Und wie du das Herz
Der Pflanzen erfreueſt,
Wenn ſie entgegen dir
Die zarten Arme ſtrecken,
So haſt du mein Herz erfreut,
Vater Helios! und wie Endymion,
War ich dein Liebling,
Heilige Luna!
(Fragment.)
in derJ. G. Cotta'ſchen Buchhandlung.
1826.
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Inhalt.
Seite
Das Schickſal. 1- Griechenland. An St. 5
- Dem Genius der Kühnheit. Eine Hymne. 8
- Lebensgenuß. An Neuffer. 12
- Der Gott der Jugend. 13
- An eine Roſe. 16
- Freundeswunſch. An Roſine St. 17
- Diotima. 19
- Das Ahnenbild. 23
- Der blinde Sänger. 26
- Dichtermuth. 29
- Natur und Kunſt, oder Saturn und Jupiter. 31
- An unſere Dichter. 33
- An Eduard. 34
- Der gefeſſelte Strom. 37
- Sonnenuntergang. 39
- Menſchenbeifall. 40
- Stimme des Volks. 41
- Die ſcheinheiligen Dichter. 42
- Die Launiſchen. 43
- Der Zeitgeiſt. 44
- Der Tod für's Vaterland. 45
- Des Morgens. 46
- Abendphantaſie. 47
- An die Hoffnung. 49
- Der Winter. 50
- Der gute Glaube. 52
- Ihre Geneſung. 53
- Abbitte. 54
- Ehmals und jetzt. 55
- An die Deutſchen. 56
- An die jungen Dichter. 57
Seite
Die Kürze. 58- Sokrates und Alcibiades. 59
- Die Götter. 60
- Empedokles. 61
- Der Neckar. 62
- Heidelberg. 64
- Der Main. 66
- Ermunterung. 69
- Die Heimath. 71
- Die Liebe. 73
- Lebenslauf. 75
- Der Abſchied. 76
- Diotima. 78
- Rückkehr in die Heimath. 80
- An die Parzen. 82
- Unter den Alpen geſungen. 83
- Der Menſch. Fragment. 85
- Emilie an ihrem Brauttag. 87
- An Hiller. 1793. 114
- Seiner Großmutter zum zwei und ſiebenzigſten Ge-
burtstag. 117 - An L. Fragment. 120
- Sophokles. 122
- Der zürnende Dichter. 123
- Die Scherzhaften. 124
- An Diotima. 125
- An ihren Genius. 126
- Menons Klagen um Diotima. 127
- Die Nacht. Fragment. 137
- Die Herbſtfeier. An Siegfried Schmidt. 139
- Der Wanderer. 147
- Die Eichbäume. 153
- An den Aether. 155
- Der Archipelagus. 159
- Andenken. 180
- Die Wanderung. 183
- Der Rhein. Fragment. 188
- Hyperions Schickſalslied. 196
- Der Tod des Empedokles. Fragmente eines Trauer-
ſpiels. 198
Das Schickſal.
‘Πϱοσϰυνουνιεϛ την εἱμαϱμενην, σοφου.’
(Aeschylus.)
Hoͤlderlin Gedichte. 1
[2]
[3]
[4]
Griechenland.
An St.
[6]
[7]
Dem Genius der Kuͤhnheit.
Eine Hymne.
[9]
[10]
[11]
Lebensgenuß.
An Neuffer.
Der Gott der Jugend.
[14]
[15]
An eine Roſe.
Freundeswunſch.
An Roſine St.
Hoͤlderlin Gedichte. 2
[18]
Diotima.
[20]
[21]
[22]
Das Ahnenbild.
[24]
[25]
Der blinde Saͤnger.
‘Eλυσεν αἰνον ἀχοϛ ἀπ̕ ὀμματων Aϱηϛ’
(Sophocles.)
[27]
[28]
Dichtermuth.
[30]
Natur und Kunſt
oder
Saturn und Jupiter.
[32]
An unſere Dichter.
[34]
An Eduard.
[35]
[36]
Der gefeſſelte Strom.
[38]
Sonnenuntergang.
Menſchenbeifall.
Stimme des Volks.
Die ſcheinheiligen Dichter.
Die Launiſchen.
Der Zeitgeiſt.
Der Tod fuͤr's Vaterland.
Des Morgens.
Abendphantaſie.
[48]
An die Hoffnung.
[50]
Der Winter.
[51]
Der gute Glaube.
[53]
Ihre Geneſung.
Abbitte.
Ehmals und Jetzt.
[56]
An die Deutſchen.
An die jungen Dichter.
Die Kuͤrze.
Die Goͤtter.
glaͤnzt
Wirfſt Dich hinab in des Aetna Flammen.
Der Koͤnigin; und mochte ſie! Haͤtteſt Du
Der Neckar.
[63]
Heidelberg.
[65]
[66]
Der Main.
(Variation des obigen: der Neckar.)
[67]
[68]
Ermunterung.
[70]
Die Heimath.
[72]
Die Liebe.
[74]
Lebenslauf.
Der Abſchied.
[77]
Diotima..
[79]
Ruͤckkehr in die Heimath.
[81]
[82]
An die Parzen.
Unter den Alpen geſungen.
[84]
Der Menſch.
Fragment.
[86]
Emilie
vor ihrem Brauttag.
Emilie an Klara.
[88]
[89]
[90]
[91]
[92]
[93]
Emilie an Klara.
[94]
[95]
[96]
[97]
Hoͤlderlin Gedichte. 7
[98]
[99]
[100]
Emilie an Klara.
[101]
[102]
Emilie an Klara.
[103]
[104]
[105]
Emilie an Klara.
[106]
[107]
Emilie an Klara.
[108]
Emilie an Klara.
[109]
[110]
[111]
[112]
[113]
[114]
An Hiller.
