Schlacht bei Fehrbellin.
Druck und Verlag von J. B. Wallishauſſer.
Berlin,: bei Reimer.
[]
- Friedrich Wilhelm, Kurfürſt von Brandenburg.
- Die Kurfürſtin.
- Prinzeſſin Natalie, ſeine Nichte.
- Feldmarſchall Dörfling.
- Prinz Friedrich Arthur, General der Reiterei.
- Obriſt Kottwitz, vom Regiment der Prinzeſſin Natalie.
- Hennings,
- Graf Truchß,
- Graf Heinrich, von der Suite des Kurfürſten.
- Rittmeiſter von Golz.
- Graf Georg von Sparren,
- Stranz,
- Siegfried von Mörner,
- Graf Stein,
- Ein Wachtmeiſter.
- Officiere. Korporale und Reiter. Hofcavaliere. Hof-
damen. Pagen. Heiducken. Bedienten. Volk jedes
Alters und Geſchlechts.
Perſonen.
Oberſten der Infanterie.
Rittmeiſter.
Erſter Akt.
Hintergrunde ein Schloß, von welchem eine Rampe hera[b]f[ü]hrt. —
Es iſt Nacht.
Erſter Auftritt.
ner Bruſt, halb wachend, halb ſchlafend, unter einer Eiche
und windet ſich einen Kranz.) — Der Kurfürſt, ſeine
Gemahlin, Prinzeſſin Natalie, Graf Hein-
rich, Rittmeiſter Golz und Andere (treten heim-
lich aus dem Schloß und ſchauen vom Geländer der Rampe auf
ihn nieder.) — Pagen mit Fackeln.
Prinz Friedrich Arthur, unſer tapfrer Vetter,
Der, an der Reiter Spitze, ſeit drei Tagen
Den flücht’gen Schweden munter nachgeſetzt,
Und ſich erſt heute wieder, athemlos,
Im Hauptquartier zu Fehrbellin gezeigt:
Befehl ward ihm von Dir, hier länger nicht,
Als nur drei Fütt’rungsſtunden zu verweilen,
Und gleich dem Wrangel wiederum entgegen,
Der ſich am Rhyn verſucht hat einzuſchanzen,
Bis an die Hackelberge vorzurücken?
So iſt’s!
Die Chefs nun ſämmtlicher Schwadronen,
A
[2] Zum Aufbruch aus der Stadt, dem Plan gemäß,
Glock zehn zu Nacht, gemeſſen inſtruirt,
Wirft er erſchöpft, gleich einem Jagdhund lechzend,
Sich auf das Stroh, um für die Schlacht, die uns
Bevor beim Strahl des Morgens ſteht, ein wenig
Die Glieder, die erſchöpften, auszuruhn.
So hört’ ich! — Nun?
Da nun die Stunde ſchlägt,
Und aufgeſeſſen ſchon die ganze Reiterei
Den Acker vor dem Thor zerſtampft,
Fehlt — wer? Prinz Arthur noch, ihr Führer.
Mit Fackeln wird und Lichtern und Laternen
Der Held geſucht — und aufgefunden, wo?
Als ein Nachtwandler, ſchau, auf jener Bank,
Wohin, im Schlaf, wie Du nie glauben wollteſt,
Der Mondſchein ihn gelockt, beſchäftiget,
Sich träumend, ſeiner eignen Nachwelt gleich,
Den prächt’gen Kranz des Ruhmes einzuwinden.
Was!
In der That! Schau hier herab: da ſitzt er!
Im Schlaf verſenkt? Unmöglich!
Feſt im Schlafe!
Ruf’ ihn bei Namen auf, ſo fällt er nieder.
Der junge Mann iſt krank, ſo wahr ich lebe.
[3]
Er braucht des Arztes —!
Man ſollt’ ihm helfen, dünkt mich,
Nicht den Moment verbringen, ſein zu ſpotten!
Er iſt geſund, ihr mitleidsvollen Frauen,
Bei Gott, ich bin’s nicht mehr! Der Schwede morgen,
Wenn wir im Feld’ ihn treffen, wird’s empfinden!
Es iſt nichts weiter, glaubt mir auf mein Wort,
Als eine bloße Unart ſeines Geiſtes.
Fürwahr! Ein Mährchen glaubt ich’s! — Folgt mir, Freunde,
Und laßt uns näher ihn einmal betrachten.
Zurück! Die Fackeln!
Laßt ſie, laßt ſie, Freunde!
Der ganze Flecken könnt’ in Feuer aufgehn,
Daß ſein Gemüth davon nicht mehr empfände,
Als der Demant, den er am Finger trägt.
Was für ein Laub denn flicht er? — Laub der Weide?
Was! Laub der Weid’, o Herr! — Der Lorbeer iſt’s,
Wie er’s geſehn hat, an der Helden Bildern,
Die zu Berlin im Rüſtſaal aufgehängt.
— Wo fand er den in meinem märkſchen Sand?
Das mögen die gerechten Götter wiſſen!
A 2
[4]
Vielleicht im Garten hinten, wo der Gärtner
Mehr noch der fremden Pflanzen auferzieht.
Seltſam, beim Himmel! Doch, was gilt’s ich weiß,
Was dieſes jungen Thoren Bruſt bewegt?
O — was! Die Schlacht von morgen, mein Gebieter!
Sterngucker ſieht er, wett’ ich, ſchon im Geiſt,
Aus Sonnen einen Siegeskranz ihm winden.
Jetzt iſt er fertig!
Schade, ewig Schade,
Daß hier kein Spiegel in der Nähe iſt!
Er würd’ ihm, eitel wie ein Mädchen, nahn,
Und ſich den Kranz bald ſo, und wieder ſo,
Wie eine florne Haube aufprobiren.
Bei Gott! ich muß doch ſehn, wie weit er’s treibt!
Prinz erröthet und ſieht ihn an. Der Kurfürſt ſchlingt
ſeine Halskette um den Kranz und gibt ihn der Prinzeſſin;
der Prinz ſteht lebhaft auf. Der Kurfürſt weicht mit der
Prinzeſſin, welche den Kranz erhebt, zurück; der Prinz
mit ausgeſtreckten Armen folgt ihr.)
Natalie! Mein Mädchen! Meine Braut!
Geſchwind! Hinweg!
Was ſagt der Thor?
Was ſprach er?
[5]
Friedrich! Mein Fürſt! Mein Vater!
Höll’ und Teufel!
Oeffn’ mir die Pforte nur!
O meine Mutter!
Der Raſende! Er iſt —
Wen nennt er ſo?
O! Liebſte! Was entweichſt du mir? Natalie!
Himmel und Erde! Was ergriff er da?
Den Kranz?
Nein, nein!
Hier raſch herein, mein Fürſt!
Auf daß das ganze Bild ihm wieder ſchwinde!
In’s Nichts mit dir zurück, mein junger Prinz,
In’s Nichts, in’s Nichts! In dem Gefild der Schlacht,
Sehn wir, wenn’s Dir gefällig iſt, uns wieder!
Im Traum erringt man ſolche Dinge nicht!
[6]
Zweiter Auftritt.
vor der Thüre ſtehen; ſteigt dann ſinnend, die Hand, in
welcher er den Handſchuh hält, vor die Stirne gelegt, von der
Rampe herab; kehrt ſich, ſob [...] er unten iſt, um, und ſieht
wieder nach der Thür hinauf.)
Dritter Auftritt.
Ihm folgt) ein Page. — Prinz Arthur.
Herr Graf, ſo hört doch! Gnädigſter Herr Graf!
Still! die Cicade! — Nun? Was gibts?
Mich ſchickt —!
Weck’ ihn mit deinem Zirpen mir nicht auf!
— Wohlan! Was gibts?
Der Kurfürſt ſchickt mich her!
Dem Prinzen möchtet Ihr, wenn er erwacht,
Kein Wort, befiehlt er, von dem Scherz entdecken,
Den er ſich eben jetzt mit ihm erlaubt!
Ei, ſo leg’ Dich im Waizenfeld auf’s Ohr,
Und ſchlaf Dich aus! Das wußt’ ich ſchon! Hinweg!
[7]
Vierter Auftritt.
der noch immer unverwandt die Rampe hinaufſieht.)
Arthur!
Da liegt er; eine Kugel trifft nicht beſſer!
Nun bin ich auf die Fabel nur begierig,
Die er erſinnen wird, mir zu erklären,
Warum er hier ſich ſchlafen hat gelegt.
Arthur! He! Biſt des Teufels Du? Was machſt Du?
Wie kommſt Du hier zu Nacht auf dieſen Platz?
Je, Lieber!
Nun, fürwahr, das muß ich ſagen!
Die Reiterei iſt, die Du commandirſt,
Auf eine Stunde ſchon im Marſch voraus,
Und Du, Du liegſt im Garten hier und ſchläfſt.
Welch’ eine Reiterei?
Die Mamelucken! —
So wahr ich Leben athm’, er weiß nicht mehr,
Daß er der märkſchen Reiter Oberſt iſt?!
Raſch! Meinen Helm! Die Rüſtung!
Ja, wo ſind ſie?
Zur Rechten, Heinz, zur Rechten; auf dem Schemel!
[8]
Wo? Auf dem Schemel?
Ja, da legt’ ich, mein’ ich —!
So nimm ſie wieder von dem Schemel weg!
— Was iſt dieß für ein Handſchuh?
Ja, was weiß ich? —
Verwünſcht! Den hat er der Prinzeſſin Nichte,
Dort oben unbemerkt vom Arm geriſſen!
Nun, raſch! Hinweg! Was ſäumſt Du? Fort!
Gleich! gleich! —
He, Franz! der Schurke, der mich wecken ſollte —
Er iſt ganz raſend toll!
Bei meinem Eid!
Ich weiß nicht, liebſter Heinrich, wo ich bin.
In Fehrbellin, Du ſinnverwirrter Träumer;
In einem von des Gartens Seitengängen,
Der ausgebreitet hinterm Schloſſe liegt!
Daß mich die Nacht verſchläng’! Mir unbewußt
Im Mondſchein bin ich wieder umgewandelt!
Vergib! Ich weiß nun ſchon. Es war, Du weißt, vor Hitze,
[9] Im Bette geſtern faſt nicht auszuhalten;
Ich ſchlich erſchöpft in dieſen Garten mich,
Und weil die Nacht ſo lieblich mich umfing,
Mit blondem Haar, von Wohlgeruch ganz triefend,
Ach! wie den Bräutgam eine Perſer-Braut,
So legt’ ich hier in ihren Schooß mich nieder.
— Was iſt die Glocke jetzo?
Halb auf Zwölf.
Und die Schwadronen, ſagſt Du, brachen auf?
Verſteht ſich, ja! Glock zehn; dem Plan gemäß!
Das Regiment Prinzeſſin von Oranien,
Hat, wie kein Zweifel iſt, an ihrer Spitze
Bereits die Höhn von Hackelwitz erreicht,
Wo ſie des Heeres ſtillen Aufmarſch morgen,
Dem Wrangel gegenüber, decken ſollen.
Es iſt gleichviel! Der alte Kottwitz führt ſie,
Der jede Abſicht dieſes Marſches kennt.
Zudem hätt’ ich zurück in’s Hauptquartier
Um zwei Uhr Morgens wiederkehren müſſen,
Weil hier Parol’ noch ſoll empfangen werden:
So blieb ich beſſer gleich im Ort zurück.
Komm; laß uns gehn! Der Kurfürſt weiß von nichts?
Ei, was! Der liegt im Bette längſt und ſchläft.
Handſchuh auf.)
Welch’ einen ſonderbaren Traum träumt ich?! —
Mir war, als ob, von Gold und Silber ſtrahlend,
Ein Königsſchloß ſich plötzlich öffnete,
[10] Und hoch von ſeiner Marmorramp’ herab,
Der ganze Reigen zu mir niederſtiege,
Der Menſchen, die mein Buſen liebt:
Der Kurfürſt und die Fürſtin, und die — dritte,
— Wie heißt ſie ſchon?
Wer?
Jene — die ich meine!
Ein Stummgeborner würd’ ſie nennen können!
Die Platen?
Nicht doch, Lieber!
Die Ramin?
Nicht, nicht doch, Freund!
Die Bork? die Winterfeld?
Nicht, nicht; ich bitte Dich! Du ſiehſt die Perle
Nicht vor den Ring, der ſie in Faſſung hält.
Zum Henker, ſprich! Läßt das Geſicht ſich rathen?
— Welch eine Dame meinſt Du?
Gleichviel! Gleichviel!
Der Nam’ iſt mir, ſeit ich erwacht, entfallen,
Und gilt zu dem Verſtändniß hier gleichviel.
Gut! So ſprich weiter!
Aber ſtör’ mich nicht! —
[11] Und er, der Kurfürſt, mit der Stirn des Zevs,
Hielt einen Kranz von Lorbeern in der Hand:
Er ſtellt ſich dicht mir vor das Antlitz hin,
Und ſchlägt, mir ganz die Seele zu entzünden,
Den Schmuck darum, der ihm vom Nacken hängt,
Und reicht ihn, auf die Locken mir zu drücken;
— O Lieber!
Wem?
O Lieber!
Nun, ſo ſprich!
Es wird die Platen wohl geweſen ſein.
Die Platen? Was! — Die jetzt in Preußen iſt?
Die Platen. Wirklich. Oder die Ramin?
Ach, die Ramin! Was! Die, mit rothen Haaren! —
Die Platen, mit den ſchelm’ſchen Veilchen-Augen!
Die, weiß man, die gefällt Dir.
Die gefällt mir. —
Nun, und die, ſagſt Du, reichte Dir den Kranz?
Hoch auf, gleich einem Genius des Ruhms,
Hebt ſie den Kranz, an dem die Kette ſchwankte,
Als ob ſie einen Helden krönen wollte.
Ich ſtreck’, in unausſprechlicher Bewegung,
Die Hände ſtreck’ ich aus, ihn zu ergreifen:
Zu Füßen will ich vor ihr niederſinken.
[12] Doch, wie der Duft, der über Thäler ſchwebt,
Vor eines Windes friſchem Hauch zerſtiebt,
Weicht mir die Schaar, die Ramp’ erſteigend, aus.
Die Rampe dehnt ſich, da ich ſie betrete,
Endlos, bis an das Thor des Himmels aus,
Ich greife rechts, ich greife links umher,
Der Theuren Einen ängſtlich zu erhaſchen.
Umſonſt! Des Schloſſes Thor geht plötzlich auf;
Ein Blitz, der aus dem Innern zuckt, verſchlingt ſie,
Das Thor fügt raſſelnd wieder ſich zuſammen:
Nur einen Handſchuh, heftig, im Verfolgen,
Streif ich der ſüßen Traumgeſtalt vom Arm:
Und einen Handſchuh, ihr allmächt’gen Götter,
Da ich erwache, halt’ ich in der Hand!
Bei meinem Eid! — Und nun meinſt Du, der Handſchuh,
Der ſei der ihre?
Weſſen?
Nun, der Platen!
Der Platen. Wirklich. Oder der Ramin? —
Schelm, der Du biſt, mit Deinen Viſionen!
Wer weiß von welcher Schäferſtunde, traun,
Dir noch der Handſchuh in den Händen klebt!
Was! Mir? Bei meiner Liebe —!
Ei, zum Henker,
Was kümmerts mich? Meinthalben ſei’s die Platen,
Sei’s die Ramin! Am Sonntag geht die Poſt nach Preußen,
Da kannſt Du auf dem kürz’ſten Weg’ erfahren,
[13] Ob Deiner Schönen dieſer Handſchuh fehlt. —
Fort! Es iſt Zwölf. Was ſtehn wir hier und plaudern.
— Da haſt Du Recht. Laß uns zu Bette gehn.
Doch was ich ſagen wollte, Lieber,
Iſt die Kurfürſtin noch und ihre Nichte hier,
Die liebliche Prinzeſſin von Oranien,
Die jüngſt in unſer Lager eingetroffen?
Warum? — Ich glaube gar der Thor —?
Warum? —
Ich ſollte, weißt Du, dreißig Reiter ſtellen,
Sie wieder von dem Kriegsplatz wegzuſchaffen.
