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Vom Schönen der Natur, wird jeder Sinn entzückt,

Doch noch mehr der Verſtand, der Gott darinn erblückt.

Syſang Jc.


[]

Phyſikaliſche
und
moraliſche Gedanken
uͤber die drey
Reiche der Natur,

Nebſt
ſeinen uͤbrigen nachgelaſſenen Gedichten,
als des
Jrdiſchen Vergnuͤgens

in GOTT

Neunter und letzter Theil.


Mit Koͤnigl. Poln. und Churfl. Saͤchſ. allergnaͤdigſter Freyheit.

Hamburg,,
bey Georg Chriſtian Grund, und in Leipzig:
bey Adam Heinrich Holle, 1748.

[][]

Vorbericht.


Da wir den Beſchluß aller Ge-
dichte des ſeligen Herrn
Brockes liefern; ſo ſind
wir voͤllig uͤberzeugt, daß durch das Ab-
leben des Verfaſſers die Hochachtung
noch nicht vermindert iſt, welche der
vernuͤnftigſte Theil unſerer Landesleute
* 2jeder-
[]Vorbericht.
jederzeit fuͤr die lautere Abſicht ſeiner
erbaulichen Muſe gehabt hat. Seine
Verdienſte um die Menſchheit, um
die Sittenlehre, und um die Verbreitung
eines vernuͤnftigen und begreiflichen
Gottesdienſtes, ſind viel zu groß, als
daß ſelbige bereits bey der Ablegung
des Jrdiſchen in Vergeſſenheit kommen
ſollten. Sie haben vielmehr einen
ſichern Anſpruch auf die Nachwelt;
und unſere kuͤnftigen Buͤrger werden
ſie noch mit einer groͤßern Ehrerbie-
tung nennen, als vielleicht viele ge-
than, die Zeugen ſeiner wahren Groͤße
geweſen, und entweder aus einem
bloͤden Verſtande oder einer ſchlaͤfri-
gen
[]Vorbericht.
gen Gleichguͤltigkeit derſelben nicht
das gehoͤrige Opfer der Hochachtung
gewidmet haben.


Wenn die vielfaͤltige Anfrage nach
der Ausgabe dieſes neunten Theils uns
gewiß ſchließen laͤßt; ſo verſprechen wir
demſelben eben die gute Aufnahme,
welche die vorhergehenden gehabt haben.
Man hat hiezu um ſo vielmehr Hoff-
nung, da der geneigte Leſer allhier die-
jenigen Gedichte findet, welche in des ſel.
Brockes Schriften hin und wieder ver-
ſprochen ſind; er folget darinnen haupt-
ſaͤchlich den Werken des Schoͤpfers in
ihren Gaͤngen, und beſinget die ſoge-
* 3nann-
[]Vorbericht.
nannten drey Reiche der Natur,
phyſikaliſch und moraliſch. Die erſte
Anlage zu denſelben iſt bereits in der
Zeit geſchehen, da die Muſe unſers
beruͤhmten Dichters in ihrer erſten
Schoͤnheit und in ihrem ſtaͤrkſten
Feuer war. Es gehet den Dichtern,
wie den Frauenzimmern: Wenn die
Bluͤthe ihrer Schoͤnheit uns unerwar-
tet und heftig ruͤhret, ſo verurſacht
die Reife derſelben, daß wir ihre
zuruͤckgebliebenen Zuͤge noch bewun-
dern und verehren. Schon im Jahre
1723 wurde der Sonntag zu dieſer
Arbeit beſtimmet. Jn denen Stunden,
welche
[]Vorbericht.
welche gemeiniglich andere mit ſchnoͤden
Ergetzlichkeiten oder wohl gar mit einer
ſogenannten Sabbathſchaͤnderey, in der
Stadt und auf ihren Gaͤrten verſchwen-
den, belehrte und vergnuͤgte der Ver-
faſſer ſich ſelbſt aus dem Buche der Nà-
tur, wenn er ſich vorher in der Ver-
ſammlung der Chriſten aus dem Bu-
che der Offenbarung unterrichten laſſen.
Dieſe wuͤrdige Beſchaͤfftigung wurde
fortgeſetzt, wenn keine zufaͤllige Um-
ſtaͤnde dieſelbe unterbrachen. Allein,
ſolche kommen ſehr oft; und der Herr
Brockes mußte die ruhigen Augenbli-
cke, welche er fuͤr ſich auserſehen hatte,
* 4man-
[]Vorbericht.
mannichmal den Beſuchen und zuwei-
len ſehr entbehrlichen Gegenbeſuchen
oder andern Zerſtreuungen uͤberlaſſen,
die ein allzu gefaͤlliges Ceremoniel fuͤr
Seelen, die ſich ſelbſt beſchaͤfftigen koͤnnen,
eingefuͤhret hat. Jndeſſen nahm doch
das Werk nach und nach zu, daß be-
reits verſchiedene der wichtigſten Stuͤcke
in die erſten Theile des irdiſchen Ver-
gnuͤgens in Gott, konnten eingeruͤcket
werden. Hieher gehoͤren: die Son-
ne, der Regen, das Waſſer, die
Berge
und das Feuer, im erſten
Theile; und die Erde, die Luft, die
fuͤnf Sinne,
im zweyten Theile. Des
Ver-
[]Vorbericht.
Verfaſſers Abſicht war, dieſe Gedichte
nur den beſagten Theilen geliehen zu ha-
ben, und ſie bey der Ausgabe des ge-
genwaͤrtigen, wieder an Ort und
Stelle, einzuſchalten. Nach ſeinem
Tode hat man dieſes unterlaſſen wol-
len; theils, weil ſie ſich bereits in ſo oft
wiederholten Auflagen befinden und in
jedermanns Haͤnden ſind; theils aber,
weil dieſer letzte Theil in einem andern
Verlage ans Licht tritt, um dadurch
von der Anklage frey zu bleiben, als
wenn man einen Eingriff in des andern
ſein Eigenthum gethan haͤtte. Es iſt zu
wuͤnſchen, daß diejenigen, welche et-
* 5wan
[]Vorbericht.
wan mit einem diebiſchen Nachdrucke die-
ſes Theils ſchwanger gehen, auf eben ſo
billige Gedanken gerathen moͤgen, wo
ihnen anders ihre niedertraͤchtige Hab-
ſucht, und ihr gewoͤhnliches Gewerbe,
noch ſo viele Faͤhigkeit gelaſſen hat.
Wenigſtens werden ſie uns das Ver-
gnugen machen, dieſe beylaͤufige Erinne-
rung mit nachzudrucken.


Was den Jnhalt dieſes Werks uͤber-
haupt betrifft, ſo gehet der erbauliche
Dichter darinnen zuerſt mit ſeinen
Gedanken in das Mineralreich. Er
beſchreibet uns die verſchiedenen Schaͤtze,
ſo die Erde in ihrem Schooße zum Nu-
tzen
[]Vorbericht.
tzen und Vergnuͤgen der Menſchen er-
zeuget und enthaͤlt; und er lehret, wie
nothwendig ſolche uns, wenn wir ſie
nur menſchlich gebrauchen, zu einer ehr-
erbietigen Erkenntlichkeit gegen den
großen Schoͤpfer und guͤtigen Geber der-
ſelben, antreiben muͤſſen. Hierauf wird
die Oberflaͤche der Welt ſein Gegen-
ſtand. Er zeiget, was ſich ſowohl im
Pflanzen- als Thierreiche, unſern
Sinnen darbeut, und wie es uns an
eben die dankbaren Pflichten erinnert.
Da das Herz des ſeligen Mannes voll
uͤberzeugender Gedanken von der Maje-
ſtaͤt und Hoheit ſeines Schoͤpfers war;
ſo
[]Vorbericht.
ſo iſt auch hier, wie in allen ſeinen
Schriften, die Abſicht, daß die wahren
Menſchen mit ihm zuſammen treten,
und denſelben erkennen und anbeten
ſollen.


Es iſt gewiß, daß dieſes Werk noch
viel ausfuͤhrlicher gerathen waͤre, wenn
es der Vorſehung gefallen, das Ziel ſei-
ner Tage weiter hinaus zu ſetzen. Der
geneigte Leſer wird ſolches abſonderlich
bey den Gedanken uͤber das Thierreich
bemerken. Damit aber dieſer Band
den vorigen gleich ſeyn moͤchte; ſo hat
man aus den nachgebliebenen Hand-
ſchriften mit einer ſorgfaͤltigen Auf-
merk-
[]Vorbericht.
merkſamkeit ſolche Stuͤcke gewaͤhlet, wel-
che dem Jnhalte des irdiſchen Vergnuͤ-
gens
in Gott, voͤllig gemaͤß; und zu-
gleich ſind in einem Anhange einige vor-
gefundene Sinngedichte, und der ruͤh-
rende Schwanengeſang, hinzugefuͤ-
get worden.


Anfaͤnglich war man geſonnen, die-
ſen Gedichten eine Beſchreibung von
dem wuͤrdigen Leben und Charakter

ihres verewigten Verfaſſers voranzuſe-
tzen: Allein, da ſolches das Buch faſt bis
auf die Haͤlfte vergroͤßert haͤtte; ſo wird
man dieſelbe naͤchſtens in einem beſon-
dern Baͤndchen liefern, und ſich bemuͤhen,
dem
[]Vorbericht.
dem anhaltenden Verlangen der Vereh-
rer des ſeligen Brockes ein Genuͤge zu
leiſten.

Geſchrieben, Hamburg den 24
April 1748.
Z.


Betrach-
[[1]]

Betrachtungen
uͤber
die drey Reiche der Natur.


Quell der tiefen Ewigkeiten!

Jn dir ſelbſt verborgner Gott!

Kreis und Mittelpunkt der Zeiten!

Wahres All! Herr Zebaoth!

Deſſen all belebend Glaͤnzen

Jn den unumſchraͤnkten Grenzen,

Denen End und Urſprung fehlt,

Unbegreiflich ſich verhehlt.

Alles, was die Welt erfuͤllet,

Jſt durch dich hervorgebracht,

Alles Koͤrperliche quillet

Aus den Tiefen deiner Macht;

Geiſt, der Geiſtern Geiſt und Leben,

Kraͤft’ und Weſen hat gegeben;

Gott, der ewig wirkt und ſchafft!

Ewige Bewegungskraft!

ALieget
[2]Betrachtungen
Lieget dein ſelbſtſtaͤndigs Glaͤnzen,

Das die Ewigkeit erfuͤllt,

Gleich im Licht, das ohne Grenzen

Undurchdringlich iſt, verhuͤllt;

Sieht man dennoch deine Spuren

Jn der Welt der Kreaturen.

Dieſe, da ſie gar zu ſchoͤn,

Will ich, dir zum Ruhm, beſehn.

Ohne die erſchaffnen Werke,

Die dein Allmachtswort verband,

Waͤr uns Liebe, Weisheit, Staͤrke

Einer Gottheit unbekannt.

Sie allein, wenn ſie uns ruͤhren,

Koͤnnen uns zum Schoͤpfer fuͤhren;

Sie ſind Wege, worauf man

Sich der Gottheit naͤhern kann.

Der, der allen Raum erfuͤllet,

Hat, bloß uns zum Nutzen nur,

Sein unendlich Licht verhuͤllet

Jn dem Flor der Kreatur.

Sonnen, Welten, Koͤrper, Geiſter

Offenbaren ihren Meiſter;

Sie erklaͤren beyderley,

Daß, ja gleichſam was, er ſey.

Herr, erleuchte mein Gemuͤthe!

Zuͤnd in mir dein Feuer an,

Daß ich deine Macht und Guͤte

Sehn, verſtehn und preiſen kann,

Tilge der Gewohnheit Staͤrke!

Weil die groͤßten Wunderwerke

Jhr verdickter Nebel deckt,

Und vor unſerm Blick verſteckt.

Koͤnig-
[3]uͤber die drey Reiche der Natur.
Koͤnigreiche zu gewinnen,

Jſt bey weitem das nicht werth,

Als wenn man Leib, Seel und Sinnen

Auf des Hoͤchſten Werke kehrt.

Nur nach Pracht und Geld zu gaffen,

Sind wir Menſchen nicht geſchaffen,

Weil, beym groͤßten Gut und Stat,

Keine Seele Ruhe hat.

Aber wenn ich aller Dinge

Ordnung, Menge, Groͤß’ und Pracht

Seh’, erwaͤg’, und den beſinge,

Der ſie durch ſein Wort gemacht;

Deucht mich, daß mein Herz verſpuͤret,

Da es thut, was ihm gebuͤhret,

Wie ein neues Freudenlicht

Durch die Nacht der Schwermuth bricht.

Darum wend ich meine Sinnen

Auf die Koͤrper, die wir ſehn,

Nicht ſo ſehr, was ſie von innen,

Und ihr Weſen zu verſtehn;

Nein, die Unempfindlichkeiten

Der Gewohnheit auszureuten,

Daß wir, wie ſonſt nicht geſchehn,

Sehen moͤgen, was wir ſehn.

Daß wir, unſerm Gott zum Preiſe,

Das, was er auf dieſer Welt,

Auf ſo wunderbare Weiſe,

Uns zum Beſten dargeſtellt,

Moͤgen merken, ſehn und hoͤren,

Jhn in unſern Freuden ehren,

Und nicht mehr, wie Thier und Stein

Blind und unempfindlich ſeyn.

A 2Alle
[4]Betrachtungen
Alle Dinge, groß und kleine,

Fluͤßig, trocken, weich und hart,

Thiere, Pflanzen, Holz und Steine

Zeigen Gottes Gegenwart.

Jn den Gruͤnden, auf den Hoͤhen

Jſt des Schoͤpfers Kraft zu ſehen;

Auch im kleinſten Koͤrnchen Sand

Wird die Allmachtshand erkannt.

Um in ſolcher Zahl vor allen

Einer Ordnung nachzugehn;

Laßt uns erſtlich die Metallen,

Sammt der Steine Reich, beſehn:

Dann der Pflanzen Heer betrachten:

Endlich auf das Thierreich achten.

Denn in Pflanzen, Thier und Stein

Theilt, was koͤrperlich, ſich ein.


Das
[5]

Das
Reich der Metalle.


Alles wird Metall genennet,

Welches hart, dicht, ſchwer und feſt,

Schmilzt, und nicht im Feur verbrennet,

Was ſich ſtreckt, und dehnen laͤßt

Durch des ſchweren Hammers Schlaͤge;

Was geſchmeidig zum Gepraͤge,

Und was aus dem finſtern Schacht

Wird, mit Muͤh, ans Licht gebracht.

Von Gewaͤchſen und von Thieren

Unterſcheidet ſich Metall;

Denn, da jene ſich formiren

Bilderfoͤrmig uͤberall,

Sehn wir, daß ſie in der Erden

Ohne Form gebildet werden,

Folglich, was man ſonſt auch ſpricht,

Zeuget ſichs aus Samen nicht.

Der Metallen Nutz und Menge

Wollen wir hernach beſehn.

Laßt uns erſtlich in die Gaͤnge

Eines tiefen Bergwerks gehn,

Und beſchaun, wie in der Erde

Ein Metall gezeuget werde!

Salz und Schwefel ſcheint allein

Jhres Urſprungs Stoff zu ſeyn.

A 3Wie
[6]Betrachtungen
Wie die neuern Weiſen ſagen,

Scheint die Zeugung wunderſchoͤn,

Etwan ſo ſich zuzutragen,

Und wie folget, zu geſchehn.

Duͤffte, die gezeuget werden

Jn dem Mittelpunkt der Erden,

Und von dannen aufwerts gehn,

Machen, daß Metall’ entſtehn.

Solch ein Dufft trifft in den Kluͤften

Allerley Partikeln an

Von verſchloßnen groben Luͤften,

Womit er ſich miſchen kann.

Dieſe werden dadurch beſſer,

Ein metalliſches Gewaͤſſer,

Welches, in verſchiednem Grad,

Kleinre Theil’, als Waſſer, hat.

Jn der lockern Erden Gruͤnden,

Wenn ſie ſich mit Thon und Sand,

Auch mit Salz und Schwefel binden

Und, nachdem ihr Gegenſtand,

Sich durch krumme Wege lenken,

Jn ſo manche Form ſich ſenken,

Werden ſie gepreßt, gedruͤckt,

Feſt vereinigt und verſtrickt.

Durch die Menge krummer Ecken,

Die ſich auf ſo manche Art

Jn und durch einander ſtrecken,

Werden ſie ſo feſt gepaart;

Denn, da ſie ſich ſo vermiſchen,

Bleibt kein leerer Platz dazwiſchen.

Hievon koͤmmt es, daß ein Stein

Und Metall ſo daurhaft ſeyn.

Dieſe
[7]uͤber das Reich der Metalle.
Dieſe feſte Koͤrper alle

Theilt man in fuͤnf Arten ein;

Jn Metall, in halb Metalle,

Und in Erde, Salz, und Stein.

Die wir all’ in tiefen Gruͤnden,

Als in ihren Muͤttern, finden.

Laſſet uns denn weiter gehn,

Und ſie, nach der Reih, beſehn.

Die Metallen anzuweiſen,

Sind dieſelben ſechſerley:

Gold und Silber, Kupfer, Eiſen,

Und, nebſt dieſen, Zinn und Bley.

Die vorzeiten lauter Namen

Von den Goͤttern uͤberkamen;

Daher noch die heutge Welt

Manchen Jrrthum unterhaͤlt.

Das
Gold.
Gold hieß Sol. Will man ergruͤnden,

Was davon die Urſach ſey;

Wird man anders keine finden,

Als nur: Gelb ſcheint beyderley.

Silber mußte Luna heißen,

Bloß, weil beyde weißlicht gleißen.

Daß all andre Gleichheit Tand;

Jſt nunmehro gnug erkannt.

Man ſagt, weil das Gold auf Erden
(So, wie durch der Sonnen Glut

Viele tauſend Wunder werden)

Auch viel tauſend Wunder thut,

Ließ es ſich auch wohl vergleichen;

Doch man irrt, die Wunderzeichen,

Die durch Gold gewirket ſeyn,

Zeugt ein Zufall, ſind ein Schein.

A 4Da
[8]Betrachtungen
Da der Sonnen Stral hingegen

Wahre Wunder wirkt und zeugt,

Und, mit Waͤrme, Licht und Segen,

Alle Kreaturen ſaͤugt.

Nichts koͤnnt ohne ſie geſchehen:

Alles ſonder Gold beſtehen.

Gold iſt in der Arzeney

Meiſtens auch Betriegerey.

Stralende, verborgne Kraͤfte

Sollen in dem Golde ſeyn:

Aber Stralen, Balſam, Saͤfte

Sind nur Grillen, Tand und Schein.

Weil das Gold in irdſchen Dingen

Allen Mangel kann bezwingen;

Daher koͤmmt es, daß die Welt

Gold faſt fuͤr allmaͤchtig haͤlt.

Gold iſt ein Metall, das dichte,

Gelb, gezuͤge, wohl vereint,

Von ausnehmendem Gewichte,

Das ſehr helle glaͤnzt und ſcheint,

Welches in der Erd entſprießet,

Durch die Hitze ſchmilzt und fließet,

Und wenn mans ins Feuer legt,

So Capell als Teſt ertraͤgt.

Welches Erzt nun nicht, in allen,

Dieſe Eigenſchaften hat,

Jſt, im Reiche der Metallen,

Jmmer im geringern Grad.

Sonderlich wird nichts gefunden,

Deſſen Theile ſo verbunden;

Denn die Daur im Gold allein

Schaͤtzt man hoͤher, als den Schein.

Eh
[9]uͤber das Reich der Metalle.
Eh wir bey dem Nutzen bleiben,

Laſſet uns, ſo wie das Gold,

Auch das Silber erſt beſchreiben,

Dem die Welt nicht minder hold.

Dieſe zwey ſind ihre Goͤtter,

Jhre Zuflucht und Erretter.

Gold und Silber wird geacht’t,

Und auf Gott wird kaum gedacht.

Das
Sil-
ber.
Silber, wenn es auserleſen

Und von allem Zuſatz rein,

Jſt ein weiß metalliſch Weſen,

Helle, wie des Mondes Schein.

Das geziehg’ iſt, und doch klinget,

Hart, doch wenn’s die Glut durchdringet,

Schmilzt es: doch iſt es ſo feſt,

Und ertraͤgt, wie Gold, den Teſt.

Ob nun gleich in Arzeneyen

Gold und Silber wenig nuͤtzt,

Und es meiſtens Pralereyen,

Was die Meynung unterſtuͤtzt;

Dennoch iſt es kaum zu glaͤuben,

Und nicht moͤglich, zu beſchreiben,

Was fuͤr Gutes auf der Welt

Wird gewirkt durch Gold und Geld.

Koͤnnte wohl auf dieſer Erden

Der nie gnug geruͤhmte Fleiß

Beſſer angeſpornet werden,

Als durchs Geldes Werth und Preis?

Nichtes koͤnnte man erdenken,

Das, Verdienſte zu beſchenken

Und zu reizen mehr und mehr,

Beſſer und geſchickter waͤr.

A 5Aller
[10]Betrachtungen
Aller Menſchen Werk und Wandel

Waͤr in mindrer Sicherheit;

Schiffahrt, Kaufmannſchaft und Handel

Faͤnden groͤßre Schwierigkeit;

Schweiß und Witz wird keiner wollen

Dem gemeinen Beſten zollen:

Waͤre nicht das liebe Gold

Aller Muͤh erwuͤnſchter Sold.

Die Begierde reich zu werden

Zeugt zwar manches Bubenſtuͤck:

Geiz verurſacht auf der Erden

Ungezaͤhltes Ungeluͤck:

Aber koͤnnt in unſerm Leben

Den Gebrauch ein Misbrauch heben;

Muͤßt auch Feuer, Stahl und Wein

Aus der Welt verbannet ſeyn.

Eine Prob’ hievon zu geben,

Wie das Geld ſo noͤthig ſey,

Laſſet uns nur einſt das Leben

Und die rauhe Barbarey

Aller Voͤlker recht betrachten,

Die kein Gold, kein Silber achten!

Welch ein Leben fuͤhren ſie?

Gleichen ſie nicht faſt dem Vieh?

Nur fuͤr Speis und Trank zu ſorgen,

Brauchen ſie allein Verſtand:

Kuͤnſte ſind daſelbſt verborgen,

Weisheit iſt dort unbekannt.

Es beſteht all ihr Verlangen

Etwan in ein Wild zu fangen,

Keiner kennt dort Sicherheit,

Wohlſtand und Bequemlichkeit.

Spraͤche
[11]uͤber das Reich der Metalle.
Spraͤche man: ja, wer hienieden

Wenig noͤthig hat, iſt reich:

Sie ſind arm zwar, doch zufrieden,

Und, beym Golde, fehlt dieß euch.

Sag ich: ſolche Ruh zu waͤhlen,

Die ein Grab der Kraft der Seelen,

Und ihr beſtes Theil ihr raubt;

Jſt uns Menſchen nicht erlaubt.

Wer auf ſolche Weiſe lebet,

Jſt den Thieren voͤllig gleich.

An dem, der ſich nicht erhebet,

Und erwaͤgt, wie gnadenreich

Gott in allen ſeinen Werken,

Jſt nichts Menſchliches zu merken,

Und zu ſolcher Froͤmmigkeit

Fehlts dort an Gelegenheit.

Jeder, ders erwaͤget, findet,

Daß, auf Erden, bloß das Geld

Menſchliche Geſellſchaft bindet,

Daß ſie ſich zuſammenhaͤlt;

Geld macht, daß ſich Menſchen nuͤtzen,

Helfen, beſſern, dienen, ſchuͤtzen,

Daß man ſchreibet, druckt, und lehrt,

Wie man ſeinen Schoͤpfer ehrt.

Wer will uͤbers Gold denn klagen?

Und wer kann mit Recht und Fug

Noch nach mehrerm Nutzen fragen?

Dieſer Nutz iſt groß genug.

Wie durchs Feur die Luft ſich reget,

Wird, durch Geld, die Welt beweget;

Gold und Geld treibt jedermann,

Wie ein Sporn, zu wirken an.

Und
[12]Betrachtungen
Und dieß glaub ich, daß es liege

An des Goldes Seltenheit:

Haͤtt’ es jeder zur Genuͤge;

Schwaͤnde ſeine Nutzbarkeit.

Wenn ich dieſes recht betrachte,

Und auf die Veraͤndrung achte;

Pflicht’ ich auch der Meynung bey,

Daß kein Gold zu machen ſey.

Großer Geber aller Gaben,

Herr, dem alles zugehoͤrt,

Gieb, wenn wir die Nothdurft haben,

Die dein’ Hand, durchs Gold, beſchert,

Daß wir es mit Dank empfangen,

Und mit Unrecht nichts verlangen,

Da du jedem. den du liebſt,

Sein beſcheiden Theil ja giebſt.

Das
Ku-
pfer.
Da wir alſo, Gott zu Ehren,

Gold und Silber angeſehn;

Muͤſſen wir, mit unſern Lehren,

Nunmehr auch zum Kupfer gehn:

Welches jenen zwar nicht gleichet,

Und an ihren Werth nicht reichet,

Doch, wiewohl in minderm Grad,

Auch viel Herrlichs in ſich hat.

Es iſt ein Metall, das dichte,

Das ſich unterm Hammer beugt,

Deſſen Koͤrper uns im Lichte

Eine falbe Roͤthe zeigt,

Das, durchs Feur geſchmolzen, fließet,

Da man es wie Waſſer gießet:

Das ſehr helle toͤnt und klingt;

Aber das die Glut doch zwingt.

Denn,
[13]uͤber das Reich der Metalle.
Denn, im Kupfer, ſind die Theile

Nicht ſo rein, ſo reif, ſo feſt,

Darum es ſich auch in Eile

Von einander ſcheiden laͤßt.

Ja ſelbſt kalte Feuchtigkeiten

Nehmen die Beſchaffenheiten

Seines Weſens ſchleunig an,

Daß man es gleich ſchmecken kann.

Der Geſchmack iſt ſehr verdrießlich,

Welchen ſolch ein Waſſer hegt,

Und dem Koͤrper nicht erſprießlich,

Weil es Brechen ſtets erregt.

Doch, da, Oeffnung zu erwecken,

Große Kraͤft’ im Kupfer ſtecken;

Weis man, daß zur Arzeney

Es nicht ohne Nutzen ſey.

Kupfer hat, wie ſchwer es ſcheinet,

Dennoch lange ſolch Gewicht,

Weil es nicht ſo feſt vereinet,

Wie das Gold und Silber, nicht.

Merklich iſts, daß, wie in allen

Unvollkommenen Metallen,

Auch der Roſt das Kupfer frißt,

Wie es klar zu ſehen iſt.

Roſt, wodurchs Metall vergehet,

Wenn es nicht recht feſt und rein;

Wird erzeuget und entſtehet

Aus der Feuchtigkeit allein,

Wenns bald trocken und bald feuchte,

Denn kein Roſt verzehret leichte

Etwas, ſo ohn Unterlaß

Trocken, oder allzeit naß.

Daß
[14]Betrachtungen
Daß vom Roſt nun, wie wir ſehen,

Alle nicht verſehret ſeyn,

Scheint, wie folget, zu geſchehen:

Der Metallen, welche rein,

Theil’ und Oeffnungen ſind kleiner,

Als derſelben, die gemeiner,

Wannenhero, wie man meynt,

Sich kein Naß damit vereint.

Doch mit Kupfer, Erzt und Eiſen

Miſcht ſich leicht die Feuchtigkeit,

Wie es ihre Koͤrper weiſen,

Weil die Oeffnungen ſo weit;

Da ſich denn, durch Luft und Hitze,

Hie und dort manch kleine Spitze

Jn der Feuchtigkeit mit hebt

Und an ihren Flaͤchen klebt.

Hiedurch loͤſet ſich allmaͤhlig

Jhr ſonſt feſtes Weſen auf,

Da die Theilchen faſt unzaͤhlig

Sich von innen oben drauf

Durch die Luft beſtaͤndig regen,

Die ſie trennt, zu legen pflegen,

Da denn, was ſonſt lange waͤhrt,

Muͤrbe wird und ſich verzehrt.

Kupfer kann doch, wie wir ſehen,

Des verzehrnden Roſtes Wut

Gar viel laͤnger widerſtehen,

Als ein lockers Eiſen thut.

Kupfer muß zum Dach uns nuͤtzen

Und vor Wind und Regen ſchuͤtzen.

So zum Nutzen, als zur Pracht,

Wird aus Kupfer viel gemacht.

Daß
[15]uͤber das Reich der Metalle.
Daß das Kupfer und das Eiſen

Doch mehr, als man glaubt, verwandt,

Kann, mit ſeiner Fluht, erweiſen

Das bergreiche Ungerland,

Als woſelbſt ein Bach zu finden,

Der nicht nur die aͤußern Rinden,

Sondern, wie ichs ſelbſt betracht,

Eiſen ganz zu Kupfer macht.

Doch wird Eiſen nicht verwandelt,

Jn der That und eigentlich.

Sondern, ſo wird es gehandelt:

Jn dem Waſſer finden ſich

Vitriol und Kupfertheile,

Das verzehrt den Stahl in Eile,

Der nicht widerſtehen kann,

Und das Kupfer legt ſich an.

Was fuͤr viel und praͤchtge Sachen,

Die ſo noͤthig, als bequem,

Kann man nicht aus Kupfer machen?

Es nuͤtzt und iſt angenehm.

Seht, durch Muͤnzen und durch Saͤulen

Kann es ſpaͤten Ruhm ertheilen:

Kurz, damit es nuͤtzen kann,

Nimmt es alle Formen an.

Wenn wir nun den Nutzen ſpuͤren

Und des Kupfers Schoͤnheit ſehn,

Will uns Menſchen ja gebuͤhren,

Seinen Schoͤpfer zu erhoͤhn.

Jhn, durch den in unſrer Erden

Solche Schaͤtz erzeuget werden.

Betet den, der alles kann,

Voller Furcht und Ehrfurcht an!

Da
[16]Betrachtungen
Da das Kupfer nun beſehen,
Das
Zinn.
Trifft nunmehr das Zinn die Reih.

Dieſes, wie vordem geſchehen,

Heißet man noch weißes Bley.

Zinn iſt, wie wir oͤfter leſen,

Jupitern geweiht geweſen;

Wie es denn noch itzo meiſt

Bey den Alchymiſten heißt.

Dieß, ein weiß metalliſch Weſen,

Deſſen Weiß doch blaͤulich bleich,

Klingt, zumal wenns auserleſen,

Hat viel Jrdiſches, iſt weich,

Laͤßt ſich ſchmelzen, und zergehet,

Wenns auf kleiner Glut nur ſtehet.

Wie ſichs auch leicht hammern laͤßt,

Doch ertraͤgt es keinen Teſt.

Zinn, wie leichtlich zu erweiſen,

Jſt ein nuͤtzliches Metall.

Zu Behaͤltern unſrer Speiſen

Brauchet man es uͤberall:

Seine Feſtigkeit verhindert,

Daß ſich kein Geſchmack vermindert;

Nichts veraͤndert Kraft und Art,

Wenn man es in Zinn verwahrt.

Schließt denn, daß, zu ſeinem Weſen,

Erſten Urſtoff und Natur,

Wenig Salz nur ſey erleſen,

Sondern Schwefel und Merkur:

Welche nicht durch Feuchtigkeiten,

So wie jener, zu beſtreiten,

Sondern deren Feſtigkeit

Keine Naͤß und Waſſer ſcheut.

Ferner
[17]uͤber das Reich der Metalle.
Ferner iſt mit Recht zu ſchließen,

Daß es in der Arzeney,

Das Gebluͤte zu verſuͤßen,

Auch von großer Wirkung ſey.

Es vertreibet Roͤth und Hitze,

Und iſt alſo denen nuͤtze,

Welchen aus dem Angeſicht

Manch Geſchwaͤr und Blatter bricht.

Weiter ſoll es Mutterſchmerzen,

Und verſchiedner Krankheit Pein,

Auch das Fieber von dem Herzen

Zu vertreiben kraͤftig ſeyn.

Nebſt dem Schweiße, treibts gelinde

Unſre Blaͤhungen und Winde.

Dankt dem Gott, durch deſſen Macht

Auch das Zinn hervorgebracht.

Das
Bley.
Da wir nun mit Luſt beſehen,

Daß das Zinn ſo nuͤtzlich ſey;

Wollen wir nun weiter gehen,

Und, das ſogenannte Bley

Jn Betrachtung auch zu ziehen,

Uns mit allem Ernſt bemuͤhen;

Denn auch dieſes Eigenſchaft

Von recht wunderbarer Kraft.

Bley kann ſehr viel Aendrung leiden,

Und ſein Nutz iſt mancherley.

Es vom Zinn zu unterſcheiden,

Heißt man dieſes ſchwarzes Bley.

Vormals iſt es, wie wir leſen,

Dem Saturn geweiht geweſen;

Denn es mußt ein Jrrſternſchein

Aller Dinge Urſprung ſeyn.

BDoch
[18]Betrachtungen
Doch der Jrrthum iſt verſchwunden,

Und, durch der Erfahrung Licht,

Hat es ſich nunmehr befunden,

Daß, was hier bey uns geſchicht,

Durch die Sonn’ und durch die Erde

Bloß allein gewirket werde:

Denn ein Jrrſtern hat den Schein,

So wie wir, von ihr allein.

Wenn man alſo uͤberleget,

Was das Bley, und was fuͤr Kraft

Sein metalliſch Weſen heget,

Findet man die Eigenſchaft:

Es hat keinen Klang, iſt dichte,

Von beſonderem Gewichte,

Grau, geziehg’, ein Feind vom Teſt,

Ob ſichs gleich leicht ſchmelzen laͤßt.

Daß ſein Urſtand, Stoff und Weſen

Meiſt Merkurius allein;

Kann man gnug in Buͤchern leſen,

Scheinet auch faſt wahr zu ſeyn:

Denn man findet, daß, von allen,

Auch der ſchwereſten, Metallen,

Keines ihm an Schwere gleicht;

Gold allein iſt minder leicht.

Eben wie das Gold nicht klinget,

Alſo klingt auch dieſes nicht,

Da kein Ton aus beyden dringet;

Doch, am Klang und am Gewicht

Gleichen ſich nur dieſe beyden,

Sonſt kann Gold das Bley nicht leiden,

Denn es wird, koͤmmt Bley darinn,

Sproͤd’, als Silber durch das Zinn.

Ferner
[19]uͤber das Reich der Metalle.
Ferner ſpuͤrt man, daß viel Erde,

Nebſt Merkurius, im Bley

Auch zugleich gefunden werde,

Und damit vermenget ſey.

Wenn man recht damit verfaͤhret;

Wird es bald in Glas verkehret.

Dieſe Wirkung zeiget euch

Erd’ und Alkali zugleich.

Was beſonders wird verſpuͤret,

Da das Bley ſich in den Teſt

Senkt und alles mit ſich fuͤhret,

Was ſich von ihm zwingen laͤßt.

Die unedelen Metallen

Sieht man mit ihm niederfallen,

Da denn Gold und Silber rein,

Und, vom Zuſatz, ſauber, fein.

Jedermann wird gern geſtehen,

Daß das Bley ſonſt in der That,

Wie wir naͤmlich taͤglich ſehen,

Tauſendfachen Nutzen hat:

Bilderſaͤulen und Gefaͤße,

Von ſo mancher Art und Groͤße,

Werden durch die Kunſt gemacht

Und aus Bley hervorgebracht.

Da ſichs unterm Hammer ſtrecket,

Wirds auf tauſend Art formirt:

Daͤcher ſind damit bedecket,

Waſſer wird durch Bley gefuͤhrt;

Zum Verbinden und zum Loͤten

Hat man Bley gar ſehr vonnoͤthen;

Eiſen bindet es mit Stein,

Daß die Klammern daurhaft ſeyn.

B 2Vieles
[20]Betrachtungen
Vieles muͤßte man entbehren,

Wenn die Welt das Bley nicht haͤtt’,

Die uns Nutz und Luſt gewaͤhren:

Bleyerzt, Bleyweiß, Silberglaͤtt,

Mennig, Glas, Glaſur und Spiegel,

Bleyaſch, Formen, Model, Siegel,

Honig, Balſam, Oel aus Bley,

Deren Nutz ſo mancherley.

Da das Bley von ſolchen Kraͤften,

Und da das Metall uns auch

Nuͤtzt in mancherley Geſchaͤfften;

Dankt dem Schoͤpfer im Gebrauch!

Der uns Menſchen hier im Leben

Die Bequemlichkeit gegeben,

Daß uns auch des Bleyes Kraft

Nutzen und Ergetzen ſchafft.

Danket Gott, der, zu den Gaben,

Die, aus ſeiner Allmachtshand,

Wir fuͤr uns empfangen haben;

Uns, den denkenden Verſtand,

Den ſo edlen Geiſt, geſchenket,

Der die Kreaturen lenket,

Daß ſich ihrer jedermann,

Wie er will, bedienen kann.

Das
Eiſen.
Auf mein Herz, auch nun das Eiſen,

Nach mit Luſt erwognem Bley,

Zu betrachten und zu weiſen,

Wie ſo groß ſein Nutzen ſey!

Dieß, da es ſo hart und feſte,

Jſt zugleich das allerbeſte

Und das ſchaͤdlichſte Metall:

Dieß verſpuͤrt man uͤberall.

Wer
[21]uͤber das Reich der Metalle.
Wer kann ſonder Eiſen bauen?

Eiſen reißet alles ein;

Ganze Waͤlder auszuhauen

Braucht man Eiſen, Fels und Stein

Zwingts, es machet tauſend Leichen,

Nuͤtzt und ſchadet ganzen Reichen,

Die es theils bekriegt, theils ſchuͤtzt,

Theils verheeret, theils ſie ſtuͤtzt.

Aber alle Grauſamkeiten,

Blutvergießen, Tyranney,

Dieſer und vergangner Zeiten

Marter, Mord, und Barbarey,

Doͤrfer, Staͤdt’ und Land verheeren,

Und das Unterſt oben kehren,

Jſt ja nicht des Stahls Natur;

Unſre Bosheit macht es nur.

Ach! warum wird dieſer Segen

So erbaͤrmlich misgebraucht,

Und, anſtatt das Feld zu egen,

Nur in Menſchenblut getaucht!

Ach, daß wir durch Stahl zerriſſe[n]

Und zerfleiſchet werden muͤſſen!

Dieſe Kunſt und ihre Macht

Hat ein Hoͤllengeiſt erdacht.

Sonder Eiſen wird auf Erden

Wenig auszurichten ſeyn.

Alles wuͤrde wuͤſte werden,

Alle Kuͤnſte giengen ein.

Dornen, Dieſteln, wilde Hecken

Wuͤrden alle Welt bedecken,

Und man wuͤrde nirgends maͤhn,

Egen, oder pfluͤgen ſehn.

B 3Folg-
[22]Betrachtungen
Folglich wuͤrd’ uns allen fehlen

Alle Feldfrucht, Korn und Brodt,

Und vermuthlich wuͤrd’ uns quaͤlen

Eine ſtete Hungersnoth.

Ja es wuͤrden alle Saͤfte

Und der Erden Nahrungskraͤfte,

Durch das Gras, dem Vieh allein,

Aber uns nichts nůtze ſeyn.

Steine brechen, Holz zu hauen,

Das, mit Eiſen, jeder kann;

Garten pflanzen, Haͤuſer bauen,

Gieng nicht, ſonder Eiſen, an.

Ja faſt alle Dinge weiſen,

Was ein wohlregiertes Eiſen,

Oder Stahl, ſo einerley,

Fuͤr ein nuͤtzlich Werkzeug ſey.

Koͤnnt ein Handwerk auch beſtehen,

Wo kein Eiſen auf der Welt?

Eiſen, wie wirs klaͤrlich ſehen,

Jſt weit noͤthiger, als Geld.

Und der Erden dunkle Gaͤnge

Zeugens auch in groͤßrer Menge,

Welches, wenn mans recht ermißt,

Abermal ein Wunder iſt.

Sollte Gott nicht taͤglich preiſen

Jeder Land- und Handwerksmann,

Da er durch ein hartes Eiſen

Seine Koſt verdienen kann?

Wenn ſie fruͤh ihr Werkzeug faſſen,

Sollt’ es keiner unterlaſſen;

Da ers, aus ſo tiefem Schacht,

Jhm zum Nutz, hervorgebracht.

Denkt,
[23]uͤber das Reich der Metalle.
Denkt, wie viel ein Jndianer

Fuͤr das noͤth’ge Eiſen zollt.

Zahlen die Americaner

Nicht das allerfeinſte Gold

Fuͤr das Eiſen, welches ihnen

Zu viel tauſend Sachen dienen,

Ja zur Noth und Ueberfluß

Vielerley verſchaffen muß?

Alle Vortheil’ nun entſtehen

Aus deſſelben Feſtigkeit.

Laßt uns denn nun ferner ſehen,

Wie es die Natur bereit!

Dieſe hat, zu ſeinem Weſen,

Solche Theilchen auserleſen,

Welche lang, und nach dem Schein

Feſt in ſich verwickelt ſeyn.

Dieſe harte Theilchen machen,

Daß ihr Ganz ſo dicht, ſo feſt:

Wobey es zu vielen Sachen

Doch durchs Feu’r ſich zwingen laͤßt.

Daß man es, ſo bald es gluͤhet,

Zwingt, erweichet, beugt und ziehet,

Jſt ein Wunder, ſo man wohl

Merken und betrachten ſoll.

Es iſt ein metalliſch Weſen,

Welches leicht im Feuer gluͤht;

Hart, wenn man es aufzuloͤſen,

Ohne Zuſatz, ſich bemuͤht:

Es kann keinen Teſt ertragen;

Aber, durch des Hammers Schlagen,

Wird deſſelben Feſtigkeit

Mannichfaltig zubereit’t.

B 4Eiſen
[24]Betrachtungen
Eiſen ſticht, durchdringet, ſcheidet,

Glaͤttet, feilet, heftet, hau’t,

Saͤget, hobelt, oͤffnet, ſchneidet,

Stuͤrzt, erhoͤhet, bricht und bau’t,

Schließt, veraͤndert, trennt, verbindet,

Ja, von allem, was man findet,

Trifft man wenig Sachen an,

Dran nicht Eiſen was gethan.

Ueberdem iſt zu erweiſen,

Wie, auch in der Medicin,

Unſer obbemeldtes Eiſen

Uns auf manche Weiſe dien’.

Es eroͤffnet, ſtopft, verſuͤßet,

Wenn das Blut nicht richtig fließet:

Hiervon findet man die Spur

Bey der edlen Stahltinctur.

Sollt’ uns dieß denn nicht verbinden,

Zu erhoͤh’n des Hoͤchſten Kraft,

Da Er, in der Erden Gruͤnden,

Uns zum Nutz, das Eiſen ſchafft?

Ja, daß er, in unſerm Leben,

Uns ſo viel Vernunft gegeben,

Daß man es zu brauchen weis.

Jhm allein ſey Lob und Preis!

Die
Halb-
metal-
len.
Laßt uns nun die Halbmetallen,

Wie die ganzen, auch beſehn,

Und mit Luſt von ihnen allen,

Daß auch ſie ſehr ſchoͤn, geſtehn!

Dieſe ſind, wie folgt, genennet:

Lebend Silber, ſo ſtets rennet,

Bismuth, Antimonium,

Schwefel und Arſenicum.

Die
[25]uͤber das Reich der Metalle.
Die denn darinn unterſchieden,

Daß ſie, gar durch kein Bemuͤhn,

Sich, wie jene, biegen, ſchmieden,

Noch in Stangen laſſen ziehn:

Sondern, allzu ſproͤd und fluͤchtig;

Keine Glut zu dulden tuͤchtig,

Aber doch von großem Werth,

Wie man’s uͤberall erfaͤhrt.

Queck-
ſilber.
Jſt auf Erden was zu finden,

Das, wie ſehr mans auch ermißt,

Doch beſchwerlich zu ergruͤnden,

Zu verſtehn, zu faſſen iſt,

Deſſen Kraft, trotz Fleiß und Sorgen,

Erztverſtaͤndigen verborgen;

So iſt es Merkurius,

Den man wohl bewundern muß.

Seine wunderbaren Kraͤfte,

Fluͤchtig- und Beweglichkeit,

Seiner fluͤßig-trocknen Såfte

Seltſame Beſchaffenheit,

Die uns in Verwundrung ſetzet,

Da er fließet und nicht netzet,

Da er faſt zu leben ſcheint,

Leicht ſich theilt, und leicht vereint.

Recht wie feines Silber ſchimmert

Dieſes regen Silbers Schein,

Stark gedruͤckt, wird es zertruͤmmert:

Doch wie klein die Theilchen ſeyn,

Werden ſie ſich immer ruͤnden,

Und ſich wieder ſchnell verbinden;

Es iſt fließend wie die Flut,

Es iſt ſchwer, es fleucht die Glut.

B 5Seine
[26]Betrachtungen
Seine Wirkung iſt unglaͤublich,

Die er oft bey Kranken thut:

Seine Kraͤfte nicht beſchreiblich,

Wie er, das ſchon faule Blut,

Von der Faͤulniß, durch das Speyen,

Wunderbar weis zu befreyen.

Von der ſauren Feuchtigkeit

Wird der Menſch durch ihn befreyt.

Ja wie herrlich und wie noͤthig

Jſt es nicht, wenn Fleifch und Haut

Grindig, kraͤtzig, unterkoͤtig,

Was man nicht ohn Grauen ſchaut,

Machet es ſehr ſchnell geneſen,

Und der Krankheit giftig Weſen

Wird, durch ſeine rege Kraft,

Bald getilgt und weggeſchafft.

Ja auf recht beſondre Weiſe,

Die man ſieht, doch nicht begreift,

Tilgt es Floͤhe, Wanzen, Laͤuſe:

Wenn ihr wuͤſter Schwarm ſich haͤuft,

Daß ſie ſchwerlich zu ertragen,

Wird ſein Dunſt ſie gleich verjagen;

Denn, ſo viel wir noch verſtehn,

Muß es, durch den Dunſt, geſchehn.

Alle Koͤrper ſcheinen immer

Zu der Still und Ruh geneigt,

Da ſich dieſes Silbers Schimmer

Allezeit in Unruh zeigt.

Selbſt die Flut iſt nicht ſo rege,

Es ſucht ſelber ſeine Wege;

Waͤr ein Theilchen noch ſo klein,

Wird es in Bewegung ſeyn.

Ja
[27]uͤber das Reich der Metalle.
Ja recht, eben dieß Bewegen

Scheint bey uns die groͤßte Kraft:

Dadurch weis es zu erregen

Des Gebluͤtes traͤgen Saft,

Daß das Faule ſich zertheilet;

Mancher wird dadurch geheilet,

Wenn, was ſonſt ſich nicht ergeußt,

Durch den Speichel von ihm fleußt.

Es iſt fluͤßig, reg’ und fluͤchtig,

Da die Theilchen rund und klein.

Nichts iſt es zu zwingen tuͤchtig,

Es durchdringet Fleiſch und Bein,

Es durchbohrt, bey Menſch und Thieren,

Adern, Nerven, Haut und Nieren:

Es durchreißet uͤberall

Holz und Glas, ja ſelbſt Metall.

Faſt unzaͤhlige Geſtalten

Nimmt es, wie ein Proteus, an,

Da es bald den Leib erhalten,

Bald wie Gift uns toͤdten kann.

Wenn es leichtlich faͤllt und ſteiget,

Und dadurch das Wetter zeiget,

Kann man es vorher gar ſchoͤn

Jn den Wetterglaͤſern ſehn.

Helle ſieht man es im Dunkeln,

Recht wie einen Phoſphorus,

Wenns die Luft nicht druͤcket, funkeln,

Daß man ſich verwundern muß.

Die, ſo es zu feſſeln ſuchen,

Hoͤrt man oͤfters auf ihn fluchen,

Da es ſie ſo oft betriegt,

Wenns bald ruht, bald fließt, bald fliegt.

Der
[28]Betrachtungen
Der geziehgen Ganzmetallen

Schmelz- und biegbarer Natur

Grund und Urſach iſt, vor allen,

Der ſo fluͤßige Merkur.

Sonder ihn koͤnnt auf der Erden

Kein Metall behammert werden:

Wie ſich Zink und Markaſit,

Weil er ihnen fehlt, nicht zieht.

Wir erfahren und verſpuͤren,

Daß, auch in der Wundarzney,

Es, zu heilen, zu curiren,

Ein bewehrtes Mittel ſey.

Vielfach wird es praͤpariret,

Wohl gereinigt, calciniret,

Diſtillirt, coagulirt,

Suͤß gemacht, und ſublimirt.

Welcher Menſch iſt ſo beleſen,

Der, wodurch es ſtetig rennt;

Und dieß Silbers wahres Weſen,

Geiſt, und Kraͤfte faßt und kennt!

Es hat Gott uns werden laſſen,

Zu bewundern, nicht zu faſſen,

Seiner Werke Wunderpracht,

Und in ihnen ſeine Macht.

Drum ich lieber frey geſtehen,

Als betriegriſch prahlen will.

Dieß Geheimniß einzuſehen,

Stehet mein Erkenntniß ſtill.

Daß aus Schwefel, Salz und Erde

Der Merkur gebildet werde

Und gefuͤgt ſey, kommet mir

Nicht der Wahrheit aͤhnlich fuͤr.

Got-
[29]uͤber das Reich der Metalle.
Gottes Wunder will ich lieber,

Wie in allen, ſo auch hier,

Hoͤchſt bewundern, als hieruͤber,

Durch die eitle Ehrbegier

Jn den Labyrinth gefuͤhret,

Sagen, was ſich nicht gebuͤhret.

Gottes Ehre ſoll allein

Meiner Lieder Endzweck ſeyn.

Mag es alſo hierbey bleiben.

Auf denn itzt, mein reger Geiſt!

Auch das Spießglas zu beſchreiben,

So mit Recht ein Wunder heißt.

Sonderlich in Arzeneyen

Hat man ſeiner ſich zu freuen:

Es wird meiſtens, wie bekannt,

Antimonium genannt.

Spießglas wird alſo beſchrieben,
Spieß-
glas.
Daß es halb Metall, und feſt,

Welches doch leicht wird zerrieben,

Und ſich leichtlich ſchmelzen laͤßt:

Blaͤulicht, voller Striche, Truͤmmern,

Und voll Punkte, welche ſchimmern,

Das aus manchem Stoff beſteht,

Und gar leicht im Feu’r vergeht.

Dieſes, ſo viel wir ereilen,

Urſprung, Weſen und Natur

Scheint, nebſt Salz und Schwefeltheilen,

Saturniniſcher Merkur.

Seine mannichfaltgen Kraͤfte

Reinigen der Adern Saͤfte,

Staͤrken ihren regen Kreis,

Fuͤhren ab, und treiben Schweiß.

Man
[30]Betrachtungen
Man kann keine Wirkung ſpuͤren,

Wenn man es allein gebraucht;

Aber Brechen und Purgieren

Wirket es, in Saur getaucht:

Wannenher es unſre Alten

Stets fuͤr ſchaͤdlich Gift gehalten,

Da, wie die Erfahrung lehrt,

Es, vor ſich, doch nichts verſehrt.

Durch die Saͤur und Waͤrm im Magen

Wird ſein Schwefel aufgeloͤſt,

Und dieß kann kein Mag ertragen,

Drum er ihn bald von ſich ſtoͤßt.

Es beweget ſich in Eile,

Weil des Schwefels innre Theile

Luftig, und daher geſchwind,

Durch die Waͤrm gedehnet ſind.

Denn ſo wird ein zaͤh’ Gebluͤte,

Wenn es ſich mit Schwefel miſcht,

Durch der luftgen Theile Guͤte

Ausgeſpannet und erfriſcht.

Da ſie ſich zu dehnen wiſſen,

Wird der zaͤhſte Schleim zerriſſen,

Und ſodann fließt unſer Blut,

Als wie eine rege Flut.

Wenn man es nur eben ſchmecket,

Auch wenn man es niederſchlingt,

Wird viel Speichel gleich erwecket,

Der vielleicht daher entſpringt,

Weil, wenn Salz und Schwefel gaͤhren,

Sie Bewegungen gebaͤhren

Jn dem aufgebrachten Saft,

Durch der ſpitzen Theilchen Kraft.

Hat
[31]uͤber das Reich der Metalle.
Hat man Spießglas calciniret,

Wird dadurch der Schweiß erweckt.

Wenn man es vitrificiret,

Hat man ſolche Kraft entdeckt.

Wein, in ſolch Gefaͤß gegoſſen,

Und hernach von uns genoſſen,

Hat der Oeffnung Eigenſchaft,

Und purgirt mit großer Kraft.

Wenn mans mit Salpeter menget,

Und bringt eine Kohle dran,

Da es ſich wie Pulver ſprenget

Und entzuͤndet, findet man

Etwas, ſo wie Glas zerfließet,

Dieß, zerrieben, und verſuͤßet

Durch das Kochen mit der Flut;

Jſt fuͤrs Weh’ der Augen gut.

Von den ſcharf- und ſauren Theilen

Saͤubert Spießglas unſer Blut.

Kraͤtz und Raͤude bald zu heilen,

Jſt ſein Bleyweiß trefflich gut.

Die zu viele Feuchtigkeiten

Abzuſondern, abzuleiten,

Und zu oͤffnen auf einmal,

Schmelzt mans mit zerfeiltem Stahl.

Gegen ein verzehrend Fieber

Stecket große Kraft darinn:

Faſt kein Mittel geht daruͤber,

Miſcht man es mit feinem Zinn

Und Salpeter, wohl zuſammen,

Durch die heiße Kraft der Flammen;

Da man es, wenn es verſuͤßt,

Ohne Nutzen nicht genießt.

Alle
[32]Betrachtungen
Alle Kraͤft’ und Arzeneyen,

Welche man aus Spießglas zieht,

Zu erzaͤhlen in der Reyen,

Jſt man nur umſonſt bemuͤht.

Balſam, Blumen, Schwefel, Eßig,

Butter, welche ſo gefreßig,

Bleyweiß, Kalk, Merkurius,

Glas, Zinnober, Tartarus.

Die, wenn wir ſie recht vermiſchen,

Zu ſo vielen Dingen gut,

Da ſie reinigen, erfriſchen,

Und verſuͤßen Saft und Blut,

Zu verlaͤngern unſer Leben.

Haͤtte Gott nun nicht gegeben

Jhm die Kraft, und uns den Witz,

Waͤr es uns zu nichtes nuͤtz.

Beydes ſollte man ermeſſen,

Und, wenn man es wohl bedacht,

Ja des Dankens nicht vergeſſen.

Gottes Lieb und weiſe Macht,

Gottes Ordnungen und Gaben,

Sollte man vor Augen haben:

Billig ſollt’ er ganz allein

Aller Seelen Endzweck ſeyn.

Bis-
muth
oder
Mar-
kaſit.
Wenn auch dieß betrachtet worden,

Sind wir nun mit Recht bemuͤht,

Aus der Halbmetallen Orden,

Bismuth oder Markaſit

Zu betrachten, zu ergruͤnden;

Da wir denn gleich anfangs finden,

Daß derſelbe zweyerley,

Gelblicher und weißer, ſey.

Jenen
[33]uͤber das Reich der Metalle.
Jenen heißt man darum guͤlden,

Weil es nicht nur roth allein;

Sondern, weil in ihm ſich bilden

Striche mit ganz guͤldnem Schein.

Es iſt Zink, von dieſen beyden

Faſt in nichts zu unterſcheiden,

Außer daß er zaͤher bleibt

Und ſo leicht ſich nicht zerreibt.

Wann wir ihren Stoff ergruͤnden,

Koͤnnen wir gar bald die Spur,

Woraus es beſtehet, finden,

Daß es Schwefel und Merkur:

Und aus dieſen kann man ſehen

Und die Urſach leicht verſtehen,

Wie mit Kupfer, Zinn und Bley

Es ſo leicht zu mengen ſey.

Die es haͤrtet, faͤrbt, verbeſſert,

Und dadurch, wenn es ſich paart,

Unſern Nutzen ſehr vergroͤßert,

Da wir auf ſo manche Art

Aus demſelben viele Sachen,

Mancherley Gefaͤße machen,

Die theils roͤthlich, und theils bleich,

Faſt dem Gold und Silber gleich.

Wenn wir ſeine Kraft probiren,

Find’t ſich, daß er in der That,

Unſern Koͤrper zu curiren,

Einen großen Nutzen hat.

Wann Chymiſten ſich bemuͤhen,

Bluhmen aus demſelben ziehen;

So erſtreckt ihr Nutzen ſich

Jnnerlich und aͤußerlich.

CEs
[34]Betrachtungen
Es wird ſehr bewehrt befunden

Gegen Schwind- und Waſſerſucht,

Augenmaͤngel, alte Wunden,

Und der geilen Venus Frucht,

Grind, Geſchwuͤr und Eiterbeulen

Hat es eine Kraft zu heilen:

Alles, was die Haut verletzt,

Wird verzehrt, und ſie erſetzt.

Wer von dieſen Kraͤften hoͤret,

Und, durch die Betrachtung, nicht

Gott, der Kraͤfte Quell, verehret,

Handelt wider ſeine Pflicht;

Noch vielmehr, der ihr genießet,

Und doch dem, draus alles fließet,

Alles dauret, und entſpringt,

Nicht einmal ein Danklied bringt.

Arſe-
nicum.
❍-❍
Wenn nun auch betrachtet worden,

Was der Bismuth Wirkung ſey

Jn der Halbmetallen Orden;

Trifft Arſenicum die Reih’.

Dieſes, wenn wirs recht geſtehen,

Und es nur ſo roh beſehen,

Jſt ein ſchaͤd- und toͤdtlich Gift,

Welches manches Unheil ſtift.

Allen Thieren iſt es toͤdtlich;

Nur dem einzgen Wolf allein

Soll Arſenicum nicht ſchaͤdlich,

Noch viel minder toͤdtlich, ſeyn.

Und dennoch, purificiret,

Corrigiret, praͤpariret,

Und erweiſet ein Chymiſt,

Daß es oft ſehr nuͤtzlich iſt.

Wer
[35]uͤber das Neich der Metalle.
Wer es unterſucht, befindet,

Daß es unterſchieden ſey,

So ſich unter ſich verbindet.

Denn man findet dreyerley;

Gelb, iſt eins von dem Geſchlechte,

Weiß, iſt eigentlich das rechte,

Roth iſt, was Auripigment

Man gemeiniglich benennt.

Weil mans findet faſt in allen

Bergwerksadern insgemein,

Meynt man, daß es der Metallen

Wahrer Urſtoff muͤſſe ſeyn;

Weils dem Schwefel gleicht, auch brennet,

Wirds ein maͤnnlicher genennet,

Da er naͤmlich ſchaͤrfer frißt,

Feſter auch, als Schwefel, iſt.

Daß man von deſſelben Weſen

Und wie weit ſein Wirken geht,

Nicht in Schriften mehr geleſen,

Und nicht mehr davon verſteht;

Koͤmmt daher, weil man verſpuͤret,

Daß man ſelben nicht tractiret

Ohne toͤdtliche Gefahr,

Welches leider offenbar.

Dennoch hat man ausgefunden,

Daß es oft in mancherley

Krebsgeſchwuͤren, alten Wunden

Ein bewehrtes Mittel ſey.

Zaͤhen Schleim kann es zertheilen,

Schweiß erwecken, Fieber heilen,

Welche gift- und hitzig ſeyn,

Wenn es nur vom Unrath rein.

C 2Da
[36]Betrachtungen
Da nun ſo verſchiedne Curen

Durch Arſenicum geſchehn,

Jſt aus den geſehnen Spuren

Dieſes leichtlich zu erſehn,

Daß noch mehr darinn verborgen,

So vielleicht heut oder morgen

Kundbar wird; drum dankt auch hier

Unſerm Schoͤpfer doch dafuͤr.

Endlich wird des Schwefels Weſen
Schwe-
fel.
🜍
Auch noch zu betrachten ſeyn.

Dieſer iſt theils auserleſen,

Theils iſt er nicht voͤllig rein.

Beyde Sorten ſind zu finden

Jn den tiefen Bergwerksgruͤnden:

Beyde werden auch gemacht,

Und, durch Kunſt, hervorgebracht.

Jene bricht man aus der Erden,

Wie man ſonſten Steine bricht.

Dieſe, dahingegen, werden

Durch das Feuer zugericht’t,

Und, wenn man Metallen brennet,

Durch die Hitze abgetrennet,

Da man ihn, wenns ausgegluͤht,

Jn den Gruben liegen ſieht.

Lebendig wird der genennet,

Den man graͤbt, der rein und weich,

Der die Kraft der Glut nicht kennet,

Und, an Farbe, geldlich bleich.

Pferdeſchwefel heißt hingegen,

Wenn ſich grobe Hefen legen

An dem Rande, nach der Glut,

Welches dieſer immer thut.

Was
[37]uͤber das Reich der Metalle.
Was das Weſen nun angehet,

Draus der Schwefel eigentlich

Wie erweislich iſt, beſtehet,

Wenn mans ſucht, ſo findet ſich,

Daß mit einem ſcharfen Oele

Sich ein ſaurer Geiſt vermaͤhle,

Welcher, wenn mans recht ermißt,

Etwas vitrioliſch iſt.

Jedes von den beyden Dingen,

So ich alleweil beruͤhrt,

Kann man leichtlich aus ihm bringen,

Wenn man Schwefel ſeparirt.

Ja noch mehr, was noch das meiſte,

Aus dem vitriolſchen Geiſte,

Und aus Oel von Terpentin,

Zeugt, formirt und macht man ihn.

Weil denn nun des Schwefels Theile

Oelig, folglich fluͤchtig, ſeyn;

Brennt er in geſchwinder Eile

Durch des Feuers Macht und Schein,

Welches bloß ein ſchnelles Regen

Und ein ploͤtzliches Bewegen

Fetter Theilchen, deren Trieb

Unſer Kiel beym Feur beſchrieb.

Wenn zugleich nun ſaure Saͤfte

Mit des Schwefels Oel gemiſcht,

Sind dadurch derſelben Kraͤfte

Mehr zu brennen angefriſcht.

Nichts iſt heftiger im Brennen,

Wie wirs klaͤrlich ſpuͤren koͤnnen,

Als dann, wenn ein ſaurer Geiſt,

Durch die Glut, vom Oel ſich reißt.

C 3Wer
[38]Betrachtungen
Wer ihn mit Salpeter menget,

Und dazu noch Kohlen thut,

Hat das Pulver, welches ſprenget,

Und mit Blitz geſchwinder Glut

Schmettert, ſtuͤrzet und erſchuͤttert,

Wuͤhlt, zerreißet und zerſplittert.

Felſen ſelber wirft ihr Grimm,

Durch ihr ſchnelles Drengen, uͤm.

Sehn wir nun in Arzeneyen

Unſers Schwefels Eigenſchaft,

Haben wir uns ſehr zu freuen

Seiner wunderbaren Kraft.

Jn gefaͤhrlichen Geſchwuͤren,

Unſre Lungen zu curiren,

Auch die Saͤur in unſerm Blut,

Jſt nichts ſo bewehrt und gut.

Wider Biſſe giftger Schlangen

Kann man von dem Schwefel auch

Linderung und Huͤlf erlangen

Durch vernuͤnftigen Gebrauch.

Ferner iſt er trefflich nuͤtze

Zu des Fiebers wilden Hitze.

Durch ihn wird die Haut geheilt,

Wenn ſie Raͤud und Kraͤtze theilt.

Dieß ſcheint folgends zu geſchehen:

Durch des Schwefeloͤles Kraft

Muß ein ſtarker Trieb entſtehen

Jn des Blutes traͤgem Saft.

Denn des Oeles runde Theile

Drehen ſich in ſchneller Eile;

Weil ihr luftger Geiſt ſie dehnt,

Der ſich zu befreyen ſehnt.

Was
[39]uͤber das Reich der Metalle.
Was nun unſerm Koͤrper ſchadet,

Wird zugleich mit ausgefuͤhrt:

Da dann, wann ſichs Blut entladet,

Es viel beſſer circulirt.

Durch das Spannen und das Dehnen

Werden Adern, ſammt den Sehnen,

Von der zaͤhen Feuchtigkeit,

Die das Oel zertheilt, befreyt.

Wie der Schwefel viele Sachen,

So erhaͤlt er auch den Wein;

Um ihn dauerhaft zu machen,

Thut man ihn ins Faß hinein,

Laͤßt nur ein klein Stuͤckchen brennen,

Da ſich denn die Duͤnſte trennen,

Die er theilt, und theils verzehrt,

Wodurch denn der Wein nicht gaͤhrt.

Bleyerzt ein metalliſch Weſen

Wird aus Holl- und Engelland,

Aus dem letzten auserleſen,

Grob aus Holland, uns geſandt:

Jenes iſt recht ſchoͤn zum Reißen,

Dieß macht altes Eiſen gleißen;

Woraus man denn in der That

Mannichfachen Nutzen hat.

Von der Halbmetallen Saͤften

Sagte man viel mehr mit Fug:

Doch dieß ſey von ihren Kraͤften,

Und zumal vom Schwefel, gnug.

Alles kann man nicht ergruͤnden,

Gnug, daß wir den Schoͤpfer finden,

Der, durch Weisheit, Lieb und Macht,

Sie, fuͤr uns, hervorgebracht.

C 4Ew’ger
[40]Betrachtungen
Ew’ger Urſprung aller Dinge,

Aller Kraͤfte Wunderquell!

Wenn ich dein Geſchoͤpf beſinge,

Zeigt mir jedes klar und hell,

Daß allein dein goͤttlich Weſen

Uns und ſie dazu erleſen,

Daß wir dich in ihnen ſehn,

Und in ihnen dich erhoͤhn.

Laß mich doch auf dieſer Erden

Dieſes wohl beherzigen!

Laß mich nimmer muͤde werden!

Sondern gieb, daß ich erkenn,

Daß die Dinge, die wir ſehen,

Alle bloß durch dich beſtehen,

Daß von deinem Allmachtsſchein

Alle Dinge Zeugen ſeyn.


Von
[41]

Von
den Steinen.


Laßt uns itzt dann Gott, zu Ehren,

Weiter ins Naturreich gehn,

Und uns zu den Steinen kehren,

Deren Meng und Nutzen ſehn.

Denn, ſowohl als in Metallen,

Finden wir in ihnen allen,

So man nimmer gnugſam ſchaͤtzt,

Was uns nuͤtzt, und auch ergetzt.

Was wir irgend Steine nennen,

Das ſind Koͤrper, welche feſt,

Wovon keiner gern ſich trennen,

Weniger behaͤmmern laͤßt;

Koͤrper, welche, wie wir ſehen,

Aus verſchiednem Stoff beſtehen,

Sie zergehn nicht in der Flut,

Weichen auch nicht leicht der Glut.

Wie dieſelben in der Erden

Der Naturgeiſt zeugt und macht,

Kann gar wohl erwieſen werden;

Wenn man es genau betracht,

Wird es uns von ſelbſt erklaͤret,

Da uns die Erfahrung lehret,

Daß der Stoff von einem Stein

Anfangs muͤſſe fluͤßig ſeyn.

C 5Naͤm-
[42]Betrachtungen
Naͤmlich, man wird immer finden,

Daß mit einer Feuchtigkeit

Kleiner Kieß und Sand verbinden.

Koͤmmt es nun zur Trockenheit,

Da das Waͤßrichte vergehet,

Und verduͤnſtet, dann entſtehet

Ein ſo harter Koͤrper draus:

Deutlich zeigts ein Ziegelhaus.

Wo man naͤmlich uͤberzeuglich

Steine durch die Kunſt formirt,

Da der Leim, der anfangs weichlich,

Feuchte Theilchen mit ſich fuͤhrt,

Die faſt kleinen Schlangen gleichen,

Welche dem Gefuͤhle weichen,

Bis ſie, wie vorher geſagt,

Luft und Glut herausgejagt.

Da ſodann die andern Theile,

Als die aͤſtefoͤrmig ſeyn,

Starre werden und in Eile

Zum vollkommnen harten Stein.

Auf dieſelbe Weiſe werden

Jn, ſowohl als auf, der Erden,

Alle Steine zugericht’t,

Die man in dem Bergwerk bricht.

Wie ſo ſehr uns Steine nuͤtzen,

Trifft man, mit Erſtaunen, an,

Da uns nichts ſo ſehr beſchuͤtzen,

Vom Vergehn uns retten kann:

Da wir in der Erde Gruͤnden,

Wenn man ſie erwaͤgt, befinden,

Wie der ganze Bau der Welt

Durch die Felſen ſich erhaͤlt.

Wuͤrde
[43]uͤber die Steine.
Wuͤrde dem verzehrnden Brennen

Unſrer unterirdſchen Glut

Erde widerſtehen koͤnnen?

Auch der unterirdſchen Flut

Drengen, Preſſen, Laſt und Drucken

Wuͤrd’ uns ſtuͤrzen und verſchlucken,

Da wir itzt, durch Fels und Stein

Unterſtuͤtzet, ſicher ſeyn.

Eh’ wir aber weiter gehen,

Laſſet uns zuvor einmal

Eine kleine Probe ſehen,

Wie ſo groß der Steine Zahl.

Weil wir aus der Menge ſchließen,

Und erſtaunt bewundern muͤſſen

Jhres Schoͤpfers Wundermacht,

Welcher ſie hervorgebracht.

Iaſpis, Adamas, Achates,

Lydius, Autoglyphus,

Boſtrychites, Aſpilates,

Citrinus, Ammochryſus,

Galarictis, Argyritis,

Alabaſtrum, Anachitis,

Amethyſtus, Androas,

Bezoar, Androdamas.

Gloſſopetra, Cactonſites,

Baſanus, Iſodomus,

Aerizuſa, Hephæſtites,

Crocias, Balaſſius,

Aegyptilla, Belemnites,

Corallina, Narciſſites,

Baptes, Horio, Ornicus,

Eureos, Bufonius.

Exa-
[44]Betrachtungen
Exacolithos, Chloates,

Borea, Corneolus,

Aſtrobolus, Cerachates,

Brontia, Lyncurius,

Chryſolampis, Echinites,

Cos, Gangitis, Epiſtites,

Daphnia, Camaſeus,

Agapis, Carbunculus*.

Viel iſt hier, doch vieles fehlet;

Jch verſichre dich, die Zahl,

Die ich mir und dir erzaͤhlet,

Jſt die Haͤlfte nicht einmal

Von den Steinen, die wir ſehen

Jn den Tiefen, auf den Hoͤhen;

Nehmt denn hier des Schoͤpfers Macht

Jn der Steine Meng in Acht!

Dieſe vorerwaͤhnten Steine

Theilet man, wie billig, ein

Jn gemein’ und ungemeine,

Und die mittler Gattung ſeyn.

Die gemeinen ſind zu finden

Jn den Bergen, Flaͤchen, Gruͤnden;

Allenthalben find’t man ſie,

Und die meiſten ohne Muͤh.

Jhre
[45]uͤber die Steine.
Jhre Menge zeigt in ihnen

Gottes Lieb und Weisheit an,

Da man ihrer ſich bedienen,

Und am meiſten nuͤtzen kann,

Giebt ſie Gott in ſolcher Menge.

Jhre Groͤße, Breite, Laͤnge,

Haͤrte, Dicht- und Feſtigkeit

Zeigt den großen Unterſcheid.

Laßt uns denn nun weiter eilen,

Die gemeinen anzuſehn,

Die ſich ſo verſchiedlich theilen,

Und, wie jeder muß geſtehn,

All’ in ihrer Art zu nutzen,

Da ſie Kaͤlt’ und Regen trutzen,

Ja fuͤr Feinde, Feu’r und Wind

Uns ein ſichres Schirmdach ſind.

Wenn es regnet, ſtuͤrmet, blitzet,

Denket man wohl einſt daran,

Daß man unter Daͤchern ſitzet,

Daß man ſich beſchuͤtzen kann?

Der Soldatenſtand, das Reiſen

Koͤnnen uns am beſten weiſen,

Wenn uns Kaͤlt’ und Wetter ſchreckt,

Daß der gluͤcklich, wer ſich deckt.

Was wir aus den Felſen hauen,

Nuͤtzt uns auf ſo manche Art,

Zu dem Grunde, wenn wir bauen.

Waſſer wird nie ſo verwahrt,

Als in Felſen, weil ſie dauren.

Unſre ſtarke Feſtungsmauren,

Gaſſen, Pflaſter, Leichenſtein

Werden meiſt aus Felſen ſeyn.

Muß
[46]Betrachtungen
Muß ſich nicht der Sandſtein ſchicken

Zu ſo mancherley Gebrauch?

Aus deſſelben Quaderſtuͤcken

Baut man Haͤuſer, ſchmuͤckt ſie auch,

Da er ſich ſo leicht laͤßt theilen.

Wie viel ſchoͤne Bilder, Saͤulen,

Stiegen, Brunnen, Thuͤrgericht,

Macht man aus dem Sandſtein nicht?

Thuͤrme, Thore, Kirchen, Schloͤſſer,

Oeffentliche Haͤuſer auch,

Bauet man aus Sandſtein beſſer,

Als aus andern. Zum Gebrauch,

Zur Bequemlichkeit der Staͤdte,

Wird ſo manches Hausgeraͤthe,

Theils zur Noth, und theils zur Pracht,

Aus dem Sandſtein uns gemacht.

Mit dem Kalk ſich wohl zu binden

Jſt des Sandſteins Eigenſchaft.

Mehr iſt noch an ihm zu finden,

Wann des Muͤhlſteins rege Kraft

Das ernaͤhrende Getreide

Klein zerreibt zum Nutz, zur Freude,

Weil ja auch die Muͤhlenſtein’

Arten von dem Sandſtein ſeyn.

Schiefer, die die Schweizer brechen,

Decken unſre Haͤuſer zu:

Durch die wohlgefuͤgten Flaͤchen

Wuͤnſcheſt und verlangeſt du

Was vergeßlich zu behalten;

Laß ſie nur in Tafeln ſpalten,

Da denn, durch die weiße Schrift,

Sich ein Denkmaal leichtlich ſtift.

Zum
[47]uͤber die Steine.
Zum Poliren, Ebnen, Glaͤtten

Wird der Bimmsſtein oft gebraucht,

Welcher aus den Feuerſtaͤten,

Wo ein ſteter Schwefel raucht,

Wo es immer brennt und flammet,

Aus den Brandgebirgen ſtammet,

An dem mittellaͤndſchen Meer,

Der iſt locker, und nicht ſchwer.

Muß, um Waſſer wohl zu faſſen,

Sich der rauhe Toftſtein nicht

Nutzbarlich gebrauchen laſſen?

Wenn er kuͤnſtlich zugericht’t,

Und mit Glas und Gips vermenget,

Wehrt er, daß kein Waſſer drenget

Durch die Tuͤnche, die ſich dann

Von der Wand nicht trennen kann.

Welchen Nutz und Vortheil bringet

Der gemeine Feuerſtein,

Da das Feur, ſo aus ihm ſpringet,

So bequem des Lichtes Schein

Gleich im Augenblicke zeuget,

Wanns durch Stahl aus Kieſel ſteiget,

Den, ob er gleich Feuer hegt,

Man doch ſicher bey ſich traͤgt.

Kieſel koͤnnen uns ſehr dienen,

Glas wird draus hervorgebracht:

Auch hat der Chymiſt aus ihnen

Manchen ſchoͤnen Stein gemacht.

Man hat in den Arzeneyen

Sich der Kieſel auch zu freuen;

Denn er trocknet, wohlbereit,

Die zu viele Feuchtigkeit.

Laſſet
[48]Betrachtungen
Laſſet uns hier nicht vergeſſen

Des beruͤhmten Bruchſteins Kraft;

Sondern laßt uns doch ermeſſen

Seine große Eigenſchaft:

Dieſer, wenn ein Bein gebrochen,

Macht in Kurzem wieder Knochen,

Ja er lindert bald die Pein;

Laßt mir das ein Wunder ſeyn!

Ja, wie viele von ihm ſchreiben,

Kann der Bruchſtein gar die Peſt

Aus dem kranken Koͤrper treiben,

Wenn man mit ihm ſchwitzen laͤßt.

Beinbruchspulver macht die Zaͤhne

Feſte, glaͤnzend, weiß und ſchoͤne;

Ja ſelbſt in des Fiebers Hitz

Jſt er gleichfalls trefflich nuͤtz.

Wenn wir nun noch weiter gehen,

Treffen wir den Kalkſtein an,

Deſſen Kraft man kaum verſtehen,

Noch den Vortheil zaͤhlen kann;

Und daß wir ihn nuͤtzen koͤnnen,

Muß ſtets gleiches Feur ihn brennen,

Weil, wo Kaͤlte zu ihm dringt,

Jhn hernach kein Feur mehr zwingt.

Seine Wirkung ſcheint zu kommen,

Weil er von der ſteten Glut

Kleine Theilchen eingenommen,

Die, als Feinde von der Flut,

Alsbald, wenn ſie Naß empfinden,

Schnell ſich loͤſen und entzuͤnden,

Daß das Waſſer ſchaͤumt und ſauſt,

Und gewaltig kocht und brauſt.

Wie
[49]uͤber die Steine.
Wie uns Kalk im Bauen nuͤtze,

Jſt ja wohl bekannt genug,

Daß er alles Bauwerks Stuͤtze,

Leugnet wohl kein Menſch mit Fug:

Aber, daß in Medicinen

Seines Waſſers Kraͤft’ uns dienen,

Und zumal im Krebs und Brand,

Dieß iſt allen nicht bekannt.

Fiſtelſchaden, Krebs und Beulen,

Wanns mit Wachs und Oel gemiſcht,

Kann es faſt ohn Wundmahl heilen;

Tuch entfleckt es; es erfriſcht

Unſrer Augen Roͤth’ und Hitze;

Ja es iſt zumalen nuͤtze,

Wenn die Haut durchs Feu’r verletzt,

Daß es kleine Blaſen ſetzt.

Weil in ihrem Stoff und Kraͤften

Kalk und Gyps ſehr nahe ſtehn,

Da ſie beyde leicht ſich heften,

Laßt uns auch den Gyps beſehn.

Gyps wird meiſt der Kalk genennet,

Welchen man ſo ſtark nicht brennet.

Dieſer Stein, nur daß er weich,

Jſt dem Alabaſter gleich.

Groß’ und leichte Bilderſaͤulen,

Theils zur Model, theils zur Pracht,

Da es ſich ſo leicht laͤßt theilen,

Werden aus dem Gyps gemacht.

Wenn man ihn mit Steinen menget

Und mit Milch und Bley; ſo drenget

Sich des Gypſes Stoff ſo feſt,

Daß es recht wie Marmor laͤßt.

DFriſch
[50]Betrachtungen
Friſch getuͤnchte Zimmer ſchmuͤcket

Mahlwerk, ſo des Kuͤnſtlers Geiſt

Jn den Gyps mit Farben druͤcket,

Welches man al freſco heißt.

Zartes Laubwerk wird formiret,

Und ſo nett aus Gyps poßiret,

Daß es oft, als wenn es lebt,

Unterm Boden gleichſam ſchwebt.

Nach betrachteten gemeinen,

So zu Gottes Ruhm geſchehn,

Laßt uns itzo von den Steinen

Auch die Mittelgattung ſehn,

Die ſich fuͤglich in drey Claſſen

Nach der Ordnung theilen laſſen,

Da ſie ſo an Form und Schein,

Als am Nutzen, ſchaͤtzbar ſeyn.

Die man Schoͤnheits halber ſchaͤtzet,

Das ſind: Marmor, Fraueneis,

Spath, und was kein Feur verletzet,

Talk, imgleichen Federweiß.

Marmor iſt ein feſtes Weſen,

Rein, ſubtil und auserleſen

Jſt der Sand, draus er beſteht,

Der daher nicht leicht zergeht.

Weil ſein Stoff, draus er formiret,

Gleich auf allen Seiten druͤckt,

So wird er ſo leicht poliret,

Und mit ſolchem Glanz geſchmuͤckt;

Wenn man ihn zu anfangs graͤbet

Und ihn aus der Erden hebet,

Jſt er anfangs nicht ſo feſt,

Daß er ſich leicht ſpalten laͤßt.

Aber
[51]uͤber die Steine.
Aber koͤmmt er erſt am Lichte

Eine Zeitlang aus der Gruft,

Wird er haͤrter, feſt und dichte

Durch die Zeit und durch die Luft.

Wer wird alle Dinge nennen,

Zaͤhlen und beſchreiben koͤnnen,

Die man, ſo zur Daur als Pracht,

Aus dem glatten Marmor macht?

Wie viel Saͤulen, Fluren, Pflaſter,

Bilderſaͤulen, Thuͤrgericht,

Haut man aus dem Alabaſter

Und Porphyr und Marmor nicht?

Ja es machen Menſchenhaͤnde

Aus denſelben ganze Waͤnde:

Ganze Haͤuſ- und Schloͤſſer ſeyn

Aufgefuͤhrt aus Marmorſtein.

Marmorſtaub wird auch zu Pflaſter,

Weil es trocknet, oft gebraucht.

Wann man Graus vom Alabaſter,

Nebſt dem Kalk, in Waſſer taucht,

Wird der Stoff daraus formiret,

Welcher unſre Zimmer zieret,

Da man, zur erlaubten Pracht,

Leiſten, Laub und Bilder macht.

Welcher ſchoͤnen Farben Menge

Trifft man in dem Marmor an?

Wer iſt, der der Adern Gaͤnge

Fremde Bildung zaͤhlen kann?

Welcher iſt, wenn er poliret,

Den ſein ſchoͤner Glanz nicht ruͤhret?

Ruͤhret euch nun ſeine Pracht,

Denkt an Gott, der ihn gemacht!

D 2Jn
[52]Betrachtungen
Jn Europa hier und dorten

Find’t man ihn im Ueberfluß;

Welſchland zeugt ſo viele Sorten,

Daß man ſich verwundern muß.

Auch in Frankreich, auch in Sachſen

Laͤſſet Gott viel Marmor wachſen.

Laßt uns, wenn wir Marmor ſehn,

Denken: Gott! dein Werk iſt ſchoͤn.

Jn dem Marmor ſieht mein Auge,

Von der aͤmſigen Natur,

Und wie ſie zu ſcherzen tauge,

Eine ſonderbare Spur.

Sollt’ uns nun ihr Spiel nicht lenken,

An den Schoͤpfer zu gedenken,

Welcher ſtets der Erden Geiſt,

Uns zum Nutzen, wirken heißt?

Unter ſchoͤnen glatten Steinen

Wird das Fraueneis geſetzt,

Welches man, wie viele meynen,

Fuͤr den Mondſtein ſonſt geſchaͤtzt,

Den man Selenites nennet,

Aber itzo nicht mehr kennet;

Dieſer Stein iſt uͤberall

Ganz durchſichtig, wie Cryſtall.

Und doch laͤſſet er ſich trennen

Ohne Muͤhe, wie denn wir

Jhn in Blaͤttlein theilen koͤnnen,

Die noch duͤnner, als Papier,

Und dadurch ſind viele Sachen

Aus dem Spiegelſtein zu machen;

Fenſterſcheiben, Leuchten auch

Reicht die Klarheit zum Gebrauch.

Er
[53]uͤber die Steine.
Er wird leicht durchs Feu’r vernichtet,

Und wird Pulver draus gebracht,

Das die Haut, ſo runzlicht, ſchlichtet;

Auch wird Gyps daraus gemacht.

Gott hat es in Morcan, Meißen,

Und in Welſchland wachſen heißen,

Auch in Cappadocia,

Cypern, und in Africa.

Da nun dieß, wie ihr geleſen,

Uns erfreun und nuͤtzen kann:

Sehet denn ſein zartes Weſen

Mit vergnuͤgten Augen an!

Uns zum Nutz, und Jhm zu Ehren

Heißet Gott auch das ſich mehren;

Auch das klare Fraueneis

Zeiget ſeines Schoͤpfers Preis.

Ferner iſt auch in den Gruͤnden

Von den Steinen, welche glatt,

Eine Sorte noch zu finden,

Dieſen nennt man meiſtens Spath.

Engelland und Augſpurg reichet

Uns denſelben, und er gleichet

Dem cryſtallnen Gyps, den man

Zu Montmaſtre graben kann.

Weißer iſt jedoch und ſchoͤner

Dieſer itzterwaͤhnte Stein,

Und noch glaͤnzender, als jener,

Sein ſo angenehmer Schein.

Schuppenweiſe waͤchſt er immer,

Und ſein Weſen voller Schimmer

Hat, nebſt mancher andern Kraft,

Eine trocknend’ Eigenſchaft.

D 3Wenn
[54]Betrachtungen
Wenn man will Metallen gießen,

Braucht man gerne dieſen Stein,

Als wodurch ſie leichtlich fließen

Und zum Guß bequemer ſeyn;

Auch zum Formen wird’s genommen.

Daß wir Spath nun auch bekommen,

Uns zum Nutz, aus finſterm Schacht,

Machet der, der alles macht.

Unter den ſo ſchoͤnen Steinen,

Welche glaͤnzen,, findet man

Auch den Talk, deß weißes Scheinen

Man nicht gnug bewundern kann.

Dieſer pflegt ein Stern der Erden

Jnsgemein genennt zu werden:

Er ward, weil er nicht verbrannt,

Argyrodamas genannt.

Man kann ihn zum Fluß nicht bringen,

Weil er nimmermehr zergeht;

Keine Glut kann ihn bezwingen

Und beſiegen. Er beſteht

Aus den ſilbergleichen Blechen,

Die ſehr duͤnn’, und leichtlich brechen.

Als ein Dacht wird er gebraucht,

Welches nicht im Feu’r verraucht.

Er iſt dienlich, viele Sachen,

Zum Exempel, Thon und Erz,

Weiß, dem Silber gleich, zu machen,

Er verwehrt der Zacken Schmerz;

Er ſoll auch den Blutfluß mindern,

Und noch manche Krankheit lindern.

Brauchen wir nun dieſen Stein,

Laßt uns Gott denn dankbar ſeyn!

Da
[55]uͤber die Steine.
Da auch Talk betrachtet worden

Zu des großen Schoͤpfers Preis,

Folgt zuletzt in dieſem Orden

Das noch haͤrtre Federweiß,

So man, weil es nicht verbrennet,

Vormals Amianth genennet;

Es iſt ſein Verband ſo feſt,

Daß es ſich nicht trennen laͤßt.

Recht wie Gold haͤlt es zuſammen,

Und beſiegt des Feuers Brand;

Ja, es reinigen die Flammen

Gar den weißen Amianth;

Zaͤſricht iſt ſein Weſen immer,

Faſt wie Woll’, und ſeine Truͤmmer

Wurden einſt, itzt aber nicht,

Recht wie Faͤden zugericht.

Wenn ein Fuͤrſt ſonſt uͤberlebet,

Ward vordem von Amianth

Jhm ein Todtenhemd gewebet,

Und ſein Leib darinn verbrannt:

Daß ſich ja von ſeinen Beinen

Nicht die Aſche moͤcht vereinen

Mit der Aſche von dem Feur,

Hielt man dieſen Stein ſehr theur.

Doch, weil Koͤrper zu verbrennen

Jtzo nicht mehr der Gebrauch,

Wird man ihn nicht nuͤtzen koͤnnen.

Man kann ihn als einen Strauch

Auf den Pyrenaͤ’ſchen Hoͤhen

Mit Verwundern wachſen ſehen.

Oft wird noch aus ihm ein Dacht,

Welcher lange brennt, gemacht.

D 4Man
[56]Betrachtungen
Man hat in den Arzeneyen

Auch des Amianthens Kraft

Sich beſonders zu erfreuen,

Da deſſelben Eigenſchaft,

Die zum Trocknen ſehr geneiget,

Sich im Blutfluß kraͤftig zeiget.

Laßt uns auch bey dieſem Stein

Seinem Schoͤpfer dankbar ſeyn!

Ferner kann ich einer Claſſen,

Wegen ihrer Nutzbarkeit,

Hier nicht unerwaͤhnet laſſen,

Deren man ſich oft erfreut.

Es ſind dieſe, die ich meyne,

Schmergel, Blut- und Laſulſteine,

Sammt dem leitenden Magnet,

Der wohl uͤber alle geht.

Aus Gallmey fließt, durch die Flammen,

Mit dem Kupfer, in der Glut,

Meßing wunderlich zuſammen,

Das zu vielen Dingen gut.

Macht man nicht hieraus Gefaͤße,

Von ſo mancher Art und Groͤße,

Zum Gebrauch und auch zur Zier?

Dankt dem Schoͤpfer denn dafuͤr!

Schmergel iſt von allen Steinen

Faſt der allerhaͤrtſte Stein,

Denn durch ihn, wer ſollt es meynen?

Macht man gar den Demant klein.

Kieſel, Marmor, Glas zu zieren,

Stahl und Eiſen zu poliren,

Daß ein heller Glanz ſie ſchmuͤckt,

Jſt der Schmergel nur geſchickt.

Nuͤtzet
[57]uͤber die Steine.
Nuͤtzet alſo, wie man ſiehet,

Schmergel manchem Handwerksmann,

Daß, wofern er ſich bemuͤhet,

Er durch ihn ſich naͤhren kann:

Sollte denn nicht ſein Gemuͤthe

Seines Schoͤpfers Macht und Guͤte,

Wenn er Schmergel braucht, erhoͤhn,

Und auf Gott in allem ſehn?

Auch der Blutſtein iſt erfuͤllet

Mit recht wunderbarer Kraft,

Da er das Gebluͤte ſtillet,

Und der Adern rothen Saft

Aeußerlich und innwerts hemmet,

Gleichſam ſeinen Fluß verdaͤmmet,

Und, wenns heftig von uns eilt,

Uns faſt augenblicklich heilt.

Triefenden und bloͤden Augen

Jſt der Blutſtein gleichfalls gut,

Seine trockne Kraͤfte taugen

Zu verzehren ihre Flut.

Welcher nun dadurch curiret,

Und vom Blutſtein Huͤlfe ſpuͤret,

Soll denn der nicht GOtt allein,

Als dem Schoͤpfer, dankbar ſeyn?

Noch bezeugen Laſulſteine,

Daß mit Luſt der Nutzen auch

Jn denſelben ſich vereine,

Durch vernuͤnftigen Gebrauch.

Dieſe Steine ſind es eben,

Die uns viel Vergnuͤgen geben,

Woraus wir Ultramarin,

Die ſo rare Farbe, ziehn.

D 5Ferner
[58]Betrachtungen
Ferner fuͤhrt er Gold. Sie ſchreiben,

Daß er die Melancholey

Oder Schwermuth zu vertreiben,

Ein unfehlbar Mittel ſey.

Da nun Nutzen und Vergnuͤgen

Jn den Laſulſteinen liegen,

Laßt uns doch, wenn wir ſie ſehn,

Den, der ſie gemacht, erhoͤhn!

Nunmehr koͤmmt auch deine Reihe,

Unbegreiflicher Magnet!

Dem ich meinen Kiel itzt weihe,

Ob mein Geiſt gleich gern geſteht,

Daß man keinen, auch von allen

Steinen, Halb- und Ganzmetallen,

Wie man auch dieſelbe nennt,

Beſſer nuͤtzt, und minder kennt.

Aber alle Schwierigkeiten

Hemmen meine Lieder nicht;

Es iſt, ſeine Seltenheiten

Zu verſtehn, nicht unſre Pflicht:

Sondern, wenn ich Gottes Werke

Jm Magnetſtein nur bemerke,

Und dazu den Geiſt erweck,

So erhalt’ ich meinen Zweck.

Des Magneten aͤußre Schalen

Sind veraͤchtlich, gar nicht ſchoͤn;

Es ſind an ihm weder Stralen,

Noch der mindſte Schmuck zu ſehn.

Haͤßlich, rauh und unanſehnlich,

Einem groben Felſen aͤhnlich,

Ohne Glanz und ſonder Schein,

Jſt der ſo beruͤhmte Stein.

Aber,
[59]uͤber die Steine.
Aber, ob er gleich ſo haͤßlich,

So veraͤchtlich von Geſtalt,

Jſt dennoch faſt unermaͤßlich

Sein’ unſichtbare Gewalt,

Die der Menſchen Witz bemeiſtert.

Recht beſeelet, recht begeiſtert

Scheint der Stein. Er zeigt, er lehrt,

Wie man nimmer unrecht faͤhrt.

Wenn, mit Schrecken, Furcht und Grauſen,

Sich ein Schiff, bey ſchwarzer Nacht,

Durch der Stuͤrme graͤßlichs Brauſen,

Und der wilden Wellen Macht,

Ohne Weg und Zweck zu wiſſen,

Wuͤrde ſchlenkern laſſen muͤſſen,

Und man ſchenkt ihm dieſen Stein,

Wuͤrd’ er ihm ein Engel ſeyn.

Mitten auf dem wilden Meere,

Wo kein Weg, kein Strand, kein Grund,
(Welches ſonſt unmoͤglich waͤre)

Macht der Stein den Weg uns kund.

Jn den dickſten Finſterniſſen

Kann, durch ihn, ein Schiffmann wiſſen,

Wo er iſt, und wie er wohl

Seine Segel lenken ſoll.

Da die Schiffahrt ſo gefaͤhrlich,

Die doch ſo viel Nutzen ſchafft,

Sieht man ja, wie unentbehrlich

Des Magneten Wunderkraft.

Gegen Abend, gegen Morgen

Waͤr die Welt uns noch verborgen;

Nordwerts waͤr auch manches Land

Sonder ihn uns unbekannt.

Zu
[60]Betrachtungen
Zu wie vielen Wunderwerken

Jn der bildenden Natur,

Sie bewundernd zu bemerken,

Zeigt uns dieſer Stein die Spur!

Silber, Gold und Edelſteine

Werden dieſem Stein alleine,

Nebſt Gewuͤrz und Arzeneyn,

Meiſtens zuzuſchreiben ſeyn.

Scheint er nicht, beſeelt, zu leben,

Wenn man mit Erſtaunen ſieht,

Wie er Eiſen weis zu heben

Und es ſo gewaltig zieht,

Daß ſichs ploͤtzlich zu ihm fuͤget,

Wenns gleich ferne von ihm lieget?

So daß, wenn man es erblickt,

Jeder faſt darob erſchrickt.

Ja was noch viel mehr, er wirket,

Mit derſelbigen Gewalt,

Nicht nur frey, nein, auch bezirket,

Und verſchloſſen, dergeſtalt,

Daß, wie ich es oft geſehen,

Silber ihm nicht widerſtehen,

Ja kein Glas ihn hemmen kann,

Durch ſie zieht er Eiſen an.

Denket doch, auf welche Weiſe

Alles dieß gewirket ſey!

Wir bewundern, Gott zum Preiſe,

Am Magnete dreyerley:

Daß er uns die Angel zeiget,

Daß er Oſt- und Weſtwerts neiget,

Daß er Eiſen an ſich zieht,

Sind wir zu beſehn bemuͤht.

Wie
[61]uͤber die Steine.
Wie hat man ſich nicht geplaget,

Des Magneten Eigenſchaft

Zu erforſchen. Einer ſaget:

Durch der Polgeſtirne Kraft

Werde der Magnet regieret;

Jener: daß ein Geiſt ihn fuͤhret;

Einer ſucht der Wahrheit Schein

Jn der Sympathie allein.

Der ſpricht: Um den Polis liegen

Große Berge von Magnet,

Die ihn mit gewaltgen Zuͤgen

Zwingen, daß er Polwerts geht.

Andre ſuchen zu erweiſen,

Daß aus dem Magnet und Eiſen,

Als aus welchen ſie beſtehn,

Kleine Haͤft- und Haͤklein gehn.

Andre ſchreiben ſein Bewegen

Einem eignen Willen zu;

Wie er in dem Schacht gelegen,

Such’ er wieder ſeine Ruh.

Der giebt dieß von ihm zu leſen:

Es vermag der Koͤrper Weſen

Nimmermehr ſich ſelbſt zu drehn,

Wie wir dieſes klaͤrlich ſehn.

Denn, wie er will, iſt die Erde

Selber nichts, als ein Magnet:

Daß nun ſie gedrehet werde

Um die Angel, dieß entſteht

Aus des Sonnenwirbels Kraͤften,

Die, mit ihren trocknen Saͤften,

Sich durch Luft und Erd ergießt

Und beſtaͤndig um ſie fließt.

Nicht
[62]Betrachtungen
Nicht nur um die Erd’ alleine,

Spricht er, dreht der Wirbel ſich;

Sondern um Magnetenſteine

Dreht er ſich abſonderlich.

Wie er denn, nach ſeinen Schluͤſſen,

So wie er vermeynt zu wiſſen,

Auch fuͤr eine kleine Welt

Jeglichen Magneten haͤlt.

Welcher auch zween Angel fuͤhret,

Nach dem ausgedachten Schluß.

Durch dieſelbe circuliret

Der geſpitzten Koͤrper Fluß,

Der, wenn der beweglich ſtehet,

Jhn nach Norden dadurch drehet;

Weil der Fluß in ſeiner Flucht

Die gewohnten Loͤchlein ſucht.

Der meynt: daß der Fluß von oben

Gar zu weit geholet waͤr,

Giebt derhalben andre Proben,

Und vermeynet, daß ein Meer

Jn dem Mittelpunkt der Erde

Voll von Luft gefunden werde,

Welches immer aufwerts ſteigt,

Und ſtets den Magneten neigt.

Alle Dinge, die auf Erden

Fließen und nie ſtille ſtehn,

Alle dieſe, ſpricht er, werden

Jmmer ſich im Zirkel drehn.

Wie wir es am Blut von Thieren,

Und an unſerm Blute, ſpuͤren:

Alſo dreht und zirkelt ſich

Dieſe Luftflut ſtetiglich.

Wann
[63]uͤber die Steine.
Wann wir deutlich koͤnnen ſpuͤren,

Welches jeder muß geſtehn,

Daß die Koͤrper ſtark gefrieren,

Wenn die Wind’ aus Norden wehn,

Scheinet ja recht klar und eigen

Dieſe Wirkung uns zu zeigen,

Daß von Luft ein ſtarker Fluß

Aus dem Nordpol kommen muß.

Wer begreift, wie es geſchehe,

Daß man oͤfters Kaͤlte ſpuͤrt,

Ob die Sonn gleich in der Naͤhe;

Auch oft, wenn ſie fern, nicht friert?

Durch den Luftfluß aus der Erden

Kann es aufgeloͤſet werden;

Es verurſacht dieß ſo bald,

Daß es mehr und minder kalt.

Dieſer Luftfluß nun regieret

Den Magneten, daß er ſich

Jmmer nach der Stelle fuͤhret,

Wie er anfangs innerlich

Jn der Erden iſt gelegen.

Daß ſein’ Ausfluͤſſ’ ſo ſich regen,

Und aus ihm, und in ihn gehn;

Kann man mit den Augen ſehn.

Wenn wir Loderaſche legen

Auf ein kleines ebnes Brett,

Und man klopft mit ſanften Schlaͤgen,

Bis ſie eben, glatt und nett,

So daß keine Tief- und Hoͤhen

Auf dem Taͤflein mehr zu ſehen,

Und man legt dann unſern Stein

Jn die Aſche ſanft hinein;

Sieht
[64]Betrachtungen
Sieht man, wie ein ſchnell Bewegen

Jn dem Augenblick entſteht;

Sieht man ſich die Aſche regen,

Recht als wenn ein Wind drinn weht,

Sieht man gleich, wie ſchnell mit Haufen,

Rechts- und linksum, Striche laufen,

Die von unten aufwerts ſtehn,

Und von oben abwerts gehn.

Deutlich iſt hieraus zu ſchließen,

Wie und woher es entſteht,

Daß, wenn er herausgeriſſen,

Er die Polos ganz verdreht.

Wann Magneten aus der Erden

An die Luft gezogen werden,

Aendern, durch des Luftſtroms Strich,

Alſobald die Poli ſich.

Was vom Stein erſt Suͤdwerts lage,

Und worinn der Luftfluß drang,

Jn demſelben, wie er pflage,

Haͤlt er ſtets denſelben Gang;

Weil er in der Erden ſteiget,

Draußen aber gleich ſich neiget,

Muß auch der Magnet ſich drehn,

Und, was Suͤdwerts, Nordwerts gehn.

Wenn man vom Magneten lehret,

Daß er ſich zum kalten Nord

Jm geraden Striche kehret,

Jſt jedennoch mancher Ort,

Wo er etwas abwerts weichet,

Und den Nordſtrich nicht erreichet.

Koͤmmt aus dieſem innern Meer
(Fragt ſichs nun) auch dieſes her?

Dieſes
[65]uͤber die Steine.
Dieſes Weichen zu den Seiten

Haͤlt nicht ſtets denſelben Strich,

Sondern zu verſchiednen Zeiten

Kehrt er, und veraͤndert ſich:

Wie man es nunmehr erfahren,

Daß daſelbſten, wo vor Jahren

Der Magnet ſich Oſtwerts dreht,

Er anietzo Weſtwerts ſteht.

Dieß veraͤnderliche Weſen

Jſt wohl durch der Luͤfte Meer

Noch am beſten aufzuloͤſen;

Dieſes gehet hin und her:

Kann ſichs alſo leichtlich fuͤgen,

Daß ſich ſeine Striche biegen,

Und dadurch zuweilen ihn,

Den Magneten, mit ſich ziehn.

Oder, wie zween andre wollen,

Daß die Poli ſelbſt nicht ſtehn,

Und daher Magneten ſollen,

So wie ſich die Angel drehn,

Auch zugleich damit ſich drehen;

Welches wohl zuſammenſtehen,

Und mit unſerm Ocean

Sich gar fuͤglich paſſen kann.

Daß der Stein ſich ſtets bemuͤhet,

Und, obgleich es hart und ſchwer,

Nur das Eiſen an ſich ziehet,

Koͤmmt vermuthlich bloß daher;

Weil die Loͤchlein in dem Eiſen

Sich in allem gleich erweiſen

Mit den Loͤchlein, die wir ſehn

Durch Magnet und Eiſen gehn.

EDes
[66]Betrachtungen
Des gelehrten Halleys Lehre

Jſt nicht ſonder Wahrheitsſchein,

Daß an unſrer Erdenſphaͤre

Nicht nur zween, vier Pole ſeyn,

Die beſtaͤndig an ſich ziehen:

Und dahin geht ſein Bemuͤhen,

Daß er zeigt, wie der Magnet

Oft ſich von dem Nordpol dreht.

Noch iſt vom Magnet zu merken,

Daß er recht verwunderlich

Sich durch Eiſen laſſe ſtaͤrken:

Ferner, daß das Eiſen ſich

Gleichſam von ihm ſchwaͤngern laſſe,

Und von ihm die Kraͤfte faſſe,

Daß es ſelbſt, wie der Magnet,

Sich ſtets nach dem Nordpol dreht.

Wie nun dieſes Ziehn geſchehe,

Davon ſchreibt Carteſius

Ziemlich deutlich. Jch geſtehe,

Daß ich mich verwundern muß,

Wie ſo ſehr vor andern allen

Seine Meynungen gefallen:

Doch glaub ich, die Folge wird

Zeigen, daß auch er geirrt.

Denn wie vieles iſt gelehret

Mit der groͤßten Deutlichkeit,

Das doch gaͤnzlich umgekehret

Durch die Gruͤnde kuͤnftger Zeit!

Moͤchten wir auf dieſer Erden

Doch einſt uͤberfuͤhret werden,

Wie ſo ungewiß und klein

Aller Menſchen Schluͤſſe ſeyn!

Moͤch-
[67]uͤber die Steine.
Moͤchten wir in Gottes Werken,

Um ſein’ Allmacht zu erhoͤhn,

Mehr auf Gottes Weisheit merken,

Als auf unſer Wiſſen ſehn!

Beſſer als ein ſtolzes Zanken

Sind bewundernde Gedanken.

Die durch ihn geruͤhrte Bruſt

Wirkt, in unſrer, ſeine Luſt.

Ach, ſo gieb durch deine Guͤte,

Großer Gott, uns doch die Kraft,

Daß mit froͤlichem Gemuͤthe

Des Magneten Eigenſchaft

Dir zum Ruhm betrachtet werde!

Daß ſein Nutz an unſrer Erde,

Der ſo groß, ſo mancherley,

Dir nur zugeeignet ſey.

Nach betrachteten gemeinen,

Auch, ſo mittler Gattung ſeyn,

Laßt uns von den edlen Steinen

Den ſo angenehmen Schein

Beſſer, als wir ſonſten pflegen,

Auch zu Gottes Ruhm, erwaͤgen,

Und, wie farbenreich, wie ſchoͤn

Jhr polirter Schimmer, ſehn.

Was wir an denſelben ſchaͤtzen,

Jſt ſo ſehr nicht Nutz und Preis,

Als daß ſie das Aug’ ergetzen,

Da nunmehr ein jeder weis,

Daß ihr Nutz in Arzeneyen

Meiſtentheils nur Pralereyen,

Ja daß es Betriegerey,

Und nicht ſelten ſchaͤdlich ſey.

E 2Aber,
[68]Betrachtungen
Aber, wenn man, wie ſie ſtralen,

Wie ſo ſchoͤn ſie funkeln, ſieht;

Wie, in ihren glatten Schalen,

Ein gefaͤrbter Schimmer gluͤht;

Wie ſie glaͤnzen, wie ſie ſpielen:

Kann das Herz durchs Auge fuͤhlen,

Jhre Zierd’ und ihre Pracht

Sey zu unſrer Luſt gemacht.

Denn, obgleich ihr funkelnd Prangen,

Glanz, und Farben anders nichts,

Als ein Gut, ſo ſie empfangen,

Als ein Wiederſchlag des Lichts;

Kann es keiner doch verneinen,

Daß ihr Glanz und Lieblichsſcheinen,

So in ihnen blinkt und flammt,

Nicht aus ihrem Stoff mit ſtammt.

Wenn ein Stein die Haͤrt’ und Glaͤtte,

Und zwar im gewiſſen Grad,

Nicht in ſeinem Weſen haͤtte,

Wie er itzo wirklich hat,

Wuͤrde nie das Wiederprallen

Von dem Licht’ uns ſo gefallen,

Wuͤrd’ es nie ſo hell, ſo rein

Von uns anzuſehen ſeyn.

Laßt uns alſo, Gott zu Ehren,

Wenn ſich Licht und Stein vereint

Und, um unſre Luſt zu mehren,

So vortrefflich wiederſcheint,

Mit vergnuͤgtem Herzen denken,

Daß nur Gott uns koͤnnen ſchenken

Schoͤne Vorwuͤrf, das Geſicht,

Und das helle Sonnenlicht.

Alle
[69]uͤber die Steine.
Alle Dinge, die auf Erden,

Jn der klein- und großen Welt,

Von uns angetroffen werden,

Was uns in die Sinne faͤllt,

Alle Schoͤn- und Seltenheiten

Sollen uns zum Schoͤpfer leiten;

Laßt denn jeden Edelſtein

Jetzt dazu ein Fuͤhrer ſeyn.

Diamant, Smaragd, Granaten,

Hyacinth, Sapphir, Rubin,

Jris, Carniol, Agaten,

Giraſol, Aquamarin,

Amethyſt, Beryllus, Onyx,

Jaſpis, Chryſolith, Sardonyx,

Tuͤrkis, Sarder und Opal,

Jſt der ſchoͤnſten Steine Zahl.

Der
Dia-
mant.
Aller edlen Steine Zierde

Jſt der helle Diamant:

Mit Bewundrung und Begierde

Sieht man ſeinen reinen Brand.

Jn den nettgeſchliffnen Ecken

Scheinet Glut und Flut zu ſtecken,

Wenn auf tauſend Art das Licht

Sich in ſeinen Tafeln bricht.

Seine Haͤrt’ iſt nicht zu zwingen,

Wodurch er dem Glaſer nuͤtzt,

Durch das ſproͤde Glas zu dringen,

Das er zierlich trennt und ritzt.

Wann wir beym Smaragd ihn legen,

Soll man ihn doch ſchmelzen moͤgen;

Welches, daß er ſo ſich beugt,

Homberg uns zuerſt gezeigt.

E 3Wenn
[70]Betrachtungen
Wenn wir Diamanten ſehen,

Die ſo hell, ſo weiß, ſo rein,

Laßt uns unſern Gott erhoͤhen,

Weil auch ſie geſchaffen ſeyn

Uns zur Luſt, und ihm zu Ehren,

Welche beyde zu vermehren

Uns aus Liebe Gott gebeut.

O der ſuͤßen Schuldigkeit!

Der
Sma-
ragd.
Laſſet uns nun weiter gehen,

Des Smaragden gruͤne Pracht

Mit Vergnuͤgen anzuſehen,

Deſſen Schein uns recht anlacht

Und mit holdem Licht anſtralet;

Wie das Gras der Fruͤhling mahlet,

Eben mit ſo gruͤnem Licht

Fuͤllet er uns das Geſicht.

Es ſind von Smaragd die beſten

Aus Oſtindien gebracht,

Doch bringt man ſie aus dem Weſten

Auch, jedoch von mindrer Pracht.

Man will von Smaragden merken,

Daß ſie unſer Auge ſtaͤrken,

Daß beym Bauchfluß ihre Kraft,

Wie beym Blutfluß, Huͤlfe ſchafft.

Der
Gra-
nat.
Ferner koͤmmet zu betrachten

Auch der roͤthliche Granat,

Der, wenn wir darauf recht achten,

Farben, wie ein Feuer, hat.

Seine Roͤth iſt zwar verdunkelt,

Dennoch ſcheinet ſie und funkelt,

Daß die ſanfte Lieblichkeit

Oefters Aug’ und Herz erfreut.

Jhrer
[71]uͤber die Steine.
Jhrer ſind verſchiedne Sorten.

Die man uns aus Oſten bringt,

Sind fuͤr die aus andern Orten

Koͤſtlicher, jedoch entſpringt

Aus denſelben in Arzneyen

Gleicher Nutz, denn ſie befreyen

All’, ob ſie gleich nicht ſo theur,

Von des Salzes Schaͤrf’ und Saͤur’.

Hya-
cin-
then.
Hyacinthen ſind imgleichen

Schoͤn von Farben, roͤthlich weiß,

Gelblich auch, jedennoch weichen

Unſre hier an Farb und Preis

Denen, die uns Oſten giebet,

Drum ſind ſie auch mehr beliebet,

Sie ſind groͤßer, glaͤnzender,

Haͤrter und weit lieblicher.

Dieſer Stein iſt gelb zuweilen

Wie der Brennſtein, und recht ſchoͤn,

Er ſoll Muth und Freud ertheilen,

Auch dem Gifte widerſtehn.

Aber dieſes ſind Gedichte.

Dennoch hoͤrt, was er verrichte,

Er iſt gegen Saͤure gut,

Stopft den Bauchfluß und das Blut.

Sap-
phir.
Wie wird unſer Aug’ ergetzet

Durch den lieblichen Sapphir,

Den man darum herrlich ſchaͤtzet,

Weil wir ſelbſt des Himmels Zier

Jn dem wunderſchoͤnen Blauen

Mit vergnuͤgtem Herzen ſchauen;

Moͤchtſt du mir, geliebter Stein,

Oft ein Himmelsſpiegel ſeyn!

E 4Man
[72]Betrachtungen
Man vermeynt von dieſem Steine,

Daß derſelbe zweyerley,

Von verſchiednem Glanz und Scheine,

Daß er maͤnn- und weiblich ſey.

Weißlich, etwas waͤßrich gleißet

Der, den man uns maͤnnlich heißet;

Da der, den man weiblich nennt,

Kraͤftiger, und dunkler brennt.

Der
Rubin.
Mit wie vieler Luſt und Freuden

Kann man nicht an dem Rubin

Die vergnuͤgten Augen weiden!

Recht wie Kohlen, welche gluͤhn,

Voller Licht, zumal im Dunkeln,

Sieht man ihn voll Feuer funkeln:

Schoͤner als das ſchoͤnſte Blut

Jſt die Farbe ſeiner Glut.