1793.
[115]
[116]
Seiner Mutter zum zwei und ſieben-
zigſten Geburts-Tag.
[118]
[119]
[120]
An L.
Fragment.
[121]
[122]
Sophokles.
[123]
Der zuͤrnende Dichter.
[124]
Die Scherzhaften.
[125]
An Diotima.
verſoͤhnteſt,
Zeit!
Himmels,
vereint,
hebt!
Schoͤnheit,
zuruͤck!
Winter,
doch auch.
iſt hinunter,
[126]
An ihren Genius.
[127]
Menons Klage um Diotima.
1.
[128]
2.
[129]
3.
Hoͤlderlin Gedichte. 9
[130]
4.
[131]
6.
[132]
6.
[133]
7.
[134]
8.
[135]
9.
[136]
[137]
Die Nacht.
Fragment.
[138]
[139]
Die Herbſtfeier.
An Siegfried Schmidt.
1.
[140]
2.
[141]
3.
[142]
[143]
4.
[144]
5.
[145]
6.
Hoͤlderlin Gedichte. 10
[146]
[147]
Der Wanderer.
[148]
[149]
[150]
[151]
[152]
[153]
Die Eichbaͤume.
[154]
[155]
An den Aether.
[156]
[157]
[158]
[159]
Der Archipelagus.
[160]
[161]
Hoͤlderlin Gedichte. 11
[162]
[163]
[164]
[165]
[166]
[167]
[168]
[169]
[170]
[171]
[172]
[173]
[174]
[175]
[176]
[177]
Hoͤlderlins Gedichte. 12
[178]
[179]
Andenken.
[181]
[182]
Die Wanderung.
[184]
[185]
[186]
[187]
[188]
Der Rhein.
Fragment.
[189]
[190]
[191]
[192]
[193]
Hoͤlderlin Gedichte. 13
[194]
[195]
Hyperions Schickſalslied.
[197]
Der Tod des Empedokles.
Fragmente eines Trauerſpiels.
Mekades. Hermokrates.
Hoͤrſt du das trunk'ne Volk?
Sie ſuchen ihn.
Der Geiſt des Manns
Iſt maͤchtig unter ihnen.
Ich weiß, wie duͤrres Gras
Entzuͤnden ſich die Menſchen.
Daß Einer ſo die Menge bewegt, mir iſt's,
Als wie wenn Jovis Blitz den Wald
Ergreift, und furchtbarer.
Drum binden wir den Menſchen auch
Das Band um's Auge, daß ſie nicht
[199] Zu kraͤftig ſich am Lichte naͤhren.
Nicht gegenwaͤrtig werden
Darf Goͤttliches vor ihnen,
Es darf ihr Herz
Lebendiges nicht finden.
Kennſt du die Alten nicht,
Die Lieblinge des Himmels man nennt?
Sie naͤhrten die Bruſt
An Kraͤften der Welt
Und den Hellaufblickenden war
Unſterbliches nahe,
Drum beugten die Stolzen
Das Haupt auch nicht,
Und vor den Gewaltigen konnt'
Ein Anderes nicht beſtehn,
Es ward verwandelt vor ihnen.
Und er?
Das hat zu maͤchtig ihn
Gemacht, daß er vertraut
Mit Goͤttern worden iſt.
Es toͤnt ſein Wort dem Volk'
Als kaͤm es vom Olymp;
Sie danken's ihm,
Daß er vom Himmel raubet
[200] Die Lebensflamm' und ſie
Verraͤth den Sterblichen.
Sie wiſſen nichts, denn ihn,
Er ſoll ihr Gott
Er ſoll ihr Koͤnig ſeyn.
Sie ſagen, es hab' Apoll
Die Stadt gebaut den Trojern,
Doch beſſer ſey, es helf'
Ein hoher Mann durch's Leben.
Noch ſprechen ſie viel Unverſtaͤndiges
Von ihm und achten kein Geſetz
Und keine Noth und keine Sitte.
Ein Irrgeſtirn iſt unſer Volk
Geworden und ich fuͤrcht',
Es deute dieſes Zeichen
Zukuͤnft'ges noch, das er
Im ſtillen Sinne bruͤtet.
Sey ruhig, Mekades!
Er wird nicht.
Biſt du denn maͤchtiger?
Der ſie verſteht,
[201] Iſt ſtaͤrker, denn die Starken,
Und wohlbekannt iſt dieſer Seltne mir.
Zu gluͤcklich wuchs er auf;
Ihm iſt von Anbeginn
Der eigne Sinn verwoͤhnt, daß ihn
Geringes irrt; er wird es buͤßen,
Daß er zu ſehr geliebt die Sterblichen.
Mir ahndet ſelbſt,
Es wird mit ihm nicht lange dauern,
Doch iſt es lang genug,
So er erſt faͤllt, wenn ihm's gelungen iſt.
Und ſchon iſt er gefallen.
Was ſagſt du?
Siehſt du denn nicht? es haben
Den hohen Geiſt die Geiſtesarmen
Geirrt, die Blinden den Verfuͤhrer.
Die Seele warf er vor das Volk, verrieth
Der Goͤtter Gunſt gutmuͤthig den Gemeinen,
Doch raͤchend aͤffte leeren Wiederhall's
Genug denn auch aus todter Bruſt den Thoren.
Und eine Zeit ertrug er's, graͤmte ſich
[202] Geduldig, wußte nicht,
Wo es gebrach; indeſſen wuchs
Die Trunkenheit dem Volke; ſchaudernd
Vernahmen ſie's, wenn ihm vom eignen Wort
Der Buſen bebt', und ſprachen:
So hoͤren wir nicht die Goͤtter!
Und Namen, ſo ich dir nicht nenne, gaben
Die Knechte dann dem ſtolzen Trauernden.
