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HORRIBILICRIBRIFAX

Teutſch.


Breßlaw/:
Bey Veit Jacob Treſchern.
1665.

[][]

Dem Hoch- und Groß-Edel-
gebornen/ Erkornen/ Geſtrengen/
Mannfeſten Herrn/
Herrn
Horribilicribrifax,
von Donnerkeil/ auff
Wuͤſthauſen.


Vnvergleichlicher Camerade/ be-
ſtaͤndiger und treuer Freund!

MEinen zu Defendirung
ſeiner Ehre ſcharffgeſchliffne-
ſten und von Tag zu Tage
bey nuͤchternem Morgen
außgeputzeten Degen zuvor:
Jch befinde endlich/ daß die
Literatis ſich den hochmuͤthigen Neid ſo tieff be-
ſitzen laſſen/ als iemahls wir/ die wir unſere Le-
bentage Maeſtri delli Campi geweſen/ uns un-
terſtehen duͤrffen/ dieſen lieblichen Furias Quar-
A ijtier
[]Zuſchrifft.
tier zu geben. Jch habe nunmehr ein paar
douzine Jahre unſerm weyland bekanten Freun-
de vor zwey und dreyſig tauſend Millionen gu-
te Worte gegeben und geben laſſen: umb die
Beſchreibung unſer Vortreffligkeit/ So er
vor laͤngſt/ und zwar bloß von der Fauſt auff-
geſetzet/ ad lucibus dies zu geben: aber bloß
umbſonſt! unangeſehen er auch auff Anſinnen
Illuſtribus Perſonibus darzu angehalten wor-
den. Er hat aber alles/ als wann er uns vor
dieſem nie durch ein zuſprengtes Bolwerck an-
geſehen/ hochmuͤttig negligegiret: und ich
weis nicht was vor mirables excuſes vorge-
wendet. Neulich aber habe ich meinen alten/
nunmehr zimlich abgeriſſenen/ und ſtets getreu-
en Major domo Signor Cacciadiavolo aus
lauter impantienze zu ihm abgefertiget/ und
ſelbten mit inſtructiones genungſam habili-
bitiret
: und durch ſelbten anhalten laſſen/ Er
wolte nicht laͤnger uns unſer wol-meritiritires
Lob mißgoͤnnen: und die Totus mundus,
welche laͤngſt die Zeitung unſerer Wunderen
Liebe/ avanturados, und horribles choſes zu
wiſſen begehret/ aͤffen und auffhalten: Hat
ſich ein unverſehenes infortunium zu unſerm
beſten erklaͤret. Sintemal mein Signeur
Magior
[]Zuſchrifft.
Magior Domo nach ſeiner hoch deſiderabten
Wiederkunfft/ prelatio bey mir/ nach gebuͤh-
render Complementirung/ abgeleget/ und
mich berichtet: Er haͤtte unſern vor weilen gu-
ten Patronium nach den und den tito verwi-
chenen Monden nach Mittage umb 3. Uhr an-
getroffen: und zwar/ nach dem etliche Gentil
huomini
von ihm geſchieden/ vor welchen Er
ſich zimlich alterniret: were aber gleichwol zu
ihm eingetreten/ da Er ihn dann noch unter vier
oder fuͤnff/ dem Anſehen nach/ trefflichen Leuten
gefunden: durch deren præſentiam er ſo gleich-
ſam chasmentiret, daß er nicht ein einiges
Wort vorbringen koͤnnen. So bald ihn aber
aus dem accantien ſeiner Wolredenheit und
der nunmehr langgetragenen leporie unſer
Freund erkennet; hette er ihn Humblementiſſi-
me
angenommen/ demuͤttig angehoͤret/ und
ſtatt der Antwort mit einem groſſen Bocale
Wein/ von Fino de Hungaria bewillkommet/
ihn zu ſitzen execriret, und/ propter Seriam,
ad cras
beſchieden; Jn deſſen hette er ihm nur
muͤſſen belieben laſſen zu thun/ was dem Wir-
the gefallen. Mit welchem anweſende Che-
valieers,
dann er muͤſte geſtehen al fe de Gen-
til houmine,
daß ſie mehr denn dieſen Tittu-
A iijlos
[]Vorrede.
los verdienet/ in unterſchiedenen Redens Arten
weitlaͤufftig diſcoursſiret: und ſeiner Opina-
tionum
nach ſollen ſie wunderlich geredet ha-
ben: beſtund darauff/ er haͤtte wol etwas aber
gar nicht multus nimios verſtanden: glaube-
te doch/ es muͤſte von enportantze geweſen ſeyn/
weil ſie zuweilen Farouchè geſehen/ zuweilen
gelachet: Er haͤtte ſich in frembde Haͤndel nicht
miſchen wollen noch ſollen/ wie er dann [von]
mir nicht apprendiret, weniger darzu inſtru-
xiret
: Solte es aber zu Weitlaͤufftigkeiten
kom̃en ſeyn/ ſolte ich mich verſichern/ daß er ſich
nicht wolte haben roubiginiren laſſen: Jndeſ-
ſen haͤtte er ihm angelegen gehalten/ redlich be-
ſcheid zu thun/ haͤtte auch iederzeit denſelben/ der
am eiferigſten geredet/ mit einer brindiſi be-
ſaͤnfftiget/ und alſo guten Frieden befoͤrdern
und ſtifften helffen. Nach dem nun auch die-
ſe ihren Abſchied hoͤchſtfreundlichſt genommen/
waͤre er zwar zu der Abend-Mahlzeit/ von wey-
land treuem Freunde/ inficiret worden; derer
er auch beygewohnet: Weil ihm aber bereits
von der muͤhſeligen Reiſe/ und dem hochwich-
tigen vorgegangenen Diſcurſſus das Haupt
ſchwer geweſen/ wuͤſte er nicht eigentlich zu nar-
riren,
was bey gedachtem Souppe vorgegan-
gen;
[]Vorrede.
gen; ohne daß er ihm die eigentliche reflexion
machete/ es waͤre ein groſſer gebratener Haſe
auffgetragen worden: welches zweiffels ohn
nicht ſo ſehr meinem Herren Ambasſiadoren
als mir dem Primcali ſelbſt gemeynet geweſen/
bin aber mit dem Conſpect vergnuͤget. Wei-
ter wuͤſte er nichts/ als daß er vor zwey Stun-
den devant my die aus einem ſanfften Schlaff
auffgewecket/ und alſobald zu unſerm weyland
lieben Patronium gefordert/ welcher ihn avec
une horrible caprice
vermahnet/ Er ſolte uns
beyderſeits in ſeinem Namen gruͤſſen/ uns er-
mahnen nunmehr klug zu werden: der baga-
tellen
uns zu euſſern; und wo nicht auff Gott/
doch auff unſer Fictafium bey Zeiten zu den-
cken: Jhn wunderte/ daß wir die Thorheiten
ſeiner Jugend von ihm begehreten/ in welchen
doch nichts/ als unſere eigene Schande zu leſen
ſeyn wuͤrde. Ho! ho! caſpita! und weil mein
lieber Getreuer vor Schrecken dieſe Worte
nicht ſo bald reprehendiren koͤnnen; haͤtt er
ſie ihm ſo gar en les tableltes, die er als gewe-
ſener Quartier-Meiſter/ nach dem der Teuffel
laͤngſt die rothen Scharlach Hoſen mit den
Silbernen Galaunen geholet/ gedictioniret.
Der Herr Bruder dencke/ wie dem redlichen
A iiijKerlen
[]Vorrede.
Kerlen bey ſolchem Reſpect zu muthe worden:
Weil er aber genoͤthiget/ biß zu der Fruͤhmahl-
zeit zu verharren/ auch ihm die Liefer-Gelder in-
deſſen zu manciniren begonnen: Hat er ſich
eilends aus dem Gemache/ und zwar in reſpi-
ration
einen Stoicidaliſchen Mord an ſich zu-
begehen retteriret; Voila, aber was geſchie-
het: weil ihn das Schrecken in den Affterdarm
catalogiret: eilet er nach dem Ort/ welchen
man non avec permisſion nennen darff: in
welchem er denn/ wegen vermeintlicher ungluͤck-
ſeliger Ambaſſade, mehr durch die Naſibus
und Oculis, als per derrire geweinet. Jn
dem er ſich aber etwas erholet/ und nunmehr
Stoff zu der Reinigung von ihm deſſeriret
wurd; erblicket er einen Hauffen deſchirez col-
lutulez \& de gutte pampieres,
ſchwinget ſich
derowegen mit Freuden auff dieſelbten: und in
dem erſten Grieff erblicket er meinen erſchreckli-
chen Namen:
Jam Te- nos facimus Fortunus eam!
Er greiffet nach denſelben/ und findet das gan-
tze Goncept unſerer Liebe und Deverſation:
auſſer daß es per curiam temporis durch die
uͤbermuͤttige non chalance, unſers vorweilen
Freundes hin und wieder Schaden gelidten/
und
[]Vorrede.
und was zuvor haͤtte geſaget werden ſollen/ in
ſo einnen veraͤchtlichen Ort verworffen: in wel-
chem es freylich laͤngſt/ ſeinem Belieben und
Willen nach/ in tauſend mal tauſend/ ich darff
nicht ſchreiben was/ vergangen/ wenn es nicht
Tempum Genium und Fortunum, und die
heilige Atropis, trotz aller Neid erhalten: Und
dieſes heiſt:
Qvàm ſæpe ſumma medio in culo la-
tent.

Nach gefundenem ſo groſſen Schatz kuͤſſet mein
Don Cacciadiavolo dreymal den Grund/
auff dem es gelegen/ verbirget dieſes laͤngſtge-
wuͤndſchte Kleinot zwiſchen Fell und Hembde:
iſſet demnach froͤlich mit dem/ der nicht weis/
was vor eine Helenam ihm entfuͤhret: und
bringet auff gebogenen Knien zu mir/ was ich diꝛ
hiermit mit entbloͤſſetem Haupte ſtehend con-
dicire
:


Jch muß cunfidiren, daß in dem Rorigi-
nal
aus Unachtſamkeit/ wo nicht Neid und
Mißgunſt des Autoribus die letzte zwey Sei-
ten verfaulet/ aus welchen unſers Gegenparts
Sempronius Teſtament abgecopiret gewe-
ſen. Jch habe aber dieſes nicht ſonders geach-
tet/ weil dieſer unſer ſteter Feind geweſen/ und
A vdero-
[]Vorrede.
derowegen die Orte ſo confect itziger Methodi-
bus
nach mit ***** bezeichnet.


Gehabe dich wol/ unvergleichlicher Came-
rade
! Stirbeſt du eher/ als ich: ſo vermache mir
doch deine Netze: Winde/ und deine kurtze Weh-
re/ zu ſtetswaͤhrendem Andencken: Gehe ich
voran; ſo bleib Erbe ex maſſa von meiner Par-
tiſane/ die ich von dem ererbet/ der jenem Her-
tzog zu Eger den Reſt gegeben. Hiermit ver-
bleibe ich


Meines unvergleichlichen Camerades/
Bruders/ Freundes/ und
Gevattern



Obliganter biß in das Grab
Daradiridatumtarides Wind-
brecher/ von Tauſend Mord/
auff N. N. N. Erbherr/ in
und zu Windloch.


[]

Jn dieſem Schertzſpiel wer-
den eingefuͤhret
als Redende:


  • Palladius.

  • Florian. Ein kleiner Jhm auffwarten-
    der Edelknabe.

  • Bonoſus.

  • Cleander.

  • Dionyſius, Sein Diener.

  • Selene. Eine hochmuͤttige/ doch arme/
    Adeliche Jungfrau.

  • Antonia. Mutter der Selene.

  • Sophia. Eine keuſche/ doch arme/ Ade-
    liche Jungfrau.

  • Flaccilla. Mutter der Sophien.

  • Cæleſtina.

  • Camilla, Jhre Cammer Jungfer.

  • Eudoxia.

    • Don Daradiridatumta-
      rides.

    • Don Horribilicribrifax.
    • Zwey weilãd
      reformirete
      Hauptleute.


  • Don

  • []
    • Don Cacciadiavolo.

    • Don Diego.
    • Diener des Da-
      radiridat.


  • Harpax. Page des Horribilicribrifax.

  • Sempronius. Ein alter verdorbener
    Dorff Schulmeiſter von groſſer
    Einbildung.

  • Iſaſchar. Ein Jude.

  • Cyrilla, eine alte Kuplerin.

  • Die Pagen der Cæleſtine.
    als Schweigende:

  • Das Frauen-Zimmer Cæleſtinæ und
    Eudoxiæ.

  • Die Pagen Cæleſtinæ.

  • Die Diener Palladii: Bonoſi: Cle-
    andri.


[[1]]

Wehlende Liebhaber.
Schertz-Spiel.


Der Erſte Auffzug.


Capitain Daradiridatumtarides Windbꝛecher
von Tauſend Mord. Don Caccia dia-
volo. Don Diego,
ſeine Diener.

Darad.

DOn Diego ruͤcket uns den Mantel zu-
rechte/ Don Cacciadiavolo, Jch halte/
daß das Oſtliche Theil des Bartes mit
der Weſt Seiten nicht allzuwol uͤberein
komme.


Don Cacc.

Großmaͤchtigſter Hr. Capiten, es iſt kein Wun-
der! die Haare der lincken Seiten ſind etwas ver-
ſenget von den Blitzen ſeineꝛ Feuꝛſchieſſenden Augẽ.


Dara.

Blitz/ Feuer/ Schwefel/ Donner/ Salpeter/ Bley
und etliche viel Millionen Tonnen Pulver ſind
nicht ſo maͤchtig/ als die wenigſte reflexion, die ich
mir uͤber die reverberation meines Vngluͤcks
mache. Der groſſe Chach Sefi von Perſen erzit-
tert/ wenn ich auff die Erden trete. Der Tuͤrcki-
ſche Keyſer hat mir etlich mal durch Geſandten
eine Offerte von ſeiner Kron gethan. Der weit-
beruͤhmte Mogul ſchaͤtzt ſeine retrenchemente
nicht ſicher fuͤr mir. Africa hab ich vorlaͤngſt
meinen Cameraden zu Beute gegeben. Die
Printzen in Europa, die etwas mehr courteſehal-
ten Freundſchafft mit mir/ mehr aus Furcht/ als
wah-
[2]Horribilicribrifax
wahrer affection. Vnd der kleine verleckerte
Bernhaͤuter/ der Rappſchnabel. Ce bugre, Co
larron, Ce menteur, Ce fils de Putain. Ce trai-
ſtre, ce faqvin, ce brutal. Ce bourreau. Ce Cu-
pido,
darff ſich unterſtehen ſeine Schuch an mei-
nen Lorberkraͤntzen abzuwiſchen! Ha Ma De eſſe!
merville de monde adorable beaute
! Vnuͤber-
windliche Schoͤne! unvergleichliche Selene! wie
lange wolt ihr mich in der Courtegarde eurer Vn-
gunſt verarreſtiret halten!


Don Diego.

Signor mio illuſtriſſimo! Mich wundert
nicht wenig/ daß ihr das Bollwerck von Selene
noch nicht habt miniren koͤnnen; Die Damoſel-
len
dieſes Landes erſchrecken/ wenn ſie euch von
Spieſſen/ Schlachten/ Koͤpff abhauen/ Staͤdte an-
zuͤnden und dergleichen diſcuriren hoͤren. Sie
meinen/ daß ihr todos los Diabolos in der Vor-
bruch/ wie die Schweitzer in dem Hoſenlatz/
traget. Mich duͤnckt Palladius richte mit ſeiner
anmuthigen Courteſi weit mehr aus/ als wir mit
allen unſern Rodomantaden.


Dara.

Palladius? Wenn er mir ietzund begegnete/ wolte
ich ihn bey der euſerſten Zehe ſeines lincken Fuſſes
ergreiffen/ dreymal umb den Hut ſchleudern/ und
darnach in die Hoͤhe werffen/ daß er mit der Naſen
an dem groſſen Hundsſtern ſolt kleben bleiben.


Don Cacciad.

Es were zuviel/ daß er von ſolchen Ritter-
maͤſſigen Haͤnden ſterben ſolte. Wenn er uns gleich
itzund in der furie begegnete/ wolte ich ihm blos in
das Geſichte ſpeyen/ er wuͤrde Zweiffels ohn bald
in Aſch und Staub verkehret werden.


Dara.

Behuͤte mich der groſſe Vitrliputrli, was iſt daß? dort


(es erſcheinet von ferne eine Katze)

ſehe ich zwey
brennende Fackeln uns entgegen kommen?


Don Cacc.

Holla! ins Gewehr! ins Gewehr! Die Nacht iſt
niemands Freund.


Darad.
[3]Schertz-Spiel.
Darad.

Ey laſt uns weichen! wir ſind auſſer unſerm Vor-
theil und moͤchten verraͤtherlich uͤberfallen wer-
den. Jch will nicht von mir ſagen laſſen/ daß ich
mich der Fuͤnſternuͤß zu meiner Victorie mißge-
brauchet.


Don Cacc.

Bey der Seel des General Wallenſteins/ ſie
blaſen zu Sturm.


Don Diego.

Ey laſt uns ſtehen bleiben! ſehet ihr nicht? es
iſt eine Katze/ die alſo mit den Augen fuͤnckelt.


Don Cacc.

Es mag der Beelzebub wol ſelber ſeyn.


Darad.

Ho/ ich bin vor ihm unerſchrocken. Der gantze Leib
zittert mir vom Zorn wie eine Gallart. Jch werde
gantz zu lauter Hertze und kenne mich ſchier ſelber
nicht/ ich ſchwitze vor Begierde zu fechten. Voicus
le bras qvi rompt le cours de deſtins de tous
!


Don Diego.

Des fous! und faͤhret vor Furcht auß den
Hoſen.


Darad.

Was ſagt Don Diego?


Don Diego.

Jch ſage/ ihm reiſſen vor Vngedult zu warten
die Hoſen entzwey.


Capitain Dara.

zeucht den Degen aus: Sa! ſa! he-
ran/ heran/ du ſeyeſt auch wer du ſeyſt! je brave
la main des parqves,
ich habe wol eheꝛ alleine dꝛeiſ-
ſig mal hundert tauſend millionen Geiſter beſtan-
den.


Don Diego.

Minder eine halbe.


Don Caccia.

Wol was geraß iſt dieſes? der Nachtwaͤch-
ter beginnt zu ſingen/ Jhr lieben Leute laſt euch
ſagen/ und dergleichen.


Darad.

Bey meinem adelichen Ehren/ ich halte doch/ es
gehen Geſpenſter umb. Was iſts von noͤthen/
daß wir die Zeit ſo fruͤh auff der Gaſſen zubringen.
Herein/ herein ins Gemach. Wer Vngluͤck ſuchet/
der verdirbet darinnen.


An-
[4]Horribilicribrifax
Antonia. Selene.

Antonia.

Liebes Kind/ es iſt nicht ohn/ ich bin deine Mut-
ter/ und wolte bey dir thun/ was einer ehrlieben-
den Frauen und Mutter zuſtehet: Du bleibeſt a-
ber auff deinem Kopff/ und wilſt gutem Rathe
nicht folgen. Du weiſſeſt/ unſere Mittel ſind in dem
Kriege zerronnen: Wir ſtecken in Schulden/ und
ſo es entdeckt wird/ verlieren wir unſer uͤbriges
Credit. Die Kleider/ Perlen und Geſchmeide/
in welchen du herein geheſt/ gehoͤren meiner
Schweſter/ welche ſie eher wird abzufordern wiſ-
ſen/ als uns vielleicht lieb ſeyn moͤchte. Du weiſ-
ſeſt/ daß wir uͤber zwey gantze Hembde nicht in
unſerm Vermoͤgen haben. Wer dich von oben
beſiehet/ ſolte wol meinen/ wir haͤtten den gantzen
Spitze Kram von Bruͤſſel erb-eigen. Wer aber et-
was genauer auff uns acht giebet/ wird wol er-
kennen/ daß nicht alles Gold/ was gleiſſet. Du biſt
nicht die Juͤngſte: unter den Schoͤnſten wird man
dich nicht verlieren: und ich weis auffs beſte/ was
hin und wider an dir zu meiſtern: Auff Fuͤrſten
darffſt du nicht hoffen? Das Kuͤh- und Schaaff-
Fleiſch gilt itzt ſchier mehr/ als Jungfern Fleiſch.
Drumb ſihe vor dich/ und hilff dir und mir durch
eine gluͤckliche Wahl.


Selene.

Frau Mutter! wol bedacht/ hat niemand Scha-
den bracht. Jch muß mit dem Manne leben/
nicht ihr. Es iſt bald genommen/ aber nicht ſo
leicht davon zukommen.


Antonia.

Was mangelt Poſſidonio? Er iſt reich/ von
hohem Anſehen/ im bluͤhenden Alter/ hat vor-
nehme Freunde/ ſtehet wol zu Hofe/ und liebet
dich von gantzer Seele.


Selen.

Ha/ Frau Mutter/ ſolt ich meine Zeit mit dem
wunderlichen Kopffe zubringen! lieber hettet ihr
mich in dem erſten Bade ertrenckt.


Anton.
[5]Schertz-Spiel.
Antonia.

Man wird dir mahlen muͤſſen/ was dir tuͤgen
ſolle. Cleander, der dich vor begehret/ da er in
geringerm Stande/ wil dich ietzt nicht/ da er ge-
ſtiegen/ durch einen zubrochenen Zaun anſehen.
Was werden wir an Palladio zu tadeln haben?
Du ſieheſt/ wie deſſen Gluͤcke zu bluͤhen beginnet.


Selene.

Wol Frau Mutter! weil es bluͤhet/ ſo mag es
reiff werden! Gelehrte: Verkehrte. Ein Gebuͤnd-
lin Buͤcher/ und ein Packetlin Kinder iſt ihre gan-
tze Verlaſſenſchafft. Was kan eine Dame von
Qvalitaͤt vor contentament haben bey einem ſol-
chen Menſchen? Des Morgens umb vier/ oder
auch eher/ aus dem Bette/ und unter die Buͤcher/
von dannen auff den Hoff/ in die Kirche oder zu
den Krancken. Sie traumen an der Taffel/ oder
belegen die Teller wol gar mit Brieffen. Denn
gantzen Tag/ ſteckt ihnen der Kopff voll Maͤuſene-
ſter/ und (was der Teuffel gar iſt) wenn ſie umb
12. Vhr wiederumb zu Bette kommen/ ſo ſchlagen
ſie ſich mit tollen gedancken/ machen Verſe oder
ſchicken die fuͤnff Sinne gar in Oſt Jndien. Vn-
ſere alte waſche Magd/ die ſchwartze Dorabelle,
welche lange bey einem Koͤniglichen Rath in Dien-
ſten geweſen/ hat mich mit Eyd und Thraͤnen ver-
ſichert/ daß eine Bauer-Greta viel beſſer ſich auff
den Stroſack befinde/ als des gelehrteſten Man-
nes Frau auff Schwanen Federn.


Antonia.

Sie ſind nicht alle ſolche Traͤumer. Vnſere
Schwaͤgerin Frau Sulpitia hat ſich noch niemals
beklagt: ſie hat die Kaſten voll/ das Hauß be-
ſchicket/ die Schuͤttboden verſehen/ die Keller ſon-
der Mangel/ die Kuͤchen ſtets leuchtend. Da her-
gegen Frau Gertrud, die den reichen Wucherer
geheyrathet/ hunger ſtirbt/ und mehr Maul Ta-
ſchen als Kramets Vogel von ihren Mann auff-
freſſen muß.


BSelen.
[6]Horribilicribrifax
Selen.

Dem ſey ſo! ich wil vor mich von keinem Gelehr-
ten wiſſen. Ein Land-Juncker ſtuͤnde mir beſſer
an.


Antonia.

Der ſeine Hunde lieber ſiehet/ und die groſſe
Vieh Mago oͤffter kuͤſſet/ als ſein redlich Weib.
Jch weis/ daß dir das Maul nach dem Narren-
freſſer/ dem Auffſchneider/ Capitain Luͤgner/ von
der Bernhaͤuterey/ ſtincke.


Selene.

Warumb/ Frau Mutter/ daß ſie den redlichen
Cavalier verkleinert? ich ſehe nicht/ warumb ich
ihm nicht guͤnſtig ſeyn ſolle; Er vermag bey
30000. contenten, weis ſeine Perſon zu præſen-
tiren,
iſt bey vornehmen Leuten beruͤhmt und be-
liebet. Er — — —


Antonia.

Er hat dir vielleicht Brieff und Siegel uͤber ſein
Vermoͤgen gegeben.


Selen.

was ſolt er vor Vrſach haben ein mehrers von ſich
außzugeben als ſich in der That befinden moͤchte?


Antonia.

Wer auff der Buler vergebenes Reichthumb
trauet/ befindet ſich in dem Eheſtande mit leeren
Haͤnden.


Selen.

Nechſt/ als er uns in den Garten tractiret/ war
ja der gantze Tiſch mit Gold und Silber beſetzet.
Er ſtreuete Ducaten aus/ als waͤrens Stroh-
Thaler: Die Diamantene Huttſchnur und das
Gehencke ſind allein ein zehn oder zwoͤlfftauſend
Reichsthaler werth.


Antonia.

Tochter/ Tochter! ich ſehe dein Verderben vor
Augen.


Selen.

Frau Mutter! koͤnnet ihr mir nicht helffen/ ſo hin-
dert mich auffs wenigſte nicht an meinem Gluͤck.
Jhr werdet anderwerts erfahren muͤſſen/ was euch
nicht lieb iſt.


Antonia.

Wehe den Eltern/ die ihre Toͤchterlin zuſehr in
der Jugend verzaͤrteln!


Selene.

Wehe den Toͤchtern/ die nicht ſelber ihr beſtes
ſuchen/
[7]Schertz-Spiel.
ſuchen/ und es auff der wunderlichen Mutter Vor-
ſorge aukommen laſſen.


Flaccilla. Sophia.

Flaccilla.

Ach mein Kind! wenn ich dich entweder nie ge-
bohren hette/ oder wenn du in meiner Schoß ge-
ſtorben wereſt: wie vielem Hertzleid weren wir
beyde zeitlich entkommen! was nuͤtzet aus hohem
Geſchlecht entſproſſen ſeyn/ wenn man nicht nur
den Stand nicht fuͤhren/ ſondern auch das Leben
nicht erhalten kan?


Sophia.

Frau Mutter! es gehe ſo hart zu als es wolle;
man bleibet dennoch nicht von GOtt verlaſſen.


Flaccilla.

Was wollen wir anfangen? womit wollen wir
uns erhalten? alle Mittel ſind hinweg: Dein
Mannbares Alter erfodert einen Braͤutigam:
Der Mangel aller Huͤlffe ſchneidet dir alle Hoff-
nung ab: deine Tugenden ſind an dieſem Orte un-
gangbare Muͤntze: Die groſſen Verſprechungen/
dich zu befoͤrdern/ werden zu Waſſer? der Prin-
ceſſin/ die dich in ihren Hoff vor dieſem anzuneh-
men geſinnet/ iſt bereits eine andere auffgedrun-
gen.


Sophia.

GOtt ſorget dennoch fuͤr uns/ und hat mehr als
ein Mittel/ die Seinigen zu erhalten.


Flaccilla.

Dieſe Worte fuͤllen den Magen nicht/ und tuͤ-
gen weder zu ſieden noch zu braten. Wenn du
jenem Edelman wereſt etwas beſſer an die Hand
gegangen/ oder noch gehen wolteſt/ es ſtuͤnde be-
qvemer umb mich und dich.