Ramin hab ich’ deßhalb beordern müſſen.
Ei, was! Die ſind längſt fort! Fort, oder reiſen gleich!
Ramin, zum Aufbruch völlig fertig, ſtand
Die ganze Nacht durch mindſtens am Portal.
Doch fort! Zwölf iſt’s; und eh’ die Schlacht beginnt,
Wünſch’ ich mich noch ein wenig auszuruhn.
Ferne ſchießen.
Fünfter Auftritt.
Reiſekleidern, geführt von einem) Hofcavalier, (treten auf,
und laſſen ſich zur Seite nieder) Hofdamen. (Hierauf)
der Kurfürſt, Feldmarſchall Dörfling, der
Prinz Arthur (den Handſchuh im Collet), Graf
Heinrich, Graf Truchſeß, Obriſt Hennings,
Rittmeiſter von Golz und mehrere andere Ge-
nerale, Oberſten und Officiere.
Was iſt dies für ein Schießen? — Iſt das Götz?
[14]
Das iſt der Oberſt Götz, mein Fürſt und Herr,
Der mit dem Vortrab geſtern vorgegangen.
Er hat ſchon einen Officier geſandt,
Der im Voraus darüber Dich beruh’ge.
Ein ſchwed’ſcher Poſten iſt, von tauſend Mann,
Bis auf die Hackelberge vorgerückt;
Doch haftet Götz für dieſe Berge Dir,
Und ſagt mir an, Du möchteſt nur verfahren,
Als hätte ſie ſein Vortrab ſchon beſetzt.
Ihr Herrn, der Marſchall kennt den Schlachtentwurf;
Nehmt euren Stift, bitt’ ich, und ſchreibt ihn auf.
Feldmarſchall und nehmen ihre Schreibtafeln heraus.)
Ramin iſt mit dem Wagen vorgefahren?
Im Augenblick, mein Fürſt. — Man ſpannt ſchon an.
nieder.)
Ramin wird meine theur’ Eliſa führen,
Und dreißig rüſt’ge Reiter folgen ihm.
Ihr geht auf Kalkhuhns, meines Kanzlers Schloß,
Bei Havelberg, jenſeits des Havelſtroms,
Wo ſich kein Schwede mehr erblicken läßt. —
Hat man die Fähre wieder hergeſtellt?
Bei Havelberg? — Die Anſtalt iſt getroffen.
Zudem iſt’s Tag, bevor ihr ſie erreicht.
Natalie iſt ſo ſtill, mein ſüßes Mädchen?
— Was fehlt dem Kind’?
[15]
Mich ſchauert, lieber Onkel.
Und gleichwohl iſt mein Töchterchen ſo ſicher,
In ihrer Mutter Schooß war ſie’s nicht mehr.
Wann, denkſt Du, werden wir uns wiederſehen?
Wenn Gott den Sieg mir ſchenkt, wie ich nicht zweifle,
Vielleicht im Laufe dieſer Tage ſchon.
Feldmarſchall Dörfling dictirt. — Prinz Arthur,
Stift und Tafel in der Hand, fixirt die Damen.)
Der Plan der Schlacht, ihr Herren Oberſten,
Den die Durchlaucht des Herrn erſann, bezweckt,
Der Schweden flücht’ges Heer, zu gänzlicher
Zerſplittrung, von dem Brückenkopf zu trennen,
Der an dem Rhynfluß ihren Rücken deckt.
Der Oberſt Hennings —!
Hier!
Der, nach des Herren Willen, heut
Des Heeres rechten Flügel commandirt,
Soll, durch den Grund der Fackelbüſche, ſtill
Des Feindes linken zu umgehen ſuchen,
Sich muthig zwiſchen ihn und die drei Brücken werfen,
Und mit dem Grafen Truchß vereint —
Graf Truchß!
Hier!
[16]
Und mit dem Grafen Truchß vereint —
Der, auf den Höhn indeß, dem Wrangel gegenüber,
Mit den Kanonen Poſten hat gefaßt —
Kanonen Poſten hat gefaßt —
Habt ihr?
Die Schweden in den Sumpf zu jagen ſuchen,
Der hinter ihrem rechten Flügel liegt.
Der Wagen, gnäd’ge Frau, iſt vorgefahren.
Prinz Arthur —
— Iſt Ramin bereit?
Er harrt zu Pferd’ ſchon unten am Portal.
Der hinter ihrem rechten Flügel liegt.
Prinz Friedrich Arthur —
Wo iſt der Prinz?
Arthur!
Hier!
Biſt Du bei Sinnen?
[17]
Was befiehlt mein Marſchall?
Dem die Durchlaucht des Fürſten wiederum
Die Führung ruhmvoll, wie bei Rathenow,
Der ganzen märkſchen Reiterei vertraut —
Dem Obriſt Kottwitz gleichwohl unbeſchadet,
Der ihm mit ſeinem Rath zur Hand wird gehn —
Iſt Kottwitz hier?
Nein, mein General, Du ſiehſt,
Mich hat er abgeſchickt, an ſeiner Statt,
Aus Deinem Mund’ den Kriegsbefehl zu hören.
Stellt auf der Ebne ſich beim Dorfe Hackelwitz,
Des Feindes rechten Flügel gegenüber,
Fern außer dem Kanonenſchuſſe auf.
Fern außer dem Kanonenſchuſſe auf.
Hals. Die Prinzeſſin, indem ſie ſich die Handſchuh anzie-
hen will, ſieht ſich um, als ob ſie etwas ſuchte.)
Mein Töchterchen, was fehlt Dir —?
Suchſt Du etwas?
Ich weiß nicht, liebe Tante, meinen Handſchuh —
Ihr Schönen! Wollt ihr gütig euch bemühn?
B
[18]
Du hältſt ihn, Kind.
Den rechten; doch den linken?
Vielleicht daß er im Schlafgemach geblieben?
O liebe Bork!
Raſch, raſch!
Auf dem Kamin!
Herr meines Lebens! Hab’ ich recht gehört?
Fern außer dem Kanonenſchuſſe auf. —
Des Prinzen Durchlaucht wird —
Den Handſchuh ſucht ſie —!
Nach unſers Herrn ausdrücklichem Befehl —
Nach unſers Herrn ausdrücklichem Befehl —
Wie immer auch die Schlacht ſich wenden mag,
Vom Platz nicht, der ihm angewieſen, weichen —
— Raſch, daß ich jetzt erprüfe, ob er’s iſt!
len; das Schnupftuch hebt er wieder auf, den Handſchuh läßt
er ſo, daß ihn jedermann ſehen kann, liegen.)
[19]
Was macht des Prinzen Durchlaucht?
Arthur!
Hier!
Ich glaub
Du biſt des Teufels?!
Was befiehlt mein Marſchall?
ſieht ihn einen Augenblick fragend an. — Pauſe.)
Vom Platz nicht, der ihm angewieſen, weichen —
Als bis, gedrängt von Hennings und von Truchß —
tafel ſieht.)
Wer? Lieber Golz! Was? Ich?
Ihr, ja! Wer ſonſt?
Vom Platz nicht ſoll ich —?
Freilich!
Nun? Habt ihr?
Vom Platz nicht, der mir angewieſen, weichen —
Als bis, gedrängt von Hennings und von Truchß —
B 2
[20]
Des Feindes linker Flügel aufgelöſ’t,
Auf ſeinen rechten ſtürzt, und alle ſeine
Schlachthaufen wankend nach der Trift ſich drängen,
In deren Sümpfen, oft durchkreuzt von Gräben,
Der Kriegsplan eben iſt, ihn aufzureiben.
Ihr Pagen, leuchtet! — Euren Atm, ihr Lieben!
Dann wird er die Fanfare blaſen laſſen.
Auf Wiederſehn, ihr Herrn! Laßt uns nicht ſtören.
Sieh da! Des Fräuleins Handſchuh! Raſch! Dort liegt er!
Wo?
Zu des Prinzen, unſers Vetters, Füßen!
Zu meinen —? Was! Iſt das der eurige?
Ich dank’ euch, edler Prinz.
Iſt das der eure?
Der meinige; der, welchen ich vermißt.
Lebt wohl! Lebt wohl! Viel Glück und Heil und Segen!
Macht, daß wir bald und froh uns wiederſehn!
liere und Pagen folgen.)
[21]
er ſich mit triumphirenden Schritten wieder in den Kreis der Officiere
zurück.)
Dann wird er die Fanfare blaſen laſſen!
Dann wird er die Fanfare blaſen laſſen. —
Doch wird des Fürſten Durchlaucht ihm, damit
Durch Mißverſtand der Schlag zu früh nicht falle —
Durch Mißverſtand der Schlag zu früh nicht falle —
O Heinrich!
Nun! Was giebt’s? Was haſt Du vor?
Was! Sahſt Du nichts?
Nein, nichts! Sei ſtill, zum Henker!
Ihm einen Officier aus ſeiner Suite ſenden,
Der den Befehl, das merkt, ausdrücklich noch
Zum Angriff auf den Feind ihm überbringe.
Eh wird er nicht Fanfare blaſen laſſen.
— Habt ihr?
Eh wird er nicht Fanfare blaſen laſſen.
Des Prinzen Durchlaucht, habt ihr?
Mein Feldmarſchall!
[22]
Ob ihr geſchrieben habt?
— Von der Fanfare?
Fanfare! Sei verwünſcht! Nicht eh’, als bis der —
Als bis er ſelbſt —
Ja, allerdings! Eh nicht — —
Doch dann wird er Fanfare blaſen laſſen.
Den Obriſt Kottwitz, merkt das, Baron Golz,
Wunſch’ ich, wenn er es möglich machen kann,
Noch vor Beginn des Treffens ſelbſt zu ſprechen.
Beſtellen werd’ ich es. Verlaß’ Dich drauf.
Nun, meine General’ und Oberſten,
Der Morgenſtrahl ergraut! — Habt ihr geſchrieben?
Es iſt vollbracht, mein Fürſt; Dein Kriegsplan iſt
An Deine Feldherrn pünktlich ausgetheilt!
Mein Vetter Arthur, Dir empfehl’ ich Ruhe!
Du haſt am Ufer, weißt Du, mir des Rheins
Zwei Siege jüngſt verſcherzt; regier’ Dich wohl,
Und laß mich heut den dritten nicht entbehren,
Der Mindres nicht, als Thron und Reich, mir gilt!
Folgt mir! — He, Franz!
Hier!
[23]
Raſch! Den Schimmel vor!
— Noch vor der Sonn im Schlachtfeld will ich ſeyn!
Sechster Auftritt.
Nun denn, auf Deiner Kugel, Ungeheures,
Du, der den Windeshauch den Schleier heut,
Gleich einem Seegel, lüftet, roll’ heran!
Du haſt mir, Glück, die Locken ſchon geſtreift:
Ein Pfand ſchon warfſt Du, im Vorüberſchweben,
Aus Deinem Füllhorn lächelnd mir herab:
Heut, Kind der Götter, ſuch’ ich, Flüchtiges,
Ich haſche Dich im Feld der Schlacht und ſtürze
Ganz Deinen Segen mir zu Füßen um:
Wärſt Du auch ſiebenfach, mit Eiſenketten,
Am ſchwed’ſchen Siegeswagen feſtgebunden!
[24]
Zweiter Akt.
Erſter Auftritt.
Golz und andere Officiere, an der Spitze der
Reiterei (treten auf.)
Halt hier die Reiterei, und abgeſeſſen!
Halt! — halt!
Wer hilft vom Pferde mir, ihr Freunde?
Hier, Alter, hier!
Habt Dank! — Ouf! Daß die Peſt mich!
— Ein edler Sohn, für euren Dienſt, jedwedem,
Der euch, wenn ihr zerfallt, ein Gleiches thut!
hinter ihm.)
Ja, auf dem Roß fühl’ ich voll Jugend mich;
Doch ſitz’ ich ab, da hebt ein Strauß ſich an,
Als ob ſich Leib und Seele kämpfend trennten!
Wo iſt des Prinzen, unſers Führers, Durchlaucht?
[25]
Der Prinz kehrt gleich zu Dir zurück!
Wo iſt er?
Er ritt ins Dorf, das Dir, verſteckt in Büſchen,
Zur Seite blieb. Er wird gleich wiederkommen.
Zur Nachtzeit, hör’ ich, fiel er mit dem Pferd?
Ich glaube, ja!
Er fiel?
Nichts von Bedeutung!
Sein Rappe ſcheute an der Mühle ſich,
Jedoch, leichthin zur Seite niedergleitend,
That er auch nicht den mind’ſten Schaden ſich.
Es iſt den Odem keiner Sorge werth.
Ein ſchöner Tag, ſo wahr ich Leben athme!
Ein Tag, von Gott, dem hohen Herrn der Welt,
Gemacht zu ſüßerm Ding’, als ſich zu ſchlagen!
Die Sonne ſchimmert röthlich durch die Wolken,
Und die Gefühle flattern, mit der Lerche,
Zum heitern Duft des Himmels jubelnd auf!
Haſt du den Marſchall Dörfling aufgefunden?
Zum Henker, nein! Was denkt die Excellenz?
Bin ich ein Pfeil, ein Vogel, ein Gedanke,
Daß er mich durch das ganze Schlachtfeld ſprengt?
Ich war beim Vortrab, auf den Hackelhöhn,
Und in dem Hackelgrund, beim Hintertrab:
[26] Doch wen ich nicht gefunden, war der Marſchall!
Drauf meine Reiter ſucht’ ich wieder auf.
Das wird ſehr leid ihm thun. Es ſchien er hatte
Dir von Belang noch etwas zu vertrauen.
Da kommt des Prinzen, unſers Führers, Durchlaucht!
Zweyter Auftritt.
Die Vorigen.
Sei mir gegrüßt, mein junger, edler Prinz!
Schau her, wie während Du im Dörfchen warſt,
Die Reiter ich im Thalweg aufgeſtellt:
Ich denk’, Du wirſt mit mir zufrieden ſeyn!
Guten Morgen, Kottwitz! — Guten Morgen, Freunde!
— Du weißt, ich lobe Alles, was Du thuſt.
Was machteſt, Arthur, in dem Dörfchen Du?
— Du ſcheinſt ſo ernſt!
Ich — war in der Kapelle,
Die aus des Dörfchens ſtillen Büſchen blinkte.
Man läutete, da wir vorüberzogen,
Zur Andacht eben ein, da trieb mich’s an,
Am Altar auch mich betend hinzuwerfen.
Ein frommer junger Herr, das muß ich ſagen!
Das Werk, glaubt mir, das mit Gebet beginnt,
Das wird mit Heil und Ruhm und Sieg ſich krönen!
[27]
Was ich Dir ſagen wollte, Heinrich —
Was war’s ſchon, was der Dörfling, mich betreffend,
Bei der Parol’ hat geſtern vorgebracht?
— Du warſt zerſtreut. Ich hab’ es wohl geſehn.
Zerſtreut — getheilt; ich weiß nicht, was mir fehlte.
Dictiren in die Feder macht mich irr. —
— Zum Glück nicht dießmal eben viel für Dich.
Der Truchß und Hennings, die das Fußvolk führen,
Die ſind zum Angriff auf den Feind beſtimmt,
Und Dir iſt aufgegeben, hier zu halten
Im Thal, ſchlagfertig mit der Reiterei,
Bis man zum Angriff den Befehl Dir ſchickt.
— Ein wunderlicher Vorfall!
Welcher, Lieber?
Holla, ihr Herrn, holla! Sitzt auf, ſitzt auf!
Das iſt der Hennings und die Schlacht beginnt!
Wer iſt es? Was?
Der Obriſt Hennings, Arthur,
Der ſich in Wrangels Rücken hat geſchlichen!
Komm nur, dort kannſt Du Alles überſchauen.
[28]
Seht, wie er furchtbar ſich am Rhyn entfaltet!
— Der Hennings dort auf unſerm rechten Flügel?
Ja, mein erlauchter Prinz.
Was auch, zum Henker!
Der ſtand ja geſtern auf des Heeres Linken.