Und endlich nimmt der Durſtige das Gift,
Der Arme, der mit ſeinem Sinn nicht
Zu bleiben weiß und Aehnliches nicht findet,
Er troͤſtet mit der raſenden
Anbetung ſich, verblindet, wird wie ſie,
Die ſeelenloſen Aberglaubigen;
Die Kraft iſt ihm entwichen,
Er geht in einer Nacht, und weiß ſich nicht
Herauszuhelfen und wir helfen ihm.
Deß biſt du ſo gewiß?
Ich kenn' ihn.
Ein uͤbermuͤthiges Gerede faͤllt
Mir bei, das er gemacht, da er zuletzt
Auf der Agore war. Ich weiß es nicht,
Was ihm das Volk zuvor geſagt; ich kam
[203] Nur eben, ſtand von fern; ihr ehret mich,
Antwortet' er, und thuet recht daran;
Denn ſtumm iſt die Natur,
Es leben Sonn' und Luft und Erd' und ihre Kinder
Fremd um einander,
Die Einſamen, als gehoͤrten ſie ſich nicht.
Wohl wandeln immer kraͤftig
Im Goͤttergeiſte die freien
Unſterblichen Maͤchte der Welt
Rings um der andern
Vergaͤnglich Leben,
Doch wilde Pflanzen
Auf wilden Grund
Sind in den Schooß der Goͤtter
Die Sterblichen alle geſaͤet,
Die Kaͤrglichgenaͤhrten, und todt
Erſchiene der Boden, wenn Einer nicht
Deß wartete, lebenerweckend,
Und mein iſt das Feld. Mir tauſchen
Die Kraft und Seele zu Einem
Die Sterblichen und die Goͤtter.
Und waͤrmer umfangen die ewigen Maͤchte
Das ſtrebende Herz und kraͤft'ger gedeihn
Vom Geiſte der Freien die fuͤhlenden Menſchen,
Und wach iſt's! denn ich
Geſelle das Fremde,
Das Unbekannte nennet mein Wort,
[204] Und die Liebe der Lebenden trag'
Ich auf und nieder; was Einem gebricht,
Ich bring es vom andern, und binde
Beſeelend und wandle verjuͤngend die zoͤgernde
Welt
Und gleiche Keinem und Allen.
So ſprach der Uebermuͤthige.
Das iſt noch wenig. Aergers ſchlaͤft in ihm.
Ich kenn' ihn, kenne ſie, die uͤbergluͤcklichen
Verwoͤhnten Soͤhne des Himmels,
Die anders nicht, denn ihre Seele, fuͤhlen.
Stoͤrt einmal ſie der Augenblick heraus —
Und leicht zerſtoͤrbar ſind die Zaͤrtlichen —
Dann ſtillet nichts ſie wieder, brennend
Treibt eine Wunde ſie, unheilbar gaͤhrt
Die Bruſt. Auch er! ſo ſtill er ſcheint,
So gluͤht ihm doch, ſeit ihm das arme Volk
Den hohen Geiſt — —
Empedokles. Pauſanias.
— — — — — — O jene Zeit!
Ihr Liebeswonnen, da die Seele mir
Von Goͤttern, wie Endymion, geweckt,
Die kindlich ſchlummernde, ſich oͤffnete,
Lebendig ſie, die Immerjugendlichen,
[205] Des Lebens große Genien
Erkannte — ſchoͤne Sonne! Menſchen hatten mich
Es nicht gelehrt, mich trieb mein eigen Herz
Unſterblichliebend zu Unſterblichen,
Zu dir, zu dir, ich konnte Goͤttlichers
Nicht finden, ſtilles Licht! und ſo wie du
Das Leben nicht an deinem Tage ſparſt
Und ſorgenfrei der goldnen Fuͤlle dich
Entledigeſt, ſo goͤnnt' auch ich, der deine,
Den Sterblichen die beſte Seele gern
Und furchtlos offen gab
Mein Herz, wie du, der ernſten Erde ſich,
Der ſchickſalvollen, ihr in Juͤnglingsfreude
Das Leben ſo zu eignen bis zuletzt;
Ich ſagt' ihr's oft in trauter Stunde zu,
Band ſo den theuern Todesbund mit ihr.
Da rauſcht' es anders, denn zuvor, im Hain,
Und zaͤrtlich toͤnten ihrer Berge Quellen —
All' deine Freuden, Erde! wahr, wie ſie,
Und warm und voll, aus Muͤh' und Liebe reifen,
Sie alle gabſt du mir. Und wenn ich oft
Auf ſtiller Bergeshoͤhe ſaß und ſtaunend
Der Menſchen Irrſal uͤberſann,
Zu tief von deinen Wandlungen ergriffen,
Und nah mein eignes Welken ahnete,
Dann athmete der Aether, ſo wie dir,
Mir heilend um die liebeswunde Bruſt,
[206] Und, wie Gewoͤlk der Flamme, loͤſeten
Im hohen Blau die Sorgen mir ſich auf.
O Sohn des Himmels!
Euch ruf' ich uͤber das Gefild herein
Vom langſamen Gewoͤlk, ihr heißen Stralen
Des Mittags, ihr gereifteſten, daß ich
An euch den neuen Lebenstag erkenne.
Denn anders iſts, wie ſonſt! vorbei, vorbei
Das menſchliche Bekuͤmmerniß! als wuͤchſen
Mir Schwingen an, ſo iſt mir wohl und leicht
Hier oben, hier, und reich genug und froh
Und herrlich wohn' ich, wo den Feuerkelch,
Mit Geiſt gefuͤllt bis an den Rand, bekraͤnzt
Mit Blumen, die er ſelber ſich erzog,
Gaſtfreundlich mir der Vater Aetna beut.