Sophia.

Ha/ Frau Mutter! lieber das Leben verlohren/
als die Ehre! lieber Hunger geſtorben/ als die
Keuſchheit hindan geſetzt!


Flaccilla.

Man muß aus der Noth eine Tugend machen.
Solche groſſe Worte ſtehen reichen Damen/ nicht
verlaſſenen Kindern/ an. Wir haben zwey Tage
B 2ſon-
[8]Horribilicribrifax
ſonder Kirchen Gebot gefaſtet/ und wiſſen noch
heute weder Brodt noch Zugemuͤſe. Wir haben
nichts zuverkauffen/ nichts zu verſetzen/ haben
beyde kein gutes Kleid/ und alles/ was du an dem
Leibe traͤgeſt/ iſt mit Nadeln zuſammen geſtecket/
als die Schindeln auff einem Kirchen Dache mit
den Naͤgeln. Wo du an den Wind komſt/ ſo we-
het er dir alle Flecke von der Haut. Was Rath
bey dieſem Zuſtand?


Sophia.

Ach/ meine Mutter! warumb mir nicht eher ein
Meſſer durch die Bruͤſte geſtecket/ als mich ermah-
net von der Tugend abzuſetzen? Jſt kein ander
Mittel zu leben/ ſo laſſet uns dienen! duͤncket euch
diß in dieſem Ort zu ſchaͤndlich/ ſo laſſet uns einen
unbekandten ſuchen!


Flaccilla.

Fleug Vogel ſonder Federn! Wo wollen wir
uns hinmachen ſonder Zehrung? werden wir ſo
bald fuͤr Maͤgde angenommen werden/ wenn wir
uns nur anmelden? wer wird nicht dein Geſicht
in Verdacht ziehen/ und genau nach unſerm Zu-
ſtand forſchen? Jch weis wol mein Kind/ daß ich
wider GOtt/ und Stand/ und dich thue/ in dem
ich auff ſolche Gedancken gerathe/ aber der/ dem
das Waſſer biß an die Lippen laufft/ muß lernen
ſchwimmen. Hetten wir indeſſen nur auff einen
oder zwey Tage Vorrath/ ſo koͤnten wir verſu-
chen/ ob und wie deinem Vorgeben nachzukom-
men.


Sophia.

Wir haben nichts/ als uns ſelbſt zu verſetzen oder
zu verkauffen.


Flaccilla.

Auff dieſes Pfand pflegt niemand nichts zu lei-
hen/ es verſtehet ſich zu geſchwinde.


Sophia.

Wolan/ ich habe noch etwas/ daß ich auſſer mei-
ner Ehre wagen kan.


Flaccilla.

Du haſt vielleicht einen verborgenen Schatz ge-
funden/ und komſt mir fuͤr/ wie die Goldmacher/
die
[9]Schertz-Spiel.
die in hoͤchſter Armuth von viel Tonnen Goldes
zu reden wiſſen.


Sophia.

Der Schatz iſt offenbahr/ ob er wol nicht viel
werth. Schneidet mir dieſe Haar von dem
Haupt/ und verkauffet ſie irgends einer Hoff Da-
men.


Flaccilla.

Der Gewinn von dieſer Kauffmanſchafft wird
ſo groß nicht ſeyn.


Sophia.

Geringe Handels Leute muͤſſen nicht gar zu groſ-
ſen Gewinn hoffen. Loͤſet mir die Flechten auff!
Laſſet uns hinein! denn die Noth leidet keinen
Auffſchub.


Flaccilla.

O hoͤchſte Tugend! wie unwerth biſt du in die-
ſem Armuth/ und wie ungeachtet in dieſem Elend!


Sempronius.

Αιὼν πάντα ϕέρει, Sed omnia vincit Amor, O-
mnia, id eſt, omnes homines, \& omnia pecora
Campi, Et nos cedamus Amori,
ſaget das Wun-
der der Lateiniſchen Poeten Virgilius. Wer ſolte
geglaͤubet haben/ daß ich/ der ich ein Wunder bin
inter eruditos hujus ſeculi, und numehr meine
fuͤnff und ſechtzig Jahr cum ſumma reputatione
erreichet/ mich auffs neue ſolte per faces atqve ar-
cus Cupidinis
haben uͤberwinden laſſen? Ach
Cœleſtina! ach Cœleſtina! tu mihi ſpes voti, tu
mihi ſummus Amor,
wenn ich deine roſenliebli-
che Wangen betrachte/ werde ich verjuͤnget/ als
ein ander Phœnix. Aber qvid hæc ſuſpiria ſolus
montibus \& ſylvis? Virgilius Ecloga
2. Wa-
rum greiff ich nicht zu Mitteln/ und verſuche/ was
zu erhalten. Haſce amoris mei interpretes Epiſto-
las, Cicero ad Atticum,
ha be ich heute fruͤh (Auro-
ra Muſis amica
) mit hoͤchſtem Judicio \& ingenio
zuſammen geſetzet/ und warte nur auff Gelegen-
heit/ ihr ſelbige durch ein beqvemes ſubject, wel-
B 3ches
[10]Horribilicribrifax
ches ſie kenne/ zu uͤberantworten. Hir in der
Naͤhe wohnet eine beqveme Frau die alte Cyrille,
die ſich gar gerne zu ſolchen Legationen gebrau-
chen laͤſt/ \& niſi me fallit animus, ſo iſt dieſes ihr
Hauß. Sed eccum, illa ipſa prodit, laſt uns hoͤ-
ren in hoc angulo, was vor excurſus ſie vorbrin-
gen werde.


Die alte Cyrille. Sempronius.

Cyrille.

Kaͤtterle/ ſchleuß das Haus wol zu/ und wo die
Braut kommt/ der ich rathen ſolte/ ſo gib ihr das
Waſſer/ wenn ſie dir 3. Ducaten eingeliefert hat.
Wird Don Diego nach mir fragen/ ſo ſage/ daß
ich in ſeinen Geſchaͤfften ausgegangen bin. Es
iſt ietzt alles theur: die Welt iſt gar auff die Neige
kommen: die Jungfern ſind ſo geitzig/ wie der
Teuffel/ und die Junge Geſellen haben lauter lau-
ter Nichts in den Beutel. Es iſt gar eine ander
Welt/ als da ich noch jung war: die Liebe iſt gar
geſtorben. Nun muß ich gehen und ſehen/ ob ich
heute was verdienen kan. Nu das walte/ der es
walten kan. Matthes gang ein/ Pilatus gang
aus/ iſt eine arme Seele draus. Arme Seele
wo kommſt du her? Ach daß iſt ein troͤſtlich Ge-
beth!


Sempron.

Prolixam texit fabulam, interrumpam \& allo-
qvar. Bona dies, bona Dies
!


Cyrille.

Aus Regen und Wind/ und aus dem feurigen
Ring.


Sempron.

Bona dies, Cyrille.


Cyrille.

Was ſagt Herr Jonigis, ô ja die is.


Sempro.

Ha Beſtia/ verſteheſtn nicht was ich ſage?


Cyrille.

Ja freylich bin ich die beſte/ es iſt in der gantzen
Stadt keine ſo redliche fromme Frau/ Herr Cric-
cronigs.


Sempron.

Ego appellor Sempronius.


Cyril-
[11]Schertz-Spiel.
Cyrille.

Ob ich Semmeln oder Honig ha? Ne Herr Gri-
gories,
ich verkaͤuffe nicht mehr Obſt und Naͤſche-
rey.


Sempron.

Jch ſage euch nicht von Semmeln oder Honig/
ſondern wuͤndſche euch einen guten Morgen.


Cyrille.

Dem wird der Engel Uriel nehmen ſein Horn/
und blaſen drein Tit titu.


Sempron.

Was murmelt ihr?


Cyrille.

Jch bete ein troͤſtlich Gebet vors Feber und boͤſe
Wetter.


Sempron.

Seponamus iſta.


Cyrille.

Ob ich Seiffe haben muͤſſe. Ja freylich lieber
Herr Procrecriis. Die Waͤſche koſt viel Geld/ man
muß vor ein Muderhembdlin einen guten Gro-
ſchen geben.


Sempron.

Ey laſſet uns diß beyſeite ſetzen! hoͤret nur/ ich
ſage euch ἀληθῶς, purè.


Cyrille.

Da ſoll euch der Teuffel dafuͤr holen; ſagt ihr/
daß ich eine alte Hure bin? das kan mir kein redli-
cher Mann mit gutem Gewiſſen nachreden/ du
alter graubaͤrtigter ungehangener Dieb/ du
darffſt mir nicht viel/ ich gaͤte dir den Bart aus.


Sempron.

Ey/ ihr verſtehet mich nicht recht/ ich rede Grie-
chiſch und Lateiniſch ἀληθῶς purè.


Cyrille.

Saget mir nicht mehr von der alten Hure/ oder.


Sempron.

ἀληθῶς purè, das heiſt in der Warheit/ ich
weis doch wol/ daß ihr eine redliche Frau ſeyd; die
gantze Stadt haud negat.


Cyrill.

Daß ich mirs Haupt gebadt/ was gehet der gantzen
Stadt daran ab.


Sempron.

Surdo narro fabulam.


Cyrille.

Ey Herr/ redt doch kein Polniſch mit mir/ ich
verſteh euch nicht.


Sempron.

Jch rede nicht Polniſch/ ich rede Lateiniſch.


Cyrille.

Ey ihr ſeyd ein Doctoribus, und ich bin nicht
B 4ſtudi-
[12]Horribilicribrifax
ſtudiret, wozu dienet der Lateiniſche Vnrath?


Sempron.

Qvid Gallo margaritum?


Cyrill.

Ja im Keller iſt Margrice.


Sempron.

Eine Sau fragt nicht nach Muſcaten.


Cyrill.

Mußkaten in warm Bier ſind gut vor die Mutter-
Kranckheit.


Sempron.

καλῶς με ὑπέμνησας.


Cyrille.

Ja wenn ich kalt aaß/ ſo niſete ich.


Sempron.

καταγελᾳς᾽ μȣ.


Cyrille.

Ja die geele Kuh!


Sempron.

Ey nun ad rem tandem.


Cyrille.

Redet ich hab es verſtanden.


Sempron.

Hoͤret Frau Cyrille, ihr koͤnnet mir uͤbermaſ-
ſen befoͤrderlich ſeyn in einer Sachen/ welche iſt
Grandis momenti.


Cyrille.

Scheltet ihr von gotz Elementen? je Herr/ es iſt
groſſe bittre Suͤnde.


Sempron.

Grandis momenti. heiſt eine Sache von Wich-
tigkeit. ἀλλὰ ταῦ τα ὲάσωμεν.


Cyrille.

Ja ſo meent ihr?


Sempron.

Nein doch! planè non!


Cyrille.

Jch bin keine Nonn.


Sempron.

Hoͤret doch recht zu!


Cyrille.

Ey Herr/ ſo muͤſt ihr reden/ daß ich es verſtehen
kan.


Sempron.

Jhr kennet Jungfrau Cœleſtinam wol/ no-
ſtin’
?


Cyrill.

Herr/ ſie wohnt nicht gegen Oſten/ es iſt grade ge-
gen Mittag.


Sempron.

An dieſelbe habe ich einen Brieff von Jmpor-
tantz.
zu beſtellen.


Cyrille.

Habt ihr mit derſelben einen Tantz zubeſtellen?


Sempron.

Jch ſage/ daß ich ihr hanc Epiſtolam, dieſen
Brieff/ gerne zuſtellen wolte.


Cyrille.

Aber iſt dieſer geſtolne Brieff vom Tantzen?


Sempr.
[13]Schertz-Spiel.
Sempron.

χεδὸν. Doch! er iſt nicht vom tantzen/ er iſt
vom lieben.


Cyrill.

Aber wer hat den Brieff geſchrieben?


Sempron.

Ego.


Cyrill.

Jch kenne den guten Mann nicht.


Sempron.

Σεμπρόνιος πεποίηϰα, das iſt/ ich in eigner
Perſon.


Cyrille.

Jhr Gelehrten habt wunderliche Namen. Aber
ſtehet in dem Brieffe/ daß ihr Jungfer Cœleſti-
nam
lieb habt?


Sempron.

Divinavit.


Cyrille.

Die Jungfer haͤlt nichts vom Koͤnig David.


Sempr.

Meine wehrteſte Zierde! redet mein beſtes/ was
ihr in meinem Hauſe begehren werdet/ das iſt al-
les euch zu Dienſt. Tua ſunt, poſce.


Cyrille.

Wie ſprechet ihr/ Pfut Hund/ huſte? Herr Ce-
cronius
werdet ihr meine Jahre auff dem Halſe
haben ihr werdet genung huſten.


Sempron.

Jch ſage darvon nicht/ ich bitte/ ihr wollet
meine Sache bey Jungfrau Cœleſtina befoͤrdern/
und ihr dieſen Brieff de manu in manum uͤberant-
worten.


Cyrill.

Ha/ ha/ nu merck ich/ wo der Haſe ligt. Fuͤr
wen ſeht ihr mich an? vor eine alte Kuppelhure?
Solt ihr mir dis anmuthen? was hindert mich/
daß ich nicht anfange Zeter zuruffen/ muß ich diß
auff meine alte Tage erleben? Ha!a!a!a!a!a!


Sempron.

Ey Frau Cyrilla was bildet ihr euch ein?
Meinet ihr/ daß ich ſolche Sachen fuͤrhabe?
aliter catuli olent, aliter ſues, ſagt Plautus.
ἄλλο ϰορώνη ϕθέγγεται.


Cyrille.

Was? ſoll ich mich an Hals haͤngen?


Sempron.

Ey nein doch/ Jch bin ein ehrlich Mann/ und
ihr eine ehrliche Frau/ und habe etwas ehrliches
fuͤr/ beſchweret euch nicht mir in dieſer Sach be-
B vhuͤlff-
[14]Horribilicribrifax
huͤlfflich zu ſeyn. Jhr duͤrffet derowegen in eu-
ren Geſchaͤfften nichts verſaͤumen/ und ſchauet/
umb daß ich euch den Morgen auffgehalten habe/
und vielleicht verhindert/ ſo nehmet dieſe zwey
Ducaten/ accipe.


Cyrille.

Ach in Warheit Herr Kikilorius, ihr ſeyd ein lie-
ber redlicher Herr/ ihr ſorget allein fuͤr das liebe
Armuth. Euch zugefallen will ich gern den Gang
auff mich nehmen. Einem andern thaͤte ichs bey
meiner Seelen nicht. Wo habt ihr euren
Brieff?


Sempron.

Dieſer iſts. Wie wolt ihr aber in das Hauß
kommen/ qvis recludet tibi Januam, wer wird euch
das Schloß eroͤffnen?


Cyrille.

Kuͤmmert euch nicht/ kuͤmmert euch nicht! laſt
mich nur machen; Frauen Liſt/ uͤber alle Liſt. Jch
will Flachs oder Schleyer Leinwand hin zuver-
kauffen tragen/ oder ſchon ſonſt was erdencken.


Sempron.

Bringet ihr mir gute Antwort wieder/ ſo ſollet
ihr einen neuen Rock haben/ und ſolt gekleidet
werden à vertice ad talos.


Cyrille.

Viertzig Thaler die ſind gut mit zu einem neuen
Rock. Nu/ nu Herr Senckelhorius/ es wird
ſich wol ſchicken; Jch gehe gleich drauff zu.


Sempron.

Darauff verlaſſe ich mich. Vale baſilicè, athle-
ticè, pancraticè,
ἔῤῥωσυ ἐυδαιμόνος, das heiſt/
guten Morgen.


Cyrille.

GOtt der HErr bewahre euch. Das iſt ein gut
Gluͤck geweſen: Der Segen hat geholffen: es war
doch in einem Wege mit zu Jungfer Sophien. Nu
laſt uns weiter: Die heilige Sanct Margritte/
die bitt ich/ daß ſie mich behuͤte/ fuͤr Puͤffen/ Fal-
len und vor Schlaͤgen/ auff allen meinen Wegen.
Ach du lieber heiliger Sqventz, bewahre mir Huͤ-
ner und Gaͤns.


Die
[15]Schertz-Spiel.

Die andere Abhandelung.


Horribilieribrifax Donnerkeil. Harpax
ſein Page.

  • WAs? daß der Keyſer Friede gemacht habe ſonder mich
    umb Rath zu fragen?Oh gvarta! novella de
    ſpiritare il mondo!

Page.

So ſagen ſie/ daß der Keyſer Frieden gemacht ha-
be mit dem Koͤnig in Schwaben.


Horrib.

Mit dem Koͤnig in Schweden wilſt du ſagen!


Page.

Ja Schweden oder Schwaben/ es iſt mir eins.


Horrib.

Friede zu machen ſonder mich? à qvæſto modo
ſi!
hat er nicht alle ſeine Victorien mir zu dancken?
hab ich nicht den Koͤnig in Schweden niederge-
ſchoſſen? bin ich nicht Vrſach/ daß die Schlacht
vor Noͤrdlingen erhalten? habe ich nicht den Sach-
ſen ſein Land eingenommen? hab ich nicht in Den-
nemarck ſolche reputation eingelegt? was wer es
auff dem Weiſſen Berge geweſen/ ſonder mich?
E che fama non m’acqviſtai, qvando conteſicol
Gran Turca?
Pfui! trit mir aus den Augen/
denn ich erzuͤrne mich zu tode/ wo ich mich recht er-
bittere/ Vinto dal ira calda e bollente e dallo
ſdegno arrabiato,
ſo erwiſche ich den Stephans-
Thurm zu Wien bey der Spitzen/ und druͤck ihn ſo
hart darnieder/ ſi fortè in terra, daß ſich die gantze
Welt mit demſelben umbkehret/ als eine Kegel-
Kaul.


Page.

Ey/ Signor mio. wo wolten wir den ſtehen blei-
ben?


Horrib.

Non temere! Als wenn ſich iemand kuͤmmern
duͤrffte/ der bey mir ſtehet! laß mich darvor ſor-
gen! aber/ ſiehe da/ meine Sonne! mein Leben!
meine
[16]Horribilicribrifax
meine Goͤttin erſcheinet. Signora mia, bella di
corpo, belliſſi ma d’animo!


Cœleſtina. Camilla. Horribilicribrifax.
Der Page.

Cœleſtina.

Jſts moͤglich Camilla, daß ſo inbruͤnſtige Lie-
be/ die ich zu ihm trage/ muͤſſe vergebens ſeyn? o-
der iſt er aus allen loͤblichen Gemuͤtes Neigungen
der einigen nicht faͤhig/ welche man die gegen Lie-
be nennet? Muß ich/ die ich vor dieſen vielen bin
unerbittlich geweſen/ nun erfahren/ daß ich von
dem nicht geachtet werde/ den ich hoͤher halte/ als
mein Leben?


Camilla.

Wenn er ſeine Gedancken anderswo hingeſe-
tzet/ wie koͤnnen wir ihn bewegen/ nach uns zu ſe-
hen?


Cœleſtina.

Seine Gedancken anderswo hingeſetzet? wird
Er wol mehr auffrichtige und reinere Liebe finden
koͤnnen/ als bey mir?


Camilla.

Warumb nicht eben alſo/ wie er geſpielet? Sol-
te ich mich wegen eines Menſchen ſo hefftig kraͤn-
cken/ dem ich unwerth/ oder der nicht ſo viel Ver-
ſtand bey ſich hat/ als noͤthig/ eine keuſche Gewo-
genheit zu erkennen?


Cœleſt.

O wiewol koͤnnen wir Rath geben/ wenn wir ſelber
geſund ſeyn!


Camilla

Still meine Jungfrau! der Hauptmann iſt ver-
handen.


Cœleſt.

Jch habe dieſen Tag ein gewiſſes Vngluͤck zu ver-
hoffen/ weil mir der Vogel zu erſt entgegen
kommt.


Horrib.

Nobiliſſima Dea, Corteſiſſima Nimfa. Ochio
del mondo.
Durchleuchtigſte unter allen ſchoͤ-
nen; beruͤhmteſte unter den fuͤrtrefflichſten/ uͤber-
natuͤrlichſten an Vollkommenheit/ unuͤberwind-
lichſte an Tugenden/ euer unterthaͤnigſter Leib-
eigner
[17]Schertz-Spiel.
eigner Sclav’, der durch die Weltberuͤhmete Ca-
pitain Horribilicribrifax
von Donnerkeil/ Herr
auff Blitzen und Erbſaß auff Carthaunen Knall/
præſentiret/ nebenſt Verwuͤndſchung unſterblicher
Gluͤckſeligkeit/ ſeiner Keyſerin bey angehendem
Morgen ſeine zwar wenige/ doch iederzeit bereit-
willigſte Dienſte!


Cœleſt.

Mein Herr Capitain, er muß uns ſo gewogen
nicht ſeyn/ wie er vorgibt/ ſintemal er uns ſo bald
den Tod wuͤndſcht.


Horrib.

Den Tod?I a morte? Jo rim ango petrificato
dalla meraviglia!
Ey da behuͤte mich der Blitz von
dieſem glorwuͤrdigſten Degen fuͤr dergleichen Got-
teslaͤſterung!


Cœleſt.

Er verwuͤndſchte uns ja unſterbliche Gluͤckſelig-
keit.


Horrib.

Certo ſi. Nicht anders.


Cœleſt.

Selbige erlangen wir/ wie ich weis in dem ewi-
gen Leben. Dazu aber koͤnnen wir nicht eingehen/
als durch den Tod.


Horrib.

Meine ſchoͤne iſt unuͤberwindlich ſo an Scharff-
ſinnigkeit/ als Schoͤnheit. Qvella fu buoniſſi-
ma e ſapientiſſima dimoſtratione!


Camilla.

Mein Herr Capita in liebet meine Jungfrau
mit dieſem Bedinge/ daß ſie bald ſterbe: ſo wuͤr-
de er Erbe ihrer Guͤter/ und theilete den Raub
aus.


Horrib.

Ha Jungfrau Camilla, alſo mit mir zu ſpotten?
il voſtró fù un ragiona troppo mordente. Sie
kennet mein auffrichtig Gemuͤtte/ und weis/ wie
feſt ich ihn liebe gegen meine Engliſche Cœleſti-
nam
verbunden ſtehe. Wenn mich nicht ihre Ge-
genwart allhier auffhielte/ haͤtten die Venedier
laͤngſt den Tuͤrcken durch mich aus Conſtantino-
pel
vertrieben.


Cœleſt.

Mein Herr Capitain. wir entſchlagen euch dieſes
Arreſts.
[18]Horribilicribrifax
Arreſts, des gemeinen Beſtens wegen. Wir wol-
len nicht Vrſach ſeyn/ daß ſo eine ſchoͤne Gelegen-
heit das Chriſtenthumb zu befoͤrdern hindan geſe-
tzet w[e]rde.


Horrib.

Fermate vi in corteſia \& aſcoltate mi per voſtro
bene, Anima mia!
Meine himmliſche! wil ſie ein
Probſtuͤck meiner Staͤrcke ſehen/ ſie ſage nur ein
Wort/ ich wil eine groͤſſere That verrichten/ als
die Victorie vor Lepante auff der See geweſen.


Cœleſt.

Hat ſich mein Herr Capitain auch bey ſelben ſo
beruͤhmten Treffen befunden?


Horrib.

Jch zwar damals des Don Gioanne, Auſtria Lu-
ogotenente.


Cœleſt.

So muß mein Herr eines ziemlichen Alters ſeyn/
weil dieſelbe Victori noch vor unſer Groß Vaͤter
Zeiten erhalten iſt?


Horrib.

Ey es iſt ſo lange nicht/ ich bin noch Aſſai Gio-
vane e Galant huomo gagliardo, robuſto e di
bouna natura,
umb ſie meinen Engel zubedie-
neu!


Cœleſt.

Mein Herr Capitain, Jch bin ſo groſſer Ehren
nicht wuͤrdig.


Horrib.

Meine Princeſſin/ vnico ſpechio di bellezza,
Regina de gli aſtri. miraculo de i cieli, \& honor
della natura,
weil ſie Keyſerin von Trapezont,
Koͤnigin von Morenland/ Fuͤrſtin von Egypten.


Camilla:

Churfuͤrſtin von neu Zembla, und Graͤſin von
Nirgendsheim.


Horrib.

Anzi Hertzogin uͤber Perſen genennet werden? ſie
gebiethe! all dieſe Kronen ſollen inner einem
Monat/ drey Tagen und zwey Stunden/ und viel-
leicht in qvæſto giorno, zu ihren Fuͤſſen liegen.


Cœleſt.

Mich wundert/ Herr Capitain daß er nicht ſelbſt
fuͤr ſich etliche aus gedachten Koͤnigreichen in Be-
ſitz genommen!


Horrib.

Ha! l Honore e l’ Avaritia non poſſono ſtar in-
ſieme!
[19]Schertz-Spiel.
ſieme! Jch bin allein vergnuͤgt mit meinem Gluͤck
und Degen/ als mit welchem ich alles kan zuwe-
gen bringen.


Camilla.

Das iſt gut/ daß man alles kan darmit zuwegen
bringen: unſer Koch weis ſonſten aus Degen kei-
ne Paſteten zu machen.


Cœleſt.

Vns genuͤget/ Herr Capitain an unſerm Stan-
de.


Horrib.

Final mentè: wil meine Goͤttin ſich anbethen
laſſen? ſie wincke nur/ ſie ſoll mich ſtracks mit
dem guͤldenen Rauchfaß fuͤr ihr auff den Knien
ſehen.


Camilla.

Der Herr Capitain haͤlt meine Jungfrau fuͤr ei-
ne heilige auff dem Altar einer Kirchen.


Horrib.

Fuͤr eine Heilige in meinem Hertzen/ non e coſa
più chiara,
wil ſie/ daß ich ihr zu Ehren auff der
Spitze eines Dachs nach dem Ringe reite?


Cœleſt.

Jch liebe meines Herrn Gefahr nicht.


Horrib.

Wil ſie/ daß ich einen grimmigen Loͤwen im vol-
lem Lauff erwiſche/ und ihm in ihrem Angeſicht
den Hals abreiſſe. Coſi ſarà per certo.


Camill.

Haſen/ Herr Capitain, weren beſſer.


Cœleſt.

Einen Loͤwen/ Herr Capitain, ſolte diß wol moͤg-
lich ſeyn?


Page.

O/ mein Herr hat wol groͤſſere Thaten verrichtet;
wenn ich erzehlen ſolte/ was er einmal auff der
Jagt mit dem Koͤnig in Perſen zuwege gebracht;
es wuͤrde weit anders lauten.


Camilla.

Ey ein ſchoͤnes Paar zuſammen! ſo Herr/ ſo
Knecht!


Cœleſt.

Lieber/ laſt uns hoͤren/ was es fuͤr eine Helden-
That geweſen!


Horrib.

Ob ich wol in meiner Gegenwart mich ungern
ruͤhmen laſſe/ auch meine Diener der owegen nicht
halte/ dennoch weil es mein Engel zu wiſſen be-
gehret/ geb ich dir Freyheit dieſes zu erzehlen. dite
purè.


Page
[20]Horribilicribrifax
Page.

Der Koͤnig hatte die Ehre meinen Capitain neben
ſich auff die Jagt zu fuͤhren. Das Wild wurd
angetroffen/ die Jaͤger eileten ſo hir als dar zu-
ſammen/ der Perß aber traff auff einen ſehr groſ-
ſen Hirſchen. Mein Herr verfolgete denſelben
nebenſt dem Koͤnige: Doch umbſonſt/ weil er zu
hurtig auff die Fuͤſſe/ und die Pferde allbereits zu
muͤde.


