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Gedichte

Kiel.
: Schwers'ſche Buchhandlung.
1852.
[]

Druck von C. F. Mohr.

[]

Erſtes Buch.

[][[1]]

Octoberlied.

Der Nebel ſteigt, es fällt das Laub;

Schenk' ein den Wein, den holden!

Wir wollen uns den grauen Tag

Vergolden, ja vergolden.
Und geht es draußen noch ſo toll,

Unchriſtlich oder chriſtlich,

Iſt doch die Welt, die ſchöne Welt,

So gänzlich unverwüſtlich!
Und wimmert auch einmal das Herz, —

Stoß' an, und laß es klingen!

Wir wiſſen's doch, ein rechtes Herz

Iſt gar nicht umzubringen.
1[2]
Der Nebel ſteigt, es fällt das Laub;

Schenk' ein den Wein, den holden!

Wir wollen uns den grauen Tag

Vergolden, ja vergolden.
Wohl iſt es Herbſt; doch warte nur,

Doch warte nur ein Weilchen!

Der Frühling kommt, der Himmel lacht,

Es ſteht die Welt in Veilchen.
Die blauen Tage brechen an;

Und ehe ſie verfließen,

Wir wollen ſie, mein wackrer Freund,

Genießen, ja genießen!
[3]

Abſeits.

Es iſt ſo ſtill; die Haide liegt

Im warmen Mittagsſonnenſtrahle,

Ein roſenrother Schimmer fliegt

Um ihre alten Gräbermale;

Die Kräuter blühn; der Haideduft

Steigt in die blaue Sommerluft.
Laufkäfer haſten durch's Geſträuch

In ihren gold'nen Panzerröckchen,

Die Bienen hängen Zweig um Zweig

Sich an der Edelhaide Glöckchen;

Die Vögel ſchwirren aus dem Kraut —

Die Luft iſt voller Lerchenlaut.
1 *[4]
Ein halbverfallen Schindelhaus

Steht einſam hier und ſonnbeſchienen;

Der Käthner lehnt zur Thür hinaus,

Behaglich blinzelnd nach den Bienen;

Sein Junge auf dem Stein davor

Schnitzt Pfeifen ſich aus Kälberrohr.
Kaum zittert durch die Mittagsruh

Ein Schlag der Dorfuhr, der entfernten;

Dem Alten fällt die Wimper zu,

Er träumt von ſeinen Honigerndten.

— Kein Klang der aufgeregten Zeit

Drang noch in dieſe Einſamkeit.
[5]

Weihnachtslied.

Vom Himmel in die tiefſten Klüfte

Ein milder Stern hernieder lacht;

Ein weihrauchſüßes Harzgedüfte

Durchſchwimmet träumeriſch die Lüfte,

Und kerzenhelle wird die Nacht.
Mir iſt das Herz ſo froh erſchrocken,

Das iſt die liebe Weihnachtszeit!

Ich höre fernher Kirchenglocken

Mich lieblich heimathlich verlocken

In märchenſtille Herrlichkeit.
Ein frommer Zauber hält mich wieder

Anbetend, ſtaunend muß ich ſtehn;

Es ſinkt auf meine Augenlider

Ein goldner Kindertraum hernieder,

Ich fühl's, ein Wunder iſt geſchehn.
[6]

Im Walde.

Hier an der Bergeshalde

Verſtummet ganz der Wind;

Die Zweige hängen nieder,

Darunter ſitzt das Kind.
Sie ſitzt in Thymiane,

Sie ſitzt in lauter Duft;

Die blauen Fliegen ſummen

Und blitzen durch die Luft.
Es ſteht der Wald ſo ſchweigend,

Sie ſchaut ſo klug darein;

Um ihre braunen Locken

Hinfließt der Sonnenſchein.
Der Kuckuck lacht von ferne,

Es geht mir durch den Sinn:

Sie hat die goldnen Augen

Der Waldeskönigin.
[7]

Eliſabeth.

Meine Mutter hat's gewollt,

Den Andern ich nehmen ſollt';

Was ich zuvor beſeſſen,

Mein Herz ſollt' es vergeſſen;

Das hat es nicht gewollt.
Meine Mutter klag' ich an,

Sie hat nicht wohlgethan;

Was ſonſt in Ehren ſtünde,

Nun iſt es worden Sünde.

Was fang' ich an!
Für all' mein Stolz und Freud'

Gewonnen hab' ich Leid.

Ach, wär' das nicht geſchehen,

Ach, könnt' ich betteln gehen

Ueber die braune Haid'!
[8]

Lied des Harfenmädchens.

Heute, nur heute

Bin ich ſo ſchön;

Morgen, ach morgen

Muß Alles vergehn!

Nur dieſe Stunde

Biſt du noch mein;

Sterben, ach ſterben

Soll ich allein.
[9]

Weiße Roſen.

I.

Du biſſeſt die zarten Lippen wund,

Das Blut iſt danach gefloſſen;

Du haſt es gewollt, ich weiß es wohl,

Weil einſt mein Mund ſie verſchloſſen.
Entfärben ließ'ſt du dein braunes Haar

In Sonnenbrand und Regen;

Du haſt es gewollt, weil meine Hand

Liebkoſend darauf gelegen.
Du ſtehſt am Heerd in Flammen und Rauch,

Daß die feinen Hände dir ſprangen;

Du haſt es gewollt, ich weiß es wohl,

Weil mein Auge daran gehangen.
[10]

2.

Du gehſt an meiner Seite hin

Und achteſt meiner nicht;

Nun ſchmerzt mich deine weiße Hand,

Dein ſüßes Angeſicht.
O ſprich wie ſonſt ein liebes Wort,

Ein einzig Wort mir zu!

Die Wunden bluten heimlich fort,

Auch du haſt keine Ruh'.
Der Mund, der jetzt zu meiner Qual

Sich ſtumm vor mir verſchließt,

Ich hab' ihn ja ſo tauſend mal,

Viel tauſend mal geküßt.
Was einſt ſo überſelig war,

Bricht nun das Herz entzwei;

Das Aug', das meine Seele trank,

Sieht fremd an mir vorbei.
[11]

3.

So dunkel ſind die Straßen,

So herbſtlich geht der Wind;

Leb' wohl, meine weiße Roſe,

Mein Herz, mein Weib, mein Kind!
So ſchweigend ſteht der Garten,

Ich wandre weit hinaus;

Er wird dir nicht verrathen,

Daß ich nimmer kehr' nach Haus.
Der Weg iſt gar ſo einſam,

Es reiſ't ja Niemand mit;

Die Wolken nur am Himmel

Halten gleichen Schritt.
Ich bin ſo müd' zum Sterben;

D'rum blieb' ich gern zu Haus,

Und ſchliefe gern das Leben

Und Luſt und Leiden aus.
[12]

Looſe.

Der einſt er ſeine junge

Sonnige Liebe gebracht,

Die hat ihn gehen heißen,

Nicht weiter ſein gedacht.
D'rauf hat er heimgeführet

Ein Mädchen ſtill und hold;

Die hat aus allen Menſchen

Nur einzig ihn gewollt.
Und ob ſein Herz in Liebe

Niemals für ſie gebebt,

Sie hat um ihn gelitten

Und nur für ihn gelebt.
[13]

Noch einmal!

Noch einmal fällt in meinen Schooß

Die rothe Roſe Leidenſchaft;

Noch einmal hab' ich ſchwärmeriſch

In Mädchenaugen mich vergafft;

Noch einmal legt ein junges Herz

An meines ſeinen ſtarken Schlag;

Noch einmal weht an meine Stirn'

Ein juniheißer Sommertag.
[14]

Die Stunde ſchlug.

Die Stunde ſchlug, und deine Hand

Liegt zitternd in der meinen;

An meine Lippen ſtreiften ſchon

Mit ſcheuem Druck die deinen;

Es zuckten aus dem vollen Kelch

Electriſch ſchon die Funken —

O faſſe Muth, und fliehe nicht,

Bevor wir ganz getrunken!
Die Lippen, die mich ſo berührt,

Sind nicht mehr deine eignen,

Sie können doch, ſo lang' du lebſt,

Die meinen nicht verleugnen;

Die Lippen, die ſich ſo berührt,

Sind rettungslos gefangen;

Spät oder früh, ſie müſſen doch

Sich tödtlich heimverlangen.
[15]

Abends.

Warum duften die Levkojen ſo viel ſchöner bei der

Nacht?

Warum brennen deine Lippen ſo viel röther bei

der Nacht?

Warum iſt in meinem Herzen ſo die Sehnſucht

auferwacht,

Dieſe brennend rothen Lippen dir zu küſſen bei

der Nacht?
[16]

Wohl fühl' ich, wie das Leben rinnt.

Wohl fühl' ich, wie das Leben rinnt,

Und daß ich endlich ſcheiden muß,

Daß endlich doch das letzte Lied

Und endlich kommt der letzte Kuß.
Noch häng' ich feſt an deinem Mund'

In ſchmerzlich bangender Begier;

Du giebſt der Jugend letzten Kuß,

Die letzte Roſe giebſt du mir.
Du ſchenkſt aus jenem Zauberkelch

Den letzten goldnen Trunk mir ein;

Du biſt aus jener Märchenwelt

Mein allerletzter Abendſchein.
[17]
Am Himmel ſteht der letzte Stern,

O halte nicht dein Herz zurück;

Zu deinen Füßen ſink ich hin,

O fühl's, du biſt mein letztes Glück!
Laß einmal noch durch meine Bruſt

Des vollſten Lebens Schauer wehn,

Eh ſeufzend in die große Nacht

Auch meine Sterne untergehn.
[18]

Hyazinthen.

Fern hallt Muſik; doch hier iſt ſtille Nacht,

Mit Schlummerduft anhauchen mich die Pflanzen;

Ich habe immer, immer dein gedacht,

Ich möchte ſchlafen; aber du mußt tanzen.
Es hört nicht auf, es raſ't ohn' Unterlaß;

Die Kerzen brennen und die Geigen ſchreien,

Es theilen und es ſchließen ſich die Reihen,

Und Alle glühen; aber du biſt blaß.
Und du mußt tanzen; fremde Arme ſchmiegen

Sich an dein Herz; o leide nicht Gewalt!

Ich ſeh' dein weißes Kleid vorüberfliegen

Und deine leichte, zärtliche Geſtalt. — —
Und ſüßer ſtrömend quillt der Duft der Nacht

Und träumeriſcher aus dem Kelch der Pflanzen.

Ich habe immer, immer dein gedacht;

Ich möchte ſchlafen; aber du mußt tanzen.
[19]

Du willſt es nicht in Worten ſagen.

Du willſt es nicht in Worten ſagen;

Doch legſt du's brennend Mund auf Mund,

Und deiner Pulſe tiefes Schlagen

Thut liebliches Geheimniß kund.
Du fliehſt vor mir, du ſcheue Taube,

Und drückſt dich feſt an meine Bruſt;

Du biſt der Liebe ſchon zum Raube,

Und biſt dir kaum des Worts bewußt.
Du biegſt den ſchlanken Leib mir ferne,

Indeß dein rother Mund mich küßt;

Behalten möchteſt du dich gerne,

Da du doch ganz verloren biſt.
2 *[20]
Du fühlſt, wir können nicht verzichten;

Warum zu geben ſcheuſt du noch?

Du mußt die ganze Schuld entrichten,

Du mußt, gewiß, du mußt es doch.
In Sehnen halb und halb in Bangen,

Am Ende rinnt die Schaale voll;

Die holde Schaam iſt nur empfangen,

Daß ſie in Liebe ſterben ſoll.
[21]

Dämmerſtunde.

Im Seſſel du, und ich zu deinen Füßen

Das Haupt zu dir gewendet, ſaßen wir;

Und ſanfter fühlten wir die Stunden fließen,

Und ſtiller ward es zwiſchen mir und dir;

Bis unſre Augen in einander ſanken

Und wir berauſcht der Seele Athmen tranken.
[22]

Frauenhand.

Ich weiß es wohl, kein klagend Wort

Wird über deine Lippen gehen;

Doch, was ſo ſanft dein Mund verſchweigt,

Muß deine blaſſe Hand geſtehen.
Die Hand, an der mein Auge hängt,

Zeigt jenen feinen Zug der Schmerzen,

Und daß in ſchlummerloſer Nacht

Sie lag auf einem kranken Herzen.
[23]

Die Zeit iſt hin.

