[][][][][]
[figure]

[]
Ein Menſch der ſchauet Gott/

Ein Thier den Erdkloß an:

Auß dieſem/ was Er ſey/

Ein jeder kennen kan.


[[1]]
Cherubiniſcher
Wandersmann
oder
Geiſt-Reiche Sinn-und
Schluß-Reime zuꝛ Goͤttlichen
beſchauligkeit anleitende
Von dem Urheber anfs neue uͤberſehn/
und mit dem Sechſten Buche vermehrt/
den Liebhabern der geheimen Theologie und
beſchaulichen Lebens zur Geiſtlichen Er-
goͤtzligkeit zum andernmahl her-
auß gegeben.
[figure]


Glatz: / auß Neu auffgerichter
Buchdrukkerey
Jgnatij Schu-
barthi
Anno1675.
[[2]]
Wir alle die wir mit aufge-
dektem Angeſichte die Herꝛlig-
keit des HErren anſchauen/
werden verwandelt in daſſel-
bige Bild von Klarheit in Klaꝛ-
heit/ als vom Geiſte des HEr-
ren.
(2. Cor: III. 18.)

[[3]]

Zueſchrifft.
Der Ewigen Weißheit
GOtte/
Dem Spiegelohne makel/
den die Cherubin und alle
Seelige Geiſteꝛ mit ewi-
ger verwunderung
anſchauen/
Dem Lichte welches alle
Menſchen erleuchtet die
in dieſe Welt kom̃en/
Dem unerſchoͤpfflichen
Brunn und urſpruͤngli-
chem Qualle aller
Weißheit/

ſchrei-
[[4]]Schreibet zue und richtet
wiederumb in Jhn
hin/
Dieſe auß deſſen groſſem
Meere genaͤdiglich heꝛ-
geronnene kleine
Troͤpfflein

Sein
Fuͤr unablaͤßlichem verlan-
gen Jhn zuſchauen


Allzeit ſterbender
Johannes Angelus.

[5]

Erinnerungs Vorrede an
den Leſer.


GOttsbegiehriger Leſer/ vor
etlichen Jahren habe ich dir den
Seraphin iſchen begiehrer inn
meiner verliebten Pſyche zum
andernmahl: mit vermehrung der
Heiligen Liebs begiehrden zu
gluͤkſeeliger entzuͤndung deines Hertzens in goͤtt-
licher Liebe/ zuegeſendet; wie auch unlaͤngſt die
ſinnliche betrachtung der vier Letzten Dinge/
welche dich gleichfalls Gott innbruͤnſtig zu lie-
ben aufmuntern kan: anitzo trage ich dir meinen
Cherubiniſchen Wandersmann oder geiſtliche
Sinn- und Schluß-Reime zum andernmahl
auch vermehrt/ zu einem gefehrten an; umb
durch denſelben noch mahls die Augen deiner
Seele zur Goͤttlichen beſchawligkeit zuleiten
und zuerheben. Gluͤkſeelig magſtu dich ſchaͤtz-
en/ wann du dich beyde laͤſſeſt einnehmen/ und
noch bey Leibes Leben bald wie ein Seraphin
von himmliſcher Liebe brenneſt/ bald wie ein
Cherubin mit unverwandten augen Gott an-
ſchaweſt: denn damit wirſtu dein ewiges Leben
ſchon in dieſer ſterbligkeit/ ſo viel es ſeyn kan
A 4anfan-
[6]Erinnerungs Vorrede
anfangen/ und deinen beruff oder außerwaͤlung
zu demſelben gewiß mache. Weil aber folgende
Reimen vil ſeltzame paradoxa oder widerſin-
niſche Reden/ wie auch ſehr hohe und nicht jeder-
man bekandte ſchluͤſſe/ von der geheime-Gott-
heit/ Jtem von Vereinigung mit GOtt oder
Goͤttlichem Weſen/ wie auch von Goͤttlicher
Gleichheit und Vergoͤttung oder GOtt wer-
dung/ und waß dergleichen/ in ſich halten;
welchen man wegen der kurtzen Verfaſſung
leicht einen Verdamlichen Sinn oder boͤſe Mei-
nung koͤnte andichten: Als iſt vonnoͤthen dich
deß halben zuvor zuerinnern.


Unnd iſt hiermit einmal fuͤr allemal zuwiſ-
ſen/ daß deß Urhebers Meinung nirgends ſey/
daß die Menſchliche Seele jhre Geſchaffenheit
ſolle oder koͤnne Verliehren/ und durch die Ver-
goͤttung in GOtt oder ſein ungeſchaffenes We-
ſen verwandelt werden: welches in alle Ewig-
keit nicht ſeyn kan. Denn obwol GOtt Allmaͤch-
tig iſt/ ſo kan er doch diſes nicht machen (und
wann Ers koͤnte/ waͤre Er nicht GOtt) daß
eine Creatur natuͤrlich und weſentlich GOtt
ſey. Derowegen ſagt Thaulerus in ſeinen Geiſt-
lichen Unterrichtungen c. 9. weil der Allerhoͤchſte
nicht machen kondte/ daß wir von Natur GOtt waͤren
(denn diß ſteht Jhm alleine zu) ſo hat Er gemacht/ daß
wir GOtt waͤren auß Gnaden; damit wir zugleich mit
Jhm in jmmerwehrender Liebe beſitzen moͤgen eine See-
ligkeit/ eine Freuͤde/ und ein einiges Koͤnigreich:

Son-
[7]an den Leſer.
Sondern dieſes iſt ſein Sinn/ daß die Gewuͤr-
digte und Heilige Seele zu ſolcher naher Ver-
einigung mit GOtt und ſeinem Goͤttlichen We-
ſen gelange/ daß ſie mit demſelben gantz und
gar durchdrungen/ uͤberformet/ Vereinigt und
eines ſey; dermaſſen/ daß wenn man ſie ſehen
ſolte/ man an jhr nichts anders ſehen und erken-
nen wuͤrde als GOtt; wie dann im ewigen Le-
ben geſchehen wird: Weil ſie von dem Glantze
ſeiner Herꝛligkeit gleichſamb gantz Verſchlun-
gen ſeyn wird. Ja daß ſie zu ſolcher Vollkomner
gleichnuͤß GOttes gelangen koͤnne/ daß ſie eben
das Jenige ſey (auß Genaden) was GOtt iſt
(von Natur;) und alſo in dieſem Verſtande
recht und wol ein Liecht in dem Liechte/ ein
Wort in dem Worte/ und ein GOTT in
GOtte (wie in den Reimen geredet wird) koͤn-
ne genennet werden. Sinthemal/ wie ein alter
Lehrer ſagt/ GOtt der Vatter hat nur einen
Sohn/ und derſelbe ſind wir alle in Chriſto.
Sind wir nun Soͤhne in Chriſto/ ſo muͤſſen wir
auch ſeyn was Chriſtus iſt/ und daſſelbe Weſen
haben/ welches der Sohn GOttes hat. Denn
eben darumb
(ſpricht Thaulerusin der vierdten
Predigt am H. Chriſtage) daß wir daſſelbe Weſen
haben/ werden wir Jhm gleich/ und ſehen Jhn wie Er
wahrer GOtt iſt.


Und dieſem Satze ſtimmen bey alle Heilige
GOttesſchawer; jnſonderheit jetzt gedachter
A 5Tau-
[8]Erinnerungs Vorrede
Taulerin der 3. Predigt am 3. SontagTrinit.
da er ſpricht: Die Seele wird (durch das wider er-
langte Ebenbild)
GOtte gleich und Goͤttlich: Ja
alles wird ſie auß genaden was GOtt iſt von Natur.
Jn diſer Vereinigung und einſenckung in GOtt/ wird
ſie uͤber ſich ſelbſt in GOtt gefuͤhrt/ und GOtte ſo gleich/
daß wann ſie ſich ſelber ſahe/ ſie ſich fuͤr GOtt wuͤrde
ſchaͤtzen: Und wer ſie ſaͤhe/ der wuͤrde ſie ſehen/ ntcht
zwar in dem Natuͤrlichen/ ſondern in dem auß Genaden
jhr mit getheiltem Weſen/ Form und weiſe GOttes/ und
wuͤrde alſo Seelig von dem Geſichte Sinthemal GOtt
und die Seele in ſolcher Vereinigung eines ſind; wiewol
nicht von Natur/ ſondern auß Genaden. Und nach
wenigem:
Die lautere und Goͤttliche Seele welche
von der Creaturen Liebe ſo frey iſt wie GOtt/ wird von
andern geſehen werden/ auch ſich ſelber in Ewigkeit an-
ſehen als GOtt (denn GOtt und eine ſolche Seele ſind
in der obgemeldten Vereinigung eins) und wird jhre
Seeligkeit in und auß ſich ſelbſt nehmen in diſer Verei-
nigung.


Rusbrochim dritten Buch vom Zierrath
der Geiſtlichen Hochzeit
c. 1. Jn der Weſent-
lichen Einheit GOttes ſind alle Andaͤchtige und jnnige
Geiſter eins mit GOtt durch jhre Liebhabende einſenck-
ung und zerſchmeltzung in jhn: Und ſind auß Gnaden
eben daſſelbige Eins das dieſelbe Weſenheit jn ſich ſel-
ber iſt.


Und eben daſelbſt: GOtt uͤber alle gleichnuͤſſe/ wie
Er in ſich ſelber iſt/ faſſen und Verſtehen/ das iſt etlicher
maſſen GOtt mit GOtt ſeyn ohne mittel/ (oder daß ich
ſo ſage) ohne eine empfindliche Anderheit. Und eben
im ſelben Buche
c. 2. ſpricht Er: Wann der
Geiſt deß Menſchen durch die genießliche Liebe ſich ſel-
ber
[9]an den Leſer.
ber verlohren hat/ ſo empfaͤngt er die Klarheit GOttes
ohne mittel: Ja er wird auch ſelbſt/ (ſoviel einer Crea-
tur zuſteht) ohne unterlaß dieſelbe Klarheit welche er
embfaͤngt.


Gleichermaſſen redet auchS. Bernard.im
Buche vom Einſamen Leben/ da er ſpricht:

Wir werden das ſeyn was Er iſt. Denn welchen die
Macht gegeben iſt GOttes Kinder zu werden/ denen iſt
auch die Macht gegeben/ nicht zwar daß ſie GOtt ſeyn/
ſondern daß ſie ſeyn was GOtt iſt. Und nach diſem:
Dieſe gleichnuͤß GOttes wird die Einheit deß Geiſtes
genent/ nicht alleine weil ſie der Heilige Geiſt zu Wercke
richtet/ oder den Geiſt deß Menſchen damit anthut:
Sondern weil ſie ſelbſt der Heilige Geiſt/ GOtt die Liebe
iſt/ weil durch Jhn/ welcher die Liebe deß Vatters und
deß Sohnes iſt/ und Einheit/ und Anmuͤtigkiit/ und
Gut/ und Kuß/ und umbfaſſung/ und alles was bey-
den kan gemein ſeyn/ in jener hoͤchſten Vereinigung der
Warheit/ und Warheit der Vereinigung/ eben daſſel-
be dem Menſchen auff ſeine Art zu GOtt geſchicht/ was
mit der ſelbſtaͤndigen Einheit dem Sohne zum Vatter/
oder dem Vatter zum Sohne/ wann in der umbfahung
und Kuß deß Vatters und deß Sohns ſich etlicher maſ-
ſen mitten inne befindet das ſeelige Gewiſſen; da anff
eine unaußſprechliche und Ungedaͤnckliche weſſe der
GOttes Menſch verdienet zu werden/ nicht GOtt;
ſondern doch was GOtt iſt auß Natur/ der Menſch
auß Genaden. Und dieſesBernardus.Fragſtu
wie daß zugehen koͤnne/ weil das Goͤttliche
Weſen unmittheilhafftig iſt? So antworte ich
dir fuͤrs Erſte mit dem heiligen
Bonaventura:
So du es wiſſen wilt/ ſo frage die Genade/ und nicht die
Lehre: Das Verlangen/ und nicht den Verſtand: das
Seufftzen deß Gebeths/ und nicht das fleiſſige leſen:
A 6Den
[10]Erinnerungs Vorrede
Den Braͤutigam/ nicht den Meiſter: GOtt/ nicht
Menſchen: Die tunckelheit/ nicht die Klarheit: Nicht
das Licht/ ſondern das Feuer welches gantz und gar an-
flammet/ und in GOtt mit brennenden Begierden fuͤh-
ret/ welches Feuer GOTT ſelber iſt.


Fuͤrs ander/ daß das Goͤttliche Weſen zwar
unmitthellhafftig ſey/ ſolcher geſtalt/ daß es ſich
mit einem Dinge vermengen ſolte/ und eine Na-
tur oder Weſen mit ihm werden: Daß es aber
auff gewiſſe Weiſe wegen der ſo nahen und jn-
niglichen Vereinigung/ mit welcher es ſich in
die Heylige Seelen ergieſt/ gleichwol mit theil-
hafftig koͤnne genennet werden: Maſſen auch

Petrusſagt/ daß wir theilhafftig werden der
goͤttlichen Natur: und
Johannes/ daß wir Got-
tes Kinder ſeynd/ weil wir auß GOtt gebohren
ſeynd.
Nun koͤnnen ja die jenige nicht Gottes Kin-
der/ und theilhafftige der Goͤttlichen Natur genennet
werden (ſpricht Thomas à Jesu l. 4. d. orat.
divin. c.
4.) wann dieſelbige nicht in Uns/ ſondern
weit von Uns abgeſondert iſt. Denn ſo wenig ein
Menſch kan weiſe ſeyn ohne Weißheit (wieThauler.
in der vierdtenSermonim H. Chriſtage redet)
ſo wenig kan einer auch ein Kind Gottes ſeyn ohne die
Goͤttliche Kindſchafft/ das iſt/ er habe dann das war-
hafftige Weſen deß Sohnes GOttes ſelber. Derohal-
ben ſoltu GOttes Sohn oder Tochter ſeyn/ ſo muſtu
auch eben das Weſen haben/ welches der Sohn GOt-
tes hat/ ſonſten kanſtu GOTTES Sohn nicht ſeyn.
Aber ſolche groſſe Herrligkeit iſt uns noch zur
Zeit verborgen. Darumb ſchreibt auch
S. Jo-
hannes
[11]an den Leſer.
hannesan abgemeltem Ort weiter alſo: Meine
allerliebſten wir ſind zwar Gottes Kinder/ aber
es iſt noch nicht offenbahr was wir ſeyn werden/
wir wiſſen aber wann es erſcheinen wird/ daß
wir ihme werden gleich ſeyn/ das iſt/ daſſelbe
Weſen daß er iſt werden wir auch ſeyn ꝛc. Da-
rumb ſagt
Nicolaus à Jesu Mar. l. 2. c. 16.
Elucid. Theologic. in Joan à cruce:
Daß die
Seele durch die Wuͤrkungen der Liebe mit welchen ſie
GOtt liebt/ Erlange/ daß ihr GOtt nicht allein ſeine
Gaben mittheile/ ſondern daß auch ſelbſt die ſelbſtaͤn-
digkeit und Weſen GOttes der Seelen mit ſonderbah-
rem Titel ſelbſtaͤndig zugegen ſey. Und ſolches be-
ſtaͤttigen auch die Worte deß heiligen
Auguſt.
S. 185. de tempore
da er ſpricht: Der heilige
Geiſt iſt in dieſem Tage zu bereitung der Hertzen ſeiner
Apoſtel wie ein Platzregen der Heiligung eingefallen/
nicht als ein Eilfertiger beſucher/ ſondern als ein jm̄er-
wehrender Troͤſter/ und ewiger beywohner. Dann wie
er Matth. am 28. von ſich ſelbſt ſeinen Apoſtein geſagt
hatte: Siehe ich bin bey euch alle Tage biß zum Ende
der Welt; Alſo ſagt er auch von dem heiligen Geiſte:
Der Vatter wird euch den Troͤſter geben der bey euch
ſey in Ewigkeit. Derowegen iſt er in dieſem Tage bey ſei-
nen Glaubigen nicht nur durch die Gnade der Rechtfer-
tigung/ ſondern ſelbſt durch die gegenwart ſeiner Maje-
ſtaͤt geweſt; und iſt in die Gefaͤſſe jetzo nur nicht der
Geruch deß Balſams/ ſondern ſelbſt die ſelbſtaͤndigkeit
der Heiligen Salbe gefloſſen.


Diſes aber eygentlicher und ohne jrꝛthumb
zu verſt ehen und zuerklaͤren/ hab ich mir allzeit
ſehr belieben laſſen die Gleichnuͤſſe welche die

A 7heiligen
[12]Erinnerungs Vorrede
heiligen Vaͤtter von der Vereinigung der Son-
nen mit der Lufft/ deß Feuers mit dem Eyſen/
deß Weins mit dem Waſſer/ und was der glei-
chen/ ſich gebrauchen/ dieſe hohe Vereinigung
GOttes mit der Seelen etlicher maſſen dadurch
zubeſchreiben. Unter welchen der heilige
Ber-
nard:
im Buche wie man GOtt lieben ſol/ in
der mitten alſo ſpricht:
Gleich wie ein tropffen
Waſſers in viel Wein gegoſſen von ſich gantz zuverge-
hen ſcheint/ in dem es deß Weins geſchmack und Waͤrm-
de an ſich nimbt: Und wie ein feuriges gluͤendes Eyſen
dem Feuer gantz und gar gleiche wird/ und ſeine alte und
eigentliche Geſtalt außziehet: und wie die Lufft mit der
Sonnenlicht durchgoſſen in deſſelben Lichtes Klarheit
uͤberformet wird; alſo gar daß ſie nicht ſo wol Erleuch-
tet/ als das Liecht ſelber zu ſeyn ſcheinet: Alſo wird von-
noͤthen ſeyn/ daß in den Heiligen alle Menſchliche begier-
lichkeit auff unaußſprechliche weiſe von jhr ſelbſt zer-
ſchmeltze/ und in Gottes willen gaͤntzlich eingegoſſen wer-
de: dann wie wolte ſonſt GOtt alles in allen ſeyn/ wen̄
in dem Menſchen noch etwas vom Menſchẽ uͤbrig waͤre?
Und in dem 25. Cap. deß Buchs von der Liebe/
nach dem er eben dieſe Gleichnuͤſſe angefuͤhret
hatte/ ſpricht er darauff:
Alſo iſt deß Menſchen
Geiſt/ wann er mit Goͤttlicher Liebe angethan iſt/ gantz
Liebe. Derowegen wer GOtt liebt/ iſt jhm ſelbſt Todt/
und in dem er GOtt alleine lebt/ machet er ſich etlicher
maſſen (daß ich ſo rede) mit Weſentlich oder mitſtaͤn-
dig dem geliehten (conſubſtantiat ſedilecto.) Denn ſo
die Seele Davies der Seelen Jonathe vereinigt iſt;
oder ſo der welcher GOtt anhaͤngt ein Geiſt mit ihm
wird: ſo gehet mit ohne ungleiches Urtheil der Vereini-
gung auff eine gewiſſe Art der mit Weſenheit die gantze
Begier-
[13]an den Leſer.
Begierde in GOtt/ ꝛc. Und derogleichen findet man
auch beym
Rusbroch. Harphio, Thauler.und
anderen. Jnſonderheit beym
Ludovico Blo-
ſio
da er im zwoͤlfften Cap. ſeiner Geiſtlichen
Unterrichtungen ſehr ſchoͤn alſo Redet.
Jn der
geheimen vereinigung verfleuſt die liebhabende Seele/
und vergehet von jhr ſelbſt/ und verfaͤllet/ als waͤre ſie
zu nichte worden/ in den Abgrund der ewigen Liebe: All-
da ſie ihr Todt iſt/ und GOtt lebet/ nichts wiſſende/ nichts
fuͤhlende/ als die Liebe welche ſie ſchmaͤkket; denn ſie ver-
liehret ſich in der uͤbergroſſen Wuͤſte und Finſternuͤß der
GOttheit. Aber ſich ſo verliehren/ iſt mehr ſich finden.
Da wird Warlich/ was da iſt das Menſchliche außzie-
hende/ und das Goͤttliche anziehende/ in GOtt verwan-
delt. Gleich wie das Eyſen im Feuer die Geſtalt deß
Feuers annimbt/ und ins Feuer verwandelt wird. Es
bleibet aber doch das Weſen der alſo vergoͤtteten Seelen
gleich wie das gluͤende Eyſen nicht auffhoͤret Eyſen zu
ſeyn. Derohalben die Seele welche zuvor kalt war/ iſt
jetzt hrennend/ die vor Finſter war iſt jetzt leuchtend:
Die vor harte war/ iſt jetzt weich: Gantz und gar GOtt-
farbig; weil ihr Weſen mit Gottes Weſen durchgoſſen
iſt: Gantz mit dem Feuer der Goͤttlichen Liebe ver-
brennet/ und gantz zerſchmeltzend in GOtt uͤbergangen/
und ihm ohne mittel Vereinigt/ und ein Geiſt mit ihm
worden iſt; gleich wie Gold und Ertzt in einen Metal-
liſchen klumpen zuſammen geſchmoltzen werden.


Nun mit ſolchen und dergleichen Worten
und Reden haben ſich die H. Gottesſchauer
bemuͤhet die jnnigliche Vereinigung Gottes mit
der geheiligten Seelen etlicher maſſen außzu-
drukken; den̄ dieſelbe gruͤndlich zubeſchreiben/
ſagen ſie/ daß man nicht Wort finden koͤnne.


Wann
[14]Erinnerungs Vorrede

Wann derowegen der Guͤnſtige Leſer in die-
ſen Reimen hin und wider derogleichen finden
wird; ſo wolle er ſie auch nach diſem Verſtande
richten und verſtehen.


Wie wol ich nun was diſen Punct anbe-
langt zur genuͤge mich vermeine erklaͤrt zuha-
ben; ſo muß ich doch noch einen ſchoͤnen Text
auß
Dionijſio Carthuſianoanher ſetzen: dieſer
redet
Artic. 42. in Exod.alſo/ Alsdann wird die
Seele gantz in das unendliche Licht außgebreitet/ der
uͤberweſentlichen GOttheit und uͤberſeeligſten Dreyei-
nigkeit/ ſo ſtrahlend/ Liebreich und nahe copulirt oder
verbunden/ daß ſie nichts andres verſpuͤret/ noch ihre ei-
gne Wuͤrckung warnimt: ſondern ſie Verfleuſt von jhr
ſelbſt/ und fleuſt wider in jhren eigenen Bronnen/ und
alſo wird ſie in die Reichtuͤmber der Glorien verzukket/
in dem Feuer der ungeſchaffenen unaußmaͤßlichen Liebe
verbrennet; in dem Abgrunde der Gottheit vertieffet
und verſchlukket/ daß ſie ſcheint etlicher maſſen das ge-
ſchaffene Weſen auß- und das ungeſchaffene und erſte
Muſterweſen (eſſe ideale) wider anzuziehen, Nicht daß
die Selbſtaͤndigkeit verwandelt oder das eigene Weſen
weg genommen werde/ ſondern weil die Weiſe zuſeyn/
und die Eigenſchafft oder qualitet zuleben Vergoͤttet
wird: Das iſt/ GOtte und ſeiner uͤberſeeligſten Seelig-
keit uͤbernatuͤrlich und genaͤdiglich vergleichet wird:
und alſo wird fuͤrtrefflich erfuͤllet deß Apoſtels Wort;
Wer dem HErren anhaͤngt iſt ein Geiſt mit ihm/ ꝛc.


Wenn nu der Menſch zu ſolcher Vollkomner
gleichheit GOttes gelangt iſt/ daß er ein Geiſt
mit GOtt/ und eins mit jhm worden/ und in
Chriſto die gaͤntzliche Kind- oder Sohnſchafft

erreicht
[15]an den Leſer.
erreicht hat/ ſo iſt er ſo groß/ ſo reich/ ſo weiſe
und maͤchtig als GOtt/ und GOtt thut nichts
ohne einen ſolchen Menſchen/ denn Er iſt eins
mit jhm; er offenbahret jhm alle ſeine Herꝛlich-
keit und Reichtuͤmber/ und hat nichts in ſeinem
gantzen Hauſe/ das iſt/ in ſich ſelber/ welches er
fuͤr jhm verborgen hielte; wie er zu Moſi ſagte/
ich will dir all mein Gutt zeigen. Derowegen
ſagt der Urheber nicht zuvil wann er N. 14. in
der Perſon eines ſolchen Menſchen ſpricht; ich
bin ſo reich als GOtt: Denn wer GOtt hat/
der hat mit GOtt alles was GOtt hat. Alſo
was N. 8. 95. 96. un̄ ſonſten geſagt wird/ iſt auch
nach dieſer Vereinigung zuverſtehen. Wiewol
auch dieſe zwey erſten ein abſehen auff die Per-
ſon Chriſtii haben/ welcher wahrer GOtt iſt/
und mit ſeinen unvergleichlichen Liebe Wercken
uns zu verſtehen gegeben/ als ob GOtt gleich-
ſam nicht wol waͤre/ wann wir ſolten Verloh-
ren werden. Deßwegen Er auch nicht alleine in
dieſes Elende kom̃en und Menſch worden/ ſon-
dern auch ſo gar deß allerſchmaͤlichſten Todes
hat ſterben wollen/ daß Er nur uns wider zu
ſich bringen/ und ſich mit Uus ewig erfrewen
und ergoͤtzen koͤnte: Wie er auch ſagt/ meine Luſt
iſt bey den Menſchenkindern. O deß verwun-
derlichen und unaußſprechlichen Adels der
Seelen! O der unbeſchreiblichen Wuͤrdigkeit
zu welcher wir durch Chriſtum gelangen koͤn-
nen!
[16]Erinnerungs Vorrede
nen! was bin ich doch mein Koͤnig und mein
GOtt! und was iſt meine Seele O unendliche
Majeſtaͤt! daß du dich ernidrigeſt zu mir/ und
mich erhebſt zu dir! daß du Luſt ſuchſt bey mir/
der du doch die ewige Luſtbarkeit biſt aller Gei-
ſter! daß du dich mit mir wilt Vereinigen/ und
mich mit dir/ der du in und an dir ſelbſt Ewig-
lich genug haſt! Ja was iſt meine Seele/ daß ſie
dir auch gar ſo Gemein ſol ſeyn/ wie eine Braut
jhrem Braͤutigam/ wie eine Liebe jhrem Lieben!
Omein GOtt: Wann ich nicht glaubte daß du
warhafftig waͤreſt/ ſo koͤnte ich nicht glauben
daß zwiſchẽ mir un̄ dir/ als der unvergleichlichē
Majeſtaͤt ſolche Gemein ſchafft jemahls moͤglich
waͤre. Weil du aber geſprochen du wolleſt dich
mit mir Vermaͤhlen in Ewigkeit; ſo muß ich
nur diſe uͤbervernuͤnfftliche Genade/ welcher ich
mich nimmermehr koͤnte wuͤrdig ſchaͤtzen/ mit de-
muͤttigem Hertzen nnd verſtarꝛtem Geiſte ver-
wundern. Du OGOtt biſt der allein unver-
gleichliche wunder thut; Sinthemal du auch
alleine GOtt biſt. Dir ſey Lob/ und Preiß/ und
Danck/ und Herꝛligkeit von Ewigkeit zu E-
wigkeit.


Was ſonſten viel andere nicht jederman Ge-
meine Reden und Spruͤche anbelangt/ ſo hoffe
ich ſie werden/ dem guͤnſtigen Leſer/ im fall er in
den Lehrern der geheimen GOttes Weißheit
bekandt iſt/ nicht alleine nicht frembde; ſondern
auch
[17]an den Leſer.
auch ſehr Lieb und Angenehm ſeyn: in dem er
hier als in einem kurtzen Begriff wird finden/
was er bey jhnen nach der laͤnge geleſen/ oder ja
ſelbſt durch genaͤdige beſuchung GOttes in der
That geſchmaͤkket und empfunden hat. Jſt er
aber noch Unerfahren/ ſo wil ich jhn freundlich
zu jhnen gewiſen haben: Jnſonderheit zum
Rusbrochio, Thaulero, Harphio, Authore
Theologiæ Teutonicæ \&c:
Und neben diſen
ſonderlich zum Maximil. Sandæo Societatis
Jesu,
welcher ſich mit ſeiner Theologia Myſti-
ca,
und dem clave, uͤber die maſſen gegen die
Liebbaber diſer Goͤttlichen kunſt verdienet hat.


Am allertroͤſtlichſtem aber abgebildet wird
ers mit groſſer verwunderlicher Begierde und
hertzlichem Verlangen finden/ in dem unlaͤngſt
herauß gekom̄enẽ leben der Ehrwuͤrdigen Jung-
frauen Marinæ de Eſcobar, welche allein auß
gnaͤdiger verleihung GOttes alles deſſen ge-
wuͤrdiget worden/ was iemahls alle dieſer ge-
heimen GOttes-Kunſt erfahrne ingeſambt
geſchrieben und aufgezeichnet haben.


Den̄ eine gantze und lautere Außlegung uͤber
alle und jede Worte zumachen/ wuͤrde eine groſ-
ſe weitlaͤufftigkeit erfordern/ und nur dem Leſer
verdrießlich ſeyn. Es iſt deß Buͤcherſchreibens
ohne diß keine maß/ daß anjetzo faſt mehr ge-
ſchrieben als geleſen wird. Diſe Reimen/ gleich
wie ſie dem Urheber meiſten theils ohne Vorbe-
dacht
[18]Erinnerungs Vorrede
dacht und muͤhſames Nachſinnen in kurtzer Zeit
von dem Urſprung alles gutten einig und allein
gegeben worden auffzuſetzen; alſo daß er auch
daß erſte Buch in vier Tagen verfertiget hat;
ſollen auch ſo bleiben/ und dem Leſer eine auff-
munterung ſeyn/ den in ſich verborgenen GOtt/
und deſſen heilige Weißheit ſelbſt zuſuchen/
und ſein Angeſichte mit eignen Augen zube-
ſchawen. Jedoch wo der Verſtand zweiffelhaff-
tig oder gar zu Tunckel zu ſein vermeinet wird/
ſo ſol dabey eine kurtze Erinnerung geſchehen.
Der Leſer daͤnke aber weiter nach/ und lebe in
betrachtung der Goͤttlichen wunder mit unge-
faͤlſchter Liebe/ zu groſſen Ehren GOttes; deme
befohlen. Gegeben in Schleſien den 7. Augſts-
monats Tag des Sechzehn-Hundert vier
und ſiebentzigſten Jahres.



AP-
[19]

APPROBATIO.


EGo infraſcriptus legi Do-
mini Joannis Angeli Sileſij libel-
lum qui inſcribitur
Geiſtreiche
Sinn und Schluß-Reime; quo amœnita-
tem luſumque Poëticum ita Pietati ſacris-
que ſalibus miſcet, ut Lectorem inde \&
recreandum ſperem, \& ad piosanimi ſen-
ſus commovendum. Ideoque dignum
cenſui, qui luci publicæ committeretur.
Viennæ ex Cæſareo Academico Collegio
Societatis Jesu die 2. Aprilis Anno
1657.