Camilla.

Q weide Meſſer! O Jaͤgerrecht!


Page.

Alß der Perß etliche Pfeile vergebens abgehen laſ-
ſen/ ergrimmte mein Capitain, daß er das Jaͤger-
Horn von ſeinem Halſe rieß/ und mit demſelben
nach dem Hirſchen warff.


Camilla.

Damit wird er ihm zweiffels ohn das Gewichte
in Stuͤcken zerſchmiſſen haben.


Page.

Gefehlt Jungfrau Camilla! Denn das Horn
flog juſt dem Hirſch zum Hindern hinein/ und weil
das Wild in vollen Fartzen war/ gab es ſo ein
wunderlich Getoͤne/ daß alle Hunde herzugelauf-
fen kamen/ und den Hirſchen anhielten/ alſo ward
das Wild gefaͤllet.


Cœleſtina und Camilla fangen an zu lachen.

Horrib.

Du ungehobelter Galgenſchwengel/ Cane odio-
ſo! Furfante! Scimia di Barbaria,
ſolſt du deinen
Herrn alſo ſchimpffen!


Cœleſt.

Ey Herr Capitain, er erzuͤrne ſich nicht.


Horrib.

Wenn ich nicht meines Lebens ein rede gelten lieſ-
ſe/ ſo wolte ich dich/ al primo colpo, mit dem
Stabe zwoͤlff Ellen tieff in dieſe Mauren jagen/
daß nichts von dir hier/ ohn der rechte Arm/ zuſe[-]
hen ſeyn ſolte/ mit welchem du den Hut abziehe[n]
koͤnteſt/ wenn mein Engel etwa voruͤber gienge.


Cœleſt.

Herr Capitain, ich bitte umb Verzethung/ daß
ich ihm fuͤr dieſes mal nicht laͤnger Geſellſchaff
halten kan.


Horrib.

Meine Schoͤne wird zum wenig ſten mir zulaſſen
ſie zu-
[21]Schertz-Spiel.
ſie zubegleiten. Sò che lo potete fare, per la
commodita mia.


Cœleſt.

Fuͤr dieſesmal bitte ich zum hoͤchſten umb Ent-
ſchuldigung.


Horrib.

Adio dann/ wenn es ja nicht anders ſeyn kan/
mein Engel/ Adio meine Goͤttin/ Adio mein Auf-
fenthalt/ Adio mio bene, adio mia gloria, adio
donna Celeſte! adio!


Palladius. Cœleſtina. Camilla.

Cœleſt.

GOtt lob/ daß wir des verdruͤßlichen Menſchen
loß worden!


Camilla.

Koͤnt auch iemanden ſeines gleichen in dem
Traum vorkommen!


Cœleſt.

Diß iſt unertraͤglich/ daß er nicht verſtehen wil/
daß weder Gunſt noch Liebe fuͤr ihn zu finden ſey.


Cœleſt.

Trit zuruͤck! Palladius iſt verhanden! O daß nu
meine Augen reden koͤnten.


Camilla.

Es iſt doch vergebens! Meine Jungfrau iſt bey
ihm in ſo groſſem Anſehen/ als ich bey dem Prin-
tzen von Peru.


Cœleſt.

Jch hoffe durch Standhafftigkeit meiner Liebe ihn
zugewinnen.


Palladius.

Jn dem ich mich auffhalte und bemuͤhe andern
zu rathen/ vergeſſe ich meiner ſelbſt. Herr Pos-
ſidonius
hat mir ſchier die Zett gantz zu nichte ge-
macht/ welche ich viel lieber mit dieſer zugebracht
haͤtte/ welche meine Seele gefangen haͤlt. Doch
was verſaͤumt/ iſt nicht wieder zu holen! Jch wil
nur bald zu ihr mich begeben/ ehe mir ein ander
Hindernuͤß vorkommen moͤchte: aber ſchau/ von
dem Regen in die Trauffe! Cœleſtina kommet
mir ſo recht entgegen/ als wenn ſie beſtellet were/
mir etwas in den Weg zulegen. Was thu ich
nun? kehr ich umb? diß ſolte zu rauhe ſcheinen.
Jch wil nur fuͤruͤber/ und ſie mit kuͤrtzen Worten
Cabfer-
[22]Horribilicribrifax
abfertigen. Der Jungfrauen meine Dienſt!


Cœleſt.

Ach mein Herr Palladi, wie iſt er ſo freygebig mit
Dienſt Anbittungen/ und ſo feſt mit der Liefferung!


Pallad.

Was ich der Jungfrauen verſprochen/ und ver-
ſpreche/ bin ich ſtets willig zu leiſten/ ob wir wol
bewuſt/ daß ihr an meinen gering ſchaͤtzigen Dien-
ſten wenig oder nichts gelegen.


Cœleſt.

Die mag ſich wol ſeelig ſchaͤtzen/ welche ſeiner
Dienſte genieſſen kan. Jch ſelbſt wolte mir fuͤr
die hoͤchſte Ehre achten/ mit derſelben umbzugehn/
ſo wuͤrde ich vielleicht ihrer Gluͤckſeligkeit in etwas
theilhafftig.


Pallad.

Die Jungfrauen halten fuͤr ihre Luſt/ mit uns ein
wenig zu ſchertzen/ und wir fuͤr unſere Ehr/ von
thnen umbgefuͤhret zu werden:


Cœleſt.

Vnd mein Herr Palladius fuͤr ſeine Ergetzligkeit
mit uns zuſpotten.


Pallad.

Bey mir iſt Hertz und Zunge in guter Vertreulig-
keit. Sie reden beyde eine Sprache. Jch bit-
te umb Verzeihung/ hoͤchſtwehnteſte Jungfrau/
daß ich dieſelbe in ihren Gedancken verſtoͤret; und
befehle mich in dero ſtetsbluͤhende Gewogenheit.


Cœleſt.

Ey Herr Palladi, er eile doch nicht ſo hefftig! be-
fiehlet er ſich in meine Gunſt/ und wil mir ſeine
Gegenwart nicht einen Augenblick vergoͤnnen?


Pallad.

Jch fuͤrchte der Jungfrauen durch mein Vnnuͤ-
tzes Geſchwaͤtz beſchwerlich zu ſeyn/ und dadurch
ihrer Gunſt gantz entſetzet zu werden.


Cœleſt.

Jch wil ihn verſichern/ daß er die Gunſt/ die ich
zu ihm trage/ nimmermehr verlieren kan! So
wenig/ als ich die jenige/ die er zu mir traͤgt!


Pallad.

Jch verſtehe nicht/ was fuͤr ein Geheimnuͤß hin-
ter dieſen Worten ſtecke.


Cœleſt.

der Herr ſage: er wolle es nicht verſtehen. Dieſe
Gunſt/ die ich zu ihm trage/ zu verlieren iſt mir
unmoͤglich/ weil ſie zu tieff in mein Hertz einge-
wur-
[23]Schertz-Spiel.
wurtzelt: Seine gegen mir kan er nicht verlieren/
weil er ſie noch niemals gehabt.


Pallad.

Wie ſolte es denn meine Gunſt ſeyn/ wenn ich ſie
niemals gehabt hette.


Cœleſt.

Er hat Gunſts genung/ aber fuͤr eine/ die derſel-
ben nicht wuͤrdig iſt.


Pallad.

Wenn ſie gegenwertig were/ wolten wir ſie daruͤ-
ber vernehmen: unterdeſſen erkenne ich noch/ daß
ich Jungfrau Cœleſtine Gunſt niemals wuͤrdig
geweſen: nichts weniger wil ich mich bemuͤhen ſel-
bige zuverdienen/ und verbleibe der Jungfrauen
ſtetswilligſter!


Cœleſt.

Noch ein Wort/ Herr Palladi.


Pallad.

Die Jungfrau verzeih/ ich ſeh daß eine Perſon ſie
anſprechen wil! Sie fahre wol.


Cœleſt.

wie kaltſinnig zeucht er darvon.


  • Ach Camilla, Camilla, wie ſchmertzlich iſts auff un-
    fruchtbaren Sand ſaͤen!

Camilla.

Sie liebe/ was ſie liebet/ und laſſe fahren/ was
nicht bleiben wil.


Die alte Cyrilla.

  • Deus meus. der heilige Sanct Andereus! beſchere uns
    ein gutes Jahr/ und guten Abgang zu meiner
    Wahr/ Amen. Hodie tibi, cras ſibi, Sanct Pau-
    lus, Sanct Bartholomeus,
    Die zween Soͤhne Ze-
    bedæus,
    der heilige Sanct Wenzel/ und der See-
    lige Stenzel, die ſeyn gut vors kalte Weh/ und
    behuͤten fuͤr Donner und Schnee. Nu/ ich bin
    bey Jungfer Sophien geweſt/ und habe Voͤgel ge-
    ſucht in einem leeren Neſt: Die wil nichts von
    Don Diego wiſſen und hoͤren. Wenn ich ſo ſchoͤ-
    ne waͤr/ als ſie/ ich wolte meiner Zeit beſſer war-
    nehmen: es kaͤme doch hernach ein einfaͤltig
    Schaff/ daß mich unter der Muſterung durchge-
    hen liſſe. Nun wir woln ſehn/ wies bey Cœle-
    C 2ſtinen
    [24]Horribilicribrifax
    ſtinen gehen wird. Sie iſt ſchoͤne/ ſie iſt reich/
    ſie iſt jung/ und ſchoffert allein in ihrem Kopff.
    Nach dem alten Ceremonigis wird ſie wol nicht
    ſehen/ wo nicht ſeyn Geld was zu wege bringt.
    Doch/ die Liebe iſt blind/ und faͤlt wie die Sonne/
    ſo bald auff eine Graſe Muͤcke/ als auff ein liebes
    Kind. Laſt ſehn! hier wohnt ſie: ich wil anklopf-
    fen.

Sie klopfft.

Camilla. Cœleſtina. Cyrilla. Die Pa-
gen
und Geſinde von
Cœleſtina.

Camilla.

Wer klopfft?


Cyrilla.

INRI. Memnentau mauri.


Camilla.

Wer klopfft?


[Cyrilla.]

Ein gute Freundin/ liebe Jungfer.


Camilla.

Verziehet/ ich thue auff. Was bringet ihr/
Frau Cyrilla?


Cyrilla.

Nicht gar viel Jungfer Simille. Jſt Jungfer
Cœleſtine nicht anzutreffen?


Camilla.

Habt ihr etwas anzumelden?


Cyrilla.

Jch habe etliche Stuͤcke ſchoͤne Spitzen zu ver-
kauffen.


Camilla.

Jch wil ſie herauſſer fodern.


Cyrilla.

Geht/ geht/ geſchwinde geht/ liebes Kind! Die
heilgen ſieben Planeten/ die troͤſten uns in allen
noͤthen! Haccus, Maccus, Baccus, die heilgen
Wort/ die bewahren uns in allem Ort!


Cœleſtin.

Willkommen Frau Cyrilla! was bringet ihr
uns guts neues?


Cyrilla.

O liebes Kind! ach eure Mutter war eine fromme
redliche Frau! O GOtt ſey ihrer Seelen genaͤdig!
O was hat Sie mir guts gethā! ihr gleicht ihr ſo
eben/ als wenn ihr ihr aus den Augen geſchnitten
waͤret.
[25]Schertz-Spiel.
waͤret. O liebes Kind! liebes Kind! welch eine
gute Zeit war damals.


Cœleſt.

Weinet nicht/ weinet nicht/ Frau Cyrilla.


Cyrilla.

Seht es iſt nu alles theur/ man kauffet ein Stein
Flachs umb einen Thaler/ den man da umb acht-
zehn gute Groſchen krigte.


Cœleſt.

Man hat mir geſagt/ ihr braͤchtet was zuverkauf-
fen. Wolt ihr uns nicht euren Kram ſehen laſ-
ſen.


Cyrilla.

O ja: gar gerne. Harret nur/ ich wil die Bril-
len auffſetzen. Denn ſehet/ ich bin etwas uͤber-
ſichtig und habe trieffende Augen! Seht/ wie ge-
fallen euch dieſe Spitzen? es iſt recht Brabandiſch
Gut.


Cœleſt.

So maͤſſig! habet ihr nur dieſer Gattung?


Cyrilla.

Nein/ ich habe noch unterſchiedene: das Hertzgen/
zwey Hertzgen/ das Hertzgen mit dem Pfeil/ das
Toden Koͤpffigen/ das Haſen Zaͤnichen.


Cœleſt.

Wie theur die Elle von dieſer Gattung?


Cyrilla.

Nicht naͤher als umb fuͤnff Guͤlden/ ſechs Gro-
ſchen.


Cœleſt.

Vnd von dieſer Art?


Cyrilla.

Dieſe koſtet mit einem Wort/ achtzehn Guͤlden
und vierzehn Groſchen.


Cœleſt.

Ey/ Frau Cyrilla, ihr ſeyd viel zu theur.


Cyrilla.

Die Lilie wil ich euch umb zehn Guͤlden laſſen.


Cœleſt.

Zehn Guͤlden/ und nicht mehr geb ich fuͤr die ge-
doppelten Hertzgen. Die Lilie iſt nicht ſechſe
werth.


Cyrilla.

Ey/ Jungfer Cœleſtine, wo wolte ich hin? ich
wuͤrde zu einer armen Frauen dabey. Gebt etlff
Guͤlden und ein halben fuͤr die gedoppelten Her-
tzen! So eine reiche Jungfer muß nicht ſo genau
dingen! Vnſer Herr GOtt ſegnet ſie denn wider
mit einem reichen Manne.


Cœleſt.

Jhr ſchertzet/ Cyrilla. Nun/ daß wir zu einem
C iijEnde
[26]Horribilicribrifax
Ende kommen; Eilff Guͤlden wil ich geben.


Cyrilla.

Gebet noch die fuͤnff Groſchen dazu.


Cœleſt.

nicht einen Heller mehr.


Cyrilla.

Nun/ nun! umb eines andernmals Willen. Wie
viel Elen wolt ihr haben.


Cœleſt.

Jch wil das gantze Stuͤck behalten. Wie viel
helt es?


Cyrilla.

Gleich achtzehn Elen und eine halbe; das macht
gerade 203. Guͤlden/ und ein halben. Sehet/ ich
wils euch in den Fingern her rechnen. Ein
Elle iſt 11. Guͤlden. 2. Elen ſind 22. Guͤlden. 4.
Elen 44. Guͤlden. 8. Elen 88. Guͤlden. 16. Elen
176. Guͤlden. Nu die uͤbrigen zwo Elen ſein
wieder 22. Guͤlden. Die zu den vorigen gerechnet/
machet 198. nu bleibet noch die halbe Ele vor ſech-
ſte halbe Guͤlden. Wenn wir die nu zu der vori-
gen Summe nehmen/ ſo macht es gar zuſammen/
wie ich vor ſagte 203. und ein halben Guͤlden.


Cœleſt.

Hir habt ihr Geld.


Cyrilla.

Drey/ ſechs/ neun/ zwoͤlff/ funfftzehn. Jſt der Du-
caten auch wichtig?


Cœleſt.

Es iſt abgewogen Gold.


Cyrilla

Seht liebes Kind/ alte Leute die irren ſich leicht-
lich/ achtzen/ ein und zwantzig/ vier und zwantzig/
ſieben und zwantzig/ dreißig/ dar mangelt einẽr.


Cœleſt.

zehlet noch einmal/ ich habe recht gezehlet.


Cyrilla.

Es iſt wahr: Vngriſche Guͤlden ſoll man zwey-
mal zehlen. Fuͤnffe/ 10. 15. 20. 25. 30. 33. 1.
Reißthaler/ ein halben Reißthaler/ ein Guͤlden.
O Hertzes Kind/ habt mirs ja nicht voruͤbel! ich
bin ſo was vergeßlich: ich muß das Gold in die
Taſche ſchlieſſen.


Cœleſt.

Camilla, hole mir die Ele.


Cyrilla.

Meine liebe Jungfrau/ weil wir ſo alleine ſind/
muß ich euch was erzehlen. Wenn ihr es nur
nicht woltet uͤbel oder auffs aͤrgſte außlegen.


Cœleſt.
[27]Schertz-Spiel.
Cœleſt.

Nein gar nicht. Erzehlet frey/ was ihr wollet!


Cyrill.

Als ich heute außgehen wolte/ iſt mir ein Herr be-
gegnet/ der euch freundlich durch mich gruͤſſen
laͤſt.


Cœleſt.

So weit.


Cyrill.

Ein feiner reicher Mann/ der uͤbermaſſen in euch
verliebet iſt.


Cœleſt.

Wie heiſt Er?


Cyrill.

Jhr werdet es wol aus dieſem Brieffe ſehen.


Cœleſt.

Wo iſt der Brieff?


Cyrilla.

Hier hab ich ihn in dem Aermel ſtecken. O Her-
tzes Kind/ euch wird wol mit dem Manne gera-
then ſeyn.


Camilla.

Jungfrau Cœleſtina, hier bring ich die Elle.


Cyrilla.

Wolt ihr die Spitzen meſſen?


Cœleſt.

Camilla ruffe mir ſtracks die Pagen und das Ge-
ſinde hervor! Jch wil dir alten Kuppelhuren den
Ruͤcken mit Pruͤgeln meſſen laſſen: und wenn ich
deiner grauen Haare nicht ſchonete/ ſolten dir die
Ohren ſo weit von einander genagelt werden/ daß
man ſie mit zweyhundert Klafftern Bindfaden
nicht ſolte zuſammen knuͤpffen koͤnnen.


Camilla.

Mit dem Geſinde. Wie iſts meine Jungfrau?
iſt die Maß nicht vollkommen?


Cœleſt.

Solteſt du altes Rabenfell dich unterſtehen mit
derogleichen Schand Brieffen fuͤr mein Geſicht zu
treten.


Camilla.

Frau Cyrilla! Heiſt dieſes Spitzen verkaufft?


Cœleſt.

Schmieret die alte Hexe zum tuͤgen ab/ daß ande-
re eine Abſcheu nehmen derogleichen zu begehen.


Cœleſtina geht davon.

Page.

Wir wollen dem Befehl ſchon ein Genuͤgen thun.
Alte Hexe/ was macht der Teuffel?


Cyrilla.

Nu/ Nu/ laſt mir meine Muͤtze/ ihr werdet mir
die Schaub in Stuͤcken reiſſen. A meine Taſche/
meine Taſche/ mein Korb.


C iiijDer
[28]Horribilicribrifax
Der ander Page.

Schau/ das alte Vngeheur hat eine Pe-
ruqve
auffgeſetzet.


Cyrilla.

A gebt mir meine Taſche wieder.


Page.

Still/ wir wollen ihr einen Bart von Pech an-
ſchmieren.


Cyrill.

A meine Taſche! meine Taſche!


Camilla.

Gebet ihr die Taſche/ und laſſet ſie vor den Teuf-
fel lauffen!


Die Pagen ſchmieren ſie umb und umb mit
Koth/ und gehn mit Camilla davon.
Cyrilla bleibet ſtehen/ wiſchet die Augen ab/
und faͤhret redent fort:

  • Ach mein Kopff! mein Bauch! mein Ruͤcken! O mein
    Schleyer/ meine Muͤtze! mein Koͤrblin iſt gar in
    Stuͤcken. Hab ich auch noch meine Spitzen gar/
    1.2-3.4.5.8. 12. Stuͤck; ja das heiſt Brieffe getra-
    gen. Aber ſchaut/ dort kompt Don Diego, der
    muß mirs wol bezahlen.

Don Diego. Cyrilla.

Don Diego.

Der Kopff thut mir weh uͤber dem unmaͤßi-
gen Auffſchneiden unſeres Capitains, welcher
doch in Warheit nicht anders iſt/ als ein gehel-
meter Haſe; wer ihn reden hoͤret/ meinet er were
der ander Hercules, oder der groſſe Rolād. So bald
er aber in eine occaſion gerathen/ wil er fuͤr Furcht
gar zu trieffen. An itz weil er ſich fertig macht
ſeine Seleniſſe zu beſuchen/ hab ich mich von ihm
weggeſtolen/ in Meynung allhier der alten Cyril-
le
zu erwarten. Welche ich nu zu unterſchiede-
nen malen abgefertiget Jungfer Sophien zu uͤber-
eden.


Cyrilla
heulende:

Ja Jungfer Sophien zu uͤberreden.


Don Dieg.

Was potz hundert iſt dieſes? wo ſeyd ihr ſo
uͤbel angelauffen/ Frau Cyrilla.


Cyrilla.
[29]Schertz-Spiel.
Cyrill.

Jch wolte noch wol fragen/ ſehet nur wie mich eure
Sophia abge wuͤrtzet hat!


Don Diego.

Sie weis wol/ daß beſſer Wuͤrtze an euch
verloren iſt.


Cyrill.

Ja/ und ihr wolt mich noch darzu auslachen!


Diego.

Wie das Fleiſch iſt/ ſo iſt der Pfeffer! aber ich kan
kaum glauben/ daß Sophia ſo unbarmhertzig mit
euch umbgegangen.


Cyrill.

Welcher Teuffel ſolte es ſonſt gethan haben/ hat
ſie nicht Leute gnug bey ſich im Hauſe/ die ſich ih-
rer annehmen.


Diego.

Sie wohnet ja mit ihrer Mutter gantz alleine.


Cyrill.

Was weis ich/ wer ſtets bey ihr ſtecket/ ſehet nur
ich ſpeye Blut.


Sie reuſpert ſich.

Diego.

Purgiere dich Teuffel/ friß Flechtenmacher/ ſcheiß
Siedeſchneider/ wiſche den Ars an Feuermauer-
kehrer.


Cyrill.

Ja was hab ich nu darvon als Stanck und Vn-
danck.


Diego.

Wer nicht recht ſpielen kan/ dem ſchlaͤget man die
Lauten an dem Kopffe entzwey.


Cyrill.

Das dacht ich.


Diego.

Seyd zu frieden/ ſeyd zu frieden/ Mutter Cyrill,
und folget mir! ich will euch ſchon Satisfaction
thun.


Cyrill.

Gehet voran; ich wil euch folgen. wenn mich ie-
mand ſehen wird/ muß ich ſagen/ ich ſey ſo gefal-
len. Dar iſt ſen in dem Walde ein Roͤßlein
roth/ das hat ſen geſchaffen der liebe GOtt/ O
trauriges Leben betruͤbte Zeit! Du haſt mir ge-
nommen alle meine Freud.


Gehet betend ab.

Cœleſtina. Camilla.

Cœleſt.

Die thoͤrichte Naͤrrin dorffte ſich unterſtehen mir
C vdero-
[30]Horribilicribrifax
derogleichen Brieffe einzulieffern!


Camill.

Laſt uns doch ſehen/ wie und von wem er geſchrie-
ben!


Cœleſt.

Da iſt er: leſet ihn/ Camilla.


Camilla.

Wenn er von Herren Palladio geſchrieben we-
re/ wuͤrde Cyrille vielleicht eine beſſere Beloh-
nung darvon getragen haben.


Cœleſt.

Was ſaget ihr?


Camilla.

Jch verwundere mich/ daß die Außſchrifft ſo
ſchoͤn geſtellet: Dem himmliſchen auff der Erden
ſcheinenden Nordſtern meiner Sinnen/ dem groſ-
ſen Beeren meines Verſtandes/ der eintzigen ſub-
tili
tet und hoͤchſtem Enti meiner Metaphyſica, der
wuͤrdigſten Natur in der gantzen Phyſica, dem
hoͤchſten Gut aller Ethicorum, der Beredſamſten
Phœbuſſin dieſer Welt/ der zehenden Muſæ, an-
dern Veneri, vierdten Chariti und letzten Parcæ,
meines Verhaͤngniſſes/ dem hochedlen wolgebor-
nen Fraͤulin Cœleſtine, meiner glorwuͤrdigſten
Gebieterin/ ad proprias.


Cœleſt.

Es blicket wol an dem Geſang/ was es fuͤr ein
Vogel ſeyn muß.


Camilla.

Si vales, benè eſt, ego autem valeo, ſagt Ci-
cero.
Jch hergegen/ O ihr einiger Schleiffſtetn
meines Verſtandes — — —


Cœleſt.

Es wird ein Meſſer Schmied oder Glaßſchneider
ſeyn/ weil er von Schleiffen redet.


Camilla.

Si vales benè eſt: ego autem non valeo, das
iſt/ ich ægrotire, melancholiſire, dec umbire, lan-
gvire,
es ſind mehr frembde Worte hierinnen/ die
ich nicht wol leſen kan.


Cœleſt.

Vielleicht iſt es Tuͤrckiſch oder Griechiſch: laſt uns
das uͤberſchlagen.


Camilla.

Verſtehen wir doch das Lateiniſche nicht.


Cœleſt.

Woher koͤnnet ihr aber ſo wol Lateiniſch leſen?


Camilla.

Jch habe in meiner Jugend in einem Kloſter
Seiden
[31]Schertz-Spiel.
Seiden ſtuͤcken gelernet; da hab ich aus Kurtzweil
dieſe Kunſt von den Jungfrauen begriffen. Nun
ſie hoͤre weiter! Jch langvire in dem Hoſpital der
Liebe/ in welches mich eure grauſame Schoͤnheit
ein furiret, und wie ein Krancker ſich nach nichts
ſehnet/ als nach ſeinem Artzt. Ita ego vehe-
menter opto
nur einen Anblick eurer Clementz,
welchen ihr doch Hunden und Katzen nicht mißzu-
goͤnnen pfleget. Wiedrigen Falls gehet der
Schneider ſchon zu Wercke/ meiner Hoffnung/ die
nichts hat/ als Pein und Knochen ein Traur Kleid
zu machen; weil ich gaͤntzlich entſchloſſen bin mit
dem erſten Schiff/ welches Charon wird nach dem
Campis Elyſiis abgehen laſſen/ mich von hir da-
hin zubegeben/ ubi veteri reſpondet amore Si-
chæus.
Dieſes/ wo euch moͤglich/ verhuͤttet und
ſeyd gegruͤſſet von
Dem/ der die Erde kuͤſſet/
auff welcher das Gras gewachſen/
Welches der Ochſe auffgeſſen/
aus deſſen Leder eure Schuch-
Solen geſchnitten
Titus Sempronius,
Caji Filius,
Cornelii Nepos,
Sexti Abnepos.


Cœleſt.

Ach armſeliger Semproni! wilſt du vor groſſem
Alter gar kindiſch werden!


Camilla

Ja wol/ armſeliger Semproni! warumb biſt du
nicht Palladius! Was wollen wir aber mit dem
Brieffe thun?


Cœleſt.

Stellet ihn unſern Koch zu. Denn weil er ſo
voll feuriger Gedancken/ koͤnnen wir etwas Holtz
zu dem Braten erſparen.


Camil-
[32]Horribilicribrifax
Camilla.

Jch fuͤrchte fuͤrwar/ er wuͤrde mit ſeiner Kaͤlte
alles Feur in der gantzen Kuͤchen außloͤſchen.


Cyrilla. Sempronius.

Sempron.

λάλησον.


Cyrilla.

Nicht die alte Lyſe.


Sempr.

Et illa hat meinen Brieff angenommen?


Cyrill.

Nicht Camilla, ſondern Cœleſtina ſelber.


Sempr.

Et qvid dixit?


Cyrill.

Sie ſchlos ihn nicht in die Buͤchſe/ ſondern ſteckte
ihn in den Schubſack.


Sempr.

