der Goldabfluss ins Ausland seit Anfang
November aufgehört, erst später im November kam der Krach.
Besonders deutlich tritt dies hervor in der Krise von 1847, wo
der Goldabfluss im April schon aufhörte, nachdem er eine relativ
gelinde Vorkrise bewirkt, und dann die eigentliche Geschäftskrise
erst im Oktober zum Ausbruch kam.
Die folgenden Aussagen sind abgegeben vor dem Secret Com-
mittee of the House of Lords on Commercial Distress 1848; die
Zeugenaussagen (evidence) wurden erst gedruckt 1857 (auch citirt
als: C. D. 1848/57).
Aussagen von Tooke. Im April 1847 entstand eine Klemme,
die streng gesprochen einer Panik gleichkam, aber von verhält-
nissmäßig kurzer Dauer war, und nicht begleitet von kommerciellen
Falliten von irgend welcher Bedeutung. Im Oktober war die
[108] Klemme weit intensiver als zu irgend einer Zeit im April, eine
fast unerhörte Summe von kommerciellen Bankrotten fand statt.
(2196.) — Im April legten uns die Wechselkurse, besonders mit
Amerika, die Nothwendigkeit auf, eine beträchtliche Menge Gold
zu exportiren, in Zahlung für ungewöhnlich grosse Importe; nur
durch eine äusserst gewaltsame Anstrengung brachte die Bank den
Goldabfluss zum Stocken und trieb den Kurs in die Höhe. (2197.)
— Im Oktober waren die Wechselkurse zu Gunsten von England.
(2198.) — Die Wendung in den Wechselkursen hatte begonnen
in der dritten Aprilwoche. (3000.) — Sie schwankten im Juli und
August; seit Anfang August waren sie stets für England. (3001.)
— Der Goldabfluss im August entsprang der Nachfrage für innere
Cirkulation.
J. Morris, Gouverneur der Bank v. England: Obwohl der Wechsel-
kurs seit August 1847 für England günstig geworden und dess-
halb Goldeinfuhr stattgefunden hatte, nahm der Metallvorrath in
der Bank dennoch ab. „2200000 £ in Gold gingen hinaus ins
Land, in Folge inländischer Nachfrage.“ (137.) — Dies wird er-
klärt einerseits aus der vermehrten Beschäftigung von Arbeitern
bei Eisenbahnbauten, andererseits aus dem „Wunsch der Bankiers,
in Zeiten der Krise eine eigne Goldreserve zu besitzen.“ (147.)
Palmer, Exgouverneur und seit 1811 Direktor der B. of E.:
„684. Während der ganzen Periode von Mitte April 1847 bis zum
Tag der Suspension des Bankakts von 1844 waren die Wechsel-
kurse zu Gunsten Englands.“
Der Metallabfluss der im April 1847 eine selbständige Geldpanik
bewirkt, ist also hier wie immer nur Vorläufer der Krise und
hat sich schon gewendet, ehe diese losbricht. 1839 fand bei
grossem Geschäftsdruck sehr starker Metallabfluss statt — für
Korn u. s. w. — aber ohne Krisis und Geldpanik.
Siebentens: Sobald die allgemeinen Krisen sich ausgebrannt
haben, vertheilt sich — abgesehn von dem Zufluss von frischem
Edelmetall aus den Produktionsländern — das Gold und Silber
wieder in den Verhältnissen, worin es als besondrer Schatz der
verschiednen Länder, im Zustand ihres Gleichgewichts, existirte.
Bei sonst gleichbleibenden Umständen wird seine relative Grösse
in jedem Land durch dessen Rolle auf dem Weltmarkt bestimmt
sein. Von dem Land, das einen grössern als den normalen Theil
hatte, fliesst es ab und dem andern zu; diese Bewegungen des Zu-
und Abflusses stellen nur seine ursprüngliche Vertheilung unter
die verschiednen nationalen Schätze wieder her. Diese Rückver-
[109] theilung ist jedoch vermittelt durch die Wirkung verschiedner
Umstände, die bei Behandlung der Wechselkurse erwähnt werden.
Sobald die normale Vertheilung wieder da — über diesen Punkt
hinaus — tritt zuerst Wachsthum ein, und dann wieder Abfluss.
[Dieser letzte Satz gilt selbstredend nur für England, als Mittel-
punkt des Welt-Geldmarkts. — F. E.]
Achtens: Die Metallabflüsse sind meistens Symptom einer Ver-
änderung in der Lage des auswärtigen Handels, und diese Verän-
derung ist ihrerseits ein Vorzeichen, dass die Verhältnisse wieder
zur Krise heranreifen.15)
Neuntens: Die Zahlungsbilanz kann für Asien gegen Europa
und Amerika sein.16)
Einfuhr von Edelmetall findet statt vorwiegend in zwei Mo-
menten. Einerseits in der ersten Phase niedrigen Zinsfusses, die
der Krise folgt und Ausdruck der Einschränkung der Produktion
ist; und dann in der zweiten Phase, wo der Zinsfuss steigt, aber
noch nicht seine mittlere Höhe erreicht hat. Dies ist die Phase,
worin die Rückflüsse sich leicht bewirken, der kommercielle Kredit
gross ist, und daher die Nachfrage nach Leihkapital nicht im Ver-
hältniss zur Ausdehnung der Produktion wächst. In beiden Phasen,
wo Leihkapital verhältnissmäßig reichlich, muss der überschüssige
Zufluss von Kapital, das in Form von Gold und Silber existirt,
also in einer Form, worin es zunächst nur als Leihkapital fungiren
kann, bedeutend auf den Zinsfuss und damit auf den Ton des
ganzen Geschäfts wirken.
Andrerseits: Abfluss, fortgesetzte starke Ausfuhr von Edelmetall
tritt ein, sobald die Eingänge nicht mehr flüssig, die Märkte über-
führt sind, und die scheinbare Prosperität nur noch durch den
[110] Kredit aufrecht erhalten wird; sobald also bereits eine sehr ver-
stärkte Nachfrage nach Leihkapital existirt, und daher der Zins-
fuss mindestens schon seine mittlere Höhe erreicht hat. Unter
diesen, sich eben im Edelmetall-Abfluss wiederspiegelnden Um-
ständen verstärkt sich bedeutend die Wirkung der fortgesetzten
Entziehung von Kapital in einer Form, worin es direkt als leih-
bares Geldkapital existirt. Es muss dies direkt auf den Zinsfuss
wirken. Statt aber dass das Steigen des Zinsfusses die Kredit-
geschäfte einschränkte, erweitert es sie und führt zur Ueberan-
spannung aller ihrer Hülfsmittel. Diese Periode geht desshalb dem
Krach voraus.
Newmarch wird gefragt (B. A. 1857): „1520. Der Betrag
der cirkulirenden Wechsel steigt also mit dem Zinsfuss? — Es
scheint so. — 1522. In ruhigen, gewöhnlichen Zeiten ist das
Hauptbuch das wirkliche Instrument des Austausches; aber wenn
Schwierigkeiten entstehn, wenn z. B. unter Umständen wie ich
sie angeführt habe, die Diskontorate der Bank erhöht wird …
dann lösen sich die Geschäfte ganz von selbst in Ziehen von
Wechseln auf; diese Wechsel sind nicht nur geeigneter, als ge-
setzlicher Beweis des abgeschlossnen Geschäfts zu dienen, sondern
sie passen auch besser für den Zweck, weitre Einkäufe zu machen,
und sind vor allen Dingen brauchbar als Kreditmittel um Kapital
aufzunehmen.“ — Es kommt hinzu, dass sobald bei einigermaßen
drohenden Umständen die Bank ihre Diskontorate erhöht — wo-
mit zugleich die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass die Bank die
Laufzeit der von ihr zu diskontirenden Wechsel einer Beschrän-
kung unterwerfen wird — die allgemeine Befürchtung eintritt, dass
dies crescendo gehn wird. Jeder, und am ersten der Kreditritter,
sucht also die Zukunft zu diskontiren und soviel Kreditmittel wie
möglich im gegebnen Moment zu seiner Verfügung zu haben. Die
eben angeführten Gründe kommen also darauf hinaus, dass die
blosse Quantität, sei es des eingeführten, sei es des ausgeführten
Edelmetalls nicht als solche wirkt, sondern dass sie wirkt erstens
durch den specifischen Charakter des Edelmetalls als Kapital in
Geldform, und dass sie zweitens wirkt wie die Feder, die, der Last
auf der Wagschale hinzugefügt, hinreicht, die schwankende Wag-
schale nach der einen Seite endgültig zu senken; wirkt, weil sie
in Umständen eintritt, wo irgend ein Excess nach dieser oder jener
Seite den Ausschlag gibt. Ohne diese Gründe wäre es ganz und
gar unbegreiflich, wie ein Goldabfluss sage von 5—8 Mill. £, und
dies ist die Grenze der bisherigen Erfahrung, irgend bedeutende
[111] Wirkungen ausüben könnte; dies geringe Mehr oder Weniger von
Kapital, das selbst gegenüber den 70 Mill. £ in Gold, die durch-
schnittlich in England cirkuliren, unbedeutend erscheint, ist in einer
Produktion vom Umfang der englischen in der That eine ver-
schwindende Grösse.17) Es ist aber eben die Entwicklung des
Kredit- und Banksystems, das einerseits dahin treibt alles Geld-
kapital in den Dienst der Produktion zu pressen (oder was auf
dasselbe hinauskommt, alles Geldeinkommen in Kapital zu ver-
wandeln) und das andrerseits in einer gewissen Phase des Cyklus
die Metallreserve auf ein Minimum reducirt, worin sie die ihr zu-
kommenden Funktionen nicht mehr vollziehn kann — es ist dies
ausgebildete Kredit- und Banksystem, das diese Ueberempfindlichkeit
des ganzen Organismus erzeugt. Auf minder entwickelten Produk-
tionsstufen ist Verringerung oder Vergrösserung des Schatzes, gegen
sein Durchschnittsmaß, eine relativ gleichgültige Sache. Ebenso ist
andrerseits selbst ein sehr bedeutender Goldabfluss relativ wirkungslos,
wenn er nicht in der kritischen Periode des industriellen Cyklus eintritt.
Bei der gegebnen Erklärung ist abgesehn von Fällen, wo
der Metallabfluss in Folge von Missernten u. s. w. eintritt. Hier
macht die grosse und plötzliche Störung des Gleichgewichts der
Produktion, deren Ausdruck der Abfluss ist, keine weitre Erklärung
seiner Wirkung nöthig. Diese Wirkung ist um so grösser, je mehr
solche Störung eintritt in einer Periode, wo die Produktion unter
Hochdruck arbeitet.
Wir haben ferner abgesehn von der Funktion des Metall-
schatzes als Garanten der Konvertibilität der Banknoten und als
Angelpunkt des ganzen Kreditsystems. Die Centralbank ist Angel-
punkt des Kreditsystems. Und die Metallreserve ihrerseits ist
Angelpunkt der Bank.18) Der Umschlag des Kreditsystems in das
[112] Monetarsystem ist nothwendig, wie ich schon in Buch I, Kap. III,
beim Zahlungsmittel dargestellt habe. Dass die grössten Opfer
an realem Reichthum nöthig sind, um im kritischen Moment die
metallne Basis zu halten, ist von Tooke so gut zugegeben wie von
Loyd-Overstone. Der Streit dreht sich nur um ein Plus oder
Minus, und um die mehr oder minder rationelle Behandlung des
Unvermeidlichen.19) Ein gewisses, im Vergleich mit der Gesammt-
produktion unbedeutendes Quantum Metall ist als Angelpunkt des
Systems anerkannt. Daher, abgesehn von der erschreckenden
Exemplifikation dieses seines Charakters als Angelpunkt in den
Krisen, der schöne theoretische Dualismus. Solange sie „von
Kapital“ ex professo handelt, sieht die aufgeklärte Oekonomie mit
der grössten Verachtung auf Gold und Silber herab als auf die
in der That gleichgültigste und nutzloseste Form des Kapitals.
Sobald sie vom Bankwesen handelt, dreht sich das alles um, und
Gold und Silber werden das Kapital par excellence, für dessen Er-
haltung jede andre Form von Kapital und Arbeit geopfert werden
muss. Wodurch aber unterscheiden sich nun Gold und Silber von
den andren Gestalten des Reichthums? Nicht durch die Werth-
grösse, denn diese ist bestimmt durch die Menge der in ihnen ver-
gegenständlichten Arbeit. Sondern als selbständige Inkarnationen,
Ausdrücke des gesellschaftlichen Charakters des Reichthums.
[Der Reichthum der Gesellschaft besteht nur als Reichthum Ein-
zelner, die seine Privateigenthümer sind. Er bewährt sich nur
dadurch als gesellschaftlicher, dass diese Einzelnen, zur Befriedi-
gung ihrer Bedürfnisse, die qualitativ verschiednen Gebrauchswerthe
gegen einander austauschen. In der kapitalistischen Produktion
können sie dies nur vermittelst des Geldes. So wird nur ver-
mittelst des Geldes der Reichthum des Einzelnen als gesellschaft-
licher Reichthum verwirklicht; im Geld, in diesem Ding, ist die
gesellschaftliche Natur dieses Reichthums verkörpert. — F. E.].
Dies sein gesellschaftliches Dasein erscheint also als Jenseits, als
Ding, Sache, Waare, neben und ausserhalb der wirklichen Elemente
des gesellschaftlichen Reichthums. Solange die Produktion flüssig,
wird dies vergessen. Der Kredit, als ebenfalls gesellschaftliche
Form des Reichthums, verdrängt das Geld, und usurpirt seine
Stelle. Es ist das Vertrauen in den gesellschaftlichen Charakter
[113] der Produktion, welches die Geldform der Produkte als etwas nur
Verschwindendes und Ideales, als blosse Vorstellung erscheinen
lässt. Aber sobald der Kredit erschüttert wird — und diese
Phase tritt immer nothwendig ein im Cyklus der modernen In-
dustrie — soll nun aller reale Reichthum wirklich und plötzlich
in Geld verwandelt werden, in Gold und Silber, eine verrückte
Forderung, die aber nothwendig aus dem System selbst hervor-
wächst. Und alles Gold und Silber, das diesen ungeheuren
Ansprüchen genügen soll, beläuft sich auf ein paar Millionen in
den Kellern der Bank.20) In den Wirkungen des Goldabflusses
tritt also der Umstand, dass die Produktion nicht wirklich als
gesellschaftliche Produktion der gesellschaftlichen Kontrolle unter-
worfen ist, schlagend hervor in der Form, dass die gesellschaft-
liche Form des Reichthums als ein Ding ausser ihm existirt.
Das kapitalistische System hat dies in der That gemein mit
frühern Produktionssystemen, soweit sie auf Waarenhandel und
Privataustausch beruhen. Es tritt aber erst in ihm am schlagend-
sten und in der grotesksten Form des absurden Widerspruchs
und Widersinns hervor, weil 1) im kapitalistischen System am
vollständigsten die Produktion für den unmittelbaren Gebrauchs-
werth, für den Selbstgebrauch der Producenten aufgehoben ist,
also der Reichthum nur als gesellschaftlicher Process existirt, der
sich als Verschlingung von Produktion und Cirkulation ausdrückt;
2) weil mit der Entwicklung des Kreditsystems die kapitalistische
Produktion diese metallne Schranke, zugleich dingliche und phan-
tastische Schranke des Reichthums und seiner Bewegung, be-
ständig aufzuheben strebt, sich aber immer wieder den Kopf an
dieser Schranke einstösst.
In der Krise tritt die Forderung ein, dass sämmtliche Wechsel,
Werthpapiere, Waaren auf einmal gleichzeitig in Bankgeld kon-
vertibel sein sollen, und dies sämmtliche Bankgeld wieder in Gold.
II. Der Wechselkurs.
[Der Barometer für die internationale Bewegung der Geldmetalle
ist bekanntlich der Wechselkurs. Hat England mehr Zahlungen
Marx, Kapital III. 2. 8
[114] zu machen an Deutschland als Deutschland an England, so steigt
in London der Preis von Mark, in Sterling ausgedrückt, und in
Hamburg und Berlin fällt der Preis von Sterling, ausgedrückt in
Mark. Gleicht sich dies Uebergewicht der Zahlungsverpflichtungen
Englands an Deutschland nicht wieder aus, z. B. durch überwiegende
Einkäufe Deutschlands in England, so muss der Sterlingpreis für
Markwechsel auf Deutschland bis zu dem Punkt steigen, wo es
sich lohnt, statt Wechseln Metall — Goldgeld oder Barren —
aus England in Zahlung nach Deutschland zu schicken. Dies ist
der typische Verlauf.
Nimmt dieser Export von Edelmetall stärkeren Umfang und
längere Dauer an, so wird die englische Bankreserve angegriffen,
und der englische Geldmarkt, voran die B. von E., muss Schutz-
maßregeln ergreifen. Diese bestehn wesentlich, wie wir schon
gesehn, in Heraufsetzung des Zinsfusses. Bei bedeutendem Gold-
abfluss ist der Geldmarkt regelmäßig schwierig, d. h. die Nach-
frage nach Leihkapital in Geldform überwiegt bedeutend das An-
gebot, und der höhere Zinsfuss ergibt sich hieraus ganz von
selbst; die von der B. von E. dekretirte Diskontorate entspricht
der Sachlage und setzt sich im Markte durch. Es kommen aber
auch Fälle vor, wo der Metallabfluss aus andern als den gewöhn-
lichen Geschäftskombinationen entspringt (z. B. durch Anleihen
fremder Staaten, Kapitalanlage im Ausland u. s. w.), wo der lon-
doner Geldmarkt als solcher eine wirksame Zinsraten-Erhöhung
keineswegs rechtfertigt; die B. von E. hat dann durch starke An-
leihen im „offnen Markt“ erst „Geld rar zu machen“, wie der
Ausdruck lautet, um so künstlich die Lage zu schaffen, die eine
Zinserhöhung rechtfertigt oder nöthig macht; ein Manöver, das ihr
von Jahr zu Jahr schwerer wird. — F. E.].
Wie nun diese Heraufsetzung der Zinsrate auf die Wechsel-
kurse wirkt, zeigen folgende Aussagen vor dem Unterhausausschuss
über Bankgesetzgebung 1857 (citirt als B. A., oder B. C., 1857).
John Stuart Mill: „2176. Wenn das Geschäft schwierig ge-
worden ist … tritt ein beträchtlicher Fall im Preis der Werth-
papiere ein … Ausländer lassen hier in England Eisenbahnaktien
kaufen, oder englische Eigner auswärtiger Eisenbahnaktien ver-
kaufen sie im Ausland … um so viel wird die Uebertragung von
Gold beseitigt. — 2182. Eine grosse und reiche Klasse von Bankiers
und Händlern in Werthpapieren, durch welche die Ausgleichung
des Zinsfusses und die Ausgleichung des kommerciellen Baro-
meterstandes (pressure) zwischen den verschiednen Ländern gewöhn-
[115] lich bewirkt wird … ist immer auf der Ausschau um Werth-
papiere zu kaufen, die eine Preissteigerung versprechen … der
richtige Ort für sie, zum Einkauf, wird das Land sein, das Gold
ins Ausland schickt. — 2183. Diese Kapitalanlagen fanden 1847
in bedeutendem Maßstab statt, hinreichend den Goldabfluss zu
vermindern.“
J. G. Hubbard, Ex-Gouverneur, und seit 1838 in der Direktion
der B. of E.: „2545. Es gibt grosse Mengen europäischer Werth-
papiere … die eine europäische Cirkulation haben in allen den
verschiednen Geldmärkten, und diese Papiere, sobald sie in einem
Markt um 1 oder 2 % fallen, werden sofort aufgekauft zur Ueber-
sendung nach den Märkten, wo ihr Werth sich noch gehalten hat.
— 2565. Stehn nicht auswärtige Länder in bedeutender Schuld
gegenüber den Kaufleuten in England? — … Sehr bedeutend.
— 2566. Die Einkassirung dieser Schulden könnte also allein
hinreichen, eine sehr grosse Akkumulation von Kapital in England
zu erklären? — Im Jahre 1847 wurde unsre Position schliesslich
dadurch wieder hergestellt, dass wir einen Strich machten durch
so und soviel Millionen, die Amerika und Russland früher an Eng-
land schuldeten.“ [England schuldete eben denselben Ländern
gleichzeitig „so und soviel Millionen“ für Korn und verfehlte nicht
auch hierdurch grossentheils „einen Strich zu machen“ vermittelst
Bankerotts der englischen Schuldner. Siehe den Bericht über die
Bankakte von 1857, oben Kap. 30, S. 31.] — „2572. 1847
stand der Kurs zwischen England und Petersburg sehr hoch. Als
der Regierungsbrief erlassen wurde, der die Bank bevollmächtigté,
Banknoten auszugeben ohne sich an die vorgeschriebne Grenze von
14 Mill.“ [über die Goldreserve hinaus] „zu binden, war die Be-
dingung, dass der Diskonto auf 8 % gehalten werden müsse. In
jenem Augenblick, und bei jener Diskontorate, war es ein profit-
liches Geschäft, Gold von Petersburg nach London verschiffen
zu lassen und es bei seiner Ankunft zu 8 % auszuleihen bis zum
Verfall der Dreimonatswechsel, die gegen das verkaufte Gold ge-
zogen waren. — 2573. In allen Goldoperationen sind viele Punkte
in Erwägung zu ziehn; es kommt auf den Wechselkurs an und
auf den Zinsfuss, zu dem man das Geld anlegen kann bis zum
Verfall des [dagegen gezognen] Wechsels“.
Wechselkurs mit Asien.
Die folgenden Punkte sind wichtig, einerseits weil sie zeigen,
wie England, wenn sein Wechselkurs mit Asien ungünstig ist, sich
8*
[116] bei andern Ländern erholen muss, deren Import aus Asien durch
englische Vermittlung bezahlt wird. Zweitens aber, weil Herr
Wilson hier wieder den thörichten Versuch macht, die Wirkung
einer Ausfuhr von Edelmetall auf die Wechselkurse zu identificiren
mit der Wirkung eines Exports von Kapital überhaupt auf diese
Kurse; beides im Fall, wo es sich handelt um Export, nicht als
Zahlungs- oder Kaufmittel, sondern für Kapitalanlage. Zunächst
ist es selbstverständlich, dass, ob so und soviel Millionen £ in
Edelmetall oder in Eisenschienen nach Indien geschickt werden,
um sie dort in Eisenbahnen anzulegen, dies beides nur verschiedne
Form ist, denselben Kapitalbelauf von einem Land auf ein andres
zu übertragen; und zwar eine Uebertragung, die nicht in die
Rechnung der gewöhnlichen merkantilen Geschäfte eingeht, und
wofür das exportirende Land keinen andern Rückfluss erwartet als
spätre jährliche Revenue aus den Einkünften dieser Eisenbahnen.
Geschieht dieser Export in Form von Edelmetall, so wird er, weil
Edelmetall, und als solches unmittelbar leihbares Geldkapital und
Basis des ganzen Geldsystems, nicht nothwendig unter allen Um-
ständen, aber unter früher entwickelten, direkt auf den Geldmarkt,
und damit auf den Zinsfuss, des dies Edelmetall exportirenden
Landes wirken. Er wirkt auch ebenso direkt auf den Wechselkurs.
Es wird nämlich nur deshalb Edelmetall versandt, weil und so-
weit die Wechsel, z. B. auf Indien, die im Londoner Geldmarkt
angeboten werden, nicht hinreichen um diese Extra-Rimessen zu
machen. Es findet also eine das Angebot übersteigende Nachfrage
für Wechsel auf Indien statt, und so wendet sich der Kurs momentan
gegen England, nicht weil es an Indien verschuldet ist, sondern
weil es ausserordentliche Summen nach Indien zu schicken hat.
Auf die Dauer muss eine solche Versendung von Edelmetall nach
Indien dahin wirken, die indische Nachfrage nach englischen Waaren
zu vermehren, weil sie indirekt die Konsumtionsfähigkeit Indiens
für europäische Waaren steigert. Wird dagegen das Kapital in
der Form von Schienen u. s. w. verschickt, so kann es gar keinen
Einfluss auf den Wechselkurs haben, da Indien keine Rückzahlung
dafür zu machen hat. Eben desshalb braucht es auch keinen
Einfluss auf den Geldmarkt zu haben. Einen solchen Einfluss sucht
Wilson dadurch herauszubringen, dass solche Extra-Auslage eine
Extra-Nachfrage nach Geldakkomodation hervorbringe und so auf
den Zinsfuss wirken werde. Dies kann der Fall sein; aber zu be-
haupten, dass es unter allen Umständen stattfinden müsse, ist total
verkehrt. Wo immer die Schienen hingeschickt und festgelegt
[117] werden, ob auf englischem Boden oder indischem, sie stellen nichts
vor, als eine bestimmte Ausdehnung englischer Produktion in
einer bestimmten Sphäre. Zu behaupten, dass eine Ausdehnung
der Produktion, selbst innerhalb sehr weiter Grenzen, nicht statt-
finden könne, ohne Herauftreibung des Zinsfusses, ist Thorheit.
Die Geldakkomodation mag wachsen, d. h. die Summe der Ge-
schäfte, worin Kreditoperationen eingehn; aber diese Operationen
können zunehmen bei gleichbleibendem gegebnem Zinsfuss. Dies
war wirklich der Fall während der Eisenbahnmanie in England
in den 40er Jahren. Der Zinsfuss stieg nicht. Und es ist augen-
scheinlich, dass, soweit wirkliches Kapital, d. h. hier Waaren, in
Betracht kommt, die Wirkung auf den Geldmarkt ganz dieselbe
ist, ob diese Waaren für’s Ausland bestimmt sind oder für innern
Verbrauch. Es könnte nur dann einen Unterschied machen, wenn
Englands Kapitalanlagen im Ausland beschränkend auf seinen
kommerciellen Export wirkten — den Export, der bezahlt werden
muss, also einen Rückfluss bringt — oder soweit diese Kapital-
anlagen überhaupt schon Symptom von Ueberanspannung des
Kredits und beginnender Schwindeloperationen wären.
Im Folgenden fragt Wilson und antwortet Newmarch.
„1786. Sie sagten früher, mit Bezug auf die Silbernachfrage
für Ostasien, dass nach Ihrer Ansicht die Wechselkurse mit Indien
zu Gunsten Englands seien, trotz der fortwährend nach Ostasien
gesandten bedeutenden Metallschätze; haben Sie Gründe hierfür?
— Allerdings … Ich finde, dass der wirkliche Werth der Aus-
fuhren des Vereinigten Königreichs nach Indien 1851 sich auf
7,420,000 £ belief; hierzu ist zu addiren der Betrag der Wechsel
des India House, d. h. der Fonds, die die Ostindische Kompagnie
von Indien zieht zur Bestreitung ihrer eignen Ausgaben. Diese
Tratten betrugen in jenem Jahr 3,200,000 £; sodass die Gesammt-
ausfuhr des Vereinigten Königreichs nach Indien 10,620,000 £
betrug. 1855 … war der wirkliche Werth des Waarenexports
gestiegen auf 10,350,000 £; die Tratten des India House waren
3,700,000 £; die Totalausfuhr also 14,050,000 £. Für 1851,
glaube ich, haben wir kein Mittel den wirklichen Werth der
Waareneinfuhr von Indien nach England festzustellen; wohl aber
für 1854 und 55. 1855 war der gesammte wirkliche Werth der
Waareneinfuhr von Indien nach England 12,670,000 £, und diese
Summe, verglichen mit den 14,050,000 £, lässt eine Bilanz zu
Gunsten Englands, im direkten Handel zwischen beiden Ländern,
von 1,380,000 £.“
[118]
Hierauf bemerkt Wilson, dass die Wechselkurse auch durch den
indirekten Handel berührt werden. So werden z. B. die Aus-
fuhren von Indien nach Australien und Nordamerika durch Tratten
auf London gedeckt, und wirken daher auf den Wechselkurs ganz
so, als ob die Waaren direkt von Indien nach England gingen.
Ferner, wenn Indien und China zusammengenommen werden, so
sei die Bilanz gegen England, da China fortwährend bedeutende
Zahlungen für Opium an Indien, und England Zahlungen an China
zu machen hat, und die Beträge auf diesem Umweg nach Indien
gehn. (1787, 88.)
1789 fragt nun Wilson, ob der Effekt auf die Wechselkurse
nicht derselbe sein werde, einerlei ob das Kapital „in Form von
Eisenschienen und Lokomotiven, oder in Form von Metallgeld hin-
ausginge.“ Hierauf antwortet Newmarch ganz richtig: die 12 Mill. £
die in den letzten Jahren für Eisenbahnbau nach Indien gesandt,
hätten gedient zum Ankauf einer Jahresrente, die Indien in regel-
mäßigen Terminen an England zu zahlen habe. „Soweit unmittel-
bare Wirkung auf den Edelmetallmarkt in Betracht kommt, kann
die Anlage der 12 Mill. £ eine solche nur ausüben, soweit Metall
hinausgesandt werden musste für wirkliche Anlage in Geld.“
1797. [Weguelin fragt:] „Wenn kein Rückfluss erfolgt für dies
Eisen (die Schienen), wie kann man sagen, dass es auf den Wechsel-
kurs wirkt? — Ich glaube nicht, dass der Theil der Auslage, der
in Form von Waaren hinausgeschickt wird, den Stand des Wechsel-
kurses afficirt … der Stand des Kurses zwischen zwei Ländern
wird, man kann sagen ausschliesslich, afficirt durch die Quantität
der Obligationen oder Wechsel, die in dem einen Land angeboten
werden, verglichen mit der Quantität, die im andern Land dagegen
angeboten wird; das ist die rationelle Theorie des Wechselkurses.
Was die Uebersendung der 12 Millionen betrifft, so sind diese
12 Millionen zunächst hier gezeichnet worden; wäre nun das Ge-
schäft derart, dass diese gesammten 12 Mill. in Kalkutta, Bombay
und Madras in Hartgeld niedergelegt werden … so würde diese
plötzliche Nachfrage gewaltsam auf den Silberpreis und den Wechsel-
kurs wirken, grade so gut als wenn die ostindische Kompagnie
morgen ankündigte, dass sie ihre Tratten von 3 auf 12 Mill. er-
höhe. Aber die Hälfte dieser 12 Mill. wird ausgelegt … im An-
kauf von Waaren in England … Eisenschienen und Holz und
andre Stoffe … es ist eine Auslage von englischem Kapital, in
England selbst, für eine gewisse Waarensorte, die nach Indien ge-
schickt wird, und damit hat die Sache ein Ende. — 1798.
[119] [Weguelin:] Aber die Produktion dieser für die Eisenbahnen
nöthigen Waaren von Eisen und Holz producirt eine starke Kon-
sumtion auswärtiger Waaren, und diese könnte doch den Wechsel-
kurs afficiren? — Sicherlich.“
Wilson meint nun, das Eisen repräsentire zum grossen Theil
Arbeit, und der für diese Arbeit gezahlte Lohn repräsentire grossen-
theils importirte Waaren (1799), und fragt dann weiter:
„1801. Aber ganz allgemein gesprochen: wenn man die Waaren,
die producirt worden sind vermittelst der Konsumtion dieser im-
portirten Waaren, derart hinausschickt, dass wir keine Retour dafür
erhalten, sei es in Produkten oder sonst wie; würde dies nicht
die Wirkung haben, die Kurse ungünstig für uns zu machen? —
Dieses Princip ist genau, was stattfand in England während der
Zeit der grossen Eisenbahnanlagen [1845]. Drei oder vier oder
fünf Jahre hintereinander haben Sie auf Eisenbahnen 30 Mill. £
ausgelegt und fast das ganze in Arbeitslohn. Sie haben während
drei Jahren im Bau von Eisenbahnen, Lokomotiven, Wagen und
Bahnhöfen eine stärkre Volkszahl unterhalten als in allen Fabrik-
distrikten zusammen. Diese Leute … legten ihren Lohn aus im
Ankauf von Thee, Zucker, Spirituosen und andren auswärtigen
Waaren; diese Waaren mussten importirt werden; aber es steht
fest, dass während der Zeit, wo diese grosse Auslage vor sich ging,
die Wechselkurse zwischen England und andren Ländern nicht
wesentlich gestört wurden. Es fand kein Abfluss von Edelmetall
statt, im Gegentheil, eher ein Zufluss.“
1802. Wilson besteht darauf, dass bei ausgeglichener Handels-
bilanz und Parikurs zwischen England und Indien die Extrasendung
des Eisens und der Lokomotiven „den Wechselkurs mit Indien
afficiren müsse.“ Newmarch kann dies nicht einsehn, solange die
Schienen als Kapitalanlage hinausgeschickt werden, und Indien sie
nicht in dieser oder jener Form zu bezahlen hat; er fügt hinzu:
„Ich stimme mit dem Princip überein, dass kein Land auf die
Dauer einen ungünstigen Wechselkurs haben kann mit allen
Ländern, womit es handelt; ein ungünstiger Wechselkurs mit einem
Land producirt nothwendig einen günstigen mit einem andern.“
Hierauf wirft ihm Wilson die Trivialität ein: „1803. Würde aber
nicht eine Kapitalübertragung dieselbe sein, ob das Kapital in
dieser oder jener Form geschickt wird? — Soweit die Schuldver-
pflichtung in Betracht kommt, jawohl. — 1804. Ob Sie also Edel-
metall herausschicken oder Waaren, die Wirkung des Eisenbahn-
baus in Indien auf den Kapitalmarkt hier würde also dieselbe sein,
[120] und würde den Werth des Kapitals ebenso erhöhen, als ob das
Ganze in Edelmetall hinausgesandt wäre?“
Wenn die Eisenpreise nicht stiegen, so war das jedenfalls ein
Beweis, dass der „Werth“ des in Schienen steckenden „Kapitals“
nicht vermehrt war. Warum es sich handelt, ist der Werth des
Geldkapitals, der Zinsfuss. Wilson möchte Geldkapital und Kapital
überhaupt identificiren. Die einfache Thatsache ist zunächst die,
dass in England 12 Mill. für indische Eisenbahnen gezeichnet
waren. Dies ist eine Sache, die direkt nichts mit den Wechsel-
kursen zu thun hat, und die Bestimmung der 12 Mill. ist für den
Geldmarkt ebenfalls gleichgültig. Ist der Geldmarkt in günstiger
Lage, so braucht dies überhaupt keine Wirkung zu produciren,
wie die englischen Eisenbahnzeichnungen 1844 und 45 den Geld-
markt ebenfalls unberührt liessen. Ist der Geldmarkt schon einiger-
maßen schwierig, so könnte der Zinsfuss allerdings dadurch be-
troffen werden, aber doch nur in der Richtung der Steigerung,
und dies müsste ja nach Wilson’s Theorie günstig auf die Kurse
für England wirken, d. h. die Tendenz zur Ausfuhr von Edel-
metall hemmen; wenn nicht nach Indien, so doch wo andershin.
Herr Wilson springt von einem zum andern. In Frage 1802
sollten die Wechselkurse afficirt werden; in No. 1804 der „Werth
des Kapitals“, zwei sehr verschiedne Dinge. Der Zinsfuss mag
auf die Wechselkurse, und die Kurse mögen auf den Zinsfuss
wirken, aber bei wechselnden Kursen kann der Zinsfuss, und bei
wechselndem Zinsfuss können die Kurse konstant sein. Es will
Wilson nicht in den Kopf, dass bei der Kapitalversendung ins Aus-
land, die blosse Form, in der es versandt wird, einen solchen Unter-
schied in der Wirkung macht, d. h. dass die Formverschiedenheit
des Kapitals diese Wichtigkeit hat, und nun gar erst seine Geldform, was
der ökonomischen Aufklärung gar sehr widerspricht. Newmarch ant-
wortet dem Wilson sofern einseitig, als er ihn gar nicht aufmerksam
macht, dass er so plötzlich und ohne Grund vom Wechselkurs auf den
Zinsfuss übergesprungen ist. Newmarch antwortet auf jene Frage 1804
unsicher und schwankend: „Kein Zweifel, wenn 12 Mill. aufgebracht
werden sollen, so ist es unwesentlich, soweit der allgemeine Zinsfuss
in Betracht kommt, ob diese 12 Mill. in Edelmetall oder in Mate-
rialien herausgeschickt werden sollen. Ich glaube jedoch“ [schöner
Uebergang dies jedoch, um nun das direkte Gegentheil zu sagen]
„dies ist nicht ganz unwesentlich“ [es ist unwesentlich, aber
jedoch ist es nicht unwesentlich] „weil in dem einen Fall die
6 Mill. £ sofort zurückfliessen würden; in dem andern Fall würden
[121] sie nicht so rasch zurückfliessen. Deshalb würde es einigen“
[welche Bestimmtheit!] „Unterschied machen, ob die 6 Mill. hier
im Lande ausgelegt werden oder ob sie ganz herausgeschickt werden.“
Was soll das heissen, dass die 6 Mill. sofort zurückfliessen würden?
Soweit die 6. Mill. £ in England verausgabt sind, existiren sie
in Schienen, Lokomotiven etc., die nach Indien geschickt werden,
von wo sie nicht zurückkehren, und ihr Werth erst durch Amor-
tisation, also sehr langsam, während die 6 Mill. Edelmetall viel-
leicht sehr rasch in natura retourniren. Soweit die 6 Mill. in
Arbeitslohn verausgabt sind, sind sie aufgegessen; aber das Geld,
worin sie vorgeschossen waren, cirkulirt nach wie vor im Lande
oder bildet Reserve. Dasselbe gilt von den Profiten der Schienen-
producenten und dem Theil der 6 Mill., der ihr konstantes Kapital
ersetzt. Die zweideutige Phrase vom Rückfluss wird also von
Newmarch nur gebraucht, um nicht direkt zu sagen: Das Geld ist
im Lande geblieben, und soweit es als leihbares Geldkapital fungirt,
ist der Unterschied für den Geldmarkt (abgesehn davon, dass etwa
die Cirkulation mehr Hartgeld verschluckt haben könnte) nur der,
dass es für Rechnung von A, statt von B verausgabt wird. An-
lage dieser Art, wo das Kapital in Waaren, nicht in Edelmetall
in fremde Länder übertragen wird, kann nur auf die Wechselkurse
wirken (und zwar nicht mit dem Land, worin angelegt wird), soweit
die Produktion dieser exportirten Waaren Extra-Import andrer aus-
wärtiger Waaren erheischt. Diese Produktion ist dann nicht be-
stimmt, diesen Extra-Import zu liquidiren. Dasselbe findet aber
bei jedem Export auf Kredit statt, einerlei ob als Kapitalanlage
oder für gewöhnliche Handelszwecke. Ausserdem kann dieser Extra-
Import auch rückwirkend Extranachfrage nach englischen Waaren
z. B. auf Seiten der Kolonien oder der Vereinigten Staaten hervorrufen.
Vorher sagte Newmarch, in Folge der Tratten der ostindischen
Kompagnie seien die Ausfuhren von England nach Indien grösser
als die Einfuhren. Sir Charles Wood nimmt ihn über diesen Punkt
ins Kreuzverhör. Dieser Ueberschuss englischer Ausfuhr nach, über
die Einfuhr von, Indien wird thatsächlich zu Stande gebracht durch
eine Einfuhr von Indien, wofür England kein Aequivalent zahlt:
die Tratten der ostindischen Kompagnie (jetzt der ostindischen
Regierung) lösen sich auf in einen Tribut, der von Indien erhoben
wird. Z. B. 1855: die Einfuhr von Indien nach England von
12670000 £; die englischen Ausfuhren nach Indien 10350000 £.
Bilanz zu Gunsten Indiens 2250000 £. „Wenn hiermit die Sach-
[122] lage erschöpft wäre, so würden diese 2250000 £ in irgend einer
Form nach Indien zu remittiren sein. Aber dann kommen die Auf-
forderungen vom India House. Das India House annoncirt, dass es
in der Lage ist, Tratten auf die verschiednen Präsidentschaften in
Indien auszugeben zum Betrage von 3250000 £. [Dieser Betrag
wurde erhoben für die Londoner Unkosten der ostindischen Kom-
pagnie und für die an die Aktionäre zu zahlenden Dividenden.]
Und dies liquidirt nicht nur die Bilanz von 2250000 £, die im
Handelsweg entstand, sondern ergibt noch eine Million Ueber-
schuss.“ (1917.)
1922. [Wood:] „Dann ist also die Wirkung dieser Tratten des
India House nicht die Ausfuhren nach Indien zu vermehren, sondern
sie pro tanto zu vermindern?“ [Soll heissen die Nothwendigkeit
zu vermindern, die Einfuhr von Indien durch Ausfuhr ebendorthin
zu diesem Betrag zu decken.] Dies erklärt Herr Newmarch da-
durch, dass die Engländer für diese 3700000 £ „gute Regierung“
nach Indien importiren. (1925.) Richtig und ironisch sagt Wood,
der als Minister für Indien die von den Engländern importirte Sorte
„guter Regierung“ sehr gut kannte, 1926: „Dann ist die Ausfuhr,
die wie Sie sagen, durch die India House Tratten verursacht wird,
eine Ausfuhr von guter Regierung und nicht von Waaren.“ Da
England viel exportirt „in dieser Weise“ für „gute Regierung“
und für Kapitalanlagen in auswärtigen Ländern — also Einfuhren
erhält, die ganz unabhängig sind vom gewöhnlichen Gang des Ge-
schäfts, Tribute, theils für exportirte „gute Regierung“, theils als
Revenue von in den Kolonien und anderswo angelegtem Kapital,
Tribute, wofür es kein Aequivalent zu zahlen hat — so ist klar,
dass die Wechselkurse nicht afficirt werden, wenn England diese
Tribute einfach aufisst, ohne Gegenexport; es ist also auch klar,
dass die Kurse nicht afficirt werden, wenn es diese Tribute wieder
anlegt, nicht in England, sondern produktiv oder unproduktiv im
Ausland; wenn es z. B. Munition dafür nach der Krim schickt.
Zudem, soweit die Einfuhren vom Ausland in die Revenue von
England eingehn — bezahlt müssen sie natürlich sein, entweder
als Tribut, wo kein Aequivalent nöthig, oder durch Austausch
gegen diese nicht bezahlten Tribute, oder im gewöhnlichen Gang
des Handels — kann England sie entweder konsumiren oder sie
als Kapital wieder neu anlegen. Weder das eine noch das andre
berührt die Wechselkurse, und dies übersieht der weise Wilson.
Ob einheimisches oder fremdes Produkt einen Theil der Revenue
bildet, wo der letztere Fall nur Austausch heimischer Produkte
[123] gegen auswärtige voraussetzt, — der Konsum dieser Revenue, pro-
duktiv oder unproduktiv, ändert nichts an den Wechselkursen, wenn
auch an der Stufenleiter der Produktion. Danach ist das Folgende
zu beurtheilen.
1934. Wood fragt ihn, wie die Sendung von Kriegsvorräthen
nach der Krim den Wechselkurs mit der Türkei afficiren würde.
Newmarch antwortet: „Ich sehe nicht ein, wie die blosse Ver-
sendung von Kriegsvorräthen den Wechselkurs nothwendig afficiren
würde, aber die Versendung von Edelmetall würde den Kurs sicher-
lich afficiren.“ Hier unterscheidet er also Kapital in Geldform von
andrem Kapital. Aber nun fragt Wilson:
„1935. Wenn Sie einen Export veranstalten in grosser Aus-
dehnung von irgend einem Artikel, wofür kein korrespondirender
Import stattfindet“ [Herr Wilson vergisst, dass in Beziehung auf
England sehr bedeutender Import stattfindet, wofür nie ein ent-
sprechender Export stattgefunden hat, ausgenommen in der Form
von „guter Regierung“ oder von früher exportirtem Anlagekapital;
jedenfalls kein Import, der in die regelmäßige Handelsbewegung
eingeht. Aber dieser Import wird wieder ausgetauscht z. B. mit
amerikanischem Produkt, und dass amerikanisches Produkt expor-
tirt wird ohne entsprechenden Import, ändert nichts an der Sache,
dass der Werth dieses Imports konsumirt werden kann ohne einen
äquivalenten Abfluss nach aussen; es ist empfangen worden ohne
Gegenexport, und es kann daher auch verbraucht werden ohne
in die Handelsbilanz einzugehn] „so bezahlen Sie nicht die aus-
wärtige Schuld, die Sie durch Ihre Einfuhr kontrahirt haben“.
[Aber wenn Ihr diesen Import schon vorher bezahlt habt, z. B.
durch den im Ausland gegebnen Kredit, so wird keine Schuld da-
durch kontrahirt, und die Frage hat gar nichts zu thun mit der
internationalen Bilanz; sie löst sich auf in produktive oder unpro-
duktive Ausgabe, einerlei ob die so verbrauchten Produkte inlän-
disches oder ausländisches Produkt sind] „und desshalb müssen
Sie durch diese Transaktion die Wechselkurse afficiren, indem die
ausländische Schuld nicht bezahlt wird, weil Ihr Export keinen
korrespondirenden Import hat. — Das ist richtig von Ländern im
allgemeinen.“
Der Vortrag des Wilson kommt darauf hinaus, dass jeder Export
ohne entsprechenden Import zugleich ein Import ohne entsprechenden
Export ist; weil in die Produktion des exportirten Artikels fremde,
also importirte Waaren eingehn. Die Unterstellung ist, dass jeder
solcher Export begründet ist auf einen nicht bezahlten Import,
[124] oder ihn erzeugt, — also Schuld ans Ausland. Dies ist falsch,
selbst abgesehn von den zwei Umständen, dass England 1) Gratis-
Importe hat, wofür es kein Aequivalent zahlt; z. B. einen Theil
seiner indischen Importe. Es kann diese austauschen gegen ameri-
kanische Importe, und letztre exportiren ohne Gegenimport; jeden-
falls, was den Werth betrifft, hat es nur exportirt, was ihm nichts
gekostet hat. Und 2) es mag Importe bezahlt haben, z. B. ameri-
kanische, die zuschüssiges Kapital bilden; wenn es diese unpro-
duktiv, z. B. in Kriegsmunition konsumirt, so bildet dies keine
Schuld gegen Amerika, und afficirt nicht den Wechselkurs mit
Amerika. Newmarch widerspricht sich 1934 und 35 und wird
hierauf aufmerksam gemacht durch Wood, 1938: „Wenn kein
Theil der Waaren, angewandt in der Anfertigung der Artikel, die
wir ausführen ohne dass Rückfluss erfolgt“ [Kriegsausgabe], „her-
kommt von dem Lande, wohin diese Artikel geschickt werden, wie
berührt dies den Wechselkurs mit diesem Lande? Angenommen,
der Handel mit der Türkei sei im gewöhnlichen Zustand des Gleich-
gewichts; wie wird der Wechselkurs zwischen England und der
Türkei afficirt durch die Ausfuhr von Kriegsvorräthen nach der
Krim?“ — Hier verliert Newmarch seinen Gleichmuth; er vergisst
dass er dieselbe einfache Frage unter No. 1934 bereits richtig
beantwortet hat und sagt: „Wir haben, scheint mir, die praktische
Frage erschöpft, und kommen jetzt in eine sehr erhabne Region
metaphysischer Diskussion.“
[Wilson hat noch eine andre Fassung seiner Behauptung, dass
der Wechselkurs afficirt werde durch jede Kapitalübertragung von
einem Land auf ein andres, gleichviel ob diese stattfinde in Form
von Edelmetall oder von Waaren. Wilson weiss natürlich, dass
der Wechselkurs afficirt wird durch den Zinsfuss, speciell durch
das Verhältniss der in den beiden Ländern, deren gegenseitiger
Wechselkurs in Frage ist, geltenden Zinsraten. Kann er nun nach-
weisen, dass Ueberschuss an Kapital überhaupt, also zunächst an
Waaren aller Art, mit Einschluss von Edelmetall, eine mitbestimmende
Wirkung auf den Zinsfuss ansübt, so kommt er seinem Ziel schon
einen Schritt näher; Uebertragung eines bedeutenden Theils dieses
Kapitals auf ein andres Land muss dann in beiden Ländern den
Zinsfuss ändern, und zwar in entgegengesetzter Richtung, und da-
mit in zweiter Instanz auch den Wechselkurs zwischen beiden
Ländern. — F. E.]
[125]
Er sagt nun in dem, damals von ihm redigirten „Economist“
1847, p. 475:
„Es ist klar, dass ein solcher Ueberschuss von Kapital, ange-
zeigt durch grosse Vorräthe aller Art, Edelmetall eingeschlossen,
nothwendig führen muss nicht allein zu niedrigen Preisen der
Waaren überhaupt, sondern zu einem niedrigeren Zinsfuss für den
Gebrauch von Kapital.1) Wenn wir einen Vorrath von Waaren
zur Hand haben, hinreichend dem Land für zwei kommende Jahre
zu dienen, so wird Kommando über diese Waaren für eine ge-
gebne Periode zu viel niedrigerer Rate erhalten, als wenn der
Vorrath kaum für zwei Monate ausreicht.2) Alle Anleihen von
Geld, in welcher Form immer gemacht, sind nur Uebertragung
des Kommandos über Waaren von dem einen auf den andern.
Sind Waaren daher überflüssig vorhanden, so muss der Geldzins
niedrig, sind sie selten, so muss er hoch sein.3) Wenn die Waaren
reichlicher zufliessen, wird die Zahl der Verkäufer im Vergleich
mit der Zahl der Käufer zunehmen, und im Maß wie die Quan-
tität die Bedürfnisse der unmittelbaren Konsumtion übersteigt,
muss ein stets grösserer Theil für spätern Gebrauch aufbewahrt
werden. Unter diesen Umständen wird ein Waarenbesitzer zu
niedrigeren Bedingungen auf künftige Zahlung oder auf Kredit
verkaufen, als wenn er sicher wäre, dass sein ganzer Vorrath in
wenigen Wochen zum Verkauf käme.“4)
Zu dem Satz ad 1) ist zu bemerken, dass ein starker Zufluss
von Edelmetall stattfinden kann gleichzeitig mit einer Einschrän-
kung der Produktion, wie dies stets der Fall ist in der Zeit nach
einer Krise. In der folgenden Phase mag Edelmetall zufliessen
von Ländern, die vorwiegend Edelmetall produciren; die Einfuhr
der andern Waaren wird in dieser Periode gewöhnlich durch die
Ausfuhr ausgeglichen. In diesen beiden Phasen ist der Zinsfuss
niedrig und nur langsam steigend; warum, haben wir gesehn.
Dieser niedrige Zinsfuss liess sich überall erklären ohne irgend
welche Einwirkung irgend welcher „grossen Vorräthe aller Art.“
Und wie soll diese Einwirkung stattfinden? Der niedrige Preis
von Baumwolle z. B. ermöglicht hohe Profite der Spinner u. s. w.
Warum ist nun der Zinsfuss niedrig? Sicher nicht, weil der Profit,
der mit geliehenem Kapital gemacht werden kann, hoch ist. Son-
dern einzig und allein, weil unter den bestehenden Umständen die
Nachfrage nach Leihkapital nicht wächst im Verhältniss zu diesem
Profit; also das Leihkapital andre Bewegung hat als das industrielle
Kapital. Was der Economist beweisen will, ist gerade das um-
[126] gekehrte: dass seine Bewegung identisch sei mit der Bewegung
des industriellen Kapitals.
Der Satz ad 2), wenn wir die absurde Voraussetzung eines Vor-
raths für zwei Jahre im Voraus, bis zur Ermöglichung eines Sinn’s
herabmindern, unterstellt eine Ueberführung des Waarenmarkts.
Dies würde ein Sinken der Preise verursachen. Es wäre weniger
zu zahlen für einen Ballen Baumwolle. Daraus folgt keineswegs,
dass das Geld, um einen Ballen Baumwolle zu kaufen, wohlfeiler
aufzunehmen wäre. Dies hängt ab vom Stand des Geldmarkts.
Wenn es wohlfeiler aufzunehmen ist, dann nur, weil der kommer-
cielle Kredit in solcher Lage ist, dass er den Bankkredit weniger in
Anspruch zu nehmen genöthigt ist als gewöhnlich. Die den Markt
überführenden Waaren sind Lebensmittel oder Produktionsmittel.
Der niedrige Preis beider erhöht den Profit des industriellen Kapi-
talisten. Warum soll er den Zins erniedrigen, ausser durch den
Gegensatz, statt der Identität, zwischen Reichlichkeit von industriel-
dem Kapital und Nachfrage nach Geldakkomodation? Die Um-
stände liegen so, dass der Kaufmann und der Industrielle einander
leichter Kredit geben können; wegen dieser Erleichterung des
kommerciellen Kredits braucht der Industrielle wie der Kaufmann
weniger Bankkredit; daher kann der Zinsfuss niedrig sein. Dieser
niedrige Zinsfuss hat nichts zu thun mit dem Zufluss von Edel-
metall, obgleich beide neben einander gehn können, und dieselben
Ursachen, die die niedrigen Preise der Einfuhrartikel, auch den
Ueberschuss des zugeführten Edelmetalls produciren mögen. Wäre
der Importmarkt wirklich überführt, so bewiese dies Abnahme der
Nachfrage für Importwaaren, die bei niedrigen Preisen unerklärlich
wäre, ausser als Folge von Einschränkung der heimischen industriel-
len Produktion; dies aber wäre wieder unerklärlich bei übergrossen
Einfuhren zu niedrigen Preisen. Lauter Absurditäten, um zu be-
weisen, dass Fallen der Preise = Fallen des Zinses. Beides mag
gleichzeitig nebeneinander bestehn. Dann aber als Ausdruck des
Gegensatzes der Richtungen, worin die Bewegung von industriellem
Kapital und die Bewegung von leihbarem Geldkapital erfolgt,
nicht als Ausdruck ihrer Identität.
Warum, ad 3), der Geldzins niedrig sein soll, wenn Waaren im
Ueberfluss vorhanden, ist auch nach dieser weiteren Ausführung
nicht abzusehn. Sind Waaren wohlfeil, so brauche ich, um ein
bestimmtes Quantum zu kaufen, sage 1000 £ statt früher 2000.
Vielleicht aber lege ich auch jetzt £ 2000 an und kaufe dafür
das Doppelte der Waaren gegen früher und erweitre mein Geschäft
[127] durch Vorschuss desselben Kapitals, das ich vielleicht aufnehmen
muss. Ich kaufe jetzt wie früher für 2000 £. Meine Nachfrage
auf dem Geldmarkt bleibt also dieselbe, wenn auch meine Nach-
frage auf dem Waarenmarkt mit dem Sinken der Waarenpreise
steigt. Fällt aber diese letztre, d. h. erweitert sich die Produktion
nicht mit dem Sinken der Waarenpreise, was allen Gesetzen des
Economist widersprechen würde, so nähme die Nachfrage nach
leihbarem Geldkapital ab, obgleich der Profit zunähme; dieser zu-
nehmende Profit würde aber Nachfrage nach Leihkapital schaffen.
Uebrigens mag die Niedrigkeit der Waarenpreise aus drei Ursachen
herrühren. Erstens aus Mangel an Nachfrage. Dann ist der Zins-
fuss niedrig, weil die Produktion gelähmt, nicht weil die Waaren
wohlfeil, da diese Wohlfeilheit bloss Ausdruck jener Lähmung.
Oder weil die Zufuhr übergross im Verhältniss zur Nachfrage.
Dies mag der Fall sein in Folge von Ueberführung der Märkte etc.,
die zur Krise führt, und mag in der Krise selbst zusammenfallen
mit hohem Zinsfuss; oder es mag der Fall sein, weil der Werth
der Waaren gesunken, also dieselbe Nachfrage zu niedrigerem Preis
befriedigt werden kann. Warum soll im letzten Fall der Zinsfuss
sinken? Weil der Profit wächst? Wenn, weil weniger Geldkapital
nöthig, um dasselbe produktive oder Waarenkapital zu erhalten,
so bewiese dies nur, dass Profit und Zins in umgekehrtem Ver-
hältniss zu einander stehn. Jedenfalls ist der allgemeine Satz des
Economist falsch. Niedrige Geldpreise der Waaren und niedriger
Zinsfuss gehören nicht nothwendig zusammen. Sonst müsste in
den ärmsten Ländern, wo die Geldpreise der Produkte am nied-
rigsten, auch der Zinsfuss am niedrigsten, und in den reichsten
Ländern, wo die Geldpreise der Agrikulturprodukte am höchsten,
auch der Zinsfuss am höchsten stehn. Im allgemeinen gibt der
Economist zu: fällt der Werth des Geldes, so übt das keinen Ein-
fluss auf den Zinsfuss. 100 £ bringt nach wie vor 105 £; sind
die 100 weniger werth, so auch die 5 Zins. Das Verhältniss wird
nicht afficirt durch Werthsteigerung oder Entwerthung der Original-
summe. Als Werth betrachtet, ist ein bestimmtes Waarenquantum
gleich einer gewissen Geldsumme. Steigt sein Werth, so ist er
gleich einer grössern Geldsumme; umgekehrt, wenn er fällt. Ist
er = 2000, so 5 % = 100; ist er = 1000, so 5 % = 50. Dies
ändert aber nichts am Zinssatz. Das Rationale an der Sache ist
nur, dass mehr Geldakkommodation erheischt, wenn 2000 £ nöthig,
um dasselbe Quantum Waaren zu verkaufen, als wenn nur 1000 £
nöthig. Aber dies zeigt hier nur umgekehrtes Verhältniss zwischen
[128] Profit und Zins. Denn der Profit wächst mit der Wohlfeilheit der
Elemente des konstanten und variablen Kapitals, und der Zins
fällt. Aber das Umgekehrte kann auch der Fall sein, und ist
häufig der Fall. Baumwolle z. B. kann wohlfeil sein, weil keine
Nachfrage für Garn und Gewebe besteht; sie kann relativ theuer
sein, weil grosser Profit in der Baumwollindustrie grosse Nach-
frage für sie erzeugt. Andrerseits kann der Profit der Industriellen
hoch sein, grade weil der Preis von Baumwolle niedrig ist. Die
Liste von Hubbard beweist, dass der Zinsfuss und die Waaren-
preise durchaus von einander unabhängige Bewegungen vollführen;
während die Bewegungen des Zinsfusses sich genau den Bewegungen
des Metallschatzes und der Wechselkurse anpassen.
„Sind Waaren daher im Ueberfluss vorhanden, so muss der Geld-
zins niedrig sein,“ sagt der Economist. Grade das Umgekehrte
findet statt in den Krisen; die Waaren sind überschüssig, inkon-
vertibel in Geld, und daher der Zinsfuss hoch; in einer andren
Phase des Cyklus herrscht grosse Nachfrage nach Waaren, daher
leichte Rückflüsse, aber zugleich Steigen der Waarenpreise, und
wegen der leichten Rückflüsse niedriger Zinsfuss. „Sind sie [die
Waaren] selten, so muss er hoch sein.“ Wieder findet das Um-
gekehrte statt in Zeiten der Abspannung nach der Krise. Waaren
sind selten, absolut gesprochen, nicht mit Rücksicht auf die Nach-
frage; und der Zinsfuss ist niedrig.
Dass, ad4), bei überführtem Markt ein Waarenbesitzer wohl-
feiler losschlagen wird — wenn er überhaupt verkaufen kann —
als bei voraussichtlich rascher Erschöpfung der vorhandnen Vor-
räthe, ist ziemlich klar. Weniger aber, wesshalb desswegen der
Zinsfuss fallen soll.
Ist der Markt mit der importirten Waare überführt, so mag der
Zinsfuss steigen, in Folge gesteigerter Nachfrage nach Leihkapital
von Seiten der Eigner, um die Waaren nicht auf den Markt werfen
zu müssen. Er mag fallen, weil die Flüssigkeit des kommerciellen
Kredits die Nachfrage für Bankkredit noch relativ niedrig hält.
Der Economist erwähnt die rasche Wirkung auf die Kurse 1847
in Folge der Erhöhung des Zinsfusses und andern Drucks auf den
Geldmarkt. Aber es ist nicht zu vergessen, dass trotz der Wendung
der Kurse das Gold fortfuhr abzufliessen bis Ende April; die Wen-
dung tritt hier erst ein mit Anfang Mai.
Am 1. Januar 1847 war der Metallschatz der Bank 15066691 £;
Zinsfuss 3½ %; Dreimonatskurs auf Paris, 25.75; auf Hamburg 13.10;
[129] auf Amsterdam 12.3¼. Am 5. März war der Metallschatz gefallen
auf 11595535 £; Diskonto gestiegen auf 4 %; der Wechselkurs
fiel auf Paris 25.67½, Hamburg 13.9¼, Amsterdam 12.2½. Gold-
abfluss dauert fort; s. folgende Tabelle:
Im Jahr 1847 betrug der Gesammtexport von Edelmetall aus
England £ 8602597.
- Davon ging nach den Vereinigten Staaten £ 3226411.
- „ „ „ Frankreich „ 2479892.
- „ „ „ „ Hansestädten „ 958781.
- „ „ „ Holland „ 247743.
Trotz der Wendung der Kurse Ende März dauert der Goldab-
fluss noch einen vollen Monat fort; wahrscheinlich nach den Ver-
einigten Staaten.
„Wir sehn hier,“ [sagt der Economist 1847, p. 984] wie schnell
und schlagend die Wirkung eines gesteigerten Zinsfusses und der
darauf folgenden Geldklemme war in der Korrektion eines ungün-
stigen Kurses und in der Wendung der Goldflut, sodass sie wieder
nach England floss. Die Wirkung wurde hervorgebracht ganz un-
abhängig von der Zahlungsbilanz. Ein höherer Zinsfuss erzeugte
einen niedrigern Preis der Werthpapiere, englischer wie auswärtiger,
und veranlasste grosse Einkäufe davon für ausländische Rechnung.
Dies vermehrte die Summe der von England aus gezogenen Wechsel,
während andrerseits bei hohem Zinsfuss die Schwierigkeit Geld zu
erhalten so gross war, dass die Nachfrage nach diesen Wechseln
fiel, während ihre Summe stieg. Es geschah aus derselben Ursache,
dass Aufträge für fremde Waaren annullirt und englische Kapital-
anlagen in auswärtigen Werthpapieren realisirt und das Geld nach
England zur Anlage gebracht wurde. So lesen wir z. B. im Rio
de Janeiro Prices Current vom 10. Mai: „Der Wechselkurs“ [auf
Marx, Kapital III. 2. 9
[130] England] „hat einen neuen Rückgang erfahren, verursacht haupt-
sächlich durch einen Druck auf den Markt für Rimessen gegen
den Erlös bedeutender Verkäufe von [brasilischen] Staatsfonds für
englische Rechnung.“ Englisches Kapital, das im Ausland in ver-
schiednen Werthpapieren angelegt worden, als der Zinsfuss hier sehr
niedrig, wurde so zurückgebracht, als der Zinsfuss gestiegen war.
Handelsbilanz von England.
Indien allein hat an 5 Mill. Tribut zu zahlen, für „gute Re-
gierung“, Zinsen und Dividenden von britischem Kapital etc., wobei
gar nicht berechnet sind die Summen, die jährlich heimgesandt
werden, theils von Beamten als Ersparnisse aus ihrem Gehalt, theils
durch englische Kaufleute als Theil ihrer Profite, um in England
angelegt zu werden. Von jeder britischen Kolonie sind aus den-
selben Gründen fortwährend grosse Rimessen zu machen. Die
meisten Banken in Australien, Westindien, Kanada sind mit bri-
tischem Kapital gegründet, die Dividenden sind in England zu
zahlen. Ebenso besitzt England viel auswärtige Staatspapiere, euro-
päische, nord- und südamerikanische, wovon es die Zinsen zu
empfangen hat. Dazu kommt dann noch seine Betheiligung bei
ausländischen Eisenbahnen, Kanälen, Bergwerken etc., mit den ent-
sprechenden Dividenden. Die Rimessen gegen alle diese Posten
werden fast ausschliesslich in Produkten gemacht, über den Betrag
der englischen Ausfuhr hinaus. Was andrerseits von England ins
Ausland geht an Besitzer englischer Werthpapiere und an Verzehr
für Engländer im Ausland, ist dagegen verschwindend.
Die Frage, soweit sie die Handelsbilanz und die Wechselkurse
betrifft, ist „in jedem gegebnen Moment eine Frage der Zeit. In
der Regel … gibt England lange Kredite auf seine Ausfuhr,
während die Einfuhren baar bezahlt werden. In gewissen Mo-
menten hat dieser Unterschied der Usance eine bedeutende Wirkung
auf die Kurse. Zu einer Zeit wo unsre Ausfuhren sehr beträchtlich
zunehmen, wie 1850, muss eine fortwährende Ausdehnung der An-
lage von britischem Kapital im Gang sein … so können die Ri-
messen von 1850 gegen Waaren gemacht werden, die 1849 exportirt
wurden. Aber wenn 1850 die Ausfuhren die von 1849 um 6 Mill.
übersteigen, so muss die praktische Wirkung sein, dass mehr Geld
ausser Landes gesandt ist, zu diesem Betrag, als im selben Jahr
zurückgeflossen; und in dieser Weise wird eine Wirkung hervor-
gebracht auf die Kurse und den Zinsfuss. Sobald dagegen unser
Geschäft in einer Krise deprimirt, und unsre Ausfuhr sehr einge-
[131] schränkt ist, so übersteigen die für die grössren Exporte früherer
Jahre verfallenden Rimessen sehr bedeutend den Werth unsrer Ein-
fuhr; die Kurse drehn sich dementsprechend zu unsern Gunsten,
das Kapital akkumulirt rasch im Inland, und der Zinsfuss fällt.“
(Economist, 11. Januar 1851.)
Der auswärtige Wechselkurs kann sich ändern
1) in Folge der augenblicklichen Zahlungsbilanz, durch welche Ur-
sachen immer diese bestimmt sei: durch rein merkantilische, durch Ka-
pitalanlage im Ausland, oder aber durch Staatsausgaben, bei Kriegen
u. s. w., soweit Baarzahlungen im Ausland dabei gemacht werden.
2) In Folge von Entwerthung des Geldes in einem Land, sei
dies nun Metall- oder Papiergeld. Dies ist rein nominell. Wenn
1 £ nur noch halb soviel Geld repräsentirte wie früher, würde es
selbstredend zu 12½ Fr. statt zu 25 Fr. berechnet.
3) Wo es sich um den Kurs zwischen Ländern handelt, von
denen das eine Silber, das andre Gold als „Geld“ verwendet, ist
der Wechselkurs abhängig von den relativen Werthschwankungen
dieser beiden Metalle, da diese Schwankungen offenbar das Pari
zwischen beiden alteriren. Ein Beispiel vom letztren waren die
Kurse 1850; sie waren gegen England, obgleich sein Export enorm
stieg; aber dennoch fand kein Goldabfluss statt. Es war Wirkung
des momentanen Steigens des Silberwerths gegen den Goldwerth.
(Siehe Economist, 30. November 1857.)
Das Pari des Wechselkurses ist für 1 £ Sterling: auf Paris
25 Fr. 20 cent.; Hamburg 13 Mark Banko 10½ Sch.; Amsterdam
11 fl.. 97 cents. Im Verhältniss wie der Wechselkurs auf Paris
über 25.20 steigt, wird er günstiger für den englischen Schuldner
an Frankreich oder den Käufer französischer Waaren. In beiden
Fällen braucht er weniger Pfund Sterling um seinen Zweck zu
erreichen. — In entlegneren Ländern, wo Edelmetall nicht leicht zu
erlangen, wenn Wechsel selten und ungenügend sind für die nach
England zu machenden Rimessen, ist die natürliche Wirkung Her-
auftreibung der Preise derjenigen Produkte, die gewöhnlich nach
England verschifft werden, indem für diese nun grössre Nachfrage
entsteht, um sie anstatt Wechsel nach England zu senden; dies ist
oft der Fall in Indien.
Ein ungünstiger Wechselkurs und selbst ein Goldabfluss kann
stattfinden, wenn in England sehr grosser Ueberfluss an Geld,
niedriger Zinsfuss, und hoher Preis der Werthpapiere herrscht.
Im Laufe von 1848 erhielt England grosse Quantitäten Silber
von Indien, da gute Wechsel selten waren und mittelmäßige ungern
9*
[132] genommen wurden, in Folge der Krisis von 1847 und der grossen
Kreditlosigkeit im indischen Geschäft. Dies ganze Silber, kaum
angekommen, fand bald den Weg nach dem Kontinent, wo die
Revolution Schatzbildung an allen Ecken herbeiführte. Dasselbe
Silber machte 1850 grossentheils die Reise nach Indien zurück,
da der Stand des Wechselkurses dies nun profitlich machte.
Das Monetarsystem ist wesentlich katholisch, das Kreditsystem
wesentlich protestantisch. „The Scotch hate gold.“ Als Papier
hat das Gelddasein der Waaren ein nur gesellschaftliches Dasein.
Es ist der Glaube, der selig macht. Der Glaube in den Geld-
werth als immanenten Geist der Waaren, der Glaube in die Pro-
duktionsweise und ihre prädestinirte Ordnung, der Glaube in die
einzelnen Agenten der Produktion als blosse Personifikationen des
sich selbst verwerthenden Kapitals. So wenig aber der Protestan-
tismus von den Grundlagen des Katholicismus sich emancipirt, so
wenig das Kreditsystem von der Basis des Monetarsystems.
Sechsunddreissigstes Kapitel.
Vorkapitalistisches.
Das zinstragende Kapital, oder wie wir es in seiner alterthüm-
lichen Form bezeichnen können, das Wucherkapital, gehört mit
seinem Zwillingsbruder, dem kaufmännischen Kapital, zu den ante-
diluvianischen Formen des Kapitals, die der kapitalistischen Pro-
duktionsweise lange vorhergehn und sich in den verschiedensten
ökonomischen Gesellschaftsformationen vorfinden.
Die Existenz des Wucherkapitals erfordert nichts, als dass wenig-
stens ein Theil der Produkte sich in Waaren verwandelt, und zu-
gleich mit dem Waarenhandel das Geld sich in seinen verschiednen
Funktionen entwickelt hat.
Die Entwicklung des Wucherkapitals schliesst sich an die des
Kaufmannskapitals und speciell an die des Geldhandlungskapitals.
Im alten Rom, von den letzten Zeiten der Republik an, wo die
Manufaktur tief unter der antiken Durchschnittsentwicklung stand,
war Kaufmannskapital, Geldhandlungskapital und Wucherkapital —
innerhalb der antiken Form — auf den höchsten Punkt entwickelt.
Man hat gesehn, wie sich mit dem Geld nothwendig die Schatz-
bildnerei einfindet. Der professionelle Schatzbildner wird jedoch
erst wichtig, sobald er sich in den Wucherer verwandelt.
Der Kaufmann borgt Geld um Profit mit dem Geld zu machen,
um es als Kapital anzuwenden, d. h. zu verausgaben. Auch in
[133] den frühern Formen steht ihm also der Geldverleiher ganz so gegen-
über, wie dem modernen Kapitalisten. Dies specifische Verhältniss
wurde auch von den katholischen Universitäten gefühlt. „Die
Universitäten von Alcalá, von Salamanca, von Ingolstadt, von Frei-
burg im Breisgau, Mainz, Köln und Trier, erkannten nacheinander
die Rechtmäßigkeit der Zinsen für Handelsanleihen an. Die ersten
fünf dieser Approbationen sind niedergelegt worden in den Archiven
des Konsulats der Stadt Lyon, und gedruckt im Anhang des Traité
de l’usure et des intérêts, Lyon, Bruyset-Ponthus.“ (M. Augier,
Le Crédit public etc. Paris 1842, p. 206.) In allen Formen
worin die Sklavenwirthschaft (nicht patriarchalisch, sondern wie
in den spätern griechischen und römischen Zeiten) als Mittel der
Bereicherung besteht, wo Geld also Mittel ist, durch Ankauf von
Sklaven, Land etc., fremde Arbeit anzueignen, wird das Geld, eben
weil es so angelegt werden kann, als Kapital verwerthbar, zinstragend.
Die charakteristischen Formen jedoch, worin das Wucherkapital
in den Vorzeiten der kapitalistischen Produktionsweise existirt,
sind zweierlei. Ich sage charakteristische Formen. Dieselben Formen
wiederholen sich auf Basis der kapitalistischen Produktion, aber als
bloss untergeordnete Formen. Sie sind hier nicht mehr die Formen,
die den Charakter des zinstragenden Kapitals bestimmen. Diese
beiden Formen sind: Erstens, der Wucher durch Geldverleihen an
verschwenderische Grosse, wesentlich Grundeigenthümer; zweitens,
Wucher durch Geldverleihen an den kleinen, im Besitz seiner
eignen Arbeitsbedingungen befindlichen Producenten, worin der
Handwerker eingeschlossen ist, aber ganz specifisch der Bauer, da
überhaupt in vorkapitalischen Zuständen, soweit sie kleine selbst-
ständige Einzelproducenten zulassen, die Bauernklasse deren grosse
Majorität bilden muss.
Beides, sowohl der Ruin der reichen Grundeigenthümer durch
den Wucher, wie die Aussaugung der kleinen Producenten führt
zur Bildung und Koncentration grosser Geldkapitalien. Wie weit
aber dieser Process die alte Produktionsweise aufhebt, wie dies im
modernen Europa der Fall war, und ob er an ihrer Stelle die
kapitalistische Produktionsweise setzt, hängt ganz von der histo-
rischen Entwicklungsstufe und den damit gegebnen Umständen ab.
Das Wucherkapital als charakteristische Form des zinstragenden
Kapitals entspricht dem Vorherrschen der kleinen Produktion, der
selbstarbeitenden Bauern und kleinen Handwerksmeister. Wo dem
Arbeiter, wie in der entwickelten kapitalistischen Produktionsweise,
die Arbeitsbedingungen und das Produkt der Arbeit als Kapital
[134] gegenübertreten, hat er als Producent kein Geld zu borgen. Wo
er es borgt, geschieht es wie im Pfandhaus für persönliche Noth-
durft. Wo der Arbeiter dagegen Eigenthümer, wirklicher oder
nomineller, seiner Arbeitsbedingungen und seines Produkts ist,
steht er als Producent im Verhältniss zum Kapital des Geldver-
leihers, das ihm als Wucherkapital gegenübertritt. Newman drückt
die Sache fad aus, wenn er sagt, dass der Bankier angesehn ist,
während der Wucherer verhasst und verachtet ist, weil jener den
Reichen leiht, dieser den Armen. (J. W. Newman, Lectures on Pol.
Econ. London 1851. p. 44.) Er übersieht, dass hier der Unter-
schied zweier gesellschaftlicher Produktionsweisen und der ihnen
entsprechenden gesellschaftlichen Ordnungen dazwischenliegt, und
dia Sache nicht mit dem Gegensatz von Arm und Reich abge-
macht ist. Vielmehr geht der Wucher, der den armen Kleinpro-
ducenten aussaugt, Hand in Hand mit dem Wucher, der den
reichen Grossgrundbesitzer aussaugt. Sobald der Wucher der rö-
mischen Patricier die römischen Plebejer, die Kleinbauern, völlig
ruinirt hatte, hatte diese Form der Ausbeutung ein Ende, und
trat die reine Sklavenwirthschaft an die Stelle der kleinbäuerlichen.
Unter der Form des Zinses kann hier vom Wucherer aller
Ueberschuss über die nothdürftigsten Subsistenzmittel (den Betrag
des spätern Arbeitslohns) der Producenten verschlungen werden
(was später als Profit und Bodenrente erscheint), und es ist daher
höchst abgeschmackt, die Höhe dieses Zinses da, wo er, mit Aus-
nahme dessen, was dem Staat zukommt, allen Mehrwerth sich an-
eignet, zu vergleichen mit der Höhe des modernen Zinsfusses, wo
der Zins, wenigstens der normale, nur einen Theil dieses Mehr-
werths bildet. Es wird dabei vergessen, dass der Lohnarbeiter
dem Kapitalisten, der ihn anwendet, Profit, Zins und Grundrente,
kurz den gesammten Mehrwerth producirt und abgibt. Carey
macht diese abgeschmackte Vergleichung, um damit zu zeigen, wie
vortheilhaft für die Arbeiter die Entwicklung des Kapitals und
der sie begleitende Fall des Zinsfusses ist. Wenn der Wucherer
ferner, nicht zufrieden damit die Mehrarbeit seines Opfers auszu-
pressen, nach und nach sich die Eigenthumstitel auf seine Arbeits-
bedingungen selbst, Land, Haus etc., erwirbt, und beständig damit
beschäftigt ist ihn so zu expropriiren, so wird dem gegenüber
wieder vergessen, dass diese vollständige Expropriation des Arbeiters
von seinen Arbeitsbedingungen nicht ein Resultat ist, dem die
kapitalistische Produktionsweise zustrebt, sondern die fertige Vor-
aussetzung, wovon sie ausgeht. Der Lohnsklave ist ebensogut wie
[135] der wirkliche Sklave durch seine Stellung davon ausgeschlossen
Schuldsklave zu werden, wenigstens in seiner Qualität als Produ-
cent; er kann es nur allenfalls werden in seiner Eigenschaft als
Konsument. Das Wucherkapital, in dieser Form, worin es in der
That alle Mehrarbeit der unmittelbaren Producenten sich aneignet,
ohne die Produktionsweise zu ändern; worin das Eigenthum, resp.
der Besitz, der Producenten an den Arbeitsbedingungen — und
die ihr entsprechende vereinzelte Kleinproduktion — wesentliche
Voraussetzung ist; wo das Kapital also die Arbeit sich nicht direkt
unterordnet und ihr daher nicht als industrielles Kapital gegen-
übertritt, dies Wucherkapital verelendet diese Produktionsweise,
lähmt die Produktivkräfte statt sie zu entwickeln, und verewigt
zugleich diese jammervollen Zustände, in denen nicht, wie in der
kapitalistischen Produktion, die gesellschaftliche Produktivität der
Arbeit auf Kosten der Arbeit selbst entwickelt wird.
Der Wucher wirkt so einerseits untergrabend und zerstörend auf
den antiken und feudalen Reichthum und auf das antike und
feudale Eigenthum. Andrerseits untergräbt und ruinirt er die
kleinbäuerliche und kleinbürgerliche Produktion, kurz alle Formen,
worin der Producent noch als Eigenthümer seiner Produktions-
mittel erscheint. In der ausgebildeten kapitalistischen Produktions-
weise ist der Arbeiter nicht Eigenthümer der Produktionsbedin-
gungen, des Ackers, den er bebaut, des Rohstoffs, den er verarbeitet, etc.
Dieser Entfremdung der Produktionsbedingung vom Producenten
entspricht hier aber eine wirkliche Umwälzung in der Produktions-
weise selbst. Die vereinzelten Arbeiter werden in grosser Werk-
statt vereinigt zu getheilter, ineinander greifender Thätigkeit; das
Werkzeug wird zur Maschine. Die Produktionsweise selbst erlaubt
nicht mehr diese mit dem kleinen Eigenthum verbundne Zersplitt-
rung der Produktionsinstrumente, so wenig wie die Isolirung der
Arbeiter selbst. In der kapitalistischen Produktion kann der
Wucher nicht mehr die Produktionsbedingungen vom Producenten
scheiden, weil sie bereits geschieden sind.
Der Wucher centralisirt Geldvermögen, wo die Produktionsmittel
zersplittert sind. Er ändert die Produktionsweise nicht, sondern
saugt sich an sie als Parasit fest und macht sie miserabel. Er
saugt sie aus, entnervt sie, und zwingt die Reproduktion unter immer
erbärmlichern Bedingungen vorzugehn. Daher der populäre Hass gegen
den Wucher, am höchsten in der antiken Welt, wo das Eigenthum
des Producenten an seinen Produktionsbedingungen zugleich Basis
der politischen Verhältnisse, der Selbständigkeit des Staatsbürgers.
[136]
Soweit Sklaverei herrscht, oder soweit das Mehrprodukt vom
Feudalherrn und seiner Gefolgschaft aufgegessen wird, und Sklaven-
besitzer oder Feudalherr dem Wucher verfallen, bleibt die Pro-
duktionsweise auch dieselbe; nur wird sie härter für die Arbeiter.
Der verschuldete Sklavenhalter oder Feudalherr saugt mehr aus,
weil er selbst mehr ausgesaugt wird. Oder schliesslich macht er
dem Wucherer Platz, der selbst Grundeigenthümer oder Sklaven-
besitzer wird, wie der Ritter im alten Rom. An die Stelle der
alten Ausbeuter, deren Exploitation mehr oder minder patriarcha-
lisch, weil grossentheils politisches Machtmittel war, tritt ein harter,
geldsüchtiger Emporkömmling. Aber die Produktionsweise selbst
wird nicht verändert.
Revolutionär wirkt der Wucher in allen vorkapitalistischen Pro-
duktionsweisen nur, indem er die Eigenthumsformen zerstört und
auflöst, auf deren fester Basis und beständiger Reproduktion in
derselben Form die politische Gliederung ruht. Bei asiatischen
Formen kann der Wucher lange fortdauern, ohne etwas andres als
ökonomisches Verkommen und politische Verdorbenheit hervorzu-
rufen. Erst wo und wann die übrigen Bedingungen der kapita-
listischen Produktionsweise vorhanden, erscheint der Wucher als
eines der Bildungsmittel der neuen Produktionsweise, durch Ruin
der Feudalherrn und der Kleinproduktion einerseits, durch Centrali-
sation der Arbeitsbedingungen zu Kapital andrerseits.
Im Mittelalter herrschte in keinem Lande ein allgemeiner Zins-
fuss. Die Kirche verbot alle Zinsgeschäfte von vornherein. Gesetze
und Gerichte sicherten Anleihen nur wenig. Desto höher war der
Zinssatz in einzelnen Fällen. Der geringe Geldumlauf, die Noth-
wendigkeit, die meisten Zahlungen baar zu leisten, zwangen zu
Geldaufnahmen, und umsomehr, je weniger das Wechselgeschäft
noch ausgebildet war. Es herrschte grosse Verschiedenheit sowohl
des Zinsfusses wie der Begriffe vom Wucher. Zu Karls des Grossen
Zeit galt es für wucherisch, wenn jemand 100 % nahm. Zu
Lindau am Bodensee nahmen 1348 einheimische Bürger 216⅔ %.
In Zürich bestimmte der Rath 43⅓ % als gesetzlichen Zins. In
Italien mussten zuweilen 40 % gezahlt werden, obgleich vom
12.—14. Jahrhundert der gewöhnliche Satz 20 % nicht überschritt.
Verona ordnete 12½ % als gesetzlichen Zins an. Kaiser Friedrich II.
setzte 10 % fest, aber dies bloss für die Juden. Für die Christen
mochte er nicht sprechen. 10 % war schon im 13. Jahrhundert
im rheinischen Deutschland das gewöhnliche. (Hüllmann, Geschichte
des Städtewesens. II. p. 55—57.)
[137]
Das Wucherkapital besitzt die Exploitationsweise des Kapitals
ohne seine Produktionsweise. Dies Verhältniss wiederholt sich
auch innerhalb der bürgerlichen Oekonomie in zurückgebliebnen
Industriezweigen oder solchen, die sich gegen den Uebergang in
die moderne Produktionsweise sträuben. Will man z. B. den eng-
lischen Zinsfuss mit dem indischen vergleichen, so muss man nicht
den Zinsfuss der B. v. E. nehmen, sondern den z. B. von Ver-
leihern kleiner Maschinen an Kleinproducenten der Hausindustrie.
Der Wucher ist gegenüber dem konsumirenden Reichthum histo-
risch wichtig als selbst ein Entstehungsprocess des Kapitals. Wucher-
kapital und Kaufmannsvermögen vermitteln die Bildung eines vom
Grundeigenthum unabhängigen Geldvermögens. Je weniger der
Charakter des Produkts als Waare sich entwickelt, je weniger sich
der Tauschwerth der Produktion in ihrer ganzen Breite und Tiefe
bemächtigt hat, desto mehr erscheint Geld als der eigentliche Reich-
thum als solcher, als der allgemeine Reichthum, gegenüber seiner
beschränkten Darstellungsweise in Gebrauchswerthen. Darauf be-
ruht die Schatzbildung. Abgesehn vom Geld als Weltgeld und
Schatz, ist es namentlich die Form des Zahlungsmittels, worin es
als absolute Form der Waare auftritt. Und es ist namentlich seine
Funktion als Zahlungsmittel, die den Zins und damit das Geld-
kapital entwickeln. Was der verschwenderische und korrumpirende
Reichthum will, ist Geld als Geld, Geld als Mittel alles zu kaufen.
(Auch zum Schuldenzahlen.) Wozu der kleine Producent vor allem
Geld braucht, ist zum Zahlen. (Die Verwandlung der Natural-
leistungen und Lieferungen an Grundherrn und Staat in Geldrente
und Geldsteuern spielt hier eine grosse Rolle.) In beiden Fällen
wird das Geld als Geld gebraucht. Auf der andren Seite wird die
Schatzbildung erst real, erfüllt ihren Traum im Wucher. Was
vom Schatzeigner verlangt wird, ist nicht Kapital, sondern Geld
als Geld; aber durch den Zins verwandelt er diesen Geldschatz
für sich in Kapital — in ein Mittel, wodurch er sich der Mehrarbeit
ganz oder theilweise bemächtigt, und ebenso eines Theils der Pro-
duktionsbedingungen selbst, wenn sie auch nominell als fremdes
Eigenthum ihm gegenüber stehn bleiben. Der Wucher lebt schein-
bar in den Poren der Produktion wie die Götter in den Inter-
mundien bei Epikur. Geld ist um so schwieriger zu haben, je
weniger die Waarenform die allgemeine Form des Produkts. Der
Wucherer kennt daher durchaus keine Schranke ausser der Leistungs-
fähigkeit oder Widerstandsfähigkeit der Geldbedürftigen. Als Kauf-
mittel wird in der kleinbäuerlichen und kleinbürgerlichen Produktion
[138] das Geld hauptsächlich gebraucht, wenn die Produktionsbedingungen
dem Arbeiter (der in diesen Produktionsweisen vorwiegend noch
ihr Eigenthümer) durch Zufälle oder ausserordentliche Erschütt-
rungen verloren gehn, oder wenigstens nicht im gewöhnlichen
Lauf der Reproduktion ersetzt werden. Lebensmittel und Rohstoffe
bilden wesentlichen Theil dieser Produktionsbedingungen. Ihre
Vertheurung kann ihren Ersatz aus dem Erlös des Produkts un-
möglich machen, wie einfache Missernten den Bauer verhindern
können, sein Saatkorn in natura zu ersetzen. Dieselben Kriege,
wodurch die römischen Patricier die Plebejer ruinirten, sie zu
Kriegsdiensten zwangen, die sie an der Reproduktion ihrer Arbeits-
bedingungen hinderten, sie daher verarmen machten (und Verar-
mung, Verkümmerung oder Verlust der Reproduktionsbedingungen, ist
hier die vorherrschende Form) füllten jenen die Speicher und
Keller mit erbeutetem Kupfer, dem damaligen Geld. Statt den
Plebejern direkt die benöthigten Waaren zu geben, Korn, Pferde,
Hornvieh, liehen sie ihnen dies für sie selbst nutzlose Kupfer, und
benutzten diese Lage zur Erpressung enormer Wucherzinsen, wo-
durch sie die Plebejer zu ihren Schuldsklaven machten. Unter
Karl dem Grossen wurden die fränkischen Bauern ebenfalls durch
Kriege ruinirt, sodass ihnen nichts übrig blieb als aus Schuldnern
Leibeigne zu werden. Im römischen Reich geschah es bekanntlich
häufig, dass Hungersnoth den Verkauf der Kinder und Selbstverkauf
von Freien als Sklaven an die Reicheren herbeiführte. So viel
für allgemeine Wendepunkte. Im einzelnen betrachtet hängt Er-
haltung oder Verlust der Produktionsbedingungen für den Klein-
producenten von tausend Zufällen ab, und jeder solcher Zufall oder
Verlust bedeutet Verarmung, und wird ein Punkt, wo der Wucher-
parasit sich ansetzen kann. Dem Kleinbauer braucht bloss eine
Kuh zu krepiren, damit er unfähig wird seine Reproduktion auf
der alten Stufenleiter wieder zu beginnen. Damit verfällt er dem
Wucher und, einmal verfallen, kommt er nie wieder frei.
Die Funktion des Geldes als Zahlungsmittel ist jedoch das eigent-
liche, grosse und eigenthümliche Terrain des Wuchers. Jede an be-
stimmtem Termin fällige Geldleistung, Grundzins, Tribut, Steuer etc.,
bringt die Nothwendigkeit einer Geldzahlung mit sich. Daher
setzt sich der Wucher im Grossen von den alten Römern bis auf
die modernen Zeiten an die Steuerpächter, fermiers généraux, rece-
veurs généraux an. Dann entwickelt sich mit dem Handel und
der Verallgemeinerung der Waarenproduktion die zeitliche Tren-
nung von Kauf und Zahlung. Das Geld ist an bestimmtem
[139] Termin zu liefern. Wie dies zu Umständen führen kann, wo Geld-
kapitalist und Wucherer noch heute in einander verschwimmen,
beweisen die modernen Geldkrisen. Derselbe Wucher wird aber
Hauptmittel, die Nothwendigkeit des Geldes als Zahlungsmittel
weiter auszubilden, indem er den Producenten tiefer und tiefer ver-
schuldet, und ihm die gewöhnlichen Zahlungsmittel dadurch ver-
nichtet, dass er durch die Zinslast selbst seine regelmäßige Repro-
duktion unmöglich macht. Hier schiesst der Wucher aus dem Geld
als Zahlungsmittel empor, und erweitert diese Funktion des Geldes,
sein eigenstes Terrain.
Die Entwicklung des Kreditwesens vollbringt sich als Reaktion
gegen den Wucher. Man muss dies aber nicht missverstehn, und
keineswegs im Sinn der antiken Schriftsteller, der Kirchenväter,
Luther’s oder der älteren Socialisten nehmen. Es bedeutet nichts
mehr und nichts weniger als die Unterordnung des zinstragenden
Kapitals unter die Bedingungen und Bedürfnisse der kapitalistischen
Produktionsweise.
Im Grossen und Ganzen wird das zinstragende Kapital im modernen
Kreditsystem den Bedingungen der kapitalistischen Produktion an-
gepasst. Der Wucher als solcher existirt nicht nur fort, sondern
wird bei Völkern entwickelter kapitalistischer Produktion von den
Schranken befreit, die ihm alle ältere Gesetzgebung gezogen hat.
Das zinstragende Kapital behält die Form von Wucherkapital gegen-
über Personen und Klassen, oder in Verhältnissen, wo nicht im
Sinn der kapitalistischen Produktionsweise geborgt wird und geborgt
werden kann; wo aus individueller Noth geborgt wird wie im
Pfandhaus; wo dem geniessenden Reichthum für Verschwendung
geborgt wird; oder wo der Producent nichtkapitalistischer Producent
ist, kleiner Bauer, Handwerker etc., also noch als unmittelbarer
Producent Besitzer seiner eignen Produktionsbedingungen; endlich
wo der kapitalistische Producent selbst auf so kleiner Stufenleiter
operirt, dass er sich jenen selbst arbeitenden Producenten nähert.
Was das zinstragende Kapital, soweit es ein wesentliches Element
der kapitalistischen Produktionsweise bildet, vom Wucherkapital
unterscheidet, ist in keiner Weise die Natur oder der Charakter
dieses Kapitals selbst. Es sind nur die veränderten Bedingungen,
unter denen es fungirt, und daher auch die total verwandelte Ge-
stalt des Borgers, der dem Geldverleiher gegenübertritt. Selbst wo
ein vermögensloser Mann als Industrieller oder Kaufmann Kredit
erhält, geschieht es in dem Vertrauen, dass er als Kapitalist fun-
giren, unbezahlte Arbeit aneignen wird mit dem geliehenen Kapital.
[140] Es wird ihm Kredit gegeben als potentiellem Kapitalisten. Und
dieser Umstand, der so sehr bewundert wird von den ökonomischen
Apologeten, dass ein Mann ohne Vermögen, aber mit Energie,
Solidität, Fähigkeit und Geschäftskenntniss sich in dieser Weise in
einen Kapitalisten verwandeln kann — wie denn überhaupt in der
kapitalistischen Produktionsweise der Handelswerth eines jeden mehr
oder weniger richtig abgeschätzt wird — so sehr er beständig gegen-
über den vorhandnen einzelnen Kapitalisten eine unwillkommene
Reihe neuer Glücksritter ins Feld führt, befestigt die Herrschaft
des Kapitals selbst, erweitert ihre Basis, und erlaubt ihr sich mit
stets neuen Kräften aus der gesellschaftlichen Unterlage zu re-
krutiren. Ganz wie der Umstand, dass die katholische Kirche im
Mittelalter ihre Hierarchie ohne Ansehn von Stand, Geburt, Ver-
mögen aus den besten Köpfen im Volk bildete, ein Hauptbefestigungs-
mittel der Pfaffenherrschaft und der Unterdrückung der Laien war.
Jemehr eine herrschende Klasse fähig ist, die bedeutendsten Männer
der beherrschten Klassen in sich aufzunehmen, desto solider und
gefährlicher ist ihre Herrschaft.
Statt des Bannfluchs gegen das zinstragende Kapital überhaupt,
ist es daher umgekehrt seine ausdrückliche Anerkennung, wovon
die Initiatoren des modernen Kreditsystems ausgehn.
Wir sprechen hier nicht von der Reaktion gegen den Wucher,
die die Armen vor ihm zu schützen suchte, wie die Monts-de-piété
(1350 zu Sarlins in der Franche-Comté, später zu Perugia und
Savona in Italien, 1400 und 1479). Sie sind nur merkwürdig, weil
sie die geschichtliche Ironie zeigen, womit fromme Wünsche in
ihrer Realisation ins grade Gegentheil umschlagen. Die englische
Arbeiterklasse zahlt nach einer mäßigen Schätzung 100 % an die
Pfandhäuser, diese Nachkömmlinge der Monts-de-piété.21) Wir
sprechen ebensowenig von den Kreditphantasien z. B. eines Dr.
Hugh Chamberleyne oder John Briscoe, die im letzten Decennium
des 17. Jahrhunderts durch eine Landbank mit auf Grundeigenthum
[141] basirtem Papiergeld die englische Aristokratie vom Wucher zu
emancipiren suchten.22)
Die Kreditassociationen, die sich im 12. und 14. Jahrhundert in
Venedig und Genua bildeten, entsprangen aus dem Bedürfniss des
Seehandels und des auf denselben gegründeten Grosshandels, sich
von der Herrschaft des altmodischen Wuchers und den Monopo-
lisirern des Geldhandels zu emancipiren. Wenn die eigentlichen
Banken, die in diesen Stadtrepubliken gestiftet wurden, zugleich
als Anstalten für den öffentlichen Kredit sich darstellen, von denen
der Staat Vorschüsse auf einzunehmende Steuern erhielt, so darf
nicht vergessen werden, dass die Kaufleute, die jene Associationen
bildeten, selbst die ersten Leute jener Staaten, und ebenso interessirt
waren ihre Regierung, wie sich selbst vom Wucher zu emancipiren23),
und zugleich sich den Staat dadurch mehr und sicherer zu unter-
werfen. Als die Bank von England gestiftet werden sollte, warfen
daher auch die Tories ein: „Banken seien republikanische Institu-
tionen. Blühende Banken existirten zu Venedig, Genua, Amsterdam
und Hamburg. Aber wer hätte je gehört von einer Bank von
Frankreich oder Spanien.“
Die Bank von Amsterdam 1609 bezeichnet ebenso wenig wie
die von Hamburg (1619) eine Epoche in der Entwicklung des
modernen Kreditwesens. Sie war eine reine Depositenbank. Die
Bons, die die Bank ausgab, waren in der That nur Empfangscheine
für das deponirte gemünzte und ungemünzte Edelmetall, und cir-
kulirten nur mit dem Endossement ihrer Empfänger. Aber in
[142] Holland hatte sich mit dem Handel und der Manufaktur der kom-
mercielle Kredit und der Geldhandel entwickelt, und war das zins-
tragende Kapital durch den Gang der Entwicklung selbst dem
industriellen und kommerciellen Kapital untergeordnet worden. Dies
zeigte sich schon in der Niedrigkeit des Zinsfusses. Holland aber
galt im 17. Jahrhundert für das Musterland der ökonomischen Ent-
wicklung, wie England jetzt. Das Monopol des altmodischen Wuchers,
der auf der Armuth basirte, war dort von selbst über den Haufen
geworfen.
Während des ganzen 18. Jahrhunderts ertönt — und die Gesetz-
gebung handelt in diesem Sinn — mit Hinweis auf Holland der
Schrei nach gewaltsamer Herabsetzung des Zinsfusses, um das zins-
tragende Kapital dem kommerciellen und industriellen unterzuordnen
statt umgekehrt. Der Hauptstimmführer ist Sir Josiah Child, der
Vater des normalen englischen Privatbankierthums. Er deklamirt
ganz so gegen das Monopol der Wucherer, wie die Massenkon-
fektionsschneider Moses \& Son sich als Bekämpfer des Monopols
der „Privatschneider“ ausschreien. Dieser Josiah Child ist zugleich
der Vater der englischen Stockjobberei. So vertheidigt er, der
Autokrat der ostindischen Kompagnie, ihr Monopol im Namen der
Handelsfreiheit. Gegen Thomas Manley („Interest of Money mis-
taken“) sagt er: „Als Vorkämpfer der furchtsamen und zitternden
Bande der Wucherer, errichtet er seine Hauptbatterie an dem Punkt,
den ich für den schwächsten erklärt habe … er leugnet gradezu,
dass der niedrige Zinsfuss die Ursache des Reichthums sei, und
versichert, er sei nur seine Wirkung.“ (Traités sur le Commerce etc.
1669. Trad. Amsterdam et Berlin, 1754.) „Wenn es der Handel
ist, der ein Land bereichert, und wenn die Herabsetzung des Zinses
den Handel vermehrt, so ist eine Herabsetzung des Zinses oder
Beschränkung des Wuchers ohne Zweifel eine fruchtbare Haupt-
ursache der Reichthümer einer Nation. Es ist durchaus nicht ab-
geschmackt zu sagen, dass dieselbe Sache zu gleicher Zeit Ursache
unter gewissen Umständen, und Wirkung unter andern sein kann.“
(l. c., p. 55.) „Das Ei ist die Ursache der Henne, und die Henne
ist die Ursache des Eies. Die Zinsreduktion kann eine Vermehrung
des Reichthums, und die Vermehrung des Reichthums kann eine
noch grössre Zinsreduktion verursachen.“ (l. c., p. 156.) „Ich bin
der Vertheidiger der Industrie und mein Gegner vertheidigt die
Faulheit und den Müßiggang.“ (p. 179.)
Diese gewaltsame Bekämpfung des Wuchers, diese Forderung
der Unterordnung des zinstragenden unter das industrielle Kapital
[143] ist nur der Vorläufer der organischen Schöpfungen, die diese Be-
dingungen der kapitalistischen Produktion im modernen Bankwesen
herstellen, das einerseits das Wucherkapital seines Monopols be-
raubt, indem es alle todtliegenden Geldreserven koncentrirt und
auf den Geldmarkt wirft, andrerseits das Monopol der edlen Me-
talle selbst durch Schöpfung des Kreditgelds beschränkt.
Ebenso wie hier bei Child, wird man in allen Schriften über
Bankwesen in England im letzten Drittel des 17. und Anfang des
18. Jahrhunderts den Gegensatz gegen den Wucher finden, die
Forderung der Emancipation des Handels und der Industrie wie
des Staats vom Wucher. Zugleich kolossale Illusionen über die
Wunderwirkung des Kredits, der Entmonopolisirung der edlen Me-
talle, ihren Ersatz durch Papier etc. Der Schotte William Patterson,
Stifter der Bank v. E. und der Bank von Schottland, ist durchaus
Law der Erste.
Gegen die B. v. E. „erhoben alle Goldschmiede und Pfandver-
leiher ein Wuthgeheul.“ (Macaulay, History of England. IV. p. 499.)
— „In den ersten 10 Jahren hatte die Bank mit grossen Schwierig-
keiten zu kämpfen; grosse Feindschaft von aussen; ihre Noten
wurden nur weit unter dem Nominalwerth angenommen … die
Goldschmiede (in deren Händen der Handel mit den edlen Metallen
zur Basis eines primitiven Bankgeschäfts diente) intriguirten be-
deutend gegen die Bank, weil durch diese ihr Geschäft vermindert,
ihr Diskonto herabgedrückt wurde, und ihre Geschäfte mit der
Regierung in die Hände dieser Gegnerin gekommen waren.“ (J.
Francis, l. c. p. 73.)
Schon vor der Stiftung der B. v. E. entstand 1683 der Plan
einer National Bank of Credit, deren Zweck u. a. war: „dass Ge-
schäftsleute, wenn sie eine beträchtliche Menge Waaren besitzen,
durch Unterstützung dieser Bank ihre Waaren deponiren und auf
ihre festliegenden Vorräthe einen Kredit aufnehmen, ihre Ange-
stellten beschäftigen, und ihr Geschäft vermehren können, bis sie
einen guten Markt finden, statt mit Verlust zu verkaufen.“ Nach
vielen Mühen wurde diese Bank of Credit errichtet in Devonshire
House in Bishopsgate Street. Sie lieh an Industrielle und Kauf-
leute auf Sicherheit deponirter Waaren ¾ des Werths derselben
in Wechseln. Um diese Wechsel lauffähig zu machen, wurde in
jedem Geschäftszweig eine Anzahl von Leuten zu einer Gesell-
schaft vereinigt, von der jeder Besitzer solcher Wechsel Waaren
dagegen mit derselben Leichtigkeit erhalten sollte, als ob er baare
Zahlung offerirte. Die Bank machte keine blühenden Geschäfte.
[144] Die Maschinerie war zu komplicirt, das Risiko bei Depreciation der
Waaren zu gross.
Hält man sich an den wirklichen Inhalt jener Schriften, die die
Gestaltung des modernen Kreditwesens in England theoretisch be-
gleiten und befördern, so wird man darin nichts finden als die
Forderung der Unterordnung des zinstragenden Kapitals, überhaupt
der verleihbaren Produktionsmittel unter die kapitalistische Pro-
duktionsweise als eine ihrer Bedingungen. Hält man sich an die
blosse Phrase, so wird die Uebereinstimmung, bis auf den Aus-
druck herab, mit den Bank- und Kreditillusionen der St. Simonisten
oft in Erstaunen setzen.
Ganz wie der cultivateur bei den Physiokraten nicht den wirk-
lichen Landbauer, sondern den Grosspächter bedeutet, so der tra-
vailleur bei St. Simon, und immer noch durchlaufend bei seinen
Schülern, nicht den Arbeiter, sondern den industriellen und kommer-
ciellen Kapitalisten. „Un travailleur a besoin d’aides, de seconds,
d’ouvriers; il les cherche intelligents, habiles, dévoués; il les met
à l’oeuvre, et leurs travaux sont productifs.“ (Religion saint-
simonienne. Économie politique et Politique. Paris 1831. p. 104.)
Man muss überhaupt nicht vergessen, dass erst in seiner letzten
Schrift, dem Nouveau Christianisme, St. Simon direkt als Wort-
führer der arbeitenden Klasse auftritt und ihre Emancipation als
Endzweck seines Strebens erklärt. Alle seine frühern Schriften
sind in der That nur Verherrlichung der modernen bürgerlichen
Gesellschaft gegen die feudale, oder der Industriellen und Bankiers
gegen die Marschälle und juristischen Gesetzfabrikanten der Napo-
leonischen Zeit. Welcher Unterschied, verglichen mit den gleich-
zeitigen Schriften Owen’s!24) Auch bei seinen Nachfolgern, wie
schon die citirte Stelle zeigt, bleibt der industrielle Kapitalist der
[145] travailleur par excellence. Wenn man ihre Schriften kritisch liest,
wird man sich nicht wundern, dass die Realisirung ihrer Kritik-
und Bankträume der vom Ex-St. Simonisten Emile Pereire ge-
gründete Crédit mobilier war, eine Form, die übrigens nur in
einem Land wie Frankreich vorherrschend werden konnte, wo weder
das Kreditsystem noch die grosse Industrie zur modernen Höhe
entwickelt waren. In England und Amerika war so etwas unmög-
lich. — In den folgenden Stellen der Doctrine de St. Simon.
Exposition. Première année. 1828—29. 3e éd. Paris 1831, steckt
schon der Keim zum Crédit mobilier. Begreiflicherweise kann der
Bankier wohlfeiler vorschiessen als der Kapitalist und Privat-
wucherer. Es ist also diesen Bankiers „möglich, den Industriellen
Werkzeuge weit wohlfeiler, d. h. zu niedrigeren Zinsen zu ver-
schaffen, als die Grundeigenthümer und Kapitalisten es könnten,
die sich leichter in der Auswahl der Borger täuschen können.“
(p. 202.) Aber die Verfasser fügen selbst in der Note hinzu: „Der
Vortheil, der aus der Vermittlung des Bankiers zwischen den
Müssigen und den travailleurs folgen müsste, wird oft aufgewogen
und selbst vernichtet durch die Gelegenheit, die unsre desorga-
nisirte Gesellschaft dem Egoismus bietet, sich in den verschiednen
Formen des Betrugs und des Charlatanismus geltend zu machen;
die Bankiers drängen sich oft zwischen travailleurs und Müssige,
um beide zum Schaden der Gesellschaft auszubeuten.“ Travailleur
steht hier für capitaliste industriel. Uebrigens ist es falsch, die
Mittel worüber das moderne Bankwesen verfügt, bloss als die Mittel
der Müssigen zu betrachten. Erstens ist es der Theil des Kapitals,
den Industrielle und Kaufleute momentan unbeschäftigt in Geld-
form halten, als Geldreserve oder erst anzulegendes Kapital; also
müssiges Kapital, aber nicht Kapital der Müssigen. Zweitens der
Theil der Revenuen und Ersparungen Aller, der permanent oder
transitorisch für Akkumulation bestimmt ist. Und beides ist wesent-
lich für den Charakter des Banksystems.
Es muss aber nie vergessen werden, dass erstens das Geld — in
der Form der edlen Metalle — die Unterlage bleibt, wovon das
Kreditwesen der Natur der Sache nach nie loskommen kann.
Zweitens, dass das Kreditsystem das Monopol der gesellschaftlichen
Produktionsmittel (in der Form von Kapital und Grundeigenthum)
in den Händen von Privaten zur Voraussetzung hat, dass es selbst
einerseits eine immanente Form der kapitalistischen Produktions-
weise ist, und andrerseits eine treibende Kraft ihrer Entwicklung
zu ihrer höchst- und letztmöglichen Form.
Marx, Kapital III. 2. 10
[146]
Das Banksystem ist, der formellen Organisation und Centrali-
sation nach, wie schon 1697 in: „Some Thoughts of the Interests
of England“ ausgesprochen, das künstlichste und ausgebildetste
Produkt, wozu es die kapitalistische Produktionsweise überhaupt
bringt. Daher die ungeheure Macht eines Instituts wie die Bank
v. E. auf Handel und Industrie, obgleich deren wirkliche Bewegung
ganz ausserhalb ihres Bereichs bleibt, und sie sich passiv dazu
verhält. Es ist damit allerdings die Form einer allgemeinen Buch-
führung und Vertheilung der Produktionsmittel auf gesellschaft-
licher Stufenleiter gegeben, aber auch nur die Form. Wir haben
gesehn, dass der Durchschnittsprofit des einzelnen Kapitalisten, oder
jedes besondren Kapitals, bestimmt ist, nicht durch die Mehrarbeit,
die dies Kapital in erster Hand aneignet, sondern durch das
Quantum von Gesammtmehrarbeit, die das Gesammtkapital an-
eignet, und wovon jedes besondre Kapital nur als proportioneller
Theil des Gesammtkapitals seine Dividende zieht. Dieser gesell-
schaftliche Charakter des Kapitals wird erst vermittelt und vollauf
verwirklicht durch volle Entwicklung des Kredit- und Banksystems.
Andrerseits geht dies weiter. Es stellt den industriellen und kom-
merciellen Kapitalisten alles disponible und selbst potentielle, nicht
bereits aktiv engagirte Kapital der Gesellschaft zur Verfügung, so-
dass weder der Verleiher noch der Anwender dieses Kapitals dessen
Eigenthümer oder Producenten sind. Es hebt damit den Privat-
charakter des Kapitals auf, und enthält so an sich, aber auch nur
an sich, die Aufhebung des Kapitals selbst. Durch das Bankwesen
ist die Vertheilung des Kapitals den Händen der Privatkapitalisten
und Wucherer als ein besondres Geschäft, als gesellschaftliche
Funktion entzogen. Bank und Kredit werden aber dadurch zu-
gleich das kräftigste Mittel, die kapitalistische Produktion über ihre
eignen Schranken hinauszutreiben, und eins der wirksamsten Vehikel
der Krisen und des Schwindels.
Das Banksystem zeigt ferner durch die Substitution verschiedner
Formen von cirkulirendem Kredit an Stelle des Geldes, dass das
Geld in der That nichts andres ist als ein besondrer Ausdruck des
gesellschaftlichen Charakters der Arbeit und ihrer Produkte, der
aber als im Gegensatz zu der Basis der Privatproduktion stets in
letzter Instanz als ein Ding, als besondre Waare neben andren
Waaren sich darstellen muss.
Endlich unterliegt es keinem Zweifel, dass das Kreditsystem als
ein mächtiger Hebel dienen wird, während des Uebergangs aus der
kapitalistischen Produktionsweise in die Produktionsweise der asso-
[147] ciirten Arbeit; jedoch nur als ein Element im Zusammenhang mit
andren grossen organischen Umwälzungen der Produktionsweise
selbst. Dagegen entspringen die Illusionen über die wunderwir-
kende Macht des Kredit- und Bankwesens, im socialistischen Sinn,
aus völliger Unkenntniss der kapitalistischen Produktionsweise und
des Kreditwesens als einer ihrer Formen. Sobald die Produktions-
mittel aufgehört haben, sich in Kapital zu verwandeln (worin auch
die Aufhebung des Privat-Grundeigenthums eingeschlossen ist), hat
der Kredit als solcher keinen Sinn mehr, was übrigens selbst die
St. Simonisten eingesehn haben. Solange andrerseits die kapita-
listische Produktionsweise fortdauert, dauert das zinstragende Kapital
als eine ihrer Formen fort, und bildet in der That die Basis ihres
Kreditsystems. Nur derselbe Sensationsschriftsteller, Proudhon,
der die Waarenproduktion fortbestehn lassen, und das Geld auf-
heben wollte25), war fähig, das Ungeheuer eines crédit gratuit zu
erträumen, diese vorgebliche Realisation des frommen Wunsches
des kleinbürgerlichen Standpunkts.
In der Réligion saint-simonienne, Économie et Politique, heisst
es p. 45: „Der Kredit hat zum Zweck, in einer Gesellschaft wo
die einen Werkzeuge der Industrie besitzen ohne die Fähigkeit
oder den Willen zu ihrer Anwendung zu haben, und wo andre
industriöse Leute keine Arbeitsinstrumente besitzen, diese Instru-
mente auf die leichtest mögliche Weise aus den Händen der
ersteren, ihrer Besitzer, zu übertragen in die Hände der andern,
die sie zu verwenden wissen. Bemerken wir, dass nach dieser
Definition der Kredit eine Folge der Art und Weise ist, in der
das Eigenthum konstituirt ist.“ Also fällt der Kredit fort mit
dieser Konstitution des Eigenthums. Es heisst farner, p. 98: Die
jetzigen Banken „betrachten sich als bestimmt, der Bewegung Folge
zu geben, die die, ausserhalb ihrer, bewirkten Geschäfte in Gang
gesetzt haben, nicht aber ihnen selbst den Impuls zu geben; in
andren Worten, die Banken erfüllen bei den travailleurs, denen sie
Kapitalien vorschiessen, die Rolle von Kapitalisten.“ In dem Ge-
danken, dass die Banken selbst die Leitung übernehmen und sich
auszeichnen sollen „durch die Zahl und die Nützlichkeit der kom-
manditirten Etablissements und der in Anregung gebrachten Ar-
beiten“ (p. 101) liegt der crédit mobilier latent. Ebenso verlangt
Charles Pecqueur, dass die Banken (was die St. Simonisten Système
général des banques nennen) „die Produktion regieren“. Ueber-
10*
[148] haupt ist Pecqueur wesentlich St. Simonist, obgleich viel radikaler.
Er will, dass „die Kreditanstalt … die ganze Bewegung der natio-
nalen Produktion regiere.“ — „Versucht eine nationale Kredit-
anstalt zu schaffen, die dem nichtbesitzenden Talent und Verdienst
Mittel vorschiesst, ohne jedoch diese Borger zwangsmäßig durch
eine enge Solidarität in Produktion und Konsumtion unter sich zu
verknüpfen, sondern im Gegentheil so, dass sie selbst ihre Aus-
tausche und ihre Produktionen bestimmen. Auf diesem Wege
werdet ihr nur erreichen, was jetzt schon die Privatbanken er-
reichen, die Anarchie, das Missverhältniss zwischen Produktion
und Konsumtion, den plötzlichen Ruin der einen, und die plötzliche
Bereicherung der andren; derart dass eure Anstalt nie weiter
kommen wird als für die einen eine Summe von Wohlergehn zu
produciren, welche gleichkommt der Summe des von den andren
ertragnen Unglücks … bloss dass ihr der von euch mit Vor-
schüssen unterstützten Lohnarbeitern die Mittel gegeben habt, sich
unter einander dieselbe Konkurrenz zu machen, die sich jetzt ihre
kapitalistischen Meister machen.“ (Ch. Pecqueur, Théorie Nouvelle
d’Economie Soc. et Pol. Paris 1842. p. 434.)