NICOL AUS AV ANCINUS
è Soc: JESV, S. S. Theol: Do-
ctor ejuſdemq; Facultatis Vien-
nenſis Decanus.

Imprimatur.
JOANNES GUILIEL MUS
IVNCHER, p. t. Vniverſi-
tatu Rector.


Sere-
[20]

SEreniſſimi \& Reverendiſſimi
Principis ac Dn: Dn: Leopoldi
Guilielmi
, Archiducis Auſtriæ
Ducis Burgundiæ, Styriæ, Carinthiæ, Car-
niolæ \& Wirttenbergæ, Comitis Habſpurgi,
Tyrolis \& Goritiæ, Adminiſtr: magni Gen-
eralatus in Pruſlia, Ord: Teutonici per Ger-
maniam \& Italiã parteſq́; transmarinas Ma-
gni Magiſtri, Epiſc: Argentorat: Halberſta-
tenſ: Paſſovienſ: Olomucenſ: \& Vratislavi-
enſ: per Sileſiam Officialis ac Viearius Gene-
ralis Nos Sebaſtianus à Roſtock S. S, Theol:
\& Philoſophiæ Doctor, Protonotarius Apo-
ſtolicus, Cathedralis Eccleſiæ Vratislauienſ:
Archidiaconus, ibidem apud S. Crucem Ca-
nonicus \&c. Fatemur Libellum piarum
ac profundarum meditationum verſibus
Germanicis concinnatum ſub nomine \& Ti-
tulo Johannis Angeli Sileſij
Geiſtreiche
Sinn- und Schluß-Reime Nobis exbibi-
tum fuiſle revidendum. Et quia ad pios
animi motus conciliandos aptiſſimus, im-
primi poſſe meritò cenſuimus. In cujus rei
fidem haſce Officij noſtri Sigillo, ac pro-
priæ manus ſubſcriptione roborauimus.
Vratislaviæ 6. Julij
1656.


Sebastianus â Roſtock.


[21]

Johannis Angeli Sileſij
Erſtes Buch
Geiſtꝛeicheꝛ Sin̄- und Schluß-
Reimen.


1. Was fein iſt das beſteht.
Rein wie das feinſte Gold/ ſteiff wie ein Felſenſtein/

Gantz lauter wie Criſtall/ ſol dein Gemuͤthe ſeyn.

2. Die Ewige Ruheſtaͤdt.
Es mag ein anderre ſich umb ſein Begraͤbniß kraͤnken/

Und ſeinen Madenſak mit ſtoltzem Bau bedaͤnken.

Jch Sorge nicht dafuͤr: Mein Grab/ mein Felß und

Jn dem ich ewig Ruh/ ſo[lʼſ]s Hertze JEſu ſeyn. (ſchrein.

3. GOtt kan allein vergnuͤgen.
Weg weg jhr Seraphim jhr koͤnt mich nicht erquikken:

Weg weg jhr Engel all; und was an euch thut bikken:

Jch wil nun eurer nicht; ich werffe mich allein/

Jns ungeſchaffne Meer der bloſſen GOttheit ein.

4. Man muß gantz Goͤttlich ſeyn.
HErꝛ es genuͤgt mir nicht/ daß ich dir Engliſch diene/

Und in Vollkommenheit der Goͤtter fuͤr dir Gruͤne:

Es iſt mir vil zuſchlecht/ und meinem Geiſt zu klein:

Wer Dir recht dienen wil muß mehr als Goͤttlich ſeyn.

5. Man weiß nicht was man iſt.
Jch weiß nicht was ich bin/ Jch bin nicht was ich weiß:

Ein ding und nit ein ding: Ein ſtuͤpffchin und ein kreiß.

6. Du
[22]Joh: Angellerſtes Buch
6. Du muſt was GOtt iſt ſeyn.
Sol ich mein letztes End/ und erſten Anfang finden/

So muß ich mich in GOtt/ un̄ GOtt in mir ergruͤnden.

Und werden das was Er: Jch muß ein Schein im

Schein/

Jch muß ein Wort im Wort/ (a) ein GOtt in

GOtte ſeyn.


7. Man muß noch über GOtt.
Wo iſt mein Auffenthalt? Wo ich und du nicht ſtehen:

Wo iſt mein letztes End in welches ich ſol gehen?

Da wo man keines findt Wo ſol ich dann nun hin?

Jch muß noch (b) uͤber GOtt in eine wuͤſte ziehn.


8. GOtt lebt nicht ohne mich.
Jch weiß daß ohne mich GOtt nicht ein Nun kan leben/

*Werd’ ich zu nicht Er muß von Noth den Geiſt auff-

geben.

9. Jch habs von Gott/ und Gott von mir.
Daß GOtt ſo ſeelig iſt und Lebet ohn Verlangen/

Hat Er ſo wol von mir/ als ich von Jhm empfangen.


10. Jch bin wie Gott/ und Gott wie ich.
Jch bin ſo groß als GOtt/ Er iſt als ich ſo klein:

Er kan nicht uͤber mich/ ich unter Jhm nicht ſeyn.

11. GOtt
[23]Geiſtr. Sinn- und ſchlußr.
11. Gott iſt in mir/ und ich in Jhm.
GOtt iſt in mir das Feur/ und ich in Jhm der ſchein:

Sind wir einander nicht gantz jnniglich gemein?

12. Man muß ſich uͤberſchwenken.
Menſch wo du deinen Geiſt ſchwingſt uͤber Ort un̄ Zeit/

So kanſtu jeden blik ſeyn in der Ewigkeit.

13. Der Menſch iſt Ewigkeit.
Jch ſelbſt bin Ewigkeit/ wann ich die Zeit Verlaſſe/

Und mich in GOtt/ und GOtt in mich zuſammen faſſe.

14. Ein Chriſt ſo Reich als Gott.
Jch bin ſo Reich als GOtt/ es kan kein ſtaͤublein ſeyn/

Daß ich (Menſch glaube mir) mit Jhm nicht hab ge-

mein.

15. Die uͤber-GOttheit.
Was man von GOtt geſagt/ das gnuͤget mir noch

nicht:

Die uͤber-GOttheit iſt mein Leben und mein Liecht.

16. Die Liebe zwinget GOtt.
(a) Wo GOtt mich uͤber GOtt nicht ſolte wollen

bringen/

So will ich Jhn dazu mit bloſſer Liebe zwingen.


17. Ein Chriſt iſt GOttes Sohn.
Jch auch bin GOttes Sohn/ ich ſitz an ſeiner Hand:

Sein Geiſt/ ſein Fleiſch und Blut/ iſt Jhm an mir be-

kandt.

18. Jch thue es GOtte gleich.
GOtt liebt mich uͤber ſich: Lieb ich Jhn uͤber mich;

So geb ich Jhm ſovil/ als Er mir gibt auß ſich.

B19. Das
[24]Joh: Angeli erſtes Buch
19. Das ſeelige Stilleſchweigen.
Wie ſeelig iſt der Menſch/ der weder wil noch weiß!

* Der GOtt (verſteh mich recht) nicht gibet Lob noch

Preiß.


20. Die Seeligkeit ſteht bey dir.
Menſch deine Seeligkeit kanſtu dir ſelber nemen:

So du dich nur dazu wilt ſchiken und bequemen.

21. GOtt laͤſt ſich wie man wil.
GOtt gibet niemand nichts/ Er ſtehet allen frey;

Daß Er/ wo du nur Jhn ſo wilt/ gantz deine ſey.

22. Die Gelaſſenheit.
So vil du GOtt gelaͤſt/ ſo vil mag Er dir werden/

Nicht minder und nicht mehr hilfft Er dir auß be-

ſchwerden.

23. Die Geiſtliche Maria.
Jch muß MARIA ſeyn/ und GOtt auß mir gebaͤhren

Sol Er mich Ewiglich der Seeligkeit gewehren.

24. Du muſt nichts ſeyn/ nichts wollen,
Menſch/ wo du noch was biſt/ was weiſt/ was liebſt

und haſt;

So biſtu/ glaube mir/ nicht ledig deiner Laſt.

25. GOtt ergreifft man nicht.
GOtt iſt ein lauter nichts/ Jhn ruͤhrt kein Nun noch

Hier: *

Je mehr du nach Jhm greiffſt/ je mehr entwird Er dit

26. Der
[25]Geiſtr. Sinn- und ſchlußr.
26. Der geheime Tod.
Tod iſt ein ſeelig ding: Je kraͤfftiger er iſt:

Je herꝛlicher darauß das Leben wird erkiſt.

27. Das Sterben machet Leben.
Jn dem der weiſe Mann zu tauſendmalen ſtirbt/

Er durch die Warheit ſelbſt umb tauſend Leben wirbt.

28. Der allerſeeligſte Tod.
Kein Tod iſt ſeeliger/ als in dem Herꝛen ſterben/

Und umb das Ewge Gutt mit Leib und Seel ver-

derben.


29. Der Ewige Tod.
Der Tod/ auß welchem nicht ein Neues Leben bluͤhet/

Der iſts den meine Seel auß allen Toͤden fliehet.

30. Es iſt kein Tod.
Jch glaube keinen Tod: Sterb ich gleich alle Stunden/

So hab ich jedesmahl ein beſſer Leben funden.

31. Das jmmerwehrende Sterben.
Jch ſterb’ und lebe GOtt: wil ich jhm ewig Leben/

So muß ich ewig auch fuͤr Jhm den Geiſt auffgeben.*


B 232. GOtt
[26]Joh. Angeli erſtes Buch
32. GOtt ſtirbt und lebt in uns.
Jch ſterb’ und leb’ auch nicht: (a) GOTT ſelber ſtirbt

in mir:

Und was ich leben ſol/ (b) lebt Er auch fuͤr und fuͤr.


33. Nichts lebet ohne Sterben.
GOtt ſelber/ wenn Er dir wil leben/ muß er ſterben:

Wie daͤnckſtu ohne Tod ſein Leben zuererben?

34. Der Tod vergoͤttet dich.
Wenn du geſtorben biſt/ und GOtt dein Leben worden/

So trittſtu erſt recht ein der Hohen Goͤtter Orden.

35. Der Tod iſts beſte Ding.
Jch ſage/ weil der Tod allein mich machet frey;

Daß er das beſte Ding auß allen Dingen ſey.

36. Kein Tod iſt ohn ein Leben.
Jch ſag es ſtirbet nichts: nur daß ein ander Leben/

Auch ſelbſt das Peinliche/ wird durch den Tod gegeben/

37. Die Unruh kombt von dir.
Nichts iſt das dich bewegt/ du ſelber biſt das Rad/

Das auß ſich ſelbſten laufft/ und keine Ruhe hat.

38. Gleichſchaͤtzung machet Ruh.
Wenn du die Dinge nimbſt ohn allen unterſcheid;

So bleibſtu ſtill und gleich in Lieb und auch in Leyd.

39. Die
[27]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
39. Die Unvollkom̄ne gelaſſenheit.
Wer in der Hoͤlle nicht kan ohne Hoͤlle leben/

Der hat ſich noch nicht gantz dem Hoͤchſten uͤbergeben.

40. GOtt iſt das was Er wil.
GOtt iſt ein Wunderding; Er iſt das was Er wil/

Und wil das was Er iſt ohn alle maß und Ziehl.

41. GOtt weiß jhm ſelbſt kein Ende.
GOTT iſt unendlich Hoch/ (Menſch glaube diß be-

haͤnde)/

Er ſelbſt findt Ewiglich nicht ſeiner GOttheit Ende.

42. Wie gruͤndt ſich GOtt?
GOtt gruͤndt ſich ohne grund/ und miſt ſich ohne maß:

Biſtu ein Geiſt mit jhm/ Menſch ſo verſtehſtu das.

43. Man liebt auch ohn erkennen.
Jch Lieb ein eintzig Ding/ und weiß nicht was es iſt:

Und weil ich es nicht weiß/ drumb hab ich es erkiſt.

44. Das etwas muß man laſſen.
Menſch ſo du etwas liebſt/ ſo liebſtu nichts fuͤrwahr:

GOtt iſt nicht diß und das/ drumb laß das Etwas gar.

45. Das Vermoͤgende Unvermoͤgen.
Wer nichts begehrt/ nichts hat/ nichts weiß/ nichts liebt/

nichts wil;

Der hat/ der weiß/ begehrt/ und liebt noch jmmer vil.

46. Das ſeelige Unding.
Jch bin ein ſeeligs Ding/ mag ich ein Unding ſeyn/

Das allem was da iſt/ nicht kundt wird/ noch gemein.

B 347. Die
[28]Joh: Angeli erſtes Buch
47. Die Zeit iſt Ewigkeit.
Zeit iſt wie Ewigkeit/ und Ewigkeit wie Zeit/

So du nur ſelber nicht machſt einen unterſcheib.

48. GOttes Tempel und Altar.
GOtt opffert ſich jhm ſelbſt; Jch bin in jedem nu:

Sein Tempel/ ſein Alter/ ſein Bethſtul ſo ich ruh.

49. Die Ruh iſts hoͤchſte Gutt.
Ruh iſt das hoͤchſte Gutt: und waͤre GOtt nicht ruh/

Jch ſchlieſſe fuͤr Jhm ſelbſt mein’ Augen beide zu.

50. Der Thron GOttes.
Fragſtu mein Chriſt wo GOtt geſetzt hat ſeinen Thron?

Da/ wo Er dich in dir gebiehret ſeinen Sohn.

51. Die gleichheit GOttes.
Wer unbeweglich bleibt in Freud/ in Leid/ in Pein;

Der kan nunmehr nit weit von GOttes Gleichheit ſeyn.

52. Das Geiſtliche Senffkorn.
Ein Senffkorn iſt mein Geiſt/ durch ſcheint jhn ſeine

Sonne/

So waͤchſt er GOtte gleich mit freudenreicher Wonne.

53. Die Tugend ſitzt in Ruh.
Menſch wo du Tugend wilſt mit Arbeit un̄ mit Muͤh/

So haſtu ſie noch nicht/ du kriegeſt noch umb ſie.

54. Die weſentliche Tugend.
Jch ſelbſt muß Tugend ſeyn/ und keinen Zufall wiſſen:

Wo Tugenden auß mir in Warheit ſollen flieſſen.

55. Der
[29]Geiſtr. Sinn und ſchlußr.
55. Der Brunquell iſt in uns.
Dud arffſt zu GOtt nicht ſchreyn/ der Brunnquell

iſt in dir:

Stopffſtu den Außgang nicht/ er fluͤſſe fuͤr und fuͤr.

56. Das mißtraun ſchmaͤhet GOtt.
So du auß Mißvertraun zu deinem GOtte fleheſt/

Und jhn nicht ſorgen laͤſt: ſchau daß du Jhn nicht

ſchmaͤheſt.

57. Jn Schwachheit wird Gott funden.
Wer an den Fuͤſſen lahm/ und am Geſicht iſt blind/

Der thue ſich dann umb/ ob er GOtt jrgends find.

58. Der Eigen geſuch.
Menſch ſuchſtu Gott umb Ruh/ ſo iſt dir noch nicht recht/

Du ſucheſt dich/ nicht Jhn? biſt noch nicht Kind/

nur Knecht.

59. Wie Gott wil ſol man wollen.
Waͤr’ ich ein Seraphin/ ſo wolt ich lieber ſeyn/

Dem Hoͤchſten zugefalln/ das ſchnoͤdſte Wuͤrmelein.

60. Leib/ Seele/ und Gottheit.
Die Seel iſt ein Kriſtall/ die GOttheit iſt jhr ſchein:

Der Leib/ in dem du Lebſt/ iſt ihrer beider ſchreyn.

61. Jn dir muß GOtt gebohren werden.
Wird Chriſtus tauſendmahl zu Bethlehem gebohrn/

Und nicht in dir; du bleibſt noch Ewiglich verlohrn.

62. Das aͤuſſre hilfft dich nicht.
Das Kreutz zu Golgatha kan dich nicht von dem boͤſen/

Wo es nicht auch in dir wird auffgericht/ erloͤſen.

B 463. Steh
[30]Joh. Angeli erſtes Buch
63 Steh ſelbſt von Todten auff.
Jch ſag/ es hilfft dich nicht/ daß Chriſtus aufferſtanden/

Wo du noch ligenbleibſt in Suͤnd und todesbanden.

64. Die geiſtliche Saͤung.
GOtt iſt ein Ackersmann/ das Korn ſein ewges Wort

Die Pflugſchar iſt ſein Geiſt/ mein Hertz der ſaͤungsort.

65. Armut iſt Goͤttlich.
GOtt iſt das aͤrmſte ding/ Er ſteht gantz bloß und frey;

Drumb ſag ich recht und wol/ daß armut Goͤttlich ſey.

66. Das Hertz iſt GOttes Herd.
Wo GOtt ein Fewer iſt/ ſo iſt mein Hertz der Herd/

Auf welchem Er das Holtz der Eittelkeit verzehrt.

67. Das Kind ſchreyt nach der Mutter.
Wie ein entmilchtes Kind nach ſeiner Mutter weint:

So ſchreyt die Seel nach GOtt/ die Jhn alleine meint.

68. Ein Abgrund rufft dem andern.
Der Abgrund meines Geiſts rufft immer mit Geſchrey

Den Abgrund GOttes an: Sag welcher tieffer ſey?

69. Milch mit Wein ſtaͤrcket fein.
Die Menſchheit iſt die Milch/ die GOttheit iſt der Wein:

Trink Milch mit Wein vermiſcht/ wiltu geſtaͤrket ſeyn.

70. Die Liebe:
Die Lieb’ iſt unſer GOtt/ es lebet alls durch Liebe:

Wie ſeelig waͤr’ ein Menſch der ſtaͤts in jhr verbliebe!

71. Man
[31]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
71. Man muß das Weſen ſeyn.
Lieb’ uͤben hat viel Muͤh; wir ſollen nicht allein

Nur Lieben; ſondern ſelhſt/ wie GOtt die Liebe ſeyn.

72. Wie ſicht man GOtt?
GOtt wohnt in einem Licht/ zu dem die bahn gebricht:

Wer es nicht ſelber wird/ der ſiht jhn Ewig nicht.

73. Der Menſch war GOttes Leben.
Eh ich noch etwas ward/ da war ich GOttes Leben: *

Drum̃ hat er auch fuͤr mich ſich gantz und gar gegeben.


74. Man ſol zum anfang kommen.
Der Geiſt den GOtt mir hat im Schoͤpffen eingehaucht/

Sol wider * Weſentlich in Jhm ſtehn eingetaucht.


75. Dein Abgott/ dein begehren.
Begehrſtu was mit GOtt/ ich ſage klar und fꝛey/

(Wie Heylig du auch biſt) daß es dein Abgott ſey.

76. Nichts wollen macht GOtte gleich.
GOtt iſt die Ewge Ruh/ weil Er nichts ſucht noch wil:

Wiltu ingleichem nichts/ ſo biſtu eben vil.

77. Die dinge ſind geringe.
Wie klein iſt doch der Menſch/ der etwas groß thut

ſchaͤtzen/

Und ſich nicht uͤber ſich in GOttes Thron einſetzen!

B 578. Das
[32]Joh: Angeli erſtes Buch
78. Das Geſchoͤpff iſt nur ein ſtüpffchin.
Schau alles was GOtt ſchuf/ iſt meinem Geiſt ſo klein/

Daß es jhm ſcheint in jhm ein eintzig Stuͤpfchen ſeyn.

79. GOtt traͤgt volkom̃ne Friichte.
Wer mir Vollkom̃enheit wie Gott hat ab-wil-ſprechen/

Der muͤſte mich zuvor von ſeinem Weinſtok brechen.

80. Ein jedes in dem ſeinigen.
Der Vogel in der Lufft/ der Stein ruht auff dem Land/

Jm Waſſer lebt der Fiſch/ mein Geiſt in GOttes Hand.

81. GOtt bluͤht auß ſeinen Zweigen.
Biſtu auß GOtt gebohrn/ ſo bluͤhet GOtt in dir:

Und ſeine GOttheit iſt dein Safft und deine Zier.

82. Der Himmel iſt in dir.
Halt an wo lauffſtu hin/ der Himmel iſt in dir:

Suchſtu GOtt anders wo/ du fehlſt Jhn fuͤr und fuͤr.

83. Wie kan man GOttes geniſſen.
GOtt iſt ein Einges Ein/ wer ſeiner wil genieſſen/

Muß ſich nicht weniger als Er/ in Jhn einſchliſſen.

84. Wie wird man GOtte gleich?
Wer GOtt wil gleiche ſeyn/ muß allem ungleich werden.

Muß ledig ſeiner ſelbſt/ und loß ſeyn von beſchwerden.

85. Wie hoͤrt man GOttes Wort?
So du das Ewge Wort in dir wilt hoͤren ſprechen:

So muſtu dich zuvor vom hoͤren gantz entbrechen.

86. Jch
[33]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
86. Jch bin ſo breit als GOtt.
Jch bin ſo breit alß GOtt/ nichts iſt in aller Welt/

Das mich (O Wunder ding!) in ſich umbſchloſſenhaͤlt.

87. Jm Ekſtein liegt der Schatz.
Was marterſtu das aͤrtzt: der Ekſtein iſts allein/

Jn dem Geſundheit/ Gold/ und/ alle Kuͤnſte ſeyn.

88. Es ligt alls im Menſchen.
Wie mag dich doch O Menſch nach etwas thun Ver-

langen/

Weil du in dir haͤlſt GOtt und alle Ding’ umbfangen?

89. Die Seel iſt GOtte gleich.
Weil meine Seel in GOtt ſteht auſſer Zeit und Ort/

So muß ſie gleiche ſeyn dem Ort und Ewgen Wort.

90. Die Gottheit iſt das gruͤne.
Die GOttheit iſt mein Safft: was auß mir gruͤnt und

bluͤht/

Das iſt ſein Heiliger Geiſt/ durch den der trib geſchiht.

91. Man ſol fuͤr alles danken.
Menſch ſo du GOtt noch pflegſt und diß und das zu-

danken/

Biſtu noch nicht verſetzt auß deiner ſchwachheit ſchrankē.

92. Wer gantz Vergoͤttet iſt.
Wer iſt als waͤr’ er nicht/ und waͤr’ er nie geworden:

Der iſt (O ſeeligkeit!) zu lauter GOtte worden.

93. Jn ſich hoͤrt man daß Wort.
Wer in ſich ſelber ſitzt/ der hoͤret GOttes Wort/

(Vernein es wie du wilt) auch ohne Zeit und Ort.

B 694. Die
[34]Joh: Angeli erſtes Buch
94. Die Demut.
Die Demut iſt der Grund/ der Dekkel/ und der ſchreyn/

Jn dem die Tugenden ſtehn und beſchloſſen ſeyn.

95. Die Lauterkeit.
W[a]nn ich die Lauterkeit durch GOtt geworden bin/

So weud’ ich mich umb GOtt zu finden nirgends hin.

96. GOtt mag nichts ohne mich.
GOtt mag nicht ohne mich ein eintzigs Wuͤrmlein

machen:

Erhalt’ ichs nicht mit Jhm/ ſo muß es ſtraks zukrachen/

97. Mit GOtt vereinigt ſeyn/ iſt
gut fuͤr Ewge Pein.
Wer GOtt vereinigt iſt/ den kan Er nicht verdammen:

Erſtuͤrtze ſich dann ſelbſt mit jhm in Tod und Flam̄en.

98. Der todte Wille herſcht.
Dafern mein Will’ iſt todt/ ſo muß GOtt waß ich wil:

Jch ſchreib Jhm ſelber fuͤr das Muſter und das Zil.

99. Der Gelaſſenheit gilts gleiche.
Jch laſſe mich GOtt gantz/ wil Er mir Leyden machen/

So wil ich Jhm ſo wol/ als ob den Freuden lachen.

100. Eins haͤlt das ander.
GOtt iſt ſo vil an mir/ als mir an Jhm gelegen/

Sein weſen helff ich Jhm/ wie Er das meine hegen.

101. Chriſtus.
Hoͤrt wunder! Chriſtus iſt das Lamb und auch der Hirt/

Wenn Gott in meiner Seel ein Menſch gebohren wird.

102. Die
[35]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
102. Die geiſtliche Goldmachung.
Dann wird das Bley zu Gold/ dann faͤllt der Zufall hin/

Wann ich mit GOtt durch GOtt in GOtt verwandelt

bin.

103. Auch von derſelben.
Jch ſelbſt bin das Metall/ der Geiſt iſt Feur und Herd/

Meſlias die Tinctur, die Leib und Seel verklaͤrt.

104. Noch von jhr.
So bald durch Gottes Feur ich mag geſchmeltzet ſeyn/

So drukt mir GOtt alßbald ſein eigen Weſen ein.

105. Das Bildnuß Gottes.
Jch trage GOttesbild: wenn Er ſich wil beſehn/

So kan es nur in mir/ und wer mir gleicht/ geſchehn.

106. Das ein’ iſt in dem Andern.
Jch bin nicht auſſer GOtt/ und GOtt nicht auſſer mir/

Jch bin ſein Glantz und Liecht/ und Er iſt meine Zihr.

107 Es iſt noch alls in GOtt.
Jſts/ daß die Creatur auß GOtt iſt außgefloſſen:

Wie haͤlt Er ſie dannoch in ſeiner Schoß beſchloſſen?

108. Die Roſe.
Die Roſe/ welche hier dein aͤußres Auge ſiht/

Die hat von Ewigkeit in GOtt alſo gebluͤht. *


109. Die Geſchoͤpffe.
Weil die Geſchoͤpffe gar in GOttes Wort beſtehn:

Wie koͤnnen ſie dann je zerwerden und vergehn?

B 7110. Das
[36]Joh. Angeli erſtes Buch.
110. Das Geſuche deß Geſchoͤpffes.
Vom Erſten Anbegin/ und noch biß heute zu/

Sucht das Geſchoͤpffe nichts als ſeines Schoͤpffers Ruh.

111. Die GOttheit iſt ein nichts.
Die zarte GOttheit iſt ein nichts und uͤbernichts:

Wer nichts in allem ſicht/ Menſch glaube/ dieſer ſichts.

112. Jn der Sonnen iſts gut ſeyn.
Wer in der Sonnen iſt/ dem mangelt nicht das Licht/

Das dem/ der auſſer jhr verjrret geht/ gebricht/

113. Die Seelen Sonne.
Nimb hin der Sonnen Liecht: mein Jeſus iſt die Son̄e/

Die meine Seel erleucht/ und macht ſie voller Wonne.

114. Die Sonn iſt ſchon genug.
Wem ſeine Sonne ſcheint/ derſelbe darf nicht guͤken/

Ob jrgent wo der Mon/ und andre Sterne bliken.

115. Du ſelbſt muſt Sonne ſeyn.
Jch ſelbſt muß Son̄e ſeyn/ ich muß mit meinen Strahlen

Das farbenloſe Meer der gantzen GOttheit mahlen.

116. Der Thau.
Der Thau erquikt das Feld: Sol er mein Hertze laben/

So muß er ſeinen fall vom Hertzen JEſu haben.

117. Nichts ſuͤſſes in der Welt.
Wer etwas in der Welt mag ſuͤß’ und Lieblich nennen:

Der muß die Suͤſſigkeit/ die GOtt iſt/ noch nicht kennen.

118. Der
[37]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
118. Der Geiſt bleibt allzeit frey.
Schleuß mich ſo ſtreng du wilt in tauſend Eiſen ein/

Jch werde doch gantz frey/ und ungefaſſelt ſeyn.

119. Zum Urſprung muſtu gehn.
Menſch in dem Urſprung iſt das Waſſer rein und klar/

Trinkſtu nicht auß dem Qual/ ſo ſtehſtu in Gefahr.

120. Die Perle wird vom Thau.
Die Schneke lekt den Thau/ und ich HERR CHriſt

dein Blut:

Jn beiden wird gehohrn ein koſtbarliches Gut.

121. Durch die Menſchheit zu der
GOttheit.

Wiltu den Perlethau der edlen GOttheit fangen/

So muſtu unverrukt an ſeiner Menſchheit hangen.

122. Die Sinligkeit bringt Leyd.
Ein Auge das ſich nie der Luſt deß ſehns entbricht:

Wird endlich gar Verblendt/ und ſiht ſich ſelbſten nicht/

123. GOtt klagt umb ſeine Braut.
Die Turtel Daube klagt/ daß ſie den Mann verlohren/

Und GOtt/ daß du den Tod/ fuͤr Jhn dir haſt erkohren.

124. Du muſts hinwider ſeyn.
Gott iſt dir worden Menſch/ wirſtu nicht wieder Gott/

So ſchmaͤhſtu die Geburt/ und hoͤneſt ſeinen Tod.

125. Die Gleichheit hat nicht Pein.
Wem alles Gleiche gilt/ den ruͤhret keine Pein/

Und ſolt’ er auch im Pful der tieffſten Hoͤllen ſeyn.

126. Begehrn
[38]Joh: Angeli erſtes Buch
126. Begehrn erwartt gewehrn.
Menſch wann du noch nach GOtt begihr haſt und ver-

langen/

So biſtu noch vom Jhm nicht gantz und gar umfangen.

127 Es gilt GOtt alles gleich.
Gott hat nicht Unterſcheid/ es iſt Jhm alles ein:

Er machet ſich ſo viel der Flieg’ als dir gemein.

128 Alles liegt an der Empfaͤnglichkeit.
Vermoͤcht’ ich GOtts ſo viel als Chriſtus zu empfange/

Er lieſſe mich darzu im Augenblik gelangen.

129 Das boͤß’ entſteht auß dir.
Gott iſt ja nichts als gut: Verdamnuͤß/ Tod/ und Pein/

Und was man boͤſe nennt/ muß Menſch in dir nur ſeyn.

130 Die bloßheit ruht in Gott.
Wie ſeelig ruht der Geiſt in deß Geliebten ſchoß!

Der Gotts/ und aller ding’/ und ſeiner ſelbſt ſteht bloß.

131 Das Paradeyß in Pein.
Menſch biſtu Gott getreu/ und meineſt Jhn allein:

So wird die groͤſte Noth ein Paradeiß dir ſeyn.

132 Bewehret muß man ſeyn.
Menſch in das Paradeyß komt man nicht unbewehrt/

Wiltu hinein/ du muſt durch Feuer und durch Schwerdt.

133 Gott iſt ein Ewges Nun.
Jſt GOtt ein Ewges Nun/ was faͤllet dann darein/

Daß Er nicht ſchon in mir kan alls in allem ſeyn?

134. Unvoll-
[39]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
134 Unvollkomne geſtorbenheit.
Wo dich noch diß und das bekuͤmmert und bewegt/

So biſtu noch nicht gantz mit GOtt ins Grab gelegt.

135 Bey Gott iſt nur ſein Sohn.
Menſch werd’ auß Gott gebohrn: bey ſeiner GOttheit

Thron/

Steht niemand anders als der eingebohrne Sohn.

136 Wie ruhet GOtt in mir?
Du muſt gantz lauter ſeyn/ und ſtehn in einem Nun/

Sol GOtt in dir ſich ſchaun/ und ſaͤnfftiglichen ruhn:

137. GOtt verdam̃et niemand
Was klagſtu uͤber GOtt? Du ſelbſt verdam̄eſt dich:

Er moͤcht’ es ja nicht thun/ das glaube ſicherlich.