[έ]υ, καλῶς, κάλλιςα. Lachrymor præ gau-
dio.


Cyrilla.

Ja kalt iſts/ und ſie lachte dennoch die Haut voll.


Sempron.

Ecqvis me felicior?


Cyrilla.

Jn der Ecke iſt ſie vorgeſtanden/ und hat den
Brieff alleine geleſen.


Sempron.

Aber was giebt ſie Solatii?


Cyrilla.

Ja Herr Semororiis, Kohl hat ſie hie/ ihr muͤſt
ihr was anders ſchicken!


Sempron.

Ey/ ihr verſtehet nicht meum velle.


Cyrilla.

Ey Herr/ was ſoll es ihr mit Maͤuſefallen/ es muß
Gold oder was derogleichen ſeyn.


Sempr.

Auro venalia jura.


Cyrilla.

Das verſteh ich nicht! heiſt ihr mich eine Hure?
meinet ihr/ daß ichs ihr nicht geben werde.


Sempr.

Jhr verſiehet nicht meinen mentem.


Cyrilla.

Was Verſtand darff ich zu euren Endten?


Sempr.

Jch frage/ was Jungfrau Cœleſtina mir zur Ant-
wort ſchicket?Ecqvid reſponſi.


Cyrilla.

Ja Herr/ ich gewon ſie/ ſie ſah zwar erſtlich ein
wenig ſaur. Aber als ſie euch nennen hoͤrte/ muſte
ſie laͤcheln/ wie ſehr ſie es auch verbergen wolte.


Sempr.

Sat eſt.


Cyrilla.

Ja ich wil wol ſatt eſſen/ wenn ihr mir nur was
geben woltet.


Sempr.
[33]Schertz-Spiel.
Sempr.

Jch wil ſchon geben zu eſſen und zu trincken ſine
modo.


Cyrill.

Nein Herr Sbroſemigis, mein Rock darff nicht
nach der Mode ſeyn.


Sempr.

Non intelligis.


Cyrill.

Jch ſehs wol/ daß es helle iſt/ aber wenn der Win-
ter kompt/ iſt ein gantzer Rock beſſer als ein zu-
ſchnittener.


Sempr.

Kommet kommet ſodes.


Cyrill.

Herr/ ich eſſe nicht nur Sodt/ es muß auch Fleiſch
drinnen ſeyn.


Sempr.

Pruriunt ipſi dentes.


Cyrill.

Sagt ihr/ die Hure iſſet huͤbſche Endten?


Sempr.

Ey/ ich rede Lateiniſch/ das verſtehet ihr nicht.
Jch rede wie Marcus Tuilius zu Rom.


Cyrilla.

Es ſchmeckt nicht uͤbel auff dem groſſen Stul/
Marck und R[o]hm.


Sempr.

Jch ſage/ daß ich ῥωμαιςὶ, Lateiniſch rede.


Cyrilla.

Ja Rom iſſet ſie! Herr Vicmonius, ich verſtehe
es wol/ ich weis aber nicht/ ob ihr mich eine
Hure heiſſet.


Sempr.

Ey nein/ ihr ſeyd ein ehrlich Weib/ ich meine mei-
ne Coqvam, welche der Teuffel zu reiten pflegt.


Cyrilla.

Ja es iſt wahr/ daß der Teuffel auff dem Bock
zu reiten pflegt. Aber ich habe keine Gemein-
ſchafft darmit.


Sempron.

Conſcientia mille Teſtes.


Cyrilla.

Die Peſtilentzia unter den Fuͤllen/ iſt nicht die be-
ſte.


Sempron.

Jch ſage/ qvod me haut intelligas.


Cyrilla.

Da man ein Meiſen Haupt auff dem Teller aß?


Sempron.

Auff deutſch! ihr verſtehet mich nicht/ haut ca-
pis me.


Cyrilla.

Haupt Kapis iſt mehr als eine Meiſe.


Sempr.

Jch rede nicht von Eſſen/ nicht von edendo.


Cyrilla.

Ja meint ihr dehn do.


Sempr
[34]Horribilicribrifax
Sempron.

Jch verſtehe den Element, was ich wolle. Jch
rede noch von Cœleſtina, was laͤſt ſie mich endlich
wiſſen/ qvid vult?


Cyrill.

Ja ſie iſt euch huld.


Sempron.

Mere?


Cyrilla.

Was wolt ihr mehre?


Sempron.

Recht ſo/ non fallis me?


Cyrilla.

Ja Herr/ ich fiele mehr/ als einmal.


Sempr.

Seyd ihr truncken?


Cyrilla.

Nein Herr Secconies, ich bin nicht ertruncken/
aber gar tieff in den Dreck geſuncken.


Sempr.

O miſera!


Cyrilla.

Ja es kam mich ſehr an.


Sempr.

Folget/ folget/ drinnen caleſces ad ignem.


Cyrill.

Wenn man kahl iſt/ laͤſt ſichs uͤbel ſingen.


Sempr.

Die Thuͤr iſt offen/ folget hernach/ wir wollen
ſchon weiter/ was zur Sachen dienlich/ ponde-
riren.


Cyrilla.

Eyre/ Mehl und Butter laſſen ſich am beſten un-
terruͤhren.


Daradiridatumtarides. Seleniſſa. Cac-
ciadiavolo. Diego.

Dara.

Mon Dieu! So giebt ſich endlich meine bißher un-
uͤberwindliche Schoͤne auff Gnade und Vngnade
ihrem werthen Freinde dem ſtreitbaren und tapf-
fern Daradiridatumtarides Windbrecher von tau-
ſentmord.


Selen.

Ja/ mein Herr Capitain, mit dieſem Handſchlag
verſprech ich mich auff ewig die Seine zn ſeyn/ trotz
allen/ dehn es leid/ und die mir diß groſſe Gluͤcke
mißgoͤnnen.


Dara.

Graces aux Dieux! Vos avez mis mon Ame au
plus haut degrez de la felicitè.
Mit dieſer guͤl-
denen Ketten/ welche mir der unſterbliche Soldat
von Pappenheim mit eigenen Haͤnden an den
Hals
[35]Schertz-Spiel.
Hals gehangen/ als ich zu erſt mich auff die Mag-
deburger Mauren gewagt/ verbinde ich mir meine
Goͤttin/ welche mir GOtt Mars ſelber mit allen
ſeinen Feurſpeyenden Granaten und Donner-
ſchwangeren Canonen nicht abjagen ſoll.


Selen.

Jch bitte/ mein wertheſter Braͤutigam geruhe/
als ein Zeichen meines ſtandhafftigen Gemuͤths
und reinen Hertzens/ dieſen Demant von mir an-
zunehmen!


Dara.

Den wil ich nicht verlieren/ als mit dieſer Fauſt.
Jch glaͤube/ daß Amor ſelbſt ſeine Pfeile hierauff
geſchaͤrffet habe. Wer iſt auff der gantzen Welt
gluͤckſeliger/ als ich?Don Cacciadiavolo, Don
Diego,
herfuͤr! wuͤndſchet eurem großmaͤchtig-
ſten Capitain Gluͤck. Jay gaigné mon proees!
Die Feſtung/ die ich bißher ſo lange belaͤgert/
hat parlamentiret, der Accord iſt geſchloſſen/ und
ſoll von uns beyden auff kuͤnfftig unterzeichnet/
auch bald darauff die Citadel in poſſess genom-
men werden. Vive l’ amour \& ma Deeſſe!


Caccia, und [Diego.]

Vive l’amour \& ſa Deeſſe!


Cacciad.

Es iſt kein Bluts-Tropffen in meinem gantzen
Leibe/ der ſich nicht in lauter kleine Feur Grana-
ten verkehre/ und mir durch alle Sinnen und Gei-
ſter ſchwerme. Jch wuͤndſche dieſem neuen Mar-
ti
und der andern Veneri unvergleichliches Gluͤck!


Don Diego.

Pallas und Bellona laſſe diß treffliche Paar
gluͤcklich zuſammen kommen/ froͤlich beyſammen
leben/ und langſam von einander geſchieden wer-
den.


Dara.

Aus uns werden Kinder geboren werden/ welche
die Welt bezwingen/ die Hoͤlle ſtuͤrmen/ und den
Jupiter aus dem Himmel jagen werden/ nicht an-
ders/ als wie die Rieſen/ welche Berge auff Ber-
ge geſetzet/ durch die Wolcken gedrungen/ und biß
an die neundte Sphær Sturm gelauffen ſind. Jch
kenne
[36]Horribilicribrifax
kenne mein Geſchlecht/ und weis gar wol/ aus
was fuͤr einer Art wir kom̃en. Alsbald ich auff dieſe
Welt geboren bin/ hab ich auff der Erden herumb
geſprungen/ ich habe meines Vatern Degẽ von der
Maur herunter gezogen uñ damit ſo ritterlich her-
um̃ geſchwermet/ daß ich der Hebam̃en den Kopff/
und der Kinder-Magd den Leib entzwey gehauen.


Don Diego.

Es brennet bey zeiten/ was eine. Neſſel wer-
den ſoll.


Dara.

Muth komt vor den Jahren bey wackeren Gemuͤt-
tern. Einen Chevalieur muß man aus dem
Bart nicht æſtimiren. Cet aſſetz! Laſt uns her-
ein/ Don Diego, daß man die Trompeten beſtelle/
Don Cacciadiavolo, daß man unſre Hochzeit
mit einem Salve verehren laſſe!


Don Diego.

Es ſoll geſchehen/ Geſtrenger Herr! groſſer
Gott/ hier iſt Zeit geweſen Hochzeit zumachen.
Bey uns iſt ſo viel Schuld/ daß ich nicht weis/ die
Waͤſcherin vor ein Hembde zuſaubern zubezahlen.
Wird die Braut ein groſſes Heyrath Gut mit
ſich bringen/ ſo wird es hoch von noͤthen ſeyn:
wo nicht/ ſo werden wir ſaͤmtlich Elend aus Eſſig
eſſen/ mit Mangel betreuffen/ und in bittern Wer-
mutt arme Ritter backen.



Der dritte Auffzug.


Bonoſus. Palladius.

PAlladius.

Es iſt nicht anders/ als wie ich erzehlet!
Seleniſſa achtet weder meines Standes/ noch
ſeiner Vortreffligkeit. Sie iſt mit dem Groß-
ſprecher numehr feſt. Mich ſchmertzt nicht mehr/
als daß wir/ wegen der nichts werthen unbedacht-
ſamen/ ſolche heimliche Feindſchafften und Verbit-
terung-
[37]Schertz-Spiel.
terungen gegen einander getragen. Er hat die
unvergleichliche Ariana verlaſſen/ und ich habe die
Sinn- und Tugendreiche Corneliam geringe ge-
halten/ ja ſchier gezwungen meinen Vetter zu hey-
rathen/ damit ich deſto freyer dieſer Wanckelmuͤ-
tigen auffwarten koͤnte.


Bonoſus.

Solte es aber wol moͤglich ſeyn/ daß es geſche-
hen?


Pallad.

Des Capitains Diener/ welcher des meinen
Landsmann und getreuer Camerade, hat anitz
in meinem Hauſe den gantzen Zuſtand entdecket.


Bonoſus.

Vnbeſonnene! thoͤrichte! leichtfertige undanck-
bare Seleniſſa!


Pallad.

Mein Herr/ laſt uns nicht auff ſie fluchen/ ich tra-
ge ein hertzliches Mittleiden mit ihr/ ſie darff kei-
ner Straffe mehr/ die durch eine ſolche Heyrath
mehr denn uͤberhefftig geſtraffet wird.


Bonoſus.

Wo ich dem Capitain auff ſeine Hochzeit nicht
einen ſondern Schimpff erweiſe/ ſo muͤſſe die gan-
tze Stadt von meiner Zagheit ſagen.


Pallad.

Mein Herr/ der hat Schimfps mehr denn zu viel/
dem man keinen Schimpff mehr erweiſen kan. Die
gantze Welt haͤlt ihn fuͤr einen Landluͤgner. Er
ſteckt in tauſend Schulden vertaͤuffet biß uͤber die
Ohren. Seleniſſa hat auff der Welt nichts! wie
kan man beyden mehr Vngluͤcks wuͤndſchen?


Bonoſus.

Jch kan mich nicht genung verwundern uͤber der
thoͤrichten und unbeſonnenen Jugend!


Cleander. Bonoſus. Palladius.

Cleander.

Recht! Finde ich die Herren und wehrteſte
Freunde hir beyſammen! Jch habe Herren Pal-
ladium
den gantzen Morgen geſucht.


Pallad.

Mein Herr/ die Ehre/ die er ſeinem geringſten
Diener erweiſet/ iſt zu hoch! und ich bin ſchuldig
ihm auch ſonder ſein Begehren ſtets auffzuwarten.


DCleand-
[38]Horribilicribrifax
Cleand.

Mein Herr Palladi, die Worte ſind unvonnoͤ-
then. Jch komme anietz auff Befehl ihrer Durch-
lauchtikeit/ unſers gnaͤdigſten Fuͤrſten ihn auff den
Hoff zufodern/ da er den Eid/ als von ihrer
Fuͤrſtl. Durchl. ſelbſt erkohrner Mareſchall able-
gen ſoll; zu welcher von ihm wol verdienten Er-
hoͤhung ich ihm was er ſelbſt begehren mag/ von
Hertzen verwuͤndſche.


Bonoſus.

Was hoͤre ich/ Herr Cleander?


Pallad.

Jch halte mein Herr treibe den Spott mit ſeinem
Diener!


Cleand.

Was ſolte ich vor Vrſach zu ſpotten haben in ſo
wichtiger Sachen. Jch bitte mein Herr wolle
bald ſich mit auff den Hoff begeben/ und nach ab-
gelegter Pflicht mir/ nebenſt andern werthen
Freunden/ welche ſich uͤber dieſer ſeiner neuen Eh-
re hoͤchlich ergetzen. Seine Gegenwart an met-
ner Taffel goͤnnen! Mein Herr Bonoſus wird/
wie ich auffs hoͤchſte ihn bitte/ kein Bedencken tra-
gen uns Geſellſchafft zuleiſten.


Bonoſ.

Mein Herr Cleander, ich erfreue mich hoͤchſtes
uͤber ſeinem unverhofften/ doch wolverdienten
Gluͤcke.


Pallad.

Mein Herr/ ich weis bey dieſem Zuſtand nicht/
wie oder wenn ich zufoͤrderſt zudancken verpflich-
tei; Diß einige ergetzet mich/ daß ich Mittel an
die Hand bekommen/ ihnen in der That zuerwei-
ſen/ daß ich ihrer allerhoͤchſt verpflichteſter Die-
ner.


Sempronius. Cyrilla.

Sempronius.

Amor vinumqve nihil moderabile ſva-
dent.


Cyrill.

Schwaden in Milch gekocht iſt gut.


Sempron.

Nihil ad Rhombum.


Cyrilla.

Michel worumb drumb?


Semp
[39]Schertz-Spiel.
Sempr.

Ἐγὼ σκόροδά σοι λέγω, σὺ δὲ κρομμὐ ἀποκρί-
νϵις.


Cyrilla.

Ja freylich muß man das Korn leſen/ wenn es
krum und nicht gruͤne iſt.


Sempron.

Jch rede de plauſtris, ihr antwortet de trahis.


Cyrill.

Jhr redet von der Plautze/ die ich wegtrag itz?


Sempr.

Jch rede von meinem Cordolio.


Cyrill.

Jo ich hab den Korb voll jo.


Sempr.

Von meiner Cœleſtina bey der ihr umb Antwort
anhalten ſollet/ wo es in fatis.


Cyrill.

Ja ich ſoll fragen/ ob ſie Fladen iſſt?


Sempr.

Der ſollet ihr bringen dieſe margaritas.


Cyrilla.

Das ſoll ich bringen meiner Margritte.


Sempr.

Jhr ſollt die Perlen Jungfer Cœleſtinen geben/
ſag ich/ zu einem Mnemoſyno.


Cyrill.

Sol ich ſie geben meinem Sohn?


Sempr.

Ey nein doch/ ihr ſollet ſie zuſtellen Fraͤulein Cœ-
leſtinen
zum Mnemoſyno.


Cyrill.

Ja/ ich meine ſo.


Sempr.

Wenn ſeh ich euch rurſus.


Cyrill.

Herr ihr vergeſſet euch/ ich heiſſe nicht Vrſe.


Sempr.

Ερωτάω.


Cyrill.

Ein rot Auge?


Sempr.

Ego qværo, ego interrogo, ego ſciſcitor, das
heiſt/ ich frage euch/ qvando reverſura ſis?


Cyrill.

Nu ſeht nur Herr/ ihr redet ſo geſchwinde/ und
fraget immer/ ob Anne eine Hure iſt.


Sempr.

Ey was iſt mir daran gelegen. Jch frage/ wenn ihr
wiederkommen wollet mit Antwort und guter Ver-
richtung.


Cyrill.

So bald als moͤglich.


Sempr.

ὕπαγε ἐις ἐιρήνην.


Cyrill.

Ja/ ja ich wohne hierinnen.


Cœleſtina. Camilla.

Cœleſt.

Nun iſts vergebens! meine Hoffnung iſt todt!
D 2Him-
[40]Horribilicribrifax
Himmel/ muß meine getreue Liebe mit einem ſo
traurigen Außgang belohnet werden!


Camilla.

Gedult und Zeit/ werthe Jungfrau/ aͤndert und
heilet alles.


Cœleſt.

Die Wunde iſt zu groß/ und der Schmertz zu hef-
tig.


Camilla.

Jch glaub es gern/ daß nichts verdrießlichers
und ſchaͤndlichers/ als wann man treuer Liebe mit
Vndanck begegnet. Aber was kan euren Verſtand
beſſer auff den rechten Weg bringen/ als wenn
ihr uͤberleget/ wie uͤbel er mit euch bißanher ge-
handelt.


Cœleſt.

Aber warumb ſchneid ich mir ſelbſt alle Hoffnung
ab? liebeſte Camilla, ſuche doch noch einmahl Ge-
legenheit mit ihm zu reden/ und ihm meine groſſe
Gewogenheit zu verſtehen zu geben.


Camilla.

Meine Jungfrau/ hat er ſie nicht geachtet/ als
er noch im geringerm Stande geſchwebet/ was
wird er ietzund thun/ nun er ſo unverſehens ſo hoch
geſtiegen? Ehre aͤndert die Gemuͤtter und macht
aus Muth Hochmuth.


Cœleſt.

Wolte GOtt/ ſie aͤnderte ſein Gemuͤtte/ daß er
ein wenig beſſer umb ſich ſehe und betrachtete/ wer
dieſe waͤre/ die er verachtet.


Camill.

Ach/ meine Jungfrau! Jhr begehret ein Wun-
derwerck und eine zu unſern Zeiten unerhoͤrte Sa-
chen! kennet ihr Palladii unveraͤnderlichen Vorſatz
nicht? Eher wolte ich wilde/ ja Felſen bewegen/
als ihn/ wenn er einen Schluß einmal gefaſſet.


Cœleſt.

Mit einem Wort/ ich hoͤre nichts mehr als meine
Verdamnuͤß in dem Rechtshandel der Libe.


Camilla.

Es kan hier nicht anders ſeyn. Euer Richter iſt
gar zu unbarmhertzig.


Cœleſt.

Gilt denn keine fernere Beruffung? kein Auff-
ſchub? keine Linderung des Vrtheils?


Camill.

Zu oder vor wen wollen wir des zihen?


Cœleſt.
[41]Schertz-Spiel.
Cœleſt.

Zu Palladio ſelber/ wofern meine Schoͤnheit/
meine Jugend/ mein Stand/ Vermoͤgen und Tu-
genden/ welche andere/ ihrer Einbildung nach/
hey mir reichlich antreffen/ nicht ſeiner Gunſt
wuͤrdig; wird ihm doch vielleicht meine unver-
gleichliche Standhafftigkeit zu Gemuͤthe dringen.


Camilla.

Jch fuͤrchte gegentheils/ er werde unſers Elen-
des ſpotten/ und uns aus ſeinem eignen Munde
hoͤren laſſen/ was wir ſchon ohne diß vernuͤnfftig
muthmaſſen koͤnnen.


Cœleſt.

Jch bin bereit nicht nur aus ſeinem Munde das
Vrtheil meines Todes anzuhoͤren/ ſondern wolte
wuͤndſchen/ wenn moͤglich/ von ſeiner Hand zu
ſterben; ia ich wolte mir ſolchen Vntergang fuͤr
die hoͤchſte Gluͤckſeligkeit und letzte Ervoͤllung al-
les meines Wuͤndſchens halten.


Camilla.

Jch bin weit anders geſinnet. Aber/ ich ſehe den
Capitain! laſt uns beyſeit/ daß er meiner Jung-
frauen nicht verdrießlich falle.


Capitain Horribilicribrifax. Harpax.

Horrib.

Haſt du es glaubwuͤrdig vernommen?


Harpax.

Mit dieſen meinen zweyen Ohren hab ich es ge-
hoͤret.


Horrib.

Vnd du haſt es gehoͤret?


Harpax.

Jch hab es gehoͤret.


Horrib.

Du haſt es gehoͤret?


Harpax.

Jch/ ich/ ich/ ich hab es gehoͤret.


Horrib.

Mit deinen Ohren?


Harpax.

So wol mit den Ohren/ als offnem Munde/ ja
Gehirne und allen fuͤnff Sinnen!


Horrib.

Daß Sempronius ſich unterſtehe ſeine Gedancken
da einzuqvartiren/ wo allein der unuͤberwindliche
Horribilicribrifax Winterlaͤger halten ſoll?


Harpax.

Signor Capitano, wird eure Herrligkeit nicht
bey Zeiten darzu thun/ ſo duͤrfften noch wol andere
D iijals
[42]Horribilicribrifax
als Sempronius ehe eine Feldſchlacht aldort lie-
fern/ als er an das Winterqvartir gedencken.


Horrib.

Se mi monta il grillo nella teſta, ſatò huomo da
ſcannar Marte e Morte, e Sempronio, e far ſi, che
di lei non ſi ragioni mai piu.
Welch Bellero-
phon, Rinocerote, Olivir, Palmerin Roland,
Galmy Peter
mit dem ſilbernen Schluͤſſel/ Tri-
ſtrant, Pontus,
duͤrffen ſich unterſtehen nur der-
gleichen Sache zugedencken/ ſchweige denn ins
Werck zuſetzen. Jch erbaſiliske mich gantz und
gar/ die Haare vermeduſiren ſich in Schlangen/
die Augen erdrachen ſich/ die Stirne benebelt ſich
mit Donnerſpeienden Wolcken. Die Wangen
ſind Ætha und Mon Gibello, die Feurfuncken
ſtieben mir aus dem Munde wie aus dem Heckel-
berge/ der Hals ſtarret wie der Thurm zu Babel/
es blitzet mir im Hertzen nicht anders/ als wenn
tauſend Hexen Wetter darinnen gemacht haͤtten.
Jedweder Finger vertheilet ſich in noch dreiſſig an-
dere. Die Fuͤſſe ſchieſſen in ſo viel Wurtzeln aus.
Somma ich erzuͤrne mich zu tode. Jo Sputo Ar-
chibuſi, Piſtolle, e fulmini,
daß mir nicht einer
von den Mordvoͤgeln entgegen geflogen koͤme/ daß
ich meinen Grimm an ihm außlaſſen koͤnte/ mit ei-
nem Anblick wolte ich ihn in lauter Aſch verkehren
nicht anders/ als die Granaten/ wenn ſie in die
Heuſchober fliegen.


Harpax.

Signor Capitano, Signore e Padron mio glorio-
ſisſimo,
darff ich euch unter Augen treten?


Horrib.

Wozu dienet dieſe Frage?


Harpax.

Jch fuͤrchte/ ihr moͤchtet mich auch anzuͤnden/ ich
bin etwas duͤrre von Hunger.


Horrib.

Sey ſonder Sorge! meine Augenſtralen haben
Verſtand. Qvelli che meco vivono, e che Ser-
vono la perſona mia ornata di tanti trofei e tri-
omfi, non vivono in pericolo.


Harpax.
[43]Schertz-Spiel.
Harpax.

Nun iſt Noth verhanden: Sempronius kompt
ſelbſt ſelber zu ſeinem Vngluͤck E. Herrlikeit in
die Haͤnde.


Horribilicribrifax. Sempronius.
Harpax.

Sempron.

Omnes homines ſumma ope niti decet, ne vi-
tam ſilentio tranſigant veluti pecora. Saluſt. de
Conjuratione Catilinæ. Multa dies variusqve
labor mutabilis ævi rettulit in melius. Virgil.
lib. 9. Æn. Amavi, amaviſti, amavit, amo,
der
Fuchs aͤndert die Haare/ nicht das Gemuͤthe/ ſa-
get das Deutſche Sprichwort. Vnter dieſer grau-
en Aſchen meines Kopffs/ ſub hiſce canis, liegen
noch viel gluͤende Kohlen der Liebe verborgen/ i-
gnes ſuppoſiti cineri doloſo. Horatius.


Horrib.

Er iſt verloren! er hat gelebet! er iſt todt.


Harpax.

Ey/ Ey/ Herr Capitain!


Sempr.

Sed qvid ſibi vult Pyrgopolynices iſte qvi ita gla-
diatorio animo ad nos affectat viam?


Horrib.

Wer biſt du?


Sempron.

Wer biſt du?


Horrib.

Qveſta e una domanda impertinente, la qvale
merita per riſpoſta una pugnatat’a vel cuore.


Sempron.

Du magſt wol ein Bernhaͤuter in der Haut ſeyn
haſtu redliche Leute nicht lernen gruͤſſen?Saluta
libenter,
ſagt Cato.


Horrib.

Jch werde raſend.


Sempr.

Helleboro opus eſt homini! er iſt toll.


Horrib.

Biſogna, ch io faccia in pezzi, chio fulmini, qvæ-
ſto ladrone!
Sag ihm wer ich ſey!


Harpax.

Mein Herr Sempronias thut ſehr uͤbel/ daß er ſich
an einem ſo fuͤrtrefflichen Mann vergreifft! Er iſt
der Weltberuͤhmte Capitain Horribilicribrifax
von Donnerkeil!


Sempr.

Jſt er Horribilicribrifax von Donnerkeil/ ſo bin
D ivich
[44]Horribilicribrifax
ich Sempronius vom Wetterleuchten/ famâ ſuper
æthera notus.


Horrib.

Tu ſei un Bufalo. Wo ich mich recht erzuͤrne/ ſo
haue ich euch in kleine Stuͤcken/ daß euch die A-
meiſſen in zweyen Augenblicken wegtragen.


Sempron.

Qvi moritur minis, illi pulſabitur bombis.
Wer fuͤr Draͤuen ſtirbet/ dem laͤutet man mit E-
ſelsfuͤrtzen aus. π ολλὰ μεταξὺ πέλει κύλι-
κος καὶ χείλεος ἄκρομ. Oder meinet ihr/ daß
ich in meiner Jugend auff der Univerſität nicht
auch habe fechten lernen? πολλῶν ἐγὼ θρίων
ψόφμος ἀκήκοα! Huc ſi qvid animi!


Harpax.

Jch verſtehe nichts was er wolle. Jch glaube
daß er geſonnen uns zu beſchweren.


Horrib.

Jhr habt die unvergleichliche Cœleſtinam lieb.


Sempr.

Das thu ich zu trotz/ euch und allen den es leid iſt/
qvid id ad te?


Horrib.

Jch ſage/ daß ich ihrer Liebe wuͤrdiger bin.