Wir haben gesehn, dass das Kaufmannskapital und das zins-
tragende Kapital die ältesten Formen des Kapitals sind. Es liegt
aber in der Natur der Sache, dass das zinstragende Kapital in der
Volksvorstellung sich als die Form des Kapitals par excellence
darstellt. Im Kaufmannskapital findet eine vermittelnde Thätig-
keit statt, möge sie nun als Prellerei, Arbeit, oder wie immer aus-
gelegt werden. Dagegen stellt sich im zinstragenden Kapital der
selbstreproducirende Charakter des Kapitals, der sich verwerthende
Werth, die Produktion des Mehrwerths, als okkulte Qualität rein
dar. Daher kommt es denn auch, dass selbst ein Theil der poli-
tischen Oekonomie, besonders in Ländern, wo das industrielle Ka-
pital noch nicht vollständig entwickelt ist, wie in Frankreich, daran
als an der Grundform des Kapitals festhalten, und z. B. die Grund-
rente nur als andre Form davon fassen, indem auch hier die Form
des Verleihens vorherrscht. Es wird dadurch die innere Gliederung
der kapitalistischen Produktionsweise völlig verkannt, und ganz
übersehn, dass der Boden, ebenso wie das Kapital, nur an Kapi-
talisten verliehen wird. Statt Geld können natürlich Produktions-
mittel in natura, wie Maschinen, Geschäftsgebäude u. s. w. verliehen
werden. Sie stellen dann aber eine bestimmte Geldsumme dar,
und dass ausser dem Zins ein Theil für Verschleiss gezahlt wird,
geht aus dem Gebrauchswerth, aus der specifischen Naturalform
[149] dieser Kapitalelemente hervor. Das Entscheidende ist hier wieder,
ob sie an den unmittelbaren Producenten verliehen werden, was
Nicht-Existenz der kapitalistischen Produktionsweise voraussetzt,
wenigstens in der Sphäre, worin dies stattfindet; oder ob sie an
den industriellen Kapitalisten verliehen werden, was eben die Vor-
aussetzung auf Basis der kapitalistischen Produktionsweise ist.
Noch ungehöriger und begriffsloser ist es, das Verleihen von
Häusern etc. für den individuellen Konsum hierherzuziehn. Dass
die Arbeiterklasse auch in dieser Form beschwindelt wird, und
zwar himmelschreiend, ist klare Thatsache; aber dies geschieht
ebenso von dem Kleinhändler, der ihr die Lebensmittel liefert. Es
ist dies eine sekundäre Ausbeutung, die neben der ursprünglichen
herläuft, die im Produktionsprocess selbst unmittelbar vor sich
geht. Der Unterschied zwischen Verkaufen und Verleihen ist hier
ein durchaus gleichgültiger und formeller, der wie schon gezeigt,
nur der völligen Unkenntniss des wirklichen Zusammenhangs als
wesentlich erscheint.
Der Wucher wie der Handel exploitiren eine gegebne Produk-
tionsweise, schaffen sie nicht, verhalten sich äusserlich zu ihr. Der
Wucher sucht sie direkt zu erhalten, um sie stets von neuem aus-
beuten zu können, ist konservativ, macht sie nur miserabler. Je
weniger die Produktionselemente als Waaren in den Produktions-
process eintreten, und als Waaren aus ihm herauskommen, um so
mehr erscheint ihre Herstellung aus Geld als ein besondrer Akt.
Je unbedeutender die Rolle ist, die die Cirkulation in der gesell-
schaftlichen Reproduktion spielt, desto blühender der Wucher.
Dass das Geldvermögen als besondres Vermögen sich entwickelt,
heisst mit Bezug auf das Wucherkapital, dass es alle seine For-
derungen in der Form von Geldforderungen besitzt. Es entwickelt
sich um so mehr in einem Lande, je mehr die Masse der Produk-
tion auf Naturalleistungen etc., also auf Gebrauchswerth beschränkt.
Insofern der Wucher das Doppelte bewirkt: Erstens überhaupt,
neben dem Kaufmannsstand, ein selbständiges Geldvermögen zu
bilden, zweitens die Arbeitsbedingungen sich anzueignen, d. h. die
Besitzer der alten Arbeitsbedingungen zu ruiniren, ist er ein mächtiger
Hebel zur Bildung der Voraussetzungen für das industrielle Kapital.
Zins im Mittelalter.
„Im Mittelalter war die Bevölkerung rein ackerbauend. Und
da, wie unter der feudalen Regierung, kann nur wenig Verkehr
[150] und daher auch nur wenig Profit sein. Daher waren die Wucher-
gesetze im Mittelalter gerechtfertigt. Zudem kommt in einem
ackerbauenden Land jemand selten in die Lage Geld zu borgen
ausser wenn er zu Armuth und Elend heruntergekommen ist …
Heinrich VIII. beschränkt den Zins auf 10 %, Jakob I. auf 8,
Karl II. auf 6, Anna auf 5 % … In jenen Zeiten waren die Geld-
verleiher, wenn nicht rechtliche, so doch thatsächliche Monopolisten,
und daher war es nöthig, sie wie andre Monopolisten unter Be-
schränkung zu setzen … In unsern Zeiten regulirt die Rate des
Profits die Rate des Zinses; in jenen Zeiten regulirte die Rate des
Zinses die Rate des Profits. Wenn der Geldverleiher dem Kauf-
mann eine hohe Zinsrate aufbürdete, musste der Kaufmann eine
höhere Profitrate auf seine Waaren schlagen. Daher wurde eine
grosse Summe Geldes aus den Taschen der Käufer genommen, um
sie in die Taschen der Geldverleiher zu bringen.“ (Gilbart, History
and Princ. of Banking, p. 164, 165.)
„Ich lasse mir sagen, dass man jetzt jährlich auf einen jeglichen
Leiptzischen Markt 10 Gulden, das ist 30 aufs Hundert nimmt;
etliche setzen hinzu den Neuenburgischen Markt, dass es 40 aufs
Hundert werden: obs nur sei, das weiss ich nicht. Pfui dich, wo
zum Teufel will denn auch zuletzt das hinaus? … Wer nun jetzt
zu Leiptzig 100 Floren hat, der nimmt järlich 40, das heisst einen
Bauer oder einen Bürger in einem Jar gefressen. Hat er 1000
Floren; so nimmt er järlich 400, das heisst einen Ritter oder
reichen Edelmann in einem Jar gefressen. Hat er 10000, so nimmt
er järlich 4000; das heisst einen reichen Grafen in einem Jar ge-
fressen. Hat er 100000, wie es sein muss bei den grossen Händlern,
so nimmt er järlich 40000; das heisst einen grossen reichen Fürsten
in einem Jahr gefressen. Hat er 1000000, so nimmt er järlich
400000, das heisst einen grossen König in einem Jar gefressen.
Und leidet darüber kein Fahr, weder an Leib noch an Wahr,
Arbeit nichts, sitzt hinter dem Ofen und brät Aepfel: also möchte
ein Stul-Räuber sitzen zu Hause, und eine ganze Welt in zehn
Jahren fressen. (Dies ist aus „Bücher vom Kaufhandel und Wucher“,
vom Jahre 1524. Luther’s Werke, Wittenberg 1589. 6. Theil.)
„Ich habe vor 15 Jahren wider den Wucher geschrieben, da er
bereit so gewaltig eingerissen war, dass ich keine Besserung zu
hoffen wüsste. Seit der Zeit hat er sich also erhebt, dass er nie
auch kein Laster, Sünde oder Schande mehr sein will, sondern
lässt sich rhümen für eitel Tugend und Ehre, als thue er den
Leuten grosse Liebe und einen christlichen Dienst. Was will nun
[151] helfen rahten da Schande ist Ehre und Laster ist Tugend worden.“
(An die Pfarherrn wider den Wucher zu predigen. Wittenberg 1540.)
„Juden, Lombarden, Wucherer und Blutsauger waren unsre ersten
Bankiers, unsre ursprünglichen Bankschacherer, ihr Charakter war
fast infam zu nennen. . . . Dem gesellten sich dann die Londoner
Goldschmiede bei. Im ganzen … waren unsre ursprünglichen
Bankiers … eine sehr schlimme Gesellschaft, sie waren gierige
Wucherer, steinherzige Aussauger.“ (J. Hardcastle, Banks and
Bankers. 2nd ed. London 1843 p. 19, 20.)
„Das von Venedig gegebne Beispiel (der Bildung einer Bank)
wurde also rasch nachgeahmt; alle Seestädte, und überhaupt alle
Städte, die sich durch ihre Unabhängigkeit und ihren Handel einen
Namen gemacht hatten, gründeten ihre ersten Banken. Die Rück-
kehr ihrer Schiffe, die oft lange auf sich warten liess, führte un-
vermeidlich zur Gewohnheit des Kreditgebens, die die Entdeckung
Amerikas und der Handel dorthin in der Folge noch weiter verstärkte.“
(Dies ein Hauptpunkt.) Die Schiffsbefrachtungen zwangen zur Auf-
nahme starker Vorschüsse, was bereits im Alterthum in Athen und
Griechenland vorgekommen. 1380 besass die Hansestadt Brügge
eine Assekuranzkammer. (M. Augier, l. c. p. 202, 203.)
Wie sehr das Verleihen an die Grundeigenthümer, und damit
überhaupt an den geniessenden Reichthum, selbst noch in England
vorwog, im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts, vor der Entwick-
lung des modernen Kreditsystems, kann man u. a. ersehn aus Sir
Dudley North, nicht nur einem der ersten englischen Kaufleute,
sondern auch einem der bedeutendsten theoretischen Oekonomen
seiner Zeit: „Die in unserm Volk auf Zinsen ausgelegten Gelder
werden noch lange nicht zum zehnten Theil an Geschäftsleute aus-
gegeben, um damit ihre Geschäfte zu betreiben; sie werden zum
grössten Theil ausgeliehen für Luxusartikel, und für die Ausgaben
von Leuten, die, obwohl grosse Grundbesitzer, doch rascher Geld
ausgeben, als ihr Grundbesitz es einbringt; und da sie den Verkauf
ihrer Güter scheuen, sie lieber verhypotheciren.“ (Discourses upon
Trade. London 1691. p. 6, 7.)
Im 18. Jahrhundert in Polen: „Warschau machte ein grosses
Wechselgeschäft, das aber hauptsächlich den Wucher seiner Bankiers
zum Grunde und zur Absicht hatte. Um sich Geld zu verschaffen,
welches sie den verschwenderischen Grossen zu 8 und zu mehr
Procent leihen konnten, suchten und fanden sie ausser Landes einen
Wechselkredit in Blanco, d. h. der gar keinen Waarenhandel zu
[152] Grunde hatte, welchen der ausländische Trassat aber so lange ge-
duldig acceptirte, als noch die durch Wechselreiterei erschaffnen
Rimessen nicht ausblieben. Dafür haben diese durch die Bankrotte
eines Tapper und andrer grossgeachteter Warschauer Bankiers
schwer gebüsst.“ (J. G. Büsch, Theoretisch-praktische Darstellung
der Handlung etc. 3. Auflage. Hamburg 1808. Band II, p. 232, 233.)
Nutzen für die Kirche vom Zinsverbot.
„Zins zu nehmen hatte die Kirche verboten; aber nicht das Eigen-
thum zu verkaufen um sich aus der Noth zu helfen; ja auch nicht
einmal, dasselbe dem Geldleihenden auf eine bestimmte Zeit und
bis zur Wiederbezahlung abzutreten, damit derselbe seine Sicher-
heit darin finden, aber auch während des Besitzes in dessen Nutzung
den Ersatz des von ihm entlehnten Geldes geniessen möchte. . . .
Die Kirche selbst, oder die ihr angehörenden Kommunen und pia
corpora zogen ihren grossen Nutzen davon, zumal in den Zeiten
der Kreuzzüge. Dies brachte einen so grossen Theil des National-
reichthums in den Besitz der sog. „todten Hand“, zumal da der
Jude in diesem Wege nicht wuchern durfte, weil der Besitz eines
so festen Unterpfandes nicht verhehlt werden konnte. . . . Ohne
das Verbot der Zinsen würden die Kirchen und Klöster nimmer-
mehr so reich haben werden können.“ (l. c., p. 55.)
[[153]]
Sechster Abschnitt.
Verwandlung von Surplusprofit in Grundrente.
Siebenunddreissigstes Kapitel.
Einleitendes.
Die Analyse des Grundeigenthums in seinen verschiednen ge-
schichtlichen Formen liegt jenseits der Grenzen dieses Werks. Wir
beschäftigen uns nur mit ihm, soweit ein Theil des vom Kapital
erzeugten Mehrwerths dem Grundeigenthümer anheimfällt. Wir
unterstellen also, dass die Agrikultur, ganz wie die Manufaktur,
von der kapitalistischen Produktionsweise beherrscht, d. h. dass die
Landwirthschaft von Kapitalisten betrieben wird, die sich von den
übrigen Kapitalisten zunächst nur durch das Element unterscheiden,
worin ihr Kapital und die von diesem Kapital in Bewegung ge-
setzte Lohnarbeit angelegt ist. Für uns producirt der Pächter
Weizen u. s. w., wie der Fabrikant Garn oder Maschinen. Die
Unterstellung, dass die kapitalistische Produktionsweise sich der
Landwirthschaft bemächtigt hat, schliesst ein, dass sie alle Sphären
der Produktion und der bürgerlichen Gesellschaft beherrscht, dass
also auch ihre Bedingungen, wie freie Konkurrenz der Kapitale,
Uebertragbarkeit derselben von einer Produktionssphäre in die
andre, gleiche Höhe des Durchschnittsprofits u. s. w. in ihrer
ganzen Reife vorhanden sind. Die von uns betrachtete Form
des Grundeigenthums ist eine specifisch historische Form des-
selben, die durch die Einwirkung des Kapitals und der kapi-
talistischen Produktionsweise verwandelte Form, sei es des feu-
dalen Grundeigenthums, sei es der als Nahrungszweig betriebnen
kleinbäuerlichen Agrikultur, worin der Besitz von Grund und
Boden als eine der Produktionsbedingungen für den unmittelbaren
Producenten, und sein Eigenthum am Boden als die vortheil-
hafteste Bedingung, als Bedingung der Blüte seiner Produktions-
weise erscheint. Wenn die kapitalistische Produktionsweise über-
haupt die Expropriation der Arbeiter von den Arbeitsbedingungen,
so setzt sie in der Agrikultur die Expropriation der ländlichen
Arbeiter von Grund und Boden und ihre Unterordnung unter einen
Kapitalisten voraus, der die Agrikultur des Profits wegen betreibt.
Für unsre Entwicklung ist es also ein ganz gleichgültiger Einwurf,
wenn erinnert wird, dass auch andre Formen des Grundeigenthums
[154] und des Ackerbaus existirt haben oder noch existiren. Es kann
dies nur die Oekonomen treffen, welche die kapitalistische Pro-
duktionsweise in der Landwirthschaft und die ihr entsprechende
Form des Grundeigenthums nicht als historische, sondern als ewige
Kategorien behandeln.
Für uns ist die Betrachtung der modernen Form des Grund.
eigenthums nöthig, weil es überhaupt gilt, die bestimmten Pro-
duktions- und Verkehrsverhältnisse zu betrachten, die aus der An-
lage des Kapitals in der Landwirthschaft entspringen. Ohne das
wäre die Analyse desselben nicht vollständig. Wir beschränken
uns also ausschliesslich auf die Kapitalanlage im eigentlichen Acker-
bau, d. h. in der Produktion des Hauptpflanzenstoffs, wovon eine
Bevölkerung lebt. Wir können sagen Weizen, weil dieser das Haupt-
nahrungsmittel der modernen, kapitalistisch entwickelten Völker.
(Oder, statt Ackerbau, Bergwerke, weil die Gesetze dieselben.)
Es ist eins der grossen Verdienste von A. Smith, dass er ent-
wickelt hat, wie die Grundrente des zur Produktion andrer land-
wirthschaftlichen Produkte angewandten Kapitals, z. B. von Flachs,
Farbkräutern, selbständiger Viehzucht u. s. w., bestimmt ist durch
die Grundrente, welche das in der Produktion des Hauptnahrungs-
mittels angelegte Kapital abwirft. Es ist in der That seit ihm
kein Fortschritt in dieser Beziehung gemacht worden. Was wir
beschränkend oder zufügend zu erinnern hätten, gehört in die selb-
ständige Behandlung des Grundeigenthums, nicht hierhin. Von
dem Grundeigenthum, soweit es nicht sich auf den zur Weizen-
produktion bestimmten Boden bezieht, werden wir daher nicht ex
professo sprechen, sondern hie und da nur der Illustration halber
darauf zurückkommen.
Der Vollständigkeit wegen ist zu bemerken, dass hier unter
Grund und Boden auch Wasser etc. verstanden wird, soweit es
einen Eigenthümer hat, als Zubehör von Grund und Boden sich
darstellt.
Das Grundeigenthum setzt das Monopol gewisser Personen vor-
aus, über bestimmte Portionen des Erdkörpers als ausschliessliche
Sphären ihres Privatwillens, mit Ausschluss aller andern zu ver-
fügen.26) Dies vorausgesetzt, handelt es sich darum, den ökono-
[155] mischen Werth, d. h. die Verwerthung dieses Monopols auf Basis
der kapitalistischen Produktion zu entwickeln. Mit der juristischen
Macht dieser Personen, Portionen des Erdballs zu brauchen und
zu missbrauchen, ist nichts abgemacht. Der Gebrauch derselben
hängt ganz und gar von ökonomischen Bedingungen ab, die von
ihrem Willen unabhängig sind. Die juristische Vorstellung selbst
heisst weiter nichts, als dass der Grundeigenthümer mit dem Boden
verfahren kann, wie jeder Waarenbesitzer mit seiner Waare; und
diese Vorstellung — die juristische Vorstellung des freien Privat-
Grundeigenthums — tritt in der alten Welt nur ein zur Zeit der
Auflösung der organischen Gesellschaftsordnung, und in der modernen
Welt nur mit der Entwicklung der kapitalistischen Produktion.
In Asien ist sie nur stellenweis von den Europäern importirt worden.
Im Abschnitt über die ursprüngliche Akkumulation (Buch I, Kap.
XXIV), hat man gesehn, wie diese Produktionsweise voraussetzt,
einerseits die Loslösung der unmittelbaren Producenten aus der
Stellung eines blossen Zubehörs des Bodens (in der Form von
26)
[156] Hörigen, Leibeignen, Sklaven etc.), andrerseits die Expropriation
der Masse des Volks vom Grund und Boden. In sofern ist das
Monopol des Grundeigenthums eine historische Voraussetzung, und
bleibt fortwährende Grundlage, der kapitalistischen Produktions-
weise, wie aller frühern Produktionsweisen, die auf Ausbeutung der
Massen in einer oder der andern Form beruhn. Die Form aber,
worin die beginnende kapitalistische Produktionsweise das Grund-
eigenthum vorfindet, entspricht ihr nicht. Die ihr entsprechende
Form wird erst von ihr selbst geschaffen durch die Unterordnung
der Agrikultur unter das Kapital; womit denn auch feudales Grund-
eigenthum, Claneigenthum, oder kleines Bauerneigenthum mit Mark-
gemeinschaft, in die dieser Produktionsweise entsprechende ökono-
mische Form verwandelt wird, wie verschieden auch deren juristischen
Formen seien. Es ist eines der grossen Resultate der kapitalistischen
Produktionsweise, dass sie einerseits die Agrikultur aus einem bloss
empirischen und mechanisch sich forterbenden Verfahren des un-
entwickeltsten Theils der Gesellschaft in bewusste wissenschaftliche
Anwendung der Agronomie verwandelt, soweit dies überhaupt inner-
halb der mit dem Privateigenthum gegebnen Verhältnisse möglich
ist;27) dass sie das Grundeigenthum einerseits von Herrschafts- und
[157] Knechtschaftsverhältnissen völlig loslöst, andrerseits den Grund und
Boden als Arbeitsbedingung gänzlich vom Grundeigenthum und
Grundeigenthümer trennt, für den er weiter nichts vorstellt, als
eine bestimmte Geldsteuer, die er vermittelst seines Monopols vom
industriellen Kapitalisten, dem Pächter erhebt; so sehr den Zu-
sammenhang loslöst, dass der Grundeigenthümer sein ganzes Leben
in Konstantinopel zubringen kann, während sein Grundeigenthum
in Schottland liegt. Das Grundeigenthum erhält so seine rein
ökonomische Form, durch Abstreifung aller seiner frühern poli-
tischen und socialen Verbrämungen und Verquickungen, kurz aller
jener traditionellen Zuthaten, die von den industriellen Kapitalisten
selbst, wie von ihren theoretischen Wortführern, wie wir später
sehn werden, im Eifer ihres Kampfs mit dem Grundeigenthum als
eine nutzlose und abgeschmackte Superfötation denuncirt werden.
Die Rationalisirung der Agrikultur einerseits, die diese erst be-
fähigt gesellschaftlich betrieben zu werden, die Rückführung des
Grundeigenthums ad absurdum andrerseits, dies sind die grossen
Verdienste der kapitalistischen Produktionsweise. Wie alle ihre
andern historischen Fortschritte, erkaufte sie auch diesen zunächst
durch die völlige Verelendung der unmittelbaren Producenten.
Bevor wir zum Gegenstand selbst übergehn, sind noch einige
Vorbemerkungen zur Abwehr von Missverständnissen nöthig.
Die Voraussetzung bei der kapitalistischen Produktionsweise ist
also diese: die wirklichen Ackerbauer sind Lohnarbeiter, beschäftigt
von einem Kapitalisten, dem Pächter, der die Landwirthschaft nur
als ein besondres Exploitationsfeld des Kapitals, als Anlage seines
Kapitals in einer besondern Produktionsphäre betreibt. Dieser
Pächter-Kapitalist zahlt dem Grundeigenthümer, dem Eigenthümer
des von ihm exploitirten Bodens in bestimmten Terminen, z. B.
jährlich, eine kontraktlich festgesetzte Geldsumme (ganz wie der
Borger von Geldkapital bestimmten Zins) für die Erlaubniss, sein
Kapital in diesem besondern Produktionsfeld anzuwenden. Diese
Geldsumme heisst Grundrente, einerlei ob sie von Ackerboden,
Bauterrain, Bergwerken, Fischereien, Waldungen u. s. w. gezahlt
werde. Sie wird gezahlt für die ganze Zeit, während deren kon-
traktlich der Grundeigenthümer den Boden an den Pächter ver-
liehen, vermiethet hat. Die Grundrente ist also hier die Form,
worin sich das Grundeigenthum ökonomisch realisirt, verwerthet.
Wir haben ferner hier alle drei Klassen, welche den Rahmen der
modernen Gesellschaft konstituiren, zusammen und einander gegen-
über — Lohnarbeiter, industrieller Kapitalist, Grundeigenthümer.
[158]
Kapital kann in der Erde fixirt, ihr einverleibt werden, theils
mehr vorübergehend, wie bei Verbesserungen chemischer Natur,
Düngung u. s. w., theils mehr permanent, wie bei Abzugskanälen,
Bewässerungsanlagen, Nivellirungen, Wirthschaftsgebäuden etc.
Ich habe anderswo das der Erde so einverleibte Kapital la terre-
capital genannt.28) Es fällt unter die Kategorien des fixen Kapi-
tals. Der Zins für das der Erde einverleibte Kapital und die Ver-
besserungen, die sie so als Produktionsinstrument erhält, kann einen
Theil der Rente bilden, die dem Grundeigenthümer vom Pächter
gezahlt wird29), aber sie konstituirt nicht die eigentliche Grund-
rente, die für den Gebrauch des Bodens als solchen gezahlt wird,
er mag sich im Naturzustand befinden oder kultivirt sein. Bei
einer systematischen Behandlung des Grundeigenthums, die ausser-
halb unsres Plans liegt, wäre dieser Theil der Einnahme des Grund-
eigenthümers ausführlich darzustellen. Hier genügen wenige Worte
darüber. Die mehr temporären Kapitalanlagen, die die gewöhn-
lichen Produktionsprocesse in der Agrikultur mit sich führen,
werden alle ohne Ausnahme vom Pächter gemacht. Diese An-
lagen, wie die blosse Bebauung überhaupt, wenn sie einigermaßen
rationell betrieben wird, also sich nicht auf die brutale Aussaugung
des Bodens reducirt, wie etwa bei den ehemaligen amerikanischen
Sklavenhaltern — wogegen sich jedoch die Herren Grundeigen-
thümer kontraktlich sichern — verbessern den Boden30), steigern
sein Produkt und verwandeln die Erde aus blosser Materie in Erde-
Kapital. Ein bebautes Feld ist mehr werth als ein unbebautes
von derselben natürlichen Qualität. Auch die mehr permanenten,
sich in längerer Zeit abnutzenden, der Erde einverleibten fixen
Kapitale, werden zum grossen Theil, in gewissen Sphären oft aus-
schliesslich, vom Pächter gemacht. Sobald aber die kontraktlich
festgesetzte Pachtzeit abgelaufen ist — und es ist dies einer der
Gründe, warum mit der Entwicklung der kapitalistischen Produk-
tion der Grundeigenthümer die Pachtzeit möglichst abzukürzen
[159] sucht — fallen die dem Boden einverleibten Verbesserungen als
untrennbares Accidens der Substanz, des Bodens, als Eigenthum
dem Besitzer des Bodens anheim. Bei dem neuen Pachtkontrakt,
den er schliesst, fügt der Grundeigenthümer den Zins für das der
Erde einverleibte Kapital der eigentlichen Grundrente hinzu; ob
er den Boden nun an den Pächter vermiethet, der die Verbesse-
rungen gemacht hat, oder an einen andern Pächter. Seine Rente
schwillt so auf; oder, wenn er den Boden verkaufen will — wir
werden gleich sehn wie dessen Preis bestimmt wird — ist jetzt
sein Werth gesteigert. Er verkauft nicht nur den Boden, sondern
den verbesserten Boden, das der Erde einverleibte Kapital, das ihm
nichts gekostet hat. Es ist dies eins der Geheimnisse — ganz ab-
gesehn von der Bewegung der eigentlichen Grundrente — der
steigenden Bereicherung der Grundeigenthümer, des fortwährenden
Anschwellens ihrer Renten, und des wachsenden Geldwerths ihrer
Ländereien mit dem Fortschritt der ökonomischen Entwicklung.
Sie stecken so das ohne ihr Zuthun hervorgebrachte Resultat der
gesellschaftlichen Entwicklung in ihre Privattaschen — fruges con-
sumere nati. Es ist dies aber zugleich eins der grössten Hinder-
nisse einer rationellen Agrikultur, indem der Pächter alle Ver-
besserungen und Auslagen vermeidet, deren vollständiger Rückfluss
während der Dauer seiner Pachtzeit nicht zu erwarten steht; und
als solches Hinderniss finden wir diesen Umstand fort und fort
denuncirt ebensowohl im vorigen Jahrhundert von James Anderson,
dem eigentlichen Entdecker der modernen Rententheorie, der zu-
gleich praktischer Pächter und für seine Zeit bedeutender Agronom
war, wie in unsern Tagen von den Gegnern der jetzigen Verfassung
des Grundeigenthums in England.
A. A. Walton, History of the Landed Tenures of Great Britain
and Ireland, London 1865, sagt darüber p. 96, 97: „Alle die An-
strengungen der zahlreichen landwirthschaftlichen Anstalten in
unserm Lande können keine sehr bedeutenden oder wirklich be-
merkbaren Resultate im wirklichen Fortschritt verbesserter Be-
bauung bewirken, so lange solche Verbesserungen in einem weit
höhern Grade den Werth des Grundeigenthums und die Höhe der
Rentrolle des Grundbesitzers vermehren, als sie die Lage des
Pächters oder des Landarbeiters verbessern. Die Pächter im all-
gemeinen wissen genau so gut wie der Grundbesitzer, sein Rent-
meister oder selbst der Präsident einer landwirthschaftlichen Ge-
sellschaft, dass gute Drainirung, reichliche Düngung und gute Be-
wirthschaftung, im Bund mit vermehrter Anwendung von Arbeit,
[160] um das Land gründlich zu reinigen und umzuarbeiten, wunderbare
Erfolge erzeugen werden, sowohl in Verbesserung des Bodens wie
in gesteigerter Produktion. Aber alles dies erfordert beträchtliche
Auslage, und die Pächter wissen ebenfalls sehr gut, dass wie sehr
sie auch das Land verbessern oder seinen Werth erhöhen mögen,
die Grundbesitzer auf die Dauer den Hauptvortheil davon in er-
höhten Renten und gesteigertem Bodenwerth einernten werden …
Sie sind schlau genug zu bemerken, was jene Redner [Grundbe-
sitzer und ihre Rentmeister bei landwirthschaftlichen Festmahlen]
eigenthümlicher Weise stets vergessen ihnen zu sagen — nämlich
dass der Löwenantheil aller vom Pächter gemachten Verbesserungen
schliesslich immer in die Tasche des Grundbesitzers gehn muss …
Wie sehr auch der frühere Pächter die Pachtung verbessert haben
mag, sein Nachfolger wird immer finden, dass der Grundbesitzer
die Rente erhöhen wird im Verhältniss zu dem durch frühere Ver-
besserungen gesteigerten Bodenwerth.“
In der eigentlichen Agrikultur erscheint dieser Process noch
nicht so klar wie bei Benutzung des Bodens als Bauterrain. Der
weitaus überwiegende Theil des Bodens, der in England zu Bau-
zwecken, aber nicht als freehold verkauft wird, wird von den Grund-
eigenthümern vermiethet für 99 Jahre, oder auf kürzere Zeit wenn
möglich. Nach Ablauf dieser Zeit fallen die Baulichkeiten mit
dem Boden selbst dem Grundbesitzer anheim. „Sie [die Pächter]
sind verpflichtet, bei Ablauf des Miethskontrakts das Haus dem
grossen Grundbesitzer in gutem wohnlichen Zustand zu überliefern,
nachdem sie bis zu dieser Zeit eine übertriebne Bodenrente bezahlt
haben. Kaum ist der Miethkontrakt abgelaufen, so kommt der
Agent oder Inspektor des Grundbesitzers, besichtigt euer Haus,
sorgt dafür, dass ihr es in guten Zustand setzt, nimmt dann
Besitz davon und annexirt es an das Gebiet seines Grundherrn.
Die Thatsache ist, dass wenn dies System in voller Wirkung noch
für längre Zeit zugelassen wird, der gesammte Häuserbesitz im
Königreich, ebensogut wie der ländliche Grundbesitz, in den Händen
der grossen Grundherrn sein wird. Das ganze Westend von Lon-
don, nördlich und südlich von Temple Bar, gehört fast ausschliess-
lich ungefähr einem halben Dutzend grosser Grundherrn, ist ver-
miethet zu enormen Bodenrenten, und wo die Miethkontrakte noch
nicht ganz abgelaufen sind, verfallen sie rasch nach einander.
Dasselbe gilt in grösserm oder geringerm Grad von jeder Stadt
im Königreich. Aber selbst hierbei bleibt dies gierige System der
Ausschliesslichkeit und des Monopols noch nicht stehn. Fast die
[161] gesammten Dock-Einrichtungen unsrer Hafenstädte befinden sich
in Folge desselben Processes der Usurpation in den Händen der
grossen Land-Leviathans.“ (l. c., p. 93.) Unter diesen Umständen
ist es klar, dass wenn der Census für England und Wales 1861
bei einer Gesammtbevölkerung von 20,066,224 die Zahl der Haus-
eigenthümer auf 36,032 angibt, das Verhältniss der Eigenthümer
zur Zahl der Häuser und der Bevölkerung ein ganz andres Aus-
sehn erhalten würde, wären die grossen Eigenthümer auf die
eine, die kleinen auf die andre gestellt.
Dies Beispiel mit dem Eigenthum an Baulichkeiten ist wichtig,
1) weil es klar den Unterschied zwischen der eigentlichen Grund-
rente und dem Zins des dem Boden einverleibten fixen Kapitals
zeigt, der einen Zusatz zur Grundrente bilden kann. Der Zins der
Baulichkeiten, wie des bei der Agrikultur vom Pächter dem Boden
einverleibten Kapitals, fällt dem industriellen Kapitalisten, dem
Bauspekulanten oder Pächter zu, während der Dauer des Mieth-
kontrakts, und hat an und für sich nichts zu thun mit der Grund-
rente, die jährlich in bestimmten Terminen für Benutzung des
Bodens gezahlt werden muss. 2) Weil es zeigt, wie mit dem
Boden das ihm einverleibte fremde Kapital schliesslich dem Grund-
eigenthümer anheimfällt und der Zins dafür seine Rente schwellt.
Einige Schriftsteller, theils als Wortführer des Grundeigenthums
gegen die Angriffe der bürgerlichen Oekonomen, theils in dem
Streben, das kapitalistische Produktionssystem in ein System von
„Harmonien“ statt von Gegensätzen zu verwandeln, wie z. B. Carey,
haben die Grundrente, den specifischen ökonomischen Ausdruck des
Grundeigenthums, als identisch mit dem Zins darzustellen gesucht.
Damit wäre nämlich der Gegensatz zwischen Grundeigenthümern
und Kapitalisten ausgelöscht. Die umgekehrte Methode wurde im
Beginn der kapitalistischen Produktion angewandt. Damals galt
in der populären Vorstellung noch das Grundeigenthum als die
primitive und respektable Form des Privateigenthums, während der
Zins des Kapitals als Wucher verschrieen war. Dudley North,
Locke etc. stellten daher den Kapitalzins dar als eine der Grund-
rente analoge Form, ganz wie Turgot die Berechtigung des Zinses
aus der Existenz der Grundrente ableitete. — Jene neuern Schrift-
steller vergessen — ganz abgesehn davon, dass die Grundrente
rein, ohne Zusatz jedes Zinses für dem Boden einverleibtes Kapital,
existiren kann und existirt — dass der Grundeigenthümer in
dieser Weise nicht nur Zins erhält von fremdem Kapital, das ihm
nichts kostet, sondern obendrein noch das fremde Kapital gratis
Marx, Kapital III. 2. 11
[162] in den Kauf. Die Rechtfertigung des Grundeigenthums, wie die
aller andren Eigenthumsformen einer bestimmten Produktionsweise,
ist die, dass die Produktionsweise selbst historische transitorische
Nothwendigkeit besitzt, also auch die Produktions- und Austausch-
verhältnisse, die aus ihr entspringen. Allerdings, wie wir später
sehn werden, unterscheidet sich das Grundeigenthum von den übrigen
Arten des Eigenthums dadurch, dass auf einer gewissen Entwick-
lungshöhe, selbst vom Standpunkt der kapitalistischen Produktions-
weise aus, es als überflüssig und schädlich erscheint.
Die Grundrente kann in einer andern Form mit dem Zins ver-
wechselt, und so ihr specifischer Charakter verkannt werden. Die
Grundrente stellt sich dar in einer bestimmten Geldsumme, die der
Grundeigenthümer jährlich aus der Verpachtung eines Stücks des
Erdballs bezieht. Wir haben gesehn, wie jede bestimmte Geldein-
nahme kapitalisirt werden, d. h. als der Zins eines imaginären
Kapitals betrachtet werden kann. Ist z. B. der mittlere Zinsfuss
5 %, so kann also auch eine jährliche Grundrente von 200 £ als
Zins eines Kapitals von 4000 £ betrachtet werden. Es ist die so
kapitalisirte Grundrente, die den Kaufpreis oder Werth des Bodens
bildet, eine Kategorie, die prima facie, ganz wie der Preis der
Arbeit irrationell ist, da die Erde nicht das Produkt der Arbeit
ist, also auch keinen Werth hat. Andrerseits aber verbirgt sich
hinter dieser irrationellen Form ein wirkliches Produktionsverhält-
niss. Kauft ein Kapitalist Grund und Boden, der eine jährliche
Rente von 200 £ abwirft, für 4000 £, so bezieht er den durch-
schnittlichen jährlichen Zins zu 5 % von 4000 £, ganz ebenso wie
wenn er dies Kapital in zinstragenden Papieren angelegt oder es
direkt zu 5 % Zinsen ausgeliehen hätte. Es ist die Verwerthung
eines Kapitals von 4000 £ zu 5 %. Unter dieser Voraussetzung
würde er in 20 Jahren den Einkaufspreis seines Guts durch dessen
Einkünfte wieder ersetzt haben. In England wird daher der Kauf-
preis von Ländereien nach so und so viel years’ purchase berechnet,
was nur ein andrer Ausdruck für die Kapitalisirung der Grund-
rente ist. Es ist in der That der Kaufpreis, nicht des Bodens,
sondern der Grundrente die er abwirft, berechnet nach dem ge-
wöhnlichen Zinsfuss. Diese Kapitalisirung der Rente setzt aber
die Rente voraus, während die Rente nicht umgekehrt aus ihrer
eignen Kapitalisirung abgeleitet und erklärt werden kann. Ihre
Existenz, unabhängig von dem Verkauf, ist vielmehr hier die Vor-
aussetzung, von der ausgegangen wird.
Es folgt daher dass, die Grundrente als konstante Grösse vor-
[163] ausgesetzt, der Bodenpreis steigen oder fallen kann, umgekehrt
wie der Zinsfuss steigt oder fällt. Fiele der gewöhnliche Zinsfuss
von 5 auf 4 %, so stellte eine jährliche Grundrente von 200 £ die
jährliche Verwerthung eines Kapitals von 5000 £ statt von 4000 £
vor, und so wäre der Preis desselben Grundstücks von 4000 auf
5000 £ gestiegen, oder von 20 years’ purchase auf 25. Umge-
kehrt im umgekehrten Fall. Es ist dies eine von der Bewegung der
Grundrente selbst unabhängige und nur durch den Zinsfuss ge-
regelte Bewegung des Bodenpreises. Da wir aber gesehn haben,
dass die Profitrate im Fortschritt der gesellschaftlichen Entwick-
lung eine Tendenz zum Fallen hat, und daher auch der Zinsfuss,
soweit er durch die Profitrate geregelt wird; dass ferner, auch ab-
gesehn von der Profitrate, der Zinsfuss eine Tendenz zum Fallen
hat, in Folge des Wachsthums des verleihbaren Geldkapitals, so
folgt, dass der Bodenpreis eine Tendenz zum Steigen hat, auch un-
abhängig von der Bewegung der Grundrente und des Preises der
Bodenprodukte, wovon die Rente einen Theil bildet.
Die Verwechslung der Grundrente selbst mit der Zinsform, die
sie für den Käufer des Bodens annimmt — eine Verwechslung,
die auf völliger Unkenntniss der Natur der Grundrente beruht —
muss zu den sonderbarsten Trugschlüssen führen. Da das Grund-
eigenthum in allen alten Ländern für eine besonders vornehme
Form des Eigenthums gilt, und der Ankauf desselben ausserdem
als besonders sichre Kapitalanlage, so steht der Zinsfuss, zu dem
die Grundrente gekauft wird, meist niedriger als bei andern auf
längre Zeit sich erstreckenden Kapitalanlagen, sodass z. B. der
Käufer von Grund und Boden nur 4 % auf den Kaufpreis erhält,
während er für dasselbe Kapital sonst 5 % erhalten würde; oder
was auf dasselbe hinauskommt, er zahlt mehr Kapital für die
Grundrente, als er für dieselbe jährliche Geldeinnahme in andern
Anlagen zahlen würde. Daraus schliesst Herr Thiers in seiner
überhaupt grundschlechten Schrift über La Propriété (dem Abdruck
seiner 1849 in der französischen Nationalversammlung gehaltnen
Rede gegen Proudhon) auf die Niedrigkeit der Grundrente, während
es nur die Höhe ihres Kaufpreises beweist.
Der Umstand, dass die kapitalisirte Grundrente als Bodenpreis
oder Bodenwerth sich darstellt, und die Erde daher wie jede andre
Waare gekauft und verkauft wird, gilt einigen Apologeten als
Rechtfertigungsgrund des Grundeigenthums, indem der Käufer für
es wie für jede andre Waare, ein Aequivalent gezahlt, und der
grösste Theil des Grundeigenthums in dieser Weise die Hände
11*
[164] gewechselt habe. Derselbe Rechtfertigungsgrund gälte dann auch
für die Sklaverei, indem für den Sklavenhalter, der den Sklaven
baar bezahlt hat, der Ertrag von dessen Arbeit nur den Zins des
in seinem Ankauf ausgelegten Kapitals darstellt. Aus dem Kauf
und Verkauf der Grundrente die Berechtigung ihrer Existenz herleiten,
heisst überhaupt, ihre Existenz aus ihrer Existenz rechtfertigen.
So wichtig es ist für die wissenschaftliche Analyse der Grund-
rente — d. h. der selbständigen, specifischen ökonomischen Form
des Grundeigenthums auf Basis der kapitalistischen Produktions-
weise — sie rein und frei von allen sie verfälschenden und ver-
wischenden Beisätzen zu betrachten, ebenso wichtig ist es andrer-
seits für das Verständniss der praktischen Wirkungen des Grund-
eigenthums, und selbst für die theoretische Einsicht in eine Masse
Thatsachen, die dem Begriff und der Natur der Grundrente wider-
sprechen, und doch als Existenzweisen der Grundrente erscheinen,
die Elemente zu kennen, aus denen diese Trübungen der Theorie
entspringen.
Praktisch erscheint natürlich alles als Grundrente, was in Form
von Pachtgeld dem Grundeigenthümer vom Pächter gezahlt wird
für die Erlaubniss, den Boden zu bewirthschaften. Aus welchen
Bestandtheilen dieser Tribut zusammengesetzt sei, aus welchen
Quellen er herrühren möge, er hat das mit der eigentlichen Grund-
rente gemein, dass das Monopol auf ein Stück des Erdballs den
sog. Grundeigenthümer befähigt, den Tribut zu erheben, die
Schatzung aufzulegen. Er hat das mit der eigentlichen Grund-
rente gemein, dass er den Bodenpreis bestimmt, der wie oben
gezeigt, nichts ist als die kapitalisirte Einnahme von der Verpach-
tung des Bodens.
Man hat bereits gesehn, dass der Zins für das dem Boden ein-
verleibte Kapital einen solchen fremdartigen Bestandtheil der Grund-
rente bilden kann, einen Bestandtheil, der mit dem Fortschritt der
ökonomischen Entwicklung einen stets wachsenden Zusatz zum
Gesammtrental eines Landes bilden muss. Aber abgesehn von
diesem Zins ist es möglich, dass sich unter dem Pachtgeld zum
Theil, und in gewissen Fällen ganz und gar, also bei gänzlicher
Abwesenheit der eigentlichen Grundrente, und daher bei wirklicher
Werthlosigkeit des Bodens, ein Abzug sei es vom Durchschnitts-
profit, sei es vom normalen Arbeitslohn, sei es von beiden zugleich
versteckt. Dieser Theil, sei es des Profits, sei es des Arbeitslohns,
erscheint hier in der Gestalt der Grundrente, weil er statt, wie es
normal wäre, dem industriellen Kapitalisten oder dem Lohnarbeiter
[165] anheimzufallen, in der Form von Pachtgeld an den Grundeigen-
thümer gezahlt wird. Oekonomisch gesprochen, bildet weder der
eine noch der andre Theil Grundrente: aber praktisch bildet er
Einnahme des Grundeigenthümers, eine ökonomische Verwerthung
seines Monopols, ganz so gut wie die wirkliche Grundrente, und
wirkt ebenso bestimmend auf den Bodenpreis wie die letztre.
Wir sprechen hier nicht von Verhältnissen, worin die Grund-
rente, die der kapitalistischen Produktionsweise entsprechende Weise
des Grundeigenthums, formell existirt, ohne dass die kapitalistische
Produktionsweise selbst existirte, ohne dass der Pächter selbst ein
industrieller Kapitalist, oder die Art seiner Bewirthschaftung eine
kapitalistische wäre. Dies ist z. B. der Fall in Irland. Der Pächter
ist hier im Durchschnitt ein kleiner Bauer. Was er dem Grund-
eigenthümer als Pacht zahlt, absorbirt oft nicht nur einen Theil
seines Profits, d. h. seiner eignen Mehrarbeit, auf die er als In-
haber seiner eignen Arbeitsinstrumente ein Recht hat, sondern auch
einen Theil des normalen Arbeitslohns, den er unter andren Ver-
hältnissen für dieselbe Arbeitsmenge erhalten würde. Ausserdem
expropriirt ihn der Grundeigenthümer, der hier durchaus nichts
thut für die Verbesserung des Bodens, von seinem kleinen Kapital,
das er grösstentheils durch eigne Arbeit dem Boden einverleibt,
ganz wie ein Wucherer unter ähnlichen Verhältnissen thun würde.
Nur dass der Wucherer wenigstens sein eignes Kapital bei der
Operation riskirt. Es bildet diese fortwährende Beraubung den
Gegenstand des Zwists über die irische Landgesetzgebung, die
wesentlich darauf hinauskommt, dass der Grundeigenthümer, der
dem Pächter aufkündigt, gezwungen werden soll, diesen zu ent-
schädigen für die von ihm angebrachten Bodenverbesserungen oder
das dem Boden einverleibte Kapital. Palmerston pflegte hierauf
cynisch zu antworten: „Das Haus der Gemeinen ist ein Haus von
Grundeigenthümern.“
Wir sprechen auch nicht von den ausnahmsweisen Verhältnissen,
worin selbst in Ländern kapitalistischer Produktion der Grundeigen-
thümer hohes Pachtgeld erpressen kann, das in gar keinem Zu-
sammenhang mit dem Produkt des Bodens steht, wie z. B. in den
englischen Industriebezirken die Verpachtung kleiner Bodenfetzen
an Fabrikarbeiter, sei es für kleine Gärten, sei es für dilettantischen
Ackerbau in Nebenstunden. (Reports of Inspectors of Factories.)
Wir sprechen von der Ackerbaurente in Ländern entwickelter
kapitalistischer Produktion. Unter den englischen Pächtern z. B.
befindet sich eine Anzahl kleiner Kapitalisten, die durch Erziehung,
[166] Bildung, Tradition, Konkurrenz und andre Umstände bestimmt und
gezwungen sind, ihr Kapital in der Agrikultur, als Pächter anzu-
legen. Sie sind gezwungen, mit weniger als dem Durchschnitts-
profit vorlieb zu nehmen, und einen Theil davon in der Form der
Rente an den Grundeigenthümer abzugeben. Es ist dies die einzige
Bedingung, unter der ihnen gestattet wird ihr Kapital auf den
Boden, in der Agrikultur, anzulegen. Da überall die Grundeigen-
thümer bedeutenden, in England sogar überwiegenden Einfluss auf
die Gesetzgebung ausüben, kann dieser dazu ausgebeutet werden,
um die ganze Klasse der Pächter zu prellen. Die Korngesetze von
1815 z. B. — eine Brotsteuer, eingestandenermaßen dem Land auf-
erlegt, um den müßigen Grundeigenthümern die Fortdauer des
während des Anti-Jakobinerkriegs abnorm gewachsnen Rentals zu
sichern — hatten zwar die Wirkung, abgesehn von einzelnen aus-
nahmsweis fruchtbaren Jahren, die Preise der landwirthschaftlichen
Produkte über dem Niveau zu erhalten, worauf sie bei freier Korn-
einfuhr gefallen wären. Aber sie hatten nicht das Resultat, die
Preise auf der Höhe zu halten, die von den gesetzgebenden Grund-
eigenthümern in der Art als Normalpreise dekretirt wurden, dass
sie die gesetzliche Grenze bildeten für die Einfuhr fremden Korns.
Unter dem Eindruck dieser Normalpreise wurden aber die Pacht-
kontrakte geschlossen. Sobald die Illusion platzte, wurde ein neues
Gesetz gemacht, mit neuen Normalpreisen, die ebensosehr bloss der
ohnmächtige Ausdruck der habgierigen Grundeigenthumsphantasie
waren wie die alten. In dieser Weise wurden die Pächter geprellt
von 1815 bis zu den 30er Jahren. Daher während dieser ganzen
Zeit das stehende Thema des agricultural distress. Daher während
dieser Periode die Expropriation und der Ruin einer ganzen Gene-
ration von Pächtern, und ihre Ersetzung durch eine neue Klasse
von Kapitalisten.31)
Eine viel allgemeinere und wichtigere Thatsache ist aber die
Herabdrückung des Arbeitslohns der eigentlichen Agrikulturarbeiter
unter sein normales Durchschnittsniveau, sodass ein Theil des
Arbeitslohns dem Arbeiter abgezogen wird, einen Bestandtheil des
Pachtgelds bildet, und so unter der Maske der Grundrente dem
Grundeigenthümer statt dem Arbeiter zufliesst. Dies ist z. B. in
[167] England und Schottland, mit Ausnahme einiger günstig situirten
Grafschaften, allgemein der Fall. Die Arbeiten der parlamenta-
rischen Untersuchungsausschüsse über die Höhe des Arbeitslohns,
die vor der Einführung der Korngesetze in England eingesetzt
wurden — bis jetzt die werthvollsten und fast ganz unausgebeuteten
Beiträge zur Geschichte des Arbeitslohns im 19. Jahrhundert, zu-
gleich eine Schandsäule, die sich die englische Aristokratie und
Bourgeoisie selbst aufgerichtet hat — bewiesen zur Evidenz, über
allen Zweifel, dass die hohen Rentsätze und die ihnen entspre-
chende Steigerung des Bodenpreises während des Anti-Jakobiner-
kriegs theilweis nur dem Abzug vom Arbeitslohn und seiner Her-
abdrückung selbst unter das physische Minimum geschuldet waren;
d. h. dem Wegzahlen eines Theils des normalen Arbeitslohns an
den Grundeigenthümer. Verschiedne Umstände, unter andrem die
Depreciation des Geldes, die Handhabung der Armengesetze in den
Ackerbaubezirken u. s. w. hatten diese Operation ermöglicht, zur
selben Zeit wo die Einkünfte der Pächter enorm stiegen und die
Grundeigenthümer sich fabelhaft bereicherten. Ja, eins der Haupt-
argumente für Einführung der Kornzölle, von Seiten so der Pächter
wie der Grundeigenthümer, war der, dass es physisch unmöglich
sei, den Arbeitslohn der Ackerbautaglöhner noch tiefer zu senken.
Dieser Zustand hat sich im wesentlichen nicht verändert, und in
England, wie in allen europäischen Ländern, geht nach wie vor
ein Theil des normalen Arbeitslohns in die Grundrente ein. Als
Graf Shaftesbury, damals Lord Ashley, einer der philantropischen
Aristokraten, so ausserordentlich bewegt wurde durch die Lage der
englischen Fabrikarbeiter, und sich in der Zehnstunden-Agitation
zu ihren parlamentarischen Wortführer aufwarf, publicirten die
Wortführer der Industriellen aus Rache eine Statistik über den
Lohn der Ackerbautaglöhner auf den ihm gehörigen Dörfern (s. Buch I,
Kap. XXIII, 5, e: das britische Ackerbauproletariat), welche klar
zeigte, wie ein Theil der Grundrente dieses Philantropen bloss aus
dem Raub besteht, den seine Pächter für ihn an dem Arbeitslohn
der Ackerbauarbeiter vollziehn. Diese Veröffentlichung ist auch
deswegen interessant, weil die darin enthaltnen Thatsachen dem
schlimmsten, was die Ausschüsse 1814 und 15 enthüllten, sich
kühn an die Seite stellen dürfen. So oft die Umstände eine
momentane Steigerung des Arbeitslohns der Ackerbautaglöhner er-
zwingen, erschallt dann auch das Geschrei der Pächter, dass eine
Erhöhung des Arbeitslohns auf sein normales Niveau, wie es in
andren Industriezweigen gilt, unmöglich sei und sie ruiniren müsse
[168] ohne gleichzeitige Herabsetzung der Grundrente. Hierin ist also
das Geständniss enthalten, dass unter dem Namen Grundrente ein
Abzug am Arbeitslohn von den Pächtern gemacht und an den
Grundeigenthümer weggezahlt wird. Von 1849—59 z. B. stieg in
England der Arbeitslohn der Ackerbau-Arbeiter in Folge eines
Zusammenflusses überwältigender Umstände, wie: der Exodus aus
Irland, der die Zufuhr von Ackerbau-Arbeitern von dort abschnitt;
ausserordentliche Absorption von Ackerbau-Bevölkerung durch die
Fabrikindustrie; Kriegsnachfrage für Soldaten; ausserordentliche
Auswanderung nach Australien und den Vereinigten Staaten (Kali-
fornien), und andre Gründe, die hier nicht näher zu erwähnen sind.
Gleichzeitig, mit Ausnahme der ungünstigen Ernten von 1854—56,
fielen die Durchschnittspreise des Getreides während dieser Periode
um mehr als 16 %. Die Pächter schrieen nach Herabsetzung der
Renten. Es gelang ihnen in einzelnen Fällen. Im Durchschnitt
scheiterten sie mit dieser Forderung. Sie nahmen Zuflucht zur Herab-
setzung der Produktionskosten, u. a. durch massenhafte Einführung
des lokomobilen Dampfs und neuer Maschinerie, die zum Theil
Pferde ersetzte und aus der Wirthschaft verdrängte, zum Theil
aber auch durch Freisetzung von Ackerbau-Taglöhnern eine künst-
liche Ueberbevölkerung und daher neues Sinken des Lohns her-
vorbrachte. Und dies geschah, trotz der allgemeinen relativen Ab-
nahme der Ackerbau-Bevölkerung während dieses Decenniums, ver-
glichen mit dem Wachsthum der Gesammtbevölkerung, und trotz
der absoluten Abnahme der Ackerbau-Bevölkerung in einigen reinen
Agrikulturdistrikten.32) Ebenso sagte Fawcett, damals Professor
der politischen Oekonomie zu Cambridge, gestorben 1884 als
Generalpostmeister, auf dem Social Science Congress, 12. Oktober
1865: „Die Ackerbautaglöhner fingen an auszuwandern, und die
Pächter begannen sich zu beklagen, sie würden nicht im Stande
sein, so hohe Renten zu bezahlen, wie sie zu zahlen gewohnt waren,
weil die Arbeit theurer wurde in Folge der Auswanderung.“ Hie
also ist hohe Bodenrente direkt identificirt mit niedrigem Arbeits-
lohn. Und soweit die Höhe des Bodenpreises durch diesen die
Rente vermehrenden Umstand bedingt ist, ist Werthsteigerung des
Bodens identisch mit Entwerthung der Arbeit, Höhe des Boden-
preises mit Niedrigkeit des Preises der Arbeit.
[169]
Dasselbe gilt für Frankreich. „Der Pachtpreis steigt, weil der
Preis des Brots, des Weins, des Fleisches, der Gemüse und des
Obsts auf der einen Seite steigt, und auf der andern der Preis der
Arbeit unverändert bleibt. Wenn ältere Leute die Rechnungen
ihrer Väter vergleichen, was uns um ungefähr 100 Jahre zurück-
bringt, so werden sie finden, dass damals der Preis eines Arbeitstags
im ländlichen Frankreich genau derselbe war wie heute: Der Preis
des Fleisches hat sich seitdem verdreifacht … Wer ist das Opfer
dieser Umwälzung? Ist es der Reiche, der Eigenthümer der Pach-
tung ist, oder der Arme, der sie bearbeitet? … Die Steigerung
der Pachtpreise ist ein Beweis eines öffentlichen Unglücks.“ (Du
Mécanisme de la Société en France et en Angleterre. Par M.
Rubichon. 2me édit. Paris 1837. p. 101.)
Beispiele von Rente als Folge des Abzugs einerseits vom Durch-
schnittsprofit, andrerseits vom Durchschnittsarbeitslohn:
Der oben citirte Morton, Landagent und landwirthschaftlicher
Ingenieur, sagt, man habe in vielen Gegenden die Bemerkung ge-
macht, dass die Rente für grosse Pachtungen niedriger ist als für
kleinere, weil „die Konkurrenz für die letztern gewöhnlich grösser
ist als für die erstern, und weil kleine Pächter, die selten im
Stande sind, sich auf irgend ein andres Geschäft zu werfen als die
Landwirthschaft, häufig eine Rente zu zahlen willig sind, von der
sie selbst wissen, dass sie zu hoch ist, gedrängt von der Noth-
wendigkeit ein passenderes Geschäft zu finden.“ (John C. Morton,
The Resources of Estates. London 1858. p. 116.)
Dieser Unterschied soll sich jedoch in England allmälig ver-
wischen, womit nach seiner Ansicht die Auswanderung grade
unter der Klasse der kleinen Pächter viel zu thun hat. Derselbe
Morton gibt ein Beispiel, wo offenbar Abzug vom Arbeitslohn des
Pächters selbst, und daher noch sicherer der Leute, die er be-
schäftigt, in die Grundrente eingeht. Nämlich bei Pachtungen
unter 70—80 acres (30—34 Hektaren), die keinen zweispännigen
Pflug halten können. „Wenn nicht der Pächter mit seinen eignen
Händen ebenso fleissig arbeitet wie irgend ein Arbeiter, kann er
bei seiner Pachtung nicht bestehn. Wenn er die Ausführung der
Arbeit seinen Leuten überlässt, und sich darauf beschränkt sie
blos zu beaufsichtigen, so wird er höchst wahrscheinlich sehr bald
finden, dass er ausser Stande ist seine Rente zu zahlen.“ (l. c.,
p. 118.) Morton schliesst daher, dass, wenn nicht die Pächter in der
Gegend sehr arm sind, die Pachtungen nicht unter 70 acres gross
sein sollten, sodass der Pächter zwei bis drei Pferde halten kann.
[170]
Ausserordentliche Weisheit des Herrn Léonce de Lavergne, Membre
de l’Institut et de la Société Centrale d’Agriculture. In seiner
Economie Rurale de l’Angleterre, (citirt nach der englischen Ueber-
setzung, London 1855) macht er folgenden Vergleich des jährlichen
Vortheils vom Rindvieh, das in Frankreich arbeitet und in England
nicht, weil ersetzt durch Pferde (p. 42):
Frankreich:
- Milch 4 Mill. £
- Fleisch 16 „ „
- Arbeit 8 „ „
- 28 Mill. £.
England:
- Milch 16 Mill. £
- Fleisch 20 „ „
- Arbeit — „ „
- 36 Mill. £.
Nun kommt aber hier das höhere Produkt heraus, weil nach
seiner eignen Angabe die Milch in England noch einmal so theuer
ist als in Frankreich, während er für Fleisch dieselben Preise in
beiden Ländern annimmt (p. 35); also wird das englische Milch-
produkt reducirt auf 8 Mill. £ und das Gesammtprodukt auf
28 Mill. £ wie in Frankreich. Es ist in der That etwas stark,
wenn Herr Lavergne gleichzeitig die Produktmassen und die Preis-
differenzen in seiner Rechnung eingehn lässt, sodass, wenn England
gewisse Artikel theurer producirt als Frankreich, was höchstens
einen grössern Profit für Pächter und Grundeigenthümer bedeutet,
dies als ein Vorzug der englischen Agrikultur erscheint.
Dass Herr Lavergne nicht nur die ökonomischen Erfolge der
englischen Landwirthschaft kennt, sondern auch an die Vorurtheile
der englischen Pächter und Grundbesitzer glaubt, beweist er p. 48:
„Ein grosser Nachtheil ist gewöhnlich mit Getreidepflanzen ver-
bunden … sie erschöpfen den Boden, der sie trägt.“ Herr Lavergne
glaubt nicht nur, dass andre Pflanzen das nicht thun; er glaubt,
dass Futterkräuter und Wurzelkräuter den Boden bereichern:
„Futterpflanzen ziehn die Hauptelemente ihres Wachsthums aus
der Atmosphäre, während sie dem Boden mehr zurückgeben als
sie ihm entziehn; sie helfen also sowohl direkt, wie durch ihre
Verwandlung in thierischen Dünger, in doppelter Weise den Schaden
ersetzen, den Getreidepflanzen und andre erschöpfende Ernten an-
gerichtet haben; es ist daher Grundsatz, dass sie mit diesen Ernten
mindestens wechseln sollten; hierin besteht die Norfolk Rotation.“
(p. 50, 51.)
Kein Wunder, wenn Herr Lavergne, der dem englischen länd-
lichen Gemüth diese Märchen glaubt, ihm auch glaubt, dass seit
Aufhebung der Kornzölle der Lohn der englischen Landtagelöhner
seine frühere Anormalität verloren hat. Siehe was wir früher dar-
über gesagt Buch I, Kap. XXIII, 5, p. 701—729. Doch hören wir
[171] auch noch Herrn John Bright’s Rede in Birmingham, 14. December
1865. Nachdem er gesprochen von den 5 Mill. Familien, die im
Parlament gar nicht vertreten sind, fährt er fort: „Unter diesen
ist 1 Mill., oder eher mehr als 1 Mill. im Vereinigten Königreich,
die in der unglücklichen Liste der Paupers aufgeführt werden.
Dann ist noch eine andre Million, die sich noch eben über dem
Pauperismus hält, aber stets in Gefahr schwebt auch Paupers zu
werden. Günstiger ist ihre Lage und ihre Aussichten nicht. Nun
betrachtet einmal die unwissenden niedrigern Schichten dieses Theils
der Gesellschaft. Betrachtet ihre ausgestossne Lage, ihre Armuth,
ihre Leiden, ihre vollendete Hoffnungslosigkeit. Selbst in den Ver-
einigten Staaten, selbst in den Südstaaten während der Herrschaft
der Sklaverei, hatte jeder Neger den Glauben, dass ihm irgend
einmal ein Jubeljahr bevorstände. Aber für diese Leute, für diese
Masse der niedrigsten Schichten in unserm Lande, besteht, ich bin
hier es auszusprechen, weder der Glaube an irgend eine Besserung
noch selbst ein Sehnen darnach. Haben Sie neulich in den Zei-
tungen eine Notiz gelesen über John Cross, einen Ackerbautag-
löhner in Dorsetshire? Er arbeitete 6 Tage in der Woche, hatte
ein vortreffliches Zeugniss von seinem Beschäftiger, für den er
24 Jahre für 8 sh. Wochenlohn gearbeitet hatte. John Cross
hatte eine Familie von 7 Kindern aus diesem Lohn in seiner Hütte
zu unterhalten. Um seine kränkliche Frau und ihren Säugling zu
wärmen, nahm er — gesetzlich gesprochen, glaube ich, stahl er
sie — eine hölzerne Hürde zum Werth von 6 d. Für dies Ver-
gehn wurde er von den Friedensrichtern zu 14 oder 20 Tagen
Gefängniss verurtheilt. Ich kann Ihnen sagen, dass viele Tausende
von Fällen wie der von John Cross im ganzen Lande zu finden
sind, und besonders im Süden, und dass ihre Lage derart ist, dass
bisher der aufrichtigste Forscher nicht im Stande gewesen ist das
Geheimniss zu lösen, wie sie Leib und Seele zusammenhalten. Und
nun werfen Sie Ihre Augen über das ganze Land und betrachten
Sie diese 5 Mill. Familien und den verzweifelten Zustand dieser
Schicht davon. Kann man nicht in Wahrheit sagen, dass die vom
Stimmrecht ausgeschlossne Masse der Nation schanzt und immer
wieder schanzt und fast keine Ruhe kennt? Vergleichen Sie sie
mit der herrschenden Klasse — aber wenn ich das thue, so wird
man mich des Kommunismus anklagen … aber vergleichen Sie
diese grosse sich abarbeitende und stimmrechtlose Nation mit dem
Theil, den man als die herrschenden Klassen ansehen kann. Sehn
Sie ihren Reichthum an, ihren Prunk, ihren Luxus. Sehn Sie
[172] ihre Mattigkeit — denn auch unter ihnen ist Mattigkeit, aber es
ist die Mattigkeit des Ueberdrusses — und sehn Sie, wie sie von
Ort zu Ort eilen, als ob es nur gelte neue Vergnügen zu ent-
decken.“ (Morning Star, 15. December 1865.)
Es ist im Nachfolgenden gezeigt, wie Mehrarbeit und daher
Mehrprodukt überhaupt mit Grundrente, diesem wenigstens auf
Basis der kapitalistischen Produktionsweise, quantitativ und quali-
tativ specifisch bestimmten Theil des Mehrprodukts verwechselt
wird. Die natürwüchsige Basis der Mehrarbeit überhaupt, d. h.
eine Naturbedingung, ohne welche sie nicht möglich ist, ist die,
dass die Natur, — sei es in Produkten des Landes, pflanzlichen
oder thierischen, sei es in Fischereien etc. — die nöthigen Unter-
naltsmittel gewährt bei Anwendung einer Arbeitszeit, die nicht den
ganzen Arbeitstag verschlingt. Diese naturwüchsigc Produktivität
der agrikolen Arbeit (worin hier einfach sammelnde, jagende,
fischende, Vieh züchtende eingeschlossen) ist die Basis aller Mehr-
arbeit; wie alle Arbeit zunächst und ursprünglich auf Aneignung
und Produktion der Nahrung gerichtet ist. (Das Thier gibt ja
zugleich Fell zum Wärmen in kälterm Klima; ausserdem Höhlen-
wohnungen etc.)
Dieselbe Konfusion zwischen Mehrprodukt und Bodenrente findet
sich anders ausgedrückt bei Herrn Dove. Ursprünglich sind Acker-
bauarbeit und industrielle Arbeit nicht getrennt; die zweite schliesst
sich an die erste an. Die Mehrarbeit und das Mehrprodukt des
ackerbauenden Stamms, der Hausgemeinde oder Familie umfasst
sowohl agrikole wie industrielle Arbeit. Beide gehn Hand in Hand.
Jagd, Fischerei, Ackerbau sind unmöglich ohne entsprechende In-
strumente. Weben, Spinnen etc. werden zuerst betrieben als agri-
kole Nebenarbeiten.
Wir haben früher gezeigt, dass wie die Arbeit des einzelnen Arbeiters
in nothwendige und Mehrarbeit zerfällt, so man die Gesammt-
arbeit der Arbeiterklasse derart theilen kann, dass der Theil, der
die Gesammtlebensmittel für die Arbeiterklasse producirt (einge-
schlossen die hierfür erheischten Produktionsmittel) die nothwen-
dige Arbeit für die ganze Gesellschaft verrichtet. Die von dem
ganzen übrigen Theil der Arbeiterklasse verrichtete Arbeit kann
als Mehrarbeit betrachtet werden. Aber die nothwendige Arbeit
schliesst keineswegs bloss agrikole Arbeit ein, sondern auch die
Arbeit, die alle übrigen Produkte producirt, die in den Durch-
schnittskonsum des Arbeiters nothwendig eingehn. Auch ver-
richten die einen, gesellschaftlich gesprochen, bloss nothwendige
[173] Arbeit, weil die andern bloss Mehrarbeit verrichten, und umge-
kehrt. Es ist dies nur Theilung der Arbeit zwischen ihnen. Ebenso
verhält es sich mit der Theilung der Arbeit zwischen agrikolen
und industriellen Arbeitern überhaupt. Dem rein industriellen
Charakter der Arbeit auf der einen Seite entspricht der rein
agrikole auf der andern. Diese rein agrikole Arbeit ist keines-
wegs naturwüchsig, sondern selbst ein Produkt, und zwar ein sehr
modernes, keineswegs überall erreichtes, der gesellschaftlichen Ent-
wicklung, und entspricht einer ganz bestimmten Produktionsstufe.
Ebenso wie ein Theil der agrikolen Arbeit sich vergegenständlicht
in Produkten, die entweder nur dem Luxus dienen, oder Rohstoffe
für Industrien bilden, keineswegs aber in die Nahrung, geschweige
in die Nahrung der Massen eingehn, so wird andrerseits ein Theil
der industriellen Arbeit vergegenständlicht in Produkten, die zu
den nothwendigen Konsumtionsmitteln sowohl der agrikolen wie
der nichtagrikolen Arbeiter dienen. Es ist falsch, diese industrielle
Arbeit — vom gesellschaftlichen Standpunkt — als Mehrarbeit
aufzufassen. Sie ist zum Theil ebenso nothwendige Arbeit wie der
nothwendige Theil der agrikolen. Sie ist auch nur verselbständigte
Form eines Theils der früher mit der agrikolen Arbeit natur-
wüchsig verbundnen industriellen Arbeit, nothwendige gegenseitige
Ergänzung der jetzt von ihr getrennten rein agrikolen Arbeit.
(Rein materiell betrachtet produciren z. B. 500 mechanische Weber
in viel höherm Grade Surplus-Gewebe, d. h. mehr als zu ihrer
eignen Kleidung erheischt ist.)
Es ist endlich bei der Betrachtung der Erscheinungsformen der
Grundrente, d. h. des Pachtgeldes, das für die Benutzung des Bodens,
sei es zu produktiven, sei es zu konsumtiven Zwecken, unter dem
Titel der Grundrente dem Grundbesitzer gezahlt wird, festzuhalten,
dass der Preis von Dingen, die an und für sich keinen Werth
haben, d. h. nicht das Produkt der Arbeit sind, wie der Boden,
oder die wenigstens nicht durch Arbeit reproducirt werden können,
wie Alterthümer, Kunstwerke bestimmter Meister etc., durch sehr
zufällige Kombinationen bestimmt werden kann. Um ein Ding zu
verkaufen, dazu gehört nichts als dass es monopolisirbar und ver-
äusserlich ist.
Es sind drei Hauptirrthümer, die bei der Behandlung der Grund-
rente zu vermeiden sind und die die Analyse trüben.
1) Die Verwechslung der verschiednen Formen der Rente, die
[174] verschiednen Entwicklungsstufen des gesellschaftlichen Produktions-
processes entsprechen.
Welches immer die specifische Form der Rente sei, alle Typen
derselben haben das gemein, dass die Aneignung der Rente die
ökonomische Form ist, worin sich das Grundeigenthum realisirt,
und dass ihrerseits die Grundrente ein Grundeigenthum, Eigenthum
bestimmter Individuen an bestimmten Stücken des Erdballs voraus-
setzt; sei nun der Eigenthümer die Person, die das Gemeinwesen
repräsentirt, wie in Asien, Egypten etc., oder sei dies Grundeigen-
thum nur Accidens des Eigenthums bestimmter Personen an den
Personen der unmittelbaren Producenten, wie beim Sklaven- oder
Leibeignensystem, oder sei es reines Privateigenthum von Nicht-
producenten an der Natur, blosser Eigenthumstitel am Boden, oder end-
lich sei es ein Verhältniss zum Boden welches, wie bei Kolonisten und
kleinbäuerlichen Grundbesitzern, bei der isolirten und nicht social
entwickelten Arbeit unmittelbar eingeschlossen scheint in der An-
eignung und Produktion der Produkte bestimmter Bodenstücke
durch die unmittelbaren Producenten.
Diese Gemeinsamkeit der verschiednen Formen der Rente —
ökonomische Realisirung des Grundeigenthums zu sein, der juri-
stischen Fiktion, kraft deren verschiedne Individuen bestimmte Theile
des Erdballs ausschliesslich besitzen—lässt die Unterschiede übersehn.
2) Alle Grundrente ist Mehrwerth, Produkt von Mehrarbeit. Sie
ist noch direkt Mehrprodukt in ihrer unentwickeltern Form, der
Naturalrente. Daher der Irrthum, dass die der kapitalistischen
Produktionsweise entsprechende Rente, die stets Ueberschuss über
den Profit, d. h. über einen Werththeil der Waare ist, der selbst
aus Mehrwerth (Mehrarbeit) besteht — dass dieser besondre und
specifische Bestandtheil des Mehrwerths dadurch erklärt sei, dass
man die allgemeinen Existenzbedingungen von Mehrwerth und
Profit überhaupt erklärt. Diese Bedingungen sind: Die unmittel-
baren Producenten müssen über die Zeit hinaus arbeiten, die zur
Reproduktion ihrer eignen Arbeitskraft, ihrer selbst erheischt ist.
Sie müssen Mehrarbeit überhaupt verrichten. Dies ist die subjek-
tive Bedingung. Aber die objektive ist, dass sie auch Mehrarbeit
verrichten können; dass die Naturbedingungen derart sind, dass
ein Theil ihrer disponiblen Arbeitszeit zu ihrer Reproduktion und
Selbsterhaltung als Producenten hinreicht, dass die Produktion
ihrer nothwendigen Lebensmittel nicht ihre ganze Arbeitskraft
konsumirt. Die Fruchtbarkeit der Natur bildet hier eine Grenze,
einen Ausgangspunkt, eine Basis. Andrerseits bildet die Entwick-
[175] lung der gesellschaftlichen Produktivkraft ihrer Arbeit die andre.
Noch näher betrachtet, da die Produktion der Nahrungsmittel die
allererste Bedingung ihres Lebens und aller Produktion überhaupt
ist, muss die in dieser Produktion aufgewandte Arbeit, also die agri-
kole Arbeit im weitesten ökonomischen Sinn, fruchtbar genug sein,
damit nicht die ganze disponible Arbeitszeit in der Produktion von
Nahrungsmitteln für die unmittelbaren Producenten absorbirt wird;
also agrikole Mehrarbeit und daher agrikoles Mehrprodukt mög-
lich sei. Weiter entwickelt, dass die agrikole Gesammtarbeit —
nothwendige und Mehrarbeit — eines Theils der Gesellschaft hin-
reicht, um die nothwendigen Nahrungsmittel für die ganze Gesell-
schaft, also auch für die nicht agrikolen Arbeiter zu erzeugen;
dass also diese grosse Theilung der Arbeit zwischen Ackerbauern
und Industriellen möglich ist, und ebenso die zwischen denen der
Ackerbauern, die Nahrung produciren, und denen, die Rohstoffe
produciren. Obgleich die Arbeit der unmittelbaren Nahrungspro-
ducenten für sie selbst in nothwendige und Mehrarbeit zerfällt,
stellt sie so, in Bezug auf die Gesellschaft, die nur zur Produktion
der Nahrungsmittel erheischte nothwendige Arbeit dar. Dasselbe
findet übrigens statt bei aller Theilung der Arbeit innerhalb der
ganzen Gesellschaft, im Unterschied von der Theilung der Arbeit
innerhalb der einzelnen Werkstatt. Es ist die zur Produktion be-
sondrer Artikel — zur Befriedigung eines besondren Bedürfnisses
der Gesellschaft für besondre Artikel nothwendige Arbeit. Ist
diese Vertheilung proportionell, so werden die Produkte der ver-
schiednen Gruppen zu ihren Werthen (bei weitrer Entwicklung zu
ihren Produktionspreisen) verkauft, oder aber zu Preisen die, durch
allgemeine Gesetze bestimmte, Modifikationen dieser Werthe resp.
Produktionspreise sind. Es ist in der That das Gesetz des Werths,
wie es sich geltend macht, nicht in Bezug auf die einzelnen Waaren
oder Artikel, sondern auf die jedesmaligen Gesammtprodukte der
besondren, durch die Theilung der Arbeit verselbständigten gesell-
schaftlichen Produktionssphären; sodass nicht nur auf jede einzelne
Waare nur die nothwendige Arbeitszeit verwandt ist, sondern dass
von der gesellschaftlichen Gesammtarbeitszeit nur das nöthige pro-
portionelle Quantum in den verschiednen Gruppen verwandt ist.
Denn Bedingung bleibt der Gebrauchswerth. Wenn aber der Ge-
brauchswerth bei der einzelnen Waare davon abhängt, dass sie an
und für sich ein Bedürfniss befriedigt, so bei der gesellschaftlichen
Produktenmasse davon, dass sie dem quantitativ bestimmten ge-
sellschaftlichen Bedürfniss für jede besondere Art von Produkt
[176] adäquat, und die Arbeit daher im Verhältniss dieser gesellschaft-
lichen Bedürfnisse, die quantitativ umschrieben sind, in die ver-
schiednen Produktionssphären proportionell vertheilt ist. (Dieser
Punkt heranzuziehn bei der Vertheilung des Kapitals in die ver-
schiednen Produktionssphären.) Das gesellschaftliche Bedürfniss,
d. h. der Gebrauchswerth auf gesellschaftlicher Potenz, erscheint
hier bestimmend für die Quota der gesellschaftlichen Gesammt-
arbeitszeit, die den verschiednen besondren Produktionssphären an-
heimfallen. Es ist aber nur dasselbe Gesetz, das sich schon bei
der einzelnen Waare zeigt, nämlich: dass ihr Gebrauchswerth Vor-
aussetzung ihres Tauschwerths und damit ihres Werths ist. Dieser
Punkt hat mit dem Verhältniss zwischen nothwendiger und Mehr-
arbeit nur soviel zu thun, dass mit Verletzung dieser Proportion
der Werth der Waare, also auch der in ihm steckende Mehrwerth,
nicht realisirt werden kann. Z. B. es sei proportionell zu viel
Baumwollgewebe producirt, obgleich in diesem Gesammtprodukt
von Gewebe nur die unter den gegebnen Bedingungen dafür noth-
wendige Arbeitszeit realisirt. Aber es ist überhaupt zu viel ge-
sellschaftliche Arbeit in diesem besondren Zweig verausgabt; d. h.
ein Theil des Produkts ist nutzlos. Das Ganze verkauft sich da-
her nur, als ob es in der nothwendigen Proportion producirt wäre.
Diese quantitative Schranke der auf die verschiednen besondren
Produktionssphären verwendbaren Quoten der gesellschaftlichen
Arbeitszeit ist nur weiter entwickelter Ausdruck des Werthgesetzes
überhaupt; obgleich die nothwendige Arbeitszeit hier einen andern
Sinn enthält. Es ist nur so und soviel davon nothwendig zur
Befriedigung des gesellschaftlichen Bedürfnisses. Die Beschränkung
tritt hier ein durch den Gebrauchswerth. Die Gesellschaft kann,
unter den gegebnen Produktionsbedingungen, nur soviel von ihrer
Gesammtarbeitszeit auf diese einzelne Art von Produkt verwenden.
Aber die subjektiven und objektiven Bedingungen von Mehrarbeit
und Mehrwerth überhaupt, haben mit der bestimmten Form, sei
es des Profits, sei es der Rente nichts zu thun. Sie gelten für
den Mehrwerth als solchen, welche besondre Form er immer an-
nehme. Sie erklären die Grundrente daher nicht.
3) Gerade bei der ökonomischen Verwerthung des Grundeigen-
thums, bei der Entwicklung der Grundrente, tritt als besonders
eigenthümlich dies hervor, dass ihr Betrag durchaus nicht durch
Dazuthun ihres Empfängers bestimmt ist, sondern durch die von
seinem Zuthun unabhängige Entwicklung der gesellschaftlichen
Arbeit, an der er keinen Theil nimmt. Es wird daher leicht etwas
[177] als Eigenthümlichkeit der Rente (und des Agrikulturprodukts über-
haupt) gefasst, was auf Basis der Waarenproduktion, und näher
der kapitalistischen Produktion, die in ihrem ganzen Umfang
Waarenproduktion ist, allen Produktionszweigen und allen ihren
Produkten gemeinschaftlich ist.
Die Höhe der Bodenrente (und mit ihr der Werth des Bodens)
entwickelt sich im Fortgang der gesellschaftlichen Entwicklung
als Resultat der gesellschaftlichen Gesammtarbeit. Einerseits wächst
damit der Markt und die Nachfrage nach Bodenprodukten, andrer-
seits unmittelbar die Nachfrage nach Grund und Boden selbst,
als konkurrirender Produktionsbedingung für alle möglichen, auch
nicht agrikolen Geschäftszweige. Näher, die Rente, und damit der
Werth des Bodens, um nur von der eigentlichen Ackerbauernte
zu sprechen, entwickelt sich mit dem Markt für das Bodenprodukt,
und daher mit dem Wachsthum der nicht agrikolen Bevölkerung;
mit ihrem Bedürfniss und ihrer Nachfrage theils für Nahrungs-
mittel, theils für Rohstoffe. Es liegt in der Natur der kapita-
listischen Produktionsweise, dass sie die ackerbauende Bevölkerung
fortwährend vermindert im Verhältniss zur nichtackerbauenden,
weil in der Industrie (im engern Sinn) das Wachsthum des kon-
stanten Kapitals, im Verhältniss zum variablen, verbunden ist mit
dem absoluten Wachsthum, obgleich der relativen Abnahme, des
variablen Kapitals; während in der Agrikultur das variable Kapital
absolut abnimmt, das zur Exploitation eines bestimmten Bodenstücks
erfordert ist; also nur wachsen kann, soweit neuer Boden bebaut
wird, dies aber wieder voraussetzt noch grössres Wachsthum der
nicht agrikolen Bevölkerung.
In der That liegt hier nicht eine dem Ackerbau und seinen
Produkten eigenthümliche Erscheinung vor. Vielmehr gilt dasselbe
auf Basis der Waarenproduktion und ihrer absoluten Form, der
kapitalistischen Produktion, für alle andren Produktionszweige und
Produkte.
Diese Produkte sind Waaren, Gebrauchswerthe, die einen Tausch-
werth und zwar einen realisirbaren, in Geld verwandelbaren Tausch-
werth besitzen nur in dem Umfang, worin andre Waaren ein Aequi-
valent für sie bilden, andre Produkte ihnen als Waaren und als Werthe
gegenübertreten; in dem Umfang also, worin sie nicht producirt
werden als unmittelbare Subsistenzmittel für ihre Producenten selbst,
sondern als Waaren, als Produkte, die nur durch Verwandlung in
Tauschwerth (Geld), durch ihre Veräusserung, zu Gebrauchswerthen
werden. Der Markt für diese Waaren entwickelt sich durch die
Marx, Kapital III. 2. 12
[178] gesellschaftliche Theilung der Arbeit; die Scheidung der produk-
tiven Arbeiten verwandelt ihre respektiven Produkte wechselseitig
in Waaren, in Aequivalente für einander, macht sie sich wechsel-
seitig als Markt dienen. Es ist dies durchaus nichts den Agri-
kulturprodukten Eigenthümliches.
Die Rente kann sich als Geldrente nur entwickeln auf Basis der
Waarenproduktion, näher der kapitalistischen Produktion, und sie
entwickelt sich in demselben Maß, worin die agrikole Produktion
Waarenproduktion wird; also in demselben Maß, worin sich die
nichtagrikole Produktion ihr gegenüber selbständig entwickelt;
denn in demselben Maß wird das Ackerbauprodukt Waare, Tausch-
werth und Werth. In demselben Maß, wie sich mit der kapita-
listischen Produktion die Waarenproduktion entwickelt, und daher
die Produktion von Werth, entwickelt sich die Produktion von
Mehrwerth und Mehrprodukt. Aber in demselben Maß, wie letztre
sich entwickelt, entwickelt sich die Fähigkeit des Grundeigenthums,
einen wachsenden Theil dieses Mehrwerths, vermittelst seines Mo-
nopols an der Erde, abzufangen, daher den Werth seiner Rente zu
steigern, und den Preis des Bodens selbst. Der Kapitalist ist
noch selbstthätiger Funktionär in der Entwicklung dieses Mehr-
werths und Mehrprodukts. Der Grundeigenthümer hat nur den so
ohne sein Zuthun wachsenden Antheil am Mehrprodukt und Mehr-
werth abzufangen. Dies ist das Eigenthümliche seiner Stellung,
nicht aber dies, dass der Werth der Bodenprodukte und daher des
Bodens immer wächst in dem Maß wie der Markt sich dafür er-
weitert, die Nachfrage zunimmt und mit ihr die Waarenwelt, die
dem Bodenprodukt gegenübersteht, also in andren Worten die
Masse der nicht agrikolen Waarenproducenten und der nicht agri-
kolen Waarenproduktion. Da dies aber ohne sein Zuthun geschieht,
erscheint es bei ihm als etwas specifisches, dass Werthmasse, Masse
des Mehrwerths und Verwandlung eines Theils dieses Mehrwerths
in Bodenrente von dem gesellschaftlichen Produktionsprocess, von
der Entwicklung der Waarenproduktion überhaupt abhängt. Daher
will z. B. Dove hieraus die Rente entwickeln. Er sagt, die Rente
hängt ab nicht von der Masse des agrikolen Produkts sondern von
seinem Werth; dieser aber hängt ab von der Masse und der Pro-
duktivität der nicht agrikolen Bevölkerung. Dies gilt aber von
jedem andern Produkt, dass es sich nur als Waare entwickelt
theils mit der Masse, theils mit der Mannigfaltigkeit, der Reihe
andrer Waaren, die Aequivalente dafür bilden. Es ist dies schon
bei der allgemeinen Darstellung des Werths gezeigt worden. Einer-
[179] seits hängt die Tauschfähigkeit eines Produkts überhaupt ab von
der Vielfachheit der Waaren die ausser ihm existiren. Andrerseits
hängt davon im besondren ab die Masse, worin es selbst als Waare
producirt werden kann.
Kein Producent, der Industrielle sowenig wie der Ackerbauer,
isolirt betrachtet, producirt Werth oder Waare. Sein Produkt wird
nur Werth und Waare in bestimmtem gesellschaftlichen Zusammen-
hang. Erstens, soweit es als Darstellung gesellschaftlicher Arbeit
erscheint, also seine eigne Arbeitszeit als Theil der gesellschaft-
lichen Arbeitszeit überhaupt; zweitens: dieser gesellschaftliche Cha-
rakter seiner Arbeit erscheint als ein seinem Produkt aufgeprägter
gesellschaftlicher Charakter, in seinem Geldcharakter und in seiner
durch den Preis bestimmten allgemeinen Austauschbarkeit.
Wenn also einerseits, statt die Rente zu erklären, Mehrwerth
oder in noch bornirterer Fassung Mehrprodukt überhaupt erklärt
wird, so wird hier andrerseits das Versehen begangen, einen Cha-
rakter, der allen Produkten als Waaren und Werthen zukommt,
den Ackerbauprodukten ausschliesslich zuzuschreiben. Noch mehr
wird dies verflacht, wenn von der allgemeinen Bestimmung des
Werths auf die Realisirung eines bestimmten Waarenwerths
zurückgegangen wird. Jede Waare kann ihren Werth nur reali-
siren im Cirkulationsprocess, und ob und wie weit sie ihn realisirt
hängt von den jedesmaligen Marktbedingungen ab.
Es ist also nicht das Eigenthümliche der Grundrente, dass die
Agrikulturprodukte sich zu Werthen und als Werthe entwickeln,
d. h. dass sie als Waaren den andern Waaren, und die nicht
agrikolen Produkte ihnen als Waaren gegenübertreten, oder dass
sie sich als besondre Ausdrücke gesellschaftlicher Arbeit entwickeln.
Das Eigenthümliche ist, dass mit den Bedingungen, worin sich die
Agrikulturprodukte als Werthe (Waaren) entwickeln, und mit den
Bedingungen der Realisation ihrer Werthe, auch die Macht des
Grundeigenthums sich entwickelt, einen wachsenden Theil dieser
ohne sein Zuthun geschaffnen Werthe sich anzueignen, ein wach-
sender Theil des Mehrwerths sich in Grundrente verwandelt.
Achtunddreissigstes Kapitel.
Die Differentialrente: Allgemeines.
Bei Analyse der Bodenrente wollen wir zunächst von der Vor-
aussetzung ausgehn, dass Produkte, die eine solche Rente zahlen,
12*
[180] bei denen ein Theil des Mehrwerths, also auch ein Theil des Ge-
sammtpreises sich in Rente auflöst — für unsern Zweck reicht
es hin, Ackerbauprodukte oder auch Bergwerksprodukte zu berück-
sichtigen — dass also Boden- oder Bergwerksprodukte, wie alle
andren Waaren, zu ihren Produktionspreisen verkauft werden.
D. h. ihre Verkaufspreise sind gleich ihren Kostelementen (dem
Werth des aufgezehrten konstanten und variablen Kapitals) plus
einem Profit, bestimmt durch die allgemeine Profitrate, berechnet
auf das vorgeschossne Gesammtkapital, verbrauchtes und nichtver-
brauchtes. Wir nehmen also an, dass die durchschnittlichen Ver-
kaufspreise dieser Produkte gleich ihren Produktionspreisen sind.
Es fragt sich dann, wie unter dieser Voraussetzung sich eine
Grundrente entwickeln, d. h. ein Theil des Profits sich in Grund-
rente verwandeln, daher ein Theil des Waarenpreises dem Grund-
eigenthümer anheimfallen kann.
Um den allgemeinen Charakter dieser Form der Grundrente zu
zeigen, unterstellen wir, die Fabriken in einem Lande würden in
überwiegender Anzahl durch Dampfmaschinen getrieben, eine be-
stimmte Minderzahl jedoch durch natürliche Wasserfälle. Unter-
stellen wir, der Produktionspreis in jenen Industriezweigen sei 115
für eine Masse von Waaren, worin ein Kapital von 100 verzehrt
ist. Die 15 % Profit sind berechnet nicht nur auf das konsumirte
Kapital von 100, sondern auf das Gesammtkapital, das in der
Produktion dieses Waarenwerths angewandt ist. Dieser Produk-
tionsprocess, wie früher erörtert, ist bestimmt, nicht durch den in-
dividuellen Kostpreis jedes einzelnen producirenden Industriellen,
sondern durch den Kostpreis, den die Waare durchschnittlich kostet
unter den Durchschnittsbedingungen des Kapitals in der ganzen
Produktionssphäre. Es ist in der That der Markt-Produktionspreis;
der durchschnittliche Marktpreis im Unterschied zu seinen Oscilla-
tionen. Es ist überhaupt in der Gestalt des Marktpreises und
weiter in der Gestalt des regulirenden Marktpreises oder Markt-
Produktionspreises, dass sich die Natur des Werths der Waaren
darstellt, sein Bestimmtsein nicht durch die zur Produktion eines
bestimmten Waarenquantums, oder einzelner Waaren individuell,
für einen bestimmten einzelnen Producenten nothwendige Arbeits-
zeit, sondern durch die gesellschaftlich nothwendige Arbeitszeit;
durch die Arbeitszeit, die erheischt ist, unter dem gegebnen Durch-
schnitt der gesellschaftlichen Produktionsbedingungen das gesell-
schaftlich erheischte Gesammtquantum der auf dem Markt befind-
lichen Waarenspecies zu erzeugen.
[181]
Da die bestimmten Zahlenverhältnisse hier vollständig gleich-
gültig sind, wollen wir ferner annehmen, dass der Kostpreis in den
Fabriken, die durch Wasserkraft getrieben werben, nur 90 statt
100 betrage. Da der den Markt regulirende Produktionspreis der
Masse dieser Waaren = 115, mit einem Profit von 15 %, so werden
die Fabrikanten, die ihre Maschinen mit Wasserkraft treiben, eben-
falls zu 115 verkaufen, d. h. zu dem den Marktpreis regulirenden
Durchschnittspreis. Ihr Profit betrüge daher 25 statt 15; der
regulirende Produktionspreis erlaubte ihnen einen Surplusprofit von
10 % zu machen, nicht weil sie ihre Waare über, sondern weil
sie sie zu dem Produktionspreis verkaufen, weil ihre Waaren pro-
ducirt werden, oder ihr Kapital fungirt, unter ausnahmsweis günstigen
Bedingungen, Bedingungen die über dem Durchschnittsniveau der
in dieser Sphäre herrschenden ständen.
Zweierlei zeigt sich sofort:
Erstens: Der Surplusprofit der Producenten, die den natürlichen
Wasserfall als Triebkraft anwenden, verhält sich zunächst wie
aller Surplusprofit (und wir haben diese Kategorie bereits ent-
wickelt bei Darstellung der Produktionspreise), der nicht zufälliges
Resultat von Transaktionen im Cirkulationsprocess, von zufälligen
Schwankungen der Marktpreise ist. Dieser Surplusprofit also ist
ebenfalls gleich der Differenz zwischen dem individuellen Produk-
tionspreis dieser begünstigten Producenten, und dem allgemeinen
gesellschaftlichen, den Markt regulirenden Produktionspreis dieser
ganzen Produktionssphäre. Diese Differenz ist gleich dem Ueber-
schuss des allgemeinen Produktionspreises der Waare über ihren
individuellen Produktionspreis. Die zwei regulirenden Grenzen
dieses Ueberschusses sind auf der einen Seite der individuelle Kost-
preis und daher der individuelle Produktionspreis, auf der andern
der allgemeine Produktionspreis. Der Werth der mit dem Wasser-
fall producirten Waare ist kleiner, weil zu ihrer Produktion ein
kleineres Gesammtquantum Arbeit erfordert ist, nämlich weniger
Arbeit, die in vergegenständlichter Form, als Theil des konstanten
Kapitals eingeht. Die hier angewandte Arbeit ist produktiver, ihre
individuelle Produktivkraft ist grösser, als die in der Masse der-
selben Art Fabriken angewandten Arbeit. Ihre grössre Produktiv-
kraft zeigt sich darin, dass sie, um dieselbe Masse Waaren zu
produciren, ein geringres Quantum konstantes Kapital braucht, ein
geringres Quantum vergegenständlichter Arbeit, als die andren;
daneben ausserdem ein geringeres Quantum lebendiger Arbeit, da
das Wasserrad nicht geheizt zu werden braucht. Diese grössre
[182] individuelle Produktivkraft der angewandten Arbeit vermindert den
Werth, aber auch den Kostpreis und damit den Produktionspreis
der Waare. Für den Industriellen stellt sich dies so dar, dass für
ihn der Kostpreis der Waare geringer ist. Er hat weniger ver-
gegenständlichte Arbeit zu zahlen und ebenso weniger Arbeitslohn
für weniger angewandte lebendige Arbeitskraft. Da der Kostpreis
seiner Waare geringer, ist auch sein individueller Produktionspreis
geringer. Der Kostpreis für ihn ist 90 statt 100. Also wäre auch
sein individueller Produktionspreis statt 115 nur 103½ (100:115
= 90:103½). Die Differenz zwischen seinem individuellen Pro-
duktionspreis und dem allgemeinen ist begrenzt durch die Differenz
zwischen seinem individuellen Kostpreis und dem allgemeinen.
Dies ist eine der Grössen, die die Grenzen für sein Surplusprodukt
bilden. Die andre ist die Grösse des allgemeinen Produktions-
preises, worin die allgemeine Profitrate als einer der regelnden
Faktoren eingeht. Würden die Kohlen wohlfeiler, so nähme die
Differenz zwischen seinem individuellen und dem allgemeinen Kost-
preis ab, und daher sein Surplusprofit. Müsste er die Waare zu
ihrem individuellen Werth, oder dem durch ihren individuellen
Werth bestimmten Produktionspreis verkaufen, so fiele die Differenz
fort. Sie ist einerseits das Resultat davon, dass die Waare zu
ihrem allgemeinen Marktpreis verkauft wird, zum Preis wozu die
Konkurrenz die Einzelpreise ausgleicht, andrerseits davon, dass
die grössre individuelle Produktivkraft der von ihm in Bewegung
gesetzten Arbeit nicht den Arbeitern zu gute kommt sondern, wie
alle Produktivkraft der Arbeit, ihrem Anwender; dass sie sich als
Produktivkraft des Kapitals darstellt.
Da die eine Schranke dieses Surplusprofits die Höhe des allge-
meinen Produktionspreises ist, wovon die Höhe der allgemeinen
Profitrate einer der Faktoren, so kann er nur entspringen aus der
Differenz zwischen dem allgemeinen und dem individuellen Pro-
duktionspreis, daher aus der Differenz zwischen der individuellen
und der allgemeinen Profitrate. Ein Ueberschuss über diese Diffe-
renz unterstellt den Verkauf von Produkt über, nicht zu, dem
durch den Markt geregelten Produktionspreis.
Zweitens: Bisher unterscheidet sich der Surplusprofit des Fabri-
kanten, der den natürlichen Wasserfall statt des Dampfs als Trieb-
kraft anwendet, in keiner Art von allem andern Surplusprofit.
Aller normale, d. h. nicht durch zufällige Verkaufsgeschäfte oder
durch Schwankungen des Marktpreises hervorgebrachte Surplus-
profit ist bestimmt durch die Differenz zwischen dem individuellen
[183] Produktionspreis der Waaren dieses besondren Kapitals und dem
allgemeinen Produktionspreis, der die Marktpreise der Waaren des
Kapitals dieser Produktionssphäre überhaupt regelt, oder die Markt-
preise der Waaren des in dieser Produktionssphäre angelegten Ge-
sammtkapitals.
Aber jetzt kommt der Unterschied.
Welchem Umstand verdankt der Fabrikant im vorliegenden Fall
seinen Surplusprofit, den Ueberschuss, den der durch die allge-
meine Profitrate regulirte Produktionspreis ihm persönlich abwirft?
In erster Instanz einer Naturkraft, der Triebkraft des Wasser-
falls, der von Natur sich vorfindet, und der nicht wie die Kohle,
welche Wasser in Dampf verwandelt, selbst Produkt der Arbeit
ist, daher Werth hat, durch ein Aequivalent bezahlt werden muss,
kostet. Es ist ein natürlicher Produktionsagent, in dessen Er-
zeugung keine Arbeit eingeht.
Aber das ist nicht alles. Der Fabrikant, der mit der Dampf-
maschine arbeitet, wendet auch Naturkräfte an, die ihm nichts
kosten, die aber die Arbeit produktiver machen, und sofern sie
dadurch die Herstellung der für die Arbeiter erheischten Lebens-
mittel verwohlfeilern, den Mehrwerth und daher den Profit erhöhen;
die also ganz so gut vom Kapital monopolisirt werden wie die
gesellschaftlichen Naturkräfte der Arbeit, die aus Kooperation,
Theilung etc. entspringen. Der Fabrikant zahlt die Kohlen, aber
nicht die Fähigkeit des Wassers seinen Aggregatzustand zu ändern,
in Dampf überzugehn, nicht die Elasticität des Dampfs u. s. w.
Diese Monopolisirung der Naturkräfte, d. h. der durch sie be-
wirkten Steigerung der Arbeitskraft, ist allem Kapital gemeinsam,
das mit Dampfmaschinen arbeitet. Sie mag den Theil des Arbeits-
produkts, der Mehrwerth darstellt, erhöhen gegen den Theil, der
sich in Arbeitslohn verwandelt. Soweit sie dies thut, erhöht sie
die allgemeine Profitrate, aber sie schafft keinen Surplusprofit, der
eben im Ueberschuss des individuellen Profits über den Durch-
schnittsprofit besteht. Dass die Anwendung einer Naturkraft, des
Wasserfalls, hier Surplusprofit schafft, kann also nicht allein aus
der Thatsache entspringen, dass die gesteigerte Produktivkraft der
Arbeit hier der Anwendung einer Naturkraft geschuldet ist. Es
müssen weitere modificirende Umstände eintreten.
Umgekehrt. Die blosse Anwendung von Naturkräften in der
Industrie mag auf die Höhe der allgemeinen Profitrate, weil auf
die Masse der zur Produktion nothwendiger Lebensmittel erheisch-
ten Arbeit einwirken. Sie schafft aber an und für sich keine Ab-
[184] weichung von der allgemeinen Profitrate, und gerade um eine
solche handelt es sich hier. Ferner: Der Surplusprofit, den sonst
ein individuelles Kapital in einer besondren Produktionssphäre
realisirt — denn die Abweichungen der Profitraten zwischen den
besondren Produktionssphären gleichen sich fortwährend zur Durch-
schnittsprofitrate aus — entspringt, von den nur zufälligen Ab-
weichungen abgesehn, aus einer Verminderung des Kostpreises, also
der Produktionskosten, die entweder dem Umstand geschuldet ist,
dass Kapital in grössren als den durchschnittlichen Massen ange-
wandt wird, und sich daher die faux frais der Produktion ver-
mindern, während die allgemeinen Ursachen der Steigerung der
Produktivkraft der Arbeit (Kooperation, Theilung etc.) in höherm
Grade, mit mehr Intensität, weil auf grössrem Arbeitsfeld, wirken
können; oder aber dem Umstand dass, abgesehn vom Umfang des
fungirenden Kapitals, bessre Arbeitsmethoden, neue Erfindungen,
verbesserte Maschinen, chemische Fabrikgeheimnisse etc., kurz neue,
verbesserte, über dem Durchschnittsniveau stehende Produktionsmittel
und Produktionsmethoden angewandt werden. Die Verminderung des
Kostpreises und der daraus entfliessende Surplusprofit entspringen hier
aus der Art und Weise, wie das fungirende Kapital angelegt wird.
Sie entspringen entweder daraus, dass es in ausnahmsweis grossen
Massen in einer Hand koncentrirt ist — ein Umstand, der sich
aufhebt, sobald gleich grosse Kapitalmassen durchschnittlich ange-
wandt werden — oder dass Kapital von bestimmter Grösse in be-
sonders produktiver Weise fungirt — ein Umstand, der wegfällt,
sobald sich die exceptionelle Produktionsweise verallgemeinert, oder
von noch mehr entwickelter überflügelt wird.
Die Ursache des Surplusprofits entspringt hier also aus dem Kapital
selbst (worin die davon in Bewegung gesetzte Arbeit einbegriffen);
sei es aus einem Grössenunterschied des angewandten Kapitals, sei
es aus zweckmäßigerer Anwendung desselben; und an und für sich
steht nichts im Wege, dass alles Kapital in derselben Produktions-
sphäre in derselben Weise angelegt wird. Die Konkurrenz zwischen den
Kapitalen strebt im Gegentheil, diese Unterschiede mehr und mehr
auszugleichen; die Bestimmung des Werths durch die gesellschaftlich
nothwendige Arbeitszeit setzt sich durch in der Verwohlfeilerung
der Waaren und dem Zwang, die Waaren unter denselben günstigen
Verhältnissen herzustellen. Es verhält sich aber anders mit dem
Surplusprofit des Fabrikanten, der den Wasserfall anwendet. Die
gesteigerte Produktivkraft der von ihm angewandten Arbeit ent-
springt weder aus dem Kapital und der Arbeit selbst, noch aus
[185] blosser Anwendung einer von Kapital und Arbeit unterschiednen,
aber dem Kapital einverleibten Naturkraft. Sie entspringt aus der
grössren naturwüchsigen Produktivkraft der Arbeit, gebunden an
die Benutzung einer Naturkraft, aber nicht einer Naturkraft, die
allem Kapital in derselben Produktionssphäre zur Verfügung steht,
wie z. B. die Elasticität des Dampfs; deren Anwendung sich also
nicht von selbst versteht, sobald überhaupt Kapital in dieser Sphäre
angelegt wird. Sondern einer monopolisirbaren Naturkraft, die wie
der Wasserfall nur denen zur Verfügung steht, die über besondre
Stücke des Erdbodens und seine Appartenentien zu verfügen haben-
Es hängt durchaus nicht vom Kapital ab, diese Naturbedingung
grössrer Produktivkraft der Arbeit ins Leben zu rufen, in der Art
wie jedes Kapital Wasser in Dampf verwandeln kann. Sie findet
sich nur lokal in der Natur vor, und ist da, wo sie sich nicht
vorfindet, nicht herstellbar durch bestimmte Auslage von Kapital.
Sie ist nicht gebunden an, durch Arbeit herstellbare Produkte
wie Maschinen, Kohlen etc., sondern an bestimmte Naturverhält-
nisse bestimmter Theile des Bodens. Der Theil der Fabrikanten,
der die Wasserfälle besitzt, schliesst den Theil, der sie nicht be-
sitzt, von der Anwendung dieser Naturkraft aus, weil der Boden
und noch mehr der mit Wasserkraft begabte Boden beschränkt
ist. Es schliesst dies nicht aus, dass, obgleich die Masse der natür-
lichen Wasserfälle in einem Lande beschränkt ist, die Masse
der zur Industrie vernutzbaren Wasserkraft vermehrt werden
kann. Der Wasserfall kann künstlich abgeleitet werden, um seine
Triebkraft vollständig auszunutzen; den Fall gegeben, kann das
Wasserrad verbessert werden, um möglichst viel von der Wasser-
kraft zu verwenden; wo das gewöhnliche Rad für die Wasserzufuhr
nicht passt, können Turbinen angewandt werden etc. Der Besitz
dieser Naturkraft bildet ein Monopol in der Hand ihres Besitzers,
eine Bedingung hoher Produktivkraft des angelegten Kapitals, die
nicht durch den Produktionsprocess des Kapitals selbst hergestellt
werden kann33); diese Naturkraft, die so monopolisirbar ist, haftet
immer an der Erde. Eine solche Naturkraft gehört nicht zu den
allgemeinen Bedingungen der fraglichen Produktionssphäre, und
nicht zu den Bedingungen derselben, die allgemein herstellbar sind.
Denken wir uns nun die Wasserfälle, mit dem Boden, zu dem
sie gehören, in der Hand von Subjekten, die als Inhaber dieser
Theile des Erdballs gelten, als Grundeigenthümer, so schliessen
[186] sie die Anlage des Kapitals am Wasserfall und seine Benutzung
durch das Kapital aus. Sie können die Benutzung erlauben oder
versagen. Aber das Kapital aus sich kann den Wasserfall nicht
schaffen. Der Surplusprofit, der aus dieser Benutzung des Wasser-
falls entspringt, entspringt daher nicht aus dem Kapital, sondern
aus der Anwendung einer monopolisirbaren und monopolisirten
Naturkraft durch das Kapital. Unter diesen Umständen verwandelt
sich der Surplusprofit in Grundrente, d. h. er fällt dem Eigen-
thümer des Wasserfalls zu. Zahlt der Fabrikant diesem 10 £
jährlich für seinen Wasserfall, so beträgt sein Profit 15 £; 15 %
auf die 100 £ worauf dann seine Produktionskosten sich belaufen;
und er steht sich ganz ebensogut, möglicherweise besser, als alle
andren Kapitalisten seiner Produktionssphäre, die mit Dampf
arbeiten. Es würde nichts an der Sache ändern, wenn der Kapi-
talist selbst den Wasserfall eignete. Er würde nach wie vor den
Surplusprofit von 10 £ nicht als Kapitalist, sondern als Eigen-
thümer des Wasserfalls beziehn, und eben weil dieser Ueberschuss
nicht aus seinem Kapital als solchem, sondern aus der Verfügung
über eine von seinem Kapital trennbare, monopolisirbare, in ihrem
Umfang beschränkte Naturkraft entspringt, verwandelt er sich in
Grundrente.
Erstens: Es ist klar, dass diese Rente immer Differentialrente
ist, denn sie geht nicht bestimmend ein in den allgemeinen Pro-
duktionspreis der Waare, sondern setzt ihn voraus. Sie entspringt
stets aus der Differenz zwischen dem individuellen Produktionspreis
des Einzelkapitals, dem die monopolisirte Naturkraft zur Verfügung
steht, und dem allgemeinen Produktionspreis des in der fraglichen
Produktionssphäre überhaupt angelegten Kapitals.
Zweitens: Diese Grundrente entspringt nicht aus der absoluten
Erhöhung der Produktivkraft des angewandten Kapitals, resp. der
von ihm angeeigneten Arbeit, die überhaupt nur den Werth der
Waaren vermindern kann; sondern aus der grössren relativen Frucht-
barkeit bestimmter, in einer Produktionssphäre angelegter Einzel-
kapitale, verglichen mit den Kapitalanlagen, die von diesen aus-
nahmsweisen, naturgeschaffnen Gunstbedingungen der Produktiv-
kraft ausgeschlossen sind. Wenn z. B. die Benutzung des Dampfs,
obgleich die Kohlen Werth haben und die Wasserkraft nicht, über-
wiegende Vortheile gewährte, die bei Benutzung der Wasserkraft
ausgeschlossen wären, sie mehr als kompensirten, so würde die
Wasserkraft nicht angewandt und könnte keinen Surplusprofit, da-
her keine Rente erzeugen.
[187]
Drittens: Die Naturkraft ist nicht die Quelle des Surplusprofits,
sondern nur eine Naturbasis desselben, weil die Naturbasis der aus-
nahmsweis erhöhten Produktivkraft der Arbeit. So ist der Ge-
brauchswerth überhaupt Träger des Tauschwerths, aber nicht seine
Ursache. Derselbe Gebrauchswerth, könnte er ohne Arbeit verschafft
werden, hätte keinen Tauschwerth, behielte aber nach wie vor seine
natürliche Nützlichkeit als Gebrauchswerth. Andrerseits aber hat
ein Ding keinen Tauschwerth ohne Gebrauchswerth, also ohne
solchen natürlichen Träger der Arbeit. Glichen sich nicht die ver-
schiednen Werthe zu Produktionspreisen, und die verschiednen
individuellen Produktionspreise zu einem allgemeinen, den Markt
regulirenden Produktionspreis aus, so würde die blosse Steigerung
der Produktivkraft der Arbeit durch den Gebrauch des Wasserfalls
nur den Preis der mit dem Wasserfall producirten Waaren er-
niedrigen, ohne den in diesen Waaren steckenden Profittheil zu er-
höhen ganz wie sich andrerseits diese gesteigerte Produktivkraft
der Arbeit überhaupt nicht in Mehrwerth verwandeln würde, appro-
priirte nicht das Kapital die Produktivkraft, natürliche und ge-
sellschaftliche, der von ihm angewandten Arbeit als seine eigne.
Viertens: Das Grundeigenthum am Wasserfall hat mit der
Schöpfung des Theils des Mehrwerths (Profits) und daher des
Preises der Waare überhaupt, die mit Hülfe des Wasserfalls pro-
ducirt wird, an und für sich nichts zu schaffen. Dieser Surplus-
profit existirte auch, wenn kein Grundeigenthum existirte, wenn
z. B. das Land, wozu der Wasserfall gehörte, vom Fabrikanten als
herrenloses Land benutzt würde. Das Grundeigenthum schafft also
nicht den Werththeil, der sich in Surplusprofit verwandelt, sondern
es befähigt nur den Grundeigenthümer, den Eigenthümer des Wasser-
falls, diesen Surplusprofit aus der Tasche des Fabrikanten in seine
eigne zu locken. Es ist die Ursache, nicht der Schöpfung dieses
Surplusprofits, sondern seiner Verwandlung in die Form der Grund-
rente, daher der Aneignung dieses Theils des Profits, resp. des
Waarenpreises, durch den Grund- oder Wasserfallseigenthümer.
Fünftens: Es ist klar, dass der Preis des Wasserfalls, also der
Preis, den der Grundeigenthümer erhielte, verkaufte er ihn an eine
dritte Person oder auch an den Fabrikanten selbst, zunächst nicht
in den Produktionspreis der Waaren eingeht, obgleich in den in-
dividuellen Kostpreis des Fabrikanten; denn die Rente entspringt
hier aus dem, unabhängig vom Wasserfall regulirten, Produktions-
preis der mit Dampfmaschinen producirten Waaren derselben Art.
Ferner aber ist dieser Preis des Wasserfalls überhaupt ein irratio-
[188] neller Ausdruck, hinter dem sich ein reelles ökonomisches Verhält-
niss versteckt. Der Wasserfall, wie die Erde überhaupt, wie alle
Naturkraft, hat keinen Werth, weil er keine in ihm vergegen-
ständlichte Arbeit darstellt, und daher auch keinen Preis, der nor-
maliter nichts ist als der in Geld ausgedrückte Werth. Wo kein
Werth ist, kann eo ipso auch nichts in Geld dargestellt werden.
Dieser Preis ist nichts als die kapitalisirte Rente. Das Grund-
eigenthum befähigt den Eigenthümer, die Differenz zwischen dem
individuellen Profit und dem Durchschnittsprofit abzufangen; der
so abgefangne Profit, der sich jährlich erneuert, kann kapitalisirt
werden und erscheint dann als Preis der Naturkraft selbst. Ist
der Surplusprofit, den die Benutzung des Wasserfalls dem Fabri-
kanten abwirft, 10 £ jährlich, und der Durchschnittszins 5 %, so
stellen diese 10 £ jährlich den Zins eines Kapitals von 200 £
dar; und diese Kapitalisation der jährlichen 10 £, die der Wasser-
fall seinen Eigenthümer befähigt dem Fabrikanten abzufangen, er-
scheint dann als Kapitalwerth des Wasserfalls selbst. Dass nicht
dieser selbst Werth hat, sondern sein Preis blosser Reflex des ab-
gefangnen Surplusprofits ist, kapitalistisch berechnet, zeigt sich
gleich darin, dass der Preis von 200 £ nur das Produkt des Sur-
plusprofits von 10 £ mit 20 Jahren darstellt, während unter sonst
gleichbleibenden Umständen derselbe Wasserfall für unbestimmte
Zeit, 30, 100, x Jahre den Eigenthümer befähigt jährlich diese
10 £ abzufangen, und während andrerseits, wenn eine neue, nicht
auf Wasserkraft anwendbare Produktionsmethode den Kostpreis der
mit der Dampfmaschine producirten Waaren von 100 auf 90 £
erniedrigte, der Surplusprofit, und damit die Rente, und damit der
Preis des Wasserfalls verschwände.
Nachdem wir so den allgemeinen Begriff der Differentialrente
festgesetzt, gehn wir nun zur Betrachtung derselben in der eigent-
lichen Agrikultur über. Was von ihr gesagt wird, gilt im Ganzen
auch für Bergwerke.
Neununddreissigstes Kapitel.
Erste Form der Differentialrente (Differentialrente I.)