138. Je mehr du auß/ je mehr GOtt ein.
Je mehr du dich auß dir kanſt außthun und entgieſſen;

Je mehr muß GOtt in dich mit ſeiner GOttheit flieſſen.

139. Es traͤgt und wirt getragen:
Das Wort/ das dich und mich/ und alle dinge traͤgt/

Wird widerumb von mir getragen und gehaͤgt.

140. Der Menſch iſt alle Dinge
Der Menſch iſt alle ding’: Jſts daß jhm eins gebricht/

So kennet er fuͤrwar ſein Reichthumb ſelber nicht.

141. Es ſind viel tauſend Sonnen.
Du ſprichſt im Firmament ſey eine Sonn’ allein:

Jch aber ſage/ daß vil tauſend Sonnen ſeyn.

142. Je
[40]Joh: Angeli erſtes Buch
142. Je mehr man ſich er giebt/ je
mehr wird man geliebt.
Warumb wird Seraphin von GOtte mehr geliebt

Als eine Muͤk? Es iſt/ daß er ſich mehr ergiebt.

143. Die Selbheit die verdambt.
Dafern der Teufel koͤnt’ auß ſeiner ſeinheit gehn/

So ſe heſtu jhn ſtraks in GOttes Throne ſtehn.

144, Der Schoͤpffer kans alleine.
Was bildeſtu dir ein zu zehln der Sternenſchaar?

Der ſchoͤpffer iſts allein/ der ſie kan zehlen gar.

145. Jn dir iſt was du wilt.
Der Himmel iſt in dir/ und auch der Hoͤllen Qual:

Was du erkieſt und wilſt/ das haſtu uͤberall.

146. GOtt liebt nichts auſſer Chriſto.
So lieb GOtt eine Seel in Chriſti glantz und Licht:

So unlieb iſt ſie Jhm/ im fall’ er jhr gebricht.

147. Die Jungfern Erde.
Das feineſt’ auff der Welt iſt reine Jungfern Erde:

Man ſaget daß jhr das Kind der weiſen werde.

148. Das gleichnuͤß der Dreyeinigkeit.
Der Sinn/ der Geiſt/ das Wort/ die lehren klar und frey.

(So du es faſſen kanſt) wie GOtt Drey Einig ſey.

149. Es laͤſt ſich nicht bezirken.
So wenig als dir iſt die Weite GOttes kund:

So wenig iſt die Welt/ wie dn ſprichſt Zirkelrund.

150. Eins
[41]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
150. Eins in dem Andern.
Jſt meine Seel im Leib/ und gleich durch alle Glieder:

So ſag ich recht und wol/ der Leib iſt in jhr wieder.

151. Der Menſch iſt GOttes kindbett.
Da GOtt das erſtemahl hat ſeinen Sohn gebohrn/

Da hat er mich und dich zum Kindbett außerkohrn.

152. Du ſelbſt muſt GOttes Laͤm-
lein ſeyn.

Daß GOtt ein Laͤmmlein iſt/ das hilfft dich nicht mein

Chriſt:

Wo du nicht ſelber auch ein Laͤmmlein GOttes biſt.

153. Du muſt zum Kinde werden.
Menſch wirſtu nicht ein kind/ ſo gehſtu nimmer ein/

Wo GOttes Kinder ſeynd: die Thuͤr iſt gar zu klein.

154. Die geheime Jungfrauſchafft.
Wer lauter wie das Licht/ Rein wie der Urſprung iſt/

Derſelbe wird von GOtt fuͤr Jungfrau außerkiſt.

155. Hier muß der Anfang ſeyn.
Menſch wiltu ewiglich beym Laͤmlein GOttes ſtehn/

So muſtu ſchon allhier in ſeinen tritten gehn

156, GOtt ſelbſt iſt unßre Weide.
Schaut doch das Wūder an! Gott macht ſich ſo gemein/

Daß Er auch ſelber wil der Laͤmmer Weide ſeyn.

157. Die Wunderliche verwandnuß Gottes.
Sag an O groſſer GOtt/ wie bin ich dir verwandt?

Daß du mich Mutteꝛ/ Braut/ Gemahl/ un̄ Kind genandt.

158. Wer
[42]Joh: Angeli erſtes Buch
158. Wer trinkt den Lebensbrunn?
Wer dorte bey dem Brunn deß Lebens denkt zuſitzen:

Der muß zuvor allhier den eignen Durſt außſchwitzen.

159. Die ledigkeit iſt wie GOtt.
Menſch wo du ledig biſt/ das Waſſer quillt auß dir/

So wol als auß dem Brunn der Ewigkeit herfuͤr.

160. GOtt duͤrſtet/ traͤnk Jhn doch.
GOtt ſelber klaget durſt: Ach daß du Jhn ſo Kraͤnkeſt!

Und nicht wie jenes Weib die Samaritin Traͤnkeſt.

161. Das Ewge Licht.
Jch bin ein Ewig Licht/ Jch brenn ohn unterlaß:

Mein tocht und oͤl iſt Gott/ Mein Geiſt der iſt das Faß.

162. Du muſt die Kindſchafft haben,
So du den hoͤchſten Gott wilt deinen Vatter nennen/

So muſtu dich zuvor ſein Kind zu ſeyn/ bekennen.

163. Die Menſchheit ſol man lieben.
Daß du nicht Menſchen liebſt/ das thuſtu recht und wol/

Die Menſchheit iſts die man im Menſchen lieben ſol.

164. GOtt ſchaut man mit gelaſſenheit.
Der Engel ſchauet GOtt mit heitern Augen an:

Jch aber noch vil mehr/ ſo ich GOtt laſſen kan.

165. Wo die Weißheit gerne iſt.
Die Weißheit findt ſich gern wo jhre Kinder ſind/

Warum̄? (O wunder ding!) ſie ſelber iſt ein Kind.

166. Der
[43]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
166. Der Spiegel der Weißheit.
Die Weißheit ſchauet ſich in jhrem Spiegel an.

Wer iſts? ſie ſelber/ und wer Weißheit werden kan.

167, So viel du in GOtt/ ſo viel Er
indir.

So viel die Seel in GOtt/ ſo viel ruht GOtt in jhr:

Nichts minder oder mehr/ Menſch glaub es/ wird er dir.

168. Chriſtus iſt alles.
O Wunder! Chriſtus iſt die Warheit und das Wort/

Licht/ Leben/ Speiß/ und Tranck/ Pfad/ Pilgram/ Thuͤr

und Ort.

169. Nichts verlangen iſt Seeligkeit.
Die Heilgen ſind darumb mit GOttes ruh umbfangen/

Und haben Seeligkeit/ weil ſie nach nichts verlangen.

170. GOtt iſt nicht hoch noch tieff.
GOtt iſt nicht hoch/ nicht tieff: wer endlich anderſt

ſpricht/

Der hat der Wahrheit noch gar ſchlechten Unterricht.

171. GOtt findet man mit nicht-ſuchen.
GOtt iſt nicht hier noch da: wer jhn begehrt zufinden

Der laß’ jhm Haͤnd’ und Fuͤß’/ und Leib un̄ Seele binden.

172. GOtt ſiehet ehe du gedaͤnkſt.
Wo GOtt von Ewigkeit nich ſihet die Gedanken/

So biſtu eh’ als Er: Er ſtuͤpffchen/ und du ſchranken.

173. Der Menſch lebt nicht vom
Brodt allein.

Das Brodt ernaͤhrt dich nicht: was dich im Brodte ſpeiſt/

Jſt GOttes Ewigs Wort/ iſt Leben/ und iſt Geiſt.

147. Die
[44]Joh: Angeli erſtes Buch
174. Die gaben ſind nicht GOtt.
Wer GOtt umb gaben Bitt/ der iſt gar uͤbel dran:

Er bettet das Geſchoͤpff/ und nicht den Schoͤpffer an.

175. Sohn ſeyn iſt ſchon genung.
Sohn iſt das liebſte Wort/ das Gott zu miꝛ mag ſprechen-

Spricht Ers: ſo mag mir Welt und GOtt auch ſelbſt

gebrechen.

176. Eins wie das ander.
Die Hoͤll wird Him̄elreich/ noch hier auf diſer Erden/

(Und diß ſcheint wunderlich) wann Himmel Hoͤll kan

werden.

177. Jm Grund iſt alles eins.
Man redt von Zeit und Ort/ von Nun und Ewigkeit:

Was iſt dann Zeit und Ort/ und Nun und Ewigkeit?

178. Die Schuld iſt deine.
Daß dir im Sonne ſehn vergehet das Geſicht/

Sind deine Augen ſchuld/ und nicht das groſſe Licht.

179. Der Brunqell GOttes.
Dieweil der Gottheit Stroͤm’ auß mir ſich ſolln ergieſſen;

Muß ich ein Brunquell ſeyn: ſonſt wuͤrden ſie verflieſſen.

180. Ein Chriſt iſt Kirch’ und alles.
Was bin ich endlich doch? Jch ſol die Kirch’ und Stein/

Jch ſol der Priſter GOtts und auch das Opffer ſeyn.

181. Man muß Gewalt anthun.
Wer ſich nicht draͤngt zu ſeyn deß hoͤchſten liebes Kind/

Der bleibet in dem Stall wo Vieh und Knechte ſind.

182. Der
[45]Geiſtr. Sinn- und ſchlußr.
182. Der Loͤhner iſt nicht Sohn.
Menſch dienſtu Gott umb gutt/ umb ſeeligkeit/ umb Lohn;

So dienſtu jhm noch nicht auß liebe wie ein Sohn.

183. Die geheimbe Vermaͤhlung.
Was Freude muß doch ſeyn! wenn GOtt Jhm ſeine

Braut/

Jn ſeinem Ewgen Wort durch ſeinen Geiſt vertraut.

184. GOtt iſt mir was ich wil.
GOtt iſt mein Stab/ mein Licht/ mein Pfad/ mein

Zil/ mein Spiel.

Mein Vatter/ Bruder/ Kind/ und alles was ich wil.

185. Der Orth iſt ſelbſt in dir.
Nicht du biſt in dem Orth/ der Orth der iſt in dir!

Wirfſtu jhn auß/ ſo ſteht die Ewigkeit ſchon hier.

186. Der ewigen Weißheit Hauß.
Die Ewge Weißheit baut: Jch werde der Pallaſt:

Wann ſie in mir/ und ich in jhr gefunden raſt

187. Die weite der Seelen.
Die Welt iſt mir zu aͤng/ der Himmel iſt zu klein:

Wo wird doch noch ein Raum fuͤr meine Seele ſeyn?

188. Die Zeit und Ewigkeit
Du ſprichſt: Verſetze dich auß Zeit in Ewigkeit.

Jſt dann an Ewigkeit und Zeit ein unterſcheid?

189. Der Menſch der macht die Zeit.
Du ſelber machſt die Zeit: das Uhrwerk ſind die ſinnen:

Hemſtu die Unruh nur/ ſo iſt die Zeit von hinnen.

190. Die
[46]Joh: Angeli erſtes Buch
190. Die Gleichheit.
Jch weiß nicht was ich ſol! Es iſt mir alles Ein/

Orth/ Unorth/ Ewigkeit/ Zeit/ Nacht/ Tag/ Freud/

und Pein.

191. Wer GOtt ſol ſchaun/ muß alles ſeyn.
Wer ſelbſt nicht alles iſt/ der iſt noch zugeringe/

Daß er dich ſehen ſol Mein GOtt und alle Dinge.

192. Wer recht Vergoͤttet iſt.
Menſch allererſt wenn du biſt alle Dinge worden/

So ſtehſtu in dem Wort/ und in der Goͤtter Orden.

193. Die Creatur iſt recht in GOtt.
Die Creatur iſt mehr in GOtte dann in Jhr:

Zerwird ſie/ bleibt ſie doch in Jhme fuͤr und fuͤr.

194. Was biſtu gegen GOtt.
Menſch duͤnke dich nur nicht fuͤr GOtt mit werken viel/

Denn Aller Heiligen thun iſt gegen GOtt ein ſpil.

195. Das Licht beſteht im Feuer.
Das Licht gibt allem krafft: GOtt ſelber lebt im Lichte:

Doch/ waͤr’ Er nicht das Feur/ ſo wuͤrd es bald zu nichte

196. Die geiſtliche Arch und s’ Manna-
Kruͤeglein.

Menſch iſt dein Hertze Gold/ und deine Seele rein/

So kanſt auch du die Arch/ und s’ Mannakruͤglein ſeyn.

197. GOtt macht Vollkommen ſeyn.
Daß GOtt Allmaͤchtig ſey/ das glaubet jener nicht/

Der mir Vollkommenheit/ wie GOtt begehrt/ abſpricht.

198. Das
[47]Geiſtr. Sinn- und ſchlußr.
198. Das Wort iſt wie das Feuer.
Das Feur ruͤgt alle Ding’ und wird doch nicht bewegt:

So iſt das ewge Wort das alles hebt und regt.

199 GOtt auſſer Creatur.
Geh hin/ wo du nicht kanſt: ſih/ wo du ſiheſt nicht:

Hoͤr wo nichts ſchallt und klingt/ ſo biſtu wo Gott ſpricht.

200. GOtt iſt nichts (Creatuͤrlichs.)
GOtt iſt warhafftig nichts: und ſo er etwas iſt:

So iſt Ers nur in mir/ wie er mich Jhm erkiſt.

201. Warumb wird GOtt gebohrn?
O Unbegreifflichkeit! GOtt hat ſich ſelbſt verlohrn/

Drumb wil er widerumb in mir ſeyn Neugebohrn.

202. Die hohe Wuͤrdigkeit/
O hohe Wuͤrdigung! GOtt ſpringt von ſeinem Thron/

Und ſetzet mich darauf in ſeinem lieben Sohn.

203. Jmmer daſſelbige.
Jch ward das was ich war/ und bin was ich geweſen/

Und werd’ es ewig ſeyn/ wenn Leib und Seel geneſen.

204. Der Menſch iſts hoͤchſte Ding.
Nichts duͤnkt mich hoch zu ſeyn: Jch bin das hoͤchſte

Ding/

Weil auch GOtt ohne mich Jhm ſelber iſt gering.

205. Der Ort iſt das Wort.
Der ort unds’ Wort iſt Eins/ und waͤre nicht der ort/

(Bey Ewger Ewigkeit!) es waͤre nicht das Wort.

C206. Wie
[48]Joh: Angeli erſtes Buch
206. Wie heiſt der Neue Menſch?
Wiltu den Neuen Menſch und ſeinen Namen kennen/

So frage GOtt zuvor wie er pflegt ſich zunennen.

207. Die ſchoͤnſte Gaſterey.
O ſuͤſſe Gaſterey! GOtt ſelber wird der Wein/

Die Speiſe/ Tiſch/ Muſik/ und der bediener ſeyn!

208. Die ſeelige Voͤllerey.
Zu viel iſt niemals gutt/ ich haſſe Voͤller ey!

Doch wuͤnſch’ ich daß ich GOtts ſo Voll als Jeſus ſey!

209. Wie der Mund ſo der Trank.
Die Hure Babylon trinkt Blutt/ und trinkt den Tod:

O groſſer unterſcheid! Jch trinke Blutt und GOtt.

210. Je auffgegebner je Goͤttlicher.
Die Heilgen ſind ſo viel von Gottes Gottheit trunken/

So viel ſie ſind in jhm verlohren und verſunken.

211. Das Himmelreich iſt der Gewalt-
ſamen.

Nicht GOtt gibts Himmelreich: du ſelbſt muſts zu dir

ziehn/

Und dich mit gantzer macht und Eyfer drumb bemuͤhn.

212. Jch wie GOtt/ GOtt wie ich.
GOtt iſt das was Er iſt: Jch was ich durch ihn bin:

Doch kennſtu einen wol/ ſo kenſtu mich und Jhn.

213. Die Suͤnde.
Der durſt iſt nicht ein Ding/ und doch kan er dich plagen:

Wie ſol dann nicht die Suͤnd den boͤſen Ewig Nagen?

214. Die
[49]Geiſtr. Sinn- und ſchlußr.
214. Die Sanffmuth.
Die Sanfftmut iſt ein ſammt auf dem GOtt ruht und

liegt:

Er dankt dir/ biſtu ſie/ daß er ſein Polſter kriegt.

215. Die Gerechtigkeit.
Was iſt Gerechtigkeit? das/ welches allen gleich

Sich gibt/ entbeutht/ gelaͤſt/ hier und im Himmelreich.

216. Die Vergoͤttung.
GOtt iſt mein Geiſt/ mein Blutt/ mein Fleiſch/ und

mein Gebein:

Wie ſol ich dann mit jhm nicht gantz durchgoͤttet ſeyn?

217. Würken und Ruhn iſt recht Goͤttlich.
Fragſtu was Gott mehr liebt/ jhm wuͤrken oder ruhn?

Jch ſage daß der Menſch/ wie GOtt/ ſol beides thun.

218. Das Goͤttliche Sehen.
Wer in dem Naͤchſten nichts als Gott un̄ Chriſtum ſiht.

Der ſihet mit dem Licht das auß der Gottheit bluͤht.

219. Die Einfalt.
Die Einfalt iſt ſo wehrt/ daß wann ſie GOtt gebricht/

So iſt er weder GOtt noch Weißheit/ noch ein Licht.

220. Jch auch zur rechten GOttes.
Weil mein Erloͤſer hat die Menſchheit aufgenommen/

So bin auch Jch in Jhm zur rechten GOttes kommen.

221. Der Glaube.
Der Glaube Senffkorns groß verſetzt den Berg ins Meer:

Daͤnkt was Er koͤnte thun/ wann er ein kuͤrbis waͤr!

C 2222. Die
[50]Joh: Angeli erſtes Buch
222. Die Hoffnung.
Die Hoffnung iſt ein Seil: koͤm’ein Verdambter hoffen:

GOtt zuͤg jhn auß dem Pful in dem er iſt erſoffen.

223. Die Zuverſicht.
Die Zuverſicht iſtgut/ und das Vertrauen fein:

Doch/ biſtu nicht gerecht/ ſo bringt es dich in Pein.

224. Was GOtt mir/ bin ich Jhm.
GOtt iſt mir GOtt und Menſch: ich bin Jhm Menſch

und GOtt.

Jch loͤſche ſeinen Durſt/ und er hilfft mir auß Noth.

225. Der Anti-Chriſt.
Was gaffſtu vil mein Menſch? der Anti-Chriſt unds

Thier

(Jm Fall du nicht in GOtt) ſind alle zwey in dir.

226. Die Babel.
Du biſt die Babel ſelbſt: gehſt du nicht auß dir auß/

So bleibſtu ewiglich deß Teuffels Polter-Hauß.

227. Die Rachgiehr.
Die Rachgiehr iſt ein Rad das nimmer ſtille ſteht:

Je mehr es aber laufft/ je mehr es ſich vergeht.

228. Die Abſcheuligkeit der Boßheit.
Menſch ſolteſtu in dir das Ungeziefer ſchauen/

Es wuͤrde dir fuͤr dir als fuͤr dem Teufel grauen.

229. Der Zorn.
Der Zorn iſt hoͤlliſch Feur/ wann er in dir entbrennt/

So wird dem heilgen Geiſt ſein Ruhbettlein geſchaͤndt.

230. Die
[51]Geiſtr. Sinn- und ſchlußr.
230. Die ſeeligkeit iſt leichter zuerlangen
als die Verdamnuͤß.

Es dunkt mich leichter ſeyn in Himmel ſich zuſchwingen;

Als mit der Suͤnden muͤh in Abgrund ein zu dringen.

231. Der Weltliebende Reiche.
Chriſt wen̄ ein Schiffſeil wird durchs Nadeloͤhr gezogen/

So ſprich/ der Reiche ſey ins Himmelreich geflogen.

232. HErr dein Wille geſchehe.
Das Wort das GOtt von dir am allerliebſten hoͤrt/

Jſt wann du hertzlich ſprichſt: Sein Wille ſey geehrt.

233. GOttes Nachgeklinge.
Mein Lieb und alle Ding’ iſt GOttes nachgeklinge/

Wann Er mich hoͤret ſchreyn/ Mein GOtt und al-

le Dinge.

234. GOtt umb GOtt.
HErꝛ liebſtu meine Seel/ ſo laß ſie dich umbfaſſen:

Sie wird dich nimmermehr umb tauſend GOtte laſſen:

235. Alles mit GOtt.
Jch bethe GOtt mit GOtt auß Jhm/ und in Jhm an:

Er iſt mein Geiſt/ mein Wort/ mein Pſalm/ und was

ich kan.

236. Der Geiſt vertrit uns’
GOtt liebt und lobt ſich ſelbſt/ ſo viel er immer kan:

Er kniet und neiget ſich/ Er betht ſich ſelber an.

237. Jm jnnern bethet man recht.
Menſch ſo du wiſſen wilt was redlich bethen heiſt:

So geh in dich hinein/ und frage GOttes Gejſt.

C 3238. Das
[52]Joh: Angeli erſtes Buch
238. Das Weſentliche Gebethe.
Wer lauters Hertzens lebt/ und geht auff Chriſti Bahn/

Der bethet weſentlich GOtt in ſich ſelber an.

239, GOtt lobt man in der ſtille.
Meinſtu O armer Menſch/ daß deines Munds geſchrey

Der rechte Lobgeſang der ſtillen GOttheit ſey?

240. Das ſtill ſchweigende Gebeth.
GOtt iſt ſo uͤberalls daß man nichts ſprechen kan:

Drumb betteſtu Jhn auch mit ſchweigen beſſer an.

241. GOttes Leibgedinge.
Mein Leib (O Herligkeit!) iſt GOttes Leib-gedinge/

Drumb ſchaͤtzt er Jhn darinn zuwohnen nicht geringe.

242. Die Thuͤr muß offen ſeyn.
Eroͤffene die Thuͤr/ ſo komt der heilge Geiſt/

Der Vater/ und der Sohn/ Dreyeinig eingereiſt.

243. Das Wohnhauß GOttes.
Chriſt/ ſo du JEſum liebſt und ſeine Sanfftmutt haſt/

So findet GOtt in dir ſein Woynhauß/ Ruh/ und raſt.

244. Die Liebe iſt der weiſen Stein.
Lied’ iſt der weiſen Stein: ſie ſcheidet Gold auß koth/

Sie machet nichts zu jchts/ und wandelt mich in GOtt.

245. Es muß vereinigt werden.
Jm fall die Liebe dich verſetzen ſol auß Peyn/

Muß deine Menſchheit vor mit GOttes Eines ſeyn.

246. Die
[53]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
246. Die Tingierung.
Der heilge Geiſt der ſchmeltzt/ der Vater der verzehrt/

Der Sohn iſt die Tinctur, die Gold macht und verklaͤrt.

247. Das alte iſt hinweg.
So wenig du das Gold kanſt ſchwartz und Eiſen nennen:

So wenig wirſtu dort den Menſch am Menſchen ken̄en

258. Die genaue Vereinigung.
Schau doch wie hoch Vereint die Goldheit mit dem Bley/

Und der Vergoͤttete mit Gottes weſen ſey!

249. Die Goldheit und GOttheit.
Die Goldheit machet Gold/ die Gottheit machet GOtt:

Wirſtu nicht eins mit jhr/ ſo bleibſtu Bley und Koth.

250. Wie die Goldheit alſo die Gottheit.
Schau wie die Goldheit iſt deß Golds fluß/ ſchwer’ und

ſchein:

So wird die Gottheit auch jm ſeelgen alles ſeyn.

251 Das liebſte Kind GOttes.
Sag wie ich moͤge ſeyn deß Vaters liebſtes Kind?

Wann Er ſich ſelbſt und alls/ und Gottheit in dir findt.

252, Die Goͤttliche Kindtſchafft.
Jſt GOttes GOttheit mir nicht jnniglich gemein/

Wie kan ich dann ſein Kind/ und Er mein Vater ſeyn?

253. Der Kinder iſts Him̃elreich.
Chriſt ſo du kanſt ein Kind von gantzem Hertzen werden/

So iſt das Himmelreich ſchon deine hier auf Erden.

C 4255. Die
[54]Joh: Angeli erſtes Buch
254. Die Kindheit und GOttheit.
Weil ſich die GOttheit hat in Kindheit mir erzeigt/

Bin ich der Kindheit und der Gottheit gleich geneigt.

255. Kind und GOtt.
Kind oder GOtt gilt gleich: haſtu mich Kind genennt/

So haſtu GOtt in mir/ und mich in GOtt bekennt.

256. Die widergiltliche Kind- und
Vatterſchafft.

Jch bin GOtts Kind und Sohn/ Er wider iſt mein

Kind:

Wie gehet es doch zu daß beide beides ſind!

257. Die Dreyeinigkeit in der Natur.
Daß GOtt Dreyeinig iſt/ zeigt dir ein jedes Kraut/

Da Schwefel/ Saltz/ Mercur/ in einem wird geſchaut.

258. Das Tingiren.
Betrachte das Tingirn/ ſo ſihſtu ſchoͤn und frey/

Wie dein’ Erloͤſung/ und wie die Vergoͤttung ſey.

259. Die GOttheit und Menſchheit.
Die Ewge GOttheit iſt der Menſchheit ſo verpflicht!

Daß Jhr auch ohne ſie Hertz/ Muth und Sinn gebricht.

260. Heut iſt der Tag des Heyls.
Braut auf der Braͤutgam komt! Man geht nicht mit

jhm ein/

Wo man deß Augenbliks nicht kan bereitet ſeyn.

261. Die
[55]Geiſtr. Sinn- und ſchlußr.
261. Die Hochzeit deß Lammes.
Die Mahlzeit iſt bereitt/ das Lam̄ zeigt ſeine Wunden:

Weh dir/ haſtu noch nicht GOtt deinen Braͤutgam

funden.

262. Das Hochzeitliche Kleid.
Das Hochzeitkleid iſt GOtt und ſeines Geiſtes liebe:

Zeuchs an/ ſo weicht von dir was deinen Geiſt macht

truͤbe.

263. GOtt forcht ſich niemals auß.
Die Ewge GOttheit iſt ſo reich an Raht und That/

Daß ſie ſich ſelbſt noch nie gantz außgeforſchet hat.

264. Die Creaturen ſind GOttes
Widerhall.

Nichts weſet ohne Stimm: Gott hoͤret uͤberall/

Jn allen Creaturn/ ſein Lob und Widerhall.

265. Die Einigkeit.
Ach daß wir Menſchen nicht wie die Waldvoͤgelein/

Ein jeder ſeinen thon mit luſt zuſammen ſchreyn!

266. Dem Spoͤtter tauget nichts.
Jch weiß die Nachtigal ſtrafft nicht des Guk Guks thon:

Du aber/ ſing ich nicht wie du/ ſprichſt meinem Hohn.

267. Ein ding behagt nicht im̄er.
Freund/ ſolln wir alleſambt/ nur jmmer Eines ſchreyn/

Was wird diß fuͤr ein Lied/ und fuͤr Geſinge ſeyn?

268. Veraͤnderung ſteht fein.
Je mehr man Unterſcheid der Stimmen vor kanbringen

Je wunderbahrlicher pflegt auch das Lied zuklingen.

C 5269. Bey
[56]Joh: Angeli erſtes Buch
269. Bey GOtt iſt alles gleiche.
Gott giebet ſo genau auf das koaxen acht/

Als auf das direlirn/ das jhm die Lerche macht.

270. Die Stimme GOttes.
Die Creaturen ſind deß Ewgen Wortes Stimme:

Es ſingt und klingt ſich ſelbſt in Anmuth un̄ im Grim̄e:

271. An GOtt iſt nichts Creatuͤrlichs.
Liebſtu noch was an Gott/ ſo ſprichſtu gleich dabey/

Daß Gott dir noch nicht Gott und alle dinge ſey.

272. Der Menſch iſt Gottes gleichnuͤß.
Was Gott in Ewigkeit begehrn und wuͤnſchen kan/

Das ſchauet Er in mir als ſeinem gleichnuͤß an.

273. Steig uͤber die Heiligkeit.
Die Heiligkeit iſt gutt wer druͤber kommen kan/

Der iſt mit Gott und Menſch am allerbeſten dran.

274. Der Zufall muß hinweg.
Der Zufall muß hinweg/ und aller falſcher ſchein:

Du muſt gantz weſentlich und Ungefaͤrbet ſeyn.

275. Der Menſch bringt alles in GOtt.
Menſch alles liebet dich; umb dich iſts ſehr gedrange:

Es lauffet alls zu dir/ daß es zu Gott gelange.

276. Eins des andern Anfang und Ende.
Gott iſt mein letztes End: Wenn ich ſein Anfang bin/

So weſet er auß mir/ und ich vergeh in Jhn.

277. Das
[57]Geiſtr. Sinn- und ſchlußr.
277. Das Ende GOttes.
Daß Gott kein ende hat/ geſteh ich dir nicht zu:

Denn ſchau/ Cr ſucht ja mich/ daß er in mir beruh.

278. GOttes ander. Er.
Jch bin Gotts ander-Er/ in mir findt Cr allein

Was Jhm in Ewigkeit wird gleich und aͤhnlich ſeyn.

279’ Die Jchheit ſchaffet nichts.
Mit Jchheit fucheſtu bald die bald jene ſachen:

Ach liſſeſt duß’ doch Gott nach ſeinem willen machen!

280. Der wahre weiſen Stein.
Dein ſtein Chymiſt iſt nichts: d’ Ekſtein den ich mein/

Jſt meine Gold Tinctur, un aller weiſen Stein.

281. GOttes Gebotte ſind nicht ſchwer.
Menſch lebeſtu in Gott/ und ſtirbeſt deinem willen/

So iſt dir nichts ſo leicht/ als ſein Gebott erfuͤllen.

282, Jn GOtt der beſto Stand.
Was hilfft michs daß den Herrn die Morgenſterne

Loben/

So ich nicht uͤber ſie in Jhn bin aufgehoben.

283. GOtt iſt uͤber Heilig.
Schreyt hin Jhr Seraphin/ das was man von euch liſt:

Jch weiß daß Gott mein Gott noch mehr als Heilig iſt

284. Uber alle erkaͤndtnuͤß ſol man kommen.
Was Cherubin erkennt/ das mag mir nicht genuͤgen/

Jch wil noch uͤber Jhn/ wo nichts erkandt wird/ fliegē.

C 6285. Das
[58]Joh: Angeli erſtes Buch
285. Das erkennende muß das er-
kandte werden.

Jn GOtt wird nichts erkandt: Er iſt ein Einig Ein.

Was man in Jhm erkennt/ das muß man ſelber ſeyn/

286. Jmmer weiter.
Maria iſt hochwehrt: doch kan ich hoͤher kommen/

Als ſie und alle Schaar der Heiligen geklommen.*


287. Die Schoͤnheit.
Die Schoͤnheit iſt ein Licht: je mehr dir Licht gebriſt/

Je greulicher du auch an Leib und Seele biſt.

