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Briefe
zu
Befoͤrderung der Humanitaͤt.

[[2]][[3]]
Briefe
zu
Befoͤrderung der Humanitaͤt.




Erſte Sammlung.


Riga,: 1793.
bei Johann Friedrich Hartknoch.
[[4]]

1.


Mit Freude und Zuſtimmung, m. Fr., iſt
Ihr Vorſchlag zu einem Briefwechſel uͤber
die Fort- oder Ruͤckſchritte der
Humanitaͤt in aͤlteren und neue
-
ren, am meiſten aber in denen uns
naͤchſten Zeiten
von unſern ſaͤmmtlichen
Freunden aufgenommen und bewillkommet
worden. „Ich bin ein Menſch, ſagte
D., und nichts was die Menſchheit
betrift
, iſt mir fremde. Mit jedem
Jahr des Lebens faͤllt uns ein betraͤchtlicher
Theil des Flitterſtaats nieder, mit dem uns
A 3
[6] von Kindheit auf, ſo wie in Handlungen,
ſo auch in Wiſſenſchaften, in Zeitvertreib
und Kuͤnſten die Phantaſie ſchmuͤckte. Un-
gluͤcklich iſt, wer lauter falſche Federn und
falſche Edelſteine an ſich trug; gluͤcklich und
dreimal gluͤcklich, wem nur die Wahrheit
Schmuck iſt, und der Quell einer theilneh-
menden Empfindung im Herzen quillet. Er
fuͤhlt ſich erquickt, wenn andre, blos Men-
ſchen von außen, rings um ihn winſeln
und darben; im allgemeinen Gut, im Fort-
gange der Menſchheit findet er ſich geſtaͤrkt,
ſeine Bruſt breiter, ſein Daſeyn groͤßer und
freier. —


Sein Daſeyn groͤßer und freier, fiel L.
ein: denn indem er ſich uͤber den ſchleichen-
den, alltaͤglichen Gang der Dinge erhoben
fuͤhlet, athmet er ein reineres Element: er
vergißt den niedrigen Kummer, der ihm da
und dort das Herz druͤckte, wenn er den
[7] Strom der Zeit ſtockend, und ſich in einem
ſtehenden Sumpf geſenkt glaubte. Der
Strom der Zeit ſteht nie ſtill; jetzt rieſelt er
ſanft, jetzt rauſcht er gewaltig; allenthal-
ben aber wehet auf ihm Othem des Le-
bens. —


In die Gedanken- oder Handlungs-
ſphaͤre andrer groͤßerer Menſchen verſetzt,
ſagte B., nehmen wir Theil an ihrem Geiſt:
wir denken mit ihnen, auch wenn wir mit
ihnen nicht wirken konnten, und freuen uns
ihres Daſeyns. Je reiner die Gedanken
der Menſchen ſind, deſto mehr ſtimmen ſie
zuſammen; die wahre unſichtbare Kirche
durch alle Zeiten, durch alle Laͤnder iſt nur
Eine. —


Und in dieſe wollen wir rein eintreten,
meine Freunde, fuͤgte A. hinzu, mit unge-
theiltem Herzen, mit reinen Haͤnden. Kein
Partheigeiſt ſoll unſer Auge benebeln; keine
A 4
[8] Schmeichelei unſer Angeſicht ſchaͤnden. Un-
ter uns iſt, wie jener Apoſtel ſagte, kein
Jude noch Grieche
, kein Knecht
noch Freier
, kein Mann noch Weib;
wir ſind Eins und Einer. Indem
wir an uns und nicht an die Welt ſchreiben,
gehen wir aller eitlen Ruͤckſichten muͤßig;
warum ſollten wir heucheln? Das lohnte
der Muͤhe nicht, die Feder einzutunken;
wir duͤrften ſodann nur leſen. —


Leſen! ſagte das ganze Chor, und ging
in ein Detail uͤber das, was jener hier,
dieſer dort geleſen hatte; alle waren dar-
uͤber einig, daß es der Seele eine Arznei
ſey, wenn ſie vom zertheilten, vielfachen
Leſen in ſich zuruͤckgezogen werde, und wie
durch ein Geluͤbde, oder vor einem heiligen
Gericht, uͤber das was ſie gehoͤrt, geleſen,
geſehen hat, ſich ſelbſt redliche Rechenſchaft
gebe.


[9]

Dieſe Rechenſchaft wollen wir uns ein-
ander geben, fuͤgte ich hinzu; und ſo ward
ein Bund der Humanitaͤt geſchloßen,
vielleicht wahrer, wenigſtens unanmaßen-
der und ſtiller, als je einer geſchloßen ward.
Fangen Sie nun an, mein Freund; unſre
Freunde ſind, wie Sie wiſſen, hie und da
zerſtreuet; alle ſind bereit, ſie warten auf
Ihren Anklang *).



[10]

2.


Endlich iſt mir die Lebensbeſchreibung eines
meiner Lieblinge in unſerm Jahrhundert,
Benjamin Franklins, von ihm ſelbſt
fuͤr ſeinen Sohn geſchrieben, zu Haͤnden ge-
kommen; aber bedauren Sies, nur in der
franzoͤſiſchen Ueberſetzung, und nur ein
kleines Stuͤck derſelben, die fruͤheren Le-
bensjahre des Mannes, ehe er voͤllig in
ſeine politiſche Laufbahn trat *). Sollte
die Politik der Englaͤnder vermoͤgend ſeyn,
[11] das Uebrige und Ganze in der Urſprache zu
unterdruͤcken: ſo bedauren Sie mit mir den
ſinkenden Geiſt der Nation, und laſſen in-
deſſen dies Buch ja unter uns circuliren.


Sie wiſſen, was ich von Franklin
immer gehalten, wie hoch ich ſeinen geſun-
den Verſtand, ſeinen hellen und ſchoͤnen
Geiſt, ſeine ſokratiſche Methode, vorzuͤglich
aber den Sinn der Humanitaͤt in
ihm geſchaͤtzt habe, der ſeine kleinſten Auf-
ſaͤtze bezeichnet. Auf wie wenige und klare
Begriffe weiß er die verworrenſten Materien
zuruͤckzufuͤhren! Und wie ſehr haͤlt er ſich
allenthalben an die einfachen, ewigen Ge-
ſetze der Natur, an die unfehlbarſten prak-
tiſchen Regeln, [aus] Beduͤrfniß und In-
tereſſe der Menſchheit! Oft denkt man,
wenn man ihn lieſet: „wußte ich das nicht
auch? aber ſo klar ſahe ichs nicht, und
weit gefehlt, daß es bei mir ſchlichte
[12] Maxime des Lebens
wurde.“ Zudem
ſind ſeine Einkleidungen ſo leicht und natuͤr-
lich, ſein Witz und Scherz ſo gefaͤllig und
fein, ſein Gemuͤth ſo unbefangen und froͤ-
lich, daß ich ihn den edelſten Volks-
ſchriftſteller unſers Jahrhunderts nen-
nen moͤchte, wenn ich ihn durch dieſen miß-
brauchten Namen nicht zu entehren glaubte.
Unter uns wird er dadurch nicht entehrt!
Wollte Gott, wir haͤtten in ganz Europa
ein Volk, das ihn laͤſe, das ſeine Grund-
ſaͤtze anerkennte, und zu ſeinem eignen
Beſten darnach handelte und lebte; wo
waͤren wir ſodann!


Franklins Grundſaͤtze gehen allenthalben
darauf, geſunde Vernunft, Ueberlegung,
Rechnung, allgemeine Billigkeit und wechſel-
ſeitige Ordnung ins kleinſte und groͤßeſte
Geſchaͤft der Menſchen einzufuͤhren, den
Geiſt der Unduldſamkeit, Haͤrte, Traͤgheit
[13] von ihnen zu verbannen, ſie aufmerkſam
auf ihren Beruf, ſie in einer milde fortge-
henden, unangeſtrengten Art geſchaͤftig,
fleißig, vorſichtig und thaͤtig zu machen,
indem er zeigt, daß jede dieſer Uebungen
ſich ſelbſt belohnet, jede Vernachlaͤßigung
derſelben im Großen und Kleinen ſich ſelbſt
ſtrafe. Er nimmt ſich der Armen an, nicht
anders aber als daß er ihnen Wege des
Fleißes mit uͤberwiegender Vernunft er-
oͤffnet. Mehrmals hat er es erwieſen, wie
hell und beſtimmt er in die Zukunft ſah,
wie entwirrt die verworrenſten Geſchaͤfte der
Leidenſchaft in einfachen Reſultaten vor
ſeinem Auge lagen. Einen ſolchen Mann
von ſich ſelbſt ſprechen, am Rande des Le-
bens ihn ſeinem Sohn erzaͤhlen zu hoͤren,
wer er ſey? und wie er, was er iſt, ge-
worden? wen das nicht reizend belehrte! —


[14]

Hoͤren Sie nun den guten Alten, und
Sie finden in ſeiner Lebensbeſchreibung
durchaus ein Gegenbild zu Rouſſeau's Con-
feßionen. Wie dieſen die Phantaſie faſt
immer irre fuͤhrte; ſo verlaͤßt jenen nie ſein
guter Verſtand, ſein unermuͤdlicher Fleiß,
ſeine Gefaͤlligkeit, ſeine erfindende Thaͤtig-
keit, ich moͤchte ſagen, ſeine Vielverſchlagen-
heit und ruhige Beherztheit. Begleiten Sie
ihn in dieſem Betracht aus der Bude des
Lichtziehers in die Werkſtaͤte des Meſſer-
ſchmiedes, in die Buchdruckerei, von Bo-
ſton nach Neu-York, nach Philadelphia,
London u. f. und bemerken, wie er allent-
halben zu Hauſe iſt, ſich zu finden weiß,
Freunde gewinnt, uͤberall ins groͤßere All-
gemeine blickt und in jedem Verhaͤltniß
einen fortſtrebenden Geiſt zeiget. Die Ga-
lerie ſeiner Bekannten und Mitgenoſſen,
die er dabei aufſtellt, wie dieſer hier ver-
[15] dirbt, dort jener zu Grunde geht; und wie
Er dies oft vorausſiehet und zu ſeinem Be-
ſten gebrauchet, iſt aͤußerſt lehrreich. Fuͤr
junge Leute kenne ich faſt kein neueres Buch,
das ihnen ſo ganz eine Schule des Fleißes,
der Klugheit und Sittſamkeit ſeyn koͤnnte,
als dieſes. Und wie ruhig iſts gedacht! wie
angenehm-ſcherzhaft erzaͤhlt der liebens-
wuͤrdige Alte! Gluͤcklich, wer auf ſein Le-
ben zuruͤckſehen kann, wie Franklin, deſſen
Beſtrebungen das Gluͤck ſo herrlich gekroͤnt
hat. Nicht der Erfinder der Theorie elek-
triſcher Materie und der Harmonika iſt mein
Held, (obwohl auch in dieſen ruhmwuͤrdi-
gen Erfindungen Ein- und derſelbe Geiſt
wirkte;) der zu allem Nuͤtzlichen und Wah-
ren aufgelegte, und auf die bequemſte Weiſe
werkthaͤtige Geiſt, Er der Menſchheit Leh-
rer, einer großen Menſchengeſellſchaft Ord-
ner ſey unſer Vorbild. Auch außer denen
[16] ihm freilich aͤußerſt vortheilhaften Zeit- und
Landesumſtaͤnden mag er uns dieſes ſeyn:
denn Franklins Geiſt faͤnde ſich uͤberall zu-
recht, auch da wo wir leben.


Zu dieſem Zweck werden Sie in ſeinem
Leben beſonders bemerken, wie er ſich,
trotz ſeiner Armuth und mechaniſchen Be-
rufsart, ſelbſt literariſche Bildung gab,
ſeinen Styl formte, und jedes Mittel,
auch die Buchdruckerei, dazu anwandte;
wie er in dieſer die popularſten Wege, Zei-
tungen, Kalender, einzelne Blaͤtter, die
gemeinſten und beliebteſten Einkleidungen
auffand, um Ideen unter das Volk zu
bringen, und ſich durch die Stimme der
Nation zu belehren; wie endlich von fruͤhen
Jahren an Er nicht ſowohl gelehrte, als
belehrende Geſellſchaften liebte, deren Mit-
glieder ſich mit einander uͤbten. Auch dieſer-
halb wuͤnſchte ich jedem gutartigen Juͤnglinge
dieſe
[17] dieſe Jugendjahre Franklins in die Haͤnde.
Der Unbeguͤterte, der ſich ſelbſt nicht ver-
laͤßt, wird finden, daß er von Gott durch
deſſen großes und vielfaches Organ, die
Menſchheit, nie verlaſſen werde; er wird
auf das zuruͤckgefuͤhrt, was der edle Juͤng-
ling Perſius fuͤr den Zweck aller menſchlichen
Weisheit erkannte:


Quid ſumus; et quidnam victuri gignimur;

ordo

Quis datus; aut metae quam mollis flexus

et unde;

Quis modus argento; quid fas optare; quid

aſper

Vtile nummus habet; patriae carisque pro-

pinquis

Quantum elargiri deceat; quem te Deus eſſe

Juſſit et humana qua parte locatus es in re,

Diſce —

B
[18]

Naͤchſtens ſende ich Ihnen Franklins
Plan zu einer ſeiner fruͤheren Geſellſchaf-
ten; laſſen Sie unſre Freunde daraus oder
dabei bemerken, was fuͤr uns dienet: denn
das Philadelphia, fuͤr welches dieſe Geſell-
ſchaft geſtiftet iſt, kann uͤberall liegen.


[19]

3.


Fragen
zu Errichtung einer Geſellſchaft der Humanitaͤt
von Benjamin Franklin.


Haben Sie heut Morgen die Fragen
durchgeleſen, um zu erwaͤgen, was Sie
der Geſellſchaft uͤber Eine derſelben zu ſagen
haben moͤchten, naͤmlich


I. Iſt Ihnen irgend etwas in dem
Schriftſteller, welchen Sie zuletzt ge-
leſen, aufgeſtoßen, das merkwuͤrdig
oder zur Mittheilung an die Geſell-
ſchaft ſchicklich iſt? beſonders in der
Geſchichte, Moral, Poeſie, Natur-
kunde, Reiſebeſchreibungen, mecha-
B 2
[20] niſchen Kuͤnſten oder andern Theilen
der Wiſſenſchaften?


(Mich duͤnkt, die Frage iſt fuͤr uns ge-
ſchrieben. Wie einſt die Pythagoraͤer, ſo
ſollte jeder Rechtſchaffene am Abend ſich ſelbſt
fragen, was er, vielleicht unter vielem
Nichtswuͤrdigen, heut wirklich Nuͤtzliches
geleſen und bemerkt habe? Jeder gebildete
Menſch wird ſich auf dieſem Wege in kurzem
nach einem andern ſehnen, dem er ſein
Merkwuͤrdiges mittheile, und der ihm das
Seinige mittheile: denn das einſame Leſen
ermattet: man will ſprechen, man will ſich
ausreden. Kommen nun verſchiedne Men-
ſchen mit verſchiednen Wiſſenſchaften, Cha-
rakteren, Denkarten, Geſichtspunkten,
Liebhabereien und Faͤhigkeiten zuſammen:
ſo erwecken, ſo vervielfachen ſich unzaͤhlbare
Menſchengedanken. Jeder traͤgt aus ſeinem
[21] Schatze vom Wucher ſeines Tages etwas
bei, und in jedem andern wird es vielleicht
auf eine neue Art lebendig. Geſelligkeit iſt
der Grund der Humanitaͤt, und eine Ge-
ſellung menſchlicher Seelen, ein wechſel-
ſeitiger Darleih erworbener Gedanken und
Verſtandeskraͤfte vermehrt die Maſſe menſch-
licher Erkenntniſſe und Fertigkeiten unend-
lich. Nicht jeder kann alles leſen; die
Frucht aber von dem was der andre be-
merkte, iſt oft mehr werth als das Geleſene
ſelbſt.)


2. Haben Sie etwa neuerlich eine Ge-
ſchichte gehoͤrt, deren Erzaͤhlung der
Geſellſchaft angenehm ſeyn koͤnnte?


(So gemein dieſe Frage ſcheinet, ſo ein
fruchtbares Samenkorn kann ſie in der
Hand verſtaͤndiger Menſchen werden. Aus
Geſchichte wird unſre Erfahrung; aus Er-
B 3
[22] fahrung bildet ſich der lebendigſte Theil
unſrer praktiſchen Vernunft. Wer nicht zu
hoͤren verſteht, verſtehet auch nicht zu be-
merken; und aus dem Erzaͤhlen zeigt ſich,
ob jemand zu hoͤren gewußt habe. Frank-
lins beſte Einkleidungen gingen aus ſolchen
verſtaͤndig-angehoͤrten lebendigen Thatſa-
chen hervor; von ihnen empfingen ſie ihre
gefaͤllige Geſtalt, ihre leichte Wendung. In
Zeiten, da man viel hoͤrte, viel erzaͤhlte
und wenig las, ſchrieb man am beſten; ſo
iſts noch in allen Materien, die aus leben-
diger Anſicht menſchlicher Dinge entſpringen
muͤſſen und dahin wirken. Schrift und
Rede iſt bei uns oft zu weit von einander
getrennt; daher ſind Buͤcher oft Leichname
oder Mumien, nicht lebendig-beſeelte Koͤr-
per. Griechen und Roͤmer, auch unter
Galliern und Britten die erleſenſte Schrift-
ſteller waren ſprechende oder gar handelnde
[23] Perſonen; der Geiſt der Rede und Hand-
lung athmet alſo auch in ihren Schriften.
Ueberhaupt aͤußert ſich in den entſcheidend-
ſten Faͤllen der wahre Geiſt der Humanitaͤt
mehr ſprechend und handelnd, als ſchrei-
bend. Wohl dem Menſchen, der in lob-
wuͤrdiger und angenehmer lebendiger
Geſchichte lebet!


3. Hat irgend ein Buͤrger nach Ihrem
Bewußtſeyn neulich in ſeinen Ver-
richtungen Fehler begangen? und
was war nach Ihrer erhaltenen Nach-
richt die Urſache davon?


4. Haben Sie neulich vernommen, daß
irgend einem Buͤrger etwas beſonders
gegluͤckt ſey? und durch welche Mit-
tel? haben Sie z. B. gehoͤrt, auf
was Weiſe ein jetzt reicher Mann hier
oder ſonſt irgendwo zu ſeinem Ver-
moͤgen kam?


B 4
[24]

Fragen, die in einem aufſtrebenden
jungen Handelsſtaat von der nuͤtzlichſten
Wirkung ſeyn konnten, und in keinem
Staate unnuͤtz ſeyn werden, in dem In-
duſtrie, Erfindung, Unternehmung noch
nicht gar ausgetilgt ſind. Ein auf den
Mitbuͤrger neidiſches Auge ſchadet ſich
ſelbſt am meiſten; wo findet dies aber meh-
rere Nahrung, als in deſpotiſchen Ver-
faſſungen, wo von Schmeichelei, Gunſt,
Betrug und Willkuͤhr ſo vieles abhaͤngt?
In Verfaſſungen von freier Concurrenz der
Verſtandes - und Gemuͤthskraͤfte, ſo wie
der Kunſt und des Fleißes iſt das Auge der
Mitkaͤmpfer und Mitwerber gewiß nicht
traͤger, aber verſtaͤndiger auf einander ge-
richtet. Man gewoͤhnet ſich Gluͤck und Un-
gluͤck, Reichthum und Armuth, Verdienſt
und Traͤgheit natuͤrlich anzuſehen, for-
ſchet den Mitteln nach, wodurch jener ſich
[25] hob, dieſer ſank; ſo lernt man von beiden.
Schon der alte Heſiodus unterſchied zwo
Gattungen der Eiferſucht, die boͤſe und die
gute; dieſe beſchreibt er als nuͤtzlich, jene
als niedertraͤchtig und ſchaͤdlich. Je mehr
ſich die Einrichtung menſchlicher Dinge
beſſert, um ſo mehr muß auch der falſchen
Eiferſucht Zaum und Zuͤgel angelegt werden,
indem naͤmlich die freie und edle Eiferſucht
emporkommt. Wer ſollte ſich nicht einen
Zuſtand denken koͤnnen, in welchem alle
Handlungen und Vortheile der Menſchen
natuͤrlich betrachtet, mithin auch alſo ge-
ſchaͤtzt und erworben werden? Da tritt ſo-
dann das Gute und Boͤſe gleich ans Licht;
jeder darf frei daruͤber ſprechen und daran
lernen. Wie weit Wir aber noch von die-
ſem Ziele ſind, mag nur der Markt der
Wiſſenſchaft
zeigen. Wie ſelten urtheilt
ein Beurtheiler fremder Werke nach der
B 5
[26] ſtrengen Frage: „welche Fehler hat mein
„Mitbuͤrger begangen? und was iſt die Ur-
„ſache davon? hat dieſer, redlich betrach-
„tet, ſeine Sache weiter gebracht? wodurch
„iſts ihm gelungen? und was ſiehet andern
„Mitbuͤrgern noch zuruͤck?“ Und doch iſt
dieſe Frage die einzig billige, nuͤtzliche und
gerechte; ſonſt urtheilen nur Sklaven oder
Deſpoten. Von uns ſey dieſer Geiſt des
kleinen Neides oder des uͤbermuͤthigen
Stolzes gleich fern, aber die edle Eiferſucht
auf alles Gute, Nuͤtzliche und Schoͤne,
deſſen die menſchliche Natur faͤhig iſt, ſey
unſre Goͤttinn!)