Sempron.

Mentiris, Das heiſt auff deutſch/ es iſt erlogen.


Horrib.

Oh qval’ oltragio! Sol ich dis Wort hoͤren? was
hindert mich/ daß ich euch nicht in einem Streich
in hundert tauſend Stuͤcken zerheile.


Semp.

Qvid me retinet, daß ich nicht mit dieſem meinem
alten guten Spanniſchen Degen/ mit welchem ich
auff ſo vielen Univerſitaͤten den Bachanten Loͤcher
geſchlagen/ den Haͤſchern Schenckel und Koͤpff
abgehauen/ die tolleſten Teuffel blutruͤnſtig ge-
macht/ die Steine auf der Gaſſen zuſpalten/ dem
Rectori Magnifico die Fenſter außgeſtochen/ den
Pedellen die Fuͤſſe gelaͤhmet/ eine ſolche That veruͤ-
be/ daß die Sonne am Himmel druͤber erſchwartze/
und die Planeten zuruͤcke lauffen/ nec dum omnis
hæbet effœto in corpore Sangvis. Virgil.


Horrib.

Ob ich euch wol mit dieſem Degen koͤnte auff an-
dre Meinung bringen/ (havent’io un giorno nel
amfi-
[45]Schertz-Spiel.
amfiteatro di Verona ucciso dimia mano molto
mille gladiatori
) wil ich euch doch darthun aus eu-
rer eignen Wiſſenſchafft/ daß ich beſſer ſey als ihr/
damit ihr ſehen ſollet/ daß ich eben wol ſtudiret
bin/ und in Artem Aratoriam Verſtand habe. Jhr
ſeyd ein Gelehrter/ und macht profeſſion von dem
Buch/ als ich von dem Degen. Jſt das nicht
wahr?


Sempr.

Rem acu!


Horrib.

Nu wiſſet ihr ja wol/ daß man das Buch unter
dem Lincken Arm traͤgt: und den bloſſen Degen in
der rechten Hand fuͤhret/ Ergò gehen die Gelehr-
ten unten und wir oben an.


Sempron.

Καλῶς. Ergo gefehlet. Als weñ man nicht den
Degen auff der lincken Seiten truͤge/ und ein offen
Buch in der rechten Hand hielte: als wenn man
nicht die Feder oben auff den Hut ſteckte/ welches
ich weitlaͤufftiger mit vielen Syllogismis, Enthy-
mematibus, Soritibus, Inductionibus, Elenchis,
Meſoſyllogiſmis, Argumentationibus crypticis,
Diſtinctionibus, Diviſionibus, Exceptionibus,

außfuͤhren koͤnte/ niſi res eſſet liqvidiſſima per ſe,
und klaͤrer als die Sonne in ipſo meridie.


Harpax.

Laſt uns fliehen/ mein Herr/ er zaubert/ er redet
der boͤſen Geiſter Sprache.


Horrib.

Si me le direte: lo ſapero! Als wenn ich nicht mit
vielen Sonneten, Madrigalen, Qvadrinen, Oden,
Canzonen, Concerten, Sarabanden, Serena-
den, Aubaden,
das Widerſpiel beweiſen koͤnte;
doch damit ich euch Schamroͤthe abzwinge/ und
beweiſe/ daß ich ein beſſer Arator bin/ als ihr; ſo
wil ich eine Roration halten/ die ich gethan/ als
Pappenheim Magdeburg einnahm/ und man kurtz
zuvor in dem Kriegsrath herumb fottirete. Habt
ihr ſo viel Muhts/ ſo beantwortet mir dieſelbe Au-
genblicks


D vSem-
[46]Horribilicribrifax
Sempron.

Ego ſum contentiſſimus.


Horrib.

Harpax, Du ſolſt unterdeſſen General Tylli ſeyn.
Setze dich derowegen hier nider. Bildet euch
nun ein/ hir ſitze General Tylli, und neben ihm
Feldmarſchall Pappenheim, Hora, diamo princi-
pio alla narrativa!
Es wurd deliberiret, ob man
Magdeburg denſelben Morgen antaſten oder ver-
ziehen ſolte/ biß unſre Abgeordneten wieder ins
Laͤger kaͤmen/ Don Arias von Toleto, welcher in
dem uͤbrigen ein hurtiger Cavalier, aber in der-
gleichen actionen troppo ardito: hatte vor mir
geredet/ ich richtete mich con la grandezza mia
ſuperbiſſima è con meraviglia e tremore di tutti
circonſtanti,
auff dieſe meine Marmoͤrne ſchenckel/
gab ihm einen unverſehenen Blick mit dieſen zwey-
en brennenden Carfunckeln/ oder glaͤntzernden La-
ternen dieſes meines fleiſchlichen Thurms. Die
Frantzoſen nennen es une oillade.


Harpax.

Jch zittere und bebe uͤber dieſem Angeſichte!


Horrib.

Nachmals als ich ſah/ daß ich dem Don Arias ein
Schrecken duꝛch alle Beine gejagt; und ſich die gan-
tze Compagnie uͤber mir entſetzete/ wolte ich die
Gemuͤtter etwas ſaͤnfftigen/ damit ſie mich mit de-
ſto groͤſſerer Anmuth hoͤren moͤchten/ derowegen
prima d’ogn’altro, bacio le ginochia Jhrer Ex-
cellentzen,
des Tylli und des Pappenheims/ come
ſi conviene.
Nachmals/ inchinai la teſta gegen
die umbſtehenden Herren/ und ſprach alſo:


Harpax.

Herr Semproni! ihr habt ſchon verlohren! Jhr
werdet diß nimmermehr nachthun.


Horrib.

Sintemal Jhre Excellentzeſte Excellentze, die
Zeit ſehr kurtz/ in dem wir den Feind vor der Stir-
ne haben und eine Etunde/ Minnte/ ja Augenblick
uns die Victorie geben oder nehmen kan; diro an-
cor’ io qvalche coſa,
und wil mit wenigem mein
Gemuͤth entdecken und ſagen/ daß ob es wol uns
Cava-
[47]Schertz-Spiel.
Cavaliren uͤbel anſtehe/ mehr mit der Zungen/ als
dem Degen zu reden/ und du mein beruͤhmtes
Schwerdt/ tu mia ſpada fulminea, tagliente e fen-
dente!
Wenn du eine Zunge haͤtteſt/ eben diß ſa-
gen wuͤrdeſt; nichts deſto weniger wil ich ſagen/
weil mir zu ſagen gebuͤhret/ und die Reye zuſagen
an mich gelanget iſt/ und wil nicht ſagen/ daß ich
zu beweiſen willens/ daß ich wol und viel ſagen
koͤnte/ ſondern wil auffs einfaͤltigſte vor euch ſa-
gen/ was mich duͤncket/ das geſaget werden muͤſte/
und will nichts weniger ſagen/ als was geſaget iſt
von den beruͤhmteſten Leuten/ denn wenn ich et-
was anders ſagete/ wuͤrde ich ſagen wider Kriegs-
manier/ nach deſſen Gewonheit ich auffgeſtanden
bin/ etwas zuſagen. Vnd ſo iemand unter dem
Hauffen iſt/ der ſich einbildet/ daß er mir ſagen
duͤrffte/ ich ſolte nicht alſo ſagen/ der mache ſich
herfuͤr und ſage es/ ich weis daß er nicht anders
ſagen wird/ als was ich ſagen wil. Jch ſage denn
was drey Perſonen aus dieſem unzehlichen und
unuͤberwindlichen Heere werden ſagen/ koͤnnen ſa-
gen/ muͤſſen ſagen/ wollen ſagen/ und ſagen auch
ſonder ein Wort zuſagen. Die erſten Zwey ſind
ihr excellentzeſte Excellentz, (und hiermit mach-
te ich einen Reverentz) die Dritte bin ich. Weil
mir aber nicht wol anziemet was zu ſagen/ ſo
ſchweige ich aus Modeſtie, und remittire mich im
uͤbrigen auff dieſelbe/ die etwas geſaget haben/ und
noch ſagen werden. Hor ſu, Finiamo, la qvi.
Koͤnte man wol was ſchoͤners geſaget haben/
Harpax?


Harpax.

Das iſt ein ſchoͤn untereinander gemiſchetes Ge-
ſage! waͤre nicht eine Abſchrifft darvon zu erlan-
gen?


Horrib.

Mi ſarà di ſommo contento, gar ſehr wol/ aber
zu einer andern Zeit! itzund laſt uns hoͤren/ was
dieſer dargegen zu ſagen habe.


Har-
[48]Horribilicribrifax
Harpax.

Monſieur Sempronius, die Reye etwas zuſagen/
iſt nun an euch gelanget.


Sempron.

Jch ſage derowegen/ qvod nihil dictum ſit ab
eo, qvod non ſit dictum prius;
und bey dieſer Ge-
legenheit etwas zu ſagen/ wolte ich lieber alſo ge-
ſaget haben: ὑψηλὰν ἀρετᾶν Ανακτες!


Harpax.

Hoͤret Wunder! hoͤret!


Sempron.

Daß man mir nicht in die Rede falle! O ihr
durchlauchtigſten und unuͤberwindlichſten Heroës,
welcher unvergleichliche Staͤrcke ſich nicht auffhal-
ten laͤſſet in den alten und gedrangen Graͤntzen/
Montium Pyreneorum, Alpium, Atlanticorum,
Apenniorum
und Sarmaticorum, ſondern weit uͤ-
ber die Graͤntzen/ in welchen Caliſto nicht auff-
gehet/ ſeſe penetrat, unb herumb faͤhret durch den
zwoͤlffthierigen Kreis des Titanis, penetrans die
beſchwaͤrtzten Æthiopes, ſtreiffet umb das Vorge-
birge bonæ Spei, floret durch die wolrichenden Mo-
luceas,
henget ſich an die bepfefferte Bengala, ge-
het fuͤruͤber bey denen/ ihrer Einbildung nach zwey
aͤugichten Chineſern, und haͤlt Mittags Ruh in
Japan. Jch der ich nicht bin der andere Marcus
Tullius Cicero,
der nicht erreichen kan lactifluam
eloqventiam Titi Livii, qvi non adſpiro ad gravi-
tatem Saluſtianam, neqve aſſeqvor Cornelii Ta-
citi divinam Majeſtatem,
Jch/ ſage ich/ der ich
gleichwol dieſe Diſcurſus vor die treflichſten halte/
ὁίτινες περὶ μεγίςων τυγχάνομσιν ὄντες, καὶ
τμὸς τε λέγοντας λάλιςα έπιδεικνύομσι, will
euch mit vielen Worten nicht auffhalten/ cùm a-
lias
die Zeit kurtz/ \& jus ſit in armis: remittire mich
alſo auff die/ die bißanher geſchwiegen haben/ und
noch de facto ſchweigen. Dixi. Was haͤlt Har-
pax
von dieſer Oration?


Harpax.

Sie war bey meiner Seel auch ſchoͤn: ob ich wol
kein
[49]Schertz-Spiel.
kein Wort darvon verſtanden habe. Herr Capitain
es muß ein verdrießlich Ding ſeyn einen General
abzugeben.


Horrib.

O hime’che parole ſon qveſte? Warumb?


Harpax.

Warumb? ſolte er doch tolle werden/ wenn er
nur iedweden Tag ſolcher zwey Rorationes hoͤren
muͤſte.


Horrib.

Tu non m’intendi? Va! Va! Du biſt ein igno-
rant,
/ und verſteheſt nicht die Zierligkeit der Wol-
redenheit.


Harpax.

Dem ſey/ wie ihm wolle.


Sempron.

Aber welches Oration war nu die beſte?


Harpax.

Mir iſt/ als wenn ich bey einer Fuͤrſtlichen Taffel
ſaͤſſe/ und nicht wuͤſte unter den Gerichten zu weh-
len/ oder eins mit mir zu werden/ welches das
ſchmackhaffteſte. Vertraget euch ſelber unter ein-
ander. Jch reſignire euch die Excellentz, mit
ſampt der Tillyſchafft und dem Generalat.


Sempron.

Ergò ἔῤῥωστ, Herr Capitain.


Horrib.

Adio ſignor Semproni.


Harpax.

Ho/ ho/ ſie kommen ja beyde noch lebend von
einander.


Der Jude traͤgt ein ſilbern Gießbecken unter dem
Arm/ und die Kanne in der Hand.

Rabbi Iſaſchar. Frau Antonia.

Rabbi.

Ey bey meinem Juͤdiſchen Maddah! bey meinem
Eyde! es iſt nicht anders/ als ich euch ſage! mez-
zekenim ethbonam!


Antonia.

So were ich die elendeſte Frau auff dem gantzen
Erdboden. Andere reden gleichwol gar anders.


Rabbi.

Lo jaden velo jafinu. Jhr werdet das in der That
erfahren/ denn ich ſage euch nichts als die bloſſe
lautere Warheit! Was haͤtte ich fuͤr Vrſach euch
zubetriegen? ich weis/ ihr ſeyd eine Ehrliche Frau/
es
[50]Horribilicribrifax
es iſt nicht anders/ ſo wahr/ als ich Rabbi bin/ und
heute gedauſcht habe.


Antonia.

Es ſcheinet aber unglaublich zu ſeyn.


Rabbi.

Vnglaublich? warumb unglaublich? es geſchehen
wol mehr derogleichen Sachen/ und ihr kennet das
gemeine Sprichwort: Der Tod und Heyrath ent-
decken alle Dinge/ wenn es nicht ſo waͤre/ man
wuͤrde malcanderen den gehelen Dag ſonder Ers-
gatt beſchiten/ ſpricht der Hollaͤnder.


Antonia.

Mein lieber Rabbi, ſeyd mir doch zu Dienſte
mit zwey oder dreyhundert Reichsthalern/ nur
auff wenige Tage/ gegen genungſames Pfand.


Rabbi.

Ey warumb das nicht/ liebe Frau? auff ein Jahr
und laͤnger/ wenn das Chafol Tof und Thuf iſt;
laſt mich es ſchauen!


Antonia.

Hir hab ich es. Sehet welch eine treffliche Kette
mit Diamanten verſetzet.


Rabbi.

Ey Frau Antonia? welch ſchoͤn Ding iſt das? col
hefel hefalim!


Antonia.

Es iſt ein trefflich Stuͤck/ wie ihr ſelber ſehet/
nehmts in eure Haͤnde/ und beſeht ſie gar wol.


Rabbi.

Frau Antonia, wir ſind gute Freunde; ich habe
euch mehrmahls gedienet/ und thu es noch gern:
Hoffe auch/ ihr werdet mir erlauben/ daß ich ein
omer oder zwey mit euch reden moͤge. Wie viel
begehret ihr/ daß ich euch auff dieſe Chach leihe?


Antonia.

Dreyhundert Reichsthaler.


Rabbi.

Wolt ihr/ daß ich euch mit einem nifo ſage!


Anton.

Ey Rabbi Iſaſchar, machet die Sache nicht ſchwer!
die Kette iſt auffs wenigſte zwey tauſend Ducaten
werth.


Rabbi.

Frau Antonia! mit einem Wort ich wil euch auff
dieſe Kette ſchilen — — —


Anton.

Wie viel?


Rabb.

Fuͤnff Silbergroſchen! und iſt noch he ed ith.


Anton.

Was fuͤnff Silber Groſchen? ſeid ihr toll?


Rabbi.
[51]Schertz-Spiel.
Rabbi.

Mein/ Frau Antonia, ich bin chachan, aber die
Kette iſt von Meſſing/ und die Steinichen von
Glaß. Das ſag ich euch bey meinem Juͤdiſchen
Alah!


Antonia.

Wie kan es moͤglich ſeyn? es hat ſie noch vor
zwey Stunden der tapfferſte Cavalier an ſeinem
Halſe getragen!


Rabbi.

Traut meinen Worten/ und gebt die Kette dem
wider/ von dem ihr ſie empfangen habet. Die
Kette iſt von Meſſing. Der braveſte Cavalier?
O es iſt lo achet geſchehen! ihr ſind mehr/ die de-
rogleichen Ketten tragen!


Anton.

So iſt weder Treu noch Glauben in der Welt!


Rabbi.

Von wem habt ihr ſie geachazt?


Antonia.

von Capitain Daradiridatumtarides.


Rabbi.

Ho? es iſt der groͤſte maſchgeh, Beſcheiſſer und
Betruͤger in der Welt!


Antonia.

Ey Rabbi, bedencket euch! was ſaget ihr!


Rabbi.

Jch wolte es ihm in die Augen ſagen/ zu heteln,
falſche Siegel nachzumachen/ Handſchrifften zu-
verfaͤlſchen/ Brieffe zu erdichten/ iſt ſeines glei-
chen nicht! Er iſt mir achthundert Kronen ſchul-
dig/ und ſchier ſo viel neschech, und ſchweret alle
Tage/ daß ihn der Schet holen moͤchte. Aber ich
ſehe weder Zahaff noch Silber/ noch Zinſe. Das
beſte wird ſeyn/ daß ich ihn laſſe Thapſen/ und in
das Eſur ſtecken.


Antonia.

Es iſt unmoͤglich!


Rabbi.

Er iſt mit nicht allein ſchuldig; es iſt kein Kenaani,
kein Kramer/ kein Schneider/ kein Schuſter/ kein
Hutmacher/ der ihn nicht auff ſeinem megillha o-
der Buche habe.


Antonia.

Das ley GOtt in dem hohen Himmel geklagt!


Rabbi.

Gluͤck zu/ Frau Antonia, ich muß bacek und die-
ſes ſilberne aggan mit der Gießkanne einſchliſſen.
Schaut dieſes hat mir auch ein Cavalier, der den
Fuͤr-
[52]Horribilicribrifax
Fuͤrſten heute eingeladen/ zu Pfande gegeben/
gleich als ſich die Gaͤſte gewaſchen/ damit ich ihm
Keſeph zu Brodt liehe. Wenn ſie werden Taffel
gehalten haben/ hat er mir verſprochen das Saltz-
faß mit den Tellern und Schuͤſſeln dargegen zu-
ſchicken/ damit ich ihm das Becken wiederfolgen
laſſe/ daß ſie ſich nach der Mahlzeit wider Thaharn
koͤnnen.


Antonia.

O das Hertz moͤchte mir fuͤr Vngedult in tau-
ſend Stuͤcken brechen; O meine Tochter! meine
Tochter! in was Elend haſt du dich und mich durch
deine Vnbeſonnenheit geſtuͤrtzet!



Der vierdte Auffzug.


Bonoſus. Palladius. Cleander.

CLeander.

Jch bitte die Herren verſchonen meiner mit
derogleichen Wortgepraͤnge; Sintemal ich ſie
nach Wuͤrden vor dieſesmal nicht habe bewirthen
koͤnnen: Doch verhoffe ich mein guter Wille werde
die Taffel/ ſtat der Speiſen beſetzet haben.


Palladius.

Mein wertheſter Cleander, ich bleibe ihm e-
wig verbunden.


[Cleander]

Herr Mareſchall ich ſterbe der Seinige.


Bonoſus.

Mein Herr Cleander, ich bitte/ er wolle mir
befehlen/ er ſol mich bereitwilligſt finden/ ihm zu
dinen.


Cleander.

Mein Herr/ ich bin gantz der Seinige. Herr
Mareſchall/ er denck unſerm geheim Geſpraͤche et-
was nach. Fraͤulin Eudoxia iſt eines Liebhabers
von ſonderbaren Vortrefflikeiten wuͤrdig.


Bonoſ.

Dem Herren meine Dienſt!


Pallad.

Mein Herr/ ich bleibe der Seine.


Cle-
[53]Schertz-Spiel.
Cleand.

Jch erſterbe der Herren bereitwilligſt- und ver-
pflichteſter Diner.


Bonoſus. Palladius.

Bonoſus.

Jn warheit/ Herr Mareſchall/ die Speiſen wa-
ren uͤberaus koͤſtlich.


Palladius.

Der Stadthalter laͤſt an Magnificentz nichts
gebrechen/ und verleuret lieber ſechs Pfund Blut/
als eine ſcrupel reputation.


Bonoſ.

Aber/ was ſagen wir von Fraͤulin Eudoxia? Mein
Herr Marſchall/ er ſeufftzet! ſie iſt wol verwechſelt
mit Selenen, und gehet ihr an Stande/ Schoͤnheit
und Geſchlecht ein weites voran.


Pallad.

Herr Bonoſus ſchertzet nach ſeiner Art. Wir wol-
len zu anderer Zeit davon reden.


Bonoſ.

Er iſt getroffen/ man merckt es aus allen ſeinen
Geberden.


Pallad.

Sein Diener/ mein Herr!


Bonoſ.

Ein gluͤckſeliges Widerſehen/ mein Herr Mare-
ſchall.


Flaccilla. Cleander.

Flaccilla.

O wertheſtes Pfand der keuſcheſten Seelen/ wel-
ches die Ehre der Schoͤneſten zuretten auffgeſetzet
wird. O Haar das hoͤheren Ruhms wuͤrdig/ als
das jenige/ welches die unzuͤchtigen Liebhaber umb
die Arme winden! O Haar/ das zwar mit keinen
Perlen/ aber doch mit den Thraͤnen der Keuſche-
ſten gezieret. O Haar/ das keinem Golde der
Welt gleich zu ſchaͤtzen/ und doch geringer geach-
tet wird/ als Staub/ von denen/ die ihres groſſen
Reichthumbs ſich zu eigenem Verderb mißbrau-
chen.


Cleand.

Dionyſi, nim den Degen/ und folge mit den Pa-
gen. Diodor
vermelde dem Herren Mareſchall/
daß ich ſeiner nebenſt einer angenehmen Geſell-
Eſchafft
[54]Horribilicribrifax
ſchafft zu der Abend Collation in meinem Luſtgar-
ten gewaͤrtig.


Flaccilla.

Ach dort komt der Stadthalter! keiner iſt/ dem
ich meine Wahre lieber feil bieten wolte als ihm/
wenn mich nicht meine euſerſte Scham/ und ſein
groſſer Stand ihn anzureden/ verhinderte! Jch
weis doch wol/ daß er einem vortrefflichen Fraͤulin
auffwarte/ welcher dieſes ein angenehm Geſchen-
cke ſeyn wuͤrde! gehe ich? ſtehe ich? was thue
ich?


Cleander.

Allezeit Geſchaͤffte. Jrre ich/ oder bringet
dieſe Frau eine Bittſchrifft getragen?


Flaccilla.

Ach! Er hat mich erblickt!


Cleand.

Vnd ſcheuet ſich mich anzureden? Woher meine
Frau?


Flaccilla.

Ach gnaͤdiger Herr ‒ ‒ ‒ ‒


Cleand.

Redet unerſchrocken. Was traget ihr allhier
verborgen? Wo kommt ihr mit dieſen Haaren
her?


Flaccilla.

Ach genaͤdiger Herr/ ſie ſind zuverkauffen.
Jch bin in dieſer Meinung auff den Hoff kom-
men/ ſie iemand aus dem Frauenzimmer anzubie-
ten.


Cleander.

Trefflicher Handel! ich hoͤre in Oſt Jndien
nehme man den Weibern Wolle von den Koͤpffen/
und mache Schnupfftuͤcher draus. Was wird
man bey uns nicht zu letzte mit den Haaren an-
fangen! laſt ſchauen eure Kramerey. Diß iſt ein
ſchoͤnes Haar! wo der Baum ſo anmuthig als
die Blaͤtter/ wolten wir uns wol in deſſen Schat-
ten ergetzen.


Flaccilla.

Jhr Genaden koͤnnen ihrer Liebſten mit dieſem
Geſchencke nicht unangenehm ſeyn.


Cleand.

Wir wiſſen von keiner Liebe: und da wir unſere
Gewogenheit auf eine Perſon geleget haͤtten; wuͤr-
de uns ja keine Kahle beliebet haben.


Flac-
[55]Schertz-Spiel.
Flaccilla.

Die Vornehmſten unter dem Frauen-Zimmer
pflegen frembde Haare mit einzuflechten.


Cleander.

Die offt an dem Galgen abgefaulet/ oder von
den Frantzoſen außgefreſſen.


Flaccilla.

Jch verſichere eure Gnaden/ daß von dieſen
Haaren nichts derogleichen zuvermuthen.


Cleander.

Raͤudige Schaafe laſſen die Wolle gerne gehen:
und wenn der Fuchs kranck wird/ ſo ſtaͤubet ihm
der Balg.


Flacc.

Ach ‒‒‒ Ach!


Cleand.

Warumb erſeufftzet ihr ſo heftig? geſchichts viel-
leicht/ weil ich euch die Warheit ſage?


Flaccilla.

Ach Jhre Genaden irren in dieſem Stuͤck heff-
tig!


Cleander.

Warumb weinet ihr? Weſſen ſind dieſe
Haare?


Flaccilla.

Jch bitte demuͤtigſt/ Jhre Genaden wolle meineꝛ
veſchonen!


Cleander.

Durchaus ich wils wiſſen! Sind ſie vielleicht
einer Todten abgeſchnitten worden?


Flaccilla.

Ach Jhr Genaden/ die Perſon iſt bey Leben/
und wol die Keuſcheſte die in dieſer Stadt zu fin-
den.


Cleander.

Sind ſie irgends einer geiſtlichen Jungfrau?


Flaccilla.

Ach!


Cleander.

Saget ſonder Weinen heraus/ weſſen ſind
ſie?


Flaccilla.

Ach Jhr Genaden/ ſie ſind ———


Cleand.

Weſſen? Nun fort.


Flaccilla.

Ach! meiner einigen Tochter.


Cleand.

Alſo! Weil der Vogel nicht gelten will/ ſo ver-
kaufft ihr die Federn! betruͤbet euch nicht/ meine
Frau! mich duͤnckt/ ich ſolle euch irgends wo vor
dieſem geſehen haben. Wo wohnet ihr?


Flaccilla.

Ach!


Cleander.

Es muß etwas auff ſich haben/ daß ſie ſich nicht
E ijmeldet.
[56]Horribilicribrifax
meldet. Wie iſt euer Name?


Flaccilla.

Jch bin eurer Genaden Dienerin.


Cleander.

Jch frage nach dem Namen.


Flaccilla.

Ach eure Genaden/ ich heiſſe Flaccilla.


Cleand.

Vnd die Tochter?


Flaccilla.

Sophia.


Cleand.

Jſt nicht euer Ehemann Poſſidippus genennet
worden?


Flaccilla.

Ach ja!


Cleander.

Was treibet euch ſolchen Handel zu fuͤhren?


Flaccilla.

Die euſſerſte Noth/ mein Leben/ und der Toch-
ter Ehre zuretten.


Cleand.

Seid ihr deñ aller Mittel ſo gantz entbloͤſſet? wei-
net nicht! weinet nicht! was begehret ihr fuͤr die
Haare?


Flaccilla.

Es wird in Eurer Genaden Belieben geſtellet.


Cleand.

Servili,fuͤhre ſie in das Haus/ und laſſe ihr ein tu-
tzend Ducaten zuſtellen. Verlaſſet euch auff mich!
und wo euch was gebricht/ ſo ſprechet mich ſicher
an.


Cleander. Dionyſius.

Cleander.

Zuruͤck ihr Diener und Pagen! Dionyſi komm
hieher! kenneſt du dieſe Frau?


Dionyſius.

Sehr wol/ genaͤdiger Herr/ ſie iſt aus einem
der beruͤhmteſten Geſchlechter dieſes Landes.


Cleander.

Vnd ihre Tochter.


Dionyſ.

Die Schoͤneſte und aͤrmeſte/ die irgend anzutref-
fen: aber/ die zugleich den Ruhm der Keuſchheit
hinweg traͤgt.