288. Die gelaſſene Schoͤnheit.
Jhr Menſchen lernet doch vonn Wiſenblůmelein/

Wie jhr koͤnt Gott gefalln/ und gleichwol ſchoͤne ſeyn. a


289. Ohne warumb.
Die Roſ’ iſt ohn warumb/ ſie bluͤhet weil ſie bluͤhet/

Sie achtt nicht jhrer ſelbſt/ fragt nicht ob man ſie ſihet.

290. Laß GOtt ſorgen.
Wer ſchmuͤckt die Lilien? Wer ſpeiſet die Nareiſſen?

Was biſt dann du mein Chriſt auf dich ſo ſehr befliſſen?

291. Der Gerechte.
Daß der gerechte Menſch waͤchſt wie ein Palmenbaum

Verwunder ich mich nicht; nur daß er noch findt raum!

292. Der
[59]Geiſtr. Sinn- und ſchlußr.
292. Der Seeligen Lohn.
Was iſt der Seelgen Lohn? Was wird mir nach dem

Streit?

Es iſt die Lilie der lautern Goͤttligkeit.

293. Wenn man Vergoͤttet iſt.
Menſch/ wann dich weder Lieb beruͤhrt/ noch Leid

verletzt/

So biſtu recht in GOtt/ und GOtt in dich berſetzt.

294. GOtt iſt ohne Willen.
Wir bethen es geſcheh mein Herr und Gott dein wille:

* Und ſih/ Er hat nicht will’: Er iſt ein Ewge ſtille.


295. Es mus in dir vor ſeyn.
Menſch wird das Paradiß in dir nicht erſtlich ſeyn/

So glaube mir gewiß/ du kommeſt nimmer drein.

296. Die Naͤchſten GOttes geſpielen.
Gott’ iſt nicht alles nah: die Jungfraw und das Kind/

Die zwey die ſinds allein die Gottsgeſpielen ſind.

297. Nicht Nakt und doch unbekleidt.
Nakt darf ich nicht fuͤr Gott; und muß doch unbekleidt

Jns Him̄elreich eingehn/ weil es nichts fremdes leidt.

298. Das Him̄elreich iſt innwendig
in uns.

Chriſt mein wo lauffſtu hin? der Himmel iſt in dir.

Was ſuchſtu jhn dann erſt bey eines andern Thuͤr?

C 7299. Mit
[60]Joh: Angeli erſtes Buch
299. Mit ſchweigen hoͤret man.
Das Wort ſchallt mehr in dir/ als in deß andern Munde:

So du jhm ſchweigen kanſt/ ſo hoͤrſtu es zur Stunde.

300. Trink auß deinem eignen Bronnen.
Wie thoͤricht thut der Mann der auß der Pfuͤtze trinkt/

Und die Fonteine laͤſt/ die Jhm im Hauß entſpringt.

301. Die Kinder GOttes.
Weil Gotteskinder nicht das eigne Lauffen lieben/

So werden ſie von jhm und ſeinem Geiſt getrieben.

302. Stehn iſt zuruͤkke gehn.
Wer in den Wegen GOtts gedaͤchte ſtill zuſtehn/

Der wuͤrde hinterſich und ins Verderben gehn.


An-
[61]

Andertes Buch
Geiſtreicher Sinn- und
Schluß-reimen.


1. Die Lieb iſt uͤber Furcht.
GOtt fuͤrchten iſt ſehr gutt: doch iſt es beſſer lieben:

Noch beſſer uͤber lieb’ in Jhn ſeyn aufgetrieben.

2. Die Lieb’ iſt ein Magnet.
Die Lieb iſt ein Magnet/ ſie ziehet mich in GOtt:

Unnd was noch groͤſſer iſt/ ſie reiſſet GOtt in Tod:

3. Menſch in GOtt/ GOtt im
Menſchen.

Wenn ich bin Gottes Sohn/ wer es dann ſehen kan/

Der ſchauet Menſch in GOtt und Gott im Menſchen an.

4. Das Ewge Ja und Nein.
GOtt ſpricht nur jmmer Ja;* der Teufel ſaget nein:

Drumb kan er auch mit GOtt nicht Ja und eines ſeyn.


5. Das Licht iſt nicht GOtt ſelbſt.
Licht iſt deß HErꝛen Kleid: gebricht dir gleich das Licht/

So wiſſe daß dir doch GOtt noch nicht ſelbſt gebricht.

6. Nichts
[62]Joh: Angeli andertes Buch
6. Nichts iſt der beſte Troſt.
Nichts iſt der beſte Troſt: Entzeucht GOtt ſeinē Schein/

So muß das bloſſe Nichts dein Troſt im Untroſt ſeyn.

7. Das wahre Licht.
GOtt iſt das wahre Licht/ du haſt ſonſt nichts als glaſt/

Jm falle du nicht Jhn das Licht der Lichter haſt.

8. Mit Schweigen lernet man.
Schweig allerliebſter ſchweig: kanſtu nur gaͤntzlich

ſchweigen:

So wird dir Gott mehr guts/ als du begehrſt/ erzeigen.

9. Das Weib auf dem Monden in Apoc.
Was ſinneſtu ſo tieff? das Weib im Sonneſchein

Das auf dem Monden ſteht/ muß deine Seele ſeyn.

10. Die Braut iſt doch das liebſte.
Sag was du wilt/ die Braut iſt doch das liebſte kind/

Das man in GOttes ſchoß und ſeinen armen findt.

11. Die beſte Sicherheit.
Schlaf meine Seele ſchlaf: Dan̄ in deß Liebſten Wundē

Haſtu die ſicherheit und volle Ruh gefunden.

12. Die Jungfrauſchafft.
Was iſt die Jungfrauſchafft? frag was die Gottheit ſey:

Doch kenſtu Lauterkeit/ ſo kennſtu alle zwey.

13. Die GOttheit und Jungfrauſchafft.
Die GOttheit iſt ſo nah der Jungfrauſchafft verwandt/

Daß ſie auch ohne die nicht GOttheit wird erkandt.

14. Wer
[63]Geiſtr. Sinn- und ſchlußr.
14. Wer eins nur liebt iſt Braut.
Die Seele/ die nichts weiß/ nichts wil/ nichts liebt/ danns

Ein/

Muß heute noch die Braut deß Ewgen Braͤutgams ſeyn

15. Die geheime Armutt.
Wer iſt ein armer Menſch? der ohne Huͤlff und Rath

Noch Creatur/ noch GOtt/ noch Leib/ noch Seele hat.

16. Wie weit GOttes Sitz ſeyn muß.
Menſch biſtu nicht ſo weit als GOttes GOttheit iſt/

So wirſtu nimmermehr zu ſeinem Sitz erkieſt.

17. GOtt waͤigert ſich niemand.
Nimm/ Trink/ ſoviel du wilt und kanſt/ es ſteht dir frey:

Die gantze GOttheit ſelbſt iſt deine Gaſterey.

18. Die Weißheit Salomons.
Wie? ſchaͤtzſtu Salomon den weiſeſten Allein?

Du auch kanſt Salomon und ſeine Weißheit ſeyn.

19. Das hoͤchſte iſt Stille ſeyn.
Geſchaͤfftig ſeyn iſt gutt; Viel beſſer aber Bethen:

Noch beſſer Stum̄ und ſtill fuͤr Gott den Herren trethen.

20. Das Lebens Buch.
GOtt iſt deß Lebens Buch/ ich ſteh in ihm geſchrieben

Mit ſeines Lammes Blutt: wie ſolt er mich nicht lieben?

21. Du ſolt das Hoͤchſte ſeyn.
Die Welt iſt Eitel nichts/ die Engel ſind gemein:

Drum̄ ſoll ich Gott und Menſch in Chriſio Jeſu ſeyn.

22. Erheb
[64]Joh: Angeli andertes Buch
22. Erheb dich über dich.
Der Menſch der ſeinen Geiſt nicht uͤber ſich erhebt/

Der iſt nicht wehrt daß er im Menſchenſtande lebt.

23. Jn Chriſto komt man hoch.
Weil mein Erloͤſer hat die Engel uͤberſtiegen:

So kan (wo ich nur wil) auch ich ſie uͤberfliegen.

24. Jm Mittelpunct ſicht man alles.
Wer jhm den Mittelpunct zum wohnhauß hat erkieſt/

Der ſiht mit einem Blik was in dem Umbſchweif iſt.

25. Dein’ Vnruh machſtu ſelbſt.
Noch Creatur noch GOtt kan dich in Unruh bringen/

Du ſelbſt Verunrubſt dich (O Thorheit!) mit den

Dingen.

26. Die Freyheit.
Du edle Freyheit du/ wer ſich nicht dir ergiebt/

Der weiß nicht/ was ein Menſch/ der Freyheit liebet/ liebt.

27. Auch von jhr.
Wer Freyheit liebt/ liebt Gott: wer ſich in Gott verſenkt/

Und alles von ſich ſtoͤſt/ der iſts/ dem GOtt ſie ſchenkt.

28. Die Gleichheit.
Die Gleichheit iſt ein Schatz: haſtu ſie in der Zeit/

So haſtu Himmelrejch und Volle Seeligkeit.

29. Tod und GOtt.
Tod iſt der Suͤnden Sold; Gott iſt der Tugend Lohn:

Erwuͤrbſtu dieſen nicht/ ſo traͤgſtu den darvon.

30. Zuſall
[65]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
30. Zufall und Weſen.
Menſch werde weſentlich: denn wann die Welt vergeht/

So faͤllt der Zufall weg/ das weſen das beſteht.

31. Goͤttliche geniſſung.
Wer GOtts genieſſen wil/ und Jhm ſich einverleiben/

Sol wie ein Morgenſtern bey ſeiner Sonne bleiben.

32. Schweigen uͤbertrifft der Engel
gethoͤne.

Die Engel ſingen ſchoͤn: Jch weiß daß dein Geſinge/

So du nur gaͤntzlich Schwiegſt/ dem hoͤchſtẽ beſſer klinge.

33. Wer aͤlter iſt als GOtt.
Wer in der Ewigkeit mehr lebt als einen Tag/

Derſelbe wird ſo Alt/ als GOtt nicht werden mag.

34. Rechter gebrauch bringt nicht
Schaden.

Menſch ſprichſtu daß dich jchts von Gottes Lieb’ abhaͤlt:

So brauchſtu noch nicht recht wie ſichs gebuͤrt der Welt.

35. GOtt wil was koͤſtlich iſt.
Sey lauter/ Licht’ und ſteif/ gleich wie ein Demantſtein/

Daß du in̄ Augen Gotts moͤgſt wehrt geſchaͤtzet ſeyn.

36. Das Buch deß Gewiſſens.
Daß ich GOtt fuͤrchten ſol/ und uͤber alles lieben/

Jſt mir von Anbegin in mein Gemuͤtt geſchrieben.

37. An einem Wort liegt alles.
Ein eintzigs Wort hilfft mir: ſchreibts GOtt mir

einmal Ein/

So werd’ ich ſtaͤtts ein Lamb mit Gott gezeichnet ſeyn.

38. Der
[66]Joh: Angeli andertes Buch
38. Der Braͤutigam iſt noch ſüſſer.
Du magſt GOtt wie du wilt fuͤr deinen Herꝛn erkenen:

Jch wil jhn anderſt nicht als meinen Braͤutgam nen̄en.

39. Der anbether im Geiſt und in der
Warheit.

Wer in ſich uͤberſich in GOtt verreiſen kan/

Der bethet GOtt im Geiſt und in der Wahrheit an.

40. GOtt iſt das kleinſt’ und groͤſte.
Mein GOtt wie groß iſt GOtt! Mein GOtt wie klein

iſt GOtt!

Klein als daß kleinſte ding/ und groß wie alls/ von noth.

41. Der gute Tauſch.
Menſch gibſtu GOtt dein Hertz/ Er gibt dir ſeines wider:

Ach welch ein wehrter Tauſch! du ſteigeſt auf/ Er nieder.

42. Das untere ſchadet nicht.
Wer uͤber Berg und Thal/ und dem Gewoͤlke ſitzt/

Der achtets nicht ein Haar/ wenns donnert/ kracht und

blitzt.

43. Die mittelwand muß wegg.
Wegg mit dem mittelwegg/ ſol ich mein Licht anſchauen/

So muß mann keine Wand fuͤr mein Geſichte bauen.

44. Was Menſchheit iſt.
Fragſtu was Menſchheit ſey? Jch ſage dir bereit:

Es iſt/ mit einem Wort/ die uͤber Engelheit.

45. GOtt liebet ſich allein.
Es iſt gewißlich wahr/ GOtt liebet ſich allein/

Und wer ſein ander-Er in ſeinem Sohn kan ſeyn.

46. Wer
[67]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
46. Wer GOtt iſt/ ſiehet GOtt.
Weil ich das wahre Licht/ ſo wie es iſt/ ſol ſehn;

So muß ichs ſelber ſeyn: ſonſt kan es nicht geſchehn.

47. Die Liebe ſucht nicht Lohn.
Menſch liebſtu GOtt den HErꝛn/ und ſucheſt Lohn da-

bey/

So ſchmaͤkeſtu noch nicht was Lieb’ und lieben ſey.

48. GOtt kennt man am Geſchoͤpffe.
GOtt der verborgne GOtt wird kundbahr und gemein/

Durch ſeine Creaturn/ die ſein’ entwerffung ſeyn.

49. GOtt liebet die Jungfrauſchafft.
GOtt trinkt der Jungfraun milch/ zeugt durch diß hell

und frey/

Daß wahre Jungfrauſchafft ſein Trank und Labſal ſey.

50. GOtt wird ein kleines Kind.
GOtt ſchleuſt ſich unerhoͤrt in Kindes kleinheit ein:

Ach moͤcht ich doch ein Kind in dieſem Kinde ſeyn!

51. Das unaußſprechliche.
Daͤnkſtu den Namen GOtts zu ſprechen in der Zeit?

Man ſpricht ihn auch nicht auß in einer Ewigkeit.

52. Das Neu Jeruſalem.
Das Neu Jeruſalem biſtu fuͤr GOtt mein Chriſt/

Wenn du auß GOttes Geiſt gantz Neugebohren biſt.

53. Es mangelt nur an dir.
Ach koͤnte nur dein Hertz zu einer Krippe werden/

GOtt wuͤrde noch einmal ein Kind auf dieſer Erden.

54 Ent-
[68]Joh: Angeli andertes Buch
54. Entbildet muſtu ſeyn.
Entbilde dich mein Kind/ ſo wirſtu GOtte gleich:

Und biſt in ſtiller Ruh dir ſelbſt dein Himmelreich.

55. GOtt iſt/ Er lebet nicht.
GOTT iſt nur Eigendlich: Er lebt und Liebet nicht/

Wie man von mir und dir und andren Dingen ſpricht.

56. Armut und Reichthumb.
Der/ was er hat/ nicht hat/ und alles ſchaͤtzet gleich/

Der iſt im Reichthum arm/ in Armuth iſt er reich.

57. Mann muß Jhm ſelbſt entwachſen.
Entwaͤchſeſtu dir ſelbſt und aller Creatur/

So wird dir eingeimpfft die Goͤttliche Natur.

58. GOtt ſterben und GOtt leben.
Stirb oder leb in GOtt; du thuſt an beiden wol:

Weil man GOtt ſterben muß/ und Gott auch leben ſol.

59. Wer iſt mehr GOtt als Menſch.
Wer ohn empfinden liebt/ und ohn erkennen kennt:

Der wird mit guttem recht mehr Gott als Menſch ge-

nennt.

60. Vom lieben.
Menſch wilſt-und liebſtu nichts/ ſo wilſt und Liebſtu wol:

Wer gleich liebt was er wil/ liebt doch nicht was er ſol.

61. Wer ſich verlaͤſt/ findt GOtt.
Wer ſich verlohren hat/ und von ſich ſelbſt entbunden/

Der hat GOtt ſeinen Troſt/ und ſeinen Heyland funden.

62. Jn
[69]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
62. Jn beiden muß man ſeyn.
Mein Gott wie kalt bin ich! Ach laß mich doch erwarmen

Jn deiner Menſchheit Schoß/ und deiner GOttheit ar-

men!

63, Der taube hoͤrt das Wort.
Freund glaub es oder nicht; ich hoͤr’ in jedem nu/

Wann ich bin taub und Stumm dem Ewgen Worre

zu.

64. Ein ſeufftzer ſaget alles.
Wenn meine Seel erſeuftzt/* und/ Ach und Oſchreyt hin:

So ruffet ſie in ſich jhr End und Anbegin.


65. Die Ewigkeit wird nicht gemeſſen.
Die Ewigkeit weiß nichts von Jahꝛen/ Tagen/ Stunden:

Ach daß ich doch noch nicht den Mittelpunet gefunden!

66. Eins huͤlfft dem andern fort.
Mein Heyland der iſt GOtt/ und ich der andern dinge:

Jm fall ſie ſich in mich/ und ich in Jhn mich ſchwinge.

67. Die Abgeſchiedenheit.
Weil Abgeſchiedenheit ſich niemand macht gemein:

So muß ſie ohne ſucht und eine Jungfrau ſeyn.

68. Mit Schweigen wirds geſprochen.
Menſch ſo du wilt das ſeyn der Ewigkeit außſprechen/

So muſtu dich zuvor deß Redens gantz entbrechen.

69. Die Geiſtliche Schiffart.
Die Welt iſt meine See/ der Schifmann Gottes Geiſt/

Das Schif mein Leib/ die Seel iſts die nach Hauſe reiſt.

70. Die
[70]Joh: Angeli andertes Buch.
70. Die Lauterkeit,
Vollkomne Lauterkeit iſt Bild-Form-Liebe-loß:

Steht aller Eigenſchafft/ wie GOttes weſen bloß.

71. Der weſentliche Menſch.
Ein weſentlicher Menſch iſt wie die Ewigkeit/

Die unveraͤndert bleibt von aller aͤuſſerheit.

72. Wer mit den Engeln ſingen kan.
Wer ſich nur einen blik kan uberſich erſchwingen/

Der kan das Gloria mit GOttes Engeln ſingen.

73. An den Suͤnder.
Ach Suͤnder wend dich umb/ und lerne GOtt erkennen:

Jch weiß du wirſt Jhn bald den lieben Vatter nennen.

74. Du muſt Vergoͤttet werden.
Chriſt/ es iſt nicht genug daß ich in GOtt nur bin:

Jch muß auch GOttesſafft zum wachſen in mich zieyn.

75. Du muſt auch Fruͤchte tragen.
Trinkſtu deß HErren Blut/ und bringeſt keine Frucht/

So wirſtu kraͤfftiger als jener Baum verflucht.

76. Auch dir iſt nichts verſagt.
O Edler Geiſt entreiß/ laß dich doch nicht ſo binden:

Du kanſt GOtt herꝛlicher/ als alle Heilgen finden.

77. A Biſt ſchon genug.
Die Heyden plappern vil: wer Geiſtlich weiß zubetten/

* Der kan mit A und B getroſt fuͤr Gott hintretten.


78. Ein
[71]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
78. Ein Lieb verznkt das andre.
Wenn meine Seele GOtt im Geiſt begegnen kan/

So ſtart (O JEſu Chriſt!) ein Lieb das Ander an.

79. Der geiſtliche Tempel GOttes.
Die Pforten deiner Stadt/ Mein GOtt/ ſind Perlefein:

Was muß doch fuͤr ein Blitz mein Geiſt dein Tempel ſeyn?

80. Das geiſtliche Zion.
Fuͤhr auf HErꝛ deinen Bau/ hier iſt die Friedens-Stadt/

Hier iſt wo Salomon dein Sohn ſeyn Zion hat.

81. Der Oelberg.
Sol dich deß Herren Angſt erloͤſen von beſchwerden/

So muß dein Hertze vor zu einem Oelberg werden.

82. Das Hertze.
Mein Hertz iſt unten eng’ und obenber ſo weit/

Daß es GOtt offen ſey/ verſyert der Jrꝛdigkeit.

83. Der geiſtliche Berg.
Jch bin ein Berg in GOtt/ und muß mich ſelber ſteigen/

Daferne GOtt mir ſol ſein liebes Antlitz zeigen.

84. Jn der hoͤhe wird GOtt geſchaut.
Hin auf/ Wo dich der Blitz mit Chriſto ſol umbgeben/

Muſtu wie ſeine drey auf Thabors hoͤhe leben.

85. Dein Kaͤrker biſtu ſelbſt.
Die Welt die haͤlt dich nicht/ du ſelber biſt die Welt/

Die dich in dir mit dir ſo ſtark gefangen haͤlt.

D86. Du
[72]Joh. Angeli andertes Buch
86. Du muſts auch ſelbſt gewinnen.
GOtt hat wol gnug gethan: doch du traͤgſt nichts davon/

Wo auch nicht du in Jhm erkriegeſt deine Kron.

87. Das geiſtliche Kaͤuchelein.
Mein Leib iſt eine Schal’ in dem ein Keuchelein

Vom Geiſt der Ewigkeit wil außgebruͤttet ſeyn.

88. Eben vom ſelbigen.
Das arme Kaͤuchelein kluchſt und vikt fuͤr und fuͤr:

Wird es dann nicht bald ſehn deß Ewgen Lichtes Zihr!

89. Gegen Aufgang muſtu ſehn.
Freund wiltu an Jhm ſelbſt das Licht der Son̄en ſehn/

Go muſtu dein Geſicht hin zu dem Aufgang drehn.

90. Die Unterwirfflichkeit.
Der Blitz deß Sohnes GOttes durchleucht in einem Nun

Die Hertzen/ welche ſich Jhm gaͤntzlich unterthun

91. Die Geduld.
Geduld iſt uͤber Gold: ſie kan auch GOtt bezwingen/

Und was Er hat und iſt gantz in mein Hertze bringen.

62. Die geheimſte Gelaſſenheit.
Gelaſſenheit faͤht GOtt: GOtt aber ſelbſt zulaſſen/

Jſt ein G’laſſenheit/ die wenig Menſchen faſſen.

93. Der geheime GOttes Kuß.
GOtt kuͤſt mich ſeinen Sohn mit ſeinem heilgen Geiſt/

Wen̄ Er mich liebes Kind in Chriſto JEſu heiſt.

94. Eins
[73]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
94. Eins iſt des andern Troſt.
GOtt iſt der Lichter Licht/ Mein Heyland iſt die Son̄e/

Maria iſt der Mon/ ich Jhrer aller Wonne.

95. Das Lam̃ und auch der Loͤw.
Wer alles untertitt/ und alles duldet fein/

Der muß ein Lam̄ und Loͤw in einem weſen ſeyn.

96. Warumb der H. Geiſt wie ein Daube
erſcheint.

Warumb daß GOttes Geiſt wie eine Daub’ erſcheint?

Er thuts/ weil Er/ mein Kind dich zu erkeucheln meint.

97. Der Heilgen Dauben naͤſt.
Wenn du ein Daͤublein biſt/ und keine Galle haſt;

So findeſtu mein Chriſt im Hertzen JEſu raſt.

98. Am ſicherſten am beſten.
Fleuch meine Daube fleuch und raſt’ in Chriſti Seelen/

Wo wiltu dich ſonſt hin verbergen und verhoͤlen?

99. Die wiederguͤltige Daͤubelein.
O wunder! GOtt iſt mir/ ich Jhm ein Daͤubelein:

Schau doch wie alle zwey ein ander Eines ſeyn!

100. Gib Ruh/ ſo ruhſtu wieder.
Wenn GOttes Daube kan in deinem Hertzen ruhn/

Wird ſie dir widerumb das Hertze GOtts aufthun.

101. Die geheime Uberſchattung.
Jch muß GOtts Schwanger ſeyn: ſein Geiſt muß ob

mir ſchweben/

Und GOtt in meiner Seel wahrhafftig machen leben.

D 2102. Das
[74]Joh: Angeli andertes Buch
102. Das aͤußre troͤſt mich nicht.
Was hilfft michs Gabriel/ daß du Mariam gruͤſt/

Wenn du nicht auch bey mir derſelbe Botte biſt!

103. Die geiſtliche Geburt.
Beruͤhrt dich GOttes Geiſt mit ſeiner Weſenheit/

So wird in dir gebohrn das Kind der Ewigkeit.

104. Die geiſtliche Schwaͤngerung.
Jſt deine Seele Magd/ und wie Maria rein/

So muß ſie Augenbliks von GOtte ſchwanger ſeyn.

105. Ein Riſ’ und auch ein Kind.
Wenn GOtt ſich weſentlich in mir gebohren findt/

So bin ich (Wunder ding!) ein Riſ’ und auch ein Kind.

106. Erweitert muſtu ſeyn.
Erweitere dein Hertz/ ſo gehet GOtt darein:

Du ſolt ſein Himmelreich/ Er wil dein Koͤnig ſeyn.

107. Die Neugeburt.
Hat deine Neugeburt mit weſen nichts gemein/

Wie kan ſie ein Geſchoͤpff in Chriſto JEſu ſeyn?

108. Die Braut GOttes.
Kind werde GOttes Braut/ entbeuth dich Jhm allein;

Du wirſt ſeins Hertzens Schatz/ und er dein liebſter ſeyn.

109. Die Welt vergehet nicht.
Schau/ diſe Welt vergeht. Was? ſie vergeht auch

nicht/

Es iſt nur Finſternuß was GOtt an Jhr zerbricht.

110. Die
[75]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
110. Die Verklaͤrung.
Mein Leib der wird fuͤr GOtt wie ein Carfunkel ſtehn/

Wenn ſeine grobheit wird im Feuer untergehn.

111. Maria.
Du preiſt MARIAM hoch: ich ſage noch darbey/

Daß ſie die Koͤnigin der Koͤniginnen ſey.

112. Auß und ein/ Gebaͤhren und
Gebohren ſeyn.

Wenn du in Wahrheit kanſt auß GOtt gebohren ſeyn/

Und wider GOtt gebaͤhrn: ſo gehſtu auß und ein:

113. Man ſol vernünfftig handeln.
Freund ſo du trinken wilt/ ſo ſetz doch deinen Mund/

Wie ein Vernuͤnfftiger recht an deß Faſſes ſpund:

114. Die Creaturn ſind gut.
Du klagſt/ die Creaturn die bringen dich in Pein:

Wie? muͤſſen ſie doch mir ein Weg zu GOtte ſeyn;

115/ Die geiſtliche Jagt.
Wie wol wirſtu gejagt vonn Hunden lieber Chriſt:

So du nur williglich die Hindin GOttes biſt.

116. Die beſte Geſellfchafft.
Geſellſchafft acht’ ich nicht: Es ſey dann daß das Kind/

Die Jungfrau/ und die Daub’/ und’ s Lam̄ beyſam̄en ſind.

317. Die Einſamkeit.
Die Einſamkeit iſt noth/ doch ſey nur nicht gemein;

So kanſtu uͤberall in einer Wuͤſten ſeyn.

D 3118. Goͤtt-
[76]Joh: Angeli andertes Buch
118. Goͤttlich Leben.
Jm fall dich niemand recht und gnug berichten kan

Was Goͤttlich Leben ſey: ſo ſprich den Henoch an. *


119. Goͤttliche gleichheit.
Ein Gott ergebner Menſch iſt Gotte gleich an Ruh/

Und wandelt uͤber Zeit und Ort in jedem Nu.

120. Man jßt und Trinket GOtt.
Wenn du Vergoͤttet biſt/ ſo jßt-und trinkſt-du GOtt/

(Und diß iſt ewig wahr) in jedem biſſen Brodt.

121. Das Glied hat des Leibes weſen.
Haſtu nicht Leib und Seel und Geiſt mit Gott gemein:

Wie kanſtu dann ein Glied im Leibe JEſu ſeyn?

122. Die geiſtliche Weinrebe.
Jch bin die Reb’ im Sohn/ der Vatter pflantzt und ſpeift/

Die Frucht die auß mir waͤchſt iſt GOtt der heilge

Geiſt.

123. Geduld hat jhr warumb.
Ein Chriſt traͤgt mit Geduld ſein Leyden/ Creutz un̄ Pein/

Damit er ewig mag bey ſeinem JEſu ſeyn.

124. GOtt iſt voller Sonnen.
Weil der gerechte Menſch glaͤntzt wie der Sonnen ſchein/

So wird nach dieſer Zeit GOtt voller Sonnen ſeyn.

125. Du muſt das weſen haben.
GOtt ſelbſt iſts Him̄elreich: wiltu in Himmel kom̄en/

Muß GOttes weſenheit in dir ſeyn angeglommen.

126. Die
[77]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
126. Die Gnade wird Natur
Fragſtu warumb ein Chriſt ſey From/ Gerecht und Frey?

So frageſtu warumb ein Lamm kein Tiger ſey.

127. Das Liebſt’ auf dieſer Erden.
Fragſtu was meine Seel am Liebſten hat auf Erden?

So wiſſe daß es heiſt: mit nichts beſtekket werden.

128. Der Himmel ſteht ſtaͤtts offen.
Verzweifle nicht mein Chriſt/ du kanſt inn Him̄el drabé/

So du nur magſt darzu ein Mannlich Hertze haben.

129. Eins jeden Eigenſchafft.
Das Thir wird durch die Art/ der Menſch durch den

Verſtand/

Der Engel durch das ſchaun/ durchs weſen Gott bekandt.

130. Es muß Vergoldet ſeyn.
Chriſt alles was du thuſt/ das uͤberzeuch mit Gold:*

Sonſt iſt GOtt weder dir/ noch deinen Werken hold.


131. Nihm alſo daß du haſt.
Menſch nihmſtu GOtt als Troſt/ als ſuͤſſigkeit/ und Licht:

Waß haſtu dann wenn Troſt/ Licht/ ſuͤſſigkeit gebricht?

132. GOttes Eigenſchafft.
Was iſt GOtts Eigenſchafft? ſich ins Geſchoͤpff ergieſſen/

Allzeit derſelbe ſeyn/ nichts haben/ wollen/ wiſſen.*


D 4133. Die
[78]Joh. Angeli andertes Buch
133 Die Gelaſſenheit.
Freund glaub es/ heiſt mich GOtt nicht in den Himmel

gehn/

So wil ich lieber hier/ auch in der Hoͤllen ſtehn.

134. Die Gleichheit.
Wer nirgends iſt gebohrn/ und niemand wird bekandt/

Der hat auch in der Hoͤll ſein liebes Vaterland.

135. Die Gelaſſenheit.
Jch mag nicht Krafft/ Gewalt/ Kunſt/ Weißheit/ Reich-

thum/ Schein:

Jch wil nur als ein Kind in meinem Vater ſeyn.

136. Eben von derſelben.
Geh auß/ ſo geht Gott ein: Stirb dir/ ſo lebſtu GOtt:

Sey nicht/ ſo iſt es Er: thu nichts/ ſo gſchicht’ s Geboth.

137. Schrifft ohne Geiſt iſt nichts.
Die Schrifft iſt Schrifft ſonſt nichts. Mein Troſt iſt

Weſenheit/

Und daß GOtt in mir ſpricht das Wort der Ewigkeit.

138. Der Schoͤnſt’ im Himmelreich.
Die Seele/ welche hir noch kleiner iſt als klein/

Wird in dem Himmelreich die ſchoͤnſte Goͤttin ſeyn.