Blitzelement! Seht, aus zwölf Feuerſchlünden
Wirkt jetzt der Wrangel auf den Hennings los!
Das nenn’ ich Schanzen das, die ſchwediſchen!
Bei Gott, gethürmt, bis an die Kirchthurmsſpitze
Des Dorfs, das hinter ihrem Rücken liegt!
Das iſt der Truchß!
Der Truchß?
Der Truchß, er, ja;
Der Hennings jetzt von vorn zu Hülfe kommt.
Wie kommt der Truchß heut in die Mitte?
O Himmel, ſchaut, mich dünkt das Dorf fing Feuer!
Es brennt, ſo wahr ich leb’!
[29]
Es brennt! Es brennt!
Die Flamme zuckt ſchon an dem Thurm empor!
Hui! Wie die Schwedenboten fliegen rechts und links!
Sie brechen auf!
Wo?
Auf dem rechten Flügel! —
Freilich! In Zügen! Mit drei Regimentern!
Es ſcheint, den linken wollen ſie verſtärken.
Bei meiner Treu! Und Reiterei rückt vor,
Den Marſch des rechten Flügels zu bedecken!
Ha! Wie das Feld die wieder räumen wird,
Wenn ſie verſteckt uns hier im Thal erblickt!
Schaut, Brüder, ſchaut!
Horcht!
Feuer der Musketen!
Jetzt ſind ſie bei den Schanzen aneinander! —
Bei Gott! Solch einen Donner des Geſchützes
Hab’ ich Zeit meines Lebens nicht gehört!
[30]
Schießt! Schießt! und macht den Schooß der Erde berſten!
Der Riß ſoll eurer Leichen Grabmal ſeyn!
Herr, Du, dort oben, der den Sieg verleiht:
Der Wrangel kehrt den Rücken ſchon!
Nein, ſprich!
Beim Himmel, Freunde! Auf dem linken Flügel!
Er räumt mit ſeinem Feldgeſchütz die Schanzen.
Triumph! Triumph! Triumph! Der Sieg iſt unſer!
Auf, Kottwitz, folg’ mir!
Ruhig, ruhig, Kinder!
Auf! Laß Fanfare blaſen! Folge mir!
Ich ſage, ruhig.
Himmel, Erd’ und Hölle!
Des Herrn Durchlaucht, bei der Parole geſtern,
Befahl, daß wir auf Ordre warten ſollen.
Golz, lies den Herren die Parole vor.
Auf Ordr’? Ei, Kottwitz! Reiteſt Du ſo langſam?
Haſt Du ſie noch vom Herzen nicht empfangen?
Ordre?
[31]
Ich bitte Dich!
Von meinem Herzen?
Laß Dir bedeuten, Arthur!
Hör’, mein Obriſt!
Oho! Kömmſt Du mir ſo, mein junger Herr? —
Den Gaul, den Du daher ſprengſt, ſchlepp’ ich noch
Im Nothfall an dem Schwanz des meinen fort!
Marſch, Marſch, ihr Herrn! Trompeter, die Fanfare!
Zum Kampf! Zum Kampf! Der Kottwitz iſt dabei!
Nein, nimmermehr, mein Obriſt! Nimmermehr!
Der Hennings hat den Rhyn noch nicht erreicht!
Nimm ihm den Degen ab!
Den Degen mir?
Ei, Du vorwitz’ger Knabe, der Du noch
Nicht die zehn märkiſchen Gebote kennſt!
Hier iſt der deinige, zuſammt der Scheide!
Mein Prinz, die That, bei Gott —!
Den Mund noch öffneſt —?
Schweig! Biſt Du raſend?
[32]
Ordonanzen! —
Führt ihn gefangen ab, in Hauptquartier.
Und jetzt iſt die Parol’, ihr Herrn: ein Schurke,
Wer ſeinem General zur Schlacht nicht folgt!
— Wer von euch bleibt?
Du hörſt. Was eiferſt Du?
Es war ein Rath nur, den man Dir ertheilt.
Auf Deine Kappe nimm’s. Ich folge Dir.
Ich nehm’s auf meine Kappe. Folgt mir, Brüder!
Dritter Auftritt.
Ein Bauer und ſeine Frau (ſitzen an einem Tiſch und
arbeiten.)
Glück auf, ihr wackern Leute! Habt ihr Platz,
In eurem Hauſe Gäſte aufzunehmen?
O ja! Von Herzen.
Darf man wiſſen, wen?
Die hohe Landesmutter! Keine Schlechtere! —
Am Dorfthor brach die Axe ihres Wagens,
Und weil wir hören, daß der Sieg erfochten,
So braucht es weiter dieſer Reiſe nicht.
[33]
Der Sieg erfochten? — Himmel!
Das wißt ihr nicht?
Das Heer der Schweden iſt auf’s Haupt geſchlagen,
Wenn nicht für immer, doch auf Jahresfriſt,
Die Mark vor ihrem Schwert und Feuer ſicher,
— Doch ſeht! Da kömmt die Landesfürſtin ſchon.
Vierter Auftritt.
talie und mehrere Hofdamen (folgen.) — Die
Vorigen.
Bork! Winterfeld! Kommt: gebt mir euren Arm!
O meine Mutter!
Gott! Sie bleicht! Sie fällt!
Führt mich auf einen Stuhl, ich will mich ſetzen.
— Todt, ſagt er; todt?
O meine theure Mutter!
Ich will den Unglücksboten ſelber ſprechen.
Fünfter Auftritt.
zwei Reitern geführt.) — Die Vorigen.
Was bringſt Du, Herold des Entſetzens, mir?
C
[34]
Was dieſe Augen, leider, theure Frau,
Zu meinem ew’gen Jammer, ſelbſt geſehn.
Wohlan! Erzähl’!
Der Kurfürſt iſt nicht mehr!
O Himmel!
Soll ein ſo ungeheurer Schlag uns treffen?
Erſtatte mir Bericht, wie er geſunken.
— Und wie der Blitzſtrahl, der den Wandrer trifft,
Die Welt noch einmal purpurn ihm erleuchtet,
So laß dein Wort ſeyn; Nacht, wenn du geſprochen,
Mög’ über meinem Haupt zuſammenſchlagen.
Prinz Friedrich Arthur war, ſobald der Feind,
Gedrängt von Truchß, in ſeiner Stellung wankte,
Auf Wrangel in die Ebne vorgerückt;
Zwei Linien hatt’ er, mit der Reiterei,
Durchbrochen ſchon, und auf der Flucht vernichtet,
Als er auf eine Feldredoute ſtieß;
Hier ſchlug ſo mörderiſcher Eiſenregen
Entgegen ihm, daß ſeine Reiterſchaar,
Wie eine Saat, ſich knickend niederlegte:
Halt’ mußt’ er machen zwiſchen Buſch und Hügeln,
Um ſein zerſtreutes Reitercorps zu ſammeln.
Geliebte! Faſſe Dich!
Laß, laß mich, Liebe!
[35]
In dieſem Augenblick, dem Staub’ entrückt,
Bemerken wir den Herrn, der, bei den Fahnen,
Des Truchß’ſchen Corps, dem Feind entgegenreitet;
Auf einem Schimmel, herrlich ſaß er da
Im Sonnenſtrahl, die Bahn des Siegs erleuchtend.
Wir Alle ſammeln uns, bei dieſem Anblick,
Auf eines Hügels Abhang, ſchwer beſorgt,
In Mitten ihn des Feuers zu erblicken:
Als plötzlich jetzt der Kurfürſt, Roß und Reiter,
In Staub vor unſern Augen niederſinkt;
Zwei Fahnenträger fielen über ihn,
Und deckten ihn mit ihren Fahnen zu.
O meine Mutter!
Himmel!
Weiter! Weiter!
Drauf faßt, bei dieſem ſchreckenvollen Anblick,
Schmerz, unermeßlicher, des Prinzen Herz;
Dem Bären gleich, von Wuth geſpornt und Rache,
Bricht er mit uns auf die Verſchanzung los:
Der Graben wird, der Erdwall, der ſie deckt,
Im Anlauf überflogen, die Beſatzung
Geworfen, auf das Feld zerſtreut, vernichtet,
Kanonen, Fahnen, Pauken und Standarten,
Der Schweden ganzes Kriegsgepäck, erbeutet:
Und hätte nicht der Brückenkopf am Rhyn
Im Würgen uns gehemmt, ſo wäre keiner,
Der, an dem Heerd der Väter, ſagen könnte:
Bei Fehrbellin ſah ich den Helden fallen!
C 2
[36]
Ein Sieg, zu theu’r erkauft! Ich mag ihn nicht.
Gebt mir den Preis, den er gekoſtet, wieder.
Hilf, Gott im Himmel! Ihre Sinne ſchwinden.
Sechster Auftritt.
O meine theuerſte Natalie!
So iſt es wahr?
O! Könnt’ ich ſagen: nein!
Könnt’ ich mit Blut, aus dieſem treuen Herzen,
Das ſeinige zurück ins Daſeyn rufen! —
Hat man denn ſchon die Leiche aufgefunden?
Ach, mein Geſchäft, bis dieſen Augenblick,
War Rache nur an Wrangel; wie vermocht’ ich,
Solch’ einer Sorge mich bis jetzt zu weihn?
Doch eine Schaar von Männern ſandt’ ich aus,
Ihn, im Gefild des Todes, aufzuſuchen:
Vor Nacht noch zweifelsohne trifft er ein.
Wer wird, in dieſem ſchauderhaften Kampf,
Jetzt dieſe Schweden niederhalten? Wer
Vor dieſer Welt von Feinden uns beſchirmen,
Die uns ſein Glück, die uns ſein Ruhm erworben?
[37]
Ich, Fräulein, übernehme eure Sache!
Ein Engel will ich, mit dem Flammenſchwert,
An eures Throns verwaiſ’ten Stufen ſtehn!
Der Kurfürſt wollte, eh das Jahr noch wechſelt,
Befreit die Marken ſehn; wohlan! ich will der
Vollſtrecker ſolchen letzten Willens ſeyn!
Mein lieber, theurer Vetter!
O Natalie!
Wie denkt ihr über eure Zukunft jetzt?
Ja, was ſoll ich, nach dieſem Wetterſchlag,
Der unter mir den Grund zerreißt, beginnen?
Mir ruht der Vater, mir die theure Mutter,
Im Grab zu Amſterdam; in Schutt und Aſche
Liegt Dortrecht, meines Hauſes Erbe, da;
Gedrängt von Spaniens Tyrannenheeren,
Weiß Moritz kaum, mein Vetter von Oranien,
Wo er die eignen Kinder retten ſoll;
Und jetzt ſinkt mir die letzte Stütze nieder,
Die meines Glückes Rebe aufrecht hielt.
Ich ward zum zweitenmale heut verwaiſ’t!
O meine Freundin! Wäre dieſe Stunde
Der Trauer nicht geweiht, ſo wollt’ ich ſagen:
Schlingt eure Zweige hier um dieſe Bruſt,
Um ſie, die ſchon ſeit Jahren, einſam blühend,
Nach eurer Blüthen holden Duft ſich ſehnt!
Mein lieber, guter Vetter!
[38]
— Wollt ihr? Wollt ihr?
— Wenn eins mit ihm ich werden darf?
Wie? Was war das?
Hinweg!
Natalie!
O Gott, wär er jetzt da, den wir beweinen,
Um dieſen Bund zu ſchauen! Könnten wir
Zu ihm aufſtammeln: Vater, ſegne uns!
wieder zur Kurfürſtin zurück.)
Siebenter Auftritt.
Mein Prinz, kaum wag’ ich, beim lebendigen Gott,
Welch’ ein Gerücht ſich ausſtreut, euch zu melden!
— Der Kurfürſt lebt!
Er lebt!
Beim hohen Himmel!
Graf Sparren bringt die Nachricht eben her.
Herr meines Lebens! Mutter, hörteſt Du’s?
Nein, ſag —! Wer bringt mir?
[39]
Graf Georg von Sparren,
Der ihn in Hackelwitz, beim Truchß’ſchen Corps,
Mit eignem Aug’, geſund und wohl, geſehn!
Geſchwind! Lauf, Alter! Bring’ ihn mir herein!
Achter Auftritt.
auf.) — Die Vorigen.
O ſtürzt mich zweimal nicht zum Abgrund nieder!
Nein, meine theure Mutter!
Friedrich lebt?
Des Daſeyns Gipfel nimmt euch wieder auf!
Hier iſt der Officier!
Herr Graf von Sparren!
Des Herrn Durchlaucht habt ihr, friſch und wohlauf,
Beim Truchß’ſchen Corps, in Hackelwitz geſehn?
Ja, mein erlauchter Prinz, im Hof des Pfarrers,
Wo er Befehle gab, vom Stab’ umringt,
Die Todten beider Heere zu begraben!
O Gott! An Deine Bruſt —
O meine Tochter!
[40]
Nein, dieſe Seligkeit iſt faſt zu groß!
Sah ich, von fern, an meiner Reiter Spitze,
Ihn nicht zerſchmettert von Kanonenkugeln,
In Staub, ſammt ſeinem Schimmel, niederſtürzen?
Der Schimmel, allerdings, ſtürzt’, ſammt dem Reiter,
Doch wer ihn ritt, mein Prinz, war nicht der Herr.
Nicht? Nicht der Herr?
O Jubel!
Sprich! Erzähle!
Dein Wort fällt ſchwer wie Gold in meine Bruſt!
O laßt die rührendſte Begebenheit,
Die je ein Ohr vernommen, euch berichten!
Der Landesherr, der, jeder Warnung taub,
Den Schimmel wieder ritt, den ſtrahlend weißen,
Den Froben jüngſt in England ihm erſtand,
War wieder, wie bis heut noch ſtets geſchah,
Das Ziel der feindlichen Kanonenkugeln.
Kaum konnte, wer zu ſeinem Troß gehörte,
Auf einen Kreis von hundert Schritt ihm nahn;
Granaten wälzten, Kugeln und Kartätſchen,
Sich wie ein breiter Todesſtrom daher,
Und Alles, was da lebte, wich an’s Ufer:
Nur er, der kühne Schwimmer, wankte nicht,
Und, ſtets den Freunden winkend, rudert’ er
Getroſt den Höh’n zu, wo die Quelle ſprang.
[41]
Beim Himmel, ja! Ein Grauſen war’s, zu ſehn.
Stallmeiſter Froben, der, beim Troß der Suite,
Zunächſt ihm folgt, ruft dieſes Wort mir zu:
»Verwünſcht ſey heut mir dieſes Schimmels Glanz,
Mit ſchwerem Gold in London jüngſt erkauft!
Wollt’ ich doch funfzig Stück Dukaten geben,
Könnt’ ich ihn mit dem Grau der Mäuſe decken.«
Er naht, voll heißer Sorge, ihm und ſpricht:
»Hoheit, Dein Pferd iſt ſcheu, Du mußt verſtatten,
Daß ich’s noch einmal in die Schule nehme!«
Mit dieſem Wort entſitzt er ſeinem Fuchs,
Und fällt dem Thier des Herren in den Zaum.
Der Herr ſteigt ab, ſtill lächelnd, und verſetzt:
»Die Kunſt, die Du ihn, Alter, lehren willſt,
Wird er, ſo lang’ es Tag iſt, ſchwerlich lernen.
Nimm, bitt’ ich, fern ihn, hinter jenen Hügeln,
Wo ſeines Fehls der Feind nicht achtet, vor!«
Dem Fuchs drauf ſitzt er auf, den Froben reitet,
Und kehrt zurück, wohin ſein Amt ihn ruft.
Doch Froben hat den Schimmel kaum beſtiegen,
So reißt, entſendet aus der Feldredoute,
Ihn ſchon ein Mordblei, Roß und Reiter, nieder:
In Staub ſinkt er, ein Opfer ſeiner Treue,
Und keinen Laut vernahm man mehr von ihm.
Er iſt bezahlt! — Wenn ich zehn Leben hätte,
Könnt’ ich ſie beſſer brauchen nicht, als ſo!
Der wackre Froben!
Der Vortreffliche!
[42]
Ein Schlechtrer wäre noch der Thränen werth!