5. Iſt Ihnen irgend ein Mitbuͤrger be-
kannt, der neulich eine wuͤrdige
Handlung gethan hat, welche Preis
und Nachahmung verdienet? Oder
der einen Fehler begangen, wel-
[27] cher uns zur Warnung und zu deſſen
Vermeidung dienlich ſeyn kann?


6. Welche ungluͤckliche Wirkungen ha-
ben Sie neulich an der Unmaͤßig-
keit, Unvorſichtigkeit, an der Hitze
oder irgend einem Laſter oder Thor-
heit wahrgenommen? Welche gluͤck-
liche Wirkungen hingegen haben Sie
von der Nuͤchternheit, Klugheit,
Maͤßigkeit, oder irgend einer andern
Tugend erfahren?


(So fragt ein Lehrer der Humanitaͤt:
ſo frage jeder Vater und Hausvater die
Seinen. Wie weit waͤren wir gelangt,
wenn uͤber alle Fehler und Tugenden der
Menſchen, in Beziehung auf ihre Folgen,
nur ſo klar und unbewunden geſprochen
werden koͤnnte, als wir bei uns gedenken.
Was die falſche Beſcheidenheit oder gar eine
[28] demuͤthige Heuchelei hier verſchweigt, das
entdeckt und uͤbertreibt dort eine kecke Laͤſter-
zunge deſto aͤrger. So wird endlich der
Sinn der Menſchheit verruͤckt, und das
moraliſche Auge geblendet. Alles ſcheint
uns natuͤrlich, nur die Natur des Menſchen
nicht, deren Weisheit und Thorheit mit
ihren klaren Folgen, uns unanſchaubare
Dinge, unausſprechliche Raͤthſel bleiben
ſollen. Und doch welche Natur von außen
und innen laͤge uns naͤher, als die Natur
des Menſchen?)


7. Sind Sie oder jemand ihrer Bekann-
ten neulich krank oder verwundet ge-
weſen? Welche Mittel wurden ge-
braucht und welches waren die Wir-
kungen?


(So hoch die Arzneikunſt geſtiegen iſt:
ſo hat jeder geſchicktere Arzt anerkannt, daß
[29] ſie zum Wohl des Menſchengeſchlechts noch
viel hoͤher ſteigen koͤnne und ſteigen werde.
Daher die faſt ſchon unzaͤhlbaren Bemer-
kungen einzelner Aerzte; daher die Be-
muͤhungen großmuͤthiger Menſchen, er-
probte Mittel aus der Dunkelheit ans
Licht zu ziehen; daher endlich die Bemuͤhun-
gen ganzer Geſellſchaften, aus andern Welt-
theilen, waͤre es auch von Wilden, der-
gleichen Heil- und Huͤlfsmittel zu gewin-
nen und in Europa zu verbreiten. Iſt das
Wort Humanitaͤt kein leerer Name: ſo muß
ſich die leidende Menſchheit deſſen am mei-
ſten zu erfreuen haben.)


8. Faͤllt Ihnen etwas ein, wodurch
die Verſammlung dem Menſchenge-
ſchlecht, Ihrem Vaterlande, Ih-
ren Freunden oder ſich ſelbſt nuͤtzlich
ſeyn koͤnnte?


[30]

9. Iſt irgend ein verdienter Auslaͤnder
ſeit der letzten Zuſammenkunft in der
Stadt angekommen? und was ha-
ben Sie von ſeinem Charakter oder
Verdienſten vernommen oder ſelbſt
bemerkt? Glauben Sie, daß es im
Vermoͤgen der Geſellſchaft ſtehe, ihm
gefaͤllig zu ſeyn, oder ihn, wie er
es verdient, aufzumuntern?


10. Kennen Sie irgend einen jungen
verdienten Anfaͤnger, der ſich neu-
lich etablirt hat, und welchen die
Geſellſchaft auf irgend eine Weiſe
aufzumuntern vermoͤgend waͤre?


11. Haben Sie einen Mangel in den
Geſetzen Ihres Vaterlandes neulich
bemerkt, um deßwillen es rathſam
waͤre, die geſetzgebende Macht um
Verbeſſerung anzuſprechen? Oder
[31] iſt Ihnen ein wohlthaͤtiges Geſetz be-
kannt, was noch mangelt?


12. Haben Sie neulich einen Eingriff in
die rechtmaͤßigen Rechte des Volks
bemerkt?


13. Hat irgend Jemand neulich Ihren
guten Namen angegriffen, und was
kann die Geſellſchaft thun, um ihn
ſicher zu ſtellen?


14. Iſt irgend ein Mann, deſſen Freund-
ſchaft Sie ſuchen, und welche die
Geſellſchaft oder ein Glied derſelben
Ihnen zu verſchaffen vermoͤgend iſt?


15. Haben Sie neulich den Charakter
eines Mitgliedes angreifen hoͤren,
und auf welche Weiſe haben Sie ihn
geſchuͤtzt? Hat Sie irgend jemand
beeintraͤchtiget, von welchem die Ge-
ſellſchaft vermoͤgend iſt, Ihnen Ge-
nugthuung zu verſchaffen?


[32]

16. Auf was Weiſe kann die Geſell-
ſchaft oder ein Mitglied derſelben Ih-
nen in irgend einer Ihrer ehrſamen
Abſichten befoͤrderlich ſeyn?


17. Haben Sie irgend ein wichtiges
Geſchaͤft unter der Hand, bei wel-
chem Sie glauben, daß der Rath
der Geſellſchaft Ihnen dienlich ſeyn
koͤnnte?


18. Welche Gefaͤlligkeiten ſind Ihnen
neulich von einem nicht anweſenden
Mann erzeigt worden?


19. Iſt irgend eine Schwierigkeit in An-
gelegenheiten vorhanden, welche ſich
auf Meinungen, auf Gerechtigkeit
und Ungerechtigkeit beziehen und die
Sie gern auseinander geſetzt haben
moͤchten?


20. Finden Sie irgend etwas in den
jetzigen Gebraͤuchen oder Verfah-
rungs-
[33] rungsarten der Geſellſchaft fehlerhaft,
welches verbeſſert werden koͤnnte?


(Ohne alle Anmerkung ſprechen dieſe
Fragen zum Herzen wie zum Verſtande.
Manche geheime Geſellſchaft, die zur Beße-
rung der Menſchheit wirken wollte, mag
auch dahin gegangen ſeyn; dieſe kann vor
den Augen der Welt allenthalben, als ein
Bund der Edlen und Guten fort-
dauern: denn ſie iſt auf die Tugend ſelbſt
gegruͤndet.)


Folgendes waren die Fragen, die jeder,
der in der Geſellſchaft aufgenommen werden
wollte, die Hand auf ſeine Bruſt gelegt,
beantworten mußte:


1. Haben Sie irgend eine beſondre Ab-
neigung gegen Eins der hieſigen Mit-
glieder?


C
[34]

2. Erklaͤren Sie aufrichtig, daß Sie
das Menſchengeſchlecht, ohne Ruͤck-
ſicht von welcher Handthierung oder
Religion jemand ſey, uͤberhaupt
lieben.


3. Glauben Sie, daß Jemand an Koͤr-
per, Namen oder Gut, blos ſpeku-
lativer Meinungen oder der aͤußer-
lichen Art des Gottesdienſtes wegen,
gekraͤnkt werden muͤſſe?


4. Lieben Sie die Wahrheit um der
Wahrheit willen, und wollen ſich
beſtreben, ſie unpartheiiſch zu ſuchen,
und wenn ſie ſie gefunden, auch an-
dern mitzutheilen?


Die Hand aufs Herz, meine Bruͤder!
Ja, Amen.


[35]

4.


Glauben Sie nicht, m. Fr., daß Sie der
einzige Liebhaber Franklins in unſrer klei-
nen Zahl ſind. Alle Bruͤder reichen Ihnen
die Hand auf ſeine Fragen, und von F.
werden Sie naͤchſtens ein Kaͤſtchen von Ame-
rikaniſchem Holz empfangen, in dem Sie
eine Sammlung kleiner und groͤße-
rer Aufſaͤtze Franklins finden, un-
ter welchen Ihnen wahrſcheinlich manches
neu ſeyn wird. Freund F. hat ſie mit
vieler Sorgfalt zuſammengeſucht, und glaubt
daran einen moraliſch-politiſchen Schatz zu
haben *).


C 2
[36]

Iſt es nicht ſonderbar, daß in alten und
neuen Zeiten die hoͤchſte und fruchtbarſte
Weisheit immer aus dem Volk entſprun-
gen, immer mit Naturkenntniß, wenigſtens
mit Liebe zur Natur und Anſicht der Dinge
verbunden, immer von ruhiger Unbefangen-
heit des Geiſtes, von heiterm Scherz be-
gleitet geweſen und am liebſten unter der
Roſe
gewohnt hat? Doch warum nenne
ich dies ſonderbar, da es Natur der Sache
ſelbſt iſt. Nur wer die Menſchen kennet,
kann fuͤr ſie ſorgen; nur wer durch das
Beduͤrfniß geweckt, durch Noth gereizt, in
mancherlei Verhaͤltniſſen umhergetrieben,
die ſuͤße Frucht der Muͤhe ſchmeckte, kann
dieſe auf die bequemſte Art andern zu koſten
*)
[37] geben. Er hat ſich die ſchwere Wahrheit
leicht gemacht; ſo macht er ſie auch andern
angenehm und faßlich.


Daß Franklins Leben ganz und im Ori-
ginal erſcheinen werde, will ich nicht zweif-
len. Dem beßern Theil der Engliſchen Na-
tion iſt es bekannt genug, daß er kein Auf-
ruͤhrer geweſen, daß er zum Frieden und
zur Ausſoͤhnung die Einſichtvolleſten Vor-
ſchlaͤge gethan habe, die, wie Weißagungen
eines Propheten, die Zeit genugſam beſtaͤrkt
hat. Aeußerſt ſchwer ging er an den Ge-
danken, daß England und Amerika ſich
trennen ſollten; er fand es dieſem Lande
ſelbſt nicht vortheilhaft, und hielt auch das
fuͤr gefaͤhrlich, daß es zur Freiheit ſo bald
gelangte. Da nun die Zeit hieruͤber mit
einer gebietenden Stimme bereits entſchie-
den und England auf andre Weiſe ſchadlos
gehalten hat: ſo glaube ich, daß nur wenige
C 3
[38] Augen ſich ſchließen duͤrfen, und Franklins
Lebensgeſchichte wird uns gegoͤnnet ſeyn und
bleiben. Leſen Sie in beikommendem Ne-
krolog*) die wenigen Fragmente ſeines
politiſchen Lebens, und Sie werden den
ſchoͤnen Friedensſtern, der in Franklin
leuchtete, bis auf den Augenblick, da er in
der weſtlichen Welt untergeht, ſegnen. Die
letzte Rede, mit der er den Beitritt der
widerſinnigen Provinzen zur Conſtitution
bewirkte, ſo ganz in ſeinem Geiſt und Cha-
rakter, iſt der ſcheidende Strahl dieſes
Sternes.


Aber ach, indem ich Ihnen den Nekro-
log zuſende, wie truͤbe ſinkt mein Blick!
Kein Stern mehr; ich wandle auf einem
Kirchhofe, und ſchaue traurig zur Erde nie-
[39] der, inſonderheit unter den Deutſchen Ge-
beinen. Die Pyramide hinten auf dem
Umſchlage duͤnkt mich Ceſtius Pyramide zu
Rom, neben welcher der Auslaͤnder-Pro-
teſtanten, meiſtens der Deutſchen Koͤrper
ruhn, verſcharret hier in der Fremde. Welch
eine niederſchlagende Erinnerung giebt uns
das Leben der Meiſten! *) Arm geboren,
fleißig, redlich, eines Theils Talent- an-
dern Theils Verdienſtreich kamen ſie nicht
weiter, als daß ſie ihr Leben entweder
muͤhſam durchlebten, oder in der Haͤlfte
deſſelben faſt unbemerkt niedergingen und
ſtarben. Loudon glaͤnzt als ein Geſtirn
C 4
[40] in dieſem Todtenthale; aber leſen Sie, wie
es auch ihm gegangen? wie ſchwer es ihm
gemacht worden? und wie er zuletzt ſein
Grabmahl von Truͤmmern einer unerſtuͤrm-
ten Pforte ſich ſelbſt als ein castrum doloris
aufgerichtet. Aus dem Wirtenberger Hahn,
dieſem wahrhaftig Newtoniſchen Kopfe, aus
Schaͤffer, Ferber, Reiz, Meier,
und ſo manchen andern, was waͤre in Eng-
land geworden? (Was aus Herſchel
nicht geworden waͤre, wenn er in der Han-
noverſchen Hofkapelle diente!) Und wie
gings dem verdienten Crollius in Zwei-
bruͤck, dem guten Meggenhofen in
Bayern! wie verſchwand Crugot, dieſer
ſanft- und hellleuchtende Stern ſo bald un-
ter Wolken! Auf welche Irrwege ward
Baſedow gefuͤhrt, und wie traurig ſchrei-
tet der arme Ephraim Kuh ſeine Lauf-
bahn danieder! — Dieſe liegen nun neben
[41]JoſephII., neben Elliot, Howard,
Franklin, Kreittmayr hier begraben.
Sie ſchlafen freilich neben einander alle-
ſammt in Frieden; aber der Name auf ihren
Leichſteinen giebt mehr zu denken, als
ſelbſt in Gray's Elegie auf dem Land-
kirchhofe ausgedruͤckt ſeyn moͤchte. Dem
Todten, meine Freunde, gebuͤhrt eine
Thraͤne; ſo manchem Deutſchen Todten
gebuͤhrt mehr als Ein Seufzer.



[42]

5.


Der Truͤbſinn, der Sie bei dem Nekrolog
angewandelt hat, iſt nicht ganz ohne Grund;
laßen Sie uns dieſen aber naͤher beleuchten.
Sollte die Grabſtaͤte ſelbſt, die hier errich-
tet worden, daran nicht etwa mit Schuld
ſeyn?


Der Name Todtenregiſter, iſt ſchon ein
trauriger Name. Laß Todte ihre Tod-
ten begraben; wir wollen die Geſtorb-
nen als Lebende betrachten, uns ihres Le-
bens, ihres auch nach dem Hingange noch
fortwirkenden Lebens freuen, und eben deß-
halb ihr bleibendes Verdienſt dankbar fuͤr
[43] die Nachwelt aufzeichnen. Hiemit verwan-
delt ſich auf einmal das Nekrologium in ein
Athanaſium, in ein Mnemeion; ſie
ſind nicht geſtorben
, unſre Wohlthaͤter
und Freunde: denn ihre Seelen, ihre Ver-
dienſte ums Menſchengeſchlecht, ihr Anden-
ken lebet.


Damit veraͤnderte ſich auch der Entwurf
dieſes Buches, und gewiß zu ſeinem Vor-
theil, wenn anders der Entwurf auszu-
fuͤhren waͤre.


1. Nur deren Leben gehoͤrte in dieſe
Sammlung, die zum Beſten der
Menſchheit wirklich beigetragen
haben
; und es waͤre Hauptblick des Er-
zaͤhlers, wie ſie dies thaten? wie ſie die
wurden, die ſie waren? womit ſie zu kaͤm-
pfen, was ſie zu uͤberwinden hatten? wie
weit ſie's brachten und was ſie andern zu
thun nachließen? endlich wie ſie ihr Ge-
[44] ſchaͤft, das Werk ihres Lebens, ſelbſt an-
ſahn? Eine treue Erzaͤhlung hievon, wo
moͤglich aus dem Munde, oder den Schrif-
ten der Entſchlafnen, oder von denen die
ſie nahe gekannt und bemerkt haben, waͤre
wie eine Stimme aus dem Grabe,
wie ein Teſtament des Verſtorbnen uͤber ſein
eigenſtes Eigenthum, uͤber ſeinen edelſten
Nachlaß.


2. Hieraus folgte, daß bei Maͤnnern
der Wiſſenſchaft man ſich nothwendig auf
den Werth und die Wirkung ihrer
Schriften
, bei thaͤtigen Geſchaͤftsmaͤn-
nern auf den Beruf einlaßen muͤßte, in
welchem ſie der Menſchheit dien
-
ten. Bei Crugot z. B. ſind ſeine Pre-
digten vom Verfaſſer des Chriſten
in der Einſamkeit
nicht genannt, mit
denen er doch, zumal im zweiten Theil,
ſeinen Zeitgenoſſen ſo weit vorſchritt. Cru-
[45]gots wenige Schriften verdienen zu blei-
ben, ſo lange die Deutſche Sprache bleibt;
und es war mir ein angenehmer Umſtand,
hier zu finden, daß Carmer den Chriſten
in der Einſamkeit zum Druck gefoͤrdert ha-
be. Wie nun? ſollte der helldenkende,
liebenswuͤrdige Mann, deſſen Moral ſo
ganz die reine Humanitaͤt Chriſti athmet,
ohne hinterlaßene, des Drucks wuͤrdige
Schriften geſtorben ſeyn? Und ſollte Car-
mer, ſollten die zwei Prinzen und die Prin-
zeßin, die, wie die Biographie ſagt, ihren
Verdienſtvollen Lehrer in ihm ehrten und
liebten, ſollten die Freunde, die ihn naͤher
kannten, dies Geſchenk fuͤr Welt und Nach-
welt verloren ſeyn laßen? Ich hoffe nicht:
denn nebſt Sack und Spalding war
Crugot nicht nur in jenen Gegenden,
ſondern fuͤr Deutſchland uͤberhaupt einer
der erſten Verbreiter des guten Geſchmacks
[46] und einer hellen Philoſophie im Kreiſe ſeines
Berufes. Er muß nicht todt ſeyn; ſondern
er lebe!


3. Da ſchwerlich etwas Langweiligeres,
als ein unbeſtimmtes Leichenlob ſeyn kann:
ſo ſind eben die zarteſten Saiten des menſch-
lichen Herzens auch hier, wie mich duͤnkt,
aufs leiſeſte zu beruͤhren. Familien- Freun-
des- Privatſituationen, wenn ſie nicht auf
einem hellen Detail beruhen, ertragen in
allgemeinen Ausdruͤcken ſelten ein langes
Lob; man uͤberſchlaͤgts oder ermuͤdet. Ueber-
haupt iſt das, was der Lehrer der Menſchen
vom Innern der Moralitaͤt ſprach, auch in
Abſicht auf die Darſtellung derſelben wahr:
„was fuͤrs Auge des Allſehenden allein ge-
hoͤret und vor ihm gethan ward, will nicht
vor dem Auge der Menſchen prangen, ge-
ſetzt, daß es auch der wahreſte Freund des
Verſtorbnen vorzeigte.“ Anders iſts mit
[47] beſtimmten Thatſachen; die ſprechen durch
ſich ſelbſt, ſie ermahnen, lehren, troͤſten.


4. Eingaͤnge zu Lebensbeſchreibungen
durch einen Allgemeinſatz ſind hoͤchſt mißlich.
Welcher Allgemeinſatz erſchoͤpft ein menſch-
liches Leben? welcher verfuͤhrt nicht oͤfter,
als er zurechtweiſet? In den lateiniſchen
memoriis ſind ſolche Gemeinplaͤtze herge-
bracht; hier, wuͤnſcht man, wachſe die Be-
merkung an ihrer natuͤrlichen Stelle im Fort-
gange der Erzaͤhlung hervor, oder ſie ver-
ſiegle zuletzt den Eindruck des Ganzen.
Ueber Manches dieſer Leben haͤtte viel Star-
kes koͤnnen geſagt werden, bald mit einem
ſtrengen Blick, bald mit einem herzdurch-
dringenden Seufzer.


5. Denn freilich, m. Fr., iſts wahr:
Deutſchland weinet um manche ſei-
ner Kinder; es ruft: ſie ſind nicht
mehr
, ſie gingen gekraͤnkt, Beiſtand- und
[48] Troſtlos unter. Hier alſo auf dem Grabe
des Verſtorbnen, als auf einer heiligen
Freiſtaͤte, muͤſſen Wahrheit und Menſchlich-
keit, dieſe ſanft und ruͤhrend, jene unpar-
theiiſch und ſtrenge ihre Stimmen erheben,
und ſprechen: „dieſer Mann ward unter-
druͤckt, jener gemißbraucht, dieſer verlockt
und geſtohlen. Ohne Recht und Urtheil
ſchmachtete er viele Jahre im Felſenkerker;
das Auge ſeines Fuͤrſten weidete ſich an ihm;
ſeine ſpaͤte Entlaſſung ward Gnade, und
nie bekam er die Urſache ſeines Gefaͤngniſſes
zu wiſſen, bis an den Tag ſeines Todes.“ *)
Wahre Begegniſſe dieſer Art muͤßten von
Munde zu Munde, von Tagebuch zu Tage-
buch
[49] buch fortgepflanzt werden: denn wenn Le-
bendige ſchweigen, ſo moͤgen aus ihren
Graͤbern die Todten aufſtehn und zeugen.


Auf dieſe Weiſe gefuͤhrt, was waͤre lehr-
reicher und nuͤtzlicher, als ein ſolches Regi-
ſter der Todten? Es iſt kein Boͤſewicht auf
der Erde, den nicht, wenn ſein ſchuldloſer
oder gar edler Gegner mit hingeſtreckten
Armen daliegt, und die Todtenglocke uͤber
ihm ertoͤnet, das, wodurch er ihm im Leben
wehe that, jetzt im Herzen ſteche und nage.
Die Schlangen der Rache, des Neides und
Undanks entſchlafen am Grabe des Todten
und wenden ſich gegen den lebenden Ver-
brecher. Hier alſo ſitze, wie dort auf Ajax
Grabe, Tugend und Menſchenwuͤrde, und
waͤge und richte.