139. Wie kan man Engliſch ſeyn?
Kind wiltu Engliſch ſeyn/ ſo kanſtu es bereit:

Wie dann? ſie leben ſtaͤts in unannehmlichkeit.

140. Die Selbſt-vernichtigung.
Nichts bringt dich uͤber dich als die Vernichtigkeit:

Wer mehr Vernichtigt iſt/ der hat mehr Goͤttlichkeit.

141. Der
[79]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr
141. Der Grundgelaſſene.
Ein Grundgelaſſner Menſch iſt Ewig frey und Ein:

Kan auch ein Unterſcheid an jhm und GOtte ſeyn?

142. Du muſt es ſelber ſeyn.
Frag nicht was Goͤttlich ſey: Denn ſo du es nicht biſt/

So weiſtu es doch nicht/ ob dus’ gleich hoͤrſt mein Chriſt.

143. Jn GOtt iſt alles GOtt.
Jn GOtt iſt alles GOtt: Ein eintzigs Wuͤrmelein/

Das iſt in GOtt ſo viel als tauſend GOtte ſeyn.

144, Was iſt Gelaſſenheit.
Was iſt Gelaſſenheit? Jch ſag’ ohn Heucheley:

Daß es in deiner Seel der wille JEſu ſey.

145. Das weſen GOttes.
Was iſt das weſen GOtts? Fragſtu mein aͤngigkeit?

Doch wiſſe/ daß es iſt ein’ uͤberweſenheit.

146. GOtt iſt Fuͤnſternuß und Licht.
GOtt iſt ein lautrer Blitz/ und auch ein Tunkles nicht/

Das keine Creatur beſchaut mit jhrem Licht.

147. Die Ewge Gnadenwahl.
Ach zweifele doch nicht: Sep nur auß GOtt gebohrn/

So biſtu ewiglich zum Leben außerkohrn.

148. Der arme im Geiſt/
Ein wahrer armer Menſch ſteht gantz auf nichts gericht:

Gibt GOtt jhm gleich ſich ſelbſt/ ich weiß er nihmt jhn

nicht.

D 5149. Du
[80]Joh: Angeli andertes Buch
149. Du ſelbſt biſt alle Dinge.
Wie magſtu was begehrn? du ſelber kanſt allein/

Der Himme! und die Erd’/ und tauſend Engel ſeyn.

150. Die Demut iſt dir Noth/
Sieh nur fein unter dich: du fleuchſt den Blitz der Zeit/

Was meinſtu dann zu ſchaun in Blitz der Ewigkeit?

151. Des Chriſten Edelſtes.
Was iſt das Edelſte? Was iſt das fein-Perlein

Des Neugebornen Chriſts? Jhm allzeit gleiche ſeyn.

152. Das Allergoͤttlichſte.
Kein ding iſt Goͤttlicher (im fall du es kanſt faſſen/)

Als jetzt und ewiglich ſich nicht bewegen laſſen.

153. Die Ewigkeit.
Was iſt die Ewigkeit? Sie iſt nicht diß/ nicht das/

Nicht Nun/ nicht Jchts/ nicht Nichts/ ſie iſt/ ich weiß

nicht was.

154/ Ein Stern geht vor die Sonne.
Jch frage nicht ſo viel nach tauſend Sonneſchein/

Wenn ich nur mag ein Stern inn Augen JEſu ſeyn.

155. Es ligt an dir allein.
Ach Menſch verſaͤum dich nicht es ligt an dir allein/

Spring auf durch GOtt/ du kanſt der groͤſt’ im Himmel

ſeyn.

156. GOtt kennt man durch die Sonne.
Die Sonn iſt nur ein Glaß/ und alles Liecht ein ſchein:

Was muß doch fuͤr ein Blitz/ GOtt meine Sonne ſeyn!

157. GOtt
[81]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
157. GOtt ſchauet man an ſich.
Wie iſt mein GOtt geſtalt? Geh ſchau dich ſelber an/

Wer ſich in GOtt beſchaut/ ſchaut Gott warhafftig an.

158. Die Seele kombt von GOtt.
Die Seel iſt eine Flamm auß GOtt dem Blitz gegan-

gen:*

Ach ſolte ſie dann nicht in Jhn zuruͤk gelangen.


159. Der Geiſt iſt wie das weſen.
Mein Seiſt iſt wie ein ſeyn: er ahnt dem weſen nach/

Von dem er urgeſtand/ und Anfangs aufgebrach.

160. Der Geiſt ſtirbt nimmermehr.
Der Geiſt lebt in ſich ſelbſt: gebricht jhm gleich das Licht/

(Wie ein verdampter wird) ſo ſtirbet er doch nicht.

161. Jm jnnern Wohnt man wol.
Was meines Geiſtes Geiſt/ meins weſens weſen iſt/

Das iſts/ das ich fuͤr mich zur Wohnung hab erkieſt.

162. Hinein kehr deine Strahlen.
Ach kehrt nur meine Seel jhr Flammen umb und ein!

So wird ſie mit dem Blitz/ bald Blitz und Eines ſeyn.

163. GOtt wuͤrket wie das Fewr.
Das Fewer ſchmeltzt und eint: ſinckſtu in̄ Urſprung ein/

So muß dein Geiſt mit GOtt in Eins geſchmeltzet ſeyn.

164. Die Unſchuld brennet nicht.
Entſchulde dich durch Gott: die Unſchuld bleibt bewehrt/

Und wird in Ewigkeit von keiner Glutt verzehrt.

D 6165. Ein
[82]Joh: Angeli andertes Buch
165. Ein Troͤpfflein iſt genug.
Der nur eintroͤpfflein Bluts auß Chriſto kã genieſſen/

Der muß gantz ſeeliglich mit Jhm in GOtt zerfliſſen.

166. Die Boßheit hat kein weſen/
Menſch wenn du durch das Blutt deß Lammes biſt ge-

neſen/

So biſtu ewiglich kein boͤſer Menſch geweſen.

167. Der Mittler iſt nur JEſus.
Jch weiß kein mittel nicht als meinen JEſum Chriſt:

Sein Blutt das iſts/ in dem ſich GOtt in mich ergiſt.

168. Eins iſt ſo Alt als das andre.
Ein Kind/ das auf der Welt nur eine Stunde bleibt/

Das wird ſo Alt/ als man Matuſalem beſchreibt.

169. Die Gleichheit ſchauet Gott.
Wem nichts wie alles iſt/ und alles wie ein nichts:

Der wird gewuͤrdiget deß Liebſten Angeſichts.

170. Die ſcheidung muß geſchen.
Die Unſchuld iſt ein Gold das keine Schlakken hat:

Eutzeuch dich auß dem Kiß/ ſo biſtus’ in der that.

171. Der Adler fleuget hoch.
Ja wer ein Adler iſt/ der kan ſich wol erſchwingen/

Und uͤber Seraphim durch tauſend Him̄el dringen.

172. Ein Phœnix ſol man ſeyn.
Jch wil ein Phœnix ſeyn/ und mich in GOtt ver-

brennen/

Damit mich nur nichts mehr von Jhme koͤnne trennen.

173. Die
[83]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
173. Die Schwachen muͤſſen warten.
Du armes Voͤgelein/ kanſtu nicht ſelber fliegen/

So bleibe mit Geduld biß du meyr krafft haſt ligen.

174. Es wil geuͤbet ſeyn.
Verſuch mein Daͤubelein mit uͤbung lernt man viel:

Wer nur nicht ſitzen bleibt/ der kombt doch noch zum Ziel.

175. Der Geiſt fuͤhrt in die Wuͤſte.
Kanſtu dich auf den Geiſt in deinem Heyland ſchwingen/

So wird er dich mit ſich in ſeine Wuͤſte bringen.

176. Beſtaͤndig muß man ſeyn.
Verſtockt iſt halb verlohrn: doch wer im gutten kan

Ein Stok und Eyſen ſeyn/ ſteht auf deß Lebens bahn.

177. Es wird nicht alls gerichtet.
Die Menſchen die in Gott mit Chriſto ſind verſchlũgen/

Sind durchs Gericht’ und Tod gantz ſeelig durchgedrun-

gen.

178. Alls ſteht im Jch und Du/
(Schoͤpffer und Geſchoͤpffe.)

Nichts iſt als Jch und Du: und wenn wir zwey nicht

ſeyn/

So iſt GOtt nicht mehr GOtt/ und faͤllt der Him̄el ein.

Beſihe den Begihrer am Ende.

179. Es ſol ein Einigs werden.
Ach ja! waͤr’ ich im Du/ und du im ich ein Ein;

So moͤchte Tauſendmahl der Himmel Himmel ſeyn.

180. Der Menſch iſt nichts/ GOtt alles.
Jch bin nicht Jch noch Du: Du biſt wol Jch in mir:

Drumb geb ich dir mein GOtt allein die Ehrgebuͤhr.

D 7181. Der
[84]Joh: Angeli andertes Buch
181. Der Suͤnder iſt verblendt.
Der Suͤnder ſihet nichts: Je mehr er laufft und rennt

Jn ſeiner Eigenheit/ je mehr er ſich verblendt.

182. GOtt’ iſt alles gegenwaͤrtig.
Es iſt kein Vor noch Nach: was Morgen ſohl geſchehn/

Hat GOtt von Ewigkeit ſchon weſentlich geſehn.

183. Jn der mitten ſiht man alles.
Setz dich in Mittelpunet/ ſo ſihſtu alls zugleich/

Was jetz und dann geſchicht/ hier und im Him̄elreich.

184. Der Cherubin ſchaut nur auf
GOtt.

Wer hir auf niemand ſiht/ als nur auf GOtt allein:

Wird dort ein Cherubin bey ſeinem Throne ſeyn.

185. Der Sohn und Gnadenthron.
Weg mit dem Schattenſtul: der Eingebohrne Sohn/

Jſt nun in mir das ſelbſt/ und mein Verſoͤhnungsthron.

186. Man ſol GOtt nit verſuchen.
Sey Zuͤchtig/ Keuſch und Still: wer unbedachtſam rent/

Wird von der Majeſtaͤt geſtuͤrtzet und verbrennt.

187. Jch darf kein Fern. Geſicht/
Freund/ ſo ich fuͤr mich ſelbſt kan in die weite ſehn:

Was darf es dann erſt durch dein fern Geſicht geſchehn?

188. Mann mißtdas weſen nicht.
Es iſt kein Anfang nicht/ es iſt anch nicht ein Ende/

Kein Mittelpunct noch kreiß/ wie ich mich jmmer wende.

189. Der
[85]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
189. Der Anfang findt das Ende.
Wann GOtt ſich mit mir Menſch vereinigt und ver-

bindt/

So ſiht der Anbegin daß er ſein Ende findt.

190. Von GOtt.
GOtt der geneuſt ſich ſelbſt/ wird ſeiner auch nicht ſatt/

Weil Er an ſich allein die hoͤchſte gnuͤgehat.

191. Verbothnes muß man meyden.
Wer ſich nicht mit der Frucht die GOtt verbothen ſpeiſt/

Wird auß dem Paradeiß nicht einen tritt verweiſt.

192. Rechtſchaffen muß man ſeyn.
Ach Bruder werde doch: was bleibſtu Dunſt und Schein?

Wir muͤſſen weſeutlich ein Neues worden ſeyn.

193. Der Sieg iſt weſentlich.
Menſch weil es nicht im wolln und eygnem Lauffen ligt/

So muſtu thun wie GOtt/ der ohne willen Sigt.

194. Das Licht gibts zu erkennen.
Geh/ ruff dem Morgenſtern: denn wann der Tag an-

bricht/

So ſiehet man erſt recht was Schoͤn iſt oder nicht.

195. Regiern iſt Koͤniglich.
Wer wol regieren kan im Streit/ in Freud’ und Pein:

Der wird in GOttes Reich ein ewger Koͤnig feyn.

196. Die Demut iſt ſehr gut.
Jch mag kein Koͤnig ſeyn; und ſo ich es je muß/

So werf ich mich doch ſtraks mein Gott fuͤr deinen Fuß.

197. Ver-
[86]Joh: Angeli andertes Buch
197. Verlaͤngnung ſeiner ſelbſt.
HErꝛ nihm die Krone hin; Jch weiß ja nichts vom

Mein:

Wie kan ſie dan̄ mit recht mein’ und nicht deine ſeyn?

198. GOtt ſpielt mit dem Geſchoͤpffe.
Diß alles iſt ein Spiel/ das Jhr die GOttheit macht:

Sie hat die Creatur umb Jhret willn erdacht.

199. Auch GOtt verlaugnet ſich.
Wenn Gott zum Heilgen ſpricht: du du haſt mich erzihlt:

Sag/ ob er nicht mit jhm recht der Verlaugnung ſpielt?*

Matth. 25.


200. Die Aufgegebenheit.
Wer ſeine Seele hat verlohren und vergeben/

Der kan gantz ſeeliglich mit GOtt die wette leben.

201. Der Menſch der andre GOtt.
Sag zwiſchen mir und GOtt den eingen Unterſcheid?

Es iſt mit einem Wort/ nichts als die Anderheit.

202. Alleine ſeyn gleicht GOtt.
Wer ſtaͤts alleine lebt/ und niemand wird gemein:

Der muß/ iſt er nicht GOtt/ gewiß Vergoͤttet ſeyn.

203. Die Demut ſteigt am Hoͤchſten.
Wer in der Demut GOtts am tieffſten iſt verſunken/

Der iſt der hoͤchſte Glantz auß allen Himmelsfunken.

204. Der
[87]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
204. Der Menſch Jmmanuel.
Wer ſtaͤts in ſich die Schlang’ und Drachen kan ermor-

den/

Der iſt Jmmanuel in Chriſto JEſu worden.

205. Das Boͤſe ſcheid vom Gutten.
Jß Butter iß mein Kind/ und Hoͤnig (GOtt) dabey:

Damit du lernſt wie boͤß’ und gutt zuſcheyden ſey.

206. Ein Mann und auch ein Kind.
Ein Mann iſt nicht ein Kind: doch wiſſe daß ein Man̄/

So du nur wilt in dir mein Kind/ wol Leben kann.

207. GOtt iſt in dir das Leben.
Nicht du biſt der da lebt: denn das Geſchoͤpff iſt Tod:

Das Leben/ das in dir dich leben macht iſt GOtt.

208. Gelaſſen muß man ewig ſeyn.
Wer auch im Paradiß nicht noch ſol untergehn/

Der Menſch muß ewiglich/ auch GOttes/ ledig ſtehn.

209. Die wahre Ledigkeit.
Die wahre Ledigkeit iſt wie ein [e]dles Faß/ (waß.

Das Nectar in jich hat: Es hat/ und weiß nicht

210. Die Goͤttliche Heiligkeit.
Menſch iſts dein Ernſt/ du kanſt ohn allen falſchen

Schein

So heilig und gerecht/ als GOtt dein Schoͤpffer ſeyn.

211. Was iſt die Heiligkeit.
Rechtſchaffne Heiligkeit iſt wie ein guldnes Glaß

Durchauß po[lir]t und rein. Geh/ und betrachte das.

212. Sechs
[88]Joh: Angeli andertes Buch
212. Sechs Dinge feynd nur Eins.
Rath/ wie ein Menſch und GOtt/ ein Loͤw/ Lamm/ Rieß’

und Kind/

Jn einer Creatur ein einigs weſen ſind?

213. Die Woͤrtlein Auß und Ein.
Zwey Woͤrtlein lieb ich ſehr; ſie heiſſen Auß und Ein:

Auß Babel/ und auß mir/ in GOtt und JEſum ein.

214. Die Werke gelten gleiche.
Hab keinen unterſcheid: heiſt Gott den Miſt verfuͤhren/

Der Engel thuts ſo gern als ruhn und Muſteiren.

215. Man muß ſich recht bequaͤmen.
Wer ſich zum Aufgang kehrt/ und wartt auf ſeinen Gott/

Jn dem komt bald herfuͤr das gnaͤdge Morgenroth.

216. Was heiſſet Engliſch Leben?
Rein/ Lauter/ g’laſſen ſeyn/ recht lieben/ dienen/ ſchauen/

Heiſt wol mit guttem recht ein Engliſch leben bauen.

217. Der achtmal ſeelige.
Sey Hungrig/ Arm/ und Sanfft/ Barmhertzig/ Fried-

lich/ Rein/

Betruͤbt/ Verfolgt umb GOtt: ſo kanſtu ſeelig ſeyn.

218. Die Weißheit wird gemeiſtert.
(a) Die Weißheit tadelt nichts; ſie aber muß allein/

Von jhrer Creatur ſo offt getadelt ſeyn.


219. Die
[89]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
219. Die gutten Werke.
Mit Speiſe/ Trank und Troſt/ Beherbrigen/ Bekleyden/

Beſuchen in der Noth/ heiſt GOttes Laͤmmlein weiden.

220. Wachen/ Faſten/ Bethen.
Drey Werke muß man thun/ wenn man fuͤr GOtt wil

trethen/

Er fordert ſonſt auch nichts: als/ Wachen/ Faſten/

Bethen.

221. GOtt ſieht nur zwey Dinge.
Zwey Dinge ſiht nur GOtt/ den Bok/ und mich ſein Lam̄:

Vom Bokke ſcheydet mich Ein Einge Liebesflamm.

222. Es muß Gewuchert ſeyn.
Knecht wuchre daß du haſt: denn wann der HErr wird

kommen:

So wird von jhm allein der Wuchrer angenommen.

223. GOtt liebt die Keuſchheit ſehr.
Die Keuſchheit iſt bey GOtt/ ſo kraͤfftig/ wehrt und rein/

Als tauſend Lilien fuͤr einer Tulpe ſeyn.

224. Die liebreiche Buſſe.
Freund ſo du ja nicht wilt ein Junggeſelle bleiben/

So wolle dich doch nur mit Magdalena beweiben.

225. Die Feuer-Tauffe.
Getauffet muß man ſeyn: wen Geiſt und Feuer taufft/

Der iſts der Ewiglich in keinem Pful erſaufft.

226. Die Tauffe.
Ach Suͤnder trotze nicht daß du getauffet biſt;

Die ſchoͤnſte Lilge wird im Koth zu Koth und Miſt.

227. Auch
[90]Joh: Angeli andertes Buch
227. Auch darvon.
Was hilfft dichs daß du biſt mit Waſſer abgewaſchen/

So du in dir nicht daͤmpffſt die Luſt vom Koth zunaſchen?

228. Nur eins wil GOtt von uns.
Ein eintzigs Wort ſpricht Gott zu mir/ zu dir/ und allen/

Lieb; thun wir diß durch Jhn/ wir muͤſſen jhm gefallen.

229. Das Bildnuß halt inn Ehren.
Speyſtu die Bilder an/ und biſt doch ſelbſt ein Bild?

Was meinſtu dann von dir/ wie du beſtehen wilt?

230. Der Lebensbaum.
Sol dich deß Lebensbaum befreyn von Todsbeſchwerden/

So muſtu ſelbſt in GOtt ein Baum deß Lebens werden.

231. Die Sonnen wende.
Verwundre dich nicht Freund/ daß ich auf nichts mag

ſehn/

Jch muß mich allezeit nach meiner Sonne drehn.

232. Gruͤn und Weiß/ hat den Preiß.
Zwey Farben halt’ ich hoch/ und ſuche ſie mit fleiß:

Gruͤn in Gerechtigkeit/ in Chriſti Unſchuld Weiß.

233. Die Tugend Lebt in Liebe.
Fuͤrwahr die Tugend lebt/ ich ſags ohn deuteley:

Lieb/ und ſo ſiheſtu/ daß Lieb jhr Leben ſey.

234. Erwoͤhle was du wilt.
Lieb’ iſt die Koͤnigin/ die Tugenden Jungfrawen/

Die Maͤgde Werk und That: wem wiltu dich ver-

trauen?

235. Die
[91]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
235. Die geheimbe Maͤſſigkeit.
Wer keines Dings zu viel in ſich Pflegt einzuſauffen:

Auch Gotts* (verſteh mich recht) den muß ich maͤſſig

tauffen.


236. Friedreich heiſt Gottes Sohn.
Nenn mich nicht Seraphin nicht Cherubin/ nicht

Thron;

Jch wil der Friedreich ſeyn: denn ſo heiſt Gottes Sohn.

237. GOtt wil vollkommne haben.
Entwachſe dir mein Kind: wiltu zu GOtt hienein;

So muſtu vor ein Mann vollkomnes Alters ſeyn.

238. Auß Tugend waͤchſt der Friede.
Fried iſt der Tugendlohn/ jhr end und Unterhalt/

Jhr Band und Seeligkeit: ohn jhn zerſtaͤubt ſie bald.

239. Derjnnerliche Friede.
Jn ſich mit GOtt und Menſch befriedigt ſeyn und Ein/

Das muß bey gutter Trew/ Fried uͤber Friede ſeyn!

240. Der Goͤttliche Friede.
Ach! wer in GOtt ſein End und ſeinen Sabbat kom̄en/

Der iſt inn Frieden ſelbſt Verformbt und auffgenom̄en.

241. Die Vierfache uͤberwindung.
Mit liſtigkeit/ Gedult/ Gehorſam/ Maͤſſigkeit/

Erhaͤltſtu wieder dich/ GOtt/ Weit/ und Feind den

Streit.

242. Jeruſalem ligt mitten.
Wer in der mitten ligt/ und lacht zu Spott und Hohn;

Der iſt Jeruſalem deß Koͤnigs Stadt und Thron.

243. Die
[92]Joh: Angeli andertes Buch
243. Die Sanfften ſind die Laͤmmer.
Wen weder GOtt noch Feind bringt auß der Sanfften

Orden/

Der iſt nu gantz ein Lamb im Lamme JEſu worden.

244. Verrachtet ſeyn bringt Wonne.
Verlacht/ Verlaſſen ſtehn/ viel leyden in der Zeit/

Nichts haben/ koͤnnen/ ſeyn/ iſt meine Herꝛlichkeit.

245. Die GOttheit iſt meine Mutter.
Auß GOtt bin ich gebohrn: iſts ohne deuteley;

So frage mich nur nicht wer meine Mutter ſey.

246. Was der Teufel hoͤrt.
Der Teufel hoͤret nichts/ als Donnern/ poltern/ krachen:

Drumb kanſtu jhn mit Luſt durch Sanfftmuth thoͤricht

machen.

247. Du kanſt dem Feind vergeben,
Entbrenne doch mein Kind/ und ſey ein Licht in GOtt:

So biſtu Belials Gifft/ Finſternuͤß/ und Tod.

248. Die Stille gleicht dem Ewgen
nicht.

Nichts iſt dem Nichts ſo gleich als Einſamkeit und

Stille:

Deßwegen wil ſie auch/ ſo er was wil/ mein Wille.

249. Der Teuffel ſicht kein Licht.
Menſch wikle dich in GOtt/ verbirg dich in ſein Liecht:

Jch ſchwehre dir beym Jah/ der Teufel ſicht dich nich.

250. Die
[93]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
250. Die Sanfftmuth zeigt es an.
Kan ich an deiner Thuͤr vergoldet Oelholtz kennen:

So wil ich dich deß Bliks den Tempel Gottes nennen.

251 Es muß von GOtt herkommen.
Sol meine Lampe Licht und lautre Strahlen ſchiſſen/

So muß das Oel auß dir mein liebſter JEſu flieſſen.

252. Die hoͤchſte benedeiung.
Kein Menſch hat jemahls GOtt ſo hoch gebenedeyt/

Als der Jhm/ daß er jhn zum Sohn gebiehrt/ verleiht.

253. Mit meyden muß man ſtreiten.
Haſtu verworffenheit/ verachten/ meiden/ fliehn/

So kanſtu thurſtiglich mit GOtt zu Felde ziehn.

254. Das Seraphiniſche Leben.
Auß Liebe gehn und ſtehn/ Lieb aͤthmen/ reden/ ſingen;

Heiſt ſeine Lebenszeit wie Seraphim verbringen.

255. Fuͤnff Staffeln ſind in GOtt.
Fuͤnff Staffeln ſind in GOtt: Knecht/ Freund/ Sohn/

Braut/ Gemahl:

Wer weiter kombt*/ verwird/ und weiß nichts mehr

von Zahl.


256. Nichts Unreins kombt fuͤr GOtt.
Ach Menſch werd’ uͤberformt: fuͤrwahr du muſt ſo fein

Fuͤr GOttes Angeſicht/ als Chriſti Seele ſeyn.

257. Du
[93[94]]Joh: Angeli andertes Buch
257. Du auch muſt fuͤr Jhn Sterben.
Deß HErꝛen Chriſti Tod hilfft dich nicht eh mein

Chriſt/

Biß auch du ſelbſt fuͤr Jhn in Jhm geſtorben biſt.

258. Die Ewigkeit.
Jm fall dich laͤnger duͤnkt die Ewigkeit als Zeit:

So redeſtu von Peyn und nicht von Seeligkeit.

[figure]
Drit-
[94[95]]

Drittes Buch
Geiſtreicher Sinn- und
Schluß-Reime.


1. Auf die Krippe JEſu.
Diß Holtz iſt koͤſtlicher als Salomonis Thron;

Weil drein geleget wird der wahre GOttes Sohn.

2. Uber den Stall.
Ach Pilger kehr hier ein/ der Stall zu Betthlehem

Jſt beſſer als die Burg und Stadt Jeruſalem.

Du Herbergeſt hier wol: weil ſich das Ewge Kind/

Mit ſeiner Jungfrau Braut und Mutter hier befindt.

3. An die Jungfrau MARJA.
Sagan/ O wehrte Frau/ hat dich nicht außerkohrn

Die Demut/ daß du GOtt empfangen und gebohrn?

Sag/ obs was anders iſt? Damit auch ich auf Erden

Kan eine Magd und Braut und Mutter Gottes werden.

4. Ein Seufftzer.
Man legte GOtt aufs Stro/ als Er ein Menſch ward/

hin:

Ach daß ich nicht das Heu und Stro geweſen bin!

5. An den Gelehrten.
Du gruͤbelſt in der Schrifft/ und meinſt mit Kluͤgeley

Zu finden GOttes Sohn: Ach mache dich doch frey

Von diſer Sucht/ und kom̄ i[ñ] Stall jhn ſelbſt zu kuͤſſen:

So wirſtu bald der Krafft deß wehrten Kinds genieſſen.

E6. Die
[95[96]]Joh: Angeli drittes Buch
6. Die GOttes gewuͤrdigte Einfalt.
Denkt doch/ was Demut iſt! ſeht doch was Einfalt kan!

Die Hirten ſchauen GOtt am allererſten an.

Der ſiht GOtt nim̄ermehr/ noch dort noch hier auf Erdẽ/

Der nicht gantz jnniglich begehrt ein Hirt zu werden.

7. Das wohlbethaute Heu.
Kein Vieh hat beſſer Heu/ weil Graß waͤchſt/ je genoſſen!

Als was mein Jeſulein der aͤrmſte hat begoſſen

Mit ſeiner Auͤglein thau: Jch daͤchte mich/ allein

Durch dieſe Koſt gerecht und Ewig ſatt zu ſeyn.

8. Die ſeelige Nachtſtille.
Merk/ in der ſtillen Nacht wird GOtt ein Kind gebohrn/

Und widerumh erſetzt was Adam hat verlohrn:

Jſt deine Seele ſtill und dem Geſchoͤpffe Nacht/

So wird GOtt in dir Menſch/ und alles wiederbracht.

9. An die Hirten.
Gieb Antwort liebes Volk/ was haſtu doch geſungen

Als du inn Stall eingingſt mit den erbebten Zungen/

Und GOtt ein Kind geſehn? Daß auch mein Jeſulein

Mit einem Hirten Lied von mir gepreiſt kan ſeyn.

10. Das Unerhoͤrte Wunder.
Schaut doch jhr lieben ſchaut/ die Jungfrau ſaͤugt ein

Kind/

Von welchem ich und ſie/ und jhr/ geſaͤuget ſind.

11. Der eingemenſchte GOtt.
GOtt trinkt der Menſchheit Milch/ laͤſt ſeiner GOtt-

heit Wein:

Wie ſolt’ er dan̄ numehr nicht gar durch Menſchet ſeyn?

12. Es
[96[97]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
12. Es traͤgt und wird getragen.
Das Wort dz alles traͤgt/ auch ſelbſten Gott den Alten/

Muß hier ein Jungfraͤulein mit jhren aͤrmlein halten.

13. Jch die Urſach.
Sag allerliebſtes Kind/ bin ichs umb den du weinſt?

Ach ja du ſihſt mich an: ich bins wol den du meinſt.

14. Kuͤſſungs Begierde.
Ach laß mich doch mein Kind mein Gott an deinen Fuͤſſé/

Nur einen Augenblik das minſte Bruͤnklein kuͤſſen.

Jch weiß werd’ ich von Dir nur bloß beruͤhret ſeyn/

Daß ſtraks verſchwinden wird/ mein’/ und auch deine

Pein.

15. Der beſte Lobgeſang.
Singt ſingt jhr Engel ſingt: mit hũdert tauſend Zungen

Wird dieſes wehrte Kind nicht wuͤrdiglich beſungen.

Ach moͤcht’ ich ohne Zung/ und ohne Stimme ſeyn!

Jch weiß ich ſaͤng’ jhm ſtraks das liebſte Liedelein.

16. Er mir/ ich Jhm.
Wißt/ GOtt wird mir ein Kind/ ligt in der Jungfrau

Schoß/

Daß ich jhm werde GOtt/ und wachs jhm gleich un̄ groß.

17. Am Naͤchſten am beſten.
Menſch werde GOtt verwandt auß Waſſer Blutt und

Geiſt/

Auf daß du GOtt in GOtt auß GOtt durch GOtte ſeyſt.

Wer jhn Umbhalſen wil/ muß jhm nicht nur allein

Befreundet/ ſondern gar ſein Kind und Mutter ſeyn.

E 218. Die
[97[98]]Joh: Angeli drittes Buch
18. Die beweglichſte Muſica,
O ſeht/ das liebe Kind wie es ſo ſuͤſſe weint!

Daß alle Stoͤſſerlein Hertz-grund-beweglichſeind.

Laß doch mein Ach und O in deins vermengt erſchallen?

Daß es fuͤr allem thon GOtt koͤnne Wolgefallen.

19. Die ſeelige Uber-formung.
Jch rathe dir Verformt ins JEſulein zu werden/

Weil du begehrſt zu ſeyn erloͤſet vonn beſchwerden.

Wem JEſus helffen ſol/ vom Teufel/ Tod und Pein;

Der muß Warhafftig auch gantz einge Jeſet ſeyn.

20. GOTT-Menſch.
Je denkt doch GOtt wird ich/ und kombt ins Elend her/

Auf daß ich komm ins Reich/ und moͤge werden Er!

21 GOtt iſt ein Kind/ warumb.
Der Ewge GOttes Sohn wird heut erſt Kind genennt/

Da Er doch tauſend Jahr den Vatter ſchon gekennt:

Warumb? Er war nie Kind. Die Mutter machts allein

Daß Er warhafftiglich kan Kind gegruͤſſet ſeyn.

