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DER
JUDENSTAAT.

VERSUCH
EINER
MODERNEN LÖSUNG DER JUDENFRAGE
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LEIPZIG und WIEN. 1896.
M. BREITENSTEIN'S VERLAGS-BUCHHANDLUNG
WIEN, IX., WÄHRINGERSTRASSE 5.
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Vorrede.



Der Gedanke, den ich in dieser Schrift ausführe, ist ein
uralter. Es ist die Herstellung des Judenstaates.

Die Welt widerhallt vom Geschrei gegen die Juden, und
das weckt den eingeschlummerten Gedanken auf.

Ich erfinde nichts, das wolle man sich vor Allem und auf
jedem Punkte meiner Ausführungen deutlich vor Augen halten.
Ich erfinde weder die geschichtlich gewordenen Zustände der
Juden, noch die Mittel zur Abhilfe. Die materiellen Bestandtheile
des Baues, den ich entwerfe, sind in der Wirklichkeit
vorhanden, sind mit Händen zu greifen; jeder kann sich davon
überzeugen. Will man also diesen Versuch einer Lösung der
Judenfrage mit einem Worte kennzeichnen, so darf man ihn
nicht „Phantasie“, sondern höchstens „Combination“ nennen.

Gegen die Behandlung als Utopie muss ich meinen Entwurf
zuerst vertheidigen. Eigentlich bewahre ich damit nur die
oberflächlichen Beurtheiler vor einer Albernheit, die sie begehen
könnten. Es wäre ja keine Schande, eine menschenfreundliche
Utopie geschrieben zu haben. Ich könnte mir auch einen leichteren
literarischen Erfolg bereiten, wenn ich für Leser, die sich unterhalten
wollen, diesen Plan in den gleichsam unverantwortlichen
Vortrag eines Romans brächte. Aber das ist keine solche liebenswürdige
Utopie, wie man sie vor und nach Thomas Morus so
häufig producirt hat. Und ich glaube, die Lage der Juden in
[] verschiedenen Ländern ist arg genug, um einleitende Tändeleien
überflüssig zu machen.

Um den Unterschied zwischen meiner Construction und
einer Utopie erkennbar zu machen, wähle ich ein interessantes
Buch der letzten Jahre: „Freiland“ von Dr. Theodor Hertzka.
Das ist eine sinnreiche Phantasterei, von einem durchaus modernen,
national-ökonomisch gebildeten Geist erdacht, und so lebensfern,
wie der Aequatorberg, auf dem dieser Traumstaat liegt. „Freiland“
ist eine complicirte Maschinerie mit vielen Zähnen und
Rädern, die sogar ineinander greifen; aber nichts beweist mir,
dass sie in Betrieb gesetzt werden könne. Und selbst, wenn
ich Freilands-Vereine entstehen sehe, werde ich es für einen
Scherz halten.

Hingegen enthält der vorliegende Entwurf die Verwendung
einer in der Wirklichkeit vorkommenden Treibkraft. Die Zähne
und Räder der zu bauenden Maschine deute ich nur an, in aller
Bescheidenheit, unter Hinweis auf meine Unzulänglichkeit und
im Vertrauen darauf, dass es bessere ausführende Mechaniker
geben wird, als ich einer bin.

Auf die treibende Kraft kommt es an. Und was ist diese
Kraft? Die Judennoth.

Wer wagt zu leugnen, dass diese Kraft vorhanden sei?
Wir werden uns damit im Capitel über die Gründe des Antisemitismus
beschäftigen.

Man kannte auch die Dampfkraft, die im Theekessel durch
Erhitzung des Wassers entstand und den Deckel hob. Diese
Theekesselerscheinung sind die zionistischen Versuche und viele
andere Formen der Vereinigung „zur Abwehr des Antisemitismus“.

Nun sage ich, dass diese Kraft, richtig verwendet, mächtig
genug ist, eine grosse Maschine zu treiben, Menschen und Güter
zu befördern. Die Maschine mag aussehen, wie man will.

Ich bin im Tiefsten davon überzeugt, dass ich Recht habe –
ich weiss nicht, ob ich in der Zeit meines Lebens Recht
behalten werde. Die ersten Männer, welche diese Bewegung
beginnen, werden schwerlich ihr ruhmvolles Ende sehen. Aber
schon durch das Beginnen kommt ein hoher Stolz und das Glück
der innerlichen Freiheit in ihr Dasein.


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Um den Entwurf vor dem Verdacht der Utopie zu schützen,
will ich auch sparsam sein mit malerischen Details der Schilderung.
Ich vermuthe ohnehin, dass gedankenloser Spott durch
Zerrbilder des von mir Entworfenen das Ganze zu entkräften
versuchen wird. Ein im Uebrigen gescheiter Jude, dem ich die
Sache vortrug, meinte: „das als wirklich dargestellte zukünftige
Detail sei das Merkmal der Utopie“. Das ist falsch. Jeder
Finanzminister rechnet in seinem Staatsvoranschlage mit zukünftigen
Ziffern und nicht nur mit solchen, die er aus dem Durchschnitt
früherer Jahre oder aus anderen vergangenen und in
anderen Staaten vorkommenden Erträgen construirt, sondern
auch mit präcedenzlosen Ziffern, beispielsweise bei Einführung
einer neuen Steuer. Man muss nie ein Budget angesehen haben,
um das nicht zu wissen. Wird man darum einen Finanzgesetzentwurf
für eine Utopie halten, selbst wenn man weiss, dass
der Voranschlag nie ganz genau eingehalten werden kann?

Aber ich stelle noch härtere Zumuthungen an meine Leser.
Ich verlange von den Gebildeten, an die ich mich wende, ein
Umdenken und Umlernen mancher alten Vorstellung. Und gerade
den besten Juden, die sich um die Lösung der Judenfrage thätig
bemüht haben, muthe ich zu, ihre bisherigen Versuche als
verfehlt und unwirksam anzusehen.

In der Darstellung der Idee habe ich mit einer Gefahr
zu kämpfen. Wenn ich all' die in der Zukunft liegenden Dinge
zurückhaltend sage, wird es scheinen, als glaubte ich selbst nicht
an ihre Möglichkeit. Wenn ich dagegen die Verwirklichung vorbehaltlos
ankündige, wird Alles vielleicht wie ein Hirngespinst
aussehen.

Darum sage ich deutlich und fest: ich glaube an die Möglichkeit
der Ausführung, wenn ich mich auch nicht vermesse,
die endgiltige Form des Gedankens gefunden zu haben. Der
Judenstaat ist ein Weltbedürfniss, folglich wird er entstehen.

Von irgend einem Einzelnen betrieben, wäre es eine recht
verrückte Geschichte – aber wenn viele Juden gleichzeitig
darauf eingehen, ist es vollkommen vernünftig, und die Durchführung
bietet keine nennenswerthen Schwierigkeiten. Die Idee
hängt nur von der Zahl ihrer Anhänger ab. Vielleicht werden
[] unsere aufstrebenden jungen Leute, denen jetzt schon alle Wege
versperrt sind, und denen sich im Judenstaate die sonnige Aussicht
auf Ehre, Freiheit und Glück eröffnet, die Verbreitung der
Idee besorgen.

Ich selbst halte meine Aufgabe mit der Publication dieser
Schrift für erledigt. Ich werde das Wort nur noch nehmen, wenn
Angriffe beachtenswerther Gegner mich dazu zwingen, oder wenn
es gilt, unvorhergesehene Einwände zu widerlegen, Irrthümer
zu beseitigen.

Ist das, was ich sage, heute noch nicht richtig? Bin ich
meiner Zeit voraus? Sind die Leiden der Juden noch nicht gross
genug? Wir werden sehen.

Es hängt also von den Juden selbst ab, ob diese Staatsschrift
vorläufig nur ein Staatsroman ist. Wenn die jetzige Generation
noch zu dumpf ist, wird eine andere, höhere, bessere
kommen. Die Juden, die wollen, werden ihren Staat haben und
sie werden ihn verdienen.

Einleitung.


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Die volkswirthschaftliche Einsicht von Männern, die mitten
im praktischen Leben stehen, ist oft verblüffend gering.
Nur so lässt sich erklären, dass auch Juden das Schlagwort der Antisemiten
gläubig nachsagen: wir lebten von den „Wirthsvölkern“,
und wenn wir kein „Wirthsvolk“ um uns hätten, müssten wir
verhungern. Das ist einer der Punkte, auf denen sich die
Schwächung unseres Selbstbewusstseins durch die ungerechten
Anklagen zeigt. Wie verhält es sich mit dem „Wirthsvolklichen“
in Wahrheit? Soweit das nicht die alte physiokratische Beschränktheit
enthält, beruht es auf dem kindlichen Irrthum,
dass im Güterleben immer dieselben Sachen rundlaufen. Nun
müssen wir nicht erst, wie Rip van Winkle, aus vieljährigem
Schlafe erwachen, um zu erkennen, dass die Welt sich durch
das unaufhörliche Entstehen neuer Güter verändert. In unserer
vermöge der technischen Fortschritte wunderbaren Zeit sieht
auch der geistig Aermste mit seinen verklebten Augen rings
um sich her neue Güter auftauchen. Der Unternehmungsgeist
hat sie geschaffen.

Die Arbeit ohne Unternehmungsgeist ist die stationäre,
alte; ihr typisches Beispiel die des Ackerbauers, der noch genau
dort steht, wo sein Urvater vor tausend Jahren stand. Alle
materielle Wohlfahrt ist durch Unternehmer verwirklicht worden.
Man schämt sich beinahe, eine solche Banalität niederzuschreiben.
Selbst wenn wir also ausschliesslich Unternehmer
wären – wie die thörichte Uebertreibung behauptet – brauchten
wir kein „Wirthsvolk“. Wir sind nicht auf einen Rundlauf
immer gleicher Güter angewiesen, weil wir neue Güter erzeugen.

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Wir haben Arbeitssclaven von unerhörter Kraft, deren
Erscheinen in der Culturwelt eine tödliche Concurrenz für die
Handarbeit war: das sind die Maschinen. Wohl braucht man
auch Arbeiter, um die Maschinen in Bewegung zu setzen; aber
für diese Erfordernisse haben wir Menschen genug, zu viel.
Nur wer die Zustände der Juden in vielen Gegenden des östlichen
Europa nicht kennt, wird zu behaupten wagen, dass die
Juden zur Handarbeit untauglich oder unwillig seien.

Aber ich will in dieser Schrift keine Vertheidigung der
Juden vornehmen. Sie wäre nutzlos. Alles Vernünftige und
sogar alles Sentimentale ist über diesen Gegenstand schon
gesagt worden. Nun genügt es nicht, die treffenden Gründe für
Verstand und Gemüth zu finden; die Hörer müssen zuerst
fähig sein zu begreifen, sonst ist man ein Prediger in der
Wüste. Sind aber die Hörer schon so weit, so hoch, dann ist
die ganze Predigt überflüssig. Ich glaube an das Aufsteigen der
Menschen zu immer höheren Graden der Gesittung, nur halte
ich es für ein verzweifelt langsames. Wollten wir warten, bis
sich der Sinn auch der mittleren Menschen zur Milde abklärt,
die Lessing hatte, als er Nathan den Weisen schrieb, so könnte
darüber unser Leben und das unserer Söhne, Enkel, Urenkel
vergehen. Da kommt uns der Weltgeist von einer andern Seite
zu Hilfe.

Dieses Jahrhundert hat uns eine köstliche Renaissance
gebracht durch die technischen Errungenschaften. Nur für die
Menschlichkeit ist dieser märchenhafte Fortschritt noch nicht
verwendet. Die Entfernungen der Erdoberfläche sind überwunden,
und dennoch quälen wir uns ab mit Leiden der Enge.
Schnell und gefahrlos jagen wir jetzt in riesigen Dampfern
über früher unbekannte Meere. Sichere Eisenbahnen führen wir
hinauf in eine Bergwelt, die man ehemals mit Angst zu Fuss
bestieg. Die Vorgänge in Ländern, die noch gar nicht entdeckt
waren, als Europa die Juden in Ghetti sperrte, sind uns in der
nächsten Stunde bekannt. Darum ist die Judennoth ein Anachronismus
– und nicht weil es schon vor hundert Jahren
eine Aufklärungszeit gab, die in Wirklichkeit nur für die vornehmsten
Geister bestand.

Nun meine ich, dass das elektrische Licht durchaus nicht
erfunden wurde, damit einige Snobs ihre Prunkgemächer beleuchten,
sondern damit wir bei seinem Scheine die Fragen
der Menschheit lösen. Eine, und nicht die unbedeutendste, ist
die Judenfrage. Indem wir sie lösen, handeln wir nicht nur
für uns selbst, sondern auch für viele andere Mühselige und
Beladene.

[]

Die Judenfrage besteht. Es wäre thöricht sie zu leugnen.
Sie ist ein verschlepptes Stück Mittelalter, mit dem die Culturvölker
auch heute beim besten Willen noch nicht fertig werden
konnten. Den grossmüthigen Willen zeigten sie ja, als sie uns
emancipirten. Die Judenfrage besteht überall, wo Juden in merklicher
Anzahl leben. Wo sie nicht ist, da wird sie durch hinwandernde
Juden eingeschleppt. Wir ziehen natürlich dahin,
wo man uns nicht verfolgt; durch unser Erscheinen entsteht
dann die Verfolgung. Das ist wahr, muss wahr bleiben, überall,
selbst in hochentwickelten Ländern – Beweis Frankreich –
so lange die Judenfrage nicht politisch gelöst ist. Die armen
Juden tragen jetzt den Antisemitismus nach England, sie haben
ihn schon nach Amerika gebracht.

Ich glaube, den Antisemitismus, der eine vielfach complicirte
Bewegung ist, zu verstehen. Ich betrachte diese Bewegung
als Jude, aber ohne Hass und Furcht. Ich glaube zu
erkennen, was im Antisemitismus roher Scherz, gemeiner Brotneid,
angeerbtes Vorurtheil, religiöse Unduldsamkeit – aber auch
was darin vermeintliche Nothwehr ist. Ich halte die Judenfrage
weder für eine sociale, noch für eine religiöse, wenn sie sich
auch noch so und anders färbt. Sie ist eine nationale Frage, und
um sie zu lösen, müssen wir sie vor Allem zu einer politischen
Weltfrage machen, die im Rathe der Culturvölker zu regeln
sein wird.

Wir sind ein Volk, Ein Volk.

Wir haben überall ehrlich versucht, in der uns umgebenden
Volksgemeinschaft unterzugehen und nur den Glauben
unserer Väter zu bewahren. Man lässt es nicht zu. Vergebens
sind wir treue und an manchen Orten sogar überschwängliche
Patrioten, vergebens bringen wir dieselben Opfer an Gut und
Blut wie unsere Mitbürger, vergebens bemühen wir uns den
Ruhm unserer Vaterländer in Künsten und Wissenschaften,
ihren Reichthum durch Handel und Verkehr zu erhöhen. In
unseren Vaterländern, in denen wir ja auch schon seit Jahrhunderten
wohnen, werden wir als Fremdlinge ausgeschrieen;
oft von Solchen, deren Geschlechter noch nicht im Lande
waren, als unsere Väter da schon seufzten. Wer der Fremde
im Lande ist, das kann die Mehrheit entscheiden; es ist eine
Machtfrage, wie Alles im Völkerverkehre. Ich gebe nichts von
unserem ersessenen guten Recht preis, wenn ich das als ohnehin
mandatloser Einzelner sage. Im jetzigen Zustande der Welt
und wohl noch in unabsehbarer Zeit geht Macht vor Recht.
Wir sind also vergebens überall brave Patrioten, wie es die
Hugenotten waren, die man zu wandern zwang. Wenn man uns
in Ruhe liesse ...

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Aber ich glaube, man wird uns nicht in Ruhe lassen.

Durch Druck und Verfolgung sind wir nicht zu vertilgen.
Kein Volk der Geschichte hat solche Kämpfe und Leiden ausgehalten
wie wir. Die Judenhetzen haben immer nur unsere
Schwächlinge zum Abfall bewogen. Die starken Juden kehren
trotzig zu ihrem Stamme heim, wenn die Verfolgungen ausbrechen.
Man hat das deutlich in der Zeit unmittelbar nach der
Judenemancipation sehen können. Den geistig und materiell
höherstehenden Juden kam das Gefühl der Zusammengehörigkeit
gänzlich abhanden. Bei einiger Dauer des politischen Wohlbefindens,
assimiliren wir uns überall; ich glaube, das ist nicht
unrühmlich. Der Staatsmann, der für seine Nation den jüdischen
Raceneinschlag wünscht, müsste daher für die Dauer unseres
politischen Wohlbefindens sorgen. Und selbst ein Bismarck
vermöchte das nicht.

Denn tief im Volksgemüth sitzen alte Vorurtheile gegen
uns. Wer sich davon Rechenschaft geben will, braucht nur
dahin zu horchen, wo das Volk sich aufrichtig und einfach
äussert: das Märchen und das Sprichwort sind antisemitisch.
Das Volk ist überall ein grosses Kind, das man freilich erziehen
kann; doch diese Erziehung würde im günstigsten Falle so
ungeheure Zeiträume erfordern, dass wir uns, wie ich schon
sagte, vorher längst auf andere Weise können geholfen
haben.

Die Assimilirung, worunter ich nicht etwa nur Aeusserlichkeiten
der Kleidung, gewisser Lebensgewohnheiten, Gebräuche
und der Sprache, sondern ein Gleichwerden in Sinn und
Art verstehe, die Assimilirung der Juden könnte überall nur
durch die Mischehe erzielt werden. Diese müsste aber von
der Mehrheit als Bedürfniss empfunden werden; es genügt
keineswegs, die Mischehe gesetzlich als zulässig zu erklären.
Die ungarischen Liberalen, die das jetzt gethan haben, befinden
sich in einem bemerkenswerthen Irrthum. Und diese doctrinär
eingerichtete Mischehe wurde durch einen der ersten Fälle
gut illustrirt: ein getaufter Jude heiratete eine Jüdin. Der
Kampf um die jetzige Form der Eheschliessung hat aber die
Gegensätze zwischen Christen und Juden in Ungarn vielfach
verschärft und dadurch der Racenvermischung mehr geschadet
als genützt. Wer den Untergang der Juden durch Vermischung
wirklich wünscht, kann dafür nur eine Möglichkeit sehen. Die
Juden müssten vorher so viel ökonomische Macht erlangen,
dass dadurch das alte gesellschaftliche Vorurtheil überwunden
würde. Das Beispiel liefert die Aristokratie, in der die Mischehen
verhältnissmässig am häufigsten vorkommen. Der alte Adel
lässt sich mit Judengeld neu vergolden, und dabei werden
[] jüdische Familien resorbirt. Aber wie würde sich diese Erscheinung
in den mittleren Schichten gestalten, wo die Judenfrage
ihren Hauptsitz hat, weil die Juden ein Mittelstandsvolk
sind? Da wäre die vorher nöthige Erlangung der Macht gleichbedeutend
mit der wirthschaftlichen Alleinherrschaft der Juden,
die ja schon jetzt fälschlich behauptet wird. Und wenn schon
die jetzige Macht der Juden solche Wuth- und Nothschreie der
Antisemiten hervorruft, welche Ausbrüche kämen erst durch das
weitere Wachsen dieser Macht. Eine solche Vorstufe der Resorption
kann nicht erreicht werden; denn es wäre die Unterjochung
der Majorität durch eine noch vor kurzem verachtete
Minorität, die nicht im Besitze der kriegerischen oder administrativen
Gewalt ist. Ich halte deshalb die Resorption der Juden
auch auf dem Wege des Gedeihens für unwahrscheinlich. In
den derzeit antisemitischen Ländern wird man mir beipflichten.
In den anderen, wo sich die Juden augenblicklich wohlbefinden,
werden meine Stammesgenossen meine Behauptungen vermuthlich
auf das heftigste bestreiten. Sie werden mir erst glauben,
bis sie wieder von der Judenhetze heimgesucht sind. Und je
länger der Antisemitismus auf sich warten lässt, umso grimmiger
muss er ausbrechen. Die Infiltration hinwandernder, von der
scheinbaren Sicherheit angezogener Juden, sowie die aufsteigende
Classenbewegung der autochthonen Juden wirken dann gewaltig
zusammen und drängen zu einem Umsturz. Nichts ist einfacher,
als dieser Vernunftschluss.

Dass ich ihn aber unbekümmert und nur der Wahrheit
folgend ziehe, wird mir voraussichtlich den Widerspruch, die
Feindschaft der in günstigen Verhältnissen lebenden Juden
eintragen. Soweit es nur Privatinteressen sind, deren Träger
sich aus Beschränktheit oder Feigheit bedroht fühlen, könnte
man mit lachender Verachtung darüber hinweggehen. Denn die
Sache der Armen und Bedrückten ist wichtiger. Ich will jedoch
von vorneherein keine unrichtigen Vorstellungen aufkommen
lassen; namentlich die nicht, dass wenn jemals dieser Plan
verwirklicht würde, die besitzenden Juden an Hab und Gut
geschädigt werden könnten. Darum will ich das Vermögensrechtliche
ausführlich erklären. Kommt hingegen der ganze
Gedanke nicht über die Literatur hinaus, so bleibt ja ohnehin
alles beim Alten.

Ernster wäre der Einwand, dass ich den Antisemiten zu
Hilfe komme, wenn ich uns ein Volk, Ein Volk nenne. Dass
ich die Assimilirung der Juden, wo sie sich vollziehen will,
hindere, und wo sie sich vollzogen hat, nachträglich gefährde,
soweit ich als einsamer Schriftsteller überhaupt etwas zu hindern
oder zu gefährden vermag.

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Dieser Einwand wird namentlich in Frankreich hervorkommen.
Ich erwarte ihn auch an anderen Orten, will aber
nur den französischen Juden im voraus antworten, weil sie das
stärkste Beispiel liefern.