Ich weiß wohl, wie ſchwer dies alles
auszufuͤhren ſey, zumal in Deutſchland.
Eben aber, daß Moͤſers patriotiſche Phan-
D
[50] taſie „Aufmunterung und Vorſchlag
zu einer weſtphaͤliſchen Biogra
-
phie“ hier in einem weiteren Umfange er-
fuͤllet werden koͤnnte, daß, wenn ſonſt nir-
gend, wenigſtens auf einem Gottesacker die
verdienten Maͤnner mehrerer und aller
Deutſchen Provinzen ſich zuſammen faͤnden,
und endlich doch in der Erde ſich als Landes-
leute, als Bruͤder, als Mitarbeiter an
Einem Werk des Menſchenberufs erkennten;
das allein ſchon ſollte jeden Gutgeſinnten
aufmuntern, aus ſeiner Gegend, wie er
weiß und kann, zur Vervollkommnung des
Ganzen mit beizutragen.


6. Vor allen Dingen aber wuͤnſchte ich
eigne Biographien erleſner merk-
wuͤrdiger Menſchen. Wie weit ſtehen
wir Deutſche hierinn andern Nationen,
Franzoſen, Englaͤndern, Italienern nach!
wir lebten, dachten, muͤheten uns; aber
[51] wir konnten nicht ſchreiben. Die rauhe
oder ermattete Hand, die das Schwerdt,
den Scepter, das Handwerk- und Kunſt-
werkzeug, wohl auch die breite Canzleifeder
fuͤhrte, verachtete meiſtens die Reißfeder
muͤhſamer Selbſtſchilderung; mit der alten
Chronikenzeit ging auch das haͤusliche und
Familiengefuͤhl, fuͤr die Seinen und mit
ihnen fortzuleben, großen Theils zu Grabe.
Was alſo von merkwuͤrdigen alten Selbſt-
beſchreibungen gerettet, was von neuen hie
und da entdeckt werden kann, ſollte gerettet
und genuͤtzt werden, bis (ich weiß gewiß,
daß die Zeit kommt) merkwuͤrdig: Geſchaͤfte
auch freiere Geſinnungen und dieſe den Geiſt
einer edeln Publicitaͤt erwecken werden, bei
dem alle Staͤnde im Lichte wandeln.
Praecipuum munus annalium, ne virtutes
fileantur; vtque pravis dictis factisque ex
posteritate et infamia metus fit.


D 2
[52]
Der Patriot.
Von allen Helden, die der Welt

Als ewige Geſtirne glaͤnzen,

Durch alle Gegenden bis an der Erde

Graͤnzen,

O Patriot, biſt du mein Held.

Der du, von Menſchen oft verkannt,

Dich ganz dem Vaterlande ſchenkeſt,

Nur ſeine Leiden fuͤhlſt, nur ſeine Groͤße

den eſt,

Und lebſt und ſtirbſt fuͤrs Vaterland.

Umſonſt ſucht von der Tugend Bahn

Der Eigennutz dich zu verdraͤngen,

Und fuͤhret wider dich, mit Jauchzen und

Geſaͤngen,

Die lockende Verfuͤhrung an;

[53]
Und ihr Gefolg, die guͤldne Pracht,

Den ſtolzen Reichthum, mit der Ehre,

Die Pfauenfluͤgel ſchwingt, und einem

Freudenheere

Das um die ſuͤße Wohlluſt lacht.

Siegprangender als Caͤſar war,

Schlaͤgt ſich durch dieſen furchtbarn Haufen

Die große Seele durch, mit Gold nicht zu

erkaufen,

Nicht zu erſchuͤttern durch Gefahr.

Denn wie ein Fels, der unbewegt,

Wann Wogen ſich auf Wogen thuͤrmen,

Im Oceane ſteht, und ruhig, in den

Stuͤrmen

Den ganzen Zorn des Himmels traͤgt:

So ſteheſt Du mit feſtem Muth,

Und trotzeſt, ohne Freund, verlaſſen,

Dem Grimm der Maͤchtigen, der Boͤſen, die

dich haſſen,

Und ihrer ungerechten Wuth.

D 3
[54]
Das Vaterland begluͤckt zu ſehn,

Iſt dir die goͤttlichſte der Freuden,

Iſt dir Ambroſia, ſelbſt in dem haͤrtſten

Leiden,

Wann Buͤrger dich undankbar ſchmaͤhn.

Bis dich der Himmel wieder ruft,

Die lichte Wohnung wahrer Helden,

Und wer du wareſt, einſt des Volkes Thraͤnen

melden,

Verſtroͤmt um deine ſtille Gruft.

Unruͤhmlich, unbeweint im Tod,

Vermodern in vergeßnen Hoͤlen

Die Buͤrger ſchlimmer Art, in deren kleinen

Seelen,

Nur niedrer Eigennutz gebot.

Die Schaͤndlichen! Das Vaterland,

Das ihnen, was ſie hatten, Leben,

Ruh, Ehr' und Ueberfluß und ſichre Luft

gegeben,

Bat huͤlflos mit erhobner Hand;

[55]
Sie aber wichen ſcheu zuruͤck,

Und nuͤtzten den erzuͤrnten Himmel

Zu haͤßlichem Gewinn, und dachten im

Getuͤmmel

Nur ſich und ihres Hauſes Gluͤck.

Ihr Haus entflieht der Rache nicht,

Die endlich den Verbrecher findet:

Was mit verruchter Hand ein Boͤſewicht

gegruͤndet,

Zerſtoͤrt ein andrer Boͤſewicht.

Des Buͤrgers Gluͤck bluͤht mit dem Staat,

Und Staaten bluͤhn durch Patrioten.

Athen beſiegten Stolz und Eigennutz und

Rotten,

Noch eh' es Philipps Ehrfurcht that.

Und ſo fiel Rom, die Koͤniginn

Der Koͤnige von allen Zonen,

Von ihrem Thron geſtuͤrzt; und ihre guͤldnen

Kronen

Nahm ein erkaufter Barbar hin.

D 4
[56]
Oft wann in ſchauervoller Nacht

Ihr Schutzgeiſt ihren Schutt umflieget,

Stillſchweigend uͤberſieht, wie Rom im Staube

lieget,

In Truͤmmern ſeiner alten Pracht;

Und dann die großen Thaten denkt,

Die ſein geliebtes Volk vollbrachte,

So lang' fuͤrs Vaterland der Buͤrger Liebe

wachte,

Von niedrer Abſicht unbeſchraͤnkt:

Als alles fremden Goldes Feind,

Ein Curius und Scipione

Und die Fabricier und maͤnnliche Catone

Noch lebten, mit dem Staat vereint:

Dann klagt er laut: „ſie ſind nicht mehr!“

Des Koloſſeums oͤde Mauern

Beginnen rund umher antwortend mit zu

trauern,

Tiefbrauſend wie ein ſtuͤrmiſch Meer:

[57]
„Sie ſind nicht mehr, und Rom ſtarb nach!

Erhoben durch die Patrioten,

Fiel mein geliebtes Rom, als allen Buͤrger-

rotten

Ein patriotiſch Herz gebrach:

Daß dieſer Fall der großen Stadt

Die ſicher-ſtolzen Voͤlker lehre,

Der groͤßte Staat ſey ſchwach, der ungezaͤhlte

Heere,

Doch keine Patrioten hat.

Uz



[58]

6.


Ein Athanaſium, ein Mnemaion
Deutſchlands! Wahrlich unſer Vaterland
iſt zu beklagen, daß es keine allgemeine
Stimme, keinen Ort der Verſammlung hat,
wo man ſich ſaͤmmtlich hoͤret. Alles iſt in
ihm zertheilt, und ſo manches ſchuͤtzet dieſe
Zertheilung; Religionen, Secten, Dialek-
te, Provinzen, Regierungen, Gebraͤuche
und Rechte. Nur auf dem Gottesacker
kann uns etwa eine Stelle gemeinſamer
Ueberlegung und Anerkennung geſtattet
werden.


[59]

Aber warum nur hier? Arbeiten nicht
in allen, vom hoͤchſten bis zu den niedrigſten
Staͤnden, ſichtbare und unſichtbare Kraͤfte,
dieſe gemeinſame Ueberlegung und Aner-
kennung zu erleichtern, zu bewirken? Ein
Theil Deutſchlandes hatte ſich vor dem an-
dern mit unleugbaren Vorſchritten ein
großes Voraus gegeben; der andre Theil
eifert ihm nach, und wir koͤnnen bald an
der Stelle ſeyn, ein Ebenmaas zu finden.
Jeder biedre Menſch muß ſich beſtreben,
dieſes zu foͤrdern, und gluͤcklicher Weiſe
ſcheinen mir Diejenigen, die die biederſten
Deutſchen ſeyn ſollen, die Fuͤrſten, auf den-
ſelben Weg zu treten. Gewiß, der Unter-
ſchied der Religionen macht es nicht: denn
in allen Religionen Deutſchlands giebt es
aufgeklaͤrte, gute Menſchen. Der Unter-
ſchied von Dialekten, von Bier- und Wein-
laͤndern macht es auch nicht, was uns von
[60] einander haͤlt und ſondert; ein leidiges
Staatsintereſſe, eine Anmaßung mehreren
Geiſtes, mehrerer Cultur auf der Einen,
auf der andern Seite mehreren Gewichts,
mehreren Reichthums u. f. war es, was uns
entzweiet; und dem, duͤnkt mich, muß und
wird die allmaͤchtige Zeit obſiegen.


Denn ſagen Sie, was hindert uns
Deutſche, uns alleſammt als Mitarbeiter
an Einem Bau der Humanitaͤt anzuerken-
nen, zu ehren, und einander zu helfen?
Haben wir nicht alle Eine Sprache? ein
gemeinſchaftliches Intereße? Eine Ver-
nunft? Ein und daſſelbe menſchliche Herz?
Der Philoſophie und Kritik hat man nirgend
den Weg verſperren koͤnnen; ſie arbeitet ſich
uͤberall durch; ſie wird in allen guten Koͤpfen
rege. Ihre Regeln ſind allenthalben die-
ſelbe; ihr Zweck allenthalben nur Einer.
Auch der Wetteifer verſchiedner Provinzen
[61] gegen einander kann nicht anders, als
dieſen Zweck befoͤrdern.


Ruhm und Dank verdienet alſo ein jeder,
der die Gemeinſchaft der Laͤnder Deutſch-
lands durch Schriften, Gewerbe und An-
ſtalten zu befoͤrdern ſucht; er erleichtert die
Zuſammenwirkung und Anerkennung meh-
rerer und der verſchiedenſten Kraͤfte; er bin-
det die Provinzen Deutſchlands durch geiſtige
und alſo die ſtaͤrkſten Bande.


Daß uns eine Hauptſtadt fehle, thut zu
unſrer Sache gewiß nichts. Der Ausbil-
dung des Geſchmacks mag ihr Mangel eine
Hinderniß ſeyn; und auch der Geſchmack
kann durch ſie eben ſo wohl verderbt und
gefeßelt werden, als ſie ihm Anfangs Poli-
tur und Fluͤgel verleihen mochte. Einſichten
aber, ruhige Ueberlegungen, thaͤtige Ver-
ſuche, Empfindungen und Aeußerungen
deſſen, was oͤrtlich und allenthalben zu
[62] unſerm Frieden dienet; ſie verſchmaͤhen die
Mauern einer Hauptſtadt und ſuchen das
freie Land; ihre Werkſtaͤte iſt das geſammte
Deutſchland. Je mehrere und leichtere
Boten allenthalben her, allenthalben hin
gelangen; deſto mehr wird die Mittheilung
der Gedanken befoͤrdert, und kein Fuͤrſt,
kein Koͤnig wird dieſe zu hemmen ſuchen,
der die unendlichen Vortheile der Geiſtes-
Induſtrie, der Geiſtescultur, der gegen-
ſeitigen Mittheilung von Erfindungen, Ge-
danken, Vorſchlaͤgen, ſelbſt von begangenen
Fehlern und Schwaͤchen einſieht. Jedes
dieſer Stuͤcke kommt der Menſchen-Natur,
mithin auch der Geſellſchaft zu gut; der
Fehler wird entdeckt, der Irrthum wird
gebeſſert, Gedanke weckt Gedanken, Em-
pfindungen und Entſchluͤſſe regen und trei-
ben. Denn das iſt eben die große und gute
Einrichtung der menſchlichen Natur, daß in
[63] ihr, wenn ich ſo ſagen darf, alles im Keim
da iſt, und nur auf ſeine Entwickelung
wartet. Entſchließet ſich die Bluͤthe nicht
heute: ſo wird ſie ſich morgen zeigen. Auch
alle moͤglichen Antipathien ſind in der menſch-
lichen Natur da; jedem Gift iſt nicht nur
ſein Gegengift gewachſen, ſondern die ewige
Tendenz der waltenden lebendigen Kraft
geht dahin, aus dem ſchaͤdlichſten Gift die
kraͤftigſte Arznei zu bereiten. Ach, die
Extreme liegen in unſrer engebeſchraͤnkten
Natur ſo nahe, ſo dicht bei einander, daß
es oft nur auf einen geſchickten Fingerdruck
ankommt, aus dem Einfalls- den Ab-
ſprungswinkel zu machen, da unabaͤnder-
lichen Geſetzen nach beide in ihrem Ver-
haͤltniß einander gleich ſind. Gedanken zu
hemmen; dies Kunſtſtuͤck hat noch keine
irrdiſche Politik erfunden; ihr ſelbſt waͤre
es auch ſehr unzutraͤglich. Aber Gedanken
[64] zu ſammlen, zu ordnen, zu lenken, zu
gebrauchen; dies iſt ihr, fuͤr alle Zeiten hin-
aus, unabſehlicher großer Vortheil.


Doch die Seite des Verſtandes iſts nicht
allein, in Abſicht welcher ich Deutſchland
einen gemeinſamen Zuſammenhang wuͤnſch-
te; vielmehr iſts die Seite des Charakters,
der Entſchluͤße, der Unternehmung. Wir
wiſſen alle, daß die Deutſchen von jeher
mehr gethan, als von ſich reden gemacht
haben; das thun ſie auch noch. In jeder
Provinz Deutſchlands leben Maͤnner, die
ohne Franzoͤſiſche Eitelkeit, ohne Engli-
ſchen Glanz, gehorſam, oft leidend,
Dinge thun, deren Anblick jedermann ſchoͤ-
nen und großen Muth einſpraͤche, wenn ſie
bekannt waͤren. Denen vollends wuͤnſche
ich keinen Hof, keine Hauptſtadt; einen
Altar der Biedertreue wuͤnſche ich
Ihnen,
[65] Ihnen, an dem ſie ſich mit Geiſt und
Herzen verſammeln. Er kann nur im Geiſt
exſiſtiren, d. i. in Schriften; und, o daß
ausgezeichnet vor allen eine ſolche Schrift
da waͤre! An ihr wuͤrden ſich Seelen ent-
flammen und Herzen ſtaͤrken. Der Deut-
ſche Namen, den jetzt viele Nationen gering
zu halten ſich anmaßen, wuͤrde vielleicht als
der erſte Name Europa's erſcheinen, ohne
Geraͤuſch, ohne Anmaßung, nur in ſich
ſelbſt ſtark, veſt und groß.



[66]

7.


Wir ſind daruͤber einig, daß wenn Ein
großer Name auf Europa maͤchtig gewirkt
hat, es Friedrich geweſen. Als er ſtarb,
ſchien ein hoher Genius die Erde verlaſſen
zu haben; Freunde und Feinde ſeines
Ruhms ſtanden geruͤhrt; es war, als ob
er auch in ſeiner irrdiſchen Huͤlle haͤtte un-
ſterblich ſeyn moͤgen.


Sie denken leicht, wie begierig ich auf
ſeine nachgelaſſenen Schriften
war *): hier, ſagte ich, lebt und ſpricht
[67] noch ſein Geiſt nach dem Ableben ſeines
alten vielgeuͤbten Koͤrpers. Briefe, Ge-
ſpraͤche, ja Worte von ihm, die, ſo lang'
er Koͤnig war, als Ehre geſucht, als
Schaͤtze umhergetragen wurden, ſind jetzt
ein gemeines Gut. Man kann ſie uner-
ſchrocken pruͤfen, im Zuſammenhange ſeines
langen Lebens beherzigen; man darf ihnen
widerſprechen, und ſie mit ſeinen Thaten
vergleichen.


Zuerſt alſo griff ich nicht nach Werken,
die er abſichtlich fuͤr die Welt geſchrieben
hatte, ſondern nach ſeinem Briefwechſel,
und unter dieſem auf den laͤngſten und in-
tereßantſten mit Voltaͤre. Er erſtreckt ſich
von 1736 bis 1777, alſo uͤber vierzig Jahre,
und zeigt die Seele des großen Koͤniges in
den verſchiedenſten Situationen ſeines Le-
bens. Ich will einige Zuͤge und Stellen
auszeichnen.


E 2
[68]

Ein Prinz von 23 Jahren, der Erbe
eines koͤniglichen Thrones, ſucht in weiter
Entfernung den Mann auf, den er fuͤr den
erſten Schriftſteller ſeiner Zeit haͤlt, in dem
er, wie er ſelbſt ſagt, „nicht nur Schaͤtze
„des Geiſtes, Stuͤcke mit ſo viel Geſchmack,
„Delicateße und Kunſt gearbeitet, daß ihre
„Schoͤnheiten bei jedem neuen Leſen neu
„ſcheinen, ſondern auch jene Philoſo-
phie“ findet, die unſer koͤnigliche Juͤng-
ling inſonderheit werth haͤlt. Er uͤberſendet
ihm ſeinen Wolf, erbittet ſich dagegen
ſeine Schriften, ſeinen Unterricht in Brie-
fen, und wird ein Schuͤler des Philoſophen,
nicht aus Eitelkeit, ſondern ernſt und be-
ſcheiden. „Autoren, ſagt er, ſind die Ge-
ſetzgeber des menſchlichen Geſchlechts; ihre
Schriften verbreiten ſich in alle Theile der
Welt; ſie manifeſtiren Ideen, die andre
ſich einpraͤgen. Iſt in ihnen Staͤrke des
[69] Gedankens mit Feuer des Ausdrucks ver-
einigt, ſo bezaubern ſie und ruͤhren. Bald
athmet eine Menge Menſchen die Liebe zum
menſchlichen Geſchlecht, die ſie ihr durch
einen gluͤcklichen Impuls einhauchten. Sie
bilden gute Buͤrger, treue Freunde, Unter-
thanen, die Aufruhr und Tyrannei in
gleichem Grade verabſcheun, voll Eifer,
nur fuͤrs allgemeine Beſte. Ihnen, den
Schriftſtellern, iſt man die Tugenden ſchul-
dig, die die Sicherheit und den Reiz des
Lebens ausmachen; was iſt man ihnen
nicht ſchuldig?“


So ſahe Friedrich die Wiſſenſchaften an,
und dies blieb ſein Bekenntniß. Die Ta-
lente, die hiezu dienten ſchaͤtzte er an Vol-
taͤre, in ſeiner Jugend faſt uͤber die Maße,
in ſeinem hoͤheren Alter maͤßiger; doch
blieb ihm ſtets die hohe Achtung fuͤr einige
große Stuͤcke ſeines Lehrers, die er von
E 3
[70] andern ſehr unterſchied, und ihm daruͤber
offen ſeine Meinung ſagte. Unter Waffen
und im hoͤchſten Alter hielt er die Wiſſen-
ſchaften nicht nur fuͤr ſein ſchoͤnſtes Ver-
gnuͤgen, ſondern auch dem Staat und der
menſchlichen Geſellſchaft unentbehrlich; ohne
ſie, meinte er, wuͤrden und blieben Fuͤrſten,
Staͤnde und Voͤlker Barbaren; Wiſſen-
ſchaften allein haben die Welt erleuchtet,
und einige auserwaͤhlte Seelen des Men-
ſchengeſchlechts veredelt.


Bluͤht, ihr freundlichen Kuͤnſte *),

Bluͤht! Die goldenen Fluthen

Des Paktolus benetzen

Euch in Zukunft die Wurzeln

Eures heiligen Hains.

[71]
Euch gebuͤhret zu herrſchen

Ueber ſchwaͤchere Geiſter,

Und vor euren Altaͤren

Alle Soͤhne des Irrthums

Feiernd opfern zu ſehn.

In der Mitternacht hoͤr' ich

Oft den himmliſchen Wohllaut

Eures Wettgeſangs, hoͤre

Polyhymniens Saiten

Und Uraniens Lied.

Und zerfließe vor Wonne:

Denn ihr ſinget die Thaten

Der unſterblichen Goͤtter,

Unterrichtet die Weiſen

Und Regenten der Welt.

Angenehme Gefuͤhle

Und mein Genius reißen

Allgewaltig mich zu euch,

Ketten ewig an Euren

Siegeswagen mich an.

E 4
[72]

Faſt immer toͤnet dieſe Stimme um mein
Ohr, wenn ich Friedrichs Schriften leſe.
Man wandelt in ihnen wie auf klaßiſchem
Boden; ein Gefuͤhl fuͤr die Wuͤrde, den
Werth, die Schoͤnheit der Wiſſenſchaften
iſt in ſeine kleinſten und groͤßeſten Aufſaͤtze
verbreitet.