Die Zeit iſt hin; du löſ't dich unbewußt

Und leiſe mehr und mehr von meiner Bruſt;

Ich ſuche dich mit ſanftem Druck zu faſſen,

Doch fühl' ich wohl, ich muß dich gehen laſſen.
So laß mich denn, bevor du weit von mir

Im Leben gehſt, noch einmal danken dir;

Und magſt du nie, was rettungslos vergangen,

In ſchlummerloſen Nächten heim verlangen.
Hier ſteh' ich nun und ſchaue bang zurück;

Vorüber rinnt auch dieſer Augenblick,

Und wie viel Stunden dir und mir gegeben,

Wir werden keine mehr zuſammen leben.
[24]

Wohl rief ich ſanft dich an mein Herz.

Wohl rief ich ſanft dich an mein Herz,

Doch blieben meine Arme leer;

Der Stimme Zauber, der du ſonſt

Nie widerſtandeſt, galt nicht mehr.
Was jetzt dein Leben füllen wird,

Wohin du gehſt, wohin du irrſt,

Ich weiß es nicht; ich weiß allein,

Daß du mir nie mehr lächeln wirſt.
Doch kommt erſt jene ſtille Zeit,

Wo uns das Leben läßt allein,

Dann wird, wie in der Jugend einſt,

Nur meine Liebe bei dir ſein.
[25]
Dann wird, was jetzt geſchehen mag,

Wie Schatten dir vorübergehn,

Und nur die Zeit, die nun dahin,

Die uns gehörte, wird beſtehn.
Und wenn dein letztes Kiſſen einſt

Beglänzt ein Abendſonnenſtrahl,

Es iſt die Sonne jenes Tages,

Da ich dich küßte zum erſten Mal.
[26]

Du ſchläfſt.

Du ſchläfſt — So will ich leiſe flehen:

O ſchlafe ſanft! und leiſe will ich gehen,

Daß dich nicht ſtöre meiner Tritte Gang,

Daß du nicht höreſt meiner Stimme Klang.
Ein Grab ſchon weiſet manche Stelle,

Und Manches liegt in Traum und Duft;

Nun ſprudle, friſche Lebensquelle,

Und rauſche über Grab und Kluft!
[27]

Lucie.

Ich ſeh ſie noch, ihr Büchlein in der Hand,

Nach jener Bank dort an der Gartenwand

Vom Spiel der andern Kinder ſich entfernen;

Sie wußte wohl, es mühte ſie das Lernen.
Nicht war ſie klug, nicht ſchön; mir aber war

Ihr blaß Geſichtchen und ihr blondes Haar,

Mir war es lieb; aus der Erinnrung Düſter

Schaut es mich an; wir waren recht Geſchwiſter.
Ihr ſchmales Bettchen theilte ſie mit mir,

Und Nächtens Wang' an Wange ſchliefen wir;

Das war ſo ſchön! Noch weht ein Kinderfrieden

Mich an aus jenen Zeiten, die geſchieden.
[28]
Ein Ende kam, — ein Tag, ſie wurde krank,

Und lag im Fieber viele Wochen lang;

Ein Morgen dann, wo ſanft die Winde gingen,

Da ging ſie heim; es blühten die Syringen.
Die Sonne ſchien; ich lief in's Feld hinaus

Und weinte laut; dann kam ich ſtill nach Haus.

Wohl zwanzig Jahr, und drüber ſind vergangen —

An wie viel Andrem hat mein Herz gehangen!
Was hab' ich heute denn nach dir gebangt?

Biſt du mir nah, und haſt nach mir verlangt?

Willſt du, wie einſt nach unſren Kinderſpielen,

Mein Knabenhaupt an deinem Herzen fühlen?
[29]

Einer Todten.

1.

Du glaubteſt nicht an frohe Tage mehr,

Verjährtes Leid ließ nimmer dich geneſen;

Die Mutterfreude war für dich zu ſchwer,

Das Leben war dir gar zu hart geweſen. —
Er ſaß bei dir in letzter Liebespflicht;

Noch eine Nacht, noch eine war gegeben!

Auch die verrann; dann kam das Morgenlicht.

Mein guter Mann, wie gerne wollt' ich leben!
Er hörte ſtill die ſanften Worte an,

Wie ſie ſein Ohr in bangen Pauſen trafen:

Sorg' für das Kind — ich ſterbe, ſüßer Mann.

Dann halbverſtändlich noch: Nun will ich ſchlafen.
[30]
Und dann nichts mehr; — du wurdeſt nimmer wach,

Dein Auge brach, die Welt ward immer trüber;

Der Athem Gottes wehte durch's Gemach,

Dein Kind ſchrie auf, und dann warſt du hinüber.

2.

Das aber kann ich nicht ertragen,

Daß ſo wie ſonſt die Sonne lacht;

Daß wie in deinen Lebenstagen

Die Uhren gehn, die Glocken ſchlagen,

Einförmig wechſeln Tag und Nacht;
Daß, wenn des Tages Lichter ſchwanden,

Wie ſonſt der Abend uns vereint;

Und daß, wo ſonſt dein Stuhl geſtanden,

Schon Andre ihre Plätze fanden,

Und nichts dich zu vermiſſen ſcheint;
[31]
Indeſſen von den Gitterſtäben

Die Mondesſtreifen ſchmal und karg

In deine Gruft hinunterweben,

Und mit geſpenſtiſch trübem Leben

Hinwandeln über deinen Sarg.
[32]

Eine Fremde.

Sie ſaß in unſrem Mädchenkreiſe,

Ein Stern am Frauen-Firmament;

Sie ſprach in unſres Volkes Weiſe,

Nur leis mit klagendem Accent.

Du hörteſt niemals heim verlangen

Den ſtolzen Mund der ſchönen Frau;

Nur auf den ſüdlich blaſſen Wangen

Und über der gewölbten Brau

Lag noch Granadas Mondenſchimmer,

Den ſie vertauſcht um unſern Strand;

Und ihre Augen dachten immer

An ihr beglänztes Heimathland.
[33]

Ständchen.

Weiße Mondesnebel ſchwimmen

Auf den feuchten Wieſenplanen;

Hörſt du die Guitarre ſtimmen

In dem Schatten der Platanen?
Dreizehn Lieder ſollſt du hören,

Dreizehn Lieder friſch gedichtet;

Alle ſind, ich kann's beſchwören,

Alle nur an dich gerichtet.
An dem zarten ſchlanken Leibchen

Bis zur Stirne auf und nieder,

Jedes Fünkchen, jedes Stäubchen,

Alles preiſen meine Lieder.
3[34]
Wahrlich Kind, ich hab' zu Zeiten

Wunderkühnliche Gedanken!

Unermüdlich ſind die Saiten

Und der Mund iſt ohne Schranken.
Vom geheimſten Druck der Hände

Bis zum nimmerſatten Küſſen;

Ja, ich ſelber weiß am Ende

Nicht, was du wirſt hören müſſen.
Laß dich warnen, laß mich ſchweigen,

Laß mich Lied um Liebe tauſchen;

Denn die Blätter an den Zweigen

Wachen auf und wollen lauſchen.
Weiße Mondesnebel ſchwimmen

Auf den feuchten Wieſenplanen;

Hörſt du die Guitarre ſtimmen

In dem Schatten der Platanen?
[35]

Lehrſatz.

Die Sonne ſcheint; laß ab von Liebeswerben!

Denn Liebe gleicht der ſcheueſten der Frauen;

Ihr eigen Antlitz ſchämt ſie ſich zu ſchauen,

Ein Räthſel will ſie bleiben, oder ſterben.

Doch wenn der Abend ſtill hernieder gleitet,

Dann naht das Reich der zärtlichen Gedanken;

Wenn Dämmrung ſüß verwirrend ſich verbreitet,

Und alle Formen in einander ſchwanken,

Dann irrt die Hand, dann irrt der Mund gar leicht,

Und halb gewagt wird Alles ganz erreicht.
3 *[36]

Die Kleine.

Und plaudernd hing ſie mir am Arm;

Sie halberſchloſſen nur dem Leben,

Ich zwar nicht alt, doch aber dort,

Wo uns verläßt die Jugend eben.
Wir wandelten hinauf, hinab

Im dämmergrünen Gang der Linden;

Sie ſah mich froh und leuchtend an,

Sie wußte nicht, es könne zünden;
Ihr ahnte keine Möglichkeit,

Kein Wort von ſo verwegnen Dingen,

Wodurch, es ſelbſt die tiefſte Kluft

Verlockend wird zu überſpringen.
[37]

O ſüßes Nichtsthun.

O ſüßes Nichtsthun, an der Liebſten Seite

Zu ruhen auf des Bergs beſonnter Kuppe;

Bald abwärts zu des Städtchens Häuſergruppe

Den Blick zu ſenden, bald in ferne Weite!

O ſüßes Nichtsthun, lieblich ſo gebannt

Zu athmen in den neubefreiten Düften;

Sich locken laſſen von den Frühlingslüften,

Hinab zu ziehn in das beglänzte Land;

Rückkehren dann aus aller Wunderferne

In deiner Augen heimathliche Sterne.
[38]

Gaſel.

Du weißt es, wie mein ganzes Herz allein durch

deine Milde lebt,

Du weißt es, wie mein ganzes Herz allein in

deinem Bilde lebt;

Denn wie die Schönheit nimmer ſchön, die nicht

der Seele Athem kennt,

Wie durch des Lichtes Kraft allein der Zauber der

Gefilde lebt,

So iſt das Leben nicht belebt, als durch der Liebe

Sakrament;

Das fühlet, wer die Liebe fühlt, wer unter ihrem

Schilde lebt.

Ich aber, der die liebſte Frau ſein unverlierbar

Eigen nennt,

Ich fühle, wie die ganze Welt allein in ihrem

Bilde lebt.
[39]

Wer je gelebt in Liebesarmen.

Wer je gelebt in Liebesarmen,

Der kann im Leben nie verarmen;

Und müßt' er ſterben fern, allein,

Er fühlte noch die ſel'ge Stunde,

Wo er gelebt an ihrem Munde,

Und noch im Tode iſt ſie ſein.
[40]

Nun ſei mir heimlich zart und lieb.

Nun ſei mir heimlich zart und lieb;

Setz' deinen Fuß auf meinen nun!

Mir ſagt es: ich verließ die Welt,

Um ganz allein auf dir zu ruhn;
Und dir: o ließe mich die Welt,

Und könnt' ich friedlich und allein,

Wie deines leichten Fußes jetzt,

So deines Lebens Träger ſein!
[41]

Schließe mir die Augen beide.

Schließe mir die Augen beide

Mit den lieben Händen zu!

Geht doch Alles, was ich leide,

Unter deiner Hand zur Ruh'.

Und wie leiſe ſich der Schmerz

Well' um Welle ſchlafen leget,

Wie der letzte Schlag ſich reget,

Fülleſt du mein ganzes Herz.
[42]

Kritik.

Hör' mir nicht auf ſolch' Geſchwätze,

Liebes Herz, daß wir Poeten

Schon genug der Liebeslieder,

Ja, zu viel gedichtet hätten.
Ach, es ſind ſo kläglich wenig,

Denn ich zählte ſie im Stillen,

Kaum genug, dein Nadelbüchlein

Schicklich damit anzufüllen.
Lieder, die von Liebe reimen,

Kommen Tag für Tage wieder;

Doch wir zwei Verliebte ſprechen:

Das ſind keine Liebeslieder.
[43]

Sprich, biſt du ſtark.

Sprich, biſt du ſtark, wenn ſchon mein Leben brach,

Und nur nicht ſcheiden kann von deinen Blicken,

Das Auge, das von deiner Liebe ſprach,

Auf Nimmerwiederſehen zuzudrücken?
Und biſt du ſtark, was ſonſt das Herz verführt,

Wenn es ſich ſchmeichelnd, zwingend dargeboten,

Dir ſtets zu weigern feſt und unberührt,

Und jungfräulich zu hangen an dem Todten?
Und biſt du ſtark, daß durch den trüben Flor,

Daß durch die Einſamkeit mühſel'ger Jahre,

Wenn dein Gedächtniß ſchon mein Bild verlor,

Doch unſre Liebe noch dein Herz bewahre?
[44]

Morgens.