Cleander.

Die Jungfern ſind alle Keuſch/ weil niemand
mit Geſchencken oder Fragen auffwartet.


Dionyſ.

Gnaͤdiger Herr/ ſie iſt ſo hoch und offt bewehret/
daß an ihrer Keuſchheit nicht zu zweiffeln. Es
hat nicht gemangelt an derogleichen Auffwartern/
die bey ihrem hoͤchſten Armuth ihr Goldes genung
gebo-
[57]Schertz-Spiel.
gebothen haben/ und dennoch nichts außgerich-
tet.


Cleander.

Hab ich ſie nicht irgend geſehen!


Dionyſius.

Sie haͤlt ſich trefflich eingezogen. Doch er-
innere ich mich/ daß ſie vor dreyen Tagen in der
Kirchen eurer Gnaden recht gegen uͤber geſeſſen.


Cleand.

Meineſt du dieſelbe in den weiſſen Haaren/ und
ſchwartzen Kleidern/ nach welcher ich bald hernach
fragen laſſen?


Dionyſ.

Eben dieſelbe.


Cleand.

Wol/ wir wollen ſie auch auff die Pruͤfe ſetzen;
Jch will dir Gelds genung reichen laſſen. Ver-
fuͤge dich noch heute zu ihr/ und verſuche/ ob ſie zu-
bewegen.


Dionyſ.

Gnaͤdiger Herr/ ich verſichere Eure Gnaden/ daß
man mich in das Haus nicht laſſen wird: oder/
wo mich ja/ als eurer Genaden Dianer/ eingelaſſen
werde/ und von dergleichen Sachen zureden an-
fange/ eines gewiſſen Schimpffs werde gewaͤrtig
ſeyn muͤſſen.


Cleand.

Thu was ich befohlen. Wofern ſie ſo feſt auff
ihrer Keuſchheit haͤlt/ ſo falle das Haus an/ nim
ſie mit Gewalt heraus/ und liefere ſie uns auff den
Hoff. Meine Diener ſind ſtarck genung dir bey-
zuſtehen.


Dionyſ.

Genaͤdiger Herr/ dieſes Stuͤck ſiehet etwas weit-
laͤufftig aus.


Cleand.

Thue was ich befehle; Du verſteheſt meine Ge-
danckẽ nicht. Berichte mich mit eheſten/ wie es ab-
gelauffẽ. Jn dem Luſtgaꝛtẽ weꝛde ich anzutreffẽ ſeyn


Dionyſ.

Mein Herr hat die Federn geſehen/ es ſcheinet
er wil den Papagoy ſelbſt haben. Doch ich bin
ein Diener! Es ſtehet zu ſeiner Verantwortung.


Cœleſtina. Camilla. Palladius.

Cœleſt.

Daß man zwiſchen ihm und Fraͤulin Eudoxia
E iijeine
[58]Horribilicribrifax
eine Heyrath ſchlieſſen wolle?


Camilla.

Diß hab ich glaubwuͤrdig vernommen.


Cœleſtina.

Camilla gehe zu meiner Naͤterin/ und ſage/
daß ſie mir meinen angedingeten Sterbe Kuͤttel
verfertige. Eudoxiæ hohes Geſchlecht und vor-
nehme Freundſchafft laͤſſet mich nu nichts mehr
hoffen.


Camilla.

Werthe Jungfrau/ es ſind mehr vortreffliche
Maͤnner verhanden als Palladius! man findet ja
ſeines gleichen noch! muͤſſen es denn lauter Mare-
ſchalle ſeyn?


Cœleſt.

Was ſageſt du von dem Mareſchall? ich liebe
nicht ſeinen Stand/ ſein Gut/ ſein Geſchlecht/ ſon-
dern nur ihn allein! ach/ daß er der aͤrmeſte auff
der gantzen Welt waͤre/ und ich die groͤſſeſte Prin-
ceſſin/ ſo koͤnt ich ja vielleicht Mittel finden ihn zu
meiner Liebe zu bewegen.


Camilla.

Jch glaube bey meiner Seelen Seeligkeit/ und
wolte darauff ſterben/ daß unter allen Jungfrauen
in dieſer Stadt nicht eine/ ja unter Eilff-Tau-
ſenden kaum eine zufinden/ die dieſer Ketzerey zu-
gethan.


Cœleſt.

Villeicht iſt in dieſer Stadt/ ja unter Eilfftauſen-
den/ nicht eine/ die verſtehe/ was rechte Liebe ſey.
Sie lieben Geld/ ſie lieben Stand/ ſie lieben Eh-
re/ und wenn ſie ſich in ihrem Sinn betrogen fin-
den ſo verkehret ſich die feurige Liebe in unaus-
loͤſchlichen Haß. Jch libe diß an Palladio, was
ihm keine Zeit/ keines Fuͤrſten Vngenade/ keine
Kranckheit/ kein Zufall nehmen kan/ nemlich ſeine
Tugend.


Camilla.

Jch haſſe diß in Palladio, was ihm keine Zeit/
kein Vnfall/ keine Widerwertigkeit nehmen
wird/ nemlich ſeine hartnaͤckigte Vndanckbar-
keit.


Cœleſt.
[59]Schertz-Spiel.
Cœleſt.

O er kompt ſelber! was hindert mich daß ich ihm
nicht entgegen gehe?


Camilla.

Laſt uns in der Thuͤren ſtehn! weine Jung-
frau wird dennoch Gelegenheit haben ihn anzu-
ſprechen.


Pallad.

Das iſt eine frembde Sache/ die mir der Stadt-
halter erzehlet von unſerm Capitain Daradirida-
tumtaride,
daß er ihm ſeine Braut mit einer ſo
trefflichen Guͤldenen Kette verbunden! andere moͤgẽ
hinfuͤro die Augen beſſer auffthun! doch ich ſchaͤ-
tze mich gluͤckſelig/ nachdem ich Eudoxien erblicket/
daß ich jener Bande ſo leicht erlediget worden. A-
ber/ was iſt dieſes/ ich dachte wol es wuͤrde an
Cœleſtines Geſichte nicht fehlen! Der Jungfrau-
en meine Dienſt.


Camilla.

mich verdreuſt dieſes Schauſpiel laͤnger anzuſe-
ſehen. Mich jammert der armſeligen Cœleſti-
nen!


Cœleſt.

Mein Herr/ ich dancke ihm von Hertzen fuͤr ſo
werthes Anerbieten/ und wuͤndſche zu der neuer-
langten Ehre von dem Allerhoͤchſten ihm ſtets
beſtaͤndiges Gluͤck und immerbluͤhendes Woler-
gehen!


Pallad.

Der Wundſch iſt mir uͤbermaſſen angenehm/
und waͤre noch angenehmer/ wenn er nicht mit
dieſem Seufftzen beſiegelt waͤre.


Cœleſt.

Jch wag wol ſeufftzen. Ja weinen moͤchte ich/
wenn ich bedencke/ welch einen werthen Frrund ich
verloren.


Pallad.

Die Jungfrau erzehle/ wen ſie verlohren/ daß ich
Gelegenheit nehmen koͤnne mein Mitleiden gegen
ſie zu erweiſen.


Cœleſt.

Mein Herr/ ich habe ihn ſelbſt verlohren! ſein
hoͤherer Stand hat mir ihn geraubet! auch iſt es
vergebens/ daß er mich ſeines Mittleidens verſi-
chert; weil ich es nie damals von ihm hoffen
E ivkoͤn-
[60]Horribilicribrifax
koͤnnen/ da er noch der vorige Palladius gewe-
ſen.


Pallad.

Mein Stand iſt mir umb keiner anderen Vrſachen
Willen angenehm/ als daß ich vermeine/ in und
durch denſelben meiner Werthen mehr und ange-
nehmere Dienſte zu leiſten.


Cœleſt.

Wolte GOtt/ ich koͤnte derſelben ſeiner Werthen
auffwarten!


Pallad.

Meine Jungfrau muͤſte ihr denn ſelbſt auffwar-
ten.


Camilla.

O falſche Wort! O verlarvetes Geſicht!


Pallad.

Was ſagt Jungfrau Camilla?


Camilla.

Nichts/ als daß ihre Genaden in dem Wahn/
daß ſie Fraͤulein Eudoxien vor ſich haben.


Pallad.

Warumb das? verdienet Jungfrau Eudoxia nicht
alle Ehrenpflicht?


Cœleſt.

Mein Herr/ ich muß es geſtehen/ daß ſie die hoͤch-
ſte verdiene: weil ſie dem Gefallen/ welchem
nichts als die Vollkommenheit ſelbſt gefallen kan.
Jch wuͤndſche nur/ daß ſelbige ihm ewig gefallen
moͤge!


Pallad.

Sie gefaͤllt mir nicht anders/ als alle Fraͤulin von
Tugend und Stande/ welchen ich ſchuldig bin mit
Darſetzung meines Lebens zudienen; und Jung-
frau Cœleſtina hat nicht anders von mir zuver-
muthen/ als eine auffrichtige Gewogenheit.


Cœleſt.

O kalte Worte! mein Herr Palladi! ich bitte/
er ſey auffs wenigſte eingedenck/ daß Cœleſtine ſich
gluͤckſelig ſchaͤtzen wuͤrde/ wenn mein Herr Gele-
genheit finden moͤchte/ ſich ihrer Guͤter und Mittel
zugebrauchen.


Pallad.

Habe ich nicht Vrſach mich uͤber Jungfrau Cœle-
ſtinen
znbeklagen/ die mir ihre Guͤtter anbeut/
und die Gunſt verſaget/ das iſt/ die Schalen an-
bietet/ und die Frucht vor ſich behaͤlt.


Cœleſt.

Man uͤberreichet die Frucht keinem/ dem ſie nicht
ange-
[61]Schertz-Spiel.
angenehm/ vornemlich/ wenn ſie fuͤr ſich ſelbſt
unwerth. Solte ſich aber Gelegeuheit finden/
ich welcher ich darthun koͤnte/ wie hoch Cœ-
leſtine Palladium
ehre/ wolte ich kein Bedencken
tragen/ dieſes mein weniges Leben vor das ſeine
auffzuſetzen.


Pallad.

O auffrichtigſtes Gemuͤth! Warumb laß ich mich
laͤnger meine eigene Fantaſien verleiten? Wolte
GOtt/ wertheſte Jungfrau/ mir were moͤglich ihr
mitgleicher Libe und Ehren-Neigungen zubegeg-
nen. Vnterdeſſen/ gebe ihr ich mich ſelbſt zu ei-
nem Pfande der von mir verſprochenen Dienſte/
und bitte ſie/ ſie geruhe zu glauben/ daß ſie die ei-
nige ſey/ welche durchaus und allein uͤber Palla-
dium
gebieten mag.


Cœleſtina weinet.

Camilla.

Mein Herr Palladi, wir haben die hohen Worte
des Hofes laͤngſt kennen lernen!


Pallad.

Der Hoff fuͤhre ſolche Worte/ wie er wolle! meine
Worte ſollen ewig feſte bleiben. Jch ſchlieſſe mit
dieſer Fauſt/ mit welcher ich die ihre umbfange/
die ich inbruͤnſtig kuͤſſe.


Cœleſt.

Mein Herr Palladi, was werde ich ihm fuͤr ſo
werthes Geſchenck uͤbergeben koͤnnen/ daß ihm an-
genehm?


Pallad.

Jch begehre nichts/ als ihre mir zuvor verſpro-
chene Gewogenheit!


Camilla.

Meine Jungfrau/ ich hoͤre Volck ankommen.


Cœleſt.

Jch bitte/ mein Herr Palladi, trete etwas mit
ab in mein Hauß/ in welchem er uͤber alle zuge-
bieten!


Seleniſſa. Antonia.

Antonia.

Jch bin das allerelendeſte Weib/ daß auff der
Erden lebet!


E vSele-
[62]Horribilicribrifax
Seleniſſa.

Der Auffſchneider! der Holuncke! Der Cujon!
der Berenheuter! der Landluͤgner! der Ehren-
Dieb! der Ertzberenhaͤuter! Jch elende verlaſ-
ſene Jungfrau! was fange ich an?


Antonia.

So gehts/ wenn man der Eltern guten Rathe
nicht folgen will.


Seleniſſa.

Jch will ihm ſeine falſche Kette umb den
Hals werffen/ und den Buben darmit erwuͤr-
gen.


Antonia.

Jhr werdet beyde zu Landlaͤuffern werden/ und
ich vor Wehmut ſterben muͤſſen.


Seleniſſa.

Ey Frau Mutter! es iſt noch Rath/ Palladius
liebet mich von gantzer Seelen. Er wird kein
Mittel unterlaſſen mich von dem Betrieger loß zu
machen: Bonoſus iſt auch der meine/ nehmet
nur die Muͤhe auff euch/ und redet ihn an/ ich
wil Gelegenheit ſuchen Palladium zu finden.
Es ſind ja Mittel vor alles Vbel/ auſſer dem
Tode.


Antonia.

Sol ich gehen/ und ſoll unſre eigne Schande an
die groſſe Glocke ſchreiben? Die du vorhin ſo lie-
derlich verachtet haſt/ werden nunmehr viel nach
dir fragen.


Seleniſſa.

Frau Mutter/ man muß das enſerſte verſuchen!
Jch wil mich lieber lebend begraben laſſen/ als mit
dieſem leichtfertigen Menſchen vermaͤhlen. O ſe-
het! ſehet! das Gluͤck ſelber ſpielet mit uns. Her-
ren Palladii kleiner Page kommet dort hervor/
durch dieſen kan ich ihm auffs beqvaͤmſte meine
Meynung wiſſen laſſen.


Florianus. Antonia. Seleniſſa.

Florian.
hat beyde Haͤnde voll Zuckerwerck/ und
taumelt von einer Seiten zu der andern:

A ſa! ſa! ſa! Jch bin ſticke wicke voll! daß iſt ein
froͤ-
[63]Schertz-Spiel.
froͤlicher Tag/ ich wolte/ daß diß Leben hundert
Jahr waͤren/ und dieſes der erſte Tag ſeyn ſolte!
Der Herr Mareſchall wird Morgen ein trefflich
Pancket halten. Deswegen hat er mich nach hau-
ſe geſchicht/ daß ich es beſtellen ſoll/ wie ich aber
die Thuͤre heraus gehen wolte/ begegnete mir
Jungfer Roſinichen/ die ließ confect herauf tra-
gen. Jch kuͤſſete ſie einmal/ und ſie fuͤllete mir
allebeyde Hoſen Saͤcke voll Zucker Naͤſcherey.


Seleniſſa.

Was ſaget er von dem Mareſchall? Er wird
ja nicht von dem Palladio abgeſchafft worden
ſeyn?


Florian.

Sehet aber/ was trug ſich ferner zu; es blieb bey
dieſem Gluͤcke nicht/ Jungfrau Camilla ruffte mir
zuruͤck/ und fragte ob ich nicht Durſt haͤtte/ und
reichte mir eine groſſe ſilberne Kaune von rotem
ſuͤſſen Weine/ die ſchier ſo groß war/ als ich ſelbſt.
Jch erbarmete mich daruͤber/ und tranck aus allen
meinen Kraͤfften/ biß nicht ein Tropffen mehr da-
rinnen uͤbrig. Hernach lieff ich fort/ und ſah’
daß Jungfer Cœleſtina an ſtatt einer Thuͤr zwey
gebauet hatte! nu das gehet auff Hauſe zu.


Seleniſſa.

Florentin, ſteh ſtille.


Florian.

Ho la! wer ruffet mir?


Seleniſſa.

Kenneſt du mich nicht mehr Florian?


Florian.

O Jungfrau Seleniſſa, habt ihr doch zwey Haͤup-
ter und vier Angen bekommen! O ſehet doch/ wie
viel Sonnen! eine zwey/ drey/ viere/ fuͤnffe.


Seleniſſa.

Hoͤre doch Florian, was ich dir ſagen will?


Florian.

Guten Morgen! guten Morgen/ Frau Anto-
nia!


Antonia.

Es iſt ja nicht Morgen/ iſt es doch ſchon uͤber
Mittag.


Florian.

Jungfrau Seleniſſa, wolt ihr ein paar uͤberzogne
Mandelkernen haben/ oder ein Stuͤcke Marzi-
pan/
[64]Horribilicribrifax
pan/ die Lippen werden euch ſo ſuͤſſe darnach wer-
den.


Seleniſſa.

Wo haſt du ſo viel confect bekommen?


Florian.

Wo! bey Jungfrau Cœleſtinen iſt die gantze
Taffel voll geſetzet. Wir werden Hochzeit machen:
Der Herr Marſchall und Jungfrau Cœleſtina,
und ich und Jungfrau Rofinichen.


Seleniſſa.

Dienſt du nicht mehr Herren Palladio?


Florian.

Warumb ſolte ich nicht meht bey ihm dienen/
ſonderlich nun es ſo ſtattlich bey uns hergehet/
morgen wird er uns allen neue Hoſen und Maͤn-
tel geben von gelbem Sammet mit gruͤnen guͤl-
denen Poſementen.


Antonia.

Was machſt du denn bey dem Mareſchall?


Florian.

Jhr ſeyd truncken/ Frau Seleniſſa, und auch ihr
Jungfer Antonia! wenn ich bey Herrn Palladio
bin/ ſo bin ich ja bey dem Mareſchall; wiſſet ihr
nicht/ daß mein Herr iſt Marſchall worden?


Antonia.

O daß erbarme GOtt in Ewigkeit! Tochter/
Tochter/ wir ſind verloren.


Seleniſſa.

Frau Mutter/ es iſt noch nichts nicht verloh-
ren:


Florian.

Jungfrau Seleniſſa! Auff meines Herren Hoch-
zeit wollen wir mit einander tantzen!


Seleniſſa.

Ja wenn dein Herr wird mit mir Hochzeit ha-
ben.


Florian.

Nein/ nein! er wird mit Jungfrau Cœleſtina
Hochzeit haben.


Antonia.

Jch rauffe mir die Haare aus dem Kopffe.


Seleniſſa.

Wer hat das geſaget?


Florian.

Jch habe es geſaget/ mein Herr hat es geſaget/
und Jungfer Cœleſtine hat es geſaget. Ach!
er hat Jungfrau Cœleſtinen eine Schnur Perlin
gegeben ſechs Rutten lang/ jedwede Perle war ſo
groß/ als mein Kopff/ und einen groſſen guͤldnen
Ring mit einem glaͤntzernden Steinlein/ nicht
einen
[65]Schertz-Spiel.
einen ſolchen Rinck/ wie ihr mir neulich verehret;
Nein/ er war mehr als zwoͤlff Silber Groſchen
werth.


Seleniſſa.

Was hat ihm Jungfrau Cœleſtina gegeben?


Florian.

Sie kuͤſſet ihn/ daß es eine Luſt zu ſehen war/ gab
ihm einen Hauffen Roſinen/ Feigen/ uͤberzogne
Mandelkernen/ uͤberzogne Zienement/ ſie ließ die
Muſicanten holen/ und ſtackte ihm an den kleinen
Finger ein ſo glaͤntzend Steinlin/ mit einem Rin-
ge/ daß ich mich druͤber verwundern muſte. Jch


(dieſe
Worte
ſinget eꝛ

muß heimgehen/ heimgehen/ laſſet mich
heimgehen/ daß ich bald wiederkommen kan;
Jch hoͤre ſo gerne ſinge Chriſtoffen zu/ der hat ein
krummes Eiſen von Meſſing/ das ſtecket er in den
Hals/ und zeucht es immer auff und nider/ biß ſei-
ne Gedaͤrme zuſchnurren beginnen.


Seleniſſa.

Wilſt du nicht deinem Herren ein kleines Brief-
lein bringen/ welches ihm ein guter Freund ge-
ſchicket.


Florian.

Gar gerne. Gebet mir den Brieff her.


Seleniſſa.

Lauff nach Hauſe; Wenn du wirſt voruͤber
gehen/ ſo klopffe hir an: ich will den Brieff ſu-
chen.


Florian.

Guten Tag denn/ Jungfrau Antonia, guten Mor-
gen/ Frau Seleniſſa!


Antonia.

O Tochter! Tochter! welch ein Gluͤcke haſt du
muttwillig verſchertzet!


Cyrilla. Daradiridatumdarides.
Sempronius.

Cyrilla.

Qvibus, qvabus! ſanctus Haccabus. Sur-
gite mortis; fenitur ſic judis.
Ach Juſuph du
lieber Mann/ biß mein Compan. Pater niſters
gratibis plenis.


Daradi.

Vnſre Erden eindruͤckende Schenckel/ les perte-
corps
[66]Horribilicribrifax
corps de moy meſme, werden nunmehr den
betlichen Himmel meiner irrdiſchen Juno, nieder-
treten ſollen. Weil wir aber es an nothwendi-
gen Speſen nicht muͤſſen ermangeln laſſen; wol-
len wir unterdeſſen dieſen Rinck zu Pfande ſetzen/
biß wir Gelegenheit haben ſelbigen wider an uns
zubringen. Mein Diego hat die alte Cyrille, la
diableſſe des femmes,
hie her beſtellet/ die wollen
wir nun erwarten/ denn wenn ſie zu uns in das
Hauß kommen ſolte/ wuͤrde es nur Argwohn ver-
urſachen.


Cyrilla.

Der Kackelthen Drumtraiis hat mich auff dieſen
Ort erbitten laſſen/ er wird vielleicht weil er
Hochzeit machet/ meiner Huͤlffe von noͤthen ha-
ben!


Daradiri.

Dort kommet ſie hergeſchlichen.


Cyrilla.

Da kommet er gegangen/ Coſper, Baltzer, Mel-
cher
zart/ Herodis hatte einen langen Bart/ ſie
liegen zu Koͤllen am Rheine.


Darad.

Bonjour, Bonjour, Madame, Cyrille.


Cyrilla.

Was ſaget ihr/ o Hure/ o Hure Mame Zyrille!
och Herr! och Herr GOtt! heiſſen mich doch nun
alle Leute eine Hure/ ſie thun mir groß Vnrecht!
ich halte Caͤtherle hat irgend was geſaget.


Darad.

Je vous recontre heureſement.


Cyrilla.

Seyd ihr contra Band.


Darad.

Qvoy!


Cyrilla.

Hoy! hoy!


Darad.

Comment vous eſtes vous portè.


Cyrilla.

Schreyet ihr uͤber mich Mord und Weh! O
mein Lebenlang habe ich kein Kind umbgebracht!


Darad.

Qvel Diable.


Cyrilla.

Daß ich ſie ſabele.


Darad.

Jhr verſtehet den Teuffel.


Cyrilla.

Ach Herr/ Jch verſtehe mich nicht mit dem Teuf-
fel. Ach! in principipis

(ſie macht ein Creutze)

ero
[67]Schertz-Spiel.

ero verbibus, was erlebet man auff ſeine alte Tage
nicht?


Darad.

Jhr verſtehet mich nicht recht/ Frau Cyrilla. Jch
hab anders mit euch zu reden/ Entendez uous.


Cyrilla.

Tand zu der Kuh. Herr eine gute melcke Kuh iſt
kein Tand.


Darad.

Ey mit den Narrenpoſſen/ E cutez ecutez, Frau
Cyrilla.


Cyrilla.

Ja Herr/ ich bin heut in den Kott gefallen/ die
ſchelmiſchen Jungen die Brodſchuͤler haben mich
hinein geſtoſſen.


Darad.

Jch darff noͤthig Geld.


Cyrilla.

Das ſagt die gantze Welt.


Darad.

Koͤnnet ihr mir nicht auff dieſen Ring etwas zuwe-
ge bringen? Doch ihr muͤſtet ihn in einen Ort
tragen/ daß er nicht erkennet wird.


Cyrilla.

Das will ich gar gerne thun. Aber Herr Muſce-
tariis,
wenn wolt ihr das Geld haben?


Daradir.

Noch heute vor Abends/ ſi cela eſt dedans læ
ſphere d’activite de voſtre cognoiſſance.


Cyrilla.

Es iſt ein ſchweres gehacke/ rothe Eyer in die
Mohnſantzen. Doch will ich ſehen/ was ich kan
zuwege bringen.


Darad.

Kommet fein zeitlich wider/ und laſſet mich durch
Don Diego wiſſen/ was ihr verrichtet. Adieu.


Cyrilla.

Nu ber liebe GOtt bewahre euch. Das ſagen
die ſieben Siegel/ das alle Fiſche werden bruͤllen/
die Engel werden weinen/ und werffen ſich mit
Steinen/ die Wege werden ſchwimmen/ die Waſ-
ſer werden glimmen/ die Graͤßlein werden zannen/
und alle hoche Tannen. Da kommet her Fecc-
phoniis,
dem werde ich den Ring geben/ und wer-
de ſprechen/ daß ihm Jungfrau Cœleſtina dieſes
Liebes Pfand geſchicket. Die Perlen will ich vor
mein Kaͤtterlin behalten/ und den Kackelthen wil
ich anderwerts wo ich kan/ forthelffen.


Sempr.
[68]Horribilicribrifax
Sempron.

Ut nox longa qvibus mentitur amíca diesqve.
Horatius in Satyr. Tot ſunt in amore dolores.
Virgilius in Ecclog.
Wo mag ſich Cyrille ſo lange
auffhalten/ ſuſpicatur animus neſcio qvid mali,
videone illam?
ſie iſt es ſelbſt.


Cyrilla.

Jm Himmel/ im Himmel/ ſind Freuden ſo viel/
do dantzen die Engelchen und haben ihr Spiel.


Sempron.

Expectata venis!


Cyrilla.

Fragt ihr/ ob Speck zu wehn iſt? O ich bin mein
Lebenlang nicht dorte geweſen.


Sempron.

Διὰ τὶ ομ το βραδέως ἥκεις;


Cyrilla.

Nein/ der Tod hat mich nicht gekuͤſſet.


Sempron.

Non aſſeqveris divinas ratiocinationes meas,
nec ſatis aptè reſpondes adqvæſita.


Cyrilla.

O Herr/ ihr redet gar zu geſchwinde. Jch weis
nicht/ ob es Boͤhmiſch oder Polniſch ſey.


Sempr.

Loqvar ergo tardius.


Cyrilla.

Woher irgend ein Marder iſt?


Sempr.

Antwortet purè.


Cyrilla.

Beym heilgen Creutze/ ich leid es in die Laͤnge
nicht! Laſt mich mit der Hure ungeſtichelt/ bin ich
eine/ ſo bin ichs vor mich! Was iſt euch daran ge-
legen? mir geſchicht unrecht! ich bin ſo reine/ als
ich von Mutterleibe geboren worden bin [!] alle Leu-
te heiſſen mich heute eine Hure. Ketterle/ Ket-
terle muß geſchwatzet haben.


Sempr.

Buͤldet euch doch nicht dergleichen Gedancken ein/
abſit injuria!


Cyrilla.

Nun ſehet/ ihr heiſſet mich eine Pfaffenhure/ und
ich ſoll immer ſchweigen.


Sempron.

Ey nein doch/ Jch rede Ciceroniane/ und ihr
verſtehet es nicht.


Cyrilla.

Jch verſtehe genung/ daß ihr mich ſtichelt/ und
außholippert.


Sempr.

Jch frage/ qvid reſpondet Cœleſtina?


Cyrilla.

Ja/ ja/ ſie iſt verwundet Cœleſtina, ſie laͤſ-
ſet
[69]Schertz-Spiel.
ſet euch einen [freundlichen] guten Tag vermelden.


Sempron.

Evax!