Genug! Zur Sache jetzt. Wo iſt der Kurfürſt?
Nahm er in Hackelwitz ſein Hauptquartier?
Vergieb! Der Herr iſt nach Berlin gegangen,
Und die geſammte Generalität
Iſt aufgefordert, ihm dahin zu folgen.
Wie? Nach Berlin! — Iſt denn der Feldzug aus?
Fürwahr, ich ſtaune, daß Dir Alles fremd! —
Graf Horn, der ſchwed’ſche General, traf ein;
Es iſt im Lager, gleich nach ſeiner Ankunft,
Ein Waffenſtillſtand ausgerufen worden.
Wenn ich den Marſchall Dörfling recht verſtanden,
Ward eine Unterhandlung angeknüpft:
Leicht, daß der Frieden ſelbſt erfolgen kann.
O Gott, wie herrlich klärt ſich Alles auf!
Kommt, laßt ſogleich uns nach Berlin ihm folgen!
— Räumſt Du, zu raſcherer Befördrung, wohl
Mir einen Platz in Deinem Wagen ein?
— Zwei Zeilen nur an Kottwitz ſchreib ich noch,
Und ſteige augenblicklich mit Dir ein.
Von ganzem Herzen gern!
[43]
ſter; indem er ſich wieder zur Kurfürſtin wendet, und
den Arm ſanft um Nataliens Leib legt.)
Ich habe ſo
Dir einen Wunſch noch ſchüchtern zu vertraun,
Deſſ’ ich mich auf der Reiſ’ entlaſten will.
Bork! Raſch! Mein Halstuch, bitt’ ich!
Du? Einen Wunſch mir?
Ihr tragt das Tuch, Prinzeſſin, um den Hals!
Was? Räthſt Du nichts?
Nein, nichts!
Was? Keine Sylbe? —
Gleichviel! — Heut keinem Flehenden auf Erden
Antwort’ ich: Nein! was es auch immer ſey;
Und Dir, Du Sieger in der Schlacht, zuletzt!
— Hinweg!
O Mutter! Welch ein Wort ſprachſt Du?
Darf ichs mir deuten, wie es mir gefällt?
Hinweg, ſag’ ich! Im Wagen mehr davon!
Kommt, gebt mir euren Arm!
O Cäſar Divus!
Die Leiter ſetz’ ich an, an deinen Stern!
[44]
grunde die Schloßkirche mit einer Treppe. Glockenklang; die Kirche
iſt ſtark erleuchtet; man ſieht die Leiche Frobens vorübertragen
und auf einen prächtigen Katafalk niederſetzen.
Neunter Auftritt.
Hennings, Graf Truchß, und mehrere andere Ober-
ſten und Officiere (treten auf. Ihm gegenüber zeigen ſich
einige) Officiere mit Depeſchen. — (In der Kirche
ſowohl als auf dem Platz) Volk jedes Alters und Ge-
ſchlechts.
Wer immer auch die Reiterei geführt
Am Tag der Schlacht, und, eh der Obriſt Hennings
Des Feindes Brücken hat zerſtören können,
Damit iſt aufgebrochen, eigenmächtig,
Zur Flucht, bevor ich Ordre gab, ihn zwingend,
Der iſt des Todes ſchuldig, das erklär’ ich,
Und vor ein Kriegsgericht beſtell’ ich ihn.
— Prinz Arthur hat ſie nicht geführt?
Nein, mein erlauchter Herr!
Wer ſagt mir das?
Das können Reiter Dir bekräftigen,
Die mir’s verſichert, vor Beginn der Schlacht.
Der Prinz hat mit dem Pferd ſich überſchlagen,
Man hat verwundet ſchwer, an Haupt und Schenkeln,
In einer Kirche ihn verbinden ſehn.
Gleichviel. Der Sieg iſt glänzend dieſes Tages,
Und vor dem Altar morgen dank’ ich Gott;
Doch wär er zehnmal größer, das entſchuldigt
Den nicht, durch den der Zufall mir ihn ſchenkt:
[45] Mehr Schlachten noch, als die, hab’ ich zu kämpfen,
Und will, daß dem Geſetz Gehorſam ſey.
Wer’s immer war, der ſie zur Schlacht geführt,
Ich wiederhol’s, hat ſeinen Kopf verwirkt,
Und vor ein Kriegsrecht hiemit lad’ ich ihn.
— Folgt, meine Freunde, in die Kirche mir!
Zehnter Auftritt.
Kottwitz (mit deren zwei), Graf Heinrich, Ritt-
meiſter Golz, Graf Stein (jeder mit einer Fahne,)
mehrere andre Officiere, Corporale und Rei-
ter (mit Fahnen, Pauken und Standarten treten auf.)
Prinz Arthur! — Truchß! Was machtet ihr?
Wo kommt ihr her, Prinz?
Von Fehrbellin, mein Kurfürſt,
Und bringe dieſe Siegstrophäen Dir.
porale und Neiter folgen, jeder mit der ihrigen.)
Du biſt verwundet, hör’ ich, und gefährlich?
— Graf Truchß!
Vergieb!
Beim Himmel, ich erſtaune!
Mein Goldfuchs fiel vor Anbeginn der Schlacht;
Die Hand hier, die ein Feldarzt mir verband,
Verdient nicht, daß Du ſie verwundet taufſt.
Mithin haſt Du die Reiterei geführt?
[46]
Ich? Allerdings! Mußt Du von mir das hören?
— Hier legt ich den Beweis zu Füßen Dir.
— Nehmt ihm den Degen ab. Er iſt gefangen.
Wem?
Kottwitz! Sey gegrüßt mir!
O verflucht!
Bei Gott, ich bin aufs Aeußerſte —!
Was ſagſt Du? —
Schau, welche Saat für unſern Ruhm gemäht!
— Die Fahn’ iſt von der ſchwed’ſchen Leibwacht! Nicht?
Mein Kurfürſt?
Mein Gebieter?
Allerdings!
Und zwar aus König Guſtav Adolphs Zeiten!
— Wie heißt die Inſchrift?
Ich glaube —
Per aspera ad astra.
Das hat ſie nicht bei Fehrbellin gehalten —
[47]
Mein Fürſt, vergönn’ ein Wort mir —!
Was beliebt?
Nehmt Alles, Fahnen, Pauken und Standarten,
Und hängt ſie an der Kirche Pfeilern auf;
Beim Siegsfeſt morgen denk’ ich ſie zu brauchen!
die Depeſchen ab, erbricht und lieſ’t ſie.)
Das, beim lebend’gen Gott, iſt mir zu ſtark!
auf; die übrigen Officiere und Neiter folgen; zuletzt,
da die drei Fahnen des Prinzen liegen bleiben, hebt Kott-
witz auch dieſe auf, ſo, daß er nun fünf trägt.)
Prinz, euren Degen, bitt’ ich.
Ruhig, Freund!
Träum’ ich? Wach’ ich? Leb’ ich? Bin ich bei Sinnen?
Prinz, gieb den Degen, rath’ ich, hin und ſchweig!
Ich, ein Gefangener?
So iſt’s!
Ihr hört’s!
Darf man die Urſach wiſſen?
Jetzo nicht;
— Du haſt zu zeitig, wie wir gleich geſagt,
[48] Dich in die Schlacht gedrängt; die Ordre war,
Nicht von dem Platz zu weichen, ungerufen!
Helft, Freunde, helft! Ich bin verrückt.
Still! Still!
Sind denn die Märkiſchen geſchlagen worden?
Gleichviel! — Der Satzung ſoll Gehorſam ſeyn.
So — ſo, ſo, ſo!
Es wird den Hals nicht koſten.
Vielleicht biſt Du ſchon morgen wieder los.
den Kreis der Officiere zurück.)
Mein Vetter Friedrich will den Brutus ſpielen,
Und ſieht, mit Kreid’ auf Leinwand verzeichnet,
Sich ſchon auf dem curulſchen Stuhle ſitzen:
Die ſchwed’ſchen Fahnen in dem Vordergrund,
Und auf dem Tiſch die märkſchen Kriegsartikel.
Bei Gott, in mir nicht findet er den Sohn,
Der, unterm Beil des Henkers, ihn bewundre.
Ein deutſches Herz, von altem Schrot und Korn,
Bin ich gewohnt an Edelmuth und Liebe,
Und wenn er mir in dieſem Augenblick,
Wie die Antike ſtarr entgegenkömmt,
Thut er mir leid, und ich muß ihn bedauern!
[49]
Bringt ihn nach Fehrbellin, ins Hauptquartier,
Und dort beſtellt das Kriegsrecht, das ihn richte.
rend er mit ſeinem Gefolge an dem Sarge Frobens niederkniet
und betet, an den Pfeilern derſelben aufgehängt. Trauermuſik.)
[50]
Dritter Akt.
Erſter Auftritt.
Wache. — Graf Heinrich (tritt auf.)
Sieh da! Freund Heinrich! Sey willkommen mir!
— Nun, des Arreſtes bin ich wieder los?
Gott ſey Lob, in der Höh’!
Was ſagſt Du?
Los?
Hat er den Degen Dir zurückgeſchickt?
Mir? Nein.
Nicht?
Nein!
— Woher denn alſo los?
Ich glaubte, Du, Du bringſt es mir. — Gleichviel!
— Ich weiß von nichts.
[51]
Gleichviel! Du hörſt: gleichviel!
So ſchickt er einen Andern, der mir’s melde.
Setz’ Dich! — Nun, ſag’ mir an, was giebt es Neues?
— Der Kurfürſt kehrte von Berlin zurück?
Ja. Geſtern Abend.
Ward, beſchloßner Maßen,
Das Siegsfeſt dort gefeiert? — — Allerdings!
— Der Kurfürſt war zugegen in der Kirche?
Er, und die Fürſtin und Natalie. —
Die Kirche war, auf würd’ge Art, erleuchtet;
Battrien ließen ſich, vom Schloßplatz her,
Mit ernſter Pracht bei dem Tedeum hören.
Die ſchwed’ſchen Fahnen wehten und Standarten,
Trophäenartig, von den Pfeilern nieder,
Und auf des Herrn ausdrücklichen Befehl,
Ward Deines, als des Siegers Namen —
Erwähnung von der Kanzel her gethan.
Das hört’ ich! — — Nun, was giebt es ſonſt; was bringſt Du?
— Dein Antlitz, dünkt mich, ſieht nicht heiter, Freund!
— Sprachſt Du ’ſchon wen?
Golz, eben, auf dem Schloſſe,
Wo ich, Du weißt es, im Verhöre war.
Was denkſt Du, Arthur, denn von Deiner Lage,
Seit ſie ſo ſeltſam ſich verändert hat?
D 2
[52]
Ich? Nun, was Du und Golz — die Richter ſelbſt!
Der Kurfürſt hat gethan, was Pflicht erheiſchte,
Und nun wird er dem Herzen auch gehorchen.
Gefehlt haſt Du, ſo wird er ernſt mir ſagen,
Vielleicht ein Wort von Tod und Feſtung ſprechen;
Ich aber ſchenke Dir die Freiheit wieder —
Und um das Schwert, das ihm den Sieg errang,
Schlingt ſich vielleicht ein Schmuck der Gnade noch;
— Wenn der nicht, gut; denn den verdient’ ich nicht!
O Arthur!
Nun?
— Deß’ biſt Du ſo gewiß?
Ich denk’s mir ſo! Ich bin ihm werth, das weiß ich,
Werth wie ein Sohn; das hat ſeit früher Kindheit
Sein Herz, in tauſend Proben, mir bewieſen.
Was für ein Zweifel iſt’s, der Dich bewegt?
Schien er an Wachsthum meines jungen Ruhms
Nicht mehr faſt, als ich ſelbſt, ſich zu erfreuen?
Bin ich nicht Alles, was ich bin, durch ihn?
Und er, er ſollte lieblos jetzt die Pflanze,
Die er ſelbſt zog, bloß weil ſie ſich ein wenig
Zu raſch und üppig in die Blume warf,
Mißgünſtig in den Staub daniedertreten?
Das glaubt ich ſeinem ſchlimmſten Feinde nicht,
Vielweniger Dir, der Du ihn kennſt und liebſt.
Du ſtandſt dem Kriegsrecht, Arthur, im Verhör;
Und biſt des Glaubens noch?
[53]
Weil ich ihm ſtand! —
Bei dem lebend’gen Gott, ſo weit geht keiner,
Der nicht geſonnen wäre zu begnad’gen!
Dort eben, vor der Schranke des Gerichts,
Dort war’s, wo mein Vertraun ſich wiederfand.
War’s denn ein todeswürdiges Verbrechen,
Zwei Augenblicke früher, als befohlen
Die ſchwed’ſche Macht in Staub gelegt zu haben?
Und welch’ ein Frevel ſonſt drückt meine Bruſt?
Wie könnt’ er doch vor dieſen Tiſch mich laden,
Von Richtern, herzlos, die den Eulen gleich,
Stets von der Kugel mir das Grablied ſingen:
Dächt’ er, mit einem heitern Herrſcherſpruch,
Nicht, als ein Gott, in ihren Kreis zu treten?
Nein, Freund, er ſammelt dieſe Nacht von Wolken
Nur um mein Haupt, um wie die Sonne mir,
Durch ihren Dunſtkreis, ſtrahlend aufzugehn!
Und dieſe Luſt, fürwahr, kann ich ihm gönnen!
Das Kriegsrecht gleichwohl, ſagt man, hat geſprochen?
Ich höre, ja; auf Tod.
Du weißt es ſchon?
Golz, der dem Spruch des Kriegsrechts beigewohnt,
Hat mir gemeldet, wie er ausgefallen.
Nun denn, bei Gott! — Der Umſtand rührt Dich nicht?
Mich? Nicht im Mindeſten.
[54]
Du Raſender!
Und worauf ſtützt ſich Deine Sicherheit!
Auf mein Gefühl von ihm!
Ich bitte, laß mich!
Was ſoll ich mich mit falſchen Zweifeln quälen?
Das Kriegsrecht mußte auf den Tod erkennen;
So lautet das Geſetz nach dem es richtet.
Doch eh’ er ſolch ein Urtheil läßt vollſtrecken,
Eh’ er dies Herz hier, das getreu ihn liebt,
Auf eines Tuches Wink, der Kugel preis giebt,
Eh’ ſieh, eh’ öffnet er die eigne Bruſt ſich,
Und ſprützt ſein Blut ſelbſt tropfenweis in Staub.
Nun, Arthur, ich verſichre Dich —
O Lieber!
Der Marſchall —
Laß mich, Freund!
Zwey Worte hör’ noch!
Wenn die Dir auch nichts gelten, ſchweig’ ich ſtill.
Du hörſt, ich weiß von Allem. — Nun? Was iſt’s?
Der Marſchall hat, höchſt ſeltſam iſt’s, ſo eben
Das Todsurtheil im Schloſſ’ ihm überreicht:
Und er, ſtatt wie das Urtheil frei ihm ſtellt,
Dich zu begnadigen, er hat befohlen,
Daß es zur Unterſchrift ihm kommen ſoll.
[55]
Gleichviel. Du hörſt.
Gleichviel?
Zur Unterſchrift?
Bei meiner Ehr’! Ich kann es Dich verſichern.
Das Urtheil? — Nein! Die Schrift —?
Das Todesurtheil.
— Wer hat Dir das geſagt?
Er ſelbſt, der Marſchall!
Wann?
Eben jetzt.
Als er vom Herrn zurück kam?
Als er vom Herrn die Treppe niederſtieg! —
Er fügt’ hinzu, da er beſtürzt mich ſah,
Verloren ſey noch nichts, und morgen ſey
Auch noch ein Tag, Dich zu begnadigen;
Doch ſeine bleiche Lippe widerlegte
Ihr eignes Wort, und ſprach: ich fürchte, nein!
Er könnte — nein! ſo ungeheuere
Entſchließungen in ſeinem Buſen wälzen?
Um eines Fehls, der Brille kaum bemerkbar,
In dem Demanten, den er jüngſt empfing,
[56] In Staub den Geber treten? Eine That,
Die weiß den Dey von Algier brennt, mit Flügeln,
Nach Art der Cherubime, ſilberglänzig,
Den Sardanapel ziert, und die geſammte
Altrömiſche Tyrannenreiche, ſchuldlos,
Wie Kinder, die am Mutterbuſen ſterben,
Auf Gottes rechter Seit’ hinüberwirft?
Du mußt, mein Freund, Dich davon überzeugen.
Und der Feldmarſchall ſchwieg und ſagte nichts?
Was ſollt’ er ſagen?
O Himmel! Meine Hoffnung!
Haſt Du vielleicht je einen Schritt gethan,
Sey’s wiſſentlich, ſey’s unbewußt,
Der ſeinem ſtolzen Geiſt zu nah getreten?
Niemals!
Beſinne Dich.
Niemals, beim Himmel!
Mir war der Schatten ſeines Hauptes heilig.
Arthur, ſey mir nicht böſe, wenn ich zweifle.
Graf Horn traf, der Geſandte Schwedens, ein,
Und ſein Geſchäft geht, wie man hier verſichert,
An die Prinzeſſin von Oranien.
Ein Wort, das die Kurfürſtin Tante ſprach,
Hat auf’s Empfindlichſte den Herrn getroffen;
[57] Man ſagt, das Fräulein habe ſchon gewählt.
Biſt Du auf keine Weiſe hier im Spiele?
O Gott! Was ſagſt Du mir?
Biſt Du’s? Biſt Du’s?
Ich bin’s, mein Freund; jetzt iſt mir Alles klar;
Es ſtürzt der Antrag in’s Verderben mich:
An ihrer Weig’rung, wiſſe, bin ich Schuld,
Weil mir ſich die Prinzeſſin anverlobt!
Du unbeſonn’ner Thor! Was machteſt Du?
Wie oft hat Dich mein treuer Mund gewarnt?
O Freund! Hilf, rette mich! Ich bin verloren.
Ja, welch’ ein Ausweg führt aus dieſer Noth? —
Willſt Du vielleicht die Fürſtin Tante ſprechen?
— He, Wache!
Hier!
Ruft euren Officier! —
Federhut auf, der auf dem Tiſch liegt.)
Der Schritt kann, klug gewandt, Dir Rettung bringen.
— Denn kann der Kurfürſt nur mit König Karl,
Um den bewußten Preis, den Frieden ſchließen,
So ſollſt Du ſehn, ſein Herz verſöhnt ſich Dir,
Und gleich, in wenig Stunden, biſt Du frey.
[58]
Zweiter Auftritt.
Stranz, übergeben bin ich Deiner Wache!
Erlaub’, in einem dringenden Geſchäft,
Daß ich auf eine Stunde mich entferne.
Mein Prinz, mir übergeben biſt Du nicht.
Die Ordre, die man mir ertheilt hat, lautet,
Dich gehn zu laſſen frei, wohin Du willſt.
Seltſam! — So bin ich kein Gefangener?
Vergieb! — Dein Wort iſt eine Feſſel auch.
Auch gut! Gleichviel!
Wohlan! So leb’ denn wohl!
Die Feſſel folgt dem Prinzen auf dem Fuße!
Ich geh auf’s Schloß, zu meiner Tante nur,
Und bin in zwei Minuten wieder hier.
Dritter Auftritt.
Komm, meine Tochter, komm! Dir ſchlägt die Stunde!
Graf Guſtav Horn, der ſchwediſche Geſandte,
Und die Geſellſchaft hat das Schloß verlaſſen;
[59] Im Kabinett des Onkels ſeh’ ich Licht:
Komm, leg’ das Tuch Dir um, und ſchleich Dich zu ihm,
Und ſieh, ob Du den Freund Dir retten kannſt.
Vierter Auftritt.
Prinz Arthur, gnäd’ge Frau, iſt vor der Thür!
— Kaum weiß ich wahrlich, ob ich recht geſehn?
O Gott!
Er ſelbſt?
Hat er denn nicht Arreſt?
Er ſteht in Federhut und Mantel draußen,
Und fleht beſtürzt und dringend um Gehör.
Der Unbeſonnene! Sein Wort zu brechen!
Wer weiß, was ihn bedrängt.
— Laßt ihn herein!
Fünfter Auftritt.
O meine Mutter!
Prinz! Was wollt Ihr hier?
[60]
O laß mich Deine Kniee umfaſſen, Mutter!
Gefangen ſeyd Ihr, Prinz, und kommt hieher?
Was häuft Ihr neue Schuld zu Eurer alten?
Weißt Du, was mir geſchehn?
Ich weiß um Alles!
Was aber kann ich, Aermſte, für Euch thun?
O meine Mutter, alſo ſprächſt Du nicht,
Wenn Dich der Tod umſchauerte, wie mich!
Du ſcheinſt mit Himmelskräften, rettenden,
Du mir, das Fräulein, Deine Frau’n, begabt,
Mir Alles rings umher; dem Troßknecht könnt’ ich,
Dem ſchlechteſten, der Deiner Pferde pflegt,
Gehängt am Halſe flehen: rette mich!
Nur ich allein, auf Gottes weiter Erde,
Bin hülflos, ein Verlaßner, und kann nichts!
Du biſt ganz außer Dir! Was iſt geſchehn?
Ach! Auf dem Wege, der mich zu Dir führte,
Sah ich das Grab, beim Schein der Fackeln, öffnen,
Das morgen mein Gebein empfangen ſoll.
Sieh, dieſe Augen, Tante, die Dich anſchaun,
Will man mit Nacht umſchatten, dieſen Buſen
Mit mörderiſchen Kugeln mir durchbohren.
Beſtellt ſind auf dem Markte ſchon die Fenſter,
Die auf das öde Schauſpiel niedergehn,
Und der die Zukunft, auf des Lebens Gipfel,
Heut, wie ein Feenreich, noch überſchaut,
[61] Liegt in zwei engen Bretern duftend morgen,
Und ein Geſtein ſagt Dir von ihm: er war!
dame gelehnt in der Ferne geſtanden hat, läßt ſich bei die-
ſen Worten erſchüttert an einem Tiſch nieder und weint.)
Mein Sohn! Wenn’s ſo des Himmels Wille iſt,
Wirſt Du mit Muth Dich und mit Faſſung rüſten!
O Gottes Welt, o Mutter, iſt ſo ſchön!
Laß mich nicht, fleh’ ich, eh’ die Stunde ſchlägt,
Zu jenen ſchwarzen Schatten niederſteigen!
Mag er doch ſonſt, wenn ich gefehlt, mich ſtrafen,
Warum die Kugel eben muß es ſeyn?
Mag er mich meiner Aemter doch entſetzen,
Mich aus dem Heer entfernen: Gott des Himmels?
Seit ich mein Grab ſah, will ich nichts, als leben,
Und frage nichts mehr, ob es rühmlich ſey!
Steh’ auf, mein Sohn, ſteh auf! Was ſprichſt Du da?
Du biſt zu ſehr erſchüttert. Faſſe Dich
Nicht, Tante eh’r, als bis Du mir gelobt,
Mit einem Fußfall, der mein Daſeyn rette,
Fleh’nd ſeinem höchſten Angeſicht zu nahn!
Dir übergab zu Homburg, als ſie ſtarb,
Die Hedwig mich, und ſprach, die Jugendfreundin:
Sey ihm die Mutter, wenn ich nicht mehr bin.
Du beugteſt tiefgerührt, am Bette knieend,
Auf ihre Hand Dich und erwiderteſt:
Er ſoll mir ſeyn, als hätt’ ich ihn erzeugt.
Nun, jetzt erinnr’ ich Dich an ſolch’ ein Wort!
Geh hin, als hättſt Du mich erzeugt, und ſprich;
[62] Um Gnade fleh’ ich, Gnade! Laß ihn frei!
Ach, und komm mir zurück und ſprich: Du biſt’s!
Mein theurer Sohn! Es iſt bereits geſchehen!
Doch Alles, was ich flehte, war umſonſt!
Ich gebe jeden Anſpruch auf an Glück.
Nataliens, das vergiſſ’ nicht, ihm zu melden,
Begehr’ ich nicht mehr.
Frei iſt ſie, wie das Reh auf Haiden, wieder,
Mit Hand und Mund, als wär’ ich nie geweſen.
Ich will auf meine Güter gehn am Rhein,
Da will ich bauen, will ich niederreißen,
Daß mir der Schweiß herabtrieft, ſäen, ernten,
Als wär’s für Weib und Kind;
Und, wenn ich erntete, von Neuem ſäen,
Und in den Kreis herum das Leben jagen,
Bis es am Abend niederſinkt und ſtirbt.
Wohlan! Kehr jetzt nur heim in Dein Gefängniß,
Das iſt die erſte Ford’rung meiner Gunſt!
Du armes Mädchen, weinſt! Die Sonne leuchtet
Heut alle Deine Hoffnungen zu Grab!
Entſchieden hat Dein erſt Gefühl für mich,
Und Deine Miene ſagt mir, treu wie Gold,
Du wirſt Dich nimmer einem Andern weihn.
Ja, was erſchwing’ ich, Aermſter, das Dich tröſte?
Geh an den Main, rath’ ich, ins Stift der Jungfrau’n,
Zu Deiner Baſe Thurn, ſuch’ in den Bergen
Dir einen Knaben, blondgelockt wie ich,
Kauf’ ihn mit Gold und Silber Dir, drück ihn
An Deine Bruſt und lehr’ ihn: Mutter! ſtammeln,
[63] Und wenn er größer iſt, ſo unterweiſ’ ihn,
Wie man den Sterbenden die Augen ſchließt. —
Das iſt das ganze Glück, das vor Dir liegt!
legt.)
Geh, junger Held, in Deines Kerkers Haft,
Und, auf dem Rückweg, ſchau noch einmal ruhig
Das Grab Dir an, das Dir geöffnet ward!
Es iſt nichts finſterer und um nichts breiter,
Als es Dir tauſendmal die Schlacht gezeigt!
Inzwiſchen werd’ ich in dem Tod Dir treu
Ein rettend Wort für Dich dem Oheim wagen:
Vielleicht gelingt es mir, ſein Herz zu rühren,
Und Dich von allem Kummer zu befrein!
Hättſt Du zwei Flügel, Jungfrau, an den Schultern,
Für einen Engel wahrlich hielt ich Dich! —
O Gott, hört’ ich auch recht? Du für mich ſprechen?
— Wo ruhte denn der Köcher Dir der Rede
Bis heute, liebes Kind, das Du willſt wagen,
Den Herrn in ſolcher Sache anzugehn?
— O Hoffnungslicht, das plötzlich mich erquickt!
Gott wird die Pfeile mir, die treffen, reichen! —
Doch wenn der Kurfürſt des Geſetzes Spruch
Nicht ändern kann, nicht kann: wohlan! ſo wirſt Du
Dich tapfer ihm, der Tapfre, unterwerfen:
Und der im Leben tauſendmal geſiegt,
Er wird auch noch im Tod zu ſiegen wiſſen!
Hinweg! — Die Zeit verſtreicht, die günſtig iſt!
[64]
Nun, alle Heil’gen mögen Dich beſchirmen!
Leb’ wohl! Leb’ wohl! Und was Du auch erringſt,
Vergönne mir ein Zeichen vom Erfolg!
[65]
Vierter Akt.
Erſter Auftritt.
ten Tiſch.) — Natalie (tritt durch die mittlere Thur auf, und
läßt ſich in einiger Entfernung vor ihm nieder.)
(Pauſe.)
Mein edler Oheim, Friedrich von der Mark!
Natalie!
Laß, laß!
Was willſt Du, Liebe?
Zu Deiner Füße Staub, wie’s mir gebührt,
Für Vetter Arthur Dich um Gnade flehn!
Ich will ihn nicht für mich erhalten wiſſen —
Mein Herz begehrt ſein und geſteht es Dir;
Ich will ihn nicht für mich erhalten wiſſen —
Mag er ſich welchem Weib’ er will vermahlen;
Ich will nur, daß er da ſey, lieber Oheim,
Für ſich, ſelbſtſtändig, frei und unabhängig,
Wie eine Blume, die mir wohlgefällt.
E
[66] Dies fleh’ ich Dich, mein höchſter Herr und Freund,
Und weiß, ſolch Flehen wirſt Du mir erhören.
Mein Töchterchen! Was für ein Wort entfiel Dir?
— Weißt Du, was Vetter Arthur jüngſt verbrach?
O lieber Oheim!
Nun? Verbrach er nichts?
O dieſer Fehltritt, blond mit blauen Augen,
Den, eh’ er noch geſtammelt hat: ich bitte!
Verzeihung ſchon vom Boden heben ſollte:
Den wirſt Du nicht mit Füßen von Dir weiſen!
Den drückſt Du um die Mutter ſchon an’s Herz,
Die ihn gebahr, und rufſt: komm, weine nicht;
Du biſt ſo werth mir, wie die Treue ſelbſt!
War’s Eifer nicht, im Augenblick des Treffens,
Für Deines Namens Ruhm, der ihn verführt,
Die Schranke des Geſetzes zu durchbrechen:
Und, ach! die Schranke jugendlich durchbrochen,
Trat er dem Lindwurm männlich nicht auf’s Haupt?
Erſt, weil er ſiegt’, ihn kränzen, dann enthaupten,
Das fordert die Geſchichte nicht von Dir;
Das wäre ſo erhaben, lieber Ohm,
Das man es faſt unmenſchlich nennen könnte:
Und Gott ſchuf noch nichts milderes, als Dich.
Mein ſüßes Kind! Sieh! Wär’ ich ein Tyrann,
Dein Wort, das fühl ich lebhaft, hätte mir
Das Herz ſchon in der ehrnen Bruſt geſchmelzt.
Dich aber frag’ ich ſelbſt: darf ich den Spruch,
Den das Gericht gefällt, wohl unterdrücken? —
Was würde doch davon die Folge ſeyn?
[67]
Für wen? Für Dich?
Für mich; nein! — Was? Für mich!
Kennſt Du nichts höh’res, Jungfrau, als nur mich!
Iſt Dir ein Heiligthum ganz unbekannt,
Das, in dem Lager, Vaterland ſich nennt?
O Herr? Was ſorgſt Du doch? Dies Vaterland!
Das wird, um dieſer Regung Deiner Gnade,
Nicht gleich, zerſchellt in Trümmern, untergehn,
Vielmehr, was Du, im Lager auferzogen,
Unordnung nennſt, die That, den Spruch der Richter,
In dieſem Fall, willkührlich zu zerreißen,
Erſcheint mir als die ſchönſte Ordnung erſt:
Das Kriegsgeſetz, das weiß ich wohl, ſoll herrſchen,
Jedoch die lieblichen Gefühle auch.
Das Vaterland, das Du uns gründeteſt,
Steht, eine feſte Burg, mein edler Ohm:
Das wird ganz andre Stürme noch ertragen,
Fürwahr als dieſen unberufnen Sieg;
Das wird ſich ausbaun herrlich, in der Zukunft,
Erweitern unter Enkels Hand, verſchönern,
Mit Zinnen, üppig, feenhaft, zur Wonne
Der Freunde und zum Schrecken aller Feinde:
Das braucht nicht dieſer Bindung, kalt und öd’,
Aus eines Freundes Blut, um Oheims Herbſt,
Den friedlich prächtigen, zu überleben.
Denkt Vetter Arthur auch ſo?
Vetter Arthur?
E 2
[68]
Meint er, dem Vaterlande gelt’ es gleich,
Ob Willkühr drinn, ob drinn die Satzung herrſche?
Ach, dieſer Jüngling!
Nun?
Ach, lieber Oheim! —
Hierauf zur Antwort hab’ ich nichts, als Thränen.
Warum, mein Töchterchen? Was iſt geſchehn?
Der denkt jetzt nichts, als nur dies Eine: Rettung!
Den ſchaun die Röhren, an der Schützen Schultern,
So gräßlich an, daß überraſcht und ſchwindelnd,
Ihm jeder Wunſch, als nur zu leben, ſchweigt:
Der könnte, unter Blitz und Donnerſchlag,
Das ganze Reich der Mark verſinken ſehn,
Daß er nicht fragen würde: was geſchieht?