Inſonderheit lebt ſein Geiſt in einer ge-
wißen Reihe erwaͤhlter groͤßerer
Seelen
, die er, meiſtens aus dem Alter-
thum, ſich zu Lieblingsnamen ſeiner Phan-
taſie, zu Vorbildern, an denen er gern
verweilet, auserſehen hatte. In Hand-
lungen des Krieges und des Friedens, in
Geſchaͤften der Regierung, und in Bezie-
hungen der Menſchheit kommen ſie ihm oft
wieder, als alte Lehrer und Freunde; ſo
wie es denn bekannt iſt, daß er nur wenige
Schriftſteller, dieſe aber immer von neuem
las und in ſeine Gedanken praͤgte. Nach
[73] gewißen Jahren wollte ihm das Neue nicht
mehr gnug thun; er fand eine Spitzfindig-
keit oder einen mathematiſchen Calcul in
Schriften, wohin dieſer nicht gehoͤrte. Die
alten großen Formen weniger Hauptgedan-
ken lagen in ihm, von denen er ſich ungern
trennen mochte. In Sachen des Vortrags
ſah er Voltaͤre als die letzte Stuͤtze des Ge-
ſchmacks an, der unter Ludwig XIV. ge-
weſen war, und unter Ludwig XV. und XVI.
freilich nicht mehr ſeyn konnte. Dagegen
ſieht er ſeine eignen Aufſaͤtze in Verſen blos
als Reimereien zum Vergnuͤgen, in Proſe
als Uebungen zu Entwicklung ſeiner Ge-
danken an, und ſpricht von ihnen ohn' alle
Anmaßung. Dieſe Beſcheidenheit iſt, wie
man offenbar ſieht, kalte Ueberzeugung;
er fuͤhlt, was ihm fehle, und warum er
nicht ſeyn koͤnne, was z. B. Voltaͤre war.
Er wills auch nicht ſeyn: denn er fuͤhlt
E 5
[74] ſeinen groͤßern Beruf, ob er gleich den an-
dern, ein großer Schriftſteller zu ſeyn, als
angenehmer erkennet und in Augenblicken
des Enthuſiasmus faſt zu beneiden ſcheinet.
Bald aber ſetzt ſein Geiſt ſich ins Gleichge-
wicht: „geſunder Verſtand, meint er, ein
edler Trieb zur Ehre, und unausgeſetzte
Thaͤtigkeit ſey ſeine Gabe, die wolle und
muͤße er auf ſeiner Stelle ausbilden, an-
wenden und gebrauchen.


Faſt unglaublich iſts auch, wie weit er
in dieſen Punkten nicht etwa nur Voltairen,
ſondern auch ſeinen ſaͤmmtlichen correſpon-
direnden Freunden uͤberlegen iſt. Wenige,
aber große Grundſaͤtze liegen als unerſchuͤt-
terliche Fundamente in ſeiner Seele; wenige
aber veſte Maximen ſind ſeine treuen Ge-
faͤhrten, auf die er zuletzt, und als Koͤnig
oft mit ſehr leichter Muͤhe, alles zuruͤck-
fuͤhrt. Einige derſelben wollten ihm im
[75] ſiebenjaͤhrigen Kriege zuweilen untreu wer-
den; er nimmt aber ſeine große Seele zu-
ſammen, und verbeißt die verachtende Bit-
terkeit, mit der er inſonderheit die Regie-
rungen der Welt, ihre Unterhaͤndler und
Werkzeuge, wohl auch den groͤßeren Theil
des menſchlichen Geſchlechts anſieht. Ganz
ſcheint er indeßen von dieſer zu langen und
großen Ueberſtrengung ſich nie wieder er-
holt zu haben; ſein Geiſt kehrte, nach Endi-
gung des ſiebenjaͤhrigen Krieges, zu ſeinen
fruͤheren Vergnuͤgen zwar zuruͤck, war hei-
ter, veſt und wirkſam; aber er blieb ſtren-
ger und ernſter. Mit Bewunderung habe
ich, (wenige Vorurtheile ausgenommen,) die
faſt allgemeine Billigkeit, Maͤßigung und
Enthaltſamkeit des großen Koͤniges in ſeinen
Urtheilen von Sachen, Begebenheiten und
Perſonen mir ausgezeichnet. Es war eine
ſelbſtſtaͤndige, große Seele.


[76]

Und daß ſein Herz den Empfindungen
der Humanitaͤt, der Freundſchaft, der
Bruder- und Schweſterliebe, dem Zuge zu
allem Großen und Guten, nicht verſchloßen
geweſen, zeigen hundert Stellen ſeiner
Schriften, tauſend Momente ſeines Lebens.
In juͤngern Jahren hatte er einen Brief
uͤber die Humanitaͤt
geſchrieben, von
dem er viel zu halten ſcheint, den ich aber
in ſeinen Schriften nicht finde; er ſagt von
ihm:


„Es ſcheint, man ſtaͤrke ſich in einer Ge-
ſinnung, wenn man ſeinem Geiſt alle Gruͤnde
vorhaͤlt, die ſie unterſtuͤtzen. Und dies be-
ſtimmte mich, uͤber die Humanitaͤt zu ſchrei-
ben. Sie iſt, nach meiner Meinung, die
einzige Tugend und ſoll inſonderheit denen
als Eigenthum zugehoͤren, die ihr Stand in
der Welt unterſcheidet. Ein Landesherr,
er ſei groß oder klein, ſoll als ein Menſch
[77] angeſehen werden, deſſen Beruf es iſt,
menſchlichem Elende abzuhelfen, ſo viel er
kann; er iſt ein Arzt, die mancherlei Un-
faͤlle ſeiner Unterthanen zu heilen. Die
Stimme der Ungluͤcklichen, das Seufzen
der Elenden ſoll zu ihm gelangen. Sey es
aus Mitleid mit ihnen, oder aus einer Ruͤck-
kehr des Gedankens auf ihn ſelbſt, ſo muß
ihn die traurige Lage der Leidenden ruͤhren,
und wenn ſein Herz irgend Empfindung
hat, werden ſie Huͤlfe bei ihm finden.


„Ein Fuͤrſt iſt gegen ſein Volk was das
Herz dem Koͤrper iſt. Dies empfaͤngt das
Blut aus allen Gliedern, und ſtoͤßt es mit
Gewalt bis an ihre aͤußerſten Enden zuruͤck.
Der Fuͤrſt empfaͤngt die Treue und den Ge-
horſam ſeiner Unterthanen; er giebt ihnen
Ueberfluß, Gluͤckſeligkeit, Ruhe, und was
irgend zum Wachsthum und zum Wohl der
Geſellſchaft thun kann, wieder.


[78]

„Dies ſind Maximen, die im Herzen
jedes Menſchen von ſelbſt entſpringen muͤßen;
das Gefuͤhl giebt ſie, wenn man nur etwas
nachdenkt; man hat keinen großen Curſus
der Moral noͤthig, um ſie zu lernen.


„Tyrannen betrachten die Sache anders.
Sie ſehen die Welt, als fuͤr ſie geſchaffen,
an; und um uͤber gewiſſe gewoͤhnliche Un-
gluͤcksfaͤlle erhoben zu ſeyn, verhaͤrten ſie
ihr Herz vor denſelben. Wenn ſie ihre Un-
terthanen unterdruͤcken, wenn ſie hart, ge-
waltthaͤtig und grauſam ſind; ſo kommt
dies daher, daß ſie das Boͤſe nicht kennen,
das ſie veruͤben; ſie haben es nie ſelbſt ge-
fuͤhlt, darum gehen ſie ſo leicht daruͤber.
Sie ſind nicht im Fall des Mutius Scaͤ-
vola geweſen, der vorm Porſenna die
Hand ins Feuer ſteckte, und dadurch die
Wirkung des Feuers auf ſeine Hand wohl
kennen lernte.


[79]

„Mit Einem Wort. Die ganze Haus-
haltung des menſchlichen Geſchlechts iſt ein-
gerichtet, um Menſchenliebe einzufloͤßen.
Die Aehnlichkeit der Menſchen unter ein-
ander; die Gleichheit ihres Looſes und das
unentbehrliche Beduͤrfniß, das Einer vom
andern hat; Ungluͤcksfaͤlle, die die Bande
des Beduͤrfniſſes noch ſtaͤrker anziehen; die
natuͤrliche Neigung, die man zu ſeines
Gleichen hat; unſre Selbſterhaltung, die
uns Humanitaͤt predigt; die ganze Natur
ſcheint ſich zu vereinigen, um uns eine
Pflicht einzupraͤgen, die unſer Gluͤck macht,
und taͤglich neue Annehmlichkeiten auf unſer
Leben verbreitet.“


Wenn Friederich immer ſo gefuͤhlt
und gethan hat, als er hier ſchreibt, (und
es war gewiß ſein Ernſt, da er es ſchrieb;
auch wurden ihm in den unhumanſten
Situationen ſeines Lebens dieſe Geſinnun-
[80] gen nie ganz fremde,) ſo wollen wir ihn
als einen Heiligen anrufen, daß er uns
ſeinesgleichen humane Denker, vaͤterliche
Regenten, Aerzte und Herzen des Volks
erbitten helfe. Auch wollen wir wuͤnſchen,
daß alle Fuͤrſten und Prinzen die meiſten
ſeiner Werke, (ſie ſind ja franzoͤſiſch ge-
ſchrieben) leſen moͤgen, und zwar alſo als
ob ſie den großen Koͤnig ſelbſt hoͤrten.



[81]

8.


Wenn Koͤnig Friederichs Lob auf die
Humanitaͤt Ihnen gefaͤllig geweſen, ſo
laßen Sie ſich einige kuͤrzere Gedanken und
Maximen vortragen, die ich in dieſen an-
genehmen Briefen bezeichnet.


„Traurige Folge der menſchlichen Hin-
faͤlligkeit! der Menſch iſt nicht alle Tage ſich
ſelbſt gleich. Oft zerſtoͤren ſich ihre Ent-
ſchluͤße eben ſo ſchnell, als ſie ſie faßten.
Der Spanier ſagt ſehr vernuͤnftig: „dieſer
F
[82] Mann iſt brav geweſen.“ Koͤnnte man
nicht eben ſo wohl ſagen, daß große
Maͤnner es nicht immer, nicht allezeit
ſind?“


„Wenn ich etwas wuͤnſchte, ſo waͤre es,
gelehrte und geſcheute Leute um mich zu
haben; ich glaube nicht, daß eine Sorge
um ſie ſich nicht ſehr belohnte. Zuerſt iſt es
eine Achtung, die man ihrem Verdienſt
ſchuldig iſt; ſodann ein Bekenntniß des
Beduͤrfnißes, das man hat, von ihnen Licht
zu bekommen. Ich komme kaum von Er-
ſtaunen zuruͤck, wenn ich denke, daß eine
cultivirte Nation, die, vom Genie unter-
ſtuͤtzt, im Beſitz des guten Geſchmacks iſt,
den Schatz nicht kennet, den ſie in ihrem
eignen Schooße traͤgt.


[83]

„Meine jetzige Muße laͤßt mir Zeit, mich
zu beſchaͤftigen, wie ich will. Sie ſoll mir
alſo nuͤtzlich und eine weiſe Muße werden,
indem ich Philoſophie und Geſchichte ſtudire,
und mich mit Poeſie und Muſik vergnuͤge.
Ich lebe jetzt als Menſch, und ziehe dies
Leben der majeſtaͤtiſchen Gravitaͤt und dem
tyranniſchen Zwange der Hoͤfe unendlich
vor. Ueberhaupt kann ich keine Lebensart,
nach der Elle abgemeßen, ausſtehn; nur die
Freiheit hat fuͤr mich Reize.


Wenn Perſonen von einem gewiſſen
Range die Haͤlfte ihrer Laufbahn erreichen,
ſo urtheilt man ihnen den Preis zu, den
andre nur erhalten, wenn ſie die ganze
Laufbahn zuruͤckgelegt haben. Woher die-
ſes? Entweder wir ſind weniger faͤhig, das
F 2
[84] recht zu machen, was wir thun ſollen; oder
es ſind niedrige Schmeichler, die unſre klein-
ſten Handlungen geltend machen und zum
Himmel erheben. Der verſtorbne Koͤnig
von Polen rechnete große Summen ziemlich
leicht; alle Welt pries ſeine hohe Kenntniß
der Mathematik, von der er doch kein Wort
verſtand. Mehrere Beiſpiele mag ich nicht
anfuͤhren. In unſern Tagen hat es durch-
aus keinen großen Fuͤrſten gegeben, der
wirklich unterrichtet war, als Peter den
Erſten.“ (Und auch bei dieſem macht Frie-
drich in der Folge mit Recht große Aus-
nahmen.)


„Wie verſchieden iſt ein betrachtendes,
von einem handelnden Leben! Ein Mann,
der ſich nur mit Denken beſchaͤftigt, kann
gut denken und ſich uͤbel ausdruͤcken; ein
[85] handelnder Mann, wenn er ſich auch mit
aller erſinnlichen Grazie ausdruͤckte, darf
nie ſchwach handeln; wie man z. B. dem
Koͤnige von England Jacob I. vorwarf, daß
er nie etwas Schlechtes geſagt, nie etwas
Lobwuͤrdiges gethan habe. Es fuͤget ſich
oft, daß die, die gegen Handlungen andrer
am meiſten declamiren, es ſchlechter als ſie
machen, wenn ſie ſich in den naͤmlichen
Umſtaͤnden befinden. Daß es ja mir nicht
alſo gehe! Denn leichter iſts freilich zu
tadeln, als zu thun; leichter Lehren zu
geben, als ſie auszuuͤben. Und dann laſſen
Menſchen ſich ja ſo leicht verfuͤhren, bald
durch Anmaßung, bald durch den Glanz
ihres Standes, oder durch Hinterliſt der
Boͤſen, daß ihr Gewiſſen beſtrickt wird,
auch wenn ſie die reinſten und beſten Ab-
ſichten von der Welt haͤtten.


F 3
[86]

„Ich habe wenig Verdienſt und Gelehr-
ſamkeit; aber viel guten Willen, und eine
unerſchoͤpfliche Achtung und Freundſchaft
fuͤr Perſonen von entſchiedenem Werth. Da-
bei bin ich alle der Beſtaͤndigkeit faͤhig, die
die wahre Freundſchaft fodert.


„Koͤnige ohne Freundſchaft und ohne
Erkenntlichkeit ſcheinen mir dem Koͤnige
gleich zu ſeyn, den Jupiter den Froͤſchen
gab. Ich kenne die Undankbarkeit nur in
ſo fern, als ich ſelbſt durch ſie gelitten habe,
und kann, ohne Affectation fremder, mir
unnatuͤrlicher Geſinnungen, behaupten, daß
ich jeder Groͤße entſagen wuͤrde, wenn ſie
die Freundſchaft ausſchloͤße.


[87]

„Ich verachte die Jeſuiten zu ſehr, als
daß ich ihre Schriften leſen ſollte; ein ſchlech-
tes Herz verdunkelt bei mir die Faͤhigkeiten
des Geiſtes. Ueberdem leben wir nur ſo
kurze Zeit, und unſer Gedaͤchtniß iſt ſo
ſchwindend, daß nur das Ausgeſuchteſte uns
unterrichten ſollte.


„Die Deutſchen Prinzen verachten ge-
meiniglich die Gelehrten. Die unmodiſche
Kleidung, der Buͤcherſtaub, der dieſen et-
wa anhangt, und das wenige Verhaͤlt-
niß, das zwiſchen einem Kenntnißreichen
Kopf und dem leeren Hirn dieſer Herren
ſtatt finden kann, macht, daß ſie ſich uͤber
ihr Aeußeres aufhalten, und den großen
Mann ohne Hofkleid ganz und gar nicht ge-
F 4
[88] wahr werden *). Der Hoͤfling haͤlt das
Urtheil des Fuͤrſten zu hoch, als daß er an-
ders als Er zu denken ſich getrauen ſollte;
ſie affectiren alſo auch, die zu verachten,
die tauſendmal mehr als ſie ſelbſt werth
ſind. O Zeiten! o Sitten! Ich, der ich
mich uͤberhaupt nicht fuͤr das Zeitalter ge-
ſchaffen fuͤhle, in dem wir leben, mag dem
Beiſpiele meiner Herren Mitbruͤder nicht
nachfolgen; ich predige ihnen unaufhoͤrlich,
daß der Gipfel der Unwiſſenheit Hochmuth
ſey, und glaube, daß ein großer Mann,
der uͤber mir iſt, auch meine Achtung
verdiene.


[89]

„Das lebhafteſte Vergnuͤgen, das ein
vernuͤnftiger Menſch in der Welt haben
kann, iſt neue Wahrheiten zu entdecken;
das naͤchſte nach dieſem iſt, alter Vorur-
theile los zu werden.


„Die meiſten Prinzen haben eine beſondre
Leidenſchaft fuͤr die Stammbaͤume; eine Art
Eigenliebe, die bis auf die entferntſten Vor-
fahren hinaufſteigt, ja die ſie nicht nur fuͤr
Vorfahren in gerader, ſondern auch in
jeder Seitenlinie intereßiret. Ihnen ſagen,
daß unter ihren Ahnen ſchlechte, mithin
veraͤchtliche Menſchen geweſen, hieße ihnen
ein Schimpf, den ſie nie verzeihen; und
wehe dem profanen Autor, der in das
Heiligthum ihrer Geſchichte verwegen draͤn-
ge, und die Schande ihres Hauſes unter
F 5
[90] die Leute braͤchte! Wenn dieſe Delikateße
ſich blos auf den guten Ruf ihrer Ahnen
muͤtterlicher Seits erſtreckte, ſo waͤre
er noch zu entſchuldigen; aber verlangen,
daß funfzig, ſechzig Vorfahren, alle nach
der Reihe, die honnetſten Menſchen von der
Welt geweſen ſeyn, das heißt die Tugend
in Eine Familie bannen, und dem menſch-
lichen Geſchlecht Unrecht thun. Eines Tages
hatte ich die Unbedachtſamkeit, in Gegen-
wart Jemandes zu behaupten, daß ein
Herr von — ſo etwas gethan habe, das
einem Cavalier nicht gezieme; ungluͤcklicher
Weiſe war dieſer Herr von — zweites Ge-
ſchwiſterkind mit dem, in deſſen Gegenwart
ich dies ſagte. Er formaliſirte ſich ſehr dar-
uͤber, und als ich ihn um die Urſache fragte,
mußte ich erſt durch einen langen Stamm-
baum paßiren, um meine Beleidigung zu
erfahren. Da war nun kein andrer Rath,
[91] als dem Unwillen meines Beleidigten alle
meine Vorfahren Preis zu geben, die etwa
nicht verdient haͤtten, es zu ſeyn. Man
tadelte mich; ich rechtfertigte mich aber da-
mit, daß jeder Mann von Ehre, jeder
honette Mann meines Stammes ſey, und
daß ich ſonſt keinen dafuͤr erkennte.


„Gern wuͤrde ich unter einem gemaͤßig-
ten Klima leben, gern als Privatmann die
Freundſchaft und Achtung wuͤrdiger Men-
ſchen verdienen, und dem entſagen, wor-
nach die Meiſten luͤſten und ſtreben; aber ich
fuͤhle zu ſehr, daß wenn ich nicht Prinz
waͤre, ich wenig ſeyn wuͤrde. Euch reicht
Euer Verdienſt zu, geachtet, beneidet, be-
wundert zu werden; ich habe Ahnen, Wap-
pen, Titel, Einkuͤnfte noͤthig, um die Au-
gen der Menſchen auf mich zu ziehen. Ein
[92] großer Fuͤrſt fiel einmal in die Haͤnde ſeiner
Feinde; er ſahe ſeine Hofleute um ſich her
weinen, verzweifeln: „Ach, ſagte er, an
Euren Thraͤnen merke ich
, daß ich
noch Koͤnig bin
!“ Wenige Worte,
aber voll großen Sinnes!


„Bruͤſſel und faſt das ganze Deutſch-
land iſt ſeiner alten Barbarei noch nicht
los; die Kuͤnſte werden in ihm wenig ge-
achtet, alſo auch wenig cultiviret. Der
Adel dient unter den Truppen, oder mit
ſehr leichten Studien tritt er in Collegia
und ſpricht das Recht, daß es eine Luſt iſt.
Edelleute mit Renten leben auf dem Lande,
oder vielmehr in den Waͤldern, wo ſie denn
auch ſo wild werden als die Thiere, die ſie
jagen. Der Adel unſres Landes gleicht zwar
im Ganzen dem andern Deutſchen Adel;
[93] doch hat er mehr Luſt, ſich zu unterrichten,
mehr Lebhaftigkeit und wenn ich ſagen darf,
mehr Genie als der groͤßere Theil der Na-
tion, inſonderheit der Weſtphaͤliſche, Fraͤn-
kiſche, Schwaͤbiſche, Oeſterreichiſche Adel.
Dies giebt Hofnung, daß die Kuͤnſte einſt
auch hier, aus der untern Claſſe gezogen,
gute Haͤuſer und Palaͤſte bewohnen werden.
Berlin hat, (wenn ich mich ſo ausdruͤcken
darf) Funken aller Kuͤnſte in ſich, man ſieht
das Genie von allen Seiten hervorglim-
men, und es beduͤrfte nur eines gluͤcklichen
Hauchs, um das Leben den Wiſſenſchaften
wieder zu geben, die Athen und Rom einſt
beruͤhmter machten, als ihre Eroberungen
im Kriege. Ich freue mich, dieſe gluͤck-
lichen Produktionen meines Vaterlandes
zu ſehen: ſie ſind Roſen die unter Dornen
und Diſteln wachſen, Funken des Genies,
die durch die Aſche hervorblicken, mit denen
[94] ſie ungluͤcklicher Weiſe bedeckt ſind. (Ge-
ſchrieben im Jahr 1739.)