Ricardo hat vollständig Recht in folgenden Sätzen:
„Rent“ [d. h. Differentialrente; er unterstellt, dass überhaupt
keine Rente existirt ausser Differentialrente] „is always the diffe-
rence between the produce obtained by the employment of two
equal quantities of capital and labour.“ (Principles p. 59.) „Auf
[189] derselben Bodenquantität,“ hätte er hinzufügen müssen, soweit
es sich um Grundrente und nicht um Surplusprofit überhaupt
handelt.
In andern Worten: Surplusprofit, wenn normal und nicht durch
zufällige Begebenheiten im Cirkulationsprocess erzeugt, wird immer
producirt als Differenz zwischen dem Produkt von zwei gleichen
Mengen Kapital und Arbeit, und dieser Surplusprofit verwandelt
sich in Bodenrente, wenn zwei gleiche Mengen Kapital und Arbeit
auf gleichen Bodenflächen mit ungleichen Resultaten beschäftigt
werden. Es ist übrigens keineswegs unbedingt erforderlich, dass
dieser Surplusprofit aus den ungleichen Resultaten gleicher Mengen
von beschäftigtem Kapital entspringt. Es können auch in den ver-
schiednen Anlagen ungleich grosse Kapitale beschäftigt sein; dies
ist sogar meist die Voraussetzung; aber gleiche proportionelle
Theile, also z. B. 100 £ von jedem, geben ungleiche Resultate;
d. h. die Profitrate ist verschieden. Dies ist die allgemeine Vor-
aussetzung für das Dasein des Surplusprofits in einer beliebigen
Sphäre der Kapitalanlage überhaupt. Das zweite ist die Ver-
wandlung dieses Surplusprofits in die Form der Grundrente (über-
haupt der Rente, als einer vom Profit unterschiednen Form); es
muss immer untersucht werden, wann, wie, unter welchen Um-
ständen diese Verwandlung stattfindet.
Ricardo hat ferner Recht mit Bezug auf den folgenden Satz,
sofern er auf Differentialrente eingeschränkt wird:
„Whatever diminishes the inequality in the produce obtained on
the same or on new land, tends to lower rent; and whatever in-
creases that inequality, necessarily produces an opposite effect,
and tends to raise it.“ (p. 74.)
Unter diese Ursachen aber gehören nicht nur die allgemeinen
(Fruchtbarkeit und Lage) sondern 1) die Steuervertheilung, je nach-
dem sie gleichmäßig wirkt oder nicht; das letztre ist immer der
Fall, wenn sie, wie in England, nicht centralisirt ist und wenn die
Steuer auf den Boden und nicht auf die Rente erhoben wird;
2) die Ungleichheiten, die aus der verschiednen Entwicklung der
Agrikultur in verschiednen Landestheilen hervorgehn, indem sich
dieser Industriezweig, seines traditionellen Charakters wegen,
schwerer nivellirt als die Manufaktur, und 3) die Ungleichheit,
worin Kapital unter die Pächter vertheilt ist. Da die Besitzer-
greifung der Agrikultur durch die kapitalistische Produktionsweise,
die Verwandlung der selbstwirthschaftenden Bauern in Lohnarbeiter,
in der That die letzte Eroberung dieser Produktionsweise über-
[190] haupt ist, so sind diese Ungleichheiten hier grösser als in irgend
einem andern Industriezweig.
Nach diesen Vorbemerkungen will ich erst ganz kurz zusammen-
stellen die Eigenthümlichkeiten meiner Entwicklung im Unter-
schied der von Ricardo etc.
Wir betrachten zuerst die ungleichen Ergebnisse gleicher Mengen
von Kapital, angewandt auf verschiedne Ländereien von gleichem
Umfang; oder, bei ungleichem Umfang, die Ergebnisse berechnet
auf gleich grosse Bodenflächen.
Die zwei allgemeinen, vom Kapital unabhängigen Ursachen dieser
ungleichen Ergebnisse sind 1) die Fruchtbarkeit. (Es ist zu
diesem Punkt 1) auseinanderzusetzen, was alles und welche ver-
schiednen Momente in der natürlichen Fruchtbarkeit der Ländereien
einbegriffen sind.) 2) die Lage der Ländereien. Die letztre ist ent-
scheidend bei Kolonien, und überhaupt entscheidend für die Reihen-
folge, worin Ländereien nach einander in Bebauung genommen
werden können. Ferner ist es klar, dass diese zwei verschiednen
Gründe der Differentialrente, Fruchtbarkeit und Lage, in entgegen-
gesetzter Richtung wirken können. Ein Boden kann sehr gut
gelegen und sehr wenig fruchtbar sein, und umgekehrt. Dieser
Umstand ist wichtig, denn er erklärt uns, warum bei der Urbar-
machung des Bodens eines gegebnen Landes ebensowohl von besserm
Land zu schlechterem, wie umgekehrt vorgeschritten werden kann.
Endlich ist klar, dass der Fortschritt der socialen Produktion über-
haupt einerseits nivellirend wirkt auf die Lage als Grund der
Differentialrente, indem er lokale Märkte schafft und durch Her-
stellung der Kommunikations- und Transportmittel Lage schafft;
andrerseits die Unterschiede der lokalen Lagen der Ländereien
steigert, durch die Trennung der Agrikultur von der Manufaktur
und durch Bildung grosser Centren der Produktion nach der einen,
wie durch relative Vereinsamung des Landes nach andrer Seite hin.
Zunächst aber lassen wir diesen Punkt, die Lage, ausser Acht
und betrachten bloss den der natürlichen Fruchtbarkeit. Abgesehn
von klimatischen etc. Momenten, besteht der Unterschied der natür-
lichen Fruchtbarkeit im Unterschied der chemischen Zusammen-
setzung der Bodenoberfläche, d. h. in ihrem verschiednen Gehalt
an den Nahrungsstoffen der Pflanzen. Indess, gleichen chemischen
Gehalt, und in diesem Sinn gleiche natürliche Fruchtbarkeit zweier
Bodenflächen vorausgesetzt, wird die wirkliche, effektive Frucht-
barkeit verschieden sein, je nachdem sich diese Nahrungsstoffe in
[191] einer Form befinden, worin sie mehr oder minder assimilirbar, un-
mittelbar verwerthbar für die Nahrung der Pflanzen sind. Es
wird also theils von der chemischen, theils von der mechanischen
Entwicklung der Agrikultur abhängen, wie weit auf natürlich gleich
fruchtbaren Ländereien, dieselbe natürliche Fruchtbarkeit disponibel
gemacht werden kann. Die Fruchtbarkeit, obgleich objektive Eigen-
schaft des Bodens, schliesst daher ökonomisch immer Relation ein,
Relation zum gegebnen chemischen und mechanischen Entwick-
lungsstand der Agrikultur, und ändert sich daher mit diesem Ent-
wicklungsstand. Sei es in Folge chemischer Mittel (z. B. An-
wendung bestimmter flüssiger Dünger auf steifem Thonboden, oder
auch Brennen von schwerem Thonboden) oder mechanischer Mittel
(z. B. besondrer Pflüge für schweren Boden) können die Hinder-
nisse beseitigt werden, welche gleich fruchtbaren Boden thatsäch-
lich unergiebiger machten (auch die Drainirung gehört dazu).
Oder selbst die Reihenfolge in der Bebauung der Bodenarten kann
dadurch wechseln, wie dies z. B. zwischen leichtem Sandboden und
schwerem Thonboden für eine Entwicklungsperiode der englischen
Agrikultur der Fall war. Dies zeigt wieder, wie historisch — im
successiven Lauf der Bebauung — ebensowohl von mehr frucht-
barem zu weniger fruchtbarem Boden übergegangen werden kann,
wie umgekehrt. Dasselbe kann geschehn durch künstlich hervor-
gebrachte Verbesserung in der Zusammensetzung des Bodens, oder
durch blosse Aenderung in der Agrikulturmethode. Endlich kann
dasselbe Resultat hervorgehn aus Veränderung in der Hierarchie
der Bodenarten in Folge verschiedner Verhältnisse des Untergrundes,
sobald dieser ebenfalls in den Kulturbereich gezogen, und zur
Ackerkrume geschlagen wird. Dies ist bedingt theils durch An-
wendung neuer Agrikulturmethoden (wie Futterkräuter), theils
durch mechanische Mittel, die entweder den Untergrund zum Ober-
grund machen, oder ihn damit vermischen, oder den Untergrund
bebauen, ohne ihn in die Höhe zu werfen.
Alle diese Einflüsse auf die Differentialfruchtbarkeit verschiedner
Ländereien kommen darauf hinaus, dass für die ökonomische Frucht-
barkeit der Stand der Produktivkraft der Arbeit, hier die Fähig-
keit der Agrikultur, die natürliche Fruchtbarkeit des Bodens sofort
ausbeutbar zu machen — eine Fähigkeit, die in verschiednen Ent-
wicklungsstufen verschieden ist — ebenso sehr ein Moment der
sogenannten natürlichen Fruchtbarkeit des Bodens ist, wie seine
chemische Zusammensetzung und seine andren natürlichen Eigen-
schaften.
[192]
Wir setzen also eine gegebne Entwicklungsstufe der Agrikultur
voraus. Wir setzen ferner voraus, dass die Hierarchie der Boden-
arten mit Beziehung auf diese Entwicklungsstufe berechnet ist,
wie es natürlich für gleichzeitige Kapitalanlagen auf den ver-
schiednen Ländereien stets der Fall ist. Dann kann die Differen-
tialrente sich in aufsteigender oder absteigender Reihenfolge dar-
stellen, denn obgleich die Reihenfolge gegeben ist für die Totalität
der wirklich bebauten Ländereien, hat stets eine successive Be-
wegung stattgefunden, worin sie gebildet wurde.
Unterstelle 4 Bodenarten, A, B, C, D. Unterstelle ferner den
Preis eines Quarters Weizen = 3 £ oder 60 sh. Da die Rente
blosse Differentialrente ist, ist dieser Preis von 60 sh. per Quarter
für den schlechtesten Boden gleich den Produktionskosten, d. h.
gleich Kapital plus Durchschnittsprofit.
A sei dieser schlechteste Boden und gebe für 50 sh. Auslage
1 Quarter = 60 sh.; also 10 sh. Profit, oder 20 %.
B gebe für dieselbe Auslage 2 Quarters = 120 sh. Es wäre
dies 70 sh. Profit, oder ein Surplusprofit von 60 sh.
C gebe bei gleicher Auslage 3 qrs. = 180 sh.; Gesammtprofit
= 130 sh. Surplusprofit = 120 sh.
D gebe 4 qrs. = 240 sh. = 180 sh. Surplusprofit.
Wir hätten dann folgende Reihenfolge.
Tabelle I.
Die respektiven Renten waren für D = 190 sh. — 10 sh. oder
die Differenz zwischen D und A; für C = 130 — 10 sh. oder die
Differenz zwischen C und A; für B = 70 sh. — 10 sh., oder die
Differenz zwischen B und A; und die Gesammtrente für B, C, D
= 6 qrs. = 360 sh., gleich der Summe der Differenzen von D und
A, C und A, B und A.
Diese Reihenfolge, die ein gegebnes Produkt in einem gegebnen
Zustand darstellt, kann ebensowohl, abstrakt betrachtet (und wir
haben schon die Gründe angegeben, warum dies auch in der
[193] Wirklichkeit der Fall sein kann) in absteigender Reihenfolge (von
D bis A herabsteigend, von fruchtbarem zu stets unfruchtbarerem
Boden) wie in aufsteigender Stufenfolge (von A nach D herauf-
steigend, von relativ unfruchtbarem zu immer fruchtbarerem Boden),
endlich wechselnd, bald ab-, bald aufsteigend, z. B. von D auf C,
von C auf A, von A auf B hervorgebracht sein.
Der Process bei der absteigenden Folge war der: der Preis des
Quarters steigt allmälig von sage 15 sh. auf 60. Sobald die von
D producirten 4 qrs. (worunter man sich Millionen denken kann),
nicht mehr ausreichten, stieg der Weizenpreis soweit, dass die
fehlende Zufuhr von C geschafft werden konnte. D. h. der Preis
musste auf 20 sh. per qr. gestiegen sein. Sobald der Weizenpreis
auf 30 sh. per qr. stieg, konnte B, sobald er auf 60 stieg, konnte
A in Bebauung genommen werden, ohne dass das darauf ver-
wandte Kapital sich mit einer geringern Profitrate als 20 % zu
begnügen hatte. Es bildete sich so eine Rente für D, zuerst von
5 sh. per qr. = 20 sh. für die 4 qrs. die es producirt; dann von
15 sh. per qr. = 60 sh., dann von 45 sh. per qr. = 180 sh.
für 4 qrs.
War die Profitrate von D ursprünglich ebenfalls = 20 %, so war
sein Gesammtprofit auf die 4 qrs. auch nur 10 sh., was aber mehr
Korn vorstellte bei einem Kornpreis von 15 sh. als bei dem von
60 sh. Da aber das Korn in die Reproduktion der Arbeitskraft
eingeht, und von jedem Quarter ein Theil Arbeitslohn ersetzen muss
und ein andrer konstantes Kapital, so war unter dieser Voraus-
setzung der Mehrwerth höher, also auch, bei sonst gleichbleibenden
Umständen, die Profitrate. (Die Sache über die Profitrate noch
besonders und mehr im Detail zu untersuchen.)
War dagegen die Reihenfolge umgekehrt, fing der Process von
A an, so stieg, sobald neues Ackerland in Bebauung gesetzt werden
musste, erst der Preis des Quarters über 60 sh.; da aber die
nöthige Zufuhr von B geliefert wurde, die nöthige Zufuhr von
2 qrs., fiel er wieder auf 60 sh.; indem zwar B das qr. zu 30 sh.
producirte, es aber zu 60 verkaufte, weil seine Zufuhr gerade nur
hinreichte die Nachfrage zu decken. So bildete sich eine Rente,
zunächst von 60 sh. für B, und in derselben Weise für C und D;
immer vorausgesetzt dass, obgleich sie beide relativ das qr. zu 20
und zu 15 sh. wirklichem Werth lieferten, der Marktpreis auf
60 sh. bleibt, weil die Zufuhr des einen qr., welches A liefert,
nach wie vor nothwendig ist, um den Gesammtbedarf zu befriedigen.
In diesem Fall würde das Steigen der Nachfrage über den Bedarf,
Marx, Kapital III. 2. 13
[194] den erst A, dann A und B befriedigten, nicht bewirkt haben, dass
B, C, D successive angebaut werden konnten, sondern dass über-
haupt das Feld der Urbarmachung ausgedehnt wurde, und zu-
fällig die fruchtbareren Ländereien erst später in seinen Bereich
fielen.
In der ersten Reihe würde mit der Zunahme des Preises die
Rente steigen und die Profitrate abnehmen. Diese Abnahme könnte
durch entgegenwirkende Umstände ganz oder theilweis paralysirt
werden; auf diesen Punkt ist später näher einzugehn. Es darf
nicht vergessen werden, dass die allgemeine Profitrate nicht durch
den Mehrwerth in allen Produktionssphären gleichmäßig bestimmt
ist. Es ist nicht der agrikole Profit, der den industriellen be-
stimmt, sondern umgekehrt. Doch darüber später.
In der zweiten Reihe bliebe die Profitrate auf das ausgelegte
Kapital dieselbe; die Masse des Profits würde sich in weniger
Korn darstellen; aber der relative Preis des Korns, verglichen mit
andren Waaren, wäre gestiegen. Nur würde die Zunahme des
Profits, wo eine solche stattfindet, statt in die Taschen der indu-
striellen Pächter zu fliessen und sich als wachsender Profit darzu-
stellen, sich vom Profit abzweigen in der Form der Rente. Der
Kornpreis bliebe aber unter der gemachten Voraussetzung stationär.
Entwicklung und Wachsthum der Differentialrente blieben die-
selben, sowohl bei gleichbleibenden, wie bei steigenden Preisen,
und sowohl bei dem kontinuirlichen Progress von schlechterm zu
besserm Boden, wie bei kontinuirlichem Regress von besserm zu
schlechterm Boden.
Bisher haben wir angenommen 1) dass der Preis in der einen
Reihenfolge steigt, in der andern stationär bleibt, und 2) dass be-
ständig vom besserm zum schlechterm oder umgekehrt von schlech-
term zu besserm Boden fortgegangen wird.
Nehmen wir aber an, der Getreidebedarf steige von den ursprüng-
lichen 10 auf 17 qrs.; ferner, der schlechteste Boden A werde ver-
drängt durch einen andern Boden A, der mit den Produktions-
kosten von 60 sh. (50 sh. Kost plus 10 sh. für 20 % Profit)
1⅓ qr. liefert, dessen Produktionspreis für den qr. also = 45 sh.;
oder auch, der alte Boden A habe sich in Folge fortgesetzter
rationeller Bebauung verbessert oder sei bei gleichbleibenden Kosten
produktiver bebaut worden, z. B. durch Einführung von Klee etc.,
sodass sein Produkt bei gleichbleibendem Kapitalvorschuss auf
1⅓ qrs. steigt. Nehmen wir ferner an, die Bodenarten B, C, D
lieferten nach wie vor dasselbe Produkt, aber es seien neue Boden-
[195] arten A' von einer Fruchtbarkeit zwischen A und B, ferner B',
B'' von einer Fruchtbarkeit zwischen B und C in Anbau gekommen;
in diesem Falle würden folgende Phänomene stattfinden.
Erstens: Der Produktionspreis des qr. Weizen oder sein regu-
lirender Marktpreis wäre gefallen von 60 auf 45 sh. oder um 25 %.
Zweitens: Es wäre gleichzeitig von fruchtbarerem zu unfrucht-
barerem Boden und von weniger fruchtbarem zu fruchtbarerem
fortgegangen worden. Der Boden A' ist fruchtbarer als A, aber
unfruchtbarer als die bisher bebauten B, C, D; und B', B'' sind
fruchtbarer als A, A' und B, aber unfruchtbarer als C und D.
Es wäre also die Reihenfolge in Kreuz- und Querzügen gegangen;
es wäre nicht zu absolut unfruchtbarerem Boden fortgegangen worden
gegenüber A etc., aber zu relativ unfruchtbarerem, verglichen mit den
bisher fruchtbarsten Bodenarten C und D; es wäre andrerseits nicht
zu absolut fruchtbarerem Boden fortgegangen worden, aber zu relativ
fruchtbarerem gegenüber den bisher unfruchtbarsten A, resp. A und B.
Drittens: Die Rente auf B wäre gefallen; ebenso die Rente
von C und D; aber das Gesammtrental in Korn wäre gestiegen
von 6 qrs. auf 7⅔; die Masse der bebauten und Rente tragenden
Ländereien hätte zugenommen und die Masse des Produkts von
10 qrs. auf 17. Der Profit, wenn gleichbleibend für A, wäre in
Korn ausgedrückt gestiegen; aber die Profitrate selbst hätte steigen
können, weil der relative Mehrwerth. In diesem Fall wären wegen
Verwohlfeilerung der Lebensmittel der Arbeitslohn, also die Aus-
lage an variablem Kapital gefallen, also auch die Gesammtauslage.
In Geld wäre das Gesammtrental gefallen von 360 sh. auf 345.
Wir wollen die neue Reihenfolge hierherstellen.
Tabelle II.
Waren endlich nur die Bodenarten A, B, C, D, nach wie vor
kultivirt, aber ihre Ertragfähigkeit derart gesteigert worden, dass
13*
[196] A statt 1 qrs. 2, B statt 2 qrs. 4, C statt 3 qrs. 7, und D statt
4 qrs. 10 producirt hätte, sodass also dieselben Ursachen ver-
schieden auf die verschiednen Bodenarten gewirkt hätten, so wäre
die Gesammtproduktion gestiegen von 10 qrs. auf 23. Nehmen
wir an, dass die Nachfrage in Folge des Steigens der Bevölkerung
und des Sinkens des Preises diese 23 qrs absorbirt hätte, so er-
gäbe sich folgendes Resultat:
Tabelle III.
Die Zahlenverhältnisse sind hier, wie bei den übrigen Tabellen
willkürlich, aber die Annahmen sind durchaus rationell.
Die erste und Hauptannahme ist, dass die Verbesserung in der
Agrikultur auf verschiedne Bodenarten ungleichmäßig wirkt, und
hier auf die besten Bodenarten C und D mehr wirkt als auf A
und B. Die Erfahrung hat gezeigt, dass dies in der Regel sich
so verhält, wenn auch der umgekehrte Fall eintreten kann. Wirkte
die Verbesserung mehr auf den schlechtern Boden als auf den
bessern, so wäre die Rente auf den letztren gefallen statt zu steigen.
— Mit dem absoluten Wachsen der Fruchtbarkeit aller Boden-
arten ist in der Tabelle aber zugleich vorausgesetzt das Wachsen
der höhern relativen Fruchtbarkeit bei den bessern Bodenarten C
und D, daher Wachsen der Differenz des Produkts bei gleicher
Kapitalanlage, und daher Wachsen der Differentialrente.
Die zweite Voraussetzung ist, dass mit dem wachsenden Ge-
sammtprodukt der Gesammtbedarf Schritt hält. Erstens braucht
man sich das Wachsthum nicht als plötzlich erfolgt zu denken,
sondern allmälig, bis die Reihe III hergestellt wird. Zweitens
ist es falsch, dass der Konsum nothwendiger Lebensmittel nicht
wächst mit ihrer Verwohlfeilerung. Die Abschaffung der Korn-
gesetze in England (siehe Newman) hat das Gegentheil bewiesen,
und die entgegengesetzte Vorstellung ist nur daher entstanden,
dass grosse und plötzliche Unterschiede in den Ernten, die bloss
dem Wetter geschuldet sind, in den Getreidepreisen bald unver-
hältnissmäßigen Fall, bald unverhältnissmäßiges Steigen hervor-
[197] bringen. Wenn hier die plötzliche und kurzlebige Verwohlfeile-
rung nicht Zeit bekommt, ihre volle Wirkung auf Ausdehnung der
Konsumtion auszuüben, so ist das Gegentheil der Fall, wo die Ver-
wohlfeilerung aus dem Sinken des regulirenden Produktionspreises
selbst hervorgeht, also von Dauer ist. Drittens: Ein Theil des
Getreides kann als Branntwein oder Bier verzehrt werden. Und
der steigende Konsum dieser beiden Artikel ist keineswegs in enge
Grenzen gebunden. Viertens hängt die Sache theils vom Wachs-
thum der Bevölkerung ab, theils kann das Land ein Korn-Export-
land sein, wie England bis über die Mitte des 18. Jahrhunderts
hinaus noch war, sodass der Bedarf nicht durch die Grenzen der
bloss nationalen Konsumtion regulirt ist. Endlich kann Ver-
mehrung und Verwohlfeilerung der Produktion von Weizen die
Folge haben, dass statt Roggen oder Hafer Weizen Hauptnahrungs-
mittel der Volksmasse wird, also schon dadurch der Markt dafür
wächst, wie bei abnehmendem Produkt und zunehmendem Preis
der umgekehrte Fall eintreten kann. — Unter diesen Voraus-
setzungen also und bei den angenommenen Zahlenverhältnissen
gibt die Reihe III das Resultat, dass der Preis per qr. fällt von
60 auf 30 sh., also um 50 %, dass die Produktion, verglichen mit
Reihe I, wächst von 10 auf 23 qrs., also um 130 %; dass die
Rente auf Boden B stationär bleibt, auf C sich verdoppelt, und
auf D sich mehr als verdoppelt, und dass das Gesammtrental steigt
von 18 auf 22 £, also um 22\frac{1}{9} %.
Es ergibt sich aus der Vergleichung der drei Tabellen (wovon
Reihe I doppelt zu nehmen ist, von A zu D aufsteigend und von
D zu A herabsteigend), die entweder als gegebne Abstufungen in
einem gegebnen Zustand der Gesellschaft aufgefasst werden können
— z. B. neben einander in drei verschiednen Ländern — oder als
aufeinander folgend in verschiednen Zeitabschnitten der Entwick-
lung desselben Landes, es ergibt sich:
1) Dass die Reihe, wenn fertig — welches immer der Gang ihres
Bildungsprocesses gewesen sein mag — immer so erscheint, dass
sie absteigend ist; denn bei Betrachtung der Rente wird man
immer zuerst ausgehn von dem Boden, der das Maximum von
Rente trägt, und erst zuletzt zu dem kommen, der keine Rente trägt.
2) Der Produktionspreis des schlechtesten, keine Rente tragen-
den Bodens ist stets der regulirende Marktpreis, obgleich letztrer
bei Tabelle I, wenn sie sich in aufsteigender Reihe bildete, nur
dadurch stationär bliebe, dass immer besserer Boden bebaut würde.
In diesem Falle ist der Preis des auf dem besten Boden produ-
[198] cirten Korns in soweit regulirend, als es von dem davon produ-
cirten Quantum abhängt, wie weit der Boden A regulirend bleibt.
Würden B, C, D über den Bedarf produciren, so hörte A auf
regulirend zu sein. Dies schwebt Storch vor, wenn er die beste
Bodenart zur regulirenden macht. In dieser Art regulirt der ameri-
kanische Getreidepreis den englischen.
3) Die Differentialrente entspringt aus dem, für den jedesmal
gegebnen Entwicklungsgrad der Kultur gegebnen Unterschied in
der natürlichen Fruchtbarkeit der Bodenart (hier noch abgesehn
von der Lage), also aus dem beschränkten Umfang der besten
Ländereien, und dem Umstand, dass gleiche Kapitale angelegt wer-
den müssen auf ungleiche Bodenarten, die also für dasselbe Kapital
ungleiches Produkt abwerfen.
4) Das Vorhandensein einer Differentialrente und einer graduir-
ten Differentialrente kann hervorgehn ebensogut in absteigender
Stufenleiter, durch Fortgang von besserem Boden zu schlechterem,
wie umgekehrt von schlechterem zu besserem, oder durch Kreuz-
und Querzüge in abwechselnder Richtung. (Reihe I kann sich
bilden durch Fortgang sowohl von D zu A wie von A zu D.
Reihe II umfasst Bewegungen beider Art.)
5) Je nach ihrer Bildungsweise kann die Differentialrente bei
stationärem, steigendem und fallendem Preis des Bodenprodukts
sich ausbilden. Bei fallendem Preis kann die Gesammtproduktion
und das Gesammtrental steigen, und sich Rente auf bisher rente-
losen Ländereien bilden, obgleich der schlechteste Boden A durch
bessern verdrängt oder selbst besser geworden ist, und obwohl die
Rente auf andren bessren, und selbst den besten Bodenarten fällt
(Tabelle II); dieser Process kann auch mit einem Fallen des Ge-
sammtrentals (in Geld) verbunden sein. Endlich kann bei fallen-
den Preisen, die einer allgemeinen Verbesserung der Kultur ge-
schuldet sind, sodass das Produkt und der Produktenpreis des
schlechtesten Bodens fällt, die Rente auf einen Theil der bessern
Bodenarten gleichbleiben oder fallen, aber auf den besten Boden-
arten wachsen. Die Differentialrente jedes Bodens, verglichen mit
dem schlechtesten Boden, hängt allerdings vom Preis z. B. des qr.
Weizen ab, wenn die Differenz der Produktenmasse gegeben ist.
Aber wenn der Preis gegeben ist, hängt sie ab von der Grösse
der Differenz der Produktenmasse, und wenn bei steigender abso-
luter Fruchtbarkeit alles Bodens diejenige der bessern Bodensorten
relativ mehr steigt als die der schlechtern, so wächst damit auch
die Grösse dieser Differenz. So ist (Tabelle I) bei einem Preise
[199] von 60 sh. die Rente auf D bestimmt durch sein differentielles
Produkt gegen A, also durch den Ueberschuss von 3 qrs.; die
Rente ist daher = 3 × 60 = 180 sh. Aber in Tabelle III, wo
der Preis = 30 sh., ist sie bestimmt durch die Masse des über-
schüssigen Produkts von D über A = 8 qrs.; aber 8 × 30 = 240 sh.
Es fällt hiermit die erste falsche Voraussetzung der Differential-
rente fort, wie sie noch bei West, Malthus, Ricardo herrscht, dass
sie nämlich nothwendig Fortgang zu stets schlechterm Boden vor-
aussetzt oder stets abnehmende Fruchtbarkeit der Agrikultur. Sie
kann, wie wir gesehn haben, stattfinden bei Fortgang zu stets
besserm Boden; sie kann stattfinden, wenn ein besserer Boden, statt
des frühern schlechtern, die unterste Stelle einnimmt; sie kann mit
steigendem Fortschritt in der Agrikultur verbunden sein. Ihre
Bedingung ist nur Ungleichheit der Bodenarten. Soweit die Ent-
wicklung der Produktivität in Betracht kommt, unterstellt sie, dass
die Steigerung der absoluten Fruchtbarkeit des Gesammtareals
diese Ungleichheit nicht aufhebt, sondern sie entweder vermehrt
oder stationär lässt oder nur vermindert.
Von Anfang bis Mitte des 18. Jahrhunderts herrschte in Eng-
land, trotz des fallenden Preises von Gold oder Silber, fortwähren-
des Sinken der Getreidepreise neben gleichzeitigem (die ganze
Periode betrachtet) Wachsen der Rente, des Rentals, des Umfangs
der bebauten Ländereien, der agrikolen Produktion und der Be-
völkerung. Dies entspricht der Tabelle I kombinirt mit Tabelle II
in aufsteigender Linie, aber so, dass der schlechteste Boden A
entweder verbessert oder aus der Bebauung mit Getreide hinaus-
geworfen wird; was jedoch nicht bedeutet, dass er nicht zu andern
landwirthschaftlichen oder industriellen Zwecken benutzt wurde.
Von Anfang des 19. Jahrhunderts an (Datum näher anzugeben)
bis 1815 fortwährendes Steigen der Getreidepreise, mit beständigem
Wachsen der Rente, des Rentals, des Umfangs der bebauten Lände-
reien, der agrikolen Produktion und der Bevölkerung. Dies ent-
spricht Tabelle I in absteigender Linie. (Es ist hier Citat anzu-
führen über die Bebauung schlechterer Ländereien in jener Zeit.)
Zu Petty’s und Davenants Zeit, Klagen der Landleute und Grund-
besitzer über die Verbesserungen und Urbarmachungen; Fallen
der Rente auf den bessern Ländereien, Steigen des Gesammtrentals
durch Erweiterung des Rente tragenden Bodens.
(Zu diesen drei Punkten weitere Citate nachher zu geben; ebenso
über die Differenz in der Fruchtbarkeit der verschiednen bebauten
Bodentheile in einem Lande.)
[200]
Es ist bei der Differentialrente überhaupt zu bemerken, dass der
Marktwerth immer über dem Gesammtproduktionspreis der Pro-
duktenmasse steht. Nehmen wir z. B. Tabelle I. Die 10 qrs.
Gesammtprodukt werden verkauft zu 600 sh., weil der Marktpreis
durch den Produktionspreis von A bestimmt ist, der 60 sh. per qr.
beträgt. Der wirkliche Produktionspreis aber ist:
- A 1 qrs. = 60 sh.; 1 qr. = 60 sh.
- B 2 qrs. = 60 sh.; 1 qr. = 30 sh.
- C 3 qrs. = 60 sh.; 1 qr. = 20 sh.
- D 4 qrs. = 60 sh.; 1 qr. = 15 sh.
- 10 qrs. = 240 sh.; Durchschnitt 1 qr. = 24 sh.
Der wirkliche Produktionspreis der 10 qrs. ist 240 sh.; sie
werden verkauft zu 600, 250 % zu theuer. Der wirkliche Durch-
schnittspreis für 1 qr. ist 24 sh.; der Marktpreis 60 sh., ebenfalls
250 % zu theuer.
Es ist dies die Bestimmung durch den Marktwerth, wie er sich
auf Basis der kapitalistischen Produktionsweise vermittelst der
Konkurrenz durchsetzt; diese erzeugt einen falschen socialen Werth.
Dies entspringt aus dem Gesetz des Marktwerths, dem die Boden-
produkte unterworfen werden. Die Bestimmung des Marktwerths
der Produkte, also auch der Bodenprodukte, ist ein gesellschaftlicher
Akt, wenn auch ein gesellschaftlich unbewusst und unabsichtlich
vollzogner, der mit Nothwendigkeit auf dem Tauschwerth des
Produkts beruht, nicht auf dem Boden und den Differenzen seiner
Fruchtbarkeit. Denkt man sich die kapitalistische Form der Ge-
sellschaft aufgehoben und die Gesellschaft als bewusste und plan-
mäßige Association organisirt, so stellten die 10 qrs. ein Quantum
selbständiger Arbeitszeit vor, gleich dem, das in 240 sh. enthalten
ist. Die Gesellschaft würde also dies Bodenprodukt nicht erkaufen
zu dem 2½ fachen der wirklichen Arbeitszeit die darin steckt; die
Basis einer Klasse von Grundeigenthümern fiele damit weg. Es
würde dies ganz ebenso wirken, wie eine Verwohlfeilerung des
Produkts zu gleichem Betrag durch fremde Einfuhr. So richtig
es daher ist zu sagen, dass — die jetzige Produktionsweise bei-
behalten, aber vorausgesetzt, dass die Differentialrente dem Staat
zufiele — die Preise der Bodenprodukte bei sonst gleichbleibenden
Umständen dieselben bleiben würden, so falsch ist es zu sagen,
dass der Werth der Produkte derselbe bliebe bei Ersetzung der
kapitalistischen Produktion durch Association. Die Dieselbigkeit
des Marktpreises für Waaren derselben Art ist die Weise, worin
sich der gesellschaftliche Charakter des Werths, auf Basis der
[201] kapitalistischen Produktionsweise, und überhaupt der auf Waaren-
austausch zwischen Einzelnen beruhenden Produktion durchsetzt.
Was die Gesellschaft, als Konsument betrachtet, zu viel zahlt für
die Bodenprodukte, was ein Minus der Realisirung ihrer Arbeits-
zeit in Bodenproduktion bildet, bildet jetzt das Plus für einen
Theil der Gesellschaft, die Grundeigenthümer.
Ein zweiter Umstand, wichtig für das unter II im nächsten
Kapitel darzustellende, ist dieser:
Es handelt sich nicht nur um die Rente per Acre oder per
Hektare, überhaupt um den Unterschied zwischen Produktionspreis
und Marktpreis, oder zwischen individuellem und allgemeinem Pro-
duktionspreis per Acre, sondern es kommt auch darauf an, wie
viel Acres von jeder Bodenart in Kultur sind. Die Wichtigkeit
betrifft hier unmittelbar nur die Grösse des Rentals, d. h. der
Totalrente der ganzen bebauten Fläche; es dient uns aber zugleich
als Uebergang zur Entwicklung des Steigens der Rate der Rente,
obgleich die Preise weder steigen, noch die Differenzen in der
relativen Fruchtbarkeit der Bodenarten bei fallenden Preisen. Wir
hatten oben:
Tabelle I.
Nehmen wir nun an, die Zahl der bebauten Acres verdoppeln
sich in jeder Klasse, so haben wir:
Tabelle I a.
Wir wollen noch zwei Fälle annehmen, den ersten, dass die Pro-
[202] duktion sich auf den beiden geringsten Bodenarten ausdehnt, also
wie folgt:
Tabelle I b.
und schliesslich ungleiche Ausdehnung der Produktion und des
bebauten Gebiets auf den vier Bodenklassen:
Tabelle I c.
Zunächst bleibt in allen diesen Fällen I, I a, I b, I c die Rente per
acre dieselbe; denn in der That ist das Ergebniss derselben Kapital-
masse auf je 1 Acre derselben Bodenart unverändert geblieben; es
ist nur unterstellt, was in jedem Lande in jedem gegebnen Augen-
blick der Fall ist, nämlich dass die verschiednen Bodenarten in
bestimmten Verhältnissen an dem gesammten bebauten Boden par-
ticipiren; und was in zwei Ländern, verglichen mit einander, oder
in demselben Lande in verschiednen Zeitpunkten, beständig der
Fall ist, dass das Verhältniss wechselt, worin der bebaute Ge-
sammtboden sich unter sie vertheilt.
Vergleichen wir I a mit I, so sehn wir, dass wenn der Anbau
der Ländereien der vier Klassen in gleicher Proportion wächst,
mit der Verdopplung der bebauten Acres sich die Gesammtpro-
duktion verdoppelt, und ebenso Korn- und Geldrente.
Vergleichen wir aber I b und I c nacheinander mit I, so findet
in beiden Fällen eine Verdreifachung in der der Kultur unter-
worfnen Bodenfläche statt. Sie steigt in beiden Fällen von 4 Acres
auf 12, aber in I b nehmen Klasse a und b, von denen a keine
Rente, und b die geringste Differentialrente trägt, den bedeutendsten
[203] Antheil am Zuwachs, nämlich von den 8 neubebauten Acres fallen
je 3, zusammen 6, auf a und b, während nur je 1, zusammen 2,
auf c und d fallen. In andren Worten: ¾ des Zuwachses fallen
auf a und b, und nur ¼ auf c und d. Dies vorausgesetzt, ent-
spricht in I b verglichen mit I, dem verdreifachten Umfang der
Kultur kein verdreifachtes Produkt, denn das Produkt steigt von
10 nicht auf 30, sondern nur auf 26. Andrerseits, da ein be-
deutender Theil des Zuwachses auf A stattfand, das keine Rente
abwirft, und von dem Zuwachs auf die bessern Ländereien der
Haupttheil auf Klasse B, so steigt die Kornrente nur von 6 auf
14 qrs. und die Geldrente von 18 auf 42 £.
Vergleichen wir dagegen I c mit I, wo der nicht Rente zahlende
Boden gar nicht an Umfang wächst, der der Minimalrente nur
schwach, während der Hauptzuwachs auf C und D fällt, so finden
wir, dass mit der verdreifachten bebauten Bodenfläche die Pro-
duktion von 10 auf 36 qrs. gestiegen ist, also auf mehr als das
Dreifache; die Kornrente von 6 auf 24 qrs., oder auf das Vier-
fache; und ebenso die Geldrente von 18 auf 72 £.
In allen diesen Fällen bleibt der Natur der Sache nach der
Preis des Bodenprodukts stationär; in allen Fällen wächst das Ge-
sammtrental mit der Ausdehnung der Kultur, soweit diese nicht
ausschliesslich auf dem schlechtesten, keine Rente zahlenden Boden
stattfindet. Aber dies Wachsen ist verschieden. Im Verhältniss,
wie die Ausdehnung auf den bessern Bodenarten stattfindet und
also die Produktenmasse nicht nur im Verhältniss zur Ausdehnung
des Bodens, sondern rascher wächst, wächst Korn- und Geldrente.
Im Verhältniss wie der schlechteste Boden und die ihm nächst-
stehenden Bodenarten vorzugsweise an der Ausdehnung theilnehmen
(wobei unterstellt, dass der schlechteste Boden konstante Klasse)
steigt das Gesammtrental nicht im Verhältniss zur Ausdehnung
der Kultur. Zwei Länder also gegeben, wo der keine Rente ab-
werfende Boden A von derselben Beschaffenheit ist, steht das
Rental im umgekehrten Verhältniss zum aliquoten Theil, den die
schlechteste und die minder guten Bodenarten im Gesammtareal
des bebauten Bodens ausmachen, und daher auch im umgekehrten
Verhältniss zur Masse des Produkts bei gleicher Kapitalanlage auf
gleich grosse Gesammtflächen. Das Verhältniss zwischen der Quan-
tität des schlechtesten bebauten Bodens und der des bessern, inner-
halb der Gesammtbodenfläche eines Landes, wirkt also umgekehrt
auf das Gesammtrental ein, wie das Verhältniss zwischen der
Qualität des bebauten schlechtesten Bodens zu der des bessern und
[204] besten auf die Rente per Acre wirkt, und daher, bei sonst gleichen
Umständen, auch auf das Rental. Die Verwechslung dieser beiden
Momente hat zu allerlei verkehrten Einwürfen gegen die Differen-
tialrente Anlass gegeben.
Das Gesammtrental wächst also durch blosse Ausbreitung der
Kultur, und durch die damit verbundne ausgedehntere Anwendung
von Kapital und Arbeit auf den Boden.
Aber der wichtigste Punkt ist dieser: Obgleich nach der Vor-
aussetzung das Verhältniss der Renten der verschiednen Boden-
arten, per Acre gerechnet, dasselbe bleibt, und daher auch die
Rentrate, betrachtet mit Beziehung auf das für jeden Acre aus-
gelegte Kapital, so zeigt sich folgendes: Vergleichen wir I a mit I
— den Fall wo die Zahl der bebauten Acres sich proportionell ver-
mehrt hat und die Kapitalanlage auf denselben — so finden wir,
dass wie die Gesammtproduktion proportionell zur vergrösserten
Anbaufläche gewachsen ist, d. h. beide sich verdoppelt haben, das-
selbe mit dem Rental der Fall ist. Es ist gestiegen von 18 auf
36 £, ganz wie die Zahl der acres von 4 auf 8.
Nehmen wir die Gesammtfläche von 4 Acres, so betrug das Ge-
sammtrental darauf 18 £, also die Durchschnittsrente, eingerechnet
den Boden, der keine Rente trägt, 4½ £. So könnte z. B. ein
Grundeigenthümer rechnen, dem alle 4 Acres gehörten; und so
wird die Durchschnittsrente auf ein ganzes Land statistisch be-
rechnet. Das Gesammtrental von 18 £ ergibt sich bei Anwendung
eines Kapitals von 10 £. Das Verhältniss dieser beiden Zahlen
nennen wir die Rentrate; hier also 180 %.
Dieselbe Rentrate ergibt sich bei I a, wo 8 statt 4 Acres bebaut sind,
aber alle Bodenarten im gleichen Verhältniss am Zuwachs theil-
genommen haben. Das Gesammtrental von 36 £ ergibt bei 8 Acres
und 20 £ angewandtem Kapital eine Durchschnittsrente von 4½ £
per Acre und eine Rentrate von 180 %.
Betrachten wir dagegen Ib, wo der Zuwachs hauptsächlich auf
den beiden geringern Bodenarten stattgefunden, so haben wir eine
Rente von 42 £ auf 12 Acres, also eine Durchschnittsrente von
3½ £ per Acre. Das ausgelegte Gesammtkapital ist 30 £, also
die Rentrate = 140 %. Die Durchschnittsrente per Acre hat also
abgenommen um 1 £, und die Rentrate ist gefallen von 180 auf
140 %. Es findet hier also, bei Wachsen des Gesammtrentals von
18 £ auf 42 £, Sinken der Durchschnittsrente statt, sowohl per
Acre wie aufs Kapital berechnet; ebenso wie die Produktion wächst,
aber nicht proportional. Es findet dies statt, obgleich die Rente
[205] auf allen Bodenarten, sowohl per Acre wie auf das ausgelegte
Kapital berechnet, dieselbe bleibt. Es findet dies statt, weil ¾
des Zuwachses auf Boden A, der keine Rente trägt, und auf Boden
B fallen, der nur die Minimalrente trägt.
Hätte im Fall Ib die Gesammtausdehnung nur auf Boden A
stattgefunden, so hätten wir 9 Acres auf A, 1 auf B, 1 auf C und
1 auf D. Das Gesammtrental wäre nach wie vor 18 £, die Durch-
schnittsrente per Acre auf die 12 Acres also 1½ £; und 18 £
Rente auf 30 £ ausgelegtes Kapital, also eine Rentrate von 60 %.
Die mittlere Rente, sowohl per Acre berechnet wie auf das ange-
wandte Kapital, hätte sehr abgenommen, während das Gesammt-
rental nicht gewachsen wäre.
Vergleichen wir endlich I c mit I und I b. Verglichen mit I
hat sich die Bodenfläche verdreifacht, und ebenso das ausgelegte
Kapital. Das Gesammtrental ist 72 £ auf 12 Acres, also 6 £
per Acre gegen 4½ £ im Fall I. Die Rentrate auf das ausge-
legte Kapital (72 £ : 30 £) ist 240 % statt 180 %. Das Ge-
sammtprodukt ist gestiegen von 10 auf 36 qrs.
Verglichen mit Ib, wo die Gesammtzahl der bebauten Acres,
das angewandte Kapital und die Differenzen zwischen den bebauten
Bodenarten dieselben, aber die Vertheilung anders, ist das Produkt
36 qrs. statt 26 qrs., die Durchschnittsrente per Acre 6 £ statt
3½, und die Rentrate mit Bezug auf das vorgeschossne gleich-
grosse Gesammtkapital 240 % statt 140 %.
Einerlei ob wir die verschiednen Zustände in Tabelle I a, I b, I c
als gleichzeitig nebeneinander bestehende Zustände in verschiednen
Ländern, oder als successive Zustände in demselben Land betrach-
ten, ergibt sich aus dieser Darstellung: Bei stationärem Preis des
Getreides, weil gleichbleibendem Ertrag des schlechtesten, rente-
losen Bodens; bei gleichbleibender Differenz in der Fruchtbarkeit
der verschiednen bebauten Bodenklassen; bei gleich grossem respek-
tivem Produkt daher von gleichgrosser Kapitalanlage auf gleiche
aliquote Theile (Acres) der in jeder Bodenklasse bebauten Flächen;
bei konstantem Verhältniss daher zwischen den Renten per Acre
jeder Bodenart und bei gleicher Rentrate auf das in jedem Boden-
theil derselben Art angelegte Kapital: Erstens wächst das Rental
stets mit Erweiterung der bebauten Fläche und daher mit vermehr-
ter Kapitalanlage, mit Ausnahme des Falls, wo der ganze Zuwachs
auf den rentelosen Boden käme. Zweitens kann sowohl die Durch-
schnittsrente per Acre (Gesammtrental dividirt durch Gesammtzahl
der bebauten Acres) wie die Durchschnitts-Rentrate (Gesammtrental
[206] dividirt durch das ausgelegte Gesammtkapital) sehr bedeutend
variiren; und zwar beide in derselben Richtung, aber unter sich
selbst wieder in verschiednen Proportionen. Lässt man den Fall
ausser Acht, wo der Zuwachs nur auf dem rentelosen Boden A
stattfindet, so ergibt sich, dass die Durchschnittsrente per Acre
und die Durchschnittsrentrate auf das in der Agrikultur angelegte
Kapital abhängen von den proportionellen Antheilen, welche die
verschiednen Bodenklassen in der bebauten Gesammtfläche aus-
machen; oder was auf dasselbe hinauskommt, von der Vertheilung
des angewandten Gesammtkapitals auf die Bodenarten von ver-
schiedner Fruchtbarkeit. Ob viel oder wenig Land angebaut ist,
und daher (mit Ausnahme des Falls, wo der Zuwachs nur auf A
kommt) das Gesammtrental grösser oder kleiner ist, die Durch-
schnittsrente per Acre oder die Durchschnittsrentrate aufs ange-
wandte Kapital bleibt dieselbe, so lange die Proportionen der Be-
theiligung der verschiednen Bodenarten an der Gesammtfläche
konstant bleiben. Trotz des Steigens, und selbst des bedeutenden
Steigens des Gesammtrentals mit Erweiterung der Kultur und
wachsender Kapitalanlage, fällt die Durchschnittsrente per Acre
und die Durchschnittsrentrate aufs Kapital, wenn die Ausdehnung
der rentelosen und der nur geringe Differentialrente tragenden
Ländereien mehr wächst als die der bessern, höhere Rente tragenden.
Umgekehrt steigt die Durchschnittsrente per Acre und die Durch-
schnittsrentrate aufs Kapital, im Maß wie die bessern Ländereien
einen verhältnissmäßig grössern Antheil der Gesammtfläche aus-
machen, und daher verhältnissmäßig mehr Kapitalanlage auf sie fällt.
Betrachtet man also die Durchschnittsrente per Acre oder Hektare
des gesammten bebauten Bodens, wie es meist geschieht in stati-
stischen Werken, indem man entweder verschiedne Länder in der-
selben Epoche, oder verschiedne Epochen in demselben Lande ver-
gleicht, so sieht man, dass die Durchschnittshöhe der Rente per
Acre, und daher auch das Gesammtrental, in gewissen (wenn auch
keineswegs gleichen, sondern vielmehr rascheren Schritt gehenden)
Proportionen entspricht, nicht der relativen, sondern der absoluten
Fruchtbarkeit der Agrikultur in einem Lande, d. h. der Masse der
Produkte, die es durchschnittlich auf gleicher Fläche liefert. Denn
je grössern Antheil der Gesammtfläche die bessern Bodenarten aus-
machen, desto grösser ist die Produktenmasse bei gleicher Kapital-
anlage und auf gleich grosser Bodenfläche; und desto grösser ist
die Durchschnittsrente per Acre. Umgekehrt, umgekehrt. So
scheint die Rente nicht durch das Verhältniss der Differential-
[207] fruchtbarkeit, sondern durch die absolute Fruchtbarkeit bestimmt,
und damit das Gesetz der Differentialrente aufgehoben. Es werden
daher gewisse Phänomene geleugnet, oder auch wohl durch nicht
existirende Unterschiede in den Durchschnitts-Getreidepreisen und
der Differentialfruchtbarkeit der bebauten Ländereien zu erklären
gesucht, Phänomene, die einfach ihren Grund darin haben, dass
das Verhältniss des Gesammtrentals, sei es zur Gesammtfläche des
angebauten Bodens, sei es zu dem im Boden angelegten Gesammt-
kapital, bei gleicher Fruchtbarkeit des rentelosen Bodens, daher
gleichen Produktionspreisen, und bei gleicher Differenz zwischen
den verschiednen Bodenarten, nicht nur bestimmt ist durch die
Rente per Acre oder durch die Rentrate aufs Kapital, sondern
ebenso sehr durch die verhältnissmäßige Anzahl der Acres jeder
Bodenart in der Gesammtzahl der bebauten Acres; oder was auf
dasselbe hinauskommt, durch die Vertheilung des angewandten
Gesammtkapitals unter die verschiednen Bodenarten. Dieser Um-
stand ist bisher, sonderbarer Weise ganz übersehn worden. Jeden-
falls zeigt sich, und dies ist für den Fortgang unsrer Untersuchung
wichtig, dass die verhältnissmäßige Höhe der Durchschnittsrente
per Acre, und die Durchschnittsrentrate, oder das Verhältniss des
Gesammtrentals zu dem im Boden angelegten Gesammtkapital,
steigen oder fallen kann bei gleichbleibenden Preisen, gleichblei-
bender Differenz in der Fruchtbarkeit der bebauten Ländereien,
und gleichbleibender Rente per Acre, resp. Rentrate für das per
Acre angelegte Kapital in jeder, wirklich Rente tragenden, Boden-
klasse, resp. für alles wirklich Rente tragende Kapital, durch blosse
extensive Ausdehnung der Kultur.
Es sind noch folgende Zusätze zu machen, die zum Theil auch
auf II passen, mit Bezug auf die unter I betrachtete Form der
Differentialrente.
Erstens: Man hat gesehn, wie die Durchschnittsrente per Acre
oder die Durchschnittsrentrate aufs Kapital steigen kann bei Aus-
breitung der Kultur, stationären Preisen und gleichbleibender Diffe-
rentialfruchtbarkeit der bebauten Ländereien. Sobald aller Boden
in einem Land angeeignet ist, Kapitalanlage auf den Boden, Kultur
und Bevölkerung eine bestimmte Höhe erreicht haben — Um-
stände, die alle vorausgesetzt sind, sobald die kapitalistische Pro-
duktionsweise zur herrschenden wird und sich auch der Agrikultur
bemächtigt, ist der Preis des nichtbebauten Bodens der verschiednen
Qualitäten (bloss die Differentialrente vorausgesetzt) bestimmt durch
[208] den Preis der bebauten Ländereien von gleicher Bonität und äqui-
valenter Lage. Der Preis ist derselbe — nach Abzug der hinzu-
kommenden Kosten der Urbarmachung — obgleich dieser Boden
keine Rente trägt. Der Preis des Bodens ist zwar nichts als die
kapitalisirte Rente. Aber auch bei den bebauten Ländereien werden
im Preise nur künftige Renten bezahlt, z. B. zwanzigjährige Renten
auf einen Schlag vorausbezahlt, wenn der maßgebende Zinsfuss
5 % ist. Sobald Boden verkauft wird, wird er als Rente tragender
verkauft, und der prospektive Charakter der Rente (die hier als
Bodenfrucht, was sie nur dem Schein nach ist, betrachtet wird)
unterscheidet den unbebauten Boden nicht vom bebauten. Der
Preis der unbebauten Ländereien, wie ihre Rente, deren zusammen-
gezogne Formel er darstellt, ist rein illusorisch, solange die Län-
dereien nicht wirklich verwendet werden. Aber er ist so a priori
bestimmt und wird realisirt, sobald sich Käufer finden. Wenn
daher die wirkliche Durchschnittsrente eines Landes durch sein
wirkliches durchschnittliches jährliches Rental und sein Verhält-
niss zu der gesammten bebauten Fläche bestimmt ist, so ist der
Preis des nicht bebauten Bodentheils bestimmt durch den Preis
des bebauten, und ist daher nur ein Reflex der Kapitalanlage und ihrer
Resultate in den bebauten Ländereien. Da mit Ausnahme des
schlechtesten Bodens alle Bodenarten Rente tragen (und diese
Rente, wie wir unter II sehn werden, mit der Masse des Kapitals
und der ihr entsprechenden Intensität der Kultur steigt), bildet
sich so der nominelle Preis für die nicht bebauten Bodentheile,
und werden sie so zu einer Waare, einer Quelle des Reichthums
für ihre Besitzer. Es erklärt dies zugleich, warum der Bodenpreis
des gesammten Gebiets, auch des nichtbebauten wächst. (Opdyke.)
Die Landspekulation, z. B. in den Vereinigten Staaten, beruht nur
auf diesem Reflex, den das Kapital und die Arbeit auf den unbe-
bauten Boden werfen.
Zweitens. Der Fortgang in der Ausdehnung des bebauten
Bodens überhaupt findet entweder statt zu schlechterm Boden, oder
auf den verschiednen gegebnen Bodenarten in verschiednen Ver-
hältnissen, je nachdem sie sich vorfinden. Der Fortgang zu
schlechterm Boden geschieht natürlich nie aus freier Wahl, sondern
kann — kapitalistische Produktionsweise vorausgesetzt — nur Folge
steigender Preise, und bei jeder Produktionsweise, nur Folge der Noth-
wendigkeit sein. Dies jedoch nicht unbedingt. Schlechter Boden
wird relativ besserm vorgezogen wegen der Lage, die bei aller
Ausbreitung der Kultur in jungen Ländern entscheidend ist; dann
[209] aber auch weil, obgleich die Bodenformation eines gewissen Strichs
im ganzen zu dem fruchtbareren gehört, dennoch im einzelnen
besserer und geringerer Boden bunt durcheinander gewürfelt sind,
und der geringre Boden, schon seines Zusammenhangs mit dem
bessern halber, der Kultur unterworfen werden muss. Bildet der
schlechtre Boden Einschlüsse in den bessern, so gibt ihm der
bessre den Vortheil der Lage gegen fruchtbareres Land, das nicht
im Zusammenhang mit dem bereits der Kultur unterworfnen oder
zu unterwerfenden steht.
So war der Staat Michigan einer der ersten der westlichen
Staaten, der kornausführend wurde. Sein Boden ist im ganzen
arm. Aber seine Nachbarschaft zum Staate New-York und seine
Wasserverbindungen vermittelst der Seen und des Erie-Kanals gaben
ihm zunächst den Vorzug vor den von Natur fruchtbareren, weiter
westlich gelegnen Staaten. Das Beispiel dieses Staats, im Vergleich
zum Staat New-York zeigt uns auch den Uebergang von besserm zu
schlechtern Boden. Der Boden des Staates New-York, namentlich der
westliche Theil, ist ungleich fruchtbarer, besonders für den Weizen-
bau. Durch Raubbau wurde dieser fruchtbare Boden unfruchtbar
gemacht, und nun erschien der Boden von Michigan fruchtbarer.
„1836 wurde Weizenmehl in Buffalo nach dem Westen ver-
schifft, hauptsächlich von der Weizenregion von New-York und
Ober-Canada. Gegenwärtig, nach nur 12 Jahren, werden unge-
heure Vorräthe von Weizen und Mehl vom Westen hergebracht,
den Erie-See entlang, und auf dem Erie-Kanal, in Buffalo und
dem benachbarten Hafen Blackrock, nach Osten verschifft. Be-
sonders wurde der Export von Weizen und Mehl stimulirt durch
die europäische Hungersnoth von 1847. Dadurch wurde der Weizen
im westlichen New-York wohlfeiler, und der Weizenbau weniger
einträglich gemacht; dies veranlasste die New-Yorker Farmers sich
mehr auf Viehzucht und Milchwirthschaft, Obstbau u. s. w. zu
werfen, auf Zweige, worin nach ihrer Ansicht der Nordwesten
ausser Stande sein wird, direkt mit ihnen zu konkuriren.“ (J. W.
Johnston, Notes on North America. London 1851. I. p. 222.)
Drittens. Es ist eine falsche Voraussetzung, dass der Boden
in Kolonien und überhaupt in jungen Ländern, die Korn zu wohl-
feileren Preisen ausführen können, desswegen nothwendig von
grösserer natürlicher Fruchtbarkeit ist. Das Getreide wird hier
nicht nur unter seinem Werth, sondern unter seinem Produktions-
preis verkauft, nämlich unter dem durch die Durchschnittsprofitrate
in den ältern Ländern bestimmten Produktionspreis.
Marx, Kapital III. 2. 14
[210]
Wenn wir, wie Johnston sagt (p. 223) „gewohnt sind mit diesen
neuen Staaten, von denen solche grosse Zufuhren von Weizen
jährlich nach Buffalo kommen, die Vorstellung grosser natürlicher
Fruchtbarkeit und endloser Gebiete reichen Bodens zu verknüpfen,“
so hängt dies ab zunächst von ökonomischen Zuständen. Die ganze
Bevölkerung eines solchen Landes, wie z. B. Michigan, ist anfangs
fast ausschliesslich mit der Landwirthschaft beschäftigt, und nament-
lich mit deren Massenprodukten, die allein sie gegen Industrie-
waaren und tropische Produkte austauschen kann. Ihr ganzes
überschüssiges Produkt erscheint daher in der Gestalt von Korn.
Es unterscheidet dies von vornherein die auf Grundlage des modernen
Weltmarkts gegründeten Kolonialstaaten von denen früherer und
speciell der antiken Zeit. Sie erhalten fertig, durch den Welt-
markt, Produkte, die sie unter andern Umständen selbst schaffen
müssten, Kleidung, Werkzeuge etc. Nur auf solcher Grundlage
konnten die südlichen Staaten der Union Baumwolle zu ihrem
Hauptprodukt machen. Die Theilung der Arbeit auf dem Welt-
markt erlaubt ihnen das. Wenn sie daher, ihre Neuheit und die
relativ schwache Zahl ihrer Bevölkerung betrachtet, ein sehr grosses
überschüssiges Produkt zu produciren scheinen, so ist dies nicht
der Fruchtbarkeit ihres Bodens geschuldet, auch nicht der Frucht-
barkeit ihrer Arbeit, sondern der einseitigen Form ihrer Arbeit,
und daher des überschüssigen Produkts, worin diese sich darstellt.
Ferner aber hat relativ weniger fruchtbarer Ackerboden, der
aber erst neu bebaut wird und noch durch keine Kultur beleckt
war, bei nicht durchaus ungünstigen klimatischen Verhältnissen,
wenigstens in den obern Schichten soviel leichtlösliche Pflanzen-
nährstoffe aufgehäuft, dass er für längre Zeit Ernten ohne Düngung
gibt, und zwar bei schon ganz oberflächlicher Bebauung. Bei den
westlichen Prairien kommt hinzu, dass sie kaum irgend welche Ur-
barmachungskosten erheischen, sondern die Natur sie urbar gemacht
hat.33) In minder fruchtbaren Gebieten dieser Art kommt der
Ueberschuss heraus, nicht durch die hohe Fruchtbarkeit des Bodens,
[211] also durch den Ertrag per Acre, sondern durch die Masse der
Acres, die in oberflächlicher Weise bebaut werden kann, da dieser
Boden dem Bebauer nichts, oder, mit ältern Ländern verglichen,
nur verschwindend wenig kostet. Z. B. wo der Metairie-Vertrag
existirt, wie in Theilen von New-York, Michigan, Canada etc.
Eine Familie bebaut oberflächlich, sage 100 Acres, und obgleich
das Produkt per Acre nicht gross, gewährt das von 100 Acres
einen bedeutenden Ueberschuss zum Verkauf. Dazu kommt noch
die fast kostenlose Viehhaltung auf natürlichen Weiden, ohne künst-
liche Graswiesen. Was hier entscheidet, ist nicht die Qualität, sondern
die Quantität des Bodens. Die Möglichkeit dieser oberflächlichen
Bebauung wird natürlich mehr oder minder rasch erschöpft im
umgekehrten Verhältniss zur Fruchtbarkeit des neuen Bodens, und
im direkten Verhältniss zur Ausfuhr seines Produkts. „Und den-
noch wird solch ein Land ausgezeichnete erste Ernten geben, selbst
von Weizen; wer den ersten Rahm vom Boden abschöpft, wird
einen reichlichen Ueberschuss von Weizen zu Markte senden können.“
(l. c., p. 224.) In Ländern älterer Kultur machen die Eigenthums-
verhältnisse, der durch den Preis des bebauten Bodens bestimmte
Preis des unbebauten u. s. w., derartige extensive Wirthschaft un-
möglich.
Dass desswegen weder, wie Ricardo sich dies vorstellt, dieser
Boden sehr fruchtbar sein muss, noch nur Bodenarten gleicher
Fruchtbarkeit bebaut werden, ersieht man aus folgendem: Im Staat
Michigan wurden 1848 mit Weizen besät 465900 Acres und pro-
ducirten 4739300 Bushels, oder im Durchschnitt 10⅕ Bushels
per Acre; dies ergibt nach Abzug des Saatkorns weniger als
9 Bushel per Acre. Von den 29 Counties des Staats producirten
2 durchschnittlich 7 Bush., 3—8, 2—9, 7—10, 6—11, 3—12,
4—13 Bush., und nur eine 16, und eine andre 18 Bush. per Acre.
(l. c., p. 226.)
Für die praktische Kultur fällt höhere Fruchtbarkeit des Bodens
zusammen mit höherer sofortiger Ausnutzbarkeit dieser Fruchtbar-
keit. Die letztre kann bei einem von Natur armen Boden grösser
sein als bei einem von Natur reichen; es ist aber die Sorte Boden,
wozu der Kolonist zunächst greifen wird, und bei Ermanglung
von Kapital greifen muss.
Endlich: Die Ausdehnung der Kultur auf grössre Bodenflächen
— abgesehn von dem eben betrachteten Fall, wo zu schlechterem
Boden Zuflucht genommen werden muss als dem bisher bebauten
— auf den verschiednen Bodenarten von A bis D, also z. B. die
14*
[212] Bebauung grösserer Flächen von B und C, setzt keineswegs vor-
heriges Steigen der Getreidepreise voraus, sowenig wie die jähr-
lich vorangehende Erweiterung z. B. der Baumwollspinnerei ein
fortwährendes Steigen der Garnpreise erheischt. Obgleich bedeu-
tendes Steigen oder Fallen der Marktpreise auf den Produktions-
umfang einwirkt, so findet doch, hiervon abgesehn, auch bei den
Durchschnittspreisen, deren Stand auf die Produktion weder hem-
mend noch ausnahmsweis ermunternd wirkt, in der Agrikultur (wie
in allen andren Produktionszweigen, die kapitalistisch betrieben
werden) fortwährend jene relative Ueberproduktion statt, die an
sich identisch ist mit der Akkumulation, und die bei andrer Pro-
duktionsweise direkt durch die Vermehrung der Bevölkerung, und
in Kolonien durch fortwährende Einwanderung bewirkt wird. Der
Bedarf wächst beständig, und in dieser Voraussicht wird fort-
während neues Kapital in neuem Boden angelegt; obgleich je nach
Umständen für verschiedne Bodenprodukte. Es ist die Bildung
neuer Kapitale, die dies an und für sich mit sich bringt. Was
aber den einzelnen Kapitalisten betrifft, so misst er den Umfang
seiner Produktion durch den seines disponiblen Kapitals, soweit er
es noch selbst überwachen kann. Was er im Auge hat ist, soviel
Platz wie möglich auf dem Markt einzunehmen. Wird über-
producirt, so schiebt er die Schuld nicht sich, sondern seinen Kon-
kurrenten zu. Der einzelne Kapitalist kann seine Produktion aus-
dehnen, ebensowohl indem er einen grössern aliquoten Theil des
gegebnen Markts sich aneignet, als indem er den Markt selbst
erweitert.
Vierzigstes Kapitel.
Zweite Form der Differentialrente (Differentialrente II).
Wir haben bisher die Differentialrente nur betrachtet als das
Resultat der verschiednen Produktivität gleicher Kapitalanlagen
auf gleichen Bodenflächen von verschiedner Fruchtbarkeit, sodass
die Differentialrente bestimmt war durch die Differenz zwischen
dem Ertrag des Kapitals, das im schlechtesten, rentelosen Boden
angelegt ist, und dem des Kapitals, das im bessern angelegt ist.
Wir hatten hier die Kapitalanlagen neben einander auf verschied-
nen Bodenflächen, sodass jeder Neuanlage von Kapital extensivere
Bebauung des Bodens, Erweiterung der bebauten Bodenfläche ent-
sprach. Aber schliesslich war die Differentialrente der Sache nach
nur das Resultat der verschiednen Produktivität gleicher Kapitale,
[213] die auf den Grund und Boden angelegt werden. Kann es nun
einen Unterschied machen, wenn Kapitalmassen mit verschiedner
Produktivität nach einander auf demselben Bodenstück, und wenn
sie neben einander auf verschiednen Bodenstücken angelegt werden,
vorausgesetzt nur, dass die Resultate dieselben sind?
Zunächst ist nicht zu leugnen dass, soweit die Bildung von Sur-
plusprofit in Betracht kommt, es einerlei ist, ob 3 £ Produktions-
kosten auf den Acre von A gelegt, 1 qr. ergeben, sodass 3 £ der
Produktionspreis und der regulirende Marktpreis für 1 qr. sind,
während 3 £ Produktionskosten auf den Acre von B 2 qrs., und
damit einen Surplusprofit von 3 £, ebenso Produktionskosten von
3 £ auf den Acre von C 3 qrs. und 6 £ Surplusprofit, endlich
3 £ Produktionskosten auf den Acre von D 4 qrs. und 9 £ Sur-
plusprofit ergeben; oder ob dasselbe Resultat dadurch erreicht
wird, dass diese 12 £ Produktionskosten, resp. 10 £ Kapital, mit
diesen selben Erfolgen in derselben Reihenfolge auf einen und
denselben Acre angewandt sind. Es ist jedesmal ein Kapital von
10 £, von dessen successive angelegten Werththeilen von je 2½ £,
ob sie angelegt werden auf 4 Acres von verschiedner Fruchtbarkeit
neben einander, oder auf einen und denselben Acre nach einander, in
Folge ihres verschiednen Produkts ein Theil keinen Surplusprofit ab-
wirft, während die andren Theile einen Surplusprofit, im Verhältniss
der Differenz ihres Ertrags über den jener rentelosen Anlage geben.
Die Surplusprofite und verschiednen Raten von Surplusprofit für
verschiedne Werththeile von Kapital werden in beiden Fällen
gleichmäßig gebildet. Und die Rente ist nichts als eine Form
dieses Surplusprofits, der ihre Substanz bildet. Aber jedenfalls
finden bei der zweiten Methode Schwierigkeiten statt für die Ver-
wandlung des Surplusprofits in Rente, für diese Formveränderung,
die die Uebertragung der Surplusprofite vom kapitalistischen Pächter
auf den Eigenthümer des Bodens einschliesst. Daher das hart-
näckige Sträuben der englischen Pächter gegen eine officielle
Agrikulturstatistik. Daher der Kampf zwischen ihnen und den
Grundeigenthümern wegen der Feststellung der wirklichen Ergeb-
nisse ihrer Kapitalanlage. (Morton.) Es wird nämlich die Rente
bei Pachtung der Ländereien festgesetzt, wonach dann die aus der
successiven Anlage von Kapital entspringenden Surplusprofite in
die Tasche des Pächters fliessen, so lange der Pachtkontrakt dauert.
Daher der Kampf der Pächter um lange Pachtkontrakte, und um-
gekehrt die Vermehrung der jährlich kündbaren Kontrakte (tenan-
cies at will) durch die Uebermacht der Landlords.
[214]
Es ist daher von vornherein klar: wenn es auch für das Gesetz
der Bildung der Surplusprofite nichts ändert, ob gleiche Kapitale
mit ungleichen Resultaten neben einander auf gleichgrossen Boden-
strecken, oder ob sie nach einander auf demselben Bodentheil an-
gelegt werden, so macht es dennoch einen bedeutenden Unterschied
für die Verwandlung der Surplusprofite in Grundrente. Die letztere
Methode schliesst diese Verwandlung in einerseits engere, andrer-
seits schwankendere Grenzen ein. Daher in Ländern intensiver
Kultur (und ökonomisch verstehn wir unter intensiver Kultur nichts
als die Koncentration von Kapital auf denselben Bodentheil, statt
seiner Vertheilung auf neben einander liegende Bodenstrecken) das
Geschäft des Taxators, wie Morton dies in seinen „Resources of
Estates“ entwickelt, eine sehr wichtige, komplicirte und schwierige
Profession wird. Bei mehr permanenten Bodenverbesserungen fällt,
bei Ablauf des Pachtkontrakts, die künstlich erhöhte Differential-
fruchtbarkeit des Bodens mit seiner natürlichen zusammen, und
daher die Abschätzung der Rente mit der zwischen Bodenarten
verschiedner Fruchtbarkeit überhaupt. Dagegen, soweit die Bil-
dung von Surplusprofit durch die Höhe des Betriebskapitals be-
stimmt ist, wird die Höhe der Rente bei gewisser Grösse des Be-
triebskapitals auf die Durchschnittsrente des Landes geschlagen
und daher darauf gesehn, dass der neue Pächter über hinreichen-
des Kapital verfügt, um die Kultur in derselben intensiven Weise
fortzusetzen.
Bei der Betrachtung der Differentialrente II sind nun folgende
Punkte noch hervorzuheben:
Erstens: Ihre Basis und ihr Ausgangspunkt, nicht nur historisch,
sondern soweit es ihre Bewegung in jedem gegebnen Zeitpunkt
betrifft, ist die Differentialrente I, d. h. die gleichzeitige Bebauung,
neben einander, von Bodenarten verschiedner Fruchtbarkeit und
Lage; also die gleichzeitige Anwendung, neben einander, von ver-
schiednen Bestandtheilen des agrikolen Gesammtkapitals auf Boden-
strecken verschiedner Qualität.
Historisch vesteht sich dies von selbst. In Kolonien haben die
Kolonisten nur wenig Kapital anzulegen; die Hauptproduktions-
agenten sind Arbeit und Erde. Jedes einzelne Familienhaupt sucht
für sich und die Seinigen ein unabhängiges Beschäftigungs-
feld, neben denen seiner Mitkolonisten, herauszuarbeiten. Dies
muss überhaupt bei der eigentlichen Agrikultur auch schon bei
vorkapitalistischen Produktionsweisen der Fall sein. Bei Schaf-
[215] weide und überhaupt Viehzucht als selbständigen Produktions-
zweigen findet mehr oder minder gemeinschaftliche Exploitation
des Bodens statt, und ist sie von vornherein extensiv. Die kapi-
talistische Produktionsweise geht aus von frühern Produktions-
weisen, worin die Produktionsmittel, thatsächlich oder rechtlich,
das Eigenthum des Bebauers selbst sind, mit einem Wort vom
handwerksmäßigen Betrieb der Agrikultur. Der Natur der Sache
nach entwickelt sich aus diesem erst allmälig die Koncentration
der Produktionsmittel und ihre Verwandlung in Kapital gegenüber
den in Lohnarbeiter verwandelten unmittelbaren Producenten. So-
weit die kapitalistische Produktionsweise hier charakteristisch auf-
tritt, geschieht dies anfänglich zuerst besonders in Schafweide und
Viehzucht; sodann aber nicht in Koncentration des Kapitals auf
relativ kleinem Bodenumfang, sondern in Produktion auf grössrem
Maßstab, sodass an Pferdehaltung und andren Produktionskosten
gespart wird; in der That aber nicht durch Anwendung von mehr
Kapital auf demselben Boden. Es liegt ferner in den Naturgesetzen
des Feldbaus, dass bei einer gewissen Höhe der Kultur und ihr
entsprechender Erschöpfung des Bodens das Kapital, hier zugleich
in dem Sinn schon producirter Produktionsmittel, das entscheidende
Element der Bodenkultur wird. Solange das bebaute Land eine
relativ kleine Strecke bildet im Verhältniss zum unbebauten, und
die Bodenkraft noch nicht erschöpft ist (und dies ist der Fall bei
Vorwalten der Viehzucht und der Fleischnahrung in der Periode
vor dem Ueberwiegen des eigentlichen Ackerbaus und der Pflanzen-
nahrung), tritt die beginnende neue Produktionsweise der Bauern-
produktion gegenüber namentlich durch den Umfang der Boden-
fläche, die für Rechnung Eines Kapitalisten bebaut wird, also selbst
wieder durch extensive Anwendung des Kapitals auf räumlich
grössrer Bodenfläche. Es ist also von vornherein festzuhalten, dass
die Differentialrente I die geschichtliche Grundlage ist, von der
ausgegangen wird. Andrerseits tritt die Bewegung der Differential-
rente II in jedem gegebnen Augenblick nur ein auf einem Gebiet,
das selbst wieder die buntscheckige Grundlage der Differential-
rente I bildet.
Zweitens. Bei der Differentialrente in der Form II treten, zur
Verschiedenheit der Fruchtbarkeit, hinzu die Unterschiede in der
Vertheilung des Kapitals (und der Kreditfähigkeit) unter den
Pächtern. In der eigentlichen Manufaktur bildet sich bald für
jeden Geschäftszweig ein eignes Minimum des Geschäftsumfangs,
und dementsprechend ein Minimum des Kapitals, unter dem ein
[216] einzelnes Geschäft nicht mit Erfolg betrieben werden kann. Es
bildet sich ebenso in jedem Geschäftszweig ein dies Minimum über-
schreitendes, normales Durchschnittsmaß von Kapital, worüber die
Masse der Producenten verfügen muss und verfügt. Was darüber
ist, kann Extraprofit bilden; was darunter, erhält nicht den Durch-
schnittsprofit. Die kapitalistische Produktionsweise ergreift nur
langsam und ungleichmäßig die Landwirthschaft, wie man in Eng-
land sehn kann, dem klassischen Lande der kapitalistischen Pro-
duktionsweise in der Agrikultur. Soweit keine freie Korneinfuhr
existirt, oder ihre Wirkung, weil ihr Umfang, nur beschränkt ist,
bestimmen die Producenten, die auf schlechterm Boden, also mit
ungünstigeren als den Durchschnitts-Produktionsbedingungen ar-
beiten, den Marktpreis. Ein grosser Theil der in der Landwirth-
schaft angewandten und überhaupt ihr zur Verfügung stehenden
Gesammtmasse von Kapital befindet sich in ihren Händen.
Es ist richtig, dass z. B. der Bauer auf seine kleine Parcelle
viel Arbeit verwendet. Aber isolirte und der objektiven, sowohl
gesellschaftlichen wie materiellen Bedingungen der Produktivität
beraubte, von ihnen entblösste Arbeit.
Dieser Umstand bewirkt, dass die wirklichen kapitalistischen
Pächter fähig sind, sich einen Theil des Surplusprofits anzueignen;
dies würde wegfallen, wenigstens soweit dieser Punkt in Betracht
kommt, wäre die kapitalistische Produktionsweise in der Landwirth-
schaft ebenso gleichmäßig entwickelt wie in der Manufaktur.
Betrachten wir zunächst bloss die Bildung des Surplusprofits bei
Differentialrente II, ohne uns noch um die Bedingungen zu kümmern,
unter denen die Verwandlung dieses Surplusprofits in Grundrente
vorgehn kann.
Es ist dann klar, dass die Differentialrente II nur ein ver-
schiedner Ausdruck der Differentialrente I ist, aber der Sache nach
mit ihr zusammenfällt. Die verschiedne Fruchtbarkeit der ver-
schiednen Bodenarten wirkt bei Differentialrente I nur soweit sie
bewirkt, dass auf den Boden angelegte Kapitale ungleiche Resultate,
Produkte geben, entweder bei gleicher Grösse der Kapitale oder
ihrer proportionellen Grösse nach betrachtet. Ob diese Ungleich-
heit stattfindet für verschiedne Kapitale, die auf demselben Boden-
stück nach einander angelegt sind oder für solche, die auf mehrere
Stücke von verschiednen Bodenarten verwandt wurden, kann an
der Differenz der Fruchtbarkeit, oder ihres Produkts, und daher
an der Bildung der Differentialrente für die fruchtbarer angelegten
Kapitaltheile keinen Unterschied machen. Es ist nach wie vor
[217] der Boden, der bei gleicher Kapitalanlage verschiedne Fruchtbar-
keit zeigt, nur dass hier derselbe Boden für ein in verschiednen
Portionen successiv angelegtes Kapital thut, was bei I verschiedne
Bodenarten für verschiedne gleich grosse, auf sie angelegte Theile
des gesellschaftlichen Kapitals thun.
Wenn dasselbe Kapital von 10 £, was in Tabelle I in der Ge-
stalt selbständiger Kapitale von je 2½ £ von verschiednen Pächtern
auf je einen Acre der vier Bodenarten A, B, C und D angelegt
ist, statt dessen auf einen und denselben Acre von D successiv
angelegt wäre, sodass die erste Anlage 4 qrs., die zweite 3, die
dritte 2, die letzte 1 qr. gäbe (oder auch in umgekehrter Reihen-
folge) so würde der Preis des einen qr. = 3 £, den der mindest-
ergiebige Kapitaltheil liefert, keine Differentialrente abwerfen,
sondern den Produktionspreis bestimmen, solange noch Zufuhr von
Weizen nöthig, dessen Produktionspreis 3 £ ist. Und da der Voraus-
setzung nach kapitalistisch producirt wird, also der Preis von 3 £
den Durchschnittsprofit einschliesst, den ein Kapital von 2½ £
überhaupt abwirft, so werden die drei andern Portionen von je
2½ £ Surplusprofite abwerfen, je nach der Differenz dieses Pro-
dukts, da dies Produkt nicht zu seinem Produktionspreis, sondern
zum Produktionspreis der unergiebigsten Anlage von 2½ £ ver-
kauft wird; einer Anlage, die keine Rente abwirft, und bei der
der Preis des Produkts nach dem allgemeinen Gesetz der Produk-
tionspreise regulirt ist. Die Bildung der Surplusprofite wäre die-
selbe wie in Tabelle I.
Es zeigt sich hier wiederum, dass die Differentialrente II die
Differentialrente I voraussetzt. Das Minimum von Produkt, das
ein Kapital von 2½ £ abwirft, d. h. auf dem schlechtesten Boden
abwirft, ist hier angenommen als 1 qr. Gesetzt also, der Pächter
der Bodenart D verwendet ausser den 2½ £, die ihm 4 qrs. ab-
werfen und wofür er 3 qrs. Differentialrente zahlt, auf denselben
Boden 2½ £, die ihm nur 1 qr. abwerfen, wie das gleiche Kapital
auf dem schlechtesten Boden A. In diesem Fall wäre dies rente-
lose Kapitanlalage, da ihm nur der Durchschnittsprofit abgeworfen
würde. Es wäre kein Surplusprofit da, um sich in Rente zu ver-
wandeln. Andrerseits hätte aber auch dieser abnehmende Ertrag
der zweiten Kapitalanlage auf D keine Wirkung auf die Profitrate.
Es wäre dasselbe, als ob 2½ £ auf einen weitern Acre der Boden-
art A neu angelegt worden, ein Umstand der in keiner Weise den
Surplusprofit, also auch nicht die Differentialrente der Bodenarten
A, B, C, D afficirt. Für den Pächter aber wäre diese zusätzliche
[218] Anlage von 2½ £ auf D geradeso vortheilhaft gewesen, wie ihm
der Voraussetzung nach die Anlage der ursprünglichen 2½ £ auf
den Acre D ist, obgleich diese 4 qrs. abwirft. Geben ihm ferner
zwei weitre Kapitalanlagen von je 2½ £ die erste 3, die zweite
2 qrs. zusätzliches Produkt, so hätte wieder Abnahme stattgefunden,
verglichen mit dem Ertrag der ersten Anlage von 2½ £ auf D,
die 4 qrs. gab, daher einen Surplusprofit von 3 qrs. Aber es
wäre nur eine Abnahme in der Höhe des Surplusprofits, und würde
weder den Durchschnittsprofit, noch den regulirenden Produktions-
preis afficiren. Dies wäre nur der Fall, wenn die zuschüssige Pro-
duktion, welche diese fallenden Surplusprofite abwirft, die Pro-
duktion von A überflüssig machte und damit den Acre A ausser
Bebauung würfe. In diesem Fall wäre mit der abnehmenden
Fruchtbarkeit der zusätzlichen Kapitalanlage auf dem Acre D ein
Fallen des Produktionspreises verbunden, z. B. von 3 £ auf 1½ £,
wenn der Acre B der rentelose, den Marktpreis regulirende Boden
würde.
Das Produkt auf D wäre jetzt = 4 + 1 + 3 + 2 = 10 qrs.,
während es früher = 4 qrs. war. Der durch B regulirte Preis
des qr. wäre aber gefallen auf 1½ £. Die Differenz zwischen D
und B wäre = 10—2 = 8 qrs., zu 1½ £ per qr. = 12 £, während
die Geldrente auf D früher = 9 £ war. Dies ist zu merken. Auf
den Acre gerechnet, wäre die Höhe der Rente gestiegen um 33⅓ %,
trotz der abnehmenden Rate der Surplusprofite auf die zwei zu-
sätzlichen Kapitale von je 2½ £.
Man sieht hieraus, zu welchen sehr komplicirten Kombinationen
die Differentialrente überhaupt, und namentlich in Form II zu-
sammen mit Form I, Anlass gibt, während z. B. Ricardo sie ganz
einseitig, und als einfache Sache behandelt. Man hat z. B. wie
oben Sinken des regulirenden Marktpreises und zugleich Wachsen
der Rente auf den fruchtbaren Ländereien, sodass sowohl absolutes
Produkt wie absolutes Surplusprodukt wächst. (Bei der Differential-
rente I in absteigender Linie kann das relative Surplusprodukt und
daher die Rente per Acre wachsen, obgleich das absolute Surplus-
produkt per Acre konstant bleibt oder selbst abnimmt.) Aber zu-
gleich nimmt die Fruchtbarkeit der nach einander auf denselben
Boden gemachten Kapitalanlagen ab, obgleich ein grosser Theil
davon auf die fruchtbareren Ländereien fällt. Von einem Gesichts-
punkt aus betrachtet — sowohl was Produkt wie Produktions-
preise angeht — ist die Produktivität der Arbeit gestiegen. Von
einem andern aus betrachtet hat sie abgenommen, weil die Rate
[219] des Surplusprofits und das Surplusprodukt per Acre für die ver-
schiednen Kapitalanlagen auf demselben Boden abnimmt.
Die Differentialrente II, bei abnehmender Fruchtbarkeit der suc-
cessiven Kapitalanlagen, wäre nur dann nothwendig mit Vertheuerung
des Produktionspreises und absoluter Abnahme der Produktivität
verbunden, wenn diese Kapitalanlagen nur auf den schlechtesten
Boden A geschehn könnten. Wenn der Acre von A, der mit 2½ £
Kapitalanlage 1 qr. zum Produktionspreis von 3 £ ergab, bei
weitrer Anlage von 2½ £, also Gesammtanlage von 5 £, insge-
sammt nur 1½ qrs. liefert, so ist der Produktionspreis dieser
1½ qrs. = 6 £, also der eines qr. = 4 £. Jede Abnahme der
Produktivität bei wachsender Kapitalanlage wäre hier relative Ver-
minderung des Produkts per Acre, während sie auf den bessern
Bodenarten nur Verminderung des überschüssigen Surplusprodukts ist.
Dis Natur der Sache aber bringt es mit sich, dass mit Entwick-
lung der intensiven Kultur, d. h. mit successiven Kapitalanlagen
auf demselben Boden, es vorzugsweise die bessern Bodenarten sind,
wo dies stattfindet oder in höherm Grade stattfindet. (Wir sprechen
nicht von den permanenten Verbesserungen, wodurch bisher un-
brauchbarer Boden in brauchbaren verwandelt wird.) Die ab-
nehmende Fruchtbarkeit der successiven Kapitalanlagen muss also
hauptsächlich in der beschriebnen Weise wirken. Der bessere
Boden wird dazu gewählt, weil er die meiste Aussicht bietet, dass
sich das darauf verwandte Kapital rentirt, indem er die meisten
natürlichen Elemente der Fruchtbarkeit enthält, die es sich nur
handelt nutzbar zu machen.
Als nach Aufhebung der Korngesetze die Kultur in England
noch intensiver gemacht wurde, wurde eine Masse früheres Weizen-
land zu andren Zwecken, namentlich zu Viehweide verwandt, da-
gegen die für Weizen passendsten fruchtbaren Landstrecken drainirt
und sonst verbessert; das Kapital für Weizenkultur wurde so auf
ein engeres Gebiet koncentrirt.
In diesem Fall — und alle möglichen Surplusraten, die zwischen
dem höchsten Surplusprodukt des besten Landes und dem Produkt
des rentelosen Bodens A liegen, fallen hier zusammen nicht mit
relativer, sondern mit absoluter Vermehrung des Surplusprodukts
per Acre — stellt der neugebildete Surplusprofit (eventuell Rente)
nicht in Rente verwandelten Theil von früherm Durchschnittsprofit
dar (Theil von dem Produkt worin sich früher der Durchschnitts-
profit darstellte) sondern zuschüssigen Surplusprofit, der sich aus
dieser Form in Rente verwandelte.
[220]
Dagegen nur in dem Fall, wo die Nachfrage nach Getreide so
wüchse, dass der Marktpreis über den Produktionspreis von A
stiege, und desswegen auf A, B oder irgend einer andren Klasse
das Surplusprodukt nur zu einem höheren Preise als 3 £ geliefert
werden könnte, nur in diesem Fall wäre mit der Abnahme des
Ergebnisses einer zusätzlichen Kapitalanlage auf irgend eine der
Klassen A, B, C, D, Steigen des Produktionspreises und des regu-
lirenden Marktpreises verbunden. Soweit dies für längre Zeit
sich festsetzte und nicht Kultur von zusätzlichem Boden A (von
wenigstens der Qualität A) ins Leben riefe, oder sonstige Einwir-
kungen eine wohlfeilere Zufuhr herbeiführten, würde bei sonst
gleichbleibenden Umständen der Arbeitslohn in Folge der Brod-
vertheurung steigen und die Profitrate dementsprechend fallen.
In diesem Falle wäre es gleichgültig, ob die gestiegne Nachfrage
befriedigt würde durch Heranziehung von schlechterm Boden als
A, oder durch zuschüssige Kapitalanlage, einerlei auf welche der
vier Bodenarten. Die Differentialrente würde steigen in [Verbin-
dung] mit fallender Profitrate.
Dieser eine Fall, worin die abnehmende Fruchtbarkeit der auf
den bereits in Kultur befindlichen Bodenarten nachträglich zuge-
setzten Kapitale zu Steigerung des Produktionspreises, Fall der
Profitrate, und Bildung erhöhter Differentialrente führen kann —
denn diese würde unter den gegebnen Umständen auf allen Boden-
arten ganz so steigen, als ob schlechterer Boden als A jetzt den
Marktpreis regulirte — ist von Ricardo zum einzigen Fall, zum
normalen Fall gestempelt worden, worauf er die ganze Bildung der
Differentialrente II reducirt.
Es wäre dies auch der Fall, wenn nur die Bodenart A bebaut
wäre, und successive Kapitalanlagen auf derselben nicht mit pro-
portionellem Zuwachs des Produkts verbunden wären.
Hier wird also bei Differentialrente II die Differentialrente I
ganz aus dem Gedächtniss verloren.
Mit Ausnahme dieses Falls, wo entweder die Zufuhr auf den
bebauten Bodenarten nicht genügt, und daher der Marktpreis
fortwährend über dem Produktionspreis steht, bis neuer zu-
sätzlicher, schlechterer Boden in Anbau genommen ist, oder bis
das Gesammtprodukt des auf die verschiednen Bodenarten an-
gelegten zusätzlichen Kapitals nur zu höherm Produktionspreis
als dem bisher geltenden geliefert werden kann — mit Ausnahme
dieses Falls lässt die proportionelle Abnahme in der Produk-
tivität der zusätzlichen Kapitale den regulirenden Produktions-
[221] preis und die Profitrate unberührt. Im übrigen sind drei fernere
Fälle möglich:
a) Wirft das zusätzliche Kapital auf irgend einer der Bodenarten
A, B, C, D nur die durch den Produktionspreis von A bestimmte
Profitrate ab, so wird dadurch kein Surplusprofit, also auch keine
mögliche Rente gebildet; so wenig als wenn zusätzlicher Boden
A bebaut worden wäre.
b) Wirft das zusätzliche Kapital höheres Produkt ab, so wird
selbstverständlich neuer Surplusprofit (potentielle Rente) gebildet,
wenn der regulirende Preis derselbe bleibt. Dies ist nicht noth-
wendig der Fall, nämlich dann nicht, wenn diese zusätzliche Pro-
duktion den Boden A ausser Bebauung und damit aus der Reihe
der konkurrirenden Bodenarten wirft. In diesem Fall fällt der
regulirende Produktionspreis. Die Profitrate würde steigen, wenn
hiermit Fallen des Arbeitlohns verbunden wäre, oder wenn das
wohlfeilere Produkt als Element in das konstante Kapital eingeht.
Hätte die erhöhte Produktivität des zusätzlichen Kapitals auf den
besten Bodenarten C und D stattgefunden, so hinge es ganz ab
von der Höhe der gesteigerten Produktivität und der Masse der
neuzugesetzten Kapitale, wie weit Bildung von vermehrtem Sur-
plusprofit (also von vermehrter Rente) verbunden wäre mit dem
Fall des Preises und dem Steigen der Profitrate. Diese letztre
kann steigen auch ohne Fall des Arbeitslohns, durch Verwohl-
feilerung der Elemente des konstanten Kapitals.
c) Findet die zusätzliche Kapitalanlage mit abnehmenden Sur-
plusprofiten statt, doch so dass ihr Produkt einen Ueberschuss
lässt über das Produkt desselben Kapitals auf Boden A, so findet,
wenn die vermehrte Zufuhr nicht den Boden A ausser Bebauung
wirft, unter allen Umständen Neubildung von Surplusprofiten statt,
die auf D, C, B, A gleichzeitig stattfinden kann. Wird dagegen
der schlechteste Boden A aus der Bebauung verdrängt, so fällt
der regulirende Produktionspreis, und es hängt von dem Verhält-
niss zwischen dem verminderten Preis eines qr. und der vermehrten
Zahl der den Surplusprofit bildenden qrs. ab, ob der in Geld aus-
gedrückte Surplusprofit und daher die Differentialrente steigt oder
fällt. Aber jedenfalls zeigt sich hier das merkwürdige, dass mit
abnehmenden Surplusprofiten successiver Kapitalanlagen der Pro-
duktionspreis fallen kann, statt steigen zu müssen, wie es auf den
ersten Blick scheint.
Diese zusätzlichen Kapitalanlagen mit abnehmenden Mehrerträgen
entsprechen ganz dem Fall, in welchen auf Bodenarten, deren
[222] Fruchtbarkeit zwischen A und B, B und C, C und D z. B. vier
neue selbständige Kapitale von je 2½ £ angelegt würden, die
resp. 1½ qr., 2⅓, 2⅔ und 3 qrs. abwürfen. Es würden sich
auf allen diesen Bodenarten für alle vier zusätzlichen Kapitale Sur-
plusprofite, potentionelle Renten bilden, obgleich die Rate des Sur-
plusprofits, verglichen mit dem der gleichen Kapitalanlage auf den
jedesmal bessern Boden, abgenommen hätte. Und es wäre ganz
gleich, ob diese vier Kapitale auf D etc. angelegt, oder vertheilt
würden zwischen D und A.
Wir kommen jetzt zu einem wesentlichen Unterschied zwischen
den beiden Formen der Differentialrente.
Bei gleichbleibendem Produktionspreis und gleichbleibenden Diffe-
renzen kann bei Differentialrente I mit dem Rental die Durch-
schnittsrente per Acre steigen oder die Durchschnittsrentrate aufs
Kapital; aber der Durchschnitt ist nur eine Abstraktion. Die
wirkliche Rentenhöhe, per Acre oder aufs Kapital gerechnet, bleibt
hier dieselbe.
Dagegen kann unter denselben Voraussetzungen die Höhe der
Rente, gemessen am Acre, steigen, obgleich die Rentrate, gemessen
am ausgelegten Kapital, dieselbe bleibt.
Nimm an die Produktion verdopple sich dadurch, dass auf A,
B, C, D statt je 2½ £ je 5 £, also statt 10 zusammen 20 £
Kapital angelegt würde, mit gleichbleibender relativer Fruchtbar-
keit. Es wäre dies ganz dasselbe, als ob von jeder dieser Boden-
arten 2 Acres statt 1, und zwar zu gleichbleibenden Kosten, be-
baut würden. Die Profitrate bliebe dieselbe, und ebenso ihr Ver-
hältniss zum Surplusprofit oder der Rente. Wenn aber A jetzt
2 qrs. trüge, B 4, C 6, D 8, so bliebe, da dieser Zuwachs nicht
verdoppelter Fruchtbarkeit bei gleichbleibendem Kapital, sondern
gleichbleibender proportioneller Fruchtbarkeit bei verdoppeltem
Kapital geschuldet, der Produktionspreis nach wie vor 3 £ per qr.
Die 2 qrs. von A würden jetzt 6 £ kosten, wie früher 1 qr. 3 £.
Der Profit hätte sich auf allen 4 Bodenarten verdoppelt, aber nur,
weil das ausgelegte Kapital. Aber in demselben Verhältniss hätte
sich die Rente verdoppelt; sie wäre 2 qrs. für B statt 1, 4 für C
statt 2, und 6 für D statt 3; und dementsprechend die Geldrente
für B, C, D resp. 6 £, 12 £, 18 £. Wie das Produkt per Acre,
hätte sich die Geldrente per Acre verdoppelt, also auch der Boden-
preis, worin diese Geldrente kapitalisirt wird. So berechnet, steigt
die Höhe der Korn- und Geldrente, und daher der Bodenpreis,
weil der Maßstab, worin er berechnet wird, der Acre, ein Bodenstück
[223] von konstanter Grösse ist. Dagegen als Rentrate mit Beziehung
auf das ausgelegte Kapital berechnet, hat kein Wechsel stattge-
funden in der proportionellen Höhe der Rente. Das Gesammt-
rental von 36 verhält sich zum ausgelegten Kapital von 20 wie
sich das Rental von 18 zum ausgelegten Kapital von 10 verhielt.
Dasselbe gilt für das Verhältniss der Geldrente jeder Bodenart zu
dem in ihr ausgelegten Kapital; so z. B. in C verhalten sich 12 £
Rente zu 5 £ Kapital wie früher 6 £ Rente zu 2½ £ Kapital.
Es entstehn hier keine neuen Differenzen zwischen den ausgelegten
Kapitalen, aber es entstehn neue Surplusprofite, bloss weil das zu-
sätzliche Kapital auf irgend einer der Rente tragenden Bodenarten,
oder auf allen, mit demselben proportionellen Produkt angelegt
wird. Fände die doppelte Anlage z. B. nur auf C statt, so bliebe
die Differentialrente, aufs Kapital berechnet, zwischen C, B und D
dieselbe; denn wenn ihre Masse auf C sich verdoppelt, so auch
das angelegte Kapital.
Man sieht hieraus, dass bei gleichbleibendem Produktionspreis,
gleichbleibender Rate des Profits und gleichbleibenden Differenzen
(und daher gleichbleibender Rate des Surplusprofits oder der Rente,
gemessen am Kapital), die Höhe der Produkten- und Geldrente per
Acre, und daher der Bodenpreis steigen kann.
Dasselbe kann stattfinden bei abnehmenden Raten des Surplus-
profits und daher der Rente, d. h. bei abnehmender Produktivität
der immer noch Rente tragenden zusätzlichen Kapitalanlagen. Wenn
die zweiten Kapitalanlagen von 2½ £ nicht das Produkt ver-
doppelt hätten, sondern B nur 3½ qrs., C 5 und D 6 trüge, so
wäre die Differentialrente auf B für die zweiten 2½ £ Kapital
nur ½ qr. statt 1, auf C 1 statt 2, und auf D 2 statt 3. Die
Verhältnisse zwische Rente und Kapital für die beiden successiven
Anlagen würden sich stellen wie folgt:
Trotz dieser gefallnen Rate der relativen Produktivität des Kapi-
tals und daher des Surplusprofits, berechnet aufs Kapital, wäre die
Korn- und Geldrente gestiegen für B von 1 auf 1½ qr. (3 auf
4½ £), für C von 2 auf 3 qrs. (von 6 auf 9 £) und für D von
3 auf 5 qrs. (von 9 auf 15 £). In diesem Fall hätten die Diffe-
renzen für die zusätzlichen Kapitale, verglichen mit dem auf A
angelegten Kapital, abgenommen, der Produktionspreis wäre der-
[224] selbe geblieben, aber die Rente per Acre, und daher der Boden-
preis per Acre wäre gestiegen.
Die Kombinationen der Differentialrente II, welche als ihre Basis
die Differentialrente I voraussetzt, sind nun die folgenden.
Einundvierzigstes Kapitel.
Die Differentialrente II. Erster Fall: Konstanter
Produktionspreis.
Diese Voraussetzung schliesst ein, dass der Marktpreis nach wie
vor durch das auf dem schlechtesten Boden A angelegte Kapital
regulirt wird.
I. Wenn das auf irgend einer der Rente tragenden Bodenarten
B, C, D angelegte zuschüssige Kapital nur soviel producirt, wie
dasselbe Kapital auf Boden A, d. h. wenn es zum regulirenden
Produktionspreis nur den Durchschnittsprofit abwirft, also keinen
Surplusprofit, so ist die Wirkung auf die Rente gleich Null. Es
bleibt alles beim Alten. Es ist dasselbe, als wenn eine beliebige
Zahl Acres von der Qualität A, des schlechtesten Bodens, der bis-
her bebauten Fläche zugesetzt wäre.
II. Die zusätzlichen Kapitale bringen auf jeder verschiednen
Bodenart ihrer Grösse proportionelle, zuschüssige Produkte hervor;
d. h. die Grösse der Produktion wächst, je nach der specifischen
Fruchtbarkeit jeder Bodenart, proportionell zur Grösse des zu-
schüssigen Kapitals. Wir gingen in Kapitel XXXIX aus von der
folgenden Tabelle I:
Diese verwandelt sich jetzt in:
[225]Tabelle II.
Es ist hier nicht nöthig, dass, wie in der Tabelle, die Kapital-
anlage sich auf allen Bodenarten verdoppelt. Das Gesetz ist das-
selbe, sobald nur auf irgend einer, oder mehreren, der Rente tragen-
den Bodenarten zuschüssiges Kapital angewandt wird, gleichviel in
welcher Proportion. Was nöthig ist, ist nur, dass auf jeder Boden-
art die Produktion sich im selben Verhältniss vermehrt wie das
Kapital. Die Rente steigt hier bloss in Folge vermehrter Kapital-
anlage auf den Boden, und im Verhältniss zu dieser Kapitalver-
mehrung. Diese Vermehrung des Produkts und der Rente in Folge
von, und proportionell zu, vermehrter Kapitalanlage ist, was Quan-
tum des Produkts und der Rente angeht, ganz dasselbe als wenn
die bebaute Fläche der Rente tragenden Ländereien gleicher Bonität
sich vermehrt hätte und mit gleicher Kapitalanlage, wie früher
auf denselben Bodenarten, der Kultur unterworfen wäre. Im
Fall von Tabelle II z. B. bliebe das Resultat dasselbe, wenn das
zuschüssige Kapital von 2½ £ per Acre auf je einen zweiten
Acre von B, C und D angelegt wäre.
Diese Annahme unterstellt ferner keine fruchtbarere Anwendung
des Kapitals, sondern nur Anwendung von mehr Kapital auf der-
selben Fläche mit demselben Erfolg wie bisher.
Es bleiben hier alle proportionellen Verhältnisse dieselben. Aller-
dings, wenn man nicht die proportionellen Differenzen, sondern die
rein arithmetischen betrachtet, kann sich die Differentialrente auf
den verschiednen Bodenarten verändern. Nehmen wir z. B. an,
das zuschüssige Kapital sei nur auf B und D angelegt worden.
So ist dann der Unterschied von D und A = 7 qrs., früher = 3;
der von B und A = 3 qrs., früher = 1; der von C und B =
— 1, früher = +1 u. s. w. Aber diese arithmetische Differenz,
die entscheidend ist bei der Differentialrente I, soweit sich in ihr
der Unterschied in der Produktivität bei gleicher Kapitalanlage
ausdrückt, ist hier völlig gleichgültig, weil sie nur Folge ver-
Marx, Kapital III. 2. 15
[226] schiedner Mehranlage oder Nicht-Mehranlage von Kapital ist, bei
gleichbleibender Differenz für jeden gleichen Kapitaltheil auf die
verschiednen Ländereien.
III. Die zuschüssigen Kapitale bringen überschüssiges Produkt
hervor und bilden daher Surplusprofite, aber mit abnehmender
Rate, nicht im Verhältniss zu ihrer Vergrösserung.
Tabelle III.
Es ist bei dieser dritten Annahme wieder gleichgültig, ob die
zuschüssigen zweiten Kapitalanlagen gleichmäßig oder ungleich-
mäßig auf die verschiednen Bodenarten fallen oder nicht; ob die
abnehmende Produktion von Surplusprofit in gleichen oder un-
gleichen Verhältnissen vor sich geht; ob die zusätzlichen Kapital-
anlagen alle auf dieselbe, Rente tragende, Bodenart fallen oder ob
sie sich vertheilen, gleichmäßig oder ungleichmäßig, auf Rente
tragenden Boden verschiedner Bonität. Alle diese Umstände sind
für das zu entwickelnde Gesetz gleichgültig. Die einzige Voraus-
setzung ist, dass zuschüssige Kapitalanlagen auf irgend einer der
Rente tragenden Bodenarten Surplusprofit abwerfen, aber in ab-
nehmender Proportion zum Maß der Kapitalvermehrung. Die
Grenzen dieser Abnahme bewegen sich in den Beispielen der vor-
liegenden Tabelle zwischen 4 qrs. = 12 £, dem Produkt der ersten
Kapitalanlage auf den besten Boden D, und 1 qr. = 3 £, dem
Produkt derselben Kapitalanlage auf den schlechtesten Boden A.
Das Produkt des besten Bodens bei Anlage von Kapital I bildet
die Maximalgrenze, und das Produkt des nicht Rente tragenden,
keinen Surplusprofit gebenden schlechtesten Bodens A, bei gleicher
Kapitalanlage, die Minimalgrenze des Produkts, welches die succes-
siven Kapitalanlagen auf irgend einem der, Surplusprofit abwerfen-
den, Bodenarten bei abnehmender Produktivität successiver Kapital-
anlagen abwerfen. Wie die Annahme II dem entspricht, dass von
den bessern Bodenarten neue Stücke gleicher Qualität der bebauten
[227] Fläche zugefügt werden, dass die Quantität irgend einer der kul-
tivirten Bodenarten sich vermehrt, so entspricht die Annahme III
dem, dass zusätzliche Bodenstücke bebaut werden, deren verschiedne
Grade von Fruchtbarkeit sich vertheilen zwischen D und A, zwischen
denen des besten und denen des schlechtesten Bodens. Finden die
successiven Kapitalanlagen ausschliesslich auf dem Boden D statt,
so können sie die existirenden Differenzen zwischen D und A ein-
begreifen, ferner Differenzen zwischen D und C, ebenso wie zwischen
D und B. Finden sie alle auf Boden C statt, so nur Diffe-
renzen zwischen C und A resp. B; wenn auf B nur Differenzen
zwischen B und A.
Das Gesetz aber ist: dass die Rente auf allen diesen Bodenarten
absolut wächst, wenn auch nicht im Verhältniss zum zuschüssig
angelegten Kapital.
Die Rate des Surplusprofits, sowohl das zuschüssige Kapital, wie
das gesammte auf den Boden angelegte Kapital betrachtet, nimmt
ab; aber die absolute Grösse des Surplusprofits nimmt zu; ganz wie
die abnehmende Profitrate des Kapitals überhaupt meist mit zu-
nehmender absoluter Masse des Profits verbunden ist. So ist der
Durchschnitts-Surplusprofit der Kapitalanlage auf B = 90 % aufs
Kapital, während er bei der ersten Kapitalanlage = 120 % war.
Aber der gesammte Surplusprofit nimmt zu, von 1 qr. auf 1½ qr.,
und von 3 £ auf 4½. Die Gesammtrente für sich betrachtet —
und nicht mit Bezug auf die verdoppelte Grösse des vorgeschoss-
nen Kapitals — ist absolut gestiegen. Die Differenzen der Renten
der verschiednen Bodenarten und ihr Verhältniss zu einander mögen
hier wechseln; aber dieser Wechsel in der Differenz ist hier Folge,
nicht Ursache der Vermehrung der Renten gegen einander.
IV. Der Fall, wo die zuschüssigen Kapitalanlagen auf den bessern
Bodenarten ein grösseres Produkt erzeugen als die ursprünglichen,
verlangt keine weitre Analyse. Es versteht sich von selbst, dass
unter dieser Voraussetzung die Renten per Acre steigen, und in
grösserm Verhältniss als das zuschüssige Kapital, auf welcher
Bodenart immer seine Anlage stattgefunden hat. In diesem Fall
ist die zuschüssige Kapitalanlage mit Verbesserung verbunden. Es
ist hierin eingeschlossen, wenn ein Zuschuss von weniger Kapital
dieselbe oder grössre Wirkung producirt, als früher Zuschuss von
mehr Kapital. Dieser Fall ist nicht ganz identisch mit dem frühern,
und es ist dies ein Unterschied, der bei allen Kapitalanlagen wichtig
ist. Wenn z. B. 100 einen Profit von 10 gibt, und 200, in einer
bestimmten Form angewandt, einen Profit von 40, so ist der Profit
15*
[228] von 10 % auf 20 % gestiegen, und insoweit ist dies dasselbe, als
wenn 50, in einer wirksamern Form angewandt, einen Profit von
10 statt 5 gibt. Wir unterstellen hier, dass der Profit mit pro-
portioneller Vermehrung des Produkts verbunden ist. Aber der
Unterschied ist, dass ich in dem einen Fall das Kapitel verdoppeln
muss, dagegen in dem andern mit dem bisherigen Kapital den
doppelten Effekt hervorbringe. Es ist durchaus nicht dasselbe,
ob ich 1) mit halb so viel lebendiger und vergegenständlichter
Arbeit dasselbe Produkt wie früher, oder 2) mit derselben Arbeit
das doppelte Produkt gegen früher, oder 3) mit der doppelten
Arbeit das vierfache Produkt gegen früher hervorbringe. Im ersten
Fall wird Arbeit — in lebendiger oder vergegenständlichter Form
— frei, die anderswie verwandt werden kann; das Dispositions-
vermögen über Arbeit und Kapital wächst. Die Freisetzung von
Kapital (und Arbeit) ist an sich eine Vermehrung des Reichthums;
sie hat ganz denselben Effekt, als ob dies zuschüssige Kapital
durch Akkumulation erzielt worden sei, spart aber die Arbeit der
Akkumulation.
Gesetzt ein Kapital von 100 habe ein Produkt von 10 Meter
producirt. In den 100 sei sowohl konstantes Kapital als lebendige
Arbeit und Profit eingeschlossen. So kostet der Meter 10. Kann
ich mit demselben Kapital von 100 jetzt 20 Meter produciren, so
kostet der Meter 5. Kann ich dagegen mit 50 Kapital 10 Meter
produciren, so kostet der Meter auch 5, und es wird ein Kapital
von 50 freigesetzt, soweit die alte Waarenzufuhr genügt. Muss
ich 200 Kapital anlegen, um 40 Meter zu produciren, so kostet
der Meter ebenfalls 5. Die Werth- oder auch Preisbestimmung
lässt hier keinen Unterschied erkennen, ebensowenig wie die dem
Kapitalvorschuss proportionelle Produktenmasse. Aber im ersten
Fall wird Kapital freigesetzt; im zweiten Fall wird zuschüssiges
Kapital erspart, soweit etwa doppelte Produktion nöthig wäre; im
dritten Fall kann das vermehrte Produkt nur erhalten werden, in-
dem das vorgeschossne Kapital wächst, obgleich nicht in demselben
Verhältniss, wie wenn das vermehrte Produkt von der alten Pro-
duktivkraft hätte geliefert werden sollen. (Gehört in Abschnitt I.)
Vom Standpunkt der kapitalistischen Produktion aus betrachtet,
nicht mit Rücksicht auf Steigerung des Mehrwerths, sondern auf
Senkung des Kostpreises — und Ersparung der Kosten auch im
Mehrwerth bildenden Element, der Arbeit, thut dem Kapitalisten diesen
Dienst, und bildet Profit für ihn, solange der regulirende Produk-
tionspreis derselbe bleibt — ist die Anwendung von konstantem
[229] Kapital stets wohlfeiler als die von variablem. Es setzt dies in
der That die der kapitalistischen Produktionsweise entsprechende
Kreditentwicklung und Reichlichkeit von Leihkapital voraus. Auf
der einen Seite wende ich 100 £ zusätzliches konstantes Kapital
an, wenn 100 £ das Produkt von 5 Arbeitern, während des Jahrs;
auf der andern 100 £ in variablem Kapital. Ist die Rate des
Mehrwerths = 100 %, so der Werth den die 5 Arbeiter geschaffen
haben = 200 £; dagegen der Werth von 100 £ konstantem Ka-
pital ist = 100 £, und als Kapital vielleicht = 105 £, wenn der Zins-
fuss = 5 %. Dieselben Geldsummen, je nachdem sie der Produk-
tion vorgeschossen werden als Werthgrössen von konstantem oder
von variablem Kapital, drücken sehr verschiedne Werthe aus, in
ihrem Produkt betrachtet. Was ferner die Kosten der Waaren
vom Standpunkt des Kapitalisten angeht, findet noch der Unter-
schied statt, dass von den 100 £ konstantes Kapital, soweit dies
in fixem Kapital angelegt, nur der Verschleiss in den Werth der
Waare eingeht, während die 100 £ für Arbeitslohn ganz darin
reproducirt sein müssen.
Bei Kolonisten und überhaupt selbständigen Kleinproducenten,
die über Kapital gar nicht oder nur zu hohen Zinsen verfügen
können, ist der Produktentheil, der den Arbeitslohn vertritt, ihre
Revenue, während er für den Kapitalisten Kapitalvorschuss ist
Jener betrachtet diese Arbeitsauslage daher als unumgängliche Vor-
bedingung für den Arbeitsertrag, um den es sich zunächst handelt.
Was aber seine überschüssige Arbeit betrifft, nach Abzug jener
nothwendigen Arbeit, so realisirt sie sich jedenfalls in einem über-
schüssigen Produkt; und sobald er dies verkaufen oder auch selbst
verwenden kann, betrachtet er dies als etwas, was ihm nichts ge-
kostet hat, weil keine vergegenständlichte Arbeit. Es ist diese
allein, deren Verausgabung ihm als Veräusserung von Reichthum
gilt. Er sucht natürlich so hoch zu verkaufen als möglich; aber
selbst der Verkauf unter dem Werth und unter dem kapitalistischen
Produktionspreis gilt ihm immer noch als Profit, soweit dieser
Profit nicht durch Verschuldung, Hypothek u. s. w. anticipirt ist.
Für den Kapitalisten dagegen ist sowohl die Auslage von variablem
wie konstantem Kapital Vorschuss von Kapital. Der relativ grössre
Vorschuss des letztern verringert unter sonst gleichbleibenden Um-
ständen den Kostpreis, wie wirklich auch den Werth der Waaren.