Bey der ſchoͤnen Roͤthe ſpielet

Auch in ihm ein blaͤulich Licht,

Das ſich meiſtens dann erzielet,

Wann ſichs in den Winkeln bricht.

Durch den Schimmer, der ihn ſchmuͤcket,

Wird der Geiſt im Blick erquicket.

Der Rubin ſoll, wenn er klein,

Auch ein Feind der Saͤure ſeyn.

Der
Car-
niol.
Angenehm, doch nicht ſo theuer,

Als der funkelnde Rubin

Und ſein blitzend heller Feuer,

Jſt der rothe Cornalin.

Dieſer mußte bey den Alten

Meiſt der Siegel Amt verwalten,

Denn die Kunſt praͤgt dieſem Stein

Allerley Geſtalten ein.

Von
[73]uͤber die Steine.
Von der Fleiſchfarb wird er zwarten,

Dennoch Sarder auch genannt,

Weil man von verſchiednen Arten

Jn Sardinien ihn fand.

Braucht man dieſen, klein zerrieben,

Wird die Saͤure weggetrieben,

Dient er alſo zum Gebrauch,

Nuͤtzet und vergnuͤgt uns auch.

Da der Carniol beſehen,
Der
Agat.
Trifft die Reihe den Agat,

Der von Baͤumen, Tief- und Hoͤhen

Manche Farb’ und Bildung hat,

Blumen, Kraͤuter, ganze Waͤlder,

Berge, Feſtungen und Felder,

Welche nicht zu zaͤhlen ſeyn,

Findet man an dieſem Stein.

Er iſt halbdurchſichtig, feſte,

Glatt, und meiſtens ſchoͤn geſchmuͤckt,

Doch iſt der der allerbeſte,

Welchen Jndien uns ſchickt,

Da wir ſonſt in Boͤheims Gruͤnden

Eine große Menge finden.

Er wird nach der Farben Stand

Auch verſchiedentlich genannt.

Der
Gira-
ſol.
Unter andern Edelſteinen

Trifft man noch ein Steinchen an,

Das man um ſein Gelblichſcheinen,

Giroſol wohl nennen kann.

Es empfaͤngt der Sonnen Glaͤnzen,

Und behaͤlts in ſeinen Grenzen;

Wenn wir ihn denn drehen ſehn,

Scheint die Sonne ſich zu drehn.

E 5Dieſe
[74]Betrachtungen
Dieſe findt man oftermalen

Auch in einem andern Stein,

Wo ſie, nebenſt den Opalen,

Oftermals gefunden ſeyn,

Welche uns, recht ſchoͤn geſchmuͤcket,

Cypern und Aegypten ſchicket,

Ungarn und Arabien;

Doch die beſten, Jndien.

Der
Ame-
thyſt.
Ferner ſieht man lieblich ſtralen

Den polirten Amethyſt,

Welcher weiß, auch oftermalen

Purpurroth, auch blaͤulich iſt.

Er iſt glaͤnzend, hart, durchſichtig,

Und uns zu vergnuͤgen tuͤchtig,

Seine ſchimmerreiche Pracht

Wird aus Jndien gebracht.

Wie ſie von den Steinen ſchreiben,

Soll derſelben ſtarke Kraft

Bald den Rauſch vom Wein vertreiben;

Aber dieſe Eigenſchaft

Jſt nicht wahr, ob ſie den Namen

Vom Entrauſchen gleich bekamen;

Doch, als alkaliſch, bekaͤmpft

Er die Saͤure, die er daͤmpft.

Der
Beryll.
Der Beryll, der gruͤnlich ſcheinet,

Wie die gruͤne Meeresflut,

Hat auch oft in ſich vereinet

Eine gruͤnlichgelbe Glut,

Welche man dabey erkennet,

Und ſie Goldberyllen nennet,

Oefters ſind ſie gelblich bleich,

Und dem Oel und Knoblauch gleich.

Dieſer
[75]uͤber die Steine.
Dieſer Stein iſt in den Gruͤnden

Jndiens, auf Martaban

Jn Cambaya auch zu finden,

Jn Pegu und auf Zeilan;

Er iſt glaͤnzend und durchſichtig:

Klein geſtoßen, iſt er tuͤchtig,

Zu verſtopfen fließend Blut;

Auch iſt er im Bauchfluß gut.

Der
Onyx.
Auch der Onyx glaͤnzt und ſpielet,

Voller Luſt und ſchimmerreich;

Wie ſein Name darauf zielet,

Jſt die Farbe Naͤgeln gleich.

Moſes ſchreibt von dieſem Steine

Und von ſeinem holden Scheine,

Nebenſt dem Bedellion,

Jn dem Paradieſe ſchon.

Jn Geſchwuͤren unſrer Augen

Soll der Onyx ſonderlich

Als ein gutes Mittel taugen.

Saͤure fuͤhrt er ab mit ſich,

Wenn wir ihn zu unſerm Frommen,

Klein zerrieben, eingenommen.

Jſt er alſo im Gebrauch

Nicht nur lieblich, nuͤtzlich auch.

Der
Ja-
ſpis.
Manche Schoͤnheit wird entdecket

Auch im Jaſpis, deſſen Schein

Muß gruͤn und mit Roth geflecket,

Wenn er anders echt iſt, ſeyn;

Ob man ihn gleich oͤfters findet,

Daß er ſich mit mehrerm bindet,

Wie ihn denn, wenn er polirt,

Manche ſchoͤne Farbe ziert.

Von
[76]Betrachtungen
Von dem Jaſpis ſchicket immer

Uns den beſten, den man kennt,

So an Kraft, als auch am Schimmer,

Der ſo reiche Orient.

Saͤure wird durch ihn vertrieben,

Wenn er auf Porphyr zerrieben,

Wie er denn auch das Gebluͤt

Stopft, da er zuſammenzieht.

Der
Topas.
Noch wird der Topas gefunden,

Den man Chryſolith auch nennt,

Drinn, mit guͤldenem verbunden,

Auch ein gruͤner Schimmer brennt,

Und ein achtſam Aug’ ergetzet.

Er wird mehrentheils geſchaͤtzet,

Daß er, als meiſt einerley,

Vom Smaragd die Mutter ſey.

Er iſt leichtlich zu poliren,

Jſt daher nicht gar zu theu’r.

Wenn wir Bauch- und Blutfluß ſpuͤren,

Stopft er ſie, und daͤmpft die Saͤur.

Der aus Boͤhmen iſt zwar groͤßer,

Der aus Jndien doch beſſer.

Auch vom fernem rothen Meer

Briugt man Chryſolithen her.

Der
Sardo-
nyx.
Ferner ſteckt ein lieblichs Glaͤnzen

Jm Sardonyx, deſſen Schein

Fuͤgt in ſich der Farben Grenzen

Von dem blaſſen Onyxſtein

Und vom Cornalin zuſammen;

Daher denn die Namen ſtammen,

Die er aͤhnlich in der That

Jn den meiſten Sprachen hat.

Wenn
[77]uͤber die Steine.
Wenn er ſchoͤn, iſt er durchſichtig,

Daß man ihn bewundern muß;

Blut zu ſtillen iſt er tuͤchtig,

Auch des Bauchs zu ſtarken Fluß,

Wenn wir ihn gepuͤlvert nehmen.

Babylon, Aegypten, Boͤhmen,

Jndien und auch Papier

Zeugen dieſes Steines Zier.

Der
Türkis.
Auch erblickt man mit Vergnuͤgen,

Wie in dem Tuͤrkis ſo ſchoͤn

Blau und Gruͤn und Weiß ſich fuͤgen,

Welcher zwar nicht durchzuſehn,

Aber doch ſehr lieblich ſcheinet.

Ob man nun von ihm gleich meynet,

Daß er Huͤlf den Augen ſchafft,

Jſt doch ſolches zweifelhaft.

Aber Saͤure zu verſuͤßen,

Jſt der Tuͤrks, gepuͤlvert, gut,

Er ſtopft Brechen, auch das Fließen,

Das zu ſtark, vom Bauch und Blut.

Man trifft an verſchiednen Orten

Von dem Tuͤrkis an zwo Sorten,

Wovon viele mehr auf Gruͤn,

Andre mehr aufs Blau ſich ziehn.

Der
Opal.
An den glaͤnzenden Opalen

Wird das Auge noch zuletzt,

Und an ihren bunten Stralen

Das Gemuͤthe ſelbſt ergetzt.

Denn in dieſem Steine ſcheinen

Wunderbar ſich zu vereinen

Amethyſt, Sapphir, Rubin,

Wie auch der Smaragden Gruͤn.

Dieſer
[78]Betrachtungen
Dieſer Farben lieblichs Spielen

Wechſelt ſich verwunderlich,

Was itzt ſcheint auf Roth zu zielen,

Wird itzt gruͤn, itzt aͤnderts ſich,

Und wird wieder blau, die Stelle

Wird aufs neue gelb und helle.

Selbſt des Regenbogens Schein

Zeigt uns dieſer ſchoͤne Stein.

Wenn wir nun Opalen ſehen,

Laßt uns doch in unſrer Luſt

Den bedacht ſeyn zu erhoͤhen,

Der, durchs Auge, Herz und Bruſt

Uns ſo wunderbar ergetzet,

Oft uns in Vergnuͤgen ſetzet,

Und fuͤr das, was er beſchert,

Nur ein froͤlichs Herz begehrt.

Dieſes waͤre von den Steinen

Etwas, doch nicht viel, geſagt.

Wann ſich nun darinn vereinen,

Was uns nuͤtzet und behagt;

Bin ich froh, daß Gott zu Ehren

Jch davon in meinen Lehren

Etwas brachte zu Papier;

Gott allein ſey Dank dafuͤr!


Die
[79]

Die
verſchiedene Erdarten.


Eh’ ich aber aus dem Reiche,

Das man mineraliſch heißt

Und bisher betrachtet, weiche,

Muͤſſen vor von unſerm Geiſt

Billig erſt betrachtet werden

Die verſchiedne Sorten Erden,

Und darauf ſo mancher Saft,

Sammt der ſalz- und fetten Kraft.

Man trifft, an verſchiednen Orten,

Die man auch kaum zaͤhlen kann,

Noch von Erden viele Sorten

Von verſchiednen Kraͤften an:

Die beſtehn aus feinem Sande,

Der nicht mit ſo feſtem Bande

Sich vereinet, wie ein Stein,

Und leicht zu zerreiben ſeyn.

Dieſe Erden ſind zuweilen

Untermengt mit manchem Saft,

Und beſtehn aus vielen Theilen

Von Metalle Art und Kraft.

Darum denn auch ſolche Erden

Jnsgemein geſiegelt werden,

Zu verhindern, daß man nicht

Sie verfaͤlſch’, als oft geſchicht.

Alſo
[80]Betrachtungen
Alſo findet man dergleichen,

Die man nennt die Samiſchen,

Maltha, Chios, Lemnos reichen

Sie uns, gleichfalls Schleſien,

Boͤhmen, Liefland gleichermaßen,

Die ſich alle brauchen laſſen,

Nebſt der Erd aus der Tuͤrkey,

Uns zum Nutz, zur Arzeney.

Jhre Tugenden und Kraͤfte

Mehrentheils ſind einerley,

Anzuziehen ſcharfe Saͤfte;

Sie geneſen auch dabey

Bauch- und Blutfluß, hartes Brechen:

Auch ſind ſie geſchickt, zu ſchwaͤchen

Aeußerlich den Lauf vom Blut;

Gar bey Wunden ſind ſie gut.

Ferner trifft man neben ihnen

Ungeſiegelt’ Erden an,

Deren uns ein’ jede dienen

Und zum Nutzen kommen kann.

Steinmarg dient das Feld zu duͤngen,

Und die Gaar darinn zu bringen.

Mondmilch iſt vortrefflich nuͤtz,

Sie daͤmpft unſers Blutes Hitz.

Triepel dienet zum Poliren.

Thon dient uns zu mancherley.

Ocher, Berggruͤn, Bergblau zieren

Die beliebte Mahlerey.

Nunmehr laßt uns auch die Kraͤfte

Und den Glanz verdichter Saͤfte,

Die theils nuͤtzlich und theils ſchoͤn,

Mit Verwunderung, beſehn.

Saͤfte,
[81]uͤber die verſchiedene Erdarten.
Saͤfte, die coaguliret,

Theilt man in zwo Sorten ein,

Da verſchiedne, wie man ſpuͤret,

Fett, die andern mager, ſeyn;

Mager ſind die ſalzen Dinge,

Deren Nutzen nicht geringe,

Sondern, wie man leicht ermißt,

Wirklich nicht zu ſchaͤtzen iſt.

Das
Salz.
Daß vom Salz verſchiedne Sorten

Jn der Welt zu finden ſeyn,

Spuͤrt man an verſchiednen Orten.

Ein Salz heißet man gemein,

Eins Salpeter. Jn den Gruͤnden

Jſt der Borax auch zu finden,

Nebſt Alaun und Vitriol.

Merk, o Menſch, die Kraͤfte wohl!

Das gemeine wird gegraben

Aus der Erde, koͤmmt auch her

Aus den Brunnen, die wir haben,

Ferner ſelber aus dem Meer,

Draus man es durch Sieden bringet.

Was aus Salz fuͤr Nutz entſpringet,

Faßt kein Menſch, beſchreibt kein Kiel;

Seiner Wirkung iſt ſehr viel.

Etwas nur davon zu weiſen;

Denket nur, wie ſehr es nuͤtzt

Jn den allermeiſten Speiſen:

Denkt, wie es vor Faͤulniß ſchuͤtzt!

Fiſch und Fleiſch, ja tauſend Sachen

Kann das Salz uns daurhaft machen.

Selber in der Arzeney

Weis man, daß es nuͤtzlich ſey.

FWenn
[82]Betrachtungen
Wenn die Sammlung der Gewaͤſſer

Jn dem unbegrenzten Meer

Friſch, und ſie von Gott nicht beſſer

Zugericht und ſalzig waͤr,

Staͤnk es laͤngſt, und waͤr verdorben,

Aller Fiſche Heer geſtorben;

Es ertruͤge Luft und Licht

So viel tauſend Jahre nicht.

Wenn das Meer verfaulet waͤre,

Welch ein giftig fauler Duft

Stiege dann nicht aus dem Meere,

Und vergiftete die Luft!

Dadurch wuͤrde bald auf Erden

Alles angeſtecket werden.

Solcher Plage, Quaal und Pein

Wehret Gott durchs Salz allein.

Wie wir es darinn entdecken,

Hat das Salz ſtets von Natur

Bey ſechs Flaͤchen mit vier Ecken

Eine wuͤrflichte Figur.

Es iſt weiß, klar und durchſichtig,

Feſt und lauter, nicht ſchwerwichtig,

Am Geſchmacke ſcharf und rein,

Trocken, und an Koͤrnern klein.

Unſer Weſen ſelbſt beſtehet

Mit aus Salz, wie offenbar,

Ja, faſt alles, was ihr ſehet,

Hat zum Grunde Salz. Sogar

Selbſt zu unſrer Erden Weſen

Scheint zum Grunde Salz erleſen;

Wie ich denn durch die Chimie

Meiſtens Salz aus allem zieh.

Stein-
[83]uͤber die verſchiedene Erdarten.
Steinſalz, das ſo viele naͤhret,

Giebt die Erde ſonder Muͤh.

Salz, das mit der Saͤure gaͤhret,

Nennet man Sal Alkali,

Welches wir voll Loͤcher ſehen,

Die vom ſtarken Feur entſtehen,

Hierinn dringt die Saͤure ein,

Deren Theilchen rege ſeyn.

Wenn man Saur mit Salze miſchet,

So man alkaliniſch nennt,

Ziſcht’s, wie Kalk durch Waſſer ziſchet,

Welches ſeine Theilchen trennt,

Wenn es in die Loͤcher drenget,

Und ſich mit den Theilchen menget,

Die daſelbſt, doch ſonder Schein,

Hitzig, reg, und feurig ſeyn.

Dieſes Salzes eigne Kraͤfte

Hat es von der Glut allein,

Weil vorher deſſelben Saͤfte

Erſtlich ſaur geweſen ſeyn.

Denn, ob wir gleich in den Gruͤnden

Alkaliniſch Salz auch finden,

Jſt’s die unterirdſche Glut

Dennoch bloß, die ſolches thut.

Dieſes Salz ſoll durchzudringen,

Aufzuloͤſen Schleim und Stein,

Auch die Saͤure zu verſchlingen

Und zu treiben kraͤftig ſeyn.

Milz und Leber ſoll es heilen:

Auch die Galle zu zertheilen,

Und zu ſaͤubern unſer Blut,

Jſt dieß Salz vortrefflich gut.

F 2Ferner
[84]Betrachtungen
Ferner wird ihm zugeſchrieben,

Daß ſelbſt die Melancholey

Oefters ganz dadurch vertrieben,

Wenigſtens gelindert, ſey.

Gelbe Sucht auch zu curiren,

Und das Waſſer abzufuͤhren,

Dienet dieſes Salz, daher

Brauchen es die Aerzte ſehr.

Der
Salpe-
ter.
Unter andern Salzesſorten

Trifft man den Salpeter an,

Den man an ſehr vielen Orten

Finden, auch bereiten kann.

Dieſes Saure hegen Luͤfte,

Alte Mauren, Waͤnd’ und Kluͤfte;

Jn die Erde, ſelbſt in Stein,

Senket ſich die Saͤur’ hinein.

Jn den Staͤllen, Taubenſchlaͤgen,

Auf dem Kirchhof’, im Urin,

Selber in dem Thau und Regen,

Auch in Brunnen, findt man ihn.

Sein Stoff iſt halb feſt, halb fluͤchtig:

Und man ſchließet von ihm richtig,

Daß er, iſt der Nam’ gleich neu,

Ein verſteintes Luftſaur ſey.

Von den wundervollen Kraͤften

Des Salpeters iſt bekannt,

Daß von ſeinen ſalzen Saͤften,

Die in ihm, faſt jedes Land

Seine Fettigkeit erlange

Und die Fruchtbarkeit empfange;

Weil ein Grund, der reichlich traͤgt,

Jmmer viel Salpeter hegt.

Man
[85]uͤber die verſchiedene Erdarten.
Man kann wohl mit Wahrheit ſagen,

Dieſes Salzes Eigenſchaft

Pfleg’ am meiſten beyzutragen

Zu der Pflanzen Wachsthumskraft:

Ja, daß man zugleich verſpuͤre,

Das Naturſalz aller Thiere

Sey, ſo viel als uns bekannt,

Dem Salpeter ſehr verwandt.

Dieſe Gleichheit kann uns weiſen,

Wie das, was die Erde traͤgt,

Unſern Koͤrpern, in den Speiſen,

Zur gewuͤnſchten Nahrung ſchlaͤgt:

Auch daß jeder Leib der Thiere

Viel Salpeter bey ſich fuͤhre,

Da wir, aus der Thier Urin,

Allemal Salpeter ziehn.

Jn der Heilungskunſt erſcheinet

Vom Salpeter große Kraft,

Und zwar mehr, als man vermeynet.

Er zertheilt den zaͤhen Saft,

Daͤmpfet des Gebluͤtes Hitze,

Jſt, den Durſt zu loͤſchen, nuͤtze,

Oeffnet, treibt das Waſſer, wehrt,

Daß die Faͤulung nichts verſehrt.

Er vertreibt den Stein der Nieren,

Auch den zaͤhen Blaſenſtein.

Was wir vom Salpeter ſpuͤren,

Jſt ja wohl recht ungemein;

Da des Buͤchſenpulvers Knallen,

Wodurch Fels und Mauren fallen,

Wodurch Blut und Geiſt entgeht,

Aus Salpeter meiſt beſteht.

F 3Ganz
[86]Betrachtungen
Ganz erſchrecklich, ganz entſetzlich

Jſt die wuͤtende Gewalt

Dieſes Pulvers, da es ploͤtzlich

Alles ſtuͤrzt und dergeſtalt

Alles ſprenget und zerſchmeißet,

Daß es ſplittert und zerreißet,

Wodurch ſeine wilde Glut

Gut’ und boͤſe Wunder thut.

Des Salpeters Form iſt immer

Langſchuͤßig und ſechsgeeckt;

Er hat einen weißen Schimmer,

Wie Cryſtall. Und man entdeckt,

Wenn er rein, an ihm ein Brennen,

So wir nicht beſchreiben koͤnnen:

Seine Glut brennt wunderlich,

Nicht nur aufwerts; unter ſich.

Der
Borax.
Ferner, an ſo manchem Orte,

Auch in Perſien, trifft man

Von dem Salz ein’ andre Sorte,

Die man Borax nennet, an.

Dieſes Salz iſt mineraliſch,

Weder ſauer, noch alkaliſch;

Sondern es iſt, wie man meynt,

Beyder Kraft in ihm vereint.

Wobey, wenn mans recht ergruͤndet,

Man in ſeinem Weſen auch

Noch ein oͤlicht Weſen findet;

Dieſes dienet zum Gebrauch,

Daß durch ſelben die Metallen

Leicht in Fluß zergehn, und fallen;

Und deswegen nuͤtzet er

Sonderlich den Guͤrtlern ſehr.

Aber
[87]uͤber die verſchiedene Erdarten.
Aber in den Arzeneyen

Hat man dieſes Salzes ſich

Gleichfalls trefflich zu erfreuen:

Denn es dienet ſonderlich,

Oeffnung unſerm Blut zu geben,

Die Verſtopfungen zu heben,

Und es treibt von ihrem Ort

Die Geburt gemaͤhlig fort.

Jn der Erden tiefen Gruͤnden
Alaun.
Jſt, wie laͤngſtens ſchon bekannt,

Noch ein anders Salz zu finden,

Dieſes wird Alaun genannt,

Deſſen Stoff, ſo ſcharf und ſauer,

Dient den Faͤrbern, zu der Dauer

Jhrer Farben, wirkt zugleich,

Daß ſie rein und ſchimmerreich.

Um das rege Blut zu ſtillen,

Brauchet man ihn aͤußerlich;

Um verdorbner Zaͤhne willen

Braucht man ihn; man gurgelt ſich

Mit Alaun. Wenn man ihn brennet,

Wird das wilde Fleiſch getrennet;

Wenn man ihn auf Wunden ſtreut,

Spuͤrt man ſeine Nutzbarkeit.

Wie wir ihn im Bergwerk brechen,

Giebt die bildende Natur

Jhm fuͤnf ſechsgeeckte Flaͤchen,

Und ſechs mit vier Ecken nur.

Solche merkliche Geſtalten

Hat er nicht umſonſt erhalten,

Nichts von dem, was Gott gemacht,

Jſt umſonſt hervorgebracht.

F 4Endlich
[88]Betrachtungen
Endlich haben wir die Kraͤfte
Vi-
triol.
Auch vom Vitriol zu ſehn,

Deſſen ſonderliche Saͤfte

Auch aus Saur und Salz beſtehn.

Er wird durch Cryſtalliſiren,

Durch Verduͤnſtung und Filtriren,

Da man ihn aus Markaſit,

Den man Quis benennet, zieht.

Welchen wir, aus vielen Orten,

Nutzbar in Europa ziehn;

Es giebt unterſchiedne Sorten,

Er iſt weiß, blau, roth und gruͤn.

Der ſo weiß iſt, macht purgiren,

Taugt auch oben abzufuͤhren,

Er erfriſchet unſer Blut,

Jſt auch fuͤr die Augen gut.

Gruͤnen Vitriol erzeuget

Deutſchland, Rom und Engelland.

Daß der Deutſche ſehr ſich neiget

Zu dem Kupfer, iſt bekannt.

Er iſt blaͤulichtgruͤn, und ziehet

Scharf zuſammen, wie man ſiehet.

Selbſt des Scheidewaſſers Macht

Wird aus ihm herausgebracht.

Der, den Engelland uns traͤget,

Und den wir aus Norden ziehn,

Welches ſehr viel Eiſen heget,

Zeiget uns ein braͤunlich Gruͤn.

Aus demſelben kann man fuͤhren,

Durch ein kuͤnſtlich Diſtilliren,

Einen vitriolſchen Geiſt,

Welcher viele Kraͤfte weiſt.

Dieſer,
[89]uͤber die verſchiedene Erdarten.
Dieſer, wie man angemerket,

Aendert ſeine Farben nicht,

Drum man ihn mit Eiſen ſtaͤrket,

Da, wenn er ſo zugericht,

Und zuletzt cryſtalliſiret,

Er die Blaͤſſe dann verlieret,

Daß man ein ſchoͤn Gruͤn ſo dann

Mit demſelben faͤrben kann.

Kunſt und auch Erfahrung weiſen

Dieſes Salzes Eigenſchaft,

Daß es Kupfer oder Eiſen,

So, im mineralſchen Saft,

Welcher ſauer iſt, zergangen;

Daher es die Kraft empfangen,

Daß es uns beſonders nuͤtzt.

Es iſt glatt und zugeſpitzt.

An vier Flaͤchen mit fuͤnf Ecken,

Dran ein dreyfach Dreyeck ſitzt,

Kann man die Geſtalt entdecken,

Wie der Vitriol ſich ſpitzt.

Durch dieß Salz, wie ſichs eraͤuget,

Wird die ſchwarze Farb erzeuget,

Wovon mancher in der That

Wunderſamen Nutzen hat.

Aus dem vitriolſchen Weſen

Wird das Pulver zugericht,

Wovon wir ſo vieles leſen

Und man ſo viel Gutes ſpricht,

So man ſympathetiſch nennet,

Deſſen Kraft man nicht recht kennet;

Dennoch ſoll meiſt allgemein

Seine fremde Wirkung ſeyn.

F 5Dieſes
[90]Betrachtungen
Dieſes waͤren nun die Kraͤfte
(Jn ſo fern man ſie erkennt)

Der coagulirten Saͤfte,

So man duͤrr’ und mager nennt,

Deren viel in unſrer Erden,

Uns zu Nutz, gefunden werden.

Uebrig ſind nun noch allein

Die, ſo fett und oͤlicht ſeyn.

Dieſe Saͤfte nun beſtehen

Aus beſonders klebrigen

Aus entzuͤndlichen und zaͤhen

Aeſtigten und ſchweflichten

Oelichten und fetten Theilen.

Laßt uns auch dabey verweilen.

Naphta, Steinoͤl, Judenleim,

Bernſtein, Ambra, Wallfiſchſchleim.

Naphta iſt ein Pech der Erden,
Naph-
ta.
Welches fluͤßig iſt und weich,

Und worinn gefunden werden,

Weil es oͤl- und ſchwefelreich,

Viel gewaltge Feuertheile,

Dannenher es denn in Eile

Brennt, und wuͤtend um ſich frißt,

Daß es nicht zu loͤſchen iſt.

Dieſes zeugt in großer Menge

Babylon und Griechenland,

Da ſind unterirdſche Gaͤnge,

Wo man es ſonſt haͤufig fand;

Frankreich auch, wo ſichs ſelbſt hebet

Aus der Erd, und feſte klebet

An den Schuhen, ſo daß man

Faſt davor nicht gehen kann.

Man
[91]uͤber die verſchiedene Erdarten.
Man will, daß der Naphta Weſen

Gleichfalls in der Medicin,

Wie wir vieles von ihr leſen,

Gegen manches Uebel dien.

Es eroͤffnet, es zertheilet,

Es verdaͤuet, ſtaͤrkt und heilet.

Laſſet uns nun weiter gehn,

Auch der Steinoͤl zu beſehn.

Steinoͤl, welcher, wie wir ſehen,
Stein-
öl.
Sich aus Felſen ſelbſt ergießt,

Welcher aus verſchiednen Hoͤhen

Languedocs und Welſchlands fließt,

Jſt der Naphta faſt zu gleichen;

Man hat rothen, ſchwarzen, bleichen,

Man hat braun- und gelben auch

Zum verſchiedenen Gebrauch.

Der ſo weiß iſt, iſt der beſte,

Der faſt recht wie Balſam reucht.

Halten Blaͤhungen ſich feſte,

Macht er, daß ihr Schwarm verfleucht.

Hat man etwan Gift bekommen,

Wird durch ihn die Kraft benommen.

Er vertreibt der Wuͤrmer Heer,

Nuͤtzet auch den Nerven ſehr.

Judenleim, ein harzigs Weſen,
Juden-
leim.
Findet ſich im todten Meer,

Wo es treibet, wie wir leſen,

Koͤmmt doch aus der Erden her,

Fließend ſteigt es in die Hoͤhe

Aus dem Grund, und wird ſo zaͤhe

Oben durch Luft, Salz und Hitz,

Daß es uns zu vielem nuͤtz.

Dieſes
[92]Betrachtungen
Dieſes wird zu vielen Sachen,

Sonderlich zum Lack, gebraucht,

Welches die Chineſen machen.

Duͤnſte, die er von ſich haucht,

So der Faͤulniß widerſtehen,

Laſſen nicht leicht was vergehen.

Wunden, die veraltet ſeyn,

Werden durch ihn heil und rein.

Bern-
ſtein.
Bern-, den man auch Agtſtein nennet,

Jſt wohl auch ein Erdenſaft,

Deſſen Urſprung man nicht kennet,

Noch die eigentliche Kraft,

Es iſt noch verborgen blieben;

Gleichwohl die davon geſchrieben,

Stimmen alle uͤberein,

Es muͤß auch ein Bergwachs ſeyn.

Man vermeynt, er kaͤm’ aus Rinden

Fetter Tannenbaͤume her,

Da wir ihn in Preußen finden,

Und ſehr viel im Baltſchen Meer:

Doch iſt glaublicher, er werde,

Als ein Bergwachs, in der Erde

Jn ſehr großer Meng’, erziehlt,

Und vom Waſſer weggeſpuͤlt.

Aus ihm wird, uns zum Vergnuͤgen,

Viel durch Kunſt hervorgebracht.

Oefters wird daraus den Fliegen

Ein durchleuchtig Grab gemacht:

Da wir denn mit ſolchen Stuͤcken

Viele Cabinette ſchmuͤcken,

Und in ihnen wunderſchoͤn

Der Natur ihr Wirken ſehn.

Auch
[93]uͤber die verſchiedene Erdarten.
Auch vom Ambra waͤr zu ſprechen,

Den man auch vor ſteinigt haͤlt,

Da man ſpricht, daß er in Baͤchen

Jn das Meer aus Felſen faͤllt:

Doch, da man anitzt vermeynet,

Daß er das nicht, was er ſcheinet,

Und ein Werk der Bienen ſey,

So gehn wir ihn hier vorbey.

Eben wie die Fettigkeiten,

Die man Sperma Ceti nennt,

Die man auch in vor’gen Zeiten

Als ein Erdharz nur gekennt;

Wovon wir doch glauben muͤſſen,

Ja es uͤberzeuglich wiſſen,

Daß es nichts als das Gehirn

Aus des Wallfiſchs holer Stirn.

Bis hieher bin ich gekommen,

Da das mineral’ſche Reich,

So wie ich mir vorgenommen,

Gott zum Ruhm, ſo mir als euch

Vorgelegt iſt, und beſehen.

Laßt uns itzt zun Pflanzen gehen,

Und ihr ungezaͤhltes Heer

Auch betrachten Gott zur Ehr!

Eh’ wir aber dazu ſchreiten,

Dank ich dir, o großer Gott!

Brunnquell aller Herrlichkeiten,

Einzigs All! Herr Zebaoth!

Ew’ger Schoͤpfer aller Dinge!

Daß es wohl von ſtatten gienge,

Was ich von dem erſten Gang

Des Naturreichs ſchrieb und ſang.

Laß
[94]Betrachtungen
Laß doch, wenn es Menſchen leſen,

Großer Gott, zu deiner Ehr,

Dein unendlichs ewigs Weſen

Draus erhellen mehr und mehr!

Deine Weisheit, deine Liebe,

Die dich, es zu ſchaffen, triebe,

Deine maͤcht’ge Wunderhand

Werd in deinem Werk bekannt!

Segne ferner mein Beginnen,

Daß das Reich der Pflanzen auch

Sey ein Vorwurf unſrer Sinnen!

Laß den froͤhlichen Gebrauch

Dieſer Koͤrper uns bewegen,

Dir ein Opfer vorzulegen!

Jn Gewaͤchſen und im Kraut

Sey dein Finger angeſchaut!



[95]

Das
Pflanzenreich.


Laſſet uns mit Freuden treten

Jn das ſchoͤne Pflanzenreich,

Um darinn den anzubeten,

Der die Kreatur zugleich

Sammt den Himmeln mit der Erde,

Durch ſein ſchaffend Wort: Es werde!

Aus des Chaos dunkler Nacht

Wunderſchoͤn ans Licht gebracht.

Liebſter Gott! wie bunt, wie niedlich,

Glaͤnzend, praͤchtig, wunderſchoͤn,

Wie ſo zart, ſo unterſchiedlich

Sind die Pflanzen anzuſehn!

Wie ſo nuͤtzlich Menſch- und Thieren!

Wie ſo noͤthig! Wir verſpuͤren,

Es beſteh’ aus ihrer Kraft

Unſer Leib und Lebensſaft.

Alle Baͤume, Gras und Fruͤchte,

Deren ja ſo mancherley,

Zeigen uns im dunklen Lichte,

Wie ſo groß ihr Schoͤpfer ſey.

Jedes Kraut und jede Blume

Gruͤnt und bluͤhet dem zum Ruhme,

Der ſie wunderbar formirt,

Und mit ſolcher Pracht geziert.

Wenn
[96]Betrachtungen
Wenn wir unſrer Roſen Funkeln,
Blu-
men
über-
haupt.
Tulpen, Mah’ und Tauſendſchoͤn,

Tuberoſen und Ranunkeln,

Sammt der Nelken Purpur ſehn,

Weis kein Menſch, wie in der Erden

Solcher Schmuck gemiſcht kann werden,

Wie ihr Glanz, ſo weiß als Schnee,

Aus ſo ſchwarzem Sand entſteh.

Wie das Blau der krauſen Liljen,

Wie der Anemonen Roth,

Wie das Gelbe der Schonkiljen

Stamm’ aus Leimen, Sand und Koth,

Wie ſich tauſend Farben floͤßen

Aus verworfnen Erdenkloͤßen,

Wie des Fruͤhlings ſchoͤnſter Putz

Nur entſpring’ aus Staub und Schmuz.

Seht, wie ihre Blaͤtter ſcheinen!

Jhre Schoͤnheit, Schmuck und Zier

Gleichen faſt den Edelſteinen,

Ja ſie uͤbergehn ſie ſchier.

Roſen glaͤnzen, wie Rubinen,

Wie Sardonich die Jesminen,

Beyden gleicht der Amaranth,

Lilien dem Diamant.

Koͤnnte man aus Edelſteinen,

Aus Smaragd, Sapphir, Rubin,

Jhr ſo buntgefaͤrbtes Scheinen,

Jhre Farb in Saͤften ziehn

Mit Behaltung ihrer Stralen,

Und man wollte Blumen mahlen,

Wuͤrd es, bey der Blumen Schein,

Doch wie nichts zu rechnen ſeyn.

Wer
[97]uͤber das Reich der Pflanzen.
Wer mit Andacht eine Blume

Recht mit Menſchenaugen ſieht,

Wie ſie, zu des Schoͤpfers Ruhme,

Jn ſo ſchoͤnen Farben gluͤht,

Wie die Glut der Granadiljen,

Wie das Silber weißer Liljen

So gar unbeſchreiblich ſchoͤn,

Muß in ihnen Gott erhoͤhn.

Wer kann den Geruch ergruͤnden,

Der in ſolchem Unterſcheid

Jn der Blumen Heer zu finden,

Und, mit ſolcher Lieblichkeit,

Unſer Herz und Hirn ergetzet,

Ja faſt in Erſtaunen ſetzet,

Denkt man, wie das, was man ſpuͤrt,

Aus verworfnem Koth herruͤhrt?

Was der Blumen Meng’ aushauchet,

Balſamiret Luft und Wind:

Welch ein Ambra dampft und rauchet

Aus der fruͤhen Hyacinth!

Wie weis doch der Dunſt der Roſen

Unſrer Naſen liebzukoſen!

Hat nicht unſrer Nelken Kraft

Des Gewuͤrzes Eigenſchaft?

Wie durchdringt der Aepfel Bluͤte,

Tuberoſen und Jesmin

Naſ’ und Herz, Sinn und Gemuͤthe,

Deren Duft wir an uns ziehn!

Wie wird durch die Bluͤt der Linden,

Durch Muskat und Zimmetrinden,

Die der Luftkreis zu uns ſchickt,

Unſer Herze nicht erquickt!

GWie
[98]Betrachtungen
Wie viel tauſend Kraͤuter gruͤnen,

Wie viel tauſend Blumen bluͤhn,

Die nur, bloß um uns zu dienen,

Jhren Saft der Erd’ entziehn?

Ja, wie mancherley Gerichte

Reichen uns der Baͤume Fruͤchte,

Deren ſchoͤner Nahrungsſaft

Bloß der Erde Wunderkraft.

Bäu-
me.
Hier ergetz ich mich vom neuen,

Wenn mein ſattes Herz erwaͤgt,

Wie die Erd, uns zu erfrenen,

So verſchiedne Baͤume traͤgt,

Drinn ſie, um uns zu erfriſchen,

Saur’ und ſuͤß weis ſo zu miſchen;

Daß was ihre Kraft uns ſchenkt,

Uns mit Anmuth naͤhrt und traͤnkt.

Wie viel tauſend Baͤume gruͤnen,

Die, ob ſie gleich unfruchtbar,

Doch mit ihrem Holz uns dienen,

Und vor allerley Gefahr

Durch die Feſtigkeit uns ſchuͤtzen,

Wenn wir frieren, uns erhitzen,

Ja vor Regen, Sturm und Wind

Ein geſichert Schirmdach ſind!

Jhr Nutz iſt nicht zu ergruͤnden,

Jhre Menge zaͤhlt man kaum.

Buchen, Weiden, Eſchen, Linden,

Erlen, ſammt dem Pappelnbaum,

Cedern, fo zum Himmel reichen,

Jpern, Tannen, Birken, Eichen,

Ulm und Ficht, der Felſen Zier,

Buxbaum, Tax, Cypreß Laurier.

Nun
[99]uͤber das Reich der Pflanzen.
Nun betrachtet und erkennet,

Welch ein unſichtbare Glut

Jn dem Schooß der Erde brennet,

Die ſo große Wunder thut!

Ruͤhmt mit froͤlichem Gemuͤthe

Jhres Schoͤpfers Macht und Guͤte,

Der der Erden, die uns traͤgt,

Solche Wirkung eingepraͤgt.

Ehe wir nun weiter gehen,

Und davon inſonderheit

Stuͤckweis jede Schoͤnheit ſehen,

Laßt uns mit Aufmerkſamkeit

Erſt betrachten, Gott zum Preiſe,

Wie, auf ſolche milde Weiſe,

Alle Pflanzen insgemein,

Ueberhaupt gebildet ſeyn.

Bil-
dung
der
Pflan-
zen
über-
haupt.
Wie die Thiere Seelen haben,

Die jedoch nur koͤrperlich,

Ob ſie gleich von groͤßern Gaben:

Alſo zeigt in Pflanzen ſich

Eine Seele, die ſie naͤhret,

Zeugt, vergroͤßert und vermehret;

Eine ſehr ſubtile Glut

Jſt die Seele, die dieß thut.

Wie viel weiter, als vor Zeiten,

Unſer Aug’ in Pflanzen geh,

Wie viel Zart- und Kleinigkeiten

Man in ihren Theilen ſeh,

Wußten uns gar ſchoͤn zu zeigen

Zween, von denen man nicht ſchweigen,

Sondern ſie bewundern muß,

Grew und auch Malpighius.

G 2Die
[100]Betrachtungen
Die an ganz verſchiednen Orten,

Und zugleich zu einer Zeit,

Zeigten, faſt mit ſelben Worten,

Die verborgne Seltſamkeit,

Welche in den kleinſten Dingen

Die Natur hervorzubringen,

Und, zu ihres Schoͤpfers Preis,

Wunderbar zu bilden weis.

Wie wir Thier’ anatomiren,

So anatomiret man,

Durch den Weg, den ſie uns fuͤhren,

Welchen jeder finden kann,

Auch nunmehr der Pflanzen Menge,

Schauet ihrer Adern Gaͤnge,

Ja, ihr Eingeweide gar,

Welches ſonſt verborgen war.

Daß der Pflanzen Wurzeln ihnen,

Welches recht verwunderlich,

Statt des Munds und Magens dienen,

Und ſie naͤhren, zeiget ſich,

Da der Erde zarte Saͤfte,

Durch uns unbekannte Kraͤfte,

Von den zarten Zaͤſerlein,

Erſtlich eingeſogen ſeyn.

Dann gekocht und zubereitet,

Jn den Nahrungsſaft verkehrt,

Und dann oberwerts geleitet,

Da er durch den Stengel faͤhrt

Und gedruckt wird. Wir befinden,

Daß die Wurzeln auch aus Rinden,

Und aus Holz, drinn Mark, beſtehn,

Wie wir es an Staͤmmen ſehn.

Was
[101]uͤber das Reich der Pflanzen.
Was nun aus den Wurzeln ſteiget,

Find’t man, daß es auch ſo ſey.

Stamm und Halm und Stengel zeiget

Ebenfalls die dreyerley.

Mark, ein holzigt Weſen, Rinde,

Die ich an den Staͤmmen finde,

Zeigen mir und jedermann

Goͤttlichgroße Wunder an.

Alle Rinde, ſo entſprießet

Um die Pflanzen aͤußerlich,

Die ſich um dieſelbe ſchließet

Und ſie decket, theilet ſich

Jn zwo Haͤut’ aufs neue wieder,

Die, wenn man’s erwaͤgt, ein jeder

Nach gemachtem richt’gen Schluß

Ehrfurchtsvoll bewundern muß.

Die von dieſen beyden Haͤuten

Aufwerts ſitzet, findet man,

Daß, wie man die Seltenheiten

Durch die Glaͤſer ſehen kann,

Sie aus Blaͤschen bloß beſtehe,

Die beyſammen in der Naͤhe

Weiſ’ und kuͤnſtlich ſo gefuͤgt,

Daß es Aug’ und Geiſt vergnuͤgt.

Da die andre Haut aus mehren,

Und aus dreyerley beſteht.

Erſt aus feſten holen Roͤhren,

Wo der Saft durch aufwerts geht;

Dann aus kleinen lockern Saͤcken,

Die voll ſolches Saftes ſtecken;

Endlich aus viel Aederlein,

So die Naͤhrgefaͤße ſeyn.

G 3Durch
[102]Betrachtungen
Durch dieſelben kleine Gaͤnge

Jn der Rinde, merket man,

Daß der Saft in groͤß’rer Menge,

Als durchs Holz ſelbſt, ſteigen kann:

Wie es klaͤrlich zu erſehen

An den Baͤumen, die vergehen,

Die oft durch die Rind allein

Sattſamlich genaͤhret ſeyn.

Hol-
zigte
Sub-
ſtanz.
Was das inn’re feſte Weſen

Der Gewaͤchſ’ und Baͤum’ angeht;

Sind auch dazu auserleſen,

Viele Theil’, draus es beſteht,

Wie wir, wenn wir es ergruͤnden,

Auch im Holze ſelbſt befinden,

Daß es ſtets in viererley

Richtig eingetheilet ſey.

Erſtlich, kann man deutlich ſehen

Holzigthole Zaͤſerlein,

Die recht buͤſchelweiſe ſtehen,

Und den Netzen aͤhnlich ſeyn,

Die ſich in einander ſchlingen,

Und ſich feſt zuſammen dringen,

Daher denn das Holz ſo feſt,

Wie ſichs leichtlich folgern laͤßt.

Dann beſtehet es aus Saͤcken,

Oder kleinen Blaͤſelein,

Die in jenen Zaͤſern ſtecken,

So von uns beſchrieben ſeyn.

Drittens, aus ſehr kleinen Hoͤlen,

Die, wie jene, nicht zu zaͤhlen;

Hierinn find’t ſich allezeit

Waͤſſerichte Feuchtigkeit.

Viertens,
[103]uͤber das Reich der Pflanzen.
Viertens, finden wir in ihnen

Kleine Roͤhren, die voll Luft,

Und uns zum Beweisthum dienen,

Daß auch ſonder ſolchen Duft

Aus dem zarten Elemente

Keine Pflanze leben koͤnnte;

So wie wir an Thieren ſehn,

Daß ſie nicht ohn Luft beſtehn.

Mark.
Endlich, iſt das innre Weſen

An den Pflanzen ſonderlich,

Denn es ſind dazu erleſen

Runde Kugeln, welche ſich

Jn dem Mark gar klaͤrlich zeigen,

Darinn Nahrungsſaͤfte ſteigen.

Kuͤrzlich: in den Pflanzen ſeyn

Adern, Fleiſch, Haut, Mark und Bein.

Hieraus muͤſſen wir verſpuͤren,

Und zwar an ſo mancherley,

Wie von Pflanzen zu den Thieren

Kein ſo großer Abſtand ſey.

Außer, daß ſie ſich nicht regen,

Und auch kein’ Empfindung hegen,

Haben Pflanzen, wie ſie ſeyn,

Mit den Thieren viel gemein.

Solche Gleichheit iſt zu finden,

Theils, in beyder Nahrungsſaft,

Theils, wenn wir genau ergruͤnden,

Wie gleich beyder Zeugungskraft,

Dort in Eychen, hier im Samen;

Drum man ſie, mit andern Namen,

Faſt mit Recht zu Thieren zaͤhlt,

Denen Fuͤhl- und Regung fehlt.

G 4Doch
[104]Betrachtungen
Doch ſo, wie wir bey den Thieren

Bloß nur auf gewiſſe Jahr

Daß ſie ſich vergroͤßern, ſpuͤren;

Spuͤrt man an der Pflanzen Schaar,

Daß ſie wachſen, weil ſie waͤhren,

Daß ſie ihre Dicke mehren;

Alle Jahr waͤchſt, wie man weis,

An dem Baum ein neuer Kreis.

Man erzaͤhlt, daß dieſe Kreiſe

Jn der Zona torrida

Rund ſeyn, und auf gleiche Weiſe

Sich einander gleiche nah’:

Da wir anderwerts die Ruͤnden,

Gegen Mittag weiter finden,

Wann die, welche Polwerts ſtehn,

Naͤher an einander gehn.

Das dann denen, welche reiſen,

Und vielleicht im Wald verirrt,

Ohn Compaß den Nordpol weiſen

Und ſie richtig fuͤhren wird.

Wird ein Gaͤrtner an den Baͤumen

Dieß zu merken nicht verſaͤumen,

Daß er ſie ſo wieder ſetzt,

Wird er durch mehr Frucht ergetzt.

Was wird in des Holzes Mitten

Nicht fuͤr Bilderwerk geſpuͤrt,

Wenn es in die Queer durchſchnitten,

Findt man’s ſonderlich geziert.

Oeffters gleichet es den Wellen;

Aber in den meiſten Stellen

Gleicht die Bildung insgemein

Mannigfachem Marmelſtein.

Wie
[105]uͤber das Reich der Pflanzen.
Wie viel Adern, Streife, Maſern,

Zirkelzuͤge, Wirbelſtrich,

Winkel, klein’ und große Faſern

Sieht man, mit Verwundrung, ſich

Jn den Staͤmmen, in den Zweigen,

Sonderlich in Wurzeln, zeigen;

Ein vernuͤnftiges Geſicht

Sieht dieß ohn Vergnuͤgen nicht.

Man erwaͤge doch und merke,

Wie das Holz ſo mancherley,

Und an Haͤrte, Farb und Staͤrke

So gar unterſchieden ſey.

Jn den Wurzeln, Stamm und Rinden

Kann man manche Schoͤnheit finden,

So an Farben, als Figur,

Man betrachte ſolches nur.

Ferner ſehn wir auf den Zweigen,
Augen.
Mit Vergnuͤgen, Augen ſtehn,

Die ſo viele Wunder zeigen,

Wenn wir ſie genau beſehn,

Daß kein Menſch auf Erden lebet,

Der die Weisheit gnug erhebet,

Welche Gott, der alles ſchenkt,

Jn ſo kleinen Raum geſenkt.

Kno-
ſpen.
Dieſe Augen an den Baͤumen

Sind, wie Kinder, anzuſehn

Die aus ihren Muͤttern keimen,

Und im Winter ſtille ſtehn.

Da ſie dann in vielen Decken,

Vor den Froſt beſchuͤtzet, ſtecken;

Ja man ſiehet ſie ſo gar

Eingehuͤllt in zartem Haar.

G 5Dieſe
[106]Betrachtungen
Dieſe Decken ſind getheilet,

Daß, wenn ihre zarte Frucht

Allgemaͤhlig vorwerts eilet

Und ſich zu vergroͤßern ſucht,

Sie ihr leichtlich weichen koͤnnen,

Um den Durchgang ihr zu goͤnnen.

Ach, es ſehe jedermann

Dieß doch als ein Wunder an!

Seht, wie ſie geordnet ſitzen:

Jede oͤffnet dreyfach ſich,

Und formirt dadurch drey Ritzen,

Welche ſich gemeinſchaftlich

Durch drey andre Blaͤtter ſchließen,

Die bloß desfalls da entſprießen.

Wo nun die geoͤffnet ſtehn,

Sind noch andre drey zu ſehn.

Man trifft oͤffters neun dergleichen

Zarte Haͤut’ an Knoſpen an,

Daß der Froſt durch ſie nicht ſtreichen

Und die Frucht verſehren kann.

Welche Weisheit, vor Gefahren

Sie ſo kuͤnſtlich zu verwahren!

Atheiſte, ſchau hieher!

Koͤmmt auch dieß von ungefaͤhr?

Wenn wir auf ihr Jnnres achten,

Finden wir, wie zart und klein,

Da wir ſie genau betrachten,

Sie auch anzuſehen ſeyn;

Daß es wirklich kleine Sproſſen,

Die daſelbſt noch eingeſchloſſen.

Jede hegt verborgentlich

Blaͤtter, Zweig’ und Fruͤcht’ in ſich.

Wie
[107]uͤber das Reich der Pflanzen.
Wie wir an den Stielen ſehen,

Daß ſie bloß ein Theil vom Aſt,

Und aus ſelbem Stoff beſtehen:

Alſo wird auch leicht gefaßt,
Blät-
ter.
Daß die Blaͤtter, ihre Kinder,

Eben auch wie ſie, nicht minder,

Von demſelben Stoff und Zeug

Seyn gewebt, wie Stamm und Zweig.

Sie beſtehen auch aus Roͤhren,

Welche holzigt, hol und feſt,

Aus Gefaͤßen, die ſie naͤhren,

Als wodurch der Saft ſich preßt,

Noch aus Blaͤslein, die, gleich Netzen,

Sich verſchrenkt zuſammen ſetzen.

Luftgefaͤß, ein aͤußre Haut

Sind auch mit daran gebaut.

Von den Blaͤttern iſt zu wiſſen,

Daß ſie nicht zur Zier allein,

Sondern, daß ſie vielfach muͤſſen

Bluͤt- und Fruͤchten nuͤtzlich ſeyn;

Wenn die noch in Knoſpen ſtecken,

Dient das zarte Laub zur Decken,

Die ſie fuͤr die Luft und Kaͤlt,

Durch die Feſtigkeit, erhaͤlt.

Wenn nun Bluͤt und Frucht ſich zeiget,

Siehet man recht wunderbar,

Daß, nebſt ihnen, vorwerts ſteiget

Der beſchirm’nden Blaͤtter Schaar,

Die ſind fuͤr zu ſtarke Hitze,

Jhnen dienlich, noͤthig, nuͤtze,

Sonſt vertrocknet’ ihren Saft

Der zu ſtarken Sonnen Kraft.

Wie
[108]Betrachtungen
Wie wir denn im Herbſt erſehen,

Daß, wenn keine Fruͤchte mehr

Auf der Baͤume Wipfeln ſtehen,

Sich dann auch der Blaͤtter Heer,

Weil es nicht mehr nuͤtz, verlieret.

Wenn ihr dieſe Ordnung ſpuͤret,

Ach, ſo dankt mit frohem Muth

Gott, der nichts als Wunder thut!

Dieß noch klaͤrer darzulegen:

Jn der Zona torrida,

Die ſtets in der Sonnen Wegen,

Deren Stral ihr immer nah,

Jſt das Laub, in ſolcher Hitze,

Denen Fruͤchten immer nuͤtze;

Darum, wenn ein Blatt vergeht,

Stets ein anders dort entſteht.

Wie die Weiſen jetzt entdecken,

Soll noch eine andre Kraft

Jn den friſchen Blaͤttern ſtecken,

Da der Fruͤchte Nahrungsſaft

Jn denſelben umgeleitet,

Aufbehalten, zubereitet

Und gekocht wird; welches man

Nimmer gnug bewundern kann.

Wer die Zierlichkeit der Blaͤtter,

Und die Mannichfaltigkeit

Jhrer Farb’, in heiterm Wetter

Wohl betrachtet, wird erfreut.

Der ſubtilen Adern Gaͤnge,

Jhre Ruͤnde, Laͤng’ und Menge,

Ruͤhren billig ein Gemuͤth,

Daß es ſie mit Ernſt beſieht.

Wann
[109]uͤber das Reich der Pflanzen.
Wann die Sommerluft entzuͤndet,

Und man unter einem Baum

Kuͤhlung, Luſt und Schatten findet,

Jm durchs Laub bedeckten Raum,

Spuͤrt man, bey ſo ſchwuͤlem Wetter,

Wie das dichte Dach der Blaͤtter

Und ihr angenehmes Gruͤn

Uns ergetze, ſchuͤtz’ und dien’.

Laßt uns denn den Schoͤpfer preiſen,

Wenn man Laub und Blaͤtter ſieht,

Und uns dankbar dem erweiſen,

Deſſen Weisheit, Macht und Guͤt’

Uns zum Nutzen, Schutz und Freude

Und ſo ſchoͤner Augenweide

Jn der Baͤume Meng’ und Pracht

Das beliebte Laub gemacht.

Blu-
men
insbe-
ſon-
dere.
Da wir nun das Laub betrachtet

Und es uͤberhaupt beſehn;

Werden nunmehr auch beachtet

Bluͤt und Blumen, die ſo ſchoͤn.

Wann wir deren Form erwaͤgen,

Farb und Nutzen uͤberlegen;

Trifft man etwas an, ſo man

Nimmer gnug bewundern kann.

Laßt uns denn zu erſt beſehen

Das, aus welchem insgemein

Blumen eigentlich beſtehen,

Wie ſie eingetheilet ſeyn.

Erſtlich ſieht man mit Vergnuͤgen

Kleine Kelch um ſie ſich fuͤgen,

Dann die Blaͤtter, Petala,

Stylum und die Stamina.

Jhr
[110]Betrachtungen
Jhr klein Kelchlein, das ſie ſtuͤtzet,

Und, ſo lang die Blume klein,

Sie fuͤr manchen Unfall ſchuͤtzet,

Auch ihr ſonſt muß nuͤtzlich ſeyn,

Jſt ein Fortſatz von der Rinde,

Wie ich es gar deutlich finde,

Daß, wo ſie zu Ende geht,

Eben dieſer Kelch entſteht.

Jn der Blaͤtter Pracht hingegen,

Daran uns die Farb’ ergetzt,

So ſie uns vor Augen legen,

Wird verlaͤngt und fortgeſetzt

Die Subſtanz voll kleiner Roͤhren,

Die, wie uns die Augen lehren,

Voller luft’ge Blaͤſelein,

Drum ſie auch ſo fluͤchtig ſeyn.

Dieſe ſchoͤne Blumentheile,

So man nennet Petala,

Zeugen Spitzen, faſt wie Pfeile,

Dieſe heißt man Stamina:

Und wir koͤnnen deutlich ſehen,

Daß die Spitzen da entſtehen,

Wo der zarten Blaͤtter Reſt

Unten an dem Stengel feſt.

Oben auf denſelben Spitzen,

Welches wunderbarlich laͤßt,

Sieht man gelbe Koͤrner ſitzen,

Welche weder los, noch feſt,

Die, wenn ſich die Luͤfte regen,

Auf- und abwerts ſich bewegen,

Auch ſich in die Ruͤnde drehn,

Und doch feſt auf ihnen ſtehn.

Solch
[111]uͤber das Reich der Pflanzen.
Solch ein Korn, ſo gelblich gruͤnet,

Jſt mit gelbem Staub bedeckt,

Deſſen Nutz, wozu er dienet,

Jſt bishero noch verſteckt.

Camerarius vermeynet,

Wie es auch nicht unwahr ſcheinet,

Es muͤß fuͤr die Eyerlein

Ein befruchtend Saͤmlein ſeyn.

Andre, die den Blick drauf heften,

Machen davon dieſen Schluß:

Von den Zeug- und Nahrungsſaͤften

Sey er bloß der Ueberfluß,

Wovon, durch ſo kleine Roͤhren,

Sich die Pflanzen ſelbſt entleeren,

Das ſo, wie es ausgefuͤhrt,

Allgemaͤhlig ſich verliert.

Was den Stylum nun belanget,

Welcher, mit erhabner Zier,

Mitten in der Blume pranget,

Koͤmmt er mir nicht anders fuͤr,

Als daß er uns ein Gehaͤuſe

Von dem Samen klaͤrlich weiſe;

Er iſt, wenn man’s unterſucht,

Schon ein Anfang von der Frucht.

Ja, wenn wir die holde Bluͤte,

Die ſo angenehm, als ſchoͤn,

Mit erwaͤgendem Gemuͤthe,

Sammt derſelben Nutzen ſehn;

Zeigt ſich klaͤrlich dem Geſichte,

Daß fuͤr Samen und fuͤr Fruͤchte,

Und zu deren Schutz allein,

Sie darinn gezogen ſeyn.

Durch
[112]Betrachtungen
Durch der Blumen ſchoͤne Decken

Sind ſie, wie man’s klaͤrlich ſpuͤrt,

Da ſie in denſelben ſtecken,

Mehr geſchuͤtzt noch, als geziert.

Hierinn find’ ich Wunderwerke,

Die ich mit Erſtaunen merke;

Die durch ſie geruͤhrte Bruſt

Spuͤret eine neue Luſt.

Eben, wenn mit ſolcher Fuͤlle

Die Natur das Aug’ ergetzt,

Wirkt ſie etwas in der Stille,

Was man noch viel hoͤher ſchaͤtzt,

Wirket ſie, durch ſuͤße Fruͤchte,

Uns ſo mancherley Gerichte,

Und die Huͤlſen, die ſo ſchoͤn,

Laͤßt ſie uns inzwiſchen ſehn.

Der
Sa-
me.
Ja, der Same ſcheint zumalen

Recht ihr Augenmerk zu ſeyn,

Drum huͤllt ſie in ſo viel Schaalen

Dieß, ihr Kleinod, kluͤglich ein.

Weil, wenn Bluͤt und Frucht vergehet,

Doch durch ihn die Art beſtehet,

Jſt ſie alſo, wie man ſieht,

Stets fuͤrs Kuͤnftige bemuͤht.

Wie wir es nunmehr entdecken,

Soll in ihren Blaͤtterlein

Nicht der Nahrungsſaft nur ſtecken,

Sondern auch in ihnen ſeyn

Selbſt der Anfang von dem Samen,

Welchen man, nur nach dem Namen,

Kennt, und deſſen wahrer Stand

Keinem Menſchen recht bekannt.

Ja,
[113]uͤber das Reich der Pflanzen.
Ja, wie wir es deutlich ſpuͤren,

Wenn man immer weiter ſucht:

Was die Jungen in den Thieren,

Sind, in Pflanzen, Sam und Frucht.

Dieſen dienet ihr Gehaͤuſe,

Auf dieſelbe Art und Weiſe,

Haͤlt und bringt die Frucht herfuͤr,

Wie die Mutter in dem Thier.

Wenn man nun mit Ernſt erwaͤget,

Und der Pflanzen Fruchtbarkeit,

Gott zu Ehren, uͤberleget,

Wird man inniglich erfreut.

Da ſie ſich ſo haͤufig mehren,

Um das Thierreich zu ernaͤhren,

Da fuͤr ein Thier nur allein

So gar viele noͤthig ſeyn.

Eines weiſen Weſens Werke,

Ja gar einen hellen Stral

Seiner Weisheit, Lieb und Staͤrke

Spuͤret man hier abermal.

Weil die Ordnung klar zu ſehen,

Wornach alle Dinge gehen,

Da es ſonſt ganz anders waͤr,

Herrſcht’ ein blindes Ungefaͤhr.

Stellen die Vermehrungskraͤfte

Auch in ſich nicht Wunder dar

Eines Samens fette Saͤfte

Zeugen oͤfters eine Schaar,

So, daß es faſt unbeſchreiblich,

Unbegreiflich und unglaͤublich,

Wie in einem Korn allein

Hunderttauſend Kinder ſeyn.

HJa,
[114]Betrachtungen
Ja, man kann viel mehr noch ſagen,

Vom Tobak iſt dieſes wahr,

Daß ein Samenkorn getragen

Nur in einem einz’gen Jahr

Dreymal hundert tauſend. Ferner,

Zehen Millionen Koͤrner

Traͤgt die Hirſchzung faſt allein;

Wer ſieht dieſes Wunder ein?

Laßt uns nun von Pflanz- und Baͤumen

Den verborgnen Samen ſehn,

Draus ſie all entſtehn und keimen!

Aber wer wird dieß verſtehn?

Wo iſt Witz genug zu finden,

Dieß Geheimniß zu ergruͤnden?

Saget, was gereicht wohl mehr

Uns zur Demuth, Gott zur Ehr?

Wird was auf der Welt gefunden,

Wo beym Koͤrper ſich der Geiſt

Auf verborgne Art verbunden,

Und ſich gleichſam ſichtlich weiſt:

So iſt es gewiß der Same.

Daß nun der den Urſprung nahme

Von dem Schoͤpfer ſelbſt, iſt klar,

Und recht uͤberzeuglich wahr.

Wenn man dieſes recht bedenket,

Wie doch, in ſo kleinem Platz,

Wunderbarlich eingeſchrenket

Ein faſt unſchaͤtzbarer Schatz,

Wie darinn ein Geiſt, ein Leben,

Wie in zaͤrtlichen Geweben,

Selbſt die Form vom groͤßten Baum

Jn dem Samen findet Raum.

Wenn
[115]uͤber das Reich der Pflanzen.
Wenn man, ſag’ ich, dieß erwaͤget,

Wird, mit Recht, von jedermann

Auf den Mund die Hand geleget,

Weil kein Witz begreifen kann,

Wie das Große ſo verkleinet,

Wie hier Leib und Geiſt vereinet,

So genau verknuͤpfet ſeyn:

Gott der Herr weis es allein!

Willt du Gottes Groͤße merken,

Und zugleich dein Nichts verſtehn,

Menſch, du darfſt, von allen Werken,

Nur zum Samenkoͤrnlein gehn.

All’ dein Sinnen, alles Denken,

Wird, verſchlungen, ſich verſenken,

Sonder Grund und Wiederkehr,

Wie ein Tropfen in ein Meer.

Nicht nur unſre Augen ſehen

Sich faſt auf die Samen blind,

Der Verſtand muß ſelbſt geſtehen,

Daß ſie ihm unſichtbar ſind.

Solcher großen Koͤrpertheile

Unbegreiflich zarte Seile

Finden in der Kleinheit ſich

Nie verwirrt, ſtets ordentlich.

Wenn ich der erhab’nen Eiche

Dicke, Breite, Groͤß’ und Hoͤh’

Mit der Eichelfrucht vergleiche,

Und ſie bey einander ſeh’:

Stutzt mein Geiſt, weil ich nicht finde,

Wie Stamm, Blaͤtter, Wurzel, Rinde,

Wie ſo viel und mancherley

Drinn formirt geweſen ſey.

H 2Daß
[116]Betrachtungen
Daß die Menge ſolcher Dinge,

Die ſo ordentlich, als ſchoͤn,

Ohn Verſtand aus ſich entſpringe,

Und von ungefaͤhr entſtehn,

Jſt ja laͤcherlich; Nicht minder,

Daß die Waͤrme ſie als Kinder

Hab’ erzeugt und fortgebracht,

Jſt ohn Witz und ohn Bedacht.

Da doch, wenn wir recht ergruͤnden

Jhrer Kraft Beſchaffenheit,

Jn der Waͤrme nichts zu finden,

Als nur bloß die Schnelligkeit,

Sonder Geiſt, Verſtand und Wiſſen.

Daß wir alſo ſchließen muͤſſen:

Sonder Geiſt ſey keine Hitz,

Etwas zu erſchaffen, nuͤtz.

Billig muß man denn, geruͤhret,

Durch die Weisheit und die Macht

Deß, der alles dieß formiret

Und ſo weislich ausgedacht,

Seine Macht und Herrlichkeiten

Eifrig ſuchen auszubreiten:

Billig, wenn wir dieſes ſehn,

Muß man unſern Gott erhoͤhn!

Der ſo mancherley Geſtalten

Jn Gewaͤchſen ausgedacht,

Sie ſo lange Zeit erhalten,

Jn ſo kleinen Raum gebracht,

Wunderbarlich ſie verbeſſert,

Sie entwickelt, ſie vergroͤßert,

Und, ſo wie die ganze Welt,

Auch derſelben Art erhaͤlt.

Wer
[117]uͤber das Reich der Pflanzen.
Wer in dem, was hier ſich weiſet,

Den, der ſolche Wunder macht,

Nicht mit froher Ehrfurcht preiſet,

Und dadurch zugleich veracht,

Was wir bloß durch Jhn empfangen:

Wie kann der mit Recht verlangen,

Daß vor einem andern Thier

Jhm ein Vorzugsrecht gebuͤhr.

Wo koͤmmt in der Menſchen Seelen

Solch ein fuͤhllos Weſen her?

Kann was Goͤttlichs ihr nur fehlen,

Da ſonſt nichts von Gottheit leer?

Da von Gott, obgleich verhuͤllet,

Erd’ und Himmel angefuͤllet?

Alles iſt voll Gott und Licht,

Nur ſolch eine Seele nicht.

Faſt erſtaunt von ſuͤſſem Schrecken,

Heiliger Verwundrung voll

Kann ein frommer Geiſt entdecken,

Wie ſo herrlich, wie ſo wohl

Gott ſich hier verbirgt und zeiget.

Da wir, billig tiefgebeuget,

Jhn verſtehn und nicht verſtehn,

Jhn nicht ſehen, und doch ſehn.

Herr! wie groß ſind deine Werke!

Ruft hier mein erſtaunter Mund;

Deine Weisheit, deine Staͤrke

Machet jedes Saͤmlein kund!

Solche Bilder zu erdenken,

Solche Groͤße zu verſchrenken

Jn ſo kleinem Platz und Ort,

Wirkt bloß dein allmaͤchtig Wort.

H 3Ob
[118]Betrachtungen
Ob, durch Gott, die erſten Samen

Alle Bilder auf einmal

Bey der Schoͤpfung uͤberkamen,

Oder ob derſelben Zahl

Jn den Elementen liege,

Und ſich aus denſelben fuͤge,

Jſt hier zu entſcheiden ſchwer,

Doch dient beydes Gott zur Ehr.

Herr, wer muß in deinen Werken

Nicht ein’ immer neue Spur

Deiner Macht und Weisheit merken!

Oft bemuͤht ſich die Natur

Selbſt den Samen auszuſaͤen,

Oft muß ihn der Wind verwehen,

Wenn ſie, daß er leicht verfliegt,

Kleine Faͤſer an ihn fuͤgt.

Ja, wir finden oftermalen,

Daß ſie mancher Pflanzen Kind,

Jn ſo ſonderbare Schalen,

Die ein rechtes Springwerk ſind,

Leget, draus, wenn ſie zerſpringen,

Schnell die reife Koͤrner dringen,

Wodurch ſie ſie weit und breit

Wunderwuͤrdig von ſich ſtreut.

Jch bin ſelbſt darinn vergnuͤget,

Daß ich dieß nicht faſſen kann.

Alles, was in ſelben lieget,

Seh’ ich als ein Wunder an.

Ja mich deucht, daß in der Naͤhe

Jch ſelbſt Gottes Finger ſehe.

Selbſt das, was mir unbekannt,

Zeiget mir des Schoͤpfers Hand.

Nicht
[119]uͤber das Reich der Pflanzen.
Nicht allein des Samens Menge

Jſt fuͤr uns erſtaunenswerth,

Welche durch gewohnte Gaͤnge

Uns ein jeder Baum beſchehrt:

Sondern, wo ſein Stamm zerſchnitten,

Steiget aus deſſelben Mitten

Manches neuen Zweigleins Strauß

Faſt an jedem Ort heraus.

Dieß nun kann uns klar entdecken,

Wer es merkt, begreift es wohl,

Wie der Baum an allen Ecken

Solcher kleinen Augen voll.

Da, wo wir ihn auch behauen,

Wir doch ſtets dergleichen ſchauen,

Wir verſpuͤren allezeit,

Eine neue Fruchtbarkeit.

Alle die ſo zarten Sproſſen,

Die kein Auge ſehen kann,

Weil ſie nicht hervorgeſchoſſen,

Trifft man drinn ſo wirklich an,

Als die großgeword’nen Aeſte:

Folglich ſtell’ ich dieſes feſte,

Daß (wer ſieht Gott nicht hiebey)

Alles unerſchoͤpflich ſey.

Waͤr’ ein jedes ausgeſchlagen,

Haͤtt’ ein jedes wiederum

Eben ſo viel noch getragen.

Vor Verwundrung wird man ſtumm,

Wenn man denket: Millionen

Samenkoͤrner ſind und wohnen,

Haben, bloß in einem Baum,

Der vollkommen, Platz und Raum.

H 4Dann,
[120]Betrachtungen
Dann, daß ſich in allen Bollen,

Draus ein Baum faſt ganz beſteht,

So viel Baͤume finden ſollen,

Dieß beſiegt und uͤbergeht

Aller Menſchen Witz und Wiſſen,

Wer wird hier nicht rufen muͤſſen:

Himmel, Erde, Luft und Meer,

Herr, ſind voll von deiner Ehr!

Will man hier noch weiter gehen,

Und erwaͤgen, daß kein Aſt

Wachſen koͤnnen und entſtehen,

Waͤr’ im Baum nicht eingefaſſ’t

Eine Menge ſolcher Augen,

Die allein zu zeugen taugen.

Zweige, Blaͤtter, Frucht und Bluͤt

Ruͤhren ein geſetzt Gemuͤth.

Denn dieß iſt nicht zuzuſchreiben

Eines Baumes Zaͤſerlein,

Als die bloß zum Dehnen, Treiben,

Und zum Wachſen faͤhig ſeyn,

Aber nie ein Aug’ erzeugen;

Auch iſt dieß dem Saft nicht eigen,

Der allein die Pflanzen naͤhrt,

Aber ſelbe nicht vermehrt.

Denn dieſelbe zu geſtalten,

Jſt ganz eine andre Kraft.

Nimmer kann dieß Amt verwalten

Bloß das Holz, auch nicht der Saft.

Nicht das kleinſte Gras auf Erden,

Kann durch Naß gebildet werden:

Aus dem Dotter ganz allein

Kann kein Huhn erzeuget ſeyn.

Wenn
[121]uͤber das Reich der Pflanzen.
Wenn wir recht mit Ernſt beſehen

Aller Pflanzen Eigenſchaft,

So kann keine je entſtehen

Sonder eines Samens Kraft.

Denn ein Same, wie es ſcheinet,

Und man lange Zeit gemeynet,

Jſt kein Weſen ohn Figur,

Es betriegt der Schein uns nur.

Nein, im Samen liegt verſchrenket

Der zukuͤnft’gen Pflanze Bild,

Dieſes iſt in ihn geſenket,

Er iſt ganz damit erfuͤllt.

Da die Zaͤſerchen, wie Sehnen,

Dann ſich aus einander dehnen,

Wenn ſie Waͤrm und Feuchtigkeit

Lockt und treibt zur Fruͤhlingszeit.

Denn allein aus bloßer Erden

Kann, wie die Erfahrung lehrt,

Nicht die kleinſte Pflanze werden.

Bloß den Saft, der Pflanzen naͤhrt,

Hebt ſie auf. Sie dient daneben,

Einen Wohnplatz abzugeben,

Da ſie ſie beherbergt, ſtuͤtzt,

Und die Wurzeln deckt und ſchuͤtzt.

Kleine
Ran-
ken.
Mehr bewundernswerthe Theile

Trifft man noch in Pflanzen an,

Wovon ich die kleinen Seile

Hier nicht uͤbergehen kann,

Welche wir an vielen finden,

Wodurch ſie ſich binden, winden,

Und wie wir an ihnen ſehn,

Von der Erde ſich erhoͤh’n.

H 5Erbſen,
[122]Betrachtungen
Erbſen, Bohnen, Hopfen, Reben

Haben kleine Gaͤbelein,

Wodurch ſie ſich zu erheben

Und zu halten faͤhig ſeyn.

Da ſie ſonſten in der Erden

Nicht ſo fruchtbar koͤnnten werden,

Sondern blieben ganz verſtrickt,

Wild, verwickelt und erſtickt.

Zäſer-
chen.
Noch ſind viele voller Spitzen,

Und mit zartem Haar verſehn,

Die denſelben nicht nur nuͤtzen,

Dadurch, daß ſie ſicher ſtehn;

Nein, man ſpuͤret, daß ſie ihnen

Noch zu etwas mehrerm dienen,

Da des Naſſes Ueberfluß

Sich durch ſie zertheilen muß.

Weil von den ſubtilen Theilen

Aus der Pflanzen innerm Saft

Viele ſtets von ihnen eilen

Und verduͤnſten; muß die Kraft

Wieder aus der Luft und Erden

Ungeſaͤumt erſetzet werden,

Wie man es im Thierreich ſieht,

Daß es eben ſo geſchieht.

Wur-
zeln.
Nehmen Thiere Koſt und Speiſe

Durch den Mund und Hals zu ſich;

So nimmt hier, auf andre Weiſe,

Und zwar recht verwunderlich,

Aller Pflanzen große Menge,

Durch der Wurzeln kleine Gaͤnge

Und derſelben Zaͤſerlein,

Jhre feuchte Nahrung ein.

Dieſe
[123]uͤber das Reich der Pflanzen.
Dieſe Gaͤnge nun beſtehen

Meiſt aus Blaͤslein, welche man

Als Gedaͤrmer anzuſehen,

Ja, fuͤr Magen nehmen kann,

Worinn ſich der Saft bereitet,

Reinigt, kocht und ſich verbreitet,

Da er denn, recht durchgeſeigt,

Bis zum hoͤchſten Gipfel ſteigt.

Wie dieß eigentlich geſchehe,

Daß der Saft ſo wunderbar

Bis zu einer ſolchen Hoͤhe

Aufgefuͤhret werd’; iſt klar:

Wenn man denkt, daß er, wie Duͤnſte,

Durch der Aederchen Geſpinnſte,

Vom Gewicht der Luft gedruͤckt,

Leichtlich aufwerts ſey geſchickt.

Denn die Luft mit ihrer Schwerde,

Treibt und druͤckt den Nahrungsſaft,

Welcher in und um der Erde,

Jn die Loͤchlein, und verſchafft,

Daß er, durch der Adern Gaͤnge,

Leicht ſich in die Hoͤhe draͤnge,

Denn die ſind, recht wie ein Schwamm,

Ueberall in Zweig und Stamm.

Aus-
dün-
ſtung.
Werden in die kleine Roͤhren

Mehre Saͤfte eingefuͤhrt,

Als zum Unterhalt gehoͤren

Und als noth, was er verliert

Durch die Duͤnſtung, zu erſetzen;

Spuͤrt man, daß an allen Plaͤtzen

Jeder Theil ſich dehnt und dreht,

Draus ihr Wachsthum dann entſteht.

Daß
[124]Betrachtungen
Daß an Pflanzen, wie an Thieren,

Und zwar gleichfalls zweyerley,

Duͤft- und Duͤnſtungen zu ſpuͤren,

Ja recht klar zu weiſen ſey,

Dem wird niemand widerſprechen.

Aus verſchiednen Pflanzen brechen

Duͤnſte, welche jedermann

Fuͤhlen, ſehn und ſchmecken kann.

Daß nun ſolche Feuchtigkeiten,

Die auf einigen zu ſehn,

Von dem Thau nicht herzuleiten,

Sondern aus der Pflanz entſtehn,

Merkt man, weil ſie fett und ſuͤße:

Ferner, daß der Saft entſprieße

Fruͤh’ nicht, auch im Schatten nicht,

Nur im warmen Sonnenlicht.

Dieſe Saͤfte, die den Bienen,

Wie es ja ein jeder weis,

Sonderlich zur Nahrung dienen

Bey derſelben munterm Fleiß,

Laſſen uns zugleich im Schmecken

Jhren Urſprung leicht entdecken,

Da der Honig in der That

Den Geſchmack von Blumen hat.

Wie denn die Erfahrung zeiget,

Daß das Manna ſolch ein Saft,

Welcher aus den Blaͤttern ſteiget,

Und daß ſeine Eigenſchaft

Nicht, wie man vorhin gemeynet,

Thau ſey, ob es gleich ſo ſcheinet;

Sondern es wird ausgeſchwitzt,

Wenn die Sonne ſie erhitzt.

Gleich-
[125]uͤber das Reich der Pflanzen.
Gleichfalls ſind des Zuckers Saͤfte,

Harz und Gummi eben auch,

Jhrer Pflanzen Nahrungskraͤfte,

Die nach ſonderbarem Brauch

Sich von ihren Pflanzen trennen,

Draus, wie wir es ſehen koͤnnen,

Und man es mit Luſt verſpuͤrt,

Sich was ſonderlichs formirt.

Wobey wir jedennoch finden,

Daß, wenn von dergleichen Saft

Gar zu viel aus ihren Rinden

Sich ergießt, ein Baum die Kraft

Ganz verlier’, und gleichſam ſterbe:

Drum ein Gaͤrtner gleich die Kerbe,

Wenn er ihn im Jmpfen theilt,

Mit dem Wachs verbindt und heilt.

Ver-
meh-
rung.
Wenn wir ferner Achtung geben

Auf die Pflanzen, findet man,

Daß derſelben ganzes Leben,

So viel man bemerken kann,

Sey ein ſtetiges Gebaͤhren.

Sich vergroͤßern, ſich vermehren,

Scheint, wenn man’s bemerkt, allein

Jhr beſtaͤndig Werk zu ſeyn.

Dieß wird leicht hieraus erkennet:

Wenn man irgend einem Thier’

Ein’s von ſeinen Gliedern trennet,

Waͤchſt kein ander Glied herfuͤr,

Wie ſich doch aus Pflanzen zeigen.

Aus den abgeſchnitt’nen Zweigen

Waͤchſt nicht nur ein neuer Strauß,

Nein, es wachſen viel heraus.

Die,
[126]Betrachtungen
Die, ſo wie ſichs ſelbſt entdecket,

Wenn man es wohl uͤberlegt,

All’ im Stamm vorhin geſtecket.

Ach betrachtet! Ach erwaͤgt!

Welch ein Meer von Wunderwerken

Kann man doch darinn bemerken,

Stellt nicht dieß aufs neue dir

Sich faſt als unendlich fuͤr?

Da denn die Unendlichkeiten

Uns zur Vollenkommenheit

Von der Gottheit Groͤße leiten

Jn der groͤßten Deutlichkeit.

Wer in mathemat’ſchen Dingen

Sucht ein wenig einzudringen,

Dem koͤmmt dieß Unendlich’ hier

Nicht gar unbegreiflich fuͤr.

Keine Linien, noch Zahlen

Findet man ſo groß, ſo klein,

Daß nicht ungezaͤhlte malen

Die noch zu vermehren ſeyn,

Und die kleinen zu zertheilen.

Dieſe Wahrheit kann uns heilen

Von dem eitlen Unbedacht,

So uns oft ein Zweifel macht.

Denkſt du, wie zum erſtenmale

Eine Eichel ward, ſo ſprich:

Wie ſchloß deren enge Schale

Aller Eichen Meng’ in ſich,

Die bis an das Grab der Erden

Werden fortgepflanzet werden;

Jeder Menſch, hiedurch geruͤhrt,

Wird zum Schoͤpfer ſelbſt gefuͤhrt.

Und
[127]uͤber das Reich der Pflanzen.
Und dahin den Weg zu nehmen,

Hat ein wahrer Phyſicus

Sich ja nimmermehr zu ſchaͤmen,

Weil er ja begreifen muß,

Daß, zum Schoͤpfer hinzuleiten,

Eins der groͤßten Trefflichkeiten,

So uns ſeine Kunſt entdeckt,

Und in ihr verborgen ſteckt.

Wenn wir nun noch weiter ſinnen,
Urſtoff.
Um den Urſtoff zu beſeh’n,

Und das Weſen recht von innen,

Draus die Pflanzen all beſteh’n,

Wird man, wenn wir ſie ergruͤnden,

Leichtlich dieſe Wahrheit finden:

Daß ihr Urſtoff einerley

Mit dem Mineralreich ſey.

Jſt der Stoff der Mineralen

Salz, Salpeter, Vitriol;

So ſind die Fundamentalen

Von den Pflanzen eben wohl

Auch dieſelben; ſaure Saͤfte

Haben eben ſolche Kraͤfte

Jn den Pflanzen uͤberall,

Als die Saͤure im Metall.

Aus dem fluͤcht’gen Salz erſcheinet,

Daß, von grober Erde frey,

Es ein Salz mit Oel vereinet,

Wie im Mineralreich ſey.

Theile, welche ſich entzuͤnden,

Die wir auch in Pflanzen finden,

Sind, wie dorten ja ſowohl,

Vitriol und Schwefel voll.

Es
[128]Betrachtungen
Es war in den vor’gen Zeiten

Aller Pflanzen Art und Stand,

Kraͤft’ und Mannichfaltigkeiten

Durch die Menge unbekannt,

Da man ſie itzt durch der Kenner

Und verſchied’ner großer Maͤnner

Kunſt und unverdroſſ’nen Fleiß

Ziemlich einzutheilen weis.

Jn die zwey und zwanzig Arten

Trifft, mit viel Verwundrung, man

Auf dem Feld und in dem Garten

So von Baͤum- als Pflanzen an.

Laßt uns nach der Ordnung gehen,

Und von Blumen erſtlich ſehen,

Die bey einem Blatt allein

Dennoch glockenfoͤrmig ſeyn.

Dieſe, wenn wir ſie ergruͤnden,

Theilen auf das neue ſich,

Da ſich unterſchied’ne finden,

Die den Glocken eigentlich

Und in allen Stuͤcken gleichen;

Jhrer viel’ hingegen reichen

Nicht an ganzer Aehnlichkeit,

Da die Roͤhren nicht ſo weit.

And’re ſind hingegen breiter,

Gleichen dannenhero bald,

Da ſie allenthalben weiter,

Einer Schuͤſſel an Geſtalt;

Noch ſind andere zu finden,

Die ſich in der Mitte ruͤnden,

Wie man dieß an Gloͤckleinkraut,

Eibiſch, Kuͤrbs und Pappeln ſchaut.

Dieſer
[129]uͤber das Reich der Pflanzen.
Dieſer ſind im Feld und Garten,

Wie ein fleißig Auge findt,

Auf fuͤnfhundert achtzig Arten,

Die bemerkenswuͤrdig ſind;

Weil ſie all’ an Farb und Kraͤften,

An Geſtalt, Figur und Saͤften

Wieder unterſchieden ſeyn:

Ganz ſtimmt keine uͤberein.

Jn der andern Claſſe ſtehen

Blumen, die, in ihrem Flor,

Einem Trichter aͤhnlich ſehen.

Oben ſtellen dieſe vor

Jezuweilen kleine Raͤder,

Jhre Blaͤtter und Geaͤder

Sehen ſpitzig, etwas kraus,

Und wie kleine Sternchen aus.

Gehen wir nun auch zur dritten,

Finden in derſelben ſich

Blumen, welche in der Mitten,

Wie es laͤßt, unordentlich

Jhr auch einfach Blatt formiren,

Da wir an verſchied’nen ſpuͤren,

Daß ſie kleinen Kaͤppelein,

Recht mit Zipfeln, aͤhnlich ſeyn.

Andre, die hieher gehoͤren,

Sehen einer Zungen gleich

Born an ihren langen Roͤhren.

Noch ſind andre rund und weich,

Welche, wie verhuͤllet, ſtehen,

Und nicht anders anzuſehen,

Als wie ein vermummt Geſicht.

Von noch mehrern red’ ich nicht.

JPflan-
[130]Betrachtungen
Pflanzen in der vierten Claſſen

Haben Blumen, welche recht

Als wie offne Lippen laſſen.

Jn derſelbigen Geſchlecht,

Wie die Blumenweiſen wiſſen,

Zaͤhlt man Rosmarin, Meliſſen,

Muͤnz, Salbey, und viele mehr,

Ja, wer zaͤhlt wohl alle her?

Jn der fuͤnften Claſſe ſtehen

Pflanzen, deren Blumen wir

Voller kleinen Stiftchen ſehen,

Welcher Blaͤtter, deren vier,

Stets ins Kreuz zu ſitzen pflegen;

Dieſer Arten Blumen hegen

Kal, wo man ſie haͤufig ſchaut,

Taͤſchel- und das Loͤffelkraut.

Pflanzen, welche Blumen tragen,

So auch voller Stiftelein,

Die aus ihrer Mitte ragen,

Worinn ſie geordnet ſeyn,

Und um deren zarten Spitzen

Roſengleiche Blaͤtter ſitzen,

Die an Dau’r und Farben zart,

Zaͤhlt man zu der ſechſten Art.

Jn die ſiebende gehoͤren

Kraͤuter, die ein Bluͤmchen ziert,

Deſſen Stiel an ſeinen Roͤhren

Einen Sonnenſchirm formirt,

Deſſen Blaͤtter gleicherweiſe

Roſenfoͤrmig und im Kreiſe.

Hier gehoͤrt der Kuͤmmel her,

Fenchel, Till und andre mehr.

Jn
[131]uͤber das Reich der Pflanzen.
Jn der achten ſind zu zaͤhlen

Blumen, die an Blaͤttern reich,

Welchen Schmuck und Reiz nicht fehlen;

Die, den Gartennelken gleich,

Ausgeſchnitt’ne Blaͤtter tragen,

Deren Spitzen auswerts ragen;

Unter denen Naͤgelein

Sonderlich zu rechnen ſeyn.

Jn der neunten Claſſe ſtehen

Alle Pflanzen, dran allein

Solche Blumen ſind zu ſehen,

Die den Liljen aͤhnlich ſeyn.

Dieſe findet man im Garten

Von verſchied’nen Farb- und Arten,

Drunter Tulpe, Hyacinth,

Und die Kaiſerkronen ſind.

Jn die zehnte ſind zu bringen

Kraͤuter, die nicht minder ſchoͤn,

Deren Blumen Schmetterlingen,

Wenn ſie fliegen, aͤhnlich ſeh’n,

Welche viele Stiftchen ſchmuͤcken.

Bohnen, Erbſen und die Wicken

Sind, doch in der Bluͤte nur,

Von derſelbigen Figur.

Jn der eilften Gattung prangen

Pflanzen, deren Blaͤtterlein,

Bey viel kleinen Blumenſtangen,

Nicht in gleicher Ordnung ſeyn,

Sondern deren Blatt und Spitzen

Nicht auf eine Weiſe ſitzen;

Wie man dieß am Balſamkraut,

Auch an den Violen, ſchau’t.

J 2Die
[132]Betrachtungen
Die auf dieſe folget, heget

Pflanzen, deren jede Bluͤt

Manche kleine Blume traͤget,

Dran man kleine Roͤhrchen ſieht:

Deren ausgeſchnitt’ne Spitzen

Nahe bey einander ſitzen,

Wie man’s an der Dieſtelbluͤt,

Scabios und Kornblum ſieht.

Jn die folgende gehoͤren

Solche Blumen, deren Blatt

Nicht aus ganz-, aus halben Roͤhren

Seine Form und Bildung hat.

Dieſer Blaͤtter hat ſie viele,

Jn der Ruͤnd’, um ihrem Stiele,

Solche ſind, nebſt andern mehr,

Wegwart und die Scorzoner.

Ferner ſtehn in einem Range

Die Gewaͤchs, an deren Bluͤt

Man an ihres Stengels Stange

Recht als kleine Stralen ſieht,

Die rings in der Ruͤnde ſchießen,

Und aus einem Mittel ſprießen;

Wie man dieß am Jacobskraut,

Gemsblum und der Geißwurz ſchaut.

Noch iſt eine eig’ne Sorte,

Deren Blume gar kein Blatt,

Und ſtatt deß, am ſelben Orte,

Kleine Haar’ und Stenglein hat,

Die zuweilen faſt ſo duͤnne,

Als die Faͤden einer Spinne.

Man erblickt dergleichen Flor

Am Korn, Haber, Gras und Rohr.

Jn
[133]uͤber das Reich der Pflanzen.
Jn noch einer Claſſe ſtehen

Staub- und Pflanzen, woran Saat,

Aber Blumen nicht, zu ſehen,

Deren man verſchied’ne hat.

Da wir viele zaͤhlen koͤnnen,

Wollen wir nur welche nennen,

Als die Hirſchzung, Mauerraut,

Engelſuͤß und Fahrenkraut.

Noch iſt eine Sort, an denen

Man von Fruͤchten und von Bluͤt,

So wie unſer Aug’ an jenen,

Auch nicht das geringſte ſieht,

Und verſchieden ſind von allen.

Dieſer Gattung ſind Korallen,

Meergewaͤchſe, Schwaͤmm’ und Moos,

Derer Anzahl ziemlich groß.

Auch iſt vielen Baͤumen eigen,

Daß ſie bluͤh’n, doch an der Bluͤt

Gar von Blaͤttern nichtes zeigen,

Wie man es am Buxbaum ſieht,

Und am Eſchenbaum. Bemerke,

Lieber Menſch, des Schoͤpfers Werke,

Wie ſo viel und mancherley

Der Geſchoͤpfe Bildung ſey.

Von den Claſſen iſt noch eine,

Die beſond’re Blumen hegt,

Deren Bluͤt von Blaͤttern keine,

Sondern rauhe Kaͤtzlein, traͤgt,

Wie uns ſolche Buch und Eichen,

Sammt dem Nußbaum, haͤufig reichen.

Welche wir auf ihren Hoͤh’n

Ohn’ Bewunderung nicht ſeh’n.

J 3Jn
[134]Betrachtungen
Jn die zwanzigſte gehoͤren,

Deren Blume nur ein Blatt,

Wie, gleich denen Heidelbeeren,

Ulmbaum und Holunder hat:

Auch die purpurne Cyrene,

Die nicht minder ſchoͤn, als jene,

Deren faſt ſchneeweiße Bluͤt

Man mit Freuden riecht und ſieht.

Noch ſind Baͤum’, auf deren Zweigen

Sich die Blumen Roſen gleich

Jn den zarten Blaͤttern zeigen,

Die ſo form- als farbenreich.

Wie wir dieſe Gattung finden

Auf dem Mandelbaum, und Linden;

Auch ſieht man dieſelbigen

Auf dem Pfirſch- und Kirſchbaum ſtehn.

Nun noch von der letzten Claſſen,

Worinn Baͤum’ und Stauden ſeyn,

Deren zarte Blumen laſſen

Recht wie Sommervoͤgelein:

Derer wir auf Berg’ und Gruͤnden

Hundert zwey und dreyßig finden,

Wovon in dem Blumenreich

Keine ganz der andern gleich.

Alſo haͤtten wir die Arten

Ueberhaupt nur angeſehn,

Die im Felde und im Garten

Jhrem Gott zu Ehren ſtehn.

Jetzo ſollten wir nun zeigen

Das, was einer ieden eigen:

Aber, wer iſt auf der Welt,

Dem dieß nicht unmuͤglich faͤllt?

Welche
[135]uͤber das Reich der Pflanzen.
Welche große Wunderwerke

Leget nicht der Blumen Schaar

Von des Schoͤpfers Liebe, Staͤrke,

Und von ſeiner Weisheit dar!

Wenn wir dieſes recht erwaͤgen,

Und gebuͤhrend uͤberlegen;

Jſt wohl der kein Menſch, der nicht,

Wunder, uͤber Wunder! ſpricht.

Aber da es nun unmuͤglich,

Daß man ſolche recht beſchreibt,

Glaub ich, daß man desfalls fuͤglich

Bloß bey der Bewund’rung bleibt,

Und was Gott darein geleget,

Mehr nur uͤberhaupt erwaͤget,

Als daß wir uns unterſteh’n,

Jn das Einzelne zu gehn.

Ueberdem hab’ ich vor dieſen

Von den ſchoͤnſten allbereit

Farben und Geſtalt gewieſen,

Und ſie Gott zum Ruhm geweiht.

Tulpen, Kaiſerkronen, Liljen,

Hyacinthen, Gras, Jonquiljen,

Malva, Crocus, Matronal,

Und noch eine große Zahl.

Sammt der Sonnenblumen funkeln

Mayenblumen, Primula,

Nelken, Ritterſporn, Ranunkeln,

Schnee- und Kornblum, Veilchen, Mah,

Rothe- Weiß- und Eßigroſen,

Bluͤte von den Apricoſen,

Nebſt der Hyacinth, Muſkat,

Admirabilis, Granat.

J 4Auch
[136]Betrachtungen
Auch die Bluͤte von den Kirſchen,

Die Cyren, Vergißmeinnicht,

Africanus, bluͤh’nde Pfirſchen,

Der Narciſſen weißes Licht,

Die Levcojen, das Getraide,

Kuͤrbsblum, eine bluͤh’nde Heide,

Nebſt verſchied’nen andern mehr

Zu des großen Schoͤpfers Ehr.

Wie verſchiedlich ſind die Kraͤfte,

Da uns faſt zu aller Zeit,

Zu ſo mancherley Geſchaͤffte,

Eine Pflanze Huͤlfe beut.

Dienen ſie nicht uns zu naͤhren?

Froſt und Regen abzuwehren?

Selbſt zur Kleidung und zum Trank?

Ja zu heilen, wenn man krank?

Sonder Pflanzen kann hienieden

Nicht gemaͤchlich, nicht bequem,

Nicht geſund, nicht halbzufrieden,

Nicht erquickt, nicht angenehm,

Nicht ohn Elend und Beſchwerden,

Kurz, gar nicht gelebet werden.

Was uns kleidet, traͤnkt und naͤhr’t,

Wird uns bloß durch ſie gewehr’t.

Fodern denn nicht unſre Pflichten,

Daß wir Herzen, Seel’ und Sinn

Wenigſtens auf dieſe richten,

Die ſo mancherley Gewinn,

Luſt und Nutzen uns gewehren,

Die uns traͤnken, die uns naͤhren,

Die uns kleiden, deren Kraft

Uns ſelbſt die Geſundheit ſchafft?

Hoͤchſter
[137]uͤber das Reich der Pflanzen.
Hoͤchſter Gott, wenn man erwaͤget,

Was fuͤr Kraft dein’ Allmachtshand

Jns Getraid’ allein geleget,

Wird dein’ Ehr’ und Lieb’ erkannt!

Denket auf den Nahrungsſegen,

Welchen Weiz’ und Rocken hegen!

Denket, was derſelben Saft,

Unſerm Blut’ fuͤr Kraͤfte ſchafft!

Laßt uns ſonderlich betrachten

Das, was unſern Koͤrper naͤhrt,

Auch auf das zugleich mit achten,

Wodurch Gott Gewand beſcher’t!

Jhn, als Geber, zu verehren,

Sollen die Geſchoͤpf uns lehren,

Und Korn, Obſt, Gras, Flachs und Wein

Vorwuͤrf’ unſ’rer Lieder ſeyn.

Hoͤrt, wie dorten David ſinget!

Er ſagt unſerm Schoͤpfer Dank,

Daß er aus der Erde bringet

Brodt zur Nahrung, Wein zum Trank.

Recht zu unſ’rer Koͤrper Weſen

Scheinet das Getraid erleſen.

Es gewehr’t uns beyderley,

Nahrung und auch Arzeney.

Liebſte Menſchen, kommt, bedenket,
Korn.
Haͤtte Gott nicht ſolche Kraft,

Jn das liebe Korn geſenket,

Und ſolch einen Nahrungsſaft,

Welcher unſerm Fleiſch und Blute

Wunderbarlich koͤmmt zu Gute,

Wuͤrd’ ein Elend allgemein,

So wie jetzt der Segen, ſeyn.

J 5Wollt
[138]Betrachtungen
Wollt ihr mir nicht Glauben geben,

Wie wir unerkenntlich blind,

Faſt in unſerm ganzen Leben,

Leider! durch Gewohnheit, ſind:

So verſucht’s, laßt euch bereiten

Tauſendfache Niedlichkeiten,

Sonder Brodt! probirt dabey,

Ob es lang’ ertraͤglich ſey.

Da das Brodt allein hingegen

Nicht nur bloß den Hunger ſtillt,

Sondern auch mit Nahrungsſegen

Unſern ganzen Koͤrper fuͤllt.

Es iſt, uns zu Gut, verdaͤulich,

Dem Geſchmack iſt es erfreulich,

Der denn, da er nicht zu ſcharf,

Auch zu ſehr nicht reizen darf.

Wunderbar ſind vom Getraide

Alle Theilchen zugericht:

Da ihr Weſen, uns zur Freude,

Sich in unſer Weſen flicht:

Da ſie, wenn wir ſie verzehren,

Uns erhalten, ſtaͤrken, naͤhren,

Und ihr Stoff in Fleiſch ſich kehrt;

Jſt das nicht bewundernswerth?

Alles wird man uͤberdruͤßig;

Brodt iſt immer angenehm.

Andre Koſt iſt uͤberfluͤßig;

Brodt allein iſt ſchon bequem,

Unſerm Koͤrper, unſerm Leben,

Daur und Unterhalt zu geben.

Dieß iſt warlich abermal

Von des Schoͤpfers Lieb’ ein Stral.

Steckt
[139]uͤber das Reich der Pflanzen.
Steckt hierinnen nicht verborgen

Einer weiſen Vorſicht Kraft,

Da, fuͤr Duͤrftige zu ſorgen,

Gott ſolch wolfeil Mittel ſchafft?

Da ſich Korn ſo ſtark vermehret,

Daß, wie die Erfahrung lehret,

Bloß ein Koͤrnchen, das gelingt,

Mehr als tauſend Kinder bringt.

Noch iſt Gottes Werk zu ſchauen,

Da wir, nebſt der Faͤhigkeit,

Feld und Acker zu bebauen,

Auch die Kunſt, zu rechter Zeit

Solches wirtlich anzufangen,

Nebſt der Zubehoͤr, erlangen.

Es koͤmmt bloß von Gott allein,

Daß wir ſo vernuͤnftig ſeyn.

Auch in dem gezieghen Eiſen,

Das dazu ſo noͤthig iſt,

Jſt des Schoͤpfers Huld zu preiſen,

Wenn man es mit Ernſt ermißt,

Hierzu koͤmmts uns ſehr zu Gute.

Drum ich mit vergnuͤgtem Muthe,

Wenn ich nette Furchen ſeh’,

Auch in ihnen Gott erhoͤh’.

Daß das Erdreich ſo formiret

Und von Gott bereitet ward,

Daß es, wie man es verſpuͤret,

Nicht zu weich, und nicht zu hart:

Auch daß, wenn die Welt getraͤnket,

Sich darinn das Waſſer ſenket;

Daß die eingeſtreute Saat

Raum, auch Saft zur Nahrung, hat.

Dieſes
[140]Betrachtungen
Dieſes iſt mehr, als es ſcheinet,

Dankens- und bewundernswerth,

Weil dadurch, mehr als man meynet,

Uns ein Segensquell beſchert.

Sollte nur ein einzigs fehlen,

Wuͤrd’ uns Hungersnoth entſeelen.

Dankt demnach, und denkt hiebey,

Wie uns Gott ſo gnaͤdig ſey!

Ferner muß man wohl bedenken,

Da, benebſt dem Sonnenſchein,

Regen, um die Frucht zu traͤnken,

Auch die Winde, noͤthig ſeyn,

Daß uns Gott ſo zaͤrtlich liebet,

Und ſie uns ſo reichlich giebet;

Ja, zu fetter Fruchtbarkeit,

Jedes recht zu ſeiner Zeit.

Herr, wie groß ſind deine Werke!

Ruft hier billig jedermann.

Wenn ich dieſes recht bemerke,

Seh’ ich mit Erſtaunen an,

Wie der Himmel, uns zu naͤhren,

Speiſ’ und Trank uns zu beſcheren,

Seine Kraft herabwerts ſenkt,

Und von oben Erdwerts lenkt.

Weiſer Schoͤpfer! Dein Regieren

Wird niemals genug verehrt;

Jn der Witt’rung iſt zu ſpuͤren,

Was fuͤr Gnad uns wiederfaͤhrt.

Herr! Wer wollte dich nicht loben?

Denn nur du ſchenkſt uns von oben

Regen, Wind und Sonnenſchein,

Daß die Aecker fruchtbar ſeyn.

Ferner
[141]uͤber das Reich der Pflanzen.
Ferner muß man nicht vergeſſen,

Daß es auch ein Segen ſey,

Wuͤrdig, daß wir ihn ermeſſen,

Wann das Brodt nicht einerley;

Sondern, daß Gott, uns zur Speiſe,

Brodt ſchafft auf verſchiedne Weiſe.

Rocken, Weizen, Gerſten, Reiß

Mehren billig Gottes Preis.

Denn, dieß zeigt, nebſt ſeiner Liebe,

Seine Macht und Weisheit an,

Da es nicht bey einem bliebe.

Unſer Schoͤpfer will und kann

Uns auf manche Weiſ’ erfreuen,

Er hat mancherley Gedeyen,

Da, durch mehr, als eine, Kraft

Er uns Luſt und Nahrung ſchafft.

Wenn ich die Gedanken hefte

Auf dieß Wunder nur allein,

Spuͤr’ und ſeh’ ich, wie die Kraͤfte

Der Natur ſo vielfach ſeyn;

Und dieß treibet meine Blicke

Billig auf die Quell zuruͤcke:

Da ich denn, o Herr, in dir

Jhre Meng’ unendlich ſpuͤr.

Jhrer ſind in Gott befindlich

Ein faſt nicht zu zaͤhlend Heer.

Unerſchoͤpflich, unergruͤndlich

Sind dieſelben, wie ein Meer,

Welches ſonder Grund und Schranken;

Worinn ich, ſammt den Gedanken,

Da ich es in Ehrfurcht ſeh,

Faſt halb ſelig untergeh.

Gott
[142]Betrachtungen
Gott hat nicht allein geſenket

Jn das Korn die edle Kraft,

Daß es naͤhrt, im Bier auch traͤnket;

Sondern auch die Eigenſchaft,

So wohl werth, daß man drauf merket,

Daß es auch in Krankheit ſtaͤrket;

Jn der Arzeney ſo gar

Jſt der Nutzen offenbar.

Wie iſt in des Fiebers Hitze,

Wenn uns Durſt und Ekel druͤckt,

Gerſten, der gekocht, nicht nuͤtze!

Wird man nicht dadurch erquickt,

Wird man nicht dadurch erfriſchet,

Wenn man ihn mit Zucker miſchet,

Und ihm durch Citronenſaft

Eine kleine Saͤure ſchafft?

Naget uns durch Wuͤhlen, Quaͤlen,

Und Vergiften unſer Blut,

Mit Empfindung ſelbſt der Seelen,

Schwindſucht, Podagra, Scorbut,

Wird uns nichts ſo kraͤftig heilen

Und mehr Linderung ertheilen,

Wenn man an dergleichen krank,

Als der ſanfte Habertrank.

Bruͤhe von der Habergruͤtze

Rechnet man zu vielerley

Koͤrperlichen Plagen nuͤtze.

Man erweiſt, wie gut ſie ſey

Jn Franzoſen, Maſern, Pocken.

Wird uns nicht der Brey von Rocken

Jn der Schwindſucht duͤrrem Weh’

Ein bewehrtes Recipe?

Wie
[143]uͤber das Reich der Pflanzen.
Wie wird ein verdorbner Magen

Nicht durch Brodt im Wein geſtaͤrkt!

Es iſt nicht genug zu ſagen,

Welche Wirkung man vermerkt,

Wenn des Brodtes Nahrungsſaͤfte,

Auch der Spezereyen Kraͤfte,

Jn dem unverfaͤlſchten Wein

Uns zum Nutz vereinet ſeyn.

Ja, es bleibt wohl ungezaͤhlet,

Wie ſo oft uns Brodt curirt,

Wenn uns innerlich was fehlet,

Wofuͤr Gott ja Dank gebuͤhrt.

Jn der Roſe, in Geſchwuͤren,

Jſt auch aͤußerlich zu ſpuͤren,

Wie man es ſehr oft entdeckt,

Welche Kraft im Mehle ſteckt.

Der
Wei-
zen.
Weizen iſt von dem Getraide

Faſt das alleredelſte,

Drinn ich nicht nur unſre Weide

Und die Nahrungskraͤfte ſeh;

Sondern, worinn, wie mans findet,

Luſt und Nutzen ſich verbindet.

Wie ſo lieblich, weiß und ſchoͤn

Jſt ein weiß Brodt anzuſehn?

Auf wie viel und manche Weiſe

Wird der Weizen zugericht!

Wie ſo manche ſchoͤne Speiſe

Macht man aus demſelben nicht?

Hundert Arten Kuchen, Torten

Und Paſteten! Wie viel Sorten

Zuckerwerks ſind ſo zur Pracht

Als zum Wohlſchmack draus gemacht!

Endlich
[144]Betrachtungen
Endlich iſt nicht nur durchs Brauen

Jn ſo manchem Bier allein

Dieſes Weizens Kraft zu ſchauen,

Sondern auch am Brandtewein,

Den man haͤufig aus ihm brennet.

Ferner wird der Nutz erkennet,

Der durch ihn uns wiederfaͤhrt,

Da ſein Stroh das Vieh ernaͤhrt.

Der
Ro-
cken.
Weiter muͤſſen wir mit Freude

Auf des Rockens Nutzen ſehn,

Und in deſſen Unterſcheide

Auch des Schoͤpfers Lieb erhoͤhn,

Der die Frucht am meiſten mehret,

Weil ſie meiſt die Armuth naͤhret,

Daß deswegen jedermann

Rocken wolfeil kaufen kann.

Und dabey ſind ſeine Kraͤfte

Nahr- und huͤlfſam; er vermehrt

Unſers Koͤrpers noͤth’ge Saͤfte,

Der, wie die Erfahrung lehrt,

Aus dem Rocken Kraͤfte ziehet,

So, daß man bewundernd ſiehet,

Daß beym Rockenbrodt allein

Menſchen ſtark und daurhaft ſeyn.

Auch wird man nicht leugnen koͤnnen,

Daß, wie noch zu mehrerley,

Auch den Brandtewein zu brennen,

Uns der Rocken nuͤtzlich ſey.

Jſt, das Hornvieh zu ernaͤhren,

Rockenſtroh wohl zu entbehren?

Nein. Jſt dieſes denn nicht werth,

Daß man Gott deswegen ehrt?

Laßt
[145]uͤber das Reich der Pflanzen.
Laßt uns gleichfalls nicht vergeſſen,

Gottes weiſe Lieb und Macht
Ger-
ſten.
Auch im Gerſten zu ermeſſen!

Schmeckt und ſehet mit Bedacht,

Wie ſo huͤlfſam doch die Kraͤfte

Der aus ihm gezognen Saͤfte:

Wie er auch dem Hunger wehrt,

Und auf manche Weiſ’ uns naͤhrt.

Welch ein Nutz iſt durch ihn ferner

Jn der Wirthſchaft uns beſtimmt,

Da man alte Gerſtenkoͤrner

Zu der Pferde Futter nimmt.

Rindern, Schweinen, und ſammt ihnen,

Muß er auch zur Nahrung dienen

Huͤnern, Endten; ebenfalls

Fuͤllt er Gaͤnſen Kropf und Hals.

Es iſt gleichfalls nicht zu glaͤuben,

Wie das Gerſtenſtroh uns nuͤtzt;

Und wir koͤnnen kaum beſchreiben,

Wie es gegen Kaͤlte ſchuͤtzt.

Wie es naͤhret, fuͤllt, verbindet.

Wer es wohl bedenkt, befindet,

Daß uns ſtets zu vielerley

Gerſtenſtroh ſehr nuͤtzlich ſey.

Welch Vermoͤgen uns zu traͤnken

Steckt nicht in dem Gerſtenſaft?

Laßt uns, Gott zum Ruhm, bedenken

Die Beſchaffenheit, die Kraft,

Die, den Durſt mit Luſt zu ſtillen,

Alle Gerſtenkoͤrner fuͤllen.

Und es trinke niemand Bier,

Ohn er danke Gott dafuͤr.

KAch,
[146]Betrachtungen
Ach, wie wird das Blut erquicket,

Lippe, Zung und Gaum gekuͤhlt,

Wenn uns Hitz und Durſt gedruͤcket,

Und man denn zum Labſal fuͤhlt,

Wie wir gleichſam recht geneſen,

Durch des Bieres loͤſchend Weſen!

Dir ſey denn fuͤr ſolchen Trank,

Großer Geber! Lob und Dank.

Noch iſt ferner zu erwaͤgen,

Und dafuͤr zu danken werth,

Wie der Herr noch einen Segen
Der
Ha-
ber.
Jn dem Haber uns beſchert!

Wenn wir dieß Gewaͤchs beſehen,

Muß ein jeder ja geſtehen,

Daß ſein Nutzen mancherley,

Und er uns ſehr noͤthig ſey.

Drum wir billig ruͤhmen ſollen

Gott, der auch in dieſe Saat

Solchen Segen legen wollen,

Und ihn ſo erſchaffen hat,

Daß er Huͤnern, Gaͤnſen, Pferden

Muß ein nuͤtzlich Futter werden,

Ohne, da er in der Gruͤtz,

Auch zum Trank uns ſelber nuͤtz.

Ja, ſein Nutz iſt noch gemehret,

Da man auch in Hungersnoth,

Wie uns die Erfahrung lehret,

Selber aus dem Haber, Brodt

Backen kann und zubereiten.

Noch viel andre Nutzbarkeiten,

Und zwar mehr als man gedenkt,

Sind in dieſe Frucht geſenkt.

Wie
[147]uͤber das Reich der Pflanzen.
Wie nun manches Korn uns naͤhret,

So wird, zu des Schoͤpfers Preis,

Andern Voͤlkern auch beſcheret
Reiß.
Die ſo edle Koſt, der Reiß:

Der ſie ſaͤttigt und erquicket;

Ja er wird zu uns geſchicket,

Da man ſeiner Suͤßigkeit

Sich auf manche Weiſ’ erfreut.

Billig ſollt’ ihn keiner eſſen,

Ohn den Schoͤpfer zu erhoͤhn;

Billig ſollte man ermeſſen

Und in froher Luſt geſtehn:

Daß, bey ſo viel andern Gaben,

Woran ſich die Menſchen laben,

Auch der Reiß inſonderheit

Zeige Gottes Guͤtigkeit.

Eh’ wir vom Getraide ſchweigen,

Laſſet uns des Schoͤpfers Macht

Auch in Huͤlſenfruͤchten zeigen,

Die er auch hervorgebracht

Uns zur Luſt, und uns zu naͤhren,

Auch Veraͤndrung zu gewehren,

Da wir ſo durch ihn formirt,

Daß man Luſt in Aendrung ſpuͤrt.

Dieß iſt, mehr als man vermeynet,

Lobes, Ruhms und Dankens werth,

Da weit mehr noch, als es ſcheinet,

Luſt dadurch uns wiederfaͤhrt.

Da wir mancherley verlangen,

Und auch mancherley empfangen,

Wird ja ſichtbarlich erkennt,

Daß uns Gott viel Gutes goͤnnt.

K 2Wie
[148]Betrachtungen
Wie ſo mancherley Gerichte

Geben uns, o Herr, durch dich

Die ſo vielen Huͤlſenfruͤchte!
Hülſen-
früch-
te.
Wie ſo ſehr verſchiedentlich

Sind ſie von Geſtalt und Arten

Auf dem Feld und in dem Garten!

Jedes iſt beſonders werth,

Daß man dich, den Geber, ehrt.

Wie ſo manche Luſt im Schmecken

Koͤnnen uns die Bohnen nicht,
Boh-
nen.
Wenn man es erwaͤgt, erwecken,

Wenn ſie niedlich zugericht!

Billig, wie fuͤr andre Speiſen,

Sollte man den Schoͤpfer preiſen,

Wenn er, da er ſie uns ſchenkt,

Den Geſchmack darinn geſenkt.

Wenn wir dieſe Frucht nun eſſen,

Laſſet uns des Dankens nicht

Fuͤr die Lieblichkeit vergeſſen,

Wann zumal mit dem Gericht

Man den Haͤring noch verbindet,

Und man dopple Luſt empfindet;

Denn ſo denke man dabey,

Daß es Gottes Gabe ſey.

Dieſe Frucht wird nicht zur Speiſe

Angewendet nur allein,

Sondern kann auf manche Weiſe

Jn der Wirthſchaft brauchbar ſeyn.

Sie giebt Mehl, das, wenn man’s miſchet,

Auch zum Brodt, wird aufgetiſchet,

Auch wird Hornvieh, Schwein und Pferd,

Nebſt der Gans, dadurch ernaͤhrt.

Son-
[149]uͤber das Reich der Pflanzen.
Sonderlich giebt es den Pferden

Ein recht huͤlfſam Futter ab,

Wenn ſie wohlgeſchrotet werden

Und bereitet. Nimmer gab

Man den Stuten, wenn ſie traͤchtig,

Etwas beſſers, das ſo maͤchtig

Gegen den Verwurf. Das Stroh

Dient und nuͤtzet eben ſo.

Erbfen ſind auf gleiche Weiſe
Erb-
ſen.
Werth, daß man mit Dank und Luſt

Jm Genuß den Schoͤpfer preiſe,

Und daß wir mit froher Bruſt

Jhr Gewaͤchſe wohl ermeſſen.

Welch ein angenehmes Eſſen

Jſt, da ſie vergnuͤgt und naͤhrt,

Uns in dieſer Frucht beſchert!

Nicht nur roh’ ſind ſie zu eſſen,

Brauchbar, angenehm und gut,

So mit Recht nicht zu vergeſſen,

Denn ſie kuͤhlen unſer Blut:

Sondern, durch des Feuers Hitze

Sind ſie uns vornehmlich nuͤtze.

Ja ſie dienen gar im Froſt

Aufgetreugt zu guter Koſt.

Erbſen kommen auch zuweilen

Gar im Brodt uns zum Genuß,

Wenn wir ſie mit Rocken theilen.

Hat man ſie im Ueberfluß,

Kann man durch ſie, uns zum Beſten,

Auch die Schweine trefflich maͤſten;

Eben ſo gebraucht man ſie

Nuͤtzlich fuͤr viel anders Vieh.

K 3Gleich-
[150]Betrachtungen
Gleichfalls iſt kaum auszudruͤcken,
Linſen,
Wi-
cken.
Was fuͤr Nutz uns wiederfaͤhrt

Von den Linſen und von Wicken,

Die der Schoͤpfer auch beſchert,

Wofuͤr ihm nur Dank gebuͤhret;

Denn der Haus- und Landmann ſpuͤret

Oefters, wie ihm beyderley

Jn der Wirthſchaft nuͤtzlich ſey.

Außer, was wir ſelbſt genießen

Von den Linſen, kommen ſie,

Nebſt den Wicken, zum Erſprießen,

Sonderlich auch fuͤr das Vieh;

Da Lamm, Kalb, zuſammt den Pferden,

Durch ſie wohl gefuͤttert werden.

Wann man ſie mit Haber mengt,

Wird das Futter ſehr verlaͤngt.

Achtet dieß denn nicht geringe,

Sondern auch des Dankens werth!

Denn der Schoͤpfer aller Dinge

Hat auch dieſe Frucht beſchert.

Daß ſie wachſe, bluͤhe, gruͤne,

Und uns, und dem Thierreich diene,

Schenkt er ihr beſond’re Kraft,

Bildungen und Eigenſchaft.

Ferner muß man noch ermeſſen,
Hirſe.
Und die ſuͤße Hirſe nicht

Uebergehen, noch vergeſſen.

Es erfordert unſre Pflicht,

Dieſe gleichfalls zu betrachten,

Und auf eine Kraft zu achten,

Die in ihr verborgen ſteckt,

Welche der Gebrauch entdeckt.

Es
[151]uͤber das Reich der Pflanzen.
Es bezeugt es die Erfahrung,

Wie ſo viel und mancherley

Nutzen, Suͤßigkeit und Nahrung

Jn die Frucht geſenket ſey.

Sie wird auf verſchiedne Weiſe

Zubereitet uns zur Speiſe;

Sonderlich iſt ihre Gruͤtz

Jn der Wirthſchaft trefflich nuͤtz.

Fuͤr das Vieh ſind ihre Spreuer,

Auch das Stroh nicht minder, gut,

Wenn das letzt’re in der Scheuer,

Bis zur Weihnachtszeit, geruht.

Ach, erwaͤgt es doch, und denket,

Daß dem, der ſie euch geſchenket

Und fuͤr euch geſorgt, dafuͤr

Doch Erkenntlichkeit gebuͤhr.

Buch-
weizen.
Heidkorn oder Buchenweizen

Muß uns billig, Gott zum Ruhm,

Gleichfalls zur Betrachtung reizen.

Wie ſo ſchoͤn iſt ſeine Blum!

Wie wird er, zu unſrer Speiſe,

Auf ſo manche Art und Weiſe,

Jn der Kuͤche zugericht!

Man erkennt es leider! nicht.

Sein Geſtraͤuch und Stroh, nicht minder

Spreuer, nebſt der Ueberkehr

Naͤhren Schweine, Roß und Rinder.

Gebt dann dem dafuͤr die Ehr,

Welchem ſie dafuͤr gebuͤhret,

Welcher die Natur regieret,

Der uns ſo viel Guts erweiſt,

Und ſo mannichfaltig ſpeiſt.

K 4Da
[152]Betrachtungen
Da wir alſo, voller Freude

Gottes Wunder zu erhoͤh’n,

Das uns naͤhrende Getraide

Mit Verwund’rung angeſehn:

Laßt uns, eh’ wir dieſes ſchließen,

Und ſo oft wir es genießen,

Seiner Wunder uns erfreu’n,

Und dem Schoͤpfer dankbar ſeyn!

Ew’ge Quelle ſel’ger Triebe!

Gottheit, die, was auf der Welt,

Bloß aus Liebe ſchuf, aus Liebe

Gleichfalls es allein erhaͤlt,

Sey, ſo oft man ißt, geprieſen!

Herrlich haſt du dich erwieſen,

Da du uns nicht nur ernaͤhrſt,

Sondern mancherley beſcherſt!

Ewigreicher Speiſemeiſter,

Der du uns ernaͤhrſt und traͤnkſt,

Gieb doch, daß auch unſre Geiſter

Fuͤr das, ſo du reichlich ſchenkſt,

Dich zu ruͤhmen, dich zu lieben,

Jmmer mehr noch angetrieben,

Und fuͤr alles dir allein,

Als dem Geber, dankbar ſeyn!

Wunderbarer Gott, vom neuen
Obſt.
Wird mein Herz in Luſt geſetzt,

Wann, durchs Obſt, dein Benedeyen

Uns ernaͤhrt, traͤnkt und ergetzt.

Wenn ich dieſe Huld erwaͤge,

Und die Wunder uͤberlege,

Die du, Herr, ins Obſt geſenkt,

Wird mein Herz zu dir gelenkt.

Herr,
[153]uͤber das Reich der Pflanzen.
Herr, zu dir, als deſſen Wille,

Vaterlieb und weiſe Macht

Alle Fruͤcht’ in ſolcher Fuͤlle,

Uns zur Luſt, hervorgebracht,

Der die Urquell aller Kraͤfte,

Und der ſaͤurlichſuͤßen Saͤfte,

Ja, durch welchen bloß allein

Sie uns nuͤtz- und lieblich ſeyn.

Unbegreiflich, unbeſchreiblich

Jſt allein der Arten Zahl,

Und der Unterſchied unglaͤublich.

Schmeckt und ſeht denn abermal,

Liebſte Menſchen, wie ſo ferne

Sich die Macht des Herrn der Sterne,

Die man uͤberall entdeckt,

Jn den Fruͤchten auch erſtreckt!

Wenn man nur auf eine Weiſe,

Durch ein Obſt, ergetzet waͤr’,

Dient’ es unſerm Gott zum Preiſe.

Preiſt, da ſo viel, ihn noch mehr!

Laßt, uns dankbar zu erzeigen,

Uns von ſeiner Macht nicht ſchweigen,

Und, um ihn drinn zu erhoͤhn,

Erſt des Obſtes Menge ſehn!

Aepfel, Birnen, Pflaumen, Kirſchen,

Quitten, Feigen, Pampelmuß,

Maulbeer’, Apricoſen, Pfirſchen,

Sammt der Welſch- und Hafelnuß,

Cocos, Mandeln und Granaten,

Pomeranzen und Muskaten,

Miſpeln, Knullen, Datteln, Wein,

Deſſen ſo viel Arten ſeyn.

K 5Ohne
[154]Betrachtungen
Ohne die, ſo niedrig ſitzen,

Auf der Buͤſch’ und Stauden Heer,

Hagebutten, Barberitzen,

Him-, Brom- und Johannisbeer,

Stachel- und Holunderbeeren,

Und die, ſo die Voͤgel naͤhren,

Nebſt noch vielen, welche man

Hier nicht alle zaͤhlen kann.

Ferner, was mit kurzen Roͤhren

Jn und an der Erde ſteht,

Weiße Ruͤben, gelbe Moͤren,

Zwiebel, Rettig, Gurken, Beet,

Truͤffel, Schwaͤmme, Kohl, Pomponen,

Spargel, Erdbeer und Melonen.

Wer es unterſuchet, findt,

Daß ſie unentbehrlich ſind.

Viele theilen ſich aufs neue

Jn ſo viele Sorten ein,

Daß, woruͤber ich mich freue,

Sie faſt nicht zu zaͤhlen ſeyn.

Ganz verſchiedlich ſind die Saͤfte,

Farben, Form, Geſchmack und Kraͤfte.

Jedermann wird leicht geſtehn,

Daß wir es an Aepfeln ſehn *.

Großer
[155]uͤber das Reich der Pflanzen.
Großer Schoͤpfer, ihre Menge

Zeigt aufs neu, wie reich du biſt;

Jhrer Farb und Form Gepraͤnge,

Das ſo unterſchiedlich iſt,

Die Verſchiedenheit der Saͤfte

Zeigt den Reichthum deiner Kraͤfte.

Da ja nichts, ohn dich allein,

Kann aus nichts entſtanden ſeyn.

Ebenmaͤßig wird im Garten,

So an Meng’, als Unterſcheid,

Von faſt ungezaͤhlten Arten,

Form und ſuͤßer Saͤurlichkeit

Bey den Birnen auch gefunden.

Welche Luſt wird nicht empfunden,

Welche Lieblichkeit verſpuͤrt,

Wenn ihr Saft den Gaum beruͤhrt!

Ferner trifft man auch bey Kirſchen

So verſchiedne Gattung an,

Wie imgleichen auch bey Pfirſchen,

Daß man es kaum glauben kann.

Von den erſten haben viele

Kurze theils, theils lange Stiele,

Viele faͤrbt Natur mit Fleiß,

Dunkel-, hellroth, ſchwarz und weiß.

Auch der Kirſchen Menge zeiget

Deutlich das, was alles weiſt,

Und wovon kein Weſen ſchweiget,

Naͤmlich einen weiſen Geiſt,

Der, ohn Abſicht, nichts verrichtet.

Haltet euch denn doch verpflichtet,

Wenn ihr Kirſchen ſchmeckt und ſeht,

Daß ihr ſeinen Ruhm erhoͤht!

Von
[156]Betrachtungen
Von den Pfirſchen ſind zu finden

Gleichfalls eine gute Zahl,

Die wir im Geſchmack empfinden,

Admirable- Rahm- Mojal

Bel di Cypre- Pflaum- Montander

Roth- Stein- Dattel- Gold- und Sander,

Weiß- und roth Avant- Ceilan-

Glattpfirſchruß und Pelican.

Auch verdients wohl, zu bedenken,

Daß an Trauben und am Wein,

Uns zu ſpeiſen und zu traͤnken,

So verſchiedne Sorten ſeyn.

Nur allein bey uns im Garten

Trifft man Trauben vieler Arten,

Die man nicht gnug ruͤhmen kann,

Mit erſtaunten Freuden an.

Ja, wenn wir mit Ernſt erwaͤgen,

Wie ſo viel und mancherley

An Geſchmack und Kraft von Segen

Jn dem Wein zu finden ſey,

Da faſt alle Laͤnder Reben,

Von verſchiedner Gattung, geben;

Denkt man auch, daß Gott dafuͤr,

Ruhm und froher Dank gebuͤhr?

Herr, der du den Wein uns ſchenkeſt,

Und ſo mannichfalt’ge Kraft

Jn das Naß der Reben ſenkeſt,

Daß nicht nur der reine Saft

Traͤnkt; daß ſeine Geiſtigkeiten

Selbſt den Geiſt zur Freude leiten.

Dir allein ſey Preis und Dank

Fuͤr ſo angenehmen Trank!

Herr,
[157]uͤber das Reich der Pflanzen.
Herr, was muß in deinen Schaͤtzen

Fuͤr ein Schatz vorhanden ſeyn,

Kreaturen zu ergetzen!

Hiervon zeigt allein der Wein

Jm Geſchmack ſo viele Proben,

Daß man dich dafuͤr zu loben,

Sowohl ohn’, als im Genuß,

Billig nie ermuͤden muß.

Da wir nun von Obſt die Gaben,

Und wie jedes mancherley,

Ueberhaupt erzaͤhlet haben;

Deucht mich, daß es noͤthig ſey,

Jede Art zu uͤberlegen:

Laßt uns denn zuerſt erwaͤgen,

Von der Aepfel Eigenſchaft,

Nutz, Geſtalt, Geſchmack und Kraft!

Werden Fruͤcht’ uns vorgeſetzet,
Aepfel.
Und uns Aepfel aufgetiſcht,

Wie wird der Geſchmack ergetzet,

Und die heiße Zung erfriſcht!

Jhr ſo ſaͤurlichſuͤßes Weſen

Scheinet recht dazu erleſen,

Da er Mund und Magen fuͤllt,

Daß er Durſt und Hunger ſtillt.

Wirklich wird man recht erquicket,

Wenn der Zahn, die Zung’ und Gaum

Aus den Aepfeln preßt und druͤcket

Den gequetſchten ſuͤßen Schaum;

Da die Seele dann entdecket,

Was darinn fuͤr Anmuth ſtecket,

Und von welcher Eigenſchaft

Der ſo wohlgemiſchte Saft.

So
[158]Betrachtungen
So viel vom Geſchmack zu ſchließen,

Der in Aepfeln ſteckt; ſo ſcheint,

Daß darinn von Saur- und Suͤßen

Mehr und minder ſich vereint:

Welche beyd’ uns zu erfriſchen,

Sich ſo mannichfaltig miſchen;

Da denn gleich ein jeder Grad

Auch beſondern Eindruck hat.

Kann man es nicht deutlich fuͤhlen,

Daß die Aepfel nicht allein

Zum Geſchmack, nein auch zu kuͤhlen,

Uns geſchenkt und dienlich ſeyn.

Zu Verminderung der Hitze

Jſt der Saft der Aepfel nuͤtze,

Und ſie ſtillen in dem Blut

Die zu ſtarke Hitz und Glut.

Auf wie viel und manche Weiſe

Werden ferner Aepfel nicht

Durch das Feuer, uns zur Speiſe,

Nuͤtz und niedlich zugericht.

Jn Gemuͤſen, Kuchen, Tarten

Schmeckt man, auf wie viele Arten,

Mit Anieß, Zimmt, Zucker, Wein,

Aepfel zuzurichten ſeyn.

Aus der Aepfel Feuchtigkeiten

Kann man, ſo zum Nutz als Luſt,

Auch den Cider zubereiten,

Der ein Labſal unſrer Bruſt,

Der viel tauſend Menſchen traͤnket.

Ach, erwaͤgt denn und bedenket,

Was fuͤr ſo viel Guͤtigkeit

Jhr dem Geber ſchuldig ſeyd!

Laßt
[159]uͤber das Reich der Pflanzen.
Laßt uns, eh’ wir weiter gehen,

Noch die Bildung und das Fleiſch

Eines Apfels recht beſehen,

Welches der gelehrte Ruiſch

Uns anatomirt gezeiget.

Dieſes Wunder uͤberſteiget

Alles, alles welches man

Von Gewaͤchſen denken kann.

Tauſend Adern, wie in Thieren,

Sind in dieſer Frucht zu ſehn,

Die, in vielerley Manieren,

Zirkelnd durch einander gehn.

Alle ſind mit Fleiſch umringet:

Wenn der Saft nun durch ſie dringet,

Wird das Fleiſch, drinn er ſich ſenkt,

Ausgedehnt, genaͤhrt, getraͤnkt.

Ob die Saͤfte durchs Gedraͤnge

Jn die duͤnne Kleinigkeit

Der faſt unſichtbaren Gaͤnge

Des Geſchmacks Beſchaffenheit,

Oder ob ſie aus dem Samen

Solch ein Weſen uͤberkamen,

Oder durch das Sonnenlicht:

Faßt der Menſchen Witz noch nicht.

Wer bewundert das Gehaͤuſe

Mitten in dem Apfel nicht,

Das auf ſonderbare Weiſe,

Und recht kuͤnſtlich, zugericht!

Es ſcheint, dieß ſey angeleget,

Daß der Same drinn geheget

Und genau geſichert ſey.

Welche Vorſorg herrſcht hiebey!

Aus-
[160]Betrachtungen
Auswerts iſt das Fleiſch bedecket.

Eine Schal als eine Haut,

Die ſich rings um ihn erſtrecket,

Wird mit Luſt daran geſchaut;

Die oft gelb, oft roͤthlich ſcheinet,

Mit dem Stengel ſich vereinet,

Und als Haut an manchem Ort

Mit viel Loͤchern iſt durchbohrt.

Alles dieß iſt an den Zweigen

Durch den duͤnnen Stengel feſt,

Wodurch alle Saͤfte ſteigen.

Da ſich denn nicht faſſen laͤßt,

Auf was Art der Roͤhren Menge,

Jn ſo großer Eng’ und Laͤnge,

Von der fernen Wurzel an

Bis zum Gipfel ſteigen kann.

Wann demnach wir Aepfel eſſen,

Ja, wenn wir ſie auch nur ſehn,

Laßt uns Gottes nicht vergeſſen,

Sondern deſſen Preis erhoͤhn!

Der auf wunderbare Weiſe

Sie zu unſrer Luſt und Speiſe,

Durch uns unbekannte Kraft,

Wachſen laͤßt, erhaͤlt und ſchafft.

Bir-
nen.
Alle dieſe Wundergaben,

Die wir an den Aepfeln hier

Voller Luſt betrachtet haben,

Kommen auch bey Birnen fuͤr.

Aber dennoch iſt unglaͤublich,

Unbegreiflich, unbeſchreiblich,

Was noch fuͤr ein Unterſcheid

An Geſchmack und Lieblichkeit.

Keiner
[161]uͤber das Reich der Pflanzen.
Keiner lebt, der dieſer Saͤfte

Sonderlich Gemiſch verſteht,

Noch wie im Geſchmack der Kraͤfte

Unſre Kraft ſo feſte geht:

Ja, wie in viel tauſend Baͤumen,

Die aus ſo viel Koͤrnern keimen,

Dennoch ſo gar mancherley

Kraft, Geſchmack und Anmuth ſey.

Ueberhaupt wird ſtets geſpuͤret,

Daß der Birnen ſaurer Saft

Nicht ſo ſcharf die Zungen ruͤhret,

Als des Apfels ſtrengre Kraft.

Jhr Gemiſch vom Saur- und Suͤßen,

Wenn wir Menſchen ſie genießen,

Jſt von einem ſanftern Grad,

Drum es weit mehr Lieblichs hat.

Nicht nur roh kann man im Schmecken

Jn der Birnen friſchem Saft

Anmuth, Nutz und Luſt entdecken;

Wenn man durch des Feuers Kraft,

Nebſt Wein, Zucker, Zimmetrinden,

Sie kocht, braͤt und doͤrr’t; empfinden

Unſre Zungen abermal

Lieblichkeiten ſonder Zahl.

Sonſten ſtimmen, an der Guͤldung,

An Gewaͤchs, an Farb und Schein,

Mit der Aepfel Form und Bildung

Birnen ziemlich uͤberein;

Außer, daß ich nur die Ruͤnde

An den Aepfeln ſtaͤrker finde.

Birnen ſind meiſt ſpitziger,

Unten duͤnn’ und laͤnglichter.

LWenn
[162]Betrachtungen
Wenn wir nun die Birnen eſſen,

Laßt den Mund ſie nicht allein

Schmecken; laßt den Geiſt ermeſſen,

Daß ſie Gottes Gabe ſeyn!

Wenn man bey der Luſt gedenket,

Daß der Schoͤpfer ſie uns ſchenket,

Wird ſo Geiſt als Leib genaͤhrt,

Und des Schoͤpfers Macht verehrt.

Pflau-
men.
Ferner kann von Gottes Guͤte

Auch die Pflaume Zeuge ſeyn.

Auf, betrachtendes Gemuͤthe!

Da auch die ſo ungemein

Uns erquickt, vergnuͤgt und naͤhret,

Laßt uns dem, der ſie beſcheret,

Doch zur Ehr’ auch ſie beſehn,

Und im Danken ihn erhoͤhn!

Wie ſo ſaͤurlichſuͤß und niedlich

Jſt der reifen Pflaumen Saft!

Wie ſind ſie ſo unterſchiedlich

An Geſtalt, Geſchmack und Kraft,

Groͤß’ und Farben! Wie viel Arten

Zeigt uns oftermals ein Garten!

Jhre Bildung, Farb und Haut

Wird nicht ſonder Luſt geſchaut.

Laßt uns die Figur betrachten!

Jhre Form iſt nicht oval,

Doch auch, wenn wir ſie beachten,

Spitzig oft, oft rund, oft ſchmal.

Merkt, wie in ſo großer Menge,

Jn der Pflaumen Ruͤnd und Laͤnge,

Die Verſchiedenheiten ſeyn!

Groß ſind viele, viele klein.

Wann
[163]uͤber das Reich der Pflanzen.
Wann ſich die kaum Kirſchen gleichen;

Duͤrfen die, an Groͤße, kaum

Kleinen Straußeneyern weichen.

Wie iſt doch ein Pflaumenbaum

Voller reif- und großen Fruͤchte,

Dem betrachtenden Geſichte,

Wenn wir ihn mit Andacht ſehn,

So bewundernswerth, ſo ſchoͤn!

Wenn bey mancherley Figuren

Auch die Farben mancherley;

Sehn wir abermal die Spuren,

Daß es Gottes Finger ſey,

Der ſowohl ſie farbt, als bildet.

Bald ſind ſie wie uͤberguͤldet,

Da man oft an ihrer Haut

Einen Glanz, wie guͤlden, ſchaut.

Andre gluͤhen recht, und ſtehen

Jn ſo gelb- als rother Glut,

Noch an andern kann man ſehen,

Daß ſie gaͤnzlich roth, wie Blut;

Braun ſind viele; oftermalen

Gruͤn auch, wenn ſie reif, die Schalen;

Und ein Duft, als wie ein Thau,

Faͤrbt die meiſten lieblichblau?

Dieſe Frucht erquickt und ſtaͤrket,

Wenn ſie friſch iſt, nicht allein;

Sondern, wie man’s wohl bemerket,

Auch, wenn ſie getrocknet ſeyn.

Zur Geſundheit iſt ſie nuͤtze,

Denn ſie daͤmpft zu ſtarke Hitze.

Sonderlich hat ſie die Kraft,

Daß ſie Oeffnung uns verſchafft.

L 2Auf
[164]Betrachtungen
Auf wie viele Weiſ’ und Arten

Dienen ſie den Menſchen nicht?

Zu Gemuͤſen, Suppen, Tarten

Werden Pflaumen zugericht,

Sammt den Zwetſchen und Brunellen.

Hieraus wird nun leicht erhellen,

Daß es recht, wenn fuͤr die Frucht

Man auch Gott zu preiſen ſucht.

Gott! du zeigſt in allen Fruͤchten

Weisheit, Lieb und Allmacht an.

Wer iſt, der ſie einzurichten,

Außer dir, vermag, noch kann?

Wenn wir Pflaumen ſehn und eſſen,

Laßt uns dieſes nicht vergeſſen:

Daß man billig im Genuß

Froh ſeyn, und dir danken muß.

Kir-
ſchen.
Laßt uns ferner, voller Freuden,

Und mit Dank erfuͤllter Bruſt,

Augen und Gedanken weiden

Auch an Kirſchen! und mit Luſt

Jhre Saͤurlichkeit und Menge,

Jhr Rubinen gleich Gepraͤnge,

Das auf manche Weiſe ſchoͤn,

Aus geruͤhrter Seele ſehn!

Wird man nicht, bey heiterm Wetter,

Jn der glatten Kirſchen Pracht,

Wenn ſie durch die gruͤnen Blaͤtter

Funkeln, gleichſam angelacht?

Sonderlich wenn ſie ſich ſchmuͤcken

Mit den kleinen weißen Blicken,

Da man auf der glatten Haut

Kleine Sonnenbilder ſchaut.

Es
[165]uͤber das Reich der Pflanzen.
Es iſt warlich nicht zu glauben,

Wie ein Kirſchenbaum ſo ſchoͤn,

Wenn wir ſeine Fruͤcht’, als Trauben,

An den Stengeln hangen ſehn;

Jn dem angenehmen Gruͤnen

Gluͤhen ſie recht wie Rubinen,

Von ſo heller Faͤrben Brand

Jſt kein’ andre Frucht bekannt.

Ja, wie ſind in einem Garten

Jhrer doch ſo vielerley,

Von ſo ſehr verſchiednen Arten!

Wie ſo groß die Anzahl ſey,

Jſt vorhin ſchon angezeiget,

Daß ſie uͤber funfzehn ſteiget.

Die nicht roth und ſchwarz allein;

Nein, auch weiß und leibfarb ſeyn.

Wie ſo vielerley Morellen

Werden uns im Munde nicht

Recht zu ſuͤßen Anmuthsquellen,

Draus ein Saft ſo lieblich bricht,

Daß er, wenn der Mund ſich netzet,

Lippen, Zung und Gaum ergetzet,

Der, wenn man ihn niederſchlingt,

Nebſt der Luſt Erfriſchung bringt.

Wunderlieblich iſt gemiſchet

Der beliebten Kirſchen Saft,

Welcher Gaum und Blut erfriſchet.

Man vermag die Eigenſchaft

Durch die Zunge zwar zu ſchmecken,

Aber nimmer zu entdecken,

Wie ſich in ſo hohem Grad

Saur und Suͤß gemiſchet hat.

L 3Wie
[166]Betrachtungen
Wie die Kirſchen unterſchiedlich

An der Farb und an Geſtalt,

Sind ſie am Geſchmack auch niedlich,

Und zwar ja ſo mannichfalt,

Wenn wir ſaͤurlich’ſuͤße Kirſchen

Mit beſpruͤtztem Gaum zerknirſchen,

Laßt, den Geber zu erhoͤhn,

Es nie ſonder Dank geſchehn.

Das, was wir aus Kirſchen druͤcken,

Taugt fuͤr ſich nicht nur allein,

Uns zu ruͤhren, zu erquicken;

Wenn man zu den Kirſchen Wein

Und ein wenig Zucker fuͤget,

Wird das Herz dadurch vergnuͤget,

Der uns denn vernuͤnftig traͤnkt,

Wenn man an den Geber denkt.

So gedoͤrrt, als eingeleget,

Sind auch Kirſchen trefflich gut.

Was die Kirſch an Saͤften heget,

Kuͤhlet und erfriſcht das Blut.

Mus und Suppen, Kuchen, Tarten,

Brandtwein, Waſſer, mancher Arten,

Was uns traͤnket, heilt und naͤhrt,

Jſt in Kirſchen uns beſchert.

Wollen wir denn den nicht ehren,

Der uns ſolche Fruͤchte ſchenkt?

Wenn wir ſie mit Luſt verzehren,

Und man bey der Luſt nur denkt:

Großer Geber ſey geprieſen!

Hat man ſchon den Dank erwieſen,

Den der Gott, der ſie beſchert,

Auf der Welt von uns begehrt.

Großer
[167]uͤber das Reich der Pflanzen.
Großer Schoͤpfer! ach verzeihe,

Wenn wir etwan, wie das Vieh,

Sie bisher genutzt. Verleihe,

Daß dir kuͤnftig, wenn wir ſie

Mit vergnuͤgtem Geiſt genießen,

Moͤg’ ein Dank daraus entſprießen,

Der, o Vater aller Welt,

Dir, aus Lieb’ allein, gefaͤllt!

Quit-
ten.
Auch die rauhen Quitten hegen,

Zum Vergnuͤgen unſ’rer Bruſt,

Wenn wir ihr Gewaͤchs erwaͤgen,

Nahrung, Kuͤhlung, Nutz und Luſt.

Jhre Kraͤfte ſind verſchiedlich,

Jhre Saͤfte ſaͤurlich, niedlich,

Zur Erfriſchung ſehr bequem,

Heilſam und auch angenehm.

Dieſe Frucht laͤßt abermalen

Uns was ſonderbares ſehn,

Da wir ſie an Form und Schalen

Jn zwey Sorten, beyde ſchoͤn,

Nutzbar eingetheilet finden,

Davon einige ſich ruͤnden,

Andre laͤnglich ſind und ſpitz[.]

Beyde Sorten ſind uns nuͤtz.

Bey der Frucht iſt zu ermeſſen

Etwas ſonderlichs, da man

Solche roh durchaus nicht eſſen,

Und gekocht nur brauchen kann.

Dieß, ſo ihr beſonders eigen,

Taugt, uns abermal zu zeigen,

Wie ſo viel und mancherley

Des Naturgeiſts Wirkung ſey.

L 4Die
[168]Betrachtungen
Die Natur giebt ihren Schalen,

Welche, wenn die Quitte reift,

Recht wie Gold ſich gelblich mahlen,

Etwas, das man nicht begreift,

Ob es wolligt, haarig, ſeiden,

Worinn ſie ſich gleichſam kleiden.

Solchen Stoff hat ſonderlich

Dieſe Frucht allein fuͤr ſich.

Ach, was ſtecket in den Saͤften

Dieſer Frucht fuͤr Lieblichkeit!

Mit wie viel und manchen Kraͤften

Wird der Menſch durch ſie erfreut!

Wenn man ſie mit Zucker ſchmecket,

Wird ein lieblich Sau’r entdecket;

Dieſes labt nicht nur den Mund,

Es iſt heilſam und geſund.

Daß, da ſie zuſammenziehet,

Sie den ſchwachen Magen ſtaͤrkt,

Hat man, da man ſich bemuͤhet,

Jn der Arzeney bemerkt.

Jhre Kern’ hingegen kuͤhlen,

Wie wir es mit Nutzen fuͤhlen,

Wenn, erhitzt durch einen Fluß,

Man die Kehle gurgeln muß.

Wenn ſo Durchfall, als Erbrechen,

Mit gefaͤhrlicher Gewalt

Unſers Koͤrpers Kraͤfte ſchwaͤchen,

Stillt die Quitte beydes bald.

Jſſ’t man ſie vor andern Speiſen,

Soll ſie Kraft im Stopfen weiſen.

Aber nach der Speiſe Brauch

Oeffnet ſie hingegen auch.

Hoͤrt,
[169]uͤber das Reich der Pflanzen.
Hoͤrt, wie ſie zu vielen Sachen

Ferner noch zu brauchen ſeyn:

Aufzutrocknen, einzumachen.

Man verfertigt Quittenwein,

Auch ein Quittenbrodt aus ihnen.

Jhrer Kerne Saͤfte dienen

Gegen Augenweh’. Jm Brand

Jſt auch ihre Kraft erkannt.

Da man nun ſo manch Gerichte

Aus den reifen Quitten macht,

Will man den[,] der dieſe Fruͤchte,

Uns zu Gut[,] hervorgebracht,

Nicht mit frohem Herzen preiſen!

Laßt uns wenigſtens erweiſen,

Jm Vergnuͤgen unſrer Bruſt,

Daß ihr Urſprung uns bewußt!

Laßt uns in dem Eſſen ſchmecken

Den ſo wohlgemiſchten Saft!

Laßt uns auch zugleich entdecken

Unſrer Zungen ſcharfe Kraft!

Laßt uns dem, der beydes giebet,

Beydes macht, und alles liebet,

Auch fuͤr Quitten dankbar ſeyn,

Und uns ſeiner Guͤte freun!

Da nun ferner auch die Feigen
Feigen.
Unſers Schoͤpfers holde Macht

Auf beſondre Weiſe zeigen;

Nehmen wir auch die in Acht:

Und erwaͤgen voll Vergnuͤgen,

Wie in dieſer Frucht ſich fuͤgen,

Und darinn verbunden ſeyn

Nahrung, Luſt und Arzeney’n.

L 5Dieſe
[170]Betrachtungen
Dieſe Frucht iſt zaͤrt- und niedlich,

Und von Fleiſch gelind und weich.

Jhre Farb iſt unterſchiedlich,

Die Figur den Birnen gleich.

Klein und kurz ſind ihre Stiele,

Weißlichgruͤn ſind ihrer viele,

Wenn wir andre roͤthlich, braun,

Blau und purpurfaͤrbig ſchaun.

Wie die Erdbeer’ auswerts zeigen

Kleine gelbe Koͤrnerlein:

Alſo ſieht man, daß in Feigen

Kleine guͤldne Koͤrner ſeyn,

Welche beyd’ im Rothen gluͤhen,

Und die Augen auf ſich ziehen;

Dieß dient dem Geſicht zur Luſt,

So wie der Geſchmack der Bruſt.

Aus verſchiednen fremden Reichen

Kommen ſie im Ueberfluß.

Welſchland, Spanien, imgleichen

Frankreich ſchickt ſie zum Genuß.

Von ſo ſehr verſchiednen Orten

Kommen vieler Feigen Sorten.

Doch, zum lieblichen Gebrauch,

Wachſen ſie in Deutſchland auch.

Man ſieht aus den bloßen Zweigen

Ohne Laub, ja ohne Bluͤt

Dieſe ſchoͤne Fruͤchte ſteigen,

Das man ſonſt an keinen ſieht;

Aus des Holzes harten Rinden

Drengen ſie ſich, wie wir finden.

Von dem Reichthum der Natur

Zeigt dieß eine neue Spur.

Auch
[171]uͤber das Reich der Pflanzen.
Auch iſt ſonderlich an ihnen,

Daß dieſelben nach und nach,

Und, uns laͤnger noch zu dienen,

Nicht auf einmal, allgemach

Reifen, ſuͤß und eßbar werden.

Ach! wie wird nicht auf der Erden

Unſre Luſt in mancher Frucht

Auf ſo manche Art geſucht!

Nicht nur Luſt uns zu ertheilen,

Nebſt der Nahrung, ſondern auch

Unſern kranken Leib zu heilen,

Dienen Feigen zum Gebrauch.

Jn Geſchwuͤren, Beulen, Druͤſen

Hat ſich oft die Kraft gewieſen;

Wie auch in der groͤßten Pein

Feigen huͤlf- und heilſam ſeyn.

Wenn wir alſo Feigen eſſen,

Ja, wenn wir ſie auch nur ſehn,

Sollten wir mit Recht ermeſſen,

Wie es bloß durch Gott geſchehn,

Daß ſich in den ſuͤßen Feigen

Schoͤnheit, Luſt und Nutzen zeigen,

Und daß ſie durch Gott allein,

Wie ſie ſind, geſchaffen ſeyn.

Ferner muͤſſen wir erwaͤgen,

Was der Schoͤpfer, uns zur Luſt,

Fuͤr bewundrungswerthen Segen,

Zum Vergnuͤgen unſrer Bruſt,
Maul-
beer.
Jn die Maulbeer wollen ſenken.

Warlich, wenn wir es bedenken,

Sollten wir uns ſeiner freun,

Und auch dafuͤr dankbar ſeyn.

Es
[172]Betrachtungen
Es iſt dieſe Frucht an Kraͤften,

An Geſchmack, Geſtalt, Natur,

An ſo wohlgemiſchten Saͤften,

Farb und Bildungen nicht nur

Von den andern unterſchieden,

Sondern nuͤtzt auch einem jeden,

Ja es iſt ihr Laub ſo gar

Nuͤtzlich, dienlich, wunderbar.

Dieſe Blaͤtter ſind die Speiſe

Der Geſchoͤpfe, welche dir

Auf ſo wunderbare Weiſe,

So zum Nutzen, als zur Zier,

Die beliebte Seide weben.

Aller Seidenwuͤrmer Leben,

Das ſtets vielen Vortheil gab,

Haͤngt von Maulbeerblaͤttern ab.

Wenn man allen Nutz entdecket,

Der in dieſer Blaͤtter Saft

Wunderbar verborgen ſtecket;

Wenn man, wie durch Kaufmannſchaft

So verſchiedne Nationen

Ungezaͤhlte Millionen

Durch die Seid’ erworben, denkt:

O, ſo dankt dem, der ſie ſchenkt!

Laßt uns nun auch ſelbſt die Fruͤchte

Dieſes Wunderbaums beſehn!

Sie ſind an Groͤß’ und Gewichte

Nicht betraͤchtlich, oder ſchoͤn;

Aber an Erfriſchungskraͤften,

Und an ſaͤu’rlichſuͤßen Saͤften,

Sind dieſelben wunderreich,

Daß faſt keine Frucht ihr gleich.

Jhre
[173]uͤber das Reich der Pflanzen.
Jhre Haut iſt ſchwaͤrzlichdunkel,

Aber ihr verſchloßner Saft

Gleicht dem gluͤhenden Carfunkel,

Und hat dieſe Eigenſchaft:

Daß, wenn man die Frucht zerdruͤcket,

Man daran ein Roth erblicket,

Welches recht wie Schneckenblut

Unſern Augen ſanfte thut.

Laßt uns auch zur Form uns kehren!

Laͤnglichrund iſt die Figur.

Aus viel kleinen ſaft’gen Beeren

Setzt die ſpielende Natur

Sie recht wunderbar zuſammen,

Die aus einem Stengel ſtammen,

Und ein jedes Beerchen hat

Faſt die Bildung vom Granat.

Es iſt in der Maulbeer’ Saͤften

Suͤß und Sauer ſo gemiſcht,

Daß es mit beſondern Kraͤften

Zunge, Gaum und Blut erfriſcht.

Ja, da ſie gelinde kuͤhlen,

Duͤrfen auch die Kranken fuͤhlen,

Wie darinn die Arzeney

Mit der Luſt verbunden ſey.

Wie ſchmeckt Maulbeerſaft ſo niedlich,

Wenn man ihn zu Zucker ſprengt;

Und ſein Nutz iſt unterſchiedlich,

Wenn man ihn mit Eßig mengt,

Wodurch Mund- und Halsbeſchwerden

Rein und leicht geheilet werden;

Er erfriſcht nicht nur das Blut,

Er iſt auch zur Oeffnung gut.

Die
[174]Betrachtungen
Die Natur, auch hier zu zeigen,

Wie ſo mild und reich ſie ſey,

Zeuget auf den Maulbeerzweigen

Dieſer Fruͤchte zweyerley.

Sie ſchenkt mehr, als wir begehren,

Es giebt ſchwarz’, auch weiße, Beeren,

Die ſind, theilt man ſie genau,

Roͤthlich theils, theils gelb, theils grau.

Sind nun gleich der weißen Saͤfte

Am Geſchmack ſo lieblich nicht,

Sind doch ihrer Blaͤtter Kraͤfte

Deſto beſſer zugericht,

Daß ſie mit dem zarten Gruͤnen

Dem Gewuͤrm zur Nahrung dienen,

Welches uns die Seide webt,

Wo ſo mancher Menſch von lebt.

Um uns lange Zeit zu dienen,

Reifen ſie nicht auf einmal;

Dieß iſt ſonderlich an ihnen,

Daß ſie in gemeßner Zahl

Mehr als in die ſieben Wochen

Jmmer werden abgebrochen;

Sie vergehen allgemach;

Sie erſcheinen nach und nach.

Gottheit, die du deine Liebe,

Und wie ſehr du uns geneigt,

Nebſt dem Macht- und Weisheitstriebe,

Auch in dieſer Frucht gezeigt,

Gieb, daß, wenn ich Maulbeer’ eſſe,

Jch dein Wunderwerk ermeſſe,

So in ihrem holden Saft,

Als in meiner Zunge Kraft.

Apri-
[175]uͤber das Reich der Pflanzen.
Apricoſen ſind nicht minder
Apri-
coſen.
Dankens- und bewundernswerth.

Gott, der uns als ſeine Kinder

Durch dieſelben labt und naͤhrt,

Jſt auch dafuͤr hoch zu preiſen,

Daß, um ſeine Huld zu weiſen,

Er auch durch die ſuͤße Frucht

Menſchen zu ergetzen ſucht.

Sie verdient, daß wir mit Freuden,

Da ſie nicht von ungefaͤhr,

Aug- und Zungen an ihr weiden,

Dem, der ſie uns ſchenkt, zur Ehr’.

So von außen, als von innen,

Hat die Frucht fuͤr unſre Sinnen,

Seh ich ſie betrachtend an,

Alles, was uns reizen kann.

Wenn wir ſie nicht recht betrachten,

Scheint ſie in der Fruͤchte Reich,

Wo wir’s uͤberhin beachten,

Mehrentheils dem Pfirſich gleich;

Aber, wenn wir die Geſtalten

Eigentlich zuſammenhalten,

Jſt ſie, ſo an Form als Saft,

Ganz beſondrer Eigenſchaft.

Gelblichroth, gleich der Auroren,

Ja ſo roth oft, wie Rubin,

Den uns Jndien gebohren,

Stralen ſie durchs dunkle Gruͤn;

Wo ſie oft, wie Trauben, ſitzen.

Ein recht angenehmes Blitzen

Faͤllt, zumal im Sonnenlicht,

Von der Frucht uns ins Geſicht.

Wie
[176]Betrachtungen
Wie wird Zung und Gaum ergetzet,

Wenn die holde Suͤßigkeit

Dieſer Frucht dieſelbe netzet!

Wenn wir die Beſchaffenheit

Dieſer Lieblichkeit erwaͤgten,

Und im Schmecken uͤberlegten,

Daß, was uns reizt und erfriſcht,

Sich nicht von ſich ſelber miſcht:

Sondern, daß ein guͤtigs Weſen,

Durch des weiſen Willens Macht

Alles das dazu erleſen,

Alles in die Frucht gebracht

Und dem Samen eingepraͤget,

Was uns ſo viel Luſt erreget,

Und zugleich das Blut uns kuͤhlt,

Wie man es ſo ſchmeckt als fuͤhlt.

Nicht nur roh, nein, auch candiret,

Und in Zucker eingelegt,

Wenn ſie Zung und Gaum beruͤhret,

Da ſie Suͤß’s und Saͤuerlich’s hegt,

Das ſich recht harmoniſch fuͤget,

Schmeckt ſie lieblich, und vergnuͤget

Durch die Zung und Gaum den Geiſt,

Daß er Gott mit Anmuth preiſt.

Sollten wir, wenn wir ſie eſſen,

Gottes Macht, der ſie uns ſchenkt,

Und ſein Lieben nicht ermeſſen?

Dieß geſchieht, wenn man gedenkt

Jn der Zeit, wenn man ſie kaͤuet,

Daß das Feu’r, das uns erfreuet,

Jn der Frucht von ſelbſt nicht flammt,

Sondern von dem Schoͤpfer ſtammt.

Anders
[177]uͤber das Reich der Pflanzen.
Anders will, fuͤr ſo viel Gaben,

Die er uns ſo reichlich ſchenkt,

Unſer Gott nichts von uns haben,

Als daß man nur ſein gedenkt.

Er verlangt kein Wortgepraͤnge,

Keiner Kanzelreden Laͤnge *,

Keinen ſonderbaren Ton:

Freut euch ſein, ſo dankt ihr ſchon.

Es verdient auf gleiche Weiſe
Pfir-
ſich.
Auch des Pfirſichs edle Frucht,

Daß man, unſerm Gott zum Preiſe,

Auch ihr Weſen unterſucht.

Laßt, wenn wir ſie ſehn und eſſen,

Uns in ihnen auch ermeſſen,

Wie ihr Saft und ihre Pracht

Sey zu unſrer Luſt gemacht.

Pfirſchen ſind, vor andern Fruͤchten,

Dankens- und bewundernswerth,

Es iſt uns zu viel Gerichten

Jhr ſo ſaftig Fleiſch beſchert;

Da ſie ſaͤu’rlichſuͤß, wie Beeren,

So die Reben uns gewehren:

Lieblich iſt ihr Saft gemiſcht,

Daß er Gaum und Herz erfriſcht.

MJhre
[178]Betrachtungen
Jhre Form iſt ſelten laͤnglicht,

Sondern meiſtens zirkelrund:

Jhre Farb’ iſt oͤfters ſprenglicht,

Oefters allgemein, oft bunt;

Naͤmlich weislich, gelblich, gruͤnlich,

Roth, wozu die Sonn’ ihr dienlich,

Da ſichs an den Stellen mehrt,

Welche ſie zur Sonne kehrt.

Zart’ und ſanfte Rauhigkeiten

Werden an der Pfirſich Haut,

Auch an der geſpalt’nen Seiten,

Mit Verwunderung geſchaut;

Welche, wie es ſcheinet, ihnen

Gegen Ungeziefer dienen,

Daß daſſelbe ſie ſo leicht

Nicht benaget, noch bekreucht.

Dieſe Frucht iſt ſehr verſchiedlich

So an Form, als Farb’ und Saft,

Die iſt mehr, die minder niedlich,

Und von andrer Eigenſchaft.

Unſre Zunge kann im Schmecken

Unterſchiedne Luſt entdecken,

Und man theilet insgemein

Sie in maͤnn- und weiblich ein.

Nicht nur roh ſind dieſe Fruͤchte

Lieblich, ſchmackhaft, angenehm;

Sie ſind, mancherley Gerichte

Draus zu machen, auch bequem.

Wenn ſie nicht zu reif gebrochen,

Laſſen ſie ſich braten, kochen,

Da mit Zucker, Zimmt und Wein

Sie wohl zuzurichten ſeyn.

Tro-
[179]uͤber das Reich der Pflanzen.
Trocken ſind ſie gleicherweiſe

Zu gebrauchen, und man macht

Sie auf manche Art zur Speiſe.

Wuͤrd’ es doch mit Luſt bedacht!

Welche holde Lieblichkeiten

Kann man nicht daraus bereiten!

Wie beſchaͤfftigen ſie nicht

Den Geſchmack, Geruch, Geſicht!

Ja, die Kerne ſelbſt ſind nuͤtze,

Da ſie den zu kuͤhlen Saft

Waͤrmen durch die innre Hitze.

Deren feuerreichen Kraft

Hat man auch in Arzeneyen

Sich nicht weniger zu freuen.

Wie ergetzt, zu unſrer Luſt,

Perſico ſo Zung als Bruſt!

Jſt die Frucht denn nicht betrachtens-

Und aufs mind’ſte ſo viel werth,

Daß, ſtatt ſchluͤpfrigen Verachtens

Man in ihr den Geber ehrt?

Eſſet ſie, ſchmeckt und erkennet,

Daß der Schoͤpfer ſie euch goͤnnet:

Dankt ihm; ſo genießt ihr ſie,

Wie ein Menſch, nicht wie das Vieh.

Ferner werden wir in Nuͤſſen
N[]ſſe.
Unſers Schoͤpfers Lieb und Macht

Ruͤhmen und bewundern muͤſſen,

Der auch ſie hervorgebracht,

Zwar zu unſrer Luſt und Speiſe,

Aber auch zu ſeinem Preiſe;

Denn man findet in der Frucht,

Mehr als man gedenkt und ſucht.

M 2Dieſe
[180]Betrachtungen
Dieſe Fruͤchte ſind im Garten,

Und auch ſelbſt im Feld und Wald

Von ſehr unterſchiednen Arten,

Und von Weſen mannichfalt.

Bald auf Hoͤhen, bald in Gruͤnden,

Laͤßt ſich, nebſt der Wallnuß, finden

Auch die Haſ- und Stachelnuß,

Die man all’ bewundern muß.

Auf ſehr unterſchiedne Weiſe

Werden Nuͤſſe zugericht;

Wie ſo manche ſchoͤne Speiſe

Wuͤrzet man mit Nuͤſſen nicht!

Werden nicht auf unſerm Tiſche

Davon uͤber Fleiſch und Fiſche

Saucen, Bruͤh’n und Milch gemacht?

Auch wird Oel herausgebracht.

Mit verſchiednen andern Sachen,

Zucker, Zimmt und Naͤgelein,

Weis man Nuͤſſe einzumachen,

Welche dann ſehr dienlich ſeyn,

Unſern Magen wohl zu ſtaͤrken.

Noch iſt an der Nuß zu merken,

Daß ihr Oel zu vielerley

Nuͤtzlich, heil- und dienſam ſey.

Auch ſind in den Cocosnuͤſſen

Wunder, die nicht minder ſchoͤn;

Wie wir ja geſtehen muͤſſen,

Wenn wir ihre Groͤße ſehn,

Wenn ſie ihren Kern uns ſchenken,

Wenn die kuͤhlen Saͤft’ uns traͤnken.

Merket denn, daß auch in ihr

Unſerm Schoͤpfer Dank gebuͤhr.

Dankt
[181]uͤber das Reich der Pflanzen.
Dankt ihm, wie fuͤr alle Gaben,

Alſo auch fuͤr dieſe Frucht,

Dran ſich viele Voͤlker laben,

Die er zu ernaͤhren ſucht:

Denen Gott, auf dieſe Weiſe,

Sie zum Trank macht, und zur Speiſe.

Jſt nicht der bewundernswerth,

Der zugleich ſie traͤnkt und naͤhrt?

Es verdient ja dieß Geſchenke,

Da es uns vergnuͤgt und naͤhrt,

Wohl, daß man an ihn gedenke,

Da nur er ſie uns beſchert,

Und ſo viele Eigenſchaften

Uns zum Nutz an Nuͤſſen haften.

Laßt uns beym Genuß uns freu’n,

Und dafuͤr erkenntlich ſeyn!

Noch ein neu Geſchenk zu zeigen,
Man-
deln.
Muͤſſen wir von Mandeln auch

Nicht an dieſem Orte ſchweigen,

Deren Kern uns im Gebrauch

Unterſchiednen Nutz gewehret,

Und auf manche Weiſ’ uns naͤhret,

Da ſie uns ſowohl allein,

Als vermiſchet, dienlich ſeyn.

Dieſe Frucht, wenn wir’s erwaͤgen,

Mehret ihres Gebers Preis;

Jhre harte Schalen hegen

Einen Kern, der lieblich weiß.

Platt und laͤnglicht iſt derſelbe,

Jhn verſchließt ein glatt Gewoͤlbe,

Und er iſt, ſo wie ſein Sitz,

Oben ruͤnder, unten ſpitz.

M 3Jhre
[182]Betrachtungen
Jhre harte Schalen decket

Eine fleiſchlichrauhe Haut,

Welche gruͤn, worinn ſie ſtecket,

Wie man Welſchenuͤſſe ſchaut.

Dieſe berſtet meiſt an allen,

Da ſie dann herunterfallen,

Wenn ſie reifen im Auguſt,

Uns zum Nutzen und zur Luſt.

Sie ſind von verſchiednen Sorten,

Da ſie ſuͤß und bitter ſeyn;

Und man theilt ſie nach den Orten,

Wo ſie wachſen, meiſtens ein.

Es ſind Mandeln oftermalen

Sproͤde, duͤnn und hart von Schalen;

Wenn hingegen eine Art

Zaͤhe, feſte, dick und hart.

Jhr Geſchmack iſt unterſchiedlich,

Und beſonders ſchmeckt ihr Kern

Mit Roſin’n und Feigen niedlich,

Faſt ein jeder ißt ſie gern;

So allein, als auch gemiſchet,

Wird man durch die Frucht erfriſcheꝛ.

Wie ſo mancherley Gericht

Machen wir aus Mandeln nicht?

Wenn wir denn auch Mandeln eſſen,

Laßt uns mit geruͤhrter Bruſt,

Daß ſie ein Geſchoͤpf, ermeſſen,

Und mit inniglicher Luſt

An derſelben Schoͤpfer denken,

Der ſie uns hat wollen ſchenken;

Der uns eine Gnad erweiſt,

Wenn er uns mit Mandeln ſpeiſt.

Bey
[183]uͤber das Reich der Pflanzen.
Bey ſo unterſchiednen Fruͤchten
Dat-
teln.
Sind zumal auch Datteln werth,

Daß wir unſer Denken richten

Auch auf den, der ſie beſchert.

Wenn wir die Geſtalt betrachten,

Auf Geſchmack und Nutzen achten,

Zeiget ihre Suͤßigkeit

Mancherley Verſchiedenheit.

Wenn wir ihre Form beſehen,

Sind ſie faſt den Eicheln gleich,

Doch weit groͤßer. Sie beſtehen

Aus der Haut; dem Fleiſch, das weich;

Und dem Kern, der in der Mitten

Recht mit einem Riß durchſchnitten,

Der in weißen Haͤutchen ſteckt,

Da das Fleiſch ein Gelbes deckt.

Jhre weiße Bluͤte fuͤllet

Eine Haut, ſo ſie bedeckt,

Die mit ihnen gleichſam quillet

Und ſich zwiſchen Aeſten ſtreckt.

Da man denn in großer Menge,

Und wie Trauben, im Gedraͤnge

Wenn ſie berſtet, erſt die Bluͤt,

Und darauf die Fruͤchte ſieht.

Sie ſind angenehm zu eſſen,

Roh ſowohl, als zugericht;

Doch muß man zugleich ermeſſen,

Was durch ſie uns Guts geſchicht.

Jn verſchiednen Arzeneyen

Hat man ihrer ſich zu freuen;

So in Bruſt- als Halsbeſchwer

Nuͤtzen uns die Datteln ſehr.

M 4Wenn
[184]Betrachtungen
Wenn wir von der Blaſ- und Nieren,

Durch zu hitzigen Urin,

Schmerzen und Beſchwerden ſpuͤren,

Sagt man, daß die Dattel dien’,

Solche Schmerzen zu verjagen;

Wenn uns Huſt und Schwindſucht plagen,

Soll auch gegen ſolche Pein

Sie ein heilſam Mittel ſeyn.

Sollte man denn Gott nicht loben,

Daß er uns auch Datteln ſchenkt?

Billig wird ſein Ruhm erhoben,

Billig iſt es, daß man denkt:

Herr! der du ſie uns ertheileſt,

Und durch ſie uns naͤhrſt und heileſt,

Dir ſey immer mehr und mehr

Lob und Dank, und Preis und Ehr!

Ferner hat das große Weſen,

Das uns naͤhrt, ergetzt und traͤnkt,

Noch ein ſchoͤn Gewaͤchs erleſen,

Und es uns zur Luſt geſchenkt;
Gra-
naten.
Die Granaten, die uns eben

Auch ein neues Merkmaal geben,

Wie ſein Werk ſo vielerley

Und gar nicht zu zaͤhlen ſey.

Bey den angenehmen Fruͤchten

Scheint die bildende Natur

Jn Granaten zuzurichten

Eine zierliche Figur,

Die auf eine neue Weiſe,

Uns zur Luſt, und dem zum Preiſe,

Den kein Menſch genugſam preiſt,

Etwas Unerſchoͤpflichs weiſt.

Jn
[185]uͤber das Reich der Pflanzen.
Jn der nettgekroͤnten Schalen

Schoͤn- und roͤthlichbraunem Platz

Sieht man, wie Rubinen, ſtralen

Den ſo ſuͤß- als ſchoͤnen Schatz.

Wir ſehn ihren Schimmer ſpielen,

Und es kann die Zunge fuͤhlen

Jhre ſuͤße Saͤurlichkeit;

Wie wird Zung’ und Aug’ erfreut!

Der durchlaͤuchtgen Koͤrner Glaͤnzen

Jſt wohl recht bewundernswerth,

Welches ihrer engen Graͤnzen

Zierlichen Behaͤlter mehrt.

Seht, wie die polirten Ecken

Zierlich in einander ſtecken;

So der Schein, als Rang und Zier

Koͤmmt mir ſehr betraͤchtlich fuͤr.

Lieblich ſeh ich ihre Spitzen,

Die ſo klar, ſo rein, ſo glatt,

Jn und an einander ſitzen.

Jhre Seiten ſchließen platt

Und ſo dicht in einer Reihen,

Daß ſie jedes Aug’ erfreuen,

Wenn ſie recht, wie ein Rubin,

Jn der ſchoͤnſten Ordnung gluͤhn.

Wie iſt ihr Geſchmack ſo niedlich,

Und von aller andern Frucht

Abermal ſo unterſchiedlich!

Wer ſie zu vergleichen ſucht,

Wird, wie ſehr wir es ergruͤnden,

Solchen Unterſchied befinden,

Daß im ganzen Fruͤchtenreich

Keine der Granaten gleich.

M 5Son-
[186]Betrachtungen
Sonderlich wird man vergnuͤget,

Wenn man Zucker mit dem Wein

Zu den ſaͤft’gen Koͤrnern fuͤget;

Kein Geſchmack kann holder ſeyn.

Wenn wir ſie zuſammen miſchen,

Hat, die Zunge zu erfriſchen,

Faſt auf Erden ſonſt kein Saft

Eine ſolche Kuͤhlungskraft.

Man trifft an verſchiednen Orten

Dreyerley Granaten an,

Deren unterſchiedne Sorten

Man ſehr leicht bemerken kann:

Suͤß’ und ſaure ſind gefunden,

Und in einer ſind verbunden

Suͤß und Sauer; unſerm Blut

Sind ſie alle nuͤtz und gut.

Saure kuͤhlen, und die ſuͤßen

Nuͤtzen der verſchleimten Bruſt,

Der ſuͤßſaͤurlichen Genießen

Fuͤll’t nicht nur den Mund mit Luſt;

Jeder weis, daß ihr Gemiſche

Auch ein hitzigs Blut erfriſche;

Ja, in heißen Fiebern gar

Brauchet man ſie ohn Gefahr.

Auch ſo gar die herben Schalen

Dienen uns mit ihrem Saft;

Jn dem Durchlauf iſt zumalen

Er von ſonderlicher Kraft.

Nebſt verſchiednen andern Sachen

Kann man aus ihm Dinte machen,

Die, wenn man es nur bedenkt,

Uns ſo manchen Nutzen ſchenkt.

Ja,
[187]uͤber das Reich der Pflanzen.
Ja, wo Farben auf der Erden

Praͤchtig, voll und wirklich ſchoͤn

Jrgend angetroffen werden,

Laͤßt ſie ihre Bluͤte ſehn.

Wer wird ſolch ein funkelnd Brennen

Sonſt bey Blumen zeigen koͤnnen?

Da man die Granatenbluͤt

Gluͤhen mehr, als bluͤhen ſieht.

Wenn die Menge dieſer Fruͤchte

Jmmer mit vereinter Kraft,

So dem Gaum, als dem Geſichte,

Anmuth und Vergnuͤgen ſchafft,

Uns verſchiedne Luſt ertheilet,

Und ſogar in Krankheit heilet;

Gleicht man denn nicht einem Schwein,

Wenn wir Gott nicht dankbar ſeyn?

Wenn wir dieſe Frucht verzehren,

Wenn man ihre Schoͤnheit ſieht,

Wenn uns Saft und Koͤrner naͤhren

Und erfriſchen das Gebluͤt;

Sollte man ſich billig ſchaͤmen,

Sonder Dank, ſie hinzunehmen,

Ohn auf Gottes Huld zu ſehn,

Und ſein Allmacht zu erhoͤhn.

Noch ein herrliches Geſchenke,
Apfel-
ſina.
Citro-
nen.
Pome-
ran-
zen.
Welches uns der Schoͤpfer goͤnnt,

Woran ich mit Luſt gedenke,

Die man Pomeranzen nennt,

Wollen wir anjetzt erwaͤgen,

Und in ihnen uͤberlegen

Deſſen weiſe Lieb und Macht,

Welcher ſie hervorgebracht.

Die
[188]Betrachtungen
Die Natur hat, ſie zu bilden,

Weder Fleiß noch Kunſt geſpart;

Jhre Farb iſt wirklich guͤlden,

Sie ſind von verſchiedner Art;

Es ſind bittre, ſaur’ und ſuͤße,

Drum man ſie verſchiedlich hieße;

Weil ſie ſo verſchieden ſeyn,

Theilet man ſie billig ein.

Apfel-
ſina.
Apfelſina ſind die ſuͤßen

Eigentlich allein genannt,

Als die in dem Land entſprießen;

An der Saͤure ſind erkannt

Die, ſo wir Citronen heißen,

Und ein wenig blaſſer gleißen:

Pomeranzen, deren Saft

Von geſund- und bittrer Kraft.

Ehe wir nun weiter gehen,

Und von einer jeden Art

Frucht, Geſchmack und Kraft beſehen,

Die in dieſer Frucht gepaart:

Laßt uns auf die Bluͤten achten

Und erſtaunt dabey betrachten,

Daß die Baͤume ſtets zugleich

Bluͤt- und frucht- und blaͤtterreich.

Da ſie unaufhoͤrlich gruͤnen,

Und auch ſelbſt im Winter ſchoͤn,

Sieht man ihre Frucht auf ihnen

Reif zugleich und unreif ſtehn.

Jn den Pomeranzenhaͤuſern

Wird auf ihrer Kronen Reiſern,

Als wenn ſie der Sommer ſchmuͤckt,

Auch im Froſt, ihr Schmuck erblickt.

Die,
[189]uͤber das Reich der Pflanzen.
Die, ſo ſchoͤne Bluͤt und Fruͤchte,

Welche dieſer Baum uns zollt,

Sind dem Gaum, Geruch, Geſichte

Riechend Silber, eßbar Gold.

Richts kann lieblicher auf Erden

Am Geruch gefunden werden,

Als der Balſam, welchen man

Jn der Bluͤt empfinden kann.

Nett iſt dieſe Bluͤt formiret;

Außer ihrem weißen Schein

Jſt ſie rings umher gezieret

Mit fuͤnf dicken Blaͤtterlein,

Die den Balſamduft verſchließen,

Welchen wir daraus genießen:

Jener giebt den Augen Luſt,

Dieſer ſtaͤrkt Gehirn und Bruſt.

Was uns Hirn und Naſe ruͤhret

Aus der angewuͤrzten Bluͤt,

Wird durchs Feuer diſtilliret.

Allerley Eſſenzen zieht

Und erzwinget man aus ihnen,

Die zu mancher Anmuth dienen,

Und geſund und heilſam ſind;

Wie man es mit Luſt empfindt.

Jhre Schale ſcheint verguͤldet,

Die ein weißes Fleiſch verdeckt,

Worinn, wunderbar gebildet,

Das faſt guͤldne Fleiſch denn ſteckt,

Das ſo ſaftig, und ſo zierlich,

Jn viel Blaͤslein recht natuͤrlich

Als ein Stern und Roſenbild

Schoͤn formiret, eingehuͤllt.

Dem
[190]Betrachtungen
Dem Geſchmack kann keiner gleichen,

Selbſt der, vom Tokayerwein,

Als der beſte, muß ihm weichen.

Weil in ihm vereinet ſeyn

Suͤß und Saur, in ſolcher Miſchung,

Giebt er Anmuth und Erfriſchung,

Beydes in ſo holdem Grad,

Daß man nicht dergleichen hat.

Viele Sorten ſind entdecket,

Suͤße, ſaure, groß und klein,

Kraus von Blaͤttern, die geflecket,

Zwerg- und Horn- auch Weibelein:

Straus, Orangen, die Pucina

Di Cedrato et di China,

Di Rubert’ et Genua,

Dopple Bluͤt’ et cetera.

Auch in ihren bittern Schalen,

Außer ihrem ſuͤßen Saft,

Steckt, zur Arzeney zumalen,

Eine mannichfache Kraft.

Zu candiren, einzumachen,

Und zu vielen andern Sachen,

Sonderlich zum Brandtewein,

Koͤnnen ſie bereitet ſeyn.

Wie der Apfelſina Gaben,
Citro-
nen.
So ſind auch Citronen werth,

Daß wir uns an ihnen laben,

Daß man den in ihnen ehrt,

Welcher uns, in unſerm Leben,

Nutz und Luſt darinn gegeben.

Zum Geſchmack, Geruch, Geſicht

Jſt ſie lieblich zugericht.

Ange-
[191]uͤber das Reich der Pflanzen.
Angenehm iſt ſie gebildet,

Und an Farbe ſcheint ſie ganz,

Recht als waͤr ſie uͤberguͤldet,

Durch der glatten Schalen Glanz.

Jn dem guͤldenen Gehaͤuſe,

Steckt auf wunderbare Weiſe,

Jn dem wirklich ſtarken Saft,

Eine rechte Balſamkraft.

Kann ein Blick wohl ohn Vergnuͤgen,

Wie ſo ordentlich und ſchoͤn

Jhre Saͤft in Blaͤslein liegen

Und in netten Faͤchern, ſehn?

Wuͤrd’ es doch mit Luſt erkennet!

Wenn man ſie in Scheiben trennet,

Stellen ſie in klarer Zier

Platte gelbe Roſen fuͤr.

Scheint die aͤußre Schale guͤlden,

Jſt die innre weiß, wie Schnee.

Jn Figur ſcheint ſie zu bilden,

Wenn ich eine Seite ſeh,

Eine Bruſt von einer Frauen;

Eine Haͤlfte laͤßt uns ſchauen

Eine ſuͤße Ruͤnd’ erhoͤht,

Worauf eine Warze ſteht.

Ehe wir den Saft betrachten,

Laſſet uns die Eigenſchaft

Des Geruchs in ihr beachten,

Der von ſonderbarer Kraft!

Kein Geruch wird leicht gefunden,

Der ſo Kranken, als Geſunden,

Ein vergnuͤgter Labſal giebt,

Und der allgemein beliebt.

Es
[192]Betrachtungen
Es wird Herz und Hirn erfriſchet,

Da auf recht beſondre Art

Sich ein ſuͤßes Bitter miſchet

Und in ſanftem Grade paart.

Liebliche Beſchaffenheiten

Zeugen dieſe Geiſtigkeiten,

Voller Anmuth, Staͤrk und Luſt,

Unſerm Haupt und unſrer Bruſt.

Der Citronen ſcharfe Saͤfte

Sind zu vielen Dingen nuͤtz;

Hegen ganz beſondre Kraͤfte,

Daͤmpfen die zu ſtarke Hitz;

Dienen auch, das Herz zu ſtaͤrken;

Nuͤtzlich iſt in Zuckerwerken,

Und zu vielen Speiſen auch

Jn der Kuͤche, der Gebrauch.

Der Geſchmack wird ſehr erfriſchet,

Wenn man dieſen Saft mit Wein,

Waſſer, Ey und Zucker miſchet;

Aber dieſes nicht allein:

Sondern, ſehr viel andre Sachen,

Sind aus dieſer Frucht zu machen;

So zur Luſt und Schleckerey,

Als auch in der Arzeney.

Wenn wir ſo viel Lieblichs ſchmecken

Jn dem angenehmen Saft,

Laßt uns doch vergnuͤgt entdecken

Deſſen Weisheit, Lieb und Kraft,

Der uns ſchon in dieſem Leben

So viel tauſend Guts gegeben.

Welches uns, daß er uns liebt,

Eine klare Probe giebt.

Nebſt
[193]uͤber das Reich der Pflanzen.
Nebſt den ſauren und den ſuͤßen,
Pome-
ran-
zen.
Die der Schoͤpfer uns beſchert

Zum Vergnuͤgen und Erſprießen,

Sind die bittern auch noch werth,

Daß wir ſie zugleich beſehen,

Und davon zugleich geſtehen,

Wenn man ihre Kraft bedenkt,

Daß auch die uns Gott geſchenkt.

Kann man doch ſo viele Sachen

Zu ſo mancherley Gebrauch

Aus den Pomeranzen machen,

Und aus ihren Schalen auch.

Sie ſind gut, zu candiſiren,

Sie ſind nuͤtz, zu diſtilliren,

Wie ihr ſtark- und heißer Geiſt

Eine Probe davon weiſt.

Dieſer ſtaͤrket unſern Magen,

Eben wie der Brandtewein.

Wenn die Blaͤhungen uns plagen,

Kann uns nichts ſo dienlich ſeyn.

Wenn man ſtark Erbrechen ſpuͤret,

Das nicht von der Galle ruͤhret,

Stillt dieß Mittel alſobald

Dieſe ſchaͤdliche Gewalt.

Die Erfahrung laͤßt uns lernen,

Daß die Frucht noch weiter dien’:

Denn aus Pomeranzenkernen

Kann man noch ein Waſſer ziehn,

Das ſehr gut, den Stein zu treiben,

Und denſelben zu zerreiben.

Bey verſchiednen Speiſen auch

Dient der Saft uns zum Gebrauch.

NJn
[194]Betrachtungen
Jn der Blumen Blatt und Hoͤle

Steckt annoch, zu unſrer Luſt,

Nebſt dem Eßig, auch ein Oele:

Beyde ſtaͤrken unſre Bruſt

Jm Geruch und in dem Munde.

Laßt uns denn von Herzensgrunde

Danken; wenn man oft gedenkt

Deß, der ſo viel Guts uns ſchenkt!


Das
[195]

Das Thierreich.


Von einer recht- und wahren Gottheit die allerhellſt’
und klarſten Spuren

Zeigt unſern uͤberfuͤhrten Seelen das Reich lebend’ger
Kreaturen

Nicht nur ihr Koͤrper, der ſo kuͤnſtlich, Bewegung, Sin-
nen, Geiſt und Leben

Sind Zeugen einer weiſen Quell, und koͤnnen von dem
Urſprungsſtand
(Der ſonſt, vor allzugroßer Groͤße, ſelbſt unſern Seelen
unbekannt)

Des Schoͤpfers, der ſonſt unbegreiflich, die allerbeſten
Proben geben.

Wer anders, als ein weiſes Weſen, koͤnnt unſern großen
Erdkreis faͤllen

Mit ſolcher kuͤnſtlichen Maſchinen faſt nicht zu zaͤhlnder
Meng’ und Zahl?

Wer ſie ernaͤhren und erhalten? Wer koͤnnte fuͤr ſie all-
zumal

Mit ganz unnachahmbarer Weisheit ihr ſo verſchiednes
Futter quillen,

Entſtehn und fuͤr ſie wachſen laſſen? Wer anders, als
ein Gott allein

Koͤnnt’, in ſo wunderbarer Ordnung, derſelben Weſen ſo
formiren,

Daß ſie ſich meiſtens unter ſich einander huͤlf- und dien-
ſam ſeyn?

Ja daß faſt alle fuͤr den Menſchen, der, ſie zu nuͤtzen, zu
regieren

N 2Er-
[196]Betrachtungen
Erſchaffen ſcheint, erſchaffen ſcheinen. Wer ſonſt als ei-
ne Gottheit nur,

Hat, in des Menſchen Weſen ſelber (der ſich ſo wenig
ſelbſt gemacht,

Als alle andere Geſchoͤpfe) ſolch eine Wunderkreatur,

Die, einen Gott zu ehren, faͤhig, ſo wunderbar hervor-
gebracht?

Solch eine Wunderkreatur, die Gott gewuͤrdigt zu be-
ſchenken,

Mit einem Geiſt, der was betrachten, vergleichen, uͤber-
legen, denken,

Jhn fuͤhlen und ihn finden kann, der faͤhig, in den Wun-
derwerken,

Des uͤberall vorhandnen Schoͤpfers vom uͤberall vorhand-
nen Weſen,

Die uͤberall verhandne Weisheit, und ſeine Lieb’ und
Macht zu merken,

Jhn zu bewundern, anzubeten, ihn zu verkuͤndigen, zu
preiſen,

Und im empfindenden Genuß ihm Dank und Ehre zu
erweiſen?

Dieß wird am fuͤglichſten geſchehn, wenn wir der Seelen
rege Kraft

Auf die nebſt uns geſchaffner Weſen bewundernswerthe
Eigenſchaft

Nach Moͤglichkeit vorher gelenkt, und, in derſelben Wun-
derwerken,

Als wie im wahren Buch der Weisheit, ihn, als den Jn-
halt, zu bemerken,

Mit Ernſt und Andacht uns bemuͤht, da wir zugleich
auf dieſer Erden

Die Kleinheit unſerer Vernunft, und ſeine Groͤß’ erken-
nen werden.

Es
[197]uͤber das Reich der Thiere.
Es ſcheinet ja mit allem Recht, dieß noͤthige Geſchaͤfft
allein

Vernuͤnft’ger Geiſter beſter Vorwurf, und unſre groͤßte
Pflicht zu ſeyn.

Wohin ich meiner Seelen Kraͤfte und ihre Faͤhigkeiten
lenke,

Wie hoch ich aufwerts mich erhebe, wie tief ich mich
hinabwerts ſenke,

Was ich, nach moͤglichem Erforſchen der Hoͤhen und der
Tiefen denke,

So ſcheinet meines Weſens Abſicht, der Zweck, daß ich
hervorgebracht,

Bloß die Verherrlichung des Schoͤpfers. Des Koͤrpers
Kraͤfte mit der Seelen
(Um den, der alle beyde ſchuf, dadurch zu preiſen) zu
vermaͤhlen:

Dieß ſcheint und iſt unwiderſprechlich der Wille des, der
mich gemacht.

Man halte gegen dieſe Handlung doch alle Handlungen
auf Erden,

Die wir verrichten, die noch werden, und die ſchon auf der
Welt geſchehn:

So wird, wenn auch die allerbeſten mit dieſem Thun ver-
glichen werden,

Man, daß ſie dieſer das Gewicht nicht halten koͤnnen,
gern geſtehn.

Wir finden in uns Geiſt und Koͤrper, wir finden hier in
unſerm Leben,

Auch außer uns in allen Orten, mit Geiſt- und Koͤrpern
uns umgeben,

Die ſollen billig ihrer Quell, woraus ſie ſtammen, ganz
allein

Zum Ruhm und zur Verherrlichung der Vorwurf unſrer
Kraͤfte ſeyn.

N 3Nach-
[198]Betrachtungen
Nachdem wir in zwey Reichen nun (des Schoͤpfers All-
macht zu erhoͤhn)

Mit allem Ernſt bemuͤht geweſen, die Stralen ſeiner
Macht zu ſehn,

So laßt uns auch mit Ernſt und Demuth dem Schoͤpfer
noch ein Opfer bringen,

Und, in dem dritten, in dem Thierreich, auch Gottes Wun-
der zu beſingen

Mit Luſt und Andacht uns beſtreben! Herr! laß es dir
zum Ruhm gelingen!

Wie alle nicht beſeelte Koͤrper von eines Schoͤpfers
Macht nicht ſchweigen,

Und ein’ anbetungswerthe Weisheit in ihrer Maaß
und Ordnung zeigen:

So zeigt das Thierreich insbeſondre, dem Herrn der
Kreatur zum Preiſe,

Deſſelben Allmacht, Weisheit, Lieb’, auf eine ſo ge-
wiſſe Weiſe,

Der nicht zu widerſprechen iſt; ſo daß, wenn wir nicht
anders wuͤßten,

Und es die ganze Welt nicht zeigte, man, gegen einen
Atheiſten,

Wohl nimmer einen ſtaͤrkern Grund, um voͤllig ihn zu
uͤberwinden,

Und ſeinen Jrrthum ihm zu zeigen, als ſeinen eignen
Leib wird finden.

Wenn ich mit einiger Betrachtung aufs Reich der
Thiere Achtung gebe,

Ja wenn wir bloß an einem Thier das unbegreifliche
Gewebe

Von Nerven, Knorpel, Fleiſch und Haut, von klein-
und großen Blutgefaͤßen,

Woraus
[199]uͤber das Reich der Thiere.
Woraus die Thier’, auch wir gebildet, die Art der Fuͤ-
gungen ermeſſen,

Erſchrickt das Auge, ſtutzt der Geiſt. Man wird faſt
aus ſich ſelbſt geriſſen,

Und muß der Allerunverſchaͤmtſte, auch wider Willen,
hier geſtehn,

Dieß koͤnne nicht durch Menſchenkunſt, auch nicht von
ungefaͤhr, geſchehn.

Daher wir ja zu einem weiſern und hoͤhern Weſen kom-
men muͤſſen,

Auch wenn wir noch ſo ungern wollten. Da dieß uns
ſo zu Paaren treibt,

Daß auch dem Allerfrevelhaftſten dennoch kein’ Aus-
flucht uͤbrig bleibt.

Kommt, laßt uns denn, zu dieſem Endzweck, der Thiere
Koͤrper, naͤher gehn,

Und ihr verwunderlich Gebaͤnde, dem der ſie ſchuf zum
Ruhm, beſehn.

Definition.


Es iſt demnach ein Thier ein Weſen, das lebt, das

waͤchſt, das ſich ernaͤhrt,

Das ſich beweget, das empfindet, und welches ſein Ge-

ſchlecht vermehrt.

Eintheilung.


Man pflegt den Unterſchied der Thier’ auf dieſe Weiſe
zu beſtimmen,

Und theilt dieſelben insgemein

Jn Thiere, (Menſchen ausgenommen, die nur mit Zwey
begabet ſeyn)

N 4Die
[200]Betrachtungen
Die auf vier Beinen ſich bewegen, in Thiere, welche
fliegen, ſchwimmen,

Und endlich in noch eine Art, in Thiere, welche blut-
los, ein;

Von welchen viele groß vom Koͤrper, und viele ganz un-
glaublich klein.

Wir wollen nun von dieſen erſtlich die, ſo vier Fuͤße
haben, ſehn;

Weil ihre Koͤrper mehrentheils mit denen koͤrperlichen
Gaben,

Die wir, doch mit beſonderm Vorzug, an unſerm Leib
empfangen haben,

Die den Verſtand weit uͤberſteigen, in einer Art von
Gleichheit ſtehn.

Demnach beſteht das große Kunſtwerk, der Leib vom
Menſchen und vom Thier,

Das unvergleichlich, wunderbar, ja gleichſam goͤttlich
iſt, allein

Aus lauter Theilen, welche feſt, und Theilen, welche
fluͤßig ſeyn.

Die ſtellen, in ſich ſelbſt verbunden, ein Luft- und Waſ-
ſerwerk uns fuͤr,

Ja eine Werkſtatt der Chymie von Kolben, Vorlag-
Siebungen,

Jmgleichen manches Heb- und Werkzeug von vielen
uͤberkuͤnſtlichen
(Faſt lebendigen Chorden gleich,) verſchiedlich angezog’-
nen Seilen.

Von denen in der Thiere Leibern vorhandnen fluͤßig-
feuchten Theilen,

Jſt nun vor andern das Gebluͤt ein ſo verwunderlicher
Saft,

Von
[201]uͤber das Reich der Thiere.
Von einer ſolchen ſonderbaren und unbegreiflich regen
Kraft,

Daß in der inneren Bewegung, und in des Kreislaufs
Eigenſchaft

Das Leben zu beſtehen ſcheint. Doch iſt ſein Stoff
ſo mannichfalt,

Und iſt es ſo ſubtil gemiſcht, daß man die wirkliche Geſtalt

Durchaus nicht zu entdecken faͤhig, und daß, bey al-
ler Muͤh und Fleiß,

Man nicht ſein Weſen zu begreifen, noch minder nach-
zuahmen weis.

Die innere Centralbewegung ſcheint von der Luft bloß
herzuruͤhren,

Und iſt dieſelbige ſo noͤthig zu der Erhaltung unſers
Lebens,

Daß, ohn den Athem auszulaſſen und ohn denſelben
einzuziehen,

Wir ſonder Aufſchub ſterben wuͤrden, und unſern Geiſt
ſogleich verlieren.

Ohn Athem waͤre das Bemuͤhen,

Das Leben laͤnger zu behalten, bey jedem Menſchen ganz
vergebens.

Das Athmen nun, ſo viel wir faſſen, ſcheint auf die
Weiſe zu geſchehn,

Wenn naͤmlich unſre Ribben, Muskeln, zuſammt der
Lunge ſich erhoͤhn,

Wodurch die Bruſt dann hol und leer, indem das
Zwerchfell unter ſich,

Die Ribben uͤber ſich gezogen, der Bau der Lunge aus-
geſpannt.

Wenn wir nun Athem von uns laſſen, und daß die Luft
wird weggeſandt,

N 5Ge-
[202]Betrachtungen
Geſchieht daſſelbe, wenn das Zwerchfell hinwieder in den
vor’gen Stand,

Zuſammt den Ribben, ſich begiebet, die Lunge ſich zu-
ſammenzieht,

So beydes ein betraͤchtlich Wunder fuͤr ein aufmerkſa-
mes Gemuͤth.

Der Bau der Lunge ſelber nun beſteht aus Blaͤslein,
wie man ſieht,

Doch iſt dieß nutz- und wunderbar beſondre Werkzeug,
wie wir leſen,

Und ihre eigene Geſtalt, vor kurzem noch verſteckt ge-
weſen.

Sie ſcheint hauptſaͤchlich zum Zertheilen und zur Verduͤn-
nung dem Gebluͤt,

Zu unſers Bluts Centralbewegung, und folglich ſelbſt
zur Lebenswaͤrme

Uns eigentlich geſchenkt zu ſeyn, auch zur Bewegung der
Gedaͤrme.

Denn wenn Blut aus des Herzens Kammer der rechten
Seite durch die Lungen,

Und ihre mehr, als wie ein Haar, verkleinte Roͤhren,
wird gedrungen,

Wird es, durch ſtetes Wiederholen des Athems, den
man von ſich laͤßt,

Und wieder einzieht, ungemein gedruckt, gedrenget und
gepreßt,

Jn kleine Kuͤgelchen zertheilt, die ſich dadurch geſchwin-
der regen,

Und in das Blut ein lebhaft Roth und angenehme Farbe
praͤgen.

Wie nun die meiſten Koͤrpertheile, ſowohl bey Menſchen
als bey Thieren,

Noch
[203]uͤber das Reich der Thiere.
Noch mehr als einen Nutzen haben; ſo iſt dieß bey der
Lungen auch

Zu ſehn und hoͤchlich zu bewundern. Sie dient, die Re-
de zu formiren,

Gedaͤrm und Magen zu bewegen, es dient ihr unge-
hemmter Hauch

Den Milchſaft, zu der Achſelader, zu treiben und hin-
auf zu fuͤhren,

Vom Blut den Gallenſaft zu ſcheiden, drauf Hitz und
Krankheit ſich verlieren,

Zu der Befoͤrdrung der Geburt, auch Harn und Unrath
auszutreiben:

Und kurz, das Wunder und der Nutz der Lungen iſt nicht
zu beſchreiben.

Das Blut hat, außer dieſem Lauf, annoch ein raͤumli-
ches Bewegen,

Das, weil es in die Ruͤnde rennt,

Man insgemein die Kreisbewegung, und oͤfters auch den
Kreislauf nennt.

Da naͤmlich aus der linken Seite der Herzenskammer
das Gebluͤt

Mit einem recht gewaltgen Drang durch die Arterie ge-
preßt,

Sich in des ganzen Koͤrpers Theile, auch in die kleinſten,
treiben laͤßt,

Und, nach daſelbſt gelaßner Nahrung und Sondrung
von verſchiednen Theilen,

Es durch die ſogenannte Venas, die es aufs neu, in re-
gem Eilen,

Zum Herzen wieder ruͤckwerts fuͤhren, um es von neuem
zu beleben,

Und anderweitige Verduͤnnung ihm durch die Lung’ aufs
neu zu geben.

Das
[204]Betrachtungen
Das Herz, das Hauptrad der Bewegung, zum Druck
ſo noͤthig und ſo nuͤtze,

Jſt eine kuͤnſtlich unbegreiflich und wunderbar formirte
Spruͤtze,

An welcher (nebſt zwo holen Kammern, zwey Oehrlein,
Fallen, die dem Zeichen

Des halben Monds und Biſchofskappen mit dreyen Spi-
tzen, voͤllig gleichen)

Sehr ordentlich gedrehte Maͤuslein in großer Menge ſich
verbinden.

Solch uͤber Wunder kuͤnſtlich Werkzeug nun zu formi-
ren, zu erfinden,

Jſt bloß allein ein Werk der Weisheit und einer unum-
ſchraͤnkten Macht.

Denn welcher Geiſt hat irgend eine ſo kuͤnſtliche Ma-
ſchin’ erdacht?

Daß wir nun ſelbſt nicht Herren waͤren von unſerm
Sterben oder Leben;

Hat unſer Schoͤpfer unſrer Seelen daruͤber keine Macht
gegeben,

Wodurch zugleich derſelben Schwaͤche, daß ſie ſich nicht
kann ſelbſt formiren,

Als auch ein groͤß- und hoͤhers Weſen, das außer uns,
ſehr klar zu ſpuͤren.

Des Blutes Kreisbewegung nun noch zu befoͤrdern,
dient die Kraft

Und Zuſtand der Arterien ſehr viel, indem ſie vom Ge-
bluͤt,

Gedehnt durch eigne Spannungstriebe, ſich wiederum
zuſammenzieht,

Und dadurch den in ihren Roͤhren vorhandnen rothen Le-
bensſaft

Be-
[205]uͤber das Reich der Thiere.
Beſtaͤndig fort und vorwerts druckt. Jmgleichen dienen
noch dazu

Faſt alle Theile, die in uns zum Athmen dienen, da ſie
ſich

Jn einem ſteten Wechſel dehnen und wieder ſchließen.
Sonderlich

Die Luft, die aller Thiere Koͤrper in einem Gleichge-
wicht umringet,

Und mit der Luft, die in den Adern vorhanden, ſich ver-
eint, ſie dringet,

Und in natuͤrlicher Bewegung ſie in die rechten Schran-
ken zwinget.

Wie wir denn ſolches eigentlich an Thieren in der Luft-
pump ſehn,

Daß ſich an ihnen alle Theile an ihrem ganzen Leib er-
hoͤhn,

Sobald die aͤußre Luft hinweg, weil ſich, ohn vor’gen
Widerſtand

Der aͤußeren, die innre Luft durch eigne Triebkraft, aus-
geſpannt.

Auch hilft der Bau der andern Adern, die Venaͤ ins-
gemein genannt,

Die weiter als die erſten noch, und worinn eigne kleine
Thuͤren,

Die recht bewundernswuͤrdig ſind, zum Herzen hingekehrt
zu ſpuͤren,

Zu der beſtaͤndigen Bewegung und zu des Blutes Circu-
liren.

Mit eben ſolchen nach dem Herzen, dem Mittelpunkt,
gekehrten Thuͤren

Sind auch die Waſſeraͤderchen, die kuͤrzlich erſt entdeckt,
verſehn,

Die
[206]Betrachtungen
Die bey der allgemeinen Scheidung im Koͤrper mit ſich
ruͤckwerts fuͤhren

Viel zarte waͤſſerichte Theile, die wieder nach dem Herzen
gehn,

Damit des Blutes Fluͤßigkeit dadurch von aller Sto-
ckung frey,

Und in dem ſo nothwend’gen Kreislauf beſtaͤndig unter-
halten ſey.

Nachdem wir nun den Zirkellauf des Bluts in etwas
angeſehn,

So laßt uns, wie der Nahrungsſaft formirt, die Schei-
dungen geſchehn,

Jm Koͤrper ebenfalls betrachten, worinn ſich neue Wun-
der weiſen.

Sobald durch unſre vordre Zaͤhne, als wie durch
Meſſer, unſre Speiſen

Zerſchnitten, durch die Backenzaͤhn, als wie durch ſo
viel Muͤhlenſtein’,

Zermalmet, mit des Speichels Saft befeuchtet, und ge-
kaͤuet ſeyn,

So werden ſie, durch die Bewegung der Maͤuslein, von
dem Schlund der Zungen

Durch den Canal, die Speiſeroͤhre genennet, ſchnell hin-
abgeſchlungen,

Und in dem Magen recht gekocht, als wie auf einem
Kuͤchenherd,

Daſelbſt auf ganz beſondre Weiſ’ in einen weißen Saft
verkehrt,

Der, unter Miſchung andrer Theile, ſich durch den un-
tern Magenmund

Hinabſenket, und allgemach in das Gedaͤrme ſich er-
gießet,

Wo-
[207]uͤber das Reich der Thiere.
Woſelbſt denn, da allhier die Galle zuſammt dem Safte
dazu fließet,

Der pancreatiſche genannt, die Nahrungsſaͤfte mehr ver-
duͤnnt,

Und von den groͤbern Theilen immer je mehr und mehr
geſondert ſind,

So daß nur bloß das Fluͤßigſte, und das die meiſte Nah-
rung heget,

Von den Gedaͤrmen unaufhoͤrlich gedrengt, gepreßt, ge-
druckt, beweget,

Durch die ſubtile Oeffnungen der Milchgefaͤß’, als einen
Sieb,

Sich ſenkt, von hier ſich durchs Gekroͤſe und in den
Milchbehalter zieht,

Dann in des Ruͤckgrads innern Theil, hinauf, durch
einen ſtarken Trieb

Und durch den Bruſtcanal hindurch zur Achſelader, ins
Gebluͤt,

Woſelbſt es denn ſich in ein friſches und nahrungsvolles
Blut verkehrt,

Und die im Blut verkochte Kraͤfte, durch ſteten Zufluß,
wieder mehrt.

Bewundernswuͤrdig iſt hiebey, wie der durch ſo viel
Gaͤng’ und Kreiſe

Jns Blut gebrachte Milchſaft letztlich ſo eine rothe Far-
be weiſe,

Da doch die ſogenannte Lympha durchſichtig iſt, und
weiß verbleibt.

Vermuthlich iſt, daß dieß geſchieht, dadurch, daß, was
nicht hergehoͤret,

Sich durch ſo manche Sonderung, von dem Bequemen,
ſcheidet, treibt

Und
[208]Betrachtungen
Und richtig abgeſondert wird; wozu der Schoͤpfer wun-
derbar

Jn ſo viel unbeſchreiblich kuͤnſtlich geformten Theilen
kleiner Druͤſen

Ein unbegreiflich Meiſterſtuͤck von ſeiner weiſen Macht
gewieſen,

Wenn unſer Geiſt dieß uͤberleget, verliert er ſich faſt
ganz und gar.

Ein ſolches allgemeines Sieb wird eigentlich in unſrer
Haut,

Die voller unzaͤhlbarer Druͤſen, und voller Oeffnungen,
geſchaut,

Wodurch beſtaͤndig ganz ſubtil’ und waͤſſerige Feuchtig-
keiten

Vom Koͤrper abgeſondert werden, im Schweiß ſich aus
dem Koͤrper leiten,

Und, von ihm ausgefuͤhrt, verduͤnſten. Die Druͤſen
bey der Naſ’ im Munde

Die ſcheiden einen zaͤhern Schleim, und fuͤhren ſelben
zu dem Schlunde,

Nicht aber, wie man ſonſt gemeynt, und auch Gelehrte
wohl geglaubt,

Ob fiel dergleichen Feuchtigkeit von oben abwerts aus
dem Haupt.

Die gar zu viele ſalze Theile, wie auch den Harn,
ſind, in den Nieren,

Die Druͤſen, die daſelbſt vorhanden, beſchaͤfftiget ſtets
abzufuͤhren.

Die Galle wird in unſrer Leber geſchieden und heraus-
gebracht,

Jnzwiſchen daß die Milz das Blut zum Cirkellaufen
duͤnner macht.

Was
[209]uͤber das Reich der Thiere.
Was aber vom geſunden, naͤhrſam- und fetten Milch-
ſaft abgelenket,

Wird unſer Fett, und in viel Blaͤslein, die hier belegen,
eingeſenket.

Wenn alle Theile des Gebluͤts vom Ueberfluß des Un-
raths rein,

Und von dem ungeſchickten Stoff gebuͤhrlich abgeſondert
ſeyn,

Gehn die Verrichtungen von ſtatten. Das Blut wird
ſchnell herum geleitet,

Jn den Teſticulis der Same vom geiſterreichen Blut
bereitet,

Und von demſelbigen die Eylein befruchtet, wenn es an-
ders nicht,

Nach Leuwenhoͤck, durch kleine Thierchen, die er darinn
geſehn, geſchicht.

Vom leichtſten und ſubtilſten Blut ſind im Gehirn ge-
trennt, bereitet

Die Geiſter, welche ſinnlich ſind, die werden, durch
der Nerven Gaͤnge,

Jn alle Theile eines Koͤrpers, im ſteten Fluß und großer
Menge,

Derſelben Wachsthum und die Nahrung ſtets zu beſor-
gen, hingeleitet,

Am meiſten aber die Bewegung-, Verrichtungen, Em-
pfindlichkeiten

Jm ganzen Koͤrper zu befoͤrdern. Hier waͤr’ es, wo
man ſprechen muͤßte,

Von dem Gehirn, dem Sitz der Geiſter, wenn man
nur etwas rechtes wuͤßte.

Vom Kunſt- und Wunderwerk der Sinnen ſollt ich hier
auch was deutlichs ſagen,

ODoch
[210]Betrachtungen
Doch hab’ ich, was ich davon faſſe, ſchon anderwertig
vorgetragen,

Wohin, um nichts zweymal zu ſagen, ich den geneigten
Leſer weiſe *,

Doch aber, daß man unſern Schoͤpfer fuͤr dieß Geſchenk
und Wunder preiſe,

Noch einſt ich dich und mich erinn’re: Wir ſollten billig
Gott verehren,

Die wir vernuͤnftig heißen wollen. So oft wir mit den
Ohren hoͤren,

So oft wir mit der Zunge ſchmecken, ſo oft wir mit
den Augen ſehn,

So oft man etwas riecht und fuͤhlt, ſo oft als wir zum
Greifen gehn,

Und andrer Handlung und Verrichtung, ſo Hand als
Fuß durch zaͤhe Sehnen

Bald biegen, und zuſammenziehn, und bald ſie von ein-
ander dehnen.

Doch laßt uns noch mit wenigem den Nutzen jedes
Sinns betrachten,

Um unſers Schoͤpfers weiſe Liebe in einem jeden hochzu-
achten.

Die Sinnlichkeiten, wie ſie Thieren und auch dem Men-
ſchen allgemein,

Sind Eindruͤck’ koͤrperlicher Ding’ in unſrer Nerven Zaͤ-
ſerlein.

Weil dieſe Druͤckungen des Hirns ſowohl von außen als
von innen

Entſtehen, theilet man ſie ein, in aͤuß’re und in innre
Sinnen.

Von
[211]uͤber das Reich der Thiere.
Von aͤußern laſſet uns zuerſt des Fuͤhlens Nutzen uͤber-
legen,

Und wozu es ſowohl den Thieren, als auch den Menſchen
dien’, erwaͤgen.

Wo dieſer Sinn uns fehlete, wer wuͤrde Speis und
Trank begehren?

Es wuͤrden, ohn ihn, weder Thiere noch Menſchen ihr
Geſchlecht vermehren,

Es wuͤrd’ in unſern Koͤrpern nichts ſich fuͤgen, loͤſen,
ſcheiden, trennen,

Was uͤberfluͤßig von uns fuͤhren, noch vor Zerſtoͤrung
ſchuͤtzen koͤnnen.

Sogar iſt ſelbſt der Schmerz uns dienlich, daß wir, um
ſelben zu vermeiden,

So inn- als aͤußerliche Glieder mit Vorſicht zu beſchuͤtzen
ſtreben,

Und kurz, wir haͤtten ohn Gefuͤhl gar kein Empfindlich-
keit, kein Leben.

Wie denn die andern Sinnen alle, da das Gefuͤhl ſo all-
gemein,

Recht in der That und eigentlich nur Gattungen von Fuͤh-
len ſeyn.

Wir unterſcheiden und erkennen vermittelſt dieſer Sinn-
lichkeit

Der Koͤrper aͤußerliches Weſen, Figuren und Beſchaf-
fenheit;

Jndem, was warm iſt und was kalt, was naß und tro-
cken, weich und feſt,

Was rauh und glatt iſt, durchs Gefuͤhl ſich ganz allein
begreifen laͤßt,

Und zwar vermittelſt kleinern Waͤrzlein, die an der Ner-
ven Enden ſitzen,

O 2Zu-
[212]Betrachtungen
Zumal ſehr reichlich an der Hand, und an der Finger
aͤußern Spitzen,

Und, durch die Geiſterchen, ſo ſinnlich, was aͤuß’re
Koͤrper in ſie druͤcken,

Jn ungemeiner Fertigkeit und Eile zum Gehirne ſchicken.

Das Schmecken iſt, nicht nur zur Luſt und Anmuth,
uns in unſerm Leben,

Zur Lebensunterhaltung ſelbſt, iſt es dem Vieh und uns
gegeben,

Jmmaßen ſie durch dieſen Sinn, was ihnen nuͤtz und
gut zu eſſen,

Von dem, was ſchaͤdlich, unterſcheiden, und beſſer oft,
als wir, ermeſſen,

Was ihnen ſchadhaft, was erſprießlich, da ſie durch
kluges Unterſcheiden

Nur das, was ihnen heilſam, nehmen, und das, was
giftig iſt, vermeiden.

Deſſelben Werkzeug iſt die Zunge, die ganz mit Waͤrz-
chen angefuͤllt,

Die nervig, und die, durch den Speichel, der haͤufig
aus den Druͤſen quillt,

Der Speiſe Theilchen, welche ſchmackhaft, wenn ſie ſie
ſanft am Gaume druͤcken,

Wie auch die Theilchen des Getraͤnks, ohn Anſtand zum
Gehirne ſchicken,

Woſelbſt, auf ganz verborgne Weiſe, es mit der Seele
ſich verbindet,

Weil, (ſo wie uns bisher begreiflich,) die Seele ſchme-
cket und empfindet.

Das Riechen iſt der dritte Sinn, wodurch die Menſchen
nebſt den Thieren

(Doch
[213]uͤber das Reich der Thiere.
(Doch dieſe kraͤftiger, als wir) in Koͤrpern Eigen-
ſchaften ſpuͤren,

Die allen ſonſt verborgen waͤren. Zu dieſem Endzweck
ganz allein,

Daß ſie ſowohl, als wir, erkennten die Dinge, die uns
ſchaͤdlich ſeyn,

Und ſie zu unterſcheiden taugten durch den Geruch von
andern Dingen,

Die, nebſt dem Nutzen, den ſie hegen, im Riechen
noch Vergnuͤgen bringen.

Nun finden wir, daß von den Thieren ſehr viel’, als:
Bienen, Hunde, Raben,

Jn dieſem Sinn, vor allen Menſchen, noch ganz be-
ſondern Vorzug haben,

Jndem ſie Theilchen von den Koͤrpern, die von denſelbi-
gen ſich trennen,

Nicht nur viel ſchaͤrfer noch, als wir, nein, ganz von
weitem ſpuͤren koͤnnen.

Durch eine Nerve, die ſich theilet, wird alles, was
man riecht und ſpuͤrt,

Zum Sitz der Seele, zum Gehirne, in zarten Duͤnſten
hingefuͤhrt.

Auch iſt das Ohr bewundernswerth, ſo Gott den
Thieren ſchenken wollte

Zu ihrem Schutz; doch uns beſonders, daß man viel ler-
nen koͤnnt’ und ſollte,

Wie denn zu allen Wiſſenſchaften, nebſt einer edlen
Lehrbegier

Und des Gedaͤchtniß Faͤhigkeit, das Ohr uns eine offne
Thuͤr.

O 3Die
[214]Betrachtungen
Die Werkzeug, wodurch ſo viel Toͤne uns wunderbar
ins Hirn gebracht,

Sind, wie wir anderwerts beſchrieben, mit ungemeiner
Kunſt gemacht.

Das Herrlichſte von allen Sinnen iſt das vortreffliche
Geſicht,

Wodurch das herrlichſte Geſchoͤpf, das uͤberwunder-
ſchoͤne Licht,

Den Thieren mitgetheilet wird, wodurch nicht alles nur,
was ſchoͤn

Auf dieſer Welt zu ſehen iſt und anzutreffen, anzuſehn;

Wodurch die Thiere zu der Nahrung und den Geſchaͤfften
auf der Erden,

Und wir den Schoͤpfer im Geſchoͤpf zu kennen, ange-
fuͤhret werden.

Ach, wuͤrde doch von uns dadurch, wie herrlich dieſe
Welt erbauet

Zu Gottes Ruhm, nicht wie ein Thor, ſo neu, von ei-
ner Kuh, beſchauet!

Was etwan weiter von dem Licht, und unſrer Augen
Bau und Weſen,

Erbaulich zu bemerken iſt, iſt gleichfalls anderwerts
zu leſen.

Die inn’re Sinnen theilet man bey den Gelehrten ins-
gemein,

So doch vielleicht unnoͤthig iſt, in drey verſchiedne
Claſſen ein.

Der allgemeine Sinn, Gedaͤchtniß, zuſammt der ſchnel-
len Phantaſey,

Sind ſie gleich eine Seele nur, ſind dieſe eingetheilte
drey.

Ob
[215]uͤber das Reich der Thiere.
Ob wir nun gleich nach Moͤglichkeit verneinen, daß auch
ſie bey Thieren

Vorhanden, ſind ſie doch bey jenen, nur etwas minder
klar, zu ſpuͤren.

Nun werden wir im Reich der Thiere, nebſt mehr be-
wundernswerthen Gaben,

Vor allen andern, die Bewegung, an ihnen zu betrach-
ten haben,

Wodurch ſie, auf ſo manche Weiſe, die faſt nicht zaͤhl-
bar, liegen, ſtehn,

Den Ort veraͤndern, kriechen, ſpringen, ſich wenden,
ſchwimmen, fliegen, gehn,

Was ſie verlangen, ſchnell verfolgen, was ihnen dien-
lich, zu ſich ziehn,

Hingegen dem, was ihnen ſchaͤdlich und ſie verfolget, ſchnell
entfliehn.

Doch welcher kann von allen Arten, von den Bewegun-
gen im Leben,

Sowohl der Menſchen, als der Thiere, ein ordentlich
Regiſter geben?

Wie viel unzaͤhlige Bewegung von unſrer Hand allein ge-
ſchehn,

Davon kann im Gedicht, die Hand, man eine kleine
Probe ſehn.

Doch wollen wir, auf welche Weiſe dieß Wunderwerk
geſchieht, betrachten,

Und auf die Wege der Natur im Thierreich beym Bewe-
gen achten,

So weit wir durch des Geiſtes Licht in dieſe Handlung
dringen koͤnnen.

So viel wir vom Bewegungswerk bisher begreifen
und verſtehn,

Geſchieht ſie durch der Maͤuslein Huͤlf, die man ſonſt
Muſkeln pflegt zu nennen,

O 4Und
[216]Betrachtungen
Und die aus ungezaͤhlten harten, ſubtil- und duͤnnen Zaͤ-
ſerlein

Beſtehen, in, und durch einander geflochten und verbun-
den ſeyn,

Worinn aus aller Thiere Hirn ſich, durch die Sehnen,
Geiſter ſenken,

Sie ſchwellen und dadurch verkuͤrzen, wodurch die wieder
nach ſich ziehn

Die Knochen, die an ihnen hangen, und ſie bald hier,
bald dorthin lenken.

So lange nun gedachte Geiſter ſie zu bewegen ſich be-
muͤhn,

So wachen wir, und alle Thiere. Weil aber dieſe Gei-
ſtigkeiten

Nach ihren anerſchaffenen und eigenen Beſchaffenheiten

Sich leicht erſchoͤpfen und vermindern; iſt uns und je-
dem Thier das Schlafen,

Wodurch die Geiſter ſich erholen, bewundernswuͤrdig an-
erſchaffen.

Was lebet, ſchließt, ſich zu erquicken, in der ſo ange-
nehmen Ruh’

Mit Anmuth, auch oft wider Willen, der Augen muͤde Lie-
der zu.

Jm Schlafe ſammeln ſich aufs neu, ergaͤnzen, mehren,
zeugen, ſtaͤrken

Und haͤufen ſich die Geiſtigkeiten, ſo daß wir dann nebſt
allem Vieh’

Ein ganz veraͤndert Weſen ſpuͤren, und, mehrentheils des
Morgens fruͤh,

Vermehrte Kraͤfte, Munterkeit, und neue Faͤhigkeit ver-
merken.

So
[217]uͤber das Reich der Thiere.
So wie wir nun von ſelbſt entweder, wie oder auch vom
Licht, vom Schall,

Von Reiben, Rupfen, Stoßen, Schlagen, von Krank-
heit oder auch von Pein,

Von Preſſung inn- und aͤuß’rer Sinnen vom Schlafe zu
erwecken ſeyn:

So macht und mehret unſern Schlaf Mah, Opium, vom
Waſſerfall

Und Wind ein ſauſendes Geraͤuſch, Muſik, Tobak, ein
ſanftes Wiegen,

Viel Arbeit, Faſten, Schweiß, Studieren, zuſammt der
Stille dunkler Nacht,

Vor allen aber die Gewohnheit, ſo daß man nicht ſo leicht
erwacht,

Und wir dadurch theils fruͤher ſchlafen, theils laͤnger in
der Ruhe liegen.

Nun muͤſſen wir mit wenigem von unſerm Schlaf noch
dieſes ſehn,

Daß aller ſinnlichen Bewegung Verrichtungen nicht ſtil-
le ſtehn.

Es hoͤrt die Daͤuung in dem Magen, des Herzens Puls-
ſchlag auch nicht auf,

Auch bleibt die Scheidung vieler Saͤfte, des regen Blu-
tes Zirkellauf,

Das Athemholen, kurz das Regen der Kraͤfte, die nicht
eigentlich

Von unſerm Geiſt regieret werden. Ja oftermalen ſtel-
len ſich

Auch Geiſtigkeiten, welche ſinnlich, und die wir, weil wir
ſie nicht kennen,

Gemeiniglich die thieriſche und Mittelgeiſtigkeiten nennen,

Mit vormals eingenommnen Bildern, die einzeln auch ge-
fuͤget ſeyn,

O 5Jm
[218]Betrachtungen
Jm Sitz der Seelen, im Gehirn, des Nachts in unſern
Traͤumen ein.

Nachdem wir nun von vielen Theilen im Thierreich et-
was wahrgenommen,

So laßt uns auch mit unſerm Denken aufs Wunder ih-
rer Zeugung kommen,

Und erſt den Stoff, woraus die Thiere, ſowohl als wie
wir ſelbſt, beſtehn,

Den Samen naͤmlich, uns bemuͤhen, ſo viel uns moͤg-
lich, einzuſehn.

Doch ehe wir dazu gelangen, muß ich mit wenigem erſt
zeigen,

Daß die vordem gehegte Meynung, ob koͤnnten Koͤrper,
welche leben,

Aus Feuchtigkeit und Waͤrm entſtehn, und aus der Gaͤhr-
und Faͤulung ſteigen,

Bey allen Klugen aufgehoͤrt. Wir koͤnnen klare Proben
geben,

Daß dieſes gegen die Natur. Der Satz iſt nunmehr
feſt gegruͤndet,

Daß man von allem, was da lebt, den Urſprung in dem
Samen findet.

Es hat die Vorſicht der Natur, die auf beſtaͤnd’ge
Dauer denket,

Jndem ſie der Geſchoͤpfe Weſen beſorgt, und zu erhalten
ſtrebt,

Nebſt allen Thieren, auch dem Menſchen, ein geiſterreiches
Naß geſchenket,

Worinn faſt ein mechaniſch Wiſſen, ſo wie es ſcheinet,
gleichſam lebt,

Daß, wenn deſſelben Geiſtigkeit ein zugeſchicktes Blut be-
ruͤhrt,

Es
[219]uͤber das Reich der Thiere.
Es ploͤtzlich, wie ein Zunder, faͤngt, ein ſchnell Bewegen
drinn erwecket,

Sich, nach gewiſſer Maaß und Ordnung, in richt’gen
Zuͤgen von ſich ſtrecket,

Und in demſelbigen ſogleich ein Thier von ſeiner Art for-
mirt,

Von welcher Arbeit wir zwar wenig, will man es recht
geſtehn, verſtehn,

Es ſcheint die Handlung, nicht begreiflich, bloß durch
ein Wunder, zu geſchehn,

Wie ich denn ſelbſt der Meynung bin; doch wenn wir
unſern Koͤrper ſehn,

Daß er ernaͤhrt wird und erhalten, daß er, wenn er ver-
letzt, ſich heilt,

Und Blut und Fleiſch in rechter Maaße am rechten Orte
recht vertheilt,

Jſt dieſes gleichfalls unbegreiflich. Bey dieſem Gruͤblen
faͤllt mir ein,

Ein ſolches kuͤnſtliches Erhalten ſchein ja ſo kuͤnſtlich wohl
zu ſeyn,

Wir achten aber nicht darauf, ja meynen noch, leicht zu
entdecken,

Daß Haut und Fleiſch und Blut und Knochen in Pfla-
ſtern und in Salben ſtecken;

Man urtheil’, ob es kuͤnſtlicher fuͤr eine junge Seele ſey,

Sich auszudehnen und zu wachſen, als, wenn wir etwan
uns verletzen,

So Blut als Fleiſch, ſo Haut als Saͤfte, die abgetrennet,
zu erſetzen.

Doch weil wir von dem Samen handeln, ſo bleiben wir
voritzt dabey.

O Wunder! ſolch ein ſchwaches Weſen iſt faͤhig, ſolche
Kraft zu hegen!

Wer
[220]Betrachtungen
Wer konnt’ in ſo geringen Stoff ſo wunderwuͤrd’ge Wir-
kung legen?

Wo wird wohl mehr der Gottheit Allmacht, und ein er-
ſchaffender Verſtand

Als im Geheimniſſe der Samen, der unbegreiflich iſt, er-
kannt?

Jndem es aller Menſchen Witz und Kraft zu denken uͤber-
wieget,

Wie, in ſo ſchlechtem Stoff und Raum, von ſo vortreff-
lichem Geſchick

Ein Koͤrper, wunderbar von Form, ein himmliſch Kunſt-
und Meiſterſtuͤck,

Ein Herr der Kreatur, ja gleichſam ein goͤttlich Thier
verborgen lieget.

Daß jedes Thier aus einem Samen erzielet werd’, iſt
uns bekannt,

Auch daß von zweyerley Geſchlechtern, wenn eine Zeu-
gung ſoll entſtehn,

Auf eine ſonderbare Weiſe muͤſſ’ eine Miſchung erſt ge-
ſchehn,

Beſtaͤtiget uns die Erfahrung, doch faſſ’t der menſchliche
Verſtand

Den wahren Grund der Handlung nicht. Nachdem ich
dieſes oft erwogen,

Und mehr als einmal meine Sinnen bey dieſem Werk zu
Rath gezogen,

So ſah’ ich juͤngſt ein Pferd belegen, da ich denn den er-
hitzten Stand

Des Hengſtes, und darauf die Kaͤlte nicht weniger be-
traͤchtlich fand;

Er ſprang, er ſchnaubt’, er ſchuͤttelte ſo Maͤhn als Hals,
er wrinſcht’, er baͤumte,

Durch
[221]uͤber das Reich der Thiere.
Durch Brunſt geſpornt, ſich in die Luft. Es kocht’ in
ſeinem regen Blut

Ein wildes nicht zu loͤſchend Feur. Er raſ’t’, es ſtrebt
die innre Glut,

Nach einem Ausbruch mit Gewalt und ſolchem Triebe,
daß er ſchaͤumte.

Er kam an dem geſuchten Ort, der ihn ſo heftig an ſich
zog’,

Und welcher ſeine feuchte Flammen begierig gleichſam
aus ihm ſog’,

Es ward an ſeinem ganzen Koͤrper, an Adern, Nerven,
Fibern, Haut,

Ein heft- und aͤngſtiges Bewegen, ein Klopfen, Span-
nen, Zucken, Dringen,

Um die erhitzte feuchte Glut aus ſeinen Adern wegzu-
bringen,

Und ſich der Hitze zu entladen, recht mit Verwunderung
geſchaut:

Kaum aber war die Quelle weg, war alles ploͤtzlich aus-
gebrannt,

Und die Veraͤnderung nicht glaublich, es ſchwand mit
der erloſchnen Glut

Begierde, Fluͤchtigkeit und, Brunſt, und, ſammt den Kraͤf-
ten, Wut und Muth,

Die Nerven, welche dieſe Brunſt zu ſehr, zu heftig aus-
geſpannt,

Die zogen ſich im Augenblick, beraubt von ihren vor’gen
Flammen,

Geſchwaͤcht, erkaͤltet, ganz erſchoͤpft, und recht als wie
gelaͤhmt, zuſammen.

Er ſtund ſo zahm, als wie ein Lamm. Wer die Ver-
aͤndrung uͤberleget,

Wird
[222]Betrachtungen
Wird der Natur erhabne Ordnung gewiß mit Ehrerbie-
tung ſehn,

Und eben dieß wird auch geſchehn,

Wenn man die lebensvolle Kraft, die in dem Samen
liegt, erwaͤget.

Der Same ſcheint nicht nur ein Koͤrper, mit einem
zarten Feur erfuͤllt,

Das in der Mutter, als im Zunder, ſich faͤngt, ent-
ſteht und ſich entzuͤndet;

Es ſcheint, es ſey ein eigner Geiſt, in engen Schranken
eingehůllt,

Der, wenn er an gelegnen Ort gebracht iſt, und er es
empfindet,

Den Koͤrper an zu dehnen faͤngt, und nach des Stoffs
Beſchaffenheit,

Jhn allgemach zum Wachsthum bringet.

Ob dieß nun was aͤtheriſches, wie es verſchiedne Weiſe
nennen,
(Durch welches Wort wir eigentlich doch nicht viel meh-
reres erkennen,

Als wie wir ſonſt vorher gewußt,) ſtell ich dahin, und
muß geſtehen,

Daß, wenn es als ein drittes Weſen, ſo zwiſchen Koͤr-
per und dem Geiſt

Ein eigentliches Mittelding zu nennen, es nicht anzuſehen,

Wie etwan uns der Nervenſaft und Thiergeiſt faſt der-
gleichen weiſt)

Von einem Weſen, das aͤtheriſch, ich nicht viel deutlichs
weis zu faſſen,

Und muß hierinn, ſo mich als dich, in einer Ungewiß-
heit laſſen,

Jn welcher wir vorhin geſteckt.

Es
[223]uͤber das Reich der Thiere.
Es waͤre denn, daß wir uns koͤnnten zu dieſem Satz zu-
letzt bequemen,

Den Samen in verengten Graͤnzen als einen Auszug an-
zunehmen

Von allen Gliedern eines Koͤrpers, ſammt einem Auszug
von dem Geiſt,

Der ſich in allen Koͤrpern findet und welchen man die
Seele heißt,

Sowohl bey Menſchen, als bey Thieren. Die Samen-
zeugung ſcheint allein

Von allen koͤrperlichen Dingen der Anfang und der
Zweck nicht nur,

Er ſcheinet recht das Augenmerk der alles bildenden
Natur,

Um unvergaͤnglich zu erhalten das, was doch ſtets ver-
geht, zu ſeyn.

Wo etwas ein Geheimniß iſt, ſo ſcheinet wohl des Sa-
mens Weſen

Fuͤr unſern Geiſt geheim zu ſeyn. Doch glaub ich, daß
man ſo viel findet,

Daß ſich ein Geiſt in jedem Samen mit koͤrperlichem
Stoff verbindet,

Vermuthlich um (dem großen Schoͤpfer und allerhoͤchſtem
Geiſt zum Preiſe)

Die irdiſche Vergaͤnglichkeit der Koͤrper auf beſondre
Weiſe

Zu laſſen und zugleich zu hemmen, ſo ja ein ſolches
Wunder iſt,

Aus welchem man ganz uͤberzeuglich, wie wunderbar,
wie unbezirkt

Die Macht, die Weisheit und die Liebe, deß, der dieß
große Wunder wirkt,

Mit
[224]Betrachtungen
Mit Luſt, Bewunderung und Demuth, und auch mit
Lob und Dank, ermißt.

Wir ſehen, daß ein ird’ſcher Same ſich zu vermehren
in die Erde,

Ein waͤſſerichter in die Flut, und Fleiſch in Fleiſch ge-
ſaͤet werde,

Wo die Natur die Furche pfluͤgt. Ob dieſes nun, was
ihn empfaͤngt

Ein Leben ploͤtzlich uͤberkoͤmmt, (als wie ein Zunder,
Feuer faͤngt,)

Wie oder ob ſich durch die Miſchung, als wie durch eine
Art von Gaͤhren,

Sich alles theilt und wiederfuͤgt, iſt nicht ſo leichtlich
zu erklaͤren.

Ob eines Koͤrpers ganze Form ſchon wirklich in der
Mutter Ey

Befindlich, und von Samenwuͤrmchen des Mannes nur
belebet ſey,

Wie oder ob im Samenthierchen des Maͤnnleins auch die
Form beſtehe,

Und dieſes von den Eylein bloß, (wie ichs in einer
Bohne ſehe,

Daß ſie nur bloß den Keim ernaͤhrt,) die erſte Nahrung
auch nur faſſe,

Jſt ebenfalls noch ungewiß, daher ichs unentſchieden
laſſe.

Doch daß nun zweyerley Geſchlechter zu dieſem großen
Werk formiret,

Und wunderbar gebildet ſind; daß man hierbey noch
ferner ſpuͤret,

Wie, mit ſo wunderbarer Vorſicht, bey allen Thieren
auf der Welt

Sich,
[225]uͤber das Reich der Thiere.
Sich, in der Anzahl, eine Gleichheit von beyderley
Geſchlecht erhaͤlt;

Daß wir zu dem Erzeugungswerk, ob wir es wunder-
lich gleich finden,

Und oͤfters mit Gefahr begleitet, doch ſolchen ſcharfen
Reiz empfinden,

Daß alles, was ein Leben hat, zu dieſem Werk ſo ſehr
geneiget,

Und, bis zum allerkleinſten Wurm, ſo ſtarke Liebestriebe
zeiget;

Daß alles Fleiſch vom ird’ſchen Samen unmitt- und
mittelbar ſich naͤhrt:

Dieß alles iſt des Ueberlegens und ernſterer Betrachtung
werth.

Wo etwas unbegreiflich iſt, ſo iſt es dieß, daß aus der Erde

Das Gras zu Milch, die Milch zu Fleiſch, und aus
dem Fleiſch der Same werde,

Der etwas lebendes verurſacht, da andre Theile ſich
hingegen,

Die nicht ſo ſehr ſubtiliſirt, wenn man’s beachtet, mei-
ſtens pflegen

Dem Graſe wiederum zum Wachsthum zu dienen ſich in
Miſt zu kehren,

Und ſo die Erde, die die Thiere zuerſt genaͤhret, wieder
naͤhren.

Wer wundert ſich mit allem Recht nicht, der dieß
Wechſelwerk ermißt,

Wie doch in allem ein ſo großer verwunderlicher Zir-
kel iſt,

Da uns ja die Erfahrung lehrt, und man faſt deutlich
kann erweiſen,

PWie
[226]Betrachtungen
Wie Gras und Kraͤuter unſre Thiere, die Thiere Gras und
Kraͤuter ſpeiſen.

Daß dieſem Wechſelzirkel nun nur bloß die groͤbern Theil’
allein,

Und nicht der Thiergeiſt und der Geiſt der Nerven un-
terwuͤrfig ſeyn,

Zuſammt des Samens geiſtig Feuer, koͤmmt, aus verſchied’-
nen Gruͤnden, mir

Bey reifer Ueberlegung glaublich, und mehr noch, als
wahrſcheinlich, fuͤr.

Wie wenig wir nun das Geheimniß von zweyerley Ge-
ſchlechtern faſſen,

So ſoll man doch dieß große Wunder nicht gaͤnzlich un-
eroͤrtert laſſen.

Denn ob wir gleich vorher begreifen, daß man es nicht
begreifen kann,

Sieht man es doch von der Bewundrung als einen
wuͤrd’gen Vorwurf an,

Und ſcheinen wir, wird gleich der Grund von dieſem
Wunder nicht gefunden,

Zu einer ehrerbietigen Bewunderung dennoch verbunden.

So viel uns die Erfahrung zeigt, ſcheint zur Vermeh-
rung ganz allein,

Und zwar zu einer angenehmen, ein zwiefachs Ein be-
ſtimmt zu ſeyn;

Denn ſo viel koͤnnen wir aufs mindſte von dieſer Abſicht
doch verſtehen,

Die ſo bewundernswerthe Theilung ſey zu dem Endzweck
bloß geſchehen,

Zwo Haͤlften, durch ſich, zu vergnuͤgen. Wer nimmt
nicht Weisheit, Guͤte, Macht,

Und
[227]uͤber das Reich der Thiere.
Und kurz, die Spuren einer Gottheit, in dieſem Werk der
Lieb’ in Acht!

Ohn dieſe Theilung der Geſchlechter waͤr’ alle Suͤßigkeit
der Triebe,

Das allerzaͤrtlichſte Vergnuͤgen, der Luͤſte Quelle, kurz,
die Liebe,

Die Mutter holder Regungen, voll Sanft- und Anmuth,
aus der Welt

Und faſt die meiſte Freude fort; ſo bleibet dieſes feſtge-
ſtellt,

Daß Gott, bloß zum gemeinſchaftlich- und allerſeitigem
Vergnuͤgen,

Geſchlechter zu dem Zweck getheilt, um ſelbige, mit Luſt,
zu fuͤgen.

Daß in der wunderſamen Ordnung nun ein Geheim-
niß muͤſſe ſtecken,

So voller Unbegreiflichkeit, ſcheint ſelbſt die Schrift uns
zu entdecken,

Wenn unter dieſem ird’ſchen Gleichniß von Braut, von
Braͤut’gam, von Vermaͤhlen,

Sich Chriſtus ſelber bilden laͤßt, als wie ein Braͤuti-
gam der Seelen.

Ob nun ein ehrerbietigs Schweigen ſich gleich hieher am
beſten ſchickt,

So wird jedoch, da es die Schrift mit Worten deutlich
ausgedruͤckt,

Dieß Wunder wenigſtens gewuͤrdigt, daß es zum Gleich-
niß ſolcher Hoͤhe

Der heiligſten Verbindungen, den Glaͤubigen vor Augen
ſtehe.

P 2Es
[228]Betrachtungen
Es wird von allem, was da lebet, nichts als auf
dieſe Art gezeuget,

Nichts als von Zweyen fortgebracht. Ob dieß nun auch
zu Geiſtern ſteiget

Jn einer geiſtigen Vermaͤhlung; davon, weil nichts es
deutlich zeiget,

Schweigt billig mein geſcheuchter Kiel. Zumal zeucht
mein geblendter Blick

Vom Vorwurf einer ew’gen Zeugung in tiefſter Ehrfurcht
ſich zuruͤck,

Und zieh ich von ſo hoher Fahrt mit allem Recht die Se-
gel ein.

Doch duͤrfte dieſe Frage hier vielleicht zu unterſuchen
ſeyn:

Ob wir, wenn anderer Gedanken mit unſerm Geiſte ſich
verbinden,

Auch in denſelbigen nicht gleichſam ein geiſtiges Vermi-
ſchen finden,

Und ob wir ſelbiges dafuͤr mit allem Recht nicht achten
koͤnnen,

Zumal wir ſie Conceptiones ſchon ohnedas gewohnt zu
nennen?

Hat unſer Geiſt die Kraft, Jdeen zu zeugen, die ihm
Gott geſchenkt;

So iſt vielleicht dem Geiſt, im Samen, die Bildungs-
kraft auch eingeſenkt,

Nach den Jdeen, die er hatte, und nach des Stoffs
Beſchaffenheit

Jhn nach Vermoͤgen einzurichten. Ein Maler, welcher
was erfinden

Und Bilder figuriren will, den fuͤhret, zu der Aehn-
lichkeit

Die
[229]uͤber das Reich der Thiere.
Die Striche richtig abzutheilen, ſie zu zertheilen, zu ver-
binden,

Auf der ganz leeren Schilderey, allein der denkende Ver-
ſtand

Nach der entworfenen Jdee, vermittelſt der geſchickten
Hand.

Du wirfſt vielleicht hierwider ein:

Dieß Gleichniß ſchicke ſich nicht hier, und koͤnn’ hier gar
nicht brauchbar ſeyn,

Jndem im Samen Haͤnde fehlten. Zwar Menſchen-
haͤnde, das iſt wahr,

Doch goͤttliches Vermoͤgen nicht! Es iſt ja dieß auch
offenbar,

Daß der Natur, die unſre Haͤnde ja ſelber ſonder Hand
formirt,

Die alles auf der Welt gebildet, und die die Welt ſo
ſchoͤn geziert,

Es nicht an Wegen fehlen wird, ſo unzaͤhlbare Trefflich-
keiten,

Mit uns ganz unbekanntem Werkzeug, ohn’ Hand und
Finger zu bereiten.

Hier hindert nicht des Raumes Kleinheit, auch nicht
des Stoffs Veraͤchtlichkeit:

Die Kleinheit iſt fuͤr ſich nicht klein, ſie zeiget unſre
Kleinheit nur,

Als die wir nicht zu ſehen faͤhig die Werk’ im Wege der
Natur,

Die ſich darinn vor uns verbirgt, und die zu dieſem End-
zweck eben,

Sich nicht zu zeigen, uns die Sinnen vielleicht nicht
ſcharf genug gegeben.

Des Stoffs Veraͤchtlichkeit ſollt’ uns am wenigſten noch
Anſtoß bringeu,

P 3Da
[230]Betrachtungen
Da aller Stoff von einer Art, und wir, wenn wir uns
ſelbſt beſehn,

Sammt unſers ganzen Koͤrpers Theilen ſowohl aus keinen
andern Dingen,

Als woraus unſers Samens Stoff und inners Seyn be-
ſteht, beſtehn.

So viel annoch nun von der Thiere lebend’gen Gei-
ſtern ſich wird faſſen

Und auch von den empfindlichen von uns ſich wird be-
greifen laſſen,

So ſcheinen lebendige Geiſter im Thier’ in nichts ſonſt
zu beſtehn,

Als bloß in einer Art von Waͤrme, die durch den ganzen
Koͤrper dringet,

Und (da ſie mehrentheils im Blut) ihm Nahrung und
den Wachsthum bringet,

Nicht minder die Vermehrungskraft. So viel wir von
den andern ſehn,

Die wir am Thier’ empfindlich nennen,

Und ſie vielleicht mit Unrecht trennen,

So kann ſie faſt nichts anders ſeyn, wenn wir auf ihre
Wirkung achten,

Und ſie bey Thieren, auch bey uns, ſo viel uns moͤglich
iſt, betrachten,

Als Geiſtigkeiten, welche ſinnlich, und welche durch
die Nerven gehn,

Sich durch den ganzen Leib verbreiten, und oben im Ge-
hirn entſtehn.

Wobey wir denn erinnern muͤſſen, daß, wie der Weiſen
Hauf es meynet,

Und wie es, wenn man’s recht ergruͤndet, auch in der
That nicht anders ſcheinet,

Wir
[231]uͤber das Reich der Thiere.
Wir in dem Werke der Vermehrung die wahre Bildung
der Geſtalten

Nicht bloß fuͤr Wege der Natur, fuͤr etwas Goͤttliches
zu halten,

Uns mit Gewalt gezwungen finden, indem die Seelen
doch allein,

So viel wir es begreifen koͤnnen, fuͤr ſich dazu nicht
faͤhig ſeyn.

Nach dem Begriff, den Gott der Herr auf dieſer Welt
in unſerm Leben

Dem menſchlichen Verſtand und Geiſt aus Huld gewuͤr-
diget zu geben,

Scheints, dieſer Bilderchen Formirung, ſo weit wir
unſern Witz auch treiben,

Sey bloß dem Willen eines Schoͤpfers, ſonſt keiner
Sache, zuzuſchreiben.

Wir beten denn mit allem Recht, da man nicht weiter
gehen kann,

Jn dieſem Wunderwerk, mit Demuth den Willen unſers
Schoͤpfers an.

Ja, ja! es iſt mehr als zu wahr: wohin ich meine
Blicke drehe,

Was ich im Reiche der Natur auch hoͤre, rieche,
ſchmeck’ und ſehe,

So weiſt mir alles, was vorhanden, ſo zeigt mir alles,
was ſich zeigt,

Daß etwas uͤberall verborgen, ſo die Vernunft weit
uͤberſteigt,

Und daß, mit unterdruͤcktem Witz, in der Religion
nicht nur

Man glauben muß, was nicht zu faſſen.

P 4Es
[232]Betrachtungen
Es bleibt ſo gar in der Natur,
(Da Gott uns nicht will wiſſen laſſen,

Auf welche Weiſ’ und Art er wirkt,) auch bey dem Glau-
ben ganz allein,

Und muß das Ende der Vernunft auch hier des Glau-
bens Anfang ſeyn.

Wir ſind uns zu vergnuͤgen ſchuldig an der Geſchoͤpfe
Nutz und Pracht,

Und den in Demuth und Bewundrung zu ehren, welcher
ſie gemacht.

Es ſcheint im Geiſt- und Leiblichen, als ob der große
Schoͤpfer wolle,

Daß man, vergnuͤgt mit ſeiner Gnad’, ihm die Ver-
nunft zum Opfer zolle.

Dieß wird am fuͤglichſten geſchehn, wenn wir derſelben
rege Kraft

Auf die nebſt uns geſchaffner Weſen bewundernswerthe
Eigenſchaft

Nach Moͤglichkeit vorher gelenkt, und in derſelben Wun-
derwerken,

Als wie im wahren Buch’ der Weisheit, ihn, als den
Jnhalt, zu bemerken,

Mit Ernſt und Andacht uns bemuͤht; da wir zugleich
auf dieſer Erden

Die Kleinheit unſerer Vernunft, und ſeine Groͤß’ erkennen
werden.

Wenn wir bey Thieren uͤberhaupt die Arten ihrer Zeu-
gung ſehn,

So werden wir in ihnen finden und voll Verwunderung
geſtehn,

Daß, von den Menſchen anzurechnen, ſie gleichſam ſtaf-
felweiſe gehn.

Der
[233]uͤber das Reich der Thiere.
Der Same zeuget nicht allein, die Mutter muß denſelben
hegen,

Neun Monden unterm Herzen tragen, und muß es noch
viel Jahre pflegen.

Die Thiere, die vier Fuͤße haben, ſind auch zwar lang’
in ihren Muͤttern,

Doch koͤnnen ſie, wenn ſie gebohren, bald gehen und ſich
ſelber fuͤttern.

Die Voͤgel bringen außerm Leib’, in Eyern, ihre Frucht
zum Stande,

Doch muͤſſen ſie ſie lange Zeit, mit vieler Muͤh’, be-
ſitzen, bruͤten,

Sie Tag und Nacht mit ſich bedecken, erwaͤrmen, ſpei-
ſen und behuͤten.

Die Fiſche laſſen ihren Roͤgen nur auf dem Waſſer oder
Sande,

Befaſſen ſich mit ihm nicht ferner. Das Ungeziefer
(außer dem,

Das lebendige Thier’ hervorbringt, die es auf kurze
Zeit ernaͤhrt)

Legt ebenfalls die Eyer ab, und ſtets an Oertern, die
bequem,

Nachdem ſie ſelbe wohl verwahrt, doch (welches recht
betrachtungswerth,)

Hat Gott denjenigen, die fliegen, die Eigenſchaft annoch
beſchert,

Daß Maͤnn- und Weibchen ſich vermiſchen. Noch min-
dern in geringerm Grad

Jſt mitgetheilt, daß einerley Geſchlecht, ſo viel man noch
gefunden,

Und bey genauer Unterſuchung bis dieſe Zeit bemerket
hat,

P 5Sich
[234]Betrachtungen
Sich unter ſich befruchten koͤnnen, da Mann mit Maͤnn-
chen ſich verbunden,

Wie, oder daß ſie mit ſich ſelbſt, ſo wir Hermaphrodi-
ten nennen,

Jhr eigenes Vergnuͤgen haben, und ſich aus ſich ſelbſt
ſchwaͤngern koͤnnen.

Jn einer noch geringern Staffel ſind viele Thierchen in
dem Meer,

Die von ſich ſelber Eyer haben, und aus dem Neſtchen,
das ſie bauen,

Sie, wenn ſie zeitig, von ſich werfen, und ſie dem Waſ-
ſer anvertrauen.

Noch trifft man eine Mittelgattung von Thieren und
von Pflanzen an,

Worinn man, wenn man ſie nicht ruͤhrt, faſt gar kein
Leben ſpuͤren kann,

Die doch, wenn man ſie ruͤhrt, ſich regen. Und end-
lich koͤmmt die letzte Art

Lebend’ger Weſen, in den Pflanzen, die, da ſich keine
jemals paart,

Durch eignen Samen ſich vermehren, doch darf man
darum nicht vermeynen,

Als ob bey der Verminderung, an einiger Vollkommenheit,

Es einer Sorte fehlen ſollte. Dieß koͤnnen wir mit
Recht verneinen,

Und wird dadurch zu gleicher Zeit des großen Schoͤpfers
Herrlichkeit

Und Macht und Weisheit in der Aendrung um deſto vol-
lenkommner ſcheinen.

Nachdem wir alſo von den Thieren die Art, wie ſelbe
ſich vermehren,

Zum Ruhm des Schoͤpfers, angeſehn, ſo wollen wir
nunmehr uns kehren

Und
[235]uͤber das Reich der Thiere.
Und unterſuchen, wie ſie ſich auf ſo verſchiedne Weiſe
naͤhren,

Worinn wir abermal ein Meer, das nie zu faſſen, zu
ergruͤnden,

Von wunderbaren Wunderwerken mit Andacht zu be-
wundern finden.

Wobey wir wohl mit David rufen: Herr, auf wie wun-
derbare Weiſe

Gewaͤhreſt du, zu ihrer Zeit, doch allen Thieren ihre
Speiſe!

Es warten auf dich aller Augen, du oͤffneſt ihnen deine
Hand,

Und du erfuͤlleſt, was da lebt, mit Wohlgefallen. Du
allein

Willſt, wie ja Chriſtus ſelber ſpricht, ihr großer Speiſe-
meiſter ſeyn.

Seht an die Voͤgel unterm Himmel, ſpricht ſein erleuch-
teter Verſtand,

Sie ſaͤen nicht, ſie erndten nicht, ſie ſammeln in die
Scheuren nicht,

Und euer Vater naͤhrt ſie doch, wovon noch David fer-
ner ſpricht:

Daß Gott dem Vieh ſein Futter giebt, und daß auch gar
die jungen Raben,

Die auch zu ihm um Speiſe flehn, ihr Futter von dem
Schoͤpfer haben.

Gereichet nun der Thiere Bildung und Zeugung unſerm
Gott zum Preiſe,

So ſtralt nicht minder ſeine Weisheit und Lieb’ und All-
macht aus der Weiſe,

Wodurch er ſie ernaͤhrt, hervor. Sobald ein weiblich
Thier empfangen,

Ver-
[236]Betrachtungen
Veraͤndern ſich die Nahrungsgaͤnge. Was ſonſt ſich an-
derwerts ergoß,

Und fuͤr die Mutter bloß allein in ganz verſchiednen Roͤh-
ren floß,

Davon bemuͤht ſich dann ein Theil zum neuen Gaſte zu
gelangen,

Um ihn auf eine Art zu naͤhren, die nimmermehr beque-
mer ſeyn

Und beſſer koͤnnt erfunden werden. Wird auch hieraus
nicht ein Verſtand,

Der aller Kuͤnſtler Witz und Einſicht unendlich uͤbertrifft,
erkannt?

Wenn Thiere nun gebohren worden, die ſonſten Hunger
ſterben muͤßten,

Veraͤndern ſich die Saͤft’ aufs neue, und ziehn ſich nach
der Mutter Bruͤſten,

Wornach ſich denn das junge Thier aus innerlichem Trie-
be lenkt,

Und ſich, als aus ſtetsvollen Kruͤgen, mit ſanfter Wol-
luſt naͤhrt und traͤnkt.

Sind dieß nicht neue Wunderwerke, und auch, wie tau-
ſend andre, werth,

Daß man des wunderbaren Schoͤpfers Macht, Lieb’ und
Vorſicht dabey ehrt?

Da Thierchen, die noch nichts begreifen, und doch durch
Saugen leben muͤſſen,

Die Werkzeug zu dem Saugen haben, noch mehr, da
ſie zu ſaugen wiſſen!

Wobey beſonders noch zu merken, daß bey den Thieren
allemal

Die Zahl der Eyter eingerichtet nach der vorhandnen
Jungen Zahl.

Jmglei-
[237]uͤber das Reich der Thiere.
Jmgleichen, daß die großen Thiere, abſonderlich das
zahme Vieh,

Das wir ſo unentbehrlich brauchen, als Ochſen, Eſel,
Pferd und Kuͤh’,

Sich mit ſo ſchlechter Koſt und Futter, im Sommer und
im Winter, naͤhren,

Und uͤberdas, nach ihrer Groͤße, deſſelben wenig nur ver-
zehren;

Da wir am Seidenwurm und Raupen befunden haben,
daß ſie mehr

Jn einem Tag an Laub verzehren, als wie der ganze
Koͤrper ſchwer,

Wie wuͤrden wir zu rechte kommen, wenn wir, nach ih-
rer Groͤße, ihnen

Mit einer ſolchen Menge Futter, an Heu und Habern
muͤßten dienen?

Man koͤnnte hier von vielen Arten, auf welche Weiſe
Thiere kaͤuen,

Wie ſie auf ſo verſchiedne Weiſe die eingenommne Koſt
verdaͤuen,

Wie ihrer einige verſehen, mit mehr als einer Art von
Magen,

Und noch viel wunderwuͤrd’ge Sachen, die wenige be-
merken, ſagen.

Die Thiere theilen ſich in Arten, die Fleiſch, die Gras
und Kraͤuter eſſen,

Jn andre, welche Fiſche nur, und die, ſo Ungeziefer
freſſen.

Der Menſch allein, woruͤder jeder ſich nicht genug ver-
wundern kann,

Nimmt alles faſt, was die Natur hervorgebracht, zur
Nahrung an,

Wo-
[238]Betrachtungen
Wodurch wir vor den andern Thieren, uns auf ſo manche
Art zu laben

An tauſendfachen Gegenwuͤrfen, unſtreitig einen Vor-
zug haben.

Was kann verwunderlicher ſeyn, als wie ein Werk-
zeug, welches ſich

Beſtaͤndig durch ſich ſelbſt erſetzt und ſich erneuret? Jhre
Speiſe

Giebt ihnen taͤglich ihre Kraͤfte, auf recht bewunderns-
werthe Weiſe,

Die ſie verlieren, immer wieder. Sie fuͤgen, uns ganz
unbegreiflich,

Jn ihre Koͤrper fremde Weſen, die durch ein’ Art Ver-
wandelung,
(Woruͤber wir mit Recht erſtaunen,) und ſeltſame Ver-
aͤnderung,

Zu ihrem eignen Weſen werden. Zu Anfang wird die
Koſt zerrieben,

Darauf in einen Saft verkehrt, dann, als durch einen
Sieb getrieben,

Gereiniget, und abgeſondert von Theilen, die zu grob
und dick.

Darauf wird es zum Mittelpunkt, der faſt der Geiſter
Herd zu nennen,

Gefuͤhrt, wo es gemach verduͤnnt, zu Blut wird, und
von da zuruͤck

Durch unzaͤhlbare Roͤhren laͤuft, um, durch dieß nimmer
ſtille Rennen,

Die Glieder alle zu befeuchten. Durchs Fleiſch filtrirt
ſichs nach und nach

Und wird zu Fleiſch ſelbſt allgemach.

So manche Koſt, ſo mancher Saft, die von verſchied’-
nen Farben ſeyn,

Die
[239]uͤber das Reich der Thiere.
Die ſind nunmehr vereiniget, und werden nun ein Fleiſch
allein.

Die Speiſen, welche nicht beſeelt, erhalten einem Thier
das Leben,

Ja werden ſelbſt ein wirklich Thier. Die Theile, wor-
aus ſie beſtunden,

Sind, durch ein ſtet-unfuͤhlbar Duͤnſten, zertheilt. Was
noch vor einem Jahr

Ein ſolches Pferd, ein ſolcher Hund, und eine ſolche
Kuhe war,

Jſt Miſt entweder oder Luft, von ihm wird anders
nichts gefunden;

Was damals Heu und Haber war, iſt itzt der Hengſt
voll Feu’r und Staͤrke;

Aufs wenigſte kann man mit Recht, ſo viel als ich da-
von bemerke,

Es fuͤr ein ander Pferd nicht halten, faſſ’t, wie es ei-
gentlich geſchicht

Durch die nicht fuͤhlbare Veraͤndrung, gleich des Ver-
ſtandes Aug’ es nicht,

Wenn wir des Schoͤpfers Macht und Weisheit in Thie-
ren mit Vernunft ergruͤnden,

Was kann man nicht fuͤr klare Proben von ungezaͤhlten
Wundern finden!

Wir wollen hier nur uͤberhaupt, und erſt von allen et-
was ſehn,

Um, als in einem kurzen Abriß, des Schoͤpfers Weis-
heit zu verſtehn.

Wir ſehn an allen wilden Thieren, als Loͤwen,
Tiger, Wolf und Baͤren,

Daß ſie an ihren Schultern, Lenden und ihren Beinen
insgemein

Die
[240]Betrachtungen
Die ſtaͤrkſten Muskeln uͤberkommen, wodurch ſie denn
geſchickter ſeyn

Zur Abſicht, wozu ſie beſtimmt, ſich zu erhalten, ſich
zu naͤhren,

Wodurch ich durch der Nerven Meng’ auch die Ge-
ſchwindigkeit und Staͤrke,

Als die ſie eben noͤthig haben, nicht ohn Bewunderung
bemerke.

Die Knochen ihrer regen Kiefern ſind ohn Erſtaunen
nicht zu ſchauen,

Jm Gegenhalt mit andern Gliedern. Sie haben
ſcharfe Zaͤhn’ und Klauen,

Die ſie als ſtarke Waffen brauchen, den Raub zu haſchen,
zu verſchlingen,

Und, zu der ihnen noͤth’gen Nahrung, die andern Thier
umzubringen.

Die Voͤgel, die vom Raube leben, ſind, ihrem
Raube nachzugehn,

Von der Natur mit krummen Schnaͤbeln, und ſcharfen
Klauen auch, verſehn.

Die Muskeln an den Fittigen ſind hart von Fleiſch, ſind
ſtark und groß,

Wodurch ſie ſich geſchwind erheben, wie ſchwer ſie gleich,
und zu dem Stoß,

Der Pfeil geſchwind geſchieht, geſchickt, wodurch der
Vogel ſich ernaͤhrt.

Mit Hoͤrnern ſind verſchied’ne Thiere zum Anfall und
zum Schutz bewehrt;

Die groͤßte Staͤrke haben viele in ihrem Nacken und im
Ruͤcken,

Wenn
[241]uͤber das Reich der Thiere.
Wenn andre nichts als ſchlagen koͤnnen. Man kann
ein’ eigne Art Gewehr,

Zum Anfall und auch zur Beſchuͤtzung, an jedem Thiere
faſt erblicken.

Jhr Jagen laͤßt, als wenns bey ihnen ein’ Art von rech-
ten Kriegen waͤr’,

Die ſie zu ihrer Nothdurft fuͤhren. Wenn eine Schild-
kroͤt immerfort

Jhr Haus auf ihrem Ruͤcken traͤgt, ſo baut ein anders,
Voͤgeln gleich,

Um ihre junge Brut zu ſchuͤtzen, auf einem Baum und
hohem Ort,

Und weis ſein Neſtchen da zu machen, wo es am meiſten
blaͤtterreich.

Ein anders, wie der ſchlaue Biber, erbaut ſein
Haus in feuchtem Teiche,

Und ſchuͤttet, daß zu vieles Waſſer ſein kuͤnſtlich Wohn-
haus nicht erreiche,

Bewundernswerthe Daͤmme vor. Ein Maulwurf weis
in finſtern Gruͤnden

Mit ſeiner kleinen ſpitzen Schnauz ſchon ſeinen Aufenthalt
zu finden.

Der Fuchs wird in dem tiefen Bau, aus Vorſicht,
viele Thuͤren graben,

Um gegen ſeines Feindes Liſt doch ein geſichert Neſt
zu haben.

Die Art von Thieren, welche kriechen, ſind ganz auf
andre Art formirt,

Sie biegen ſich auf tauſend Arten, entwickeln Muskeln,
Glieder, Ringe,

Damit ein jedes, ihm zum Nutzen, ſich fort und aus
der Stelle bringe;

QSie
[242]Betrachtungen
Sie wenden, drehen, ſchlaͤngeln ſich, und was von ih-
nen wird beruͤhrt,

Wird bald ergriffen und umfaßt; ſie dringen ſich in al-
les ein,

Wodurch in ungeſtoͤrter Ruhe ſie wohl beſchuͤtzt und ſicher
ſeyn.

Die Werkzeug’ ihres fremden Baues, o Wunder! ſchei-
nen in der That

Nicht von einander abzuhangen, da, wenn man ſie zer-
ſchnitten hat,

Sie darum doch noch leben koͤnnen. Wenn Voͤgel lange
Beine haben,

So wollte die Natur ſie auch mit einem langen Hals be-
gaben,

Wodurch ſie, (welches ſonſt nicht moͤglich,) was ihnen
nuͤtzlich iſt zum Leben

Und auf der niedern Erde liegt, geſchickt und faͤhig,
aufzuheben.

Dieß haben andre Thiere auch, der Elephant nur aus-
genommen,

Der aber, dieſes zu erſetzen, den langen Ruͤßel uͤber-
kommen,

Den er ſo wunderbarlich biegen, verkuͤrzen und verlaͤn-
gern kann;

Man ſieht denſelben, und mit Recht, als eine Art von
Hand faſt an.

Von Thieren ſcheinen unterſchiedne bloß fuͤr den
Menſchen nur gemacht,

Der Hund ſcheint um ihn liebzukoſen, und ihm zum
Dienſt hervorgebracht.

Man kann ihn wunderbar gewehnen. Es ſcheinet uns
ein Hund allein

Von
[243]uͤber das Reich der Thiere.
Von der Geſellſchaft, von der Freundſchaft, und von
der Treu ein Bild zu ſeyn,

Er huͤtet, was man ihm vertraut: recht auf verwunder-
liche Weiſe

Erhaſcht er, fuͤr den Menſchen nur, mit Muͤh’ im Ja-
gen Wild zur Speiſe,

Ohn etwas fuͤr ſich zu verlangen. Nebſt vielen andern
iſt das Pferd,

Als wie ein goͤttliches Geſchenk fuͤr Menſchen, anzuſehen
werth;

Es ſcheint, uns ſey ein Pferd, um Laſten, die uns ſonſt
viel zu ſchwer, im Leben

Uns zu erleichtern, fortzubringen, und uns zu tragen,
nur gegeben;

Was giebt es uns, auf unſern Reiſen, zum Fuhrwerk,
Handlung, Pracht, im Streit

Fuͤr mannichfachen Nutzen, Schutz, Befoͤrdrung und
Bequemlichkeit!

Der Ochs hat Sanftmuth nebſt der Staͤrke, daß, durch
ſein ſchwer und muͤhſam Pfluͤgen,

Wir unſer Brodt aus den von ihm gezognen tiefen
Furchen kriegen.

Die Kuͤhe laſſen ſuͤße Baͤche von fetter Milch fuͤr uns er-
gießen,

Jn welcher wir Rohm, Butter, Kaͤſe, zum Trank und
auch zur Koſt genießen.

Die Schafe, die auf gleiche Weiſe mit Milch und Kaͤſen
uns ernaͤhren,

Verjuͤngen jaͤhrlich ihre Wolle, und laſſen ſich fuͤr uns
nur ſcheren.

Die Ziegen ſchenken uns ihr Haar, das uns, nicht ihnen,
Nutzen bringt,

Q 2Und
[244]Betrachtungen
Und das der Menſch zu ſeiner Kleidung und Decken kuͤnſt-
lich webt und ſchlingt.

Es bietet uns in Kaͤlte, Froſt und Schnee der wilden
Thiere Schaar,

Uns zu bedecken und zu waͤrmen, das allerſchoͤnſte Pelz-
werk dar;

So hat der Schoͤpfer ſie gekleidet, bedeckt, erwaͤrmet
und beſchuͤtzt,

Doch fuͤhlen wir, daß uns ihr Balg, ſowohl als ihnen
ſelber, nuͤtzt.

Verſchiedne Thiere, die kein Haar bekommen, haben
an der Stelle,

Zum mannichfaltigen Gebrauch fuͤr uns, ſehr ſtark und
dicke Felle.

Noch andre decken ſich mit Schuppen, die ſie verſchren-
ken und auch trennen,

Die ſich, wie Schindeln, kuͤnſtlich paſſen, bald oͤffnen
und bald fuͤgen koͤnnen.

Wie viel ſind, die ihr fluͤchtig Fleiſch in weichen Federn
nicht verſtecken,

Und die uns, wenn wir ruhig ſchlafen, zu Betten die-
nen und zu Decken!

So ſieht man, daß in der Natur das Pflanzenreich nicht
nur allein,

Nein, ſondern auch ſo viele Thiere, zu unſerm Nutz er-
ſchaffen ſeyn.

Noch muß man bey den vielen Wundern in unſers
Schoͤpfers Wunderwerken,

Als eine Probe ſeiner Weisheit und ſeiner Liebe, dieß be-
merken:

Daß von den Thieren, die uns ſchaͤdlich, die Arten ſich
ſo ſtark nicht mehren,

Als
[245]uͤber das Reich der Thiere.
Als von denjenigen, die uns ſo nuͤtzlich ſind und uns er-
naͤhren.

Man ſchlachtet viel mehr Schaf’ und Ochſen, als wie wir
Woͤlfe, Tiger, Baͤren

Jn abgelegnen Waͤldern toͤdten: doch ſind mehr Schaf’
und Ochſen da,

Als Woͤlfe, Baͤren oder Tiger. Wenn man beſtaͤndig
unter ihnen

An allen, weiblichen Geſchlechts, ſo viele Zitz- als Jun-
gen ſah’,

So hat mir dieſes allezeit was recht betraͤchtliches ge-
ſchienen;

Dieß trieget ſelten bey den Thieren, je mehr dieſelbe
Jungen zeugen,

Je mehr ſich Quellen Milch eroͤffnen, um ihre junge
Zucht zu ſaͤugen.

Jnzwiſchen nun, daß an den Schafen die Wolle waͤchſt
zu unſerm Kleide,

So ſpinnen uns am andern Ort die Seidenwuͤrmer zarte
Seide,

Und ſchwaͤchen ſich nur bloß fuͤr uns. Noch mehr, wie
ſuchen nicht die Bienen

Aus Blumen ſuͤßen Saft zu ſaugen, um mit dem Honig
uns zu dienen!

Was kann verwunderlicher ſeyn, als wenn wir an Jn-
ſecten ſpuͤren,

Daß ſie nicht die Figur allein, ihr ganzes Weſen faſt,
verlieren,

Und ſich mit ſchoͤnerer Geſtalt und buntgefaͤrbten Fluͤ-
geln zieren!

Was kann man herrlicher erblicken, was iſt ſo wunder-
wuͤrdig ſchoͤn,

Q 3Als
[246]Betrachtungen
Als wenn wir ſo viel Arten Thiere, als ſo viel Republi-
ken, ſehn,

Die alle ganz beſondrer Art, und alle trefflich einge-
richtet,

Die alle ſtets erhalten bleiben, wovon kein einz’ge ſich
vernichtet.

Es zeigt uns alles, daß die Kunſt und Forme, ſo ſie uͤber-
kommen,

Den Stoff bey weitem uͤberſteiget, den Gott zu ihrem
Bau genommen.

Hier waͤr nun zwar ein weites Feld und Anlaß, von
der Thiere Seelen,

Mit welchen ſich die Philoſophen einander unbarmherzig
quaͤlen,

Was ſelbe nicht und was ſie ſind, das Eigentliche feſt zu
ſetzen:

Allein, ſo lange wir noch nicht mit Recht uns in dem
Stande ſchaͤtzen,

Was unſre eigne, zu erkennen, wuͤrd’ ich nur bloß er-
zaͤhlen muͤſſen

Den allgemeinen Widerſpruch von aller Philoſophen
Schluͤſſen:

Jch wuͤrd’ auch in der That zu weit vom Zweck, den
ich mir vorgenommen,

Der Gottheit Werk im Sinnlichen bedachtſam zu be-
wundern, kommen,

Und mehr von unſrer Staͤrk’ und Schwaͤche, als wie von
Gottes Allmachtſchein,

Der uͤberall ſo herrlich ſtralet, zu predigen gezwungen ſeyn.

Derhalben laß ich mit Bedacht hier die Materie viel
lieber

Denjenigen, die, daß es ſo, und anders nicht ſey,
wiſſen, uͤber.

Man
[247]uͤber das Reich der Thiere.
Man theilt die Thiere auf dem Lande am allerfuͤglichſten
faſt ein

Jn Thiere, der’n Huf ſich ſpaltet, und andere, woran
wir Klauen,

Obgleich von unterſchiedner Art, an ihrer Fuͤße Zaͤhen
ſchauen.

Wovon, ſo wie mans jetzo rechnet, auf hundert funf-
zig Sorten ſeyn,

Von denen noch die Waſſerthiere, die naͤmlich bloß im
Waſſer leben,

Wie man dieß leicht erkennen wird, noch eine groͤßre
Anzahl geben,

Von welchen allen dann die meiſten, ſo viel wir finden,
insgemein

Jn einem eigenem Geſchlechte von ganz verſchiednen Ar-
ten ſeyn.

Laßt uns wenigſtens von ihnen einige mit Fleiß be-
ſehen,

Um, in naͤherer Betrachtung, ihren Schoͤpfer zu er-
hoͤhen!


Q 4Der
[248]Betrachtungen

Der Loͤwe.


Welche finſtre Majeſtaͤt herrſcht in dieſem ganzen

Thier!

Seiner Nerven, Muskeln, Knochen, rieſenfoͤrmiges Ver-

band

Zeiget, unter andern Thieren, ſeinen koͤniglichen Stand.

Eine Art von ernſter Großmuth, nebſt der Staͤrke, ſtellt

ihn mir

Recht als einen Herkules unter andern Thieren fuͤr.

Sein beſtaͤndiger Begleiter, ob er ihn gleich ſelbſt nicht

kennet,

Jſt der Schrecken, welcher ſich nie von ſeiner Seite trennet.

Welche ſtarke Bruſt und Stirn, welche Muskeln, welche

Maͤhne,

Welche Kiefern, welche Tatzen, welche Klauen, welche

Zaͤhne!

Seiner feſten Glieder Bau zeigt ein wahres Bild der Staͤrke

Jn bewundrungswerther Gleichmaaß; wovon ich die

Symmetrie

Zu der Abſicht eingerichtet und gewirkt, zu welcher ſie

Ordentlich beſtimmet iſt, mit erſtaunter Luſt bemerke.

Dieß ſo wohlformirte Thier ſehe denn doch jedermann

Als ein praͤchtiges Geſchoͤpf eines weiſen Schoͤpfers an.


Der
[249]uͤber das Reich der Thiere.

Der Hirſch.


Wer kann einen edlen Hirſch ohn Bewundrung und

Vergnuͤgen,

Jn ſo raſch- und munterm Anſtand, laufen, ſtehen oder

liegen,

Fliehen oder weiden ſeh’n? Seine herrliche Geſtalt,

Sein ſo leicht- als feſter Tritt, zieh’n mit froͤlicher Gewalt

Ein betrachtend Aug’ auf ihn. Sein erhabenes Geweih,

Die benervte ſchlanke Schenkel, kurz, des ganzen Koͤr-

pers Bau

Zeiget einen weiſen Urſtand, leget eine Macht zur Schau,

Und weiſt eine Lieb’ und Vorſorg’ auch zugleich fuͤr uns

dabey,

Da ſein angenehmes Fleiſch, das er uns zur Koſt gewehrt,

Uns, auf ſo verſchiedne Weiſ’ zugericht, ergetzt und naͤhrt.

Sollte denn der Menſch nicht billig, wie in allen andern

Werken,

Auch in dieſem ſchoͤnen Thier’ Spuren einer Gottheit

merken?

Und, voll Luſt und Dank, begreifen, finden, fuͤhlen,

ſchmecken, ſeh’n,

Daß ſein’ Allmacht zu bewundern, ſeine Weisheit zu er-

hoͤh’n?


Q 5Der
[250]Betrachtungen

Der Leopard.


Beſchauet einen Leoparden, betrachtet ſeiner Glieder

Pracht,

Die Schoͤnheit der gefleckten Haut, den Muth, das Feu’r,

die ſchlanke Staͤrke,

Die Ebenmaaße ſeiner Glieder, und in den allen deſſen

Werke,

Der unter ſo viel andern Thieren dieß ſchoͤne Thier her-

vorgebracht,

Der die dazu gehoͤr’ge Muskeln, das Blut, den ſchnellen

Geiſt, das Leben,

Die ſtarken Kiefern, Zaͤhne, Klauen, und all’ am rech-

ten Ort gegeben,

Der auch fuͤr ſeine Nahrung ſorgt, der, ob dieß Thier

gleich fuͤrchterlich

Und auch zuweilen ſchaͤdlich iſt, durch die Vernunft doch

ſolche Waffen,

Sie, uns zum Nutzen, aufzureiben, und daß fuͤr ihren

Muth man ſich

Nicht eben groß zu fuͤrchten habe, gewuͤrdiget uns zu ver-

ſchaffen;

Was wird mit ihren ſchoͤnen Baͤlgen fuͤr großer Handel

nicht getrieben!

Man ſieht denn auch in ihm die Spuren von Macht,

von Weisheit und vom Lieben.


Der
[251]uͤber das Reich der Thiere.

Der Wolf.


Es ſcheint, der Wolf ſey mehr zur Strafe, als zum Ver-

gnuͤgen, auf der Welt;

Denn er iſt nicht nur moͤrdriſch, grauſam, wild, tuͤckiſch,

blutbegierig, graͤßlich,

Und ſonderlich fatal den Schafen, er iſt dazu noch ſcheußlich,

haͤßlich,

Dabey auch fuͤrchterlich zu hoͤren, wenn er im Winter heu-

lend bellt;

So, daß man faſt bey dieſem Thier’ auf die Gedanken kom-

men ſollte,

Gott wuͤrd’ im Wolfe nicht geehrt, und wenn man ihn auch

ehren wollte,

Weil der zu haͤßlich und zu ſchaͤdlich. Allein, man muß

hier wohl erwaͤgen,

Daß, ob bey ihm des Schoͤpfers Wege ſich nicht ſo klar

zu Tage legen,

Wir darum gleich nicht ſchließen muͤſſen: Wenn auf der

Welt kein Wolf vorhanden,

So waͤr’ es beſſer, oder denken, vielleicht waͤr’ er von

ſelbſt entſtanden.

O nein! Denn daß wir es nicht wiſſen, wozu er eigentlich

gemacht,

Zeigt deutlich unſern Unverſtand, umſchraͤnkten Geiſt,

und Unbedacht,

Doch keinen Fehl der Schoͤpfung an. Zudem, wenn wir

es wohl ergruͤnden,

Sind auch in Woͤlfen viele Dinge zu unſerm Nutzen noch

zu finden.

Wir haben nicht nur ihrer Baͤlge im ſcharfen Froſt uns

zu erfreuen;

Es dienen ihrer Glieder viele zu großem Nutz in Arzeneyen.

Die
[252]Betrachtungen

Die Gemſen.


Dieſes Thier verdient beſonders, ſeiner Art zu leben

wegen,

Daß wir auch ihr Daſeyn froh und bedachtſam uͤber-

legen.

Sollte man ſie nicht zugleich Buͤrger ſchroff- und holer

Kluͤfte,

Und erhabene Bewohner uͤber uns erhabner Luͤfte,

Mit Erſtaunen nennen muͤſſen? So wie jedem Thier hie-

nieden,

So iſt ihnen in der Hoͤhe nur ihr Aufenthalt beſchieden.

Damit nichts auf dieſer Erde von des Schoͤpfers Wun-

dern leer,

Und vom Vorwurf ſeiner Guͤte jeder Raum erfuͤllet waͤr’,

Hat er in der Gemſen Koͤrper ſolche Werkzeug’ fuͤgen

wollen,

Daß ſie Sturz und Fall nicht ſcheuen, und da gern ſind,

wo ſie ſollen.

Jhre ſtarke Hoͤrner ſind ſo verwunderlich gekruͤmmt,

Daß ſie ſich an ihnen hangen und vom Fall befreyen

koͤnnen.

Jhre ſtarkbenervte Schenkel ſind zum Springen recht

beſtimmt,

Eine ſolche Augenmaaße hat Gott ihnen wollen goͤn-

nen,

Daß ſie nicht im Sprunge fehlen. Sie probiren einen

Stein

Mit vorausgeſetztem Fuß, ob er los iſt oder feſt,

Welches ja beſondre Vorſicht in der Handlung blicken

laͤßt.

Sonſt
[253]uͤber das Reich der Thiere.
Sonſt iſt uͤberall bekannt, wie ſie uns ſo nuͤtzlich ſeyn;

Fuͤr die Schwindſucht iſt ihr Unſchlitt, fuͤrs Geſicht die

Galle gut;

Gemſenfleiſch iſt gut zu eſſen, und den Schwindel heilt

ihr Blut;

Auch die Haut dient uns nicht minder. Stralet nicht

aus dieſem Thier,

Nebſt der Weisheit und der Allmacht, auch des Schoͤ-

pfers Lieb’ herfuͤr?


Der
[254]Betrachtungen

Der Haſe.


Dieſes Thier ſcheint nicht allein uns zum Nutzen nur

gemacht,

Sondern auch zur Luſt des Menſchen uͤberall hervorge-

bracht.

Alle Glieder eines Haſen kommen weislich uͤberein

Mit der furchtſamen Natur, die dieß Thier vor andern zeiget.

Kopf und Ohren, ſonderlich ſeine lange Hinterbein’,

Welche man ſonſt Spruͤnge nennt, die zum Abſprung

recht gebeuget,

Dienen ihm zum Schutz im Laufen, und verlaͤngern unſre

Luſt,

Wenn ſein ſpielend Ohr die Noth, wenn ihn ein Getoͤſe

ſchreckt,

Um bey Zeiten ſich zu retten, ihm von weitem ſchon entdeckt.

Seine Liſt iſt ſonderbar, daß von Spuͤr- und andern

Hunden,

Deren Naſen ihm fatal, ſeine Spur nicht ſey gefunden;

Macht er hin und wieder Spruͤnge, eh’ er ſich ins Lager

legt,

Wohin er, ohn dieſe Vorſicht, nie ſich zu begeben pflegt.

Es iſt nicht ſein Fleiſch allein uns zur Nahrung guter Art,

Nied- und lieblich von Geſchmack, angenehm, und muͤrb

und zart;

Auch ſein Balg, das Herz, die Lunge, ſeine Nieren, ſeine

Geilen

Sollen in den Arzeneyen manchem Kranken Huͤlf’ ertheilen.

Haare, Blut und Balg ſind nuͤtzlich. Stralt denn nicht

aus dieſem Thier,

Nebſt der Weisheit und der Allmacht, auch des Schoͤpfers

Lieb’ herfuͤr?

Der
[255]uͤber das Reich der Thiere.

Der Fuchs.


Auch der Fuchs dient uns zum Nutzen, ob man gleich,

ſo lang’ er lebet,

Wenn er Gaͤnſ’ und Huͤner raubet, nicht viel Guts von

ihm erhebet.

Außer, daß er Feldmaͤuſ’, Heimen, Maulwuͤrf’, Froͤſch’

und Schnecken frißt,

Und dadurch doch auch dem Menſchen noch in etwas nuͤtz-

lich iſt,

Muͤſſen ſeine Baͤlg hingegen fuͤr die Kaͤlt’ uns zu be-

ſchuͤtzen,

Wozu ſie beſonders dienen, uns im Froſt beſonders

nuͤtzen.

Man bewundert, und mit Recht, dieſes Thieres ſchlaue

Liſt,

Womit, auf beſondre Weiſe, die Natur es ausge-

ruͤſt’t,

Wie den Jaͤgern wohl bekannt. Seine Hoͤlen, Bau

und Roͤhren

Dringt er meiſt den Daͤchſen ab, bald mit Liſt, bald

mit Gewalt.

Wenn der Dachs ihm ja zu ſtark, ſoll er ſeinen Aufent-

halt

Mit der Loſung ganz verderben, durch Geſtank ihn ſo

verſehren,

Daß er ihm die Wohnung laͤßt. Schlau weis ſich der

Fuchs zu naͤhren,

Und, wenn er gejaget wird, ſchlau zu fliehn, auch ſich zu

wehren.

Nebſt
[256]Betrachtungen
Nebſt dem Balg iſt auch am Fuchs ſeine Lunge, Fett

und Blut

Gegen Schwindſucht, Krampfbeſchwerden, Blaſ’- und

Nierenſchmerzen gut.

Wird man alſo abermal auch in Fuͤchſen offen-

bar

Einer Ordnung, Weisheit, Abſicht, wenn man es er-

waͤgt, gewahr!


Das
[257]uͤber das Reich der Thiere.

Das Pferd.


Dieſes ſcheint vor allen Thieren einen Vorzug faſt

zu haben,

Da es meiſt in allen Staͤnden, ſelber vom Monarchen an

Bis zum Bauren, dient und nuͤtzt, und man ſeiner vie-

len Gaben,

Nicht im Frieden, nicht im Kriegen, nirgend faſt ent-

behren kann.

Dieſes Thier iſt, uns zu helfen, Laſten fuͤr uns aufzu-

heben,

Fortzubringen, uns zu tragen, uns inſonderheit ge-

geben.

Zu der Handlung, zu den Reiſen, iſt es brauchbar, und

das Feld

Wird, zuſammt der Jaͤgerey, nur durch Pferde wohl-

beſtellt;

Zur Parade, zu den Poſten. Ja, wer wird die Dienſte

nennen,

Die wir, ſo zum Nutz als Schutz, durch dieß Thier, er-

halten koͤnnen?

Wenn man ſeinen Wuchs betrachtet, wenn man ſeinen

Muth erwaͤgt,

Scheint in adlicher Geſtalt, auch ein Geiſt darinn ge-

legt,

Der fuͤr Pracht und Ruhm empfindlich; welches an den

andern Thieren,

Wenigſtens in ſolcher Maaße, und ſo deutlich, nicht zu

ſpuͤren.

Wenn wir nun ſowohl von außen ſeinen Anſtand, der

ſo ſchoͤn,

RAls
[258]Betrachtungen
Als der Glieder Symmetrie, ernſtlich und bedachtſam

ſehn,

Wenn wir, daß ſein frecher Geiſt doch ſich zaͤhmen laͤßt,

betrachten,

Wenn wir auf den vielen Nutzen, den dieß Thier uns

bringet, achten,

Sollten wir denn nicht den Schoͤpfer zu bewundern Urſach

finden?

Sollten wir nicht, auch bey Pferden, Denken, Luſt und

Dank verbinden?

Sollten wir darinn nicht Weisheit, Macht, und Liebes-

ſpuren ſehn,

Und die Weisheit, Macht und Liebe durch Bewundrung

nicht erhoͤhn?


Das
[259]uͤber das Reich der Thiere.

Das Rindvieh.


Nun iſt noͤthig, mit Erwaͤgung, auch das Rindvieh
zu beſehn,

Welches ohne Preis und Dank unſers Schoͤpfers nicht
geſchehn

Noch betrachtet werden ſollte; weil es recht inſonder-
heit

Uns zu dienen und zu naͤhren faſt vor allem Vieh be-
reit

Und uns zugegeben ſcheinet. Nach der Ordnung theilt
man ſie
(Außer wilden, Auren, Buͤffeln) ein in Ochſen, Kaͤl-
ber, Kuͤh.

Daß ſo groß- und ſtarken Thieren ein ſo ſanft- und zah-
mer Geiſt

Uns zum Beſten eingefloͤßt; daß ſie nicht den Menſchen
ſcheuen,

Wie die Thiere, welche ſchaͤdlich; ſondern gleichſam ſein
ſich freuen

Und geſellig bey uns bleiben: dieſes offenbart und
weiſt

Mehr, als man es leider achtet, eine Vorſicht. Sie zu
zaͤhmen,

Wuͤrd’ uns ſonſt unmoͤglich fallen, da ſie ſich von ſelbſt
bequemen,

Und uns todt und lebend dienen. Sie gebrauchen ſchlech-
tes Futter,

Das von ſelbſt im Sommer waͤchſt, ſonder Arbeit, oh-
ne Muͤh,

N 2Und,
[260]Betrachtungen
Und, im Winter, duͤrr, ſie naͤhret, da ſie uns doch
Milch und Butter,

Kaͤſ’ und Rohm in Menge geben. Man ſieht Ochſen pfluͤ-
gen, ziehn,

Und da ſie die Erde bauen, ſich allein fuͤr uns be-
muͤhn,

Da ſie uns zur Duͤngung noch auch den fetten Miſt ge-
wehren,

Bis ſie, wenn wir ſie nun ſchlachten, ſelbſt mit ihrem
Fleiſch uns naͤhren;

Welches faſt, von allen Speiſen, am geſundſten wird
geſchaͤtzt,

Da es, außer daß es nahrſam, im Geſchmack uns ſo er-
getzt,

Daß mans taͤglich eſſen kann, denn es wird uns nie zu-
wider;

Und daß es auf viele Weiſe uns noch koͤnne nuͤtzlich
ſeyn

Auch dabey ſehr lange waͤhren, raͤuchert man es, ſalzt
es ein.

Ja man braucht von dieſen Thieren, uns zum Nutzen,
alle Glieder.

Aus den Hoͤrnerm macht man Kaͤmme, Pulverflaſchen,
Meſſerheften,

Loͤffel, Doſen, Schreibzeug, Buͤchslein, zu ſo mancher-
ley Geſchaͤfften,

Zu Toback, und andern Dingen, Knoͤpfen und Laternen-
ſcheiben,

Pfeifen, Roͤhren, daß von allen kaum die Menge zu be-
ſchreiben.

Aus den Knochen gleicherweiſe, woraus man noch uͤberdem

Das beliebte Beinſchwarz bringt, das den Mahlern ſo
bequem.

Aus
[261]uͤber das Reich der Thiere.
Aus den Knorpeln und den Nerven wird der zaͤhe Leim
gemacht.

Was wird nicht aus ihren Haͤuten fuͤr ein Nutz heraus-
gebracht?

Aus dem Unſchlitt macht man Lichter und auch Seifen.
Ja das Haar

Dienet nicht den Gerbern nur, nein, zur Duͤngung auch
ſo gar.

Nichts iſt beſſer, als das Mark, fuͤr geſchwaͤchte Nerv-
und Sehnen,

Sie zur Schmeidigkeit zu bringen, und ſie wieder aus-
zudehnen.

Jſt denn fuͤr ſo vieles Gutes, das uns Gott durch ſie be-
ſchert,

Der, ſo ſie fuͤr uns erſchaffen, keines Danks und Lo-
bes werth?


R 3Der
[262]Betrachtungen

Der Elephant.


Jſt gleich dieſes große Thier ſelten nur bey uns zu

ſehen,

Da es andern Voͤlkern dient; iſt es doch beſonders werth,

Wegen ſeiner Groͤß’ und Klugheit, wodurch Wunder faſt ge-

ſchehen,

Daß man, wegen ſeiner Schoͤpfung, deſſen Schoͤpfer ruͤhmt

und ehrt.

Wie von ſeines Koͤrpers Groͤße alle andre Thier’ auf

Erden,

Sollen ſie von ſeinem Geiſt gleichfalls, uͤbertroffen

werden.

Jhrer Koͤrper großer Bau, ſo wie man davon erzaͤhlt,

Gleichet, ſo an Groͤß’ als Schwere, gleichſam Bergen, die

beſeelt.

Wie ſo weit an ihrem Wuchs die Natur die Kraͤfte dehne,

Zeigt allein die Laͤng’ und Schwere vieler Elephanten-

zaͤhne,

Da derſelben einige zehn Schuh lang, und, wie ſie

wollen,

Weit mehr als dreyhundert Pfund am Gewichte halten

ſollen.

Er ſoll ſich zum Kampf, zur Arbeit, nutzbarlich gebrauchen

laſſen;

Er ſoll, wunderſam gelehrig, tauſend Kuͤnſte leichtlich

faſſen,

Tapferkeit und Treu’ beſitzen, und faſt wirklichen Ver-

ſtand.

Sein gelenker ſchlanker Ruͤßel dienet ihm anſtatt der

Hand,

Dieſen
[263]uͤber das Reich der Thiere.
Dieſen macht er lang und kurz, kann ihn mannichfaltig

biegen,

Und auf ungezaͤhlte Weiſe von ſich ſtrecken, drehen, ſchmie-

gen,

Durch ihn trinken, Eſſen nehmen, riechen, greifen, werfen,

fuͤhlen,

Mit ihm fechten, druͤcken, ſpruͤtzen, ja ſogar den Ballen

ſpielen.

Dieſes wunderbare Werkzeug, da er keinen Hals nicht

hat,

Und ſich ſonſt nicht wehren koͤnnte, dient ihm an des

Halſes Statt.

Seine Haut ſoll ſo verhaͤrtet, und ſo ſtark faſt, wie

ein Bein,

Folglich, auch von einer Kugel nicht einmal durchdringlich

ſeyn.

Jn dem warmen Jndien, wo ſie meiſt gefunden werden,

Weiden ſie in Bruͤchen, Waͤldern, auch auf Hoͤh’n, bey

ganzen Heerden.

Mit dem weißen Elfenbein, welches ſie ſo ſchuͤtzt, als ziert,

Wird ein vortheilhafter Handel in der ganzen Welt ge-

fuͤhrt.

Wenn wir denn von dieſem Thier etwas leſen oder hoͤren,

Laßt uns, unſern Pflichten nach, ſeinen großen Schoͤpfer

ehren!


R 4Der
[264]Betrachtungen

Der Baͤr.


Auch der zottichte, gefraͤßig’, unerſaͤttlich’, ſtarke Baͤr

Dienet dem, der ihn erſchuf, auch nicht weniger

zur Ehr.

Seiner Glieder Ebenmaaße, Staͤrke, Fertigkeit, und

Muth,

Auch daß er nicht leicht den Menſchen ungereizet Scha-

den thut;

Daß ſie auch, wie andre Raubthier’, um uns weniger

zu ſchrecken,

Noch uns Schaden zuzufuͤgen, ſich in Wuͤſteneyen,

Hecken,

Und Gebirgen gern befinden; daß ſie, uns fuͤr Froſt

zu ſchuͤtzen

Mit der rauchen weichen Haut, uns ſo dienſam ſind und

nuͤtzen,

Da man zur Bequemlichkeit, zu der Waͤrme, und zur

Pracht,

Lagerſtaͤtte, Muͤtzen, Stiefeln, Muff’ und Pferdedecken

macht.

Alles dieß iſt dankenswuͤrdig; doch, wo wird es recht

bedacht?

Es giebt unterſchiedne Sorten, braune, ſchwarz’ und

weiße Baͤren,

Die ſich auf verſchiedne Weiſe, ſonderlich im Winter,

naͤhren,

Da ſie, welches kaum begreiflich, Fett aus ihren Tatzen

ſaugen,

Und damit, ohn’ andre Nahrung, doch ſich zu erhalten

taugen.

Aus
[265]uͤber das Reich der Thiere.
Aus den dickverwachſ’nen Hoͤlen gehet dieſes wilde

Thier,

Jn dem ganzen langen Winter, ſchlaf- und ſaͤugend,

nicht herfuͤr.

Jſt dieß nicht bewundernswerth,

Daß ſich ſolch gefraͤßig Thier ſonder Speiſe dennoch

naͤhrt,

Und dadurch, da er nicht raubet, ſondern unaufhoͤrlich

ruht,

Faſt die halbe Zeit des Lebens, ſo viel minder Schaden

thut?

Seine Gall’, ſein Fett, und Auge brauchet man in Arze-

neyen,

Seine Pfoten und ſein Kopf nuͤtzen uns auf Gaſtereyen;

Auch der Jungen Fleiſch iſt eßbar. Dienet alſo auch

der Baͤr,

Seiner Wildheit ungeachtet, uns zum Nutzen, Gott

zur Ehr.


R 5Das
[266]Betrachtungen

Das Schwein.


Nun wird auch zu gleicher Abſicht das ſo zahm’ als

wilde Schwein,

Ein dem Menſchen nuͤtzlichs Thier, billig zu betrachten

ſeyn.

Es hat eine ſpitze Schnauze, kurzen Hals, geſpaltne Klauen,

Einen Ruͤßel, niedre Beine, ſtarke Borſten, dicke Haut,

Waffen, womit oft, die wilden ſonderlich, gewaltig hauen.

Es iſt leicht zu unterhalten. Alles frißt es, Fruͤchte, Kraut,

Eicheln, Buͤchen, Spuͤlicht, Bohnen, Wurzeln, Treber,

ja was man

Jn der Wirthſchaft von dem Abfall ſonſt faſt gar nicht

brauchen kann.

Es iſt dieſes Thier ſo fruchtbar, daß es oft in einem Jahr

Zweymal ferkelt, und zur Zeit wohl auf achtzehn Junge

bringet,

Wodurch denn in unſrer Wirthſchaft mannichfacher Nutz

entſpringet.

Speck und Fleiſch, der Kopf, die Ohren, Wuͤrſte, Schin-

ken, roh und gar,

Auch der Ruͤßel, Zungen, Fuͤße liefern uns manch ſchoͤn

Gericht;

Und es fehlt in Arzeneyen auch an manchem Nutzen nicht.

Haut und Borſten dienen uns. Ja was geben uns im

Jagen

Auch die wilden Schweine nicht fuͤr Ergetzen und Be-

hagen!

So geſtehe denn ein jeder, voll Erkenntlichkeit, mit mir,

So von wild- als zahmen Schweinen, es ſey ein ſehr nutz-

bar Thier,

Und erheb’ und ehr’ und preiſe den, der ſie uns ſchenkt,

dafuͤr!

Das
[267]uͤber das Reich der Thiere.

Das Nashorn.


Dieſes wunderbare Thier, das ſo fremd, von wel-

chem man

Die beſondere Figur ſchwerlich recht beſchreiben kann,

Soll dennoch an Kopf und Ohren unſern Schweinen et-

was gleichen,

Doch an Groͤße ſeines Koͤrpers faſt an Elephanten rei-

chen.

Ob wir nun gleich viel von ihm und von ſeiner Haut er-

zaͤhlen,

Daß ſie wirklich panzerfoͤrmig und wir ſie mit ſtarken

Schilden

Recht, als einen Harniſch mahlen, und wie wahre

Schuppen bilden,

Dennoch wird an dieſem Thier, und zumal an ſeiner

Haut,

Etwas recht Betraͤchtliches und Verwunderlichs ge-

ſchaut,

Da ſie bloß durch ihre Falten, die ſo dick, ſo ſtark, und

feſt,

Dergeſtalt das Thier beſchuͤtzen, daß ſichs nicht durch-

dringen laͤßt,

Und man ſchreibt, daß es nicht nur vor den Saͤbel-

ſtreichen frey,

Sondern auch vor nicht zu ſtarke Schuͤſſe ſelber ſicher

ſey.

Seine Waffen ſind ein Horn, das er auf der Naſe traͤ-

get,

Und dadurch den Elephanten, der ſein ſteter Feind, er-

leget.

Seine Zunge ſoll ſo rauch und von ſolcher Schaͤrfe ſeyn,

Daß
[268]Betrachtungen
Daß er der erlegten Koͤrper Haut und Fleiſch bis auf

das Bein

Abzulecken faͤhig iſt. Sonſten ſollen ihn allein

Scharf und harte Kraͤuter naͤhren. Sonſt ſoll es vertraͤg-

lich, guͤtig,

Wo man es nicht reizet, ſeyn: nur, verletzet, wird es

wuͤtig,

Da es denn mit ſeinem Zorn, Grimm und Wut ſo weit

ſoll gehn,

Daß im Wege ſtehnde Baͤume ſeinem Grimm nicht wi-

derſtehn.

Da der Mauren Volk ſein Fleiſch, wir das Horn, ge-

brauchen koͤnnen,

Werden wir auch dieſes Thier nicht mit Recht unnuͤtzlich

nennen.

Aus der Glieder Ebenmaaße ſtralet denn bey dieſem

Thier,

Nebſt dem Nutzen, auch des Schoͤpfers Weisheit, Lieb

und Macht herfuͤr.


Der
[269]uͤber das Reich der Thiere.

Der Hund.


Wo von allen andern Thieren wir mit Rechte ſagen

koͤnnen,

Daß der Schoͤpfer uns in ihnen Luſt und Nutzen wollen

goͤnnen,

So erfodert es der Hund, daß des Schoͤpfers Huld hie-

bey

Jmmer mit Vernunft betrachtet und mit Dank geprie-

ſen ſey.

Alle Vortheil von den Hunden ſind ſo groß, ſo ungemein,

Daß ſie nie recht zu beſchreiben und faſt nicht zu zaͤhlen ſeyn.

Selbſt entfernte Nationen, welche nicht dergleichen ha-

ben,

Wenn man von den Hunden ſpricht und von allen ihren

Gaben,

Koͤnnen es unmoͤglich glauben, daß ein Thier das Haus

bewacht,

Andre Guͤter ſchuͤtzt und huͤtet, ſo des Tages als bey Nacht;

Daß es unſere Perſonen gegen Dieb und Raͤuber ſchuͤtzt;

Was verlohren, wieder ſucht; uns zum Bratenwenden

nuͤtzt;

Daß es wilde Thiere faͤllet, Schafe huͤtet, Blinde fuͤh-

ret,

Jn den allerdickſten Waͤldern das verſteckte Wild aufſpuͤ-

ret,

Jn die Netze treibet, faͤnget, zu uns bringet, rettet,

wehrt,

Daß, wenn es erleget iſt, es kein andrer Hund verſehrt;

Fuͤchſe wuͤrget, Haſen greift, aus der Erde Daͤchſe

treibt;

Ja mit ſeinem Dienſt und Nutzen nicht nur auf der Er-

de bleibt,

Son-
[270]Betrachtungen
Sondern uns Gefluͤgel jagt. Aus der Luft, auch aus

der Flut,

Was geſchoſſen, holt und bringet, und ſo viele Dinge

thut,

Die nicht alle zu erzaͤhlen. Zu ſo viel verſchiednen Sa-

chen

Dieſes wunderſame Thier uns zu Gut geſchickt zu machen,

Hat es die Natur fuͤr uns ſo verſchiedentlich formiret,

Wie man es an keinem Thier auf der ganzen Welt ver-

ſpuͤret:

Viele ſind beſonders groß, da hingegen andre klein,

Viele ſtark und ſchwer von Gliedern, andre ſchlank, ge-

lenk, gewandt,

Zotticht, ſtroblicht, kahl und glatt: ja es ſcheint ein’ Art

Verſtand

Dieſem Thier faſt beyzuwohnen. Daß es keck, gehor-

ſam, treu,

Munter, freundlich, kuͤhn, verſchmitzt, ſchmeichelnd

und gelehrig ſey,

Daß es tauſend Kuͤnſte lernt, iſt uns allen ja bekannt.

Witz, Gedaͤchtniß, Schlauigkeit muß man ihnen zuge-

ſtehen;

Sonderlich hat die Natur ſie mit einer Kraft verſehen

Jm Geruch, der unbegreiflich, da ſie Wege finden koͤn-

nen,

Und die Spuren unterſcheiden, Dinge die man faſt nicht

nennen,

Zaͤhlen noch begreifen kann, tuͤcht- und faͤhig auszu-

ſpaͤhn;

Ja ſo gar ſelbſt in Gemaͤhlden ihren eignen Herrn zu

kennen,

Wie ich ſolches mit Verwundrung ſelbſt mit Augen an-

geſehn.

Noch
[271]uͤber das Reich der Thiere.
Noch erſieht man an den Hunden, ſo, daß es kaum zu

begreifen,

Wie mehr, als bey allen Thieren, ihre Meng’ und Art

ſich haͤufen;

Seht und zaͤhlet mit Bewundrung, wie ſo viel- und man-

cherley,

Und in einer jeden Art wieder ſolche Menge ſey.

Wenn man denn fuͤr andre Thiere unſerm Gott zu danken,

pflichtig;

So ſind es die Hunde gleichfalls, da die Dienſte groß

und wichtig,

Welche wir von ihnen haben: Ja ſie ſcheinen uns im Le-

ben,

Außer ihrem vielen Nutzen, zur Geſellſchaft faſt gege-

ben.


Der
[272]Betrachtungen

Der Eſel.


Auch der Eſel, ob man ihn ſonder Urſach oft verach-

tet,

Jſt, wenn man ſein ganzes Weſen ohne Vorurtheil be-

trachtet,

Ein beſonders nuͤtzlichs Thier. Jſt ſein Geiſt gleich dumm

und traͤge,

Laͤßt er ſich gleich zu der Arbeit ſelten leiten, als durch

Schlaͤge;

Jſt er dennoch ſehr geduldig, dauerhaft, und ſtark da-

bey,

Große Laſten wegzutragen: daß auch in der Arzeney

Dieſes Thieres Milch beſonders von dem ſtaͤrkſten Nutzen

ſey;

Zeiget die Erfahrung taͤglich. Womit man ihn haͤlt und

naͤhrt,

Jſt von ſo geringen Koſten, daß ſein Futter faſt nichts

werth:

Dorn und Dieſteln, Stroh und Spreu, was ſo Pferd

als Rindvieh liegen,

Fallen laſſen und zertreten, frißt der Eſel mit Vergnuͤ-

gen.

Außer daß er Laſten traͤgt, brauchet man ihn auch zum

Pfluͤgen,

Karrenziehen und zum Egen. Seine Milch dient nicht

allein

Jn der Schwindſucht, auch zur Gicht und zum Poda-

gra; ſie heilet

Jnnere Entzuͤndungen, ſie ſoll gar vortrefflich ſeyn,

Eine ſchoͤne Haut zu machen, ſie ergaͤnzet und ertheilet

Huͤlf
[273]uͤber das Reich der Thiere.
Huͤlf am Zahnfleiſch, ſtaͤrkt und heilt es. Endlich wird

auch ſeine Haut,

Drauf zu ſchreiben, ſehr genuͤtzt. Merkt denn, wie der

Eſel auch

Uns zum Nutz formiret ſey, in ſo mancherley Ge-

brauch,

Und, wenn ihr euch ſein bedient, denket, wenn ihr bil-

lig denket,

Daß auch er euch einen Schoͤpfer zeige, der ihn euch ge-

ſchenket.


SDas
[274]Betrachtungen

Das Elendthier.


Ein recht ſonderbar Geſchoͤpf, halb ein Hirſch und

halb ein Pferd,

Jſt das Elend, das nicht minder unſerer Betrachtung

werth:

Sein Geweih iſt ganz beſonders, und als ſonſt kein Thier

es traͤget,

Eines Adlers Schwingen gleich, wenn er ſie herunter

ſchlaͤget.

Von der Klauen ſaget man, daß ſie große Kraͤfte heget,

Und im Krampf und Nervenſchmerzen Linderung und

Huͤlfe bringet.

Da die Dicke ſeiner Haut weder Hieb noch Stich durch-

dringet,

Wird mit ihr, an Panzers Statt, im Gefecht, die Bruſt

umringet.

Seines Koͤrpers Schwere gleicht einer ziemlich ſtarken

Kuh,

Vorn am Halſe iſt es zotticht, aber glatt nach hinten zu:

Um ſein langes Obermaul ſoll man es nicht vorwerts

gehen,

(Daß es nicht im Grafen hindre) ſondern ruͤckwerts wei-

den ſehen.

Langen Durſt und ſchwere Arbeit iſt es tuͤchtig zu er-

tragen.

Kann man alſo auch mit Recht von dem Elendthiere ſagen,

Daß es einen weiſen Schoͤpfer uns erweiſ’ und noch

dabey,

Daß es bloß von ihm aus Liebe uns zum Nutz erſchaffen

ſey.


Die
[275]uͤber das Reich der Thiere.

Die Wieſel.


Scheint gleich dieſes kleine Thier uns zum Schaden

mehr gegeben,

Als uns Nutzen zu verſchaffen, da es junge Huͤner, Tau-

ben

Und noch ander Hausgefluͤgel pflegt zu wuͤrgen und zu

rauben,

Auch ſo vieler Voͤgel Bruten, die in Wald und Feldern

leben,

Frißt, und ihre Eyer ſaͤuft: dienen ſie doch, wie die

Katzen,

Uns zu nicht geringem Nutzen oͤfters gegen Maͤuſ’ und

Ratzen:

Sie ſind auch der Schlangen Feinde, als womit ſie ſtetig

kaͤmpfen:

Jhre Baͤlge nuͤtzen uns, nicht nur Schmerz und Gift zu

daͤmpfen,

Und uns, fuͤr den Froſt zu ſchuͤtzen; ſondern auch in Arze-

neyen

Hat man dieſer Thiere Glieder ſich auf manche Art zu

freuen.


S 2Der
[276]Betrachtungen

Der Marter.


Dieß iſt ebenfalls ein Raubthier, ſo uns oͤfters Schaden

thut;

Aber doch iſt es nicht minder auch zu vielen Sachen gut:

Jhre Baͤlge, die ſehr ſchoͤn, da ſie fuͤr den Froſt uns ſchuͤtzen,

Koͤnnen dem, der ſie verkauft, und auch ihrem Kaͤufer

nuͤtzen.

Jhrer ſind verſchiedne Sorten,

Die man, ſie zu unterſcheiden, Stein- und Edelmarter

nennt:

Letztere bewohnen Baͤume, ſonderlich die Buͤch- und Eichen;

Dieſe wiſſen jungen Voͤgeln ſehr behende nachzuſchleichen,

Ja noch groͤßere zu toͤdten, da ſie gar den Auerhahn,

(So weit gehet ihre Kuͤhnheit) nebſt dem Birkhun und

Faſan

Anzufallen ſich nicht ſcheuen, und, wenn ſie gleich fertig

fliegen,

Jhren Raub nicht fahren laſſen, ihnen auf den Ruͤcken liegen,

Da ſie ſie denn unauf hoͤrlich und ſo lang im Fluge beißen,

Bis ſie beyd’ herunter fallen, drauf ſie ſelbige zerreißen.

Jhre Loſung laͤſſet uns, anders als in allen Thieren,

Einen nicht unangenehmen lieblichen Geruch verſpuͤren.

Dieſe wohnen in den Waͤldern, da die andern ſich hingegen

Jn den Haͤuſern, Scheun’n und Staͤllen meiſtens aufzu-

halten pflegen.

Hier wird auch manch Hun erwuͤrgt und viel Fluͤgel-

werk zerbiſſen,

Die ſie aber mehrentheils mit der Haut bezahlen muͤſſen.


Der
[277]uͤber das Reich der Thiere.

Der Jltiß.


Mit dem Marter und der Wieſel hat er einerley

Natur,

Jſt auch meiſt von ihrer Groͤße und derſelbigen Figur,

Außer, daß ſein Balg viel ſchlechter, und im ſchlechtern

Preiſe nur

Jnsgemein verkaufet wird; wodurch denn auch armen

Leuten

Jn dem Froſt geholfen iſt, allerley ſich zu bereiten:

Um ſich vor die ſtrenge Kaͤlte zu bedecken und zu ſchuͤtzen,

Koͤnnen alſo Jltiſſ’ auch den verlaſſ’nen Armen nuͤtzen.


S 3Der
[278]Betrachtungen

Der Luchs.


Auch der Luchs iſt ſchoͤn und ſchaͤdlich. Er iſt voller

Raubbegier;

Aber dennoch iſt es uns ebenfalls ein nuͤtzlichs Thier.

Zwiſchen Katzen und dem Tiger ſcheints ein Mittelthier

zu ſeyn:

Seine Haut iſt gelblichfleckig, auch wohl etwas grau zu-

weilen:

Sie ſind aus der Maaßen fertig, ihre Speiſe zu ereilen,

Sehn ſo ſcharf, als ſonſt kein Thier. Zwiſchen Bergen,

Fels und Stein

Leben meiſt die Katzenluͤchſe, wenn die Kaͤlberluͤchſ’ hin-

gegen

Jn den dickverwachſ’nen Waͤldern insgemein zu wohnen

pflegen.

Fuͤr die Schwerenoth und Krampf wird die Luchsklau

uns verſchrieben;

Und mit ihren Baͤlgen werden große Handlungen ge-

trieben.


Das
[279]uͤber das Reich der Thiere.

Das Pantherthier.


Nunmehr koͤmmt, in unſrer Ordnung, das ergrimmte

Pantherthier,

Dem zu Ehren zu betrachten, welcher es gemacht, uns fuͤr,

Das in ſeiner Art nicht minder wohlgebildet iſt und

ſchoͤn,

Da wir auf der ganzen Haut nichts als ſchoͤne ſchwarze

Flecken,

Mit beſonder ſcharfem Umſtrich und ſehr nett geformt,

entdecken,

Die auf roͤthlichgelbem Grunde in der ſchoͤnſten Ordnung

ſtehn.

Ob nun gleich ſein Grimm, die Staͤrke, die Geſchwindig-

keit, die Wut

Oftermals den Menſchen toͤdtlich, und nicht ſelten Schaden

thut;

Jſt doch auch in dieſem Thier’, wie in allen andern Werken,

Eines maͤcht’gen Schoͤpfers Ordnung bey dem Aufenthalt

zu merken,

Jn der ihnen angewieſ’ nen Wohnung, da ſie in den Wuͤſten,

Von der Menſchheit abgeſondert, und entfernet, einſam

niſten,

Und nur an ſehr wenig Oertern. Jhrer bunten Baͤlge

Pracht

Wird aus ſo entfernten Laͤndern auch ſogar zu uns ge-

bracht,

Und ſehr gern von uns genuͤtzet: daß wir alſo Vortheil

ſpuͤren,

So im Handel als Gebrauch, und uns auch bereichert ſehn

Durch dieß ſchoͤn’ und wilde Thier, ſonder in Gefahr

zu ſtehn,

Leib und Leben zu verlieren.

S 4Das
[280]Betrachtungen

Das Eichhorn.


Schrecken uns gleich viele Thiere nebſt dem Nutzen;

ſtellet hier

Ein uns nur vergnuͤgend Thierchen in dem Eichhorn uns

ſich fuͤr:

Alle Theile ſeines Koͤrpers ſind ſowohl, als andre,

zierlich;

Doch derſelben Handlungen ſind ſo artig, ſo poßirlich,

Die Bewegungen ſo lebhaft, hurtig, und ſo ſchnell, daß

man

Nicht leicht ihre Spruͤng’ und Mienen ſonder Lachen ſehen

kann.

Sie bewohnen hohe Baͤume, koͤnnen ſo gewaltig ſprin-

gen,

Und von einem Baum zum andern ſich ſo ſchnell und hurtig

ſchwingen,

Daß es laͤßt, als wenn ſie floͤgen, da die langen Schwaͤnze

ihnen,

Die ſo lang als wie ſie ſelbſt, gleichſam als zu Fluͤgeln

dienen.

Meiſtens ſind ſie roth, und gleichen faſt dem Fuchs an Farb’

und Haar:

Dennoch findet man verſchiedne von verſchiedner Farb’,

und zwar

Ofters grau und aſchenfaͤrbig, auch wohl ſchwaͤrzlich,

aber ſelten,

Deren kleine Baͤlge denn, weil ſie rarer, mehr auch

gelten.

Dieſes Thierchen laͤßt ſich zaͤhmen, da es ſeltſame Fi-

guren

Und in allen Handlungen laͤcherliche Poſituren

Dem,
[281]uͤber das Reich der Thiere.
Dem, der darauf achtet, zeigt, ſo, daß es ſich faſt nicht

regt,

Da es nicht durch ſeine Stellung uns zur Munterkeit be-

wegt.

Da es, nebſt der Zierlichkeit, auch zugleich ſehr gut

zu eſſen,

Jſt es billig, daß wir es auch als ein Geſchoͤpf er-

meſſen

Eines wunderbaren Schoͤpfers, der auch hier ſein’ Allmacht

zeigt,

Und von deſſen Lieb und Weisheit nichts, was er geſchaffen,

ſchweigt.


S 5Der
[282]Betrachtungen

Der Affe.


Scheinet nun von allen Thieren eins zu unſrer Luſt

geſchaffen

Und zum Vorwurf der Bewundrung, ſo ſind es gewiß

die Affen.

Nicht nur in des Koͤrpers Bau, auch in Mienen und Ge-

berden,

Jn behenden Handlungen, Munterkeit und Schlauigkeit,

Jn der ſeltſamen Bewegung Arten und Verſchiedenheit

Muͤſſen ſie im erſten Grad faſt von uns gerechnet werden:

Ja fuͤr einen Philoſophen, da ſein Thun ſo ungemein,

Duͤrft ein Aff zur Ueberlegung wohl ein wuͤrd’ger Vorwurf

ſeyn.

Wenn man recht die Trieb’ erwaͤgt, die in Affen zu entdecken,

Wie ſo fern am Leib und Geiſt ſich die Faͤhigkeiten ſtrecken,

Wird faſt unſere Vernunft uͤber dieſe Thiere ſtutzen,

Und darinn von der Natur Ordnungen und Graden ſehn,

Wodurch gleichſam auch die Thiere ſich zu uns noch mehr

erhoͤhn,

Als es faſt der Stolz erlaubet: Alſo kann ein Aff auch nutzen

Und zur Demuth gleichſam leiten. Billig faͤllt hiebey uns ein:

Was fuͤr eine Geiſterleiter muß wohl nicht vorhanden ſeyn,

Die von uns hinab- auch aufwerts mit ſo manchen Staffeln

fuͤhrt,

Daß weil wir kein End erblicken, die Vernunft ſich faſt

verliert.

Was ſie all fuͤr Handlungen kuͤnſtlich nachzuahmen wiſſen,

Auch was ſie von ſelbſten thun, davon werd’ ich ſchweigen

muͤſſen,

Weil die Vielheit gar zu groß. Dieſes macht, daß ich allein

Zur Betrachtung, daß auch ſie uns zu Gut erſchaffen ſeyn,

Zur Bewunderung und Dank, wie ich ſchuldig bin, mich kehre

Und ſo, wie in allen Werken, auch in ihm, den Schoͤpfer ehre.

Das
[283]uͤber das Reich der Thiere.

Das Murmelthier.


Der Bewohner der Gebirge, das verſchlafne Murmel-

thier,

Jſt von einer andern Art. Dieß, wenn es im Schnee u. Froſt,

Seine meiſte Zeit verſchlaͤft, koͤmmt im Fruͤhling nur herfuͤr

Und beſorgt zu kuͤnft’gem Winter auf das neue Neſt und

Koſt.

Jhre Loͤcher richten ſie mit beſondrer Ordnung ein;

Daß ſie naͤmlich frey von Unrath, und beſtaͤndig reinlich ſeyn,

Graben ſie ein eignes Loch. Wie ſie zu den noͤth’gen Dingen,

Die ſie zu dem Lager brauchen, Gras und Heu zuſammen

bringen,

Jſt wohl recht verwunderlich. Eins ſieht man ſich nie-

derſtrecken,

Die vier Beine uͤber ſich, da die andern es bedecken,

Und ſo viel es halten kann,

Buſch und Strauchwerk auf ihn tragen,

Dann faſſ’t jedes deſſen Schwanz ſanfte mit den Zaͤhnen an,

Und ſo ſchleppen ſie gewoͤhnlich dieſen lebendigen Wagen

Als bey einer Deichſel fort. Dieß thut einer nach dem

andern,

Jeder, wenn die Reih ihn trifft, muß nach dieſer Ordnung

wandern,

Keiner wird damit verſchonet. Wenn es frißt, ſitzt dieſes Thier,

Haͤlt die Koſt in rordern Pfoten, wie ein Eichhorn, faſt wie

wir.

Fleiſch vom Murmelthier ſoll niedlich, wie das beſte Wild-

praͤt, ſchmecken,

Und ſein Schmalz iſt trefflich heilſam. Kann man alſo auch

in ihnen,

Da ſie uns zu mancherley Nutzen und Ergetzen dienen,

Eines weiſen Weſens Abſicht, Weisheit, Macht und Lieb’

entdecken.

Das
[284]Betrachtungen

Das Kaninchen.


Dieſes Thier gleicht faſt den Haſen; aber wohnt in

Gruben meiſt,

Wie es denn faſt jeden Boden theilt, zerwuͤhlet und zer-

reißt.

Sie bereiten gleichfalls kuͤnſtlich ihren unterirdſchen Bau,

Jhr Farb iſt weiß entweder, oder ſprenklicht, oder grau.

Sie ſind mehr als andre Thiere von ſo großer Frucht-

barkeit,

Daß ſie zwoͤlfmal Junge hecken nur in eines Jahres Zeit,

Und faſt immer fuͤnf bis ſechs. Es giebt ihrer zweyer-

ley,

Wilde naͤmlich, und auch zahme. Doch ein großer Un-

terſcheid

Jſt an ihrem Fleiſch zu finden. An Geſchmack und Nied-

lichkeit

Koͤmmet der gezaͤhmten Fleiſch nie dem Fleiſch der wil-

den bey.

Von den wilden wiſſen Koͤche, wenn ſie ſie kunſtmaͤßig

miſchen,

Uns ſo mancherley Gerichte, die ſehr niedlich, aufzuti-

ſchen,

Und von ihrem Fell die Kuͤrſchner uns im Froſt verſchied-

ne Sachen

So zur Waͤrm’ als auch zur Zierde, zur Bequemlichkeit

zu machen.

Daß demnach auch dieſes Thier, wie auch Gott in ihm,

uns liebt,

Da es uns erwaͤrmt und naͤhret, eine klare Probe giebt.


Der
[285]uͤber das Reich der Thiere.

Der Steinbock.


Dieß Thier ſcheint eine wilde Ziege zu ſeyn, doch

von beſondrer Art,

Da es nur auf der Alpen Spitzen und nirgend ſonſt ge-

funden ward.

Am meiſten gleichet es den Gemſen, doch ſiehet man es

Hoͤrner fuͤhren

So lang, daß ſie ihm, wenn er ſtehet, gemeiniglich

das Kreuz beruͤhren;

So breit, daß auf die drey Maaß Waſſer ſich in ein ein-

zigs fuͤllen laſſen:

Mit dieſen Hoͤrnern weis er nun an Felſen ſich ſo feſt zu

faſſen,

Daß er, indem er ſich daran gemaͤhlig hin und wieder

ſchwingt,

Von einem Felſen zu dem andern bewundernswuͤrdig ſchnell

ſich bringt.

Ja, wenn er auch von einer Hoͤh und unerſteiglich ſteilen

Spitzen

Herunterſtuͤrzt, weis er die Hoͤrner auf ſolche Weiſe vor-

zukehren,

Und vor den ungeheuren Fall auf ſolche Weiſe ſich zu

ſchuͤtzen,

Daß auch die allerhoͤchſten Faͤlle die Glieder ihm nicht

leicht verſehren.

Er braucht ſie gegen ſeine Jaͤger, ſo daß er ſie, wenn

er erboſt,

Und einen Raum zum Anlauf hat, gar oft von hohen

Felſen ſtoßt.

Sein Fleiſch iſt eßbar, und ſein Fell iſt gegen Kaͤlte

trefflich gut;

Auch dienet in der Arzeney beſonders dieſes Thieres Blut,

Den
[286]Betrachtungen
Den Blaſenſtein uns zu zermalmen. Ein Theil mit ſechs

Theil Moſt genommen,

Gekocht drey Tage nach einander, fruͤh, mittags und

beym Abendmal

Jm Bade nach und nach getrunken, ſoll denen trefflich

wohl bekommen,

Die durch den Blaſenſtein gemartert, da es den Urſprung

ihrer Qual

Jn Sand zermalmt von ihnen fuͤhrt. Woraus wir klaͤr-

lich ſehen koͤnnen,

Wie viel auch Gott in dieſem Thiere dem Menſchen Gu-

tes wollen goͤnnen.


Das
[287]uͤber das Reich der Thiere.

Das Kameel.


Es iſt dieſes Thier bey uns zwar nicht ſonderlich be-

kannt,

Sondern meiſt in Aſia: Dennoch wird in ſeinem Haare,

Als in einer nuͤtzlichen und ſehr vortheilhaften Waare,

Uns ein rechter Schatz im Handel aus der Ferne zugeſandt.

Dieſes Haar ſoll es zum oͤftern, meiſt in einem jeden

Jahre,

Und zwar in ſehr wenig Tagen, daß man es bequemer

faſſen,

Sammeln und gebrauchen kann, faſt auf einmal fallen

laſſen.

Dem, der es zum erſten ſieht, koͤmmt gemeiniglich dieß

Thier

An Geſtalt faſt ungeformt, plump und grob und haͤß-

lich fuͤr:

Dennoch hat es ſeine Gleichmaaß, und es ſind die ſtarken

Glieder

Wunderwuͤrdig eingerichtet. Sich zum Tragen gut zu

ſchicken,

Zeigt ſich ein ſehr ſtarker Buckel in der Mitt’ auf ſeinem

Ruͤcken.

Wenn man es beladen will, legt es ſich von ſelbſten nie-

der,

Da es denn, wenn es g’nug hat, ſelber in die Hoͤhe

ſpringt.

Nicht beſchreiblich iſt der Nutzen, welchen das Kameel-

thier bringt,

Da es durch die duͤrren Wuͤſten, mit ſehr ſchlechter Koſt

vergnuͤget,

Und ſehr lange ſonder Trank Laſten ſchleppt; Auch, wenn

man krieget,

Gegen
[288]Betrachtungen
Gegen Pferde trefflich nuͤtzt; Ueberdas durch ſchnelles

Laufen,

Wozu ſichs gewehnen laͤßt, ungemeinen Vortheil

ſchafft,

Weil es durch den ſtarken Knocher und der zaͤhen Ner-

ven Kraft

Faſt nicht zu ermuͤden iſt, welches nuͤtzlich auf der

Reiſe.

Seine ſuͤße Milch iſt trinkbar, gleichfalls dient ſein Fleiſch

zur Speiſe.

Auch verſpuͤrt man, daß von ihm manches Theil zur Ar-

zeney,

Aeußerlich und innerlich, heilſam zu gebrauchen ſey.

Daß denn nun fuͤr dieſes, Thier auch das menſchliche

Geſchlechte

Dem, der es fuͤr ihn erſchaffen, ehrerbietig danken

moͤchte!


Der
[289]uͤber das Reich der Thiere.

Der Dachs.


Wie viele Thiere ſteile Hoͤh’n, ſo lieben Dachſe dunk-

le Tiefen

Und finſtre Loͤcher in der Erde, worinn ſie nicht des Tags

nur ſchliefen,

Nein, worinn ſie die halbe Zeit des Lebens ſelbſt ſich faſt

begraben,

Und ihre Lagerſtatt darinn, ſo lang der Winter waͤhret,

haben:

Dann ſchlafen ſie die ganze Zeit, dann ſollen ſie von ſich

ſich naͤhren,

Und bloß von ihrem eignen Koͤrper und ihrem eignen Fet-

te zehren.

Sonſt naͤhret dieſes Thier ſich meiſt von Regenwuͤrmern,

Kaͤfern, Schnecken,

Von Molchen, Kroͤten, Froͤſchen, Maͤuſen und anderm

Ungeziefer mehr.

Doch laſſen ſie auch junge Haſen, zuſammt Kaninichen,

ſich ſchmecken,

Auch junge Voͤgel ſonderlich. Sie ſind ſehr fett, es wird

das Schmeer

Als eine Haut herabgezogen, und nuͤtzet ſehr in Arzeneyen.

Des Fleiſches hat man ſich nicht minder, wenn es ge-

ſalzen, zu erfreuen.

Die Haͤute, welche denen Sattlern, den Taͤſchnern auch,

zu Gute kommen,

Die werden viel zu Reiſekaſten, zu Pinſeln wird das Haar,

genommen.

So daß ſelbſt an dem faulen Dachs ein fromm- und bil-

liges Gemuͤth,

Wie ſehr auch er den Menſchen nuͤtzt, mit Dank und mit

Bewundrung ſieht.

TDie
[290]Betrachtungen

Die Katze.


Auch dieß iſt ein beſonder Thier, wofuͤr dem Schoͤpfer

Dank gebuͤhret,

Wovon ſowohl im Haus als Felde man wahr- und großen

Nutzen ſpuͤret,

Da es den Maͤuſen und den Ratzen, und anderm Ungeziefer

feind,

Die uns dadurch, daß ſie ſo ſehr und monatlich faſt ſich

vermehren,

Auf eine Weiſe, die nicht leidlich, mehr als man faſt ge-

denkt, beſchweren,

Uns ſchaden und uns plagen wuͤrden. Ja gegen dieſen

Zufall ſcheint

Die Katze recht mit Fleiß geſchaffen. Derſelben Unver-

droſſenheit,

Gelenker Koͤrper, ſchnelle Glieder, Geduld, beherzte

Schlauigkeit,

Ein ſcharf Gehoͤr, nebſt dem Geruch, und, uͤber alles,

ſolche Augen,

Die in der dunklen Nacht zu ſehn, nicht minder als am

Tage, taugen,

Daß ein verborgner Zug in ihnen, wie wild ſie gleich,

ſie zaͤhmen kann:

Dieß alles zeiget Abſicht, Weisheit und Lieb unwider-

ſprechlich an

Von einem allgemeinen Schoͤpfer. Man kann auch an

den Katzen ſehn,

Wie alle Dinge, die geſchehen, nach Maaß und Ord-

nungen geſchehn.

Die
[291]uͤber das Reich der Thiere.
Die kleinen ſind recht laͤcherlich, ihr Gaukeln, ihr poſ-

ſierlichs Springen

Kann oft den, dem es nicht ums Herz zu lachen, doch

zum Lachen zwingen.

Man findet wilde Katzen auch, die in den dicken Waͤldern

wohnen

Und das, was ſie erbeuten koͤnnen, als ſehr gefraͤßig,

nicht verſchonen:

Doch werden ihre ſchoͤne Baͤlge mit großem Nutzen ab-

geſetzt,

Zumal man ſelbe gegen Fluͤſſe fuͤr ein bewehrtes Mittel

ſchaͤtzt,

Jmgleichen fuͤr die Waſſerſucht. Daß alſo Katzen auch

imgleichen,

Nicht weniger als andre Thier, uns mannichfache Vor-

thel reichen.


T 2Die
[292]Betrachtungen

Die Zibethkatze.


Die Thiere werden zwar bey uns nicht leichtlich le-

bendig gefunden,

Doch wird was angenehm an ihnen von uns nicht weni-

ger empfunden,

Wenn man die Baͤlge zu uns bringt, nebſt ihrem Aus-

wurf, deſſen Duft

Mit ſolcher ſuͤßen Lieblichkeit und holden Duͤnſten in die

Luft,

Die ſie umgiebt, beſtaͤndig quillet,

Daß ein empfindliches Vergnuͤgen durch den Geruch das

Hirn erfuͤllet

Und uns recht inniglich vergnuͤgt. Wer von uns Men-

ſchen kann begreifen,

Auf welche Weiſe ſich die Theilchen, die den Geruch ver-

gnuͤgen, haͤufen,

Entſtehen, und ſo lange dauren? Da Dinge, die bey

ihnen liegen,

Von ihnen gleichſam eingebieſamt, ſo ſtark uns, wie ſie

ſelbſt, vergnuͤgen,

Ohn etwas ihnen zu benehmen. Dieß Thier iſt grau

mit ſchwarzen Flecken.

Am Bauch, in einem kleinen Beutel, ſoll der Zibeth be-

ſonders ſtecken,

Der gegen Schmerzen der Kolik ſehr heilſam und beſonders

gut,

Und gegen die Apoplexie nicht minder große Wirkung thut.

Daß freylich auch in dieſem Thier, wenn man ſo Nutz

als Luſt verbindet,

Man einen wundernswuͤrd’gen Vorwurf Gott uͤberzeugt

zu danken findet.

Das
[293]uͤber das Reich der Thiere.

Das Rennthier.


Welch ein raſches Thier iſt dieß! Welch ein praͤchti-

ges Geweih

Traͤgt es, uͤberall gezackt! Wie ein Pferd iſt es bemaͤhnet,

Einem Kalbe gleicht ſein Haupt. Einige ſind wild und

frey,

Andere ſind uns zum Dienſt zahm und ſonderbar ge-

wehnet.

Dieſes Thier zu unterhalten, ſind die Koſten gar nicht

groß,

Denn es kratzt zu ſeiner Nahrung ein verworfnes weißes

Moos,

Das in oͤden Feldern waͤchſt, ſelber unterm Schnee

herfuͤr:

Und dennoch ſind Fleiſch und Haut, Knochen, Sehnen,

Milch und Haar

Alleſammt dem Menſchen nuͤtzlich. So wird auch in

dieſem Thier

Seines Schoͤpfers Weisheit, Allmacht, ſammt der Huld,

uns offenbar.


T 3Der
[294]Betrachtungen

Der Chamaͤleon.


Auch iſt der Chamaͤleon, mancher Urſach’ halber,

werth,

Daß in ſeinem ſondern Bau man bey ihm den Schoͤpfer

ehrt.

Wunderbar an dieſem Thier iſt die wandelbare Haut,

Als worinn man alle Farben, in beſtaͤnd’ger Aendrung,

ſchaut,

Die dieſelbe von den Koͤrpern, die ihr nahe liegen, nimmt.

Seine Augen ſcheinen gleichfalls zur Verwunderung be-

ſtimmt,

Da die Aepfel ſich nicht drehn, wie an allen andern Thieren,

Wenn er ſehen will, ſo muß er das ganze Auge ruͤhren,

Und zwar beyde nicht zugleich, ſondern, wenn er eines dreht,

Wird man insgemein gewahr, daß das andre ſtille ſteht.

Aus dem nie geſchloßnen Maul ſchießt er eine lange Zunge

Mit ſo großer Schnelligkeit, daß man ſie kaum ſieht.

Die Lunge

Jſt an ihm beſonders groß. Alle Wuͤrmer, Fliegen,

Muͤcken

Weis er durch die Schnelligkeit ſeiner Zunge zu beruͤcken.

Zwar iſt nicht viel Fleiſch an ihnen,

Doch ſoll den Cochinchineſern es zur ſuͤßen Nahrung dienen.

Es wird auch in Arzeneyen von verſchiedenen genommen,

Jn ſehr vielerley Gebrechen ſoll es uns zu Nutzen kommen;

Jn den Fiebern, Podagra, auch in denen boͤſen Seuchen,

Sollen ſie, wie mans erfahren, oͤfters ſchnelle Huͤlf uns

reichen.


Der
[295]uͤber das Reich der Thiere.

Der Auerochs.


Ob wir gleich von Ochſ- und Kuͤhen etwas ſchon ge-

meldet haben;

Scheint der Auer doch beſonders unſerer Erwaͤhnung werth,

Als worinn, obgleich er wild, mancher Nutzen uns beſchert.

Mit bewundrungswerther Groͤße wollt’ ihn die Natur be-

gaben

Und mit ungemeiner Staͤrke. Es geht faſt kein ander

Thier,

Außer einem Elephanten, ihm an Staͤrk’ und Kraͤften fuͤr

Zwiſchen ſeiner ſtarken Hoͤrner mehr als eiſenharten Spitzen

Koͤnnen zwey ja gar drey Maͤnner fuͤglich bey einander

ſitzen.

Um den feſten Unterkiefern iſt er fuͤrchterlich behaart.

Jhm giebt ein verwildert Anſehn ſein verworrner

ſchwarzer Bart.

Auf deſſelben rauhen Stirne wird ein Buͤſchel Haar ge-

funden,

Welcher recht als Bieſam riecht. Ob er nun gleich noch

ſo groß,

Und ſo ſtark, daß er auch Baͤume ſtuͤrzt mit einem einz’gen

Stoß;

Wird er doch von Menſchenhaͤnden oft getoͤdtet, oft ge-

bunden,

Und ſein Fleiſch, das ſonders niedlich, wird von uns

mit Luſt verzehrt.

Jſt demnach auch dieſes Thier dankens- und bewun-

dernswerth.


T 4Der
[296]Betrachtungen

Der Buͤffel.


Der auch iſt ein’ Art von Ochſen, doch in vielem unter-

ſchieden,

So an Art als an Geſtalt. Es iſt ſeine Haut ſo feſt

Und ſo dicke, daß ſie ſich kaum durch Kugeln trennen

laͤßt.

Tuͤchtig iſt dieß Thier zur Arbeit und nicht leichtlich

zu ermuͤden.

Seine ringelreiche Hoͤrner ſind ſtets hinterwerts gekruͤmmt,

Die ſind als ein huͤlfreich Mittel gegen allen Krampf be-

ſtimmt,

Auch zu mancherley Gefaͤßen, Trinkgeſchirren und zu Bo-

gen.

Es zu zaͤhmen, wird ihm ſtets durch die Naſ’ ein Ring

gezogen.

Hieb- und ſchußfrey ſind die Koͤller, womit der Soldat

ſich deckt

Aus der Buͤffel dicken Haut. Da ihr Fleiſch auch nied-

lich ſchmeckt

Und beſonders nahrſam iſt, wird es ebenfalls gegeſſen.

Soll man denn nicht deſſen Huld, auch bey dieſem Thier,

ermeſſen,

Welcher es, fuͤr uns, formirt? uns nicht durch ſein Fleiſch

nur naͤhrt,

Uns nicht nur zur ſichren Kleidung die ſo feſte Haut beſchert,

Sondern auch bey unſrer Arbeit es zur Huͤlfe uns ge-

wehrt?


Der
[297]uͤber das Reich der Thiere.

Der Zobel.


Dieſes iſt ein kleines Thier, welches Norden uns nur

zollt,

Sonderlich Siberien; es iſt faſt den Martern gleich,

Doch an einem glaͤnzenden braun- und ſchoͤnen Haar ſo reich,

Daß es hoͤher noch im Preiſe, als das allerfeinſte Gold.

Nur fuͤr Rußlands Kaiſerinn ſind ſie ein Regal allein,

Und ſie muͤſſen von Gefangnen woͤchentlich geliefert ſeyn,

Welche doch, wenn ſie die Zahl, die ſie ſchuldig, ein-

gebracht,

Und ſie etwan mehr bekommen,

Jhnen ſtets fuͤr baare Zahlung richtig werden abgenommen.

Hiermit wird im Orient faſt der groͤßte Staat gemacht.

Daß die Felle nicht verderben, faͤnget man ſie meiſt in

Schlingen,

Wo hinein man dieſes Thierchen weis mit vieler Liſt

zu bringen;

Auch in Fallen, auch durch Bolzen, vorn mit ſchwerem

Bley begoſſen,

Werden Zobel angeſchoſſen.

Ein ganz ungemeiner Handel wird mit dieſem Thier ge-

fuͤhrt.

Da es manchen ſehr bereichert, und auch manchen waͤrmt

und ziert,

Jſt es gleichfalls anzuſehn, als ein Theil von vielen Ga-

ben,

Welche wir, zu unſrer Luſt und zum Nutz, empfangen

haben.


T 5Das
[298]Betrachtungen

Das Schaf.


Von allen Thieren in dem Thierreich wird faſt kein

einziges gefunden,

Jn welchem, zu des Menſchen Beſten, ſo gar viel nuͤtz-

liches verbunden,

Als in den ſanft- und frommen Schafen. Es nuͤtzt

von dem, was an ihm iſt,

Ein jedes Glied und alle Theile; das Fleiſch, die Milch,

die Haut, die Klauen,

Die Wolle, die Gedaͤrme, Knochen, die Hoͤrner, ja

ſogar der Miſt.

Es ſpeiſt und traͤnket uns das Schaf, es kleidet uns.

Die Laͤnder bauen,

Verſpuͤren durch dieß holde Thier, zumal durch ſeine

Fruchtbarkeit,

Verſchiednen Segen, werden reich, und auf verſchiedne

Art erfreut.

Es zeigt die alt’ und neue Zeit, wie mancher Nutz aus

Schafen ſprieße,

Und ſcheint daher das Spruͤchwort wahr: es hab’ ein

Schaͤfgen guͤldne Fuͤße.

Ja, wenn ich es recht uͤberlege, ſo ſcheint an dieſem

Thier allein

Sein Koͤrperlichs nicht nur zu Nutzen, es ſcheint ſogar

des Geiſtes Weſen

Zu einem Sinnbild holder Sanftmuth und der Geduld

fuͤr uns erleſen,

Und dieß Thier ein belehrend Thier, ein Bild der Froͤm-

migkeit, zu ſeyn.

Wer etwan meynt, dieß ſey zu viel, der darf nur Hirten-

lieder leſen;

Man
[299]uͤber das Reich der Thiere.
Man wird befinden, daß ſogar durch Bilder von der

Schaͤferey

Man froh und gleichſam ruhig werde, und inniglich ge-

ruͤhret ſey.

So laßt uns denn in dieſem Thier des Schoͤpfers Huld

beſonders ſehen,

Jhm danken, und in unſrer Luſt des Gebers Lieb und

Macht erhoͤhen!


Die
[300]Betrachtungen

Die Ziegen.


Zu dieſer Art gehoͤren noch die auch betrachtungswer-

then Ziegen.

Wie mancherley Bequemlichkeit, Trank, Nahrung,

Nutzen und Vergnuͤgen

Verſchaffet uns auch dieſes Thier, durch Fleiſch, Milch,

Kaͤſe, Fell und Haar!

Das Haar wird Kuͤſſen auszuſtopfen, zu Filzen, und ver-

ſchiednen Zeugen,

Zu Stricken gleichfalls oft genutzt, nebſt andern Dingen,

auch ſogar

Zu den Parucken mit verbraucht. Dann iſt der Nutz

nicht zu verſchweigen,

Den uns die Fell, im Corduan und Pergament, imgleichen

auch

Jm Handſchuh, Guͤrteln, Neſteln, Saͤckeln und man-

cher Art von Kleidung reichen.

Die Milch dient, außer ihrer Nahrung, zu einem heil-

ſamen Gebrauch

Jn magrer Schwind- und Lungenſucht, ſie iſt ein Mittel

ſonder Gleichen.

Die Kaͤſe ſind geſund und nahrſam; auch iſt die Butter,

ſonderlich

Zu Salben und zur Heilung, gut. Nicht weniger curirt

man ſich

Jm Scharbock durch die Ziegenmolken. Das Horn, wenns

auf dem Feuer raucht,

Wird, in der Peſt und andern Seuchen, mit vieler Nutz-

barkeit gebraucht.

Wann
[301]uͤber das Reich der Thiere.
Wann nun bey allem auch das Fleiſch uns auf verſchiedne

Weiſe naͤhret,

Und es dennoch mit wenig Koſten und ſchlechtem Futter zu

erhalten:

So wird mit Recht auch Gott gedankt, ſowohl von Jun-

gen als von Alten,

Daß er uns in den magern Ziegen ein ſolches nuͤtzlichs

Thier beſcheret.


Der
[302]Betrachtungen

Der Jgel.


Unmoͤglich kann man dieß Geſchoͤpf ohn einige Be-

wundrung ſehn,

Als deſſen ſonderlicher Koͤrper, zumalen wie er einge-

kleidet,

Von allen uns bekannten Thieren verwunderlich ſich un-

terſcheidet.

Man ſieht auf ſeiner ganzen Haut, anſtatt der Haare,

Hoͤrner ſtehn,

Die ihn auf eine Weiſe ſchuͤtzen und ſo fuͤr allen Anfall

decken,

Daß es nur ſeltene Gefahren, die ihm bedrohen und ihn

ſchrecken.

Es wird, in dieſes Thierchens Bildung, ein recht ab-

ſichtlicher Verſtand,

Ein richtig uͤberlegter Endzweck, vor vielen andern noch

erkannt.

Der ungezaͤhlten harten, ſtarren und ſonderbaren Sta-

cheln Spitzen,

Die zur Erhaltung ihm ſo noͤthig, und die ihn rings

umgeben, ſitzen

Jn ſeiner Haut ſo ordentlich, und ſo beweglich einge-

ſenkt,

Daß er dieſelbe, nach Gefallen, erhebt, ſie durch ein-

ander ſchrenkt,

Verbreitet, ſpreizt und von ſich ſtrecket, auch ſchnell ſie

wieder niederleget,

Und ſie, dem Schein nach ſonder Ordnung, dennoch

ganz ordentlich beweget.

Er richtet aus ſich ſelber gleichſam lebend’ge Paliſaden

auf;

Er
[303]uͤber das Reich der Thiere.
Er macht ſich ſelbſt zum Spanſchenreuter; er pflanzet ei-

nen Zaun von Dornen

Jm Augenblick um ſich herum; er iſt von hinten und

von vornen

Jn ſeiner ſcharfen Schanze ſicher, und er verlaͤſſet ſich

darauf.

Droht ihm von außen wo ein Feind, Thier oder Menſch,

ihn anzufallen,

Veraͤndert er gleich ſeine Form und wird zu einem runden

Ballen.

Das, ſo an ihm verletzbar iſt, den Kopf, die Fuͤße, zieht

er ein,

Und dadurch wird er unerkannt, ja, auch erkannt doch

ſicher ſeyn.

Was faſt noch ſtaͤrker zu bewundern, ſo braucht er dieſe

ſeine Waffen,

Um, ohne Haͤnde, doch zu ſammeln und ſich die Nah-

rung zu verſchaffen.

Wo abgefallne Fruͤchte liegen, da welzt er ſich; ein’ jede

Spitz

Jſt dann, dieſelben zu bekommen, ſo gut, als eine Hand,

ihm nuͤtz.

Der Stachel dringet in die Frucht,

Die Frucht bleibt auf derſelben feſte,

Da wandert er, mit reicher Beute beladen, bald nach ſei-

nem Neſte.

Uns wird von dieſem kleinen Thier auch mancher Vor-

theil noch gewehrt,

Jndem es Maͤuſe, Froͤſche, Kroͤten, und mancherley Ge-

wuͤrm verzehrt.

Sie wiſſen ſich wohl zu verbergen, ſo daß man ſie nicht

leicht erkennet.

Man
[304]Betrachtungen
Man findet zahm und wilde Jgel, auch iſt die Gattung

zweyerley,

Von welchen man die eine Saͤu- die andern Hundes-Jgel

nennet.

Es nuͤtzet uns dieß kleine Thier beſonders in der Arzeney,

Jndem die Galle, nebſt der Leber, der Koth, die Milz,

das Fett, das Blut,

Zuſammt des Magens innerm Haͤutlein oft ganz beſondre

Wirkung thut.

Zumalen ſoll von einem Jgel die Aſche, wenn wir ihn

verbrennen,

Ein kraͤftig Mittel ſeyn fuͤr die, ſo den Urin nicht halten

koͤnnen.

Es iſt demnach auch dieſes Thier, ſowohl als alle andre,

werth,

Daß man in ihm auch einen Schoͤpfer erkennt, und ſel-

bigen verehrt.


Das
[305]uͤber das Reich der Thiere.

Das Stachelſchwein.


Noch zeigt uns die Natur ein Thier, das einem Jgel

ziemlich gleich,

Und das nicht weniger als jener an ſpitzen Stacheln

wunderreich,

Ja faſt annoch betraͤchtlicher, indem es mit den laͤngern

Spitzen

Nicht nur noch mehr geſchickt und faͤhig, ſich ſelbſt zu

decken und zu ſchuͤtzen,

Nein, ſich ſo gar von weitem wehren und ſeinem Gegner

ſchaden kann.

Es faͤllt mit ſelben ſeinen Feind, recht als mit ſpitzen

Pfeilen, an,

Und ſucht von weitem ihm zu ſchaden. Die Art, wie

er aus ſeinem Fleiſch

Sie ſo geſchwinde ſchnellen kann, iſt wunderlich. Ein

ſtark Geraͤuſch

Erreget es, wenn es erzuͤrnt. Die Stacheln ſelbſt ſind

glatt und ſchoͤn,

Wie Ebenholz und Elfenbein, ja noch faſt ſchoͤner, an-

zuſehn.

Sie ſind oft einer Ellen lang, mit ſchwarzen und mit

weißen Flecken,

Die wir in Ordnung, eins ums andre, nicht ohne Luſt

darauf entdecken.

Man braucht ſie bey den Schildern viel, zu auserleſnen

Pinſelſtoͤcken.

Man ißt ihr Fleiſch, man hat auch ihrer zu heilen und

in Arzeneyen

Sich eben auf dieſelbe Weiſe, als wie des Jgels, zu er-

freuen.

UDie
[306]Betrachtungen

Die Maus.


Dieſes iſt ein kleines, zierlichs, aber ein ſehr ſchaͤd-

lichs Thier

So im Hauſ’ als auf dem Felde. Es verurſacht dort

und hier

Oefters ungemeinen Schaden, ſo daß ſie, mehr uns zu

ſtrafen,

Als uns Nutzen zu verſchaffen,

Mehrentheils erzeuget ſcheinen; ſonderlich, wenn ſie ſich

mehren,

Wie ſie denn beſonders fruchtbar, da ſie leicht die Saat

verheeren

Und des Landmanns ganze Hoffnung oft betruͤbt genug

verzehren.

Doch wird eine weiſe Vorſicht auch hiebey mit Recht er-

kannt,

Da ſie, welches wir nicht faſſen, von ſich ſelber aufzu-

hoͤren

Und als zu verſchwinden ſcheinen, da gewiß ein ganzes

Land

Sonſt, wenn dieſes nicht geſchaͤhe, nur durch Maͤuſe

bloß, zur Wuͤſte

Werden muͤßte.

Denn es waͤre zu erweiſen, daß, von einer Maus

allein,

Auf die Art, wie ſie ſich mehren, uͤber hundert und noch

mehr

Bloß in einer Jahreszeit wuͤrde ausgehecket ſeyn.

Welche ſchreckliche Vermehrung! Welch ein ungezaͤhltes

Heer,

Wenn
[307]uͤber das Reich der Thiere.
Wenn dieß immer weiter gienge! Um nun, nebſt dem

ſchnellen Sterben,

Eine ſolche boͤſe Brut auch noch ferner zu verderben,

Scheinet eine große Menge Thier und Voͤgel uns zu

nuͤtzen

Und uns gleichſam zu beſchuͤtzen,

Recht mit Vorſicht zubereitet. Stoͤrche, Raben, Ha-

bicht, Eulen,

Fuͤchſe, Daͤchſe, Wieſel, Jgel, muͤſſen uns hier Huͤlf

ertheilen;

Ja noch viele andre mehr, wie wir denn ſogar von

Schlangen

Gegen Maͤuſe Huͤlf empfangen.

Aber auf beſondre Weiſe ſcheinen gegen Maͤuſ’ und Ra-

tzen,

Als ein rechter Gegengift, zu der Menſchen Nutz, die

Katzen

Ganz verwunderlich formiret. Wobey wir uns ſelbſt

zuweilen

Durch verſchiedene Erfindung, Gift und Fallen, Rath

ertheilen.

Wie von dieſen ſchlimmen Thieren ſo verſchiedne Sorten

ſeyn,

Zeigte mir ein Zufall juͤngſt, da in einem Schloßthurm

ſich

(Von den Eulen wohl vermuthlich hingetragen) ihrer

neun,

Und darunter ſieben Sorten, welche alle ſonderlich,

Und verſchiedlich von Figur, auch von Farben, hin-

gelegt

Und nur erſt erbiſſen funden; woraus denn gar leicht zu

ſchließen,

U 2Daß
[308]Betrachtungen
Daß derſelben mehrer’ Arten noch gefunden werden

muͤſſen.

Werden wir von dieſen Thieren nun gleich oftermals be-

ſchwert,

Sind ſie doch, in ihrer Art, unſerer Bewundrung

werth;

Auch wird, durch derſelben Menge, manches andre Thier

ernaͤhrt.


Der
[309]uͤber das Reich der Thiere.

Der Biber.


Wo eins von allen andern Thieren den Menſchen was

Betraͤchtlichs zeiget,

So iſt es dieß beſondre Thier; indem, was man an ihm

erblickt,

Faſt alles das, was Thieriſch heißt, in ſeinem Bauen

uͤberſteiget,

Da ſolches nicht allein von ihm bewundernswuͤrdig zuge-

ſchickt,

Da es die groͤßten Baͤume faͤllt, das Holz in richt’ge

Stuͤcke theilet,

Sie auf die breite Schwaͤnze legt, mit ihnen nach der

Wohnung eilet,

Sie kuͤnſtlich, regelmaͤßig fuͤgt; ja, daß die Flut ſie

nicht verſchwemmet,

Mit großer Vorſicht, Muͤh und Fleiß oft einen ganzen

Fluß verdaͤmmet.

Sie theilen ihre Wohnung ſelbſt in unterſchiedne Stock-

werk ein,

Damit ſie in dem oberſten, bey feuchten Zeiten, ſicher

ſeyn.

Verwunderlich iſt die Geduld, da, wenn ſie ſich, ge-

ſcheucht, verſtecken,

Sie ſich in zwey bis dreyen Tagen nicht wieder aus der

Flut entdecken.

Die Wilden, welche dieſen Vorthel denſelbigen nun ab-

gemerkt,

Sind durch dieß Beyſpiel der Geduld, in einer Art Ge-

duld geſtaͤrkt,

Da ſie ſich fuͤr geſchimpfet halten, von Bibern ſich be-

ſiegt zu ſehn:

U 3Da-
[310]Betrachtungen uͤber das Reich der Thiere.
Daher ſie gleichfalls zwey, drey Tag’ an ſolchen Oertern

ſtille ſtehn,

Des Bibers Wiederkunft erwartend, da ſie ihn faͤllen

und erſchlagen,

Und ſeinen nuͤtz- und koſtbarn Pelz zur Beute mit nach

Hauſe tragen.

Der Reichthum iſt nicht auszudruͤcken, den uns ihr Haar

und Pelzwerk reicht,

So daß in Canada dem Handel von Pelzwerk faſt kein

andrer gleicht.

Wer wollte denn, da dieſe Thier’ uns ſolchen großen

Vortheil ſchenken,

Wenn man dieſelben braucht und nuͤtzt, nicht auch an

ihren Schoͤpfer denken?


Ver-
[[311]]

Vermiſchte Gedichte
zum
Jrdiſchen Vergnuͤgen
in GOTT.


U 4
[[312]][[313]]

Einleitung.


Auf der angeſtralten Welt, zeigt uns, jede ſchoͤ-

ne Stelle,

Aller Schoͤnheit Quell, die Sonne, und zu-

gleich derſelben Quelle,

Aller Sonnen Sonne, Gott! Wie geſegnet, wie be-

gluͤckt

Jſt, der, da Gott allenthalben, allenthalben Gott erblickt!


U 5Fruͤh-
[314]Vermiſchte Gedichte

Fruͤhlingsgedanken 1746.


Wohin ich meine Blicke kehre,

Bluͤht alles itzo, dem zur Ehre,

Der, uns zur Luſt, die ſchoͤne Welt

Erſchuf, regieret und erhaͤlt.

Der, damit wir das, was ſo ſchoͤn,

Genießen moͤchten, und es ſehn;

Das wunderbare Sonnenlicht,

Und das betraͤchtliche Geſicht,

Dabey uns eine Kraft geſchenket,

Die, wenn ſie recht gedenket, denket:

Daß alles, was ſo ſchoͤn vorhanden,

Nicht ſey von ungefaͤhr entſtanden:

Nein, ſie begreift, durch ſichre Schluͤſſe;

Ein ordnungsvoll unendlich Ein,

Ein weiſ’ und liebreich Weſen, muͤſſe

So vieler Wunder Urſtand ſeyn.

Auf dieſen Urſtand aller Dinge,

Von dem, was iſt, ſein Seyn empfinge,

Will ich die beſte Kraft, das Denken,

Bey meiner Luſt, beſtaͤndig lenken,

Jhm meine frohe Seele weihn,

Jhm meine Luſt zum Opfer ſchenken,

Jhn preiſen, und ihm dankbar ſeyn.


Ueber-
[315]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Ueberlegungen zur Fruͤhlingszeit.


Mein Gott! der, juͤngſt noch, duͤrre Baum iſt ganz

mit gruͤnem Laub bedecket,

Es haben ſich die nackten Aeſte in gruͤne Blaͤtter ganz

verſtecket,

Was todt ſchien, ſcheinet itzt zu leben, ſein ganzes Weſen

ſcheint verwandelt.

Woher entſtehet die Veraͤndrung? Wer hat die Baͤume

ſo behandelt?

Wie geht dieß zu? fragt die Vernunft: doch kann ſie

dieſes nicht ergruͤnden,

Nur die Erfahrung bloß allein, die große Lehrerinn,

kann finden,

Da es im Lenzen ſtets geſchieht, daß es durch keine

Zauberey,

Wie es jedoch das Anſehn hat, gewirket und entſtanden

ſey.

So bleibt denn der Vernunft nichts uͤbrig, wenn ſie es,

wie ſie ſoll, betrachtet,

Als daß ſie dieſes fuͤr ein Wunder des wirkenden Natur-

geiſts achtet.

Allein, was iſt denn der Naturgeiſt? wird man ſie

darauf billig fragen.

Hierauf wird, wenn ſie redlich beichtet, ſie dir nichts

anders koͤnnen ſagen,

Als: Er muß eine rege Kraft, die ordentlich verfaͤhret,

ſeyn;

(Denn alles, was ſie wirkt und formt, ſtimmt mit ein-

ander uͤberein

Und
[316]Vermiſchte Gedichte
Und zielt auf einen weiſen Zweck) wodurch die Gottheit

mittelbar

Jn dem, was er erſchaffen, wirkt. Jſt dieſes dir nun

noch nicht klar;

So werden wir, nebſt der Vernunft, erkennen und be-

kennen muͤſſen:

Daß wir, ein mehrers vom Naturgeiſt, nicht faſſen

koͤnnen und nicht wiſſen,

So denn ja wohl nicht zu bewundern, da ſie von ſich ſelbſt

in der That

Nichts anders, als ein ſchwebend Meynen und dunkele

Begriffe, hat.

Jn dieſem Dunklen brennt jedoch ein herrlich unausloͤſch-

lich Licht,

Das, (da in allen Kreaturen, in den hervorgebrachten

Werken,

Ein’ Ordnung uͤberall zu ſehn, und eine Weisheit zu be-

merken,

Nichts von ſich ſelbſt entſtehen kann, auch nichts von un-

gefaͤhr geſchicht,)

Den wahren Gott ſo deutlich zeigt, daß unſrer Sonnen

Glanz und Schein

Den koͤrperlichen Blick und Augen nicht hell-, nicht ſicht-

barer kann ſeyn,

Als unſerm Geiſt ſein goͤttlich Weſen. Ob aber, da itzt

alles gruͤnet,

Die Gottheit ſich noch mittler Kraͤfte, und in wie fern,

dazu bedienet?

Ob die Natur ein eigenes fuͤr ſich beſtehend Weſen ſey?

Was dieß ihr Weſen eigentlich, wie fern ſich ihre Kraͤft’

erſtrecken?

Von dieſen laͤßt ſich nach dem Stande des Menſchen-

geiſtes nichts entdecken.

Laßt
[317]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Laßt aber dennoch die Erkenntniß der Wiſſensſchwaͤch’

uns nicht erſchrecken.

Wir wiſſen hier, ſo viel wir ſollen, und zwar nach un-

ſerm Stande gnug,

Und klagen darum, daß wir hier nicht mehr erkennen,

nicht mit Fug.

Wir ſcheinen hier bloß zum Bewundern von Gott in dieſe

Welt geſetzt,

Und, im Geſchoͤpf, uns ſein zu freuen. Wie daß man

ſich denn nicht ergetzt!

Wobey man doch aus der Vernunft, auch aus der Bi-

bel, Gruͤnde nimmt,

Es hab’ uns Gott nach dieſem Leben zu hoͤh’rer Wiſſen-

ſchaft beſtimmt.


Fruͤh-
[318]Vermiſchte Gedichte

Fruͤhlingsgedanken.


Mit welchem faſt fuͤr Luſt erſtaunenden Vergnuͤgen

Bemerken wir mit Recht in dieſer Zeit

Der itzt erſcheinenden Geſchoͤpfe Herrlichkeit,

Die, eh’ man es bemerkt, uns vor den Augen liegen.

Ein duͤnnes Gruͤn bedeckt die Felder,

Ein gruͤner Duft umwoͤlkt die Waͤlder,

Man ſiehet uͤberall aus duͤrren Flaͤchen

Sich junges Gras und Kraͤuter ſtechen,

Auch in der Luft, je mehr und mehr,

Ein zart durchſichtigs Blaͤtterheer

Aus aufgeſprengten Knoſpen brechen,

Die denn, ſo bald ſie hier und dar

Gebohren, wiederum gebaͤhren,

Und eine junge Schattenſchaar,

Durch deren Dunkelheit ihr helles Gruͤn

Sich noch zu mehren ſchien,

Uns erſt zur Augenluſt, nachher zum Schutz gewehren.

Auf Wieſen glaͤnzt, bald hier bald dort,

Ein von der Sonnen Licht durchſtraltes Spierchen Gras,

Natuͤrlich, als ein gruͤnes Glas;

Da andre, welche niedrig ſtehn

Und noch beſchattet ſind, durch ihre Dunkelheit

Der erſtern helles Gruͤn, als eine Fulg’, erhoͤhn,

Zu noch vermehrter Lieblichkeit.

Den jungen Blaͤtterchen, die auf den Zweigen

So durch- als angeſtralt ſich zeigen,

Bemuͤhet ſich, dem ſo ſchon ſchoͤnen Gruͤnen

Das dunkle Blau der reinen Luft, als eine Fulge, noch zu

dienen,

Um ihre Lieblichkeit noch beſſer zu erhoͤhn.

Wenn
[319]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Wenn wir den Blick nun wieder abwerts drehn,

Verſtummt man faſt fuͤr Luſt. Man ſieht die ſammtne

Decken

Der Wieſen, und ihr vor bloß gruͤnes Gruͤn,

Um mehr Vergnuͤgen uns noch zu erwecken,

Mit gelben Blumen uͤberziehn.

Kaum ſieht man es ſo ſchoͤn verguͤldet,

Kaum ſtralt ihr guͤldner Glanz uns ins Geſicht;

So ziehet unſern Blick ein ſilber Licht,

Das ſich inzwiſchen

Jn aufgebrochner Bluͤt auf Baͤum- und Buͤſchen

Von Fingern der Natur gebildet,

Mit neuer Luſt von neuem in die Hoͤh.

Mein Auge ſtutzt, da in ſo kurzer Zeit

Jch unſre Welt in ſolcher Herrlichkeit

Verguͤldet und verſilbert ſeh,

Wobey von Gras und Laub das faſt ſchmaragdne Gruͤn

Noch deſto lieblicher zu glaͤnzen ſchien.

Aria.
Goͤnn, Herr, deinen Kreaturen,

Daß ſie deiner Weisheit Spuren

Und die Proben deiner Macht,

Jn derſelben Schmuck und Pracht,

Mit vernuͤnftgen Augen ſehn;

Und wenn wir an ihren Schaͤtzen

Uns vergnuͤgen und ergetzen,

Wir mit Luſt und Dank geſtehn:

Daß ſie, bloß durch dich, ſo ſchoͤn.


Aber-
[320]Vermiſchte Gedichte

Abermalige Fruͤhlingsgedanken.


Unendliche Quelle der Quellen des Lichts,

Du Sonne der Sonnen, ſelbſtaͤndiges Leben,

Der alle Geſchoͤpfe dem Abgrund des Nichts

Entzogen, und ihnen ihr Weſen gegeben

Aus dem, was durch jene, die himmliſchen Graͤnzen,

Mit alles belebenden fruchtbarem Glaͤnzen,

Verherrlichet, ſchmuͤcket, beweget, erfuͤllt,

Jn nimmer verſeigenden Ueberfluß quillt:

Ach laß mich auf Erden dein weiſes Regieren

Mit innigſt geruͤhrtem Gemuͤthe verſpuͤren,

Der Liebe genießen, dein’ Allmacht verehren,

Die Sinnen gebrauchen, dein Lob zu vermehren,

Zumal mich an allen erfreulichen Schaͤtzen

Und Wundern, des lieblichen Fruͤhlings, ergetzen!

Durch der Sonnen Gegenwart

Loͤſt ſich alles, was erſtarrt:

Was vorhero faſt verſteinet,

Schmilzt, ſo bald ſie kraͤftig ſcheinet.

Da itzo die Geſtalt der Erden

Sich abermal verjuͤngt, die duͤrren Waͤlder gruͤn,

Die Felder durch den milden Stral der nahen Sonne
traͤchtig werden,

Da Wieſ- und Gaͤrten ſich mit Blumen uͤberziehn,

Empfindet mein geruͤhrt Gemuͤthe,

Jn dieſen Wundern, deſſen Guͤte,

Der dieſer Kreaturen Pracht,

Uns zu beluſtigen, hervorgebracht,

Uns
[321]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Uns Seel’ und Sinnen ſchenkt, daß wir ſie nutzen ſollen,

Wer wollte denn nicht gern Gehoͤr, Geruch, Geſicht

Gebrauchen, und dem Geber nicht

Jm froͤlichem Genuß ein frohes Danklied zollen!

Jch will mich wenigſtens beſtreben,

Auf das, was mir, in der ſo ſchoͤnen Welt,

Vergnuͤglichs in die Augen faͤllt,

Mit Luſt erkenntlich Acht zu geben.

Jetzt ſcheinen tauſend Arten Kraͤuter, von einem innern
Drang getrieben,

Von ihrem Samengeiſt gepreßt, ſich aus der Erd’ her-
vorzuſchieben.

Die denn, ſobald ſie uͤberall den juͤngſt noch duͤrren Bo-
den zieren,

Zugleich darauf von ihren Formen die Schattenbilder-
chen formiren

Die, die durch ihre zarte Koͤrper ſchnell aufgehaltne
Sonnenſtralen,

Die holde Schoͤnheit zu verdoppeln, fruͤh Weſt- und
abends Oſtwerts mahlen.

Das junge Laub ſcheint ſich zu wundern, da es bisher ſo
eng verſchrenkt,

Da es noch geſtern ſtarr und ſteif, daß es ſchon heute,
durch den Weſt

Gekitzelt, erſt fuͤr Anmuth zittert, und bald, wenn ſich
der Stiel verlaͤngt,

Sanft hin und wieder anfangs ſchwebt, bald ſtaͤrker ſich
bewegen laͤßt.

So wie ſie nun in Luͤften droben, im Stral der Sonnen
ſchwebend ſcherzen,

Sieht man ſo gleich wie ihre Kinder den hellen Boden
ſchwebend ſchwaͤrzen,

XDen
[322]Vermiſchte Gedichte
Den Schmuck der Welt durch Schatten mehren, und,
durch den Gegenſatz das Licht,

Das doch fuͤr ſich ſchon ſchoͤn genug, noch zu erheben, zu
vermehren.

Jch vermag mich, an den Wundern, großer Schoͤ-
pfer! die ſo ſchoͤn,

Die ſo lieblich, die ſo praͤchtig, dir zum Ruhm, nicht
ſatt zu ſehn.

Keine Wolluſt auf der Welt, keine Luſt und Freud’
auf Erden

Kann, mit dieſer ſanften Wolluſt, kann, mit dieſer
Luſt und Freude,

Wenn ich, mit geruͤhrtem Denken, Augen, Seel’
und Sinnen weide

Am Geſchoͤpf, und Gott in ihnen finde, je verglichen
werden.

Was ſieht man jetzt fuͤr ſchoͤne Farben, da Millionen
Blumen bluͤhen,

Wenn ſie der Sonnen Glanz durchſtralt, in Millionen
Blumen, gluͤhen!

Was brechen ſtuͤnd- und augenblicklich im bunt- und
figurirten Flor

Auf flacher Erd, auf hohen Baͤumen, fuͤr Fruͤhlings-
kinderchen hervor!

Da jene ſchimmert, dieſe bluͤhn,

Wovon die meiſten fruͤh ſich oͤffnen, des Abends ſich zu-
ſammenziehn,

Wie ich es offt mit Luſt bemerkt. Was liegt, im zaͤrt-
lichen Geaͤder

Und ihren duͤnnen Zaͤſerchen, fuͤr eine Spring- und rege
Feder,

Die
[323]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Die ſie entſchließt und wieder ſchließt? Zeigt dieſes uns
nicht offenbar,

Daß ſie allein fuͤr uns gemacht.

Des Tages, wenn wir ſehen koͤnnen, eroͤffnet ſie uns ih-
re Pracht

Und ſie verſteckt ſich in der Nacht.

Auf Wieſen ſchmuͤckt der meiſten Blumen Schaar

Ein gelber Glanz, die Bluͤt’ ein weißer Schein.

Es faͤllt hiebey mir folgends ein:

Bewundert doch, zumal zur Fruͤhlingszeit,

Des milden Himmels holde Guͤte,

Jndem er euch faſt mit Gewalt erfreut.

Denn, da das menſchliche Gemuͤthe

Allein dem Gold und Silber hold;

Faͤrbt er ſo Feld als Luft, in gelb- und weißer Bluͤte,

Wie Silber und wie Gold.


X 2Nacht-
[324]Vermiſchte Gedichte

Nachtvergnuͤgen.


Du liebliches alles verſilberndes Licht,

Vergnuͤgſt, in angenehmer Stille,

Durch deines gemilderten Glanzes Fuͤlle,

Von Schatten begleitet, der Menſchen Geſicht.

Durch dich bemuͤhet ſich, in ruͤckwertsfallnden Stra-
len,

Der Urſprung deines Lichts, die Sonn’, auch in der
Nacht,

Die durch der ſchwarzen Schatten Macht

Entfaͤrbte Welt, aufs neu zu ſchmuͤcken und zu mahlen.

Es zieret dein gedaͤmpfet Licht,

Die Gegenwuͤrfe zwar ſo hell und kraͤftig nicht;

Doch blendet es auch nicht ſo ſehr,

Dein Schimmer brennt auch nicht. Vielmehr

Ergetzt dein Glanz, der lieblich, ſanft und kuͤhl,

Nebſt dem Geſicht, auch das Gefuͤhl.

Wie angenehm ſpaziert ſichs nicht

Jn deinem ſanft gedaͤmpften Licht!

Das, da es ſanft durchs Auge dringet,

Und dennoch ſo viel Schoͤnheit weiſ’t;

Selbſt, den auch ſanft geruͤhrten Geiſt,

Zu einer ſuͤßen Stille, bringet.

Doch dann, wenn deine weiße Glut,

Von angeſtralter glatten Flut,

Und Fenſterſcheiben, ruͤckwerts ſpringet,

Und ſolche helle, ſchnelle, ſpitze

Und winkeliche reine Blitze

Durch dieſen Wiederſchlag entſtehn,

Die ſelbſt ins Hirn, durchs Auge, gehn;

Wird
[325]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Wird der ſonſt ſtille Geiſt, geruͤhret,

Zu einer neuen Luſt gefuͤhret.

Er denkt, und denket anders nichts,

Als an die große Quell des Lichts,

Wodurch, im Raum, der unbegraͤnzet,

So manches Heer von Sonnen glaͤnzet,

Und das ihn, fuͤr des Lichtes Pracht,

Schon hier auf Erden, ſinnlich macht.

Voll Hoffnung, daß ihn dort einmal,

Nach abgelegtem Stoff der Erde,

Ein heller Licht, ein reinrer Stral

Vergnuͤgen, laben, naͤhren werde.


X 3Zum
[326]Vermiſchte Gedichte

Zum Fruͤhling.


Der laue Luftkreis, angefuͤllt mit einer fruchtbarn

Lebenskraft,

Senkt ſein verliebtes maͤnnlichs Feuer, in eines dichten

Negens Saft

Jn die geliebte Schooß der Erde, die lange nichts von

ihm genoſſen:

Ob nun dieſelbe noch ſo groß,

Wird, da ihr Braͤutigam noch groͤßer, ihr ganzer Koͤrper

uͤbergoſſen

Mit Anmuth und mit Fruchtbarkeit. Woraus, in unge-

zaͤhlter Menge

Und faſt mit ſichtbarem Gedrenge

Die angenehme Fruͤhlingskinder, Laub, Aehren, Gras

und Blumen ſproſſen.

Vernuͤnft’ge Menſchenſeel’ erwaͤge, in dieſer Handlung,

doch die Spur

Von einer, dir allein zum Nutzen, ſo aͤmſig wirkenden

Natur,

Und in derſelben deſſen Weisheit, der aller Himmel Him-

mel Kreiſe,

Der alle Sonn- und Welten ſchuf und lenkt, auf ſolche

weiſe Weiſe.


Das
[327]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Das rechte Leben.


Jch leb’ und fuͤhle daß ich lebe. Jndem mich Gottes

Werke ruͤhren,

Und meine Seel’, in dem Genuß, geſchickt ſich ſelbſt zu

uͤberfuͤhren,

Daß Gott, ſo ſie als mich gemacht,

Auch, da ich fuͤr ſie ſinnlich bin, daß ſie fuͤr mich her-

vorgebracht;

Kann ich in der erwognen Luſt, zugleich, ſie, mich, und

Gott verſpuͤren.

Dieß uͤberlegen, dieß empfinden und dieß bewundern,

dieß iſt eben,

Und zwar allein, ein wahres Leben.


X 4Der
[328]Vermiſchte Gedichte

Der Geruch.


Der Blumen Balſam zu genießen,

Riecht unſre Seele kraͤftiger, wenn wir im Ruch

die Augen ſchließen.

Sie ſchließen ſich auch von ſich ſelbſt, vermuthlich daß

wir unſer Denken,

Von Gegenwuͤrfen nicht zerſtreut, mehr auf die Luſt im

Riechen lenken,

Uns mehr daran ergetzen ſollen. Jch ſeh dieß, als ein

Wunder, an,

So ſonder Abſicht nicht gewirkt, und danke Gott, daß ich

die Gabe

Bedachtſamlich zu riechen habe,

Daß ich ſo dann die Augen ſchließen, und ſie ſchnell wieder

oͤffnen kann.


Die
[329]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Die Schatten.


Um das, was an ſich ſelbſt ſchon ſchoͤn,

Doch deſto mehr noch zu erhoͤhn,

So wachſen itzt auf Baͤum- und Matten

Mit jungen Blaͤttern, junge Schatten,

Die, um die helle Zierlichkeit

Des ſchoͤnen Urbilds zu verbeſſern,

Durch ihre nahe Dunkelheit,

Sich jeden Augenblick vergroͤßern,

Um nicht nur unſre Luſt zu mehren

Jn der, durch ihre holde Nacht,

Annoch erhobnen Farben Pracht;

Nein, auch noch Kuͤhlung zu gewehren;

Und vor dem gar zu ſchwuͤlen Blitzen

Des ſtrengen Sonnenſtrals zu ſchuͤtzen.

Wodurch man in der That erfaͤhrt,

Daß, wenn die Hitze ſich vermehrt,

Sich auch die Mittel, die dagegen,

Fuͤr uns zugleich zu mehren pflegen.

Wird dann hiedurch nicht klar verſpuͤrt,

Da ſo viel Guts fuͤr uns erleſen,

Es werde, durch ein weiſes Weſen,

Die Welt regieret und geziert;

Und daß fuͤr ſo viel edle Gaben,

Woran wir, bloß durch ihn, uns laben,

Jhm Ehre, Preis und Dank gebuͤhrt?


X 5Die
[330]Vermiſchte Gedichte

Die ſchoͤne Welt.


Mein Gott, laß meine Seele doch, durch deiner Krea-

turen Zier,

Wovon ſo Erd’ als Himmel voll, in dir gefaͤlligem Ver-

gnuͤgen,

Voll heiliger Betrachtung jetzt und voll Bewundrung,

ſich zu dir,

Mit Loben und mit Danken, fuͤgen!

Jch ſeh den hellen Himmel an. Erquickt durch ſein ent-

woͤlket Licht,

Das, wie aus einem hellen Born, aus der beflammten

Sonne quillet,

Und durch der Stralen feurig Meer des Firmamentes

Tiefen fuͤllet,

Bewundr’ ich nicht nur dieſes Wunder; auch mein von

Gott geſchenkt Geſicht,

Das ſich am Licht, auch an den Schaͤtzen, die es uns zeigt,

ergetzt und naͤhret,

Und billig den, der jenes ſchuf und dieß mir ſchenket,

preiſt und ehret.

Drauf ſenk ich Blick und Geiſt herab, um, an der Erden

bunten Schaͤtzen,

Vom Licht gezeuget und gezeigt, mich, durch die Augen,

zu ergetzen.

Bevor ich nun herab gelange, durchdringt mein Blick

das Reich der Luft,

Jn welchem mir ein neu Vergnuͤgen, mich etwas aufzu-

halten, ruft,

Jn-
[331]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Jndem ich ihrer ſchoͤnen Buͤrger geſchwinden Flug, und

helle Choͤre

Harmoniſch modulirend ſingen und lieblich gurgeln, ſch

und hoͤre.

Hieruͤber mehrt ſich mein Vergnuͤgen und die geruͤhrte

Seele denkt,

Wie liebreich der, der mir nicht nur das Aug’, auch das

Gehoͤr geſchenkt.

Seh ich darinn zugleich ſo manche gefaͤrbte Schmetter-

linge fliegen,

Vermehrt, an den lebendgen Blumen im Luftreich, ſich

noch mein Vergnuͤgen.

Darauf erblick ich hoher Berge mit Laub und Kraut be-

kraͤnzte Gipfel,

Dann, theils durch junges Laub gebogner, theils lieblich

bluͤhnder Baͤume Wipfel,

Dann gruͤne Schatten niedrer Buͤſche, vom Schall der

Nachtigall belebt,

Die um ihr erſt verfertigt Neſtchen mit klingendem Ver-

gnuͤgen ſchwebt.

Dann ſieht mein Blick mit neuer Luſt ein gruͤnes wallend

Aehrenmeer,

Dann auf den bunt bebluͤmten Wieſen, von fetter Milch

und Wolle ſchwer,

Von Kuͤhen, Schafen und von Ziegen, von Laͤmmern,

Ochſen und von Pferden,

Die ſich, um uns zu naͤhren, naͤhren, zufriedne unge-

zaͤhlte Heerden.

Dann ſeh ich, von den kuͤhlen Baͤchen, die klare nimmer

ſtille Flut,

Durch Wieſen, die ſie traͤnkt, ſich ſchlaͤngeln, worauf

bald hier des Himmels Glut,

Jn
[332]Vermiſchte Gedichte
Jn einem ſilberweißen Glanz, und dort ein gruͤner Schat-

ten, ruht,

Von hohen Baͤumen, holden Buͤſchen und Kraͤutern, die

von nahen Huͤgeln

Den Schmuck fuͤr uns noch zu verdoppeln, im ſchoͤnen

Wiederſchein ſich ſpiegeln.

Dann ſeh ich tief’ und breite Fluͤſſe in ſanft- und ſtren-

gem Drange fließen,

Bedeckt von Schiffen, voller Fiſche, und ſich zuletzt ins

Meer ergießen,

Jns grund- und graͤnzenloſe Meer, das eine ganze neue

Welt

Bekannt- und unbekannter Wunder, in ſeiner dunklen

Schooß enthaͤlt.

Zuletzt erblickt mein Auge, Gaͤrten: die von den zierlich-

ſten Figuren

Und von den lieblich gluͤhnden Farben, erſchaffner ſchoͤ-

ner Kreaturen

Der Auszug und der Jnbegriff, worinn der Schmuck

der ganzen Erden,

Gras, Kraͤuter, Blumen, Bluͤte, Fruͤcht’, als ſo viel

Wunder, ſichtbar werden,

Sammt Baͤumen, Stauden und Alleen. Woſelbſt ſich die

Natur bemuͤht,

Verbunden mit der Hand der Kunſt, durch die ſie ſich ge-

holfen ſieht,

Das durch die Sinne mit der Welt vereinte menſchliche

Gemuͤth

Mit den von ihr ſo wunderbar auf dieſer Welt formirten

Schaͤtzen

Auf tauſend Arten zu vergnuͤgen, durch alle Sinne zu

ergetzen.

Warum
[333]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Warum willt du denn, lieber Menſch, dem Gott, der die-

ſe ſchoͤne Welt

Nur dir zu Gut ſo herrlich ſchmuͤckt, und dem nur deine

Luſt gefaͤllt,

Zur Ehr’ und Luſt, dich nicht vergnuͤgen? Warum ſoll

ſeiner Gottheit Schein,

Der aus den ſchoͤnen Werken ſtralet, dir, wie dem Vieh,

verborgen ſeyn?

Er wollte Weisheit, Lieb und Macht durch deine Sinnen

dir entdecken:

Du willt zu ſeinem Ruhm nicht ſehn, nicht hoͤren, fuͤh-

len, riechen, ſchmecken.


Ehrer-
[334]Vermiſchte Gedichte

Ehrerbietige Gedanken von der
Gottheit.


Raum des unumſchraͤnkten Raums! Quell des Lebens
und des Lichts!

Aller Geiſter, aller Koͤrper Urſtand! Weſen aller Weſen!

Herr und Seele der Natur! der die Kreatur aus Nichts

Werden hieß, und ſie zum Vorwurf ſeiner Vaterlieb er-
leſen,

Bloß um ihnen wohl zu thun! Mehr als dieß von dir zu
faſſen,

Unterſagt uns die Vernunft, die uns unterweiſt und lehrt,

Daß man durch Bewundrung bloß, dich am wuͤrdigſten
verehrt,

Und daß ſich, von Kreaturen, Gott nicht kann begreifen
laſſen.

Es iſt eine Gottheit anders, ſie wirkt anders, und ſie
denkt

Anders als das, was kein Gott wirken und gedenken
kann.

Saͤhen Menſchen, einen Thiergeiſt, deſſen Wiſſen einge-
ſchraͤnkt,

Wenn er denken wollt, als wir, nicht mit Recht, fuͤr
thoͤricht an;

Wuͤrd’, an einem Menſchengeiſt, ſich die Thorheit nicht
noch haͤufen,

Wenn er ſich, was unbegreiflich, unterſtuͤnde zu begreifen

Und wie Gott denkt, denken wollte,

Da ja, in weit hoͤherm Grad, als wie wir vor einem
Thier,

Ja im Grade der unendlich, Gott erhabener als wir?

Die
[335]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Die Erkenntniß, daß Gott anders wirken, ſeyn und
denken muͤſſe,

Als wir wirken, ſind und denken, ſind der edlen De-
muth Schluͤſſe,

Die, da ſie uns Gott als Gott, uns, als uns, erken-
nen lehrt;

Jm erſtaunenden Bewundern Gott am wuͤrdigſten ver-
ehrt,

Und zugleich uns alles Gruͤbeln, alles Zanken unterſa-
get,

Wodurch, in Religionen, man ſich, bloß aus Hochmuth,
plaget,

Sich verketzert, ſich verfolget, ſich ermordet, ſich ver-
jaget.

Weil der anders, als der andre, von der Gottheit We-
ſen denkt,

Haͤlt ein jeder ſich befuget, daß er jenen haßt und
kraͤnkt.

Keine Marter iſt ſo groß, die, der ſich verfuͤhrnde
Wahn

Eines beſſern Gotteskenners, nicht dem andern ange-
than.

Kann aus der ſo ſchoͤnen Quelle, wie der Gottesdienſt,
auf Erden

Eine Quelle ſolcher Laſter, ſolcher Greuelthaten wer-
den?

Nein, es iſt die Quelle nicht: Stolz und Geiz ſind ſchuld
daran,

Daß man Menſchen von den Teufeln kaum nur unter-
ſcheiden kann.

Wollte man die Gottheit doch, wie ſie ſich will faſſen
laſſen,

Und
[336]Vermiſchte Gedichte
Und nicht, aus verdammtem Hochmuth, ſeine Groͤß, als
menſchlich, faſſen!

Wahre Gottheit! ſtaͤrke mir meinen Glauben! Laß das
Licht

Deiner Weisheit mich beſtralen! Laß mich keinen Unter-
richt

Von dem Witz der Menſchen borgen! Laß mich, bloß
aus deinen Werken,

Deine wahre Wirklichkeit, Allmacht, Lieb und Weisheit
merken!

Bin ich gluͤcklich, laß mich danken, und, in Widerwaͤr-
tigkeit,

Da ja beydes deine Schickung, ſchenke mir Gelaſſenheit!

Laß mich alle Menſchen lieben, doch am innigſten die
Chriſten,

Die ſich nicht aus Leidenſchaft, ſtraͤflich mit einander
zwiſten.

Laß dich, mein Begriff von dir, da er wenigſtens nicht klein,

Ewige ſelbſtaͤnd’ge Wahrheit, wahr, und dir gefaͤllig ſeyn!

Raum des unumſchraͤnkten Raums! Quell des Lebens
und des Lichts!

Aller Geiſter, aller Koͤrper Urſtand! Weſen aller Weſen!

Herr und Seele der Natur! der die Kreatur aus Nichts

Werden hieß, und ſie zum Vorwurf ſeiner Vaterlieb
erleſen,

Bloß um ihnen wohl zu thun! Bloß auf deine Lieb
allein

Bau ich meinen Glauben, daß ich ewig werde gluͤck-
lich ſeyn.


Ver-
[337]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Vergnuͤgen auf unſrer
Lagerſtatt.


Wenn wir oft, nach ſanftem Schlaf, nebſt den Glie-
dern, unſre Sehnen,

Jn Veraͤndrung unſrer Lage, ſanfte von einander deh-
nen,

So iſt unſer Geiſt und Koͤrper ſo vom Schoͤpfer zuge-
richt,

Daß man eine Luſt verſpuͤrt, merkt man es gleich leider!
nicht.

Dauret dieß Vergnuͤgen nun gleich nur einen Augen-
blick,

Jſt es doch von unſerm Leben ein, obgleich nur kleines,
Stuͤck;

Und, da wir es oft empfinden, muß ein ofters Theil, das
klein,

Wenn man ſie zuſammen nimmt, billig groß gerechnet
ſeyn.

Um denn nun ein ſolch Vergnuͤgen, wie vorhin, nicht zu
verlieren,

Laßt uns uns dazu gewehnen, mit Bedacht es zu verſpuͤ-
ren;

So erhalten wir im Leben nicht nur ein Vergnuͤgen
mehr,

Sondern es gereicht zugleich dem, der es uns ſchenkt,
zur Ehr.

YO Gott,
[338]Vermiſchte Gedichte
O Gott, der du mich ſo formiret,

Und mich ſo zugerichtet haſt,

Daß mich oft ein Vergnuͤgen ruͤhret,

Und mein Geiſt eine Luſt verſpuͤret,

Die ſich, ohn andern Vorwurf, faſt

Unmittelbar in mir gebieret:

Ach laß mich, Schoͤpfer, dir allein,

Jndem ich, beym Empfinden, denke,

Fuͤr dieß betraͤchtliche Geſchenke,

Oft, bey der Anmuth, dankbar ſeyn!


Neue
[339]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Neue Betrachtungen uͤber die in der
Welt vorhandene Vortrefflich-
keiten.


Wenns moͤglich waͤre, jungen Seelen,

Noch ehe ſie gebohren werden,

Von aller Schoͤnheit unſrer Erden,

Was vorzuſtellen, zu erzaͤhlen;

Man gaͤbe ſelbigen Bericht

Von Sternen, Mond und Sonnenlicht,

Vom Wechſel zwiſchen Tag und Nacht,

Von der bebluͤmten Gaͤrten Pracht,

Von blaͤttervollen, ſchattenreichen, und angenehmen kuͤh-

len Waͤldern

Mit Singevoͤgeln angefuͤllt, von angeſtralten gruͤnen

Feldern

Durchwirkt mit tauſendfaͤrbgen Blumen, von diaman-

tengleichem Thau

Fruͤh angefriſcht, geſchmuͤckt, beperlet. Durch deren

kraͤuterreiche Flaͤche

Sich fließende Cryſtallen ſchlaͤngeln und klare ſilbergleiche

Baͤche

Bald von der Sonnen Stral gefaͤrbt, bald durch der

Luft ſapphirnes Blau,

Bald vom ſmaragdengleichem Gruͤnen bebuͤſcht- und dick-

begraſter Huͤgel;

Wuͤrd’ ihnen ferner von der Welt

Die auf- und untergehnde Sonne, der Zeiten Wechſel,

nebſt den Fruͤchten,

Y 2Die
[340]Vermiſchte Gedichte
Die nimmermehr gezaͤhlte Menge von ſo viel niedlichen

Gerichten,

Woran ſie ſich vergnuͤgen ſollen, auch von den Blumen

vorgeſtellt;

Nicht minder, das ſo mancherley zu ihrer Luſt erſchaffne

Vieh,

Der ſuͤſſe Wohllaut der Muſik, und ſonderlich die holden

Triebe,

Die Luͤſte, die nicht auszudruͤcken, von einer zugelaßnen

Liebe.

Was meynt mein Leſer, wuͤrden ſie

Nach einem ſolchen Aufenthalt mit vieler Sehnſucht, ohn

Verweilen,

Nach aller Moͤglichkeit nicht eilen?

Wir aber, die wir wirklich da, und die wir alle dieſe

Gaben

Jn unſerm wirklichen Beſitz, zu unſrer Luſt, unleugbar

haben,

Ja, die wir glauben, daß der Schoͤpfer ſie uns zur Luſt

geſchenkt und wolle,

Daß man in ſeinen ſchoͤnen Werken, zu ſeinem Ruhm, ſich

freuen ſolle,

Seyn, ſo fuͤr ſie, als ihrem Geber, ſo unempfindlich als

ein Stein:

Was muß daran wohl Urſach ſeyn?


Noth-
[341]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Nothwendigkeit Gottes Werke
zu betrachten.


Die ſchoͤn gefaͤrbten Blumen bluͤhn,

Kraut, Waͤlder, Gras, und Felder gruͤnen.

Wenn ſie nun, Menſchen zu vergnuͤgen, und, in der Luſt,

zu Gott zu ziehn

Durch froͤliche Bewunderung und durch Erkenntlichkeit,

nicht dienen;

So ſaget mir, ihr Menſchen, doch: fuͤr wen ſie bluͤhn?

fuͤr wen ſie gruͤnen?


Y 3Unter-
[342]Vermiſchte Gedichte

Unterſuchung unſers Weſens.


Wenn, aus einer ſprudlenden Quelle, Waſſer un-
aufhoͤrlich quillt,

Scheint mir ſelbes faſt ein Bild,

Wie, aus unſern ſinnlichen Seelen, immer, wenn
irdiſche Koͤrper ſie ruͤhren,

Unaufhoͤrlich und immer Jdeen

Steigen, ſich zeugen, formiren, entſtehen:

Welche, gefuͤget, Gedanken formiren.

Dieſe Gedanken in Ordnung zu bringen *, brauchet
es einer vernuͤnftigen Kraft,

Deren verborgenen Eigenſchaft

Eigentlichs Weſen, iſt nicht zu erkennen,

Scheint jedoch eben das, welches wir Geiſt in der
gewoͤhnlichen Redensart nennen.

Ob nun gleich durch dieſen Schluß, wie ich ſelber muß
geſtehen,

Jn der Kenntniß unſers Weſens wir nicht eben weiter
ſehen;

Scheint er uns doch dieß zu zeigen: unſer wahres We-
ſen ſey

Ein aus Koͤrper, Seel und Geiſt eigentlich vereintes
Drey.

Dieſer
[343]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Dieſer Ausſpruch meines Geiſtes, da er ſich ſelbſt un-
terſucht,

Scheint, der einzgen Wahrheit Quelle, naͤmlich der
Erfahrung, Frucht;

Welcher, wenn man, bloß aus Stolz, alle Wahrheit
nicht will ſchwaͤchen,

Und, aus Vorurtheil, nicht fehlen; billig nicht zu wider-
ſprechen.

Doch noch weiter: waͤr es wohl unſerm Geiſte zu ver-
uͤbeln,

Zur Erkenntniß unſers Ganzen, ſich noch tiefer zu er-
gruͤbeln?

Sollte die vernuͤnftge Kraft, wenn ſie auf ſich ſelbſt ſich
lenkt,

Nicht was mehr von ſich entdecken, als wenn ſie auf ſich
nicht denkt,

Oder andre denken laͤßt? Wenigſtens faßt dieß mein Geiſt,

Daß er ſich ſelbſt, nicht mit Unrecht, eine Kraft die den-
ket, heißt.

Aber, faſſ’ ich auch, was Kraft? weis ich auch, was
Denken ſey?

Welches in der That doch noͤthig zu begreifen und zu
wiſſen?

Nein: und aus der Urſach eben bleibt mein Geiſt mit
Recht dabey,

Daß wir auf der Welt erſchaffen zum Bewundern, zum
Genießen,

Und daß wir, daß wir hier bloß meynen ſollen, meynen
muͤſſen,

Welches mich nicht fremde deucht. Hat denn Gott den
Erdenkreis

Y 4Etwan
[344]Vermiſchte Gedichte
Etwan ſo erſchaffen muͤſſen, daß das menſchliche Ge-
ſchlechte

Aller Dinge Grund erkennte, wenn es ſie nur uͤber-
daͤchte,

Und faſt beſſer, als ein Engel, ſich begreif, und alles
weis?

Jch erkenn den großen Vorzug, welchen wir, vor an-
dern Thieren,

An weit feinern Seelenkraͤften in der That in uns ver-
ſpuͤren;

Aber, daß ſich dieſe Kraft ſo unendlich weit erſtrecke,

Daß ſich uns hier alles das, was ein Engel faßt, ent-
decke:

Dieß waͤr ein zu großer Sprung, welchen wir, in allen
Werken

Der bewegenden Natur, nirgend ſehen, nirgend mer-
ken.

Scheints demnach, daß die Vernunft, durch die regel-
rechtſte Schluͤſſe,

Dieß von ihren eignen Kraͤften billig folgern ſoll’ und
muͤſſe:

Daß die ſtrenge Wiſſensſucht hier auf Erden, und der
Wille

Alles gruͤndlich zu begreifen, bloß aus unſerm Hochmuth
quille.


Noͤthi-
[345]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Noͤthige und nuͤtzliche Betrachtungen
uͤber unſere Pflichten.


Ein ſinnlichs, ein empfindlichs Herz gieb mir, o Gott!
fuͤr deine Werke,

Daß ich, ſo oft ich ſie genieße, dein Daſeyn, deine Lie-
be merke!

Vermehr in mir die Kraft der Seele, die ſinnlich! laß
mich das, was ſchoͤn,

Empfinden, hoͤren, ſchmecken, ſehn!

Vor allen aber laß die Kraft zu uͤberlegen, zu verſtehn,

Daß alles bloß aus dir nur ſtamme, ſich auch ſowohl
als jene mehren;

Weil, durch die Kraft zu uͤberlegen, die reichen Schaͤtze
dieſer Erden

Nur ganz allein mein eigen werden,

Nur bloß durch ſie mir zugehoͤren.

So viel ich meine Seele kenne, fuͤhl ich, daß ſie zwo
Kraͤft’ enthaͤlt:

Die rege Kraft, zu uͤberlegen, und das Vermoͤgen, zu
empfinden.

Vereinen ſich nun dieſe Kraͤfte mit jedem Vorwurf in der
Welt,

So daß in ihrer Pracht und Ordnung ſie ihren großen
Urſtand finden;

Genießt man ſie nach Gottes Abſicht; Genießt man ſie
nach unſrer Pflicht.

So lange ſie ſich aber ſcheiden, iſt, nebſt dem Werkzeug
ihrer Sinnen,

Selbſt ihre Kraft, die ſinnlich, todt; ſie hat die Welt
und hat ſie nicht;

Y 5Der
[346]Vermiſchte Gedichte
Der Erden Schaͤtze ſchwinden alle fuͤr ſie; Licht iſt fuͤr
ſie nicht Licht,

Wofern ſie die Empfindungskraft zugleich mit ihrer Kraft
zu denken

Auf der Geſchoͤpfe Pracht und Ordnung und Schmuck
nicht wuͤrdiget zu lenken.

Durch Denken eignet ſie die Welt ſich zu, durch Den-
ken ganz allein:

Ja ſie erblicket, bloß durch Denken, den ſonſt fuͤr ſie ver-
borgnen Schein

Von der darinn vorhandnen Gottheit. Wer wollte ſich
denn nicht bemuͤhn,

Die, fuͤr uns drinn geſenkte, Luſt aus ſeiner Kreatur zu
ziehn,

Um, auf ſo anmuthvollem Wege, zugleich zur Gottheit
zu gelangen,

Die ſich in ihnen offenbart,

Auf eine Menſchen Saͤtz’ und Lehren unendlich uͤberſtei-
gend’ Art,

Und die wir, durch der Sinnen Werkzeug, aus ſeiner
Kreatur empfangen.

Jn dieſer Offenbarung miſcht kein Jrrthum und kein
Fehl ſich ein;

Kein’ aus der Menſchen Thorheit bloß entſtandne Ketzer-
machereyn;

Die Schande menſchlichen Geſchlechts, des Hochmuths
und des Geizes Brut.

Die drinn vorhandne lichte Lehre koͤmmt allen Sterbli-
chen zu Gut,

Und, ihrem großen Urſprung gleich, iſt ſie, ſo wahr
als allgemein.

Jedoch
[347]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Jedoch bey dieſer großen Wahrheit wird mancher, und
zwar billig, fragen,

Wie koͤmmts, daß ſich die meiſten Menſchen bey ihr ſo
wunderlich betragen?

Daß faſt die meiſten blind und taub am Geiſt ſowohl, als
Koͤrper, ſeyn?

So muß ichs leider! zugeſtehen,

Daß die Erfahrung der Bernunft faſt allenthalben wi-
derſpricht,

Und daß ſo viele Nationen in dieſem Stuͤcke ſich verge-
hen;

Jndem ſie, im Genuß der Welt, nicht Gott in ihrer
Luſt erhoͤhen,

Sich nicht vergnuͤgen, Gott nicht preiſen, was Herrlichs
in der Welt geſchicht,

Nicht ihres Anblicks wuͤrdig achten. Sie ſcheinen in
dem Wahn zu ſtehen,

Daß, durch Verachtung ſeiner Wunder und ſeiner
Kreatur auf Erden,

Sie Gott den Himmel abverdienen, die Seligkeit erlan-
gen werden.

Dieß ungluͤckſelige Betragen der Sterblichen faſt uͤberall

Bringt die Vernunft auf die Gedanken von einem einſt
geſchehnen Fall,

Wovon ſie ſonſt fuͤr ſich nichts weis. Doch fuͤhlt ſie
noch ein Widerſtreben,

Und meynt, die große Schwierigkeit auf eine leichte Art
zu heben.

Vielleicht iſt die Natur des Menſchen nicht ſo erhaben,
als er meynt;

Er iſt von Thieren unterſchieden, vernuͤnft’ger, beſſer:
doch es ſcheint;

Da
[348]Vermiſchte Gedichte
Da die Natur in ihren Werken auf einmal keine Spruͤnge
macht,

Sie hab’ ihm einen großen Vorzug, doch nicht ſo groß,
ihm zugedacht,

Als er ihn ſich ſucht zuzueignen. Von Eigenlieb’ und
Stolz verfuͤhret,

Schreibt er ſich ſolche Weisheit zu, die kaum den Engeln
ſelbſt gebuͤhret;

Da ſein betruͤbt Betragen doch, ſein Jrren, ja ſein
ganzes Leben

Von ſeiner Schwaͤch’ und ſeiner Noth ihm uͤberzeuglich
Proben geben

Und ſeine Bloͤße zeigen ſollte. Jnzwiſchen iſt er groß
genug;

Jndem er, durch des Schoͤpfers Guͤte, in ſolchem Stande
ſich befindet,

Sein Wiſſen immer zu vergroͤßern:

Und, wenn er ſeines Schoͤpfers Macht und Lieb’, in ſei-
nem Werk, ergruͤndet,

Jm froͤlichen Genuß ihm dankt, ſein Weſen wirklich
zu verbeſſern,

Und in dem Glauben ihn zu ſtaͤrken, ihm werde Gott
nach dieſem Leben,

Wenn er auf Erden ſeine Pflichten,

Jn der Bewundrung ſeines Schoͤpfers bemuͤht geweſen,
zu verrichten,

Zu einem ſeligern Vergnuͤgen noch immer mehr Erkennt-
niß geben.

Um nun, durch hieſiges Vergnuͤgen, zu jener kuͤnft’gen
Seligkeit

Um deſto ſichrer zu gelangen, weil wir nichts von uns
ſelber koͤnnen;

Laßt
[349]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Laßt uns in kindlichem Vertrauen nur Gott allein die
Ehre goͤnnen,

Jhn bitten, daß er unſre Kraͤfte der Seele mehr’ in dieſer
Zeit,

Und daß, zu ſeiner heil’gen Ehre,

Er unſer heißes Flehn erhoͤre:

Ein ſinnlichs, ein empfindlichs Herz gieb mir, o Gott!
fuͤr deine Werke,

Daß ich, ſo oft ich ſie genieße, dein Daſeyn, deine
Liebe merke!


Das
[350]Vermiſchte Gedichte

Das groͤßte Laſter.


Wenn man ſich unſern Kreis der Welt

Vor unſers Geiſtes Auge ſtellt;

Wird man auf Bergen und in Gruͤnden

An keinem Orte Suͤnde finden;

Sogar bey wild- und zahmen Thieren,

Jn Luͤften, Waſſer und Gebuͤſchen,

Bey Ungeziefer, Voͤgeln, Fiſchen

Sind keine Suͤnden zu verſpuͤren.

Luft, Erde, Feuer, Licht und Flut,

Kurz: alle Kreatur iſt gut.

Der Menſch iſt leider! ganz allein,

Wo Suͤnden anzutreffen ſeyn.

Doch halt: mich deucht, daß ich befinde,

Daß, da an ihm ſein Leib und Blut,

Wie andre Kreaturen, gut,

Auch ſeine Haͤlfte ſonder Suͤnde.

Einfolglich muß ſein Geiſt allein

Der Quell und Sitz der Suͤnden ſeyn.

Dieß iſt entſetzlich: ich erſchrecke,

Daß ich dieß Gift, nach dem Bericht,

Jn der Vernunft, des Himmels Licht,

Jm Geiſt, der Gottes Hauch, entdecke.

Man hoͤret dieß von Jugend auf;

Man achtet aber gar nicht drauf,

Und laͤßt es bey dem bloßen Hoͤren;

Da es doch wohl der Muͤhe werth,

Und es zu unſrer Pflicht gehoͤrt,

Sich hierinn beſſer aufzuklaͤren.

Laßt
[351]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Laßt uns zu Anfang uͤberhaupt,

So weit es die Vernunft erlaubt,

Der Suͤnden Weſen uͤberlegen,

Dieweil wir leider! insgemein

Durchs bloße Wort betrogen ſeyn,

Und im Begriff zu irren pflegen.

Es ſcheinet meines Geiſtes Blicken,

Daß, in der Art, ſich auszudruͤcken,

Verbrechen, Uebertretung, Suͤnde,

Jch einerley Bedeutung finde.

Nun iſt die Wahrheit allgemein,

Worauf ich meine Schluͤſſe gruͤnde;

Soll Uebertreten und ſoll Suͤnde,

Muß ein Geſetz vorhanden ſeyn.

Nun muß man ein Geſetz erkennen,

Wofern es uns verbinden ſoll.

Wird man ein ſolch Geſetz nun wohl

Aus eigner Kraft erkennen koͤnnen?

O ja. Es iſt in unſerm Geiſt

Unwiderſprechlich eine Kraft,

Die eine Richtereigenſchaft

Vom Guten und vom Boͤſen weiſt.

Allein, die Kraft iſt einfach nur;

Und ſonder alle Kuͤnſteleyen,

Wodurch die Menſchen ſie entweihen,

Jſt das Geſetze der Natur,

Das die Vernunft uns ſelbſt entdecket,

Und bloß in dieſer Vorſchrift ſtecket:

Was du nicht willt, daß dir geſchicht,

Das thu auch einem andern nicht.

Dieß Recht iſt goͤttlich, und wir finden

Ohn Widerſpruch, daß eigentlich

Die
[352]Vermiſchte Gedichte
Die zehn Gebote Moſis ſich

Allein auf dieß Geſetze gruͤnden.

Bemuͤhe dich, ſie durchzuſehn;

So mußt du ganz gewiß geſtehn,

Daß, etwan eines ausgenommen,

Sie all’ aus dieſer Quelle kommen.

Wenn man hingegen dieſe Zahl

Der Suͤnden, die dieß Recht begreifet

Und unterſaget, manchesmal

Mit tauſend andern Suͤnden haͤufet;

So ſtimm ich damit uͤberein,

Wenn einige von dem Betragen,

Mit groͤßtem Recht der Wahrheit, ſagen:

Daß es nur Menſchenſatzung ſeyn.

Zwar hoͤret man auch von Verbrechen,

Die menſchliche Geſetze ſprechen;

Doch dieſes hat hier gar nicht ſtatt:

Weil hier, was eigentliche Suͤnden,

Die Gott verboten, zu ergruͤnden,

Mein Dichten bloß zur Abſicht hat.

Mich hat es gar zu oft verdroſſen,

Wenn mit faſt ungezaͤhlten Poſſen

Der Menſch die Zahl der Suͤnden mehrt,

Und bald mit ihn ernaͤhrnden Kuͤnſten,

Auch bald mit eitlen Hirngeſpinſten,

Nur die Gewiſſen mehr beſchwert;

Doch laſſen unſre Widerſacher,

Die fuͤrchterlichen Laſtermacher,

Das groͤbſte Laſter aus der Acht.

Dieß iſt die ſtraͤfliche Verachtung,

Und unterlaſſene Betrachtung

Der Wunder, welche Gott gemacht.

Gott
[353]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Gott zeigt ſich in der Kreatur,

Sein herrlich Werk zeigt ſeine Spur.

Was er fuͤr uns hervorgebracht,

Weiſt ſeine Weisheit, Lieb und Macht.

Ohn dieſes uns gegoͤnnte Licht,

Das, durch die Sinnen, wird verſtanden,

Wuͤßt auch die kluͤgſte Seele nicht,

Ob uͤberall ein Gott vorhanden.

Die Wahrheit zeigt uns die Erfahrung,

Und nichts iſt auf der Welt ſo klar;

Es iſt daher unſtreitig wahr,

Daß dieß die erſte Offenbarung.

Wie kann denn ein betrogner Geiſt,

Dem Gott ſich, auf die Weiſe, weiſt,

Sich von ſo heilger Ordnung trennen,

Und ſich dennoch vernuͤnftig nennen?

Jſt auch von allen andern Suͤnden

Wohl eine groͤßere zu finden,

Als Gottes Ordnung zu verlaſſen,

Und ſich, mit ſelbſterfundnen Kuͤnſten,

Mit laͤcherlichen Hirngeſpinſten

Und eitlen Grillen zu befaſſen?

Dieß unterlaſſene Betrachten

Der Wunder, welche ſeine Macht

Fuͤr uns, aus Lieb’, hervorgebracht,

Heißt, im Geſchoͤpf, ihn ſelbſt verachten;

Stolz, Thorheit, Undank, Heucheley,

Geiz, Aberglaub’, Abgoͤtterey,

Kann ein Vernuͤnftger leicht entdecken,

Daß ſie in dieſem Laſter ſtecken.

ZJa
[354]Vermiſchte Gedichte
Ja dieſes nicht alleine nur;

Es iſt ein wahrer Hoͤllenſame,

Und iſt ſein eigentlicher Name:

Die Suͤnde wider die Natur.

Bemerket dieß, vernuͤnftge Lehrer!

Die Wahrheit muͤſſet ihr entdecken,

Durch euch laßt die verſaͤumten Hoͤrer

Nicht ferner in dem Jrrthum ſtecken.

Man koͤmmt nicht in der Chriſten Orden,

Wo man nicht erſt ein Menſch geworden;

Man wird ein Menſch, wenn uns geruͤhrt

Die Kreatur zum Schoͤpfer fuͤhrt.

Laßt von Artikeln in dem Glauben

Den andern euch ja keiner rauben,

Sprecht von der wahren Chriſten Pflicht!

Jedoch verſaͤumt den erſten nicht.


Die
[355]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Die Roſe.


Voller ſelbſtgewachſnen Balſams ſelbſtgewachſne Bal-

ſamdoſe,

Die vom Finger der Natur aus Rubin formiret ſcheint,

Womit ſich ein gruͤner Schmelz, dem Smaragd faſt

gleich, vereint,

Suͤſſer Duͤnſte ſanfte Quelle, Pracht der Gaͤrten, holde

Roſe!

Dein geſegnet Wiederkommen, deinen Liebreiz, deinen

Stral,

Dein bewundernswuͤrdigs Prangen, dein den Blick be-

zaubernd Glaͤnzen,

Dein’ ambrirte ſuͤße Duͤfte, ſchoͤnſtes Kind des ſchoͤnen

Lenzen,

Riech und ſeh’ ich auf der Welt itzo ſechs und ſechzigmal.

Wie vergnuͤgt ſich meine Seele, da ich dich von neuem

ſehe!

Da mich dein Geruch erquickt, wie vergnuͤgt ſich Hirn und

Bruſt!

Sonderlich da im Empfinden der durch dich erregten Luſt,

Jch den Urſprung aller Schoͤnheit, deine große Quell,

erhoͤhe,

Als wohin dein Schmuck mich leitet. Meine frohe See-

le ſpuͤrt,

Daß die Gottheit ſelber ſie, durch die Roſe, zu ſich fuͤhrt.

Der ſie ſchuf und der in ſie der Empfindung Kraft ge-

ſenket,

Auch die Kraft zu uͤberlegen ihr dabey zugleich geſchenket,

Jhr der Augen und des Riechens Werkzeug wunderbar

formirt,

Jſt derſelbe, der die Roſe bloß fuͤr ſie ſo ſchoͤn geziert.

Z 2Wem
[356]Vermiſchte Gedichte
Wem zu Gut, o Menſch, als dir? Sollt aus ſolcher Krea-

tur,

Die fuͤr dich nur lieblich riecht, welche bloß fuͤr dich ſo

ſchoͤn,

Gegen den, der ſie erſchuf und ſie dir geſchenkt, nicht nur

Ein bemerkendes Empfinden, ein’ Erkenntlichkeit, ent-

ſtehn?

Jch bewundere, Gott Lob! dieſer Blume Wunderpracht,

Und in der empfundnen Wolluſt preiſ’ ich den, der ſie

gemacht.

Herr! wenn Roſen mich vergnuͤgen, ſeufzet die geruͤhrte

Bruſt:

Nimm, zum Raͤuchwerk, mein Bewundern, und, zum Opfer,

meine Luſt!


Einige
[357]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Einige Gedanken uͤber Roſen.


Der ſchoͤnſte Monat Julius, der, mit verſchwende-

riſcher Hand,

Mit Blumen ungezaͤhlter Arten

Nicht unſre Gaͤrten nur, auch Wieſen, Feld und Land,

Bedeckt und ſchmuͤckt, bebraͤmt, bemahlt und zierte,

Trat ſeine Herrſchaft froͤlich an, belebet’ alles, und re-

gierte:

Als ich, nach ſanftgenoſſner Ruh, des Morgens fruͤh in

meinen Garten,

Von ſeinem Glanz durchdrungen, trat. Der Sonnen

Glanz war zwar verſteckt,

Bey einer ſanften Stille war die Luft von klarem Duft

bedeckt;

Es hatte kurz vorher geregnet, der Kraͤuter Heer dadurch

getraͤnket,

Geſtaͤrket und verſchoͤnert, prangt in einem kraͤftig Dun-

kelgruͤnen,

Worauf noch hin und wieder Tropfen, wie klare Dia-

manten, ſchienen.

Jn Blumen hatte ſich zugleich des Himmels fruchtbar

Naß geſenkt,

Wodurch die Farben feuriger in ihren bunten Blaͤttern

gluͤhten

Und dieſe ſchoͤne Kreaturen noch ſchoͤner als vorhero

bluͤhten.

Die lieblichgluͤhnden rothen Lichter der Roſen riſſen ſon-

derlich

Auf den Schmaragden aͤhnlichen Gebuͤſchen Blick und

Geiſt auf ſich.

Z 3Allein,
[358]Vermiſchte Gedichte
Allein, was war doch alles dieß, im Gegenhalt der

bunten Glut,

Die mich als wie ein Blitz durchſtralte, und mein da-

durch erregtes Blut

Vor ſchneller Freude wallen machte! Von meinen Kin-

dern hatten zwey,

Und zwar die juͤngſten, einen Tiſch, mich unvermuthet

zu vergnuͤgen,

Mit friſchen Roſen ganz bedeckt. Mein Gott, wie viel-

wie mancherley

Jſt dieſer Blumen roͤthlichs Brennen! Hier ſieht man

Weiß und Noth ſich fuͤgen

Jn ſolcher lieblichen Vermiſchung! Wie glaͤnzet, funkelt,

gluͤhet, ſcheint

Die ſonſt vertheilte Pracht des Gartens hier auf ſo

engem Platz vereint!

Was ich in dieſer innern Schooß, was ich in jener

aͤußern Ruͤnde

Fuͤr eine volle dunkle Roͤthe, fuͤr eine rothe Weiße finde,

Jſt unbeſchreiblich, unausdruͤcklich! Um alles mehr noch

zu erhoͤhn,

Und daß ſie durch die Nachbarſchaft noch ſchoͤner waͤren

anzuſehn,

So hatten ſie den Tiſch vorher mit dunklem Weinlaub

uͤberdecket:

Durch welcher ſchoͤnen Fulge denn ihr Glanz ſich weiter

noch erſtrecket.

Wobey ich auch noch hie und da

Den gelben Brand der Ringelblume, die blaͤuliche Cam-

panula,

Den gluͤenden Naſturtium, nebſt weißen Roſen liegen

ſah,

Wovon
[359]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Wovon ein’ jede, durch den Wechſel der Farben, die be-

flammte Roͤthe

Und die Rubinen gleiche Pracht, der vielen Roſen, noch

erhoͤhte.

Jch wußte nicht, was ich, vor Luſt, beginnen oder ſa-

gen ſollte,

Nur fuͤhlt’ ich, daß ein reges Heer vergnuͤglicher Jdeen,

mir

Jn meiner frohen Phantaſey, ſich ſelber jagend, gleich-

ſam rollte.

Ach! rief ich, unausdruͤcklich ſchoͤn iſt der vereinten

Blumen Zier!

Es iſt auf dieſer ganzen Erden kein auserleſners Schau-

gericht!

Zuletzt fiel dieſer Schluß mir bey: Wie weis der Schoͤ-

pfer, durchs Geſicht,

Durch die Vortrefflichkeit, die Schoͤnheit und Lieblich-

keiten ſeiner Gaben

Die Seele, ſchon auf dieſer Welt, faſt zu beſeligen, zu

laben!

Was laͤßt uns die Betrachtung nicht,

Von einem ſolchen Weſen hoffen, das, zum Genuß von

Himmelsſchaͤtzen

Und einſt zu einem ewgen Gluͤck, uns bloß aus Huld und

Lieb erwaͤhlt:

Dem, um uns ewig zu ergetzen,

Kein Wollen, kein Vermoͤgen fehlt!


Z 4Der
[360]Vermiſchte Gedichte

Der gelbe Mah.


Wie ich juͤngſt deinen Glanz und Schimmer, gelber

Mah,

Der in Siberien entſproſſen, wieder ſah;

Ergetzt ich mich aufs neu an deinem Schmuck und Schein,

Und fiel dabey mir die Betrachtung ein:

Da du, in ſo entfernten Landen,

Und abgelegnem Himmelsſtrich

Erzeugt, gewachſen und entſtanden,

Beweiſeſt du uns ſichtbarlich,

Daß, auch in ſo entlegnen Fluren,

So ſchoͤn geſchmuͤckte Kreaturen,

Wodurch wir Gott auch dort entdecken.

Uns zeiget deine Zier und Pracht,

Wie ſeine Weisheit, Lieb und Macht

Sich uͤber aller Erden Enden in gleicher Majeſtaͤt er-

ſtrecken.


Zufaͤlli-
[361]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Zufaͤlliger Gedanke im
Sommer.


Herr! gieb, daß ich, in dieſer Zeit,

Die Wunder deiner Herrlichkeit

Mit Luſt und Dank oft uͤberlege!

Daß ich in deiner Werke Pracht

Dein Daſeyn, Weisheit, Lieb und Macht

Erkennen und verehren moͤge!


Z 5Der
[362]Vermiſchte Gedichte

Der wunderbare Triangel.


Wir ſahen unſrer Erden Flaͤche ſich von der Sonne
abwerts lenken,

Es ſchien der Sonnenkoͤrper ſich allmaͤhlig in das Meer
zu ſenken,

Es ſtreifte noch ihr niedrig Licht, das immer guͤldner
ward, der Queer

Auf unſre ſchoͤn bebluͤmte Wieſen und uͤber unſre Felder
her,

Es roͤtheten ſich Buͤſch und Waͤlder, der guͤldnen Stra-
len zarte Flut,

Die alle Vorwuͤrf’ uͤberſtroͤmet, und auf ſchmaragdnem
Grunde ruht,

Verguͤldet’ alle Gegenwuͤrfe und machte ſie noch einſt ſo
ſchoͤn:

Was man erblickt, ſchien faſt verklaͤrt, in einer guͤldnen
Glut zu ſtehn.

Das blumichte Gefilde ſchien

Mit Licht und Schimmer uͤbergoſſen,

Der Buͤſch und aller Kraͤuter Gruͤn

Schien, mit gefaͤrbtem Glanz, befloſſen.

Es ſtreckten, durch den Gegenſatz das Licht zu mehren,
lange Schatten,

Jn einer rieſenfoͤrmgen Laͤnge, ſich uͤber die bebluͤmten
Matten:

Durch deren klares Dunkelgruͤn,

Das Licht der uͤberſtralten Stellen, erhaben, deſto hel-
ler ſchien.

So vieler ſchoͤner Gegenwuͤrfe Glanz, Anmuth, Lieb-
lichkeit und Menge

Formir-
[363]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Formirten meinem Geiſt, durchs Aug’, ein herrlichſchim-
merndes Gepraͤnge.

Allein es riß, vor allen andern, den an- und faſt durch-
ſtralten Sinn,

Ein Vorwurf, der ſie uͤbertraf, durch ſeinen Schimmer
auf ſich hin.

Dieß war ein roͤthlich guͤldner Glanz, ein feuerreicher
Wiederſchlag

Von einem angeſtralten Fenſter, das zwiſchen gruͤnen
Baͤumen lag.

Der gleichſam roſenfarbne Blitz, der feur- und ſtralen-
reiche Schein

Erfuͤllete mein ganzes Weſen, und ward mein Augpunkt
ganz allein.

Die Seele, von dem hellen Funkeln, dem mehr als guͤld-
nen Stral, geruͤhret,

Ward endlich zu den folgenden Betrachtungen dadurch
gefuͤhret:

Es dient mir dieß beſtralte Fenſter, nicht nur als wie
der Mond, allein

Die Sonne, die nicht da, zu ſehen, und ihres Ur-
bilds Wunderſchein,

Sammt ihren Stralen, mir zu zeigen, die, fuͤr ſich
ſelbſt nicht ſichtbar ſeyn;

Es faͤllt dabey noch etwas anders, was recht betraͤcht-
liches, mir ein:

Mein Auge, das beſtralte Fenſter, zuſammt der Son-
ne, ſtell ich mir

Nicht anders als drey Winkel fuͤr,

Die, in geraden Linien, ſo von als an einander fließen,

Und ſich in ein vollkommenes, in ein ganz richtigs
Dreyeck ſchließen.

Mit
[364]Vermiſchte Gedichte
Mit wie viel Andacht und Vergnuͤgen bewundert’ ich
dieß Dreyeck nicht!

Was zeigte mir ſein ganzer Jnhalt fuͤr Glanz, fuͤr
Herrlichkeit und Licht!

Allein, die ganze Herrlichkeit verſchwand, recht wie
ein Traumgeſicht,

Als mich mein Denken weiter fuͤhrte.

Und ich weit einen herrlichern Triangel mir im Geiſt
formirte.

Aus meinem Auge zog mein Geiſt zur Sonnen eine
Linie,

Von dieſer, zu der Sonnen Sonne, zur Gottheit,
drauf die andere,

Jn den unendlich tiefen Tiefen vom hellbeſtirnten Him-
melsmeer,

Und, von derſelben, dacht ich eine herunter wieder zu
mir her.

Mein Gott! welch faſt unendlich herrlich, mehr gei-
ſtig faſt als leiblichs, Bild,

Mit lauter Gottheit, Licht und Leben ſowohl um-
ſchraͤnkt, als angefuͤllt!

Wer hat wohl menſchliche Vernunft, und ſtimmet
nicht der Meynung bey:

Daß dieß im Himmel und auf Erden der herrlichſte
Triangel ſey?


Der
[365]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Der Sommer.


Die Sonne zeigt ſich uns nunmehr in ihrer groͤßten
Kraft und Pracht;

Man kann ſie an des Himmels Hoͤhen,

Gekroͤnt von Millionen Stralen, recht majeſtaͤtiſch herr-
ſchen ſehen;

Sie triumphirt, in langen Tagen, beſieget und verkuͤrzt
die Nacht.

Zwar blendet uns ihr naher Glanz, und ihre Kraft
macht alles ſchwuͤl;

Doch iſt es bloß zu unferm Beſten, daß ſie ſo hell und
ſtrenge blitzet,

Die Saͤfte kocht, die Luft erhitzet.

Sie hat in ihrer heißen Wirkung die Thier und Men-
ſchen wohl zum Ziel.

Jndem ſich ihre Stralen haͤufen

Und bleyrecht fallen, bringet ſie ſo Fruͤcht’ als Korn
fuͤr uns zum Reifen.

Da uns nun die Erfahrung lehrt,

Daß Gott in dieſer ſchoͤnen Zeit, auf ſo bewunderns-
werthe Weiſe,

Den Kreaturen Trank und Speiſe,

Durch Drehung unſrer Erdenflaͤche ins heiße Sonnen-
reich beſchert;

Gereichen denn nicht ſolche Wunder dem, der ſie wirkt,
zum Ruhm und Preiſe?

Sind ſie nicht unſerer Betrachtung, nicht unſerer Erkennt-
lichkeit,

Nicht unſerer Bewunderung, nicht unſers Danks und
Lobes werth?

Auf!
[366]Vermiſchte Gedichte
Auf! laßt uns mindſtens uns beſtreben, in dieſer ſchoͤ-
nen Sommerzeit,

Uns, an der Erden aͤußern Schaͤtzen,

Zu Ehren dem, der ſie fuͤr uns ſo ſchoͤn geſchmuͤcket,
zu ergetzen.

Wie angenehm bewegt ſich hier das blonde reifende
Getraide!

Jhr fliſternd und ihr aͤmſigs Regen erregt auch unſern
Blicken Freude,

Und nicht der Hoffnung nur allein. Ein reges Meer
voll trockner Wellen

Scheint, in den nimmerſtillen Aehren, ein jedes Feld
uns vorzuſtellen.

Man ſiehet auf ihren beweglichen Flaͤchen,

Auf welchen Glanz, Formen und Farben ſich
brechen,

Viel laufende Lichter und laufende Schatten

Sich fliehn, ſich vermiſchen, ſich trennen, ſich
gatten.

Hier fieht man die Aehren ſich heben, ſich neigen,

Sich wirbeln, ſich jagen, ſich ſenken und ſteigen.

Zuweilen formiren ſie wirkliche Wogen

Gehoͤlet und zu uns heruͤber gebogen.

Des lieblichen Ungeſtuͤms wallend Bewegen

Kann, durch ein veraͤnderlichfluͤchtiges Eilen,

Uns einen verwirrenden Schwindel zuweilen,

Doch einen nicht ſchaͤdlichen Schwindel, erregen.

Jch ſtehe bey der Halmen Menge

Und bey der Aehren Groͤß’ und Laͤnge

Ob dieſer ſegenreichen Fuͤlle,

Vor Freuden halberſtaunet, ſtille.

Der
[367]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Der gegenwaͤrt’ge Schmuck der Gabe,

Wovon ich kuͤnftigen Gewinn

Jn Ueberfluß zu hoffen habe,

Nimmt, nicht mit ſeiner Zier allein,

Den ganz dadurch geruͤhrten Sinn,

Mit einer Leidenſchaft nur ein;

Jch fuͤhl auf einmal viele Triebe:

Luſt, Hoffnung, heiße Gegenliebe,

Ein Wunſch, dem Schoͤpfer zu gefallen,

Dank, Anmuth, regen ſich und wallen,

Faſt eben wie das Aehrenmeer,

Jn meiner Seele hin und her.

Auch noch ein Wort, im Sommer, von der Flut,

Worauf, in dieſer frohen Zeit,

Des Firmaments entwoͤlkte Herrlichkeit,

Zuſammt der Erden Pracht, ſich ſpiegelnd, prangt und
ruht.

Ein glaͤnzend Feuer, welches gruͤn,

Gleich einer ſtillen Flamme, ſchien

Faſt wider die Natur in feuchter Flut zu glimmen,

Und, ohne Dampf und Kampf, vereint auf ihr zu ſchwimmen.

Ein Blaues, das an jenem graͤnzet

Und in noch mehrerm Glanze glaͤnzet,

Vergnuͤgt mit himmelblauem Licht

Ein darauf achtendes Geſicht.

Es blinket ietzt das reine Waſſer als wie ein Himmel von
Cryſtall,

Als deſſen Bild, in ihm zu ſehn, voll heller Sternen
uͤberall

Jn einigen beſtralten, kleinen, ſich hie und da erhoͤhnden
Wellen.

Wenn ſich, auf andern flachen Stellen,

Wo-
[368]Vermiſchte Gedichte
Woſelbſt die klar’ und durchzuſehnde Flut

Ohn einige Bewegung ruht,

Sich oͤfters kleine Jnſelchen von ſittiggruͤnen Waſſer-
linſen,

Voll glatten dunkelgruͤnen Binſen,

Die aus dem lichten Grunde ſteigen,

Zur Anmuth unſern Augen zeigen.

Das Waſſer ſcheinet hier bemuͤht, zuſammt der nahen
Baͤume Pracht,

Auf manche Weiſ’ uns zu vergnuͤgen; da dieſe, durch
ihr holdes Gruͤn,

Und jene durch die glatte Flaͤche, den Fiſchen einen
Baldakin,

Den Voͤgeln einen Spiegel macht.

Der Flut ſanft wallender Sapphir,

Worinn der dunkle Wald des Ufers wiederſchien,

War oͤfters recht ſchmaragdengruͤn.

Wann nun an unterſchiednen Stellen

Ein kleines Heer von ſilberweißen Wellen

Recht ſchuppenfoͤrmig ſich darauf bewegt,

Ward ein ſo ſuͤß Gemiſch darauf erregt,

Daß aus den blau- und gruͤn- und weißgemengten Spitzen

Ein blau und gruͤn und weiß beſtaͤndigs lieblichs Blitzen,

Jn eines ſuͤßen Wechſels Spiel,

Uns lieblich in die Augen fiel.

Die Bilder vom ſonſt ſtillen Wiederſchein

Sieht man, durch dieß ſtets kraͤuſelnd Regen,

Den Umſtrich ſtets verziehn und immer ſich bewegen.

Des Nachts, wenn dieſe Flut vom Mondſchein wird
beſchienen,

Scheint ſie, in ihren dunklen Ufern, und in dem unge-
wiſſen Gruͤnen

So
[369]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
So weiß, ſo ſchimmernd und ſo rein,

Als wie des Milchwegs ſtiller Fluß am dunklen Firma-
ment, zu ſeyn,

Ja glaͤnzt, als wie ein fließend Silber. Sie zeiget uns,
bey Tag und Nacht,

Des Himmels und der Erden Pracht.

Wenn wir ſo viel Wunder ſpuͤren

Auf der Welt zur Sommerzeit,

Laßt ſie euch die Seelen ruͤhren,

Und durch ihre Herrlichkeit

Doch zu ihrem Schoͤpfer fuͤhren,

Der, fuͤr euch, mit ſo viel Schaͤtzen

Erde, Raum und Himmel fuͤllt,

Und aus dem, euch zu ergetzen,

Aller Wunder Menge quillt.

Der euch dazu Licht und Leben,

Sinnen und Vernunft gegeben:

Den man bloß fuͤr alle Gaben

Durch Erkenntlichkeit verehrt,

Der fuͤr alles, was wir haben,

Nichts, als unſre Luſt, begehrt.


A aViola
[370]Vermiſchte Gedichte

Viola Mariana.


Nachdem ich die ſchon welke Staude der blaulichten

Campanula,

(Wofuͤr ich ſie zu anfangs hielte; da doch der Blume rech-

ter Name

Viola Mariana heißt, den ſie vor Alters uͤberkame)

Mit einiger Aufmerkſamkeit in meinem Garten, juͤngſt

beſah,

Die eben, durch ihr ſchmuzigs Anſehn, und falbes Braun-

roth, meine Blicke

Von andern ſchoͤnen gruͤnen Pflanzen, wovon ſie abſtach,

weg, zuruͤcke

Und mit Gewalt faſt auf ſich zog,

Und ich, um ſie recht zu betrachten, mich ſchnell nach ihr

herunter bog,

Erſchrack ich faſt, wie an derſelben ich von dem Finger

der Natur

Ein’ außerordentlich formirt’ und nett gebogene Figur,

Die fremd und ſeltſam, und dennoch von zierlicher Erfin-

dung, ſah:

Die, ſonder Farbe, doch gefaͤllig. Denn ihre vormals

ſchoͤne Bluͤte,

Die juͤngſt in purpurfaͤrbigem und gleichſam blauem Feuer

gluͤhte,

War abgefallen, welk, verſchrumpft und ihre Schoͤnheit

nicht mehr da.

Allein die Bildung ihres Fußes war ſo verwunderlich

formiret,

Daß ſie faſt gar nicht zu beſchreiben. Von oben formt ein

fuͤnffach Blatt

Zwar
[371]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Zwar die Figur von einem Stern, wovon doch jedes

hinterwerts,

Gemeinſchaftlich mit ſeinem Nachbar, faſt an Geſtalt ein

gruͤnes Herz,

Das hol, und an dem Rand gekruͤmmt verwunderlich for-

miret hat.

Recht da wo ſich die Blaͤtter biegen,

Wenn man ſie in der Queer durchſchnitten, ſieht man, wie

im gevierten Platz,

Jn zierlich abgetheilten Faͤchern, als einen da verborgnen

Schatz,

Den ungezaͤhlten Samen liegen;

Der, wegen ſeiner Kleinheit, werth, daß man denſelbigen

beachtet

Und, daß ſolch eine große Staud’ in ihm verborgen liegt,

betrachtet,

Nebſt ſo viel Blaͤttern, Stengeln, Blumen, Kein menſch-

licher Verſtand kann faſſen,

Wie doch ſo viel und große Theile ſo enge ſich verſchraͤn-

ken laſſen.

Man ſollte, da dieß unbegreiflich, wohl gar auf die Ge-

danken kommen,

Es wuͤrd’, im Wachſen, aller Stoff von ihnen aus der Luft

genommen,

Und, auf Magneten Art, gezogen; indem dieß moͤglicher

noch ſcheint,

Daß eine Menge vieler Theile mit ihr von außen ſich

vereint,

Als daß ſie in ihr eingeſchloſſen, in ſolchem engen Raum

verſchraͤnket,

Ganz unbegreiflich liegen ſollten. Allein, wie tief man

immer denket,

A a 2Wird
[372]Vermiſchte Gedichte
Wird man der wirkenden Natur

Jn ihren innern Wirkungen doch nimmer auf die wahre

Spur

Mit unſerm Geiſt gerathen koͤnnen.

Genug fuͤr uns, wenn wir erkennen

Das Daſeyn eines weiſen Weſens, das ſtets nach Ord-

nung, Maaß, Gewicht

Die viele Millionen Wunder, die es erſchaffen, zuge-

richt,

Und deſſen Weisheit, Lieb und Macht, im Großen ſo, wie

in dem Kleinen,

Jn einer unleugbaren Klarheit, ſo herrlich uͤberall er-

ſcheinen.


Die
[373]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Die weiße Calendula.


Jm Sommer, wie ich juͤngſt im Garten auf viele
Blumen Achtung gab;

Riß meinen Blick ein blendend Blitzen von allen andern
Blumen ab,

Auf ihr ſchneeweißes Licht allein.

Jch ſtutzt’. Jhr heller reiner Schein

Zwang mich, auf einmal ſtill zu ſtehen,

Und ihr ausnehmend ſchimmernd Glaͤnzen mit ernſten
Blicken anzuſehen.

Jch ſtand denn und bewunderte derſelben Form und
Farben Zier.

Doch, weil das Wetter kalt und windig und ziemlich
ſtuͤrmiſch, riethe mir

Mein Mieken, meine juͤngſte Tochter, nicht lange bey
ihr ſtehn zu bleiben,

Sie wollte, wenn es mir gefaͤllig ſie zu beſehn und
zu beſchreiben,

Derſelben unterſchiedne pfluͤcken, und ſie mir in mein
Zimmer bringen.

Jch folgte dem gegebnen Rath,

Und, wie ſie das, was ſie verſprochen, darauf auch un-
geſaͤumet that,

Fing ich, mit innigem Vergnuͤgen, derſelben Schoͤnheit
zu beſingen,

Und folgends zu beſchreiben, an: Wie biſt du doch ſo
ſchimmerreich,

Faſt blendend Bluͤmchen! wie ſo ſchoͤn!

Dir ſind an hell- und reiner Weiße kein Tlaspiß, keine
Liljen gleich.

A a 3Die
[374]Vermiſchte Gedichte
Die Weiße, die wir an dem Schnee, am Schwan, an
allen Bluͤten ſehn,

Jſt ſchuldig deinem Glanz zu weichen,

Und kurz, was weiß iſt auf der Welt, kann nicht an
deiner Weiße reichen.

Es ſcheint die bildende Natur, um dich fuͤr andre zu er-
heben,

Mit recht darauf gelenkter Abſicht ſich alles Ernſtes zu be-
ſtreben,

Darum hat ſie, in deiner Mitten, ein dunkles Maus-
fahl angebracht

Jn einem aus viel finſtern Zaͤſern ſehr ordentlich gezognen
Kreiſe,

Damit, durch dieſe ſchnelle Schwaͤrze, dein Weißes ſich
noch weißer weiſe.

Dein Licht erhebt ſich in der That noch mehr, durch dieſe
kleine Nacht.

Nun iſt noch mehr betraͤchtliches in dieſes dunklen Kreiſes
Ruͤnde,

Jndem ich ſeinen Mittelpunkt mit Gelb als Gold gefuͤllet
finde.

Dadurch nun glaͤnzeſt du zugleich in ſilberner und guͤldner
Pracht:

Ja, was noch mehr, man ſieht, im Gelben, aufs neu,
auf kleinen dunklen Spitzen,

Jm abermalgen Silberſchimmer, verſchiedne weiße
Sternchen blitzen.

Aus dieſem guͤldnen Mittelpunkt und deſſen dunklen Rand,
verbreiten

Sich ordentlich von allen Seiten

Die weißen Blaͤtter, deren jedes geformt als wie ein
heller Stral,

Und immer funfzehn an der Zahl.

Sie
[375]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Sie ſtimmen all’ an Breit’ und Laͤnge und ganzer Bil-
dung uͤberein,

Wodurch die Blumen ſo an Weiße als Formen
ſternenfoͤrmig ſeyn.

Calendula heißt dieſe Blume. Nachdem ich mm, wie ſie
ſo ſchoͤn,

Von vornen lang’ hatt’ angeſehn;

Wandt’ ich ſie um von ungefaͤhr, da ich bewundrungsvoll
erblickte,

Wie ſich ein jedes Blatt von unten mit einem falben
Purpur ſchmuͤckte,

Auch wie, zu einer eignen Stuͤtze,

Ein jedes Blatt in ſeiner Mitte, ein’ eigne nette gruͤne
Spitze,

Die aus dem Stiel entſpringet, hat, die regelrecht um
ihr ſich ruͤnden,

Wodurch wir zu vermehrter Zier daſelbſt ein gruͤnes
Sternchen finden.

Wenn man ſie von der dunklen Seite nun eine Zeitlang
angeblickt,

Und ſie ſodann von ungefaͤhr ſchnell vorwerts kehrt und
dreht, erſchrickt

Und ſtutzt man ob der hellen Weiße, die gleichſam uns
ins Auge ſpringet,

Und durch die ſchleunige Veraͤndrung zur ploͤtzlichen Be-
wundrung bringet.

Nun laßt uns von den Millionen und unzaͤhlbaren
Wunderwerken

Des Schoͤpfers, auch an dieſer Blum’ ein neues Wunder-
werk bemerken!

Wer ſchuf ſie? Gott. Warum? Wozu?

Daß, durch die Augen, ich und du

A a 4Und
[376]Vermiſchte Gedichte
Und alle Menſchen, ſich an ihr

Der Farben Glanz, der Blaͤtter Zier

Vergnuͤgen und ergetzen koͤnnten:

Ach! wuͤrden wir denn unſre Pflichten

Nicht, Gott zum Ruhm, fuͤr ſein Geſchenk, in froher
Achtſamkeit verrichten,

Wenn, ſeine Liebe zu vergnuͤgen, wir dafuͤr unſre Luſt
ihm goͤnnten?


Gott
[377]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Gott in ſeinen Werken.


Mit einer faſt halb ſelgen Luſt kann man, in Gottes

Kreaturen,

Pracht, Zierlichkeit, Glanz, Licht und Schatten, zumalen

Farben und Figuren,

Die alle ſich mit vieler Aendrung einander noch erhoͤhn

und ſchmuͤcken,

(Wann unſrer Seelen Auge ſie, wie es ſie ſehen ſollt’) er-

blicken.

Wobey, wenn uns die weſentlich’ und ordentliche Schoͤn-

heit ruͤhrt,

Ein jedes Theil, ein jedes Ganze uns unvermerkt zum

Urſprung fuͤhrt.


A a 5Beweis
[378]Vermiſchte Gedichte

Beweis goͤttlicher Guͤte.


Daß aller Blumen bunte Pracht

Fuͤr Menſchen ganz allein gemacht;

Davon legt die Betrachtung mir

Den kraͤftigſten Beweisthum fuͤr:

Wenn ſich der Menſch vom Schlaf erhebet,

Scheint die auch aufgewachte Schaar,

Die in der Nacht geſchloſſen war,

Aufs neu verſchoͤnert und belebet.

Sie ſcheint ſich aͤmſig zu bemuͤhn,

Auch ihrer Ruh ſich zu entziehn,

Und die verſchloßne Lieblichkeiten,

Jn ihren Blaͤttern, zu verbreiten.

Sie legen ihre bunte Zier

Zum Gegenwurf der Sonne fuͤr,

Die ſie, bald durch- bald angeſtralet,

Zu unſrer Luſt ſtets ſchoͤner mahlet,

Um nur aus ihren innern Schaͤtzen

Nach Moͤglichkeit uns zu ergetzen.

Gehn wir des Abends nun zur Ruh,

So ſchließen ſich die Blumen zu,

Als wenn ſie gleichſam zeigen wollen:

Daß ſie fuͤr uns nur bluͤhen ſollen,

Daß, wenn der Menſchen Aug’ ihr Prangen

Nicht ſehn, betrachten, und daran

Nicht ferner ſich ergetzen kann,

Sie auch zu prangen nicht verlangen.

Mich deucht, daß dieſe neue Spur

Der Ordnung in der Kreatur

Von neuem eine Probe giebet,

Wie ſehr uns unſer Schoͤpfer liebet.

Nutzen
[379]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Nutzen der irdiſchen auch bey
himmliſchen Koͤrpern.


Jch ſah den dickbelaubten Wipfel von einem hohen

Eichbaum an,

Durch deſſen dichtverſchraͤnkte Blaͤtter, und gruͤner

Schatten Dunkelheit,

Wie tief er ſich darinn verſenkt, der ſchnelle Blick nicht

dringen kann,

Bis ich zuletzt, an ein Paar Stellen, des hellen Himmels

Heiterkeit

Wie helle Sterne ſchimmern ſah, die ich um deſto mehr

bemerkte,

Als mir der dunkle Gegenſatz der gruͤnen Nacht die Au-

gen ſtaͤrkte.

Es zeigt mir, dacht ich, dieß Geſicht die Wahrheit mit

Vergnuͤgen an:

Wie irdſche Dunkelheit den Glanz des Himmels noch

verſchoͤnern kann.


Die
[380]Vermiſchte Gedichte

Die Sonne der Sonnen.


Das Leben der Natur, die Sonne, hat nicht allein
die holde Kraft,

Daß ſie erleuchtet, waͤrmt, befruchtet, belebet, naͤhret
und beweget,

Sie hat, nebſt dieſen, ebenfalls, daß ſie beruͤhrt, um-
giebet, traͤget,

Erfuͤllt, durchdringet und erhaͤlt, zum Nutz der Welt
die Eigenſchaft;

So daß, auf eine koͤrperlich’ und gleichſam fuͤhlbar’ Art
und Weiſe,

Sie alles faſt ſcheint zu verrichten, was wir von Gott,
zu ſeinem Preiſe,

Jm Geiſtigen zu faſſen glauben. Nur mit dem Unter-
ſcheid allein,

Daß, weil an ihr die Kraͤft’ umſchraͤnkt, begraͤnzt und
nicht unendlich ſeyn,

Sie, ganz begreiflich, von der Gottheit hierinn muß un-
terſchieden bleiben;

Jmgleichen daß, ſo viel wir faſſen und mit dem Schein
der Wahrheit glaͤuben,

Nicht Weisheit, Lieb und Sinnlichkeit in ihrem Weſen
ſich befindet.

Ob wir nun nicht, bey ſolchem Zuſtand, und, wenn
man ihren Schein ergruͤndet,

Von unſrer Sonnen ſagen muͤſſen: Wie aller Kreatur
das Leben

Von unſerm Gott verliehen iſt und von dem Schoͤpfer
wird gegeben;

Daß ſie, zu der Geſchoͤpf Erſprießen und Wohlſeyn,
auf ſo mancher Erde,

So
[381]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
So wie von ihm gemacht, erhalten, auch gleichſam faſt
beſeelet werde.

Der Schluß ſcheint um ſo weniger unwuͤrdig ſeiner Macht
zu ſeyn,

Als Gottes Kraft, in einer nicht, in ungezaͤhlter, Son-
nen Schein,

Auf ſolche guͤtge Art ſich aͤußert, daß wenigſtens der
Sonnen Weſen

Zu Mitteln ſcheinet auserleſen,

Wodurch der Schoͤpfer aller Dinge die koͤrperlichen Krea-
turen,

Den Ausfluß ſeiner Guͤtigkeit, und auch zugleich der
Weisheit Spuren,

Jn reicher Maaß empfinden laͤßt. Ob nun der menſch-
liche Verſtand,

Bey ſolcher Einſicht und Erkenntniß, da ſolche Wunder
ihm bekannt,

Nicht, zur Verherrlichung des Schoͤpfers und zur Ver-
mehrung ſeiner Ehre,

Gehalten und verpflichtet waͤre

Zu denken, daß es ſelbſt dem Schoͤpfer und Gott nicht
unanſtaͤndig ſey,

Jhn als ein Weſen anzuſehn, das, durch der Lieb und
Allmacht Stral,

Unzaͤhlbare Syſtemata von Sonnen, ſonder Maaß und
Zahl,

Beleb’, erhalt’, und ſie beſeele, und, in den Wundern
ſolcher Sachen

Ein ihm nicht unwerth Schattenbild in unſern Seelen
uns zu machen,

Und ſolches um noch deſto mehr, als dieß die unbe-
graͤnzte Kraft,

Und
[382]Vermiſchte Gedichte
Und uͤberſchwenglich- unergruͤndlich- anbetungswuͤrdge
Eigenſchaft

Der Gottheit in dem Geiſtigen ja nicht vermoͤgend aus-
zuſchließen.

Man wird vielmehr geſtehen muͤſſen,

Daß ein Begriff, der dieſem aͤhnlich, ſey kraͤftiger was
beyzutragen,

Zur Ehrerbietung gegen Gott, als wenn, von einem al-
ten Mann,

Wir uns im Geiſt ein Bild formiren, davon viel ſchrel-
ben oder ſagen.

Woraus man denn, mit allem Recht, die große Wahr-
heit folgern kann:

Daß es, da wir nach allen Kraͤften die Gottheit zu er-
hoͤhen, pflichtig,

Ein Theil vom Gottesdienſt ſelbſt ſey, nicht nur durch
Glauben und den Willen

Die rechten Pflichten zu erfuͤllen,

Nein, daß die Kraͤfte der Vernunft zu ſolchem Dienſt
nicht minder richtig,

Und daß es unſre Schuldigkeit nicht minder, mit des
Geiſtes Gaben,

Die wir nicht weniger von Gott, als ein Talent, em-
pfangen haben,

Der Gottheit Groͤße zu verehren, auch mit Vernunft
uns zu bemuͤhn,

Den Schoͤpfer zu verherrlichen, und, aus den Werken,
Gott zu Ehren,

So weit nur ihre Kraͤfte gehn, Jdeen uns hervorzu-
ziehn,

Die ſeiner Groͤße wuͤrdig ſind. Sprich nicht: Was
Gott ſey, zu erklaͤren

Geht
[383]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Geht uͤber unſere Vernunft, du wirſt nichts anders fin-
den koͤnnen:

Als daß du ihn nun groͤßer ſchaͤtzeſt, als des Verſtandes
Kraͤfte gehn;

Wo nicht, ſo wirſt du deutlich finden, und uͤberzeuget zu-
geſtehn:

Er ſey ganz anders, und du muͤſſeſt ihn gaͤnzlich unbe-
greiflich nennen,

Wie wirſt du denn mit allem Gruͤbeln von ſeinem Weſen
was erkennen?

Nein, ſag ich, ſprich doch nicht alſo: denn an dem uns
geſchenkten Geiſt,

Jn welchem ſich ein wirklich Fuͤnkchen, der goͤttlich iſt,
recht deutlich weiſt,

Jſt wenigſtens ſo viel zu merken, durch unumſtoͤßlich
helle Schluͤſſe,

Daß unſer allerbeſtes Theil doch im Verſtande liegen
muͤſſe,

Und daß, da Gott ihn uns gegeben, wir billig von ihm
denken ſollen,

Daß Gott, da er ihn uns geſchenkt, er uns gewiß nicht
taͤuſchen wollen.

Auf! laßt uns denn, was Gottes iſt, uns auch bemuͤ-
hen Gott zu geben,

Und, mit den Kraͤften der Vernunft, des Schoͤpfers
Groͤße zu erheben,

Jhn uns ſo groß man kann, zu zeigen aus ſeinen Wer-
ken, uns beſtreben!

Zumal ja dieſes unſerm Glauben, und der uns ange-
wieſnen Pflicht,

Nicht, wie man faͤlſchlich glaubt, zugegen, und in der
That nicht widerſpricht.

Mich
[384]Vermiſchte Gedichte
Mich deucht, es ſchoͤpfe die Vernunft die Wahrheit aus
den reinſten Quellen,

Wenn wir uns als der Sonnen Sonne, die Gottheit ſu-
chen vorzuſtellen.

A. Du redeſt von Vernunft ſo viel, und willt al-
lein nach ihr dich richten,

Ja alles bloß nach ihren Kraͤften, auch ſelbſt im Gottes-
dienſte, ſchlichten:

Allein, haſt du auch unterſucht, was ſie denn eigentlich
recht ſey?

Ob ihre Kraft, als wie ihr Weſen, nicht etwan mehr
als einerley?

Ob nicht die Kraft der Phantaſey ſowohl als die Ge-
daͤchtnißkraft,

Zu ihrem Weſen mit gehoͤre? Waͤr dieß nun ihre Eigen-
ſchaft,

So wuͤrde ſie ja mit Jdeen zu richtigen und wahren
Schluͤſſen,

Die nicht von Bildern unterſchieden, nothwendig ſich
befaſſen muͤſſen.

Es fraget ſich noch uͤberdem, da unſer Leib auch Gottes
Gabe,

Der Geiſt auch ohne Leib nicht wirkt, ob auch ein’ Art
von Bildern nicht

Selbſt zum Verſtande mit gehoͤre, und in ihn einen Ein-
fluß habe?

B. Wenn auch dieß alles richtig waͤre, wie ich nicht
leugnen will noch kann,

So gehet unter dieſem Vorwand der falſche Schluß doch
nimmer an,

Daß ſolche Bilder und Jdeen ſo niedertraͤchtig und ſo klein,

Zumal
[385]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Zumal beym Gegenwurf der Gottheit, mit Fug und Recht
zu machen ſeyn.

Wir haben in uns Kraft genug, uns von dem Kleinen
zu erhoͤhen,

Und, wenn wir auf was Goͤttlichs denken, auf etwas
Wuͤrdigers zu ſehen,

Als auf uns ſelbſt und kleine Bilder. Von Koͤrpern
leibliche Jdeen,

Von Geiſtern geiſtige, von Gott die allerherrlichſten und
beſten,

Die allerwuͤrdigſten und groͤßten,

Wozu wir immer faͤhig ſeyn, zu hegen, iſt nur unſre
Pflicht.

A. Dieß waͤr’ vielleicht ſo unrecht nicht

Fuͤr einen Geiſt, der ſonder Koͤrper, von Gott was Wuͤr-
digs denken wollte;

Allein die Frag’ iſt: ob von uns im Koͤrper hier auf unſrer
Erde

Ein Gleiches auch geſchehen koͤnne, ein Gleiches auch er-
fodert werde,

Und ob es nicht vermuthlich ſcheinet,

Daß ſo lang’ in uns auf der Welt der Geiſt und Koͤrper
noch vereinet,

Daß, ſonder koͤrperliche Bilder, man ſchwerlich richtig
denken kann?

Je mehr ich dieſes uͤberlege, je minder geht es anders an.

B. Dieß ſcheinet auch ſo unrecht nicht, doch wirſt
du mir auch zugeſtehen,

Man habe, bey der Gottheit Weſen, aufs mindeſte dahin
zu ſehen,

B bDaß
[386]Vermiſchte Gedichte
Daß die Jdeen wenigſtens ſo groß genommen werden
muͤſſen,

Als ſie uns immer moͤglich ſind; weshalben auch in mei-
nen Schluͤſſen,

Wenn ich die Gottheit als die Sonne von den unzaͤhlbarn
Sonnen nehme,

Jch in der That mit deiner Meynung mich zu vereinen,
mich bequeme,

Jndem ich doch was Koͤrperlichs mit meines Geiſtes
Kraft vereine,

Wenn ich von Gott: Er ſey die Sonne von allen andern
Sonnen, meyne.


Ver-
[387]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Verlaͤngerung unſerer
Tage.


Klage nicht, daß unſre Zeit

Mit ſo raſcher Fluͤchtigkeit

Fliegt, verſchwindet, eilt, vergehet,

Und, recht wie der Wind, verwehet!

Moͤchteſt du nur oft erwaͤgen,

Daß du biſt, und Gottes Macht,

Jn der Kreaturen Pracht,

Mit Vergnuͤgen uͤberlegen;

Wuͤrden dadurch hier auf Erden

Deine fluͤchtige Secunden

Dir zu angenehmen Stunden,

Die Minuten Tage werden.

Jſt die Zeit, vor ſich, doch nichts! Deine Daur
iſt deine Zeit,

Denkeſt du nun nicht auf dich; rafft dich die Vergaͤng-
lichkeit

Ungefuͤhlet mit ſich fort, und es ſcheinet ſich dein
Ende

Mit dem Anfang zu verknuͤpfen. Wie ein, durch der
Uhren Schlag

Gar nicht eingetheilter, Tag,

Als ein ſtiller Fluß, behende

Und recht unvermerkt verſchwindet,

Da am angebrochnen Morgen ſich der Abend gleichſam
bindet:

B b 2So
[388]Vermiſchte Gedichte
So verfließet auch dein Leben,

Wenn ſich deine Seele nicht mit ſich ſelbſt ſo viel be-
muͤht,

Auf ſich ſelber Acht zu geben,

Und wenn ſie auf ſich ſo wenig, als auf Gottes Werke,
ſieht.

Bloß durch ein vernuͤnftigs Denken

Auf den Schoͤpfer und auf dich,

Kannſt du nicht nur eigentlich

Hier dir deine Zeit verlaͤngern; faſt dir ſelbſt dein Daſeyn
ſchenken.


Die
[389]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Die Ungewißheit.


Als ich durch meine Fenſterſcheiben juͤngſt meines
Nachbarn Haus beſah,

Befand ich ſolches ordentlich und nach den Regeln auf-
gefuͤhret,

Mit Farben kuͤnſtlich uͤberſtrichen, und, nach der Sym-
metrie, gezieret.

Allein, ich wußte, von Verwundrung geruͤhret, kaum,
wie mir geſchah,

Als ich es ploͤtzlich ganz verzogen, unordentlich und ſchief
befand.

Die Aenderung, der Unterſcheid und ſchneller Wechſel
nun entſtand

Von einer etwas eingebognen, gekruͤmmten, ungeraden
Scheibe.

Jch ſtutzte. Doch es fiel mir ein, was ich, uns hier
zur Lehre, ſchreibe:

Ein kleiner Umſtand aͤndert alles. Man kann, in Din-
gen dieſer Erden,

Nur leider gar zu leicht getaͤuſcht, verwirret und ver-
leitet werden.

Ein Conterfait haͤlt einer aͤhnlich, ein andrer aber
kennt es nicht;

Vermuthlich iſt in eines Auge die Haut ein wenig mehr
gebogen,

Es ſchneiden ſich die Winkel anders, und hiedurch findet
ſein Geſicht

Die Zuͤge des gemahlten Bildes, ſchon etwas mehr als
ich, verzogen.

B b 3Wer
[390]Vermiſchte Gedichte
Wer hat nun, von uns beyden, Recht? und welcher iſt,
der weichen muß?

Ach hoͤre, laß uns uns beſinnen! Vernuͤnftig macht
man dieſen Schluß:

Dein Naͤchſter hat von einem Dinge mit dir nicht aͤhn-
liche Gedanken,

Er ſieht es durch ein ander Glas, du kannſt mit ihm
mit Recht, nicht zanken.


Der
[391]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Der Herbſt.


Willkommen kuͤhler, traubenreicher, mit ſuͤßem Obſt

beladner Herbſt,

Der du die Waͤlder uͤberguͤldeſt, mit rothem Glanz die

Fruͤchte faͤrbſt,

Die Welt in bunten Flor verhuͤllſt, das Feld mit feuch-

tem Silber traͤnkeſt,

Uns, das mit Luſt verzehrte Wild, nebſt tauſend Schaaren

Voͤgel ſchenkeſt

Von Wachteln, Krammetsvoͤgeln, Lerchen, uns Tiſche,

Kuͤch’ und Keller fuͤllſt

Mit ſuͤßem Wein und fettem Maſtvieh, mit Luſt, ſo

Durſt als Hunger ſtillſt,

Und uns, fuͤr kuͤnftgen Froſt, verſorgſt! Wer kann

die Gaben alle zaͤhlen,

Die du uns recht verſchwendriſch reichſt, daß uns kein

Mangel moͤge quaͤlen

Jm ſtrengen unfruchtbaren Winter! Wir kommen,

durch dich, auf die Spur

Und finden: Deine ſchoͤne Zeit ſey recht die Abſicht der

Natur.

Es wirkt das ganze Jahr fuͤr dich, in dir fuͤr uns.

Uns zu ernaͤhren,

Jm Froſt, wenn unſre Mutter ſchlaͤft, den Unterhalt

uns zu gewehren.

Gebenedeyet ſey die Liebe, zuſammt der Weisheit und

der Macht,

Die, in der wunderreichen Ordnung, uns zeigt, daß

ſie an uns gedacht!

B b 4Die,
[392]Vermiſchte Gedichte
Die, in dem großen Wunderzirkel, das Jahr, und

dadurch, unſre Welt,

Auf eine, nicht verneinliche, vernuͤnftigmaͤchtge Weiſ’

erhalt!

Sey inniglich dafuͤr geprieſen, daß du Geſchoͤpfe werden

laſſen,

Die, daß hierinn von deinem Weſen ein Stral verbor-

gen, koͤnnen faſſen.

Gieb, daß, mit froher Dankbarkeit, ſie dich, in dieſem

deinen Segen,

Erkennen, dich bewundernd loben, bekennen und ver-

ehren moͤgen!

Laß ihr, in dieſer frohen Zeit durch Dank und Luſt erreg-

tes, Lallen,

Der Ton durch dich vergnuͤgter Kinder, dir, ew’gem

Vater, doch gefallen!


Herbſt-
[393]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Herbſtgedanken.


Zu Blaͤttern gewordene Saͤfte der Erden,

Die ihr, uns Menſchen zu vergnuͤgen,

Von unten in die Hoͤh geſtiegen,

Jn tauſend Roͤhren circulirt,

Vom Finger der Natur geziert,

So ſchoͤn geformt, gefuͤgt, gewebet,

Uns Kuͤhlung, Luſt und Schatten gebet!

Jhr habt bisher ſo ſchoͤn gegruͤnt,

Den Sommer uͤber uns gedient,

Und oft uns, inniglich geruͤhret,

Zu eurem allmaͤchtigen Schoͤpfer gefuͤhret.

Jtzt ſcheinet euer lieblich Gruͤn,

Das vor Smaragden aͤhnlich ſchien,

Sich zu entfaͤrben, zu erbleichen.

Ja, es bereitet ſich ſo gar,

Wie mich bedeucht, die ganze Schaar

Uns zu verlaſſen, zu entweichen.

Jch ſeh, im Geiſt, die Wipfel leer,

Und abgeſtreiften Ruthen gleichen.

Doch eh’ ihr fallt, will ich vorher

An euren itzt faſt guͤldnen Schaͤtzen,

Mich noch, ſo lang’ ihr da, ergetzen.

Wie lieblich wird der Sonnen Licht,

Wann ſichs auf euren Flaͤchen bricht,

Jn einem gelben Glanz, gemildert!

Vom Pinſel der Natur geſchildert,

Kommt ihr uns oͤfters als Drap’d’or,

Jn dunkelblauen Luͤften, vor,

B b 5Die
[394]Vermiſchte Gedichte
Die itzt von allen Duͤften rein

Und dem Sapphir faſt aͤhnlich ſeyn.

Durch dieſen Grund noch mehr erhaben,

Jſt es unglaublich faſt, was wir

An eurer angeſtralten Zier

Fuͤr Augenweid’ und Anmuth haben.

Es ſcheint, daß ihr, auch da ihr ſterbet,

Fuͤr uns im neuen Glanz euch faͤrbet.

Wenn ich durch euch vergnuͤget werde,

So dank ich, fuͤr das Sonnenlicht,

Fuͤr euren Schmuck, fuͤr mein Geſicht,

Dem Schoͤpfer Himmels und der Erde.


Ueber-
[395]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Ueberlegung der in den fuͤnf Sinnen
uns verliehenen Anmuth.


Vergnuͤgen 1. des Geruchs.


Mein, von dem Balſamduft der Bluͤte,

Durch den Geruch, erquickt Gemuͤthe

Erwaͤgt mit Luſt und mit Bedacht,

Die Weisheit, ſammt der Lieb und Macht

Des Weſens, das, uns zu vergnuͤgen,

Der Koͤrper Theile ſo gelenkt,

Daß ſie ſich unbegreiflich fuͤgen,

Und in uns eine Kraft geſenkt,

Die Suͤßigkeiten zu genießen,

Die aus den Blum- und Bluͤten fließen,

Auch uns des Riechens Werkzeug ſchenkt,

Und den man preiſet, wenn man nur,

Jn Wundern ſeiner Kreatur,

An ihren großen Meiſter denkt.


2. Des
[396]Vermiſchte Gedichte

2. Des Gehoͤrs.


Mein, durch der hellen Voͤgel Choͤre,

Jn dem empfindenden Gehoͤre,

Geruͤhrtes und vergnuͤgtes Herz,

Betaͤubt durch ihren ſuͤßen Scherz,

Denkt, uͤberleget und erwaͤget

Die Weisheit, welche ſolchen Klang,

Und herzentzuͤckenden Geſang,

Jn ſolcher Thierchen Schnaͤbel leget.

Der ſolche ſchnelle Dehnungskraft,

So lieblichſchallend’ Eigenſchaft

Den duͤnnen Luͤften eingepraͤget.

Der uns zu dem Genuß erkohren,

Und uns das Werkzeug unſrer Ohren

Dazu formiret und geſchenkt,

Wodurch ſich, ſonder alle Muͤh,

Die liederreiche Harmonie

Jn die geruͤhrte Seele ſenkt.

Will man nun recht, und menſchlich hoͤren;

Muß man des Wohllauts Urſprung ehren.


3. Des
[397]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

3. Des Geſichts.


Wenn in die ſpiegelnde Cryſtallen

Der Augen ſo viel Wunder fallen,

Und wir von allen dem, was ſchoͤn,

So herrliche Geſtalten ſehn,

Die uns durch Farb und Licht vergnuͤgen,

Warum will unſre Seele nicht

Zu ſolcher Luſt bey dem Geſicht

Die Kraft der Ueberlegung fuͤgen,

Und nicht an den, der fuͤr die Pracht

Der ſchoͤnen Welt ſie ſinnlich macht,

Jhr dazu Augen wollen ſchenken,

Mit Dank, in ihrer Luſt nicht denken?

Warum will ſie, nach ihrer Pflicht,

Nicht wenigſtens das Sonnenlicht,

Und in ihr den, der ihre Pracht

Zum Nutz der Kreatur gemacht,

Nicht preiſen, ſeiner ſich nicht freuen,

Ein froh Bewundern ihm nicht weihen?


4. Des
[398]Vermiſchte Gedichte

4. Des Geſchmacks.


Was koͤnnten wir vor Luſt im Schmecken,

Wenn man daran nur daͤcht’, entdecken!

Es ſind die Kraͤfte nicht zu zaͤhlen, die in den eßbarn

Koͤrpern ſtecken;

Doch waͤren ſie fuͤr uns nicht da, wofern nicht eine

Wunderkraft

Jn unſrer Zungen Bau geſenket, und die empfindend’

Eigenſchaft,

So manchen Saft zu unterſcheiden. Bewundert doch,

wie unſre Seelen

Mit ſo viel Weſen dieſer Welt, durch dieſes Werk-

zeug, ſich vermaͤhlen.

Auf! laßt uns denn mit Freuden trinken, auf! laßt

uns mit Vergnuͤgen eſſen,

Dieß iſt des Schoͤpfers Will’ und Abſicht. Wenn

wir dabey nun auch ermeſſen,

Daß uns, ein liebreich weiſes Weſen, mit einer ſol-

chen Wundergabe,

Der Erden Schaͤtze zu genießen, aus lauter Huld be-

ſchenket habe,

Sein Freundlich-ſeyn im Schmecken ſchmecken; ſo ha-

ben wir mit unſern Zungen,

Auch wenn wir eſſen, ihm gedient, und Gott, in

unſrer Luſt, beſungen.


5. Des
[399]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

5. Des Gefuͤhls.


Oſuͤßer Sinn, der allgemein,

Jn welchem Riechen, Hoͤren, Sehen

Und Schmecken eigentlich beſtehen

Und recht darinn vereinet ſeyn!

Durch dich wird noch inſonderheit

Mit ganz beſondrer Lieblichkeit

Von Gott auf unſre Luſt gezielet,

Denn unſer ganzer Koͤrper fuͤhlet.

Doch ſcheineſt du mit unſrer Hand

Jm ganz beſonderem Verband

Und in der regen Finger Spitzen,

Als deinem Aufenthalt, zu ſitzen.

Wodurch wir offenbar entdecken,

Daß in der Nerven aͤußern Ecken

Des Geiſtes Kraͤfte ſich erſtrecken:

Wie wir, wenn linde Winde kuͤhlen,

Auch wenn uns laue Waͤrme ſchmeichelt,

Von beyden angenehm geſtreichelt,

An allen aͤußern Theilen fuͤhlen.

Man muß in dir auch nicht vergeſſen,

Die Luſt der Liebe zu ermeſſen,

Die, wenn man ſie nur nach der Pflicht,

Die vorgeſchrieben iſt, verricht,

Mit Recht ein Wundergut zu nennen,

Die, daß das menſchliche Geſchlechte

Auf Erden fortgepflanzt ſeyn moͤchte,

Uns Gott auf Erden wollen goͤnnen.

Auf! laßt uns denn im Fuͤhlen, Schmecken,

Jm Hoͤren, Riechen, Sehn, entdecken,

Was ſich darinn fuͤr Wunder fuͤgen;

Und wie uns, auf ſo manche Weiſe,

Der Schoͤpfer ſuche zu vergnuͤgen.

Gebraucht ſie denn zu ſeinem Preiſe!

Ver-
[400]Vermiſchte Gedichte

Verweis wegen unſerer Unerkennt-
lichkeit gegen den Schoͤpfer.


So bald wir ein Gemaͤhld’, das ſchoͤn,

Erblicken, wird man es beſehn;

Man pflegt ſich nah hinbey zu fuͤgen,

Man wird ſich ſehr daran vergnuͤgen,

Gleich nach des Meiſters Namen fragen,

Und viel zu ſeinem Ruhme ſagen.

Wenn aber wir von Berg und Thal,

Beſtralt vom wahren Sonnenſtral,

Das herrlichſte Original,

Von Gottes Finger ſelbſt gezieret,

So wird man kaum dadurch geruͤhret,

Wobey die trefflichſte Copey

Nur eine ſchlechte Schmiererey,

Viel minder, daß man ein Behagen

An ſolchen Wundern ſollte tragen.

Wer wird nach dem, der dieſe Pracht

So wunderbar hervorgebracht,

Wer nach des Meiſters Namen fragen?


Erinne-
[401]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Erinnerung, an den Schoͤpfer
zu gedenken.


Man kann im Hoͤren, Fuͤhlen, Schmecken

Den Schoͤpfer uͤberall entdecken.

Kann ihn nun gleich der Blick nicht ſehn,

Kann ihn doch unſer Geiſt verſtehn.

Das allerwichtigſte Geſchaͤffte,

Wozu die Menſchheit faͤhig ſcheint,

Jſt, wenn ſo Geiſts- als Sinnenkraͤfte

Zu unſers Schoͤpfers Ruhm vereint,

Sich, alles, was er uns gegeben

Zu fuͤhlen, und in unſerm Leben

Dafuͤr ihn zu erhoͤhn, beſtreben.


C cDie
[402]Vermiſchte Gedichte

Die Erkenntniß Gottes.


Die Thiere wiſſen nichts von Gott, der Menſch, von

allen Kreaturen

Erblickt allein, in Gottes Werken, von einem Gott ge-

wiſſe Spuren.

Doch, damit nicht vergnuͤgt, ſpricht er: Jch weis von

Gott noch mancherley.

Wir ſollen, daß ein Gott ſey, wiſſen, wir wollen wiſ-

ſen, was er ſey.

Da dieß doch eine Wiſſenſchaft, die uns in unſerm Stand

hienieden

Nicht: ſondern, ſollen wir ſie haben, vermuthlich kuͤnftig

erſt beſchieden.


Ver-
[403]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Vernuͤnftige Geſchoͤpfe.


So groß als wie du ſelbſt, muß deine Liebe,

O Weſen aller Weſen, ſeyn!

Jndem du Weſen, die ſo klein,

Die Wunderkraft, auf dich zu denken,

Schon hier gewuͤrdiget zu ſchenken.

Dieß Denken iſt es ganz allein,

Durch welches wir, vor allen Thieren,

Die nichts von dieſem Vorzug ſpuͤren,

Vernuͤnftige Geſchoͤpfe ſeyn.


C c 2Gott
[404]Vermiſchte Gedichte

Gott ſo wohl im Kleinen, als im
Großen, groß.


Gott laͤßt, dergeſtalt, im Großen ſeiner Allmacht

Stralen ſcheinen,

Daß er kleiner nicht im Kleinen:

Das, was klein, iſt, nach dem Umfang und nach ſeinen

eignen Groͤßen,

Die ſo gar gering und winzig, eigentlich nicht abzumeſſen;

Sondern, nach der weiſen Allmacht deſſen, dem es einerley,

Ob ein Erdenkreis erſchaffen, ob ein Staub bereitet ſey.

Eben der, der eine Blume bildet, formet, faͤrbt und zieret,

Hat den großen Sonnenkoͤrper zugerichtet und formiret:

Eben der, der einen Engel in dem Reich des Lichts gemacht,

Hat auch dieſen kleinen Wurm auf der Welt hervorgebracht.

Es kann auch die groͤßte Groͤße Gott ſo wenig Ehre geben,

Noch (da fuͤr ihn nichtes groß) ſeine wahre Groͤß’ erheben;

Als, die allerkleinſte Kleinheit, die er einem Stoff be-

ſtimmt,

Seiner allgemeinen Vorſicht, Lieb und Allmacht etwas

nimmt.

Ja, wir ſind faſt, durch die Kleinheit, zur Bewundrung

mehr bewogen,

Da die Wunderkunſt im Kleinen unſern Augen faſt ent-

zogen,

Und nur bloß ein geiſtger Blick, was fuͤr Groͤß im Kleinen

ſteckt,

Mit erſtaunendem Bewundern, unſerm Gott zum Ruhm,

entdeckt.


Unter-
[405]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Unterſcheid zwiſchen einem Traͤumen-
den und Wachenden.


Es fragt ſich, da wir ſchlafend traͤumen, ob wir auch,

wenn wir wachen, nicht

Auf gleiche Weiſe traͤumen wuͤrden, durch der Jdeen

großes Heer,

Und durch die ungezaͤhlte Vorwuͤrf, (worinn wir ſchwim-

men wie im Meer)

Sowohl als in der Nacht verwirrt? Daß aber dieſes

nicht geſchicht,

Scheint bloß hiedurch allein behindert, da unſern Seelen

eine Kraft,

Das, was unordentlich, zu ordnen, iſt zugetheilt, ein’

Eigenſchaft,

Das, was zu viel iſt, zu entfernen, durch dieſe Richter-

kraft allein

Kann alles, was wir denken, recht und ordentlich gewir-

ket ſeyn.

Wir ſcheinen denn, ſo lange wir in dieſer Welt ſind, ſo

geſchaffen,

Daß, wenn wir in der Nuhe liegen, auch dieſe Richter-

kraͤfte ſchlafen.


C c 3Gebeth.
[406]Vermiſchte Gedichte

Gebeth.


Gieb Herr und Schoͤpfer dieſer Welt,

Daß ich auf meiner Lebensreiſe

Dir diene, dich erheb’ und preiſe,

Und zwar auf eine ſolche Weiſe,

Die dir gefaͤllt!


Natur-
[407]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Naturlehre.


Dieß wird von der Natur gelehrt:

Der Menſch muß im Geſchoͤpf den Schoͤpfer, und

Gott in ſeinen Werken ehren,

Und ſo, von der Vernunft erklaͤrt:

Daß, unter goͤttlichen Geſchoͤpfen, auch alle Menſchen

mit gehoͤren.

Wir ſehn aus dieſer kurzen Lehre des großen Schoͤpfers

gnaͤdigs Wollen,

Daß wir, in Werken, ihn bewundern, und unſern Naͤch-

ſten lieben ſollen.


C c 4An
[408]Vermiſchte Gedichte

An des Verfaſſers ſieben und
ſechzigſten Geburtstage,
den 22 Herbſtm. 1746.


Heut’ iſt von meinen Lebensjahren

Das ſechs und ſechzigſte nun auch vergangen
und dahin gefahren.

Nach ſechzig, die ich uͤberlebet, faͤngt ſich das ſiebente
nun an.

Gott Lob! daß ich, auch in dem letzten, das in dem
Augenblick verfloſſen,

Wie in der ganzen Lebenszeit,

Von meines Schoͤpfers Guͤtigkeit

So ungezaͤhltes Gut genoſſen:

Daß ich daſſelbe nimmer zaͤhlen, noch minder es ver-
danken kann!

Doch heiſchet meine Pflicht von mir, daß ich, an dem
beſondern Tage,

Zu Ehren dem, der ſo viel Guts in ſolcher Fuͤlle mir ge-
ſchenkt,

Jndem mein Geiſt mit ernſter Luſt den Werth der Wun-
der uͤberdenkt,

Dem großen Geber Lob und Dank in freudenreicher
Ehrfurcht ſage.

Jch bin im abgewichnen Jahr, Herr, durch dein
vaͤterliches Lieben

Am Koͤrper, Seel und Geiſt geſund, nebſt allen
Meinigen, geblieben.

Das
[409]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Das Meinige, mein Amt, mein Stand, Vermoͤgen,
Wohlfahrt, Ehr und Gut

Blieb unverſehrt und ungeſchmaͤlert in deiner vaͤter-
lichen Hut.

Jch habe tauſend tauſendmalen, wie ſchoͤn die Welt,
wie wunderſchoͤn,

Zu Ehren deiner weiſen Liebe, mit ungeſchwaͤchten
Sinnen ſehn

Und mich daran vergnuͤgen koͤnnen. Wie viele
Stunden bracht ich zu,

Von ſchwarzen Sorgen unbekuͤmmert, im ſuͤßen Schlaf,
in ſanfter Ruh!

Jch habe, dein Geſchoͤpf bewundernd, ſo manchen
Tag, ſo manche Nacht,

Jn einer ſtillen Einſamkeit, auf meinem Garten zu-
gebracht.

Was konnte meine Seele nicht, durch meiner Zungen
Bau, im Schmecken

Fuͤr tauſendfache Miſchungen des Stoffs in der Natur
entdecken,

Zur Koſt des Koͤrpers, Luſt des Geiſtes, die Witz
und Kunſt annoch vermehrt,

Und, mit dadurch vermehrter Luſt, wenn man nur
dran gedenkt, uns naͤhrt!

Wie haſt du, Herr, in dieſem Jahr, mir ſonſt
ſo manches Gut beſcheret!

Es hat, von Coͤlln der große Churfuͤrſt, mit ſeinem
Bilde, mich beehret,

Und ſein Geſicht voll Majeſtaͤt, von eines großen
Kuͤnſtlers Hand,

Sehr ſchoͤn, recht nach dem Leben, mir aus eignem
Triebe zugeſandt,

C c 5Woran
[410]Vermiſchte Gedichte
Woran ich mich, als einer Probe, daß er die Schrif-
ten etwas ſchaͤtze,

Die ich zu Gottes Ehren ſchrieb, ſo oft ich es be-
ſchau, ergetze.

Auch heuer iſt mein dritter Sohn, der auf der See
verſchiedne Proben

Von Muth und Tapferkeit gezeigt, durch Hamburgs
Admiralitaͤt

Auf ihrem groͤßten Kriegesſchiff mit Ruhm zum Com-
mandeur erhoben,

Mit welchem er, Gott gebe gluͤcklich! nach Africa
zu kreuzen geht,

Die algeriniſchen Barbaren, die uns ſo ſchaͤdlich,
zu bekaͤmpfen,

Der Unſern Schiffahrt zu beſchuͤtzen, und moͤglichſt,
jener Trotz zu daͤmpfen.

Herr! ſegne dieß ſein kuͤhn Beginnen, ſtoͤr’ alles
widrige Geſchicke,

Walt’ in Gefahren uͤber ihm, und bring’ ihn uns
begluͤckt zuruͤcke!

Du haſt mir auch noch einen Vorzug, in dieſem
Jahre, wollen goͤnnen,

Daß, auf dem Land in Hamm und Horn, wie wir
die ſchoͤne Gegend nennen,

Jch einen guten Prediger, ohn Nebenabſicht, ſetzen
koͤnnen.

Herr, laß bey der geſchehnen Wahl mich meines
Wunſches Zweck erhalten,

Daß er, zu vieler Menſchen Beſten, ſein Amt un-
ſtraͤflich mag verwalten!

O Gott!
[411]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
O Gott! der du die Welt erhaͤltſt, und alles,
was darinn, regierſt,

Der du, wenns oft auch nicht ſo ſcheinet, doch alles
ſtets zum Beſten fuͤhrſt,

Von deſſen milden Vaterhand, in dieſem Jahre,
das verfloſſen,

Jch, uͤber dem, was ich ſchon hatte, von neuem
ſo viel Guts genoſſen,

Daß ich daſſelbige kaum zaͤhlen, noch weniger erzaͤhlen
kann;

Nimm dafuͤr die geruͤhrte Seele, und meinen Dank,
zum Opfer, an!

Laß mich, durch oͤfters Ueberlegen, denſelben oftermals
erneuen,

Und, in Bewundrung deiner Guͤte, mich deiner
Gaben oͤfters freuen!

Laß mich, den Reſt von meinem Leben, trifft es mit
deinem Willen ein,

Jn deinen Werken dich bewundernd, im Jrdiſchen
vergnuͤget ſeyn!

Vergoͤnne, daß, zu meinem Dank, ich auch noch
dieß Gebethe fuͤge:

Gieb, daß auch mein Geſchlechte ſich, am Jrdiſchen
in dir, vergnuͤge!


Zufaͤllige
[412]Vermiſchte Gedichte

Zufaͤllige Gedanken beym Anblick
eines Todtenkopfs.


Jn dieſes Schaͤdels engen Schranken

Schwaͤrmt’ ehedem ein Heer von ſchwuͤlſtigen Ge-
danken,

Wuͤhlt’ ehedem ein Schwarm von Luſt- und Geldbegier,

Brach vormals eine Schaar phantaſtiſcher Jdeen,

Von Hoffnung, Zweifelſucht, und Furcht belebt, herfuͤr.

An Bildung war er dazumal,

Erwaͤgt mans recht, nicht anders anzuſehen,

Als wie, von unſrer Seel, ein beinern Futteral.

Jetzt iſt er leer von Geiſt und Leben,

Ein ekelhafter Ueberreſt von dem, was an uns ſichtbar
war,

Da unſer Geiſt, ſammt der Jdeen Schaar,

Den Abſchied ihm gegeben.

Sein Fleiſch hat ihn ſowohl, als wie ſein Geiſt, verlaſſen,

Wir koͤnnen nicht einmal, wo jenes blieben ſey,

Und noch weit weniger, wo ſeine Seele, faſſen.

Jhr Philoſophen kommt herbey,

Die ihr, daß alles ſo und anders nicht ſey, wiſſet,

Sprecht: ob ihr nicht geſtehen muͤſſet:

Hier ſey des Bauren Witz, und eurer, einerley.

Doch hoͤrt bey der Gelegenheit, was meine Meynung
hievon ſey:

Mir macht der Gegenwurf kein Grauen,

Der Todtenſchaͤdel widerſpricht

Auch meiner ſimpeln Lehre nicht:

Vielmehr wird man ſie noch, durch ihn, beſtaͤrket ſchauen.

Ach haͤtte man darauf mit mehrerm Beyfall Acht!

Ob
[413]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Ob ſich in unſerm Geiſt gleich viele Kraͤfte haͤu-
fen;

Sind wir doch hier, nicht zum Begreifen,

Bloß zum Bewundern, nur, gemacht.

Bewundert denn auch hier mit mir die Kraft der bil-
denden Natur,

Bemerkt in ihrer Bildungsordnung ein’ unverneinlich
helle Spur,

Daß ſie nach Maaß und Regeln formt, daß folglich ein
vernuͤnftig Weſen

Derſelben Handlungen beſeelt, das ſolchen Stoff fuͤr ſie
erleſen,

Woraus ſie, was zu formen, formt. Zu wenig nicht,
auch nicht zu viel

Gebraucht und wendet ſie ſtets an, um zu dem vorge-
ſteckten Ziel

Und ihrer Abſicht zu gelangen. Wie dieſe Knochen ſelbſt
entdecken,

Worinn Maaß, Ordnung, Symmetrie, in richtigſter
Vollkommenheit,

Zum Zweck, wozu ſie dienen ſollen, auch noch im Ueber-
bleibſel ſtecken.

Derſelbe Schaͤdel war vorhin, ſo lang ihn die Natur
belebt,

Mit Nerven, Muskeln, Fleiſch und Haut, ſo weiſ’ und
wunderbar bewebt,

Das Wunderwerkzeug unſrer Sinnen, wodurch die Seele
ſich vergnuͤget

Und mit der Welt verbunden wird, war dieſen Knochen
zugefuͤget,

Die ſind nun zwar dahin und fort. Es iſt die Spur
nicht einſt vorhanden;

Allein,
[414]Vermiſchte Gedichte
Allein, ſie ſind in ihrem Weſen, ſo lange ſie geſollt, beſtanden.

Sie waren, zu beſtaͤndger Dauer und ewgem Waͤhren
nicht gemacht,

Sie waren, aus dem Stoff der Welt, vereinet und zu
Hauf gebracht:

Jetzt ſind ſie wieder aufgeloͤſt, und wieder mit dem Stoff
vereinet,

Aus welchem ſie genommen waren, wie dieß unwider-
ſprechlich ſcheinet.

Allein, wo blieb? wo iſt die Seele? hoͤr ich dich unge-
duldig fragen.

Die meynende Philoſophie ſoll ihre Meynung deutlich ſagen.

Die Seele, die, durch ihren Koͤrper, zu einem beſſern
Stand gelangt,

Als welchen ſie zuerſt gehabt, da er ſie mit der Welt ver-
bunden,

Und ſie, in den erſchaffnen Werken, den, welcher alles
ſchuf, gefunden,

Scheint nicht von einem ſolchen Weſen,

Das, wie die Koͤrper, aufzuloͤſen,

Wohl aber, da die Gottheit ihr, aus lauter Lieb in ihrem
Leben,

Von ſeinem weſentlichen Daſeyn ein uͤberzeuglichs Licht
gegeben;

Glaubt man mit Recht, auf ſeiner Lieb allein ſich gruͤn-
dend, daß er wolle,

Daß ein von ihm erleuchtet Weſen nicht ſterben, nicht
vergehen ſolle.

Mißfaͤllt dir dieſe Meynung nicht, und billigſt du,
was ich geſprochen,

Jch fodre keinen Dank von dir: verdank es dieſen
Todtenknochen.

Glau-
[415]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Glaubensbekenntniß.


Vom Glauben mach ich, demuthvoll,

Hier mein Bekenntniß offenbar:

Jch glaub, und halte das vor wahr,

Was Gott will, daß ich glauben ſoll.

Doch giebet die Vernunft mir ein:

Jch muͤſſe deſſen, was Gott wolle,

Daß man es voͤllig glauben ſolle,

Ganz uͤberzeugt verſichert ſeyn.


Gleich-
[416]Vermiſchte Gedichte

Gleichheit der Menſchen.


Hoͤrt, was die Stimme der Natur zu einem jeden Men-

ſchen ſpricht:

Verachte niemand, auch ſogar den alleraͤrmſten Sklaven

nicht,

Er iſt ſowohl als du ein Glied an meiner Kette. Bey-

der Ende

Jſt, ſo wie euer Urſprung, gleich. Jhr lebet beyde,

Gottes Willen

Und ſeine Abſicht zu erfuͤllen.

Der Unterthan und der Monarch, die werden endlich

beyde gleich,

Und die Verweſung ſchlinget beyde, ſo bald ihr in dem

Todtenreich,

Ohn Anſehn eines Ranges ein.

Was hat ein Sterblicher vor Recht, ſo uͤbermuͤthig ſtolz

zu ſeyn?


Geiſtige
[417]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Geiſtige Abgoͤtterey und ihre
Schaͤdlichkeit.


Von einer Gottheit, die unendlich, ein koͤrperliches

Bild formiren,

Jſt unterſagt, auch laͤcherlich, indem es der Unendlichkeit

Nachtheilig iſt und unanſtaͤndig. Doch goͤttlicher Voll-

kommenheit

Jſt es nicht minder unanſtaͤndig, wenn Menſchen ſich ſo

weit verlieren,

Und im Gehirn ein geiſtig Bild von einem alten Mann

erhoͤhn,

An welchem ſie mit ihrem Geiſt bekleben, und nicht wei-

ter gehn.

Noch mehr, man ſtellt ſich ſolchen Gott, als wenn er nur

aufs Boͤſe ſiehet,

Als waͤre er um unſre Laſter ſcharf zu beſtrafen nur be-

muͤhet,

Als einen ſcharfen Richter vor. Wie! ſtreiten nicht ſo

ſtrenge Triebe

Mit der Unendlichkeit der Weisheit, mit der Unendlich-

keit der Liebe

Und mit der ganzen Gottheit ſelbſt? Allein: iſt Gott

denn nicht gerecht?

O ja: gerecht iſt ſeine Liebe. Sie ſtraft zur Beßrung

allezeit.

Es prediget uns die Natur und die Vernunft ohn Un-

terlaß,

Es koͤnne die Gerechtigkeit

Kein Gegenſatz der Liebe ſeyn. Der Liebe Gegenſatz iſt

Haß.


D dWunſch.
[418]Vermiſchte Gedichte

Wunſch.


Wie wunderſchoͤn iſt doch die Welt!

Wie zeigt die Gottheit ſich in allen!

O Schoͤpfer, laß dir doch gefallen,

Daß uns dein herrlich Werk gefaͤllt!


Beten
[419]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Beten und Danken.


Welch eine gottheitwuͤrd’ge Liebe wird in der Ord-

nung nicht gefunden,

Da Gott allhier mit unſrer Luſt und Anmuth ſeinen

Ruhm verbunden;

Denn dadurch, daß ihr ſeine Werke mit Luſt und mit

Vergnuͤgen ſeht,

Wird ſeine Weisheit, Lieb und Macht allein geehrt, allein

erhoͤht.

Dieß iſt der wahre Gottesdienſt, da Gott ſo ſehr, daß

man ihn ehret,

Nicht (weil er unſers Ruhms nicht braucht) als unſrer

Seelen Luſt begehret.

Erkennet denn die große Wahrheit! Hierinn beſtehen ihre

Schranken:

Durch Beten dienen wir uns ſelbſt, der Gottheit dient

man bloß durch Danken.


D d 2Zweifel.
[420]Vermiſchte Gedichte

Zweifel.


Sollt unſre Luſt an Gottes Werken dem Schoͤpfer

auch gefaͤllig ſeyn?

Der Zweifel fiel mir oft vor dieſem, und faͤllt mir noch

zuweilen ein,

Doch find ich, daß er ungegruͤndet. Wir lehren in

der Chriſtenheit,

Daß Gott auf unſern Wandel achte. Waͤr es nun eine

Billigkeit,

Zu glauben, daß die ewge Liebe uns, bloß zu unſrer Quaal,

betrachte,

Und nur auf unſer Suͤndigen, um uns darum zu ſtrafen,

achte,

Nicht aber auch, wenn wir die Pflichten,

Wozu er uns erſchuf, verrichten,

Und wenn wir uns, zu ſeinem Ruhm, uns ſein zu freuen,

nicht entbrechen?

Dieß ſcheint der Eigenſchaft der Liebe und Huld ſchnur-

ſtracks zu widerſprechen.

Es ſcheint vielmehr, er habe ſelbſt uns dieſe Wahrheit

eingepraͤgt,

Es ſey ein ſolcher Gott kein Gott, der lauter Zorn und

Rachgier hegt.


Ver-
[421]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Vernuͤnftiger Gottesdienſt.


Jch bete dich, in deinen Wundern, o wunderbarer

Schoͤpfer an,

Weil ich, zu deinen heilgen Ehren, nichts Wuͤrdigers er-

ſinnen kann,

Als deine Liebe, Macht und Weisheit in den durch dich

gewordnen Werken

Mit einem recht geruͤhrten Geiſt, mit Luſt und Loben, zu

bemerken.


D d 3Das
[422]Vermiſchte Gedichte

Das vernuͤnftige Werkzeug.


Wenn ich den Menſchen, nach des Koͤrpers und ſeines

Geiſtes Kraft, betrachte,

Und, bey demſelbigen, die Abſicht, deß, welcher ihn ge-

macht, beachte;

So faͤllt, bey den Betrachtungen, mir dieſe Frage billig

ein:

Sollt etwan nicht der Menſch von Gott auch dazu mit

erſchaffen ſeyn,

Daß er der Erden Flaͤche ziere,

Veraͤnderung und Ordnung mache, die Kreatur dazu re-

giere,

Daß auf dem aͤußern Kreis der Erde

Das Schoͤne nicht allein erhalten, nein, alles noch verſchoͤ-

nert werde,

Und daß er gleichſam der Natur zu einem Werkzeug die-

nen ſolle,

Das ihr in ihren Wirkungen und ihre Ordnung auszu-

richten

Behuͤlflich ſey, und zugerichtet, daß er ihr helfen koͤnn’

und wolle?

Doch ſcheint der Menſch ein ſolches Werkzeug, das, in

Vollbringung ſeiner Pflichten,

Ein eigenes Vergnuͤgen fuͤhlen, den Schoͤpfer kennen,

ihn verehren,

Jhn lieben und ihn loben kann.

Ach moͤchte denn doch jedermann

Die Pflicht verrichten, ſich vergnuͤgen, und Gottes Herr-

lichkeit vermehren!


Geho-
[423]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Gehobener Zweifel.


A.

Jch mag, ſo viel ich will, mich zwingen, zu glauben,

daß nach dieſem Leben

Den Seelen die Unſterblichkeit und eine ſtete Daur gege-

ben;

Wenn alles andre auch erwieſen, faͤllt mir der Zweifel

immer bey,

Ob nicht die Quelle dieſes Glaubens allein die Eigenlie-

be ſey?

Die Eigenliebe praͤgt allein,

Da jeder lieber lebt als ſtirbet,

Und lieber dauret als verdirbet,

Die Hoffnung den Gedanken ein;

Die Hoffnung wird zuletzt zum Glauben,

Und dieſen, weil er uns erſprießlich, laͤßt man ſich nicht

ſo leichtlich rauben.

Du magſt denn ſagen, was du willt, ſo lang’ als man

dieß wahr befindet,

Daß die Unſterblichkeit der Seelen ſich bloß auf Eigenlie-

be gruͤndet;

So bleibt mir ſtets ein Zweifel uͤbrig. B. Auch die-

ſer Zweifel iſt zu heben,

Und will ich, um ihn zu vertilgen, dir ein unfehlbar

Mittel geben.

Bemerke dieſe große Wahrheit, erwaͤge ſie genau, und

denke:

Die Eigenlieb’ iſt ſelbſt nicht unſer, ſie iſt ein goͤttliches

Geſchenke.


D d 4Ver-
[424]Vermiſchte Gedichte

Verſuch, die Anſtoͤßigkeit vielerley
Religionen zu heben.


Ueberall erſichtliches, und dennoch verborgnes, We-

ſen,

Wie verwirrt ſich der Verſtand, wann wir mit Erſtau-

nen leſen,

Daß ſo viele tauſend Arten falſcher Goͤtzendienſt’ auf Er-

den,

Jhres Unſinns unerachtet, doch von dir geduldet werden!

Da es aber doch geſchicht;

Scheinet es der Menſchen Pflicht,

Die Vernunft zu Rath zu ziehen,

Und mit Ernſt uns zu bemuͤhen,

Hievon einen Grund zu finden, der uns zeig’ und uͤber-

fuͤhre:

Wie auch bey ſo vielen Secten doch die Gottheit nichts

verliere.

Denn uns wuͤrdige Begriffe von der Vollenkommenheit

Gottes uͤberall zu machen, iſt der Menſchen Schuldig-

keit.

Daß ein falſcher Gottesdienſt, auch ſo gar Abgoͤtterey,

Bloß nur ein’ Unwiſſenheit- keine Bosheitſuͤnde ſey,

Jſt mit Recht wohl nicht zu leugnen. Wer der Gott-

heit Groͤß’ erkennet,

Wie ſie uns, in ihren Werken, ein Erkenntniß von ſich

goͤnnet;

Daß, wie dieſe faſt unendlich, Gott noch weit unend-

licher

An Verſtand, an Macht und Liebe, aller Sonn- und

Welten Herr,

Schoͤ-
[425]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Schoͤpfer und Erhalter ſey: kann unmoͤglich von ihm

denken,

Daß er in ein irdiſch Bild durch uns Wuͤrmer einzu-

ſchraͤnken.

Dieſes widerſpricht ſich ſelbſt. Betet man nun Bil-

der an;

Wie es leider! doch geſchicht, ſo wird klaͤrlich darge-

than,

Daß kein wuͤrdiger Begriff koͤnn in einer ſolchen Seelen

Von der wahren Gottheit ſeyn; folglich muß dieſelbe

fehlen,

Bloß aus ihrem Unverſtand. Bosheit hat hier gar

nicht ſtatt:

Denn da die Natur in uns einen Trieb gepraͤget hat,

Unſer Wohlſeyn zu befoͤrdern; wuͤrd’ auf dieſer ganzen

Erden

Unter allen Menſchenkindern nie ein Menſch gefunden

werden,

Der, mit Vorſatz, falſche Goͤtter ehren wollte; haͤtt’ er

nur

Von der wahren Gottheit Weſen eine feſt’ und ſichre

Spur:

Denn mit Fleiß ſich zu verdammen, leiden die zu ſtarke

Triebe

Unſrer von Natur in uns eingepraͤgten Eigenliebe,

Wie erweislich, nimmermehr. Alſo folgt, daß in der

That

An dem falſch- und Goͤtzendienſt bloß die Dummheit An-

theil hat.

Sage nicht: es giebt doch Pfaffen, die ſo falſche Dienſt’

erfunden:

D d 5Denn
[426]Vermiſchte Gedichte
Denn es gab auch unter ihnen, die es beſſer nicht ver-

ſtunden.

Haben aber etliche ſie, aus Geiz und Stolz, erdacht;

Haben ſie vom wahren Gott das geringſte nicht ge-

macht,

Und gar keinen Gott geglaubet: Denn kein Menſch iſt ſo

verwegen,

Daß er gegen Gott, den er als Gott kennt, ſich ſollte

legen.

Da die Menſchheit denn hierinn ſich aus Bosheit nicht

verſchuldet,

Sondern ſie, aus Einfalt bloß, Gott ſo klein ſich vor-

geſtellt;

Jſt vielleicht dieß eine Urſach, daß der Schoͤpfer in der

Welt

Vielerley Religionen leidet, und, aus Langmuth, dul-

det.


Ein
[427]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Ein Atheiſt.


Ein Menſch, der auf der Welt gelebt, und ſich nicht

an der Welt vergnuͤget,

Den Schoͤpfer nicht in ihr gefunden, und nicht in ihrer

Ordnung, Pracht

Und Schoͤnheit einen Stral der Weisheit, die ſie ſo wun-

derbar gefuͤget,

Bemerkt, ſein’ unumſchraͤnkte Macht

Nicht angebetet, nicht bewundert, und ſeiner Liebe nicht

genoſſen,

Da ſich doch ſo viel Segensſtroͤm’ in ſolcher Fuͤll’ auf ihn

ergoſſen,

Der, da der Schoͤpfer ſo viel Guts durch ſein Geſchoͤpf

ihm hier erwieſen,

Dem großen Geber nicht gedankt und ſeine Guͤte nicht

geprieſen,

Haͤtt er auch aller Welt Metall, ja, haͤtt er Koͤnigreich’

erworben,

Hat, als ein Atheiſt, gelebt, iſt, als ein Atheiſt, ge-

ſtorben.


Die
[428]Vermiſchte Gedichte

Die Verſchiedenheit der Begriffe
von Gott.


So wie faſt alle Nationen

Jn allerley Religionen

Von Gott verſchiedentlich gedenken;

So ſcheint, von einem jeden Jch,

(Da unſere Jdeen ja, von allen, unterſchiedentlich,)

Auch ſein Gedankenbild von einer Gottheit, ſich

Jn eine einzige nicht einzuſchraͤnken.

Ein jeder denkt, zu Gottes Preiſe,

Von Gott, auf eine andre Weiſe.

Aus welchem ich denn ſo viel faſſe,

Daß Gott von allen menſchen keinen, wenn er ihm red-

lich dienet, haſſe.


Der
[429]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Der Wiſſensſucht ſchaͤdliche
Folgen.


Es fragt ſich, ob die Ungewißheit, der Zwieſpalt,

Jrrthum, Zank und Streit

Der Philoſophen auf der Welt nicht dieß allein zum

Grunde habe,

Daß man vergeſſen, erſt auf ſich und ſeines Geiſts Be-

ſchaffenheit,

Auf unſrer Seel umſchraͤnktes Weſen, wie weit derſelben

Kraͤfte gehn,

Mit mehrerer Aufmerkſamkeit und ſchuld’ger Achtſamkeit

zu ſehn,

Eh man ſich unterſtanden, ſich mit hoͤhern Dingen zu

befaſſen,

Und eh man, in die Gottheit gar zu ſchauen, ſich geluͤſten

laſſen?

Anſtatt von unſrer Selbſterkenntniß vor allen Dingen

anzufangen,

Und von ihr auf den Weg zur Demuth geleitet, durch

dieſelbe nur

Zur ehrerbietigen Bewundrung des Schoͤpfers, in der

Kreatur

So froh- als ernſtlicher Betrachtung, nach einer Ord-

nung, zu gelangen,

So hat man, aus ſelbſteigner Fuͤlle des Geiſts, von

allem auf der Welt

Sich ſelbſt als einen klugen Richter, von Hochmuth

aufgeblaͤht, geſtellt.

Hiedurch nun ſind wir, durch den Stolz verfuͤhrt, aufs

irrige Begreifen

Wohl recht ungluͤcklich hingerathen, wodurch der Eigen-

liebe zwar

Mehr
[430]Vermiſchte Gedichte
Mehr als zu viel geſchmeichelt wird, doch hat die Wahr-

heit ganz und gar

Bey ſolchem Zuſtand ſich verloren, ein unaufhoͤrlichs

Zanken, Keifen

Und Widerſpruch ſich eingefunden. Ein ſolch Begreifen

iſt mit Recht

Ein wahrer Rechtgeiz wohl zu nennen,

Da wir, mit Ausſchluß aller andern, das ſtets beſtrittne

Recht allein

Fuͤr uns allein behaupten wollen, und nichts dem Reſt

der Menſchen goͤnnen.

Ein jeder will unbillig klug, und ganz alleine weiſe ſeyn.

Dieß wuͤrde nimmermehr geſchehen, wenn man, von

ſeiner Nichtigkeit

Jn uͤberfuͤhrender Erkenntniß, auf goͤttliche Beſchaffenheit

Jm Anfang unſerer Betrachtung mit Ehrfurcht ſein Ge-

ſicht gelenket;

Jndem man denn ohn allen Zweifel in tiefſter Ehrer-

bietigkeit

Jn das anbetungswuͤrdig’ All ſein ganzes Nichts hinein-

geſenket,

Und ſeine große Majeſtaͤt in einer andachtvollen Stille

Verehrt und angebetet haͤtte; auch wuͤrde nimmermehr

der Wille

Mit andern Menſchen ſich gezanket, ſo aͤrgerlich ſich

nicht entzweyet,

Vielmehr dahin vereinet haben, ſich mit einander zu be-

ſtreben,

Gemeinſchaftlich des Hoͤchſten Wunder bewundernd froͤlich

zu erheben,

Und auch mit unſern Nebenmenſchen zugleich in Ei-

nigkeit zu leben


Atheiſten-
[431]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Atheiſtenkriege unnuͤtz und
unnoͤthig.


Die Urſach, warum itzt die Lehren,

Die Atheiſten zu bekehren,

Sich faſt an allen Orten haͤufen,

Kann ich nicht gar zu wohl begreifen,

Da doch ſo viel, als wie man hoͤrt,

Sich ihre Schaar nicht eben mehrt.

Ja ſollte letzters auch geſchehen,

Jſt es noch ungewiß, ob ſelbe nicht entſtehen

Dadurch, daß man, was Gott, ſo wunderlich erklaͤrt.

Es ſcheint, wenn wir es recht ergruͤnden,

Daß, wenn dieß ohne Noth geſchicht,

Mehr Stolz als Nutz darinn zu finden;

Wer braucht beym Sonnenſtral ein Licht?

Man glaubt, die Sprache der Natur

Sey, gegen unſre Schluͤſſe, nur

Ein unverſtaͤndlich dunkles Weſen,

Und, ſonder unſrer Schluͤſſe Kraft,

Das Kreaturbuch nicht zu leſen.

Da in der Geiſter Eigenſchaft

Doch ganz verſchiedene Gedanken,

Ein aͤrgerlichs beſtaͤndigs Zanken,

Und nichts als Jrrungen entſtehn,

Wie leider! uͤberall zu ſehn.

Wann in den wunderbaren Werken

Der Schoͤpfer uͤberall zu merken,

Er ſelbſt ſich uͤberall entdeckt;

So ſcheint, als ob in dem Betragen,

Von andrer Schwachheit nichts zu ſagen,

Kein andrer Grund als dieſer ſteckt:

Ein
[432]Vermiſchte Gedichte
Ein jeder ſcheint ſich zu bemuͤhn,

Mehr ſeinen Geiſt hervorzuziehn,

Als Gottes Weſen zu bewehren.

Ein jeder will mit ſeinem Geiſt,

Was ſich an allen Orten weiſt,

Was mehr als ſonnenklar, erklaͤren.

Es koͤmmt ein ſolch Betragen mir

Faſt in der That nicht anders fuͤr,

Als wenn ein Kind, mit klugen Lehren,

Mit einer langen Schluͤſſe Reih,

Will aus dem A. B. C. erklaͤren,

Daß es zu Mittag, Mittag ſey.


Ungluͤck-
[433]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Ungluͤcklicher Zuſtand eines
Atheiſten.


Der Unterſcheid, der zwiſchen uns, (die wir ein

goͤttliches Regieren

Jn allen Dingen feſte glaͤuben,) und etwan einer Seel’

zu finden,

Die eines ſolchen Troſts beraubt, iſt ziemlich deutlich

zu verſpuͤren,

Wenn wir den Zuſtand eines Menſchen, der ſchwerer

Sorgen voll, ergruͤnden,

Wenn er, halb ſchlafend und halb wachend, mit ganz

benebeltem Gemuͤth

Von Kummer, Gram und Harm umgeben, faſt nichts,

als ſchwarze Larven, ſieht,

Nur graͤmliche Jdeen zeugt, durch deren Schatten gar

kein Licht

Von einiger erheiternden und troſterfuͤllten Hoffnung

bricht,

Wenn die ihn in beſtaͤndiger Verwirrung, als im Zirkel,

jagen,

Das Hirn mit finſtrer Schwermuth fuͤllen, uns lauter

vorgeſeh’ne Plagen

Jm Kopf ſich gleichſam mahlend waͤlzen. Dergleichen

Widrigkeiten ſchwinden,

Wenn wir uns, wenn wir aufgewacht, in einem andern

Stande ſehn,

Und den obangefuͤhrten Troſt, daß alle Dinge, die ge-

ſchehn,

Von einem Gott regieret werden, mit unſrer Sorgen

Heer verbinden;

E eEs
[434]Vermiſchte Gedichte
Es wird dadurch der finſtre Nebel, als wie durch einen

Glanz, zerſtreut;

Man wird dadurch zugleich geſchickt, bequemre Mittel

zu erſinnen,

Das Ungluͤck von uns abzuwenden; wodurch wir Linde-

rung gewinnen,

Zumal uns dann die holde Hoffnung, die bloß auf Gott

ſich fußt, erfreut.

Da gegentheils ein Atheiſt in ſeinem Schwermuthſchlum-

mer bleibet,

Und aus der dicken Finſterniß der Schwermuth, weder

Tag noch Nacht,

Von einer ſteten Laſt gedruckt, wenn er gleich wacht,

doch nicht erwacht,

Da, ſtatt der Hoffnung, Furcht und Zweifel ihn ſtets

im Unmuthskreiſe treibet.


Das
[435]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Das vergebliche Gruͤbeln.


Ein Geiſt, der ja nicht leugnen kann, und offenbar
muß zugeſtehn,

Daß er ſo wenig eines Geiſts als Koͤrpers Weſen einzuſehn

Die Kraft und Faͤhigkeit beſitzt, der ſollte ſich wahrhaftig
ſchaͤmen,

Der Engel Sprache ſchon zu fuͤhren, und ſich ſo viel
herauszunehmen,

Der Gottheit unerforſchlich Weſen zu unterſuchen, zu
ergruͤnden,

Es richtermaͤßig zu entſcheiden, gebieteriſch den Spruch
zu thun:

So ſey die Gottheit, und nicht anders! Ach ließen wir
den Hochmuth ſchwinden,

Der uns allein dazu verfuͤhrt, und es bey dieſem Satz
beruhn:

Statt das allerhoͤchſte Weſen zu erforſchen und
zu zeigen;

Ehr’ und bete man ihn an durch ein ehrerbietigs
Schweigen!

Jn ſein unermaͤßlichs All, wie ins tiefe Meer ein
Stein,

Senkt, nebſt unſerm Geiſt und Weſen, alles Weſen
ſich hinein.

Um zu wiſſen, wer er iſt, muͤſſen wir, er ſelber,
ſeyn.


E e 2Der
[436]Vermiſchte Gedichte

Der ſtolze Menſch.


Du ſollteſt dich wahrhaftig ſchaͤmen,

Den Mittelplatz vom Vieh und Engeln einzu-

nehmen:

Dein aufgeblaſner Stolz, womit du ganz erfuͤllt,

Stellt dich dir ſelbſt hier vor als deines Schoͤpfers Bild.

Veraͤchtlich ſtolzer Staub, der zanket, zweifelt, glaͤubet,

Der kriecht, der ſich erhebt, der faͤllt und doch verneint,

Daß er gefallen ſey;

Der ſeine Ketten zeigt, und doch ſpricht, ich bin frey;

Deß dunkles truͤbes Aug, was man auf Erden treibet,

Ja alles, was darauf, wohl einzuſehn vermeynt.


Die
[437]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Die dritte Offenbarung.


Da Gott in ſeinen Kreaturen uns ſein erhabnes We-
ſen zeigt,

Da ihrer nicht ein’ einzige von ihren großem Urſtand
ſchweigt:

So wird man eine ſolche Nachricht, aus unumſtoͤßlich-
wahren Schluͤſſen,

Die allererſte Offenbarung von einer Gottheit heißen
muͤſſen,

Die Gott von ſeiner Allmacht, Weisheit und ſeiner ewgen
Liebe Trieben,

Uns von Natur durch unſre Sinnen geoffenbart, ins
Herz geſchrieben *.

Die zeiget uns abſonderlich: man ſoll ihn ſehen, fuͤhlen,
ſchmecken,

Und ſcheint die Groͤße ſeiner Liebe uns ins beſondre zu
entdecken.

Die andre ſcheint, daß Gott darinn uns habe offen-
baren wollen,

Wie wir, im Thun und wahren Glauben, zum Kuͤnft-
gen uns bereiten ſollen.

Jn dieſer ſcheinet eigentlich, da Lieb und Allmacht ſich
verbinden,

Die Weisheit ins beſondere nebſt der Gerechtigkeit zu
finden.

Es hindere zu dieſem Satz das Wort unmittelbar dich nicht,

Da Gott zu uns auch mittelbar, durch der Apoſtel
Schriften, ſpricht:

E e 3Es
[438]Vermiſchte Gedichte
Es iſt die Welt, es ſind die Leſer, betrachtet man ſie
recht, in ſich,

Jm Gegenſatz des Geiſts nicht mehr, als Ton und Let-
tern, koͤrperlich;

Kann aber etwan dein Verſtand dieß nicht, wie ich es
faſſe, faſſen,

So will ich dieſer vor den andern auch willig einen
Vorzug laſſen;

Und weil ſie noch abſonderlich in geiſtlichen geweihten
Haͤnden,

Und uns gelehrt wird und erklaͤrt, nunmehro mich zur
dritten wenden.

Die dritte zeiget offenbar, in den Vergroͤßrungsglaͤ-
ſern, ſich

Und in den Teleſcopiis, zum Ruhm des Schoͤpfers, ſicht-
barlich:

Jndem, wenn man in der Natur verborgne Groͤß’ und
Kleinheit ſteiget,

Bey einem heiligen Erſtaunen, der Schoͤpfer mehr als
ſonſt ſich zeiget.

Da wir, ſo in den kleinſten Dingen, als in den unge-
zaͤhlten Sternen,

Die alle Welt- und Sonnen ſind, der Gottheit Groͤß’ er-
kennen lernen.

Wir ſehn in dieſer Offenbarung, in ihrer Ordnung, Groͤß’
und Pracht,

Sammt Gottes Weisheit und der Liebe, beſonders ſeine
Groͤß’ und Macht:

Das Auge zeigt am Tag’ uns eine, die Glaͤſer zeigen bey
der Nacht,

Daß Gott viel Millionen Welten und Sonnen hat her-
vorgebracht.

Doch
[439]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Doch darf man nicht hiebey gedenken, es ſey es bloß
das Glas allein

Und ſeine Klarheit, die ich hier ein ſolches Wunder
heiße. Nein;

Des Auges dazu eingerichtet’ und eigene Beſchaffenheit,

Daß es durchs Glas geſtaͤrkt ſich findet.

Noch mehr die Staͤrke der Vernunft, die, wenn man es
beſonders ruͤndet,

Des Glaſes Wirkung ausgefunden, am meiſten die Vor-
trefflichkeit,

Die Ueberlegung unſrer Seele, da wir aus allem, was
wir ſehn

Jn dem geſtirnten Firmament, in jenen bodenloſen Hoͤ-
hen,

Gewiſſe Schluͤſſe ziehen koͤnnen: wodurch in den ſo hellen
Sternen

Wir ganz erſtaunt, in neuer Ehrfurcht, des Schoͤpfers
Groͤße kennen lernen.


E e 4Ein
[440]Vermiſchte Gedichte

Ein wirklicher Gottesdienſt.


Das Einzig- Ewig- Selge Weſen, das Raum und

Ewigkeit erfuͤllet,

Aus dem der Sonn- und Welten Heer, das nicht zu zaͤhlen,

quoll und quillet,

Der ſein allgegenwaͤrtigs All in ihnen zeiget und verhuͤllet,

Jſt unſrer Ehrfurcht, Andacht, Lieb, auch unſers Dien-

ſtes werth. Allein,

Nun kann Er freylich angebetet, geliebet und gelobet ſeyn.

Wie aber koͤnnen wir ihm dienen? Dieß iſt nicht moͤg-

lich. Gott gebraucht

Armſelger Menſchen Dienſte nicht: und dennoch hat er uns,

zum Zeichen

Von ſeiner Huld, Gelegenheit in dieſem Leben wollen reichen,

Wodurch wir ihm zu dienen faͤhig. Dieß iſt dein Naͤch-

ſter: liebt man ihn,

Nimmt er es, da auch der ſein Werk, ſo, als ob man ihm

ſelber dien’.

A. Wofern uns etwas auf der Welt zur Naͤchſtenliebe

treiben ſollte,

So waͤr es ja wohl dieſer Grund, ſo waͤr es dieß Geſetz.

Wer wollte

Dem Schoͤpfer im Geſchoͤpf nicht dienen? Wenn dieß

die Menſchen doch nur wuͤßten,

Daß ſie, auf eine ſolche Weiſe, den Gottesdienſt ver-

richten muͤßten.

Warum lehrt aber, wenn dieß wahr, die Bibel dieſes

nicht die Chriſten?

B. Du irreſt dich, die Bibel lehrt es, ſchau dieſen hol-

den Spruch nur an:

Was ihr von ihnen dem Geringſten gethan habt, habt

ihr mir gethan.

Die
[441]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Die verbeſſerte Welt.


Zum Denken ſcheint der Menſch geſchaffen. Nun hat

die vordre Welt gedacht,

Und, durch ihr ſo verſchiednes Denken, viel Meynungen

hervorgebracht;

Wenn nun die jetzige vermerkt, wie oft die erſteren ge-

irrt,

So ſcheinet, daß doch dieſe Wahrheit, fuͤr uns, hier-

aus entdecket wird:

Daß bloß dadurch, daß ſo viel Fehler, die wir erkannt,

vermieden werden,

Wir naͤher zu der Wahrheit kommen, und daß der Zu-

ſtand unſrer Erden

Sich ganz gewiß verbeſſert finde. Je mehr man Jrrweg

meiden lernt,

Je mehr man Abweg’ erſt gewahr wird, und dann von ih-

nen ſich entfernt,

Je mehr er Nachricht von den Steigen, die abwerts lei-

ten, hat empfangen;

Je naͤher wird ein Reiſender zum rechten Weg und Zweck

gelangen.


E e 5Unter-
[442]Vermiſchte Gedichte

Unterſuchung der Unempfindlich-
keit uͤber unſere Geſund-
heit.


Wenn unſers Blutes reger Lauf in ſeinem richtgen

Zirkel gehet,

Wenn ſonder aͤußerlichen Schmerz es wohl um die Geſund-

heit ſtehet,

So ſcheints, ob fuͤhle man daruͤber kein recht, kein wirk-

liches Vergnuͤgen.

Allein, dieß koͤmmt nur bloß daher, weil etwan andre

Luſt uns ruͤhrt,

Wie oder daß ſich andre Vorwuͤrf’ zu unſeren Gedanken

fuͤgen.

Es iſt gewiß, daß man im Denken: man ſey geſund,

Vergnuͤgen ſpuͤrt,

Ob ſolche Luſt gleich nicht ſo lebhaft, als wie die ſtrenge

Luſt der Liebe,

Wovon die aufgebrachten Triebe

Sich einer Art von Anfall gleichen. Wann aber der

Geſundheit Stand

Jn einer Ebenmaaß beſtehet, im ſanft- und langſamen Be-

wegen

Der Feuchtigkeit in unſerm Koͤrper; ſo wird man durch

ſo ſanftes Regen

Jn eine Art von Zubereitung zu mancher nahen Luſt

geſetzt,

Jn eine Art von Faͤhigkeit, daß man ſich gern und leicht

ergetzt.

Die Seel empfindet ein Vergnuͤgen von Ruh und ſtillem

Ueberlegen,

Sowohl,
[443]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Sowohl, daß ſie ſich wohl befindet, als, daß ſie auch

von Schmerzen frey,

So ſonſt die Krankheit ihr verurſacht, und aller Plag

entnommen ſey.

So angenehm wird jeder Menſch die Gabe der Geſund-

heit finden,

Wenn wir mit dem beſeßnen Gluͤck die Ueberlegung nur

verbinden.


Gott
[444]Vermiſchte Gedichte
Gott eigentlich erkennen wollen,

Als wie er wollte, daß wir ſollen,

Sind bloß des eitlen Hochmuths Duͤnſte.

Einfaͤltig hat Gott uns geſchaffen; der Menſch

ſucht aber viele Kuͤnſte.

Das große Weſen aller Weſen, in deren Ordnung,
Nutz und Pracht

Es ſein anbetungwuͤrdigs Daſeyn geoffenbart und kund
gemacht,

Hat uns zugleich von ſeiner Weisheit und Allmacht, und
von ſeinem Lieben

Unwiderſprechliche Beweiſe, durch jeden Sinn, ins Herz
geſchrieben.

Dieß iſt genug fuͤr Kreaturen, die ſo, wie wir, auf die-
ſer Welt,
(Die ſich die beſte der Planeten ohn unverſchaͤmten Stolz
nicht nennen,

Und, daß die andern alle ſchlechter, als ſie, nicht wird
verlangen koͤnnen)

Mit einem eingeſchraͤnkten Geiſt, ihn zu bewundern, hin-
geſtellt,

Nicht, daß wir ihn begreifen ſollen. Nur Stolz und
Hochmuth, kein Verſtand

War es, der ſich aus dieſen Schranken zuerſt zu gehen
unterwand,

Und der die Menſchen, ſeines Gleichen, ſich unterſtunde zu
belehren;

Er wollt ein mehrers von der Gottheit, als was man
wiſſen ſollt’, erklaͤren.

Der
[445]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Der Satz: der Schoͤpfer haͤtte wollen,

Daß Kreaturen, die ſo ſchwach, als wir, uns offenbaren
ſollen,

Was er uns ſelbſt nicht offenbart, ſcheint ebenfalls des
Hochmuths Frucht,

Und brauchet einer Unterſuchung. Ein ſtark Verlangen,
eine Sucht,

Uns uͤber andre zu erheben; von Gott gewuͤrdiget zu
ſcheinen

Vernuͤnftiger gemacht zu ſeyn, veranlaßt oͤfters, daß wir
meynen,

Wir waͤren auserwaͤhlte Geiſter, Propheten, Philoſophen,
Lehrer.

Erlangen wir nun ſolche Hoͤrer,

Die unſrer Meynung Beyfall geben aus Schwachheit
oder Unverſtand;

So iſt des Volkes, Gottes Stimme. Allein, wenn wir
den Menſchen ſehn,

Und wie die Kraͤfte ſeines Geiſtes in ſolchen engen
Schranken ſtehn;

Erſchrickt man billig ob dem Stolz, durch welchen wir,
ſo kuͤhn, verlangen,

Mehr Faͤhigkeiten zu beſitzen, als wir auf dieſer Erd’
empfangen.

Ja uns dabey zu uͤberreden: die Gottheit wuͤrde, wenn
ſie wollte,

Daß einſt der Menſch von ſeinem Weſen mehr, als vor-
hero, wiſſen ſollte,

So ſchlechten Werkzeugs ſich bedienen, und von ſo einge-
ſchraͤnkten Seelen,

Zu ihrer aller Ueberfuͤhrung, aus ihrem Mittel, eine
waͤhlen,

Die,
[446]Vermiſchte Gedichte
Die, wie ſie alle, voller Schwachheit. Dieß hieß: um
einen Weg zu finden

Fuͤr Blinde, gaͤbe man denſelben, zum Fuͤhrer, einen an-
dern Blinden.

A. Du ſprichſt: ich handle wie die Rieſen, die große
Berg’ auf Bergen haͤufen,

Um zu der Sonne zu gelangen. Die Gottheit ſey nicht
zu begreifen.

Soll ich denn meinen Geiſt nicht brauchen? B. Ja.
Aber laß ihn nur die Pflichten,

Zu welchen er erſchaffen worden, vorher mit allem Ernſt
verrichten,

Sich von der Laſterbahn entfernen

Und erſt ſein Herz verbeſſern, lernen,

Auch Gott zum Preiſe ſich vergnuͤgen, und in den uns ge-
ſchenkten Gaben,

Die wir, im Vorwurf unſrer Welt, durch jeden Sinn
empfangen haben,

Jhn froh bewundern, und ihm danken. Wenn dieſes
erſt vorher geſchehn;

Dann mag dein Geiſt, wo er ſo kuͤhn, zu Gottes Weſen
ſich erhoͤhn,

Und unterſuchen: ob es moͤglich, das, was unendlich, zu
verſtehn.

Doch wirſt du denn auch dieß befinden: der Menſch ſey,
gruͤndlich was zu wiſſen

Und zu begreifen, nicht erſchaffen: und daß wir alle
glauben muͤſſen.


Betrach-
[447]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Betrachtungen uͤber die Schoͤn-
heit der Blumen im
Winter.


Mein Gaͤrtner brachte mir, juͤngſt, ſchon zur Weih-
nachtzeit,

Jn einem Blumentopf, ein’ aufgebluͤhte Menge

Von Hyacinthen, Mayenblumen, bey deren ſchimmern-
dem Gepraͤnge

Auch Lilien-Convaljen glaͤnzten, in gar beſondrer Lieb-
lichkeit,

Die, da ſie mir ſo Geiſt als Auge ruͤhrten,

Zu folgenden Betrachtungen mich fuͤhrten:

Jch ſah die Bluͤmchen ernſtlich an,

Und ſucht’ erwaͤgend nachzuſpuͤren,

Auf welche Weiſe ſie den Geiſt mit ſolcher ſuͤßen Anmuth
ruͤhren,

Und wodurch er denn eigentlich an ihnen ſich ergetzen
kann,

Auch wie ſo mancherley dazu gehoͤre,

Daß eine Blum’ uns eine Luſt gewehre.

Da ich zu anfangs denn entdecke,

Daß eine Kraft in unſrer Seele ſtecke,

Die fuͤhlend und empfindend iſt. Die Kraft ſcheint
eigentlich das Leben

Der Seelen, und ein’ Eigenſchaft,

Die an derſelben Weſen haft’t,

Die ihr zu dieſem Zweck gegeben,

Daß ſie durch Theile, die gefuͤgt,

Vom koͤrperlichen Stoff der Erden,
Ver-
[448]Vermiſchte Gedichte

Verſchiedentlich geruͤhrt, vergnuͤgt,

Und, in der Luſt, zu Gott gefuͤhret, gelabt, erquicket
koͤnne werden.

Ohn eine ſolche Faͤhigkeit,

Waͤr aller Kreaturen Pracht,

Glanz, Ordnung und Vollkommenheit,

Der Sinnen Werkzeug ſelbſt, fuͤr uns umſon ſt gemacht.

Nun hat zwar ſolche Kraft, nebſt uns, ein Thiergeiſt
auch,

Doch weil demſelbigen, bey dieſer Kraft Gebrauch,

Die edle Kraft der Ueberlegung fehlet,

Die ſich ſo wunderbar mit unſerm Geiſt vermaͤhlet;

Jſt unſer Vorzug darinn klar, daß wir, bey dem Genuß,
auch denken

Und unſre Luſt dadurch verlaͤngern koͤnnen.

Ja gar, daß Gott die Kraft uns wollen goͤnnen,

Auf ihn, den Urſprung alles Guten, den Geiſt erkennt-
lich hin zu lenken;

Jn ſeinen wunderbaren Werken

Nicht nur ſein Daſeyn zu bemerken,

Jhn anzubeten, zu verehren, zu lieben, kindlich zu ver-
trauen,

Und unſer jetz- und kuͤnftigs Wohl auf ſeine Vaterhuld
zu bauen.

Nach unſers Geiſts erwognen Kraft, die in uns fuͤhlbar,
laßt uns wieder

Zum Zweck, zur Abſicht unſrer Lieder,

Zum Schmuck, zur Pracht der Blumen kehren,

Und einige darinn vorhandne Theil’ erklaͤren.

Da findet ſich zuerſt die zierliche Figur

Und regelrechte Form, vom Finger der Natur

Erſtaunenswuͤrdig ſchoͤn erfunden und erdacht,

Ge-
[449]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Gewirket und hervorgebracht,

Auf eine Weiſe, die dem Geiſt des kluͤgſten Menſchen
unbekannt,

Die alle Kunſt beſchaͤmet, beſieget,

Und worinn auch der witzigſte Verſtand,

Wie ſie den Stoff bereitet, webet, fuͤget,

Vermiſcht, verſchraͤnkt, entwickelt und verbindet,

Ein unaufloͤslichs Raͤthſel findet.

Wer kann die Mannichfaltigkeit

Der nimmer fehlenden Erfindung faſſen?

Wer muß in jeder Art bey der Vollkommenheit

Es allemal nicht bloß nur beym Bewundern laſſen?

Naͤchſt dieſem ſtralet auch, bey ſchoͤner Blumen Flor,

Der Farben helle Pracht und bunter Schmuck hervor,

Worinn ſie gleichſam eingekleidet,

Und woran ſich, ſo bald er ſie erblickt,

Der innre Geiſt durchs Auge weidet.

Die Farben nun entſtehn, aus der, von der Natur

Den Blaͤtterchen verliehenen Strucktur,

Worauf, weil ſie verſchiedentlich gewebet,

Und jedes Blaͤschen ſich darauf bald ſenkt, bald hebet,

Das alles faͤrbende bewundrungsvolle Licht

Sich immer unterſchiedlich bricht,

Und tauſend Bindungen von Farben zeuget,

Die, da ſie ſich bald naͤhren, bald ſich ſchwaͤchen,

Jn ungezaͤhlten Grad- und Miſchungen ſich brechen,

Und mit ſo mancherley Verſchiedenheit,

Die alle voller Lieblichkeit,

Sich, ſanft zuſammenfließend, fuͤgen,

Und, da ſie, durch die ſpiegelnde Cryſtallen

Der Augen, ins Gehirn durch die zwo Nerven fallen,

Durch bunte Harmonie den innern Geiſt vergnuͤgen.

F fZu-
[450]Vermiſchte Gedichte
Zuweilen hab ich nachgedacht,

Ob etwan, da es ausgemacht,

Daß unſer Sonnen Licht der Farben Vater ſey,

Und ſie, wie uns der Regenbogen zeiget,

Derſelben ſechſerley,

Roth, blau, gruͤn, gelb, und weiß, und Purpur zeuget,

Die Blumen ſo erſchaffen waͤren,

Daß ſie, mit uns verborgner Kraft,

Und nach magnetiſcher, anziehnden Eigenſchaft

Verſchiedne Farben an ſich zoͤgen;

Doch hab ich, dieſes zu erklaͤren

Und feſtzuſetzen, mich noch nicht erdreiſten moͤgen.

Jch ſtell es aber aus zu fernerm Ueberdenken,

Und will mich wiederum zum Schmuck der Blumen
lenken.

Ein ſanfter Glanz, ein holder Schein

Begleitet, nebſt der Farben Pracht, die ſchoͤnen Blumen
insgemein,

Der, wenn er nebſt der Farb’ uns in die Augen dringet,

Dem auch dadurch geruͤhrten Geiſt ein noch vermehrt
Vergnuͤgen bringet.

Von dem erquickenden Geruch, und, da ſie kuͤhl,

Von dem dadurch zugleich geſchmeicheltem Gefuͤhl,

Enthalt ich mich, hier was zu ſagen,

Jndem mein’ Abſicht ganz allein,

Von dem, wodurch die Blumen uns, durchs Auge,
ſo gefaͤllig ſeyn,

Was insbeſondre vorzutragen.

Da dieß nun in der Form, in Farben und im Schein,

Zumalen in der Sonnen Licht

Beſteht; ſo laßt uns, wenn wir ſehn,

Wie
[451]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Wie dieſe Kreatur ſo ſchoͤn,

Dem, der ſie ſchuf, und der uns das Geſicht,

Um ſie zu ſehn, geſchenkt, zum Ruhme

Vergnuͤgt und dankbar ſeyn, bey einer Blume!

Dieß iſt, was unſern Geiſt, wenn ihn der Schmuck
der bunten Blumen ruͤhret,

Auf einem angenehmen Pfad, zu ſein- und ihrem Schoͤpfer
fuͤhret.


F f 2Die
[452]Vermiſchte Gedichte

Die Geizigen.


Wenn doch die Geizhaͤlſ’ eine Zeit in ihrem Leben fe-

ſte ſetzten,

Jn welcher ſie

Das mit ſo vieler Sorg und Muͤh

Erſcharrte Geld zu brauchen daͤchten, und mit der Hoff-

nung ſich ergetzten,

Des Schatzes einmal zu genießen; waͤr ihre Thorheit

minder klein:

So aber ſieht man ihr Geſpar

Bis an die ſchwarze Todtenbahr

Ununterbrochen ſich erſtrecken.

Doch halt! mich deucht, in ihrer Thorheit doch etwas

Gutes zu entdecken,

Wenn ſie nach der Vernunft verfuͤhren; ſo wuͤrden oͤfters

ihre Erben,

An ihrer ſtatt, fuͤr Hunger ſterben.


Der
[453]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Der Geizhals.


Mir iſt ein alter Mann bekannt, dem Anſehn nach,

ein guter Chriſt,

Der Geld von Jugend auf geſammlet, und ſelbſt nicht

weis, wie reich er iſt.

So bald er Beutel voll gemacht, verſchließt er ſie in große

Schranken,

Und macht, wenn dieß geſchehn, von ihnen ſich keine wei-

tere Gedanken.

Jnzwiſchen hat er einen Knecht, der ſeines Herren Weiſe

kennt,

Und der dieß ungebrauchte Geld ſich lieber ſelbſt, als nie-

mand, goͤnnt;

Der oͤffnet, wenn es ihm beliebt, den Schranken am ver-

borgnen Ort,

Und nimmt nach eigenem Gefallen die groͤßten Beutel

mit ſich fort,

Ohn daß der Alte ſolches merkt. Der ſammlet immer

ohn Ermuͤden,

Und wenn er ſein Geſammletes verſchloſſen hat, iſt er zu-

frieden.

Er geizet, karget, ſchindet, plaget die Armen, thut ſich

nichts zu Gut,

Zuletzt ſtockt endlich dieſes Schinders und ewgen Samm-

lers altes Blut,

Er ſtirbt, und man begraͤbet ihn. Nun ſprecht, was ſoll

man ſolchem Leben

Und ſolchem alten Mammonsknecht fuͤr einen wuͤrdgen

Namen geben?

F f 3Mich
[454]Vermiſchte Gedichte
Mich deucht, er hoͤrt zwar in der Narren, doch mehr

noch in der Diebe Zahl,

Da er, durch ſein liebloſes Geizen, der ganzen Menſchheit

etwas ſtahl,

Was allen, bloß nur ihm nichts, nuͤtzte. Der wahre

Nutzen der Metallen

Jſt, daß ſie immer circuliren. Wer dieſen noͤthgen Kreis-

lauf hemmt

Und in dem eingeſperrten Gelde den Fluß des irdſchen

Heils verdaͤmmt,

Es ſich und allen Menſchen ſtielt, dem wuͤnſch ich, ſolchen

ſchlauen Knecht!

Doch auch dabey: daß, eh’ er ſtirbt, er mit Entſetzen,

Zagen, Schrecken

Den unerſetzlichen Verluſt, zu ſeiner Strafe, mag ent-

decken!


Die
[455]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Die Feder.


Geſchwaͤtzige Zunge, wodurch ſich die Seelen,

Jn ſtummer Beredſamkeit, nah’ und entfernt,

Einander ihr Wirken und Leiden erzaͤhlen!

Betraͤchtliches Werkzeug, wodurch wir gelernt,

O Wunder! die Geiſter mit Geiſtern vermaͤhlen,

Gedanken verkoͤrpern, erzeugen, erhalten,

Und binden, ſo daß wir, auch wenn wir erkalten,

Noch lange der Lebenden Stellen verwalten.

Du ſtelleſt den Augen, durch Schatten und Licht,

Jm Dunklen der Dinte, bey weißem Papier

Jn leiblich- und ſichtbaren Formen uns fuͤr,

Was in dem Verborgnen der Seelen geſchicht.


F f 4Ernſt-
[456]Vermiſchte Gedichte

Ernſthafte Gedanken bey Gelegen-
heit des Tobackrauchens.


Wir meynen, es beſteh die Luſt und das Vergnuͤgen
vom Toback

Hauptſaͤchlich ja faſt ganz allein auf unſrer Zung und
im Geſchmack.

Jedoch wir irren. Das Vergnuͤgen beſteht faſt im Ge-
ſicht allein,

Da die Beweglichkeit des Dampfs ſo mancherley Figur
formirt,

Die tauſendfach veraͤnderlich, die bald ſich zeigt, bald
ſich verliert:

Wie ſolches ſich gar deutlich weiſet, wenn wir denſelbi-
gen gebrauchen,

Und etwan rauchen

Zur Zeit, wenn wir im Finſtern ſeyn.

Da wir (wie ganz unſtreitig wahr) ſo dann, ob unſre
Pfeifen brennen,

Wie oder nicht, durch den Geſchmack, nicht merken und
nicht wiſſen koͤnnen.

Mich fuͤhrte die Betrachtung weiter, und, von den
Sinnen die vereinet,

Auf die vereinte Seelenkraͤfte, da fiel mir nun die Frage
bey:

Ob ihrer Kraͤfte Dreyheit wohl ſo ſehr getheilet, als
man meynet?

Man nennet ſie gemeiniglich Verſtand, Gedaͤchtniß,
Phantaſey;

Man fuͤget der gedritten Zahl, die vierte noch, den Wil-
len, bey.

Nun
[457]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Nun fragt es ſich, ob ſie ſo theilbar und ob wir uns viel-
leicht nicht irren,

Und, durch ein ſolches Unterſcheiden, nicht uns ſowohl
als ſie verwirren,

Oft eine fuͤr die andre nehmen? da keine doch fuͤr ſich
allein,

Wenn man ein wenig tiefer denket, kann eigentlich be-
trachtet ſeyn.

Laßt uns den Willen unterſuchen! ob wir ihn von den
andern trennen,

Und, ohn Vernunft und Phantaſey, ihn eigentlich be-
trachten koͤnnen?

Ob er, wenn er allein betrachtet, fuͤr ſich wohl etwas
anders ſcheine,

Als eine Neigung zu der Sache, wovon ich, daß ſie gut,
vermeyne,

Dem ſie, es ſey das Gute nun wahr oder falſch, gleich
zu zu fallen

Nicht leichtlich ſich enthalten wird? und ob ſie darinn
unter allen

Jn koͤrperlichen Dingen, nicht faſt mit der Schwere zu
vergleichen,

Die ungeſaͤumt ſich abwerts lenkt,

Und, ohn ein uͤberlegend Zoͤgern, ſich nach der Erden
Centro ſenkt?

Der Will’ iſt bloß ein Trieb zum Guten, es ſey daſſelbe
wirklich wahr;

Es ſey ein Scheingut. Beydes macht des Willens Nei-
gung offenbar.

Es fraget ſich nun weiter noch, ob es uns mit dem Wil-
len, nicht

Als einem, der Toback raucht, gehet,
F f 5Da
[458]Vermiſchte Gedichte

Da man die Luſt im Schmecken ſucht, ob ſie gleich mei-
ſtens im Geſicht,

Wie wenig es auch ſcheint, beſtehet.

Da wir im Willen nicht allein das eine fuͤr das andre
nehmen,

Nein, faſt ein’ eigene Perſon von ihm zu machen, uns
bequemen,

Die, was die andern Kraͤfte wirken, nicht nur im- oder
approbirt,

Nein, ſondern, als allein Monarch, allein entſchließet
und regiert,

Da er jedoch vielleicht nur bloß als eine Folge der Er-
kenntniß

Vom wahren oder falſchen Guten, nach unſrer Phantaſey
Verſtaͤndniß,

Wie ſie ſichs vorſtellt, anzuſehn. Hievon wird man
leicht uͤberfuͤhrt.

Wenn man die Woͤrter: von Verlangen, von Wol-
len oder von Begehren

Nach ihrem eigentlichen Sinn will unterſuchen und er-
klaͤren,

So wird man finden, daß der Jnhalt derſelben meiſtens
einerley:

Fuͤgt aber man, ſo wie beym Willen, bey jenen auch
das Woͤrtchen frey;

So wird ein frey Verlangen nicht, ein frey Begehren auch
nicht klingen,

Noch die Jdee, die man gewoͤhnlich vom freyen Willen
hat, uns bringen.

Wodurch man denn, wie die Gewalt der Woͤrter doch
ſo groß ſey, findet,

Wenn man mit ihnen, durch Gewohnheit, Jdeen mit
dem Ton verbindet.

Es
[459]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Es ſcheint, als ob, auf dieſe Weiſe, man ſtets in uns
zween Richterſtuͤle,

Des Willens und Verſtandes Thron, errichte, ſetz’ und
gleichſam fuͤhle.

Ob dieſes nun die Zahl der Dinge nicht, wider Recht,
vermehren heiße,

Wird wohl zu unterſuchen ſeyn. So viel ich mich dar-
auf befleiße,

Die dunkle Wahrheit zu ergruͤnden, ſo koͤmmt dennoch
der Wille mir

Von unſeres Verſtandes Schluß nur bloß als eine Folge fuͤr.

B. So fremd mir deine Meynung klingt, ſo falſch
ſie iſt, und wenig richtig,

So halt ich, ſie dir zu benehmen mich zu bemuͤhn, mich
dennoch pflichtig.

Jch hoff’, es wird dein Uebereilen aus meiner Antwort
gleich erhellen.

Bemuͤh dich nur, nebſt mir, ſie dir in ihrer Bloͤße vor-
zuſtellen.

Beſaͤßen wir auch alle Kraͤfte, und alle Vorzuͤg’ unſrer
Seelen,

Und fehlt’ uns nur die einige, uns zu entſchließen und zu
waͤhlen;

Wuͤrd’ alles in Verwirrung kommen. Auf Erden wuͤrde
nichts geſchehn,

Und alles, in und außer uns, in einer faulen Ruhe
ſtehn.

Wir wuͤrden immer ungewiß, als wie im Schlaf und
Schlummer, wandeln,

Von lauter Zweifel umgetrieben,

Wir wuͤrden ſchlimmer, als die Thier’, in allen unſern
Thaten handeln,

Und
[460]Vermiſchte Gedichte
Und weder haſſen oder lieben,

Zu allen Dingen ungeſchickt. Von allem, was wir wirken
ſollen,

Wuͤrd’ einer wohl was wirken wollen?

Das Spruͤchwort: daß ein Narr viel kluͤger, der ſich ent-
ſchließt, als zwanzig Weiſen,

Die ſich zu nichts entſchließen koͤnnen, wird meines Sa-
tzes Wahrheit preiſen.

A. Die Urſach, warum deine Weiſen zu keinem
Entſchluß ſich verſtehn,

Kann man, wenn man es unterſuchet und recht ergruͤn-
det, deutlich ſehn.

Es iſt ihr denkender Verſtand nicht von dem Guten
uͤberfuͤhret,

Das in der Sache ſich befindet, und ob es mit der
Schwierigkeit

Der Mittel eine Gleichheit habe; ſonſt wuͤrden ſie ge-
wiß, geruͤhret,

Zu einem Entſchluß gleichfalls eilen, ohn Aufſchub, und
zu gleicher Zeit,

Faſt wie ein Stein, der niederfaͤllt, als welches nimmer
fehlen kann,

Sieht man die Sache, die man wuͤnſcht, als leicht, und
etwas Gutes, an.

B. Vom Jrrthum, welcher dich verblendet, wird
dich vielleicht am beſten heilen

Ein unvergleichliches Gedicht. Voltaire ſoll es uns er-
theilen.


Gedan-
[461]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Gedanken uͤber den freyen Willen;
aus Mr. Voltaire uͤberſetzt.


Ach erwaͤgt, was ſonder Freyheit doch der Menſchen
Seelen waͤren!

Nur beweglich, durch ein Feur, das nicht ſichtbar, um-
getrieben,

Wuͤrden unſre Handlungen, Wuͤnſche, Luͤſte, Haß und
Lieben,

Kurz: von unſerm ganzen Weſen wuͤrde nichts uns zuge-
hoͤren.

Unvermoͤgende Maſchinen eines Meiſters, der ſie regt,

Denkendes bewegtes Werkzeug, durch der Gottheit Hand
bewegt,

Bloß mit Jrrthum nur beſchaͤfftigt, waͤren Menſchen ins-
gemein.

Schlechte Werkzeug’ einer Gottheit, die uns taͤuſcht’.
Auf welche Weiſe

Koͤnnten wir ſein Ebenbild, ſonder eine Freyheit,
ſeyn?

Von ſo ungeſchliffnen Werken, was gereicht’ ihm wohl
zum Preiſe?

Man wuͤrd’ ihm nicht dienen koͤnnen, auch nicht ſeinen
Zorn entzuͤnden.

Nichts wuͤrd’ er an uns zu ſtrafen, auch nichts zu beloh-
nen, finden.

Weder in des Himmels Hoͤhen, noch hienieden auf der
Erden,

Wuͤrde dann Gerechtigkeit koͤnnen angetroffen wer-
den.
Cato
[462]Vermiſchte Gedichte

Cato waͤre voller Laſter, Catilina tugendhaft,

Zu den abgefeimiſten Thaten zwaͤng uns ſelbſt des Schick-
ſals Kraft,

Und der Chaos der Natur

Waͤre fuͤr die Boͤſen nur.

Der blutgierigſte Tyrann, und der geizigſte Verraͤther,

Miriveis und ein Cartouche, und die groͤßten Miſſethaͤter,

Ja, der ſchlimmer noch als alle, der Verleumder,
koͤnnte ſprechen:

Jch bin frey von Uebertretung! Er verrichtet mein
Verbrechen,

Jch nicht. Er nur bricht mein Wort. Er nur wirkt,
durch meine Hand,

Rauben, Morden, Blutvergießen, Landverwuͤſtungen
und Brand.

Alſo wuͤrd’ ein Gott des Friedens und auch der Gerech-
tigkeit

Alles Uebels Urſach ſeyn, aller Unvollkommenheit.

Die Vertheidiger ſo ſchlimmer, ſtraͤflicher und boͤſer Lehre

Koͤnnten ſie wohl anders handeln, wenn ihr Gott der
Teufel waͤre?

A. Dieß iſt ein unvergleichlich Stuͤck. Doch wend
ich dieß dagegen ein:

Es ſcheint von dem beruͤhmten Dichter kein Unterſcheid
gemacht zu ſeyn

Von unſerer Vernunft zum Wollen. Jch leugne ſeine
Schluͤſſe nicht,

Jndem, daß wir entſchließen koͤnnen, ja die Erfahrung
deutlich ſpricht.

Nur muß wohl unterſuchet werden, ob von dem Willen
nur allein,
Als
[463]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Als eine ganz beſondre Kraft der Seelen, ſolch ein Schluß
geſchicht,

Und ob die Schluͤſſe, da wir wollen, nicht meiſtens an-
zuſehen ſeyn

Als bloße Folgen der Vernunft, da, wenn ſie was, als
gut, erkennet,

Sie ſolch ein Gut verlangen kann, verlangt und es ſich
ſelber goͤnnet;

Hingegen was ihr nicht gefaͤllt,

Verabſcheut, und zu meiden ſucht, was ſie ihr etwan
ſchaͤdlich haͤlt.

Wir haben wirklich eine Freyheit, zu unterſuchen,
zu erwaͤgen,

Was uns die Phantaſie gezeigt, und, ob es gut, zu uͤber-
legen,

Es unnuͤtz oder nuͤtz zu ſchaͤtzen: Allein, wenn dieſes
nun geſchehn,

Wird man den Willen ſich ſogleich zum Guterkannten
lenken ſehn,

Weil er fuͤr ſich nicht anders kann.

Ein freyer Will’, als wovon hier die Rede ganz alleine
nur,

Scheint nicht ein ganz beſonders Weſen, noch eine faſt
ſelbſtaͤndge Kraft

Von einer eigenen Natur,

Auch keine von den andern Kraͤften ganz unterſchiedne
Eigenſchaft.

Wie der Verſtand nicht ohn Gedaͤchtniß, auch nimmer
ſonder Phantaſey;

Die Phantaſey nicht ohn Verſtand noch ohn Gedaͤchtniß;
eben auch
Ge-
[464]Vermiſchte Gedichte

Gedaͤchtniß ohne Phantaſey auch ohn Verſtand zu einem
Brauch

Der Seelen jemals dienen koͤnnte; ſo ſcheint ein Wille,
den wir frey

Und gleichſam unumſchraͤnket halten, auch ebenfalls kein
ſolches Weſen,

Das ſonder Phantaſey, Verſtand, und ohn Gedaͤchtniß
koͤnn’ erleſen

Und auch verwerfen vor ſich ſelbſt, was ihm misfaͤllt.
Hingegen ſcheint

Des Willens Kraft, mit andern Kraͤften der Seelen,
dergeſtalt vereint,

Daß ſie viel eh’ fuͤr eine Folge von der Vernunft iſt an-
zuſehen,

Als daß man ihm faſt einen Thron fuͤr ſich alleine zu-
geſtehen,

Als Koͤnig ihn verehren muͤſſe. Laßt uns in unſer
Jnnres gehn,

Und auf das uns verborgne Weſen des Geiſtes die Ge-
danken lenken,

Und gleichſam unſre Seele ſelbſt in unſrer Seelen Tiefe
ſenken!

Wir finden, daß von unſern Sinnen die Wurzel in der
Seele liegen,

Da, ohne Geiſt, der Leib nicht ſinnlich. Wie ſich die-
ſelbigen nun fuͤgen

Und ſich in dem Gefuͤhl vereinen;

So deucht mich, daß die Seelenkraͤfte faſt geiſt’ge Sinn-
lichkeiten ſcheinen,

Die in der Phantaſie ſich binden, und, nur mit ihr ver-
einet, wirken,

So etwan, wie in dem Gefuͤhl die andern Sinnen ſich
vereinen.
Kann
[465]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Kann man ſie von einander trennen? den Willen ſo ge-
nau bezirken,

Daß er ohn andrer Beytrag handle? Wirkt er nun nicht
fuͤr ſich allein,

So wird er auch von uns ja muͤſſen nicht ferner angeſe-
hen ſeyn,

Als waͤr er faſt ein’ eigne Seele, da doch, nach des
Verſtandes Schluͤſſen,

Er moͤge treffen oder fehlen, wir meiſtens werden wollen
muͤſſen.

Noch ehe wir nun weiter gehen, wird noch zu unter-
ſuchen ſeyn,

Ob wir nicht auch wohl, ohn Verſtand und Ueberlegung,
wollen koͤnnen?

Ob aber auch ein ſolches Wollen wohl etwas anders ſey
zu nennen,

Als wie bey Thieren der Jnſtinct? Ja, ob wir Men-
ſchen dieß allein

Vor Thieren nicht zum Vorzug haben, daß wir, durch
des Verſtandes Kraft,

Den Trieb, den Willen, zaͤhmen koͤnnen: und ob wir nicht
faſt deutlich faſſen,

Daß unſers Willens Eigenſchaft,

Noch mehr, als in dem Wollen faſt, beſteh: ein Ding
zu unterlaſſen,

Und nicht zu wollen, wenn es ſchaͤdlich, ſo aber bey den
Thieren nicht,

Wie die Erfahrung lehrt, geſchicht.

Ja wenn wir unſers Geiſtes Zuſtand auf eine Weiſe,
wie wir ſollen,

Und gruͤndlich unterſuchen wollen;
G gSo
[466]Vermiſchte Gedichte

So wird man oftermal aus Noth zu etwas ſich entſchlieſ-
ſen muͤſſen,

Eh’ wir von einem Ueberlegen, noch ſelbſt dem Wollen,
etwas wiſſen.

Wir finden, daß wir oft ſo ſchnell zu einer Sache uns
entſchließen,

Eh’ die geringſte Ueberlegung dazu gebraucht wird. Solch
ein Schluß

Jſt wirklich bloß ein blinder Trieb, und folglich vom
Jnſtinct der Thiere

Nicht im geringſten unterſchieden; wodurch ich dich denn
uͤberfuͤhre:

Daß oft, ohn Vorbedacht der Will’ in unſern Handlun-
gen regiere.

Wenn wir nun ferner unſre Seelen, ſo viel wir koͤn-
nen, recht betrachten,

So wird man, wie geſagt, in ihr, von Kraͤften dreyerley
beachten:

Verſtand, Gedaͤchtniß, Phantaſey. Doch zeigt ſichs,
daß wir ſie nicht trennen,

Noch eigentlich, als von einander geſondert, ſie betrach-
ten koͤnnen,

Jn allen ihren Handlungen. Ein’ Art von Einheit
ſcheint in ihnen,

Da man ſich nimmer einer Kraft allein von ihnen kann
bedienen,

Daß nicht von denen andern beyden auch etwas ange-
wendet ſey.

Wofern wir ſie ganz unterſchieden, und wirklich als wie
dreyerley

Betrachten und erwaͤgen wollten, wuͤrd’ es gewiß ein
Jrrthum ſeyn.
Was
[467]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Was waͤre doch die Phantaſey, wenn ſie zugleich nicht
uͤberlegte,

Und durch die Wirkung des Verſtandes der Vorwuͤrf’
Unterſcheid erwaͤgte?

Sie waͤr ein bloßer todter Spiegel, und ohne ſich zu-
gleich dabey

Jm Denken etwas vorzuſtellen. Einfolglich, ſonder
Phantaſey

Waͤr der Verſtand auch anders nichts, als eine Hand-
lung ſonder Schranken:

Ohn Abſicht, ſonder Zweck und Vorwurf, ſich bloß be-
wegende Gedanken,

Jn einer ſtetigen Verwirrung ununterſchieden. Zu ge-
ſchweigen,

Daß, bey verwirrter Phantaſey, ſich auch verwirrte
Schluͤſſe zeigen

Und falſche Saͤtze folgen wuͤrden. So wird auch kein
Gedaͤchtniß koͤnnen,

Von einer Kraft, was vorzuſtellen, ſich jemals ſcheiden
oder trennen.

Es ſcheint demnach in unſrer Seele, wenn wir dieſel-
be recht ergruͤnden,

Als ob in ihren dreyen Kraͤften faſt ein gedrittes Eins zu
finden,

Und daß ſie faſt mit einer Schnur, die dreyfach, zu ver-
gleichen ſey.

Doch ſpuͤren wir dennoch vornehmlich, daß alle drey
nicht einerley,

Und daß man eine von der andern verſchiedlich nehmen
koͤnn’ und muͤſſe;

Es ſind in der Religion ſo gar erweislich dieſe Schluͤſſe.
G g 2Der
[468]Vermiſchte Gedichte

Der Kraft, ſich etwas vorzuſtellen, der Phantaſey, Be-
ſchaffenheit

Jſt, in der Kraft des Schoͤpfers Werke, deſſelben Macht
und Herrlichkeit

Sich wuͤrdig vorzuſtellen, faͤhig; wenn, durch den
Glauben der Verſtand,

Und durchs Gewiſſen das Gedaͤchtniß den Schoͤpfer faͤ-
hig zu erheben,

Und zu der Pflicht uns anzuhalten, daß wir zu ſeinen
Ehren leben.

B. Ob aber nun zu allen dieſen die Kraft des Wil-
lens nicht gehoͤrt,

Jſt hier zu unterſuchen noͤthig. Denn was waͤr alles
andre werth,

Wenn mans nicht wohl gebrauchen wollte? A. Was
ich dir oben ſchon erzaͤhlet,

Wird hier zu wiederholen ſeyn, das, was man Willen
heißet, waͤhlet,

Was uns die Phantaſey als gut, nuͤtz- oder lieblich vor-
geſtellt.

Es ſey nun wahr, es ſey ein Scheingut, der Wille
waͤhlt, was uns gefaͤllt,

Jndem die Eigenliebe bloß uns ſo zu wollen ſtets verbin-
det,

Wie man es dann, wenn man entſchließt, es unſerm
Zuſtand gut befindet.

Es ſcheint der Wille muͤſſe wollen (ſo wie ein Stein
herunter faͤhrt)

Dasjenige, was unſre Einſicht und Phantaſey fuͤr gut er-
klaͤrt.

Man wird dahero klaͤrlich ſehn, wie viel der Menſchheit
dran gelegen,
Daß
[469]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Daß wir die Kraft der Phantaſey und unſrer Einſicht
mehr erwaͤgen,

Als wie bisher von uns geſchehn, weil ſolche ganz allein
geſchickt

Dadurch, daß ſie Empfindungen, gut oder boͤſ’, uns
eingedruͤckt,

Uns unſer Wollen zu erregen,

Das denn, ohn weiters Ueberlegen,

Zu wollen faſt gezwungen wird, was wir auch ſonſt fuͤr
Meynung hegen.

Laßt uns denn den Verſtand verbeſſern, Gedaͤchtniß,
nebſt der Phantaſey,

So wird vermuthlich unſer Wille, von allen Hinderniſ-
ſen frey,

Das Gute von ſich ſelber waͤhlen. Die Eigenliebe wird
nicht leiden,

Daß wir das, ſo uns wirklich ſchaͤdlich, wenn wir es
wiſſen, nicht vermeiden.

B. Um ſelbſt, nach deinen eignen Saͤtzen, der See-
len Kraͤfte zu verbeſſern,

Mußt du es ja vorhero wollen. A. O nein, ich ſeh es
anders an,

Jch muß noch, eh ich wollen kann,

Die Kraft zu meynen erſt vergroͤßern,

Daß das, was ich will wollen, gut. Dann werden
wir, ſo wie wir ſollen,

Hernach von ſelbſten denken wollen.

Laß aber dieſen meinen Satz dich ja im Gottesdienſt nicht
irren,

Noch dich, in deiner vorgen Meynung, vom freyen Wil-
len, ſo verwirren,

Daß du nunmehro ſchließen wollteſt: wofern wir keinen
freyen Willen
G g 3Jn
[470]Vermiſchte Gedichte

Jn unſerer Natur beſaͤßen, ſo ſtuͤnde nicht in unſrer
Macht

Zu fehlen oder nicht zu fehlen. Wir koͤnnten keine Pflicht
erfuͤllen,

Und alles fiele weg, was wir, vom Fall und Suͤndigen
gedacht.

Es wuͤrden gar, wie wir geſehn, in deinen angefuͤhrten
Schluͤſſen

Des unvergleichlichen Voltaire Abſcheulichkeiten folgen
muͤſſen,

Die er, ohn unſre Freyheit, findet. O nein, wir muͤſ-
ſen uns verſtehn!

Laßt uns nur auf den rechten Grund von unſrer Unterſu-
chung gehn.

Jch fechte keine Freyheit an, in unſerm Geiſt, ich
ſage nur,

So viel ichs zu ergruͤnden faͤhig, daß, in der menſchli-
chen Natur,

Sie in dem Willen nicht beſtehe, nein, daß wir zuge-
richtet ſcheinen,

Dasjenige ſo gleich zu wollen, wovon wir, daß es gut
ſey, meynen.

Auch iſt dieß keine Neuerung, noch bloß ein Wortſtreit,
deſſen wir

Wohl ohne Schad’ entbehren koͤnnten. O nein, wir
muͤſſen anders denken

Und unſre Geiſteskraͤft’ und Vorſicht auf einen andern
Vorwurf lenken,

Uns eine Fertigkeit verſchaffen in allen, gut- und boͤſen,
Sachen,

Von ihrem wahren Werth und Weſen Jdeen, welche wahr,
zu machen,
Wo-
[471]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Wodurch man gleich wird wollen lernen, was gut, was
boͤs iſt, nicht zu wollen,

Zu thun das Gute, weil es nuͤtzlich, das nicht zu thun,
was wir nicht ſollen,

Wenn wir von der verbotnen Sache die wahre Schaͤd-
lichkeit erkannt.

Ein ſolch Erkennen ſetzet uns, ohn’ allen Zweifel, in den
Stand,

Daß unſer Wille, ſonder Muͤhe, ſich fuͤr das Gute wird
erklaͤren,

Und daß man ein erkanntes Uebel nicht, wie vorhero, wird
begehren.

Der Will, ohn einen mehrentheils fuͤr uns fatalen
Kampf und Streit,
(So lang er naͤmlich im Verbotnen noch eine Luſt und
Suͤßigkeit

Zu finden meynet und verhofft, und doch das Gegentheil
ſoll waͤhlen)

Wird von ihm ſelbſt, aus Eigenlieb’, und ſonder Zwang,
ein wahres Gut,

Wenn wir es erſt fuͤr gut erkannt, nur wollen. Dieſes
kann nicht fehlen,

Weil niemand leicht, ihm ſelbſt zum Schaden, was will,
verlanget, oder thut.

Sprich nicht: du irreſt; denn wir wiſſen, daß oftermal
in unſern Seelen

Wir eine Sach’ als gut erkennen, und darum doch das
Boͤſe waͤhlen *.

Sprich, ſag’ ich, dieſes nicht. Denn hoͤr’! ein ſolcher,
der was Boͤſes thut,
G g 4Ver-
[472]Vermiſchte Gedichte

Vermeynt, in dem erwaͤhlten Boͤſen, ſey fuͤr ihn wirklich
noch ein Gut.

Zum Beyſpiel: Wolluſt oder Rache ſucht einer nimmer
auszuuͤben,

Zumal wo er es ſtraͤflich haͤlt, faͤnd’ er, durch eine Suͤſ-
ſigkeit,

Die ſich in beyden fuͤr ihn findet, und die ihm gut ſcheint,
nicht getrieben,

Ein gegenwaͤrtig ſcheinend Gut dem kuͤnftgen Guten vor-
zuziehn,

Er thaͤt es ſonſt wahrhaftig nicht, und wuͤrd’ ein kuͤnftig
Uebel fliehn.

Wer iſt, der wohl mit kaltem Blut ſucht einen Men-
ſchen umzubringen?

Wer wird mit Vorſatz, bloß zur Luſt, in ſuͤßem Weine
Gift verſchlingen?

Die Laſter ſcheinen alle ſchoͤn, und dieſes macht, daß wir
ſie waͤhlen,

Entlarvten wir ſie durch Vernunft und durch die Bil-
dungskraft der Seelen,

Ja ſtellten uns das wahre Bild, die wahre Scheußlich-
keit von ihr,

Sammt Strafe, Reu und Scham, als ihren Begleiterin-
nen, lebhaft fuͤr,

Wir wuͤrden einen Abſcheu fuͤhlen, wir wuͤrden nicht ſo
oͤfters fehlen;

Man wuͤrde ſie nicht waͤhlen wollen. Bey der erkannten
Eigenſchaft

Wuͤrd’ unſers ganzen Willens Kraft

Nicht einmal auf die Probe kommen. Jn wie viel groͤß-
rer Sicherheit,
Wuͤrd’
[473]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Wuͤrd’ man ſo dann fuͤr Laſter ſeyn, als itzt, da in dem
lieben Streit,

Wenn wir noch dann und wann einſt ſiegen,

Wir dennoch mehrentheils erliegen.

Was liegt noch uͤberdem an Kraͤften der Kunſt uns vor-
zuſtellen, nicht!

Da uns die Phantaſey ja meiſt, wenn uns was Widri-
ges geſchicht,

Der Sachen Widrigkeit vergroͤßert, und ſie daher noch
ſchwerer macht,

Als wie ſie an ſich ſelber ſind. Wir koͤnnen alſo deut-
lich ſehen,

Daß wir ſelbſt unſers Ungluͤcks Schmiede. Die meiſten
Dinge, die geſchehen,

Sind ohne das nicht, was ſie ſind; ſie ſind das, wozu
man ſie macht.

Und dieß geſchiehet durch den Misbrauch der Phantaſey
faſt ganz allein,

Durch die doch, wenn man ſie recht brauchte, man faͤhig
waͤr, begluͤckt zu ſeyn:

Jndem ein Menſch, der eine Kraft beſitzt, ſich etwas
vorzuſtellen,

Vermoͤgend iſt, ſie zu verzuckern, und ebenfalls ſie zu
vergaͤllen.

Beſitzen wir nun dieß Vermoͤgen, wie wir es in der That
beſitzen;

Warum bemuͤhen wir uns nicht, ſie zu gebrauchen, uns
zu nuͤtzen,

Anſtatt, daß, durch dieſelbe Kraft,

Man, durch derſelben Misbrauch bloß, ſich tauſend Un-
vergnuͤgen ſchafft?

G g 5Da
[474]Vermiſchte Gedichte
Da wir auf dieſem Kreis der Erden

Ja durch die Meynungen allein

Begluͤcket und ungluͤcklich werden,

Vergnuͤgt und unzufrieden ſeyn;

Warum beſtreben wir uns nicht,

Da ſolche groͤßten Theils im Denken,

Ja in und aus uns ſelbſt beſtehn,

Mit mehrerm Ernſt dahin zu ſehn,

Sie fuͤr, nicht gegen, uns zu lenken?

Die Meynung wird an keinem Ort, als in und von uns
ſelbſt, gezeuget,

Es haͤngt bloß von uns ſelber ab, was uns erhebt und
niederbeuget:

So fodert es ja die Vernunft, und es erheiſchen unſre
Pflichten,

Nach Moͤglichkeit uns zu beſtreben, die Meynungen wohl
einzurichten,

Wofern uns ſoll zu helfen ſeyn, weil von den aͤußerlichen
Dingen

Die wenigſten in unſrer Macht, ſie zu veraͤndern und zu
zwingen.

Jch kann mich, zum Exempel, nicht zum Grafen oder
Fuͤrſten machen:

Allein es ſteht bey mir, die Meynung, ob koͤnnte man
nicht gluͤcklich ſeyn,

Als in ſo hohem Stand allein,

Als eine Thorheit zu verlachen.

So denket Polidor und iſt nicht unvergnuͤgt;

Wenn N. hingegen ſtets von Harm und Gram beſiegt,

Weil er nicht nur kein Fuͤrſt, nicht einſt ein Edelmann.

Wer anders, als er ſelbſt, iſt Schuld daran,

Daß ihm in ſeinem Buͤrgerleben

Kein einzig Gut Vergnuͤgen geben,
Nichts
[475]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Nichts freuen noch ergetzen kann?

Er ſelbſt iſt ſeines Elends Meiſter,

Er ſchmiedet ſelbſt ſein Ungluͤcksjoch mit Muͤh,

Er zeuget ſelbſt ſein’ eigne Plagegeiſter,

Kein andrer, als er ſelbſt, ernaͤhret ſie.

Um aber nun es bey der Lehr und gutem Rath nicht
bloß zu laſſen,

So laßt uns uns annoch bemuͤhn, mit ernſtlichem Be-
dacht zu faſſen,

Was eigentlich die Phantaſey, und wie mans etwan an-
zufangen,

Zu einer Kraft und Fertigkeit, ſie zu verbeſſern, zu ge-
langen.

Die Kraft, uns etwas vorzuſtellen, ſcheint faſt der
Seelen beſte Kraft,

Doch hat ſie, wenn man ſie betrachtet, die ganz be-
ſondre Eigenſchaft,

Daß ſie ſich mit dem Sinnlichen in ihrer Handlung
meiſt verbindet,

Und in demſelben wenigſtens den Anfang ihrer Wirkung
findet.

Durchs Sinnliche ſcheint ſie nachher ſich vollenkommener
zu zeigen,

Und allgemach, recht ſtaffelweiſe, durch ſie zum Geiſtigen
zu ſteigen,

Da denn, wann ſie ſich allgemach von dem, was koͤr-
perlich, entfernt,

Sie wohlgebundne Schluͤſſe machen, und ohne Bilder
wirken lernt.

Ob ſolches nun, dem Spiegel gleich, durch geiſtigs
Bilderwerk geſchehe,
Wie
[476]Vermiſchte Gedichte

Wie oder, ob in unſrer Seele dieß wo auf eine Art be-
ſtehe,

Daß ſie ſelbſt mit ſich gleichſam rede, und eine Faͤhigkeit
beſitze,

Jhr ſelber etwas vorzutragen,

Ja faſt als waͤre ſie getheilt, ſich gleichſam ſelbſt um Rath
zu fragen,

Und uͤber Dinge, die ihr ſchaͤdlich, auch uͤber ſolche,
die ihr nuͤtze,

Sie ihr ſelbſt Antwort koͤnne ſagen,

Jſt wohl ſo leicht nicht zu erklaͤren.

Doch kann hie von was recht beſonders der große Schaffts-
bury uns lehren *,

Wenn er, zum Beyſpiel, folgends ſchreibt.

Nun
[477]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Nun fragt ſichs, ob der Menſch im Stande, Vorſtel-
lungen ſich ſelbſt zu machen,

Ob ihm nicht Gegenwuͤrf’ und Umſtaͤnd’ und Bilder
von verſchiednen Sachen

Zu dieſer Geiſtkraft noͤthig ſeyn? und ob nach deren
Eigenſchaft

Sich unſre Phantaſey nicht richte? ſo daß ſie mehr und
minder Kraft,

Nachdem die Gegenwuͤrfe gut, wie oder ſchlecht ſind,
ſelbſt erlange,
Sich
*
[478]Vermiſchte Gedichte

Sich Bilder deutlich zu formiren, und auch nachher,
wenn der Verſtand

Sie nach der Richtigkeit erwogen, die Seele, was er
gut erkannt,

Nach ihrem eigentlichen Weſen ſodann zu haben nicht
verlange,

Und, was er ſchaͤdlich haͤlt, verwerfe? Dieß wird nicht
weniger geſchehn

Jn Dingen, wo man Wahrheit ſucht. Da, wie die
Phantaſie wird meynen,

Man, was uns wahr ſcheint, wird bejahen, und auch
das Gegentheil verneinen.

Hieraus wird jedermann nun leicht, und faſt unwi-
derſprechlich, ſehn,

Wie viel an dieſer Kraft gelegen, da, ſo, wie wir von
allen Sachen,
Uns,
*
[479]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Uns, kraft der regen Phantaſey, Vorſtellung und Jdeen
machen,

Man gleich geneigt, ſie zu verlangen, haͤlt man ſie gut,
und ſcheint ſie wahr,

Wird man ihr alsbald Beyfall geben. Es iſt dahero
ſonnenklar,

Daß, wenn wir wollen richtig wandeln, daß, wenn
wir wollen gluͤcklich ſeyn,

Daß, wenn wir wollen weiſe werden, wir unſre Phan-
taſey allein

Wohl einzurichten ſuchen muͤſſen: denn ſtellt dieſelbige
ſich ihr

Die Dinge, wie ſie in der That und in dem wahren
Weſen, fuͤr,

Die Tugenden in ihrem Glanz und ruhiger Beſchaffen-
heit,

Die Laſter in der ſchwarzen Tracht und ekelhaften Scheuß-
lichkeit,

Mit allen ihren ſchlimmen Folgen; Unmoͤglich koͤnnten
unſre Seelen

Die erſten fliehn, die letzten waͤhlen.

Unmoͤglich irrte man, wie jetzt. Uns wuͤrde bloß die
Tugend reizen,

Uns blendete kein Laſter mehr, wir wuͤrden uns dagegen
ſpreizen.

Zoͤg’ eine kluge Phantaſey der Laſter ſchoͤne Larven ab,

Die ſie, bishero ſelbſt bethoͤret, denſelben meiſtens ſelber
gab;

Der Wille wuͤrde nimmer wollen mit ihren ſcharfen
Dolchen ſpielen,

Er wuͤrde den geringſten Reiz zu ihrer Haͤßlichkeit nicht
fuͤhlen.
Sollt’
[480]Vermiſchte Gedichte

Sollt’ unſre Phantaſey, zum Beyſpiel, der Geilheit
ſchoͤne Larve koͤnnen

Von ihrem ekelhaften Koͤrper und eiterichtem Weſen
trennen:

Sollt’ ihr die ſchwere Voͤllerey, befleckt mit ausgekotzten
Speiſen,

Die Trunkenheit voll Stank und Zank, mit Kopf- und
Magenweh ſich weiſen:

Sollt’ ihr der Geiz ſein’ Angſt und Sorgen, der ſchiele
Neid ſein Schlangenhaar,

Der blinde Zorn den blutgen Dolch, die ihm ſtets dro-
hende Gefahr,

Die Faulheit ihren Lohn, die Armuth, ganz nackt und
hungrig, ſehen laſſen;

Wuͤrd’ jeder nicht ſolch ſcheußlich Heer verfluchen, mei-
den, fliehen, haſſen?

Fuͤr die wir, da wir uns dieſelben oft anders vorzuſtel-
len pflegen,

So viele Neigung, ſolchen Trieb, ſo bruͤnſtiges Verlan-
gen hegen.

Zwar zeiget dann und wann in uns wohl der Verſtand
im Ueberlegen

Derſelben Schaͤdlichkeit uns an, da wir denn auch noch
wohl zuweilen,

Zumal wenn wir aufs Kuͤnftge denken, deſſelben Rath
Gehoͤr ertheilen.

Allein wir gleichen, in dem Stande, den kraͤnklichen
Naturen faſt,

Die bloß von Arzeneyen leben. Sie haben zwar zuwei-
len Raſt,

Doch bricht die Krankheit wieder durch. So auch bey
uns die Leidenſchaften,
So
[481]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

So lange wir die große Kraft uns etwas vorzuſtellen, nicht

Jn uns bedachtſam ausgebeſſert, ſo daß bey uns der
Wahrheit Licht

Nicht durch der Falſchheit Nebel bricht,

Und wir die noͤthge Fertigkeit, der Dinge wirkliche Ge-
ſtalten

Wohl zu beleuchten, nicht erhalten;

Wird unſer Wille ſelten nur, ſo, wie wir billig wollen
ſollen,

Um gluͤcklich und vergnuͤgt zu ſeyn, und recht zu leben,
wollen wollen.

Wann aber erſteres geſchicht, wuͤrd’, allem Anſehn
nach, in allen

Der Will, aus wahrer Eigenliebe, beſtaͤndig auf das
Gute fallen.

Ein junger Menſch iſt zu bedauren, die Wolluſt iſt ihm
unbekannt,

Er weis nicht, daß ſie ſeinen Koͤrper erſchoͤpft, die be-
ſten Kraͤfte ſtielt,

Jhn ſchwaͤcht, und vor den Jahren alt macht, in einen
kuͤmmerlichen Stand,

Sowohl an Leib als Geiſt, ihn ſtuͤrzt: Ja ſo auf ſein
Verderben zielt,

Daß ſie mit marternden Geſchwuͤren und Wuͤrmern
Mark und Blut durchwuͤhlt,

Jhn aller Welt zum Scheuſal macht, um Ehre, Gut
und Blut ihn bringet,

Und eines ſuͤßen Eheſtandes Vergnuͤgen zum Voraus ver-
ſchlinget;

Ja daß ſie, damit nicht vergnuͤgt, den Gift noch in die
Kinder floͤßt;

Ein ganz Geſchlecht auf viele Jahre von regem Lebens-
ſaft entbloͤßt;
H hDurch
[482]Vermiſchte Gedichte

Durch ſein verdorbnes Blut das Blut der Kindeskin-
der noch verdirbet,

Daß dieß nicht minder, wie der Vater, in Schmerzen
lebt, und elend ſtirbet.

Wenn mancher ſich auf dieſe Art die Wolluſt vorzu-
ſtellen wuͤßte,

Und ſaͤh ſie ſeine Phantaſey mit allen ſchlimmen Folgen an,

So weis ich nicht, ob er wohl ſollte den Gift ſo ungluͤck-
ſelger Luͤſte,

So eifrig, als anjetzt, verlangen; obwohl, wie jetzo
jedermann,

Da wir ſie uns nicht wie ſie ſind, nur wie ſie ſcheinen,
vorgeſtellt,

Sie aͤrger denn vermeiden wuͤrde, als das Gefaͤhrlichſte
der Welt?

So geht es auch mit andern Laſtern, die alle dadurch
ganz allein,

Daß ſie in unſrer Phantaſey viel anders ſcheinen, als ſie
ſeyn,

So ſuͤß, ſo angenehm uns ſcheinen. Ach, daß man dieß
nicht uͤberlegt:

Daß jedes Laſter ſeine Strafe wahrhaftig auf dem Ruͤ-
cken traͤgt!

Dem allen tritt noch dieſes bey, daß uns, bey der
Unwiſſenheit

Von ihrem Greul, nach der darinn von uns geglaubten
Suͤßigkeit,

Faſt das Verbot die Luſt noch mehret, indem uns die
Erfahrung lehrt,

Daß wir nach dem Verbotnen ſtreben, wovon der Grund
denn leicht zu finden,

Weil wir in dem, was uns verboten, das Schaͤdliche
nicht leicht ergruͤnden.
Das
[483]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Das Unterſagen reizt das Wollen, weil das ſich vorge-
ſtellte Gut,

Uns, oft daran zu denken, reizt, und dadurch ſtaͤrkre
Wirkung thut.

Man kann demnach mit großem Recht, und ohn die
Wahrheit zu verletzen,

Sich wohl getrauen, dieſen Satz, als einen Grundſatz,
feſt zu ſetzen:

Gebrauchten wir, bey der Vernunft, von unſrer Phan-
taſey die Kraft

Die Wahrheit uns recht vorzuſtellen; wer wuͤrde doch
wohl laſterhaft,

Wer boͤs und ſtraͤflich werden wollen? Ach, laßt uns
dieß denn wohl erwaͤgen,

Wie an der Kraft uns vorzuſtellen, uns ſo unglaublich
viel gelegen!

B. Jch habe dieſe deine Schluͤſſe mit Ernſt und mit
Geduld gehoͤrt,

Und find’ ich ſie ſo ſtraͤflich nicht, als wie ſie mir zuerſt
geſchienen;

Soll aber ich derſelben ſicher, als einer Wahrheit, mich
bedienen,

So ſtimm ſie erſtlich mit den Saͤtzen, die der beruͤhmte
Hollmann *lehrt.


H h 2Das
[484]Vermiſchte Gedichte

Das gezwungene Bekenntniß.


Dieß ſind die Triebe, die ſich faſt bey allen Menſchen

finden laſſen:

Sie ſuchen zu erniedrigen, was ſie bewundern, und ſie

haſſen

Die, ſo ſie nicht verachten koͤnnen; ſie ſind, an denen,

die ſie ſchaͤtzen,

Bemuͤhet, Fehler zu entdecken, an ihnen etwas auszu-

ſetzen.

Doch zwinget ſie die Macht der Tugend und der Ver-

dienſte zum Vertrauen

Zu der in ihnen anerkannten aufrichtigen Beſchaffenheit.

Dieß zeigt der Tugend wahren Werth und iſt nicht an-

ders anzuſchauen,

Als ein gezwungenes Bekenutniß von ihrer Ungerech-

tigkeit.


Ver-
[485]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Vergnuͤgen an der Kreatur, erlaubt
und noͤthig.


Wir muͤſſen alle Luͤſte meiden.

Die ſinn- und koͤrperliche Freuden

Die muͤſſen unſre Seelen nicht mit ihrem
eitlen Joch beſchweren,

So hoͤr ich P - und K - - lehren.

Jch dachte bey mir ſelbſt: das geht zu weit.

Da wir auf unſrer Welt aus Seel u. Leib beſtehen,

So muß ja die Beſchaffenheit,

Wozu wir uns allhier durch Gott bereitet ſehen,

Nicht ſtraͤflich, nicht veraͤchtlich ſeyn.

Warum, da Seel und Koͤrper hier ſich fuͤgen,

Soll ſich der Geiſt am Koͤrper nicht vergnuͤgen?

Jſt denn der Koͤrper Schmuck und Pracht

Nicht auch ein Wunderwerk, ſo Gott hervorgebracht?

Sind ſie nicht ſeiner Allmacht Proben,

Und kann man nicht den Schoͤpfer auch,

Jn ihrem froͤlichen Gebrauch,

An Jhn dabey gedenkend, loben?

Sind wir nicht in der Bibel gar

Auch auf die Kreatur, die koͤrperlich, gewieſen?

Sagt ſie nicht klar:

Der Schoͤpfer wird durch das Geſchoͤpf geprieſen?

Mich deucht vielmehr, wo man allhier,

Ohn, an der Kreaturen Zier,

Sich, durch die Sinnen, zu ergetzen,

Und Gott in ihnen hochzuſchaͤtzen,
H h 3Sich
[486]Vermiſchte Gedichte

Sich will, allein im Geiſt, vergnuͤgen;

Man wolle, ſonder Fluͤgel, fliegen;

Und, bloß aus Hochmuth, hier der Ordnung wider-
ſtreben,

Die uns in unſerm Leben

Von dem, der alles ſchuf und alles liebt,

Der alles Gute wirkt und giebt,

Uns in ſo reichem Maaß gegeben.

Dieß heißt fuͤrwahr, wenn wir es recht betrachten,

Sein herrlich Werk nicht nur, ſelbſt Gott darinn, ver-
achten.


Der
[487]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Der Widerſpruch in den menſch-
lichen Wuͤnſchen.


M.Wie eilt, wie laͤuft, wie fleucht die Zeit! N. Wie
dauret mir die Zeit ſo lange!
M. Wie angenehm iſt die Geſellſchaft! N. Wie oft
macht mich ein Schwaͤtzer bange!
M. Ach waͤr ich ein geheimer Rath! N. Mich reizt
der guͤldne Mittelſtand.
M. Wie lieblich iſt die edle Freyheit! N. Wie angenehm
der Liebe Band!
M. Wie ſuͤß iſt doch die ſtille Ruhe! N. Wie gerne bin
ich auf der Reiſe!
M. Wie wuͤnſch ich einſt vermaͤhlt zu ſeyn! N. Wie
ekelt mich vor dieſer Speiſe!
M. Ach moͤchte mich die Nachwelt kennen! N. Wer
unbekannt, hat wohl gelebt.
M. Haͤtt’ ich des reichen Croͤſus Schaͤtze! N. Was hilft
dirs, wenn man dich begraͤbt?
M. Bey Hofe ſuch ich nur mein Gluͤck. N. Jch find’ es
beym Soldatenſtande.
M. Was bringt die Schiffahrt nicht fuͤr Luſt! N. Viel
ſichrer iſt es auf dem Lande.

Auf ſolche Weiſe wuͤnſcht und handelt das ganze
menſchliche Geſchlecht.

So ſaget M. ſo ſaget N. Wer aber hat, von bey-
den, Recht?


H h 4Unbillig-
[488]Vermiſchte Gedichte

Unbilligkeit gegen Gott.


Entweder iſt der Menſch geſchaffen zu ſeines Gottes Ehr
allein,

Wie oder von der Gottheit Lieb’ ein ewger Gegenwurf
zu ſeyn,

Wie oder auch zu allen beyden. Wo aber nicht, ſo bleibts
dabey,

Daß, da, von beyden, er zu keinem, er, ſonder Zweck,
erſchaffen ſey;

Weil niemand es geluͤſten wird zu ſagen, daß die Gottheit
wollte

Den Menſchen ſchaffen, damit er in Ewigkeit verdammt
ſeyn ſollte.

Nun leugnen wir (vielleicht aus Hochmuth) den
erſten Satz vermuthlich nicht:

Und dennoch iſt, zur Ehre Gottes, der Menſchen Thun
nicht eingericht.

Es ſcheint, es theile ſich die Welt hieruͤber in zwo Haͤlf-
ten ein,

Jn einer ehrt der Menſch nicht Gott, und in der andern
ſich allein.

Der andre Satz wird ebenfalls von wenigen geleugnet
werden,

Der dritte folglich auch zugleich. Und doch nimmt manchen
auf der Erden,

Sogar auch ſelbſt im Chriſtenthume, bey Chriſto ſelbſt,
ein Zweifel ein,

Ob, auch ſogar bey Reu und Glauben, die Gottheit
werde gnaͤdig ſeyn.

Dieß iſt gewiß ſo ungerecht von Gottes ewger Huld gedacht,

Daß es faſt leidlicher, zu ſagen: Es hat die Welt
ſich ſelbſt gemacht.

Die
[489]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Die Abſicht der Schoͤpfung.


Das wundervolle Buch der lehrenden Natur

Zeigt uns ein liebend- weiſ- allmaͤchtges Wunder-

weſen,

Und giebt es unſerm Geiſt auf jedem Blatt zu leſen.

Von ſeinem Daſeyn zeigt ſich uͤberall die Spur,

Den Seelen praͤget er von ſeinem wahren Seyn

Den deutlichſten Begriff in dem Begriff ſelbſt ein,

Daß er, durch ſeine Guͤt, Erbarmung, Huld und Lieben

Nur ganz allein getrieben,

Geſchoͤpf’ hervorgebracht, um ihnen wohlzuthun.

Auf Liebe kann allein der wahre Grund beruhn,

Daß etwas worden iſt. Die Gottheit brauchte nicht,

Als aller Seligkeit ſelbſtaͤndig’ ewge Fuͤlle,

Noch ſeliger zu ſeyn. Dieß zeiget uns das Licht

Der denkenden Vernunft, auch, daß des Schoͤpfers Wille

Wohl nicht geweſen ſey, Geſchoͤpfe zu erſchaffen

Zu dieſer Abſicht bloß, die Fehler zu beſtrafen,

Und folglich, daß er unſer Weſen

Zu einem Gegenwurf von ſeiner Streng’ erleſen,

Gerechtigkeit genannt. So viel befinden wir,

Daß Gott in unſern Geiſt ſelbſt den Begriff geſenket,

Daß man an ſolchen Satz ohn Abſcheu nicht gedenket.


H h 5Betrach-
[490]Vermiſchte Gedichte

Betrachtungen
uͤber den
Zuſtand eines Armen u. eines Reichen
beym Abſchiede aus der Welt, aus der
Vernunft.


Laßt uns den Stand der Sterblichen in dieſer Welt mit
Ernſt betrachten,

Auf den ſo großen Unterſcheid, der zwiſchen Arm- und
Reichen, achten!

Um in der Aenderung von beyden, in dieſem, und nach
dieſem Leben,

Den letzten eine treue Warnung, den erſten einen Troſt,
zu geben.

Wenn wir, von vielen Millionen, ihr ganzes Leben
uͤberſehn,

Mit ihnen von der Wiegen an bis ganz zu ihrem Grabe
gehn,

So wird man nicht begreifen koͤnnen, zu welchem Zweck
ihr Leben ihnen

Gegeben worden, und wozu ihr ganzes Hieſeyn ſollen
dienen.

Alles, was hier die Natur lieblichs hat und an-
genehm,

Alles, was auf dieſer Erden ſuͤß, ergetzlich und bequem,

Jſt denſelben unterſaget. Alle Pein von Froſt und
Winden,

Alle Noth von ſchwuͤler Hitze muͤſſen ſie allein em-
pfinden;
Sie
[491]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Sie ertragen, ohne Lindrung, allen Zorn der Jahres-
zeiten,

Sonder ihren mildern Einfluß und derſelben Lieblichkeiten

Je zu fuͤhlen, zu genießen. Ein beſtaͤndger Lebenszwang

Folget ihnen auf den Fuß, und begleitet ihren Gang,

Laͤſſet ſie kaum Athem holen. Er entreißet ſie dem
Schlummer,

Wenn er ihnen noch ſo noͤthig, und verlaͤngert ihren
Kummer.

Seel und Koͤrper iſt denſelben mehrentheils faſt einerley,

Kaum begreifen ſie, ob die von dem unterſchieden ſey.

Jhre Pflicht ſcheint ſonſt in nichts zu beſtehn auf dieſer
Erden,

Als unausgeſetzt zu reden nur mit Eſeln und mit Pferden,

Der ſie ihnen anvertrauet, haͤlt ſie meiſt einander gleich,

Ja er haͤlt von jenen oͤfters mehr, ihr Armen, als von
euch.

Jhnen iſt der Freyheit Schatz, der ſo ſuͤß iſt, nicht
bekannt,

Und noch weniger die Freyheit am Gemuͤth und am Ver-
ſtand.

Alle Faͤhigkeit zu denken iſt denſelbigen verborgen,

Sammt dem Nutzen und Gebrauch, alles iſt nur ange-
wandt,

Jhre Arbeit zu erdulden, und nur bloß davor zu ſorgen,

Daß ſie Plagen, Schmerz und Pein,

Nur ſo wenig als es moͤglich, moͤgen ausgeſtellet ſeyn.

Nun trifft man, im Gegentheil von denſelben,
Menſchen an,

Wovon man, mit großem Recht, dieſes wirklich ſagen
kann:
Die
[492]Vermiſchte Gedichte

Die Natur ſey ganz fuͤr ſie. Ja, dieß iſt faſt nicht genug,

Und man ſagt davon mit Fug,

Daß wie reich auch die Natur, wie ihr Gut ſo mancherley,

Sie doch ihnen, vor ſich ſelbſt, nicht einmal genugſam
ſey.

Jene, die, dem Anſehn nach, bloß fuͤr ſie erſchaffen ſeyn,

Muͤſſen ſich beſtaͤndig plagen, unaufhoͤrlich ſich bemuͤhen,

Stets mit allen Kraͤften wirken, und am Joch der Ar-
beit ziehen,

Jhnen durch die Kunſt zu ſchaffen etwas, welches un-
gemein.

Wird die Faͤhigkeit von dieſen faſt allein dazu verwandt,

Jhren Jammer zu erdulden, oder ihre Pein zu tragen;

Brauchen jene dazu bloß ihren ſinnenden Verſtand,

Durch die Kunſt aus der Natur was behaͤglichs zu er-
jagen.

Der, durch andrer Arbeit, ihnen ſtets verſchaffte Muͤßig-
gang

Wuͤrde ſie annoch beſchweren, und die Zeit wuͤrd’ ihnen lang,

Wenn ſie dieſe nicht verkuͤrzten, wenn ſie jenen nicht er-
fuͤllten

Mit dem Auserleſenſten, ſo man nur erſinnen kann;

Denn ſie wenden alles an,

Um nicht ihre Sinnen nur, ihren Geiſt auch, zu ergetzen,

Weil ſie auch fuͤr dieſen ſorgen, und ihn minder nicht
geziert

Als den Koͤrper, wiſſen wollen. Sie bereichern ihn
mit Schaͤtzen

Von gelehrter Wiſſenſchaft. An verſchiednen wird ge-
ſpuͤrt,

Daß ſie auf die Weltweisheit eifrig ihr Bemuͤhen lenken,

Daß ſie uͤberlegen, denken.

Wenn
[493]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Wenn nun dieſe ihren Blick auf die plumpen Geiſter
wenden,

Die faſt nichts vom Denken wiſſen, und nur bloß mit
ihren Haͤnden

Fuͤr der Reichen Wolluſt wirken; wie veraͤchtlich ſehn
ſie ſie,

Mit wie vielem Hochmuth an! Welche dumme Kreatu-
ren

Sind doch die geringen Leute! ſind in ihnen doch kaum
Spuren,

Kaum ein Schatten vom Verſtand, es iſt nichts in ſie
zu bringen,

Und ſie ſind zu allen Sachen mit der Strenge bloß zu
zwingen.

So vollfuͤhren beyde Theile ihren Lebenslauf auf Er-
den,

Bis ſie beyde durch den Tod aus der Welt gefuͤhret
werden.

Hier nun endet ſich, fuͤr uns, dieſe Scene. Und uns
fuͤhren

Unſre Sinnen weiter nicht. Aber ſollte unſer Geiſt

Nicht noch etwas tiefer dringen, und ein mehrers hievon
ſpuͤren,

Als der aͤußre Sinn uns weiſt?

Leitet uns ein unausloͤſchlichs und ein tiefes Denken
nicht

Dahin, uns nach dieſem Leben, und der Dauer dieſer
Zeit,

Eine ganz verſchiedne Scene, gleichſam wie ſelbſt im
Geſicht

Von denſelben vorzuſtellen, in der fernen Ewigkeit.
Denn
[494]Vermiſchte Gedichte

Denn daß Gott, die ewge Liebe, ſollte Kreaturen ſchaf-
fen

Zu dem Zweck, ſo lang’ ſie dauren, unaufhoͤrlich ſie zu
ſtrafen,

Sonder ſich auch ihnen einſt, als ein Vater, zu erzeigen,

Sonder je mit ſeiner Guͤte auch zu ihnen ſich zu neigen,

Jhnen nimmer Guts zu thun; ein ſolch ſtraͤfliches Ge-
richt

Faͤllet ein vernuͤnftger Geiſt von der ewgen Liebe nicht.

Laßt uns denn, wofern wir koͤnnen, alle Meynungen
vergeſſen,

Die Erziehung, Vorurtheil, uns von einer andern
Welt

Bis dahero vorgeſtellt,

Und nur das zu Rathe nehmen, was wir faſſen und er-
meſſen!

Was fuͤr ein veraͤndert Bild, ſtellt ſich uns natuͤrlich
fuͤr,

Wenn man an die Menſchen denkt, die ſo gar verſchiedlich
lebten.

Setzet dieß nur, daß ſie dauren, daß, von Dingen wel-
che hier

Mit denſelben vorgegangen, noch Begriff’ an ihnen kleb-
ten.

Dieſes iſt der erſte Satz, welchen wir von denen ſchließen,

Die hier Muͤh und Noth gedruͤcket, daß nach uͤberſtand-
nem Leid

Sie der Ruhe Suͤßigkeit

Ungeſtoͤret nun genießen.

Der ſo bittern Noth zu leben unertraͤglichem Beſchwer

Sind ſie nun einmal entnommen, und ſie quaͤlet ſie nicht
mehr.
Die
[495]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Die Entfernung ſolcher Marter, wovon ſie nunmehro
frey,

Jſt fuͤr ſie ſchon ein Vergnuͤgen, welches ihnen gaͤnzlich neu.

Noch ein’ andre Aenderung hegt fuͤr ſie ihr neuer Stand,

Dieſes iſt des Geiſtes Freyheit, die ſie hatten, und nicht
fuͤhlten,

Wovon ſie, daß ſelbe nicht ihnen eigen, davor hielten,

Und ſie fuͤr geſchenkt jetzt halten, ſo ſehr war ſie unbe-
kannt.

Nimmer hatten ſie geglaubt, daß dieß Gut mit ihrem
Weſen

Eigentlich verbunden war, und da ſie es jetzo ſpuͤren,

Muß nothwendig die Entdeckung ſie um deſto mehr noch
ruͤhren,

Und ihr Stand ſie mehr erfreuen, dazu ſie nunmehr erleſen.

Wozu leitet die Entdeckung ihre rege Seele nicht!

Die begrabnen Faͤhigkeiten fallen ihnen ins Geſicht,

Sie erblicken einen Schatz, welchen ſie vorher beſeſſen,

Aber, ſonder ihn zu kennen, noch die Wuͤrde zu ermeſſen.

Jhnen zeiget ſich die Wahrheit, wovon ſie nicht einſt
den Schatten,

Keinen Eindruck, noch Begriff, in dem vorgen Leben,
hatten.

Die Erinnrung des Vergangnen laͤßt ſie kraͤftiger noch
ſchmecken

Jhr nun gegenwaͤrtges Gut; und von ihrem neuen Leben

Den nunmehr entdeckten Vortheil, um ſo mehr annoch,
entdecken.

Aber laßt uns nun auch einſt auf die andern Achtung
geben!

Die Jdee ſo wir zuerſt von denſelben haben muͤſſen,

Jſt, daß ihnen alle Vorwuͤrf’, die ſo angenehm, entriſſen.
Alles
[496]Vermiſchte Gedichte

Alles Sinnliche, worinn ſie ſo viel Vergnuͤgen funden,

Jſt dahin, und alle Luͤſte ſind, als wie ein Nauch,
verſchwunden.

Feruer, alles das, was ſie, ihrem Geiſt zum Schmuck,
erleſen,

Hoͤret auf, und alle Muͤhe, die ſie, um mit ihm zu pran-
gen,

Sich auf dieſer Welt gegeben, iſt verlohrne Muͤh gewe-
ſen.

Sinnreich ſcherzen, eitles Gruͤbeln, alles iſt nunmehr
vergangen.

Bildeten ſie hier ſich ein,

Zum Regieren bloß gebohren, und, zum Herrſchen, hier
zu ſeyn,

Hatten ſie hier rings um ihnen

Leute die dazu gemacht, und dazu erzeuget ſchienen,

Jhren Geiz und ihren Luͤſten, ihrem Eigenſinn zu dienen;

Dort verkennet ſie ein jeder. Jhre Neigung, ihr Ver-
langen,

Und die heftigſten Begierden, deren hier ſo mancherley,

Finden einen Widerſtand, der, indem er ihnen neu,

Deſto unertraͤglicher; alles was er hier empfangen,

Alles Gute, das der Menſch hier auf dieſer Welt genoſ-
ſen,

Alle Luͤſte, die ihm hier aus dergleichen Gut entſproſſen,

Alles iſt nun nicht mehr da, ſo daß ihn ein Durſt be-
ſchwert,

Welcher ihm mit ſtrenger Hitze faſt ſein Jnnerſtes ver-
zehrt.

Da der Arme gegentheils bey dem gluͤcklichen Erblaſſen,

Statt Bequemlichkeit und Wolluſt und ſein Gluͤcke zu
verlaſſen,
Nichts
[497]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Nichts verlaͤßt, als Muͤhe, Sorge, Kraͤnken, Graͤmen,
Plag und Pein,

Wie verſchieden muß fuͤr beyde dieſer große Wechſel
ſeyn!

Wie noͤthig es daher den Reichen, daß ſie die Seelen
mit Jdeen,

Durch ein vernuͤnftiges Betragen, ſo lange ſie allhier,
verſehen,

Wodurch ſie, was ſie hier verlieren, und welches nicht
ſo hoch zu ſchaͤtzen,

Vermoͤgend werden zu erſetzen,

Damit ſie nicht dereinſten wuͤnſchen, ohn alle hier be-
ſeßne Gaben,

Die Zeit auf Erden zugebracht, und lieber arm gelebt
zu haben.


J iDie
[498]Vermiſchte Gedichte

Die von der
Durchl. Fuͤrſtinn von Schaumburg
von dem Verfaſſer verlangte Meynung
uͤber das Ahnden.


Du fragſt mich durch den weiſen Widow umſonſt,
Durchlaucht’ge Celimene,
(Die du, wie er dich mir beſchrieben, ſo weiſ’ und voller
Geiſt, als ſchoͤne,)

Wie fern die Kraft der Seelen geh’? und ob wir Sterb-
lichen die Gaben,

Vernuͤnftig was vorher zu ſehn, zu traͤumen und zu ahn-
den haben?

Und was dann eigentlich das Ahnden? Hier iſt mein
redlicher Bericht:

Jch weis es nicht.

Zwar koͤnnt’ ich leicht, wie viele Weiſen, um dein Ver-

langen zu erfuͤllen,

Mein’ Einfalt dir in dunkle Woͤrter und finſtre Perioden
huͤllen;

Jch koͤnnt ein Rieß Papier verſchreiben von allem, was
hervorgebracht,

Was Cajus, Marcus und Elpin, hievon gedacht, und
nicht gedacht,

Viel Maͤhrchen, viel Geſchicht erzaͤhlen, die theils geſchehn,
theils nicht geſchehen,

Was dem Athenodor geahndet, was dem getraͤumt, was
der geſehen;

Allein ich ehre dich zu ſehr,

Als daß, durch eitlen Stolz verfuͤhrt, ich dich zu taͤuſchen

faͤhig waͤr.
Die
[499]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Die reine Wahrheit zu geſtehen, halt ich, bey dir fuͤr
meine Pflicht.

Es iſt der Anfang meiner Lieder und auch der Schluß:
Jch weis es nicht.

Es traͤumet meiner eingeſchraͤnkten und wankenden Phi-
loſophie

Von einem gruͤndlichen Begreifen, und einem ſtrengen
Wiſſen, nie,

Jhr Grundſtein iſt: daß wir allhie zum Wiſſen nicht,
nur bloß zum Meynen,

Worinn doch oft die Wahrheit ſteckt, geformet und be-
ſchieden ſcheinen.

Jch habe meiner Seelen Kraͤfte nach allen Kraͤften un-
terſucht,

Was ich dir hier entdecken will, war meiner Unterſu-
chung Frucht:

Dieß fand ich, daß, wenn meine Seele der Sinnen
Werkzeug und die Welt

Zu Lehrerinnen nicht empfangen, ſie von ſich ſelbſt das
dummſte Weſen

Geweſen und geblieben waͤre. Nichts haͤtte ſich ihr vor-
geſtellt,

Sie haͤtte keine Lehren hoͤren, ſie haͤtte keine Schriften
leſen,

Nicht Licht, nicht Farben ſehen koͤnnen. Woher denn
haͤtten doch Jdeen,

Woher Gedanken, Ueberlegen, woher doch Schluͤſſ’ in ihr
entſtehen,

Sie zur Vernunft gelangen koͤnnen? Dieß iſt der Grund,
warum ich meyn’:

Es muͤſſen Sinnen, Welt und Seelen, zum Licht der
Wahrheit zu gelangen,
J i 2Nicht
[500]Vermiſchte Gedichte

Nicht von einander abgeſchieden, getheilet noch getrennet
ſeyn.

Vom Schoͤpfer haben wir dieſelben vermaͤhlet und ver-
eint empfangen,

Sie fuͤhren uns, wenn ſie vereint, zu unſrer großen Leh-
rerinn,

Die einzge Quelle wahrer Weisheit und Wahrheit, zur
Erfahrung, hin.

Macht einer etwan hier den Einwurf: ich geb es zu,
daß unſre Seelen,

Um zur Vollkommenheit zu kommen, mit Welt und Sin-
nen ſich vermaͤhlen,

Doch ſind ſie bloß die Mittel nur, ihr eigner Adel ſteckt
in ihr,

Wenn ſie den Stoff dazu bekommen, thut ſie ſich fuͤr ſich
ſelbſt herfuͤr,

Sie machet abgezogne Schluͤſſe, ſie formt und macht ihr
ſelber Fluͤgel,

Sie ſteigt und hebt ſich ſelbſt zur Gottheit, und dieß iſt
ihres Adels Siegel.

So geb ichs zu, dieß klinget ſchoͤn: allein, wo kommt der
Unterſcheid

Der abgezogenen Gedanken, wo kommt die Mannichfal-
tigkeit

Sich widerſprechender Jdeen, bey ſo viel klugen Seelen,
her?

Wenn man dieß ernſtlich uͤberlegt; ſo ſcheinen unſrer
Seelen Lichter

So von einander unterſchieden, als wie die menſchlichen
Geſichter.
Wie
[501]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Wie waͤr es nun, wenn unſer Stand auf Erden ſo geord-
net waͤr,

Daß wir der ſchoͤnen Welt genießen, und, durch vernuͤnf-
tigen Genuß

Derſelben, uns bereiten ſollten, zur uns dereinſt be-
ſtimmten Klarheit,

Von einer hier annoch verborgnen, und dort erſt aufge-
deckten Wahrheit.

Dieß ſey, Durchlaucht’ge Celimene, von meinem Eingang
nun der Schluß.

Jtzt wend’ ich mich zu deiner Frage: was ich von
Traͤum- und Ahnden meyne?

Jch meyne denn, daß es bey Seelen, die ſo geformt, kaum
billig ſcheine,

Solch Vorrecht ihnen zuzuſtehn.

Doch, man beruft ſich auf Erfahrung, erzaͤhlt unzaͤhlige
Geſchichte

Von wirklich eingetroffnen Traͤumen und Ahndungen,
man hat Geſichte,

Die nicht zu leugnen ſind, geſehn.

So iſt es meine Meynung nicht, dieß zu verwerfen, zu
verneinen,

Dieß waͤre Richten, und nicht Meynen.

Zu einem ernſtlichen Verneinen kann ich mich nicht ent-
ſchließen, nein,

Man muͤßt auf ſolchen Fall verlangen, weit kluͤger, als
ich bin, zu ſeyn.

Doch laß uns etwas unterſuchen! Zu anfangs wird man
mir geſtehn:

Daß von viel tauſend Ahndungen und Traͤumen, ſo wie
von Geſichten,
J i 3Die
[502]Vermiſchte Gedichte

Die allerwenigſten nur aͤcht, und ſo, wie ſie erzaͤhlt, ge-
ſchehn.

Die allermehreſten gehoͤren bloß zu phantaſtiſchen Ge-
dichten,

Die fallen alſo gleich hinweg. Von denen aber, wovon
man

So wenig an derſelben Wahrheit, als an der Folge,
zweiflen kann,

Jſt hier die Red’ allein. Wir wollen,

Daß aus dergleichen Ahndungen, von tauſend, hundert
wahr ſeyn ſollen,

So wird man von den hundert doch, vernuͤnftig, die al-
lein erleſen,

Die von der Gattung bloß geweſen:

Daß man ein Ungluͤck meiden koͤnnen, und daß man
ſolches in der That,

Durch ſolche Traͤum’ und Ahndungen belehrt, dann auch
vermieden hat.

Die andern, da vielleicht mein Blut geſtockt geweſen und
verdickt,

Wodurch verſchiedene Canaͤle vielleicht in meinem Hirn
gedruͤckt,

Beaͤngſtigung erreget haben, wo bald darauf von un-
gefaͤhr

Ein unvermeidlicher Verluſt, ein Fall, ein Ungluͤck
mich betroffen,

Dergleichen wird man, will ich hoffen,

Zu denen Ahndungen nicht zaͤhlen, die wir hier unter-
ſuchen wollen.

Zu welcher Abſicht haͤtte mir dergleichen Ahndung dienen
ſollen,
Da
[503]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Da doch das Ungluͤck unvermeidlich? Jch kann kein’
Abſicht hier ergruͤnden,

Und folglich keine Handlung hier von einem weiſen Weſen
finden.

Waͤr’ aber durch dergleichen Ahndung und Traum ein
Uebel abgekehrt;

So find’ ich, daß es allerdings zu dieſer Art mit Recht
gehoͤrt,

Die unſrer Unterſuchung wuͤrdig. Nun muͤßt’ ein ſolches
Prophezeyhn

Entweder in den Seelen liegen, wie oder auch von andern
Weſen,

Die außer uns ſind, an ſie kommen, und welche dazu
auserleſen,

Wie oder muͤßt’ es ſelbſt vom Schoͤpfer unmittelbar ge-
wirket ſeyn.

Das letzte ſcheinet mir von Gott nicht groß, nicht wuͤr-
dig gnug gedacht,

Denn ob man von dergleichen Traͤumen gleich vieles in
der Bibel lehrt;

So haben doch dergleichen Wunder, wie man uns lehret,
aufgehoͤrt.

Das andre lieget zwar fuͤr uns verborgen und in dunkler
Nacht,

Doch hielt’ ichs eben nicht unmoͤglich. Der Zweifel aber
faͤllt mir ein:

Wie muß die Zahl dergleichen Weſen, die uns belehren,
doch ſo klein,

Weil ſie ſo ſelten lehren, ſeyn!

So muͤßt’ es dann im dritten liegen, und muͤßten einige
von Seelen

Jn ſich was ganz beſonders haben, daß Dinge, die ſich
ſonſt verheelen,
J i 4Sich
[504]Vermiſchte Gedichte

Sich ihnen etwan fuͤhlbar machten. Sind die Erfah-
rungen nun wahr,

So muͤßten irgend ſolche Seelen von einer feinern Gat-
tung ſeyn,

Dieß ſtimmete mit unſrer Koͤrper Geſtalt und Formen
uͤberein,

Da einer ſchoͤner als der andre. Von meiner aber ſag
ich klar,

Daß mir nichts anders, als was naͤrriſch, ſich wider-
ſprechend, ungereimt,
(Ein einzigsmal nur ausgenommen) ſo lang ich auch
gelebt, getraͤumt.

Doch hindert dieß nicht, daß ein’ andre geſchickt’re Seele
dieſe Gabe,

Daß, wenn ſie ohne Sinnen denkt, ſie beſſer denkt, em-
pfangen habe.

Hieraus nun folget dieſer Schluß:

Daß man nicht alle Traͤume tadlen, noch Ahndungen
verachten muß.

Dieß waͤre meine Meynung nun von Ahndungen und
von den Traͤumen.

Jſt nun nicht viel belehrendes und nuͤtzliches in meinen
Reimen,

So liegt der Fehler nicht an mir. Jch zeigte meine
Meynung an,

Und dieſes hab ich aus Gehorſam auf gnaͤdigen Befehl
gethan.

Wiewohl die Arbeit ſonder Muͤh und ſonder Unluſt nicht
geſchehen:

Wem kann es wohl Vergnuͤgen bringen, wenn man be-
ſtaͤndig muß geſtehen:
Man
[505]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Man wiſſe dieſes nicht, nicht jenes. Es leidet unſer
Stolz dabey,

Zu ſagen, daß der Geiſt kein wiſſend, und nur ein mey-
nend Weſen ſey.

Doch troͤſt ich mich, daß meine Meynung von ſolchem
Meynen doch die Wahrheit

Nicht immer von derſelben banne, und daß ich oft mit
großer Klarheit,

Was wahr iſt, von der Wahrheit meyne. Es kann
der Satz zum Beyſpiel dienen,

Den ich jedoch mit tiefer Ehrfurcht mich vorzubringen
muß erkuͤhnen.

Es trog mich meine Meynung oft, doch iſt ſie itzt
vom Jrrthum frey:

Jch meyne von der Celimenen,

Daß ſie, von allen klugen Damen, und daß ſie von den
ſchoͤnſten Schoͤnen

Ein rechter Auszug, kurz, ein Muſter durchlaucht’ger
Prinzeßinnen ſey *.


J i 5Neu-
[506]Vermiſchte Gedichte

Neujahrs-Gedicht,
1746
.


Gott Lob! es naͤhert unſre Flaͤche der Erde ſich zur
Sonne wieder!

Der kuͤrzſte Tag iſt ſchon verſchwunden, wir treten in ihr
Stralenreich,

Das Leben, Waͤrm’ und Licht erfuͤllen. Jhr Erdenbuͤr-
ger, freuet euch,

Und ſingt dem, der ſo Welt als Sonne erſchuf und len-
ket, Lobeslieder!

Da wir nun, durch die Wunderordnung des Schoͤpfers,
in dem Drehn der Erden

Nach unſrer Sonne Lebenslicht itzt wiederum gewendet
werden,

Und wir durch dieſen weiſen Wechſel bald ihrer Stralen
Kraft verſpuͤren;

So laſſet die betraͤchtliche, bewundernswerthe Wechſel-
zeit

Jn ehrerbietiger Bewundrung uns zu der Sonnen Son-
ne fuͤhren,

Um uns ein wuͤrdigs Bild zu machen von ſeiner Uner-
maͤßlichkeit.

Ein Bild, das ſtatt verworfner Bilder der Gottheit nicht
unwuͤrdig ſey.

Ein Bild, das wir verehren koͤnnen, ohn’ Jrrthum, ohn’
Abgoͤtterey!

Ein Menſch, wenn er vernuͤnftig denkt, trifft, in der
allgemeinen Welt,

Zwey Weſen an, die Welt und Sich. Wie ſehr ihm er-
ſtere gefaͤllt,
Gefaͤllt
[507]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Gefaͤllt er ſich jedoch noch mehr. Er ſcheint ein’ Art
Selbſtaͤndigkeit

Jn ſeinem Weſen zu beſitzen, er findet einen Unterſcheid

Jn ſich, der ihn von allem trennt, was in der ganzen
Welt vorhanden.

Dieß findet er, doch weis er nicht, wie er und alle
Ding’ entſtanden.

Von einer Gottheit weis er nichts, ſo lang’ als er ſich
ſelbſt gelaſſen.

Doch wird, durch Schluͤſſe der Vernunft, er leichtlich,
daß ein Gott ſey, faſſen.

Sie lehret ihn, aus der Erfahrung, daß uͤberall, in
allen Dingen,

Kein einzigs Ding ſich ſelber bilden, und nichts ſich koͤnn’
in Ordnung bringen;

Daß folglich, noch vor aller Ordnung, ein weiſes uͤber-
legend Weſen,

Die Quelle von der Ordnung ſelbſt, ſich einen weiſen
Zweck erleſen,

Wornach die Koͤrper einzurichten. Hieraus nun folget
ſonnenklar:

Daß Gott, in den geſchaffnen Werken, ſich unſern
Seelen offenbar.

Das wunderbare Weltgebaͤude, und ſeine Herrlichkeit allein,

Zeigt uns in ſeiner Ordnung Gott und ſein unwider-
ſprechlichs Seyn.

Sein Weſen, als den Urſtand, Urſprung, und den Re-
gierer aller Dinge,

Bey dem der Welten Heer nicht groß, doch auch kein
Staub nicht zu geringe

Und ſeiner Aufſicht unwerth iſt, da er von ihm ſein
Seyn empfinge.

Je
[508]Vermiſchte Gedichte
Je wahrer, unumſtoͤßlicher und gruͤndlicher nun die
Betrachtung,

Je wuͤrdiger ſie einer Gottheit, und je natuͤrlicher ſie iſt;

Je unbegreiflicher und ſchlimmer iſt die nachlaͤßige Ver-
achtung

Der allgemeinen Offenbarung, die, wenn man ſie mit
Ernſt ermißt,

Die allererſte, herrlichſte und ſicherſte mit Recht zu nen-
nen,

Und dennoch ſieht man, daß ſich Menſchen, von ſolcher
Blindheit, finden koͤnnen,

Die ſie auch nicht der mindeſten Betracht- und Achtung
wuͤrdig ſchaͤtzen,

Und dadurch die natuͤrliche Vernunft auf eine Art ver-
letzen,

Daß ſie, verfuͤhrt von ihres Gleichen, nach Menſchen
Form, formirte Goͤtzen,

Jn kleinen eingeſchraͤnkten Bildern,

Errichten, ſchnitzeln, hauen, ſchildern,

Und dieſe leere Hirngeſpinnſte fuͤr wahre Goͤtter anzu-
nehmen,

Sie anzubeten, zu verehren, und zu erhoͤhen ſich nicht
ſchaͤmen.

Aus welchem ſchmaͤhlichen Betragen der Sterblichen denn
nicht allein

So viele meiſt den Menſchen gleiche Figuren erſt ent-
ſtanden ſeyn,

Von Goͤtterbildern und Goͤttinnen; man trifft noch Ueber-
bleibſel an,

Auch ſelber in Religionen, die alle Goͤtzen abgethan,

Und in der wahren Gottheit Weſen die Einheit offenbar
erkannt.

Sind
[509]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Sind nicht ſo vieler Chriſten Seelen noch mit dem
eitlen Bildertand

Bedaurenswuͤrdig eingenommen? Von einem alten Mann
ein Bild

Hat, durch die Mahlerey verfuͤhrt, noch viele Geiſter
ſo erfuͤllt,

Daß, wuͤrde man aus ihrem Denken ein ſolch betag-
tes Bildniß rauben,

Man von der Gottheit eine Wuͤſte

Jn ihrem ſchwindlichen Gehirn und Geiſt nothwendig
finden muͤßte.

Es wuͤrden viele, daß man ihnen die Gottheit ſelbſt ge-
raubet, glauben.

Um nun, bey dem Verluſt der Bilder, in den dazu
gewohnten Seelen

Die Gottheit ſelbſt nicht zu verlieren; ſo ſcheint es noͤthig,
was zu waͤhlen

Zu einem wuͤrdgern Gegenſtand, und uns von Gott was
vorzuſtellen,

Das ſeiner Majeſtaͤt gemaͤßer,

Verehrungswuͤrdiger und groͤßer,

Als das, was aus den Jrrthumsquellen

Der Mahler bis daher auf Erden durch manch zu nie-
dertraͤchtigs Bild

So vieler Menſchen Seel’ erfuͤllt.

Von dem uns in der Bibel ſelbſt verbotnen Dienſt
uns zu entziehn,

Und von dem weſentlichen Gott in allem Ernſt uns zu
bemuͤhn

Was wuͤrdigers uns vorzuſtellen, ſo muͤſſen wir in ſei-
nen Werken
Das
[510]Vermiſchte Gedichte

Das uns darinn gezeigte Licht der erſten Offenbarung
merken,

Und aus derſelben Ordnung, Groͤße, Vortrefflichkeit,
Natur und Pracht,

Jn die Unendlichkeit des Weſens, das ſie ſo ſchoͤn her-
vorgebracht,

Erhaͤlt, und wunderbar regiert, uns durch ein ihm ge-
weihtes Denken

Voll Ehrfurcht, Andacht, Unterwerfung und Liebe ſu-
chen zu verſenken.

Durch ein pflichtſchuldiges Betrachten der Welt und
was ſie in ſich hegt,

Worinn er ſeine Liebe, Macht und Weisheit deutlich
dargelegt,

Erblicket, ſchmeckt und merkt man Gott. Jn den von
ihm gewirkten Werken,

Worinn wir die Unendlichkeit von einer weiſen Macht
bemerken,

Wird man zu immer feurigern Bewunderung von ſei-
nem Lieben,

Das eigentlich ſein wahres Weſen, bis ins Unendliche
getrieben,

Man ſpuͤret immer neue Proben der goͤttlichen Vollkom-
menheit.

Jn allen Welt- und Sonnenheeren erblickt man ſeine
Herrlichkeit.

Man ſieht ihn in des Himmels Tiefen, im unzaͤhlbaren
Heer der Sternen,

Und wird ſtets zum vermehrtern Grad von Ehrfurcht zu
gelangen lernen.

Jn dieſem ehrfurchtvollen Denken vermeyn’ und glaub ich
nicht zu irren,
Und
[511]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Und von dem großen Gegenſtande betaͤubt, mich doch
nicht zu verwirren,

Wenn wir die Gottheit, als die Seele der allgemeinen
Welt, zu ehren,

Und unter dieſem großen Bilde ihn anzubeten, uns er-
klaͤren.

Es iſt der menſchliche Begriff, den wir von einer Seele
hegen,

Zuſammt dem Vorzug, den wir ihr vor allem Koͤrper-
lichen geben,

So groß, ſo edel, ſo erhaben, daß es nicht zu geringe
ſcheint,

Wenn man, ſelbſt von der Gottheit meynt:

Daß ſie die allgemeine Seele vom allgemeinen Ganzen
ſey.

Es legt die Bibel, ſo zu denken, uns ſelber die Beſug-
niß bey,

Da ſie ein Art von Ebenbild, vom Schoͤpfer, uns ſcheint
beyzulegen,

Das, nach den Regeln der Vernunft und einem un-
leugbaren Schluß,

Ja mehr in unſrer Seele liegen, als an dem Koͤrper
haften muß.

Ein ſolches Denkbild von der Gottheit ſcheint dem auch,
was wir Chriſten denken

Von einer Gottheit, nicht zuwider; denn wenn wir die
Gedanken lenken

Auf eine Seele, ſind in ihr, drey Kraͤfte wunderbar
vereint,

Die, (ſo uns mit der Welt verbindet,) die wunderbare
Kraft zu fuͤhlen;

Die Kraft Jdeen zu erzielen,
Zuſammt
[512]Vermiſchte Gedichte

Zuſammt der Kraft zu uͤberlegen. Ein Art von der Drey-
einheit ſcheint

Jn ihrem Weſen offenbar. Dieſelbige verehren wir

Auch in der allgemeinen Seele, da Allmacht, Lieb und
Weisheit hier

Sich auch geheimnißvoll vereinen. Denn was von
der Perſoͤnlichkeit

Jn Gottes Weſen wird gelehrt, kann unſere Vernunft
nicht faſſen,

Man muß demnach von dem Geheimniß die wirkliche
Beſchaffenheit

Den Gottsgelehrten zu erklaͤren, und bloß dem Glauben,
uͤberlaſſen.

Sprich nicht: dieß iſt kein Bild der Gottheit, es iſt
dieß eine Ketzerey.

So laß es ſeyn, daß es kein Bild von Gottes wahrem
Weſen ſey,

Genug iſt, daß, auf dieſe Weiſe, von Gott uns etwas
vorzuſtellen,

Nach der Vernunft, weit wuͤrdiger der Gottheit, als
von andern Sachen,

Die koͤrperlich, die niedertraͤchtig, im Geiſt Jdeen uns
zu machen.

Der uns von Gott geſchenkte Geiſt wird dieſen Satz
noch mehr erhellen.

Es uͤberfuͤhrt uns die Vernunft, und zeiget uns in richt-
gen Schluͤſſen,

Daß wir von Gott entweder nichts, wie oder ſo was
denken muͤſſen,

Das mit dem Stand, in den er uns, nach ſeinem goͤtt-
lichweiſen Rath,

Auf dieſem Kreis der Welt geſetzt, ein’ Art von Ueber-
einkunft hat,
Und
[513]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Und daß von Buͤrgern dieſer Erde,

Und dem in Fleiſch gehuͤllten Geiſt, Gott anders nicht
verlangen werde,

Als daß wir von der unbegraͤnzten unendlichen Vollkom-
menheit,

Von ſeiner goͤttlichen Gewalt, Huld, Majeſtaͤt und Herr-
lichkeit

Das Allerwuͤrdigſte gedenken, wozu wir hier gelangen
koͤnnen.

Nun wird ein Geiſt, der billig iſt, uns darinn ſeinen
Beyfall goͤnnen,

Daß die Jdee von einem Geiſt, der die mit nicht zu
zaͤhlnden Heeren

Von Sonn- und Welten angefuͤllte erſchaffne allgemeine
Welt

Beſeelt, belebet und erhaͤlt,

Nicht einem Gott am wuͤrdigſten, und ihn nach Moͤg-
lichkeit zu ehren,

Das allerbeſte Denkbild ſey, wozu vernuͤnftger Menſchen
Seelen

Jm Denken hingelangen koͤnnen. Aufs wenigſt’ iſt, im
Gegenhalt

Mit koͤrperlichen Kreaturen, mit eines alten Manns Geſtalt,

Mit Loͤwen, Lamms- und Tauben-Bildern, in nicht an-
ſtaͤndigen Gemaͤhlen,

Sie Gott und Menſchen wuͤrdiger. Da jene ja nichts
als die Spuren

Von kleinen Weſen die begraͤnzt, von menſch- und thie-
riſchen Figuren

Jn unſrer Phantaſey formiren, die von der Unermaͤßlich-
keit

Des wahren Gottes, ſeiner Liebe, Macht, Weisheit
und Vollkommenheit
K kEin
[514]Vermiſchte Gedichte

Ein unanſtaͤndigs Denkbild reißen. Wenn wir mit ſol-
chen Gottheitsbildern,

Die wir auf eine ſolche Art uns ſtraͤflich im Gemuͤthe
ſchildern,

Die ſonſt vernuͤnftge Seele fuͤllen; ſo ſcheinet, daß Ab-
goͤtterey

Von unſrer Seel in unſrer Seele getrieben und begangen ſey.

Da gegentheils die Seele ſich dem wahren Gott zu opfern
ſcheinet,

Wenn ſie, daß Gott die wahre Seele des Allgemeinen
glaubt und meynet.

Sprich nicht: Nach dieſem deinen Satz, waͤr die Mate-
rie, die Welt

Der Leib, ein Koͤrper von der Gottheit. O nein, dieß
Bild geht nicht ſo weit.

Was uns von der Materie in unſerm Geiſt wird vor-
geſtellt,

Und die Jdee von eines Koͤrpers etwanigen Beſchaffenheit,

Stellt etwas, welches eingeſchraͤnket, vergaͤnglich und
veraͤnderlich,

Jn unſerem Gemuͤth uns vor. So lange der Gedanke ſich

Jn unſerm Geiſt vom Koͤrper findet; enthalt ich mich
von Gott zu denken,

Als koͤnn’ ihn die Materie, wie unſer Leib den Geiſt,
verſchraͤnken.

Zu dem erwaͤhnt’ ich ja ſchon oben, daß wir, der Gott-
heit wahres Weſen,

Als welches unbegreiflich iſt, hier zu begreifen, nicht
erleſen.

Doch ſind wir, wie ich meyne, ſchuldig, die Wahrheit
moͤglichſt zu erhellen

Und, eigentlich zu unſerm Beſten, von Gott ein Bild
uns vorzuſtellen,
Das
[515]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Das ſeiner wuͤrdig, uns begreiflich. Gott iſt ein Geiſt,
das lehren wir,

Die Seele gleichfalls, kommt dann dir

Von einer allgemeinen Seele das Denkbild widerſpre-
chend fuͤr?

Du wirſt, wenn du es wohl erwaͤgſt, unmoͤglich dich
entlegen koͤnnen,

Der wahren Gottheit wahres Weſen den allgemeinen
Geiſt zu nennen.

Es gruͤndet die Natur der Menſchen ſich eigentlich auf
dieſe Lehre:

Die alleredelſt’ Eigenſchaft der Menſchen Seel’ iſt Lieb
und Ehre.

Zum Gegenſtande haben beyde den Werth deß, den ſie
ehrt und liebt,

So weit in Handlungen und Weſen er ihr ſich zu erken-
nen giebt.

Wie koͤnnen nun vernuͤnft’ge Seelen,

Die hier mit Koͤrpern ſich vermaͤhlen,

Der wahren Gottheit Ehr’ und Liebe doch zu erweiſen
faͤhig ſeyn;

Wenn ſolche Lieb’ und Ehre ſich nicht auf ein ſinnliches
Empfinden

Der weiſen Ordnung in den Werken ſowohl, als auf das
Weſen gruͤnden

Deß, der die Ordnungen gewirkt, und deſſen Macht
und Weisheitſchein

Aus allem unaufhoͤrlich ſtralt. Wenn die Vernunft
ſich eine Welt,

Die von der Gottheit nicht beſeelt und nicht belebt, vor
Augen ſtellt;

Wuͤrd’ eine ſolche Welt nicht todt, ja wuͤrde nicht ein
goͤttlichs Weſen,
K k 2Ohn
[516]Vermiſchte Gedichte

Ohn einen Einfluß in die Welt, ein unwirkſames Weſen ſeyn?

Wie ſtimmte die Unwirkbarkeit mit einer Gottheit uͤberein?

Die wahre Liebe bey uns Menſchen hat eine Seele, welche
ſchoͤn,

Nur bloß zu ihrem Gegenſtand:

Es werden die Vollkommenheiten durch ihre Handlungen
bekannt,

Und dann wird allererſt die Achtung im allerhoͤchſten
Grade ſtehn,

Wenn ſich von der ſo ſchoͤnen Seel’ ein ſchoͤner Leib be-
lebet findet.

Aus dieſem, unſern Seelen hier ſelbſt anerſchaffenen,
Betragen

Schließt unſer Geiſt nicht ungegruͤndet:

Man koͤnn’ auch hier von einem Grunde des Gottesdienſts
ein gleiches ſagen,

Und, aus bewundernder Betrachtung der Kreaturen
Herrlichkeit,

Auf deß, der ſie ſo herrlich macht, ſelbſtaͤndige Voll-
kommenheit

Gerecht’ und ſichre Schluͤſſe machen. Nach unſerm
Zuſtand hier auf Erden,

Da wir aus Seel’ und Leib beſtehn; kann ja mit allem
Fug und Recht

Vernuͤnftig ſo geſchloſſen werden:

Es ſey, ſelbſt von der Gottheit Weſen, unwuͤrdig dieſes
nicht gedacht,

Wenn, aus der Schoͤnheit ſeiner Werke, und ihrer
Unermaͤßlichkeit,

Man von derſelben Urſtandsgroͤße, Macht, Majeſtaͤt,
Vollkommenheit

Zwar keinen wirklichen Begriff, jedoch ein wuͤrdigs Vor-
bild macht.
Wenn
[517]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Wenn man, von der mit Sonn- und Welten gefuͤllten
allgemeinen Welt,

Derſelben Schoͤpfer und Erhalter, die Gottheit, fuͤr
die Seele haͤlt.

Jch gebe zu: das wahre Weſen des Schoͤpfers Himmels
und der Erden

Koͤnn’ nie von endlichen Geſchoͤpfen gefaſſet und begriffen
werden.

Die Ehrfurcht laͤßt nicht anders denken, als daß ſein un-
durchdringlich Licht

Vollkommener und anders ſey, als wie erſchaffne Kreaturen

Von ihm zu denken faͤhig ſind. Es ſcheint jedoch aus
ſeinen Spuren,

Den Menſchenſeelen, (deren Kraft und Weſen meiſt
darinn beſtehet,

Sich geiſtge Bilder zu erzielen) erlaubt, von ſeiner
Herrlichkeit

Ein ſolches Bild ſich vorzuſtellen, das ſeine Vollen-
kommenheit

Nach aller ihrer Kraft erhoͤhet,

Und das, ſo viel ſie faſſen kann, der Gottheit ſelber in der That

Nichts unanſtaͤndigs in ſich hat;

Vielmehr ihr einen Gegenſtand, ihn zu verehren, giebt, wobey

Sie gleichſam ſelber ſich erhebt, und daß ſie unterſchieden ſey

Von allen andern Thieren, findet,

Ja worauf ſie zugleich die Hoffnung von ihrer kuͤnftgen
Dauer gruͤndet.

Du ſprichſt vielleicht: dieß iſt was neues. Wer hat
die Gottheit ſo verehrt?

Von einer allgemeinen Seele des Ganzen wird ja nichts
gelehrt.

So hoͤre, dieſes hindert nicht! Es zeigt Vernunft und
die Erfahrung,

Es zeigt ſogar die Offenbarung,
K k 3Und
[518]Vermiſchte Gedichte

Und es begreift es leicht ein jeder,

Der goͤttlichen Oeconomie ſey es gemaͤß und nicht zuwider,

Auch in der Aendrung ſich zu zeigen, und alles immer
zu verbeſſern,

Und ſeine wunderbare Huld auch in der Aendrung
zu vergroͤßern.

Die Aenderung erſtrecket ſich auf Zeiten und Religio-
nen.

Es herrſchten einmal in der Welt die Zeiten der Unwiſſenheit,

Es folgeten die Typiſchen, darauf kam die Erfuͤllungszeit.

Kann denn die Zeit der Beſſerung und der Erleuchtung
nicht erſcheinen?

Mich deucht, es ſey der Satz ſo billig, und wohl mit
Recht nicht zu verneinen,

Als es unwiderſprechlich iſt, daß, wie vortrefflich auch
die Lehren

Des Chriſtenthums, dennoch das Leben der Chriſten
nicht zu loben ſey:

Da leider! daß bey Heiden ſelbſt von Laſtern kaum
ſo vielerley,

Als wie bey Chriſten, anzutreffen, uns die Erfahrungen
bewehren.

Unmoͤglich iſt es, aus dem Leben der meiſten Chriſten zu er-
weiſen,

Wie trefflich ihre Lehre ſey. Wer weis, ob die Ver-
beſſerung

Der menſchlichen Jdee von Gott, auch durch das Leben,
ihn zu preiſen,

Die Sterblichen nicht bringen koͤnne. Aufs wenigſte
will ich es hoffen,

Und wuͤnſch: es ſey auch bald bey Chriſten die Zeit der
Beßrung eingetroffen.
Jch
[519]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Jch ſchließe dieß mein ſehnlichs Wuͤnſchen mit dem er-
baulichen Geſang,

Der ehemals in Thomſons Schriften ganz unnachahm-
lichſchoͤn erklang.

Lob ſey dir, allgemeine Seele des Himmels und der
Erden! Weſen,

Das maͤchtig und allgegenwaͤrtig! Nur dir ſey Ehre,
Lob und Preis!

Dir beug ich meine Knie. Dich hab ich zum Vorwurf
mir erleſen,

Wohin mein Denken einzig ſteigt. Nur bloß dein Meiſter-
finger weis

Dieß große Ganze zu formiren in ſolcher Vollenkommenheit.

Durch dich ziehn alle Zweig’ und Kraͤuter, gehuͤllet in ein
Blaͤtterkleid,

Bedeckt von loͤcherichter Haut, die Himmelsluft, und
trinken Thau.

Durch dich ſtehn, als in Hochzeitbetten, die Pflanzen
in der Erden Bau.

Es ſauget ſeine ſaftge Koſt ein feſter Klump gedrehter Roͤhren.

Auf dein Befehlen muß die Sonn’, wenn wir im Fruͤh-
ling zu ihr kehren,

Die ſtarrverdickten Saͤft’ erwecken, die, durch des Win-
ters kalten Wind,

Bis in das Unterſte der Wurzel gedruͤcket und getrieben ſind,

Die itzo fluͤßig circuliren, die durch die ſanfte Gaͤhrung ſteigen,

Und ungezaͤhlte Form- und Farben nunmehr in allen
Dingen zeigen.

Naͤchſt dieſem will ich mich, geruͤhrt, durch aller Ga-
ben große Zahl,

Die du mir im verwichnen Jahr, o Herr, geſchenket, abermal
K k 4Zum
[520]Vermiſchte Gedichte

Zum Loben und zum Danken wenden. Daß deine Huld,
Geſundheit, Frieden

Und Segen in ſo reicher Maaße mir und den Meinigen
beſchieden,

Dafuͤr verehr’ und preiſ’ ich dich! Daß einſt in dem
verſchwundnen Jahr,

Jn einer unvermeidlichen und recht entſetzlichen Gefahr,

Dein Aufſehn meine Rettung war;

Dafuͤr hab ich, aus tiefer Andacht, und durch Erkennt-
lichkeit gezwungen,

Zur ſtetigen Erinnerung, ein eignes Loblied dir geſungen.

Daß auch von meinen Soͤhnen einer von dir in ſondern
Schutz genommen,

Jndem er aus fuͤnf Seebatalljen ganz unverletzt zuruͤck-
gekommen,

Dafuͤr lobſing ich deiner Guͤte. Daß noch von meinen
Soͤhnen zween,

Von ihrer Herrſchaft wohl gelitten, in großer Herren
Dienſten ſtehn,

Auch dafuͤr opfre ich dir Dank, verknuͤpft mit einem
heißen Flehn:

Daß ferner auch von ihnen jeder von dir ſich mag ge-
ſegnet ſehn!

Daß noch zween andere von ihnen in reicher Herren
Dienſten hier

Durch Treu und Fleiß ſich wohl betragen, dafuͤr lobſing
und dank ich dir;

Jmgleichen, daß meinjuͤngſtes Kind ſich ſelbſt zu allem
Guten zieht,

Und ſie, an Leib und Geiſt geſund, was Guts zu lernen
ſich bemuͤht.

Vor allen aber preiſ’ ich dich, fuͤr deine vaͤterliche Guͤte,

Mit einem innigen Vergnuͤgen und recht erkenntlichem
Gemuͤthe:
Daß
[521]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Daß meine Tochter Mariane ſich ſo begluͤckt ver-
maͤhlen koͤnnen,

Daß du von ſo viel tauſend Maͤnnern den Wuͤrdigſten
ihr wollen goͤnnen,

Der ihr an Geiſt- und Leibesgaben, auch zaͤrtlichem Ge-
muͤthe, gleich,

Den jeder ehrt, den jeder liebt, der witzig, aufgeweckt
und reich,

Der viele Sprachen auch beſitzt, durch ſeinen Geiſt und
muntern Fleiß,

Der nicht nur wie man ſpricht zu leben, der auch ſich
zu vergnuͤgen weis.

Mich ruͤhret dieſes Gluͤck gedoppelt, da ich mit Recht
wohl ſagen kann:

Den beſten Mann hat meine Tochter, und ich den beſten
Tochtermann.

Es leben die vergnuͤgten Beyde,

Vereint, begluͤckt, in ſanfter Freude,

Vorjetzt zuſammen in Paris. Woher ſie mir erſt juͤngſt
geſchrieben,

Daß ihr vergnuͤgter Eheſtand Gott Lob! nicht unge-
ſegnet blieben,

Und daß ſie ſchon im fuͤnften Mond ſich ſchwanger und
geſund befinde.

Befreye ſie von ihrer Buͤrde, o Menſchenſchoͤpfer! ach
entbinde,

Sie doch daſelbſt zu rechter Zeit! und gieb, o Herr!
daß ich erlebe,

Daß ſie den dort gebohrnen Enkel geſund und froh mir
uͤbergebe!

Ach laß den mit ſo vieler Sehnſucht von mir gewuͤnſch-
ten Tag erſcheinen!

Behuͤte ſie auf ihrer Reiſe! geſegne ſie nebſt allen Meinen!
K k 5Was
[522]Vermiſchte Gedichte zum irdiſchen ⁊c.

Was bin ich uͤbrigens, o Herr, nebſt meiner ganzen
Vaterſtadt,

Dir nicht fuͤr Dank und Ehre ſchuldig, da uͤberall der
Krieg gewuͤtet,

Daß deine Gnad in dieſem Jahr uns hier ſo vaͤterlich
behuͤtet,

Und uns des edlen Friedens Frucht ſo gnaͤdiglich geſchen-
ket hat!

Ach laß, im angefangenen, da wir die Friedenspoſt
ſchon hoͤren,

Sich uͤberall der Krieg in Frieden, die Schwerdter ſich
in Flugſcharn kehren!

Gieb aber uns noch dieß daneben, daß wir geruͤhrt er-
kennen moͤgen:

Wenn wir geſund, in ſicherm Frieden, dabey genaͤhert
ſeyn, und frey,

Was dieſes fuͤr ein Gluͤck und Segen,

Und wie ein jeder dir dafuͤr Lob, Preis und Ehre ſchul-
dig ſey.

Vor allen gieb auch dieß dabey:

Daß wir dein goͤttlich Weſen oft auf eine wuͤrdge Weiſ’
erwaͤgen!


Sinn-
[[523]]

Sinnſpruͤche.


[[524]][525]

Lehrreiche Sinnſpruͤche.



Die Meynung.

Die Meynung hat, als Koͤniginn, ſich auf den

Thron der Welt geſchwungen,

Sie herrſchet und tyranniſiret. Doch wird

ihr Weſen nicht erkannt.

Sie wird vermuthlich auch ſo leicht von ihrem Sitze

nicht verdrungen,

Seitdem ſie meynt, und wir mit ihr: ſie heiße und ſie

ſey Verſtand.


Erwaͤgte man doch dieſen Lehrſatz mit mehr Bedacht-

ſamkeit und Fleiß!

Ein Weſen, welches auf einmal ſo viel und auch ſo we-

nig weis,

Dem ſcheint ſein weſentlicher Zuſtand nichts, als nur die-

ſes, zu erlauben:

Jm Sinn- und Leiblichen zu meynen, im Goͤtt- und Geiſt-

lichen zu glauben.


Erwaͤgt, wie nah ſich Luſt und Leid, wie wenig ſie

ſich unterſcheiden

Jm Ausdruck unſrer Leidenſchaft: Man ſeufzt fuͤr Luſt,

man weint fuͤr Freuden.

Was
[526]Vermiſchte Gedichte

Was iſt, das iſt: nicht was es iſt. Fuͤr uns iſt

alles, was es ſcheinet.

Jch bin begluͤckt. Was hilft es mir, wenn es mein Her-

ze nicht vermeynet?


Es iſt das Praeiudicium autoritatis in der That

Dieß: einem andern nach zu meynen, was er vor-

her gemeynet hat.


Sehr wenig Menſchen ſind geſchickt, ob ſie ſich ſelbſt

gleich nicht ſo ſcheinen,

Jhr eigne Meynungen zu haben. Nein, alles andern

nach zu meynen.


T. hat zu einer Zeit gemeynet, da viele ihrer Mey-

nung muͤde.

Hierdurch ward T. von einer Seite das Haupt in Ehre,

Ruh und Friede.

Es waͤr’ ihm aber ganz gewiß, was er geſucht, nicht an-

gegangen,

Haͤtt’ er nur wenig Jahre fruͤher alſo zu meynen ange-

fangen;

Dieß giebt uns nun im rechten Ernſt die große Wahr-

heit zu erwaͤgen,

Wie viel am Umſtand, an der Zeit, in allem auf der

Welt gelegen.

Faſt
[527]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Faſt alles auf der Welt iſt anders, als es ſcheinet,

Und folglich wenig wahr von allem, was man mey-

net.


Es ſcheint ein’ Art von Gleichgewicht ſo Arm- als

Reichen anerſchaffen,

Da jene hier ihr Ungluͤck halb, und die ihr halbes Gluͤck

verſchlafen.


Unter-
[528]Vermiſchte Gedichte
Unterſcheid zwiſchen Gelehrten
und Ungelehrten.

Die Ungelehrten ſind Geſchoͤpfe, die, ob ſie gleich da-

zu beſchieden,

Den Schoͤpfer, aus der Welt, zu kennen, dennoch, mit ſich

allein zufrieden,

Sich mit der Abſicht nicht befaſſen.

Gelehrte ſind hingegen ſolche, die ſo viel andre Dinge

lernen,

Wodurch ſie von den wahren Pflichten ſich noch um de-

ſto mehr entfernen:

Jſt es denn wohl bewundernswerth, wenn ſie es voͤllig

unterlaſſen?


Unter-
[529]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Unterſcheid der menſchlichen Begriffe
in der Jugend und im Alter.

Die Jugend meynt, es ſey von ihr die Wahrheit uͤber-

all gefunden;

Das Alter und Erfahrung lehrt: ſie ſey faſt uͤberall ver-

ſchwunden.

Hierinn beſteht der Unterſcheid, womit wir uns behelfen

muͤſſen:

Die Alten wiſſen wenig mehr, als daß die Jungen we-

nig wiſſen.


L lVorzug
[530]Vermiſchte Gedichte
Vorzug des Geiſtes fuͤr die Schoͤn-
heit des Koͤrpers.
Aus dem Engliſchen uͤberſetzt.

Es haben mich nicht Zuͤg’ und Farben dich zu bewun-

dern angetrieben,

Es iſt der Reiz ſo fluͤcht’ger Schoͤnheit, um mich zu ruͤh-

ren, viel zu matt,

Es ſehn an ſolchen Niedlichkeiten die Augen ſich gar

leichtlich ſatt:

Allein, wenn man die Seele liebt, ſo hoͤret man nicht auf

zu lieben.


Der
[531]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Der Naͤchſter.

Du fragſt, wie jener Phariſaͤer, mit Recht: wer doch

dein Naͤchſter ſey?

Drauf fuͤg’ ich dieſes der Erklaͤrung von jenem Sama-

riter bey:

Es ſind die alle deine Naͤchſten, die auf dem Zirkel die-

ſer Welt

Durch den allmaͤchtigen Beherrſcher zu einer Zeit ſind

hingeſtellt.


Die Wahrheit ſcheint ein ſolches Weſen, von welchem

wir geſtehen muͤſſen,

Daß Ungelehrte nichts von ihr, Gelehrte nur den Na-

men, wiſſen.

Begnuͤgen ſich nun große Geiſter mit ihrem Namen bloß

allein;

Wie herrlich und wie voller Liebreiz muß denn die Wahr-

heit ſelbſt nicht ſeyn!


So oft ich meinem eignen Weſen und meinem Daſeyn

nachgedacht;

So ſchein ich mir ein Tag zu ſeyn, und Gott die Sonne,

die ihn macht.


Man wird die Kreaturen koͤnnen

Mit Wahrheit nichts als Arten nennen,

Durch welche Gott, zu Seinem Preiſe,

Uns, daß Er iſt, beweiſe.

L l 2Gewiß,
[532]Vermiſchte Gedichte

Gewiß, es waͤr an einem Vieh die Frechheit minder

zu veruͤbeln,

Wenn es dein’ Abſicht, deine Schluͤſſe bemuͤhet waͤre zu

ergruͤbeln;

Als daß dein unverſchaͤmter Stolz der Gottheit Uner-

maͤßlichkeit

Und Seiner Weisheit tiefe Tiefen ſich zu ergruͤnden un-

terſtehet.

Da ja der Abſtand deines Geiſtes zu goͤttlicher Vollkom-

menheit,

Den Abſtand zwiſchen einem Vieh und dir, unendlich

uͤbergehet.


Was heißet Seyn? ich faſſ’ es nicht.

Doch giebt mir die Vernunft ſo viel Bericht:

Daß man das Seyn allein

Von Gott mit Wahrheit ſagen koͤnne.

Auch giebt die Schrift den Unterricht,

Daß Er: Jch bin der, der Jch bin, Sich nenne.

Kann eine Kreatur denn ſeyn?

Nach meiner Meynung ſag ich: Nein.

Und wuͤrd’ ich denen, die mich fragen,

Viel eh’, als daß wir ſeyn, daß wir nur werden, ſagen.


Das Denken ſcheinet eine Kraft ſich Etwas bloß nur

vorzuſtellen,

Das Meynen, eigentlich von dem, was man gedenkt, ein

Urthel faͤllen.

Nun fragt ſichs, Stolz und Zank zu daͤmpfen, ob wir da-

her nicht billig ſchließen:

Daß Thiere denken, Menſchen meynen, und daß allein die

Engel wiſſen?

Aus
[533]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Aus Sorgen fuͤr ein kuͤnftig Uebel koͤnnt’ uns ſogar

ein Nutz entſprießen,

Gebrauchte man nur die Vernunft. Man wird von ihr

mit Recht belehrt,

(Da uns das Gegenwaͤrtige von unſrer Zeit nur zugehoͤrt)

Bey einem noch entfernten Boͤſen das gegenwaͤrtge Gut

genießen,

Um ſo viel mehr als wir erfahren, und auch von andern

oft geleſen,

Daß viele Sorgen uͤberfluͤßig, unnoͤthig und umſonſt

geweſen.


Verlanget ihr durch ſeltne Gaben, durch Schoͤnheit,

durch Gelehrſamkeit,

Durch gutes Anſehn, durch Verſtand, durch Schriften,

durch ein ſchoͤnes Kleid

Der Welt Bewundrung zu erhalten; verliert ihr eure

Muͤh bey allen.

Die Menſchen wollen nicht bewundern, ſie wollen alle

ſelbſt gefallen.


L l 3Der
[534]Vermiſchte Gedichte
Der Ehrgeiz.

Der Ehrgeiz irrt in ſeiner Meynung aus ſtolzer Un-

vorſichtigkeit;

Er glaubet Ehr und Ruhm zu ſuchen, doch ſucht und fin-

det er nur Neid.


Wenn wir nicht, was wir wollen, koͤnnen; ſo ſagt

uns die Vernunft, wir ſollen

Sodann das, was wir koͤnnen, wollen.


Die
[535]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Die Armuth.

Die Armuth treibt aus manchem Herzen der aller-

groͤßten Laſter Sproſſen,

Worinn doch die Natur den Samen von allen Tugenden

gegoſſen.


Wer nur von ſich allen

Verlangt geehrt zu ſeyn;

Laͤßt noch den groͤßten Hochmuth ſehn,

Jndem, da er ſich ſelber zu erhoͤhn

Mit Ausſchluß aller andern trachtet,

Er alle andere verachtet.


Die Ferne des Zukuͤnftigen verſchoͤnert es und macht

es ſchlimmer,

Als wie es in der Wahrheit iſt. Wenn ſelbes gegenwaͤrtig

wird,

Und daß es eine Zeitlang waͤhrt, (weil man beym An-

fang auch ſich irrt)

Befindet man ſodann faſt immer,

Daß es ſich dem Vergangnen gleicht.


L l 4Liſidan.
[536]Vermiſchte Gedichte
Liſidan.

Jhr ſaget mir vom Liſidan:

Er meyne, daß kein Gott nicht waͤre.

Allein, ihr thut ihm zu viel Ehre;

Er denket nicht einmal daran.


Tir-
[537]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Tirſanders Chriſtenthum.

Tirſander meynt, zum Chriſtenthum gehoͤre dieſes

ganz allein:

Man muͤſſe ſchnell und tapfer glauben; recht ſteif in ſeiner

Meynung ſeyn;

Nicht auf ein Haar breit ſie verlaſſen;

Mit ihr die Ehre Gottes miſchen; diejenigen von Herzen

haſſen,

Die anders glauben, als wir ſelbſt; nach dieſem Haß

die falſche Liebe

Zur Gottheit meſſen; davor halten, der Himmel ſey ihm

zuerkannt;

Der chriſtlichen Religion zu Ehren opfern, nicht die

Triebe

Der Leidenſchaften, ſeine Wolluſt, den Stolz, den Geiz;

nein, den Verſtand.


Jm Pabſtthum ſieht man hin und wieder die groͤßten

Laſter oft begehen,

Um, eben durch diefelbigen, in einem Stande ſich zu ſehen,

Sich die Vergebung zu erlaufen. Wo dieſes in der That

geſcheh,

So gliche ja das Paradies faſt jenem Thurm der Danae.


Man ſtrebt fuͤr ſich nicht nach der Tugend, und iſt

vergnuͤgt mit ihrem Schein;

Vom Naͤchſten aber fodert man, er ſoll vollkommen red-

lich ſeyn.

L l 5Es
[538]Vermiſchte Gedichte

Es ſcheint der wilden Thiere Grimm gerechter noch,

als unſre Wut,

Sie ſpornt die Noth nur gegen andre, wir wuͤten gegen

unſer Blut,

Aus Hunger nicht, aus Geiz und Stolz. Sie ſind auch

in der That noch groͤßer,

Den Vorzug, eine groͤßre Macht und Kraft ſchenkt ihnen

die Natur,

Ein Reicher aber iſt bey uns ſo wenig groͤßer als auch

beſſer,

Und dennoch iſt er maͤchtiger: Man ſchmiegt ſich vor

ihm uͤberall,

Um ſeiner eignen Groͤße nicht: ein wenig glaͤnzendes

Metall,

Das er beſitzt, macht ihn nur groß. Verliert er die-

ſes, iſt er klein

An Ehr und Groͤß’, er wird gleich dumm, veraͤchtlich

und ein Narre ſeyn.


Beym Erndten ſeh ich das Betragen der Menſchen

mit Betruͤbniß an,

Dann hat die Unerkenntlichkeit und unſer Undank keine

Schranken;

Ja, minder, als zur Erndtezeit der Menſch dem Schoͤ-

pfer danket, kann

Bey ſeinem Korn kein Hammſter danken.

Jndem
[539]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Jndem der groͤßte Theil der Menſchen am Narrenſeile

wird gelenkt,

Und alle Thoren insgemein in ihrer Thorheit ſich gefallen;

Scheint der der groͤßte Narr von allen,

Der mit ſich ſelbſt zufriedne Narren zu beſſern, zu be-

kehren denkt.


Der Menſch iſt eine Kreatur, die, nebſt noch andrer

Narrethey,

Sich ſelber uͤberredet, ſchreibet, und ſagt, daß ſie ver-

nuͤnftig ſey:

Da doch, von allen Kreaturen, wenn ſie auf ſein Betra-

gen ſehen,

Kein’ einzig’ ihm von der Vernunft die Eigenſchaft wird

zugeſtehen.


Wir werden uns umſonſt bemuͤhn,

Das menſchliche Geſchlecht zu beſſern, und es

der Thorheit zu entziehn,

Die Augen ihnen zu eroͤffnen, zu zeigen, wie ſie wan-

deln ſollen;

Da ſie die Augen immer ſchließen, und ihren Fehl nicht

fehen wollen.

Da jedermann ſein liebes Jch, als unverbeſſerlich beſieht,

Was Wunder, daß er Rath verachtet, Erinnrung haſ-

ſet, Lehren flieht!

Ein
[540]Vermiſchte Gedichte

Ein jeder Menſch pflegt insgemein

Sein eigener

Bewunderer,

Und zwar der einzige, zu ſeyn.


Wer will, daß alles, wie er will und wuͤnſcht, ſoll

auf der Welt geſchehen,

Wer will, daß es ihm uͤberall, wie ers verlanget, ſoll

ergehen,

Der will, indem er dieſes will, zugleich der Erden Ze-

pter fuͤhren,

Es ſcheint, er wolle nicht, daß Gott regieren ſoll, er

will regieren:

Er denket nicht auf Gottes Ordnung, noch den Zuſam-

menhang der Dinge,

Er denkt auf ſich, und wuͤnſcht, das alles um ihn, als

um ein Centrum, gienge.


Ueber-
[541]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Ueberſetzung.

Die Poeſie iſt eine Kunſt, das Weſen der Natur zu

ſchildern,

Jndem ſie unſerm Geiſt die Farben von Koͤrpern,

Formen und von Bildern,

Den Koͤrpern die Lebhaftigkeit zuſammt dem Feur des

Geiſtes, giebt.

Was Wunder, daß die Menſchheit ſtets, ja die Barba-

ren, ſie geliebt!

Sie weis der zwo beliebtſten Kuͤnſte, der Tonkunſt und

der Mahlerey

Vortrefflichkeiten zu vereinen. Sie ahmt des Pinſels

Zauberſchlag

Jn ihren Bildern, und dabey

Jn ihrem Wohllaut der Muſik beliebt- und ſuͤßen Toͤnen nach.

Nun iſt dem Menſchen der Geſchmack zur Mahlerey und

ſuͤßen Choͤren

Natuͤrlich, und ſo gut als wie die Kraft zu ſehen und zu hoͤren,

So daß es faſt unmoͤglich iſt, daß uns, mit Ohren und

mit Augen,

Ein Klang, ein wohlgeformtes Bild, nicht ſollte zu ver-

gnuͤgen taugen.

Es iſt demnach erlaubt zu ſchließen,

Daß unſer Geiſt, vom ſuͤßen Eindruck des Hoͤrens und

des Sehns geruͤhrt,

Die holde Kunſt der Poeſie nothwendig hab erfinden muͤſſen,

Da man ein’ Art von Mahlerey und von Muſik in ihr

verſpuͤrt,

Daher entſteht fuͤr alle Menſchen ein allgemeiner Reiz.

Ein jeder

Liebt Verſe, Mahlerey und Lieder.

Ein
[542]Vermiſchte Gedichte

Ein Laſter iſt, wenn man noch nicht ſoll ſterben, den-

noch ſterben wollen.

Ein Laſter iſt es ebenfalls, nicht ſterben wollen, wenn

wir ſollen.


Nach der Beſchaffenheit der Neigung und aller Koͤr-

per auf der Welt,

Jſt nicht das, welches ſchoͤn iſt, ſchoͤn: nur das iſt

ſchoͤn, was uns gefaͤllt.


Es giebet von der Wahrheit Weſen mir dieß die deut-

lichſt’ Offenbarung,

Und den verſtaͤndlichſten Begriff: die Wahrheit iſt nichts,

als Erfahrung.


Jſt nicht der Menſch faſt laͤcherlich, der Menſchen zu

verbeſſern trachtet,

Da keiner weder an den Thomſon noch an die Pamela

ſich kehrt?

Wofern man dieſe nicht gebrauchet, und ſich, aus ih-

nen, nicht belehrt;

Wird, in der Pamela, die Tugend, im Thomſon, die

Natur verachtet.


Bey einem Narren, der beleſen, darf man auf keine

Beſſrung harren:

Es ſind die Narren, die gelehrt, die naͤrriſchten von al-

len Narren.

Es
[543]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Es iſt gewiß, daß man den Werth der Scham nie beſ-

ſer kennen lernet,

Als eben zu derſelben Zeit, wenn man ſich hat von ihr ent-

fernet.


O! ſollt in meinen Sinn einſt der Gedanke kommen,

Daß ich, vom Stolz verfuͤhrt, vom Hochmuth ein-

genommen,

Je niedertraͤchtig wuͤnſcht’: auf Erden

Erhoͤht zu ſeyn und groß zu werden;

O Himmel, ach ſo fahre fort mir alle Seegen zu ent-

ziehn,

Die hier, in meinem ſtillen Leben, die holde Demuth mir

verliehn!


Das Ruͤhmen machet den nicht ſtolz, der wuͤrdig iſt,

daß wir ihn ehren:

Das Loben blaͤhet den nur auf, der nicht gewohnt, ſein

Lob zu hoͤren.


Owie iſt doch das Vermoͤgen

Wohl zu thun, ein wahrer Segen!

Es iſt goͤttlich, ja es iſt eine rechte Seelenfreude,

Und das einzge, warum ich Reich’ und Maͤchtige be-

neide.

Wem
[544]Vermiſchte Gedichte

Wem Geſundheit nicht gebricht,

Der iſt reich, und weis es nicht.


Warum giebt, um ſo kurze Freuden, der Menſch ſich

doch ſo große Muͤh?

Die meiſten Luͤſte gleichen Blumen, wenn ſie gepfluͤckt

ſind, ſterben ſie.


Der wilde Zorn entſteht aus Leiden, iſt ſelbſt ein Leid,

gebieret Leiden,

Er kann vergangne, gegenwaͤrtge, auch kuͤnftge Plagen

nicht vermeiden.


Kein Wunder iſt es, daß die Liebe, von jeher, wenig

Anmuth gab:

Wenn wir verliebt, haͤngt unſre Ruhe von eines andern

Willkuͤhr ab.


Ach taugte doch die Ueberlegung, uns fuͤr den giftgen

Neid zu ſchuͤtzen!

Ein Unrecht ſucht der Zorn zu raͤchen: die Lieb’, ein Gu-

tes zu beſitzen,

Die Furcht, das Boͤſe zu vermeiden: nur ganz allein der

ſchiele Neid

Sucht, als ſein allerhoͤchſtes Gut, des Naͤchſten Plag

und Herzeleid.

Bey
[545]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Bey der verderbten Phantaſey, ſagt man, mit Recht,

von unſrer Erden:

Sie ſey ein Ort, wo, was man fuͤrchtet, oft, ſelten, was

man wuͤnſcht, geſchicht.

Wo mancher: ich war einſten gluͤcklich! Ein groß Theil:

gluͤcklich werd’ ich werden!

Und keiner: ich bin gluͤcklich! ſpricht.


Lieſt man vom menſchlichen Verſtande die Nachricht

aus dem Alterthum,

Jhr Philoſophen dieſer Zeit, o ſo erbebt fuͤr euren Ruhm!


Man haſſe Laſter, nicht die Menſchen! Jch ſtimme

dieſer Wahrheit bey,

Daß Menſchen Haſſen keine Tugend, wohl aber eine

Krankheit ſey.


Was iſt der Sieg? was ein Triumph? Er iſt, nach

richtiger Erklaͤrung,

Ein froͤlichs Kind, wovon der Vater der Tod, die Mut-

ter, die Verheerung.


Soll ich, von allen Menſchen, einen, als recht und

hoͤchſt begluͤckt betrachten;

Muß ſolch ein Menſch die ganze Welt beſitzen, oder ſie

verachten.

M mWas
[546]Vermiſchte Gedichte

Was eigentlich uns die Natur geſchenket, um begluͤckt

zu ſeyn,

Und daß wir es genießen ſollen,

Das iſt die Gegenwart allein.

Wir gleichen widerſinn’ſchen Kindern, die dieſes Gut

nicht koſten wollen.


Alle Dinge ſcheinen,

Alle Menſchen meynen.


Der Menſchen eigentlicher Gott iſt Gold und Geld,

ſie beten zwar,

Jn ihrem aͤußerlichen Anſtand und Kirchen einen andern

an:

Es meynens auch die meiſten ſelbſt, ſo wie es ſcheinet,

das iſt wahr,

Doch unterſucht mans, merkt man leider! der Meiſten Ab-

ſicht offenbar,

Sie ehren Gott, weil, da er reich, er ihnen Reichthum

geben kann.


Wie viele Menſchen ſind vergnuͤgt im Unvergnuͤgen,

Schelten, Schmaͤhlen,

Jm Gram und Murren! Unvergnuͤgt hingegen, wenn

ſie nicht befehlen,

Nicht keifen und nicht klagen koͤnnen! Wer leugnet, daß

nicht die dem Schwein,

Das nur im Koth und Wuſt zufrieden, in ihrem Leben

aͤhnlich ſeyn?

Wie
[547]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Wie wunderlich verfaͤhrt der Menſch mit allem, was

ihm hier beſchieden,

Mit einem Nichts iſt er zuweilen, doch mehrentheils mit

Nichts zufrieden.


Dieß iſt der Erden Wunderbau, worauf, durch ihr be-

ſtaͤndigs Drehen,

Wie Morgen, Mittag, Abend, Nacht, Lenz, Sommer,

Herbſt und Froſt entſtehen.


Ein bloßer Mathematicus ſcheint einer Spinnen gleich

geſinnt,

Die nichts als lange Linien und runde Zirkel aus ſich

ſpinnt;

Nur mit dem Unterſcheid allein, wenn ihr darauf recht

Achtung gebet,

Daß ſie ihr Werk aus ihrem Bauch, er ſeines aus dem

Kopfe, webet.


Wofern der Menſch, zu Gottes Ruhm ſich zu vergnuͤ-

gen, nicht erſchaffen,

Und haͤtt’ er, in Bewundrung, Gott zu ehren, keine Faͤ-

higkeit;

So waͤre zwiſchen einem Menſchen und einem Vieh kein

Unterſcheid,

Und folgte draus: Die Menſchen waͤren nichts anders,

als ein’ Art von Affen.

M m 2Der
[548]Vermiſchte Gedichte

Der iſt recht gluͤcklich auf der Welt,

Der Geld verſpreitet, aber auch

Die Wege weis, wodurch das Geld

Von andern Orten, zum Gebrauch,

Jhm wieder in den Beutel faͤllt.


A.Nachdem ich lange nachgeſonnen, iſt mein Ver-

langen ungemein,

Jch moͤchte gerne von dir wiſſen, was eigentlich Ge-

danken ſeyn?

B. Wenn man, was Farben eigentlich, von einem Blin-

den wollt erfragen,

Haͤtt er gleich viel davon gehoͤrt, ſollt er wohl was

Begreiflichs ſagen?

So geht es mir mit meiner Antwort auf deine Fra-

gen eben auch.

Weil es jedoch bey den Gelehrten, dieß zu geſtehen,

nicht der Brauch;

So dienet dieſes dir zur Antwort, woruͤber du dich

nicht wirſt zanken:

Die Erd’ iſt Erde, Feuer Feur, und die Gedanken

ſind Gedanken.


Es ſcheinet, denen Sterblichen zu der Erkenntniß ihrer

Seelen

(Wie einem Blinden das Geſicht) an einem ſechſten

Sinn zu fehlen.

Ein
[549]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Ein Weſen, das ihm ſelber nicht ſein Weſen, Sin-

nen, Leib und Leben,

Haut, Adern, Sehnen, Knochen, Fleiſch; auch nicht

der Seelen Faͤhigkeit,

Begriff, Gedaͤchtniß; ja um reich zu werden nicht Ge-

legenheit,

Und faſt von allem, was er hat, auch das geringſte

nicht gegeben:

Wie kann doch ſolches uͤber andre mit einem Rechte ſich

erheben?


Ein jedes Sittlichs Lehrgebaͤude,

Worinn man melancholiſch lehrt:

Daß eine maͤßige vernuͤnftge Freude

An Kreaturen, Suͤnde ſey;

Jſt eine Schwaͤrmerey,

Die die Religion und die Natur entehrt.


Jch fuͤhle, daß von vielen Zweifeln die große Wahr-

heit mich entlade:

Es ſtammt die Ordnung der Natur ſowohl aus Gott,

als wie die Gnade.


M m 3Epi-
[550]Vermiſchte Gedichte
Epigramma
auf einen erbaulich lehrenden
aber uͤbel lebenden Prieſter,
wie ſelbiger ſtarb.

Zu unſerm doppelten Verluſt wird unſer Prieſter uns

entriſſen;

Sein Lehren zeigt’ uns, was wir thun, ſein Leben, was

wir laſſen muͤſſen.


Was iſt, das iſt nicht, was es iſt, es iſt, fuͤr uns

nur, was es ſcheinet.

Obs Aug’, als ein Vergroͤßrungsglas, der Dinge We-

ſen groͤßer ſieht,

Ob es dieſelbigen verkleint und ſie in engre Grenzen zieht,

Wie, oder wahre Groͤßen ſchauet; das iſt, was man

nicht weis, nur meynet.


Mein Schoͤpfer, gieb mir doch die Gabe,

Daß ich empfinde, was ich habe!


Ein Jrrthum iſt es, wenn ein Menſch uns nicht gefaͤllt,

der unbequem.

Ein Jrrthum iſt es, wenn er uns gefaͤllt, der aber ange-

nehm.

So-
[551]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Sobald dein Naͤchſter dir misfaͤllt,

Wirſt du auch ihm gar bald misfallen.

Wann nun dein Naͤchſter alle Welt;

So bleibet dieſes feſtgeſtellt:

Misfaͤllt ſie dir; misfaͤllſt du allen.


Erwaͤgte man doch dieſe Lehre: daß unſere Rechthabe-

rey,

Anſtatt uns Ehr und Ruhm zu bringen, ohn Ausnahm,

immer ſchaͤdlich ſey!

Der, den auch deine Klugheit ſelber im Zanken zwingt,

dir Recht zu laſſen,

Wird, zur Belohnung deines Sieges, betruͤbter Lohn!

gewiß dich haſſen.


Solche Schoͤnheit hat die Tugend, daß ſelbſt unſre

Luͤſte nie

Vollenkommen ohne ſie.


M m 4Raͤth-
[552]Vermiſchte Gedichte zum irdiſchen ⁊c.
Raͤthſel.

Mein ſage mir: wo iſt das Land mit ſeinen Waͤl-

dern, Bergen, Fluͤſſen,

Worinn die Allerkluͤgſten Nichts, die Allerdummſten Alles

wiſſen?


Ein Chriſt trifft in den ird’ſchen Freuden, die er in

fluͤchtgen Guͤtern findet,

Den Grund an, der, vollkommnere dereinſt zu hoffen, ihn

verbindet.


Lobge-
[553]

Lobgedichte
auf die Pamela.


Das, was man, von der wahren Tugend, in hun-

dert tauſend Buͤchern lehret,

Wird, durch der Pamela Betragen, auf eine ſolche

Weiſ’ erklaͤret,

Daß der nicht nur kein tugendhaftes, kein menſchlichs

Herz im Buſen hegt,

Den dieſe tugendhafte Schoͤne zur Tugendliebe nicht be-

wegt.


Die Tugend war den Sterblichen, doch nur dem Na-

men nach, bekannt,

Bis ſie, uns Menſchen zu begluͤcken, beſchloß, zu uns

herab zu ſteigen,

Und uns, mit allem ihren Reiz, ſich in der Pamela zu

zeigen.

Doch leider! es war dieſe Muͤhe von ihr vergebens an-

gewandt.

Die Pamela ward ſproͤd und kalt, als ein gemeines Buch,

geleſen;

Ein jeder, wenig ausgenommen, blieb das, ſo er vorher

geweſen.

Jhr Sittenlehrer, koͤnnt denn kuͤnftig all’ eure Lehren ſicher

ſparen;

Die Menſchen werden immer ſeyn ſo gut und boͤſe, wie

ſie waren.

M m 5Jch
[554]Vermiſchte Gedichte

Jch wundre mich nunmehro nicht,

Daß kein belehrendes Gedicht,

Kein geiſtreich Buch die Menſchen ruͤhret,

Und ſie zum Pfad der Tugend fuͤhret:

Da, ſeit die Pamela geſchrieben,

Die Menſchheit, wie ſie war, geblieben,

Und man noch wenig Beßrung ſpuͤret.

Dieß nimmt dem Buch den Werth noch nicht.

Nach zuverlaͤßigem Bericht,

Sind viel’, auch von den Lehrern ſelbſt, durch
Vorurtheil betaͤubt geweſen,

Und haben es noch nicht geleſen.


Wollt ihr die Gottheit fuͤrchten lernen;

Den Hochmuth meiden, Laſter fliehn,

Und euch von ihrer Straf’ entfernen;

Wollt ihr die Kinder wohl erziehn;

Wollt ihr die Aeltern ehren, lieben;

Die Naͤchſtenlieb’ am Duͤrftgen uͤben;

Beym Reichthum reich, durch Wohlthun, ſeyn;

Wollt ihr ſo Freund- als Herrſchafts-Pflichten,

Auch treuer Diener Amt, verrichten;

Wollt ihr euch eures Lebens freun;

Wollt ihr ein gut Exempel geben;

Auch in der Ehe gluͤcklich leben;

Kurz: will ein jeder auf der Erden

Vergnuͤgt, geehrt, geliebet werden;

Die Lehr’ iſt, nebſt dem Beyſpiel, da:

Man leſ’ und folge Pamela.

Le
[555]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Le petit maitre parle

Otér moi la Pamela! c’ eſt un livre dangereux.

Il paroit, ma foi! par tout tellement avoir raiſon,

Qu’ en le liſant, j’ai ſenti trois fois la tentation,

Et que meme j’ ai risqué de devenir vertueux.


A.Jch hab’ es noch von meinen Ahnen,

Jch meid’ und haſſe die Romanen,

Drum haß ich auch die Pamela.

B. Jſt dieſes eines Ochſen Stimme?

So dacht’ ich, im gerechten Grimme,

Als ich den groben Jrrthum ſah.

Sind Cyrus, Sethos, Cleveland

Und Telemach dir nicht bekannt?

Jſt, was darinn fuͤr Weisheit ſtecket,

Dir Ungluͤckſelgen nicht entdecket?

So biſt du freylich ſchlecht daran,

Und alles, was ich ſagen kann,

Jſt, daß du wirklich zu beklagen.

Allein, was ſoll ich weiter ſagen?

Da du die Pamela nicht kenneſt,

Und ihr nicht deinen Beyfall goͤnneſt,

Vermehret ſich dein Unſtern noch.

Es dienet dir zum Troſt jedoch

Und zur Entſchuldigung, daß ſie

Bisher dir nicht bekannt geweſen.

Denn, haͤtteſt du ſie einſt geleſen,

So, daͤcht ich, waͤrſt du auch ein Vieh,

Du achteteſt und ehrteſt ſie.

Wenn
[556]Vermiſchte Gedichte

Wenn auch Wolf gleich ſagen moͤchte:

Wiſſe menſchliches Geſchlechte,

Daß nur ich dein Lehrer bin;

Spricht das menſchliche Geſchlechte

Doch zur Pamela mit Rechte:

Du biſt unſre Lehrerinn!

M.



Jch unterhielte mich, vor nicht gar langer Zeit,

Mit einem wuͤrdgem Glied aus unſrer Geiſtlichkeit,

Und ruͤhmte Pamela ſo ſehr, daß ich auch klagte,

Daß man von dieſer Schrift nichts auf dem Lehrſtuhl
ſagte.

Er lachte mit Beſcheidenheit,

Und ſprach: waͤr auch dieß Buch noch einſt ſo ſchoͤn,

So koͤnnte dieſes nicht geſchehn,

Weil von der Gnade nichts darinn. Jch bat ihn,
daß ers leſen moͤchte,

Damit ich nicht von ihm gedaͤchte:

Sie ſprechen ſchlecht:

Es ſey nicht recht,

Und habens nicht geleſen.

Darauf verſprach ers mir. Wie er mirs wiederbracht,

Sprach er: ich haͤtt’ es nicht gedacht.

Jch hab, in Leſung dieſer Schrift, ſo viel Vergnuͤglich-
keit genoſſen;

Mich deucht: es ſey die Gnade ſelbſt von dieſem Buch
nicht ausgeſchloſſen.

Jch
[557]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Jch bin vordem ein Menſchenfeind,

So gut als Timon ſelbſt, geweſen.

Seit ich die Pamela geleſen,

Bin ich ihr, und der Menſchen, Freund.


Seit ich die Pamela geleſen,

Koͤmmt, nebſt dem Bau der Erden, mir

Die ganze Menſchheit ſchoͤner fuͤr,

Als mir dieſelbe ſonſt geweſen.

An Voll- und Unvollkommenheiten

Hat jedes Ding bey uns zwo Seiten.

Vorhero ſah ich jedermann

Von ſeiner ſchlimmen Seiten an:

Jetzt wird mein Blick, von ihr belehrt,

Meiſt auf die gute hingekehrt.

Sie zeigt mir zur Vollkommenheit

Nicht nur die Moͤglichkeit allein;

Zugleich auch eine Leichtigkeit

Begluͤckt und tugendhaft zu ſeyn;

Auch in uns eine Faͤhigkeit

Jm Guten weiter fortzugehen,

Wenn wir nur gut’ Exempel ſehen.

Man merke doch des Beyſpiels Kraft,

Das von der Pamela zu nehmen:

Das Laſter ſelber lernt ſich ſchaͤmen;

Ein ganzes Land wird tugendhaft.


Sprich, deutſcher Witz, ſprich, deutſche Tugend, was

iſt, das dich hinfort erregt?

Sieht Pamela ſeit dreyen Jahren ſich doch kaum einmal

aufgelegt!

W.


Der
[558]Vermiſchte Gedichte

Der Tugend Neiz verdient zwar immer, daß jedes

Herz ſich ihr ergiebt;

Wann aber hat man ſie wohl ſchoͤner, als, Pamela, in dir

geliebt?

W.



Ein großer Buͤcherfreund beſaß, was alle Weiſen,

Die Tugend einzuſehn, die Tugend anzupreiſen,

Jn alt- und neuer Zeit mit Sorgfalt ausgedacht,

Jn alt- und neuer Zeit zur Beßrung kund gemacht.

Allein, war dieß gleich alles da,

So blieb doch eins, ach eins! vergeſſen:

Jhm fehlte ja ſo viel, als er bisher beſeſſen;

Jhm fehlte Pamela!

W.



Wer iſt, o Pamela, wer iſt, der dich mit Recht

Der niedern Abkunft wegen tadelt?

Ein Weiſer ſieht auf kein Geſchlecht:

Begluͤckter Edelmann, den Pamela geadelt!

W.



Die
[559]zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Die
beſiegte Verleumdung,
als der Beſchluß aller Gedichte.


Beliſa, iſt denn das, ſo ich vernommen, wahr?

Jſts moͤglich? glaubſt du mehr der ſchwarzen
Heuchler Schaar

Als deinen Augen ſelbſt? Allein, was tadelt dann

An mich der Gleißner Schwarm, der nichts als ta-
deln kann?

Hab ich mit meiner Lehr die Sitten je vergiftet?

Hab ich in unſerm Staat Verraͤtherey geſtiftet?

Hab ich verſchmitzt, mit Schein- und andern falſchen
Gruͤnden

Fuͤr Atheiſten je geſuchet Schutz zu finden?

O nein, ein ſolcher Gift, ein ſolches Jrrwiſchlicht

Befindet ſich Gottlob in meinen Schriften nicht.

Zwar war mit ſeinem Glanz das heitre Licht der Tugend

Nicht allemal der Zweck von meiner heißen Jugend,

Auch mich riß, vielen gleich, das feuerreiche Blut

Vom wahr- und wirklichen zum Schein- und falſchem Gut.

Jn dieſem Stande war nunmehr von meinen Jahren

Von fuͤnf und zwanzgen ſchon ein Theil dahin gefahren,

Als mich der Tugend Glanz von neuem zu ſich zog

Und aller Dinge Quell zu ſuchen, mich bewog.

Er ließ ſich auch von mir auf Bergen, in den Gruͤnden,

Jn einem jeden Kraut, in jeder Blume finden.

Jch fuͤhlte, ſchmeckt’ und ſah’ den Schoͤpfer uͤberall,

Jch hoͤrt’ an jedem Ort der ſuͤſſen Stimme Schall.

Jch lernte dazumal ein ewiges Regieren

Und eine Vorſicht ſehn und ließ mich durch ſie fuͤhren.

Von meinem ernſilichen und aͤmſigen Studiren
Ward
[560]Vermiſchte Gedichte zum irdiſchen ⁊c.

Ward ich mein Vorwurf ſelbſt, und die Vernunft allein

Fing an mein Gluͤck, mein Troſt, mein Heil u. Zweck zu ſeyn.

Die Unſchuld unterhielt, entfernt von Gram u. Schmerzen,

Der Stille Suͤßigkeit, und Ruh in meinem Herzen,

Es raubt’ aus meiner Bruſt der eitle Uebermuth,

Des Reichthums Ueberfluß, das unſchaͤtzbare Gut

Der ſuͤſſen Stille nicht. Vom Geiz nicht unterdruͤcket,

Vom Neide nicht genagt, war ich in mir begluͤcket

Durch meiner Tugend Schatz. Jch fuͤhlte ſolche Luſt,

Die keine bittre Reu mir zu vergaͤllen wußt’.

Dieß Gluͤcke dauret noch; das Leben liebt mein Geiſt,

Doch ſo, daß ihm der Tod ſich auch nicht ſchrecklich weiſt.

Glitt’ etwan auch mein Fuß durchs Alters ſchwer Gewicht,

So ſtuͤtzt mich der Verſtand und gleitet ſelber nicht.

Den ſchnellen Baͤchen gleich in ihrem ſtrengen Rennen

Wird unſer Alter auch nie ruͤckwerts laufen koͤnnen.

Jſt es denn nicht genug, einſt jung geweſen ſeyn?

Wie? wenn ich meine Freud’ und die vergangne Pein

Bedachtſam uͤberdenk, ſie mit einander waͤge,

Und die empfundne Luſt und Unluſt uͤberlege,

Da ich dem Hafen nah, vom Schiffbruch ſicher bin,

Geb’ ich mich wohl mit Recht den Wellen wieder hin?

O nein! ich denk an das, ſo nicht mehr, ohne Reu;

Ohn Ekel auf was iſt; aufs Kuͤnftge, ſonder Scheu.

Die Schwachheit, da mein Geiſt ſchon etwas Kraft verlohr,

Haͤlt ihm an jedem Tag des Todes Senſe vor,

Und wenn ich ihn bey mir werd’ in der Naͤh’ entdecken,

So hoff ich Arm und Hand ſelbſt nach ihm auszuſtrecken.


Anhang
[[561]]

Anhang
einer Anleitung
zum vergnuͤgten
und
gelaſſenen Sterben.


N n
[[562]][[563]]

Anleitung
zum vergnuͤgten und gelaſſenen
Sterben.

Beym Anfange des 1747 Jahres entworfen.


Es iſt nichts in unſrer Macht, als die bloße

Kraft allein,

Was der Schoͤpfer will, zu wollen.

Jhm gefaͤllig nun zu ſeyn,

Laßt uns ihm doch wenigſtens dieſe Kraft

im Sterben zollen!

Da ſich die Erd itzt von der Sonnen in ih-

rem Kreislauf abwerts drehet,

Und durch dieß Drehn auf unſrer Flaͤche

der Lenz u. Sommer uns entſtehet,

Wodurch, auf eine weiſe Weiſe, ſich das

Gebaͤude dieſer Welt

Jn ſolcher richtgen Wunderordnung zum Nutzen der Ge-

ſchoͤpf erhaͤlt:

N n 2Will
[564]Anleitung
Will ich, bey dieſer Wechſelzeit, des Schoͤpfers weiſe Macht

erheben,

Und, ſeine Liebe zu beſingen, wie ich gewohnt bin, mich be-

ſtreben;

Wobey mein Vorſatz: Bey der Aendrung der Jahres-

zeit, von einer Zeit,

Die ferner keinen Wechſel kennet, woſelbſt kein Froſt den

Lenz vertreibt,

Wo alles, was dazu beſchieden, in ungeſtoͤrter Seligkeit,

Jn nimmerunterbrochnem Frieden und ewigem Vergnuͤ-

gen bleibt;

Wornach vernuͤnftige Geſchoͤpfe, wenn ſie hier ausgelebt,

ſich ſehnen,

Abſonderlich vom ſanften Sterben, das dazu fuͤhrt,

was zu erwaͤhnen.


O Gott! du Weſen aller Weſen,

Das anders denkt, als alle Welt,

Der anders iſt, und anders wirkt, als je ein Geiſt ſich

vorgeſtellt,

Der Geiſt und Koͤrper, Welt und Sonnen, zu ſeines Da-

ſeyns Prob’, erleſen!

O Gott! du lebſt in deinen Werken, die Seele ſiehet dei-

ne Spur

Jn allen deinen Kreaturen, und in der wirkenden Natur.

Die Mittel dazu ſind die Sinnen, wodurch wir, mit der

Welt verbunden,

Durch die gelaͤuterte Vernunft, derſelben Schoͤpfer aus-

gefunden.

Durch Ordnung, den Zuſammenhang, durch Pracht und

Abſicht wird der Grund,

Ein weiſes, liebreichs, maͤchtigs Weſen, vernuͤnftigen

Geſchoͤpfen kund,

Die,
[565]zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.
Die, wenn ſie, Herr, von deinen Werken, von Welt und

Sinnen nichtes wuͤßten,

Jn ewiger Unwiſſenheit von deinem Daſeyn bleiben muͤßten.

Wie koͤnnten immermehr Begriffe, Gedanken, Bilder und

Jdeen

Jn einer ſinnen-koͤrperloſen und leeren Menſchenſeel’ ent-

ſtehen?

Der kluͤgſte Geiſt muͤßt’ ohne Kraft, ohn’ Ueberlegung

und Vergnuͤgen,

Ein nimmerdenkend Weſen bleiben, kein Geiſt ſeyn, ewig

brache liegen.

Muß eine Seele denn nicht billig den Werth, o Herr,

von deinen Werken,

Die deine Herrlichkeit uns zeigen, mit Andacht, Dank

und Ehrfurcht merken?

Dein Schaffen, Formen und Erhalten, dein unbegreifli-

ches Regieren

So ungeheurer Himmelskoͤrper, der Welt und aller Weſen

ſpuͤren,

Bewundern und dich anzubeten, und zwar dich ewgen

Gott allein

Tief unterwuͤrfig zu verehren, gereizet und verbunden ſeyn?

Du rufſt Geſchoͤpfen, und ſie kommen; du ſprichſt: ver-

geht, und ſie vergehen,

Da andre denn, auf deinen Wink, aufs neu, an ihrer

Stell’, entſtehen.

Wobey jedoch vernuͤnftge Weſen auf deine Liebe ſich ver-

laſſen,

Und, daß ſie nicht vernichtigt werden, zu deiner Ehr’ im

Glauben faſſen.

Sie ſehen die Zerſtoͤrlichkeit der Koͤrper, und ihr Aendern an

Als Folgen deiner weiſen Ordnung, doch die den Geiſt

nicht treffen kann.

N n 3O großer
[566]Anleitung
O großer Troſt, in dem wir ſterben, (da wir doch alle

ſterben muͤſſen)

Daß wir die Wahrheit, welche ſich in Gottes Liebe gruͤn-

det, wiſſen.

Wer wird nicht kraͤftig aufgerichtet im Tode ſelbſt, wenn

man ermißt:

Daß unſer Sterben ein Veraͤndern, das Aendern ein

Verbeſſern iſt.

Jch will, von unſerm letzten Wechſel, bey dieſem Jah-

reswechſel, ſingen,

Und mich bemuͤhen ſolche Gruͤnde von unſerm Scheiden

vorzubringen,

Die in der That unwiderſprechlich; und zeigen, daß faſt

jedermann,

Nach einem irdiſchen Vergnuͤgen, zuletzt vergnuͤgt

auch ſterben kann.

Die Gruͤnde, die ich aus der Kunſt ſtets froh zu

leben*, meiſt genommen,

Verhoff und wuͤnſch ich, daß ſie vielen zu ſtatten und zu

Nutzen kommen!


Merkt, wie ſich des Schoͤpfers Weisheit, in dem

Tode ſelbſt, entdeckt!

Zieht ihm ab die ſchwarze Larve, welche nur die Thoren

ſchreckt.

Aus der Furcht des Todes bloß ſtammt das allgemeine

Klagen.

Was ſind in dem Tode ſelbſt doch fuͤr weſentliche Pla-

gen?

Wir
[567]zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.
Wir ſelbſt ſcheuchen uns einander, und es reibet jeder-

mann

Sein gefuͤhltes aͤngſtlichs Grauen insgemein dem andern an,

Ja man uͤbertraͤgt ſich gleichſam dieſe Furcht von Hand

zu Hand

Allemal annoch vergroͤßert, um dieſelbe, wie bekannt,

Jmmer mehr noch zu vergroͤßern. Wie viel Dichter,

wie wir leſen,

Wie viel Mahler, wie wir ſehn, ſind ſo ſinnreich ſtets

geweſen,

Jhn ſtets ſchaͤndlicher zu bilden, ſcheußlicher ſtets vorzu-

ſtellen;

Mehrentheils ſind ihre Werke unſers bangen Jrrthums

Quellen.

Laßt uns doch einmal erwaͤgen, ob der Tod denn in der

That

Etwas, das ſo fuͤrchterlich und ſo ſcheußlich, an ſich hat.

Urſachen,
weswegen man den Tod insgemein fuͤr

ſo ſchrecklich haͤlt.


A. Man wird oftermals geholfen, wenn man ſei-
nen Gram entdecket,

Sage mir, was iſt am Tode, das dich ſo entſetzlich
ſchrecket?

B. „Selbſt der Tod, den alles fuͤrchtet. Scheut ſelbſt
die Natur ihn nicht?

„Muß der Allertapferſte nicht bey ſeinem Anſehn zittern?

„Wird er nicht fuͤr ihn erſchrecken? und ſein ganzer Leib
erſchuͤttern?

N n 4„Was
[568]Anleitung
„Was iſt auf der Welt erſchrecklichs, wenn es nicht der
Tod? er bricht,

„Reißt und ſtuͤrzet alles um. Keines ſchont er, alle
faͤllt

„Sein nie zu erbittend Raſen. Weder Seufzen, Fle-
hen, Zaͤhren

„Koͤnnen ſeine Wut erweichen, noch ſein Morden ihm
verwehren.

„Er beraubet uns des Lebens, unſers Liebſten auf der
Welt,

„Unſers Beſt- und Theuerſten. Der geliebtſten Freund’
auf Erden

„Blick und Anſehn raubt er uns, da wir, zwiſchen ih-
rem Gram,

„Schluchſendem Geſeufz’ und Thraͤnen, leider! wegge-
riſſen werden,

„Recht mit wuͤtriſcher Gewalt. Unſer Auge wird ge-
ſchloſſen,

„Wodurch wir das ſuͤße Licht und der Sonnen Schein
genoſſen.

„Unſers Geiſtes und des Koͤrpers eng und angenehmes
Band

„Wird getrennet. Wenn das Fleiſch aufgeloͤſet und zer-
floſſen,

„Wird der Leib, den wir getragen, endlich Moder,
Staub und Sand,

„Zum abſcheulichen Spectakel. Wenn der Glieder Bau
zerbricht,

„Bleibt mir nichts auf dieſer Welt. Weg iſt alles, Le-
ben, Licht,

„Aller Farben holdes Prangen, aller Singevoͤgel
Choͤre,
„Aller
[569]zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.
„Aller Umgang meiner Freunde, meiner Kinder ſchoͤn
Geſicht,

„Meiner Frauen holdes Schmeicheln, meines Fuͤrſten
Gunſt, die Ehre

„Meiner Diener und Clienten, Lob von Buͤrgern, Vor-
zug, Freude

„Und Bequemlichkeit des Reichthums, erſt errichteter
Gebaͤude

„Groͤße, Weite, Pomp und Pracht, heller tapezierter
Zimmer

„Guͤldner Putz und Glanz und Schimmer;

„Statt ſo vieler Schaͤtz und Guͤter, deren wir beraubet
ſeyn,

„Bleibt uns allen gar nichts uͤber, als das dunkle Grab
allein,

„Wo die Wuͤrmer uns zertheilen. Sind dieß alles denn
nicht Sachen,

„Welche uns den Tod mit Recht graͤßlich und entſetzlich
machen?

„Waͤr uns nun noch auf der Welt, um zu ſterben
und zu leben,

„Etwan eine feſte Zeit zugetheilt, beſtimmt, gegeben,

„Haͤtte man noch einen Troſt. Jeder wuͤrd’ im Stan-
de ſeyn,

„Haus und alles zu beſtellen, alles richtig zu beſchicken,
„Ja ſelbſt gegen unſern Tod Kraft und Muth ſich einzu-
druͤcken.

„Aber wie es jetzo geht, kommt uns nichts davon zur
Kunde,

„Denn, ſo wie bey allen Menſchen, nichts gewiſſers
als der Tod,
N n 5„Alſo
[570]Anleitung
„Alſo iſt bey allen nichts ungewiſſers, als die Stunde;
„Es befaͤllt uns unverſehens, unverwarnt die Todes-
noth.

„Nicht der Jugend bluͤhnde Jahre, nicht der Alten
noͤthger Rath,

„Nicht die maͤnnlichen Geſchaͤffte, werden von ihm an-
geſehen.

„Wenn mit vieler Muͤh und Arbeit jemand ſich be-
ſchaͤfftigt hat,

„Eben, wenn uns alle Dinge recht nach Wunſch von
ſtatten gehen,

„Wenn uns Gluͤck und Ehre ruft, dann wirft der fuͤr
alles Flehen

„Taube Tod auf uns die Fauſt, reißt uns voller Grau-
ſamkeit

„Mitten in Geſchaͤfften fort, ja er raubt zu gleicher Zeit
„Alle Hoffnungen des Lebens. Jſt nicht ſolch ein Zu-
ſtand graͤulich,

„Leben und ſtets ſterben koͤnnen, ja nicht einen Augen-
blick

„Sicher fuͤr die Bahre ſeyn? Welch ein trauriges Ge-
ſchick!

„Jſt nicht ſolch ein Todtenleben recht entſetzlich, recht
abſcheulich?

„Ja, daß noch die Art zu ſterben oft ja immer ſchreck-
lich iſt!

„Ueberfaͤllt der Tod uns ploͤtzlich, was iſt, wenn mans
recht ermißt,

„Schrecklicher? im Augenblick aufzuhoͤren? froh ſeyn,
lachen,

„Ja ſelbſt ſcherzen, und im Huy, wie ein Wort, ver-
gehn, verſchwinden!
„Ster-
[571]zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.
„Sterben, eh von unſern Sachen
„Wir das mindeſte verordnet: unſer Haus in Schrecken
finden,

„Das nichts weniger vermuthet? Koͤmmt der Tod nun
allgemaͤhlig,

„O mein Gott! wie manche Krankheit, Schmerz und
Plagen, die unzaͤhlig,

„Wie viel Ekel, Schlaflosheit, wie im Haupt ſo man-
che Pein,

„Wie viel Martern hin und wieder,
„Welche Zuͤckungen der Nerven, und Verrenkungen der
Glieder

„Werden zu erwarten ſeyn!
„Endlich was den Tod am meiſten fuͤrchterlich und
ſchrecklich macht,

„Jſt der jammerreiche Zweifel und der Ungewißheit
Nacht

„Wegen eines kuͤnftgen Lebens, ob es ſelig oder nicht?
„Von der ganzen Ewigkeit wird geredet. Ob du ſelig
„Oder wirſt geplaget werden,
„Haͤngt von dieſem Zeitpunct ab. Wem, der dieſes
uͤberlegt,

„Stehn die Haare nicht zu Berge? Welchem wird ſein
Eingeweide

„Von ſo unvermeidlichen Plagen, Schrecken, Gram
und Leide

„Nicht erſchuͤttert und bewegt?
„Da wir alſo ſterben muͤſſen,
„Unverhofft und ſchnell entweder, oder auch durch Pein
zerriſſen,

„Und dabey dennoch nicht wiſſen,
„Ob das Ende dieſer Pein
„Von nie aufzuhoͤrnden Plagen nicht der Anfang werde ſeyn;
„Dieſes,
[572]Anleitung
„Dieſes, einzeln und vereint, wenn ich es zuſammen-
faſſe,

„Machet, daß ich vor dem Tode zittre, beb’, erſtarr’,
erblaſſe.

Biſt du mit deinem menſchlichen Stande
zufrieden, ſo mußt du auch ſterblich ſeyn,
und auch ſterben wollen.


A. Um auf dieſe deine Klagen,
Dir und andern gnug zu thun, muß ich dich
zuvoderſt fragen:
Red ich hier mit einem Menſchen, oder einem Engel?
ſprich.
B. „Allerdings mit einem Menſchen.“ A. Hoͤre!
Ferner frag ich dich:
Jſt dirs leid, daß du ein Menſch? biſt du nicht damit
zufrieden?
B. „Nein, es iſt mir gar nicht leid, daß mir dieſer
Stand beſchieden,
„Und ich bin es gar nicht ungern.“ A. Stimmſt du
damit uͤberein,
Freuſt du dich, daß du ein Menſch, kannſt du dich ja
nicht beklagen,
Daß du ſterblich biſt: dieß heißt eigentlich, ein Menſch
zu ſeyn.
Klagſt du nun nicht, daß du ſterblich, mußt du billig
auch ertragen,
Daß ein Sterblicher auch ſtirbt. Wenn du dich unſterb.
lich hielteſt,
Wundert’ ich mich nicht daruͤber, daß du Angſt und
Schrecken fuͤhlteſt
Bey
[573]zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.
Bey dem Anblick deines Todes. Da du aber dieſe Welt,
Bloß mit dem Beding, erblickt, daß du einmal ſterben
ſollteſt;
Warum wunderſt du dich denn, daß, was einmal feſt-
geſtellt,
Auch denn einſt geſchicht, und welches du ja einmal ſelber
wollteſt.

Hoͤr: entweder tadelſt du, daß die Menſchheit ſterb-
lich iſt,

Die unſterblich werden koͤnnen; oder ich kann auch nicht
faſſen,

Wie du mit dem Tode doch ſo gar unzufrieden biſt,

Da du dich der Sterblichen Zuſtand einſt gefallen laſſen.

Denn ich glaube nicht, daß dich ſolche Raſerey befangen,

Frech und ernſtlich zu verlangen,

Daß der Schoͤpfer, deſſen Wege du doch ſonſt bewundern
wollen,

Unſer menſchliches Geſchlecht haͤtt’ unſterblich machen ſollen.

Denn (nicht einmal zu gedenken, daß dieß gegen Gottes
Ehre,

Seiner heilgen Macht und Ordnung ein verruchter Frevel
waͤre:

Als wenn der nicht recht gewollt, welcher alles wollen
koͤnnen,

Und der, was er wollt, erſchaffen) haͤtt’ Er die Unſterb-
lichkeit

Hier der Menſchheit wollen goͤnnen;

Hat Er alles das, was Er hier erſchaffen und gemacht,

Nicht allein nicht wohl gewollt, ſondern, was Er uͤbel
wollte,

Noch viel ſchaͤdlicher und ſchlimmer gar zur Wirklichkeit
gebracht.
Denn,
[574]Anleitung

Denn, hat Gott nicht dieſes Rund der von uns bewohnten
Erden,

Mit vorherbedachtem Rath, uns zur Wohnung laſſen
werden?

Aber waͤr der Menſch unſterblich; wer begreift nicht
mit Bedacht,

Daß die Gottheit ſich geirrt, da ſie eine Welt gemacht,

Welche ſolche Menge Menſchen, ſo zu faſſen, als zu naͤhren,

Nimmer koͤnnte faͤhig ſeyn. Denn wenn aller Menſchen
Zahl,

So von Anbeginn gelebt, (die, daß ſie unſterblich waͤren,

Deine blinde Schwachheit wuͤnſcht) heute ſollten allzumal

Leben und vorhanden ſeyn; welch ein’ ungeheure Menge

Muͤßte nicht daraus entſtehn? ſolche, deren Zahlen Laͤnge

Kein Verſtand ermeſſen kann. Millionen Milliaren

Sind auf dieſer Welt geweſen in den faſt ſechstauſend
Jahren;

Milliaren Millionen werden noch vermuthlich kommen,

Eh’ die Erde wird vernichtigt und in Aſche ſeyn ver-
glommen.

Nun erwaͤge doch dabey,

Ob die Welt die Menge faſſe, und zur Wohnung tuͤchtig ſey?

Dieſes iſt gewiß unmoͤglich. Gott haͤtt’ alſo ſehr gefehlt,

Wenn die Sterbliche nicht ſterblich, und, dadurch, daß
ſie entſeelt,

Denen Kuͤnftigen nicht wichen. Dieſer ganze Kreis
der Erden

Muͤßte tauſendmal vergroͤßert, und ein andrer Weltkreis
werden.

Ferner: haͤtt’ Er haben wollen,

Daß der Menſch unſterblich ſeyn, nie die Welt verlaſſen
ſollen;
Haͤtt’
[575]zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.

Haͤtt’ Er, zu deſſelben Bildung und zu ſeines Koͤrpers
Weſen,

Einen andern Stoff erleſen,

Jedes Glied nicht ſo geformt, ſo verſchiedne Feuchtig-
keiten,

Die, da ſie ſo mancher Art, immer mit einander ſtreiten,

Jn den Koͤrper nicht geſenkt; da bloß durch derſelben
Streit

Unſer Koͤrper abgerieben, und zu der Vergaͤnglichkeit

Jmmer zubereitet wird. Auch dieß waͤr’ ein Fehl ge-
weſen,

Und man haͤtte dazu muͤſſen eine Kreatur erleſen

Von ganz anderer Natur. Jſt ein Menſch wohl ſo ver-
wirrt,

Von dem allerweiſeſten Gott und Schoͤpfer zu gedenken,

Daß, da alles, was erſchaffen, Er dem Menſchen
wollen ſchenken,

Er doch in dem Menſchen ſelbſt, ſo unleidlich Sich geirrt?

Fern ſey, von vernuͤnftigen, redlichen und frommen
Weſen

Solche Gotteslaͤſterung zu vernehmen und zu leſen.

Jch verehre demuthsvoll und mit uͤberzeugtem Sinn

Darinn Gottes Lieb und Ordnung, daß ich ſterblich
worden bin;

Da die Sterblichkeit dich druͤckt, und dich allenthalben
Plagen,

Hier in dieſem deinem Leben, preſſen, quaͤlen, foltern,
nagen:

Warum ſchmaͤlſt du auf den Tod, da ja doch der Tod
allein

Das bewerthſte Mittel iſt, und das Ende deiner Pein.
Warlich,
[576]Anleitung

Warlich, uͤberlegt mans recht, iſt die Wohlthat ungemein,

Die uns Gott darinn verliehen, daß, da wir hier elend,
ſchwaͤchlich,

Wandelbar ſeyn und gebrechlich,

Wir es jedennoch nicht immer, und es auch nicht lange
ſeyn.

Welcher Menſch, wo er vernuͤnftig, koͤnnt’ und wuͤrde
wohl begehren

Solch ein Leben zu verlaͤngern, ſolche Jahre zu ver-
mehren,

Die ihn mit des letzten Alters Plagen, Pein und Laſt be-
ſchweren,

Wo, mit aufgeloͤſtem Koͤrper, er nur eine Laſt der Erden,

Und ſich ſelbſt die ſchwerſte Laſt unvermeidlich muͤßte
werden.

Wo du nicht vielleicht verlangſt, dich des Alters zaͤhen
Schlingen

Ploͤtzlich wieder zu entziehn, dich von neuem zu verjuͤngen,

Neu ſtets wieder zu veralten. Solch ein ſeltſames Be-
gehren

Wuͤrde der Natur Geſetz niederreißen und zerſtoͤren,

Und du muͤßteſt thoͤricht wollen,

Ganz was anders hier zu ſeyn, als was du haſt werden
ſollen.

Aber du, der du ſo jammerſt, daß dir dein ſo liebes
Leben

Durch den Tod geraubet wird, lieber! zeige mir doch an,

Ob du ſo behaͤglich lebeſt, ob es dich ſo reizen kann,

Daß du ganz darauf erpicht, ein beſtaͤndigs Widerſtreben

Gegen deinen Tod empfindeſt. Schau das Leben, das
vergangen,

Sieh’ das gegenwaͤrtige, das, ſo noch nicht angefangen,
Eben-
[577]zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.

Ebenfalls bedachtſam an! Wenn du alles uͤberlegt,

Sprich: was dieſes Lebens Elend doch fuͤr Suͤßigkeiten
hegt?

Jſt es nicht bewundernswerth? alle Menſchen hoͤrt
man klagen,

Jn der Zeit, worinn ſie leben, uͤber ihres Lebens Plagen,

Und ein jeder lobt das Leben, und deſſelben Lieblichkeit,

Wenn von einem ſolchen Uebel ihn der Tod dereinſt be-
freyt.

Daß die Welt voll bittrer Wermuth, daß ſie treulos,
ſchreyt ein jeder,

Ueberall ſind in ihr Quellen herber Pein und Klagelieder,

Seufzen wir, indem wir leben;

Wird uns, durch den Tod, ein Mittel gegen alle Noth
gegeben;

So umarmt man die von uns ſtets geſcholtne Welt von
neuen,

Und beſtrebt ſich, unbegreiflich ihrer dann ſich zu erfreuen.

Alle Kraft von unſerm Zorn wendet man dann auf den
Tod,

Heißt ihn grauſam, unerbittlich, eine Quell von aller
Noth,

Und das Schrecklichſte von allen, was auf Erden ſchreck-
lich iſt.

Sind wir denn nicht ungluͤckſelig, wenn man unſern
Stand ermißt?

Jn ſich ſelbſt verwelkt die Welt, und ſie bluͤht in unſern
Herzen,

Ueberall iſt Leid und Trauer, uns erfuͤllen Gram und
Schmerzen;

Und dennoch, durch blinde Sucht unſers Fleiſches, lieben wir

Jhre Bitterkeiten ſelber, ſelbſt die Plag’ und Pein an ihr:
O oFlieht
[578]Anleitung

Flieht ſie; eilet man ihr nach: faͤllt ſie; haͤnget man
ihr an.

Oefters hat die Welt durch Luſt uns vom Schoͤpfer ab-
gezogen,

Jtzt iſt ſie ſo voller Leid, daß man von ihr ſagen kann,

Sie ſchick’ uns dem Schoͤpfer zu. Laßt uns denn, da-
durch bewogen,

Gehn, da wir geſendet werden! gehen, da man gehen
muß!

Da der Kerker ſich eroͤffnet, warum faßt man nicht den
Schluß,

Jhn mit Freuden zu verlaſſen? warum laſſen wir uns
doch

Wider Willen aus ihm reißen? weil wir, leider! unſer
Joch,

Unſre Plag- und Ketten lieben: und, durch Meynungen
verfuͤhrt,

Deren Falſchheit wir doch kennen, man ſich mehrentheils
vergnuͤget,

Daß wir andere betriegen, oder daß man uns betrieget.

Es wird, wie wir es erfahren, ſolche Lieb’ in uns ver-
ſpuͤrt

Auch zum jaͤmmerlichſten Leben, daß man vor der Ar-
zeney

Selbſt erſchrickt, und nicht verlangt, daß uns ausgeholfen
ſey.

Moͤchte man mit Seneca ſich entſchließen, ſo zu ſagen:
„O wie wenig kennen die ihren Jammer, ihre Plagen,
„Die den Tod, wodurch wir uns von ſo vielem Kummer
trennen,

„Als die herrlichſte Erfindung der Natur, nicht aner-
kennen!

Dieſes
[579]zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.
Dieſes iſt gewiß, wenn Menſchen, daß ſie ſterben,
ſich beſchweren,

Jſt ihr Klagen ungerecht. Sterblich hat ſie Gott ge-
macht,

Sterblich ſollt’ ein jeder werden. Von ſo wichtigem Be-
tracht

Jſt auch unſer Leben nicht, daß, ein laͤngers zu begehren,

Man mit Recht den Tod verfluchen, und auf den, der
haben wollte,

Daß die Menſchheit ſterben ſollte,

Unzufrieden ſchmaͤlen duͤrfte. Minder nicht, als wie
das Leben,

Jſt das Sterben der Natur beygefuͤgt und zugegeben.

Jhre Pflichten ſind nicht groͤßer im Entſtehn, als im Ver-
gehn,

Und nach allen Miſchungen, woraus wir allhier beſtehn,

Folget dieſer Schluß mit Recht: Keiner koͤnne leben wollen,

Welcher nicht auch ſterben will. Denn den [Menſchen]
iſt das Leben,

Bloß mit dem Beding des Todes, daß ſie wieder ſterben
ſollen,

Hier auf dieſer Welt gegeben.

Folgere denn kuͤnftig nicht: daß das Sterben der Natur

Widerſpruͤchig und zugegen. Bloß allein vom Leben nur

Jſt der Tod ein Gegenſatz, aber nicht von der Natur.

Die Natur ertraͤgt ſowohl unſern Tod, als unſer Leben,

Und ertruͤge ſie nicht beydes; waͤre ſie dieſelbe nicht.

Laßt uns uns demnach bemuͤhn, alles Jammern aufzuheben,

Und die Schmaͤhungen, die man gegen unſer Sterben ſpricht!

Wir ſeyn ſterblich, alle ſterben, weil wir alle leben: wiſſet,

Jhr vom menſchlichen Geſchlecht,

Daß ihr dadurch bloß die Schuld der Natur bezahlen muͤſſet;

Keiner klage, daß er zahle, denn die Fordrung iſt gerecht.
O o 2Wer
[580]Anleitung

Wer iſt, der ſich wohl mit Fug zu beklagen unterwindet,

Sich im Stande zu befinden, drinn ſich niemand nicht be-
findet?

Welcher nun in ſolchem Stande, muß im ſelben ſich be-
quemen,

Willig, oder wider Willen, alles uͤber ſich zu nehmen.

Handelt man denn nun nicht thoͤricht, (man gedenke
doch daran)

Daß man das gezwungen thut, was man doch freywillig
kann?

Derjenige, der zufrieden iſt, daß er ſterbe,
muß auch mit der Zeit des Todes und
der Stunde zufrieden ſeyn.


B. „Es iſt wahr, ich bin ein Menſch, und ver-
lange folglich nicht,

„Daß nichts Menſchlichs mir begegne: halt es auch fuͤr
meine Pflicht,

„Da ich ſterblich bin, zu ſterben, ich bemerke die Ver-
bindung

„Der Natur mit unſerm Tode, ja ich ſeh’ ihn wirklich an,
„Als ein Wunder der Natur, als ein’ herrliche Erfindung
„Der allmaͤchtigweiſen Gottheit, die, was gut, nur
wollen kann.

„Aber ich erſchreck’ und zitt’re bloß nur fuͤr die Todeszeit,
„Da die Stunde nicht gewiß. Da wir ſtets im Zweifel
ſchweben,

„Und nie ſicher vor dem Tode, ſind wir nie dazu bereit.
„Da wir immer ſterben koͤnnen, heißt das Leben kaum
ein Leben.
„Ueber-
[581]zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.
„Ueberdem befaͤllt er uns meiſt zur Unzeit. Jn der
Jugend

„Raubt er dem ſein kurzes Leben, der von Edelmuth und
Tugend

„So viel Hoffnung von ſich gab; den entreißet er der Welt,
„Eben da er im Begriff, daß ſein Wohlfahrtsbau beſtellt
„Und ſein Haus berathen wuͤrde. Einen andern reißt
er dort

„Mitten in dem Lauf der Ehren, aus der Gattin Armen,
fort,

„Die noch jung und voller Liebreiz, mitten aus den
Kinderlein,

„Mitten aus den Rechnungen, die noch unberichtigt ſeyn,
„Aus verwirreten Proceſſen, die er leichtlich enden koͤnnen,
„Haͤtt’ ihm nur der Tod dazu wenig Jahre wollen goͤnnen.
„Einen andern mordet er, der nach viel-und ſchweren Laſten,
„Jn dem Stande ſich befindet, nach der Arbeit auszuraſten,
„Seines Fleißes zu genießen, und nach vielerworbnen
Dingen

„Seines ſanften Alters Reſt ſtill und ruhig zuzubringen.
„Dieſer wird zur andern Zeit, nie zu rechter, weggeriſſen;
„So, daß wir wohl recht mit jenem Patriarchen ſagen
muͤſſen,

„Was wir in der Bibel leſen:
„Kurz und boͤſe ſind die Tage meiner Lebenszeit geweſen.

A. Aber du, der du ſo richtig deine Lebenstag’ erwaͤgeſt,

Und, bey ihrer kurzen Dauer, ſie mit Murren uͤberlegeſt,

Sprich: was haſt du doch fuͤr Recht, da du ſelbe boͤſe nenneſt,

Daß du uͤber ihre Kuͤrze klagſt und ungeduldig flenneſt?

Sind ſie boͤſ’, iſt es ja beſſer, daß derſelben wenig nur,

Deine Quaal nicht zu verlaͤngern; wo du nicht von der
Natur,
O o 3Daß
[582]Anleitung

Daß dir groß’ und ſchwere Plagen, herber Schmerz
und bittres Trauren

Darum angenehmer ſind, wenn dieſelben lange dauren.

Sind der Menſchen Tage boͤſ’; Ey ſo ſtimme damit ein,

Beſſer iſt es, daß ſie kurz, um nicht lang geplagt zu ſeyn.

Aber dieſes ausgeſetzt. Jch muß anders mit dir ſprechen:

Du geſtehſt, du wolleſt dich zwar zu ſterben nicht ent-
brechen;

Aber es betrifft dein Streit

Mit dem dir verhaßten Tode, bloß allein deſſelben Zeit.

Schaͤmeſt du dich aber nicht, da du Gottes weiſen Macht

Alles billig uͤbergeben, dem, der dich hervorgebracht,

Tod und Leben uͤberlaſſen, daß du mit dem Hoͤchſten
Weſen,

Um die Zeit, die er erleſen,

Unvernuͤnftig dingen willt? Jſt bey dem, der, was
entſtanden,

Mit Gewicht und Maaße fuͤgt, ſo viel Weisheit nicht
vorhanden,

Daß Er auch die rechte Maaße deines Alters, und die
Zahl

Deiner Jahre nicht beſtimmet und berechnet haben ſollte?

Er, der ſchon von Ewigkeit, ſonder Fehl und auf einmal

Deines Haupthaars Menge zaͤhlte, ihre Zahl beſtimmen
wollte,

Hat gewiß auch deiner Jahre, deiner Tage Zahl gezaͤhlt,

Und, zu deinem wahren Beſten, die gerechtſte Maaß
erwaͤhlt.

Herr! die Zahl von meinen Monden ſteht bey dir, wie
Hiob ſpricht,

Du haſt mir ein Ziel geſetzt, dieſes uͤberſchreit’ ich nicht.

Es iſt auch unuͤberſchreitbar, weil es in dem weiſen Rath

Der ſelbſtaͤndigewgen Weisheit ſeine Grundverordnung hat.
Was
[583]zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.

Was beſchwereſt du dich denn, armer Menſch, daß von
dem Leben

Dir kein rechtes Maaß gegeben?

Weißt du auch wohl ſelbſt, wie viel dir vom Leben zuzulegen,

Oder abzunehmen ſey, daß dadurch dein Stand auf Erden

Koͤnne mehr begluͤcket werden?

Kenneſt du die kuͤnftge Stund’, ob ſie Ungluͤck oder Segen

Deinem Hauſe bringen wird? Thoͤricht iſt denn dein Be-
tragen,

Da dir voͤllig unbekannt, wie viel Sorgen, Gram und
Plagen

Sie dir leichtlich bringen koͤnnte, ſie zu wuͤnſchen und zu
hoffen,

Da es ja auf dieſer Welt oftermalen eingetroffen,

Daß durch langes Leben vielen manches Ungluͤck uͤber-
kommen.

Haͤtt’ in Napolis die Krankheit den Pompejus wegge-
nommen,

Waͤr er aus der Welt gegangen als der Roͤmer Herr und
Kaiſer;

Durch die Zugab’ einer kleinen damals ihm verliehnen Zeit

Welkten ſeine Lorberreiſer

Und er ſah mit bitterm Gram ſeines Ruhms Verganglichkeit.

Faſt ein jeder wird geſtehn, wer ſein Aug’ auf ſich erhebet,

Daß er durch ein langes Leben manches Ungluͤck hat er-
lebet,

Welches ihm ſo ſchwer gefallen, daß er oftermals da-
gegen,

Daß ers nicht erlebet haͤtt’, ernſtlich haͤtte wuͤnſchen
moͤgen.

Sprich: woher weißt du gewiß, daß dich nicht weit
groͤßre Plagen,

Als die du bisher erduldet, wo du laͤnger lebeſt, nagen,
O o 4Qualen
[584]Anleitung

Quaͤlen und zerfoltern werden. Es wird dir vielleicht
geraubt

Aller Reichthum, all dein Gut. Ja vielleicht ſchwebt
der Verluſt

Deiner Ehre, deiner Wuͤrde, uͤber dein veraltert Haupt,

So, daß du den andern Menſchen zum Geſpoͤtte werden
mußt.

Man wird bey verlaͤngtem Leben dich vielleicht ins Elend
ſchicken.

Die Entehrung deiner Kinder harr’t vielleicht dereinſt
auf dich.

Es zerfoltert dich vielleicht Stein und Laͤhmung jaͤmmerlich.

Und vielleicht wird dich die Laſt einer bittern Armuth
druͤcken.

B. „Nein, dieß alles will ich nicht;
„Aber wie ſo ungewiß iſt, daß dieß dereinſt geſchicht.“

A. Jch geſteh’ es. Aber hoͤr: Klagteſt du nicht bittre
Klagen:

Es fiel dir ein ſolches Leben faſt nicht moͤglich zu ertragen,

Da dein Sterben ungewiß? Nun es ſey. Doch iſt ein
Leben,

Worinn wir in ſolchen Plagen ſtets in Ungewißheit
ſchweben,

Die noch aͤrger als der Tod, ſo vergnuͤglich? merke doch,

Wie dein Wunſch ſo ungerecht: Du verlangſt ein Leben
nicht,

Wo das Sterben ungewiß, und verlangeſt jedennoch

Ein, und zwar ein langes, Leben, wo dein Gluͤck ſo leicht
zerbricht,

Seine Dauer ungewiß, und womit, zu deinem Scha-
den,

Du leicht koͤnnteſt elend ſeyn und mit langer Laſt bela-
den.
Daß
[585]zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.

Daß du denn nicht lieber dem ein ſo zweifelhaftes Weſen

Uebertraͤgſt und uͤberlaͤſſeſt, der vor aller Zeiten Zeit

Die Secunden aller Zeiten ſich zum Gegenwurf erleſen,

Dem es alles offenbar, was fuͤr Gluͤck und Widrigkeit

Mit jedwedem Tag verbunden, und was du in deinen
Tagen

Von den Laſten jedes Tages wirſt geſchickt ſeyn zu ertragen?

Laß doch den dein Leben enden, oder weiter noch erſtrecken,

Welcher dir dein Leben gab, in der Abſicht bloß allein,

Daß das Ende fuͤr dich gut und begluͤcket ſollte ſeyn;

Wenn du dich nur ſelbſt nicht ſtreubſt, wie man es wird
dort entdecken,

Leb’ indeſſen ſonder Ekel, trau ihm, und daß du den Tod

Nicht mit gar zu großer Abkehr ſcheu’ſt und fuͤrchteſt;
dulde Gott.

B. „Ja ich dulde Tod und Gott, und bin gar nicht un-
zufrieden

„Mit dem Leben, welches Er, als mein Vater, mir be-
ſchieden.

„Aber dieſes quaͤlet mich, daß faſt nie zu rechter Zeit
„Unſer Tod uns uͤberfaͤllt, auch wenn die Gelegenheit,
„Etwas Gutes auszurichten, es am allerbeſten leidet,
„Er uns auf die Bahre reißt, und den Lebensdrat zer-
ſchneidet.

A. Dieſe Klag iſt unvernuͤnftig. Du wilt ſterben:
und ein Leben

Laͤnger, als es dir der Schoͤpfer einſt beſtimmt und dir ge-
geben,

Foderſt und verlangſt du nicht: aber daß ſichs aͤndern ſollte

Zu der Zeit, da es jedoch der, ſo es beſtimmet, wollte,

Damit biſt du nicht zufrieden.

Funfzig Jahr ſind dir beſchieden,
O o 5Und
[586]Anleitung

Und du biſt damit vergnuͤgt, wuͤnſchſt auch mehr nicht zu
erhalten;

Dennoch bey derſelben Schluß moͤchteſt du noch nicht er-
kalten.

Waͤre dieſes etwas anders, als daß du nicht haͤtteſt wollen,

Daß, da du gebohren, haͤtteſt nicht gebohren werden ſollen?

Fruͤher, oder aber ſpaͤter haͤtteſt du auf dieſer Erden

Nach dem Schluſſe, den du machſt, ja gebohren muͤſſen
werden:

Doch du muͤſſeſt ein Jahr ſpaͤter hier gebohren worden ſeyn;

Wenn du ſpaͤter ſterben wollteſt, welches, daß es laͤcherlich,

Damit ſtimmet, wie ich hoffe, jeder billig uͤberein.

Mir faͤllt zu begreifen ſchwer, auf was Weiſe daß du dich

Mit dem Urſprung deines Lebens faͤhig ſeyn kannſt zu ver-
einen,

Da du wegen deines Anfangs ihm bereits beſprichſt, im
Meynen

Spaͤter waͤr es gut geweſen. So iſt es nicht wunderns-
werth,

Daß ſich bey des Lebens Schluß uͤber ihm dein Geiſt
beſchwert,

Da du ſchon den Anfang tadelſt. Doch, da dir kein Tag
gerecht

Auch von allen, den zum Tode Gott dir einſt beſtimmen
moͤcht,

Und es dennoch feſtgeſetzt, daß du einmal ſollt erbleichen,

Und aus dieſem Leben weichen,

Daß wir, dieſer Sache wegen,

Wenn der Tod dereinſt erſcheint, keinen Streit mehr ha-
ben moͤgen:

So erwaͤhl dir ſelbſt den Tag, woran du ohn alle Klagen

Aus der Welt zu ſcheiden denkſt, und dein Sterben willt
ertragen,
Daß
[587]zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.

Daß du auch in dieſer Wahl dich nicht uͤbereilen moͤgeſt,

Bin ich wohl damit zufrieden, daß du alles uͤberlegeſt.

Stelle dir des Menſchen Alter in dem ganzen Umfang fuͤr,

Waͤhl von allen Tagen einen, eine Stunde, die vor allen

Dir zu ſterben wird gefallen:

So erkuͤhn ich mich zu ſagen, und es wird gewiß nicht feh-
len,

Wenn du allen nachgedacht, wirſt du dennoch keinen waͤhlen,

Den du fuͤr den beſten haͤltſt, und den du nicht, zu ver-
meiden,

Tauſend Gruͤnde finden wuͤrdeſt. Wenn du jung, den
Tod zu leiden,

Wuͤrde dir misfaͤllig ſeyn; denn du faͤngſt erſt an zu leben.

Jn erwachſ’nen Jahren auch; denn dein Wirken faͤngt
erſt an.

Auch im Alter wuͤrdeſt du willig nicht den Geiſt aufgeben,

Weil man denn ja ſeiner Arbeit erſt bequem genießen kann.

Und ſo fingſt du immer an, wo ſichs doch gebuͤhrt zu enden,

Weil du ſelbſt nicht enden willt. Ja, wofern du auch ge-
waͤhlt,

Nach ſo mancher Ueberlegung, manchem hin und wieder
Wenden,

Und es kaͤm der Tag herbey, haͤtteſt du dennoch gefehlt,

Wenn er auch nach hundert Jahren allererſt geſetzet waͤr,

Wuͤrde dir ſodann die Wahl dennoch ganz gewiß gereuen;

Denn du wuͤrdeſt ſonder Zweifel dich auch dann zu ſterben
ſcheuen.

Sachen waͤren noch zu ſchlichten, Waaren ſchwaͤmmen auf
dem Meer,

Noch nicht recht berathne Kinder, tauſend Dinge ſind
vorhanden,

Die, wie du den Tag gewaͤhlt, nicht vermuthet, nicht
verſtanden:
So
[588]Anleitung

So betriegen wir uns immer, nimmer iſt die rechte Zeit,

Unſer Leben abzulegen, weil wir nimmer ſterben wollen.

Hier ſchon zur Unſterblichkeit

Zu gelangen, koͤnnen wir auf der Welt nicht, und wir ſollen

Hier auch nicht dazu gelangen. Sterblich will der Menſch
zwar ſeyn,

Aber ſterben will er nicht. Was ſoll nun die Gottheit
machen?

Sie kann dich in dieſen Sachen

Selber nicht zu Rathe ziehen, denn es iſt bey dir kein Rath.

Laß dann alſo den beſtimmen, es ſey zeitig oder ſpat,

Der nach ſeiner ew’gen Weisheit alles wohl beſtimmet hat.

Wenn wir ſollen, laßt uns ſterben, und dabey gewißlich
glauben,

Man ſoll dann nichts anders thun, ſo wird uns der Tod
das Leben

Nimmermehr zur Unzeit rauben.

Haſt du Kinder zu berathen; Gott wird ihr Berather ſeyn.

Setzet ſie dein Tod in Armuth und Beduͤrfniß; Gott hat
wollen,

Daß ſie arm auf Erden ſeyn, daß ſie Mangel haben ſollen:

Und vielleicht, damit ſie nicht hier zu großem Reichthum
kommen,

Wirſt du eben zu der Zeit durch den Tod hinweggenommen.

Alſo denk von allen Dingen, welche dich am Sterben hin-
dern,

So wirſt du vergnuͤgter ſterben: und dein Gram wird
ſich vermindern.

Der hat lange gnug gelebet, welcher ſeinem Gott gelebt,

Und die beſte Zeit zu ſterben iſt, wenn ihr euch dem ergebt,

Deſſen Wege Licht und Recht, deſſen Weſen lauter Liebe,

Folgt im Sterben nicht dem euren, folget ſeinem Vater-
triebe!
B. „Du
[589]zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.

B. „Du haſt Recht, ich kanns nicht leugnen, und bin
nicht mehr drauf bedacht,

„Meines Lebens Ziel zu ſetzen, ſondern bin damit zu-
frieden,

„Daß es Gott beſtimmen moͤge. Aber daß uns nicht
beſchieden,

„Unſer Ziel vorher zu wiſſen, dieß iſt, was mir Kummer
macht;

„Da uns an der Wiſſenſchaft doch ſo viel gelegen waͤr.
„Warum zeigt uns Gott den Tag unſers Todes nicht
vorher?

„Dieſes wuͤrde von den Plagen unſers Todes viel be-
nehmen,

„Alle Menſchen wuͤrden ja ſich mit allem Ernſt bequemen,
„Haus, Familien, Proceſſen, Kinder, und vor allen
Dingen

„Jhrer Seelen Heil beſorgen, und was ſonſt, in Ord-
nung bringen.

„Wuͤßten wir die Zeit; wir wuͤrden dann vergnuͤgt
das Leben laſſen,

„Da wir ganz verwirret ſcheiden, weil wir unverhofft
erblaſſen.

A. Aber iſt es wohl zu glauben, daß ein Menſch
auf ſeine Sachen

Ernſtlich Achtung haben wuͤrde, und fuͤr ſeine Seele wachen,

Dem es ganz gewiß bekannt, daß er noch ein Jahr zu leben?

Der doch, da er itzt des Lebens nicht bis morgen einſt gewiß,

Sondern immer in Gefahr, heute noch es aufzugeben,

Alles fahrlos liegen laͤßt, und kaum an die Seele denket?

Wenn man ſich nun uͤber alles in ſo tiefe Schlafſucht ſenket,

Da man uͤber ſeiner Dauer in ſo dunkler Finſterniß;
Was
[590]Anleitung

Was wuͤrd’ einer nicht beginnen, welcher noch ein ganzes
Jahr

Vor dem Tode ſicher waͤr? Jſts demnach und bleibet wahr,

Daß mit weiſem Vorbedacht uns ein ungewiſſes Leben

Von dem Schoͤpfer hier gegeben;

Daß, durch gar zu feſte Nachricht, wenn daſſelbe ſich ſoll
enden,

Wir in harter Sicherheit unſer Leben nicht verſchwenden,

Suͤndlicher noch ſterben moͤchten. Waͤre dir dein Tod be-
kannt;

Fuͤhrteſt du kein gutes Leben, eh als wenn du ſterben ſollteſt;

Wuͤrdſt auch nicht gut ſterben koͤnnen, wenn du es gleich
gerne wollteſt,

Weil du gar zu ſchlecht gelebt. So iſt es demnach bewandt

Mit dem unverſtaͤndgem Meynen, daß, wenn unſre Ster-
benszeit

Uns nicht hier verholen waͤre, wir dann in Gelaſſenheit

Unſer Leben ſchließen wuͤrden. Es iſt vielmehr ein Beweis

Einer goͤttlichen Erfindung, da Er ihren Tod mit Fleiß

Allen Sterblichen verborgen. Welch ein jammerndes Be-
ſchweren,

Welch ein Klagen wuͤrde man ſonderlich von denen hoͤren,

Denen kurze Lebenstage etwan zugemeſſen waͤren.

Setze dieſem noch hinzu, daß, wenn man vorhero wuͤßte

Die gemeßne Zeit des Todes; was wuͤrd’ in den letzten
Jahren

Man fuͤr Kummer, Gram und Leid ob den nahen Tod er-
fahren,

Die verbitterten gewiß unſers ganzen Lebens Luͤſte.

Aber itzo leben wir: jeder glaubt, er werde leben,

Jeder denkt: ihm ſey von Jahren ein erfuͤlltes Maaß ge-
geben;
Und
[591]zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.

Und ob man ſich gleich betriegt, merkt man den Betrug
doch nicht,

Will ihn auch nicht einſt bemerken. Wodurch man des
Lebens Licht

Froh genießt, ſo lang es waͤhret. Alſo haben wir er-
wieſen,

Daß der Tod dem Menſchen gut, daß es gut, daß Gott
ein Ziel

Jedem Menſchen ausgeſetzet, gut, daß es dem Herrn gefiel,

Dieſes Ziel ihm zu verbergen. Gott ſey denn dafuͤr ge-
prieſen!

Derjenige, der mit der Zeit und Stunde
ſeines Todes zufrieden iſt, muß auch mit
der Art des Todes, und mit den Krank-
heiten, welche den Tod verurſachen, zu-
frieden ſeyn; wobey erklaͤret wird, daß
die Krankheiten eine bewundernswuͤrdige
Erfindung des Schoͤpfers ſind.


Ob dieß nun gleich ſo ſonnenklar,

Und ganz unwiderſprechlich wahr,

So legt des Menſchen ſteifer Sinn,

Bey ſeinem ſo geliebten Leben, doch noch nicht alle Ein-
wuͤrf’ hin.

Und da er ſeiner Sterbenszeit

Nichts mehr zu widerſetzen hat; klagt er um die Beſchaf-
fenheit

Und Art des Todes, die Natur, und, in ihr, ihren
Schoͤpfer an.

Die Krankheit naͤmlich, deren Schmerzen kein Koͤrper
widerſtehen kann,
Wirft
[592]Anleitung

Wirft er dem Schoͤpfer murrend vor. B. „Wie hart,
wie grauſam iſt es nicht,

„Spricht er: mit ſolchen ſcharfen Martern, mit Poda-
gra, mit Stein und Gicht

„So jaͤm̃erlich, ſo lange Zeit, bevor der Koͤrper kann erblaſſen,
„Sich nagen und zerfoltern laſſen?
„Bald in des Fiebers Flammen brennen? bald durch
der Nerven ſcharfe Pein

„Als ſpitzen Stacheln, ſcharfen Dornen, zerriſſen und
durchbohret ſeyn?

„Bald, bis zur Raſerey, gedrengt von Haupt- von
Bruſt- und Magenſchmerzen,

„Vom moͤrderiſchen Seitenſtechen, Angſt und Beklem-
mungen im Herzen,

„Und dieß ſind dennoch nur die Spuren von der erſt
kuͤnftgen Todesnoth,

„Bey ſolchem wuͤtheriſchen Vorſpiel, was iſt denn nun
erſt ſelbſt der Tod?

A. So willt du, wie ich hoͤre, denn wohl gar nicht
ſterben? B. „Dieſes nicht;
„Jch wegere mich nicht zu ſterben, und weis, daß die-
ſes meine Pflicht.“

A. Verlangſt du denn, bey ſtarken Gliedern, gewalt-
ſam aus der Welt zu ſcheiden?

Willt du erdroſſeln? ſoll das Schwerdt das Haupt dir
von den Schultern ſchneiden?

Soll dich vielleicht die Flut erſaͤufen? dein Herz vom
Dolch durchſtochen ſeyn?

B. „Zu dieſen allen ſag ich: Nein,
„Die Todesarten waͤren ja zu hart, zu grauſam, ſchnell
zu ſterben,

„Wenn noch die Seele ganz in uns (wie Saul ſich aus-
druͤckt) zu verderben,
„Dieß
[593]zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.
„Dieß waͤr entſetzlich.“ A. Nun wohlan,

Was faͤngt man mit ſo fremdem Geiſt, als wie der dei-
nige, doch an?

Du willt zwar ſterben, aber doch nicht ſchnell und auch
gewaltſam nicht,

Auch langſam nicht, nicht allgemach. So gieb mir ſelbſt
den Unterricht.

Geſund verabſcheu’ſt du den Tod, durch Krankheit ſoll er
auch nicht kommen,

Auf welche Weiſe willt du denn, daß dir das Leben ſey
genommen?

So laß denn ſehn, du, der du Pein im Tod’ und alle
Krankheit haſſeſt,

Als ſeine Boten und Begleiter, ob du hierinn dich wohl
befaſſeſt?

Du haͤltſt es billig, daß wir ſterben. Jſt dieß ſonſt
was, als aufzuhoͤren?

Des ganzen Koͤrpers feſten Bau auf einmal ploͤtzlich zu
zerſtoͤren,

Sey hart, gewaltſam, ſageſt du. Was fuͤr ein’ herr-
liche Erfindung

Jſt denn dieß Mittel der Natur, und in ihr, Gottes!
die Verbindung

Des Menſchenkoͤrpers ſo gefuͤgt, ſo wunderbar vereint
zu haben,

Daß, ſelbſt durch den Gebrauch zerrieben und abgenuͤtzt,
er allgemach,

Und ohn ein ſonderbar Empfinden und ſtrenge Schmerzen,
nach und nach

Verſchwind’ und aufgeloͤſet werde? dieß thut die Krank-
heit. Alle ſchaben
P pAm
[594]Anleitung

Am Koͤrper, ohn ihn umzuſtuͤrzen. Ja, wenn ſich auch
die letzte zeigt,

Zerbricht doch dieſe nicht den Bau. Es war der Grund
ſchon untergraben,

Die Mauren waren ausgefreſſen. Daher ſichs leicht
zum Fallen neigt,

Der Sturz iſt ſchnell, doch kam er langſam. So geht
es zu, allmaͤhlig werden

Des Koͤrpers Kraͤfte ſelbſt verzehrt in der Benutzung,
es vergehn,

Durch ſteten Wechſelkampf, die Saͤfte, bey Menſchen,
da ſie gehn und ſtehn.

Jm Eſſen, Wirken und Studiren, und manchem red-
lichen Geſchaͤffte,

Weit mehr noch durch die Laſterhafte, die ſchaͤdlicher,
ſind unſre Kraͤfte

Zerrieben, ſammt den Lebensgeiſtern, die Nerv’ und Hirn
zur Nahrung braucht.

Ein ſchlechter Blut, da von dem beſſern die beſten Duͤnſte
ſchon verraucht,

Tritt allgemach an ſeine Stelle. Der Saͤfte Miſchung
iſt verkehrt,

Das Blut iſt dick, auch wohl verbrannt: Auf dieſe
Weiſe folglich hoͤrt

Der ſchoͤne Bau allmaͤhlig auf, und die Maſchine wird
zerſtoͤrt,

So, wie ſie erſt gefuͤget worden. Kann der denn uͤber
Krankheit klagen,

Dem wiſſend iſt, daß er ein Menſch? B. „Allein
die Schmerzen zu ertragen,
„Jſt gar zu ſchwer und allzuhart.“ A. Bey allen ſind
ſie es doch nicht;

Doch, wenn die deinen ſehr beſchwerlich und heftiger ſind,
dieß geſchicht
Viel-
[595]zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.

Vielleicht, daß die Natur bey dir weit ſtarker, wo du
ſie vielmehr

Durch Schlemmen nicht noch unterdruͤcket und uͤber-
trieben haſt: Doch hoͤr

Ein wenig noch von meiner Lehr!

Biſt du davon nicht uͤberfuͤhrt, dir ſey von Gott ein
Ziel geſetzet,

Und haſt du nicht ſchon zugeſtanden, daß dieß die Ord-
nung nicht verletzet?

Nun frag ich dich: Wenn eine Mauer ſollt’ heut’ herab
genommen ſeyn,

Noch heute Platz und Grund geebnet, der Abend aber
braͤch herein,

Und ſtuͤnd’ annoch ein großer Theil; was der denn etwan,
welcher wollte,

Daß dieß Gebaͤude noch vor Abend und heute noch her-
unter ſollte,

Zu ſeinem Endzweck zu gelangen,

Vermuthlich ſich entſchließen wuͤrde, ſodann die Arbeit
anzufangen?

B. „Man muß ſo Fleiß als Kraft vermehren; mehr
Haͤnde ſind noch anzuſtellen,

„Um mit ſtets wiederholten Schlaͤgen der Mauer Haͤrtig-
keit zu faͤllen.“

A. Gar recht. Allein erblickſt du nicht, daß dieſes
auch mit dir geſchehe,

Die Todesſtund iſt dir geſetzt.

Dein Koͤrper iſt noch ſtark und zaͤhe,

Noch keine Krankheit, die vorbey, hat deinen Koͤrper
gnug verletzt,
P p 2Sie
[596]Anleitung

Sie hatten alle langſam nur, und nur mit fauler Hand
gewirket,

Und doch ſoll deines Koͤrpers Bau, in etwan ſieben
Wochen Zeit,

Wie es dein Schoͤpfer dir bezirket,

Zertheilt und abgebrochen ſeyn. So muß mit einer
groͤßern Macht

Ein ſtaͤrker Krankheitheer gefodert, gebrauchet ſeyn und
angebracht,

Den feſten Koͤrper zu zertheilen. Solch’ uͤbertriebene Ge-
walt

Jſt, ohne Schmerzen, ſonder Plagen

Nicht zu erdulden, und dennoch mußt du dieſelbigen ertragen,

Wo du zu der Zeit ſterben ſollt. Die Schwachen werden
dergeſtalt,

Auch Aeltere, nicht angegriffen, ſo wenig als verſchiedner
Weiber

Weit ſchwaͤchre, nicht ſo feſte Leiber,

Jn welchen naͤmlich mindre Staͤrke und Feſtigkeit vor-
handen war.

Es brauchts demnach, ſie aufzuloͤſen, von Krankheit
keine ſolche Schaar.

Jn alten ſchon zernagten Koͤrpern ſind ſie ſchon ſeit ſo lan-
ger Zeit

Damit beſchaͤfftiget geweſen, das Leben ihnen zu entziehen,

Die weichen Nerven, welken Muskeln, des kalten Flei-
ſches Schwaͤchlichkeit

Gebrauchen von der letzten Krankheit kein ſolches unge-
ſtuͤm Bemuͤhen.

Damit ſie aber dich beſiegen, der du von ſtarken Kraͤften
biſt,

Begreift man leicht, daß mehr Gewalt und Kraft dazu
vonnoͤthen iſt,
Ja
[597]zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.

Ja oͤfters mehr, als eine Krankheit, daß man mit dir eh
fertig ſey.

Wo man nun viel Gewalt gebraucht, giebt es viel Laͤrmen
und Geſchrey.

B. „Allein, warum verfaͤhret man mit mir denn ſo be-
ſonders ſtrenge?
„Warum gebraucht man ſolcher Faͤuſte, wodurch man
mich ſo heftig plagt?“

A. Haſt du es denn noch nicht vernommen? ich hab’ es
dir bereits geſagt,

Daß du zur rechten Stunde ſterbeſt, und ſich dein Leben
nicht verlaͤnge.

Du haͤtteſt koͤnnen, ich geſteh’ es, durch leichtre Krank-
heit, mindre Pein

Beſiegt und aufgeloͤſet ſeyn:

Allein es haͤtten dieſe muͤſſen, um dich zu der Zeit zu beſiegen,

Schon vor ſehr langer Zeit beginnen. Du haͤtteſt mehr,
als vor zehn Jahren,

Derſelben Plagen fuͤhlen muͤſſen, und ihre Heftigkeit er-
fahren,

Da du von zu geſundem Koͤrper, zu ſtarken Nerven, feſten
Zuͤgen,

Als daß du in zween Monat Zeit mit mindern Schmerzen
ſchon erliegen,

Mit minderm Leiden ſterben koͤnnen, und wenigerm Ge-
fuͤhl. Allein,

Haͤtt’ eine lange zehrnde Schwindſucht dir wohl behaͤg-
lich koͤnnen ſeyn?

Du haͤtteſt elend leben muͤſſen: und da du langſam ſtets
geſtorben,

So haͤtteſt du nie wohl gelebt. Kein Gut, kein’ Ehre
waͤr erworben
P p 3Mit
[598]Anleitung

Mit einem ausgezehrten Koͤrper. Du haͤtteſt unbequem
gelebt,

Und waͤrſt doch nicht bequem verſchieden. Nun haſt du
aber mit Vergnuͤgen

So viele Jahre zugebracht. Soll dieſes dann nicht ſo
viel tuͤgen,

Daß man, mit etwas mehrerm Schmerzen, des Koͤrpers
Bau dir untergraͤbt?

Und iſt die goͤttliche Erfindung der Krankheit nicht be-
wundernswerth,

Der eine daurende Geſundheit auf ſo viel Jahre dir be-
ſchert,

Der auch, daß du nicht laͤnger lebteſt, der Krankheit
Kraft bey dir verbunden,

Und das mit kuͤrzern Plagen wirkt, was du ſo ſtark zwar
nicht empfunden,

Doch ſo viel laͤnger leiden muͤſſen? Jch bleib hier aber
noch nicht ſtehn,

Und muß der Krankheit herrliches Erfinden ferner noch
beſehn.

Du klagſt: „dein Leib ſey ſo gequaͤlt, es druͤckten dich
von allen Seiten
„Die Schmerzen, die faſt unertraͤglich, ohn Aufſchub und
zu allen Zeiten.“

Allein begreifſt du auch den Grund, warum Gott ſolche
Plagen ſende?

Hier iſt er: daß ſich deine Seel zufriedner von dem Koͤr-
per wende,

Worinn man ihr ſo uͤbel wartet. Die wahre Tapferkeit
beſtcht

Nur darinn, daß wir willig ſterben, daß man aus ſeinem
Koͤrper geht,
Zu
[599]zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.

Zu der Zeit, wenn man gehen ſoll, nicht wollen, daß wir
halb zerriſſen

Von ihm getrennet werden muͤſſen.

Damit du ihn nun willig laſſeſt, erregt dein Leib dir ſol-
che Plagen,

Die dir, wie ſehr du ihn auch liebeſt, unmoͤglich fallen zu
ertragen.

Wer iſt doch wohl ſo niedertraͤchtig, der gern im Hauſe
wollte bleiben,

Woraus der Wirth, mit murrſchen Blicken, ihn immer
droht heraus zu treiben,

Und in der That ihn von ſich ſtoͤßt? „Der Leib iſt keine
Wohnung nicht,

„Spricht Seneca: nur eine Herberg, und zwar nur bloß
auf kurze Zeit,

„Man muß dieſelbige verlaſſen, ſo bald der Wirth ent-
weiche, ſpricht,
„Und er durch widrige Begegnung ihn zu verlaſſen, uns
gebeut.“

Jſt etwan uns in dieſem Hauſe ſo wohl, daß wir uns ſo
beſtreben,

Darinn beſtaͤndig zu verharren, und als Unſterbliche zu
leben?

Was fuͤhlt man nicht darinn fuͤr Plagen,

Die, daß es nicht fuͤr uns ſey, zeigen, die uns zerfoltern
und zernagen!

Bald muß man uͤber Haupt und Bauch, bald uͤber Bruſt
und Nieren klagen;

Hier foltern uns die zaͤhen Nerven, und dort ein Podagra
die Fuͤſſe;

Bald plaget uns des Blutes Meng’, und bald der Man-
gel, oͤfters Fluͤſſe;
P p 4Bald
[600]Anleitung

Bald wird man hier, bald dort geneckt und fortgeſtoßen,
ausgetrieben.

Doch was mich am meiſten wundert: da wir den mor-
ſchen Koͤrper lieben,

Was wuͤrde dann von uns geſchehn, wenn er, von Pein
und Krankheit frey,

Jn unverruͤckter Dauer ſtuͤnde. Man treibet uns faſt
fuͤr und fuͤr

Aus unſrer Wohnung mit Gewalt, dem ungeachtet hangen
wir

Dem, der uns von ſich treibet, an. Was wuͤrden wir
nicht dann erſt thun,

Wenn wir uns wohl in ihm befaͤnden, auf Roſenbetten
in ihm ruhn,

Uns ſtets in ihm vergnuͤgen koͤnnten? wie waͤr uns unſre
Sterblichkeit

Sodann mit groͤßrem Rechte leid!

Wie wuͤrd’ alsdann die Menſchheit allen

So widrig ſeyn, ſo ſehr misfallen!

Jtzt ſchwinden ſtuͤndlich unſre Kraͤfte, der Leib wird welk.
Doch unſer Sinn,

Von eitler Thorheit aufgeblaͤht, haͤngt immer nach dem
Koͤrper hin,

Und will das willig nicht verlaſſen, was ihn doch unge-
fragt verlaͤßt.

Kann man was Thoͤrichters verrichten? Beſinne dich, wo
noch ein Reſt

Von Klugheit ſich bey dir befindet. Laß ohne Gram den
von dir fahren,

Dem du die Flucht nicht wehren k [...]ſt, und der nicht
bleiben will, a [...]em

Du einen groben Wirth ja findeſt, da auch die Herberg’
unbequem,
Und
[601]zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.

Und zwar mit Fleiß ſo eingerichtet, und ſelbſt von Gott ſo
zugeſchickt,

Damit du durch die ſchlechten Umſtaͤnd’, aus Ekel, von
Verdruß gedruͤckt,

Den Koͤrper willig laſſen moͤchteſt, der ſo beſchwerlich,
welchen man

Mit groͤßrem Recht ein dunkles Zuchthaus, als eine Woh-
nung, nennen kann.

Erwaͤge denn noch einſt hiebey,

Wie ſehr ſo gar der herben Krankheit Erfindung zu be-
wundern ſey.

Man ſetze dieſes noch hinzu, daß auch die Krankheit
dazu gut,

Daß ſie des Todes herbſten Schmerz, den Stachel der
am wehſten thut,

Selbſt gleichſam ſtumpf zu machen faͤhig, ſo daß deſſel-
ben ſchaͤrfſte Pein

Und Quaalen einem Sterbenden im Sterben minder fuͤhl-
bar ſeyn.

Wer merket hier nicht eine Spur

Von der bewundernswerthen Kunſt der ſich zerſtoͤrenden
Natur.

Wenn man mit ganz geſundem Koͤrper und vollen Sin-
nen, unſrer Sehnen

Unleidlichs auseinander Dehnen,

Der Eingeweide preſſend Druͤcken, des Herzens Stocken,
und die Quaalen,

Womit wir, wenn die Seele ſcheidet, die Schulden der
Natur bezahlen,
P p 5Ertra-
[602]Anleitung

Ertragen muͤßt’; iſt es gewiß, es wuͤrde dann die To-
despein,

Gleich einer wahren Folterbank, unleidlich, unertraͤglich
ſeyn.

Dieß zeigt der ungluͤckſelge Saul: wie ihm, noch voller
Kraft, ſein Schwerdt

Das Fleiſch zerreißt, und deſſen Schaͤrfe durch die noch
friſche Glieder faͤhrt;

Konnt’ er die uͤberhaͤuften Schmerzen, die ihn verſehrten,
nicht ertragen,

Man hoͤrt ihn ſterbend alſo klagen:

Die Marter iſt nicht auszuſprechen zuſammt der Angſt,
die ich verſpuͤr,

Es iſt die ganze Seel’ in mir.

Dem Elend wußte nun bey uns der weiſe Schoͤpfer vor-
zubeugen

Durch Krankheit, die ſich insgemein vorher vor unſerm
Tode zeigen,

Wodurch ſich unſre Lebensgeiſter erſchoͤpfen, ſich gemach
verlieren,

Als die die Quellen unſers Fuͤhlens, durch die wir ei-
gentlich nur ſpuͤren.

Das Fleiſch und das Gefuͤhl wird ſtumpf, ja ſelbſt die
Phantaſey verwirrt,
(Jn welcher eigentlich der Sitz des Fuͤhlens angetroffen
wird)

Und oͤfters gaͤnzlich unterbrochen, ſo daß, von Sinnen
unbewegt,

Sie, aller ihrer Kraft beraubt, zu ſtutzen und zu ſtocken
pflegt.

Wann nun die groͤßte Kraft des Fuͤhlens den Muskeln
und den Nerven fehlet,

Als die die Krantheit weggenommen, ſo wird der Koͤrper
zwar entſeelet,
Jn-
[603]zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.

Jndem durch ſtarke Zuͤckungen ſein Bau zerſtoͤrt wird
und verdirbt,

Doch mit nicht heftigem Empfinden des Sterbenden,
indem er ſtirbt.

So ſchmaͤl’ auf unſers Todes Boten, die Krankheit,
denn hinfuͤro nicht,

Jndem ſie wirklich eine Wohlthat der ſich zerſtoͤrenden
Natur,

Da ſelbige mit Fleiß erfunden zu dieſem großen End-
zweck nur,

Damit du ſterbeſt, weil du ſterblich, und weil das
Sterben deine Pflicht,

Auch daß du zur beſtimmten Zeit, nicht eh’, auch
ſpaͤter nicht, erblaſſeſt,

Nicht minder, daß du ſonder Murren ſodann die
Seele von dir laſſeſt,

Und endlich, daß es ſanft geſchehe. So dulde denn
der Krankheit Plagen,

Da du erduldeſt, daß du ſterblich. Die Art des Todes
zu ertragen,

Darum zerbrich dir nicht den Kopf. Du weißt nicht,
was dir nuͤtzlich iſt,

Auch kennſt du deine Kraͤfte nicht. Laß dem, der alles
wohl ermißt,

Und der fuͤr alle ſorgt, dieß uͤber. Es heiſchet deine
Schuldigkeit,

Auf den, der deine Kraͤft’ und Krankheit, in unfehlba-
rer Richtigkeit,

Zu meſſen, zu vergleichen weis, bey deinem einſtigen
Erblaſſen

Mit moͤglichſter Gelaſſenheit dich unterwuͤrfig zu verlaſſen.

Es
[604]Anleitung

Es wird erwieſen, daß man nicht einmal
wegen der Gefahr der kuͤnftigen Selig-
keit oder Verdammniß den Tod zu fuͤrch-
ten habe, noch daß deswegen die Zeit
des Todes vorher zu wiſſen noͤthig.


Von den Klagen, die die Menſchen, ſo nicht gern die
Welt verlieren,

Ueberall ſo aͤngſtlich fuͤhren,

Jſt wohl die hauptſaͤchlichſte, „welche ſie vom kuͤnft’gen
Leben,

„Und deſſelben Ungewißheit, worinn ſie beſtaͤndig ſchwe-
ben,
„Und die von der Todesſtund abhaͤngt,“ pflegen herzu-
nehmen.

Zu dem Sterben wollten ſie endlich ſich noch wohl bequemen,
„Wenn kein ander Leben waͤr.“ Aber ich hingegen ſage,

Es waͤr unſer Tod erſchrecklich, und die allerherbſte Plage,

Ja ſelbſt der Natur zuwider, wenn nach unſrer Lebenszeit,

Voll muͤhſelger Eitelkeit,

Eine beßre nicht zu hoffen. Welcher ließ es gern geſchehen,

Wenn man auch aus einem Zuchthaus ihn verſtieß und
hieße gehen,

Wo er gar kein Wohnhaus finden und gar nirgends blei-
ben koͤnnt’?

Aber obgleich unſre Seele von dem Koͤrper wird getrennt,

Achtet ſie doch dieſes wenig, billig faͤllt es ihr nicht ſchwer,

Ja ſie freuet ſich vielmehr,

Daß ſie wandern ſoll und muß, weil ſie weis, wohin ſie
gehet,

Und ihr eine Ewigkeit kraͤftig vor den Augen ſtehet,
Wo
[605]zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.

Wo ſie lieblich aufgenommen und erquickt wird ewiglich,

Dahin ſuchet ſie zu fliegen, und nach dieſer ſehnt ſie ſich.

Doch mich deucht, ich hoͤr und ſehe dich noch ſeufzen,
jammern, klagen,

Ja fuͤr Kummer faſt verzagen,
„Daß dein Sterben ungewiß und die Zeit dir unbewußt,
„Da doch eben von dem Zeitpunkt der entſetzliche Verluſt
„Deines ewgen Wohlſeyns abhaͤngt. B. „Ja!
Welch Elend iſt es doch,

„Unbeſorgt und unvermuthet, augenblicklich jedennoch
„Durch Erſtickung, Waſſer, Feuer oder ſonſten von
der Erden

„Unverwarnt geriſſen werden,
„Unſre Augen ploͤtzlich ſchließen, um ſie dort im andern
Leben

„Zu eroͤffnen, zu erheben,
„Und den Richter ſchnell zu ſehn, der, im ſchreckenden
Gericht,

„Zu der Hoͤllen, zu dem Himmel, uͤber uns ein Urtheil
ſpricht.

„Was iſt ſchlimmer, ſchrecklicher! mitten in dem Laſter
ſterben,

„Und zur Reu und Buße nicht die geringſte Zeit erwerben!
„Ja wenn man auch nicht einmal von ſo groben Laſtern
wuͤßte,

„Waͤr es doch wohl nicht zu leugnen, daß man herzlich
wuͤnſchen muͤßte,

„Und es eine Wohlthat waͤre, wenn, um aus der Welt
zu gehn,

„Man ſich wohl bereiten koͤnnte, ernſtlich auf ſein Leben
merken,

„Sich mit Fleiß in guten Werken,
„Mehr
[606]Anleitung
„Mehr als etwan ſonſt geſchehn,
„Und nach allen Kraͤften uͤben, mit dem Sacrament
verſehn,

„Um dadurch zum nahen Kampf, in den letzten Augen-
blicken,

„Muthiger ſich anzuſchicken.
„Alle dieſe Vortheil’ aber werden uns dadurch benommen,
„Da man immer ungewiß, wenn die letzte Stunde kom-
men

„Und der Tod uns wuͤrgen werde. Da man ſeines Le-
bens Schluß

„Jn beſtaͤndger Ungewißheit ſtets mit Angſt erwarten
muß,

„Moͤchte man nur dieſes wiſſen, was wuͤrd’ alsbald in
den Seelen,

„Die ſich jetzo mit Verwirrung, Zweifel, Gram und
Kummer quaͤlen,

„Und vor Sorgen faſt vergehn,
„Nicht fuͤr eine Still entſtehn!“

A. Nun du handelſt recht vernuͤnftig, daß, bis
dir die Augen brechen,

Du was ſucheſt aufzutreiben, deinem Gott zu wider-
ſprechen.

Doch, bevor ich weiter gehe: ſo erwaͤge doch vorher,

Wenn es ſolch ein großes Gluͤck, ein ſo großer Vortheil
waͤr,

Deinen Tod vorher zu wiſſen;

Haͤtt’ſt du billig auf die Krankheit nicht ſo heftig ſchmaͤ-
len muͤſſen:

Denn dieß iſt die andre Wohlthat, die man aus der
Krankheit zieht,

Daß ſie einen Todesboten abzugeben ſich bemuͤht,
Und
[607]zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.

Und es uns vorher faſt ſaget, daß er vor der Thuͤre
ſey.

Da es nun ein ſolches Gluͤck, wie du es dafuͤr ja ſchaͤ-
tzeſt,

Deinen Tod vorher zu wiſſen, ſo iſt es ja einerley,

Ob ein Engel ihn verkuͤndigt, oder ob er durchs Ge-
ſchrey

Deiner Krankheit offenbaret und dir angedeutet ſey,

Wann du die gegebne Nachricht nur nicht aus den Augen
ſetzeſt.

B. „Aber, muß ich hier noch ſagen: dieſe Nach-
richt iſt zu ſpat,

„Daß ſie mich vergnuͤgen ſollte. Eine lange Zeit vor-
her

„Haͤtte mir die Todesſtunde, daß ſie mir beſtimmet waͤr,
„Angezeiget werden muͤſſen. Meynſt du dieß nicht in
der That?

A. Nun, wohlan, ich fuͤge dir deines Lebens Ziel zu
wiſſen,

Hoͤr! heut eben uͤbers Jahr ſollt du deine Augen ſchlieſ-
ſen.

Diefes iſt von Gott beſchloſſen. Alſo frag’ ich ferner
dich,

Der du uͤbers Jahr erblaſſeſt, was du nun in dieſer
Stunde,

Die du lebſt, zu thun gedenkſt? thu das jetzt: und
ſicherlich

Der du, ſicher von der Stunde, wirſt du nach ver-
floßnem Leben,

Auch nicht weniger gelaſſen, deine Seele von dir geben,

Ob du von der letzten Stund’ etwan einigen Bericht

Haſt erhalten, oder nicht.
Denn
[608]Anleitung

Denn ich darf ja von der Stunde, wenn ich wohl in ihr
gelebt,

Mir ſo wenig Sorgen machen, ob ich morgen ſterben
muß,

Oder ob mir um zehn Jahren allererſt des Lebens Schluß

Von dem Himmel vorgeſchrieben, und man mich ſodann
begraͤbt.

Wann du aber itzt was thuſt, welches dich gereuen kann;

O! ſo fange heute an,

Sinn und Sitten zu verbeſſern, dann wird nichts vorhan-
den ſeyn,

Welches dich gereuen kann, bricht dein letzter Tages-
ſchein

Auch gleich erſt nach vielen Jahren und nach langer Zeit
herein.

Denn was kann es dir doch nuͤtzen, um noch heute fromm
zu leben,

Ob man dir von deinem Tode Nachricht, oder nicht, ge-
geben;

Da dir doch nicht unbekannt, was der große Schoͤpfer
wolle,

Was man heute thun, und wie man heute ſich betragen
ſolle.

Denn ich glaube dieß von dir, daß kein groͤbliches Ver-
gehn

Dein Gewiſſen druͤcken werde, daß die Dinge wohl ge-
ſchehn,

Die von dir betrieben werden, daß du deines Amtes
Pflichten

Werdeſt ordentlich beſorgen, und was dir gebuͤhrt, ver-
richten.

Laß uns nun einmal erwaͤgen: Wenn nach eines Monats
Zeit
Du
[609]zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.

Du unfehlbar ſterben muͤßteſt,

Und du dieſen Zeitpunct wuͤßteſt,

Glaubteſt du, daß Gott ſodann dir wuͤrd’ einen Unter-
ſcheid

Jn den Lebensregeln machen, andere Geſetze waͤhlen,

Andre Pflichten dir befehlen,

Als die, welche du verrichteſt, da dein Tod dir unbe-
kannt?

Dieſes kann ich nimmer glauben, da der goͤttliche Ver-
ſtand

Meine letzte Stunde kennt, meinen ganz gewiſſen Tod,

Und mir dennoch kein Gebot,

Meines Lebens Art zu aͤndern, offenbart und kund ge-
macht,

So daß, wenn ich das verrichte, und das von mir wird
vollbracht,

Was mein Stand von mir erfordert, weis ich, daß ich
das begehe,

Was der Schoͤpfer haben will, daß es itzt von mir ge-
ſchehe.

Was iſt denn daran gelegen, ob mir meine Sterbens-
zeit

Kund entweder oder nicht. Da mir die Unwiſſen-
heit

Ja ſo wenig als das Wiſſen den geringſten Unter-
ſcheid

Jn den Handlungen verurſacht, die ich hier verrichten
ſoll,

Warlich ſollt ich morgen ſterben, hab’ ich heute keine
Pflichten,

Als die Gott von mir verlangt, zu vollziehn und zu ver-
richten.
Q qNun
[610]Anleitung

Nun verlanget er dieſelben, die er einmal mir befoh-
len,

Ob mein Sterben mir bekannt, oder ob es mir verho-
len.

B. „Wenn ich aber gleichwohl wuͤßte,
„Daß ich morgen ſterben muͤßte;
„Wuͤrd’ ich unaufhoͤrlich beten, vor der heilgen Him-
melsſpeiſe

„Wollt ich mich zur Erden werfen, und ſodann auf dieſe
Weiſe
„Meinem Seelenbraͤutigam meine Seele uͤberge-
ben.“

A. So gedenkeſt du, und zwar fromm genug, wie du
vermeynſt;

Aber da Gott, welcher weis, daß du morgen ſchon dein
Leben

Mit dem Tode wechſeln wirſt, dir dergleichen nicht be-
fiehlt,

Aber dir befohlen hat, deines Amts und Lebens Pflich-
ten

Jn der Liebe deines Naͤchſten und der deinen zu ver-
richten,

Frag’ ich, welche Zubereitung, die auf unſer Sterben
zielt,

Man wohl fuͤr die beſte hielt,

Das zu thun, wozu die Furcht fuͤr den Tod uns etwan
treibet,

Auch vielleicht das, was in uns ſelbſt gemachte Andacht
glaͤubet,
Oder
[611]zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.

Oder das, was Gott erfodert? Daß er aber das be-
gehrt,

Was zu deinem Amt gehoͤrt,

Jſt wohl keines Zweifels werth.

Es erzaͤhlen die Geſchichte,

Daß zuweilen manchen Frommen

Von dem nicht entfernten Tode durch belehrende Ge-
ſichte

Eine Rachricht zugekommen,

Welche zwar die Bruſt der Andacht zu des Herren Tiſch
getrieben,

Aber die nachher gelaſſen doch bey ihrer Arbeit blie-
ben,

Und alſo den Tod erwartet. B. „Ja, doch werf ich
dir hier ein,

„Dieſes muͤſſen fromme Seelen, Heilige, geweſen
ſeyn,

„Die ſich keiner Schuld bewußt.“ Dieſes hoff ich auch
von dir,

Daß dich keine Todſuͤnd’ aͤngſtet. Aber, da ſie heilig waren,

Warum ſind dieſelben hier

Nicht in einer heilgern Arbeit betend aus der Welt ge-
fahren?

Jſt denn eines Sterbenden wuͤrdige Beſchaͤfftigung

Seine ſtetsgetriebne Arbeit und gewohnte Hande-
lung?

Ja ſie iſt es, und auf Erden

Kann kein’ Arbeit, welche beſſer, jemals ausgeſonnen
werden,

Als die, ſo nach Seiner Ordnung dir vom Schoͤpfer auf-
gelegt,
Q q 2Thu’
[612]Anleitung

Thu’ das heute, welches Gott heute will, daß es ge-
ſchehe:

Keine beßre Vorbereitung, wenn die letzte Stunde
ſchlaͤgt,

Kann von dir erwaͤhlet werden. Ja es gehe, wie es
gehe,

Sollt’ auch mitten in der Arbeit heute noch dein Leben
ſchwinden,

Wird dein Tod dich nimmer beſſer, wuͤrdiger beſchaͤfftigt
finden.

B. „Aber wenn er unvermuthet, und mich irgends
uͤberfaͤllt,

„Wo ich mit dem Sacrament mich nicht faͤhig zu ver-
ſehen?“

A. Hoͤre! ſollte dieſes mir ſonder meine Schuld ge-
ſchehen,

Glaub ich, daß der Herr der Welt

Dieſes habe haben wollen,

Daß ich ſonder Sacrament von der Erde ſcheiden
ſollen.

Und ich wuͤrde mich nicht mehr, noch mit groͤßerm Recht,
beſchweren,

Als ein wohlgerathner Sohn, wenn er ſoll zuruͤcke keh-
ren,

Ueber einen frommen Vater, der ihn immer wohl ge-
pfleget,

Daß er ihm zu der Zuruͤckkunft nicht ein groͤßers Reiſe-
geld

Zu der Reiſe zugeſtellt.
Wuͤrde
[613]zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.

Wuͤrde mir das heilge Mahl auch im Sterben beyge-
leget;

Wuͤrd’ ich fuͤr ſo große Gnade, tief geruͤhret, dankbar
ſeyn.

Aber wuͤrd’ es mir verſagt, wuͤrde mich kein Gram er-
fuͤllen,

Sondern ich wuͤrd’ unterwuͤrfig meines guten Vaters
Willen

Ruhig zu verehren ſuchen. Moͤchte man beym Sterben
doch,

Jener heiligen Gerdrudis frommen Beyſpiel nachzu-
leben,

Sich in Ehrerbietigkeit und Gelaſſenheit beſtreben.

Dieſe kam durch einen Fall in Gefahr des Todes,
doch

Wie ſie wunderbar errettet, und darauf gefraget
ward,

Ob ſie ohne Sacrament ihres Braͤutgams Gegenwart

Zu erblicken wohl gewuͤnſchet? Ob ihr dieſes nicht ge-
reu’t?

Gab ſie alſobald erroͤthend auf die Frage zum Be-
ſcheid:

Tauſendmal wuͤrd’ es mir mehr leid ſeyn und gereuet ha-
ben,

Wenn ich auch im mindeſten meines Gottes heilgen Wil-
len

Unterwuͤrfig zu erfuͤllen,

Mich gewegert haben ſollte. Wirſt du nicht hiedurch ge-
ruͤhrt?

Wird von dir noch ſo viel Furcht gegen deinen Tod ver-
ſpuͤrt.
Q q 3B. „Ja.
[614]Anleitung

B. „Ja. Die allergroͤßte noch. Denn allein von
dieſer Zeit

„Haͤngt die ganze Ewigkeit
„Sonder allen Zweifel ab.“ A. Nun es ſey. Soll
denn dein Sterben

Dadurch mehr verabſcheut ſeyn, und willt du nicht eh
dein Leben

Lieber zu verbeſſern ſtreben,

Um dereinſt die Seligkeit, die du wuͤnſcheſt, zu erwer-
ben?

Aber hievon red’ ich nicht. Jch will etwas dir entde-
cken,

Welches du wohl nie erwartet, und mit allen deinen
Schrecken

Dir den Mund auf einmal ſtopfen.

Zu welcher Zeit dein Tod erſcheint,

Du ſterbeſt uͤbel oder wohl, du ſeyſt entweder Gottes
Feind,

Wie oder ſtehſt bey ihm in Gnaden, ſo wirſt du keine
beßre Zeit

Und keine beßre Stunde finden,

Als eben die, worinn du ſtirbſt. B. „Was? wenn
recht mitten in den Suͤnden

„Der Tod mich uͤbereilete? Wuͤrd’ ein’ unſelge Ewig-
keit

„Die Seele nicht ſogleich verſchlingen?“ A. O ja,
es wuͤrde dieß geſchehen.

B. „Wie kann ſie denn zu rechter Zeit aus dieſem
ihren Koͤrper gehen,
„Um
[615]zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.
„Um ewiglich geplagt zu ſeyn?“ A. Jch will hier
nicht, was ich gedenke,

Nein; was die groͤßten Kirchenvaͤter von einem ſolchen
Fall gedacht,

Und allen Sterblichen zum Troſt in heilgem Ernſt hervor-
gebracht,

Dir melden. Dieſes iſt gewiß, daß Menſchen voller
Tuͤck’ und Raͤnke,

Die lang’ in ſchwarzen Laſtern ſtecken, nur Bosheit aus-
zuuͤben wiſſen,

Und die, ſo lange ſie auf Erden

Die Suͤnden nicht vermeiden werden,

Durch Gottes ganz beſondre Wohlthat aus dieſem Leben
weggeriſſen

Und in das Grab geſtuͤrzet ſeyn,

Damit ſie durch vermehrte Schuld, und durch ihr ſtraͤf-
liches Bemuͤhen

Nicht eine noch geſchaͤrftre Strafe und eine groͤßre
Seelenpein

Sich ſelber auf den Hals noch ziehen.

Es ſagt Ambroſius mit Recht: „Dem Suͤnder iſt der
Tod zwar bitter,

„Sein Leben doch noch bitterer. Weit ſchlimmer iſts,
der Suͤnde leben,

„Als mitten in der Suͤnde ſterben, und ſeine Seele
von ſich geben,

„Jndem, ſo lang’ ein Laſterhafter hier lebt, er ſtets die
Suͤnde mehrt;

„So bald er aber ſtirbt, ſo hat ſein Suͤndigen hier
aufgehoͤrt,
Q q 4„Und
[616]Anleitung
„Und ſtirbt er mindrer Strafe ſchuldig, als wenn er
ſpaͤter ſtuͤrb’. Es iſt,“

Wie man an einem andern Ort bey dem Ambroſius noch
lieſt,
„Denjenigen ihr Leben dann zu ihrem Beſten wegge-
riſſen,

„Ob ſie es gleich ſehr ungern laſſen, und wider Willen
ſterben muͤſſen,

„Die mit der Suͤnd’ in Buͤndniß ſtehn,
„Damit ſie nicht noch mehr begehn.

Sogar, daß, wie Bernhardus ſpricht, „ſolch einer un-
gluͤckſelgen Seele

„Man billig Gluͤck zu wuͤnſchen hab’, indem es gut, daß
ihre Suͤnde,

„Der ihr Will’ keine Maaße ſetzt, die Maaß in einem
Zwange finde.

„Es nuͤtzet dem, der hier im Leben beſtaͤndig an der Seele
ſtirbt,

„Daß er um deſto zeitiger dem Koͤrper nach allhier ver-
dirbt.

Hiemit ſtimmt auch Chryſoſtomus recht uͤberzeugend uͤber-
ein:

„Man muß beym Sterben eines Frommen mit Recht und
billig froͤhlich ſeyn,

„Noch mehr bey eines Boͤſen Tod. Denn jener wird
nun nicht behindert,

„Den Lohn der Werke zu empfangen. Doch dieſer hat
der Laſter Zahl

„Und mit derſelben ſeine Quaal
„Durch ſeinen fruͤhern Tod vermindert.“
Jch
[617]zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.

Jch weis, was du noch ſagen kannſt, dieß naͤmlich:
„Bey noch laͤngerm Leben

„Haͤtt’ er ſich doch noch beſſern koͤnnen.“ O ja vielleicht!
dieß geb ich zu.

Doch ſage mir, vermeyneſt du,

Er haͤtte ſolches auch gethan? Chryſoſtomus ſagt hie-
von ſchoͤn:
„Haͤtt’ er ſein Leben aͤndern wollen; ſo haͤtt’ es Gott
vorhergeſehn,

„Und wuͤrd’ ihn alſo vor der Zeit gewiß nicht weggeriſſen
haben.“

Und noch an einem andern Ort: „Jndem ein frecher
Suͤnder faͤllt,

„Sind viele Suͤnden unterdruͤckt. Denn haͤtte Gott,
der Herr der Welt,

„Geſehn, er wuͤrde Buße thun: wuͤrd’ er ihn, eh die
Stunde kommen,

„Nicht haben von der Welt genommen.“

So ſey denn ruhig, wer du ſeyſt, und unbekuͤmmert
um die Stunde,

Die Gott in ſeinen Haͤnden hat. Vielmehr bemuͤh’ dich,
die Secunde

Des Lebens, die in deiner Hand, ſo viel du kannſt,
wohl anzuwenden.

Du wuͤnſcheſt einen guten Tod, daß ſich dein Leben wohl
mag enden,

Thu itzo recht, du machſt ihn gut, es ſteht in deinen
eignen Haͤnden.
Q q 5Jnzwi-
[618]Anleitung

Jnzwiſchen folge Seneca. „Sey allezeit darauf be-
dacht,

„Daß du dein Sterben nimmer fuͤrchteſt, und wenn
dein Geiſt den Tod betracht,

„Sieh ihn nicht an als eine Strafe, nein, als das Ende
der Natur.“

Es iſt dein kuͤmmerliches Aengſten und aller Gram ver-
gebens nur,

Ja hoͤchſtens ſchaͤdlich, da er dir die gegenwaͤrtge Suͤſ-
ſigkeit

Und Nutzen deines Lebens raubet, und dennoch die Be-
ſchaffenheit

Von deinem Tode nicht verbeſſert. So laßt uns denn
vernuͤnftig handeln,

Und thun, was uns zu thun gebuͤhrt, ſo lang wir leben,
redlich wandeln;

Und endlich auch das Gluͤck erwerben,

Daß wir, wenn unſre Stunde kommt, gelaſſen, ruhig,
willig ſterben.

Wann die Todesſtunde kommt, ſo befleißi-
ge dich, daß du wohl, das iſt, f[r]oͤhlich
ſterbeſt. Auch werden die Handlungen
erklaͤret, welche ein Sterbender vorneh-
men ſoll.


Wann es nun mit dir dereinſt wird zur Sterbens-
ſtunde kommen,

Dann ſo ſey das Einzige wohl von dir in Acht genom-
men,
Und
[619]zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.

Und beſtrede dich mit Ernſt, daß des Lebens letzte
Zeit

Wohl von dir geſchloſſen werde, daß du, was in deinem
Leben

Suͤnde war durch Uebertretung, moͤgſt durch die Be-
ſchaffenheit

Eines guten Todes beſſern. Gut zu ſterben nun,
iſt eben
Anders nichts, als willig ſterben. Denn mit
Andacht ſich bequemen

Zum Gebeth, auch wohl zum Singen, und das Sacra-
ment zu nehmen,

Dieß iſt eine Vorbereitung. Wohl zum Sterben
ſich bereiten,
Jſt ein anders, als wohl ſterben. Jenes muß
zur Lebenszeit

Billig noch gerechnet werden. Aber froh mit Dank-
barkeit
Willig aus der Welt zu ſchreiten,
Dieß nur heiß ich wohl geſtorben.
Wenn ein
Reiſender den Port

Nach vollbrachter langen Schiffahrt nun erreichet, freut
er ſich,

Er beſiehet voll Vergnuͤgen dieſen laͤngſt verlangten
Ort,

Er laͤßt ſich nicht aus dem Schiff mit Gewalt erſt reißen;
fort

Tritt er willig ſelbſt heraus; dankt dem Schiffer; den
Gefaͤhrten

Sagt er freundlich: Lebet wohl, ihr bishero mir ſo
Werthen!
Tritt
[620]Anleitung

Tritt darauf mit Freudenthraͤnen auf den ihm ſo lieben
Strand,

Und von Luſt faſt uͤberfließend, geht er in ſein Vater-
land.

So, ihr Freunde, muͤßt ihr handeln, da wir nicht ſo
ſehr am Ende

Unſers Lebens, als am End’ einer ſchweren Schiffahrt
kommen.

Unſer Schiff erreicht den Hafen und iſt ſchon hinein ge-
nommen,

Warum wollt ihr jetzt erbleichen? Warum ringet ihr die
Haͤnde?

Sehet euer Vaterland! Steiget aus der Zeit! ihr ſteigt

Aus dem Schiff in euren Hafen, der ſich euren Augen
zeigt.

Und da unſre ganze Schiffahrt ſich ſo gluͤcklich nun ge-
endet,

Jſt es unſre Schuldigkeit, dem allweiſeſten Regierer

Unſers Schiffes, unſerm Gott, unſrer Schiffahrt guͤt’-
gem Fuͤhrer,

Der auf dieſem Meer der Welt uns des Leibes Schiff
verliehn,

Der auch auf der ganzen Fahrt alles dergeſtalt gewendet,

Daß, und zwar zu rechter Zeit, wir uns nun der Welt
entziehn,

Jnniglich geruͤhrt zu danken, und aus Lob erfuͤllten
Trieben

Fuͤr ſo viel genoßnes Gut auch im Sterben ihn zu lie-
ben.

Dann
[621]zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.
Dann ſo kehr dich in dich ſelbſt! Sprich: was zoͤgern
wir noch hier?

Warum drengen wir uns nicht in das Vaterland hin-
ein?

Liebe Seele, ſey nicht bange, da es muß geſchieden
ſeyn,

Nebſt des Lebens Ende bricht auch der Arbeit End’ her-
fuͤr.
„Geh’ nunmehro, daß du ruheſt von der Arbeit, ſpricht
der Geiſt.“

Da das Schauſpiel aus, und du gnug geſpielet haſt, ſo
heißt

Man dich von dem Schauplatz gehn. Wie das Schau-
ſpiel, ſo das Leben,

Nicht wie lange, nur wie gut, du geſpielt, wird Acht ge-
geben.

Wo du ſtirbſt, iſt einerley. Willig hoͤr zu leben
auf,

Setze nur ein gutes Ziel dem bishergen Lebenslauf.

Dieſes wirſt du dadurch ſetzen, wenn man willig Ab-
ſchied nimmt:

Und wir muͤſſen darum wollen, weil der Herr von un-
ſerm Weſen

Und des ganzen Schauſpiels Herr dieſe Zeit fuͤr uns
erleſen,

Und die Stunde ſelbſt beſtimmt.

Hat es Gott alſo gewollt? Hat mir Gott des Lebens
Ziel

Selbſt beſtimmt? ſo ſey es dann, ich will, daß es alſo
ſey,
Und
[622]Anleitung

Und ich will daſſelbe willig. Die Perſon im Lebens-
ſpiel,

Die der Schoͤpfer mir verliehen, iſt geſpielt und nun
vorbey,

Laßt uns die Theaterkleider denn nunmehro von uns le-
gen,

Mich verlanget aufgeloͤſt und bey meinem Gott zu
ſeyn.

Meine Kraͤfte werden ſchwach, und es bricht der Tod
herein.

Scheide dann, geliebte Seele, traure nicht des Koͤrpers
wegen,

Denn er war ja nur dein Kleid. Laßt uns uns nunmehr
bemuͤhn,

Mit nicht wenigerm Vergnuͤgen unſern Koͤrper auszu-
ziehn,

Als des Abends unſre Kleider, darum weil man ſchla-
fen ſoll,

Werden wir nun auch entkleidet. Schwaches Fleiſch,
gehab dich wohl!

Gute Nacht, beſchwerlichs Fleiſch! haſt du gleich in
meinem Leben

Einen ſtetigen Begleiter und Gefaͤhrten abgegeben.

Man wird dich nun in die Erde, deinen wahren Ur-
ſprung, bringen,

Ruhe dort. Es wird nicht ewig der Vernichtigung ge-
lingen,

Uns zu trennen und zu ſcheiden. Nun, mein Koͤrper, gu-
te Nacht!

Gute Nacht! doch nicht auf ewig. Gott hat dich her-
vorgebracht:
Gott
[623]zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.

Gott hat es alſo geordnet: dieſem großen Gott allein

Wollen wir gehorſam ſeyn.

Euch auch, die ihr um mich ſtehet, ihr Gefaͤhrten mei-
nes Lebens,

Sag’ und wuͤnſch ich gute Nacht! Wiſſet, da ich itzt
erblaſſe,

Daß ich euch doch nicht verlaſſe,

Sondern ich geh euch nur vor. Seufzet nicht nach mir
vergebens,

Sondern, da ich ſchon im Hafen, wuͤnſcht mir Gluͤck, in-
dem ich lande!

Stellt inzwiſchen eure Wallfahrt ferner wohl auf Er-
den an,

Wo nach unſers Gottes Willen keiner immer bleiben
kann,

So entſchlaͤgt zu rechter Zeit euer Gott auch euch der
Bande.

„Großer Richter unſers Lebens und des Todes! iſt
noch mehr,

„Was du von mir forderſt, uͤbrig? Schau mit Vater-
augen her,

„Jch will ſterben, ich will leben, Herr und Schoͤpfer,
wie du willt;

„Wer gelebet hat, muß ſterben, wenn ſein Lebensziel
erfuͤllt.

„Alſo ſtreck’ ich meines Koͤrpers welk- und abgelebten
Glieder,

„Schließe zu dem letzten Schlaf meine matten Augen-
lieder,
„Ueber-
[624]Anleitung zum vergnuͤgten und ⁊c.
„Uebergeb an meinem Ende
„Meinen Geiſt in deine Haͤnde,
„Du verlangeſt ihn von mir,
„Herr, ich uͤbergeb ihn Dir.
„Nichts wird mehr von mir gefordert, und indem ich
ſterb’ und ſcheide,

„Denkt noch mein ſich ſenkend Haupt hoffnungsvoll auf
jene Freude,

„Die Du, ewigſel’ge Liebe, bloß aus Liebe mir be-
ſchieden:

Herr, ich ruh in Dir in Frieden.


Ver-[[625]]

Appendix A Verzeichniß
der in dieſem Theile befindlichen Gedichte
und beſonderer Betrachtungen.
Nach dem Alphabet.


  • Seite
  • Abgoͤtterey, geiſtige, und ihre Schaͤdlichkeit 417
  • Die Abſicht der Schoͤpfung 489
  • Aepfel157. Der Affe282. Der Agat73
  • Ahnden, die von der Durchl. Fuͤrſtinn v. Schaumburg
    von dem Verfaſſer verlangte Meynung daruͤber 498
  • Alaun87
  • Alter. Wie die menſchlichen Begriffe in der Jugend und
    im Alter unterſchieden 529
  • Der Amethyſt74
  • Der Amianth55
  • Anblick eines Todtenkopfs, zufaͤllige Gedank. dabey 412
  • Anleitung zu einem vergnuͤgten u. gelaſſenen Sterb. 563
  • Anmuth in den fuͤnf Sinnen uͤberlegt 395 ff.
  • Die Anſtoͤßigkeit vielerley Religionen zu heben, wird
    verſucht 424
  • Antimonium29. Apfelſina188
  • Apricoſen175
  • Armer. Zuſtand eines Armen u. eines Reichen beym Ab-
    ſchiede aus der Welt, aus der Vernunft betrachtet 490
  • Die Armuth535. Arſenicum34
  • Ein Atheiſt427. deſſen ungluͤcklicher Zuſtand 433
  • Atheiſtenkriege unnuͤtz und unnoͤthig 431
  • Der Auerochs295
  • Der Baͤr264Baͤume betrachtet 98
  • Begriffe von Gott ſind verſchieden 428
  • Begriffe menſchliche in der Jugend und im Alter, in wie-
    fern es unterſchieden 529

R rBe-
[[626]]Verzeichniß
  • Bekenntniß, das gezwungene 484
  • Bekenntniß des Glaubens 415
  • Der Bernſtein92. Der Beryll74
  • Beſchluß aller Gedichte 559
  • Beten und Danken 419
  • Betrachtungen uͤber die drey Reiche der Natur 1
    uͤber das Reich der Metalle 5. uͤber die Steine 41
    uͤber verſchiedene Erdarten 79. uͤber das Pflanzen-
    reich 95. uͤber das Thierreich 195. neue, uͤber die
    in der Welt vorhandene Vortrefflichkeiten 339. noͤ-
    thige u. nuͤtzliche, uͤber die Pflichten der Menſchen 345
    uͤber die Schoͤnheit der Blumen im Winter 447
    uͤber den Zuſtand eines Armen und eines Reichen beym
    Abſchiede aus der Welt, aus der Vernunft 490
  • Beweis goͤttlicher Guͤte 378
  • Der Biber309
  • Bildung der Pflanzen uͤberhaupt 99
  • Der Bimmsſtein47. Birnen160
  • Bismuth32. Das Bley17
  • Blumen, deren Schoͤnheit im Winter betrachtet 447
  • Blumen uͤberhaupt 96. insbeſondere 109
  • Der Blutſtein57. Bohnen148
  • Der Borax86. Der Bruchſtein48
  • Buchweizen151. Der Buͤffel296
  • Calendula, die weiße 373. Der Carniol72
  • Der Chamaͤleon294
  • Chriſtenthum Tirſanders 537. Citronen190
  • Der Dachs289. Danken und Beten 419
  • Datteln183. Der Diamant69
  • Der Ehrgeiz534. Das Eichhorn280
  • Einleitung der vermiſchten Gedichte 313

Das
[[627]]der Gedichte und Betrachtungen.
  • Das Eiſen20. Das Elendthier274
  • Der Elephant262
  • Epigtamma auf einen erbaulich lehrenden, aber uͤbel le-
    benden Prieſter, wie ſelbiger ſtarb 550
  • Erbſen149
  • Erdarten, Betrachtungen uͤber verſchiedene 79
  • Erde, geſiegelte 79
  • Erinnerung, an den Schoͤpfer zu gedenken 401
  • Die Erkenntniß Gottes 402. Der Eſel272
  • Die Feder455. Federweiß, ein Stein 55
  • Feigen169. Der Feuerſtein47
  • Fraueneis, ein Stein 52
  • Zum Fruͤhling326
  • Fruͤhlingsgedanken314. abermalige 318. 320
  • Fruͤhlingszeit, Ueberlegungen dabey 315
  • Der Fuchs255
  • Gallmey56. Gebeth406
  • Geburtstag, an des Verfaſſers 67ſten den 22ſten des
    Herbſtmonats 1746. 408
  • Gedanke, zufaͤlliger, im Sommer 361
  • Gedanken, Fruͤhlings- 314. 318. 320. Herbſt- 393
    ehrerbietige von der Gottheit 334. einige uͤber die
    Roſen 357. zufaͤllige, beym Anblicke eines Todten-
    kopfs 412. ernſthafte, bey Gelegenheit des Toback-
    rauchens 456. uͤber den freyen Willen aus Mr.
    Voltaire uͤberſetzt 461
  • Gedicht, vermiſchte 311. Neujahrs- 506. aller Be-
    ſchluß 559
  • Gefuͤhl, deſſen Vergnuͤgen betrachtet 399
  • Gehoͤr, deſſen Vergnuͤgen uͤberleget 396
  • Geiſt iſt der Schoͤnheit des Koͤrpers vorzuziehen 530
  • Geiſtige Abgoͤtterey und ihre Schaͤdlichkeit 417

R r 2Der
[[628]]Verzeichniß
  • Der Geizhals453. Die Geizigen452
  • Gelehrte und Ungelehrte, wie unterſchieden 528
  • Die Gemſe252. Gerſten145
  • Der Geruch328. deſſen Vergnuͤgen 395
  • Geſchmack, deſſen Vergnuͤgen 398
  • Geſchoͤpfe, vernuͤnftige 403
  • Geſicht, deſſen Vergnuͤgen 397
  • Geſundheit, die Unempfindlichkeit uͤber dieſelbe wird
    unterſucht’ 442
  • Der Giraſol73
  • Glaubensbekenntniß415
  • Gleichheit der Menſchen 416
  • Das Gold7
  • Gott, Nothwendigkeit deſſen Werke zu betrachten 341
    in ſeinen Werken 377. Beweis von deſſen Guͤte 378
    deſſen Erkenntniß 402. ſowohl im Kleinen, als im
    Großen, groß 404. verſchiedene Begriffe von dem-
    ſelben 428. iſt unbegreiflich 444. Unbilligkeit
    gegen denſelben 488
  • Gottesdienſt, vernuͤnftiger 421. ein wirklicher 440
  • Gottheit, ehrerbietige Gedanken von derſelben 334. iſt
    unbegreiflich 444
  • Der Granat, Edelſtein 70. Granaten, Frucht 184
  • Gruͤbeln, das vergebliche 435
  • Guͤte Gottes bewieſen 378
  • Der Gyps49
  • Der Haber146
  • Halbmetalle, was darunter zu verſtehen 24
  • Der Haſe254
  • Der Herbſt391. Gedanken bey demſelben 393
  • Der Hirſch249. Hirſe150. Huͤlſenfruͤchte148
  • Der Hund269. Der Hyacinth, ein Edelſtein 71

Der
[[629]]der Gedichte und Betrachtungen.
  • Der Jaſpis75. Der Jgel302
  • Der Jltiß277. Judenleim91
  • Jugend. Wiefern die menſchlichen Begriffe in der
    Jugend von denen im Alter unterſchieden 529
  • Der Kalkſtein48. Das Kameel287
  • Das Kaninchen284. Die Katze290
  • Der Kieſelſtein47. Kirſchen164. Das Korn137
  • Koͤrper. Nutzen der irdiſchen auch bey him̄liſchen Koͤrpern
    379. deſſen Schoͤnheit iſt der Geiſt vorzuziehen 530
  • Kreatur, Vergnuͤgen an derſelben, erlaubt u. noͤthig 485
  • Das Kupfer12
  • Lagerſtatt, Vergnuͤgen auf demſelben 337
  • Laſter, das groͤßte 350. Laſulſtein57
  • Leben, das rechte 327
  • Der Leopard250. Linſen150. Liſidan536
  • Lobgedichte auf die Pamela 553 ff.
  • Der Loͤwe248 Der Luchs278
  • Der Magnet58. Mah, der gelbe 360
  • Mandeln181. Markaſit32
  • Der Marmorſtein50. Der Marter276
  • Maulbeer171. Die Maus306
  • Menſch, deſſen Koͤrpers Betrachtung 200. deſſen
    Weſens Unterſuchung 342. deſſen Pflichten betrach-
    tet 345. derſelben Gleichheit 416. der ſtolze 436
  • Metalle, Betrachtungen daruͤber 5
  • Die Meynung525
  • Meynung des Verfaſſers uͤber das Ahnden 498
  • Mineralreich, Betrachtungen daruͤber 5
  • Mondmilch80. Der Mondſtein52
  • Das Murmelthier283
  • Nachtvergnuͤgen324. Der Naͤchſter531
  • Naphta90. Das Nashorn267

R r 3Natur-
[[630]]Verzeichniß
  • Naturlehre407. Neujahrsgedicht506
  • Nothwendigkeit, Gottes Werke zu betrachten 341
  • Nuͤſſe179
  • Nutzen der irdiſchen auch bey him̄liſchen Koͤrpern 379
  • Obſt152Offenbarung, die dritte 437
  • Der Onyx75. Der Opal77
  • Pamela, Lobgedichte auf dieſelbe 553 ff.
  • Das Pantherthier279. Das Pferd257
  • Pfirſich177
  • Pflanzen, deren Bildung uͤberhaupt 99
  • Pflanzenreich, Betrachtungen daruͤber 95
  • Pflaumen162
  • Pflichten der Menſchen, noͤthige und nuͤtzliche Betrach-
    tungen daruͤber 345
  • Poeſie, Ueberſetzung davon 541
  • Pomeranzen193
  • Das Queckſilber25Quitten167
  • Raͤthſel552
  • Reiche der Natur, Betrachtungen daruͤber 1
  • Reicher. Betrachtungen uͤber den Zuſtand eines Armen
    und eines Reichen beym Abſchiede aus der Welt, aus der
    Vernunft 490
  • Der Reiß147
  • Religion. Die Anſtoͤßigkeit vielerley Religionen zu
    heben, wird verſucht 424
  • Das Rennthier293. Das Rindvieh259
  • Der Rocken144
  • Die Roſe355. einige Gedanken uͤber die Roſen 357
  • Der Rubin72
  • Der Salpeter84. Das Salz81
  • Der Sandſtein46. Der Sapphir71
  • Der Sardonyx76

Schaͤd-
[[631]]der Gedichte und Betrachtungen.
  • Schaͤdliche Folgen der Wiſſenſucht 429
  • Schaͤdlichkeit der geiſtigen Abgoͤtterey 417
  • Das Schaf298. Die Schatten329
  • Schiefer46. Schmergel56
  • Schoͤnheit der Blumen im Winter betrachtet 447. des
    Koͤrpers iſt der Geiſt vorzuziehen 530
  • Schoͤpfer, Unerkenntlichkeit gegen denſelben verwie-
    ſen 400. Erinnerung, an denſelben zu gedenken 401
  • Schoͤpfung, deren Abſicht 489
  • Der Schwefel36. Das Schwein266
  • Selenites52. Das Silber9
  • Sinne, Ueberlegung der in den fuͤnf Sinnen uns verlie-
    henen Anmuth 395
  • Sinnſpruͤche523 ff. Der Smaragd70
  • Der Sommer365. zufaͤlliger Gedanke in demſelben 361
  • Die Sonne der Sonnen 380
  • Spath, ein Stein 53. Sperma Ceti93
  • Das Spießglas29. Das Stachelſchwein305
  • Steine, Betrachtungen daruͤber 41 ff.
  • Steinmarg80. Der Steinbock285. Steinoͤl91
  • Sterben. Anleitung zu einem vergnuͤgten und gelaſſe-
    nen Sterben 563 ff.
  • Stolzer Menſch 436
  • Tag. Verlaͤngerung unſerer Tage 387
  • Talk, ein Stein 54
  • Thierreich, Betrachtung daruͤber 195
  • Thon80
  • Tirſanders Chriſtenthum 537
  • Toback. Ernſthafte Gedanken bey Gelegenheit des To-
    backrauchens 456
  • Todtenkopf, zufaͤllige Gedanken bey deſſen Anblicke 412
  • Der Toftſtein47. Der Topas76
  • Traͤumender, Unterſcheid zwiſchen ihm und einem Wa-
    chenden 405

Trian-
[[632]]Verzeichniß der Gedichte u. Betrachtungen.
  • Triangel, der wunderbare 362
  • Triepel80. Der Türkis77
  • Ueberlegung der in den fuͤnf Sinnen uns verliehenen Anmuth 395
  • Ueberlegungen zur Fruͤhlingszeit 315
  • Ueberſetzung, von der Poeſie 541
  • Verfaſſer, an deſſen 67ſten Geburtstage 408. deſſen Mey-
    nung uͤber das Ahnden 498
  • Vergnügen, auf unſrer Lagerſtatt 337. des Geruchs 395
    Gehoͤrs 396. Geſichts 397. Geſchmacks 398
    Gefuͤhls 399. an der Kreatur, erlaubt und noͤthig 485
  • Verlängerung unſrer Tage 387
  • Verleumdung, die beſiegte, als der Beſchluß aller Gedichte 559
  • Vernünftige Geſchoͤpfe 403
  • Vernünftiger Gottesdienſt 421
  • Verſchiedenheit der Vegriffe von Gott 428
  • Verſuch, die Anſtoͤßigkeit vielerley Religionen zu heben 424
  • Verwets wegen unſerer Unerkenntlichk, gegen den Schoͤpfer 400
  • Viola Mariana 370. Vitriol88
  • Unbilligkeit gegen Gott 488
  • Unempfindlichkeit uͤber unſre Geſundheit unterſucht 442
  • Unerkenntlichkeit gegen den Schoͤpfer verwieſen 400
  • Ungelehrte, in wiefern von Gelehrten unterſchieden 528
  • Die Ungewißheit389
  • Unterſcheid zwiſchen einem Traͤumenden und Wachenden 405
    zwiſchen Gelehrten und Ungelehrten 528 der menſchlichen
    Begriffe in der Jugend und im Alter 529
  • Unterſuchung des Menſchen Weſens 342. der Unempfind-
    lichkeit uͤber unſere Geſundheit 442
  • Vortrefflichkeiten in der Welt, neue Betrachtungen daruͤber 339
  • Vorzug des Geiſtes fuͤr die Schoͤnheit des Koͤrpers 530
  • Wachender, wie von einem Traͤumenden unterſchieden 405
  • Wallfiſchſchleim, Sperma Ceti 93. Der Weizen143
  • Welt, die ſchoͤne 330. uͤber die in der Welt vorhandene Vor-
    trefflichkeiten neue Betrachtungen 339. die verbeſſerte 441
  • Werke Gottes zu betrachten, nothwendig 341. in denſelben
    Gott 377
  • Werkzeug, das vernuͤnftige 422
  • Weſen des Menſchen unterſucht 342
  • Wicken150
  • Widerſpruch in den menſchlichen Wuͤnſchen 487
  • Die Wieſel275
  • Wille, Gedanken uͤber den freyen Willen 461
  • Winter, die Schoͤnheit der Blumen im Winter betrachtet 447
  • Wiſſenſucht, derſelben ſchaͤdliche Folgen 429
  • Der Wolf251. Wunſch418
  • Die Zibethkatze292. Die Ziegen300
  • Das Zinn16. Der Zobel297
  • Zuſtand, ungluͤcklicher, eines Atheiſten 433
  • Zweifel420. gehobener 423


[[633]][[634]][[635]][[636]]
Notes
*
Der Herr Verfaſſer hatte noch 17 Strophen von
Steinen auf dieſe Art gemacht, welche wir aber
aus Beyſorge, dem Leſer beſchwerlich zu ſeyn, weg-
gelaſſen.
*
Hier hatte der Herr Verfaſſer, ſo wie bey den
Steinen, die verſchiedenen Arten der Aepfel in
Reime gebracht, ſo wir aber weggelaſſen; welches
gleichfalls in der Folge bey den Birnen, Kirſchen,
Pflaumen ⁊c. geſchehen. Nur an ein paar Orten
haben wir eine Probe davon ſtehen laſſen.
*
Der Verfaſſer tadelt hier gar nicht die heiligen
Reden an ſich ſelbſt, ſondern nur die unnoͤthige
Laͤnge derſelben, welche den Hoͤrer eher zum Schla-
fen, als zur Andacht bringet.
*
S. Jrd. Vergnuͤgen Tom. II. p. 311.
*
Die hauptſaͤchlichſte Kraft unſrer Vernunft beſte-
het wohl darinn: unſere Jdeen und Gedanken
in Ordnung zu bringen, nicht aber in goͤttliche
Jdeen einzudringen, und mit ihnen auf dieſelbe
Weiſe zu verfahren.
*
Roͤm. I. v. 17.
*
Video meliora, proboque, deteriora ſequor.
*
Die Unterredung mit ſich ſelbſt ſcheinet, nach dem
Rath des Grafen von Schafftsbury, eine be-
traͤchtliche und nothwendige Sache zu ſeyn.
Niemand wird das Amt eines Raths, eines Leh-
rers, eines Freundes ⁊c. beſſer bey uns verwalten
koͤnnen, als wir ſelbſt.
Es iſt wahrſcheinlich, daß durch ein ſolches Ge-
ſpraͤch alles dasjenige erhalten wird, was man ſonſt
durch das Gewiſſen zu erhalten vermeynet. Wie
gut die Lehre vom Gewiſſen und wie noͤthig ſie iſt;
ſo ſcheinet doch, daß mit dieſem Wort ſich einige
Jdeen verknuͤpfet haben, welche, da ſie uns das
Gewiſſen zu ernſthaft vorſtellen, eine Art von Ab-
kehr, ſich von ihm beurtheilen zu laſſen, in uns
erregen, wodurch wir gleichſam abgehalten werden,
uns demſelben zu unterwerfen. Dieſes wuͤrde ver-
muthlich
*
muthlich ſich aͤndern, wenn wir, anſtatt deſſelben,
uns ſelbſt, oder unſer Jch, gleichſam theilten,
und ſolchergeſtalt uns von uns ſelbſt belehren ließen.
Nutzen von dieſer Lehrartvid de la MotteFablen
von Tyrannen.
Man denke nicht, ob waͤre unſer
einzelnes Jch nicht theilbar. Denn außer, daß
wir von uns ſo wenig, als von allen Dingen,
genugſame Kundſchaft haben, ſo theilen wir ja we-
nigſtens die Kraͤfte unſers Geiſtes ein. Wir unter-
ſcheiden Gedaͤchtniß, Phantaſie und Verſtand, im-
gleichen den Willen. Wir erkennen in uns ver-
ſchiedene Leidenſchaften ⁊c. Ja, wenn auch eine
wirkliche Eintheilung nicht noͤthig waͤre und keine
Statt haͤtte; ſo befinden wir doch eine Eigenſchaft
in uns, daß wir uns ſelbſten etwas vorzuſtellen
vermoͤgend ſeyn. Bliebe uns nun gleich die Art un-
bekannt, ſo iſt es genug, daß wir, ein ſolches Ver-
moͤgen zu unſerm wirklichen Nutzen anzuwenden,
uns je mehr und mehr beſtreben, weil wir in keiner
Schule mehr lernen werden, als in unſerer eigenen,
wofern wir nur erſt die Moͤglichkeit, die Noth-
wen-
*
wendigkeit und den Nutzen begriffen haͤtten. Der
Einwurf, der hiegegen gemacht werden koͤnnte,
wird etwan dieſer ſeyn: Auf welche Weiſe wir
zu gleicher Zeit Lehrer und Schuͤler ſeyn koͤnnen?
M. Hinderte uns das Wort Lehrer und Schuͤler
etwan; koͤnnte man es als eine durch zwey Freunde
gehaltene naͤhere Ueberlegung anſehen, an deren
Nutzen wir nicht zu zweifeln haben, da man ja
oͤfters befindet, daß man durch eine Widerlegung
ſelbſt in Stand geſetzt wird, noch ſchaͤrfer zu denken,
als man vorhin ſelbſt geglaubet.
M. Sollte ein ſolches innerliches Geſpraͤch
zu anfangs nicht von ſtatten gehen wollen; dadurch
laſſe man ſich nicht abſchrecken, durch Gewohnheit
und Exerciren muß alles gelernet werden.
*
S. deſſen Pnevmatolog. Cap. II. §. LI. ſeqq.
*
Uns fehlet die hohe Erlaubniß, dieſem Schreiben
die Antwort beyzufuͤgen, welche der ſel. Herr
Brockes von dieſer weiſen und leutſeligen Prinzeßinn
in gebundener Schreibart darauf erhalten hat.
Es redet darinnen nicht bloß eine gnaͤdige Fuͤrſtinn,
ſondern auch eine Dichterinn und eine Menſchen-
freundinn. Es iſt eine wahre Ehre fuͤr Deutſch-
land, das Vaterland einer ſolchen Prinzeßinn
zu ſeyn.
*
Siehe des gelehrten Spaniers A. A. de Saraſa Ars
ſemper gaudendi. Tract. XV.

Dieses Werk ist gemeinfrei.


Rechtsinhaber*in
Kolimo+

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2025). Collection 1. Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bk2n.0