„Eben hatte ich einen Brief angefangen
uͤber die Mißbraͤuche der Mode
und der Gewohnheit
, als die Ge-
wohnheit des Erſtgeburtrechts mich auf
den Thron rief und mir meinen Brief weg-
zulegen befahl. Gern haͤtte ich ihn in eine
Satyre gegen dieſe Gewohnheit umgeaͤndert,
wenn nicht Satyre aus dem Munde der
Fuͤrſten verbannt ſeyn muͤßte.


„Gewoͤhnlicher Weiſe macht man ſich in
der Welt von den großen Revolutionen der
Reiche eine aberglaͤubige Idee; wenn man
in den Couliſſen iſt, ſieht man, daß die
[95] groͤßten Zauberſcenen durch die gemeinſten
Triebfedern, durch Taugenichte hervorge-
bracht werden, die, wenn ſie ſich oͤffent-
lich, wie ſie ſind, zeigten, nur den Un-
willen des Publikum auf ſich ziehen wuͤr-
den. Betrug, Hinterliſt, Doppelſinn,
Treuloſigkeit ſind ungluͤcklicher Weiſe der
herrſchende Charakter der meiſten Men-
ſchen, die an der Spitze der Nationen
ſtehen, und ihnen Exempel ſeyn ſollten. In
ſolchen Faͤllen iſts demuͤthigend, das menſch-
liche Herz kennen zu lernen; tauſendmal
ſchon habe ich meine liebe Einſamkeit, meine
Studien, meine Freunde, meine ehemalige
Unabhaͤngigkeit zuruͤckwuͤnſchend bedauret.
(1742.)


„Meine Ode auf den Krieg enthaͤlt
meine wahren Gedanken. Man unterſcheide
[96] den Stand des Mannes von ihm ſelbſt;
man kann Krieg fuͤhren aus Gruͤnden, ein
Staatsmann ſeyn aus Pflicht und ein Phi-
loſoph aus Neigung. Faſt nie ſind die
Menſchen an Plaͤtzen, die ſie ſich ſelbſt waͤh-
len wuͤrden; daher giebts ſo viele ſchlechte
Schuſter, ſchlechte Prieſter, ſchlechte Mini-
ſter und Fuͤrſten. (1749.)


„Hier iſt eine Apologie der armen
Koͤnige, uͤber die jedermann gloſſiret; und
doch beneidet jeder ihr vorgegebnes Gluͤck
hundertmal. Die Verſifikation iſt unvoll-
kommen; dies Studium erfordert einen
Menſchen ganz; mich ziehen tauſend Pflich-
ten, tauſend Beſchaͤftigungen aus einan-
der. Ich bin ein angeketteter Galeeren-
ſklave auf dem Schiff des Staats, oder
ein
[97] ein Pilot, der weder ſein Steuer verlaſſen,
noch einſchlafen darf, ohne Furcht das
Schickſal des ungluͤcklichen Palinurs zu
haben. Die Muſen fodern Stille und eine
gaͤnzliche Gleichheit der Seele; keine von
beiden iſt mein Theil. Es giebt auch ge-
wiſſe privilegiirte Seelen, die im Tumult
der Hoͤfe ſowohl, als im Gefaͤngniß der
Baſtille, oder auf dem Strohſack der
Reiſe dichten koͤnnen; die meinige iſt nicht
von dieſer Zahl. Es iſt eine Ananas, die
nur im Treibhauſe fortkommt, an friſcher
Luft aber verdirbt.“ (1749.)


— — Doch ich ermuͤde Sie mit Vor-
zeigung ausgeriſſener Blumen, die eigent-
lich nur auf der Stelle, da ſie ſtehen, in
G
[98] der Situation, die ſie hervorbrachte, den
ſchoͤnſten Reiz haben. Stuͤnde mir die
Verſification eines Jacobi zu Gebot,
und ich haͤtte Ihnen die eingeſtreueten Verſe
in der leichten Manier des Originals mit-
geben koͤnnen; freilich da waͤre es anders!


[99]

9:


Sie wollen alſo, daß ich meine Blumen-
leſe auch in den reiferen, ſchwereren Jahren
des Koͤnigs fortſetze; Ihr Wille geſchehe.
Faſt mit jedem Jahre waͤchſt meine ſtille Be-
wunderung des großen Mannes, und in
den Zeiten des ſiebenjaͤhrigen Krieges ſteigt
ſie faſt zum hohen tragiſchen Mitleid. Eine
Seele, die zum Genuß, zur ſchoͤnſten Wirk-
ſamkeit in Zeiten der Ruhe und des Frie-
dens geſchaffen war, die in jugendlichen
Jahren ihren erſten und zweiten Ausflug
nach dem Kranz kriegeriſcher Ehre gleichſam
nur in der Begeiſterung des Augenblicks,
G 2
[100] gelockt oder aufgefodert von Staatsgruͤnden,
von ſogenannten Rechten und der damaligen
Lage Europa's, raſch und gluͤcklich gethan
hatte, muß jetzt dieſen leicht erworbenen
Kranz ſchwer und theuer erkaufen. Alle
Maͤchte Europa's vereinigen ſich, den
ſchwachgeglaubten, einzelnen Mann zu er-
druͤcken, und ſeine unglaubliche Tapferkeit,
ſein unerſchuͤtterter Muth fodert, ſtatt ihre
Rache zu beſaͤnftigen, dieſe nur mehr auf.
Er ſieht die niedrigen Urheber und Werk-
zeuge ſeines faſt ſchon unvermeidlichen Un-
gluͤcks; mehr als Ein Ungewitter zieht er
mit kuͤnſtlich-kuͤhner Hand auf ſeine Feinde
ſelbſt hernieder; und doch ſammeln ſich die
Wolken immer furchtbarer uͤber ihn zuſam-
men. In dieſen Augenblicken der Gefahr,
des Sieges, der groͤßeren Gefahr und des
faſt unvermeidlichen Untergangs ſind tief
aus der Seele des Helden geſchriebene Briefe
[101] Dinge, die wir bei keiner andern Nation,
weder bei Alten noch Neueren, finden. Aus
Cato, Caͤſars, Brutus, Otho Seele haben
wir nichts dergleichen; keiner von ihnen
hat auch die Gefahren beſtanden, aus denen
Friedrich ſich, vielleicht in Jahrtauſenden
unerreichbar, herauszog. Da wirds merk-
wuͤrdig, was dieſer ſtarke, friedliche Mann
jetzt uͤber Menſchen, uͤber das Schickſal der
Welt dachte.


Sogleich der erſte vortrefliche Brief
(9. Octob. 1759.) der ſich mit den Worten
endigt:


Pour moi, menacé du naufrage,
Je dois, en affrontant l' orage,
Penfer, vivre et mourir en Roi

und mehrmals uͤberſetzt iſt, enthuͤllet die
Denkart des Koͤniges. In andern ſind
fuͤrchterliche Ausruffe mit gefaßter Staͤrke:
„Ich kann meinen Feinden ſagen, wie
G 3
[102] Demoſthenes den Athenienſern: wohl dann!
wenn Philippus todt iſt, was waͤre es, ihr
Athenienſer? Ihr wuͤrdet euch bald einen
andern Philippus machen. O Oeſtreicher,
euer Hochmuth, eure Sucht alles zu be-
herrſchen, wuͤrden euch bald andre Feinde
machen; der Freiheit Deutſchlands und
Europa's wird es nie an Vertheidigern
fehlen!“


Indeſſen betruͤbt ihn der Tod ſeiner
Schweſter aufs zarteſte, „fuͤr die er ſein Le-
ben unter dieſen Ungluͤcksfaͤllen gern wuͤrde
hingegeben haben.“


Er wird geſchlagen, und ſagt, wie
Franz: „Alles ging verlohren, nur nicht
die Ehre.“


„Je aͤlter man wird, je mehr uͤberredet
man ſich, daß die heilige Majeſtaͤt, der
Zufall, drei Viertheile dieſer elenden Welt
regieret, und daß die, die ſich die Weiſeſten
[103] zu ſeyn einbilden, die groͤßten Narren der
Gattung ſind, die ohne Federn auf zwei
Fuͤßen gehet, zu der wir zu gehoͤren die
Ehre haben.


„In den großen Bewegungen, denen ich
entgegen gehe, habe ich nicht Zeit, zu
wiſſen, ob jemand Pasquille gegen mich
ſchreibt in Europa; das weiß ich, und deſſen
bin ich Zeuge, daß meine Feinde, mich zu
erdruͤcken, alle Kraͤfte aufbieten. Ich weiß
nicht, ob es der Muͤhe lohnet.


„Es ſcheint, man vergißt in dieſem Krie-
ge, was Wohlſtand ſey. Die policirteſten
Nationen kriegen wie wilde Thiere. Ich
ſchaͤme mich der Menſchheit; ich erroͤthe
uͤber das Jahrhundert. Laßet uns die
G 4
[104] Wahrheit geſtehen: Philoſophie und Kuͤnſte
verbreiten ſich nur auf eine geringe Zahl
Menſchen. Die große Maſſe, das Volk
und der gemeine Adel bleiben das, wo-
zu ſie die Natur gemacht hat, boshafte
Thiere.“


„Ihr habt der Sorbonne ein Grab ge-
macht; baut auch dem Parlement ein Grab-
mahl. Es radotirt ſo ſtark, daß es mit
ihm bald aus ſeyn muß.“


„Ihr wuͤnſchet Frieden; wendet euch an
die, die ihn der Welt geben koͤnnen. Das
ſind aber Leute, die ihren Kopf voll hoch-
muͤthiger Projekte haben; ſie wollen eigen-
maͤchtige Schiedsrichter der Regenten ſeyn,
und das moͤgen Menſchen, die wie ich
[105] denken, nicht leiden. Ich liebe den Frie-
den; aber keinen andern, als einen guten,
ſtandhaften, Ehrenvollen Frieden. Sokra-
tes und Plato haͤtten wie ich gedacht, wenn
ſie auf dem verwuͤnſchten Punkt geſtanden
haͤtten, den ich in dieſer Welt einnehme.


„Glaubt Ihr, daß es ein Vergnuͤgen
ſey, dies alberne Leben fortzufuͤhren? Men-
ſchen, die man nicht kennt, um ſich ſterben
ſehen und ſie dem Tode ſelbſt zu uͤberliefern,
Tag fuͤr Tag ſeine Bekannte und Freunde
zu verlieren, ſeinen Ruf dem Eigenſinn
des Ungefaͤhrs unaufhoͤrlich ausgeſetzt zu
ſehen, das ganze Jahr durch in Unruhe und
ſcheuer Erwartung zuzubringen, ohne End'
und Maas ſein Leben und Gluͤck aufs Spiel
zu ſetzen?


„Gewiß, ich kenne den Werth der Ruhe,
die Annehmlichkeiten der Geſellſchaft und
die Freuden des Lebens; auch ich wuͤnſche
G 5
[106] gluͤcklich zu ſeyn, wie irgend Jemand. So
ſehr ich aber dieſe Guͤter begehre, ſo wenig
mag ich ſie durch Niedertraͤchtigkeit und
Ehrloſigkeit erkaufen. Die Philoſophie
lehrt uns, unſre Pflicht thun, unſerm
Vaterlande ſelbſt mit unſerm Blut treu
dienen, ihm unſre Ruhe, ja unſer ganzes
Daſeyn aufopfern.


„Trotz aller Schulen der Philoſophie
wird der Menſch immerhin das boͤsartigſte
Thier der Welt bleiben; Aberglaube, Ei-
gennutz, Rache, Verrath, Undankbarkeit
werden bis ans Ende der Zeiten blutige,
traurige Scenen hervorbringen, weil Lei-
denſchaften uns beherrſchen, ſelten die Ver-
nunft. Immer wirds Kriege, Proceße,
Verwuͤſtungen, Peſt, Erdbeben, Banque-
route geben; um ſolche Dinge drehen ſich
[107] die Annalen der Welt. Fuͤr Ungluͤcksfaͤlle
iſt die Aegide des Zeno gemacht; die Kraͤnze
aus dem Garten Epikurs ſind fuͤr das
Gluͤck.


„Ich ſtehe auf dem Punkt, mich mit den
Rußen zu ſetzen; es bleiben mir alſo nur
die Koͤnigin von Ungarn, die Mandarinen
des heil. Reichs und die Lapplaͤndiſchen
Raͤuber fuͤrs kuͤnftige Jahr uͤbrig. Mein
Herz hat mich dieſen Gang thun heißen,
ein Gefuͤhl der Menſchlichkeit, das gern die
Stroͤme Bluts verſiegen machen moͤchte,
die beinah unſre ganze Sphaͤre uͤberſchwem-
men, das gern den Moͤrdereien, Barba-
reien, Mordbrennereien und allen den Ab-
ſcheulichkeiten ein Ende machen moͤchte, die
Menſchen gegen einander ausuͤben, und
durch die ungluͤckliche Gewohnheit, ſich im
[108] Blute zu baden, Tag fuͤr Tag wilder wer-
den. Dauret dieſer Krieg fort, ſo muß
Europa in die Finſterniß der Unwiſſenheit
zuruͤckfallen, und unſre Zeitgenoſſen werden
wilde Thiere. Es iſt Zeit, dieſen Scheuß-
lichkeiten ein Ende zu machen. Alle dies
Ungluͤck iſt eine Folge der Ehrſucht Oeſter-
reichs und Frankreichs. Laß ſie ihren un-
geheuren Projekten Graͤnze ſetzen; laß, wenn
die Vernunft ſie nicht weiſe machen kann,
ſie durch die Erſchoͤpfung ihrer Finanzen,
durch den uͤbeln Zuſtand ihrer Sachen weiſe
werden! Erroͤthen moͤgen ſie, wenn ſie
hoͤren, daß der Himmel, der die Schwa-
chen gegen den Anfall der Starken unter-
ſtuͤtzt hat, den erſten auch Maͤßigung gnug
verlieh, um von ihrem Gluͤck keinen Miß-
brauch zu machen, und dieſen den Frieden
anzutragen. Das iſt alles, was ein ar-
mer, ermatteter, gereizter, gekratzter, ge-
[109] bißener, hinkender, geknickter Loͤwe Euch
ſagen kann. (1759.)


„Schwert und Tod haben unter uns
abſcheulich gewuͤtet, und was das traurig-
ſte iſt, wir ſind noch nicht am Ende der
Tragoͤdie. Ihr koͤnnt leicht denken, was
ſo grauſame Stoͤße auf mich fuͤr Wirkung
gehabt haben; ich huͤlle mich in meinen
Stoicismus, ſo gut ich es kann. Fleiſch
und Blut empoͤren ſich oft gegen die tyran-
niſche Herrſchaft der Vernunft; ſie muͤßen
aber nachgeben. Wenn ihr mich ſehen ſoll-
tet, wuͤrdet Ihr mich kaum wiedererkennen:
ich bin alt, verfallen, greis, voll Runzeln;
ich verliere Zaͤhne und Luſtigkeit. Wenn
das fortwaͤhrt, wird an mir nichts uͤber-
bleiben, als die Tollheit, Verſe zu machen,
und eine unverletzbare Anhaͤnglichkeit an
[110] meine Pflichten, und an die wenigen tugend-
haften Menſchen, die ich kenne. Meine
Laufbahn iſt ſchwer, voll Dornen und Di-
ſteln. Ich habe allen Gram erprobt, der
irgend die Menſchheit kraͤnken kann, und
mir oft die ſchoͤnen Verſe wiederholet:


Begluͤckt, wer in der Weiſen Tempel u. f.


„Ihr eifert gegen Jeſuiten und Aber-
glauben. Es iſt gut, gegen den Irrthum
zu ſtreiten; glaubt aber nicht, daß die Welt
ſich je aͤndern werde. Der menſchliche Geiſt
iſt ſchwach; mehr als drei Viertheile der
Menſchen ſind zu Sklaven des ungereimte-
ſten Fanatismus gebohren. Die Furcht vor
Hoͤlle und Teufel benebelt ihnen die Augen;
ſie verabſcheuen den Weiſen, der ihnen Licht
ſchaffen will. Der große Haufe unſres Ge-
ſchlechts iſt dumm und boshaft. Umſonſt
[111] ſuche ich in ihm das Bild der Gottheit, das
ihm, wie die Theologen ſagen, aufgepraͤgt
worden. Jeder Menſch hat ein wildes Thier
in ſich; wenige wiſſen es zu baͤndigen, die
meiſten laſſen ihm den Zuͤgel, wenn die
Furcht der Geſetze ſie nicht zuruͤckhaͤlt.


„Vielleicht findet ihr mich zu menſchen-
feindlich. Ich bin krank; ich leide; und
habe mit einem Halbdutzend *** und ***
zu thun, die einen Sokrates und Antonin
ſelbſt außer Faßung bringen moͤchten. Ihr
ſeyd gluͤcklich, dem Rath des Candide zu
folgen und euren Garten zu bauen; nicht
Jedermann in der Welt kann es ſo gut ha-
ben. Der Ochs muß den Pflug ziehen, wie
die Nachtigall ſingen, der [Delphin] ſchwim-
men, und ich Krieg fuͤhren.


„Je mehr ich dies Handwerk treibe,
deſto mehr uͤberrede ich mich, daß das Gluͤck
[112] die groͤßeſte Rolle dabei ſpiele. Ich glaube
nicht, daß ich es lange treiben werde; meine
Geſundheit nimmt zuſehends ab, und es
kann leicht ſeyn, daß ich bald in das Land
wandre, wo Gram und Schmerz, wo unſre
Vergnuͤgen und Hoffnungen uns nicht mehr
folgen, wo man ſich in dem Zuſtande findet,
in dem man vor der Geburt war. Vielleicht
beluſtigt Ihr euch bald mit meiner Grab-
ſchrift, und gebt Rechenſchaft von mir,
wie Babouc dem Engel Ithuriel von Paris
gab — —“


Gnug. Muß man nicht unwillig wer-
den, wenn man ſieht, wie ein bluͤhender
Baum, eine ſo große, ſchoͤne Seele, nicht
vom Sturme des Schickſals, ſondern von
giftigen Winden und Stuͤrmen einer herrſch-
ſuͤchtigen Politik weniger ſchlechter Menſchen
ſo
[113] ſo gebeugt und zerknickt wird? Die veſte
Eiche daurete aus; der ſchoͤne Palmbaum
erhob ſich; ſeine froͤhliche, jugendliche Ge-
ſtalt kam ihm aber nie ganz wieder. Frie-
drich that ſeinem Lande wohl, wie ſein Geiſt
im großen Ganzen es erforderlich und noͤthig
hielt; aber hart zu ſeyn hatte er wider
Willen in einer ſchweren Schule gelernet.
Er ſahe die Gefahr ſeiner Laͤnder, ſeiner
Krone, der Fortdauer ſeiner Macht; denn
er hatte ſie gegen ganz Europa behaupten
muͤßen. Wie anders, als daß er fortan
ernſt und ſtrenge an die Zukunft dachte?
und der von ihm gegruͤndeten Monarchie
wenigſtens das zum Schutz ließ, was er ihr
laſſen konnte, Gerechtigkeit, innere Ord-
nung, Kriegsheere und Geld. Man ver-
zeihe ihm, wenn er fuͤr dieſe Dinge auch
auf harten Wegen ſorgte. Die boͤſe Politik,
die leider das Staatsſyſtem Europa's aus-
H
[114] macht, zwang ihn dazu; und freilich gingen
manche zartere Zweige der Humanitaͤt, die
der an ſich ſelbſt fuͤhlbare, froͤhliche Charak-
ter Friederichs gewiß wuͤrde angebauet ha-
ben, dabei verlohren. Hat uͤberhaupt die
Menſchheit in Europa einen groͤßeren Feind,
als dieſe Politik der Hoͤfe in jenem ſoge-
nannten großen Staatenſyſtem, nebſt
allem, was dazu gehoͤret? *)


[115]

10.


An den Kaiſer.


Den Prieſter rufſt du wieder zur Juͤngerſchaft

Des großen Stifters, macheſt zum Unterthan

Den Jochbeladnen Landmann, machſt den

Juden zum Menſchen. Wer hat

geendet,

Wie du beginneſt? Wenn von des Ackerbau's

Schweiß nicht fuͤr Ihn auch triefet des Bauren

Stirn,

Pfluͤgt er nicht Eigenthum dem Saͤugling,

Seufzet er mit, wenn von Ernte-

Laſten

H 2
[116]
Der Wagen ſeufzt: ſo buͤrdet Tyrannen-

Recht

Dem Unterdruͤckten Landes-Erhaltung auf,

Dienſt, den die blutge Fauſt des Staͤrkern

Grub in die Tafel. Und die zerſchlaͤgſt

Du.

Wen faßt des Mitleids Schauer nicht, wenn

er ſieht,

Wie unſer Poͤbel Kanaans Volk entmenſcht?

Und thut der's nicht, weil unſre

Fuͤrſten

Sie in zu eiſerne Feßel ſchmie-

den?

Du loͤſeſt ihnen, Retter, die roſtige

Eng-angelegte Feßel vom wunden Arm;

Sie fuͤhlens, glaubens kaum. So

lange

Hats um die Elenden her geklirret.

[117]
Wir weinten Unmuth, daß uns der Roͤmer

Rom

Zwar nicht beherrſchte, aber doch peinigte;

Und blutig iſt die andre Thraͤne,

Daß uns der Roͤmlinge Rom beherr-

ſchet,

Daß Deutſchlands Kaiſer Buͤgel des Zelters

hielt,

Daß Deutſchlands Kaiſer nackt um die

Teufelsburg

Herging, erfror, wenn nicht Mathildis —

Aber du kommſt kaum und ſiehſt, ſo

ſiegſt Du.