Cyrilla.

Nein Herr/ es iſt nicht Kickskacks. Sie nahm
die Perlen/ und hteng ſie an ihren Hals. Ach ſie
thaͤt ſo freundlich das liebe Kind!


Sempron.

Deus ſum!


Cyrilla.

Sie gab ſie nicht Mattheſen umb: ſie behilt ſie
ſelber.


Sempron.

Qvid me beatius?


Cyrilla.

Sie ſagte nichts von Pilatzius!


Sempr.

Aber/ num qvid addidit?


Cyrilla.

Ob ſie Vieh huͤtt?


Sempr.

Thut ſie mir ſonſt kein præſent?


Cyrilla.

Ja Herr/ ſie kuͤſſet euch die Haͤnd/ und ſchicket euch
dieſen Rinck; Sie laͤſſet euch darneben einen guten
Abend ſagen/ und andeuten/ daß ihr auff den A-
bend umb neune ſie beſuchen ſollet in dem hinter
Garten.


Sempron.

ϒμὴν ὦ ὑμέναι, ώ ὑμήν.


Cyrill.

Simen wird nicht auff die Zeit zu hauſe ſeyn.


Sempron.

Jch werde raſend præ lætitia atqve gaudio.


Cyrilla.
macht ein Creutz!

Je behuͤte GOtt/ Herr
Ficfonys! ich hab es lange gedacht/ daß er nicht
muß klug ſeyn/ weil er ſo ſeltzame Worte im Reden
gebraucht.


Sempron.

Jch bin nicht unſinnig/ ſondern es iſt eine Art
alſo zu reden bey den Lateinern.


Cyrilla.

Nu wollet ihr denn auff den Abend kommen?


Sempr.

Ασμένως ποιἡσ ω.


Cyrilla.

Nicht zn Herr Asman, ſondern zu Jungfer Cœ-
leſtinen.


Sempron.

Sic, ſic, ſic, ſic, ſic, ſic, ſic, ſic, ſic, ſic.


Cyrilla.

Je Herr iſt doch keine Zige dar!


Sempron.

Jch will ſchon da ſeyn mellea.


Cyrilla.

Herr ſie wird euch keine Merlin geben.


FSemp[r][.]
[70]Horribilicribrifax
Sempr.

Vnterdeſſen will ich gehen/ und auff dieſen Rinck
hoc amoris pignus, hanc fidei arrham, dreiſſig
tauſend Epigrammata, ſiebenhundert Sonneten/
Septenarius eſt numerus myſticus, und hundert
Oden machen.


Cyrilla.

Jch will auff den Abend mich in den Garten ver-
ſtecken/ daß Herr Sephonius glaubt/ Jch ſey Cœ-
leſtine,
und kriegt er mich einmal/ ſo muß er mich
behalten ſein Lebenlang.


Sophia. Flaccilla. Dionyſius.

Palladii Geſinde mit bloſſen Degen umb ihn her.
Dionyſius hat die Jungfrau auff den Arm.
Flaccilla laufft hinter ihnen her.

Sophia.

Gewalt/ Gewalt! O rettet! rettet! kom-
met mir zu Huͤlffe/ die ihr Ehre und Keuſch heit
achtet.


Flaccilla.

Kommt mir zu Huͤlffe/ rettet! rettet!


Dionyſ.

Fort ihr Bruͤder/ fort! fort! gebet Feuer wo te-
mand kommet.


Sophia.

O Himmel/ iſt denn keine Huͤlffe mehr verhan-
den!


Horribilicribrifax. Harpax.

Horrib.

Jch hoͤre Gewalt ruffen! ſind die Piſtolen rich-
tig?


Harpax.

Recht wol/ geſtrenger Herr!


Horrib.

Solte einer ſich unterſtehen eine Gewalt dar zu-
veruͤben/ wo der groſſe Horribilicribrifax (Eſſend’
io perſona d’ altiſſimo affare)
zugegen/ da muͤſte
der Himmel druͤber brechen/ und die Erden in lau-
ter Staub verkehret werden. Kommet/ wir
wollen folgen. Qveſta e di coſa decente al eſſer
mio.


Harpax.

Jch folge. Wo Noth verhanden/ wird mein Herr
gewis
[71]Schertz-Spiel.
gewiß der fertigſte zu dem Lauff ſeyn/ und ich der
nechſte hinter ihm!



Der fuͤnffte Auffzug.


Florianus. Seleniſſa. Antonia.

ANtonia.

Bey Bonoſo iſt nichts mehr/ wie du ſieheſt/
zu ſuchen/ er verachtet/ und nicht ſonder Vrſach/
diſe/ die vorhin ſeiner nicht geachtet.


Seleniſſa.

Es iſt daran nichts gelegen/ wenn Palladius
noch unſer iſt.


Anton.

Jch fuͤrchte/ wir werden bey Palladio ankom-
men/ wie wir verdienet! ich ſehe nichts/ als un-
ſer hoͤchſtes Vngluͤck in beſter Vollkommenheit.


Seleniſſa.

Auffs wenigſte hoffe ich Antwort auff mein
Schreiben zu erhalten. Mich duͤnckt/ ich ſehe den
kleinen Florian daher gelauffen kommen.


Florian
ſingend:

Luſtig ihr Bruͤder: auff laſſet uns leben!
Lesbia meine Freud’ hat ſich ergeben!
Wer mich wil neiden/ der muͤſſe zuſpringen!
Luſtig ihr Bruͤder/ es wil mir gelingen!
Ho la!

er jauchtzet etliche mal nacheinander/ nach-
mals faͤhret er fort:

Guten Morgen/ guten
Morgen/ Jungfrau Seleniſſa.


Seleniſſa.

Es iſt numehr Abend/ nicht morgen.


Florian.

Vmb welche Zeit des Abends wird es Abend.


Anton.

Wenn die Sonne wil untergehen.


Florian.

O warumb geht die Sonne nicht alle Abend drey-
mal unter/ ſo gienge ich mit meinem Herren jed-
wedern Abend dreymal zu Gaſte.


Seleniſſa.

Was machſt du mit der Fackel?


F ijFlor-
[72]Horribilicribrifax
Florian.

Jch will ſehen/ ob gut Wetter iſt/ Jungfrau Sele-
niſſa,
umb welche Zeit des Abends ſchlaͤgt es
ſechſe.


Anton.

Wenn es vier Viertel nach fuͤnffen geſchlagen
hat.


Seleniſſa.

Bringeſt du mir keinen Brieff/ mein Kind?


Florian.

Bin ich euer Kind? ſo ſeyd ihr meine Mutter:
warumb habt ihr mich den keinmal gekuͤſſet?


Seleniſſa.

Wo du mir einen guten Brieff bringſt/ ſo will
ich dich zweymahl kuͤſſen!


Florian.

O ich habe einen ſchoͤnen Brieff mit rothem Lack
zugeſiegelt. Jn meines Herren Schreibekam-
mer ligen etliche tauſend Brieffe; wo Jhr
mich fuͤr jedweden kuͤſſen wollet/ wil ich euch mor-
gen beyde Hoſen Saͤcke und mein Hembde voll
bringen/ aber fuͤr die groſſen/ an welchen die Schoͤ-
nen Siegel hangen/ muͤſſet ihr mich viermal kuͤſ-
ſen.


Seleniſſa.

Haſt du denn letzunder keinen Brieff bey dir?


Florian.

Ja/ ja/ mein Herr hat mir einen gegeben.


Seleniſſa.

Laß mich den Brieff ſehen!


Florian.

Jhr muͤſſet mir zuvor Tranckgeld geben.


Selen.

Du ſolt auff meiner Hochzeit mit mir tantzen.


Florian.

Nein/ ich tantze nur mit meiner Roſinen! dis iſt
der Brieff.


Anton.

Es iſt ſeine eigne Hand.


Florian.

Guten tag/ guten Tag! ich muß fort! Morgen
umb zwey zu Mittage/ wenn Mitternacht iſt/
wil ich widerkommen/ und mehr Brieffe mitbrin-
gen.


Antonia.

Laß ſchauen/ was hat er geſchrieben.


Seleniſſa.

O ich bin des Todes!


Florian.

Luſtig ihr Himmel/ ich habe gewonnen
Sie/ die Durchlauchtigſte unter der Sonnen:
Luſtig ihr Sternen/ ich werde ſie haben:
Welche die Goͤtter und Geiſter begaben.


Gehet ſingend hinein.

Sele-
[73]Schertz-Spiel.
Seleniſſe
lieſet den Brieff:

Wehlende und unbeſonne-
ne Jungfrau/ die Zeit iſt nunmehr aus/ in wel-
cher ich meiner Vernunfft beraubet/ euch einig zu
Gebotte geſtanden. Jzt erkenne ich meine Thor-
heit/ und ſchertze mit eurer Vnbedachtſamkeit. Die
allerkeuſcheſte und vollkomneſte Seele Cœleſtina
haͤlt mich auff Ewig gebunden/ und wuͤndſchet euch
Gluͤck zu eurer Hochzeit mit dem elenden Auff-
ſchneider/ welchẽ ihr euch allein zu ſtetem Schimpf-
fe/ wackern Gemuͤttern vorgezogen. Gehabt
euch wol mit ihm/ und bleibet von mir/ weil ihr
meines Gruſſes nicht beduͤrffend/ ewig geſeg-
net!


Selen faͤlt nieder/ und wird ohnmaͤchtig.

Antonia.

Dieſes Vngluͤck hab ich vor langer Zeit als ge-
genwertig geſehen. Selene. Selene.


Sie ziehet die Tochter hinein.

Daradiridatumdarides. Don Diego.

Darad.

O rage! o deſe Spoir! Daß muͤſſen ſiebzehn hun-
dert tauſend Frantzoſen walten/ daß meine Braut
ſo arm/ und ich nichts als lauter Betteley bey ihr
zugewarten: daß waͤre ein Freſſen fuͤr Capitain
Daradiridatumdarides.


Don Diego.

Was ich ſage/ hab ich aus glaubwuͤrdigem
Bericht.


Darad.

Da hat pour dire le vraii, ein Teuffel den andern
beſchiſſen/ wer wil ſie nun beyde wiſchen? Ha fu-
neſte object!
bey der Seele des Großvaters von
Machomet, die Ertzbeſttẽ ziehẽ auf! als lauteꝛ Pꝛin-
zeſſen! es bleibet bey Tauſenden nicht! man kom̃t auf
hundert tauſend. Wenn man es aber bey dem
Lichte beſihet/ und man mit einander verkoppelt/
ſo ſind es ohngefehr zwey Papire/ die Le Grand
Diable des Juriſtes
ſelber nicht zu Gelde machen
F iijkoͤn-
[74]Horribilicribrifax
nen; und kaum ſo viel kahle marckbahres Geldes/
daß man Arſchwiſche darvon auffs Scheishaus/
und Schwefel-Lichter in die Kuͤchen kauffen kan.
Doch/ point de brouit, ſie hat noch etwas von
goͤldnen Ketten und Perlen/ daß muß hebræiſch
lernen/ dir in Vertrauen entdecket/ Fendrons le
vent
Morgen weil ſie noch ſchlaͤfft! was nicht mit-
gehen wil/ das nehmen wir/ und ſehen/ ob unſere
Klepper noch das Thor finden koͤnnen. Wir muͤſ-
ſen anderswo unſer Gluͤck ſuchen! faiſons, ſelon le
lieu, \& le temps.


Seleniſſa. Antonia. Daradiri-
datumtarides.

Seleniſſa.

Mit dem Klepper zu dem Thore hinaus? da ſoll
dir der Teuffel ehe den Halsbrechen/ ehe es dazu
kommet. Jch will ihn anreden.


Daradir.

Voila, dort kommt meine Reiche.


Seleniſſa.

Finde ich meinen Braͤutigam ſo hier allein!


Daradir.

Nenni, ſondern vergeſellet mit ſeinem unuͤber-
windlichen Gedancken/ avec un ceur d’ un Mars.
Was machet meine Werthe hier vor der Thuͤren?


Seleniſſa.

Sie muß ſehr unwerth ſeyn/ weil ihr Geſchencke
ſo gering geachtet/ daß es nicht an ſeinem Finger
mehr Platz haben kan.


Daradir.

Mort de ma vie, es gilt hir eins umbs ander!
weil ſie unſre Kette nicht wuͤrdiget an ihren
Hals zuheucken/ ſtehet uns auch der Rinck nicht
an.


Seleniſſa.

Wir ſind niemals gewohnet/ Ketten von Meſ-
ſing zutragen.


Daradir.

Cocqvette arrogante! Habt ihr doch keine beſſre
zubezahlen. Jch wil lieber Meſſing das mein ei-
gen iſt als geliehen Gold! oder habt ihr mich we-
gen des Geldes genommen? Jch halte dieſe Ket-
ten
[75]Schertz-Spiel.
ten hoͤher als aller naͤrriſcher Jungfern Tocken-
Kram! hab ich ſie euch fuͤr golden gegeben? Jch
habe ſie dem Koͤnige in China, als ich fuͤr dreyen
Jahren mit den Tartern eingefallen/ und ihr Ge-
neral
geweſen/ mit meinen eignen Haͤnden von
dem Halſe geriſſen. Vnd daſelbſt ſchaͤtzet man
Meſſing weit uͤber Gold.


Seleniſſa.

Ander Land/ andre Sitten! wenn ich ihm zu
arm/ haͤtte er eine moͤgen in China heyrathen/ die
etliche Koͤnigreiche beſeſſen haͤtte.


Daradir.

Ceſt aſſetz. Je cherche vous. Andere kan
ich ieden Augenblick haben. Als wenn mir nicht
die Koͤnigin von Monopotapa noch geſtern durch
einen eignen Curir ihr Koͤnigreich haͤtte anbieten
laſſen/ mit dem Bedinge/ daß ich ſie heyrathen
ſolle!


Anton.

Er heyrathe ſie denn nach ſeinen Willen/ und laſſe
mich und mein Kind unbetrogen.


Darad.

Was? wolt ihr mir die Heyrath auffkuͤndigen?
Outrage pour l’ outrage! da ſoll euch der Don-
nerknall von Carthaunen darfuͤr erſchlagen! euch
zu Trotz muͤſt ihr mich haben/ Jhr ſollet mich ha-
ben/ und wenn ich euch gleich nicht haben wolte/ ſo
will ich dennoch euch anietzo behalten; damit ihr
ſehet/ daß es nicht in eurer/ ſondern in meiner
Macht ſtehe mit euch zuhandeln/ zu thun und zu
laſſen/ zu ſchelten und zu walten. Jch mag euch
verſchencken/ verkauffen/ verſtechen/ verjagen/
verſchicken/ verwechſeln/ verbeuten! ihr ſeyd mein
avec tous ces deffauts, nicht anders als leibeigen;
darnach habts euch zurichten! denn das iſt unſer
endlicher/ ernſter/ und ungnaͤdigſter Wille.


Er gehet darvon.

Seleniſſa.

Jch will mein Leben daran ſetzen/ und nicht ru-
hen/ biß ich ſeiner loß worden/ oder ihn von dem
Platze gebracht. Jch will den Capiten Horri-
F ivbili-
[76]Horribilicribrifax
bilicribrifax auff ein par Worte zu mir bitten laſ-
ſen. Der wird mir ſchon zu dieſem Stuͤck befoͤr-
derlich ſeyn.


Cœleſtina. Palladius.
Camilla.

Cœleſt.

Nunmehr befinde ich mich in dem Beſitz hoͤchſter
Gluͤckſeligkeit/ nun ich ſeiner Treuen gegen Liebe
verſichert.


Pallad.

Welche in und umb uns breunen und wuͤrcken ſoll/
biß unſre Leiber in Aſchen verkehret.


Cœleſt.

Auch unter der Aſchen der erblichenen Leichen ſol
ſie noch glimmen/ und unſre auffgerichtete Grab-
zeichen ſollen nichts anders ſeyn als denckmahle/
der ſchlaffenden Liebe/ biß wir auff den Tag der
groſſen vereinigung in Vollkommenheit der Lie-
be auffs neue ewig miteinander vermaͤhlet wer-
den.


Pallad.

Es iſt numehr Zeit den Heeren Stadthalter zuer-
ſuchen. Wo ſind die Diener?


Cœleſt.

Camilla komm und folge.


Cyrilla mit ſchoͤnen Kleidern angezogen/
und auffgeflochtenen Haaren.

Cyrilla.

Verwundert euch nicht/ daß ich ſo ſchoͤne bin! die
Kleider hab ich bey einer Juͤdin geborget/ umb
Herren Vixephonigis eine Naſe zu machen. Jung-
fer Cœleſtina iſt nicht daheime/ das weis ich wol.
Deswegen kan ich mich deſto beſſer in ihrem Luſt-
Garten verſtecken. Wo ich ihn dieſen Abend recht
betriege/ muß er mich ſein Lebenlang/ behalten!
Da komt der Monden. Sey mir gnaͤdig du neu-
neues Licht/ fuͤr das Fieber und auch die Gicht.
u.d.g.


Se-
[77]Schertz-Spiel.
Seleniſſa. Horribilicribrifax.
Harpax.

Horrib.

Sie zweifelt nicht/ er iſt todt! es iſt unmoͤglich/
daß er leben kan/ wenn ſie ſich meines Degens/
mit welchen io rompe eſſerciti, e fracaſſo armate,
metto Spavento al Cielo, al mare \& al inferno,

darzu gebrauchen woltet. Ja miꝛ einem Anblick
kan ich ihn von der Erden heben. Solte mich ei-
ne Jungfrau umb etwas auſprechen/ das ich ihr
verſagen koͤnte!


Seleniſſa.

Er muß entweder tod ſeyn/ oder ich muß bey
ihm nicht leben/ und ſolte ich gleich des andern
Tages den Kopff laſſen! lieber einmal muthig und
hurtig geſtorben/ als ſein Lebenlang in Jammer
und Elend geſtecket.


Horrib.

Veramente penſiero nobiliſſimo. Vnd warumb
Verzogen? Die Jungfrau glaube ſicher/ das
Werck iſt ſonder alle Gefahr.


Seleniſſa.

Wenn ihn nur niemand meldet.


Horribil.

Was? mein gantzes Verlangen iſt d’ eſſer co-
noſcinto!
Denn es iſt vornemlich daran gelegen/
daß man wiſſe/ wer die That verrichte. Denn
die gemeine Kundſchafft von meiner Großmuͤttig-
keit hebet alle Gefahr auff. So bald als die toͤd-
lichen Wunden an den Leichen geſehen werden/
ſchleuſt man/ daß ſie von keines andern Hand/ als
von der meinen herruͤhren. So bald als ſie vor
die Meinigen erkennet worden/ iſt kein Menſch/
welcher klagen/ kein Zeuge/ der etwas ablegen/ kein
Notario, der etwas ſchreiben/ kein Advocato, der
den Proceſſ formiren, kein Stadt Diener der an-
greiffen/ kein Richter der examiniren/ keine O-
brigkeit/ die Vrtheilen/ kein Scharffrichter der
exeqviren doͤrffte.


Harpax.

Es iſt nicht anders/ als wie mein Herr erzehlet.
F vJch
[78]Horribilicribrifax
Jch weiß mich noch wol zuerinnern/ daß er/ nach
dem er einen niedergeſtoſſen/ ſich aus einem ſon-
dern capricio ſelber bey dem Richter fuͤr den Thaͤ-
ter angegeben habe. Der Richter aber/ damit er
nicht in Gefahr geriethe/ gab fuͤr/ als wenn er dem
Capiten keinen Glauben zuſtellete/ damit er ſeiner
nur mit Ehren loß werden konte.


Seleniſſa.

Es iſt unglaublich.


Harpax.

Noch ein andermal gab er ſich fuͤr einen Bandito
aus/ und ließ ſich zu dem Galgen fuͤhren. Es
war zu Venedig auff Sanct Marcus Platz. Als
er nun die Leiter mit dem Hencker hinauff geſtie-
gen/ rieß er die Stricke entzwey/ ſprang uͤber
das Volck in ein Schiff/ und ließ den Hencker
ſelbſt angeknuͤpfft.


Horribil.

Cane cativo furfante ſenza ingegno! Muſt
du derogleichen Stuͤcke von mir erzehlen/ als wenn
es ſonſt an Heldenthaten mangelte/ die ich ver-
richtet habe. Nun zu der Sachen!ſignora mia
belliſſima,
ſie entſchlieſſe ſich/ auff welche Art ſie
ihn will hinrichten laſſen. Wil ſie/ daß ich ihn
mit dem Arm ne l’ aria in die Lufft ſchmeiſſe/ daß er
ſich in dem Elementariſchen Feuer anzuͤnde? will
ſie/ daß ich ihn mit einem zornigen Anblick in ei-
nem Felſen verwandele? will ſie/ daß er von dem
Schnauben meiner Naſen/ als Schnee zurſchmel-
tzen muͤſſe? will ſie/ daß ich ihn per le treccie auff-
hebe und zu Boden werffe/ daß er in die Sechs
und dreiſſigmahl hundert tauſend Stuͤcke zerſprin-
ge/ wie Glaß?


Seleniſſa.

O ich komme von mir ſelber uͤber dieſem Erzeh-
len! Der Herr Capiten mache es auffs kuͤrtzte/
und ſchieſſe ihm ein Piſtol durch den Kopff!


Horribil.

Die Jungfrau verzeihe mir/ ich gehr auche mich
keineꝛ vortheilhafften und berenhaͤuteriſchen Waf-
fen. De latri \& aſſaſſini, wenn ich etwas ver-
rich-
[79]Schertz-Spiel.
richten will. Will ſie/ daß ich ihm einen Naſen-
ſtuͤber gebe/ daß ihm Stirne/ Gehirne/ Augen
Naſe/ Maul/ Wangen/ ſo untereinander gemen-
get werden/ daß er ſich ſein Lebenlang nicht mehr
kenne?


Seleniſſa.

Jch ſtelle alles in des Herren Capitens Belie-
ben/ wenn ich nur ſeiner loß werde.


Horrib.

Or ſu! finiamola qvi, es ſoll ſchon gehen/ wie es
gut iſt.


Seleniſſa.

Jch ſtelle mich und meine Ehre in ſeine Haͤn-
de. Der Herr Capitain bleibe geſegnet.


Sempronius.

  • Mox erat \& cœlo fulgebat luna ſereno, inter minora
    ſidera. Horatius. Speluncam Dido, Dux \&
    Trojanus eandem devenient, Virgilius Lib. 2.
    Æneidos.
    Κωμάσδω ποτὶ τὰν Α’μαρυλλίδα
    Theocritus. Das heiſt/ Herr Sempronius
    wird zu Jungfrau Cœleſtina gehen. Qvas vol-
    vit fortuna vices? Statius lib. 10. Thebaidos.

    Wer haͤtte dis heute morgen geglaubt? Aber
    es heiſt: kein verzagtes Hertz krieget eine ſchoͤne
    Dam. Non per tormire poteris ad alta veni-
    re! Sed, per ſtudere poteris ad alta ſedere.
    Nun/
    das gehet drauff hin!Caſta fave Lucina! Spar-
    ge marite nuces, hilaris, tibi ducitur uxor! Vir-
    gilius in Eclogis.

Bonoſus.

  • Die reſolution iſt gefaſſet. Herr Palladius iſt feſt mit
    Cœleſtinen, und ich/ durch Zuthuen des Stadt-
    halters mit Eudoxia. Man erwartet meiner/
    wie ich vernehme/ bey dem Herren Cleander.
    Derowegen iſt es Zeit/ daß ich mich nicht
    laͤnger
    [80]Horribilicribrifax
    laͤnger auffhalte/ ſondern mit eheſten dahin ver-
    fuͤge.

Daradiridatumdarides. Horribili-
cribrifax.

Horrib.

Vnd wenn du mir biß in den Himmel entwicheſt/
und ſchon auff dem Lincken Fus des groſſen Beeren
ſeſſeſt/ ſo wolte ich dich doch mit dem rechten
Spornleder erwiſchen/ und mit zweyen Fingern
in den Berg Ætna werffen.


Daradir.

Gardez vous Follaſtreau! meineſt du/ daß ich
vor dir gewichen? und wenn du des groſſen Carols
Bruder/ der groſſe Roland ſelbſt/ und mehr Tha-
ten verrichtet haͤtteſt/ als Scanderbeck/ ja in die
Haut von Tamerlanes gekrochen wereſt/ ſolt eſt du
mir doch keine Furcht einjagen.


Horrib.

Jch? ich will dir keine Furcht einjagen/ ſondern
dich in zwey und ſiebentzigmal hundert tauſend
Stuͤcke zerſplittern/ daß du in einer See von dei-
nem eignen Blute erſticken ſolleſt. Jo ho vinto l[']
inferno e tutti i Diavoli.


Daradir.

Jch will mehr Stuͤcker von dir hauen/ als Ster-
nen ietzund an dem Himmel ſtehen/ und will dich
alſo tractiren daß das Vlut von dir fluͤſſen ſoll/ biß
die oberſte Spitze des Kirchturnes darinnen ver-
ſuncken.


Horrib.

Per non laſcias piu oltre paſſar qveſta ſuperba
arroganza,
will ich die gantze Belaͤgerung von
Troja mit dir ſpielen.


Daradir.

Vnd ich die Zerſtoͤrung von Conſtantinopel.


Horrib.

Io ſpiro morte e turore, doch laſſe ich dir noch ſo
viel Zeit/ befiehle deine Seele GOtt/ und bete ein
Vater unſer!


Darad.

Sprich einen Engliſchen Gruß und hiermit ſtirb.


Horrib.

Du wirſt zum wenigſten die reputation in deinem
Tode
[81]Schertz-Spiel.
Tode haben/ daß du von deſſen unuͤberwindlichen
Fauſt geſtorben/ der den Koͤnig in Schweden nie-
dergeſchoſſen.


Daradir.

Troͤſte dich mit dem/ daß du durch deſſen Hand
hingerichtet wirſt/ der dem Tylli und Pappenheim
den Reſt gegeben.


Horrib.

So hab ich mein Schwerd außgezogen in der
Schlacht vor Luͤtzen.


Darad.

Morbieu, me voyla en colere! mort de ma vie!
je ſuis faſchè per ma foy.
So hab ich zur Wehre
gegriffen in dem Treffen vor Nerglingen.


Horrib.

Eine ſolche poſitur machte ich in der letzten Nie-
derlage vor Leipzig.


Darad.

So lieff ich in dem Waal Graben/ als man Glogau
hat einbekommen.


Horrib.

Ha! ha! Jſt er nicht qveſto capitaino, mit dem
ich Kugeln wechſelte bey der Gula?


Darad.

O! iſt er nicht der jenige Signeur mit dem ich Bruͤ-
derſchafft machte zu Schlichtigheim.


Horrib.

Ha mon ſigneur, mon Frere!


Darad.

Ha Fratello mio illuſtriſſimo!


Horrib.

Behuͤte GOtt/ welch ein Vngluͤck haͤtte bald ge-
ſchehen ſollen!


Darad.

Welch ein Blutvergieſſen! maſſacre \& ſtra-
ge,
wenn wir einander nicht erkennet haͤtten!


Horrib.

Magnifici \& Corteſi Heroi, koͤnnen leicht unwiſ-
ſend zuſammen gerathen.


Darad.

Ler beaux Esprits lernen einander durch derglei-
chen recontre erkennen.


Dionyſius. Daradiridatumdarides.
Horribilicribrifax.

Dionyſius.