22. Das groͤſte Wunder.
O Wunder GOttes Sohn iſt ewiglich geweſen/

Und ſeine Mutter iſt doch heut erſt ſeyn geneſen!

23 Die Geiſtliche Mutter GOttes.
Marien Demut wird von GOtt ſo werth geſchaͤtzt/

Daß Er auch ſelbſt jhr Kind zu ſeyn ſich hoch ergoͤtzt:

Biſtu demuͤttiglich wie eine Jungfrau rein;

So wird GOtt bald dein Kind/ du ſeine Mutter ſeyn.

24. An
[89[99]]Geiſtr. Sinn- und ſchlußr.
24. An das Kindlein JEſu.
Wie ſol ich Dich mein Kind die kleine Liebe Nennen/

Dieweil wir deine Macht unendlich groß erkennen?

Und gleichwol biſtu klein! ich ſprech dann groß un̄ klein/

Kind/ Vatter/ GOtt und Meuſch/ O Lieb’ erbarm dich

mein.

25. Ein Kind ſeyn iſt am beſten.
Weil man nunmehr GOtt ſelbſt den groͤſten kleine findt/

So iſt mein groͤſter Wuntſch zu werden wie ein Kind.

26. Der Menſch das wuͤrdigſte.
GOtt weil Er wird ein Menſch/ zeugt mir daß ich allein

Jhm mehr und wehrter bin als alle Geiſter ſeyn.

27. Der Nahme JEſus.
Der ſuͤſſe JEſus Nahm’ iſt Hoͤnig auf der Zung;

Jm Ohr ein Brautgeſang/ im Hertz ein Freudenſprung.

28. Der Kreiß im Puncte.
Als GOtt verborgen lag in eines Maͤgdleins Schoß/

Da war es/ da der Punet den Kreiß in ſich beſchloß.

29. Das Groſſe im Kleinen.
Du ſprichſt/ das Groſſe kan nicht in dem Kleinen ſeyn/

Den Him̄el ſchleuſt man nicht ins Erdenſtuͤpffchen ein.

Komb ſchau der Jungfraun Kind; ſo ſihſtu in der

Wiegen/

Den Himmel und die Erd’/ und hundert Welte liegen.

30. Auf die Krippe JEſu.
Hier liegt daß wehrte Kind/ der Jungfrau erſte Blum/

Der Engel Freud und Luſt/ der Menſchen Preiß un̄ Ruhm.

Sol Er dein Heyland ſeyn/ und dich zu GOtt erheben/

So muſtu nicht ſehr weit von ſeiner Krippe leben.

E 331. Dein
[199[100]]Joh: Angeli drittes Buch
31. Dein Hertz wanns leer/ iſt beſſer.
Ach elend! Unſer GOtt muß in dem Stalle ſeyn!

Raͤum auß mein Kind dein Hertz/ und giebs Jhm ey-

lends ein.

32. Der Himmel wird zur Erden.
Der Himmel ſenket ſich/ er kombt und wird zur Erden:

Wann ſteigt die Erd’ empor/ und wird zum Himmel

werden?

33. Wann GOtt empfangen wird.
Als dann empfaͤhſtu GOtt/ wan̄ ſeines Geiſtes guͤtte/

Beſchattet ſeine Magd die Jungfrau dein Gemuͤtte.

34. Auf das Creutz unſers Erloͤſers.
Gewiß iſt dieſer Baum vom Lebens Baum gehaͤgt/

Weil er ſolch’ edle Frucht das Leben ſelber traͤgt.

35. Das allerſuͤſſeſte.
Suͤß iſt der Hoͤnigſeym/ ſuͤß iſt der Rebenmoſt/

Suͤß iſt das Himmelbrod der Jſrelitten koſt:

Suͤß iſt was Seraphin von anbegin empfunden/

Noch ſuͤſſer iſt HErr Chriſt das ſuͤſſe deiner Wunden.

26. Die übertreffliche Liebe.
Gantz unbegreiflich iſt die Lieb’ auß der ſich GOtt

Jn eines Maͤgdlein Schoß zum Braͤutgam mir ent-

both.

Doch gleichet dieſem nichts daß er auch Leib und Leben/

Am Creutze wie ein Schelm fuͤr mich hat hin gegeben.

37. Der verliebte GOtt.
GOtt liebet mich allein/ nach mir iſt Jhm ſo bange/

Daß Er auch ſtirbt fuͤr Angſt/ weil ich Jhm nicht anhange

38. Die
[100[101]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
38. Die heylſame Wundee.
Die Wunde die mein GOtt fuͤr mich ins Hertz em-

pfaͤngt/

Verurſacht/ daß Er mir ſein Blut und Waſſer ſchenkt:

Trink ich mich deſſen Voll/ ſo haben meine Wunden/

Jhr wahres Balſamoͤl/ und beſten Heiltrank funden.

39. Der beſte Stand unter dem Creutze.
Das Blutt das unſerm HERRN auß ſeiner Wunden

fleuſt/

Jſt ſeiner liebe Thau damit Er untz begeuſt:

Wiltu befeuchtet ſeyn/ und Unverwelklich bluͤhen/

So muſtu nicht einmal von ſeinem Creutze fliehen.

40. Ans Creutze Chriſti.
Schau deine Suͤnden ſinds die Chriſtum unſern Gott/

So unbarmhertziglich verdammen biß inn Tod.

Jedoch verzweiffle nicht; biſtu nur Magdalen/

So kanſtu ſeeliglich bey ſeinem Creutze ſtehn.

41. An den Creutzfliehenden.
Ach Kind iſts dir denn auch zur Zeit noch nicht bewuſt/

Daß man nicht jmmer liegt an unſers HErren Bruſt?

Wen Er am liebſten hat/ der muß in Creutz und Pein/

Jn Marter/ Angſt und Tod der Naͤchſte bey jhm ſeyn.

42. An den Suͤnder.
Wach auf du todter Chriſt/ Schau unſer Pelican/

Sprengt dich mit ſeinem Blutt und Hertzenwaſſer an.

Empfaͤngſtu dieſes recht mit aufgethanem Mund/

So biſtu Augenbliks Lebendig und Geſund.

E 443 Das
[101[102]]Joh: Angeli drittes Buch
43. Das Oſter Lamb.
Der Juden Oſter Lamb war Fleiſch und Blutt vonn

Thieren:

Und dennoch konte ſie der Wuͤrger nicht beruͤhren:

Eſſ’ ich mein Oſter Lamb/ und zeichne mich mit Blut/

Das ſein verwundter Leib fuͤr mich vergiſſen thut:

So eſſ’ ich meinen HErrn/ GOtt/ Bruder/ Braͤutgam/

Buͤrgen:

Wer iſt dann nu der mich kan ſchlagen und erwuͤrgen?

44. Auf das Grab JEſu.
Hier [li]gt der welcher iſt/ und war/ eh Er geworden:

Ein Held/ der ſeinen Feind mit Leyden kan ermorden.

Wiltu ihm werden gleich/ und Uberwinder ſeyn/

So leyd/ meid/ fleuch und ſtirb/ inn Woluſt und in Pein.

Weiſtu nicht wer Er iſt? ſo merke dieſe Drey/

Daß er ein Menſch und GOtt/ und dein Erloͤſer ſey.

45. Grabſchrifft der H.Mechtildis.
Hier ligt die Jungfrau Gotts/ die bluͤhende Mechtild,

Mit der er offt ſein Hertz gekuͤhlt hat und geſtillt.

46. Eine andere.
Hier liget GOttes Braut Mechtild das liebe Kind/

Jn welches Vater/ Sohn/ und Geiſt verlibet ſind.

47. Auf den GrabſteinS. Franciſci.
Hier ligt ein Seraphin/ mich wundert wie der Stein/

Bey ſolchem Flammen-Feur noch gantz kan blieben ſeyn!

48. Der einige Tag.
Drey Tage weiß ich nur; als geſtern/ heut/ und morgen:

Wenn aber geſtern wird ins heut und Nun verborgen/

Und morgen außgeloͤſcht: ſo leb ich jenen Tag/

Den ich/ noch eh ich ward/ in GOtt zu leben pflag.

49. Grab-
[102[103]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
49. Grabſchrifft deß Gerechten.
Hier iſt ein Mann gelegt der ſtaͤts im Durſte lebte/

Und nach Gerechtigkeit bey Tag und Nachte ſtrebte/

Und nie geſaͤttigt ward. Nun iſt ihm Allbereit/

Sein Durſt geſtillt mit GOtt der ſuͤſſen Ewigkeit.

50 Das Groſſe im Kleinen.
Mein Gott wie mag das ſeyn? mein Geiſt die nichtigkeit/

Sehnt zuverſchlingen dich den Raum der Ewigkeit!

51. Braut und Braͤutigam.
Ein Braͤutgam ſeyn iſt viel: noch mehr der Braut geniſſẽ/

Und jhren ſuͤſſen Mund mit Hertzer-Liebe kuͤſſen:

Jch aber liebe mehr die Hochzeit/ da ich Braut

GOtt meinem Braͤutigam werd’ innig eingetraut.

52. Grabſchrifft der H. Jungfrauen
Gertrudis.

Glaub hier in dieſem Grab ligt nur ein bloſſer ſchein/

Es kan Gertrudis nicht wie man vermeinet ſeyn.

Wo ſie nicht ſolt’ ihr Grab im Hertzen JEſu haben/

So muſte JEſus ſeyn auß jhrem außgegraben.

53. Was GOtt am liebſten iſt.
Nichts iſt das GOtt ſo ſehr als eine Jungfrau liebt/

Daß er auch jhr ſich ſelbſt zur Frucht und Kind ergiebt:

Wilſtu ſeyn liebſtes ſeyn noch hier auf dieſer Erden/

So darffſtu anders nichts als ſeine Jungfrau werden.

54. Auf das Bildunß deß kleinen Jo-
hannis mit dem JEſus Kindlein.

Die groſſe Lieblichkeit/ mit welcher GOttes Kind/

Johannes/ und das Lamb allhier gemahlet ſind/

Macht daß ich juniglich begehre gantz zuſeyn/

Johannes/ oder ja ein lautres Laͤmmelein.

E 555. An
[103[104]]Joh: Angeli drittes Buch.
55. An den Suͤnder.
O Suͤnder wann du wol bedaͤchſt das kurtze Nun/

Und dann die Ewigkeit/ du wuͤrdſt nichts boͤſes thun.

56. Vom dem GOttsbegierigen.
Dem GOttsbegierigen wird dieſer Punct der Zeit

Viel laͤnger als das ſeyn der gantzen Ewigkeit.

57. Des Chriſten Kriegens. Art.
Gewoͤhne dich mein Kind auf Chriſti Art zu kriegen/

So wirſtu deinen Feind gar Ritterlich beſiegen:

Wie da? mit Liebe ſtreit/ mit Sanfftmut und Geduld

Weich ſeinen ſtreichen auß/ und ſey jhm gerne Huld.

58. Es muß geſtritten ſeyn.
Freund wer den Himmel nicht erobert und beſtuͤrmt/

Der iſt nicht wehrt daß jhn ſein Oberſter beſchirmt.

59. Die Liebe zwinget GOtt.
Das Himmelreich wird leicht erobert/ und ſein Leben:

Belagre GOtt mit Lieb: Er muß dirs uͤbergeben.

60. Majeſtaͤt mit Liebe.
Waͤrs wahr daß Majeſtaͤt nicht koͤnte ſtehn mit Liebe:

So ſage mir wie GOtt ein Ewger Koͤnig bliebe?

61. Die Demut macht beſtehn.
Menſch uͤberheb dich nicht/ die Demut iſt dir noth:

Ein Thurn ohn rechten Grund faͤllt von ſich ſelbſt inn

Koth.

62. VonS. Laurentius.
Verwundere dich nicht daß mitten auff der Glutt

St. Laurentz ſeinen Mund ſo unverzagt auffthut:

Die Flamme die jhm hat in jhm ſein Hertz entzuͤndt/

Macht daß er aͤuſerlich das Kohl-Feur nicht empfindt.

63. An
[104[105]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
63. An die H.Clara.
Wer dich genennet hat/ hat dir den Nahmen geben/

Den du mit Wahrheit haſt/ hier und in jenem Leben.

64. AnS. Auguſtin.
Die weil dein Hertz nach GOtt ſo lodert Auguſtin,

Nennt man dich billicher hinfuͤhro Seraphin.

65. Von Maria Magdalena.
Die Thraͤnen welche du bey unſers HErren Fuͤſſen

Die naſſe Magdalen ſo heuffig ſihſt vergiſſen/

Seind jhr zerſchmoltznes Hertz: diß kraͤnket ſie allein/

Daß nicht jhr Seel und Leib gantz ſollen Thraͤnen ſeyn.

66. Von der Allerſeeligſten Jungfrauen.
Der Jungfraͤuliche Leib/ der unſer Himmelbrodt/

Jn ſich beſchloſſen hilt/ iſt warlich nicht mehr Todt.

Es fault kein Cederbaum: ſo waͤr’ es auch nicht fein/

Wann auſſerm Tempel GOtts ſein’ Arche ſolte ſeyn.

67. An Sanct Bernhard.
Bernhard weil mit dem Mund dein Hertz ſtim̄t uͤberein/

So kan es anders nichts als lauter JEſus ſeyn.

68. Die Seeligkeit.
Was iſt die Seeligkeit? Ein zufluß aller Freuden;

Ein ſtaͤtes anſchaun Gotts; Ein lieben ohn Verdruß;

Ein Leben ohne Tod; Ein ſuͤſſer JEſus-Kuß:

Nicht einen Augenblik vom Braͤutigam ſeyn geſcheiden.

69. Deß heiligen Reichthumb.
Sey arm/ der Heylige hat nichts in dieſer Zeit/

Als was er ungern hat/ den Leib der Sterblichkeit.

E 670. GOtt
[105[106]]Joh: Angeli drittes Buch
70. GOtt der freygebigſte.
GOtt gibt ſich ohne maß: Je mehr man jhn begehrt/

Je mehr und mehr Er ſich erbittet und gewehrt.

71. Jrꝛdiſcher Seraphin.
Du biſt ein Seraphin noch hir auf dieſer Erden:

Wo du dein Hertze laͤſt zu lauter Liebe werden.

72. Ewiges Leben in der Zeit.
Wer GOtt in allem Thun von Hertzen Loben kan/

Der hebt ſchon in der Zeit das Ewge leben an.

73. VonS. Bartholomé.
Sag ob auch jemand iſt/ der mehr verlaſſen kan/

Als S. Bartholomé zur Leydenszeit gethan?

Die andern lieſſen zwar dem Herꝛn zu Ehrn jhr Leben:

Er aber hat auch noch die Haut darzu gegeben.

74. Der Frommen und Boͤſen Eigenthum.
Die Fromen haben gar nichts Eignes in der Welt/

Und die Gottloſen nichts im Ewgen Himmels Zelt.

75. Das koͤſtlichſte Grab.
Kein Grab iſt koͤſtlicher biß heute zu geweſen/

Als was von Lazari deß armen wird geleſen:

Und doch verlang’ ichs nicht: ich wuͤnſche mir allein

Jn meines Heylands Schoß tief einverſenkt zu ſeyn.

76. Die Seel iſt GOttes bild.
Das Bildnuͤß GOttes iſt der Seelen eingepraͤgt/

Wol dem der ſolche Muͤntz’ in reiner Leinwand traͤgt.

77. Der
[106[107]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
77. Der Roſenobel.
Wie Thoͤricht iſt der Menſch/ der Gold fuͤr GOtt erkieſt:

Und weiß daß ſeine Seel ein Roſenobel iſt.

78. Die GeiſtlicheSulamith.
GOtt iſt mein Salomon, ich ſeine Sulamith,

Wenn ich jhn hertzlich Lieb’/ und Er ſich mir entbiet.

79. Die geiſtliche Hochzeit.
Die Braut iſt meine Seel; der Braͤutgam GOttes-

Sohn;

Der Prieſter Gottes Geiſt/ und ſeiner Gottheit Thron

Jſt der Vermaͤhlungs Ort: der Wein der mich macht

trunken/

Jſt meines Braͤutgams Blutt/ die Speiſen allzumal

Sind ſein Vergoͤttet Fleiſch/ die Kam̄er und der Saal/

Und s’ Bett’/ iſt s’ Vatters Schoß/ in der wir ſeind

verſunken.

80. GOtt kan nicht alls Allein.
GOtt der die Welt gemacht und wider kan zunichten:

Kan nicht ohn meinen willn die Neugeburth außrichten.

81. Der beſte Wucherer.
Dem Wuchrer fall ich bey der jhm ſovil erlauffen/

Daß er jhm kan ein Gutt im Himmelreich erkauffen.

82. Ein jeders von dem ſeinen.
Der Schiffmann redt vom Meer/ der Jaͤger von den

Hunden/

Der Geitzige von Gold/ und ein Soldat von Wunden:

Mir weil ich bin Verliebt/ wil anders nichts gebuͤhrn/

Als GOtt und ſeine Lieb im Munde ſtaͤtts zufuͤhrn.

83. Der
[107[108]]Joh: Angeli drittes Buch
83. Der groͤſte Titel.
Wer meiner Seele wil den groͤſten Titel geben/

Der nenn ſie GOttes Braut/ ſein Hertze/ Schatz und

Leben.

84. Von den Roſen.
Die Roſen ſeh ich gern: denn ſie ſind weiß und roth/

Und voller Dornen/ wie mein Blutt-Braͤutgam mein

GOtt.

85. Du ſolt ſeyn Weiß und Roth.
Von Hertzen wuͤnſch ich mir ein Hertze/ HErꝛ mein GOtt/

Jn deiner Unſchuld weiß/ von deinem Blutte roth.

86. Auch untern Dornen bluͤhen.
Chriſt/ ſo du Unverwelkt in Leyden Creutz und Pein/

Wie eine Roſe bluͤhſt/ wie ſeelig wirſtu ſeyn!

87. Dich auffthun wie die Roſe.
Dein Hertz empfaͤhet GOtt mit alle ſeinem Gutt/

Wann es ſich gegen jhm wie eine Roſ’ aufthut.

88. Es muß Gecreutzigt ſeyn.
Freund wer in jener Welt wil lauter Roſen brechen/

Den muͤſſen vor allhier die Dornen gnugſam ſtechen.

89. Die Schoͤnheit.
Die Schoͤnheit lieb’ ich ſehr: doch nenn ich ſie kaum ſchoͤn/

Jm fall’ ich ſie nicht ſtaͤtts ſeh’ untern Dornen ſiehn.

90. Jetzt muſtu bluͤhen.
Bluͤh auf gefrorner Chriſt/ der Maͤy iſt fuͤr der Thuͤr:

Du bleibeſt ewig Todt/ bluͤhſtu nicht jetzt und hier.

91. Die
[108[109]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr
91. Die geheimbe Roſe.
Die Roſ’ iſt meine Seel/ der Dorn deß Fleiſchesluſt/

Der Fruͤhling Gottes gunſt/ ſein Zorn iſt Kaͤlt und Froſt:

Jhr bluͤhn iſt guttes thun/ den Dorn jhr Fleiſch nicht ach-

ten/

Mit Tugenden ſich ziehrn/ und nach dem Him̄el trachten:

Nim̄t ſie die Zeit wol wahr/ und bluͤht weils Fruͤhling iſt/

So wird ſie ewiglich fuͤr GOttes Roſ’ erkieſt.

92. Das edleſte und ſchnoͤdeſte.
Nichts Edlers iſt nach GOtt als meine Seel allein:

Wendt ſie ſich von jhm ab/ ſo kan nichts ſchnoͤders ſeyn.

93. Das groͤſte Heiligthum.
Kein groͤſſer Heiligthum kan man auf Erden finden/

Als einen keuſchen Leib mit einer Seel ohn Suͤnden.

94. Das wehrteſte.
Kein ding iſt auf der Welt ſo hoch und wehrt zuachten/

Als Menſchen die mit fleiß nach keiner Hochheit trachtẽ.

95. Das Schaͤdlichſte.
Die Suͤnde weil ſie GOtt erzoͤrnt/ und dich verletzt/

Wird billich ſchaͤdlicher als Satan ſelbſt geſchaͤtzt.

96. An den Suͤnder.
Der reichſte Teuffel hat nicht einen Kieſelſtein:

Du biſt des aͤrmbſten Sclav: kã auch was aͤrmers ſeyn?

97. Die gluͤkſeelige Suͤnden.
Gluͤkſeelig preiß ich dich und alle deine Suͤnden/

Wo ſie nur endlich das/ was Magdalene finden.

98. Sich
[109[110]]Joh. Angeli drittes Buch
98. Sich nicht verſtellen iſt nicht ſuͤn-
digen.

Was iſt nicht ſuͤndigen? du darffſt nicht lange fragen:

Geh hin/ es werdens dir die ſtummen Blumen ſagen.

99. Ein reines Hertz ſchaut GOtt.
Der Adler ſiht getroſt grad in die Sonn hinein:

Und du inn Ewgen blitz/ im fall dein Hertz iſt rein.

100. Die Sanfftmut beſitzt das Erd-
reich.

Du ſtrebſt ſo embſiglich nach einem Fleklein Erden:

Durch Sanfftmut koͤnteſtu der gantzen Erbherr werden

101. Das lebendige Todtengrab.
Menſch iſt dein Antlitz ſchoͤn/ und deine Seele bleich/

So biſtu lebendig den Todtengraͤbern gleich.

102 Der Weg zum Schoͤpffer.
Du armer ſterblicher/ ach bleib doch nicht ſo kleben/

Ann Farben dieſer Welt/ und jhrem ſchnoͤden Leben:

Die Schoͤnheit deß geſchoͤpffs iſt nur ein bloſſer ſteg/

Der unß zum Schoͤpffer ſelbſt/ dem ſchoͤnſten zeigt den

Weg.

103. Gerechtigkeit macht Seelig.
Wer ſeelig werden wil/ der muß mit weiſſer Seiden/

So zierlich als er kan/ ſein Leib und Seel bekleiden.

104. Grabſchrifft einer heiligen Seelen.
Hier ligt die groſſe Braut/ der Menſchheit Chriſti Lohn/

Der GOttheit Ehr und Ruhm/ deß heilgen Geiſtes Thron.

105. Wie
[110[111]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
105. Wie man GOttes Huld erlangt.
Jm munde Hoͤnigſeim/ im Hertzen trage Gold/

Jnn Augen lautres Licht/ ſo wird dir Chriſtus hold.

106. An den Suͤnder.
Ach Suͤnder traue nicht/ weil du die Magdalen

Befridigt und getroſt von unſrem HErꝛn ſihſt gehn:

Du biſt jhr noch nicht gleich. wiltu deß Troſts genieſſen/

So lege dich zuvor wie ſie zu ſeinen Fuͤſſen.

107. Ein unbeflekter Menſch iſt über
die Engel.

Ein Engel ſeyn iſt viel; Noch mehr ein Menſch auf

Erden/

Und nicht mit jhrem wuſt und Koth beſudelt werden.

108. Der Volkomne iſt nie froͤlich.
Menſch/ ein Volkomner Chriſt hat niemals rechte freud

Auf diſer Welt: warumb? Erſtirbet allezeit.

109. Der Leib iſt Ehren werth.
Halt deinen Leib in Ehrn/ er iſt ein edler Schrein/

Jn dem das Bildnuͤß GOtts ſol aufbehalten ſeyn.

110. Der Seelige Suͤnder.
Kein Suͤnder iſt ſo wol und ſeelig je geſtorben/

Als der deß HErꝛen gunſt wie Magdalen erworben.

111. Das Menſchliche Hertze.
GOtt/ Teuffel/ Welt/ und alls wil in mein Hertz hinein:

Es muß ja wunder ſchoͤn und groſſes Adels ſeyn!

112. Das Hertz iſt unermaͤßlich.
Ein Hertze welches ſich vergnuͤgt mit ort und Zeit/

Erkennet warlich nicht ſeyn’ unermaͤßlichkeit.

113. Der
[111[112]]Joh: Angeli drittes Buch
113. Der Tempel GOttes.
Jch bin der Tempel GOtts/ und meines Hertzensſchrein

Jſts allerheiligſte/ wann er iſt leer und rein.

114. Die Uberformung.
Dann wird das Thier ein Menſch/ der Menſch ein Eng-

liſch weſen/

Und dieſes GOtt/ wann wir Vollkoͤm̄lich ſeynd geneſen.

115. Du muſt zuvor das ſeyn.
Menſch ſol GOtt und ſein Lamm dein Ewger Tempel

ſeyn/

So muſtu jhm zuvor dein Hertz zu einem weihn.

116. Der geiſtliche Opfferzeug.
Mein Hertz iſt ein Altar/ mein will’ iſts Opffer-Gutt/

Der Priſter meine Seel/ die Liebe Feur und Glutt.

117. Der Ekſtein iſt das beſte.
Den Goldſtein ſuchet man/ und laͤſt den Ekkeſtein/

Durch den man ewig reich/ geſund/ und klug kan ſeyn!

118. Der weiſen Stein iſt in dir.
Menſch geh nur in dich ſelbſt. Denn nach dem Stein

der weiſen/

Darf man nicht allererſt inn frembde Lande reiſen.

119. Der Ekſtein macht was ewig wehrt.
Der Goldſtein machet Gold das mit der Welt vergeht:

Der Ekſtein einen Bau der ewiglich beſteht.

120. Die boͤſte Tingirung.
Den halt ich im Tingirn fuͤr Meiſter und bewehrt/

Der GOtt zu Lieb ſein Hertz ins feiuſte Gold verkehrt.

121. Wir
[112[113]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
121. Wir habens beſſer als die Engel.
Den Engeln geht es wol; noch beſſer uns auff Erden:

Denn keiner jhrs Geſchlechts kan GOtts Gemahlin

werden.

122. Das groͤſte Wunderwerk.
Kein groͤſſer Wunderwerk hat man noch nie gefunden;

Als daß ſich GOtt mit Koth (dem Menſchen) hat ver-

bunden.

123. GOtt geht doch etwas ab.
Man ſagt/ GOtt mangelt nichts/ Er darff nicht unſrer

gaben:

Jſts wahr/ was wil Er dann mein armes Hertze haben?

124. Die geiſtliche Drachenſtürtzung.
Wann du auß dir Verjagſt die Suͤnd und jhr getuͤmmel/

So wirfft St. Michael den Drachen auß dem Himmel.

125. Die Hoffart und Demut.
Die Hoffart wird gehaſt/ die Demut wird geliebt:

Und doch iſt kaum ein Menſch der ſie fuͤr jener uͤbt.

126. Der Weg zur Heiligkeit.
Der allernaͤchſte Weg zur wahren Heiligkeit/

Jſt Demut auf dem Pfad der keuſchen Reinigkeit.

127. Der Ewge Sabbath in der Zeit.
Ein Menſch der ſich in ſich in GOtt verſamblen kan/

Der hebt ſchon in der Zeit den Ewgen Sabbath an.

128. Sich ſelbſt regiern iſt Koͤniglich.
Ein Menſch der ſeine Kraͤfft’ und Sinne kan regiern;

Der mag mit guttem recht den Koͤnigs Titel fuͤhrn.

129. Der
[113[114]]Joh: Angeli drittes Buch
129. Der grade Weg zum Leben.
Wann du wilt grades Wegs ins Ewge Leben gehn/

So laß die Welt und dich zur linken Seiten ſtehn/

130. Der Mundtrank GOttes.
Der Trank den GOtt der HErꝛ am allerliebſten trinkt/

Jſt Waſſer das fuͤr lieb auß meinen Augen dringt.

131. Das geheime Koͤnigreich.
Jch bin ein Koͤnigreich/ mein Hertz das iſt der Thron/

Die Seel iſt Koͤnigin/ der Koͤnig GOttes Sohn.

132. Das Hertze.
Mein Hertze weil es ſtaͤts in GOtt gezogen ſteht/

Und jhn herwieder zeucht/ iſt Eiſen und Magnet.

133. Von der H.Teresa.
Tereſa wil ſonſt nichts als Leyden oder ſterben:

Warumb? die Braut muß jhr den Braͤutgam ſo er-

werben.

134. Der liebſte Menſch bey GOtt.
Der allerliebſte Menſch den GOtt hat in der Zeit/

Jſt der viel Creutz und Pein umb ſeinet willen leidt.

135. Ein Hertz umbſchliſſet GOtt.
Gar unaußmaͤßlich iſt der Hoͤchſte wie wir wiſſen:

Und dannoch kan jhn gantz ein Menſchlich Hertz umb-

ſchliſſen!

136. Mittel zur Heiligkeit.
Dein Geiſt ſey aufgeſpannt/ dein Hertze leer und rein/

Demuͤttig deine Seel: ſo wirſtu heilig ſeyn.

137. Die
[114[115]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
137. Die Lieb iſt alle Tugenden.
Die Lieb iſt nie allein/ wer ſich mit jhr beweibt/

Dem wird das gantze Chor der Jungfern einverleibt.

138. Die Lieb iſt Todt.
Ach ach die Lieb iſt todt! wie iſt ſie dann geſtorben?

Fuͤr Froſt/ weil niemand ſie geacht/ iſt ſie verdorben.

139, Was man ſucht das findt man.
Der Reiche ſuchet Gold/ der arme ſuchet GOtt:

Gold find der arme Menſch warhafftig/ jener Koth.

140. Das Koͤnigliche Leben.
Gib deinen willen GOtt: dann wer jhn aufgegeben/

Derſelbe fuͤhrt allein ein Koͤnigliches Leben.

141. Wir ſollens GOtt wider ſeyn.
GOtt der bequaͤmt ſich unß/ Er iſt unß was wir wollen:

Weh unß/ wann wir jhm auch nicht werden was wir

ſollen.

142. Jn Sanfftmuth wohnet GOtt.
Verſaͤnfftige dein Hertz: GOtt iſt in ſtarken Winden/

Jn Erdbewegungen/ und Fewer/ nicht zufinden.

143. Die Lampe muß recht brennen.
Ach Jungfrau ſchmuͤcke dich/ laß deine Lampe brennen:

Sonſt wird der Braͤutigam dich nicht fuͤr Braut er-

kennen.

144. Die Morgenroͤth’ und Seele.
Die Morgenroͤth’ iſt ſchoͤn/ Noch ſchoͤner eine Seele/

Die GOttesſtral durchleucht in jhres Leibes Hoͤle.

145. GOtt
[115[116]]Joh: Angeli drittes Buch
145. GOtts ſuͤſſeſter Geruch.
Der ſuͤſſeſte Geruch der GOtt ſo ſehr beliebt/

Steigt auf vom Lob das jhm ein reines Hertze giebt.

146. Die Macht der Seelen.
Die Seel iſt groß von Macht/ GOtt ſelbſt muß ihr

geſtehn/

Und kan jhr nimmer mehr ohn jhren Willn entgehn.

147. GOtt wil alleine ſeyn.
Verſchleuß GOtt in dein Hertz/ laß keinen andern drein/

So muß er ſtaͤts bey dir und dein gefangner ſeyn.

148. GOtt iſt mein Punct und Kreiß.
GOtt iſt mein mittelpunct wen̄ ich Jhn in mich ſchliſſe:

Mein Umbkreiß dann/ wenn ich auß Lieb’ in jhn zerfliſſe.