Obgleich daher der Profit bloss aus der Mehrarbeit, also bloss aus
der Anwendung von variablem Kapital entspringt, kann es dem
einzelnen Kapitalisten doch so scheinen, dass die lebendige Arbeit
[230] das kostspieligste und am meisten aufs Minimum zu reducirende
Element seiner Produktionskosten ist. Es ist dies nur eine kapi-
talistisch verdrehte Form des Richtigen, dass die verhältnissmäßig
grössre Anwendung vergangner Arbeit, verglichen mit lebendiger,
gesteigerte Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit und grössren
gesellschaftlichen Reichthum bedeutet. So falsch ist alles und so,
auf den Kopf gestellt, bietet sich alles dar vom Standpunkt der
Konkurrenz. —
Bei der Voraussetzung gleichbleibender Produktionspreise können
die zuschüssigen Kapitalanlagen mit gleichbleibender, zunehmender
oder abnehmender Produktivität auf den bessern Ländereien, d. h.
auf allen von B aufwärts gemacht werden. Auf A selbst wäre
dies unter unsrer Voraussetzung nur möglich entweder bei gleich-
bleibender Produktivität, wo das Land dann nach wie vor keine
Rente trägt, oder auch wenn die Produktivität zunimmt; ein Theil
des auf den Boden A angelegten Kapitals würde dann Rente
tragen, der andre nicht. Aber es wäre unmöglich bei Annahme
abnehmender Produktivkraft für A, denn sonst würde der Produk-
tionspreis nicht konstant bleiben, sondern steigen. Unter allen
diesen Umständen aber, d. h. ob das Surplusprodukt, das sie bringen,
ihrer Grösse proportionell, oder über, oder unter dieser Proportion
— ob daher die Rate des Surplusprofits des Kapitals, beim Wachs-
thum dieses letzteren, konstant bleibt, steigt oder fällt — das
Surplusprodukt und der ihm entsprechende Surplusprofit per Acre
wächst, also auch eventuell die Rente, Korn- und Geldrente. Das
Wachsen in der blossen Masse des Surplusprofits, resp- der Rente,
per Acre berechnet, d. h. wachsende Masse auf eine gleichbleibende
Einheit berechnet, also hier auf irgend ein bestimmtes Boden-
quantum, Acre oder Hektare, drückt sich als wachsende Proportion
aus. Die Höhe der Rente, per Acre berechnet, wächst daher
unter diesen Umständen einfach in Folge der Vermehrung des
auf den Boden angelegten Kapitals. Und zwar findet dies statt
bei gleichbleibenden Produktionspreisen, und gleichgültig dagegen,
ob die Produktivität des zuschüssigen Kapitals gleichbleibend, ab-
nehmend oder zunehmend ist. Die letzteren Umstände modificiren
den Umfang, worin die Höhe der Rente per Acre wächst, aber
nicht die Thatsache dieses Wachsens selbst. Dies ist ein Phänomen,
welches der Differentialrente II eigenthümlich ist, und sie von
Differentialrente I unterscheidet. Wären die zusätzlichen Kapital-
anlagen, statt zeitlich nach einander auf denselben Boden, räumlich
neben einander auf neuen zusätzlichen Boden der entsprechenden
[231] Qualität gemacht worden, so wäre die Masse des Rentals gewachsen
und, wie früher gezeigt, auch die Durchschnittsrente der bebauten
Gesammtfläche, aber nicht die Höhe der Rente per Acre. Bei
gleichbleibendem Resultat, soweit Masse und Werth der Gesammt-
produktion und des Surplusprodukts in Betracht kommen, ent-
wickelt die Koncentration des Kapitals auf engerer Bodenfläche
die Höhe der Rente per Acre, wo unter denselben Umständen
seine Zerstreuung über eine grössre Fläche, bei sonst gleichblei-
benden Umständen, nicht diese Wirkung hervorbringt. Je mehr
sich aber die kapitalistische Produktionsweise entwickelt, desto
mehr auch die Koncentration von Kapital auf derselben Boden-
fläche, desto höher steigt also die Rente, per Acre berechnet. In
zwei Ländern daher, wo die Produktionspreise identisch, die Diffe-
renzen der Bodenarten identisch, und dieselbe Masse Kapital an-
gelegt wäre, aber in dem einen mehr in der Form successiver An-
lagen auf beschränkter Bodenfläche, in der andren mehr in der
Form koordinirter Anlagen auf breiterer Fläche, wäre die Rente
per Acre, und damit der Bodenpreis, höher in dem ersten und
niedriger im zweiten Land, obgleich die Masse der Rente in beiden
Ländern dieselbe wäre. Der Unterschied in der Höhe der Rente
wäre hier also weder aus Unterschied in der natürlichen Frucht-
barkeit der Bodenarten, nach der Menge der angewandten Arbeit,
sondern ausschliesslich aus der verschiednen Art der Kapitalanlagen
zu erklären.
Wenn wir hier von Surplusprodukt sprechen, so ist darunter
immer zu verstehn der aliquote Theil des Produkts, worin sich
der Surplusprofit darstellt. Sonst verstehn wir unter Mehrprodukt
oder Surplusprodukt den Produktentheil, worin sich der Gesammt-
mehrwerth, oder auch in einzelnen Fällen denjenigen, worin sich
der Durchschnittsprofit darstellt. Die specifische Bedeutung, die
das Wort beim Rente tragenden Kapital erhält, gibt, wie früher
gezeigt, zu Missverständnissen Anlass.
Zweiundvierzigstes Kapitel.
Die Differentialrente II. — Zweiter Fall: Fallender
Produktionspreis.
Der Produktionspreis kann fallen, wenn die zusätzlichen Anlagen
von Kapital stattfinden mit gleichbleibender, fallender oder stei-
gender Rate der Produktivität.
[232]
I. Bei gleichbleibender Produktivität der zuschüssigen
Kapitalanlage.
Dies unterstellt also, dass auf den verschiednen Bodenarten, ihrer
respektiven Qualität entsprechend, das Produkt in demselben Maß
wächst wie das auf ihnen angelegte Kapital. Dies schliesst ein,
bei gleichbleibenden Differenzen der Bodenarten, ein dem Wachs-
thum der Kapitalanlage proportionelles Wachsthum des Surplus-
produkts. Dieser Fall schliesst also aus jede, die Differentialrente
afficirende Mehranlage von Kapital auf Boden A. Bei diesem ist
die Rate des Surplusprofits = 0; sie bleibt also = 0, da unter-
stellt ist, dass die Produktivkraft des zuschüssigen Kapitals und
daher die Rate des Surplusprofits konstant bleiben.
Der regulirende Produktionspreis kann unter diesen Voraus-
setzungen aber nur fallen, weil statt des Produktionspreises von
A der des nächstbessern Bodens B, oder überhaupt irgend eines
bessern Bodens als A, regulirend wird; das Kapital also von A
entzogen wird, oder auch von A und B, wenn der Produktionspreis
des Bodens C der regulirende würde, also aller geringere Boden
aus der Konkurrenz der Weizen tragenden Bodenarten wegfiele.
Die Bedingung hierfür, unter den gegebnen Voraussetzungen, ist
dass das zuschüssige Produkt der zusätzlichen Kapitalanlagen den
Bedarf befriedigt, daher die Produktion des geringern Bodens A etc.
überflüssig für die Herstellung der Zufuhr wird.
Nehmen wir also z. B. Tabelle II, jedoch so, dass statt 20 qrs.
18 den Bedarf befriedigen. A würde wegfallen; D, und mit ihm
der Produktionspreis von 30 sh. per qr. würde regulirend. Die
Differentialrente nimmt dann diese Form an:
Tabelle IV.
Also die Gesammtrente verglichen mit Tabelle II wäre gefallen
von 36 £ auf 9 und in Korn von 12 qrs. auf 6, die Gesammt-
produktion nur um 2 qrs., von 20 auf 18. Die Rate des Surplus-
profits, berechnet aufs Kapital, wäre um die Hälfte gefallen, von
[233] 180 auf 90 %. Dem Fallen des Produktionspreises entspricht hier
also Abnahme der Korn- und Geldrente.
Mit Tabelle I verglichen, findet nur Abnahme der Geldrente statt;
die Kornrente ist beidemal 6 qrs.; nur sind diese in dem einen Fall
= 18 £, im andern = 9 £. Für Boden C und D ist die Korn-
rente gegen Tabelle I dieselbe geblieben. In der That hat sich
dadurch, dass die vermittelst gleichförmig wirkenden Zusatzkapitals
erzielte, zusätzliche Produktion das Produkt von A aus dem Markt
geworfen, und damit den Boden A als konkurrirenden Produktions-
agenten beseitigt, eine neue Differentialrente I gebildet, worin der
bessere Boden B dieselbe Rolle spielt, wie früher die schlechtere
Bodenart A. Dadurch fällt einerseits die Rente von B weg; andrer-
seits ist vorausgesetztermaßen in den Differenzen zwischen B, C
und D durch die Anlage von Zusatzkapital nichts geändert worden.
Der Theil des Produkts, der sich in Rente verwandelt, fällt daher.
Wäre das obige Resultat — die Befriedigung der Nachfrage
mit Ausschluss von A — etwa dadurch hervorgebracht, dass auf
C oder D oder beiden mehr als das doppelte Kapital angelegt
worden, so gestaltete sich die Sache anders. Z. B. wenn die dritte
Kapitalanlage auf C gemacht wird:
Tabelle IV a.
Auf C ist hier das Produkt, gegen Tab. IV, gestiegen von 6 qrs. auf
9, das Surplusprodukt von 2 qrs. auf 3, die Geldrente von 3 £
auf 4½ £. Gegen Tabelle I, wo die Geldrente 12 £, und Tab. I,
wo sie 6 £ war, ist sie dagegen gefallen. Das Gesammrental in
Korn = 7 qrs. ist gefallen gegen Tab. II (12 qrs.), gestiegen gegen
Tab. I (6 qrs.); in Geld (10½ £) ist es gefallen gegen beide (18 £
und 36 £.
Wäre die dritte Kapitalanlage von 2½ £ auf den Boden B ver-
wandt worden, so hätte dies zwar die Masse der Produktion ge-
ändert, aber die Rente nicht berührt, da die successiven Kapital-
[234] anlagen als keine Differenz auf derselben Bodenart hervorbringend
unterstellt sind, und Boden B keine Rente abwirft.
Nehmen wir dagegen an, die dritte Kapitalanlage habe auf D
stattgefunden, statt auf C, so haben wir:
Tabelle IV, b.
Hier ist das Gesammtprodukt 22 qrs., mehr als doppelt das von
Tabelle I, obgleich das vorgeschossne Kapital nur 17½ £ gegen
10 £, also nicht doppelt so gross ist. Das Gesammtprodukt ist
ferner um 2 qrs. grösser als das von Tabelle II, obwohl in letztrer
das vorgeschossne Kapital grösser ist, nämlich 20 £.
Auf Boden D ist gegen Tabelle I die Kornrente gewachsen von
2 qrs. auf 6, während die Geldrente mit 9 £ dieselbe geblieben
ist. Gegen Tabelle II ist die Kornrente von D dieselbe von 6 qrs.
geblieben, aber die Geldrente ist gefallen von 18 £ auf 9 £.
Die Gesammtrenten betrachtet, ist die Kornrente von IV b =
8 qrs., grösser als die von I = 6 qrs., und als die von IV a =
7 qrs.; dagegen kleiner als die von II = 12 qrs. Die Geldrente
von IVb = 12 £ ist grösser als die von IVa = 10½ £, und
kleiner als die von Tabelle I = 18 £ und von II = 36 £.
Damit bei dem Wegfallen der Rente auf B unter den Be-
dingungen der Tabelle IV b das Gesammtrental gleich dem von
Tabelle I sei, müssen wir noch für 6 £ Surplusprodukt haben,
also 4 qrs. zu 1½ £, welches der neue Produktionspreis ist. Wir
haben dann wieder ein Gesammtrental von 18 £ wie in Tabelle I.
Die Grösse des hierzu erforderlichen Zuschusskapitals wird ver-
schieden sein, je nachdem wir es auf C oder D anlegen, oder
zwischen beiden vertheilen.
Bei C ergeben 5 £ Kapital 2 qrs. Surplusprodukt, also werden
10 £ Zusatzkapital 4 qrs. zusätzliches Surplusprodukt ergeben. Bei
D würden 5 £ Zusatz genügen, um die 4 qrs. zusätzliche Korn-
rente zu produciren, unter der hier zu Grunde liegenden Voraus-
setzung, dass die Produktivität der zusätzlichen Kapitalanlagen
dieselbe bleibt. Danach ergäben sich folgende Aufstellungen.
[235]
Tabelle IV c.
Tabelle IV d.
Das Gesammt-Geldrental wäre genau die Hälfte von dem, was
es auf Tabelle II war, wo die zuschüssigen Kapitale bei gleich-
bleibenden Produktionspreisen angelegt wurden.
Das Wichtigste ist, obige Tabellen mit der Tabelle I zu ver-
gleichen.
Wir finden, dass bei einem Fall des Produktionspreises um die
Hälfte, von 60 sh. auf 30 sh. per qr., das Gesammt-Geldrental
dasselbe geblieben, = 18 £, und dementsprechend die Kornrente
sich verdoppelt hat, nämlich von 6 qrs. auf 12. Auf B ist die
Rente weggefallen; auf C ist die Geldrente um die Hälfte ge-
stiegen in IV c, aber um die Hälfte gefallen in IV d; auf D ist sie
dieselbe geblieben = 9 £ in IV c, und von 9 £ auf 15 £ ge-
stiegen in IV d. Die Produktion ist von 10 qrs. auf 34 gestiegen
in IV c, und auf 30 qrs. in IV d; der Profit von 2 £ auf 5½ in
IV c und 4½ in IV d. Die Gesammtkapitalanlage ist gestiegen in
dem einen Fall von 10 £ auf 27½ £, im andern von 10 auf
22½ £, beidemal also um mehr als das Doppelte. Die Rentrate,
die Rente auf das vorgeschossne Kapital berechnet, ist in allen
Tabellen IV bis IV d für jede Bodenart überall dieselbe, was schon
darin eingeschlossen war, dass die Rate der Produktivität der beiden
successiven Kapitalanlagen auf jeder Bodenart als gleichbleibend
angenommen wurde. Gegen Tabelle I ist sie jedoch für den
[236] Durchschnitt aller Bodenarten wie für jede einzelne derselben ge-
fallen. Sie war in I = 180 % im Durchschnitt, sie ist in IVc =
\frac{18}{27½} × 100 = 65\frac{5}{11} % und in IV d = \frac{18}{22½} × 100 = 80 %. Die
Durchschnittsgeldrente per Acre ist gestiegen. Ihr Durchschnitt
war früher, in I, auf alle 4 Acres 4½ £ per Acre, und ist jetzt,
in IVc und d, auf die 3 Acres 6 £ per Acre. Ihr Durchschnitt
auf dem Rente tragenden Boden war früher 6 £ und ist jetzt
9 £ per Acre. Der Geldwerth der Rente per Acre ist also ge-
stiegen, und stellt jetzt das doppelte Kornprodukt wie früher dar;
aber die 12 qrs. Kornrente sind jetzt weniger als einhalb des
Gesammtprodukts von 33 resp. 27 qrs., während in Tabelle I die
6 qrs. ⅗ des Gesammtprodukts von 10 qrs. ausmachen. Obgleich
also die Rente, als aliquoter Theil des Gesammtprodukts betrachtet,
gefallen ist, und ebenso, wenn auf das ausgelegte Kapital be-
rechnet, so ist ihr Geldwerth, per Acre berechnet, gestiegen und
ihr Produktenwerth noch mehr. Nehmen wir den Boden D in
Tabelle IV d, so sind hier die ausgelegten Produktionskosten =
15 £, davon das ausgelegte Kapital = 12½ £. Die Geldrente
ist = 15 £. In Tabelle I waren auf demselben Boden D die
Produktionskosten = 3 £, das ausgelegte Kapital = 2½ £, die
Geldrente = 9 £, diese letztere also das dreifache der Produk-
tionskosten und beinahe das vierfache des Kapitals. In Tabelle IV d
ist für D die Geldrente von 15 £ genau gleich den Produktions-
kosten, und nur um ⅕ grösser als das Kapital. Dennoch ist die
Geldrente per Acre um ⅔ grösser, 15 £ statt 9 £. In I ist die
Kornrente von 3 qrs. = ¾ des Gesammtprodukts von 4 qrs.;
in IV d ist sie, mit 10 qrs., die Hälfte des ganzen Produkts (20 qrs.)
des Acre von D. Es zeigt dies, wie Geldwerth und Kornwerth
der Rente per Acre steigen kann, obgleich sie einen geringern
aliquoten Theil des Gesammtertrags bildet und im Verhältniss zum
vorgeschossnen Kapital gefallen ist.
Der Werth des Gesammtprodukts in I ist = 30 £; die Rente
= 18 £, mehr als die Hälfte davon. Der Werth des Gesammt-
produkts von IV d ist = 45 £, wovon 18 £ die Rente, weniger
als die Hälfte.
Der Grund nun, warum trotz des Preisfalls von 1½ £ per qr.,
also um 50 %, und trotz der Verringerung des konkurrirenden
Bodens von 4 Acres auf 3, die Gesammt-Geldrente dieselbe bleibt,
und die Kornrente sich verdoppelt, während Kornrente und Geld-
rente, per Acre gerechnet, steigen, liegt darin, dass mehr qrs. Sur-
[237] plusprodukt producirt werden. Der Getreidepreis fällt um 50 %,
das Surplusprodukt wächst um 100 %. Aber um dies Resultat zu-
stande zu bringen, muss die Gesammtproduktion unter unsern Be-
dingungen auf das dreifache wachsen, und die Kapitalanlage auf
den bessern Bodenlagen sich mehr als verdoppeln. In welchem
Verhältniss die letztere wachsen muss, hängt zunächst davon ab,
wie die zuschüssigen Kapitalanlagen zwischen den bessern und
besten Bodenarten sich vertheilen, stets vorausgesetzt, dass die
Produktivität des Kapitals auf jeder Bodenart proportionell zu
seiner Grösse wächst.
Wäre der Fall des Produktionspreises geringer, so wäre weniger
zuschüssiges Kapital erfordert, um dieselbe Geldrente zu produciren.
Wäre die Zufuhr, die nöthig ist um A ausser Bebauung zu werfen
— und es hängt dies ab nicht nur von dem Produkt per Acre
von A, sondern auch von dem proportionellen Antheil, den A von
der ganzen bebauten Fläche einnimmt — wäre also die hierfür
nöthige Zufuhr grösser, also auch die erforderliche Masse von Zu-
schusskapital auf besserm Boden als A, so wären bei sonst gleich-
bleibenden Verhältnissen Geldrente und Kornrente noch mehr ge-
wachsen, obgleich beide auf dem Boden B wegfielen.
Wäre das wegfallende Kapital von A = 5 £ gewesen, so wären
für diesen Fall die beiden zu vergleichenden Tabellen: II und IV d.
Das Gesammtprodukt wäre gewachsen von 20 auf 30 qrs. Die
Geldrente wäre nur halb so gross, 18 £ statt 36 £; die Korn-
rente wäre dieselbe = 12 qrs.
Könnte auf D ein Gesammtprodukt von 44 qrs. = 66 £ mit einem
Kapital = 27½ £ producirt werden — entsprechend dem alten Satz
für D, von 4 qrs, auf 2½ £ Kapital — so käme das Gesammt-
rental wieder auf die Höhe von II, und die Tabelle stände so:
Die Gesammtproduktion wäre 54 qrs. gegen 20 qrs. in Tabelle II,
und die Geldrente wäre dieselbe, = 36 £. Das Gesammtkapital
aber wäre 37½ £, während es bei Tabelle II = 20 war. Das
vorgeschossne Gssammtkapital hätte sich beinahe verdoppelt, während
die Produktion sich fast verdreifachte; die Kornrente hätte sich
[238] verdoppelt, die Geldrente wäre dieselbe geblieben. Fällt also der
Preis in Folge der Anlage von zuschüssigem Geldkapital, bei gleich-
bleibender Produktivität, auf die bessern Rente tragenden Boden-
arten, also auf alle über A, so hat das Gesammtkapital die Tendenz,
nicht in demselben Verhältniss zu wachsen, wie Produktion und
Kornrente; sodass durch Wachsen der Kornrente der durch den
fallenden Preis entstehende Ausfall in der Geldrente wieder aus-
geglichen werden kann. Dasselbe Gesetz zeigt sich auch darin,
dass das vorgeschossne Kapital grösser sein muss im Verhältniss,
wie es mehr auf C als auf D, auf den minder Rente tragenden,
als auf den mehr Rente tragenden Boden angewandt wird. Es
ist einfach dies: damit die Geldrente dieselbe bleibt oder steigt,
muss ein bestimmtes zusätzliches Quantum Surplusprodukt produ-
cirt werden, und dies erheischt um so weniger Kapital, je grösser
die Fruchtbarkeit der Surplusprodukt abwerfenden Ländereien. Wäre
die Differenz zwischen B und C, C und D noch grösser, so wäre
noch weniger Zuschusskapital erheischt. Das bestimmte Verhält-
niss hängt ab 1) von dem Verhältniss, worin der Preis fällt, also
von der Differenz zwischen B, dem jetzt rentelosen, und A, dem
früher rentelosen Boden; 2) von dem Verhältniss der Differenzen
zwischen den bessern Bodenarten von B aufwärts; 3) von der
Masse des neu angelegten zuschüssigen Kapitals, und 4) von seiner
Vertheilung auf die verschiednen Bodenqualitäten.
In der That sieht man, dass das Gesetz nichts ausdrückt, als
das bereits beim ersten Fall Entwickelte: dass wenn der Produk-
tionspreis gegeben ist, welches auch immer seine Grösse, in Folge
zuschüssiger Kapitalanlage die Rente steigen kann. Denn in Folge
des Herauswerfens von A ist nun eine neue Differentialrente I mit
B als dem jetzt schlechtesten Boden, und 1½ £ per qr. als dem
neuen Produktionspreis, gegeben. Es gilt dies für die Tabellen IV
so gut wie für Tabelle II. Es ist dasselbe Gesetz, bloss dass
Boden B statt A, und der Produktionspreis von 1½ £ statt dem
von 3 £ als Ausgangspunkt genommen ist.
Die Sache hat hier nur diese Wichtigkeit: Soweit so und so-
viel zuschüssiges Kapital nöthig war, um das Kapital von A dem
Boden zu entziehn, und die Zufuhr ohne es zu befriedigen, zeigt
sich, dass dies von gleichbleibender, steigender oder fallender Rente
per Acre, wenn nicht auf allen Ländereien, so doch auf einigen,
und für den Durchschnitt der bebauten Ländereien, begleitet sein
kann. Man hat gesehn, dass sich Kornrente und Geldrente nicht
gleichmäßig verhalten. Indess ist es nur Tradition, dass überhaupt
[239] noch die Kornrente in der Oekonomie eine Rolle spielt. Grade
so gut könnte man nachweisen, dass z. B. ein Fabrikant mit seinem
Profit von 5 £ viel mehr von seinem eignen Garn kaufen kann
als früher mit einem Profit von 10 £. Es zeigt dies aber aller-
dings, dass die Herren Grundeigenthümer, wenn sie gleichzeitig
Besitzer oder Theilhaber von Manufakturen, Zuckersieder, Schnaps-
brenner u. s. w. sind, bei fallender Geldrente als Produzenten ihrer
eignen Rohstoffe immer noch sehr bedeutend gewinnen können.34)
II. Bei fallender Rate der Produktivität der zuschüssigen
Kapitale.
Es bewirkt dies in sofern nichts neues, als der Produktionspreis
auch hier nur, wie im eben betrachteten Fall, sinken kann, wenn
durch die zuschüssigen Kapitalanlagen auf bessern Bodenarten als
A, das Produkt von A überflüssig, und daher das Kapital von A
entzogen, oder A zur Produktion von andrem Produkt verwandt
wird. Dieser Fall ist vorhin erschöpfend auseinandergesetzt. Es
ist gezeigt worden, dass bei demselben die Korn- und Geldrente
per Acre wachsen, abnehmen [oder] sich gleichbleiben kann.
Zur Bequemlichkeit der Vergleichung reproduciren wir zunächst:
Tabelle I.
Nehmen wir nun an, die Ziffer von 16 qrs., geliefert von B, C, D,
mit abnehmender Rate der Produktivität, reiche hin, um A ausser
Kultur zu werfen, so verwandelt sich Tabelle III in folgende
Tabelle V.
Hier ist bei abnehmender Rate der Produktivität der Zuschuss-
kapitale und mit verschiedner Abnahme auf verschiednen Boden-
arten, der regulirende Produktionspreis gefallen von 3 £ auf 1\frac{5}{7}£.
Die Kapitalanlage ist um die Hälfte gestiegen von 10 £ auf 15 £.
Die Geldrente ist beinahe um die Hälfte gefallen, von 18 £ auf
9\frac{3}{7}£, aber die Kornrente nur um \frac{1}{12}, von 6 qrs. auf 5½. Das
Gesammtprodukt ist gestiegen von 10 auf 16 oder um 160 %.
Die Kornrente ist etwas mehr als ein Drittel des Gesammtprodukts.
Das vorgeschossne Kapital verhält sich zur Geldrente wie 15:9\frac{3}{7}
während das frühere Verhältniss war 10:18.
III. Bei steigender Rate der Produktivität der zuschüs-
sigen Kapitale.
Dies unterscheidet sich von Variante I im Anfang dieses Kapitels,
wo der Produktionspreis fällt bei gleichbleibender Rate der Produk-
tivität, durch nichts als dass, wenn ein gegebnes Zusatzprodukt
nöthig ist um den Boden A herauszuwerfen, dies hier rascher geschieht.
Sowohl bei der fallenden, wie der steigenden Produktivität der
zusätzlichen Kapitalanlagen kann dies ungleich wirken, je nachdem
die Anlagen auf die verschiednen Bodenarten vertheilt sind. Im
Maß wie diese verschiedne Wirkung die Differenzen ausgleicht oder
verschärft, wird die Differentialrente der bessern Bodenarten, und
damit auch das Gesammtrental, fallen oder steigen, wie dieser Fall
schon bei Differentialrente I vorkam. Im Uebrigen kommt alles
an auf die Grösse der Bodenfläche und des Kapitals, die mit A
hinausgeworfen sind, und auf den relativen Kapitalvorschuss, der
bei der steigenden Produktivität nöthig ist, um das Zuschussprodukt
zu liefern, das die Nachfrage decken soll.
Der einzige Punkt, den hier zu untersuchen der Mühe werth ist,
[241] und der uns überhaupt zurückführt zur Untersuchung, wie sich
dieser differentiale Profit in Differentialrente verwandelt, ist dieser:
Beim ersten Fall, wo der Produktionspreis derselbe bleibt, ist
das auf Boden A etwa angelegte Zuschusskapital für die Differen-
tialrente als solche gleichgültig, da Boden A nach wie vor keine
Rente trägt, der Preis seines Produkts derselbe bleibt, und fort-
fährt den Markt zu reguliren.
Im zweiten Fall, Variante I, wo der Produktionspreis fällt, bei
gleichbleibender Rate der Produktivität, fällt Boden A nothwendig
fort, und noch mehr in der Variante II (fallender Produktions-
preis bei fallender Rate der Produktivität), da sonst das Zuschuss-
kapital auf Boden A den Produktionspreis erhöhen müsste. Aber
hier, in Variante III des zweiten Falls, wo der Produktionspreis
fällt, weil die Produktivität des zuschüssigen Kapitals steigt, kann
dies Zusatzkapital unter Umständen ebensowohl auf Boden A wie
auf die bessern Bodenarten angelegt werden.
Wir wollen annehmen dass ein zuschüssiges Kapital von 2½ £,
auf A angelegt, statt 1 qr. 1⅕ qr. producirt.
Tabelle VI.
Diese Tabelle ist zu vergleichen, ausser mit der Grundtabelle I,
auch mit Tabelle II, wo die doppelte Kapitalanlage mit konstanter
Produktivität, proportionell zur Kapitalanlage, verbunden ist.
Nach der Voraussetzung fällt der regulirende Produktionspreis.
Bliebe er konstant, = 3 £, so würde der schlechteste, früher, bei
Kapitalanlage von nur 2½ £, rentelose Boden A jetzt Rente ab-
werfen, ohne dass schlechterer Boden in Bebauung gezogen wäre;
und zwar dadurch, dass die Produktivität auf demselben sich ver-
mehrt hätte, aber nur für einen Theil des Kapitals, nicht für das
ursprüngliche. Die ersten 3 £ Produktionskosten bringen 1 qr.;
die zweiten bringen 1⅕ qr.; das ganze Produkt von 2⅕ qr. wird
aber jetzt zu seinem Durchschnittspreis verkauft. Da die Rate der
Marx, Kapital III. 2. 16
[242] Produktivität wächst mit der zuschüssigen Kapitalanlage, schliesst
diese eine Verbesserung ein. Diese mag darin bestehn, dass über-
haupt mehr Kapital auf den Acre verwandt wird (mehr Dünger,
mehr mechanische Arbeit etc.), oder auch darin, dass es überhaupt
nur mit diesem zuschüssigen Kapital möglich wird, eine qualitativ
verschiedne, produktivere Anlage des Kapitals zuwege zu bringen.
In beiden Fällen ist mit Auslage von 5 £ Kapital per Acre ein
Produkt von 2⅕ qr. erreicht worden, während mit der Kapital-
anlage von der Hälfte, 2½ £, nur ein Produkt von 1 qr. Das
Produkt des Bodens A könnte, von vorübergehenden Marktverhält-
nissen abgesehn, nur fortfahren zu einem höhern Produktionspreis,
statt zum neuen Durchschnittspreis verkauft zu werden, solange
eine bedeutende Fläche der Bodenklasse A fortführe, mit einem
Kapital von nur 2½ £ per Acre bewirthschaftet zu werden. So-
bald aber das neue Verhältniss von 5 £ Kapital per Acre, und
damit die verbesserte Wirthschaft, sich verallgemeinerte, müsste der
regulirende Produktionspreis auf 2\frac{8}{11}£ herabsinken. Der Unter-
schied zwischen den beiden Kapitalportionen würde fortfallen, und
dann würde in der That ein Acre von A, der nur mit 2½ £ be-
baut wäre, anormal, nicht den neuen Produktionsbedingungen ent-
sprechend bebaut sein. Es wäre nicht mehr ein Unterschied zwischen
dem Ertrag von verschiednen Portionen Kapital auf denselben Acre,
sondern zwischen genügender und ungenügender Gesammtkapital-
anlage per Acre. Man sieht daraus erstens, dass ungenügendes
Kapital in der Hand einer grössren Anzahl Pächter (es muss eine
grössre Anzahl sein, denn eine kleine wäre nur gezwungen unter
ihrem Produktionspreis zu verkaufen) ganz so wirkt, wie Differen-
zirung der Bodenarten selbst in absteigender Stufenfolge. Die
schlechtre Kulturart auf schlechtrem Boden vermehrt die Rente auf
dem bessern; sie kann sogar auf besser bebautem Boden von gleich
schlechter Beschaffenheit eine Rente schaffen, die dieser sonst nicht
abwirft. Man sieht zweitens, wie die Differentialrente, soweit sie
aus successiver Kapitalanlage auf derselben Gesammtfläche ent-
springt, in der Wirklichkeit sich in einen Durchschnitt auflöst,
worin die Wirkungen der verschiednen Kapitalanlagen nicht mehr
erkennbar und unterscheidbar sind, und daher auf dem schlechtesten
Boden nicht Rente erzeugen, sondern 1) den Durchschnittspreis
des Gesammtertrags, sage für einen Acre von A, zum neuen regu-
lirenden Preis machen, und 2) sich darstellen als Wechsel in dem
Gesammtquantum von Kapital per Acre, welches unter den neuen
Bedingungen zur genügenden Bebauung des Bodens erheischt ist
[243] und worin sowohl die einzelnen successiven Kapitalanlagen, wie
ihre respektiven Wirkungen ununterscheidbar verschmolzen sind.
Ebenso verhält es sich dann mit den einzelnen Differentialrenten
der bessern Bodenarten. Sie werden in jedem Fall bestimmt durch
die Differenz des Durchschnittsprodukts der betreffenden Bodenart,
verglichen mit dem Produkt des schlechtesten Bodens, bei der er-
höhten, jetzt normal gewordnen Kapitalanlage.
Kein Boden gibt irgend ein Produkt ohne Kapitalanlage. Also
selbst bei der einfachen Differentialrente, der Differentialrente I;
wenn es da heisst, dass 1 Acre von A, von dem den Produktions-
preis regulirenden Boden, so und soviel Produkt zu dem und dem
Preis gibt, und dass die bessern Bodenarten B, C, D soviel Diffe-
rentialprodukt, und daher bei dem regulirenden Preis so und so-
viel Geldrente geben, so ist immer unterstellt, dass ein bestimmtes,
unter den gegebnen Produktionsbedingungen als normal betrachtetes
Kapital angewandt wird. Ganz wie in der Industrie für jeden Ge-
schäftszweig ein bestimmtes Minimum von Kapital erheischt ist,
um die Waaren zu ihrem Produktionspreis herstellen zu können.
Aendert sich in Folge der mit Verbesserungen verknüpften, suc-
cessiven Anlage von Kapital auf demselben Boden dies Minimum,
so geschieht dies allmälig. Solange nicht eine gewisse Anzahl
Acres z. B. von A dies zuschüssige Betriebskapital erhalten, wird
Rente auf den besser bebauten Acres von A durch den konstant
gebliebnen Produktionspreis erzeugt, und die Rente von allen bessern
Bodenarten B, C, D erhöht. Sobald indess die neue Betriebsart
sich soweit durchgesetzt hat, dass sie die normale geworden ist,
fällt der Produktionspreis; die Rente der bessern Ländereien fällt
wieder, und der Theil des Bodens A, der nicht das jetzt durch-
schnittliche Betriebskapital besitzt, muss unter seinem individuellen
Produktionspreis, also unter dem Durchschnittsprofit verkaufen.
Bei fallendem Produktionspreis tritt dies auch ein, selbst bei
abnehmender Produktivität des Zuschusskapitals, sobald in Folge
der vermehrten Kapitalanlage das nöthige Gesammtprodukt von den
bessern Bodenarten geliefert, und also z. B. das Betriebskapital
von A entzogen wird, A also nicht mehr bei der Produktion dieses
bestimmten Produkts, z. B. von Weizen, konkurrirt. Das Kapital-
quantum, das nun durchschnittlich auf den neuen regulirenden,
bessern Boden B angewandt wird, gilt jetzt als normal; und wenn
von der verschiednen Fruchtbarkeit der Ländereien gesprochen wird,
ist unterstellt, dass dies neue Normalquantum Kapital per Acre
verwandt wird.
16*
[244]
Andrerseits ist klar, dass diese durchschnittliche Kapitalanlage,
z. B. 8 £ per Acre in England vor, 12 £ nach 1848, beim Ab-
schluss der Pachtkontrakte den Maßstab bildet. Für den Pächter,
der mehr verausgabt, verwandelt sich der Surplusprofit während
der Dauer des Kontrakts nicht in Rente. Ob dies geschieht nach
Ablauf des Kontrakts, wird abhängen von der Konkurrenz der
Pächter, die im Stande sind, denselben Extra-Vorschuss zu machen.
Es ist hierbei nicht die Rede von permanenten Bodenverbesserungen,
die bei gleicher oder selbst abnehmender Kapitalauslage fortfahren,
das gesteigerte Produkt zu sichern. Diese, obgleich Produkt des
Kapitals, wirken ganz wie natürliche Differentialbonität des Bodens.
Man sieht also, wie bei Differentialrente II ein Moment in Be-
tracht kommt, das bei Differentialrente I als solcher sich nicht
entwickelt, da diese fortbestehn kann unabhängig von jedem
Wechsel der normalen Kapitalanlage per Acre. Es ist einerseits
die Verwischung der Resultate verschiedner Kapitalanlagen auf
dem regulirenden Boden A, deren Produkt nun einfach als nor-
males Durchschnittsprodukt per Acre erscheint. Es ist anderseits
der Wechsel im Normalminimum oder in der Durchschnittsgrösse
der Kapitalauslage per Acre, sodass dieser Wechsel als Boden-
eigenschaft sich darstellt. Es ist endlich der Unterschied in der
Art der Verwandlung des Surplusprofits in die Form der Rente.
Die Tabelle VI zeigt nun ferner, verglichen mit Tabelle I und
II, dass die Kornrente gegen I um mehr als das Doppelte, gegen
II um 1⅕ qr. gestiegen ist; während die Geldrente gegen I sich
verdoppelt, gegen II sich nicht verändert hat. Sie wäre bedeutend
gewachsen, wenn entweder (bei sonst gleichen Voraussetzungen) der
Kapitalzuschuss mehr auf die bessern Bodenarten gefallen, oder
andrerseits die Wirkung des Kapitalzuschusses auf A geringer ge-
wesen wäre, der regulirende Durchschnittspreis des qr. von A also
höher stände.
Wirkte die Erhöhung der Fruchtbarkeit durch Kapitalzuschuss
verschieden auf die verschiednen Bodenarten, so würde dies Aen-
derung ihrer Differentialrenten hervorbringen.
Jedenfalls ist bewiesen, dass bei fallendem Produktionspreis in
Folge steigender Rate der Produktivität zuschüssiger Kapitalan-
lage — sobald also diese Produktivität in grösserm Verhältniss
wächst als der Kapitalvorschuss — die Rente per Acre z. B. bei
doppelter Kapitalanlage nicht nur sich verdoppeln, sondern sich
mehr als verdoppeln kann. Sie kann aber auch fallen, wenn in
[245] Folge rascher wachsender Produktivität auf Boden A der Produk-
tionspreis viel niedriger fiele.
Nehmen wir an, dass die zusätzlichen Kapitalanlagen z. B. auf
B und C die Produktivität nicht in demselben Verhältniss ver-
mehrten wie auf A, sodass für B und C die proportionellen Diffe-
renzen abnähmen, und das Wachsthum des Produkts nicht den
sinkenden Preis ausgliche, so würde, gegen den Fall von Tabelle II,
die Rente auf D steigen, auf B und C fallen.
Tabelle VI, a.
Endlich stiege die Geldrente, wenn auf den bessern Ländereien
bei derselben proportionellen Steigerung der Fruchtbarkeit mehr
Zusatzkapital angelegt würde als auf A, oder wenn die zusätz-
lichen Kapitalanlagen auf den bessern Ländereien mit steigender
Rate der Produktivität wirkten. In beiden Fällen würden die Diffe-
renzen wachsen.
Die Geldrente fällt, wenn die Verbesserung in Folge zuschüssiger
Kapitalanlage die Differenzen insgesammt oder zum Theil ver-
mindert, mehr auf A wirkt als auf B und C. Sie fällt um so mehr,
je geringer die Erhöhung der Produktivität der besten Ländereien.
Es hängt von der Proportion der Ungleichheit in der Wirkung
ab, ob die Kornrente steigt, fällt oder stationär bleibt.
Die Geldrente steigt, und die Kornrente ebenfalls, wenn ent-
weder bei gleichbleibender proportioneller Differenz in der zu-
schüssigen Fruchtbarkeit der verschiednen Bodenarten mehr Kapital
auf den Rente tragenden Boden zugesetzt wird als auf den rente-
losen A, und mehr auf den Boden hoher, als auf den niedriger
Rente, oder wenn die Fruchtbarkeit, bei gleichem Zuschusskapital,
auf dem bessern und besten Boden mehr wächst als auf A, und
zwar im Verhältniss wie diese Zunahme der Fruchtbarkeit in den
höhern Bodenklassen höher ist als in den niedern.
[246]
Unter allen Umständen aber steigt die Rente relativ, wenn die
erhöhte Produktivkraft Folge eines Kapitalzuschusses ist, und nicht
Folge einfach erhöhter Fruchtbarkeit bei konstanter Kapitalanlage.
Dies ist der absolute Gesichtspunkt, der zeigt, dass hier, wie bei
allen frühern Fällen, die Rente, und die erhöhte Rente per Acre
(wie bei Differentialrente I auf die ganze bebaute Fläche — die
Höhe des Durchschnittsrentals) Folge vermehrter Kapitalanlage
auf den Boden ist, ob diese nun mit konstanter Rate der Produk-
tivität bei konstanten, oder fallenden Preisen, oder mit abnehmender
Rate der Produktivität bei konstanten oder fallenden Preisen, oder
mit steigender Rate der Produktivität bei fallenden Preisen fungirt.
Denn unsre Annahme: konstanter Preis mit konstanter, fallender
oder steigender Rate der Produktivität des zuschüssigen Kapitals,
und fallender Preis mit konstanter, fallender, und steigender Rate
der Produktivität, löst sich auf in: konstante Rate der Produktivität
des Zuschusskapitals bei konstantem oder fallenden Preis, fallende
Rate der Produktivität bei konstantem oder fallendem Preis, stei-
gende Rate der Produktivität mit konstantem und fallenden Preis.
Obgleich in allen diesen Fällen die Rente stationär bleiben und
fallen kann, würde sie tiefer fallen, wenn die zuschüssige Anwen-
dung des Kapitals, bei sonst gleichbleibenden Umständen, nicht
Bedingung der erhöhten Fruchtbarkeit wäre. Der Kapitalzuschuss
ist dann immer die Ursache der relativen Höhe der Rente, obgleich
sie absolut gefallen.
Dreiundvierzigstes Kapitel.
Die Differentialrente II. — Dritter Fall: Steigender
Produktionspreis.
[Steigender Produktionspreis setzt voraus, dass die Produktivität
der geringsten, keine Rente zahlenden Bodenqualität abnimmt. Nur
wenn die auf A gelegten 2½ £ weniger als 1 qr., oder die 5 £
weniger als 2 qrs. produziren, oder wenn ein noch schlechterer
Boden als A in Bebauung genommen werden muss, kann der als
regulirend angenommene Produktionspreis über 3 £ per qr. steigen.
Bei gleichbleibender oder gar steigender Produktivität der zwei-
ten Kapitalanlage wäre dies nur möglich, wenn die Produktivität
der ersten Kapitalanlage von 2½ £ abgenommen hätte. Dieser
Fall kommt oft genug vor. Z. B. wenn bei oberflächlichem Pflügen
die erschöpfte obere Ackerkrume bei der alten Bewirthschaftung ab-
nehmende Erträge gibt, und dann der durch tieferes Pflügen empor-
geworfne Untergrund unter rationeller Behandlung wieder höhere
[247] Erträge als früher liefert. Aber dieser Specialfall gehört, genau
genommen, nicht hierher. Das Fallen der Produktivität der ersten
Kapitalanlage von 2½ £ bedingt für die bessern Bodenarten, selbst
wenn dort die Verhältnisse analog angenommen werden, ein Fallen
der Differentialrente I; hier aber betrachten wir nur die Differen-
tialrente II. Da aber der vorliegende Specialfall nicht vorkommen
kann, ohne dass die Differentialrente II bereits als bestehend vor-
ausgesetzt wird, und in der That die Rückwirkung einer Modifi-
kation von Differentialrente I auf II darstellt, geben wir ein Bei-
spiel davon.
Tabelle VII.
Die Geldrente, wie der Geldertrag, sind dieselben wie in Tabelle II.
Der gestiegne regulirende Produktionspreis ersetzt genau, was an
der Quantität des Produkts ausgefallen ist; da beide in umge-
kehrtem Verhältniss variiren, ist selbstverständlich, dass das Pro-
dukt beider dasselbe bleibt.
Im obigen Fall war angenommen, dass die Produktivkraft der
zweiten Kapitalanlage höher sei als die ursprüngliche Produk-
tivität der ersten Anlage. Die Sache bleibt sich gleich, wenn wir
für die zweite Anlage nur dieselbe Produktivität ansetzen, die der
ersten ursprünglich zukam, wie in folgender
Tabelle VIII.
Auch hier bedingt der in demselben Verhältniss steigende Pro-
duktionspreis, dass die Abnahme in der Produktivität für Ertrag
wie Geldrente voll aufgewogen wird.
Rein tritt der dritte Fall nur hervor bei fallender Produktivität
der zweiten Kapitalanlage, während die der ersten, wie dies für
den ersten und zweiten Fall überall angenommen, konstant bleibt.
Hier wird Differentialrente I nicht berührt, die Veränderung findet
nur statt mit dem aus der Differentialrente II entspringenden An-
theil. Wir geben zwei Beispiele; im ersten sei die Produktivität
der zweiten Kapitalanlage auf ½, in der zweiten auf ¼ reducirt.
Tabelle IX.
Tabelle IX ist dieselbe wie Tabelle VIII, nur dass die Abnahme
der Produktivität in VIII auf die erste, in IX auf die zweite Kapi-
talanlage fällt.
Tabelle X.
Auch in dieser Tabelle bleiben Gesammtertrag, Geldrental und
Rentrate dieselben wie in Tabelle II, VII und VIII, weil abermals
Produkt und Verkaufspreis im umgekehrten Verhältniss variirt
haben, die Kapitalanlage aber dieselbe geblieben ist.
Wie steht es aber in dem andern, bei steigendem Produktions-
preis möglichen Fall, nämlich wenn ein bisher die Bebauung nicht
lohnender, geringrer Boden nun in Bebauung genommen wird?
[249]
Nehmen wir an, ein solcher Boden, den wir mit a bezeichnen
wollen, käme in Konkurrenz. Dann würde der bisher rentelose
Boden A eine Rente abwerfen, und die obigen Tabellen VII, VIII
und X würden dann folgende Gestalt annehmen:
Tabelle VII, a.
Tabelle VIII, a.
Tabelle X a.
Durch die Einschiebung von Boden a entsteht eine neue Diffe-
rentialrente I; auf dieser neuen Grundlage entwickelt sich dann
die Differentialrente II ebenfalls in veränderter Gestalt. Der Boden a
[250] hat in jeder der drei obigen Tabellen eine verschiedne Fruchtbar-
keit; die Reihe der proportionell steigenden Fruchtbarkeiten be-
ginnt erst mit A. Demgemäß verhält sich auch die Reihe der
steigenden Renten. Die Rente des schlechtesten rentetragenden,
früher rentelosen Bodens bildet eine Konstante, die allen höheren
Renten einfach zuaddirt wird; erst nach Abzug dieser Konstanten
tritt bei den höheren Renten die Reihe der Differenzen klar her-
vor, und ihr Parallelismus mit der Fruchtbarkeitsreihe der Boden-
arten. In allen Tabellen verhalten sich die Fruchtbarkeiten, von
A bis D, wie 1 : 2 : 3 : 4, und dementsprechend die Renten:
in VIIa, wie 1 : 1 + 7 : 1 + 2 × 7 : 1 + 3 × 7,
in VIIIa, wie 1⅕ : 1⅕ + 7⅕ : 1⅕ + 2 × 7⅕ : 1⅕ + 3 × 7⅕,
in Xa, wie ⅔ : ⅔ + 6⅔ : ⅔ + 2 × 6⅔ : ⅔ + 3 × 6⅔.
Kurz: ist die Rente von A = n, und die Rente des Bodens von
nächst höherer Fruchtbarkeit = n + m, so ist die Reihe: wie
n : n + m : n + 2m : n + 3m u. s. w. — F. E.]
[Da der obige dritte Fall im Manuskript nicht ausgearbeitet
war — es steht nur der Titel da — so blieb es Aufgabe des Her-
ausgebers, dies wie vorstehend so gut es ging zu ergänzen. Es
bleibt ihm aber auch noch übrig, aus der ganzen bisherigen Unter-
suchung der Differentialrente II in ihren drei Hauptfällen und
neun Unterfällen die sich ergebenden allgemeinen Schlüsse zu ziehn.
Für diesen Zweck aber passen die im Manuskript gegebnen Bei-
spiele nur wenig. Sie nehmen erstens Bodenstücke in Vergleich,
deren Erträge, für gleichgrosse Flächen, sich verhalten wie 1 : 2 :
3 : 4; also Unterschiede, die schon von vorn herein stark über-
treiben, und die im Verlauf der sich auf dieser Grundlage ent-
wickelnden Annahmen und Berechnungen zu vollständig gewalt-
samen Zahlenverhältnissen führen. Zweitens aber erwecken sie
einen durchaus falschen Schein. Wenn für Fruchtbarkeitsgrade,
die sich verhalten wie 1 : 2 : 3 : 4 etc., sich Renten ergeben von
der Reihe 0 : 1 : 2 : 3 etc., so fühlt man sich sofort versucht, die
zweite Reihe aus der ersten abzuleiten, und die Verdopplung, Ver-
dreifachung etc. der Renten aus der Verdopplung, Verdreifachung
u. s. w. der Gesammterträge zu erklären. Dies wäre aber durch-
aus unrichtig. Die Renten verhalten sich wie 0 : 1 : 2 : 3 : 4 auch
dann, wenn sich die Fruchtsbarkeitsgrade verhalten wie n : n +
1 : n + 2 : n + 3 : n + 4; die Renten verhalten sich nicht wie
die Fruchtbarkeitsgrade, sondern wie die Fruchtbarkeitsunter-
schiede, von dem rentelosen Boden als dem Nullpunkt an gerechnet.
[251]
Die Tabellen des Originals mussten zur Erklärung des Textes
gegeben werden. Um aber für die unten folgenden Resultate der
Untersuchung eine anschauliche Grundlage zu erhalten, gebe ich
in Folgendem eine neue Reihe von Tabellen, worin die Erträge in
Bushels (⅛ Quarter oder 36.35 Liter) und Schillingen (= Mark)
angegeben sind.
Die erste Tabelle (XI) entspricht der früheren Tabelle I. Sie
gibt die Erträge und Renten für fünf Bodenqualitäten A—E, bei
einer ersten Kapitalanlage von 50 sh., was mit 10 sh. Profit =
60 sh. Gesammt-Produktionskosten per Acre ausmacht. Die Korn-
erträge sind niedrig angesetzt: 10, 12, 14, 16, 18 Bushels per Acre.
Der sich ergebende regulirende Produktionspreis ist 6 sh. per Bushel.
Die folgenden 13 Tabellen entsprechen den in diesem und den
beiden vorigen Kapiteln behandelten drei Fällen der Differential-
rente II, bei einer zusätzlichen Kapitalanlage auf demselben
Boden von 50 sh. per Acre, bei konstantem, fallendem und steigen-
dem Produktionspreis. Jeder dieser Fälle wird wieder dargestellt,
wie er sich gestaltet 1) bei gleichbleibender, 2) bei fallender, 3) bei
steigender Produktivität der zweiten Kapitalanlage gegenüber der
ersten. Dabei ergeben sich einige noch besonders zu veranschau-
lichende Varianten.
Bei Fall I: konstanter Produktionspreis, haben wir:
- Variante 1: Gleichbleibende Produktivität der zweiten Kapitalanlage
(Tabelle XII.) - „ 2: Fallende Produktivität. Diese kann stattfinden nur wenn
auf Boden A keine zweite Anlage gemacht wird. Und
zwar entweder
a) so, dass Boden B ebenfalls keine Rente aufbringt
(Tabelle XIII) oder
b) so, dass Boden B nicht ganz rentelos wird (Tab. XIV.) - „ 3: Steigende Produktivität. (Tabelle XV.) Auch dieser
Fall schliesst zweite Kapitalanlage auf Boden A aus.
Bei Fall II: Fallender Produktionspreis, haben wir:
- Variante 1: Gleichbleibende Produktivität der zweiten Anlage (Ta-
belle XVI.) - „ 2: Fallende Produktivität (Tabelle XVII.) Diese beiden
Varianten bedingen, dass Boden A ausser Konkurrenz
tritt, Boden B rentelos wird und den Produktionspreis
regulirt. - „ 3: Steigende Produktivität (Tabelle XVIII.) Hier bleibt
Boden A regulirend.
[252]
Bei Fall III: Steigender Produktionspreis, sind zwei Modalitäten
möglich; Boden A kann rentelos und preisregulirend bleiben, oder
aber, es tritt eine geringere Bodenqualität als A in Konkurrenz
und regulirt den Preis, wobei A dann Rente abwirft.
Erste Modalität: Boden A bleibt regulirend.
- Variante 1: Gleichbleibende Produktivität der zweiten Anlage (Ta-
belle XIX.) Dies ist unter den Voraussetzungen nur
zulässig, wenn die Produktivität der ersten Anlage
abnimmt. - „ 2: Fallende Produktivität der zweiten Anlage (Tab. XX.);
dies schliesst gleichbleibende Produktivität der ersten
Anlage nicht aus. - „ 3: Steigende Produktivität der zweiten Anlage (Tab. XIX);
dies bedingt wieder fallende der ersten Anlage.
Zweite Modalität: Eine geringere (mit a bezeichnete) Bodenqua-
lität tritt in Konkurrenz; Boden A wirft Rente ab.
- Variante 1: Gleichbleibende Produktivität der zweiten Anlage (Ta-
belle XXII.) - „ 2: Fallende Produktivität (Tabelle XXIII.)
- „ 3: Steigende Produktivität (Tabelle XXIV.)
Diese drei Varianten gehn unter den allgemeinen Bedingungen
des Problems vor sich und geben zu keinen Bemerkungen Anlass.
Wir lassen jetzt die Tabellen folgen.
Tabelle XI.
Bei zweiter Kapitalanlage auf denselben Boden.
Erster Fall : Bei konstant bleibendem Produktionspreis.
- Variante 1: Bei konstant bleibender Produktivität der zweiten Ka-
pitalanlage.
[253]
Tabelle XII.
- Variante 2: Bei fallender Produktivität der zweiten Kapitalanlage;
auf Boden A keine zweite Anlage.
1) Wenn Boden B rentelos wird.
Tabelle XIII.
2) Wenn Boden B nicht ganz rentelos wird.
Tabelle XIV.
- Variante III: Bei steigender Produktivität der 2. Kapitalanlage;
auf Boden A auch hier keine zweite Anlage.
[254]
Tabelle XV.
Zweiter Fall: Bei fallendem Produktionspreis.
- Variante 1: Bei gleichbleibender Produktivität der zweiten Kapital-
anlage. Boden A tritt ausser Konkurrenz, Boden B
wird rentelos.
Tabelle XVI.
- Variante 2: Bei fallender Produktivität der zweiten Kapitalanlage;
Boden A tritt ausser Konkurrenz, Boden B wird rentelos.
Tabelle XVII.
- Variante 3: Bei steigender Produktivität der zweiten Kapitalanlage;
Boden A bleibt in Konkurrenz. Boden B trägt Rente.
[255]
Tabelle XVIII.
Dritter Fall: Bei steigendem Produktionspreis.
A. Wenn Boden A rentelos und preisregulirend bleibt.
- Variante 1: Bei gleichbleibender Produktivität der zweiten Kapital-
anlage; was abnehmende Produktivität der ersten An-
lage bedingt.
Tabelle XIX.
- Variante 2: Bei fallender Produktivität der zweiten Kapitalanlage; was
gleichbleibender Produktivität der ersten nicht ausschliesst.
Tabelle XX.
- Variante 3: Bei steigender Produktivität der zweiten Kapitalan-
lage, was, unter den Voraussetzungen, fallende der
ersten Anlage bedingt.
Tabelle XXI.
B. Wenn ein geringerer (mit a bezeichneter) Boden preisregu-
lirend wird und Boden A demnach Rente abwirft. Dies lässt für
alle Varianten gleichbleibende Produktivität der zweiten Anlage zu.
Variante 1: Gleichbleibende Produktivität der zweiten Kapitalanlage.
Tabelle XXII.
- Variante 2: Fallende Produktivität der zweiten Kapitatalanlage.
Tabelle XXIII.
- Variante 3: Steigende Produktivität der zweiten Kapitalanlage.
Tabelle XXIV.
Diese Tabellen ergeben nun folgendes.
Zunächst, dass die Reihe der Renten sich genau verhält wie die
Reihe der Fruchtbarkeitsunterschiede, den rentelosen, regulirenden
Boden als Nullpunkt genommen. Nicht die absoluten Erträge,
sondern nur die Ertragsdifferenzen sind für die Rente bestimmend.
Ob die verschiednen Bodenarten 1, 2, 3, 4, 5 Bushel, ob sie 11,
12, 13, 14, 15 Bushel per Acre Ertrag liefern, die Renten sind
in beiden Fällen, der Reihe nach, 0, 1, 2, 3, 4 Bushel, resp. deren
Geldertrag.
Weit wichtiger aber ist das Resultat in Beziehung auf die Ge-
sammt-Rentenerträge bei wiederholter Kapitalanlage auf demselben
Boden.
In fünf Fällen aus den untersuchten dreizehn verdoppelt sich
mit der Kapitalanlage auch die Gesammtsumme der Renten; statt
10 × 12 sh. wird sie 10 × 24 sh. = 240 sh. Diese Fälle sind:
Fall I, konstanter Preis, Variante I: gleichbleibende Produktions-
steigerung (Tabelle XII).
Fall II, fallender Preis, Variante III: wachsende Produktions-
steigerung (Tabelle XVIII).
Fall III, steigender Preis, erste Modalität, wo Boden A regu-
lirend bleibt, in allen drei Varianten (Tabelle XIX, XX, XXI).
In vier Fällen steigt die Rente um mehr als das doppelte,
nämlich:
Fall I, Variante III, konstanter Preis, aber wachsende Produk-
tionssteigerung (Tabelle XV). Die Rentensumme steigt auf 330 sh
Fall III, zweite Modalität, wo Boden A Rente abwirft, in allen
drei Varianten (Tabelle XXII, Rente = 15 × 30 = 450 sh.; Tab. XXIII
Rente = 5 × 20 + 10 × 28 = 380 sh.; Tabelle XXIV, Rente =
5 × 15 + 15 × 33¾ = 581¼ sh.
Marx, Kapital III. 2. 17
[258]
In einem Fall steigt sie, aber nicht auf den doppelten Betrag
der bei der ersten Kapitalanlage abfallenden Rente:
Fall I, konstanter Preis, Variante II: fallende Produktivität der
zweiten Anlage, unter Bedingungen wo B nicht ganz rentelos wird
(Tabelle XIV, Rente = 4 × 6 + 6 × 21 = 150 sh.
Endlich, nur in drei Fällen bleibt die Gesammtrente bei zweiter
Kapitalanlage, für alle Bodenarten zusammen, auf demselben Stand
wie bei der ersten Anlage (Tabelle XI); es sind dies die Fälle wo
Boden A ausser Konkurrenz gesetzt und Boden B regulirend und damit
rentelos wird. Die Rente für B fällt also nicht nur weg, sie wird
auch von jedem folgenden Glied der Rentenreihe abgezogen; da-
durch ist das Ergebniss bedingt. Diese Fälle sind:
Fall I, Variante II, wenn die Bedingungen der Art sind, dass
Boden A ausfällt. (Tabelle XIII.) Die Rentensumme ist 6 × 20,
also = 10 × 12 = 120 wie in Tabelle XI.
Fall II, Variante I und II. Hier fällt Boden A nach den Vor-
aussetzungen nothwendig aus (Tabelle XVI und XVII) und die
Rentensumme ist wieder 6 × 20 = 10 × 12 = 120 sh.
Dies heisst also: in der grossen Mehrzahl aller möglichen Fälle
steigt die Rente, sowohl per Acre des rentetragenden Bodens, wie
namentlich in ihrer Gesammtsumme, in Folge vermehrter Kapital-
anlage auf den Boden. Nur in 3 Fällen aus dreizehn untersuchten
bleibt ihre Gesammtsumme unverändert. Es sind dies die Fälle,
wo die niedrigste, bisher rentelose und regulirende Bodenqualität
ausser Konkurrenz und die nächsthöhere an ihre Stelle tritt, also
rentelos wird. Aber auch in diesen Fällen steigen die Renten auf
den besten Bodenarten gegen die der ersten Kapitalanlage ge-
schuldeten; wenn die Rente für C von 24 auf 20 fällt, so steigt
die für D und E von 36 und 48 auf 40 und 60 sh.
Ein Fall der Gesammtrenten unter den Stand bei erster Kapital-
anlage (Tab. XI) wäre nur möglich, wenn ausser Boden A auch Boden
B aus der Konkurrenz schiede, und Boden C regulirend und rente-
los würde.
Je mehr Kapital also auf den Boden verwandt wird, je höher
die Entwicklung des Ackerbaus und der Civilisation überhaupt in
einem Lande steht, desto höher steigen die Renten per Acre so-
wohl wie die Gesammtsumme der Renten, desto riesiger wird der
Tribut, den die Gesellschaft den Grossgrundbesitzern in der Gestalt
von Surplusprofiten zahlt — solange die einmal in Bebauung ge-
nommenen Bodenarten alle konkurrenzfähig bleiben.
Dies Gesetz erklärt die wunderbare Lebenszähigkeit der Klasse
[259] der grossen Grundbesitzer. Keine Gesellschaftsklasse lebt so ver-
schwenderisch, keine nimmt so, wie diese, ein Recht auf einen her-
gebrachten „standesgemäßen“ Luxus in Anspruch, einerlei woher
das Geld dazu kommt, keine häuft so leichten Herzens Schulden
über Schulden auf. Und doch fällt sie immer wieder auf die Füsse
— Dank dem in den Boden gesteckten Kapital andrer Leute, das
ihr Renten einträgt, ganz ausser allem Verhältniss zu den Profiten,
die der Kapitalist daraus zieht.
Dasselbe Gesetz erklärt aber auch, warum diese Lebenszähigkeit
des grossen Grundbesitzers allmälig sich erschöpft.
Als die englischen Kornzölle 1846 abgeschafft wurden, glaubten
die englischen Fabrikanten, sie hätten dadurch die grundbesitzende
Aristokratie in Paupers verwandelt. Statt dessen wurde sie reicher
als je vorher. Wie ging das zu? Sehr einfach. Erstens wurde
von nun an von den Pächtern kontraktlich verlangt, dass sie
12 £ statt 8 £ jährlich auf den Acre auslegen sollten, und
zweitens bewilligten sich die auch im Unterhaus sehr zahlreich ver-
tretnen Grundherrn eine starke Staatssubvention zur Drainirung
und sonstigen permanenten Verbesserung ihrer Ländereien. Da
keine totale Verdrängung des schlechtesten Bodens stattfand, son-
dern höchstens eine, auch meist nur zeitweilige, Verwendung zu
andern Zwecken, stiegen die Renten im Verhältniss der gesteigerten
Kapitalanlage, und die Grundaristokratie war besser daran als je
vorher.
Aber alles ist vergänglich. Die transoceanischen Dampfschiffe
und die nord- und südamerikanischen und indischen Eisenbahnen
brachten ganz eigenthümliche Landstrecken in die Lage, auf den
europäischen Kornmärkten zu konkurriren. Da waren einerseits
die nordamerikanischen Prairien, die argentinischen Pampas, Steppen,
von der Natur selbst urbar gemacht für den Pflug, jungfräulicher
Boden, der auf Jahre hinaus selbst bei primitiver Kultur und ohne
Dünger reichliche Erträge bot. Und da waren die Ländereien der
russischen und indischen kommunistischen Gemeinwesen, die einen
Theil ihres Produkts, und zwar einen stets wachsenden, verkaufen
mussten, um Geld zu erhalten für die Steuern, die der erbarmungs-
lose Despotismus des Staats ihnen abzwang — oft genug durch
Tortur. Diese Produkte wurden verkauft ohne Rücksicht auf die
Produktionskosten, verkauft für den Preis den der Händler bot,
weil der Bauer absolut Geld haben musste zum Zahlungstermin.
Und gegen diese Konkurrenz — des jungfräulichen Steppenbodens
wie des unter der Steuerschraube erliegenden russischen und in-
17*
[260] dischen Bauern — konnte der europäische Pächter und Bauer bei
den alten Renten nicht aufkommen. Ein Theil des Bodens in
Europa kam definitiv für den Kornbau ausser Konkurrenz, die
Renten fielen überall, unser zweiter Fall, Variante II: fallender
Preis und fallende Produktivität der zusätzlichen Kapitalanlagen,
wurde die Regel für Europa, und daher der Agrarierjammer
von Schottland bis Italien und von Südfrankreich bis nach Ost-
preussen. Glücklicher Weise ist noch lange nicht alles Steppen-
land in Bebauung genommen; es ist noch übrig genug vorhanden
um den ganzen europäischen grossen Grundbesitz zu ruiniren und
den kleinen obendrein. — F. E.]
Die Rubriken, worunter die Rente zu behandeln, sind diese:
- A. Differentialrente.
- 1) Begriff der Differentialrente. Illustration an Wasserkraft.
Uebergang zur eigentlichen Ackerbaurente. - 2) Differentialrente I, entspringend aus verschiedner Fruchtbar-
keit verschiedner Bodenstücke. - 3) Differentialrente II entspringend aus successiver Kapitalanlage
auf demselben Boden. Zu untersuchen ist Differentialrente II - a) bei stationärem,
- b) bei fallendem,
- c) bei steigendem Produktionspreis.
- Und ferner
- d) Verwandlung von Surplusprofit in Rente.
- 4) Einfluss dieser Rente auf die Profitrate.
- B. Absolute Rente.
- C. Der Bodenpreis.
- D. Schlussbetrachtungen über die Grundrente.
Als allgemeines Resultat bei der Betrachtung der Differential-
rente überhaupt ergibt sich:
Erstens: Die Bildung von Surplusprofiten kann auf verschiednen
Wegen erfolgen. Einerseits auf Basis der Differentialrente I, d. h.
auf Basis der Anlage des gesammten Agrikulturkapitals auf einer
Bodenfläche, welche aus Bodenarten verschiedner Fruchtbarkeit be-
steht. Ferner als Differentialrente II, auf Basis der verschiednen
Differentialproduktivität successiver Kapitalanlagen auf demselben
Boden, d. h. hier grössrer Produktivität, z. B. in qrs. Weizen, als
mit derselben Kapitalanlage auf dem geringsten, rentelosen, aber
den Produktionspreis regulirenden Boden bewirkt wird. Wie diese
[261] Surplusprofite aber auch entstehn mögen, ihre Verwandlung in
Rente, also ihre Uebertragung vom Pächter auf den Grundeigen-
thümer, setzt als vorausgehende Bedingung stets voraus, dass die
verschiednen wirklichen individuellen Produktionspreise (d. h. unab-
hängig von dem allgemeinen, den Markt regulirenden Produktions-
preis) welche die Theilprodukte der einzelnen successiven Kapital-
anlagen besitzen, vorher zu einem individuellen Durchschnittspro-
duktionspreis ausgeglichen werden. Der Ueberschuss des allgemeinen,
regulirenden Produktionspreises des Produkts eines Acre über diesen
seinen individuellen Durchschnittsproduktionspreis bildet und misst
die Rente per Acre. Bei Differentialrente I sind die Differential-
resultate an und für sich unterscheidbar, weil sie auf unterschiednem,
ausser und nebeneinander liegenden Bodentheilen, bei einer als
normal angenommenen Kapitalauslage per Acre und ihr entspre-
chender Normalbebauung stattfinden. Bei der Differentialrente II
müssen sie erst unterscheidbar gemacht werden; sie müssen in der
That in die Differentialrente I rückverwandelt werden und dies
kann nur in der angegebnen Weise geschehn. Nehmen wir z. B.
die Tabelle III, S. 226.
Boden B gibt für die erste Kapitalanlage von 2½ £ 2 qrs. per
Acre, und für die zweite gleich grosse, 1½ qrs.; zusammen 3½ qrs
auf demselben Acre. Es ist diesen 3½ qrs., die auf demselben
Boden gewachsen, nicht anzusehn, was davon Produkt der Kapital-
anlage I und was der Kapitalanlage II ist. Sie sind in der That
das Produkt des Gesammtkapitals von 5 £; und die wirkliche
Thatsache ist nur die, dass ein Kapital von 2½ £ 2 qrs. ergab,
und eins von 5 £ nicht 4 sondern 3½. Der Fall wäre ganz der-
selbe, wenn die 5 £ 4 qrs. ergäben, so dass die Erträge beider
Kapitalanlagen gleich wären, oder auch 5 qrs., sodass die zweite
Kapitalanlage einen Ueberschuss von 1 qr. ergeben würde. Der
Produktionspreis der ersten 2 qrs. ist 1½ £ per qr., und der der
zweiten 1½ qr. ist 2 £ per qr. Die 3½ qrs. zusammen kosten
daher 6 £. Dies ist der individuelle Produktionspreis des Ge-
sammtprodukts, und macht im Durchschnitt 1 £ 14\frac{2}{7} sh. per qr.,
sage rund 1¾ £. Bei dem durch den Boden A bestimmten all-
gemeinen Produktionspreis von 3 £ gibt dies einen Surplusprofit
von 1¼ £ per qr., und also für 3½ qrs. zusammen 4⅜ £. Bei
dem Durchschnittsproduktionspreis von B stellt sich dies dar in
rund 1½ qrs. Der Surplusprofit von B stellt sich also dar in
einem aliquoten Theil des Produkts von B, den 1½ qrs., die die
Rente in Korn ausgedrückt bilden, und die sich nach dem allge-
[262] meinen Produktionspreis zu 4½ £ verkaufen. Aber umgekehrt
ist das überschüssige Produkt eines Acre von B über das eines
Acre von A nicht ohne weitres Darstellung von Surplusprofit, und
daher Surplusprodukt. Nach der Voraussetzung producirt der Acre
B 3½ qrs., der Acre A nur 1 qr. Das überschüssige Produkt
auf B ist also 2½ qrs., aber das Surplusprodukt ist nur 1½ qrs.;
denn auf B ist das doppelte Kapital angelegt wie auf A, und da-
her sind die Produktionskosten hier doppelt. Fände auf A eben-
falls Anlage von 5 £ statt, und die Rate der Produktivität bliebe
gleich, so wäre das Produkt 2 qrs. statt 1, und es würde sich so
zeigen, dass das wirkliche Surplusprodukt gefunden wird durch
Vergleichung, nicht von 3½ und 1, sondern von 3½ und 2; dass
es also nicht 2½ sondern nur 1½ qr. ist. Ferner aber, wenn B
eine dritte Portion Kapital von 2½ £ anlegte, die nur 1 qr. er-
gäbe, also dieses qr. 3 £ kostete, wie auf A, so würde dessen
Verkaufspreis von 3 £ nur die Produktionskosten decken, nur den
Durchschnittsprofit abwerfen aber keinen Surplusprofit, also auch
nichts, was sich in Rente verwandeln könnte. Das Produkt per
Acre einer beliebigen Bodenart, mit dem Produkt per Acre des
Bodens A verglichen, zeigt weder an, ob es das Produkt gleicher
Kapitalanlage oder grössrer ist, noch ob das zuschüssige Produkt
nur den Produktionspreis deckt, oder ob es höherer Produktivität
des zuschüssigen Kapitals geschuldet ist.
Zweitens: Bei abnehmender Rate der Produktivität der zu-
schüssigen Kapitalanlagen, deren Grenze, soweit die Neubildung
von Surplusprofit in Betracht kommt, diejenige Kapitalanlage ist,
die nur die Produktionskosten deckt, d. h. die das qr. so theuer
producirt wie dieselbe Kapitalanlage auf einem Acre des Bodens
A, also nach der Voraussetzung zu 3 £, folgt aus dem eben
Entwickelten: dass die Grenze, wo die Gesammtkapitalanlage auf
den Acre von B keine Rente mehr bilden würde, die ist, wo
der individuelle Durchschnittsproduktionspreis des Produkts per
Acre von B auf den Produktionspreis per Acre von A steigen
würde.
Wenn B nur Kapitalanlagen zusetzt, die den Produktionspreis
zahlen, also keinen Surplusprofit, also keine neue Rente bilden, so
erhöht dies zwar den individuellen Durchschnittsproduktionspreis
per qr., afficirt aber nicht den von den frühern Kapitalanlagen
gebildeten Surplusprofit, eventuell die Rente. Denn der Durch-
schnittsproduktionspreis bleibt immer unter dem von A, und wenn
der Preisüberschuss per qr. abnimmt, so nimmt die Zahl der qrs.
[263] im selben Verhältniss zu, sodass der Gesammtüberschuss des Preises
konstant bleibt.
Im angenommenen Fall produciren die zwei ersten Kapitalanlagen
von 5 £ auf B 3½ qrs., also nach der Voraussetzung 1½ qrs.
Rente = 4½ £. Kommt eine dritte Kapitalanlage von 2½ £
hinzu, die aber nur ein zuschüssiges qr. producirt, so ist der Ge-
sammtproduktionspreis (incl. 20 % Profit) der 4½ qrs. = 9 £;
also der Durchschnittspreis per qr. = 2 £. Der Durchschnitts-
produktionspreis per qr. auf B ist also gestiegen von 1\frac{5}{7}£ auf
2 £, der Surplusprofit per qr., verglichen mit dem regulirenden
Preis von A, also gefallen von 1\frac{2}{7}£ auf 1 £. Aber 1 × 4½
= 4½ £, ganz wie früher 1\frac{2}{7} × 3½ = 4½ £.
Nehmen wir an, dass noch eine vierte und fünfte zuschüssige
Kapitalanlage von je 2½ £ auf B gemacht würde, die das qr.
nur zu seinem allgemeinen Produktionspreis producirte, so wäre
das Gesammtprodukt per Acre jetzt 6½ qrs., und deren Produk-
tionskosten 15 £. Der durchschnittliche Produktionspreis per qr.
für B wäre wieder gestiegen von 1 £ auf 2\frac{4}{13}£, und der Sur-
plusprofit per qr., verglichen mit dem regulirenden Produktions-
preis von A, wäre wieder gefallen von 1 £ auf \frac{9}{13}£. Aber
diese \frac{9}{13}£ wären nun zu berechnen auf 6½ qrs. statt auf 4½.
Und \frac{9}{13} × 6½ = 1 × 4½ = 4½ £.
Es folgt daraus zunächst, dass unter diesen Umständen keine
Erhöhung des regulirenden Produktionspreises nöthig ist, um zu-
schüssige Kapitalanlagen auf den Rente tragenden Bodenarten zu
ermöglichen selbst bis zu dem Grad, wo das Zusatzkapital ganz
aufhört, Surplusprofit zu liefern, und nur noch den Durchschnitts-
profit abwirft. Es folgt ferner, dass hier die Summe des Surplus-
profits per Acre dieselbe bleibt, wie sehr immer der Surplusprofit per
qr. abnehme; diese Abnahme wird stets ausgeglichen durch ent-
sprechende Zunahme der per Acre producirten qrs. Damit der
durchschnittliche Produktionspreis auf den allgemeinen Produk-
tionspreis sich erhebe (also hier auf 3 £ steige für Boden B)
müssten Kapitalzusätze gemacht werden, deren Produkt einen höhern
Produktionspreis hat als den regulirenden von 3 £. Aber man
wird sehn, dass selbst dies nicht ohne weiteres hinreicht, um den
Durchschnittsproduktionspreis per qr. für B auf den allgemeinen
Produktionspreis von 3 £ hinaufzutreiben.
Nehmen wir an, es wären auf Boden B producirt worden:
1) 3½ qrs. wie vorhin zu 6 £ Produktionspreis; also zwei
[264] Kapitalanlagen von je 2½ £, die beide Surplusprofite bilden, aber
von abnehmender Höhe.
2) 1 qr. zu 3 £; eine Kapitalanlage, wo der individuelle Pro-
duktionspreis gleich wäre dem regulirenden Produktionspreis.
3) 1 qr. zu 4 £; eine Kapitalanlage, wo der individuelle Pro-
duktionspreis 25 % höher ist als der regulirende Preis.
Wir hätten dann 5½ qrs. per Acre zu 13 £, bei einer Kapital-
anlage von 10 £; vier Mal die ursprüngliche Kapitalanlage, aber
noch nicht drei Mal das Produkt der ersten Kapitalanlage.
5½ qrs. zu 13 £ gibt 2\frac{4}{11}£ Durchschnittsproduktionpreis
per qr., also beim regulirenden Produktionspreis von 3 £ einen
Ueberschuss von \frac{7}{11}£ per qr., der sich in Rente verwandeln
kann. 5½ qrs. zum Verkauf zum regulirenden Preis von 3 £
geben 16½ £. Nach Abzug der Produktionskosten von 13 £
bleiben 3½ £ Surplusprofit oder Rente, die zum jetzigen Durch-
schnittsproduktionspreis des qrs. für B, also zu 2\frac{4}{11}£ per qr.
berechnet, 1\frac{5}{72} qr. repräsentiren. Die Geldrente wäre um 1 £
gefallen, die Kornrente um ungefähr ½ qr., aber trotzdem, dass
die vierte zuschüssige Kapitalanlage auf B nicht nur keinen Sur-
plusprofit, sondern weniger als den Durchschnittsprofit producirt,
existirt nach wie vor Surplusprofit und Rente. Nehmen wir an,
dass ausser der Kapitalanlage 3) auch die unter 2) über dem
regulirenden Produktionspreis producirt, so ist die Gesammtproduk-
tion; 3½ qrs. zu 6 £ + 2 qrs. zu 8 £, zusammen 5½ qrs. zu
14 £ Produktionskosten. Der Durchschnittsproduktionspreis per
qr. wäre 2\frac{6}{11}£ und liesse einen Ueberschuss von \frac{5}{11}£. Die
5½ qrs., verkauft zu 3 £, ergeben 16½ £; davon ab die 14 £
Produktionskosten, lässt 2½ £ für Rente. Dies gäbe beim jetzigen
durchschnittlichen Produktionspreis auf B \frac{55}{56} qr. Es fällt also
noch immer Rente ab, obwohl weniger als vorher.
Es zeigt uns dies jedenfalls, dass auf den bessern Ländereien
mit zusätzlichen Kapitalanlagen, deren Produkt mehr kostet als
der regulirende Produktionspreis, die Rente, wenigstens innerhalb
der Grenzen der zulässigen Praxis, nicht verschwinden, sondern
nur abnehmen muss, und zwar im Verhältniss, einerseits des ali-
quoten Theils, den dieses unfruchtbarere Kapital von der gesamm-
ten Kapitalauslage bildet, andrerseits der Abnahme seiner Frucht-
barkeit. Der Durchschnittspreis seines Produkts stände immer noch
unter dem regulirenden Preis, und liesse daher immer noch einen,
in Rente verwandelbaren Surplusprofit.
Nehmen wir nun an, dass der Durchschnittspreis des qr. von B
[265] zusammenfällt mit dem allgemeinen Produktionspreis, in Folge von
vier successiven Kapitalanlagen (2½, 2½, 5 und 5 £) mit ab-
nehmender Produktivität.
Der Pächter verkauft hier jedes qr. zu seinem individuellen
Produktionspreis, und daher die Gesammtzahl der qrs. zu ihrem
Durchschnittsproduktionspreis per qr., der mit dem regulirenden
Preis von 3 £ zusammenfällt. Er macht daher auf sein Kapital
von 15 £ nach wie vor einen Profit von 20 % = 3 £. Aber
die Rente ist verschwunden. Wo ist der Ueberschuss hingekom-
kommen bei dieser Ausgleichung der individuellen Produktions-
preise jedes qr. mit dem allgemeinen Produktionspreis?
Der Surplusprofit auf die ersten 2½ £ war 3 £; auf die zwei-
ten 2½ £ war er 1½ £; zusammen Surplusprofit auf ⅓ des
vorgeschossnen Kapitals, also auf 5 £ = 4½ £ = 90 %.
Bei Kapitalanlage 3) geben 5 £ nicht nur keinen Surplusprofit,
sondern ihr Produkt von 1½ qr., zum allgemeinen Produktions-
preis verkauft, gibt ein Minus von 1½ £. Endlich bei Kapital-
anlage 4) von ebenfalls 5 £ gibt ihr Produkt von 1 qr., zum
allgemeinen Produktionspreis verkauft, ein Minus von 3 £. Beide
Kapitalanlagen zusammen ergeben also ein Minus von 4½ £,
gleich dem Surplusprofit von 4½ £, der sich auf Kapitalanlagen
1) und 2) ergab.
Die Surplus- und Minus-Profite gleichen sich aus. Daher ver-
schwindet die Rente. In der That ist dies aber nur möglich, weil
die Elemente des Mehrwerths, die Surplusprofit oder Rente bildeten,
jetzt in die Bildung des Durchschnittsprofits eingehn. Der Pächter
macht diesen Durchschnittsprofit von 3 £ auf 15 £ oder von
20 % auf Kosten der Rente.
Die Ausgleichung des individuellen Durchschnitts-Produktions-
preises von B zum allgemeinen, den Marktpreis regulirenden Pro-
duktionspreis von A setzt voraus, dass die Differenz, um welche
[266] der individuelle Preis des Produkts der ersten Kapitalanlagen unter
dem regulirenden Preis steht, mehr und mehr aufgewogen und
zuletzt ausgeglichen wird durch die Differenz, um welche das Pro-
dukt der spätern Kapitalanlagen über den regulirenden Preis zu
stehn kommt. Was als Surplusprofit erscheint, so lange das Pro-
dukt der ersten Kapitalanlagen für sich verkauft wird, wird so
nach und nach Theil ihres durchschnittlichen Produktionspreises,
und geht damit in die Bildung des Durchschnittsprofits ein, bis
es schliesslich ganz von ihm absorbirt wird.
Werden, statt 15 £ Kapital auf B anzulegen, nur 5 £ auf B
angelegt, und die zuschüssigen 2½ qrs. der letzten Tabelle da-
durch producirt, dass 2½ Acres von A mit Kapitalanlage von
2½ £ per Acre neu bebaut würden, so betrüge das ausgelegte
Zuschusskapital nur 6¼ £, also die Gesammtauslage auf A und
B zur Produktion dieser 6 qrs. nur 11¼ £ statt 15 £, und die
Gesammt-Produktionskosten derselben incl. Profit 13½ £. Die
6 qrs. würden nach wie vor zusammen zu 18 £ verkauft, aber
die Kapitalauslage hätte um 3¾ £ abgenommen, und die Rente
auf B betrüge wie früher 4½ £ per Acre. Anders verhielte sich
die Sache, wenn zur Produktion der zuschüssigen 2½ qrs. zu
schlechterm Boden als A, zu A—1, A—2, Zuflucht genommen
werden müsste; sodass der Produktionspreis per qr., für 1½ qrs.
auf Boden A—1 = 4 £, und für das letzte qr. auf A—2 = 6 £.
In diesem Fall würde 6 £ der regulirende Produktionspreis per
qr. Die 3½ qrs. von B würden verkauft zu 21 £ statt zu 10½ £,
was eine Rente gäbe von 15 £ statt 4½ £, und in Korn von
2½ qrs. statt 1½ qr. Ebenso würde auf A das eine qr. jetzt
eine Rente von 3 £ tragen = ½ qr.
Bevor wir auf diesen Punkt weiter eingehn, noch eine Be-
merkung.
Der Durchschnittspreis des qr. von B gleicht sich aus, fällt zu-
sammen mit dem durch A regulirten allgemeinen Produktionspreis
von 3 £ per qr., sobald der Theil des Gesammtkapitals, der die
überschüssigen 1½ qrs. producirt, aufgewogen wird durch den
Theil des Gesammtkapitals, der die unterschüssigen 1½ qrs. pro-
ducirt. Wie bald diese Ausgleichung erreicht wird, oder wie viel
Kapital mit unterschüssiger Produktivkraft auf B dazu angelegt
werden muss, hängt, die Surplusproduktivität der ersten Kapital-
anlagen als gegeben vorausgesetzt, ab von der relativen Unter-
produktivität der später angelegten Kapitale, verglichen mit gleich-
grosser Kapitalanlage auf dem schlechtesten regulirenden Boden A,
[267] oder von dem individuellen Produktionspreis ihres Produkts, ver-
glichen mit dem regulirenden Preis.
Es ergibt sich zunächst aus dem Bisherigen:
Erstens. Solange die zuschüssigen Kapitale auf demselben
Boden mit Surplusproduktivität, wenn auch abnehmender, ange-
legt werden, wächst die absolute Korn- und Geldrente per Acre,
obgleich sie relativ, im Verhältniss zum vorgeschossnen Kapital
(also die Rate des Surplusprofits oder der Rente) abnimmt. Die
Grenze wird hier gebildet durch dasjenige zuschüssige Kapital,
welches nur den Durchschnittsprofit abwirft, oder für dessen Pro-
dukt der individuelle Produktionspreis mit dem allgemeinen zu-
sammenfällt. Der Produktionspreis bleibt unter diesen Umständen
derselbe, falls nicht durch die vermehrte Zufuhr die Produktion
von den schlechtern Bodenarten überflüssig wird. Selbst bei fallen-
dem Preise können diese zuschüssigen Kapitale, innerhalb gewisser
Grenzen, noch einen Surplusprofit, wenn auch geringeren, produciren.
Zweitens. Die Anlage von Zuschusskapital, das nur den Durch-
schnittsprofit producirt, dessen Surplusproduktivität also = 0, ändert
nichts an der Höhe des gebildeten Surplusprofits und daher der
Rente. Der individuelle Durchschnittspreis des qr. wächst dadurch
auf den bessern Bodenarten; der Ueberschuss per qr. nimmt ab,
aber die Anzahl der qrs., die diesen verminderten Ueberschuss
tragen, nimmt zu, sodass das Produkt dasselbe bleibt.
Drittens. Zuschüssige Kapitalanlagen, bei deren Produkt der
individuelle Produktionspreis über dem regulirenden Preis steht,
bei denen also die Surplusproduktivität nicht nur = 0 ist, sondern
weniger als Null, ein Minus, d. h. geringer als die Produktivität
gleicher Kapitalanlage auf den regulirenden Boden A, bringen den
individuellen Durchschnittspreis des Gesammtprodukts des bessern
Bodens immer näher dem allgemeinen Produktionspreis, vermindern
also immer mehr die Differenz zwischen beiden, die den Surplus-
profit, resp. die Rente bildet. Es geht mehr und mehr von dem,
was Surplusprofit oder Rente bildete, in die Bildung des Durch-
schnittsprofits ein. Aber dennoch fährt das auf den Acre von B
angelegte Gesammtkapital fort, Surplusprofit abzuwerfen, obgleich
abnehmend mit der zunehmenden Masse des Kapitals von unter-
schüssiger Produktivität und mit dem Grad dieser Unterproduk-
tivität. Die Rente, bei wachsendem Kapital und zunehmender
Produktion, fällt hier absolut per Acre, nicht wie im zweiten Fall nur
relativ in Bezug auf die wachsende Grösse des angelegten Kapitals.
[268]
Erlöschen kann die Rente nur, sobald der individuelle Durch-
schnittsproduktionspreis des Gesammtprodukts auf dem bessern
Boden B zusammenfällt mit dem regulirenden Preis, der ganze
Surplusprofit der ersten produktiveren Kapitalanlagen also ver-
braucht worden ist zur Bildung des Durchschnittsprofits.
Die Minimalgrenze des Falls der Rente per Acre ist der Punkt
wo sie verschwindet. Aber dieser Punkt tritt ein, nicht, sobald
die zuschüssigen Kapitalanlagen mit Unterproduktivität produciren,
sondern sobald die zuschüssige Anlage der unterproduktiven Kapi-
taltheile so gross wird, dass ihre Wirkung die überschüssige Pro-
duktivität der ersten Kapitalanlagen aufhebt, und die Produktivität
des angelegten Gesammtkapitals gleich wird der des Kapitals auf
A, und daher der individuelle Durchschnittspreis des qr. auf B
gleich dem des qr. auf A.
Auch in diesem Fall bliebe der regulirende Produktionspreis,
3 £ per qr. derselbe, obgleich die Rente verschwunden wäre. Erst
über diesen Punkt hinaus müsste der Produktionspreis steigen in
Folge von Zunahme, sei es des Grads der Unterproduktivität des
zuschüssigen Kapitals, sei es der Grösse des zuschüssigen Kapitals
von derselben Unterproduktivität. Würden z. B. oben in der
Tabelle S. 265 statt 1½ qr., 2½ qrs. zu 4 £ per qr. auf demselben
Boden producirt, so hätten wir im ganzen 7 qrs. zu 22 £ Pro-
duktionskosten; das qr. würde kosten 3\frac{1}{7}£; also um \frac{1}{7} über
dem allgemeinen Produktionspreis stehn, der steigen müsste.
Es könnte also noch lange zuschüssiges Kapital mit Unter-
produktivität und selbst zunehmender Unterproduktivität angewandt
werden, bis der individuelle Durchschnittspreis des qr. auf den besten
Ländereien dem allgemeinen Produktionspreis gleich würde, bis
der Ueberschuss des letztern über den erstern, und damit der Sur-
plusprofit und die Rente ganz verschwunden wäre.
Und selbst in diesem Fall würde mit Auslöschung der Rente
auf den bessern Bodenarten der individuelle Durchschnittspreis ihres
Produkts erst zusammenfallen mit dem allgemeinen Produktions-
preis, wäre also noch kein Steigen des letztern erheischt.
Im obigen Beispiel wurden auf dem bessern Boden B, der aber
der unterste in der Reihe der bessern oder Rente tragenden Boden-
arten ist, 3½ qrs. durch ein Kapital von 5 £ mit Surplusproduk-
tivität und 2½ qrs. durch ein Kapital von 10 £ mit Unterpro-
duktivität erzeugt, zusammen 6 qrs., also \frac{5}{12} durch die letztern,
mit Unterproduktivität angelegten Kapitaltheile. Und erst auf
diesem Punkt steigt der individuelle Durchschnittsproduktionspreis
[269] der 6 qrs. auf 3 £ per qr., fällt also zusammen mit dem allge-
meinen Produktionspreis.
Unter dem Gesetz des Grundeigenthums hätten jedoch nicht die
letzten 2½ qrs. in dieser Weise zu 3 £ per qr. producirt werden
können, mit Ausnahme des Falls, wo sie auf 2½ neuen Acres der
Bodenart A producirt werden könnten. Der Fall, wo das zuschüs-
sige Kapital nur noch zum allgemeinen Produktionspreis producirt,
hätte die Grenze gebildet. Ueber sie hinaus müsste die zuschüs-
sige Kapitalanlage auf demselben Boden aufhören.
Hat der Pächter nämlich für die zwei ersten Kapitalanlagen ein-
mal 4½ £ Rente zu zahlen, so muss er sie fortzahlen, und jede
Kapitalanlage, die das qr. unter 3 £ producirt, würde ihm einen
Abzug von seinem Profit verursachen. Die Ausgleichung des in-
dividuellen Durchschnittspreises, bei Unterproduktivität, ist dadurch
verhindert.
Nehmen wir diesen Fall bei dem vorigen Beispiel, wo der Pro-
duktionspreis des Bodens A von 3 £ per qr. den Preis für B
regulirt.
Die Produktionkosten der 3½ qrs. auf die zwei ersten Kapital-
anlagen sind ebenfalls 3 £ per qr. für den Pächter, da er eine
Rente von 4½ £ zu zahlen hat, bei dem also die Differenz zwischen
seinem individuellen Produktionspreis und dem allgemeinen Pro-
duktionspreis nicht in seine Tasche fliesst. Für ihn also kann der
Ueberschuss des Preises des Produkts der zwei ersten Kapital-
anlagen nicht zur Ausgleichung des Deficits bei den Produkten
der dritten und vierten Kapitalanlage dienen.
Die 1½ qrs. auf Kapitalanlage 3) kosten dem Pächter, Profit
eingerechnet, 6 £; er kann sie aber, beim regulirenden Preis von
3 £ per qr., nur für 4½ £ verkaufen. Er würde also nicht nur
den ganzen Profit verlieren, sondern obendrein ½ £ oder 10 %
vom angelegten Kapital von 5 £. Der Verlust an Profit und
[270] Kapital bei Anlage 3) betrüge für ihn 1½ £ und bei Kapital-
anlage 4) 3 £, zusammen 4½ £, gerade soviel wie die Rente
für die bessern Kapitalanlagen beträgt, deren individueller Produk-
tionspreis aber eben desshalb nicht ausgleichend eingehn kann in
den individuellen Durchschnittsproduktionspreis des Gesammtpro-
dukts von B, weil sein Ueberschuss als Rente an einen Dritten
fortgezahlt ist.
Wäre es für den Bedarf nöthig, die zuschüssigen 1½ qrs. durch
die dritte Kapitalanlage zu produciren, so müsste der regulirende
Marktpreis auf 4 £ per qr. steigen. In Folge dieser Vertheurung
des regulirenden Marktpreises würde die Rente auf B für die erste
und zweite Kapitalanlage steigen, und auf A eine Rente gebildet
werden.
Obgleich also die Differentialrente nur formelle Verwandlung
von Surplusprofit in Rente ist, das Grundeigenthum hier den Eigen-
thümer nur befähigt, den Surplusprofit vom Pächter auf sich zu
übertragen, zeigt sich doch, dass die successive Anlage von Kapital
auf dieselbe Bodenstrecke, oder was dasselbe, die Vermehrung des
auf derselben Bodenstrecke angelegten Kapitals, bei abnehmender
Rate der Produktivität des Kapitals und gleichbleibendem reguli-
renden Preis, viel eher seine Grenze findet, in der That also mehr
oder weniger eine künstliche Schranke findet in Folge der bloss
formellen Verwandlung von Surplusprofit in Grundrente, welche
Folge des Grundeigenthums ist. Das Steigen des allgemeinen
Produktionspreises, das hier bei engerer Grenze als sonst nöthig
wird, ist hier also nicht nur Grund des Steigens der Differential-
rente, sondern die Existenz der Differentialrente als Rente ist zu-
gleich Grund des frühern und raschern Steigens des allgemeinen
Produktionspreises, um dadurch die Zufuhr des nöthig gewordnen
vermehrten Produkts zu sichern.
Es ist ferner zu bemerken:
Durch Zuschuss von Kapital auf Boden B könnte der regulirende
Preis nicht, wie oben, auf 4 £ steigen, wenn Boden A durch
zweite Kapitalanlage das zuschüssige Produkt unter 4 £ lieferte,
oder wenn neuerer schlechterer Boden als A in Konkurrenz käme,
dessen Produktionspreis zwar über 3, aber unter 4 £ wäre. Man
sieht so, wie Differentialrente I im Differentialrente II, während
die erste Basis der zweiten ist, zugleich Grenzen für einander
bilden, wodurch bald successive Anlage von Kapital auf derselben
Bodenstrecke, bald Nebeneinander-Anlage von Kapital auf neuem
zusätzlichem Boden bedingt wird. Ebenso wirken sie als Grenzen
[271] für einander in andern Fällen, wo z. B. besserer Boden an die
Reihe kommt.
Vierundvierzigstes Kapitel.
Differentialrente auch auf dem schlechtesten bebauten Boden.
Gesetzt die Nachfrage nach Korn sei steigend, und die Zufuhr
könne nur befriedigt werden durch successive Kapitalanlagen mit
Unterproduktivität auf den Rente tragenden Ländereien, oder durch
zusätzliche Kapitalanlage, ebenfalls mit abnehmender Produktivität,
auf Boden A, oder durch Kapitalanlage auf neuen Ländereien von
geringrer Qualität als A.
Nehmen wir als Repräsentanten der Rente tragenden Ländereien
den Boden B.
Die zuschüssige Kapitalanlage verlangt ein Steigen des Markt-
preises über den bisherigen regulirenden Produktionspreis von 3 £
per qr., um die Mehrproduktion von 1 qr. (das hier eine Million
qrs. darstellen mag, wie jeder Acre eine Million Acres) auf B zu
ermöglichen. Auf C und D etc., den Bodenarten höchster Rente,
mag dann auch Mehrprodukt stattfinden, aber nur mit abnehmen-
der Surplusproduktivkraft; das eine qr. von B ist jedoch als noth-
wendig vorausgesetzt um die Nachfrage zu decken. Kann dies
eine qr. wohlfeiler durch Kapitalzuschuss auf B producirt werden,
als bei gleichem Kapitalzuschuss auf A, oder durch Herabsteigen
zum Boden A—1, der z. B. das qr. nur zu 4 £ produciren kann,
während das Zuschusskapital auf A schon zu 3¾ £ per qr. pro-
duciren könnte, so würde das Zuschusskapital auf B den Markt-
preis reguliren.
A habe wie bisher 1 qr. zu 3 £ producirt. B ebenfalls wie
bisher zusammen 3½ qrs. zum individuellen Produktionspreis von
zusammen 6 £. Ist nun auf B ein Zuschuss von 4 £ Produk-
tionskosten (incl. Profit) nöthig um ein ferneres qr. zu produciren,
während es auf A zu 3¾ £ producirt werden könnte, so würde
es selbstverständlich auf A, nicht auf B producirt werden. Nehmen
wir also an, es könne auf B mit 3½ £ zuschüssigen Produktions-
kosten hergestellt werden. In diesem Fall würde 3½ £ der regu-
lirende Preis für die gesammte Produktion. B würde nun sein
Produkt von jetzt 4½ qrs. verkaufen zu 15¾ £. Davon gingen
ab die Produktionskosten der ersten 3½ qrs. mit 6 £, und die
des letzten qr. mit 3½ £, zusammen 9½. Bleibt Surplusprofit
für Rente = 6¼ £, gegen früher nur 4½ £. In diesem Fall
[272] würde der Acre A ebenfalls eine Rente von ½ £ abwerfen; aber
nicht der schlechteste Boden A, sondern der bessre Boden B würde
den Produktionspreis von 3½ £ reguliren. Es ist dabei natürlich
unterstellt, dass neuer Boden der Bonität A von derselben günstigen
Lage, wie der bisher bebaute, nicht zugänglich ist, sondern eine
zweite Kapitalanlage auf die schon bebaute Strecke A, aber zu
grössern Produktionskosten, oder Heranziehung noch geringern
Bodens A—1 nöthig wäre. Sobald durch successive Kapitalanlagen
die Differentialrente II in Wirksamkeit tritt, können die Grenzen
des steigenden Produktionspreises durch bessern Boden regulirt
sein, und der schlechteste Boden, die Basis der Differentialrente I,
kann dann ebenfalls Rente tragen. So würden dann bei blosser
Differentialrente alle bebauten Ländereien Rente tragen. Wir hätten
dann folgende zwei Aufstellungen, wo unter Produktionskosten die
Summe des vorgeschossnen Kapitals plus 20 % Profit verstanden
ist, also auf je 2½ £ Kapital ½ £ Profit, zusammen 3 £.
Dies ist der Stand der Dinge, vor der neuen Kapitalanlage von
3½ £ auf B, die nur 1 qr. liefert. Nach dieser Kapitalanlage
stellt sich die Sache wie folgt:
[Dies ist wieder nicht ganz richtig gerechnet. Dem Pächter
von B kosten die 4½ qrs. erstens an Produktionskosten 9½ £
[273] und zweitens an Rente 4½ £, zusammen 14 £; Durchschnitt per
qr. = 3\frac{1}{9}£. Dieser Durchschnittspreis seiner Gesammtproduk-
tion wird hiermit der regulirende Marktpreis. Danach würde die
Rente auf A \frac{1}{9}£ statt ½ £ betragen, und die auf B würde
bleiben 4½ £ wie bisher: 4½ qrs. à 3\frac{1}{9}£ = 14 £, davon ab
9½ £ Produktionskosten, bleiben 4½ £ für Surplusprofit. Man
sieht: trotz der zu ändernden Zahlen zeigt das Beispiel, wie ver-
mittelst Differentialrente II der bessere, schon rentetragende Boden
den Preis reguliren und dadurch aller Boden, auch der bisher
rentelose, in rentetragenden verwandelt werden kann. — F. E.]
Die Kornrente muss steigen, sobald der regulirende Produktions-
preis des Korns steigt, sobald also das qr. Korn auf dem regulirenden
Boden, oder die regulirende Kapitalanlage auf einer der Boden-
arten steigt. Es ist dasselbe als wären alle Bodenarten unfrucht-
barer geworden und producirten z. B. mit 2½ £ neuer Kapital-
anlage alle nur \frac{5}{7} qr. statt 1 qr. Was sie mit derselben Kapital-
anlage an Korn mehr produciren, verwandelt sich in Surplus-
produkt, worin sich der Surplusprofit und daher die Rente dar-
stellt. Gesetzt, die Profitrate bliebe dieselbe, so kann der Pächter
mit seinem Profit weniger Korn kaufen. Die Profitrate kann die-
selbe bleiben, wenn der Arbeitslohn nicht steigt, entweder weil er
auf das physische Minimum, also unter den normalen Werth der
Arbeitskraft heruntergedrückt wird; oder weil die andern, von der
Manufaktur gelieferten Gegenstände des Arbeiterkonsums verhält-
nissmäßig wohlfeiler geworden sind; oder weil der Arbeitstag ver-
längert oder intensiver geworden ist, und daher die Profitrate in
den nicht agrikolen Produktionszweigen, die aber den agrikolen
Profit regulirt, gleichgeblieben, wenn nicht gestiegen ist; oder
aber, weil bei der Agrikultur zwar dasselbe Kapital ausgelegt ist,
aber mehr konstantes und weniger variables.
Wir haben nun die erste Weise betrachtet, worin auf dem bis-
her schlechtesten Boden A Rente entstehn kann, ohne dass noch
schlechtrer Boden in Bebauung gezogen wird; nämlich durch die
Differenz seines individuellen, bisher regulirenden Produktionspreises
gegen den neuen, höhern Produktionspreis, wozu das letzte zu-
schüssige Kapital mit Unterproduktivkraft auf besserm Boden das
nöthige Zuschussprodukt liefert.
Hätte das zuschüssige Produkt von Boden A—1 geliefert werden
müssen, der das qr. nur zu 4 £ liefern kann, so wäre die Rente
per Acre auf A auf 1 £ gestiegen. Aber in diesem Fall wäre
A—1 als der schlechteste kultivirte Boden an die Stelle von A,
Marx, Kapital III. 2. 18
[274] und dieser als unterstes Glied in die Reihe der Rente tragenden
Bodenarten gerückt. Die Differentialrente I hätte sich geändert.
Dieser Fall liegt also ausserhalb der Betrachtung der Differential-
rente II, die aus verschiedner Produktivität successiver Kapital-
anlagen auf derselben Bodenstrecke entspringt.
Es kann aber ausserdem noch in doppelter Weise Differential-
rente auf Boden A entstehn.
Bei gleichbleibendem Preis — irgend einem gegebnen Preis, der
selbst ein gefallner sein kann, verglichen mit frühern — wenn die
zusätzliche Kapitalanlage Surplusproduktivität erzeugt, was prima
facie bis zu einem gewissen Punkt gerade beim schlechtesten Boden
immer der Fall sein muss.
Zweitens aber, wenn umgekehrt die Produktivität der successiven
Kapitalanlagen auf Boden A abnimmt.
Beidemal ist vorausgesetzt, dass die vermehrte Produktion durch
den Stand der Nachfrage erheischt ist.
Aber es bietet sich hier, vom Standpunkt der Differentialrente
aus, eine eigenthümliche Schwierigkeit dar wegen des früher ent-
wickelten Gesetzes, dass es immer der individuelle Durchschnitts-
produktionspreis des qr. auf die Gesammtproduktion (oder die Ge-
sammtauslage von Kapital) ist, der bestimmt. Bei dem Boden A
aber ist nicht, wie bei den bessern Bodenarten, ein Produktions-
preis ausser ihm gegeben, der für neue Kapitalanlagen die Aus-
gleichung des individuellen mit dem allgemeinen Produktionspreis
beschränkt. Denn der individuelle Produktionspreis von A ist ja
grade der allgemeine Produktionspreis, der den Marktpreis regulirt.
Nimm an:
1) Bei steigender Produktivkraft der successiven Kapi-
talanlagen können auf 1 Acre von A mit 5 £ Kapitalvorschuss,
entsprechend 6 £ Produktionskosten, statt 2 qrs. 3 producirt
werden. Die erste Kapitalanlage von 2½ £ liefert 1 qr., die
zweite 2 qrs. In diesem Fall geben 6 £ Produktionskosten 3 qrs.,
der qr. wird also durchschnittlich 2 £ kosten; werden also die
3 qrs. zu 2 £ verkauft, so trägt A nach wie vor keine Rente;
sondern es hat sich nur die Basis der Differentialrente II verändert;
2 £ ist der regulirende Produktionspreis geworden statt 3 £ ein
Kapital von 2½ £ producirt jetzt durchschnittlich auf dem schlech-
testen Boden 1½ statt 1 qr., und dies ist nun die officielle Frucht-
barkeit für alle höhern Bodenarten bei Anlage von 2½ £. Ein
Theil ihres bisherigen Surplusprodukts geht von nun an ein in die
[275] Bildung ihres nothwendigen Produkts, wie ein Theil ihres Surplus-
profits in die Bildung des Durchschnittsprofits.
Wird dagegen gerechnet, wie auf den bessern Bodenarten, wo
die Durchschnittsrechnung nichts ändert am absoluten Surplus,
weil für sie der allgemeine Produktionspreis als Schranke der
Kapitalanlage gegeben ist, so kostet das qr. der ersten Kapital-
anlage 3 £ und die 2 qrs. der zweiten jedes nur 1½ £. Es würde
also eine Kornrente von 1 qr. und eine Geldrente von 3 £ auf
A entstehn, die 3 qrs. aber zum alten Preise zu zusammen 9 £
verkauft werden. Erfolgte eine dritte Kapitalanlage von 2½ £
mit gleichbleibender Fruchtbarkeit wie die zweite, so würden nun
zusammen 5 qrs. mit 9 £ Produktionskosten producirt. Bliebe
der individuelle Durchschnitts-Produktionspreis von A regulirend,
so müsste das qr. nun zu 1⅘ £ verkauft werden. Der Durch-
schnittspreis wäre wieder gefallen, nicht durch neues Steigen der
Fruchtbarkeit der dritten Kapitalanlage, sondern nur durch Zusätze
einer neuen Kapitalanlage mit derselben zuschüssigen Fruchtbar-
keit wie die zweite. Statt wie auf den Rente tragenden Boden-
arten die Rente zu erhöhen, würden die successiven Kapitalanlagen
von höherer aber gleichbleibender Fruchtbarkeit auf Boden A den
Produktionspreis, und damit bei sonst gleichbleibenden Umständen
die Differentialrente auf allen andern Bodenarten proportionell
senken. Bliebe dagegen die erste Kapitalanlage, die 1 qr. zu 3 £
Produktionskosten producirt, für sich maßgebend, so würden die
5 qrs. zu 15 £ verkauft, und die Differentialrente der spätern
Kapitalanlagen auf Boden A betrüge 6 £. Der Zusatz von Mehr-
kapital auf den Acre von A, in welcher Form immer applicirt,
wäre hier eine Verbesserung, und das zusätzliche Kapital hätte
auch den ursprünglichen Kapitaltheil produktiver gemacht. Es
wäre Unsinn zu sagen, ⅓ des Kapitals hätten 1 qr. und die
übrigen ⅔ hätten 4 qrs. producirt. 9 £ per Acre würden immer
5 qrs. produciren, während 3 £ nur 1 qr. produciren würden. Ob
oder ob nicht hier eine Rente entstände, ein Surplusprofit, wäre
ganz von Umständen abhängig. Normal müsste der regulirende
Produktionspreis fallen. Dies wird der Fall sein, wenn diese ver-
besserte, aber mit mehr Kosten verknüpfte Bebauung auf Boden
A nur stattfindet, weil auch auf den bessern Bodenarten — also
allgemeine Revolution in der Agrikultur; sodass jetzt, wenn von
der natürlichen Fruchtbarkeit des Bodens A die Rede ist, unter-
stellt wird, dass er mit 6 resp. 9 £ statt mit 3 £ bestellt wird.
Namentlich gälte dies, wenn die Mehrzahl der bebauten Acres des
18*
[276] Bodens A, welche die Masse der Zufuhr dieses Landes liefern,
dieser neuen Methode unterworfen würden. Wenn aber die Ver-
besserung zunächst nur einen geringen Theil der Fläche von A
ergriffe, so würde dieser besser bebaute Theil einen Surplusprofit
liefern, den der Grundbesitzer rasch bei der Hand wäre, ganz oder
zum Theil in Rente zu verwandeln und als Rente zu fixiren. So
könnte, wenn die Nachfrage Schritt hielte mit der wachsenden
Zufuhr, im Maß wie der Boden A seiner ganzen Fläche nach all-
mälig der neuen Methode unterworfen würde, sich nach und nach
Rente bilden auf allem Boden der Qualität A und die Surpluspro-
duktivität ganz oder theilweise, je nach den Marktverhältnissen,
konfiscirt werden. Die Ausgleichung des Produktionspreises von
A zum Durchschnittspreis seines Produkts bei vermehrter Kapital-
auslage könnte so verhindert werden durch die Fixirung des Sur-
plusprofits dieser vermehrten Kapitalauslage in Form von Rente.
In diesem Fall wäre es wieder, wie wir das früher auf den bessern
Ländereien bei abnehmender Produktivkraft der Zusatzkapitale ge-
sehn, die Verwandlung des Surplusprofits in Grundrente, d. h. das
Dazwischentreten des Grundeigenthums, welches den Produktions-
preis erhöhen würde, statt dass die Differentialrente bloss Folge
der Differenzen zwischen individuellem und allgemeinem Produk-
tionspreis wäre. Es würde für Boden A das Zusammenfallen bei-
der Preise, weil die Regelung des Produktionspreises durch den
durchschnittlichen Produktionspreis von A, verhindern; es würde
also einen höhern Produktionspreis als den nöthigen aufrecht
halten, und dadurch Rente schaffen. Selbst bei freier Korneinfuhr
vom Ausland könnte dasselbe Resultat hervorgebracht werden oder
fortbestehn, indem die Pächter gezwungen würden, den Boden, der
bei dem von aussen bestimmten Produktionspreis im Kornbau
konkurriren könnte ohne Rente zu tragen, einer andren Bestimmung
zuzuwenden, z. B. der Viehweide, und daher nur Rente tragende
Ländereien dem Kornbau unterworfen würden, d. h. nur Ländereien,
deren individueller durchschnittlicher Produktionspreis per qr.
niedriger wäre als der von aussen bestimmte Produktionspreis. Es
ist im ganzen anzunehmen, dass im gegebnen Fall der Produktions-
preis sinken wird, aber nicht bis auf seinen Durchschnittspreis,
sondern höher stehn wird, aber unter dem Produktionspreis des
schlechtest bebauten Bodens A, sodass die Konkurrenz von neuem
Boden von A beschränkt wird.
2) Bei abnehmender Produktivkraft der Zusatzkapitale.
Gesetzt, Boden A—1 könne das zusätzliche qr. nur zu 4 £
[277] produciren, Boden A aber zu 3¾, also wohlfeiler, aber um ¾ £
theurer als das durch seine erste Kapitalanlage producirte qr. In
diesem Fall wäre der Gesammtpreis der beiden auf A producirten
qrs. = 6¾ £; also der Durchschnittspreis per qr. = 3⅜ £. Der
Produktionspreis würde steigen, aber nur um ⅜ £, während wenn
das Zusatzkapital auf neuem Boden angelegt würde, der zu 3¾ £
producirte, er um weitere ⅜ £, bis auf 3¾ £ steigen, und da-
mit proportionelle Erhöhung aller andern Differentialrenten be-
wirken würde.
Der Produktionspreis von 3⅜ £ per qr. von A wäre so aus-
geglichen zu seinem Durchschnittsproduktionspreis bei vermehrter
Kapitalanlage, und wäre regulirend; er würde also keine Rente
abwerfen, weil keinen Surplusprofit.
Würde aber dies von der zweiten Kapitalanlage producirte qr.
zu 3¾ £ verkauft, so würfe jetzt der Boden A eine Rente von
¾ £ ab, und zwar auch auf alle Acres von A, worauf keine zu-
schüssige Kapitalanlage stattgefunden, die also nach wie vor das
qr. zu 3 £ producirten. Solange noch unbebaute Strecken von A
existiren, könnte der Preis nur temporär auf 3¾ £ steigen. Die
Mitbewerbung neuer Strecken von A würde den Produktionspreis
auf 3 £ halten, bis aller Boden von A erschöpft wäre, dessen
günstige Lage ihm erlaubt das qr. wohlfeiler als 3¾ £ zu produ-
ciren. Dies wäre also anzunehmen, obgleich der Grundeigenthümer,
wenn ein Acre des Bodens Rente trägt, keinen andern rentefrei
einem Pächter überlassen wird.
Es hinge wieder von der grössern oder geringern Verallgemei-
nerung der zweiten Kapitalanlage auf dem vorhandnen Boden A
ab, ob der Produktionspreis zum Durchschnittspreis ausgeglichen
oder der individuelle Produktionspreis der zweiten Kapitalanlage
mit 3¾ £ regulirend wird. Das letztre ist nur der Fall, sobald
der Grundbesitzer Zeit gewinnt, den Surplusprofit, der bis zur Be-
friedigung der Nachfrage beim Preis von 3¾ £ per qr. gemacht
würde, als Rente zu fixiren.
Ueber die abnehmende Produktivität des Bodens bei successiven
Kapitalanlagen ist Liebig nachzusehn. Man hat gesehn, dass die
successive Abnahme der Surplusproduktivkraft der Kapitalanlagen
die Rente per Acre bei gleichbleibendem Produktionspreis stets
vermehrt, und dass sie dies selbst bei fallendem thun kann.
Allgemein aber ist dies zu bemerken:
Vom Standpunkt der kapitalistischen Produktionsweise findet
[278] stets relative Vertheuerung der Produkte statt, wenn um dasselbe
Produkt zu erhalten, eine Auslage gemacht, etwas bezahlt werden
muss, was früher nicht bezahlt wurde. Denn unter Ersatz des in
der Produktion aufgezehrten Kapitals ist nur der Ersatz von
Werthen zu verstehn, die sich in bestimmten Produktionsmitteln
darstellten. Naturelemente, die in die Produktion als Agentien
eingehn, ohne zu kosten, welche Rolle sie immer in der Produktion
spielen mögen, gehn nicht als Bestandtheile des Kapitals in sie
ein, sondern als Gratisnaturkraft des Kapitals, d. h. als eine Gratis-
naturproduktivkraft der Arbeit, die sich aber auf Basis der kapi-
talistischen Produktionsweise, wie alle Produktivkraft, als Produk-
tivkraft des Kapitals darstellt. Wenn also eine solche Naturkraft,
die ursprünglich nichts kostet, in die Produktion eingeht, so zählt
sie nicht mit bei der Preisbestimmung, solange das mit ihrer Hülfe
gelieferte Produkt für den Bedarf ausreicht. Muss aber im Fort-
gang der Entwicklung ein grösseres Produkt geliefert werden als
mit Hülfe dieser Naturkraft hergestellt werden kann, muss also
dies zusätzliche Produkt ohne Hülfe dieser Naturkraft, oder unter
Beihülfe von menschlichem Zuthun, menschlicher Arbeit erzeugt
werden, so geht ein neues zusätzliches Element in das Kapital ein.