— Ach, welch’ ein Heldenherz haſt Du geknickt!
Nein, meine theuerſte Natalie,
Unmöglich in der That?! — Er fleht um Gnade?
Ach, hätteſt Du nimmer, nimmer ihn verdammt!
Nein, ſag: er fleht um Gnade? — Gott im Himmel,
Was iſt geſchehn, mein liebes Kind? Was weinſt Du? —
Du ſprachſt ihn? Thu mir Alles kund! Du ſprachſt ihn?
In den Gemächern eben jetzt der Tante,
Wohin, im Mantel, ſchau, und Federhut,
[69] Er, unterm Schutz der Dämm’rung, kam geſchlichen:
Verſtört und ſchüchtern, heimlich, ganz unwürdig,
Ein unerfreulich, jammernswürd’ger Anblick.
Zu ſolchem Elend, glaubt’ ich, ſänke keiner,
Den die Geſchicht als ihren Helden preiſ’t.
Schau her, ein Weib bin ich, und ſchaudere
Dem Wurm zurück, der meiner Ferſe naht:
Doch ſo zermalmt, ſo faſſungslos, ſo ganz
Unheldenmüthig träfe mich der Tod,
In eines ſcheußlichen Leun Geſtalt nicht an!
— Ach, was iſt Menſchengröße, Menſchenruhm!
Nun denn, beim Gott des Himmels und der Erde,
So faſſe Muth, mein Kind; ſo iſt er frei!
Wie, mein erlauchter Herr?
Er iſt begnadigt! —
Ich will ſogleich das Nöth’g’ an ihn erlaſſen.
O Liebſter! Iſt es wirklich wahr?
Du hörſt!
Ihm ſoll vergeben ſeyn? Er ſtirbt jetzt nicht?
Bei meinem Eid! Ich ſchwör’s Dir zu! Wo werd’ ich
Mich gegen ſolchen Kriegers Meinung ſetzen?
Die höchſte Achtung, wie Dir wohl bekannt,
Trag’ ich im Innerſten für ſein Gefühl:
Wenn er den Spruch für ungerecht kann halten,
Caſſir’ ich die Artikel: er iſt frei! — (er bringt ihr einen Stuhl.)
Willſt Du, auf einen Augenblick, Dich ſetzen?
[70]
Ach, Herz, was klopfſt Du alſo an Dein Haus?
Der Prinz iſt drüben noch im Schloß?
Vergieb!
Er iſt in ſeine Haft zurückgekehrt. —
Prinzeſſin zurück.)
Fürwahr, mein Töchterchen, mein Nichtchen, weinte!
Und ich, dem ihre Freude anvertraut,
Mußt’ ihrer holden Augen Himmel trüben!
Willſt Du den Brief ihm ſelber überbringen? —
In’s Stadthaus! Wie?
Warum nicht? — He! Heiducken!
Den Wagen vorgefahren! Die Prinzeſſin
Hat ein Geſchäft beim Oberſten Arthur!
So kann er, für ſein Leben, gleich Dir danken.
Mein liebes Kind! Biſt Du mir wieder gut?
Was Deine Huld, o Herr, ſo raſch erweckt,
Ich weiß es nicht und unterſuch’ es nicht.
Das aber, ſieh, das fühl’ ich in der Bruſt,
Unedel meiner ſpotten wirſt Du nicht:
Der Brief enthalte, was es immer ſey,
Ich glaube Rettung — und ich danke Dir!
[71]
Gewiß, mein Töchterchen, gewiß! So ſicher,
Als ſie in Vetter Arthurs Wünſchen liegt.
Zweiter Auftritt.
und der Rittmeiſter, Graf Stein, (folgen.)
Was bringt ihr, Graf? — Von meinem Regiment?
Iſt’s von Bedeutung? Kann ich’s morgen hören?
Ein Brief vom Obriſt Kottwitz, gnäd’ge Frau!
Geſchwind! Gebt! Was enthält er?
Eine Bittſchrift,
Freimüthig, wie ihr ſeht, doch ehrfurchtsvoll,
An die Durchlaucht des Herrn, zu unſers Führers,
Des Prinzen Arthur Gunſten aufgeſetzt.
»Supplik, in Unterwerfung eingereicht,
Vom Regiment, Prinzeſſin von Oranien.« —
Die Bittſchrift iſt von weſſen Hand verfaßt?
Wie ihrer Züg’ unſichre Bildung ſchon
Errathen läßt, vom Obriſt Kottwitz ſelbſt. —
Auch ſteht ſein edler Name obenan.
Die dreißig Unterſchriften, welche folgen? —
[72]
Der Officiere Namen, Gnädigſte,
Wie ſie, dem Rang nach, Glied für Glied ſich folgen.
Und mir, mir wird die Bittſchrift zugefertigt?
Mein Fräulein, unterthänigſt euch zu fragen,
Ob ihr, als Chef, den erſten Platz, der offen,
Mit eurem Namen gleichfalls füllen wollt.
Der Prinz zwar, hör’ ich, ſoll mein edler Vetter,
Vom Herrn aus eignem Trieb, begnadigt werden,
Und eines ſolchen Schritts bedarf es nicht.
Wie? Wirklich?
Gleichwohl will ich unter einem Blatte,
Das, in des Herrn Entſcheidung, klug gebraucht,
Als ein Gewicht kann in die Waage fallen,
Das ihm vielleicht den Ausſchlag einzuleiten
Sogar willkommen iſt, mich nicht verweigern —
Und, eurem Wunſch gemäß, mit meinem Namen,
Hiemit an eure Spitze ſetz’ ich mich.
Fürwahr, uns lebhaft werdet Ihr verbinden!
Ich finde nur mein Regiment, Graf Stein! —
Warum vermiß’ ich Bomsdorf Cuiraſſiere,
Und die Dragoner Götz und Anhalt-Pleß?
Nicht, wie vielleicht Ihr ſorgt, weil ihre Herzen
[73] Ihm lauer ſchlügen, als die unſrigen! —
Es trifft ungünſtig ſich für die Supplik,
Daß Kottwitz fern in Arnſtein cantonirt,
Geſondert von den andern Regimentern,
Die hier, bei dieſer Stadt, im Lager ſtehn.
Dem Blatt fehlt es an Freiheit, leicht und ſicher,
Die Kraft nach jeder Richtung zu entfalten.
Gleichwohl fällt, dünkt mich, ſo das Blatt nur leicht? —
Seyd Ihr gewiß, Herr Graf, wärt Ihr im Ort,
Und ſprächt die Herrn, die hier verſammelt ſind,
Sie ſchlöſſen gleichfalls dem Geſuch ſich an?
Hier in der Stadt, mein Fräulein? — Kopf für Kopf!
Die ganze Reiterei verpfändete
Mit ihren Namen ſich; bei Gott, ich glaube,
Es ließe glücklich eine Subſcription,
Beim ganzen Heer der Märker, ſich eröffnen!
Warum nicht ſchickt Ihr Officiere ab,
Die das Geſchäft im Lager hier betreiben?
Vergebt! — Dem weigerte der Obriſt ſich!
— Er wünſche, ſprach er, nichts zu thun, das man
Mit einem übeln Namen taufen könnte.
Der wunderliche Herr! Bald kühn! bald zaghaft! —
Zum Glück trug mir der Kurfürſt, fällt mir ein,
Bedrängt von anderen Geſchäften, auf,
An Kottwitz, dem die Stellung dort zu eng,
Zum Marſch hierher die Ordre zu erlaſſen! —
Ich ſetze gleich mich nieder es zu thun.
[74]
Beim Himmel, trefflich Fräulein! Ein Ereigniß,
Das günſt’ger ſich dem Blatt nicht fügen könnte!
Gebrauchts, Herr Graf von Stein, ſo gut ihr könnt;
Inzwiſchen bleibt, verſteht! dies Schreiben noch
In eurem Portefeuille; ihr geht nicht eher
Damit nach Arnſtein ab, und gebt’s dem Kottwitz:
Bis ich beſtimmtern Auftrag euch ertheilt!
Der Wagen, Fräulein, auf des Herrn Befehl,
Steht angeſchirrt im Hof und wartet eur!
So fahrt ihn vor! Ich komme gleich herab!
Handſchuhe anzieht.)
Wollt ihr zum Prinzen Arthur mich, Herr Graf,
Den ich zu ſprechen willens bin, begleiten?
Euch ſteht ein Platz in meinem Wagen offen.
Mein Fräulein, dieſe Ehre, in der That —!
Folgt, meine Freundinnen! — Vielleicht daß ich
Gleich dort, des Briefes wegen, mich entſcheide!
Dritter Auftritt.
nachläſſig auf ein auf der Erde ausgebreitetes Kiſſen nieder.)
Das Leben nennt der Derwiſch eine Reiſe,
[75] Und eine kurze. Freilich! Von zwei Spannen
Diesſeits der Erde nach zwei Spannen drunter.
Ich will auf halbem Weg mich niederlaſſen!
Wer heut ſein Haupt noch auf der Schulter trägt,
Hängt es ſchon morgen zitternd auf den Leib,
Und übermorgen liegt’s bei ſeiner Ferſe.
Zwar, eine Sonne, ſagt man, ſcheint dort auch,
Und über buntre Felder noch, als hier:
Ich glaub’s; nur Schade, daß das Auge modert,
Das dieſe Herrlichkeit erblicken ſoll.
Vierter Auftritt.
meiſter Graf Stein. Hofdamen (folgen. Ihnen
voran tritt) ein Heiduck (mit einer Fackel.) Prinz
Arthur.
Durchlaucht, Prinzeſſin Natalie!
Natalie!
Hier iſt ſie ſelber ſchon.
Laßt uns, auf einen Augenblick, allein!
Mein theures Fräulein!
Lieber, guter Vetter!
Nun ſagt, was bringt ihr? Sprecht, wie ſteht’s mit mir?
Gut. Alles gut. Wie ich vorher euch ſagte.
[76] Begnadigt ſeyd Ihr, frei; hier iſt ein Brief
Von ſeiner Hand, der es bekräftiget.
Es iſt nicht möglich! Nein! Es iſt ein Traum!
Leſ’t! Leſ’t den Brief! So werdet Ihr’s erfahren.
»Prinz Arthur, als ich euch gefangen ſetzte,
Um eures Angriffs, allzufruh vollbracht,
Da glaubt’ ich nichts, als meine Pflicht zu thun;
Auf euren eignen Beifall rechnet’ ich.
Meint ihr, ein Unrecht ſey euch widerfahren,
So bitt’ ich, ſagt’s mir mit zwei Worten,
Und gleich den Degen ſchick’ ich euch zurück.«
Nun denn, da ſteht’s! Zwei Worte nur bedarf’s —!
O lieber, ſüßer Freund!
Mein theures Fräulein!
O ſel’ge Stunde, die mir aufgegangen! —
Hier, nehmt, hier iſt die Feder; nehmt, und ſchreibt!
Und hier die Unterſchrift?
Das F; ſein Zeichen!
O Bork! O freut euch [d]och! — O ſeine Milde
Iſt uferlos, ich wußt’ es, wie die See. —
Schafft einen Stuhl nur her, er ſoll gleich ſchreiben.
Er ſagt, wenn ich der Meinung wäre —?
[77]
Freilich!
Geſchwind! Setzt euch! Ich will es euch dictiren.
— Ich will den Brief noch einmal überleſen.
Wozu? — Saht Ihr die Gruf[t] nicht ſchon im Münſter,
Mit offnem Rachen euch entgegengähnen? —
Der Augenblick iſt dringend. Sitzt und ſchreibt!
Wahrhaftig, thut ihr doch, als würde ſie
Mir, wie ein Panther, über’n Nacken kommen.
Schreibt, wenn Ihr mich nicht böſe machen wollt!
tritt auf.)
Papier und Feder, Wachs und Pettſchaft mir!
geht wieder ab. Der Prinz ſchreibt. — Pauſe.)
den Tiſch wirſt.)
Ein dummer Anfang.
Wie? Was ſagtet Ihr? —
Mein Gott, das iſt ja gut; das iſt vortrefflich.
Pah! — Einer Memme Faſſung, keines Prinzen. —
Ich denk’ mir eine andre Wendung aus.
zeſſin in der Hand hält.)
Was ſagt er eigentlich im Briefe denn?
[78]
Nichts, gar nichts!
Gebt!
Ihr laſ’t ihn ja!
Wenn gleich!
— Ich will nur ſehn, wie ich mich faſſen ſoll.
O Gott der Welt! Jetzt iſt’s um ihn geſchehn!
Sieh da! Höchſt wunderbar, ſo wahr ich lebe!
— Du überſahſt die Stelle wohl?
Nein! — Welche?
Mich ſelber ruft er zur Entſcheidung auf!
Nun ja!
Recht wacker, in der That, recht würdig!
Recht, wie ein großes Herz ſich faſſen muß!
O ſeine Großmuth, Freund, iſt ohne Gränzen!
— Doch nun thu auch das Deine Du, und ſchreib,
Wie er’s begehrt; Du ſiehſt, es iſt der Vorwand,
Die äußre Form nur, deren es bedarf:
Sobald er die zwei Wort’ in Händen hat,
Flugs iſt der ganze Streit vorbei!
Nein, Liebe!
Ich will die Sach’ bis morgen überlegen.
[79]
Du Unbegreiflicher! Welch eine Wendung? —
Warum? Weshalb?
Ich bitte, frag’ mich nicht!
Du haſt des Briefes Inhalt nicht erwogen!
Daß er mir unrecht that, wie’s mir bedingt wird,
Das kann ich ihm nicht ſchreiben; zwingſt Du mich,
Antwort, in dieſer Stimmung, ihm zu geben,
Bei Gott! ſo ſetz’ ich hin: Du thuſt mir Recht!
und ſieht in den Brief.)
Du, Raſender! Was für ein Wort ſprachſt Du?
Laß, einen Augenblick! Mir ſcheint —
Was ſagſt Du?
Gleich werd’ ich wiſſen, wie ich ſchreiben ſoll.
Arthur!
Ich hör’! Was giebt’s?
Mein ſüßer Freund!
Die Regung lob’ ich, die Dein Herz ergriff;
Das aber ſchwör’ ich Dir: das Regiment
Iſt commandirt, das, Dir Verſenktem morgen,
Aus Carabinern, über’m Grabeshügel,
Verſöhnt die Todtenfeier halten ſoll.
Kannſt Du dem Rechtsſpruch, edel wie Du biſt,
[80] Nicht widerſtreben, nicht, ihn aufzuheben,
Thun, wie er’s hier in dieſem Brief verlangt:
Nun ſo verſichr’ ich Dich, er faßt ſich Dir
Erhaben, wie die Sache ſteht, und läßt
Den Spruch mitleidlos morgen Dir vollſtrecken!
Gleichviel!
Gleichviel?
Er handle, wie er darf;
Mir ziemt’s hier zu verfahren, wie ich ſoll!
Du Unglückſeliger, ich glaub’, Du ſchreibſt?
»Arthur! gegeben, Fehrbellin, am zwölften —;«
Ich bin ſchon fertig. — Franz!
O Gott im Himmel!
Bring’ dieſen Brief auf’s Schloß, zu meinem Herrn!
Ich will ihm, der ſo würdig vor mir ſteht,
Nicht, ein Unwürd’ger, gegenüber ſtehn!
Schuld ruht, bedeutende, mir auf der Bruſt,
Wie ich es wohl erkenne; kann er mir
Vergeben nur, wenn ich mit ihm drum ſtreite,
So mag ich nichts von ſeiner Gnade wiſſen.
Nimm dieſen Kuß! — Und bohrten gleich zwölf Kugeln
Dich jetzt in Staub, nicht halten könnt’ ich mich,
Und jauchzt’ und weint’ und ſpräche: Du gefällſt mir;
— Inzwiſchen, wenn Du Deinem Herzen folgſt,
[81] Iſt’s mir erlaubt, dem meinigen zu folgen.
— Graf Stein!
Hier!
Auf, mit eurem Brief,
Nach Arnſtein hin, zum Oberſten von Kottwitz!
