Naturgeſchichte
und
Theorie des Himmels,
Verſuch
von der Verfaſſung und dem mecha-
niſchen Urſprunge
des ganzen Weltgebaͤudes
nach
Newtoniſchen Grundſaͤtzen
abgehandelt.
bey Johann Friederich Peterſen, 1755.
Dem
Allerdurchlauchtigſten
Großmaͤchtigſten Koͤnige
und Herrn
Herrn
Friederich,
Koͤnige von Preuſſen
Marggrafen zu Brandenburg, des H.
R. Reichs Erzkaͤmmerer und Churfuͤrſten,
Souverainen und oberſten Herzoge
von Schleſien, ꝛc. ꝛc. ꝛc.
Meinem
Allergnaͤdigſten Koͤnige
und Herrn
[][]
Großmaͤchtigſter Koͤnig
Allergnaͤdigſter
Koͤnig und Herr!
Die Empfindung der
eigenen Unwuͤrdig-
keit und der Glanz
des Thrones koͤnnen meine Bloͤdig-
keit nicht ſo kleinmuͤthig machen, als
a 3die
[] die Gnade, die der allerhuldreichſte
Monarch uͤber alle ſeine Untertha-
nen mit gleicher Großmuth verbrei-
tet, mir Hoffnung einfloͤſet: daß die
Kuͤhnheit, der ich mich unterwinde,
nicht mit ungnaͤdigen Augen werde
angeſehen werden. Jch lege hiemit
in allerunterthaͤnigſter Ehrfurcht ei-
ne der geringſten Proben desjenigen
Eifers zu den Fuͤſſen Ew. Koͤnigl.
Majeſtaͤt, womit Hoͤchſt Dero
Akademien durch die Aufmunterung
und
[] und den Schutz ihres erleuchteten
Souverains, zur Nacheiferung an-
derer Nationen in den Wiſſenſchaf-
ten angetrieben werden. Wie be-
gluͤckt wuͤrde ich ſeyn, wenn es ge-
genwaͤrtigem Verſuche gelingen moͤch-
te, den Bemuͤhungen, womit der
niedrigſte und ehrfurchtsvolleſte Un-
terthan unausgeſetzt beſtrebt iſt,
ſich dem Nutzen ſeines Vaterlan-
des einigermaaſſen brauchbar zu
machen, das allerhoͤchſte Wohlge-
a 4fallen
[] fallen ſeines Monarchen zu er-
werben. Jch erſterbe in tiefſter
Devotion
den 14. Merz, 1755.
allerunterthaͤnigſter
Knecht,
[]
Vorrede.
Jch habe einen Vorwurf ge-
waͤhlet, welcher ſowol von
Seiten ſeiner innern Schwie-
rigkeit, als auch in Anſehung der Religion
einen groſſen Theil der Leſer gleich anfaͤng-
lich mit einem nachtheiligen Vorurtheile
einzunehmen vermoͤgend iſt. Das ſyſte-
matiſche, welches die groſſen Glieder der
Schoͤpfung in dem ganzen Umfange der
Unendlichkeit verbindet, zu entdecken, die
Bildung der Weltkoͤrper ſelber und den
Urſprung ihrer Bewegungen aus dem er-
ſten Zuſtande der Natur durch mechaniſche
Geſetze herzuleiten: ſolche Einſichten ſchei-
nen ſehr weit die Kraͤfte der menſchlichen
Vernunft zu uͤberſchreiten. Von der an-
dern Seite drohet die Religion mit einer
feyerlichen Anklage uͤber die Verwegen-
a 5heit,
[]Vorrede.
heit, da man der ſich ſelbſt uͤberlaſſenen
Natur ſolche Folgen beyzumeſſen ſich er-
kuͤhnen darf, darin man mit Recht die un-
mittelbare Hand des hoͤchſten Weſens ge-
wahr wird, und beſorget in dem Vorwitz
ſolcher Betrachtungen eine Schutzrede des
Gottesleugners anzutreffen. Jch ſehe alle
dieſe Schwierigkeiten wohl und werde doch
nicht kleinmuͤthig. Jch empfinde die ganze
Staͤrke der Hinderniſſe die ſich entgegen
ſetzen, und verzage doch nicht. Jch habe
auf eine geringe Vermuthung eine gefaͤhr-
liche Reiſe gewagt, und erblicke ſchon die
Vorgebuͤrge neuer Laͤnder. Diejenigen,
welche die Herzhaftigkeit haben die Unter-
ſuchung fortzuſetzen, werden ſie betreten
und das Vergnuͤgen haben, ſelbige mit ih-
rem Namen zu bezeichnen.
Jch habe nicht eher den Anſchlag auf
dieſe Unternehmung gefaſſet, als bis ich
mich in Anſehung der Pflichten der Reli-
gion in Sicherheit geſehen habe. Mein
Eifer
[]Vorrede.
Eifer iſt verdoppelt worden, als ich bey
jedem Schritte die Nebel ſich zerſtreuen
ſahe, welche hinter ihrer Dunkelheit Un-
geheuer zu verbergen ſchienen und nach de-
ren Zertheilung die Herrlichkeit des hoͤch-
ſten Weſens mit dem lebhafteſten Glanze
hervorbrach. Da ich dieſe Bemuͤhungen
von aller Straͤflichkeit frey weiß, ſo will
ich getreulich anfuͤhren was wohlgeſinne-
te oder auch ſchwache Gemuͤther in mei-
nem Plane anſtoͤßig finden koͤnnen, und
bin bereit es der Strenge des rechtglaͤu-
bigen Areopagus mit einer Freymuͤthig-
keit zu unterwerfen, die das Merkmaal
einer redlichen Geſinnung iſt. Der Sach-
walter des Glaubens mag demnach zuerſt
ſeine Gruͤnde hoͤren laſſen.
Wenn der Weltbau mit aller Ord-
nung und Schoͤnheit nur eine Wirkung
der ihren allgemeinen Bewegungsgeſetzen
uͤberlaſſenen Materie iſt, wenn die blin-
de Mechanik der Naturkraͤfte ſich aus dem
Chaos
[]Vorrede.
Chaos ſo herrlich zu entwickeln weiß und
zu ſolcher Vollkommenheit von ſelber ge-
langet; ſo iſt der Beweis des goͤttlichen
Urhebers, den man aus dem Anblicke der
Schoͤnheit des Weltgebaͤudes ziehet, voͤl-
lig entkraͤftet, die Natur iſt ſich ſelbſt ge-
nugſam, die goͤttliche Regierung iſt un-
noͤthig, Epikur lebt mitten im Chriſten-
thume wieder auf, und eine unheilige
Weltweisheit tritt den Glauben unter die
Fuͤſſe, welcher ihr ein helles Licht dar-
reichet, ſie zu erleuchten.
Wenn ich dieſen Vorwurf gegruͤndet
faͤnde, ſo iſt die Ueberzeugung, die ich von
der Unfehlbarkeit goͤttlicher Wahrheiten
habe, bey mir ſo vermoͤgend, daß ich al-
les, was ihnen wiederſpricht durch ſie vor
gnugſam widerlegt halten und verwerfen
wuͤrde. Allein eben die Uebereinſtim-
mung, die ich zwiſchen meinem Syſtem
und der Religion antreffe, erhebet meine
Zuverſicht in Anſehung aller Schwierig-
kei-
[]Vorrede.
keiten zu einer unerſchrockenen Gelaſſen-
heit.
Jch erkenne den ganzen Werth derjeni-
gen Beweiſe, die man aus der Schoͤnheit
und vollkommenen Anordnung des Welt-
baues zur Beſtaͤtigung eines hoͤchſtweiſen
Urhebers ziehet. Wenn man nicht aller
Ueberzeugung muthwillig widerſtrebet, ſo
muß man ſo unwiederſprechlichen Gruͤn-
den gewonnen geben. Allein ich behaup-
te: daß die Vertheidiger der Religion da-
durch, daß ſie ſich dieſer Gruͤnde auf eine
ſchlechte Art bedienen, den Streit mit den
Naturaliſten verewigen, indem ſie ohne
Noth denſelben eine ſchwache Seite dar-
biethen.
Man iſt gewohnt die Uebereinſtimmun-
gen, die Schoͤnheit, die Zwecke, und eine
vollkommene Beziehung der Mittel auf
dieſelbe in der Natur zu bemerken und
herauszuſtreichen. Allein indem man die
Natur von dieſer Seite erhebet, ſo ſucht
man
[]Vorrede.
man ſie anderer Seits wiederum zu ver-
ringern. Dieſe Wohlgereimtheit, ſagt
man, iſt ihr fremd, ſie wuͤrde ihren allge-
meinen Geſetzen uͤberlaſſen, nichts als Un-
ordnung zuwege bringen. Die Ueberein-
ſtimmungen zeigen eine fremde Hand, die
eine von aller Regelmaͤßigkeit verlaſſene
Materie in einen weiſen Plan zu zwingen
gewußt hat. Allein ich antworte: wenn
die allgemeinen Wirkungsgeſetze der Mate-
rie gleichfals eine Folge aus dem hoͤchſten
Entwurfe ſeyn, ſo koͤnnen ſie vermuthlich
keine andere Beſtimmungen haben, als die
den Plan von ſelber zu erfuͤllen trachten,
den die hoͤchſte Weisheit ſich vorgeſetzet
hat; oder wenn dieſes nicht iſt, ſolte man
nicht in Verſuchung gerathen zu glauben,
daß wenigſtens die Materie und ihre all-
gemeine Geſetze unabhaͤngig waͤren, und
daß die hoͤchſtweiſe Gewalt, die ſich ihrer
ſo ruͤhmlichſt zu bedienen gewuſt hat, zwar
groß, aber doch nicht unendlich, zwar
maͤch-
[]Vorrede.
maͤchtig, aber doch nicht allgenugfam
ſey?
Der Vertheidiger der Religion beſorgt:
daß diejenigen Uebereinſtimmungen, die
ſich aus einem natuͤrlichen Hang der Ma-
terie erklaͤren laſſen, die Unabhaͤngigkeit
der Natur von der goͤttlichen Vorſehung
beweiſen doͤrften. Er geſteht es nicht un-
deutlich: daß, wenn man zu aller Ord-
nung des Weltbaues natuͤrliche Gruͤnde
entdecken kan, die dieſelbe aus den allge-
meinſten und weſentlichen Eigenſchaften
der Materie zu Stande bringen koͤnnen,
ſo ſey es unnoͤthig ſich auf eine oberſte Re-
gierung zu berufen. Der Naturaliſt fin-
det ſeine Rechnung dabey, dieſe Voraus-
ſetzung nicht zu beſtreiten. Er treibt aber
Beyſpiele auf, die die Fruchtbarkeit der
allgemeinen Naturgeſetze an vollkommen
ſchoͤnen Folgen beweiſen und bringt den
Rechtglaͤubigen durch ſolche Gruͤnde in
Gefahr, welche in deſſen Haͤnden zu unuͤ-
ber-
[]Vorrede.
berwindlichen Waffen werden koͤnten.
Jch will Beyſpiele anfuͤhren. Man hat
ſchon mehrmalen es als eine der deutlich-
ſten Proben einer guͤtigen Vorſorge, die
vor die Menſchen wacht, angefuͤhrt: daß
in dem heiſſeſten Erdſtriche die Seewinde
gerade zu einer ſolchen Zeit, da das erhitz-
te Erdreich am meiſten ihrer Abkuͤhlung
bedarf, gleichſam gerufen uͤber das Land
ſtreichen und es erquicken. Z. E. Jn der
Jnſel Jamaica, ſo bald die Sonne ſo hoch
gekommen iſt, daß ſie die empfindlichſte Hi-
tze auf das Erdreich wirft, gleich nach 9
Uhr Vormittags, faͤngt ſich an aus dem
Meer ein Wind zu erheben, der von allen
Seiten uͤber das Land wehet; ſeine Staͤr-
ke nimmt nach dem Maaſſe zu als die Hoͤ-
he der Sonne zunimmt. Um 1 Uhr Nach-
mittages, da es natuͤrlicher Weiſe am heiſſe-
ſten iſt, iſt er am heftigſten und laͤßt wie-
der mit der Erniedrigung der Sonne all-
maͤhlig nach, ſo daß gegen Abend eben die
Stille
[]Vorrede.
Stille als beym Aufgange herrſchet. Oh-
ne dieſe erwuͤnſchte Einrichtung wuͤrde
dieſe Jnſel unbewohnbar ſeyn. Eben die-
ſe Wohlthat genieſſen alle Kuͤſten der Laͤn-
der die im heiſſen Erdſtriche liegen. Jh-
nen iſt es auch am noͤthigſten, weil, da ſie
die niedrigſten Gegenden des trockenen
Landes ſeyn, auch die groͤßte Hitze erleiden;
denn die hoͤher im Lande befindliche Ge-
genden, dahin dieſer Seewind nicht rei-
chet, ſind ſeiner auch weniger benoͤthigt,
weil ihre hoͤhere Lage ſie in eine kuͤhlere
Luftgegend verſetzet. Jſt dieſes nicht alles
ſchoͤn, ſind es nicht ſichtbare Zwecke, die
durch kluͤglich angewandte Mittel bewir-
cket worden. Allein zum Wiederſpiel muß
der Naturaliſt die natuͤrlichen Urſachen
davon in den allgemeinſten Eigenſchaften
der Luft antreffen ohne beſondere Veran-
ſtaltungen deswegen vermuthen zu doͤr-
fen. Er bemerket mit Recht, daß dieſe
Seewinde ſolche periodiſche Bewegungen
banſtel-
[]Vorrede.
anſtellen muͤſſen, wenn gleich kein Menſch
auf ſolcher Jnſel lebete, und zwar durch
keine andere Eigenſchaft als die der Luft
auch ohne Abſicht auf dieſen Zweck bloß
zum Wachsthum der Pflanzen unentbehr-
lich vonnoͤthen iſt, nemlich durch ihre Ela-
ſticitaͤt und Schweere. Die Hitze der Son-
ne hebet das Gleichgewicht der Luft auf,
indem ſie diejenige verduͤnnet die uͤber dem
Lande iſt, und dadurch die kuͤhlere Mee-
resluft veranlaſſet, ſie aus ihrer Stelle zu
heben und ihren Platz einzunehmen.
Was vor einen Nutzen haben nicht die
Winde uͤberhaupt zum Vortheile der Erd-
kugel, und was vor einen Gebrauch
macht nicht der Menſchen Scharfſinnig-
keit aus denſelben; indeſſen waren keine
andere Einrichtungen noͤthig ſie hervor zu-
bringen, als dieſelbe allgemeine Beſchaf-
fenheit der Luft und Waͤrme, welche auch
unangeſehen dieſer Zwecke auf der Erde
befindlich ſeyn mußten.
Gebt
[]Vorrede.
Gebt ihr es, ſagt allhier der Freygeiſt,
zu: daß, wenn man nuͤtzliche und auf
Zwecke abzielende Verfaſſungen aus den
allgemeinſten und einfachſten Naturgeſe-
tzen herleiten kan, man keine beſondere
Regierung einer oberſten Weisheit noͤthig
habe: ſo ſehet hier Beweiſe die euch auf
eurem eigenen Geſtaͤndniſſe ertappen wer-
den. Die ganze Natur, vornemlich die
unorganiſirte, iſt voll von ſolchen Bewei-
ſen, die zu erkennen geben, daß die ſich
ſelbſt durch die Mechanick ihrer Kraͤfte be-
ſtimmende Materie eine gewiſſe Richtig-
keit in ihren Folgen habe und den Regeln
der Wohlanſtaͤndigkeit ungezwungen ge-
nug thue. Wenn ein wohlgeſinneter die
gute Sache der Religion zu retten, dieſe
Faͤhigkeit der allgemeinen Naturgeſetze be-
ſtreiten will, ſo wird er ſich ſelbſt in Ver-
legenheit ſetzen und dem Unglauben durch
eine ſchlechte Vertheidigung Anlaß zu
triumphiren geben.
b 2Allein
[]Vorrede.
Allein laßt uns ſehen, wie dieſe Gruͤn-
de, die man in den Haͤnden der Gegner als
ſchaͤdlich befuͤrchtet, vielmehr kraͤftige
Waffen ſind ſie zu beſtreiten. Die nach
ihren allgemeinſten Geſetzen ſich beſtim-
mende Materie bringt durch ihr natuͤrli-
ches Betragen, oder wenn man es ſo nen-
nen will durch eine blinde Mechanick an-
ſtaͤndige Folgen hervor, die der Entwurf
einer hoͤchſten Weisheit zu ſeyn ſcheinen.
Luft, Waſſer, Waͤrme, erzeugen wenn
man ſie ſich ſelbſt uͤberlaſſen betrachtet,
Winde und Wolcken, Regen, Stroͤme,
welche die Laͤnder befeuchten, und alle die
nuͤtzliche Folgen, ohne welche die Natur
traurig, oͤde und unfruchtbar bleiben muͤß-
te. Sie bringen aber dieſe Folgen nicht
durch ein bloßes Ungefehr, oder durch ei-
nen Zufall der eben ſo leicht nachtheilig haͤt-
te ausfallen koͤnnen hervor, ſondern man
ſiehet: daß ſie durch ihre natuͤrliche Ge-
ſetze eingeſchrenckt ſind auf keine andere
als
[]Vorrede.
als dieſe Weiſe zu wircken. Was ſoll man
von dieſer Uebereinſtimmung denn geden-
cken. Wie waͤre es wohl moͤglich, daß
Dinge von verſchiedenen Naturen in Ver-
bindung mit einander ſo vortrefliche Ue-
bereinſtimmungen und Schoͤnheiten zu
bewircken trachten ſolten, ſo gar zu Zwe-
cken ſolcher Dinge die ſich gewißermaaßen
außer dem Umfange der todten Materie
befinden, nemlich zum Nutzen der Men-
ſchen und Thiere, wenn ſie nicht einen
gemeinſchaftlichen Urſprung erkenneten,
nemlich einen unendlichen Verſtand, in
welchem aller Dinge weſentliche Beſchaf-
fenheiten beziehend entworfen worden.
Wenn ihre Naturen vor ſich und unab-
haͤngig nothwendig waͤren, was vor ein
erſtaunliches Ohngefaͤhr, oder vielmehr
was vor eine Unmoͤglichkeit wuͤrde es nicht
ſeyn, daß ſie mit ihren natuͤrlichen Be-
ſtrebungen ſich gerade ſo zuſammen paſſen
b 3ſol-
[]Vorrede.
ſolten, als eine uͤberlegte kluge Wahl ſie
haͤtte vereinbaren koͤnnen.
Nunmehro mache ich getroſt die An-
wendung auf mein gegenwaͤrtiges Unter-
fangen. Jch nehme die Materie aller
Welt in einer allgemeinen Zerſtreuung an
und mache aus derſelben ein vollkomme-
nes Chaos. Jch ſehe nach den ausgemach-
ten Geſetzen der Attraktion den Stoff ſich
bilden und durch die Zuruͤckſtoßung ihre
Bewegung modificiren. Jch genieße das
Vergnuͤgen ohne Beyhuͤlfe willkuͤhrlicher
Erdichtungen, unter der Veranlaſſung
ausgemachter Bewegungsgeſetze ſich ein
wohlgeordnetes Ganze erzeugen zu ſehen,
welches demjenigen Weltſyſtem ſo aͤhnlich
ſiehet das wir vor Augen haben, daß ich
mich nicht entbrechen kan es vor daßelbe
zu halten. Dieſe unerwartete Auswi-
ckelung der Ordnung der Natur im Groſ-
ſen wird mir anfaͤnglich verdaͤchtig, da ſie
auf ſo ſchlechten und einfachen Grunde ei-
ne
[]Vorrede.
ne ſo zuſammengeſetzte Richtigkeit gruͤndet.
Jch belehre mich endlich aus der vorher
angezeigten Betrachtung: daß eine ſolche
Auswickelung der Natur nicht etwas un-
erhoͤrtes an ihr iſt, ſondern daß ihre we-
ſentliche Beſtrebung ſolche nothwendig mit
ſich bringet, und daß dieſes das herrlichſte
Zeugniß ihrer Abhaͤngigkeit von demjeni-
gen Urweſen iſt, welches ſo gar die Quelle
der Weſen ſelber und ihrer erſten Wir-
kungsgeſetze in ſich hat. Dieſe Einſicht
verdoppelt mein Zutrauen auf den Ent-
wurf den ich gemacht habe. Die Zuver-
ſicht vermehret ſich bey jeden Schritte den
ich mit Fortgang weiter ſetze und meine
Kleinmuͤthigkeit hoͤrt voͤllig auf.
Aber die Vertheidigung deines Sy-
ſtems, wird man ſagen, iſt zugleich die
Vertheidigung der Meinungen des Epi-
kurs, welche damit die groͤſſeſte Aehnlich-
keit haben. Jch will nicht voͤllig alle Ueber-
einſtimmung mit demſelben ablehnen. Vie-
b 4le
[]Vorrede.
le ſind durch den Schein ſolcher Gruͤnde zu
Atheiſten geworden, welche bey genauerer
Erwegung ſie von der Gewißheit des hoͤch-
ſten Weſens am kraͤftigſten haͤtten uͤber-
zeugen koͤnnen. Die Folgen die ein verkehr-
ter Verſtand aus untadelhaften Grund-
ſaͤtzen zieht, ſind oͤfters ſehr tadelhaft, und
ſo waren es auch die Schluͤße des Epi-
kurs, ohnerachtet ſein Entwurf der
Scharfſinnigkeit eines groſſen Geiſtes ge-
maͤß war.
Jch werde es alſo nicht in Abrede ſeyn,
daß die Theorie des Lukretz oder deßen
Vorgaͤngers des Epikurs, Leucipps, und
Demokritus mit der meinigen viele Aehn-
lichkeit habe. Jch ſetze den erſten Zuſtand
der Natur, ſo wie jene Weltweiſe, in der
allgemeinen Zerſtreuung des Urſtoffs al-
ler Weltkoͤrper, oder der Atomen, wie
ſie bey jenen genannt werden. Epikur ſetz-
te eine Schwere, die dieſe elementariſche
Theilchen zum Sinken trieb, und dieſes
ſchei-
[]Vorrede.
ſcheinet von der newtoniſchen Anziehung
die ich annehme nicht ſehr verſchieden zu
ſeyn; er gab ihnen auch eine gewiße Ab-
weichung von der geradlinigten Bewe-
gung des Falles, ob er gleich in Anſehung
der Urſache derſelben und ihren Folgen
ungereimte Einbildungen hatte: dieſe
Abweichung kommt einigermaaſſen mit
der Veraͤnderung der geradlinigten Sen-
kung, die wir aus der Zuruͤckſtoſſungskraft
der Theilchen herleiten, uͤberein; endlich
waren die Wirbel die aus der verwirreten
Bewegung der Atomen entſtanden ein
Hauptſtuͤck in dem Lehrbegriffe des Leu-
cipps und Democritus und man wird ſie
auch in dem unſrigen antreffen. So viel
Verwandſchaft mit einer Lehrverfaſſung,
die die wahre Theorie der Gottesleug-
nung im Alterthum war, zieht indeßen
die meinige dennoch nicht in die Gemein-
ſchaft ihrer Jrrthuͤmer. Auch in den al-
ler unſinnigſten Meinungen welche ſich
b 5bey
[]Vorrede.
bey den Menſchen haben Beyfall erwer-
ben koͤnnen, wird man jederzeit etwas
wahres bemerken. Ein falſcher Grund-
ſatz, oder ein Paar unuͤberlegte Verbin-
dungsſaͤtze leiten den Menſchen von dem
Fußſteige der Wahrheit durch unmerkli-
che Abwege bis in den Abgrund. Es bleibt
ohnerachtet der angefuͤhrten Aehnlichkeit
dennoch ein weſentlicher Unterſchied zwi-
ſchen der alten Cosmogonie und der ge-
genwaͤrtigen um aus dieſer ganz entgegen-
geſetzte Folgen ziehen zu koͤnnen.
Die angefuͤhrten Lehrer der mechani-
ſchen Erzeugung des Weltbaues leiteten
alle Ordnung die ſich an demſelben wahr-
nehmen laͤßt aus dem ungefehren Zufalle
her, der die Atomen ſo gluͤcklich zuſam-
mentreffen ließ, daß ſie ein wohlgeordne-
tes Gantze ausmachten. Epikur war
gar ſo unverſchaͤmt, daß er verlangte,
die Atomen wichen von ihrer geraden Be-
wegung ohne alle Urſache ab, um einan-
der
[]Vorrede.
der begegnen zu koͤnnen. Alle insgeſammt
trieben dieſe Ungereimtheit ſo weit, daß
ſie den Urſprung aller belebten Geſchoͤpfe
eben dieſem blinden Zuſammenlauf bey-
maßen und die Vernunft wirklich aus der
Unvernunft herleiteten. Jn meiner Lehr-
verfaßung hingegen finde ich die Materie
an gewiße nothwendige Geſetze gebunden.
Jch ſehe in ihrer gaͤnzlichen Aufloͤſung
und Zerſtreuung ein ſchoͤnes und ordent-
liches Ganze ſich ganz natuͤrlich daraus
entwickeln. Es geſchiehet dieſes nicht durch
einen Zufall und von ungefehr, ſondern
man bemerket daß natuͤrliche Eigenſchaf-
ten es nothwendig alſo mit ſich bringen.
Wird man hiedurch nicht bewogen zu fra-
gen: warum muſte denn die Materie ge-
rade ſolche Geſetze haben, die auf Ord-
nung und Wohlanſtaͤndigkeit abzwecken?
war es wohl moͤglich, daß viele Dinge,
deren jedes ſeine von dem andern unab-
haͤngige Natur hat, einander von ſelber
gera-
[]Vorrede.
gerade ſo beſtimmen ſolten, daß ein wohl-
geordnetes Ganze daraus entſpringe und
wenn ſie dieſes thun, giebt es nicht einen
unleugbaren Beweis von der Gemein-
ſchaft ihres erſten Urſprungs ab, der ein
allgenugſamer hoͤchſter Verſtand ſeyn
muß, in welchem die Naturen der Dinge
zu vereinbarten Abſichten entworfen
worden?
Die Materie die der Urſtoff aller Dinge
iſt, iſt alſo an gewiſſe Geſetze gebunden,
welchen ſie frey uͤberlaſſen nothwendig
ſchoͤne Verbindungen hervorbringen muß.
Sie hat keine Freyheit von dieſem Plane
der Vollkommenheit abzuweichen. Da
ſie alſo ſich einer hoͤchſt weiſen Abſicht un-
terworfen befindet, ſo muß ſie nothwendig
in ſolche uͤbereinſtimmende Verhaͤltniſſe
durch eine uͤber ſie herrſchende erſte Urſa-
che verſetzt worden ſeyn, und es iſt ein
GOtt eben deswegen, weil die Na-
tur auch ſelbſt im Chaos nicht anders
als
[]Vorrede.
als regelmaͤßig und ordentlich ver-
fahren kan.
Jch habe ſo viel gute Meinung von der
redlichen Geſinnung dererjenigen, die die-
ſem Entwurfe die Ehre thun, ihn zu pruͤ-
fen, daß ich mich verſichert halte, die an-
gefuͤhrte Gruͤnde werden, wo ſie noch nicht
alle Beſorgniß ſchaͤdlicher Folgen von mei-
nem Syſtem aufheben koͤnnen, dennoch
wenigſtens die Lauterkeit meiner Abſicht
auſſer Zweifel ſetzen. Wenn es dem un-
geachtet boshafte Eiferer giebt, die es vor
eine wuͤrdige Pflicht ihres heiligen Be-
rufs halten, den unſchuldigſten Meinun-
gen ſchaͤdliche Auslegungen anzuheften, ſo
bin ich verſichert, daß ihr Urtheil bey Ver-
nuͤnftigen gerade die entgegengeſetzte Wir-
kung ihrer Abſicht hat. Man wird mich
uͤbrigens des Rechts nicht berauben, das
Carteſius, als er die Bildung der Welt-
koͤrper aus blos mechaniſchen Geſetzen zu
erklaͤren wagte, bey billigen Richtern je-
der-
[]Vorrede.
derzeit genoſſen hat. Jch will deswegen die
Verfaſſer der allgemeinen Welthiſtorie (*)
anfuͤhren: Jndeſſen koͤnnen wir nicht an-
„ders als glauben: daß der Verſuch dieſes
„Weltweiſen, der ſich bemuͤhet die Bil-
„dung der Welt in gewiſſer Zeit aus wuͤ-
„ſter Materie durch die bloſſe Fortſetzung
„einer einmal eingedruͤckten Bewegung zu
„erklaͤren, und ſolches auf einige wenige
„leichte und allgemeine Bewegungsgeſetze
„gebracht, ſo wenig als anderer, die ſeit
„dem mit mehrerem Beyfall eben das
„verſucht haben aus den urſpruͤngli-
„chen und anerſchaffenen Eigenſchaf-
„ten der Materie zu thun, ſtrafbar oder
„GOtt verkleinerlich ſey, wie ſich manche
„eingebildet haben, indem dadurch viel-
„mehr ein hoͤherer Begriff ſeiner un-
„endlichen Weisheit verurſacht wird.
Jch habe die Schwierigkeiten, die von
Seiten der Religion meine Saͤtze zu be-
drohen ſchienen hinweg zu raͤumen geſucht.
Es
[]Vorrede.
Es giebt einige nicht geringere in Anſe-
hung der Sache ſelber. Wenn es gleich
wahr iſt, wird man ſagen, daß GOtt in
die Kraͤfte der Natur eine geheime Kunſt
gelegt hat, ſich aus dem Chaos von ſelber
zu einer vollkommenen Weltverfaſſung
auszubilden, wird der Verſtand des Men-
ſchen, der bey den gemeinſten Gegenſtaͤn-
den ſo bloͤd iſt, in ſo groſſem Vorwurfe die
verborgene Eigenſchaften zu erforſchen
vermoͤgend ſeyn. Ein ſolches Unterfan-
gen heißt eben ſo viel als wenn man ſagte:
Gebt mir nur Materie, ich will euch
eine Welt daraus bauen. Kan dich die
Schwaͤche deiner Einſichten, die an den ge-
ringſten Dingen, welche deinen Sinnen
taͤglich und in der Naͤhe vorkommen, zu
ſchanden wird, nicht lehren: daß es ver-
geblich ſey, das Unermeßliche und das was
in der Natur vorging ehe noch eine Welt
war, zu entdecken. Jch vernichte dieſe
Schwierigkeit, indem deutlich zeige, daß
eben
[]Vorrede.
eben dieſe Unterſuchung unter allen, die in
der Naturlehre aufgeworfen werden koͤn-
nen diejenige ſey, in welcher man am leich-
teſten und ſicherſten bis zum Urſprunge
gelangen kan. Eben ſo wie unter allen
Aufgaben der Naturforſchung keine mit
mehr Richtigkeit und Gewisheit aufgeloͤ-
ſet worden, als die wahre Verfaſſung des
Weltbaues im Groſſen, die Geſetze der Be-
wegungen und das innere Triebwerk der
Umlaͤufe aller Planeten; als worin die
Newtoniſche Weltweisheit ſolche Einſich-
ten gewaͤhren kan, dergleichen man ſonſt
in keinem Theile der Weltweisheit antrift;
eben alſo, behaupte ich, ſey unter allen Na-
turdingen, deren erſte Urſache man nach-
forſchet, der Urſprung des Weltſyſtems
und die Erzeugung der Himmelskoͤrper,
ſamt den Urſachen ihrer Bewegungen,
dasjenige, was man am erſten gruͤndlich
und zuverlaͤßig einzuſehen hoffen darf. Die
Urſache hievon iſt leicht zu erſehen. Die
Him-
[]Vorrede
Himmelskoͤrper ſind runde Maſſen, alſo
von der einfachſten Bildung, die ein Koͤr-
per, deſſen Urſprung man ſucht, nur immer
haben kan. Jhre Bewegungen ſind
gleichfals unvermiſcht. Sie ſind nichts als
eine freye Fortſetzung eines einmal einge-
druͤckten Schwunges, welcher, mit der At-
traktion des Koͤrpers im Mittelpunkte
verbunden, kreisfoͤrmigt wird. Ueberdem
iſt der Raum, darinn ſie ſich bewegen, leer,
die Zwiſchenweiten, die ſie von einander
abſondern, ganz ungemein groß und alſo
alles ſowohl zur unverwirrten Bewegung,
als auch deutlichen Bemerkung derſelben
auf das deutlichſte aus einander geſetzt.
Mich duͤnkt, man koͤnne hier in gewiſſem
Verſtande ohne Vermeſſenheit ſagen: Ge-
bet mir Materie, ich will eine Welt
daraus bauen! das iſt, gebet mir Mate-
rie, ich will euch zeigen, wie eine Welt
daraus entſtehen ſoll. Denn wenn Ma-
terie vorhanden iſt, welche mit einer we-
cſent-
[]Vorrede.
ſentlichen Attraktionskraft begabt iſt, ſo
iſt es nicht ſchweer diejenigen Urſachen zu
beſtimmen, die zu der Einrichtung des
Weltſyſtems im Großen betrachtet, ha-
ben beytragen koͤnnen. Man weiß was
dazu gehoͤret, daß ein Koͤrper eine Kugel-
runde Figur erlange, man begreift was
erfordert wird, daß frey ſchwebende Kugeln
eine kreisfoͤrmige Bewegung um den
Mittelpunkt anſtellen gegen den ſie gezo-
gen werden. Die Stellung der Kreiſe
gegeneinander, die Uebereinſtimmung der
Richtung, die Eccentricitaͤt, alles kan
auf die einfachſten mechaniſchen Urſachen
gebracht werden, und man darf mit Zu-
verſicht hoffen ſie zu entdecken, weil ſie
[anf] die leichteſten und deutlichſten Gruͤnde
geſetzt werden koͤnnen. Kan man aber
wohl von den geringſten Pflanzen oder
Jnſeckt ſich ſolcher Vortheile ruͤhmen? Jſt
man in Stande zu ſagen: Gebt mir
Materie, ich will euch zeigen wie eine
Rau-
[]Vorrede.
Raupe erzeuget werden koͤnne? Bleibt
man hier nicht bey dem erſten Schritte,
aus Unwiſſenheit der wahren innern Be-
ſchaffenheit des Objects und der Verwi-
ckelung der in demſelben vorhandenen
Mannigfaltigkeit, ſtecken? Man darf es
ſich alſo nicht befremden laſſen, wenn ich
mich unterſtehe zu ſagen: daß eher die
Bildung aller Himmelskoͤrper, die Urſach
ihrer Bewegungen, kurz, der Urſprung
der ganzen gegenwaͤrtigen Verfaſſung des
Weltbaues, werde koͤnnen eingeſehen wer-
den, ehe die Erzeugung eines einzigen
Krauts oder einer Raupe, aus mechani-
ſchen Gruͤnden, deutlich und vollſtaͤndig
kund werden wird.
Dieſes ſind die Urſachen, worauf ich
meine Zuverſicht gruͤnde, daß der phy-
ſiſche Theil der Weltwiſſenſchaft kuͤnftig-
hin noch wohl eben die Vollkommenheit
zu hoffen habe, zu der Newton die ma-
thematiſche Haͤlfte derſelben erhoben hat.
c 2Es
[]Vorrede.
Es ſind naͤchſt den Geſetzen, nach welchen
der Weltbau, in der Verfaßung darinn er
iſt, beſtehet, vielleicht keine anderen in der
ganzen Naturforſchung ſolcher mathema-
tiſchen Beſtimmungen faͤhig, als diejeni-
gen, nach welchen er entſtanden iſt, und oh-
ne Zweifel wuͤrde die Hand eines verſuch-
ten Meßkuͤnſtlers hier nicht unfruchtbare
Felder bearbeiten.
Nachdem ich den Vorwurf meiner
Betrachtung einer guͤnſtigen Aufnahme
zu empfehlen mir habe angelegen ſeyn laſ-
ſen; ſo wird man mir erlauben, mich we-
gen der Art, nach der ich ihn abgehandelt
habe, kuͤrzlich zu erklaͤren. Der erſte
Theil gehet mit einem neuen Syſtem des
Weltgebaͤudes im Großen um. Herrn
Wright von Durham, deßen Abhand-
lung ich aus den Hamburgiſchen freyen
Urtheilen vom Jahr 1751. habe kennen
lernen, hat mir zuerſt Anlaß gegeben, die
Fixſterne nicht als ein ohne ſichtbare Ord-
nung
[]Vorrede.
nung zerſtreutes Gewimmel, ſondern als
ein Syſtem anzuſehen, welches mit ei-
nem planetiſchen die groͤßte Aehnlichkeit
hat, ſo daß, gleichwie in dieſem die Pla-
neten ſich einer gemeinſchaftlichen Flaͤche
ſehr nahe befinden, alſo auch die Fixſterne
ſich in ihren Lagen auf eine gewiſſe Flaͤche,
die durch den ganzen Himmel muß gezo-
gen gedacht werden, ſo nahe als moͤglich
beziehen und durch ihre dichteſte Haͤufung
zu derſelben denjenigen lichten Streif dar-
ſtellen, welcher die Milchſtraſſe genannt
wird. Jch habe mich vergewiſſert, daß,
weil dieſe von unzehligen Sonnen erleuch-
tete Zone ſehr genau die Richtung eines
groͤßten Zirkels hat, unſere Sonne ſich
dieſer groſſen Beziehungsflaͤche gleichfals
ſehr nahe befinden muͤſſe. Jndem ich den
Urſachen dieſer Beſtimmung nachgegan-
gen bin, habe ich ſehr wahrſcheinlich zu
ſeyn befunden: daß die ſo genannten Fix-
ſterne, oder feſte Sterne, wohl eigentlich
c 3lang-
[]Vorrede.
langſam bewegte Wandelſterne einer hoͤ-
hern Ordnung ſeyn koͤnten. Zur Beſtaͤ-
tigung deßen, was man an ſeinem Orte
von dieſem Gedanken antreffen wird, will
ich allhier nur eine Stelle aus einer
Schrift des Herrn Bradley von der Be-
wegung der Fixſterne anfuͤhren. „Wenn
„man aus dem Erfolg der Vergleichung
„unſerer beſten jetzigen Beobachtungen,
„mit denen welche vor dieſem mit einem
„ertraͤglichen Grade der Richtigkeit an-
„geſtellet worden, ein Urtheil faͤllen will,
„ſo erhellet: daß einige Fixſterne wirk-
„lich ihren Stand gegen einander veraͤn-
„dert haben, und zwar ſo, daß man
„ſiehet, daß dieſes nicht irgend von einer
„Bewegung in unſerm Planetengebaͤu-
„de herruͤhret, ſondern daß es bloß einer
„Bewegung der Sterne ſelber zugeſchrie-
„ben werden kan. Der Arktur giebt
„einen ſtarken Beweis hievon an die
„Hand. Denn wenn man deſſelben ge-
gen-
[]Vorrede.
„genwaͤrtige Declination mit ſeinem
„Orte, wie derſelbe ſo wohl von Ticho
„als auch von Flammſteed iſt beſtimmt
„worden, vergleicht, ſo wird man fin-
„den: daß der Unterſchied groͤſſer iſt als
„man ihn von der Ungewißheit ihrer
„Beobachtungen herzuruͤhren vermu-
„then kan. Man hat Urſache zu ver-
„muthen: daß auch andere Exempel von
„gleicher Beſchaffenheit unter der großen
„Anzahl der ſichtbaren Sterne vorkom-
„men muͤſſen, weil ihre Lagen gegen-
„einander durch mancherley Urſachen
„koͤnnen veraͤndert werden. Denn wenn
„man ſich vorſtellt, daß unſer eigenes
„Sonnengebaͤude ſeinen Ort in Anſe-
„hung des Weltraums veraͤndert; ſo
„wird dieſes nach Verlauf einiger Zeit
„eine ſcheinbare Veraͤnderung der Win-
„kelentfernungen der Fixſterne verurſa-
„chen. Und weil dieſes in ſolchem Fal-
„le in die Oerter der naͤchſten Sterne
„einen groͤſſeren Einfluß haben wuͤrde,
c 4als
[]Vorrede.
„als in die Oerter dererjenigen, welche
„weit entfernet ſind, ſo wuͤrden ihre
„Lagen ſich zu veraͤndern ſcheinen, ob-
„gleich die Sterne ſelbſt wirklich unbe-
„weglich blieben. Und wenn im Gegen-
„theil unſer eigen Planetengebaͤude ſtille
„ſteht und einige Sterne wirklich eine
„Bewegung haben; ſo wird dieſes
„gleichfalls ihre ſcheinbare Lage veraͤn-
„dern, und zwar um deſtomehr, je naͤ-
„her ſie bey uns ſind, oder je mehr die
„Richtung der Bewegung ſo beſchaffen
„iſt, daß ſie von uns kan wahrgenom-
„men werden. Da nun alſo die Lagen
„der Sterne von ſo mancherley Urſa-
„chen koͤnnen veraͤndert werden, indem
„man die erſtaunlichen Entfernungen,
„in welchen ganz gewiß einige gelegen
„ſind, betrachtet; ſo werden wohl die
„Beobachtungen vieler Menſchenalter
„noͤthig ſeyn, die Geſetze der ſcheinba-
„ren Veraͤnderungen, auch eines einzi-
„gen Sternes, zu beſtimmen. Viel
ſchwee-
[]Vorrede.
„ſchweerer muß es alſo noch ſeyn, die
„Geſetze fuͤr alle die merkwuͤrdigſten
„Sterne feſtzuſetzen.
Jch kan die Grenzen nicht genau be-
ſtimmen, die zwiſchen dem Syſtem des
Herrn Wright und dem meinigen an-
zutreffen ſeyn, und in welchen Stuͤcken
ich ſeinen Entwurf bloß nachgeahmet,
oder weiter ausgefuͤhrt habe. Jndeſſen
bothen ſich mir nach der Hand anneh-
mungswuͤrdige Gruͤnde dar, es auf der
einen Seite betraͤchtlich zu erweitern.
Jch betrachtete die Art neblichter Ster-
ne, deren Herr von Maupertuis in
der Abhandlung von der Figur der
Geſtirne(*) gedenket, und die die Fi-
c 5gur
[]Vorrede.
gur von mehr oder weniger offenen El-
lipſen vorſtellen, und verſicherte mich
leicht,
(*)
[]Vorrede.
leicht, daß ſie nichts anders als eine Haͤu-
fung vieler Fixſterne ſeyn koͤnnen. Die
jeder-
(*)
[]Vorrede.
jederzeit abgemeſſene Rundung dieſer Fi-
guren belehrte mich, daß hier ein unbe-
greiflich zahlreiches Sternenheer, und
zwar um einen gemeinſchaftlichen Mit-
telpunkt, muͤſte geordnet ſeyn, weil ſonſt
ihre freye Stellungen gegen einander,
wohl irregulaͤre Geſtalten, aber nicht
abgemeſſene Figuren vorſtellen wuͤrden.
Jch ſahe auch ein: daß ſie in dem
Syſtem, darinn ſie ſich vereinigt befin-
den, vornemlich auf eine Flaͤche be-
ſchraͤnkt ſeyn muͤßten, weil ſie nicht zir-
kelrunde, ſondern elliptiſche Figuren ab-
bilden, und daß ſie wegen ihres blaſſen
Lichts unbegreiflich weit von uns abſte-
hen. Was ich aus dieſen Analogien ge-
ſchloſſen habe wird die Abhandlung ſelber
der Unterſuchung des vorurtheilfreyen
Leſers darlegen.
Jn dem zweiten Theile, der den
eigentlichſten Vorwurf dieſer Abhand-
lung in ſich enthaͤlt, ſuche ich die Verfaſ-
ſung
[]Vorrede.
ſung des Weltbaues aus dem einfachſten
Zuſtande der Natur bloß durch mechani-
ſche Geſetze zu entwickeln. Wenn ich
mich unterſtehen darf denenjenigen, die ſich
uͤber die Kuͤhnheit dieſes Unternehmens
entruͤſten, bey der Pruͤfung womit ſie mei-
ne Gedanken beehren, eine gewiſſe Ord-
nung vorzuſchlagen, ſo wollte ich bitten
das achte Hauptſtuͤck zuerſt durchzule-
ſen, welches, wie ich hoffe, ihre Beur-
theilung zu einer richtigen Einſicht vorbe-
reiten kan. Wenn ich indeſſen den gneig-
ten Leſer zur Pruͤfung meiner Meinun-
gen einlade, ſo beſorge ich mit Recht, daß,
da Hypotheſen von dieſer Art gemeinig-
lich nicht in viel beſſeren Anſehen, als phi-
loſophiſche Traͤume ſtehen, es eine ſaure
Gefaͤlligkeit vor einen Leſer iſt, ſich zu ei-
ner ſorgfaͤltigen [Unterſuchung] von ſelbſt
erdachten Geſchichten der Natur zu ent-
ſchlieſſen und dem Verfaſſer durch alle
die Wendungen, dadurch er den Schwie-
rig-
[]Vorrede.
rigkeiten, die ihm aufſtoſſen, ausweichet,
geduldig zu folgen, um vielleicht am En-
de, wie die Zuſchauer des londonſchen
Marktſchreiers(*), ſeine eigne Leichtglaͤu-
bigkeit zu belachen. Jndeſſen getraue
ich mir zu verſprechen: daß, wenn der Le-
ſer durch das vorgeſchlagene Vorberei-
tungs-Hauptſtuͤck hoffentlich wird uͤber-
redet worden ſeyn, auf ſo wahrſcheinli-
che Vermuthungen doch ein ſolches phy-
ſiſches Abentheuer zu wagen, er auf
dem Fortgange des Weges nicht ſo viel
krumme Abwege und unwegſame Hinder-
niſſe, als er vielleicht anfaͤnglich beſorgt,
antreffen werde.
Jch habe mich in der That mit groͤſ-
ſeſter Behutſamkeit aller willkuͤhrlichen
Erdichtungen entſchlagen. Jch habe,
nachdem ich die Welt in das einfachſte
Chaos verſetzt, keine andere Kraͤfte als
die Anziehungs- und Zuruͤckſtoſſungskraft
zur
[]Vorrede.
zur Entwickelung der groſſen Ordnung
der Natur angewandt, zwey Kraͤfte,
welche beyde gleich gewiß, gleich einfach
und zugleich gleich urſpruͤnglich und allge-
mein ſind. Beyde ſind aus der Newto-
niſchen Weltweisheit entlehnet. Die er-
ſtere iſt ein nunmehro auſſer zweifelgeſetz-
tes Naturgeſetz. Die zweyte, welcher
vielleicht die Naturwiſſenſchaft des New-
ton nicht ſo viel Deutlichkeit als die erſte-
re gewaͤhren kan, nehme ich hier nur in
demjenigen Verſtande an, da ſie niemand
in Abrede iſt, nemlich bey der feinſten
Aufloͤſung der Materie, wie z. E. bey
den Duͤnſten. Aus dieſen ſo einfachen
Gruͤnden habe ich auf eine ungekuͤnſtelte
Art, ohne andere Folgen zu erſinnen,
als diejenigen, worauf die Aufmerkſam-
keit des Leſers ganz von ſelber verfallen
muß, das folgende Syſtem hergeleitet.
Man erlaube mir ſchluͤßlich wegen der
Guͤltigkeit und des angeblichen Werthes
der-
[]Vorrede.
derjenigen Saͤtze, die in der folgenden The-
orie vorkommen werden und wornach ich
ſie vor billigen Richter gepruͤft zu werden
wuͤnſche, eine kurze Erklaͤrungen zu thun.
Man beurtheilt billig den Verfaſſer nach
demjenigen Stempel, den er auf ſeine
Waare druckt; daher hoffe ich, man
werde in den verſchiedenen Theilen dieſer
Abhandlung keine ſtrengere Verantwor-
tung meiner Meinungen fodern, als
nach Maasgebung des Werths, den ich
von ihnen ſelber ausgebe. Ueberhaupt
kan die groͤßte geometriſche Schaͤrfe und
mathematiſche Unfehlbarkeit niemals von
einer Abhandlung dieſer Art verlangt
werden. Wenn das Syſtem auf Analo-
gien und Uebereinſtimmungen, nach den
Regeln der Glaubwuͤrdigkeit und einer
richtigen Denkungsart, gegruͤndet iſt; ſo
hat es allen Foderungen ſeines Objects
genug gethan. Dieſen Grad der Tuͤch-
tigkeit meine ich in einigen Stuͤcken die-
ſer
[]Vorrede.
ſer Abhandlung, als in der Theorie der
Fixſternenſyſtemen, in der Hypotheſe von
der Beſchaffenheit der neblichten Sterne,
in dem allgemeinen Entwurfe von der
mechaniſchen Erzeugungsart des Welt-
baues, in der Theorie von dem Satur-
nusringe und einigen andern erreicht zu
haben. Etwas minder Ueberzeugung
werden einige beſondere Theile der Aus-
fuͤhrung gewaͤhren, wie z. E. die Be-
ſtimmung der Verhaͤltniſſe der Eccentri-
citaͤt, die Vergleichung der Maſſen der
Planeten, die mancherley Abweichungen
der Cometen, und einige andere.
Wenn ich daher in dem ſiebenten
Hauptſtuͤck, durch die Fruchtbarkeit des
Syſtems und die Annehmlichkeit des
groͤßten und wunderwuͤrdigſten Gegen-
ſtandes, den man ſich nur denken kan,
angelocket, zwar ſtets an dem Leitfaden
der Analogie und einer vernuͤnftigen
Glaubwuͤrdigkeit; doch mit einiger Kuͤhn-
dheit
[]Vorrede.
heit die Folgen des Lehrgebaͤudes ſo weit
als moͤglich fortſetze; wenn ich das Un-
endliche der ganzen Schoͤpfung, die Bil-
dung neuer Welten und den Untergang
der alten, den unbeſchraͤnkten Raum des
Chaos der Einbildungskraft darſtelle; ſo
hoffe ich, man werde der reizenden An-
nehmlichkeit des Objects und dem Ver-
gnuͤgen, welches man hat, die Ueberein-
ſtimmungen einer Theorie in ihrer groͤſ-
ſeſten Ausdehnung zu ſehen, ſo viel
Nachſicht vergoͤnnen, ſie nicht nach der
groͤßten geometriſchen Strenge, die oh-
nedem bey dieſer Art der Betrachtungen
nicht ſtatt hat, zu beurtheilen. Eben
dieſer Billigkeit verſehe ich mich in An-
ſehung des dritten Theiles. Man wird
indeſſen allemal etwas mehr wie bloß
willkuͤhrliches, obgleich jederzeit etwas
weniger als ungezweifeltes, in ſelbigen
antreffen.
Jnn-
[]
Jnnhalt
des ganzen Werks.
- Abriß einer allgemeinen ſyſtematiſchen Verfaſſung un-
ter den Fixſternen, aus den Phaͤnomenis der
Milchſtraſſe hergeleitet. Aehnlichkeit dieſes Fix-
ſternenſyſtems mit dem Syſteme der Planeten.
Entdeckung vieler ſolcher Syſteme, die ſich in der
Weite des Himmels, in Geſtalt elliptiſcher Figu-
ren, zeigen. Neuer Begriff von der ſyſtematiſchen
Verfaſſung der ganzen Schoͤpfung. - Beſchluß. Wahrſcheinliche Vermuthung mehrer Plane-
ten uͤber dem Saturn, aus dem Geſetze, nach
welchem die Eccentricitaͤt der Planeten mit den
Entfernungen zunimmt.
- Erſtes [Hauptſtuͤck].
Gruͤnde vor die Lehrverfaſſung eines mechaniſchen
Urſprungs der Welt. Gegengruͤnde. Einziger
Begriff unter allen moͤglichen, beyden genug zu
thun. Erſter Zuſtand der Natur. Zerſtreuung
der Elemente aller Materie durch den ganzen Welt-
raum. Erſte Regung durch die Anziehung. An-
fang der Bildung eines Koͤrpers in dem Punkte
der ſtaͤrkſten Attraction. Allgemeine Senkung
der Elemente gegen dieſen Centralkoͤrper. Zu-
ruͤckſtoßungskraft der feinſten Theile, darinn die
Materie aufgeloͤſet worden. Veraͤnderte Rich-
d 2tung
[]
tung der ſinkenden Bewegung durch die Verbindung
dieſer Kraft mit der erſtern. Einfoͤrmige Richtung
aller dieſer Bewegungen nach eben derſelben Gegend.
Beſtrebung aller Partickeln, ſich zu einer gemein-
ſchaftlichen Flaͤche zu dringen und daſelbſt zu haͤu-
ſen. Maͤßigung der Geſchwindigkeit ihrer Bewe-
gung zu einem Gleichgewichte mit der Schweere
des Abſtandes ihres Orts. Freyer Umlauf aller
Theilchen um den Centralkoͤrper in Cirkelkreiſen.
Bildung der Planeten aus dieſen bewegten Ele-
menten. Freye Bewegung der daraus zuſam-
mengeſetzten Planeten in gleicher Richtung in ge-
meinſchaftlichen Plane, nahe beym Mittelpunkte
bey nahe in Cirkelkreiſen, und weiter von demſel-
ben mit zunehmenden Graden der Eccentricitaͤt. - Zweytes Hauptſtuͤck.
Handelt von der verſchiedenen Dichtigkeit der Pla-
neten und dem Verhaͤltniſſe ihrer Maſſen. Ur-
ſache, woher die nahen Planeten dichterer Art ſind,
als die entferneten. Unzulaͤnglichkeit der Erklaͤ-
rung des Newton. Woher der Centralkoͤrper
leichterer Art iſt, als die naͤchſt um ihn laufende
Kugeln. Verhaͤltniß der Maſſen der Planeten,
nach der Proportion der Entfernungen. Urſache
aus der Art der Erzeugung, woher der Central-
koͤrper die groͤßte Maſſe hat. Ausrechnung der
Duͤnnigkeit, in welcher alle Elemente der Welt-
materie zerſtreuet geweſen. Wahrſcheinlichkeit
und Nothwendigkeit dieſer Verduͤnnung. Wich-
tiger Beweis der Art der Erzeugung der Himmels-
koͤrper aus einer merkwuͤrdigen Analogie des Her-
ren de Buſton. - Drittes Hauptſtuͤck.
Von der Eccentricitaͤt der Planetenkreiſe und dem Ur-
ſprunge der Cometen. Die Eccentricitaͤt nimmt
Grad-
[]
Gradweiſe, mit den Entfernungen von der Sonne,
zu. Urſache dieſes Geſetzes aus der Cosmogonie.
Woher die Cometenkreiſe von dem Plane der Ecklip-
tick frey ausſchweifen. Beweis, daß die Cometen aus
der leichteſten Gattung des Stoffes gebildet ſeyn.
Beylaͤufige Anmerkung von dem Nordſcheine. - Viertes Hauptſtuͤck.
Von dem Urſprunge der Monde und den Bewegungen
der Planeten um die Achſe. Der Stoff zu Erzeu-
gung der Monde war in der Sphaͤre, daraus der Pla-
net die Theile zu ſeiner eigenen Bildung ſamlete, ent-
halten. Urſache der Bewegung dieſer Monde mit al-
len Beſtimmungen. Woher nur die großen Planeten
Monde haben. Von der Achſendrehung der Pla-
neten. Ob der Mond ehedem eine ſchnellere ge-
habt habe? Ob die Geſchwindigkeit der Umwaͤl-
zung der Erde ſich vermindere? Von der Stellung
der Achſe der Planeten gegen, den Plan ihrer
Kreiſe. Verruͤckung ihrer Achſe. - Fuͤnftes Hauptſtuͤck.
Von dem Urſprunge des Saturnusringes und der
Berechnung ſeiner taͤglichen Umdrehung aus dem
Verhaͤltniſſen deſſelben. Erſter Zuſtand des Sa-
turns mit der Beſchaffenheit | eines Cometen
verglichen. Bildung eines Ringes aus den
Theilchen ſeiner Athmoſphaͤre vermittelſt der
von ſeinem Umſchwunge eingedruͤckten Bewegun-
gen. Beſtimmung der Zeit ſeiner Achſendrehung
nach dieſer Hypotheſe. Betrachtung der Figur
des Saturns. Von der ſphaͤroidiſchen Abplat-
tung der Himmelskoͤrper uͤberhaupt. Naͤhere
Beſtimmung der Beſchaffenheit dieſes Ringes.
Wahrſcheinliche Vermuthung neuer Entdeckun-
gen. Ob die Erde vor der Suͤndfluth nicht ei-
nem Ring gehabt habe? - Sechſtes Hauptſtuͤck.
Von dem Zodieckallichre. - Siebendes Hauptſtuͤck.
Von der Schoͤpfung im ganzen Umfange ihrer Un-
endlichkeit ſowohl dem Raume als der Zeit nach.
Urſprung eines groſſen Syſtems der Fixſterne. Ceu-
tralkoͤrper im Mittelpunkte des Sternenſyſtems.
Unendlichkeit der Schoͤpfung. Allgemeine ſyſte-
matiſche [Beziehung] in ihrem ganzen Jnnbegriffe.
Centralkoͤrper der ganzen Natur. Succeßive
Fortſetzung der Schoͤpfung in aller Unendlichkeit
der Zeiten und Raͤume, durch unaufhoͤrliche Bil-
dung neuer Welten. Betrachtung uͤber das Cha-
os der ungebildeten Natur. Allmaͤhlicher Ver-
fall und Untergang des Weltbaues. Wohlan-
ſtaͤndigkeit eines ſolchen Begriffes. Wiedererneu-
rung der verfallenen Natur. - Zugabe zum Siebenden Hauptſtuͤcke.
Allgemeine Theorie und Geſchichte der Sonne
uͤberhaupt. Woher der Centralkoͤrper eines
Weltbaues ein feuriger Koͤrper iſt. Naͤhere Be-
trachtung ſeiner Natur. Gedanken von den Ver-
aͤnderungen der ihn umgebenden Luft. Erloͤ-
ſchung der Sonnen. Naher Anblick ihrer Geſtalt.
Meinug des Herren Wright von dem Mittelpunk-
te derganzen Natur. Verbeſſerung derſelben. - Achtes Hauptſtuͤck.
- Allgemeiner Beweis von der Richtigkeit einer me-
chaniſchen Lehrverfaſſung der Einrichtung des
Welt-
[]
Weltbaues uͤberhaupt, in ſonderheit von der
Gewißheit der gegenwaͤrtigen. Die weſentliche
Faͤhigkeit der Naturen der Dinge, ſich von ſelber
zur Ordnung und Vollkommenheit zu erheben,
iſt der ſchoͤnſte Beweis des Daſeyns GOttes.
Vertheidigung gegen den Vorwurf des Natura-
lismus. - Die Verfaſſung des Weltbaues iſt einfach und nicht
uͤber die Kraͤfte der Natur geſetzt. Analogien,
die den mechaniſchen Urſprung der Welt mit Ge-
wißheit bewaͤhren. Eben daſſelbe aus den Ab-
weichungen bewieſen. Die Anfuͤhrung einer un-
mittelbaren goͤttlichen Anordnung thut dieſen
Fragen kein Gnuͤge. Schwierigkeit, die den New-
ton bewog, den mechaniſchen Lehrbegriff aufzuge-
ben. Aufloͤſung dieſer Schwierigkeit. Das vor-
getragene Syſtem iſt das einzige Mittel unter
allen moͤglichen beyderſeitigen Gruͤnden ein Gnuͤ-
ge zu leiſten. Wird ferner durch das Verhaͤltnis
der Dichtigkeit der Planeten, ihrer Maſſen, der
Zwiſchenraͤume ihres Abſtandes nnd dem ſtuffen-
artigen Zuſammenhange ihrer Beſtimmungen er-
wieſen. Die Bewegungsgruͤnde der Wahl GOt-
tes beſtimmen dieſe Umſtaͤnde nicht unmittelbar.
Rechtfertigung in Anſehung der Religion. Schwie-
rigkeiten, die ſich bey einer Lehrverfaſſung von der
unmittelbaren goͤttlichen Anordnung hervorthun.
- Allgemeiner Beweis von der Richtigkeit einer me-
- Dritter Theil.
- Enthaͤlt eine Vergleichung zwiſchen den Einwoh-
nern der Geſtirne. - Ob alle Planeten bewohnt ſeyn? Urſache daran zu
Zweifeln. Grund der phyfiſchen Verhaͤltniße zwi-
ſchen den Bewohnern verſchiedener Planeten. Be-
trachtung des Menſchen. Urſachen der Unvollkom-
d 4men-
[]
menheit ſeiner Natur. Natuͤrliches Verhaͤltniß der
koͤrperlichen Eigenſchaften der belebten Creaturen,
nach ihrem verſchiedenen Abſtande von der Son-
ne. Folgen dieſer Verhaͤltniß auf ihre geiſtige
Faͤhigkeiten. Vergleichung der denkenden Natu-
ren auf verſchiedenen Himmelskoͤrpern. Beſtaͤti-
gung aus gewißen Umſtaͤnden ihrer Wohnplaͤtze.
Fernerer Beweis aus den Anſtalten der goͤttli-
chen Vorſehung die zu ihrem Beſten gemacht ſind.
Kurze Ausſchweifung.
- Enthaͤlt eine Vergleichung zwiſchen den Einwoh-
- Beſchluß.
Die Begebenheiten des Menſchen in dem kuͤnftigen
Leben.
[]
Allgemeine
Naturgeſchichte
und
Theorie des Himmels.
Erſter Theil,
Abriß einer ſyſtematiſchen Verfaſſung
unter den Fixſternen,
imgleichen
von der Vielheit ſolcher Fixſtern-
ſyſtemen.
Seht jene groſſe Wunderkette die alle Theile dieſer
Welt,Vereinet und zuſammenzieht[und] die das groſſe
Ganz erhaͤlt.
Pope.
[][[I]]
Kurzer Abriß
der noͤthigſten Grundbegriffe
der
Newtoniſchen Weltwiſſenſchaft (*)
die zu dem Verſtande
des nachfolgenden erfordert werden.
Sechs Planeten, davon drey Be-
gleiter haben, Merkur, Venus,
die Erde mit ihrem Monde,
Mars, Jupiter mit vier und
Saturn mit fuͤnf Trabanten, die um die Sonne
als den Mittelpunkt Kreiſe beſchreiben, nebſt den
Cometen, die es von allen Seiten her und in ſehr
langen Kreiſen thun, machen ein Syſtem aus,
welches man das Syſtem der Sonnen oder auch
den planetiſchen Weltbau nennt. Die Bewe-
gung aller dieſer Koͤrper, weil ſie kreisfoͤrmig
und in ſich ſelbſt zuruͤckkehrend iſt, ſetzet zwey
(A)Kraͤf-
[II]Einleitung
Kraͤfte voraus, welche bey einer jeglichen Art des
Lehrbegriffs gleich nothwendig ſind, nemlich eine
ſchieſſende Kraft, dadurch ſie in jedem Punk-
te ihres krumlienigten Laufes die gerade Rich-
tung fortſetzen, und ſich ins Unendliche entfernen
wuͤrden, wenn nicht eine andere Kraft, welche
es auch immer ſeyn mag, ſie beſtaͤndig noͤthigte
dieſe zu verlaſſen und in einem krummen Gleiſe
zu lauſen, der die Sonne als den Mittelpunkt
umfaſſet. Dieſe zweyte Kraft, wie die Geome-
trie ſelber es ungezweifelt ausmacht, zielt allent-
halben zu der Sonne hin und wird daher die ſin-
kende, die Centripetalkraft, oder auch die Gra-
vitaͤt genennet.
Wenn die Kreiſe der Himmelskoͤrper genaue
Cirkel waͤren, ſo wuͤrde die allereinfachſte Zer-
gliederung der Zuſammenſetzung krumlienigter Be-
wegungen zeigen: daß ein anhaltender Trieb ge-
gen den Mittelpunkt dazu erfordert werde; allein
obgleich ſie an allen Planeten ſowohl als Come-
ten Ellipſen ſind, in deren gemeinſchaftlichem
Vrennpunkte ſich die Sonne befindet, ſo thut
doch die hoͤhere Geometrie mit Huͤlfe der Keple-
riſchen Analogie, (nach welcher der radius vector,
oder die von dem Planeten zur Sonne gezogene
Linie, ſtets ſolche Raͤume von der elliptiſchen
Bahn abſchneidet, die den Zeiten proportionirt
ſeyn,) gleichfals mit untrieglicher Gewisheit dar;
daß eine Kraft den Planet in dem ganzen Kreis-
laufe gegen den Mittelpunkt der Sonne unab-
laͤßig treiben muͤßte. Dieſe Senkungskraft, die
durch den ganzen Raum des Planetenſyſtems
her-
[III]Einleitung.
herſchet und zu der Sonne hinzielet, iſt alſo ein
ausgemachtes Phaͤnomenon der Natur, und eben
ſo zuverlaͤßig iſt auch das Geſetze erwieſen, nach
welchem ſich dieſe Kraft von dem Mittelpunkte
in die ferne Weiten erſtrecket. Sie nimmt im-
mer umgekehrt ab, wie die Quadrate der Entfer-
nungen von demſelben zunehmen. Dieſe Regel
fließt auf eine eben ſo untriegliche Art aus der
Zeit die die Planeten in verſchiedenen Entfernun-
gen zu ihren Umlaͤufen gebrauchen. Dieſe Zei-
ten ſind immer wie die Quadratwurzel aus den
Cubis ihrer mitlern Entfernungen von der Son-
ne, woraus hergeleitet wird: daß die Kraft, die
dieſe Himmelskoͤrper zu dem Mittelpunkte ihrer
Umwaͤlzung treibt, in umgekehrten Verhaͤltniſſe
der Quadrate des Abſtandes abnehmen muͤſſe.
Eben daſſelbe Geſetz was unter den Planeten
herrſcht, in ſo fern ſie um die Sonne laufen,
findet ſich auch bey den kleinen Syſtemen, nem-
lich denen, die die um ihre Hauptplaneten beweg-
te Monden ausmachen. Jhre Umlaufszeiten
ſind eben ſo gegen die Entfernungen proportio-
nirt, und ſetzen eben daſſelbe Verhaͤltniß der
Senkungskraft gegen den Planeten feſt, als
dasjenige iſt, dem dieſer zu der Sonne hin unter-
worfen iſt. Alles dieſes iſt aus der untrieglich-
ſten Geometrie, vermittelſt unſtrittiger Beobach-
tungen, auf immer auſſer Wiederſpruch geſetzt.
Hiezu kommt noch die Jdee, daß dieſe Senkungs-
kraft eben derſelbe Antrieb ſey, der auf der Ober-
flaͤche des Planeten die Schweere genannt wird,
und der von dieſem ſich ſtufenweiſe nach dem an-
(A 2)gefuͤhr-
[IV]Einleitung.
gefuͤhrten Geſetze mit den Entfernungen vermin-
dert. Dieſes erſiehet man aus der Vergleichung
der Quantitaͤt der Schweere auf der Oberflaͤche
der Erde mit der Kraft, die den Mond zum
Mittelpunkte ſeines Kreiſes hintreibt, welche ge-
gen einander eben ſo wie die Attraktion in dem
ganzen Weltgebaͤude, nemlich im umgekehrten
Verhaͤltniß des Quadrats der Entfernungen iſt.
Dies iſt die Urſache, warum man oftgemeldete
Centralkraft auch die Gravitaͤt nennet.
Weil es uͤberdem auch im hoͤchſten Grade wahr-
ſcheinlich iſt: daß, wenn eine Wirkung nur in
Gegenwart und nach Proportion der Annaͤherung
zu einem gewiſſen Koͤrper geſchiehet, die Rich-
tung derſelben auch aufs genaueſte auf dieſen Koͤr-
per beziehend iſt, zu glauben ſey, dieſer Koͤrper
ſey, auf was fuͤr Art es auch wolle, die Urſache
derſelben; ſo hat man um deswillen Grund genug
zu haben vermeynet, dieſe allgemeine Senkung
der Planeten gegen die Sonne, einer Anziehungs-
kraft der letztern zuzuſchreiben, und dieſes Vermoͤ-
gen der Anziehung allen Himmelskoͤrpern uͤber-
haupt beyzulegen.
Wenn ein Koͤrper alſo dieſem Antriebe der ihn
zum Sinken gegen die Sonne oder irgend einen
Planeten treibt, frey uͤberlaſſen wird; ſo wird er
in ſtets beſchleunigter Bewegung zu ihm nieder-
fallen und in kurzem ſich mit deſſelben Maſſe ver-
einigen. Wenn er aber einen Stoß nach der
Seite hin bekommen hat; ſo wird er, wenn die-
ſer nicht ſo kraͤftig iſt, dem Drucke des Sinkens
genau das Gleichgewicht zu leiſten, ſich in einer
gebo-
[V]Einleitung.
gebogenen Bewegung zu dem Centralkoͤrper hin-
ein ſenken, und wenn der Schwung, der ihm ein-
gedruckt worden, wenigſtens ſo ſtark geweſen, ihn,
ehe er die Oberflaͤche deſſelben beruͤhrt, von der
ſenkrechten Linie um die halbe Dicke des Koͤrpers
im Mittelpunkte zu entfernen, ſo wird er nicht
deſſen Oberflaͤche beruͤhren, ſondern, nachdem er
ſich dichte um ihn geſchwungen hat, durch die vom
Falle erlangte Geſchwindigkeit ſich wieder ſo hoch
erheben, als er gefallen war, um in beſtaͤndiger
Kreisbewegung um ihn ſeinen Umlauf fortzuſetzen.
Der Unterſchied zwiſchen den Laufkreiſen der
Cometen und Planeten beſtehet alſo in der Ab-
wiegung der Seitenbewegung gegen den Druck,
der ſie zum Fallen treibt; welche zwey Kraͤfte je
mehr ſie der Gleichheit nahe kommen, deſto aͤhn-
licher wird der Kreis der Cirkelfigur, und je un-
gleicher ſie ſeyn, je ſchwaͤcher die ſchieſſende Kraft
in Anſehung der Centralkraſt iſt, deſto laͤnglichter
iſt der Kreis, oder wie man es nennt, deſto ec-
centriſcher iſt er, weil der Himmelskoͤrper in ei-
nem Theile ſeiner Bahn ſich der Sonne weit mehr
naͤhert, als im andern.
Weil nichts in der ganzen Natur auf das ge-
naueſte abgewogen iſt, ſo hat auch kein Planet
eine ganz cirkelfoͤrmige Bewegung; aber die Co-
meten weichen am meiſten davon ab, weil der
Schwung, der ihnen zur Seite eingedruͤckt wor-
den, am wenigſten zu der Centralkraft ihres erſten
Abſtandes proportionirt geweſen.
Jch werde mich in der Abhandlung ſehr oft
des Ausdrucks einer ſyſtematiſchen Verfaſ-
(A 3)ſung
[VI]Einleitung.
ſung des Weltbaues bedienen. Damit man
keine Schwierigkeit finde, ſich deutlich vorzuſtellen,
was dadurch ſoll angedeutet werden, ſo will ich
mich daruͤber mit wenigem erklaͤren. Eigentlich
machen alle Planeten und Cometen, die zu un-
ſerem Weltbau gehoͤren, dadurch ſchon ein Sy-
ſtem aus, daß ſie ſich um einen gemeinſchaftli-
chen Centralkoͤrper drchen. Jch nehme aber dieſe
Benennung noch in engerem Verſtande, indem
ich auf die genauere Beziehungen ſehe, die ihre
Verbindung mit einander regelmaͤßig und gleich-
foͤrmig gemacht hat. Die Kreiſe der Planeten
beziehen ſich ſo nahe, wie moͤglich auf eine ge-
meinſchaftliche Flaͤche, nemlich auf die verlaͤngerte
Aequatorsflaͤche der Sonne; die Abweichung von
dieſer Regel findet nur bey der aͤuſſerſten Grenze
des Syſtems, da alle Bewegungen allmaͤhlich auf-
hoͤren, ſtatt. Wenn daher eine gewiſſe Anzahl
Himmelskoͤrper, die um einen gemeinſchaftlichen
Mittelpunkt geordnet ſind, und ſich um ſelbigen
bewegen, zugleich auf eine gewiſſe Flaͤche ſo be-
ſchrenkt worden, daß ſie von ſelbiger zu beyden
Seiten nur ſo wenig als moͤglich abzuweichen die
Freyheit haben: wenn die Abweichung nur bey
denen, die von dem Mittelpunkte am weiteſten
entfernet ſind, und daher an den Beziehungen
weniger Antheil als die andern haben, ſtufenweiſe
ſtatt findet; ſo ſage ich, dieſe Koͤrper befinden ſich
in einer ſyſtematiſchen Verfaſſung zu-
ſammen verbunden.
Allge-
[1]
Allgemeine
Naturgeſchichte
und
Theorie des Himmels.
Erſter. Theil,
von der
ſyſtematiſchen Verfaſſung unter den
Fixſternen.
Der Lehrbegriff von der allgemeinen
Verfaſſung des Weltbaues hat ſeit
den Zeiten des Huygens keinen
merklichen Zuwachs gewonnen.
Man weiß noch zur Zeit nichts
mehr, als was man ſchon damals gewuſt hat,
nemlich, daß ſechs Planeten mit zehn Begleitern,
welche alle beynahe auf einer Flaͤche die Cirkel ihres
Umlaufs gerichtet haben, und die ewige cometiſche
Kugeln, die nach allen Seiten ausſchweifen, ein
ASy-
[2]Allgemeine Naturgeſchichte
Syſtem ausmachen, deſſen Mittelpunkt die Son-
ne iſt, gegen welche ſich alles ſenkt, um welche ih-
re Bewegungen gehen, und von welcher ſie alle er-
leuchtet, erwaͤrmet und belebet werden; daß end-
lich die Fixſterne als eben ſo viel Sonnen, Mittel-
punkte von aͤhnlichen Syſtemen ſeyn, in welchen
alles eben ſo groß und eben ſo ordentlich als in den
unſrigen eingerichtet ſeyn mag, und daß der unend-
liche Weltraum von Weltgebaͤuden wimmele, de-
ren Zahl und Vortreflichkeit ein Verhaͤltniß zur Un-
ermeßlichkeit ihres Schoͤpfers hat.
Das ſyſtematiſche, welches in der Verbindung
der Planeten, die um ihre Sonnen laufen, ſtatt
fand, verſchwand alhier in der Menge der Fixſter-
nen, und es ſchien, als wenn die geſetzmaͤßige Be-
ziehung, die im Kleinen angetroffen wird, nicht
unter den Gliedern des Weltalls im Groſſen herr-
ſche; die Fixſterne bekamen kein Geſetz, durch wel-
ches ihre Lagen gegen einander eingeſchraͤnket wur-
den, und man ſahe ſie alle Himmel und aller Him-
mel Himmel ohne Ordnung und ohne Abſicht erfuͤl-
len. Seit dem die Wißbegierde des Menſchen ſich
dieſe Schranken geſetzet hat, ſo hat man weiter
nichts gethan, als die Groͤſſe desjenigen daraus
abzunehmen und zu bewundern, der in ſo unbegreif-
lich groſſen Werken ſich offenbaret hat.
Dem Herrn Wright von Durham, einem En-
gelaͤnder, war es vorbehalten, einen gluͤcklichen
Schritt zu einer Bemerkung zu thun, welche von
ihm ſelber zu keiner gar zu tuͤchtigen Abſicht ge-
braucht
[3]und Theorie des Himmels.
braucht zu ſeyn ſcheinet, und deren nuͤtzliche Anwen-
dung er nicht genugſam beobachtet hat. Er betrachte-
te die Fixſterne nicht als ein ungeordnetes und oh-
ne Abſicht zerſtreutes Gewimmel, ſondern er fand
eine ſyſtematiſche Verfaſſung im Ganzen, und eine
allgemeine Beziehung dieſer Geſtirne gegen einen
Hauptplan der Raume, die ſie einnehmen.
Wir wollen den Gedanken, den er vorgetra-
gen, zu verbeſſern und ihm diejenige Wendung zu
ertheilen ſuchen, dadurch er an wichtigen Folgen
fruchtbar ſeyn kan, deren voͤllige Beſtaͤtigung den
kuͤnftigen Zeiten aufbehalten iſt.
Jedermann, der den beſtirnten Himmel in ei-
ner heitern Nacht anſiehet, wird denjenigen lichten
Streif gewahr, der durch die Menge der Sterne,
die daſelbſt mehr als anderwerts gehaͤuft ſeyn, und
durch ihre ſich in der groſſen Weite verlierende Kent-
lichkeit, ein einfoͤrmigtes Licht darſtellet, welches
man mit dem Nahmen der Milchſtraſſe benennet
hat. Es iſt zu bewundern, daß die Beobachter des
Himmels durch die Beſchaffenheit dieſer am Him-
mel kenntlich unterſchiedenen Zone nicht laͤngſt be-
wogen worden, ſonderbare Beſtimmungen in der
Lage der Fixſterne daraus abzunehmen. Denn
man ſiehet ihn die Richtung eines groͤßten Zirkels,
und zwar in ununterbrochenem Zuſammenhange,
um den ganzen Himmel einnehmen, zwey Bedin-
gungen, die eine ſo genaue Beſtimmung und von
dem Unbeſtimmten des Ungefehrs ſo kenntlich un-
terſchicdene Merkmale mit ſich fuͤhren, daß auf-
A 2merk-
[4]Allgemeine Naturgeſchichte
merkſame Sternkundige natuͤrlicher Weiſe dadurch
haͤtten veranlaſſet werden ſollen, der Erklaͤrung ei-
ner ſolchen Erſcheinung mit Aufmerkſamkeit nach-
zuſpuͤren.
Weil die Sterne nicht auf die ſcheinbare hole
Himmelsſphaͤre geſetzet ſind, ſondern einer weiter
als der andere von unſerm Geſichtspuncte entfernet,
ſich in der Tiefe des Himmels verlieren: ſo folget
aus dieſer Erſcheinung, daß in den Entfernungen,
darinn ſie einer hinter dem andern von uns abſte-
hen, ſie ſich nicht in einer nach allen Seiten gleich-
guͤltigen Zerſtreuung befinden, ſondern ſich auf ei-
ne gewiſſe Flaͤche vornemlich beziehen muͤſſen, die
durch unſern Geſichtspunkt gehet, und welcher ſie
ſich ſo nahe als moͤglich zu befinden beſtimmet ſind.
Dieſe Beziehung iſt ein ſo ungezweifeltes Phaͤ-
nomenon, daß auch ſelber die uͤbrigen Sterne, die
in dem weißlichten Streife der Milchſtraſſe nicht
begriffen ſind, doch um deſto gehaͤufter und dichter
geſehen werden, je naͤher ihre Oerter dem Cirkel der
Milchſtraſſe ſind, ſo, daß von den 2000 Ster-
nen, die das bloſſe Auge am Himmel entdecket, der
groͤßte Theil in einer nicht gar breiten Zone, deren
Mitte die Milchſtraſſe einnimmt, angetroffen wird.
Wenn wir nun eine Flaͤche durch den Sternen-
himmel hindurch in unbeſchraͤnkte Weiten gezogen
gedenken, und annehmen: daß zu dieſer Flaͤche al-
le Fixſterne und Syſtemata eine allgemeine Bezie-
hung ihres Orts haben, um ſich derſelben naͤher
als
[5]und Theorie des Himmels.
als andern Gegenden zu befinden, ſo wird das Au-
ge, welches ſich in dieſer Beziehungsflaͤche befindet,
bey ſeiner Ausſicht in das Feld der Geſtirne, an der
hohlen Kugelflaͤche des Firmaments, dieſe dichteſte
Haͤufung der Sterne in der Richtung ſolcher gezo-
genen Flaͤche unter der Geſtalt einer von mehrerem
Lichte erleuchteten Zone erblicken. Dieſer lichte
Streif wird nach der Richtung eines groͤßten Zir-
kels fortgehen, weil der Stand des Zuſchauers in
der Flaͤche ſelber iſt. Jn dieſer Zone wird es von
Sternen wimmeln, welche durch die nicht zu un-
terſcheidende Kleinigkeit der hellen Punkte, die ſich
einzeln dem Geſichte entziehen, und durch ihre
ſcheinbare Dichtigkeit, einen einfoͤrmig weißlichten
Schimmer, mit einem Worte, eine Milchſtraſſe
vorſtellig machen. Das uͤbrige Himmelsheer, deſ-
ſen Beziehung gegen die gezogene Flaͤche ſich nach
und nach vermindert, oder welches ſich auch dem
Stande des Beobachters naͤher befindet, wird mehr
zerſtreuet, wiewol doch, ihrer Haͤufung nach, auf
eben dieſen Plan beziehend geſehen werden. End-
lich folget hieraus, daß unſere Sonnenwelt, weil
von ihr aus dieſes Syſtem der Fixſterne in der Rich-
tung eines groͤſſeſten Zirkels geſehen wird, mit in
eben derſelben groſſen Flaͤche befindlich ſey, und mit
den uͤbrigen ein Syſtem ausmache.
Wir wollen, um in die Beſchaffenheit der all-
gemeinen Verbindung, die in dem Weltbaue herr-
ſchet, deſto beſſer zu dringen, die Urſache zu entde-
cken ſuchen, welche die Oerter der Fixſterne auch ei-
A 3ne
[6]Allgemeine Naturgeſchichte
ne gemeinſchaftliche Flaͤche beziehend gemacht
hat.
Die Sonne ſchrenket| die Weite ihrer Anzie-
hungskraft nicht in den engen Bezirk des Planeten-
gebaͤudes ein. Allem Anſehen nach erſtreckt ſie ſel-
bige ins unendliche. Die Cometen, die ſich ſehr
weit uͤber den Kreiß des Saturns erheben, werden
durch die Anziehung der Sonne genoͤthiget, wieder
zuruͤck zu kehren und in Kreiſen zu laufen. Ob es
alſo gleich der Natur eiuer Kraft, die dem Weſen
der Materie einverleibt zu ſeyn ſcheinet, gemaͤſſer
iſt, unbeſchraͤnkt zu ſeyn, und ſie auch wirklich von
denen, die Newtons Saͤtze annehmen, davor er-
kannt wird; ſo wollen wir doch nur zugeſtanden
wiſſen, daß dieſe Anziehung der Sonne ohngefehr
bis zum naͤchſten Fixſterne reiche, und daß die Fix-
ſterne als eben ſo viel Sonnen in gleichem Umfan-
ge um ſich wirken, folglich daß das ganze Heer der-
ſelben einander durch die Anziehung zu naͤhern be-
ſtrebt ſey; ſo finden ſich alle Weltſyſtemen in der
Verfaſſung, durch die gegenſeitige Annaͤherung, die
unaufhoͤrlich und durch nichts gehindert iſt, uͤber
kurz oder lang in einen Klumpen zuſammen zu fal-
len, wofern dieſem Ruin nicht ſo wie bey den Ku-
geln unſers planetiſchen Syſtems durch die den Mit-
telpunkt fliehende Kraͤfte vorgebeugt worden, wel-
che, indem ſie die Himmelskoͤrper von dem geraden
Falle abbeugen, mit den Kraͤften der Anziehung in
Verbindung die ewige Kreisumlaͤufe zuwege brin-
gen, dadurch das Gebaͤude der Schoͤpfung vor der
Zer-
[7]und Theorie des Himmels.
Zerſtoͤrung geſichert und zu einer unvergaͤnglichen
Dauer geſchickt gemacht wird.
So haben denn alle Sonnen des Firmaments
Umlaufsbewegungen, entweder um einen allgemei-
nen Mittelpunkt oder um viele. Man kann ſich
aber allhier der Analogie bedienen, deſſen, was bey
den Kreislaͤufen unſerer Sonnenwelt bemerket wird:
daß nemlich, gleichwie eben dieſelbe Urſache, die den
Planeten die Centerfliehkraft, durch die ſie ihre Um-
laͤufe verrichten, ertheilet hat, ihre Laufkreiſe auch
ſo gerichtet: daß ſie ſich alle auf eine Flaͤche bezie-
hen, alſo auch die Urſache, welche es auch immer
ſeyn mag, die den Sonnen der Oberwelt, als ſo
viel Wandelſternen hoͤherer Weltordnungen die
Kraft der Umwendung gegeben, ihre Kreiſe zu-
gleich ſo viel moͤglich auf eine Flaͤche gebracht, und
die Abweichungen von derſelben einzuſchraͤnken be-
ſtrebt geweſen.
Nach dieſer Vorſtellung kann man das Syſtent
der Fixſterne einiger maſſen durch das planetiſche
abſchildern, wenn man dieſes unendlich vergroͤſſert.
Denn wenn wir an ſtatt der 6 Planeten mit ihren
10 Begleitern ſo viele tauſend derſelben, und an
ſtatt der 28 oder 30 Cometen, die beobachtet wor-
den, ihrer hundert oder tauſendmal mehr anneh-
men, wenn wir eben dieſe Koͤrper als ſelbſtleuchtend
gedenken, ſo wuͤrde dem Auge des Zuſchauers, das
ſie von der Erde anſiehet, eben der Schein als von
den Fixſternen der Milchſtraſſe entſtehen. Denn
die gedachte Planeten wuͤrden durch ihre Naheit
A 4zu
[8]Allgemeine Naturgeſchichte
zu dem gemeinen Plane ihrer Beziehung, uns, die
wir mit unſerer Erde in eben demſelben Plane be-
findlich ſeyn, eine von unzaͤhlbaren Sternen dicht
erleuchtete Zone darſtellen, deren Richtung nach
dem groͤſſeſten Zirkel gienge; dieſer lichte Streifen
wuͤrde allenthalben mit Sternen genugſam beſetzet
ſeyn, obgleich gemaͤß der Hypotheſe es Wandelſter-
ne, mithin nicht an einen Ort geheftet ſind, denn
es wuͤrden ſich allezeit nach einer Seite Sterne ge-
nug durch ihre Verſetzung befinden, obgleich andere
dieſen Ort geaͤndert haͤtten.
Die Breite dieſer erleuchteten Zone, welche ei-
ne Art eines Thierkreiſes vorſtellet, wird durch die
verſchiedene Grade der Abweichung beſagter Jrr-
ſterne von dem Plane ihrer Beziehung und durch
die Neigung ihrer Kreiſe gegen dieſelbe Flaͤche ver-
anlaſſet werden; und weil die meiſten dieſem Pla-
ne nahe ſeyn, ſo wird ihre Anzahl nach dem Maaſſe
der Entfernung von dieſer Flaͤche zerſtreuter erſchei-
nen; die Cometen aber, die alle Gegenden ohne
Unterſcheid einnehmen, werden das Feld des Him-
mels von beyden Seiten bedecken.
Die Geſtalt des Himmels der Fixſterne hat al-
ſo keine andere Urſache, als eben eine dergleichen
ſyſtematiſche Verfaſſung im Groſſen, als der pla-
netiſche Weltbau im Kleinen hat, indem alle Son-
nen ein Syſtem ausmachen, deſſen allgemeine Be-
ziehungsflaͤche die Milchſtraſſe iſt; die ſich am we-
nigſten auf dieſe Flaͤche beziehende, werden zur Sei-
te geſehen, ſie ſind aber eben deswegen weniger ge-
haͤu-
[9]und Theorie des Himmels.
haͤufet, weit zerſtreuter und ſeltener. Es ſind ſo
zu ſagen die Cometen unter den Sonnen.
Dieſer neue Lehrbegriff aber legt den Sonnen
eine fortruͤckende Bewegung bey, und jedermann
erkennet ſie doch als unbewegt, und von Anbeginn
her an ihre Oerter geheftet. Die Benennung, die
die Fixſterne davon erhalten haben, ſcheinet durch
die Beobachtung aller Jahrhunderte beſtaͤtigt und
ungezweifelt zu ſeyn. Dieſe Schwierigkeit wuͤrde
das vorgetragene Lehrgebaͤude vernichten, wenn ſie
gegruͤndet waͤre. Allein allem Anſehen nach iſt die-
ſer Mangel der Bewegung nur etwas ſcheinbares.
Es iſt entweder nur eine ausnehmende Langſamkeit,
die von der groſſen Entfernung von dem gemeinen
Mittelpunkte ihres Umlaufs, oder eine Unmerk-
lichkeit, die durch den Abſtand von dem Orte der
Beobachtung veranlaſſet wird. Laſſet uns die
Wahrſcheinlichkeit dieſes Begriffes durch die Aus-
rechnung der Bewegung ſchaͤtzen, die ein unſerer
Sonne naher Fixſtern haben wuͤrde, wenn wir
ſetzten, daß unſere Sonnr der Mittelpunkt ſeines
Kreiſes waͤre. Wenn ſeine Weite nach dem Huy-
gen uͤber 21000mal groͤſſer, als der Abſtand der
Sonne von der Erde angenommen wird; ſo iſt
nach dem ausgemachten Geſetze der Umlaufszeiten,
die im Verhaͤltniß der Quadratwurzel aus dem
Wuͤrfel der Entfernungen vom Mittelpunkte ſte-
hen, die Zeit, die er anwenden muͤſte, ſeinen Zir-
kel um die Sonne einmal zu durchlaufen, von mehr
als anderthalb Millionen Jahre, und dieſes wuͤr-
A 5de
[10]Allgemeine Naturgeſchichte
de in 4000 Jahren eine Verruͤckung ſeines Orts
nur um einen Grad ſetzen. Da nun nur vielleicht
ſehr wenige Fixſterne der Sonne ſo nahe ſind, als
Huygen den Sirius ihr zu ſeyn gemuthmaſſet hat,
da die Entfernung des uͤbrigen Himmelsheeres des
letzteren ſeine vielleicht ungemein uͤbertrift, und alſo
zu ſolcher periodiſchen Umwendung ungleich laͤngere
Zeiten erfordern wuͤrden, uͤberdem auch wahrſchein-
licher iſt, daß die Bewegung der Sonnen des
Sternenhimmels um einen gemeinſchaftlichen Mit-
telpunkt gehe, deſſen Abſtand ungemein groß, und
die Fortruͤckung der Sterne daher uͤberaus langſam
ſeyn kan: ſo laͤßt ſich hieraus mit Wahrſcheinlich-
keit abnehmen, daß alle Zeit, ſeit der man Beob-
achtungen am Himmel angeſtellet hat, vielleicht
noch nicht hinlaͤnglich ſey, die Veraͤnderung, die
in ihren Stellungen vorgegangen, zu bemerken.
Man darf indeſſen noch nicht die Hoffnung aufge-
ben, auch dieſe mit der Zeit zu entdecken. Es wer-
den ſubtile und ſorgfaͤltige Aufmerker, imgleichen
eine Vergleichung weit von einander abſtehender
Beobachtungen dazu erfordert. Man muͤßte dieſe
Beobachtungen vornemlich auf die Sterne der
Milchſtraſſe richten (*), welche der Hauptplan
aller Bewegung iſt. Herr Bradley hat beynahe
un-
[11]und Theorie des Himmels.
unmerkliche Fortruͤckungen der Sterne beobachtet.
Die Alten haben Sterne an gewiſſen Stellen des
Himmels gemerket, und wir ſehen neue an andern.
Wer weiß, waren es nicht die vorigen, die nur den
Ort geaͤndert haben. Die Vortreflichkeit der
Werkzeuge und die Vollkommenheit der Sternen-
wiſſenſchaft machen uns |gegruͤndete Hoffnung zu
Entdeckung ſo ſonderbarer Merkwuͤrdigkeiten (*).
Die Glaubwuͤrdigkeit der Sache ſelber aus den
Gruͤnden der Natur und der Analogie unterſtuͤtzen
dieſe Hoffnung ſo gut, daß ſie die Aufmerkſamkeit
der Naturforſcher reitzen koͤnnen, ſie in Erfuͤllung
zu bringen.
Die Milchſtraſſe iſt, ſo zu ſagen, auch der Thier-
kreis neuer Sterne, welche faſt in keiner andern
Himmelsgegend, als in dieſer, wechſelsweiſe ſich
ſehen laſſen und verſchwinden. Wenn dieſe Ab-
wechſelung ihrer Sichtbarkeit von ihrer periodiſchen
Entfernung und Annaͤherung zu uns herruͤhret, ſo
ſcheinet wohl aus der angefuͤhrten ſyſtematiſchen
Verfaſſung der Geſtirne, daß ein ſolches Phaͤno-
menon mehrentheils nur in dem Bezirk der Milch-
ſtraſſe muͤſſe geſehen werden. Denn da es Sterne
ſind, die in ſehr ablangen Kreiſen um andere Fix-
ſter-
[12]Allgemeine Naturgeſchichte
ſterne als Trabanten um ihre Hauptplaneten lau-
fen, ſo erfordert es die Analogie mit unſerm plane-
tiſchen Weltbau, in welchem nur die dem gemeinen
Plane der Bewegungen nahe Himmelskoͤrper um
ſich laufende Begleiter haben, daß auch nur die
Sterne, die in der Milchſtraſſe ſind, um ſich lau-
fende Sonnen haben werden.
Jch komme zu demjenigen Theile des vorgetra-
genen Lehrbegriffs, der ihn durch die erhabene Vor-
ſtellung, welche er von dem Plane der Schoͤpfung
darſtellet, am meiſten reitzend macht. Die Reihe
der Gedanken, die mich darauf geleitet haben, iſt
kurz und ungekuͤnſtelt; ſie beſtehet in folgendem.
Wenn ein Syſtem von Fixſternen, welche in ihren
Lagen ſich auf eine gemeinſchaftliche Flaͤche beziehen,
ſo wie wir die Milchſtraſſe entworfen haben, ſo
weit von uns entfernet iſt, daß alle Kenntlichkeit
der einzelnen Sterne, daraus es beſtehet, ſo gar
dem Sehrohre nicht mehr empfindlich iſt: wenn ſei-
ne Entfernung zu der Entfernung der Sterne der
Milchſtraſſe eben das Verhaͤltniß, als dieſe zum
Abſtande der Sonne von uns hat; kurz, wenn ei-
ne ſolche Welt von Fixſternen in einem ſo unermeß-
lichen Abſtande von dem Auge des Beobachters, das
ſich auſſerhalb demſelben befindet, angeſchauet wird,
ſo wird dieſelbe unter einem kleinen Winkel als ein
mit ſchwachem Lichte erleuchtetes Raͤumchen erſchei-
nen, deſſen Figur zirkelrund ſeyn wird, wenn ſeine
Flaͤche ſich dem Auge gerade zu darbietet und elli-
ptiſch, wenn es von der Seite geſehen wird. Die
Schwaͤ-
[13]und Theorie des Himmels.
Schwaͤche des Lichts, die Figur und die kennbare
Groͤſſe des Durchmeſſers werden ein ſolches Phaͤno-
menon, wenn es vorhanden iſt, von allen Ster-
nen, die einzeln geſehen werden, gar deutlich un-
terſcheiden.
Man darf ſich unter den Beobachtungen der
Sternkundigen nicht lange nach dieſer Erſcheinung
umſehen. Sie iſt von unterſchiedlichen Beobach-
tern deutlich wahrgenommen worden. Man hat
ſich uͤber ihre Seltſamkeit verwundert; man hat ge-
muthmaſſet und bisweilen wunderlichen Einbildun-
gen, bisweilen ſcheinbaren Begriffen, die aber doch
eben ſo ungegruͤndet, als die erſtern waren, Platz
gegeben. Die neblichten Sterne ſind es, welche
wir meynen, oder vielmehr eine Gattung derſelben,
die der Herr von Maupertuis ſo beſchreibet (*):
Daß es kleine, etwas mehr als das Finſtere
des leeren Himmelsraums erleuchtete Plaͤtz-
chen ſeyn, die alle darinn uͤberein kommen,
daß ſie mehr oder weniger offene Ellipſen
vorſtellen, aber deren Licht weit ſchwaͤcher
iſt, als irgend ein anderes, das man am
Himmel gewahr wird. Der Verfaſſer der
Aſtrotheologie bildete ſich ein, daß es Oefnungen
im Firmamente waͤren, durch welche er den Feuer-
himmel zu ſehen glaubte. Ein Philoſoph von er-
leuchtetern Einſichten, der ſchon angefuͤhrte Herr
von Maupertuis, haͤlt ſie in Betrachtung ihrer Fi-
gur und kennbaren Durchmeſſers vor erſtaunlich
groſ-
[14]Allgemeine Naturgeſchichte
groſſe Himmelskoͤrper, die durch ihre von dem Dre-
hungsſchwunge verurſachte groſſe Abplattung von
der Seite geſehen, elliptiſche Geſtalten darſtellen.
Man wird leicht uͤberfuͤhrt, daß dieſe letztere
Erklaͤrung gleichfalls nicht ſtatt finden koͤnne.
Weil dieſe Art von neblichten Sternen auſſer Zwei-
fel zum wenigſten eben ſo weit als die uͤbrigen Fix-
ſterne von uns entfernet ſeyn muß; ſo waͤre nicht
allein ihre Groͤſſe erſtaunlich, nach welcher ſie auch
die groͤſſeſten Sterne viele tauſendmal uͤbertreffen
muͤſten, ſondern das waͤre am allerſeltſamſten, daß
ſie bey dieſer auſſerordentlichen Groͤſſe, da es ſelbſt-
leuchtende Koͤrper und Sonnen ſeyn, das aller-
ſtumpfſte und ſchwaͤchſte Licht an ſich zeigen ſollten.
Weit natuͤrlicher und begreiflicher iſt es, daß
es nicht einzelne ſo groſſe Sterne, ſondern Syſte-
mata von vielen ſeyn, deren Entfernung ſie in ei-
nem ſo engen Raume darſtellet, daß das Licht, wel-
ches von jedem derſelben einzeln unmerklich iſt, bey
ihrer unermeßlichen Menge in einen einfoͤrmigten
blaſſen Schimmer ausſchlaͤgt. Die Analogie mit
dem Sternenſyſtem, darinn wir uns befinden, ih-
re Geſtalt, welche gerade ſo iſt, als ſie es nach un-
ſerem Lehrbegriffe ſeyn muß, die Schwaͤche des
Lichts, die eine vorausgeſetzte unendliche Entfer-
nung erfordert. Alles ſtimmet vollkommen uͤber-
ein, dieſe elliptiſche Figuren vor eben dergleichen
Welt-
[15]und Theorie des Himmels.
Weltordnungen, und ſo zu reden, Milchſtraſſen zu
halten, deren Verfaſſung wir eben entwickelt
haben; und wenn Muthmaſſungen in denen Ana-
logie und Beobachtung vollkommen uͤbereinſtim-
men, einander zu unterſtuͤtzen, eben dieſelbe
Wuͤrdigkeit haben als foͤrmliche Beweiſe, ſo wird
man die Gewißheit dieſer Syſtemen vor ausgemacht
halten muͤſſen.
Nunmehro hat die Aufmerkſamkeit der Be-
obachter des Himmels, Bewegungsgruͤnde genug,
ſich mit dieſem Vorwurfe zu beſchaͤftigen. Die
Fixſterne, wie wir wiſſen, beziehen ſich alle auf ei-
nen gemeinſchaftlichen Plan, und machen dadurch
ein zuſammengeordnetes Ganze, welches eine Welt
von Welten iſt. Man ſiehet, daß in unermeßli-
chen Entfernungen es mehr ſolcher Sternenſyſtemen
giebt, und daß die Schoͤpfung in dem ganzen un-
endlichen Umfange ihrer Groͤſſe allenthalben ſyſte-
matiſch und auf einander beziehend iſt.
Man koͤnnte noch muthmaſſen, daß eben dieſe
hoͤhere Weltordnungen nicht ohne Beziehung gegen
einander ſeyn, und durch dieſes gegenſeitige Ver-
haͤltniß wiederum ein noch unermeßlicheres Syſtem
ausmachen. Jn der That ſiehet man, daß die el-
liptiſche Figuren dieſe Arten neblichter Sterne, wel-
che der Herr von Maupertuis anfuͤhret, eine ſehr
nahe Beziehung auf den Plan der Milchſtraſſe ha-
ben.
[16]Allgemeine Naturgeſchichte
ben. Es ſtehet hier ein weites Feld zu Entdeckun-
gen offen, wozu die Beobachtung den Schluͤſſel ge-
ben muß. Die eigentlich ſo genannten neblichten
Sterne, und die, uͤber welche man ſtrittig iſt, ſie
ſo zu benennen, muͤſten nach Anleitung dieſes Lehr-
begriffs unterſucht und gepruͤft werden. Wenn
man die Theile der Natur nach Abſichten und einem
entdeckten Entwurfe betrachtet, ſo eroͤfnen ſich ge-
wiſſe Eigenſchaften, die ſonſt uͤberſehen werden und
verborgen bleiben, wenn ſich die Beobachtung oh-
ne Anleitung auf alle Gegenſtaͤnde zerſtreuet.
Der Lehrbegriff, den wir vorgetragen haben,
eroͤfnet uns eine Ausſicht in das unendliche Feld der
Schoͤpfung, und bietet eine Vorſtellung von dem
Werke GOttes dar, die der Unendlichkeit des groſ-
ſen Werkmeiſters gemaͤß iſt. Wenn die Groͤſſe ei-
nes planetiſchen Weltbaues, darinn die Erde als
ein Sandkorn kaum bemerket wird, den Verſtand
in Verwunderung ſetzt, mit welchem Erſtaunen
wird man entzuͤcket, wenn man die unendliche
Menge Welten und Syſtemen anſiehet, die den
Jnnbegriff der Milchſtraſſe erfuͤllen; allein wie ver-
mehrt ſich dieſes Erſtaunen, wenn man gewahr
wird, daß alle dieſe unermeßliche Sternordnungen
wiederum die Einheit von einer Zahl machen, deren
Ende wir nicht wiſſen, und die vielleicht eben ſo wie je-
ne unbegreiflich groß, und doch wiederum noch die
Einheit einer neuen Zahlverbindung iſt. Wir ſehen die
erſten Glieder einer fortſchreitenden Verhaͤltniß von
Wel-
[17]und Theorie des Himmels.
Welten und Syſtemen, und der erſte Theil dieſer un-
endlichen Progreßion giebt ſchon zu erkennen, was
man von dem Ganzen vermuthen ſoll. Es iſt hie
kein Ende, ſondern ein Abgrund einer wahren Un-
ermeßlichkeit, worinn alle Faͤhigkeit der menſchli-
chen Begriffe ſinket, wenn ſie gleich durch die Huͤl-
fe der Zahlwiſſenſchaft erhoben wird. Die Weis-
heit, die Guͤte, die Macht, die ſich offenbaret hat,
iſt unendlich, und in eben der Maaſſe fruchtbar und
geſchaͤftig; der Plan ihrer Offenbarung muß daher
eben wie ſie unendlich und ohne Grenzen ſeyn.
Es ſind aber nicht allein im Groſſen wichtige
Entdeckungen zu machen, die den Begriff zu erwei-
tern dienen, den man ſich von der Groͤſſe der
Schoͤpfung machen kann. Jm Kleinern iſt nicht
weniger unentdeckt, und wir ſehen ſogar in unſerer
Sonnenwelt die Glieder eines Syſtems, die uner-
meßlich weit von einander abſtehen, und zwiſchen
welchen man die Zwiſchentheile noch nicht entdecket
hat. Sollte zwiſchen dem Saturn, dem aͤuſſer-
ſten unter den Wandelſternen, die wir kennen, und
dem am wenigſten eccentriſchen Cometen, der viel-
leicht von einer 10 und mehrmal entlegenern Ent-
fernung zu uns herabſteigt, kein Planet mehr ſeyn,
deſſen Bewegung der cometiſchen naͤher als jener
kaͤme? und ſolten nicht noch andere mehr durch ei-
ne Annaͤherung ihrer Beſtimmungen, vermittelſt ei-
ner Reihe von Zwiſchengliedern, die Planeten nach
und nach in Cometen verwandeln, und
Bdie
[18]Allgemeine Naturgeſchichte
die letztere Gattung mit der erſtern zuſam-
menhaͤngen?
Das Geſetz, nach welchem die Eccentricitaͤt
der Planetenkreiſe ſich in Gegenhaltung ihres Ab-
ſtandes von der Sonne verhaͤlt, unterſtuͤtzt dieſe
Vermuthung. Die Eccentricitaͤt in den Bewe-
gungen der Planeten nimmt mit derſelben Abſtande
von der Sonne zu, und die entfernten Planeten
kommen dadurch der Beſtimmung der Cometen naͤ-
her. Es iſt alſo zu vermuthen, daß es noch an-
dere Planeten uͤber dem Saturn geben wird, wel-
che noch eccentriſcher, und dadurch alſo jenen noch
naͤher verwandt, vermittelſt einer beſtaͤndigen Lei-
ter die Planeten endlich zu Cometen machen. Die
Eccentricitaͤt iſt bey der Venus \frac{1}{126} von der halben
Achſe ihres elliptiſchen Kreiſes; bey der Erde \frac{1}{58},
beym Jupiter \frac{1}{20}, und beym Saturn \frac{1}{17} derſel-
ben; ſie nimmt alſo augenſcheinlich mit den Ent-
fernungen zu. Es iſt wahr, Merkur und Mars
nehmen ſich durch ihre viel groͤſſere Eecentricitaͤt,
als das Maaß ihres Abſtandes von der Sonne es
erlaubet, von dieſem Geſetze aus; aber wir werden
im folgenden belehret werden, daß eben dieſelbe Ur-
ſachen, weswegen einigen Planeten bey ihrer Bil-
dung eine kleinere Maſſe zu Theil worden, auch die
Ermangelung des zum Cirkellaufe erforderlichen
Schwunges, folglich die Eccentricitaͤt nach ſich ge-
zogen, folglich ſie in beyden Stuͤcken unvollſtaͤndig
gelaſſen hat.
Jſt
[19]und Theorie des Himmels.
Jſt es dieſem zu folge nicht wahrſcheinlich: daß
die Abnahme der Eccentricitaͤt der uͤber dem Sa-
turn zunaͤchſt befindlichen Himmelskoͤrper ohngefehr
eben ſo gemaͤßigt, als in den untern ſey, und daß
die Planeten durch minder ploͤtzliche Abfaͤlle mit
dem Geſchlechte der Cometen verwandt ſeyn; denn
es iſt gewiß, daß eben dieſe Eccentricitaͤt den we-
ſentlichen Unterſchied zwiſchen den Cometen und
Planeten macht, und die Schweife und Dunſtku-
geln derſelben nur deren Folge ſeyn; imgleichen,
daß eben die Urſache, welche es auch immerhin ſeyn
mag, die den Himmelskoͤrpern ihre Kreisbewegun-
gen ertheilet hat, bey groͤſſern Entfernungen nicht
allein ſchwaͤcher geweſen, den Drehungsſchwung
der Senkungskraft gleich zu machen, und dadurch
die Bewegungen eccentriſch gelaſſen hat, ſondern
auch eben deswegen weniger vermoͤgend geweſen,
die Kreiſe dieſer Kugeln auf eine gemeinſchaftliche
Flaͤche, auf welcher ſich die untern bewegen, zu
bringen, und dadurch die Ausſchweifung der Co-
meten nach allen Gegenden veranlaſſet hat.
Man wuͤrde nach dieſer Vermuthung noch
vielleicht die Entdeckung neuer Planeten uͤber den
Saturn zu hoffen haben, die eccentriſcher als die-
ſer, und alſo der cometiſchen Eigenſchaft naͤher
ſeyn wuͤrden; aber eben daher wuͤrde man ſie nur
eine kurze Zeit, nemlich in der Zeit ihrer Sonnen-
naͤhe, erblicken koͤnnen, welcher Umſtand zu-
ſammt dem geringen Maaſſe der Annaͤherung und
B 2der
[20]Allgemeine Naturgeſchichte
der Schwaͤche des Lichts die Entdeckung deſſelben
bisher verhindert haben, und auch aufs kuͤnftige
ſchwer machen muͤſſen. Der letzte Planet und er-
ſte Comet wuͤrde, wenn es ſo beliebte, derjenige
koͤnnen genannt werden, deſſen Eccentricitaͤt ſo
groß waͤre, daß er in ſeiner Sonnennaͤhe
den Kreis des ihm naͤchſten Planeten,
vielleicht alſo des Saturns,
durchſchnitte.
Allge-
[[21]]
Allgemeine
Naturgeſchichte
und
Theorie des Himmels.
Zweyter Theil,
von dem
erſten Zuſtande der Natur, der Bildung
der Himmelskoͤrper, den Urſachen ihrer Bewegung,
und der ſyſtematiſchen Beziehung derſelben, ſowol
in dem Planetengebaͤude inſonderheit, als
auch in Anſehung der ganzen
Schoͤpfung.
Schau ſich die bildende Natur zu ihrem groſſen Zweck
bewegen,Ein jedes Sonnenſtaͤubchen ſich zu einem andern
Staͤubchen regen,Ein jedes, das gezogen wird, das andere wieder
an ſich ziehn,Das naͤchſte wieder zu umfaſſen, es zu formiren ſich
bemuͤhn.Beſchaue die Materie auf tauſend Art und| Weiſe ſichZum allgemeinen Centro draͤngen.
Pope.
[[22]][23]
Allgemeine
Naturgeſchichte
und
Theorie des Himmels.
Zweyter Theil,
Erſtes Hauptſtuͤck,
von dem
Urſprunge des planetiſchen Weltbaues
uͤberhaupt, und den Urſachen ihrer
Bewegungen.
Die Betrachtung des Weltbaues zei-
get in Anſehung der gewechſelten
Beziehungen, die ſeine Theile un-
ter einander haben, und wodurch
ſie die Urſache bezeichnen, von der ſie herſtammen,
zwo Seiten, welche beyde gleich wahrſcheinlich und
annehmungswuͤrdig ſeyn. Wenn man eines Theils
B 4er-
[24]Allgemeine Naturgeſchichte
erweget: daß 6 Planeten mit 9 Begleitern, die
um die Sonne, als ihren Mittelpunkt, Kreiſe be-
ſchreiben, alle nach einer Seite ſich bewegen, und
zwar nach derjenigen, nach welcher ſich die Sonne
ſelber drehet, welche ihrer alle Umlaͤufe durch die
Kraft der Anziehung regieret, daß ihre Kreiſe nicht
weit von einer gemeinen Flaͤche abweichen, nemlich
von der verlaͤngerten Aeqvatorsflaͤche der Sonnen,
daß bey den entfernteſten der zur Sonnenwelt ge-
hoͤrigen Himmelskoͤrper, wo die gemeine Urſache
der Bewegung dem Vermuthen nach nicht ſo kraͤf-
tig geweſen, als in der Naheit zum Mittelpuncte
Abweichungen von der Genauheit dieſer Beſtim-
mungen Statt gefunden, die mit dem Mangel der
eingedruckten Bewegung ein genugſames Verhaͤlt-
niß haben, wenn man, ſage ich, allen dieſen Zu-
ſammenhang erweget: ſo wird man bewogen, zu
glauben, daß eine Urſache, welche es auch ſey, ei-
nen durchgaͤngigen Einfluß in dem ganzen Raume
des Syſtems gehabt hat, und daß die Eintraͤch-
tigkeit in der Richtung und Stellung der planeti-
ſchen Kreiſe eine Folge der Uebereinſtimmung ſey,
die ſie alle mit derjenigen materialiſchen Urſache ge-
habt haben muͤſſen, dadurch ſie in Bewegung ge-
ſetzet worden.
Wenn wir andern Theils den Raum erwegen,
in dem die Planeten unſers Syſtems herum lau-
fen, ſo iſt er vollkommen leer (*) und aller Mate-
rie
[25]und Theorie des Himmels.
rie beraubt, die eine Gemeinſchaft des Einfluſſes
auf dieſe Himmelskoͤrper verurſachen, und die Ue-
bereinſtimmung unter ihren Bewegungen nach ſich
ziehen koͤnnte. Dieſer Umſtand iſt mit vollkomme-
ner Gewißheit ausgemacht, und uͤbertrifft noch, wo
moͤglich, die vorige Wahrſcheinlichkeit. Newton,
durch dieſen Grund bewogen, konnte keine materia-
liſche Urſache verſtatten, die durch ihre Erſtreckung
in dem Raume des Planetengebaͤudes die Gemein-
ſchaft der Bewegungen unterhalten ſollte. Er be-
hauptete, die unmittelbare Hand GOttes habe die-
ſe Anordnung ohne die Anwendung der Kraͤfte der
Natur ausgerichtet.
Man ſiehet bey unpartheyiſcher Erwegung:
daß die Gruͤnde hier von beyden Seiten gleich ſtark
und beyde einer voͤlligen Gewißheit gleich zu ſchaͤtzen
ſeyn. Es iſt aber eben ſo klar, daß ein Begriff
ſeyn muͤſſe, in welchem dieſe dem Scheine nach wi-
der einander ſtreitende Gruͤnde vereiniget werden
koͤnnen und ſollen, und daß in dieſem Begriffe das
wahre Syſtem zu ſuchen ſey. Wir wollen ihn mit
kurzen Worten anzeigen. Jn der jetzigen Verfaſ-
ſung des Raumes, darin die Kugeln der ganzen
Planetenwelt umlaufen, iſt keine materialiſche Ur-
B 5ſa-
(*)
[26]Allgemeine Naturgeſchichte
ſache vorhanden, die ihre Bewegungen eindruͤcken
oder richten koͤnnte. Dieſer Raum iſt vollkommen
leer, oder wenigſtens ſo gut als leer; alſo muß er
ehemals anders beſchaffen und mit genugſam ver-
moͤgender Materie erfuͤllet geweſen ſeyn, die Bewe-
gung auf alle darinn befindliche Himmelskoͤrper zu
uͤbertragen, und ſie mit der ihrigen, folglich alle un-
ter einander einſtimmig zu machen, und nachdem
die Anziehung beſagte Raͤume gereinigt und alle
ausgebreitete Materie in beſondere Klumpen ver-
ſammlet; ſo muͤſſen die Planeten nunmehro mit der
einmal eingedruͤckten Bewegung ihre Umlaͤufe in ei-
nem nicht widerſtehenden Raume frey und unver-
aͤndert fortſetzen. Die Gruͤnde der zuerſt angefuͤhr-
ten Wahrſcheinlichkeit erfordern durchaus dieſen
Begriff, und weil zwiſchen beyden Faͤllen kein drit-
ter moͤglich iſt; ſo kann dieſer mit einer vorzuͤgli-
chen Art des Beyfalles, welcher ihn uͤber die
Scheinbarkeit einer Hypotheſe erhebet, angeſehen
werden. Man koͤnnte, wenn man weitlaͤuftig
ſeyn wollte, durch eine Reihe aus einander gefol-
gerter Schluͤſſe, nach der Art einer mathematiſchen
Methode, mit allem Gepraͤnge, den dieſe mit ſich
fuͤhret und noch mit groͤſſerm Schein, als ihr Auf-
zug in phyſiſchen Materien gemeinhin zu ſeyn pfle-
get, endlich auf den Entwurf ſelber kommen, den
ich von dem Urſprunge des Weltgebaͤudes darlegen
werde; allein ich will meine Meinungen lieber in
der Geſtalt einer Hypotheſe vortragen, und der
Einſicht des Leſers es uͤberlaſſen, ihre Wuͤrdigkeit
zu pruͤfen, als durch den Schein einer erſchliche-
nen
[27]und Theorie des Himmels.
nen Ueberfuͤhrung ihre Guͤltigkeit verdaͤchtig ma-
chen, und indem ich die Unwiſſenden einnehme, den
Beyfall der Kenner verlieren.