Nun gieb ein Morgenküßchen!

Du haſt genug der Ruh';

Und ſetz' dein zierlich Füßchen

Behende in den Schuh!
Nun ſchüttle von der Stirne

Der Träume blaſſe Spur!

Das goldene Geſtirne

Erleuchtet längſt die Flur.
Die Roſen in deinem Garten

Sprangen im Sonnenlicht;

Sie können kaum erwarten,

Daß deine Hand ſie bricht.
[45]

Zur Nacht.

Vorbei der Tag! Nun laß mich unverſtellt

Genießen dieſer Stunde vollen Frieden!

Nun ſind wir unſer; von der frechen Welt

Hat endlich uns die heilige Nacht geſchieden.
Laß einmal noch, eh' ſich dein Auge ſchließt,

Der Liebe Strahl ſich rückhaltlos entzünden;

Noch einmal, eh' im Traum' ſie ſich vergißt,

Mich deiner Stimme lieben Laut empfinden!
Was giebt es mehr? der ſtille Knabe winkt

Zu ſeinem Strande lockender und lieber;

Und wie die Bruſt dir athmend ſchwellt und ſinkt,

Trägt uns des Schlummers Welle ſanft hinüber.
[46]

Die Kinder.

1.

Abends.


Auf meinem Schooße ſitzet nun

Und ruht der kleine Mann;

Mich ſchauen aus der Dämmerung

Die zarten Augen an.
Er ſpielt nicht mehr, er iſt bei mir,

Will nirgend anders ſein;

Die kleine Seele tritt heraus

Und will zu mir herein.

2.

Mein Häwelmann, mein Burſche klein,

Du biſt des Hauſes Sonnenſchein;

Die Vögel ſingen, die Kinder lachen,

Wenn deine ſtrahlenden Augen lachen.
[47]

Im Herbſte.

Es rauſcht, die gelben Blätter fliegen,

Am Himmel ſteht ein falber Schein;

Du ſchauerſt leis, und drückſt dich feſter

In deines Mannes Arm hinein.
Was nun von Halm zu Halme wandelt,

Was nach den letzten Blumen greift,

Hat heimlich im Vorübergehen

Auch dein geliebtes Haupt geſtreift.
Doch reißen auch die zarten Fäden,

Die warme Nacht auf Wieſen ſpann —

Es iſt der Sommer nur, der ſcheidet;

Was geht denn uns der Sommer an!
[48]
Du legſt die Hand an meine Stirne,

Und ſchauſt mir prüfend in's Geſicht;

Aus deinen milden Frauenaugen

Bricht gar zu melancholiſch Licht.
Erloſch auch hier ein Duft, ein Schimmer,

Ein Räthſel, das dich einſt bewegt,

Daß du in meine Hand gefangen

Die freie Mädchenhand gelegt?
O ſchaudre nicht! Ob auch unmerklich

Der ſchönſte Sonnenſchein verrann —

Es iſt der Sommer nur, der ſcheidet;

Was geht denn uns der Sommer an!
[49]

O bleibe treu den Todten.

O bleibe treu den Todten,

Die lebend du betrübt;

O bleibe treu den Todten,

Die lebend dich geliebt!
Sie ſtarben, doch ſie blieben

Auf Erden weſenlos,

Bis allen ihren Lieben

Der Tod die Augen ſchloß.
Indeſſen du dich herzlich

In Lebensluſt verſenkſt,

Wie ſehnen ſie ſich ſchmerzlich,

Daß ihrer du gedenkſt!
4[50]
Sie nahen dir in Liebe,

Allein du fühlſt es nicht;

Sie ſchaun dich an ſo trübe,

Du aber ſiehſt es nicht.
Die Brücke iſt zerfallen;

Nun mühen ſie ſich bang,

Ein Liebeswort zu lallen,

Das nie hinüber drang.
In ihrem Schattenleben

Quält Eins ſie gar zu ſehr:

Ihr Herz will dir vergeben,

Ihr Mund vermag's nicht mehr.
O bleibe treu den Todten,

Die lebend du betrübt;

O bleibe treu den Todten,

Die lebend dich geliebt!
[51]

In böſer Stunde.

Ein ſchwaches Stäbchen iſt die Liebe,

Das deiner Jugend Rebe trägt,

Das wachſend bald der Baum des Lebens

Mit ſeinen Aeſten ſelbſt zerſchlägt.
Und drängteſt du mit ganzer Seele

Zu allerinnigſtem Verein,

Du wirſt am Ende doch, am Ende

Nur auf dir ſelbſt gelaſſen ſein.
4 *[52]

Und war es auch ein großer Schmerz.

Und war es auch ein großer Schmerz,

Und wär's vielleicht gar eine Sünde,

Wenn es noch einmal vor dir ſtünde,

Du thät'ſt es noch einmal, mein Herz.
[53]

Zwiſchenreich.

Meine ausgelaßne Kleine,

Ach, ich kenne ſie nicht mehr;

Nur mit Tanten und Paſtoren

Hat das liebe Herz Verkehr.
Jene ſüße Himmelsdemuth,

Die der Sünder Hoffart ſchilt,

Hat das ganze Schelmenantlitz

Wie mit grauem Flor verhüllt.
Ja, die brennend rothen Lippen

Predigen Entſagung euch;

Dieſe gar zu ſchwarzen Augen

Schmachten nach dem Himmelreich.
[54]
Auf die Titianſche Venus

Iſt ein Heilgenbild gemalt;

Ach, ich kenne ſie nicht wieder,

Die ſo ſchön mit uns gedahlt.
Nirgends mehr für blaue Märchen

Iſt ein einzig' Plätzchen leer;

Nur Tractätlein und Asceten

Liegen haufenweis umher.
Wahrlich, zum Verzweifeln wär' es —

Aber, Schatz, wir wiſſen ſchon,

Deinen ganzen Götzenplunder

Wirft ein einzger Mann vom Thron.
[55]

Vom Staatskalender.

I.

Die Tochter ſpricht:


Ach, die kleine Kaufmannstochter,

Wie das Ding ſich immer putzt!

Fehlt nur, daß mit unſer Einem

Sie ſich noch vertraulich duzt.
Setzt ſich, wo wir auch erſcheinen,

Wie von ſelber nebenbei;

Präſidentens könnten meinen,

Daß es heiße Freundſchaft ſei.
Und es will ſich doch nicht ſchicken,

Daß man ſo mit Jeder geht,

Seit Papa im Staatskalender

In der dritten Claſſe ſteht.
[56]
Hat Mama doch auch den Dienſten

Anbefohlen klar und hell,

Fräulein hießen wir jetzunder,

Fräulein, und nicht mehr Mamſell!
Ach, ein kleines Bischen adlich,

So ein Bischen — glaub', wir ſind's!

Morgen in der goldnen Kutſche

Holt uns ein verwünſchter Prinz!“
[57]

2.

Ein Golem.


Ihr ſagt, es ſei ein Kämmerer,

Ein ſchöner Staatskalenderer;

Doch ſieht denn nicht ein Jeder,

Daß er genäht aus Leder?
Kommt nur der rechte Regentropf,

Und wäſcht die Nummer ihm vom Kopf,

So ruft gewiß ein Jeder:

Herr Gott, ein Kerl von Leder!
[58]

Geſegnete Mahlzeit.

Sie haben wundervoll dinirt;

Warm und behaglich rollt ihr Blut,

Voll Menſchenliebe iſt ihr Herz,

Sie ſind der ganzen Welt ſo gut!
Sie ſchütteln zärtlich ſich die Hand,

Umwandelnd den geleerten Tiſch,

Und wünſchen, daß geſegnet ſei

Der Wein, der Braten und der Fiſch.
Die Geiſtlichkeit, die Weltlichkeit,

Wie ſie ſo ganz verſtehen ſich!

Ich glaube, Gott verzeihe mir,

Sie lieben ſich herzinniglich.
[59]

Von Katzen.

Vergangnen Maitag brachte meine Katze

Zur Welt ſechs allerliebſte kleine Kätzchen,

Maikätzchen, alle weiß mit ſchwarzen Schwänzchen.

Fürwahr, es war ein zierlich Wochenbettchen!

Die Köchin aber — Köchinnen ſind grauſam,

Und Menſchlichkeit wächſt nicht in einer Küche —

Die wollte von den Sechſen fünf ertränken,

Fünf weiße, ſchwarzgeſchwänzte Maienkätzchen

Ermorden wollte dies verruchte Weib.

Ich half ihr heim! — der Himmel ſegne

Mir meine Menſchlichkeit! Die lieben Kätzchen,

Sie wuchſen auf und ſchritten binnen Kurzem

Erhobenen Schwanzes über Hof und Heerd;

Ja, wie die Köchin auch ingrimmig drein ſah,

Sie wuchſen auf, und Nachts vor ihrem Fenſter

Probirten ſie die allerliebſten Stimmchen.

[60]
Ich aber, wie ich ſie ſo wachſen ſahe,

Ich pries mich ſelbſt und meine Menſchlichkeit. —

Ein Jahr iſt um, und Katzen ſind die Kätzchen,

Und Maitag iſt's! — Wie ſoll ich es beſchreiben,

Das Schauſpiel, das ſich jetzt vor mir entfaltet!

Mein ganzes Haus, vom Keller bis zum Giebel,

Ein jeder Winkel iſt ein Wochenbettchen!

Hier liegt das eine, dort das andre Kätzchen,

In Schränken, Körben, unter Tiſch und Treppen,

Die Alte gar — nein, es iſt unausſprechlich,

Liegt in der Köchin jungfräulichem Bette!

Und jede, jede von den ſieben Katzen

Hat ſieben, denkt euch! ſieben junge Kätzchen,

Maikätzchen, alle weiß mit ſchwarzen Schwänzchen.

Die Köchin raſ't, ich kann der blinden Wuth

Nicht Schranken ſetzen dieſes Frauenzimmers;

Erſäufen will ſie alle neun und vierzig!

Mir ſelber, ach, mir läuft der Kopf davon —

O Menſchlichkeit, wie ſoll ich dich bewahren!

Was fang' ich an mit ſechs und funfzig Katzen! —
[61]

Stoßſeufzer.

Am Weihnachtſonntag kam er zu mir,

In Jack' und Schurzfell und roch nach Bier,

Und ſprach zwei Stunden zu meiner Qual

Von Zinſen und von Capital;

Ein Kerl, vor dem mich Gott bewahr'!

Hat keinen Feſttag im ganzen Jahr.
[62]

In der Frühe.

Goldſtrahlen ſchießen über's Dach,

Die Hähne krähn den Morgen wach;

Nun einer hier, nun einer dort,

So kräht es nun von Ort zu Ort.

Und in der Ferne ſtirbt der Klang —

Ich höre nichts, ich horche lang'.

Ihr wackern Hähne, krähet doch!

Sie ſchlafen immer, immer noch.
[63]

Sturmnacht.

Im Hinterhaus im Flieſenſaal

Ueber Urgroßmutters Tiſch und Bänke,

Ueber die alten Schatullen und Schränke

Wandelt der zitternde Mondenſtrahl.

Vom Wald kommt der Wind,

Und fährt an die Scheiben;

Und geſchwind, geſchwind

Schwatzt er ein Wort,

Und dann wieder fort

Zum Wald über Föhren und Eiben.

Da wird auch das alte verzauberte Holz

Da drinnen lebendig;

Wie ſonſt im Walde will es ſtolz

Die Kronen ſchütteln unbändig,

[64]
Mit den Aeſten greifen hinaus in die Nacht,

Mit dem Sturm ſich ſchaukeln in brauſender Jagd,

Mit den Blättern im Uebermuth rauſchen;

Beim Tanz im Flug

Durch Wolkenzug

Mit dem Mondlicht ſilberne Blicke tauſchen.

Da müht ſich der Lehnſtuhl die Arme zu recken,

Den Roccocofuß will das Kanapee ſtrecken,

In der Kommode die Schubfächer drängen

Und wollen die roſtigen Schlöſſer ſprengen;

Der Eichſchrank unter dem kleinen Troß

Steht da, ein finſterer Koloß.

Traumhaft regt er die Klauen an,

Ihm zuckt's in der verlornen Krone;

Doch bricht er nicht den ſchweren Bann.

Und draußen pfeift ihm der Wind zum Hohne,

Und fährt an die Läden und rüttelt mit Macht,

Bläſ't durch die Ritzen, grunzt und lacht,

Schmeißt die Fledermäuſe, die kleinen Geſpenſter

Klitſchend gegen die raſſelnden Fenſter.

Die glupen dumm neugierig hinein —

Da drinn' ſteht voll der Mondenſchein.

[65]
Aber droben im Haus

Im behaglichen Zimmer

Beim Sturmgebraus

Saßen und ſchwatzten die Alten noch immer,

Nicht hörend, wie drunten die Saalthür ſprang,

Wie ein Klang war erwacht

Aus der lautloſen Nacht,

Der ſchollernd drang

Ueber Trepp' und Gang,

Daß dran in der Kammer die Kinder mit Schrecken

Auffuhren und ſchlüpften unter die Decken.
5[66]

Waldweg.

Fragment.


Durch einen Nachbarsgarten ging der Weg,

Wo blaue Schleh'n im tiefen Graſe ſtanden;

Dann durch die Hecke über ſchmalen Steg

Auf eine Wieſe, die an allen Randen

Ein hoher Zaun vielfarbgen Laub's umzog;

Buſcheichen unter wilden Roſenbüſchen,

Um die ſich frei die Geißblattranke bog,

Brombeergewirr und Hülſendorn dazwiſchen;

Vorbei an Farrenkräutern wob der Eppich

Entlang des Walles ſeinen dunklen Teppich.

Und vorwärts ſchreitend ſtörte bald mein Tritt

Die Biene auf, die um die Diſtel ſchwärmte,

Bald hörte ich, wie durch die Gräſer glitt

Die Schlange, die am Sonnenſtrahl ſich wärmte.

[67]
Sonſt war es kirchenſtill in alle Weite,

Kein Vogel hörbar; nur an meiner Seite

Sprang ſchnaufend ab und zu des Oheims Hund;

Denn nicht allein wär' ich um ſolche Zeit

Gegangen zum entlegnen Waldesgrund;

Mir graute vor der Mittagseinſamkeit. —

Heiß war die Luft, und alle Winde ſchliefen;

Und vor mir lag ein ſonnig offner Raum,

Wo quer hindurch ſchutzlos die Steige liefen.

Wohl hatt' ich's ſauer und ertrug es kaum;

Doch raſcher ſchreitend überwand ich's bald.

Dann war ein Bach, ein Wall zu überſpringen,

Dann noch ein Steg, und vor mir lag der Wald,

In dem ſchon herbſtlich roth die Blätter hingen.

Und drüber her, hoch in der blauen Luft,

Stand beuteſüchtig ein gewaltger Weih',

Die Flügel ſchlagend durch den Sonnenduft;

Tief aus der Holzung ſcholl des Hähers Schrei.

Himbeerenduft und Tannenharzgeruch

Quoll mir entgegen ſchon auf meinem Wege,

Und dort im Walle ſchimmerte der Bruch,

Durch den ich meinen Pfad nahm in's Gehege.

5 *[68]
Schon ſtreckten dort gleich Säulen der Kapelle

An's Laubgewölb' die Tannenſtämme ſich;

Dann war's erreicht, und wie an Kirchenſchwelle

Umſchauerte die Schattenkühle mich.
[69]

Eine Frühlingsnacht.

Im Zimmer drinnen iſt's ſo ſchwül;

Der Kranke liegt auf dem heißen Pfühl.
Im Fieber hat er die Nacht verbracht;

Sein Herz iſt müde, ſein Auge verwacht.
Er lauſcht auf der Stunden rinnenden Sand;

Er hält die Uhr in der weißen Hand.
Er zählt die Schläge, die ſie pickt,

Er forſchet, wie der Weiſer rückt;
Es fragt ihn, ob er noch leb' vielleicht,

Wenn der Weiſer die ſchwarze Drei erreicht.
Die Wartfrau ſitzt geduldig dabei,

Harrend bis Alles vorüber ſei. —
[70]
Schon auf dem Herzen drückt ihn der Tod

Und draußen dämmert das Morgenroth;
An die Fenſter klettert der Frühlingstag,

Mädchen und Vögel werden wach.
Die Erde lacht in Liebesſchein,

Pfingſtglocken läuten das Brautfeſt ein;
Singende Burſche ziehn über's Feld

Hinein in die blühende, klingende Welt. —
Und immer ſtiller wird es drin;

Die Alte tritt zum Kranken hin.
Der hat die Hände gefaltet dicht;

Sie zieht ihm das Laken über's Geſicht.
Dann geht ſie fort. Stumm wird's und leer;

Und drinnen wacht kein Auge mehr.
[71]

März.

Und aus der Erde ſchauet nur

Alleine noch Schneeglöckchen;

So kalt, ſo kalt iſt noch die Flur,

Es friert im weißen Röckchen.
[72]

Mai.

Die Kinder ſchreien Vivat hoch!

In die blaue Luft hinein;

Den Frühling ſetzen ſie auf den Thron,

Der ſoll ihr König ſein.
[73]

Herbſt.

I.

Schon in's Land der Pyramiden

Flohn die Störche über's Meer;

Schwalbenflug iſt längſt geſchieden,

Auch die Lerche ſingt nicht mehr.
Seufzend in geheimer Klage

Streift der Wind das letzte Grün;

Und die ſüßen Sommertage

Ach ſie ſind dahin, dahin!
Nebel hat den Wald verſchlungen,

Der dein ſtillſtes Glück geſehn;

Ganz in Duft und Dämmerungen

Will die ſchöne Welt vergehn.
[74]
Nur noch einmal bricht die Sonne

Unaufhaltſam durch den Duft,

Und ein Strahl der alten Wonne

Rieſelt über Thal und Kluft.
Und es leuchten Wald und Haide,

Daß man ſicher glauben mag,

Hinter allem Winterleide

Lieg' ein ferner Frühlingstag.

2.

Die Senſe rauſcht, die Aehre fällt,

Die Thiere räumen ſcheu das Feld,

Der Menſch begehrt die ganze Welt.
[75]

3.

Und ſind die Blumen abgeblüht,

So brecht der Aepfel goldne Bälle;

Hin iſt die Zeit der Schwärmerei,

So ſchätzt nun endlich das Reelle!

4.

Es rauſchen die Bäume

So winterlich ſchon;

Es fliegen die Träume

Der Liebe davon.

5.

Im Winde wehn die Lindenzweige,

Von rothen Knospen überſäumt;

Die Wiegen ſind's, worin der Frühling

Die ſchlimme Winterzeit verträumt.
[76]

Hinter den Tannen.

Sonnenſchein auf grünem Raſen,

Krokus drinnen blau und blaß;

Und zwei Mädchenhände tauchen

Blumen pflückend in das Gras.
Und ein Junge kniet daneben,

Gar ein übermüthig Blut,

Und ſie ſchaun ſich an und lachen —

O wie kenn' ich ſie ſo gut!
Hinter jenen Tannen war es,

Jene Wieſe ſchließt es ein,

Schöne Zeit der Blumenſträuße,

Stiller Sommerſonnenſchein!
[77]

Silvia.

Und webte auch auf jenen Matten

Noch jene Mondesmärchenpracht,

Und ſtünd' ſie noch in Waldesſchatten

Inmitten jener Sommernacht;

Und fänd' ich ſelber wie im Traume

Den Weg zurück durch Moor und Feld,

Sie ſchritte doch von Waldesſaume

Niemals hinunter in die Welt.
[78]

Ein grünes Blatt.

Ein Blatt aus ſommerlichen Tagen,

Ich nahm es ſo im Wandern mit,

Auf daß es einſt mir möge ſagen,

Wie laut die Nachtigall geſchlagen,

Wie grün der Wald, den ich durchſchritt.
[79]

Zur Taufe.

Ein Gutachten.


Bedenk' es wohl, eh' du ſie taufſt!

Bedeutſam ſind die Namen;

Und faſſe mir dein liebes Bild

Nun in den rechten Rahmen.

Denn ob der Nam' den Menſchen macht,

Ob ſich der Menſch den Namen,

Das iſt, weßhalb mir oft, mein Freund,

Beſcheidene Zweifel kamen;

Eins aber weiß ich ganz gewiß,

Bedeutſam ſind die Namen!

So ſchickt für Mädchen Lisbeth ſich,

Eliſabeth für Damen;

Auch fing ſich oft ein Freier ſchon,

Dem Fiſchlein gleich am Hamen,

An einem ambraduftigem,

Klanghaftem Mädchennamen.
[80]

Morgane.

An regentrüben Sommertagen,

Wenn Luft und Fluth zuſammenragen

Und ohne Regung ſchläft die See,

Dann ſteht an unſerm grauen Strande

Das Wunder aus dem Morgenlande,

Morgane, die berufne Fee.
Argliſtig halb und halb von Sinne,

Verſchmachtend nach dem Kelch der Minne,

Der ſtets an ihrem Mund verſiegt,

Umgaukelt ſie des Wandrers Pfade,

Und lockt ihn an ein Scheingeſtade,

Das in des Todes Reichen liegt.
Von ihrem Zauberſpiel geblendet

Ruht manches Haupt in Nacht gewendet

Begraben in der Wüſte Schlucht ;

Denn ihre Liebe iſt Verderben,

Ihr Hauch iſt Gift, ihr Kuß iſt Sterben,

Die ſchönen Augen ſind verflucht.
[81]
So ſteht ſie jetzt im hohen Norden

An unſres Meeres dunkeln Borden,

So ſchreibt ſie fingernd in den Dunſt;

Und quellend aus den luftgen Spuren

Erſtehn in dämmernden Conturen

Die Bilder ihrer argen Kunſt.
Doch hebt ſich nicht wie dort im Süden

Auf roſigen Karyatiden

Ein Wundermärchenſchloß in's Blau;

Nur eines Haubergs graues Bildniß

Schwimmt einſam in der Nebelwildniß,

Und keinen lockt der Hexenbau.
Bald wechſelt ſie die dunkle Küſte

Mit Libyens ſonnengelber Wüſte

Und mit der Tropenwälder Duft;

Dann bläſ't ſie lachend durch die Hände,

Dann ſchwankt das Haus, und Fach und Wände

Verrinnen quirlend in die Luft.
6[82]

Oſtern.

Es war daheim auf unſrem Meeresdeich;

Ich ließ den Blick am Horizonte gleiten,

Zu mir herüber ſcholl verheißungsreich

Mit vollem Klang das Oſterglockenläuten.
Wie brennend Silber funkelte das Meer,

Die Inſeln ſchwammen auf dem hohen Spiegel,

Die Möven ſchoſſen blendend hin und her,

Eintauchend in die Fluth die weißen Flügel.
Im tiefen Kooge bis zum Deichesrand

War ſammetgrün die Wieſe aufgegangen;

Der Frühling zog prophetiſch über Land,

Die Lerchen jauchzten und die Knoſpen ſprangen. —
Entfeſſelt iſt die urgewaltge Kraft,

Die Erde quillt, die jungen Säfte tropfen,

Und Alles treibt, und Alles webt und ſchafft,

Des Lebens vollſte Pulſe hör' ich klopfen.
[83]
Der Fluth entſteigt der friſche Meeresduft,

Vom Himmel ſtrömt die goldne Sonnenfülle;

Der Frühlingswind geht klingend durch die Luft

Und ſprengt im Flug des Schlummers letzte Hülle.
O wehe fort, bis jede Knoſpe bricht,

Daß endlich uns ein ganzer Sommer werde;

Entfalte dich, du gottgebornes Licht,

Und wanke nicht, du feſte Heimatherde! —
Hier ſtand ich oft, wenn in Novembernacht

Aufgohr das Meer zu giſchtbeſtäubten Hügeln,

Wenn in den Lüften war der Sturm erwacht,

Die Kappe peitſchend mit den Geierflügeln.
Und jauchzend ließ ich an der feſten Wehr

Den Wellenſchlag die grimmen Zähne reiben;

Denn machtlos, ziſchend ſchoß zurück das Meer —

Das Land iſt unſer, unſer ſoll es bleiben!
6 *[84]

Nach Reiſegeſprächen.

Vorwärts lieber laß uns ſchreiten

Durch die deutſchen Nebelſchichten,

Als auf alten Träumen reiten

Und auf römiſchen Berichten!

Denn mir iſt, als ſäh' ich endlich

Unter uns ein Bild entfalten;

Dunkel erſt, doch bald verſtändlich

Sich erheben die Geſtalten;

Hauf' an Haufen im Getümmel,

Nun zerriſſen, nun zuſammen;

An dem grau verhangnen Himmel

Zuckt es wie von tauſend Flammen.

Hört ihr, wie die Büchſen knallen?

Wuthgeſchrei durchfegt die Lüfte;

Und die weißen Nebel wallen,

Und die Brüder ſtehn und fallen —

Hoher Tag und tiefe Grüfte!
[85]

Auf dem Segeberg.

Fragment.


Hier ſtand auch einer Frauen Wiege,

Die Wiege einer deutſchen Frau;

Die ſchaut mich an mit Augen blau,

Und auf dem Felſen, drauf ich liege,

Schließt ſie mich plötzlich an die Bruſt.

Da werd' ich mir des Glücks bewußt;

Ich ſeh' die Welt ſo unvergänglich,

Voll Schönheit mir zu Füßen ruhn,

Und alle Sorgen, die ſo bänglich

Mein Herz bedrängten, ſchweigen nun.

Muſik! Muſik! Die Lerchen ſingen,

Aus Wieſ' und Wäldern ſteigt Geſang,

Die Mücken in den Lüften ſchwingen

Den ſüßen Sommerharfenklang.

Und unten auf beſonnter Flur

Seh' ich des Kornes Wellen treiben,

In blauen Wölkchen drüber ſtäuben

Ein keuſch' Geheimniß der Natur. —

[86]
Da tauchen an des Berges Seite

Zwei Köpfchen auf aus dem Geſtein,

Zwei Knaben ſteigen durch's Gekräute;

Und ſie ſind unſer, mein und dein.

Sie jauchzen auf, die Felſen klingen;

Mein Burſche ſchlank, mein Burſche klein!

Schau, wie ſie purzeln, wie ſie ſpringen,

Und Jeder will der Erſte ſein.

In Kinderluſt die Wangen glühen;

Die Welt, die Welt, o wie ſie lacht!

Nun hängen ſie an deinen Knieen,

Nun an den meinen unbedacht.

Der Große hier, und hier der Kleine,

Sie halten mich ſo eng umfaßt,

Daß in den Thymian der Steine

Mich hinzieht die geliebte Laſt.

Die Schatten, die mein Auge trübten,

Die letzten ſcheucht der Kindermund;

Ich ſeh' der Heimath, der geliebten,

Zukunft in dieſer Augen Grund.
[[87]]

Märchen.

[[88]][[89]]

Märchen.

Ich hab's geſehn, und will's getreu berichten;

Beklagt euch nicht, wenn ich zu wenig ſah!

Nur Sommernachts paſſiren die Geſchichten;

Kaum graut die Nacht, ſo rückt der Morgen nah,

Kaum daß den Wald die erſten Strahlen lichten,

Entflieht mit ihrem Hof Titania;

Auf Weg und Steg ſpaziren die Philiſter,

Das wohlbekannte leidige Regiſter.
Kein Zauber wächſt für fromme Bürgersleute,

Die Tags nur wiſſen, wie die Glocke geht,

Die gründlich kennen geſtern, morgen, heute,

Doch nicht die Zeit, die mitten drinn' beſteht;

Ich aber hörte wohl das Waldgeläute,

Ein Sonntagskind iſt immer der Poet;

So laßt euch denn in blanken Liederringen

Von Reim zu Reim in's Land der Märchen ſchwingen.
[90]

In Bulemanns Haus.

Es klippt auf den Gaſſen im Mondenſchein;

Das iſt die zierliche Kleine,

Die geht auf ihren Pantöffelein

Behend und mutterſeelen allein

Durch die Gaſſen im Mondenſcheine.
Sie geht in ein alt verfallenes Haus;

Im Flur iſt die Tafel gedecket,

Da tanzt vor dem Monde die Maus mit der Maus,

Da ſetzt ſich das Kind mit den Mäuſen zu Schmaus,

Die Tellerlein werden gelecket.
Und leer ſind die Schüſſeln; die Mäuslein im Nu

Verraſcheln in Mauer und Holze;

Nun läßt es dem Mägdlein auch länger nicht Ruh,

Sie ſchüttelt ihr Kleidchen, ſie ſchnürt ſich die Schuh,

Dann tritt ſie einher mit Stolze.
[91]
Es leuchtet ein Spiegel aus goldnem Geſtell,

Da ſchaut ſie hinein mit Lachen;

Gleich ſchaut auch heraus ein Mägdelein hell,

Das iſt ihr einziger Spielgeſell;

Nun woll'n ſie ſich luſtig machen.
Sie nickt voll Huld, ihr gehört ja das Reich;

Da neigt ſich das Spiegelkindlein,

Da neigt ſich das Kind vor dem Spiegel zugleich,

Da neigen ſich beide gar anmuthreich,

Da lächeln die roſigen Mündlein.
Und wie ſie lächeln, ſo liebt ſich der Fuß,

Es rauſchen die ſeidenen Röcklein,

Die Händchen werfen ſich Kuß um Kuß,

Das Kind mit dem Kinde nun tanzen muß,

Es tanzen im Nacken die Löcklein.
Der Mond ſcheint voller und voller herein,

Auf dem Eſtrich gaukeln die Flimmer;

Im Takte ſchweben die Mägdelein,

Bald tauchen ſie tief in die Schatten hinein,

Bald ſtehn ſie in bläulichem Schimmer.
[92]
Nun ſinken die Glieder, nun halten ſie an,

Und athmen aus Herzens Grunde;

Sie nahen ſich ſchüchtern, und beugen ſich dann,

Und knien vor einander, und rühren ſich an

Mit dem zarten unſchuldigen Munde.
Doch müde werden die beiden allein

Von all' der heimlichen Wonne;

Sehnſüchtig flüſtert das Mägdelein:

„Ich mag nicht mehr tanzen im Mondenſchein,

Ach, käme doch endlich die Sonne!“
Sie klettert hinunter ein Trepplein ſchief,

Und ſchleicht hinab in den Garten.

Die Sonne ſchlief und die Grille ſchlief:

„Hier will ich ſitzen im Graſe tief,

Und der Sonne will ich warten.“
Doch als nun Morgens um Buſch und Geſtein

Verhuſchet das Dämmergemunkel,

Da werden dem Kinde die Aeugelein klein;

Sie tanzte zu lange bei Mondenſchein,

Nun ſchläft ſie bei Sonnengefunkel.
[93]
Nun liegt ſie zwiſchen den Blumen dicht

Auf grünem, blitzendem Raſen;

Und es ſchauen ihr in das ſüße Geſicht

Die Nachtigall und das Sonnenlicht

Und die kleinen neugierigen Haſen.
[94]

Tannkönig.

I.

Am Felſenbruch im wilden Tann

Liegt todt und öd' ein niedrig Haus;

Der Epheu ſteigt das Dach hinan,

Waldvöglein ſtiegen ein und aus.
Und drin am blanken Eichentiſch

Verzaubert ſchläft ein Mägdelein;

Die Wangen blühn ihr roſenfriſch,

Auf den Locken wallt ihr der Sonnenſchein.
Die Bäume rauſchen im Waldesdicht,

Eintönig fällt der Quelle Schaum;

Es lullt ſie ein, es läßt ſie nicht,

Sie ſinket tief von Traum zu Traum.
[95]
Nur wenn im Arm die Zitter klingt,

Da hell der Wind vorüberzieht,

Wenn gar zu laut die Droſſel ſingt,

Zuckt manchesmal ihr Augenlied.
Dann wirft ſie das blonde Köpfchen herum,

Daß am Hals das güldene Kettlein klingt;

Auf fliegen die Vögel, der Wald iſt ſtumm,

Und zurück in den Schlummer das Mägdlein ſinkt.

2.

Hell reißt der Mond die Wolken auf,

Daß durch die Tannen bricht der Strahl;

Im Grunde wachen die Elfen auf,

Die Silberhörnlein rufen durch's Thal.
[96]
Zu Tanz, zu Tanz am Felſenhang,

Am hellen Bach, im ſchwarzen Tann!

Schön Jungfräulein, was wird dir bang?

Wach auf, und ſchlag die Saiten an!
Schön Jungfräulein, die ſitzt im Traum;

Tannkönig tritt zu ihr herein,

Und küßt ihr leis des Mundes Saum,

Und nimmt vom Hals das Güldkettlein.
Da ſchlägt ſie hell die Augen auf —

Was hilft ihr Weinen all und Flehn!

Tannkönig, laß mich ziehn nach Haus,

Laß mich zu meinen Schweſtern gehn.
In meinem Walde fing ich dich,

Tannkönig ſpricht, ſo biſt du mein!

Was hatteſt du die Meß verſäumt?

Komm mit, komm mit zum Elfenreihn! —
[97]
Elf! Elf! das klingt ſo wunderlich

Elf! Elf! mir graut vor dem Elfenreihn;

Die haben gewiß kein Chriſtenthum,

O laß mich zu Vater und Mutter mein! —
Und denkſt du an Vater und Mutter noch,

Sitz aber hundert Jahre allein!

Die Elfen ziehn zu Tanz, zu Tanz!

Er hängt ihr um das Güldkettlein.
7[98]

Schneewittchen.

Eine Märchen-Scene.


Zwergenwirthſchaft. Links eine Thüre zur Schlafkammer der
Zwerge; im Hintergrunde eine Thür- und Fenſteröffnung.
Von außen Wald und Sonnenſchein. Drinnen ſteht ein
kleiner Tiſch mit ſieben Schüſſeln.


Die ſieben Zwerge


(kommen ſingend nach einander herein mit Kräuterſäcken auf


dem Nacken, werfen die Säcke in den Winkel, treten an den


Tiſch und ſtutzen, einer nach dem andern).


Zwergenälteſter.
Wer hat auf meinem Stühlchen ſeſſen?


Zwerg 2.
Wer hat von meinem Tellerlein eſſen?


[99]

Zwerg 3.
Wer hat von meinem Müschen pappt?


Zwerg 4.


Wer hat mit meinem Gäblein zutappt?


Zwerg 5.
Wer hat aus meinem Becherlein trunken?


Zwerg 6.
Wer hat mein Löfflein eingetunken?


Zwerg 7


(ſchaut in die Nebenkammer).
Wer drückt' in meinem Bett das Dällchen?


Zwergenälteſter.


Wer rückt' an meinem Schlafgeſtellchen?


Zwerg 2.


Wer ſchlief auf meinem Lagerſtättchen?


Zwerg 3.
O weh! liegt Einer in meinem Bettchen!


Zwerg 4.
Ein Mägdelein!


7 *[100]

Zwerg 5, 6, 7.


Laß ſchaun, laß ſehn!


Zwerg 7.


Ei Gott, wie iſt das Kind ſo ſchön!


Zwergenälteſter.


O weckt ſie nicht! o ſchreckt ſie nicht!
Geſchloſſen iſt der Aeuglein Licht,
Hinabgerollt die Locken dicht;
Ueber des Mieders blanke Seide
Gefaltet fromm die Händchen beide.


Zwerg 2.


Wer mag ſie ſein? Wo kam ſie her?


Der Wald wächſt in die Kreuz und Quer.


Zwerg 3.


Wie fand das liebe Tauſendſchön


Den Weg durch Dorn und Moor und Seen?


Zwerg 4.


Iſt alles ſo gar lieb und fein,
So roſenroth, ſchneeweiß und rein!
[101]Zwergenälteſter.


Bis ſie erwacht, bleibt mäuschenſacht,
Das helle Glöcklein nehmt in Acht,
Bleibt ruhig in den Schühlein ſtehn,
Laßt leis das Zünglein ummegehn!


Zwerg 4.
Schau, ſchau! Die Wimper regte ſich.


Zwerg 5.


Das Mündlein roth bewegte ſich.


Zwerg 6.


Das blonde Köpfchen reckt ſich auf,
Zwei blaue Aeuglein ſchlägt ſie auf!


Zwerg 7.


Sie ſchaut ſich um ein ſtummes Weilchen!


Zwergenälteſter.


Schweigt nun! ihr Mühlchen, ihr Plappermäulchen!
Erſchreckt ſie nicht, geht fein bei Seit!
Sie ſah wohl Zwerglein nicht bis heut.


(Die Zwerge treten bis auf den Aelteſten an beiden
Seiten zurück).


[102]

Schneewittchen


(erſcheint ſcheu an der Thür).


Zwergenälteſter.


Ei grau' dich nicht, tritt nur herein;
Du ſollſt uns fein willkommen ſein,
Willkommen in der Zwerge Häuschen!
Doch ſprich, wie heißt du denn?


Schneewittchen.


Schneeweißchen!


So hat die Mutter mich genannt;
Mein Vater iſt König über dies Land.


Zwergenälteſter.


Schneeweißchen, Königstöchterlein,
Wo ließeſt du die Pagen dein,
Wo ließeſt du die Wagen und Roſſe?
Wie kamſt du von des Königs Schloſſe?


Schneewittchen.


Ach, ich bin kommen arm und bloß!
Mütterlein ſchläft in Grabes Schooß;
[103] Der König freite die zweite Frau,


Die ſchlug mich oft und ſchalt mich rauh;


Schickte mich dann mit dem Jäger zu Walde,


Sollte mich tödten auf Berges Halde,


Und der Königin als Zeichen


Sollt' er mein blutend Herze reichen,


Doch ich bat ihn ſo lange, ſo lang auf den Knien—


Da ſchoß er den Eber, und ließ mich fliehn.


Zwergenälteſter.


Schneeweißchen, Königstöchterlein,
Wie fandſt du Weg und Steg allein?
Wer zeigte dir die ſieben Berge?
Wie kamſt du in das Reich der Zwerge?


Schneewittchen.


Sprangen zwei Rehlein mir voran,
Sahn mit den braunen Augen mich an;
Saßen im Walde die Vöglein zu Hauf,
Schwangen zwei Vöglein ſich vor mir auf;
Am Himmel zog ein Stern vor mir —
Und wie ich folgte, ſo bin ich hier.


[104]

Zwergenälteſter.


Schneeweißchen, Königstöchterlein,
Schlag auf die blauen Aeugelein,
Laß ſpringen dein Herzlein wohlgemuth;
Sollſt bleiben hier in unſrer Hut,
Im grünen Reich der ſieben Berge!


Schneewittchen.


Wie kann ich euch danken, ihr guten Zwerge?


Zwergenälteſter.


Kannſt die Wirthſchaft uns verſehen,
Wenn wir Tags in die Berge gehen;
Unſern Haushalt kannſt du führen.


Schneewittchen.


O wie will ich mich tummeln und rühren!
Bin wohl behend in allen Stücken;
Sprecht nur, was ſoll ich immer beſchicken?


Zwergenälteſter.


Morgens im Dämmerſchein
Fegſt du das Kämmerlein,
[105] Bohneſt die Stühlchen,


Lockerſt die Pfühlchen,


Schüttelſt zurechte die Schlafeſtättchen!


Zwerg 2.


Und für dich ſelber das weichſte Bettchen!


Zwergenälteſter.


Gehn wir zu Walde, hütſt du das Stübchen,
Deckeſt das Tiſchchen, kocheſt die Süppchen!


Zwerg 3.


Doch von den Süppchen und von den Speischen
Das Schönſte für dich, Prinzeß Schneeweißchen!


Zwerg 4.


Schau nur, die Dornen zerriſſen mein Röcklein!


Zwerg 5.


Streiften mir ab von dem Käppchen das Glöcklein.


Zwergenälteſter.


Beſſerſt das Röcklein,
Hefteſt das Glöcklein,
Setzeſt auf Jäckchen
[106] Saubere Fleckchen;
Doch in das Hüttchen
— Biſt du allein —
Läßt du, Schneewittchen,
Niemand herein!


Schneewittchen.


Aber die Rehe, die ſüßen Rehe!
Wenn ich ſie Morgens durch's Fenſterlein
Draußen im goldenen Sonnenſchein
Springen und ſpielen und nahen ſehe?


Zwergenälteſter.


Rehlein ſtehn in hohen Gnaden,
Sind gar tapfre Kameraden;
Kannſt ſie immer zu Gaſte laden.


Schneewittchen.


Aber die Vögel, die bunten Flämmchen,
Stieglitz mit dem rothen Kämmchen,
Ammer mit dem goldenen Latz,
Und der Staar, der poſſierliche Matz,
Und vor den andern Vögeln allen
[107] Die ſüßen Sänger, die Nachtigallen!
Wenn ſie draußen durch die Zweiglein
Schauen mit den klugen Aeuglein;
Wenn ſie dann mählich näher ſchlüpfen,
Neugierig auf die Schwelle hüpfen?


Zwergenälteſter.


Vöglein ſtehn in hohen Gnaden,
Sind gar luſtge Kameraden;
Darfſt ſie immer zu Gaſte laden.


Schneewittchen.


Aber die Sonne, der himmliſche Schein!
Wenn ſie Morgens in's Fenſterlein
Durch die grünen, funkelnden Blätter
Sendet das goldene Sommerwetter!
Und Abends, wandert die Sonne von dannen,
Der Mond ſteigt über die ſchwarzen Tannen!
Der wohnt am Himmel allein nicht gern,
Bringt mit ſich alle die tauſend Stern';
Mond und Sonne und Sternelein
Schauen alle zu mir herein,
[108] Wie ich die Wirthſchaft mag treiben und leiten —
Sie kennen mich alle ſeit langen Zeiten.


Zwergenälteſter.


Rehlein laß um dich ſpielen und ſpringen,
Vöglein flattern und ſchmettern und ſingen,
Laß Mond- und Sonnenſchein herein;
Nur vor den Menſchen hüte dich fein!


(Zu den Andern.)


Nun kommt, ihr wackern Brüderlein,
Drei Gänge fürder noch waldein!
Dreimal noch füllt mit weichem Moos
Die Säcklein aus des Waldes Schooß,
Und richtet fein in unſerm Hüttchen
Ein achtes Bettchen für Schneewittchen.


Die sieben Zwerge
(gehen ſingend ab).


„Da ging die Katz die tripp die trapp,
Da ſchlug die Thür die klipp die klapp,
Frau Füchſin, ſind ſie da?
Ach ja, mein Kätzchen, ja!“
[109]Schneewittchen


(allein).


Morgens im Dämmerſchein,
Feg' ich das Kämmerlein,
Bohne die Stühlchen,
Lockre die Pfühlchen,
Mache die Bettchen,
Die Schlummerſtättchen,
Nähe das Röcklein,
Hefte das Glöcklein,
Setz' auf die Jäckchen
Saubere Fleckchen;
Rehlein und Vögelein
Alle die Thierelein
Flattern durch's Fenſterlein,
Schlüpfen zur Thür herein;
Sonne und Mondenſchein,
Sternlein, die hellen,
Sind alle meine Spielgeſellen!

[[110]][[111]]

Zweites Buch.

Aeltere Gedichte.

[[112]][[113]]

Die Herrgottskinder.

Von oben ſieht der Herr darein,

Ihr dürft indeß der Ruhe pflegen;

Er giebt der Arbeit das Gedeihn

Und träuft herab den Himmelsſegen.

Und wenn dann in Blüthe die Saaten ſtehn,

So läßt er die Lüftlein darüber gehn,

Auf daß ſich die Halme zuſammenbeugen

Und friſch aus der Blüthe das Korn erzeugen;

Und hält am Himmel hoch die Sonne,

Daß Alles reife in ihrer Wonne.

Da ſtünd' es den Bauern wohl prächtig an,

Das Alles in ihre Scheuern zu laden!

Gott Vater hat auch ſeinen Theil daran;

Den will er vergaben nach ſeiner Gnaden.

Da ruft er die jüngſten Kinder ſein;

8[114]
Die nährt er ſelbſt aus ſeiner Hand,

Die Rehlein, die Häslein, die Würmlein klein

Und alles Gethier in Luft und Land;

Das flattert herbei und kreucht und ſpringt,

Iſt fröhlich all zu Gottes Ehr'

Und all genügſam, was er bringt.

Deß freut ſich der Herrgott mächtig ſehr,

Er breitet weit die Arme aus

Und ſpricht in Liebe überaus:

All, was da lebet, ſoll ſich freun,

Seid Alle von den Kindern mein;

Und will euch drum doch nicht vergeſſen,

Daß ihr nichts könnt als ſpringen und freſſen.

Hat jedes ſeinen eignen Ton!

Ihr ſollt euch tummeln friſch im Grünen;

Doch mündig iſt der Menſch, mein Sohn;

Drum mag er ſelbſt ſein Brod verdienen!
[115]

Das Mädchen mit den hellen Augen.

Das Mädchen mit den hellen Augen,

Die wollte Keines Liebſte ſein;

Sie ſprang und ließ die Zöpfe fliegen,

Die Freier ſchauten hinterdrein.
Die Freier ſtanden ganz von Ferne

In blanken Röcklein lobeſam.

„Frau Mutter, ach, ſo ſprecht ein Wörtchen,

Und macht das liebe Kindlein zahm!“
Die Mutter ſchlug die Händ' zuſammen,

Die Mutter rief: „Du thöricht Kind,

Greif zu, greif zu! Die Jahre kommen,

Die Freier gehen gar geſchwind!“
8 *[116]
Sie aber ließ die Zöpfe fliegen,

Und lachte alle Weisheit aus;

Da ſprang durch die erſchrockenen Freier

Ein toller Knabe in das Haus.
Und wie ſie bog das wilde Köpfchen,

Und wie ihr Füßchen ſchlug den Grund,

Er ſchloß ſie feſt in ſeine Arme

Und küßte ihren rothen Mund.
Die Freier ſtanden ganz von Ferne,

Die Mutter rief vor Staunen ſchier:

„Gott ſchütz' dich vor dem ungeſchlachten,

Ohn' Maaßen groben Cavalier!“
[117]

Fiedel-Lieder.

1.
Wenn mir unterm Fiedelbogen

Manche Saite auch zerſprang,

Neue werden aufgezogen,

Und ſie geben friſchen Klang.
3.
Nun ein Scherflein in die Runde

Von den Cavalieren allen!

Für mein Lied, und ganz beſonders,

Weil's den Frauen ſo gefallen.
Daß ſie alle mit einander

Luſtig klingen in der Taſche;

Und, Herr Wirth, vom beſten Elfer

Eine wohlgezogne Flaſche!
[118]
Nun ein Lied, und nun ein Humpen,

Schwer von lieblichen Getränken!

Ewig, ewig, unermüdlich

Will ich meinen Bogen ſchwenken.
4.
Muſikanten wollen wandern!

Durch die Saiten geht der Wind,

Und er weht die leichten Lieder

In die weite Welt geſchwind.
Muſikanten wollen wandern!

Schon zur Neige ging der Wein;

Ziehn die Lieder in die Weite,

Muß der Spielmann hinterdrein.
[119]
5.
Nun geht der Mond durch Wolkennacht,

Nun iſt der Tag herum;

Da ſchweigen alle Vögel bald

Im Walde um und um.
Die Droſſel pfeift ihr letztes Stück,

Ein Stück zu Allerbeſt;

Die Amſel ſchlägt den letzten Ton,

Und fliegt zu Neſt, zu Neſt.
Da nehm' auch ich zu guter Nacht

Zur Hand die Geige mein;

Das iſt ein klingend' Nachtgebet,

Und ſteigt zum Himmel ein.
[120]

Myrthen.

Sie brach ein Reis vom Hochzeitskranz,

Und pflanzt' es gläubig ein:

„Nun trage mir ein Kränzlein grün

Für's künftige Töchterlein!“
Sind ſechzehn Jahre wohl herum;

Das Reislein wuchs heran,

Hier ſitzt das wackre Töchterlein —

Fehlt nur der Freiersmann.
[121]

Nelken.

Ich wand ein Sträußlein Morgens früh,

Das ich der Liebſten ſchickte;

Nicht ließ ich ſagen ihr, von wem,

Und wer die Blumen pflückte.
Doch als ich Abends kam zu Tanz

Und that verſtohlen und ſachte,

Da trug ſie die Nelken am Buſenlatz,

Und ſchaute mich an und lachte.
[122]

Damendienſt.

Die Schleppe will ich dir tragen,

Ich will deinem Wink mich weihn,

An Feſten und hohen Tagen

Sollſt du meine Königin ſein!
Deiner Launen geheimſte und kühnſte

Gehorſam erfüll' ich dir;

Doch leid ich in dieſem Dienſte

Keinen Andern neben mir.
So lang ich dir diene in Ehren,

Gehöret dein Lächeln mein;

Deinen Hofſtaat will ich vermehren;

Doch der Erſte will ich ſein.
[123]

Duett.

Tenor und Alt.


Mehr in der Töne Schwellen

Neigt ſich die Seele dir;

Höher ſchlagen die Wellen,

Fluthen die Pulſe mir.
Fliehen und Wiederfinden,

Wechſelnde Melodie!

Laß du die Seele ſchwinden,

Sterben in Harmonie.
Hörſt du den Ruf erklingen,

Rühren dein träumend Ohr?

Weiße blendende Schwingen

Tragen dich wehend empor.
[124]
Selig, im Lichte zu ſchweben

Ueber den Wolken hoch!

Ließt du das ſüße Leben,

Kennſt du die Erde noch?
Aber zum ſtillen Grunde

Zieht es hernieder ſchon;

Heimlich von Mund zu Munde

Wechſelt ein leiſer Ton.
Fernhin rauſchen die Wogen,

Schütze mein pochend Herz!

Schon kommt die Nacht gezogen —

Fühlſt du den ſüßen Schmerz?
[125]

Ritter und Dame.

I.
Zu den Füßen ſeiner Dame

Liebestrunken ſitzt der Ritter;

Sprechend blitzen ſeine Augen,

Schweigend ruhen ſeine Lippen.
Am Balkone ſitzt die Dame,

Eine goldne Schärpe wirkt ſie;

Auf den Ritter blickt ſie lächelnd,

Und mit hellem Klange ſpricht ſie:
„Denket ihr auf Tod und Schlachten,

Oder ſinnt ihr Minnelieder?

Wahrlich, eure ſtumme Weiſe

Bleibt mir unerklärlich, Ritter!
[126]
Schwört ihr erſt in tauſend Briefen,

Tauſend unerhörte Dinge

Hättet ihr für meine Ohren,

Und das Herz ſei voll zum Springen!
Fleht ihr erſt in tauſend Briefen

Um ein heimlich einſam Stündchen!

Wohl, die Stunde iſt gekommen —

Redet jetzt von tauſend Dingen!“
Und der Ritter bricht das Schweigen:

„Zürnt mir nicht, o Wonnemilde;

Wiſſet, daß geheimer Zauber

Bleiern mir die Zunge bindet.
Nur ein Wink aus euren Augen,

Nur ein Wort von euren Lippen,

Nur ihr ſelbſt, o meine Herrin,

Könnt den argen Bann bezwingen.“
[127]
2.
Und zum Andern ſitzt der Ritter

Seiner Herrin an der Seite;

Von der Schulter glänzt die Schärpe

Als ein freundlich Minnezeichen.
Sieghaft ſchlingt er ſeine Arme

Um den Leib des ſtolzen Weibes,

Unaufhaltſam ſüße Worte

Schwatzt er, und die Dame ſchweiget.
Will zu einem halben Wörtchen

Oeffnen ſie der Lippen Zeile,

Schließt er ihr den Mund mit Küſſen,

Und die Dame lauſcht und ſchweiget.
„Süße Herrin, unerklärlich

Bleibt mir eure ſtumme Weiſe!

Wollen eure rothen Lippen

Gleiches zahlen mir mit Gleichem?
[128]
Oder lernten dieſe Lippen

Lieblicher die Zeit vertreiben?

Gar behäglich iſt das Schwatzen;

Doch ein Andres iſt geſcheidter.“
Draußen auf den Mandelblüthen

Ruht die Nacht im Mondenſcheine;

Unaufhaltſam ſchwatzt der Ritter,

Und die Dame lauſcht und ſchweiget.
Gab ſie hin des Blickes Zauber?

Sprach ſie aus die Zauberweiſe?

Doch nicht fürder klagt die Dame

Ueber ihres Ritters Schweigen.
[129]

Die Stadt.

Um grauen Strand, am grauen Meer,

Und ſeitab liegt die Stadt;

Der Nebel deckt die Dächer ſchwer,

Und durch die Stille brauſt das Meer

Eintönig um die Stadt.
Es rauſcht kein Wald, es ſchlägt im Mai

Kein Vogel ohn' Unterlaß;

Die Wandergans mit hartem Schrei

Nur fliegt in Herbſtesnacht vorbei,

Am Strande weht das Gras.
Doch hängt mein ganzes Herz an dir,

Du graue Stadt am Meer;

Der Jugend Zauber für und für

Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir,

Du graue Stadt am Meer.
9[130]

Bettlerliebe.

O laß mich nur von ferne ſtehn,

Und hangen ſtumm an deinem Blick;

Du biſt ſo jung, du biſt ſo ſchön,

Aus deinen Augen lacht das Glück.
Und ich ſo arm, ſo müde ſchon,

Ich habe nichts, was dich gewinnt.

O wär' ich doch ein Königsſohn,

Und du ein arm' verlornes Kind!
[131]

Vierzeilen.

Du weißt doch, was ein Kuß bekennt?

Sonſt hör' du auf zu küſſen!

Ich dacht', er ſei ein Sakrament,

Das alle Völker wiſſen.
Und weißt du, warum ſo trübe,

So ſchwer mir das Herz muß ſein?

Du haſt mich geküßt ohne Liebe,

Das wolle dir Gott verzeihn!
Die Lieb' iſt wie ein Wiegenlied:

Es lullt dich lieblich ein;

Doch ſchläfſt du kaum, ſo ſchweigt das Lied,

Und du erwachſt allein.
9*[132]

Das Harfenmädchen.

Das war noch im Vaterſtädtchen;

Da warſt du gar zierlich und jung,

Ein ſüß' ſchwarzäugiges Dirnlein,

Zur Liebe verſtändig genung.
Und wenn dir die Mutter zu ſingen

Und Harfe zu ſpielen gebot,

So ſcheuteſt du dich vor den Leuten

Und klagteſt mir heimlich die Noth.
„Wann treff ich dich wieder und wo doch?“ —

„Am Schloſſe, wenn's dunkel iſt.“

Und Abends bin ich gekommen

Und habe dich fröhlich geküßt.
[133]
Sind ſieben Jahr vergangen,

Daß ich dich nicht geſehn;

Wie bleich doch ſind deine Wangen,

Und waren ſo blühend und ſchön!
Wie greifſt du ſo keck in die Saiten

Und ſchauſt und äugelſt umher!

Das ſind die kindlich ſcheuen,

Die leuchtenden Augen nicht mehr.
Doch kann ich den Blick nicht wenden,

Du einſt ſo reizende Maid;

Mir iſt, als ſchaut' ich hinüber

Tief, tief in vergangene Zeit.
[134]

Das hohe Lied.

Der Markt iſt leer, die Bude ſteht verlaſſen,

Im Winde weht der bunte Trödelkram;

Und drinnen ſitzt im Wirbelſtaub der Gaſſen

Das ſchlanke Kind des Juden Abraham.

Sie ſtützt das Haupt in ihre weiße Hand,

Im Sturm des Buſens bebt die leichte Hülle;

Man ſieht's, an dieſer Augen Sonnenbrand

Gedieh der Mund zu ſeiner Purpurfülle.

Die Lippe ſchweigt, die ſchwarzen Locken ranken

Sich um die Stirn wie ſchmachtende Gedanken.

Sie lieſt vertieft in einem alten Buch

Von einem König, der die Harfe ſchlug,

Und liebefordernd in den goldnen Klang

Manch zärtlich Lied an Zions Mädchen ſang.
[135]

Weihnachtsabend.

An die hellen Fenſter kommt er gegangen

Und ſchaut in des Zimmers Raum:

Die Kinder alle tanzten und ſangen

Um den brennenden Weihnachtsbaum.
Da pocht ihm das Herz, daß es will zerſpringen;

O, ruft er, laßt mich hinein,

Was Frommes, was Fröhliches will ich euch ſingen

Zu dem hellen Kerzenſchein.
Und die Kinder kommen, die Kinder ziehen

Zur Schwelle den nächtlichen Gaſt;

Still grüßen die Alten, die Jungen umknieen

Ihn ſcheu in geſchäftiger Haſt.
[136]
Und er ſingt: „Weit glänzen da draußen die Lande,

Und locken den Knaben hinaus;

Mit klopfender Bruſt, im Reiſegewande

Verläßt er das Vaterhaus.
Da trägt ihn des Lebens breitere Welle —

Wie war ſo weit die Welt!

Und es findet ſich mancher gute Geſelle,

Der's treulich mit ihm hält.
Tief bräunt ihm die Sonne die Blüthe der Wangen

Und der Bart umſproſſet das Kinn;

Den Knaben, der blond in die Welt gegangen,

Wohl nimmer erkennet ihr ihn.
Aus goldnen und aus blauen Reben

Es mundet ihm jeder Wein;

Und dreiſter greift er in das Leben

Und in die Saiten ein.
[137]
Und für manche Dirne mit ſchwarzen Locken

Im Herzen findet er Raum; —

Da klingen durch das Land die Glocken,

Ihm war's wie ein alter Traum.
Wohin er kam, die Kinder ſangen,

Die Kinder weit und breit,

Die Kerzen brannten, die Stimmlein klangen,

Das war die Weihnachtszeit.
Da fühlte er, daß er ein Mann geworden;

Hier gehörte er nicht dazu.

Hinter den blauen Bergen im Norden

Ließ ihm die Heimath nicht Ruh.
An die hellen Fenſter kam er gegangen

Und ſchaut' in des Zimmers Raum;

Die Schweſtern und Brüder tanzten und ſangen

Ein Chriſtlied am Taxusbaum.“ —
[138]
Da war es, als würden lebendig die Lieder

Und nahe, der eben noch fern;

Um den Taxus tanzten Schweſter und Brüder

Und ſangen ein Lied vom Herrn.
Da kann er nicht länger das Herz bezwingen,

Er breitet die Arme aus:

„O ſchließet mich ein in das Preiſen und Singen,

Ich bin ja der Sohn vom Haus.“
[139]

Junge Liebe.

Aus eigenem Herzen geboren,

Nie beſeſſen, dennoch verloren.
Ihr Aug' iſt blau, nachtbraun ihr lockicht Haar,

Ein Schelmenmund, wie jemals einer war,

Ein launiſch Kind; doch all' ihr Widerſtreben

Bezwingt ihr Herz, das mir ſo ganz ergeben.
Schon lange ſitzt ſie vor mir, träumeriſch

Mit ihren Beinchen baumelnd, auf dem Tiſch;

Nun ſpringt ſie auf; an meines Stuhles Lehne

Hängt ſie ſich, ſchmollend ob der ſtummen Scene.
„Ich liebe dich!“ — „Du biſt ſehr intereſſant.“

„Ich liebe dich!“ — „Ach das iſt längſt bekannt!

Ich lieb' Geſchichten, neu und nicht erfunden —

Erzählſt du nicht, ich bin im Nu verſchwunden.“ —
[140]
„So hör'! Jüngſt träumte mir“ — — „Das iſt

nicht wahr!“ —

„Wahr iſt's! Mir träumt', ich ſähe auf ein Haar

Dich ſelbſt Straß auf und ab in Prachtgewändern

An eines Mannes Arm gemächlich ſchlendern;
Und dieſer Mann“ — — „der war?“ — „der war

nicht ich!“ —

„Du lügſt!“ — „Mein Herz, ich ſah dich ſicherlich —

Ihr ſenktet Aug' in Auge voll Entzücken,

Ich ſtand ſeitab, gleichgültig deinen Blicken.“
„Der Mutter ſag ich's!“ ruft das tolle Kind,

„Was für ein Traum!“ Da haſch' ich ſie geſchwind,

Und dieſe frevelhaften Lippen müſſen,

Was ſie verbrochen, ohne Gnade büßen.
[141]

Dämmerſtunde.

Im Nebenzimmer ſaßen ich und du;

Die Abendſonne fiel durch die Gardinen,

Die fleißigen Hände fügten ſich der Ruh,

Von rothem Licht war deine Stirn beſchienen.
Wir ſchwiegen beid'; ich wußte mir kein Wort,

Das in der Stunde Zauber mochte taugen;

Nur nebenan die Alten ſchwatzten fort —

Du ſahſt mich an mit deinen Märchenaugen.
[142]

Frage.

Wenn einſam du im Kämmerlein geſeſſen,

Wenn dich der Schlummer floh die lange Nacht,

Dann haſt du oft, ſo ſprichſt du, mein gedacht;

Doch, wenn die Sonne kommen unterdeſſen,

Wenn dir die Welt und jeglich Aug' gelacht,

Haſt du auch dann wohl jemals mein gedacht?
[143]

Rechnenſtunde.

Du biſt ſo ein kleines Mädchen,

Und haſt ſchon ſo helle Augen;

Du biſt ſo ein kleines Mädchen,

Und haſt ſchon ſo rothe Lippen!
Nun ſchau mich nur an, du Kleine,

Auch ich hab' helle Augen,

Und laß dir Alles deuten —

Auch ich hab' rothe Lippen.
Nun rechne mir doch zuſammen!

Vier Augen, die geben? — Blicke!

Und — mach' mir keinen Fehler!

Vier Lippen, die geben? — Küſſe!
[144]

Zum Weihnachten.

Mit Märchen.


Mädchen, in die Kinderſchuhe

Tritt noch einmal mir behend!

Folg' mir durch des Abends Ruhe,

Wo der dunkle Taxus brennt.
Engel knieen an der Schwelle,

Hütend bei dem frommen Schein;

Von den Lippen klingt es helle:

Nur die Kindlein gehen ein!
Doch du ſchauſt mich an verwundert,

Sprichſt: „Vertreten ſind die Schuh';

Unter alt' vergeßnem Plunder

Liegt die Puppe in der Truh.“
[145]
Horch nur auf! Die alten Märchen

Ziehn dich in die alte Pracht!

Wie im Zauberwald das Pärchen

Schwatzen wir die ganze Nacht.
Von Schneewittchen bei den Zwergen,

Wo ſie lebte unerkannt,

Und war hinter ihren Bergen

Doch die Schönſt' im ganzen Land.
Von Hans Bärlein, der im Streite

Einen Rieſenritter ſchlug,

Der die Königstochter freite,

Endlich gar die Krone trug.
Von dem Dichter auch daheime,

Der ein Mädchen, groß und ſchlank,

Durch die Zauberkraft der Reime

Rückwärts in die Kindheit ſang.
10[146]

Junges Leid.

Und blieb dein Aug' denn immer ohne Thränen?

Ergriff dich denn im kerzenhellen Saal,

Hinſchleichend in des Tanzes Zaubertönen,

Niemals ein dunkler Schauer meiner Qual?
O fühlteſt du's! Nicht länger kann ich's tragen;

Du weißt, das ganze Leben biſt du mir,

Die Seligkeit von allen künftgen Tagen

Und meiner Jugend Zauber ruht auf dir.
In meiner Liebe biſt du auferzogen;

Du biſt mein Kind — ich habe dich geliebt,

Als feſſellos noch deine Locken flogen,

Als deine Schönheit noch kein Aug' getrübt.
[147]
Ob du dich nimmer nach dem Freunde ſehnteſt,

Der Abends dir die ſchönen Lieder ſang,

Indeß du ſtumm an ſeine Schulter lehnteſt,

Andächtig lauſchend in den vollen Klang?
O fühl' es nimmer, wie Vergangnes quäle!

Doch wirſt du's fühlen; weiß ich's doch gewiß

An jedem Funken deiner, meiner Seele,

Gott gab dich mir, als er dich werden hieß.
O kehr' zurück, und wandle, was vergangen,

In dunkle Schmerzen der Erinnerung!

Noch blüht dein Mund, noch glühen deine Wangen,

Noch iſt mein Herz wie deines ſtark und jung.
10 *[148]

Käuzlein.

Da ſitzt der Kauz im Ulmenbaum,

Und heult und heult im Ulmenbaum.

Die Welt hat für uns beide Raum!

Was heult der Kauz im Ulmenbaum

Von Sterben und von Sterben?
Und über'n Weg die Nachtigall,

Genüber pfeift die Nachtigall.

O weh, die Lieb' iſt gangen all!

Was pfeift ſo ſüß die Nachtigall

Von Liebe und von Liebe?
Zur Rechten hell ein Liebeslied,

Zur Linken grell ein Sterbelied!

Ach, bleibt denn nichts, wenn Liebe ſchied,

Denn nichts, als nur ein Sterbelied

Kaum wegbreit noch hinüber?
[149]

Abſchied.

Mit Liedern.


l.
Was zu glücklich um zu leben,

Was zu ſcheu um Klang zu geben,

Was zu lieblich zum Entſtehen,

Was geboren zum Vergehen,

Was die Monde nimmer bieten,

Roſen aus verwelkten Blüthen,

Thränen dann aus jungem Leide

Und ein Klang verlorner Freude.
[150]
2.
Du weißt es, Alle, die da ſterben

Und die für immer ſcheiden gehn,

Die müſſen, wär's auch zum Verderben,

Die Wahrheit ohne Hehl geſtehn.
So leg' ich's denn in deine Hände,

Was immer mir das Herz bewegt;

Es iſt die letzte Blumenſpende,

Auf ein geliebtes Grab gelegt.
[151]

Ritornell.

Dunkle Cypreſſen,

Die Welt iſt gar zu luſtig;

Es wird doch Alles vergeſſen.
[[152]][[153]]

Als Epilog.

[[154]][[155]]

In hoc signo vinces.

Noch war die Jugend mein, die ſchöne, ganze,

Ein Morgen nur, ein Geſtern gab es nicht;

Da ſah der Tod im hellſten Sonnenglanze,

Mein Haar berührend, mir in's Angeſicht.
Die Welt erloſch, der Himmel brannte trübe;

Ich ſprang empor entſetzt und ungeſtüm.

Doch er verſchwand. Die Ewigkeit der Liebe

Lag vor mir noch, und trennte mich von ihm.
[156]
Und heute nun — im ſonnigen Gemache

Zur Rechten und zur Linken ſchlief mein Kind;

Des zarten Athems lauſchend hielt ich Wache,

Und an den Fenſtern ging der Sommerwind.
Da ſanken Nebelſchleier dicht und dichter

Auf mich herab; kaum ſchienen noch hervor

Der Kinder ſchlummerſelige Geſichter,

Und nicht mehr drang ihr Athem an mein Ohr.
Ich wollte rufen; doch die Stimme keuchte,

Bis hell die Angſt aus meinem Herzen ſchrie.

Vergebens doch; kein Schrei der Angſt erreichte,

Kein Laut der Liebe mehr erreichte ſie.
In grauer Finſterniß ſtand ich verlaſſen,

Bewegungslos und ſchauernden Gebeins;

Ich fühlte kalt mein ſchlagend Herz erfaſſen,

Und ein entſetzlich Auge ſank in meins.
[157]
Ich floh nicht mehr; ich feſſelte das Grauen,

Und faßte mühſam meines Auges Kraft;

Dann überkam vorahnend mich Vertrauen

Zu dem, der meine Sinne hielt in Haft.
Und als ich feſt den Blick zurückgegeben,

Lag plötzlich tief zu Füßen mir die Welt;

Ich ſah mich hoch und frei ob allem Leben

An deiner Hand, furchtbarer Fürſt, geſtellt.
Den Dampf der Erde ſah empor ich ſtreben,

Und ballen ſich zu Menſch- und Thiergeſtalt;

Sah es ſich ſchütteln, taſten, ſah es leben,

Und taumeln dann, und ſchwinden alſobald.
Im fahlen Schein im Abgrund ſah ich's liegen,

Und ſah ſich's regen in der Städte Rauch;

Ich ſah es wimmeln, haſten, ſich bekriegen,

Und ſah mich ſelbſt bei den Geſtalten auch.
[158]
Und niederſchauend von des Todes Warte

Kam mir der Drang, das Leben zu beſtehn,

Die Luſt, dem Feind, der unten meiner harrte,

Mit vollem Aug' in's Angeſicht zu ſehn.
Und kühlen Hauches durch die Adern rinnen

Fühlt' ich die Kraft, entgegen Luſt und Schmerz

Vom Leben feſt mich ſelber zu gewinnen,

Wenn Andres nicht, ſo doch ein ganzes Herz. —
Da fühlt' ich mich im Sonnenlicht erwachen;

Es dämmerte, verſchwebte und zerrann;

In meine Ohren klang der Kinder Lachen,

Und friſche, blaue Augen ſahn mich an.
O ſchöne Welt! So ſei in ernſtem Zeichen

Begonnen denn der neue Lebenstag!

Es wird die Stirn nicht allzuſehr erbleichen,

Auf der, o Tod, dein dunkles Auge lag.
[159]
Ich fühle tief, du gönneteſt nicht Allen

Dein Angeſicht; ſie ſchauen dich ja nur,

Wenn ſie dir taumelnd in die Arme fallen,

Ihr Loos erfüllend gleich der Creatur.
Mich aber laß unirren Augs erblicken,

Wie ſie, von keiner Ahnung angeweht,

Brutalen Sinns ihr nichtig Werk beſchicken,

Unkundig deiner ſtillen Majeſtät.
[]

Appendix A Inhalt.



Erſtes Buch.
  • Seite
  • Octoberlied  1
  • Abſeits  3
  • Weihnachtslied  5
  • Im Walde  6
  • Eliſabeth  7
  • Lied des Harfenmädchens  8
  • Weiße Roſen  9
  • Looſe  12
  • Noch einmal  13
  • Die Stunde ſchlug  14
  • Abends  15
  • Wohl fühl' ich, wie das Leben rinnt  16
  • Hyazinthen  18
  • Du willſt es nicht mit Worten ſagen  19
  • Dämmerſtunde  21
  • Frauenhand  22
  • Die Zeit iſt hin  23
  • Wohl rief ich ſanft dich an mein Herz  24
  • Du ſchläfſt  26
  • Seite
  • Lucie  27
  • Einer Todten  29
  • Eine Fremde  32
  • Stündchen  33
  • Lehrſatz  35
  • Die Kleine  36
  • O ſüßes Nichtsthun  37
  • Gaſel  38
  • Wer je gelebt in Liebesarmen  39
  • Nun ſei mir heimlich zart und lieb  40
  • Schließe mir die Augen beide  41
  • Kritik  42
  • Sprich, biſt du ſtark  43
  • Morgens  48
  • Zur Nacht  45
  • Die Kinder  46
  • Im Herbſte  47
  • O bleibe treu den Todten  49
  • In böſer Stunde  51
  • Und war es auch ein großer Schmerz  52
  • Zwiſchenreich  53
  • Vom Staatskalender  55
  • Geſegnete Mahlzeit  59
  • Von Katzen  59
  • Stoßſeufzer  61
  • In der Frühe  62
  • Sturmnacht  63
  • Seite
  • Waldweg  66
  • Eine Frühlingsnacht  69
  • März  71
  • Mai  72
  • Herbſt  73
  • Hinter den Tannen  76
  • Silvia  77
  • Ein grünes Blatt  78
  • Zur Taufe  79
  • Morgane  80
  • Oſtern  82
  • Nach Reiſegeſprächen  84
  • Auf dem Segeberg  85
Märchen.
  • Märchen  89
  • In Bulemanns Haus  90
  • Tannkönig  94
  • Schneewittchen  98

Zweites Buch.
  • Aeltere Gedichte.
  • Die Herrgottskinder  113
  • Das Mädchen mit den hellen Augen  115
  • Fiedel-Lieder  117
  • Myrthen  120
  • Seite
  • Nelken  121
  • Damendienſt  122
  • Duett  123
  • Ritter und Dame  125
  • Die Stadt  129
  • Bettlerliebe  130
  • Vierzeilen  131
  • Das Harfenmädchen  132
  • Das hohe Lied  134
  • Weihnachtsabend  135
  • Junge Liebe  139
  • Dämmerſtunde  141
  • Frage  142
  • Rechnenſtunde  143
  • Zum Weihnachten  144
  • Junges Leid  146
  • Käuzlein  148
  • Abſchied  149
  • Ritornell  151

Als Epilog.
  • In hoc signo vinces 155
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2025). Storm, Theodor. Gedichte. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bmmr.0