Das Regiment bricht auf, der Herr befiehlt’s;
Hier, noch vor Mitternacht, erwart’ ich es!
[82]
Fuͤnfter Akt.
Erſter Auftritt.
ihm folgen) Graf Truchß, Graf Heinrich und der
Rittmeiſter von Golz. — Pagen mit Lichtern.
Kottwitz? Mit den Dragonern der Prinzeſſin?
Hier in der Stadt?
Ja, mein erlauchter Herr!
Hier ſteht er vor dem Schloſſe aufmarſchirt.
Nun? — Wollt ihr mir, ihr Herrn, dieß Räthſel löſen?
— Wer rief ihn her?
Das weiß ich nicht, mein Kurfürſt.
Der Standort, den ich ihm beſtimmt, heißt Arnſtein! —
Geſchwind! Geh Einer hin, und bring’ ihn her!
Er wird ſogleich, o Herr, vor Dir erſcheinen!
Wo iſt er?
Auf dem Rathhaus, wie ich höre,
[83] Wo die geſammte Generalität,
Die Deinem Hauſe dient, verſammelt iſt.
Weßhalb? Zu welchem Zweck?
— Das weiß ich nicht.
Erlaubt mein Fürſt und Herr, daß wir uns gleichfalls,
Auf einen Augenblick, dorthin verfügen?
Wohin? Auf’s Rathhaus?
In der Herrn Verſammlung!
Wir gaben unſer Wort, uns einzufinden.
— Ihr ſeyd entlaſſen!
Kommt, ihr werthen Herrn!
Zweiter Auftritt.
Seltſam! — Wenn ich der Dey von Tunis wäre,
Schlüg’ ich, bei ſo zweideut’gem Vorfall, Lärm;
Die ſeidne Schnur legt’ ich auf meinen Tiſch,
Und vor das Thor, verrammt mit Palliſaden,
Führt ich Kanonen und Haubitzen auf.
Doch weil’s Hans Kottwitz aus der Priegnitz iſt,
Der ſich mir naht, willkührlich, eigenmächtig,
So will ich mich auf märk’ſche Weiſe faſſen:
Von den drei Locken, die man, ſilberglänzig,
Auf ſeinem Schädel ſieht, faſſ’ ich die Eine,
Und führ’ ihn ſtill, mit ſeinen zwölf Schwadronen,
F 2
[84] Nach Arnſtein, in ſein Hauptquartier, zurück,
Wozu die Stadt aus ihrem Schlafe wecken?
an den Tiſch und klingelt; zwei Bediente treten auf.)
Spring’ doch herab und frag’, als wär’s für dich,
Was es im Stadthaus giebt.
Gleich, mein Gebieter!
Du aber geh, und bring’ die Kleider mir!
an, und legt ſeinen fürſtlichen Schmuck an.)
Dritter Auftritt.
Rebellion, mein Kurfürſt!
Ruhig, ruhig! —
Es iſt verhaßt mir, wie Dir wohl bekannt,
In mein Gemach zu treten, ungemeldet!
— Was willſt Du?
Herr, ein Vorfall — Du vergiebſt!
Führt von beſonderem Gewicht mich her.
Der Obriſt Kottwitz rückte, unbeordert,
Hier in die Stadt; an hundert Officiere
Sind auf dem Ritterſaal um ihn verſammelt;
Es geht ein Blatt in ihrem Kreis herum,
Beſtimmt in Deine Rechte einzugreifen.
Es iſt mir ſchon bekannt! — Was wird es ſeyn,
[85] Als eine Regung zu des Prinzen Gunſten,
Dem das Geſetz die Kugel zuerkannte.
So iſt’s! Beim höchſten Gott! Du haſt’s getroffen!
Nun gut! — So iſt mein Herz in ihrer Mitte.
Man ſagt, ſie wollten heut, die Raſenden!
Die Bittſchrift noch im Schloß Dir überreichen,
Und falls, mit unverſöhntem Grimm, Du auf
Den Spruch beharrſt — kaum wag’ ich’s Dir zu melden? —
Aus ſeiner Haft ihn mit Gewalt befreien!
Wer hat Dir das geſagt?
Wer mir das ſagte?
Die Dame Retzow, der Du trauen kannſt,
Die Baſe meiner Frau! Sie war heut Abend,
In ihres Ohms, des Droſt von Retzow, Haus,
Wo Officiere, die vom Lager kamen,
Laut dieſen dreiſten Anſchlag äußerten.
Das muß ein Mann mir ſagen, eh’ ich’s glaube.
Mit meinem Stiefel, vor ſein Haus geſetzt,
Schütz’ ich vor dieſen jungen Helden ihn!
Herr, ich beſchwöre Dich, wenn’s überall
Dein Wille iſt, den Prinzen zu begnadigen:
Thu’s eh ein höchſtverhaßter Schritt geſchehn!
Jedwedes Heer liebt, weißt Du, ſeinen Helden;
Laß dieſen Funken nicht, der es durchglüht,
Ein heillos freſſend Feuer um ſich greifen.
Kottwitz weiß und die Schaar, die er verſammelt,
Noch nicht, daß Dich mein treues Wort gewarnt;
[86] Schick’, eh er noch erſcheint, das Schwert dem Prinzen,
Schick’s ihm, wie er’s zuletzt verdient, zurück:
Du giebſt der Zeitung eine Großthat mehr,
Und eine Unthat weniger zu melden.
Da müßt’ ich noch den Prinzen erſt befragen,
Den Willkühr nicht, wie Dir bekannt ſeyn wird,
Gefangen nahm und nicht befreien kann. —
Ich will die Herren, wenn ſie kommen, ſprechen.
Verwünſcht! — Er iſt jedweden Pfeil gepanzert.
Vierter Auftritt.
Hand.) — Die Vorigen.
Der Obriſt Kottwitz, Hennings, Truchß und Andre,
Erbitten ſich Gehör!
Vom Prinzen Arthur?
Ja, mein erlauchter Herr!
Wer gab ihn Dir?
Der Schweizer, der am Thor die Wache hält,
Dem ihn des Prinzen Jäger eingehändigt.
ſchehen iſt, wendet er ſich, und ruft einem Pagen.)
Prittwitz! — Das Todesurtheil bring’ mir her!
— Und auch den Paß, für Guſtav Graf von Horn,
Den ſchwediſchen Geſandten, will ich haben!
Kottwitz, und ſein Gefolg’ — ſie ſollen kommen!
[87]
Fünfter Auftritt.
Graf Heinrich und Sparren, Graf Stein, Ritt-
meiſter von Golz und Stranz, und andre Obriſten
und Officiere (treten auf.) — Die Vorigen.
Vergönne, mein erhabner Kurfürſt, mir,
Daß ich, im Namen des geſammten Heers,
In Demuth dies Papier Dir überreiche!
Kottwitz, bevor ich’s nehme, ſag’ mir an,
Wer hat Dich her nach dieſer Stadt gerufen?
Mit den Dragonern?
Mit dem Regiment! —
Arnſtein hatt’ ich zum Sitz Dir angewieſen.
Herr! Deine Ordre hat mich hergerufen.
Wie? — Zeig’ die Ordre mir.
Hier, mein Gebieter.
»Natalie, gegeben Fehrbellin;
In Auftrag meines höchſten Oheims Friedrich.« —
Bei Gott, mein Fürſt und Herr, ich will nicht hoffen,
Daß Dir die Ordre fremd?
Nicht, nicht! Verſteh mich —
Wer iſt’s, der Dir die Ordre überbracht?
Graf Stein!
[88]
Vielmehr, ich heiße Dich willkommen! —
Dem Prinzen Arthur, dem das Recht geſprochen,
Biſt Du beſtimmt, mit Deinen zwölf Schwadronen,
Die letzten Ehren morgen zu erweiſen.
Wie, mein erlauchter Herr?!
Das Regiment
Steht noch, in Nacht und Nebel, vor dem Schloß?
Die Nacht, vergieb —
Warum rückt es nicht ein?
Mein Fürſt, es rückte ein; es hat Quartiere,
Wie Du befahlſt, in dieſer Stadt bezogen.
Wie? Vor zwei Augenblicken — —? Nun, beim Himmel!
So haſt Du Ställe raſch Dir ausgemittelt! —
Um ſo viel beſſer denn! Gegrüßt noch einmal!
Was führt Dich her, ſag’ an? Was bringſt Du Neues?
Herr, dieſe Bittſchrift Deines treuen Heers.
Gieb!
Doch das Wort, das Deiner Lipp’ entfiel,
Schlägt alle meine Hoffnungen zu Boden.
So hebt ein Wort auch wiederum ſie auf,
»Bittſchrift, die allerhöchſte Gnad’ erflehend,
Für unſern Führer, peinlich angeklagt,
[89] Den General, Prinz Friedrich Arthur.«
Ein edler Nam’, ihr Herrn! unwürdig nicht,
Daß ihr, in ſolcher Zahl, euch ihm verwendet!
Die Bittſchrift iſt verfaßt von wem?
Von mir.
Der Prinz iſt von dem Inhalt unterrichtet?
Nicht auf die fernſte Weiſ’! In unſrer Mitte
Iſt ſie empfangen und vollendet worden.
Gebt mir auf einen Augenblick Geduld.
Hm! Sonderbar! — Du nimmſt, Du alter Krieger,
Des Prinzen That in Schutz? Rechtfertigſt ihn,
Daß er auf Wrangel ſtürzte, unbeordert?
Ja, mein erlauchter Herr; das thut der Kottwitz!
Der Meinung auf dem Schlachtfeld warſt Du nicht.
Das hatt’ ich ſchlecht erwogen, mein Gebieter!
Dem Prinzen, der den Krieg gar wohl verſteht,
Hätt ich mich ruhig unterwerfen ſollen.
Die Schweden wankten, auf dem linken Flügel,
Und auf dem rechten wirkten ſie Succurs;
Hätt’ er auf Deine Ordre warten wollen,
Sie faßten Poſten wieder, in den Schluchten,
Und nimmermehr hätt’ſt Du den Sieg erkämpft.
[90]
So! — Das beliebt Dir ſo vorauszuſetzen!
Den Obriſt Hennings hatt’ ich abgeſchickt,
Wie Dir bekannt, den ſchwed’ſchen Brückenkopf,
Der Wrangels Rücken deckt, hinwegzunehmen.
Wenn ihr die Ordre nicht gebrochen hättet,
Dem Hennings wäre dieſer Schlag geglückt;
Die Brücken hätt’ er, in zwei Stunden Friſt,
In Brand geſteckt, am Rhyn ſich aufgepflanzt,
Und Wrangel wäre ganz, mit Stumpf und Stiel,
In Gräben und Moraſt, vernichtet worden.
Es iſt der Stümper Sache, nicht die Deine,
Des Schickſals höchſten Kranz erringen wollen;
Du nahmſt, bis heut, noch ſtets, was es Dir bot.
Der Drache ward, der Dir die Marken trotzig
Verwüſtete, mit blut’gem Hirn verjagt:
Was konnte mehr, an einem Tag, geſchehn?
Was liegt Dir dran, ob er zwei Wochen noch
Erſchöpft im Sand liegt, und die Wunden heilt?
Die Kunſt jetzt lernten wir, ihn zu beſiegen,
Und ſind voll Luſt, ſie fürder noch zu üben:
Laß uns den Wrangel rüſtig, Bruſt an Bruſt,
Noch einmal treffen, ſo vollendet ſich’s,
Und in die Oſtſee ganz fliegt er hinab!
Rom ward an einem Tage nicht erbaut.
Mit welchem Recht, Du Thor, erhoffſt Du das,
Wenn auf dem Schlachtenwagen, eigenmächtig,
Mir in die Zügel jeder greifen darf?
Meinſt Du, das Glück werd’ immerdar, wie jüngſt,
Mit einem Kranz den Ungehorſam lohnen?
Den Sieg nicht mag ich, der, ein Kind des Zufalls,
Mir von der Bank fällt; das Geſetz will ich,
[91] Die Mutter meiner Krone, aufrecht halten,
Die ein Geſchlecht von Siegen mir erzeugt.
Herr, das Geſetz, das höchſte, oberſte,
Das wirken ſoll, in Deiner Feldherrn Bruſt,
Das iſt der Buchſtab Deines Willens nicht;
Das iſt das Vaterland, das iſt die Krone
Das biſt Du ſelber, deſſen Haupt ſie trägt.
Was kümmert Dich, ich bitte Dich, die Regel,
Nach der der Feind ſich ſchlägt: wenn er nur nieder
Vor Dir, mit allen ſeinen Fahnen, ſinkt?
Die Regel, die ihn ſchlägt, das iſt die höchſte!
Schütt’ -ich mein Blut Dir, an dem Tag der Schlacht,
Für Sold, ſey’s Geld, ſey’s Ehre, in den Staub?
Was! Meine Luſt hab’ meine Freude ich,
An Deiner Trefflichkeit und Herrlichkeit,
Am Ruhm und Wachsthum Deines großen Namens!
Das iſt der Lohn, dem ſich mein Herz verkauft!
Geſetzt, um dieſes unberufnen Siegs,
Brächſt Du dem Prinzen jetzt den Stab; und ich,
Ich träfe morgen, gleichfalls unberufen,
Den Sieg wo irgend zwiſchen Wald und Felſen
Mit den Schwadronen, wie ein Schäfer, an:
Bei Gott ein Schelm müßt’ ich doch ſeyn, wenn ich
Des Prinzen That nicht munter wiederholte.
Und ſprächſt Du, das Geſetzbuch in der Hand:
»Kottwitz, Du haſt den Kopf verwirkt!« ſo ſagt ich:
Das wußt’ ich, Herr; da nimm ihn hin, hier iſt er:
Als mich ein Eid an Deine Krone band,
Mit Haut und Haar, nahm ich den Kopf nicht aus,
Und nichts Dir gäb’ ich, was nicht Dein gehörte!
Mit Dir, Du alter, wunderlicher Herr,
Werd’ ich nicht fertig! Es beſticht dein Wort
[92] Mich, mit argliſt’ger Rednerkunſt geſetzt,
Mich, den Du weißt Dir zugethan, und einen
Sachwalter ruf’ ich mir, den Streit zu enden,
Der meine Sache führt!
Prinz Friedrich Arthur —
Man führ’ aus dem Gefängniß ihn hieher!
Der wird Dich lehren, das verſichr’ ich Dich,
Was Kriegszucht und Gehorſam ſey! Ein Schreiben
Schickt’ er mir mindſtens zu, das anders lautet,
Als der ſpitzfünd’ge Lehrbegriff der Freiheit,
Den Du hier, wie ein Knabe mir entfaltet.
Wen holt? — Wen ruft? —
Ihn ſelber?
Nein, unmöglich!
Von wem iſt dieſe zweite Zuſchrift hier?
Von mir, mein Fürſt!
»Beweis, das Kurfürſt Friedrich
Des Prinzen That ſelbſt« — — — Nun, beim Himmel!
Das nenn’ ich keck!
Was! Die Veranlaſſung, Du wälzeſt ſie des Frevels,
Den er ſich in der Schlacht erlaubt, auf mich?
[93]
Auf Dich, mein Kurfürſt; ja, ich, Vetter Heinrich!
Nun denn, bei Gott, das überſteigt die Fabel!
Der Eine zeigt mir, daß nicht ſchuldig er,
Der Andre gar mir, daß der Schuld’ge ich! —
Womit wirſt ſolchen Satz Du mir beweiſen?
Du wirſt Dich jener Nacht, o Herr, erinnern,
Da wir den Prinzen, tief verſenkt im Schlaf,
Im Garten unter den Platanen fanden:
Vom Sieg des nächſten Tages mocht’ er träumen,
Und einen Lorbeer hielt er in der Hand.
Du, gleichſam um ſein tiefes Herz zu prüfen,
Nahmſt ihm den Kranz hinweg, die Kette ſchlugſt Du,
Die Dir vom Hals hängt, lächelnd um das Laub;
Und reichteſt Kranz und Kette, ſo verſchlungen,
Dem Fräulein, Deiner edlen Nichte, hin.