Welche Berenhaͤnter raſen hier fuͤr unſrer
Thuͤ-
[82]Horribilicribrifax
Thuͤren? wiſſet ihr Holuncken nicht/ daß man
des Herren Stadthalters Pallaſt anders zu re-
ſpectiren
pfleget. Trollet euch von hier/ oder ich
lege euch beyden einen friſchen Pruͤgel umb die
Ohren.


Horrib.

Jo rimango petri, ficato dalla meraviglia. Sol
Capiten Horribilicribrifax diß leiden?


Daradir.

Sol Capitain von Donnerkeil ſich alſo deſpe-
ctiren
laſſen?


Horrib.

Jo mi levo il pugrale dal lato, der Herr Bruder
leide es nicht!


Darad.

Me Volla, der Herr Bruder greiffe zu der Wehre/
ich folge.


Horrib.

Comminciate di gratia. Jch laſſe dem Herren
Bruder die Ehre des erſten Angriffs.


Darad.

Mein Herr Bruder/ ich verdiene die Ehre nicht/
er gehe voran. Ceſt trop diſcourir: Commen-
ſez.


Horrib.

Ey der Herr Bruder fahre fort/ er laſſe ſich nicht
auffhalten. la neceſſita vuole.


Dionyſ.

Heran/ ihr Ertzberenhaͤnter/ ich will euch die
Haut ſonder Seiffen und Balſam einſchmie-
ren.


Horrib.

Ha! Patrone mio qveſta ſupercheria è molta
ingiuſta.


Darad.

O monſieur bey dem Element/ er ſihet mich vor
einen Vurechten an.


Horrib.

Ey ſignore mio gratioſo, ich bin ſignor Horribi-
licribrifax.


Dionyſius nimpt beyden die Degen und ſchlaͤgt ſie
darmit umb die Koͤpffe.

Auffſchneider/ Luͤg-
ner/ Berenhaͤuter/ Bengel/ Baurenſchinder/ Ertz-
Narren/ Cujonen.


Darad.

Ey ey monſieur, baſta qveſto pour iſteſſo, es iſt
genung/ der Kopff blutet mir.


Horrib.
[83]Schertz-Spiel.
Horrib.

Ey Ey Signor, Jch wuſte nicht/ daß der Stadt-
halter hier wohnete.


Dionyſ.

Packet euch/ oder ich will euch alſo zurichten/ daß
man euch mit Miſtwagen ſoll von dem Platze fuͤh-
ren.


Sempronius. Cyrilla.

Sempron.

[Ὄ]ιμοι παρανοίας ὡς εμαινόμην ἀρα. Por-
ro Qvirites! Deum atqve hominum fidem egoné
ita ſum deceptus.


Cyrilla.

Ja es heiſt nu nicht Zepffe/ es heiſt/ haſt du mich/
ſo behalte mich.


Sempr.

Impura meretrix.


Cyrill.

Ja die Hure iſt fix, wer hat mich darzu gemacht/
als ihr? Jhr muͤſt mich nun wieder redlich ma-
chen/ oder der Hencker ſoll euch holen!


Sempr.

Αττα πατατα.


Cyrilla.

Ey da! da!


Sempron.

Me miſerum!


Cyrilla.

Sehre hin ſehre her.


Sempr.

Was rath nun! Qvid facio!


Cyrilla.

Ein Patzen do. Nein/ ich laſſe mich ſo nicht ab-
weiſen.


Sempron.

Eſt aliàs dives vetula.


Cyrilla.

Heiſt ihr mich die beſte Fettel?


Sempr.

O du Hure!


Cyrilla.

O du Schelm!


Sempr.

O du Kuppel Hure!lena fœda!


Cyrilla.

We Magdalenen? Du Ehbrecher!


Sempron.

Du Maͤgdehaͤndlerin!


Cyrilla.

Du Suſanne Bube!


Sempr.

Du Teuffelsfettel!


Cyrilla.

Du Teuffels Banner!


Sempr.

Du Pileweiſſin!


Cyrill.
[84]Horribilicribrifax
Cyrill.

Du Hexenmeiſter!


Sempr.

Du Pulver Hure!


Cyrill.

Du Bley Schelme!


Sempron.

Du Excetra!


Cyrilla.

Ja Zeter uͤber dich!


Sempr.

Du Furia!


Cyrilla.

Du Hurenjuͤger!


Sempr.

Du Erinnys.


Cyrilla.

Ja darinn iſts.


Sempr.

Jch will dir die Haare außreiſſen.


Cyrilla.

Jch will dir den Bart außrauffen.


Sempron.

Jch will dir die Naſe abbeiſſen.


Cyrilla.

Jch will dir die Augen außkratzen/ und in die Loͤ-
cher ſcheiſſen.


Sempron.

Jch will mir den Ars an deine Zunge wiſchen.


Cyrilla.

Jch wil dein Maul unter ein Scheis Haus na-
geln.


Sempr.

Der Hencker ſoll dir den Ruͤcken mit Ruten ab-
putzen.


Cyrill.

Der Hencker ſoll dir die Spinneweben mit Beſen
abkehren/ und den Bart mit dem breiten Meſſer
ſcheren.


Sie fallen uͤber einander und ſchlagen einander
zum guten Tiegen ab.

Sempr.

O mein Bart!


Cyrilla.

O mein Haar.


Sempr.

O mein Auge.


Cyrilla.

O mein einig Zahn! vertragen wir uns lieber in
der Guͤte mit einander!


Sempron.

Je meinethalben! was haben wir auch ſonſten
vor?


Cyrilla.

Jch kan trefflich gebrand Waſſer machen/ und
Zaͤhn Pulver verkauffen/ und babe ein ſchoͤn Stuͤck-
lein Heller vor mich bracht.


Semp-
[85]Schertz-Spiel.
Sempron.

Wolan/ unſre Guͤter moͤgen gemein ſeyn! ihr
muͤſt mich [aber] huͤbſch halten/ weil ich ein Gelehr-
ter bin.


Cyrilla.

Jch will euch alle Morgen eine warme Suppen
kochen.


Sempr.

Hettet ihr das alſo bald geſaget/ ſo hette es ſo vie-
ler Weitlaͤufftigkeiten nicht beduͤrffet.


Cyrilla.

So gebet mir denn eure Hand drauff!


Sempronius.

So ſind wir vertragen. Sic erat in fa-
tis!


Cyrilla.

Ja in der Stadt iſts. Kommet mit mir in mein
Haus/ ich will einen Notarigus holen laſſen/ der
unſern Eh-contract auffſetzet/ und uns/ vor die
Gebuͤhr/ ein in nominus macht!


Cleander. Bonoſus. Eudoxia.
Palladius. Cœleſtina. Flaccil-
la. Sophia.

Cleander.

Jch bitte/ ſie treten etwas hinter die Ta-
pete/ und hoͤren unſeren Reden mit Gedult zu!
Dionyſi ruffe die Jungfrau mit der Mutter he-
rein.


Sophia.

Wenn ich auffs wenigſte die Freyheit zuſter-
ben erhalten kan/ ſchaͤtze ich mich gluͤckſelig/
daß/ in dem ich die Angſt meines Lebens be-
ſchlieſſe/ auch der Ehren die unbefleckte Seiden
meiner Keuſchheit mit der Purpur dieſes Bluttes
zufaͤrben/ und/ dadurch meine Auffrichtigkeit zu-
bezeugen/ faͤhig worden.


Cleander.

Jſt dieſes eure Tochter/ meine Frau/ wel-
cher Schoͤne und Keuſchheit ihr ſo ſehr geruͤh-
met?


GSophia
[86]Horribilicribrifax
Sophia
faͤllet vor ihm auff die Knie:

Die ungluͤckſe-
lige Schoͤnheit/ gnaͤdiger Herr/ iſt diß eintzi-
ge/ was mir/ doch zu meinem Vngluͤck/ die
Natur verliehen. Wenn ſie mich und die Rei-
nigkeit meines Gemuͤthes in Gefahr ſetzen ſoll/
wuͤndſche ich eher die weiſſen Bruͤſte mit meinein
eignen Blute zuerroͤten/ als ein durch Vnehr
beflecktes Geſicht/ vor Euer Genaden auffzu-
heben. Jch bitte in dieſem Schrancken in wel-
chem mich Elend/ Armuth und Gewalt driu-
get und herumb treibet/ Eure Genaden wolle mir
dieſes eintzige erhalten und beſchuͤtzen helffen/
was mir noch die euſerſte und recht Eiſerne
Noth nicht abzwingen koͤnnen/ oder mitlei-
dend gedulden/ daß ich vor ſeinen Fuͤſſen dem
geaͤngſteten Geiſte den Weg durch dieſe Bruͤſte
oͤffne!


Cleander.

Meinet ihr/ daß wir euren verſtelleten Thraͤ-
nen und falſchen Geberden ſo viel Glauben ge-
ben? Wir koͤnnen der Weibes Perſonen Art
und wiſſen/ wie heilig ſie ſich ſtellen/ wenn ſie ih-
re Wahre hoch außbringen wollen.


Sophia.

Himmel/ ende nun meine armſelige Tage!
bin ich noch laͤnger auff dieſer Welt zu leben
begierig/ wenn ich Namen und Ehre verloh-
ren?


Cleand.

Namen und Ehre ſind eine Hand voll Wind/
und werden nicht geruͤhmet als nur Scheines
halber.


Sophia.

O GOtt! iſt es nicht genung/ daß ich bey
allen in Argwohn gerathen bin; durch dieſe ge-
waltſame Hinwegfuͤhrung? Muß noch mei-
ne Vnſchuld von dem in Zweiffel gezogen wer-
den/ welcher von allen fuͤr den kraͤfftigſten Be-
ſchuͤtzer elender unnd verlaſſener Waiſen ge-
hal-
[87]Schertz-Spiel.
halten wird? Gute Nacht Himmel! ſey zum
letztenmal gegruͤſſet Erde! Was verziehe ich
weiter!


Sie holet aus mit einem bloſſen Meſſer. Clean-
der
faͤllet ihr in die Armen: die and ern kom-
men alle herzu gelauffen.

Cleander.

Genung meine wertheſte! Jhre Kenſchheit
hat wie ein lauteres Gold durch eine ſo hefftige
Anfechtung bewehret werden muͤſſen! Sie iſt in
dieſen Hoff nicht durch Verluſt der Ehren ge-
drungen/ ſondern durch ihre Tugend einge-
fuͤhret/ damit dieſelbe nach ſo langem Ver-
dienſt praͤchtiger gekroͤnet wuͤrde. Dieſe Haar-
locken ſind es/ welche uns gefangen! Doch
die Keuſchheit Sophiæ hat dieſe Bande feſter
zuſammen gezogen/ welche eine heilige Ehe
zwiſchen Mir und Jhr unauffloͤßlich verknuͤpf-
fen ſoll. Dionyſi, Therſander, Pompei, Pto-
lomæe,
bringet Kleider/ Perlen und Deman-
te/ umb meine Schoͤneſte alſo außzukleiden/
wie ihre Tugend und unſer Stand erfordert/
ob ſie wol mehr gezieret wird durch dieſe abge-
ſchnittene Haare/ als durch alles Reichthumb
dieſer Welt.


Cœleſtina.

Werthe Jungfrau Sophia, Jch wuͤnd-
ſche zu dieſer unverhofften Ehe und Ehre Jhr
ſo viel Gluͤcks/ als dero keuſche Tugend ver-
dienet/ unnd ſchaͤtze mich gluͤckſelig/ in dem
ich heute Jhre Kundſchafft erhalte/ von
Jhr/ als dem vollkommenen Spiegel al-
ler Zucht zu lernen/ was Vns allen anſte-
het.


G ijSo-
[88]Horribilicribrifax
Sophia wird von denn Jungfrauen auffs
praͤchtigſte gekleidet. Jndeſſen wuͤnd-
ſchen die andern einander allerſeits Gluͤ-
cke.

Cleander.

Dionyſius, welcher dieſem unſern Vorſatz
bey ſich die Hand geboten/ ſoll nicht ſonder
Lohn dieſer Freude beywohnen/ wenn Jungfrau
Cœleſtina ihre Camillam ihm vermaͤhlen will/
werden wir Mittel finden/ ſie beyde beſter maſ-
ſen zu beſoͤrdern; Vnnd damit Horribilicri-
brifax
und Daradiridatumdarides nicht alleine
bey der allgemeinen Freude ſich mit Schlaͤgen/
wie uns erzehlet/ behelffen duͤrffen/ wollen
wir dem Daradiridatumdaride, doch mehr
aus Mitleiden gegen die ungluͤckſelige Seleniſ-
ſam,
das Commendo uͤber die gvarniſon in dem
nachſten Flecken/ dem Horribilicribrifax aber
eine Corporalſchafft Tragoner in der Vorſtadt
vertrauen. Laſſet die Perſonen alle auff den Hoff
fordern/ und unterdeſſen die Heerpaucken und
Trompeten erſchallen!


Die Perſonen gehen alle ab/ biß auff Floren-
tin.

Florentin.

Hochzeiten uͤber Hochzeiten! was werde ich
Marcepan bekommen! Laß ſchauen/ ich muß zeh-
len/ wie viel es Heyrathen ſetze! Jch und Roſi-
na,
das iſt die Erſte; mein Herr und Cœleſtina,
das iſt die Ander; Camilla und Dionyſius, das
iſt die Dritte. Bonoſus und Eudoxia, das iſt
die Vierdte; der ungeheure Capiten mit dem
Namen von ſieben Meilen/ und Seleniſſa, wer-
den die fuͤnffte halten; Ja wol/ es mangelt mir
noch eine/ ey ja! ja! der Stadthalter mit der
fremb-
[89]Schertz-Spiel.
frembden Jungfrau/ das iſt die Sechſte. Wenn
doch ſieben wehren/ ſo haͤtten wir eine gantze Wo-
che voll Hochzeit! wolan! Capitain Horribili-
cribrifax
mag unſre groſſe/ dicke/ derbe/ alte/ vier-
ſchroͤtige/ ungehobelte/ trieffaͤugichte/ ſpitznaͤſich-
te/ ſchluͤſſeltragende Schleuſſerin nehmen/ ſo iſt die
Reihe vollkommen. Jhr Herren/ Jungfrauen und
Frauen/ wo euch Sophiæ großmuͤthige Keuſchhett/
uñ Cœleſtinen beſtaͤndige Anmuth/ zuforderſt aber
Florentini (und der bin ich) hoher Verſtand ge-
fallen/ ſo kommet alle mit auff die Hochzeit! jener
groſſe weit maͤulichte Baur der dort hinten ſtehet/
mag wol zu Hauſe bleiben/ Er moͤchte uns den
Wein gar ausſauffen/ und alles aufffreſſen/ daß
die Braut ſelbſt hungerig zu Bette gehen muͤſte.


Der Auffzug wird beſchloſſen unter
Trompeten und Heerpaucken
mit einem Tantz/ in welchem al-
le Perſonen/ wie auch
Sempro-
nius
mit ſeinerCyrillaerſcheinen.


[90]Contract

Heyraths-Contract
Herren
Semproniiund Frauen
Cyrille.


In nomine Deorum Nuptialium \&
Feſcenninorum.


KVnd und zu wiſſen ſey hiemit ied-
weden/ dem daran gelegen/ daß
vor mir Romano Pompilio,
*********************** No-
tario,
wie auch denen darzu erbe-
tenen Zeugen/ des hochtieffgelehrten Herren Pe-
ter Sqventzen,
wohlbeſtellten Schulmeiſters
zur Rumpels-Kirchen/ und Expectanten des
Pfarr-Ampts daſelbſt/ auch des weitvorſichti-
gen und ſcharffſchleiffenden Herren Poppii,
Narrenfreſſers/ breitberuͤhmten Glaßſchleif-
feres und Bruͤllenmachers; Des durchſichti-
gen Herren Cuntzen von Tadelmuth/ Bir-
nen Beckers und groß Pflaumen Haͤndlers;
des hochgedencklichen Herren Rodomont, von
und auff Fenſterloch/ Erbrichtern zu Miſt-ſtatt;
heute den 30. Februarii, dieſes tauſend ſechshun-
dert acht und viertzigſten Jahres/ weſentlich er-
ſchie-
[91]Hn. Sempronii und Fr. Cyrille.
ſchienen/ der Weltberuͤhmte und uͤberall be-
ſchriene Herr Sempronius von Wetterlench-
ten/ und Semperheim/ Oberſter Inſpector der
Calfacterey zu Hinderlocheshauſen/ Mit Re-
gent des Collegii zu Vitterlingen/ Verwalter
des Zoll Ampts zu Blitzloch/ und deſignireter
Vice
Stadt Schreiber des Koͤniglichen Fle-
ckens Schitſtroh/ nebeſt der Wohl Erbahren/
wolgeachteten und Geſtrengen Frauen Cyril-
la, Sidonia, Procopia, Sergii
Schlirenſchlaf-
fes von Koͤrbentragen hinterlaſſener Wittib/
welche ſich beyderſeits fuͤr mir obengemeldeten
in meinem Gemach/ welches lieget in dem hin-
ter Hauſe/ gegen dem Garten/ welche an die
Fortzeymer Gaſſen anſtoͤſſet/ wo man gegen der
lincken Seiten zu der rechten Hand hinein gehet/
angegeben/ daß ſie ************** ſich in ein
feſtes Eheverbuͤndnuͤß mit einander eingelaſſen/
mit allen denen ſolenniteten, ceremonien und
Gebraͤuchen/ welche in dergleichen Faͤllen de
jure
oder conſvetudine uͤblich/ auch einer Mor-
gengabe von ſiebentauſend Doppel-Ducaten/
welche Herren Sempronio baar außgezahlet
werden ſollen/ wann ſie verhanden/ und die ihm
in ſeinen Nutzen anzuwenden/ hiermit uͤberge-
ben/ mit außdruͤcklicher Bedingung/ daß wo
G wHerr
[92]Heyraths-Contract.
Herr Sempronius vor Frauen Cyrilla ſonder
Leibes-Erben Todes erbleichen ſolte/ welches
doch nicht geſchehen wolle/ gedachte Frau Cyril-
la
vierzehntauſend zuvorgedachter Sorte dop-
pel-Ducaten eines Schlages/ zuvor aus ſeiner
Verlaſſenſchafft bekomme/ das uͤbrige Ver-
moͤgen aber ſoll an Herren Sempronii hinter-
laſſene Blutsverwandten devolviret werden.
Doch alſo/ daß Frau Cyrilla wiederumb mit
denſelben zu gleichem Theile gehe. Dafern a-
ber aus ſolcher Ehe Kinder erfolgen/ welche
beyderſeits wuͤndſchen/ wird ſich Frau Cyrilla
mit ihrem gebuͤhrender legitima vergnuͤgen laſ-
ſen/ welcher hergegen ſtatt Leibgedinges Herr
Sempronius ein Fuhrwerck an der Oſt Seiten
der Neuſtadt/ zwiſchen Marcus Pluncken Fi-
delbogen-Macher/ und Jhr geſtrengter Herren/
Herren Narrenkopff von Fliegenheim Guͤt-
tern gelegen/ hiermit kraͤfftiglich verſchreibet/
nebeſt Jaͤhrlichen Renten von Zwoͤlfftauſend
Reißthalern/ welche bey einer Erbahren Zunfft
der Loͤffel- und Flechten-Macher ſtehen/ wie
denn auch ſechs Packentroͤgen von fichtenem
Holtze/ unter welchen einer etwas abgenuͤtzet.
Allen ſeinen Kleidern/ wie er die in frembden
Landen und zu Hauſe/ auff Feſt- und Werckelta-
gen/
[93]Hn. Sempronii und Fr. Cyrille.
gen/ zu Ehren/ und ſonſten getragen/ nebeſt ſei-
nem alten Schlepchen von Corduan/ einen
Paar neuen/ und einen Paar alten Pantoffeln
und einem Badehuͤtlin von Stroh mit Mu-
ſcaten gezieret; und noch uͤber diß eine blecherne
Lacerne mit etwas verbrandten Horne/ eine
Brille/ zwey Brillen Futter/ einen Nachtſtuel
mit einer zubrochenen Scherben/ und den be-
ſten aus ſeinen hoͤltzernen Haͤnge-Leuchtern/ mit
noch ſechs Schock Schwefel-Liechtern/ und ei-
nem ledigen Feuerzeug. Doch alſo/ und mit
nachfolgenden conditionen: Daß erſtlich Frau
Cyrilla Herren Sempronio ihrem erkohrnen
Ehe Schatz/ jedweden Abend mit einem Bette-
Wermer von Zien auffwarte/ des Nachtes
ihn fein trocken lege/ ihm die abgefallenen Bet-
te ſonder Murren wiederlange/ die Schlaff-
Hauben wol auffſetze/ des Morgens aber eine
warme Suppen/ oder nach Jahres Gelegen-
heit eingemachte confituren præſentire, die
Haare und den Bart wol außkaͤmme/ die Na-
ſen wiſche/ ein reines Schnuptuch an den Guͤr-
tel henge/ und vier Stuͤck Papier ſeiner Noth-
durfft nachzugebrauchen/ in die Hoſen ſtecke;
Weiter begehret auch Herr Sempronius, daß
ſie die Speiſen fertig/ ſauber und warm auff
G vden
[94]Heyraths-Contract
den Tiſch bringe/ den Wein nicht mit Waſſer
verfaͤlſche/ kein Kuͤhefleiſch fuͤr Ochſen Fleiſch
aufftrage/ und ſeine zwey Tiſchgaͤnger und
Mit Eſſer/ Perlichen von Braband das weiſſe
Huͤndlein/ und Mirmex Mauer von Muͤntzen
Schloß/ ſeinen ſchwartzen Kater/ freundlich
halte; den Vogeln/ ſo in ſeiner Studierſtuben/
alle Morgen friſch Waſſer einſchencken laſſe;
und ſich im uͤbrigen aller Koplerey/ Briefftraͤ-
gerey/ Salben Kraͤmerey/ als die ihrem Stan-
de nun nicht mehr anſtendig/ gaͤntzlich enthalten/
und als einer fuͤrnehmen Mannes Frauen ge-
buͤhret/ verhalten ſolte. Jm wiedrigen Falle
ſolle das Frauen Cyrillæ vermachte Gutt/ de
facto
verfallen/ und der wohl Erbahren Zunfft
der Brieff-Mahler/ und Qvem Paſtores
Schreiber zugewendet werden. Hergegen
wird ſich Herr Sempronius dahin befleiſſen/
daß er fein deutlich und Deutſch ihr ſeine Mey-
nung entdecke/ und aller freinbden Woͤrter ſich
enthalte/ biß ſie Frau Cyrilla zuvor gruͤndlich
von ihm in dem Demoſthenes und M. T. Ci-
cero
unterwieſen. Solte ſie Frau Cyrilla a-
ber ingleichen/ wie wir alle ſterblich/ fuͤr ihm oh-
ne Eh Segen dahin gehen/ wird Herr Sempro-
nius,
ſeinem hohen Verſtande nach/ ſchon wiſ-
ſen
[95]Hn. Sempronii und Fr. Cyrille.
ſen mit allen zuhandeln/ und der Sachen abzu-
helffen. Dieſen ihren Heyraths-Contract
habe ich unten geſchriebener ************ nach
empfangener Gewalt extendendi publicum
Inſtrumentum vel Inſtrumenta, ad conſili-
um ſapientis, \& in omni meliore modo \&c,
poſt renunciationẽ\&c. privilegiorum omni-
um, qvæ faciunt ad favorem dominarum
\&c.
auffgeſetzet/ und mit meiner Hand und
auffgedrucktem Notariat Signet bekraͤfftiget.
Actum wie ſuprà.


I.


  • HerrSemproniusvon Wetterleuch-
    ten/ deſſen Wappen ein gevierdter

    Schild/ in deſſen erſtem Felde eine Fama
    mit Trompeten/ in dem andern ein Leuch-
    ter auff drey Dintenfaͤſſern ſtehen/ in dem
    dritten zwey Fecht Degen [Creutzweiſig] uͤ-
    bereinander/ durch welche ein Morgen-
    ſtern/ der gar zubrochen/ wie ihn die Clau-
    dit
    chen zu Leipzig fuͤhren; Jn dem vierd-
    ten/ ein Wagen mit 6. Roſſen und auff
    demſelben Herr Sempronius ſelbſt/ und
    in der perſpective ſeiner Vorwercke/ zu
    Oberſt iſt ein offener Helm/ auff demſelben
    drey
    [96]Heyraths-Contract
    drey Hahnſchwaͤntze/ und zwiſchen denen
    die drey Koͤpffe des hoͤlliſchen Cerberi,
    welche Feuer ſpeien.

II.


  • FrauCyrillæ Sidoniæ Procopiæ,er-
    betener
    Curator,HerrFortius von
    Seiffkeffellmacherheim/ in deſſen Wap-
    pen ein Doppelter Schild/ und zwar in
    dem rechten eine Salbenbuͤchſe auff drey
    Todten Koͤpffen/ darauff eine Fleder-
    maus/ zur Lincken aber ein altes Weib auf
    einem Bocke/ zu oberſt ein offener Helm/
    auff demſelben ein Katzen Kopff mit offe-
    nem Maule/ aus deſſen Munde eine
    Kinder Hand hanget.

III.


  • Peter Sqventz,deſſenSignetein ge-
    vierdter Schild/ in deſſen rechten
    O-
    berfelde ein Thurm mit einer Glocken/
    welche Herr Sqventz zeucht/ in dem Lin-
    cken aber zwey Rutten Creutzweis uͤber-
    einander/ und in der mitten ein Cantor-
    ſtecken; in dem unterſten Felde zur rechten
    iſt ein Schauplatz/ auff welchem Pira-
    mus
    [97]Hn. Sempronii und Fr. Cyrille.
    mus und Thisbe, zu der Lincken aber ein
    Repoſitorium voll Buͤcher.

IV.


  • PoppiusNarrenfreſſer; ſeinSignet
    iſt ein Affen-Kopff/ in deſſen auffge-
    ſperretem Schlund ein Schiff voll Nar-
    ren faͤhret.

V.


  • Cuntz von Tadelmuth/ ſein Wappen
    iſt ein Kopff/ deſſen Maul nach ſeineꝛ

    Naſen beiſt. Auff dem mit Schlangen
    Zungen gekroͤneten Helm liegen drey in
    einander gewundene Nattern.

VI.


  • Rodomontvon Fenſterloch. Deſ-
    ſen Schild fuͤnfffach. Jn dem mit-

    lern Felde ſind 3. Carthaunen; in dem
    rechten ein Spies voll gebratener Ler-
    chen: in dem Lincken ein Lachs Kopff: un-
    terſt in dem rechten/ zwey uͤbereinander
    geſchrenckte Fahnen/ durch welche eine
    Partiſane gehet: in dem lincken ein Par
    Heer Paucken mit aller Zugehoͤr. Auff
    dem
    [98]Heyraths-Contract
    dem einen Helm ſitzet ein Affe/ welcher
    mit einem Piſtol nach einem auff dem an-
    dern Helm ſitzenden Kater zilet/ welcher
    ſich ſtellet als wolte er den Schus mit ei-
    nem bloſſen Sebel pariren.

VII.


  • Romanus Pompilius,deſſenSignetiſt
    ein Eſel mit einer Schreibefeder in

    der einen/ und einen Dintenfaß in der an-
    dern Klauen.

Turpe eſt, difficiles habere nugas.

[figure]
[[99]][[100]][[101]][[102]]

Dieses Werk ist gemeinfrei.


Rechtsinhaber*in
Kolimo+

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2025). Collection 1. Horribilicribrifax Teutsch. Horribilicribrifax Teutsch. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bk15.0