Nun mag der Dreikron-tragende Obermoͤnch

Mit allen ſeinen Purpurbemaͤntelten

Moͤnchlein das Kanonsrecht, wie weit es

Walte, beſchielen: denn Du wirſt

ſehen!

H 3
[118]

So bewillkommte Klopſtock den Kaiſer
Joſeph auf ſeinem Kaiſerthrone; mit wel-
cher ſonderbaren Empfindung laſen wir die
Ode, die ich vorher nicht gekannt hatte,
eben jetzt nach ſeinem vernommenen Tode.
Es entſpann ſich daruͤber zwiſchen meinem
Freunde und mir eine Art elegiſchen Ge-
ſpraͤchs, das ich Ihnen herſetzen will, ſo
weit ich mich deſſen erinnere.


Geſpraͤch
nach dem Tode des Kaiſer Joſephs II.


A. Ein ſonderbares Ding iſt der Tod eines
Monarchen. Wir ſahen ihn bei Joſeph
vorher, wir wußten, daß der Kranke ſich
ihm nahte; und jetzt, da uͤber ihm die
Todtenglocken toͤnen, welch eine andre
Empfindung! Ohne ihn gekannt, und
von ihm eine Wohlthat genoßen zu haben,
[119] haͤtte ich weinen moͤgen, da ich die letzten
Umſtaͤnde ſeines Lebens las. Vor neun
Jahren, da er auf den Thron ſtieg, ward
er als ein Huͤlfsgott angebetet, und von
ihm das Groͤßeſte, Ruͤhmlichſte, faſt das
Unmoͤgliche erwartet; jetzt traͤgt man ihn
als ein Soͤhnopfer der Zeit zu Grabe.
Hat je ein Kaiſer, hat je ein Sterblicher,
moͤchte ich ſagen, mehr gewollt, ſich mehr
bemuͤhet, mehr angeſtrebet, raſtloſer ge-
wirket, als Er? Und welch ein Schickſal,
vorm Angeſichte des Todes in den beſten
Lebensjahren die Erreichung ſeiner Ab-
ſichten nicht nur aufgeben, ſondern die
ganze Muͤhe und Arbeit ſeines Lebens
foͤrmlich widerrufen, feierlich aus-
ſtreichen zu muͤßen, und ſo zu ſterben!
Mir iſt kein Beiſpiel in der Geſchichte
bekannt, daß es einem Monarchen ſo
hart gegangen waͤre.


H 4
[120]

B. Das war das Schickſal des Monar-
chen; ſetzen Sie noch das Verhaͤngniß
hinzu, das ihn, als Menſchen traf.
Das Einzige, was er in ſeinem Hauſe
mit Zaͤrtlichkeit liebt, der letzte Gegen-
ſtand ſeiner Familienhoffnung wird ihm
genommen; und damit der Schmerz ſo
empfindlicher ſey, eben nach dem Auf-
blick der Freude, unerwartet genommen!
Sein Liebling muß ſo dicht vor ihm das
Opfer des Grabes werden, daß ſeine
Leiche die Ihrige aus dem Kaiſerhauſe
gleichſam wegdraͤngt, und ſein Leben ſich
nur ſo lange zu friſten ſcheint, damit vor
ſeinen Augen noch deſſen letzte Freude
zerknickt werde! — „Begrabet ſie, ſprach
er, damit fuͤr meine Leiche Platz werde!“
Ein einziges Schickſal!


A. Der Ungluͤckliche konnte zuletzt
nicht ſagen: „ich kam, ich ſah, ich
[121]ſiegte!“ kaum: „ich kam, ich ſah,
ich wollte!“


B. Beruhigen Sie ſich. Auch darinn ſchon
liegt viel, wie Er ſagen zu koͤnnen: ich
ſah und wollte!


Er hat viel, ſehr viel, und weniges
muͤßig geſehen. Allenthalben, wo es in
andern Laͤndern beßer war, oder ihm
beßer zu ſeyn ſchien, ſammlete er, mit
raſtloſer Thaͤtigkeit Gedanken, Entwuͤrfe
in ſeine Seele —


A. Die der Tod ihm jetzt alle raubet! —
Ja, ja! er hat Vieles, faſt zu Vieles
geſehen. Nicht nur die Laͤnder Europa's,
die er bereiſete; nicht nur das Innere
ſeiner Laͤnder, die er als Erbe und Mit-
regent fruͤh und lange genug, bis zum
kleinſten Detail, kennen lernte; nicht dies
nur! Er ſah eben damit auch Gruben des
Schlammes, die ihn erbitterten, Pfuͤtzen
H 5
[122] und Moraͤſte von Untreue, Schwelgerei,
Ueppigkeit, Traͤgheit, Unordnung, die
er mit Gewalt ausfuͤllen und zum geſun-
den Garten machen wollte, und in deren
Abgrunde er erliegt. Der Unrath ſchlaͤgt
uͤber ihm zuſammen, und vielleicht kommt
die ganze, alte Verfaſſung wieder.


B. Das wollen wir nicht glauben. Er be-
kommt einen Nachfolger, der ein gepruͤf-
ter Haushaͤlter, ein verſuchter Regent
iſt, von dem Joſeph ſelbſt zum Theil ge-
lernt und geborgt hatte —


A. Und doch wollte Er, faſt ohne Ausnah-
me, der letzten Abſicht nach, lauter Billi-
ges, Nuͤtzliches, Gutes! Oft war, was
er wollte, nur Erſte Pflicht der Vernunft,
der Humanitaͤt, der geſellſchaftlichen
Rechte; an etwas Außerordentliches und
Ueberfeines war waͤhrend ſeiner Regie-
rung lange noch nicht zu denken. Den-
[123] noch erregt er in allen Provinzen und
Laͤndern, auch bei Staͤnden, denen er
am meiſten helfen wollte, murrende Un-
zufriedenheit; er ſtirbt beim Ausbruch
eines allgemeinen Ungewitters, des Auf-
ruhrs in ſeinem weiten Reiche —


B. Wollen wir nicht, m. Fr., dieſen Ort
verlaſſen, wo die Todtenglocken uns uͤber-
taͤuben? Was hilft uͤber einen Ungluͤcks-
fall das bloße Staunen? Wir wollen
freie Luft ſuchen und uns daruͤber frei
unterreden.


(Wir gingen auf eine angenehme Hoͤhe,
auf der die zahlreichen Doͤrfer der rings-
um liegenden Ebene ein angenehmer An-
blick waren. Die Todtenglocken, die
von den Landkirchthuͤrmen in der Ent-
fernung toͤnten, machten eine ſanftere
Harmonie, und unſer Geſpraͤch knuͤpfte
ſich bald von neuem an.)


[124]

B. Woher glauben Sie denn, daß das un-
gewoͤhnliche Schickſal Joſephs gekommen
ſey? Alle Dinge in der Welt haben ihre
Urſache.


A. Wie mich duͤnkt, ſtand er dem
großen Friedrich zu nahe
; und es
war Natur der Sache —


B. Wie ſo zu nahe? Friedrich hat ihm doch
nicht geſchadet. Er hat ihm zu einem
groͤßern Schleſien, den Koͤnigreichen
Gallizien und Ludomirien geholfen; aus
dem Bairiſchen Succeßionskriege gegen
Friedrich kam Joſeph auch mit faſt uner-
warteter Ehre. Ueberdem hat Friedrich
von ihm meiſtens ſehr guͤnſtig geurtheilt,
und der alte Koͤnig glaubte wohl nicht,
daß Joſeph ihm ſobald nachfolgen wuͤrde.


A. So meyne ichs nicht. Denken Sie ſich
die Lebensgeſchichte des Kaiſers. Mit
ihm als einem Saͤuglinge mußte ſeine
[125] Mutter nach Ungarn fluͤchten und ihn als
einen Gegenſtand des Mitleidens den
Staͤnden zeigen; vor wem fluͤchtete ſie?
gegen wen erbat ſie ſich Mitleid und Bei-
ſtand? Was war alſo natuͤrlicher, als
daß der Name Friedrichs dem Kinde und
Juͤnglinge oft genannt werden mußte:
denn eben auch die Jahre, in denen der
Geiſt des Menſchen aufwacht, fielen bei
Joſeph in die Zeit des ſiebenjaͤhrigen
Krieges —


B. Dem er dazu nicht beiwohnen durfte!


A. Nothwendig ward Friedrich ihm als
Nachbar, als Feind ſeines Hauſes, noch
mehr aber als der Koͤnig und Kriegs-
mann, fuͤr den er damals mit einem ganz
einzelnen Gluͤck und Ruhm galt —


B. Und immer gelten wird! —


A. Ein Gegenſtand der dringendſten Nach-
eiferung.


[126]

B. Und worinn eiferte er ihm zuerſt nach?


A. In Allem. Er wollte ſelbſt regie-
ren, wie Friederich.


B. Das Selbſtregieren iſt ein erhabener
Gedanke; waͤre es aber vom Alleinbe-
fehlen nicht ſehr unterſchieden? Frie-
drich theilte die Geſchaͤfte, die auszufuͤh-
ren waren, mit großem Bedacht nicht
nur ein, ſondern auch aus. Er ver-
richtete, was fuͤr ihn gehoͤrte, mit Leich-
tigkeit und uͤberließ andern, was ſie thun
ſollten.


A. Das that Joſeph auch. Haben Sie das
Reglement nicht geleſen, das er bei ſeiner
zweiten Reiſe nach Italien den Chefs
aller ſeiner Departements nachließ? Er
wollte nur befohlen haben, und ſie ſoll-
ten ausfuͤhren; ſie ſollten ſeine Befehle
ſelbſt nach Ort und Stelle modificiren.


[127]

B. Das iſt mehr, als ein Geſetzgeber ſonſt
zu verſtatten pflegt. Aber auf die Ge-
ſchaͤfte und die Geſchaͤftigkeit des Monar-
chen ſelbſt wieder zu kommen, Friedrich
ſah nicht nur, ſondern er uͤberſah auch
Vieles, ſobald er nur ſeinen Hauptzweck
erreichte.


A. Ob dieſes ein uneingeſchraͤnktes Lob
waͤre?


B. Dafuͤr gebe ich es auch nicht; gnug, als
ein einzelner Menſch erreichte er damit
ſeinen Endzweck. Er blickte in das De-
tail der Dinge nicht zu tief, damit er ſich
nicht verwirrte.


A. Die Erſparung wuͤrde Joſeph mit der
Zeit auch gelernt haben.


B. Friedrich fing nicht zu viel, nicht Alles
auf Einmal an.


A. Joſeph thats, weil fuͤr ihn ſo viel, ja
Alles zu thun war. Vielleicht ahndete
[128] er, daß er nicht lange leben wuͤrde; zu-
dem verwickelte ihn Eins ins andre; er
glaubte, nichts koͤnne ganz geſchehen,
wenn nicht Alles begonnen wuͤrde.
Hatte er darinn ſo ganz Unrecht?


B. Nicht Unrecht; aber es ging uͤber Men-
ſchenkraͤfte. Ueberdem zerſtreuete
Friedrich ſich nicht; er reiſete nicht —


A. Dem Kaiſer waren dieſe Zerſtreuungen
Belehrung; ſie waren ihm das einzige
Vergnuͤgen, ſeiner Geſundheit ſelbſt un-
entbehrlich.


B. Friedrich, der in juͤngern Jahren zu
reiſen außerordentliche Luſt hatte, ent-
ſagte, ſobald er Regent war, allen Rei-
ſen in fremde Laͤnder; er betrachtete ſich
als Steuermann auf dem Schiff ſeiner
Staaten. So angenehm er in Geſell-
ſchaften haͤtte werden koͤnnen; ſo begnuͤgte
er ſich dennoch an Einer Geſellſchaft
weni-
[129] weniger erleſenen Freunde, und waͤhlte
ſich eine andre noch einſamere Ergoͤtzung,
die er unausgeſetzt, obwohl ſehr regel-
maͤßig trieb, ja die ihm bald ſo unent-
behrlich ward, als den Morgenlaͤndern
das Opium —


A. Sie meynen die Lectuͤre?


B. Die Lectuͤre und Schriftſtellerei; das
Leſen und Schreiben; beide ſind von
einander auch vielleicht unzertrennlich.
Durchs Schreiben lernt man leſen und
hoͤren; durchs Hoͤren lernt man ſchreiben,
und wird dazu getrieben, begeiſtert.


A. Ob das aber einen Regenten nicht zu
ſehr
zerſtreuen moͤchte? Kaiſer und
Autor!


B. Autor muß ein Kaiſer und jeder Regent
unausbleiblich werden, indem er Geſetze,
Verordnungen bekannt macht. Soll er
alſo nur vor fremde Werke ſeinen Namen
I
[130] ſchreiben, ſo ſchreibet er ſie meiſtens nur
vor Werke, deren er ſich ſelbſt ſchaͤmet.


A. Das war Joſephs Fall nicht. Er ſchrieb
ſelbſt Geſetze.


B. Und groͤßtentheils vortrefliche. Glauben
Sie aber, daß das ewige Geſetzſchreiben
einem Regenten gnug iſt, zur geiſtigen
Erheitrung, zur Verjuͤngung ſeiner
Seele? Friedrich las und ſchrieb blos
und allein zu Bildung ſeines Geiſtes,
zur Erfriſchung und Ordnung ſeiner
Gedanken: dann vergaß er Politik und
Staatsſorgen. Er lebte unter den Alten,
dachte mit ihnen, mit großen Maͤnnern
einer edlern Zeit. Er ſtaͤrkte ſich damit
in jener hohen Einfalt veſter Grundſaͤtze
und der Erfuͤllung ſeiner Pflichten; er
ward ſelbſt ein Alter —


A. Welches alles freilich dem immer-thaͤti-
gen Joſeph entgehen mußte! —


[131]

B. Ihn, ſcheint es, hatte die Muſe, als
er gebohren ward, mit ihrem himmli-
ſchen Auge nicht geſegnet. Jeſuiten
hatten ihn nicht gelehrt, was Friedrich
in der ſchweren Schule ſeiner Jugend
durch eignen Aufſchwung ſeines Geiſtes
ſich ſelbſt lehrte.


A. Von Schriftſtellern ſoll er uͤberhaupt
nicht groß gedacht haben.


B. So wenig groß, daß er den ganzen
Buͤcherhandel fuͤr einen Kaͤſehandel an-
ſah. Ihm war alſo die Hauptquelle der
innern hoͤheren Freude und Ermunterung
verſagt, aus welcher Friedrich ſchoͤpfte.
Er wußte nur in unſrer Zeit zu leben;
daher auch ſein Zeitalter unklaßiſch ge-
blieben.


A. Es hat indeſſen doch vortrefliche Schrift-
ſteller in Wien, in Boͤhmen, ſelbſt in
Ungarn unter ihm gegeben.


I 2
[132]

B. Unter ihm; aber nicht durch ihn.


A. Bei Friedrich mochte das derſelbe Fall
ſeyn.


B. Friedrich fand die Literatur ſeiner Laͤn-
der auf einem Fuß, daß ſie ſich ſelbſt
forthelfen konnte. Sie war ſogar gegen
die Barbarei ſeines Vorgaͤngers beſtan-
den; mithin, ſobald Er nur die Freiheit
zu denken nachließ, und ſelbſt einen
großen, edlen Geſchmack zeigte; ſo eiferte
man nach, ja man flog voran.


A. Auch Joſeph verſtattete die Freiheit zu
denken.


B. Vortreflich; und noch edler, daß er ſie
nie zuruͤckrief, wenn die Freiheit gleich
Frechheit ward, und ihn ſelbſt antaſtete.
Moͤge dieſer große Geiſt ſich auf ſeine
Nachkommen fortbreiten! Damit aber er-
fuͤllte Joſeph die Hoffnungen lange nicht,
die man faſt unglaublich von ihm hatte —


[133]

A. Ueberſpannte Hoffnungen!


B. Nicht uͤberſpannte; weil alles fuͤr ihn
bereit ſtand und nur auf ſeinen Wink
wartete. Welch ein Zeitalter haͤtte Jo-
ſeph erwecken koͤnnen, fuͤr ſich und fuͤr
andre! Bei dem unendlich vielen, was
er ſah, uͤberſah er dieſes.


A. Der deutſchen Sprache und Schaubuͤhne
indeß hat er doch genutzet.


B. Ich glaube es. Und wie viel andern
haͤtte er mit der leichteſten Muͤhe nutzen
koͤnnen, wenn ihm von Kindheit auf der
Geſchmack daran beigebracht waͤre! Un-
gluͤcklich iſt ein kuͤnftiger Regent, dem in
ſeiner Jugend der Quell verſchloßen oder
truͤbe gemacht wird, der ihm in ſeiner
kuͤnftigen, ewig zerſtreuenden und er-
muͤdenden Laufbahn doch allein die ſchoͤnſte
Erquickung geben kann und muß. Nur
I 3
[134] durch die Wiſſenſchaften gewinnt ein Re-
gent das Maas ſeiner ſelbſt, eine Samm-
lung ſeiner Gedanken, ein geiſtiges Or-
gan die Dinge anzuſehen und zu ge-
nießen. Ohne Liebe zur Wiſſenſchaft
bleibt er ein ſinnlicher Menſch, dem bei
aller ſeiner Thaͤtigkeit von außen in ent-
ſcheidenden Faͤllen dennoch das innere
Auge, das innerſte Herz zu fehlen
ſcheinet.


(Hier verbreitete ſich unſer Geſpraͤch
auf einzelne verdiente Maͤnner in den
Oeſterreichiſchen Staaten, auf die reiche
Ernte, die in dieſem weiten Felde fuͤr
die kuͤnftige Zeit zu erwarten ſtehet; end-
lich beſchieden wir uns auf den morgen-
den Tag zu dieſer Stunde wieder auf
dieſen angenehmen Huͤgel. Und wir
ſetzten das Geſpraͤch fort:)


[135]

B. Mich duͤnkt, aus unſerm geſtrigen Ge-
ſpraͤch erhellete, daß Joſeph dem alten
Koͤnige nicht in Allem, nicht im Vor-
nehmſten nachgeeifert habe; wiſſen Sie
etwas anderes, worinn dieſer ihm ſchaͤd-
lich geweſen?


A. In dem Kriegs- in dem Erobe-
rungsgeiſt, den er ihm wider Willen
einfloͤßte.


B. Friedrich ihm? So viel ich weiß, war
ſeit dem ſiebenjaͤhrigen Kriege dem großen
Koͤnige die Luſt zu kriegen ganz vergan-
gen; er ſuchte und predigte Frieden. Zur
Theilung Polens that nicht Er den Vor-
ſchlag; und als er ihn annahm, begnuͤgte
er ſich mit dem kleinſten Theil des Er-
werbes. Seinetwegen haͤtte Joſeph im-
mer in Ruhe regieren, und ſeine Staaten
ordnen koͤnnen; ja als er nach Bayern
J 4
[136] griff, ſetzte eben Friedrich ſich ſeinem
Laͤnder-Erwerb blos in der Abſicht
entgegen, daß kuͤnftig ein ſo boͤſer Zun-
der zu Kriegen, der Laͤnder-Erwerb,
in Deutſchland nicht mehr ſtatt haben
ſollte. Mich duͤnkt, dieſer Habgeiſt
dorfte Joſeph nicht eben anderswo her-
kommen; leider war er ja die ererbte
Politik des Habsburgiſchen Hauſes. Jo-
ſeph dachte, wie bekannt iſt, an die Laͤn-
der, die Oeſtreich hatte aufopfern muͤſſen,
und vergaß, wie es zu manchen Laͤndern
gekommen ſey. Offenbar war auch,
wenigſtens im damaligen Moment, der
Zeitgeiſt fuͤr dergleichen Erwerbe nicht ge-
ſtimmt. Mit ſeinen Anſpruͤchen auf
Bayern und die Schelde verlor der Kai-
ſer das Zutrauen Europa's; mit An-
maßungen in Deutſchland verlor er das
Zutrauen des Reichs, vielleicht mehr, als
[137] ers verdiente. Mit dem traurigen Tuͤr-
kenkriege endlich —


A. Denken Sie nicht an dieſen Krieg.
Feldherrn, Freunde, Geſundheit, Ruhe
und Leben opferte der zu freigebige Bunds-
genoß einem Feldzuge auf, der ihm viel-
leicht haͤtte fremde ſeyn moͤgen —


B. Und fremde ſeyn muͤſſen, da die innere
Einrichtung ſeines Reichs, ſein maͤnnlich
großes Werk alle ſeine Kraͤfte foderte.
Jetzt, indem er die Krimm durchwander-
te, wohin nie ein Roͤmiſcher Kaiſer ge-
kommen war, und nie einer zu einem
ſolchen Zweck haͤtte kommen moͤgen, fin-
gen die Niederlande an zu gluͤhen.


A. Und im ungluͤcklichen Tuͤrkenkriege loder-
ten faſt alle Provinzen in hellen Flammen
auf. Verwuͤnſcht ſeyn uͤberhaupt alle
Eroberungskriege! Aus dem civiliſirten
Europa wenigſtens ſollten ſie durch einen
J 5
[138]allgemeinen Fuͤrſtenbund alle ver-
bannt ſeyn. Koͤnig Friedrich mit ſeinem
eroberten Schleſien, das er durch ſeinen
ſiebenjaͤhrigen Krieg ſchwer gnug ver-
theidiget hat, moͤge die Reihe der Erobe-
rer, als beinah unuͤbertreflich, ſchließen!


B. So werden auch in Friedenszeiten die
deßhalb gemachten druͤckenden Anſtalten
aufhoͤren. Glauben Sie, m. Fr., reine
Bemuͤhungen zum Beſten der Menſchheit
koͤnnen in einem Staat ſchwerlich ge-
deihen, ſo lange der Eroberungsgeiſt die
Fahne ſchwingt, und die erſte Staats-
livrei traͤget. Wir ſind ſodann und
bleiben, was wir bereits zu Tacitus Zeit
waren, „auch im Frieden zum Kriege ge-
waffnete Barbaren.“


A. Das Lob des Kriegshelden gebe ich
gern auf, und beklage vielmehr, daß
Joſeph dieſen Dienſt auch perſoͤnlich ſich
[139] ſo ſauer werden ließ, als ſelten ein ge-
meiner Soldat thun wuͤrde.


B. Friedrich war nie Soldat; er war Feld-
herr.


A. So wollen wir denn lieber von Joſephs
Feldzuͤgen gegen den Aberglauben,
gegen die Intoleranz und Pfaffe-
rei reden. Hier iſt doch ſein Verdienſt
unſtreitig.


B. Unſtreitig; ich hoffe auch unſterblich.


A. Es ward ihm auch ſauer gnug. Die
Hyder gewann immer neue Koͤpfe. Und
doch war im Meiſten ſeine Abſicht eben ſo
unverkennbar, als gerecht, nuͤtzlich, un-
entbehrlich. Was war z. B. rechtmaͤßi-
ger, als daß er die Geiſtlichkeit ſeines
Landes fremder Gerichtsbarkeit, die Suͤn-
den ſeines Landes fremder Diſpenſation
entnahm?


[140]

B. Oder billiger, als die Freiheit, die er
der Buͤchercenſur gab?


A. Oder pflichtmaͤßiger, als daß er die
Kloͤſter verminderte, und den Unterricht
des Volks vermehrte?


B. Oder ruͤhmlicher, als daß er alle Re-
ligionspartheien vor Bedruͤckungen ſchuͤtz-
te? Aber, m. Fr., wer haͤtte ihm bei
dieſem Allen die Haͤnde binden koͤnnen?


A. Sie kennen die Hyder nicht!


B. Wenn der Kaiſer es unverruͤckt ge-
wollt, wenn er bei jedem Schritt, den
er thun wollte, die Folgen uͤberdacht,
die Auskunft gegen ſie zum voraus be-
ſtimmt, ſo viel moͤglich, alle Aergerniße
vermieden, ſodann aber auch ruhig den
Bann oder das Interdict erwartet haͤtte.


A. Dazu waͤre es wohl nie gekommen; die
innern Verdrießlichkeiten und Unordnun-
gen aber waren deſto groͤßer.


[141]

B. Laßen Sie es uns geſtehen; an denen
der Kaiſer zum Theil ſelbſt Schuld war.
Durch Nachgeben, durch Aergerniße,
durch unvorgeſehene Folgen u. f. Ueber-
haupt ſcheinet es, daß er bei der Reli-
gionsaͤnderung auf keinen veſten
Grund
gebauet habe; alles blieb ſchwan-
kend, und die harte Behandlung der
Deiſten in Boͤhmen —


A. Dieſe war eine Uebereilung!


B. Nein! es war eine Folge des Unwillens,
daß ſich dieſe Leute von ihm ſelbſt nicht
bekehren laßen wollten. Ein andrer Re-
gent haͤtte ſich gefreuet, ein Voͤlkchen
ſolcher Art zu finden; und wenn ers mit
ſeinem Schutze beehrt haͤtte, wuͤrde er
hie und da vielleicht nicht unverwerfliche
Funken erweckt haben. Jetzt ward der
Name, den Jeder hochſchaͤtzen muß, er
ſey Chriſt, Jude, Tuͤrk, Heide, der
[142] Name Deiſt vom toleranten Joſeph ge-
mißhandelt; das thut mir weh, fuͤr ihn
ſelbſt und zum Beſten der Menſchheit.


(Hier verbreitete ſich das Geſpraͤch aber-
mals auf mehrere Anſtalten des Kaiſers,
auf die Beſchaffenheit und die Vertheidi-
ger ſeines Kirchenrechts u. f.; am folgen-
den Tage endlich kamen wir zu den Haupt-
merkwuͤrdigkeiten ſeiner Regierung.)


A. Daß Joſeph ſich des unterdruͤckten Land-
manns annahm, wird alſo wohl ſein
groͤßeſter Ruhm bleiben.


B. Sein groͤßeſter, und wahrlich ein huma-
ner Ruhm. Golden ſind die Grundſaͤtze,
die er in mehreren Befehlen aͤußert: „Iſt
„es nicht Unſinn, zu glauben, ſagt er,
„daß die Obrigkeiten das Land beſetzen,
„bevor noch Unterthanen waren, und daß
„ſie das Ihrige unter gewiſſen Bedin-
[143] „gungen an die letztern abgetreten haben?
„Muͤßten ſie nicht auf der Stelle vor
„Hunger davon laufen, wenn niemand
„den Grund bearbeitete? Eben ſo abſurd
„waͤre es, wenn ſich ein Landesfuͤrſt ein-
„bildete, das Land gehoͤre ihm und nicht
„Er dem Lande zu; Millionen Menſchen
„ſeyn fuͤr ihn, und nicht Er fuͤr ſie ge-
„macht, um ihnen zu dienen.“


A. Aehnliche Stellen ſind in allen ſeinen
Befehlen. Er kannte den Quell des Ver-
derbens, und nahm ſich ſeiner bis auf
den Grund an. Jede Saite des menſch-
lichen Elends hat er beruͤhret.


B. Daß Joſeph dies that, bleibt ſein ewiger
Ruhm, wenn er gleich nicht allenthalben
durchdrang. Seine Verordnungen gegen
die Leibeigenſchaft, uͤber Majorate,
Steuern u. f. enthalten ſo viel Merk-
wuͤrdiges, daß eine ſpaͤtere Zeit gewiß
[144] beßer und ſichrer verfolgen wird, was
Er hie und da uͤbereilt angab. Vielleicht
trauete er geleſenen Theorien zu ſehr,
that große Schritte, und lebte nicht lange
gnug, ſeine Schritte zu behaupten.


A. Welchen Widerſtand hat er auch hierinn
erfahren!


B. Einen groͤßeren, als ihm ſelbſt die
Pfaffen in ihrem Kreiſe entgegenſetzen
konnten. Der Widerſtand wird immer
wider kommen, ſobald ein Regent ſich
des Landmanns annimmt, zumal in denen
von Slaviſchen Nationen bewohnten Laͤn-
dern. Hier gilts aber, was Kaiſer
Siegmund ſagte: „wer uͤber ein Ding
nicht ſpringen kann, muß drunter weg-
kriechen.“


A. Das duͤnkte Joſeph nicht der koͤnigliche
Weg.


B.
[145]

B. Drum iſt er auch dem Sprunge erlegen.
Alles, m. Fr., laͤßt ſich in der Welt nicht
auf Einmal, nicht mit Gewalt ausfuͤhren,
dazu ohne Gehuͤlfen, ohne Werkzeuge,
woran es dem Kaiſer ſo ſehr fehlte.


A. Das wundert mich indeß, daß er auch
das Volk nicht mehr gewann, gegen
welches er doch ſo popular war. Er
ſuchte das Beſte deſſelben ſo entſchie-
den! —


B. Stieß aber dabei auch das Volk in
Manchem ſo vor die Stirn, beleidigte
unſchuldige, ja angenehme Vorurtheile
deſſelben ſo ſehr, daß der arme Haufe
von Pfaffen und andern ſich gegen ſeinen
eignen Wohlthaͤter ſelbſt ins Netz jagen
ließ.


A. Welche unſchuldige Vorurtheile des Volks
hat er beleidigt?


K
[146]

B. Aus Vielen fuͤhre ich nur wenige an;
zuerſt das Vorurtheil der Sprache. Hat
wohl ein Volk, zumal ein uncultivirtes
Volk etwas Lieberes, als die Sprache
ſeiner Vaͤter? In ihr wohnet ſein ganzer
Gedankenreichthum an Tradition, Ge-
ſchichte, Religion und Grundſaͤtzen des
Lebens, alle ſein Herz und Seele. Einem
ſolchen Volk ſeine Sprache nehmen oder
herabwuͤrdigen, heißt ihm ſein einziges
unſterbliches Eigenthum nehmen, das
von Eltern auf Kinder fortgeht.


A. Und doch kannte Joſeph mehrere dieſer
Voͤlker perſoͤnlich und ſehr genau.


B. Um ſo mehr iſts zu verwundern, daß er
den Eingriff nicht wahrnahm, den er ſich
damit in ihre beliebteſten Rechte erlaubte.
„Wer mir meine Sprache verdraͤngt,
(glaubt der Idiot nicht ungruͤndlich,) will
[147] mir auch meine Vernunft und Lebens-
weiſe, die Ehre und Rechte meines Volks
rauben.“ Wahrlich, wie Gott alle Spra-
chen der Welt duldet, ſo ſollte auch ein
Regent die verſchiednen Sprachen ſeiner
Voͤlker nicht nur dulden, ſondern auch
ehren.


A. Er wollte aber eine ſchnellere Betreibung
der Geſchaͤfte, eine ſchnellere Cultur be-
wirken.


B. Die beſte Cultur eines Volks iſt nicht
ſchnell; ſie laͤßt ſich durch eine fremde
Sprache nicht erzwingen; am ſchoͤnſten,
und ich moͤchte ſagen, einzig gedeihet ſie
auf dem eignen Boden der Nation, in
ihrer ererbten und ſich forterbenden Mund-
art. Mit der Sprache erbeutet man das
Herz des Volks, und iſts nicht ein großer
Gedanke, unter ſo vielen Voͤlkern, Un-
garn, Slaven, Wlachen u. f. Keime des
K 2
[148] Wohlſeyns auf die fernſte Zukunft hin
ganz in ihrer Denkart, auf die ihnen
eigenſte und beliebteſte Weiſe zu
pflanzen?


A. Was brauchte Joſeph dazu fuͤr Haͤnde!
Ihm ſchien es ein groͤßerer Gedanke, alle
ſeine Staaten und Provinzen, wo moͤg-
lich, zu Einem Codex der Geſetze,
zu Einem Erziehungsſyſtem, zu
Einer Monarchie zu verſchmelzen.


B. Ein Lieblingsgedanke unſres Jahrhun-
derts! Iſt er aber ausfuͤhrbar? iſt er
billig und nuͤtzlich? Brabanter und Boͤh-
men, Siebenbuͤrger und Lombarden,
ſtehen ſie auf Einer Stuffe der Cultur?
gehoͤren ſie alſo in Ein Inſtitut der Er-
ziehung? in Einen Codex der Geſetze und
Strafen? Gott ſelbſt hat ſich eine ſolche
Zuſammenſchmelzung nicht erlaubt; da-
[149] her er jedes Volk nach ſeiner Weiſe un-
terrichtet.


A. Leider war der ganze Normalzuſchnitt
der Collegien und Schulen ein Exjeſuiti-
ſcher, armer Begriff! —


B. Der indeſſen ganze Voͤlker aufbrachte.
Ueber Armſeligkeiten ſolcher Art empoͤrte
ſich die Univerſitaͤt Loͤwen, die Nieder-
lande machten dem erregten Feuer gerne
Platz; ſo grif es weiter! —


A. Und doch meinte es auch hierinn Joſeph
gut mit den Voͤlkern. Was er ihnen
gab, war freilich nicht das Beſte; aber
doch ein Beßeres, als ſie beſaßen. Er
war ſelbſt nicht beßer erzogen worden.


B. Und ſeine Geſetzbuͤcher?


A. Mit denen ging er freilich etwas ſchnell
zu Werk.


K 3
[150]

B. In einer Nothdringenden Sache mußte
die Bahn gebrochen werden. Was ich
dabei am meiſten bedaure, iſt, daß Jo-
ſeph durch manche Geſetze ſeinen eignen
Abſichten voͤllig entgegen zu arbeiten
ſchien.


A. Zum Beyſpiel?


B. Z. B. in ſeinem Criminalcodex die Haͤu-
fung der Verbrechen gegen den Staat.


A. Dagegen er ja aber die Verbrechen der
beleidigten Majeſtaͤt aufhob.


B. Geringe Aufopferung gegen ein viel
groͤßeres Unheil, dem Platz gemacht
wurde. Zum Verbrechen gegen den Staat
kann alles, auch das kleinſte Vergehen
gegen die Polizei gemacht werden. Denn
was waͤre nicht gegen den Staat, ſobald
man ſtatt der ſichtbaren, doch nur leib-
haften Majeſtaͤt, dies willkuͤhrliche,
[151] unbeſtimmte Phantom auf den Thron
erhoͤbe?


A. Freilich, auch die Mitleidswertheſten
Krankheiten der Natur koͤnnen ſodann
zu Rebellen gegen den Staat gemacht
werden, z. B. der ungluͤckliche Selbſt-
mord. Der Aermſte der Menſchen hat
ſich dem Staat entzogen; mithin
muͤßen alle koͤrperliche Beſchimpfungen,
die niedrigſten Schlaͤge ſein Loos ſeyn.
Was die guͤtige Natur ſelbſt nicht ver-
hindern konnte, will der Monarch im
Namen des Staats durch knechtiſche Be-
ſchimpfungen nicht verhindern, ſondern
raͤchen und ſtrafen.


B. Schweigen Sie, Freund. Die Ver-
nachlaͤßigung, ja ich moͤchte ſagen, die
Vernichtung des Gefuͤhls fuͤr
Ehre und Schande
hat mich in Jo-
K 4
[152] ſephs Geſetzgebung ganz irre gemacht.
Vernichte das Gefuͤhl der Ehre, den Na-
men der Familie und Verwandten, die
den Todten gebuͤhrende Achtung u. f.;
womit willſt du es erſetzen? Die Natur
ſelbſt ſtraͤubt ſich gegen ſolche Einrichtun-
gen, die Joſeph daher bald ſelbſt ein-
ſchraͤnken, einſtellen mußte, oder auch
bald ungluͤcklicher Weiſe nicht einſtellte.
In wenigen Jahren haͤtte er auf Straßen
und Gaßen zwiſchen lauter Verbrechern
gegen den Staat wandeln muͤßen; ein
fuͤrs Volk, fuͤr den Regenten, und fuͤr
alles, was Menſch oder Halbmenſch iſt,
abſcheulicher Anblick! —


A. Ich weiß ſelbſt nicht, wie Joſeph bei
ſeinem uͤbrigens guten Herzen zu dieſem
Mangel an Mitempfindung und Deli-
cateße kam?


[153]

B. Ein Wort wuͤrde Ihnen dies erklaͤren.
Koͤnnen Sie es laͤugnen, daß bei Jo-
ſeph der Schein der Selbſtherrſchaft
das Meiſte, ja Alles verderbte?


A. Kaum wage ichs zu laͤugnen. Er wollte
das Beſte, aber er wollte es als De-
ſpot. Selbſt in dem ſchoͤnen, ich moͤchte
ſagen vaͤterlichen Aufſatze, den er an
die Chefs ſeiner Collegien ſchrieb, von
dem wir geſprochen haben, ſind davon
Spuren.


B. Und die willkuͤhrliche Verkuͤrzung zuge-
ſicherter Gehalte? koͤnnte manche der-
ſelben auch die aͤußerſte Noth entſchul-
digen?


A. Kaum.


B. Und die Benutzung der Waiſengelder
fuͤr den Staat? Und die Art der Kloſter-
K 5
[154] aufhebung und der Veraͤußerung geiſt-
licher Guͤter? Und die Verwaltung der
Religionskaßen? Und die Conduiten-
liſten? Und die Verfuͤgungen auf die-
ſelbe? Warum ließ er ſich in Ungarn
nicht kroͤnen? warum entzog er den Un-
garn ihre Krone? Ich koͤnnte noch lange
ſo fragen.


A. Und doch war er in ſeinem muͤhſeligen
Leben nichts weniger, als ein Sardanapal.
Er diente dem Staat als Tagloͤhner, als
unablaͤßiger Werkmann.


B. Wie gefaͤhrlich iſts, auf der oder jener
Stelle, aus der oder jener Fuͤrſtengat-
tung zum Thron, zu Thronen geboh-
ren zu ſeyn! Eine ungluͤckliche Fee
bringt an der Wiege des Prinzen einen
unausloͤſchlichen Queerſtrich in die Seele
des Kindes, und giebt ihm die ſchreckliche
[155] Verwuͤnſchung mit, daß nach Verhaͤlt-
niß der beſten Bemuͤhungen des un-
gluͤcklichen Halbgotts der Queerſtrich
fuͤr ihn ſelbſt und andre unzerſtoͤrlich
wachſe.


A. Ungluͤcklich!


B. Wem unterlag alſo Joſeph? Nicht der
Schwachheit der menſchlichen Natur;
ſondern der geglaubten, und von Kind-
heit auf genaͤhrten Allgewalt des
Selbſtbeherrſchers
. Nicht das
Schickſal; die Natur der Dinge, der
Wille ſeiner Unterthanen hat ihn ge-
beuget.


(Natuͤrlicher Weiſe ging das Geſpraͤch
hier auf eine Menge einzelner Umſtaͤnde
ſeines Lebens und Todes uͤber, die mein
Freund wußte; es erhob ſich endlich
wieder:)


[156]

A. Seine Fehler hat Joſeph ſchwer ge-
buͤßet —


B. Und in ſein Grab genommen; das
Gute, das er gewollt und Anfangs weiſe
bewirkt hat, wird, obwohl Eines Theils
in zerfallenden Reſten, bleiben, und der-
einſt gluͤcklicher an den Tag treten: denn
es iſt dem groͤßten Theile nach ein reines
Gute zum Ertrage der Menſch
-
heit. Er hat es ſeinen Nachfolgern
ſchwer gemacht —


A. Ich daͤchte, leicht gemacht: ſie duͤrfen
nur ſeiner Bahn folgen.


B. Vor der Hand ſchwer gemacht. Er
hat an allen Saͤulen geruͤttelt und den
Staat beweget. Wer kuͤnftig hin eine
Saͤule nur angreift, wird die Aufmerk-
ſamkeit aller auf ſich ziehen, und man
wird ihn durch Liebkoſungen und Schreck-
bilder von dem Werk abzuziehen ſuchen,
[157] das Joſeph begann und unmoͤglich endi-
gen konnte. Er hat die Beduͤrfniße
ſeiner Staaten tiefer gekannt, als viel-
leicht kein Regent unſrer Zeiten.


A. Und aͤmſiger beſorgt, als vielleicht kein
Regent unſrer Zeiten.


B. Oft iſt der Wille groͤßer, als die That;
das Unternehmen edler als die Ausfuͤh-
rung. Ich weiß nicht, ob viele nach
ſeinem Tode viel zu ſeinem Lobe ſchrei-
ben werden; aber was man dazu aus
Anſicht der Dinge ſchreibt, wird die
billigere Nachwelt gut heißen, ſeinen
Schatten ehren, und nicht mehr mit Be-
dauren, ſondern mit frohem Erſtaunen
einſt ſagen: „auch Er ſchon ſah dies,
und wollte!“


A. Kennen Sie ſeinen Brief, den er im
Jahr 1784. an die Stadt Ofen ſchrieb,
[158] als ſie ihm eine Ehrenſaͤule ſetzen wollte?
Hier iſt er:


„Wenn die Vorurtheile werden aus-
„gewurzelt, und wahre Vaterlandsliebe,
„und Begriffe fuͤr das allgemeine Beſte
„werden beigebracht ſeyn; wenn Jeder-
„mann in einem gleichen Maaße das
„Seinige mit Freude zu den Beduͤrfnißen
„des Staats, zu deſſen Sicherheit und
„Aufnahme beitragen wird; wenn Auf-
„klaͤrung durch verbeßerte Studien,
„Vereinfachung in der Belehrung der
„Geiſtlichkeit, und Verbindung der wah-
„ren Religionsbegriffe mit den buͤrger-
„lichen Geſetzen; wenn eine buͤndigere
„Juſtiz, Reichthum durch vermehrte Popu-
„lation und verbeßerten Ackerbau; wenn
„Erkenntniß des wahren Intereße des
„Herrn gegen ſeine Unterthanen, und
„dieſer gegen ihren Herrn; wenn Indu-
[159] „ſtrie, Manufacturen, und deren Ver-
„trieb, die Circulation aller Producte in
„der ganzen Monarchie unter ſich werden
„eingefuͤhrt ſeyn, wie ich es ſicher hoffe;
„alsdann verdiene ich eine Ehrenſaͤule,
„nicht aber jetzt.“


B. Wenn dies alles geſchehen iſt, bedarf
der große Wollende keiner Ehrenſaͤule
mehr; ſein Unternehmen, ſein ſchwerer
Anfang iſt ihm allein ſchon ein Koloß fuͤr
die Nachwelt.


So endete unſer Geſpraͤch; und die
Glocken verhallten. Wuͤnſchen Sie nicht
auch mit mir ein Leben Joſephs zur
Lehre fuͤr die Nachwelt?


[160]

11.