Der Prinz ſteht, bei ſo wunderbarem Anblick,
Erröthend auf, ſo ſüße Dinge will er,
Und von ſo lieber Hand gereicht, ergreifen:
Du aber, die Prinzeſſin rückwärts führend,
Entziehſt Dich eilig ihm; die Thür empfängt Dich,
Jungfrau und Kett’ und Lorbeerkranz verſchwinden,
Und einſam — einen Handſchuh in der Hand,
Den er, nicht weiß er ſelber, wem? entriſſen —
Im Schooß der Mitternacht, bleibt er zurück.
Welch’ einen Handſchuh?
Herr, laß mich vollenden! —
Die Sache war ein Scherz; jedoch von welcher
Bedeutung ihm, das lernt’ ich bald erkennen;
Denn, da ich, durch des Gartens hintre Pforte,
[94] Jetzt zu ihm ſchleich’, als wär’s von ungefähr,
Und ihn erweck’, und er die Sinne ſammelt:
Gießt die Erinnrung Freude über ihn,
Nichts Rührenders fürwahr, kannſt Du Dir denken!
Den ganzen Vorfall, gleich, als wär’s ein Traum,
Trägt er, bis auf den kleinſten Zug, mir vor;
So lebhaft, meint’ er, hab er nie geträumt —:
Und feſter Glaube baut ſich in ihm auf,
Der Himmel hab’ ein Zeichen ihm gegeben:
Es werde Alles, was ſein Geiſt geſehn,
Jungfrau und Lorbeerkranz und Ehrenſchmuck,
Gott, an dem Tag der nächſten Schlacht, ihm ſchenken.
Hm! Sonderbar! — Und jener Handſchuh? —
Ja!
Dieß Stück des Traums, das ihm verkörpert ward,
Zerſtört zugleich und kräftigt ſeinen Glauben.
Zuerſt, mit großem Aug’ ſieht er ihn an: —
Weiß iſt die Farb’, er ſcheint, nach Art und Bildung,
Von einer Dame Hand: — doch weil er keine
Zu Nacht, der er entnommen könnte ſeyn,
Im Garten ſprach, — durchkreuzt, in ſeinem Dichten,
Von mir, der zur Parol auf’s Schloß ihn ruft,
Vergißt er, was er nicht begreifen kann,
Und ſteckt zerſtreut den Handſchuh in’s Collet.
Nun? Drauf?
Drauf tritt er nun, mit Stift und Tafel,
In’s Schloß, aus des Feldmarſchalls Mund, in frommer
Aufmerkſamkeit den Schlachtbefehl zu hören;
Die Fürſtin und Prinzeſſin, reiſefertig
Befinden grad’ im Herrenſaal ſich auch.
[95] Doch wer ermißt das ungeheure Staunen,
Das ihn ergreift, da die Prinzeſſ’ den Handſchuh,
Den er ſich ins Collet geſteckt, vermißt!
Der Marſchall ruft, zu wiederholten Malen:
Prinz Friedrich Arthur! Was befiehlt mein Marſchall?
Entgegnet er, und will die Sinne ſammeln;
Doch er, von Wundern ganz umringt — —: der Donner
Des Himmels hätte niederfallen können — —!
War’s der Prinzeſſin Handſchuh?
Allerdings!
Ein Stein iſt er; den Bleiſtift in der Hand,
Steht er zwar da und ſcheint ein Lebender;
Doch die Empfindung, wie durch Zauberſchläge,
In ihm verlöſcht; und erſt am andern Morgen,
Da das Geſchütz ſchon in den Reihen donnert,
Kehrt er in’s Daſeyn wieder und befragt mich:
Liebſter, was hat ſchon Dörfling, ſag’ mir’s, geſtern
Beim Schlachtbefehl, mich treffend, vorgebracht?
Herr die Erzählung, wahrlich, unterſchreib ich!
Der Prinz, erinn’r ich mich, von meiner Rede
Vernahm kein Wort; zerſtreut ſah ich ihn oft,
Jedoch in ſolchem Grad abweſend ganz
Aus ſeiner Bruſt, noch nie, als dieſen Tag.
Und nun, wenn ich Dich anders recht verſtehe,
Thürmſt Du, wie folgt, das Schlußgebäu mir auf:
Hätt’ ich, mit dieſes jungen Träumers Zuſtand,
Zweideutig nicht geſcherzt, ſo blieb er ſchuldlos:
Bei der Parole wär’ er nicht zerſtreut,
[96] Nicht widerſpänſtig in der Schlacht geweſen.
Nicht? Nicht? Das iſt die Meinung?
Mein Gebieter,
Das überlaſſ’ ich jetzt Dir, zu ergänzen.
Thor, der Du biſt, Blödſinniger! Hätteſt Du
Nicht in den Garten mich hinabgerufen,
So hätt’ ich, einem Trieb der Neugier folgend,
Mit dieſem Träumer harmlos nicht geſcherzt.
Mithin behaupt’ ich, ganz mit gleichem Recht,
Der ſein Verſehn veranlaßt hat, warſt Du! —
Die delphſche Weisheit meiner Officiere!
Es iſt genug, mein Kurfürſt! Ich bin ſicher,
Mein Wort fiel, ein Gewicht, in Deine Bruſt.
Sechster Auftritt.
Der Prinz, o Herr, wird augenblicks erſcheinen!
Wohlan! Laßt ihn herein.
In zwei Minuten! —
Er ließ nur flüchtig, im Vorübergehn,
Durch einen Pförtner ſich den Kirchhof öffnen.
Den Kirchhof?
Ja, mein Fürſt und Herr!
Weßhalb?
[97]
Die Wahrheit zu geſtehn, ich weiß es nicht;
Es ſchien, das Grabgewölb wünſcht’ er zu ſehen,
Das Dein Gebot ihm dort eröffnen ließ.
Gleichviel! Sobald er kömmt, laßt ihn herein.
Da führt die Wache ſchon den Prinzen her.
Siebenter Auftritt.
Die Vorigen.
Mein junger Prinz, euch ruf’ ich mir zu Hülfe!
Der Obriſt Kottwitz bringt, zu Gunſten eurer,
Mir dieſes Blatt hier, ſchaut, in langer Reihe
Von hundert Edelleuten unterzeichnet;
Das Heer begehre, heißt es, eure Freiheit,
Und billige den Spruch des Kriegsrechts nicht. —
Leſ’t, bitt’ ich, ſelbſt, und unterrichtet euch!
im Kreis der Officiere um.)
Kottwitz, gieb Deine Hand mir, alter Freund!
Du thuſt mir mehr, als ich, am Tag der Schlacht
Um Dich verdient! Doch jetzt geſchwind geh hin
Nach Arnſtein wiederum, von wo Du kamſt,
Und rühr’ Dich nicht; ich hab’s mir überlegt;
Ich will den Tod, der mir erkannt, erdulden!
G
[98]
Nein, nimmermehr, mein Prinz! Was ſprichſt Du da?
Er will den Tod —?
Er ſoll und darf nicht ſterben!
Mein Herr und Kurfürſt! Mein Gebieter! Hör’ uns!
Ruhig! Es iſt mein unbeugſamer Wille!
Ich will das heilige Geſetz des Kriegs,
Das ich verletzt’ im Angeſicht des Heers,
Durch einen freien Tod verherrlichen!
Was kann der Sieg euch, meine Brüder, gelten,
Der eine, dürftige, den ich vielleicht
Dem Wrangel noch entreiße, dem Triumph
Verglichen, über den verderblichſten
Der Feind’ in uns, dem Trotz, dem Uebermuth,
Errungen glorreich morgen? Es erliege
Der Fremdling, der uns unterjochen will,
Und frei, auf mütterlichem Grund, behaupte
Der Brandenburger ſich, denn ſein iſt er,
Und ſeiner Fluren Pracht nur ihm erbaut!
Mein Sohn! Mein liebſter Freund! Wie nenn’ ich Dich?
O Gott der Welt!
Laß Deine Hand mich küſſen!
Doch Dir, mein Fürſt, der einen ſüßern Namen
Dereinſt mir führte, leider jetzt verſcherzt;
Dir leg’ ich, tiefbewegt, zu Füßen mich!
[99] Vergieb, wenn ich, am Tage der Entſcheidung,
Mit übereiltem Eifer Dir gedient:
Der Tod wäſcht jetzt von jeder Schuld mich rein.
Laß meinem Herzen, das verſöhnt und heiter
Sich Deinem Rechtsſpruch unterwirft, den Troſt,
Daß Deine Bruſt auch jedem Groll entſagt:
Und in der Abſchiedsſtunde, deſſ’ zum Zeichen,
Bewill’ge huldreich eine Gnade mir!
Sprich, junger Held! Was iſt’s, das Du begehrſt?
Mein Wort verpfänd’ ich Dir und Ritterehre!
Was es auch ſey, es iſt Dir zugeſtanden!
Erkauf’, o Herr, mit Deiner Nichte Hand,
Von Guſtav Karl den Frieden nicht! Hinweg
Mit dieſem Unterhändler aus dem Lager,
Der ſolchen Antrag ehrlos Dir gemacht:
Mit Kettenkugeln ſchreib’ die Antwort ihm!
Sey’s, wie Du ſagſt, mit dieſem Kuß, mein Sohn,
Bewilligt ſey die letzte Bitte Dir!
Was auch bedarf es dieſes Opfers noch,
Vom Mißglück nur des Kriegs mir abgerungen;
Blüht doch aus jedem Wort, das Du geſprochen,
Jetzt mir ein Sieg auf, der zu Staub ihn malmt!
Prinz Arthur’s Braut ſey ſie, werd’ ich ihm ſchreiben,
Der Fehrbellins halb dem Geſetz verfiel,
Und ſeinem Geiſt, todt vor den Fahnen ſchreitend,
Kämpf er auf dem Gefild der Schlacht, ſie ab!
Nun ſieh, jetzt ſchenkteſt Du das Leben mir!
Nun fleh’ ich jeden Segen Dir herab
Den von dem Thron der Wolken Seraphin
[100] Auf Heldenhäupter jauchzend niederſchütten;
Geh und bekrieg’, o Herr, und überwinde
Den Weltkreis, der Dir trotzt — denn Du biſt’s werth!
Wache! Führt ihn zurück in ſein Gefängniß!
Achter Auftritt.
Hofdamen (folgen.) — Die Vorigen.
O Mutter, laß! Was ſprichſt Du mir von Sitte?
Die höchſt’, in ſolcher Stund’, iſt ihn zu lieben!
— Mein theurer, unglückſel’ger Freund!
Hinweg!
Nein, nimmermehr, mein Prinz!
Führt mich hinweg!
Mein Kurfürſt, kann Dein Herz —?
Tyrannen, wollt ihr
Hinaus an Ketten mich zum Richtplatz ſchleifen?
Fort! — Mit der Welt ſchloß ich die Rechnung ab!
O Erde, nimm in deinen Schoos mich auf!
Wozu das Licht der Sonne länger ſchauen?
[101]
Neunter Anftritt.
O Gott der Welt! Mußt’ es bis dahin kommen!
Officier.)
Mein Fürſt und Herr, nach dem, was vorgefallen
Sind wir entlaſſen?
Nein! Zur Stund noch nicht!
Dir ſag’ ich’s an, wenn Du entlaſſen biſt!
Papiere, die ihm der Page gebracht hat, vom Tiſch, und
wendet ſich damit zum Feldmarſchall.)
Hier dieſen Paß dem ſchwed’ſchen Grafen Horn!
Es wär’ des Prinzen, meines Vetters Bitte,
Die ich verpflichtet wäre, zu erfüllen;
Der Krieg heb’ in drei Tagen wieder an!
Ja, urtheilt ſelbſt, ihr Herrn! Prinz Friedrich Arthur
Hat im verfloſſenen Jahr, durch Trotz und Leichtſinn,
Um zwei der ſchönſten Siege mich gebracht,
Den dritten auch hat er mir ſchwer gekränkt.
Die Schule dieſer Tage durchgegangen,
Wollt ihr’s zum vierten Male mit ihm wagen?
Wie, mein vergöttert — angebeteter? —
Wollt ihr? Wollt ihr?
Bei dem lebend’gen Gott,
Du könnteſt an Verderbens Abgrund ſtehn,
[102] Daß er, um Dir zu helfen, Dich zu retten,
Auch nicht das Schwert mehr zückte, ungerufen!
So folgt, ihr Freunde, in den Garten mir!
wie im erſten Akt. — Es iſt wieder Nacht.
Zehnter Auftritt.
verbundenen Augen durch das untere Gartengitter aufgeführt.)
Officiere mit Wache. — (In der Ferne hört man)
Trommeln des Todtenmarſches.
Nun, o Unſterblichkeit, biſt du ganz mein!
Du ſtrahlſt mir durch die Binde meiner Augen,
Mit Glanz der tauſendfachen Sonne zu!
Es wachſen Flügel mir an beiden Schultern,
Durch ſtille Aetherräume ſchwingt mein Geiſt;
Und wie ein Schiff, vom Hauch des Winds entführt,
Die muntre Hafenſtadt verſinken ſieht,
So geht mir dämmernd alles Leben unter:
Jetzt’ unterſcheid’ ich Farben noch und Formen,
Und jetzt liegt Nebel Alles unter mir.
Platzes um die Eiche aufgeſchlagen iſt, der Nittmeiſter
Stranz entfernt ſich von ihm, und ſieht nach der Rampe
hinauf.)
Ach, wie die Nachtviole lieblich duftet!
— Spürſt Du es nicht?
Es ſind Levkoyn und Nelken.
Levkoyn? — Wie kommen die hierher?
[103]
Ich weiß nicht. —
Es ſcheint, ein Mädchen hat ſie hier gepflanzt.
— Kann ich Dir eine Nelke reichen?
Lieber! —
Ich will zu Hauſe ſie in Waſſer ſetzen.
Elfter Auftritt.
Kette geſchlungen iſt,) Kurfürſtin, Prinzeſſin Na-
talie, Feldmarſchall Dörfling, Obriſt Kott-
witz, Graf Heinrich, Golz u. ſ. w. — Hofda-
men, Officiere und Fackeln (erſcheinen auf der
Rampe des Schloſſes.) — Graf Heinrich (tritt, mit
einem Tuch, an das Geländer und winkt dem) Rittmeiſter
Stranz; (worauf dieſer den) Prinzen Arthur (ver-
läßt, und im Hintergrund mit der) Wache (ſpricht.)
Lieber, was für ein Glanz verbreitet ſich?
Mein Prinz, willſt Du gefällig Dich erheben?
Was giebt es?
Nichts, das Dich erſchrecken dürfte! —
Die Augen bloß will ich Dir wieder öffnen.
Schlug meiner Leiden letzte Stunde?
Ja! —
Heil Dir und Segen, denn Du biſt es werth!
der Prinzeſſin, nimmt ſie bei der Hand und führt ſie die
Rampe hinab. Herren und Damen folgen. Die Prin-
zeſſin tritt, umgeben von Fackeln, vor den Prinzen,
[104] welcher erſtaunt aufſteht; ſetzt ihm den Kranz auf, hängt ihm
die Kette um, und drückt ſeine Hand an ihr Herz. Der Prinz
fällt in Ohnmacht.)
Himmel! Die Freude tödtet ihn!
Zu Hülfe!
Laßt den Kanonendonner ihn erwecken!
Heil, Heil dem Prinz Arthur!
Heil! Heil! Heil!
Dem Sieger in der Schlacht bei Fehrbellin!
Nein, ſagt! Iſt es ein Traum?
Ein Traum, was ſonſt?
In’s Feld! In’s Feld!
Zur Schlacht!
Zum Sieg! Zum Sieg!
In’s Feld! Zum Sieg!
[]
Schlacht bei Fehrbellin.
[][]
Appendix A
Wien, 1822.
Druck und Verlag von J. B. Wallishauſſer.
Berlin, bei Reimer.
- Holder of rights
- Kolimo+
- Citation Suggestion for this Object
- TextGrid Repository (2025). Collection 2. Die Schlacht bei Fehrbellin. Die Schlacht bei Fehrbellin. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bn60.0