149. Das Hochzeit Kleyd iſt noth.
Der Him̄el thut ſich auf/ der Braͤutgam komt gegangen!

O Braut wie wiltu jhn ohns Hochzeit Kleyd embfangen!

150. Die Laſt unds Joch deß HErꝛen.
Suͤß iſt deß HErren joch/ und ſanffte ſeine Laſt.

Wol dir/ wann du ſie ſtaͤts auf deinen Achſeln haſt.

151. Der Heilige trauret nie.
Der Heilige kan nie im Geiſt betruͤbet ſeyn:

Warumb? er lobt GOtt ſtaͤts auch in der groͤſten Peyn.

152. Der Him̃liſche auf Erden.
Wer reines Hertzens iſt/ und Zuͤchtig in Geberden/

Und hochverliebt in GOtt/ iſt Him̄liſch auf der Erden.

153. Die
[116[117]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
153. Die Knechte Freunde und Kinder.
Die Knechte fuͤrchten GOtt: die Freunde lieben jhn:

Die Kinder geben jhm jhr Hertz und allen Sin.

154. VomS. Ignatius.
Wie daß Ignatius von Thieren wird zerbiſſen?

Er iſt ein Weitzenkorn GOtt wils gemahlen wiſſen.

155. Weg weiſer zur Freuden.
Ein Hertze voller GOtt mit einem Leib voll Leyden/

Thut unß am beſten kundt den Weg zur ewgen freuden.

156. Die Lieb iſt uͤber wiſſen.
Mit GOtt vereinigt ſeyn/ und ſeinen Kuß geniſſen/

Jſt beſſer als viel Ding ohn ſeine Liebe wiſſen.

157. S. AgnetenGrabſchrifft.
S. Agnes lieget hier/ die Jungfrau und die Braut/

Die keinem andern Mann als Chriſto ſich vertraut.

Doch/ nein ſie ligt nicht hier: wer ſie wil ſehen ſtehn/

Der muß ſo nah man kan zum Laͤm̄lein GOttes gehn.

158. Die Jungfrauſchafft muß fruchten.
GOtt liebt die Jungfrauſchafft umb jhrer ſuͤſſen Fruͤchte:

Alleine laͤſt Er ſie nicht fuͤr ſein Angeſichte.

159. Die lieblichſte Muſic.
Die lieblichſte Muſic/ die GOtt den Grim benimbt/

Entſteht wenn Hertz und Mund in jhm zuſam̄en ſtimmt.

160. Die Lieb iſt ewig.
Die Hoffnung hoͤret auf: der Glaube kombt zum ſchauen/

Die Sprachen redt man nicht/ und alles was wir bauen/

Vergehet mit der Zeit: die Liebe bleibt allein:

So laſt unß doch ſchon jetz auf ſie beflieſſen ſeyn.

161. Was
[117[118]]Joh: Angeli drittes Buch
161. Was GOtt nicht kennet.
GOtt der ſonſt alles ſiht/ und alles bringt ans Licht/

Kennt einen loſen Mann und leere Jugfrau nicht.

162. Der Jrꝛwiſch.
Wer ohne Liebe laufft/ komt nicht ins Himmelreich:

Er ſpringt bald hin bald her/ iſt einem Jrꝛwiſch gleich.

163. Die geheime Widergeburt
Auß Gott wird man gebohrn/ in Chriſto ſtirbet man:

Und in dem heiligen Geiſt faͤht man zu Leben an.

164. Die Lieb’ iſts Glaubens Seele.
Der Glaub allein iſt Todt/ Er kan nicht eher Leben/

Biß daß jhm ſeine Seel die Liebe wird gegeben.

165. Des GOttverliebten Wunſch.
Drey wuͤnſch’ ich mir zu ſeyn: erleucht wie Cherubim/

Geruhig wie ein Thron/ entbrandt wie Seraphim.

166. Das Creutze.
Vor Zeiten war das Creutz die groͤſte Schmach un̄ Hohn!

Nu traͤgts der Keiſer ſelbſt auf ſeinem Haupt und Kron:

167. Der Geitz iſt manchmal gut.
Der Geitzhalß ſcharꝛt und kratzt umb zeitlichen Gewin:

Ach daß wir unß nicht ſo umb ewigen bemuͤhn!

168. Die GOttheit.
Die GOttheit iſt ein Brunn/ auß jhr kombt alles her:

Und laufft auch wider hin/ drumb iſt ſie auch ein Meer:

169. Die
[121[119]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
169. Die Buſſe.
Die Buß iſt’ wie ein Strom/ ſie daͤmpfft mit jhren Wellen

Den groͤſten GOttes Zorn/ und loͤſcht das Feur der

Hoͤllen.

170. Vom Ewigen bewegen.
Du ſuchſt mit ſolchem fleiß das ewige bewegen/

Und ich die Ewge ruh: woran iſt mehr gelegen?

171. Ein Narꝛ ſucht vielerley.
Der weiſe ſucht nur eins/ und zwar das hoͤchſte Gut:

Ein Narꝛ nach vielerley/ und kleinem ſtreben thut.

172. Das edleſte das gemeinſte.
Je edeler ein ding/ je mehr iſt es gemein:

Das ſpuͤret man an GOttund ſeiner Sonnenſchein.

172. Das Merkmahl iſt die Liebe.
Menſch wann du wilt im Volk die Freunde GOtts er-

fragen/

So ſchau nur welche Lieb’ in Hertz und Haͤnden tragen.

174. Nur GOtt ſey dein warumb.
Nicht du/ noch Freund/ noch Feind/ nur GOttes Ehr al-

lein/

Sol eintzig dein warumb/ und end-urſache ſeyn.

175. Was GOtt von Ewigkeit gethan.
Was that GOtt vor der Zeit in ſeinem Ewgen thron?

Er liebete ſich ſelbſt/ und zeugte ſeinen Sohn.

176. Eins muß verlaſſen ſeyn.
Menſch anderſt kans nicht ſeyn: du muſt’ sGefchoͤpffe

laſſen/

Wo duden Schoͤpffer ſelbſt gedaͤnkeſt zu umbfaſſen.

F177. Die
[122[120]]Joh: Angeli drittes Buch
177. Die lange Marter.
Es iſt den Maͤrtyrern gar herꝛlich wol gelungen/

Daß ſie durch kurtzen Tod zu GOtt ſind eingedrungen:

Wir werden fort und fort die gantze lebenszeit

Gemartert: Und von wem? von der begierlichkeit.

178. Wer reich im HErrn/ den Lieb
ich gern.

Den armen bin ich huld: doch lieb ich mehr die reichen/

Die keinem Fuͤrſtenthumb im Himmel duͤrffen weichen.

179. Vom Lieben.
Die Liebe diſer Welt die endt ſich mit betruͤben:

Drumb ſol mein Hertz allein die Ewge Schoͤnheit lieben.

180. GOtt weiß jhm keinen Anfang.
Du fragſt/ wie lange GOtt geweſt ſey? umb bericht:

Ach ſchweig: es iſt ſo lang’/ Er weiß es ſelber nicht.

181. Auch von GOtt.
GOtt iſt noch nie geweſt/ und wird auch niemals ſeyn/

Und bleibt doch nach der Welt/ war auch vor jhr allein.

182. Es muß geſtritten ſeyn.
Streit hurtig dapffrer Mann/ biß du erlangſt die Kron:

Wer in dem Streit erligt/ hat ewig Spott und Hohn.

183. Beharꝛligkeit iſt Noth.
Das groͤſte das ein Menſch bedarff zur ſeeligkeit/

(Wo er im gutten ſteht) iſt die beharꝛligkeit.

184. Du muſt dich noch gedulden.
Erwart’ es meine Seel: das Kleyd der Herꝛlichkeit

Wird keinem angethan in diſer wuͤſten Zeit.

185. Der
[123[121]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
185. Der Weißheit anfang mittel und
Ende.

Die Furcht deß HErren iſt der Weißheit anbeginn/

Jhr End’ iſt ſeine Lieb/ jhr mittel kluger Sinn.

186. Haß und Liebe.
Das gutte Lieb’ ich hoch/ dem boͤſen bin ich feind:

Schau ob nicht Lieb und Haß wol bey einander ſeynd?

187. Man ſolls auffs hoͤchſte bringen.
Mein thun geht nur dahin/ daß ich noch moͤg auf Erden

Maria/ und ihr Kind der Sohn des hoͤchſten werden.

188. Das Wort wird noch gebohrn.
Fuͤrwahr das Ewge Wort wird heute noch gebohrn/

Wo da? da wo du dich in dir haſt ſelbſt verlohrn.

189. Johannes an der Bruſt.
Ach wer Johannes iſt/ der ligt nach aller Luſt

Jn ſeines Meiſters Schoß und ſuͤſſen JEſus Bruſt!

190. Vom Suͤnder und Geiſte GOttes.
Der Geiſt deß HErrn erfuͤllt den gantzen Erdenkreiß:

Wo iſt der Suͤnder dann/ der jhn nicht fuͤhlt noch weiß?

191. GOtt liebt man nie zuviel.
Wer GOtt recht lieben wil/ der thu’ s ohn maß un̄ Ziehl/

Er iſt ſo ſuͤß’ und gutt/ man liebt jhn nie zu viel.

192. Drey Worte ſind erſchroͤklich.
Drey Worte ſchroͤkken mich: das Jmmer/ Allezeit/

Und Ewig/ ſeyn Verlohrn/ Verdampt/ Vermaledeit.

F 2193. Die
[124[122]]Joh: Angeli drittes Buch
193. Die Liebe iſt die beſte.
Jch mag mich auf der Welt in keiner Kunſt ſo uͤben/

Als wie ich meinen GOtt aufs innigſte ſol lieben.

194. Die Weißheit iſt das beſte Weib.
Begehreſtu ein Weib/ die praͤchtig reich und fein:

So nimb die Weißheit nur ſie wird dir alles ſeyn.

195. Die Welt iſt von einer Jung-
frau gemacht.

*Von einer Jungfrau iſt die gantze Welt gemacht:

Durch eine Jungfrau wird ſie neu und wiederbracht.


196. Die Weißheit und die Liebe.
Die Weißheit ſchauet GOtt/ die Liebe kuͤſſet Jhn:

Ach daß ich nicht voll Lieb und voller Weißheit bin!

196. Die Weißheit iſt GOttes Rath.
Wer die Geheimnuͤſſe deß HErren gerne hat/

Der muß zur Weißheit gehn; ſie iſt geheimer Rath.

198. Auf Hoffnung ſaͤet man.
Man wirfft das Weitzenkorn auf Hoffnũg in die Erden:

So muß das Himmelreich auch außgeſtreuet werden.

199. Die wuͤrkung der H. Dreyfaltigkeit.
Die Allmacht haͤlt die Welt: die Weißheit die regiert;

Die Guͤtte ſegnet ſie: wird hier nicht GOtt geſpuͤrt?

200. Der Weiſe redet wenig.
Ein Weiſer/ wann er redt was nutzet und behagt/

Ob es gleich wenig iſt/ hat viel genug geſagt.

201. GOtt
[125[123]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
201. GOtt gibt gern groſſe Gaben.
GOtt/ weil Er groß iſt/ gibt am liebſten groſſe Gaben.

Ach daß wir arme nur ſo kleine Hertzen haben!

102. Man kan auch GOtt verwunden.
GOtt wird von nichts verletzt/ hat nie kein Leyd emp-

funden:

Und doch kan meine Seel Jhm gar das Hertz verwunden.

203. Der Menſch iſt groß fuͤr GOtt.
Wie groß ſind wir geſehn! die hohen Seraphim

Verdekken ſich fuͤr GOtt: wir duͤrffen bloß zu Jhm.

204. Man achtt das Ewge nicht.
Ach weh! umb eitle Luſt verſchertzt man Gutt und Biutt:

Und umb die Ewige faſt niemand rweben thut!

205. Der allerverliebſte der Allerheiligſte.
Wer iſt der heiligſte? der mehr verliebet iſt:

Die Liebe machts daß man fuͤr heilig wird erkieſt.

206. Vom Gewiſſen.
Ein gutt Gewiſſen ruht/ ein boͤſes beiſt und billt:

Jſt wie ein Kettenhund/ der ſchwerlich wird geſtillt.

207. Vom wiſſen.
Viel wiſſen iſt zwar ſein: doch gibts nicht ſolche Luſt/

Als jhm von Kindheit an nichts boͤſes ſeyn bewuſt.

208. Deß Weiſen Goldmachung.
Der Weiſe machet Gold/ veraͤndert Ertz und Stein/

Wann er die Tugeud pflantzt/ und unß macht Engliſch

ſeyn.

F 3209. GOtt
[126[124]]Joh: Angeli drittes Buch
209. GOtt iſt mein Himmelbrodt.
Jch habe nichts ſo gern in meinem Mund als Gott:

Er ſchmaͤkt mir wie ich wil; Er iſt mein Him̄elbrodt.

210. Du muſt geuͤbet werden.
Freund habe doch geduld: wer fuͤr dem HErrn ſol

ſtehn/

Der muß vor Viertzig Jahr in der Verſuchung gehn.

211. Die Gliedmaſſen der Seelen.
Die Seel ſteht mit verſtand/ geht mit begierden fort/

Mit Andacht redet ſie/ kombt mit Verharꝛn ann Port.

212. Das Vieh lebt nach den Sinnen.
Wer nach den Sinnen lebt/ den ſchaͤtz ich fuͤr ein Vieh:

Wer aber Goͤttlich wird/ dem beug ich meine Knie.

213. Die Weißheit iſt ein Qual.
Die Weißheit iſt ein Oual/ je mehr man auß jhr trinkt/

Je mehr und maͤchtiger ſie wieder treibt und ſpringt.

214. Die Heiligen meſſen GOtt.
Wer gruͤndt die tieffe GOtts? wer ſchaͤtzt wie hoch Er

flammt?

Wer miſt Jhn lang und breit? die Heilgen alleſambt.*


215. Der da war/ iſt und kommen
wird/ in Apocal.

Der Vater war zuvor/ der Sohn iſt noch zur Zeit/

Der heilge Geiſt wird ſeyn im Tag der Herꝛligkeit.

216. GOtt thut es alles ſelbſt.
GOtt iſt nur alles gar; Er ſtimmt die Seiten an/

Er ſingt und ſpilt in unß: wie haſt dann du’ s gethan?

217. GOtt
[127[125]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr
217. GOtt iſt uͤberall und nirgends.
Daͤnkt/ uͤberall iſt GOtt der groſſe Iehova.

Und jſt doch weder hier/ noch anderswo/ noch da.

218. Jm Himmel iſt kein Mann noch
Weib.

Jm Himmel iſt kein Mann noch Weib/ was dann zu-

ſchauen?

Jungfraͤulich’ Engel ſinds/ und Engliſche Jungfrauen.

219. Wer viel verlaͤſt/ empfaͤht viel.
Laß alles was du haſt/ auf daß du alles nimſt/

Verſchmaͤh die Welt/ daß du ſie Hundertfach bekoͤmſt:

220. Der Seelen hoͤchſter Stand.
Niemand hat ſeinen Stand ſo hoch und groß gemacht/

Als eine Seel die jhr Gemuͤth in Ruh gebracht.

221. Der Boͤſe kan nicht ruhen.
O wunder! Alles laufft daß es zur ruh gelange!

Und einem boͤſen Mann iſt bey derſelben bange!

222. Deß Him̄els und der Hoͤllngeſchrey.
Jm Himmel rufft man ſtaͤts O-Sanna in der hoͤh:

Und in der Hoͤllen nichts als Jam̄er Ach und Weh!

223. Dein Wille kan dir helffen.
Verzage nicht mein Kind/ haſtu nur gutten Willen/

So wird ſich endlich wol dein Ungewitter ſtillen.

224. Die Jungfrau muß auch Mutter
ſeyn.

Die Jungfrauſchafft iſt wehrt: doch muß ſie Mutter

werden:

Sonſt iſt ſie wie ein Plan von Unbefruchter Erden.

F 4225. Bedaͤnk
[128[126]]Joh. Angeli drittes Buch
225. Bedaͤnk das künfftige.
Bey GOtt iſt Ewge Luſt/ beym Teufel Ewge Peyn:

Ach Suͤnder daͤnke doch bey welchem du wirſt ſeyn.

226. Allein und nicht Allein.
Jch fliehe zwar das Volk/ bin aber nie Allein:

Denn weh! wie ſolte mir ohn meinen Heyland ſeyn?

227. Die dreyfache Zukunfft Chriſti.
Die Zukunfft unſres HErꝛn/ war/ iſt/ und wird geſchehn/

Jm Fleiſch/ im Geiſt/ und wann man jhn wird Herꝛ-

lich ſehn.

228. Die Augen der Seele.
Zwey Augen hat die Seel: eins ſchauet in die Zeit/

Das andre richtet ſich hin in die Ewigkeit.

229. Der Haß ſeiner ſelbſt.
Jch lieb und haſſe mich/ ich fuͤhre mit mir Kriege/

Jch brauche Liſt und Macht/ daß ich mich ſelbſt beſiege:

Jch ſchlag’ und toͤdte mich/ ich mach’ es wie ich kan

Daß ich nicht ich mehr bin: rath was ich fuͤr ein Mann?

230. Der Glaube/ Hoffnung/ Liebe
und Andacht.

Der Glaube greifft nach GOtt; die Hoffnung nimbt

jhn wahr;

Die Lieb’ umbhalſet Jhn: die Andacht jßt Jhn gar.

231. Das fein-Perlein.
Der HErr vergleicht ſein Reich mit einem fein-Perlein/

Daß es ſohl wol bewahrt/ und wehrt geſchaͤtzet ſeyn.

232. Miß
[139[127]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
232. Miß dir doch ja nichts zu.
Freund ſo du etwas biſt/ ſo bleib doch ja nicht ſtehn:

Man muß auß einem Licht fort in das andre gehn.

233. Drey Feinde deß Menſchen.
Drey Feinde hat der Menſch: ſich/ Belzebub und

Welt:

Auß dieſem wird der Erſt am langſamſten gefaͤllt.

234. Die Seel iſts theureſte.
Jch halte meine Seel fuͤrs theureſt’ auf der Erden:

Weil ſie mit Gottesblutt erkaufft hat muͤſſen werden.

235. Der Dreyfache Gottes Kuß.
Drey Staͤnde kuͤſſen GOTT: die Maͤgdefalln zun

Fuͤſſen/

Die Jungfern nahen ſich die milde Hand zukuͤſſen/

Die Braut ſo gantz und gar von ſeiner Lieb iſt Wund/

Die liegt an ſeiner Bruſt/ und kuͤſt den Hoͤnig Mund.

236. Deß Teuffels/ Engels/ Menſchens/
und Viehes Kennzeichen.

Die Teuffel laͤſtern GOtt/ das Vieh das acht ihn nicht/

Die Menſchen lieben ihn/ die Engel ſchaun ſein Licht/

Staͤts unverwendet an. Auß dieſem kanſtu kennen/

Wenn du ſolt Engel/ Menſch/ Vieh/ oder Teufel nen̄en.

237. Wer Chriſto gleich iſt.
Wer iſt dem HErren gleich? der ſeine Feinde liebt/

Fuͤr die Verfolger bitt/ und gutts umb boͤſes giebt.

F 5Die
[130[128]]Joh: Angeli drittes Buch
238. Die innerliche Geburt Gottes.
Ach freude! GOtt wird Menſch/ und iſt auch ſchon ge-

bohren!

Wo da? Jn mir: Er hat zur Mutter mich erkohren.

Wie gehet es dann zu? Maria iſt die Seel/

Das Krieppel ein mein Hertz/ der Leib der iſt die Hoͤl/

Die neu Gerechtigkeit ſind Windeln und ſind Binden:

Der Joſeph Gottes Furcht: Die Kraͤffte deß Gemuͤtts

Sind Engel die ſich freun: Die Klarheit iſt jhr Blitz:

Die keuſche Sinnen ſind die Hirten die jhn finden.

139. Deutung deß Nahmens JEſus.
Kein Nahm iſt unter alln ſo hoch gebenedeit.

Als JEſus: denn Er Jſt Ein Schatz voll See-

ligkeit.

240. Die Drey Geiſtliche Weiſen.
Drey Weiſen tragen GOtt in mir drey Gaben an:

Der Leib zerknirſchungs Myrꝛhn/ die Seele Gold der

Liebe/

Der Geiſt den Weyherauch der Andacht wie er kan:

Ach daß ich immerdar ſo dreymal Weiſe bliehe!

241. Die geheime Seelenflucht.
Herodes iſt der Feind; Der Joſeph der Verſtand/

Dem macht GOtt die Gefahr im Traum (im Geiſt)

bekandt.

Die Welt iſt Bethlehem Egypten Einſamkeit:

Fleuch meine Seele fleuch/ ſonſt ſtirbeſtu fuͤr Leyd.

242. Die Wunder Geburt.
Maria iſt Cryſtall/ jhr Sohn iſt Himmliſch Licht:

Drum̄ dringt er gantz durch ſie/ un̄ oͤffnet ſie doch nicht.

243. Die
[131[129]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
243. Die wunderliche umbwechßlung.
Schaut wunder: GOttes Sohn wird jung in lauter

Freuden/

Vnd muß mit lauter Angſt von hinnen wieder ſcheiden:

Wir kom̄en auff die Welt mit Thraͤnen/ und vergehn

Mit Lachen/ wo wir recht in ſeinem Geiſte ſtehn.

244. Sey niemals ſicher.
Ach Jungfrau ſieh dich fuͤr: denn wann du Mutter

worden/

So ſuchet ſtraks der Feind dein Kindlein zuermorden.

245. Die unerhoͤrte Verkehrung.
Es kehrt ſich alles umb: die Burg iſt in der Hoͤle/

Die Krippe wird ein Thron/ der Tag kombt in der

Nacht/

Die Jungfrau bringt ein Kind: Ach Menſch biß auch

bedacht/

Daß ſich verkehre wol/ dein Hertze Geiſt und Seele.

246. Von der Krippe.
Die Krippe halt’ ich nu fuͤr einen Kleinod-ſchrein/

Weil JEſus drinnen liegt/ der mein Carfunkelſtein.

247. Von der Jungfrawen Maria.
Das Weib umbgiebt den Mann/ der Jungfrau wird

vertraut

Der Held. Wie da? Sie iſt das Brauttbett und auch

Braut.

248. Die Perlen geburt.
Die Perle wird vom Thau in einer Muſchel Hoͤle

Gezeuget und gebohrn/ und diß iſt bald beweiſt

Wo du s nicht glauben wilt: Der Thau iſt GOttes-

Geiſt/

Die Perle JEſus Chriſt/ die Muſchel meine Seele.

F 6249. Der
[132[130]]Joh: Angeli vierdtes Buch
249. Der Jahrs Beſchluß.
Es wird das alte Jahr/ das ſich nu ſchleuſt/ gehalten

Als wanns vergangen waͤr’: und diß iſt wahꝛ mein Kriſt/

Wo du ein Neuer Menſch in GOtt geworden biſt:

Jſts nicht; ſo lebſtu noch wahrhafftig in dem alten.


Vierdtes Buch
Geiſtreicher Sinn- und
Schluß-Reime.


1. GOtt wird waß Er nie war.
Der ungewordne GOtt wird mitten in der Zeit/

Was Er nie iſt geweſt in aller Ewigkeit.

2. Der Schoͤpffer wird’ s Geſchoͤpffe.
Das Unerſchaffene Licht wird ein erſchaffnes Weſen:

Daß ſein Geſchoͤpffe nur durch ſelbes-kan geneſen.

3. An das JEſus Kind.
Jch habe dich mein Kind/ du zarter Nazarener/

Den Lilgen offt vergleicht; Nu aber geb ichs an/

Daß jch dir viel zu kurtz und Unrecht hab gethan:

So viel du edler biſt/ ſo viel biſtu auch ſchoͤner

4. Das geheime Nazareth und geiſt-
liche Verkuͤndigung.

Maria/ Nazareth/ und Gabriel der Both/

Jſt meine Seel/ mejn Hertz/ und neues Licht von Gott.

Jſt
[133[131]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr
Mein Hertze zwar wann es ein Blumenthal geworden/

Die Seele wann ſie ſteht im keuſchen Jungfern Orden/

Und wohnt in dieſem Thal: das neue Gnaden Licht/

Wann Gott ſein Ewges Wort in jhrem Geiſte ſpricht.

5. Von dem JEſus Kind an der
Mutter Bruͤſten.

Wie ſchlecht iſt Gottes Sohn bewirthet auf dem Heu:

Man ſiehet nichts umb jhn als lauter Armuthey:

Er achtets aber nicht/ und laͤſt jhm wol genuͤgen/

Weil Er kan an der Bruſt der ſuͤſſen Mutter liegen.

6. GOtt auf dem Stroh.
Je daß jhm GOtt den Stall unds’ Stroh hat auß-

erkieſt!

Es ziemet ſich alſo weil Er ein Laͤmmlein iſt.

7. Der Fall Evæ iſt Vrſach daß GOtt
Menſch worden.

Der Ewge GOttes Sohn kombt her in dieſe Wuͤſten/

Und naͤhrt ſich wie ein Kind an einer Jungfrau Bruͤſtē.

Wer hat ihm dieſes weh verurſacht und gemacht?

Ein abgefallnes Weib hat jhn darzu gebracht.

8. Der Nahme JESVS.
Der Nahme JEſus iſt ein außgegoſſnes Oele:

Er ſpeiſet/ und Erleucht/ und ſtillt das weh der Seele.

9. Das Unaußſprechliche.
Das Unaußſprechliche das man pflegt Gott zunennen/

Giebt ſich in einem Wort zuſprechen und zukennen.

10. Die volle Seeligkeit.
Der Menſch hat eher nicht vollkommne Seeligkeit;

Biß daß die Einheit hat verſchlukt die Anderheit.

11. Mit
[134[132]]Joh: Angeli vierdtes Buch
11. Mit ſchweigen Ehrt man GOtt.
Die Heilge Majeſtaͤt (wiltu jhr Ehr erzeigen)

Wird allermeiſt geehrt mit heilgem ſtilleſchweigen.

12. Jn Einem alles Heyl.
Jn einem ſteht mein Heil/ in einem meine Ruh:

Drumb lauff ich mit Verluſt viel dings dem Einem zu.

13. Die Eigenſchafft der dreyen Staͤnde.
Die Buͤſſer flehn GOtt an/ die freyen danken Jhm/

Die Braͤute ſind voll Lieb’ und Ruh wie Seraphim.

14. GOtt giebt das groß’ im kleinen.
Nimb was der HERR dir giebt/ Er giebt das groß im

kleinen/

Jn ſchlechten ſchlakken Gold/ ob wirs zwar nicht ver-

meinen.

15. Uberſchrifft der HeyligenAgatha.
Diß war die keuſche Seel/ die GOtt von freyer Hand

Geehrt hat/ und erloͤſt ihr Volk und Vaterland.

16. Der Schnee in der Sonne.
Wie ſchoͤne glaͤntzt der Schnee wann jhn der Sonnen-

ſtrahlen

Mit Himmeliſchem Licht beſtreichen und bemahlen!

So glaͤntzt auch deine Seel/ ſo ſie iſt weiß wie Schnee:

Wann ſie beſchienen wird vom Aufgang auß der Hoͤh.

17. Zu dem HErren JESU.
Jch nah mich HERR zu dir als meinen Sonneſchein/

Der mich erleucht/ erwaͤrmt/ und macht lebendig ſeyn.

Nahſtu dich wiederumb zu mir als deiner Erden/

So wird mein Hertze bald zum ſchoͤnſten Fruͤling werden.

18. Der
[135[133]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
18. Der Tugend Ziel iſt GOtt.
GOtt iſt der Tugend Ziel/ jhr antrieb/ jhre Kron/

Jhr eintziges warumb/ und iſt auch all’ jhr Lohn.

19. Ein gutt Gewiſſen.
Was iſt ein gutter Muth der wol mit GOtte ſteht?

Ein ſtaͤttes froͤlich ſeyn/ und ewiges Panket.

20. Die Verluſt.
Menſch ſchau die Luſt der Welt die Endet ſich mit Peyn:

Wie kanſtu jhr dann auch ſo gantz ergeben ſeyn?

21. Der unerkandte GOtt.
Was GOtt iſt weiß man nicht: Er iſt nicht Licht/ nicht

Geiſt/

Nicht Wonnigkeit/ nicht Eins/ nicht was man Gott-

heit heiſt:

Nicht Weißheit/ nicht Verſtand/ nicht Liebe/ Wille/ Guͤtte:

Kein Ding/ kein Unding auch/ kein Weſen/ kein Gemuͤtte:

Er iſt was ich/ und du/ und keine Creatur/

Eh wir geworden ſind was Er iſt/ nie erfuhr.

22. AnS. Augustin.
Halt an mein Auguſtin: Eh du wirſt Gott ergruͤnden/

Wird man das gantze Meer in einem Gruͤblein finden.

23. Goͤttliche beſchanung.
Das uͤberlichte Licht ſch aut man in dieſem Leben

Nicht beſſer/ als wann man ins dunkle ſich begeben.

24. Die Vberformung.
Du muſt den Leib in Geiſt/ den Geiſt in GOtt verſetzen/

Wann du dich/ wie dein Wuntſch/ vollkoͤmlich wilt er-

goͤtzen.

25. Die
[136[134]]Joh: Angeli veirdtes Buch
25. Die GOttesſchauer.
Was thun die ſchauer GOtts? ſie thun das in der Zeit/

Was andre werden thun dort in der Ewigkeit.

26. Moſes.
Daͤnkt Moſis Antlitz ward ſo glaͤntzend als die Sonne/

Da er das ewge Licht im dunckeln nur geſehn!

Was wird nicht nach der Zeit den Seeligen geſchehn/

Wan̄ ſie GOtt werden ſchaun im Tag der ewgen Won̄e?

27. Die Seeligen.
Was thun die ſeeligen/ ſo man es ſagen kan?

Sie ſchaun ohn unterlaß die ewge Schoͤnheit an.

28. Die Heiligen und Gottloſen.
Die Heiligen ſind GOtt ein lieblicher Geruch:

Die Boͤſen ein Geſtank/ ein abſcheu/ und ein Fluch.

29. Die Liebe.
Die Lieb iſt wie der Tod: ſie toͤdtet meine Sinnen/

Sie brichet mir das Hertz/ un̄ fuͤhrt den Geiſt von hin̄en.

30. GOtt uͤber alle Gaben.
Jch bitte dich mein GOtt zwar offt umb deine Gaben/

Doch wiſſe daß ich dich viel lieber ſelbſt wil haben.

Drum̄ gieb mir was du wilt/ es ſey auch ewges Leben:

Giebſtu mir dich nicht ſelbſt/ ſo haſtu nichts gegeben.

31. Die gluͤkſeelige Muͤſſe.
Johannes an der Bruſt/ MARIA bey den Fuͤſſen/

Thun alle zwey ſonſt nichts/ als daß ſie Gotts genieſſen:

Wie wol ſind ſie daran! koͤnt’ ich ſo muͤſſig ſeyn/

Jch regete mich nicht/ fiel’ auch der Himmel ein.