Und wenn das unterirdiſche Gewitter
Itzt feſtlich auferwacht, zum Wolkenſitz
Des nahverwandten Donners fliegt hinauf
Und zu den Sternen toͤnt, da waͤchst das Herz
mir auch.
Mit Adlern ſing' ich hier Naturgeſang.
[207] Das dacht' er nicht, daß in der Fremde mir
Ein andres Leben bluͤhte, da er mich
Mit Schmach hinweg aus unſrer Stadt verwies,
Mein koͤniglicher Bruder. Ach! er weiß es nicht,
Der kluge, welchen Segen er bereitete,
Da er von Menſchenbande los, da er mich frei
Erklaͤrte, frei, wie Fittige des Himmels.
Drum galt es auch! drum waffnete das Volk,
Das mein war, gegen meine Seele ſich
Mit Hohn und Fluch.
Und ſtieß mich aus; und nicht vergebens gellt
Im Ohre mir das hundertſtimmige
Gelaͤchter, da der fromme Traͤumer,
Der naͤrriſche, des Weges weinend gieng.
Beim Todtenrichter! wohl hab' ich's verdient!
Und heilſam wars; die Kranken heilt das Gift,
Und eine Suͤnde ſtraft die anderen.
Denn viel geſuͤndiget von Jugend auf,
Geliebt hab' ich die Menſchen ohne Maaß,
Gedient, wie Waſſer nur dem Feuer dient.
Darum begegneten auch menſchlich ſie
Mir nicht, o darum ſchaͤndeten ſie mir
Mein Angeſicht, und hielten mich, wie dich,
Allduldende Natur! du haſt mich nun,
Du haſt mich, und es daͤmmert zwiſchen dir
Und mir die alte Liebe wieder auf.
Du rufſt, du ziehſt mich nah und naͤher an,
[208] Und hier iſt kein Bedenken mehr. Es ruft
Der Gott —
und dieſen Allzutreuen muß
Ich auch befrein, mein Pfad iſt ſeiner nicht.
Pauſanias. Empedokles.
Du ſcheineſt freudig auferwacht, mein Wandrer!
Schon hab' ich, Lieber, und vergebens nicht,
Mich in der neuen Heimath umgeſehn.
Die Wildniß iſt mir hold.
Sie haben uns verbannt, ſie haben dich,
Du Guͤtiger! verſchmaͤht, und glaub' es mir,
Unleidlich warſt du ihnen laͤngſt und innig.
In ihre Truͤmmer ſchien, in ihre Nacht,
Zu helle den Verzweifelten das Licht.
Nun moͤgen ſie vollenden ungeſtoͤrt!
Vergeſſenheit! o wie ein gluͤcklich Segel,
Bin ich vom Ufer los, —
— — — — — — — — — — —
— — — — — — — — — — —
Nun! laſſ' ſie nur! ſie moͤgen ungeſtalt
[209] Lichtſcheu am Boden taumeln, der ſie traͤgt,
Und allbegehrend, allgeaͤngſtiget,
Sich muͤde rennen. Brennen mag der Brand,
Bis er erliſcht; wir wohnen ruhig hier!
Ja! ruhig wohnen wir! es oͤffnen groß
Sich hier vor uns die heil'gen Elemente.
Die Muͤheloſen regen immergleich
In ihrer Kraft ſich freudig hier um uns.
An ſeinen feſten Ufern wacht und ruft
Das alte Meer; und das Gebirge ſteigt
Mit ſeiner Stroͤme Klang; es wogt und rauſcht
Sein gruͤner Wald von Thal zu Thal hinunter
Und oben weilt das Licht, der Aether ſtillt
Den Tapfern das geheimere Verlangen.
So bleibſt du wohl und bleibſt in deiner Welt.
Doch hab' ich ſchon ein wenig vorgeſorgt,
Ich diene dir und ſehe, was uns noth iſt.
Nur weniges iſt noth — — —
— — — — — — — — — — —
Indeß du gut auf kahler Erde hier
Hoͤlderlins Gedichte. 14
[210] In heißer Sonne ſchliefſt, gedacht' ich doch
Ein weicher Boden und die kuͤhle Nacht
In einer ſichern Halle waͤre beſſer.
Auch ſind wir hier, die Allverdaͤchtigen,
Den Wohnungen der andern faſt zu nah,
Nicht lange wollt' ich ferne ſeyn von dir
Und eilt' hinauf und gluͤcklich fand ich bald,
Fuͤr dich und mich gebaut, ein ruhig Haus,
Ein tiefer Fels von Eichen dicht umſchirmt,
Dort in der dunkeln Seite des Gebirgs,
Und nah entſpringt ein Quell, es gruͤnt umher
Die Fuͤlle guter Pflanzen, und zum Bett
Iſt Ueberfluß von Laub und Gras bereitet.
Da laſſen ſie dich ungeſchmaͤht, und tief und ſtill
Iſts, wenn du ſinnſt, und wenn du ſchlaͤfſt, um dich.
Ein Heiligthum iſt mir mit dir die Grotte.
Komm, ſiehe ſelbſt, und ſage nicht, ich tauge
Dir kuͤnftig nicht, wem taugt' ich anders denn?
Du taugſt zu gut.
Wie koͤnnt' ich dieß?
Auch du
Biſt allzutreu, du biſt ein thoͤricht Kind.
[211]
Das ſagſt du wohl, doch kluͤgers weiß ich nicht,
Wie deß zu ſeyn, dem ich geboren bin.
Wie biſt du ſicher?
Und ich ſollte nicht?
Wofuͤr denn haͤtteſt du mir einſt, da ich,
Der Waiſe gleich, am heldenarmen Ufer
Mir einen Schutzgott ſucht' und traurig irrte,
Du Guͤtiger, die Haͤnde mir gereicht?
Wofuͤr mit deinem Auge waͤreſt du
Auf deiner ſtillen Bahn, du edles Licht,
In meiner Daͤmmerung mir aufgegangen?
Seitdem bin ich ein anderer,
Und naͤher dir und einſamer mit dir,
Waͤchst fruͤher nur die Seele mir und freier.
O ſtill davon!
Was iſts? Warum? Wie kann
Ein freundlich Wort dich irren, theurer Mann?
Geh. Folge mir, und ſchweig' und ſchone mich,
[212] Und rege du nicht auch das Herz mir auf,
Fuͤr mich iſt, was voruͤber iſt, nicht mehr.
Ich weiß es nicht, was dir voruͤber iſt,
Doch du und ich, wir ſind uns ja geblieben!
Sprich lieber mir von anderem, mein Sohn!
Habt ihr zum Dolche die Erinnerung
Nicht mir gemacht? — Nun wundern ſie ſich noch,
Und treten vor das Auge mir und fragen —
Nein! du biſt ohne Schuld, — nur kann ich, Sohn!
Was mir zu nahe koͤmmt, nicht wohl ertragen.
Und mich, mich ſtoͤßeſt du von dir? — — — —
— — — — — — — — — — —
Verſteheſt du mich auch? Hinweg. Ich hab'
Es dir geſagt: es iſt nicht ſchoͤn, daß du
So ungefragt mir an die Seele dringeſt,
An meine Seite ſtets, als wuͤßteſt du
Nichts andres mehr, mit armer Angſt dich haͤngſt,
Du mußt es wiſſen: dir gehoͤr' ich nicht,
Und du nicht mir, und deine Pfade ſind
Die meinen nicht; mir bluͤht es anderswo,
Und was ich mein' es iſt von heute nicht,
[213] Da ich geboren wurde, war's beſchloſſen.
Sieh auf und wag's! was Eines iſt, zerbricht,
Die Liebe ſtirbt in ihrer Knoſpe nicht
Und uͤberall in freier Freude theilt
Des Lebens luft'ger Baum ſich auseinander.
Kein zeitlich Buͤndniß bleibet, wie es iſt;
Wir muͤſſen ſcheiden, Kind! und halte nur
Mein Schickſal mir nicht auf und zaudre nicht.
O ſieh! es glaͤnzt der Erde trunknes Bild,
Das Goͤttliche, dir gegenwaͤrtig, Juͤngling!
Es rauſcht und regt durch alle Lande ſich
Und wechſelt, jung und leicht, mit frommem Ernſt
Den luft'gen Reigentanz, womit den Geiſt
Die Sterblichen, den alten Vater, feyern.
Da gehe du und wandle taumellos
Und menſchlich mit und denk' am Abend mein.
Mir aber ziemt die ſtille Halle, mir
Die hochgelegene, geraͤumige,
Denn Ruhe brauch' ich wohl, zu traͤge ſind
Die Glieder mir geworden — —
— — — — und hab' ich ſonſt
Ein feiernd Lied in Jugendluſt geſungen,
Zerſprungen iſt das zarte Saitenſpiel.
— — — — — — — — — — —
— — — — — — — — — — —
Das hofft' ich nicht, wenn wir Geaͤchteten
[214] Den Wohnungen der Menſchen — —
— — — — — — — — — — —
— — — wenn mit den Thraͤnen dir
Vom Angeſichte trof des Himmels Regen,
Wenn laͤchelnd du das rauhe Sklavenkleid
Mittags an heißer Sonne trockneteſt
Auf ſchattenloſem Sand, wenn du die Spuren
Wohl manche Stunde, wie ein wundes Wild,
Mit deinem Blute zeichneteſt, das auf
Den Felſenpfad von nackter Sohle rann.
Ach! darum ließ ich nicht mein Haus, und lud
Des Volkes und des Vaters Fluch mir auf:
Daß du mich, wo du wohnen willſt und ruhn,
Wie ein verbraucht Gefaͤß, bei Seite werfeſt! — —
Ich wandre mit; zwar ſteh' ich nicht, wie du
Mit Kraͤften der Natur im trauten Bunde,
Mir ſteht, wie dir, Zukuͤnftiges nicht offen.
Doch freudig in der Goͤtter Nacht hinaus
Schwingt ſeine Fittige mein Geiſt —
Ja, waͤr' ich auch ein Schwacher, dennoch waͤr'
Ich, weil ich ſo dich liebe, ſtark, wie du.
Beim goͤttlichen Herakles! ſtiegſt du auch
Um die Gewaltigen, die drunten ſind,
Verſoͤhnend, die Titanen heimzuſuchen,
Ins bodenloſe Thal, vom Gipfel dort
Und wagteſt dich ins Heiligthum des Abgrunds,
Wo duldend vor dem Tage ſich das Herz
[215] Der Erde birgt und ihre Schmerzen dir
Die dunkle Mutter ſagt — o du der Nacht,
Des Aethers Sohn! ich folgte dir hinunter!
So bleib!
Wie meinſt du dieß?
Du giebſt
Dich mir; biſt mein: ſo frage nicht!
Es ſey!
Und ſagſt du mirs noch einmal, Sohn? und giebſt
Dein Blut und deine Seele mir fuͤr immer?
Als haͤtt' ich ſo ein loſes Wort geſagt,
Und zwiſchen Schlaf und Wachen dir's verſprochen.
Unglaubiger! ich ſag's und wiederhol' es.
Auch dieß, auch dieß — es iſt von heute nicht:
Da ich geboren wurde, war's beſchloſſen.
Ich bin nicht, der ich bin, Pauſanias
— — — — — — — — — — —
[216] Ein Schimmer nur, der bald voruͤbergeht,
Im Saitenſpiel ein Ton —
So toͤnen ſie,
So ſchwinden ſie zuſammen in die Luft!
Und freundlich ſpricht der Wiederhall von ihnen.
Verſuche nun mich laͤnger nicht und laß'
Und goͤnne du die Ehre mir, die mein iſt.
Hab' ich nicht Leid genug, wie du, in mir?
Wie moͤchteſt du mich noch beleidigen?
O alles opfernd Herz! und dieſer giebt
Schon mir zu lieb die goldne Jugend hin.
Noch biſt du nah, indeß die Stunde flieht,
Und bluͤheſt mir, du Freude meiner Augen!
Noch iſt's, wie ſonſt, ich halt' im Arme dich
Und mich bethaut der holde Traum noch einmal.
So Arm in Arm, ſtatt Eines Einſamen
Ein feſtlich Paar, am Tagesende —
Und gerne naͤhm' ich, was ich hier geliebt,
Wie ſeine Quellen all ein edler Strom.
— — — — — — — — — — —
— — — — — — — — — — —
Doch beſſer iſt's, es gehe ſeinen Pfad
Ein Jeder, wie der Gott es ihm beſchieden,
Und billig iſt's, und recht, daß uͤberall
[217] Des Menſchen Sinn ſich eigen angehoͤre,
Und leichter traͤgt der Mann die eigne Buͤrde.
So wachſen ja des Waldes Eichen auch,
Und Keines kennt, ſo alt ſie ſind, das Andre.
Du ſagſt es mir, und wahr iſts wohl, und lieb
Iſt billig mir dieß letzte Wort von dir.
So geh' ich denn! ich ſtoͤre deine Ruhe
Dir kuͤnftig nicht, auch meineſt du es gut,
Daß meinem Sinne nicht die Stille tauge.
Doch, Lieber! zuͤrnſt du nicht?
Mit dir? mit dir?
Was iſt es denn? ja! weißſt du nun, wohin?
Gebiet' es mir!
Es war mein letzt Gebot
Pauſanias! die Herrſchaft iſt zu Ende.
Mein Vater! rathe mir!
Wohl manches ſollt'
Ich ſagen, doch verſchweig' ichs,
[218] Es will zu ſterblichem Geſpraͤche mir
Und eitlem Wort die Zunge nimmer dienen.
Sieh! Liebſter! anders iſt mir ſchon, und leichter
Und freier athm' ich auf, und wie der Schnee
Des hohen Aetna, der am Sonnenlichte
Erwarmt und ſchimmert und vom Gipfel wogt,
Und uͤber den entſtuͤrzenden Gewaͤſſern
Sich bluͤhend Iris ſtiller Bogen ſchwingt:
So rinnt und reißt vom Herzen mir ſich los,
So rauſcht es weg, was mir die Zeit gehaͤuft,
Und freier bluͤht das Leben mir daruͤber.
Nun! wandre muthig, Sohn! ich geb' und kuͤſſe
Verheiſſungen dir auf die reine Stirn:
Es daͤmmert dort Italiens Gebirg;
Das Roͤmerland, das thatenreiche, winkt;
Dort wirſt du wohl gedeihn, dort, wo ſich froh
Die Maͤnner in der Kaͤmpferbahn begegnen.
O Heldenſtaͤdte dort, und du Tarent!
Ihr bruͤderlichen Hallen, wo ich oft
Frohſinnend einſt mit meinem Plato ging,
Und immer neu uns Juͤnglingen das Jahr
Und jeder Tag erſchien in heil'ger Schule.
Beſuch' ihn auch, o Sohn! und gruͤſſ' ihn mir,
Den alten Freund, an ſeiner Heimat Stroͤmen,
Am blumigen Iliſſus, wo er wohnt;
Und will die Seele dir nicht ruhn, ſo geh'
Zum andern Strande, — — —
[219] Dort hoͤreſt du das ernſte Saitenſpiel,
Dort wird dir vieles heller ſeyn und offner
— — — — — — — — — — —
Empedokles. Der Greis. (Manes.)
Willkommen hier! was ſuchſt du, Empedokles?
Wer biſt du, Mann?
Ein Sterblicher, wie du.
Zu rechter Zeit geſandt, dir, der du dich
Des Himmels Liebling duͤnkſt, des Himmels Zorn,
Des Gottes, der nicht muͤßig iſt, zu ſagen.
Ha! kennſt du den?
Ich habe manches dir
Am fernen Nil geſagt.
Und du? du hier?
Kein Wunder iſt's! Seit ich den Lebenden
Geſtorben, ſtehen mir die Schatten auf!
Die Schatten reden nicht, wo du ſie fragſt.
Doch, wenn du eines Worts bedarfſt, vernimm!
[220]
Die Stimme, die mich ruft, vernehm' ich ſelbſt.
So wird es mit dir? — ſprich!
Was ſoll die Rede, Fremder?
Ja! fremde bin ich hier, und unter Kindern!
Das ſeyd ihr Griechen all! Ich hab' es oft
Vormals geſagt. Doch wollteſt du mir nicht
Wie dirs ergieng bei deinem Volke, ſagen?
Was mahnſt du mich, was rufſt mir noch einmal —
Mir ging es, wie es ſoll.
Ich wußt' es auch
Schon laͤngſt voraus, ich hab' es dir geweiſſagt.
Nun denn! was haͤltſt du es noch auf? was drohſt
Du mit der Flamme mir des Gottes, den
Ich kenne, dem ich gern zum Spiele diene;
Und richteſt mir mein heilig Recht, du Blinder!
Was dir begegnen muß, ich aͤndr' es nicht.
So kamſt du her, zu ſehen, wie es wird?
[221]
O ſcherze nicht, und ehre doch dein Feſt,
Umkraͤnze dir dein Haupt, und ſchmuͤck' es aus,
Das Opferthier, das nicht vergebens faͤllt.
Der jaͤhe Tod, er iſt von Anbeginn,
Das weißt du wohl, den Unverſtaͤndigen
Die deinesgleichen ſind, zuvor beſchieden.
Du willſt es, und ſo ſey's, doch ſollſt du mir
Nicht unbeſonnen, wie du biſt, hinab,
Ich hab' ein Wort, und dieß bedenke, Trunkner!
Nur Einer darfs in dieſer Zeit, nur Einer,
Nur Einen adelt' ſie, die ſchwarze Stunde,
Ein Groͤßrer iſts, denn ich! denn wie die Rebe
Von Erd' und Himmel zeugt, wenn ſie getraͤnkt
Von hoher Sonn' aus dunklem Boden ſteigt,
So waͤchst er auf, aus Licht und Nacht geboren:
Es gaͤhrt um ihn die Welt, was irgend nur
Beweglich und verderbend iſt im Buſen
Der Sterblichen, iſt aufgeregt von Grund aus,
Der Herr der Zeit, um ſeine Herrſchaft bang,
Thront finſter blickend uͤber der Empoͤrung,
Sein Tag erliſcht, und ſeine Blitze rauchen.
Doch was von oben flammt, entzuͤndet nur,
Und was von unten ſtrebt, die wilde Zwietracht.
Der Eine doch, der neue Retter, faßt
Des Himmels Stralen ruhig auf, und liebend
Nimmt er, was ſterblich iſt, an ſeinen Buſen,
Hoͤlderlin Gedichte. 15
[222] Und milde wird in ihm der Streit der Welt,
Die Menſchen und die Goͤtter ſoͤhnt er aus,
Und naͤher wieder leben ſie, wie vormals.
Und daß, wenn er erſchienen iſt, der Sohn
Nicht groͤßer, denn die Eltern ſey, und nicht
Der heil'ge Lebensgeiſt gefeſſelt bleibe,
Vergeſſen uͤber ihm, dem Einzigen,
So lenkt er aus, der Abgott ſeiner Zeit,
Zerbricht, er ſelbſt, damit durch ſeine Hand
Dem Reinen das Nothwendige geſchehe,
Sein eigen Gluͤck, das ihm zu gluͤcklich iſt,
Und giebt, was er beſaß, dem Element,
Das ihn verherrlichte, gelaͤutert wieder. —
Biſt du der Mann? derſelbe? biſt du der?
Ich kenne dich im finſtern Wort, und du,
Du Alles Wiſſender! erkennſt mich auch.
O ſage, wer du biſt! und wer bin ich?
— — — — — — — — — — —
— — — — — — — — — — —
Ein Knabe war ich, wußte nicht, was mir
Ums Auge fremd am Tage ſich bewegt',
Und wunderbar umfiengen mir die großen
Geſtalten dieſer Welt, die freudigen,
Mein unerfahren ſchlummernd Herz im Buſen.
Und ſtaunend hoͤrt' ich oft die Waſſer gehn,
[223] Und ſah die Sonne bluͤhn, und ſich an ihr
Den Jugendtag der ſtillen Erd' entzuͤnden.
Da ward in mir Geſang, und helle ward
Mein daͤmmernd Herz im dichtenden Gebet, —
Wenn ich die Fremdlinge, die gegenwaͤrt'gen,
Die Goͤtter der Natur, mit Namen nannte,
Und mir der Geiſt im Wort — — —
Im ſeligen, des Lebens Raͤthſel loͤſ'te.
So wuchs ich ſtill herauf und anderes
War ſchon bereitet. Denn gewaltſamer
Wie Waſſer, ſchlug die wilde Menſchenwelle
Mir an die Bruſt, und aus dem Irrſal kam
Des armen Volkes Stimme mir zum Ohre.
Und wenn, indeß ich in der Halle ſchwieg,
Um Mitternacht der Aufruhr weheklagt',
Und durchs Gefilde ſtuͤrzt', und lebensmuͤd
Mit eigner Hand ſein eignes Haus zerbrach — —
Wenn ſich die Bruͤder flohn, und ſich die Liebſten
Voruͤber eilten, und der Vater nicht
Den Sohn erkannt' und Menſchenwort nicht mehr
Verſtaͤndlich war und menſchliches Geſetz:
Da faßte mich die Deutung ſchaudernd an,
Es war der ſcheidende Gott meines Volks!
Den hoͤrt' ich, und zum ſchweigenden Geſtirn
Sah' ich hinauf, wo er herabgekommen.
Und ihn zu ſuͤhnen ging ich hin. Noch wurden uns
Der ſchoͤnen Tage viel. Noch ſchien es ſich
[224] Am Ende zu verjuͤngen; und es wich, —
Der goldnen Zeit, der allvertrauenden,
Des hellen, kraͤft'gen Morgens eingedenk, —
Der Unmuth mir, der furchtbare, vom Volke,
Und freie, feſte Bande knuͤpften wir.
Doch oft, wenn mich des Volkes Dank bekraͤnzte,
Wenn naͤher immer mir, und mir allein,
Des Volkes Seele kam, befiel es mich.
Denn wo ein Land erſterben ſoll, da waͤhlt
Der Geiſt noch Einen ſich am End', durch den
Sein Schwanenſang, das letzte Leben toͤnet.
Wohl ahndet' ich's; doch dient' ich willig ihm.
Es iſt geſchehn, den Sterblichen gehoͤr' ich
Nun nimmer an.
O Ende meiner Zeit!
O Geiſt, der uns erzog, der du geheim
Am hellen Tag und in der Wolke walteſt,
Und du, o Luft! und du, o Mutter Erde!
Hier bin ich ruhig, denn es wartet mein
Die laͤngſtbereitete, die neue Stunde,
Nun nicht im Bilde mehr, und nicht, wie ſonſt,
Bei Sterblichen, im kurzen Gluͤck, — ich find',
Im Tode find' ich den Lebendigen,
Und heute noch begegn' ich ihm; denn heute
Bereitet er, der Herr der Zeit, zur Feier,
Zum Zeichen ein Gewitter mir und ſich.
[225] Kennſt du die Stille rings? kennſt du das Schweigen
Des ſchlummerloſen Gotts? erwart' ihn hier!
Um Mitternacht wird er es uns vollenden.
Und wenn du, wie du ſagſt, des Donnerers
Vertrauter biſt, und, Eines Sinns mit ihm,
Dein Geiſt mit ihm, der Pfade kundig, wandelt,
So komm mit mir, wenn jetzt zu einſam ſich
Das Herz der Erde klagt und eingedenk
Der alten Einigkeit die dunkle Mutter
Zum Aether aus die Feuerarme breitet,
Und ißt der Herrſcher koͤmmt in ſeinem Stral,
Dann folgen wir, zum Zeichen, daß wir ihm
Verwandte ſind, hinab in heil'ge Flammen.
Doch wenn du lieber ferne bleibſt, fuͤr dich:
Was goͤnnſt du mir es nicht? wenn dir es nicht
Beſchieden iſt zum Eigenthum, was nimmſt,
Und ſtoͤrſt du mir's! O euch, ihr Genien!
Die ihr, da ich begann, mir nahe waret,
Ihr waltenden! euch dank' ich, daß ihr mir's
Gegeben habt, die lange Zahl der Leiden
Zu enden hier, befreit von andrer Pflicht,
In freiem Tod, nach goͤttlichem Geſetze!
Dir iſts verbotne Frucht! drum laß und geh,
Und kannſt du mir nicht nach, ſo richte nicht!
Dir hat der Schmerz den Geiſt entzuͤndet, Armer!
[226]
Was heilſt du denn, Unmaͤchtiger, ihn nicht?
Wie iſt's mit uns? ſiehſt du es ſo gewiß?
Das ſage du mir, der du Alles ſiehſt!
Laß ſtill uns ſeyn, o Sohn! und immer lernen.
Du lehrteſt mich; heut lerne du von mir.
Haſt du nicht alles mir geſagt?
O nein!
So gehſt du nun?
Noch geh' ich nicht, o Alter!
Von dieſer gruͤnen, guten Erde ſoll
Mein Auge mir nicht ohne Freude ſcheiden.
Und denken moͤcht ich noch vergangner Zeit,
Der Freunde meiner Jugend noch, der theuern,
Die fern in Hellas frohen Staͤdten ſind,
Des Bruders auch, der mir geflucht — ſo mußt'
Es werden. — Laß mich izt; wenn dort der Tag
Hinunter iſt, ſo ſieheſt du mich wieder.
Appendix A
Verbeſſerungen.
| Seite 1 | Zeile 2 | lies: σοφοι |
| - 10 | - 4 | v. u. l. ſchreckt' |
| - 21 | - 9 | l. beſiegt, |
| - 22 | - 10 | l. ſtill |
| - 27 | - 2 | l. eigenen |
| - 28 | - 3 | v. u. l. der Sehende! |
| - 29 | - 11 | l. Denn |
| - ebd. | - 2 | v. u. l. Jedem trauend, |
| - 31 | - 10 | l. jammre |
| - 40 | - 2 | l. ſchöneren |
| - 43 | - 3 | l. ſchweigt |
| - ebd. | - 6 | l. des Walds |
| - 46 | - 5 | v. u. l. Wandrer |
| - ebd. | - 3 | v. u. l. denn |
| - 47 | - 3 | l. raucht |
| - ebd. | - 4 | v. u. l. blühet |
| - 50 | - 4 | v. u. l. unſern Zaun |
| - 55 | - 2 | l. jüngern |
| - 59 | - 3 | l. kenneſt |
| - 60 | - 4 | v. u. l. eurer |
| - 62 | - 2 | v. u. l. goldenen |
| - 70 | - 6 | l. Wo ſie des |
| - 71 | - 4 | v. u. l. Haus (ohne ;) |
| - 73 | - 12, 13, 14 | ſtatt der . ſind , zu ſetzen. |
| - 78 | - 2 | l. verſtehn |
| - 85 | - 11 | l. Da auf der Inſeln ſchönſter |
| - 86 | - 11 | l. Und glänzt' auch, |
| - 89 | - 3 | v. u. l. Ein andres! |
| - 92 | - 12 | l. Bergeshöh'n |
| - 134 | - 7 | l. Wo du |
| - 134 | - 9 | l. ſanftmuthathmende |
| - 137 | - 7 | l. Satt gehn |
| - 141 | - 14 | l. der geehrte, |
| - 142 | - 3 | l. Haus gruͤn |
| - 143 | - 18 | l. Landes, |
| - ebd. | - 2 | v. u. l. hieher ward, hier in die Ebne, das Gut |
| - 144 | - 1 | l. Landesleuten |
| Seite 145 | Zeile 9 | lies: empor ziehet |
| - ebd. | - 12 | l. Menſch, |
| - ebd. | - 20 | l. unter |
| - 146 | - 11 | l. nur |
| - 148 | - 3 | l. treulich |
| - 156 | - 14 | l. Aus der Woge |
| - 158 | - 6 | l. Meeresfluth — Ebnen |
| - 160 | - 8 | l. Ceos |
| - 163 | - 4 | l. nimmer |
| - 177 | - 2 | v. u. l. Halle |
| - 183 | - 2 | l. Suevin, |
- Rechtsinhaber*in
- Kolimo+
- Zitationsvorschlag für dieses Objekt
- TextGrid Repository (2025). Collection 2. Gedichte. Gedichte. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bmqh.0