Wie sehr ich auch die Persönlichkeit verehre, die starke
Einzelpersönlichkeit des Staatsmannes, Erfinders, Künstlers,
Philosophen oder Feldherrn sowohl, als die Gesammtpersönlichkeit
einer historischen Gruppe von Menschen, die wir Volk
nennen, wie sehr ich auch die Persönlichkeit verehre, beklage
ich doch nicht ihren Untergang. Wer untergehen kann, will
und muss, der soll untergehen. Die Volkspersönlichkeit der
Juden kann, will und muss aber nicht untergehen. Sie kann
nicht, weil äussere Feinde sie zusammenhalten. Sie will nicht,
das hat sie in zwei Jahrtausenden unter ungeheuren Leiden
bewiesen. Sie muss nicht, das versuche ich in dieser Schrift
nach vielen anderen Juden, welche die Hoffnung nicht aufgaben,
darzuthun. Ganze Aeste des Judenthumes können absterben,
abfallen; der Baum lebt.

Wenn nun alle oder einige französische Juden gegen
diesen Entwurf protestiren, weil sie sich bereits „assimilirt“
hätten, so ist meine Antwort einfach: Die ganze Sache geht
sie nichts an. Sie sind israelitische Franzosen, vortrefflich!
Dies ist jedoch eine innere Angelegenheit der Juden.

Nun würde allerdings die staatbildende Bewegung, die
ich vorschlage, den israelitischen Franzosen ebensowenig schaden,
wie den „Assimilirten“ anderer Länder. Nützen würde sie ihnen
im Gegentheile, nützen! Denn sie wären in ihrer „chromatischen
Function“, um Darwin's Wort zu gebrauchen, nicht mehr gestört.
Sie könnten sich ruhig assimiliren, weil der jetzige Antisemitismus
für immer zum Stillstand gebracht wäre. Man würde
es ihnen auch glauben, dass sie bis in's Innerste ihrer Seele
assimilirt sind, wenn der neue Judenstaat mit seinen besseren
Einrichtungen zur Wahrheit geworden ist, und sie dennoch
bleiben, wo sie jetzt wohnen.

Noch mehr Vortheil als die christlichen Bürger würden die
„Assimilirten“ von der Entfernung der stammestreuen Juden haben.
Denn die Assimilirten werden die beunruhigende, unberechenbare,
unvermeidliche Concurrenz des jüdischen Proletariats los, das durch
politischen Druck und wirthschaftliche Noth von Ort zu Ort,
von Land zu Land geworfen wird. Dieses schwebende Proletariat
würde festgemacht werden. Jetzt können manche christliche
Staatsbürger – man nennt sie Antisemiten – sich gegen
die Einwanderung fremder Juden sträuben. Die israelitischen
Staatsbürger können das nicht, obwohl sie viel schwerer be- [] troffen sind; denn auf sie drückt zunächst der Wettbewerb
gleichartiger wirthschaftlicher Individuen, die zudem auch noch
den Antisemitismus importiren oder den vorhandenen verschärfen.
Es ist ein heimlicher Jammer der Assimilirten, der
sich in „wohlthätigen“ Unternehmungen Luft macht. Sie gründen
Auswanderungsvereine für zureisende Juden. Diese Erscheinung
enthält einen Gegensinn, den man komisch finden könnte, wenn
es sich nicht um leidende Menschen handelte. Einzelne dieser
Unterstützungsvereine sind nicht für, sondern gegen die verfolgten
Juden da. Die Aermsten sollen nur recht schnell, recht
weit weggeschafft werden. Und so entdeckt man bei aufmerksamer
Betrachtung, dass mancher scheinbare Judenfreund nur ein
als Wohlthäter verkleideter Antisemit jüdischen Ursprungs ist.

Aber selbst die Colonisirungsversuche wirklich wohlmeinender
Männer haben sich bisher nicht bewährt, obwohl es
interessante Versuche waren. Ich glaube nicht, dass es sich
Dem oder Jenem nur um einen Sport gehandelt habe; dass Der
oder Jener arme Juden wandern liess, wie man Pferde rennen
lässt. Dazu ist die Sache denn doch zu ernst und traurig. Interessant
waren diese Versuche insofern, als sie im Kleinen die
praktischen Vorläufer der Judenstaats-Idee vorstellten. Und
sogar nützlich waren sie insofern, als dabei Fehler gemacht
wurden, aus denen man bei einer Verwirklichung im Grossen
lernen kann. Freilich ist durch diese Versuche auch Schaden
gestiftet worden. Die Verpflanzung des Antisemitismus nach neuen
Gegenden, welche die nothwendige Folge einer solchen künstlichen
Infiltration ist, halte ich noch für den geringsten Nachtheil.
Schlimmer ist, dass die ungenügenden Ergebnisse bei den
Juden selbst Zweifel an der Brauchbarkeit des jüdischen Menschenmaterials
hervorriefen. Diesem Zweifel wird aber bei den Verständigen
durch folgende einfache Argumentation beizukommen
sein: Was im Kleinen unzweckmässig oder undurchführbar ist,
muss es noch nicht im Grossen sein. Ein kleines Unternehmen
kann unter denselben Bedingungen Verlust bringen, unter denen
ein grosses sich rentirt. Ein Bach ist nicht einmal mit Kähnen
schiffbar; der Fluss, in den er sich ergiesst, trägt stattliche
eiserne Fahrzeuge.

Niemand ist stark oder reich genug, um ein Volk von
einem Wohnort nach einem anderen zu versetzen. Das vermag
nur eine Idee. Die Staatsidee hat wohl eine solche Gewalt. Die
Juden haben die ganze Nacht ihrer Geschichte hindurch nicht
aufgehört, diesen königlichen Traum zu träumen: „Ueber's Jahr
in Jerusalem!“ ist unser altes Wort. Nun handelt es sich darum,
zu zeigen, dass aus dem Traum ein tagheller Gedanke werden
kann.

[]

Dazu muss vor Allem in den Seelen tabula rasa gemacht
werden von mancherlei alten, überholten, verworrenen, beschränkten
Vorstellungen. So werden dumpfe Gehirne zunächst
meinen, dass die Wanderung aus der Cultur hinaus in die
Wüste gehen müsse. Nicht wahr! Die Wanderung vollzieht sich
mitten in der Cultur. Man kehrt nicht auf eine niedrigere Stufe
zurück, sondern ersteigt eine höhere. Man bezieht keine Lehmhütten,
sondern schönere, modernere Häuser, die man sich neu
baut und ungefährdet besitzen darf. Man verliert nicht sein
erworbenes Gut, sondern verwerthet es. Man gibt sein gutes
Recht nur auf gegen ein besseres. Man trennt sich nicht von
seinen lieben Gewohnheiten, sondern findet sie wieder. Man
verlässt das alte Haus nicht, bevor das neue fertig ist. Es ziehen
immer nur diejenigen, die sicher sind, ihre Lage dadurch zu
verbessern. Erst die Verzweifelten, dann die Armen, dann die
Wohlhabenden, dann die Reichen. Die Vorangegangenen erheben
sich in die höhere Schichte, bis diese letztere ihre Angehörigen
nachschickt. Die Wanderung ist zugleich eine aufsteigende
Classenbewegung.

Und hinter den abziehenden Juden entstehen keine wirthschaftlichen
Störungen, keine Krisen und Verfolgungen, sondern
es beginnt eine Periode der Wohlfahrt für die verlassenen
Länder. Es tritt eine innere Wanderung der christlichen Staatsbürger
in die aufgegebenen Positionen der Juden ein. Der
Abfluss ist ein allmäliger, ohne jede Erschütterung, und schon
sein Beginn ist das Ende des Antisemitismus. Die Juden scheiden
als geachtete Freunde, und wenn Einzelne dann zurückkommen,
wird man sie in den civilisirten Ländern genau so wohlwollend
aufnehmen und behandeln, wie andere fremde Staatsangehörige.
Diese Wanderung ist auch keine Flucht, sondern ein geordneter
Zug unter der Controle der öffentlichen Meinung. Die Bewegung
ist nicht nur mit vollkommen gesetzlichen Mitteln einzuleiten,
sie kann überhaupt nur durchgeführt werden unter freundlicher
Mitwirkung der betheiligten Regierungen, die davon wesentliche
Vortheile haben.

Für die Reinheit der Idee und die Kraft ihrer Ausführung
sind Bürgschaften nöthig, die sich nur in sogenannten „moralischen“
oder „juristischen“ Personen finden lassen. Ich will
diese beiden Bezeichnungen, die in der Juristensprache häufig
verwechselt werden, auseinanderhalten. Als moralische Person,
welche Subject von Rechten ausserhalb der Privat-Vermögenssphäre
ist, stelle ich die Society of Jews auf. Daneben steht
die juristische Person der Jewish Company, die ein Erwerbswesen
ist.

[]

Der Einzelne, der auch nur Miene machte, ein solches
Riesenwerk zu unternehmen, könnte ein Betrüger oder ein
Wahnsinniger sein. Für die Reinheit der moralischen Person
bürgt der Charakter ihrer Mitglieder. Die ausreichende Kraft
der juristischen Person ist erwiesen durch ihr Capital.


Durch die bisherigen Vorbemerkungen wollte ich nur in
aller Eile den ersten Schwarm von Einwendungen abwehren,
den schon das Wort „Judenstaat“ hervorrufen muss. Von hier
weiter wollen wir uns mit mehr Ruhe auseinandersetzen, andere
Einwände bekämpfen und manches schon Angedeutete gründlicher
ausführen, wenn auch die Schwerfälligkeit im Interesse
der Schrift, die fliegen soll, nach Möglichkeit zu vermeiden sein
wird. Kurze aphoristische Capitel dienen einem solchen Zweck
wohl am besten.

Wenn ich an die Stelle eines alten Baues einen neuen
setzen will, muss ich zuerst demoliren und dann construiren.
Diese vernünftige Reihenfolge werde ich also einhalten. Zuerst
im allgemeinen Theil sind die Begriffe zu klären, dumpfe alte
Vorstellungen hinwegzuräumen, die politischen und nationalökonomischen
Vorbedingungen festzustellen und der Plan zu
entwickeln.

Im besonderen Theil, der in drei Hauptabschnitte zerfällt,
ist die Ausführung darzustellen. Diese Hauptabschnitte sind:
Jewish Company, Ortsgruppen und Society of Jews. Die Society
soll zwar zuerst entstehen, und die Company zuletzt; aber
im Entwurf empfiehlt sich die umgekehrte Ordnung, weil gegen
die finanzielle Durchführbarkeit sich die grössten Bedenken
erheben werden, die also zunächst zu widerlegen sind.

Im Schlusswort wird dann den noch übrigen vermuthbaren
Einwendungen ein letztes Treffen zu liefern sein. Meine
jüdischen Leser mögen mir geduldig bis an's Ende folgen. Bei
Manchem werden die Einwendungen in anderer Reihenfolge entstehen,
als in der hier gewählten der Widerlegung. Wessen
Bedenken aber vernünftig besiegt sind, der soll sich zur Sache
bekennen.

[]

Indem ich nun zur Vernunft spreche, weiss ich dennoch
wohl, dass die Vernunft allein nicht genügt. Alte Gefangene
gehen nicht gern aus dem Kerker. Wir werden sehen, ob uns
schon die Jugend, die wir brauchen, nachgewachsen ist; die
Jugend, welche die Alten mitreisst, auf starken Armen hinausträgt
und die Vernunftgründe umsetzt in Begeisterung.

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[]

Allgemeiner Theil.


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Die Judenfrage.

Die Nothlage der Juden wird niemand leugnen. In allen
Ländern, wo sie in merklicher Anzahl leben, werden sie mehr
oder weniger verfolgt. Die Gleichberechtigung ist zu ihren
Ungunsten fast überall thatsächlich aufgehoben, wenn sie
im Gesetze auch existirt. Schon die mittelhohen Stellen im
Heer, in öffentlichen und privaten Aemtern sind ihnen unzugänglich.
Man versucht sie aus dem Geschäftsverkehr hinauszudrängen:
„Kauft nicht bei Juden!“

Die Angriffe in Parlamenten, Versammlungen, Presse, auf
Kirchenkanzeln, auf der Strasse, auf Reisen – Ausschliessung
aus gewissen Hotels – und selbst an Unterhaltungsorten mehren
sich von Tag zu Tag. Die Verfolgungen haben verschiedenen
Charakter nach Ländern und Gesellschaftskreisen. In Russland
werden Judendörfer gebrandschatzt, in Rumänien erschlägt man
ein paar Menschen, in Deutschland prügelt man sie gelegentlich
durch, in Oesterreich terrorisiren die Antisemiten das ganze
öffentliche Leben, in Algerien treten Wanderhetzprediger auf,
in Paris knöpft sich die sogenannte bessere Gesellschaft zu,
die Cercles schliessen sich gegen die Juden ab. Die Nuancen
sind zahllos. Es soll hier übrigens nicht eine wehleidige Aufzählung
aller jüdischen Beschwerden versucht werden. Wir
wollen uns nicht bei Einzelheiten aufhalten, wie schmerzlich
sie auch seien.

Ich beabsichtige nicht, eine gerührte Stimmung für uns
hervorzurufen. Das ist Alles faul, vergeblich und unwürdig. Ich
begnüge mich, die Juden zu fragen, ob es wahr ist, dass in
den Ländern, wo wir in merklicher Anzahl wohnen, die Lage
der jüdischen Advocaten, Aerzte, Techniker, Lehrer und Ange-
[] stellten aller Art immer unerträglicher wird? Ob es wahr, dass
unser ganzer jüdischer Mittelstand schwer bedroht ist? Ob es
wahr, dass gegen unsere Reichen alle Leidenschaften des Pöbels
gehetzt werden? Ob es wahr, dass unsere Armen viel härter
leiden, als jedes andere Proletariat?

Ich glaube, der Druck ist überall vorhanden. In den wirthschaftlich
obersten Schichten der Juden bewirkt er ein Unbehagen.
In den mittleren Schichten ist es eine schwere, dumpfe
Beklommenheit. In den unteren ist es die nackte Verzweiflung.

Thatsache ist, dass es überall auf dasselbe hinausgeht und
es lässt sich im classischen Berliner Rufe zusammenfassen:
Juden raus!

Ich werde nun die Judenfrage in ihrer knappsten Form
ausdrücken: Müssen wir schon „raus“? und wohin?

Oder können wir noch bleiben? und wie lange?

Erledigen wir zuerst die Frage des Bleibens. Können wir
auf bessere Zeiten hoffen, uns in Geduld fassen, mit Gottergebung
abwarten, dass die Fürsten und Völker der Erde in eine
für uns gnädigere Stimmung gerathen? Ich sage, wir können
keinen Umschwung der Strömung erwarten. Warum? Die Fürsten
– selbst wenn wir ihrem Herzen ebenso nahe stehen, wie die
anderen Bürger – können uns nicht schützen. Sie würden
den Judenhass indossiren, wenn sie den Juden zuviel Wohlwollen
bezeigten. Und unter diesem „zuviel“ ist weniger zu
verstehen, als worauf jeder gewöhnliche Bürger oder jeder Volksstamm
Anspruch hat.

Die Völker, bei denen Juden wohnen, sind alle sammt und
sonders, verschämt oder unverschämt Antisemiten.

Das gewöhnliche Volk hat kein historisches Verständniss
und kann keines haben. Es weiss nicht, dass die Sünden des
Mittelalters jetzt an den europäischen Völkern heimkommen.
Wir sind, wozu man uns in den Ghetti gemacht hat. Wir haben
zweifellos eine Ueberlegenheit im Geldgeschäfte erlangt, weil
man uns im Mittelalter darauf geworfen hat. Jetzt wiederholt
sich der gleiche Vorgang. Man drängt uns wieder in's Geldgeschäft,
das jetzt Börse heisst, indem man uns alle anderen
Erwerbszweige abbindet. Sind wir aber in der Börse, so wird
das wieder zur neuen Quelle unserer Verächtlichkeit. Dabei
produciren wir rastlos mittlere Intelligenzen, die keinen Abfluss
haben und dadurch eine ebensolche Gesellschaftsgefahr sind,
wie die wachsenden Vermögen. Die gebildeten und besitzlosen
Juden fallen jetzt alle dem Socialismus zu. Die sociale Schlacht
müsste also jedenfalls auf unserem Rücken geschlagen werden,
[] weil wir im capitalistischen wie im socialistischen Lager auf
den exponirtesten Punkten stehen.

Bisherige Versuche der Lösung.

Die künstlichen Mittel, die man bisher zur Ueberwindung
des Judennothstandes aufwandte, waren entweder zu kleinlich
– wie die verschiedenen Colonisirungen – oder falsch gedacht,
wie die Versuche, die Juden in ihrer jetzigen Heimat zu Bauern
zu machen.

Was ist denn damit gethan, wenn man ein paar tausend
Juden in eine andere Gegend bringt? Entweder sie gedeihen,
und dann entsteht mit ihrem Vermögen der Antisemitismus –
oder sie gehen gleich zu Grunde. Mit den bisherigen Versuchen
der Ableitung armer Juden nach anderen Ländern haben wir
uns schon vorhin beschäftigt. Die Ableitung ist jedenfalls ungenügend
und zwecklos, wenn nicht geradezu zweckwidrig. Die
Lösung wird dadurch nur vertagt, verschleppt und vielleicht
sogar erschwert.

Wer aber die Juden zu Ackerbauern machen will, der ist
in einem wunderlichen Irrthume begriffen. Der Bauer ist nämlich
eine historische Kategorie und man erkennt das am besten an
seiner Tracht, die in den meisten Ländern Jahrhunderte alt
ist, sowie an seinen Werkgeräthschaften, die genau dieselben
sind, wie zu Urväterzeiten. Sein Pflug ist noch so, er sät aus
der Schürze, mäht mit der geschichtlichen Sense und drischt
mit dem Flegel. Wir wissen aber, dass es jetzt für all' das
Maschinen gibt. Die Agrarfrage ist auch nur eine Maschinenfrage.
Amerika muss über Europa siegen, sowie der Grossgrundbesitz
den kleinen vertilgt.

Der Bauer ist also eine auf den Aussterbeetat gesetzte
Figur. Wenn man den Bauer künstlich conservirt, so geschieht
es wegen der politischen Interessen, denen er zu dienen hat.
Neue Bauern nach dem alten Recept machen zu wollen, ist ein
unmögliches und thörichtes Beginnen. Niemand ist reich oder
stark genug, die Cultur gewaltsam zurückzuschrauben. Schon das
Erhalten veralteter Culturzustände ist eine ungeheuere Aufgabe,
für die alle Machtmittel selbst des autokratisch geleiteten
Staates kaum ausreichen.

[]

Will man also dem Juden, der intelligent ist, zumuthen,
ein Bauer alten Schlages zu werden? Das wäre gerade so, wie
wenn man dem Juden sagte: „Da hast Du eine Armbrust, zieh'
in den Krieg!“ – Was? mit einer Armbrust, wenn die Anderen
Kleinkaliber-Gewehre und Krupp'sche Kanonen haben? Die
Juden, die man verbauern will, haben vollkommen Recht, wenn
sie sich unter solchen Umständen nicht vom Flecke rühren.
Die Armbrust ist eine schöne Waffe und sie stimmt mich elegisch,
wenn ich Zeit habe. Aber sie gehört in's Museum.

Nun gibt es freilich Gegenden, wo die verzweifelten Juden
sogar aufs Feld gehen oder doch gehen möchten. Und da zeigt
sich, dass diese Punkte – wie die Enclave von Hessen in
Deutschland und manche Provinzen Russlands – gerade die
Hauptnester des Antisemitismus sind.

Denn die Weltverbesserer, die den Juden ackern schicken,
vergessen eine sehr wichtige Person, die sehr viel dreinzureden
hat. Und das ist der Bauer. Auch der Bauer hat vollkommen
Recht. Grundsteuer, Erntegefahr, Druck der Grossbesitzer, die
billiger arbeiten und besonders die amerikanische Concurrenz
machen ihm das Leben sauer genug. Dazu können die Kornzölle
nicht in's Endlose wachsen. Man kann den Fabriksarbeiter
doch auch nicht verhungern lassen; man muss, weil sein politischer
Einfluss im Steigen ist, sogar immer mehr Rücksicht auf
ihn nehmen.

Alle diese Schwierigkeiten sind wohlbekannt, ich erwähne
sie daher nur flüchtig. Ich wollte lediglich andeuten, wie werthlos
die bisherigen in bewusster Absicht – in den meisten Fällen
auch in löblicher Absicht – gemachten Versuche der Lösung
waren. Weder die Ableitung, noch die künstliche Herabdrückung
des geistigen Niveaus in unserem Proletariat kann helfen. Das
Wundermittel der Assimilirung haben wir schon erörtert.

So ist dem Antisemitismus nicht beizukommen. Er kann
nicht behoben werden, so lange seine Gründe nicht behoben
sind. Sind diese aber behebbar?


Gründe des Antisemitismus.

Wir sprechen jetzt nicht mehr von den Gemüthsgründen,
alten Vorurtheilen und Bornirtheiten, sondern von den politischen
und wirthschaftlichen Gründen. Unser heutiger Antisemitismus
darf nicht mit dem religiösen Judenhasse früherer Zeiten ver- [] wechselt
werden, wenn der Judenhass auch in einzelnen Ländern
noch jetzt eine confessionelle Färbung hat. Der grosse Zug der
judenfeindlichen Bewegung ist heute ein anderer. In den Hauptländern
des Antisemitismus ist dieser eine Folge der Juden-Emancipation.
Als die Culturvölker die Unmenschlichkeit der
Ausnahmegesetze einsahen und uns freiliessen, kam die Freilassung
zu spät. Wir waren gesetzlich in unseren bisherigen
Wohnsitzen nicht mehr emancipirbar. Wir hatten uns im Ghetto
merkwürdigerweise zu einem Mittelstandsvolk entwickelt und
kamen als eine fürchterliche Concurrenz für den Mittelstand
heraus. So standen wir nach der Emancipation plötzlich im
Ringe der Bourgeoisie und haben da einen doppelten Druck
auszuhalten, von innen und von aussen. Die christliche Bourgeoisie
wäre wohl nicht abgeneigt, uns dem Socialismus als
Opfer hinzuwerfen; freilich würde das wenig helfen.

Dennoch kann man die gesetzliche Gleichberechtigung der
Juden, wo sie besteht, nicht mehr aufheben. Nicht nur weil es
gegen das moderne Bewusstsein wäre, sondern auch, weil das
sofort alle Juden, Arm und Reich, den Umsturzparteien zujagen
würde.

Man kann eigentlich nichts Wirksames gegen uns thun.
Früher nahm man den Juden ihre Juwelen weg. Wie will man
heute das bewegliche Vermögen fassen? Es ruht in bedruckten
Papierstücken, die irgendwo in der Welt, vielleicht in christlichen
Cassen, eingesperrt sind. Nun kann man freilich die
Actien und Prioritäten von Bahnen, Banken, industriellen Unternehmungen
aller Art durch Steuern treffen, und wo die progressive
Einkommensteuer besteht, lässt sich auch der ganze
Complex des beweglichen Vermögens packen. Aber alle derartigen
Versuche können nicht gegen Juden allein gerichtet
sein, und wo man es dennoch versuchen möchte, erlebt man
sofort schwere wirthschaftliche Krisen, die sich keineswegs auf
die zuerst betroffenen Juden beschränken. Durch diese Unmöglichkeit,
den Juden beizukommen, verstärkt und verbittert sich
nur der Hass. In den Bevölkerungen wächst der Antisemitismus
täglich, stündlich und muss weiter wachsen, weil die Ursachen
fortbestehen und nicht behoben werden können. Die causa remota
ist der im Mittelalter eingetretene Verlust unserer Assimilirbarkeit,
die causa proxima unsere Ueberproduction an
mittleren Intelligenzen, die keinen Abfluss nach unten haben
und keinen Aufstieg nach oben – nämlich keinen gesunden
Abfluss und keinen gesunden Aufstieg. Wir werden nach unten
hin zu Umstürzlern proletarisirt, bilden die Unterofficiere aller
revolutionären Parteien und gleichzeitig wächst nach oben unsere
furchtbare Geldmacht.


[]

Wirkung des Antisemitismus.

Der auf uns ausgeübte Druck macht uns nicht besser.
Wir sind nicht anders als die anderen Menschen. Wir lieben
unsere Feinde nicht, das ist ganz wahr. Aber nur wer sich
selbst zu überwinden vermag, darf es uns vorwerfen. Der Druck
erzeugt bei uns natürlich eine Feindseligkeit gegen unsere Bedränger
– und unsere Feindseligkeit steigert wieder den Druck.
Aus diesem Kreislauf herauszukommen, ist unmöglich.

„Doch!“ werden weichmüthige Schwärmer sagen, „doch,
es ist möglich! Und zwar durch die herbeizuführende Güte der
Menschen.“

Brauche ich wirklich erst noch zu beweisen, was das für
eine sentimentale Faselei ist? Wer eine Besserung der Zustände
auf die Güte aller Menschen gründen wollte, der schriebe allerdings
eine Utopie!

Ich sprach schon von unserer „Assimilirung“. Ich sage
keinen Augenblick, dass ich sie wünsche. Unsere Volkspersönlichkeit
ist geschichtlich zu berühmt und trotz aller Erniedrigungen
zu hoch, als dass ihr Untergang zu wünschen wäre.
Aber vielleicht könnten wir überall in den uns umgebenden
Völkern spurlos aufgehen, wenn man uns nur zwei Generationen
hindurch in Ruhe liesse. Man wird uns nicht in Ruhe lassen.
Nach kurzen Perioden der Duldsamkeit erwacht immer und
immer wieder die Feindseligkeit gegen uns. Unser Wohlergehen
scheint etwas Aufreizendes zu enthalten, weil die Welt seit
vielen Jahrhunderten gewohnt war, in uns die Verächtlichsten
unter den Armen zu sehen. Dabei bemerkt man aus Unwissenheit
oder Engherzigkeit nicht, dass unser Wohlergehen uns als Juden
schwächt und unsere Besonderheiten auslöscht. Nur der Druck
presst uns wieder an den alten Stamm, nur der Hass unserer
Umgebung macht uns wieder zu Fremden.

So sind und bleiben wir denn, ob wir es wollen oder nicht,
eine historische Gruppe von erkennbarer Zusammengehörigkeit.

Wir sind ein Volk – der Feind macht uns ohne unseren
Willen dazu, wie das immer in der Geschichte so war. In der
Bedrängniss stehen wir zusammen und da entdecken wir plötzlich
unsere Kraft. Ja, wir haben die Kraft, einen Staat, und
zwar einen Musterstaat zu bilden. Wir haben alle menschlichen
und sachlichen Mittel, die dazu nöthig sind.

Es wäre hier eigentlich schon der Platz, von unserem
„Menschenmaterial“ zu sprechen, wie der etwas rohe Ausdruck
lautet. Aber vorher müssen die Hauptzüge des Planes bekannt
sein, auf den ja Alles zu beziehen ist.


[]

Der Plan.

Der ganze Plan ist in seiner Grundform unendlich einfach,
und muss es ja auch sein, wenn er von allen Menschen verstanden
werden soll.

Man gebe uns die Souveränetät eines für unsere gerechten
Volksbedürfnisse genügenden Stückes der Erdoberfläche, alles
andere werden wir selbst besorgen.

Das Entstehen einer neuen Souveränetät ist nichts Lächerliches
oder Unmögliches. Wir haben es doch in unseren Tagen
miterlebt, bei Völkern, die nicht wie wir Mittelstandsvölker,
sondern ärmere, ungebildete und darum schwächere Völker
sind. Uns die Souveränetät zu verschaffen, sind die Regierungen
der vom Antisemitismus heimgesuchten Länder lebhaft interessirt.

Es werden für die im Princip einfache, in der Durchführung
complicirte Aufgabe zwei grosse Organe geschaffen: die
Society of Jews und die Jewish Company.

Was die Society of Jews wissenschaftlich und politisch
vorbereitet hat, führt die Jewish Company praktisch aus.

Die Jewish Company besorgt die Liquidirung aller Vermögensinteressen
der abziehenden Juden und organisirt im
neuen Lande den wirthschaftlichen Verkehr.

Den Abzug der Juden darf man sich, wie schon gesagt
wurde, nicht als einen plötzlichen vorstellen. Es wird ein allmäliger
sein und Jahrzehnte dauern. Zuerst werden die Aermsten
gehen und das Land urbar machen. Sie werden nach einem von
vornherein feststehenden Plane Strassen, Brücken, Bahnen bauen,
Telegraphen errichten, Flüsse reguliren, und sich selbst ihre
Heimstätten schaffen. Ihre Arbeit bringt den Verkehr, der Verkehr
die Märkte, die Märkte locken neue Ansiedler heran.
Denn jeder kommt freiwillig, auf eigene Kosten und Gefahr.
Die Arbeit, die wir in die Erde versenken, steigert den Werth
des Landes. Die Juden werden schnell einsehen, dass sich für
ihre bisher gehasste und verachtete Unternehmungslust ein
neues, dauerndes Gebiet erschlossen hat.

Will man heute ein Land gründen, darf man es nicht in
der Weise machen, die vor tausend Jahren die einzig mögliche
gewesen wäre. Es ist thöricht, auf alte Culturstufen zurückzukehren,
wie es manche Zionisten möchten. Kämen wir beispielsweise
in die Lage, ein Land von wilden Thieren zu säubern,
würden wir es nicht in der Art der Europäer aus dem fünften
Jahrhundert thun. Wir würden nicht einzeln mit Speer und
Lanze gegen Bären ausziehen, sondern eine grosse fröhliche
Jagd veranstalten, die Bestien zusammentreiben und eine Melinitbombe
unter sie werfen.

[]

Wenn wir Bauten ausführen wollen, werden wir nicht
hilflose Pfahlbauten an einen Seerand stecken, sondern wir
werden bauen, wie man es jetzt thut. Wir werden kühner und
herrlicher bauen, als es je vorher geschehen ist. Denn wir
haben Mittel, die in der Geschichte noch nicht da waren.

Unseren niedersten wirthschaftlichen Schichten folgen allmälig
die nächsthöheren hinüber. Die jetzt am Verzweifeln
sind, gehen zuerst. Sie werden geführt von unserer überall
verfolgten mittleren Intelligenz, die wir überproduciren.

Die Frage der Judenwanderung soll durch diese Schrift
zur allgemeinen Discussion gestellt werden. Das heisst aber
nicht, dass eine Abstimmung eingeleitet wird. Dabei wäre die
Sache von vorneherein verloren. Wer nicht mit will, mag da
bleiben. Der Widerspruch einzelner Individuen ist gleichgiltig.

Wer mit will, stelle sich hinter unsere Fahne, und kämpfe
für sie in Wort, Schrift und That.

Die Juden, welche sich zu unserer Staatsidee bekennen,
sammeln sich um die Society of Jews. Diese erhält dadurch
den Regierungen gegenüber die Autorität, im Namen der Juden
sprechen und verhandeln zu dürfen. Die Society wird, um es
in einer völkerrechtlichen Analogie zu sagen, als staatbildende
Macht anerkannt. Und damit wäre der Staat auch schon gebildet.

Zeigen sich nun die Mächte bereit, dem Judenvolke die
Souveränetät eines neutralen Landes zu gewähren, so wird die
Society über das zu nehmende Land verhandeln. Zwei Gebiete
kommen in Betracht: Palästina und Argentinien. Bemerkenswerthe
Colonisirungsversuche haben auf diesen beiden Punkten
stattgefunden. Allerdings nach dem falschen Princip der allmäligen
Infiltration von Juden. Die Infiltration muss immer
schlecht enden. Denn es kommt regelmässig der Augenblick,
wo die Regierung auf Drängen der sich bedroht fühlenden Bevölkerung
den weiteren Zufluss von Juden absperrt. Die Auswanderung
hat folglich nur dann einen Sinn, wenn ihre Grundlage
unsere gesicherte Souveränetät ist.

Die Society of Jews wird mit den jetzigen Landeshoheiten
verhandeln, und zwar unter dem Protectorate der europäischen
Mächte, wenn diesen die Sache einleuchtet. Wir können der
jetzigen Landeshoheit ungeheure Vortheile gewähren, einen
Theil ihrer Staatsschulden übernehmen, Verkehrswege bauen,
die ja auch wir selbst benöthigen, und noch vieles andere.
Doch schon durch das Entstehen des Judenstaates gewinnen
die Nachbarländer, weil im Grossen wie im Kleinen die Cultur
eines Landstriches den Werth der Umgebung erhöht.


[]

Palästina oder Argentinien?

Ist Palästina oder Argentinien vorzuziehen? Die Society
wird nehmen, was man ihr gibt und wofür sich die öffentliche
Meinung des Judenvolkes erklärt. Die Society wird beides
feststellen.

Argentinien ist eines der natürlich reichsten Länder der
Erde, von riesigem Flächeninhalt, mit schwacher Bevölkerung
und gemässigtem Klima. Die argentinische Republik hätte das
grösste Interesse daran, uns ein Stück Territorium abzutreten.
Die jetzige Judeninfiltration hat freilich dort Verstimmung erzeugt;
man müsste Argentinien über die wesentliche Verschiedenheit
der neuen Judenwanderung aufklären.

Palästina ist unsere unvergessliche historische Heimat. Dieser
Name allein wäre ein gewaltig ergreifender Sammelruf für unser
Volk. Wenn Seine Majestät der Sultan uns Palästina gäbe, könnten
wir uns dafür anheischig machen, die Finanzen der Türkei
gänzlich zu regeln. Für Europa würden wir dort ein Stück des
Walles gegen Asien bilden, wir würden den Vorpostendienst
der Cultur gegen die Barbarei besorgen. Wir würden als
neutraler Staat im Zusammenhange bleiben mit ganz Europa,
das unsere Existenz garantiren müsste. Für die heiligen Stätten
der Christenheit liesse sich eine völkerrechtliche Form der
Exterritorialisirung finden. Wir würden die Ehrenwache um die
heiligen Stätten bilden, und mit unserer Existenz für die Erfüllung
dieser Pflicht haften. Diese Ehrenwacht wäre das grosse
Symbol für die Lösung der Judenfrage nach achtzehn für uns
qualvollen Jahrhunderten.


Bedürfniss, Organ, Verkehr.

Im vorletzten Capitel sagte ich: „Die Jewish Company
organisirt im neuen Lande den wirthschaftlichen Verkehr“.

Ich glaube, hierzu einige Erläuterungen einschalten zu
sollen. Ein Entwurf, wie der vorliegende, ist in seinen Grundfesten
bedroht, wenn sich die „praktischen“ Leute dagegen
aussprechen. Nun sind die praktischen Leute wohl in der Regel
nur Routiniers, unfähig aus einem engen Kreis alter Vorstellungen
herauszutreten. Aber ihr Widerspruch gilt und vermag dem
[] Neuen sehr zu schaden; wenigstens so lange das Neue selbst
nicht stark genug ist, die Praktiker mit ihren morschen Vorstellungen
über den Haufen zu werfen.

Als die Eisenbahnzeit über Europa kam, gab es Praktiker,
welche den Bau gewisser Linien für thöricht erklärten, „weil
dort nicht einmal die Postkutsche genug Passagiere habe“. Man
wusste damals die Wahrheit noch nicht, die uns heute als eine
kindlich einfache vorkommt: dass nicht die Reisenden die Bahn
hervorrufen, sondern umgekehrt die Bahn die Reisenden hervorruft,
wobei freilich das schlummernde Bedürfniss vorausgesetzt
werden muss.

In die Kategorie solcher voreisenbahnlicher „praktischer“
Bedenken wird es gehören, wenn Manche sich nicht vorstellen
können, wie in dem neuen, erst noch zu gewinnenden, erst
noch zu cultivirenden Lande der wirthschaftliche Verkehr der
Ankömmlinge beschaffen sein soll. Ein Praktiker wird also beiläufig
Folgendes sagen:

„Zugegeben, dass die jetzigen Zustände der Juden an
vielen Orten unhaltbar sind und immer schlechter werden
müssen; zugegeben, dass die Auswanderungslust entsteht; zugegeben
sogar, dass die Juden nach dem neuen Lande wandern,
wie und was werden sie dort verdienen? Wovon werden sie
leben? Der Verkehr vieler Menschen lässt sich doch nicht
künstlich von einem Tag auf den andern einrichten.“

Darauf ist meine Antwort: Von der künstlichen Einrichtung
eines Verkehrs ist gar nicht die Rede, und am allerwenigsten
soll das von einem Tag auf den anderen gemacht
werden. Wenn man aber den Verkehr auch nicht einzurichten
vermag, anregen kann man ihn. Wodurch? Durch das Organ
eines Bedürfnisses. Das Bedürfniss will erkannt, das Organ
will geschaffen werden, der Verkehr macht sich dann von selbst.

Ist das Bedürfniss der Juden, in bessere Zustände zu gelangen,
ein wahres, tiefes; ist das zu schaffende Organ dieses
Bedürfnisses, die Jewish Company, hinreichend mächtig: so
muss der Verkehr im neuen Lande sich in Fülle einstellen.
Das liegt freilich in der Zukunft, wie die Entwicklung des
Bahnverkehrs für die Menschen der Dreissiger Jahre in der
Zukunft lag. Die Eisenbahnen wurden dennoch gebaut. Man
ist glücklicherweise über die Bedenken von Praktikern der
Postkutsche hinweggegangen.

[figure]
[]

Die Jewish Company.


[][]

Grundzüge.


Die Jewish Company ist zum Theil nach dem Vorbilde
der grossen Landnahmegesellschaften gedacht – eine jüdische
Chartered Company, wenn man will. Nur steht ihr nicht die
Ausübung von Hoheitsrechten zu, und sie hat nicht allein
coloniale Aufgaben.

Die Jewish Company wird als eine Actiengesellschaft gegründet,
mit der englischen Rechtssubjectivität, nach den Gesetzen
und unter dem Schutze Englands. Der Hauptsitz ist
London. Wie gross das Actiencapital zu sein habe, kann ich
jetzt nicht sagen. Unsere zahlreichen Finanzkünstler werden
das ausrechnen. Um aber nicht unbestimmte Ausdrücke zu gebrauchen,
will ich eine Milliarde Mark annehmen. Es wird vielleicht
mehr, vielleicht weniger sein müssen. Von der Form der
Geldbeschaffung, die weiterhin erörtert werden soll, wird es
abhängen, welcher Bruchtheil der grossen Summe beim Beginn
der Thätigkeit factisch einzuzahlen ist.

Die Jewish Company ist ein Uebergangs-Institut. Sie ist
ein rein geschäftliches Unternehmen, das von der Society of
Jews immer sorgsam unterschieden bleibt.

Die Jewish Company hat zunächst die Aufgabe, die Immobilien
der abziehenden Juden zu liquidiren. Die Art, in der
das geschieht, verhütet Krisen, sichert Jedem das Seine, und
ermöglicht jene innere Wanderung der christlichen Mitbürger,
die schon angedeutet wurde.


[]

Immobiliengeschäft.

Die in Betracht kommenden Immobilien sind Häuser, Landgüter
und örtliche Kundschaft der Geschäfte. Die Jewish Company
wird sich anfangs nur bereit erklären, die Verkäufe dieser Immobilien
zu vermitteln. In der ersten Zeit werden ja die Verkäufe
der Juden frei und ohne grosse Preisstürze stattfinden.
Die Zweigniederlassungen der Company werden in jeder Stadt
zu Centralen des jüdischen Güterverkaufs werden. Jede Zweiganstalt
wird dafür nur den Provisionssatz einheben, den ihre
Selbsterhaltung erfordert.

Nun kann es die Entwicklung der Bewegung mit sich
bringen, dass die Immobilienpreise sinken und schliesslich die
Verkaufsunmöglichkeit eintritt. In diesem Stadium spaltet sich
die Function der Company als Gütervermittlerin in neue Zweige.
Die Company wird Verwalterin der verlassenen Immobilien und
wartet die geeigneten Zeitpunkte zur Veräusserung ab. Sie hebt
Hauszinse ein, verpachtet Landgüter und setzt Geschäftsführer,
wenn möglich auch im Pachtverhältnisse – wegen der nöthigen
Sorgfalt – ein. Die Company wird überall die Tendenz haben,
diesen Pächtern – Christen – die Eigenthumserwerbung zu
erleichtern. Sie wird überhaupt nach und nach ihre europäischen
Anstalten mit durchaus christlichen Beamten und freien Vertretern
(Advocaten etc.) besetzen, und diese sollen durchaus
nicht zu Judenknechten werden. Sie werden gleichsam freie
Controlsbehörden der christlichen Bevölkerung abgeben dafür,
dass alles mit rechten Dingen zugeht, dass redlich und in gutem
Glauben gehandelt und nirgends eine Erschütterung des Volkswohlstandes
beabsichtigt wird.

Zugleich wird die Company als Güterkäuferin auftreten,
richtiger als Gutstauscherin. Sie wird für ein Haus ein Haus,
für ein Gut ein Gut geben, und zwar „drüben“. Alles ist, wenn
möglich, so zu verpflanzen, wie es „hüben“ war. Und da eröffnet
sich für die Company eine Quelle grosser und erlaubter Gewinne.
Sie wird „drüben“ schönere, moderne, mit allem Comfort
ausgestattete Häuser, bessere Landgüter geben, die sie dennoch
viel weniger kosten, denn sie hat Grund und Boden billig
erworben.


[]

Der Landkauf.

Das der Society of Jews völkerrechtlich zugesicherte Land
ist natürlich auch privatrechtlich zu erwerben.

Die Vorkehrungen zur Ansiedlung, die der Einzelne trifft,
fallen nicht in den Rahmen dieser Ausführungen. Aber die
Company braucht grosse Landstrecken für ihre und unsere Bedürfnisse.
Sie wird sich den nöthigen Boden durch centralisirten
Kauf sichern. Hauptsächlich wird es sich um die Erwerbung
der jetzigen Landeshoheit gehöriger Staatsdomänen handeln.
Das Ziel ist, „drüben“ in's Eigenthum des Landes zu kommen,
ohne die Preise zur Schwindelhöhe hinaufzutreiben, gleichwie
„hüben“ verkauft wird, ohne die Preise zu drücken. Eine wüste
Preistreiberei ist dabei nicht zu besorgen, denn den Werth des
Landes bringt erst die Company mit, weil sie die Besiedlung
leitet und zwar im Einvernehmen mit der beaufsichtigenden
Society of Jews. Die Letztere wird auch dafür sorgen, dass aus
der Unternehmung kein Panama werde, sondern ein Suez.

Die Company wird ihren Beamten Bauplätze zu billigen
Bedingungen ablassen, ihnen für den Bau ihrer schönen Heimstätten
Amortisationscredite gewähren und von ihren Gehalten
abziehen oder nach und nach als Zulagen anrechnen. Das wird
neben den Ehren, die sie erwarten, eine Form der Belohnung
ihrer Dienste sein.

Der ganze riesige Gewinn aus der Landspeculation soll
der Company zufliessen, weil sie für die Gefahr eine unbestimmte
Prämie bekommen muss wie jeder freie Unternehmer.
Wo eine Gefahr beim Unternehmen vorliegt, soll der Unternehmergewinn
weitherzig begünstigt werden. Aber er ist auch
nur dort zu dulden. Die Correlation von Gefahr und Prämie
enthält die finanzielle Sittlichkeit.


Bauten.