32. Eins
[137[135]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
32. Eins jeden Element.
Jm Waſſer lebt der Fiſch/ die Pflantzen in der Erden/

Der Vogel in der Lufft/ die Sonn im Firmament:

Der Salamander muß im Feur erhalten werden:

Jm Hertzen JESU ich/ als meinem Element.

33. Das Paradeiß auf Erden.
Du ſuchſt das Paradeiß/ und wuͤntſcheſt hin zukommen/

Wo du von allem Leiß und Unfried biſt entnommen.

Befriedige dein Hertz/ und mach es Rein und weiß:

So biſtu ſelbſt noch hier daſſelbe Paradeiß.

34. GOtt lieben geht vor alles.
Laß einen alle Luſt der gantzen Welt genieſſen/

Und einen dreymal mehr als Salmon wuſte wiſſen:

Laß einen Schoͤner ſeyn als Davids Abſalon.

Gieb einen der mehr ſtaͤrk’ und Macht hat als Simſon:

Und einen der mehr Gold als Crœſus hat zuzeigen/

Und noch der alles kan wie Alexander beugen:

Ja der diß alles iſt: So ſag ich doch gantz frey:

Daß auch ein ſchlechter Mann der GOtt liebt beſſer ſey.

35. Die tieffe/ hoͤhe/ breite/ und laͤnge
GOttes.

Durch Weißheit iſt GOtt tieff/ Breit durch Barm-

hertzigkeit/

Durch Allmacht iſt er hoch/ lang durch die Ewigkeit

36. Beſchauligkeit.
Sey rein/ ſchweig/ weich’ und ſteig auf in die Dunkel-

heit/

So kom̄ſtu uͤber alls zur GOtts beſchauligkeit.

Beſchei-
[138[136]]Joh: Angeli vierdtes Buch.
37. Beſcheidenheit.
Das Richtſcheid deß Gemuͤtts iſt die Beſcheidenheit:

Wer ſich nach jhr nicht nußt/ der fehlt der Tugend weit.

38. GOtt nichts und elles.
GOtt iſt ein Geiſt/ ein Feur/ ein Weſen und ein Licht:

Und iſt doch wiederumb auch dieſes alles nicht.

39. Der Gelaſſene iſt ſchon Seelig.
Ein Menſch der Gott ſich laͤſt in allen faͤlln und weiſen/

Den kan man warlich ſchon im Leibe ſeelig preiſen.

40. Die Braut GOttes.
Die Braut deß Ewgen Gotts kan jede Seele werden:

Wo ſie nur ſeinem Geiſt ſich unterwirfft auf Erden.

41. Das Abendmahl deß Lambs.
Daß Lamm das hat ſein Mahl zur Abendszeit beſtimt:

Warumb? weil man darauf zur Ewgen ruhe koͤm̄t.

42. Maria.
Maria wird genennt ein Thron und Gotts Gezelt/

Ein’ Arche/ Burg/ Thurn/ Hauß/ ein Brunn/ Baum/

Garten/ ſpiegel.

Ein Meer/ ein Stern/ der Mon/ die Morgenroͤth/ ein

Huͤgel:

Wie kan ſie alles ſeyn? ſie iſt ein’ andre Welt.

43. Der Juͤnger den GOtt liebt.
Ein Menſch der gantz un̄ gar ſich abwendt von der Welt/

Vnd ſeinen Leih und Seel dem HErren heilig haͤlt/

Stirbt noch vertirbet nicht/ ob man ihm gleich vergibt.

Fragſtu warumb? er iſt der Juͤnger den er liebt.

44. Roth
[139[137]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
44. Roth und Weiß.
Roth von deß HErren Blut wie Sammet Roͤſelein/

Durch Unſchuld weiß wie Schnee ſol deine Seele ſeyn.

45. Von Maria Magdalena an dem
Crentze.

Wie daß die Magdalen das Creutze ſo umbſchrenkt?

Es iſt weil JESUS dran jhr Allerliebſter haͤngt.

46. Auff die Wunden JESU.
Jch ſeh die Wunden an als offne Himmelspforten/

Und kan numehr hinein an fuͤnff gewiſſen orten.

Wo komm ich aber ſtraks bey meinem GOtt zuſtehn?

Jch wil durch Fuͤß und Haͤnd’ ins Hertz der Liebe gehn.

47. Dort geht es anderſt zu.
Hier haͤngt das Lamb am Creutz/ dort ſitzts auf GOttes-

thron/

Hier traͤgts den Dornen krantz/ dort eine Kaiſerkron:

Hier iſt es Unterthan/ dort herſcht es uͤberalle:

Hier thuts den Mund nicht auf/ dort redts mit hellem

ſchalle:

Hier weints/ und dorte Lachts: drumb troͤſte dich mein

Chriſt/

Daß ſich dein Creutz verkehrt/ wo du diß Lam̄ nur biſt.

48. Das Creutz.
Jch habe mir das Creutz fuͤr allem Schatz erkieſt/

Weils meines Leibes Pflug und Seelen Auker iſt.

49. Die Herꝛligkeit Chriſti in dieſer
Welt.

Der Scepter iſt ein Rohr/ ein Dornenpuſch die Kron/

Die Naͤgel aller Schmuk/ ein toͤdlich Creutz der Thron:

Sein
[104[138]]Joh: Angeli vierdtes Buch
Sein Blutt iſts Purpurkleid/ die Moͤrder die Tra-

banten/

Das Hoffgeſind ein Schaum von Buben und Scher-

ganten:

Der Mundtrank bittre Gall/ die Muſic Hohn und

Spott.

Diß iſt die Herꝛligkeit die hier hat unſer GOtt!

50. Die Schaͤdelſtaͤdt.
Jſt diß die Schaͤdelſtadt? wie kombt es dann daß hier

Die * Roß’ und Lilge ſteht in unverwelckter Ziehr?

Und da der Lebensbaum? der Brunn mit den vier Fluͤſſen?

Es iſt das Paradiß: doch ſey es was es wil:

Bey mir gilt dieſe ſtaͤdt unds Paradiß gleich viel.


51. Die Dornene Kron.
Die Dornen die das Haupt deß Herꝛn zerſtechen gantz/

Sind meines Haubtes Kron und ewger Roſenkrantz:

Was auß den Wunden fleuſt iſt meiner Wunden heil:

Wie wol wird mir ſein Spott/ und ſeine Pein zutheil!

52. Die Liebe hats erfunden.
Daß GOtt gecreutzigt wird! daß man jhn kan verwun-

den!

Daß Er die Schmach vertraͤgt/ die man jhm ange-

than!

Daß Er ſolch’ Angſt auſſteht! und daß Er ſterben kan!

Verwundere dich nicht/ die Liebe hats erfunden.

53. Vmb einen Kuß iſts GOtt zuthun.
Was wil doch GOttes Sohn daß Er ins Elend koͤmbt/

Und ein ſolch ſchweres Kreutz auf ſeine Schultern nimbt?

Ja daß Er biß inn Tod ſich aͤngſtet fuͤr und fuͤr?

Er ſuchet anders nichts als einen Kuß von dir.

54. Die
[141[139]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
54. Die Welt iſt im Fruͤhling gemacht.
Jm Fruͤling ward die Welt Verneut/ und wiederbracht:

Drumb ſagſtu recht daß ſie im Fruͤling iſt gemacht.

55. Die Geiſtliche Aufferſtehung.
Die Auffer ſtehung iſt im Geiſte ſchon geſchehn:

Wenn du dich laͤſt entwuͤrkt von deinen Suͤnden ſehn.

56. Die geheimbe Himmelfahrt.
Wann du dich uͤber dich erhebſt und laͤſt GOtt walten:

So wird in deinem Geiſt die Himmelfahrt gehalten.

57. Die geiſtliche Trunkenheit.
Der Geiſt prauſt ja wie Moſt: die Juͤnger alleſambt

Sind gleich den Trunkenen entzuͤndt und angeflambt

Von ſeiner Hitz und Krafft: ſo bleibt es doch dabey/

Daß dieſe gantze Schaar voll ſuͤſſes Weines ſey.

58. Der vorlohrne Groſchen.
Die Seele GOttesbild iſt der verlohrne Groſchen/

Die Kertze himmliſch Licht/ das durch den fall verloſchen:

Die Weißheit iſt das Weib die es aufs neu entzuͤndt:

Wie ſeelig iſt der Menſch den ſie nu wider findt!

59. Das verlohrne Schaff.
Jch bin das arme Schaaff das ſich verjrꝛ et hat/

Und nunmehr von ſich ſelbſt nicht kennt den rechten

Pfad.

Wer zeugt mir dann den Weg/ daß ich nicht gantz erliege?

O daß doch JEſus kaͤm’/ und mich nach Hauſe truͤge!

60. Der
[142[140]]Joh: Angeli vierdtes Buch
60. Der verlohrne Sohn.
Kehr umb verlohrner Sohn zu deinem Vatter GOtt:

Der Hunger bringt dich ſonſt (ſeyn’ Ungunſt) gar inn

Tod:

Haͤttſtu gleich tauſendmahl jhm dieſen Schimpff ge-

than/

So du nur wiederkoͤmbſt/ ich weiß Er nimbt dich an.

61. Die verlohrne und wider gefundene
Drey.

Der Groſchen/ Sohn/ unds Schaaff/ bin ich mit Geiſt/

Leib/ Seele.

Verlohrn in frembdem Land/ in einer Wuͤſt’ und Hoͤle.

Die heilge Dreyfalt kombt und ſucht mich alle ſtunden:

Den Groſchen findt der Geiſt/ der Vatter nimbt den

Sohn/

Der Hirte JEſu traͤgt das Schaaff mit ſich davon.

Schau wie ich Dreyfach bin verlohren und gefunden!

62. Der Punct/ die Linie und Flaͤche.
GOtt Vatter iſt der Punct; auß Jhm fleuſt GOtt der

Sohn

Die Linie: GOtt der Geiſt iſt beider Flaͤch’ und Kron.

63. Vom reichen Mann.
Man wil dem reichen Mann kein troͤpfflein Waſſer

geben/

Weil er das Maß mit Wein ſchon voll gemacht im

Leben.

64. Auch von ihm.
Wie daß der reiche Mann den Armen jetzo kennt?

Er ſicht wol daß ſich hat das Blaͤttlein umbgewendt.

56. Der
[143[141]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
65. Der arme Lazarus.
Wie ungleich iſt der Tod! die Engel tragen jhn

Den armen Lazarum zur ewgen ruhe hin.

Der reiche da er ſtirbt wird voller Angſt und Pein:

So gutt iſts auff der Welt nie reich geweſen ſeyn!

66. Von Maria Magdalene.
Was daͤnkt doch Magdalen daß ſie ſo offentlich

Dem HErꝛn zu Fuſſe faͤllt/ und ſchuldig giebet ſich?

Ach frage doch nicht erſt: ſchau wie die Augen funken:

Du ſihſt wol daß ſie iſt von groſſer Liebe trunken.

67. Martha und Maria.
Die Martha laufft und rennt daß ſie den HErꝛen ſpeiſe/

Maria ſitzet ſtill; und hat doch ſolcher weiſe

Das beſte theil erwoͤhlt: ſie ſpeiſet jhn allein/

Die aber findt auch fich von jhm geſpeiſet ſeyn.

68. Von Maria Magdalene.
Maria kombt zum HErꝛn voll Leids und voller

Schmertzen/

Sie bittet umb Genad/ und thut doch jhren Mund

Mit keinem Woͤrtlein auf: wie macht ſie’ s ihm dann.

kundt?

Mit Jhrer Thraͤnen fall und dem zerknirſchten Hertzen.

69 Die Suͤnde.
Die Suͤnd’ iſt anders nichts/ als daß ein Menſch von

GOtt

Sein Angeſicht abwendt/ und kehret ſich zum Tod.

70. Der Menſch.
Das groͤſte Wunder ding iſt doch der Menſch allein:

Er kan/ nach dem ers macht/ GOtt oder Teufel ſeyn.

71. Der
[144[142]]Joh. Angeli vierdtes Buch
71. Der Himmel allenthalben.
Jn GOtt lebt/ ſchwebt/ und regt ſich alle Creatur:

Jſts wahr? was fragſtu dann erſt nach der Himmel-

ſpuhr?

72. Den Braͤutgam wünſcht die Braut.
Verwundere dich nicht daß ich nach GOtt verlange:

Der Braut iſt allezeit nach jhrem Braͤutgam bange.

73. Hier muß man Buͤrger werden.
Streb nach der Buͤrgerſchafft deß Himmels hier auf

Erden:

So kan er dir darnach dort nicht verſaget werden.

74. Huͤtt dich fuͤr Sicherheit.
Laß dir vom Himmelreich nicht gar ſo ſicher traͤumen/

Du ſihſt wol daß es auch die Jungfern ſelbſt ver-

ſaͤumen.

75. Das troͤſtlichſte Wort.
Das allertroͤſtlichſte das ich an JEſu find’/

Jſt/ wenn Er ſprechen wird: kom benedeites Kind.

76. Trauben von Dornen.
Wer ſeinen neider liebt/ und gutts vonn feinden ſpricht:

Sag ob derſelbe nicht vonn Dornen Trauben bricht?

77. Das geiſtliche Sterben.
Stirb ehe du noch ſtirbſt/ damit du nicht darffſt ſterben/

Wann du nu ſterben ſolſt ſonſt moͤchteſtu verderben.

78. Die Hoffnung haͤlt die Braut.
Die Hoffnung haͤlt mich noch; ſonſt waͤr’ ich laͤngſt dahin:

Warum̄? dieweil ich nicht bey meinem Braͤutgam bin

79. Der
[144[143]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
79. Der beſte Freund und Feind.
Mein beſter Freund mein Leib/ der iſt mein aͤrgſter

Feind:

Er bindt und haͤlt mich auff/ wie gut ers immer meint.

Jch haß’ und lieb ihn auch: und wann es kombt zum

ſcheiden/

So reiß’ ich mich von ihm mit Freuden und mit Leiden.

80. Mit Lieb erlangt man Gnad.
Wann dich der Suͤnder fragt wie er ſol Gnad erlangē.

So ſage daß er GOtt zulieben an ſol fangen.

81. Der Tod.
Der Tod bewegt mich nicht: ich komme nur durch ihn

Wo ich ſchon nach dem Geiſt mit dem Gemuͤtte bin.

82. Die heilige Schrifft.
Gleich wie die Spinne ſaugt auß einer Roſe Gifft:

Alſo wird auch verkehrt vom boͤſen Gottesſchrifft!

83. Trompeten.
Trompeten hoͤr’ ich gern: Mein Leib ſol auß der Erden

Durch jhren Schall erweckt/ und wieder meine werden.

84. Das Antlitz GOttes.
Das Antlitz GOttes ſehn iſt alle Seeligkeit;

Von dem verſtoſſen ſeyn das hoͤchſte Hertzeleid.

85. Der Artzt haͤlt ſich zum Kranken.
Warumb pflegt doch der HErꝛ mit Suͤndern umbzu-

gehn?

Warumb ein trewer Artzt den Kranken beyzuſtehn?

GS. Pau-
[145[144]]Joh: Angeli vierdtes Buch
86. S. Paulus.
Sanct Paulus wuſte nichts als Chriſtum und ſein

Leiden;

Da er doch war geweſt im Paradiß der Freuden.

Wie kont jhm diß ſo gantz entfallen ſeyn? Er war

Jn den Gekreutzigten Verformet gantz und gar.

87 Die Liebe.
Die Liebe dieſer Welt wil alls fuͤr ſich allein.

Die Liebe GOttes macht dem Naͤchſten alls gemein:

Die wird ein jeder Menſch fuͤr Liebe wol erkennen/

Jen’ aber ſol man Neid/ und keine Liebe nennen.

88. Auß dem Hohen Lied.
Der Koͤnig fuͤhrt die Braut inn Keller ſelbſt hinein/

Daß ſie jhr mag erwoͤhln den allerbeſten Wein.

So machts GOtt auch mit dir/ wann du biſt ſeine Braut/

Er hat nichts in ſich ſelbſt/ daß er dir nicht vertraut.

89. Kinder und Jungfrauen.
Jch liebe nichts ſo ſehr als Kinder und Jungfrauen:

Warumb? im Him̄el wird kein andres ſeyn zuſchauen.

90. Die Tugend.
Die Tugend/ ſpricht der weiſ’/ iſt ſelbſt jhr ſchoͤnſter Lohn:

Meint er nur zeitlichen/ ſo halt’ ich nichts davon.

91. Die GOttliebende Einſamkeit.
Du ſprichſt Theophilus ſey meiſten-theils allein:

Macht ſich der Adler auch den Voͤglichen gemein?

92. Die Tagezeiten.
Jm Himmel iſt der Tag/ im Abgrund iſt die Nacht/

Hier iſt die Demmerung: wol dem ders recht betracht.

93. Von
[146[145]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
93. Von Johannes dem Taͤuffer.
Johannes aß faſt nichts/ er trug ein rauhes Kleid/

Saß in der Wuͤſteney die gantze Lebenszeit.

Er war ſo from: was fiel er GOtt ſo hart zu Fuſſe?

Die groͤſten Heiligen die thun die groͤſte Buſſe.

94. Die Welt.
Zu GOtt kombt man durch GOtt: zum Teufel durch

die Welt;

Ach daß ſich doch ein Menſch zu dieſer Hure haͤlt!

95. Das Ende kroͤnt das Werck.
Das Ende kroͤnt das Werck/ das Leben ziehrt der Tod

Wie herrlich ſtirbt der Menſch/ der treu iſt ſeinem Gott:!

96. Die Figur iſt Vergaͤnglich.
Menſch die Figur der Welt vergehet mit der Zeit:

Was trotzſtu dann ſo viel auf jhre Herꝛlichkeit?

97. Auf beiden ſeyn iſt gut.
Den Him̄el wuͤntſch’ ich mir/ Lieb’ aber auch die Erden:

Denn auf derſelbigen kan ich GOtt naͤher werden.

98. Von den Lilgen.
So offt ich Lilgen ſeh/ ſo offt empfind’ ich Pein/

Und muß auch bald zugleich ſo offt voll Freuden ſeyn.

Die Pein enſtehet mir/ weil ich die Ziehr verlohrn/

Die ich im Paradiß von anbegin gehabt.

Die Frewde kombt daher/ weil JEſus iſt gebohrn

Der mich nu widerumb mit jhr aufs neu begabt.

G 299. Von
[149[146]]Joh: Angeli vierdtes Buch
99. VonS. Alexio.
Wie kan Alexius ein ſolches Hertz’ jhm faſſen/

Daß er kan ſeine Braut den erſten Tag verlaſſen?

Er iſt jhr Braͤutgam nicht: Er hat ſich ſelbſt als Braut

Dem Ewgen Braͤutigam verlobet/ und Vertraut.

100. Der Buͤſſer loͤſcht das Feuer.
Du ſprichſt das Hoͤllſche Feur wird nie geloͤſcht geſehn:

Und ſih der Buͤſſer loͤſchts mit einem Augenthraͤn!

101. Vom Tode.
Der Tod iſt doch noch gutt: koͤnt jhn ein Hoͤllhund ha-

ben/

Er liſſ’ im Augenblik ſich Lebendig begraben.

102. Auch von jhm.
Man wuͤnſchet jhm den Tod/ und fliehet jhn doch auch:

Jens iſt der Ungeduld und diß der Zagheit brauch.

103. Das Leben und der Tod.
Kein Tod iſt herꝛlicher als der ein Leben bringt:

Kein Leben edler/ als das auß dem Tod entſpringt.

104. Der Tod der Heiligen.
Der Tod der Heiligen iſt wehrt geacht fuͤr GOtt:

Sag wo es dir bewuſt/ was iſt es fuͤr ein Tod?

105. Der Tod iſt gut und boͤſe.
So gut der Tod auch iſt dem der im HErꝛen ſtirbt/

So ungut iſt er dem/ der auſſer jhm verdirbt.

106. Von
[150[147]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
106. Von den Maͤrtyrern.
Der Maͤrtrer Lebenslauff iſt wenig aufgeſchrieben;

Die Tugenden die man zur Leidenszeit geſpuͤrt/

Die Lobt und preiſt man nur/ und ſind ſtatt jenes blieben:

Dieweil ein ſchoͤner Tod das gantze Leben ziehrt.

107. Die nuͤtzlichſten Gedancken.
Daͤnk an den Tod/ mein Kriſt: was daͤnkſtu anders viel?

Man daͤnkt nichts nuͤtzlichers als wie man ſterben wil.

108. Der Menſch iſt dreymal Engliſch.
Der Thronfuͤrſt ruht in GOtt; Jhn ſchaut der Cheru-

bin;

Der Seraphin zerſchmeltzt fuͤr lauter Lieb’ in Jhn.

Jch finde dieſe Drey in einer Seel allein:

So muß ein heilger Menſch ja dreyfach Engliſch ſeyn:

109. Der Weiſe.
Der Weiſe ſuchet ruh/ und fliehet das Getuͤmmel:

Sein elend iſt die Welt/ ſein Vaterland der Himmel.

110. Das Wolfeilſte.
Wie wolfeil haͤlt doch GOtt ſein Reich unds Ewge

Leben!

Er darffs dem Buͤſſenden fuͤr einen Fußfall geben.

111. An den ſich ſelbſt Liebenden.
Narciß erſaͤuffet ſich da er ſich ſelbſt wil Lieben.

Philautus lacheſtu? es iſt von dir geſchrieben.

112 Von dem Hertzen der heiligen
Clara de Montefalco.

Hier iſt der Speer und Schwamm/ die Naͤgel/ Saͤul und

Kron/ (Sohn:

Die Geiſſeln/ und auch gar das Creutz mit GOttes

G 3Drey
[151[148]]Joh: Angeli vierdtes Buch
Drey Kugeln eines halts: Es kan nicht anderſt ſeyn/

Diß Hertz iſt GOttesburg/ und ſeines Leydensſchreyn.

113. Liſt wieder Liſt.
Mit Liſt hat unß der Feind gefaͤllet und bekriegt/

Mit Liſt kan er von unß ſeyn wiederumb beſiegt.

114. Ein Lamb bezwingt den Drachen.
Vertraue GOtt/ der Drach wird leichtlich uͤberwunden/

Hat ihn doch nur ein Lamm gefaͤllet und gebunden!

115. Die Nachreu kombt zu ſpaͤt.
Da GOtt auf Erden gieng/ ward Er faſt nicht geacht:

Nu Er im Himmel iſt beklagt Jhn jedermann

Daß Jhm nicht groͤſſer Ehr iſt worden angethan.

So Thoͤricht iſt die Welt/ daß ſie’ s nicht vorbedacht!

166. Eins folgt und weicht dem andern-
Eins iſt deß andren end’/ und auch ſein anbegin.

Wenn GOtt gebohren wird/ ſo ſtirbet Adam hin.

117. Die Welt unds Neu Jeruſalem.
Die Welt ſchein Kugelrund dieweil ſie ſol vergehn:

Gevierdt iſt GOttes Stadt: drum̄ wird ſie Ewig ſtehn.

118. Der Spiegel
Der Spiegel zeiget dir dein aͤuſſres Angeſicht:

Ach daß Er dir doch auch das jnnre zeiget nicht!

119. Das Faß muß reine ſeyn.
Waſch auß deins Hertzensfaß: wann Haͤſen drin̄e ſeyn/

So geuſt GOtt nimmermehr dir ſeinen Wein darein.

120. Der
[147[149]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
120. Der Himmelſpaͤhende.
Ein Himmelſpaͤhender iſt dem Geſchoͤpffe tod/ (GOtt.

Wie komts? Er lebt allein dem Schoͤpffer ſeinem

121 Jm Himmel ſind auch Thiere.
Man ſagt es kan kein Thier zu GOTT dem HErrn

eingehn:

Wer ſind die Viere dann die nah bey Jhme ſtehn?

122. GOtt ſieht nicht uͤberſich.
GOtt ſieht nicht uͤberſich: drumb uͤberheb dich nicht:

Du koͤmſt ſonſt mit Gefahr auß ſeinem Angeſicht.

123. Von der H. Martha an denPo-
lypragmon.

Der HErr ſpricht Eins iſt noth; und was die Martha

thut/

Das iſt auch an ſich ſelbſt gar loͤblich/ fein/ und gutt:

Und dennoch ſtrafft Er ſie. Merks Polypragmon wol:

Daß man mit vielerley ſich nicht zerruͤtten ſol.

124. Von GOtt.
GOtt iſt ein ſolches Gutt/ je mehr man Jhn empfindt:

Je mehr man Jhn begehrt/ verlangt/ und Lieb gewinnt.

125. Deß GOtts verliebten Pein.
Der GOttverliebte Menſch hat ſonſten keine Pein/

Als daß er nicht kan bald bey GOtt dem Liebſten ſeyn.

126. Die unerforſchliche Urſache.
GOtt iſt Jhm ſelber alls/ ſein Himmel/ ſeine Luſt:

Warumb ſchuff Er dann unß? es iſt uns nicht bewuſt.

G 4127. Die
[149[150]]Joh: Angeli vierdtes Buch
127. Die Wohnung GOttes.
GOtt wohnet in ſich ſelbſt/ ſein Weſen iſt ſein Hauß:

Drumb gehet Er auch nie auß ſeiner GOttheit auß.

128. An den Weltliebenden.
Die Seele weil ſie iſt gemacht zur Ewigkeit/

Hat keine wahre Ruh inn Dingen dieſer Zeit:

Drumb wunder ich mich ſehr/ daß du die Welt ſo liebſt/

Und aufs zergaͤngliche dich ſetzeſt und begiebſt.

129. GOtt redt am wenigſten.
Niemandt redt weniger als GOtt ohn Zeit und ort:

Er ſpricht von Ewigkeit nur bloß Ein Eintzigs Wort.

130 Von der Eitelkeit.
Wend ab dein Angeſicht vom glaſt der Eitelkeit:

Jemehr man jhn beſchaut/ jemehr wird man verleitt.

Jedoch kehrs wider hin: denn wer jhn nicht betracht/

Der iſt ſchon halb von jhm gefaͤllt und umbgebracht.

131. Von der Gerechtigkeit.
Gerechtigkeit iſt weg! wohin? ſie iſt inn Himmel/

Warum̄? ſie traute ſich nicht mehr bey dem Getuͤm̄el.

Was kont’ jhr dan̄ geſchehn? ſie waͤre von der Welt

Schon laͤngſt an jhren Ehrn geſchwaͤchet und gefaͤllt.

132. Verluſt und Gewinn.
Der Tod iſt mein Gewinn/ Verluſt das lange Leben:

Und dennoch dank ich GOtt daß er mir diß gegeben.

Jch wachs’ und nehme zu/ ſo lang ich hier noch bin:

Darumb iſt auch gar wol das Leben mein Gewin.

133. Der Menſch iſt eine Kohle.
Menſch du biſt eine Kohl/ GOtt iſt dein Feur un̄ Licht:

Du biſt ſchwartz/ finſter/ kalt/ liegſtu in Jhme nicht.

134. Die
[153[151]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
134. Die Krafft der zurukkehrung.
Wann du dich meine Seel zuruk hinein begiebſt/

So wirſtu was du warſt/ und was du Ehrſt und Liebſt.

135. Die Bach wird das Meer.
Hier fluͤſſ’ ich noch in GOtt als eine Bach der Zeit:

Dort bin ich ſelbſt das Meer der ewgen Seeligkeit.

136. Der Strahl wird die Sonne.
Mein Geiſt/ kombt er in GOtt/ wird ſelbſt die ewge

Wonne:

Gleich wie der Strahl nichts iſt als Sonn’ in ſeiner

Sonne.

137. Das Fünklein im Feuer.
Wer kan das Fuͤnkelein in ſeinem Feur erkennen?

Wer mich/ wann ich in GOtt/ ob ich es ſey/ benennen.

138. Die Liebe macht Beliebter.
Mit was macht ſich die Braut beym Braͤutgam mehr

beliebt?

Mit Liebe wenn ſie ſich jhm mehr und mehr ergiebt.

139. Die gluͤkſeelige Ertrinkung.
Wenn du dein Schiffelein aufs Meer der GOttheit

bringſt:

Gluͤkſeelig biſtu dann/ ſo du darinn Ertrinkſt.

140. Das edelſte Gebette.
Das edelſte Gebett iſt wenn der Better ſich

Jn das fuͤr dem er kniet verwandelt jnniglich.

141 Nichts iſt ſuͤſſer als Liebe.
Es iſt doch keine Luſt/ und keine Seeligkeit/

Die uͤbertreffen kan der Liebe ſuͤſſigkeit!

142. Der
[154[152]]Joh: Angeli drittes Buch
142. Der Fnrcht und Liebe Wuͤrdigkeit.
Wer Gott liebt/ ſchmaͤkt ſchō hier ſeins Geiſtes ſuͤſſigkeit:

Wer aber Jhn nur fuͤrcht/ der iſt davon noch weit.

143. Der allerlieblichſte Thon.
Es kan in Ewigkeit kein Thon ſo Lieblich ſeyn/ (ein.

Als wenn deß Menſchen Hertz mit GOtt ſtimbt uͤber-

144. Die heilige Uberformung.
Die Ruhe deines Geiſts macht dich zu einem Thron/

Die Lieb zum Seraphin/ der Fried zu Gottesſohn.

145. Wir ſind edeler als dieSeraphine.
Menſch ich bin edeler als alle Seraphin/

Jch kan wol ſeyn was ſie/ ſie nie was ich je bin.

146. Was der hoͤchſte Adel deß Menſchen.
Mein hoͤchſter Adel iſt/ daß ich noch auff der Erden/

Ein Koͤnig/ Kaiſer/ Gott/ und was ich wil/ kan werden.

147. Die weite deß Menſchen iſt nicht
zubeſchreiben.

Wer iſt der mir wie weit und breit ich bin zeigt an?

Weil der Unendliche (GOtt) in mir wandeln kan.

2. Cor. 6.

148. Was die Seele erweitert.
Was macht deß Menſchen Hertz und ſeine Seele weit?

Die Liebe GOttes giebt jhm die Beſchaffenheit.

150. Der
[155[153]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
149. Was ohne Lieb iſt Stinckt.
Menſch komſtu ohne Lieb/ ſo ſteh nur bald von fern:

Was nicht nach liebe reucht/ das ſtinckt fuͤr GOtt dem

HErꝛn.

150. Der hoͤchſte GOttesdienſt.
Der Hoͤchſte GOttesdienſt/ iſt GOtte gleiche werden:

Chriſtfoͤrmig ſeyn an Lieb/ am Leben und Geberden.

151. Die Wahre Weißheit.
Die Wahre Weißheit die dir zeugt die Himmelsthuͤr/

Steht in Vereinigung und Feurger Liebsbegiehr.

152. Wie die Lieb die Suͤnden verzehrt.
Wie du den Flachs unds Werk im Feuer ſichſt ver-

ſchwinden:

So brennen auch hinweg durch Liebe deine Suͤnden.

153. Das Meer in einem Troