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Über
die Erhaltung der Kraft,

eine physikalische Abhandlung,
vorgetragen in der Sitzung der physikalischen Gesellschaft zu Berlin
am 23sten Juli 1847


Berlin,:
Druck und Verlag von G. Reimer.
1847.

[][]

Inhalt.


  • Seite
  • Einleitung 1
  • I. Das Princip von der Erhaltung der lebendigen Kraft 7
  • II. Das Princip von der Erhaltung der Kraft 13
  • III. Die Anwendung des Princips in den mechanischen Theo-
    remen 20
  • IV. Das Kraftäquivalent der Wärme 25
  • V. Das Kraftäquivalent der electrischen Vorgänge 37
  • VI. Kraftäquivalent des Magnetismus und Electromagnetismus 60

[]

Einleitung.


Vorliegende Abhandlung musste ihrem Hauptinhalte nach
hauptsächlich für Physiker bestimmt werden, ich habe es
daher vorgezogen, die Grundlagen derselben unabhängig
von einer philosophischen Begründung rein in der Form
einer physikalischen Voraussetzung hinzustellen, deren Fol-
gerungen zu entwickeln, und dieselben in den verschiedenen
Zweigen der Physik mit den erfahrungsmässigen Gesetzen
der Naturerscheinungen zu vergleichen. Die Herleitung der
aufgestellten Sätze kann von zwei Ausgangspuncten ange-
griffen werden, entweder von dem Satze, dass es nicht
möglich sein könne, durch die Wirkungen irgend einer Com-
bination von Naturkörpern auf einander in das Unbegrenzte
Arbeitskraft zu gewinnen, oder von der Annahme, dass
alle Wirkungen in der Natur zurückzuführen seien auf an-
ziehende und abstossende Kräfte, deren Intensität nur von
der Entfernung der auf einander wirkenden Puncte abhängt.
Dass beide Sätze identisch sind, ist im Anfange der Abhand-
lung selbst gezeigt worden. Indessen haben dieselben noch
eine wesentlichere Bedeutung für den letzten und eigent-
1
[2] lichen Zweck der physikalischen Naturwissenschaften über-
haupt, welchen ich in dieser abgesonderten [Einleitung] dar-
zulegen versuchen werde.


Aufgabe der genannten Wissenschaften ist es einmal,
die Gesetze zu suchen, durch welche die einzelnen Vor-
gänge in der Natur auf allgemeine Regeln zurückgeleitet,
und aus den letzteren wieder bestimmt werden können.
Diese Regeln, z. B. das Gesetz der Brechung oder Zurück-
werfung des Lichts, das von Mariotte und Gay Lussac
für das Volum der Gasarten, sind offenbar nichts als allge-
meine Gattungsbegriffe, durch welche sämmtliche dahin ge-
hörige Erscheinungen umfasst werden. Die Aufsuchung
derselben ist das Geschäft des experimentellen Theils un-
serer Wissenschaften. Der theoretische Theil derselben
sucht dagegen, die unbekannten Ursachen der Vorgänge
aus ihren sichtbaren Wirkungen zu finden; er sucht diesel-
ben zu begreifen nach dem Gesetze der Causalität. Wir
werden genöthigt und berechtigt zu diesem Geschäfte durch
den Grundsatz, dass jede Veränderung in der Natur eine
zureichende Ursache haben müsse. Die nächsten Ursachen,
welche wir den Naturerscheinungen unterlegen, können
selbst unveränderlich sein oder veränderlich; im letzteren
Falle nöthigt uns derselbe Grundsatz nach anderen Ursachen
wiederum dieser Veränderung zu suchen, und so fort, bis
wir zuletzt zu letzten Ursachen gekommen sind, welche
nach einem unveränderlichen Gesetz wirken, welche folg-
lich zu jeder Zeit unter denselben äusseren Verhältnissen
dieselbe Wirkung hervorbringen. Das endliche Ziel der
theoretischen Naturwissenschaften ist also, die letzten un-
veränderlichen Ursachen der Vorgänge in der Natur aufzu-
finden. Ob nun wirklich alle Vorgänge auf solche zurück-
[3] zuführen seien, ob also die Natur vollständig begreiflich
sein müsse, oder ob es Veränderungen in ihr gebe, die sich
dem Gesetze einer nothwendigen Causalität entziehen, die
also in das Gebiet einer Spontaneität, Freiheit, fallen, ist
hier nicht der Ort zu entscheiden; jedenfalls ist es klar,
dass die Wissenschaft, deren Zweck es ist, die Natur zu
begreifen, von der [Voraussetzung] ihrer Begreiflichkeit aus-
gehen müsse, und dieser Voraussetzung gemäss schliessen
und untersuchen, bis sie vielleicht durch unwiderlegliche
Facta zur Anerkenntniss ihrer Schranken genöthigt sein sollte.


Die Wissenschaft betrachtet die Gegenstände der Aussen-
welt nach zweierlei Abstractionen: einmal ihrem blossen
Dasein nach, abgesehen von ihren Wirkungen auf andere
Gegenstände oder unsere Sinnesorgane; als solche bezeichnet
sie dieselben als Materie. Das Dasein der Materie an sich
ist uns also ein ruhiges, wirkungsloses; wir unterscheiden
an ihr die räumliche Vertheilung und die Quantität (Masse),
welche als ewig unveränderlich gesetzt wird. Qualitative
Unterschiede dürfen wir der Materie an sich nicht zuschrei-
ben, denn wenn wir von verschiedenartigen Materien spre-
chen, so setzen wir ihre Verschiedenheit immer nur in die
Verschiedenheit ihrer Wirkungen d. h. in ihre Kräfte. Die
Materie an sich kann deshalb auch keine andere Verände-
rung eingehen, als eine räumliche, d. h. Bewegung. Die
Gegenstände der Natur sind aber nicht wirkungslos, ja wir
kommen überhaupt zu ihrer Kenntniss nur durch die Wir-
kungen, welche von ihnen aus auf unsere Sinnesorgane er-
folgen, indem wir aus diesen Wirkungen auf ein Wirkendes
schliessen. Wenn wir also den Begriff der Materie in der
Wirklichkeit anwenden wollen, so dürfen wir dies nur, in-
dem wir durch eine zweite Abstraction demselben wiederum
1*
[4] hinzufügen, wovon wir vorher abstrahiren wollten, nämlich
das Vermögen Wirkungen auszuüben, d. h. indem wir der-
selben Kräfte zuertheilen. Es ist einleuchtend, dass die Be-
griffe von Materie und Kraft in der Anwendung auf die
Natur nie getrennt werden dürfen. Eine reine Materie wäre
für die übrige Natur gleichgültig, weil sie nie eine Verän-
derung in dieser oder in unseren Sinnesorganen bedingen
könnte; eine reine Kraft wäre etwas, was dasein sollte und
doch wieder nicht dasein, weil wir das Daseiende Materie
nennen. Ebenso fehlerhaft ist es, die Materie für etwas
Wirkliches, die Kraft für einen blossen Begriff erklären zu
wollen, dem nichts Wirkliches entspräche; beides sind viel-
mehr Abstractionen von dem Wirklichen, in ganz gleicher
Art gebildet; wir können ja die Materie eben nur durch
ihre Kräfte, nie an sich selbst, wahrnehmen.


Wir haben oben gesehen, dass die Naturerscheinungen
auf unveränderliche letzte Ursachen zurückgeführt werden
sollen; diese Forderung gestaltet sich nun so, dass als letzte
Ursachen der Zeit nach unveränderliche Kräfte gefunden
werden sollen. Materien mit unveränderlichen Kräften (un-
vertilgbaren Qualitäten) haben wir in der Wissenschaft
(chemische) Elemente genannt. Denken wir uns aber das
Weltall zerlegt in Elemente mit unveränderlichen Qualitä-
ten, so sind die einzigen noch möglichen Aenderungen in
einem solchen System räumliche d. h. Bewegungen, und
die äusseren Verhältnisse, durch welche die Wirkung der
Kräfte modificirt wird, können nur noch räumliche sein, also
die Kräfte nur Bewegungskräfte, abhängig in ihrer Wirkung
nur von den räumlichen Verhältnissen.


Also näher bestimmt: Die Naturerscheinungen sollen
zurückgeführt werden auf Bewegungen von Materien mi[t]
[5] unveränderlichen Bewegungskräften, welche nur von den
räumlichen Verhältnissen abhängig sind.


Bewegung ist Aenderung der räumlichen Verhältnisse.
Räumliche Verhältnisse sind nur möglich gegen abgegrenzte
Raumgrössen, nicht gegen den unterschiedslosen leeren
Raum. Bewegung kann deshalb in der Erfahrung nur vor-
kommen als Aenderung der räumlichen Verhältnisse wenig-
stens zweier materieller Körper gegen einander; Bewegungs-
kraft, als ihre Ursache, also auch immer nur erschlossen wer-
den für das Verhältniss mindestens zweier Körper gegen ein-
ander, sie ist also zu definiren als das Bestreben zweier Massen,
ihre gegenseitige Lage zu wechseln. Die Kraft aber, welche
zwei ganze Massen gegen einander ausüben, muss aufgelöst
werden in die Kräfte aller ihrer Theile gegen einander; die
Mechanik geht deshalb zurück auf die Kräfte der materiellen
Puncte, d. h. der Puncte des mit Materie gefüllten Raums.
Puncte haben aber keine räumliche Beziehung gegen einander
als ihre Entfernung, denn die Richtung ihrer Verbindungslinie
kann nur im Verhältniss gegen mindestens noch zwei an-
dere Puncte bestimmt werden. Eine Bewegungskraft, welche
sie gegen einander ausüben, kann deshalb auch nur Ursache
zur Aenderung ihrer Entfernung sein, d. h. eine anziehende
oder abstossende. Dies folgt auch sogleich aus dem Satz
vom zureichenden Grunde. Die Kräfte, welche zwei Mas-
sen auf einander ausüben, müssen nothwendig ihrer Grösse
und Richtung nach bestimmt sein, sobald die Lage der
Massen vollständig gegeben ist. Durch zwei Puncte ist
aber nur eine einzige Richtung vollständig gegeben, nämlich
die ihrer Verbindungslinie; folglich müssen die Kräfte, welche
sie gegen einander ausüben, nach dieser Linie gerichtet sein,
und ihre Intensität kann nur von der Entfernung abhängen.


[6]

Es bestimmt sich also endlich die Aufgabe der physi-
kalischen Naturwissenschaften dahin, die Naturerscheinungen
zurückzuführen auf unveränderliche, anziehende und ab-
stossende Kräfte, deren Intensität von der Entfernung ab-
hängt. Die Lösbarkeit dieser Aufgabe ist zugleich die Be-
dingung der vollständigen Begreiflichkeit der Natur. Die
rechnende Mechanik hat bis jetzt diese Beschränkung für
den Begriff der Bewegungskraft nicht angenommen, einmal
weil sie sich über den Ursprung ihrer Grundsätze nicht klar
war, und dann, weil es ihr darauf ankommt, auch den Er-
folg zusammengesetzter Bewegungskräfte berechnen zu kön-
nen in solchen Fällen, wo die Auflösung derselben in ein-
fache noch nicht gelungen ist. Doch gilt ein grosser Theil
ihrer allgemeinen Principien der Bewegung zusammenge-
setzter Systeme von Massen nur für den Fall, dass diesel-
ben durch unveränderliche anziehende oder abstossende
Kräfte auf einander wirken; nämlich das Princip der vir-
tuellen Geschwindigkeiten, das von der Erhaltung der Be-
wegung des Schwerpuncts, von der Erhaltung der Haupt-
rotationsebene und des Moments der Rotation freier Sy-
steme, das von der Erhaltung der lebendigen Kraft. Für
irdische Verhältnisse finden von diesen Principien haupt-
sächlich nur das erste und letzte Anwendung, weil sich die
anderen nur auf vollkommen freie Systeme beziehen, das
erste ist wieder, wie wir zeigen werden, ein specieller Fall
des letzteren, welches deshalb als die allgemeinste und wich-
tigste Folgerung der gemachten Herleitung erscheint.


Die theoretische Naturwissenschaft wird daher, wenn
sie nicht auf halbem Wege des Begreifens stehen bleiben
will, ihre Ansichten mit der aufgestellten Forderung über
die Natur der einfachen Kräfte und deren Folgerungen in
[7] Einklang setzen müssen. Ihr Geschäft wird vollendet sein,
wenn einmal die Zurückleitung der Erscheinungen auf ein-
fache Kräfte vollendet ist, und zugleich nachgewiesen wer-
den kann, dass die gegebene die einzig mögliche Zurück-
leitung sei, welche die Erscheinungen zulassen. Dann wäre
dieselbe als die nothwendige Begriffsform der Naturauffas-
sung erwiesen, es würde derselben alsdann also auch ob-
jective Wahrheit zuzuschreiben sein.


I.
Das Princip von der Erhaltung der lebendigen
Kraft.


Wir gehen aus von der Annahme, dass es unmöglich sei,
durch irgend eine Combination von Naturkörpern bewe-
gende Kraft fortdauernd aus nichts zu erschaffen. Aus die-
sem Satze haben schon Carnot und Clapeyron*) eine Reihe
theils bekannter, theils noch nicht experimentell nachge-
wiesener Gesetze über die specifische und latente Wärme
der verschiedensten Naturkörper theoretisch hergeleitet.
Zweck der vorliegenden Abhandlung ist es, ganz in dersel-
ben Weise das genannte Princip in allen Zweigen der Phy-
sik durchzuführen, theils um die Anwendbarkeit desselben
nachzuweisen in allen denjenigen Fällen, wo die Gesetze
der Erscheinungen schon hinreichend erforscht sind, theils
um mit seiner Hülfe, unterstützt durch die vielfältige Ana-
logie der bekannteren Fälle auf die Gesetze der bisher nicht
[8] vollständig untersuchten weiterzuschliessen, und dadurch
dem Experiment einen Leitfaden an die Hand zu geben.


Das erwähnte Princip kann folgendermassen dargestellt
werden: Denken wir uns ein System von Naturkörpern,
welche in gewissen räumlichen Verhältnissen zu einander
stehen, und unter dem Einfluss ihrer gegenseitigen Kräfte
in Bewegung gerathen, bis sie in bestimmte andere Lagen
gekommen sind: so können wir ihre gewonnenen Geschwin-
digkeiten als eine gewisse mechanische Arbeit betrachten,
und in solche verwandeln. Wollen wir nun dieselben Kräfte
zum zweiten Male wirksam werden lassen, um dieselbe Ar-
beit noch einmal zu gewinnen, so müssen wir die Körper
auf irgend eine Weise in die anfänglichen Bedingungen
durch Anwendung anderer uns zu Gebote stehender Kräfte
zurückversetzen; wir werden dazu also eine gewisse Arbeits-
grösse der letzteren wieder verbrauchen. In diesem Falle
fordert nun unser Princip, dass die Arbeitsgrösse, welche
gewonnen wird, wenn die Körper des Systems aus der
Anfangslage in die zweite, und verloren wird, wenn sie aus
der zweiten in die erste übergehen, stets dieselbe sei, welches
auch die Art, der Weg oder die Geschwindigkeit dieses
Uebergangs sein mögen. Denn wäre dieselbe auf irgend
einem Wege grösser als auf dem andern, so würden wir
den ersteren zur Gewinnung der Arbeit benutzen können,
den zweiten zur Zurückführung, zu welcher wir einen Theil
der so eben gewonnenen Arbeit anwenden könnten, und
würden so ins Unbestimmte mechanische Kraft gewinnen,
ein perpetuum mobile gebaut haben, welches nicht nur sich
selbst in Bewegung erhielte, sondern auch noch im Stande
wäre, nach aussen Kraft abzugeben.


Suchen wir nach dem mathematischen Ausdruck dieses
[9] Princips, so finden wir ihn in dem bekannten Gesetz von
der Erhaltung der lebendigen Kraft. Die Arbeitsgrösse,
welche gewonnen und verbraucht wird, kann bekanntlich
ausgedrückt werden als ein auf eine bestimmte Höhe h ge-
hobenes Gewicht m; sie ist dann mgh, wo g die Intensität
der Schwerkraft. Um senkrecht frei in die Höhe h emporzu-
steigen braucht der Körper m die Geschwindigkeit ;
und erlangt dieselbe wieder beim Herabfallen. Es ist also
½mv2 = mgh; folglich kann die Hälfte des Products mv2,
welches in der Mechanik bekanntlich „die Quantität der le-
bendigen Kraft des Körpers m” genannt wird, auch an die
Stelle des Maasses der Arbeitsgrösse gesetzt werden. Der
besseren Uebereinstimmung wegen mit der jetzt gebräuch-
lichen Art, die Intensität der Kräfte zu messen, schlage ich
vor, gleich die Grösse ½mv2 als Quantität der lebendigen
Kraft zu bezeichnen, wodurch sie identisch wird mit dem
Maasse der Arbeitsgrösse. Für die bisherige Anwendung
des Begriffs der lebendigen Kraft, der nur auf das bespro-
chene Princip beschränkt war, ist diese Abänderung ohne
Bedeutung, während sie uns im Folgenden wesentliche Vor-
theile gewähren wird. Das Princip von der Erhaltung der
lebendigen Kraft sagt nun bekanntlich aus: Wenn sich eine
beliebige Zahl beweglicher Massenpuncte nur unter dem
Einfluss solcher Kräfte bewegt, welche sie selbst gegen ein-
ander ausüben, oder welche gegen feste Centren gerichtet
sind: so ist die Summe der lebendigen Kräfte aller zusam-
men genommen zu allen Zeitpuncten dieselbe, in welchen
alle Puncte dieselben relativen Lagen gegen einander und
gegen die etwa vorhandenen festen Centren einnehmen, wie
auch ihre Bahnen und Geschwindigkeiten in der Zwischen-
zeit gewesen sein mögen. Denken wir die lebendigen
[10] Kräfte angewendet, um die Theile des Systems, oder ihnen
äquivalente Massen auf gewisse Höhen zu heben, so folgt
aus dem, was wir eben gezeigt haben, dass auch die so
dargestellten Arbeitsgrössen unter den genannten Bedin-
gungen gleich sein müssen. Dieses Princip gilt aber nicht
für alle möglichen Arten von Kräften; es wird in der Me-
chanik gewöhnlich angeknüpft an das Princip der virtuellen
Geschwindigkeiten, und dies kann nur für materielle Puncte
mit anziehenden und abstossenden Kräften bewiesen wer-
den. Wir wollen hier zunächst zeigen, dass das Princip
von der Erhaltung der lebendigen Kräfte ganz allein da
gilt, wo die wirkenden Kräfte sich auflösen lassen in Kräfte
materieller Puncte, welche in der Richtung der Verbin-
dungslinie wirken, und deren Intensität nur von der Ent-
fernung abhängt; in der Mechanik sind solche Kräfte ge-
wöhnlich Centralkräfte genannt worden. Es folgt daraus
wiederum auch rückwärts, dass bei allen Wirkungen von
Naturkörpern aufeinander, wo das besprochene Princip ganz
allgemein auch auf alle kleinsten Theilchen dieser Körper
angewendet werden kann, als einfachste Grundkräfte solche
Centralkräfte anzunehmen seien.


Betrachten wir zunächst einen materiellen Punct von
der Masse m, der sich bewegt unter dem Einfluss der Kräfte
von mehreren zu einem festen System A verbundenen Kör-
pern, so zeigt uns die Mechanik die Mittel an, für jeden
einzelnen Zeitpunct die Lage und Geschwindigkeit dieses
Punctes bestimmen zu können. Wir würden also die Zeit t
als die Urvariable betrachten, und von ihr abhängen lassen
die Ordinaten x, y, z von m in Beziehung auf ein gegen
das System A festbestimmtes Coordinatensystem, seine
Tangentialgeschwindigkeit q, die den Axen parallelen Compo-
[11] nenten derselben , , , und endlich die
Componenten der wirkenden Kräfte
.
Unser Princip fordert nun, dass ½mq2, also auch q2, stets
dasselbe sei, wenn m dieselbe Lage gegen A hat, also nicht
allein als Function der Urvariablen t, sondern auch als
blosse Function der Coordinaten x, y, z hingestellt werden
könne, d. h. dass
. 1)
Da q2 = u2 + v2 + w2, so ist d(q2) = 2udu + 2vdv + 2wdw.
Wird statt u hier , statt du aber aus den oben hin-
gestellten Werthen gesetzt, eben so für v und w die ana-
logen Werthe, so erhalten wir
. 2)


Da die Gleichungen 1 und 2 für jedes beliebige dx,
dy, dz zusammen stattfinden müssen, so folgt, dass auch
einzeln
, und .
Ist aber q2 blosse Function von x, y, z, so folgt hieraus,
dass auch X, Y und Z, d. h. Richtung und Grösse der
wirkenden Kraft nur Functionen der Lage von m gegen
A sei.


Denken wir uns nun auch statt des Systems A einen
einzelnen materiellen Punct a, so folgt aus dem oben be-
[12] wiesenen, dass die Richtung und Grösse der Kraft, welche
von a auf m einwirkt, nur bestimmt werde durch die rela-
tive Lage von m gegen a. Da nun die Lage von m durch
seine Beziehung zu dem einzelnen Punct a nur noch der
Entfernung ma nach bestimmt ist, so würde in diesem Falle
das Gesetz dahin zu modificiren sein, dass Richtung und
Grösse der Kraft Functionen dieser Entfernung r sein müs-
sen. Denken wir uns die Coordinaten auf irgend ein be-
liebiges Axensystem bezogen, dessen Anfangspunct in a
liegt, so muss hiernach
md(q2) = 2 Xdx + 2Ydy + 2Zdz = 0 3)
sein, so oft
d(r2) = 2xdx + 2ydy + 2zdz = 0
ist, d. h. so oft
.
Dieser Werth in Gleichung 3 gesetzt, giebt
für jedes beliebige dx und dy, also auch einzeln
,
d. h. die Resultante muss nach dem Anfangspuncte der Co-
ordinaten, nach dem wirkenden Puncte a, gerichtet sein.


Es müssen folglich in Systemen, welche ganz allgemein
dem Gesetz von der Erhaltung der lebendigen Kraft Folge
leisten, die einfachen Kräfte der materiellen Puncte Cen-
tralkräfte sein.


[13]

II.
Das Princip von der Erhaltung der Kraft.


Wir wollen dem besprochenen Gesetze für die Fälle,
wo Centralkräfte wirken, nun noch einen allgemeineren
Ausdruck geben.


Ist φ die Intensität der Kraft, welche in der Richtung
von r wirkt, wenn sie anzieht, als positiv, wenn sie ab-
stösst, als negativ gesetzt, also
1)
so ist gemäss der Gleichung 2 des vorigen Abschnitts
; also
.

Oder wenn Q und R, q und r zusammengehörige Tan-
gentialgeschwindigkeiten und Entfernungen vorstellen,
. 2)
Betrachten wir diese Gleichung näher, so finden wir auf
der linken Seite den Unterschied der lebendigen Kräfte,
welche m bei zwei verschiedenen Entfernungen hat. Um
die Bedeutung der Grösse zu finden, denken wir
uns die Intensitäten von φ, welche zu verschiedenen Puncten
der Verbindungslinie von m und a gehören, durch recht-
winklig aufgesetzte Ordinaten dargestellt, so würde die ge-
nannte Grösse den Flächeninhalt bezeichnen, den die Curve
[14] zwischen den zu R und r gehörigen Ordinaten mit der
Abscissenaxe einschliesst. Wie man sich nun diesen Flächen-
raum als die Summe aller der unendlich vielen in ihm lie-
genden Abscissen vorstellen kann, so ist jene Grösse der
Inbegriff aller Kraftintensitäten, welche in den zwischen R
und r liegenden Entfernungen wirken. Nennen wir nun die
Kräfte, welche den Punct m zu bewegen streben, so lange
sie eben noch nicht Bewegung bewirkt haben, Spann-
kräfte
, im Gegensatz zu dem, was die Mechanik leben-
dige Kraft
nennt, so würden wir die Grösse als
die Summe der Spannkräfte zwischen den Entfernun-
gen R und r bezeichnen können, und das obige Gesetz
würde auszusprechen sein: Die Zunahme der lebendigen
Kraft eines Massenpunctes bei seiner Bewegung unter dem
Einfluss einer Centralkraft ist gleich der Summe der zu der
betreffenden Aenderung seiner Entfernung gehörigen Spann-
kräfte.


Denken wir uns zwei Puncte unter der Wirkung einer
anziehenden Kraft stehend, in einer bestimmten Entfernung
R, so werden sie durch Wirkung der Kraft selbst nach den
kleineren Entfernungen r hingetrieben, und dabei wird ihre
Geschwindigkeit, ihre lebendige Kraft, zunehmen; sollen sie
aber nach grösseren Entfernungen r gelangen, so muss ihre
lebendige Kraft abnehmen, und endlich ganz verbraucht
werden; wir können deshalb bei anziehenden Kräften die
Summe der Spannkräfte für die Entfernungen zwischen
r = 0 und , als die noch vorhandenen, die
aber zwischen r = R und r = ∞ als die verbrauchten be-
zeichnen; die ersteren können unmittelbar, die letzteren erst
[15] nach einem äquivalenten Verlust an lebendiger Kraft in
Wirksamkeit treten. Umgekehrt ist es bei abstossenden
Kräften. Befinden sich die Puncte in der Entfernung R,
so werden sie bei ihrer Entfernung lebendige Kraft gewin-
nen, und als die vorhandenen Spannkräfte werden die zu
bezeichnen sein zwischen r = R und r = ∞, als die ver-
lorenen, die zwischen r = 0 und r = R.


Um nun unser Gesetz ganz allgemein durchzuführen,
denken wir uns eine beliebige Anzahl materieller Puncte
von den Massen m1, m2, m3 u. s. w. allgemein bezeichnet
mit ma, deren Coordinaten xa, ya, za; die den Axen paral-
lelen Componenten der darauf wirkenden Kräfte seien Xa,
Ya, Za, die nach den Axen zerlegten Geschwindigkeiten
ua, va, wa, die Tangentialgeschwindigkeiten qa; die Entfer-
nung zwischen ma und mb sei rab, die Centralkraft zwischen
beiden φab. Es ist nun für einen einzelnen Punct mn ana-
log der Gleichung 1.
wo das Summationszeichen Σ sich auf alle die Glieder be-
zieht, welche entstehn, wenn man nach einander für den
Index a alle einzelnen Indices 1, 2, 3 etc. mit Ausnahme
von n setzt.


Multipliciren wir die erste Gleichung mit dxn = undt,
die zweite mit dyn = vndt, die dritte mit dzn = wndt, und
denken wir uns die drei dann entstehenden Gleichungen
[16] für alle einzelnen Puncte mb aufgestellt, wie es hier für mn
geschehen ist, und alle addirt, so erhalten wir
Die Glieder der Reihe links werden erhalten, wenn man
erst statt a alle einzelnen Indices 1, 2, 3 u. s. w. setzt, und
bei jedem einzelnen auch für b alle grösseren und alle klei-
neren Werthe, als a schon hat. Die Summen zerfallen also
in zwei Theile, in deren einem a stets grösser ist als b,
im andern stets kleiner, und es ist klar, dass für jedes
Glied des einen Theils
in dem anderen eines vorkommen muss
beide addirt geben
Machen wir diese Zusammenziehung in den Summen, ad-
diren sie alle drei und setzen
so erhalten wir
3)
oder
[17] 4)
wenn R und Q sowie r und q zusammengehörige Werthe
bezeichnen.


Wir haben hier links wieder die Summe der verbrauch-
ten Spannkräfte, rechts die der lebendigen Kräfte des gan-
zen Systems, und wir können das Gesetz jetzt so ausspre-
chen: In allen Fällen der Bewegung freier materieller Puncte
unter dem Einfluss ihrer anziehenden und abstossenden Kräfte,
deren Intensitäten nur von der Entfernung abhängig sind,
ist der Verlust an Quantität der Spannkraft stets gleich dem
Gewinn an lebendiger Kraft, und der Gewinn der ersteren
dem Verlust der letzteren. Es ist also stets die Summe
der vorhandenen lebendigen und Spannkräfte
constant
. In dieser allgemeinsten Form können wir un-
ser Gesetz als das Princip von der Erhaltung der
Kraft
bezeichnen.


In der gegebenen Ableitung des Gesetzes ändert sich
nichts, wenn ein Theil der Puncte, welche wir mit dem
durchlaufenden Buchstaben d bezeichnen wollen, fest ge-
dacht wird, so dass qd constant = 0; es ist dann die Form
des Gesetzes:
. 5)


Es bleibt noch übrig zu bemerken, in welchem Ver-
hältniss das Princip von der Erhaltung der Kraft zu dem
allgemeinsten Gesetze der Statik, dem sogenannten Princip
der virtuellen Geschwindigkeiten steht. Dieses folgt näm-
lich unmittelbar aus unseren Gleichungen 3 und 5. Soll
Gleichgewicht stattfinden bei einer bestimmten Lagerung
der Puncte ma, d. h. soll für den Fall, dass diese Puncte
Helmholtz üb. Erhalt. d. Kraft. 2
[18] ruhen, also qa = 0, dieser Zustand der Ruhe auch beste-
hen bleiben, also alle dqa = 0, so folgt aus der Gleichung 3
, 6)
oder wenn auch Kräfte von Puncten md ausserhalb des Sy-
stems einwirken, aus Gleichung 5
. 7)


In diesen Gleichungen sind unter dr Aenderungen der
Entfernung zu verstehen, welche bei beliebigen, durch die
anderweitigen Bedingungen des Systems zugelassenen, klei-
nen Verschiebungen der Puncte ma eintreten. Wir haben
in den früheren Deductionen gesehen, dass eine Vermehrung
der lebendigen Kraft, also auch ein Uebergang aus Ruhe
in Bewegung, nur durch einen Verbrauch von Spannkraft
erzeugt werden kann; die letzten Gleichungen sagen dem
entsprechend aus, dass unter solchen Bedingungen, wo
durch keine einzige der möglichen Bewegungsrichtungen in
dem ersten Augenblicke Spannkraft verbraucht wird, das
System, wenn es einmal in Ruhe ist, auch in Ruhe blei-
ben muss.


Dass aus den hingestellten Gleichungen sämmtliche Ge-
setze der Statik hergeleitet werden können, ist bekannt.
Die für die Natur der wirkenden Kräfte wichtigste Folge-
rung ist diese: Denken wir uns statt der beliebigen kleinen
Verschiebungen der Puncte m solche gesetzt, wie sie statt-
finden könnten, wenn das System in sich fest verbunden
wäre, so dass in Gleichung 7 alle drab = 0, so folgt einzeln
und
.
Dann müssen also sowohl die äussern, wie die inneren Kräfte
für sich der Gleichgewichtsbedingung genügen. Wird dem-
nach ein beliebiges System von Naturkörpern durch äussere
[19] Kräfte in eine bestimmte Gleichgewichtslage gebracht, so
wird das Gleichgewicht nicht aufgehoben, 1) wenn wir die
einzelnen Puncte des Systems in ihrer jetzigen Lage unter
sich fest verbunden denken, und 2) wenn wir dann die
Kräfte wegnehmen, welche dieselben gegen einander aus-
üben. Daraus folgt nun aber weiter: Werden die Kräfte,
welche zwei Massenpuncte aufeinander ausüben, durch zwei
an dieselben angebrachte äussere Kräfte in Gleichgewicht
gesetzt, so müssen sich diese auch das Gleichgewicht hal-
ten, wenn statt der Kräfte der Puncte gegeneinander eine
feste Verbindung derselben substituirt wird. Kräfte, welche
zwei Puncte einer festen geraden Linie angreifen, halten
sich aber nur im Gleichgewicht, wenn sie in dieser Linie
selbst liegen, gleich und entgegengesetzt gerichtet sind. Es
folgt also auch für die Kräfte der Puncte selbst, welche
den äusseren gleich und entgegengesetzt sind, dass diesel-
ben in der Richtung der verbindenden Linie liegen, also
anziehende oder abstossende sein müssen.


Wir können die aufgestellten Sätze folgendermaassen
zusammenfassen:


1) So oft Naturkörper vermöge anziehender oder ab-
stossender Kräfte, welche von der Zeit und Geschwindig-
keit unabhängig sind, auf einander einwirken, muss die
Summe ihrer lebendigen und Spannkräfte eine constante
sein; das Maximum der zu gewinnenden Arbeitsgrösse also
ein bestimmtes, endliches.


2) Kommen dagegen in den Naturkörpern auch Kräfte
vor, welche von der Zeit und Geschwindigkeit abhängen,
oder nach anderen Richtungen wirken als der Verbindungs-
linie je zweier wirksamer materieller Puncte, also z. B. ro-
tirende, so würden Zusammenstellungen solcher Körper
2*
[20] möglich sein, in denen entweder in das Unendliche Kraft
verloren geht, oder gewonnen wird.


3) Beim Gleichgewicht eines Körpersystems unter der
Wirkung von Centralkräften müssen sich die innern und die
äussern Kräfte für sich im Gleichgewicht halten, sobald wir
die Körper des Systems unter sich unverrückbar verbunden
denken, und nur das ganze System gegen ausser ihm lie-
gende Körper beweglich. Ein festes System solcher Kör-
per wird deshalb nie durch die Wirkung seiner inneren
Kräfte in Bewegung gesetzt werden können, sondern nur
durch Einwirkung äusserer Kräfte. Gäbe es dagegen an-
dere als Centralkräfte, so würden sich feste Verbindungen
von Naturkörpern herstellen lassen, welche sich von selbst
bewegten, ohne einer Beziehung zu anderen Körpern zu
bedürfen.


III.
Die Anwendung des Princips in den mecha-
nischen Theoremen.


Wir gehen jetzt zu den speciellen Anwendungen des
Gesetzes von der Constanz der Kraft über. Zuerst haben
wir diejenigen Fälle kurz zu erwähnen, in denen das Prin-
cip von der Erhaltung der lebendigen Kraft bisher schon
benutzt und anerkannt ist.


1) Alle Bewegungen, welche unter dem Ein-
fluss der allgemeinen Gravitationskraft vor sich
gehen
, also die der himmlischen und der schweren irdi-
schen Körper. Bei jenen spricht sich das Gesetz aus in
der Zunahme ihrer Geschwindigkeit, sobald sie sich in ihrer
Bahn dem Centralkörper nähern, in der Unveränderlichkeit
[21] ihrer grossen Bahnaxen, ihrer Umlaufs- und Rotationszeit;
bei diesen in dem bekannten Gesetz, dass die Endgeschwin-
digkeit des Falls nur von der Fallhöhe, nicht von der Rich-
tung und Form der durchlaufenen Bahn abhängt, und dass
diese Geschwindigkeit, wenn sie nicht durch Reibung oder
unelastischen Stoss vernichtet wird, gerade hinreicht, die
gefallenen Körper wieder zu derselben Höhe emporzutrei-
ben, aus der sie herabgefallen sind. Dass die Fallhöhe
eines bestimmten Gewichts als Maass der Arbeitsgrössen
unserer Maschinen benutzt wird, ist schon erwähnt worden.


2) Die Uebertragung der Bewegungen durch
die incompressibeln festen und flüssigen Körper
,
sobald nicht Reibung oder Stoss unelastischer Stoffe statt-
findet. Unser allgemeines Princip wird für diese Fälle ge-
wöhnlich als die Regel ausgesprochen, dass eine durch
mechanische Potenzen fortgepflanzte und abgeänderte Be-
wegung stets in demselben Verhältniss an Kraftintensität
abnimmt, als sie an Geschwindigkeit zunimmt. Denken wir
uns also durch eine Maschine, in welcher durch irgend ei-
nen Vorgang gleichmässig Arbeitskraft erzeugt wird, das
Gewicht m mit der Geschwindigkeit c gehoben, so wird
durch eine andere mechanische Einrichtung das Gewicht nm
gehoben werden können, aber nur mit der Geschwindig-
keit , so dass in beiden Fällen die Quantität der von der
Maschine in der Zeiteinheit erzeugten Spannkraft durch
mgc darzustellen ist, wo g die Intensität der Schwerkraft
darstellt.


3) Die Bewegungen vollkommen elastischer
fester und flüssiger Körper
. Als Bedingung der voll-
kommenen Elasticität müssen wir nur der gewöhnlich hin-
[22] gestellten, dass der in seiner Form oder seinem Volumen
veränderte Körper dieselben vollständig wiedererlange, auch
noch hinzufügen, dass in seinem Innern keine Reibung der
Theilchen stattfinde. Bei den Gesetzen dieser Bewegungen
ist unser Princip am frühesten erkannt, und am häufigsten
benutzt worden. Als die gewöhnlichsten Fälle der Anwen-
dung bei den festen Körpern sind zu erwähnen der elasti-
sche Stoss, dessen Gesetze sich leicht aus unserem Princip
und dem von der Erhaltung des Schwerpuncts herleiten
lassen, und die mannigfaltigen elastischen Vibrationen, wel-
che fortdauern auch ohne neuen Anstoss, bis sie durch die
Reibung im Innern und die Abgabe der Bewegung an
äussere Medien vernichtet sind. Bei den flüssigen Körpern,
sowohl tropfbaren (offenbar auch elastisch, nur mit sehr
hohem Elasticitätsmodulus und mit einer Gleichgewichtslage
der Theilchen versehen) als auch gasigen (mit niedrigem
Elasticitätsmodulus und ohne Gleichgewichtslage) setzen
sich im Allgemeinen alle Bewegungen bei ihrer Ausbrei-
tung in Wellenform um. Dazu gehören die Wellen der
Oberfläche tropfbarer Flüssigkeiten, die Bewegung des
Schalls, und wahrscheinlich die des Lichts und der strah-
lenden Wärme.


Die lebendige Kraft eines einzelnen Theilchens Δm in
einem von einem Wellenzuge durchzogenen Medium ist
offenbar zu bestimmen durch die Geschwindigkeit, welche
dasselbe in der Gleichgewichtslage hat. Die allgemeine
Wellengleichung bestimmt die Geschwindigkeit u bekannt-
lich, wenn a2 die Intensität, λ die Wellenlänge, α die
Fortpflanzungsgeschwindigkeit, x die Abscisse und t die
Zeit ist, folgendermaassen:
[23] Für die Gleichgewichtslage ist u = a, folglich die lebendige
Kraft des Theilchens Δm während der Wellenbewegung
½Δma2, proportional der Intensität. Breiten sich Wellen von
einem Centrum kugelförmig aus, so setzen sie immer grössere
Massen in Bewegung, folglich muss die Intensität abneh-
men, wenn die lebendige Kraft dieselbe bleiben soll. Da
nun die von der Welle umfassten Massen zunehmen wie
die Quadrate der Entfernung, so folgt das bekannte Gesetz,
dass die Intensitäten im umgekehrten Verhältnisse abnehmen.


Die Gesetze der Zurückwerfung, Brechung und Pola-
risation des Lichts an der Grenze zweier Medien von ver-
schiedener Wellengeschwindigkeit sind bekanntlich schon
von Fresnel hergeleitet worden aus der Annahme, dass die
Bewegung der Grenztheilchen in beiden Mitteln dieselbe
sei, und aus der Erhaltung der lebendigen Kraft. Bei der
Interferenz zweier Wellenzüge findet keine Vernichtung der
lebendigen Kraft statt, sondern nur eine andere Verthei-
lung. Zwei Wellenzüge von den Intensitäten a2 und b2,
welche nicht interferiren, geben allen getroffenen Puncten
die Intensität a2 + b2; interferiren sie, so haben die Maxima
(a + b)2, um 2ab grösser, die Minima (ab)2, um eben so
viel kleiner als a2 + b2.


Vernichtet wird die lebendige Kraft der elastischen
Wellen erst bei denjenigen Vorgängen, welche wir als
Absorption derselben bezeichnen. Die Absorption der Schall-
wellen finden wir hauptsächlich durch das Gegenstossen
gegen nachgiebige unelastische Körper, z. B. Vorhänge,
Decken befördert, dürfen sie also wohl hauptsächlich für
einen Uebergang der Bewegung an die getroffenen Körper
und Vernichtung in diesen durch Reibung halten; ob die
Bewegung auch durch Reibung der Lufttheilchen gegen
[24] einander vernichtet werden könne, möchte noch nicht zu
entscheiden sein. Die Absorption der Wärmestrahlen wird
von einer proportionalen Wärmeentwicklung begleitet; in
wiefern die letztere einem gewissen Kraftäquivalente ent-
spreche, werden wir im nächsten Abschnitt behandeln. Die
Erhaltung der Kraft würde stattfinden, wenn so viel Wärme,
als in dem ausstrahlenden Körper verschwindet, in dem
bestrahlten wiedererscheint, vorausgesetzt, dass keine Ab-
leitung stattfinde, und kein Theil der Strahlung anderswo-
hin gelangt. Das Theorem ist bei den Versuchen über
Wärmestrahlung bisher wohl vorausgesetzt worden, doch
sind mir keine Versuche zu seiner Begründung bekannt.
Bei der Absorption der Lichtstrahlen durch die unvollkom-
men oder gar nicht durchsichtigen Körper kennen wir
dreierlei Vorgänge. Zuerst nehmen die phosphorescirenden
Körper das Licht in solcher Weise in sich auf, dass sie es
nachher wieder als Licht entlassen können. Zweitens schei-
nen die meisten, vielleicht alle Lichtstrahlen Wärme zu er-
regen. Der Annahme von der Identität der wärmenden,
leuchtenden und chemischen Strahlen des Spectrum sind in
der neueren Zeit die scheinbaren Hindernisse immer mehr
aus dem Wege geräumt *), nur scheint das Wärmeäquiva-
lent der chemischen und leuchtenden Strahlen ein höchst
geringes zu sein im Vergleich zu ihrer intensiven Wirkung
auf das Auge. Sollte sich die Gleichartigkeit dieser ver-
schieden wirkenden Strahlungen aber nicht bestätigen, so
würden wir allerdings das Ende der Lichtbewegung für ein
unbekanntes erklären müssen. In vielen Fällen drittens er-
[25] zeugt das absorbirte Licht chemische Wirkungen. In Be-
zug auf die Kraftverhältnisse werden hier zweierlei Arten
solcher Wirkungen unterschieden werden müssen, einmal
diejenigen, wo es nur den Anstoss zur Thätigkeit der che-
mischen Verwandtschaft giebt, ähnlich den katalytisch wir-
kenden Körpern, z. B. die Wirkung auf ein Gemenge von
Chlor und Wasserstoff; und zweitens diejenigen, wo es den
chemischen Verwandtschaften entgegenwirkt, z. B. bei der
Zersetzung der Silbersalze, bei der Einwirkung auf grüne
Pflanzentheile. Bei den meisten dieser Vorgänge sind aber
die Resultate der Lichteinwirkung noch so wenig gekannt,
dass wir über die Grösse der dabei auftretenden Kräfte
noch gar nicht urtheilen können; bedeutend durch ihre
Quantität und Intensität scheinen dieselben nur bei der Ein-
wirkung auf die grünen Pflanzentheile zu sein.


IV.
Das Kraftäquivalent der Wärme.


Diejenigen mechanischen Vorgänge, bei welchen man
bisher einen absoluten Verlust von Kraft angenommen
hat, sind:


1) Der Stoss unelastischer Körper. Derselbe
ist meist mit einer Formveränderung und Verdichtung der
gestossenen Körper verbunden, also mit Vermehrung der
Spannkräfte; dann finden wir bei oft wiederholten Stössen
der Art eine beträchtliche Wärmeentwicklung z. B. beim
Hämmern eines Metallstücks; endlich wird ein Theil der
Bewegung als Schall an die anstossenden festen und luft-
förmigen Körper abgegeben.


[26]

2) Die Reibung, sowohl an den Oberflächen zweier
sich über einander hinbewegender Körper, als im Innern
derselben bei Formveränderungen, durch die Verschiebung
der kleineren Theilchen aneinander hervorgebracht. Auch
bei der Reibung finden meistens geringe Veränderungen in
der molecülären Constitution der Körper namentlich im An-
fang ihres Aneinanderreibens statt; späterhin pflegen sich
die Oberflächen einander so zu accommodiren, dass diese
Veränderungen bei fernerer Bewegung als verschwindend
klein zu setzen sein möchten. In manchen Fällen fehlen
dieselben wohl ganz, z. B. wenn Flüssigkeiten sich an
festen Körpern oder unter einander reiben. Ausserdem
finden aber stets auch thermische und electrische Aende-
rungen statt.


Man pflegt in der Mechanik die Reibung als eine Kraft
darzustellen, welche der vorhandenen Bewegung entgegen
wirkt, und deren Intensität eine Function der Geschwindig-
keit ist. Offenbar ist diese Auffassung nur ein zum Behuf
der Rechnungen gemachter, höchst unvollständiger Ausdruck
des complicirten Vorgangs, bei welchem die verschiedensten
Molecülarkräfte in Wechselwirkung treten. Aus jener Auf-
fassung folgte, dass bei der Reibung lebendige Kraft abso-
lut verloren ginge, ebenso nahm man es beim elastischen
Stosse an. Dabei ist aber nicht berücksichtigt worden, dass
abgesehen von der Vermehrung der Spannkräfte durch die
Compression der reibenden oder gestossenen Körper, uns
sowohl die gewonnene Wärme eine Kraft repräsentirt, durch
welche wir mechanische Wirkungen erzeugen können, als
auch die meistentheils erzeugte Electricität entweder direct
durch ihre anziehenden und abstossenden Kräfte, oder in-
direct dadurch dass sie Wärme entwickelt. Es bliebe also
[27] zu fragen übrig, ob die Summe dieser Kräfte immer der
verlorenen mechanischen Kraft entspricht. In den Fällen,
wo die molecülaren Aenderungen und die Electricitätsent-
wicklung möglichst vermieden sind, würde sich diese Frage
so stellen, ob für einen gewissen Verlust an mechanischer
Kraft jedesmal eine bestimmte Quantität Wärme entsteht,
und inwiefern eine Wärmequantität einem Aequivalent me-
chanischer Kraft entsprechen kann. Zur Lösung der erste-
ren Frage sind erst wenige Versuche angestellt. Joule*)
hat die Wärmemengen untersucht, welche bei der Reibung
des Wassers in engen Röhren und in einem Gefässe ent-
wickelt werden, wo es durch ein nach Art einer Turbine
construirtes Rad in Bewegung gesetzt wurde; er hat im
ersteren Falle gefunden, dass die Wärme, welche 1 Kilogr.
Wasser um 1°C erwärmt, 452 Kilogr. um ein Meter hebt,
im zweiten 521 Kilogr. Indessen entsprechen seine Mes-
sungsmethoden zu wenig der Schwierigkeit der Untersu-
chung, als dass diese Resultate irgendwie auf Genauigkeit
Anspruch machen könnten; wahrscheinlich sind diese Zah-
len zu hoch, weil bei seinem Verfahren wohl leicht Wärme
für die Beobachtung verloren werden konnte, dagegen der
nothwendige Verlust der mechanischen Kraft in den übri-
gen Maschinentheilen von dieser nicht in Abrechnung ge-
bracht ist.


Wenden wir uns nun zu der ferneren Frage, in wie
weit Wärme einem Kraftäquivalent entsprechen könne. Die
materielle Theorie der Wärme muss nothwendig die Quan-
tität des Wärmestoffs als constant ansehen; mechanische
[28] Kraft kann er nach ihr nur durch sein Streben sich auszu-
dehnen erzeugen. Für sie kann das Kraftäquivalent der
Wärme also auch nur in der Arbeit bestehen, welche die-
selbe bei ihrem Uebergang aus einer höheren in eine nie-
dere Temperatur leistet; in diesem Sinne haben Carnot und
Clapeyron die Aufgabe bearbeitet, und alle Folgerungen aus
der Annahme eines solchen Aequivalents wenigstens für
Gase und Dämpfe bestätigt gefunden.


Um die Reibungswärme zu erklären, muss die mate-
rielle Theorie entweder annehmen, dass dieselbe von aussen
zugeleitet sei, nach W. Henry*), oder dass dieselbe nach
Berthallet**) durch Compression der Oberflächen und der
abgeriebenen Theile entstehe. Der ersteren Annahme fehlt
bisher noch jede Erfahrung, dass in der Umgegend gerie-
bener Theile eine der oft gewaltigen Wärmemenge ent-
sprechende Kälte entwickelt werde; die zweite, abgesehen
davon, dass sie eine ganz unwahrscheinlich grosse Wirkung
der durch die hydrostatische Wage meist nicht wahrnehm-
baren Verdichtung annehmen muss, scheitert ganz bei der
Reibung von Flüssigkeiten, und bei den Versuchen, wo
Eisenkeile durch Hämmern glühend und weich gemacht,
Eisstücke durch Reibung geschmolzen werden ***), da doch
das weichgewordene Eisen und das durch Schmelzung ent-
standene Wasser nicht in dem comprimirten Zustande ge-
blieben sein können. Ausserdem beweist uns aber auch die
Erzeugung von Wärme durch electrische Bewegungen, dass
[29] die Quantität der Wärme in der That absolut vermehrt
werden könne. Wenn wir auch die Reibungselectricität
und die voltaische übergehn, weil man annehmen könnte,
durch irgend eine Verbindung und Beziehung der Electri-
citäten zum Wärmestoff, werde in diesen Fällen derselbe
nur von der Ursprungsstelle fortgeführt und in dem er-
wärmten Leitungsdrath abgesetzt: so bleiben uns noch zwei
Wege übrig, electrische Spannungen auf rein mechanischem
Wege hervorzubringen, wobei nirgends Wärme vorhanden
ist, welche fortgeführt werden könnte, nämlich durch Ver-
theilung und durch Bewegung von Magneten. Haben wir
einen positiv electrischen vollkommen isolirten Körper, der
seine Electricität nicht verlieren kann, so wird ein ange-
näherter isolirter Leiter freie + E zeigen, wir werden diese
auf die Innenseite einer Batterie entladen können, den Leiter
entfernen, worauf er freie — E enthält, welche in die Aussen-
seite der ersten oder in eine zweite Batterie entladen wird.
Wir werden durch Wiederholung dieses Verfahrens offen-
bar eine beliebig grosse Batterie beliebig oft laden, und
durch ihre Entladung Wärme erzeugen können, ohne dass
dieselbe irgendwo verschwindet. Dagegen werden wir eine
gewisse mechanische Kraftgrösse verbraucht haben, weil
bei jeder Entfernung des negativ geladenen Leiters von dem
positiven vertheilenden Körper die Anziehung zwischen bei-
den überwunden werden muss. Im Wesentlichen wird
dieses Verfahren offenbar ausgeführt bei dem Gebrauche
des Electrophors zur Ladung einer Leydner Flasche. Der-
selbe Fall findet bei den magnetelectrischen Maschinen statt;
so lange Magnet und Anker gegeneinander bewegt werden,
entstehen electrische Ströme, welche im Schliessungsdrath
Wärme erzeugen; und indem sie der Bewegung des Ankers
[30] gegen den Magneten fortdauernd entgegenwirken, dafür ei-
nen gewissen Theil der mechanischen Kraft zerstören. Es
kann hier offenbar aus den die Maschine constituirenden
Körpern in das Unendliche Wärme entwickelt werden, ohne
dass dieselbe irgendwo verschwände. Dass der magnet-
electrische Strom auch in dem direct unter dem Einfluss
des Magneten stehenden Theil der Spirale Wärme, und nicht
Kälte, erzeugt, hat direct durch das Experiment Joule*) zu
beweisen gesucht. Aus diesen Thatsachen folgt nun, dass
die Quantität der Wärme absolut vermehrt werden könne
durch mechanische Kräfte, dass deshalb die Wärmeerschei-
nungen nicht hergeleitet werden können von einem Stoffe,
welcher durch sein blosses Vorhandensein dieselben bedinge,
sondern dass sie abzuleiten seien von Veränderungen, von
Bewegungen, sei es eines eigenthümlichen Stoffes, sei es
der schon sonst bekannten ponderablen und imponderablen
Körper, z. B. der Electricitäten oder des Lichtäthers. Das,
was bisher Quantität der Wärme genannt worden ist, würde
hiernach der Ausdruck sein erstens für die Quantität der
lebendigen Kraft der Wärmebewegung und zweitens für die
Quantität derjenigen Spannkräfte in den Atomen, welche
bei einer Veränderung ihrer Anordnung eine solche Bewe-
gung hervorbringen können; der erstere Theil würde dem
entsprechen, was bisher freie, der zweite dem, was latente
Wärme genannt ist. Wenn es erlaubt ist, einen Versuch
zu machen, den Begriff dieser Bewegung noch bestimmter
zu fassen, so scheint im Allgemeinen eine der Ansicht von
Ampère sich anschliessende Hypothese dem jetzigen Zustand
der Wissenschaft am besten zu entsprechen. Denken wir
[31] uns die Körper aus Atomen gebildet, welche selbst aus
differenten Theilchen bestehen, (chemischen Elementen,
Electricitäten etc.) so können an einem solchen Atom drei-
erlei Arten von Bewegungen unterschieden werden, näm-
lich 1) Verschiebung des Schwerpuncts, 2) Drehung um
den Schwerpunct, 3) Verschiebungen der Theilchen des
Atoms gegeneinander. Die beiden ersteren würden durch
die Kräfte der Nachbaratome ausgeglichen werden, und
sich deshalb auf diese in Wellenform fortpflanzen, eine
Fortpflanzungsart, welche wohl der Strahlung, nicht aber
der Leitung der Wärme entspricht. Bewegungen der
einzelnen Theile des Atoms gegen einander, würden sich
durch die innerhalb des Atoms befindlichen Kräfte ausglei-
chen, und die Nachbaratome nur langsam in Mitbewegung
setzen können, wie eine schwingende Saite die andere,
dafür aber selbst eine gleiche Quantität Bewegung verlie-
ren; diese Art der Fortpflanzung scheint der der geleiteten
Wärme ähnlich zu sein. Auch ist im Allgemeinen klar,
dass solche Bewegungen in den Atomen Aenderungen in
den Molecülarkräften, also Ausdehnung und Aenderung des
Aggregatzustands, hervorbringen können; welcher Art aber
diese Bewegungen seien, zu bestimmen, dazu fehlen uns
alle Anhaltspuncte, auch ist für unseren Zweck die Einsicht
der Möglichkeit hinreichend, dass die Wärmeerscheinungen
als Bewegungen gefasst werden können. Die Erhaltung
der Kraft würde bei dieser Bewegung so weit stattfinden,
als bisher die Erhaltung der Quantität des Wärmestoffs er-
kannt ist, nämlich bei allen Erscheinungen der Leitung und
Strahlung aus einem Körper zu dem andern, bei der Bin-
dung und Entbindung von Wärme durch Aenderung des
Aggregatzustandes.


[32]

Von den verschiedenen Entstehungsweisen der Wärme
haben wir die durch Einstrahlung und durch mechanische
Kräfte besprochen, die durch Electricität werden wir unten
durchgehen. Es bleibt die Wärmeentwicklung durch che-
mische Processe. Man hat dieselbe bisher für ein Freiwer-
den von Wärmestoff erklärt, welcher in den sich verbin-
denden Körpern latent vorhanden sei. Da man hiernach
jedem einfachen Körper und jeder chemischen Verbindung,
die noch weitere Verbindungen höherer Ordnung eingehen
kann, eine bestimmte Quantität latenter Wärme beilegen
musste, welche nothwendig mit zu ihrer chemischen Con-
stitution gehörte: so folgte hieraus das Gesetz, welches man
auch theilweise in der Erfahrung bewahrheitet hat, dass
nämlich bei der chemischen Verbindung mehrerer Stoffe zu
gleichen Producten stets gleich viel Wärme hervorgebracht
werde, in welcher Ordnung und in welchen Zwischenstufen
auch die Verbindung vor sich gehen möge *). Nach un-
serer Vorstellungsweise würde die bei chemischen Proces-
sen entstehende Wärme die Quantität der lebendigen Kraft
sein, welche durch die bestimmte Quantität der chemischen
Anziehungskräfte hervorgebracht werden kann, und das
obige Gesetz würde der Ausdruck für das Princip von der
Erhaltung der Kraft in diesem Falle werden.


Ebenso wenig, als man die Bedingungen und Gesetze
der Erzeugung von Wärme untersucht hat, obgleich eine
solche unzweifelhaft stattfindet, ist dies für das Verschwinden
derselben geschehen. Bisher kennt man nur die Fälle, wo
chemische Verbindungen aufgehoben wurden, oder dünnere
Aggregatzustände eintraten, und dadurch Wärme latent
[33] wurde. Ob bei der Erzeugung mechanischer Kraft Wärme
verschwinde, was ein nothwendiges Postulat der Erhaltung
der Kraft sein würde, ist noch niemals gefragt worden.
Ich kann dafür nur einen Versuch von Joule*) anführen,
der ziemlich zuverlässig zu sein scheint. Derselbe fand
nämlich, dass die Luft bei dem Ausströmen aus einem Be-
hälter von 136,5 Cubikzollen, in welchem sie unter 22
Atmosphären Druck stand, das umgebende Wasser um
4°,085 F. erkältete, sobald sie in die Atmosphäre ausströmte,
also deren Widerstand zu überwinden hatte. Dagegen trat
keine Temperaturveränderung ein, wenn dieselbe in ein
luftleeres, ebenso grosses Gefäss überströmte, welches in
demselben Wassergefäss stand, wo sie also keinen Wider-
stand zu überwinden hatte, und keine mechanische Kraft
ausübte.


Wir haben jetzt noch zu untersuchen, in welchem Ver-
hältniss die Versuche von Clapeyron**) und Holtzmann***),
das Kraftäquivalent der Wärme herzuleiten, zu dem unsri-
gen stehn. Clapeyron geht aus von der Betrachtung, dass
die Wärme nur durch ihre Verbreitung aus einem wärme-
ren Körper in einen anderen kälteren als Mittel zur Erzeu-
gung mechanischer Kraft benutzt werden könne, und dass
das Maximum der letzteren gewonnen werden müsse, wenn
die Ueberleitung der Wärme nur zwischen Körpern gleicher
Temperatur stattfinde, die Temperaturänderungen aber durch
Compression und Dilatation der erwärmten Körper bewirkt
würden. Dieses Maximum müsse aber für alle Naturkörper,
Helmholtz üb. Erhalt. d. Kraft. 3
[34] welche durch Erwärmung und Erkältung eine mechanische
Arbeit leisten könnten, dasselbe sein; denn wäre es ver-
schieden, so würde man den einen Körper, in welchem ein
gewisses Wärmequantum die grössere Wirkung giebt, zur
Gewinnung von mechanischer Arbeit benutzen können, und
einen Theil dieser letztern dann, um mit dem andern Kör-
per rückwärts die Wärme wieder aus der kältern in die
wärmere Quelle zurückzubringen, und man würde so in
das Unendliche mechanische Kraft gewinnen, wobei aber
stillschweigend vorausgesetzt wird, dass die Quantität der
Wärme dadurch nicht verändert werde. Analytisch stellt
er dies Gesetz in folgendem allgemeinen Ausdrucke dar:
worin q die Quantität der Wärme, welche ein Körper ent-
hält, t seine Temperatur, beide ausgedrückt als Functionen
von v dem Volumen und p dem Druck. ist die mecha-
nische Arbeit, welche die Einheit der Wärme (die 1 Kilogr.
Wasser um 1°C erwärmt) leistet, wenn sie in eine um 1°
niedrigere Temperatur übergeht. Dieselbe soll für alle
Naturkörper identisch sein, aber nach der Temperatur ver-
änderlich. Für Gase wird diese Formel
.
Clapeyrons Folgerungen aus der Allgemeingültigkeit dieser
Formel haben wenigstens für Gase eine grosse Zahl von
erfahrungsmässigen Analogien für sich. Seine Ableitung
des Gesetzes kann nur zugegeben werden, wenn die abso-
lute Quantität der Wärme als unveränderlich betrachtet
[35] wird; übrigens folgt seine speciellere Formel für Gase,
welche allein durch Vergleichung mit der Erfahrung unter-
stützt ist, auch aus der Formel von Holtzmann, wie wir
sogleich zeigen werden. Von der allgemeinen Formel hat
er nur zu zeigen gesucht, dass das daraus folgende Gesetz
der Erfahrung wenigstens nicht widerspricht. Dieses Ge-
setz ist, dass wenn der Druck auf verschiedene Körper,
genommen bei gleicher Temperatur, um eine kleine Grösse
erhöht wird, Wärmemengen entwickelt werden, die pro-
portional sind ihrer Ausdehnbarkeit durch die Wärme. Nur
auf eine mindestens sehr unwahrscheinliche Folgerung die-
ses Gesetzes will ich aufmerksam machen. Compression
des Wassers bei dem Wendepunct seiner Dichtigkeit würde
nämlich keine Wärme, zwischen diesem und dem Gefrier-
punct aber Kälte erzeugen.


Holtzmann geht aus von der Betrachtung, dass eine
gewisse Wärmemenge, welche in ein Gas eintritt, darin
entweder eine Temperaturerhöhung oder eine Ausdehnung
ohne Temperaturerhöhung erzeugen kann. Die durch diese
Ausdehnung zu leistende Arbeit nahm er als das mecha-
nische Aequivalent der Wärme, und berechnete aus den
Schallversuchen von Dulong über das Verhältniss der bei-
den specifischen Wärmen der Gase für die Wärme, welche
1 Kilogr. Wasser um 1°C erwärmt, 374 Kilogr. gehoben
um 1 Meter. Diese Art der Berechnung ist von unseren
Betrachtungen aus nur zulässig, wenn die ganze lebendige
Kraft der hinzugetretenen Wärme wirklich als Arbeitskraft
abgegeben ist, also die Summe der lebendigen und Spann-
kräfte, d. h. die Quantität der freien und latenten Wärme
in dem stärker ausgedehnten Gase ganz dieselbe ist, wie
in dem dichteren von derselben Temperatur. Danach müsste
3*
[36] ein Gas, welches ohne Leistung einer Arbeit sich ausdehnt,
seine Temperatur nicht ändern, wie es aus dem oben er-
wähnten Experiment von Joule wirklich hervorzugehen
scheint, und die Temperaturerhöhung und Erniedrigung
bei der Compression und Dilatation unter den gewöhn-
lichen Umständen würde von einer Erzeugung von Wärme
durch mechanische Kraft und umgekehrt herrühren. Für
die Richtigkeit des Gesetzes von Holtzmann spricht die
grosse Menge der mit der Erfahrung übereinstimmend ge-
zogenen Folgerungen, namentlich die Herleitung der For-
mel für die Elasticität des Wasserdampfs bei verschiedenen
Temperaturen.


Joule bestimmt aus seinen eigenen Versuchen das Kraft-
äquivalent, welches Holtzmann aus fremden zu 374 berech-
net hat, zu 481, 464, 479, während er durch Reibung für
das Kraftäquivalent der Wärmeeinheit 452 und 521 gefun-
den hatte.


Die Formel von Holtzmann ist übereinstimmend mit
der von Clapeyron für Gase, nur ist darin auch die unbe-
stimmte Function der Temperatur C gefunden, und dadurch
wird die vollständige Bestimmung des Integrals möglich
Die erstere lautet nämlich
wo a das Kraftäquivalent der Wärmeeinheit; die von Cla-
peyron

.
Beide sind also übereinstimmend, wenn C = oder da
p = (1 + αt), wo α der Ausdehnungscoefficient, k eine
[37] Constante ist, wenn
.


Die von Clapeyron berechneten Werthe von stim-
men nun wirklich ziemlich mit dieser Formel, wie aus der
nachstehenden Zusammenstellung hervorgeht.


Die Zahl unter a ist aus der Schallgeschwindigkeit in der
Luft berechnet, die Reihe b aus den latenten Wärmen des
Dampfes von Aether, Alkohol, Wasser, Terpenthinöl, c aus
der Expansivkraft des Wasserdunstes für verschiedene Tem-
peraturen. Clapeyrons Formel für Gase ist hiernach iden-
tisch mit der von Holtzmann; ihre Anwendbarkeit auf feste
und tropfbar flüssige Körper bleibt vorläufig zweifelhaft.


V.
Das Kraftäquivalent der electrischen Vorgänge.


Statische Electricität. Die Maschinenelectricität
kann uns auf zweierlei Weise Ursache von Krafterzeugung
werden, einmal indem sie sich mit ihren Trägern bewegt,
durch ihre anziehende und abstossende Kraft, dann indem
[38] sie sich in den Trägern bewegt, durch Wärmeentwicklung.
Die ersteren mechanischen Erscheinungen hat man bekannt-
lich aus den im umgekehrten Verhältnisse des Quadrats der
Entfernung wirkenden, anziehenden und abstossenden Kräf-
ten zweier electrischer Fluida hergeleitet, und die Erfah-
rungen, soweit dieselben mit der Theorie verglichen wer-
den konnten, mit der Rechnung übereinstimmend gefunden.
Gemäss unserer anfänglichen Herleitung, muss die Erhal-
tung der Kraft für solche Kräfte stattfinden. Wir wollen
deshalb auf die specielleren Gesetze der mechanischen Wir-
kungen der Electricität nur so weit eingehn, als es uns
für die Ableitung des Gesetzes der electrischen Wärmeent-
wicklung nöthig ist.


Sind und e͵͵ zwei electrische Massenelemente, deren
Einheit diejenige ist, welche eine ihr gleiche in der Ent-
fernung = 1 mit der Kraft = 1 abstösst, werden die ent-
gegengesetzten Electricitäten durch entgegengesetzte Vor-
zeichen der Massen bezeichnet, und ist r die Entfernung
zwischen und e͵͵, so ist die Intensität ihrer Centralkraft
.
Der Gewinn an lebendiger Kraft, indem sie aus der Ent-
fernung R in die r übergehn, ist:
.
Wenn sie aus der Entfernun ∞ in die r übergehn, ist der-
selbe — . Bezeichnen wir diese letztere Grösse, die
Summe der bei der Bewegung von ∞ bis r verbrauchten
Spannkräfte und gewonnenen lebendigen Kräfte gemäss der
[39] Bezeichnung, welche Gauss bei den Magnetismen ange-
wendet hat, mit dem Namen Potential der beiden electri-
schen Elemente für die Entfernung r, so ist die Zunahme
an lebendiger Kraft bei irgend einer Bewegung gleich zu
setzen dem Ueberschuss des Potentials am Ende des Wegs
über das am Anfange.


Bezeichnen wir ebenso die Summe der Potentiale ei-
nes electrischen Elements gegen sämmtliche Elemente eines
electrisirten Körpers als das Potential des Elements gegen
den Körper, und die Summe der Potentiale aller Elemente
eines electrischen Körpers gegen alle eines andern als das
Potential der beiden Körper, so wird uns wieder der Ge-
winn an lebendiger Kraft durch den Unterschied der Po-
tentiale gegeben, vorausgesetzt, dass die Vertheilung der
Electricität in den Körpern nicht geändert werde, dass die-
selben also idioelectrische sind. Aendert sich die Verthei-
lung, so ändert sich auch die Quantität der electrischen
Spannkräfte in den Körpern selbst, die gewonnene leben-
dige Kraft muss also dann eine andere sein.


Durch alle Methoden des Electrisirens werden gleiche
Quantitäten positiver und negativer Electricität erzeugt; bei
der Ausgleichung der Electricitäten zwischen zwei Körpern,
deren einer A eben so viel positive Electricität enthält, als
der andere B negative, geht die Hälfte positiver Electrici-
tät von A nach B, dagegen die Hälfte negativer von B
nach A. Nennen wir die Potentiale der Körper auf sich
selbst Wa und Wb, das Potential derselben gegen einan-
der V, s[o] finden wir die ganze gewonnene lebendige Kraft,
wenn wir das Potential der übergehenden electrischen Mas-
sen vor der Bewegung gegen jede der anderen Massen und
auf sich selbst abziehen von denselben Potentialen nach der
[40] Bewegung. Dabei ist zu bemerken, dass das Potential
zweier Massen sein Zeichen wechselt, wenn eine der Mas-
sen dasselbe wechselt. Es kommen also in Betracht fol-
gende Potentiale:


  • 1) des bewegten + ½E aus A

  • 2) des bewegten — ½E aus B

Diese Grösse giebt uns also das Maximum der zu erzeu-
genden lebendigen Kraft, und die Quantität der Spannkraft
an, welche durch das Electrisiren gewonnen wird.


Um nun statt dieser Potentiale geläufigere Begriffe in
die Rechnung einzuführen, brauchen wir folgende Betrach-
tung. Denken wir uns Flächen construirt, für welche das
Potential eines in ihnen liegenden electrischen Elements in
Bezug auf einen oder mehrere vorhandene electrische Kör-
per gleiche Werthe hat, und nennen diese Gleichgewichts-
oberflächen, so muss die Bewegung eines electrischen Theil-
chens von irgend einem Puncte der einen zu irgend einem
Puncte einer bestimmten andern stets die lebendige Kraft
um eine gleiche Grösse vermehren, dagegen wird eine Be-
wegung in der Fläche selbst die Geschwindigkeit des Theil-
chens nicht verändern. Es wird also die Resultante
[41] sämmtlicher electrischer Anziehungskräfte für jeden einzel-
nen Punct des Raums auf der durch ihn gehenden Gleich-
gewichtsoberfläche senkrecht stehen müssen, und jede Fläche,
auf der diese Resultanten senkrecht stehn, wird eine Gleich-
gewichtsoberfläche sein müssen.


Das electrische Gleichgewicht in einem Leiter wird
nun nicht eher bestehen, als bis die Resultanten sämmt-
licher Anziehungskräfte seiner eigenen Electricitäten und
etwa noch vorhandener anderer electrisirter Körper senk-
recht auf seiner Oberfläche stehen, weil durch dieselben
sonst die electrischen Theilchen längs der Oberfläche ver-
schoben werden müssten. Folglich wird die Oberfläche ei-
nes electrisirten Leiters selbst eine Gleichgewichtsoberfläche
sein, und die lebendige Kraft, welche ein verschwindend
kleines electrisches Theilchen bei seinem Uebergange von
der Oberfläche eines Leiters zu der eines andern gewinnt,
eine Constante. Bezeichnet Ca die lebendige Kraft, welche
die Einheit der positiven Electricität gewinnt bei ihrem
Uebergange von der Oberfläche des Leiters A in unendliche
Entfernung, so dass Ca für positiv electrische Ladungen
positiv ist, Aa das Potential derselben Electricitätsmenge,
wenn sie sich in einem bestimmten Puncte der Oberfläche
von A befindet gegen A, Ab dasselbe gegen B, Wa das
Potential von A auf sich selbst, Wb dasselbe von B, V das
von A auf B, und Qa die Quantität der Electricität in A,
Qb in B: so ist die lebendige Kraft, welche das electrische
Theilchen e bei seinem Uebergange aus unendlicher Ent-
fernung auf die Oberfläche von A gewinnt,
eCa = e(Aa + Ab).
Setzt man statt e nach einander alle electrischen Theilchen
der Oberfläche von A, und für Aa und Ab die zugehörigen
[42] Potentiale, und addirt alle, so erhält man
.
Ebenso für den Leiter B
.


Die Constante C muss nun nicht nur für die ganze
Oberfläche eines und desselben Leiters gleich sein, sondern
auch für getrennte Leiter, wenn dieselben bei Herstellung
einer Verbindung, durch welche die Vertheilung ihrer Electri-
citäten nicht merklich geändert wird, keine Electricität mit
einander austauschen, d. h. sie muss gleich sein für alle
Leiter von gleicher freier Spannung. Wir können als Maass
der freien Spannung eines electrisirten Körpers diejenige
Quantität von Electricität gebrauchen, welche ausserhalb
der Vertheilungsweite in einer Kugel vom Radius = 1 an-
gehäuft, mit jenem Körper im electrischen Gleichgewicht
steht. Ist die Electricität gleichmässig über die Kugel ver-
breitet, so wirkt sie bekanntlich nach aussen, als wäre sie
ganz im Mittelpunct derselben zusammengedrängt. Bezeich-
nen wir die Masse der Electricität mit E, den Radius der
Kugel mit R = 1, so ist für diese Kugel die Constante
.
Also die Constante C ist unmittelbar gleich der freien Span-
nung.


Danach findet sich die Quantität von Spannkräften
zweier Leiter, welche gleiche Quantitäten Q von positiver
und negativer Electricität enthalten,
.
Da Cb negativ ist, so ist die algebraische Differenz CaCb
[43] gleich ihrer absoluten Summe. Ist die Ableitungsgrösse des
Leiters B sehr gross, also nahehin C = 0, so ist die Quan-
tität der Spannkräfte .


Die lebendige Kraft, welche bei der Bewegung zweier
electrischer Massen entsteht, haben wir gefunden gleich der
Abnahme der Summe . Diese lebendige Kraft
gewinnen wir als mechanische, wenn die Geschwindigkeit,
womit sich die Electricität in den Körpern bewegt, ver-
schwindend klein ist gegen die Fortpflanzungsgeschwindig-
keit der electrischen Bewegung; wir müssen sie als Wärme
empfangen, wenn dies nicht der Fall ist. Die bei der Ent-
ladung gleicher Quantitäten Q entgegengesetzter Electricität
erzeugte Wärme Θ findet sich demnach
,
wo a das mechanische Aequivalent der Wärmeeinheit be-
zeichnet, oder wenn Cb = 0, wie in Batterien, deren äussere
Belegung nicht isolirt ist, deren Ableitungsgrösse S ist, so
dass C S = Q
.


Riess*) hat durch Experimente bewiesen, dass bei ver-
schiedenen Ladungen und verschiedener Anzahl gleich con-
struirter Flaschen die in jedem einzelnen Theile desselben
Schliessungsdrathes entwickelte Wärme proportional sei der
Grösse . Nur bezeichnet er mit S die Oberfläche der
[44] Belegung der Flaschen. Bei gleich construirten Flaschen
muss diese aber der Ableitungsgrösse proportional sein. Aus
seinen Versuchen hat ferner Vorsselmann de Heer*) gefol-
gert, so wie Knochenhauer**) aus den eigenen, dass die
Wärmeentwickelung bei derselben Ladung derselben Bat-
terie dieselbe bleibe, wie auch der Schliessungsdrath abge-
ändert werden möge. Der Letztere hat dieses Gesetz auch
bei Verzweigung der Schliessungsdräthe und bei Nebenströ-
men durchgeführt. Ueber die Grösse der Constante
liegen bis jetzt noch keine Beobachtungen vor.


Zu erklären ist dieses Gesetz leicht, sobald wir uns
die Entladung einer Batterie nicht als eine einfache Bewe-
gung der Electricität in einer Richtung vorstellen, sondern
als ein Hin- und Herschwanken derselben zwischen den
beiden Belegungen in Oscillationen, welche immer kleiner
werden, bis die ganze lebendige Kraft derselben durch die
Summe der Widerstände vernichtet ist. Dafür, dass der
Entladungsstrom aus abwechselnd entgegengerichteten Strö-
men besteht, spricht erstens die abwechselnd entgegenge-
setzte magnetisirende Wirkung desselben, zweitens die Er-
scheinung, welche Wollaston bei dem Versuch, Wasser
durch electrische Schläge zu zersetzen, wahrnahm, dass
sich nämlich beide Gasarten an beiden Electroden entwik-
keln. Zugleich erklärt diese Annahme, warum bei diesem
Versuch die Electroden möglichst geringe Oberfläche haben
müssen.


[45]

Galvanismus. Wir haben in Beziehung auf die gal-
vanischen Erscheinungen zwei Klassen von Leitern zu un-
terscheiden: 1) diejenigen, welche nach Art der Metalle
leiten, und dem Gesetz der galvanischen Spannungsreihe
folgen; 2) diejenigen, weche diesem Gesetze nicht folgen.
Alle diese letzteren sind zusammengesetzte Flüssigkeiten,
und erleiden durch jede Leitung eine der Quantität der ge-
leiteten Electricität proportionale Zersetzung.


Wir können danach die experimentellen Thatsachen
eintheilen 1) in solche, welche nur zwischen Leitern der
ersten Klasse stattfinden, die Ladung verschiedener sich
berührender Metalle mit ungleichen Electricitäten, und 2) in
solche zwischen Leitern beider Klassen, die electrischen
Spannungsunterschiede der offenen und die electrischen
Ströme der geschlossenen Ketten. Durch eine beliebige
Combination von Leitern erster Klasse können niemals
electrische Ströme hervorgebracht werden, sondern nur
electrische Spannungen. Diese Spannungen sind aber nicht
äquivalent einer gewissen Kraftgrösse, wie die bisher be-
trachteten, welche eine Störung des electrischen Gleichge-
wichts bezeichneten; die galvanischen Spannungen sind
vielmehr entstanden durch die Herstellung des electrischen
Gleichgewichts, durch sie kann keine Bewegung der Electri-
cität hervorgerufen werden ausser bei Lagenveränderungen
der Leiter selbst durch die geänderte Vertheilung der ge-
bundenen Electricität. Denken wir uns alle Metalle der
Erde mit einander in Berührung gebracht, und die ent-
sprechende Vertheilung der Electricität erfolgt, so kann
durch keine andere Verbindung derselben irgend eines eine
Aenderung seiner electrischen freien Spannung erleiden,
ehe nicht eine Berührung mit einem Leiter zweiter Klasse
[46] erfolgt ist. Den Begriff der Contactkraft, der Kraft, welche
an der Berührungsstelle zweier verschiedenen Metalle thä-
tig ist, und ihre verschiedenen electrischen Spannungen er-
zeugt und unterhält, hat man bisher nicht näher bestimmt
als eben so, weil man mit demselben auch die Erscheinun-
gen der Berührung von Leitern erster und zweiter Klasse
zu umfassen suchte zu einer Zeit, wo man den constanten
und wesentlichen Unterschied beider Erscheinungen, den
chemischen Process, noch nicht als solchen kannte. In
dieser dadurch nothwendig gemachten Unbestimmtheit der
Begriffsfassung erscheint nun allerdings die Contactkraft als
eine solche, welche in das Unendliche Quantitäten freier
Electricität und somit mechanische Kräfte, Wärme und
Licht erzeugen könnte, wenn es einen einzigen Leiter zwei-
ter Klasse gäbe, welcher nicht durch die Leitung electro-
lysirt würde. Gerade dieser Umstand ist es auch wohl,
welcher der Contacttheorie troz ihrer einfachen und präci-
sen Erklärung der Erscheinungen ein so entschiedenes Wi-
derstreben entgegengesetzt hat *). Dem von uns hier durch-
zuführenden Princip widerspricht der bisherige Begriff die-
ser Kraft also direct, wenn nicht die Nothwendigkeit der
chemischen Processe mit in denselben aufgenommen wird.
Geschieht dies aber, nehmen wir an, dass die Leiter zwei-
ter Klasse der galvanischen Spannungsreihe eben deshalb
nicht folgen, weil sie nur durch Electrolyse leiten, so lässt
sich der Begriff der Contactkraft sogleich wesentlich ver-
einfachen und auf anziehende und abstossende Kräfte zu-
[47] rückführen. Es lassen sich nämlich offenbar alle Erschei-
nungen in Leitern erster Klasse herleiten aus der Annahme,
dass die verschiedenen chemischen Stoffe verschiedene An-
ziehungskräfte haben gegen die beiden Electricitäten, und
dass diese Anziehungskräfte nur in unmessbar kleinen Ent-
fernungen wirken, während die Electricitäten auf einander
es auch in grösseren thun. Die Contactkraft würde danach
in der Differenz der Anziehungskräfte bestehen, welche die
der Berührungsstelle zunächst liegenden Metalltheilchen auf
die Electricitäten dieser Stelle ausüben, und das electrische
Gleichgewicht eintreten, wenn ein electrisches Theilchen,
welches von dem einen zum andern übergeht, nichts mehr
an lebendiger Kraft verliert oder gewinnt. Sind und c͵͵
die freien Spannungen der beiden Metalle, a͵e und a͵͵e die
lebendigen Kräfte, welche das electrische Theilchen e bei
seinem Uebergange auf das eine oder das andere nicht ge-
ladene Metall gewinnt, so ist die Kraft, welche es beim
Uebergang von dem einen geladenen Metall zum andern
gewinnt:
Beim Gleichgewicht muss diese = 0 sein, also
d. h. die Spannungsdifferenz muss bei verschiedenen Stücken
derselben Metalle constant sein, und bei verschiedenen Me-
tallen dem Gesetz der galvanischen Spannungsreihe folgen.


Bei den galvanischen Strömen haben wir in Bezug auf
die Erhaltung der Kraft hauptsächlich folgende Wirkungen
zu betrachten: Wärmeentwicklung, chemische Processe und
Polarisation. Die electrodynamischen Wirkungen werden
wir beim Magnetismus durchnehmen. Die Wärmeentwick-
[48] lung ist allen Strömen gemein; nach den beiden anderen
Wirkungen können wir sie für unseren Zweck unterschei-
den in solche, welche blos chemische Zersetzungen, in
solche, welche blos Polarisation, und in solche, welche
beides hervorbringen.


Zuerst wollen wir die Bedingungen der Erhaltung der
Kraft untersuchen an solchen Ketten, bei welchen die Po-
larisation aufgehoben ist, weil diese die einzigen sind, für
welche wir bis jetzt bestimmte durch Messungen bewährte
Gesetze haben. Die Intensität des Stromes J einer Kette
von n Elementen wird gegeben durch das Ohmsche Gesetz,
wo die Constante A die electromotorische Kraft des ein-
zelnen Elements und W der Widerstand der Kette genannt
wird; A und W sind in diesen Ketten unabhängig von der
Intensität. Da während eines gewissen Zeitraums der Wir-
kung einer solchen Kette nichts in ihr geändert wird, als
die chemischen Verhältnisse und die Wärmemenge, so
würde das Gesetz von der Erhaltung der Kraft fordern,
dass die durch die vorgegangenen chemischen Processe zu
gewinnende Wärme gleich sei der wirklich gewonnenen.
In einem einfachen Stück einer metallischen Leitung vom
Widerstand w ist nach Lenz*) die während der Zeit t ent-
wickelte Wärme
ϑ = J2wt,
wenn man als Einheit von w die Drathlänge nimmt, in
welcher die Einheit des Stroms in der Zeiteinheit die Wärme-
[49] einheit entwickelt. Für verzweigte Schliessungsdräthe, wo
die Widerstände der einzelnen Zweige mit wa bezeichnet
werden, ist der Gesammtwiderstand w gegeben durch die
Gleichung
die Intensität Jn im Zweige wn durch
also die Wärme ϑn in demselben Zweige
und die in der ganzen verzweigten Leitung entwickelte
Wärme
Folglich ist die in einer mit beliebigen Verzweigungen der
Leitung versehenen Kette entwickelte Gesammtwärme, wenn
das Gesetz von Lenz auch auf flüssige Leiter passt, wie es
Joule gefunden hat:
Θ = J2W t = n A J t.


Wir haben zweierlei Arten von constanten Ketten, die
nach dem Schema der Danielschen und die nach dem der
Groveschen construirten. Bei den ersteren besteht der
chemische Vorgang darin, dass sich das positive Metall in
einer Säure auflöst, und aus einer Lösung in derselben
Säure das negative sich niederschlägt. Nehmen wir als
Einheit der Stromintensität diejenige, welche in der Zeit-
einheit ein Aequivalent Wasser zersetzt, (etwa O = 1 grm.
Helmholtz üb. Erhalt. d. Kraft. 4
[50] genommen) so werden in der Zeit t gelöst n J t Aequiva-
lente des positiven Metalls, und eben so viele des negativen
niedergeschlagen. Ist nun die Wärme, welche ein Aequi-
valent des positiven Metalls bei seiner Oxydation und Lö-
sung des Oxyds in der betreffenden Säure entwickelt, az,
und die gleiche für das negative ac, so würde die chemisch
zu entwickelnde Wärme sein
= n J t (azac).
Die chemische würde also der electrischen gleich sein, wenn
A = azac,
d. h. wenn die electromotorischen Kräfte zweier so combi-
nirten Metalle dem Unterschied der bei ihrer Verbrennung
und Verbindung mit Säuren zu entwickelnden Wärme pro-
portional wären.


In den nach Art der Groveschen Kette gebauten Ele-
menten wird die Polarisation dadurch aufgehoben, dass der
auszuscheidende Wasserstoff sogleich zur Reduction der
sauerstoffreichen Bestandtheile der Flüssigkeit verbraucht
wird, welche das negative Metall umgiebt. Es sind dahin
zu rechnen die Groveschen und Bunsenschen Elemente:
amalgamirtes Zink, verdünnte Schwefelsäure, rauchende
Salpetersäure, Platin oder Kohle; ferner die mit Chrom-
säure gebauten constanten Ketten, unter denen genaueren
Messungen unterworfen sind: amalgamirtes Zink, verdünnte
Schwefelsäure, Lösung von saurem chromsaurem Kali mit
Schwefelsäure, Kupfer oder Platin. Die chemischen Pro-
cesse sind in den beiden mit Salpetersäure gebauten Ketten
gleich, eben so die in den beiden genannten mit Chrom-
säure; daraus würde gemäss der eben gemachten Deduction
folgen, dass auch die electromotorischen Kräfte gleich seien,
[51] und das ist in der That nach den Messungen von Poggen-
dorf
*) sehr genau der Fall. Die mit Kohle gebaute Chrom-
säure-Kette ist sehr inconstant, und hat eine beträchtlich
höhere electromotorische Kraft, wenigstens im Anfang; die-
selbe ist deshalb hier nicht herzurechnen, sondern zu den
Ketten mit Polarisation. Bei diesen constanten Ketten ist
also die electromotorische Kraft unabhängig von dem nega-
tiven Metall; wir können sie uns auf den Typus der Da-
niel
schen Kette zurückbringen, wenn wir als den letzten
die Flüssigkeit unmittelbar berührenden Leiter erster Klasse
die dem Platin zunächst liegenden Theilchen von salpetri-
ger Säure und Chromoxyd ansehn, so dass wir die Grove-
schen und Bunsenschen Elemente als Ketten zwischen Zink
und salpetriger Säure, die mit Chromsäure gebauten als
Zink-Chromoxydketten erklären würden.


Unter den Ketten mit Polarisation können wir solche
unterscheiden, welche blos Polarisation und keine chemi-
sche Zersetzung hervorbringen, und solche welche beides
bewirken. Zu den ersteren, welche einen inconstanten
meist bald verschwindenden Strom geben, gehören unter
den einfachen Ketten die von Faraday**) mit Lösung von
Aetzkali, Schwefelkalium, salpetriger Säure gebildeten Com-
binationen, ferner die der stärker negativen Metalle in den
gewöhnlichen Säuren, wenn das positivere derselben die
Säure nicht mehr zu zersetzen vermag, z. B. Kupfer mit
Silber, Gold, Platin, Kohle in Schwefelsäure u. s. w.; von
den zusammengesetzten alle mit eingeschalteten Zersetzungs-
4*
[52] zellen, deren Polarisation die electromotorische Kraft der
anderen Elemente überwiegt. Scharfe messende Versuche
haben über die Intensitäten dieser Ketten bis jetzt wegen
der grossen Veränderlichkeit des Stroms nicht gemacht
werden können. Im Allgemeinen scheint die Intensität ihrer
Ströme von der Natur der eingetauchten Metalle abzuhän-
gen, ihre Dauer wächst mit der Grösse der Oberflächen
und mit der Abschwächung der Stromintensität; aufgefrischt
können sie werden, auch wenn sie fast ganz verschwunden
sind, durch Bewegungen der Platten in der Flüssigkeit und
durch Berührung derselben mit der Luft, wodurch die Po-
larisation der Wasserstoffplatte aufgehoben wird. Von sol-
chen Einwirkungen mag auch wohl der geringe, nicht auf-
hörende Rest des Stromes herrühren, den feinere galvano-
metrische Instrumente immer anzugeben pflegen. Der ganze
Vorgang ist also eine Herstellung des electrischen Gleich-
gewichts der Flüssigkeitstheilchen mit den Metallen; dabei
scheinen sich einmal die Flüssigkeitstheilchen anders zu
ordnen, und dann, wenigstens in vielen Fällen *), auch
chemische Umänderungen der oberflächlichen Metallschich-
ten zu entstehen. Bei den zusammengesetzten Ketten, wo
die Polarisation ursprünglich gleicher Platten die Wirkung
des Stroms anderer Elemente ist, können wir die dabei
verlorene Kraft des ursprünglichen Stroms als secundären
Strom wiedergewinnen, nachdem wir die erregenden Ele-
mente entfernt, und die Metalle der polarisirten unter sich
geschlossen haben. Um das Princip von der Erhaltung der
Kraft hier näher anzuwenden, fehlen uns bis jetzt noch alle
speciellen Thatsachen.


[53]

Den verwickeltesten Fall bilden diejenigen Ketten, in
welchen Polarisation und chemische Zersetzung neben ein-
ander vor sich gehen; dazu gehören die Ketten mit Gas-
entwickelung. Der Strom derselben ist, wie der der blossen
Polarisationsketten, zu Anfang am stärksten, und sinkt
schneller oder langsamer auf eine ziemlich constant blei-
bende Grösse. Bei einzelnen Elementen dieser Art, oder
Ketten, welche nur aus solchen zusammengesetzt sind, hört
der Polarisationsstrom nur äusserst langsam auf; leichter
gelingt es dagegen, schnell constante Ströme zu erhalten,
bei Combination von constanten Ketten mit einzelnen in-
constanten, namentlich, wenn die Platten der letzteren ver-
hältnissmässig klein sind. Bisher sind aber an solchen Zu-
sammenstellungen nur wenige Messungsreihen gemacht wor-
den; aus den wenigen, welche ich aufgefunden habe, von
Lenz*) und Poggendorf**), geht hervor, dass die Intensi-
täten solcher Ketten bei verschiedenen Drathwiderständen
nicht durch die einfache Ohmsche Formel gegeben werden
können, sondern wenn man die Constanten derselben bei
geringen Intensitäten berechnet, werden die Ergebnisse der
Rechnung für höhere Intensitäten zu gross. Man muss des-
halb den Zähler oder den Nenner derselben, oder beide als
Functionen der Intensität betrachten; die bisher bekannten
Thatsachen liefern uns keine Entscheidung dafür, welcher
von diesen Fällen eigentlich stattfinde.


Suchen wir das Princip von der Erhaltung der Kraft
auf diese Ströme anzuwenden, so müssen wir dieselben in
zwei Theile theilen, in den inconstanten oder Polarisations-
[54] strom, über den dasselbe gilt, was wir über die reinen
Polarisationsströme gesagt haben, und in den constanten
oder Zersetzungsstrom. Auf den letzteren ist dieselbe Be-
trachtungsweise anwendbar, wie für die constanten Ströme
ohne Gasentwickelung. Die durch den Strom erzeugte
Wärme muss gleich sein der durch den chemischen Pro-
cess zu erzeugenden. Ist z. B. in einer Combination von
Zink und einem negativen Metalle in verdünnter Schwefel-
säure die Wärmeentbindung eines Atoms Zink bei seiner
Auflösung und der Austreibung des Wasserstoffs azah,
so ist die in der Zeit dt zu erzeugende Wärme
J(azah)dt.
Wäre nun die Wärmeentwickelung in allen Theilen einer
solchen Kette proportional dem Quadrate der Intensität,
also J2W dt, so hätten wir wie oben
,
also die einfache Ohmsche Formel. Da diese aber ihre
Anwendung hier nicht findet, so folgt, dass es Querschnitte
in der Kette giebt, in denen die Wärmeentwicklung einem
andern Gesetze folgt, deren Widerstand also nicht als con-
stant zu setzen ist. Ist z. B. die Entbindung von Wärme
in irgend einem Querschnitt direct proportional der Inten-
sität, wie es unter andern die durch Aenderung der Aggre-
gatzustände gebundene Wärme sein muss, also ϑ = μ J dt,
so ist
.
Die Grösse μ würde also mit in dem Zähler der Ohmschen
[55] Formel erscheinen. Der Widerstand eines solchen Quer-
schnitts würde sein . Ist nun aber die
Wärmeentwickelung desselben nicht genau proportional der
Intensität, also die Grösse μ nicht ganz constant, sondern
mit der Intensität steigend, so erhalten wir den Fall, wel-
cher den Beobachtungen von Lenz und Poggendorf ent-
spricht.


Als electromotorische Kraft einer solchen Kette würde
nach Analogie der constanten Ketten, sobald der Polari-
sationsstrom aufgehört hat, die zwischen Zink und Wasser-
stoff zu bezeichnen sein. In der Ausdrucksweise der Con-
tacttheorie wäre es die zwischen Zink und dem negativen
Metall, vermindert um die Polarisation des letztern in Was-
serstoff. Wir müssen dann nur dieses Maximum der Pola-
risation für unabhängig von der Intensität des Stroms an-
sehen, und für verschiedene Metalle um eben so viel ver-
schieden, als es die electromotorischen Kräfte dieser Me-
talle sind. Der Zähler der Ohmschen Formel, berechnet
aus Intensitätsmessungen bei verschiedenen Widerständen,
kann aber ausser der electromotorischen Kraft einen Sum-
manden enthalten, welcher von dem Uebergangswiderstande
herrührt, und welcher bei verschiedenen Metallen vielleicht
verschieden ist. Dass ein Uebergangswiderstand existire,
folgt nach dem Princip von der Erhaltung der Kraft aus
der Thatsache, dass die Intensitäten dieser Ketten nicht
nach dem Ohmschen Gesetz zu berechnen sind, da doch
die chemischen Processe dieselben bleiben. Dafür, dass in
Ketten, wo die Polarisationsströme aufgehört haben, der
Zähler der Ohmschen Formel von der Natur des negativen
Metalls abhänge, habe ich noch keine sicheren Beobach-
[56] tungen auffinden können. Um die Polarisationsströme schnell
zu beseitigen ist es hierbei nöthig, die Dichtigkeit des Stroms
an der polarisirten Platte möglichst zu erhöhen theils durch
Einfügung von Zellen mit constanter electromotorischer
Kraft, theils durch Verkleinerung der Oberfläche dieser
Platte. In den hierher gehörenden Versuchen von Lenz
und Saweljev*) ist nach ihrer eigenen Angabe die Constanz
der Ströme nicht erreicht worden, die von ihnen berech-
neten electromotorischen Kräfte enthalten demnach noch
die der Polarisationsströme. Sie fanden für Zink Kupfer
in Schwefelsäure 0,51, für Zink Eisen 0,76, für Zink Queck-
silber 0,90.


Schliesslich bemerke ich noch, dass ein Versuch, die
Gleichheit der auf chemischem und electrischem Wege ent-
wickelten Wärme experime [...]ll nachzuweisen, gemacht ist
von Joule**). Doch ist g[e]gen seine Messungsmethoden
mancherlei einzuwenden. Er setzt z. B. für die Tangenten-
bussole das Gesetz der Tangenten als richtig voraus bis in
die höchsten Grade hinein, hat keine constanten Ströme,
sondern berechnet deren Intensität nur nach dem Mittel der
Anfangs- und Endablenkung, setzt electromotorische Kraft
und Widerstand von Zellen mit Gasentwickelung als con-
stant voraus. Auf die Abweichung seiner quantitativen
Wärmebestimmungen von anderweitig gefundenen Zahlen
hat Hess schon aufmerksam gemacht. Dasselbe Gesetz
will E. Becquerel empirisch bestätigt gefunden haben nach
einer Anzeige desselben in den Comptes rendues (1843. No. 16).


[57]

Wir haben oben uns genöthigt gesehen, den Begriff
der Contactkraft zurückzuführen auf einfache Anziehungs-
und Abstossungskräfte, um denselben mit unserem Princip
in Uebereinstimmung zu bringen. Versuchen wir nun auch,
die electrischen Bewegungen zwischen Metallen und Flüs-
sigkeiten darauf zurückzuführen. Denken wir uns die Theile
des zusammengesetzten Atoms einer Flüssigkeit mit ver-
schiedenen Anziehungskräften gegen die Electricitäten be-
gabt, und demgemäss verschieden electrisch. Scheiden
diese Atomtheile an den metallischen Electroden aus, so
giebt jedes Atom nach dem electrolytischen Gesetz eine
von seinen electromotorischen Kräften unabhängige Menge
± E an dieselben ab. Wir können uns deshalb vorstellen,
dass auch in der chemischen Verbindung schon die Atome
mit Aequivalenten ± E verb [...]den sind, welche für alle
ebenso gleich sind, wie die [...]chiometrischen Aequivalente
der wägbaren Stoffe in verschiedenen Verbindungen. Tau-
chen nun zwei verschiedene electrische Metalle in eine
Flüssigkeit ein, ohne dass ein chemischer Process stattfindet,
so werden die positiven Bestandtheile derselben von dem
negativen Metall, die negativen vom positiven angezogen.
Der Erfolg wird also eine veränderte Richtung und Ver-
theilung der verschieden electrischen Flüssigkeitstheilchen
sein, deren Eintreten wir als Polarisationsstrom wahrneh-
men. Die bewegende Kraft dieses Stromes würde die
electrische Differenz der Metalle sein, ihr müsste deshalb
auch seine anfängliche Intensität proportional sein; seine
Dauer muss bei gleicher Intensität der Menge der an den
Platten anzulagernden Atome, also ihrer Oberfläche pro-
portional sein. Bei den mit chemischer Zersetzung verbun-
denen Strömen kommt es dagegen nicht zu einem dauern-
[58] den Gleichgewicht der Flüssigkeitstheilchen mit den Me-
tallen, weil die positiv geladene Oberfläche des positiven
Metalls fortdauernd entfernt wird, dadurch dass sie selbst
zum Bestandtheil der Flüssigkeit wird, also eine stete Er-
neuerung der Ladung hinter ihr stattfinden muss. Durch
jedes Atom des positiven Metalls, welches mit einem Aequi-
valent positiver Electricität vereinigt in die Lösung eintritt,
wofür ein Atom des negativen Bestandtheils neutral electrisch
ausscheidet, wird eine Beschleunigung der einmal begon-
nenen Bewegung hervorgerufen, sobald die Quantität der
Anziehungskraft des ersteren Atoms zur + E, bezeichnet
durch az, grösser ist als die des letzteren ac. Die Bewe-
gung würde dadurch in das Unbegrenzte an Geschwindig-
keit zunehmen, wenn nicht auch zugleich der Verlust an
lebendiger Kraft durch Wärmeentwicklung wüchse. Sie
wird deshalb nur wachsen bis dieser Verlust, J2Wdt, gleich
ist dem Verbrauch an Spannkraft J (azac) dt oder bis
.
Ich glaube, dass in dieser Unterscheidung der galvanischen
Ströme in solche, welche Polarisation, und in solche, welche
Zersetzung hervorbringen, wie sie durch das Princip von
der Erhaltung der Kraft bedingt wird, der einzige Ausweg
zu finden sein möchte, um gleichzeitig die Schwierigkeiten
der chemischen und der Contactheorie zu umgehen.


Thermoelectrische Ströme. Bei diesen Strömen
müssen wir die Quelle der Kraft in den von Peltier ge-
fundenen Wirkungen auf die Löthstellen suchen, welche
einen dem gegebenen Strom entgegengesetzten erzeugen
würden.


[59]

Denken wir uns einen hydroelectrischen constanten
Strom, in dessen Leitungsdrath ein Stück eines andern
Metalls eingelöthet ist, dessen Löthstellen die Temperatu-
ren t' und t'' haben, so wird der electrische Strom wäh-
rend des Zeittheilchens dt in der ganzen Leitung die Wärme
J2Wdt erzeugen, ausserdem in der einen Löthstelle q͵dt
entwickeln, in der andern q͵͵dt verschlucken. Ist A die
electromotorische Kraft der hydroelectrischen Kette, also
AJdt die chemisch zu erzeugende Wärme, so folgt aus
dem Gesetz von der Erhaltung der Kraft
AJ = J2W + q͵͵ 1)
Ist Bt die electromotorische Kraft der Thermokette, wenn
eine der Löthstellen die Temperatur t und die andere irgend
eine constante Temperatur z. B. 0° hat, so ist für die ganze
Kette
. 2)
Für = t͵͵ wird
.
Dies in die Glelchung 1) gesetzt giebt
= q͵͵
d. h. bei gleicher Temperatur der Löthstellen derselben Me-
talle und gleicher Intensität des Stroms müssen die entwik-
kelten und verschluckten Wärmemengen gleich sein, unab-
hängig vom Querschnitt. Dürfen wir annehmen, dass dieser
Vorgang in jedem Puncte des Querschnitts derselbe ist, so
folgt, dass die in gleichen Flächenräumen verschiedener
Querschnitte durch denselben Strom entwickelten Wärme-
mengen sich wie die Dichtigkeiten des Stroms verhalten,
[60] und daraus wieder, dass die durch verschiedene Ströme in
den ganzen Querschnitten entwickelten sich direct wie die
Intensitäten der Ströme verhalten.


Sind die Löthstellen von verschiedener Temperatur, so
folgt aus den Gleichungen 1) und 2)
(BBt͵͵) J = q͵͵
dass also bei gleichen Stromintensitäten die Wärme ent-
wickelnde und bindende Kraft in demselben Maasse mit der
Temperatur steigt, als die electromotorische.


Für beide Folgerungen sind mir bis jetzt noch keine
messenden Versuche bekannt.


VI.
Kraftäquivalent des Magnetismus und Electro-
magnetismus.


Magnetismus. Ein Magnet ist vermöge seiner an-
ziehenden und abstossenden Kräfte gegen andere Magnete
und unmagnetisches Eisen fähig, eine gewisse lebendige
Kraft zu erzeugen. Da die Anziehungserscheinungen von
Magneten vollständig herzuleiten sind aus der Annahme
zweier Fluida, welche sich umgekehrt wie die Quadrate
der Entfernung anziehen und abstossen, so folgt hieraus
allein schon nach der im Anfang unserer Abhandlung ge-
gebenen Herleitung, dass die Erhaltung der Kraft bei der
Bewegung magnetischer Körper gegen einander stattfinden
müsse. Der folgenden Theorie der Induction wegen müs-
sen wir auf die Gesetze dieser Bewegungen etwas näher
eingehen.


[61]

1) Sind und m͵͵ zwei magnetische Massenelemente,
deren Einheit diejenige ist, welche eine gleiche in der Ent-
fernung = 1 mit der Kraft = 1 abstösst, werden entgegen-
gesetzte Magnetismen mit entgegengesetzten Vorzeichen der
Massen bezeichnet, und ist r die Entfernung zwischen
und m͵͵, so ist die Intensität ihrer Centralkraft
.
Der Gewinn an lebendiger Kraft beim Uebergange aus un-
endlicher Entfernung in die r ist .


2) Bezeichnen wir diese Grösse als Potential der bei-
den Elemente, und übertragen wir die Benennung Poten-
tial auf magnetische Körper wie bei den Electricitäten, so
erhalten wir den Gewinn an lebendiger Kraft bei der Be-
wegung zweier Körper, deren Magnetismus sich nicht än-
dert, also von Stahlmagneten, wenn wir von dem Werth
des Potentials am Ende der Bewegung den zu Anfang der
Bewegung abziehen. Dagegen wird wie bei den Electrici-
täten der Gewinn an lebendiger Kraft bei der Bewegung
magnetischer Körper, deren Vertheilung sich ändert, ge-
messen durch die Veränderungen der Summe
wo V das Potential der Körper gegen einander, Wa und Wb
das derselben auf sich selbst ist. Ist der Körper B ein un-
veränderlicher Stahlmagnet, so erzeugt die Annäherung ei-
nes Körpers von veränderlichem Magnetismus eine lebendige
Kraft, gleich der Zunahme der Summe V + ½Wa.


3) Es ist bekannt, dass die Wirkungen eines Magneten
nach aussen stets durch eine gewisse Vertheilung der magne-
Helmholtz üb. Erhalt. d. Kraft. 5
[62] tischen Fluida an seiner Oberfläche ersetzt werden können.
Wir können also statt der Potentiale der Magneten die Po-
tentiale solcher Oberflächen setzen. Dann finden wir wie
bei den leitenden electrischen Oberflächen für ein vollkom-
men weiches Eisen A, welches durch Vertheilung von ei-
nem Magneten B magnetisirt ist, den Gewinn C an leben-
diger Kraft für die Einheit der Quantität des als positiv
bezeichneten Magnetismus bei dem Uebergange von der
Oberfläche des Eisens in unendliche Entfernung gegeben
durch die Gleichung
QC = V + Wa.


Da nun jeder Magnet so viel nördlichen wie südlichen
Magnetismus enthält, also Q in jedem gleich 0 ist, so folgt
für ein solches Eisenstück, oder für ein Stahlstück von
derselben Form, Lage und Vertheilung des Magnetismus,
dessen Magnetismus also vollständig durch den Magneten B
gebunden ist, dass
V = — Wa.


4) V ist aber die lebendige Kraft, welche der Stahl-
magnet bei seiner Annäherung bis zur Bindung seiner Magne-
tismen erzeugt; sie muss nach dieser Gleichung dieselbe
sein, an welchen Magneten er sich auch annähern möge,
sobald es nur bis zur vollständigen Bindung kommt, weil
Wa immer dasselbe bleibt. Dagegen ist die lebendige Kraft
eines gleichen Eisenstücks, welches bis zu derselben Verthei-
lung des Magnetismus genähert wird, wie oben gezeigt ist
,
also nur halb so gross als die des schon magnetisirten
Stückes; zu bedenken ist, dass W an sich negativ ist, also
— ½W stets positiv.


[63]

Wird ein Stahlstück dem vertheilenden Magneten un-
magnetisch genähert, und behält es beim Entfernen den
erlangten Magnetismus, so wird dabei — ½W an mecha-
nischer Arbeit verloren, dafür ist der nunmehrige Magnet
auch im Stande — ½W Arbeit mehr zu leisten, als es das
Stahlstück vorher konnte.


Electromagnetismus. Die electrodynamischen Er-
scheinungen sind zurückgeführt worden von Ampère auf
anziehende und abstossende Kräfte der Stromelemente, deren
Intensität von der Geschwindigkeit und Richtung der Ströme
abhängt. Seine Herleitung umfasst aber die Inductions-
erscheinungen nicht. Letztere sind dagegen zugleich mit
den electrodynamischen von W. Weber zurückgeführt worden
auf anziehende und abstossende Kräfte der electrischen
Fluida selbst, deren Intensität abhängt von der Näherungs-
oder Entfernungsgeschwindigkeit und der Zunahme derselben.
Für jetzt ist noch keine Hypothese aufgefunden worden,
vermöge deren man diese Erscheinungen auf constante
Centralkräfte zurückführen könnte. Die Gesetze der indu-
cirten Ströme sind von Neumann*) entwickelt worden, in-
dem er die experimentell für ganze Ströme gefundenen
Gesetze von Lenz auf die kleinsten Theilchen derselben
übertrug, und dieselben stimmen bei geschlossenen Strö-
men mit den Entwicklungen von Weber überein. Ebenso
stimmen die Gesetze von Ampère und Weber für die electro-
dynamischen Wirkungen geschlossener Ströme mit der Her-
leitung derselben aus Rotationskräften von Grassmann**).
Weiter giebt uns auch die Erfahrung keine Aufschlüsse,
[64] weil bis jetzt nur mit geschlossenen oder beinahe geschlos-
senen Strömen experimentirt worden ist. Wir wollen des-
halb auch unser Princip nur auf geschlossene Ströme an-
wenden, und zeigen, dass daraus dieselben Gesetze her-
folgen.


Es ist schon von Ampère gezeigt worden, dass die
electrodynamischen Wirkungen eines geschlossenen Stroms
stets ersetzt werden können durch eine gewisse Vertheilung
der magnetischen Fluida an einer beliebigen von dem Strom
begränzten Fläche. Neumann hat daher den Begriff des
Potentials auf die geschlossenen Ströme übertragen, indem
er dafür das Potential einer solchen Fläche setzt.


5) Bewegt sich ein Magnet unter dem Einfluss eines
Stroms, so muss die lebendige Kraft, die er dabei gewinnt,
geliefert werden aus den Spannkräften, welche in dem
Strome verbraucht werden. Diese sind während des Zeit-
theilchens dt nach der schon oben gebrauchten Bezeich-
nungsweise A J dt in Wärmeeinheiten, oder a A J dt in me-
chanischen, wenn a das mechanische Aequivalent der Wärme-
einheit ist. Die in der Strombahn erzeugte lebendige Kraft
ist a J2W dt, die vom Magneten gewonnene , wo V
sein Potential gegen den von der Stromeinheit durchlaufe-
nen Leiter ist. Also
folglich
.
Wir können die Grösse als eine neue electromo-
[65] torische Kraft bezeichnen, als die des Inductionsstromes.
Sie wirkt stets der entgegen, welche den Magneten in der
Richtung, die er hat, bewegen, oder seine Geschwindigkeit
vermehren würde. Da diese Kraft unabhängig ist von der
Intensität des Stroms, muss sie auch dieselbe bleiben, wenn
vor der Bewegung des Magneten gar kein Strom vorhan-
den war.


Ist die Intensität wechselnd, so ist der ganze während
einer gewissen Zeit inducirte Strom
wo das Potential zu Anfang und V͵͵ zu Ende der Be-
wegung bedeutet. Kommt der Magnet aus sehr grosser
Entfernung, so ist
unabhängig von dem Wege und der Geschwindigkeit des
Magneten.


Wir können das Gesetz so aussprechen: Die gesammte
electromotorische Kraft des Inductionsstroms, den eine La-
genänderung eines Magneten gegen einen geschlossenen
Stromleiter hervorbringt, ist gleich der Veränderung, die
dabei in dem Potentiale des Magneten gegen den Leiter
vor sich geht, wenn letzterer von dem Strome durch-
flossen gedacht wird. Einheit der electromotorischen Kraft
ist dabei die, durch welche die willkührliche Stromeinheit
in der Widerstandseinheit hervorgebracht wird. Letztere
aber diejenige, in welcher jene Stromeinheit in der Zeit-
einheit die Wärmeeinheit entwickelt. Dasselbe Gesetz bei
[66]Neumann l. c. §. 9., nur hat er statt eine unbestimmte
Constante ε.


6) Bewegt sich ein Magnet unter dem Einfluss eines
Leiters, gegen den sein Potential bei der Stromeinheit φ
sei, und eines durch diesen Leiter magnetisirten Eisenstücks,
gegen welches sein Potential für den durch die Stromein-
heit erregten Magnetismus χ sei, so ist wie vorher
also
.
Die electromotorische Kraft des Inductionsstroms, welcher
von der Anwesenheit des Eisenstücks herrührt, ist also
.


Wird in dem Electromagneten durch den Strom n die-
selbe Vertheilung des Magnetismus hervorgerufen, wie durch
den genäherten Magneten, so muss nach dem in No. 4 ge-
sagten das Potential desselben gegen den Magneten, ,
gleich sein seinem Potential gegen den Leitungsdrath nV,
wenn V dasselbe für die Stromeinheit bedeutet. Es ist
also χ = V. Wird also ein Inductionsstrom hervorgerufen,
dadurch dass das Eisenstück durch Vertheilung von dem
Magneten magnetisirt wird, so ist die electromotorische
Kraft , und wie in No. [...] der
Gesammtstrom
[67],
wo und V͵͵ die Potentiale des magnetisirten Eisens ge-
gen den Leitungsdrath vor und nach der Magnetisirung sind.
Neumann folgert dies Gesetz aus der Analogie mit dem
vorigen Falle.


7) Wird ein Electromagnet unter dem Einfluss eines
Stromes magnetisch, so geht durch den Inductionsstrom
Wärme verloren; ist das Eisenstück weich, so wird bei
der Oeffnung derselbe Inductionsstrom in entgegengesetzter
Richtung gehn, und die Wärme wieder gewonnen. Ist es
ein Stahlstück, welches seinen Magnetismus behält, so bleibt
jene Wärme verloren, und an ihrer Stelle gewinnen wir
magnetische Arbeitskraft, gleich dem halben Potential jenes
Magneten bei vollständiger Bindung, wie in No. 4 gezeigt
ist. Aus der Analogie der vorigen Fälle möchte es indes-
sen nicht unwahrscheinlich sein, dass die electromotorische
Kraft seinem ganzen Potential entspricht, wie Neumann den
gleichen Schluss macht, und dass ein Theil der Bewegung
der magnetischen Fluida wegen der Schnelligkeit derselben
als Wärme verloren geht, welche hierbei in dem Magneten
gewonnen wird.


8) Werden zwei geschlossene Stromleiter gegen ein-
ander bewegt, so kann die Intensität des Stroms in beiden
verändert werden. Ist V ihr Potential für die Stromeinheit
gegen einander, so muss wie in den vorigen Fällen und
aus denselben Gründen sein
.
Ist nun die Stromintensität in dem einen Leiter W͵͵ sehr
[68] viel geringer als in dem andern , so dass die electro-
motorische Inductionskraft, welche von W͵͵ in erregt
wird, gegen die Kraft verschwindet, und wir
setzen können, so erhalten wir aus der Gleichung
.
Die electromotorische Inductionskraft ist also dieselbe, wel-
che ein Magnet erzeugen würde, der dieselbe electrodyna-
mische Kraft hat als der inducirende Strom. Dieses Gesetz
hat W. Weber*) experimentell erwiesen.


Ist dagegen die Intensität in verschwindend klein
gegen die in W͵͵, so findet sich
Die electromotorischen Kräfte der Leiter aufeinander sind
sich also gleich, wenn die Stromintensitäten gleich sind,
wie auch die Form der Leiter sein mag.


Die gesammte Inductionskraft, welche während einer
gewissen Bewegung der Leiter gegen einander ein Strom
liefert, der selbst durch die Induction nicht verändert wird,
ist hiernach wieder gleich der Aenderung in dem Potentiale
desselben gegen den andern von durchflossenen Leiter.
In dieser Form erschliesst Neumann das Gesetz aus der
Analogie der magnetischen und electrodynamischen Kräfte
l. c. §. 10, und dehnt es auch auf den Fall aus, wo die
[69] Induction in ruhenden Leitern durch Verstärkung oder
Schwächung der Ströme hervorgebracht wird. W. Weber
zeigt die Uebereinstimmung seiner Annahme für die electro-
dynamischen Kräfte mit diesen Theoremen l. c. S. 147—153.
Aus dem Gesetz von der Erhaltung der Kräfte ist für die-
sen Fall keine Bestimmung zu entnehmen; nur muss durch
Rückwirkung des inducirten Stroms auf den inducirenden
eine Schwächung des letzteren eintreten, welche einem ebenso
grossen Wärmeverlust entspricht, als in dem inducirten Strome
gewonnen wird. Dasselbe Verhältniss muss bei der Wirkung
des Stroms auf sich selbst zwischen der anfänglichen Schwä-
chung und dem Extracurrent stattfinden. Indessen lassen
sich hieraus keine weiteren Folgerungen ziehen, weil die
Form des Ansteigens der Ströme nicht bekannt ist, und
ausserdem das Ohmsche Gesetz nicht unmittelbar anwendbar
ist, da diese Ströme wohl nicht gleichzeitig die ganze Aus-
dehnung der Leitung einnehmen möchten.


Es bleiben uns von den bekannten Naturprocessen noch
die der organischen Wesen übrig. In den Pflanzen sind
die Vorgänge hauptsächlich chemische, und ausserdem fin-
det, wenigstens in einzelnen, eine geringe Wärmeentwick-
lung statt. Vornehmlich wird in ihnen eine mächtige Quan-
tität chemischer Spannkräfte deponirt, deren Aequivalent
uns als Wärme bei der Verbrennung der Pflanzensubstanzen
geliefert wird. Die einzige lebendige Kraft, welche dafür
nach unseren bisherigen Kenntnissen während des Wachs-
thums der Pflanzen absorbirt wird, sind die chemischen
Strahlen des Sonnenlichts. Es fehlen uns indessen noch
alle Angaben zur näheren Vergleichung der Kraftäquiva-
5*
[70] lente, welche hierbei verloren gehen, und gewonnen wer-
den. Für die Thiere haben wir schon einige nähere An-
haltpuncte. Dieselben nehmen die complicirten oxydablen
Verbindungen, welche von den Pflanzen erzeugt werden,
und Sauerstoff in sich auf, geben dieselben meist verbrannt,
als Kohlensäure und Wasser, theils auf einfachere Verbin-
dungen reducirt wieder von sich, verbrauchen also eine
gewisse Quantität chemischer Spannkräfte, und erzeugen
dafür Wärme und mechanische Kräfte. Da die letzteren
eine verhältnissmässig geringe Arbeitsgrösse darstellen ge-
gen die Quantität der Wärme, so reducirt sich die Frage
nach der Erhaltung der Kraft ungefähr auf die, ob die Ver-
brennung und Umsetzung der zur Nahrung dienenden Stoffe
eine gleiche Wärmequantität erzeuge, als die Thiere abge-
ben. Diese Frage kann nach den Versuchen von Dulong
und Despretz wenigstens annähernd bejaht werden *).


Schliesslich muss ich noch einiger Bemerkungen von
Matteucci gegen die hier durchgeführte Betrachtungsweise
erwähnen, welche sich in der Biblioth. univ. de Genève
Suppl. No. 16. 1847. 15. Mai. S. 375 finden. Derselbe geht
aus von dem Satze, dass nach derselben ein chemischer
Process nicht so viel Wärme erzeugen könne, wenn er
Electricität, Magnetismus oder Licht zugleich entwickelt,
als wenn dies nicht der Fall sei. Er führt dagegen an,
dass, wie er durch eine Reihe von Messungen zu zeigen
sich bemüht, Zink bei seiner Auflösung in Schwefelsäure
[71] ebenso viel Wärme erzeugt, wenn dieselbe unmittelbar durch
die chemische Verwandtschaft geschieht, als wenn es mit
Platin eine Kette bildet, und dass ein electrischer Strom,
der einen Magneten in Ablenkung erhält, ebenso viel
chemische und thermische Wirkungen erzeuge als ohne
diese Ablenkung. Dass Matteucci diese Thatsachen als
Einwürfe betrachtet, rührt von einem vollständigen Miss-
verstehen der Ansicht her, welche er widerlegen will, wie
sich aus einem Vergleich mit unserer Darstellung dieser
Verhältnisse sogleich ergiebt. Dann führt er zwei calo-
rimetrische Versuche an über die Wärme, welche bei der
Verbindung von Aetzbaryt mit concentrirter oder verdünn-
ter Schwefelsäure sich entwickelt, und über die, welche
in einem Drathe in Gasen von verschiedenem Abkühlungs-
vermögen durch denselben electrischen Strom erzeugt wird,
wobei jene Masse und der Drath bald glühend werden, bald
nicht. Er findet diese Wärmemengen im ersteren Fall nicht
kleiner als im letzteren. Wenn man aber die Unvollkom-
menheit unserer calorimetrischen Vorrichtungen bedenkt, so
kann es nicht auffallen, dass Unterschiede der Abkühlung
durch Strahlung nicht bemerkt werden, welche davon her-
rühren könnten, dass diese Strahlung je nach der leuchten-
den oder nicht leuchtenden Natur derselben die umgebenden
diathermanen Mittel leichter oder schwerer durchdringt. In
dem ersteren Versuche von Matteucci geschieht die Ver-
einigung des Baryts mit der Schwefelsäure noch dazu in
einem nicht diathermanen Gefässe von Blei, wo die leuch-
tenden Strahlen gar nicht einmal herausdringen können.
Die Unvollkommenheiten von Matteucci’s Methoden bei
diesen Messungen können wir daher wohl unerwähnt
lassen.


[72]

Ich glaube durch das Angeführte bewiesen zu haben,
dass das besprochene Gesetz keiner der bisher bekannten
Thatsachen der Naturwissenschaften widerspricht, von einer
grossen Zahl derselben aber in einer auffallenden Weise
bestätigt wird. Ich habe mich bemüht, die Folgerungen
möglichst vollständig aufzustellen, welche aus der Combi-
nation desselben mit den bisher bekannten Gesetzen der
Naturerscheinungen sich ergeben, und welche ihre Bestäti-
gung durch das Experiment noch erwarten müssen. Der
Zweck dieser Untersuchung, der mich zugleich wegen der
hypothetischen Theile derselben entschuldigen mag, war,
den Physikern in möglichster Vollständigkeit die theoreti-
sche, practische und heuristische Wichtigkeit dieses Gesetzes
darzulegen, dessen vollständige Bestätigung wohl als eine
der Hauptaufgaben der nächsten Zukunft der Physik be-
trachtet werden muss.

Appendix A

Berichtigung.
S. 43 von Zeile 2 v. o. ab lies: also nahehin Cb = 0, so ist die
Quantität der electrischen Spannkräfte ; ist auch
die Entfernung beider Leiter sehr gross, so ist dieselbe — ½Wa.


[][][]
Notes
*)
Poggendorffs Annalen LIX 446. 566.
*)
S. Melloni in Poggd. Ann. Bd. LVII. S. 300. Brücke in Ann.
Bd. LXV. 593.
*)
J. P. Joule. On the existence of an equivalent relation between
heat and the ordinary forms of mechanical power. Phil. mag. XXVII. 205.
*)
Mem. of the Society of Manchester. T. V. p. 2. London 1802.
**)
Statique chimique. T. I. p. 247.
***)
Humphrey Davy, Essay on heat, light and the combinations
of light.
*)
Philos. Magazine. 1844.
*)
Hess in Poggd. Ann. L 392. LVI 598.
*)
Philos. Magaz. XXVI 369.
**)
Poggd. Ann. Bd. LIX 446. 566.
***)
Ueber die Wärme und Elasticität der Gase und Dämpfe.
Mannheim, 1845. Ein Auszug davon in Poggd. Ann. Ergänzungsbd. II.
*)
Poggd. Ann. XLIII 47.
*)
Poggd. Ann. XLVIII. 292. Dazu die Bemerkung von Riess
ebendas. S. 320.
**)
Ann. LXII. 364. LXIV. 64.
*)
S. Faraday Experimentaluntersuchungen über Electricität.
17te Reihe. Philos. Transact. 1840 p. I. No. 2071. und Poggd. Ann.
LIII. 568.
*)
S. Poggd. Ann. LIX. S. 203 u. 407 aus den Bull. de l’acad. d.
scienc. de St. Petersbourg. 1843.
*)
Poggd. Ann. LIV. 429 und LVII. 104.
**)
Experimentaluntersuchungen über Electricität. 16te Reihe.
Philos. Transact. 1840 p. I. u. Poggd. Ann. LII. S. 163 u. 547.
*)
S. Ohm in Poggd. Ann. LXIII. 389.
*)
Poggd. Ann. LIX. 229.
**)
Ann. LXVII. 531.
*)
Bull. de la classe phys. math. de l’acad. d. scienc. de St.
Petersbourg. T. V. p. 1. und Poggd. Ann. LVII. 497.
**)
Philos. Magaz. 1841. vol. XIX. S. 275. u. 1843. XX. S. 204.
*)
Poggd. Ann. LXVII. 31.
**)
Ann. LXIV. 1.
*)
Electrodynamische Maassbestimmungen. S. 71—75.
*)
Näher eingegangen bin ich auf diese Frage in dem Encycl.
Wörterbuch der medicinischen Wissenschaften
. Art.
„Wärme”, und in den Fortschritten der Physik im Jahre
1845, dargestellt von der physikalischen Gesellschaft
zu Berlin
. S. 346.

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2025). Helmholtz, Hermann von. Über die Erhaltung der Kraft. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bk2c.0