Jch nehme an: daß alle Materien, daraus die
Kugeln, die zu unſerer Sonnenwelt gehoͤren, alle
Planeten und Cometen beſtehen, im Anfange al-
ler Dinge in ihren elementariſchen Grundſtoff auf-
geloͤſet, den ganzen Raum des Weltgebaͤudes er-
fuͤllet haben, darinn jetzo dieſe gebildete Koͤrper
herumlaufen. Dieſer Zuſtand der Natur, wenn
man ihn, auch ohne Abſicht auf ein Syſtem, an und
vor ſich ſelbſt betrachtet, ſcheinet nur der einfachſte
zu ſeyn, der auf das Nichts folgen kann. Da-
mals hatte ſich noch nichts gebildet. Die Zuſam-
menſetzung von einander abſtehender Himmelskoͤr-
per, ihre nach den Anziehungen gemaͤßigte Entfer-
nung; ihre Geſtalt, die aus dem Gleichgewichte
der verſammleten Materie entſpringet, ſind ein ſpaͤ-
terer Zuſtand. Die Natur, die unmittelbar mit
der Schoͤpfung graͤnzete, war ſo roh, ſo ungebil-
det als moͤglich. Allein auch in den weſentlichen
Eigenſchaften der Elemente, die das Chaos aus-
machen, iſt das Merkmal derjenigen Vollkommen-
heit zu ſpuͤren, die ſie von ihrem Urſprunge her ha-
ben, indem ihr Weſen aus der ewigen Jdee des
goͤttlichen Verſtandes eine Folge iſt. Die einfach-
ſten, die allgemeinſten Eigenſchaften, die ohne Ab-
ſicht ſcheinen entworfen zu ſeyn; die Materie, die
bloß leidend und der Formen und Anſtalten be-
duͤrftig zu ſeyn ſcheinet, hat in ihrem einfachſten
Zu-
[28]Allgemeine Naturgeſchichte
Zuſtande eine Beſtrebung, ſich durch eine natuͤrli-
che Entwickelung zu einer vollkommenern Verfaſ-
ſung zu bilden. Allein die Verſchiedenheit in
den Gattungen der Elemente traͤget zu der
Regung der Natur und zur Bildung des Chaos
das vornehmſte bey, als wodurch die Ruhe, die
bey einer allgemeinen Gleichheit unter den zerſtreu-
ten Elementen herrſchen wuͤrde, gehoben, und das
Chaos in den Punkten der ſtaͤrker anziehenden Par-
tikeln ſich zu bilden anfaͤngt. Die Gattungen die-
ſes Grundſtoffes ſind ohne Zweifel, nach der Uner-
meßlichkeit, die die Natur an allen Seiten zeigt,
unendlich verſchieden. Die von groͤſter ſpecifiſchen
Dichtigkeit und Anziehungskraft, welche an und
vor ſich weniger Raum einnehmen und auch ſelte-
ner ſeyn, werden daher bey der gleichen Austhei-
lung in dem Raume der Welt zerſtreuter, als die
leichtern Arten ſeyn. Elemente von 1000 mal
groͤſſerer ſpecifiſchen Schwere ſind tauſend, vielleicht
auch Millionenmal zerſtreuter, als die in dieſem
Maaſſe leichtern. Und da dieſe Abfaͤlle ſo unend-
lich als moͤglich muͤſſen gedacht werden, ſo wird,
gleichwie es koͤrperliche Beſtandtheile von einer Gat-
tung geben kan, die eine andere in dem Maaſſe an
Dichtigkeit uͤbertrifft, als eine Kugel, die mit dem
Radius des Planetengebaͤudes beſchrieben worden,
eine andere, die den tauſendſten Theil einer Linie im
Durchmeſſer hat, alſo auch jene Art von zerſtreu-
ten Elementen um einen ſo viel groͤſſern Abſtand
von einander entfernet ſeyn, als dieſe.
Bey
[29]und Theorie des Himmels.
Bey einem auf ſolche Weiſe erfuͤllten Raume
dauert die allgemeine Ruhe nur einen Augenblick.
Die Elemente haben weſentliche Kraͤfte, einander
in Bewegung zu ſetzen, und ſind ſich ſelber eine
Qvelle des Lebens. Die Materie iſt ſofort in Be-
ſtrebung, ſich zu bilden. Die zerſtreuten Elemen-
te dichterer Art ſammlen, vermittelſt der Anziehung,
aus einer Sphaͤre rund um ſich alle Materie von
minder ſpecifiſcher Schwere; ſie ſelber aber, zu-
ſamt der Materie, die ſie mit ſich vereinigt haben,
ſammlen ſich in den Puncten, da die Theilchen von
noch dichterer Gattung befindlich ſeyn, dieſe glei-
chergeſtalt zu noch dichteren und ſo fortan. Jn-
dem man alſo dieſer ſich bildenden Natur in Gedan-
ken durch den ganzen Raum des Chaos nachgehet,
ſo wird man leichtlich inne: daß alle Folgen dieſer
Wirkung zuletzt in der Zuſammenſetzung verſchiede-
ner Klumpen beſtehen wuͤrde, die nach Verrichtung
ihrer Bildungen durch die Gleichheit der Anziehung
ruhig und auf immer unbewegt ſeyn wuͤrden.
Allein die Natur hat noch andere Kraͤfte im
Vorrath, welche ſich vornemlich aͤuſſern, wenn die
Materie in feine Theilchen aufgeloͤſet iſt, als wo-
durch ſelbige einander zuruͤck ſtoſſen und durch ihren
Streit mit der Anziehung diejenige Bewegung her-
vor bringen, die gleichſam ein dauerhaftes Leben
der Natur iſt. Durch dieſe Zuruͤckſtoſſungskraft,
die ſich in der Elaſticitaͤt der Duͤnſte, dem Ausfluſ-
ſe ſtarkriechender Koͤrper und der Ausbreitung aller
geiſtigen Materien offenbaret, und die ein unſtrei-
ti-
[30]Allgemeine Naturgeſchichte
tiges Phaͤnomenon der Natur iſt, werden die zu
ihren Anziehungspunkten ſinkende Elemente durch-
einander von der geradlinichten Bewegung ſeit-
waͤrts gelenket, und der ſenkrechte Fall ſchlaͤgt in
Kreisbewegungen aus, die den Mittelpunkt der
Senkung umfaſſen. Wir wollen, um die Bil-
dung des Weltbaues deutlich zu begreifen, unſere
Betrachtung von dem unendlichen Jnbegriffe der
Natur auf ein beſonderes Syſtem einſchraͤnken, ſo
wie dieſes zu unſerer Sonne gehoͤrige iſt. Nach-
dem wir die Erzeugung deſſelben erwogen haben, ſo
werden wir auf eine aͤhnliche Weiſe zu dem Urſprun-
ge der hoͤhern Weltordnungen fortſchreiten, und
die Unendlichkeit der ganzen Schoͤpfung in einem
Lehrbegriffe zuſammen faſſen koͤnnen.
Wenn demnach ein Punkt in einem ſehr groſ-
ſen Raume befindlich iſt, wo die Anziehung der da-
ſelbſt befindlichen Elemente ſtaͤrker als allenthalben
um ſich wirket; ſo wird der in dem ganzen Umfan-
ge ausgebreitete Grundſtoff elementariſcher Parti-
keln ſich zu dieſem hinſenken. Die erſte Wirkung
dieſer allgemeinen Senkung iſt die Bildung eines
Koͤrpers in dieſem Mittelpunkte der Attraction,
welcher ſo zu ſagen von einem unendlich kleinen Kei-
me, in ſchnellen Graden fortwaͤchſet, aber in eben
der Maaſſe, als dieſe Maſſe ſich vermehret, auch
mit ſtaͤrkerer Kraft die umgebenden Theile zu ſeiner
Vereinigung beweget. Wenn die Maſſe dieſes
Centralkoͤrpers ſo weit angewachſen iſt, daß die
Geſchwindigkeit, womit er die Theilchen von groſ-
ſen
[31]und Theorie des Himmels.
ſen Entfernungen zu ſich zieht, durch die ſchwachen
Grade der Zuruͤckſtoſſung, womit ſelbige einander
hindern, ſeitwaͤrts gebeuget in Seitenbewegungen
ausſchlaͤget, die den Centralkoͤrper, vermittelſt der
Centerfliehkraft, in einem Kreiſe zu umfaſſen im
Stande ſeyn: ſo erzeugen ſich groſſe Wirbel von
Theilchen, deren jedes vor ſich krumme Linien durch
die Zuſammenſetzung der anziehenden und der ſeit-
waͤrts gelenkten Umwendungskraft beſchreibet; wel-
che Arten von Kreiſen alle einander durchſchneiden,
wozu ihnen ihre groſſe Zerſtreuung in dieſem Rau-
me Platz laͤßt. Jndeſſen ſind dieſe auf mancher-
ley Art unter einander ſtreitende Bewegungen na-
tuͤrlicher Weiſe beſtrebt, einander zur Gleichheit zu
bringen, das iſt, in einen Zuſtand, da eine Bewe-
gung der andern ſo wenig als moͤglich hinderlich
iſt. Dieſes geſchiehet erſtlich, indem die Theilchen,
eines des andern Bewegung ſo lange einſchraͤnken,
bis alle nach einer Richtung fortgehen; zweytens,
daß die Partikeln ihre Vertikalbewegung, vermit-
telſt der ſie ſich dem Centro der Attraction naͤhern,
ſo lange einſchraͤnken, bis ſie alle horizontal, d. i.
in parallel laufenden Zirkeln um die Sonne als
ihren Mittelpunkt beweget, einander nicht mehr
durchkreutzen, und durch die Gleichheit der
Schwungskraft mit der ſenkenden ſich in freyen Zir-
kellaͤufen in der Hoͤhe, da ſie ſchweben, immer er-
halten; ſo daß endlich nur diejenige Theilchen in
dem Umfange des Raumes ſchweben bleiben, die
durch ihr Fallen eine Geſchwindigkeit, und durch
die Widerſtehung der andern eine Richtung bekom-
men
[32]Allgemeine Naturgeſchichte
men haben, dadurch ſie eine freye Zirkelbewe-
gung fortſetzen koͤnnen. Jn dieſem Zuſtande, da
alle Theilchen nach einer Richtung und in parallel-
lauffenden Kreiſen, nemlich in freyen Zirkelbewe-
gungen durch die erlangte Schwungskraͤfte um den
Centralkoͤrper laufen, iſt der Streit und der Zu-
ſammenlauf der Elemente gehoben, und alles iſt in
dem Zuſtande der kleinſten Wechſelwirkung. Die-
ſes iſt die natuͤrliche Folge, darein ſich allemal eine
Materie, die in ſtreitenden Bewegungen begriffen
iſt, verſetzet. Es iſt alſo klar, daß von der zer-
ſtreuten Menge der Partikeln eine groſſe Menge
durch den Widerſtand, dadurch ſie einander auf
dieſen Zuſtand zu bringen ſuchen, zu ſolcher Genau-
heit der Beſtimmungen gelangen muß; obgleich ei-
ne noch viel groͤſſere Menge dazu nicht gelanget,
und nur dazu dienet, den Klumpen des Centralkoͤr-
pers zu vermehren, in welchen ſie ſinken, indem ſie
ſich nicht in der Hoͤhe, darinn ſie ſchweben, frey
erhalten koͤnnen, ſondern die Kreiſe der untern
durchkreutzen und endlich durch deren Widerſtand
alle Bewegung verlieren. Dieſer Koͤrper in dem
Mittelpunkte der Attraction, der dieſem zufolge
das Hauptſtuͤck des planetiſchen Gebaͤudes durch die
Menge ſeiner verſammleten Materie worden iſt, iſt
die Sonne, ob ſie gleich diejenige flammende Gluth
alsdenn noch nicht hat, die nach voͤllig vollendeter
Bildung auf ihrer Oberflaͤche hervor bricht.
Noch iſt zu bemerken: daß, indem alſo alle
Elemente der ſich bildenden Natur, wie erwieſen,
nach
[33]und Theorie des Himmels.
nach einer Richtung um den Mittelpunkt der Son-
ne ſich bewegen, bey ſolchen nach einer einzigen Ge-
gend gerichteten Umlaͤufen, die gleichſam auf einer
gemeinſchaftlichen Achſe geſchehen, die Drehung
der feinen Materie in dieſer Art nicht beſtehen
kann; weil nach den Geſetzen der Centralbewegung
alle Umlaͤufe mit dem Plan ihrer Kreiſe den Mit-
telpunkt der Attraction durchſchneiden muͤſſen; un-
ter allen dieſen aber um eine gemeinſchaftliche Achſe,
nach einer Richtung laufenden Zirkeln nur ein ein-
ziger iſt, der den Mittelpunkt der Sonne durch-
ſchneidet, daher alle Materie von beyden Seiten
dieſer in Gedanken gezogenen Achſe nach demjenigen
Cirkel hineilet, der durch die Achſe der Drehung
gerade in dem Mittelpunkte der gem[ei]nſchaftlichen
Senkung gehet. Welcher Zirkel der Plan der Be-
ziehung aller herumſchwebenden Elemente iſt, um
welchen ſie ſich ſo ſehr als moͤglich haͤufen, und da-
gegen die von dieſer Flaͤche entferneten Gegenden leer
laſſen; denn diejenigen, welche dieſer Flaͤche, zu wel-
cher ſich alles draͤnget, nicht ſo nahe kommen koͤn-
nen, werden ſich in den Oertern, wo ſie ſchweben,
nicht immer erhalten koͤnnen, ſondern, indem ſie
an die herumſchwebenden Elemente ſtoſſen, ihren
endlichen Fall zu der Sonne veranlaſſen.
Wenn man alſo dieſen herumſchwebenden
Grundſtoff der Weltmaterie in ſolchem Zuſtande,
darinn er ſich ſelbſt durch die Anziehung und durch
einen mechaniſchen Erfolg der allgemeinen Geſetze
des Widerſtandes verſetzet, erweget; ſo ſehen wir
Cei-
[34]Allgemeine Naturgeſchichte
einen Raum, der zwiſchen zwey nicht weit von ein-
ander abſtehenden Flaͤchen, in deſſen Mitte der all-
gemeine Plan der Beziehung ſich befindet, begrif-
fen iſt, von dem Mittelpunkte der Sonne an, in
unbekannte Weiten ausgebreitet, in welchem alle
begriffene Theilchen, jegliche nach Maaßgebung ih-
rer Hoͤhe und der Attraction, die daſelbſt herrſchet,
abgemeſſene Zirkelbewungen in freyen Umlaͤufen
verrichten, und daher, indem ſie bey ſolcher Ver-
faſſung einander ſo wenig als moͤglich mehr hindern,
darinn immer verbleiben wuͤrden, wenn die Anzie-
hung dieſer Theilchen des Grundſtoffes unter einan-
der nicht alsdenn anfienge, ſeine Wirkung zu thun
und neue Bildungen, die der Saame zu Planeten,
welche entſte[h]en ſollen, ſeyn, dadurch veranlaſſete.
Denn, indem die um die Sonne in parallelen Zir-
keln bewegte Elemente, in nicht gar zu groſſem Un-
terſchiede des Abſtandes von der Sonne genommen,
durch die Gleichheit der parallelen Bewegung, bey-
nahe in [reſpectiver] Ruhe gegen einander ſeyn; ſo
thut die Anziehung der daſelbſt befindlichen Elemen-
te, von uͤbertreffender ſpecifiſcher Attraction, ſogleich
hier eine betraͤchtliche Wirkung (*), die Samm-
lung
[35]und Theorie des Himmels.
lung der naͤchſten Partikeln zur Bildung eines Koͤr-
pers anzufangen, der, nach dem Maaſſe des An-
wuchſes ſeines Klumpens, ſeine Anziehung weiter
ausbreitet, und die Elemente aus weitem Umfange
zu ſeiner Zuſammenſetzung bewegt.
Die Bildung der Planeten, in dieſem Syſtem,
hat vor einem jeden moͤglichen Lehrbegriffe dieſes
voraus: daß der Urſprung der Maſſen zugleich den
Urſprung der Bewegungen und die Stellung der
Kreiſe in eben demſelben Zeitpuncte darſtellet; ja,
daß ſogar die Abeweichungen von der groͤſſeſten Ge-
nauheit in dieſen Beſtimmungen eben ſowol, als
die Uebereinſtimmungen ſelber, in einem Anblicke
erhellen. Die Planeten bilden ſich aus den Theil-
chen, welche in der Hoͤhe, da ſie ſchweben, genaue
Bewegungen zu Zirkelkreiſen haben: alſo werden
die aus ihnen zuſammengeſetzte Maſſen
eben dieſelbe Bewegungen, in eben dem
Grade, nach eben derſelben Richtung fort-
ſetzen. Dieſes iſt genug, um einzuſehen, woher
die Bewegung der Planeten ohngefehr cirkelfoͤrmig,
und ihre Kreiſe auf einer Flaͤche ſeyn. Sie wuͤr-
den auch ganz genaue Zirkel ſeyn (*), wenn die
C 2Wei-
(*)
[36]Allgemeine Naturgeſchichte
Weite, daraus ſie die Elemente zu ihrer Bildung
verſammlen, ſehr klein, und alſo der Unterſchied
ihrer Bewegungen ſehr gering waͤre. Da aber
dazu ein weiter Umfang gehoͤret, aus dem feinen
Grundſtoffe, der in dem Himmelsraum ſo ſehr zer-
ſtreuet iſt, einen dichten Klumpen eines Planeten
zu bilden; ſo iſt der Unterſchied der Entfernungen,
die dieſe Elemente von der Sonne haben, und mit-
hin auch der Unterſchied ihrer Geſchwindigkeiten
nicht mehr geringſchaͤtzig, folglich wuͤrde noͤthig
ſeyn, daß, um bey dieſem Unterſchiede der Bewe-
gungen dem Planeten die Gleichheit der Central-
kraͤfte und die Zirkelgeſchwindigkeit zu erhalten, die
Theilchen, die aus verſchiedenen Hoͤhen mit verſchie-
denen Bewegungen auf ihm zuſammen kommen, ei-
ne den Mangel der andern genau erſetzten, wel-
ches, ob es gleich in der That ziemlich genau ge-
ſchiehet (*), dennoch, da an dieſer vollkommenen
Er-
(*)
[37]und Theorie des Himmels.
Erſetzung etwas fehlet, den Abgang an der Zirkel-
bewegung und die Eccentricitaͤt nach ſich ziehet.
Eben ſo leicht erhellet, daß, obgleich die Kreiſe al-
ler Planeten billig auf einer Flaͤche ſeyn ſollten, den-
noch auch in dieſem Stuͤcke eine kleine Abweichung
anzutreffen iſt weil, wie ſchon erwehnet, die ele-
mentariſchen Theilchen, da ſie ſich dem allgemeinen
Beſtehungsplane ihrer Bewegungen ſo nahe als
moͤglich befinden, dennoch einigen Raum von bey-
den Seiten deſſelben einſchlieſſen; da es denn ein
gar zu gluͤckliches Ohngefehr ſeyn wuͤrde, wenn
gerade alle Planeten ganz genau in der Mitte zwi-
ſchen dieſen zwey Seiten, in der Flaͤche der Bezie-
hung, ſelber ſich zu bilden anfangen ſollten, welches
denn ſchon einige Neigung ihrer Kreiſe gegen einan-
der veranlaſſet, obſchon die Beſtrebung der Parti-
keln, von beyden Seiten dieſe Ausweichung ſo ſehr
als moͤglich einzuſchraͤnken, ihr nur enge Grenzen
zulaͤſſet. Man darf ſich alſo nicht wundern, auch
hier die groͤſſeſte Genauheit der Beſtimmungen ſo
wenig, wie bey allen Dingen der Natur, anzutref-
fen, weil uͤberhaupt die Vielheit der Umſtaͤnde, die
an jeglicher Naturbeſchaffenheit Antheil nehmen, ei-
ne abgemeſſene Regelmaͤßigkeit nicht verſtattet.
C 3Zwey-
[38]Allgemeine Naturgeſchichte
Zweytes Hauptſtuͤck,
von der
verſchiedenen Dichtigkeit der Planeten,
und dem Verhaͤltniſſe ihrer
Maſſen.
Wir haben gezeiget, daß die Theilchen des ele-
mentariſchen Grundſtoffes, da ſie an und
vor ſich in dem Weltraume gleich ausgetheilet wa-
ren, durch ihr Niederſinken zur Sonne, in den Or-
ten ſchweben geblieben, wo ihre im Fallen erlang-
te Geſchwindigkeit gerade die Gleichheit gegen die
Anziehung leiſtete, und ihre Richtung ſo, wie ſie
bey der Zirkelbewegung ſeyn ſoll, ſenkrecht gegen
den Zirkelſtrahl gebeuget worden. Wenn wir nun
aber Partikeln, von unterſchiedlicher ſpecifiſcher Dich-
tigkeit, in gleichem Abſtande von der Sonne geden-
ken, ſo dringen die von groͤſſerer ſpecifiſchen Schwe-
re tiefer, durch den Widerſtand der andern zur Son-
ne hindurch, und werden nicht ſo bald von ihrem
Wege abgebeuget, als die leichteren; daher ihre
Bewegung nur in einer groͤſſeren Annaͤherung zur
Sonne zirkelfoͤrmigt wird. Dagegen werden die
Elemente leichterer Art, eher von dem geradlinichten
Falle abgebeuget, in Zirkelbewegungen ausſchlagen,
ehe ſie ſo tief zu dem Centro hindurch gedrungen
ſeyn, und alſo in groͤſſeren Entfernungen ſchweben
bleiben, auch durch den erfuͤllten Raum der Ele-
mente nicht ſo tief hindurch dringen koͤnnen, ohne
daß
[39]und Theorie des Himmels.
daß ihre Bewegung durch dieſer ihren Widerſtand
geſchwaͤchet wird, und ſie die groſſen Grade der Ge-
ſchwindigkeit, die zur Umwendung naͤher beym
Mittelpunkte erfordert werden, nicht erlangen koͤn-
nen; alſo werden, nach erlangter Gleichheit der
Bewegungen, die ſpecifiſch leichtern Partikeln in
weitern Entfernungen von der Sonne umlaufen,
die ſchwereren aber in den naͤheren anzutreffen ſeyn,
und die Planeten, die ſich aus ihnen bilden, wer-
den daher dichterer Art ſeyn, welche ſich naͤher zur
Sonne, als die ſich weiter von ihr aus dem Zuſam-
menlaufe dieſer Atomen formiren.
Es iſt alſo eine Art eines ſtatiſchen Geſetzes,
welches den Materien des Weltraumes ihre Hoͤhen,
nach dem verkehrten Verhaͤltniſſe der Dichtigkeit,
beſtimmet. Gleichwohl iſt es eben ſo leicht zu be-
greifen: daß nicht eben eine jegliche Hoͤhe nur Par-
tikeln von gleicher ſpecifiſchen Dichtigkeit einneh-
men muͤſſe. Von denen Theilchen, von gewiſſer
ſpecifiſchen Gattung, bleiben diejenigen in groͤſſern
Weiten von der Sonne ſchweben, und erlangen die
zur beſtaͤndigen Zirkelbewegung erforderliche Maͤſ-
ſigung ihres Falles in weiterm Abſtande, welche
von groͤſſern Entfernungen zu ihr herab geſunken;
dagegen die, deren urſpruͤnglicher Ort, bey der allge-
meinen Austheilung der Materien im Chaos, der
Sonne naͤher war, ungeachtet ihrer nicht groͤſſern
Dichtigkeit, naͤher zu dieſer ihrem Zirkel des Um-
laufs kommen werden. Und da alſo die Oerter
der Materien, in Anſehung des Mittelpunkts ihrer
C 4Sen-
[40]Allgemeine Naturgeſchichte
Senkung, nicht allein durch die ſpecifiſche Schwere
derſelben, ſondern auch durch ihre urſpruͤnglichen
Plaͤtze, bey der erſten Ruhe der Natur beſtimmet
werden: ſo iſt leicht zu erachten, daß ihrer ſehr ver-
ſchiedene Gattungen, in jedem Abſtande von der
Sonne, zuſammen kommen werden, um daſelbſt
haͤngen zu bleiben, daß uͤberhaupt aber die dichtern
Materien haͤufiger zu dem Mittelpunkte hin, als wei-
ter von ihm ab, werden angetroffen werden; und
daß alſo, ungeachtet die Planeten eine Miſchung
ſehr verſchiedentlicher Materien ſeyn werden, den-
noch uͤberhaupt ihre Maſſen dichter ſeyn muͤſſen,
nach dem Maaſſe, als ſie der Sonne naͤher ſeyn,
und minderer Dichtigkeit, nachdem ihr Abſtand
groͤſſer iſt.
Unſer Syſtem zeiget in Anſehung dieſes, unter
den Planeten herrſchenden Geſetzes ihrer Dichtig-
keiten, eine vorzuͤgliche Vollkommenheit vor allen
denjenigen Begriffen, die man ſich von ihrer Ur-
ſache gemacht hat, oder noch machen koͤnnte.
Newton, der die Dichtigkeit einiger Planeten
durch Rechnung beſtimmet hatte, glaubte, die Ur-
ſache, ihres nach dem Abſtande eingerichteten Ver-
haͤltniſſes, in der Anſtaͤndigkeit der Wahl GOttes und
in den Bewegungsgruͤnden ſeines Endzwecks zu fin-
den; weil die der Sonne naͤheren Planeten mehr Hi-
tze von ihr aushalten muͤſſen, und die entferntern,
mit wenigern Graden der Waͤrme ſich behelfen ſol-
len; welches nicht moͤglich zu ſeyn ſcheinet, wenn
die, der Sonne nahen Planeten, nicht dichterer| Art,
und
[41]und Theorie des Himmels.
und die entferneteren von leichterer Materie zuſam-
mengeſetzt waͤren. Allein die Unzulaͤnglichkeit ei-
ner ſolchen Erklaͤrung einzuſehen, erfordert nicht
eben viel Nachſinnen. Ein Planet, z. E. unſere
Erde, iſt aus ſehr weit von einander unterſchiede-
nen Gattungen Materie zuſammen geſetzt; unter
dieſen war es nun noͤthig, daß die leichteren, die
durch die gleiche Wirkung der Sonne mehr durch-
drungen und bewegt werden, deren Zuſammenſatz
ein Verhaͤltniß zu der Waͤrme hat, womit ihre
Strahlen wirken, auf der Oberflaͤche ausgebreitet
ſeyn muſten; allein daß die Miſchung der uͤbrigen
Materien, im Ganzen des Klumpens, dieſe Bezie-
hung haben muͤſſen, erhellet hieraus gar nicht;
weil die Sonne auf das innere der Planeten gar
keine Wirkung thut. Newton befurchte, wenn
die Erde bis zu der Naͤhe des Merkurs in den Strah-
len der Sonne verſenket wuͤrde, ſo duͤrfte ſie wie
ein Comet brennen, und ihre Materie nicht genug-
ſame Feuerbeſtaͤndigkeit haben, um durch dieſe Hi-
tze nicht zerſtreuet zu werden. Allein, um wie viel-
mehr muͤſte der Sonnen eigene Materie ſelber, wel-
che doch 4mal leichter, als die iſt, daraus die Er-
de beſteht, von dieſer Gluth zerſtoͤret werden; oder
warum iſt der Mond zweymal dichter, als die Er-
de, da er doch mit dieſer in eben demſelben Abſtan-
de von der Sonne ſchwebet. Man kan alſo die
proportionirten Dichtigkeiten nicht der Verhaͤltniß
zu der Sonnenwaͤrme zuſchreiben, ohne ſich in die
groͤſſeſte Widerſpruͤche zu verwickeln. Man ſiehet
vielmehr eine Urſache, die die Oerter der Planeten
C 5nach
[42]Allgemeine Naturgeſchichte
nach der Dichtigkeit ihres Klumpens austheilet,
muͤſſe auf das innere ihrer Materie, und nicht auf
ihre Oberflaͤche eine Beziehung gehabt haben; ſie
muͤſſe, ohnerachtet dieſer Folge, die ſie beſtimmete,
doch eine Verſchiedenheit der Materie in eben dem-
ſelben Himmelskoͤrper verſtatten, und nur im Gan-
zen des Zuſammenſatzes dieſes Verhaͤltniß der Dich-
tigkeit feſt ſetzen; welchem allen, ob irgend ein an-
deres ſtatiſches Geſetze, als wie das, ſo in unſerer
Lehrverfaſſung vorgetragen wird, ein Gnuͤge lei-
ſten koͤnne, uͤberlaſſe ich der Einſicht des Leſers, zu
urtheilen.
Das Verhaͤltniß unter den Dichtigkeiten der
Planeten fuͤhret noch einen Umſtand mit ſich, der,
durch eine voͤllige Uebereinſtimmung mit der vorher
entworfenen Erklaͤrung, die Richtigkeit unſeres Lehr-
begriffes bewaͤhret. Der Himmelskoͤrper, der in
dem Mittelpunkte anderer um ihn laufenden Ku-
geln ſtehet, iſt gemeiniglich leichterer Art, als der
Koͤrper, der am naͤchſten um ihn herum laͤuft.
Die Erde in Anſehung des Mondes, und die Son-
ne in Anſehung der Erde, zeigen ein ſolches Ver-
haͤltniß ihrer Dichtigkeiten. Nach dem Entwur-
fe, den wir dargelegt haben, iſt eine ſolche Be-
ſchaffenheit nothwendig. Denn, da die untern Pla-
neten vornemlich von dem Ausſchuſſe der elementa-
riſchen Materie gebildet worden, welche durch den
Vorzug ihrer Dichtigkeit, bis zu ſolcher Naͤhe zum
Mittelpunkte, mit dem erforderlichen Grade der Ge-
ſchwindigkeit haben dringen koͤnnen; dagegen der
Koͤr-
[43]und Theorie des Himmels.
Koͤrper in dem Mittelpunkte ſelber, ohne Unterſcheid
aus denen Materien aller vorhandenen Gattungen,
die ihre geſetzmaͤßige Bewegungen nicht erlanget
haben, zuſammen gehaͤufet worden, unter welchen,
da die leichteren Materien den groͤſſeſten Theil aus-
machen, es leicht einzuſehen iſt, daß, weil der
naͤchſte oder die naͤchſten zu dem Mittelpunkt um-
laufenden Himmelskoͤrper gleichſam eine Ausſonde-
rung dichterer Sorten, der Centralkoͤrper aber, ei-
ne Miſchung von allen ohne Unterſchied in ſich faſ-
ſet, jenes ſeine Subſtanz dichterer Art, als dieſer
ſeyn werde. Jn der That iſt auch der Mond 2mal
dichter als die Erde, und dieſe 4mal dichter als die
Sonne, welche allem Vermuthen nach von den
noch tieferen, der Venus und dem Merkur, in noch
hoͤheren Graden an Dichtigkeit wird uͤbertroffen
werden.
Anjetzo wendet ſich unſer Augenmerk auf das
Verhaͤltniß, welches die Maſſen der Himmelskoͤr-
per nach unſerem Lehrbegriff, in Vergleichung ihrer
Entfernungen, haben ſollen, um das Reſultat un-
ſeres Syſtems an den untrieglichen Rechnungen des
Newton zu pruͤfen. Es bedarf nicht viel Wor-
te, um begreiflich zu machen: daß der Centralkoͤr-
per jederzeit das Hauptſtuͤck ſeines Syſtems, folg-
lich die Sonne auf eine vorzuͤgliche Art an Maſſe
groͤſſer, als die geſammten Planeten, ſeyn muͤſſe;
wie denn dieſes auch vom Jupiter, in Anſehung ſei-
ner Nebenplaneten, und vom Saturn, in Betrach-
tung der ſeinigen, gelten wird. Der Centralkoͤrper
bil-
[44]Allgemeine Naturgeſchichte
bildet ſich aus dem Niederſatze aller Partikeln, aus
dem ganzen Umfange ſeiner Anziehungsſphaͤre, wel-
che die genaueſte Beſtimmung der Zirkelbewegung,
und die nahe Beziehung auf die gemeinſchaftliche
Flaͤche, nicht haben bekommen koͤnnen, und deren
ohne Zweifel eine ungemein groͤſſere Menge, als der
letzteren, ſeyn muß. Um an der Sonne vornemlich
dieſe Betrachtung anzuwenden: wenn man die
Breite des Raumes, um den die in Zirkeln umlau-
fende Partikeln, welche den Planeten zum Grund-
ſtoffe gedienet haben, am weiteſten von der gemein-
ſchaftlichen Flaͤche abgewichen ſind, ſchaͤtzen will:
ſo kann man ſie ohngefehr etwas groͤſſer, als die
Breite der groͤſſeſten Abweichung der Planetenkrei-
ſe von einander annehmen. Nun macht aber, in-
dem ſie von der gemeinſchaftlichen Flaͤche nach bey-
den Seiten ausſchweifen, ihre groͤßte Neigung
gegen einander kaum 7½ Grade aus. Alſo kann
man alle Materie, daraus die Planeten ſich gebil-
det haben, ſich als in denjenigen Raum ausgebrei-
tet geweſen, vorſtellen, der zwiſchen zwey Flaͤchen,
von dem Mittelpunkte der Sonne aus, begriffen
war, die einen Winkel von 7½ Grade einſchloſſen.
Nun iſt aber eine, nach der Richtung des groͤßten
Zirkels, gehende Zone von 7½ Grad Breite, etwas
mehr als der 17te Theil der Kugelflaͤche, alſo der
koͤrperliche Raum zwiſchen den zwo Flaͤchen, die
den ſphaͤriſchen Raum in der Breite obgedachten
Winkels ausſchneiden, etwas mehr, als der 17te
Theil des koͤrperlichen Jnnhalts der ganzen Sphaͤ-
re. Alſo wuͤrde dieſer Hypotheſe gemaͤß alle Mate-
rie
[45]und Theorie des Himmels.
rie, die zur Bildung der Planeten angewandt wor-
den, ohngefehr den ſiebenzehnten Theil derjenigen
Materie ausmachen, die die Sonne aus eben der
Weite, als der aͤuſſerſte Planet ſtehet, von beyden
Seiten zu ihrer Zuſammenſetzung geſammlet hat.
Allein dieſer Centralkoͤrper hat einen Vorzug des
Klumpens vor dem geſammten Jnnhalte aller Pla-
neten, der nicht zu dieſem wie 17:1, ſondern
wie 650 zu 1 iſt, wie die Ausrechnung des Newton
es beſtimmet; aber es iſt auch leicht einzuſehen,
daß in den obern Raͤumen uͤber dem Saturn, wo
die planetiſchen Bildungen entweder aufhoͤren, oder
doch ſelten ſeyn, wo nur einige wenige cometiſche
Koͤrper ſich gebildet haben, und wo vornemlich die
Bewegungen des Grundſtoffes, indem ſie daſelbſt
nicht geſchickt ſeyn, zu der geſetzmaͤßigen Gleich-
heit der Centralkraͤfte zu gelangen, als in der na-
hen Gegend zum Centro, nur in eine faſt allgemei-
ne Senkung zum Mittelpunkte ausſchlagen, und
die Sonne mit aller Materie aus ſo weit ausge-
dehnten Raͤumen vermehren, daß, ſage ich, aus
dieſen Urſachen der Sonnenklumpen die ſo vorzuͤg-
liche Groͤſſe der Maſſe erlangen muͤſſe.
Um aber die Planeten in Anſehung ihrer Maſ-
ſen unter einander zu vergleichen: ſo bemerken wir
erſtlich, daß nach der angezeigten Bildungsart die
Qvantitaͤt der Materie, die in den Zuſammenſatz
eines Planeten kommt, auf die Weite ſeiner Ent-
fernung von der Sonne vornemlich ankomme:
1) darum, weil die Sonne durch ihre Anziehung
die
[46]Allgemeine Naturgeſchichte
die Sphaͤre der Attraction eines Planeten ein-
ſchraͤnkt, aber bey gleichen Umſtaͤnden der entfern-
teren ihre nicht ſo enge einſchraͤnkt, als der nahen:
2) weil die Zirkel, aus denen alle Theilchen zuſam-
men gekommen ſeyn, einen Planeten auszumachen,
mit groͤſſerem Radius beſchrieben werden, alſo mehr
Grundſtoff, als die kleinern Zirkel in ſich faſſen:
3) weil aus eben dem letzten Grunde die Breite zwi-
ſchen den zwey Flaͤchen der groͤſſeſten Abweichung,
bey gleicher Anzahl Grade, in groſſen Hoͤhen groͤſſer,
als in kleinen iſt. Dagegen wird dieſer Vorzug
der entfernteren Planeten, vor den niedrigern, zwar
dadurch eingeſchraͤnkt, daß die Partikeln naͤher zur
Sonne dichterer Art, und allem Anſehen nach auch
weniger zerſtreuet, als in groͤſſerem Abſtande ſeyn
werden; allein man kan leicht ermeſſen, daß die
erſteren Vortheile, zu Bildung groſſer Maſſen, die letz-
tern Einſchraͤnkungen dennoch weit uͤbertreffen, und
uͤberhaupt die Planeten, die ſich in weitem Abſtan-
de von der Sonne bilden, groͤſſere Maſſen, als die
nahen bekommen muͤſſen. Dieſes geſchiehet alſo in
ſo ferne man ſich die Bildung eines Planeten nur
als in Gegenwart der Sonne vorſtellet; allein,
wenn man mehrere Planeten, in unterſchiedlichem
Abſtande, ſich bilden laͤßt; ſo wird einer den Um-
fang der Attraction des andern, durch ſeine Anzie-
hungsſphaͤre einſchraͤnken, und dieſes bringt eine
Ausnahme von dem vorigen Geſetze zuwege. Denn
derjenige Planet, welcher einem andern, von aus-
nehmender Maſſe, nahe iſt, wird ſehr viel von der
Sphaͤre ſeiner Bildung verlieren, und dadurch un-
gleich
[47]und Theorie des Himmels.
gleich kleiner werden, als das Verhaͤltniß ſeines
Abſtandes von der Sonne allein es erheiſchet. Ob-
gleich alſo im Ganzen die Planeten von groͤſſerer
Maſſe ſeyn, nachdem ſie weiter von der Sonne ent-
fernt ſind, wie denn uͤberhaupt Saturn und Jupi-
ter, als die zwey Hauptſtuͤcke unſeres Syſtems,
darum die groͤſſeſten ſeyn, weil ſie von der Sonne
am weiteſten entfernet ſind: ſo finden ſich dennoch
Abweichungen von dieſer Analogie, in denen aber
jederzeit das Merkmal der allgemeinen Bildung her-
vorleuchtet, die wir von den Himmelskoͤrpern be-
haupten: daß nemlich ein Planet von ausnehmen-
der Groͤſſe die naͤchſten von beyden Seiten, der, ih-
nen wegen ihrer Sonnenweite, gebuͤhrenden Maſſe
beraubet, indem er einen Theil der Materien ſich
zueignet, die zu jener ihrer Bildung kommen ſol-
ten. Jn der That hat Mars, der vermoͤge ſeines
Ortes groͤſſer als die Erde ſeyn ſolte, durch die An-
ziehungskraft des ihm nahen ſo groſſen Juppiters an
ſeiner Maſſe eingebuͤſſet; und Saturn ſelber, ob er
gleich durch ſeine Hoͤhe einen Vorzug uͤber den Mars
hat, iſt dennoch nicht gaͤnzlich befreyet geweſen,
durch Juppiters Anziehung eine betraͤchtliche Ein-
buſſe zu erleiden, und mich duͤnkt, Merkur habe die
ausnehmende Kleinigkeit ſeiner Maſſe, nicht allein
der Anziehung der ihm ſo nahen maͤchtigen Sonne,
ſondern auch der Nachbarſchaft der Venus zu ver-
danken, welche, wenn man ihre muthmaßliche
Dichtigkeit mit ihrer Groͤſſe vergleicht, ein Planet
von betraͤchtlicher Maſſe ſeyn muß.
Jn-
[48]Allgemeine Naturgeſchichte
Jndem nun alles ſo vortreflich, als man es nur
wuͤnſchen mag, zuſammenſtimmet, die Zulaͤng-
lichkeit einer mechaniſchen Lehrverfaſſung, bey dem
Urſprunge des Weltbaues und der Himmelskoͤrper,
zu beſtaͤtigen; ſo wollen wir, indem wir den Raum
ſchaͤtzen, darinn der Grundſtoff der Planeten vor
ihrer Bildung ausgebreitet geweſen, erwegen, in
welchem Grade der Duͤnnigkeit dieſer Mittelraum
damals erfuͤllet geweſen, und mit was vor Frey-
heit, oder wie wenigen Hinderniſſen die herumſchwe-
benden Partikeln ihre geſetzmaͤßige Bewegungen
dariun haben anſtellen koͤnnen. Wenn der Raum,
der alle Materie der Planeten in ſich begriff, in
demjenigen Theile der Saturniſchen Sphaͤre enthal-
ten war, der von dem Mittelpunkte der Sonne
aus, zwiſchen zwey um 7 Grade weit, in allen Hoͤ-
hen von einander abſtehenden Flaͤchen begriffen,
und daher der ſiebenzehnte Theil der ganzen Sphaͤre
war, die man mit dem Radius der Hoͤhe des Sa-
turns beſchreiben kan; ſo wollen wir, um die
Veraͤnderung des planetiſchen Grundſtoffs, da er
dieſen Raum erfuͤllete, auszurechnen, nur die Hoͤ-
he des Saturns 100000 Erddiameter anſetzen; ſo
wird die ganze Sphaͤre des ſaturniſchen Kreiſes den
Raumesinhalt der Erdkugel 1000 Bimillionen-
mal uͤbertreffen; davon, wenn wir an ſtatt des
ſiebenzehnten Theils, auch nur den zwanzigſten neh-
men, der Raum, darinn der elementariſche Grund-
ſtoff ſchwebete, den Raumesinhalt der Erdkugel
dennoch 50 Bimillionenmal uͤbertreffen muß.
Wenn
[49]und Theorie des Himmels.
Wenn man nun die Maſſe aller Planeten mit ih-
ren Begleitern \frac{1}{650} des Sonnenklumpens nach
dem Newton anſetzet; ſo wird die Erde, die nur
\frac{1}{169282} derſelben iſt, ſich zu der geſammten Maſſe
aller planetiſchen Materie wie 1 zu 276½ verhalten;
und wenn man daher alle dieſe Materie zu gleicher
ſpecifiſchen Dichtigkeit mit der Erde braͤchte, wuͤr-
de daraus ein Koͤrper entſtehen, der 277½ mal groͤſ-
ſern Raum als die Erde einnaͤhme. Wenn wir
daher die Dichtigkeit der Erde in ihrem ganzen
Klumpen nicht viel groͤſſer, als die Dichtigkeit der
feſten Materie, die man unter der oberſten Flaͤche
derſelben antrifft, annehmen: wie es denn die Ei-
genſchaften der Figur der Erde nicht anders erfor-
dern, und dieſe obere Materien ohngefehr 4 oder
5mal dichter als das Waſſer, das Waſſer aber
1000mal ſchwerer als die Luft anſetzen; ſo wuͤrde
die Materie aller Planeten, wenn ſie zu der Duͤn-
nigkeit der Luft ausgedehnet wuͤrden, einen faſt
14mal hunderttauſendmal groͤſſern Raum als die
Erdkugel einnehmen. Dieſer Raum mit dem
Raume, in welchem nach unſerer Vorausſetzung
alle Materie der Planeten ausgebreitet war, ver-
glichen, iſt dreyßig Millionenmal kleiner als der-
ſelbe: alſo macht auch die Zerſtreuung der planeti-
ſchen Materie in dieſem Raume eine eben ſo vielmal
groͤſſere Verduͤnnung aus, als die die Theilchen
unſerer Atmoſphaͤre haben. Jn der That, dieſe
Groͤſſe der Zerſtreuung, ſo unglaublich ſie auch
ſcheinen mag, war dennoch weder unnoͤthig, noch
unnatuͤrlich. Sie muſte ſo groß als moͤglich ſeyn,
Dum
[50]Allgemeine Naturgeſchichte
um den ſchwebenden Partikeln alle Freyheit der Be-
wegung, faſt ſo, als in einem leeren Raume, zu
verſtatten, und den Widerſtand unendlich zu ver-
ringern, den ſie einander leiſten koͤnnten; ſie kon-
ten aber auch von ſelber einen ſolchen Zuſtand der
Verduͤnnung annehmen, woran man nicht zwei-
feln darf, wenn man ein wenig die Ausbreitung
kennet, die die Materie leidet, wenn ſie in Duͤnſte
verwandelt iſt; oder wenn man, um bey dem Him-
mel zu bleiben, die Verduͤnnung der Materie in den
Schweifen der Cometen erweget, die bey einer ſo
unerhoͤrten Dicke ihres Durchſchnittes, der den
Durchmeſſer der Erde wohl hundertmal uͤbertrifft,
dennoch ſo durchſcheinend ſind, daß die kleinen
Sterne dadurch koͤnnen geſehen werden; welches
unſere Luft, wenn ſie von der Sonne erleuchtet
wird, in einer Hoͤhe, die viel tauſendmal kleiner iſt,
nicht verſtattet.
Jch beſchlieſſe dieſes Hauptſtuͤck, indem ich ei-
ne Analogie hinzufuͤge, die an und vor ſich allein
gegenwaͤrtige Theorie, von der mechaniſchen Bil-
dung der Himmelskoͤrper uͤber die Wahrſcheinlich-
keit der Hypotheſe, zu einer foͤrmlichen Gewißheit
erheben kann. Wenn die Sonne aus den Parti-
keln deſſelben Grundſtoffes, daraus die Planeten
ſich gebildet haben, zuſammengeſetzt iſt: und wenn
nur darinn allein der Unterſchied beſtehet, daß in
der erſteren die Materien aller Gattungen ohne Un-
terſchied gehaͤufet, bey dieſen aber in verſchiedenen
Entfernungen, nach Beſchaffenheit der Dichtig-
keit
[51]und Theorie des Himmels.
keit ihrer Sorten, vertheilet worden; ſo wird,
wenn man die Materie aller Planeten zuſammen
vereinigt betrachtet, in ihrer ganzen Vermiſchung
eine Dichtigkeit herauskommen muͤſſen, die der
Dichtigkeit des Sonnenkoͤrpers beynahe gleich iſt.
Nun findet dieſe noͤthige Folgerung unſeres Sy-
ſtems eine gluͤckliche Beſtaͤtigung in der Verglei-
chung, die der Herr von Buͤffon, dieſer ſo wuͤr-
digberuͤhmte Philoſoph, zwiſchen den Dichtigkeiten
der geſammten planetiſchen Materie und der Son-
nen ihre, angeſtellet hat; er fand eine Aehnlich-
keit zwiſchen beyden, wie zwiſchen 640 und 650.
Wenn ungekuͤnſtelte und nothwendige Folgerungen
aus einer Lehrverfaſſung in den wirklichen Verhaͤlt-
niſſen der Natur ſo gluͤckliche Beſtaͤtigungen antref-
fen; kan man denn wohl glauben, daß ein bloſſes
Ungefehr dieſe Uebereinſtimmung zwiſchen der Theo-
rie und der Beobachtung veranlaſſe?
Drittes Hauptſtuͤck,
von der
Eccentricitaͤt der Planetenkreiſe, und dem
Urſprunge der Cometen.
Man kan aus den Cometen nicht eine beſondere
Gattung von Himmelskoͤrpern machen, die
ſich von dem Geſchlechte der Planeten gaͤnzlich un-
D 2ter-
[52]Allgemeine Naturgeſchichte
terſchiede. Die Natur wirket hier, wie ander-
werts, durch unmerkliche Abfaͤlle, und, indem ſie
alle Stuffen der Veraͤnderungen durchgehet, haͤn-
get ſie, vermittelſt einer Kette von Zwiſchenglie-
dern, die entferneten Eigenſchaften mit den nahen
zuſammen. Die Eccentricitaͤt iſt bey den Plane-
ten eine Folge des Mangelhaften in derjenigen Be-
ſtrebung, dadurch die Natur trachtet, die planeti-
ſchen Bewegungen| gerade Zirkelgleich zu machen,
welches ſie aber, wegen Dazwiſchenkunft von man-
cherley Umſtaͤnden, niemals voͤllig erlangen kan,
aber doch in groͤſſeren Weiten mehr, als in nahen,
davon abweichet.
Dieſe Beſtimmung fuͤhret, durch eine beſtaͤn-
dige Leiter, vermittelſt aller moͤglichen Stuffen der
Eccentricitaͤt, von den Planeten endlich bis zu den
Cometen, und ob zwar dieſer Zuſammenhang bey
dem Saturn, durch eine groſſe Klufft, ſcheinet ab-
geſchnitten zu ſeyn, die das cometiſche Geſchlecht
von den Planeten voͤllig abſondert; ſo haben wir
doch in dem erſten Theile angemerket, daß es, ver-
muthlich uͤber dem Saturn, noch andere Planeten
geben mag, die, durch eine groͤſſere Abweichung
von der Zirkelrundung der Kreiſe, dem Laufe der
Cometen naͤher treten, und daß es nur an dem
Mangel der Beobachtung, oder auch an der
Schwierigkeit derſelben, liegt, daß dieſe Verwand-
ſchaft dem Auge nicht eben ſo ſichtbar, als dem Ver-
ſtande, vorlaͤngſt dargeſtellet worden.
Wir
[53]und Theorie des Himmels.
Wir haben ſchon eine Urſache in dem erſten
Hauptſtuͤcke dieſes Theils angefuͤhret, welche die
Laufbahn eines Himmelskoͤrpers eccentriſch machen
kan, der ſich aus dem herumſchwebenden Grund-
ſtoffe bildet, wenn man gleich annimmt, daß die-
ſer in allen ſeinen Oertern gerade zur Zirkelbewe-
gung abgewogene Kraͤfte beſitze. Denn, weil der
Planet ſie aus weit von einander abſtehenden Hoͤ-
hen ſammlet, wo die Geſchwindigkeiten der Zirkel-
laͤufe unterſchieden ſeyn; ſo kommen ſie mit ver-
ſchiedenen ihnen beywohnenden Graden der Umlaufs-
bewegung auf ihm zuſammen, welche von dem
Maaſſe der Geſchwindigkeit, die dem Abſtande des
Planeten gebuͤhret, abweichen, und dieſem da-
durch in ſo ferne eine Eccentricitaͤt zuziehen, als die-
ſe verſchiedentliche Eindruͤcke der Partikeln erman-
geln, eine der andern Abweichung voͤllig zu er-
ſetzen.
Wenn die Eccentricitaͤt keine andere Urſache
haͤtte, ſo wuͤrde ſie allenthalben gemaͤßigt ſeyn: ſie
wuͤrde anch bey denen kleinen, und weit von der
Sonne entferneten Planeten, geringer, als bey
den nahen und groſſen ſeyn: wenn man nemlich
vorausſetzte, daß die Partikeln des Grundſtoffes
wirklich vorher genaue Zirkelbewegungen gehabt
haͤtten. Da nun dieſe Beſtimmungen mit der
Beobachtung nicht uͤbereinſtimmen, indem, wie
ſchon angemerkt, die Eccentricitaͤt mit der Son-
nenweite zunimmt, und die Kleinigkeit der Maſſen
vielmehr eine Ausnahme, zu Vermehrung der Ec-
D 3cen-
[54]Allgemeine Naturgeſchichte
centricitaͤt, zu machen ſcheinet, wie wir am Mars
ſehen; ſo ſind wir genoͤthiget, die Hypotheſe von
der genauen Zirkelbewegung| der Partikeln des
Grundſtoffes dahin einzuſchraͤnken, daß, wie ſie in
den der Sonne nahen Gegenden zwar dieſer Ge-
nauheit der Beſtimmung ſehr nahe beykommen,
aber ſie doch deſto weiter davon abweichen laſſen,
je entfernter dieſe elementariſche Theilchen von der
Sonne geſchwebet haben. Eine ſolche Maͤßigung
des Grundſatzes, von der freyen zirkelgleichen Be-
wegung des Grundſtoffes, iſt der Natur gemaͤſſer.
Denn, ungeachtet der Duͤnnigkeit des Raumes, die
ihnen Freyheit zu laſſen ſcheinet, ſich einander auf
den Punkt der voͤllig abgewogenen Gleichheit der
Centralkraͤfte einzuſchraͤnken; ſo ſind die Urſachen
dennoch nicht minder betraͤchtlich, dieſen Zweck der
Natur an ſeiner Vollfuͤhrung zu verhindern. Je
weiter die ausgebreiteten Theile des Urſtoffs von
der Sonne entfernet ſind, deſto ſchwaͤcher iſt die
Kraft, die ſie zum Sinken bringt: der Wider-
ſtand der untern Theile, die ihren Fall ſeitwaͤrts
beugen, und ihn noͤthigen ſoll, ſeine Richtung
ſenkrecht von dem Zirkelſtrahl anzuſtellen, vermin-
dert ſich nach dem Maaſſe, als dieſe unter ihm
wegſinken, um entweder der Sonne ſich einzuver-
leiben, oder in naͤheren Gegenden Umlaͤufe anzu-
ſtellen. Die ſpecifiſch vorzuͤgliche Leichtigkeit dieſer
hoͤheren Materie verſtattet ihnen nicht, die ſinken-
de Bewegung, die der Grund von allem iſt, mit
dem Nachdrucke, welcher erfordert wird, um die
widerſtehende Partikeln zum Weichen zu bringen,
an-
[55]und Theorie des Himmels.
anzuſtellen; und vielleicht, daß dieſe entfernete Par-
tikeln einander noch einſchraͤnken, um nach einer
langen Periode dieſe Gleichfoͤrmigkeit endlich zu
uͤberkommen; ſo haben ſich unter ihnen ſchon klei-
ne Maſſen gebildet, als Anfaͤnge zu ſo viel Him-
melskoͤrpern, welche, indem ſie ſich aus ſchwach
bewegtem Stoffe ſammlen, eine nur eccentriſche
Bewegung haben, womit ſie zur Sonne ſinken,
und unter Wegens mehr und mehr, durch die Ein-
verleibung ſchneller bewegten Theile vom ſenkrech-
ten Falle abgebeugt werden, endlich aber doch Co-
meten bleiben, wenn jene Raͤume, in denen ſie ſich
gebildet haben, durch Niederſinken zur Sonne,
oder durch Verſammlung in beſondern Klumpen, ge-
reiniget und leer geworden. Dieſes iſt die Urſache
der mit den Entfernungen von der Sonne zuneh-
menden Eccentricitaͤten der Planeten und derjeni-
gen Himmelskoͤrper, die um deswillen Cometen
genannt werden, weil ſie in dieſer Eigenſchaft die
erſtere vorzuͤglich uͤbertreffen. Es ſind zwar noch
zwey Ausnahmen, die das Geſetz von der mit dem
Abſtande von der Sonne zunehmenden Eccentrici-
taͤt unterbrechen, die man an den beyden kleineſten
Planeten unſeres Syſtems, am| Mars und Merkur,
wahrnimmt; allein an dem erſteren iſt vermuth-
lich die Nachbarſchaft des ſo groſſen Jupiters Ur-
ſache, der, indem er durch ſeine Anziehung auf ſei-
ner Seite den Mars, der Partikeln zur Bildung be-
raubet, ihm vornemlich nur Platz laͤſſet, gegen die
Sonne ſich auszubreiten, dadurch eine Ueberwucht
der Centralkraft und Eccentricitaͤt zuziehet. Was
D 4aber
[56]Allgemeine Naturgeſchichte
aber den Merkur, den unterſten aber auch am mei-
ſten eccentriſchen unter den Planeten betrifft; ſo
iſt leicht zu erachten, daß, weil die Sonne in ih-
rer Achſendrehung der Geſchwindigkeit des Merkurs
noch lange nicht gleich kommt, der Widerſtand,
den ſie der Materie des ſie umgebenden Raumes thut,
nicht allein die naͤchſten Theilchen ihrer Centralbe-
wegung berauben werde; ſondern auch leichtlich
dieſe Widerſtrebung bis zum Merkur ausbreiten
koͤnne, und deſſen Umſchwungsgeſchwindigkeit da-
durch betraͤchtlich werde vermindert haben.
Die Eccentricitaͤt iſt das vornehmſte Unter-
ſcheidungszeichen der Cometen. Jhre Atmoſphaͤren
und Schweife, welche, bey ihrer groſſen Annaͤhe-
rung zur Sonne, durch die Hitze ſich verbreiten,
ſind nur Folgen von dem erſtern, ob| ſie gleich zu
den Zeiten der Unwiſſenheit gedienet haben, als un-
gewohnte Schreckbilder, dem Poͤbel eingebildete
Schickſale zu verkuͤndigen. Die Aſtronomen, wel-
che mehr Aufmerkſamkeit auf die Bewegungsgeſetze,
als auf die Seltſamkeit der Geſtalt, bezeigen, be-
merken eine zweyte Eigenſchaft, die das Geſchlecht
der Cometen von den Planeten unterſcheidet, nem-
lich daß ſie ſich nicht, wie dieſe, an die Zone des
Thierkreiſes binden, ſondern frey in allen Gegen-
den des Himmels ihre Umlaͤufe anſtellen. Dieſe
Beſonderheit hat einerley Urſache mit ber Eccentri-
citaͤt. Wenn die Planeten darum ihre Kreiſe in
dem engen Bezirke des Zodiakus eingeſchloſſen ha-
ben, weil die elementariſche Materie nahe um die
Son-
[57]und Theorie des Himmels.
Sonne Cirkelbewegungen bekommet, die bey je-
dem Umſchwunge den Plan der Beziehuug zu durch-
kreutzen bemuͤhet ſeyn, und den einmal gebildeten
Koͤrper von dieſer Flaͤche, dahin ſich alle Materie
von beyden Seiten draͤnget, nicht abweichen laſ-
ſen: ſo muß der Grundſtoff der weit von dem Mit-
telpunkte entlegenen Raume, welcher durch die At-
traction ſchwach bewegt, zu dem freyen Zirkelum-
ſchwunge nicht gelangen kan, eben aus dieſer Urſa-
che, die die Eccentricitaͤt hervorbringt, nicht ver-
moͤgend ſeyn, ſich in dieſer Hoͤhe zu dem Plane der
Beziehung aller planetiſchen Bewegungen zu haͤu-
fen, um die daſelbſt gebildete Koͤrper, vornemlich
in dieſem Gleiſe, zu erhalten: vielmehr wird der
zerſtreuete Grundſtoff, da er keine Einſchraͤn-
kung auf eine beſondere Gegend, ſo wie bey den un-
tern Planeten, hat, ſich gleich leicht auf einer
Seite ſowohl, als auf der andern, und weit von
dem Beziehungsplane eben ſo haͤufig, als nahe bey
demſelben, zu Himmelskoͤrpern bilden. Daher wer-
den die Cometen mit aller Ungebundenheit aus allen
Gegenden zu uns herab kommen: aber doch dieje-
nige, deren erſter Bildungsplatz nicht weit uͤber der
Planeten Kreiſe erhaben iſt, werden weniger Ab-
weichung von den Schranken ihrer Laufbahne eben
ſowohl, als weniger Eccentricitaͤt beweiſen. Mit
den Entfernungen von dem Mittelpunkte des Sy-
ſtems nimmt dieſe geſetzloſe Freyheit der Cometen,
in Anſehung ihrer Abweichungen, zu, und verlie-
ret ſich in der Tiefe des Himmels in einen gaͤnzli-
chen Mangel der Umwendung, der die aͤuſſeren ſich
D 5bil-
[58]Allgemeine Naturgeſchichte
bildenden Koͤrper ihrem Falle zur Sonne frey uͤber-
laͤßt, und der ſyſtematiſchen Verfaſſung die letzten
Grenzen ſetzet.
Jch ſetze, bey dieſem Entwurfe der cometiſchen
Bewegungen, voraus: daß, in Anſehung ihrer
Richtung, ſie ſelbige groͤſſeſten Theils mit der Pla-
neten ihrer gemein haben werden. Bey denen na-
hen Cometen ſcheinet mir dieſes ungezweifelt zu
ſeyn, und dieſe Gleichfoͤrmigkeit kan ſich auch nicht
eher in der Tiefe des Himmels verlieren, als da,
wo der elementariſche Grundſtoff in der groͤßten
Mattigkeit der Bewegung, die etwa durch das Nie-
derſinken entſtehende Drehung nach allerley Gegen-
den anſtellet, weil die Zeit, die erfordert wird,
durch die Gemeinſchaft der untern Bewegungen, ſie
in der Richtung einſtimmig zu machen, wegen der
Weite der Entfernung, zu lang iſt, als daß ſie in-
deſſen, daß die Bildung der Natur in der niederen
Gegend verrichtet wird, ſich bis dahin erſtrecken
koͤnne. Es werden alſo vielleicht Cometen ſeyn,
die ihren Umlauf nach der entgegen geſetzten Seite,
nemlich von Morgen gegen Abend, anſtellen wer-
den; ob ich gleich aus Urſachen, die ich allhier an-
zufuͤhren Bedenken trage, mich beynahe uͤberreden
moͤchte, daß von den 19 Cometen, an denen man
dieſe Beſonderheit bemerket hat, bey einigen viel-
leicht ein optiſcher Schein Anlaß dazu gegeben ha-
ben moͤchte.
Jch muß von den Maſſen der Cometen, und
von der Dichtigkeit ihres Stoffes, noch etwas an-
mer-
[59]und Theorie des Himmels.
merken. Von Rechtswegen ſolten in den obern
Gegenden der Bildung dieſer Himmelskoͤrper, aus
denen im vorigen Hauptſtuͤcke angefuͤhrten Gruͤn-
den, ſich immer nach dem Maaſſe, als die Entfer-
nung zunimmt, deſto groͤſſere Maſſen bilden. Und
es iſt auch zu glauben, daß einige Cometen groͤſſer
ſeyn, als Saturn und Jupiter; allein es iſt eben
nicht zu glauben, daß dieſe Groͤſſe der Maſſen ſo
immer zunimmt. Die Zerſtreuung des Grundſtof-
fes, die ſpecifiſche Leichtigkeit ihrer Partikeln, ma-
chen die Bildung in der abgelegenſten Gegend des
Weltraums langſam; die unbeſtimmte Verbrei-
tung deſſelben, in dem ganzen unermeßlichen Um-
fange dieſer Weite, ohne eine Beſtimmung, ſich
gegen eine gewiſſe Flaͤche zu haͤufen, verſtatten, an
ſtatt einer einzigen betraͤchtlichen Bildung viele klei-
nere, und der Mangel der Centralkraft ziehet den
groͤßten Theil der Partikeln zu der Sonne herab,
ohne ſich in Maſſen verſammlet zu haben.
Die ſpecifiſche Dichtigkeit des Stoffes, woraus
die Cometen entſtehen, iſt von mehrerer Merkwuͤr-
digkeit, als die Groͤſſe ihrer Maſſen. Vermuth-
lich, da ſie in der oberſten Gegend des Weltgebaͤu-
des ſich bilden, ſind die Theilchen ihres Zuſammen-
ſatzes von der leichteſten Gattung; und man darf
nicht zweifeln, daß dieſes die vornehmſte Urſache
der Dunſtkugeln und der Schweife ſeyn, womit
ſie ſich vor andern Himmelskoͤrpern kenntlich ma-
chen. Man kan der Wirkung der Sonnenhitze die-
ſe Zerſtreuung der cometiſchen Materie in einen
Dunſt
[60]Allgemeine Naturgeſchichte
Dunſt nicht hauptſaͤchlich beymeſſen; einige Co-
meten erreichen in ihrer Sonnennaͤhe kaum die Tie-
fe des Erdzirkels; viele bleiben zwiſchen dem Krei-
ſe der Erde und der Venus, und kehren ſodann zu-
ruͤck. Wenn ein ſo gemaͤßigter Grad Hitze, die
Materien auf der Oberflaͤche dieſer Koͤrper dermaſ-
ſen aufloͤſet und verduͤnnet; ſomuͤſſen ſie nicht aus
dem leichteſten Stoffe beſtehen, der durch die Waͤrme
mehr Verduͤnnung, als irgend eine Materie, in
der ganzen Natur leidet.
Man kan auch dieſe, von dem Cometen ſo haͤu-
fig aufſteigende Duͤnſte, der Hitze nicht beymeſſen,
die ſein Koͤrper von der etwa ehemaligen Sonnen-
naͤhe uͤbrig behalten hat: denn es iſt zwar zu ver-
muthen, daß ein Comet, zur Zeit ſeiner Bildung,
etliche Umlaufe mit groͤſſerer Eccentrieitaͤt zuruͤck
geleget hat, und dieſe nur nach und nach vermin-
dert worden; allein die andern Planeten, von
denen man eben daſſelbe vermuthen koͤnnte, zeigen
dieſes Phaͤnomenon nicht. Jndeſſen wuͤrden ſie
es an ſich zeigen, wenn die Sorten der leichteſten
Materie, die in dem Zuſammenſatze des Planeten
begriffen ſeyn, eben ſo haͤufig, als bey den Come-
ten, vorhanden waͤren.
Die Erde hat etwas an ſich, was man mit der
Ausbreitung der cometiſchen Duͤnſte und ihren
Schweifen vergleichen kan (*). Die feinſten
Partikeln, die die Sonnenwirkung aus ihrer Ober-
flaͤ-
[61]und Theorie des Himmels.
flaͤche ziehet, haͤufen ſich um einen von denen Po-
len, wenn die Sonne den halben Zirkel ihres Lau-
fes auf der entgegen geſetzten Halbkugel verrichtet.
Die feinſten und wuͤrkſamſten Theilchen, die in
dem brennenden Erdguͤrtel aufſteigen, nachdem ſie
eine gewiſſe Hoͤhe der Atmoſphaͤre erreichet haben,
werden durch die Wirkung der Sonnenſtrahlen ge-
noͤthiget, in diejenige Gegenden zu weichen und ſich
zu haͤufen, die alsdenn von der Sonne abgewandt,
und in einer langen Nacht begraben ſind, und ver-
guͤten den Bewohnern der Eiszone die Abweſenheit
des groſſen Lichtes, welches ihnen auch in dieſer Ent-
fernung die Wuͤrkungen ihrer Waͤrme zuſchicket.
Eben dieſelbe Kraft der Sonnenſtrahlen, welche
die Nordlichter macht, wuͤrde einen Dunſtkreis mit
einem Schweife hervor bringen, wenn die feinſten
und fluͤchtigen Partikeln auf der Erde eben ſo haͤu-
fig, als auf dem Cometen, anzutreffen waͤren.
Viertes Hauptſtuͤck,
von dem
Urſprunge der Monde, und den Bewe-
guͤngen der Planeten um ihre Achſe.
Die Beſtrebung eines Planeten, aus dem Um-
fange der elementariſchen Materie ſich zu bil-
den, iſt zugleich die Urſache ſeiner Achſendrehung,
und
[62]Allgemeine Naturgeſchichte
und erzeuget die Monde, die um ihn laufen ſollen.
Was die Sonne mit ihren Planeten im Groſſen iſt,
das ſtellet ein Planet, der eine weit ausgedehnte
Anziehungsſphaͤre hat, im kleinern vor, nemlich
das Hauptſtuͤck eines Syſtems, deſſen Theile durch
die Attraction des Centralkoͤrpers in Bewegung ge-
ſetzet worden. Der ſich bildende Planet, indem
er die Partikeln des Grundſtoffs aus dem ganzen
Umfange zu ſeiner Bildung bewegt, wird aus al-
len dieſen ſinkenden Bewegungen, vermittelſt ih-
rer Wechſelwirkung, Kreisbewegungen, und zwar
endlich ſolche erzeugen, die in eine gemeinſchaftliche
Richtung ausſchlagen, und deren ein Theil die ge-
hoͤrige Maͤßigung des freyen Zirkellaufes bekom-
men, und in dieſer Einſchraͤnkung ſich einer gemein-
ſchaftlichen Flaͤche nahe befinden werden. Jn die-
ſem Raume werden, ſo wie um die Sonne die
Hauptplaneten, alſo auch um dieſe ſich die Monde
bilden, wenn die Weite der Attraction ſolcher
Himmelskoͤrper guͤnſtige Umſtaͤnde zu ihrer Erzeu-
gung darreichet. Was uͤbrigens in Anſehung des
Urſprunges des Sonnenſyſtems geſagt worden, daſ-
ſelbe laͤßt ſich auf das Syſtem des Jupiters und des
Saturns mit genugſamer Gleichheit anwenden.
Die Monde werden alle nach einer Seite, und bey-
nahe auf einer Flaͤche, die Kreiſe ihres Umſchwun-
ges gerichtet haben, und dieſes zwar aus den glei-
chen Urſachen, die dieſe Analogie im groſſen beſtim-
men: Aber warum bewegen ſich dieſe Begleiter
in ihrer gemeinſchaftlichen Richtung vielmehr nach
der Seite, nach der die Planeten laufen, als nach
ei-
[63]und Theorie des Himmels.
einer jeden andern? Jhre Umlaͤufe werden ja
durch die Kreisbewegungen nicht erzeuget: ſie er-
kennen lediglich die Attraction des Hauptplaneten
zur Urſache, und in Anſehung dieſer ſind alle Rich-
tungen gleichguͤltig; ein bloſſes Ungefehr wird die-
jenige unter allen moͤglichen entſcheiden, nach der
die ſinkende Bewegung des Stoffes in Kreiſe aus-
ſchlaͤgt. Jn der That thut der Zirkellauf des
Hauptplaneten nichts dazu, dem Stoffe, aus dem
ſich um ihn die Monde bilden ſollen, Umwaͤlzungen
um dieſen einzudruͤcken; alle Partikeln um den
Planeten bewegen ſich in gleicher Bewegung mit
ihm um die Sonne, und ſind alſo in reſpectiver
Ruhe gegen denſelben. Die Attraction des Pla-
neten thut alles allein. Allein die Kreisbewegung,
die aus ihr entſtehen ſoll, weil ſie in Anſehung aller
Richtungen an und vor ſich gleichguͤltig iſt, bedarf
nur einer kleinen aͤuſſerlichen Beſtimmung, um
nach einer Seite vielmehr, als nach der andern,
auszuſchlagen: und dieſen kleinen Grad der Len-
kung bekommt ſie von der Vorruͤckung der clemen-
tariſchen Partikeln, welche zugleich mit um die
Sonne, aber mit mehr Geſchwindigkeit, laufen,
und in die Sphaͤre der Attraction des Planeten
kommen. Denn dieſe noͤthiget die zur Sonne naͤ-
here Theilchen, die mit ſchnellerem Schwunge um-
laufen, ſchon von weitem die Richtung ihres Glei-
ſes zu verlaſſen, und in einer ablangen Ausſchwei-
fung ſich uͤber den Planeten zu erheben. Dieſe,
weil ſie einen groͤſſern Grad der Geſchwindigkeit,
als der Planet ſelber, haben, wenn ſie durch deſſen
An-
[64]Allgemeine Naturgeſchichte
Anziehung zum Sinken gebracht werden, geben ih-
rem geradlinigten Falle, und auch dem Falle der
uͤbrigen, eine Abbeugung von Abend gegen Mor-
gen, und es bedarf nur dieſer geringen Lenkung,
um zu verurſachen, daß die Kreisbewegung, da-
hin der Fall, den die Attraction erregt, ausſchlaͤgt,
vielmehr dieſe, als eine jede andere Richtung, neh-
me. Aus dieſem Grunde werden alle Monde in ihrer
Richtung, mit der Richtung des Umlaufs der Haupt-
planeten uͤbereinſtimmen. Aber auch die Flaͤche ih-
rer Bahn kan nicht weit von dem Plane der Pla-
netenkreiſe abweichen, weil die Materie, daraus
ſie ſich bilden, aus eben dem Grunde, den wir von
der Richtung uͤberhaupt angefuͤhret haben, auch
auf dieſe genaueſte Beſtimmung derſelben, nemlich
die Uebereintreffung mit der Flaͤche der Hauptkreiſe,
gelenket wird.
Man ſiehet aus allem dieſen klaͤrlich, welches
die Umſtaͤnde ſeyn, unter welchen ein Planet Tra-
banten bekommen koͤnne. Die Anziehungskraft
deſſelben muß groß, und folglich die Weite ſeiner
Wirkungsſphaͤre weit ausgedehnt ſeyn, damit ſo-
wohl die Theilchen durch einen hohen Fall zum Pla-
neten bewegt, ohnerachtet deſſen, was der Wider-
ſtand aufhebet, dennoch hinlaͤngliche Geſchwindig-
keit zum freyen Umfchwunge erlangen koͤnnen, als
auch genugſamer Stoff zu Bildung der Monde in
dieſem Bezirke vorhanden ſey, welches bey einer
geringen Attraction nicht geſchehen kan. Daher
ſind nur die Planeten von groſſen Maſſen, und
wei-
[65]und Theorie des Himmels.
weiter Entfernung mit Begleitern, begabt. Ju-
piter und Saturn, die 2 groͤſten und auch entfer-
neteſten unter den Planeten, haben die meiſten
Monde. Der Erde, die viel kleiner als jene iſt, iſt
nur einer zu Theil worden; und Mars, welchem
wegen ſeines Abſtandes auch einiger Antheil an die-
ſem Vorzuge gebuͤhrete, gehet leer aus, weil ſeine
Maſſe ſo gering iſt.
Man nimmt mit Vergnuͤgen wahr, wie die-
ſelbe Anziehung des Planeten, die den Stoff zur
Bildung der Monde herbeyſchaffte, und zugleich
derſelben Bewegung beſtimmete, ſich bis auf ſeinen
eigenen Koͤrper erſtreckt, und dieſer ſich ſelber durch
eben dieſelbe Handlung, durch welche er ſich bildet,
eine Drehung um die Achſe, nach der allgemeinen
Richtung von Abend gegen Morgen, ertheilet.
Die Partikeln des niederſinkenden Grundſtoffes,
welche, wie geſagt, eine allgemeine drehende Be-
wegung von Abend gegen Morgen hin bekommen,
fallen groͤßten Theils auf die Flaͤche des Planeten,
und vermiſchen ſich mit ſeinem Klumpen, weil ſie
die abgemeſſene Grade nicht haben, ſich frey ſchwe-
bend in Zirkelbewegungen zu erhalten. Jndem ſie
nun in den Zuſammenſatz des Planeten kommen,
ſo muͤſſen ſie, als Theile deſſelben, eben dieſelbe
Umwendung, nach eben derſelben Richtung fortſe-
tzen, die ſie hatten, ehe ſie mit ihm vereiniget wor-
den. Und weil uͤberhaupt aus dem vorigen zu er-
ſehen, daß die Menge der Theilchen, welche der
Mangel an der erforderlichen Bewegung auf den
ECen-
[66]Allgemeine Naturgeſchichte
Centralkoͤrper niederſtuͤrzet, ſehr weit die Anzahl
der andern uͤbertreffen muͤſſe, welche die gehoͤrige
Grade der Geſchwindigkeit haben erlangen koͤnnen;
ſo begreifet man auch leicht, woher dieſer in ſeiner
Achſendrehung zwar bey weitem die Geſchwindigkeit
nicht haben werde, der Schwere auf ſeiner Ober-
flaͤche mit der fliehenden Kraft das Gleichgewicht zu
leiſten, aber dennoch bey Planeten von groſſer Maſ-
ſe und weitem Abſtande weit ſchneller, als bey na-
hen und kleinen, ſeyn werde. Jn der That hat
Jupiter die ſchnelleſte Achſendrehung, die wir
kennen, und ich weiß nicht, nach welchem Syſtem
man dieſes mit einem Koͤrper, deſſen Klumpen alle
andern uͤbertrifft, zuſammen reimen koͤnnte, wenn
man nicht ſeine Bewegungen ſelber, als die Wir-
kung derjenigen Anziehung, anſehen koͤnnte, die die-
ſer Himmelskoͤrper, nach dem Maaſſe eben dieſes
Klumpens, ausuͤbet. Wenn die Achſendrehung
eine Wirkung einer aͤuſſerlichen Urſache waͤre, ſo
muͤßte Mars eine ſchnellere, als Jupiter, haben;
denn eben dieſelbe bewegende Kraft bewegt einen
kleinern Koͤrper mehr, als einen groͤſſern, und uͤber-
dieſes wuͤrde man ſich mit Recht wundern, wie, da
alle Bewegungen weiter von dem Mittelpunkte hin
abnehmen, die Geſchwindigkeiten der Umwelzungen
mit denſelben Entfernungen zunehmen, und beym
Jupiter ſogar drittehalbmal ſchneller, als ſeine jaͤhr-
liche Bewegung ſelber, ſeyn koͤnne.
Jndem man alſo genoͤthiget iſt, in den taͤgli-
chen Umwendungen der Planeten eben dieſelbe Urſa-
che
[67]und Theorie des Himmels.
che, welche uͤberhaupt die allgemeine Bewegungs-
qvelle der Natur iſt, nemlich die Anziehung zu er-
kennen; ſo wird dieſe Erklaͤrungsart durch das na-
tuͤrliche Vorrecht ſeines Grundbegriffes, und durch
eine ungezwungene Folge aus demſelben, ihre Recht-
maͤßigkeit bewaͤhren.
Allein, wenn die Bildung eines Koͤrpers ſelber
die Achſendrehung hervorbringt, ſo muͤſſen ſie bil-
lig alle Kugeln des Weltbaues haben; aber warum
hat ſie der Mond nicht? welcher, wiewol faͤlſch-
lich, diejenige Art einer Umwendung, dadurch er
der Erde immer dieſelbe Seite zuwendet, einigen
vielmehr von einer Art einer Ueberwucht der einen
Halbkugel, als von einem wirklichen Schwunge
der Revolution, herzuhaben ſcheinet. Solte der-
ſelbe ſich wohl ehedem ſchneller um ſeine Achſe ge-
welzet haben, und durch, ich weis nicht was vor
Urſachen, die dieſe Bewegung nach und nach ver-
minderten, bis zu dieſem geringen und abgemeſſenen
Ueberreſt gebracht worden ſeyn? Man darf dieſe
Frage nur in Anſehung eines von den Planeten auf-
loͤſen, ſo ergiebt ſich daraus die Anwendung auf al-
le von ſelber. Jch verſpare dieſe Aufloͤſung zu ei-
ner andern Gelegenheit, weil ſie eine nothwendige
Verbindung mit derjenigen Aufgabe hat, die die
koͤnigliche Akademie der Wiſſenſchaften zu Berlin,
auf das 1754ſte Jahr, zum Preiſe aufgeſtellet hatte.
Die Theorie, welche den Urſprung der Achſen-
drehungen erklaͤren ſoll, muß auch die Stellung ih-
rer Achſen, gegen den Plan ihrer Kreiſe, aus eben
E 2den-
[68]Allgemeine Naturgeſchichte
denſelben Urſachen herleiten koͤnnen. Man hat Ur-
ſache, ſich zu verwundern, woher der Aeqvator der
taͤglichen Umwelzung mit der Flaͤche der Monden-
kreiſe, die um denſelben Planeten laufen, nicht in
demſelben Plane iſt; denn dieſelbe Bewegung, die
den Umlauf eines Trabanten gerichtet, hat durch
ihre Erſtreckung bis zum Koͤrper des Planeten, deſ-
ſen Drehung um die Achſe hervorgebracht, und die-
ſer eben dieſelbe Beſtimmung in der Richtung und
Lage ertheilen ſollen. Himmelskoͤrper, die keine
um ſich laufende Nebenplaneten haben, ſetzten ſich
dennoch durch eben dieſelbe Bewegung der Partikeln,
die zu ihrem Stoffe dieneten, und durch daſſelbe
Geſetze, welches jene auf die Flaͤche ihrer periodi-
ſchen Laufbahn einſchraͤnkte, in eine Achſendrehung,
welche aus den gleichen Gruͤnden mit ihrer Umlaufs-
flaͤche in der Richtung uͤbereintreffen muſte. Die-
ſen Urſachen zu Folge muͤſten billig die Achſen aller
Himmelskoͤrper, gegen die allgemeine Beziehungsflaͤ-
che des planetiſchen Syſtems, welche nicht weit von
der Ecliptik abweicht, ſenkrecht ſtehen. Allein ſie
ſind nur bey den zwey wichtigſten Stuͤcken dieſes
Weltbaues ſenkrecht: beym Jupiter und bey der
Sonne; die andern, deren Umdrehung man kennet,
neigen ihre Achſen gegen den Plan ihrer Kreiſe; der
Saturn mehr als die andern, die Erde aber mehr,
als Mars, deſſen Achſe auch beynahe ſenkrecht ge-
gen die Eeliptik gerichtet iſt. Der Aeqvator des
Saturns, (wofern man denſelben durch die Rich-
tung ſeines Ringes bezeichnet halten kan,) neiget
ſich mit einem Winkel von 31 Graden zur Flaͤche
ſei-
[69]und Theorie des Himmels.
ſeiner Bahn; der Erden ihrer aber nur mit 22½.
Man kan die Urſache dieſer Abweichungen vielleicht
der Ungleichheit in den Bewegungen des Stoffes
beymeſſen, die den Planeten zu bilden zuſammen
gekommen ſind. Jn der Richtung der Flaͤche ſei-
nes Laufkreiſes war die vornehmſte Bewegung der
Partikeln um den Mittelpunkt deſſelben, und da-
ſelbſt war der Plan der Beziehung, um welchen die
elementariſche Theilchen ſich haͤuften, um daſelbſt
die Bewegung, wo moͤglich, zirkelgleich zu machen,
und zur Bildung der Nebenplaneten Materie zu
haͤufen, welche um deswillen niemals von der Um-
laufsbahn weit abweichen. Wenn der Planet ſich
groͤſtentheils nur aus dieſen Theilchen bildete, ſo
wuͤrde ſeine Achſendrehung ſo wenig, wie die Ne-
benplaneten, die um ihn laufen, bey ſeiner erſten
Bildung davon abgewichen ſeyn; aber er bildete
ſich, wie die Theorie es dargethan hat, mehr aus
den Partikeln, die auf beyden Seiten niederſunken,
und deren Menge oder Geſchwindigkeit nicht ſo voͤl-
lig abgewogen geweſen zu ſeyn ſcheinet, daß die
eine Halbkugel nicht eine kleine Ueberwucht der Be-
wegung uͤber die andere, und daher einige Abwei-
chung der Achſe haͤtte bekommen koͤnnen.
Dieſer Gruͤnde ungeachtet trage ich dieſe Erklaͤ-
rung nur als eine Muthmaſſung vor, die ich mir
nicht auszumachen getraue. Meine wahre Mey-
nung gehet dahin: daß die Umdrehung der Plane-
ten um die Achſe in dem urſpruͤnglichen Zuſtande der
erſten Bildung, mit der Flaͤche ihrer jaͤhrlichen
E 3Bahn,
[70]Allgemeine Naturgeſchichte
Bahn, ziemlich genau uͤbereingetroffen habe, und
daß Urſachen vorhanden geweſen, dieſe Achſe aus
ihrer erſten Stellung zu verſchieben. Ein Him-
melskoͤrper, welcher aus ſeinem erſten fluͤßigen Zu-
ſtande in den Stand der Feſtigkeit uͤbergehet, erlei-
det, wenn er ſich auf ſolche Art voͤllig ausbildet,
eine groſſe Veraͤnderung in der Regelmaͤßigkeit ſei-
ner Oberflaͤche. Dieſelbe wird feſte und gehaͤrtet,
indeſſen, daß die tiefern Materien ſich noch nicht,
nach Maaßgebung ihrer ſpecifiſchen Schweere, ge-
nugſam geſenket haben; die leichteren Sorten, die
mit in ihrem Klumpen untermengt waren, begeben
ſich endlich, nachdem ſie ſich von den andern ge-
ſchieden, unter die oberſte feſt gewordene Rinde,
und erzeugen die groſſen Hoͤlen, deren, aus Urſa-
chen, welche allhier anzufuͤhren, zu weitlaͤuftig iſt,
die groͤſſeſte und weiteſte unter oder nahe zu dem Ae-
qvator befindlich ſind, in welche die gedachte Rinde
endlich hineinſinkt, mannigfaltige Ungleichheiten,
Berge und Hoͤhlen, erzeuget. Wenn nun auf ſol-
che Art, wie es mit der Erde, dem Monde, der
Venus, augenſcheinlich vorgegangen ſeyn muß, die
Oberflaͤche uneben geworden; ſo hat ſie nicht das
Gleichgewicht des Umſchwunges in ihrer Achſendre-
hung mehr auf allen Seiten leiſten koͤnnen. Eini-
ge hervorragende Theile von betraͤchtlicher Maſſe,
welche auf der entgegengeſetzten Seite keine andere
fanden, die ihnen die Gegenwirkung des Schwun-
ges leiſten konten, muſten alsbald die Achſe der
Umdrehung verruͤcken, und ſie in ſolchen Stand zu
ſetzen ſuchen, um welchen die Materien ſich im
Gleich-
[71]und Theorie des Himmels.
Gleichgewichte aufhielten. Eben dieſelbe Urſache
alſo, die bey der voͤlligen Ausbildung eines Him-
melskoͤrpers ſeine Oberflaͤche aus dem waagerechten
Zuſtande in abgebrochene Ungleichheiten verſetzte;
dieſe allgemeine Urſache, die bey allen Himmelskoͤr-
pern, welche das Fernglas deutlich genug entdecken
kan, wahrgenommen wird, hat ſie in die Noth-
wendigkeit verſetzet, die urſpruͤngliche Stellung ih-
rer Achſe etwas zu veraͤndern. Allein dieſe Veraͤn-
derung hat ihre Grenzen, um nicht gar zu weit
auszuſchweifen. Die Ungleichheiten erzeugen ſich,
wie ſchon erwehnt, mehr neben dem Aeqvator einer
umdrehenden Himmelskugel, als weit von demſel-
ben; zu den Polen hin verlieren ſie ſich faſt gar,
wovon die Urſachen anzufuͤhren, ich andere Gele-
genheit vorbehalte. Daher werden die am meiſten
uͤber die gleiche Flaͤche hervorragende Maſſen nahe
bey dem Aequinoctialzirkel anzutreffen ſeyn, und in-
dem dieſelbe, durch den Vorzug des Schwunges,
dieſem ſich zu naͤhern ſtreben, werden ſie hoͤchſtens
nur um einige Grade die Achſe des Himmelskoͤrpers,
aus der ſenkrechten Stellung von der Flaͤche ſeiner
Bahn, erheben koͤnnen. Dieſem zu Folge wird ein
Himmelskoͤrper, der ſich noch nicht voͤllig ausge-
bildet hat, dieſe rechtwinklichte Lage der Achſe zu
ſeinem Laufkreiſe noch an ſich haben, die er vielleicht
nur in der Folge langer Jahrhunderte aͤndern wird.
Jupiter ſcheinet noch in dieſem Zuſtande zu ſeyn.
Der Vorzug ſeiner Maſſe und Groͤſſe, die Leichtig-
keit ſeines Stoffes, haben ihn genoͤthiget, den fe-
ſten Ruheſtand ſeiner Materien einige Jahrhunder-
E 4te
[72]Allgemeine Naturgeſchichte
te ſpaͤter, als andere Himmelskoͤrper, zu uͤberkom-
men. Vielleicht iſt das innere ſeines Klumpens
noch in der Bewegung, die Theile ſeines Zuſam-
menſatzes zu dem Mittelpunkte, nach Beſchaffen-
heit ihrer Schwere, zu ſenken, und durch die Schei-
dung der duͤnnern Gattungen von den ſchweren, den
Stand der Feſtigkeit zu uͤberkommen. Bey ſol-
cher Bewandniß kan es auf ſeiner Oberflaͤche noch
nicht ruhig ausſehen. Die Umſtuͤrzungen und
Ruine herrſchen auf derſelben. Selbſt das Fern-
glas hat uns davon verſichert. Die Geſtalt dieſes
Planeten aͤndert ſich beſtaͤndig, da indeſſen der
Mond, die Venus, die Erde, dieſelbe unveraͤn-
dert erhalten. Man kan auch wohl mit Recht die
Vollendung der Periode der Ausbildung bey einem
Himmelskoͤrper einige Jahrhunderte ſpaͤter geden-
ken, der unſere Erde an Groͤſſe mehr wie zwanzig-
tauſendmal uͤbertrifft, und an Dichtigkeit 4mal
nachſtehet. Wenn ſeine Oberflaͤche eine ruhige Be-
ſchaffenheit wird erreichet haben; ſo werden ohne
Zweifel weit groͤſſere Ungleichheiten, als die, ſo die
Erdflaͤche bedecken, mit der Schnelligkeit ſeines
Schwunges verbunden, ſeiner Umwendung in nicht
gar langem Zeitlaufe diejenige beſtaͤndige Stellung
ertheilen, die das Gleichgewicht der Kraͤfte auf ihm
erheiſchen wird.
Saturn, der 3mal kleiner, als Jupiter iſt, kan
vielleicht durch ſeinen weitern Abſtand einen Vor-
zug einer geſchwinderen Ausbildung vor dieſem er-
halten haben: zum wenigſten macht die viel ſchnel-
lere
[73]und Theorie des Himmels.
lere Achſendrehung deſſelben, und das groſſe Ver-
haͤltniß ſeiner Centerfliehkraft zu der Schweere auf
ſeiner Oberflaͤche, (welches in dem folgenden Haupt-
ſtuͤcke ſoll dargethan werden,) daß die vermuthlich
auf derſelben dadurch erzeugte Ungleichheiten, gar
bald den Ausſchlag auf die Seite der Ueberwucht,
durch eine Vorruͤckung der Achſe, gegeben haben.
Jch geſtehe freymuͤthig, daß dieſer Theil meines
Syſtems, welcher die Stellung der planetiſchen
Achſen betrifft, noch unvollkommen und ziemlich
weit entfernt ſey, der geometriſchen Rechnung un-
terworfen zu werden. Jch habe dieſes lieber aufrich-
tig entdecken wollen, als durch allerhand erborgte
Scheingruͤnde der Tuͤchtigkeit, der uͤbrigen Lehr-
verfaſſung Abbruch zu thun, und ihr eine ſchwache
Seite zu geben. Nachfolgendes Hauptſtuͤck kan
eine Beſtaͤtigung von der Glaubwuͤrdigkeit der gan-
zen Hypotheſe abgeben, wodurch wir die Be-
wegungen des Weltbaues haben
erklaͤren wollen.
E 5Fuͤnf-
[74]Allgemeine Naturgeſchichte
Fuͤnftes Hauptſtuͤck,
von dem
Urſprunge des Ringes des Saturns, und
Berechnung der taͤglichen Umdrehung dieſes
Planeten aus den Verhaͤltniſſen
deſſelben.
Vermoͤge der ſyſtematiſchen Verfaſſung im
Weltgebaͤude haͤngen die Theile derſelben durch
eine ſtufenartige Abaͤnderung ihrer Eigenſchaften zu-
ſammen, und man kan vermuthen, daß ein in der
entlegenſten Gegend der Welt befindlicher Planet
ohngefehr ſolche Beſtimmungen haben werde, als
der naͤchſte Comet uͤberkommen moͤchte, wenn er
durch die Verminderung der Eceentricitaͤt in das
planetiſche Geſchlecht erhoben wuͤrde. Wir wollen
demnach den Saturn ſo anſehen, als wenn er auf
eine, der cometiſchen Bewegung aͤhnliche Art, etli-
che Umlaͤufe mit groͤſſerer Eccentricitaͤt zuruͤck gele-
get habe, und nach und nach zu einem dem Zirkel
aͤhnlichern Gleiſe gebracht worden (*). Die Hitze,
die ſich ihm in ſeiner Sonnennaͤhe einverleibete, er-
hob den leichten Stoff von ſeiner Oberflaͤche, der,
wie
[75]und Theorie des Himmels.
wie wir aus den vorigen Hauptſtuͤcken wiſſen, bey
denen oberſten Himmelskoͤrpern von uͤberſchwengli-
cher Duͤnnigkeit iſt, ſich von geringen Graden Waͤr-
me ausbreiten zu laſſen. Jndeſſen, nachdem der
Planet in etlichen Umſchwuͤngen zu dem Abſtande,
da er jetzt ſchwebet, gebracht worden; verlohr er in
einem ſo gemaͤßigten Clima nach und nach die em-
pfangene Waͤrme, und die Duͤnſte, welche von
ſeiner Oberflaͤche ſich noch immer um ihn verbreite-
ten, lieſſen nach und nach ab, ſich bis in Schwei-
fen zu erheben. Es ſtiegen auch nicht mehr neue ſo
haͤufig auf, um die alten zu vermehren: kurz, die
ſchon ihn umgebenden Duͤnſte blieben durch Urſa-
chen, welche wir gleich anfuͤhren wollen, um ihn
ſchweben, und erhielten ihm das Merkmal ſeiner
ehemaligen cometenaͤhnlichen Natur in einem be-
ſtaͤndigen Ringe, indeſſen, daß ſein Koͤrper die Hi-
tze verhauchte, und zuletzt ein ruhiger und gereinig-
ter Planet wurde. Nun wollen wir das Geheim-
niß anzeigen, das dem Himmelskoͤrper ſeine aufge-
ſtiegene Duͤnſte frey ſchwebend hat erhalten koͤn-
nen, ja, ſie aus einer rund um ihn ausgebreiteten
Atmoſphaͤre, in die Form eines allenthalben abſtehen-
den Ringes, veraͤndert hat. Jch nehme an: Sa-
turn habe eine Umdrehung um die Achſe gehabt;
und nichts mehr, als dieſes, iſt noͤthig, um das
ganze Geheimniß aufzudecken. Kein anderes
Triebwerk, als dieſes einzige, hat durch einen un-
mittelbaren mechaniſchen Erfolg, gedachtes Phaͤ-
nomenon dem Planeten zuwege gebracht; und ich
getraue mir es zu behaupten, daß in der ganzen
Na-
[76]Allgemeine Naturgeſchichte
Natur nur wenig Dinge auf einen ſo begreiflichen
Urſprung koͤnnen gebracht werden, als dieſe Be-
ſonderheit des Himmels, aus dem rohen Zuſtande
der erſten Bildung ſich entwickeln laͤßt.
Die von dem Saturn aufſteigende Duͤnſte hat-
ten die Bewegung an ſich, und ſetzten ſie in der
Hoͤhe, dahin ſie aufgeſtiegen waren, frey fort, die
ſie, als deſſen Theile bey ſeiner Umdrehung um die
Achſe, gehabt hatten. Die Theilchen, die nahe
beym Aeqvator des Planeten aufſtiegen, muͤſſen
die ſchnellſte, und weiter davon ab zu den Polen,
um ſo viel ſchwaͤchere Bewegungen gehabt haben, je
groͤſſer die Breite des Orts war, von dem ſie auf-
ſtiegen. Das Verhaͤltniß der ſpecifiſchen Schwere
ordnete den Partikeln die verſchiedentliche Hoͤhen,
zu denen ſie aufſtiegen; aber nur diejenige Parti-
keln konten die Oerter ihres Abſtandes in einem be-
ſtaͤndig freyen Zirkelumſchwunge behaupten, deren
Entfernungen, in die ſie verſetzt waren, eine ſolche
Centralkraft erheiſcheten, als dieſe mit der Ge-
ſchwindigkeit, welche ihnen von der Achſendrehung
eigen war, leiſten konten; die uͤbrigen, wofern
ſie durch die Wechſelwirkung der andern nicht zu die-
ſer Genauheit gebracht werden koͤnnen, muͤſſen
entweder mit dem Uebermaaſſe der Bewegung aus
der Sphaͤre des Planeten ſich entfernen, oder durch
den Mangel derſelben, auf ihn zuruͤck zu ſinken, ge-
noͤthiget werden. Die durch den ganzen Umfang
der Dunſtkugel zerſtreute Theilchen werden, vermoͤ-
ge eben derſelben Centralgeſetze, in der Bewegung
ih-
[77]und Theorie des Himmels.
ihres Umſchwunges, die fortgeſetzte Aeqvatorsflaͤ-
che des Planeten von beyden Seiten zu durchſchnei-
den trachten, und, indem ſie einander in dieſem
Plane von beyden Hemiſphaͤrien einander aufhal-
ten, werden ſie ſich daſelbſt haͤufen; und, weil ich
ſetze, daß gedachte Duͤnſte diejenige ſind, die der
Planet zu ſeiner Verkuͤhlung zuletzt herauf ſchickt,
wird alle zerſtreuete Dunſtmaterie ſich neben dieſem
Plane in einem nicht gar breiten Raume ſammlen,
und die Raͤume zu beyden Seiten leer laſſen. Jn
dieſer neuen und veraͤnderten Richtung aber werden
ſie dennoch eben dieſelbe Bewegung fortſetzen, wel-
che ſie, in freyen concentriſchen Zirkelumlaͤufen,
ſchwebend erhaͤlt. Auf ſolche Weiſe nun aͤndert
der Dunſtkreiß ſeine Geſtalt, welche eine erfuͤllte
Sphaͤre war, in eine Form einer ausgebreiteten
Flaͤche, welche gerade mit dem Aeqvator des Sa-
turns zuſammen trifft; aber auch dieſe Flaͤche muß
aus eben denſelben mechaniſchen Gruͤnden zuletzt die
Form eines Ringes annehmen, deſſen aͤuſſerer
Rand durch die Wirkung der Sonnenſtrahlen be-
ſtimmet wird, welche diejenige Theilchen, die ſich
bis zu gewiſſer Weite von dem Mittelpunkte des
Planeten entfernet haben, durch ihre Kraft zer-
ſtreuet und entfernet, ſo wie ſie es bey den Cometen
thut, und dadurch die auswendige Grenze ihres
Dunſtkreiſes abzeichnet. Der inwendige Rand die-
ſes entſpringenden Ringes wird durch die Verhaͤlt-
niß der Geſchwindigkeit des Planeten unter ſeinem
Aeqvator beſtimmt. Denn in demjenigen Abſtan-
de von ſeinem Mittelpunkte, da dieſe Geſchwindig-
keit
[78]Allgemeine Naturgeſchichte
keit mit der Attraction des Orts das Gleichgewich-
te leiſtet, da iſt die groͤßte Naͤhe, in welcher die von
ſeinem Koͤrper aufgeſtiegene Theilchen, durch die
von der Achſendrehung eigene Bewegung, Zirkel-
kreiſe beſchreiben koͤnnen. Die naͤhern Theilchen,
weil ſie einer groͤſſern Geſchwindigkeit zu ſolchem
Umlaufe beduͤrfen, die ſie doch nicht haben koͤnnen,
weil ſelbſt auf dem Aeqvator des Planeten die Be-
wegung nicht ſchneller iſt, werden dadurch eceentri-
ſche Laͤufe erhalten, die einander durchkreutzen, eine
der andern Bewegung ſchwaͤchen, und endlich ins-
geſammt auf den Planeten niederſtuͤrzen, von dem
ſie ſich erhoben hatten. Da ſehen wir nun das
wunderſeltſame Phaͤnomenon, deſſen Anblick ſeit
ſeiner Entdeckung die Aſtronomen jederzeit in Be-
wunderung geſetzet hat, und, deſſen Urſache zu ent-
decken, man niemals, auch nur eine wahrſcheinli-
che, Hoffnung hat faſſen koͤnnen, auf eine leichte
von aller Hypotheſe befreyete mechaniſche Art ent-
ſtehen. Was dem Saturn widerfahren iſt, das
wuͤrde, wie hieraus leicht erſehen werden kan, ei-
nem jeden Cometen, der genugſame Achſendrehung
haͤtte, wenn er in eine beſtaͤndige Hoͤhe verſetzt wuͤr-
de, in der ſein Koͤrper nach und nach verkuͤhlen
koͤnte, eben ſo regelmaͤßig wiederfahren. Die Na-
tur iſt an vortreflichen Auswickelungen, in dem ſich
ſelbſt gelaſſenen Zuſtande ihrer Kraͤfte, ſogar im
Chaos fruchtbar, und die darauf folgende Ausbil-
dung bringet ſo herrliche Beziehungen und Ueber-
einſtimmungen zum gemeinſamen Nutzen der Crea-
tur mit ſich, daß ſie ſogar, in den ewigen und un-
wan-
[79]und Theorie des Himmels.
wandelbaren Geſetzen ihrer weſentlichen Eigenſchaf-
ten, dasjenige groſſe Weſen mit einſtimmiger Ge-
wißheit zu erkennen geben, in welchem ſie, vermit-
telſt ihrer gemeinſchaftlichen Abhaͤngigkeit, ſich zu
einer geſammten Harmonie vereinbaren. Saturn
hat von ſeinem Ringe groſſe Vortheile; er vermeh-
ret ſeinen Tag, und erleuchtet unter ſo viel Mon-
den deſſen Nacht dermaſſen, daß man daſelbſt leicht-
lich die Abweſenheit der Sonne vergißt. Aber,
muß man denn deswegen leugnen, daß die allge-
meine Entwickelung der Materie durch mechaniſche
Geſetze, ohne andere, als ihre allgemeine Beſtim-
mungen, zu beduͤrfen, habe Beziehungen hervor-
bringen koͤnnen, die der vernuͤnftigen Creatur Nu-
tzen ſchaffen? Alle Weſen haͤngen aus einer Urſa-
che zuſammen, welche der Verſtand GOttes iſt; ſie
koͤnnen dahero keine andere Folgen nach ſich ziehen,
als ſolche, die eine Vorſtellung der Vollkommen-
heit in eben derſelben goͤttlichen Jdee mit ſich
fuͤhren.
Wir wollen nunmehro die Zeit der Achſendre-
hung dieſes Himmelskoͤrpers aus den Verhaͤltniſſen
ſeines Ringes, nach der angefuͤhrten Hypotheſe ſei-
ner Erzeugung, berechnen. Weil alle Bewegung
der Theilchen des Ringes, eine einverleibte Bewe-
gung von der Achſendrehung des Saturns iſt, auf
deſſen Oberflaͤche ſie ſich befanden; ſo trifft die
ſchnelleſte Bewegung unter denen, die dieſe Theil-
chen haben, mit der ſchnelleſten Umwendung, die
auf der Oberflaͤche des Saturns angetroffen wird,
uͤber-
[80]Allgemeine Naturgeſchichte
uͤberein, das iſt: die Geſchwindigkeit, womit die
Partikeln des Ringes in ſeinem inwendigen Rande
umlaufen, iſt derjenigen, die der Planet auf ſei-
nem Aeqvator hat, gleich. Man kan aber jene
leicht finden, indem man ſie aus der Geſchwindig-
keit eines von den Saturnustrabanten ſuchet, da-
durch, daß man ſelbige, in dem Verhaͤltniſſe der
Qvadratwurzel der Entfernungen von dem Mit-
telpunkte des Planeten, nimmt. Aus der gefunde-
nen Geſchwindigkeit ergiebt ſich unmittelbar die Zeit
der Umdrehung des Saturns um ſeine Achſe; ſie
iſt von ſechs Stunden, drey und zwanzig
Minuten, und drey und funfzig Secunden.
Dieſe mathematiſche Berechnung einer unbekann-
ten Bewegung eines Himmelskoͤrpers, die vielleicht
die einzige Vorherverkuͤndigung ihrer Art in der ei-
gentlichen Naturlehre iſt, erwartet von den Beob-
achtungen kuͤnftiger Zeiten die Beſtaͤtigung. Die
noch zur Zeit bekannte Fernglaͤſer vergroͤſſern den
Saturn nicht ſo ſehr, daß man die Flecken, die
man auf ſeiner Oberflaͤche vermuthen kan, dadurch
entdecken koͤnnte, um durch deren Verruͤckung ſeine
Umwendung um die Achſe zu erſehen. Allein die
Sehroͤhre haben vielleicht noch nicht alle diejenige
Vollkommenheit erlanget, die man von ihnen hof-
fen kan, und welche der Fleiß und die Geſchicklich-
keit der Kuͤnſtler uns zu verſprechen ſcheinet.
Wenn man dereinſt dahin gelangete, unſern
Muthmaſſungen den Ausſchlag durch den Augen-
ſchein zu geben, welche Gewißheit wuͤrde die Theo-
rie des Saturns, und was vor eine vorzuͤgliche
Glaub-
[81]und Theorie des Himmels.
Glaubwuͤrdigkeit wuͤrde das ganze Syſtem dadurch
nicht erlangen, das auf den gleichen Gruͤnden er-
richtet iſt. Die Zeit der taͤglichen Umdrehung des
Saturns fuͤhret auch die Verhaͤltniß, der den Mit-
telpunkt fliehenden Kraft ſeines Aeqvators, zur
Schweere auf ſeiner Oberflaͤche mit ſich; ſie iſt zu
dieſer, wie 20:32. Die Schweere iſt alſo nur
um ⅗ groͤſſer, als die Centerfliehkraft. Dieſes ſo
groſſe Verhaͤltniß verurſachet nothwendig einen ſehr
betraͤchtlichen Unterſcheid der Durchmeſſer dieſes
Planeten, und man koͤnte beſorgen, daß er ſo groß
entſpringen muͤßte, daß die Beobachtung bey die-
ſem, ob zwar wenig, durch das Fernglas vergroͤſ-
ſerten Planeten, dennoch gar zu deutlich in die Au-
gen fallen muͤßte, welches wirklich nicht geſchiehet,
und die Theorie dadurch einen nachtheiligen Anſtoß
erleiden koͤnte. Eine gruͤndliche Pruͤfung hebet
dieſe Schwierigkeit voͤllig. Nach der Huygenia-
niſchen Hypotheſe, welche annimmt, daß die
Schweere in dem innern eines Planeten durch und
durch gleich ſey, iſt der Unterſcheid der Durchmeſ-
ſer in einer zweyfach kleinern Verhaͤltniß zu dem
Durchmeſſer des Aeqvators, als die Centerflieh-
kraft zur Schweere unter den Polen hat. Z. E.
da bey der Erde, die den Mittelpunkt fliehende Kraft
des Aeqvators \frac{1}{289} der Schweere unter den Polen
iſt; ſo muß in der Huygenianiſchen Hypotheſe der
Durchmeſſer der Aeqvatorsflaͤche \frac{1}{578} groͤſſer, als
die Erdachſe ſeyn. Die Urſache iſt dieſe: weil, da
die Schweere der Vorausſetzung gemaͤß, in dem in-
nern des Erdklumpens, in allen Naͤhen zum Mit-
Ftel-
[82]Allgemeine Naturgeſchichte
telpunkte ſo groß, wie auf der Oberflaͤche iſt, die
Centrifugalkraft aber mit den Annaͤherungen zum
Mittelpunkte abnimmt, ſelbige nicht allenthalben
\frac{1}{289} der Schweere iſt, ſondern vielmehr die ganze
Verminderung des Gewichtes der fluͤßigen Saͤule
in der Aeqvatorsflaͤche aus dieſem Grunde nicht
\frac{1}{289}, ſondern die Haͤlfte davon, d. i. \frac{1}{578}, deſſel-
ben betraͤgt. Dagegen hat in der Hypotheſe des
Newton die Centerfliehkraft, welche die Achſendre-
hung erreget, in der ganzen Flaͤche des Aeqvators,
bis zum Mittelpunkte, eine gleiche Verhaͤltniß zur
Schweere des Orts: weil dieſe in dem innern des
Planeten, (wenn er durch und durch von gleich-
foͤrmiger Dichtigkeit angenommen wird), mit
dem Abſtande vom Mittelpunkte in derſelben Pro-
portion, als die Centerfliehkraft, abnimmt, mit-
hin dieſe jederzeit \frac{1}{289} der erſtern iſt. Dieſes ver-
urſachet eine Erleichterung der fluͤßigen Saͤule in
der Aeqvatorsflaͤche, und auch die Erhebung der-
ſelben um \frac{1}{289}, welcher Unterſchied der Durchmeſ-
ſer in dieſem Lehrbegriffe noch dadurch vermehret
wird, daß die Verkuͤrzung der Achſe eine Annaͤhe-
rung der Theile zum Mittelpunkte, mithin eine
Vermehrung der Schweere; die Verlaͤngerung des
Aeqvatordurchmeſſers aber eine Entfernung der
Theile von eben demſelben Mittelpunkte, und da-
her eine Verringerung ihrer Gravitaͤt mit ſich fuͤh-
ret, und aus dieſem Grunde die Abplattung bes
Newtoniſchen Sphaͤroids ſo vermehret, daß der Un-
terſcheid der Durchmeſſer von \frac{1}{289} bis zu \frac{1}{230} er-
hoben wird.
Nach
[83]und Theorie des Himmels.
Nach dieſen Gruͤnden muͤſten die Durchmeſſer
des Saturns noch in groͤſſerem Verhaͤltniſſe, als
das von 20 zu 32 iſt, gegen einander ſeyn; ſie
muͤſten der Proportion von 1 zu 2 beynahe gleich
kommen. Ein Unterſcheid, der ſo groß iſt, daß
die geringſte Aufmerkſamkeit ihn nicht fehlen wuͤr-
de, ſo klein auch Saturn durch die Fernglaͤſer er-
ſcheinen mag. Allein hieraus iſt nur zu erſehen,
daß die Vorausſetzung der gleichfoͤrmigen Dichtig-
keit, welche bey dem Erdkoͤrper ziemlich richtig an-
gebracht zu ſeyn ſcheinet, beym Saturn gar zu weit
von der Warheit abweiche; welches ſchon an ſich
ſelber bey einem Planeten wahrſcheinlich iſt, deſ-
ſen Klumpen dem groſſeſten Theile, ſeines Jnhaltes
nach, aus den leichteſten Materien beſtehet, und
denen von ſchwererer Art in ſeinem Zuſammenſatze,
bevor er den Zuſtand der Feſtigkeit bekommt, die
Niederſinkung zum Mittelpunkte, nach Beſchaf-
fenheit ihrer Schweere, weit freyer verſtattet, als
diejenige Himmelskoͤrper, deren viel dichterer
Stoff den Niederſatz der Materien verzoͤgert, und
ſie, ehe dieſe Niederſinkung geſchehen kan, feſt wer-
den laͤßt. Jndem wir alſo beym Saturn voraus-
ſetzen, daß die Dichtigkeit ſeiner Materien, in ſei-
nem Jnnern, mit der Annaͤherung zum Mittel-
punkte zunehme, ſo nimmt die Schweere nicht
mehr in dieſem Verhaͤltniſſe ab; ſondern die wach-
ſende Dichtigkeit erſetzt den Mangel der Theile, die
uͤber die Hoͤhe des in dem Planeten befindlichen
Punkts geſetzt ſeyn, und durch ihre Anziehung zu
F 2deſ-
[84]Allgemeine Naturgeſchichte
deſſen Gravitaͤt nichts beytragen (*). Wenn die-
ſe vorzuͤgliche Dichtigkeit der tiefſten Materien ſehr
groß iſt; ſo verwandelt ſie, vermoͤge der Geſetze
der Anziehung, die zum Mittelpunkte hin in dem
innern abnehmende Schweere in eine faſt gleichfoͤr-
mige, und ſetzet das Verhaͤltniß der Durchmeſſer
dem Huygeniſchen nahe, welches immer die Haͤlfte
von dem Verhaͤltniß zwiſchen der Centrifugalkraft
und der Schweere iſt, folglich, da dieſe gegen ein-
ander wie 2:3 waren; ſo wird der Unterſcheid der
Durchmeſſer dieſes Planeten nicht ⅓, ſondern ⅙
des Aeqvatordurchſchnitts ſeyn: welcher Unterſcheid
ſchluͤßlich noch dadurch verborgen wird, weil Sa-
turn, deſſen Achſe mit der Flaͤche ſeiner Bahn je-
derzeit einen Winkel von 31 Graden macht, die
Stellung deſſelben gegen ſeinen Aeqvator niemals,
wie beym Jupiter, gerade zu darbietet, welches
den vorigen Unterſcheid faſt um den dritten Theil,
dem Scheine nach, vermindert. Man kan bey
ſolchen Umſtaͤnden, und vornemlich bey der ſo groſ-
ſen Weite dieſes Planeten leicht erachten: daß die
ab-
[85]und Theorie des Himmels.
abgeplattete Geſtalt ſeines Koͤrpers nicht ſo leicht,
als man wohl denken ſolte, in die Augen fallen
werde; dennoch wird die Sternwiſſenſchaft, deren
Aufnehmen vornemlich auf die Vollkommenheit
der Werkzeuge ankommt, die Entdeckung einer ſo
merkwuͤrdigen Eigenſchaft, wo ich mir nicht zu ſehr
ſchmeichle, durch derſelben Huͤlfe vielleicht zuͤ errei-
chen, in den Stand geſetzet werden.
Was ich von der Figur des Saturns ſage, kan
gewiſſermaſſen der Naturlehre des Himmels zu ei-
ner allgemeinen Bemerkung dienen. Jupiter, der,
nach einer genauen Ausrechnung, eine Verhaͤltniß
der Schweere zur Centrifugalkraft auf ſeinem Ae-
qvator wenigſtens wie 9¼:1 hat, ſolte, wenn
ſein Klumpen durch und durch von gleichfoͤrmiger
Dichtigkeit waͤre, nach den Lehrſaͤtzen des Newton,
einen noch groͤſſern Unterſcheid, als \frac{1}{9}, zwiſchen
ſeiner Achſe und dem Aeqvatorsdurchmeſſer, an ſich
zeigen. Allein Caßini hat ihn nur \frac{1}{16}, Poned
\frac{1}{12}, bisweilen \frac{1}{14} befunden; wenigſtens ſtimmen
alle dieſe verſchiedene Beobachtungen, welche durch
ihren Unterſcheid die Schwierigkeit dieſer Abmeſ-
ſung beſtaͤtigen, darin uͤberein, ſie viel kleiner zu
ſetzen, als ſie es nach dem Syſtem des Newton,
oder vielmehr nach ſeiner Hypotheſe, von der gleich-
foͤrmigen Dichtigkeit ſeyn ſolte. Und wenn man
daher die Vorausſetzung der gleichfoͤrmigen Dich-
tigkeit, welche die ſo groſſe Abweichung der Theo-
rie von der Beobachtung veranlaſſet, in die viel
wahrſcheinlichere veraͤndert, da die Dichtigkeit des
F 3pla-
[86]Allgemeine Naturgeſchichte
planetiſchen Klumpens zu ſeinem Mittelpunkte hin-
zunehmend geſetzet wird; ſo wird man nicht allein
an dem Jupiter die Beobachtung rechtfertigen, ſon-
dern auch bey dem Saturn, einem viel ſchwerer
abzumeſſenden Planeten, die Urſache einer minde-
ren Abplattung ſeines ſphaͤroidiſchen Koͤrpers deut-
lich einſehen koͤnnen.
Wir haben aus der Erzeugung des ſaturniſchen
Ringes Anlaß genommen, den kuͤhnen Schritt zu
wagen, die Zeit der Achſendrehung, welche die
Fernglaͤſer zu entdecken nicht vermoͤgen, ihm durch
Rechnung zu beſtimmen. Laſſet uns dieſe Probe
einer phyſiſchen Vorherſagung, noch mit einer an-
dern, an eben dieſem Planeten vermehren, welche
von vollkommeneren Werkzeugen kuͤnftiger Zeiten
das Zeugniß ihrer Richtigkeit zu erwarten hat.
Der Vorausſetzung gemaͤß: daß der Ring
des Saturns eine Haͤufung der Theilchen ſey, die,
nachdem ſie von der Oberflaͤche dieſes Himmelskoͤr-
pers als Duͤnſte aufgeſtiegen, ſich vermoͤge des
Schwunges, den ſie von der Achſendrehung deſſel-
ben an ſich haben und fortſetzen, in der Hoͤhe ihres
Abſtandes frey in Zirkeln laufend erhalten, haben
dieſelbe nicht in allen ihren Entfernungen vom Mit-
telpunkte, gleiche periodiſche Umlaufszeiten; ſondern
dieſe verhalten ſich vielmehr, wie die Qvadratwur-
zeln, aus den Wuͤrfeln ihres Abſtandes, wenn ſie
ſich durch die Geſetze der Centralkraͤfte ſchwebend er-
halten ſollen. Nun iſt die Zeit, darinn, nach dieſer
Hypotheſe, die Theilchen des inwendigen Randes
ih-
[87]und Theorie des Himmels.
ihren Umlauf verrichten, ohngefehr von 10 Stun-
den, und die Zeit des Zirkellaufs der Partikeln im
auswendigen Rande iſt, nach gehoͤriger Ausrech-
nung, 15 Stunden; alſo, wenn die niedrigſten
Theile des Ringes ihren Umlauf 3mal verrichtet
haben, haben es die entferneteſten nur 2mal ge-
than. Es iſt aber wahrſcheinlich, man mag die
Hinderniß, die die Partikeln bey ihrer groſſen Zer-
ſtreuung in der Ebene des Ringes einander leiſten,
ſo gering ſchaͤtzen, als man will, daß das Nach-
bleiben der entferntern Theilchen, bey jeglichem ihrer
Umlaͤufe, die ſchneller bewegte niedrige Theile nach
und nach verzoͤgern und aufhalten: dagegen dieſe
denen obern einen Theil ihrer Bewegung, zu einer
geſchwindern Umwendung, eindruͤcken muͤſſen, wel-
ches, wenn dieſe Wechſelwirkung nicht endlich un-
terbrochen wuͤrde, ſo lange dauren wuͤrde, bis die
Theilchen des Ringes alle dahin gebracht waͤren, ſo-
wohl die niedrigen, als die weitern, in gleicher Zeit
ſich herumzuwenden, als in welchem Zuſtande ſie
in reſpectiver Ruhe gegen einander ſeyn, und durch
die Wegruͤckung keine Wirkung in einander thun
wuͤrden. Nun wuͤrde aber ein ſolcher Zuſtand,
wenn die Bewegung des Ringes dahin ausſchluͤge,
denſelben gaͤnzlich zerſtoͤren, weil, wenn man die
Mitte von der Ebene des Ringes nimmt, und ſe-
tzet, daß daſelbſt die Bewegung in dem Zuſtande
verbleibe, darinn ſie vorher war und ſeyn muß, um
einen freyen Zirkellauf leiſten zu koͤnnen, die un-
tern Theilchen, weil ſie ſehr zuruͤck gehalten worden,
ſich nicht in ihrer Hoͤhe ſchwebend ertzalten, ſondern
F 4in
[88]Allgemeine Naturgeſchichte
in ſchiefen und eccentriſchen Bewegungen einander
durchkreutzen, die entferntern aber durch den Ein-
druck einer groͤſſern Bewegung, als ſie vor die
Centralkraft ihres Abſtandes ſeyn ſoll, weiter von
der Sonne abgewandt, als die Sonnenwirkung
die aͤuſſere Grenze des Ringes beſtimmt, durch die-
ſelbe hinter dem Planeten zerſtreuet und fortgefuͤh-
ret werden muͤſten.
Allein, man darf alle dieſe Unordnung nicht
befuͤrchten. Der Mechaniſmus der erzeugenden
Bewegung des Ringes fuͤhret auf eine Beſtim-
mung, die denſelben, vermittelſt eben der Urſachen,
die ihn zerſtoͤren ſollen, in einen ſichern Zuſtand
verſetzet, dadurch, daß er in etliche concentriſche
Zirkelſtreifen getheilet wird, welche wegen der Zwi-
ſchenraͤume, die ſie abſondern, keine Gemeinſchaft
mehr unter einander haben. Denn indem die Par-
tikeln, die in dem inwendigen Rande des Ringes
umlaufen, die obere durch ihre ſchnellere Bewegung
etwas fortfuͤhren, und ihren Umlauf beſchleunigen;
ſo verurſachen die vermehrten Grade der Geſchwin-
digkeit in dieſen ein Uebermaaß der Centrifugalkraft,
und eine Entfernung von dem Orte, da ſie ſchwe-
beten. Wenn man aber vorausſetzet, daß, indem
dieſelbe ſich von den niedrigen zu trennen beſtreben,
ſie einen gewiſſen Zuſammenhang zu uͤberwinden
haben, der, ob es zwar zerſtreuete Duͤnſte ſeyn,
dennoch bey dieſen nicht ganz nichts bedeutend zu
ſeyn ſcheinet; ſo wird dieſer vermehrte Grad des
Schwunges gedachten Zuſammenhang zu uͤberwin-
den
[89]und Theorie des Himmels.
den trachten: aber ſelbigen nicht uͤberwinden, ſo
lange der Ueberſchuß der Centerfliehkraft, die er in
gleicher Umlaufszeit mit den niedrigſten anwendet,
uͤber die Centralkraft ihres Orts, dieſes Anhaͤngen
nicht uͤbertrifft. Und aus dieſem Grunde muß in
einer gewiſſen Breite eines Streifens von |dieſem
Ringe, obgleich, weil deſſen Theile in gleicher Zeit
ihren Umlauf verrichten, die obere eine Beſtrebung
anwenden, ſich von den untern abzureiſſen, den-
noch der Zuſammenhang beſtehen, aber nicht |in
groͤſſerer Breite, weil, indem die Geſchwindigkeit
dieſer in gleichen Zeiten unbewegten Theilchen, mit
den Entfernungen, alſo mehr, als ſie es nach den
Centralgeſetzen thun ſolte, zunimmt, wenn ſie den
Grad uͤberſchritten hat, den der Zuſammenhang der
Dunſttheilchen leiſten kan, von dieſen ſich abreiſ-
ſen und einen Abſtand annehmen muͤſſen, welcher
dem Ueberſchuſſe der Umwendungskraft uͤber die
Centralkraft des Orts gemaͤß iſt. Auf dieſe Weiſe
wird der Zwiſchenraum beſtimmet, der den erſten
Streifen des Ringes von den uͤbrigen abſondert:
und auf gleiche Weiſe macht die beſchleunigte Be-
wegung der obern Theilchen, durch den ſchnellen Um-
lauf der untern, und der Zuſammenhang derſelben,
welcher die Trennung zu hindern trachtet, den zwey-
ten concentriſchen Ring, von welchem der dritte
um eine maͤßige Zwiſchenweite abſtehet. Man
koͤnte die Zahl dieſer Zirkelſtreifen, und die Breite
ihrer Zwiſchenraͤume, ausrechnen, wenn der Grad
des Zuſammenhanges bekannt waͤre, welcher die
Theilchen an einander haͤngt; allein wir koͤunen
F 5uns
[90]Allgemeine Naturgeſchichte
uns begnuͤgen, uͤberhaupt die Zuſammenſetzung des
Saturniſchen Ringes, die deſſen Zerſtoͤrung vor-
beugt, und ihn durch freye Bewegungen ſchwebend
erhaͤlt, mit gutem Grunde der Wahrſcheinlichkeit
errathen zu haben.
Dieſe Muthmaſſung vergnuͤget mich nicht we-
nig, vermittelſt der Hoffnung, ſelbige noch wohl
dereinſt durch wirkliche Beobachtungen beſtaͤtiget
zu ſehen. Vor einigen Jahren verlautete aus Lon-
don, daß, indem man mit einem neuen, vom
Herrn Bradley verbeſſerten Newtoniſchen Sehroh-
re, den Saturn beobachtete, es geſchienen habe,
ſein Ring ſey eigentlich eine Zuſammenſetzung von
vielen concentriſchen Ringen, welche durch Zwi-
ſchenraͤume abgeſondert waͤren. Dieſe Nachricht
iſt ſeitdem nicht fortgeſetzet worden (*). Die
Werk-
[91]und Theorie des Himmels.
Werkzeuge des Geſichts haben die Kenntniſſe der
aͤuſſerſten Gegenden des Weltgebaͤudes dem Ver-
ſtande eroͤfnet. Wenn es nun vornemlich auf ſie
ankommt, neue Schritte darinn zu thun; ſo kan
man von der Aufmerkſamkeit des Jahrhunderts auf
alle dasjenige, was die Einſichten der Menſchen
erweitern kan, wohl mit Wahrſcheinlichkeit hoffen,
daß ſie ſich vornemlich auf eine Seite wenden wer-
de, welche ihr die groͤßte Hoffnung zu wichtigen
Entdeckungen darbietet.
Wenn aber Saturn ſo gluͤcklich geweſen, ſich
einen Ring zu verſchaffen, warum iſt denn kein an-
derer Planet mehr dieſes Vortheils theilhaftig wor-
den? die Urſache iſt deutlich. Weil ein Ring aus
den Ausduͤnſtungen eines Planeten, der ſie bey ſei-
nem
(*)
[92]Allgemeine Naturgeſchichte
nem rohen Zuſtande aushauchet, entſtehen ſoll, und
die Achſendrehung dieſer den Schwung geben muß,
den ſie nur fortzuſetzen haben, wenn ſie in die Hoͤ-
he gelanget ſeyn, da ſie mit dieſer eingepflanzten
Bewegung der Gravitation gegen den Planeten ge-
rade das Gleichgewicht leiſten koͤnnen; ſo kan man
leicht durch Rechnung beſtimmen, zu welcher Hoͤhe
die Duͤnſte von einem Planeten aufſteigen muͤſſen,
wenn ſie durch die Bewegungen, die ſie unter dem
Aeqvator deſſelben hatten, ſich in freyer Zirkelbe-
wegung erhalten ſollen, wenn man den Durchmeſ-
ſer des Planeten, die Zeit ſeiner Umdrehung, und
die Schweere auf ſeiner Oberflaͤche kennet. Nach
dem Geſetze der Centralbewegung wird die Entfer-
nung eines Koͤrpers, der um einen Planeten mit
einer deſſen Achſendrehung gleichen Geſchwindigkeit
frey im Zirkel laufen kan, in eben ſolchem Verhaͤlt-
niſſe zum halben Durchmeſſer des Planeten ſeyn,
als die den Mittelpunkt fliehende Kraft, unter dem
Aeqvator deſſelben, zur Schweere iſt. Aus dieſen
Gruͤnden war die Entfernung des innern Randes
des Saturnringes wie 8, wenn der halbe Diame-
ter deſſelben wie 5 angenommen wird, welche zwey
Zahlen in demſelben Verhaͤltniſſe wie 32:20 iſt,
die, ſo wie wir vorher bemerket haben, die Pro-
portion zwiſchen der Schweere und der Centerflieh-
kraft unter dem Aeqvator ausdruͤckt. Aus den glei-
chen Gruͤnden, wenn man ſetzte, daß Jupiter ei-
nen auf dieſe Art erzeugten Ring haben ſolte, wuͤr-
de deſſen kleinſter halber Durchmeſſer die halbe Di-
cke des Jupiter 10mal uͤbertreffen, welches gerade
da-
[93]und Theorie des Himmels.
dahin treffen wuͤrde, wo ſein aͤuſſerſter Trabante
um ihn laͤuft, und daher ſowohl aus dieſen Gruͤn-
den, als auch, weil die Ausduͤnſtung eines Plane-
ten ſich ſo weit von ihm nicht ausbreiten kan, un-
moͤglich iſt. Wenn man verlangte zu wiſſen,
warum die Erde keinen Ring bekommen hat; ſo
wird man die Beantwortung in der Groͤſſe des hal-
ben Durchmeſſers finden, den nur ſein innerer
Rand haͤtte haben muͤſſen, welcher 289 halbe Erd-
diameter muͤſte groß geworden ſeyn. Bey den
langſamer bewegten Planeten entfernet ſich die Er-
zeugung eines Ringes noch weiter von der Moͤglich-
keit; alſo bleibt kein Fall uͤbrig, da ein Planet auf
die Weiſe, wie wir es erklaͤret haben, einen Ring
haͤtte bekommen koͤnnen, als derjenige, darinn der
Planet iſt, welcher ihn wuͤrklich hat, welches eine
nicht geringe Beſtaͤrkung der Glaubwuͤrdigkeit un-
ſerer Erklaͤrungsart iſt.
Was mich aber faſt verſichert macht, daß der
Ring, welcher den Saturn umgiebet, ihm nicht
auf diejenige allgemeine Art entſtanden, und durch
die allgemeine Bildungsgeſetze erzeugt worden, die
durch das ganze Syſtem der Planeten geherrſchet,
und dem Saturn auch ſeine Trabanten verſchaffet
hat, daß, ſage ich, dieſe aͤuſſerliche Materie nicht
ihren Stoff dazu hergegeben, ſondern er ein Ge-
ſchoͤpf des Planeten ſelber ſey, der ſeine fluͤchtig-
ſten Theile durch die Waͤrme erhoben, und ihnen
durch ſeine eigene Achſendrehung den Schwung zur
Umwendung ertheilet hat, iſt dieſes, daß der
Ring
[94]Allgemeine Naturgeſchichte
Ring nicht ſo wie die andern Trabanten deſſelben,
und wie uͤberhaupt alle umlaufende Koͤrper, die
in der Begleitung der Hauptplaneten befindlich
ſeyn, in der allgemeinen Beziehungsflaͤche der pla-
netiſchen Bewegungen gerichtet iſt, ſondern von
ihr ſehr abweicht: welches ein ſicherer Beweis iſt,
daß er nicht aus dem allgemeinen Grundſtoffe ge-
bildet, und ſeine Bewegung aus deſſen Herabſinken
bekommen, ſondern von dem Planeten, nach laͤngſt
vollendeter Bildung aufgeſtiegen, und durch deſſen
eingepflanzte Umſchwungskraͤfte, als ſein abge-
ſchiedener Theil, eine ſich auf deſſelben Achſendre-
hung beziehende Bewegung und Richtung, bekom-
men habe.
Das Vergnuͤgen, eine von den ſeltenſten Be-
ſonderheiten des Himmels, in dem ganzen Umfange
ihres Weſens und Erzeugung, begriffen zu haben,
hat uns in eine ſo weitlaͤuftige Abhandlung verwi-
ckelt. Laſſet nns mit der Verguͤnſtigung unſerer
gefaͤlligen Leſer dieſelbe, wo es beliebig, bis zur
Ausſchweiffung treiben, um, nachdem wir uns auf
eine angenehme Art willkuͤhrlichen Meinungen,
mit einer Art von Ungebundenheit, uͤberlaſſen
haben, mit deſto mehrerer Behutſamkeit und Sorg-
falt, wiederum zu der Warheit zuruͤck zu kehren.
Koͤnte man ſich nicht einbilden, daß die Erde
eben ſowohl, wie Saturn, ehemals einen Ring
gehabt habe? Er moͤchte nun von ſeiner Oberflaͤ-
che eben ſo, wie Saturns ſeiner, aufgeſtiegen
ſeyn, und habe ſich lange Zeit erhalten, indeſſen
daß die Erde von einer viel ſchnelleren Umdrehung,
als
[95]und Theorie des Himmels.
als die gegenwaͤrtige iſt, durch, wer weiß was vor
Urſachen, bis zu gegenwaͤrtigem Grade aufgehal-
ten worden, oder daß man dem abwerts ſinkenden
allgemeinen Grundſtoffe es zutrauet, denſelben nach
den Regeln, die wir oben erklaͤret, gebildet zu ha-
ben, welches man ſo genau nicht nehmen muß,
wenn man ſeine Neigung zum ſonderbaren, ver-
gnuͤgen will. Allein, was vor ein Vorrath
von ſchoͤnen Erlaͤuterungen und Folgen bietet uns
eine ſolche Jdee dar. Ein Ring um die Erde!
Welche Schoͤnheit eines Anblicks vor diejenige, die
erſchaffen waren, die Erde als ein Paradies zu be-
wohnen; wie viel Beqvemlichkeit vor dieſe, wel-
che die Natur von allen Seiten anlachen ſolte! Al-
lein dieſes iſt noch nichts gegen die Beſtaͤtigung, die
eine ſolche Hypotheſe aus der Urkunde der
Schoͤpfungsgeſchichte entlehnen kan, und die vor
diejenige keine geringe Empfehlung zum Beyfalle
iſt, welche die Ehre der Offenbarung nicht zu ent-
weihen, ſondern zu beſtaͤtigen glauben, wenn ſie
ſich ihrer bedienen, den Ausſchweifungen ihres Wi-
tzes dadurch ein Anſehen zu geben. Das Waſſer
der Veſte, deren die Moſaiſche Beſchreibung erweh-
net, hat den Auslegern ſchon nicht wenig Muͤhe
verurſachet. Koͤnte man ſich dieſes Ringes nicht
bedienen, ſich aus dieſer Schwierigkeit heraus zu
helfen? Dieſer Ring beſtand ohne Zweifel aus
waͤßrichten Duͤnſten; und man hat auſſer dem
Vortheile, den er den erſten Bewohnern der Erde
verſchaffen konte, noch dieſen, ihn im benoͤthigten
Falle zerbrechen zu laſſen, um die Welt, die ſolcher
Schoͤn-
[96]Allgemeine Naturgeſchichte
Schoͤnheit ſich unwuͤrdig gemacht hatte, mit Ueber-
ſchwemmungen zu zuͤchtigen. Entweder ein Co-
met, deſſen Anziehung die regelmaͤßige Bewegun-
gen ſeiner Theile in Verwirrung brachte, oder die
Verkuͤhlung der Gegend ſeines Aufenthalts verei-
nigte deſſen zerſtreuete Dunſttheile, und ſtuͤrzte ſie,
in einem der allergrauſamſten Wolkenbruͤche, auf
den Erdboden nieder. Man weiß leichtlich, was
die Folge hievon war. Alle Welt gieng im Waſ-
ſer unter, und ſog noch uͤber dieſes, in denen frem-
den und fluͤchtigen Duͤnſten dieſes unnatuͤrlichen Re-
gens, denjenigen langſamen Gift ein, der alle Ge-
ſchoͤpfe dem Tode und der Zerſtoͤrung naͤher brachte.
Nunmehro war die Figur eines blaſſen und lichten
Bogens von dem Horizonte verſchwunden, und
die neue Welt, welche ſich dieſes Anblicks niemals
erinnern konte, ohne ein Schrecken vor dieſes
fuͤrchterliche Werkzeug der goͤttlichen Rache zu em-
pfinden, ſahe vielleicht mit nicht geringer Beſtuͤr-
zung in dem erſten Regen denjenigen farbigten Bo-
gen, der, ſeiner Figur nach, den erſtern abzubil-
den ſchien, aber durch die Verſicherung des verſoͤhn-
ten Himmels, ein Gnadenzeichen und Denkmaal ei-
ner fortwaͤhrenden Erhaltung des nunmehro ver-
aͤnderten Erdbodens, ſeyn ſolte. Die Aehnlichkeit
der Geſtalt dieſes Erinnerungszeichens mit der be-
zeichneten Begebenheit, koͤnte eine ſolche Hypotheſe
denenjenigen anpreiſen, die der herrſchenden Nei-
gung ergeben ſind, die Wunder der Offenbarung
mit den ordentlichen Naturgeſetzen in ein Syſtem
zu bringen. Jch finde es vor rathſamer, den
fluͤch-
[97]und Theorie des Himmels.
fluͤchtigen Beyfall, den ſolche Uebereinſtimmungen
erwecken koͤnnen, dem wahren Vergnuͤgen voͤllig
aufzuopfern; welches aus der Wahrnehmung des
regelmaͤßigen Zuſammenhanges entſpringet, wenn
phyſiſche Analogien einander zur Bezeichnung phy-
ſiſcher Warheiten unterſtuͤtzen.
Sechſtes Hauptſtuͤck,
von dem
Zodiakallichte.
Die Sonne iſt mit einem ſubtilen und dunſtigen
Weſen umgeben, welches in der Flaͤche ih-
res Aeqvators, mit einer nur geringen Ausbreitung
auf beyden Seiten, bis zu einer groſſen Hoͤhe ſie um-
giebet, wovon man nicht verſichert ſeyn kan, ob
es, wie Herr von Mairan es abbildet, in der Fi-
gur eines erhaben geſchliffenen Glaſes, (figura len-
ticulari,) mit der Oberflaͤche der Sonne zuſammen
ſtoͤßt, oder wie der Ring des Saturns allenthal-
ben von ihm abſtehet. Es ſey nun das eine oder
das andere; ſo bleibet Aehnlichkeit genug uͤbrig,
um dieſes Phaͤnomenon mit dem Ringe des Sa-
turns in Vergleichung zu ſtellen, und es aus einem
uͤbereinkommenden Urſprunge herzuleiten. Wenn
dieſe ausgebreitete Materie ein Ausfluß aus der
Sonne iſt, wie es denn am wahrſcheinlichſten iſt,
Gſie
[98]Allgemeine Naturgeſchichte
ſie davor zu halten; ſo wird man die Urſache nicht
verfehlen koͤnnen, die ſie auf die, dem Sonnenaͤqva-
tor gemeine Flaͤche gebracht hat. Der leichteſte
und fluͤchtigſte Stoff, den das Sonnenfeuer von
deſſen Oberflaͤche erhebet, und ſchon lange erhoben
hat, wird durch derſelben Wirkung weit uͤber ſie
fortgetrieben, und bleibet, nach Maasgebung ſei-
ner Leichtigkeit, in einer Entfernung ſchweben, wo
die forttreibende Wirkung der Strahlen der
Schweere dieſer Dunſttheilchen das Gleichgewicht
leiſtet, oder ſie werden von dem Zufluſſe neuer Par-
tikeln unterſtuͤtzet, welche beſtaͤndig zu ihnen hinzu
kommen. Nun, weil die Sonne, indem ſie ſich
um die Achſe drehet, dieſen von ihrer Oberflaͤche
abgeriſſenen Duͤnſten ihre Bewegung gleichmaͤßig
eindruͤckt; ſo behalten dieſelbe einen gewiſſen
Schwung zum Umlaufe, wodurch ſie von beyden
Seiten, den Centralgeſetzen gemaͤß, in dem Zirkel
ihrer Bewegung die fortgeſetzte Aeqvatorsflaͤche der
Sonne zu durchſchneiden, beſtrebt ſeyn; und da-
her, weil ſie in gleicher Qvantitaͤt von beyden He-
miſphaͤrien ſich zu derſelben hindringen, daſelbſt ſich
mit gleichen Kraͤften haͤufen, und eine ausgebrei-
tete Ebene, in dieſem auf dem Sonnenaͤqvator be-
ziehenden Plan, formiren.
Allein, ohnerachtet dieſer Aehnlichkeit mit dem
Saturnusringe, bleibt ein weſentlicher Unterſchied
uͤbrig, welcher das Phaͤnomenon des Zodiakallich-
tes von jenem ſehr abweichend macht. Die Par-
tikeln des erſtern erhalten ſich durch die eingepflanz-
te
[99]und Theorie des Himmels.
te Umdrehungsbewegung in frey ſchwebendem Zir-
kellaufe; allein die Theilchen des letztern werden
durch die Kraft der Sonnenſtrahlen in ihrer Hoͤhe
erhalten, ohne welcher die ihnen von der Sonnen-
umwendung beywohnende Bewegung gar weit feh-
len wuͤrde, ſie im freyen Umſchwunge vom Falle
abzuhalten. Denn, da die den Mittelpunkt flie-
hende Kraft der Achſendrehung auf der Oberflaͤche
der Sonne noch nicht \frac{1}{40000} der Attraction iſt; ſo
wuͤrden dieſe aufgeſtiegene Duͤnſte 40000 halbe
Sonnendiameter von ihr entfernet werden muͤſſen,
um in ſolcher Weite allererſt eine Gravitation anzu-
treffen, der ihrer mitgetheilten Bewegung das
Gleichgewicht leiſten koͤnte. Man iſt alſo ſicher,
dieſes Phaͤnomenon der Sonne ihr nicht auf die,
dem Saturnusringe gleiche Art zuzumeſſen.
Gleichwohl bleibet eine nicht geringe Wahr-
ſcheinlichkeit uͤbrig, daß dieſer Halsſchmuck der
Sonne vielleicht denſelben Urſprung erkenne, den
die geſammte Natur erkennet, nemlich die Bildung
aus dem allgemeinen Grundſtoff, deſſen Theile, da
ſie in den hoͤchſten Gegenden der Sonnenwelt herum
geſchwebet, nur allererſt nach voͤllig vollendeter
Bildung des ganzen Syſtems zu der Sonne, in ei-
nem ſpaͤten Falle mit geſchwaͤchter, aber doch von
Abend gegen Morgen gekruͤmmter Bewegung,
herab geſunken, und, vermittelſt dieſer Art des
Kreislaufes, die fortgeſetzte Aeqvatorsflaͤche derſel-
ben durchſchnitten, daſelbſt durch ihre Haͤufung
von beyden Seiten, indem ſie ſich aufhielten, eine
G 2in
[100]Allgemeine Naturgeſchichte
in dieſer Stellung ausgebreitete Ebene eingenom-
men haben, worinn ſie ſich zum Theil durch der
Sonnenſtrahlen Zuruͤcktreibung, zum Theil durch
ihre wirklich erlangte Kreißbewegung, jetzo in be-
ſtaͤndig gleicher Hoͤhe erhalten. Die gegenwaͤrtige
Erklaͤrung hat keine andere Wuͤrdigkeit, als dieje-
nige, welche Muthmaſſungen zukommt, und kei-
nen Anſpruch, als nur auf einen willkuͤhrlichen
Beyfall; das Urtheil des Leſers mag ſich auf dieje-
nige Seite wenden, welche ihm die annehmungs-
wuͤrdigſte zu ſeyn duͤnket.
Siebendes Hauptſtuͤck,
von der
Schoͤpfung im ganzen Umfange ihrer
Unendlichkeit, ſowohl dem Raume, als der
Zeit nach.
Das Weltgebaͤude ſetzet durch ſeine unermeßliche
Groͤſſe, und durch die unendliche Mannig-
faltigkeit und Schoͤnheit, welche aus ihr von allen
Seiten hervorleuchtet, in ein ſtilles Erſtaunen.
Wenn die Vorſtellung aller dieſer Vollkommenheit
nun die Einbildungskraft ruͤhret; ſo nimmt den
Verſtand anderer Seits eine andere Art der Entzuͤ-
ckung ein, wenn er betrachtet, wie ſo viel Pracht,
ſo viel Groͤſſe, aus einer einzigen allgemeinen Re-
gel,
[101]und Theorie des Himmels.
gel, mit einer ewigen und richtigen Ordnung, ab-
flieſſet. Der planetiſche Weltbau, indem die
Sonne aus dem Mittelpunkte aller Kreiſe, mit ih-
rer maͤchtigen Anziehung, die bewohnte Kugeln ih-
res Syſtems in ewigen Kreiſen umlaufend macht,
iſt gaͤnzlich, wie wir geſehen haben, aus dem ur-
ſpruͤnglich ausgebreiteten Grundſtoff aller Weltma-
terie gebildet worden. Alle Fixſterne, die das Au-
ge an der holen Tiefe des Himmels entdecket, und
die eine Art von Verſchwendung anzuzeigen ſchei-
nen, ſind Sonnen und Mittelpunkte von aͤhnlichen
Syſtemen. Die Analogie erlaubt es alſo hier
nicht, zu zweifeln, daß dieſe auf die gleiche Art,
wie das, darinn wir uns befinden, aus denen klein-
ſten Theilen der elementariſchen Materie, die den
leeren Raum, dieſen unendlichen Umfang der goͤtt-
lichen Gegenwart, erfuͤllete, gebildet und erzeuget
worden.
Wenn nun alle Welten und Weltordnungen
dieſelbe Art ihres Urſprungs erkennen: wenn die
Anziehung unbeſchraͤnkt und allgemein, die Zuruͤck-
ſtoſſung der Elemente aber ebenfalls durchgehends
wirkſam, wenn bey dem unendlichen das groſſe
und kleine beyderſeits klein iſt; ſolten nicht alle die
Weltgebaͤude gleichermaſſen eine beziehende Verfaſ-
ſung und ſyſtematiſche Verbindung unter einander
angenommen haben, als die Himmelskoͤrper unſe-
rer Sonnenwelt im kleinen, wie Saturn, Jupiter
und die Erde, die vor ſich inſonderheit Syſteme
ſeyn, und dennoch unter einander als Glieder in ei-
G 3nem
[102]Allgemeine Naturgeſchichte
nem noch groͤſſern zuſammen haͤngen? Wenn man
in dem unermeßlichen Raume, darinn alle Son-
nen der Milchſtraſſe ſich gebildet haben, einen
Punkt annimmt, um welchen durch, ich weiß nicht
was vor eine Urſache, die erſte Bildung der Natur
aus dem Chaos angefangen hat; ſo wird daſelbſt
die groͤßte Maſſe, und ein Koͤrper von der unge-
meinſten Attraction, entſtanden ſeyn, der dadurch
faͤhig geworden, in einer ungeheuren Sphaͤre um
ſich alle in der Bildung begriffene Syſteme zu noͤ-
thigen, ſich gegen ihn, als ihren Mittelpunkt, zu
ſenken, und um ihn ein gleiches Syſtem im Gan-
zen zu errichten, als derſelbe elementariſche Grund-
ſtoff, der die Planeten bildete, um die Sonne im
Kleinen gemacht hat. Die Beobachtung macht
dieſe Muthmaſſung beynahe ungezweifelt. Das
Heer der Geſtirne macht, durch ſeine beziehende
Stellung gegen einen gemeinſchaftlichen Plan, eben
ſowohl ein Syſtem aus, als die Planeten unſeres
Sonnenbaues um die Sonne. Die Milchſtraſſe
iſt der Zodiakus dieſer hoͤheren Weltordnungen, die
von ſeiner Zone ſo wenig als moͤglich, abweichen,
und deren Streif immer von ihrem Lichte erleuchtet
iſt, ſo wie der Thierkreiß der Planeten von dem
Scheine dieſer Kugeln, obzwar nur in ſehr wenig
Punkten, hin und wieder ſchimmert. Eine jede
dieſer Sonnen macht mit ihren umlaufenden Pla-
neten vor ſich ein beſonderes Syſtem aus; allein
dieſes hindert nicht, Theile eines noch groͤſſeren
Syſtems zu ſeyn, ſo wie Jupiter oder Saturn, un-
geachtet ihrer eigenen Begleitung, in der ſyſtema-
ti-
[103]und Theorie des Himmels.
tiſchen Verfaſſung eines noch groͤſſeren Weltbaues
beſchraͤnkt ſeyn. Kan man, an einer ſo genauen
Uebereinſtimmung in der Verfaſſung nicht die glei-
che Urſache und Art der Erzeugung erkennen?
Wenn nun die Fixſterne ein Syſtem ausma-
chen, deſſen Umfang durch die Anziehungsſphaͤre
desjenigen Koͤrpers, der im Mittelpunkte befind-
lich iſt, beſtimmet wird, werden nicht mehr Son-
nenſyſtemata, und, ſo zu reden, mehr Milchſtraſ-
ſen entſtanden ſeyn, die in dem Grenzenloſen Felde
des Weltraums erzeuget worden? Wir haben mit
Erſtaunen Figuren am Himmel erblickt, welche
nichts anders, als ſolche auf einen gemeinſchaftli-
chen Plan beſchraͤnkte Fixſternenſyſtemata, ſolche
Milchſtraſſen, wenn ich mich ſo ausoruͤcken darf,
ſeyn, die in verſchiedenen Stellungen gegen das
Auge, mit einem, ihrem unendlichen Abſtande ge-
maͤß geſchwaͤchten Schimmer, elliptiſche Geſtalten
darſtellen; es ſind Syſtemata von, ſo zu ſagen, un-
endliche mal unendlich groͤſſerm Durchmeſſer, als
der Diameter unſeres Sonnenbaues, iſt; aber oh-
ne Zweifel auf gleiche Art entſtanden, aus gleichen
Urſachen geordnet und eingerichtet, und erhalten
ſich durch ein gleiches Triebwerk, als dieſes, in ih-
rer Verfaſſung.
Wenn man dieſe Sternenſyſtemata wiederum
als Glieder an der groſſen Kette der geſammten
Natur anſiehet; ſo hat man eben ſo viel Urſache,
wie vorher, ſie in einer gegenſeitigen Beziehung zu
gedenken, und in Verbindungen, welche Kraft
G 4des
[104]Allgemeine Naturgeſchichte
des durch die ganze Natur herrſchenden Geſetzes der
erſten Bildung, ein neues noch groͤſſeres Syſtem
ausmachen, das durch die Anziehung eines Koͤr-
pers von ungleich maͤchtigerer Attraction, als alle
die vorige, waren, aus dem Mittelpunkte ihrer re-
gelmaͤßigen Stellungen regieret wird. Die Anzie-
hung, welche die Urſache der ſyſtematiſchen Verfaſ-
ſung unter den Fixſternen der Milchſtraſſe iſt, wir-
ket auch noch in der Entfernung eben dieſer Welt-
ordnungen, um ſie aus ihren Stellungen zu brin-
gen, und die Welt in einem unvermeidlich bevor-
ſtehenden Chaos zu begraben, wenn nicht regel-
maͤßig ausgetheilte Schwungskraͤfte der Attraction
das Gegengewicht leiſten, und beyderſeits in Ver-
bindung diejenige Beziehung hervorbringen, die
der Grund der ſyſtematiſchen Verfaſſung iſt. Die
Anziehung iſt ohne Zweifel eine eben ſo weit ausge-
dehnte Eigenſchaft der Materie, als die Coexiſtenz,
welche den Raum macht, indem ſie die Subſtanzen
durch gegenſeitige Abhaͤngigkeiten verbindet, oder,
eigentlicher zu reden, die Anziehung iſt eben dieſe
allgemeine Beziehung, welche die Theile der Natur
in einem Raume vereinigt: ſie erſtrecket ſich alſo
auf die ganze Ausdehnung deſſelben, bis in alle Wei-
ten ihrer Unendlichkeit. Wenn das Licht von die-
ſen entfernten Syſtemen zu uns gelanget, das
Licht, welches nur eine eingedruͤckte Bewegung iſt,
muß nicht vielmehr die Anziehung, dieſe urſpruͤng-
liche Bewegungsqvelle, welche eher, wie alle Be-
wegung iſt: die keiner fremden Urſachen bedarf,
auch durch keine Hinderniß kan aufgehalten werden,
weil
[105]und Theorie des Himmels.
weil ſie in das innerſte der Materie, ohne einigen
Stoß, ſelbſt bey der allgemeinen Ruhe der Natur
wirket, muß, ſage ich, die Anziehung nicht dieſe
Fixſternen-Syſtemata, ihrer unermeßlichen Ent-
fernungen ungeachtet, bey der ungebildeten Zer-
ſtreuung ihres Stoffes, im Anfange der Regung
der Natur, in Bewegungen verſetzet haben, die
eben ſo, wie wir im Kleinen geſehen haben, die
Qvelle der ſyſtematiſchen Verbindung, und der
dauerhaften Beſtaͤndigkeit ihrer Glieder iſt, die ſie
vor den Verfall ſichert?
Aber, welches wird denn endlich das Ende der
ſyſtematiſchen Einrichtungen ſeyn? wo wird die
Schoͤpfung ſelber aufhoͤren? Man merket wohl,
daß, um ſie in einem Verhaͤltniſſe mit der Macht
des unendlichen Weſens zu gedenken, ſie gar keine
Grenzen haben muͤſſe. Man kommt der Unend-
lichkeit der Schoͤpfungskraft GOttes nicht naͤher,
wenn man den Raum ihrer Offenbarung in einer
Sphaͤre mit dem Radius der Milchſtraſſe beſchrie-
ben, einſchlieſſet, als wenn man ihn in eine Kugel
beſchraͤnken will, die einen Zoll im Durchmeſſer
hat. Alles was endlich, was ſeine Schranken
und ein beſtimmtes Verhaͤltniß zur Einheit hat, iſt
von dem unendlichen gleich weit entfernet. Nun
waͤre es ungereimt, die Gottheit mit einem unend-
lich kleinen Theile ihres ſchoͤpferiſchen Vermoͤgens in
Wirkſamkeit zu ſetzen, und ihre unendliche Kraft,
den Schatz einer wahren Unermeßlichkeit, von Na-
turen und Welten unthaͤtig, und in einem ewigen
G 5Man-
[106]Allgemeine Naturgeſchichte
Mangel der Ausuͤbung verſchloſſen, zu gedenken.
Jſt es nicht vielmehr anſtaͤndiger, oder beſſer zu ſa-
gen, iſt es nicht nothwendig, den Jnbegriff der
Schoͤpfung alſo anzuſtellen, als er ſeyn muß, um
ein Zeugniß von derjenigen Macht zu ſeyn, die
durch keinen Maaßſtab kan abgemeſſen werden?
Aus dieſem Grunde iſt das Feld der Offenbarung
goͤttlicher Eigenſchaften eben ſo unendlich, als die-
ſe ſelber ſind (*). Die Ewigkeit iſt nicht hinlaͤng-
lich,
[107]und Theorie des Himmels.
lich, die Zeugniſſe des hoͤchſten Weſens zu faſſen,
wo ſie nicht mit der Unendlichkeit des Raumes ver-
bunden wird. Es iſt wahr, die Ausbildung, die
Form, die Schoͤnheit und Vollkommenheit, ſind
Beziehungen der Grundſtuͤcke und der Subſtan-
zen, die den Stoff des Weltbaues ausmachen; und
man bemerket es an den Anſtalten, die die Weis-
heit GOttes noch zu aller Zeit trifft; es iſt ihr auch
am gemaͤſſeſten, daß ſie ſich, aus dieſer ihren einge-
pflanzten allgemeinen Geſetzen, durch eine ungezwun-
gene Folge herauswickeln. Und daher kan man mit
gutem Grunde ſetzen, daß die Anordnung und Ein-
richtung der Weltgebaͤude, aus dem Vorrathe des
erſchaffenen Naturſtoffes, in einer Folge der Zeit,
nach und nach geſchehe; allein, die Grundmate-
rie ſelber, deren Eigenſchaften und Kraͤfte allen
Veraͤnderungen zum Grunde liegen, iſt eine un-
mittelbare Folge des goͤttlichen Daſeyns: ſelbige
muß alſo auf einmal ſo reich, ſo vollſtaͤndig ſeyn,
daß die Entwickelung ihrer Zuſammenſetzungen in
dem Abfluſſe der Ewigkeit ſich uͤber einen Plan aus-
breiten koͤnne, der alles in ſich ſchlieſſet, was ſeyn
kan, der kein Maaß annimmt, kurz, der unend-
lich iſt.
Wenn
[108]Allgemeine Naturgeſchichte
Wenn nun alſo die Schoͤpfung, der Raͤume
nach, unendlich iſt, oder es wenigſtens, der Mate-
rie nach, wirklich von Anbeginn her ſchon geweſen
iſt, der Form, oder der Ausbildung nach, aber es
bereit iſt, zu werden; ſo wird der Weltraum mit
Welten ohne Zahl und ohne Ende belebet werden.
Wird denn nun jene ſyſtematiſche Verbindung, die
wir vorher bey allen Theilen inſonderheit erwogen
haben, auch aufs Ganze gehen, und das geſamm-
te Univerſum, das All der Natur, in einem eini-
gen Syſtem, durch die Verbindung der Anziehung
und der fliehenden Kraft, zuſammen faſſen? Jch
ſage ja; wenn nur lauter abgeſonderte Weltgebaͤu-
de, die unter einander keine vereinte Beziehung zu
einem Ganzen haͤtten, vorhanden waͤren, ſo koͤnte
man wohl, wenn man dieſe Kette von Gliedern als
wirklich unendlich annaͤhme, gedenken, daß eine ge-
naue Gleichheit der Anziehung ihrer Theile von al-
len Seiten dieſe Syſtemata von dem Verfall, den
ihnen die innere Wechſelanziehung drohet, ſicher
halten koͤnne. Allein hiezu gehoͤret eine ſo genaue
abgemeſſene Beſtimmung in denen, nach der Attra-
ction abgewogenen Entfernungen, daß auch die ge-
ringſte Verruͤckung dem Univerſo den Untergang
zuziehen, und ſie in langen Perioden, die aber doch
endlich zu Ende lauffen muͤſſen, dem Umſturze uͤber-
liefern wuͤrde. Eine Weltverfaſſung, die ſich oh-
ne ein Wunder nicht erhielt, hat nicht den Cha-
racter der Beſtaͤndigkeit, die das Merkmal der
Wahl GOttes iſt; man trifft es alſo dieſer weit
anſtaͤndiger, wenn man der geſammten Schoͤpfung
ein
[109]und Theorie des Himmels.
ein einziges Sſtſtem machet, welches alle Welten
und Weltordnungen, die den ganzen unendlichen
Raum ausfuͤllen, auf einen einigen Mittelpunkt
beziehend macht. Ein zerſtreuetes Gewimmel von
Weltgebaͤuden, ſie moͤchten auch durch noch ſo wei-
te Entfernungen von einander getrennet ſeyn, wuͤr-
de mit einem unverhinderten Hang zum Verderben
und zur Zerſtoͤrung eilen, wenn nicht eine gewiſſe
beziehende Einrichtung gegen einen allgemeinen
Mittelpunkt, das Centrum der Attraction des
Univerſi, und den Unterſtuͤtzungspunkt der geſamm-
ten Natur durch ſyſtematiſche Bewegungen getrof-
fen waͤre.
Um dieſen allgemeinen Mittelpunkt der Sen-
kung der ganzen Natur, ſowohl der gebildeten, als
der rohen, in welchem ſich ohne Zweifel der Klum-
pen von der ausnehmendſten Attraction befindet,
der in ſeine Anziehungsſphaͤre alle Welten und Ord-
nungen, die die Zeit hervorgebracht hat, und die
Ewigkeit hervorbringen wird, begreiffet, kan man
mit Wahrſcheinlichkeit annehmen, daß die Natur
den Anfang ihrer Bildung gemacht, und daſelbſt
auch die Syſtemen am dichteſten gehaͤufet ſeyn; wei-
ter von demſelben aber in der Unendlichkeit des
Raumes ſich, mit immer groͤſſeren Graden der Zer-
ſtreuung verlieren. Man koͤnnte dieſe Regel aus der
Analogie unſeres Sonnenbaues abnehmen, und
dieſe Verfaſſung kan ohnedem dazu dienen, daß in
groſſen Entfernungen nicht allein der allgemeine
Centralkoͤrper, ſondern auch alle um ihn zunaͤchſt
lau-
[110]Allgemeine Naturgeſchichte
laufende Syſtemata ihre Anziehung zuſammen ver-
einigen, und ſie gleichſam aus einem Klumpen ge-
gen die Syſtemata des noch weiteren Abſtandes
ausuͤben. Dieſes wird alsdenn mit dazu behuͤlflich
ſeyn, die ganze Natur in der ganzen Unendlichkeit
ihrer Erſtreckung, in einem einzigen Syſtema, zu be-
greifen.
Um nun der Errichtung dieſes allgemeinen Sy-
ſtems der Natur, aus den mechaniſchen Geſetzen der
zur Bildung ſtrebenden Materie, nachzuſpuͤren; ſo
muß in dem unendlichen Raume des ausgebreiteten
elementariſchen Grundſtoffes, an irgend einem Orte,
dieſer Grundſtoff die dichteſte Haͤufung gehabt ha-
ben, um durch die daſelbſt geſchehende vorzuͤgliche
Bildung, dem geſammten Univerſo eine Maſſe
verſchaffet zu haben, die ihm zum Unterſtuͤtzungs-
punkt dienete. Es iſt zwar an dem, daß in einem
unendlichen Raume kein Punkt eigentlich das Vor-
recht haben kan, der Mittelpunkt zu heiſſen; aber,
vermittelſt einer gewiſſen Verhaͤltniß, die ſich auf
die weſentliche Grade der Dichtigkeit des Urſtoffes
gruͤndet, nach welcher dieſe zugleich mit ihrer
Schoͤpfung an einem gewiſſen Orte vorzuͤglich dich-
ter gehaͤuffet, und mit den Weiten von demſelben
in der Zerſtreuung zunimmt, kan ein ſolcher Punkt
das Vorrecht haben, der Mittelpunkt zu heiſſen,
und er wird es auch wirklich, durch die Bildung
der Centralmaſſe, von der kraͤftigſten Anziehung in
demſelben, zu dem ſich alle uͤbrige, in Particular-
bildungen begriffene elementariſche Materie ſen-
ket,
[111]und Theorie des Himmels.
ket, und dadurch, ſo weit ſich auch die Auswi-
ckelung der Natur erſtrecken mag, in der unendli-
chen Sphaͤre der Schoͤpfung, aus dem ganzen All,
nur ein einziges Syſtem macht.
Das iſt aber was wichtiges, und welches, wo-
ferne es Beyfall erlanget, der groͤſſeſten Aufmerk-
ſamkeit wuͤrdig iſt, daß der Ordnung der Natur, in
dieſem unſerm Syſtem zu Folge, die Schoͤpfung,
oder vielmehr die Ausbildung der Natur, bey die-
ſem Mittelpunkte zuerſt anfaͤngt, und mit ſtetiger
Fortſchreitung nach und nach in alle fernere Wei-
ten ausgebreitet wird, um den unendlichen Raum
in dem Fortgange der Ewigkeit mit Welten und
Ordnungen zu erfuͤllen. Laſſet uns dieſer Vorſtel-
lung einen Augenblick mit ſtillem Vergnuͤgen nach-
haͤngen. Jch finde nichts, das den Geiſt des
Menſchen zu einem edleren Erſtaunen erheben kan,
indem es ihm eine Ausſicht in das unendliche Feld
der Allmacht eroͤfnet, als diefen Theil der Theorie,
der die ſuceeßive Vollendung der Schoͤpfung be-
trifft. Wenn man mir zugiebt, daß die Materie,
die der Stoff zu Bildung aller Welten iſt, in dem
ganzen unendlichen Raume der goͤttlichen Gegen-
wart nicht gleichfoͤrmig, ſondern nach einem gewiſ-
ſen Geſetze ausgebreitet geweſen, das ſich vielleicht
auf die Dichtigkeit der Partikeln bezog, und nach
welchem von einem gewiſſen Punkte, als dem Orte
der dichteſten Haͤufung, mit den Weiten von die-
ſem Mittelpunkte die Zerſtreuung des Urſtoffes zu-
nahm;
[112]Allgemeine Naturgeſchichte
nahm; ſo wird, in der urſpruͤnglichen Re-
gung der Natur, die Bildung zunaͤchſt
dieſem Centro angefangen, und denn, in fort-
ſchreitender Zeitfolge, der weitere Raum, nach und
nach Welten und Weltordnungen, mit einer gegen
dieſen ſich beziehenden ſyſtematiſchen Verfaſſung,
gebildet haben. Ein jeder endlicher Periodus, deſ-
ſen Laͤnge zu der Groͤſſe des zu vollbringenden Werks
ein Verhaͤltniß hat, wird immer nur eine endliche
Sphaͤre, von dieſem Mittelpunkte an, zur Ausbil-
dung bringen; der uͤbrige unendliche Theil wird in-
deſſen noch mit der Verwirrung und dem Chaos
ſtreiten, und um ſo viel weiter von dem Zuſtande
der vollendeten Bildung entfernet ſeyn, je weiter
deſſen Abſtand, von der Sphaͤre der ſchon ausgebil-
deten Natur, entfernet iſt. Dieſem zu Folge, ob
wir gleich von dem Orte unſeres Aufenthalts in dem
Univerſo eine Aufſicht in eine, wie es ſcheinet, voͤl-
lig vollendete Welt, und, ſo zu reden, in ein un-
endliches Heer von Weltordnungen, die ſyſtema-
tiſch verbunden ſind, haben; ſo befinden wir uns
doch eigentlich nur in einer Naheit zum Mittel-
punkte der ganzen Natur, wo dieſe ſich ſchon aus
dem Chaos ausgewickelt, und ihre gehoͤrige Voll-
kommenheit erlanget hat. Wenn wir eine gewiſſe
Sphaͤre uͤberſchreiten koͤnten; wuͤrden wir daſelbſt
das Chaos und die Zerſtreuung der Elemente erbli-
cken, die nach dem Maaſſe, als ſie ſich dieſem Mit-
telpunkte naͤher befinden, den rohen Zuſtand zum
Theil verlaſſen, und der Vollkommenheit der Aus-
uͤbung naͤher ſind, mit den Graden der Entfernung
aber
[113]und Theorie des Himmels.
aber ſich nach und nach in einer voͤlligen Zerſtreuung
verlieren. Wer wuͤrde ſehen, wie der unendliche
Raum der goͤttlichen Gegenwart, darinn der Vor-
rath zu allen moͤglichen Naturbildungen anzutref-
fen iſt, in einer ſtillen Nacht begraben, voll von
Materie, den kuͤnftig zu erzeugenden Welten zum
Stoffe zu dienen, und von Triebfedern ſie in Be-
wegung zu bringen, die, mit einer ſchwachen Re-
gung, diejenige Bewegungen anfangen, womit die
Unermeßlichkeit dieſer oͤden Raͤume dereinſt noch ſoll
belebet werden. Es iſt vielleicht eine Reihe von
Millionen Jahren und Jahrhunderten verfloſſen,
ehe die Sphaͤre der gebildeten Natur, darinn wir
uns befinden, zu der Vollkommenheit gediehen iſt,
die ihr jetzt beywohnet; und es wird vielleicht ein
eben ſo langer Periodus vergehen, bis die Natur
einen eben ſo weiten Schritt in dem Chaos thut:
allein die Sphaͤre der ausgebildeten Natur iſt un-
aufhoͤrlich beſchaͤftiget, ſich auszubreiten. Die
Schoͤpfung iſt nicht das Werk von einem Augen-
blicke. Nachdem ſie mit der Hervorbringung ei-
ner Unendlichkeit von Subſtanzen und Materie den
Anfang gemachet hat; ſo iſt ſie mit immer zuneh-
menden Graden der Fruchtbarkeit, die ganze Folge
der Ewigkeit hindurch, wirkſam. Es werden
Millionen, und ganze Gebuͤrge von Millionen
Jahrhunderten verflieſſen, binnen welchen immer
neue Welten und Weltordnungen nach einander in
denen entfernten Weiten von dem Mittelpunkte der
Natur, ſich bilden, und zur Vollkommenheit gelan-
gen werden; ſie werden, ohnerachtet der ſyſtema-
Hti-
[114]Allgemeine Naturgeſchichte
tiſchen Verfaſſung, die unter ihren Theilen iſt, ei-
ne allgemeine Beziehung auf den Mittelpunkt er-
langen, welcher der erſte Bildungspunkt, und das
Centrum der Schoͤpfung durch das Anziehungs-
vermoͤgen, ſeiner vorzuͤglichen Maſſe worden iſt.
Die Unendlichkeit der kuͤnftigen Zeitfolge, womit
die Ewigkeit unerſchoͤpflich iſt, wird alle Raͤume
der Gegenwart GOttes ganz und gar beleben, und
in die Regelmaͤßigkeit, die der Treflichkeit ſeines
Entwurfes gemaͤß iſt, nach und nach verſetzen, und
wenn man mit einer kuͤhnen Vorſtellung die ganze
Ewigkeit, ſo zu ſagen, in einem Begriffe zuſam-
men faſſen koͤnte; ſo wuͤrde man auch den ganzen
unendlichen Raum mit Weltordnungen angefuͤllet,
und die Schoͤpfung vollendet anſehen koͤnnen.
Weil aber in der That von der Zeitfolge der Ewig-
keit der ruͤckſtaͤndige Theil allemal unendlich, und
der abgefloſſene endlich iſt; ſo iſt die Sphaͤre der
ausgebildeten Natur allemal nur ein unendlich klei-
ner Theil desjenigen Jnbegriffs, der den Saamen
zukuͤnftiger Welten in ſich hat, und ſich aus dem
rohen Zuſtande des Chaos, in laͤngern oder kuͤr-
zern Perioden, auszuwickeln trachtet. Die
Schoͤpfung iſt niemals vollendet. Sie hat zwar
einmal angefangen, aber ſie wird niemals aufhoͤ-
ren. Sie iſt immer geſchaͤftig, mehr Auftritte
der Natur, neue Dinge und neue Welten hervor
zu bringen. Das Werk, welches ſie zu Stande
bringet, hat ein Verhaͤltniß zu der Zeit, die ſie
darauf anwendet. Sie braucht nichts weniger,
als eine Ewigkeit, um die ganze grenzenloſe Weite
der
[115]und Theorie des Himmels.
der unendlichen Raͤume, mit Welten ohne Zahl und
ohne Ende, zu beleben. Man kan von ihr dasjeni-
ge ſagen, was der erhabenſte unter den deutſchen
Dichtern von der Ewigkeit ſchreibet:
Unendlichkeit! wer miſſet dich?
Vor dir ſind Welten Tag, und Menſchen
Augenblicke;
Vielleicht die tauſendſte der Sonnen welzt
jetzt ſich,
Und tauſend bleiben noch zuruͤcke.
Wie eine Uhr, beſeelt durch ein Gewicht,
Eilt eine Sonn, aus GOttes Kraft bewegt:
Jhr Trieb laͤuft ab, und eine andre ſchlaͤgt,
Du aber bleibſt, und zaͤhlſt ſie nicht.
(v. Haller.)
Es iſt ein nicht geringes Vergnuͤgen, mit ſei-
ner Einbildungskraft uͤber die Grenze der vollendeten
Schoͤpfung, in den Raum des Chaos, auszu-
ſchweifen, und die halb rohe Natur, in der Naheit
zur Sphaͤre der ausgebildeten Welt, ſich nach und
nach durch alle Stuffen und Schattirungen der Un-
vollkommenheit, in dem ganzen ungebildeten Rau-
me, verlieren zu ſehen. Aber iſt es nicht eine ta-
delnswuͤrdige Kuͤhnheit, wird man ſagen, eine
Hypotheſe aufzuwerfen, und ſie, als einen Vor-
wurf der Ergoͤtzung des Verſtandes, anzupreiſen,
welche vielleicht nur gar zu willkuͤhrlich iſt, wenn
man behauptet, daß die Natur, nur einem unend-
lich kleinen Theile nach, ausgebildet ſey, und un-
endliche Raͤume noch mit dem Chaos ſtreiten, um
H 2in
[116]Allgemeine Naturgeſchichte
in der Folge kuͤnftiger Zeiten ganze Heere von Wel-
ten und Weltordnungen, in aller gehoͤrigen Ord-
nung und Schoͤnheit, darzuſtellen? Jch bin den
Folgen, die meine Theorie darbietet, nicht ſo ſehr
ergeben, daß ich nicht erkennen ſolte, wie die Muth-
maſſung, von der ſuceeßiven Ausbreitung der
Schoͤpfung, durch die unendliche Raͤume, die den
Stoff dazu in ſich faſſen, den Einwurf der Uner-
weislichkeit nicht voͤllig ablehnen koͤnne. Jndeſſen
verſpreche ich mir doch von denenjenigen, welche
die Grade der Wahrſcheinlichkeit zu ſchaͤtzen, im
Stande ſind, daß eine ſolche Charte der Unendlich-
keit, ob ſie gleich einen Vorwurf begreiffet, der
beſtimmt zu ſeyn ſcheinet, dem menſchlichen Ver-
ſtande auf ewig verborgen zu ſeyn, nicht um des-
willen ſofort als ein Hirngeſpinſte werde angeſehen
werden, vornemlich, wenn man die Analogie zu
Huͤlfe nimmt, welche uns allemal, in ſolchen Faͤl-
len, leiten muß, wo dem Verſtande der Faden der
untruͤglichen Beweiſe mangelt.
Man kan aber auch die Analogie noch durch an-
nehmungswuͤrdige Gruͤnde unterſtuͤtzen, und die
Einſicht des Leſers, wofern ich mich ſolches Bey-
falls ſchmeicheln darf, wird ſie vielleicht mit noch
wichtigern vermehren koͤnnen. Denn wenn man
erweget, daß die Schoͤpfung den Character der
Beſtaͤndigkeit nicht mit ſich fuͤhret, wofern ſie der
allgemeinen Beſtrebung der Anziehung, die durch
alle ihre Theile wirket, nicht eine eben ſo durchgaͤn-
gige Beſtimmung entgegen ſetzet, die dem Hange
der
[117]und Theorie des Himmels.
der erſten zum Verderben und zur Unordnung gnug-
ſam widerſtehen kan, wenn ſie nicht Schwungs-
kraͤfte ausgetheilet hat, die in der Verbindung, mit
der Centralneigung, eine allgemeine ſyſtematiſche
Verfaſſung feſtſetzen; ſo wird man genoͤthiget, ei-
nen allgemeinen Mittelpunkt des ganzen Welt-Alls
anzunehmen, die alle Theile deſſelben in verbunde-
ner Beziehung zuſammen haͤlt, und aus dem gan-
zen Jnbegriff der Natur nur ein Syſtem machet.
Wenn man hiezu den Begriff, von der Bildung
der Weltkoͤrper, aus der zerſtreueten elementariſchen
Materie fuͤget, wie wir ihn in den vorhergehenden
entworfen haben, jedoch ihn allhier nicht auf ein
abſonderliches Syſtem einſchraͤnkt, ſondern uͤber
die ganze Natur ausdehnet; ſo wird man genoͤthi-
get, eine ſolche Austheilung des Grundſtoffes, in
dem Raume des urſpruͤnglichen Chaos, zu geden-
ken, die natuͤrlicher Weiſe einen Mittelpunkt der
ganzen Schoͤpfung mit ſich bringet, damit in die-
ſen die wirkſame Maſſe, die in ihrer Sphaͤre die
geſammte Natur begreift, zuſammengebracht, und
die durchgaͤngige Beziehung bewirket werden koͤnne,
wodurch alle Welten nur ein einziges Gebaͤude aus-
machen. Es kan aber in dem unendlichen Raume,
kaum eine Art der Austheilung des urſpruͤnglichen
Grundſtoffes, gedacht werden, die einen wahren
Mittel- und Senkungspunkt der geſammten Natur
ſetzen ſolte, als wenn ſie nach einem Geſetze der zu-
nehmenden Zerſtreuung, von dieſem Punkte an, in
alle ferne Weiten eingerichtet iſt. Dieſes Geſetze
aber ſetzet zugleich einen Unterſcheid in der Zeit, die
H 3ein
[118]Allgemeine Naturgeſchichte
ein Syſtem in den verſchiedenen Gegenden des un-
endlichen Raumes gebrauchet, zur Reiſe ſeiner
Ausbildung zu kommen, ſo, daß dieſe Periode de-
ſto kuͤrzer iſt, je naͤher der Bildungsplatz eines
Weltbaues ſich dem Centro der Schoͤpfung befin-
det, weil daſelbſt die Elemente des Stoffes dichter
gehaͤufet ſind, und dagegen um deſto laͤnger Zeit
erfordert, je weiter der Abſtand iſt, weil die Par-
tikeln daſelbſt zerſtreueter ſind, und ſpaͤter zur Bil-
dung zuſammen kommen.
Wenn man die ganze Hypotheſe, die ich ent-
werfe, in dem ganzen Umfange ſowohl deſſen, was
ich geſagt habe, als was ich noch eigentlich darle-
gen werde, erweget; ſo wird man die Kuͤhnheit
ihrer Forderungen wenigſtens nicht vor unfaͤhig
halten, eine Entſchuldigung anzunehmen. Man
kan den unvermeidlichen Hang, den ein jegliches
zur Vollkommenheit gebrachtes Weltgebaͤude nach
und nach zu ſeinem Untergange hat, unter die
Gruͤnde rechnen, die es bewaͤhren koͤnnen, daß das
Univerſum dagegen in andern Gegenden an Wel-
ten fruchtbar ſeyn werde, um den Mangel zu erſe-
tzen, den es an einem Orte erlitten hat. Das gan-
ze Stuͤck der Natur, das wir kennen, ob es gleich
nur ein Atomus in Anſehung deſſen iſt, was uͤber
oder unter unſerem Geſichtskreiſe verborgen bleibt,
beſtaͤtiget doch dieſe Fruchtbarkeit der Natur,
die ohne Schranken iſt, weil ſie nicht anders, als
die Ausuͤbung der goͤttlichen Allmacht, ſelber iſt.
Unzaͤhlige Thiere und Pflanzen werden taͤglich zer-
ſtoͤ-
[119]und Theorie des Himmels.
ſtoͤret, und ſind ein Opfer der Vergaͤnglichkeit;
aber nicht weniger bringet die Natur, durch ein un-
erſchoͤpftes Zeugungsvermoͤgen, an andern Orten
wiederum hervor, und fuͤllet das leere aus. Be-
traͤchtliche Stuͤcke des Erdbodens, den wir bewoh-
nen, werden wiederum in dem Meere begraben,
aus dem ſie ein guͤnſtiger Periodus hervorgezogen
hatte; aber an anderen Orten ergaͤnzet die Natur
den Mangel, und bringet andere Gegenden her-
vor, die in der Tiefe des Weſens verborgen waren,
um neue Reichthuͤmer ihrer Fruchtbarkeit uͤber die-
ſelbe auszubreiten. Auf die gleiche Art vergehen
Welten und Weltordnungen, und werden von dem
Abgrunde der Ewigkeiten verſchlungen; dagegen
iſt die Schoͤpfung immerfort geſchaͤftig, in andern
Himmelsgegenden neue Bildungen zu verrichten,
und den Abgang mit Vortheile zu ergaͤnzen.
Man darf nicht erſtaunen, ſelbſt in dem Groſ-
ſen der Werke GOttes, eine Vergaͤnglichkeit zu ver-
ſtatten. Alles, was endlich iſt, was einen An-
fang und Urſprung hat, hat das Merkmaal ſeiner
eingeſchraͤnkten Natur in ſich; es muß vergehen,
und ein Ende haben. Die Dauer eines Welt-
baues hat, durch die Vortreflichkeit ihrer Errich-
tung, eine Beſtaͤndigkeit in ſich, die, nnſern Be-
griffen nach, einer unendlichen Dauer nahe kommt.
Vielleicht werden tauſend, vielleicht Millionen
Jahrhunderte ſie nicht vernichten; allein, weil die
Eitelkeit, die an denen endlichen Naturen haftet,
beſtaͤndig an ihrer Zerſtoͤrung arbeitet; ſo wird die
H 4Ewig-
[120]Allgemeine Naturgeſchichte
Ewigkeit alle moͤgliche Perioden in ſich halten, um
durch einen allmaͤhlichen Verfall den Zeitpunkt ih-
res Unterganges doch endlich herbey zu fuͤhren.
Newton, dieſer groſſe Bewunderer der Eigenſchaf-
ten GOttes, aus der Vollkommenheit ſeiner Werke,
der mit der tiefſten Einſicht, in die Treflichkeit der
Natur, die groͤſte Ehrfurcht gegen die Offenbarung
der goͤttlichen Allmacht verband, ſahe ſich genoͤ-
thiget, der Natur ihren Verfall durch den natuͤrli-
chen Hang, den die Mechanik der Bewegungen da-
zu hat, vorher zu verkuͤndigen. Wenn eine ſyſte-
matiſche Verfaſſung, durch die weſentliche Folge
der Hinfaͤlligkeit, in groſſen Zeitlaͤuften auch den
allerkleinſten Theil, den man ſich nur gedenken mag,
dem Zuſtande ihrer Verwirrung naͤhert; ſo muß
in dem unendlichen Ablaufe der Ewigkeit doch ein
Zeitpunkt ſeyn, da dieſe allmaͤhliche Verminderung
alle Bewegung erſchoͤpfet hat.
Wir duͤrfen aber den Untergang eines Weltge-
baͤudes nicht als einen wahren Verluſt der Natur
bedauren. Sie beweiſet ihren Reichthum in einer
Art von Verſchwendung, welche, indem einige
Theile der Vergaͤnglichkeit den Tribut bezahlen,
ſich durch unzehlige neue Zeugungen in dem ganzen
Umfange ihrer Vollkommenheit unbeſchadet erhaͤlt.
Welch eine unzehlige Menge Blumen und Jnſecten
zerſtoͤret ein einziger kalter Tag; aber wie wenig ver-
miſſet man ſie, ohnerachtet es herrliche Kunſtwerke
der Natur und Beweisthuͤmer der goͤttlichen All-
macht ſeyn; an einem andern Orte wird dieſer
Abgang mit Ueberfluß wiederum erſetzet. Der
Menſch,
[121]und Theorie des Himmels.
Menſch, der das Meiſterſtuͤck der Schoͤpfung zu
ſeyn ſcheinet, iſt ſelbſt von dieſem Geſetze nicht aus-
genommen. Die Natur beweiſet, daß ſie eben ſo
reich, eben ſo unerſchoͤpfet, in Hervorbringung des
treflichſten unter den Creaturen, als des gering-
ſchaͤtzigſten, iſt, und daß ſelbſt deren Untergang ei-
ne nothwendige Schattirung in der Mannigfaltig-
keit ihrer Sonnen iſt, weil die Erzeugung derſel-
ben ihr nichts koſtet. Die ſchaͤdlichen Wirkungen
der angeſteckten Luft, die Erdbeben, die Ueber-
ſchwemmungen, vertilgen ganze Voͤlker von dem
Erdboden; allein es ſcheinet nicht, daß die Na-
tur dadurch einigen Nachtheil erlitten habe. Auf
gleiche Weiſe verlaſſen ganze Welten und Syſtemen
den Schauplatz, nachdem ſie ihre Rolle ausgeſpie-
let haben. Die Unendlichkeit der Schoͤpfung iſt
groß genug, um eine Welt, oder eine Milchſtraſſe
von Welten, gegen ſie anzuſehen, wie man eine
Blume, oder ein Jnſect, in Vergleichung gegen
die Erde, anſiehet. Jndeſſen, daß die Natur mit
veraͤnderlichen Auftritten die Ewigkeit auszieret,
bleibt GOtt in einer unaufhoͤrlichen Schoͤpfung ge-
ſchaͤftig, den Zeug zur Bildung noch groͤſſerer Wel-
ten zu formen.
Der ſtets mit einem gleichen Auge, weil er,
der Schoͤpfer, ja von allen,Sieht einen Helden untergehn, und einen
kleinen Sperling fallen,Sieht eine Waſſerblaſe ſpringen, und eine
ganze Welt vergehn.
(Pope,
nach Brockes Ueberſetzung.)
H 5Laßt
[122]Allgemeine Naturgeſchichte
Laſt uns alſo unſer Auge, an dieſe erſchreckli-
che Umſtuͤrzungen als an die gewoͤhnlichen Wege
der Vorſehung, gewoͤhnen, und ſie ſogar mit ei-
ner Art von Wohlgefallen anſehen. Und in der
That iſt dem Reichthume der Natur nichts an-
ſtaͤndiger als dieſes. Denn wenn ein Weltſyſtem
in der langen Folge ſeiner Dauer alle Mannigfal-
tigkeit erſchoͤpfet, die ſeine Einrichtung faſſen kan,
wenn es nun ein uͤberfluͤßiges Glied in der Kette
der Weſen geworden; ſo iſt nichts geziemender,
als daß es in dem Schauſpiele der ablaufenden Ver-
aͤnderungen des Univerſi die letzte Rolle ſpielet, die
jedem endlichen Dinge gebuͤhret, nemlich der Ver-
gaͤnglichkeit ihr Gebuͤhr abtrage Die Natur zeiget,
wie gedacht, ſchon in dem kleinen Theile ihres Jn-
begriffes, dieſe Regel ihres Verfahrens, die das
ewige Schickſal ihr im ganzen vorgeſchrieben hat,
und ich ſage es nochmals, die Groͤſſe desjenigen
was untergehen ſoll, iſt hierin nicht im geringſten
hinderiich, denn alles was groß iſt, wird klein, ja
es wird gleichſam nur ein Punkt, wenn man es
mit dem Unendlichen vergleicht, welches die Schoͤ-
pfung in dem unbeſchraͤnkten Raume, die Folge der
Ewigkeit hindurch, darſtellen wird.
Es ſcheinet, daß dieſes denen Welten, ſo wie
allen Naturdingen verhaͤngte Ende, einen gewiſſen
Geſetze unterworfen ſey, deſſen Erwegung der
Theorie einen neuen Zug der Anſtaͤndigkeit giebet.
Nachdemſelben hebt es bey denen Weltkoͤrpern an,
die ſich dem Mittelpunkte des Welt-Alls am naͤch-
ſten
[123]und Theorie des Himmels.
ſten befinden, ſo wie die Erzeugung und Bildung
neben dieſem Centro zuerſt angefangen: von da
breitet ſich das Verderben und die Zerſtoͤrung nach
und nach in die weiteren Entfernungen aus, um al-
le Welt, welche ihre Periode zuruͤck geleget hat,
durch einen allmaͤhlichen Verfall der Bewegungen,
zuletzt in einem einzigen Choas zu begraben. An-
dererſeits iſt die Natur auf der entgegengeſetzten Gren-
ze der ausgebildeten Welt, unablaͤßig beſchaͤftiget,
aus dem rohen Zeuge der zerſtreueten Elemente
Welten zu bilden, und, indem ſie an der einen Sei-
te neben dem Mittelpunkte veraltet, ſo iſt ſie auf
der andern jung und an neuen Zeugungen frucht-
bar. Die ausgebildete Welt befindet ſich dieſem-
nach zwiſchen den Ruinen der zerſtoͤrten, und zwi-
ſchen dem Choas der ungebildeten Natur mitten
inne beſchraͤncket, und wenn man wie es wahr-
ſcheinlich iſt, ſich vorſtellet, daß eine ſchon zur
Vollkommenheit gediehene Welt, eine laͤngere Zeit
dauren koͤnne, als ſie bedurft hat, gebildet zu wer-
den; ſo wird ungeachtet aller der Verheerungen,
die die Vergaͤnglichkeit unaufhoͤrlich anrichtet,
der Umfang des Univerſi dennoch uͤberhaupt zu-
nehmen.
Will man aber noch zuletzt einer Jdee Platz
laſſen, die eben ſo wahrſcheinlich, als der Verfaſ-
ſung der goͤttlichen Werke, wohlanſtaͤndig iſt; ſo
wird die Zufriedenheit welche eine ſolche Abſchilde-
rung der Veraͤnderungen der Natur erreget, bis
zum hoͤchſten Grade des Wohlgefallens erhoben.
Kan
[124]Allgemeine Naturgeſchichte
Kan man nicht glauben, die Natur, welche ver-
moͤgend war ſich aus dem Choas in eine regelmaͤßi-
ge Ordnung und in ein geſchicktes Syſtem zu ſetzen,
ſey ebenfalls im Stande, aus dem neuen Choas,
darinn ſie die Verminderung ihrer Bewegungen
verſenket hat, ſich wiederum eben ſo leicht herzu-
ſtellen, und die erſte Verbindung zu erneuren?
Koͤnnen die Federn, welche den Stoff der zerſtreu-
ten Materie in Bewegung und Ordnung brach-
ten, nachdem ſie der Stillſtand der Maſchine zur
Ruhe gebracht hat, durch erweiterte Kraͤfte nicht
wiederum in Wirkſamkeit geſetzt werden, und ſich
nach eben denſelben allgemeinen Regeln zur Ueber-
einſtimmung einſchraͤnken, wodurch die urſpruͤng-
liche Bildung zuwege gebracht worden iſt? Man
wird nicht lange Bedenken tragen, dieſes zuzuge-
ben, wenn man erweget, daß, nachdem die endli-
che Mattigkeit der Umlaufs-Bewegungen in dem
Weltgebaͤude die Planeten und Cometen insgeſamt
auf die Sonne niedergeſtuͤrtzt hat, dieſer | ihre
Glut einen unermeßlichen Zuwachs durch die Ver-
miſchung ſo vieler und groſſer Klumpen bekommen
muß, vornemlich da die entfernete Kugeln des
Sonnenſyſtems, unſerer vorher erwieſenen Theorie
zufolge, den leichteſten und im Feuer wirkſamſten
Stoff der ganzen Natur, in ſich enthalten. Die-
ſes durch neue Nahrung und die fluͤchtigſte Mate-
rie in die groͤſte Heftigkeit verſetzte Feuer, wird oh-
ne Zweifel nicht allein alles wiederum in die klein-
ſten Elemente aufloͤſen, ſondern auch dieſelbe in
dieſer Art, mit einer der Hitze gemaͤſſen Ausdeh-
nungs-
[125]und Theorie des Himmels.
nungskraft, und mit einer Schnelligkeit, welche
durch keinen Widerſtand des Mittelraums geſchwaͤ-
chet wird, |in dieſelben weiten Raͤume wiederum
ausbreiten und zerſtreuen, welche ſie vor der erſten
Bildung der Natur eingenommen hatten, um,
nachdem die Heſtigkeit des Ceutralfeuers durch ei-
ne beynahe gaͤnzliche Zerſtreuung ihrer Maſſe ge-
daͤmpfet werden, durch Verbindung der Attra-
ctions- und Zuruͤckſtoſſungskraͤfte, die alten Zeugun-
gen und ſyſtematiſch beziehende Bewegungen, mit
nicht minderer Regelmaͤßigkeit zu wiederholen und
ein neues Weltgebaͤude darzuſtellen. Wenn denn
ein beſonderes Planetenſyſtem auf dieſe Weiſe in
Verfall gerathen und durch weſentliche Kraͤfte ſich
daraus wiederum hergeſtellet hat, wenn es wohl
gar dieſes Spiel mehr wie einmal wiederholet; ſo
wird endlich die Periode herannahen, die auf gleiche
Weiſe das groſſe Syſtem, darinn die Fixſterne
Glieder ſeyn, durch den Verfall ihrer Bewegungen,
in einem Choas verſamlen wird. Man wird hier
noch weniger zweifeln, daß die Vereinigung einer ſo
unendlichen Menge Feuerſchaͤtze, als dieſe brennen-
den Sonnen ſind, zuſammt dem Gefolge ihrer Pla-
neten den Stoff ihrer Maſſen durch die unnenbare
Glut aufgeloͤſet, in den alten Raum ihrer Bil-
dungsſphaͤre zerſtreuen und daſelbſt die Materialien
zu neuen Bildungen durch dieſelbe mechaniſche Ge-
ſetze hergeben werden, woraus wiederum der oͤde
Raum mit Welten und Syſtemen kan belebet wer-
den. Wenn wir denn dieſen Phoͤnix der Natur,
der ſich nur darum verbrennet, um aus ſeiner Aſche
wie-
[126]Allgemeine Naturgeſchichte
wiederum verjuͤngt aufzuleben, durch alle Unend-
lichkeit der Zeiten und Raͤume hindurch folgen:
wenn man ſiehet, wie ſie ſogar in der Gegend da ſie
verfaͤlt und veraltet an neuen Auftritten unerſchoͤpft
und auf der anderen Grenze der Schoͤpfung in dem
Raum der ungebildeten rohen Materie mit ſteti-
gen Schritten zur Ausdehnung des Plans der goͤtt-
lichen Offenbarung fortſchreitet, um die Ewigkeit
ſowohl, als alle Raͤume mit ihren Wundern zu fuͤl-
len; ſo verſenket ſich der Geiſt, der alles dieſes uͤber-
dencket, in ein tiefes Erſtaunen: aber annoch mit die-
ſem ſo groſſen Gegenſtande unzufrieden, deſſen
Vergaͤnglichkeit die Seele nicht gnugſam zufrieden
ſtellen kan, wuͤnſchet er dasjenige Weſen von na-
hem kennen zu lernen, deſſen Verſtand, deſſen
Groͤſſe die Quelle desjenigen Lichtes iſt, das ſich uͤber
die geſammte Natur, gleichſam als aus einem Mit-
telpunkte, ausbreitet. Mit welcher Art der Ehr-
furcht muß nicht die Seele ſo gar ihr eigen Weſen
anſehen, wenn ſie betrachtet, daß ſie noch alle die-
ſe Veraͤnderungen uͤberleben ſoll, ſie kan zu ſich ſel-
ber ſagen, was der philoſophiſche Dichter von der
Ewigkeit ſaget:
Wenn denn ein zweytes Nichts, wird dieſe
Welt begraben;
Wenn von dem Alles ſelbſt, nichts bleibet
als die Stelle;
Wenn mancher Himmel noch, von andern
Sternen helle,
Wird ſeinen Lauf vollend haben;
Wirſt
[127]und Theorie des Himmels.
Wirſt du ſo jung als jetzt, von deinem Tod
gleich weit,
Gleich ewig kunftig ſeyn, wie heut.
(v. Haller.)
O gluͤcklich wenn ſie unter dem Tumult der
Elemente und den Traͤumen der Natur jederzeit
auf eine Hoͤhe geſetzet iſt, von da ſie die Verhee-
rungen, die die Hinfaͤlligkeit den Dingen der Welt
verurſacht, gleichſam unter ihren Fuͤſſen kan vorbey
rauſchen ſehen. Eine Gluͤckſeligkeit, welche die Ver-
nunft nicht einmal zu erwuͤnſchen ſich erkuͤhnen darf,
lehret uns die Offenbarung mit Ueberzeugung hoffen.
Wenn denn die Feſſeln, welche uns an die Eitelkeit der
Creaturen geknuͤpft halten, in dem Augenblicke, wel-
cher zu der Verwandelung unſers Weſens beſtimmt
worden, abgefallen ſeyn, ſo wird der unſterbli-
che Geiſt von der Abhaͤngigkeit der endlichen Dinge
befreyet, in der Gemeinſchaft mit dem unendlichen
Weſen, den Genuß der wahren Gluͤckſeligkeit fin-
den. Die ganze Natur, welche eine allgemeine
harmoniſche Beziehung zu dem Wohlgefallen der
Gottheit hat, kan diejenige vernuͤnftige Creatur
nicht anders als mit immerwaͤhrender Zufrieden-
heit erfuͤllen, die ſich mit dieſer Urquelle aller Voll-
kommenheit vereint befindet. Die Natur von die-
ſem Mittelpunkte aus geſehen, wird von allen Sei-
ten lauter Sicherheit, lauter Wohlanſtaͤndigkeit
zeigen. Die veraͤnderlichen Scenen der Natur ver-
moͤgen nicht, den Ruheſtand der Gluͤckſeligkeit ei-
nes Geiſtes zu verruͤcken, der einmal zu ſolcher
Hoͤhe
[128]Allgemeine Naturgeſchichte
Hoͤhe erhoben iſt. Jndem er dieſen Zuſtand, mit einer
ſuͤſſen Hofnung, ſchon zum voraus koſtet; kan er
ſeinen Mund in denjenigen Lobgeſaͤngen uͤben, da-
davon dereinſt alle Ewigkeiten erſchallen ſollen.
Wenn dereinſt der Bau der Welt, in ſein
Nichts zuruͤck geeiletUnd ſich deiner Haͤnde Werk nicht durch Tag
und Nacht mehr theilet;Denn ſoll mein geruͤhrt Gemuͤthe, ſich durch
dich geſtaͤrkt bemuͤhn,Jn Verehrung deiner Allmacht, ſtets vor
deinen Thron zu ziehn:Mein von Dank erfuͤllter Mund ſoll durch
alle Ewigkeiten,Dir und deiner Majeſtaͤt, ein unendlich Lob
bereiten;Jſt dabey gleich kein vollkomnes, denn o
HErr! ſo groß biſt du,Dich nach Wuͤrdigkeit zu loben, reicht die
Ewigkeit nicht zu.
(Addiſſon
Nach Gottſcheds Ueberſetzung.)
Zuga-
[129]und Theorie des Himmels.
Zugabe
zum ſiebenden Hauptſtuͤcke.
Allgemeine Theorie und Geſchichte der
Sonne uͤberhaupt.
Es iſt noch eine Hauptfrage deren Aufloͤſung in
der Naturlehre des Himmels, und in einer
vollſtaͤndigen Cosmogonie unentbehrlich iſt. Wo-
her wird nemlich der Mittelpunkt eines jeden Sy-
ſtems von einem flammenden Coͤrper eingenom-
men? Unſer planetiſche Weltbau hat die Sonne
zum Centralkoͤrper, und die Fixſterne die wir ſehen,
ſind allem Anſehen nach Mittelpunkte aͤhnlicher
Syſtematum.
Um zu begreifen, woher in der Bildung eines
Weltgebaͤudes, der Koͤrper, der zum Mittelpunkte
der Attraction dienet, ein feuriger Koͤrper hat wer-
den muͤſſen, indeſſen daß die uͤbrige Kugeln ſeiner
Anziehungsſphaͤre dunkele und kalte Weltkoͤrper
blieben, darf man nur die Art der Erzeugung ei-
nes Weltbaues ſich zuruͤck erinnern, die wir in
dem vorhergehenden umſtaͤndlich entworfen haben.
Jn dem weit ausgedehnten Raume, darinn der aus-
gebreitete elementariſche Grundſtoff ſich zu Bildun-
gen und ſyſtematiſchen Bewegungen anſchickt,
bilden ſich die Planeten und Cometen nur allein
aus demjenigen Theile, des zum Mittelpunkte der
Attraction ſinkenden elementariſchen Grundſtoffes,
welcher durch den Fall und die Wechſelwirkung, den
Jgeſam-
[130]Allgemeine Naturgeſchichte
geſammten Partikeln zu der genauen Einſchraͤnkung
der Richtung und Geſchwindigkeit, die zum Um-
ſchwunge erfordert wird, beſtimmt worden. Dieſer
Theil iſt, wie oben dargethan worden, der mindeſte
von der ganzen Menge der abwaͤrts ſinkenden Ma-
terie, und zwar nur der Ausſchuß dichterer Sor-
ten, welche durch den Wiederſtand der andern zu
dieſem Grade der Genauheit haben gelangen koͤnnen.
Es befinden ſich in dieſem Gemenge, heranſchwe-
bende Sorten vorzuͤglicher Leichtigkeit, die, durch
die Wiederſtrebung des Raumes gehindert, durch
ihren Fall zu der gehoͤrigen Schnelligkeit der perio-
diſchen Umwendungen nicht durchdringen, und
die folglich in der Mattigkeit ihres Schwunges ins-
geſamt zum Centralkoͤrper hinabgeſtuͤrtzet werden.
Weil nun eben dieſe leichteren und fluͤchtigen Theile
auch die wirkſamſten ſeyn, das Feuer zu unterhal-
ten; ſo ſehen wir, daß durch ihren Zuſatz der Koͤr-
per und Mittelpunkt des Syſtems den Vorzug er-
haͤlt, eine flammende Kugel, mit einem Worte, ei-
ne Sonne zu werden. Dagegen wird der ſchweerere
und unkraͤſtige Stoff und der Mangel dieſer
feuernaͤhrenden Theilchen, aus den Planeten nur
kalte und todte Klumpen machen, die ſolcher Ei-
genſchaft beraubt ſeyn.
Dieſer Zuſatz ſo leichter Materien iſt es auch,
wodurch die Sonne die ſpecifiſch mindere Dich-
tigkeit uͤberkommen hat, dadurch ſie auch ſo gar
unſerer Erde, dem dritten Planeten in dem Abſtan-
de von ihr, 4 mal an Dichtigkeit nachſtehet; ob-
gleich
[131]und Theorie des Himmels.
gleich es natuͤrlich iſt, zu glauben, daß ſie in die-
ſem Mittelpunkte des Weltbaues, als in deſſen
niedrigſten Orte, die ſchweereſten und dichteſten Gat-
tungen der Materie ſich befinden ſolten, wodurch
ſie, ohne dem Zuſatz einer ſo groſſen Menge des leich-
teſten Stoffes, die Dichtigkeit aller Planeten uͤber-
treffen wuͤrde.
Die Vermengung dichterer und ſchweerer Sor-
ten der Elementen, zu dieſen leichteſten und fluͤchtig-
ſten, dienet gleichfalls dem Centralkoͤrper zu der hef-
tigſten Glut, die auf ſeiner Oberflaͤche brennen und
unterhalten werden ſoll, geſchickt zu machen. Denn
wir wiſſen, daß das Feuer, in deſſen naͤhrenden
Stoffe dichte Materien unter den fluͤchtigen ſich
vermengt befinden, einen groſſen Vorzug der Hef-
tigkeit vor denenjenigen Flammen hat, die nur von
den leichten Gattungen unterhalten wird. Dieſe
Untermiſchung aber, einiger ſchweeren Sorten unter
die leichteren, iſt eine nothwendige Folge unſers
Lehrbegriffes von der Bildung der Weltkoͤrper, und
hat noch dieſen Nutzen, daß die Gewalt der Glut,
die brennbare Materie der Oberflaͤche nicht ploͤtzlich
zerſtreue, und daß ſelbige, durch den Zufluß der Nah-
rung aus dem innern, allmaͤhlig und beſtaͤndig ge-
naͤhret wird.
Nachdem die Frage nun aufgeloͤſet iſt, woher
der Centralkoͤrper eines groſſen Sternſyſtems, eine
flammende Kugel d. i. eine Sonne ſey; ſo ſcheinet
es nicht uͤberfluͤßig zu ſeyn, ſich mit dieſem Vor-
wurfe noch einige Zeit zu beſchaͤftigen, und
J 2den
[132]Allgemeine Naturgeſchichte
den Zuſtand eines ſolchen Himmelskoͤrpers mit ei-
ner ſorgfaͤltigen Pruͤfung zu erforſchen; vornem-
lich, da die Muthmaſſungen allhier aus tuͤchtige-
ren Gruͤnden ſich herleiten laſſen, als ſie es gemei-
niglich, bey den Unterſuchungen der Beſchaffenheit
entferneter Himmelskoͤrper, zu ſeyn pflegen.
Zuvoͤrderſt ſetze ich feſt, daß man nicht zwei-
feln koͤnne, die Sonne ſey wirklich ein flammender
Koͤrper, und nicht eine bis zum hoͤchſten Grade er-
hitzte Maſſe geſchmoltzener und gluͤender Materie,
wie einige aus gewiſſen Schwierigkeiten, welche ſie
bey der erſteren Meinung zu finden vermeinet, ha-
ben ſchlieſſen wollen. Denn wenn man erweget,
daß ein flammendes Feuer, vor einer jeden andern
Art der Hitze, dieſen weſentlichen Vorzug hat, daß
es, ſo zu ſagen, aus ſich ſelbſt wirkſam, anſtatt ſich
durch die Mittheilung zu verringern, oder zu erſchoͤ-
pfen, vielmehr eben dadurch mehr Staͤrke und Hef-
tigkeit uͤberkommt, und alſo nur Stoff und Nah-
rung zum Unterhalte erfordert, um immer fort zu
waͤhren; dahingegen die Glut einer, auf den hoͤch-
ſten Grad erhitzten Maſſe, ein blos leidender Zu-
ſtand iſt, der ſich durch die Gemeinſchaft der be-
ruͤhrenden Materie unaufhoͤrlich vermindert, und
keine eigene Kraͤfte hat, ſich aus einem kleinen An-
fange auszubreiten, oder bey der Verminderung
wiederum aufzuleben, wenn man, ſage ich, dieſes
erweget, ſo wird man, ich geſchweige der anderen
Gruͤnde, ſchon hieraus ſattſam erſehen koͤnnen, daß
der Sonne, der Quelle des Lichtes und der Waͤrme in
jegli-
[133]und Theorie des Himmels.
jeglichem Weltbau, jene Eigenſchaft wahrſcheinli-
cher Weiſe muͤſſe beygeleget werden.
Wenn die Sonne nun, oder die Sonnen uͤber-
haupt flammende Kugeln ſeyn; ſo iſt die erſte Be-
ſchaffenheit ihrer Oberflaͤche, die ſich hieraus abneh-
men laͤſt, daß auf ihnen Luft befindlich ſeyn muͤſſe,
weil ohne Luft kein Feuer brennet. Dieſer Um-
ſtand giebt Anlaß zu merkwuͤrdigen Folgerungen.
Denn wenn man erſtlich die Athmoſphaͤre der Son-
ne und ihr Gewicht in Verhaͤltniß des Sonnen-
klumpens ſetzet; in welchen Stande der Zuſam-
mendruͤckung wird dieſe Luft nicht ſeyn, und wie
vermoͤgend wird ſie nicht eben dadurch werden, die
heftigſten Grade des Feuers durch ihre Federkraft
zu unterhalten? Jn dieſer Athmoſphaͤre erheben ſich,
allem Vermuthen nach, auch die Rauchwolken von
denen durch die Flamme aufgeloͤſeten Materien,
die, wie man nicht zweifeln darf, eine Miſchung von
groben und leichteren Theilchen, in ſich haben, wel-
che, nachdem ſie ſich zu einer Hoͤhe, die vor ſie eine
kuͤhlere Luft heget, erhoben haben, in ſchweren Pech-
und Schwefelregen hinabſtuͤrzen und der Flamme
neue Nahrung zufuͤhren. Eben dieſe Athmoſphaͤ-
re| iſt auch, aus den gleiehem Urſachen wie auf unſe-
rer Erde, von denen Bewegungen der Winde nicht
befreyet, welche aber, dem Anſehen nach, alles was die
Einbildungskraft nur ſich vorzuſtellen vermag, an
Heftigkeit weit uͤbertreffen muͤſſen. Wenn irgend
eine Gegend auf der Obeflaͤche der Sonne, entweder
durch die erſtickende Gewalt der ausbrechenden
Daͤmpfe, oder durch den ſparſamen Zufluß brenba-
J 3rer
[134]Allgemeine Naturgeſchichte
rer Materien, in dem Ausbruche der Flamme nach-
laͤſt; ſo erkuͤhlet die daruͤber befindliche Luft einiger
maſſen, und, indem ſie ſich zuſammenziehet, giebt
ſie der daneben befindlichen Platz, mit einer dem
Ueberſchuſſe ihrer Ausſpannung gemaͤſſen Gewalt,
in ihren Raum zu dringen, um die erloſchene
Flamme anzufachen.
Gleichwohl verſchlinget alle Flamme immer vie-
le Luft, und es iſt kein Zweifel, daß die Feder-
kraft des fluͤßigen Luftelements, das die Sonne
umgiebet, dadurch in einiger Zeit nicht geringen Nach-
theil erleiden muͤſſe. Wenn man dasjenige, was
Herr Hales hievon, bey der Wirkung der Flamme
in unſerer Athmoſphaͤre, durch ſorgfaͤltige Verſuche
bewaͤhret hat, hier in groſſen anwendet; ſo kan
man die immerwaͤhrende Beſtrebung der aus der
Flamme gehenden Rauchtheilchen, die Elaſtieitaͤt
der Sonnen Athmoſphaͤre zu zernichten, als einen
Hauptknoten anſehen, deſſen Aufloͤſung mit Schwie-
rigkeiten verbunden iſt. Denn dadurch, daß die
Flamme, die uͤber der ganzen Flaͤche der Sonne bren-
net, ſich ſelber die Luft benimmt, die ihr zum Bren-
nen unentbehrlich iſt, ſo iſt die Sonne in Gefahr
gar zu verloͤſchen, wenn der groͤſte Theil ihrer Ath-
moſphaͤre verſchlungen worden. Es iſt wahr, das
Feuer erzeuget auch, durch Aufloͤſung gewiſſer Ma-
terien, Luft; aber die Verſuche beweiſen, daß alle-
zeit mehr verſchlungen, als erzeuget wird. Zwar,
wenn ein Theil des Sonnenfeuers, unter erſtickenden
Daͤmpfen der Luft, die zu ihrer Erhaltung dienet
berau-
[135]und Theorie des Himmels.
beraubet wird; ſo werden, wie wir ſchon angemerket
haben, heftige Stuͤrme ſie zerſtreuen und wegzu-
fuͤhren bemuͤhet ſeyn. Allein im ganzen wird man
die Erſetzung dieſes noͤthigen Elements auf folgende
Art ſich begreiflich machen koͤnnen, wenn man in
Betrachtung ziehet, daß da bey einem flammenden
Feuer, die Hitze faſt nur uͤber ſich, und nur wenig
unter ſich wuͤrket, wenn ſie durch die angefuͤhrte
Urſache erſticket worden, ihre Heftigkeit gegen das
innere des Sonnenkoͤrpers kehret, und deſſen tiefe
Schluͤnde noͤthiget, die in ihren Hoͤhlen verſchloſ-
ſene Luft hervorbrechen zu laſſen, und das Feuer
aufs neue anzufachen: wenn man in dieſem ihrem
Eingeweide durch eine Freyheit, die bey einem ſo
unbekannten Gegenſtande nicht verboten iſt, vor-
nemlich Materien ſetzet, die, wie der Salpeter, an
elaſtiſcher Luft unerſchoͤpflich ergiebig ſeyn; ſo wird
das Sonnenfeuer uͤberaus lange Perioden hindurch
an dem Zufluſſe immer erneueter Luft, nicht leichtlich
Mangel leiden koͤnnen.
Gleichwohl ſiehet man, die deutlichen Merk-
maale der Vergaͤnglichkeit auch an dieſem unſchaͤtz-
baren Feuer, das die Natur zur Fackel der Welt
aufgeſtecket. Es kommt eine Zeit, darinn ſie wird
erloſchen ſeyn. Die Entziehung der fluͤchtigſten
und feinſten Materien, die, durch die Heftigkeit der
Hitze zerſtreuet, niemals wieder zuruͤck kehren, und
den Stoff des Zodiakallichts vermehren, die Haͤu-
fung unverbrenlicher und ausgebrannter Materien,
Z. E. der Aſche auf der Oberflaͤche, endlich auch
J 4der
[136]Allgemeine Naturgeſchichte
der Mangel der Luft, werden der Sonne ein Ziel ſe-
tzen, da ihre Flamme dereinſt erloͤſchen, und ihren
Ort, der anjetzo der Mittelpunkt des Lichtes und
des Lebens dem ganzen Weltgebaͤude iſt, ewige Fin-
ſterniſſe einnehmen werden. Die abwechſelnde Be-
ſtrebung ihres Feuers, durch die Eroͤfnung neuer
Gruͤfte, wiederum aufzuleben, wodurch ſie ſich vie-
leicht vor ihrem Untergange etlichemal herſtellet,
koͤnnte eine Erklaͤrung des Verſchwindens und der
Wiedererſcheinung einiger Fixſterne abgeben. Es
wuͤrden Sonnen ſeyn, welche ihrem Erloͤſchen na-
he ſind, und die noch etlichemal aus ihrem Schut-
te aufzuleben trachten. Es mag dieſe Erklaͤrung
Beyfall verdienen, oder nicht, ſo wird man ſich
doch gewiß dieſe Betrachtung dazu dienen laſſen,
einzuſehen, daß, da der Vollkommenheit aller Welt-
ordnungen, es ſey auf die eine oder andere Art, ein
unvermeidlicher Verfall drohet, man keine Schwie-
rigkeit in dem oben angefuͤhrten Geſetze ihres Unter-
ganges, durch den Hang der mechaniſchen Einrich-
tung, finden werde, welche dadurch aber vornem-
lich annehmungswuͤrdig wird, weil ſie den Saa-
men der Wiedererneurung, ſelbſt in der Vermen-
gung mit dem Choas, bey ſich fuͤhret.
Zuletzt laſſet uns der Einbildungskraft ein ſo
wunderſeltſames Object, als eine brennende Sonne
iſt, gleichſam von nahen vorſtellen. Man ſiehet
in einem Anblicke weite Feuerſeen, die ihre Flam-
men gen Himmel erheben, raſende Stuͤrme, de-
ren Wuth die Heftigkeit der erſten verdoppelt, wel-
che,
[137]und Theorie des Himmels.
che, indem ſie ſelbige uͤber ihre Ufer aufſchwellend
machen, bald die erhabene Gegenden dieſes Welt-
koͤrpers bedecken, bald ſie in ihre Grenzen zuruͤck-
ſinken laſſen: ausgebrannte Felſen, die aus den
flammenden Schluͤnden ihre fuͤrchterliche Spitzen
herausſtrecken, und deren Ueberſchwemmung oder
Entbloͤſſung von dem wallenden Feuerelemente, das
abwechſelnde Erſcheinen und Verſchwinden der
Sonnenflecken, verurſachet: dicke Daͤmpfe, die das
Feuer erſticken, und die, durch die Gewalt der Win-
de erhoben, finſtre Wolken ausmachen, welche in
feurigen Regenguͤſſen wiederum herabſtuͤrzen, und
als brennende Stroͤhme, von den Hoͤhen des feſten
Sonnenlandes (*) ſich in die flammende Thaͤler
J 5er-
[138]Allgemeine Naturgeſchichte
ergieſſen, das Krachen der Elemente, den Schutt
ausgebrannter Materien, und die mit der Zerſtoͤ-
rung ringende Natur, welche, ſelbſt mit dem ab-
ſcheulichſten Zuſtande ihrer Zerruͤttungen die
Schoͤnheit der Welt und den Nutzen der Creaturen,
bewirket.
Wenn denn die Mittelpunkte aller groſſen
Weltſyſtemen flammende Koͤrper ſeyn; ſo iſt die-
ſes am meiſten von dem Centralkoͤrper desjenigen
unermeßlichen Syſtems zu vermuthen, welches die
Fixſterne ausmachen. Wird nun aber dieſer Coͤr-
per, deſſen Maſſe zu der Groͤſſe ſeines Syſtems ein
Verhaͤltniß haben muß, wenn er ein ſelbſtleuchten-
der Koͤrper oder eine Sonne waͤre, nicht mit vor-
zuͤglichem Glanze und Groͤſſe in die Augen fal-
len? Gleichwohl ſehen wir keinen dergleichen ſich
ausnehmend unterſcheidenden Fixſtern unter dem
Himmelsheere hervorſchimmern. Jn der That,
man darf es ſich nicht befremden laſſen, wenn die-
ſes nicht geſchicht. Wenn er gleich 10000 mahl un-
ſere Sonne an Groͤſſe uͤbertraͤffe, ſo koͤnnte er doch,
wenn man ſeine Entfernung 100 mahl groͤſſer, als
des Sirius ſeine annimmt, nicht groͤſſer und heller,
als dieſer, erſcheinen.
Vielleicht aber iſt es dem kuͤnftigen Zeiten auf-
gehoben, wenigſtens noch dereinſt die Gegend zu
ent-
(*)
[139]und Theorie des Himmels.
entdecken, wo der Mittelpunkt (*) des Fixſternen-
ſyſtems, darein unſere Sonne gehoͤret, befindlich
iſt,
[140]Allgemeine Naturgeſchichte
iſt, oder vielleicht wohl gar zu beſtimmen, wohin man
den Centralkoͤrper des Univerſi, nach welchem alle
Theile deſſelben mit einſtimmiger Senkung zielen,
ſetzen muͤſſe. Von was vor einer Beſchaffenheit
dieſes Fundementalſtuͤcke der ganzen Schoͤpfung
ſey, und was auf ihm befindlich, wollen wir dem
Herrn Wrigt von Durham zu beſtimmen uͤber-
laſſen, der mit einer fanatiſchen Begeiſterung, ein
kraͤftiges Weſen von der Goͤtterart mit geiſtlichen
Anziehungs- und Zuruͤckſtoſſungskraͤften, das, in
einer unendlichen Sphaͤre um ſich wirkſam, alle Tu-
gend an ſich zoͤge, die Laſter aber, zuruͤcktriebe, in
dieſem gluͤcklichen Orte, gleichſam auf einen Thron
der geſammten Natur, erhoͤhete. Wir wollen die
Kuͤhnheit unſerer Muthmaſſungen, welchen wir
vielleicht nur gar zu viel erlaubt haben, nicht
bis
(*)
[141]und Theorie des Himmels.
bis zu willkuͤhrlichen Erdichtungen den Zuͤgel ſchieſ-
ſen laſſen. Die Gottheit iſt in der Unendlichkeit
des ganzen Weltraumes allenthalben gleich gegen-
waͤrtig; allenthalben wo Naturen ſeyn, welche
faͤhig ſeyn, ſich uͤber die Abhaͤngigkeit der Geſchoͤ-
pfe, zu der Gemeinſchaft des hoͤchſten Weſens, em-
por zu ſchwingen, befindet es ſich gleich nahe.
Die ganze Schoͤpfung iſt von ihren Kraͤften durch-
drungen, aber nur derjenige, der ſich von dem Ge-
ſchoͤpfe zu befreyen weiß, welcher ſo edel iſt, einzu-
ſehen, daß in dem Genuſſe dieſer Urqvelle der Voll-
kommenheit die hoͤchſte Staffell der Gluͤckſeligkeit
einzig und allein zu ſuchen, der allein iſt faͤhig,
dieſem wahren Beziehungspunkte aller Treflichkeit
ſich naͤher, als irgend etwas anders in der ganzen
Natur, zu befinden. Jndeſſen wenn ich, ohne an
der enthuſiaſtiſchen Vorſtellung des Engellaͤnders
Theil zu nehmen, von den verſchiedenen Graden der
Geiſterwelt aus der phyſiſchen Beziehung ihrer
Wohnplaͤtze gegen den Mittelpunkt der Schoͤpfung,
muthmaſſen ſoll, ſo wollte mit mehrer Wahrſchein-
lichkeit die vollkommenſten Claſſen vernuͤnftiger We-
ſen, weiter von dieſem Mittelpunkte, als nahe bey
demſelben, ſuchen. Die Vollkommenheit mit Ver-
nunft begabter Geſchoͤpfe, in ſo weit ſie von der Be-
ſchaffenheit der Materie abhaͤnget, in deren Verbin-
dung ſie beſchraͤnket ſeyn, kommt gar ſehr auf die
Feinigkeit des Stoffes an, deſſen Einfluß dieſelbe
zur Vorſtellung der Welt und zur Gegenwirkung
in dieſelbe beſtimmt. Die Traͤgheit und der Wie-
derſtand der Materie ſchraͤnket die Freyheit des gei-
ſtigen
[142]Allgemeine Naturgeſchichte
ſtigen Weſens zum Wirken und die Deutlichkeit ih-
rer Empfindung von aͤuſſern Dingen gar zu ſehr
ein, ſie macht ihre Faͤhigkeiten ſtumpf, indem ſie
deren Bewegungen nicht mit gehoͤriger Leichtigkeit
gehorchet. Daher wenn man, wie es wahrſchein-
lich iſt, nahe zum Mittelpunkte der Natur die dich-
teſten und ſchweerſten Sorten der Materie, nnd da-
gegen in der groͤſſeren Entfernung, die zunehmen-
den Grade der Feinigkeit und Leichtigkeit derſelben,
der Analogie gemaͤß, die in unſern Weltbau herr-
ſchet, annimmt; ſo iſt die Folge begreiflich. Die
vernuͤnftigen Weſen deren Erzeugungsplatz und Auf-
enthalt naͤher zu dem Mittelpunkte der Schoͤpfung
ſich befindet, ſind in eine ſteife und unbewegliche
Materie verſenket, die ihre Kraͤfte in einer unuͤber-
windlichen Traͤgheit verſchloſſen enthaͤlt, und auch
eben ſo unfaͤhig iſt, die Eindruͤcke des Univerſi,
mit der noͤthigen Deutlichkeit und Leichtigkeit, zu
uͤbertragen und mitzutheilen. Man wird dieſe den-
kende Weſen alſo in die niedrige Claſſe zu zehlen
haben; dagegen wird, mit den Entfernungen vom
allgemeinen Centro, dieſe Vollkommenheit der Gei-
ſterwelt, welche auf der gewechſelten Abhaͤngigkeit
derſelben von der Materie beruhet, wie eine be-
ſtaͤndige Leiter wachſen. Jn der tiefſten Erniedri-
gung zu dieſem Senkungspunkte hat man dieſem zu-
folge die ſchlechteſten und unvollkommenſten Gattun-
gen denkender Naturen zu ſetzen, und hiewaͤrtshin
iſt, wo dieſe Treflichkeit der Weſen ſich, mit allen
Schattierungen der Verminderung, endlich in den
gaͤnzlichen Mangel der Ueberlegung und des Den-
kens
[143]und Theorie des Himmels.
kens verlieret. Jn der That, wenn man erweget,
daß der Mittelpunkt der Natur zugleich der Anfang
ihrer Bildung aus dem rohen Zeuge, und ihre Gren-
ze mit dem Choas, ausmacht: wenn man dazu ſe-
tzet, daß die Vollkommenheit geiſtiger Weſen, wel-
che wohl eine aͤuſſerſte Grenze ihres Anfanges hat,
wo ihre Faͤhigkeiten mit der Unvernunft zuſammen-
ſtoſſen, aber keine Grenzen der Forſetzung, uͤber
welche ſie nicht koͤnte erhoben werden, ſondern
nach der Seite hin, eine voͤllige Unendlichket vor
ſich findet; ſo wird man, wenn ja ein Geſetze ſtatt
finden ſoll, nach welchem der vernuͤnftigen Creatu-
ren Wohnplaͤtze, nach der Ordnung ihrer Beziehung
zum gemeinſchaftlichen Mittelpunkte, vertheilet ſeyn,
die niedrigſte und unvollkommenſte Gattung, die
gleichſam den Anfang des Geſchlechtes der Geiſter-
welt ausmacht, an demjenigen Orte zu ſetzen haben,
der der Anfang des geſammten Univerſi zu nen-
nen iſt, um zugleich mit dieſem in gleicher Fort-
ſchreitung alle Unendlichkeit der Zeit und der Raͤu-
me, mit ins unendliche wachſenden Graden der Voll-
kommenheit des Denkungsvermoͤgens, zu erfuͤllen,
und ſich, gleichſam nach und nach, dem Ziele der hoͤch-
ſten Treflichkeit, nemlich der Gottheit zu naͤheren,
ohne es doch jemals erreichen zu koͤnnen.
Achtes
[144]Allgemeine Naturgeſchichte
Achtes Hauptſtuͤck,
Allgemeiner Beweis von der Richtigkeit
einer mechaniſchen Lehrverfaſſung, der Einrich-
tung des Weltbaues uͤberhaupt, inſonderheit
von der Gewißheit der gegen-
waͤrtigen.
Man kan das Weltgebaͤude nicht anſehen, ohne
die treflichſte Anordnung in ihrer Einrich-
tung, und die ſicheren Merkmaale der Hand GOt-
tes, in der Vollkommenheit ihrer Beziehungen, zu
kennen. Die Vernunft, nachdem ſie ſo viel
Schoͤnheit, ſo viel Treflichkeit erwogen und bewun-
dert hat, entruͤſtet ſich mit Recht uͤber die kuͤhne
Thorheit, welche ſich unterſtehen darf, alles dieſes
dem Zufalle, und einem gluͤcklichen Ohngefehr, zu-
zuſchreiben. Es muß die hoͤchſte Weisheit den Ent-
wurf gemacht, und eine unendliche Macht ſelbige
ausgefuͤhret haben, ſonſt waͤre es unmoͤglich, ſo
viele in einem Zweck zuſammen kommende Abſich-
ten, in der Verfaſſung des Weltgebaͤudes, anzu-
treffen. Es kommt nur noch darauf an, zu ent-
ſcheiden, ob der Entwurf der Einrichtung des Uni-
verſi von dem hoͤchſten Verſtande ſchon in die we-
ſentliche Beſtimmungen der ewigen Naturen ge-
legt, und in die allgemeine Bewegungsgeſetze ge-
pflanzet ſey, um ſich aus ihnen, auf eine der voll-
kommenſten Ordnung anſtaͤndige Art, ungezwun-
gen zu entwickeln; oder ob die allgemeine Eigen-
ſchaften der Beſtandtheile der Welt die voͤllige Un-
faͤhig-
[145]und Theorie des Himmels.
faͤhigkeit zur Uebereinſtimmung, und nicht die ge-
ringſte Beziehung zur Verbindung, haben, und
durchaus einer fremden Hand bedurft haben, um
diejenige Einſchraͤnkung und Zuſammenfuͤgung zu
uͤberkommen, welche Vollkommenheit und Schoͤn-
heit an ſich blicken laͤßt. Ein faſt allgemeines
Vorurtheil hat die meiſten Weltweiſen, gegen die
Faͤhigkeit der Natur, etwas ordentliches durch ihre
allgemeine Geſetze hervorzubringen, eingenommen,
gleich als wenn es GOtt die Regierung der Welt
ſtreitig machen hieſſe, wenn man die urſpruͤngliche
Bildungen in den Naturkraͤften ſuchet, und als
wenn dieſe ein von der Gottheit unabhaͤngiges Prin-
cipium, und ein ewiges blindes Schickſaal, waͤre.
Wenn man aber erweget, daß die Natur und
die ewigen Geſetze, welche den Subſtanzen zu ihrer
Wechſelwirkung vorgeſchrieben ſeyn, kein ſelbſtaͤn-
diges, und ohne GOtt nothwendiges, Principium
ſey, daß eben dadurch, weil ſie ſo viel Ueberein-
ſtimmung und Ordnung in demjenigen zeiget, was
ſie durch allgemeine Geſetze hervorbringet, zu erſe-
hen iſt, daß die Weſen aller Dinge, in einem ge-
wiſſen Grundweſen, ihren gemeinſchaftlichen Ur-
ſprung haben muͤſſen, und daß ſie darum lauter ge-
wechſelte Beziehungen und lauter Harmonie zeigen,
weil ihre Eigenſchaften in einem einzigen hoͤchſten
Verſtande ihre Quelle haben, deſſen weiſe Jdee ſie
in durchgaͤngigen Beziehungen entworfen, und ih-
nen diejenige Faͤhigkeit eingepflanzet hat, dadurch
ſie lauter Schoͤnheit, lauter Ordnung, in dem ih-
Knen
[146]Allgemeine Naturgeſchichte.
nen ſelbſt gelaſſenen Zuſtande ihrer Wirkſamkeit,
hervorbringen: wenn man, ſage ich, dieſes erwe-
get, ſo wird die Natur uns wuͤrdiger, als ſie ge-
meiniglich angeſehen wird, erſcheinen, und man
wird von ihren Auswickelungen nichts, als Ueber-
einſtimmung, nichts als Ordnung, erwarten.
Wenn man hingegen einem ungegruͤndeten Vorur-
theile Platz laͤſſet, daß die allgemeine Naturgeſetze,
an und vor ſich ſelber, nichts als Unordnung zuwe-
ge bringen, und aller Uebereinſtimmung zum Nutzen,
welche bey der Verfaſſung der Natur hervor leuch-
tet, die unmittelbare Hand GOttes anzeiget; ſo
wird man genoͤthiget, die ganze Natur in Wunder
zu verkehren. Man wird den ſchoͤnen farbigten
Bogen, der in den Regentropfen erſcheinet, wenn
dieſelben die Farben des Sonnenlichts abſondern, we-
gen ſeiner Schoͤnheit, den Regen, wegen ſeines Nu-
tzens, die Winde, wegen der unentbehrlichen Vor-
theile, die ſie in unendlichen Arten der menſchlichen
Beduͤrfniſſe leiſten; kurz, alle Veraͤnderungen der
Welt, welche Wohlanſtaͤndigkeit und Ordnung mit
ſich fuͤhren, nicht aus den eingepflanzten Kraͤften
der Materie herleiten ſollen. Das Beginnen der
Naturforſcher, die ſich mit einer ſolchen Weltweis-
heit abgegeben haben, wird, vor dem Richterſtuhle
der Religion, eine feyerliche Abbitte thun muͤſſen.
Es wird in der That alsdenn keine Natur mehr
ſeyn; es wird nur ein GOtt in der Maſchine die
Veraͤnderungen der Welt hervor bringen. Aber,
was wird denn dieſes ſeltſame Mittel, die Gewiß-
heit des hoͤchſten Weſens aus der weſentlichen Unfaͤ-
hig-
[147]und Theorie des Himmels.
higkeit der Natur zu beweiſen, vor eine Wirkung
zur Ueberfuͤhrung des Epikurers thun. Wenn die
Naturen der Dinge, durch die ewigen Geſetze ihrer
Weſen, nichts als Unordnung und Ungereimtheit
zuwege bringen; ſo werden ſie eben dadurch den
Charakter ihrer Unabhaͤngigkeit von GOtt bewei-
ſen: und was vor einen Begriff wird man ſich von
einer Gottheit machen koͤnnen, welcher die allge-
meinen Naturgeſetze nur durch eine Art von Zwange
gehorchen, und an und vor ſich deſſen weiſeſten Ent-
wuͤrfen widerſtreiten? Wird der Feind der Vor-
ſehung nicht eben ſo viel Siege uͤber dieſe falſchen
Grundſaͤtze davon tragen, als er Uebereinſtimmun-
gen aufweiſen kan, welche die allgemeinen Wirkungs-
geſetze der Natur, ohne alle beſondere Einſchraͤn-
kungen, hervorbringen? und wird es ihm wohl an
ſolchen Beyſpielen fehlen koͤnnen? Dagegen laſſet
uns mit groͤſſerer Anſtaͤndigkeit und Richtigkeit alſo
ſchlieſſen: Die Natur, ihren allgemeinen Eigen-
ſchaften uͤberlaſſen, iſt an lauter ſchoͤnen und voll-
kommenen Fruͤchten fruchtbar, welche nicht allein
an ſich Uebereinſtimmung und Treflichkeit zeigen,
ſondern auch mit dem ganzen Umfange ihrer We-
ſen, mit dem Nutzen der Menſchen, und der Ver-
herrlichung der goͤttlichen Eigenſchaften, wohl har-
moniren. Hieraus folget, daß ihre weſentlichen Ei-
genſchaften keine unabhaͤngige Nothwendigkeit ha-
ben koͤnnen; ſondern, daß ſie ihren Urſprung in ei-
nem eiuzigen Verſtande, als dem Grunde und der
Quelle aller Weſen, haben muͤſſen, in welchem ſie,
unter, gemeinſchaftlichen Beziehungen, entworfen
K 2ſind.
[148]Allgemeine Naturgeſchichte
ſind. Alles, was ſich auf einander, zu einer gewech-
ſelten Harmonie, beziehet, muß in einem einzigen
Weſen, von welchem es insgeſammt abhaͤnget, un-
ter einander verbunden werden. Alſo iſt ein Weſen
aller Weſen, ein unendlicher Verſtand und ſelbſtaͤn-
dige Weisheit vorhanden, daraus die Natur, auch
ſogar ihrer Moͤglichkeit nach, in dem ganzen Jnbe-
griffe der Beſtimmungen, ihren Urſprung ziehet.
Nunmehro darf man die Faͤhigkeit der Natur, als
dem Daſeyn eines hoͤchſten Weſens nachtheilig,
nicht beſtreiten; je vollkommener ſie in ihren Ent-
wickelungen iſt, je beſſer ihre allgemeinen Geſetze zur
Ordnung und Uebereinſtimmung fuͤhren; ein deſto
ſicherer Beweisthum der Gottheit iſt ſie, von welcher
ſie dieſe Verhaͤltniſſe entlehnet. Jhre Hervorbringun-
gen ſind nicht mehr Wirkungen des Ohngefehrs, und
Folgen des Zufalls; es flieſſet alles nach unwandel-
baren Geſetzen von ihr ab, welche darum lauter ge-
ſchicktes darſtellen muͤſſen, weil ſie lauter Zuͤge aus
dem allerweiſeſten Entwurfe ſeyn, aus dem die Un-
ordnung verbannet iſt. Nicht der ohngefehre Zu-
ſammenlauf der Atomen des Lucrez hat die Welt ge-
bildet; eingepflanzte Kraͤfte und Geſetze, die den
weiſeſten Verſtand zur Quelle haben, ſind ein un-
wandelbarer Urſprung derjenigen Ordnung gewe-
ſen, die aus ihnen nicht von ohngefehr, ſondern
nothwendig abflieſſen muſte.
Wenn man ſich alſo eines alten und ungegruͤn-
deten Vorurtheils, und der faulen Weltweisheit,
entſchlagen kan, die, unter einer andaͤchtigen Mine,
eine
[149]und Theorie des Himmels.
eine traͤge Unwiſſenheit zu verbergen trachtet; ſo
hoffe ich, auf unwiederſprechliche Gruͤnde, eine ſiche-
re Ueberzeugung zu gruͤnden: daß die Welt eine
mechaniſche Entwickelung, aus den allge-
meinen Naturgeſetzen, zum Urſprunge ih-
rer Verfaſſung, erkenne; und daß zweytens
die Art der mechaniſchen Erzeugung, die
wir vorgeſtellet haben, die wahre ſey.
Wenn man beurtheilen will, ob die Natur genug-
ſame Faͤhigkeiten habe, durch eine mechaniſche Fol-
ge ihrer Bewegungsgeſetze, die Anordnung des Welt-
baues zuwege zu bringen; ſo muß man vorhero er-
wegen, wie einfach die Bewegungen ſeyn, welche
die Weltkoͤrper beobachten, und daß ſie nichts an
ſich haben, was eine genauere Beſtimmung erfor-
derte, als es die allgemeinen Regeln der Naturkraͤf-
te mit ſich fuͤhren. Die Umlaufsbewegungen be-
ſtehen aus der Verbindung der ſinkenden Kraft, die
eine gewiſſe Folge aus den Eigenſchaften der Mate-
rie iſt, und aus der ſchieſſenden Bewegung, die,
als die Wirkung der erſteren, als eine, durch das
Herabſinken, erlangte Geſchwindigkeit, kan ange-
ſehen werden, in der nur eine gewiſſe Urſache noͤ-
thig geweſen, den ſenkrechten Fall ſeitwaͤrts abzu-
beugen. Nach einmal erlangter Beſtimmung die-
ſer Bewegungen iſt nichts ferner noͤthig, ſie auf im-
mer zu erhalten. Sie beſtehen in dem leeren Rau-
me, durch die Verbindung der einmal eingedruͤckten
ſchieſſenden Kraft, mit der aus den weſentlichen
Naturkraͤften flieſſenden Attraction, und leiden wei-
terhin keine Veraͤnderung. Allein die Analogien,
K 3in
[150]Allgemeine Naturgeſchichte
in der Uebereinſtimmung dieſer Bewegungen, be-
zeigen die Wirklichkeit eines mechaniſchen Urſprun-
ges ſo deutlich, daß man daran keinen Zweifel tra-
gen kan. Denn
1. Haben dieſe Bewegungen eine durchgehends
uͤbereinſtimmende Richtung, daß von ſechs Haupt-
planeten, von 10 Trabanten, ſowohl in ihrer fort-
ruͤckenden Bewegung, als in ihren Umdrehungen
um die Achſe, nicht ein einziger iſt, der nach einer
andern Seite, als von Abend gegen Morgen, ſich
bewegete. Dieſe Richtungen ſind uͤberdem ſo ge-
nau zuſammentreffend, daß ſie nur wenig von ei-
ner gemeinſchaftlichen Flaͤche abweichen, und dieſe
Flaͤche, auf welche ſich alles beziehet, iſt die Aeqva-
torsflaͤche des Koͤrpers, der, in dem Mittelpunkte
des ganzen Syſtems, ſich nach eben derſelben Gegend
um die Achſe drehet, und der, durch ſeine vorzuͤgli-
che Attraction, der Beziehunspunkt aller Bewegun-
gen geworden, und folglich an denenſelben ſo ge-
nau, als moͤglich, hat Theil nehmen muͤſſen. Ein
Beweis, daß die geſammte Bewegungen auf eine,
den allgemeinen Naturgeſetzen gemaͤſſe, mechani-
ſche Art entſtanden und beſtimmet worden, und daß
die Urſache, welche entweder die Seitenbewegun-
gen eindruͤckte, oder richtete, den ganzen Raum
des Planetengebaͤudes beherrſchet hat, und darinn
den Geſetzen gehorchet, welche die, in einem ge-
meinſchaftlich bewegten Raume, befindliche Mate-
rie beobachtet, daß alle verſchiedene Bewegungen
zuletzt eine einzige Richtung annehmen, und ſich ins-
ge-
[151]und Theorie des Himmels.
geſammt ſo genau, als moͤglich, auf eine einzige
Flaͤche beziehend machen.
2. Sind die Geſchwindigkeiten ſo beſchaffen,
als ſie es in einem Raume ſeyn muͤſſen, da die be-
wegende Kraft in dem Mittelpunkte iſt, nemlich, ſie
nehmen in beſtaͤndigen Graden mit den Entfernun-
gen von dieſem ab, und verlieren ſich, in der groͤſ-
ſeſten Weite, in eine gaͤnzliche Mattigkeit der Be-
wegung, welche den ſenkrechten Fall nur ſehr we-
nig ſeitwaͤrts beuget. Vom Merkur an, welcher
die groͤßte Schwungskraft hat, ſieher man dieſe
ſtufenweiſe ſich vermindern, und in dem aͤuſſerſten
Cometen ſo gering ſeyn, als ſie es ſeyn kan, um
nicht gerade in die Sonne zu fallen. Man kan
nicht einwenden, daß die Regeln der Centralbewe-
gungen, in Zirkelkreiſen, es ſo erheiſchen, daß je
naͤher zum Mittelpunkte der allgemeinen Senkung,
deſto groͤſſer die Umſchwungsgeſchwindigkeit ſeyn
muͤſſe; denn woher muͤſſen eben die, dieſem Centeo
nahen Himmelskoͤrper, Zirkelfoͤrmigte Kreiſe ha-
ben? woher ſind nicht die naͤchſten ſehr eccentriſch,
und die entfernteren in Zirkeln umlaufend? oder viel-
mehr, da ſie alle von dieſer abgemeſſenen geometri-
ſchen Genauheit abweichen; warum nimmt dieſe
Abweichung, mit den Entfernungen zu? Bezeichnen
dieſe Verhaͤltniſſe nicht den Punkt, zu dem alle Be-
wegung urſpruͤnglich ſich gedraͤnget, und, nach dem
Maaſſe der Naheit, auch groͤſſere Grade erlanget
hat, bevor andere Beſtimmungen ihre Richtungen
in die gegenwaͤrtige veraͤndert haben?
K 4Will
[152]Allgemeine Naturgeſchichte
Will man nun aber die Verfaſſung des Welt-
baues, und den Urſprung der Bewegungen, von
den allgemeinen Naturgeſetzen ausnehmen, um ſie
der mittelbaren Hand GOttes zuzuſchreiben; ſo
wird man alsbald inne, das die angefuͤhrte Analo-
gien einen ſolchen Begriff offenbar widerlegen.
Denn was erſtlich die durchgaͤngige Uebereinſtim-
mung in der Richtung betrifft, ſo iſt offenbar, daß
hier kein Grund ſey, woher die Weltkoͤrper, gerade
nach einer einzigen Gegend, ihre Umlaͤufe anſtellen
muͤſten, wenn der Mechaniſmus ihrer Erzeugung
ſie nicht dahin beſtimmet haͤtte. Denn der Raum,
in dem ſie laufen, iſt unendlich wenig widerſtehend,
und ſchraͤnket ihre Bewegungen ſo wenig nach der
einen Seite, als nach der andern, ein; alſo wuͤr-
de die Wahl GOttes, ohne den geringſten Bewe-
gungsgrund, ſich nicht an eine einzige Beſtimmung
binden, ſondern ſich mit mehrerer Freyheit in aller-
ley Abwechſelungen und Verſchiedenheit zeigen.
Noch mehr: warum ſind die Kreiſe der Planeten ſo
genau auf eine gemeinſchaftliche Flaͤche beziehend,
nemlich auf die Aeqvatorsflaͤche desjenigen groſſen
Koͤrpers, der in dem Mittelpunkte aller Bewegung
ihre Umlaͤufe regieret? Dieſe Analogie, an ſtatt
einen Bewegungsgrund der Wohlanſtaͤndigkeit an
ſich zu zeigen, iſt vielmehr die Urſache einer gewiſ-
ſen Verwirrung, welche durch eine freye Abwei-
chung der Planetenkreiſe wuͤrde gehoben werden:
denn die Anziehungen der Planeten ſtoͤren anjetzo
gewiſſermaſſen die Gleichfoͤrmigkeit ihrer Bewegun-
gen, und wuͤrden einander gar nicht hinderlich ſeyn,
wenn
[153]und Theorie des Himmels.
wenn ſie ſich nicht ſo genau auf eine gemeinſchaftli-
Flaͤche bezoͤgen.
Noch mehr, als alle dieſe Analogien, zeiget ſich
das deutlichſte Merkmaal von der Hand der Natur,
an dem Mangel der genaueſten Beſtimmung, in den-
jenigen Verhaͤltniſſen, die ſie zu erreichen beſirebt
geweſen. Wenn es am beſten waͤre, daß die Pla-
netenkreiſe beynahe auf eine gemeinſchaftliche Flaͤche
geſtellet waͤren, warum ſind ſie es nicht ganz genau?
und warum iſt ein Theil derjenigen Abweichung
uͤbrig geblieben, welche hat vermieden werden ſol-
len? Wenn darum die der Laufbahne der Soͤnne
nahen Planeten, die der Attraction das Gleichge-
wicht haltende Groͤſſe der Schwungskraft empfan-
gen haben, warum fehlet noch etwas an dieſer voͤl-
ligen Gleichheit? und woher ſind ihre Umlaͤufe nicht
vollkommen Zirkelrund, wenn bloß die weiſeſte Ab-
ſicht, durch das groͤßte Vermoͤgen unterſtuͤtzet, die-
ſe Beſtimmung hervorzubringen, getrachtet hat?
Jſt es nicht klar einzuſehen, daß diejenige Urſache,
welche die Laufbahnen der Himmelskoͤrper geſtellet
hat, indem ſie ſelbige auf eine gemeinſchaftliche Flaͤ-
che zu bringen beſtrebt geweſen, es nicht voͤllig hat
ausrichten koͤnnen; ingleichen, daß die Kraft,
welche den Himmelsraum beherrſchete, als alle Ma-
terie, die nunmehro in Kugeln gebildet iſt, ihre
Umſchwungsgeſchwindigkeiten erhielt, ſie zwar
nahe beym Mittelpunkte in ein Gleichgewicht mit
der ſenkenden Gewalt zu bringen getrachtet hat;
aber die voͤllige Genauheit nicht hat erreichen koͤn-
K 5nen.
[154]Allgemeine Naturgeſchichte
nen. Jſt nicht das gewoͤhnliche Verfahren der
Natur hieran zu erkennen, welches, durch die Da-
zwiſchenkunft der verſchiedenen Mitwuͤrkungen, alle-
mal von der ganz abgemeſſenen Beſtimmung ab-
weichend gemacht wird? und wird man wohl le-
diglich in den Endzwecken, des unmittelbar ſo ge-
bietenden hoͤchſten Willens, die Gruͤnde dieſer Be-
ſchaffenheit finden? Man kan, ohne eine Hartnaͤ-
ckigkeit zu bezeigen, nicht in Abrede ſeyn, daß die
geprieſene Erklaͤrungsart von den Natureigenſchaf-
ten, durch Anfuͤhrung ihres Nutzens, Grund an-
zugeben, hier nicht die verhofte Probe halte.
Es war gewiß, in Anſehung des Nutzens, der
Welt ganz gleichguͤltig, ob die Planetenkreiſe voͤl-
lig zirkelrund, oder ob ſie ein wenig eccentriſch waͤ-
ren; ob ſie mit der Flaͤche ihrer allgemeinen Bezie-
hung voͤllig zuſammen treffen, oder noch etwas da-
von abweichen ſolten; vielmehr, wenn es ja noͤthig
war, in dieſer Art von Uebereinſtimmungen be-
ſchraͤnkt zu ſeyn, ſo war es am beſten, ſie voͤllig an
ſich haben. Wenn es wahr iſt, was der Philo-
ſoph ſagte: daß GOtt beſtaͤndig die Geometrie aus-
uͤbet: wenn dieſes auch in den Wegen der allgemei-
nen Naturgeſetze hervor leuchtet; ſo wuͤrde gewiß
dieſe Regel, bey den unmittelbaren Werken des all-
maͤchtigen Wortes, vollkommen zu ſpuͤren ſeyn, und
dieſe wuͤrden alle Vollkommenheit der geometriſchen
Genauheit an ſich zeigen. Die Cometen gehoͤren
mit unter dieſe Maͤngel der Natur. Man kan
nicht leugnen, daß, in Anſehung ihres Laufes und
der Veraͤnderungen, die ſie dadurch erleiden, ſie als
un-
[155]und Theorie des Himmels.
unvollkommene Glieder der Schoͤpfung anzuſehen
ſeyn, welche weder dienen koͤnnen, vernuͤnftigen
Weſen bequeme Wohnplaͤtze abzugeben, noch dem
Beſten des ganzen Syſtems dadurch nuͤtzlich zu wer-
den, daß ſie, wie man vermuthet hat, der Sonne
dereinſt zur Nahrung dieneten; denn es iſt gewiß,
daß die meiſten derſelben dieſen Zweck nicht eher, als
bey dem Umſturze des ganzen planetiſchen Gebaͤu-
des, erreichen wuͤrden. Jn dem Lehrbegriffe, von
der unmittelbaren hoͤchſten Anordnung der Welt, oh-
ne eine natuͤrliche Entwickelung aus allgemeinen
Naturgeſetzen, wuͤrde eine ſolche Anmerkung an-
ſtoͤßig ſeyn, ob ſie gleich gewiß iſt. Allein in ei-
ner mechaniſchen Erklaͤrungsart verherrlichet ſich
dadurch die Schoͤnheit der Welt, und die Offenba-
rung der Allmacht, nicht wenig. Die Natur, in-
dem ſie alle moͤgliche Stufen der Mannigfaltigkeit
in ſich faſſet, erſtrecket ihren Umfang uͤber alle Gat-
tungen von der Vollkommenheit bis zum Nichts,
und die Maͤngel ſelber ſind ein Zeichen des Ueberfluſ-
ſes, an welchem ihr Jnnbegriff unerſchoͤpft iſt.
Es iſt zu glauben, daß die angefuͤhrten Analo-
gien ſo viel uͤber das Vorurtheil vermoͤgen wuͤrden,
den mechaniſchen Urſprung des Weltgebaͤudes an-
nehmungswuͤrdig zu machen, wenn nicht noch ge-
wiſſe Gruͤnde, die aus der Natur der Sache ſelber
hergenommen ſind, dieſer Lehrverfaſſung gaͤnzlich
zu widerſprechen ſchienen. Der Himmelsraum iſt,
wie ſchon mehrmalen gedacht, leer, oder wenig-
ſtens mit unendlich duͤnner Materie angefuͤllet,
wel-
[156]Allgemeine Naturgeſchichte
welche folglich kein Mittel hat abgeben koͤnnen, de-
nen Himmelskoͤrpern gemeinſchaftliche Bewegun-
gen einzudruͤcken. Dieſe Schwierigkeit iſt ſo be-
deutend und guͤltig, daß Newton, welcher Urſa-
che hatte, den Einſichten ſeiner Weltweisheit, ſo
viel als irgend ein Sterblicher zu vertrauen, ſich ge-
noͤthiget ſahe, allhier die Hoffnung aufzugeben,
die Eindruͤckung der den Planeten beywohnenden
Schwungskraͤfte, ohnerachtet aller Uebereinſtim-
mung, welche auf einen mechaniſchen Urſprung zei-
gete, durch die Geſetze der Natur und die Kraͤfte
der Materie, aufzuloͤſen. Ob es gleich vor einen
Philoſophen eine betruͤbte Entſchlieſſung iſt, bey ei-
ner zuſammengeſetzten, und noch weit von den ein-
fachen Grundgeſetzen entferneten Beſchaffenheit, die
Bemuͤhung der Unterſuchung aufzugeben, und ſich
mit der Anfuͤhrung des unmittelbaren Willens
GOttes zu begnuͤgen; ſo erkannte doch Newton
hier die Grenzſcheidung, welche die Natur und den
Finger GOttes, den Lauf der eingefuͤhrten Geſetze
der erſteren, und den Wink des letzteren, von ein-
ander ſcheidet. Nach eines ſo groſſen Weltweiſen
Verzweifelung ſcheinet es eine Vermeſſenheit zu
ſeyn, noch einen gluͤcklichen Fortgang in einer Sa-
che, von ſolcher Schwierigkeit, zu hoffen.
Allein eben dieſelbe Schwierigkeit, welche dem
Newton die Hoffnung benahm, die denen Him-
melskoͤrpern ertheilte Schwungskraͤfte, deren Rich-
tung und Beſtimmungen das Syſtematiſche des
Weltbaues ausmachet, aus denen Kraͤften der Na-
tur
[157]und Theorie des Himmels.
tur zu begreiffen, iſt die Qvelle der Lehrverfaſſung
geweſen, die wir in den vorigen Hauptſtuͤcken vor-
getragen haben. Sie gruͤndet einen mechaniſchen
Lehrbegriff; aber einen ſolchen, der weit von dem-
jenigen entfernet iſt, welchen Newton unzulaͤng-
lich befand, und um deſſen willen er alle Unterurſa-
chen verwarf, weil er (wenn ich es mir unterſtehen darf,
zu ſagen,) darinn irrete, daß er ihn vor den einzigen, un-
ter allen moͤglichen ſeiner Art, hielte. Es iſt ganz leicht
und natuͤrlich, ſelbſt vermittelſt der Schwierigkeit
des Newton, durch eine kurze und gruͤndliche
Schlußfolge auf die Gewißheit derjenigen mecha-
niſchen Erklaͤrungsart zu kommen, die wir in die-
ſer Abhandlung entworfen haben. Wenn man
vorausſetzt, (wie man denn nicht umhin kan, es
zu bekennen,) daß die obigen Analogien es mit groͤſ-
ſeſter Gewißheit feſtſetzen, daß die harmonirenden,
und ſich auf einander ordentlich beziehenden Bewe-
gungen und Kreiſe der Himmelskoͤrper, eine natuͤr-
liche Urſache, als ihren Urſprung, anzeigen; ſo kan
dieſe doch nicht dieſelbe Materie ſeyn, welche an-
jetzt den Himmelsraum erfuͤllet. Alſo muß diejeni-
ge, welche ehedem dieſe Raͤume erfuͤllete, und de-
ren Bewegung der Grund von den gegenwaͤrtigen
Umlaͤufen der Himmelskoͤrper geweſen iſt, nachdem
ſie ſich auf dieſe Kugeln verſammlet, und dadurch die
Raͤume gereiniget hat, die man anjetzt leer ſiehet,
oder, welches unmittelbar hieraus herflieſſet, die
Materie ſelber, daraus die Planeten, die Come-
ten, ja die Sonne, beſtehen, muͤſſen anfaͤnglich
in dem Raume des planetiſchen Syſtems ausgebrei-
tet
[158]Allgemeine Naturgeſchichte
tet geweſen ſeyn, und in dieſem Zuſtande ſich in
Bewegungen verſetzet haben, welche ſie behalten ha-
ben, als ſie ſich in beſondere Klumpen vereinigten,
und die Himmelskoͤrper bildeten, welche alle den
ehemals zerſtreueten Stoff der Weltmaterie in ſich
faſſen. Man iſt hiebey nicht lange in Verlegen-
heit, das Triebwerk zu entdecken, welches dieſen
Stoff der ſich bildenden Natur in Bewegung ge-
ſetzt haben moͤge. Der Antrieb ſelber, der die Verei-
nigung der Maſſen zuwege brachte, die Kraft der
Anziehung, welche der Materie weſentlich beywoh-
net, und ſich daher, bey der erſten Regung der
Natur, zur erſten Urſache der Bewegung ſo wohl
ſchicket, war die Quelle derſelben. Die Richtung,
welche bey dieſer Kraft immer gerade zum Mittel-
punkte hin zielet, macht allhier kein Bedenken;
denn es iſt gewiß, daß der feine Stoff zerſtreueter
Elemente in der ſenkrechten Bewegung, ſowohl
durch die Mannigfaltigkeit der Attractionspunkte,
als durch die Hinderniß, die einander ihre durch-
kreutzende Richtungslinien leiſten, hat in verſchie-
dene Seitenbewegungen ausſchlagen muͤſſen, bey de-
nen das gewiſſe Naturgeſetz, welches macht, daß
alle einander, durch gewechſelte Wirkung einſchraͤn-
kende Materie, ſich zuletzt auf einen ſolchen Zuſtand
bringet, da eine der andern ſo wenig Veraͤnderung,
als moͤglich, mehr zuziehet, ſowohl die Einfoͤrmig-
keit der Richtung, als auch die gehoͤrigen Grade
der Geſchwindigkeiten, hervorgebracht hat, die in
jedem Abſtande nach der Centralkraft abgewogen
ſeyn, und durch deren Verbindung weder uͤber noch
un-
[159]und Theorie des Himmels.
unter ſich auszuſchweifen trachten: da alle Elemen-
te alſo nicht allein nach einer Seite, ſondern auch
bey nahe in parallelen und freyen Zirkeln, um den
gemeinſchaftlichen Senkungspunkt, in dem duͤnnen
Himmelsraume umlaufend gemacht worden. Die-
ſe Bewegungen der Theile muſten hernach fortdau-
ren, als ſich planetiſche Kugeln daraus gebildet
hatten, und beſtehen anjetzt durch die Verbindung
des einmal [eingepflanzten] Schwunges mit der Cen-
tralkraft, in unbeſchraͤnkte kuͤnftige Zeiten. Auf
dieſem ſo unbegreiflichen Grunde beruhen die
Einfoͤrmigkeit der Richtungen in den Planetenkrei-
ſen, die genaue Beziehung auf eine gemeinſchaftli-
che Flaͤche, die Maͤßigung der Schwungskraͤfte
nach der Attraction des Ortes, die mit den Entfer-
nungen abnehmende Genauheit dieſer Analogien, und
die freye Abweichung der aͤuſſerſten Himmelskoͤrper
nach beyden Seiten ſowohl, als nach entgegenge-
ſetzter Richtung. Wenn dieſe Zeichen der gewech-
ſelten Abhaͤngigkeit in denen Beſtimmungen der
Erzeugung auf eine, durch den ganzen Raum ver-
breitete urſpruͤnglich bewegte Materie, mit offenba-
rer Gewißheit zeigen; ſo beweiſet der gaͤnzliche
Mangel aller Materien in dieſem nunmehro leeren
Himmelsraume, auſſer derjenigen, woraus die Koͤr-
per der Planeten, der Sonne und der Cometen zu-
ſammengeſetzt ſeyn, daß dieſe ſelber im Anfange
in dieſem Zuſtande der Ausbreitung, muͤſſe gewe-
ſen ſeyn. Die Leichtigkeit und Richtigkeit, mit
welcher aus dieſem angenommenen Grundſatze, alle
Phaͤnomena des Weltbaues in den vorigen Haupt-
ſtuͤcken
[160]Allgemeine Naturgeſchichte
ſtuͤcken hergeleitet worden, iſt eine Vollendung ſol-
cher Muthmaſſung, und giebt ihr einen Werth,
der nicht mehr willkuͤhrlich iſt.
Die Gewißheit einer mechaniſchen Lehrverfaſ-
ſung von dem Urſprunge des Weltgebaͤudes, vor-
nemlich des unſrigen, wird auf den hoͤchſten Gi-
pfel der Ueberzeugung erhoben, wenn man die
Bildung der Himmelskoͤrper ſelber, die Wichtigkeit
und Groͤſſe ihrer Maſſen nach dem Verhaͤltniſſen
erweget, die ſie, in Anſehung ihres Abſtandes von
dem Mittelpunkte der Gravitation, haben. Denn
erſtlich iſt die Dichtigkeit ihres Stoffes, wenn
man ſie im ganzen ihres Klumpens erweget, in
beſtaͤndigen Graden mit den Entfernungen von
der Sonne abnehmend: eine Beſtimmung, die ſo
deutlich auf die mechaniſche Beſtimmungen der
erſten Bildung zielet, daß man nichts mehr ver-
langen kan. Sie ſind aus ſolchen Materien zu-
ſammengeſetzet, deren die von ſchwererer Art einen
tiefern Ort zu dem gemeinſchaftlichen Senkungs-
punkte; die von leichterer Art aber, einen entferne-
teren Abſtand bekommen haben: welche Bedingung,
in aller Art der natuͤrlichen Erzeugung, nothwendig
iſt. Aber bey einer unmittelbar aus dem goͤttli-
chen Willen flieſſenden Errichtung, iſt nicht der
mindeſte Grund zu gedachten Verhaͤltniſſe anzutref-
fen. Denn ob es gleich ſcheinen moͤchte, daß
die entferneteren Kugeln aus leichterem Stoffe be-
ſtehen muͤſten, damit ſie von der geringern Kraft
der Sonnenſtrahlen die noͤthige Wirkung verſpuͤ-
ren
[161]und Theorie des Himmels.
ren koͤnnten; ſo iſt dieſes doch nur ein Zweck, der
auf die Beſchaffenheit der auf der Oberflaͤche be-
findlichen Materien, und nicht auf die tieferen Sor-
ten ſeines inwendigen Klumpens zielet, als in
welche die Sonnenwaͤrme niemals einige Wirkung
thut, die auch nur dienen die Attraction des Pla-
neten, welche die ihn umgebenden Koͤrper zu ihm
ſinkend machen ſoll, zu bewirken, und daher nicht
die mindeſte Beziehung auf die Staͤrke oder Schwaͤ-
che der Sonnenſtrahlen haben darf. Wenn man
daher fraget, woher die aus den richtigen Rech-
nungen des Newton gezogene Dichtigkeiten der
Erde, des Jupiters, des Saturns ſich gegenein-
ander wie 400, 94½ und 64 verhalten; ſo waͤre es
ungereimt die Urſache der Abſicht GOttes, wel-
cher ſie nach den Graden der Sonnenwaͤrme gemaͤſ-
ſiget hat, beyzumeſſen; denn da kan unſere Erde
uns zum Gegenbeweiſe dienen, bey der die Sonne
nur in eine ſo geringe Tiefe unter der Oberflaͤche
durch ihre Strahlen wirket, daß derjenige Theil
ihres Klumpens, der dazu einige Beziehung haben
muß, bey weitem nicht den millionſten Theil des
ganzen betraͤgt, wovon das uͤbrige in Anſehung
dieſer Abſicht voͤllig gleichguͤltig iſt. Wenn alſo der
Stoff, daraus die Himmelskoͤrper beſtehen, ein or-
dentliches mit den Entfernungen harmonirendes
Verhaͤltniß, gegen einander hat, und die Planeten
einander anjetzt nicht einſchraͤnken koͤnnen, da ſie
nun in leerem Raume von einander abſtehen; ſo
muß ihre Materie vordem in einem Zuſtande ge-
weſen ſeyn, da ſie in einander gemeinſchaftliche
Wirkung thun koͤnnen, um ſich in die, ihrer ſpeci-
Lfiſchen
[162]Allgemeine Naturgeſchichte
fiſchen Schweere proportionirte Oerter, einzuſchraͤn-
ken, welches nicht anders hat geſchehen koͤnnen,
als daß ihre Theile vor der Bildung in dem ganzen
Raume des Syſtems ausgebreitet geweſen, und,
dem allgemeinen Geſetze der Bewegung gemaͤß,
Derter gewonnen haben, welche ihrer Dichtigkeit
gebuͤhren.
Das Verhaͤltniß unter der Groͤſſe der plane-
tiſchen Maſſen, welches mit den Entfernungen zu-
nimmt, iſt der zweyte Grund der die mechaniſche
Bildung der Himmelskoͤrper, und vornemlich un-
ſere Theorie von derſelben, klaͤrlich beweiſet. War-
um nehmen die Maſſen der Himmelskoͤrper ohn-
gefehr mit den Entfernungen zu? Wenn man ei-
ner der Wahl GOttes alles zuſchreibenden Lehrart
nachgehet; ſo koͤnnte keine andere Abſicht gedacht
werden, warum die entfernetern Planeten groͤſſere
Maſſen haben muͤſſen, als damit ſie die vorzuͤgliche
Staͤrke ihrer Anziehung in ihrer Sphaͤre einen oder
etliche Monde begreifen koͤnten, welche dienen ſol-
len den Bewohnern, welche vor ſie beſtimmt ſind,
den Aufenthalt bequemlich zu machen. Allein die-
ſer Zweck konte eben ſowohl durch eine vorzuͤgliche
Dichtigkeit in dem inwendigen ihres Klumpens
erhalten werden, und warum muſte denn die aus
beſonderen Gruͤnden flieſſende Leichtigkeit des Stof-
fes, welche dieſem Verhaͤltniß entgegen iſt bleiben,
und durch den Vorzug des Volumens ſo weit uͤber-
troffen werden, daß dennoch die Maſſe der obern
wichtiger als der untern ihre wuͤrde? Wenn man
nicht auf die Art der natuͤrlichen Erzeugung dieſer
Koͤr-
[163]und Theorie des Himmels.
Koͤrver Acht hat; ſo wird man ſchwerlich von die-
ſem Verhaͤltniſſe Grund geben koͤnnen: aber in Be-
trachtung derſelben iſt nichts leichter, als dieſe Be-
ſtimmung zu begreifen. Als der Stoff aller Welt-
koͤrper in den Raum des planetiſchen Syſtems noch
ausgebreitet war; ſo bildete die Anziehung aus die-
ſen Theilchen Kugeln, welche ohne Zweifel um
deſto groͤſſer werden muſten, je weiten der Ort ih-
rer Bildungsſphaͤre von demjemgen allgemeinen
Centralkoͤrper entfernet war, der aus dem Mittel-
punkte des ganzen Raumes, durch eine vorzuͤglich
maͤchtige Attraction dieſe Vereinigung, ſo viel an
ihm iſt, einſchraͤnkete und hinderte.
Man wird die Merkmale dieſer Bildung der
Himmelskoͤrper aus dem, im Anfange ausgebreitet
geweſenem Grundſtoffe mit Vergnuͤgen an der
Weite der Zwiſchenraͤume gewahr, die ihre Kreiſe
von einander ſcheiden, und die nach dieſem Begrif-
fe als die leeren Faͤcher muͤſſen angeſehen werden,
aus denen die Planeten die Materie zu ihrer Bil-
dung hergenommen haben. Man ſiehet, wie die-
ſe Zwiſchenraͤume zwiſchen den Kreiſen ein Ver-
haͤltniß zu der Groͤſſe der Maſſen haben, die dar-
aus gebildet ſeyn. Die Weite zwiſchen dem Krei-
ſe des Jupiters und des Mars iſt ſo groß, daß
der darinn beſchloſſene Raum die Flaͤche aller un-
teren Planetenkreiſe zuſammengenommen uͤbertrift:
allein er iſt des groͤſſeſten unter allen Planeten wuͤr-
dig, desjenigen, der mehr Maſſe hat, als alle uͤbri-
gen zu ſammen. Man kan dieſe Entfernung des
Jupiters von dem Mars nicht der Abſicht beymeſ-
ſen, daß ihre Attractionen einander ſo wenig als
L 2moͤg-
[164]Allgemeine Naturgeſchichte
moͤglich, hindern ſolten. Denn nach ſolchem
Grunde wuͤrde ſich der Planet zwiſchen zwey Krei-
ſen allemal demjenigen am naͤchſten befinden, deſ-
ſen mit der ſeinigen vereinigte Attraction die bey-
derſeitigen Umlaͤufe um die Sonne, am wenigſten
ſtoͤhren kan: folglich demjenigen, der die kleinſte
Maſſe hat. Weil nun nach den richtigen Rech-
nungen Newtons die Gewalt, womit Jupiter in
den Lauf des Mars wirken kan, zu derjenigen, die
er in den Saturn durch die vereinigte Anziehung
ausuͤbet, wie \frac{1}{12512} zu \frac{1}{200} verhaͤlt; ſo kan man
leicht die Rechnung machen, um wie viel Jupiter
ſich dem Kreiſe des Mars naͤher befinden muͤſte,
als des Saturns ſeinem, wenn ihr Abſtand durch
die Abſicht ihrer aͤuſſerlichen Beziehung, und nicht
durch den Mechanismus ihrer Erzeugung beſtimmt
worden waͤre. Da dieſes ſich nun aber ganz an-
ders befindet: da ein planetiſcher Kreis in Anſe-
hung der zwey Kreiſe, die uͤber und unter ihm ſeyn,
ſich oft von demjenigen abſtehender befindet, in wel-
chem ein kleinerer Planet laͤuft, als die Bahn
deſſen von groͤſſerer Maſſe; die Weite des Rau-
mes aber um den Kreis eines jeden Planeten, al-
lemal ein richtiges Verhaͤltniß zu ſeiner Maſſe
hat; ſo iſt klar, daß die Art der Erzeugung dieſe Ver-
haͤltniſſe muͤſſe beſtimmt haben, und daß, weil dieſe
Beſtimmungen ſo, wie die Urſache und die Folgen
derſelben, ſcheinen verbunden zu ſeyn, man es wohl
am richtigſten treffen wird, wenn man die, zwi-
ſchen den Kreiſen begriffene Raͤume als die Behaͤlt-
niſſe desjenigen Stoffes anſiehet, daraus ſich die
Pla-
[165]und Theorie des Himmels.
Planeten gebildet haben: woraus unmittelbar fol-
get, daß deren Groͤſſe dieſer ihren Maſſen propor-
tionirt ſeyn muß, welches Verhaͤltniß aber bey
denen entfernetern Planeten durch die, in dem er-
ſten Zuſtande groͤſſere Zerſtreuung der elementari-
ſchen Materie in dieſen Gegenden vermehret wird.
Daher von zwey Planeten die an Maſſe einander
ziemlich gleich kommen, der entferntern einen groͤſ-
ſern Bildungsraum, d. i. einen groͤſſern Abſtand
von den beyden naͤchſten Kreiſen haben muß, ſowohl
weil der Stoff daſelbſt an ſich ſpecifiſch leichterer
Art, als auch, weil er zerſtreuter war, als bey
dem, ſo ſich naͤher zu der Sonne bildete. Da-
her obgleich die Erde zuſammt dem Monde der Ve-
nus noch nicht an koͤrperlichen Jnnhalte gleich zu
ſeyn ſcheinet, ſo hat ſie dennoch um ſich einen groͤſ-
ſern Bildungsraum erfordert: weil ſie ſich aus ei-
nem mehr zerſtreuten Stoffe zu bilden hatten, als
dieſer untere Planet. Vom Saturn iſt aus dieſen
Gruͤnden zu vermuthen, daß ſeine Bildungsſphaͤre
ſich auf der abgelegenen Seite viel weiter wird aus-
gebreitet haben, als auf der Seite gegen den Mit-
telpunkt hin, (wie denn dieſes faſt von allen Pla-
neten gilt;) und daher wird der Zwiſchenraum zwi-
ſchen den Saturnuskreiſe, und der Bahn des die-
ſem Planeten zunaͤchſt obern Himmelskoͤrpers, den
man uͤber ihn vermuthen kan, viel weiter, als zwi-
ſchen eben demſelben und dem Jupiter, ſeyn.
Alſo gehet alles in dem planetiſchen Weltbaue
ſtuffenweiſe, mit richtigen Beziehungen zu der er-
ſten erzeugenden Kraft, die neben dem Mittelpunk-
te wirkſamer als in der Ferne geweſen, in alle un-
L 3be-
[166]Allgemeine Naturgeſchichte
beſchraͤnkte Weiten fort. Die Verminderung der
eingedruckten ſchieſſenden Kraft, die Abweichung
von der genaueſten Uebereinſtimmung in der Rich-
tung und der Stellung der Kreiſe, die Dichtig-
keiten der Himmelskoͤrper, die Sparſamkeit der
Natur in Abſehen auf den Raum ihrer Bildung:
alles vermindert ſich ſtuffenartig von dem Centro
in die weiten Entfernungen: alles zeiget, daß die
erſte Urſache an die mechaniſchen Regeln der Be-
wegung gebunden geweſen, und nicht durch eine
freye Wahl gehandelt hat.
Allein was ſo deutlich, als irgend ſonſten etwas,
die natuͤrliche Bildung der Himmelskugeln aus
dem urſpruͤnglich in dem Raume des Himmels,
der nunmehro leer iſt, ausgebreitet geweſenen
Grundſtoffe anzeiget, iſt diejenige Uebereinſtim-
mung, die ich von dem Herrn von Buffon ent-
lehne, die aber in ſeiner Theorie bey weitem den
Nutzen, als in der unſrigen, nicht hat Denn
nach ſeiner Bemerkung, wenn man die Planeten,
deren Maſſen man durch Rechnung beſtimmen kan,
zuſammen ſummiret: nemlich den Saturn, den
Jupiter, die Erde und den Mond; ſo geben ſie ei-
nen Klumpen, deſſen Dichtigkeit der Dichtigkeit
des Sonnenkoͤrpers wie 640 zu 650 beykoͤmmt, wel-
che, da es die Hauptſtuͤcke in den planetiſchen Sy-
ſtem ſind, gegen die uͤbrigen Planeten Mars,
Venus und Merkur kaum verdienen gerechnet zu
werden; ſo wird man billig uͤber die merkwuͤrdige
Gleichheit erſtaunen, die zwiſchen der Materie des ge-
ſammten planetiſchen Gebaͤudes, wenn es als in ei-
nem Klumpen vereinigt betrachtet wird, und zwiſchen
der
[167]und Theorie des Himmels.
der Maſſe der Sonnen herrſchet. Es waͤre ein
unverautwortlicher Leichtſinn, dieſe Analogie ei-
nem Ungefehr zuzuſchreiben, welche unter einer
Mannigfaltigkeit ſo unendlich verſchiedener Mate-
rien, deren nur allein auf unſerer Erde einige anzu-
treffen ſind, die 15tauſendmal an Dichtigkeit von
einander uͤbetroffen worden, dennoch im ganzen der
Verhaͤltniß von 1 bis 1 ſo nahe kommen: und man
muß zugeben, daß wenn man die Sonne als ein
Mengſel von allen Sorten Materie, die in dem
planetiſchen Gebaͤude von einander geſchieden ſeyn,
betrachtet, alle insgeſammt ſich in einem Raume
ſcheinen gebildet zu haben, der urſpruͤnglich mit
gleichfoͤrmig ausgebreiteten Stoffe erfuͤllet war,
und auf dem Centralkoͤrper ſich ohne Unterſchied
verſammlet, zur Bildung der Planeten aber nach
Maßgebung der Hoͤhen eingetheilet worden. Jch
uͤberlaſſe es denen, die die mechaniſche Erzeu-
gung der Weltkoͤrper nicht zugeben koͤnnen, aus
dem Bewegungsgruͤnden der Wahl GOttes dieſe
ſo beſondere Uebereinſtimmung, wo ſie koͤnnen, zu
erklaͤren. Jch will endlich aufhoͤren, eine Sache
von ſo uͤberzeugender Deutlichkeit, als die Entwicke-
lung des Weltgebaͤudes aus den Kraͤften der Natur
iſt, auf mehr Beweisthuͤmer zu gruͤnden. Wenn
man im Stande iſt, bey ſo vieler Ueberfuͤhrung
unbeweglich zu bleiben; ſo muß man entweder gar
zu tief in den Feſſeln des Vorurtheils liegen, oder
gaͤnzlich unfaͤhig ſeyn, ſich uͤber den Wuſt herge-
brachter Meinungen, zu der Betrachtung der aller-
reinſten Wahrheit, empor zu ſchwingen. Jndeſ-
ſen iſt zu glauben, daß niemand als die Bloͤdſinnigen,
L 4auf
[168]Allgemeine Naturgeſchichte
auf deren Beyfall man nicht rechnen darf, die Rich-
tigkeit dieſer Theorie verkennen koͤnte, wenn die Ue-
bereinſtimmungen, die der Weltbau in allen ſeinen
Verbindungen zu dem Nutzen der vernuͤnftigen
Creatur hat, nicht etwas mehr, als bloſſe allgemeine
Naturgeſetze zum Grunde zu haben ſchienen. Man
glaubt auch mit Recht, daß geſchickte Anordnun-
gen, welche auf einen wuͤrdigen Zweck abzielen,
einen weiſen Verſtand zum Urheber haben muͤſſen,
und man wird voͤllig befriedigt werden, wenn man
bedenkt, daß, da die Naturen der Dinge keine ande-
re, als eben dieſe Urquelle erkennen, ihre weſentliche
und allgemeine Beſchaffenheiten eine natuͤrliche
Neigung zu anſtaͤndigen und unter einander wohl
uͤbereinſtimmenden Folgen haben muͤſſen. Man wird
ſich alſo nicht befremden doͤrfen, wenn man zum ge-
wechſelten Vortheile der Creaturen gereichende Ein-
richtungen der Weltverfaſſung gewahr wird, ſelbi-
ge einer natuͤrlichen Folge aus den allgemeinen Ge-
ſetzen der Natur beyzumeſſen denn was aus die-
ſem herflieſſet, iſt nicht die Wirkung des blinden
Zufalles oder der unvernuͤnftigen Nothwendigkeit:
es gruͤndet ſich zuletzt doch in der hoͤchſten Weisheit,
von der die allgemeinen Beſchaffenheiten ihre Ueber-
einſtimmung entlehnen. Der eine Schluß iſt ganz
richtig: Wenn in der Verfaſſung der Welt, Ord-
nung und Schoͤnheit hervorleuchten; ſo iſt ein Gott.
Allein, der andere iſt nicht weniger gegruͤndet: Wenn
dieſe Ordnung aus allgemeinen Naturgeſetzen hat
herflieſſen koͤnnen; ſo iſt die ganze Natur nothwen-
dig eine Wirkung der hoͤchſten Weisheit.
Wenn
[169]und Theorie des Himmels.
Wenn man es ſich aber durchaus belieben laͤßt,
die unmittelbare Anwendung der goͤttlichen Weis-
heit an allen Anordnungen der Natur, die unter ſich
Harmonie und nuͤtzliche Zwecke begreiffen, zu erken-
nen, indem man der Entwickelung aus allgemeinen
Bewegungsgeſetzen keine uͤbereinſtimmende Folgen
zutrauet; ſo wollte ich rathen, in der Beſchauung
des Weltbaues ſeine Augen nicht auf einen einzigen
unter den Himmelskoͤrpern, ſondern auf das Ganze
zu richten, um ſich aus dieſem Wahne auf einmal
heraus zu reiſſen. Wenn die ſchiefe Lage der Erd-
achſe, gegen die Flaͤche ihres jaͤhrlichen Laufes, durch
die beliebte Abwechſelung der Jahreszeiten, ein Be-
weisthum der unmittelbaren Hand GOttes ſeyn ſoll,
ſo darf man nur dieſe Beſchaffenheit bey den andern
Himmelskoͤrpern dagegen halten; ſo wird man ge-
wahr werden, daß ſie bey jedem derſelben abwech-
ſelt, und daß in dieſer Verſchiedenheit es auch ei-
nige giebt, die ſie gar nicht haben: wie z. E. Ju-
piter, deſſen Achſe ſenkrecht zu dem Plane ſeines
Kreiſes iſt, und Mars, deſſen ſeine es beynahe iſt,
welche beyde keine Verſchiedenheit der Jahreszeiten
genieſſen, und doch eben ſowohl Werke der hoͤchſten
Weisheit, als die andern, ſind. Die Begleitung
der Monde beym Saturn, dem Jupiter und der
Erde, wuͤrden ſcheinen, beſondere Anordnungen
des Weſens zu ſeyn, wenn die freye Abweichung von
dieſem Zwecke, durch das ganze Syſtem des Welt-
baues, nicht anzeigte, daß die Natur, ohne durch
einen auſſerordentlichen Zwang in ihrem freyen Be-
tragen geſtoͤrt zu ſeyn, dieſe Beſtimmungen hervor-
gebracht habe. Jupiter hat vier Monde, Saturn
L 5fuͤnf,
[170]Allgemeine Naturgeſchichte
fuͤnf, die Erde einen, die uͤbrigen Planeten gar kei-
nen; ob es gleich ſcheinet, daß dieſe, wegen ihrer
laͤngeren Naͤchte, derſelben beduͤrftiger waͤren, als
jene. Wenn man die proportionirte Gleichheit,
der den Planeten eingedruͤckten Schwungskraͤfte,
mit den Centralneigungen ihres Abſtandes, als die
Urſache, woher ſie beynahe in Zirkeln um die Son-
ne laufen, und, durch die Gleichmaͤßigkeit der von
dieſer ertheilten Waͤrme, zu Wohnplaͤtzen vernuͤnf-
tiger Creaturen geſchickt werden, bewundert, und
ſie, als den unmittelbaren Finger der Allmacht, an-
ſiehet; ſo wird man auf einmal auf die allgemeinen
Geſetze der Natur zuruͤck gefuͤhret, wenn man er-
weget, daß dieſe planetiſche Beſchaffenheit ſich nach
und nach, mit allen Stufen der Verminderung, in
der Tiefe des Himmels verlieret, und daß eben die
hoͤchſte Weisheit, welche an der gemaͤßigten Bewe-
gung der Planeten ein Wohlgefallen gehabt hat,
auch die Maͤngel nicht ausgeſchloſſen, mit welchen
ſich das Syſtem endiget, indem es in der voͤlligen
Unregelmaͤßigkeit und Unordnung aufhoͤret. Die
Natur, ohnerachtet ſie eine weſentliche Beſtimmung
zur Vollkommenheit und Ordnung hat, faſſet in
dem Umfange ihrer Mannigfaltigkeit alle moͤgliche
Abwechſelungen, ſogar bis auf die Maͤngel und Ab-
weichungen, in ſich. Eben dieſelbe unbeſchraͤnkte
Fruchtbarkeit derſelben hat die bewohnten Himmels-
kugeln ſowohl, als die Cometen, die nuͤtzlichen Ver-
ge und die ſchaͤdlichen Klippen, die bewohnbaren Land-
ſchaften und oͤden Wuͤſteneyen, die Tugenden
und Laſter, hervorge-
bracht.
Allge-
[[171]]
Allgemeine
Naturgeſchichte
und
Theorie des Himmels.
Dritter Theil,
Welcher
einen Verſuch einer auf die Analogien der
Natur gegruͤndeten Vergleichung, zwiſchen den
Einwohnern verſchiedener Planeten,
in ſich enthaͤlt.
Wer das Verhaͤltniß aller Welten, von einem Theil zum
andern weis,Wer aller Sonnen Menge kennet, und jeglichen Pla-
netenkreis:Wer die verſchiedenen Bewohner von einem jeden
Stern erkennet,Dem iſt allein, warum die Dinge ſo ſeyn, als wie ſie
ſeyn, vergoͤnnet,Zu faſſen, und uns zu erklaͤren.
Pope.
[[172]][173]
Allgemeine
Naturgeſchichte
und
Theorie des Himmels.
Dritter Theil.
Anhang,
von
den Bewohnern der Geſtirne.
Weil ich davor halte, daß es den
Charakter der Weltweisheit ent-
ehren heiſſe, wenn man ſich ih-
rer gebrauchet, mit einer Art
von Leichtſinn freye Ausſchwei-
fungen des Witzes, mit einiger
Scheinbarkeit, zu behaupten, wenn man ſich gleich
erklaͤren wolte, daß es nur geſchaͤhe, um zu belu-
ſti-
[174]Allgemeine Naturgeſchichte
ſtigen; ſo werde in gegenwaͤrtigem Verſuche keine
anderen Saͤtze anfuͤhren, als ſolche, die zur Erwei-
terung unſeres Erkenntniſſes wirklich beytragen koͤn-
nen, und beren Wahrſcheinlichkeit zugleich ſo wohl
gegruͤndet iſt, daß man ſich kaum entbrechen kan,
ſie gelten zu laſſen.
Obgleich es ſcheinen moͤchte, daß in dieſer Art des
Vorwurfes, die Freyheit zu erdichten, keine eigentliche
Schranken habe, und daß man in dem Urtheil von der
Beſchaffenheit der Einwohner entlegener Welten,
mit weit groͤſſerer Ungebundenheit, der Phantaſey
koͤnne den Zuͤgel ſchieſſen laſſen, als ein Mahler in
der Abbildung der Gewaͤchſe oder Thiere unentdeck-
ter Laͤnder, und daß dergleichen Gedanken weder
recht erwieſen, noch widerleget werden koͤnten; ſo
muß man doch geſtehen, daß die Entfernungen der
Himmelskoͤrper von der Sonne gewiſſe Verhaͤltniſſe
mit ſich fuͤhren, welche einen weſentlichen Einfluß,
in die verſchiedenen Eigenſchaften der denkenden Na-
turen, nach ſich ziehen, die auf denenſelben befind-
lich ſind, als deren Art zu wirken und zu leiden,
an die Beſchaffenheit der Materie, mit der ſie ver-
knuͤpfet ſeyn, gebunden iſt, und von dem Maaß der
Eindruͤcke abhaͤnget, die die Welt, nach den Ei-
genſchaften der Beziehung ihres Wohnplatzes, zu
dem Mittelpunkte der Attraction und der Waͤrme,
in ihnen erwecket.
Jch bin der Meinung, daß es eben nicht noth-
wendig ſey, zu behaupten, alle Planeten muͤßten
bewohnt ſeyn, ob es gleich eine Ungereimtheit waͤ-
re,
[175]und Theorie des Himmels.
re, dieſes, in Anſehung aller, oder auch nur der mei-
ſten, zu leugnen. Bey dem Reichthume der Na-
tur, da Welten und Syſteme, in Anſehung des
Ganzen der Schoͤpfung, nur Sonnenſtaͤubcyen
ſeyn, koͤnnte es auch wohl oͤde und unbewohnte Ge-
genden geben, die nicht auf das genaueſte zu dem
Zwecke der Natur, nemlich der Betrachtung ver-
nuͤnftiger Weſen, genutzet wuͤrden. Es waͤre, als
wenn man ſich aus dem Grunde der Weisheit GOt-
tes ein Bedenken machen wolte, zuzugeben, daß
ſandigte und unbewohnte Wuͤſteneyen groſſe Stre-
cken des Erdbodens einnehmen, und daß es verlaſ-
ſene Jnſeln im Weltmeere gebe, darauf kein
Menſch befindlich iſt. Jndeſſen iſt ein Planet, viel
weniger in Anſchung des Ganzen der Schoͤpfung,
als eine Wuͤſte, oder Jnſel, in Anſehung des Erd-
bodens.
Vielleicht, daß ſich noch nicht alle Himmelskoͤr-
per voͤllig ausgebildet haben; es gehoͤren Jahrhun-
derte, und vielleicht tauſende von Jahren dazu, bis
ein groſſer Himmelskoͤrper einen feſten Stand ſei-
ner Materien erlanget hat. Jupiter ſcheinet noch
in dieſem Streite zu ſeyn. Die merkliche Abwech-
ſelung ſeiner Geſtalt, zu verſchiedenen Zeiten, hat
die Aſtronomen ſchon vorlaͤngſt muthmaſſen laſſen,
daß er groſſe Umſtuͤrzungen erleiden muͤſſe, und bey
weiten ſo ruhig auf ſeiner Oberflaͤche nicht ſey, als
es ein bewohnbarer Planet ſeyn muß. Wenn er
keine Bewohner hat, und auch keine jemals haben
ſolte, was vor ein unendlich kleiner Aufwand der
Na-
[176]Allgemeine Naturgeſchichte
Natur waͤre dieſes, in Anſehung der Unermeßlich-
keit der ganzen Schoͤpfung? Und waͤre es nicht
vielmehr ein Zeichen der Armuth, als des Ueber-
fluſſes derſelben, wenn ſie in jedem Punkte des Rau-
mes ſo ſorgfaͤltig ſeyn ſolte, alle ihre Reichthuͤmer
aufzuzeigen?
Allein, man kan noch mit mehr Befriedigung
vermuthen, daß, wenn er gleich jetzt unbewohnt
iſt, er dennoch es dereinſt werden wird, wenn die
Periode ſeiner Bildung wird vollendet ſeyn. Viel-
leicht iſt unſere Erde tauſend oder mehr Jahre vor-
handen geweſen, ehe ſie ſich in Verfaſſung befun-
den hat, Menſchen, Thiere und Gewaͤchſe unter-
halten zu koͤnnen. Daß ein Planet nun einige
tauſend Jahre ſpaͤter zu dieſer Vollkommenheit
kommt, das thut dem Zwecke ſeines Daſeyns kei-
nen Abbruch. Er wird eben um deswillen auch ins
zukuͤnftige laͤnger in der Vollkommenheit ſeiner
Verfaſſung, wenn er ſie einmal erreichet hat, ver-
bleiben; denn es iſt einmal ein gewiſſes Naturge-
ſetz: alles, was einen Anfang hat, naͤhert ſich be-
ſtaͤndig ſeinem Untergange, und iſt demſelben um
ſo viel naͤher, je mehr es ſich von dem Punkte ſeines
Anfanges entfernet hat.
Die ſatyriſche Vorſtellung jenes witzigen
Kopfes aus dem Haag, welcher, nach der Anfuͤh-
rung der allgemeinen Nachrichten aus dem R. d.
Wiſſenſchaften, die Einbildung von der nothwendi-
gen Bevoͤlkerung aller Weltkoͤrper, auf der laͤcher-
lichen Seite vorzuſtellen wuſte, kan nicht anders,
als
[177]und Theorie des Himmels.
als gebilliget werden. „Diejenigen Creaturen,‟
ſpricht er, „welche die Waͤlder auf dem Kopfe ei-
„nes Bettlers bewohnen, hatten ſchon lange ihren
„Aufenthalt vor eine unermeßliche Kugel, und ſich
„ſelber, als das Meiſterſtuͤck der Schoͤpfung, ange-
„ſehen, als einer unter ihnen, den der Himmel mit
„einer feinern Seele begabet hatte, ein kleiner Fon-
„tenelle ſeines Geſchlechts, den Kopf eines Edel-
„manns unvermuthet gewahr ward. Alsbald rief
„er alle witzige Koͤpfe ſeines Quartiers zuſammen,
„und ſagte ihnen mit Entzuͤckung: wir ſind nicht
„die einzigen belebten Weſen der ganzen Natur: ſehet
„hier ein neues Land, hie wohnen mehr Laͤuſe.„
Wenn der Ausgang dieſes Schluſſes ein Lachen er-
wecket; ſo geſchicht es nicht um deswillen, weil er
von der Menſchen Art, zu urtheilen, weit abgehet;
ſondern, weil eben derſelbe Jrrthum, der bey dem
Menſchen eine gleiche Urſache zum Grunde hat, bey
dieſen mehr Entſchuldigung zu verdienen ſcheinet.
Laßt uns ohne Vorurtheil urtheilen. Dieſes
Jnſekt, welches, ſowohl ſeiner Art zu leben, als
auch ſeiner Nichtswuͤrdigkeit nach, die Beſchaffen-
heit der meiſten Menſchen ſehr wohl ausdruͤckt, kan
mit gutem Fuge zu einer ſolchen Vergleichung ge-
braucht werden. Weil, ſeiner Einbildung nach,
der Natur an ſeinem Daſeyn unendlich viel gelegen
iſt: ſo haͤlt es die ganze uͤbrige Schoͤpfung vor ver-
geblich, die nicht eine genaue Abzielung auf ſein
Geſchlechte, als den Mittelpunkt ihrer Zwecke, mit
ſich fuͤhret. Der Menſch, welcher gleich unendlich
Mweit
[178]Allgemeine Naturgeſchichte
weit von der oberſten Stufe der Weſen abſtehet, iſt
ſo verwegen, von der Nothwendigkeit ſeines Da-
ſeyns, ſich mit gleicher Einbildung zu ſchmeicheln.
Die Unendlichkeit der Schoͤpfung faſſet alle Natu-
ren, die ihr uͤberſchwenglicher Reichthum hervor-
bringt, mit gleicher Nothwendigkeit in ſich. Von
der erhabenſten Claſſe, unter den denkenden Weſen,
bis zu dem verachteteſten Jnſekt, iſt ihr kein Glied
gleichguͤltig; und es kan keins fehlen, ohne daß die
Schoͤnheit des Ganzen, welche in dem Zuſammen-
hange beſtehet, dadurch unterbrochen wuͤrde. Jn-
deſſen wird alles, durch allgemeine Geſetze, beſtim-
met, welche die Natur, durch die Verbindung ih-
rer urſpruͤnglich eingepflanzten Kraͤfte, bewirket.
Weil ſie in ihrem Verfahren lauter Wohlanſtaͤndig-
keit und Ordnung hervorbringt; ſo darf keine ein-
zelne Abſicht ihre Folgen ſtoͤren und unterbrechen.
Bey ihrer erſten Bildung war die Erzeugung eines
Planeten nur eine unendlich kleine Folge ihrer
Fruchtbarkeit; und nun waͤre es etwas ungereim-
tes, daß ihre ſo wohlgegruͤndete Geſetze, den beſon-
dern Zwecken dieſes Atomus nachgeben ſolten.
Wenn die Beſchaffenheit eines Himmelskoͤrpers der
Bevoͤlkerung natuͤrliche Hinderniſſe entgegen ſetzet:
ſo wird er unbewohnt ſeyn, obgleich es an und vor
ſich ſchoͤner waͤre, daß er Einwohner haͤtte. Die Tref-
lichkeit der Schoͤpfung verlieret dadurch nichts:
denn das Unendliche iſt unter allen Groͤſſen diejeni-
ge, welche, durch Entziehung eines endlichen Thei-
les, nicht vermindert wird. Es waͤre, als wenn
man klagen wolte, daß der Raum, zwiſchen dem
Ju-
[179]und Theorie des Himmels.
Jupiter und dem Mars, ſo unnoͤthig leer ſtehet,
und daß es Cometen giebt, welche nicht bevoͤlkert
ſind. Jn der That, jenes Jnſekt mag uns ſo
nichtswuͤrdig ſcheinen, als es wolle, es iſt der Na-
tur gewiß an der Erhaltung ihrer ganzen Claſſe
mehr gelegen, als an einer kleinen Zahl vortrefli-
cherer Geſchoͤpfe, deren es dennoch unendlich viel
giebt, wenn ihnen gleich eine Gegend, oder Ort, be-
raubet ſeyn ſolte. Weil ſie in Hervorbringung bey-
der unerſchoͤpflich iſt, ſo ſieht man ja gleich unbe-
kuͤmmert, beyde in ihrer Erhaltung und Zerſtoͤ-
rung, den allgemeinen Geſetzen uͤberlaſſen. Hat
wohl jemals der Beſitzer jener bewohnten Waͤlder,
auf dem Kopfe des Bettlers, groͤſſere Verheerun-
gen unter dem Geſchlechte dieſer Colonie gemacht,
als der Sohn Philipps, in dem Geſchlechte ſeiner
Mitbuͤrger, anrichtete, als es ihm ſein boͤſer Ge-
nius in den Kopf geſetzet hatte, daß die Welt nur
um ſeinetwillen hervorgebracht ſey?
Jndeſſen ſind doch die meiſten unter den Pla-
neten gewiß bewohnt, und die es nicht ſind, wer-
den es dereinſt werden. Was vor Verhaͤltniſſe
werden nun, unter den verſchiedenen Arten dieſer
Einwohner, durch die Beziehung ihres Ortes in
dem Weltgebaͤude zu dem Mittelpunkte, daraus ſich
die Waͤrme verbreitet, die alles belebt, verurſachet
werden. Denn es iſt gewiß, daß dieſe, unter den
Materien dieſer Himmelskoͤrper, nach Proportion
ihres Abſtandes, gewiſſe Verhaͤltniſſe in ihren Be-
ſtimmungen mit ſich fuͤhret. Der Menſch, welcher
M 2un-
[180]Allgemeine Naturgeſchichte
unter allen vernuͤnftigen Weſen dasjenige iſt, wel-
ches wir am deutlichſten kennen, ob uns gleich ſeine
innere Beſchaffenheit annoch ein unerforſchtes
Problema iſt, muß in dieſer Vergleichung zum
Grunde und zum allgemeinen Beziehungspunkte die-
nen. Wir wollen ihn allhier nicht nach ſeinen mo-
raliſchen Eigenſchaften, auch nicht nach der phyſi-
ſchen Einrichtung ſeines Baues betrachten: wir
wollen nur unterſuchen, was das Vermoͤgen, ver-
nuͤnftig zu denken, und die Bewegung ſeines Lei-
bes, die dieſem gehorchet, durch die, dem Abſtande
von der Sonne proportionirte Beſchaffenheit der
Materie, an die er geknuͤpfet iſt, vor Einſchraͤn-
kungen leide. Des unendlichen Abſtandes unge-
achtet, welcher zwiſchen der Kraft, zu denken, und der
Bewegung der Materie, zwiſchen dem vernuͤnftigen
Geiſte, und dem Koͤrper, anzutreffen iſt, ſo iſt es
doch gewiß, daß der Menſch, der alle ſeine Begrif-
fe und Vorſtellungen von dem Eindrucke her hat,
die das Univerſum, vermittelſt des Koͤrpers, in
ſeiner Seele erreget, ſowohl in Anſehung der Deut-
lichkeit derſelben, als auch der Fertigkeit, dieſelbe
zu verbinden und zu vergleichen, welche man das
Vermoͤgen zu denken nennet, von der Beſchaffen-
heit dieſer Materie voͤllig abhaͤngt, an die der
Schoͤpfer ihn gebunden hat.
Der Menſch iſt erſchaffen, die Eindruͤcke und
Ruͤhrungen, die die Welt in ihm erregen ſoll, durch
denjenigen Koͤrper anzunehmen, der der ſichtbare
Theil ſeines Weſens iſt, und deſſen Materie nicht
allein dem unſichtbaren Geiſte, welcher ihn bewoh-
net,
[181]und Theorie des Himmels.
net, dienet, die erſten Begriffe der aͤuſſeren Gegen-
ſtaͤnde einzudruͤcken; ſondern auch in der innern
Handlung dieſe zu wiederholen, zu verbinden: kurz,
zu denken, unentbehrlich iſt (*). Nach dem Maaſſe,
als ſein Koͤrper ſich ausbildet, bekommen die Faͤhig-
keiten ſeiner denkenden Natur, auch die gehoͤrigen
Grade der Vollkommenheit, und erlangen allererſt
ein geſetztes und maͤnnliches Vermoͤgen, wenn die
Faſern ſeiner Werkzeuge die Feſtigkeit und Dauer-
haftigkeit uͤberkommen haben, welche die Vollendung
ihrer Ausbildung iſt. Diejenigen Faͤhigkeiten entwi-
ckeln ſich bey ihm fruͤh genug, durch welche er der Noth-
durft, die die Abhaͤngigkeit von den aͤuſſerlichen Din-
gen ihm zuziehet, genug thun kan. Bey einigen Men-
ſchen bleibt es bey dieſem Grade der Auswickelung.
Das Vermoͤgen, abgezogene Begriffe zu verbin-
den, und durch eine freye Anwendung der Einſich-
ten, uͤber den Hang der Leidenſchaften zu herrſchen,
findet ſich ſpaͤt ein, bey einigen niemals in ihrem
ganzen Leben; bey allen aber iſt es ſchwach: es die-
net den unteren Kraͤften, uͤber die es doch herrſchen
ſolte, und in deren Regierung der Vorzug ſeiner
M 3Na-
[182]Allgemeine Naturgeſchichte
Natur beſtehet. Wenn man das Leben der meiſten
Menſchen anſiehet: ſo ſcheinet dieſe Creatur ge-
ſchaffen zu ſeyn, um wie eine Pflanze Saft in ſich
zu ziehen und zu wachſen, ſein Geſchlecht fortzuſe-
tzen, endlich alt zu werden, und zu ſterben. Er er-
reichet unter allen Geſchoͤpfen am wenigſten den
Zweck ſeines Daſeyns, weil er ſeine vorzuͤgliche Faͤ-
higkeiten zu ſolchen Abſichten verbrauchet, die die
uͤbrigen Creaturen mit weit minderen, und doch weit
ſicherer und anſtaͤndiger, erreichen. Er wuͤrde auch
das Verachtungswuͤrdigſte unter allen, zum wenig-
ſten in den Augen der wahren Weisheit, ſeyn, wenn
die Hoffnung des Kuͤnftigen ihn nicht erhuͤbe, und
denen, in ihm verſchloſſenen Kraͤften, nicht die Pe-
riode einer voͤlligen Auswickelung bevorſtuͤnde.
Wenn man die Urſache der Hinderniſſe unterſu-
chet, welche die menſchliche Natur in einer ſo tiefen
Erniedrigung erhalten; ſo findet ſie ſich in der Grob-
heit der Materie, darinn ſein geiſtiger Theil verſen-
ket iſt, in der Unbiegſamkeit der Faſern, und der
Traͤgheit und Unbeweglichkeit der Saͤfte, welche
deſſen Regungen gehorchen ſollen. Die Nerven
und Fluͤßigkeiten ſeines Gehirnes liefern ihm nur
grobe und undeutliche Begriffe, und weil er der Rei-
tzung der ſinnlichen Empfindungen, in dem inwen-
digen ſeines Denkungsvermoͤgens, nicht genugſam
kraͤftige Vorſtellungen zum Gleichgewichte entgegen
ſtellen kan: ſo wird er von ſeinen Leidenſchaften hin-
geriſſen, von dem Getuͤmmel der Elemente, die ſei-
ne Maſchine unterhalten, uͤbertaͤubet und geſtoͤret.
Die Bemuͤhungen der Vernunft, ſich dagegen zu er-
he-
[183]und Theorie des Himmels.
heben, und dieſe Verwirrung durch das Licht der
Urtheilskraft zu vertreiben, ſind wie die Sonnen-
blicke, wenn dicke Wolken ihre Heiterkeit unablaͤſ-
ſig unterbrechen und verdunkeln.
Dieſe Grobheit des Stoffes und des Gewebes
in dem Baue der menſchlichen Natur iſt die Urſa-
che derjenigen Traͤgheit, welche die Faͤhigkeiten der
Seele in einer beſtaͤndigen Mattigkeit und Kraft-
loſigkeit erhaͤlt. Die Handlung des Nachdenkens,
und der durch die Vernunft aufgeklaͤrten Vorſtel-
lungen iſt ein muͤhſamer Zuſtand, darein die Seele
ſich nicht ohne Wiederſtand ſetzen kan, und aus
welchem ſie, durch einen natuͤrlichen Hang der koͤr-
perlichen Maſchine, alsbald in den leidenden Zuſtand
zuruͤckfaͤllt, da die ſaͤmtlichen Reizungen alle ihre
Handlungen beſtimmen und regieren.
Dieſe Traͤgheit ſeiner Denkungskraft, welche
eine Folge der Abhaͤngigkeit von einer groben und
ungelenkſamen Materie iſt, iſt nicht allein die
Quelle des Laſters, fondern auch des Jrrthums.
Durch die Schwierigkeit, welche mit der Bemuͤ-
hung verbunden iſt, den Nebel der verwirrten Be-
griffe zu zerſtreuen, und das durch verglichene
Jdeen entſpringende allgemeine Erkenntniß von den
ſinnlichen Eindruͤcken abzuſondern, abgehalten,
giebt ſie lieber einem uͤbereilten Beyfalle Platz, und
beruhigt ſich in dem Beſitze einer Einſicht, welche
ihr die Traͤgheit ihrer Natur und der Wiederſtand
der Materie kaum von der Seite erblicken laſſen.
Jn dieſer Abhaͤngigkeit ſchwinden die geiſtigen
Faͤhigkeiten zugleich mit der Lebhaftigkeit des Leibes:
wenn das hohe Alter durch den geſchwaͤchten Um-
M 4lauf
[184]Allgemeine Naturgeſchichte
lauf der Saͤfte nur dicke Saͤfte in dem Koͤrper ko-
chet, wenn die Beugſamkeit der Faſern, und die
Behendigkeit in allen Bewegungen abnimmt, ſo
erſtarren die Kraͤfte des Geiſtes in einer gleichen
Ermattung. Die Hurtigkeit der Gedanken, die
Klarheit der Vorſtellung, die Lebhaftigkeit des
Witzes und das Erinnerungsvermoͤgen werden
kraftlos und erkalten. Die durch lange Erfah-
rung eingepfropften Begriffe erſetzen noch einigermaſ-
ſen den Abgang dieſer Kraͤfte und der Verſtand
wuͤrde ſein Unvermoͤgen noch deutlicher verrathen,
wenn die Heftigkeit der Leidenſchaften, die deſſen Zuͤ-
gel noͤthig haben, nicht zugleich, und noch eher als
er, ebnehmen moͤchten.
Es erhellet demnach hieraus deutlich, daß die
Kraͤfte der menſchlichen Seele von den Hinderniſ-
ſen einer groben Materie, an die ſie innigſt verbun-
den werden, eingeſchraͤnket und gehemmet werden;
aber es iſt etwas noch merkwuͤrdigers, daß dieſe
ſpecifiſche Beſchaffenheit des Stoffes eine weſentli-
che Beziehung zu dem Grade des Hinfluſſes hat,
womit die Sonne nach dem Maſſe ihres Abſtan-
des ſie belebet, und zu den Verrichtungen der ani-
maliſchen Oeconomie tuͤchtig macht. Dieſe noth-
wendige Beziehung zu dem Feuer, welches ſich aus
dem Mittelpunkte des Weltſyſtems verbreitet, um
die Materie in der noͤthigen Regung zu erhalten, |iſt
der Grund einer Analogie, die eben hieraus, zwiſchen
den verſchiedenen Bewohnern der Planeten, veſt
geſetzet wird: und eine jede Claſſe derſelben iſt ver-
moͤge dieſer Verhaͤltniß an den Ort durch die Noth-
wen-
[185]und Theorie des Himmels.
wendigkeit ihrer Natur gebunden, der ihr in dem
Univerſo angewieſen worden.
Die Einwohner der Erde und der Venus koͤn-
nen ohne ihr beyderſeitiges Verderben ihre Wohn-
plaͤtze gegeneinander nicht vertauſchen. Der erſtere,
deſſen Bildungsſtoff vor den Grad der Waͤrme ſei-
nes Abſtandes proportionirt, und daher vor einen
noch groͤſſern zu leicht und fluͤchtig iſt, wuͤrde in ei-
ner erhitzteren Sphaͤre gewaltſame Bewegungen
und eine Zerruͤttung ſeiner Natur erleiden, die von
der Zerſtreuung und Austrocknung der Saͤfte und
einer gewaltſamen Spannung ſeiner elaſtiſchen Fa-
ſern entſtehen wuͤrde; der letztere deſſen groͤberer
Bau und Traͤgheit der Elemente ſeiner Bildung,
eines groſſen Einfluſſes der Sonne bedarf, wuͤrde
in einer kuͤhleren Himmelsgegend erſtarren und
in einer Lebloſigkeit verderben. Eben ſo muͤſſen
es weit leichtere und fluͤchtigere Materie ſeyn, dar-
aus der Koͤrper des Jupiters Bewohners beſtehet,
damit die geringe Regung, womit die Sonne in
dieſem Abſtande wuͤrken kan, dieſe Maſchinen eben
ſo kraͤftig bewegen koͤnne, als ſie es in den unteren
Gegenden verrichtet, und damit alles in einem all-
gemeinen Begriffe zuſammenfaſſe. Der Stoff
woraus die Einwohner verſchiedener Pla-
neten, ja ſo gar die Thiere und Gewaͤchſe
auf denſelben, gebildet ſeyn, muß uͤberhaupt
um deſto leichterer und feinerer Art, und
die Elaſticitaͤt der Faſern ſammt der vor-
theilhaften Anlage ihres Baues, um deſto
vollkommener ſeyn, nach dem Maſſe als
ſie weiter von der Sonne abſtehen.
M 5Die-
[186]Allgemeine Naturgeſchichte
Dieſes Verhaͤltniß iſt ſo natuͤrlich und wohl
gegruͤndet, daß nicht allein die Bewegungsgruͤnde
des Endzwecks darauf fuͤhren, welche in der Na-
turlehre gemeiniglich nur als ſchwache Gruͤnde an-
geſehen werden, ſondern zugleich die Proportion
der ſpecifiſchen Beſchaffenheit der Materien woraus
die Planeten beſtehen, welche ſowohl durch die
Rechnungen des Newton, als auch durch die
Gruͤnde der Cosmogonie ausgemacht ſind, dieſelbe
beſtaͤtigen, nach welchen der Stoff, woraus die Him-
melskoͤrper gebildet ſind, bey den entfernetern alle-
mal leichterer Art, als bey den nahen iſt, welches
nothwendig an denen Gefchoͤpfen, die ſich auf ih-
nen erzeugen und unterhalten, ein gleiches Ver-
haͤltniß nach ſich ziehen muß.
Wir haben eine Vergleichung zwiſchen der Be-
ſchaffenheit der Materie, damit die vernuͤnftigen
Geſchoͤpfe auf den Planeten weſentlich vereinigt
ſeyn, ausgemacht: und es laͤſt ſich auch nach der
Einleitung dieſer Betrachtung leichtlich erachten,
daß dieſe Verhaͤltniſſe eine Folge, auch in Anſehung
ihrer geiſtigen Faͤhigkeit, nach ſich ziehen werde.
Wenn demnach dieſe geiſtige Faͤhigkeiten eine noth-
wendige Abhaͤngigkeit von dem Stoffe der Ma-
ſchine haben, welche ſie bewohnen; ſo werden wir
mit mehr als wahrſcheinlicher Vermuthung ſchlieſ-
ſen koͤnnen: daß die Treflichkeit der denken-
den Naturen, die Hurtigkeit in ihren Vor-
ſtellungen, die Deutlichkeit und Lebhaftig-
keit der Begriffe, die ſie durch aͤuſſerlichen
Eindruck bekommen, ſammt dem Vermoͤ-
gen ſie zuſammen zuſetzen, endlich auch
die
[187]und Theorie des Himmels.
die Behendigkeit in der wirklichen Aus-
uͤbung, kurz, der ganze Umfang ihrer Voll-
kommenheit unter einer gewiſſen Regel ſte-
hen, nach welcher dieſelben, nach dem Ver-
haͤltniß des Abſtandes ihrer Wohnplaͤtze
von der Sonne, immer treflicher und voll-
kommener werden.
Da dieſes Verhaͤltniß einen Grad der Glaub-
wuͤrdigkeit hat, der nicht weit von einer ausge-
machten Gewißheit entfernet iſt, ſo finden wir ein
ofnes Feld zu angenehmen Muthmaſſungen, die
aus der Vergleichung der Eigenſchaften dieſer ver-
ſchiedenen Bewohner entſpringen. Die menſchli-
che Natur, welche in der Leiter der Weſen gleich-
ſam die mittelſte Sproſſe inne hat, ſiehet ſich zwi-
ſchen den zwey aͤuſſerſten Grenzen der Vollkommen-
heit mitten inne, von deren beyden Enden ſie gleich
weit entfernet iſt. Wenn die Vorſtellung der erha-
benſten Claſſen vernuͤnftiger Creaturen, die den Ju-
piter oder den Saturn bewohnen, ihre Eiferſucht
reitzet, und ſie durch die Erkenntniß ihrer eigenen
Niedrigkeit demuͤthiget; ſo kan der Anblick der
niedrigen Stufen ſie wiederum zufrieden ſprechen
und beruhigen, die in den Planeten Venus und
Merkur weit unter der Vollkommenheit der menſch-
lichen Natur erniedrigt ſeyn. Welch ein verwun-
derungswuͤrdiger Anblick! Von der einen Seite
ſahen wir denkende Geſchoͤpfe, bey denen ein Groͤn-
laͤnder oder Hottentotte ein Newton ſeyn wuͤrde,
und auf der andern Seite andere, die dieſen als ei-
nen Affen bewundern.
Da
[188]Allgemeine Naturgeſchichte
Da juͤngſt die obern Weiſen ſahn,Was unlaͤngſt recht verwunderlich,Ein Sterblicher bey uns gethan,Und wie er der Natur Geſetz entfaltet;
wunderten ſie ſich,Daß durch ein irrdiſches Geſchoͤpf derglei-
chen moͤglich zu geſchehnUnd ſahen unſern Newton an, ſo wie
wir einen Affen ſehn.
Zu welch einem Fortgange in der Erkenntniß,
wird die Einſicht jener gluͤckſeligen Weſen der ober-
ſten Himmelsſphaͤren nicht gelangen! Welche ſchoͤne
Folgen, wird dieſe Erleuchtung der Einſichten nicht
in ihre ſittliche Beſchaffenheit haben! Die Ein-
ſichten des Verſtandes, wenn ſie die gehoͤrigen Gra-
de der Vollſtaͤndigkeit und Deutlichkeit beſitzen, ha-
ben weit lebhaftere Reitzungen als die ſinnlichen An-
lockungen an ſich, und ſind vermoͤgend, dieſe ſieg-
reich zu beherrſchen, und unter den Fuß zu treten.
Wie herrlich wird ſich die Gottheit ſelbſt, die ſich
in allen Geſchoͤpfe mahlet in dieſen denkenden Na-
turen nicht mahlen, welche als ein von den Stuͤr-
men der Leidenſchaften unbewegtes Meer ihr Bild
ruhig aufnehmen, und zuruͤckſtrahlen! Wir wol-
len dieſe Muthmaſſungen nicht uͤber die, einer phy-
ſiſchen Abhandlung vorgezeichnete Grenzen erſtre-
cken, wir bemerken nur nochmals die oben ange-
fuͤhrte Analogie: daß die Vollkommenheit der
Geiſterwelt ſowohl, als der materialiſchen
in den Planeten, von dem Merkur an bis
zum Saturn, oder vielleicht noch uͤber ihm,
(wo-
[189]und Theorie des Himmels.
(woferne noch andere Planeten ſeyn,) in ei-
ner richtigen Gradenfolge, nach der Propor-
tion ihrer Entfernungen von der Sonne,
wachſe und fortſchreue.
Jndeſſen, daß dieſes aus den Folgen der phy-
ſiſchen Beziehung ihrer Wohnplaͤtze zu dem Mittel-
punkte der Welt zum Theil natuͤrlich herflieſſet,
zum Theil geziemend veranlaſſet wird: ſo beſtaͤtigt
anderer Seits der wirkliche Anblick der vortreflich-
ſten, und ſich vor die vorzuͤgliche Vollkommenheit
dieſer Naturen in den obern Gegenden anſchickende
Anſtalten, dieſe Regel ſo deutlich, daß ſie beynahe
einen Anſpruch auf eine voͤllige Ueberzeugung ma-
chen ſollte. Die Hurtigkeit der Handlungen, die
mit den Vorzuͤgen einer erhabenen Natur verbun-
den iſt, ſchicket ſich beſſer zu den ſchnell abwechſeln-
den Zeitperioden jener Sphaͤren, als die Langſamkeit
traͤger und unvollkomeuer Geſchoͤpfe.
Die Sehroͤhre lehren uns, daß die Abwechſe-
lung des Tages und der Nacht im Jupiter in 10
Stunden geſchehe. Was wuͤrde der Bewohner
der Erde, wenn er in dieſen Planeten geſetzt wuͤr-
de, bey dieſer Eintheilung wohl anfangen? Die
10 Stunden wuͤrden kaum zu derjenigen Ruhe zu-
reichen, die dieſe grobe Maſchine zu ihrer Erho-
lung durch den Schlaf gebrauchet. Was wuͤrden
die Vorbereitung zu den Verrichtungen des Wa-
chens, das Kleiden, die Zeit die zum Eſſen an-
gewandt wird, nicht vor einen Antheil an der fol-
genden Zeit abfordern, und wie wuͤrde eine Crea-
tur, deren Handlungen mit ſolcher Langſamkeit ge-
ſchehen, nicht zerſtreuet, und zu etwas tuͤchtigen
un-
[190]Allgemeine Naturgeſchichte
unvermoͤgend gemacht werden, deren 5 Stunden
Geſchaͤfte ploͤtzlich durch die Dazwiſchenkunft einer
eben ſo langen Finſterniß unterbrochen wuͤrden?
Dagegen wenn Jupiter von vollkommneren Crea-
turen bewohnet iſt, die mit einer feinern Bildung
mehr elaſtiſche Kraͤfte, und eine groͤſſere Behendig-
keit in der Ausuͤbung verbinden; ſo kan man glau-
ben, daß dieſe 5 Stunden ihnen eben daſſelbe und
mehr ſind, als was die 12 Stunden des Tages vor
die niedrige Claſſe der Menſchen betragen. Wir
wiſſen, daß das Beduͤrfniß der Zeit etwas relati-
ves iſt, welches nicht anders, als aus der Groͤſſe
desjenigen was verrichtet werden ſoll, mit der Ge-
ſchwindigkeit der Ausuͤbung verglichen, kan er-
kannt und verſtanden werden. Daher eben dieſelbe
Zeit, die vor eine Art der Geſchoͤpfe gleichſam nur
ein Augenblick iſt, vor eine andere eine lange Pe-
riode ſeyn kan, in der ſich eine groſſe Folge der
Veraͤnderungen durch eine ſchnelle Wirkſamkeit aus-
wickelt. Saturn hat nach der wahrſcheinlichen
Berechnung ſeiner Umwaͤlzung, die wir oben dar-
gelegt haben, eine noch weit kuͤrzere Abtheilung
des Tages und der Nacht, und laͤſſet daher an der
Natur ſeiner Bewohner noch vorzuͤglichere Faͤhig-
keiten vermuthen.
Endlich ſtimmet alles uͤberein das angefuͤhrte
Geſetz zu beſtaͤtigen. Die Natur hat ihren Vor-
rath augenſcheinlich auf der entlegenen Seite der
Welt am reichlichſten ausgebreitet. Die Monde,
die den geſchaͤftigen Weſen dieſer gluͤckſeligen Ge-
genden, durch eine hinlaͤngliche Erſetzung die Ent-
ziehung des Tageslichts verguͤten, ſind in groͤſſeſter
Men-
[191]und Theorie des Himmels.
Menge daſelbſt angebracht, und die Natur ſcheinet
ſorgfaͤltig geweſen zu ſeyn, ihrer Wirkſamkeit al-
le Beyhuͤlfe zu leiſten, damit ihnen faſt keine Zeit
hinderlich ſey, ſolche anznwenden. Jupiter hat
in Anſehung der Monde einen augenſcheinlichen
Vorzug vor allen unteren Planeten, und Saturn
wiederum vor ihm, deſſen Anſtalten an dem ſchoͤ-
nen und nuͤtzlichen Ringe der ihn umgiebt, noch
groͤſſere Vorzuͤge von ſeiner Beſchaffenheit, wahr-
ſcheinlich machen; dahingegen die untern Planeten,
bey denen dieſer Vorrath unnuͤtzlich wuͤrde ver-
ſchwendet ſeyn, deren Claſſe weit naͤher an die Un-
vernunft grenzet, ſolcher Vortheile entweder gar
nicht, oder doch ſehr wenig theilhaftig geworden
ſind.
Man kan aber, (damit ich einem Einwurfe zu-
vor komme, der alle dieſe angefuͤhrte Uebereinſtim-
mung vereiteln koͤnnte,) den groͤſſeren Abſtand von
der Sonne, dieſer Quelle des Lichts und des Lebens,
nicht als ein Uebel anſehen, wogegen die Weit-
laͤuftigkeit ſolcher Anſtalten bey den entfernetern
Planeten nur vorgekehrt werden, um ihm einiger-
maſſen abzuhelfen, und daß in der That die obern
Planeten eine weniger vortheilhafte Lage im Welt-
gebaͤude und eine Stellung haͤtten, die der Voll-
kommenheit ihrer Anſtalten nachtheilig waͤre, weil
ſie von der Sonne einen ſchwaͤchern Einfluß erhal-
ten. Denn wir wiſſen, daß die Wirkung des Lichts
und der Waͤrme nicht durch deren abſolute Jnten-
ſitaͤt, ſondern durch die Faͤhigkeit der Materie,
womit ſie ſolche annimmt, und ihrem Antriebe we-
niger oder mehr wiederſtehet, beſtimmt werde,
und
[192]Allgemeine Naturgeſchichte
und daß daher eben derſelbe Abſtand, der vor ei-
ne Art grober Materie ein gemaͤßigtes Clima kan
genannt werden, ſubtilere Fluͤßigkeiten zerſtreuen,
und vor ſie von ſchaͤdlicher Heftigkeit ſeyn wuͤrde;
mithin nur ein feinerer und aus beweglichern Ele-
menten beſtehender Stoff dazu gehoͤret, um die Ent-
fernungen des Jupiters oder Saturns von der Son-
ne beyden zu einer gluͤcklichen Stellung zu machen.
Endlich ſcheinet noch die Treflichkeit der Natu-
ren in dieſen oberen Himmelsgegenden, durch einen
phyſiſchen Zuſammenhang mit einer Dauerhaftig-
keit, deren ſie wuͤrdig iſt, verbunden zu ſeyn. Das
Verderben und der Tod koͤnnen dieſen treflichen Ge-
ſchoͤpfen nicht ſo viel, als uns niedrigen Naturen
anhaben. Eben dieſelbe Traͤgheit der Materie
und Grobheit des Stoffes, die bey den unteren Stuf-
fen das ſpecifiſche Principium ihrer Erniedrigung
iſt, iſt auch die Urſache desjenigen Hanges, den ſie
zum Verderben haben. Wenn die Saͤfte, die das
Thier oder den Menſchen naͤhren und wachſen ma-
chen, indem ſie ſich zwiſchen ſeine Faͤſerchen einver-
leiben und an ſeine Maſſe anſetzen, nicht mehr zu-
gleich deſſen Gefaͤſſe und Canaͤle in der Raumes-
ausdehnung vergroͤſſern koͤnnen, wenn das Wachs-
thum ſchon vollendet iſt; ſo muͤſſen dieſe ſich anſe-
tzende Nahrungsſaͤfte durch eben den mechaniſchen
Trieb, der das Thier zu naͤhren angewandt wird,
die Hoͤle ſeiner Gefaͤſſe verengen und verſtopfen,
und den Bau der ganzen Maſchine, in einer nach
und nach zunehmenden Erſtarrung, zu Grunde rich-
ten. Es iſt zu glauben, daß, obgleich die Vergaͤnglich-
keit auch an den vollkommenſten Naturen naget,
den-
[193]und Theorie des Himmels.
dennoch der Vorzug in der Feinigkeit des Stoffes,
in der Elaſtieitaͤt der Gefaͤſſe, und der Leichtigkeit
und Wirkſamkeit der Saͤfte, woraus jene voll-
kommnere Weſen, welche in den entferneten Plane-
ten wohnen, gebildet ſeyn, dieſe Hinfaͤlligkeit,
welche eine Folge aus der Traͤgheit einer groben
Materie iſt, weit laͤnger aufhalten, und dieſen
Creaturen eine Dauer, deren Laͤnge ihrer Vollkom-
menheit proportionirt iſt, verſchaffen werde, ſo
wie die Hinfaͤlligkeit des Lebens der Menſchen ein
richtiges Verhaͤltniß zu ihrer Nichtswuͤrdigkeit hat.
Jch kan dieſe Betrachtung nicht verlaſſen, oh-
ne einem Zweifel zuvor zu kommen, welcher natuͤr-
licher Weiſe aus der Vergleichung dieſer Meinun-
gen mit unſeren vorigen Saͤtzen entſpringen koͤnnte.
Wir haben in den Anſtalten des Weltbaues an der
Menge der Trabanten, welche die Planeten der
entferntſten Kreiſe erleuchten, an der Schnelligkeit
der Achſendrehungen, und dem gegen die Sonnen-
wirkung proportionirten Stoffe ihres Zuſammen-
ſatzes, die Weisheit GOttes erkannt, welche alles
dem Vortheile der vernuͤnftigen Weſen, die ſie be-
wohnen, ſo zutraͤglich angeordnet hat. Aber wie
wollte man anjetzt mit der Lehrverfaſſung der Ab-
ſichten einen mechaniſchen Lehrbegriff zuſammen rei-
men, ſo daß, was die hoͤchſte Weisheit ſelbſt ent-
warf, der rohen Materie, und das Regiment der
Vorſehung, der ſich ſelbſt uͤberlaſſenen Natur zur
Ausfuͤhrung aufgetragen worden? Jſt das erſtere
nicht vielmehr ein Geſtaͤndniß, daß die Anord-
nung des Weltbaues nicht durch die allgemeinen Ge-
ſetze der letzteren entwickelt worden.
NMan
[194]Allgemeine Naturgeſchichte
Man wird dieſe Zweifel bald zerſtreuen, wenn
man auf dasjenige nur zuruͤck denckt, was in glei-
cher Abſicht in dem vorigen angefuͤhret worden.
Mnß nicht die Mechanik aller natuͤrlichen Bewe-
gungen einen weſentlichen Hang zu lauter ſolchen
Folgen haben, die mit dem Project der hoͤchſten Ver-
nunft in dem ganzen Umfange der Verbindungen
wohl zuſammenſtimmet? Wie kan ſie abirrende
Beſtrebungen, und eine ungebundene Zerſtreuung
in ihren Beginnen haben, da alle ihre Eigenſchaf-
ten, aus welchen ſich dieſe Folgen entwickeln, ſelbſt
ihre Beſtimmung aus der ewigen Jdee des goͤttli-
chen Verſtandes haben, in welchem ſich alles noth-
wendig auf einander beziehen, und zuſammenſchi-
cken muß? Wenn man ſich recht beſinnet, wie
kan man die Art zu urtheilen rechtfertigen, daß
man die Natur als ein wiederwaͤrtiges Subject
anſiehet, welches nur durch eine Art von Zwange,
der ihrem freyen Betragen Schranken ſetzt, in dem
Gleiſe der Ordnung und der gemeinſchaftlichen
Harmonie kan erhalten werden, woferne man nicht
etwa davor haͤlt, daß ſie ein ſich ſelbſt genugſames
Principium ſey, deſſen Eigenſchaften keine Urſa-
che erkennen, und welche GOtt, ſo gut als es ſich
thun laͤßt, in den Plan ſeiner Abſichten zu zwin-
gen trachtet. Je naͤher man die Natur wird ken-
nen lernen, deſto mehr wird man einſehen, daß die
allgemeinen Beſchaffenheiten der Dinge einander
nicht fremd und getrennt ſeyn. Man wird hin-
laͤnglich uͤberfuͤhret werden, daß ſie weſentliche
Verwandtſchaften haben, durch die ſie ſich von ſel-
ber anſchicken, einander in Errichtung vollkomme-
ner
[195]und Theorie des Himmels.
ner Verfaſſungen zu unterſtuͤtzen, die Wechſelwir-
kung der Elemente zur Schoͤnheit der materiali-
ſchen und doch auch zugleich zu den Vortheilen der
Geiſterwelt, und daß uͤberhaupt die einzelen Na-
turen der Dinge in dem Felde der ewigen Wahr-
heiten ſchon untereinander, ſo zu ſagen, ein Sy-
ſtem ausmachen, in welchem eine auf die andere
beziehend iſt; man wird auch alsbald inne werden,
daß die Verwandtſchaft ihnen von der Gemeinſchaft
des Urſprungs eigen iſt, aus dem ſie insgeſammt
ihre weſentlichen Beſtimmungen geſchoͤpft haben.
Und um daher dieſe wiederholte Betrachtung
zu dem vorhabenden Zwecke anzuwenden: Eben
dieſelbe allgemeine Bewegungsgeſetze, die den ober-
ſten Planeten einen entfernten Platz von dem Mit-
telpunkte der Anziehung und der Traͤgheit in dem
Weltſyſtem angewieſen haben, haben ſie dadurch
zugleich in die vortheilhafteſte Verfaſſung geſetzt,
ihre Bildungen am weiteſten von dem Beziehungs-
punkte der groben Materie, und zwar mit groͤſſe-
rer Fryheit anzuſtellen; ſie haben ſie aber auch zu-
gleich in eine regelmaͤßige Verhaͤltniß zu dem Ein-
fluſſe der Waͤrme verſetzt, welche ſich, nach glei-
chem Geſetze, aus eben dem Mittelpunkte ausbreitet.
Da nun eben dieſe Beſtimmungen es ſind, welche
die Bildung der Weltkoͤrper in dieſen entferneten
Gegenden ungehinderter, die Erzeugung der davon
abhaͤngenden Bewegungen ſchneller und kurz zu ſa-
gen, das Syſtem wohlanſtaͤndiger gemacht haben,
da endlich die geiſtigen Weſen eine nothwendige Ab-
haͤngigkeit von der Materie haben, an die ſie per-
ſoͤnlich verbunden ſind; ſo iſt kein Wunder, daß
N 2die
[196]Allgemeine Naturgeſchichte
die Vollkommenheit der Natur von beyderley Or-
ten in einem einzigen Zuſammenhange der Urſa-
chen, und aus gleichen Gruͤnden bewirket worden.
Dieſe Uebereinſtimmung iſt alſo bey genauer Er-
wegung nichts ploͤtzliches oder unerwartetes, und
weil die letzeren Weſen durch ein gleiches Princi-
pium in die allgemeine Verfaſſung der materiali-
ſchen Natur eingeflochten worden; ſo wird die Gei-
ſterwelt aus eben den Urſachen in den entferneten
Sphaͤren vollkommener ſeyn, weswegen es die koͤr-
perliche iſt.
So haͤnget denn alles in dem ganzen Umfan-
ge der Natur in einer ununterbrochenen Gradfolge
zuſammen, durch die ewige Harmonie, die alle
Glieder auf einander beziehend macht. Die Voll-
kommenheiten GOttes haben ſich in unſern Stufen
deutlich offenbaret, und ſind nicht weniger herrlich
in den niedrigſten Claſſen, als in den erhabnern.
Welch eine Kette die von GOtt den Anfang
nimmt, was vor NaturenVon himmliſchen und irrdiſchen, von En-
geln, Menſchen bis zum Vieh,Vom Seraphim bis zum Gewuͤrm. O Wei-
te die das Auge nieErreichen und betrachten kan!Von dem Unendlichen zu dir, von dir zum
Nichts!
Wir haben die bisherige Muthmaſſungen treu-
lich an dem Leitfaden der phyſiſchen Verhaͤltniſſe
fortgefuͤhret, welcher ſie auf dem Pfade einer ver-
nuͤnftigen Glaubwuͤrdigkeit erhalten hat. Wol-
len wir uns noch eine Ausſchweifung aus dieſem
Glei-
[197]und Theorie des Himmels.
Gleiſe in das Feld der Phantaſie erlauben? Wer
zeiget uns die Grenze wo die gegruͤndete Wahr-
ſcheinlichkeit aufhoͤret, und die willkuͤhrlichen Er-
dichtungen anheben? Wer iſt ſo kuͤhn, eine Be-
antwortung der Frage zu wagen: ob die Suͤnde
ihre Herrſchaft auch in den andern Kugeln des
Weltbaues ausuͤbe, oder ob die Tugend allein ihr
Regiment daſelbſt aufgeſchlagen.
Die Sterne ſind vielleicht ein Sitz verklaͤr-
ter Geiſter,Wie hier das Laſter herrſcht, iſt dort die Tu-
gend Meiſter.
(v. Haller.)
Gehoͤrt nicht ein gewiſſer Mittelſtand zwiſchen
der Weisheit und Unvernunft zu der ungluͤckli-
chen Faͤhigkeit ſuͤndigen zu koͤnnen. Wer weiß,
ſind alſo die Bewohner jener entferneten Weltkoͤr-
per nicht zu erhaben und zu weiſe, um ſich bis zu
der Thorheit, die in der Suͤnde ſteckt, herabzulaſſen,
diejenigen aber, die in den unteren Planeten woh-
nen, zu feſt an die Materie geheftet und mit gar
zu geringen Faͤhigkeiten des Geiſtes verſehen, um
die Verantwortung ihrer Handlungen vor dem
Richterſtuhle der Gerechtigkeit tragen zu doͤrfen?
Auf dieſe Weiſe waͤre die Erde, und vielleicht noch
der Mars, (damit der elende Troſt uns ja nicht
genommen werde, Gefaͤhrten des Ungluͤcks zu ha-
ben,) allein in der gefaͤhrlichen Mittelſtraſſe, wo
die Verſuchung der ſinnlichen Reitzungen gegen die
Oberherrſchaft des Geiſtes ein ſtarkes Vermoͤgen
zur Verleitung haben, dieſer aber dennoch diejeni-
ge Faͤhigkeit nicht verleugnen kann, wodurch er
N 3im
[198]Allgemeine Naturgeſchichte
im Stande iſt, ihnen Wiederſtand zu leiſten,
wenn es ſeiner Traͤgheit nicht vielmehr gefiele, ſich
durch dieſelbe hinreiſſen zu laſſen, wo alſo der ge-
faͤhrliche Zwiſchenpunkt zwiſchen der Schwachheit
und dem Vermoͤgen iſt, da eben dieſelbe Vorzuͤge,
die ihn uͤber die niederen Claſſen erheben, ihn auf
eine Hoͤhe ſtellen, von welcher er wiederum unendlich
tiefer unter dieſe herabſinken kan. Jn der That
ſind die beyden Planeten, die Erde und der Mars,
die mittelſten Glieder des planetiſchen Syſtems,
und es laͤſt ſich von ihren Bewohnern vielleicht
nicht mit Unwahrſcheinlichkeit ein mittlerer Stand
der phyſiſchen ſowohl, als moraliſchen Beſchaffen-
heit zwiſchen den zwey Endpunkten vermuthen, al-
lein ich will dieſe Betrachtung lieber denenjenigen
uͤberlaſſen, die mehr Beruhigung bey einem uner-
weißlichen Erkenntniſſe, und mehr Neigung deſſen
Verantwortung zu uͤbernehmen, bey ſich finden.
Beſchluß.
Es iſt uns nicht einmal recht bekannt, was der
Menſch anjetzo wirklich iſt, ob uns gleich das Be-
wuſtſeyn und die Sinne hievon belehren ſolten; wie
vielweniger werden wir errathen koͤnnen, was er der-
einſt werden ſoll. Dennoch ſchnappet die Wißbe-
gierde der menſchlichen Seele ſehr begierig nach die-
ſem von ihr ſo entfernten Gegenſtande, und ſtrebet,
in ſolchem dunkeln Erkenntniſſe, einiges Licht zu be-
kommen.
Solte die unſterbliche Seele wohl in der gan-
zen Unendlichkeit ihrer kuͤnftigen Dauer, die das
Grab
[199]und Theorie des Himmels.
Grab ſelber nicht unterbricht, ſondern nur veraͤn-
dert, an dieſen Punkt des Weltraumes, an unſere Er-
de jederzeit geheftet bleiben? Solte ſie niemals von
den uͤbrigen Wundern der Schoͤpfung eines naͤhe-
ren Anſchauens theilhaftig werden? Wer weis, iſt
es ihr nicht zugedacht, daß ſie dereinſt jene entfernte
Kugeln des Weltgebaͤudes, und die Treflichkeit ih-
rer Anſtalten, die ſchon von weitem ihre Neugierde
ſo reitzen, von nahem ſoll kennen lernen? Vielleicht
bilden ſich darum noch einige Kugeln des Planeten-
ſyſtems aus, um nach vollendetem Ablaufe der Zeit,
die unſerem Aufenthalte allhier vorgeſchrieben iſt,
uns in andern Himmeln neue Wohnplaͤtze zu berei-
ten. Wer weis, laufen nicht jene Trabanten um
den Jupiter, um uns dereinſt zu leuchten?
Es iſt erlaubt, es iſt anſtaͤndig, ſich mit der-
gleichen Vorſtellungen zu beluſtigen; allein nie-
mand wird die Hoffnung des Kuͤnftigen auf ſo unſi-
chern Bildern der Einbildungskraft gruͤnden. Nach-
dem die Eitelkeit ihren Antheil an der menſchlichen
Natur wird abgefordert haben: ſo wird der unſterb-
liche Geiſt, mit einem ſchnellen Schwunge, ſich uͤber
alles, was endlich iſt, empor ſchwingen, und in einem
neuen Verhaͤltniſſe gegen die ganze Natur, welche
aus einer naͤheren Verbindung mit dem hoͤchſten
Weſen entſpringet, ſein Daſeyn fortſetzen. Forthin
wird dieſe erhoͤhete Natur, welche die Quelle der
Gluͤckſeeligkeit in ſich ſelber hat, ſich nicht mehr un-
ter den aͤuſſeren Gegenſtaͤnden zerſtreuen, um eine
Beruhigung bey ihnen zu ſuchen. Der geſammte
Jnnbegriff der Geſchoͤpfe, welcher eine nothwendige
Uebereinſtimmung zum Wohlgefallen des hoͤchſten
Ur-
[100[200]]Allgemeine Naturgeſchichte
Urweſens hat, muß auch ſie auch zu dem ſeinigen ha-
ben, und wird ſie nicht anders, als mit immerwaͤh-
render Zufriedenheit, ruͤhren.
Jn der That, wenn man mit ſolchen Betrachtun-
gen, und mit den vorhergehenden, ſein Gemuͤth er-
fuͤllet hat; ſo giebt der Anblick eines beſtirnten Him-
mels, bey einer heitern Nacht, eine Art des Vergnuͤ-
gens, welches nur edle Seelen empfinden. Bey der
allgemeinen Stille der Natur und der Ruhe der
Sinne, redet das verborgene Erkenntnißvermoͤgen
des unſterblichen Geiſtes eine unnennbare Sprache,
und giebt unausgewickelte Begriffe, die ſich wohl em-
pfinden, aber nicht beſchreiben laſſen. Wenn es un-
ter den denkenden Geſchoͤpfen dieſes Planeten nieder-
traͤchtige Weſen giebt, die, ungeachtet aller Reitzun-
gen, womit ein ſo groſſer Gegenſtand ſie anlocken kan,
dennoch im Stande ſind, ſich feſt an die Dienſtbarkeit
der Eitelkeit zu heften: wie ungluͤcklich iſt dieſe Ku-
gel, daß ſie ſo elende Geſchoͤpfe hat erziehen koͤnnen?
Wie gluͤcklich aber iſt ſie anderer Seits, da ihr unter
den aller annehmungswuͤrdigſten Bedingungen ein
Weg eroͤfnet iſt, zu einer Gluͤckſeeligkeit und Hoheit
zu gelangen, welche unendlich weit uͤber die Vor-
zuͤge erhaben iſt, die die allervortheilhafteſte Ein-
richtung der Natur in allen Weltkoͤrpern er-
reichen kan.
ENDE.
[[201]][[202]][[203]][[204]][[205]]
der Hand habe, ſo will ich daß dazu gehoͤrige aus
der Anfuͤhrung der Ouvrages diverſes de Mſr.
de Maupertuis in den Actis Erud. 1745. hier
einruͤcken. Das erſte Phaͤnomenon ſind die-
jenige lichte Stellen am Himmel, wel-
che neblichte Sterne genannt, und vor
einen Haufen kleiner Fixſterne gehalten wer-
den.
trefliche Fernglaͤſer ſie nur als groſſe laͤnglicht-
runde Plaͤtzchen, die etwas lichter als der uͤ-
brige Theil des Himmels waͤren, befunden.
Hugen hat dergleichen etwas zuerſt im Orion
angetroffen; Halley gedenket in den Angli-
cal. Trans. ſechs ſolcher Plaͤtzchen. 1. im
Schwerdt des Orions, 2. im Schuͤtzen, 3. im
Centaurus, 4 vor dem rechten Fuße des An-
tinous, 5. im Herkules, 6. im Guͤrtel der An-
dromeda Wenn dieſe durch ein reflectiren-
des Seherohr von 8 Fuß betrachtet werden,
ſo ſiehet man, daß nur der vierte Theil der-
ſelben vor einen Haufen Sterne koͤnne gehal-
ten werden; die uͤdrige haben nur weißlichte
Plaͤtzchen vorgeſtellt, ohne erheblichen Unter-
ſchied, auſſer daß eines mehr der Cirkelrun-
dung beykommt, ein anderes aber laͤnglichter
iſt. Es ſeheinet auch, daß bey dem erſten die
durch das Seherohr ſichtbaren kleinen Stern-
chen ſeinen weißlichten Schimmer nicht ver-
urſachen koͤnnen. Halley glaubt; daß man
„aus dieſen Erſcheinungen dasjenige erklaͤren
„koͤnne, was man im Anfang der Moſaiſchen
„Schoͤpfungsgeſchichte antrift, nemlich daß
„das Licht eher als die Sonne erſchaffen ſey.
„Derham vergleicht ſie Oeffnungen, dadurch
„eine andere unermeßliche Gegend und viel-
leicht
„net, er habe bemerken koͤnnen, daß die Sterne,
„die neben dieſen Plaͤtzchen geſehen werden, uns
„viel naͤher waͤren, als dieſe lichte Stellen. Die-
„ſen fuͤgt der Verfaſſer ein Verzeichniß der ne-
„blichten Sterne aus dem Hevelius bey. Er
„haͤlt dieſe Erſcheinungen vor groſſe lichte,
„Maſſen, die durch eine gewaltige Umwaͤlzung ab-
„geplattet worden waͤren. Die Materie, daraus
„ſie beſtehen, wenn ſie eine gleichleuchtende Kraft
„mit den uͤbrigen Sternen haͤtte, wuͤrde von un-
„geheurer Groͤſſe ſeyn muͤſſen, damit ſie, aus ei-
„nem viel groͤſſeren Abſtande, als der Sterne ih-
„rer iſt, geſehen, dennoch dem Fernglaſe unter
„merklicher Geſtalt und Groͤſſe erſcheinen koͤnnen.
„Wenn ſie aber an Groͤſſe den uͤbrigen Fixſternen
„ohngefehr gleich kaͤmen; muͤſten ſie uns nicht al-
„lein ungleich viel naͤher ſeyn, ſondern zugleich
„ein viel ſchwaͤcheres Licht haben: weil ſie bey
„ſolcher Naͤhe und ſcheinbarer Groͤſſe doch einen
„ſo blaſſen Schimmer an ſich zeigen. Es wuͤrde
„alſo der Muͤhe verlohnen, ihre Parallaxe, wo-
„fern ſie eine haben, zu entdecken. Denn diejeni-
„gen, welche ſie ihnen abſprechen, ſchlieſſen viel-
„leicht von einigen auf alle. Die Sternchen, die
„man mitten nuf dieſen Plaͤtzchen antrift, wie in
„dem Orion, (oder noch ſchoͤner, in dem vor dem
„rechten Fuſſe des Antinous, welcher nicht an-
„ders ausſiehet als ein Fixſtern, der mit einem
„Nebel umgeben iſt) wuͤrden, wofern ſie uns naͤ-
„her waͤren, entweder nach Art der Projection auf
„denſelben geſehen, oder ſchienen durch jene Maſ-
„ſen, gleich als durch die Schweife der Cometen,
„durch.
ſehung der meiſten Leſer uͤberfluͤßig ſeyn moͤchte,
habe ich denen, die etwa der Newtoniſchen Grund-
ſaͤtze nicht genugſam kundig ſeyn, zur Vorberei-
tung der Einſicht in die folgende Theorie vorher
ertheilen wollen.
deren viele in einem kleinen Raume bey einander
ſeyn, als z. E. das Siebengeſtirn, welche viel-
leicht unter ſich ein kleines Syſtem in dem Groͤſ-
ſern ausmachen.
mie zu Paris vom Jahr 1693, er habe ſowohl
aus eigenen Beobachtungen, als auch aus Ver-
gleichung derſelben mit des Ricciolus ſeinen eine
ſtarke Aenderung in den Stellungen der Sterne
des Siebengeſtirns wahrgenommen.
aller-
werden. Denn allhier iſt genug zu bemerken,
daß alle Materie, die etwa in dieſem Raume an-
zutreffen ſeyn moͤchte, viel zu unvermoͤgend ſey,
als daß ſie in Anſehung der bewegten Maſſen, von
denen die Frage iſt, einige Wirkung veruͤben
koͤnnte.
allein in der Newtoniſchen Anziehung zu ſuchen.
Dieſe wuͤrde bey einem Partikelchen, von ſo aus-
nehmender Feinigkeit, gar zu langſam und ſchwach
ſeyn. Man wuͤrde vielmehr ſagen, daß in die-
ſem Raume die erſte Bildung durch den Zuſam-
menlauf einiger Elemente, die ſich durch die ge-
woͤhu-
gent-
gen, geſchehe, bis derjenige Klumpen, der daraus
entſtanden, nach und nach ſo weit angewachſen,
daß die Newtoniſche Anziehungskraft an ihm ver-
moͤgend geworden, ihn durch ſeine Wirkung in
die Ferne immer mehr zu vergroͤſſern.
Gegend, welche eine groͤſſere Umlaufsgeſchwin-
dig-
von den groſſen Entfernungen, da ſich die entle-
genſten Planeten oder auch die Cometen gebildet
haben, iſt leicht zu vermuthen, daß, weil die
ſinkende Bewegung des Grundſtoffs daſelbſt viel
ſchwaͤcher, die Weitlaͤuftigkeit der Raͤume, da
ſie zerſtreuet ſeyn, auch groͤſſer iſt, die Elemen-
te daſelbſt an und vor ſich ſchon von der zirkel-
gleichen Bewegung abweichen, und dadurch die
Urſache der daraus gebildeten Koͤrper ſeyn muͤſ-
ſen.
Planeten ſich verſammlen, zur Cirkelbewegung
erfordert wird, erſetzen dasjenige, was denen
von der Sonne entfernteren Theilchen, die ſich
eben dem elben Koͤrper einve leiben, an Geſchwin-
digkeit fehlet, um in dem Abſtande des Planeten
zirkelfoͤrmig zu laufen.
ner Cometenaͤhnlichen Natur, die er auch noch
jetzo vermoͤge ſeiner Eccentricitaͤt an ſich hat,
bevor der leichteſte Stoff ſeiner Oberflaͤche voͤllig
zerſtreuet worden, eine cometiſche Atmoſphaͤre
ausgebreitet habe.
ction wird ein Koͤrper, der ſich in dem inwendi-
gen einer Kugel befindet, nur von demjenigen
Theile derſelben angezogen, der in der Weite,
welche jener vom Mittelpunkte hat, um dieſen
ſphaͤriſch beſchrieben worden. Der auſſer dieſem
Abſtande befindliche concentriſche Theil thut, we-
gen des Gleichgewichts ſeiner Anziehungen, die
einander aufheben, nichts dazu, weder den Koͤr-
per zum Mittelpunkte hin, noch von ihm weg,
zu bewegen.
Memoires der koͤnigl. Academie der Wiſſenſchaf-
ten zu Paris vom Jahre 1705. in einer Abhand-
lung des Herrn Caßini, von den Trabanten und
dem Ringe des Saturns, auf der 571ſten Sei-
te des zweyten Theils der v. Steinwehrſchen Ue-
berſetzung, eine Beſtaͤtigung dieſer Vermuthung,
die faſt keinen Zweifel ihrer Richtigkeit mehr uͤbrig
laͤßt. Nachdem Herr Caßini einen Gedanken
vorgetragen, der gewiſſer maſſen eine kleine An-
naͤherung zu derjenigen Warheit haͤtte ſeyn koͤn-
nen, die wir herausgebracht haben, ob er gleich
an ſich unwahrſcheinlich iſt: nemlich, daß viel-
leicht dieſer Ring ein Schwarm kleiner Trabanten
ſeyn moͤchte, die vom Saturn aus, eben ſo anzu-
ſe-
aus erſcheinet (Welcher Gedanke Platz finden
kan, wenn man vor dieſe kleine Trabanten die
Dunſttheilchen nimmt, die mit eben dergleichen
Bewegung ſich um ihn ſchwingen); ſo ſagt er
ferner: Dieſen Gedanken beſtaͤtigten die Ob-
ſervationen, die man in den Jahren gemacht,
da der Ring des Saturns breiter und offener
ſchien. Denn man ſahe die Breite des Ringes
durch eine dunkele elliptiſche Linie, deren
naͤchſter Theil, nach der Kugel zu, heller war,
als der entfernteſte, in zween Theile getheilet.
Dieſe Linie bemerkte gleichſam einen kleinen
Zwiſchenraum zwiſchen den zween Theilen, ſo
wie die Weite der Kugel vom Ringe, durch
die groͤßte Dunkelheit zwiſchen beyden, angezei-
get wird.
Welt findet unter den Metaphyſikkuͤndigern
Gegner, und hat nur neulich an dem Herrn M.
Weitenkampf einen gefunden. Wenn dieſe Her-
ren, wegen der angeblichen Unmoͤglichkeit einer
Menge ohne Zahl und Grenzen, ſich zu dieſer
Jdee nicht beqvemen koͤnnen ſo wolte ich nur
vorlaͤufig fragen: ob die kuͤnftige Folge der
Ewigkeit nicht eine wahre Unendlichkeit von Man-
nigfaltigkeiten und Veraͤnderungen in ſich faſſen
wird? und ob dieſe unendliche Reihe nicht auf
einmal ſchon jetzo dem goͤttlichen Verſtande gaͤnz-
lich gegenwaͤrtig ſey? Wenn es nun moͤglich
war, daß GOtt den Begriff der Unendlichkeit,
der ſeinem Verſtande auf einmal darſtehet, in ei-
ner auf einander folgenden Reihe wuͤrklich ma-
chen kan: warum ſolte derſelbe nicht den Begriff
einer andern Unendlichkeit in einem, dem Raume
nach, verbundenen Zuſammenhange darſtellen,
und dadurch den Umfang der Welt ohne Grenzen
machen koͤnnen? Jndeſſen, daß man dieſe Fra-
ge wird zu beantworten ſuchen, ſo werde mich
der Gelegenheit, die ſich darbieten wird, bedie-
nen, durch eine aus der Natur der Zahlen gezo-
gene
heben, woferne man, bey genauer Erwegung,
es noch als eine einer Eroͤrterung beduͤrftige Fra-
ge anſehen kan: ob dasjenige, was eine durch
die hoͤchſte Weisheit begleitete Macht hervorge-
bracht hat, ſich zu offenbaren, zu demjenigen,
was ſie hat hervorbringen koͤnnen, ſich wie ei-
ne Differenzialgroͤſſe verhalte?
Unebenheiten hes feſten Landes, der Gebuͤrge und
der Thaͤler zu, die wir auf unſerer Erde und
andern Weltkoͤrpern antreffen. Die Bildung ei-
ner Weltkugel, die ſich aus einem fluͤßigen Zu-
ſtande in einen feſten veraͤndert, bringt nothwen-
dig ſolche Ungleichheiten auf der Oberflaͤche Zu-
wege. Wenn die Oberflaͤche ſich haͤrtet, indeſſen,
daß in dem fluͤßigen inwendigen Theile ſolcher
Maſſe, die Materien ſich noch nach Maßgebung
ihrer Schweere zum Mittelpunkte, hinſenken; ſo
werden die Partickeln des elaſtiſchen Luft- oder
Feuerelements, das ſich in dieſen Materien mit
untergemengt befindet, heraus gejagt, und haͤuf-
fen ſich unter der indeſſen feſtgewordenen Rinde,
unter welcher ſie groſſe, und nach Proportion
des Sonnenklumpens ungeheure Hoͤhlen erzeu-
gen, in die gebachte oberſte Rinde, zuletzt mit
mannigfaltigen Einbeugungen hereinſinkt, und ſo-
wohl
Thaͤler und Fluthbetre weiter Feuerſeen dadurch
zubereitet.
ſehr wahrſcheinlich zu ſeyn duͤnket, daß der Si-
rius oder Hundsſtern, in dem Syſtem der Sterne,
die die Milchſtraſſe ausmachen, der Centralkoͤr-
per ſey, und den Mittelpunkt einnehme, zu wel-
chen ſie ſich alle beziehen. Wenn man dieſes
Syſtem, nach dem Entwurfe des erſten Theils die-
ſer Abhandlung, wie ein Gewimmel von Sonnen,
die zu einer gemeinſchaftlichen Flaͤche gehaͤuft
ſeyn, anſiehet, welches nach allen Seiten von
dem Mittelpunkte derſelben ausgeſtreuet iſt,
und durch einen gewiſſen, ſo zu ſagen, zirkelfoͤr-
migten Raum, der durch die geringe Abweichun-
gen derſelben von Beziehungsplane, ſich auch in die
Breite von beyden Seiten etwas ausdehnet, aus-
macht: ſo wird die Sonne, die ſich gleichfalls die-
ſem Plane nahe befindet, die Erſcheinung dieſer
zirkelfoͤrmigten, weislicht ſchimmernden Zone,
nach derjenigen Seite hin, am breiteſten ſehen,
nach welcher ſie ſich der aͤuſſerſten Grenze des
Syſtems am naͤchſten befindet; denn es iſt leicht
zu vermuthen, daß ſie ſich nicht eben gerade im
Mittelpunkte aufhalten werde. Nun iſt der
Streif der Milchſtraſſe, in dem Theile zwiſchen
dem Zeichen des Schwaans und des Schuͤtzens, am
breiteſten, folglich wird dieſes die Seite ſeyn,
da der Platz unſerer Sonne der aͤuſſerſten Peri-
pherie des zirkelfoͤrmigten Syſtems am naͤchſten
iſt: und in dieſem Theile werden wir den Ort,
wo die Sternbilder des Adlers und Fuchſes mit
der Gans ſtehen, inſonderheit vor den aller-
naͤchſten halten, weil daſelbſt aus dem Zwi-
ſchenraume, da die Milchſtraſſe ſich theilet, die
groͤſſeſte ſcheinbare Zerſtreuung der Sterne erhel-
let.
neben dem Schwanze des Adlers, eine Linie mit-
ten durch die Flaͤche der Milchſtraſſe bis zu dem
gegen uͤberſtehenden Punkte ziehet; ſo muß dieſe
auf den Mittelpunkt des Syſtems zutreffen, und
ſie trift in der That ſehr genau auf den Sirius,
den helleſten Stern am ganzen Himmel, der, we-
gen die er gluͤcklichen, mit ſeiner vorzuͤglichen Ge-
ſtalt ſowohl harmonierenden Zuſammentreffung,
es zu verdienen ſcheinet, daß man ihn vor den
Centralkoͤrper ſelber halte. Er wuͤrde, nach die-
ſem Begriffe, auch gerade in dem Streife der
Milchſtraſſe geſehen werden, wenn nicht der
Stand unſerer Sonne der beym Schwanze des
Adlers von dem Plane derſelben etwas abweichet,
nicht den optiſchen Abſtand des Mittelpunktes
gegen die andere Seite ſolcher Zone, verurſachte.
macht, daß, vermoͤge der jetzigen Verfaſſung,
darinn die Schoͤpfung Seele und Leib von einan-
der abhaͤngig gemachet hat, die erſtere nicht al-
lein alle Begriffe des Univerſi durch des letztern
Gemeinſchaft und Einfluß uͤberkommen muß;
ſondern auch die Ausuͤbung ſeiner Denkungskraft
ſelber auf deſſen Verfaſſung ankommt, und von
deſſen Beyhuͤlfe die noͤthige Faͤhigkeit dazu ent-
lehnet.
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CC-BY-4.0
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- TextGrid Repository (2025). Kant, Immanuel. Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bn7p.0