Die Company wird also Häuser und Güter eintauschen.
Am Grund und Boden wird und muss die Company gewinnen.
Das ist Jedem klar, der irgendwo und irgendwann die Wertherhöhungen
des Bodens durch Culturanlagen beobachtet hat. Am
besten sieht man das an den Enclaven in Stadt und Land. Un- [] bebaute Flächen steigen im Werthe durch den Kranz von Cultur,
der um sie gelegt wird. Eine in ihrer Einfachheit geniale
Bodenspeculation war die der Pariser Stadterweiterer, welche
die Neubauten nicht an die letzten Häuser der Stadt unmittelbar
anschlossen, sondern die angrenzenden Grundstücke aufkauften
und am äusseren Rande zu bauen anfingen. Durch diesen
umgekehrten Baugang wuchs der Werth der Hausparzellen
ungemein rasch und statt immer wieder die letzten Häuser der
Stadt zu errichten, bauten sie, nachdem der Rand fertig war,
nur noch mitten in der Stadt, also auf werthvolleren Parzellen.

Wird die Company selbst bauen oder freien Architekten
ihre Aufträge geben? Sie kann beides, sie wird beides thun.
Sie hat, wie sich bald zeigen wird, einen gewaltigen Vorrath
an Arbeitskräften, die durchaus nicht capitalsmässig bewuchert
werden sollen, die in glückliche und heitere Bedingungen
des Lebens gebracht und doch nicht theuer sein werden. Für
Baumaterial haben unsere Geologen gesorgt, als sie die Bauplätze
für die Städte suchten.

Welches wird nun das Bauprincip sein?


Arbeiterwohnungen.

Die Arbeiterwohnungen (worunter die Wohnungen aller
Handarbeiter begriffen sind) sollen in eigener Regie hergestellt
werden. Ich denke keineswegs an die traurigen Arbeiterkasernen
der europäischen Städte und nicht an die kümmerlichen Hütten,
die um Fabriken herum in Reih' und Glied stehen. Unsere
Arbeiterhäuser müssen zwar auch einförmig aussehen – weil
die Company nur billig bauen kann, wenn sie die Baubestandtheile
in grossen Massen herstellt – aber diese einzelnen
Häuser mit ihren Gärtchen sollen an jedem Orte zu schönen
Gesammtkörpern vereinigt werden. Die natürliche Beschaffenheit
der Gegend wird das frohe Genie unserer jungen, nicht in der
Routine befangenen Architekten anregen, und wenn das Volk
auch nicht den grossen Zug des Ganzen verstehen wird, so wird
es sich doch wohlfühlen in dieser leichten Gruppirung. Der
Tempel wird weithin sichtbar darin stehen, weil uns ja nur der
alte Glaube zusammengehalten hat. Und freundliche, helle, gesunde
Schulen für Kinder mit allen modernen Lehrmitteln. Ferner
Handwerker-Fortbildungsschulen, die aufsteigend nach höheren
[] Zwecken den einfachen Handwerker befähigen sollen, technologische
Kenntnisse zu erwerben und sich mit dem Maschinenwesen
zu befreunden. Ferner Unterhaltungshäuser für das Volk,
welche die Society of Jews von oben herab für die Sittlichkeit
leiten wird.

Es soll jetzt übrigens nur von den Bauten gesprochen
werden, nicht davon, was in ihnen vorgehen wird.

Die Arbeiterwohnungen wird die Company billig bauen,
sage ich. Nicht nur, weil alle Baumaterialien in Masse da sein
werden; nicht nur, weil der Grund der Company gehört, sondern
auch, weil sie die Arbeiter dafür nicht zu bezahlen braucht.

Die Farmer in Amerika haben das System, einander gegenseitig
bei ihren Hausbauten zu helfen. Dieses kindlich gutmüthige
System – plump wie die Blockhäuser, die so entstehen – kann
sehr verfeinert werden.


Die „ungelernten“ Arbeiter.
(Unskilled Labourers.)

Unsere ungelernten Arbeiter, die zuerst aus dem grossen
russischen und rumänischen Reservoir kommen werden, müssen
sich auch gegenseitig ihre Häuser bauen. Wir werden ja anfangs
kein eigenes Eisen haben und auch mit Holz bauen müssen.
Das wird später anders werden und die dürftigen Nothbauten
der ersten Zeit werden dann durch bessere ersetzt.

Unsere „unskilled labourers“ bauen einander zuerst ihre
Unterkünfte und sie erfahren es vorher. Und zwar erwerben sie
durch die Arbeit die Häuser in's Eigenthum – allerdings nicht
gleich, sondern erst dafür, dass sie sich durch eine Zeit von
drei Jahren gut aufführen. So bekommen wir eifrige, anstellige
Leute, und ein Mann, der drei Jahre in guter Zucht gearbeitet
hat, ist erzogen für's Leben.

Ich sagte vorhin, dass die Company diese Unskilleds nicht
zu bezahlen braucht. Ja, wovon werden sie leben?

Ich bin im Allgemeinen gegen das Trucksystem. Bei diesen
ersten Landnehmern sollte es dennoch angewendet werden. Die
Company sorgt in so vielen Beziehungen für sie, dass sie sie
auch verpflegen darf. Das Trucksystem soll überhaupt nur für
die ersten Jahre gelten und wird auch den Arbeitern eine
[] Wohlthat sein, weil es die Bewucherung durch Kleinhändler,
Wirthe etc. verhindert. Die Company aber vereitelt so von vornherein,
dass sich unsere kleinen Leute drüben dem gewohnten
Hausirhandel zuwenden, zu dem sie hüben ja auch nur durch
eine geschichtliche Entwicklung gezwungen wurden. Und die
Company behält die Säufer und Liederlichen in der Hand. Es
wird also in der ersten Zeit der Landnahme gar keine Arbeitslöhne
geben?

Doch: Ueberlöhne.


Der Siebenstundentag.

Der Normalarbeitstag ist der Siebenstundentag!

Das heisst nicht, dass täglich nur sieben Stunden lang
Bäume gefällt, Erde gegraben, Steine geführt, kurz die hundert
Arbeiten gethan werden sollen. Nein. Man wird vierzehn Stunden
arbeiten. Aber die Arbeitertrupps werden einander nach je
dreieinhalb Stunden ablösen. Die Organisation wird ganz militärisch
sein, mit Chargen, Avancement und Pensionirung. Wo
die Pensionen herzunehmen sind, wird später ausgeführt.

Dreieinhalb Stunden hindurch kann ein gesunder Mann
sehr viel concentrirte Arbeit hergeben. Nach dreieinhalb Stunden
Pause – die er seiner Ruhe, seiner Familie, seiner geleiteten
Fortbildung widmet – ist er wieder ganz frisch. Solche Arbeitskräfte
können Wunder wirken.

Der Siebenstundentag! Er macht vierzehn allgemeine
Arbeitsstunden möglich – mehr geht in den Tag nicht hinein.

Ich habe zudem die Ueberzeugung, dass der Siebenstundentag
vollkommen durchführbar ist. Man kennt die Versuche in
Belgien und England. Einzelne vorgeschrittene Socialpolitiker
behaupten sogar, dass der Fünfstundentag vollkommen ausreichen
würde. Die Society of Jews und die Jewish Company
werden ja darin reiche neue Erfahrungen sammeln – die den
übrigen Völkern der Erde auch zu Gute kommen werden –
und wenn sich zeigt, dass der Siebenstundentag praktisch möglich
ist, so wird ihn unser künftiger Staat als gesetzlichen Normaltag
einführen.

Nur die Company wird immerwährend ihren Leuten den
Siebenstundentag gewähren. Sie wird es auch immer thun können.
[] Den Siebenstundentag aber brauchen wir als Weltsammelruf
für unsere Leute, die ja frei herankommen sollen. Es muss
wirklich das gelobte Land sein ..

Wer nun länger als sieben Stunden arbeitet, bekommt für
die Ueberzeit den Ueberlohn in Geld. Da alle seine Bedürfnisse
gedeckt sind, die Arbeitsunfähigen seiner Familie aus den hinüber
verpflanzten centralisirten Wohlthätigkeitsanstalten versorgt
werden, so kann er sich etwas ersparen. Wir wollen den bei
unseren Leuten ohnehin vorhandenen Spartrieb fördern, weil er
das Aufsteigen des Individuums in höhere Schichten erleichtert
und weil wir uns damit ein ungeheures Capitalsreservoir für
künftige Anleihen vorbereiten.

Die Ueberzeit des Siebenstundentages darf nicht mehr als
drei Stunden dauern und auch nur nach ärztlicher Untersuchung.
Denn unsere Leute werden sich im neuen Leben zur Arbeit
herandrängen, und die Welt wird erst sehen, welch ein arbeitsames
Volk wir sind.

Wie das Trucksystem der Landnehmer einzurichten ist
(Bons etc.), führe ich jetzt ebensowenig aus, wie andere unzählige
Details, um nicht zu verwirren. Die Frauen werden zu
schweren Arbeiten überhaupt nicht zugelassen und dürfen keine
Ueberzeit leisten.

Schwangere Frauen sind von jeder Arbeit befreit und
werden vom Truck reichlicher genährt. Denn wir brauchen in
der Zukunft starke Geschlechter.

Die Kinder erziehen wir gleich von Anfang an, wie wir
sie wünschen. Darauf gehe ich jetzt nicht ein.

Was ich soeben von den Arbeiterwohnungen ausgehend
über die Unskilleds und ihre Lebensweise gesagt habe, ist
ebensowenig eine Utopie, wie das übrige. Das alles kommt
schon in der Wirklichkeit vor, nur unendlich klein, unbeachtet,
unverstanden. Für die Lösung der Judenfrage war mir die
„Assistance par le travail“, die ich in Paris kennen und verstehen
lernte, von grossem Werthe.


Die Arbeitshilfe.

Die Arbeitshilfe, wie sie jetzt in Paris und verschiedenen
Städten Frankreichs, in England, in der Schweiz und in Amerika
[] besteht, ist etwas kümmerlich Kleines, doch das Grösste ist
daraus zu machen.

Was ist das Princip der Assistance par le travail?

Das Princip ist, dass man jedem Bedürftigen unskilled
labour gibt, eine leichte, ungelernte Arbeit, wie z. B. Holzverkleinern,
die Erzeugung der „margotins“, mit denen in den
Pariser Haushaltungen das Herdfeuer angemacht wird. Es ist
eine Art Gefangenhausarbeit vor dem Verbrechen, das heisst
ohne Ehrlosigkeit. Niemand braucht mehr aus Noth zum Verbrechen
zu schreiten, wenn er arbeiten will. Aus Hunger dürfen
keine Selbstmorde mehr begangen werden. Diese sind ja ohnehin
eines der ärgsten Schandmale einer Cultur, wo vom Tische
der Reichen den Hunden Leckerbissen hingeworfen werden.

Die Arbeitshilfe gibt also Jedem Arbeit. Hat sie denn
für die Producte Absatz? Nein. Wenigstens nicht genügenden.
Hier ist der Mangel der bestehenden Organisation. Diese Assistance
arbeitet immer mit Verlust. Allerdings ist sie auf den
Verlust gefasst. Es ist ja eine Wohlthätigkeitsanstalt. Die Spende
stellt sich hier dar als Differenz zwischen Gestehungskosten
und erlöstem Preise. Statt dem Bettler zwei Sous zu geben,
gibt sie ihm eine Arbeit, an der sie zwei Sous verliert. Der
lumpige Bettler aber, der zum edlen Arbeiter geworden ist,
verdient 1 Francs 50 Centimes. Für 10 Centimes 150! Das
heisst, die nicht mehr beschämende Wohlthat verfünfzehnfachen.
Das heisst, aus einer Milliarde fünfzehn Milliarden machen!

Die Assistance verliert freilich die zehn Centimes. Die
Jewish Company wird die Milliarde nicht verlieren, sondern
riesige Gewinne erzielen.

Hinzu kommt das Moralische. Erreicht wird schon durch
die kleine Arbeitshilfe, wie sie jetzt existirt, die sittliche Aufrichtung
durch die Arbeit, bis der beschäftigungslose Mensch
eine seinen Fähigkeiten angemessene Stellung in seinem früheren
oder einem neuen Berufe gefunden hat. Er hat täglich einige
Stunden für das Suchen frei, auch vermittelt die Assistance
Dienste.

Das Gebrechen der bisherigen kleinen Einrichtung ist,
dass den Holzhändlern etc. keine Concurrenz gemacht werden
darf. Die Holzhändler sind Wähler, sie würden schreien, und
sie hätten Recht. Auch der Gefangenhausarbeit des Staates
darf keine Concurrenz gemacht werden, der Staat muss seine
Verbrecher beschäftigen und verpflegen.

In einer alten Gesellschaft wird für die Assistance par le
travail überhaupt schwer Raum zu schaffen sein.

[]

Aber in unserer neuen!

Vor allem brauchen wir ungeheure Mengen unskilled
labour für unsere ersten Landnahmearbeiten, Strassenanlagen,
Durchforstungen, Erdaushebungen, Bahn- und Telegraphenanlagen
etc. Das wird alles nach einem grossen, von Anfang an
feststehenden Plane geschehen.


Der Marktverkehr.

Indem wir nun die Arbeit in's neue Land hinüberlegen,
bringen wir auch gleich den Marktverkehr mit. Freilich anfangs
nur ein Markt der ersten Lebensbedürfnisse: Vieh, Getreide,
Arbeiterkleider, Werkzeuge, Waffen, um nur Einiges zu erwähnen.
Zunächst werden wir das in Nachbarstaaten oder in Europa
einkaufen, uns dann aber möglichst bald selbstständig machen.
Die jüdischen Unternehmer werden rasch begriffen haben, welche
Aussichten sich ihnen da eröffnen.

Allmälig werden durch das Heer der Company-Beamten feinere
Bedürfnisse hinübergetragen werden. (Zu den Beamten rechne
ich auch die Officiere der Schutztruppe, die immer etwa ein
Zehntel der männlichen Einwanderer betragen soll. Das wird
gegen Meutereien schlechter Leute genügen; die Meisten sind
ja friedfertig.)

Die feineren Bedürfnisse der gutgestellten Beamten erzeugen
wieder einen feineren Markt, der zunehmend wächst.
Die Verheirateten lassen ihre Familien nachkommen, die Ledigen
ihre Eltern und Geschwister, sobald sie drüben ein Heim haben.
Wir sehen ja diese Bewegung bei den Juden, die jetzt nach
den Vereinigten Staaten auswandern. Wie Einer Brot zu essen
hat, lässt er gleich seine Leute nachkommen. Die Bande der
Familie sind ja so stark im Judenthum. Society of Jews und
Jewish Company werden zusammenwirken, um die Familie noch
weiter zu stärken und zu pflegen. Ich meine hier nicht das
Moralische – das versteht sich von selbst – sondern das
Materielle. Die Beamten werden Ehe- und Kinderzulagen haben.
Wir brauchen Leute, alle, die da sind und alle, die nachkommen.


[]

Andere Kategorien von Heimstätten.

Ich habe die Hauptkette dieser Auseinandersetzungen beim
Baue der Arbeiterwohnungen in eigener Regie verlassen. Nun
kehre ich zurück zu anderen Kategorien von Heimstätten. Auch
den Kleinbürgern wird die Company durch ihre Architekten
Häuser bauen lassen, entweder als Tauschobjecte oder für Geld.
Die Company wird etwa hundert Häusertypen von ihren Architekten
anfertigen und vervielfältigen lassen. Diese hübschen
Muster werden zugleich einen Theil der Propaganda bilden.
Jedes Haus hat seinen festen Preis, die Güte der Ausführung
wird von der Company garantirt, die am Hausbaue nichts verdienen
will. Ja wo werden diese Häuser stehen? Das wird bei
den Ortsgruppen gezeigt werden.

Da die Company an den Bauarbeiten nichts verdienen
will, sondern nur am Grund und Boden, so wird es nur erwünscht
sein, wenn recht viele freie Architekten im Privatauftrage bauen.
Dadurch wird der Landbesitz mehr werth, dadurch kommt Luxus
in's Land, und den Luxus brauchen wir für verschiedene Zwecke.
Namentlich für die Kunst, für Industrie und in einer späteren
Ferne für den Zerfall der grossen Vermögen.

Ja, die reichen Juden, die jetzt ihre Schätze ängstlich
verbergen müssen und bei herabgelassenen Vorhängen ihre unbehaglichen
Feste geben, werden drüben frei geniessen dürfen.
Wenn diese Auswanderung mit ihrer Hilfe zustandekommt, wird
das Capital bei uns drüben rehabilitirt sein; es wird in einem
beispiellosen Werke seine Nützlichkeit gezeigt haben. Wenn
die reichsten Juden anfangen, ihre Schlösser, die man in Europa
schon mit so scheelen Augen ansieht, drüben zu bauen,
so wird es bald modern werden, sich drüben in prächtigen
Häusern anzusiedeln.


Einige Formen der Liquidation.

Die Jewish Company ist als Uebernehmer oder Verweser
von Immobilien der Juden gedacht.

Bei Häusern und Grundstücken lassen sich diese Aufgaben
leicht construiren. Wie ist es aber bei Geschäften?

Da werden die Formen vielfältig sein. Sie lassen sich gar
nicht vorher in eine Uebersicht bringen. Und doch ist darin
[] keine Schwierigkeit enthalten. Denn in jedem einzelnen Falle
wird der Inhaber des Geschäftes, wenn er sich zur Auswanderung
frei entschliesst, die für ihn günstigste Form der Liquidation
mit der Company-Filiale seines Sprengels vereinbaren.

Bei den kleinsten Geschäftsleuten, in deren Betrieb die
persönliche Bethätigung des Inhabers die Hauptsache und das
bischen Waare oder Einrichtung die Nebensache ist, lässt sich
die Vermögensverpflanzung am leichtesten durchführen. Für die
persönliche Bethätigung des Auswanderers schafft die Company
ein gesichertes Arbeitsgebiet, und sein bischen Material kann
ihm drüben in einem Grundstück mit Maschinencredit ersetzt
werden. Die neue Thätigkeit werden unsere findigen Leute
rasch erlernt haben. Juden passen sich bekanntlich schnell
jeder Erwerbsgattung an. So können viele Händler zu Kleinindustriellen
der Landwirthschaft gemacht werden. Die Company
kann sogar in scheinbare Verluste willigen, wenn sie die nicht
fahrende Habe der Aermeren übernimmt; denn sie erreicht
dadurch die freie Cultivirung von Landparzellen, wodurch der
Werth ihrer übrigen Parzellen steigt.

In den mittleren Betrieben, wo die sachliche Einrichtung
ebenso wichtig oder schon wichtiger ist als die persönliche
Bethätigung des Inhabers, und dessen Credit als ein entscheidendes
Imponderabile hinzukommt, lassen sich verschiedene
Formen der Liquidation denken. Das ist auch einer der Hauptpunkte,
auf denen sich die innere Wanderung der Christen
vollziehen kann. Der abziehende Jude verliert seinen persönlichen
Credit nicht, sondern nimmt ihn mit und wird ihn zur
Etablirung drüben gut verwenden. Die Jewish Company eröffnet
ihm ein Giro-Conto. Sein bisheriges Geschäft kann er auch frei
verkaufen oder Geschäftsführern unter der Aufsicht der Company-Organe
übergeben. Der Geschäftsführer kann im Pachtverhältnisse
stehen oder es kann der allmälige Ankauf durch
Theilzahlungen des Geschäftsführers angebahnt werden. Die
Company sorgt durch ihre Aufsichtsbeamten und Advocaten für
die ordentliche Verwaltung des verlassenen Geschäftes und für
den richtigen Eingang der Zahlungen. Die Company ist hier
Curator der Abwesenden. Kann aber ein Jude sein Geschäft
nicht verkaufen, vertraut er es auch keinem Mandatar an, und
will es dennoch nicht aufgeben, so bleibt er eben an seinem
jetzigen Wohnort. Auch diese Zurückbleibenden verschlechtern
ihre jetzige Lage nicht; sie sind um die Concurrenz der Abgezogenen
erleichtert, und der Antisemitismus mit seinem
„Kauft nicht bei Juden!“ hat aufgehört.

Will der auswandernde Geschäftsinhaber drüben wieder
dasselbe Geschäft betreiben, so kann er sich von vorneherein
[] darauf einrichten. Zeigen wir das an einem Beispiel. Die
Firma X hat ein grosses Modewaarengeschäft. Der Inhaber
will auswandern. Er etablirt zunächst an seinem künftigen
Wohnort eine Filiale, an die er seine ausgemusterte Waare
abgibt. Die armen ersten Auswanderer sind drüben seine Kundschaft.
Allmälig ziehen Leute hinüber, die höhere Modebedürfnisse
haben. Nun schickt X neuere Sachen, und endlich die
neuesten. Die Filiale wird selbst schon einträglich, während
das Hauptgeschäft noch besteht. Endlich hat X zwei Geschäfte.
Das alte verkauft er, oder gibt er seinem christlichen Vertreter
zur Führung; er selbst begibt sich hinüber in sein neues.

Ein grösseres Beispiel: Y \& Sohn haben ein ausgedehntes
Kohlengeschäft mit Bergwerken und Fabriken. Wie ist solch
ein riesiger Vermögenscomplex zu liquidiren? Das Kohlenbergwerk
mit allem was drum und dran, kann erstens vom Staat,
in dem es liegt, eingelöst werden. Zweitens kann es die Jewish
Company erwerben, und den Kaufpreis theils in Ländereien
drüben, theils in Baargeld bezahlen. Eine dritte Möglichkeit
wäre die Gründung einer eigenen Actiengesellschaft „Y \& Sohn“.
Eine vierte, der Weiterbetrieb in der bisherigen Weise, nur
wären die ausgewanderten Eigenthümer, auch wenn sie gelegentlich
zur Inspection ihrer Güter zurückkehren, Ausländer, als
die sie ja in civilisirten Staaten auch den vollen Rechtsschutz
geniessen. Dies Alles sieht man ja täglich im Leben. Eine
fünfte, besonders fruchtbare und grossartige Möglichkeit deute
ich nur an, weil es dafür im Leben erst wenige, schwache
Beispiele gibt, wie nahe das unserem modernen Bewusstsein
auch schon liege. Y \& Sohn können ihr Unternehmen ihren
sämmtlichen jetzigen Angestellten gegen Entgelt übergeben. Die
Angestellten treten zu einer Genossenschaft mit beschränkter
Haftung zusammen und können vielleicht mit Hilfe der Landescasse,
die keine Wucherzinsen nimmt, die Ablösungssumme an
Y \& Sohn auszahlen. Die Angestellten amortisiren dann das
Darlehen, welches ihnen von ihrer Landescasse, von der Jewish
Company oder von Y \& Sohn selbst gewährt wurde.

Die Jewish Company liquidirt die Kleinsten wie die Grössten.
Und während die Juden ruhig wandern, sich die neue Heimat
gründen, steht die Company als die grosse juristische Person
da, welche den Abzug leitet, die verlassenen Güter hütet, für
die gute Ordnung des Abwickelns mit ihrem sichtbaren, greifbaren
Vermögen haftet und für die schon Ausgewanderten
dauernd bürgt.


[]

Bürgschaften der Company.

In welcher Form wird die Company die Bürgschaften
leisten, dass in den verlassenen Ländern keine Verarmung und
keine wirthschaftlichen Krisen eintreten?

Es wurde schon gesagt, dass anständige Antisemiten unter
Achtung ihrer uns werthvollen Unabhängigkeit gleichsam als
volksthümliche Controlsbehörden an das Werk herangezogen
werden sollen.

Aber auch der Staat hat fiskalische Interessen, die geschädigt
werden können. Er verliert eine zwar bürgerlich gering,
aber finanziell hochgeschätzte Classe von Steuerträgern. Es
muss ihm dafür eine Entschädigung geboten werden. Wir bieten
sie ihm ja indirect, indem wir die mit unserem jüdischen Scharfsinne,
unserem jüdischen Fleisse eingerichteten Geschäfte im
Lande lassen, indem wir in unsere aufgegebenen Positionen die
christlichen Mitbürger einrücken lassen, und so ein in dieser
Friedlichkeit beispielloses Aufsteigen von Massen zum Wohlstand
ermöglichen. Die französische Revolution zeigte im Kleinen
etwas Aehnliches; aber dazu musste das Blut unter der Guillotine,
in allen Provinzen des Landes und auf den Schlachtfeldern
Europas in Strömen fliessen. Und dazu mussten geerbte und
erworbene Rechte zerbrochen werden. Und dabei bereicherten
sich nur die listigen Käufer der Nationalgüter.

Die Jewish Company wird in ihrem Wirkungskreise den
einzelnen Staaten auch directe Vortheile zuführen. Ueberall
kann den Regierungen der Verkauf von verlassenen Judengütern
unter günstigen Bedingungen zugesichert werden. Die
Regierungen wieder können diese gütliche Expropriation in
grossem Massstab für gewisse sociale Aufbesserungen verwenden.

Die Jewish Company wird den Regierungen und Parlamenten,
welche die innere Wanderung der christlichen Bürger
leiten wollen, dabei Hilfe leisten.

Die Jewish Company wird auch grosse Abgaben zahlen.

Die Centrale hat ihren Sitz in London, weil die Company
im Privatrechtlichen unter dem Schutze einer grossen, derzeit
nicht antisemitischen Macht stehen muss. Aber die Company
wird, wenn man sie officiell und officiös unterstützt, überall
eine breite Steuerfläche liefern. Die Company wird überall
besteuerbare Töchter- und Zweiganstalten gründen. Sie wird
ferner den Vortheil doppelter Immobilienumschreibung, also
doppelter Gebühren liefern. Die Company wird selbst dort, wo sie
[] nur als Immobilienagentur auftritt, sich den vorübergehenden Anschein
des Käufers geben. Sie wird, auch wenn sie nicht besitzen
will, im Grundbuche einen Augenblick als Eigenthümer stehen.

Das sind nun freilich rein rechnungsmässige Sachen. Es
wird von Ort zu Ort erhoben und entschieden werden müssen,
wie weit die Company darin gehen kann, ohne ihre Existenz
zu gefährden. Sie wird darüber freimüthig mit den Finanzministern
verhandeln. Diese werden den guten Willen deutlich
sehen und sie werden überall die Erleichterungen gewähren,
die zur erfolgreichen Durchführung des grossen Unternehmens
nachweisbar erforderlich sind.

Eine weitere directe Zuwendung ist die im Güter- und
Personentransporte. Wo die Bahnen staatlich sind, ist das sofort
klar. Bei den Privatbahnen erhält die Company, wie jeder grosse
Spediteur, Begünstigungen. Sie muss natürlich unsere Leute so
billig als möglich reisen lassen und verfrachten, da jeder auf
eigene Kosten hinübergeht. Für den Mittelstand wird das System
Cook, und für die armen Classen das Personenporto da sein.
Die Company könnte an Personen- und Frachtrefactien viel
verdienen, aber ihr Grundsatz muss auch hier sein, nur die
Selbsterhaltungskosten hereinzubringen.

Die Spedition ist an vielen Orten in den Händen der
Juden. Die Speditionsgeschäfte werden die ersten sein, die die
Company braucht, und die ersten, die sie liquidirt. Die bisherigen
Inhaber dieser Geschäfte treten entweder in den Dienst
der Company oder sie etabliren sich frei, drüben. Die Ankunftsstelle
braucht ja empfangende Spediteure, und da dies ein glänzendes
Geschäft ist, da man drüben sofort verdienen darf und soll, wird
es nicht an Unternehmungslustigen fehlen. Es ist unnöthig, die
geschäftlichen Einzelheiten dieser Massenexpedition auszuführen.
Sie sind aus dem Zwecke vernünftig zu entwickeln und viele tüchtige
Köpfe sollen und werden darüber nachdenken, wie das am
besten zu machen sein wird.


Einige Thätigkeiten der Company.

Viele Thätigkeiten werden ineinander wirken. Nur ein
Beispiel: Allmälig wird die Company in den anfänglich primitiven
Niederlassungen Industriesachen zu erzeugen beginnen.
Zunächst für unsere eigenen armen Auswanderer: Kleider,
[] Wäsche, Schuhe etc. fabriksmässig. Denn in den europäischen
Abfahrtsstationen werden unsere armen Leute neu gekleidet.
Es wird ihnen damit kein Geschenk gemacht, weil sie nicht
gedemüthigt werden sollen. Es werden ihnen nur ihre alten
Sachen gegen neue eingetauscht. Verliert die Company dabei
etwas, so wird es als Geschäftsverlust gebucht. Die völlig Besitzlosen
werden für die Bekleidung Schuldner der Company
und zahlen drüben in Arbeitsüberstunden, die ihnen für gute
Aufführung erlassen werden.

An diesen Punkten haben übrigens die bestehenden Auswanderungsvereine
Gelegenheit, helfend einzugreifen. Alles was
sie für die wandernden Juden bisher zu thun pflegten, sollen
sie zukünftig für die Colonisten der Jewish Company thun. Die
Formen dieses Zusammenwirkens werden sich leicht finden
lassen.

Schon in der Neubekleidung der armen Auswanderer soll
etwas Symbolisches enthalten sein: Ihr beginnt jetzt ein neues
Leben! Die Society of Jews wird dafür sorgen, dass schon
lange vor der Abreise und auch unterwegs durch Gebete, populäre
Vorträge, Belehrungen über den Zweck des Unternehmens,
hygienische Vorschriften für die neuen Wohnorte, Anleitungen
zur künftigen Arbeit, eine ernste und festliche Stimmung erhalten
werde. Denn das gelobte Land ist das Land der Arbeit.
Bei ihrer Ankunft werden aber die Einwanderer von den Spitzen
unserer Behörden feierlich empfangen werden. Ohne thörichten
Jubel, denn das gelobte Land muss erst erobert werden. Aber
schon sollen diese armen Menschen sehen, dass sie zuhause sind.

Die Bekleidungsindustrie der Company für die armen Auswanderer
wird nicht planlos produciren. Durch die Society of
Jews, welche von den Ortsgruppen die Mittheilung erhalten
wird, muss die Jewish Company rechtzeitig die Zahl, den Ankunftstag
und die Bedürfnisse der Auswanderer kennen. So ist
es möglich, für sie umsichtig vorzusorgen.


Industrielle Anregungen.

Die Aufgaben der Jewish Company und der Society of
Jews können in diesem Entwurfe nicht streng gesondert vorgetragen
werden. Thatsächlich werden diese beiden grossen
Organe beständig zusammenwirken müssen. Die Company wird
[] auf die moralische Autorität und Unterstützung der Society
angewiesen sein und bleiben, gleichwie die Society die materielle
Hilfe der Company nicht entbehren kann. In der planvollen
Leitung der Bekleidungsindustrie z. B. ist der schwache Anfang
des Versuches enthalten, die Productionskrisen zu vermeiden.
Auf allen Gebieten, wo die Company als Industrieller auftritt,
soll so vorgegangen werden.

Keineswegs darf sie aber die freien Unternehmungen mit
ihrer Uebermacht erdrücken. Wir sind nur dort Collectivisten,
wo es die ungeheuren Schwierigkeiten der Aufgabe erfordern.
Im übrigen wollen wir das Individuum mit seinen Rechten hegen
und pflegen. Das Privateigenthum als die wirthschaftliche Grundlage
der Unabhängigkeit, soll sich bei uns frei und geachtet
entwickeln. Wir lassen ja gleich unsere ersten Unskilleds ins
Privateigenthum aufsteigen.

Der Unternehmungsgeist soll auf jede Weise gefördert
werden. Die Einrichtung von Industrien wird durch eine vernünftige
Zollpolitik, Zuwendung billigen Rohmaterials und durch
ein Amt für Industrie-Statistik mit öffentlichen Verlautbarungen
begünstigt.

Der Unternehmungsgeist kann auf gesunde Weise angeregt
werden. Die speculative Planlosigkeit wird vermieden. Die Etablirung
neuer Industrien wird rechtzeitig bekanntgemacht, so dass
die Unternehmer, die ein halbes Jahr später auf den Einfall
kommen, sich einer Industrie zuzuwenden, nicht in die Krise,
in's Elend hineinbauen. Da der Zweck einer neuen Anlage der
Society angemeldet werden soll, können die Unternehmungsverhältnisse
jederzeit Jedermann bekannt sein.

Ferner werden den Unternehmern die centralisirten Arbeitskräfte
gewährt. Der Unternehmer wendet sich an die Dienstvermittlungs-Centrale,
die dafür von ihm nur eine zur Selbsterhaltung
erforderliche Gebühr einhebt. Der Unternehmer telegraphirt:
Ich brauche morgen für drei Tage, drei Wochen oder
drei Monate fünfhundert Unskilleds. Morgen treffen bei seiner
landwirthschaftlichen oder industriellen Unternehmung die gewünschten
Fünfhundert ein, welche die Arbeitscentrale von da
und dort, wo sie eben verfügbar werden, zusammenzieht. Die
Sachsengängerei wird da aus dem Plumpen in eine sinnvolle
Institution heeresmässig verfeinert. Selbstverständlich werden
keine Arbeitssclaven geliefert, sondern nur Siebenstundentägler,
die ihre Organisation beibehalten, denen auch beim Ortswechsel
die Dienstzeit mit Chargen, Avanciren und Pensionirung fortläuft.
Der freie Unternehmer kann sich auch anderwärts seine
Arbeitskräfte verschaffen, wenn er will. Aber er wird es schwerlich
können. Die Hereinziehung nichtjüdischer Arbeitssclaven
[] in's Land wird die Society zu vereiteln wissen durch eine gewisse
Boycottirung widerspenstiger Industrieller, durch Verkehrserschwerungen
und dergleichen. Man wird also die Siebenstundentägler
nehmen müssen. So nähern wir uns beinahe zwanglos
dem Normaltage von sieben Stunden.


Ansiedlung von Facharbeitern.

Es ist klar, dass, was für die Unskilleds gilt, bei den
höheren Facharbeitern noch leichter ist. Die Theilarbeiter der
Fabriken können unter dieselben Regeln gebracht werden. Die
Dienstvermittlungs-Centrale besorgt sie.

Was nun die selbstständigen Handwerker, die kleinen
Meister betrifft, die wir im Hinblick auf die künftigen Fortschritte
der Technik sehr pflegen wollen, denen wir technologische
Kenntnisse zuführen wollen, selbst wenn sie keine jungen Leute
mehr sind, und denen die Pferdekraft der Bäche und das Licht
in elektrischen Drähten zugeleitet werden soll – diese selbstständigen
Arbeiter sollen auch durch die Centrale der Society
gesucht und gefunden werden. Hier wendet sich die Ortsgruppe
an die Centrale: Wir brauchen so und so viele Tischler, Schlosser,
Glaser u. s. w. Die Centrale verlautbart es. Die Leute melden
sich. Sie ziehen mit ihren Familien nach dem Orte, wo man sie
braucht und bleiben da wohnen, nicht erdrückt von einer verworrenen
Concurrenz. Die dauernde, die gute Heimat ist für
sie entstanden.


Die Geldbeschaffung.

Als das Actiencapital der Jewish Company wurde ein
phantastisch klingender Betrag angenommen. Die wirklich nothwendige
Höhe des Actiencapitals wird von Finanzfachleuten
festgesetzt werden müssen. Jedenfalls eine riesige Summe.
Wie soll diese aufgebracht werden? Dafür gibt es drei Formen,
welche die Society in Erwägung ziehen wird. Die Society, diese
grosse moralische Person, der Gestor der Juden, besteht aus
unseren reinsten und besten Männern, die aus der Sache keinen
[] Vermögensgewinn ziehen können und dürfen. Obwohl die Society
am Beginn keine andere als eine moralische Autorität besitzen
kann, wird diese dennoch hinreichen, um die Jewish Company
dem Judenvolke gegenüber zu beglaubigen. Die Jewish Company
wird nur dann Aussicht auf geschäftliches Gelingen haben, wenn
sie von der Society sozusagen gestempelt ist. Es wird sich also
nicht eine beliebige Gruppe von Geldleuten zusammenthun
können, um die Jewish Company zu bilden. Die Society wird
prüfen, wählen und bestimmen, und sich vor der Gutheissung
der Gründung alle nöthigen Bürgschaften für die gewissenhafte
Durchführung des Planes sichern lassen. Experimente mit ungenügenden
Kräften dürfen nicht gemacht werden, denn diese
Unternehmung muss gleich auf den ersten Schlag gelingen. Das
Misslingen der Sache würde die ganze Idee auf Jahrzehnte hinaus
compromittiren und sie vielleicht für immer unmöglich machen.

Die drei Formen der Aufbringung des Actiencapitals sind:
1. durch die Hochbank; 2. durch die Mittelbank; 3. durch eine
volksthümliche Subscription.

Am leichtesten, schnellsten und sichersten wäre die
Gründung durch die Hochbank. Da kann das erforderliche Geld
innerhalb der bestehenden grossen Finanzgruppen durch einfache
Berathung in kürzester Zeit aufgebracht werden. Es hätte den
grossen Vortheil, dass die Milliarde – um bei diesem einmal
angenommenen Betrage zu bleiben – nicht sofort gänzlich eingezahlt
werden müsste. Es hätte den weiteren Vortheil, dass auch
der Credit dieser mächtigen Finanzgruppen der Unternehmung zuflösse.
In der jüdischen Finanzmacht schlummern noch sehr viele
ungenützte politische Kräfte. Von den Feinden des Judenthums wird
diese Finanzmacht als so wirksam dargestellt, wie sie sein könnte,
aber thatsächlich nicht ist. Die armen Juden spüren nur den Hass,
den diese Finanzmacht erregt; den Nutzen, die Linderung ihrer
Leiden, welche bewirkt werden könnte, haben die armen Juden
nicht. Die Creditpolitik der grossen Finanzjuden müsste sich in
den Dienst der Volksidee stellen. Finden aber diese mit ihrer
Lage ganz zufriedenen Herren sich nicht bewogen, etwas
für ihre Stammesbrüder zu thun, die man mit Unrecht für
die grossen Vermögen Einzelner verantwortlich macht, so wird
die Verwirklichung dieses Planes Gelegenheit geben, eine reinliche
Scheidung zwischen ihnen und dem übrigen Theile des
Judenthums durchzuführen.

Die Hochbank wird übrigens durchaus nicht aufgefordert,
einen so enormen Betrag aus Wohlthätigkeit zu beschaffen. Das
wäre eine thörichte Zumuthung. Die Gründer und Actionäre der
Jewish Company sollen vielmehr ein gutes Geschäft machen,
und sie werden sich im vorhinein davon Rechenschaft geben
[] können, welche Chancen bevorstehen. Die Society of Jews
wird nämlich im Besitze aller Belege und Behelfe sein, aus
denen sich die Aussichten der Jewish Company erkennen lassen.
Die Society of Jews wird insbesondere den Umfang der neuen
Judenbewegung genau erforscht haben und den Gründern der
Company auf eine vollkommen verlässliche Weise mittheilen
können, mit welcher Betheiligung diese rechnen darf. Durch
die Herstellung der Alles umfassenden modernen Judenstatistik
wird die Society für die Company die Arbeiten einer société
d'études besorgen, wie man diese in Frankreich zu machen
pflegt, bevor man an die Financirung eines sehr grossen Unternehmens
herangeht.

Die Sache wird dennoch vielleicht nicht den kostbaren
Beifall der jüdischen Geldmagnaten finden. Diese werden sogar
vielleicht durch ihre geheimen Knechte und Agenten den Kampf
gegen unsere Judenbewegung einzuleiten versuchen. Einen solchen
Kampf werden wir, wie jeden anderen, der uns aufgezwungen
wird, mit schonungsloser Härte führen.

Die Geldmagnaten werden sich vielleicht auch nur begnügen,
die Sache mit einem ablehnenden Lächeln abzuthun.

Ist sie damit erledigt?

Nein.

Dann geht die Geldbeschaffung auf die zweite Stufe, an
die mittelreichen Juden. Die jüdische Mittelbank müsste im
Namen der Volksidee gegen die Hochbank zusammengerafft
werden zu einer zweiten formidablen Geldmacht. Das hätte den
Uebelstand, dass zunächst nur ein Geldgeschäft daraus würde,
denn die Milliarde müsste voll eingezahlt werden – sonst darf
man nicht anfangen – und da dies Geld erst langsam in Verwendung
träte, so würde man in den ersten Jahren allerlei
Bank- und Anleihegeschäfte machen. Es ist nicht ausgeschlossen,
dass so allmälig der ursprüngliche Zweck in Vergessenheit geriethe,
die mittelreichen Juden hätten ein neues grosses Geschäft
gefunden und die Judenwanderung würde versumpfen.

Phantastisch ist die Idee dieser Geldbeschaffung durchaus
nicht, das weiss man. Verschiedenemale wurde ja versucht, das
katholische Geld gegen die Hochbank zusammenzuraffen. Dass
man sie auch mit jüdischem bekämpfen könne, hat man bisher
nicht bedacht.

Aber welche Krisen hätte das Alles zur Folge. Wie würden
die Länder, wo solche Geldkämpfe spielten, geschädigt werden,
wie müsste der Antisemitismus dabei überhandnehmen.

Mir ist das also nicht sympathisch, ich erwähne es nur,
weil es in der logischen Entwicklung des Gedankens liegt.

[]

Ob die Mittelbanken die Sache aufgreifen werden, weiss
ich auch nicht.

Jedenfalls ist die Sache auch mit der Ablehnung der
Mittelreichen nicht erledigt. Dann beginnt sie vielmehr erst recht.

Denn die Society of Jews, die nicht aus Geschäftsleuten
besteht, kann dann die Gründung der Company als eine volksthümliche
versuchen.

Das Actiencapital der Company kann ohne Vermittlung
eines Hochbank- oder Mittelbanksyndicates durch unmittelbare
Ausschreibung einer Subscription aufgebracht werden. Nicht nur
die armen kleinen Juden, sondern auch die Christen, welche
die Juden loshaben wollen, werden sich an dieser in ganz
kleine Theile zerlegten Geldbeschaffung betheiligen. Es wäre
eine eigenthümliche und neue Form des Plebiscites, wobei Jeder,
der sich für diese Lösungsform der Judenfrage aussprechen
will, seine Meinung durch eine bedingte Subscription äussern
könnte. In der Bedingung liegt die gute Sicherheit. Die Vollzahlung
wäre nur zu leisten, wenn der ganze Betrag gezeichnet
ist, sonst würde die Anzahlung zurückgegeben.

Ist aber der ganze nöthige Betrag durch die volksthümliche
Auflage in der ganzen Welt gedeckt, dann ist jeder einzelne
kleine Betrag gesichert durch die unzähligen anderen
kleinen Beträge.

Es wäre dazu natürlich die ausdrückliche, entschiedene
Hilfe der betheiligten Regierungen nöthig.

[figure]
[]

Ortsgruppen.


[][]

Die Verpflanzung.

Bisher wurde nur gezeigt, wie die Auswanderung ohne
wirthschaftliche Erschütterung durchzuführen ist. Aber bei
einer solchen Auswanderung gibt es auch viele starke, tiefe
Gemüthsbewegungen. Es gibt alte Gewohnheiten, Erinnerungen,
mit denen wir Menschen an den Orten haften. Wir haben
Wiegen, wir haben Gräber, und man weiss, was dem jüdischen
Herzen die Gräber sind. Die Wiegen nehmen wir mit – in
ihnen schlummert rosig und lächelnd unsere Zukunft. Unsere
theueren Gräber müssen wir zurücklassen – ich glaube, von
denen werden wir habsüchtiges Volk uns am schwersten trennen.
Aber es muss sein.

Schon entfernt uns die wirthschaftliche Noth, der politische
Druck, der gesellschaftliche Hass aus unseren Wohnorten und
von unseren Gräbern. Die Juden ziehen schon jetzt jeden Augenblick
aus einem Land in's andere; eine starke Bewegung geht
sogar über's Meer nach den Vereinigten Staaten – wo man
uns auch nicht mag. Wo wird man uns denn mögen, solange
wir keine eigene Heimat haben?

Wir wollen aber den Juden eine Heimat geben. Nicht,
indem wir sie gewaltsam aus ihrem Erdreich herausreissen.
Nein, indem wir sie mit ihrem ganzen Wurzelwerk vorsichtig
ausheben und in einen besseren Boden übersetzen. So wie wir
im Wirthschaftlichen und Politischen neue Verhältnisse schaffen
wollen, so gedenken wir im Gemüthlichen alles Alte heilig zu
halten. Darüber nur wenige Andeutungen. Hier ist die Gefahr
am grössten, dass der Plan für eine Schwärmerei gehalten werde.

Und doch ist auch das möglich und wirklich, nur kommt
es in der Wirklichkeit als etwas verworrenes und hilfloses vor.
Durch die Organisirung kann es vernünftig werden.


[]

Die Gruppenwanderung.

Unsere Leute sollen in Gruppen mit einander auswandern.
In Gruppen von Familien und Freunden. Niemand wird gezwungen,
sich der Gruppe seines bisherigen Wohnortes anzuschliessen.
Jeder kann, nachdem er seine Angelegenheiten
liquidirt hat, fahren, wie er will. Jeder thut es ja auf eigene
Kosten, in der Bahn- und Schiffsclasse, die ihm zusagt. Unsere
Bahnzüge und unsere Schiffe werden vielleicht nur eine Classe
haben. Der Unterschied des Besitzes belästigt auf so langen
Reisen die Aermeren. Und wenn wir auch unsere Leute nicht
zu einer Unterhaltung hinüberführen, wollen wir ihnen doch
nicht unterwegs die Laune verderben.

Im Elend wird Keiner reisen. Dem eleganten Behagen
hingegen soll Alles möglich sein. Man wird sich schon lange
vorher verabreden – es wird ja im günstigsten Falle noch
Jahre dauern, bis die Bewegung in einzelnen Besitzclassen in
Fluss kommt – die Wohlhabenden werden zu Reisegesellschaften
zusammentreten. Man nimmt die persönlichen Beziehungen
sämmtlich mit. Wir wissen ja, dass von den Reichsten abgesehen,
die Juden fast gar keinen Verkehr mit Christen haben. In
manchen Ländern ist es so, dass der Jude, der sich nicht ein
paar Tafelschmarotzer, Borgbrüder und Judenknechte aushält,
überhaupt keinen Christen kennt. Das Ghetto besteht innerlich
fort.

Man wird sich also in den Mittelständen lange und sorgfältig
zur Abreise vorbereiten. Jeder Ort bildet seine Gruppe.
In den grossen Städten bilden sich nach Bezirken mehrere, die
mit einander durch gewählte Vertreter verkehren. Diese Bezirkseintheilung
hat nichts Obligatorisches. Sie ist eigentlich nur als
Erleichterung für die Minderbemittelten gedacht, und um während
der Fahrt kein Unbehagen, kein Heimweh aufkommen zu lassen.
Jeder ist frei, allein zu fahren oder sich welcher Ortsgruppe
immer anzuschliessen. Die Bedingungen – nach Classen eingetheilt – sind
für alle gleich. Wenn eine Reisegesellschaft
sich zahlreich genug organisirt, bekommt sie von der Company
einen ganzen Bahnzug und dann ein ganzes Schiff.

Für die passende Unterkunft der Aermeren wird das
Quartieramt der Company gesorgt haben. In dem späteren Zeitpunkt,
wo die Wohlhabenden wandern, wird das erkannte, weil
leicht vorauszusehende Bedürfniss schon die Hotelbauten freier
Unternehmer hervorgerufen haben. Auch werden ja die wohlhabenden
[] Auswanderer sich ihre Heimstätten schon früher gebaut
haben, so dass sie aus dem verlassenen alten Hause in das
fertige neue nur zu übersiedeln brauchen.

Unserer ganzen Intelligenz brauchen wir ihre Aufgabe
nicht erst zuzuweisen. Jeder, der sich dem nationalen Gedanken
anschliesst, wird wissen, wie er in seinem Kreise für die Verbreitung
und Bethätigung zu wirken hat. Wir werden vornehmlich
an die Mitwirkung unserer Seelsorger appelliren.


Unsere Seelsorger.

Jede Gruppe hat ihren Rabbiner, der mit seiner Gemeinde
geht. Alle gruppiren sich zwanglos. Die Ortsgruppe bildet sich
um den Rabbiner herum. So viele Rabbiner, so viele Ortsgruppen.
Die Rabbiner werden uns auch zuerst verstehen, sich zuerst für
die Sache begeistern und von der Kanzel herab die andern
begeistern. Es brauchen keine besonderen Versammlungen
mit Geschwätz einberufen zu werden. Im Gottesdienste wird
das eingeschaltet. Und so soll es sein. Wir erkennen unsere
historische Zusammengehörigkeit nur am Glauben unserer Väter,
weil wir ja längst die Sprache verschiedener Nationen unverlöschbar
in uns aufgenommen haben.

Die Rabbiner werden nun regelmässig die Mittheilungen
der Society und Company erhalten und sie ihrer Gemeinde verkünden
und erklären. Israel wird für uns, für sich beten.


Vertrauensmänner der Ortsgruppen.

Die Ortsgruppen werden kleine Vertrauensmänner-Commissionen
unter dem Vorsitz des Rabbiners einsetzen. Hier wird alles
Praktische nach den Ortsbedürfnissen berathen und festgesetzt
werden.

Die Wohlthätigkeitsanstalten werden durch die Ortsgruppen
frei verpflanzt. Die Stiftungen werden auch drüben in der ehemaligen
Ortsgruppe verbleiben, die Gebäude sollten nach meiner
Ansicht nicht verkauft, sondern den christlichen Hilfsbedürftigen
der verlassenen Städte gewidmet werden. Bei der Landvertheilung
drüben wird das den Ortsgruppen eingerechnet, indem
sie unentgeltlich Bauplätze und jede Bauerleichterung erhalten.

Es wird bei der Verpflanzung der Wohlthätigkeitsanstalten
wieder, wie an manchen anderen Punkten dieses Planes, Gelegenheit
geboten, einen Versuch zum Wohle der ganzen Menschheit
[] zu machen. Unsere jetzige verworrene Privatwohlthätigkeit stiftet
im Verhältniss zum gemachten Aufwand wenig Gutes. Die Wohlthätigkeitsanstalten
können und müssen in ein System gebracht
werden, wo sie sich gegenseitig ergänzen. In einer neuen
Gesellschaft können diese Einrichtungen aus dem modernen
Bewusstsein heraus und auf Grund aller socialpolitischen Erfahrungen
gemacht werden. Die Sache ist für uns sehr wichtig,
weil wir viele Bettler haben. Durch den äusseren Druck, der
sie muthlos macht und durch die weichliche Wohlthätigkeit der
Reichen, die sie verwöhnt, lassen sich die schwächeren Naturen
unter unseren Leuten leicht im Bettel gehen.

Die Society wird, unterstützt von den Ortsgruppen, der
Volkserziehung in dieser Hinsicht die grösste Aufmerksamkeit
zuwenden. Für viele Kräfte, die jetzt nutzlos hinwelken, wird
ja ein fruchtbarer Boden geschaffen. Wer nur den guten Willen
hat, soll angemessen verwendet werden. Bettler werden nicht
geduldet. Wer als Freier nichts thun will, kommt in's Arbeitshaus.

Hingegen wollen wir die Alten nicht in's Siechenhaus stecken.
Das Siechenhaus ist eine der grausamsten Wohlthaten, die
unsere alberne Gutmüthigkeit erfunden hat. Im Siechenhaus
schämt und kränkt sich der alte Mensch zu Tode. Er ist eigentlich
schon begraben. Wir aber wollen selbst denen, die auf den
untersten Stufen der Intelligenz stehen, bis an's Ende die tröstliche
Illusion ihrer Nützlichkeit lassen. Die zu körperlicher
Arbeit Unfähigen sollen leichte Dienste erhalten. Wir müssen
mit den atrophirten Armen einer jetzt schon hinwelkenden Generation
rechnen. Aber die nachkommenden Generationen sollen
in der Freiheit für die Freiheit anders erzogen werden.

Wir werden für alle Lebensalter, für alle Lebensstufen
die sittliche Beseligung der Arbeit suchen. So wird unser Volk
seine Tüchtigkeit wiederfinden im Siebenstundenlande.


Stadtpläne.

Die Ortsgruppen werden ihre Bevollmächtigten zur Ortswahl
delegiren. Bei der Landvertheilung wird darauf Rücksicht
genommen werden, dass die schonende Verpflanzung, die Erhaltung
alles Berechtigten möglich sei.

In den Ortsgruppen werden die Stadtpläne aufliegen.
Unsere Leute werden im vorhinein wissen, wohin sie gehen, in
welchen Städten, in welchen Häusern sie wohnen werden. Es
wurde schon von den Bauplänen und verständlichen Abbildungen
gesprochen, die an die Ortsgruppen zu vertheilen sind.

[]

Wie in der Verwaltung eine straffe Centralisirung, ist in
den Ortsgruppen die vollste Autonomie das Princip. Nur so
kann die Verpflanzung schmerzlos vor sich gehen.

Ich stelle mir das nicht leichter vor, als es ist; man darf
es sich auch nicht schwerer vorstellen.


Der Zug des Mittelstandes.

Der Mittelstand wird unwillkürlich von der Bewegung mit
hinübergezogen. Die Einen haben ihre Söhne als Beamte der
Society oder Angestellte der Company drüben. Juristen, Mediciner,
Techniker aller Zweige, junge Kaufleute, alle jüdischen Wegsucher,
die jetzt aus der Bedrängniss ihrer Vaterländer hinaus
in andere Welttheile erwerben gehen, werden sich auf dem
hoffnungsvollen Boden versammeln. Andere haben ihre Töchter
an solche aufstrebende Leute verheiratet. Dann lässt sich von
unseren jungen Leuten der eine seine Braut, der andere seine
Eltern und Geschwister nachkommen. In neuen Culturen heiratet
man früh. Das kann der allgemeinen Sittlichkeit nur zu Statten
kommen, und wir erhalten kräftigen Nachwuchs; nicht jene
schwachen Kinder spätverheirateter Väter, die zuerst ihre
Energie im Lebenskampf abgenützt haben.

Im Mittelstande zieht jeder unserer Auswanderer andere
nach sich.

Den Muthigsten gehört natürlich das Beste von der
neuen Welt.

Es scheint nun freilich, als wäre hier die grösste Schwierigkeit
des Planes.

Selbst wenn es uns gelingt, die Judenfrage in einer ernsten
Weise zur Weltdiscussion zu stellen –

selbst wenn aus dieser Erörterung auf das Bestimmteste
hervorgeht, dass der Judenstaat ein Weltbedürfniss ist –

selbst wenn wir durch die Unterstützung der Mächte die
Souveränetät eines Territoriums erlangten:

wie bringen wir die Judenmassen ohne Zwang aus ihren
jetzigen Wohnorten in dieses neue Land?

Die Wanderung ist doch immer als eine freie gedacht?


Das Phänomen der Menge.

Ein mühsames Anfachen der Bewegung wird wohl kaum
nöthig sein. Die Antisemiten besorgen das schon für uns. Sie
[] brauchen nur soviel zu thun wie bisher und die Auswanderlust
der Juden wird erwachen, wo sie nicht besteht und sich verstärken,
wo sie schon vorhanden ist. Wenn die Juden jetzt in
antisemitischen Ländern verbleiben, so geschieht das hauptsächlich
aus dem Grunde, weil selbst die historisch Ungebildeten
wissen, dass wir uns durch die zahlreichen Ortswechsel in den
Jahrhunderten nie dauernd geholfen haben. Gäbe es heute ein
Land, wo man die Juden willkommen hiesse und ihnen auch
viel weniger Vortheil böte, als im Judenstaate, wenn er entsteht,
gesichert sind, so fände augenblicklich ein starker Zug von
Juden dahin statt. Die Aermsten, die nichts zu verlieren haben,
würden sich hinschleppen. Ich behaupte aber und Jeder wird
ja bei sich wissen, ob es wahr ist, dass die Auswanderlust wegen
des Druckes, der auf uns lastet, bei uns selbst in wohlhabenden
Schichten vorhanden ist. Nun würden ja schon die Aermsten zur
Gründung des Staates genügen, ja sie sind das tüchtigste
Menschenmaterial für eine Landnahme, weil man zu grossen
Unternehmungen ein bischen Verzweiflung in sich haben muss.

Aber indem unsere Desperados durch ihr Erscheinen, durch
ihre Arbeit den Werth des Landes heben, machen sie allmälig
auch für Besitzkräftigere die Verlockung entstehen, nachzuziehen.

Immer höhere Schichten werden ein Interesse bekommen,
hinüberzugehen. Den Zug der Ersten, Aermsten werden ja Society
und Company gemeinsam leiten und dabei doch wohl die Unterstützung
der schon bestehenden Auswanderungs- und Zionsvereine
finden.

Wie lässt sich eine Menge ohne Befehl nach einem Punkte
hin dirigiren?

Es gibt einzelne jüdische Wohlthäter in grossem Stile,
welche die Leiden der Juden durch zionistische Versuche mildern
wollen. Solche Wohlthäter mussten sich schon mit dieser
Frage beschäftigen, und sie glaubten, sie zu lösen, wenn sie
den Auswanderern Geld oder Arbeitsmittel in die Hand gaben.
Der Wohlthäter sagte also: „Ich zahle den Leuten, damit sie
hingehen.“

Das ist grundfalsch und mit allem Gelde der Erde nicht
zu erschwingen.

Die Company wird im Gegentheil sagen: „Wir zahlen
ihnen nicht, wir lassen sie zahlen. Nur setzen wir ihnen etwas vor.“

Ich will das an einem scherzhaften Beispiele anschaulich
machen. Einer dieser Wohlthäter, den wir den Baron nennen
wollen, und ich möchten eine Menschenmenge an einem heissen
Sonntagnachmittag auf der Ebene von Longchamp bei Paris
haben. Der Baron wird, wenn er jedem Einzelnen 10 Francs
[] verspricht, für 200.000 Francs 20.000 schwitzende, unglückliche
Leute hinausbringen, die ihm fluchen werden, weil er ihnen
diese Plage auferlegte.

Ich hingegen werde diese 200.000 Francs als Rennpreis
aussetzen für das schnellste Pferd – und dann lasse ich die
Leute durch Schranken von Longchamp abhalten. Wer hinein
will, muss zahlen: 1 Francs, 5 Francs, 20 Francs.

Die Folge ist, dass ich eine halbe Million Menschen hinausbekomme,
der Präsident der Republik fährt à la Daumont
vor, die Menge erfreut und belustigt sich an sich selbst. Es ist
für die Meisten, trotz Sonnenbrand und Staub, eine glückliche
Bewegung im Freien, und ich habe für die 200.000 Francs eine
Million an Eintrittsgeldern und Spielsteuer eingenommen. Ich
werde dieselben Leute, wann ich will, wieder dort haben; der
Baron nicht – der Baron um keinen Preis.

Ich will das Phänomen der Menge übrigens gleich ernster
beim Broterwerbe zeigen. Man versuche es einmal, in den
Strassen einer Stadt ausrufen zu lassen: „Wer in einer nach
allen Seiten freistehenden eisernen Halle im Winter bei schrecklicher
Kälte, im Sommer bei quälender Hitze, den ganzen Tag
auf seinen Beinen stehend, jeden Vorübergehenden anreden
und dem Trödelkram oder Fische oder Obst anbieten wird,
bekommt 2 fl. oder 4 Francs oder was Sie wollen.“

Wie viel Leute bekommt man wohl da hin? Wenn sie der
Hunger hintreibt, wie viel Tage halten sie aus? Wenn sie aushalten,
mit welchem Eifer werden sie wohl die Vorübergehenden
zum Kaufe von Obst, Fischen oder Trödelkram zu bestimmen
versuchen?

Wir machen es anders. An den Punkten, wo ein grosser
Verkehr besteht, und diese Punkte können wir umso leichter
finden, als wir selbst ja den Verkehr leiten wohin wir wollen,
an diesen Punkten errichten wir grosse Hallen und nennen sie:
Märkte. Wir könnten die Hallen schlechter, gesundheitswidriger
bauen als jene, und doch würden uns die Leute hinströmen.
Aber wir werden sie schöner und besser, mit unserem ganzen
Wohlwollen bauen. Und diese Leute, denen wir nichts versprochen
haben, weil wir ihnen, ohne Betrüger zu sein, nichts
versprechen können, diese braven geschäftslustigen Leute werden
unter Scherzen einen lebhaften Marktverkehr hervorbringen.
Sie werden unermüdlich die Käufer haranguiren, sie werden
auf ihren Beinen dastehen und die Müdigkeit kaum merken.
Sie werden nicht nur Tag um Tag herbeieilen, um die Ersten
zu sein, sie werden sogar Verbände, Cartelle, alles Mögliche
schliessen, um nur dieses Erwerbsleben ungestört führen zu
[] können. Und wenn sich auch am Feierabend herausstellt, dass
sie mit all der braven Arbeit nur 1 fl. 50 kr. oder 3 Francs
oder was Sie wollen, verdient haben, werden sie doch mit
Hoffnung in den nächsten Tag blicken, der vielleicht besser
sein wird.

Wir haben ihnen die Hoffnung geschenkt.

Will man wissen, wo wir die Bedürfnisse hernehmen, die
wir für die Märkte brauchen? Muss das wirklich noch gesagt
werden?

Ich zeigte früher, dass durch die Assistance par le travail
der fünfzehnfache Verdienst erzeugt wird. Für eine Million
fünfzehn Millionen, für eine Milliarde fünfzehn Milliarden.

Ja, ob dies im Grossen auch so richtig ist wie im Kleinen?
Der Ertrag des Capitales hat doch in der Höhe eine abnehmende
Progression? Ja, des schlafenden, feige verkrochenen
Capitals, nicht der des arbeitenden. Das arbeitende Capital hat
sogar in der Höhe eine furchtbar zunehmende Ertragskraft.
Da steckt ja die sociale Frage.

Ob das richtig ist, was ich sage? Ich rufe dafür die
reichsten Juden als Zeugen auf. Warum betreiben diese so
viele verschiedene Industrien? Warum schicken sie Leute unter
die Erde, um für mageren Lohn unter entsetzlichen Gefahren
Kohle heraufzuschaffen. Ich denke mir das nicht angenehm,
auch nicht für die Grubenbesitzer. Ich glaube ja nicht an die
Herzlosigkeit der Capitalisten, und stelle mich nicht als ob ich
es glaubte. Ich will ja nicht hetzen, sondern versöhnen.

Brauche ich das Phänomen der Menge, und wie man sie
nach beliebigen Punkten zieht, auch noch an den frommen
Wanderungen zu erklären?

Ich möchte Niemandes heilige Empfindungen durch Worte
verletzen, die falsch ausgelegt werden könnten.

Nur kurz deute ich an, was in der mohammedanischen
Welt der Zug der Pilger nach Mekka ist, in der katholischen
Welt Lourdes und so zahllose andere Punkte, von wo Menschen
durch ihren Glauben getröstet heimkehren, und der heilige Rock
zu Trier. So werden auch wir dem tiefen Glaubensbedürfnisse
unserer Leute Zielpunkte errichten. Unsere Geistlichen werden
uns ja zuerst verstehen, und mit uns gehen.

Wir wollen drüben jeden nach seiner Façon selig werden
lassen. Auch und vor allem unsere theuren Freidenker, unser
unsterbliches Heer, das für die Menschheit immer neue Gebiete
erobert.

Auf Niemanden soll ein anderer Zwang ausgeübt werden,
als der zur Erhaltung des Staates und der Ordnung nöthige.
Und dieses Nöthige wird nicht von der Willkür einer oder
[] mehrerer Personen wechselnd bestimmt sein, sondern in ehernen
Gesetzen ruhen. Will man nun gerade aus den von mir gewählten
Beispielen folgern, dass die Menge nur vorübergehend
nach solchen Zielpunkten des Glaubens, des Erwerbes oder des
Vergnügens gezogen werden kann, so ist die Widerlegung dieses
Einwurfs einfach. Ein solcher Zielpunkt vermag die Massen nur
anzulocken. Alle diese Anziehungspunkte zusammen sind geeignet,
sie festzuhalten und dauernd zu befriedigen. Denn
diese Anziehungspunkte bilden zusammengenommen eine grosse
Einheit, eine langgesuchte, nach der unser Volk nie aufgehört
hat sich zu sehnen; für die es sich erhalten hat, für die es
durch den Druck erhalten worden ist: die freie Heimat! Wenn
die Bewegung entsteht, werden wir die Einen nachziehen, die
Anderen uns nachfliessen lassen, die Dritten werden mitgerissen
und die Vierten wird man uns nachdrängen.

Diese, die zögernden späten Nachzügler werden hüben
und drüben am Schlechtesten daran sein.

Aber die Ersten, die gläubig, begeistert und tapfer hinübergehen,
werden die besten Plätze haben.


Unser Menschenmaterial.

Ueber kein Volk sind so viele Irrthümer verbreitet, wie
über die Juden. Und wir sind durch unsere geschichtlichen
Leiden so gedrückt und muthlos geworden, dass wir diese Irrthümer
selbst nachsprechen und nachglauben. Eine der falschen
Behauptungen ist die unmässige Handelslust der Juden. Nun
ist es bekannt, dass wir dort, wo wir die aufsteigende Classenbewegung
mitmachen können, uns eilig vom Handel entfernen.
Weitaus die meisten jüdischen Kaufleute lassen ihre Söhne
studiren. Daher kommt ja die sogenannte Verjudung aller gebildeten
Berufe. Aber auch in den wirthschaftlich schwächeren
Schichten ist unsere Handelslust keineswegs so gross, wie angenommen
wird. In den östlichen Ländern Europas gibt es grosse
Massen von Juden, die keine Handeltreibenden sind und vor
schweren Arbeiten nicht zurückschrecken. Die Society of Jews
wird in der Lage sein, eine wissenschaftlich genaue Statistik
unserer Menschenkräfte vorzubereiten. Die neuen Aufgaben und
Aussichten, die unsere Leute im neuen Lande erwarten, werden
die jetzigen Handarbeiter befriedigen und viele der jetzigen
kleinen Händler zu Handarbeitern machen.

Ein Hausirer, der mit dem schweren Pack auf dem Rücken
über Land geht, fühlt sich nicht so glücklich wie seine Verfolger
glauben. Mit dem Siebenstundentage sind alle diese
[] Leute zu Arbeitern zu machen. Es sind so brave, verkannte
Leute und leiden jetzt vielleicht am schwersten. Uebrigens wird
sich die Society of Jews von Anfang an mit ihrer Erziehung
zu Arbeitern beschäftigen. Die Erwerbslust wird auf eine gesunde
Weise anzuregen sein. Der Jude ist sparsam, findig und
erfüllt vom stärksten Familiensinn. Solche Menschen eignen sich
zu jeder Erwerbsthätigkeit und es wird genügen, den Kleinhandel
zu einem unergiebigen zu machen, um selbst die jetzigen
Hausirer davon abzubringen. Hierzu würde beispielsweise die
Begünstigung grosser Kaufhäuser, in denen man alles findet,
dienen. Diese Universalkaufhäuser erdrücken schon jetzt in den
Grossstädten den kleinen Handel. In einer neuen Cultur würden
sie sein Entstehen geradezu verhindern. Ihre Einrichtung hätte
gleichzeitig den Vortheil, das Land auch für Menschen mit vorgeschrittenen
Bedürfnissen sofort bewohnbar zu machen.


Kleine Gewohnheiten.

Verträgt es sich mit dem Ernste dieser Schrift, dass ich,
wenn auch nur flüchtig, von den kleinen Gewohnheiten und
Bequemlichkeiten des Alltagsmenschen spreche?

Ich glaube, ja. Es ist sogar sehr wichtig. Denn diese
kleinen Gewohnheiten sind wie tausend Zwirnfäden, von denen
jeder einzelne dünn und schwach ist – zusammen sind sie ein
unzerreissbares Seil.

Auch auf diesem Punkte muss man sich von beschränkten
Vorstellungen freimachen. Wer etwas von der Welt gesehen
hat, der weiss, dass gerade die kleinen Alltagsgewohnheiten
schon jetzt mit Leichtigkeit überallhin verpflanzt werden. Ja,
die technischen Errungenschaften unserer Zeit, welche dieser
Plan für die Menschlichkeit verwenden möchte, sind bisher hauptsächlich
für die kleinen Gewohnheiten verwendet worden. Es
gibt englische Hotels in Egypten und auf den Berggipfeln der
Schweiz, Wiener Cafés in Südafrika, französische Theater in
Russland, deutsche Opern in Amerika und das beste bairische
Bier in Paris.

Wenn wir noch einmal aus Mizraim wandern, werden wir
die Fleischtöpfe nicht vergessen.

In jeder Ortsgruppe kann und wird Jeder seine kleinen
Gewohnheiten wiederfinden, nur besser, schöner, angenehmer.

[figure]
[]

Society of Jews
und
Judenstaat.



[][]

Negotiorum gestio.

Diese Schrift ist nicht für Fachjuristen berechnet; darum
kann ich meine Theorie vom Rechtsgrunde des Staates auch
nur flüchtig andeuten, wie vieles Andere.

Dennoch muss ich einiges Gewicht auf meine neue Theorie
legen, die sich wohl selbst in einer rechtsgelehrten Discussion
wird halten lassen.

Rousseau's heute schon veraltete Auffassung wollte dem
Staat einen Gesellschaftsvertrag zu Grunde legen. Rousseau
meint: „Die Clauseln dieses Vertrages sind durch die Natur
der Verhandlung so bestimmt, dass die geringste Abänderung
sie nichtig und wirkungslos machen müsste. Die Folge davon
ist, dass sie, wenn sie auch vielleicht nie ausdrücklich
ausgesprochen wären
, doch überall gleich, überall
stillschweigend angenommen und anerkannt sind u. s. w.“

Die logische und geschichtliche Widerlegung von Rousseau's
Theorie war und ist nicht schwer, wie furchtbar und fruchtbar
diese Theorie auch gewirkt habe. Für die modernen Verfassungsstaaten
ist die Frage, ob vor der Constitution schon ein
Gesellschaftsvertrag mit „nicht ausdrücklich ausgesprochenen,
aber unabänderlichen Clauseln“ bestanden habe, ohne praktisches
Interesse. Jetzt ist das Rechtsverhältniss zwischen Regierung und
Bürgern jedenfalls festgesetzt.

Aber vor der Einrichtung einer Verfassung und beim Entstehen
eines neuen Staates sind diese Grundsätze auch praktisch
wichtig. Dass neue Staaten noch immer entstehen können, wissen
[] wir ja, sehen wir ja. Colonien fallen vom Mutterlande ab, Vasallen
reissen sich vom Suzerän los, neuerschlossene Territorien
werden gleich als freie Staaten gegründet. Der Judenstaat ist
allerdings als eine ganz eigenthümliche Neubildung auf noch unbestimmtem
Territorium gedacht. Aber nicht die Länderstrecken
sind der Staat, sondern die durch eine Souveränetät zusammengefassten
Menschen sind es.

Das Volk ist die persönliche, das Land die dingliche Grundlage
des Staates. Und von diesen beiden Grundlagen ist die persönliche
die wichtigere. Es gibt zum Beispiel eine Souveränetät
ohne dingliche Grundlage, und sie ist sogar die geachtetste der
Erde: es ist die Souveränetät des Papstes.

In der Wissenschaft vom Staate herrscht gegenwärtig die
Theorie der Vernunftnothwendigkeit. Diese Theorie reicht aus,
um die Entstehung des Staates zu rechtfertigen, und sie kann
nicht geschichtlich widerlegt werden, wie die Vertragstheorie.
So weit es sich um die Entstehung des Judenstaates handelt,
befinde ich mich in dieser Schrift vollkommen auf dem Boden
der Vernunftnothwendigkeits-Theorie. Diese weicht aber dem
Rechtsgrunde des Staates aus. Der modernen Anschauung entsprechen
die Theorie der göttlichen Stiftung, die der Uebermacht,
die Patriarchal-, Patrimonial- und Vertragstheorie nicht.
Der Rechtsgrund des Staates wird bald zu sehr in den Menschen
(Uebermachts-, Patriarchal- und Vertragstheorie), bald rein über
den Menschen (göttliche Stiftung), bald unter den Menschen
(dingliche Patrimonialtheorie) gesucht. Die Vernunftnothwendigkeit
lässt die Frage bequem oder vorsichtig unbeantwortet. Eine
Frage, mit der sich die grössten Rechtsphilosophen aller Zeiten
so tief beschäftigt haben, kann jedoch nicht ganz müssig sein.
Thatsächlich liegt im Staat eine Mischung von Menschlichem und
Uebermenschlichem vor. Für das zuweilen drückende Verhältniss,
in welchem die Regierten zu den Regierenden stehen, ist ein
Rechtsgrund unerlässlich. Ich glaube, er kann in der „negotiorum
gestio“ gefunden werden. Wobei man sich die Gesammtheit
der Bürger als Dominus negotiorum und die Regierung als den
Gestor zu denken hat.

Der wunderbare Rechtssinn der Römer hat in der negotiorum
gestio ein edles Meisterwerk geschaffen. Wenn das Gut
eines Behinderten in Gefahr ist, darf Jeder hinzutreten und es
retten. Das ist der Gestor, der Führer fremder Geschäfte. Er
hat keinen Auftrag, das heisst keinen menschlichen Auftrag.
Sein Auftrag ist ihm von einer höheren Nothwendigkeit ertheilt.
Diese höhere Nothwendigkeit kann für den Staat auf verschiedene
Weise formulirt werden und wird auch auf den einzelnen
[] Culturstufen dem jeweiligen allgemeinen Begriffsvermögen entsprechend
verschiedenartig formulirt. Gerichtet ist die Gestio
auf das Wohl des Dominus, des Volkes, zu dem ja auch der
Gestor selbst gehört.

Der Gestor verwaltet ein Gut, dessen Miteigenthümer er
ist. Aus seinem Miteigenthum schöpft er wohl die Kenntnis
des Nothstandes, der das Eingreifen, die Führung in Krieg und
Frieden erfordert; aber keineswegs gibt er sich als Miteigenthümer
selbst einen giltigen Auftrag. Er kann die Zustimmung
der unzähligen Miteigenthümer im günstigsten Falle nur vermuthen.

Der Staat entsteht durch den Daseinskampf eines Volkes.
In diesem Kampfe ist es nicht möglich, erst auf umständliche
Weise einen ordentlichen Auftrag einzuholen. Ja, es würde jede
Unternehmung für die Gesammtheit von vorneherein scheitern,
wenn man zuvor einen regelrechten Mehrheitsbeschluss erzielen
wollte. Die innere Parteiung würde das Volk gegen den äusseren
Nothstand wehrlos machen. Alle Köpfe sind nicht unter einen
Hut zu bringen, wie man gewöhnlich sagt. Darum setzt der
Gestor einfach den Hut auf und geht voran.

Der Staatsgestor ist genügend legitimirt, wenn die allgemeine
Sache in Gefahr und der Dominus durch Willensunfähigkeit
oder auf andere Art verhindert ist, sich selbst zu helfen.

Aber durch sein Eingreifen wird der Gestor dem Dominus
ähnlich wie aus einem Vertrage, quasi ex contractu, verpflichtet.
Das ist das vorbestandene oder richtiger: mitentstehende Rechtsverhältniss
im Staate.

Der Gestor muss dann für jede Fahrlässigkeit haften, auch
wegen verschuldeter Nichtvollendung der einmal übernommenen
Geschäfte und Versäumung dessen, was damit im wesentlichen
Zusammenhange steht u. s. w. Ich will die negotiorum gestio
hier nicht weiter ausführen und auf den Staat übertragen. Das
würde uns zu weit vom eigentlichen Gegenstande ablenken.
Nur das Eine sei noch angeführt: „Durch Genehmigung wird
die Geschäftsführung für den Geschäftsherrn in gleicher Art
wirksam, als wenn sie ursprünglich seinem Auftrag gemäss geschehen
wäre.“

Und was bedeutet das Alles in unserem Falle?

Das Judenvolk ist gegenwärtig durch die Diaspora verhindert,
seine politischen Geschäfte selbst zu führen. Dabei ist
es auf verschiedenen Punkten in schwerer oder leichterer Bedrängniss.
Es braucht vor Allem einen Gestor.

[]

Dieser Gestor darf nun freilich nicht ein einzelnes Individuum
sein. Ein solches wäre lächerlich oder – weil es auf
seinen eigenen Vortheil auszugehen schiene – verächtlich.

Der Gestor der Juden muss in jedem Sinne des Wortes
eine moralische Person sein.

Und das ist die Society of Jews.


Der Gestor der Juden.

Dieses Organ der Volksbewegung, dessen Art und Aufgaben wir
erst jetzt erörtern, wird thatsächlich vor allem Anderen entstehen.
Die Entstehung ist eine überaus einfache. Aus dem
Kreise der wackeren englischen Juden, denen ich in London
den Plan mittheilte, wird sich diese moralische Person bilden.

Die Society of Jews ist die Centralstelle der beginnenden
Judenbewegung.

Die Society hat wissenschaftliche und politische Aufgaben.
Die Gründung des Judenstaates, wie ich mir sie denke, hat
moderne wissenschaftliche Voraussetzungen. Wenn wir heute aus
Mizraim wandern, kann es nicht in der naiven Weise der alten
Zeit geschehen. Wir werden uns vorher anders Rechenschaft
geben von unserer Zahl und Kraft. Die Society of Jews ist
der neue Moses der Juden. Die Unternehmung des alten grossen
Gestors der Juden in den einfachen Zeiten verhält sich zur
unserigen, wie ein wunderschönes altes Singspiel zu einer modernen
Oper. Wir spielen dieselbe Melodie mit viel, viel mehr
Violinen, Flöten, Harfen, Knie- und Bassgeigen, elektrischem
Licht, Decorationen, Chören, herrlicher Ausstattung und mit den
ersten Sängern.

Diese Schrift soll die allgemeine Discussion über die
Judenfrage eröffnen. Freunde und Feinde werden sich daran
betheiligen – ich hoffe, nicht mehr in der bisherigen Form
sentimentaler Vertheidigungen und wüster Beschimpfungen. Die
Debatte soll sachlich, gross, ernst und politisch geführt
werden.

Die Society of Jews wird alle Kundgebungen der Staatsmänner,
Parlamente, Judengemeinden, Vereine, die in Wort
und Schrift, in Versammlungen, Zeitungen und Büchern hervorkommen,
sammeln.

[]

So wird die Society zum erstenmal erfahren und feststellen,
ob die Juden schon in's Gelobte Land wandern wollen
und müssen. Die Society wird von den Judengemeinden in aller
Welt die Behelfe zu einer umfassenden Statistik der Juden
erhalten.

Die späteren Aufgaben, die gelehrte Erforschung des neuen
Landes und seiner natürlichen Hilfsmittel, der einheitliche Plan
zur Wanderung und Ansiedelung, die Vorarbeiten für die Gesetzgebung
und Verwaltung etc. sind aus dem Zweck vernünftig zu
entwickeln.

Nach Aussen muss die Society versuchen, wie ich schon
anfangs im allgemeinen Theil erklärte, als staatsbildende Macht
anerkannt zu werden. Aus der freien Zustimmung vieler Juden
kann sie den Regierungen gegenüber die nöthige Autorität
schöpfen.

Nach Innen, das heisst dem Judenvolke gegenüber, schafft
die Society die unentbehrlichen Einrichtungen der ersten Zeit
– die Urzelle, um es mit einem naturwissenschaftlichen Worte zu
sagen, aus der sich später die öffentlichen Einrichtungen des
Judenstaates entwickeln sollen.

Das erste Ziel ist, wie schon gesagt, die völkerrechtlich
gesicherte Souveränetät auf einem für unsere gerechten Bedürfnisse
ausreichenden Landstrich.

Was hat nachher zu geschehen?


Die Landergreifung.

Als die Völker in den historischen Zeiten wanderten,
liessen sie sich vom Weltzufall tragen, ziehen, schleudern. Wie
Heuschreckenschwärme gingen sie in ihrem bewusstlosen Zuge
irgendwo nieder. In den geschichtlichen Zeiten kannte man ja
die Erde nicht.

Die neue Judenwanderung muss nach wissenschaftlichen
Grundsätzen erfolgen.

Noch vor einigen vierzig Jahren wurde die Goldgräberei
auf eine wunderlich einfältige Weise betrieben. Wie abenteuerlich
ist es in Californien zugegangen! Da liefen auf ein Gerücht
[] hin die Desperados aus aller Welt zusammen, stahlen der Erde,
raubten einander das Gold ab – und verspielten es dann
ebenso räubermässig.

Heute! Man sehe sich heute die Goldgräberei in Transvaal
an. Keine romantischen Strolche mehr, sondern nüchterne Geologen
und Ingenieure leiten die Goldindustrie. Sinnreiche Maschinen
lösen das Gold aus dem erkannten Gestein. Dem Zufall
ist wenig überlassen.

So muss das neue Judenland mit allen modernen Hilfsmitteln
erforscht und in Besitz genommen werden.

Sobald uns das Land gesichert ist, fährt das Landnahmeschiff
hinüber.

Auf dem Schiff befinden sich die Vertreter der Society,
der Company und der Ortsgruppen.

Diese Landnehmer haben drei Aufgaben: 1. die genaue
wissenschaftliche Erforschung aller natürlichen Eigenschaften
des Landes, 2. die Einrichtung einer straff centralisirten Verwaltung,
3. die Landvertheilung. Diese Aufgaben greifen ineinander
und sind dem schon genügend bekannten Zweck entsprechend
auszuführen.

Nur eins ist noch nicht klargemacht: nämlich wie die
Landergreifung nach Ortsgruppen vor sich gehen soll.

In Amerika occupirt man bei Erschliessung eines neuen
Territoriums auch noch auf eine recht naive Art. Die Landnehmer
versammeln sich an der Grenze und stürzen zur bestimmten
Stunde gleichzeitig und gewaltsam darauf los.

So wird es im neuen Judenlande nicht zu machen sein. Die
Plätze der Provinzen und Städte werden versteigert. Nicht etwa
für Geld, sondern für Leistungen. Es ist nach dem allgemeinen
Plane festgestellt worden, welche Strassen, Brücken, Wasserregulirungen
u. s. w. nöthig sind für den Verkehr. Das wird nach Provinzen
zusammengelegt. Innerhalb der Provinzen werden in ähnlicher
Weise die Stadtplätze versteigert. Die Ortsgruppen übernehmen
die Verpflichtung, das ordentlich auszuführen. Sie bestreiten
die Kosten aus autonomen Umlagen. Die Society wird ja
in der Lage sein, vorauszuwissen, ob sich die Ortsgruppen keiner
zu grossen Opfer vermessen. Die grossen Gemeinwesen erhalten
grosse Schauplätze für ihre Thätigkeit. Grössere Opfer werden
durch gewisse Zuwendungen belohnt: Universitäten, Fach-, Hochschulen,
Versuchsanstalten etc. und jene Staatsinstitute, die nicht
in der Hauptstadt sein müssen, werden über das Land zerstreut.

Für die richtige Ausführung des Uebernommenen haftet das
eigene Interesse der Ersteher und im Nothfall die Ortsumlage.
[] Denn so wie wir den Unterschied einzelner Individuen nicht
aufheben können und wollen, so bleibt auch der Unterschied
zwischen den Ortsgruppen bestehen. Alles gliedert sich auf
natürliche Weise. Alle erworbenen Rechte werden geschützt,
jede neue Entwicklung erhält genügenden Spielraum.

Diese Dinge werden sämmtlich unseren Leuten deutlich
bekannt sein.

So wie wir die Anderen nicht überrumpeln oder betrügen,
so täuschen wir uns auch selbst nicht.

Von vornherein wird alles auf eine planvolle Art festgestellt
sein. An der Ausarbeitung dieses Planes, den ich nur
anzudeuten vermag, werden sich unsere scharfsinnigsten Köpfe
betheiligen. Alle socialwissenschaftlichen und technischen Errungenschaften
der Zeit, in der wir leben, und der immer
höheren Zeit, in welche die langwierige Ausführung des Planes
fallen wird, sind für den Zweck zu verwenden. Alle glücklichen
Erfindungen, die schon da sind und die noch kommen werden,
sind zu benützen. So kann es eine in der Geschichte beispiellose
Form der Landnahme und Staatgründung werden, mit bisher
nicht dagewesenen Chancen des Gelingens.


Verfassung.

Eine der von der Society einzusetzenden grossen Commissionen
wird der Rath der Staatsjuristen sein. Diese müssen eine
möglichst gute moderne Verfassung zustandebringen. Ich glaube,
eine gute Verfassung soll von mässiger Elasticität sein. In einem
anderen Werke habe ich auseinandergesetzt, welche Staatsformen
mir als die besten erscheinen. Ich halte die demokratische
Monarchie und die aristokratische Republik für die feinsten
Formen des Staates. Staatsform und Regierungsprincip müssen
in einem ausgleichenden Gegensatze zu einander stehen. Ich
bin ein überzeugter Freund monarchischer Einrichtungen, weil
sie eine beständige Politik ermöglichen und das mit der Staatserhaltung
verknüpfte Interesse einer geschichtlich berühmten,
zum Herrschen geborenen und erzogenen Familie vorstellen.
Unsere Geschichte ist jedoch so lange unterbrochen gewesen,
dass wir an die Einrichtung nicht mehr anknüpfen können. Der
blosse Versuch unterläge dem Fluche der Lächerlichkeit.

[]

Die Demokratie ohne das nützliche Gegengewicht eines
Monarchen ist masslos in der Anerkennung und in der Verurtheilung,
führt zu Parlamentsgeschwätz und zur hässlichen
Kategorie der Berufspolitiker. Auch sind die jetzigen Völker
nicht geeignet für die unbeschränkte Demokratie und ich glaube,
sie werden zukünftig immer weniger dazu geeignet sein. Die
reine Demokratie setzt nämlich sehr einfache Sitten voraus und
unsere Sitten werden mit dem Verkehr und mit der Cultur
immer complicirter. Le ressort d'une démocratie est la vertu,
sagt der weise Montesquieu. Und wo findet man diese Tugend,
die politische meine ich? Ich glaube nicht an unsere politische
Tugend, weil wir nicht anders sind, als die anderen modernen
Menschen, und weil uns in der Freiheit zunächst der Kamm
schwellen würde. Das Referendum halte ich für unverständig,
denn in der Politik gibt es keine einfachen Fragen, die man
blos mit Ja und Nein beantworten kann. Auch sind die Massen
noch ärger als die Parlamente, jedem Irrglauben unterworfen,
jedem kräftigen Schreier zugeneigt. Vor versammeltem Volke
kann man weder äussere noch innere Politik machen.

Politik muss von oben herab gemacht werden. Im Judenstaate
soll darum doch Niemand geknechtet werden, denn jeder
Jude kann aufsteigen, jeder wird aufsteigen wollen. So muss
ein gewaltiger Zug nach oben in unser Volk kommen. Jeder
Einzelne wird nur glauben, sich selbst zu heben, und dabei
wird die Gesammtheit gehoben. Das Aufsteigen ist in sittliche,
dem Staate nützliche, der Volksidee dienende Formen
zu binden.

Darum denke ich mir eine aristokratische Republik. Das
entspricht auch dem ehrgeizigen Sinne unseres Volkes, der jetzt
zu alberner Eitelkeit entartet ist. Manche Einrichtung Venedigs
schwebt mir vor; aber alles, woran Venedig zugrunde ging, ist
zu vermeiden. Wir werden aus den geschichtlichen Fehlern
Anderer lernen, wie aus unseren eigenen. Denn wir sind ein
modernes Volk und wollen das modernste werden. Unser Volk,
dem die Society das neue Land bringt, wird auch die Verfassung,
die ihm die Society gibt, dankbar annehmen. Wo sich
aber Widerstände zeigen, wird die Society sie brechen. Sie
kann sich im Werke durch beschränkte oder böswillige Individuen
nicht stören lassen.


[]

Sprache.

Vielleicht denkt jemand, es werde eine Schwierigkeit sein,
dass wir keine gemeinsame Sprache mehr haben. Wir können
doch nicht Hebräisch miteinander reden. Wer von uns weiss
genug Hebräisch, um in dieser Sprache ein Bahnbillet zu verlangen?
Das gibt es nicht. Dennoch ist die Sache sehr einfach.
Jeder behält seine Sprache, welche die liebe Heimat seiner
Gedanken ist. Für die Möglichkeit des Sprachenföderalismus
ist die Schweiz ein endgiltiges Beispiel. Wir werden auch
drüben bleiben, was wir jetzt sind, sowie wir nie aufhören
werden, unsere Vaterländer, aus denen wir verdrängt wurden,
mit Wehmuth zu lieben.

Die verkümmerten und verdrückten Jargons, deren wir
uns jetzt bedienen, diese Ghettosprachen werden wir uns abgewöhnen.
Es waren die verstohlenen Sprachen von Gefangenen.
Unsere Volkslehrer werden dieser Sache ihre Aufmerksamkeit
zuwenden. Die dem allgemeinen Verkehre am meisten nützende
Sprache wird sich zwanglos als Hauptsprache einsetzen. Unsere
Volksgemeinschaft ist ja eine eigenthümliche, einzige. Wir erkennen
uns eigentlich nur noch am väterlichen Glauben als zusammengehörig.


Theokratie.

Werden wir also am Ende eine Theokratie haben? Nein!
Der Glaube hält uns zusammen, die Wissenschaft macht uns
frei. Wir werden daher theokratische Velleitäten unserer Geistlichen
gar nicht aufkommen lassen. Wir werden sie in ihren
Tempeln festzuhalten wissen, wie wir unser Berufsheer in den
Kasernen festhalten werden. Heer und Clerus sollen so hoch
geehrt werden, wie es ihre schönen Functionen erfordern und
verdienen. In den Staat, der sie auszeichnet, haben sie nichts
dreinzureden, denn sie würden äussere und innere Schwierigkeiten
heraufbeschwören.

Jeder ist in seinem Bekenntniss oder in seinem Unglauben
so frei und unbeschränkt, wie in seiner Nationalität. Und fügt
es sich, dass auch Andersgläubige, Andersnationale unter uns
[] wohnen, so werden wir ihnen einen ehrenvollen Schutz und die
Rechtsgleichheit gewähren. Wir haben die Toleranz in Europa
gelernt. Ich sage das nicht einmal spöttisch. Den jetzigen Antisemitismus
kann man nur an vereinzelten Orten für die alte
religiöse Intoleranz halten. Zumeist ist er bei den Culturvölkern
eine Bewegung, mit der sie ein Gespenst ihrer eigenen Vergangenheit
abwehren möchten.


Gesetze.

Wenn die Verwirklichung des Staatsgedankens näher rückt,
wird die Society of Jews gesetzgeberische Vorarbeiten machen
lassen durch ein Juristencollegium. Für die Uebergangszeit
lässt sich der Grundsatz annehmen, dass Jeder der aus den
verschiedenen Ländern einwandernden Juden nach seinen bisherigen
Landesgesetzen zu beurtheilen sei. Bald ist die Rechtseinheit
anzustreben. Es müssen moderne Gesetze sein, auch da
überall das Beste zu verwenden. Es kann eine vorbildliche
Codification werden, durchdrungen von allen gerechten socialen
Forderungen der Gegenwart.


Das Heer.

Der Judenstaat ist als ein neutraler gedacht. Er braucht
nur ein Berufsheer – allerdings ein mit sämmtlichen modernen
Kriegsmitteln ausgerüstetes – zur Aufrechterhaltung der Ordnung
nach Aussen, wie nach Innen.


Die Fahne.

Wir haben keine Fahne. Wir brauchen eine. Wenn man
viele Menschen führen will, muss man ein Symbol über ihre
Häupter erheben.

Ich denke mir eine weisse Fahne, mit sieben goldenen
Sternen. Das weisse Feld bedeutet das neue, reine Leben; die
[] Sterne sind die sieben goldenen Stunden unseres Arbeitstages.
Denn im Zeichen der Arbeit gehen die Juden in das neue Land.


Reciprocität und Auslieferungsverträge.

Der neue Judenstaat muss anständig gegründet werden.
Wir denken ja an unsere künftige Ehre in der Welt.

Darum müssen alle Verpflichtungen in den bisherigen
Wohnorten rechtschaffen erfüllt werden. Billige Fahrt und alle
Ansiedelungsbegünstigungen werden Society of Jews und Jewish
Company nur denjenigen gewähren, die ein Amtszeugniss Ihrer
bisherigen Behörden beibringen: „In guter Ordnung fortgezogen“.

Alle privatrechtlichen Forderungen, die noch aus den verlassenen
Ländern stammen, sind im Judenstaate leichter klagbar
als irgendwo. Wir werden gar nicht auf Reciprocität warten.
Wir thun das nur um unserer eigenen Ehre willen. So werden
späterhin auch unsere Forderungen willigere Gerichte finden,
als dies jetzt da und dort der Fall sein mag.

Von selbst versteht sich nach allem Bisherigen, dass wir
auch die jüdischen Verbrecher leichter ausliefern, als jeder
andere Staat, bis zu dem Augenblicke, wo wir die Strafhoheit
nach denselben Grundsätzen ausüben werden, wie alle übrigen
civilisirten Völker. Es ist also eine Uebergangszeit gedacht,
während welcher wir unsere Verbrecher erst nach abgebüsster
Strafe aufnehmen. Haben sie aber gebüsst, so werden sie ohne
jede Restriction aufgenommen, es soll auch für die Verbrecher
unter uns ein neues Leben beginnen.

So kann für viele Juden die Auswanderung zu einer glücklich
verlaufenden Krise werden. Die schlechten äusseren Bedingungen,
unter denen mancher Charakter verdorben ist, werden
behoben, und Verlorene können gerettet werden.

Ich möchte da kurz die Geschichte erzählen, die ich in
einem Bericht über die Goldminen von Witwatersrand gefunden
habe. Ein Mann kam eines Tages nach dem Rand, liess sich
nieder, versuchte Einiges, nur nicht das Goldgraben, gründete
endlich eine Eisfabrik, die prosperirte, und erwarb sich bald
durch seine Anständigkeit die allgemeine Achtung. Da wurde
er nach Jahren plötzlich verhaftet. Er hatte in Frankfurt als
Bankier Betrügereien verübt, war entflohen und hatte hier unter
falschem Namen ein neues Leben begonnen. Als man ihn aber
[] gefangen fortführte, da erschienen die angesehensten Leute auf
dem Bahnhof, sagten ihm herzlich Lebewohl und – Auf Wiedersehen!
Denn er wird wiederkommen.

Was sagt diese Geschichte alles! Ein neues Leben vermag
selbst Verbrecher zu bessern. Und wir haben doch verhältnissmässig
sehr wenige Verbrecher. Man lese dazu eine interessante
Statistik „Die Kriminalität der Juden in Deutschland“, die von
Dr. P. Nathan in Berlin – im Auftrage des Comités zur Abwehr
antisemitischer Angriffe – auf Grund amtlicher Ausweise
zusammengestellt wurde. Freilich geht aber diese zahlenerfüllte
Schrift, wie manche andere „Abwehr“ von dem Irrthum aus,
dass sich der Antisemitismus vernünftig widerlegen lasse. Man
hasst uns vermuthlich ebensosehr wegen unserer Vorzüge, wie
wegen unserer Fehler.


Vortheile der Judenwanderung.

Ich denke mir, dass die Regierungen diesem Entwurfe
freiwillig oder unter dem Drucke ihrer Antisemiten einige Aufmerksamkeit
schenken werden, und vielleicht wird man sogar
da und dort von Anfang an dem Plane mit Sympathie entgegenkommen,
und es der Society of Jews auch zeigen.

Denn durch die Judenwanderung, die ich meine, können
keine wirthschaftlichen Krisen entstehen. Solche Krisen, die im
Gefolge von Judenhetzen überall kommen müssten, würden durch
die Ausführung dieses Entwurfes vielmehr verhindert werden.
Eine grosse Periode der Wohlfahrt würde in den jetzt antisemitischen
Ländern beginnen. Es wird ja, wie ich schon oft
sagte, eine innere Wanderung der christlichen Staatsbürger in
die langsam und planvoll evacuirten Positionen der Juden stattfinden.
Wenn man uns nicht nur gewähren lässt, sondern geradezu
hilft, so wird die Bewegung überall befruchtend wirken. Es
ist auch eine bornirte Vorstellung, von der man sich frei machen
muss, dass durch den Abzug vieler Juden eine Verarmung der
Länder eintreten müsste. Anders stellt sich ein Abzug infolge
von Hetzen dar, wobei allerdings, wie in der Verwirrung eines
Krieges, Güter zerstört werden. Und anders ist der friedliche
freiwillige Abzug von Colonisten, wobei alles unter Schonung
erworbener Rechte, in vollster Gesetzlichkeit, frei und offen, am
hellen Tage, unter den Augen der Behörden, unter der Controle
der öffentlichen Meinung vollzogen werden kann. Die Auswande-
[] rung von christlichen Proletariern nach anderen Welttheilen
käme durch die Judenbewegung zum Stillstande.

Die Staaten hätten ferner den Vortheil, dass ihr Exporthandel
gewaltig wüchse, denn da die ausgewanderten Juden
drüben noch lange auf die europäischen Erzeugnisse angewiesen
wären, müssten sie sie nothwendig beziehen. Durch die Ortsgruppen
würde ein gerechter Ausgleich geschaffen, die gewohnten
Bedürfnisse müssten sich noch lange an den gewohnten Orten
decken.

Einer der grössten Vortheile wäre wohl die sociale Erleichterung.
Die sociale Unzufriedenheit könnte auf eine Zeit
hinaus beschwichtigt werden, die vielleicht 20 Jahre, vielleicht
länger dauern würde, jedenfalls aber die ganze Zeit der Judenwanderung
hindurch anhielte.

Die Gestaltung der socialen Frage hängt nur von der Entwicklung
der technischen Mittel ab. Der Dampf hat die Menschen
um die Maschinen herum in den Fabriken versammelt, wo sie
aneinander gedrückt sind und durch einander unglücklich werden.
Die Production ist eine ungeheure, wahllose, planlose, führt
jeden Augenblick zu schweren Krisen, durch die mit den Unternehmern
auch die Arbeiter zugrunde gehen. Der Dampf hat die
Menschen aneinandergepresst, die Anwendung der Elektricität
wird sie vermuthlich wieder auseinander streuen und vielleicht
in glücklichere Arbeitszustände bringen. Jedenfalls werden die
technischen Erfinder, die wahren Wohlthäter der Menschheit,
auch nach Beginn der Judenwanderung weiterarbeiten und hoffentlich
so wunderbare Dinge finden wie bisher, nein, immer wunderbarere.

Schon scheint das Wort „unmöglich“ aus der Sprache der
Technik verschwunden zu sein. Käme ein Mann des vorigen
Jahrhunderts wieder, er fände unser ganzes Leben voll unbegreiflicher
Zaubereien. Wo wir Modernen mit unseren Hilfsmitteln
erscheinen, verwandeln wir die Wüste in einen Garten. Zur Errichtung
von Städten genügen uns jetzt soviele Jahre, als man
in früheren Epochen der Geschichte Jahrhunderte brauchte –
dafür zahllose Beispiele in Amerika. Die Entfernungen sind als
Hinderniss überwunden. Die Schatzkammer des modernen Geistes
enthält schon unermessliche Reichthümer; jeder Tag vermehrt
sie, hunderttausend Köpfe sinnen, suchen auf allen Punkten der
Erde, und was einer entdeckt hat, gehört im nächsten Augenblick
der ganzen Welt.

Wir selbst möchten im Judenlande alle neuen Versuche
benützen, fortbilden, und wie wir im Siebenstundentage ein Experiment
zum Wohle der ganzen Menschheit machen, so wollen
[] wir in Allem Menschenfreundlichen vorangehen und als neues
Land ein Versuchsland und Musterland vorstellen.

Nach dem Abzug der Juden werden die von ihnen geschaffenen
Unternehmungen verbleiben wo sie waren. Und nicht
einmal der jüdische Unternehmungsgeist wird dort fehlen, wo
man ihn gerne sieht. Das mobile jüdische Capital wird auch
fernerhin seine Anlagen dort suchen, wo seinen Besitzern die
Verhältnisse wohlbekannt sind. Und während jetzt das jüdische
Geldcapital wegen der Verfolgungen ausser Landes die entlegensten
Unternehmungen aufsucht, wird es bei dieser friedlichen
Lösung zurückkehren und zum weiteren Aufschwung der
bisherigen Wohnorte der Juden beitragen.

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[]

Schlusswort.


[][]

Wie Vieles ist noch unerörtert geblieben, wie viele Mängel,
schädliche Flüchtigkeiten und nutzlose Wiederholungen
weist noch immer diese Schrift auf, die ich mir lange wohl bedacht
und oft überarbeitet habe.

Der redliche Leser, der auch verständig genug ist, im
Inneren der Worte zu lesen, wird sich von den Mängeln nicht
abstossen lassen. Er wird sich eher angeeifert fühlen, mit seinem
Scharfsinn und seiner Kraft theilzunehmen an einem Werk, das
keinem Einzelnen gehört, und es zu verbessern.

Habe ich nicht selbstverständliche Dinge erklärt und wichtige
Bedenken übersehen?

Einige Einwände habe ich zu widerlegen versucht; ich
weiss, es gibt noch andere, viele, es gibt hohe und niedere.

Zu den hohen Einwendungen gehört es, dass in der Welt
die Nothlage der Juden nicht die einzige ist. – Ich meine aber,
dass wir immerhin anfangen sollen, ein wenig Elend hinwegzuräumen;
wäre es auch vorläufig nur unser eigenes.

Ferner kann gesagt werden, dass wir nicht neue Unterschiede
zwischen die Menschen bringen sollten; keine neuen
Grenzen errichten, lieber die alten verschwinden machen. – Ich
meine, das sind liebenswerthe Schwärmer, die so denken; aber
der Staub ihrer Knochen wird schon spurlos zerblasen sein, wenn
die Vaterlandsidee noch immer blühen wird. Die allgemeine
Verbrüderung ist nicht einmal ein schöner Traum. Der Feind
ist nöthig für die höchsten Anstrengungen der Persönlichkeit.

Aber wie? Die Juden würden wohl in ihrem eigenen Staat
keinen Feind mehr haben, und da sie im Wohlergehen schwach
werden und schwinden, so würde das Judenvolk dann erst recht
zu Grunde gehen? – Ich meine, die Juden werden immer genug
Feinde haben, wie jede andere Nation. Wenn sie aber auf ihrem
eigenen Boden sitzen, können sie nie mehr in alle Welt zerstreut
werden. Wiederholt kann die Diaspora nicht werden, solange die
ganze Cultur der Welt nicht zusammenbricht. Und davor kann
[] sich nur ein Einfältiger fürchten. Die jetzige Cultur hat Machtmittel
genug, um sich zu vertheidigen.

Die niederen Einwendungen sind zahllos, wie es ja auch
mehr niedere Menschen gibt als hohe. Einige beschränkte Vorstellungen
versuchte ich niederzuringen. Wer sich hinter die
weisse Fahne mit den sieben Sternen stellen will, muss mithelfen
in diesem Aufklärungs-Feldzug. Vielleicht wird der Kampf zuerst
gegen manche böse, engherzige, beschränkte Juden geführt werden
müssen.

Wird man nicht sagen, dass ich den Antisemiten Waffen
liefere? Warum? Weil ich das Wahre zugebe? Weil ich nicht
behaupte, dass wir lauter vortreffliche Menschen unter uns haben?

Wird man nicht sagen, dass ich einen Weg zeige, auf dem
man uns schaden könnte? Das bestreite ich auf das Entschiedenste.
Was ich vorschlage, kann nur ausgeführt werden mit freier Zustimmung
der Judenmehrheit. Es kann gegen einzelne, selbst
gegen die Gruppen der jetzt mächtigsten Juden gemacht werden
– aber nie und nimmermehr vom Staat aus gegen alle Juden.
Man kann die gesetzliche Gleichberechtigung der Juden, wo sie
einmal besteht, nicht mehr aufheben; denn schon die einleitenden
Versuche würden sofort alle Juden, Arm und Reich, den Umsturzparteien
zujagen. Schon der Beginn officieller Ungerechtigkeiten
gegen die Juden hat überall wirthschaftliche Krisen im Gefolge.
Man kann also eigentlich wenig Wirksames gegen uns thun, wenn
man sich nicht selbst weh thun will. Dabei wächst und wächst
der Hass. Die Reichen spüren davon nicht viel. Aber unsere
Armen! Man frage unsere Armen, die seit der Erneuerung des
Antisemitismus furchtbarer proletarisirt wurden, als je vorher.

Werden einige Wohlhabende meinen, der Druck sei noch
nicht gross genug für die Auswanderung, und selbst bei gewaltsamen
Judenaustreibungen zeige sich, wie ungern unsere Leute
gingen? Ja, weil sie nicht wissen, wohin! Weil sie nur aus einem
Elend in's andere kommen. Aber wir zeigen ihnen den Weg in
das Gelobte Land. Und mit der schrecklichen Macht der Gewohnheit
muss die herrliche Macht der Begeisterung ringen.

Die Verfolgungen sind nicht mehr so bösartig wie im Mittelalter?
Ja, aber unsere Empfindlichkeit ist gewachsen, so dass
wir keine Verminderung der Leiden spüren. Die lange Verfolgung
hat unsere Nerven überreizt.

Und wird man noch sagen: die Unternehmung sei hoffnungslos,
selbst wenn wir das Land und die Souveränetät bekommen
– weil nur die Armen mitgehen werden? Gerade die brauchen
wir zuerst! Nur die Desperados taugen zum Erobern.

Wird Jemand sagen: Ja, wenn das möglich wäre, hätte
man es schon gemacht?

[]

Früher war es nicht möglich. Jetzt ist es möglich. Noch
vor hundert, vor fünfzig Jahren wäre es eine Schwärmerei gewesen,
Heute ist das Alles wirklich. Die Reichen, die einen genussvollen
Ueberblick über sämmtliche technischen Errungenschaften
haben, wissen sehr gut, was mit Geld alles gemacht
werden kann. Und so wird es zugehen: gerade die Armen und
Einfachen, die gar nicht ahnen, welche Gewalt über die Naturkräfte
der Mensch schon besitzt, werden die neue Botschaft am
stärksten glauben. Denn sie haben die Hoffnung auf das Gelobte
Land nicht verloren.

Da ist es, Juden! Kein Märchen, kein Betrug! Jeder kann
sich davon überzeugen, denn Jeder trägt ein Stück vom Gelobten
Land hinüber: der in seinem Kopf, und der in seinen Armen,
und Jener in seinem erworbenen Gut.

Nun könnte es scheinen, als wäre das eine langwierige
Sache. Auch im günstigsten Falle würde der Beginn der Staatsgründung
noch viele Jahre auf sich warten lassen. Inzwischen
werden die Juden auf tausend Punkten gehänselt, gekränkt, gescholten,
geprügelt, geplündert und erschlagen. Nein, wenn wir
auch nur beginnen, den Plan auszuführen, kommt der Antisemitismus
überall und sofort zum Stillstand. Denn es ist der Friedensschluss.

Wenn die Jewish Company gebildet ist, wird diese Nachricht
in einem Tage nach den fernsten Punkten der Erde durch
den Blitz unserer Drähte hinausgetragen worden sein.

Und augenblicklich beginnt auch die Erleichterung. Aus
den Mittelständen fliessen unsere überproducirten mittleren Intelligenzen,
fliessen ab in unsere ersten Organisationen, bilden
unsere ersten Techniker, Officiere, Professoren, Beamten, Juristen,
Aerzte. Und so geht die Sache weiter, eilig und doch ohne Erschütterung.

Man wird in den Tempeln beten für das Gelingen des
Werkes. Aber in den Kirchen auch! Es ist die Lösung eines alten
Druckes, unter dem Alle litten.

Aber zunächst muss es licht werden in den Köpfen. Der
Gedanke muss hinausfliegen bis in die letzten jammervollen
Nester, wo unsere Leute wohnen. Sie werden aufwachen aus
ihrem dumpfen Brüten. Denn in unser Aller Leben kommt ein
neuer Inhalt. Jeder braucht nur an sich selbst zu denken, und der
Zug wird schon ein gewaltiger.

Und welcher Ruhm erwartet die selbstlosen Kämpfer für
die Sache!

Darum glaube ich, dass ein Geschlecht wunderbarer Juden
aus der Erde wachsen wird. Die Makkabäer werden wieder auf-
stehen.

[]

Noch einmal sei das Wort des Anfangs wiederholt: Die
Juden, die wollen, werden ihren Staat haben.

Wir sollen endlich als freie Männer auf unserer eigenen
Scholle leben und in unserer eigenen Heimat ruhig sterben.

Die Welt wird durch unsere Freiheit befreit, durch unseren
Reichthum bereichert, und vergrössert durch unsere Grösse.

Und was wir dort nur für unser eigenes Gedeihen versuchen,
wirkt machtvoll und beglückend hinaus zum Wohle aller Menschen.


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Gesellschafts-Buchdruckerei Brüder Hollinek, III., Erdbergstrasse 3.

Dieses Werk ist gemeinfrei.


Rechtsinhaber*in
Kolimo+

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2025). Collection 2. Der Judenstaat. Der Judenstaat. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bn70.0