Wie kommt es, m. Fr., daß unſre Poeſie,
verglichen mit der Poeſie aͤlterer Zeiten, an
oͤffentlichen Sachen ſo wenig Theil nimmt?
Die Poeſie der Hebraͤer in den heiligen
Buͤchern iſt ganz patriotiſch; die Poeſie der
Griechen nach ihren Hauptarten nahm in
den beſten Zeiten ſehr vielen, die Poeſie der
Roͤmer einen bei weitem ſchon geringeren
Antheil an oͤffentlichen Begebenheiten und
Geſchaͤften. Seitdem endlich die Barden
und Leiermaͤnner ziehender Heere Trompe-
tern und Paukern ihre Stellen uͤberließen,
ſeitdem —


Doch
[161]

Doch ſofern beantworte ich mir die Frage
ſelbſt, auf die ohnedem andre bereits ge-
antwortet haben. Wie kommts aber, daß
auch ſeitdem die Dichterei gedruckte Kunſt
iſt, ihr Antheil an der gemeinen Sache zu
verſchiedenen Zeiten ſo ungleich geweſen,
und jetzt ſogar gering zu ſeyn ſcheinet?
Mehrere tapfere Gedichte auch aus unſerm
Vaterlande von Luther, Opitz, Logau,
und nach einem großen Sprunge der Zeiten
von Kleiſt, Gleim, Uz, Klopſtock,
Stolberg, Buͤrger u. a. ſind uns in
Herz und Seele geſchrieben; iſt dieſe Muſe
anjetzt entſchlafen? Oder hat ſie, wie Baal,
etwas Anderes zu ſchaffen, daß ſie vom
Geiſte der Zeit nicht erweckt, das Geraͤuſch
um ſich her nicht hoͤret?


Mich duͤnkt, ſo iſt es; ſie hat etwas
Anderes zu ſchaffen: ſchlagen Sie daruͤber
die neueren Dichter nach. Und doch er-
L
[162] warten wir, wenn wir von einem neuen
Dichter hoͤren, zuerſt und vor allem ein
Wort des Herzens zum Herzen, einen Laut
der allgemeinen Stimme, des Wunſches
und Strebens der Nationen, den Hauch
und Nachklang des maͤchtigen Zeitgeiſtes.


Der goͤttliche Mund der Muſe iſt in aller
Welt geprieſen. Sie darf Dinge ſagen,
die die Proſe nicht zu ſagen wagt, und
floͤßet ſie unvermerkt in Herz und Seele.
Gab ſie der Fabel einſt jenen lieblichen Ton,
jene Suͤßigkeit, nach welcher wir auch nach
Jahrtauſenden noch, wie nach einer Er-
quickung lechzen; wie? und ſie ſollte der
auf uns dringenden Wahrheit wenigſtens
einen gefaͤlligen Anzug, eine einladende Ge-
ſtalt nicht zu geben vermoͤgen?


Oft beunruhigen mich in meiner Ein-
ſamkeit die Schatten jener alten maͤchtigen
Dichter und Weiſen. Jeſaias, Pindar,
[163] Alcaͤus, Aeſchylus ſtehen als gewaffnete
Maͤnner vor mir, und fragen: „was wuͤr-
den wir in euren Zeiten gedacht, geſagt,
gethan haben?“ Luthers edler Schatte
ſchließet ſich an ſie an, und wenn die Er-
ſcheinung voruͤber iſt, finde ich um mich
Oede.


Gewiß, meine Freunde, wir wollen auf
Alles merken, was uns der goͤttliche Bote,
die Zeit, darbent. Keiner ihrer edlen
Laute ſoll uns entſchluͤpfen.


Glauben Sie nicht, daß ich damit die
armſelige Zunft jener Tyrannenbaͤndiger
und Regentenwuͤrger zuruͤckwuͤnſche, die
vor einigen Jahren ihre Wuth ausließ.
Es war Geſchrei, darum iſts verhallet;
ein Nachklang ohne Kraft und Weſen.
Die wahre Muſe iſt ſittſam; lene con-
ſilium et dat et dato gaudet alma
; dieſen
L 2
[164] ſanften Rathſchluß empfing ſie vom Himmel
und haucht ihn dem Geiſte der Zeit ein —


Finire quaerentem labores

Aonio recreat antro.

Hold und ſchoͤn klingen mir hieruͤber
die Toͤne der Alten, und ich wuͤnſchte, daß
wie einſt dem Horaz ſo auch mir die Muſe
des Simonides, Alcaͤus, Steſichorus noch
ertoͤnte *). Aber ſie liegt im Staube, und
wir muͤßen uns nur an dem, was der Ver-
geſſenheit entrann, den Geiſt erheben und
das Herz ſtaͤrken. Mit unbeſchreiblicher
Freude habe ich in dieſen Tagen jenes feine
[165]Echo der Griechen, den Horaz, ge-
leſen und wiedergeleſen. Er lebte in einer
kritiſchern Zeit als wir leben, war mit
Gluͤck und Perſon an Auguſt und Maͤcen
gefeßelt; und wie edel, wie ſtolz und un-
terrichtend iſt ſeine Muſe! Sie bricht die
Bluͤthe der Zeit und ſchwebt auf den Fitti-
gen ihres reinſten Lufthauches.



[166]

12.


Mich duͤnkt, Ihre Fragen uͤber den ge-
ringen Antheil, den die heutige Dichtkunſt
an den Haͤndeln der Zeit nimmt, haben
Sie ſich ſelbſt beantworten koͤnnen: denn
der Stoff dazu liegt voͤllig in Ihrem
Briefe.


Schaffen Sie uns den Zuſtand der
Griechen wieder; und Alcaͤus, Pindar,
Aeſchylus, ſind mit ihnen auch da. In
vielerlei Ruͤckſicht aber wuͤrden wir dieſe
Zeiten nicht wuͤnſchen; und uns dagegen
an unſerer dichteriſchen Untheilnehmung
begnuͤgen. So waͤre es auch in Anſehung
der Zeiten Horaz oder gar der Kreuzzieher
und Harfner. Opitz und Logau fuͤhlten
[167] die Drangſale des dreißigjaͤhrigen Krieges;
wider ihren Willen mußten ſie an dem Elen-
de, das er verbreitete, Theil nehmen; der
Widerſchein ſeiner Flammen glaͤnzt in ihren
Gedichten. Kleiſt, Uz und Gleim
trafen auf die Zeiten der Preußiſch-Oeſter-
reichſchen Kriege; alle drei fanden darinn
unverwelkliche Lorbeern, der erſte aber auch
bei vieler Noth, die er als Krieger mit be-
druͤcktem Herzen ſah, ſeinen blutigen Tod.
Was dieſe Dichter uns aus theurer Erfah-
rung ſangen, warum muͤßte es uns, durch
neue Erfahrung theuer erkauft, wieder ge-
ſungen werden? Toͤnt uns Kleiſts Stim-
me nicht noch? *)


L 4
[168]
Ihr, denen Zwangloſe Voͤlker der Herrſchaft

Steuer vertrauten,

Fuͤhrt ihr durch Flammen und Blut ſie zur

Gluͤckſeligkeit Hafen?

Was wuͤnſcht ihr, Vaͤter der Menſchen, noch

mehrere Kinder? Iſts wenig

Viel Millionen begluͤcken? Erforderts wenige

Muͤhe?

O mehrt derjenigen Heil, die eure Fittige

ſuchen,

Deckt ſie, gleich bruͤtenden Adlern. Verwandelt

die Schwerter in Sicheln,

Erhebt die Weisheit im Kittel und trocknet die

Zaͤhren der Tugend.

Die ruͤhrende Stimme ſeines Grab-
und Geburtsliedes, ſeine Sehnſucht
nach Ruhe
, ſein Abſchied hinter Cißi-
des und Paches toͤnt noch jedem Leſer ins
Herz, nachdem der Dichter die Geſinnungen
ſeiner Seele mit Leben und Blut verſiegelt.
[169] So iſts mit den patriotiſchen Oden Uz,
Klopſtocks; und der Preußiſche Kriegs-
ſaͤnger iſt eben ſowohl Volks- Friedens-
Staatsſaͤnger geworden, hat bis auf die
neueſten Zeiten faſt an jeder großen Ange-
legenheit Antheil genommen, die ſeinem
Geſichtskreiſe irgend nur nahe lag *) — —


Aber, m. F., nach unſrer Lage der
Dinge halte ich das zu nahe, zu ſtarke
Theilnehmen der Dichter an politiſchen An-
gelegenheiten beinahe fuͤr ſchaͤdlich. Zubald
nimmt der Dichter einſeitige Parthei, und
thut der beſten Sache, (geſchweige einer
ſchwachen, wankenden) mit dem beſten
L 5
[170] Willen Schaden. Dadurch ſchwaͤcht er die
gute Wirkung ſeiner Gedichte ſelbſt: denn
in kurzem iſt die Situation der Zeit vor-
uͤber; man ſiehet die Dinge anders an;
man behandelt ihn als einen abgekommenen
Barden. Alſo bleibe die Poeſie in ihrem
reinen Aether, der Sphaͤre der Menſch-
heit,


coetusque vulgares et vdam

Spernat humum fugiente penna.

In dieſem hoͤheren, freieren Raume be-
gegnen ſich alle politiſche Meinungen als
Freundinnen und Schweſtern: denn im
Elyſium wohnt keine Feindſchaft.


Sehr gut alſo, daß unſre Muſenalma-
nache aͤußerſt wenige politiſche Oden mit ſich
fuͤhren. Bald wuͤrden zween gegen ein-
ander im Streit liegen; und uͤberhaupt iſts
doch nur Spiel, wenn Genien mit Waffen
der großen Goͤtter ſpielen.


[171]

Das aber glauben Sie, daß die Poeſie
als eine Stimme der Zeit unwandel-
bar dem Geiſte der Zeit folge; ja oft iſt ſie
eine helle Weißagung zukuͤnftiger Zeiten.
Leſen Sie in Stolbergs Jamben, 1784
gedruckt, (S. 66.) den Rath und mehrere
Gedichte; leſen Sie mehrere, fruͤhere und
ſpaͤtere Oden Klopſtocks, und laͤugnen
noch, daß auch auf Deutſchen Hoͤhen oder
in ihren Thaͤlern ein prophetiſcher Geiſt der
Zeiten wehe. Schade nur, daß er nicht
vernommen wird: denn um aller Deutſchen
Redlichkeit willen, welcher Mann von Ge-
ſchaͤften laͤſe ein Gedicht, um in ihm die
Stimme der Zeit zu hoͤren! —


Wir, meine Freunde, wollen den Gar-
ten der Grazien und Muſen in der Stille
bauen. Verſtaͤndiger Homer, edler Pin-
dar, und ihr ſanften Weiſen, Pythago-
ras, Sokrates, Plato, Ariſtoteles,
[172]Epikur, Zeno, Mark-Antonin,
Erasmus, Sarpi, Grotius, Fene-
lon, St. Pierre, Penn, Franklin,
ſollt die heiligen Mitwohner unſrer fried-
lichen Gaͤrten werden. Das aufſchießende
Korn bedarf mancherlei Witterung; die
Saat in der Erde will Ruhe und milden,
erquickenden Regen.


[173]

13.


Milden erquickenden Regen wuͤnſchet die
keimende Saat der Humanitaͤt in Europa;
keine Stuͤrme. Die Muſen wohnen fried-
lich auf ihren heiligen Bergen, und wenn
ſie ins Schlachtfeld, wenn ſie in die Raths-
kammern der Großen treten, entbieten ſie
Frieden. Eine edle wuͤrdige That zu loben
iſt ihnen ein ſuͤßeres Geſchaͤft, als alle
Fluͤche Alcaͤus oder Archilochus auf taube
Unmenſchen herabzudonnern.


[174]

Wenn es z. B. in unſern Zeiten einen
Regenten gaͤbe, der an ſeinem Theil dem
barbariſchen Menſchen-Erkauf im andern
Welttheil entſagte, und damit andern
Staaten zu ihrem Erroͤthen ein Beiſpiel
gab; wenn er nach Jahrhunderten der erſte
waͤre, der die Sklaverei willkuͤhrlicher
Frohnen und andre erdruͤckende Laſten ſei-
nem Volk entnahm, und ein andres ſeiner
Voͤlker von eben ſo druͤckenden Einſchraͤn-
kungen im Handel befreiete; wenn dieſer
Regent ein Hoffnungsvoller koͤniglicher
Juͤngling, und Einrichtungen dieſer Art
nur das Vorſpiel ſeiner Regierung waͤren;
Heil dem Dichter, der ſolche Thaten ohne
alle Schmeichelei wuͤrdig und ſchoͤn dar-
ſtellte! Heil jedem Leſer und Hoͤrer, der
dieſem Saͤnger einer reinen Humanitaͤt mit
reinem Herzen zujauchzte! Daͤnnemark iſt
das friedliche, gluͤckliche Land, dem dieſer
[175] Stern aufgehet: ſein Kronprinz iſt der
koͤnigliche Juͤngling, der ſeine Laufbahn
alſo beginnet, und F. L. Stolberg,
der Dichter, der ihm hieruͤber wuͤrdig
danket.


An den Kronprinzen von Daͤnnemark.
Noch nie erſcholl ein Name der Maͤch-

tigen

Zu meiner Leier, Juͤngling; ich weihte

ſie

Den Freunden nur und Gott, und

ſuͤßem

Haͤuslichen Gluͤck, und der Liebe

Thraͤnen,

[176]
Und Dir, Natur, im Hain und am Meer-

geſtad',

Und Dir, o Freiheit! Freiheit, du Hochgefuͤhl

Der reinen Seelen! Deinen Becher

Kraͤnzt' ich mit Blumen des kuͤhnen

Liedes.

Und werd' ihn kraͤnzen, weil eine Nerve

mir

Noch zucket! werd' ihn koſten mit zitternder

Und blauer Lippe, wenn des Todes

Hand mir ihn reichet in hehrer

Stunde.

Nun wind' ich junge Blumen im Kranze

Dir,

O Juͤngling, weil du fruͤh es nicht achteteſt

Zu herrſchen uͤber Sklaven, weil du

Forſcheteſt, hoͤrteſt, beſchloßeſt,

thateſt!

Das
[177]
Das Joch des Landmanns druͤckte Jahr-

hunderte;

Du brachſt es! Hoͤr' es, heiliger Schatte du

Von meinem Vater, der das Beiſpiel

Dieſſeit der Eider und dann am

Sund gab *).

Du brachſt es, Juͤngling! wandteſt erroͤthend

dich

Vom Dank des Landes, ſahſt auf dem Ocean

Der Handlung Bande, die des Neides

Hand und der Habſucht im Finſtern

knuͤpfte:

M
[178]
Zerrißeſt leicht wie Spinnengewebe ſie,

Daß nicht die ſtolze Fichte des Normanns

mehr

Dem Bruderhafen huldigt, eh ſie

Schwellende Segel dem Oſtwind

oͤffne *).

Nicht gleiche Gaben ſpendet des Vaters Hand

Den Voͤlkern. Eiſen ſtarret im Schachte

dort,

Hier wanken Aehren, unſres Tiſches

Freude gedeihet auf fernen Bergen.

*)
[179]
Zum freien Tauſche ladet der Vater ein;

Doch ſchmiedet, hart und kluͤgelnd, der blinde

Menſch

Dem Tauſche Zwang; der biedre Normann

Kaufte ſein Brot auf verengtem

Markte.

Nun reifen fremde Saaten fuͤr ihn, wenn

fruͤh-

Erwacht der Winter auf dem Gebuͤrge ſich

Ausſtrecket, und von ſtarrer Schulter

Glaͤnzende Flocken in Thaͤler

ſchuͤttelt.

Ich ſah dich handeln, Juͤngling, und freute

mich,

Doch nur mit halber Freude. Lud Danien

Nicht haͤufend noch auf ſeine Schulter

Fluch des zertretnen, zerrißnen

Volkes,

M 2
[180]
Uneingedenk der heiligen Lehren, und

Fuͤr jene Ader fuͤhllos, die Gottes Hand

Im Herzen ſpannte, daß ſie klo-

pfend

Unrecht und Recht und Erbarmen

lehre?

Von Menſchen kaufte Menſchen der Menſch,

und ward

Ein Teufel! — Wer vermag den getruͤbten Blick

Zu heften auf des armen Mohren

Elend und Schmach und gezuckte

Geißel?

Aufs ſchwangre Weib, das jammernd die Haͤnde

ringt

Am krummen Ufer; — Thraͤnenlos ſtarret ſie

Dem fernen Segel nach; noch ſchallt ihr

Dumpf in den Ohren das Hohn-

gelaͤchter

[181]
Des Treibers, noch der klirrenden Kette

Klang,

Und ihres Mannes Klage, das Angſtgeſchrei

Der juͤngſten Tochter, die der Wuͤtrich

Ihr aus umſchlingenden Armen los-

riß. —

Du ſetzeſt Ziel dem Graͤuel, ein nahes Ziel!

Erroͤthend ſtaun' und ahme dem Beiſpiel

nach

Der Britte, will er werth der Freiheit

Seyn, die auf Weisheit und Recht

ſich gruͤndet.

Gott ſetze deinen Tagen ein fernes Ziel,

O Juͤngling! keins dem Segen, der dein einſt

harrt.

Sei deinen Tauſenden noch lange

Bruder! Nur Einer iſt Aller Vater.

F. L. Gr. z. Stolberg.


[182]

Wenn mehrere ſolcher Geſaͤnge uͤber
Anlaͤße ſolcher Art uns zukommen, meine
Bruͤder: ſo wollen wir einander unſre
Freude ja mittheilen: denn beſangen Horaz
und Pindar je ein edleres Thema edler?



[]

Inhalt
der erſten Sammlung.


  • Br. 1. Ein Bund der Humanitaͤt zwiſchen
    Freunden S. 5.
  • — 2. Ueber Benj. Franklins Lebens-
    beſchreibung von ihm ſelbſt S. 10.
  • — 3. Franklins Fragen zu Errichtung einer
    Geſellſchaft der Humanitaͤt mit
    Anwendungen S. 19.
  • — 4. Ueber Schlichtegrolls Nekro-
    log S. 35.
  • — 5. Deßgleichen S. 42.
  • Br. 6. Ueber die Verbindung der Deut-
    ſchen Voͤlker und Provinzen zum
    Anbau der Humanitaͤt S. 58.
  • — 7. Koͤnig Friedrichs nachgelaßene
    Werke S. 66.
  • — 8. Einige Gedanken und Maximen
    deſſelben S. 81.
  • — 9. Fortſetzung _ S. 99.
    — 10. Klopſtocks Ode an den Kaiſer. Ge-
    ſpraͤch nach dem Tode des Kai-
    ſers Joſephs des Zweiten S. 115.
  • — 11. Von Theilnehmung der Poeſie an
    oͤffentlichen Begebenheiten und
    Geſchaͤften S. 160.
  • — 12. Fortſetzung S. 166.
  • — 13. Fortſetzung. Stolbergs Ode an
    den Kronprinzen von Daͤnne-
    mark S. 173.
Notes
*)

Die Namen der correſpondirenden Freunde
ſind unter die Briefe nicht geſetzt: denn was koͤnn-
ten uns Buchſtaben bezeichnen, das die Briefe
nicht ſelbſt erklaͤrten?


Anmerk. d. Herausg.

*)

Sie ſind jetzt auch Deutſch uͤberſetzt:
B. Franklins Jugendjahre, uͤberſetzt
von Buͤrger
. Berl. 1792.


A. d. H.

*)
Es wird davon eine niedliche Ausgabe im
Deutſchen veranſtaltet werden: denn die meiſten,
*)
alle ſehr intereßante Stuͤcke, ſind zerſtreut, oder
gar nicht bekannt. A. d. H.
*)
Nekrolog von Schlichtegroll,
Gotha 1791.
*)

Die in der Folge angefuͤhrten Namen
ſind alle aus dem erſten Jahrgange des Nekrolo-
gen. Mehrere waren damals noch nicht erſchienen.


A. d. H.

*)
Eine ſehr bekannte Deutſche Geſchichte,
uͤber welche jetzt der zweite Theil von Schubarts
ſelbſt geſchriebenem Leben Auskunft giebt.
A. d. H.
*)
Oeuvres poſthumes de Frederic II. Berlin 1788.
*)
Ein von Goͤtz uͤberſetztes Gedicht Frie-
drichs.
Anmerk. d. Herausg.
*)
Dieſe und einige andre Bemerkungen
Friedrichs haben ſich Gottlob ſeitdem hie und
da veraͤndert.
A. d. H.
*)

Die Folge des Briefwechſels enthaͤlt eine
Fortſetzung dieſes Auszuges.


A. d. H.

*)
Anſpielung auf Horaz Ode 9. B. 4.
Non fi priores Maeonius tenet

Sedes Homerus, Pindaricae latent,

Coaeque et Alcaei minaces,

Steſichorique graues camoenae.

A. d. H.
*)
Die folgenden Verſe ſind aus Kleiſts
erſter eigner Ausgabe des Fruͤhlings genom-
men; wer will, vergleiche ſie mit der jetzt gang-
baren Ausgabe. A. d. H.
*)
Seitdem ſind Gleims Zeitgedichte in
einer Sammlung erſchienen, (1792.) die keinem,
der am Geiſte der Zeit Antheil nimmt, unin-
tereßant ſeyn kann.
A. d. H.
*)
Des Dichters Vater war der erſte in
Holſtein, der den Bauern ſeines Guts Freiheit
und Eigenthum gab. Die Koͤniginn Sophia
Magdalena aus dem Hauſe Brandenburg, Groß-
mutter des jetzigen Koͤniges von Daͤnnemark,
gab den Bauern des Amts Hirſchholm auf ſeinen
Rath, und nach der Einrichtung, die er Trotz
*)
Den Norwegern iſt die Ueberfahrt nach
Weſtindien leichter als den Daͤnen, deren Schiffe
der Kategat oft aufhaͤlt. Jene dieſes Vortheils
zu berauben, verpflichtete man die Schiffer, vor
der Fahrt nach Weſtindien erſt in Koppenhagen
einzulaufen. Man nannte das ſich praͤſentiren.
*)
aller in den Weg gelegten Schwierigkeiten mit
Muth durchſetzte, Freiheit und Eigenthum.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2025). Herder, Johann Gottfried von. Briefe zu Beförderung der Humanität. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bk0t.0