Es findet also relativ mehr Kapitalauslage statt um dasselbe Pro-
dukt zu erhalten. Alle andren Umstände gleichbleibend, findet Ver-
theurung der Produktion statt.
(Aus einem Heft, „Begonnen Mitte Februar 1876“.)
Differentialrente und Rente als blosser Zins des dem
Boden einverleibten Kapitals.
Die sog. ständigen Meliorationen — welche die physikalische,
zum Theil auch chemische Beschaffenheit des Bodens verändern
durch Operationen, die Kapitalauslage kosten, und als Einverleibung
des Kapitals, in den Boden betrachtet werden können — kommen
fast alle darauf hinaus, einem bestimmten Bodenstück, dem Boden
an einem bestimmten, beschränkten Platz, Eigenschaften zu geben,
die andrer Boden, an andrem Platz und oft ganz in der Nähe,
von Natur besitzt. Ein Boden ist von Natur nivellirt, der andre
muss nivellirt werden; der eine besitzt natürlichen Wasserabfluss,
der andre bedarf künstlicher Drainirung; der eine besitzt von Natur
eine tiefe Ackerkrume, bei dem andren muss sie künstlich vertieft
werden; ein Thonboden ist von Natur mit dem zusagenden Quantum
Sand gemischt, bei einem andern muss dies Verhältniss erst ge-
schaffen werden; die eine Wiese wird von Natur berieselt oder
[279] überschlammt, die andre muss es werden durch Arbeit, oder in
der Sprache der bürgerlichen Oekonomie, durch Kapital.
Es ist nun eine wahrhaft erheiternde Theorie, dass hier bei dem
einen Boden, dessen komparative Vortheile erworben sind, die Rente
Zins ist, bei dem andren aber, der von Natur diese Vortheile be-
sitzt, nicht. (In der That wird die Sache aber in der Ausführung
dahin verdreht, dass, weil in dem einen Fall die Rente wirklich
mit Zins zusammenfällt, sie auch in den andren Fällen, wo dies
positiv nicht der Fall ist, Zins genannt, in Zins umgelogen werden
muss.) Der Boden trägt aber nach der gemachten Kapitalanlage
die Rente, nicht weil Kapital auf ihm angelegt worden ist, sondern
weil die Kapitalanlage den Boden zu einem, gegen früher produk-
tiveren Anlagefeld gemacht hat. Gesetzt, aller Boden eines Landes
bedürfe dieser Kapitalanlage; so muss jedes Bodenstück, dem sie
noch nicht zu Theil geworden, durch dies Stadium erst durch-
passiren und die Rente (der Zins, den er abwirft im gegebnen Fall),
die der schon mit Kapitalanlage versehene Boden trägt, ist eben so
gut eine Differentialrente, als ob er von Natur diesen Vorzug be-
sässe, und der andre Boden ihn erst künstlich erwerben müsste.
Auch diese in Zins auflösliche Rente wird zur reinen Differen-
tialrente, sobald das ausgelegte Kapital amortisirt ist. Dasselbe
Kapital müsste sonst als Kapital doppelt existiren.
Es ist eine der heitersten Erscheinungen, dass alle die Gegner
Ricardo’s, die die Bestimmung des Werths ausschliesslich durch
die Arbeit bekämpfen, gegenüber der aus Bodenunterschieden her-
vorgehenden Differentialrente geltend machen, dass hier die Natur
statt der Arbeit werthbestimmend gemacht werde; zugleich aber
diese Bestimmung der Lage vindiciren, oder auch, und noch mehr,
dem Zins des bei der Bearbeitung in den Boden gesteckten Kapi-
tals. Dieselbe Arbeit bringt denselben Werth hervor für das in
einer gegebnen Zeit geschaffne Produkt; die Grösse aber oder das
Quantum dieses Produkts, also auch der Werththeil, der auf einen
aliquoten Theil dieses Produkts fällt, hängt bei gegebner Quantität
der Arbeit einzig vom Quantum des Produkts ab, und dies wieder
von der Produktivität des gegebnen Quantums Arbeit, nicht von
der Grösse dieses Quantums. Ob diese Produktivität der Natur
oder Gesellschaft geschuldet ist, ist ganz gleichgültig. Nur in
dem Fall, wo sie selbst Arbeit, also Kapital kostet, vermehrt sie
die Produktionskosten um einen neuen Bestandtheil, was bei der
blossen Natur nicht der Fall ist.
[280]
Fünfundvierzigstes Kapitel.
Die absolute Grundrente.
Bei Analyse der Differentialrente wurde ausgegangen von der
Voraussetzung, dass der schlechteste Boden keine Grundrente zahlt,
oder, um es allgemeiner auszudrücken, dass nur der Boden Grund-
rente zahlt, für dessen Produkt der individuelle Produktionspreis
unter dem, den Markt regulirenden Produktionspreis steht, sodass
in dieser Weise ein Surplusprofit entspringt, der sich in Rente ver-
wandelt. Zunächst ist zu bemerken, dass das Gesetz der Differen-
tialrente, als Differentialrente, von der Richtigkeit oder Unrichtig-
keit jener Voraussetzung durchaus unabhängig ist.
Nennen wir den allgemeinen, den Markt regulirenden Produk-
tionspreis P, so fällt P für das Produkt der schlechtesten Boden-
art A mit ihrem individuellen Produktionspreis zusammen; d. h.
es zahlt der Preis das in der Produktion verzehrte konstante und
variable Kapital plus dem Durchschnittsprofit (= Unternehmer-
gewinn plus Zins).
Die Rente ist hier gleich Null. Der individuelle Produktions-
preis der nächstbessern Bodenart B ist = P', und P \> P'; d. h. P
zahlt mehr als den wirklichen Produktionspreis des Produkts der
Bodenklasse B. Es sei nun P — P' = d; d, der Ueberschuss von P
über P', ist daher der Surplusprofit, den der Pächter dieser Klasse
B macht. Dies d verwandelt sich in Rente, die dem Grundeigen-
thümer zu zahlen ist. Für die dritte Bodenklasse C sei P'' der
wirkliche Produktionspreis, und P — P'' = 2 d; so verwandelt sich
dies 2 d in Rente; ebenso für die vierte Klasse D der individuelle
Produktionspreis P''', und P — P''' = 3 d, das sich in Grundrente
verwandelt u. s. w. Gesetzt nun, für die Bodenklasse A sei die Vor-
aussetzung falsch, dass die Rente = 0 und daher der Preis ihres
Produkts = P + 0. Sie zahle vielmehr auch eine Rente = r. In
diesem Falle folgt zweierlei.
Erstens: der Preis des Bodenprodukts der Klasse A wäre nicht regu-
lirt durch seinen Produktionspreis, sondern enthielte einen Ueberschuss
über diesen, wäre = P + r. Denn die kapitalistische Produktionsweise
in ihrer Normalität vorausgesetzt, also vorausgesetzt, dass der Ueber-
schuss r, den der Pächter an den Grundeigenthümer zahlt, weder
einen Abzug vom Arbeitslohn, noch vom Durchschnittsprofit des
Kapitals darstellt, kann er ihn nur dadurch zahlen, dass sein Pro-
dukt sich über dem Produktionspreis verkauft, ihm also einen Sur-
plusprofit abwerfen würde, hätte er nicht diesen Ueberschuss in
[281] der Form der Rente an den Grundeigenthümer abzutreten. Der
regulirende Marktpreis des gesammten, auf dem Markt befindlichen
Produkts aller Bodenarten wäre dann nicht der Produktionspreis,
den das Kapital überhaupt in allen Produktionssphären abwirft,
d. h. ein Preis gleich den Auslagen plus dem Durchschnittsprofit,
sondern er wäre der Produktionspreis plus der Rente, P + r, nicht
P. Denn der Preis des Bodenprodukts der Klasse A drückt über-
haupt die Grenze des regulirenden allgemeinen Marktpreises aus,
des Preises, zu dem das Gesammtprodukt geliefert werden kann,
und regulirt sofern den Preis dieses Gesammtprodukts.
Dennoch wäre aber zweitens in diesem Fall, obgleich der all-
gemeine Preis des Bodenprodukts wesentlich modificirt würde, das
Gesetz der Differentialrente in keiner Weise hierdurch aufgehoben.
Denn wenn der Preis des Produkts der Klasse A, und damit der
allgemeine Marktpreis, = P + r, so wäre der Preis der Klassen B, C,
D etc. ebenfalls = P + r. Aber da für Klasse B P — P' = d, so
wäre (P + r) — (P' + r) ebenfalls = d, und für C P — P'' = (P + r)
— (P'' + r) = 2 d, wie endlich für D P — P''' = (P + r) — P''' + r)
= 3 d u. s. w. Die Differentialrente wäre also nach wie vor die-
selbe und wäre durch dasselbe Gesetz geregelt, obgleich die Rente
ein von diesem Gesetz unabhängiges Element enthielte, und gleich-
zeitig mit dem Preis des Bodenprodukts einen allgemeinen Zu-
wachs erführe. Es folgt daher, dass, wie es sich immer mit der
Rente der unfruchtbarsten Bodenarten verhalten mag, das Gesetz
der Differentialrente nicht nur davon unabhängig ist, sondern auch
die einzige Weise, die Differentialrente selbst ihrem Charakter ge-
mäß aufzufassen, darin besteht, die Rente der Bodenklasse A = 0
zu setzen. Ob diese nämlich = 0 oder \> 0, ist gleichgültig, so-
weit die Differentialrente in Betracht kommt, und kommt in der
That nicht in Rechnung.
Das Gesetz der Differentialrente ist also von dem Ergebniss der
folgenden Untersuchung unabhängig.
Fragt man nun weiter nach der Grundlage der Voraussetzung,
dass das Produkt der schlechtesten Bodenart A keine Rente zahlt,
so lautet die Antwort nothwendig so: Wenn der Marktpreis des
Bodenprodukts, sage des Getreides, eine solche Höhe erreicht hat,
dass ein zusätzlicher Vorschuss von Kapital, in der Bodenklasse A
angelegt, den gewöhnlichen Produktionspreis zahlt, also dem Kapi-
tal den gewöhnlichen Durchschnittsprofit abwirft, so genügt diese
Bedingung für Anlage des Zusatzkapitals auf der Bodenklasse A.
D. h. diese Bedingung genügt dem Kapitalisten, um neues Kapital
[282] mit den gewöhnlichen Profit anzulegen und in der normalen Weise
zu verwerthen.
Es ist hier zu bemerken dass auch in diesem Fall der Marktpreis höher
stehn muss als der Produktionspreis von A. Denn sobald die zusätz-
liche Zufuhr geschaffen, ist offenbar das Verhältniss von Nachfrage und
Zufuhr verändert. Früher war die Zufuhr ungenügend, jetzt ist sie
genügend. Der Preis muss also fallen. Um fallen zu können,
muss er höher gestanden haben als der Produktionspreis von A.
Aber der unfruchtbarere Charakter der neu in Bebauung getretnen
Klasse A bewirkt, dass er nicht wieder so niedrig fällt, als zur
Zeit, wo der Produktionspreis von Klasse B den Markt regulirte.
Der Produktionspreis von A bildet die Grenze, nicht für das tem-
poräre, sondern für das relativ permanente Steigen des Markt-
preises. — Ist dagegen der neu in Bebauung gesetzte Boden frucht-
barer als die bisher regulirende Klasse A, und dennoch nur hin-
reichend zur Deckung der zusätzlichen Nachfrage, so bleibt der
Marktpreis unverändert. Die Untersuchung, ob die unterste Boden-
klasse eine Rente zahlt, fällt aber auch in diesem Fall mit der
hier zu führenden zusammen, denn auch hier würde die Voraus-
setzung, dass die Bodenklasse A keine Rente zahlt, daraus erklärt
werden, dass der Marktpreis dem kapitalistischen Pächter genügt,
um mit diesem Preise exakt das aufgewandte Kapital plus dem
Durchschnittsprofit zu decken; kurz dass der Marktpreis ihm den
Produktionspreis seiner Waare liefert.
Jedenfalls kann der kapitalistische Pächter die Bodenklasse A
unter diesen Verhältnissen bebauen, soweit er als Kapitalist zu ent-
scheiden hat. Die Bedingung für die normale Verwerthung von
Kapital auf der Bodenart A ist nun vorhanden. Aus der Prämisse
aber, dass das Kapital jetzt vom Pächter, den durchschnittlichen
Verwerthungsverhältnissen des Kapitals gemäß, auf Bodenart A
angelegt werden könnte, wenn er auch keine Rente zu zahlen hätte,
folgt keineswegs der Schluss, dass dieser zur Klasse A gehörige
Boden nun dem Pächter ohne Weiteres zur Verfügung steht. Der
Umstand, dass der Pächter sein Kapital zum gewöhnlichen Profit
verwerthen könnte, wenn er keine Rente zahlt, ist durchaus kein
Grund für den Grundeigenthümer, dass er seinen Boden dem Pächter
umsonst leiht, und diesem Geschäftsfreund gegenüber so philan-
thropisch ist, den crédit gratuit einzuführen. Was eine solche
Voraussetzung einschliesst, ist die Abstraktion von Grundeigenthum,
die Aufhebung des Grundeigenthums, dessen Existenz gerade eine
Schranke für die Anlage von Kapital und für die beliebige Ver-
[283] werthung desselben in Grund und Boden bildet — eine Schranke,
die keineswegs fällt vor der blossen Reflexion des Pächters, dass
der Stand der Getreidepreise ihm erlaube, wenn er keine Rente
zahlte, d. h. wenn er praktisch das Grundeigenthum als nicht exi-
stirend behandeln könnte, aus seinem Kapital den gewöhnlichen
Profit durch Exploitation der Bodenart A herauszuschlagen. Das
Monopol des Grundeigenthums, das Grundeigenthum als Schranke
des Kapitals, ist aber vorausgesetzt in der Differentialrente, denn
ohne dasselbe würde der Surplusprofit sich nicht in Grundrente
verwandeln, und nicht dem Grundeigenthümer statt dem Pächter
zufallen. Und das Grundeigenthum als Schranke bleibt fortbe-
stehn, auch da wo die Rente als Differentialrente fortfällt, d. h.
auf der Bodenart A. Betrachten wir die Fälle, wo in einem Lande
kapitalistischer Produktion, Kapitalanlage auf Grund und Boden
ohne Zahlung von Rente stattfinden kann, so werden wir finden,
dass sie alle eine faktische, wenn auch nicht juristische Aufhebung
des Grundeigenthums einschliessen, eine Aufhebung, die aber nur
unter ganz bestimmten und ihrer Natur nach zufälligen Umständen
stattfinden kann.
Erstens, wenn der Grundeigenthümer selbst Kapitalist, oder der
Kapitalist selbst Grundeigenthümer ist. In diesem Fall kann er,
sobald der Marktpreis hinreichend gestiegen, um aus dem, was
nun Bodenart A ist, den Produktionspreis herauszuschlagen, d. h.
Kapitalersatz plus Durchschnittsprofit, sein Grundstück selbst be-
wirthschaften. Aber warum? Weil ihm gegenüber das Grund-
eigenthum keine Schranke für die Anlegung seines Kapitals bildet.
Er kann den Boden als einfaches Naturelement behandeln, und sich
daher ausschliesslich durch die Rücksichten der Verwerthung seines
Kapitals, durch kapitalistische Rücksichten bestimmen lassen. Solche
Fälle kommen in der Praxis vor, aber nur als Ausnahme. Ganz
wie die kapitalistische Bebauung des Bodens Trennung des fun-
girenden Kapitals und des Grundeigenthums voraussetzt, schliesst
sie als Regel Selbstbewirthschaftung des Grundeigenthums aus.
Man sieht sofort, dass dies rein zufällig ist. Wenn die vermehrte
Nachfrage nach Getreide die Bebauung eines grössern Umfangs
von Bodenart A erheischt, als in den Händen selbstwirthschaftender
Eigenthümer sich befindet, wenn also ein Theil davon verpachtet
werden muss, um überhaupt bebaut zu werden, fällt diese hypo-
thetische Auffassung der Schranke, die das Grundeigenthum für
die Anlegung des Kapitals bildet, sofort weg. Es ist ein abge-
schmackter Widerspruch, von der, der kapitalistischen Produktions-
[284] weise entsprechenden Scheidung zwischen Kapital und Boden,
Pächter und Grundeigenthümer auszugehn, [und] dann umgekehrt
die Selbstbewirthschaftung der Grundeigenthümer bis zu dem Um-
fang und überall da als Regel vorauszusetzen, wo das Kapital,
wenn kein Grundeigenthum ihm unabhängig gegenüber existirte,
keine Rente aus der Bebauung des Bodens ziehen würde. (Siehe
die Stelle bei A. Smith über Bergwerksrente, citirt weiter unten.)
Diese Aufhebung des Grundeigenthums ist zufällig. Sie kann ein-
treten oder nicht.
Zweitens: In dem Komplex einer Pachtung mögen sich ein-
zelne Bodenstrecken befinden, die bei der gegebnen Höhe der
Marktpreise keine Rente zahlen, also in der That umsonst ver-
liehen sind, aber vom Grundeigenthümer nicht so betrachtet werden,
weil er das Gesammtrental des verpachteten Bodens, nicht die
specielle Rente seiner einzelnen Bestandstücke ins Auge fasst. In
diesem Fall fällt für den Pächter, soweit die rentelosen Bestand-
stücke der Pachtung in Betracht kommen, das Grundeigenthum als
Schranke für die Anlegung des Kapitals weg, und zwar durch
Vertrag mit dem Grundeigenthümer selbst. Aber er zahlt für
diese Stücke keine Rente, nur weil er für den Boden, dessen Acces-
sorium sie bilden, Rente zahlt. Es ist hier grade eine Kom-
bination vorausgesetzt, wo zur schlechtern Bodenart A nicht als
einem selbständigen, neuen Produktionsfeld Zuflucht genommen
werden muss, um die mangelnde Zufuhr zu liefern, sondern wo sie
nur ein untrennbares Zwischenstück des bessern Bodens bildet.
Der Fall aber, der zu untersuchen ist, ist gerade der, wo Strecken
der Bodenart A selbständig bewirthschaftet, also unter den allge-
meinen Voraussetzungen der kapitalistischen Produktionsweise selb-
ständig verpachtet werden müssen.
Drittens: Ein Pächter kann zusätzliches Kapital auf derselben
Pachtung anlegen, obgleich bei den bestehenden Marktpreisen das
so erzielte zusätzliche Produkt ihm nur den Produktionspreis liefert,
ihm den gewöhnlichen Profit abwirft, ihn aber nicht zur Zahlung
einer zusätzlichen Rente befähigt. Mit einem Theil des im Boden
angelegten Kapitals zahlt er so Grundrente, mit dem andern nicht.
Wie wenig diese Unterstellung aber das Problem löst, sieht man
daraus: wenn der Marktpreis (und zugleich die Fruchtbarkeit des
Bodens) ihn befähigt, mit dem zusätzlichen Kapital einen Mehr-
ertrag zu erzielen, der ihm, wie das alte Kapital, ausser dem Pro-
duktionspreis einen Surplusprofit abwirft, so steckt er diesen
während der Dauer des Pachtvertrages selbst ein. Aber warum?
[285] Weil, so lange der Pachtvertrag dauert, die Schranke des Grund-
eigenthums für die Anlage seines Kapitals im Boden weggefallen
ist. Der blosse Umstand jedoch, dass um ihm diesen Surplusprofit
zu sichern, zusätzlicher schlechterer Boden selbständig in Anbruch
genommen und selbständig verpachtet werden muss, beweist un-
widerleglich, dass die Anlage von Zusatzkapital auf dem alten
Boden zur Herstellung der erforderlichen vermehrten Zufuhr nicht
ausreicht. Die eine Annahme schliesst die andre aus. Man könnte
nun zwar sagen: die Rente der schlechtesten Bodenart A ist selbst
Differentialrente, verglichen entweder mit dem Boden, der vom
Eigenthümer selbst bebaut wird (dies kommt jedoch rein als zu-
fällige Ausnahme vor), oder mit der zusätzlichen Kapitalanlage auf
den alten Pachtungen, die keine Rente abwerfen. Es wäre dies
aber 1) eine Differentialrente, die nicht aus der Verschiedenheit
der Fruchtbarkeit der Bodenarten entspränge, und daher nicht
voraussetzte, dass die Bodenart A keine Rente zahlt und ihr Pro-
dukt zum Produktionspreis verkauft. Und 2) der Umstand, ob zu-
sätzliche Kapitalanlagen auf derselben Pachtung Rente abwerfen
oder nicht, ist ganz so gleichgültig für den Umstand, ob der neu
zu bestellende Boden der Klasse A Rente zahlt oder nicht, wie es
z. B. für die Anlage eines neuen selbständigen Fabrikgeschäfts
gleichgültig ist, ob ein andrer Fabrikant desselben Geschäftszweigs
einen Theil seines Kapitals in zinstragenden Papieren anlegt, weil
er ihn nicht in seinem Geschäft ganz verwerthen kann; oder ob
er einzelne Erweiterungen macht, die ihm nicht den vollen Profit
abwerfen, aber doch mehr als den Zins. Für ihn ist das Neben-
sache. Die zusätzlichen neuen Etablissements müssen dagegen den
Durchschnittsprofit abwerfen, und werden unter dieser Erwartung
errichtet. Allerdings bilden die zusätzlichen Kapitalanlagen auf
den alten Pachtungen und die zusätzliche Bebauung von Neuland
der Bodenart A Schranken für einander. Die Grenze, bis zu der
zusätzliches Kapital unter ungünstigeren Produktionsbedingungen
auf derselben Pachtung angelegt werden kann, wird gegeben durch
die konkurrirenden Neuanlagen auf Bodenklasse A; andrerseits
wird die Rente, die diese Bodenklasse abwerfen kann, begrenzt
durch die konkurrirenden zusätzlichen Kapitalanlagen auf den alten
Pachtungen.
Alle diesen falschen Ausflüchte lösen jedoch nicht das Problem,
welches einfach hingestellt dieses ist: Gesetzt, der Marktpreis des
Getreides (das uns in dieser Untersuchung alles Bodenprodukt ver-
tritt) reiche hin, dass Theile der Bodenklasse A in Anbau genommen
[286] werden könnten, und dass das auf diesen neuen Feldern angelegte
Kapital den Produktionspreis des Produkts herausschlüge, d. h.
Kapitalersatz plus Durchschnittsprofit. Gesetzt also, die Bedin-
gungen für die normale Verwerthung von Kapital auf Bodenklasse
A seien vorhanden. Genügt dies? Kann dies Kapital dann wirk-
lich angelegt werden? Oder muss der Marktpreis soweit steigen,
dass auch der schlechteste Boden A eine Rente abwirft? Schreibt
also das Monopol des Grundeigenthümers der Anlage des Kapitals
eine Schranke vor, die vom rein kapitalistischen Standpunkt aus
nicht vorhanden wäre ohne die Existenz dieses Monopols? Aus
den Bedingungen der Fragestellung selbst geht hervor, dass, wenn
z. B. auf den alten Pachtungen zusätzliche Kapitalanlagen existiren,
die bei dem gegebnen Marktpreis keine Rente, sondern nur den
Durchschnittsprofit abwerfen, dieser Umstand keineswegs die Frage
löst, ob nun Kapital auf Bodenklasse A, die ebenfalls den Durch-
schnittsprofit abwerfen würde, aber keine Rente, nun wirklich an-
gelegt werden kann. Dies ist ja gerade die Frage. Dass die zu-
sätzlichen Kapitalanlagen, die keine Rente abwerfen, nicht den
Bedarf befriedigen, ist bewiesen durch die Nothwendigkeit der Her-
beiziehung des neuen Bodens der Klasse A. Wenn die zusätzliche
Bebauung des Bodens A nur stattfindet, soweit dieser Rente ab-
wirft, also mehr als den Produktionspreis, so sind nur zwei Fälle
möglich. Entweder der Marktpreis muss so stehn, dass selbst die
letzten zusätzlichen Kapitalanlagen auf den alten Pachtungen Sur-
plusprofit abwerfen, werde dieser nun vom Pächter oder vom
Grundbesitzer eingesteckt. Diese Steigerung des Preises und dieser
Surplusprofit der letzten zusätzlichen Kapitalanlagen wäre dann
Folge davon, dass der Boden A nicht bebaut werden kann, ohne
Rente abzuwerfen. Denn genügte für eine Bebauung der Produk-
tionspreis, das Abwerfen des blossen Durchschnittsprofits, so wäre
der Preis nicht soweit gestiegen, und die Konkurrenz der neuen
Ländereien wäre schon eingetreten, sobald sie bloss diese Produk-
tionspreise abwürfen. Mit den zusätzlichen Kapitalanlagen auf den
alten Pachtungen, die keine Rente abwürfen, würden dann Kapital-
anlagen auf Boden A konkurriren, die ebenfalls keine Rente ab-
würfen. — Oder aber, die letzten Kapitalanlagen auf den alten
Pachtungen werfen keine Rente ab, aber dennoch ist der Markt-
preis hoch genug gestiegen, dass Boden A in Anbruch genommen
werden kann und Rente abwirft. In diesem Fall war die zusätz-
liche Kapitalanlage, die keine Rente abwirft, nur möglich weil der
Boden A nicht bebaut werden kann, bis der Marktpreis ihm er-
[287] laubt Rente zu zahlen. Ohne diese Bedingung wäre seine Kultur
schon bei einem niedrigern Preisstand eingetreten; und jene spätern
Kapitalanlagen auf den alten Pachtungen, die den hohen Markt-
preis brauchen, um den gewöhnlichen Profit ohne Rente abzuwerfen,
hätten nicht stattfinden können. Bei dem hohen Marktpreis werfen
sie ja nur den Durchschnittsprofit ab. Bei einem niedrigeren, der
mit der Kultur des Bodens A als dessen Produktionspreis regu-
lirend geworden wäre, hätten sie diesen Profit also nicht abgeworfen,
hätten also unter der Voraussetzung überhaupt nicht stattgefunden.
Die Rente des Bodens A würde so zwar eine Differentialrente
bilden, verglichen mit diesen Kapitalanlagen auf den alten Pach-
tungen, die keine Rente abwerfen. Aber dass die Bodenflächen
von A eine solche Differentialrente bilden, ist nur die Folge davon,
dass sie überhaupt nicht der Bebauung zugänglich werden, es sei
denn, dass sie eine Rente abwerfen; dass also die Nothwendigkeit
dieser, an und für sich durch keine Differenz der Bodenarten be-
dingten, Rente stattfindet und die Schranke bildet für die mögliche
Anlage zusätzlicher Kapitale auf den alten Pachtungen. In beiden
Fällen wäre die Rente des Bodens A nicht einfache Folge des
Steigens der Getreidepreise, sondern umgekehrt: der Umstand, dass
der schlechteste Boden Rente abwerfen muss, damit seine Bebauung
überhaupt erlaubt wird, wäre die Ursache des Steigens der Getreide-
preise bis zu dem Punkt, wo diese Bedingung erfüllt werden kann.
Die Differentialrente hat das Eigenthümliche, dass das Grund-
eigenthum hier nur den Surplusprofit abfängt, den sonst der Pächter
einstecken würde, und unter gewissen Umständen während der
Dauer seines Pachtkontrakts wirklich einsteckt. Das Grundeigen-
thum ist hier nur die Ursache der Uebertragung eines ohne sein
Zuthun (vielmehr in Folge der Bestimmung des den Marktpreis
regulirenden Produktionspreises durch die Konkurrenz) erwachsenden
Theils des Waarenpreises, der sich in Surplusprofit auflöst — der
Uebertragung dieses Preistheils von einer Person auf die andre,
vom Kapitalisten auf den Grundeigenthümer. Aber das Grund-
eigenthum ist hier nicht die Ursache, welche diesen Bestandtheil
des Preises schafft, oder die Preissteigerung, die er voraussetzt.
Dagegen, wenn die schlechteste Bodenart A nicht bebaut werden
kann — obgleich ihre Bebauung den Produktionspreis abwerfen
würde — bis sie einen Ueberschuss über diesen Produktionspreis,
eine Rente abwirft, so ist das Grundeigenthum der schöpferische
Grund dieser Preissteigerung. Das Grundeigenthum selbst
hat Rente erzeugt. Es ändert nichts daran, wenn, wie im zweiten
[288] behandelten Fall, die jetzt vom Boden A gezahlte Rente eine Diffe-
rentialrente bildet, verglichen mit der letzten zusätzlichen Kapital-
anlage auf alten Pachtungen, die nur den Produktionspreis zahlt.
Denn der Umstand, dass Boden A nicht bebaut werden kann, bis
der regulirende Marktpreis hoch genug gestiegen ist, um Abwerfung
einer Rente für Boden A zuzulassen — nur dieser Umstand ist
hier der Grund, dass der Marktpreis bis zu einem Punkt steigt,
der zwar den letzten Kapitalanlagen auf den alten Pachtungen nur
ihren Produktionspreis zahlt, aber einen solchen Produktionspreis,
der zugleich eine Rente für Boden A abwirft. Dass dieser über-
haupt Rente zahlen muss, ist hier die Ursache der Schöpfung der
Differentialrente zwischen Boden A und den letzten Kapitalanlagen
auf den alten Pachtungen.
Wenn wir überhaupt davon sprechen, dass — unter der Vor-
aussetzung der Regelung des Getreidepreises durch den Produk-
tionspreis — Bodenklasse A keine Rente zahlt, so verstehn wir
Rente im kategorischen Sinn des Worts. Zahlt der Pächter ein
Pachtgeld, das einen Abzug bildet, sei es vom normalen Lohn
seiner Arbeiter, sei es von seinem eignen normalen Durchschnitts-
profit, so zahlt er keine Rente, keinen von Arbeitslohn und Profit
unterschiednen, selbständigen Bestandtheil des Preises seiner Waare.
Es ist schon früher bemerkt worden, dass dies in der Praxis be-
ständig vorkommt. Soweit der Lohn der Landarbeiter in einem
Land allgemein unter das normale Durchschnittsniveau des Arbeits-
lohns herabgedrückt wird, und daher ein Abzug vom Arbeitslohn,
ein Theil des Arbeitslohns allgemein in die Rente eingeht, bildet
dies keinen Ausnahmsfall für den Pächter des schlechtesten Bodens.
In demselben Produktionspreis, der die Bebauung des schlechtesten
Bodens zulässig macht, bildet bereits dieser niedrige Arbeitslohn
einen konstituirenden Posten, und der Verkauf des Produkts zum
Produktionspreis befähigt den Pächter dieses Bodens daher nicht,
eine Rente zu zahlen. Der Grundeigenthümer kann seinen Boden
auch an einen Arbeiter verpachten, der zufrieden ist, alles oder
den grössten Theil dessen, was ihm der Verkaufspreis über dem
Arbeitslohn gewährt, dem andren in der Form der Rente zu zahlen.
In allen diesen Fällen wird jedoch keine wirkliche Rente gezahlt,
obgleich Pachtgeld gezahlt wird. Wo aber der kapitalistischen
Produktionsweise entsprechende Verhältnisse existiren, müssen Rente
und Pachtgeld zusammenfallen. Es ist aber gerade dies normale
Verhältniss, das hier zu untersuchen ist.
Wenn schon die oben betrachteten Fälle, worin wirklich, inner-
[289] halb der kapitalistischen Produktionsweise, Kapitalanlagen auf dem
Boden stattfinden können ohne Rente abzuwerfen, nichts entscheiden
für unser Problem, so noch viel weniger die Verweisung auf Kolo-
nialverhältnisse. Was die Kolonie zur Kolonie macht — wir
sprechen hier nur von eigentlichen ackerbauenden Kolonien — ist
nicht nur die Masse der im Naturzustand befindlichen fruchtbaren
Ländereien. Es ist vielmehr der Umstand, dass diese Ländereien
nicht angeeignet, nicht unter das Grundeigenthum subsumirt sind.
Es ist dies, was den ungeheuren Unterschied macht zwischen den
alten Ländern und den Kolonien, soweit der Boden in Betracht
kommt: Die legale oder faktische Nichtexistenz des Grundeigen-
thums, wie Wakefield35) richtig bemerkt, und schon lange vor ihm
Mirabeau père, der Physiokrat, und andre ältre Oekonomen ent-
deckt hatten. Es ist hier ganz gleichgültig, ob die Kolonisten
ohne weiteres den Boden sich aneignen, oder ob sie dem Staat
unter dem Titel eines nominellen Bodenpreises in der That nur
eine Gebühr für einen gültigen Rechtstitel auf den Boden zahlen.
Es ist auch gleichgültig, dass schon angesiedelte Kolonisten juri-
stische Eigenthümer von Grund und Boden sind. Thatsächlich
bildet hier das Grundeigenthum keine Schranke für die Anlage
von Kapital oder auch von Arbeit ohne Kapital; die Beschlagnahme
des einen Bodentheils durch die bereits ansässigen Kolonisten
schliesst die neuen Ankömmlinge nicht von der Möglichkeit aus,
neuen Boden zum Anwendungsfeld ihres Kapitals oder ihrer Arbeit
zu machen. Wenn es also gilt zu untersuchen, wie das Grund-
eigenthum auf die Preise der Bodenprodukte und auf die Rente
wirkt, da wo es den Boden als Anlagefeld des Kapitals beschränkt,
so ist es höchst abgeschmackt, von freien bürgerlichen Kolonien
zu sprechen, wo weder die kapitalistische Produktionsweise in der
Agrikultur, noch die ihr entsprechende Form des Grundeigenthums
existirt, das letztre überhaupt faktisch nicht existirt. So z. B.
Ricardo in dem Kapitel über die Grundrente. Im Eingang sagt
er, er wolle die Wirkung der Aneignung des Bodens auf den
Werth der Bodenprodukte untersuchen und gleich darauf nimmt
er als Illustration die Kolonien, wo er unterstellt, dass der Grund
und Boden relativ elementarisch vorhanden, und seine Exploitation
nicht durch das Monopol des Grundeigenthums beschränkt ist.
Das blosse juristische Eigenthum am Boden schafft dem Eigen-
thümer keine Grundrente. Wohl aber gibt es ihm die Macht,
Marx, Kapital III. 2. 19
[290] seinen Boden solange der Exploitation zu entziehn, bis die ökono-
mischen Verhältnisse eine Verwerthung desselben erlauben, die ihm
einen Ueberschuss abwirft, sei es dass der Boden zur eigentlichen
Agrikultur verwandt werde, sei es zu andren Produktionszwecken
wie Bauten etc. Er kann die absolute Quantität dieses Beschäf-
tigungsfeldes nicht vermehren oder vermindern, wohl aber seine
auf dem Markt befindliche Quantität. Es ist daher, wie schon
Fourier bemerkt hat, eine charakteristische Thatsache, dass in
allen civilisirten Ländern ein verhältnissmäßig bedeutender Theil
des Bodens stets der Kultur entzogen bleibt.
Den Fall also gesetzt, dass die Nachfrage Aufbrechen neuer
Ländereien erheischt, sage unfruchtbarerer Ländereien als die bis-
her bebauten, wird der Grundeigenthümer diese Ländereien um-
sonst verpachten, weil der Marktpreis des Bodenprodukts hoch ge-
nug gestiegen ist, damit die Kapitalanlage in diesem Boden dem
Pächter den Produktionspreis zahlt und daher den gewöhnlichen
Profit abwirft? Keineswegs. Die Kapitalanlage muss ihm eine
Rente abwerfen. Er verpachtet erst, sobald ihm ein Pachtgeld
gezahlt werden kann. Der Marktpreis muss also über den Pro-
duktionspreis gestiegen sein zu P + r, sodass dem Grundeigenthümer
eine Rente gezahlt werden kann. Da das Grundeigenthum der
Voraussetzung nach ohne die Verpachtung nichts einträgt, ökono-
misch werthlos ist, so ist ein geringes Steigen des Marktpreises
über den Produktionspreis hinreichend, um den neuen Grund und
Boden schlechtester Sorte in den Markt zu bringen.
Es fragt sich nun: Folgt aus der Grundrente des schlechtesten
Bodens, die aus keiner Differenz der Fruchtbarkeit hergeleitet
werden kann, dass der Preis des Bodenprodukts nothwendig ein
Monopolpreis im gewöhnlichen Sinn ist, oder ein Preis, worin die
Rente in der Form eingeht wie eine Steuer, nur dass der Grund-
eigenthümer die Steuer erhebt statt des Staats? Dass diese Steuer
ihre gegebnen ökonomischen Schranken hat, ist selbstverständlich.
Sie ist beschränkt durch zusätzliche Kapitalanlagen auf den alten
Pachtungen, durch die Konkurrenz der fremden Bodenprodukte —
deren freie Einfuhr vorausgesetzt — durch die Konkurrenz der
Grundeigenthümer unter einander, endlich durch Bedürfniss und
Zahlungsfähigkeit der Konsumenten. Aber darum handelt es sich
hier nicht. Es handelt sich darum, ob die Rente, die der schlech-
teste Boden zahlt, in den Preis seines Produkts, der der Voraus-
setzung nach den allgemeinen Marktpreis regulirt, in derselben
Weise eingeht, wie eine Steuer in den Preis der Waare, auf die
[291] sie gelegt ist, d. h. als ein von ihrem Werthe unabhängiges
Element.
Es folgt dies keineswegs nothwendig, und ist nur behauptet
worden, weil der Unterschied zwischen dem Werth der Waaren
und ihrem Produktionspreis bisher nicht begriffen war. Wir haben
gesehn, dass der Produktionspreis einer Waare keineswegs mit
ihrem Werth identisch ist, obgleich die Produktionspreise der
Waaren, in ihrer Totalität betrachtet, nur durch ihren Gesammt-
werth regulirt sind, und obgleich die Bewegung der Produktions-
preise der verschiednen Waarensorten, alle andren Umstände gleich-
bleibend gesetzt, ausschliesslich durch die Bewegung ihrer Werthe
bestimmt ist. Es ist gezeigt worden, dass der Produktionspreis
einer Waare über oder unter ihrem Werth stehn kann, und nur
ausnahmsweis mit ihrem Werth zusammenfällt. Die Thatsache
daher, dass die Bodenprodukte über ihren Produktionspreis ver-
kauft werden, beweist noch keineswegs, dass sie auch über ihren
Werth verkauft werden; wie die Thatsache, dass im Durchschnitt
die Industrieprodukte zu ihrem Produktionspreis verkauft werden,
keineswegs beweist, dass sie zu ihrem Werth verkauft werden.
Es ist möglich, dass Agrikulturprodukte über ihrem Produktions-
preis und unter ihrem Werth verkauft werden, wie andrerseits
viele Industrieprodukte nur den Produktionspreis abwerfen, weil
sie über ihrem Werth verkauft werden.
Das Verhältniss des Produktionspreises einer Waare zu ihrem
Werth ist ausschliesslich bestimmt durch das Verhältniss, worin
der variable Theil des Kapitals, womit sie producirt wird, zu seinem
konstanten Theil steht, oder durch die organische Zusammensetzung
des sie producirenden Kapitals. Ist die Zusammensetzung des Ka-
pitals in einer Produktionssphäre niedriger als die des gesellschaft-
lichen Durchschnittskapitals, d. h. ist sein variabler, in Arbeitslohn
ausgelegter Bestandtheil, im Verhältniss zu seinem konstanten, in
den sachlichen Arbeitsbedingungen ausgelegten Bestandtheil, grösser
als dies beim gesellschaftlichen Durchschnittskapital der Fall ist,
so muss der Werth seines Produkts über seinem Produktionspreis
stehn. D. h. ein solches Kapital producirt, weil es mehr lebendige
Arbeit anwendet, bei gleicher Exploitation der Arbeit mehr Mehr-
werth, also mehr Profit, als ein gleich grosser aliquoter Theil des
gesellschaftlichen Durchschnittskapitals. Der Werth seines Pro-
dukts steht daher über seinem Produktionspreis, da dieser Produk-
tionspreis gleich ist dem Kapitalersatz plus dem Durchschnitts-
profit, und der Durchschnittsprofit niedriger ist als der in dieser
19*
[292] Waare producirte Profit. Der vom gesellschaftlichen Durchschnitts-
kapital producirte Mehrwerth ist geringer als der von einem Ka-
pital dieser niedrigen Zusammensetzung producirte Mehrwerth. Um-
gekehrt verhält es sich, wenn das in einer bestimmten Produk-
tionssphäre angelegte Kapital von höherer Zusammensetzung ist
als das gesellschaftliche Durchschnittskapital. Der Werth der von
ihm producirten Waaren steht unter ihrem Produktionspreis, was
allgemein bei den Produkten der meist entwickelten Industrien der
Fall ist.
Ist das Kapital in einer bestimmten Produktionssphäre niedriger
zusammengesetzt als das gesellschaftliche Durchschnittskapital, so
ist dies zunächst nur ein andrer Ausdruck dafür, dass die Produk-
tivkraft der gesellschaftlichen Arbeit in dieser besondern Produk-
tionssphäre unter dem Durchschnittsniveau steht; denn die erreichte
Stufe der Produktivkraft stellt sich dar in dem relativen Ueber-
gewicht des konstanten Kapitaltheils über den variablen, oder in
der beständigen Abnahme des von einem gegebnen Kapital in
Arbeitslohn ausgelegten Bestandtheils. Ist umgekehrt das Kapital
in einer bestimmten Produktionssphäre höher zusammengesetzt, so
drückt dies eine über dem Durchschnittsniveau stehende Entwick-
lung der Produktivkraft aus.
Von eigentlich künstlerischen Arbeiten nicht zu reden, deren
Betrachtung der Natur der Sache nach von unserm Thema ausge-
schlossen ist, versteht es sich übrigens von selbst, dass verschiedne
Produktionssphären nach ihrer technischen Besonderheit verschiedne
Verhältnisse von konstantem und variablem Kapital erheischen, und
dass die lebendige Arbeit in einigen mehr, in andren weniger Raum
einnehmen muss. Z. B. in der extraktiven Industrie, die genau zu
unterscheiden von der Agrikultur, fällt das Rohmaterial als ein
Element des konstanten Kapitals ganz weg, und spielt auch das
Hülfsmaterial nur hie und da eine bedeutende Rolle. In der Berg-
werksindustrie jedoch spielt der andre Theil des konstanten Kapi-
tals, das fixe Kapital, eine bedeutende Rolle. Dennoch wird man
auch hier den Fortschritt der Entwicklung messen können am rela-
tiven Wachsen des konstanten Kapitals verglichen mit dem variablen.
Ist die Zusammensetzung des Kapitals in der eigentlichen Agri-
kultur niedriger als die des gesellschaftlichen Durchschnittskapitals,
so würde dies prima facie ausdrücken, dass in Ländern entwickelter
Produktion die Agrikultur nicht in demselben Grade fortgeschritten
ist wie die verarbeitende Industrie. Solche Thatsache würde, von
allen andren und z. Th. entscheidenden ökonomischen Umständen
[293] abgesehn, sich schon aus der frühern und raschern Entwicklung
der mechanischen Wissenschaften, und namentlich ihrer Anwendung,
verglichen mit der spätern und z. Th. ganz jungen Entwicklung
der Chemie, Geologie und Physiologie, und namentlich wieder ihrer
Anwendung auf die Agrikultur erklären. Uebrigens ist es eine
unzweifelhafte und längst bekannte36) Thatsache, dass die Fort-
schritte der Agrikultur selbst sich stetig im relativen Wachsen
des konstanten Kapitaltheils gegen den variablen ausdrücken. Ob
in einem bestimmten Lande kapitalistischer Produktion, in England
z. B., die Zusammensetzung des agrikolen Kapitals niedriger ist
als die des gesellschaftlichen Durchschnittskapitals, ist eine Frage,
die nur statistisch zu entscheiden ist, und worauf es für unsern
Zweck überflüssig im Detail einzugehn. Jedenfalls steht theoretisch
das fest, dass nur unter dieser Voraussetzung der Werth der Agri-
kulturprodukte über ihrem Produktionspreis stehn kann; d. h. dass
der von einem Kapital von gegebner Grösse in der Agrikultur
erzeugte Mehrwerth, oder was dasselbe ist, die von ihm in Bewe-
gung gesetzte und kommandirte Mehrarbeit (also auch angewandte
lebendige Arbeit überhaupt) grösser ist als bei einem gleich grossen
Kapital von gesellschaftlicher Durchschnittszusammensetzung.
Es genügt also für die Form der Rente, die wir hier unter-
suchen, und die nur unter dieser Annahme stattfinden kann, die
Annahme zu machen. Wo die Hypothese wegfällt, fällt auch die
ihr entsprechende Form der Rente weg.
Die blosse Thatsache eines Ueberschusses des Werths der Agri-
kulturprodukte über ihren Produktionspreis würde jedoch für sich
allein in keiner Weise hinreichen, das Dasein einer, von der Diffe-
renz in der Fruchtbarkeit der Bodenarten oder successiver Kapital-
anlagen auf demselben Boden unabhängigen Grundrente zu erklären,
kurz einer von der Differentialrente begrifflich unterschiednen Rente,
die wir daher als absolute Rente bezeichnen können. Eine ganze
Anzahl Manufakturprodukte besitzen die Eigenschaft, dass ihr Werth
über ihrem Produktionspreis steht, ohne dass sie desshalb einen
Ueberschuss über den Durchschnittsprofit oder einen Surplusprofit
abwärfen, der sich in Rente verwandeln könnte. Umgekehrt. Dasein
und Begriff des Produktionspreises und der allgemeinen Profitrate,
die er einschliesst, beruhen darauf, dass die einzelnen Waaren nicht
zu ihrem Werth verkauft werden. Die Produktionspreise ent-
springen aus einer Ausgleichung der Waarenwerthe, die, nach
[294] Rückerstattung der respektiven, in den verschiednen Produktions-
sphären aufgezehrten Kapitalwerthe, den gesammten Mehrwerth
vertheilt, nicht im Verhältniss worin er in den einzelnen Produk-
tionssphären erzeugt ist, und daher in ihren Produkten steckt,
sondern im Verhältniss zur Grösse der vorgeschossnen Kapitale.
Nur so entspringt ein Durchschnittsprofit und der Produktions-
preis der Waaren, dessen charakteristisches Element er ist. Es
ist die stete Tendenz der Kapitale, durch die Konkurrenz diese
Ausgleichung in der Vertheilung des vom Gesammtkapital erzeugten
Mehrwerths zu bewirken, und alle Hindernisse dieser Ausgleichung
zu überwältigen. Es ist daher ihre Tendenz, nur solche Surplus-
profite zu dulden, wie sie unter allen Umständen, nicht aus dem
Unterschied zwischen den Werthen und den Produktionspreisen
der Waaren, sondern vielmehr aus dem allgemeinen, den Markt
regelnden Produktionspreis und den von ihm unterschiednen indi-
viduellen Produktionspreisen entspringen; Surplusprofite, die daher
auch nicht zwischen zwei verschiednen Produktionssphären, sondern
innerhalb jeder Produktionssphäre stattfinden, also die allgemeinen
Produktionspreise der verschiednen Sphären, d. h. die allgemeine
Profitrate, nicht berühren und vielmehr die Verwandlung der
Werthe in Produktionspreise und die allgemeine Profitrate voraus-
setzen. Diese Voraussetzung beruht jedoch, wie früher erörtert,
auf der fortwährend wechselnden proportionellen Vertheilung des
gesellschaftlichen Gesammtkapitals unter die verschiednen Produk-
tionssphären, auf fortwährender Ein- und Auswanderung der Kapitale,
auf ihrer Uebertragbarkeit von einer Sphäre zur andern, kurz auf
ihrer freien Bewegung zwischen diesen verschiednen Produktions-
sphären als ebensoviel disponiblen Anlagefeldern für die selbstän-
digen Theile des gesellschaftlichen Gesammtkapitals. Es ist dabei
vorausgesetzt, dass keine, oder doch nur eine zufällige und tempo-
räre Schranke die Konkurrenz der Kapitale verhindert, z. B. in
einer Produktionssphäre, wo der Werth der Waaren über ihrem
Produktionspreis steht, oder wo der erzeugte Mehrwerth über dem
Durchschnittsprofit steht, den Werth auf den Produktionspreis zu
reduciren, und damit den überschüssigen Mehrwerth dieser Pro-
duktionssphäre unter alle vom Kapital exploitirten Sphären propor-
tionell zu vertheilen. Tritt aber das Gegentheil ein, stösst das
Kapital auf eine fremde Macht, die es nur theilweise oder gar
nicht überwinden kann, und die seine Anlage in besondren Pro-
duktionssphären beschränkt, sie nur unter Bedingungen zulässt,
welche jene allgemeine Ausgleichung des Mehrwerths zum Durch-
[295] schnittsprofit ganz oder theilweise ausschliessen, so würde offenbar
in solchen Produktionssphären durch den Ueberschuss des Waaren-
werths über ihren Produktionspreis ein Surplusprofit entspringen,
der in Rente verwandelt und als solche dem Profit gegenüber ver-
selbständigt werden könnte. Als eine solche fremde Macht und
Schranke tritt aber das Grundeigenthum dem Kapital bei seinen
Anlagen in Grund und Boden, oder der Grundeigenthümer dem
Kapitalisten gegenüber.
Das Grundeigenthum ist hier die Barriere, die keine neue Kapi-
talanlage auf bisher unbebautem oder unverpachtetem Boden er-
laubt ohne Zoll zu erheben, d. h. ohne eine Rente zu verlangen,
obgleich der in Neubau gezogne Boden einer Art angehört, die
keine Differentialrente abwirft, und die, ohne das Grundeigenthum,
schon bei einer geringern Steigerung des Marktpreises hätte bebaut
werden können, sodass der regulirende Marktpreis dem Bebauer
dieses schlechtesten Bodens nur seinen Produktionspreis bezahlt
hätte. In Folge der Schranke jedoch, die das Grundeigenthum
setzt, muss der Marktpreis bis zu einem Punkt steigen, wo der
Boden einen Ueberschuss über den Produktionspreis, d. h. eine
Rente zahlen kann. Da aber der Werth der vom agrikolen Ka-
pital producirten Waaren der Voraussetzung nach über ihrem Pro-
duktionspreis steht, bildet diese Rente (einen gleich zu unter-
suchenden Fall ausgenommen) den Ueberschuss des Werths über
den Produktionspreis oder einen Theil davon. Ob die Rente gleich
der ganzen Differenz zwischen dem Werth und dem Produktions-
preis, oder nur gleich einem grössern oder geringern Theil dieser
Differenz, hinge ganz und gar ab vom Stand der Zufuhr zur Nach-
frage und vom Umfang des in neue Bebauung gezognen Gebiets.
Solange die Rente nicht gleich dem Ueberschuss des Werths der
Ackerbauprodukte über ihren Produktionspreis, ginge immer ein
Theil dieses Ueberschusses ein in die allgemeine Ausgleichung und
proportionelle Vertheilung alles Mehrwerths unter die verschiednen
Einzelkapitale. Sobald die Rente gleich dem Ueberschuss des
Werths über den Produktionspreis, wäre dieser ganze Theil des
über den Durchschnittsprofit überschüssigen Mehrwerths dieser Aus-
gleichung entzogen. Ob diese absolute Rente aber gleich dem
ganzen Ueberschuss des Werths über den Produktionspreis, oder
nur gleich einem Theil desselben, die Agrikulturprodukte würden
immer zu einem Monopolpreis verkauft, nicht weil ihr Preis über
ihrem Werth, sondern weil er gleich ihrem Werth, oder weil er
unter ihrem Werth, aber über ihrem Produktionspreis stände. Ihr
[296] Monopol bestände darin, nicht wie andre Industrieprodukte, deren
Werth über dem allgemeinen Produktionspreis steht, zum Produk-
tionspreis nivellirt zu werden. Da ein Theil des Werths wie des
Produktionspreises eine thatsächlich gegebne Konstante ist, nämlich
der Kostpreis, das in der Produktion aufgezehrte Kapital = k, so
besteht ihr Unterschied in dem andren, variablen Theil, dem Mehr-
werth, der im Produktionspreis = p, dem Profit ist, d. h. gleich
dem Gesammtmehrwerth berechnet auf das gesellschaftliche Kapital
und auf jedes einzelne Kapital als aliquoten Theil desselben; der
aber im Werth der Waare gleich dem wirklichen Mehrwerth ist,
den dies besondre Kapital erzeugt hat, und der einen integrirenden
Theil der von ihm erzeugten Waarenwerthe bildet. Steht der
Werth der Waare über ihrem Produktionspreis, so ist der Produk-
tionspreis = k + p, der Werth = k + p + d, sodass p + d = dem
in ihr steckenden Mehrwerth. Die Differenz zwischen dem Werth
und dem Produktionspreis ist also = d, dem Ueberschuss des von
diesem Kapital erzeugten Mehrwerths über den durch die allge-
meine Profitrate ihm zugewiesenen. Es folgt hieraus, dass der
Preis der Agrikulturprodukte über ihrem Produktionspreis stehn
kann, ohne dass er ihren Werth erreicht. Es folgt ferner, dass
bis zu einem gewissen Punkt eine dauernde Preissteigerung der
Agrikulturprodukte stattfinden kann, bevor ihr Preis ihren Werth
erreicht hat. Es folgt ebenso, dass nur in Folge des Monopols
des Grundeigenthums der Werthüberschuss der Agrikulturprodukte
über ihren Produktionspreis zu einem bestimmenden Moment ihres
allgemeinen Marktpreises werden kann. Es folgt endlich, dass in
diesem Fall nicht die Vertheuerung des Produkts Ursache der
Rente, sondern die Rente Ursache der Vertheuerung des Produkts
ist. Wenn der Preis des Produkts der Flächeneinheit des schlech-
testen Bodens = P + r, so steigen alle Differentialrenten um die
entsprechenden Multipeln von r, da nach der Voraussetzung P + r
der regulirende Marktpreis wird.
Wäre die Durchschnittszusammensetzung des nicht agrikolen
gesellschaftlichen Kapitals = 85c + 15v, und die Rate des Mehr-
werths 100 %, so wäre der Produktionspreis = 115. Wäre die Zu-
sammensetzung des agrikolen Kapitals = 75c + 25v, so wäre der
Werth des Produkts, bei derselben Rate des Mehrwerths, und der
regulirende Marktwerth = 125. Gliche sich das agrikole mit dem
nicht agrikolen Produkt zum Durchschnittspreis aus (wir setzen
der Kürze halber das Gesammtkapital in beiden Produktionszweigen
gleich) so wäre der Gesammtmehrwerth = 40, also 20 % auf die
[297] 200 Kapital. Das Produkt des einen wie des andern würde zu
120 verkauft. Bei einer Ausgleichung zu den Produktionspreisen
würden also die durchschnittlichen Marktpreise des nicht agrikolen
Produkts über, und die des agrikolen Produkts unter ihren Werth
zu stehn kommen. Würden die Agrikulturprodukte zu ihrem vollen
Werth verkauft, so ständen sie um 5 höher, und die Industriepro-
dukte um 5 niedriger als bei der Ausgleichung. Erlauben die
Marktverhältnisse nicht, die Agrikulturprodukte zu ihrem vollen
Werth, zum ganzen Ueberschuss über den Produktionspreis zu ver-
kaufen, so steht die Wirkung zwischen beiden Extremen; die Indu-
strieprodukte würden etwas über ihrem Werth, und die Ackerbau-
produkte etwas über ihrem Produktionspreis verkauft.
Obgleich das Grundeigenthum den Preis der Bodenprodukte über
ihren Produktionspreis hinaustreiben kann, hängt es nicht von ihm,
sondern von der allgemeinen Marktlage ab, wie weit der Markt-
preis über den Produktionspreis hinaus sich dem Werth annähert,
und in welchem Maß also der über den gegebnen Durchschnitts-
profit hinaus in der Agrikultur erzeugte Mehrwerth sich entweder
in Rente verwandelt, oder aber in die allgemeine Ausgleichung des
Mehrwerths zum Durchschnittsprofit eingeht. Auf jeden Fall ist
diese absolute, aus dem Ueberschuss des Werths über den Pro-
duktionspreis entspringende Rente bloss ein Theil des agrikolen
Mehrwerths, Verwandlung dieses Mehrwerths in Rente, Abfangung
desselben durch den Grundeigenthümer; ganz wie die Differential-
rente entspringt aus Verwandlung von Surplusprofit in Rente, Ab-
fangung desselben durch das Grundeigenthum, bei allgemein regu-
lirendem Produktionspreis. Diese beiden Formen der Rente sind
die einzig normalen. Ausserhalb derselben kann die Rente nur
auf eigentlichem Monopolpreis beruhen, der weder vom Produktions-
preis, noch vom Werth der Waaren, sondern vom Bedürfniss und
der Zahlungsfähigkeit der Käufer bestimmt ist, und dessen Be-
trachtung in die Lehre von der Konkurrenz gehört, wo die wirk-
liche Bewegung der Marktpreise untersucht wird.
Wäre aller zum Ackerbau brauchbare Boden eines Landes ver-
pachtet — die kapitalistische Produktionsweise und normale Ver-
hältnisse allgemein vorausgesetzt — so gäbe es keinen Boden, der
nicht Rente abwürfe, aber es könnte Kapitalanlagen, einzelne Theile
des auf den Boden angelegten Kapitals geben, die keine Rente ab-
würfen; denn sobald der Boden verpachtet ist, hört das Grund-
eigenthum auf als absolute Schranke für die nöthige Kapitalanlage
zu wirken. Als relative Schranke wirkt es auch dann noch in
[298] sofern fort, als der Heimfall des dem Boden einverleibten Kapitals
an den Grundeigenthümer dem Pächter hier sehr bestimmte Schranken
zieht. Nur in diesem Fall würde sich alle Rente in Differential-
rente verwandeln, nicht in Differentialrente, bestimmt durch die
Differenz in der Bonität des Bodens, sondern durch die Differenz
zwischen den, nach den letzten Kapitalanlagen auf einen bestimmten
Boden sich ergebenden Surplusprofiten, und der Rente, die für
Pachtung des Bodens schlechtester Klasse gezahlt würde. Als
Schranke wirkt das Grundeigenthum nur absolut, soweit die Zu-
lassung zum Boden überhaupt, als zu einem Anlagefeld des Kapi-
tals, den Tribut an den Grundeigenthümer bedingt. Hat diese Zu-
lassung stattgefunden, so kann dieser dem quantitativen Umfang der
Kapitalanlage auf gegebnem Bodenstück keine absoluten Schranken
mehr entgegensetzen. Dem Häuserbau überhaupt ist eine Schranke
gelegt durch das Grundeigenthum eines dritten an dem Boden,
worauf das Haus gebaut werden soll. Ist dieser Boden aber ein-
mal zum Häuserbau gepachtet, so hängt es vom Pächter ab, ob
er ein hohes oder niedriges Haus darauf errichten will.
Wäre die Durchschnittszusammensetzung des agrikolen Kapitals
dieselbe oder höher als die des gesellschaftlichen Durchschnitts-
kapitals, so fiele die absolute Rente, immer in dem entwickelten
Sinn, fort; d. h. die Rente, die ebenso von der Differentialrente,
wie von der auf eigentlichen Monopolpreis beruhenden Rente ver-
schieden ist. Der Werth des Ackerbauprodukts stände dann nicht
über seinem Produktionspreis, und das agrikole Kapital setzte nicht
mehr Arbeit in Bewegung, realisirte also auch nicht mehr Mehr-
arbeit, als das nichtagrikole Kapital. Dasselbe fände statt, wenn die
Zusammensetzung des agrikolen Kapitals sich im Fortschritt der
Kultur mit der des gesellschaftlichen Durchschnittskapitals ausgliche.
Auf den ersten Blick scheint es ein Widerspruch, anzunehmen,
dass einerseits die Zusammensetzung des agrikolen Kapitals sich
erhöht, also sein konstanter Theil gegen seinen variablen wächst,
und andrerseits der Preis des Bodenprodukts hoch genug stiege,
damit neuer und schlechterer Boden als der bisherige eine Rente,
zahle, die in diesem Fall nur aus einem Ueberschuss des Markt-
preises über den Werth und den Produktionspreis, kurz nur aus
einem Monopolpreis des Produkts herstammen könnte.
Es ist hier zu unterscheiden.
Zunächst haben wir bei Betrachtung der Bildung der Profitrate
gesehn, dass Kapitale, die, technologisch betrachtet, gleichmäßig
zusammengesetzt sind, d. h. gleich viel Arbeit in Bewegung setzen
[299] im Verhältniss zu Maschinerie und Rohstoff, dennoch durch die
verschiednen Werthe der konstanten Kapitaltheile verschieden zu-
sammengesetzt sein können. Der Rohstoff oder die Maschinerie
können in dem einen Fall theurer sein als in dem andern. Um
dieselbe Masse Arbeit in Bewegung zu setzen (und dies wäre der
Voraussetzung nach nöthig um dieselbe Masse Rohmaterial zu ver-
arbeiten) müsste in dem einen Fall ein grössres Kapital vorge-
schossen werden als in dem andern, da ich z. B. mit einem Ka-
pital von 100 nicht gleich viel Arbeit in Bewegung setzen kann,
wenn das Rohmaterial, das ebenfalls aus den 100 bestritten werden
muss, in dem einen Fall 40 kostet in dem andern 20. Dass diese
Kapitale aber dennoch technologisch gleichmäßig zusammengesetzt
sind, würde sich sofort zeigen, wenn der Preis des theureren Roh-
materials auf den des niedrigern fiele. Die Werthverhältnisse
zwischen variablem und konstantem Kapital wären dann dieselben
geworden, obwohl in dem technischen Verhältniss zwischen der an-
gewandten lebendigen Arbeit und der Masse und Natur der ange-
wandten Arbeitsbedingungen keine Veränderung vorgegangen. And-
rerseits könnte ein Kapital von niedrigerer organischer Zusammen-
setzung durch blosses Steigen der Werthe seiner konstanten Theile
vom Standpunkt der blossen Werthzusammensetzung aus betrachtet,
dem Schein nach auf gleiche Stufe mit einem Kapital höherer
organischer Zusammensetzung treten. Es sei gegeben ein Kapital
= 60c + 40v weil es viel Maschinerie und Rohmaterial im Ver-
hältniss zur lebendigen Arbeitskraft anwendet, und ein andres
= 40c + 60v weil es viel lebendige Arbeit, (60 %) wenig Maschinerie,
(sage 10 %) und im Verhältniss zur Arbeitskraft wenig und wohl-
feiles Rohmaterial (sage 30 %) anwendet; so könnte durch blosses
Steigen im Werth der Roh- und Hülfsstoffe von 30 auf 80 die
Zusammensetzung ausgeglichen werden, sodass nun beim zweiten
Kapital auf 10 Maschinen 80 Rohstoff [und] 60 Arbeitskraft kämen,
also 90c + 60v, was, procentig vertheilt, ebenfalls = 60c + 40v wäre,
ohne das irgend welcher technische Zusammensetzungswechsel statt-
gefunden hätte. Kapitale gleicher organischer Zusammensetzung
können also eine verschiedne Werthzusammensetzung haben, und
Kapitale gleicher procentiger Werthzusammensetzung können auf
verschiednen Stufen organischer Zusammensetzung stehn, also ver-
schiedne Entwicklungsstufen der gesellschaftlichen Produktivkraft
der Arbeit ausdrücken. Der blosse Umstand also, dass der Werth-
zusammensetzung nach das agrikole Kapital auf dem allgemeinen
Niveau stände, würde nicht beweisen dass die gesellschaftliche Pro-
[300] duktivkraft der Arbeit gleich hoch bei ihm entwickelt ist. Sie
könnte nur zeigen, dass sein eignes Produkt, welches wieder einen
Theil seiner Produktionsbedingungen bildet, theurer ist, oder dass
Hülfsstoffe, wie Dünger, früher nahe zur Hand, jetzt weit herge-
schleppt werden müssten u. dergl.
Aber hiervon abgesehn ist der eigenthümliche Charakter der
Agrikultur zu erwägen.
Gesetzt, dass Arbeit sparende Maschinerie, chemische Hülfs-
mittel etc. hier einen grössern Raum einnehmen, also das konstante
Kapital technisch, nicht nur dem Werth, sondern auch der Masse
nach, gegen die Masse der angewandten Arbeitskraft wächst, so
handelt es sich bei der Agrikultur (wie bei der Bergwerksindustrie)
nicht nur um die gesellschaftliche, sondern auch um die natur-
wüchsige Produktivität der Arbeit, die von den Naturbedingungen
der Arbeit abhängt. Es ist möglich, dass die Zunahme der gesell-
schaftlichen Produktivkraft in der Agrikultur die Abnahme der
Naturkraft nur kompensirt oder nicht einmal kompensirt — diese
Kompensation kann immer nur für eine Zeit wirken — sodass
dort trotz der technischen Entwicklung das Produkt nicht verwohl-
feilert, sondern nur eine noch grössre Vertheurung desselben ver-
hindert wird. Es ist auch möglich dass bei steigendem Getreide-
preis die absolute Produktmasse abnimmt, während das verhältniss-
mäßige Surplusprodukt wächst; nämlich bei verhältnissmäßiger
Zunahme des konstanten Kapitals, das grossentheils aus Maschinen
oder Vieh besteht, wovon nur der Verschleiss zu ersetzen, und bei
entsprechender Abnahme des variablen, in Arbeitslohn ausgelegten
Kapitaltheils, der stets ganz aus dem Produkt ersetzt werden muss.
Es ist aber auch möglich, dass bei dem Fortschritt der Agri-
kultur nur ein mäßiges Steigen des Marktpreises über den Durch-
schnitt nöthig ist, damit schlechterer Boden, der bei niedrigerm
Stand der technischen Hülfsmittel höheres Steigen des Marktpreises
erheischt hätte, bebaut werden und zugleich eine Rente abwerfen kann.
Der Umstand, dass z. B. bei der Viehzucht im Grossen die Masse
der angewandten Arbeitskraft sehr gering ist, verglichen mit dem
im Vieh selbst existirenden konstanten Kapital, könnte als ent-
seheidend dagegen betrachtet werden, dass agrikoles Kapital, pro-
centig berechnet, mehr Arbeitskraft in Bewegung setze als das
nichtagrikole gesellschaftliche Durchschnittskapital. Hier ist aber
zu bemerken, dass wir bei Entwicklung der Rente von dem Theil
des agrikolen Kapitals, der das entscheidende pflanzliche Nahrungs-
mittel, also überhaupt das Hauptlebensmittel bei civilisirten Völkern
[301] producirt, als bestimmend ausgehn. A. Smith — und das ist eins
seiner Verdienste — hat schon nachgewiesen, dass in der Vieh-
zucht, und überhaupt im Durchschnitt aller nicht in der Produktion
der Hauptlebensmittel, also z. B. des Korns, auf dem Boden ange-
legten Kapitale, eine ganz andre Bestimmung des Preises stattfindet.
Dieser ist nämlich hier dadurch bestimmt, dass der Preis des Pro-
dukts von Boden, der, sage als künstliche Wiese zur Viehzucht
benutzt wird, der aber ebenso gut in Ackerbauland von gewisser
Güte verwandelt werden könnte, hoch genug steigen muss, um die-
selbe Rente abzuwerfen, wie gleich guter Ackerboden; die Rente
des Kornlands geht hier also bestimmend in den Viehpreis ein,
weswegen Ramsay mit Recht bemerkt hat, dass in dieser Weise
durch die Rente, durch den ökonomischen Ausdruck des Grund-
eigenthums, also durch das Grundeigenthum, der Viehpreis künst-
lich gesteigert wird.
„In Folge der Ausdehnung der Kultur reicht das unbebaute Oed-
land nicht mehr hin für die Zufuhr von Schlachtvieh. Ein grosser
Theil der bebauten Ländereien muss verwandt werden auf Züchtung
und Mästung von Vieh, dessen Preis daher hoch genug sein muss
um nicht nur die darauf verwandte Arbeit zu zahlen, sondern auch
die Rente, die der Grundbesitzer, und den Profit, den der Pächter
von diesem Boden hätten ziehn können, wäre er als Ackerland
bebaut worden. Das auf den unbebautesten Torfmooren gezüchtete
Vieh wird, je nach Gewicht und Qualität, im selben Markt zum
selben Preis verkauft, wie das auf dem bestkultivirten Land ge-
züchtete. Die Besitzer dieser Torfmoore profitiren davon, und
steigern die Rente ihrer Ländereien im Verhältniss zu den Vieh-
preisen.“ (A. Smith, Book I, Chap. XI. part. I.) Hier also auch
im Unterschied von der Kornrente die Differentialrente zu Gunsten
des schlechtern Bodens.
Die absolute Rente erklärt einige Erscheinungen, die auf den
ersten Blick die Rente einem blossen Monopolpreis geschuldet sein
lassen. Nehmen wir z. B. den Besitzer eines ohne alles mensch-
liche Zuthun, also nicht als Produkt der Forstung existirenden
Waldes, etwa in Norwegen, um an A. Smith’s Beispiel anzuknüpfen.
Wird ihm eine Rente gezahlt von einem Kapitalisten, der Holz
fällen lässt, etwa in Folge englischer Nachfrage, oder lässt er es
auch selbst als Kapitalist fällen, so wird ihm im Holz, ausser dem
Profit auf das vorgeschossne Kapital, eine grössre oder geringre
Rente gezahlt werden. Dies scheint bei diesem reinen Naturpro-
dukt reiner Monopolzuschlag. In der That aber besteht das Kapital
[302] hier fast nur aus variablem, in Arbeit ausgelegtem Kapital, setzt
also auch mehr Mehrarbeit in Bewegung als andres Kapital gleicher
Grösse. Es steckt also in dem Holzwerth ein grössrer Ueberschuss
von unbezahlter Arbeit, oder von Mehrwerth, als im Produkt von
Kapitalen höherer Zusammensetzung. Es kann daher der Durch-
schnittsprofit aus dem Holz bezahlt werden und ein bedeutender
Ueberschuss in Form von Rente dem Waldeigenthümer zufallen.
Umgekehrt ist anzunehmen, dass bei der Leichtigkeit, womit das
Holzfällen ausgedehnt werden, also diese Produktion sich rasch
vermehren kann, die Nachfrage sehr bedeutend steigen muss, damit
der Preis des Holzes seinem Werth gleichkommt und daher der
ganze Ueberschuss unbezahlter Arbeit (über den dem Kapitalisten
als Durchschnittsprofit zufallenden Theil derselben) in Form der
Rente dem Eigenthümer zufällt.
Wir haben angenommen, dass der neu in Bebauung gezogne
Boden von noch geringrer Qualität ist als der schlechteste letzt-
bebaute. Ist er besser, so trägt er eine Differentialrente. Wir
untersuchen hier aber gerade den Fall, wo die Rente nicht als
Differentialrente erscheint. Da sind nur zwei Fälle möglich. Der
neu in Angriff genommene Boden ist schlechter, oder er ist eben-
sogut wie der letztbebaute. Ist er schlechter, so ist dies bereits
untersucht. Zu untersuchen ist also nur noch der Fall wo er
ebenso gut ist.
Gleich guter und selbst besserer Boden kann, wie dies schon
bei der Differentialrente entwickelt ist, ebensowohl im Fortgang
der Kultur in den Neubau eintreten wie schlechterer.
Erstens weil bei der Differentialrente (und der Rente überhaupt,
da auch bei der Nicht-Differentialrente immer die Frage eintritt,
ob einerseits die Fruchtbarkeit des Bodens überhaupt, und andrer-
seits seine Lage erlaubt, ihn bei dem regulirenden Marktpreis mit
Profit und Rente zu bebauen) zwei Bedingungen in umgekehrter
Richtung wirken, die sich bald wechselseitig paralysiren, bald eine
um die andre den Ausschlag geben können. Das Steigen des
Marktpreises — vorausgesetzt dass der Kostpreis der Bebauung
nicht gefallen ist, in andren Worten, dass nicht Fortschritte tech-
nischer Art ein neu hinzutretendes Moment für den Neuanbau
bilden — kann fruchtbareren Boden in Bebauung bringen, der
früher durch seine Lage von der Konkurrenz ausgeschlossen war.
Oder es kann bei unfruchtbarerem Boden den Vortheil der Lage
soweit steigern, dass die geringre Ertragsfähigkeit dadurch ausge-
glichen wird. Oder ohne Steigen des Marktpreises kann die Lage
[303] durch verbesserte Kommunikationsmittel die bessern Ländereien in
Mitbewerbung bringen, wie wir dies in grossem Maßstab bei den
Prairiestaaten in Nordamerika sehn. Auch in altcivilisirten Ländern
findet dies beständig statt, obgleich nicht in demselben Maß wie
in Kolonien, wo, wie Wakefield richtig bemerkt, die Lage ent-
scheidend ist. Also erstens die kontradiktorischen Wirkungen von
Lage und Fruchtbarkeit, und die Variabilität des Faktors der Lage,
der beständig ausgeglichen wird, beständige progressive, zur Aus-
gleichung strebende Veränderungen durchmacht, bringen ab-
wechselnd gleichgute, bessere oder schlechtere Bodenstrecken in
neue Konkurrenz mit den altbebauten.
Zweitens. Mit der Entwicklung der Naturwissenschaft und der
Agronomie ändert sich auch die Fruchtbarkeit des Bodens, indem
sich die Mittel ändern, wodurch die Elemente des Bodens sofort
verwerthbar gemacht werden können. So haben in jüngst ver-
flossner Zeit leichte Bodenarten in Frankreich und in den östlichen
Grafschaften Englands, die früher für schlecht galten, sich auf den
ersten Rang erhoben. (Siehe Passy.) Andrerseits wird Boden, der
nicht seiner chemischen Zusammensetzung wegen für schlecht galt,
sondern nur der Bebauung gewisse mechanisch-physikalische Hinder-
nisse entgegensetzte, in gutes Land verwandelt, sobald die Mittel
zur Bewältigung dieser Hindernisse entdeckt sind.
Drittens. In allen altcivilisirten Ländern haben alte historische
und traditionelle Verhältnisse, z. B. in der Form von Staatsländereien,
Gemeindeländereien etc., rein zufällig grosse Bodenstrecken der Kultur
entzogen, in die sie nur nach und nach eintreten. Die Reihenfolge,
in der sie der Bebauung unterworfen werden, hängt weder von
ihrer Bonität noch von ihrer Lage ab, sondern von ganz äusser-
lichen Umständen. Wenn man die Geschichte der englischen Ge-
meindeländereien verfolgte, wie sie nach einander durch die Enclosure
Bills in Privateigenthum verwandelt und urbar gemacht wurden,
so wäre nichts lächerlicher als die phantastische Voraussetzung, ein
moderner Agrikulturchemiker, Liebig z. B., habe die Wahl dieser
Reihenfolge geleitet, habe gewisse Felder ihrer chemischen Eigen-
schaften wegen für die Kultur bezeichnet, andre ausgeschlossen.
Was hier entschied, war vielmehr die Gelegenheit, die Diebe macht;
die mehr oder minder plausiblen juristischen Vorwände der An-
eignung, die sich den grossen Grundherrn darboten.
Viertens. Abgesehn davon, dass die jedesmal erreichte Ent-
wicklungsstufe des Bevölkerungs- und Kapitalzuwachses der Aus-
dehnung der Bodenkultur eine wenn auch elastische Schranke zieht;
[304] abgesehn von der Wirkung von Zufällen, die den Marktpreis tem-
porär beeinflussen, wie eine Reihe günstiger und ungünstiger Jahres-
zeiten, hängt die räumliche Ausdehnung der Bodenkultur ab vom
gesammten Stand des Kapitalmarkts und der Geschäftslage eines
Landes. In Perioden der Knappheit wird es nicht genügen, dass
unbebauter Boden dem Pächter den Durchschnittsprofit abwerfen
kann — ob er Rente zahle oder nicht — um zusätzliches Kapital
dem Ackerbau zuzuwenden. In andren Perioden der Plethora des
Kapitals strömt es dem Landbau zu, selbst ohne Steigerung des
Marktpreises, wenn nur sonst die normalen Bedingungen erfüllt
sind. Besserer Boden als der bisher angebaute würde in der That
nur durch das Moment der Lage, oder durch bisher nicht durch-
brechbare Schranken seiner Ausschliessbarkeit, oder durch den Zufall
von der Konkurrenz ausgeschlossen. Wir haben uns daher nur
mit Bodenarten zu beschäftigen, die ebensogut sind wie die letzt-
bebauten. Zwischen dem neuen Boden und dem letztbebauten be-
steht aber immer der Unterschied der Kosten der Urbarmachung,
und es hängt vom Stand der Marktpreise und der Kreditverhält-
nisse ab, ob diese unternommen wird — oder nicht. Sobald dieser
Boden dann wirklich in Konkurrenz tritt, fällt bei sonst gleich-
bleibenden Verhältnissen der Marktpreis wieder auf seinen frühern
Stand, wobei der neu zugetretne Boden dann dieselbe Rente tragen
wird, wie der ihm entsprechende alte. Die Voraussetzung, dass er
keine Rente tragen wird, wird von ihren Anhängern bewiesen durch
die Annahme dessen, was bewiesen werden soll, nämlich: dass der
letzte Boden keine Rente getragen hat. Man könnte in derselben
Art beweisen, dass die zuletzt gebauten Häuser ausser dem eigent-
lichen Miethzins für das Gebäude keine Rente abwerfen, obgleich
sie vermiethet werden. Die Thatsache ist, dass sie Rente abwerfen
schon bevor sie Miethzins bringen, indem sie oft lange leer stehn
Ganz wie successive Kapitalanlagen auf ein Bodenstück einen pro-
portionellen Mehrertrag abwerfen können, und daher dieselbe Rente
wie die ersten, so können Felder von gleicher Güte wie die letzt-
bebauten denselben Ertrag zu denselben Kosten abwerfen. Es
wäre sonst überhaupt unbegreiflich, wie Felder derselben Bonität
jemals successive in Anbau genommen werden, und nicht alle auf
einmal, oder vielmehr kein einziges, um nicht die Konkurrenz aller
nach sich zu ziehn. Der Grundeigenthümer ist stets bereit eine
Rente zu ziehn, d. h. etwas umsonst zu erhalten; aber das Kapital
braucht gewisse Umstände, um seinen Wunsch zu erfüllen. Die
Konkurrenz der Ländereien unter einander hängt daher nicht davon
[305] ab, dass der Grundeigenthümer sie konkurriren lassen will, sondern
davon, dass sich Kapital findet, um auf den neuen Feldern mit den
andern zu konkurriren.
Soweit die eigentliche Ackerbaurente blosser Monopolpreis, kann
dieser nur klein sein, wie hier auch die absolute Rente unter nor-
malen Verhältnissen nur klein sein kann, welches immer der Ueber-
schuss des Werths des Produkts über seinen Produktionspreis sei.
Das Wesen der absoluten Rente besteht also darin: gleichgrosse
Kapitale in verschiednen Produktionssphären produciren, je nach
ihrer verschiednen Durchschnittszusammensetzung, bei gleicher Rate
des Mehrwerths oder gleicher Exploitation der Arbeit, verschiedne
Massen von Mehrwerth. In der Industrie gleichen sich diese ver-
schiednen Massen von Mehrwerth zum Durchschnittsprofit aus, und
vertheilen sich auf die einzelnen Kapitale gleichmäßig als auf
aliquote Theile des Gesellschaftskapitals. Das Grundeigenthum, so-
bald die Produktion Grund und Boden braucht, sei es zur Agri-
kultur, sei es zur Extraktion von Rohstoffen, hindert diese Aus-
gleichung für die im Boden angelegten Kapitale, und fängt einen
Theil des Mehrwerths ab, der sonst in die Ausgleichung zur allge-
meinen Profitrate eingehn würde. Die Rente bildet dann einen
Theil des Werths, specieller des Mehrwerths der Waaren, der nur
statt der Kapitalistenklasse, die ihn aus den Arbeitern extrahirt hat,
den Grundeigenthümern zufällt, die ihn aus den Kapitalisten extra-
hiren. Es ist hierbei vorausgesetzt, dass das agrikole Kapital mehr
Arbeit in Bewegung setzt, als ein gleichgrosser Theil des nicht
agrikolen Kapitals. Wie weit die Abweichung geht, oder ob sie
überhaupt existirt, hängt ab von der relativen Entwicklung dér
Agrikultur gegenüber der Industrie. Der Natur der Sache nach
muss mit dem Fortschritt der Agrikultur diese Differenz abnehmen,
wenn nicht das Verhältniss, worin der variable gegenüber dem
konstanten Theil des Kapitals abnimmt, beim industriellen Kapital
noch grösser ist als beim agrikolen.
Diese absolute Rente spielt eine noch bedeutendere Rolle in der
eigentlichen extraktiven Industrie, wo ein Element des konstanten
Kapitals, das Rohmaterial, ganz wegfällt, und wo mit Ausnahme
der Zweige, bei denen der aus Maschinerie und sonstigem fixen
Kapital bestehende Theil sehr bedeutend ist, unbedingt die niedrigste
Zusammensetzung des Kapitals vorherrscht. Grade hier, wo die
Rente allein einem Monopolpreis geschuldet scheint, sind ausser-
ordentlich günstige Marktverhältnisse erheischt, damit die Waaren
zu ihrem Werth verkauft werden, oder die Rente gleich dem ganzen
Marx, Kapital III. 2. 20
[306] Ueberschuss des Mehrwerths der Waare über ihren Produktions-
preis wird. So z. B. bei der Rente von fischbaren Wassern, Stein-
brüchen, wildgewachsnen Wäldern etc.37)
Achtundvierzigstes Kapitel.
Baustellenrente. Bergwerksrente. Bodenpreis.
Die Differentialrente tritt überall ein und folgt überall denselben
Gesetzen wie die agrikole Differentialrente, wo überhaupt Rente
existirt. Ueberall wo Naturkräfte monopolisirbar sind und dem
Industriellen, der sie anwendet, einen Surplusprofit sichern, sei es
ein Wassergefälle, oder ein reichhaltiges Bergwerk, oder ein fisch-
reiches Wasser, oder ein gutgelegner Bauplatz, fängt der durch
seinen Titel auf einen Theil des Erdballs zum Eigenthümer dieser
Naturgegenstände Gestempelte diesen Surplusprofit dem fungirenden
Kapital in der Form der Rente ab. Was Land zu Bauzwecken
betrifft, so hat A. Smith auseinandergesetzt, wie die Grundlage
seiner Rente, wie die aller nicht agrikolen Ländereien, durch die
eigentliche Ackerbaurente geregelt ist. (Book I, chap. XI, 2 und 3.)
Es zeichnet sich diese Rente aus erstens durch den überwiegenden
Einfluss, den hier die Lage auf die Differentialrente ausübt (sehr
bedeutend z. B. beim Weinbau und bei Bauplätzen in grossen
Städten); zweitens durch die Handgreiflichkeit der gänzlichen Passi-
vität des Eigenthümers, dessen Aktivität bloss darin besteht (nament-
lich bei Bergwerken), den Fortschritt der gesellschaftlichen Ent-
wicklung auszubeuten, zu dem er nichts beiträgt und bei dem er
nichts riskirt, wie doch der industrielle Kapitalist thut, und endlich
durch das Vorwiegen des Monopolpreises in vielen Fällen, speciell
der schamlosesten Ausbeutung des Elends (denn das Elend ist für
die Hausrente eine ergiebigere Quelle als die Minen von Potosi je
für Spanien waren38) und die ungeheure Macht, die dies Grund-
eigenthum gibt, wenn es mit dem industriellen Kapital in derselben
Hand vereinigt, dieses befähigt, die Arbeiter im Kampf um dem
Arbeitslohn praktisch von der Erde als ihrem Wohnsitz auszu-
schliessen.39) Ein Theil der Gesellschaft verlangt hier von den
andern einen Tribut für das Recht, die Erde bewohnen zu dürfen,
[307] wie überhaupt im Grundeigenthum das Recht der Eigenthümer ein-
geschlossen ist, den Erdkörper, die Eingeweide der Erde, die Luft
und damit die Erhaltung und Entwicklung des Lebens zu exploitiren.
Nicht nur das Steigen der Bevölkerung, und damit das wachsende
Bedürfniss der Behausung, sondern auch die Entwicklung des fixen
Kapitals, das sich entweder der Erde einverleibt oder Wurzeln in
ihr schlägt, auf ihr ruht, wie alle industriellen Gebäude, Eisen-
bahnen, Waarenhäuser, Fabrikgebäude, Docks u. s. w., steigert die
Baurente nothwendig. Eine Verwechslung zwischen der Haus-
miethe, soweit sie Zins und Amortisation des im Haus angelegten
Kapitals, und der Rente für den blossen Boden, ist hier selbst bei
Carey’schem gutem Willen nicht möglich, namentlich wenn wie in
England, der Grundeigenthümer und der Bauspekulant ganz ver-
schiedne Personen sind. Es kommen hier zwei Elemente in Be-
tracht: auf der einen Seite die Exploitation der Erde zum Zweck
der Reproduktion oder Extraktion, auf der andern der Raum, der
als ein Element aller Produktion und alles menschlichen Wirkens
erheischt ist. Und nach beiden Seiten hin verlangt das Grund-
eigenthum seinen Tribut. Die Nachfrage für Bauterrain hebt den
Werth des Bodens als Raum und Grundlage, während dadurch zu-
gleich die Nachfrage nach Elementen des Erdkörpers wächst die
als Baumaterial dienen.40)
Wie in rasch fortschreitenden Städten, besonders wo das Bauen
wie in London fabrikmäßig betrieben wird, die Bodenrente, nicht
das Haus den eigentlichen Grundgegenstand der Bauspekulation
bildet, davon haben wir ein Beispiel gegeben Buch II, Kap. XII,
S. 215, 216, in den Aussagen eines grossen Londoner Bauspeku-
lanten, Edward Capps, vor dem Bank-Ausschuss von 1857. Er
sagt dort No. 5435: „Ich glaube, ein Mann der in der Welt vor-
ankommen will, kann kaum erwarten voranzukommen durch Ein-
haltung eines soliden Geschäfts (fair trade) … er muss nothwendig
ausserdem auf Spekulation bauen, und das auf grossem Maßstab;
denn der Unternehmer macht sehr wenig Profit aus den Gebäuden
selbst, er macht seinen Hauptprofit aus den gesteigerten Grund-
renten. Er übernimmt meinetwegen ein Stück Land und gibt jähr-
lich 300 £ dafür; wenn er nach einem sorgfältigen Bauplan die
richtige Klasse von Häusern darauf errichtet, kann es ihm gelingen
400 oder 450 £ jährlich daraus zu machen, und sein Profit würde
20*
[308] viel mehr in der vermehrten Grundrente von 100 oder 150 £ jähr-
lich bestehn als in dem Profit aus den Gebäuden, den er in vielen
Fällen überhaupt kaum in Betracht zieht.“ Wobei nicht zu ver-
gessen ist, dass nach Ablauf des Miethkontrakts von meistens
99 Jahren der Boden mit allen darauf befindlichen Gebäuden, und
mit der inzwischen meist auf mehr als das Doppelte und Dreifache
gesteigerten Grundrente, von dem Bauspekulanten oder seinem Rechts-
nachfolger wieder an den ursprünglichen letzten Grundeigenthümer
zurückfällt.
Die eigentliche Bergwerksrente ist bestimmt ganz wie die Acker-
baurente. „Es gibt einige Bergwerke, deren Produkt kaum hin-
reicht, die Arbeit zu bezahlen und das darin angelegte Kapital
sammt dem gewöhnlichen Profit zu ersetzen. Sie werfen dem
Unternehmer einigen Profit ab, aber keine Rente für den Grund-
eigenthümer. Sie können mit Vortheil nur vom Grundeigenthümer
bearbeitet werden, der als sein eigner Unternehmer den gewöhn-
lichen Profit aus seinem angelegten Kapital macht. Viele Kohlen-
gruben in Schottland werden in dieser Art betrieben, und können
in keiner andern Art betrieben werden. Der Grundeigenthümer
erlaubt niemand anders sie ohne Rentezahlung zu betreiben, aber
niemand kann Rente dafür zahlen.“ (A. Smith, Book I, chap. XI, 2.)
Man muss unterscheiden, ob die Rente aus einem Monopolpreis
fliesst, weil ein von ihr unabhängiger Monopolpreis der Produkte
oder des Bodens selbst existirt, oder ob die Produkte zu einem
Monopolpreis verkauft werden, weil eine Rente existirt. Wenn
wir von Monopolpreis sprechen, so meinen wir überhaupt einen
Preis, der nur durch die Kauflust und Zahlungsfähigkeit der Käufer
bestimmt ist, unabhängig von dem durch den allgemeinen Produk-
tionspreis, wie von dem durch den Werth der Produkte bestimmten
Preis. Ein Weinberg, der Wein von ganz ausserordentlicher Güte
erzeugt, Wein der überhaupt nur in relativ geringer Quantität er-
zeugt werden kann, trägt einen Monopolpreis. Der Weinzüchter
würde in Folge dieses Monopolpreises, dessen Ueberschuss über
den Werth des Produkts allein durch den Reichthum und die Lieb-
haberei der vornehmen Weintrinker bestimmt ist, einen bedeutenden
Surplusprofit realisiren. Dieser Surplusprofit, der hier aus einem
Monopolpreis fliesst, verwandelt sich in Rente und fällt in dieser
Form dem Grundeigenthümer anheim, in Folge seines Titels auf
dies mit besondern Eigenschaften begabte Stück des Erdkörpers.
Hier schafft also der Monopolpreis die Rente. Umgekehrt würde
die Rente den Monopolpreis schaffen, wenn Getreide nicht nur über
[309] seinen Produktionspreis, sondern auch über seinen Werth verkauft
würde in Folge der Schranke, die das Grundeigenthum der rente-
losen Anlage von Kapital auf unbebautem Boden zieht. Dass es
nur der Titel einer Anzahl von Personen auf das Eigenthum am
Erdball ist, der sie befähigt einen Theil der Mehrarbeit der Gesell-
schaft sich als Tribut anzueignen, und mit der Entwicklung der
Produktion sich in stets steigendem Maß anzueignen, wird durch
den Umstand verdeckt, dass die kapitalisirte Rente, also eben dieser
kapitalisirte Tribut als Preis des Bodens erscheint und dieser daher
wie jeder andre Handelsartikel verkauft werden kann. Für den
Käufer erscheint daher sein Anspruch auf die Rente nicht als um-
sonst erhalten, und ohne die Arbeit, das Risiko und den Unter-
nehmungsgeist des Kapitals umsonst erhalten, sondern als zu seinem
Aequivalent bezahlt. Ihm erscheint, wie schon früher bemerkt,
die Rente nur als Zins des Kapitals, womit er den Boden, und
damit den Anspruch auf die Rente erkauft hat. Ganz so erscheint
einem Sklavenhalter, der einen Neger gekauft hat, sein Eigenthum
an dem Neger nicht durch die Institution der Sklaverei als solche,
sondern durch Kauf und Verkauf von Waare erworben. Aber der
Titel selbst wird durch den Verkauf nicht erzeugt, sondern nur
übertragen. Der Titel muss da sein, bevor er verkauft werden
kann, und so wenig wie ein Verkauf, kann eine Reihe von solchen
Verkäufen, ihre beständige Wiederholung, diesen Titel schaffen.
Was ihn überhaupt geschaffen hat, waren die Produktionsverhält-
nisse. Sobald diese auf einem Punkt angelangt sind, wo sie sich
umhäuten müssen, fällt die materielle, die ökonomisch und historisch
berechtigte, die aus dem Process der gesellschaftlichen Lebenser-
zeugung entspringende Quelle des Titels und aller auf ihm be-
gründeten Transaktionen fort. Vom Standpunkt einer höhern
ökonomischen Gesellschaftsformation wird das Privateigenthum ein-
zelner Individuen am Erdball ganz so abgeschmackt erscheinen,
wie das Privateigenthum eines Menschen an einem andern Menschen.
Selbst eine ganze Gesellschaft, eine Nation, ja alle gleichzeitigen
Gesellschaften zusammengenommen sind nicht Eigenthümer der Erde.
Sie sind nur ihre Besitzer, ihre Nutzniesser, und haben sie als
boni patres familias den nachfolgenden Generationen verbessert zu
hinterlassen.
Bei der folgenden Untersuchung des Bodenpreises sehn wir ab
von allen Konkurrenzschwankungen, von allen Bodenspekulationen,
oder auch vom kleinen Grundeigenthum, wo die Erde das Haupt-
[310] instrument der Producenten bildet, und daher zu jedem Preis von
ihnen gekauft werden muss.
I. Der Preis des Bodens kann steigen, ohne dass die Rente steigt;
nämlich
1) durch das blosse Fallen des Zinsfusses, welches bewirkt, dass
die Rente theurer verkauft wird, und daher die kapitalisirte Rente,
der Bodenpreis wächst;
2) weil der Zins des dem Boden einverleibten Kapitals wächst.
II. Der Bodenpreis kann steigen, weil die Rente wächst.
Die Rente kann wachsen, weil der Preis des Bodenprodukts
steigt, in welchem Fall immer die Rate der Differentialrente steigt,
ob die Rente auf dem schlechtesten bebauten Boden gross, klein oder
gar nicht vorhanden sei. Unter der Rate verstehn wir das Verhält-
niss des Theils des Mehrwerths, der sich in Rente verwandelt, zum
vorgeschossnen Kapital, welches das Bodenprodukt producirt. Es
ist dies verschieden von dem Verhältniss des Surplusprodukts zum
Gesammtprodukt, denn das Gesammtprodukt schliesst nicht das
ganze vorgeschossne Kapital ein, nämlich nicht das fixe Kapital,
das neben dem Produkt fortexistirt. Dagegen ist dies darin ein-
geschlossen, dass auf den Bodenarten, die eine Differentialrente tragen,
ein wachsender Theil des Produkts sich in überschüssiges Surpluspro-
dukt verwandelt. Auf dem schlechtesten Boden schafft die Preisstei-
gerung des Bodenprodukts erst Rente und daher Preis des Bodens.
Die Rente kann aber auch wachsen, ohne dass der Preis des
Bodenprodukts steigt. Er kann konstant bleiben oder selbst abnehmen.
Wenn er konstant bleibt, so kann die Rente nur wachsen (von
Monopolpreisen abgesehn), entweder weil bei gleich grosser Kapital-
anlage auf den alten Ländereien, neue Ländereien besserer Qualität
bebaut werden, die aber nur hinreichen die gewachsene Nachfrage zu
decken, sodass der regulirende Marktpreis unverändert bleibt. In diesem
Fall steigt nicht der Preis der alten Ländereien, aber für den neu in
Angriff genommenen Boden steigt der Preis über den des alten.
Oder aber die Rente steigt, weil bei gleichbleibender relativer
Ergiebigkeit und gleichbleibenden Marktpreis die Masse des den
Boden exploitirenden Kapitals wächst. Obgleich daher die Rente
im Verhältniss zum vorgeschossnen Kapital dieselbe bleibt, ver-
doppelt sich z. B. ihre Masse, weil sich das Kapital selbst ver-
doppelt hat. Da kein Fallen des Preises eingetreten ist, wirft die
zweite Kapitalanlage ebenso gut wie die erste einen Surplusprofit
ab, der sich nach Ablauf der Pachtzeit ebenfalls in Rente ver-
wandelt. Die Masse der Rente steigt hier, weil die Masse des
[311] Rente erzeugenden Kapitals steigt. Die Behauptung, dass ver-
schiedne successive Kapitalanlagen auf derselben Bodenstrecke eine
Rente nur erzeugen können, soweit ihr Ertrag ungleich ist, und
daher eine Differentialrente entsteht, kommt auf die Behauptung
hinaus dass, wenn zwei Kapitale von je 1000 £ auf zwei Feldern
von gleicher Ergiebigkeit angelegt sind, nur eins derselben Rente
abwerfen könne, obgleich diese beiden Felder zur bessern Boden-
klasse gehören, die eine Differentialrente abwirft. (Die Masse des
Rentals, die Gesammtrente eines Landes, wächst daher mit der
Masse der Kapitalanlage, ohne dass der Preis des einzelnen Boden-
stücks, oder die Rentrate, oder auch die Rentmasse auf dem ein-
zelnen Bodenstücke nothwendig wächst; die Masse des Rentals
wächst in diesem Fall mit der räumlichen Ausbreitung der Kultur.
Dies kann sogar mit dem Fallen der Rente auf den einzelnen Be-
sitzungen verbunden sein.) Sonst käme diese Behauptung auf die
andre hinaus, dass die Kapitalanlage auf zwei verschiednen Boden-
stücken nebeneinander andern Gesetzen folge, als die successive
Kapitalanlage auf demselben Bodenstück, während man doch gerade
die Differentialrente ableitet aus der Identität des Gesetzes in beiden
Fällen, aus dem Zuwachs der Ergiebigkeit der Kapitalanlage so-
wohl auf demselben Felde wie auf verschiednen Feldern. Die ein-
zige Modifikation, die hier existirt und die übersehn wird, ist die,
dass successive Kapitalanlage bei ihrer Anwendung auf räumlich
verschiednen Boden auf die Schranke des Grundeigenthums stösst,
was bei successiven Kapitalanlagen auf demselben Boden nicht der
Fall ist. Daher auch die entgegengesetzte Wirkung, wodurch diese
verschiednen Formen der Anlage sich in der Praxis wechselseitig
in Schranken halten. Es tritt hier nie ein Unterschied vom Kapital
ein. Bleibt die Zusammensetzung des Kapitals dieselbe, und ebenso
die Rate des Mehrwerths, so bleibt die Profitrate unverändert, so-
dass bei verdoppeltem Kapital die Profitmasse sich verdoppelt. Ebenso
bleibt unter den angenommenen Verhältnissen die Rentrate dieselbe.
Wenn ein Kapital von 1000 £ eine Rente von x, wirft unter den
vorausgesetzten Umständen eines von 2000 £ eine Rente von 2x
ab. Aber mit Bezug auf die Bodenfläche berechnet, die unver-
ändert geblieben ist, da der Annahme nach das doppelte Kapital
in demselben Feld arbeitet, ist in Folge des Steigens der Masse
der Rente auch ihre Höhe gestiegen. Derselbe Acre, der 2 £
Rente einbrachte, bringt jetzt 4 £.41)
[312]
Das Verhältniss eines Theils des Mehrwerths, der Geldrente —
denn das Geld ist der selbständige Ausdruck des Werths — zum
Boden ist an sich abgeschmackt und irrationell; denn es sind in-
kommensurable Grössen, die hier an einander gemessen werden,
ein bestimmter Gebrauchswerth, Bodenstück von so und so viel
Quadratfuss auf der einen Seite, und Werth, speciell Mehrwerth
auf der andern. Es drückt dies in der That nichts aus als dass
unter den gegebnen Verhältnissen das Eigenthum an den Quadrat-
füssen Boden den Grundeigenthümer befähigt, ein bestimmtes
Quantum unbezahlter Arbeit abzufangen, die das in den Quadrat-
füssen wie ein Schwein in den Kartoffeln wühlende Kapital [hier
steht im Ms. in Klammern, aber durchstrichen: Liebig] realisirt
hat. Prima facie ist der Ausdruck aber derselbe, als wollte man
vom Verhältniss einer Fünfpfundnote zum Durchmesser der Erde
sprechen. Die Vermittlungen der irrationellen Formen, worin be-
stimmte ökonomische Verhältnisse erscheinen und sich praktisch
zusammenfassen, gehn die praktischen Träger dieser Verhältnisse
in ihrem Handel und Wandel jedoch nichts an; und da sie gewohnt
sind sich darin zu bewegen, findet ihr Verstand nicht im geringsten
Anstoss daran. Ein vollkommner Widerspruch hat durchaus nichts
Geheimnissvolles für sie. In den, dem innern Zusammenhang ent-
fremdeten und, für sich isolirt genommen, abgeschmackten Er-
scheinungsformen fühlen sie sich ebenfalls so zu Haus wie ein
Fisch im Wasser. Es gilt hier, was Hegel mit Bezug auf gewisse
mathematische Formeln sagt, dass was der gemeine Menschenver-
stand irrationell findet, das Rationelle, und sein Rationelles die
Irrationallität selbst ist.
Mit Bezug auf die Bodenfläche selbst betrachtet, drückt sich also
das Steigen in der Masse der Rente aus, ganz wie ein Steigen
41)
[313] in der Rate der Rente, und daher die Verlegenheit, wenn die Bedin-
gungen die den einen Fall erklären würden, bei dem andern
fehlen.
Der Bodenpreis kann aber auch steigen, selbst wenn der Preis
des Bodenprodukts abnimmt.
In diesem Fall kann sich durch weitre Differenzirung die Diffe-
rentialrente, und daher der Bodenpreis, der bessern Ländereien ver-
mehrt haben. Oder wenn dies nicht der Fall ist, kann bei ver-
mehrter Produktivkraft der Arbeit der Preis des Bodenprodukts ge-
fallen sein, sodass aber die vermehrte Produktion dies mehr als
aufwiegt. Nimm an das Quarter habe 60 sh. gekostet. Werden
von demselben Acre mit demselben Kapital 2 qrs. statt einem pro-
ducirt, und das qr. falle auf 40 sh., so bringen 2 qrs. 80 sh., so-
dass der Werth des Produkts desselben Kapitals auf demselben
Acre um eindrittel gestiegen, obgleich der Preis per qr. um ein-
drittel gefallen ist. Wie dies möglich ohne dass das Produkt über
seinem Produktionspreis oder Werth verkauft wird, wurde bei der
Differentialrente entwickelt. Es ist in der That nur in zwei Arten
möglich. Entweder schlechter Boden wird ausser Konkurrenz ge-
setzt, aber der Preis des bessern Bodens wächst, wenn die Differen-
tialrente wächst, die allgemeine Verbesserung also ungleichmäßig
auf die verschiednen Bodenarten wirkt. Oder auf dem schlechtesten
Boden drückt sich derselbe Produktionspreis (und derselbe Werth,
falls absolute Rente gezahlt wird) wegen gesteigerter Produktivität
der Arbeit in grössrer Masse Produkt aus. Das Produkt stellt
nach wie vor denselben Werth dar, aber der Preis seiner aliquoten
Theile ist gefallen, während ihre Anzahl sich vermehrt hat. Wenn
dasselbe Kapital angewandt, ist dies unmöglich; denn in diesem
Fall drückt sich stets derselbe Werth in jeder beliebigen Menge
Produkt aus. Es ist aber möglich, wenn ein Kapitalzuschuss ge-
macht worden ist für Gyps, Guano etc., kurz für Verbesserungen
deren Wirkung sich über mehrere Jahre erstreckt. Die Bedingung
ist, dass der Preis des einzelnen qr. zwar fällt, aber nicht in dem-
selben Verhältniss wie die Zahl der qrs. wächst.
III. Diese verschiednen Bedingungen des Steigens der Rente und
daher des Bodenpreises überhaupt oder für einzelne Bodenarten
können z. Th. konkurriren, z. Th. schliessen sie einander aus, und
können nur abwechselnd wirken. Es folgt aber aus dem Ent-
wickelten, dass aus einem Steigen des Bodenpreises nicht ohne
weiteres auf ein Steigen der Rente, und dass aus einem Steigen
der Rente, welches immer ein Steigen des Bodenpreises nach sich
[314] zieht, nicht ohne Weiteres auf ein Steigen der Bodenprodukte ge-
schlossen werden kann.42)
Statt auf die wirklichen naturgemäßen Ursachen der Erschöpfung
des Bodens zurückzugehn, welche übrigens sämmtlichen Oekonomen
die über Differentialrente geschrieben haben, unbekannt waren wegen
des Zustands der Agrikulturchemie zu ihrer Zeit, ist die flache Auf-
fassung zu Hülfe genommen worden, dass man nicht jede beliebige
Masse Kapital in einem räumlich begrenzten Feld anlegen kann;
wie z. B. die Westminster Review dem Richard Jones entgegen-
hielt, dass man nicht ganz England durch Bebauung von Soho
Square füttern kann. Wenn dies als ein besondrer Nachtheil der
Agrikultur angesehn wird, so ist gerade das Umgekehrte wahr.
Es können hier successive Kapitalanlagen fruchtbringend angelegt
werden, weil die Erde selbst als Produktionsinstrument wirkt, was
bei einer Fabrik, wo sie nur als Unterlage, als Platz, als räum-
liche Operationsbasis fungirt, nicht oder nur innerhalb sehr enger
Grenzen der Fall ist. Man kann zwar — und dies thut die grosse
Industrie — in einem, verglichen mit dem parcellirten Handwerk,
kleinen Raum eine grosse Produktionsanlage koncentriren. Aber,
die Entwicklungsstufe der Produktivkraft gegeben, ist immer ein
bestimmter Raum erforderlich, und das Bauen in die Höhe hat
auch seine bestimmten praktischen Grenzen. Ueber diese hinaus
erfordert Ausdehnung der Produktion auch Erweiterung des Boden-
raums. Das in Maschinen u. s. w. angelegte fixe Kapital verbessert
sich nicht durch den Gebrauch, sondern verschleisst im Gegentheil.
In Folge neuer Erfindungen können auch hier einzelne Verbesse-
rungen angebracht werden, aber die Entwicklung der Produktiv-
kraft als gegeben vorausgesetzt, kann sich die Maschine nur ver-
schlechtern. Bei rascher Entwicklung der Produktivkraft muss die
ganze alte Maschinerie durch vortheilhaftere ersetzt werden, also
verloren gehn. Die Erde dagegen, richtig behandelt, verbessert
sich fortwährend. Der Vorzug der Erde, dass successive Kapital-
anlagen Vortheil bringen können, ohne dass die frühern verloren
gehn, schliesst zugleich die Möglichkeit der Ertragsdifferenz dieser
successiven Kapitalanlagen ein.
[315]
Siebenundvierzigstes Kapitel.
Genesis der kapitalistischen Grundrente.
I. Einleitendes.
Man muss sich klar machen, worin eigentlich die Schwierigkeit
der Behandlung der Grundrente, vom Standpunkt der modernen
Oekonomie, als des theoretischen Ausdrucks der kapitalistischen
Produktionsweise besteht. Dies ist selbst von einer grossen Anzahl
neuerer Schriftsteller immer noch nicht begriffen worden, wie jeder
erneuerte Versuch, die Grundrente „neu“ zu erklären, beweist. Die
Neuheit besteht hier fast immer in dem Rückfall in längst über-
wundne Standpunkte. Die Schwierigkeit besteht nicht darin, das
vom agrikolen Kapital erzeugte Mehrprodukt und den ihm ent-
sprechenden Mehrwerth überhaupt zu erklären. Diese Frage ist
vielmehr gelöst in der Analyse des Mehrwerths, den alles produk-
tive Kapital erzeugt, in welcher Sphäre immer es angelegt sei.
Die Schwierigkeit besteht darin, nachzuweisen, woher nach Aus-
gleichung des Mehrwerths unter den verschiednen Kapitalen zum
Durchschnittsprofit, zu einem ihren verhältnissmäßigen Grössen
entsprechenden proportionellen Antheil an dem Gesammtmehrwerth,
den das gesellschaftliche Kapital in allen Produktionssphären zu-
sammen erzeugt hat, woher nach dieser Ausgleichung, nach der
scheinbar bereits stattgehabten Vertheilung alles Mehrwerths, der
überhaupt zu vertheilen ist, woher da noch der überschüssige Theil
dieses Mehrwerths stammt, den das im Boden angelegte Kapital
unter der Form der Grundrente an den Grundeigenthümer zahlt.
Ganz abgesehn von den praktischen Motiven, welche den modernen
Oekonomen als Wortführer des industriellen Kapitals gegen das
Grundeigenthum zur Untersuchung dieser Frage stachelten — Motive,
die wir in dem Kapitel über die Geschichte der Grundrente näher
andeuten werden — war die Frage für sie als Theoretiker von
entscheidendem Interesse. Zugeben, dass die Erscheinung der Rente
für das im Ackerbau angelegte Kapital aus einer besondren Wirkung
der Anlagesphäre selbst, aus, der Erdkruste als solcher angehörigen,
Eigenschaften stamme — das hiess verzichten auf den Werthbegriff
selbst, also verzichten auf jede Möglichkeit wissenschaftlicher Er-
kenntniss auf diesem Gebiet. Selbst die einfache Wahrnehmung,
dass die Rente aus dem Preise des Bodenprodukts bezahlt wird —
was selbst da stattfindet wo sie in Naturalform gezahlt wird, wenn
der Pächter seinen Produktionspreis herausschlagen soll — zeigte
die Abgeschmacktheit, den Ueberschuss dieses Preises über den
[316] gewöhnlichen Produktionspreis, also die relative Theuerkeit des
Ackerbauprodukts aus dem Ueberschuss der naturwüchsigen Produk-
tivität der agrikolen Industrie über die Produktivität der andern
Industriezweige zu erklären; da umgekehrt, je produktiver die
Arbeit, desto wohlfeiler jeder aliquote Theil ihres Produkts, weil
desto grösser die Masse der Gebrauchswerthe, worin dasselbe Quantum
Arbeit, also derselbe Werth sich darstellt.
Die ganze Schwierigkeit in der Analyse der Rente bestand also
darin, den Ueberschuss des agrikolen Profits über den Durchschnitts-
profit zu erklären, nicht den Mehrwerth, sondern den dieser Pro-
duktionssphäre eigenthümlichen überschüssigen Mehrwerth, also auch
nicht das „Nettoprodukt“, sondern den Ueberschuss dieses Netto-
produkts über das Nettoprodukt der andren Industriezweige. Der
Durchschnittsprofit selbst ist ein Produkt, eine Bildung des unter
ganz bestimmten historischen Produktionsverhältnissen vor sich
gehenden socialen Lebensprocesses, ein Produkt, das wie wir gesehn
haben, sehr weitläuftige Vermittlung voraussetzt. Um überhaupt
von einem Ueberschuss über den Durchschnittsprofit sprechen zu
können, muss dieser Durchschnittsprofit selbst als Maßstab und,
wie es in der kapitalistischen Produktionsweise der Fall ist, als
Regulator der Produktion überhaupt hergestellt sein. In Gesell-
schaftsformen also, wo es noch nicht das Kapital ist, das die
Funktion vollzieht, alle Mehrarbeit zu erzwingen und allen Mehr-
werth in erster Hand sich selbst anzueignen, wo also das Kapital
sich die gesellschaftliche Arbeit noch nicht, oder nur sporadisch
subsumirt hat, kann von der Rente im modernen Sinn, von der
Rente als einem Ueberschuss über den Durchschnittsprofit, d. h.
über den proportionellen Antheil jedes Einzelkapitals an dem vom
gesellschaftlichen Gesammtkapital producirten Mehrwerth, überhaupt
nicht die Rede sein. Es zeigt die Naivetät z. B. des Herrn Passy
(siehe weiter unten) wenn er schon im Urzustand von Rente spricht
als von Ueberschuss über den Profit — über eine historisch be-
stimmte gesellschaftliche Form des Mehrwerths, die also nach
Herrn Passy so ziemlich auch ohne Gesellschaft existiren kann.
Für die ältern Oekonomen, die überhaupt mit der Analyse der,
zu ihrer Zeit noch unentwickelten, kapitalistischen Produktionsweise
erst beginnen, bot die Analyse der Rente entweder überhaupt keine
Schwierigkeit oder doch Schwierigkeit ganz andrer Art. Petty,
Cantillon, überhaupt die der Feudalzeit näher stehenden Schrift-
steller nehmen die Grundrente als die normale Form des Mehr-
werths überhaupt an, während der Profit ihnen noch unbestimmt
[317] mit dem Arbeitslohn zerfliesst, oder höchstens als ein vom Kapi-
talisten dem Grundeigenthümer abgepresster Theil dieses Mehr-
werths erscheint. Sie gehn also von einem Zustand aus, wo erstens
die agrikole Bevölkerung noch den weit überwiegenden Theil der
Nation ausmacht, und wo zweitens der Grundeigenthümer noch als
die Person erscheint, die in erster Hand die überschüssige Arbeit
der unmittelbaren Producenten vermittelst des Monopols des Grund-
eigenthums sich aneignet, wo also das Grundeigenthum auch noch
als die Hauptbedingung der Produktion erscheint. Für sie konnte
eine Fragestellung noch nicht existiren, die umgekehrt, vom Stand-
punkt der kapitalistischen Produktionsweise aus zu erforschen sucht,
wie das Grundeigenthum es fertig bringt, dem Kapital einen Theil
des von diesem producirten (d. h. den unmittelbaren Producenten
ausgepressten) und in erster Hand bereits angeeigneten Mehrwerths
wieder zu entziehn.
Bei den Physiokraten ist die Schwierigkeit schon andrer Natur.
Als in der That die ersten systematischen Dollmetscher des Kapi-
tals, suchen sie die Natur des Mehrwerths überhaupt zu analysiren.
Die Analyse fällt für sie zusammen mit der Analyse der Rente,
der einzigen Form, worin der Mehrwerth für sie existirt. Das
Rente tragende oder agrikole Kapital ist für sie daher das einzige
Mehrwerth erzeugende Kapital, und die von ihm in Bewegung
gesetzte agrikole Arbeit die allein Mehrwerth setzende, also vom
kapitalistischen Standpunkt aus ganz richtig die einzige produktive
Arbeit. Die Erzeugung von Mehrwerth gilt ihnen ganz richtig als
das bestimmende. Sie haben, von andren in Buch IV auseinander
zu setzenden Verdiensten abgesehn, zunächst das grosse Verdienst,
von dem allein in der Cirkulationssphäre fungirenden Handels-
kapital zurückzugehn zum produktiven Kapital, im Gegensatz zum
Merkantilsystem, das in seinem groben Realismus die eigentliche
Vulgärökonomie jener Zeit bildet, vor deren praktischen Interessen
die Anfänge wissenschaftlicher Analyse durch Petty und seine Nach-
folger ganz in den Hintergrund gedrängt waren. Beiläufig handelt
es sich hier, bei der Kritik des Merkantilsystems, nur um seine
Anschauungen von Kapital und Mehrwerth. Es ist schon früher
bemerkt worden, dass das Monetarsystem die Produktion für den
Weltmarkt und die Verwandlung des Produkts in Waare, daher
in Geld, richtig als Voraussetzung und Bedingung der kapitalistischen
Produktion verkündet. In seiner Fortsetzung im Merkantilsystem
entscheidet nicht mehr die Verwandlung des Waarenwerths in Geld,
sondern die Erzeugung von Mehrwerth, aber vom begriffslosen
[318] Standpunkt der Cirkulationssphäre aus, und zugleich so, dass dieser
Mehrwerth sich darstellt in Surplusgeld, im Ueberschuss der Handels-
bilanz. Es ist aber zugleich das, die interessirten Kaufleute und
Fabrikanten von damals richtig Charakterisirende, und das der
Periode der kapitalistischen Entwicklung, die sie darstellen, Adä-
quate darin, dass es bei der Verwandlung der feudalen Ackerbau-
Gesellschaften in industrielle, und bei dem entsprechenden indu-
striellen Kampf der Nationen auf dem Weltmarkt, auf eine be-
schleunigte Entwicklung des Kapitals ankommt, die nicht auf dem
sog. naturgemäßen Weg, sondern durch Zwangsmittel zu erreichen
ist. Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob das nationale
Kapital allmälig und langsam sich in industrielles verwandelt, oder
ob diese Verwandlung zeitlich beschleunigt wird durch die Steuer,
die sie vermittelst der Schutzzölle hauptsächlich auf Grundeigen-
thümer, Mittel- und Kleinbauern und Handwerk legen, durch die
beschleunigte Expropriation der selbständigen unmittelbaren Produ-
centen, durch gewaltsam beschleunigte Akkumulation und Kon-
centration der Kapitale, kurz durch beschleunigte Herstellung der
Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise. Es macht zu-
gleich enormen Unterschied in der kapitalistischen und industriellen
Exploitation der natürlichen nationalen Produktivkraft. Der nationale
Charakter des Merkantilsystems ist daher nicht blosse Phrase im
Munde seiner Wortführer. Unter dem Vorwand, sich nur mit dem
Reichthum der Nation und den Hülfsquellen des Staats zu be-
schäftigen, erklären sie in der That die Interessen der Kapitalisten-
klasse und die Bereicherung überhaupt für den letzten Staatszweck,
und proklamiren sie die bürgerliche Gesellschaft gegen den alten
überirdischen Staat. Aber zugleich ist das Bewusstsein vorhanden,
dass die Entwicklung der Interessen des Kapitals und der Kapita-
listenklasse, der kapitalistischen Produktion, die Basis der nationalen
Macht und des nationalen Uebergewichts in der modernen Gesell-
schaft geworden ist.
Es ist ferner das Richtige bei den Physiokraten, dass in der That
alle Produktion von Mehrwerth, also auch alle Entwicklung des
Kapitals, der natürlichen Grundlage nach, auf der Produktivität
der agrikolen Arbeit beruht. Wenn die Menschen überhaupt nicht
fähig, in einem Arbeitstag mehr Lebensmittel, also im engsten
Sinn mehr Ackerbauprodukte zu erzeugen, als jeder Arbeiter zu
seiner eignen Reproduktion bedarf, wenn die tägliche Verausgabung
seiner ganzen Arbeitskraft nur dazu hinreicht, die zu seinem indi-
viduellen Bedarf unentbehrlichen Lebensmittel herzustellen, so könnte
[319] überhaupt weder von Mehrprodukt noch von Mehrwerth die Rede
sein. Eine über das individuelle Bedürfniss des Arbeiters hinaus-
gehende Produktivität der agrikolen Arbeit ist die Basis aller Ge-
sellschaft, und ist vor allem die Basis der kapitalistischen Pro-
duktion, die einen immer wachsenden Theil der Gesellschaft von
der Produktion der unmittelbaren Lebensmittel loslöst und sie, wie
Steuart sagt, in free heads verwandelt, sie zur Exploitation in andren
Sphären disponibel macht.
Was soll man aber zu neuern ökonomischen Schriftstellern, wie
Daire, Passy etc. sagen, welche am Lebensabend der ganzen klas-
sischen Oekonomie, ja am Sterbebett derselben, die ursprünglichsten
Vorstellungen über die Naturbedingungen der Mehrarbeit und daher
des Mehrwerths überhaupt wiederholen, und damit etwas Neues
und Schlagendes über die Grundrente vorzubringen glauben, nach-
dem diese Grundrente längst als eine besondre Form, und ein
specifischer Theil des Mehrwerths entwickelt ist? Es charakterisirt
eben die Vulgärökonomie, dass sie das, was in einer bestimmten
überlebten Entwicklungsstufe neu, originell, tief und berechtigt war,
zu einer Zeit wiederholt, wo es platt, abgestanden und falsch ist.
Sie bekennt damit, dass sie auch nicht einmal eine Ahnung über
die Probleme besitzt, die die klassische Oekonomie beschäftigt haben.
Sie verwechselt sie mit Fragen, wie sie nur auf einem niedrigern
Standpunkt der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft gestellt
werden konnten. Ebenso verhält es sich mit ihrem rastlosen und
selbstgefälligen Wiederkäuen der physiokratischen Sätze über den
Freihandel. Diese Sätze haben längst alles und jedes theoretische
Interesse verloren, so sehr sie diesen oder jenen Staat praktisch
interessiren mögen.
Bei der eigentlichen Naturalwirthschaft, wo gar kein oder nur
ein sehr unbedeutender Theil des agrikolen Produkts in den Cir-
kulationsprocess eintritt, und selbst nur ein relativ unbedeutender
Theil des Theils des Produkts, der die Revenue des Grundeigen-
thümers darstellt, wie z. B. auf vielen altrömischen Latifundien,
wie auf den Villen Karls des Grossen, und wie (sieh Vinçard, histoire
du travail) mehr oder weniger während des ganzen Mittelalters,
besteht das Produkt und das Mehrprodukt der grossen Güter keines-
wegs bloss aus den Produkten der agrikolen Arbeit. Es umfasst
ebensowohl die Produkte der industriellen Arbeit. Häusliche Hand-
werks- und Manufakturarbeit, als Nebenbetrieb des Ackerbaus, der
die Basis bildet, ist die Bedingung der Produktionsweise, worauf
diese Naturalwirthschaft beruht, im europäischen Alterthum und
[320] Mittelalter sowohl wie noch heutzutage in der indischen Gemeinde,
wo deren traditionelle Organisation noch nicht zerstört ist. Die
kapitalistische Produktionsweise hebt diesen Zusammenhang völlig
auf; ein Process den man im grossen namentlich während des
letzten Drittels des 18. Jahrhunderts in England studiren kann.
Köpfe die in mehr oder minder halb feudalen Gesellschaften auf-
gewachsen waren, Herrenschwand z. B., betrachten noch Ende des
18. Jahrhunderts diese Trennung von Ackerbau und Manufaktur
als tollkühnes gesellschaftliches Wagstück, als eine unbegreiflich
riskirte Existenzweise. Und selbst in den Ackerbauwirthschaften
des Alterthums, die die meiste Analogie mit der kapitalistischen
Landwirthschaft zeigen, in Karthago und Rom, ist die Aehnlich-
keit grösser mit der Plantagenwirthschaft als mit der der wirklich
kapitalistischen Exploitationsweise entsprechenden Form.42) Eine
formelle Analogie, die aber auch in allen wesentlichen Punkten
durchaus als Täuschung erscheint für den, der die kapitalistische
Produktionsweise begriffen hat, und der nicht etwa wie Herr
Mommsen43) in jeder Geldwirthschaft auch schon kapitalistische
Produktionsweise entdeckt — eine formelle Analogie findet sich im
Alterthum im kontinentalen Italien überhaupt nicht, sondern nur
etwa in Sicilien, weil dies als agrikoles Tributland für Rom existirte,
der Ackerbau daher wesentlich auf den Export gerichtet war.
Hier finden sich Pächter im modernen Sinn.
Eine unrichtige Auffassung der Natur der Rente basirt auf dem
Umstand, dass aus der Naturalwirthschaft des Mittelalters her, und
ganz den Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise wider-
sprechend, die Rente in Naturalform zum Theil in den Zehnten
der Kirche, zum Theil als Kuriosität, durch alte Kontrakte ver-
ewigt, sich in die moderne Zeit herübergeschleppt hat. Es gewinnt
dadurch den Anschein, dass die Rente nicht aus dem Preis des
Agrikulturprodukts, sondern aus seiner Masse entspringt, also nicht
[321] aus gesellschaftlichen Verhältnissen, sondern aus der Erde. Wir
haben schon früher gezeigt, dass, obgleich der Mehrwerth sich in
einem Surplusprodukt darstellt, nicht umgekehrt ein Surplusprodukt
im Sinn einer blossen Zunahme der Masse des Produkts, einen
Mehrwerth darstellt. Es kann ein Minus von Werth darstellen.
Die Baumwollindustrie müsste sonst 1860, verglichen mit 1840,
einen enormen Mehrwerth darstellen, während im Gegentheil der
Preis des Garns gefallen ist. Die Rente kann in Folge einer Reihe
von Missjahren enorm wachsen, weil der Preis des Getreides steigt,
obgleich dieser Surpluswerth sich in einer absolut abnehmenden
Masse von theurerem Weizen darstellt. Umgekehrt, in Folge einer
Reihe fruchtbarer Jahre kann die Rente sinken, weil der Preis
sinkt, obgleich die gesunkene Rente sich in einer grössern Masse
wohlfeilern Weizens darstellt. Zunächst ist nun zu bemerken über
die Produktenrente, dass sie blosse, aus einer verlebten Produk-
tionsweise herübergeschleppte und als Ruine ihr Dasein fristende
Tradition ist, deren Widerspruch mit der kapitalistischen Produk-
tionsweise sich darin zeigt, dass sie aus den Privatkontrakten von
selbst verschwand, und dass sie da, wo die Gesetzgebung eingreifen
konnte; wie bei den Kirchenzehnten in England, gewaltsam als
Inkongruität abgeschüttelt wurde. Zweitens aber, wo sie auf Basis
der kapitalistischen Produktionsweise fortexistirte, war sie nichts
und konnte nichts andres sein als ein mittelalterlich verkleideter
Ausdruck der Geldrente. Das qr. Weizen steht z. B. auf 40 sh.
Von diesem qr. muss ein Theil den in ihm enthaltnen Arbeitslohn
ersetzen, und verkauft werden, um ihn von neuem auslegen zu
können; ein andrer Theil muss verkauft werden, um den auf ihn
fallenden Theil der Steuern zu zahlen. Aussaat und ein Theil des
Düngers selbst gehn da, wo die kapitalistische Produktionsweise
und mit ihr die Theilung der gesellschaftlichen Arbeit entwickelt
ist, als Waaren in die Reproduktion ein, müssen also zum Ersatz
gekauft werden; und es muss wieder ein Theil des qr. verkauft
werden, um das Geld hierfür zu liefern. Soweit sie nicht wirklich
als Waare gekauft werden müssen, sondern aus dem Produkt selbst
in natura entnommen werden, um von neuem als Produktionsbe-
dingungen in seine Reproduktion einzugehn — wie dies nicht nur
im Ackerbau, sondern in vielen Produktionszweigen geschieht, die
konstantes Kapital produciren — gehn sie in die Rechnung, in
Rechengeld ausgedrückt, ein und kommen als Bestandtheile des
Kostpreises in Abzug. Der Verschleiss der Maschinerie und des
fixen Kapitals überhaupt muss in Geld ersetzt werden. Endlich
Marx, Kapital III. 2. 21
[322] kommt der Profit, der auf die Summe dieser, in wirklichem Geld
oder in Rechengeld ausgedrückten Kosten berechnet ist. Dieser
Profit stellt sich in einem bestimmten Theil des Bruttoprodukts
dar, der durch seinen Preis bestimmt ist. Und der Theil, der
dann übrig bleibt, bildet die Rente. Ist die kontraktliche Pro-
duktenrente grösser als dieser durch den Preis bestimmte Rest, so
bildet sie keine Rente, sondern ist Abzug vom Profit. Wegen
dieser Möglichkeit schon ist die Produktenrente, die dem Preis des
Produkts nicht folgt, die also mehr oder weniger betragen kann
als die wirkliche Rente, und die daher nicht nur einen Abzug vom
Profit, sondern auch von Bestandtheilen des Kapitalersatzes bilden
kann, eine veraltete Form. In der That ist diese Produktenrente,
soweit sie nicht dem Namen, sondern der Sache nach Rente ist,
ausschliesslich bestimmt durch den Ueberschuss des Preises des
Produkts über seine Produktionskosten. Nur unterstellt sie diese
variable Grösse als eine konstante. Aber es ist eine so anheimelnde
Vorstellung, dass das Produkt in natura erstens hinreicht die Ar-
beiter zu ernähren, dann dem kapitalistischen Pächter mehr Nahrung
zu lassen als er braucht, und dass der Ueberschuss darüber die
natürliche Rente bildet. Ganz wie wenn ein Kattunfabrikant 200000
Ellen fabricirt. Diese Ellen reichen nicht nur hin seine Arbeiter
zu kleiden, seine Frau und alle seine Nachkommenschaft und ihn
selbst mehr als zu kleiden, ihm ausserdem noch Kattun zum Ver-
kauf zu lassen, und endlich eine gewaltige Rente in Kattun zu
zahlen. Die Sache ist so einfach! Man ziehe von 200000 Ellen
Kattun die Produktionskosten ab, und es muss ein Ueberschuss
von Kattun als Rente bleiben. Von 200000 Ellen Kattun z. B.
die Produktionskosten von 10000 £ abziehn, ohne den Verkaufs-
preis des Kattuns zu kennen, von Kattun Geld abziehn, von einem
Gebrauchswerth als solchem einen Tauschwerth, und dann den
Ueberschuss der Ellen Kattun über die Pfunde Sterling bestimmen,
ist in der That eine naive Vorstellung. Es ist schlimmer als die
Quadratur des Cirkels, der wenigstens der Begriff der Grenzen, in
denen gerade Linie und Curve verschwimmen, zu Grunde liegt. Aber
es ist das Recept des Herrn Passy. Man ziehe Geld von Kattun ab, be-
vor der Kattun im Kopf oder in der Wirklichkeit in Geld verwandelt
ist! Der Ueberschuss ist die Rente, die aber naturaliter (siehe z. B. Karl
Arnd) und nicht durch „sophistische“ Teufeleien handgegriffen werden
soll! Auf diese Narrheit, den Abzug des Produktionspreises von so und
soviel Scheffeln Weizen, die Subtraktion einer Geldsumme von einem
Kubikmaß kommt diese ganze Restauration der Naturalrente hinaus.
[323]
II. Die Arbeitsrente.
Betrachtet man die Grundrente in ihrer einfachsten Form, der
Arbeitsrente, wo der unmittelbare Producent einen Theil der
Woche mit faktisch oder juristisch ihm gehörigen Arbeitswerk-
zeugen (Pflug, Vieh etc.) den ihm faktisch gehörigen Boden bestellt,
und die andern Tage der Woche auf dem Gute des Grundherrn
arbeitet, für den Grundherrn, unentgeltlich, so ist hier die Sache
noch ganz klar, Rente und Mehrwerth sind hier identisch. Die
Rente, nicht der Profit, ist die Form worin sich hier die unbe-
zahlte Mehrarbeit ausdrückt. Wie weit der Arbeiter (self-sustaining
serf) hier einen Ueberschuss über seine unentbehrlichen Subsistenz-
mittel gewinnen kann, also einen Ueberschuss über das, was wir
in der kapitalistischen Produktionsweise den Arbeitslohn nennen
würden, dies hängt bei sonst gleichbleibenden Umständen ab von
dem Verhältniss, worin seine Arbeitszeit sich theilt in Arbeitszeit
für ihn selbst und Frohnarbeitszeit für den Grundherrn. Dieser
Ueberschuss über die nothwendigsten Subsistenzmittel, der Keim
dessen was in der kapitalistischen Produktionsweise als Profit er-
scheint, ist also ganz und gar bestimmt durch die Höhe der Grund-
rente, welche hier nicht nur unmittelbar unbezahlte Mehrarbeit ist,
sondern auch als solche erscheint; unbezahlte Mehrarbeit für den
„Eigenthümer“ der Produktionsbedingungen, die hier mit dem Grund
und Boden zusammenfallen, und soweit sie sich von ihm unter-
scheiden, nur als sein Zubehör gelten. Dass das Produkt des
Fröhners hier hinreichen muss, ausser seiner Subsistenz seine Arbeits-
bedingungen zu ersetzen, ist ein Umstand, der in allen Produk-
tionsweisen derselbe bleibt, da es kein Resultat ihrer specifischen
Form, sondern eine Naturbedingung aller kontinuirlichen und repro-
duktiven Arbeit überhaupt, jeder fortgesetzten Produktion ist, die
immer zugleich Reproduktion, also auch Reproduktion ihrer eignen
Wirkungsbedingungen ist. Es ist ferner klar, dass in allen Formen,
worin der unmittelbare Arbeiter „Besitzer“ der zur Produktion
seiner eignen Subsistenzmittel nothwendigen Produktionsmittel und
Arbeitsbedingungen bleibt, das Eigenthumsverhältniss zugleich als
unmittelbares Herrschafts- und Knechtschaftsverhältniss auftreten
muss, der unmittelbare Producent also als Unfreier; eine Unfreiheit,
die sich von der Leibeigenschaft mit Frohnarbeit, bis zur blossen
Tributpflichtigkeit abschwächen kann. Der unmittelbare Producent
befindet sich hier der Voraussetzung nach im Besitz seiner eignen
Produktionsmittel, der zur Verwirklichung seiner Arbeit und zur
Erzeugung seiner Subsistenzmittel nothwendigen gegenständlichen
21*
[324] Arbeitsbedingungen; er betreibt seinen Ackerbau wie die damit ver-
knüpfte ländlich-häusliche Industrie selbständig. Diese Selbständig-
keit ist nicht dadurch aufgehoben dass, etwa wie in Indien, diese
Kleinbauern unter sich ein mehr oder minder naturwüchsiges Produk-
tionsgemeinwesen bilden, da es sich hier nur von der Selbständigkeit
gegenüber dem nominellen Grundherrn handelt. Unter diesen Be-
dingungen kann ihnen die Mehrarbeit für den nominellen Grund-
eigenthümer nur durch ausserökonomischen Zwang abgepresst werden,
welche Form dieser auch immer annehme.44) Es unterscheidet sie
dies von der Sklaven- oder Plantagenwirthschaft, dass der Sklave
hier mit fremden Produktionsbedingungen arbeitet und nicht selb-
ständig. Es sind also persönliche Abhängigkeitsverhältnisse nöthig,
persönliche Unfreiheit, in welchem Grad immer, und Gefesseltsein
an den Boden als Zubehör desselben, Hörigkeit im eigentlichen
Sinn. Sind es nicht Privatgrundeigenthümer, sondern ist es wie
in Asien der Staat, der ihnen direkt als Grundeigenthümer und
gleichzeitig Souverain gegenübertritt, so fallen Rente und Steuer
zusammen, oder es existirt vielmehr dann keine von dieser Form
der Grundrente verschiedne Steuer. Unter diesen Umständen braucht
das Abhängigkeitsverhältniss politisch wie ökonomisch keine härtere
Form zu besitzen als die ist, welche aller Unterthanenschaft gegen-
über diesem Staat gemeinsam ist. Der Staat ist hier der oberste
Grundherr. Die Souveränität ist hier das auf nationaler Stufe kon-
centrirte Grundeigenthum. Dafür existirt dann aber auch kein
Privatgrundeigenthum, obgleich sowohl Privat- wie gemeinschaft-
licher Besitz und Nutzniessung des Bodens.
Die specifische ökonomische Form, in der unbezahlte Mehrarbeit
aus den unmittelbaren Producenten ausgepumpt wird, bestimmt das
Herrschafts- und Knechtschaftsverhältniss, wie es unmittelbar aus
der Produktion selbst hervorwächst, und seinerseits bestimmend
auf sie zurückwirkt. Hierauf aber gründet sich die ganze Gestaltung
des ökonomischen, aus den Produktionsverhältnissen selbst hervor-
wachsenden Gemeinwesens, und damit zugleich seine specifische
politische Gestalt. Es ist jedesmal das unmittelbare Verhältniss
der Eigenthümer der Produktionsbedingungen zu den unmittelbaren
Producenten — ein Verhältniss, dessen jedesmalige Form stets
naturgemäß einer bestimmten Entwicklungsstufe der Art und Weise
der Arbeit, und daher ihrer gesellschaftlichen Produktivkraft ent-
spricht — worin wir das innerste Geheimniss, die verborgne Grund-
[325] lage der ganzen gesellschaftlichen Konstruktion, und daher auch
der politischen Form des Souveränitäts- und Abhängigkeitsverhält-
nisses, kurz, der jedesmaligen specifischen Staatsform finden. Dies
hindert nicht, dass dieselbe ökonomische Basis — dieselbe den
Hauptbedingungen nach — durch zahllos verschiedne empirische Um-
stände, Naturbedingungen, Racenverhältnisse, von aussen wirkende
geschichtliche Einflüsse u. s. w. unendliche Variationen und Ab-
stufungen in der Erscheinung zeigen kann, die nur durch Analyse
dieser empirisch gegebnen Umstände zu begreifen sind.
Mit Bezug auf die Arbeitsrente, die einfachste und ursprünglichste
Form der Rente, ist soviel einleuchtend: Die Rente ist hier die
ursprüngliche Form des Mehrwerths und fällt mit ihm zusammen.
Ferner aber bedarf das Zusammenfallen des Mehrwerths mit unbe-
zahlter fremder Arbeit hier keiner Analyse, da es noch in seiner
sichtbaren, handgreiflichen Form existirt, denn die Arbeit des un-
mittelbaren Producenten für sich selbst ist hier noch räumlich und
zeitlich geschieden von seiner Arbeit für den Grundherrn und die
letztre erscheint unmittelbar in der brutalen Form der Zwangs-
arbeit für einen Dritten. Ebenso ist die „Eigenschaft“, die der
Boden hat, eine Rente abzuwerfen, hier auf ein handgreiflich offen-
kundiges Geheimniss reducirt, denn zu der Natur, die die Rente
liefert, gehört auch die an den Boden gekettete menschliche
Arbeitskraft, und das Eigenthumsverhältniss, das ihren Besitzer
zwingt, diese Arbeitskraft anzustrengen und zu bethätigen über
das Maß hinaus, welches zur Befriedigung seiner eignen unent-
behrlichen Bedürfnisse erheischt wäre. Die Rente besteht direkt
in der Aneignung dieser überschüssigen Verausgabung der Arbeits-
kraft durch den Grundeigenthümer; denn weiter zahlt der unmittel-
bare Producent diesem keine Rente. Hier wo nicht nur Mehrwerth
und Rente identisch sind, sondern der Mehrwerth handgreiflich
noch die Form von Mehrarbeit besitzt, liegen denn auch die natür-
lichen Bedingungen oder Schranken der Rente, weil der Mehrarbeit
überhaupt, auf flacher Hand. Der unmittelbare Producent muss
1) genug Arbeitskraft besitzen und 2) die Naturbedingungen seiner
Arbeit, in erster Instanz also des bearbeiteten Bodens, müssen
fruchtbar genug sein, mit einem Wort die naturwüchsige Produk-
tivität seiner Arbeit muss gross genug sein, damit ihm die Mög-
lichkeit überschüssiger Arbeit bleibe, über die zur Befriedigung
seiner eignen unentbehrlichen Bedürfnisse nöthige Arbeit hinaus.
Diese Möglichkeit schafft nicht die Rente, dies thut erst der Zwang,
der aus der Möglichkeit eine Wirklichkeit macht. Aber die Mög-
[326] lichkeit selbst ist an subjektive und objektive Naturbedingungen
gebunden. Auch hierin liegt durchaus nichts Mysteriöses. Ist die
Arbeitskraft klein, und sind die Naturbedingungen der Arbeit
dürftig, so ist die Mehrarbeit klein, aber so sind dann auch einer-
seits die Bedürfnisse der Producenten, andrerseits die relative Zahl
der Ausbeuter der Mehrarbeit, endlich das Mehrprodukt, worin sich
diese wenig erträgliche Mehrarbeit für diese geringre Zahl von
ausbeutenden Eigenthümern verwirklicht.
Endlich ergibt sich bei der Arbeitsrente von selbst, dass, alle
andren Umstände als gleichbleibend vorausgesetzt, es ganz und gar
abhängt von dem relativen Umfang der Mehr- oder Frohnarbeit,
wie weit der unmittelbare Producent fähig sein wird, seine eigne
Lage zu verbessern, sich zu bereichern, einen Ueberschuss über
die unentbehrlichen Subsistenzmittel zu erzeugen, oder wenn wir
die kapitalistische Ausdrucksweise anticipiren wollen, ob oder wie
weit er irgend einen Profit für sich selbst, d. h. einen Ueberschuss
über seinen von ihm selbst producirten Arbeitslohn produciren kann.
Die Rente ist hier die normale, alles absorbirende, sozusagen legi-
time Form der Mehrarbeit, und weit entfernt davon ein Ueberschuss
über den Profit, d. h. hier über irgend einen andern Ueberschuss
über den Arbeitslohn zu sein, hängt nicht nur der Umfang eines
solchen Profits, sondern selbst sein Dasein, bei sonst gleichen Um-
ständen, ab von dem Umfang der Rente, d. h. der dem Eigenthümer
zwangsweise zu leistenden Mehrarbeit.
Einige Historiker haben ihre Verwunderung darüber ausgesprochen,
dass, da der unmittelbare Producent nicht Eigenthümer, sondern
nur Besitzer ist, und in der That de jure alle seine Mehrarbeit
dem Grundeigenthümer gehört, unter diesen Verhältnissen überhaupt
eine selbständige Entwicklung von Vermögen und, relativ gesprochen,
Reichthum auf Seiten der Frohnpflichtigen oder Leibeignen vor
sich gehn kann. Es ist indess klar, dass in den naturwüchsigen
und unentwickelten Zuständen, worauf dies gesellschaftliche Produk-
tionsverhältniss und die ihr entsprechende Produktionsweise beruht,
die Tradition eine übermächtige Rolle spielen muss. Es ist ferner
klar, dass es hier wie immer im Interesse des herrschenden Theils
der Gesellschaft ist, das Bestehende als Gesetz zu heiligen, und
seine durch Gebrauch und Tradition gegebnen Schranken als ge-
setzliche zu fixiren. Von allem andern abgesehn, macht sich dies
übrigens von selbst, sobald die beständige Reproduktion der Basis
des bestehenden Zustandes, des ihm zu Grunde liegenden Verhält-
nisses, im Lauf der Zeit geregelte und geordnete Form annimmt;
[327] und diese Regel und Ordnung ist selbst ein unentbehrliches Moment
jeder Produktionsweise, die gesellschaftliche Festigkeit und Unab-
hängigkeit von blossem Zufall oder Willkür annehmen soll. Sie
ist eben die Form ihrer gesellschaftlichen Befestigung, und daher
ihrer relativen Emancipation von blosser Willkür und blossem
Zufall. Sie erreicht diese Form bei stagnanten Zuständen sowohl
des Produktionsprocesses, wie der ihm entsprechenden gesellschaft-
lichen Verhältnisse, durch die blosse wiederholte Reproduktion ihrer
selbst. Hat diese eine Zeitlang gedauert, so befestigt sie sich als
Brauch und Tradition, und wird endlich geheiligt als ausdrückliches
Gesetz. Da nun die Form dieser Mehrarbeit, die Frohnarbeit, auf
der Unentwickeltheit aller gesellschaftlichen Produktivkräfte der
Arbeit, auf der Roheit der Arbeitsweise selbst beruht, muss sie
naturgemäß einen viel kleinern aliquoten Theil der Gesammtarbeit
der unmittelbaren Producenten wegnehmen, als in entwickelten
Produktionsweisen, und namentlich als in der kapitalistischen Pro-
duktion. Nehmen wir z. B. an, die Frohnarbeit für den Grundherrn
sei ursprünglich zwei Tage der Woche gewesen. Diese zwei Tage
wöchentlicher Frohnarbeit stehn damit fest, sind eine konstante
Grösse, gesetzlich regulirt durch Gewohnheitsrecht oder geschriebnes.
Aber die Produktivität der übrigen Wochentage, worüber der un-
mittelbare Producent selbst verfügt, ist eine variable Grösse, die
sich im Fortgang seiner Erfahrung entwickeln muss, ganz wie die
neuen Bedürfnisse, mit denen er bekannt wird, ganz wie die Aus-
dehnung des Markts für sein Produkt, die wachsende Sicherheit,
mit der er über diesen Theil seiner Arbeitskraft verfügt, ihn zu
erhöhter Anspannung seiner Arbeitskraft spornen wird, wobei nicht
zu vergessen, dass die Verwendung dieser Arbeitskraft keineswegs
auf Ackerbau beschränkt ist, sondern ländliche Hausindustrie ein-
schliesst. Die Möglichkeit einer gewissen ökonomischen Entwicklung,
natürlich abhängig von der Gunst der Umstände, vom angebornen
Racencharakter u. s. w., ist hier gegeben.
III. Die Produktenrente.
Die Verwandlung der Arbeitsrente in Produktenrente ändert,
ökonomisch gesprochen, nichts am Wesen der Grundrente. Dies
besteht in den Formen, die wir hier betrachten, darin dass sie die
einzige herrschende und normale Form des Mehrwerths oder der
Mehrarbeit ist; was sich wieder so ausdrückt, dass sie die einzige
Mehrarbeit oder das einzige Mehrprodukt ist, welches der unmittel-
bare Producent, der sich im Besitz der zu seiner eignen Repro-
[328] duktion nöthigen Arbeitsbedingungen befindet, dem Eigenthümer
der in diesem Zustand alles einbegreifenden Arbeitsbedingung, des
Bodens, zu leisten hat; und dass es andrerseits nur der Boden ist,
der ihm als in fremdem Eigenthum befindliche, ihm gegenüber ver-
selbständigte und in Grundeigenthümer personificirte Arbeitsbedingung
gegenübertritt. Soweit die Produktenrente herrschende und weitest
entwickelte Form der Grundrente ist, wird sie übrigens stets noch
mehr oder minder begleitet von Ueberbleibseln der frühern Form,
d. h. von Rente, die direkt in Arbeit abzutragen ist, also mit Frohn-
arbeit, und dies gleichmäßig, ob der Grundherr eine Privatperson
oder der Staat sei. Die Produktenrente unterstellt einen höhern
Kulturzustand des unmittelbaren Producenten, also eine höhere Ent-
wicklungsstufe seiner Arbeit und der Gesellschaft überhaupt; und
sie unterscheidet sich dadurch von der vorhergehenden Form, dass
die Mehrarbeit nicht mehr in ihrer Naturalgestalt, also auch nicht
mehr unter direkter Aufsicht und Zwang des Grundherrn oder
seiner Vertreter zu verrichten ist; vielmehr der unmittelbare Pro-
ducent durch die Macht der Verhältnisse statt durch direkten Zwang,
und durch die gesetzliche Bestimmung statt durch die Peitsche an-
getrieben, unter seiner eignen Verantwortlichkeit sie zu leisten hat.
Die Mehrproduktion, in dem Sinn der Produktion über die unent-
behrlichen Bedürfnisse des unmittelbaren Producenten hinaus, und
innerhalb des ihm selbst faktisch zugehörigen Produktionsfeldes,
des von ihm selbst exploitirten Bodens, statt wie früher auf dem
herrschaftlichen Gut neben und ausser dem seinigen, ist hier schon
sich von selbst verstehende Regel geworden. In diesem Verhält-
niss verfügt der unmittelbare Producent mehr oder minder über
die Verwendung seiner ganzen Arbeitszeit, obgleich nach wie vor
ein Theil dieser Arbeitszeit, ursprünglich so ziemlich der ganze
äberschüssige Theil derselben, dem Grundeigenthümer unentgeltlich
gehört; nur dass dieser sie nicht mehr unmittelbar in ihrer eignen
Naturalform empfängt, sondern in der Naturalform des Produkts,
worin sie sich realisirt. Die lästige und je nach der Regelung der
Frohnarbeit mehr oder minder störend eingreifende Unterbrechung
durch die Arbeit für den Grundeigenthümer (vergleiche Buch I,
Kap. VIII, 2, Fabrikant und Bojar) fällt weg, wo die Produkten-
rente rein ist, oder ist wenigstens auf wenige kurze Intervalle im
Jahr reducirt, wo gewisse Frohnden neben der Produktenrente fort-
dauern. Die Arbeit des Producenten für sich selbst und seine
Arbeit für den Grundeigenthümer sind nicht mehr handgreiflich
der Zeit und dem Raum nach geschieden. Diese Produktenrente
[329] in ihrer Reinheit, obgleich sie trümmerweise sich in weiter ent-
wickelte Produktionsweisen und Produktionsverhältnisse fort-
schleppen kann, setzt nach wie vor Naturalwirthschaft voraus, d. h.
dass die Wirthschaftsbedingungen ganz oder doch zum allergrössten
Theil auf der Wirthschaft selbst erzeugt, aus dem Bruttoprodukt
derselben unmittelbar ersetzt und reproducirt werden. Sie setzt
ferner voraus die Vereinigung ländlicher Hausindustrie mit dem
Ackerbau; das Mehrprodukt, welches die Rente bildet, ist das Pro-
dukt dieser vereinigten agrikol-industriellen Familienarbeit, ob nun,
wie dies häufig im Mittelalter der Fall, die Produktenrente mehr
oder minder industrielle Produkte einschliesst, oder nur in der Form
von eigentlichem Bodenprodukt geleistet wird. Bei dieser Form der
Rente braucht die Produktenrente, worin sich die Mehrarbeit dar-
stellt, keineswegs die ganze überschüssige Arbeit der ländlichen
Familie zu erschöpfen. Dem Producenten ist vielmehr, verglichen
mit der Arbeitsrente, ein grössrer Spielraum gegeben, um Zeit für
überschüssige Arbeit zu gewinnen, deren Produkt ihm selbst gehört,
so gut wie das Produkt seiner Arbeit, das seine unentbehrlichsten
Bedürfnisse befriedigt. Ebenso werden mit dieser Form grössere
Unterschiede in der ökonomischen Lage der einzelnen unmittelbaren
Producenten eintreten. Wenigstens ist die Möglichkeit dazu da,
und die Möglichkeit, dass dieser unmittelbare Producent die Mittel
erworben hat, selbst wieder fremde Arbeit unmittelbar auszubeuten.
Doch geht uns dies hier nichts an, wo wir es mit der reinen Form
der Produktenrente zu thun haben; wie wir überhaupt nicht eingehn
können auf die endlos verschiednen Kombinationen, worin sich die
verschiednen Formen der Rente verbinden, verfälschen und ver-
quicken können. Durch die, an bestimmte Art des Produkts und
der Produktion selbst gebundne Form der Produktenrente, durch
die ihr unentbehrliche Verbindung von Landwirthschaft und Haus-
industrie, durch die fast völlige Selbstgenügsamkeit, die die Bauern-
familie hierdurch erhält, durch ihre Unabhängigkeit vom Markt
und von der Produktions- und Geschichtsbewegung des ausserhalb
ihrer stehenden Theils der Gesellschaft, kurz dureh den Charakter
der Naturalwirthschaft überhaupt ist diese Form ganz geeignet,
die Basis stationärer Gesellschaftszustände abzugeben, wie wir dies
z. B. in Asien sehn. Hier, wie in der frühern Form der Arbeits-
rente, ist die Grundrente die normale Form des Mehrwerths, und
daher der Mehrarbeit, d. h. der ganzen überschüssigen Arbeit, die
der unmittelbare Producent umsonst, in der That also zwangsweise
— obgleich dieser Zwang ihm nicht mehr in der alten brutalen
[330] Form gegenübertritt — dem Eigenthümer seiner wesentlichsten
Arbeitsbedingung, des Bodens leisten muss. Der Profit, wenn wir
so, falsch anticipirend, den Bruchtheil des Ueberschusses seiner
Arbeit über die nothwendige Arbeit hinaus nennen, den er sich
selbst aneignet, bestimmt so wenig die Produktenrente, dass er
vielmehr hinter ihrem Rücken aufwächst und seine natürliche
Grenze an dem Umfang der Produktenrente hat. Diese letztere
kann einen Umfang besitzen, der die Reproduktion der Arbeits-
bedingungen, der Produktionsmittel selbst, ernsthaft gefährdet, Er-
weiterung der Produktion mehr oder minder unmöglich macht, und
die unmittelbaren Producenten auf das physische Minimum von
Lebensmitteln herabsetzt. Es ist dies namentlich der Fall, wo
diese Form von einer erobernden Handelsnation, wie z. B. von den
Engländern in Indien, vorgefunden und exploitirt wird.
IV. Die Geldrente.
Unter der Geldrente verstehn wir hier — im Unterschied von
der auf der kapitalistischen Produktionsweise beruhenden indu-
striellen oder kommerciellen Grundrente, die nur ein Ueberschuss
über den Durchschnittsprofit ist — die Grundrente, die aus einer
blossen Formverwandlung der Produktenrente entspringt, wie diese
selbst nur die verwandelte Arbeitsrente war. Statt des Produkts
hat der unmittelbare Producent hier seinem Grundeigenthümer (ob
dieser nun der Staat oder ein Privatmann) den Preis desselben zu
zahlen. Ein Ueberschuss an Produkt in seiner Naturalform genügt
also nicht mehr; er muss aus dieser Naturalform in die Geldform
verwandelt werden. Obgleich der unmittelbare Producent nach
wie vor fortfährt, mindestens den grössten Theil seiner Subsistenz-
mittel selbst zu produciren, muss jetzt ein Theil seines Produkts
in Waare verwandelt, als Waare producirt werden. Der Charakter
der ganzen Produktionsweise wird also mehr oder weniger ver-
ändert. Sie verliert ihre Unabhängigkeit, ihr Losgelöstsein vom
gesellschaftlichen Zusammenhang. Das Verhältniss der Produktions-
kosten, in welche nun mehr oder minder Geldausgaben eingehn,
wird entscheidend; jedenfalls wird entscheidend der Ueberschuss
des in Geld zu verwandelnden Theils des Bruttoprodukts über den
Theil, der einerseits wieder als Reproduktionsmittel, andrerseits als
unmittelbares Subsistenzmittel dienen muss. Indess die Basis dieser
Art Rente, obgleich sie ihrer Auflösung entgegengeht, bleibt die-
selbe wie in der Produktenrente, die den Ausgangspunkt bildet.
Der unmittelbare Producent ist nach wie vor erblicher oder sonst
[331] traditioneller Besitzer des Bodens, der dem Grundherrn als dem
Eigenthümer dieser seiner wesentlichsten Produktionsbedingung,
überschüssige Zwangsarbeit, d. h. unbezahlte, ohne Aequivalent ge-
leistete Arbeit in der Form des in Geld verwandelten Mehrprodukts
zu entrichten hat. Das Eigenthum an den vom Boden verschiednen
Arbeitsbedingungen, Ackergeräthschaft und sonstigem Mobiliar, ver-
wandelt sich schon in den frühern Formen erst faktisch, dann auch
rechtlich in das Eigenthum der unmittelbaren Producenten, und
noch mehr ist dies für die Form der Geldrente vorausgesetzt. Die
erst sporadisch, sodann auf mehr oder minder nationalem Maßstab
vor sich gehende Verwandlung der Produktenrente in Geldrente
setzt eine schon bedeutendere Entwicklung des Handels, der städ-
tischen Industrie, der Waarenproduktion überhaupt, und damit der
Geldcirkulation voraus. Sie setzt ferner voraus einen Marktpreis
der Produkte, und dass selbe mehr oder minder ihrem Werth an-
nähernd verkauft werden, was unter den frühern Formen keines-
wegs der Fall zu sein braucht. Im Osten von Europa können wir
zum Theil noch unter unsern Augen diese Verwandlung vorgehn
sehn. Wie wenig sie ohne eine bestimmte Entwicklung der gesell-
schaftlichen Produktivkraft der Arbeit durchführbar ist, bezeugen
verschiedne unter dem römischen Kaiserthum gescheiterte Versuche
dieser Verwandlung, und Rückfälle in die Naturalrente, nachdem
man wenigstens den als Staatssteuer existirenden Theil dieser Rente
allgemein in Geldrente hatte verwandeln wollen. Dieselbe Schwierig-
keit des Uebergangs zeigt z. B. vor der Revolution in Frankreich
die Verquickung und Verfälschung der Geldrente durch Reste ihrer
frühern Formen.
Die Geldrente als verwandelte Form der Produktenrente, und im
Gegensatz zu ihr, ist aber die letzte Form, und zugleich die Form
der Auflösung, der Art von Grundrente, die wir bisher betrachtet
haben, nämlich der Grundrente als der normalen Form des Mehr-
werths und der dem Eigenthümer der Produktionsbedingungen zu
entrichtenden unbezahlten Mehrarbeit. In ihrer reinen Form stellt
diese Rente, wie die Arbeits- und Produktenrente, keinen Ueber-
schuss über den Profit dar. Sie absorbirt ihn dem Begriff nach.
Soweit er faktisch als ein besondrer Theil der überschüssigen Arbeit
neben ihr entspringt, ist die Geldrente, wie die Rente in ihren
frühern Formen, immer noch die normale Schranke dieses embryo-
nischen Profits, der sich erst entwickeln kann im Verhältniss zu
der Möglichkeit der Ausbeutung, sei es eigner überschüssiger, sei
es fremder Arbeit, welche übrig bleibt nach Leistung der in der
[332] Geldrente dargestellten Mehrarbeit. Entspringt wirklich ein Profit
neben dieser Rente, so ist also nicht der Profit die Schranke der
Rente, sondern umgekehrt die Rente die Schranke für den Profit.
Aber wie bereits gesagt, die Geldrente ist zugleich die Auflösungs-
form der bisher betrachteten, mit dem Mehrwerth und der Mehr-
arbeit prima facie zusammenfallenden Grundrente, der Grundrente
als der normalen und herrschenden Form des Mehrwerths.
In ihrer weitern Entwicklung muss die Geldrente führen — von
allen Zwischenformen abgesehn, wie z. B. von der des kleinbäuer-
lichen Pächters — entweder zur Verwandlung des Bodens in freies
Bauerneigenthum, oder zur Form der kapitalistischen Produktions-
weise, zur Rente, die der kapitalistische Pächter zahlt.
Mit Geldrente verwandelt sich nothwendig das traditionelle ge-
wohnheitsrechtliche Verhältniss zwischen den, einen Theil des Bodens
besitzenden und bearbeitenden, Untersassen und dem Grundeigen-
thümer in ein kontraktliches, nach festen Regeln des positiven
Gesetzes bestimmtes, reines Geldverhältniss. Der bebauende Besitzer
wird daher der Sache nach zum blossen Pächter. Diese Verwand-
lung wird einerseits, unter sonst geeigneten allgemeinen Produk-
tionsverhältnissen, dazu benutzt, die alten bäuerlichen Besitzer nach
und nach zu expropriiren und an ihre Stelle einen kapitalistischen
Pächter zu setzen; andrerseits führt sie zum Loskauf des bisherign
Besitzers von seiner Rentpflichtigkeit, und zu seiner Verwandlung
in einen unabhängigen Bauer, mit vollem Eigenthum an dem von
ihm bestellten Boden. Die Verwandlung der Naturalrente in Geld-
rente wird ferner nicht nur nothwendig begleitet, sondern selbst
anticipirt durch Bildung einer Klasse besitzloser und für Geld sich
verdingender Taglöhner. Während ihrer Entstehungsperiode, wo
diese neue Klasse nur noch sporadisch auftritt, hat sich daher noth-
wendig bei den besser gestellten rentepflichtigen Bauern die Ge-
wohnheit entwickelt, auf eigne Rechnung ländliche Lohnarbeiter
zu exploitiren, ganz wie schon in der Feudalzeit die vermögenderen
hörigen Bauern selbst wieder Hörige hielten. So entwickelt sich
nach und nach bei ihnen die Möglichkeit, ein gewisses Vermögen
anzusammeln und sich selbst in zukünftige Kapitalisten zu ver-
wandeln. Unter den alten, selbstarbeitenden Besitzern des Bodens
selbst entsteht so eine Pflanzschule von kapitalistischen Pächtern,
deren Entwicklung durch die allgemeine Entwicklung der kapita-
listischen Produktion ausserhalb des flachen Landes bedingt ist,
und die besonders rasch aufschiesst, wenn ihr, wie im 16. Jahr-
hundert in England, so besonders günstige Umstände zu Hülfe
[333] kommen wie die damalige progressive Entwerthung des Geldes,
die bei den herkömmlichen langen Pachtkontrakten sie auf Kosten
der Grundeigenthümer bereicherte.
Ferner: Sobald die Rente die Form der Geldrente, und damit
das Verhältniss zwischen Rente zahlendem Bauer und Grundeigen-
thümer die eines kontraktlichen Verhältnisses annimmt — eine Ver-
wandlung, die überhaupt nur bei schon gegebner relativer Ent-
wicklungshöhe des Weltmarkts, des Handels und der Manufaktur
möglich ist — tritt nothwendig auch Verpachtung des Bodens an
Kapitalisten ein, welche bisher ausserhalb der ländlichen Schranken
standen, und welche nun städtisch erworbnes Kapital und die in
den Städten bereits entwickelte kapitalistische Betriebsweise, die
Herstellung des Produkts als blosser Waare und als blosses Mittels
zur Aneignung von Mehrwerth, auf das Land und die Landwirth-
schaft übertragen. Allgemeine Regel kann diese Form nur in den
Ländern werden, die beim Uebergang aus der feudalen in die
kapitalistische Produktionsweise den Weltmarkt beherrschen. Mit
dem Dazwischentreten des kapitalistischen Pächters zwischen den
Grundeigenthümer und den wirklich arbeitenden Ackerbauer, sind
alle Verhältnisse zerrissen, die aus der alten ländlichen Produk-
tionsweise entsprangen. Der Pächter wird der wirkliche Komman-
dant dieser Ackerarbeiter und der wirkliche Exploiteur ihrer Mehr-
arbeit, während der Grundeigenthümer in einem direkten Verhält-
niss, und zwar einem blossen Geld- und Kontraktsverhältniss, nur
noch zu diesem kapitalistischen Pächter steht. Damit verwandelt
sich auch die Natur der Rente, nicht nur thatsächlich und zufällig,
was sie zum Theil schon unter den frühern Formen gethan, sondern
normal, in ihrer anerkannten und herrschenden Form. Von der
normalen Form des Mehrwerths und der Mehrarbeit sinkt sie herab
zum Ueberschuss dieser Mehrarbeit über den Theil derselben, der
vom exploitirenden Kapitalisten unter der Form des Profits ange-
eignet wird; wie die ganze Mehrarbeit, Profit und Ueberschuss über
den Profit, jetzt unmittelbar von ihm extrahirt, in der Form des
totalen Mehrprodukts eingenommen und versilbert wird. Es ist
nur noch ein überschüssiger Theil dieses von ihm, vermöge seines
Kapitals, durch direkte Exploitation der Landarbeiter extrahirten
Mehrwerths, den er als Rente an den Grundeigenthümer weggibt.
Wie viel oder wie wenig er an ihn weggibt, ist bestimmt, im
Durchschnitt, als Grenze, durch den Durchschnittsprofit, den das
Kapital in den nichtagrikolen Produktionssphären abwirft, und durch
die, durch ihn geregelten, nicht agrikolen Produktionspreise. Aus
[334] der normalen Form des Mehrwerths und der Mehrarbeit hat sich
die Rente jetzt also verwandelt in einen dieser besondern Produk-
tionssphäre, der agrikolen, eigenthümlichen Ueberschuss über den
Theil der Mehrarbeit, der von dem Kapital als ihm vorweg und
normaliter zukommend in Anspruch genommen wird. Statt der
Rente ist jetzt der Profit die normale Form des Mehrwerths ge-
worden, und die Rente gilt nur noch als eine unter besondern Um-
ständen verselbständigte Form, nicht des Mehrwerths überhaupt,
sondern eines bestimmten Ablegers desselben, des Surplusprofits.
Es ist nicht nöthig weiter darauf einzugehn, wie dieser Verwand-
lung eine allmälige Verwandlung in der Produktionsweise selbst
entspricht. Dies geht schon daraus hervor, dass das Normale für
diesen kapitalistischen Pächter ist, das Bodenprodukt als Waare zu
produciren, und dass, während sonst nur der Ueberschuss über
seine Subsistenzmittel sich in Waare verwandelt, jetzt nur ein
relativ verschwindender Theil dieser Waaren sich unmittelbar in
Subsistenzmittel für ihn verwandelt. Es ist nicht mehr das Land,
sondern es ist das Kapital, welches sich und seiner Produktivität
jetzt selbst die Landarbeit unmittelbar subsumirt hat.
Der Durchschnittsprofit und der durch ihn geregelte Produktions-
preis bildet sich ausserhalb der Verhältnisse des flachen Landes im
Kreise des städtischen Handels und der Manufaktur. Der Profit
des rentpflichtigen Bauern geht nicht ausgleichend in ihn ein, denn
sein Verhältniss zum Grundeigenthümer ist kein kapitalistisches.
Soweit er Profit macht, d. h. einen Ueberschuss über seine noth-
wendigen Subsistenzmittel realisirt, sei es durch eigne Arbeit, sei
es durch Ausbeutung fremder Arbeit, geschieht es hinter dem Rücken
des normalen Verhältnisses, und ist, bei sonst gleichen Umständen,
die Höhe dieses Profits nicht die Rente bestimmend, sondern um-
gekehrt durch sie als seine Grenze bestimmt. Die hohe Profitrate
im Mittelalter ist nicht nur geschuldet der niedrigen Zusammen-
setzung des Kapitals, worin das variable, in Arbeitslohn ausgelegte
Element vorherrscht. Sie ist geschuldet der am flachen Land ver-
übten Prellerei, der Aneignung eines Theils der Rente des Grund-
eigenthümers und des Einkommens seiner Untersassen. Wenn das
Land im Mittelalter die Stadt politisch ausbeutet, überall da wo
der Feudalismus nicht durch ausnahmsweise städtische Entwicklung
gebrochen ist, wie in Italien, so exploitirt die Stadt überall und
ohne Ausnahme das Land ökonomisch durch ihre Monopolpreise,
ihr Steuersystem, ihr Zunftwesen, ihren direkten kaufmännischen
Betrug und ihren Wucher.
[335]
Man könnte sich einbilden, dass das blosse Eintreten des kapi-
talistischen Pächters in die landwirthschaftliche Produktion den
Beweis liefre, dass der Preis der Bodenprodukte, die von jeher in
der einen oder andern Form eine Rente zahlten, wenigstens zur
Zeit dieses Eintritts über den Produktionspreisen der Manufaktur
stehn muss; sei es weil er die Höhe eines Monopolpreises erreicht,
sei es weil er bis auf den Werth der Bodenprodukte gestiegen,
und ihr Werth in der That über dem durch den Durchschnitts-
profit regulirten Produktionspreis steht. Denn wenn nicht, so
könnte der kapitalistische Pächter, bei den vorgefundnen Preisen
der Bodenprodukte, unmöglich erst den Durchschnittsprofit aus dem
Preis dieser Produkte realisiren und dann aus demselben Preis noch
einen Ueberschuss über diesen Profit unter der Form der Rente
zahlen. Man könnte danach schliessen, dass die allgemeine Profit-
rate, die den kapitalistischen Pächter in seinem Kontrakt mit dem
Grundeigenthümer bestimmt, gebildet war ohne Einbegriff der Rente
und daher, sobald sie regulirend in die ländliche Produktion ein-
tritt, diesen Ueberschuss vorfindet und an den Grundeigenthümer
zahlt. Es ist in dieser traditionellen Weise, dass sich z. B. Herr
Rodbertus die Sache erklärt. Aber:
Erstens. Dieser Eintritt des Kapitals als selbständiger und
leitender Macht in den Ackerbau findet nicht auf einmal und all-
gemein, sondern allmälig und in besondren Produktionszweigen
statt. Er ergreift zuerst nicht den eigentlichen Ackerbau, sondern
Produktionszweige wie die Viehzucht, namentlich Schafzucht, deren
Hauptprodukt, die Wolle, bei Emporkommen der Industrie zunächst
beständigen Ueberschuss des Marktpreises über den Produktions-
preis bietet, was sich erst später ausgleicht. So in England während
des 16. Jahrhunderts.
Zweitens. Da diese kapitalistische Produktion zunächst nur
sporadisch eintritt, so ist keineswegs etwas gegen die Annahme
aufzubringen, dass sie zunächst nur solcher Komplexe von Lände-
reien sich bemächtigt, die in Folge ihrer specifischen Fruchtbarkeit
oder besonders günstigen Lage, im Ganzen eine Differentialrente
zahlen können.
Drittens. Gesetzt selbst, die Preise des Bodenprodukts ständen
beim Eintritt dieser Produktionsweise, die in der That ein zu-
nehmendes Gewicht der städtischen Nachfrage voraussetzt, über dem
Produktionspreis, wie dies z. B. im letzten Drittel des 17. Jahr-
hunderts in England zweifelsohne der Fall war; so wird, sobald
diese Produktionsweise sich einigermaßen aus der blossen Subsumtion
[336] der Agrikultur unter das Kapital herausgearbeitet, und sobald die
mit ihrer Entwicklung nothwendig verbundne Verbesserung in der
Agrikultur und Herabdrückung der Produktionskosten eingetreten,
sich dies durch eine Reaktion, einen Fall im Preis der Bodenprodukte
ausgleichen, wie dies in der ersten Hälfte des 18. Jahrhnnderts in
England der Fall war.
Auf diesem traditionellen Weg kann also die Rente als Ueber-
schuss über den Durchschnittsprofit nicht erklärt werden. Unter
welchen geschichtlich vorgefundnen Umständen immer sie zuerst
eintreten mag — sobald sie einmal Wurzel geschlagen, kann die
Rente nur noch unter den früher entwickelten modernen Bedin-
gungen stattfinden.
Schliesslich ist noch bei der Verwandlung der Produktenrente
in Geldrente zu bemerken, dass mit ihr die kapitalisirte Rente, der
Preis des Bodens, und damit seine Veräusserlichkeit und Ver-
äusserung ein wesentliches Moment wird, und dass damit nicht nur
der früher Rentpflichtige sich in den unabhängigen bäuerlichen
Eigenthümer verwandeln kann, sondern auch städtische und andre
Geldbesitzer Grundstücke kaufen, um sie sei es an Bauern, sei es
an Kapitalisten zu verpachten, und die Rente als Form des Zinses
ihres so angelegten Kapitals zu geniessen; dass also auch dieser
Umstand die Umwandlung der frühern Exploitationsweise, des Ver-
hältnisses zwischen Eigenthümer und wirklichem Bebauer, und der
Rente selbst fördern hilft.
V. Die Metairiewirthschaft und das bäuerliche Parzellen-
Eigenthum.
Wir sind hier am Schluss unsrer Entwicklungsreihe der Grund-
rente angelangt.
In allen diesen Formen der Grundrente: Arbeitsrente, Produkten-
rente, Geldrente (als bloss verwandelte Form der Produktenrente)
ist der Rentzahler stets als der wirkliche Bearbeiter und Besitzer
des Bodens vorausgesetzt, dessen unbezahlte Mehrarbeit direkt an
den Grundeigenthümer geht. Selbst in der letzten Form, der Geld-
rente — soweit sie rein ist, d. h. bloss verwandelte Form der Produkten-
rente — ist dies nicht nur möglich, sondern thatsächlich der Fall.
Als eine Uebergangsform von der ursprünglichen Form der Rente
zur kapitalistischen Rente kann betrachtet werden das Metairie-
System oder Theilwirthschaft-System, wo der Bewirthschafter (Pächter)
ausser seiner Arbeit (eigner oder fremder) einen Theil des Betriebs-
kapitals, und der Grundeigenthümer ausser dem Boden einen andern
[337] Theil des Betriebskapitals (z. B. das Vieh) stellt, und das
Produkt in bestimmten, in verschiednen Ländern wechselnden Pro-
portionen zwischen dem Maier und dem Grundeigenthümer getheilt
wird. Zur vollen kapitalistischen Bewirthschaftung fehlt hier einer-
seits dem Pächter das hinreichende Kapital. Der Antheil, den der
Grundeigenthümer hier bezieht, hat andrerseits nicht die reine Form
der Rente. Er mag thatsächlich Zins auf das von ihm vorge-
schossne Kapital und eine überschüssige Rente einschliessen. Er
mag auch thatsächlich die ganze Mehrarbeit des Pächters absor-
biren, oder ihm auch grössern oder kleinern Antheil an dieser Mehr-
arbeit lassen. Das Wesentliche aber ist, dass die Rente hier nicht
mehr als die normale Form des Mehrwerths überhaupt erscheint.
Auf der einen Seite soll der Maier, ob er nur eigne, oder auch
fremde Arbeit anwende, Anspruch haben auf einen Theil des Pro-
dukts, nicht in seiner Qualität als Arbeiter, sondern als Besitzer
eines Theils der Arbeitswerkzeuge, als sein eigner Kapitalist. Auf
der andren Seite beansprucht der Grundeigenthümer seinen Antheil
nicht ausschliesslich auf Grund seines Eigenthums am Boden,
sondern auch als Verleiher von Kapital.44)
Ein Rest des alten Gemeineigenthums am Boden, der sich nach
dem Uebergang zur selbständigen Bauernwirthschaft z. B. in Polen
und Rumänien erhalten hatte, hat dort zum Vorwand gedient um
den Uebergang zu den niedrigern Formen der Grundrente zu be-
werkstelligen. Ein Theil des Bodens gehört den einzelnen Bauern
und wird von ihnen selbständig bebaut. Ein andrer wird gemein-
schaftlich bebaut und bildet ein Mehrprodukt, das theils zur Be-
streitung von Gemeindeausgaben, theils als Reserve für Missernten
u. s. w. dient. Diese beiden letztern Theile des Mehrprodukts,
und schliesslich das ganze Mehrprodukt sammt dem Boden, worauf
es gewachsen, werden nach und nach von Staatsbeamten und Privat-
personen usurpirt, und die ursprünglich freien bäuerlichen Grund-
eigenthümer, deren Verpflichtung zur gemeinsamen Bebauung dieses
Bodens aufrecht erhalten wird, so in Frohnpflichtige resp. Produkten-
rentpflichtige verwandelt, während die Usurpatoren des Gemeinlandes
sich in die Grundeigenthümer, nicht nur des usurpirten Gemein-
landes, sondern auch der Bauerngüter selbst verwandeln.
Auf die eigentliche Sklavenwirthschaft (die auch eine Stufenleiter
durchläuft vom patriarchalischen, vorwiegend für Selbstgebrauch,
bis zu dem, für den Weltmarkt arbeitenden, eigentlichen Plantagen-
Marx, Kapital III. 2. 22
[338] system) und die Gutswirthschaft, worin der Grundeigenthümer die
Bebauung für eigne Rechnung betreibt, die sämmtlichen Produk-
tionsinstrumente besitzt, und die Arbeit sei es unfreier, sei es freier,
mit Naturallieferung oder mit Geld bezahlter Knechte ausbeutet,
brauchen wir hier nicht näher einzugehn. Grundeigenthümer und
Eigenthümer der Produktionsinstrumente, daher auch direkter Ex-
ploiteur der unter diese Produktionselemente zählenden Arbeiter,
fallen hier zusammen. Ebenso fallen Rente und Profit zusammen,
es findet keine Trennung der verschiednen Formen des Mehrwerths
statt. Die ganze Mehrarbeit der Arbeiter, die sich hier im Mehr-
produkt darstellt, wird ihnen direkt vom Eigenthümer sämmtlicher
Produktionsinstrumente, zu denen der Boden und in der ursprüng-
lichen Form der Sklaverei die unmittelbaren Producenten selbst
zählen, extrahirt. Wo kapitalistische Anschauung vorherrscht, wie
in den amerikanischen Plantagen, wird dieser ganze Mehrwerth als
Profit aufgefasst; wo weder die kapitalistische Produktionsweise
selbst existirt, noch die ihr entsprechende Anschauungsweise aus
kapitalistischen Ländern übertragen ist, erscheint er als Rente.
Jedenfalls bietet diese Form keine Schwierigkeit. Das Einkommen
des Grundeigenthümers, welchen Namen man ihm immer geben
mag, das von ihm angeeignete disponible Mehrprodukt ist hier die
normale und herrschende Form, worin unmittelbar die ganze unbe-
zahlte Mehrarbeit angeeignet wird, und das Grundeigenthum bildet
die Basis dieser Aneignung.
Ferner das Parcelleneigenthum. Der Bauer ist hier zugleich
freier Eigenthümer seines Bodens, der als sein Hauptproduktions-
instrument erscheint, als das unentbehrliche Beschäftigungsfeld für
seine Arbeit und sein Kapital. Es wird in dieser Form kein
Pachtgeld gezahlt; die Rente erscheint also nicht als eine geson-
derte Form des Mehrwerths, obgleich sie sich in Ländern, wo sonst
die kapitalistische Produktionsweise entwickelt ist, als Surplusprofit
durch den Vergleich mit andern Produktionszweigen darstellt, aber
als Surplusprofit, der dem Bauer, wie überhaupt der ganze Ertrag
seiner Arbeit zufällt.
Diese Form des Grundeigenthums setzt voraus, dass, wie in den
frühern ältern Formen desselben, die ländliche Bevölkerung ein
grosses numerisches Uebergewicht über die städtische besitzt, dass
also, wenn auch sonst kapitalistische Produktionsweise herrscht, sie
relativ nur wenig entwickelt ist, und daher auch in den andern
Produktionszweigen die Koncentration der Kapitale sich in engen
Schranken bewegt, Kapitalzersplitterung vorwiegt. Der Natur der
[339] Sache nach muss hier ein überwiegender Theil des ländlichen Pro-
dukts als unmittelbares Subsistenzmittel von seinen Producenten,
den Bauern, selbst verzehrt werden, und nur der Ueberschuss dar-
über als Waare in den Handel mit den Städten eingehn. Wie
immer der durchschnittliche Marktpreis des Bodenprodukts hier
geregelt sei, die Differentialrente, ein überschüssiger Theil des
Preises der Waaren für die bessern oder besser gelegnen Ländereien,
muss hier offenbar ebenso existiren wie bei kapitalistischer Produk-
tionsweise. Selbst wenn diese Form in Gesellschaftszuständen vor-
kommt, wo überhaupt noch kein allgemeiner Marktpreis entwickelt
ist, existirt diese Differentialrente; sie erscheint dann im über-
schüssigen Mehrprodukt. Nur fliesst sie in die Tasche des Bauern,
dessen Arbeit unter günstigern Naturbedingungen sich realisirt.
Gerade in dieser Form, wo der Bodenpreis als ein Element in die
faktischen Produktionskosten für den Bauer eingeht, indem bei
weiterer Entwicklung dieser Form, entweder bei Erbtheilungen der
Boden für einen gewissen Geldwerth übernommen ist, oder bei dem
beständigen Wechsel sei es des ganzen Eigenthums, sei es seiner
Bestandstücke, der Boden vom Bebauer selbst gekauft ist, zum
grossen Theil durch Aufnahme von Geld auf Hypothek; wo also
der Bodenpreis, der nichts ist als die kapitalisirte Rente, ein voraus-
gesetztes Element ist, und daher die Rente zu existiren scheint
unabhängig von jeder Differenzirung in der Fruchtbarkeit und Lage
des Bodens — gerade hier ist im Durchschnitt anzunehmen, dass
keine absolute Rente existirt, dass also der schlechteste Boden
keine Rente zahlt; denn die absolute Rente unterstellt entweder
realisirten Ueberschuss des Werths des Produkts über seinen Pro-
duktionspreis, oder einen über den Werth des Produkts über-
schüssigen Monopolpreis. Da aber die Landwirthschaft hier grossen-
theils als Ackerbau für die unmittelbare Subsistenz, und der Boden
als ein für die Mehrzahl der Bevölkerung unentbehrliches Beschäf-
tigungsfeld ihrer Arbeit und ihres Kapitals besteht, so wird der
regulirende Marktpreis des Produkts nur unter ausserordentlichen
Umständen seinen Werth erreichen; dieser Werth aber wird in der
Regel über dem Produktionspreis stehn wegen des Vorwiegens des
Elements der lebendigen Arbeit, obgleich dieser Ueberschuss des
Werths über den Produktionspreis wieder beschränkt sein wird
durch die niedrige Zusammensetzung auch des nicht agrikolen Kapi-
tals in Ländern vorherrschender Parcellenwirthschaft. Als Schranke
der Exploitation für den Parcellenbauer erscheint einerseits nicht
der Durchschnittsprofit des Kapitals, soweit er kleiner Kapitalist
22*
[340] ist; noch andrerseits die Nothwendigkeit einer Rente, soweit er
Grundeigenthümer ist. Als absolute Schranke für ihn als kleinen
Kapitalisten erscheint nichts als der Arbeitslohn, den er sich selbst
zahlt, nach Abzug der eigentlichen Kosten. Solange der Preis des
Produkts ihm diesen deckt, wird er sein Land bebauen, und dies
oft bis herab zu einem physischen Minimum des Arbeitslohns.
Was seine Qualität als Grundeigenthümer angeht, so fällt für ihn
die Eigenthumsschranke fort, die sich nur geltend machen kann
im Gegensatz zu dem von ihr getrennten Kapital (incl. Arbeit)
indem sie ein Hinderniss gegen dessen Anlegung aufwirft. Aller-
dings ist der Zins des Bodenpreises, der meist auch noch an eine
dritte Person zu entrichten ist, an den Hypothekargläubiger, eine
Schranke. Aber dieser Zins kann eben gezahlt werden aus dem
Theil der Mehrarbeit, der unter kapitalistischen Verhältnissen den
Profit bilden würde. Die im Bodenpreis, und in dem für ihn ge-
zahlten Zins, anticipirte Rente kann also nichts sein als ein Theil
der kapitalisirten Mehrarbeit des Bauern, über die zu seiner Sub-
sistenz unentbehrliche Arbeit hinaus, ohne dass diese Mehrarbeit
sich in einem Werththeil der Waare, gleich dem ganzen Durch-
schnittsprofit, realisirt, und noch weniger in einem Ueberschuss
über die im Durchschnittsprofit realisirte Mehrarbeit, in einem Sur-
plusprofit. Die Rente kann ein Abzug vom Durchschnittsprofit
sein, oder selbst der einzige Theil desselben, der realisirt wird.
Damit der Parcellenbauer sein Land bebaue oder Land zum Be-
bauen kaufe, ist es also nicht, wie in der normalen kapitalistischen
Produktionsweise, nöthig, dass der Marktpreis des Bodenprodukts
hoch genug steige, um ihm den Durchschnittsprofit abzuwerfen,
und noch weniger einen in der Form der Rente fixirten Ueber-
schuss über diesen Durchschnittsprofit. Es ist also nicht nöthig,
dass der Marktpreis steige, sei es zum Werth, sei es zum Produk-
tionspreis seines Produkts. Es ist dies eine der Ursachen, warum
der Getreidepreis in Ländern vorherrschenden Parcelleneigenthums
niedriger steht als in den Ländern kapitalistischer Produktions-
weise. Ein Theil der Mehrarbeit der Bauern, die unter den un-
günstigsten Bedingungen arbeiten, wird der Gesellschaft umsonst
geschenkt und geht nicht in die Regelung der Produktionspreise
oder in die Werthbildung überhaupt ein. Dieser niedrigere Preis
ist also ein Resultat der Armuth der Producenten und keineswegs
der Produktivität ihrer Arbeit.
Diese Form des freien Parcelleneigenthums selbstwirthschaftender
Bauern als herrschende, normale Form bildet einerseits die öko-
[341] nomische Grundlage der Gesellschaft in den besten Zeiten des
klassischen Alterthums, andrerseits finden wir sie bei den modernen
Völkern als eine der Formen vor, die aus der Auflösung des feu-
dalen Grundeigenthums hervorgehn. So die yeomanry in England
der Bauernstand in Schweden, die französischen und westdeutschen
Bauern. Von den Kolonien sprechen wir hier nicht, da der unab-
hängige Bauer sich hier unter andern Bedingungen entwickelt.
Das freie Eigenthum des selbstwirthschaftenden Bauern ist offen-
bar die normalste Form des Grundeigenthums für den kleinen
Betrieb; d. h. für eine Produktionsweise, worin der Besitz des
Bodens eine Bedingung für das Eigenthum des Arbeiters an dem
Produkt seiner eignen Arbeit ist, und worin, er mag freier Eigen-
thümer oder Untersasse sein, der Ackerbauer stets seine Subsistenz-
mittel sich selbst, unabhängig, als vereinzelter Arbeiter mit seiner
Familie zu produciren hat. Das Eigenthum am Boden ist zur
vollständigen Entwicklung dieser Betriebsweise ebenso nöthig, wie
das Eigenthum am Instrument zur freien Entwicklung des hand-
werksmäßigen Betriebs. Es bildet hier die Basis für die Entwick-
lung der persönlichen Selbständigkeit. Es ist für die Entwicklung
der Agrikultur selbst ein nothwendiger Durchgangspunkt. Die
Ursachen, an denen es untergeht, zeigen seine Schranke. Sie sind:
Vernichtung der ländlichen Hausindustrie, die seine normale Er-
gänzung bildet, in Folge der Entwicklung der grossen Industrie;
allmälige Verarmung und Aussaugung des dieser Kultur unter-
worfnen Bodens; Usurpation, durch grosse Grundeigenthümer, des
Gemeineigenthums, das überall die zweite Ergänzung der Parcellen-
wirthschaft bildet und ihr allein die Haltung von Vieh ermöglicht;
Konkurrenz der, sei es als Plantagenwirthschaft, sei es kapitalistisch
betriebnen Grosskultur. Verbesserungen in der Agrikultur, die
einerseits Sinken der Preise der Bodenprodukte herbeiführen, andrer-
seits grössre Auslagen und reichere gegenständliche Produktions-
bedingungen erheischen, tragen auch dazu bei, wie in der ersten
Hälfte des 18. Jahrhunderts in England.
Das Parcelleneigenthum schliesst seiner Natur nach aus: Ent-
wicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte der Arbeit, gesell-
schaftliche Formen der Arbeit, gesellschaftliche Koncentration der
Kapitale, Viehzucht auf grossem Maßstab, progressive Anwendung
der Wissenschaft.
Wucher und Steuersystem müssen es überall verelenden. Die
Auslage des Kapitals im Bodenpreis entzieht dies Kapital der
Kultur. Unendliche Zersplitterung der Produktionsmittel und Ver-
[342] einzelung der Producenten selbst. Ungeheure Verschwendung von
Menschenkraft. Progressive Verschlechterung der Produktionsbe-
dingungen und Vertheuerung der Produktionsmittel ein nothwendiges
Gesetz des Parcelleneigenthums. Unglück fruchtbarer Jahreszeiten
für diese Produktionsweise.45)
Eines der specifischen Uebel der kleinen Agrikultur, wo sie mit
freiem Eigenthum am Boden verknüpft ist, entspringt daraus, dass
der Bebauer ein Kapital im Ankauf des Bodens auslegt. (Dasselbe
gilt für die Uebergangsform, wo der grosse Gutsbesitzer erstens
ein Kapital auslegt, um Land zu kaufen, zweitens um es selbst als
sein eigner Pächter zu bewirthschaften.) Bei der beweglichen
Natur, die hier der Boden als blosse Waare annimmt, wachsen die
Besitzveränderungen46), sodass bei jeder neuen Generation, mit jeder
Erbtheilung, der Boden, vom Standpunkt des Bauern aus, von
neuem als Kapitalanlage eingeht, d. h. dass es von ihm gekaufter
Boden wird. Der Bodenpreis bildet hier ein überwiegendes Element
der individuellen falschen Produktionskosten oder des Kostpreises
des Produkts für den Einzelproducenten.
Der Bodenpreis ist nichts als die kapitalisirte und daher anti-
cipirte Rente. Wird die Agrikultur kapitalistisch betrieben, sodass
der Grundeigenthümer nur die Rente empfängt, und der Pächter
für den Boden nichts zahlt ausser dieser jährlichen Rente, so ist
es handgreiflich, dass das vom Grundeigenthümer selbst im Ankauf
des Bodens angelegte Kapital zwar für ihn zinstragende Kapitalanlage
ist, aber mit dem in der Agrikultur selbst angelegten Kapital durch-
aus nichts zu thun hat. Es bildet weder einen Theil des hier
fungirenden fixen noch des cirkulirenden Kapitals47); es verschafft
vielmehr nur dem Käufer einen Titel auf Empfang der jährlichen
Rente, hat aber mit der Produktion dieser Rente absolut nichts
[343] zu thun. Der Käufer des Bodens zahlt das Kapital ja gerade weg
an den, der den Boden verkauft, und der Verkäufer verzichtet dafür
auf sein Eigenthum am Boden. Dies Kapital existirt also nicht
mehr als Kapital des Käufers; er hat es nicht mehr; es gehört
also nicht zu dem Kapital, das er in Boden selbst im irgend einer
Weise anlegen kann. Ob er den Boden theuer oder wohlfeil ge-
kauft, oder ob er ihn umsonst erhalten hat, ändert nichts an dem
vom Pächter in der Bewirthschaftung angelegten Kapital, und ändert
nichts an der Rente, sondern ändert nur dies, ob sie ihm als Zins
oder Nichtzins erscheint, resp. als hoher oder niedriger Zins.
Man nehme z. B. die Sklavenwirthschaft. Der Preis, der hier
für den Sklaven gezahlt wird, ist nichts als der anticipirte und
kapitalisirte Mehrwerth oder Profit, der aus ihm herausgeschlagen
werden soll. Aber das im Ankauf des Sklaven gezahlte Kapital
gehört nicht zu dem Kapital, wodurch Profit, Mehrarbeit, aus den
Sklaven extrahirt wird. Umgekehrt. Es ist Kapital, dessen sich
der Sklavenbesitzer entäussert hat, Abzug von dem Kapital, worüber
er in der wirklichen Produktion verfügt. Es hat aufgehört für
ihn zu existiren, ganz wie das im Ankauf des Bodens ausgelegte
Kapital aufgehört hat für die Agrikultur zu existiren. Der beste
Beweis ist, dass es für den Sklavenbesitzer oder den Bodeneigner
nur wieder in Existenz tritt, sobald er den Sklaven oder den Boden
wieder verkanft. Dann tritt aber dasselbe Verhältniss für den
Käufer ein. Der Umstand, dass er den Sklaven gekauft hat, be-
fähigt ihn noch nicht ohne weiteres den Sklaven zu exploitiren
Dazu ist er erst befähigt durch ferneres Kapital, das er in die
Sklavenwirthschaft selbst steckt.
Dasselbe Kapital existirt nicht zweimal, das eine Mal in der
Hand des Verkäufers, das andre Mal in der Hand des Käufers des
Bodens. Es geht aus der Hand des Käufers in die des Verkäufers
über, und damit ist die Sache zu Ende. Der Käufer hat jetzt kein
Kapital, sondern an seiner Stelle ein Grundstück. Der Umstand,
dass nun die aus der wirklichen Anlage von Kapital in diesem
Grundstück erzielte Rente von dem neuen Grundeigenthümer be-
rechnet wird als Zins des Kapitals, das er nicht im Boden ange-
legt, sondern zum Erwerb des Bodens weggegeben hat, ändert an
der ökonomischen Natur des Faktors Boden nicht das Geringste,
so wenig wie der Umstand, dass jemand 1000 £ für dreiprocentige
Konsols gezahlt hat, irgend etwas zu thun hat mit dem Kapital,
aus dessen Revenue die Zinsen der Staatsschuld gezahlt werden.
In der That ist das für den Ankauf des Bodens, ganz wie das
[344] im Ankauf von Staatspapieren verausgabte Geld nur an sich
Kapital, wie jede Werthsumme auf Basis der kapitalistischen Pro-
duktionsweise an sich Kapital, potentielles Kapital ist. Was für
den Boden gezahlt worden ist, wie für die Staatsfonds, wie für
andre gekaufte Waaren, ist eine Geldsumme. Diese ist an sich
Kapital, weil sie in Kapital verwandelt werden kann. Es hängt
ab von dem Gebrauch, den der Verkäufer davon macht, ob das
von ihm erhaltne Geld sich wirklich in Kapital verwandelt oder
nicht. Für den Käufer kann es nie mehr als solches fungiren, so
wenig wie jedes andre Geld, das er definitiv verausgabt hat. In
seiner Berechnung figurirt es für ihn als zinstragendes Kapital,
weil er die Einnahme, die er als Rente vom Boden oder als
Schuldzins vom Staat erhält, als Zins des Geldes berechnet, das
ihm der Ankauf des Titels auf diese Revenue gekostet hat. Als
Kapital kann er es nur realisiren durch den Wiederverkauf. Dann
tritt aber ein andrer, der neue Käufer, in dasselbe Verhältniss worin
jener war, und durch keinen Wechsel der Hände kann das so ver-
ausgabte Geld sich für den Verausgaber in wirkliches Kapital ver-
wandeln.
Beim kleinen Grundeigenthum befestigt sich noch viel mehr die
Illusion, dass der Boden selbst Werth hat, und daher als Kapital
in den Produktionspreis des Produkts eingeht, ganz wie eine
Maschine oder ein Rohstoff. Man hat aber gesehn, dass nur in
zwei Fällen die Rente, und daher die kapitalisirte Rente, der Boden-
preis, bestimmend in den Preis des Bodenprodukts eingehn kann.
Erstens, wenn der Werth des Bodenprodukts in Folge der Zu-
sammensetzung des agrikolen Kapitals — eines Kapitals, welches
nichts gemein hat mit dem für den Ankauf des Bodens ausgelegten
Kapital — über seinem Produktionspreis steht, und die Marktver-
hältnisse den Grundeigenthümer befähigen diese Differenz zu ver-
werthen. Zweitens, wenn Monopolpreis stattfindet. Und beides ist
am wenigsten der Fall bei der Parcellenwirthschaft und dem kleinen
Grundeigenthum, weil gerade hier die Produktion zum sehr grossen
Theil den Selbstbedarf befriedigt, und unabhängig von der Regu-
lirung durch die allgemeine Profitrate erfolgt. Selbst wo die
Parcellenwirthschaft auf gepachtetem Boden betrieben wird, um-
fasst das Pachtgeld weit mehr als unter irgend welchen andern
Verhältnissen einen Theil des Profits und selbst einen Abzug vom
Arbeitslohn; es ist dann nur nominell Rente, nicht Rente als eine
selbständige Kategorie gegenüber Arbeitslohn und Profit.
Die Ausgabe von Geldkapital für Ankauf des Bodens ist also
[345] keine Anlage von agrikolem Kapital. Sie ist pro tanto eine Ver-
minderung des Kapitals, über das die Kleinbauern in ihrer Produk-
tionssphäre selbst verfügen können. Sie vermindert pro tanto den
Umfang ihrer Produktionsmittel und verengert daher die ökonomische
Basis der Reproduktion. Sie unterwirft den Kleinbauer dem Wucher,
da in dieser Sphäre überhaupt weniger eigentlicher Kredit vor-
kommt. Sie ist ein Hemmniss der Agrikultur, auch wo dieser
Kauf bei grossen Gutswirthschaften stattfindet. Sie widerspricht
in der That der kapitalistischen Produktionsweise, der die Ver-
schuldung des Grundeigenthümers, ob er sein Gut geerbt oder ge-
kauft hat, im ganzen gleichgültig ist. Ob er die Rente selbst ein-
steckt, oder sie wieder an Hypothekargläubiger wegzahlen muss,
ändert an der Bewirthschaftung des verpachteten Landguts selbst
an sich nichts.
Man hat gesehn, dass bei gegebner Grundrente der Bodenpreis
regulirt ist durch den Zinsfuss. Ist dieser niedrig, so ist der
Bodenpreis hoch, und umgekehrt. Normal also müssten hoher
Bodenpreis und niedriger Zinsfuss zusammengehn, sodass wenn der
Bauer in Folge des niedrigen Zinsfusses den Boden hoch zahlte,
derselbe niedrige Zinsfuss ihm auch zu günstigen Bedingungen
Betriebskapital auf Kredit verschaffen müsste. In der Wirklichkeit
verhält sich die Sache anders bei vorherrschendem Parcelleneigen-
thum. Zunächst passen auf den Bauern die allgemeinen Gesetze
des Kredits nicht, da diese den Producenten als Kapitalisten vor-
aussetzen. Zweitens, wo das Parcelleneigenthum vorherrscht —
von Kolonien ist hier nicht die Rede — und der Parcellenbauer
den Grundstock der Nation bildet, ist die Kapitalbildung, d. h. die
gesellschaftliche Reproduktion, relativ schwach, und noch schwächer
die Bildung von leihbarem Geldkapital in dem früher entwickelten
Sinn. Diese setzt voraus Koncentration und die Existenz einer
Klasse reicher müssiger Kapitalisten (Massie). Drittens, hier wo das
Eigenthum am Boden eine Lebensbedingung für den grössten Theil
der Producenten bildet, und ein unentbehrliches Anlagefeld für ihr
Kapital, wird der Bodenpreis gesteigert, unabhängig vom Zinsfuss
und oft im umgekehrten Verhältniss zu ihm, durch das Uebergewicht
der Nachfrage nach Grundeigenthum über das Angebot. In Par-
cellen verkauft, bringt der Boden hier einen weit höhern Preis als
beim Verkauf grosser Massen, weil hier die Zahl der kleinen Käufer
gross, und die der grossen Käufer klein ist (Bandes Noires, Rubichon;
Newman). Aus allen diesen Gründen steigt hier der Bodenpreis bei
relativ hohem Zinsfuss. Dem relativ niedrigen Zins, den der Bauer
[346] hier aus dem im Ankauf des Bodens ausgelegten Kapital zieht (Mounier)
entspricht hier auf der entgegengesetzten Seite der hohe Wucher-
zinsfuss, den er selbst seinen Hypothekargläubigern zu zahlen hat.
Das irische System zeigt dieselbe Sache, nur in einer anderen Form.
Dies der Produktion an sich fremde Element, der Bodenpreis,
kann hier daher zu einer Höhe steigen, worin er die Produktion
unmöglich macht. (Dombasle.)
Dass der Bodenpreis eine solche Rolle spielt, dass Kauf und Ver-
kauf von Land, Cirkuliren von Land als Waare, sich zu diesem Um-
fang entwickelt, ist praktisch Folge der Entwickelung der kapita-
listischen Produktionsweise, soweit die Waare hier die allgemeine
Form alles Produkts und aller Produktionsinstrumente wird. Andrer-
seits findet diese Entwicklung nur statt, wo sich die kapitalistische
Produktionsweise nur beschränkt entwickelt und nicht alle ihre Eigen-
thümlichkeiten entfaltet; weil sie gerade darauf beruht, dass der
Ackerbau nicht mehr, oder noch nicht, der kapitalistischen Produk-
tionsweise, sondern einer, aus untergegangnen Gesellschaftsformen
überkommenen Produktionsweise unterworfen ist. Die Nachtheile
der kapitalistischen Produktionsweise, mit ihrer Abhängigkeit des
Producenten vom Geldpreis seines Produkts, fallen hier also zusammen
mit den Nachtheilen, die aus der unvollkommenen Entwicklung der
kapitalistischen Produktionsweise hervorgehn. Der Bauer wird Kauf-
mann und Industrieller ohne die Bedingungen, unter denen er sein
Produkt als Waare produciren kann.
Der Konflikt zwischen dem Bodenpreis, als Element des Kostpreises
für den Producenten, und Nichtelement des Produktionspreises für
das Produkt (selbst wenn die Rente bestimmend in den Preis des
Bodenprodukts eingeht, geht die kapitalisirte Rente, die für 20 oder
mehr Jahre vorgeschossen wird, auf keinen Fall bestimmend darin
ein) ist nur eine der Formen, worin sich überhaupt der Wider-
spruch des Privateigenthums am Boden mit einer rationellen Agri-
kultur, mit normaler gesellschaftlicher Benutzung des Bodens dar-
stellt. Andrerseits ist aber Privateigenthum am Boden, daher Ex-
propriation der unmittelbaren Producenten vom Boden — Privateigen-
thum der einen, das das Nichteigenthum der andern am Boden ein-
begreift — Grundlage der kapitalistischen Produktionsweise.
Hier, bei der kleinen Kultur, tritt der Bodenpreis, Form und
Resultat des Privateigenthums am Boden, als Schranke der Pro-
duktion selbst auf. Bei der grossen Agrikultur und dem auf ka-
pitalistischer Betriebsweise beruhenden grossen Grundeigenthum tritt
das Eigenthum ebenso als Schranke auf, weil es den Pächter in
[347] der produktiven Kapitalanlage beschränkt, die in letzter Instanz
nicht ihm, sondern dem Grundeigenthümer zu gut kommt. Bei
beiden Formen tritt an die Stelle selbstbewusster rationeller Behand-
lung des Bodens als des gemeinschaftlichen ewigen Eigenthums, der
unveräusserlichen Existenz- und Reproduktionsbedingung der Kette
sich ablösender Menschengeschlechter, die Exploitation und Ver-
geudung der Bodenkräfte (abgesehn von der Abhängigmachung der
Exploitation, nicht von der erreichten Höhe der gesellschaftlichen
Entwicklung, sondern von den zufälligen, ungleichen Umständen
der einzelnen Producenten). Bei dem kleinen Eigenthum geschieht
dies aus Mangel an Mitteln und Wissenschaft zur Anwendung der
gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit. Bei dem grossen, durch
Exploitation dieser Mittel zur möglichst raschen Bereicherung von
Pächter und Eigenthümer. Bei beiden durch die Abhängigkeit
vom Marktpreis.
Alle Kritik des kleinen Grundeigenthums löst sich in letzter
Instanz auf in Kritik des Privateigenthums als Schranke und Hinder-
niss der Agrikultur. So auch alle Gegenkritik des grossen Grund-
eigenthums. Von politischen Nebenrücksichten wird hier natürlich
in beiden Fällen abgesehn. Diese Schranke und dies Hinderniss,
welche alles Privateigenthum am Boden der agrikolen Produktion
und der rationellen Behandlung, Erhaltung und Verbesserung des
Bodens selbst entgegensetzt, entwickelt sich hüben und drüben
nur in verschiednen Formen, und im Zank über diese specifischen
Formen des Uebels wird sein letzter Grund vergessen.
Das kleine Grundeigenthum setzt voraus, dass die bei weitem über-
wiegende Majorität der Bevölkerung ländlich ist, und nicht die ge-
sellschaftliche, sondern die isolirte Arbeit vorherrscht; dass daher
der Reichthum und die Entwicklung der Reproduktion, sowohl ihrer
materiellen wie geistigen Bedingungen, unter solchen Umständen
ausgeschlossen ist, daher auch die Bedingungen einer rationellen
Kultur. Auf der anderen Seite reducirt das grosse Grundeigenthum
die agrikole Bevölkerung auf ein beständig sinkendes Minimum, und
setzt ihr eine beständig wachsende, in grossen Städten zusammen-
gedrängte Industriebevölkerung entgegen; es erzeugt dadurch Be-
dingungen, die einen unheilbaren Riss hervorrufen in dem Zu-
sammenhang des gesellschaftlichen und durch die Naturgesetze des
Lebens vorgeschriebnen Stoffwechsels, in Folge wovon die Boden-
kraft verschleudert, und diese Verschleuderung durch den Handel
weit über die Grenzen des eignen Landes hinausgetragen wird. (Liebig.)
Wenn das kleine Grundeigenthum eine halb ausserhalb der Ge-
[348] sellschaft stehende Klasse von Barbaren schafft, die alle Roheit
primitiver Gesellschaftsformen mit allen Qualen und aller Misère
civilisirter Länder verbindet, so untergräbt das grosse Grundeigen-
thum die Arbeitskraft in der letzten Region, wohin sich ihre natur-
wüchsige Energie flüchtet, und wo sie als Reservefonds für die Er-
neuerung der Lebenskraft der Nationen sich aufspeichert, auf dem
Lande selbst. Grosse Industrie und industriell betriebene grosse
Agrikultur wirken zusammen. Wenn sie sich ursprünglich dadurch
scheiden, dass die erste mehr die Arbeitskraft, und daher die Natur-
kraft des Menschen, die letztere mehr direkt die Naturkraft des Bodens
verwüstet und ruinirt, so reichen sich später im Fortgang beide
die Hand, indem das industrielle System auf dem Land auch die
Arbeiter entkräftet, und Industrie und Handel ihrerseits der Agri-
kultur die Mittel zur Erschöpfung des Bodens verschaffen.
[[349]]
Siebenter Abschnitt.
Die Revenuen und ihre Quellen.
Achtundvierzigstes Kapitel.
Die trinitarische Formel.
I.48)
Kapital — Profit (Unternehmergewinn plus Zins), Boden — Grund-
rente, Arbeit — Arbeitslohn, dies ist die trinitarische Form, die alle
Geheimnisse des gesellschaftlichen Produktionsprocesses einbegreift.
Da ferner, wie früher gezeigt, der Zins als das eigentliche, charak-
teristische Produkt des Kapitals, und der Unternehmergewinn im
Gegensatz dazu als vom Kapital unabhängiger Arbeitslohn erscheint,
reducirt sich jene trinitarische Form näher auf diese:
Kapital — Zins, Boden — Grundrente, Arbeit — Arbeitslohn,
wo der Profit, die die kapitalistische Produktionsweise specifisch
charakterisirende Form des Mehrwerths, glücklich beseitigt ist.
Sieht man sich nun diese ökonomische Dreieinigkeit näher an,
so findet man:
Erstens, die angeblichen Quellen des jährlich disponiblen Reich-
thums gehören ganz disparaten Sphären an und haben nicht die
geringste Analogie unter einander. Sie verhalten sich gegenseitig
etwa wie Notariatsgebühren, rothe Rüben und Musik.
Kapital, Boden, Arbeit! Aber das Kapital ist kein Ding, sondern
ein bestimmtes, gesellschaftliches, einer bestimmten historischen Ge-
sellschaftsformation angehöriges Produktionsverhältniss, das sich an
einem Ding darstellt und diesem Ding einen specifischen gesell-
schaftlichen Charakter gibt. Das Kapital ist nicht die Summe der
materiellen und producirten Produktionsmittel. Das Kapital, das
sind die in Kapital verwandelten Produktionsmittel, die an sich so
wenig Kapital sind, wie Gold oder Silber an sich Geld ist. Es
sind die von einem bestimmten Theil der Gesellschaft monopoli-
sirten Produktionsmittel, die der lebendigen Arbeitskraft gegenüber
verselbständigten Produkte und Bethätigungs - Bedingungen eben
[350] dieser Arbeitskraft, die durch diesen Gegensatz im Kapital per-
sonificirt werden. Es sind nicht nur die, in selbständige Mächte
verwandelten Produkte der Arbeiter, die Produkte als Beherrscher
und Käufer ihrer Producenten, sondern es sind auch die gesell-
schaftlichen Kräfte und die zukünftige … [? unleserlich] Form dieser
Arbeit, die als Eigenschaften ihres Produkts ihnen gegenübertreten.
Also hier haben wir eine bestimmte, auf den ersten Blick sehr
mystische, gesellschaftliche Form eines der Faktoren eines historisch
fabricirten gesellschaftlichen Produktionsprocesses.
Und nun daneben den Boden, die unorganische Natur als solche,
rudis indigestaque moles, in ihrer ganzen Waldursprünglichkeit.
Werth ist Arbeit. Mehrwerth kann daher nicht Erde sein. Ab-
solute Fruchtbarkeit des Bodens bewirkt nichts, als dass ein ge-
wisses Quantum Arbeit ein gewisses, von der natürlichen Frucht-
barkeit des Bodens bedingtes Produkt gibt. Die Differenz in der
Fruchtbarkeit des Bodens bewirkt, dass dieselben Mengen von
Arbeit und Kapital, also derselbe Werth, sich in verschiednen
Mengen von Bodenprodukten ausdrückt; dass diese Produkte also
verschiedne individuelle Werthe haben. Die Ausgleichung dieser
individuellen Werthe zu Marktwerthen bewirkt, dass die advantages
of fertile over inferior soil … are transferred from the cultivator
or consumer to the landlord. (Ricardo, Principles. p. 6.)
Und endlich als Dritten im Bunde ein blosses Gespenst — „die“
Arbeit, die nichts ist als eine Abstraktion und für sich genommen
überhaupt nicht existirt oder wenn wir die … [unleserlich] nehmen,
die produktive Thätigkeit des Menschen überhaupt, wodurch er den
Stoffwechsel mit der Natur vermittelt, entkleidet nicht nur jeder
gesellschaftlichen Form und Charakterbestimmtheit, sondern selbst
in ihrem blossen Naturdasein, unabhängig von der Gesellschaft,
allen Gesellschaften enthoben, und als Lebensäusserung und Lebens-
bewährung dem überhaupt noch nicht gesellschaftlichen Menschen
gemeinsam mit dem irgendwie gesellschaftlich bestimmten.
II.
Kapital — Zins; Grundeigenthum, Privateigenthum am Erdball,
und zwar modernes, der kapitalistischen Produktionsweise ent-
sprechendes — Rente; Lohnarbeit — Arbeitslohn. In dieser Form
soll also Zusammenhang zwischen den Quellen der Revenue bestehn.
Wie das Kapital, so sind Lohnarbeit und Grundeigenthum geschicht-
lich bestimmte gesellschaftliche Formen; die eine der Arbeit, das
andre des monopolisirten Erdballs, und zwar sind sie beide, dem
[351] Kapital entsprechende, und derselben ökonomischen Gesellschafts-
formation angehörende Formen.
Das erste Auffällige an dieser Formel ist, dass neben dem Ka-
pital, neben dieser, einer bestimmten Produktionsweise, einer be-
stimmten historischen Gestalt des gesellschaftlichen Produktions-
processes angehörigen Form eines Produktionselements, neben einem
Produktionselement verquickt mit, und dargestellt in einer bestimmten
socialen Form, ohne weitres rangirt werden: die Erde auf der
einen Seite, die Arbeit auf der andern, zwei Elemente des realen
Arbeitsprocesses, die in dieser stofflichen Form allen Produktions-
weisen gemeinsam, die die stofflichen Elemente jedes Produktions-
processes sind, und mit der gesellschaftlichen Form desselben nichts
zu schaffen haben.
Zweitens. In der Formel: Kapital — Zins, Erde — Bodenrente,
Arbeit — Arbeitslohn, erscheinen Kapital, Erde, Arbeit, respektive
als Quellen von Zins (statt Profit), Grundrente und Arbeitslohn als
ihren Produkten, Früchten; sie der Grund, jene die Folge, sie die
Ursache, jene die Wirkung; und zwar so, dass jede einzelne Quelle
auf ihr Produkt als das von ihr Abgestossene und Producirte be-
zogen ist. Alle drei Einkommen, Zins (statt Profit), Rente, Arbeits-
lohn, sind drei Theile vom Werth des Produkts, also überhaupt
Werththeile, oder in Geld ausgedrückt, gewisse Geldtheile, Preis-
theile. Die Formel: Kapital — Zins, ist nun zwar die begriffs-
loseste Formel des Kapitals, aber sie ist eine Formel desselben.
Aber wie soll die Erde einen Werth, d. h. ein gesellschaftlich be-
stimmtes Quantum Arbeit schaffen und nun gar den besondren
Werththeil ihrer eignen Produkte, der die Rente bildet? Die Erde
ist z. B. als Produktionsagent bei der Herstellung eines Gebrauchs-
werths, eines materiellen Produkts, des Weizens, thätig. Aber sie
hat nichts zu thun mit der Produktion des Weizenwerths. So-
weit sich Werth im Weizen darstellt, wird der Weizen nur als
ein bestimmtes Quantum vergegenständlichter gesellschaftlicher
Arbeit betrachtet, ganz gleichgültig gegen den besondren Stoff
worin sich diese Arbeit darstellt, oder den besondren Gebrauchs-
werth dieses Stoffs. Es widerspricht dem nicht, 1) dass bei sonst
gleichen Umständen die Wohlfeilheit oder Theuerkeit des Weizens
von der Produktivität der Erde abhängt. Die Produktivität der
agrikolen Arbeit ist an Naturbedingungen geknüpft, und je nach
der Produktivität derselben stellt sich dasselbe Quantum Arbeit in
viel oder wenig Produkten, Gebrauchswerthen dar. Wie gross das
Quantum Arbeit ist, das sich in einem Scheffel darstellt, hängt ab
[352] von der Masse der Scheffel, die dasselbe Quantum Arbeit liefert.
Es hängt hier von der Produktivität der Erde ab, in welchen
Mengen von Produkt der Werth sich darstellt; aber dieser Werth
ist gegeben, unabhängig von dieser Vertheilung. Werth stellt sich
in Gebrauchswerth dar; und Gebrauchswerth ist eine Bedingung
der Werthschöpfung; aber es ist Narrheit einen Gegensatz zu bilden,
wo auf der einen Seite ein Gebrauchswerth, die Erde, steht und
auf der andern ein Werth, und noch dazu ein besondrer Werth-
theil. 2) [Hier bricht das Ms. ab.]
III.
Die Vulgärökonomie thut in der That nichts, als die Vorstellungen
der in den bürgerlichen Produktionsverhältnissen befangenen Agenten
dieser Produktion doktrinär zu verdollmetschen, zu systematisiren
und zu apologetisiren. Es darf uns also nicht Wunder nehmen, dass
sie gerade in der entfremdeten Erscheinungsform der ökonomischen
Verhältnisse, worin diese prima facie abgeschmackt und vollkommene
Widersprüche sind — und alle Wissenschaft wäre überflüssig, wenn
die Erscheinungsform und das Wesen der Dinge unmittelbar zu-
sammenfielen — wenn gerade hier die Vulgärökonomie sich voll-
kommen bei sich selbst fühlt, und ihr diese Verhältnisse um so
selbstverständlicher erscheinen, je mehr der innere Zusammenhang
an ihnen verborgen ist, sie aber der ordinären Vorstellung geläufig
sind. Daher hat sie nicht die geringste Ahnung darüber, dass die
Trinität von der sie ausgeht: Grund und Boden — Rente, Kapital
— Zins, Arbeit — Arbeitslohn oder Preis der Arbeit drei prima
facie unmögliche Kompositionen sind. Erst haben wir den Gebrauchs-
werth Boden, der keinen Werth hat, und den Tauschwerth Rente:
sodass ein sociales Verhältniss, als Ding gefasst, zur Natur in eine
Proportion gesetzt ist; also zwei inkommensurable Grössen, die
ein Verhältniss zu einander haben sollen. Dann Kapital — Zins.
Wird das Kapital als eine gewisse, in Geld selbständig dargestellte
Werthsumme gefasst, so ist es prima facie Unsinn, dass ein Werth
mehr Werth sein soll als er werth ist. Gerade in der Form: Ka-
pital — Zins fällt alle Vermittlung fort, und ist das Kapital auf
seine allgemeinste, aber darum auch aus sich selbst unerklärliche
und absurde Formel reducirt. Eben darum zieht der Vulgärökonom
die Formel Kapital — Zins, mit der okkulten Qualität eines Werths
sich selbst ungleich zu sein, der Formel Kapital — Profit vor,
weil hier schon dem wirklichen Kapitalverhältniss näher gekommen
[353] wird. Dann wieder, in dem unruhigen Gefühl, dass 4 nicht 5 ist,
und daher 100 Thaler unmöglich 110 Thaler sein können, flüchtet
er vom Kapital als Werth zur stofflichen Substanz des Kapitals;
zu seinem Gebrauchswerth als Produktionsbedingung der Arbeit,
Maschinerie, Rohstoff etc. So gelingt es dann wieder, statt des
unbegreiflichen ersten Verhältnisses, wonach 4=5, ein ganz inkom-
mensurables herauszubringen zwischen einem Gebrauchswerth, einem
Ding auf der einen Seite, und einem bestimmten gesellschaftlichen
Produktionsverhältniss, dem Mehrwerth, auf der andern; wie beim
Grundeigenthum. Sobald er bei diesem Inkommensurablen ange-
langt, wird dem Vulgärökonomen alles klar, und fühlt er nicht mehr
das Bedürfniss weiter nachzudenken. Denn er ist eben beim „Ratio-
nale“ der Bürgervorstellung angelangt. Endlich, Arbeit — Arbeits-
lohn, Preis der Arbeit, ist wie in Buch I nachgewiesen, ein Ausdruck,
der prima facie dem Begriff des Werths widerspricht und ebenso
dem des Preises, der allgemein selbst nur ein bestimmter Ausdruck
des Werths ist; und „Preis der Arbeit“ ist ebenso irrationell wie
ein gelber Logarithmus. Aber hier ist der Vulgärökonom erst recht
befriedigt, da er nun bei der tiefen Einsicht des Bürgers angelangt
ist, dass er Geld für die Arbeit zahlt, und da grade der Wider-
spruch der Formel gegen den Begriff des Werths ihn der Ver-
pflichtung überhebt den letztren zu begreifen.
Wir49) haben gesehn, dass der kapitalistische Produktionsprocess
eine geschichtlich bestimmte Form des gesellschaftlichen Produk-
tionsprocesses überhaupt ist. Dieser letztere ist sowohl Produktions-
process der materiellen Existenzbedingungen des menschlichen Lebens,
wie ein in specifischen, historisch-ökonomischen Produktionsverhält-
nissen vor sich gehender, diese Produktionsverhältnisse selbst, und
damit die Träger dieses Processes, ihre materiellen Existenzbedin-
gungen und ihre gegenseitigen Verhältnisse, d. h. ihre bestimmte
ökonomische Gesellschaftsform producirender und reproducirender
Process. Denn das Ganze dieser Beziehungen, worin sich die Träger
dieser Produktion zur Natur und zu einander befinden, worin sie
produciren, dies Ganze ist eben die Gesellschaft, nach ihrer ökono-
mischen Struktur betrachtet. Wie alle seine Vorgänger, geht der
kapitalistische Produktionsprocess unter bestimmten materiellen Be-
dingungen vor sich, die aber zugleich Träger bestimmter gesell-
schaftlicher Verhältnisse sind, welche die Individuen im Process
Marx, Kapital III. 2. 23
[354] ihrer Lebensreproduktion eingehn. Jene Bedingungen, wie diese
Verhältnisse, sind einerseits Voraussetzungen, andrerseits Resul-
tate und Schöpfungen des kapitalistischen Produktionsprocesses;
sie werden von ihm producirt und reproducirt. Wir sahen ferner: das
Kapital — und der Kapitalist ist nur das personificirte Kapital, fungirt
im Produktionsprocess nur als Träger des Kapitals — also das Kapital
pumpt in dem ihm entsprechenden gesellschaftlichen Produktions-
process ein bestimmtes Quantum Mehrarbeit aus den unmittelbaren
Producenten oder Arbeitern heraus, Mehrarbeit, die jenes ohne
Aequivalent erhält, und die ihrem Wesen nach immer Zwangsarbeit
bleibt, wie sehr sie auch als das Resultat freier kontraktlicher
Uebereinkunft erscheinen mag. Diese Mehrarbeit stellt sich dar
in einem Mehrwerth, und dieser Mehrwerth existirt in einem Mehr-
produkt. Mehrarbeit überhaupt, als Arbeit über das Maß der
gegebnen Bedürfnisse hinaus, muss immer bleiben. Im kapitali-
stischen wie im Sklavensystem u. s. w. hat sie nur eine antagoni-
stische Form, und wird ergänzt durch reinen Müssiggang eines
Theils der Gesellschaft. Ein bestimmtes Quantum Mehrarbeit ist
erheischt durch die Assekuranz gegen Zufälle, durch die noth-
wendige, der Entwicklung der Bedürfnisse und dem Fortschritt der
Bevölkerung entsprechende, progressive Ausdehnung des Reproduk-
tionsprocesses, was vom kapitalistischen Standpunkt aus Akkumu-
lation heisst. Es ist eine der civilisatorischen Seiten des Kapitals,
dass es diese Mehrarbeit in einer Weise und unter Bedingungen
erzwingt, die der Entwicklung der Produktivkräfte, der gesell-
schaftlichen Verhältnisse und der Schöpfung der Elemente für eine
höhere Neubildung vortheilhafter sind als unter den frühern Formen
der Sklaverei, Leibeigenschaft u. s. w. Es führt so einerseits eine
Stufe herbei, wo der Zwang und die Monopolisirung der gesell-
schaftlichen Entwicklung (einschliesslich ihrer materiellen und in-
tellektuellen Vortheile) durch einen Theil der Gesellschaft auf
Kosten des andern wegfällt; andrerseits schafft sie die materiellen
Mittel und den Keim zu Verhältnissen, die in einer höhern Form
der Gesellschaft erlauben, diese Mehrarbeit zu verbinden mit einer
grössern Beschränkung der, der materiellen Arbeit überhaupt ge-
widmeten Zeit. Denn die Mehrarbeit kann, je nach der Entwick-
lung der Produktivkraft der Arbeit, gross sein bei kleinem Gesammt-
arbeitstag, und relativ klein bei grossem Gesammtarbeitstag. Ist
die nothwendige Arbeitszeit = 3, und die Mehrarbeit = 3, so ist
der Gesammtarbeitstag = 6, und die Rate der Mehrarbeit = 100 %.
Ist die nothwendige Arbeit = 9 und die Mehrarbeit = 3, so der Ge-
[355] sammtarbeitstag = 12, und die Rate der Mehrarbeit nur = 33⅓ %.
Sodann aber hängt es von der Produktivität der Arbeit ab, wie
viel Gebrauchswerth in bestimmter Zeit, also auch in be-
stimmter Mehrarbeitszeit hergestellt wird. Der wirkliche Reich-
thum der Gesellschaft, und die Möglichkeit beständiger Er-
weiterung ihres Reproduktionsprocesses hängt also nicht ab
von der Länge der Mehrarbeit, sondern von ihrer Produktivität
und von den mehr oder minder reichhaltigen Produktionsbedin-
gungen, worin sie sich vollzieht. Das Reich der Freiheit beginnt
in der That erst da, wo das Arbeiten, das durch Noth und äussere
Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört; es liegt also der Natur der
Sache nach jenseits der Sphäre der eigentlichen materiellen Pro-
duktion. Wie der Wilde mit der Natur ringen muss, um seine
Bedürfnisse zu befriedigen, um sein Leben zu erhalten und zu
reproduciren, so muss es der Civilisirte, und er muss es in allen
Gesellschaftsformen und unter allen möglichen Produktionsweisen.
Mit seiner Entwicklung erweitert sich dies Reich der Naturnoth-
wendigkeit, weil die Bedürfnisse; aber zugleich erweitern sich die
Produktivkräfte, die diese befriedigen. Die Freiheit in diesem Gebiet
kann nur darin bestehn, dass der vergesellschaftete Mensch, die
associirten Producenten, diesen ihren Stoffwechsel mit der Natur
rationell regeln, unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen,
statt von ihm als von einer blinden Macht beherrscht zu werden;
ihn mit dem geringsten Kraftaufwand und unter den, ihrer mensch-
lichen Natur würdigsten und ädaquatesten Bedingungen vollziehn.
Aber es bleibt dies immer ein Reich der Nothwendigkeit. Jenseits
desselben beginnt die menschliche Kraftentwicklung, die sich als
Selbstzweck gilt, das wahre Reich der Freiheit, das aber nur auf
jenem Reich der Nothwendigkeit als seiner Basis aufblühn kann.
Die Verkürzung des Arbeitstags ist die Grundbedingung.
In der kapitalistischen Gesellschaft vertheilt sich dieser Mehr-
werth oder dies Mehrprodukt — wenn wir von den zufälligen
Schwankungen der Vertheilung absehn, und ihr regelndes Gesetz,
ihre normirenden Grenzen betrachten — unter den Kapitalisten als
Dividende im Verhältniss zu der Quote, die jedem vom gesell-
schaftlichen Kapital gehört. In dieser Gestalt erscheint der Mehr-
werth als der Durchschnittsprofit, der dem Kapital zufällt, ein
Durchschnittsprofit, der sich selbst wieder in Unternehmergewinn
und Zins spaltet, und unter diesen beiden Kategorien verschiednen
Sorten von Kapitalisten zufallen kann. Diese Aneignung und Ver-
theilung des Mehrwerths resp. Mehrprodukts durch das Kapital
23*
[356] besitzt jedoch ihre Schranke am Grundeigenthum. Wie der fun-
girende Kapitalist die Mehrarbeit, und damit unter der Form des
Profits den Mehrwerth und das Mehrprodukt aus dem Arbeiter aus-
pumpt, so pumpt der Grundeigenthümer einen Theil dieses Mehr-
werths oder Mehrprodukts wieder dem Kapitalisten aus, unter der
Form der Rente, nach früher entwickelten Gesetzen.
Wenn wir also hier vom Profit als dem, dem Kapital zufallenden,
Antheil des Mehrwerths sprechen, so meinen wir den Durchschnitts-
profit (gleich Unternehmergewinn plus Zins), der durch den Abzug
der Rente vom Gesammtprofit (in seiner Masse identisch mit dem
Gesammtmehrwerth) bereits beschränkt ist; der Abzug der Rente
ist vorausgesetzt. Kapitalprofit (Unternehmergewinn plus Zins)
und Grundrente sind also nichts als besondre Bestandtheile des
Mehrwerths, Kategorien worin dieser, je nach seinem Anheimfall
an das Kapital oder das Grundeigenthum, unterschieden wird,
Rubriken, die aber an seinem Wesen nichts ändern. Zusammen-
addirt bilden sie die Summe des gesellschaftlichen Mehrwerths.
Das Kapital pumpt die Mehrarbeit, die sich im Mehrwerth und
Mehrprodukt darstellt, direkt aus den Arbeitern aus. Es kann
also in diesem Sinn als Producent des Mehrwerths betrachtet werden.
Das Grundeigenthum hat mit dem wirklichen Produktionsprocess
nichts zu schaffen. Seine Rolle beschränkt sich darauf, einen Theil
des producirten Mehrwerths aus der Tasche des Kapitals in seine
eigne hinüberzuführen. Jedoch spielt der Grundeigenthümer eine
Rolle im kapitalistischen Produktionsprocess, nicht nur durch den
Druck, den er auf das Kapital ausübt, auch nicht bloss dadurch, dass
grosses Grundeigenthum eine Voraussetzung und Bedingung der kapi-
talistischen Produktion, weil der Expropriation des Arbeiters von den
Arbeitsbedingungen ist, sondern speciell dadurch, dass er als Personi-
fikation einer der wesentlichsten Produktionsbedingungen erscheint.
Der Arbeiter endlich, als Eigenthümer und Verkäufer seiner per-
sönlichen Arbeitskraft, erhält unter dem Namen Arbeitslohn einen
Theil des Produkts, worin sich der Theil seiner Arbeit darstellt,
den wir nothwendige Arbeit nennen, d. h. die zur Erhaltung und
Reproduktion dieser Arbeitskraft nothwendige Arbeit, seien die
Bedingungen dieser Erhaltung und Reproduktion nun ärmlicher
oder reicher, günstiger oder ungünstiger.
So disparat diese Verhältnisse nun sonst erscheinen mögen, sie
haben alle eins gemein: Das Kapital wirft jahraus, jahrein dem
Kapitalisten Profit ab, der Boden dem Grundeigenthümer Grund-
rente, und die Arbeitskraft — unter normalen Verhältnissen, und
[357] so lange sie eine brauchbare Arbeitskraft bleibt — dem Arbeiter
Arbeitslohn. Diese drei Werththeile des jährlich producirten Ge-
sammtwerths, und die ihnen entsprechenden Theile des jährlich
producirten Gesammtprodukts können — wir sehn hier zunächst
von der Akkumulation ab — von ihren respektiven Besitzern jähr-
lich verzehrt werden, ohne dass die Quelle ihrer Reproduktion ver-
siegt. Sie erscheinen als jährlich zu verzehrende Früchte eines
perennirenden Baums, oder vielmehr dreier Bäume, sie bilden das
jährliche Einkommen dreier Klassen, des Kapitalisten, des Grund-
eigenthümers und des Arbeiters, Revenuen, die der fungirende Kapi-
talist als der unmittelbare Auspumper der Mehrarbeit und An-
wender der Arbeit überhaupt vertheilt. Dem Kapitalisten erscheint
sein Kapital, dem Grundeigenthümer sein Boden, und dem Arbeiter
seine Arbeitskraft oder vielmehr seine Arbeit selbst (da er die
Arbeitskraft nur als sich äussernde wirklich verkauft, und ihm der
Preis der Arbeitskraft, wie früher gezeigt, auf Basis der kapita-
listischen Produktionsweise sich nothwendig als Preis der Arbeit
darstellt) so als drei verschiedne Quellen ihrer specifischen Revenuen,
des Profits, der Grundrente und des Arbeitslohns. Sie sind es in
der That in dem Sinne, dass das Kapital für den Kapitalisten eine
perennirende Pumpmaschine von Mehrarbeit, der Boden für den
Grundeigenthümer ein perennirender Magnet zur Anziehung eines
Theils des vom Kapital ausgepumpten Mehrwerths, und endlich
die Arbeit die beständig sich erneuernde Bedingung und das stets
sich erneuernde Mittel ist, um einen Theil des vom Arbeiter ge-
schaffnen Werths, und daher einen durch diesen Werththeil ge-
messnen Theil des gesellschaftlichen Produkts, die nothwendigen
Lebensmittel, unter dem Titel des Arbeitslohns zu erwerben. Sie
sind es ferner in dem Sinn, dass das Kapital einen Theil des
Werths und daher des Produkts der jährlichen Arbeit in der Form
des Profits, das Grundeigenthum einen andern Theil in der Form
der Rente, und die Lohnarbeit einen dritten Theil in der Form
des Arbeitslohns fixirt, und grade durch diese Verwandlung um-
setzt in die Revenuen des Kapitalisten, des Grundeigenthümers und
des Arbeiters, ohne aber die Substanz selbst zu schaffen, die sich
in diese verschiednen Kategorien verwandelt. Die Vertheilung
setzt vielmehr diese Substanz als vorhanden voraus, nämlich den
Gesammtwerth des jährlichen Produkts, der nichts ist als vergegen-
ständlichte gesellschaftliche Arbeit. Es ist jedoch nicht in dieser
Form, dass sich die Sache den Produktionsagenten, den Trägern
der verschiednen Funktionen des Produktionsprocesses darstellt,
[358] sondern vielmehr in einer verkehrten Form. Warum dies geschieht,
werden wir im Fortgang der Untersuchung weiter entwickeln.
Kapital, Grundeigenthum und Arbeit erscheinen jenen Produktions-
agenten als drei verschiedne, unabhängige Quellen, aus denen als
solchen drei verschiedne Bestandtheile des jährlich producirten
Werths — und daher des Produkts, worin er existirt — ent-
springen; aus denen also nicht nur die verschiednen Formen dieses
Werths als Revenuen, welche besondren Faktoren des gesellschaft-
licken Produktionsprocesses zufallen, sondern dieser Werth selbst
entspringt, und damit die Substanz dieser Revenueformen.
[Hier fehlt ein Foliobogen im Ms.]
… Differentialrente ist gebunden an die relative Fruchtbarkeit
der Ländereien, also an Eigenschaften, die aus dem Boden als solchem
entspringen. Aber soweit sie erstens beruht auf den verschiednen
individuellen Werthen der Produkte verschiedner Bodenarten, ist
es nur die eben erwähnte Bestimmung; soweit sie zweitens beruht
auf dem von diesen individuellen Werthen unterschiednen, reguli-
renden allgemeinen Marktwerth, ist es ein gesellschaftliches, ver-
mittelst der Konkurrenz durchgeführtes Gesetz, das weder mit dem
Boden noch mit den verschiednen Graden seiner Fruchtbarkeit etwas
zu thun hat.
Es könnte scheinen, als wenn wenigstens in: „Arbeit — Arbeits-
lohn“ ein rationelles Verhältniss ausgesprochen wäre. Aber dies
ist ebensowenig der Fall wie mit: „Boden — Grundrente“. Soweit
die Arbeit werthbildend ist, und sich im Werth der Waaren dar-
stellt, hat sie nichts zu thun mit der Vertheilung dieses Werths
unter verschiedne Kategorien. Soweit sie den specifisch gesell-
schaftlichen Charakter der Lohnarbeit hat, ist sie nicht werth-
bildend. Es ist überhaupt früher gezeigt worden, dass Arbeitslohn
oder Preis der Arbeit nur ein irrationeller Ausdruck für den Werth
oder Preis der Arbeitskraft ist; und die bestimmten gesellschaft-
lichen Bedingungen, unter denen diese Arbeitskraft verkauft wird,
haben mit der Arbeit als allgemeinem Produktionsagenten nichts
zu schaffen. Die Arbeit vergegenständlicht sich auch in dem Werth-
bestandtheil der Waare, der als Arbeitslohn den Preis der Arbeits-
kraft bildet; sie schafft diesen Theil ebensogut wie die andern Theile
des Produkts; aber sie vergegenständlicht sich in diesem Theil nicht
mehr und nichts anders, als in den Theilen, die Rente oder Profit
bilden. Und überhaupt, wenn wir die Arbeit als werthbildend
fixiren, betrachten wir sie nicht in ihrer konkreten Gestalt als Pro-
[359] duktionsbedingung, sondern in einer gesellschaftlichen Bestimmtheit,
die von der der Lohnarbeit verschieden ist.
Selbst der Ausdruck: „Kapital — Profit“ ist hier inkorrekt. Wenn
das Kapital in der einzigen Beziehung gefasst wird, worin es Mehr-
werth producirt, nämlich in seinem Verhältniss zum Arbeiter, worin
es Mehrarbeit erpresst durch den Zwang, den es auf die Arbeits-
kraft, d. h. auf den Lohnarbeiter ausübt, so umfasst dieser Mehr-
werth ausser Profit (Unternehmergewinn plus Zins) auch die Rente,
kurz den ganzen ungetheilten Mehrwerth. Hier dagegen, als Quelle
von Revenue, wird es nur auf den Theil in Beziehung gesetzt, der dem
Kapitalisten anheimfällt. Es ist dies nicht der Mehrwerth, den es über-
haupt extrahirt, sondern nur der Theil, den es für den Kapitalisten
extrahirt. Noch mehr fällt aller Zusammenhang fort, sobald sich die
Formel verwandelt in die: „Kapital — Zins.“
Wenn wir erstens das Disparate der drei Quellen betrachteten,
so jetzt zweitens, dass dagegen ihre Produkte, ihre Abkömmlinge,
die Revenuen, alle derselben Sphäre, der des Werths angehören.
Indess gleicht sich dies dadurch aus (dies Verhältniss nicht nur
zwischen inkommensurablen Grössen, sondern zwischen ganz un-
gleichmäßigen, unter sich beziehungslosen und unvergleichbaren
Dingen) dass in der That das Kapital, gleich der Erde und der Arbeit,
bloss seiner stofflichen Substanz nach, also einfach als producirtes
Produktionsmittel genommen wird, wobei sowohl von ihm als Ver-
hältniss zum Arbeiter, wie von ihm als Werth abstrahirt wird.
Drittens. In diesem Sinn also bietet die Formel: Kapital —
Zins (Profit), Erde — Rente, Arbeit — Arbeitslohn, gleichmäßige
und symmetrische Inkongruität. In der That, indem die Lohnarbeit
nicht als eine gesellschaftlich bestimmte Form der Arbeit, sondern
alle Arbeit ihrer Natur nach als Lohnarbeit erscheint (sich dem
in den kapitalistischen Produktionsverhältnissen Befangnen so vor-
stellt), fallen auch die bestimmten, specifischen gesellschaftlichen
Formen, welche die gegenständlichen Arbeitsbedingungen — die
producirten Produktionsmittel und die Erde — der Lohnarbeit ge-
genüber einnehmen (wie sie umgekehrt ihrerseits die Lohnarbeit vor-
aussetzen), ohne Weiteres zusammen mit dem stofflichen Dasein
dieser Arbeitsbedingungen, oder mit der Gestalt, die sie überhaupt
im wirklichen Arbeitsprocess besitzen, unabhängig von jeder ge-
schichtlich bestimmten gesellschaftlichen, ja unabhängig von jeder
gesellschaftlichen Form desselben. Die der Arbeit entfremdete, ihr
gegenüber verselbständigte, und somit verwandelte Gestalt der Arbeits-
bedingungen, worin also die producirten Produktionsmittel sich in
[360] Kapital verwandeln, und die Erde in monopolisirte Erde, in Grund-
eigenthum, diese einer bestimmten Geschichtsperiode angehörige Ge-
stalt fällt daher zusammen mit dem Dasein und der Funktion der
producirten Produktionsmittel und der Erde im Produktionsprocess
überhaupt. Jene Produktionsmittel sind an und für sich, von Natur,
Kapital; Kapital ist nichts als ein blosser „ökonomischer Name“
für jene Produktionsmittel; und so ist die Erde an und für sich,
von Natur, die von einer gewissen Zahl Grundeigenthümer mono-
polisirte Erde. Wie im Kapital und Kapitalisten — der in der
That nichts ist als das personificirte Kapital — die Produkte eine
selbständige Macht werden gegenüber den Producenten, so wird im
Grundeigenthümer der Grund und Boden personificirt, der sich eben-
falls auf die Hinterfüsse stellt, und als selbständige Macht seinen
Antheil fordert von dem mit seiner Hülfe erzeugten Produkt; so-
dass nicht der Boden den ihm gehörigen Theil des Produkts zu
Ersatz und Steigerung seiner Produktivität erhält, sondern statt
seiner der Grundeigenthümer einen Antheil dieses Produkts zur
Verschacherung und Verschwendung. Es ist klar, dass das Kapital
die Arbeit als Lohnarbeit voraussetzt. Es ist aber ebenso klar,
dass wenn von der Arbeit als Lohnarbeit ausgegangen wird, sodass
das Zusammenfallen der Arbeit überhaupt mit der Lohnarbeit selbst-
verständlich scheint, dann auch als natürliche Form der Arbeits-
bedingungen, gegenüber der Arbeit überhaupt, das Kapital und die
monopolisirte Erde erscheinen müssen. Kapital zu sein, erscheint
nun als natürliche Form der Arbeitsmittel, und daher als rein ding-
licher und aus ihrer Funktion im Arbeitsprocess überhaupt entsprin-
gender Charakter. Kapital und producirtes Produktionsmittel werden
so identische Ausdrücke. Ebenso werden Erdboden und durch Privat-
eigenthum monopolisirter Erdboden identische Ausdrücke. Die Ar-
beitsmittel als solche, die von Natur Kapital sind, werden daher zur
Quelle des Profits, wie die Erde als solche zur Quelle der Rente.
Die Arbeit als solche, in ihrer einfachen Bestimmtheit als zweck-
mäßige produktive Thätigkeit, bezieht sich auf die Produktions-
mittel, nicht in deren gesellschaftlicher Formbestimmtheit, sondern
in ihrer stofflichen Substanz, als Material und Mittel der Arbeit,
die sich ebenfalls nur stofflich, als Gebrauchswerthe von einander
unterscheiden, die Erde als unproducirtes, die andren als producirte
Arbeitsmittel. Fällt also die Arbeit mit der Lohnarbeit zusammen,
so fällt auch die bestimmte gesellschaftliche Form, worin die Arbeits-
bedingungen nun der Arbeit gegenüberstehn, zusammen mit ihrem
stofflichen Dasein. Die Arbeitsmittel sind dann als solche Kapital,
[361] und die Erde als solche ist Grundeigenthum. Die formale Ver-
selbständigung dieser Arbeitsbedingungen gegenüber der Arbeit,
die besondre Form dieser Verselbständigung, die sie gegenüber
der Lohnarbeit besitzen, ist dann eine von ihnen als Dingen, als
materiellen Produktionsbedingungen untrennbare Eigenschaft, ein
ihnen als Produktionselementen nothwendig zukommender, imma-
nent eingewachsener Charakter. Ihr durch eine bestimmte Geschichts-
epoche bestimmter socialer Charakter im kapitalistischen Produk-
tionsprocess ist ein ihnen naturgemäß, und sozusagen von Ewigkeit
her, als Elementen des Produktionsprocesses eingeborner dinglicher
Charakter. Der respektive Antheil daher, den die Erde als das
ursprüngliche Beschäftigungsfeld der Arbeit, als das Reich der
Naturkräfte, als das vorgefundne Arsenal aller Arbeitsgegenstände,
und der andre respektive Antheil, den die producirten Produktions-
mittel (Instrumente, Rohstoffe etc.) an dem Produktionsprocess über-
haupt nehmen, müssen dann sich auszudrücken scheinen in den
respektiven Antheilen, die ihnen als Kapital und Grundeigenthum
d. h. die ihren socialen Repräsentanten in der Form von Profit
(Zins) und Rente zufallen, wie dem Arbeiter im Arbeitslohn der
Antheil, den seine Arbeit am Produktionsprocess nimmt. Rente,
Profit, Arbeitslohn, scheinen so aus der Rolle herauszuwachsen, die
die Erde, die producirten Produktionsmittel, und die Arbeit im ein-
fachen Arbeitsprocess spielen, selbst soweit wir diesen Arbeitsprocess
als bloss zwischen dem Menschen und der Natur vorgehend, und
abgesehn von jeder geschichtlichen Bestimmtheit betrachten. Es
ist nur wieder dieselbe Sache in einer andern Form, wenn gesagt
wird: das Produkt, worin sich die Arbeit des Lohnarbeiters für ihn
selbst, als sein Ertrag, seine Revenue darstellt, ist nur der Arbeits-
lohn, der Theil des Werths (und daher des durch diesen Werth
gemessnen socialen Produkts), der seinen Arbeitslohn darstellt.
Fällt also die Lohnarbeit mit der Arbeit überhaupt zusammen, so
auch der Arbeitslohn mit dem Produkt der Arbeit, und der Werth-
theil, den der Arbeitslohn darstellt, mit dem durch die Arbeit
geschaffnen Werth überhaupt. Dadurch treten aber die andern
Werththeile, Profit und Rente, ebenso selbständig dem Arbeitslohn
gegenüber, und müssen aus eignen, von der Arbeit specifisch ver-
schiednen und unabhängigen Quellen entspringen; sie müssen aus
den mitwirkenden Produktionselementen entspringen, deren Besitzern
sie zufallen, also der Profit aus den Produktionsmitteln, den stoff-
lichen Elementen des Kapitals, und die Rente aus der vom Grund-
eigenthümer repräsentirten Erde oder der Natur. (Roscher.)
[362]
Grundeigenthum, Kapital und Lohnarbeit verwandeln sich daher
aus Quellen der Revenue in dem Sinn, dass das Kapital dem Kapi-
talisten einen Theil des Mehrwerths, den er aus der Arbeit extrahirt,
in der Form des Profits, das Monopol an der Erde dem Grund-
eigenthümer einen andern Theil in der Form der Rente attrahirt,
und die Arbeit dem Arbeiter den letzten noch disponiblen Werth-
theil in der Form des Arbeitslohns zuschlägt, aus Quellen, ver-
mittelst deren ein Theil des Werths in die Form des Profits, ein
zweiter in die Form der Rente, und ein dritter in die Form des
Arbeitslohns sich verwandelt — in wirkliche Quellen, aus denen
diese Werththeile und die bezüglichen Theile des Produkts, worin
sie existiren oder wogegen sie umsetzbar sind, selbst entspringen,
und aus denen als letzter Quelle daher der Werth des Produkts
selbst entspringt.50)
Wir haben bereits bei den einfachsten Kategorien der kapita-
listischen Produktionsweise, und selbst der Waarenproduktion, bei
der Waare und dem Geld den mystificirenden Charakter nachge-
wiesen, der die gesellschaftlichen Verhältnisse, denen die stofflichen
Elemente des Reichthums bei der Produktion als Träger dienen,
in Eigenschaften dieser Dinge selbst verwandelt (Waare) und noch
ausgesprochener das Produktionsverhältniss selbst in ein Ding
(Geld). Alle Gesellschaftsformen, soweit sie es zur Waarenproduktion
und Geldcirkulation bringen, nehmen an dieser Verkehrung Theil.
Aber in der kapitalistischen Produktionsweise und beim Kapital,
welches ihre herrschende Kategorie, ihr bestimmendes Produktions-
verhältniss bildet, entwickelt sich diese verzauberte und verkehrte
Welt noch viel weiter. Betrachtet man das Kapital zunächst im
unmittelbaren Produktionsprocess — als Auspumper von Mehrarbeit
so ist dies Verhältniss noch sehr einfach; und der wirkliche Zu-
sammenhang drängt sich den Trägern dieses Processes, den Ka-
pitalisten selbst auf und ist noch in ihrem Bewusstsein. Der heftige
Kampf um die Grenzen des Arbeitstags beweist dies schlagend.
Aber selbst innerhalb dieser nicht vermittelten Sphäre, der Sphäre
des unmittelbaren Processes zwischen Arbeit und Kapital, bleibt
es nicht bei dieser Einfachheit. Mit der Entwicklung des relativen
Mehrwerths in der eigentlichen specifisch kapitalistischen Produk-
tionsweise, womit sich die gesellschaftlichen Produktivkräfte der
[363] Arbeit entwickeln, erscheinen diese Produktivkräfte und die gesell-
schaftlichen Zusammenhänge der Arbeit im unmittelbaren Arbeits-
process als aus der Arbeit in das Kapital verlegt. Damit wird
das Kapital schon ein sehr mystisches Wesen, indem alle gesell-
schaftlichen Produktivkräfte der Arbeit als ihm, und nicht der
Arbeit als solcher, zukommende und aus seinem eignen Schoss
hervorsprossende Kräfte erscheinen. Dann kommt der Cirkulations-
process dazwischen, dessen Stoff- und Formwechsel alle Theile des
Kapitals, selbst des agrikolen Kapitals, in demselben Grad anheim-
fallen, wie sich die specifisch kapitalistische Produktionsweise ent-
wickelt. Es ist dies eine Sphäre, worin die Verhältnisse der ur-
sprünglichen Werthproduktion völlig in den Hintergrund treten.
Schon im unmittelbaren Produktionsprocess ist der Kapitalist zu-
gleich als Waarenproducent, als Leiter der Waarenproduktion
thätig. Dieser Produktionsprocess stellt sich ihm daher keineswegs
einfach als Produktionsprocess von Mehrwerth dar. Welches aber
immer der Mehrwerth sei, den das Kapital im unmittelbaren Pro-
duktionsprocess ausgepumpt und in Waaren dargestellt hat, der in
den Waaren enthaltne Werth und Mehrwerth muss erst im Cirku-
lationsprocess realisirt werden. Und sowohl die Rückerstattung
der in der Produktion vorgeschossnen Werthe, wie namentlich der
in den Waaren enthaltne Mehrwerth scheint nicht in der Cirku-
lation sich bloss zu realisiren, sondern aus ihr zu entspringen;
ein Schein, den namentlich zwei Umstände befestigen: erstens der
Profit bei Veräusserung, der von Prellerei, List, Sachkenntniss, Ge-
schick und tausend Marktkonjunkturen abhängt; dann aber der
Umstand, dass hier neben der Arbeitszeit ein zweites bestimmendes
Element hinzutritt, die Cirkulationszeit. Diese fungirt zwar nur
als negative Schranke der Werth- und Mehrwerthbildung, hat aber
den Schein, als sei sie ein ebenso positiver Grund wie die Arbeit
selbst, und als bringe sie eine, aus der Natur des Kapitals hervor-
gehende, von der Arbeit unabhängige Bestimmung herein. Wir
hatten in Buch II diese Cirkulationssphäre natürlich nur darzu-
stellen in Bezug auf die Formbestimmungen, die sie erzeugt, die
Fortentwicklung der Gestalt des Kapitals nachzuweisen, die in ihr
vorgeht. In der Wirklichkeit aber ist diese Sphäre die Sphäre
der Konkurrenz, die, jeden einzelnen Fall betrachtet, vom Zufall
beherrscht ist; wo also das innere Gesetz, das in diesen Zufällen
sich durchsetzt und sie regulirt, nur sichtbar wird, sobald diese
Zufälle in grossen Massen zusammengefasst werden, wo es also den
einzelnen Agenten der Produktion selbst unsichtbar und unver-
[364] ständlich bleibt. Weiter aber: der wirkliche Produktionsprocess,
als Einheit des unmittelbaren Produktionsprocesses und des Cirku-
lationsprocesses, erzeugt neue Gestaltungen, worin mehr und mehr
die Ader des innern Zusammenhangs verloren geht, die Produktions-
verhältnisse sich gegen einander verselbständigen, und die Werth-
bestandtheile sich gegen einander in selbständigen Formen ver-
knöchern.
Die Verwandlung des Mehrwerths in Profit ist, wie wir sahen,
ebensosehr durch den Cirkulationsprocess wie durch den Produk-
tionsprocess bestimmt. Der Mehrwerth, in der Form des Profits,
wird nicht mehr auf den in Arbeit ausgelegten Kapitaltheil, aus
dem er entspringt, sondern auf das Gesammtkapital bezogen. Die
Profitrate wird durch eigne Gesetze regulirt, die einen Wechsel
derselben bei gleichbleibender Rate des Mehrwerths zulassen und
selbst bedingen. Alles dies verhüllt mehr und mehr die wahre
Natur des Mehrwerths und daher das wirkliche Triebwerk des
Kapitals. Noch mehr geschieht dies durch die Verwandlung des
Profits im Durchschnittsprofit und der Werthe in Produktions-
preise, in die regulirenden Durchschnitte der Marktpreise. Es tritt
hier ein komplicirter gesellschaftlicher Process dazwischen, der Aus-
gleichungsprocess der Kapitale, der die relativen Durchschnittspreise
der Waaren von ihren Werthen, und die Durchschnittsprofite in
den verschiednen Produktionssphären (ganz abgesehn von den indi-
viduellen Kapitalanlagen in jeder besondren Produktionssphäre) von
der wirklichen Exploitation der Arbeit durch die besondren Kapi-
tale losscheidet. Es scheint nicht nur so, sondern es ist hier in
der That der Durchschnittspreis der Waaren verschieden von ihrem
Werth, also von der in ihnen realisirten Arbeit und der Durch-
schnittsprofit eines besondren Kapitals verschieden von dem Mehr-
werth, den dies Kapital aus den von ihm beschäftigten Arbeitern
extrahirt hat. Der Werth der Waaren erscheint unmittelbar nur
noch in dem Einfluss der wechselnden Produktivkraft der Arbeit
auf Sinken und Steigen der Produktionspreise, auf ihre Bewegung,
nicht auf ihre letzten Grenzen. Der Profit erscheint nur noch
accessorisch bestimmt durch die unmittelbare Exploitation der Arbeit,
soweit diese nämlich dem Kapitalisten erlaubt, bei den, scheinbar
unabhängig von dieser Exploitation vorhandnen, regulirenden Markt-
preisen, einen vom Durchschnittsprofit abweichenden Profit zu reali-
siren. Die normalen Durchschnittsprofite selbst scheinen dem Kapital
immanent, unabhängig von der Exploitation; die anormale Exploi-
tation, oder auch die durchschnittliche Exploitation unter günstigen
[365] Ausnahmsbedingungen, scheint nur die Abweichungen vom Durch-
schnittsprofit, nicht diesen selbst zu bedingen. Die Spaltung
des Profits in Unternehmergewinn und Zins (gar nicht zu sprechen
von der Dazwischenkunft des kommerciellen Profits und des Geld-
handlungsprofits, die auf der Cirkulation gegründet sind und ganz
und gar aus ihr, und nicht aus dem Produktionsprocess selbst zu
entspringen scheinen) vollendet die Verselbständigung der Form
des Mehrwerths, die Verknöcherung seiner Form gegen seine Sub-
stanz, sein Wesen. Ein Theil des Profits, im Gegensatz zu dem
andren, löst sich ganz von dem Kapitalverhältniss als solchem los,
und stellt sich dar als entspringend, nicht aus der Funktion der
Ausbeutung der Lohnarbeit, sondern aus der Lohnarbeit des Kapi-
talisten selbst. Im Gegensatz dazu scheint dann der Zins als unab-
hängig, sei es von der Lohnarbeit des Arbeiters, sei es von der
eignen Arbeit des Kapitalisten, aus dem Kapital als seiner eignen
unabhängigen Quelle zu entspringen. Wenn das Kapital ursprüng-
lich, auf der Oberfläche der Cirkulation, erschien als Kapitalfetisch,
wertherzeugender Werth, so stellt es sich jetzt wieder in der Ge-
stalt des zinstragenden Kapitals als in seiner entfremdetsten
und eigenthümlichsten Form dar. Wesshalb auch die Form:
„Kapital — Zins“ als drittes zu „Erde — Rente“ und „Arbeit —
Arbeitslohn“ viel konsequenter ist als „Kapital — Profit“, indem
im Profit immer noch eine Erinnerung an seinen Ursprung bleibt,
die im Zins nicht nur ausgelöscht, sondern in feste gegensätzliche
Form zu diesem Ursprung gestellt ist.
Endlich tritt neben das Kapital als selbständige Quelle von Mehr-
werth das Grundeigenthum, als Schranke des Durchschnittsprofits
und als einen Theil des Mehrwerths an eine Klasse übertragend, die
weder selbst arbeitet, noch Arbeiter direkt exploitirt, noch sich wie
das zinstragende Kapital in moralisch erbaulichen Trostgründen,
z. B. dem Risiko und dem Opfer im Wegleihen des Kapitals, er-
gehn kann. Indem hier ein Theil des Mehrwerths direkt nicht
an Gesellschaftsverhältnisse, sondern an ein Naturelement, die Erde
gebunden scheint, ist die Form der Entfremdung und Verknöcherung
der verschiednen Theile des Mehrwerths gegen einander vollendet,
der innere Zusammenhang endgültig zerrissen, und seine Quelle voll-
ständig verschüttet, eben durch die Verselbständigung der, an die
verschiednen stofflichen Elemente des Produktionsprocesses ge-
bundnen, Produktionsverhältnisse gegeneinander.
Im Kapital — Profit oder noch besser Kapital — Zins, Boden
— Grundrente, Arbeit — Arbeitslohn, in dieser ökonomischen
[366] Trinität als dem Zusammenhang der Bestandtheile des Werths und
des Reichthums überhaupt mit seinen Quellen, ist die Mystifikation
der kapitalistischen Produktionsweise, die Verdinglichung der ge-
sellschaftlichen Verhältnisse, das unmittelbare Zusammenwachsen
der stofflichen Produktionsverhältnisse mit ihrer geschichtlich-so-
cialen Bestimmtheit vollendet: die verzauberte, verkehrte und auf
den Kopf gestellte Welt, wo Monsieur le Capital und Madame la
Terre als sociale Charaktere, und zugleich unmittelbar als blosse
Dinge ihren Spuk treiben. Es ist das grosse Verdienst der klas-
sischen Oekonomie, diesen falschen Schein und Trug, diese Ver-
selbständigung und Verknöcherung der verschiednen gesellschaft-
lichen Elemente des Reichthums gegen einander, diese Personifici-
rung der Sachen und [Versachlichung] der Produktionsverhältnisse
diese Religion des Alltagslebens aufgelöst zu haben, indem sie den
Zins auf einen Theil des Profits, und die Rente auf den Ueberschuss
über den Durchschnittsprofit reducirt, sodass beide im Mehrwerth
zusammenfallen; indem sie den Cirkulationsprocess als blosse Meta-
morphose der Formen darstellt, und endlich im unmittelbaren Pro-
duktionsprocess Werth und Mehrwerth der Waaren auf die Arbeit
reducirt. Dennoch bleiben selbst die besten ihrer Wortführer, wie
es vom bürgerlichen Standpunkt nicht anders möglich ist, mehr
oder weniger in der von ihnen kritisch aufgelösten Welt des Scheins
befangen, und fallen daher alle mehr oder weniger in Inkonsequenzen,
Halbheiten und ungelöste Widersprüche. Es ist dagegen andrer-
seits ebenso natürlich, dass die wirklichen Produktionsagenten in
diesen entfremdeten und irrationellen Formen von Kapital — Zins,
Boden — Rente, Arbeit — Arbeitslohn, sich völlig zu Hause fühlen,
denn es sind eben die Gestaltungen des Scheins, in welchem sie sich be-
wegen und womit sie täglich zu thun haben. Es ist daher ebenso
natürlich, dass die Vulgärökonomie, die nichts als eine didaktische.
mehr oder minder doktrinäre Uebersetzung der Alltagsvorstellungen
der wirklichen Produktionsagenten ist, und eine gewisse verstän-
dige Ordnung unter sie bringt, grade in dieser Trinität, worin der
ganze innere Zusammenhang ausgelöscht ist, die naturgemäße und
über allen Zweifel erhabene Basis ihrer seichten Wichtigthuerei findet.
Diese Formel entspricht zugleich dem Interesse der herrschenden
Klassen, indem sie die Naturnothwendigkeit und ewige Berechti-
gung ihrer Einnahmequellen proklamirt und zu einem Dogma erhebt.
In der Darstellung der Versachlichung der Produktionsverhält-
nisse und ihrer Verselbständigung gegenüber den Produktionsagenten
gehn wir nicht ein auf die Art und Weise, wie die Zusammen-
[367] hänge durch den Weltmarkt, seine Konjunkturen, die Bewegung
der Marktpreise, die Perioden des Kredits, die Cyklen der Industrie
und des Handels, die Abwechslung der Prosperität und Krise, ihren
als übermächtige, sie willenlos beherrschende Naturgesetze erscheinen
und sich ihnen gegenüber als blinde Nothwendigkeit geltend machen.
Desswegen nicht, weil die wirkliche Bewegung der Konkurrenz
ausserhalb unsers Plans liegt, und wir nur die innere Organisation
der kapitalistischen Produktionsweise, sozusagen in ihrem idealen
Durchschnitt, darzustellen haben.
In frühern Gesellschaftsformen tritt diese ökonomische Mysti-
fikation nur ein hauptsächlich in Bezug auf das Geld und das zins-
tragende Kapital. Sie ist der Natur der Sache nach ausgeschlossen,
erstens wo die Produktion für den Gebrauchswerth, für den un-
mittelbaren Selbstbedarf vorwiegt; zweitens wo, wie in der antiken
Zeit und im Mittelalter, Sklaverei oder Leibeigenschaft die breite
Basis der gesellschaftlichen Produktion bildet: die Herrschaft der
Produktionsbedingungen über die Producenten ist hier versteckt
durch die Herrschafts- und Knechtschaftsverhältnisse, die als un-
mittelbare Triebfedern des Produktionsprocesses erscheinen und
sichtbar sind. In den ursprünglichen Gemeinwesen, wo naturwüch-
siger Kommunismus herrscht, und selbst in den antiken städtischen
Gemeinwesen, ist es dies Gemeinwesen selbst mit seinen Bedingungen,
das als Basis der Produktion sich darstellt, wie seine Reproduktion
als ihr letzter Zweck. Selbst im mittelalterlichen Zunftwesen er-
scheint weder das Kapital noch die Arbeit ungebunden, sondern
ihre Beziehungen durch das Korporationswesen und mit demselben
zusammenhängende Verhältnisse und ihnen entsprechende Vorstel-
lungen von Berufspflicht, Meisterschaft etc. bestimmt. Erst in der
kapitalistischen Produktionsweise …
Neunundvierzigstes Kapitel.
Zur Analyse des Produktionsprocesses.
Für die nun folgende Untersuchung kann von dem Unterschied
von Produktionspreis und Werth abgesehn werden, da dieser Unter-
schied überhaupt wegfällt, wenn, wie es hier geschieht, der Werth
des jährlichen Gesammtprodukts der Arbeit betrachtet wird, also
des Produkts des gesellschaftlichen Gesammtkapitals.
Profit (Unternehmergewinn plus Zins) und Rente sind nichts als
eigenthümliche Formen, welche besondre Theile des Mehrwerts der
Waaren annehmen. Die Grösse des Mehrwerths ist die Schranke
[368] der Grössensumme der Theile, worin er zerfallen kann. Durch-
schnittsprofit plus Rente sind daher gleich dem Mehrwerth. Es
ist möglich, dass ein Theil der in den Waaren enthaltnen Mehr-
arbeit, und daher des Mehrwerths, nicht direkt in die Ausgleichung
zum Durchschnittsprofit eingeht; sodass ein Theil des Waarenwerths
überhaupt nicht in ihrem Preise ausgedrückt wird. Allein erstens
kompensirt sich dies dadurch, dass entweder die Profitrate wächst,
wenn die unter ihrem Werth verkaufte Waare ein Element des
konstanten Kapitals bildet, oder dass Profit und Rente sich in einem
grössern Produkt darstellen, wenn die unter ihrem Werth verkaufte
Waare als Artikel der individuellen Konsumtion in den als Revenue
verzehrten Theil des Werths eingeht. Zweitens aber hebt sich
dies in der Durchschnittsbewegung auf. Jedenfalls, selbst wenn ein
nicht im Preis der Waare ausgedrückter Theil des Mehrwerths für
die Preisbildung verloren geht, kann die Summe von Durchschnitts-
profit plus Rente in ihrer normalen Form nie grösser, obwohl
kleiner als der Gesammtmehrwerth sein. Ihre normale Form setzt
einen, dem Werth der Arbeitskraft entsprechenden Arbeitslohn
voraus. Selbst die Monopolrente, soweit sie nicht Abzug vom
Arbeitslohn ist, also keine besondre Kategorie bildet, muss indirekt
immer einen Theil des Mehrwerths bilden; wenn nicht Theil des
Preisüberschusses über die Produktionskosten der Waare selbst,
von der sie einen Bestandtheil bildet, wie bei der Differentialrente,
oder überschüssigen Theil des Mehrwerths der Waare selbst, von
der sie einen Bestandtheil bildet, über den durch den Durchschnitts-
profit gemessnen Theil ihres eignen Mehrwerths (wie bei der ab-
soluten Rente), so doch des Mehrwerths andrer Waaren, d. h. der
Waaren, die gegen diese Waare, die einen Monopolpreis hat, aus-
getauscht werden. — Die Summe von Durchschnittsprofit plus
Grundrente kann nie grösser sein als die Grösse, deren Theile sie
sind, und die vor dieser Theilung schon gegeben ist. Ob der ganze
Mehrwerth der Waaren, d. h. alle in den Waaren enthaltne Mehr-
arbeit, in ihrem Preise realisirt wird oder nicht, ist daher für unsre
Betrachtung gleichgültig. Die Mehrarbeit wird schon desswegen
nicht ganz realisirt, weil bei dem beständigen Grössenwechsel der
zur Produktion einer gegebnen Waare gesellschaftlich nothwendigen
Arbeit, der aus dem beständigen Wechsel in der Produktivkraft der
Arbeit entspringt, ein Theil der Waaren stets unter anormalen Be-
dingungen producirt, und daher unter ihrem individuellen Werth
verkauft werden muss. Jedenfalls sind Profit plus Rente gleich
dem ganzen realisirten Mehrwerth (Mehrarbeit) und für die Betrach-
[369] tung, um die es sich hier handelt, kann der realisirte Mehrwerth
gleichgesetzt werden mit allem Mehrwerth; denn Profit und Rente
sind realisirter Mehrwerth, also überhaupt der Mehrwerth, der in
die Preise der Waaren eingeht, also praktisch genommen aller Mehr-
werth, der einen Bestandtheil dieses Preises bildet.
Andrerseits der Arbeitslohn, der die dritte eigenthümliche Form
der Revenue bildet, ist stets gleich dem variablen Bestandtheil des
Kapitals, d. h. dem Bestandtheil, der nicht in Arbeitsmitteln, son-
dern im Ankauf der lebendigen Arbeitskraft, in Zahlung von Arbeitern
ausgelegt ist. (Die Arbeit, die in der Verausgabung von Revenue
bezahlt wird, wird selbst gezahlt durch Arbeitslohn, Profit oder
Rente, und bildet daher keinen Werththeil der Waaren, womit sie
gezahlt wird. Sie kommt also nicht in Betracht in der Analyse
des Waarenwerths und der Bestandtheile, worin dieser zerfällt.)
Es ist die Vergegenständlichung des Theils des Gesammtarbeits-
tags der Arbeiter, worin der Werth des variablen Kapitals, und
daher der Preis der Arbeit reproducirt wird; der Theil des Waaren-
werths, worin der Arbeiter den Werth seiner eignen Arbeitskraft
oder den Preis seiner Arbeit reproducirt. Der Gesammtarbeitstag
des Arbeiters zerfällt in zwei Theile. Einen Theil, worin er das
Quantum Arbeit verrichtet, nothwendig um den Werth seiner eignen
Lebensmittel zu reproduciren: der bezahlte Theil seiner Gesammt-
arbeit, der für seine eigne Erhaltung und Reproduktion nothwendige
Theil seiner Arbeit. Der ganze übrige Theil des Arbeitstags, das
ganze überschüssige Arbeitsquantum, das er über die im Werth
seines Arbeitslohns realisirte Arbeit hinaus verrichtet, ist Mehrarbeit,
unbezahlte Arbeit, die sich im Mehrwerth seiner gesammten Waaren-
produktion darstellt (und daher in einem überschüssigen Quantum
Waare), Mehrwerth, welcher seinerseits in verschieden benannte Theile
zerfällt, in Profit (Unternehmergewinn plus Zins) und Rente.
Der gesammte Werththeil der Waaren also, worin sich die
während eines Tages oder eines Jahres zugesetzte Gesammtarbeit der
Arbeiter realisirt, der Gesammtwerth des jährlichen Produkts, den
diese Arbeit schafft, zerfällt in den Werth des Arbeitslohns, den
Profit und die Rente. Denn diese Gesammtarbeit zerfällt in noth-
wendige Arbeit, wodurch der Arbeiter den Werththeil des Produkts
schafft, womit er selbst bezahlt wird, also den Arbeitslohn, und in
unbezahlte Mehrarbeit, wodurch er den Werththeil des Produkts
schafft, der den Mehrwerth darstellt, und der später in Profit und
Rente auseinandergeht. Ausser dieser Arbeit verrichtet der Arbeiter
keine Arbeit, und ausser dem Gesammtwerth des Produkts, der die
Marx, Kapital III. 2. 24
[370] Formen von Arbeitslohn, Profit, Rente annimmt, schafft er keinen
Werth. Der Werth des jährlichen Produkts, worin sich seine
während des Jahres neu zugesetzte Arbeit darstellt, ist gleich dem
Arbeitslohn oder dem Werth des variablen Kapitals plus dem Mehr-
werth, der wieder in die Formen von Profit und Rente zerfällt wird.
Der gesammte Werththeil des jährlichen Produkts also, den der
Arbeiter im Laufe des Jahres schafft, drückt sich aus in der jähr-
lichen Werthsumme der drei Revenuen, dem Werth von Arbeits-
lohn, Profit und Rente. Offenbar ist daher in dem jährlich ge-
schaffnen Produktenwerth der Werth des konstanten Kapitaltheils
nicht reproducirt, denn der Arbeitslohn ist nur gleich dem Werth
des in der Produktion vorgeschossnen variablen Kapitaltheils, und
Rente und Profit sind nur gleich dem Mehrwerth, dem producirten
Werthüberschuss über den Gesammtwerth des vorgeschossnen Ka-
pitals, welcher gleich dem Werth des konstanten Kapitals plus dem
Werth des variablen Kapitals ist.
Es ist für die hier zu lösende Schwierigkeit vollständig gleich-
gültig, dass ein Theil des in die Form von Profit nnd Rente ver-
wandelten Mehrwerths nicht als Revenue verzehrt wird, sondern
zur Akkumulation dient. Der Theil davon, der als Akkumulations-
fonds aufgespart wird, dient zur Bildung von neuem, zusätzlichem
Kapital, aber nicht zum Ersatz des alten, weder des in Arbeits-
kraft, noch des in Arbeitsmitteln ausgelegten Bestandtheils des
alten Kapitals. Es kann hier also der Einfachheit wegen ange-
nommen werden, die Revenuen gingen ganz in die individuelle
Konsumtion ein. Die Schwierigkeit stellt sich doppelt dar. Einer-
seits: Der Werth des jährlichen Produkts, worin diese Revenuen,
Arbeitslohn, Profit, Rente, verzehrt werden, enthält in sich einen
Werththeil, gleich dem Werththeil des in ihm aufgegangnen kon-
stanten Kapitaltheils. Es enthält diesen Werththeil, ausser dem
Werththeil, der sich in Arbeitslohn, und dem Werththeil, der sich
in Profit und Rente auflöst. Sein Werth ist also = Arbeitslohn
+ Profit + Rente + C, welches seinen konstanten Werththeil vor-
stellt. Wie soll nun der jährlich producirte Werth, der nur =
Arbeitslohn + Profit + Rente, ein Produkt kaufen, dessen Werth
= (Arbeitslohn + Profit + Rente) + C? Wie kann der jährlich pro-
ducirte Werth ein Produkt kaufen, das einen höhern Werth hat
als er selbst?
Andrerseits: Wenn wir von dem Theil des konstanten Kapitals
absehn, der nicht in das Produkt eingegangen ist, und der daher,
obgleich mit vermindertem Werth, fortexistirt nach wie vor der
[371] Jahresproduktion der Waaren; wenn wir also von dem angewandten,
aber nicht verzehrten fixen Kapital, einstweilen abstrahiren, so ist
der konstante Theil des vorgeschossnen Kapitals in Form von Roh-
und Hülfsstoffen ganz in das neue Produkt aufgegangen, während
ein Theil der Arbeitsmittel ganz verbraucht, einer andrer nur zum
Theil vernutzt worden, und so nur ein Theil seines Werths in der
Produktion verzehrt worden ist. Dieser ganze in der Produktion
aufgebrauchte Theil des konstanten Kapitals muss in natura ersetzt
werden. Alle andren Umstände, namentlich die Produktivkraft der
Arbeit, als unverändert vorausgesetzt, kostet er dasselbe Arbeits-
quantum wie vorher zu seinem Ersatz, d. h. er muss durch ein
Werthäquivalent ersetzt werden. Wo nicht, kann die Reproduktion
selbst nicht auf der alten Stufenleiter stattfinden. Aber wer soll
diese Arbeiten verrichten und wer verrichtet sie?
Bei der ersten Schwierigkeit: Wer soll den im Produkt ent-
haltnen konstanten Werththeil zahlen und womit? ist unterstellt,
dass der Werth des in der Produktion aufgegangnen konstanten
Kapitals als Werththeil des Produkts wieder erscheint. Dies wider-
spricht nicht den Voraussetzungen der zweiten Schwierigkeit. Denn
es ist schon Buch I, Kap. V (Arbeitsprocess und Verwerthungs-
process) nachgewiesen worden, wie durch blossen Zusatz neuer
Arbeit, obgleich sie den alten Werth nicht reproducirt, sondern
nur Zusatz zu demselben schafft, nur zusätzlichen Werth schafft,
doch gleichzeitig der alte Werth im Produkt erhalten bleibt; dass
dies aber geschieht von der Arbeit, nicht soweit sie werthschaffende,
also Arbeit überhaupt ist, sondern in ihrer Funktion als bestimmte
produktive Arbeit. Es war also keine zusätzliche Arbeit nöthig,
um den Werth des konstanten Theils in dem Produkt, worin die
Revenue, d. h. der ganze während des Jahres geschaffne Werth,
verausgabt wird, fortzuerhalten. Wohl aber ist neue zusätzliche
Arbeit nöthig, um das während des vergangnen Jahrs nach seinem
Werth und Gebrauchswerth aufgezehrte konstante Kapital zu er-
setzen, ohne welchen Ersatz die Reproduktion überhaupt unmög-
lich ist.
Alle neu zugesetzte Arbeit ist dargestellt in dem während des
Jahrs neu geschaffnen Werth, der wiederum ganz aufgeht in die
drei Revenuen: Arbeitslohn, Profit und Rente. — Einerseits bleibt
also keine überschüssige gesellschaftliche Arbeit übrig für den Er-
satz des verzehrten konstanten Kapitals, das theilweise in natura
[und] seinem Werth nach, theilweise bloss seinem Werth nach (für
blossen Verschleiss des fixen Kapitals) wiederherzustellen ist
24*
[372] Andrerseits scheint der jährlich von der Arbeit geschaffne und in
die Formen von Arbeitslohn, Profit und Rente zerfallende und in
ihnen zu verausgabende Werth nicht hinreichend, um den kon-
stanten Kapitaltheil, der ausser ihrem eignen Werth im Jahres-
produkt stecken muss, zu bezahlen oder zu kaufen.
Man sieht: das hier gestellte Problem ist bereits gelöst bei der
Betrachtung der Reproduktion des gesellschaftlichen Gesammtkapitals,
Buch II, Abschn. III. Wir kommen hier darauf zurück, zunächst
weil dort der Mehrwerth noch nicht in seinen Revenueformen:
Profit (Unternehmergewinn plus Zins) und Rente, entwickelt war,
und daher auch nicht in diesen Formen behandelt werden konnte;
dann aber auch weil sich grade an die Form von Arbeitslohn,
Profit und Rente ein unglaublicher Verstoss in der Analyse an-
schliesst, der die ganze politische Oekonomie seit A. Smith durchzieht.
Wir haben dort alles Kapital in zwei grosse Klassen getheilt:
Klasse I, welche Produktionsmittel, und Klasse II, welche Mittel der indi-
viduellen Konsumtion producirt. Der Umstand, dass gewisse Produkte
ebensowohl zum persönlichen Genuss wie als Produktionsmittel dienen
können (ein Pferd, Korn u. s. w.), hebt die absolute Richtigkeit dieser
Eintheilung in keiner Weise auf. Sie ist in der That keine Hypothese,
sondern nur Ausdruck einer Thatsache. Man nehme das jährliche
Produkt eines Landes. Ein Theil des Produkts, welches immer
seine Fähigkeit als Produktionsmittel zu dienen, geht in die indi-
viduelle Konsumtion ein. Es ist das Produkt, worin Arbeitslohn,
Profit und Rente verausgabt werden. Dies Produkt ist das Pro-
dukt einer bestimmten Abtheilung des gesellschaftlichen Kapitals.
Es ist möglich, dass dies selbe Kapital auch der Klasse I angehörige
Produkte producirt. Soweit es dies thut, ist es nicht der im Pro-
dukt der Klasse II, in wirklich der individuellen Konsumtion an-
heimfallendem Produkt, aufgezehrte Theil dieses Kapitals, welcher
die der Klasse I zufallenden, produktiv konsumirten Produkte liefert.
Dies ganze Produkt II, welches in die individuelle Konsumtion ein-
geht, und worin sich daher die Revenue verausgabt, ist das Dasein
des in ihm verzehrten Kapitals plus dem producirten Ueberschuss.
Es ist also Produkt eines in der blossen Produktion von Konsum-
tionsmitteln angelegten Kapitals. Und in derselben Art ist Ab-
theilung I des jährlichen Produkts, die als Reproduktionsmittel
dient, Rohmaterial und Arbeitsinstrumente, welche Fähigkeit dies
Produkt sonst naturaliter haben möge als Konsumtionsmittel zu
dienen, Produkt eines in der blossen Produktion von Produktions-
[373] mitteln angelegten Kapitals. Der bei weitem grösste Theil der
Produkte, die das konstante Kapital bilden, besteht auch stofflich
in einer Form, worin er nicht in die individuelle Konsumtion ein-
gehn kann. Soweit er es könnte, wie z. B. ein Bauer sein Saat-
korn essen, sein Zugvieh schlachten könnte, leistet die ökonomische
Schranke für ihn ganz dasselbe, als ob dieser Theil in einer nicht
konsumablen Form bestände.
Wie schon gesagt, abstrahiren wir bei beiden Klassen von dem
fixen Theil des konstanten Kapitals, der in natura und dem Werth
nach fortexistirt, unabhängig von dem Jahresprodukt beider Klassen.
In der Klasse II, in deren Produkten Arbeitslohn, Profit und
Rente verausgabt, kurz die Revenuen verzehrt werden, besteht das
Produkt, seinem Werth nach, selbst aus drei Bestandtheilen. Ein
Bestandtheil ist gleich dem Werth des in der Produktion aufge-
zehrten konstanten Kapitaltheils; ein zweiter Bestandtheil ist gleich
dem Werth des in der Produktion vorgeschossnen variablen, in
Arbeitslohn ausgelegten Kapitaltheils; endlich ein dritter Bestand-
theil ist gleich dem producirten Mehrwerth, also = Profit + Rente.
Der erste Bestandtheil des Produkts von Klasse II, der Werth des
konstanten Kapitaltheils, kann weder von den Kapitalisten noch
von den Arbeitern der Klasse II, noch von den Grundeigenthümern
verzehrt werden. Er bildet keinen Theil ihrer Revenue, sondern
muss in natura ersetzt werden, und muss verkauft werden, damit
dies geschehn kann. Dagegen die zwei andern Bestandtheile dieses
Produkts sind gleich dem Werth der in dieser Klasse erzeugten
Revenuen, = Arbeitslohn + Profit + Rente.
In Klasse I besteht das Produkt der Form nach aus denselben
Bestandtheilen. Der Theil aber, der hier Revenue bildet, Arbeits-
lohn + Profit + Rente, kurz der variable Kapitaltheil + dem Mehr-
werth, wird hier nicht in der Naturalform der Produkte dieser
Klasse I verzehrt, sondern in den Produkten der Klasse II. Der
Werth der Revenuen der Klasse I muss also verzehrt werden in
dem Theil des Produkts von Klasse II, der das zu ersetzende kon-
stante Kapital von II bildet. Der Theil des Produkts der Klasse II,
der ihr konstantes Kapital ersetzen muss, wird in seiner Natural-
form verzehrt von den Arbeitern, den Kapitalisten und den Grund-
eigenthümern von Klasse I. Sie legen ihre Revenuen in diesem
Produkt II aus. Andrerseits wird das Produkt von I in seiner
Naturalform, soweit es Revenue der Klasse I repräsentirt, produktiv
konsumirt von Klasse II, deren konstantes Kapital es in natura
ersetzt. Endlich der verbrauchte konstante Kapitaltheil der Klasse I
[374] wird aus den eignen Produkten dieser Klasse, welche eben aus
Arbeitsmitteln, Roh- und Hülfsstoffen etc. bestehn, ersetzt, theils
durch Austausch der Kapitalisten I unter einander, theils dadurch
dass ein Theil dieser Kapitalisten sein eignes Produkt direkt wieder
als Produktionsmittel anwenden kann.
Nehmen wir das frühere Schema (Buch II, Kap. XX, II) ein-
facher Reproduktion:
- I. 4000c + 1000v + 1000m = 6000
- II. 2000c + 500v + 500m = 3000
= 9000
Hiernach wird in II von den Producenten und Grundeigenthümern
500v + 500m = 1000 als Revenue verzehrt; bleibt 2000c zu er-
setzen. Dies wird verzehrt von den Arbeitern, Kapitalisten und
Rentenbeziehern von I, deren Einnahme = 1000v + 1000m = 2000.
Das verzehrte Produkt von II wird als Revenue von I verzehrt,
und der im unverzehrbaren Produkt dargestellte Revenuetheil von
I wird als konstantes Kapital von II konsumirt. Es bleibt also
Rechenschaft abzulegen über die 4000c bei I. Dies wird aus dem
eignen Produkt von I = 6000, oder vielmehr = 6000 — 2000 ersetzt;
denn diese 2000 sind bereits umgesetzt in konstantes Kapital für II.
Es ist zu bemerken, dass die Zahlen allerdings willkürlich ange-
nommen sind, also auch das Verhältniss zwischen dem Werth
der Revenue von I und dem Werth des konstanten Kapitals von II
willkürlich scheint. Es ist jedoch einleuchtend, dass soweit der
Reproduktionsprocess normal und unter sonst gleichbleibenden Um-
ständen, also abgesehn von der Akkumulation vor sich geht, die
Werthsumme von Arbeitslohn, Profit und Rente in Klasse I gleich
dem Werth des konstanten Kapitaltheils von Klasse II sein muss.
Sonst kann entweder Klasse II ihr konstantes Kapital nicht er-
setzen, oder Klasse I ihre Revenue aus der unverzehrbaren nicht
in die verzehrbare Form umsetzen.
Der Werth des jährlichen Waarenprodukts, ganz wie der Werth
des Waarenprodukts einer besondren Kapitalanlage, und wie der
Werth jeder einzelnen Waare, löst sich also auf in zwei Werth-
bestandtheile: den einen A, der den Werth des vorgeschossnen
konstanten Kapitals ersetzt, und einen andern B, der sich in der
Form von Revenue, als Arbeitslohn, Profit und Rente darstellt.
Der letztre Werthbestandtheil B bildet insofern einen Gegensatz
gegen den erstern A, als dieser, bei sonst gleichen Umständen,
1) nie die Form der Revenue annimmt, 2) stets in der Form von
Kapital, und zwar von konstantem Kapital zurückfliesst. Der andre
Bestandtheil B ist jedoch auch wieder in sich selbst entgegengesetzt.
[375] Profit und Rente haben das mit dem Arbeitslohn gemein, dass sie
alle dreie Revenueformen bilden. Trotzdem sind sie wesentlich da-
durch unterschieden, dass sich in Profit und Rente Mehrwerth, also
unbezahlte Arbeit darstellt, und im Arbeitslohn bezahlte. Der
Werththeil des Produkts, der verausgabten Arbeitslohn darstellt,
also den Arbeitslohn ersetzt, und unter unsern Voraussetzungen,
wo die Reproduktion auf derselben Stufenleiter und unter denselben
Bedingungen sich vollzieht, sich wieder in Arbeitslohn rückver-
wandelt, fliesst zurück zunächst als variables Kapital, als ein Be-
standtheil des, der Reproduktion von neuem vorzuschiessenden Ka-
pitals. Dieser Bestandtheil fungirt doppelt. Er existirt erst in
der Form von Kapital und tauscht sich als solches gegen die Arbeits-
kraft aus. In der Hand des Arbeiters verwandelt er sich in die
Revenue, die dieser aus dem Verkauf seiner Arbeitskraft zieht, wird
als Revenue in Lebensmittel umgesetzt und verzehrt. Bei der Ver-
mittlung durch die Geldcirkulation zeigt sich dieser doppelte Process.
Das variable Kapital wird in Geld vorgeschossen, in Arbeitslohn
weggezahlt. Dies ist seine erste Funktion als Kapital. Es wird
umgesetzt gegen die Arbeitskraft und verwandelt in die Aeusserung
dieser Arbeitskraft, in Arbeit. Dies ist der Process für den Kapi-
talisten. Zweitens aber: mit diesem Geld kaufen die Arbeiter einen
Theil ihres Waarenprodukts, der durch dies Geld gemessen ist, und
von ihnen als Revenue verzehrt wird. Denken wir uns die Geld-
cirkulation weg, so ist ein Theil des Produkts des Arbeiters in
der Hand des Kapitalisten in der Form von vorhandnem Kapital.
Diesen Theil schiesst er vor als Kapital, gibt ihn an den Arbeiter für
neue Arbeitskraft, während der Arbeiter ihn direkt oder vermittelst
Austausches gegen andre Waaren als Revenue verzehrt. Der Werth-
theil des Produkts also, der bei der Reproduktion bestimmt ist, sich in
Arbeitslohn, in Revenue für die Arbeiter zu verwandeln, fliesst zunächst
zurück in die Hand des Kapitalisten in der Form von Kapital, näher
von variablem Kapital. Dass er in dieser Form zurückfliesst, ist
eine wesentliche Bedingung dafür, dass die Arbeit als Lohn-
arbeit, die Produktionsmittel als Kapital, und der Produktionspro-
cess selbst als kapitalistischer sich stets neu reproducirt.
Will man sich nicht in nutzlose Schwierigkeiten verwickeln, so
muss man Rohertrag und Reinertrag von Roheinkommen und Rein-
einkommen unterscheiden.
Der Rohertrag oder das Rohprodukt ist das ganze reproducirte Pro-
dukt. Mit Ausschluss des angewandten, aber nicht konsumirten Theils
des fixen Kapitals, ist der Werth des Rohertrags oder des Brutto-
[376] produkts gleich dem Werth des vorgeschossnen und in der Pro-
duktion verzehrten Kapitals, des konstanten und variablen, plus
dem Mehrwerth, der sich in Profit und Rente auflöst. Oder wenn
man nicht das Produkt des einzelnen Kapitals, sondern des gesell-
schaftlichen Gesammtkapitals betrachtet, ist der Rohertrag gleich
den stofflichen Elementen, die das konstante und variable Kapital
bilden, plus den stofflichen Elementen des Mehrprodukts, worin
sich Profit und Rente darstellen.
Das Roheinkommen ist der Werththeil und der durch ihn ge-
messne Theil des Bruttoprodukts oder Rohprodukts, der übrig bleibt
nach Abzug des Werththeils und des durch ihn gemessnen Pro-
duktentheils der Gesammtproduktion, welcher das vorgeschossne
und in der Produktion aufgezehrte konstante Kapital ersetzt. Das
Roheinkommen ist also gleich dem Arbeitslohn (oder dem Theil
des Produkts, der die Bestimmung hat, wieder zum Einkommen des
Arbeiters zu werden) + dem Profit + der Rente. Das Reineinkommen
dagegen ist der Mehrwerth, und daher das Mehrprodukt, das nach
Abzug des Arbeitslohns übrig bleibt, und in der That also den vom
Kapital realisirten und mit den Grundeigenthümern zu theilenden
Mehrwerth, und das durch ihn gemessne Mehrprodukt darstellen.
Man hat nun gesehn, dass der Werth jeder einzelnen Waare,
und der Werth des ganzen Waarenprodukts jedes einzelnen Kapi-
tals in zwei Theile zerfällt; den einen, der bloss konstantes Kapital
ersetzt, und einen andern der, obgleich ein Bruchtheil davon als
variables Kapital rückfliesst, also auch in der Form von Kapital
rückfliesst, doch die Bestimmung hat, sich ganz in Roheinkommen
zu verwandeln, und die Form des Arbeitslohns, des Profits und der
Rente anzunehmen, deren Summe das Roheinkommen ausmacht. Man
hat ferner gesehn, dass dasselbe mit Bezug auf den Werth des jähr-
lichen Gesammtprodukts einer Gesellschaft der Fall ist. Ein Unter-
schied zwischen dem Produkt des einzelnen Kapitalisten und der
Gesellschaft findet nur insofern statt: vom Standpunkt des einzelnen
Kapitalisten betrachtet, unterscheidet sich das Reineinkommen vom
Roheinkommen, denn dieses schliesst den Arbeitslohn ein, jenes
schliesst ihn aus. Das Einkommen der ganzen Gesellschaft be-
trachtet, besteht das Nationaleinkommen aus Arbeitslohn plus Profit
plus Rente, also aus dem Roheinkommen. Indess ist auch dies
insofern Abstraktion, als die ganze Gesellschaft, auf Grundlage der
kapitalistischen Produktion, sich auf den kapitalistischen Stand-
punkt stellt und daher nur das in Profit und Rente sich auflösende
Einkommen als Reineinkommen betrachtet.
[377]
Dagegen die Phantasie, wie z. B. bei Herrn Say, dass der ganze
Ertrag, das gesammte Rohprodukt, für eine Nation sich in Rein-
ertrag auflöst oder nicht davon unterscheidet, dass also dieser Unter-
schied vom nationalen Standpunkt aufhört, ist nur der nothwen-
dige und letzte Ausdruck des seit A. Smith die ganze politische
Oekonomie durchziehenden absurden Dogmas, dass der Werth der
Waaren sich in letzter Instanz ganz zersetzt in Einkommen, in
Arbeitslohn, Profit und Rente.51)
Einzusehn, im Fall jedes einzelnen Kapitalisten, dass ein Theil
seines Produkts sich in Kapital rückverwandeln muss (auch ab-
gesehn von der Erweiterung der Reproduktion oder der Akku-
mulation) und zwar nicht nur in variables Kapital, das sich selbst
wieder in Einkommen für die Arbeiter, also in eine Revenueform
zu verwandeln bestimmt ist, sondern in konstantes Kapital, das sich
nie in Einkommen verwandeln kann — diese Einsicht ist natürlich
ausserordentlich wohlfeil. Die einfachste Wahrnehmung des Pro-
duktionsprocesses zeigt dies augenscheinlich. Die Schwierigkeit be-
ginnt erst, sobald der Produktionsprocess im ganzen und grossen
betrachtet wird. Der Umstand, dass der Werth des ganzen Pro-
dukttheils, der als Revenue, in der Form von Arbeitslohn, Profit
und Rente verzehrt wird (wobei es ganz gleichgültig, ob indivi-
duell oder produktiv verzehrt), in der That in der Analyse ganz
aufgeht in die Werthsumme, gebildet aus Arbeitslohn plus Profit
plus Rente, also in den Gesammtwerth der drei Revenuen, obgleich
der Werth dieses Produkttheils ganz ebensogut wie der, der nicht
in die Revenue eingeht, einen Werththeil enthält = C, gleich dem
Werth des in ihnen enthaltenen konstanten Kapitals, also prima
facie unmöglich begrenzt sein kann durch den Werth der Revenue:
auf der einen Seite die praktisch unleugbare Thatsache, auf der
[378] andern Seite der ebenso unleugbare theoretische Widerspruch —
diese Schwierigkeit wird am leichtesten übertölpelt durch den Aus-
spruch, dass der Waarenwerth nur zum Schein, vom Standpunkt
des einzelnen Kapitalisten aus, einen von dem in Revenueform
existirenden Theil unterschiednen weitern Werththeil enthält. Die
Phrase: dass für den einen als Revenue erscheint, was für den
andern Kapital bildet, erspart alles weitere Nachdenken. Wie da-
bei, wenn der Werth des ganzen Produkts in der Form von Re-
venuen verzehrbar ist, das alte Kapital ersetzt werden kann; und
wie der Werth des Produkts jedes einzelnen Kapitals gleich der
Werthsumme der drei Revenuen plus C, dem konstanten Kapital,
sein kann, aber die zusammenaddirte Werthsumme der Produkte
aller Kapitale gleich der Werthsumme der drei Revenuen plus 0,
dies erscheint dabei natürlich als unlösbares Räthsel, und muss
dadurch erklärt werden, dass die Analyse überhaupt unfähig ist,
den einfachen Elementen des Preises auf die Sprünge zu kommen,
sich vielmehr bei dem fehlerhaften Kreislauf und dem Progress
ins Unendliche begnügen muss. Sodass, was als konstantes Kapital
erscheint, in Arbeitslohn, Profit, Rente auflösbar, die Waarenwerthe
aber, worin Arbeitslohn, Profit, Rente sich darstellen, ihrerseits
wieder bestimmt sind durch Arbeitslohn, Profit, Rente, und so fort
ins Unendliche.52)
Das grundfalsche Dogma, dass der Werth der Waaren in letzter
Instanz auflösbar ist in Arbeitslohn + Profit + Rente, drückt sich
auch so aus, dass der Konsument in letzter Instanz den Gesammt-
werth des Gesammtprodukts zahlen muss; oder auch so, dass die
Geldcirkulation zwischen Producenten und Konsumenten in letzter
Instanz gleich sein muss der Geldcirkulation zwischen den Produ-
[379] centen selbst (Tooke); Sätze die alle ebenso falsch sind, wie der
Grundsatz, auf dem sie beruhen.
Die Schwierigkeiten, die zu dieser falschen und prima facie ab-
surden Analyse führen, sind kurz folgende:
1) Dass das Grundverhältniss von konstantem und variablem
Kapital, also auch die Natur des Mehrwerths, und damit die ganze
Basis der kapitalistischen Produktionsweise nicht begriffen ist. Der
Werth jedes Theilprodukts des Kapitals, jeder einzelnen Waare,
schliesst einen Werththeil = konstantes Kapital, einen Werththeil =
variables Kapital (verwandelt in Arbeitslohn für die Arbeiter) und
einen Werththeil = Mehrwerth (später in Profit und Rente ge-
sondert) ein. Wie ist es also möglich, dass der Arbeiter mit seinem
Arbeitslohn, der Kapitalist mit seinem Profit, der Grundeigenthümer
mit seiner Rente Waaren kaufen soll, die jede nicht nur einen dieser
Bestandtheile, sondern alle drei enthalten, und wie ist es möglich,
dass die Werthsumme von Arbeitslohn, Profit, Rente, also der drei Ein-
kommenquellen zusammen, die in den Gesammtkonsum der Empfänger
dieser Einkommen eingehenden Waaren kaufen sollen, Waaren, die
ausser diesen drei Werthbestandtheilen noch einen überschüssigen
Werthbestandtheil, nämlich konstantes Kapital enthalten? Wie sollen
sie mit einem Werth von drei einen Werth von vier kaufen?53)
[380]
Wir haben die Analyse gegeben Buch II, Abschnitt III.
2) Dass die Art und Weise nicht begriffen ist, wie die Arbeit,
indem sie Neuwerth zusetzt, alten Werth in neuer Form erhält,
ohne diesen Werth neu zu produciren.
3) Dass der Zusammenhang des Reproduktionsprocesses nicht
begriffen wird, wie er sich darstellt, nicht vom Standpunkt des
einzelnen Kapitals, sondern von dem des Gesammtkapitals aus be-
trachtet; die Schwierigkeit, wie das Produkt, worin Arbeitslohn
und Mehrwerth, worin also der ganze Werth, den alle während
des Jahres neu zugesetzte Arbeit geschaffen hat, sich realisirt,
seinen konstanten Werththeil ersetzen, und sich noch gleichzeitig
in, bloss durch die Revenuen begrenzten, Werth auflösen kann;
wie ferner das in der Produktion aufgezehrte konstante Kapital
stofflich und dem Werth nach durch neues ersetzt werden kann,
obgleich die Gesammtsumme der neu zugesetzten Arbeit sich nur
in Arbeitslohn und Mehrwerth realisirt, und in der Summe des
Werths beider sich erschöpfend darstellt. Gerade hier ist es, wo
die Hauptschwierigkeit liegt, in der Analyse der Reproduktion und
des Verhältnisses ihrer verschiednen Bestandtheile, sowohl ihrem
stofflichen Charakter, wie ihren Werthverhältnissen nach.
4) Es kommt aber eine fernere Schwierigkeit hinzu, die
sich noch steigert, sobald die verschiednen Bestandtheile des
Mehrwerths in der Form gegen einander selbständiger Revenuen
erscheinen. Nämlich die, dass die festen Bestimmungen von Re-
venue und Kapital sich austauschen und ihre Stelle ändern, sodass
sie nur relative Bestimmungen vom Standpunkt des einzelnen Kapi-
talisten zu sein, beim Ueberblick des gesammten Produktionspro-
cesses aber zu verschwinden scheinen. Z. B. die Revenue der
Arbeiter und Kapitalisten der Klasse I, die konstantes Kapital pro-
ducirt, ersetzt dem Werth und dem Stoff nach das konstante Kapital
der Kapitalistenklasse II, die Konsumtionsmittel producirt. Man
kann sich also an der Schwierigkeit vorbeidrücken mit der Vor-
53)
[381] stellung, dass was für den einen Revenue, für den andren Kapital
sei, und diese Bestimmungen daher nichts zu thun haben mit der
wirklichen Besonderung der Werthbestandtheile der Waare. Ferner:
Waaren, die schliesslich bestimmt sind, die stofflichen Elemente der
Revenue-Verausgabung zu bilden, also Konsumtionsmittel, durch-
laufen während des Jahres verschiedne Stufen, z. B. Wollengarn, Tuch.
Auf der einen Stufe bilden sie Theil des konstanten Kapitals, auf der
andern werden sie individuell konsumirt, gehn also ganz in die Revenue
ein. Man kann sich also mit A. Smith einbilden, dass das konstante
Kapital nur ein scheinbares Element des Waarenwerths sei, das im
Gesammtzusammenhang verschwindet. So findet ferner Austausch von
variablem Kapital gegen Revenue statt. Der Arbeiter kauft mit seinem
Arbeitslohn den Theil der Waaren, der seine Revenue bildet. Damit
ersetzt er zugleich dem Kapitalisten die Geldform des variablen Kapi-
tals. Endlich: ein Theil der Produkte, die konstantes Kapital bilden,
wird in natura oder durch Austausch von den Producenten des
konstanten Kapitals selbst ersetzt; ein Process, mit dem die Kon-
sumenten nichts zu thun haben. Indem man dies übersieht, ent-
steht der Schein, dass die Revenue der Konsumenten das ganze
Produkt, also auch den konstanten Werththeil ersetzt.
5) Abgesehn von der Konfusion, die die Verwandlung der Werthe
in Produktionspreise hervorbringt, entsteht eine weitere durch die
Verwandlung des Mehrwerths in verschiedne besondre, gegen einander
selbständige und auf die verschiednen Produktionselemente bezogne
Formen von Revenue, in Profit und Rente. Es wird vergessen,
dass die Werthe der Waaren die Grundlage sind, und dass das
Zerfallen dieses Waarenwerths in besondre Bestandtheile, und die
Fortentwicklung dieser Werthbestandtheile zu Revenueformen, ihre
Verwandlung in Verhältnisse der verschiednen Besitzer der verschiednen
Produktionsagentien zu diesen einzelnen Werthbestandtheilen, ihre
Vertheilung unter diese Besitzer nach bestimmten Kategorien und
Titeln, an der Werthbestimmung und ihrem Gesetz selbst durch-
aus nichts ändert. Ebensowenig wird das Werthgesetz geändert
durch den Umstand, dass die Ausgleichung des Profits, d. h. die
Vertheilung des Gesammtmehrwerths unter die verschiednen Kapi-
tale, und die Hindernisse, die zum Theil (in der absoluten Rente)
das Grundeigenthum dieser Ausgleichung in den Weg legt, die
regulirenden Durchschnittspreise der Waaren von ihren individuellen
Werthen abweichend bestimmen. Dies afficirt wieder nur den Zu-
schlag des Mehrwerths auf die verschiednen Waarenpreise, hebt
[382] aber den Mehrwerth selbst, und den Gesammtwerth der Waaren
als Quelle dieser verschiednen Preisbestandtheile, nicht auf.
Es ist dies das quid pro quo, das wir im folgenden Kapitel be-
trachten, und das nothwendig zusammenhängt mit dem Schein. als
entspringe der Werth aus seinen eignen Bestandtheilen. Zuerst
nämlich erhalten die verschiednen Werthbestandtheile der Waare
in den Revenuen selbständige Formen, und werden als solche Reve-
nuen, statt auf den Werth der Waare als ihre Quelle, auf die be-
sondren stofflichen Produktionselemente als ihre Quellen bezogen.
Sie sind darauf wirklich bezogen, aber nicht als Werthbestandtheile,
sondern als Revenuen, als diesen bestimmten Kategorien der Produk-
tionsagenten, dem Arbeiter, dem Kapitalisten, dem Grundeigenthümer
zufallende Werthbestandtheile. Man kann sich nun jedoch einbilden,
dass diese Werthbestandtheile, statt aus der Zersetzung des Waaren-
werths zu entspringen, ihn umgekehrt durch ihr Zusammentreten
erst bilden, wo dann der schöne fehlerhafte Kreislauf herauskommt,
dass der Werth der Waaren entspringt aus der Werthsumme von
Arbeitslohn, Profit, Rente, und der Werth von Arbeitslohn, Profit,
Rente seinerseits wieder durch den Werth der Waaren bestimmt
ist u. s. w.54)
[383]
Den normalen Zustand der Reproduktion betrachtet, wird nur
ein Theil der neu zugesetzten Arbeit auf Produktion und daher
Ersatz von konstantem Kapital verwandt; nämlich gerade der Theil,
der das in der Produktion von Konsumtionsmitteln, von stoff-
lichen Elementen der Revenue aufgebrauchte konstante Kapital
ersetzt. Es wird dies dadurch ausgeglichen, dass dieser konstante
Theil der Klasse II keine zusätzliche Arbeit kostet. Nun aber ist
das konstante Kapital, das (den gesammten Reproduktionsprocess
betrachtet, worin also jene Ausgleichung von Klasse I und II ein-
begriffen) kein Produkt der neu zugesetzten Arbeit ist, obgleich
dies Produkt ohne es nicht herzustellen wäre, — dies konstante
Kapital ist während des Reproduktionsprocesses, stofflich betrachtet,
Zufällen und Gefahren ausgesetzt die es decimiren können.
(Ferner aber kann es, auch dem Werth nach betrachtet, in Folge
einer Aenderung in der Produktivkraft der Arbeit entwerthet werden;
dies bezieht sich jedoch nur auf den einzelnen Kapitalisten.) Dem-
gemäss dient ein Theil des Profits, also des Mehrwerths und daher
auch des Mehrprodukts, worin sich (dem Werth nach betrachtet)
nur neu zugesetzte Arbeit darstellt, als Assekuranzfonds. Wobei
es an der Natur der Sache nichts ändert, ob dieser Assekuranzfonds
durch Assekuranzgesellschaften als ein separates Geschäft verwaltet
wird oder nicht. Dies ist der einzige Theil der Revenue, der weder
als solche verzehrt wird, noch auch nothwendig als Akkumulations-
fonds dient. Ob er faktisch als solcher dient, oder nur den Aus-
fall der Reproduktion deckt, hängt vom Zufall ab. Es ist dies
auch der einzige Theil des Mehrwerths und Mehrprodukts, also der
Mehrarbeit der ausser dem Theil, der zur Akkumulation, also zur
Erweiterung des Reproduktionsprocesses dient, auch nach Auf-
hebung der kapitalistischen Produktionsweise fortexistiren müsste.
Dies setzt natürlich voraus, dass der von den unmittelbaren Pro-
ducenten regelmäßig verzehrte Theil nicht auf sein jetziges Mini-
malmaß beschränkt bliebe. Ausser der Mehrarbeit für die, die
Alters wegen noch nicht oder nicht mehr sich an der Produktion
betheiligen können, fiele alle Arbeit fort, zum Unterhalt von solchen,
54)
[384] die nicht arbeiten. Denkt man sich an den Anfang der Gesell-
schaft, so existiren noch keine producirten Produktionsmittel, also
kein konstantes Kapital, dessen Werth in das Produkt eingeht,
und das bei Reproduktion auf derselben Stufenleiter in natura aus
dem Produkt, in einem durch seinen Werth bestimmten Maß, er-
setzt werden muss. Aber die Natur gibt hier unmittelbar die
Lebensmittel, die nicht erst producirt zu werden brauchen. Sie
gibt daher auch dem Wilden, der nur wenige Bedürfnisse zu be-
friedigen hat, die Zeit, nicht die noch nicht vorhandnen Produk-
tionsmittel zur Neuproduktion zu benutzen, sondern neben der
Arbeit, die die Aneignung der von Natur vorhandnen Lebensmittel
kostet, andre Naturprodukte in Produktionsmittel, Bogen, Stein-
messer, Boot etc. zu verwandeln. Dieser Process bei dem Wilden
entspricht, bloss nach der stofflichen Seite betrachtet, ganz der
Rückverwandlung von Mehrarbeit in neues Kapital. In dem Akku-
mulationsprocess findet noch fortwährend die Verwandlung solches
Produkts überschüssiger Arbeit in Kapital statt; und der Umstand,
dass alles neue Kapital aus Profit, Rente oder andren Formen der
Revenue, d. h. der Mehrarbeit entspringt, führt zur falschen Vor-
stellung, dass aller Werth der Waaren aus einer Revenue ent-
springt. Diese Rückverwandlung des Profits in Kapital zeigt viel-
mehr bei näherer Analyse umgekehrt, dass die zusätzliche Arbeit
— die sich stets in Form von Revenue darstellt — nicht zur Er-
haltung, resp. Reproduktion des alten Kapitalwerths dient, sondern
soweit sie nicht als Revenue verzehrt wird, zur Schöpfung von
neuem überschüssigem Kapital.
Die ganze Schwierigkeit entspringt daraus, dass alle neu zuge-
setzte Arbeit, soweit der von ihr geschaffne Werth sich nicht in
Arbeitslohn auflöst, als Profit — hier als Form des Mehrwerths
überhaupt gefasst — erscheint, d. h. als ein Werth, der dem Kapi-
talisten nichts gekostet, also ihm sicher auch nichts vorgeschossnes,
kein Kapital, zu ersetzen hat. Dieser Werth existirt daher in der
Form des disponiblen, zusätzlichen Reichthums, kurz vom Stand-
punkte des individuellen Kapitalisten aus, in der Form seiner Re-
venue. Aber dieser neugeschaffne Werth kann ebensogut produktiv
wie individuell konsumirt werden, ebensogut als Kapital wie als
Revenue. Er muss zum Theil schon seiner Naturalform nach pro-
duktiv konsumirt werden. Es ist also klar, dass die jährlich zu-
gesetzte Arbeit ebensowohl Kapital schafft wie Revenue; wie sich
dies denn auch im Akkumulationsprocess zeigt. Der für die Neu-
schöpfung von Kapital verwandte Theil der Arbeitskraft (also per
[385] Analogie der Theil des Arbeitstags, den der Wilde verwendet, nicht
um die Nahrung anzueignen, sondern um das Werkzeug anzu-
fertigen, womit er die Nahrung aneignet), wird aber dadurch un-
sichtbar, dass das ganze Produkt der Mehrarbeit sich zunächst in
der Form von Profit darstellt; eine Bestimmung, die in der That
mit diesem Mehrprodukt selbst nichts zu thun hat, sondern sich
nur auf das Privatverhältniss des Kapitalisten zu dem von ihm ein-
kassirten Mehrwerth bezieht. In der That zerfällt der Mehrwerth,
den der Arbeiter schafft, in Revenue und Kapital; d. h. in Kon-
sumtionsmittel und in zusätzliche Produktionsmittel. Aber das
alte, vom Vorjahr übernommene konstante Kapital (abgesehn von
dem Theil, der beschädigt, also pro tanto vernichtet wird, also so-
weit es nicht reproducirt werden muss, und solche Störungen des
Reproduktionsprocesses fallen unter die Assekuranz) wird, seinem
Werth nach betrachtet, nicht reproducirt durch die neu zugesetzte
Arbeit.
Ferner sehn wir, dass ein Theil der neu zugesetzten Arbeit be-
ständig in Reproduktion und Ersatz von aufgezehrtem konstantem
Kapital absorbirt ist, obgleich sich diese neu zugesetzte Arbeit nur
in Revenuen, Arbeitslohn, Profit [und] Rente auflöst. Es wird aber
dabei übersehn, 1) dass ein Werththeil des Produkts dieser Arbeit
kein Produkt dieser neu zugesetzten Arbeit ist, sondern vorge-
fundnes und verbrauchtes konstantes Kapital; dass der Produkten-
theil, worin dieser Werththeil sich darstellt, sich daher auch nicht
in Revenue verwandelt, sondern in natura die Produktionsmittel
dieses konstanten Kapitals ersetzt; 2) dass der Werththeil, worin
sich diese neu zugesetzte Arbeit wirklich darstellt, nicht in natura
als Revenue verzehrt wird, sondern das konstante Kapital in einer
andren Sphäre ersetzt, wo es in eine Naturalform übergeführt
worden, in der es als Revenue verzehrt werden kann, die aber
ihrerseits wieder nicht ausschliessliches Produkt neu zugesetzter
Arbeit ist.
Soweit die Reproduktion auf gleichbleibender Stufenleiter vor
sich geht, muss jedes verbrauchte Element des konstanten Kapi-
tals, wenn nicht dem Quantum und der Form, doch der Wirkungs-
fähigkeit nach, in natura ersetzt werden durch ein neues Exemplar
entsprechender Art. Bleibt die Produktivkraft der Arbeit dieselbe,
so schliesst dieser Naturalersatz den Ersatz desselben Werths ein,
den das konstante Kapital in seiner alten Form hatte. Steigert
sich aber die Produktivkraft der Arbeit, sodass dieselben stofflichen
Elemente mit weniger Arbeit reproducirt werden können, so kann
Marx, Kapital III. 2. 25
[386] ein geringerer Werththeil des Produkts den konstanten Theil völlig
in natura ersetzen. Der Ueberschuss kann dann zur Bildung von
neuem Zusatzkapital dienen, oder es kann einem grössern Theil
des Produkts die Form von Konsumtionsmitteln gegeben, oder die
Mehrarbeit kann vermindert werden. Nimmt dagegen die Produk-
tivkraft der Arbeit ab, so muss ein grössrer Theil des Produkts
in den Ersatz des alten Kapitals eingehn; das Mehrprodukt nimmt ab.
Die Rückverwandlung von Profit, oder überhaupt irgend einer Form
des Mehrwerths, in Kapital zeigt — wenn wir von der geschichtlich
bestimmten ökonomischen Form absehn und sie nur als einfache
Bildung neuer Produktionsmittel betrachten — dass der Zustand
immer noch fortbesteht, worin der Arbeiter ausser der Arbeit zur
Erwerbung unmittelbarer Lebensmittel, Arbeit anwendet um Pro-
duktionsmittel zu produciren. Verwandlung von Profit in Kapital
heisst nichts als Anwendung eines Theils der überschüssigen Arbeit
zur Bildung neuer, zuschüssiger Produktionsmittel. Dass dies in
der Form der Verwandlung von Profit in Kapital geschieht, heisst
nur, dass nicht der Arbeiter, sondern der Kapitalist über die über-
schüssige Arbeit verfügt. Dass diese überschüssige Arbeit erst
durch ein Stadium durchgehn muss, wo sie als Revenue erscheint
(während sie z. B. beim Wilden als direkt auf Produktion von
Produktionsmitteln gerichtete überschüssige Arbeit erscheint) heisst
nur, dass diese Arbeit oder ihr Produkt vom Nichtarbeiter ange-
eignet wird. Was aber in der That in Kapital verwandelt wird,
ist nicht der Profit als solcher. Verwandlung von Mehrwerth in
Kapital heisst nur, dass der Mehrwerth und das Mehrprodukt vom
Kapitalisten nicht als Revenue individuell konsumirt wird. Was
aber wirklich so verwandelt wird, ist Werth, vergegenständlichte
Arbeit, resp. das Produkt worin dieser Werth sich unmittelbar
darstellt, oder wogegen er, nach vorheriger Verwandlung in Geld,
ausgetauscht wird. Auch wenn der Profit in Kapital rückverwandelt
wird, bildet nicht diese bestimmte Form des Mehrwerths, der Profit,
die Quelle des neuen Kapitals. Der Mehrwerth wird dabei nur aus
einer Form in die andre verwandelt. Aber es ist nicht diese Form-
verwandlung, die ihn zu Kapital macht. Es ist die Waare und ihr
Werth, die nun als Kapital fungiren. Aber dass der Werth der
Waare nicht bezahlt ist — und nur dadurch wird er Mehrwerth
— ist für die Vergegenständlichung der Arbeit, den Werth selbst,
durchaus gleichgültig.
Das Missverständniss drückt sich in verschiednen Formen aus.
Z. B. dass die Waaren, aus denen das konstante Kapital besteht,
[387] ebenfalls Elemente von Arbeitslohn, Profit und Rente enthalten.
Oder aber dass, was Revenue für den einen, Kapital für den andern
vorstellt, und dies daher bloss subjektive Beziehungen sind. So
enthält das Garn des Spinners einen Werththeil, der Profit für ihn
vorstellt. Kauft der Weber also das Garn, so realisirt er den
Profit des Spinners, für ihn selbst aber ist dies Garn nur ein Theil
seines konstanten Kapitals.
Ausser dem, schon früher über das Verhältniss von Revenue und
Kapital Entwickelten, ist hier zu bemerken: Was dem Werth nach
betrachtet, als konstituirend mit dem Garn in das Kapital des
Webers eingeht, ist der Werth des Garns. Wie die Theile dieses
Werths sich in Kapital und Revenue, mit andern Worten in be-
zahlte und unbezahlte Arbeit, für den Spinner selbst aufgelöst haben,
ist vollständig gleichgültig für die Werthbestimmung der Waare
selbst (abgesehn von den Modifikationen durch den Durchschnitts-
profit). Es lauert hier immer im Hintergrund, dass der Profit,
überhaupt der Mehrwerth, ein Ueberschuss über den Werth der
Waare ist, der nur durch Zuschlag, wechselseitige Prellerei, Ver-
äusserungsgewinn gemacht wird. Indem der Produktionspreis, oder
auch der Werth der Waare gezahlt wird, werden natürlich auch
die Werthbestandtheile der Waare gezahlt, die sich für ihren Ver-
käufer in Revenueform darstellen. Von Monopolpreisen ist hier
natürlich nicht die Rede.
Zweitens ist es ganz richtig, dass die Waarenbestandtheile, woraus
das konstante Kapital besteht, wie aller andre Waarenwerth auf
Werththeile reducirbar ist, die sich für die Producenten und die
Eigner der Produktionsmittel in Arbeitslohn, Profit und Rente auf-
lösten. Es ist dies nur die kapitalistische Ausdrucksform der That-
sache, dass aller Waarenwerth nur das Maß der in einer Waare
enthaltnen, gesellschaftlich nothwendigen Arbeit ist. Aber es ist
schon im ersten Buch gezeigt worden, dass dies durchaus nicht
hindert, das Waarenprodukt eines jeden Kapitals in separate Theile
zu zerfällen, wovon der eine ausschliesslich den konstanten Kapital-
theil darstellt, der andre den variablen Kapitaltheil, und ein dritter
nur den Mehrwerth.
Storch drückt die Meinung auch vieler andern aus, wenn er
sagt: „Les produits vendables qui constituent le revenu national
doivent être considérés dans l’économie politique de deux manières
différentes: relativement aux individus comme des valeurs; et rela-
tivement à la nation comme des biens; car le revenu d’une nation
ne s’apprécie pas comme celui d’un individu, d’après sa valeur,
25*
[388] mais d’après son utilité ou d’après les besoins auxquels il peut
satisfaire.“ (Consid. sur le revenu national, p. 19.)
Es ist erstens eine falsche Abstraktion, eine Nation, deren Pro-
duktionsweise auf dem Werth beruht, weiter kapitalistisch organisirt
ist, als einen blos für die nationalen Bedürfnisse arbeitenden Ge-
sammtkörper zu betrachten.
Zweitens bleibt, nach Aufhebung der kapitalistischen Produk-
tionsweise, aber mit Beibehaltung gesellschaftlicher Produktion,
die Werthbestimmung vorherrschend in dem Sinn, dass die Rege-
lung der Arbeitszeit und die Vertheilung der gesellschaftlichen
Arbeit unter die verschiednen Produktionsgruppen, endlich die
Buchführung hierüber, wesentlicher denn je wird.
Fünfzigstes Kapitel.
Der Schein der Konkurrenz.
Es ist gezeigt worden, dass der Werth der Waaren, oder der
durch ihren Gesammtwerth regulirte Produktionspreis sich auflöst in:
1) Einen Werththeil, der konstantes Kapital ersetzt, oder die
früher vergangne Arbeit darstellt, die in der Form von Produk-
tionsmitteln bei Herstellung der Waare verbraucht wurde; in einem
Wort, den Werth oder Preis, womit diese Produktionsmittel in den
Produktionsprocess der Waare eingingen. Wir sprechen hier nie
von der einzelnen Waare, sondern vom Waarenkapital, d. h. der
Form, worin sich das Produkt des Kapitals in einem bestimmten
Zeitabschnitt, z. B. jährlich darstellt, und wovon die einzelne Waare
nur ein Element bildet, das übrigens auch, seinem Werth nach,
analog in dieselben Bestandtheile zerfällt.
2) Den Werththeil des variablen Kapitals, der das Einkommen
des Arbeiters misst und sich für diesen in Arbeitslohn verwandelt;
welchen Arbeitslohn also der Arbeiter in diesem variablen Werth-
theil reproducirt hat; kurz den Werththeil, worin sich der bezahlte
Theil der, dem ersten konstanten Theil in der Produktion der
Waare neu zugesetzten Arbeit darstellt.
3) Den Mehrwerth, d. h. den Werththeil des Waarenprodukts,
worin sich die unbezahlte Arbeit oder Mehrarbeit darstellt. Dieser
letzte Werththeil nimmt wieder die selbständigen Formen an, die
zugleich Revenueformen sind: die Formen von Profit des Kapitals
(Zins des Kapitals als solchem, und Unternehmergewinn des Kapi-
tals als fungirendem Kapital) und Grundrente, die dem Eigner des
[389] im Produktionsprocess mitwirkenden Bodens zufällt. Die Bestand-
theile 2) und 3), d. h. der Werthbestandtheil, der stets die Revenue-
formen von Arbeitslohn (dies immer nur, nachdem er vorher die
Form von variablem Kapital durchgemacht), Profit und Rente an-
nimmt, unterscheidet sich von dem konstanten Bestandtheil 1) da-
durch, dass in ihn sich der ganze Werth auflöst, worin sich die,
jenem konstanten Theil, den Produktionsmitteln der Waare neu
zugesetzte Arbeit vergegenständlicht. Sehn wir nun ab vom kon-
stanten Werththeil, so ist es richtig zu sagen, dass der Werth der
Waare, soweit er also neu zugesetzte Arbeit darstellt, sich be-
ständig auflöst in drei Theile, die drei Revenueformen bilden, in
Arbeitslohn, Profit und Rente,55) bei denen die respektiven Werth-
grössen, d. h. die aliquoten Theile, die sie vom Gesammtwerth
bilden, durch verschiedne, eigenthümliche und früher entwickelte
Gesetze bestimmt werden. Aber es wäre falsch, umgekehrt zu
sagen, dass der Werth des Arbeitslohns, die Rate des Profits und
die Rate der Rente selbständige konstituirende Werthelemente bilden,
aus deren Zusammensetzung der Werth der Waare, abgesehn vom
konstanten Bestandtheil, entspringe; in andern Worten, es wäre
falsch zu sagen, dass sie komponirende Bestandtheile des Waaren-
werths oder des Produktionspreises bilden.56)
Man sieht den Unterschied sofort ein.
Gesetzt, der Produktenwerth eines Kapitals von 500 sei = 400c
[390] + 100v + 150m = 650; die 150m seien weiter zerfällt in 75 Profit
+ 75 Rente. Wir wollen ferner, zur Vermeidung unnützer Schwierig-
keiten, annehmen, dies Kapital sei mittlerer Zusammensetzung, so-
dass sein Produktionspreis mit seinem Werth zusammenfällt; ein
Zusammenfallen, das immer stattfindet, wenn das Produkt dieses
Einzelkapitals als Produkt eines seiner Grösse entsprechenden Theils
des Gesammtkapitals betrachtet werden kann.
Hier bildet der Arbeitslohn, gemessen durch das variable Kapital,
20 % vom vorgeschossnen Kapital; der Mehrwerth, auf das Gesammt-
kapital berechnet, 30 %, nämlich 15 % Profit und 15 % Rente.
Der gesammte Werthbestandtheil der Waare, worin sich die neu
zugesetzte Arbeit vergegenständlicht, ist gleich 100v + 150m = 250.
Seine Grösse ist unabhängig von seiner Zerfällung in Arbeitslohn,
Profit und Rente. Wir sehn aus dem Verhältniss dieser Theile zu
einander, dass die Arbeitskraft, die mit 100 in Geld, sage 100 £
bezahlt wurde, ein Arbeitsquantum geliefert hat, das sich in einem
Geldquantum von 250 £ darstellt. Wir sehn daraus, dass der
Arbeiter 1½ mal so viel Mehrarbeit wie Arbeit für sich selbst gethan
hat. War der Arbeitstag = 10 Stunden, so arbeitete er 4 Stunden
für sich und 6 für den Kapitalisten. Die Arbeit der mit 100 £
gezahlten Arbeiter drückt sich daher aus in einem Geldwerth von
250 £. Ausser diesem Werth von 250 £ ist nichts zu theilen
zwischen Arbeiter und Kapitalist, zwischen Kapitalist und Grund-
eigenthümer. Es ist der dem Werth der Produktionsmittel von
400 neu zugesetzte Gesammtwerth. Der so producirte und durch
das Quantum in ihm vergegenständlichter Arbeit bestimmte Waaren-
werth von 250 bildet daher die Grenze für die Dividenden, die
Arbeiter, Kapitalist und Grundeigenthümer, in der Form von Revenue,
von Arbeitslohn, Profit und Rente aus diesem Werth ziehn können.
Gesetzt, ein Kapital von derselben organischen Komposition, d. h.
demselben Verhältniss der angewandten lebendigen Arbeitskraft zu
dem in Bewegung gesetzten konstanten Kapital, sei gezwungen,
für dieselbe Arbeitskraft, die das konstante Kapital von 400 in
Bewegung setzt, 150 £ statt 100 zu zahlen; und gesetzt ferner,
Profit und Rente theilten sich auch in verschiednen Verhältnissen
in den Mehrwerth. Da vorausgesetzt, dass das variable Kapital
von 150 £ dieselbe Arbeitsmasse in Bewegung setzt wie früher
das von 100, wäre der neu producirte Werth nach wie vor = 250,
und der Werth des Gesammtprodukts nach wie vor = 650, aber
wir hätten dann: 400c + 150v + 100m; und diese 100m zerfielen
etwa in 45 Profit plus 55 Rente. Die Proportion, worin sich der
[391] neu producirte Gesammtwerth in Arbeitslohn, Profit und Rente ver-
theilt, wäre sehr verschieden; ebenso wäre die Grösse des vorge-
schossnen Gesammtkapitals verschieden, obgleich es nur dieselbe
Gesammtmasse von Arbeit in Bewegung setzt. Der Arbeitslohn
betrüge 27\frac{3}{11} %, der Profit 8\frac{2}{11} %, die Rente 10 % auf das vor-
geschossne Kapital; der Gesammtmehrwerth also etwas über 18 %
In Folge der Erhöhung des Arbeitslohns wäre der unbezahlte
Theil der Gesammtarbeit verändert und damit der Mehrwerth. Der
Arbeiter hätte bei zehnstündigem Arbeitstag 6 Stunden für sich
und nur 4 Stunden für den Kapitalisten gearbeitet. Auch die Ver-
hältnisse von Profit und Rente wären verschieden, der verminderte
Mehrwerth wäre in verändertem Verhältniss zwischen Kapitalist
und Grundeigenthümer getheilt. Endlich, da der Werth des kon-
stanten Kapitals unverändert geblieben, und der Werth des vor-
geschossnen variablen Kapitals gestiegen, drückte sich der vermin-
derte Mehrwerth in einer noch mehr verminderten Bruttoprofitrate
aus, worunter wir hier das Verhältniss des Gesammtmehrwerths zum
ganzen vorgeschossnen Kapital verstehn.
Der Wechsel im Werth des Arbeitslohns, in der Rate des Profits,
in der Rate der Rente könnte sich, welches auch immer die Wir-
kung der Gesetze wäre, die das Verhältniss dieser Theile reguliren,
nur bewegen in den Grenzen, die der neugeschaffne Waarenwerth
von 250 setzt. Eine Ausnahme fände nur statt, wenn die Rente
auf einem Monopolpreis beruhte. Dies würde am Gesetz nichts
ändern, sondern nur die Betrachtung kompliciren. Denn betrachten
wir in diesem Fall bloss das Produkt selbst, so wäre nur die Theilung
des Mehrwerths verschieden; betrachten wir aber seinen relativen
Werth gegenüber andern Waaren, so fände sich nur diese Ver-
schiedenheit, dass ein Theil des Mehrwerths von ihnen auf diese
specifische Waare übertragen wurde.
Rekapituliren wir:
Erstens fällt der Mehrwerth um ein Drittel seines frühern Betrags,
von 150 auf 100. Die Profitrate fällt um etwas mehr als ein
Drittel, von 30 % auf 18 %, weil der verminderte Mehrwerth auf
ein gewachsenes vorgeschossnes Gesammtkapital zu berechnen ist.
Sie fällt aber keineswegs in demselben Verhältniss wie die Rate
des Mehrwerths. Diese fällt von \frac{150}{100} auf \frac{100}{150}, also von 150 % auf
[392] 66⅔ %, während die Profitrate nur fällt von \frac{150}{500} auf \frac{100}{550} oder von
30 % auf 18\frac{2}{11} %. Die Profitrate fällt also im Verhältniss mehr,
als die Masse des Mehrwerths, aber weniger als die Rate des Mehr-
werths. Ferner zeigt sich, dass die Werthe wie die Massen der
Produkte dieselben bleiben, wenn nach wie vor dieselbe Arbeits-
masse angewandt wird, obgleich das vorgeschossne Kapital in Folge
der Vermehrung seines variablen Bestandtheils sich vergrössert hat.
Diese Vergrösserung des vorgeschossnen Kapitals würde sich aller-
dings dem Kapitalisten sehr fühlbar machen, der ein neues Geschäft
begänne. Aber das Ganze der Reproduktion betrachtet, heisst Ver-
mehrung des variablen Kapitals weiter nichts, als dass ein grössrer
Theil des, von der neu zugesetzten Arbeit neu geschaffnen Werths
sich in Arbeitslohn, und daher zunächst in variables Kapital, statt
in Mehrwerth und Mehrprodukt verwandelt. Der Werth des Produkts
bleibt also derselbe, weil er einerseits durch den konstanten Kapital-
werth = 400, andrerseits durch die Zahl 250 beschränkt ist, worin
sich die neu zugesetzte Arbeit darstellt. Beide sind aber unver-
ändert geblieben. Dies Produkt, soweit es selbst wieder in kon-
stantes Kapital einginge, würde nach wie vor in derselben Werth-
grösse gleichviel Masse von Gebrauchswerth darstellen; also dieselbe
Masse von Elementen des konstanten Kapitals behielte denselben
Werth. Anders verhielte sich die Sache, wenn der Arbeitslohn
stiege, nicht weil der Arbeiter einen grössern Theil seiner eignen
Arbeit erhielte, sondern wenn er einen grössern Theil seiner eignen
Arbeit erhielte, weil die Produktivität der Arbeit abgenommen hätte.
In diesem Fall bliebe der Gesammtwerth, worin sich dieselbe Arbeit,
bezahlte plus unbezahlte darstellte, dieselbe; aber die Masse Produkt,
worin sich diese Masse Arbeit darstellte, hätte sich vermindert, also
stiege der Preis jedes aliquoten Theils des Produkts, weil jeder
Theil mehr Arbeit darstellte. Der erhöhte Arbeitslohn von 150
stellte nicht mehr Produkt dar wie früher der von 100; der ver-
ringerte Mehrwerth von 100 stellte nur noch ⅔ des Produkts dar
gegen früher, 66⅔ % der Masse von Gebrauchswerthen, die sich
früher in 100 darstellten. In diesem Fall würde auch das kon-
stante Kapital vertheuert, soweit dies Produkt in es einginge. Dies
wäre aber nicht Folge der Erhöhung des Arbeitslohns, sondern die
Erhöhung des Arbeitslohns wäre Folge der Vertheuerung der Waare,
und Folge der verminderten Produktivität desselben Quantums Arbeit.
Hier entsteht der Schein, als ob die Steigerung des Arbeitslohns
das Produkt vertheuert hätte; sie ist aber hier nicht Ursache, sondern
[393] Folge eines Werthwechsels der Waare in Folge der verminderten
Produktivität der Arbeit.
Wenn dagegen bei sonst gleichen Umständen, wo also dieselbe
angewandte Arbeitsmenge sich nach wie vor in 250 darstellt, der
Werth der von ihr angewandten Produktionsmittel stiege oder fiele,
so würde der Werth derselben Produktenmasse um dieselbe Grösse
steigen oder fallen. 450c + 100v + 150m gibt Produktwerth = 700;
dagegen 350c + 100v + 150m für den Werth derselben Produkten-
masse nur 600, gegen früher 650. Wenn also das vorgeschossne
Kapital wächst oder abnimmt, welches dieselbe Arbeitsmenge in Bewe-
gung setzt, so steigt oder fällt der Werth des Produkts, bei sonst
gleichen Umständen, wenn die Zunahme oder Abnahme des vorge-
schossnen Kapitals von einer Aenderung der Werthgrösse des kon-
stanten Kapitaltheils herrührt. Er bleibt dagegen unverändert, wenn
die Zunahme oder Abnahme des vorgeschossnen Kapitals von verän-
derter Werthgrösse des variablen Kapitaltheils, bei gleichbleibender
Produktivkraft der Arbeit, herrührt. Beim konstanten Kapital ist
Zunahme oder Abnahme seines Werths durch keine entgegen-
gesetzte Bewegung kompensirt. Beim variablen Kapital, gleich-
bleibende Produktivität der Arbeit vorausgesetzt, ist Zunahme oder
Abnahme seines Werths kompensirt durch die umgekehrte Be-
wegung auf Seiten des Mehrwerths, sodass der Werth des variablen
Kapitals plus dem Mehrwerth, also der den Produktionsmitteln
durch die Arbeit neu zugesetzte und im Produkt neu dargestellte
Werth unverändert bleibt.
Ist dagegen Zu- oder Abnahme des Werths des variablen Kapi-
tals oder des Arbeitslohns Folge der Vertheuerung oder Preissenkung
der Waaren, d. h. der Verminderung oder Steigerung der Produk-
tivität der in dieser Kapitalanlage angewandten Arbeit, so wirkt
dies auf den Werth des Produkts. Aber das Steigen oder Fallen
des Arbeitslohns ist hier nicht Ursache, sondern nur Folge.
Wäre dagegen im obigen Beispiel, bei gleichbleibendem kon-
stantem Kapital = 400c, die Veränderung von 100 + 150m auf
150v + 100m, also das Steigen des variablen Kapitals, Folge der
Abnahme der Produktivkraft der Arbeit, nicht in diesem besondren
Zweige, z. B. der Baumwollspinnerei, sondern etwa in der Agri-
kultur, welche die Nahrungsmittel des Arbeiters liefert, also Folge
der Vertheuerung dieser Nahrungsmittel, so bliebe der Werth des
Produkts unverändert. Der Werth von 650 würde sich nach wie
vor in derselben Masse Baumwollgarn darstellen.
Aus dem Entwickelten geht ferner hervor: Wenn die Ver-
[394] minderung in der Auslage von konstantem Kapital durch Oeko-
nomie etc. in Produktionszweigen eintritt, deren Produkte in die
Konsumtion der Arbeiter eingehn, so könnte dies, ebensogut wie
die direkte Vermehrung der Produktivität der angewandten Arbeit
selbst, eine Verminderung des Arbeitslohns, weil Verwohlfeilerung
der Lebensmittel des Arbeiters herbeiführen, und daher Wachsen
des Mehrwerths; sodass die Profitrate hier aus doppelten Gründen
wüchse, nämlich einerseits, weil der Werth des konstanten Kapitals
abnimmt, und andrerseits, weil der Mehrwerth zunimmt. Bei unsrer
Betrachtung der Verwandlung des Mehrwerths in Profit nahmen
wir an, dass der Arbeitslohn nicht fällt, sondern konstant bleibt,
weil wir dort die Schwankungen der Profitrate, unabhängig von
Veränderungen der Mehrwerthsrate, zu untersuchen hatten. Ausser-
dem sind die dort entwickelten Gesetze allgemein, und gelten auch
für Kapitalanlagen, deren Produkte nicht in den Konsum des Ar-
beiters eingehn, bei denen Werthveränderungen des Produkts also
ohne Einfluss auf den Arbeitslohn sind.
Die Besonderung und Auflösung des, den Produktionsmitteln oder
dem konstanten Kapitaltheil jährlich durch die neu zugesetzte Arbeit
neu zugefügten Werths in die verschiednen Revenueformen von
Arbeitslohn, Profit und Rente, ändert also nichts an den Grenzen
des Werths selbst, an der Werthsumme, die sich unter diese ver-
schiednen Kategorien vertheilt; ebensowenig wie ein Wechsel im
Verhältniss dieser einzelnen Theile zu einander ihre Summe, diese
gegebne Werthgrösse verändern kann. Die gegebne Zahl 100
bleibt immer dieselbe, ob sie sich in 50 + 50, oder in 20 + 70 + 10,
oder in 40 + 30 + 30 zerlegt. Der Werththeil des Produkts, der
in diese Revenuen zerfällt, ist bestimmt, ganz wie der konstante
Werththeil des Kapitals, durch den Werth der Waaren, d. h. durch
das Quantum der jedesmal in ihnen vergegenständlichten Arbeit.
Es ist also erstens gegeben die Werthmasse der Waaren, die sich
in Arbeitslohn, Profit und Rente vertheilt; also die absolute Grenze
der Summe der Werthstücke dieser Waaren. Zweitens, was die
einzelnen Kategorien selbst angeht, so sind ihre durchschnittlichen
und regulirenden Grenzen ebenfalls gegeben. Der Arbeitslohn bildet
bei dieser Begrenzung derselben die Basis. Er ist nach einer Seite
hin durch ein Naturgesetz regulirt; seine Minimalgrenze ist gegeben
durch das physische Minimum von Lebensmitteln, das der Arbeiter
beziehen muss, um seine Arbeitskraft zu erhalten und zu repro-
duciren; also durch ein bestimmtes Quantum Waaren. Der Werth
[395] dieser Waaren ist bestimmt durch die Arbeitszeit, die ihre Repro-
duktion erheischt; also durch den Theil der, den Produktionsmitteln
neu zugesetzten Arbeit, oder auch jedes Arbeitstags, den der Ar-
beiter zur Produktion und Reproduktion eines Aequivalents für
den Werth dieser nothwendigen Lebensmittel erheischt. Sind z. B.
seine durchschnittlichen täglichen Lebensmittel dem Werth nach
= 6 Stunden Durchschnittsarbeit, so muss er durchschnittlich 6
Stunden seiner Tagesarbeit für sich selbst arbeiten. Der wirkliche
Werth seiner Arbeitskraft weicht von diesem physischen Minimum
ab; er ist verschieden je nach dem Klima und dem Stand der ge-
sellschaftlichen Entwicklung; er hängt ab nicht nur von den
physischen, sondern auch von den historisch entwickelten gesell-
schaftlichen Bedürfnissen, die zur zweiten Natur werden. Aber in
jedem Land zu einer gegebnen Periode ist dieser regulirende durch-
schnittliche Arbeitslohn eine gegebne Grösse. Der Werth der
sämmtlichen übrigen Revenuen hat so eine Grenze. Er ist stets
gleich dem Werth, worin sich der Gesammtarbeitstag (der hier
mit dem Durchschnittsarbeitstag zusammenfällt, da er die vom ge-
sellschaftlichen Gesammtkapital in Bewegung gesetzte Gesammt-
arbeitsmasse umfasst) verkörpert, minus dem Theil desselben, der
sich in Arbeitslohn verkörpert. Seine Grenze ist also gegeben
durch die Grenze des Werths, in welchem sich die unbezahlte
Arbeit ausdrückt, d. h. durch das Quantum dieser unbezahlten Arbeit.
Wenn der Theil des Arbeitstags, den der Arbeiter zur Reproduktion
des Werths seines Lohns braucht, in dem physischen Minimum
seines Lohns seine letzte Schranke hat, so hat der andre Theil
des Arbeitstags, worin sich seine Mehrarbeit darstellt, also
auch der Werththeil, der den Mehrwerth ausdrückt, seine Schranke
an dem physischen Maximum des Arbeitstags, d. h. an dem Ge-
sammtquantum täglicher Arbeitszeit, das der Arbeiter bei Erhaltung
und Reproduktion seiner Arbeitskraft überhaupt geben kann. Da
es sich bei der jetzigen Betrachtung um Vertheilung des Werths
handelt, worin die jährlich neu zugesetzte Gesammtarbeit sich dar-
gestellt hat, so kann der Arbeitstag hier als konstante Grösse be-
trachtet werden, und ist als solche vorausgesetzt, wie viel oder wie
wenig er von seinem physischen Maximum auch abweiche. Die ab-
solute Grenze des Werththeils, der den Mehrwerth bildet, und der
sich in Profit und Grundrente auflöst, ist also gegeben; er ist
bestimmt durch den Ueberschuss des unbezahlten Theils des Arbeits-
tags über seinen bezahlten, also durch den Werththeil des Gesammt-
produkts, worin diese Mehrarbeit sich verwirklicht. Nennen wir,
[396] wie ich es gethan habe, den so in seinen Grenzen bestimmten, und
auf das vorgeschossne Gesammtkapital berechneten Mehrwerth den
Profit, so ist dieser Profit, seiner absoluten Grösse nach betrachtet,
gleich dem Mehrwerth, also in seinen Grenzen ebenso gesetzlich
bestimmt wie dieser. Die Höhe der Profitrate aber ist ebenfalls
eine in gewissen, durch den Werth der Waaren bestimmten Grenzen
eingeschlossne Grösse. Sie ist das Verhältniss des Gesammtmehr-
werths zu dem, der Produktion vorgeschossnen gesellschaftlichen
Gesammtkapital. Ist dies Kapital = 500 (meinetwegen Millionen)
und der Mehrwerth = 100, so bilden 20 % die absolute Grenze
der Profitrate. Die Vertheilung des gesellschaftlichen Profits nach
Maßgabe dieser Rate unter die in den verschiednen Produktions-
sphären angelegten Kapitale erzeugt, von den Werthen der Waaren
abweichende, Produktionspreise, welches die wirklich regulirenden
Durchschnitts-Marktpreise sind. Die Abweichung jedoch hebt weder
die Bestimmung der Preise durch die Werthe, noch die gesetz-
mäßigen Grenzen des Profits auf. Statt dass der Werth einer
Waare gleich dem in ihr aufgezehrten Kapital plus dem in ihr
steckenden Mehrwerth, ist ihr Produktionspreis jetzt gleich dem
in ihr aufgezehrten Kapital k plus dem Mehrwerth, der auf sie in
Folge der allgemeinen Profitrate fällt, also z. B. 20 % auf das zu
ihrer Produktion vorgeschossne, sowohl aufgezehrte wie bloss an-
gewandte Kapital. Aber dieser Zuschlag von 20 % ist selbst be-
stimmt durch den, vom gesellschaftlichen Gesammtkapital erzeugten
Mehrwerth und sein Verhältniss zum Werth des Kapitals; und
darum ist er 20 % und nicht 10 oder 100. Die Verwandlung der
Werthe im Produktionspreise hebt also nicht die Grenzen des
Profits auf, sondern verändert nur seine Vertheilung unter die ver-
schiednen besondren Kapitale, aus denen das Gesellschaftskapital
besteht, vertheilt ihn auf sie gleichmäßig, im Verhältniss worin sie
Werththeile dieses Gesammtkapitals bilden. Die Marktpreise steigen
über, und fallen unter diese regulirenden Produktionspreise, aber
diese Schwankungen heben sich wechselseitig auf. Betrachtet man
Preislisten während einer längern Periode, und zieht man die Fälle
ab, wo der wirkliche Werth der Waaren in Folge eines Wechsels
in der Produktivkraft der Arbeit verändert, und ebenso die Fälle,
worin durch natürliche oder gesellschaftliche Unfälle der Produk-
tionsprocess gestört wurde, so wird man sich wundern, erstens über
die verhältnissmäßig engen Grenzen der Abweichungen, und zweitens
über die Regelmäßigkeit ihrer Ausgleichung. Man wird hier die-
selbe Herrschaft der regulirenden Durchschnitte finden, wie Quételet
[397] sie bei den socialen Phänomenen nachgewiesen hat. Stösst die
Ausgleichung der Waarenwerthe zu Produktionspreisen auf keine
Hindernisse, so löst sich die Rente in Differentialrente auf, d. h.
sie ist beschränkt auf Ausgleichung der Surplusprofite, welche die
regulirenden Produktionspreise einem Theil der Kapitalisten geben
würden, und die nun vom Grundeigenthümer angeeignet werden.
Hier hat also die Rente ihre bestimmte Werthgrenze in den Ab-
weichungen der individuellen Profitraten, welche die Regulirung
der Produktionspreise durch die allgemeine Profitrate hervorbringt.
Setzt das Grundeigenthum der Ausgleichung der Waarenwerthe zu
Produktionspreisen Hindernisse in den Weg, und eignet sich ab-
solute Rente an, so ist diese begrenzt durch den Ueberschuss des
Werths der Bodenprodukte über ihren Produktionspreis, also durch den
Ueberschuss des in ihnen enthaltnen Mehrwerths über die durch die all-
gemeine Profitrate den Kapitalen zufallende Profitrate. Diese Differenz
bildet dann die Grenze der Rente, die nach wie vor nur einen bestimmten
Theil des gegebnen und in den Waaren enthaltnen Mehrwerths bildet.
Findet endlich die Ausgleichung des Mehrwerths zum Durchschnitts-
profit in den verschiednen Produktionssphären ein Hinderniss an
künstlichen oder natürlichen Monopolen, und speciell am Monopol
des Grundeigenthums, sodass ein Monopolpreis möglich würde, der
über den Produktionspreis und über den Werth der Waaren stiege,
auf die das Monopol wirkt, so würden die durch den Werth der
Waaren gegebnen Grenzen dadurch nicht aufgehoben. Der Monopol-
preis gewisser Waaren würde nur einen Theil des Profits der andern
Waarenproducenten auf die Waaren mit dem Monopolpreis übertragen.
Es fände indirekt eine örtliche Störung in der Vertheilung des
Mehrwerths unter die verschiednen Produktionssphären statt, die
aber die Grenze dieses Mehrwerths selbst unverändert liesse. Ginge
die Waare mit Monopolpreis in den nothwendigen Konsum des
Arbeiters ein, so würde sie den Arbeitslohn erhöhn und dadurch
den Mehrwerth vermindern, falls der Arbeiter nach wie vor den
Werth seiner Arbeitskraft bezahlt erhielte. Sie könnte den Arbeits-
lohn unter den Werth der Arbeitskraft herabdrücken, aber dies nur,
soweit jener über der Grenze seines physischen Minimums stände.
In diesem Falle würde der Monopolpreis durch Abzug am realen
Arbeitslohn (d. h. der Masse der Gebrauchswerthe, die der Arbeiter
durch dieselbe Masse Arbeit erhielte) und an dem Profit der andern
Kapitalisten bezahlt. Die Grenzen, innerhalb deren der Monopol-
preis die normale Regulirung der Waarenpreise afficirte, wären fest
bestimmt und genau berechenbar.
[398]
Wie also die Theilung des neu zugesetzten und überhaupt in
Revenue auflösbaren Werths der Waaren in dem Verhältniss zwischen
nothwendiger und Mehrarbeit, Arbeitslohn und Mehrwerth, ihre
gegebnen und regulirenden Grenzen findet, so wieder die Theilung
des Mehrwerths selbst in Profit und Grundrente in den Gesetzen,
die die Ausgleichung der Profitrate regeln. Bei der Spaltung in
Zins und Unternehmergewinn bildet der Durchschnittsprofit selbst
die Grenze für beide zusammen. Er liefert die gegebne Werth-
grösse, worin sie sich zu theilen haben und allein theilen können.
Das bestimmte Verhältniss der Theilung ist hier zufällig, d. h.
ausschliesslich durch Konkurrenzverhältnisse bestimmt. Während
sonst die Deckung von Nachfrage und Zufuhr gleich ist der Auf-
hebung der Abweichung der Marktpreise von ihren regulirenden
Durchschnittspreisen, d. h. der Aufhebung des Einflusses der Kon-
kurrenz, ist sie hier das allein bestimmende. Aber warum? Weil
derselbe Produktionsfaktor, das Kapital, den ihm zufallenden Theil
des Mehrwerths unter zwei Besitzer desselben Produktionsfaktors
zu theilen hat. Dass aber hier keine bestimmte, gesetzmässige
Grenze für die Theilung des Durchschnittsprofits stattfindet, hebt
seine Grenze als Theil des Waarenwerths nicht auf; so wenig wie
der Umstand, dass zwei Associés eines Geschäfts, durch verschiedne
äussere Umstände bestimmt, den Profit ungleich theilen, die Grenzen
dieses Profits irgendwie afficirt.
Wenn also der Theil des Waarenwerths, worin sich die dem
Werth der Produktionsmittel neu zugesetzte Arbeit darstellt, sich
zersetzt in verschiedne Theile, die in der Form von Revenuen gegen-
einander selbständige Gestalten annehmen, so sind desswegen keines-
wegs Arbeitslohn, Profit und Grundrente nun als die konstituirenden
Elemente zu betrachten, aus deren Zusammensetzung oder Summe
der regulirende Preis (natural price, prix nécessaire) der Waaren
selbst entspränge; sodass nicht der Waarenwerth, nach Abzug des
konstanten Werththeils, die ursprüngliche Einheit wäre, die in diese
drei Theile zerfällt, sondern umgekehrt der Preis jedes dieser dre
Theile selbständig bestimmt wäre, und aus der Addition dieser drei
unabhängigen Grössen der Preis der Waare sich erst bildet. In
Wirklichkeit ist der Waarenwerth die vorausgesetzte Grösse, das
Ganze des Gesammtwerths von Arbeitslohn, Profit, Rente, welches
immer deren relative Grösse gegen einander sei. In jener falschen
Auffassung sind Arbeitslohn, Profit, Rente drei selbständige Werth-
grössen, deren Gesammtgrösse die Grösse des Waarenwerths producirt,
begränzt und bestimmt.
[399]
Zunächst ist es klar dass, wenn Arbeitslohn, Profit, Rente den
Preis der Waaren konstituiren, dies ebensowohl für den konstanten
Theil des Waarenwerths wie für den andern Theil gälte, worin
sich das variable Kapital und der Mehrwerth darstellt. Dieser
konstante Theil kann also hier ganz ausser Acht gelassen werden,
da der Werth der Waaren, woraus er besteht, sich ebenfalls in
die Summe der Werthe von Arbeitslohn, Profit und Rente auflösen
würde. Wie bereits bemerkt, leugnet diese Ansicht denn auch
das Dasein eines solchen konstanten Werththeils.
Es ist ferner klar, dass aller Werthbegriff hier wegfällt. Es
bleibt nur noch die Vorstellung des Preises, in dem Sinn, dass eine
gewisse Masse Geld den Besitzern von Arbeitskraft, Kapital und
Boden bezahlt wird. Aber was ist Geld? Geld ist kein Ding,
sondern eine bestimmte Form des Werths, unterstellt also wieder
den Werth. Wir wollen also sagen, dass eine bestimmte Masse
Gold oder Silber für jene Produktionselemente gezahlt wird, oder
dass sie dieser Masse im Kopf gleichgesetzt werden. Aber Gold
und Silber (und der aufgeklärte Oekonom ist stolz auf diese Er-
kenntniss) sind selbst Waaren wie alle andren Waaren. Der Preis
von Gold und Silber ist also auch bestimmt durch Arbeitslohn,
Profit und Rente. Wir können also nicht Arbeitslohn, Profit und
Rente dadurch bestimmen, dass sie einem gewissen Quantum Gold
und Silber gleichgesetzt werden, denn der Werth dieses Goldes
und Silbers, worin sie als in ihrem Aequivalent geschätzt werden
sollen, soll ja gerade durch sie, unabhängig vom Gold und Silber,
d. h. unabhängig vom Werth jeder Waare, der ja gerade das Produkt
jener drei ist, erst bestimmt werden. Sagen, dass der Werth von
Arbeitslohn, Profit und Rente darin bestehe, dass sie gleich einem
gewissen Quantum Gold und Silber, hiesse also nur sagen, dass sie
gleich einem gewissen Quantum Arbeitslohn, Profit und Rente sind.
Nehmen wir zunächst den Arbeitslohn. Denn von der Arbeit
muss auch bei dieser Ansicht ausgegangen werden. Wie also wird
der regulirende Preis des Arbeitslohns bestimmt, der Preis um den
seine Marktpreise oscilliren?
Wir wollen sagen durch Nachfrage und Zufuhr von Arbeitskraft.
Aber von welcher Nachfrage der Arbeitskraft handelt es sich?
Von der Nachfrage des Kapitals. Die Nachfrage nach Arbeit ist
also gleich der Zufuhr von Kapital. Um von Zufuhr von Kapital
zu sprechen, müssen wir vor allem wissen, was Kapital ist. Woraus
besteht das Kapital? Nehmen wir seine einfachste Erscheinung:
Aus Geld und Waaren. Aber Geld ist bloss eine Form der Waare.
[400] Also aus Waaren. Aber der Werth der Waaren ist nach der
Voraussetzung in erster Instanz bestimmt durch den Preis der sie
producirenden Arbeit, den Arbeitslohn. Der Arbeitslohn wird hier
vorausgesetzt und behandelt als konstituirendes Element des Preises
der Waaren. Dieser Preis soll nun bestimmt werden, durch das
Verhältniss der angebotnen Arbeit zum Kapital. Der Preis des
Kapitals selbst ist gleich dem Preis der Waaren, woraus es besteht.
Die Nachfrage des Kapitals nach Arbeit ist gleich der Zufuhr des
Kapitals. Und die Zufuhr des Kapitals ist gleich der Zufuhr einer
Waarensumme von gegebnem Preis, und dieser Preis ist in erster
Instanz regulirt durch den Preis der Arbeit, und der Preis der
Arbeit ist seinerseits wieder gleich dem Theil des Waarenpreises,
woraus das variable Kapital besteht, das an den Arbeiter im Aus-
tausch für seine Arbeit abgetreten wird; und der Preis der Waaren,
woraus dies variable Kapital besteht, ist selbst wieder in erster
Reihe bestimmt durch den Preis der Arbeit; denn er ist bestimmt
durch die Preise von Arbeitslohn, Profit und Rente. Um den
Arbeitslohn zu bestimmen, können wir also nicht das Kapital voraus-
setzen, da der Werth des Kapitals selbst durch den Arbeitslohn
mit bestimmt ist.
Ausserdem nützt uns das Hereinbringen der Konkurrenz nichts.
Die Konkurrenz macht die Marktpreise der Arbeit steigen oder
fallen. Aber gesetzt, Nachfrage und Zufuhr von Arbeit decken
sich. Wodurch wird dann der Arbeitslohn bestimmt? Durch die
Konkurrenz. Aber es ist eben vorausgesetzt, dass die Konkurrenz
aufhört zu bestimmen, dass sie durch das Gleichgewicht ihrer beiden
entgegenstrebenden Kräfte ihre Wirkung aufhebt. Wir wollen ja
gerade den natürlichen Preis des Arbeitslohns finden, d. h. den Preis
der Arbeit, der nicht von der Konkurrenz regulirt wird, sondern
sie umgekehrt regulirt.
Es bleibt nichts übrig als den nothwendigen Preis der Arbeit
durch die nothwendigen Lebensmittel des Arbeiters zu bestimmen.
Aber diese Lebensmittel sind Waaren, die einen Preis haben. Der
Preis der Arbeit ist also durch den Preis der nothwendigen Lebens-
mittel bestimmt, und der Preis der Lebensmittel ist, wie der aller
andern Waaren, in erster Linie durch den Preis der Arbeit be-
stimmt. Also ist der durch den Preis der Lebensmittel bestimmte
Preis der Arbeit durch den Preis der Arbeit bestimmt. Der Preis
der Arbeit ist durch sich selbst bestimmt. In andren Worten,
wir wissen nicht, wodurch der Preis der Arbeit bestimmt ist.
Die Arbeit hat hier überhaupt einen Preis, weil sie als Waare
[401] betrachtet wird. Um also von dem Preis der Arbeit zu sprechen,
müssen wir wissen, was Preis überhaupt ist. Aber was Preis über-
haupt ist, erfahren wir auf diesem Wege erst recht nicht.
Wir wollen indess annehmen, in dieser erfreulichen Weise sei
der nothwendige Preis der Arbeit bestimmt. Wie nun der Durch-
schnittsprofit, der Profit jedes Kapitals in normalen Verhältnissen,
der das zweite Preiselement der Waare bildet? Der Durchschnitts-
profit muss bestimmt sein durch eine Durchschnittsrate des Profits;
wie wird diese bestimmt? Durch die Konkurrenz unter den Kapi-
talisten? Aber diese Konkurrenz unterstellt schon das Dasein des
Profits. Sie unterstellt verschiedne Profitraten, und daher ver-
schiedne Profite, sei es in denselben, sei es in verschiednen Produk-
tionszweigen. Die Konkurrenz kann nur auf die Profitrate wirken,
soweit sie auf die Preise der Waaren wirkt. Die Konkurrenz
kann nur bewirken, dass Producenten innerhalb derselben Produk-
tionssphäre ihre Waaren zu gleichen Preisen verkaufen, und dass
sie innerhalb verschiedner Produktionssphären ihre Waaren zu
Preisen verkaufen, die ihnen denselben Profit geben, denselben pro-
portionellen Zuschlag zu dem, schon theilweise durch den Arbeits-
lohn bestimmten Preis der Waare. Die Konkurrenz kann daher
nur Ungleichheiten in der Profitrate ausgleichen. Um ungleiche
Profitraten auszugleichen, muss der Profit als Element des Waaren-
preises schon vorhanden sein. Die Konkurrenz schafft ihn nicht.
Sie erhöht oder erniedrigt, aber sie schafft nicht das Niveau, welches
eintritt, sobald die Ausgleichung stattgefunden. Und, indem wir
von einer nothwendigen Rate des Profits sprechen, wollen wir eben
die von den Bewegungen der Konkurrenz unabhängige Profitrate
kennen, welche ihrerseits die Konkurrenz regulirt. Die durch-
schnittliche Profitrate tritt ein mit dem Gleichgewicht der Kräfte
der konkurrirenden Kapitalisten gegeneinander. Die Konkurrenz
kann dies Gleichgewicht herstellen, aber nicht die Profitrate, die
auf diesem Gleichgewicht eintritt. Sobald dies Gleichgewicht her-
gestellt ist, warum ist nun die allgemeine Profitrate 10 oder 20
oder 100 %? Von wegen der Konkurrenz. Aber umgekehrt, die
Konkurrenz hat die Ursachen aufgehoben, die Abweichungen von
den 10 oder 20 oder 100 % producirten. Sie hat einen Waaren-
preis herbeigeführt, wobei jedes Kapital im Verhältniss seiner
Grösse denselben Profit abwirft. Die Grösse dieses Profits selbst
aber ist unabhängig von ihr. Sie reducirt nur alle Abweichungen
immer wieder auf diese Grösse. Ein Mann konkurrirt mit den
andren, und die Konkurrenz zwingt ihn seine Waare zu demselben
Marx, Kapital III. 2. 26
[402] Preis zu verkaufen wie jene. Warum aber ist dieser Preis 10
oder 20 oder 100?
Es bleibt also nichts übrig als die Profitrate und daher den
Profit als einen auf unbegreifliche Weise bestimmten Zuschlag zu
dem Preis der Waare zu erklären, der soweit durch den Arbeits-
lohn bestimmt war. Das Einzige, was uns die Konkurrenz sagt,
ist dass diese Profitrate eine gegebne Grösse sein muss. Aber das
wussten wir vorher, als wir von allgemeiner Profitrate und dem
„nothwendigen Preis“ des Profits sprachen.
Es ist ganz unnöthig diesen abgeschmackten Process an der
Grundrente von neuem durchzudreschen. Man sieht ohnedies, dass
er, wenn irgendwie konsequent durchgeführt, Profit und Rente als
blosse, durch unbegreifliche Gesetze bestimmte Preiszuschläge zu
dem in erster Linie durch den Arbeitslohn bestimmten Waaren-
preis erscheinen lässt. Kurz, die Konkurrenz muss es auf sich
nehmen, alle Begriffslosigkeiten der Oekonomen zu erklären, während
die Oekonomen umgekehrt die Konkurrenz zu erklären hätten.
Sieht man hier nun ab von der Phantasie der durch die Cirku-
lation geschaffnen, d. h. aus dem Verkauf entspringenden Preis-
bestandtheile, Profit und Rente — und die Cirkulation kann nie
geben was ihr nicht vorher gegeben worden ist — so kommt die
Sache einfach auf dies hinaus:
Der durch den Arbeitslohn bestimmte Preis einer Waare sei =
100; die Profitrate 10 % auf den Arbeitslohn, und die Rente 15 %
auf den Arbeitslohn. So ist der durch die Summe von Arbeits-
lohn, Profit und Rente bestimmte Preis der Waare = 125. Diese
25 Zuschlag können nicht aus dem Verkauf der Waare herrühren.
Denn alle die an einander verkaufen, verkaufen sich jeder, was
100 Arbeitslohn gekostet hat, zu 125; was ganz dasselbe ist, als
wenn sie alle zu 100 verkauften. Die Operation muss also unab-
hängig vom Cirkulationsprocess betrachtet werden.
Theilen sich die drei in die Waare selbst, die jetzt 125 kostet
— und es ändert nichts an der Sache, wenn der Kapitalist erst
zu 125 verkauft, und dann dem Arbeiter 100, sich selbst 10, und
dem Grundrentner 15 zahlt — so erhält der Arbeiter ⅘ = 100
vom Werth und vom Produkt. Der Kapitalist erhält vom Werth
und vom Produkt \frac{2}{25} und der Grundrentner \frac{3}{25}. Indem der
Kapitalist zu 125 verkauft, statt zu 100, gibt er dem Arbeiter
nur ⅘ des Produkts, worin sich seine Arbeit darstellt. Es wäre
also ganz dasselbe, wenn er dem Arbeiter 80 gegeben und 20
zurückbehalten hätte, wovon ihm 8, und dem Rentner 12 zukämen.
[403] Er hätte dann die Waare zu ihrem Werth verkauft, da in der
That die Preiszuschläge vom Werth der Waare, der bei dieser Vor-
aussetzung durch den Werth des Arbeitslohns bestimmt ist, unab-
hängige Erhöhungen sind. Es kömmt auf einem Umweg darauf
hinaus, dass in dieser Vorstellung das Wort Arbeitslohn, die 100,
gleich dem Werth des Produkts ist, d. h. = der Summe Geld, worin
sich dies bestimmte Arbeitsquantum darstellt; dass dieser Werth
aber vom realen Arbeitslohn wieder verschieden ist und daher ein
Surplus lässt. Nur wird dies hier herausgebracht durch nominellen
Preiszuschlag. Wäre also der Arbeitslohn gleich 110 statt = 100,
so müsste der Profit sein = 11 und die Grundrente = 16½, also
der Preis der Waare = 137½. Es würde dies das Verhältniss
gleich unverändert lassen. Da die Theilung aber immer durch
nominellen Zuschlag gewisser Procente auf den Arbeitslohn er-
halten würde, stiege und fiele der Preis mit dem Arbeitslohn.
Der Arbeitslohn wird hier erst gleich dem Werth der Waare ge-
setzt, und dann wieder von ihm geschieden. In der That aber
kommt die Sache, auf einem begriffslosen Umweg, darauf hinaus,
dass der Werth der Waare durch das in ihr enthaltne Quantum
Arbeit, der Werth des Arbeitslohns aber durch den Preis der noth-
wendigen Lebensmittel bestimmt ist, und der Ueberschuss des
Werths über den Arbeitslohn, Profit und Rente bildet.
Die Zersetzung der Werthe der Waaren, nach Abzug des Werths
der in ihrer Produktion verbrauchten Produktionsmittel; die Zer-
setzung dieser gegebnen, durch das im Waarenprodukt vergegen-
ständlichte Quantum Arbeit bestimmten Werthmasse in drei Be-
standtheile, die als Arbeitslohn, Profit und Grundrente die Gestalt
selbständiger und von einander unabhängiger Revenueformen an-
nehmen, — diese Zersetzung stellt sich auf der zu Tage liegenden
Oberfläche der kapitalistischen Produktion, und daher in der Vor-
stellung der in ihr befangnen Agenten verkehrt dar.
Der Gesammtwerth einer beliebigen Waare sei = 300, davon
200 der Werth der in ihrer Produktion verbrauchten Produktions-
mittel oder Elemente des konstanten Kapitals. Bleiben also 100
als Summe des dieser Waare in ihrem Produktionsprocess zuge-
setzten Neuwerths. Dieser Neuwerth von 100 ist alles was ver-
fügbar ist zur Theilung in die drei Revenueformen. Setzen wir
den Arbeitslohn = x, den Profit = y, die Grundrente = z, so wird
die Summe von x + y + z in unserm Fall immer = 100 sein.
In der Vorstellung der Industriellen, Kaufleute und Bankiers, so-
wie in der der Vulgärökonomen geht dies aber ganz anders zu.
26*
[404] Für sie ist nicht der Werth der Waare, nach Abzug des Werths
der in ihr verbrauchten Produktionsmittel, gegeben = 100, welche
100 dann in x, y, z zertheilt werden. Sondern der Preis der
Waare setzt sich einfach zusammen aus den, von ihrem Werth und
von einander unabhängig bestimmten Werthgrössen des Arbeitslohns,
des Profits und der Rente, sodass x, y, z, jedes für sich selbständig
gegeben und bestimmt ist, und aus der Summe dieser Grössen, die
kleiner oder grösser als 100 sein kann, erst die Werthgrösse der
Waare selbst, als aus der Addition dieser ihrer Werthbildner resul-
tirte. Dies quid pro quo ist nothwendig:
Erstens, weil die Werthbestandtheile der Waare als selbständige
Revenuen einander gegenübertreten, die als solche bezogen sind auf
drei ganz von einander verschiedne Produktionsagentien, die Arbeit,
das Kapital und die Erde, und die daher aus diesen zu entspringen
scheinen. Das Eigenthum an der Arbeitskraft, am Kapital, an der
Erde ist die Ursache, die diese verschiednen Werthbestandtheile der
Waaren diesen respektiven Eignern zufallen macht, und sie daher
in Revenuen für sie verwandelt. Aber der Werth entspringt nicht
aus einer Verwandlung in Revenue, sondern er muss da sein, bevor
er in Revenue verwandelt werden, diese Gestalt annehmen kann.
Der Schein des Umgekehrten muss sich um so mehr befestigen,
als die Bestimmung der relativen Grösse dieser drei Theile gegen-
einander verschiedenartigen Gesetzen folgt, deren Zusammenhang
mit, und Beschränkung durch, den Werth der Waaren selbst, sich
keineswegs auf der Oberfläche zeigt.
Zweitens: Man hat gesehn, dass ein allgemeines Steigen oder
Fallen des Arbeitslohns, indem es bei sonst gleichen Umständen
eine Bewegung der allgemeinen Profitrate in entgegengesetzter
Richtung erzeugt, die Produktionspreise der verschiednen Waaren
verändert, die einen hebt, die andern senkt, je nach der Durch-
schnittszusammensetzung des Kapitals in den betreffenden Produk-
tionssphären. Es wird hier also jedenfalls in einigen Produktions-
sphären die Erfahrung gemacht, dass der Durchschnittspreis einer
Waare steigt, weil der Arbeitslohn gestiegen, und fällt, weil er
gefallen. Was nicht „erfahren“ wird, ist die geheime Regulirung
dieser Aenderungen durch den vom Arbeitslohn unabhängigen Werth
der Waaren. Ist dagegen das Steigen des Arbeitslohns lokal, findet
es nur in besondren Produktionssphären in Folge eigenthümlicher
Umstände statt, so kann eine entsprechende nominelle Preissteigerung
dieser Waaren eintreten. Dies Steigen des relativen Werths einer
Sorte von Waaren gegen die andren, für die der Arbeitslohn un-
[405] verändert geblieben, ist dann nur eine Reaktion gegen die lokale
Störung der gleichmäßigen Vertheilung des Mehrwerths an die
verschiednen Produktionssphären, ein Mittel der Ausgleichung der
besondren Profitraten zur allgemeinen. Die „Erfahrung“, die dabei
gemacht wird, ist wieder Bestimmung des Preises [durch] den Arbeits-
lohn. Was in diesen beiden Fällen also erfahren wird, ist, dass
der Arbeitslohn die Waarenpreise bestimmt hat. Was nicht er-
fahren wird, ist die verborgne Ursache dieses Zusammenhangs.
Ferner: der Durchschnittspreis der Arbeit, d. h. der Werth der
Arbeitskraft, ist bestimmt durch den Produktionspreis der noth-
wendigen Lebensmittel. Steigt oder fällt dieser, so jener. Was
hier wieder erfahren wird, ist die Existenz eines Zusammen-
hangs zwischen dem Arbeitslohn und dem Preis der Waaren; aber
die Ursache kann als Wirkung, und die Wirkung als Ursache sich
darstellen, wie dies auch bei der Bewegung der Marktpreise der
Fall ist, wo ein Steigen des Arbeitslohns über seinen Durchschnitt
dem mit der Prosperitätsperiode verknüpften Steigen der Markt-
preise über die Produktionspreise, und der nachfolgende Fall des
Arbeitslohns unter seinen Durchschnitt, dem Fall der Marktpreise
unter die Produktionspreise entspricht. Dem Gebundensein der
Produktionspreise durch die Werthe der Waaren müsste, von den
oscillatorischen Bewegungen der Marktpreise abgesehn, prima facie
stets die Erfahrung entsprechen, dass wenn der Arbeitslohn steigt,
die Profitrate fällt und umgekehrt. Aber man hat gesehn, dass
die Profitrate durch Bewegungen im Werth des konstanten Kapitals,
unabhängig von den Bewegungen des Arbeitslohns, bestimmt sein
kann; sodass Arbeitslohn und Profitrate, statt in entgegengesetzter,
in derselben Richtung sich bewegen, beide zusammen steigen oder
fallen können. Fiele die Rate des Mehrwerths unmittelbar zu-
sammen mit der Rate des Profits, so wäre dies nicht möglich.
Auch wenn der Arbeitslohn steigt in Folge gestiegner Preise der
Lebensmittel, kann die Profitrate dieselbe bleiben oder selbst steigen,
in Folge grössrer Intensität der Arbeit oder Verlängerung des
Arbeitstags. Alle diese Erfahrungen bestätigen den durch die selb-
ständige, verkehrte Form der Werthbestandtheile erregten Schein,
als wenn entweder der Arbeitslohn allein, oder Arbeitslohn und
Profit zusammen den Werth der Waaren bestimmen. Sobald über-
haupt dies mit Bezug auf den Arbeitslohn so scheint, also Preis
der Arbeit und durch die Arbeit erzeugter Werth zusammen zu
fallen scheinen, versteht sich dies für den Profit und die Rente
von selbst. Ihre Preise, d. h. Geldausdrücke, müssen dann unab-
[406] hängig von der Arbeit und dem durch sie erzeugten Werth regu-
lirt werden.
Drittens: Man nehme an, dass die Werthe der Waaren oder
die nur scheinbar von ihnen unabhängigen Produktionspreise un-
mittelbar und beständig in der Erscheinung zusammenfielen mit
den Marktpreisen der Waaren, statt vielmehr sich nur als die regu-
lirenden Durchschnittspreise durchzusetzen durch die fortwährenden
Kompensationen der beständigen Schwankungen der Marktpreise.
Man nehme ferner an, dass die Reproduktion immer unter denselben
gleichbleibenden Verhältnissen stattfinde, also die Produktivität der
Arbeit in allen Elementen des Kapitals konstant bleibe. Man nehme
endlich an, dass der Werththeil des Waarenprodukts, der in jeder
Produktionssphäre durch Zusatz eines neuen Arbeitsquantums, also
eines neu producirten Werths zu dem Werth der Produktionsmittel
gebildet wird, sich in stets gleichbleibenden Verhältnissen zersetze
in Arbeitslohn, Profit und Rente, sodass der wirklich gezahlte
Arbeitslohn, der thatsächlich realisirte Profit, und die thatsächliche
Rente beständig unmittelbar zusammenfielen mit dem Werth der
Arbeitskraft, mit dem, jedem selbständig fungirenden Theil des
Gesammtkapitals kraft der Durchschnittsprofitrate zukommenden
Theil des Gesammtmehrwerths, und mit den Grenzen, worin die
Grundrente auf dieser Basis normaliter eingebannt ist. In einem
Wort, man nehme an, dass die Vertheilung des gesellschaftlichen
Werthprodukts und die Regelung der Produktionspreise auf kapi-
talistischer Grundlage erfolgt, aber unter Beseitigung der [Konkurrenz].
Unter diesen Voraussetzungen also, wo der Werth der Waaren
konstant wäre und erschiene, wo der Werththeil des Waarenprodukts,
der sich in Revenuen auflöst, eine konstante Grösse bliebe und sich
stets als solche darstellte, wo endlich dieser gegebne und konstante
Werththeil sich stets in konstanten Verhältnissen in Arbeitslohn,
Profit und Rente zersetzte — selbst unter diesen Voraussetzungen
würde die wirkliche Bewegung nothwendig in verkehrter Gestalt
erscheinen: nicht als Zersetzung einer im Voraus gegebnen Werth-
grösse in drei Theile, die von einander unabhängige Revenueformen
annehmen, sondern umgekehrt als Bildung dieser Werthgrösse aus
der Summe der unabhängig und für sich selbständig bestimmten,
sie komponirenden Elemente des Arbeitslohns, des Profits und der
Grundrente. Dieser Schein entspränge nothwendig, weil in der
wirklichen Bewegung der Einzelkapitale und ihrer Waarenprodukte
nicht der Werth der Waaren ihrer Zersetzung vorausgesetzt erscheint,
sondern umgekehrt die Bestandtheile, worin sie sich zersetzen, als
[407] dem Werth der Waaren vorausgesetzt fungiren. Zunächst haben
wir gesehn, dass jedem Kapitalisten der Kostpreis der Waare als
gegebne Grösse erscheint, und sich im wirklichen Produktionspreis
beständig als solche darstellt. Der Kostpreis ist aber gleich dem
Werth des konstanten Kapitals, der vorgeschossnen Produktions-
mittel, plus dem Werth der Arbeitskraft, der sich aber für den
Produktionsagenten in der irrationellen Form des Preises der Arbeit
darstellt, sodass der Arbeitslohn zugleich als Revenue des Arbeiters
erscheint. Der Durchschnittspreis der Arbeit ist eine gegebne
Grösse, weil der Werth der Arbeitskraft, wie der jeder andern
Waare, durch die zu ihrer Reproduktion nothwendige Arbeitszeit
bestimmt ist. Aber was den Werththeil der Waaren betrifft, der
sich in Arbeitslohn auflöst, so entspringt er nicht daraus, dass er
diese Form des Arbeitslohns annimmt, dass der Kapitalist dem
Arbeiter dessen Antheil an seinem eignen Produkt unter der Er-
scheinungsform des Arbeitslohns vorschiesst, sondern dadurch, dass
der Arbeiter ein seinem Arbeitslohn entsprechendes Aequivalent
producirt, d. h. dass ein Theil seiner Tages- oder Jahresarbeit den
im Preis seiner Arbeitskraft erhaltnen Werth producirt. Der Arbeits-
lohn wird aber kontraktlich abgemacht, bevor das ihm entsprechende
Werthäquivalent producirt ist. Als ein Preiselement, dessen Grösse
gegeben ist, bevor die Waare und der Waarenwerth producirt, als
Bestandtheil des Kostpreises erscheint der Arbeitslohn daher nicht
als ein Theil, der sich in selbständiger Form vom Gesammtwerth
der Waare loslöst, sondern umgekehrt als gegebne Grösse, die diesen
vorausbestimmt, d. h. als Preis- oder Werthbildner. Eine ähnliche
Rolle wie der Arbeitslohn im Kostpreis der Waare, spielt der Durch-
schnittsprofit in ihrem Produktionspreis, denn der Produktionspreis
ist gleich dem Kostpreis plus dem Durchschnittsprofit auf das vor-
geschossne Kapital. Dieser Durchschnittsprofit geht praktisch, in
der Vorstellung und in der Berechnung des Kapitalisten selbst, als
ein regulirendes Element ein, nicht nur soweit er die Uebertragung
der Kapitale aus einer Anlagesphäre in die andre bestimmt, sondern
auch für alle Verkäufe und Kontrakte, die einen auf längere Epochen
sich erstreckenden Reproduktionsprocess umfassen. Soweit er aber
so eingeht, ist er eine vorausgesetzte Grösse, die in der That unab-
hängig ist von dem in jeder besondren Produktionssphäre, und daher
noch mehr von dem, von jeder einzelnen Kapitalanlage in jeder dieser
Sphären erzeugten Werth und Mehrwerth. Statt als Resultat einer
Spaltung des Werths, zeigt ihn die Erscheinung vielmehr als vom
Werth des Waarenprodukts unabhängige, im Produktionsprocess der
[408] Waaren im Voraus gegebne und den Durchschnittspreis der Waaren
selbst bestimmende Grösse, d. h. als Werthbildner. Und zwar erscheint
der Mehrwerth, in Folge des Auseinanderfallens seiner verschiednen
Theile in ganz von einander unabhängige Formen, noch in viel
konkreterer Form der Werthbildung der Waaren vorausgesetzt.
Ein Theil des Durchschnittsprofits, in der Form des Zinses, tritt
dem fungirenden Kapitalisten selbständig als ein der Produktion
der Waaren und ihres Werths vorausgesetztes Element gegenüber.
So sehr die Grösse des Zinses schwankt, so sehr ist er in jedem
Augenblick und für jeden Kapitalisten eine gegebne Grösse, die
für ihn, den einzelnen Kapitalisten, in den Kostpreis der von ihm
producirten Waaren eingeht. Ebenso die Grundrente in der Form
des kontraktlich festgestellten Pachtgeldes für den agrikolen Kapi-
talisten, und in der Form der Miethe für die Geschäftsräume für
andre Unternehmer. Diese Theile, worin sich der Mehrwerth zer-
setzt, erscheinen daher, weil als Elemente des Kostpreises gegeben
für den einzelnen Kapitalisten, umgekehrt als Bildner des Mehr-
werths; Bildner eines Theils des Waarenpreises, wie der Arbeits-
lohn den andren bildet. Das Geheimniss, wesshalb diese Produkte
der Zersetzung des Waarenwerths beständig als die Voraussetzungen
der Werthbildung selbst erscheinen, ist einfach dies, dass die kapi-
talistische Produktionsweise, wie jede andre, nicht nur beständig
das materielle Produkt reproducirt, sondern die gesellschaftlichen
ökonomischen Verhältnisse, die ökonomischen Formbestimmtheiten
seiner Bildung. Ihr Resultat erscheint daher ebenso beständig als
ihr vorausgesetzt, wie ihre Voraussetzungen als ihre Resultate
erscheinen. Und es ist diese beständige Reproduktion derselben
Verhältnisse, welche der einzelne Kapitalist als selbstverständlich,
als unbezweifelbare Thatsache anticipirt. Solange die kapitalistische
Produktion als solche fortbesteht, löst ein Theil der neu zugesetzen
Arbeit sich beständig in Arbeitslohn, ein andrer in Profit (Zins
und Unternehmergewinn) und der dritte in Rente auf. Bei den
Kontrakten zwischen den Eigenthümern der verschiednen Produktions-
agentien ist dies vorausgesetzt, und diese Voraussetzung ist richtig,
so sehr die relativen Grössenverhältnisse in jedem Einzelfall schwanken.
Die bestimmte Gestalt, worin sich die Werththeile gegenübertreten,
ist vorausgesetzt, weil sie beständig reproducirt wird, und sie wird
beständig reproducirt, weil sie beständig vorausgesetzt ist.
Allerdings zeigt die Erfahrung und die Erscheinung nun auch,
dass die Marktpreise, in deren Einfluss dem Kapitalisten in der
That die Werthbestimmung allein erscheint, ihrer Grösse nach be-
[409] trachtet, keineswegs von diesen Anticipationen abhängig sind; dass
sie sich nicht darnach richten, ob der Zins oder die Rente hoch
oder niedrig abgemacht waren. Aber die Marktpreise sind nur
konstant im Wechsel, und ihr Durchschnitt für längere Perioden
ergibt eben die respektiven Durchschnitte von Arbeitslohn, Profit
und Rente als die konstanten, also die Marktpreise in letzter Instanz
beherrschenden Grössen.
Andrerseits scheint die Reflexion sehr einfach, dass wenn Arbeits-
lohn, Profit und Rente desswegen Werthbildner sind, weil sie der
Produktion des Werths vorausgesetzt erscheinen, und für den einzelnen
Kapitalisten im Kostpreis und Produktionspreis vorausgesetzt sind,
auch der konstante Kapitaltheil, dessen Werth als gegeben in die
Produktion jeder Waare eintritt, Werthbildner ist. Aber der kon-
stante Kapitaltheil ist nichts als eine Summe von Waaren und daher
Waarenwerthen. Es käme also auf die abgeschmackte Tautologie
hinaus, dass der Waarenwerth der Bildner und die Ursache des
Waarenwerths ist.
Wenn aber der Kapitalist irgend ein Interesse hätte hierüber
nachzudenken — und sein Nachdenken als Kapitalist ist ausschliess-
lich durch sein Interesse und seine interessirten Motive bestimmt —
so zeigt ihm die Erfahrung, dass das Produkt, das er selbst pro-
ducirt, als konstanter Kapitaltheil in andre Produktionssphären,
und Produkte dieser andren Produktionssphären als konstante Kapital-
theile in sein Produkt eingehn. Da also für ihn, soweit seine Neu-
produktion geht, der Werthzusatz gebildet wird, dem Schein nach,
durch die Grössen von Arbeitslohn, Profit, Rente, so gilt dies auch
für den konstanten Theil, der aus Produkten andrer Kapitalisten be-
steht, und daher reducirt sich in letzter Instanz, wenn auch in einer
Art, der nicht ganz auf die Sprünge zu kommen ist, der Preis des
konstanten Kapitaltheils und damit der Gesammtwerth der Waaren
in letzter Instanz auf die Werthsumme, die aus der Addition der
selbständigen, nach verschiednen Gesetzen geregelten, und aus ver-
schiednen Quellen gebildeten Werthbildnern: Arbeitslohn, Profit
und Rente resultirt.
Viertens. Der Verkauf oder Nichtverkauf der Waaren zu ihren
Werthen, also die Werthbestimmung selbst, ist für den einzelnen
Kapitalisten durchaus gleichgültig. Sie ist schon von vornherein
etwas, das hinter seinem Rücken, durch die Macht von ihm unab-
hängiger Verhältnisse vorgeht, da nicht die Werthe, sondern die
von ihnen verschiednen Produktionspreise in jeder Produktionssphäre
die regulirenden Durchschnittspreise bilden. Die Werthbestimmung
[410] als solche interessirt und bestimmt den einzelnen Kapitalisten und
das Kapital in jeder besondren Produktionssphäre nur soweit, als
das verminderte oder vermehrte Arbeitsquantum, das mit dem Steigen
oder Fallen der Produktivkraft der Arbeit zur Produktion der Waaren
erheischt ist, in dem einen Fall ihn befähigt, bei den vorhandnen
Marktpreisen einen Extraprofit zu machen, und im andren ihn
zwingt, den Preis der Waaren zu erhöhen, weil ein Stück mehr
Arbeitslohn, mehr konstantes Kapital, daher auch mehr Zins, auf
das Theilprodukt oder die einzelne Waare fällt. Sie interessirt
ihn nur, soweit sie die Produktionskosten der Waare für ihn selbst
erhöht oder erniedrigt, also nur soweit sie ihn in eine Ausnahms-
position setzt.
Dahingegen erscheinen ihm Arbeitslohn, Zins und Rente als
regulirende Grenzen nicht nur des Preises, zu dem er den, ihm als
fungirendem Kapitalisten zufallenden, Theil des Profits, den Unter-
nehmergewinn, realisiren kann, sondern zu dem er überhaupt, soll
fortgesetzte Reproduktion möglich sein, die Waare muss verkaufen
können. Es ist für ihn durchaus gleichgültig, ob er den in der
Waare steckenden Werth und Mehrwerth beim Verkauf realisirt
oder nicht, vorausgesetzt nur dass er den gewohnten oder einen
grössern Unternehmergewinn, über den durch Arbeitslohn, Zins und
Rente für ihn individuell gegebnen Kostpreis, aus dem Preise her-
ausschlägt. Abgesehn vom konstanten Kapitaltheil, erscheinen ihm
daher der Arbeitslohn, der Zins und die Rente als die begrenzenden,
und daher schöpferischen, bestimmenden Elemente des Waaren-
preises. Gelingt es ihm z. B., den Arbeitslohn unter den Werth
der Arbeitskraft, also unter seine normale Höhe herabzudrücken,
Kapital zu niedrigerem Zinsfuss zu erhalten, und Pachtgeld unter
der normalen Höhe der Rente zu zahlen, so ist es völlig gleich-
gültig für ihn, ob er das Produkt unter seinem Werth, und selbst
unter dem allgemeinen Produktionspreis verkauft, also einen Theil
der in der Waare enthaltnen Mehrarbeit umsonst weggibt. Dies
gilt selbst für den konstanten Kapitaltheil. Kann ein Industrieller
z. B. das Rohmaterial unter seinem Produktionspreis kaufen, so
schützt ihn dies vor Verlust, auch wenn er es in der fertigen
Waare wieder unter dem Produktionspreis verkauft. Sein Unter-
nehmergewinn kann derselbe bleiben und selbst wachsen, sobald
nur der Ueberschuss des Waarenpreises über die Elemente des-
selben, die bezahlt, durch ein Aequivalent ersetzt werden müssen,
derselbe bleibt oder wächst. Aber ausser dem Werth der Produk-
tionsmittel, die als gegebne Preisgrössen in die Produktion seiner
[411] Waaren eingehn, sind es grade Arbeitslohn, Zins, Rente, die als
begrenzende und regelnde Preisgrössen in diese Produktion ein-
gehn. Sie erscheinen ihm also als die Elemente, die den Preis
der Waaren bestimmen. Der Unternehmergewinn erscheint von
diesem Standpunkt aus entweder bestimmt durch den Ueberschuss
der, von zufälligen Konkurrenzverhältnissen abhängigen Marktpreise
über den, durch jene Preiselemente bestimmten, immanenten Werth
der Waaren; oder soweit er selbst bestimmend in den Marktpreis
eingreift, erscheint er selbst wieder als von der Konkurrenz unter
Käufern und Verkäufern abhängig.
In der Konkurrenz sowohl der einzelnen Kapitalisten unter ein-
ander wie in der Konkurrenz auf dem Weltmarkt, sind es die ge-
gebnen und vorausgesetzten Grössen von Arbeitslohn, Zins, Rente,
die in die Rechnung als konstante und regulirende Grössen ein-
gehn; konstant nicht in dem Sinn, dass sie ihre Grössen nicht
ändern, sondern in dem Sinn, dass sie in jedem einzelnen Fall
gegeben sind und die konstante Grenze für die beständig schwan-
kenden Marktpreise bilden. Z. B. bei der Konkurrenz auf dem
Weltmarkt handelt es sich ausschliesslich darum, ob mit dem ge-
gebnen Arbeitslohn, Zins und Rente, die Waare zu oder unter
den gegebnen allgemeinen Marktpreisen mit Vortheil, d. h. mit
Realisirung eines entsprechenden Unternehmergewinns verkauft
werden kann. Ist in einem Lande der Arbeitslohn und der Preis
des Bodens niedrig, dagegen der Zins des Kapitals hoch, weil die
kapitalistische Produktionsweise hier überhaupt nicht entwickelt ist,
während in einem andern Lande der Arbeitslohn und der Boden-
preis nominell hoch, dagegen der Zins des Kapitals niedrig steht,
so wendet der Kapitalist in dem einen Land mehr Arbeit und
Boden, in dem andern verhältnissmäßig mehr Kapital an. In der
Berechnung, wie weit hier die Konkurrenz zwischen beiden mög-
lich, gehn diese Faktoren als bestimmende Elemente ein. Die Er-
fahrung zeigt hier also theoretisch, und die interessirte Berechnung
des Kapitalisten zeigt praktisch, dass die Preise der Waaren durch
Arbeitslohn, Zins und Rente, durch den Preis der Arbeit, des
Kapitals und des Bodens bestimmt, und dass diese Preiselemente
in der That die regulirenden Preisbildner sind.
Es bleibt natürlich dabei immer ein Element, das nicht voraus-
gesetzt ist, sondern aus dem Marktpreis der Waaren resultirt, näm-
lich der Ueberschuss über den, aus der Addition jener Elemente,
Arbeitslohn, Zins und Rente gebildeten Kostpreis. Dies vierte
Element erscheint in jedem einzelnen Fall durch die Konkurrenz
[412] bestimmt, und im Durchschnitt der Fälle durch den, wieder durch
dieselbe Konkurrenz, nur in längern Perioden, regulirten Durch-
schnittsprofit.
Fünftens. Auf Basis der kapitalistischen Produktionsweise wird
es so sehr selbstverständlich, den Werth, worin sich die neu zu-
gesetzte Arbeit darstellt, in die Revenueformen von Arbeitslohn,
Profit und Grundrente zu zerfällen, dass diese Methode (von ver-
gangnen Geschichtsperioden, wie wir davon bei der Grundrente Beispiele
gegeben haben, nicht zu sprechen) auch da angewandt wird, wo von
vornherein die Existenzbedingungen jener Revenueformen fehlen.
D. h. alles wird per Analogie unter sie subsumirt.
Wenn ein unabhängiger Arbeiter — nehmen wir einen kleinen
Bauer, weil hier alle drei Revenueformen sich anwenden lassen —
für sich selbst arbeitet und sein eignes Produkt verkauft, so wird
er erstens als sein eigner Beschäftiger (Kapitalist) betrachtet, der
sich selbst als Arbeiter anwendet, und als sein eigner Grundeigen-
thümer, der sich selbst als seinen Pächter anwendet. Sich als
Lohnarbeiter zahlt er Arbeitslohn, sich als Kapitalist vindicirt er
Profit, und sich als Grundeigenthümer zahlt er Rente. Die kapi-
talistische Produktionsweise und die ihr entsprechenden Verhält-
nisse als allgemein gesellschaftliche Basis vorausgesetzt, ist diese
Subsumtion soweit richtig, als er es nicht seiner Arbeit verdankt,
sondern dem Besitz der Produktionsmittel — welche hier allge-
mein die Form von Kapital angenommen haben — dass er im
Stande ist sich seine eigne Mehrarbeit anzueignen. Und ferner,
soweit er sein Produkt als Waare producirt, also von dem Preis
desselben abhängt (und selbst wenn nicht, ist dieser Preis veran-
schlagbar) hängt die Masse der Mehrarbeit, die er verwerthen kann,
nicht von ihrer eignen Grösse, sondern von der allgemeinen Profit-
rate ab; und ebenso ist der etwaige Ueberschuss über die, durch
die allgemeine Profitrate bestimmte Quote des Mehrwerths wieder
nicht bestimmt durch das Quantum der von ihm geleisteten Arbeit,
sondern kann von ihm nur angeeignet werden, weil er Eigenthümer
des Bodens ist. Weil so eine der kapitalistischen Produktionsweise
nicht entsprechende Produktionsform — und bis zu einem gewissen
Grad nicht unrichtig — unter ihre Revenueformen subsumirt werden
kann, befestigt sich umsomehr der Schein, als ob die kapitalistischen
Verhältnisse Naturverhältnisse jeder Produktionsweise seien.
Reducirt man allerdings den Arbeitslohn auf seine allgemeine
Grundlage, nämlich auf den Theil des eignen Arbeitsprodukts, der
in die individuelle Konsumtion des Arbeiters eingeht; befreit man
[413] diesen Antheil von der kapitalistischen Schranke und erweitert ihn
zu dem Umfang der Konsumtion, den einerseits die vorhandne
Produktivkraft der Gesellschaft zulässt (also die gesellschaftliche
Produktivkraft seiner eignen Arbeit als wirklich gesellschaftlicher)
und den andrerseits die volle Entwicklung der Individualität er-
heischt; reducirt man ferner die Mehrarbeit und das Mehrprodukt
auf das Maß, das unter den gegebnen Produktionsbedingungen der
Gesellschaft erheischt ist, einerseits zur Bildung eines Assekuranz-
und Reservefonds, andrerseits zur stetigen Erweiterung der Repro-
duktion in dem durch das gesellschaftliche Bedürfniss bestimmten
Grad; schliesst man endlich in Nr. 1, der nothwendigen Arbeit,
und Nr. 2, der Mehrarbeit, das Quantum Arbeit ein, das die arbeits-
fähigen für die noch nicht oder nicht mehr arbeitsfähigen Glieder
der Gesellschaft stets verrichten müssen, d. h. streift man sowohl
dem Arbeitslohn wie dem Mehrwerth, der nothwendigen Arbeit
wie der Mehrarbeit den specifisch kapitalistischen Charakter ab, so
bleiben eben nicht diese Formen, sondern nur ihre Grundlagen,
die allen gesellschaftlichen Produktionsweisen gemeinschaftlich sind.
Uebrigens ist diese Art der Subsumtion auch früheren herrschenden
Produktionsweisen eigen, z. B. der feudalen. Produktionsverhältnisse,
die ihr gar nicht entsprachen, ganz ausserhalb ihrer standen, wurden
unter feudale Beziehungen subsumirt, z. B. in England die tenures
in common socage (im Gegensatz zu den tenures on knight’s service),
die nur Geldverpflichtungen einschlossen und nur dem Namen nach
feudal waren.
Einundfünfzigstes Kapitel.
Distributionsverhältnisse und Produktionsverhältnisse.
Der durch die jährlich neu zugesetzte Arbeit neu zugesetzte
Werth — also auch der Theil des jährlichen Produkts, worin sich
dieser Werth darstellt, und der aus dem Gesammtertrag heraus-
gezogen, ausgeschieden werden kann — zerfällt also in drei Theile,
die drei verschiedne Revenueformen annehmen, in Formen, die einen
Theil dieses Werths als dem Besitzer der Arbeitskraft, einen Theil
als dem Besitzer des Kapitals, und einen dritten Theil als dem
Besitzer des Grundeigenthums gehörig oder zufallend ausdrücken.
Es sind dies also Verhältnisse oder Formen der Distribution, denn
sie drücken die Verhältnisse aus, worin sich der neu erzeugte Ge-
sammtwerth unter die Besitzer der verschiednen Produktionsagentien
vertheilt.
[414]
Der gewöhnlichen Anschauung erscheinen diese Vertheilungs-
verhältnisse als Naturverhältnisse, als Verhältnisse, die aus der
Natur aller gesellschaftlichen Produktion, aus den Gesetzen der
menschlichen Produktion schlechthin entspringen. Es kann zwar
nicht geleugnet werden, dass vorkapitalistische Gesellschaften andre
Vertheilungsweisen zeigen, aber diese werden dann als unentwickelte,
unvollkommene und verkleidete, nicht auf ihren reinsten Ausdruck
und ihre höchste Gestalt reducirte, anders gefärbte Weisen jener
naturgemäßen Vertheilungsverhältnisse gedeutet.
Das einzig Richtige in dieser Vorstellung ist dies: Gesellschaft-
liche Produktion irgend einer Art (z. B. die der naturwüchsigen
indischen Gemeinwesen oder die des mehr künstlich entwickelten
Kommunismus der Peruaner) vorausgesetzt, kann stets unterschieden
werden zwischen dem Theil der Arbeit, dessen Produkt unmittelbar
von den Producenten und ihren Angehörigen individuell konsumirt
wird, und — abgesehn von dem Theil der der produktiven Kon-
sumtion anheimfällt — einem andern Theil der Arbeit, der immer
Mehrarbeit ist, dessen Produkt stets zur Befriedigung allgemeiner
gesellschaftlicher Bedürfnisse dient, wie immer dies Mehrprodukt
vertheilt werde, und wer immer als Repräsentant dieser gesell-
schaftlichen Bedürfnisse fungire. Die Identität der verschiednen
Vertheilungsweisen kommt also darauf hinaus, dass sie identisch
sind, wenn man von ihren Unterscheidungen und specifischen Formen
abstrahirt, nur die Einheit in ihnen, im Gegensatz zu ihrem Unter-
schied festhält.
Weiter gebildetes, mehr kritisches Bewusstsein gibt jedoch den
geschichtlich entwickelten Charakter der Vertheilungsverhältnisse
zu56), hält dafür aber um so fester an dem sich gleichbleibenden,
aus der menschlichen Natur entspringenden, und daher von aller
geschichtlichen Entwicklung unabhängigen Charakter der Produk-
tionsverhältnisse selbst.
Die wissenschaftliche Analyse der kapitalistischen Produktions-
weise beweist dagegen umgekehrt, dass sie eine Produktionsweise
von besondrer Art, von specifischer historischer Bestimmtheit ist;
dass sie, wie jede andre bestimmte Produktionsweise, eine gegebne
Stufe der gesellschaftlichen Produktivkräfte und ihrer Entwicklungs-
formen als ihre geschichtliche Bedingung voraussetzt: eine Be-
dingung, die selbst das geschichtliche Resultat und Produkt eines
vorhergegangnen Processes ist, und wovon die neue Produktions-
[415] weise als von ihrer gegebnen Grundlage ausgeht; dass die dieser
specifischen, historisch bestimmten Produktionsweise entsprechenden
Produktionsverhältnisse — Verhältnisse, welche die Menschen in
ihrem gesellschaftlichen Lebensprocess, in der Erzeugung ihres
gesellschaftlichen Lebens eingehn — einen specifischen, historischen
und vorübergehenden Charakter haben; und dass endlich die Ver-
theilungsverhältnisse wesentlich identisch mit diesen Produktions-
verhältnissen, eine Kehrseite derselben sind, sodass beide denselben
historisch vorübergehenden Charakter theilen.
Bei der Betrachtung der Vertheilungsverhältnisse geht man zu-
nächst von der angeblichen Thatsache aus, dass das jährliche Pro-
dukt sich als Arbeitslohn, Profit und Grundrente vertheilt. Aber
so ausgesprochen ist die Thatsache falsch. Das Produkt vertheilt
sich auf der einen Seite in Kapital und auf der andern in Revenuen.
Die eine dieser Revenuen, der Arbeitslohn, nimmt selbst immer nur
die Form einer Revenue, der Revenue des Arbeiters an, nachdem
er vorher demselben Arbeiter in der Form von Kapital gegen-
über getreten ist. Das Gegenübertreten der producirten Arbeits-
bedingungen und der Arbeitsprodukte überhaupt als Kapital, gegen-
über den unmittelbaren Producenten, schliesst von vornherein ein
einen bestimmten gesellschaftlichen Charakter der sachlichen Arbeits-
bedingungen gegenüber den Arbeitern, und damit ein bestimmtes
Verhältniss, worin sie in der Produktion selbst zu den Besitzern
der Arbeitsbedingungen und zu einander treten. Die Verwandlung
dieser Arbeitsbedingungen in Kapital schliesst ihrerseits die Expro-
priation der unmittelbaren Producenten von Grund und Boden, und
damit eine bestimmte Form des Grundeigenthums ein.
Verwandelte sich der eine Theil des Produkts nicht in Kapital,
so würde der andre nicht die Formen von Arbeitslohn, Profit und
Rente annehmen.
Andrerseits, wenn die kapitalistische Produktionsweise diese be-
stimmte gesellschaftliche Gestalt der Produktionsbedingungen vor-
aussetzt, reproducirt sie dieselbe beständig. Sie producirt nicht
nur die materiellen Produkte, sondern reproducirt beständig die Pro-
duktionsverhältnisse, worin jene producirt werden, und damit auch
die entsprechenden Vertheilungsverhältnisse.
Allerdings kann gesagt werden, dass das Kapital (und das Grund-
eigenthum, welches es als seinen Gegensatz einschliesst) selbst schon
eine Vertheilung voraussetzt: die Expropriation der Arbeiter von
den Arbeitsbedingungen, die Koncentration dieser Bedingungen in
den Händen einer Minorität von Individuen, das ausschliessliche
[416] Eigenthum am Grund und Boden für andre Individuen, kurz alle
die Verhältnisse die im Abschnitt über die ursprüngliche Akkumu-
lation (Buch I, Kap. XXIV) entwickelt worden sind. Aber diese
Vertheilung ist durchaus verschieden von dem, was man unter Ver-
theilungsverhältnissen versteht, wenn man diesen, im Gegensatz zu
den Produktionsverhältnissen, einen historischen Charakter vindicirt.
Man meint darunter die verschiednen Titel auf den Theil des
Produkts, der der individuellen Konsumtion anheimfällt. Jene Ver-
theilungsverhältnisse sind dagegen die Grundlagen besondrer gesell-
schaftlicher Funktionen, welche innerhalb des Produktionsverhält-
nisses selbst bestimmten Agenten desselben zufallen im Gegensatz zu
den unmittelbaren Producenten. Sie geben den Produktionsbedin-
gungen selbst und ihren Repräsentanten eine specifische gesellschaft-
liche Qualität. Sie bestimmen den ganzen Charakter und die ganze
Bewegung der Produktion.
Es sind zwei Charakterzüge, welche die kapitalistische Produk-
tionsweise von vornherein auszeichnen.
Erstens. Sie producirt ihre Produkte als Waaren. Waaren zu
produciren, unterscheidet sie nicht von andern Produktionsweisen;
wohl aber dies, dass Waare zu sein, der beherrschende und be-
stimmende Charakter ihres Produkts ist. Es schliesst dies zu-
nächst ein, dass der Arbeiter selbst nur als Waarenverkäufer und
daher als freier Lohnarbeiter, die Arbeit also überhaupt als Lohn-
arbeit auftritt. Es ist nach der bisher gegebnen Entwicklung
überflüssig, von neuem nachzuweisen, wie das Verhältniss von
Kapital und Lohnarbeit den ganzen Charakter der Produktions-
weise bestimmt. Die Hauptagenten dieser Produktionsweise selbst,
der Kapitalist und der Lohnarbeiter, sind als solche nur Ver-
körperungen, Personificirungen von Kapital und Lohnarbeit; be-
stimmte gesellschaftliche Charaktere, die der gesellschaftliche Pro-
duktionsprocess den Individuen aufprägt; Produkte dieser bestimmten
gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse.
Der Charakter 1) des Produkts als Waare, und 2) der Waare
als Produkt des Kapitals, schliesst schon die sämmtlichen Cirku-
lationsverhältnisse ein, d. h. einen bestimmten gesellschaftlichen
Process, den die Produkte durchmachen müssen, und worin sie be-
stimmte gesellschaftliche Charaktere annehmen; er schliesst ein
ebenso bestimmte Verhältnisse der Produktionsagenten, von denen
die Verwerthung ihres Produkts und seine Rückverwandlung, sei
es in Lebensmittel, sei es in Produktionsmittel bestimmt ist. Aber
auch abgesehn hiervon, ergibt sich aus den beiden obigen Charak-
[417] teren des Produkts als Waare, oder Waare als kapitalistisch pro-
ducirter Waare, die ganze Werthbestimmung und die Regelung
der Gesammtproduktion durch den Werth. In dieser ganz speci-
fischen Form des Werths gilt die Arbeit einerseits nur als gesell-
schaftliche Arbeit; andrerseits ist die Vertheilung dieser gesell-
schaftlichen Arbeit und die wechselseitige Ergänzung, der Stoff-
wechsel ihrer Produkte, die Unterordnung unter, und Einschiebung
in, das gesellschaftliche Triebwerk, dem zufälligen, sich wechsel-
seitig aufhebenden Treiben der einzelnen kapitalistischen Produ-
centen überlassen. Da diese sich nur als Waarenbesitzer gegen-
übertreten, und jeder seine Waare so hoch als möglich zu verkaufen
sucht (auch scheinbar in der Regulirung der Produktion selbst nur
durch seine Willkür geleitet ist) setzt sich das innere Gesetz nur
durch vermittelst ihrer Konkurrenz, ihres wechselseitigen Drucks
aufeinander, wodurch sich die Abweichungen gegenseitig aufheben.
Nur als inneres Gesetz, den einzelnen Agenten gegenüber als blindes
Naturgesetz, wirkt hier das Gesetz des Werths und setzt das ge-
sellschaftliche Gleichgewicht der Produktion inmitten ihrer zufälligen
Fluktuationen durch.
Es ist ferner schon in der Waare eingeschlossen, und noch mehr
in der Waare als Produkt des Kapitals, die Verdinglichung der
gesellschaftlichen Produktionsbestimmungen und die Versubjektivi-
rung der materiellen Grundlagen der Produktion, welche die ganze
kapitalistische Produktionsweise charakterisirt.
Das zweite, was die kapitalistische Produktionsweise speciell aus-
zeichnet, ist die Produktion des Mehrwerths als direkter Zweck und
bestimmendes Motiv der Produktion. Das Kapital producirt wesent-
lich Kapital, und es thut dies nur, soweit es Mehrwerth producirt.
Wir haben bei Betrachtung des relativen Mehrwerths, weiter bei
Betrachtung der Verwandlung des Mehrwerths in Profit gesehn,
wie sich hierauf eine der kapitalistischen Periode eigenthümliche
Produktionsweise gründet — eine besondre Form der Entwicklung
der gesellschaftlichen Produktivkräfte der Arbeit, aber als, dem
Arbeiter gegenüber, verselbständigter Kräfte des Kapitals, und in
direktem Gegensatz daher zu seiner, des Arbeiters, eignen Ent-
wicklung. Die Produktion für den Werth und den Mehrwerth
schliesst, wie sich dies bei der weitern Entwicklung gezeigt hat
die stets wirkende Tendenz ein, die zur Produktion einer Waare
nöthige Arbeitszeit, d. h. ihren Werth, unter den jedesmal be-
stehenden gesellschaftlichen Durchschnitt zu reduciren. Der Drang
zur Reduktion des Kostpreises auf sein Minimum wird der stärkste
Marx, Kapital III, 2. 27
[418] Hebel der Steigerung der gesellschaftlichen Produktivkraft der
Arbeit, die aber hier nur als beständige Steigerung der Produktiv-
kraft des Kapitals erscheint.
Die Autorität, die der Kapitalist als Personifikation des Kapitals
im unmittelbaren Produktionsprocess annimmt, die gesellschaftliche
Funktion, die er als Leiter und Beherrscher der Produktion be-
kleidet, ist wesentlich verschieden von der Autorität auf Basis der
Produktion mit Sklaven, Leibeignen u. s. w.
Während, auf Basis der kapitalistischen Produktion, der Masse
der unmittelbaren Producenten der gesellschaftliche Charakter ihrer
Produktion in der Form streng regelnder Autorität, und eines als
vollständige Hierarchie gegliederten, gesellschaftlichen Mechanismus
des Arbeitsprocesses gegenübertritt — welche Autorität ihren
Trägern aber nur als Personificirung der Arbeitsbedingungen gegen-
über der Arbeit, nicht wie in früheren Produktionsformen als poli-
tischen oder theokratischen Herrschern zukommt — herrscht unter
den Trägern dieser Autorität, den Kapitalisten selbst, die sich nur
als Waarenbesitzer gegenübertreten, die vollständigste Anarchie,
innerhalb deren der gesellschaftliche Zusammenhaug der Produktion
sich nur als übermächtiges Naturgesetz der individuellen Willkür
gegenüber geltend macht.
Nur weil die Arbeit in der Form der Lohnarbeit und die Pro-
duktionsmittel in der Form von Kapital vorausgesetzt sind — also
nur in Folge dieser specifischen gesellschaftlichen Gestalt dieser
zwei wesentlichen Produktionsagentien — stellt sich ein Theil des
Werths (Produkts) als Mehrwerth und dieser Mehrwerth als Profit
(Rente) dar, als Gewinn des Kapitalisten, als zusätzlicher dispo-
nibler, ihm gehöriger Reichthum. Aber nur weil er sich so als
sein Profit darstellt, stellen sich die zusätzlichen Produktions-
mittel, die zur Erweiterung der Reproduktion bestimmt sind, und
die einen Theil des Profits bilden, als neues zusätzliches Kapital,
und die Erweiterung des Reproduktionsprocesses überhaupt als kapi-
talistischer Akkumulationsprocess dar.
Obgleich die Form der Arbeit als Lohnarbeit entscheidend für
die Gestalt des ganzen Processes und für die specifische Weise der
Produktion selbst, ist nicht die Lohnarbeit werthbestimmend. In
der Werthbestimmung handelt es sich um die gesellschaftliche
Arbeitszeit überhaupt, das Quantum Arbeit, worüber die Gesell-
schaft überhaupt zu verfügen hat, und dessen relative Absorption
durch die verschiednen Produkte gewissermaßen deren respektives
gesellschaftliches Gewicht bestimmt. Die bestimmte Form, worin
[419] sich die gesellschaftliche Arbeitszeit im Werth der Waaren als
bestimmend durchsetzt, hängt allerdings mit der Form der Arbeit
als Lohnarbeit und der entsprechenden Form der Produktions-
mittel als Kapital insofern zusammen, als nur auf dieser Basis
die Waarenproduktion zur allgemeinen Form der Produktion wird.
Betrachten wir übrigens die sogenannten Vertheilungsverhält-
nisse selbst. Der Arbeitslohn unterstellt die Lohnarbeit, der Profit
das Kapital. Diese bestimmten Vertheilungsformen unterstellen
also bestimmte gesellschaftliche Charaktere der Produktionsbedin-
gungen, und bestimmte gesellschaftliche Verhältnisse der Produk-
tionsagenten. Das bestimmte Vertheilungsverhältniss ist also nur
Ausdruck des geschichtlich bestimmten Produktionsverhältnisses.
Und nun nehme man den Profit. Diese bestimmte Form des
Mehrwerths ist die Voraussetzung dafür, dass die Neubildung der
Produktionsmittel in der Form der kapitalistischen Produktion vor-
geht; also ein die Reproduktion beherrschendes Verhältniss, obgleich
es dem einzelnen Kapitalisten scheint, er könne eigentlich den
ganzen Profit als Revenue aufessen. Indessen findet er dabei
Schranken, die ihm schon in der Form von Assekuranz- und
Reservefonds, Gesetz der Konkurrenz u. s. w. entgegentreten und
ihm praktisch beweisen, dass der Profit keine blosse Vertheilungs-
kategorie des individuell konsumirbaren Produkts ist. Der ganze
kapitalistische Produktionsprocess ist ferner regulirt durch die
Preise der Produkte. Aber die regulirenden Produktionspreise sind
selbst wieder regulirt durch die Ausgleichung der Profitrate und
die ihr entsprechende Vertheilung des Kapitals in die verschiednen
gesellschaftlichen Produktionssphären. Der Profit erscheint hier
also als Hauptfaktor, nicht der Vertheilung der Produkte, sondern
ihrer Produktion selbst, Theil der Vertheilung der Kapitale und
der Arbeit selbst in die verschiednen Produktionssphären. Die
Spaltung des Profits in Unternehmergewinn und Zins erscheint als
Vertheilung derselben Revenue. Aber sie entspringt zunächst aus
der Entwicklung des Kapitals als sich selbst verwerthenden, Mehr-
werth erzeugenden Werths, dieser bestimmten gesellschaftlichen
Gestalt des herrschenden Produktionsprocesses. Sie entwickelt aus
sich heraus den Kredit und die Kreditinstitutionen, und damit die
Gestalt der Produktion. Im Zins u. s. w. gehn die angeblichen
Vertheilungsformen als bestimmende Produktionsmomente in den
Preis ein.
Von der Grundrente könnte es scheinen, dass sie blosse Ver-
theilungsform ist, weil das Grundeigenthum als solches keine, oder
27*
[420] wenigstens keine normale Funktion im Produktionsprocess selbst
versieht. Aber der Umstand, dass 1) die Rente beschränkt wird
auf den Ueberschuss über den Durchschnittsprofit, 2) dass der Grund-
eigenthümer vom Lenker und Beherrscher des Produktionsprocesses
und des ganzen gesellschaftlichen Lebensprocesses herabgedrückt
wird zum blossen Verpachter von Boden, Wucherer in Boden,
und blossen Einkassirer von Rente, ist ein specifisches historisches
Ergebniss der kapitalistischen Produktionsweise. Dass die Erde
die Form von Grundeigenthum erhalten hat, ist eine historische
Voraussetzung derselben. Dass das Grundeigenthum Formen erhält,
welche die kapitalistische Betriebsweise der Landwirthschaft zulassen,
ist ein Produkt des specifischen Charakters dieser Produktionsweise.
Man mag die Einnahme des Grundeigenthümers auch in andren
Gesellschaftsformen Rente nennen. Aber sie ist wesentlich unter-
schieden von der Rente, wie sie in dieser Produktionsweise erscheint.
Die sogenannten Vertheilungsverhältnisse entsprechen also, und
entspringen aus, historisch bestimmten, specifisch gesellschaftlichen
Formen des Produktionsprocesses und der Verhältnisse, welche die
Menschen im Reproduktionsprocess ihres menschlichen Lebens unter
einander eingehn. Der historische Charakter dieser Vertheilungs-
verhältnisse ist der historische Charakter der Produktionsverhält-
nisse, wovon sie nur eine Seite ausdrücken. Die kapitalistische
Vertheilung ist verschieden von den Vertheilungsformen, die aus
andren Produktionsweisen entspringen, und jede Vertheilungsform
verschwindet mit der bestimmten Form der Produktion, der sie
entstammt und entspricht.
Die Ansicht, die nur die Vertheilungsverhältnisse als historisch
betrachtet, aber nicht die Produktionsverhältnisse, ist einerseits nur
die Ansicht der beginnenden, aber noch befangnen Kritik der bürger-
lichen Oekonomie. Andrerseits aber beruht sie auf einer Verwechs-
lung und Identificirung des gesellschaftlichen Produktionsprocesses
mit dem einfachen Arbeitsprocess, wie ihn auch ein abnorm iso-
lirter Mensch ohne alle gesellschaftliche Beihülfe verrichten müsste.
Soweit der Arbeitsprocess nur ein blosser Process zwischen Mensch
und Natur ist, bleiben seine einfachen Elemente allen gesellschaft-
lichen Entwicklungsformen desselben gemein. Aber jede bestimmte
historische Form dieses Processes entwickelt weiter die materiellen
Grundlagen und gesellschaftlichen Formen desselben. Auf einer
gewissen Stufe der Reife angelangt, wird die bestimmte historische
Form abgestreift und macht einer höhern Platz. Dass der Moment
einer solchen Krise gekommen, zeigt sich, sobald der Widerspruch
[421] und Gegensatz zwischen den Vertheilungsverhältnissen, daher auch
der bestimmten historischen Gestalt der ihnen entsprechenden Pro-
duktionsverhältnisse einerseits, und den Produktivkräften, der Pro-
duktionsfähigkeit und der Entwicklung ihrer Agentien andrerseits,
Breite und Tiefe gewinnt. Es tritt dann ein Konflikt zwischen
der materiellen Entwicklung der Produktion und ihrer gesellschaft-
lichen Form ein.57)
Zweiundfünfzigstes Kapitel.
Die Klassen.
Die Eigenthümer von blosser Arbeitskraft, die Eigenthümer von
Kapital, und die Grundeigenthümer, deren respektive Einkommen-
quellen Arbeitslohn, Profit und Grundrente sind, also Lohnarbeiter,
Kapitalisten und Grundeigenthümer, bilden die drei grossen Klassen
der modernen, auf der kapitalistischen Produktionsweise beruhenden
Gesellschaft.
In England ist unstreitig die moderne Gesellschaft, in ihrer ökono-
mischen Gliederung, am weitesten, klassischsten entwickelt. Dennoch
tritt diese Klassengliederung selbst hier nicht rein hervor. Mittel-
und Uebergangsstufen vertuschen auch hier (obgleich auf dem Lande
unvergleichlich weniger als in den Städten) überall die Grenzbe-
stimmungen. Indess ist dies für unsere Betrachtung gleichgültig.
Man hat gesehn, dass es die beständige Tendenz und das Entwick-
lungsgesetz der kapitalistischen Produktionsweise ist, die Produktions-
mittel mehr und mehr von der Arbeit zu scheiden, und die zer-
splitterten Produktionsmittel mehr und mehr in grosse Gruppen
zu koncentriren, also die Arbeit in Lohnarbeit und die Produktions-
mittel in Kapital zu verwandeln. Und dieser Tendenz entspricht
auf der andern Seite die selbständige Scheidung des Grundeigen-
thums von Kapital und Arbeit58), oder Verwandlung alles Grund-
eigenthums in die der kapitalistischen Produktionsweise entsprechende
Form des Grundeigenthums.
Die nächst zu beantwortende Frage ist die: Was bildet eine
[422] Klasse? und zwar ergibt sich dies von selbst aus der Beantwortung
der andern Frage: Was macht Lohnarbeiter, Kapitalisten, Grund-
eigenthümer zu Bildnern der drei grossen gesellschaftlichen Klassen?
Auf den ersten Blick die Dieselbigkeit der Revenuen und Revenue-
quellen. Es sind drei grosse gesellschaftliche Gruppen, deren Kompo-
nenten, die sie bildenden Individuen, resp. von Arbeitslohn, Profit
und Grundrente, von der Verwerthung ihrer Arbeitskraft, ihres
Kapitals und ihres Grundeigenthums leben.
Indess würden von diesem Standpunkt aus z. B. Aerzte und Be-
amte auch zwei Klassen bilden, denn sie gehören zwei unter-
schiednen gesellschaftlichen Gruppen an, bei denen die Revenuen
der Mitglieder von jeder der beiden aus derselben Quelle fliessen.
Dasselbe gälte für die unendliche Zersplitterung der Interessen und
Stellungen, worin die Theilung der gesellschaftlichen Arbeit, die
Arbeiter wie die Kapitalisten und Grundeigenthümer — letztre z. B.
in Weinbergsbesitzer, Aeckerbesitzer, Waldbesitzer, Bergwerks-
besitzer, Fischereibesitzer — spaltet.
[Hier bricht das Ms. ab.]
Appendix A
Druck von Hesse \& Becker in Leipzig.
seines jährlichen Verdienstes als Zinsertrag betrachtet … Wenn man …
die durchschnittlichen Taglohnsätze mit 4 % kapitalisirt, so erhält man als
schlechts: Deutsch-Oestreich 1500 Thaler, Preussen 1500, England 3750,
Frankreich 2000, Inneres Russland 750 Thaler.“ (Von Reden, Vergleichende
Kulturstatistik. Berlin, 1848, p. 134.)
papiere aufs äusserste entwerthet und total unverkäuflich waren, machte ein
schweizer Kaufmann in Liverpool, Herr R. Zwilchenbart (der dies meinem Vater
erzählt hat) zu Geld, was er konnte, reiste mit der Baarschaft nach Paris und ging
zu Rothschild, ihm vorschlagend, ein gemeinsames Geschäft zu machen. Roth-
schild sah ihn starr an, stürzte auf ihn zu, ihn bei beiden Schultern fassend:
Avez-vous de l’argent sur vous? — Oui, M. le baron. — Alors vous êtes mon
homme! — Und sie machten beide ein brillantes Geschäft. — F. E.]
Jahren sich bedeutend weiter entwickelt, z. B. durch die Financial Trusts,
die im Londoner Börsenbericht schon eine besondre Rubrik einnehmen. Es
bildet sich eine Gesellschaft zum Ankauf einer gewissen Klasse zinstragender
Papiere, sage ausländische Staatspapiere, englische städtische oder amerika-
nische öffentliche Schuldscheine, Eisenbahnaktien etc. Das Kapital, sage
2 Millionen £, wird durch Aktienzeichnung aufgebracht; die Direktion kauft
die betr. Werthe ein, resp. spekulirt mehr oder weniger aktiv darin, und
vertheilt den jährlichen Zinsenertrag nach Abzug der Kosten als Dividende
unter die Aktionäre. — Ferner ist bei einzelnen Aktiengesellschaften der
Brauch aufgekommen, die gewöhnlichen Aktien in zwei Klassen zu theilen,
preferred und deferred. Die preferred erhalten eine fixe Verzinsung, sage
5 %, vorausgesetzt dass der Gesammtprofit dies erlaubt; bleibt dann noch
etwas übrig, so erhalten es die deferred. Auf diese Weise wird die „solide“
Kapitalanlage in den preferred mehr oder weniger von der eigentlichen
Spekulation — in den deferred — getrennt. Da nun einzelne grosse Unter-
nehmungen sich dieser neuen Mode nicht fügen wollen, ist es vorgekommen,
dass sich Gesellschaften gebildet haben, die eine oder einige Millionen £
in den Aktien jener anlegen, und darauf hin für den Nominalwerth dieser
Aktien neue Aktien ausgeben, aber die eine Hälfte preferred und die andre
deferred. In diesen Fällen werden die ursprünglichen Aktien verdoppelt,
indem sie zur Grundlage neuer Aktienausgabe dienen. — F. E.]
der Daily News vom 15. Dec. 1892 entlehnte Aufstellung der Bankreserven
der fünfzehn grössten Londoner Banken im November 1892:
Mengen von Banknoten auszugeben, ohne Rücksicht auf deren Deckung durch
den in ihren Händen befindlichen Goldschatz; also beliebige Mengen von
papiernem fiktiven Geldkapital zu kreiren, und damit den Banken und
Wechselmaklern, und durch sie dem Handel, Vorschüsse zu machen.
bei der Bank von England deponirt, höchstens 3 Millionen in baar in den
Kassenschränken der 15 Banken selbst. Die Baarreserve aber des Bank-
departements der Bank von England betrug im selben November 1892 nie
volle 16 Millionen! — F. E.]
représente la partie du revenu annuel affectée à payer la dette. Un capital
équivalent a été dissipé; c’est lui qui sert de dénominateur à l’emprunt,
mais ce n’est pas lui que le fond public représente; car le capital n’existe
plus nulle part. De nouvelles richesses cependant doivent naître du travail
de l’industrie; une portion annuelle de ces richesses est assignée par avance
à ceux qui ont prêté celles qui ont été détruites; cette portion sera ôtée par
les impôts à ceux qui les produisent, pour être donnée aux créanciers de l’Etat,
et d’après la proportion usuelle dans le pays entre le capital et l’intérêt,
on suppose un capital imaginaire équivalent à celui dont pourrait naître la
rente annuelle que les créanciers doivent recevoir. (Sismondi, Nouveaux Prin-
cipes II, p. 230.)
blosser Ausdruck von industriellem Kapital. Wenn z. B. England um 1857
in amerikanischen Eisenbahnen und andren Unternehmungen 80 Millionen £
angelegt hatte, so wurde diese Anlage fast durchweg vermittelt durch Aus-
fuhr englischer Waaren, wofür die Amerikaner keine Rückzahlung zu machen
hatten. Der englische Exporteur zog gegen diese Waaren Wechsel auf
Amerika, die von den englischen Aktienzeichnern aufgekauft und nach
Amerika zur Einzahlung der Aktienbeträge gesandt wurden.
allgemeinen Krise eine Wendung eingetreten. Die akute Form des perio-
dischen Prozesses mit ihrem bisherigen zehnjährigen Cyklus scheint in eine
mehr chronische, länger gezogne, sich auf die verschiednen Industrieländer
verschiedenzeitig vertheilende Abwechslung von relativ kurzer, matter Ge-
schäftsbesserung mit relativ langem, entscheidungslosem Druck gewichen zu
sein. Vielleicht aber handelt es sich nur um eine Ausdehnung der Dauer
des Cyklus. In der Kindheit des Welthandels, 1815—47, lassen sich an-
nähernd fünfjährige Krisen nachweisen; von 1847—67 ist der Cyklus ent-
schieden zehnjährig; sollten wir uns in der Vorbereitungsperiode eines neuen
Weltkrachs von unerhörter Vehemenz befinden? Dahin scheint manches zu
deuten. Seit der letzten allgemeinen Krise von 1867 sind grosse Aenderungen
eingetreten. Die kolossale Ausdehnung der Verkehrsmittel — oceanische
Dampfschiffe, Eisenbahnen, elektrische Telegraphen, Suezkanal — hat den
Weltmarkt erst wirklich hergestellt. Dem früher die Industrie monopoli-
sirenden England sind eine Reihe konkurrirender Industrieländer zur Seite
getreten; der Anlage des überschüssigen europäischen Kapitals sind in allen
Welttheilen unendlich grössere und mannigfaltigere Gebiete eröffnet, sodass
es sich weit mehr vertheilt, und lokale Ueberspekulation leichter überwunden
wird. Durch alles dies sind die meisten alten Krisenheerde und Gelegen-
heiten zur Krisenbildung beseitigt oder stark abgeschwächt. Daneben weicht
die Konkurrenz im innern Markt zurück vor den Kartellen und Trusts,
während sie auf dem äusseren Markt beschränkt wird durch die Schutzzölle,
womit ausser England alle grossen Industrieländer sich umgeben. Aber diese
Schutzzölle selbst sind nichts als die Rüstungen für den schliesslichen allge-
meinen Industriefeldzug, der über die Herrschaft auf dem Weltmarkt ent-
scheiden soll. So birgt jedes der Elemente, das einer Wiederholung der alten
Krisen entgegenstrebt, den Keim einer weit gewaltigeren künftigen Krise
in sich. — F. E.]
Geschäfte in Kapital oder in Geld? — Wir handeln in Geld. — 4517. Wie
werden die Depositen in Ihrer Bank eingezahlt? — In Geld. — 4518. Wie
werden sie ausgezahlt? — In Geld. — Kann man also sagen, dass sie etwas
andres sind als Geld? — Nein.“
Overstone (siehe Kap. XXVI) verwirrt sich fortwährend zwischen „capital“
und „money.“ Value of money heisst bei ihm auch Zins, aber soweit er
bestimmt ist durch die Masse des Geldes; value of capital soll der Zins sein
soweit er bestimmt wird durch die Nachfrage nach produktivem Kapital
und durch den Profit, den es abwirft. Er sagt: „4140. Der Gebrauch des
Wortes Kapital ist sehr gefährlich. — 4148. Die Goldausfuhr aus England
ist eine Verminderung der Geldmenge im Lande, und diese muss natürlich
vermehrte Nachfrage im Geldmarkt überhaupt verursachen“ [hiernach also
nicht im Kapitalmarkt]. — „4112. Im Maß wie das Geld aus dem Lande
geht, wird die Menge im Lande vermindert. Diese Verminderung der im
Lande bleibenden Menge erzeugt einen gesteigerten Werth dieses Geldes“
[dies bedeutet ursprünglich in seiner Theorie eine durch die Kontraktion
der Cirkulation verursachte Werthsteigerung des Geldes als Geld, im Ver-
gleich zu den Waarenwerthen; wo also diese Steigerung im Werth des
Geldes = Fall im Werth der Waaren. Da aber in der Zwischenzeit selbst
für ihn unwiderspiechlich nachgewiesen, dass die Masse des cirkulirenden
Geldes nicht die Preise bestimmt, so ist es jetzt die Verminderung des
Geldes als Umlaufsmittel, die seinen Werth als zinstragendes Kapital, und
damit den Zinsfuss steigern sollen.] „Und dieser gesteigerte Werth des noch
übrigen Geldes thut dem Abfluss Einhalt und dauert fort, bis er so viel
Geld zurückgebracht hat, als nöthig ist, das Gleichgewicht wieder herzu-
stellen.“ — Die Fortsetzung der Widersprüche des Overstone weiter unten.
Hand des Bankiers. Bankier Twells, vor dem Bankausschuss von 1857, nimmt fol-
gendes Beispiel: „Ich fange mein Geschäft an mit 10000 £. Mit 5000 £ kaufe ich
Waaren und nehme sie auf mein Lager. Die andern 5000 £ deponire ich bei einem
Bankier, um dagegen nach Bedarf zu ziehn. Aber ich betrachte das Ganze
immer noch als mein Kapital, obgleich 5000 £ davon sich in der Form von
Depositum oder Geld befinden.“ (4528.) Hieraus entspinnt sich nun folgende
artige Debatte: „4531. Sie haben also Ihre 5000 £ in Banknoten jemand
anders gegeben? — Jawohl. — 4532. Dann hat dieser 5000 £ Depositen?
— Jawohl. — 4533. Und Sie haben 5000 £ Depositen? — Ganz richtig. —
4534. Er hat 5000 £ in Geld, und Sie haben 5000 £ in Geld? — Jawohl. —
4535. Aber es ist schliesslich nichts als Geld? — Nein.“ — Die Konfusion
rührt z. Th. daher: A, der die 5000 £ deponirt hat, kann dagegen ziehn,
verfügt über sie, so gut als wenn et sie noch hätte. Sie fungiren soweit
für ihn als potentielles Geld. In allen Fällen wo er dagegen zieht, ver-
nichtet er aber sein Depositum pro tanto. Zieht er wirkliches Geld heraus,
und ist sein Geld schon weiter verliehen, so wird er nicht mit seinem eignen
Geld bezahlt, sondern mit, von einem andern deponirten, Geld. Zahlt er
eine Schuld an B mit einem Cheque auf seinen Bankier, und deponirt B
diesen Cheque bei seinem Bankier, und hat der Bankier von A ebenfalls
einen Cheque auf den Bankier von B, sodass die beiden Bankiers nur die
Cheques austauschen, so hat das von A deponirte Geld zweimal Geldfunktion
verrichtet; erstens in der Hand dessen, der das von A deponirte Geld er-
halten hat; zweitens in der Hand von A selbst. In der zweiten Funktion
ist es Ausgleichung von Schuldforderung (die Schuldforderung des A auf
seinen Bankier, und die Schuldforderung des letztern auf den Bankier von
B) ohne Dazwischenkunft von Geld. Hier wirkt das Depositum zweimal
als Geld, nämlich als wirkliches Geld, und sodann als Anspruch auf Geld.
Blosse Ansprüche auf Geld können Geldstelle vertreten nur durch Aus-
gleichung von Schuldforderungen.
Cirkulation blieb:
1857. II. Appendix p. 301—302.
am 17. Jan. 1894 erzählt der Präsident Herr Ritchie, die Bank v. E. habe
1893 den Diskonto von 2½ % (Juli) im August auf 3 und 4 %, und da sie
trotzdem in vier Wochen volle 4½ Mill. £ Gold verloren, auf 5 % erhöht,
worauf Gold zurückfloss und die Bankrate im Sept. auf 4, im Oktober
auf 3 % herabgesetzt wurde. Aber diese Bankrate sei im Markt nicht an-
erkannt worden. „Als die Bankrate 5 % war, war die Marktrate 3½ % und
die Rate für Geld 2½ %; als die Bankrate auf 4 % fiel, war die Diskonto-
rate 2⅜ % und die Geldrate 1¾ %; als die Bankrate 3 %, war die Diskonto-
rate 1½ % und die Geldrate eine Kleinigkeit niedriger.“ (Daily News 18. Jan
1894.) — F. E.
im Publikum statt; im September erhöhte die Bank von England ihren Dis-
konto dreimal hinter einander … in den ersten Oktobertagen … zeigte
sich ein bedeutender Grad von Besorgniss und Alarm unter dem Publikum.
Diese Befürchtungen und diese Beunruhigung wurden grösstentheils gehoben
vor Ende November, und wurden fast ganz beseitigt, durch die Ankunft von
5 Mill. Edelmetall von Australien. Dasselbe wiederholte sich im Herbst
1854 bei Ankunft, im Oktober und November, von beinahe 6 Mill. Edel-
metall. Dasselbe wiederholte sich im Herbst 1855, bekanntlich eine Zeit
der Aufregung und Beunruhigung, durch die Ankunft von ungefähr 8 Mil-
lionen Edelmetall während der Monate September, Oktober und November.
Ende 1856 finden wir, dass dasselbe geschieht. Kurz, ich könnte ganz wohl
an die Erfahrung fast jedes Mitgliedes des Ausschusses appelliren, ob wir
uns nicht schon gewöhnt haben, bei irgendwelcher finanziellen Klemme die
natürliche komplete Abhülfe zu sehn in der Ankunft eines Goldschiffs.“ —
entspringen und zwar 1) aus rein geschäftlichen Ursachen, d. h. wenn die Einfuhr
grösser gewesen ist als die Ausfuhr, wie zwischen 1836 und 44, und wiederum
1847, hauptsächlich starke Korneinfuhr; 2) um die Mittel zu beschaffen für
Anlage von englischem Kapital im Ausland, wie 1857 für Eisenbahnen in
Indien; und 3) für definitive Verausgabung im Ausland, wie 1853 und 54
für Kriegszwecke im Orient.
wenn Sie in Rechnung ziehn die Umsätze zwischen Indien und Australien,
und die noch wichtigern Umsätze zwischen China und den Vereinigten
Staaten, und in diesen Fällen ist das Geschäft ein trianguläres und die Aus-
gleichung findet statt durch unsre Vermittlung … dann ist es richtig,
dass die Handelsbilanz nicht nur gegen England war, sondern auch gegen
Frankreich und die Vereinigten Staaten.“ — (B. A. 1857.)
5 Mill. weggeflossenes Gold um soviel Kapital weniger ist, und er damit
Erscheinungen erklären will, die bei unendlich grössern Preissteigerungen
oder Entwerthungen, Expansionen und Kontraktionen des wirklichen indu-
striellen Kapitals nicht eintreten. Andrerseits ist der Versuch nicht minder
lächerlich, diese Erscheinungen direkt als Symptome einer Expansion oder
Kontraktion in der Masse des realen Kapitals (seinen stofflichen Elementen
nach betrachtet) zu erklären.
ist in Wahrheit … die Centralreserve oder der Centralmetallschatz, auf
Grund wovon das ganze Geschäft des Landes betrieben wird. Sie ist sozu-
sagen der Angelpunkt, um den das ganze Geschäft des Landes sich zu
drehn hat; alle andern Banken im Lande betrachten die Bank von England
als den Centralschatz oder das Reservoir, von wo sie ihre Reserve von Hart-
geld zu ziehn haben; und die Wirkung der auswärtigen Wechselkurse fällt
stets grade auf diesen Schatz und dies Reservoir.“
frage nach Gold begegnen durch eine frühzeitige Einschränkung der Kredite
vermittelst Erhöhung des Zinsfusses und Verminderung des Kapitalvorschusses.
Nur verursacht Loyd durch seine Illusion lästige und selbst gefäbrliche [ge-
setzliche] Beschränkungen und Vorschriften.“ (Economist, 1847. p. 1417.)
frage nach Gold zu modificiren, als durch Erhöhung des Zinsfusses? —
Chapman [Associé der grossen Billbrokerfirma Overend Gurney \& Co.]: Das
ist meine Ansicht. Wenn unser Gold auf einen gewissen Punkt fällt, thun
wir am besten, sogleich die Sturmglocke zu läuten und zu sagen: wir sind
im Niedergang, und wer Gold ins Ausland schickt, muss es auf seine eigne
Gefahr thun.“ — B. A. 1857, Evid. No. 5057.
Monat, und durch Versatz eines Artikels um einen andern herauszunehmen,
und dabei eine kleine Gelddifferenz zu erhalten, dass der Pfandhauszins so
übermäßig wird. In London sind 240 koncessionirte Pfandverleiher und in
der Provinz ungefähr 1450. Das angewandte Kapital wird auf ungefähr
1 Mill. geschätzt. Es wird wenigstens dreimal im Jahre umgeschlagen, und
jedesmal im Durchschnitt für 33½ %; sodass die untern Klassen von England
100 % jährlich bezahlen für den temporären Vorschuss einer Million, abgesehn
von dem Verlust durch verwirkte Auslösungsfrist versetzter Artikel.“ (J. J.
Tuckett, A History of the Past and Present State of the Labouring Popu-
lation. London 1846, I. p. 114.)
allgemeine Wohl der Grundbesitzer, die grosse Steigerung des Werthes von
Grundbesitz, die Befreiung des Adels und der gentry etc. von Steuern, die
Vermehrung ihres jährlichen Einkommens etc.“ Nur die Wucherer würden
verlieren, diese schlimmsten Feinde der Nation, die dem Adel und der yeo-
manry mehr Schaden gethan als eine Invasionsarmee aus Frankreich hätte
thun können.
an „die Goldschmiede“ (die Vorläufer der Bankiers) zu zahlen, 20—30 %.
Ein so profitliches Geschäft veranlasste „die Goldschmiede“ mehr und mehr
dem Könige Vorschüsse zu machen, die gesammten Steuereingänge zu anti-
cipiren, jede parlamentarische Geldbewilligung in Pfand zu nehmen, sobald
sie gemacht war, auch mit einander zu wetteifern im Aufkauf und Pfand-
nahme von bills, orders und tallies, sodass in Wirklichkeit sämmtliche Staats-
einnahmen durch ihre Hand gingen.“ (John Francis, History of the Bank of
England. London 1848. I. p. 31.) „Die Errichtung einer Bank war schon
früher manchmal vorgeschlagen. Sie war endlich nothwendig geworden.“
(l. c., p. 38.) „Die Bank war schon nöthig allein für die von den Wucherern
ausgesaugte Regierung, um Geld zu einem erträglichen Zinsfuss zu erhalten,
auf die Sicherheit von parlamentarischen Bewilligungen.“ (l. c., p. 59, 60.)
dingt stark modificirt. Sie ist inspirirt durch die Rolle der Ex-Saintsimo-
nisten unter dem zweiten Kaiserreich in Frankreich, wo grade als Marx
obiges schrieb, die welterlösenden Kreditphantasien der Schule kraft der ge-
schichtlichen Ironie sich realisirten als Schwindel auf bisher unerhörter
Potenz. Später sprach Marx nur mit Bewunderung vom Genie und encyklo-
pädischen Kopf Saint-Simons. Wenn dieser in seinen frühern Schriften den
Gegensatz zwischen der Bourgeoisie und dem in Frankreich eben erst ent-
stehenden Proletariat ignorirte, wenn er den in der Produktion thätigen
Theil der Bourgeoisie mit zu den travailleurs rechnete, so entspricht dies
der Auffassung Fouriers, der Kapital und Arbeit versöhnen wollte, und er-
klärt sich aus der ökonomischen und politischen Lage des damaligen Frank-
reichs. Wenn Owen hier weiter sah, so, weil er in einem andern umgebenden
Mittel lebte, inmitten der industriellen Revolution und dem sich bereits akut
zuspitzenden Klassengegensatz. — F. E.
Marx, Kritik der Polit. Oekonomie p. 64.
eigenthums. Der Mensch als Person muss seinem Willen Wirklichkeit geben
als der Seele der äussern Natur, daher diese Natur als sein Privateigenthum
in Besitz nehmen. Wenn dies die Bestimmung „der Person“ ist, des Menschen
als Person, so würde folgen, dass jeder Mensch Grundeigenthümer sein muss,
um sich als Person zu verwirklichen. Das freie Privateigenthum an Grund
stimmtes gesellschaftliches Verhältniss, sondern ein Verhältniss des Menschen
als Person zur „Natur,“ absolutes Zueignungsrecht des Menschen auf alle
Sachen“ (Hegel, Philosophie des Rechts. Berlin 1840. S. 79.) Soviel ist zu-
nächst klar, dass die einzelne Person sich nicht durch ihren „Willen“ als
Eigenthümer behaupten kann gegenüber dem fremden Willen, der sich eben-
falls in demselben Fetzen Erdkörper verleiblichen will. Es gehören dazu
ganz andre Dinge als der gute Wille. Es ist ferner absolut nicht abzusehn,
wo „die Person“ sich die Schranke der Verwirklichung ihres Willens setzt,
ob das Dasein ihres Willens sich in einem ganzen Land realisirt, oder ob
sie einen ganzen Haufen Länder braucht, um durch deren Aneignung „die
Hoheit meines Willens gegen die Sache zu manifestiren.“ Hier geräth Hegel
denn auch vollständig in die Brüche. „Die Besitznahme ist ganz verein-
zelter Art; ich nehme nicht mehr in Besitz, als ich mit meinem Körper be-
rühre, aber das zweite ist sogleich, dass die äussern Dinge eine weitre Aus-
dehnung haben als ich fassen kann. Indem ich so was im Besitz habe, ist
auch damit ein andres in Verbindung. Ich übe die Besitznahme durch die
Hand, aber der Bereich derselben kann erweitert werden.“ (p. 90.) Aber mit
diesem andren ist wieder etwas andres in Verbindung und so verschwindet
die Grenze, wie weit sich mein Wille als Seele in den Boden auszugiessen
hat. „Wenn ich etwas besitze, so geht der Verstand gleich dahin über, dass
nicht bloss das unmittelbar Besessne, sondern das damit Zusammenhängende
mein sei. Hier muss das positive Recht seine Feststellungen machen, denn
aus dem Begriffe lässt sich nichts weiter herleiten.“ (p. 91.) Dies ist ein
ausserordentlich naives Geständniss „des Begriffs,“ und beweist dass der Be-
griff, der von vornherein den Schnitzer macht, eine ganz bestimmte und der
bürgerlichen Gesellschaft angehörige juristische Vorstellung vom Grundeigen-
thum für absolut zu halten, von den wirklichen Gestaltungen dieses Grund-
eigenthums „nichts“ begreift. Es ist zugleich das Geständniss darin ent-
halten, dass mit den wechselnden Bedürfnissen der gesellschaftlichen, d. h.
ökonomischen Entwicklung das „positive Recht“ seine Feststellungen wechseln
kann und muss.
dass eine wirklich rationelle Agrikultur überall am Privateigenthum unüber-
windliche Schranken findet. Dasselbe thun Schriftsteller, welche Vertheidiger
ex professo des Monopols des Privateigenthums am Erdball sind, so z. B.
Herr Charles Comte in einem zweibändigen Werk, das die Vertheidigung
des Privateigenthums zum speciellen Zweck hat. „Ein Volk,“ sagt er, „kann
den aus seiner Natur sich ergebenden Grad des Wohlstands und der Macht
nicht erreichen, es sei denn, dass jeder Theil des Bodens, der es ernährt, die
Bestimmung erhält, die am meisten mit dem allgemeinen Interesse im Ein-
klang steht. Um seinen Reichthümern eine grosse Entwicklung zu geben,
müsste wenn möglich ein einziger und vor allem aufgeklärter Wille die Ver-
fügung über jedes einzelne Stück seines Gebiets in die Hand nehmen, und
jedes Stück zur Prosperität aller andren beitragen machen. Aber die Existenz
eines solchen Willens … würde unverträglich sein mit der Theilung des
Bodens in Privatgrundstücke … und mit der, jedem Besitzer gewährleisteten
Fähigkeit, über sein Vermögen in fast absoluter Weise zu verfügen.“ —
Johnston, Comte etc. haben bei dem Widerspruch des Eigenthums mit einer
rationellen Agronomie nur die Nothwendigkeit im Auge, den Boden eines
Landes als ein Ganzes zu bebauen. Aber die Abhängigkeit der Kultur der
besondren Erdprodukte von den Schwankungen der Marktpreise, und der
beständige Wechsel dieser Kultur mit diesen Preisschwankungen, der ganze
Geist der kapitalistischen Produktion, der auf den unmittelbaren nächsten
Geldgewinn gerichtet ist, widerspricht der Agrikultur, die mit den gesammten
ständigen Lebensbedingungen der sich verkettenden Menschengenerationen
zu wirthschaften hat. Ein schlagendes Beispiel davon sind die Waldungen,
die nur da zuweilen einigermaßen dem Gesammtinteresse gemäß bewirth-
schaftet werden, wo sie nicht Privateigenthum, sondern der Staatsverwaltung
unterworfen sind.
zwischen terre-matière und terre-capital. „Rien qu’à appliquer à des terres
déjà transformées en moyen de production de secondes mises de capital on
augmente la terre-capital sans rien ajouter à la terre-matière, c’est-à dire
à l’étendue de la terre … La terre-capital n’est pas plus éternelle que tout
autre capital … La terre-capital est un capital fixe, mais le capital fixe
s’use aussi bien que les capitaux circulants.
setz der Grundrente regulirt wird, und daher, z. B. bei Konkurrenz neuer
Ländereien von grosser natürlicher Fruchtbarkeit, verschwinden kann.
immer die Preise auf künstlich höherm Niveau. Für die bessern Pächter
war dies günstig. Sie profitirten von dem stationären Zustand, worin der
Schutzzoll die grosse Masse der Pächter hielt, die sich mit oder ohne Grund,
auf den exceptionellen Durchschnittspreis verliessen.
Londoner Society of Arts in 1860, und begründet auf authentische Doku-
mente, gesammelt bei ungefähr 100 Pächtern aus 12 schottischen und 35 eng-
lischen Grafschaften.
Steppengegenden, die neuerdings den vielberühmten Malthusschen Satz, dass
die „Bevölkerung auf die Subsistenzmittel drückt“ zum Kinderspott gemacht,
und im Gegensatz dazu den Agrarierjammer erzeugt hat, wonach der Acker-
bau und mit ihm Deutschland zu Grunde geht, wenn man sich nicht die auf
die Bevölkerung drückenden Lebensmittel gewaltsam vom Halse hält. Der
Anbau dieser Steppen, Prairien, Pampas, Llanos etc. ist aber erst in den
Anfängen begriffen; seine umwälzende Wirkung auf die europäische Land-
wirthschaft wird sich also noch ganz anders fühlbar machen als bisher. — F. E.]
Rechenfehlers umgerechnet werden. Dies berührte zwar nicht die aus den
Tabellen entwickelten theoretischen Gesichtspunkte, brachte aber theilweise
ganz monströse Zahlenverhältnisse der Produktion per Acre hinein. Auch
diese sind im Grunde nicht anstössig. Auf allen Relief- und Höhenprofil-
karten nimmt man einen bedeutend grösseren Maßstab für die Vertikalen
als für die Horizontalen. Wer sich dennoch in seinem agrarischen Herzen
verletzt fühlt, dem steht es immer noch frei, die Zahl der Acres mit jeder
ihm gefälligen Zahl zu multipliciren. Man kann auch in der Tabelle I statt
1, 2, 3, 4 qrs. per Acre, 10, 12, 14, 16 Bushels (8 = 1 qr.) setzen, wo denn
die davon abgeleiteten Zahlen der andern Tabellen innerhalb der Grenzen
der Wahrscheinlichkeit bleiben; man wird finden, dass das Resultat, das Ver-
hältniss der Rentensteigerung zur Kapitalsteigerung, ganz auf dasselbe hin-
auskommt. Es ist dies in den, im nächstfolgenden Kapitel vom Herausgeber
beigefügten Tabellen geschehen. — F. E.
Kap. XXV.
gegen A. Smith über Waldrente in Norwegen, Principles ch. II, gleich im
Anfang.
s. 307. (Auflage von 1892, s. 259.)
nackten Felsen an der schottischen Küste befähigt eine Rente aus früher
absolut nutzlosem Steinboden zu ziehn.“ A. Smith, Book I, chap XI. 2.
über die Rente wir in Buch IV zurückkommen, diesen Punkt entwickelt zu
das Wachsen des Profits sich stets auch als Wachsen des Kapitals ausdrücke,
sodass das Verhältniss bei steigender Masse des Profits dasselbe bleibe. Dies
ist jedoch falsch, da bei veränderter Zusammensetzung des Kapitals, trotz
gleichbleibender Exploitation der Arbeit, die Profitrate steigen kann, gerade
weil der proportionelle Werth des konstanten Theils des Kapitals verglichen
mit seinem variablen fällt. — Zweitens begeht er den Irrthum, dies Ver-
hältniss der Geldrente zu einem quantitativ bestimmten Bodenstück, einem
Acre Landes z. B. als etwas zu behandeln, dass von der klassischen Oekonomie
bei ihren Untersuchungen über Steigen oder Fallen der Rente überhaupt
unterstellt sei. Dies ist wieder falsch. Sie behandelt die Rate der Rente
stets, soweit sie die Rente in ihrer Naturalform betrachtet, in Bezug auf
das Produkt, und soweit sie dieselbe als Geldrente betrachtet, in Bezug auf
das vorgeschossne Kapital, weil dies in der That die rationellen Ausdrücke sind.
siehe Passy.
unsrige mit Bezug auf die Plantagenwirthschaft in tropischen und subtro-
pischen Ländern) Rente und Profit sich noch nicht geschieden haben, indem
der Grundeigenthümer zugleich der Kapitalist ist, wie Cato es z. B. auf
seinen Gütern war. Diese Scheidung ist aber gerade die Voraussetzung der
kapitalistischen Produktionsweise, mit deren Begriff die Basis der Sklaverei
zudem überhaupt im Widerspruch steht.
durchaus nicht im Sinn der modernen Oekonomie und der modernen Gesell-
schaft, sondern in der Weise der populären Vorstellung, wie sie nicht in
England oder Amerika, sondern auf dem Kontinent als alterthümliche Tradition
vergangner Zustände noch fortwuchert.
sich auch die Menschen anzueignen. Vergl. Linguet. Siehe auch Möser.
schüre nicht angegeben]) geht aus von der falschen Voraussetzung derer, die
er bekämpft. Er nimmt an, dass das im Ankauf des Bodens angelegte Ka-
pital „Anlagekapital“ sei, und streitet nun über die resp. Begriffsbestimmungen
von Anlagekapital und Betriebskapital, d. h. von fixem und cirkulirendem
Kapital. Seine ganz schülerhaften Vorstellungen von Kapital überhaupt,
übrigens zu entschuldigen bei einem Nicht-Oekonomen durch den Zustand
der deutschen „Volkswirthschaftslehre“, verbergen ihm, dass dies Kapital
weder Anlage- noch Betriebskapital ist; so wenig wie das Kapital, das jemand
an der Börse im Ankauf von Aktien oder Staatspapieren anlegt, und das
für ihn persönlich Kapitalanlage vorstellt, in irgend einem Produktionszweig
„angelegt“ wird.
Ms. zum VI. Abschnitt. — F. E.
as well as of all exchangeable value. (A. Smith.) — C’est ainsi que les causes
de la production matérielle sont en même temps les sources des revenus
primitifs qui existent. (Storch, I p. 259.)
Say. „Of net produce and gross produce, Mr. Say speaks as follows: „The
whole value produced is the gross produce; this value, after deducting from
it the cost of production, is the net produce.“ (Vol. II, p. 491.) There can,
then, be no net produce, because the cost of production, according to Mr.
Say, consist of rent, wages, and profits. In page 508, he says: „the value
of a product, the value of a productive service, the value of the cost of
production, are all, then, similar values, whenever things are left to their
natural course.“ Take a whole from a whole and nothing remains.“ (Ricardo,
Principles, chap. XXII, p. 512, Note.) — Uebrigens, wie man später sehn wird,
hat auch Ricardo nirgends die falsche Smith’sche Analyse des Waarenpreises,
seine Auflösung in die Werthsumme der Revenuen widerlegt. Er kümmert
sich nicht um sie, und nimmt sie bei seinen Analysen soweit als richtig an,
dass er von dem konstanten Werththeil der Waaren „abstrahirt.“ Er fällt
auch von Zeit zu Zeit in dieselbe Vorstellungsweise zurück.
some one or other, or all of those three parts [viz. wages, profits, rent] …
A fourth part, it may perhaps be thought, is necessary for replacing the
stock of the farmer, or for compensating the wear and tear of his labouring
cattle, and other instruments of husbandry. But it must be considered that
the price of any instrument of husbandry, such as a labouring horse, is itself
made up of the same three parts: the rent of the land upon which he is
reared, the labour of tending and rearing him, and the profits of the farmer,
who advances both the rent of his land, and the wages of his labour. Though the
price of the corn, therefore, may pay the price as well as the maintenance of the
horse, the whole price still resolves itself either immediately or ultimately
into the same three parts of rent, labour [soll heissen wages] and profit.“
(A. Smith.) Wir zeigen später noch, wie A. Smith selbst den Widerspruch
und das Ungenügende dieser Ausflucht fühlt, denn weiter ist es nichts als
Ausflucht, wenn er uns von Pontius zu Pilatus schickt, obgleich er nirgend-
wo die wirkliche Kapitalanlage aufzeigt, bei der der Preis des Produkts sich
ultimately, ohne weitern progressus, in diese drei Theile rein auflöst.
Formel aus: l’ouvrier ne peut pas racheter son propre produit, weil der Zins
darin enthalten, der zum prix-de-revient hinzukommt. Aber wie belehrt ihn
Herr Eugène Forcade eines Bessern? „Wäre Proudhon’s Einwurf wahr, er
träfe nicht nur die profits du capital, er anéantirait la possibilité même de
l’industrie. Si le travailleur est forcé de payer 100 la chose pour laquelle
il n’a reçu que 80, si le salaire ne peut racheter dans un produit que la
valeur qu’il y a mise, autant vaudrait dire que le travailleur ne peut rien
racheter, que le salaire ne peut rien payer. En effet, dans le prix-de-revient
il y a toujours quelque chose de plus que le salaire de l’ouvrier, et dans le
prix-de-vente, quelque chose de plus que le profit de l’entrepreneur, par
exemple, le prix de la matière première, souvent payé à l’étranger …
Proudhon a oublié l’accroissement continuel du capital national; il a oublié
que cet accroissement se constate pour tous les travailleurs, ceux de l’entre-
prise comme ceux de la main d’oeuvre.“ (Revue des deux Mondes, 1848, t.
24, p. 998.) Hier hat man den Optimismus der bürgerlichen Gedankenlosig
keit in der entsprechendsten Weisheitsform. Erst glaubt Herr Forcade, dass
der Arbeiter nicht leben könnte, wenn er ausser dem Werth, den er pro-
ducirt, nicht noch höhern Werth erhalte, während umgekehrt die kapita-
listische Produktionsweise unmöglich wäre, wenn er den Werth, den er pro-
ducirt, wirklich erhielte. Zweitens verallgemeinert er richtig die Schwierig-
keit, die Proudhon nur unter einem beschränkten Gesichtspunkt ausgesprochen.
Der Preis der Waare enthält nicht nur einen Ueberschuss über den Arbeits-
lohn, sondern auch über den Profit, nämlich den konstanten Werththeil.
Also könnte auch der Kapitalist nach Proudhons Raisonnement mit seinem
Profit die Waare nicht wiederkaufen. Und wie löst Forcade das Räthsel?
ständige Wachsthum des Kapitals soll sich unter andrem auch darin kon-
statiren, dass die Analyse des Waarenpreises, die bei einem Kapital von 100
dem politischen Oekonomen unmöglich ist, bei einem Kapital von 10,000
überflüssig wird. Was würde man von einem Chemiker sagen, der auf die
Frage: Woher kommt es, dass das Bodenprodukt mehr Kohlenstoff enthält
als der Boden? die Antwort gäbe: Dies kommt vom beständigen Wachsthum
der Bodenproduktion. Der wohlmeinende gute Wille, in der bürgerlichen
Welt die beste aller möglichen Welten zu entdecken, ersetzt in der Vulgär-
ökonomie jede Nothwendigkeit der Wahrheitsliebe und des wissenschaftlichen
Fortschungstriebs.
fait, se compose lui-même de marchandises dont le prix nécéssaire est formé
des mêmes éléments; de sorte qu’en considérant la totalité des marchandises
dans un pays, il y aurait double emploi de ranger cette portion du capital
circulant parmi les éléments du prix nécessaire.“ (Storch, Cours d’Éc. Pol. II.
p. 140.) — Unter diesen Elementen des cirkulirenden Kapitals versteht Storch
(das fixe ist nur formverändertes cirkulirendes) den konstanten Werththeil.
„Il est vrai que le salaire de l’ouvrier, de même que cette partie du profit
de l’entrepreneur qui consiste en salaires, si on les considère comme une
portion des subsistances, se composent également de marchandises achetées
au prix courant, et qui comprennent de même salaires, rentes des capitaux,
rentes foncières et profits d’entrepreneurs, … cette observation ne sert qu’à
prouver qu’il est impossible de résoudre le prix nécessaire dans ses éléments
les plus simples.“ (ib. Note.) — In seinen Considérations sur la nature du
revenu national (Paris 1824) sieht Storch, in seiner Polemik gegen Say, zwar
die Absurdität ein, wozu die falsche Analyse des Waarenwerths führt, die
ihn in blosse Revenuen auflöst, und spricht die Abgeschmacktheit dieser Re-
sultate — vom Standpunkt nicht des einzelnen Kapitalisten, sondern einer
Nation, richtig aus — aber er selbst geht keinen Schritt weiter in der Ana-
lyse des prix nécessaire, von dem er in seinem „Cours“ erklärt, es sei un-
möglich ihn in seine wirklichen Elemente, statt in einen falschen Progress
ins Endlose aufzulösen. „Il est clair que la valeur du produit annuel se
distribue partie en capitaux et partie en profits, et que chacune de ces por-
tions de la valeur du produit annuel va régulièrement acheter les produits
dont la nation a besoin, tant pour entretenir son capital que pour renonveler
son fonds consommable (p. 134, 135). … Pent-elle (eine selbstarbeitende
Bauernfamilie) habiter ses granges ou ses étables, manger ses semailles et
aratoires? D’après la thèse de M. Say il faudrait affirmer toutes ces questions.
(135, 136) … Sil’on admet que le revenu d’une nation est égal à son pro-
duit brut, c. à d. qu’il n’y a point de capital à en déduire, il faut aussi
admettre qu’elle peut dépenser improductivement la valeur entière de son
produit annuel sans faire le moindre tort à son revenu futur. (147) Les
produits qui constituent le capital d’une nation ne sont point consommab-
les.“ (p. 150.)
in Arbeitslohn, Profit, Grundrente, ist selbstredend, dass dies Werththeile
sind. Man kann sie natürlich sich vorstellen als existirend in dem unmittel-
baren Produkt, worin dieser Werth sich darstellt, d. h. in dem unmittelbaren
Produkt, das Arbeiter und Kapitalisten in einer besondren Produktionssphäre,
z. B. der Spinnerei, producirt haben, also in Garn. Aber in der That stellen
sie sich in diesem Produkt nicht mehr und nicht minder dar als in irgend
einer andern Waare, in irgend einem andern Bestandtheil des stofflichen
Reichthums zum selben Werth. Und in der Praxis wird ja der Arbeitslohn
in Geld bezahlt, also im reinen Werthausdruck; ebenso der Zins und die
Rente. Für den Kapitalisten ist in der That die Verwandlung seines Pro-
dukts in den reinen Werthausdruck sehr wichtig; bei der Vertheilung selbst
ist sie schon vorausgesetzt. Ob diese Werthe in dasselbe Produkt, dieselbe
Waare rückverwandelt werden, aus deren Produktion sie entsprangen, ob
der Arbeiter einen Theil des von ihm direkt producirten Produkts zurück-
kauft oder das Produkt andrer und andersgearteter Arbeit kauft, hat mit
der Sache selbst nichts zu thun. Herr Rodbertus ereifert sich ganz nutzlos
über diesen Gegenstand.
gulates the value of raw produce and manufactured commodities, is appli-
cable also to the metals; their value depending not on the rate of profits,
nor on the rate of wages, nor on the rent paid for mines, but on the total
quantity of labour necessary to obtain the metal, and to bring it to market.
(Ricardo, Princ., chap. III., p. 77.)
grossen Gütern beweist nur Mangel an Civilisation, an Kommunikations-
mitteln, an einheimischen Gewerben und an reichen Städten. Man findet
sie desshalb in Russland, Polen, Ungarn, Mecklenburg überall. Früher war
sie auch in England vorherrschend; mit dem Aufkommen des Handels und
der Gewerbe trat aber Zerschlagung in mittlere Wirthschaften und Ver-
pachtung an ihre Stelle.“ (Die Ackerverfassung, die Zwergwirthschaft und
die Auswanderung. 1842. p. 10.)
- Holder of rights
- Kolimo+
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- TextGrid Repository (2025). Collection 2. Das Kapital. Das Kapital. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bn84.0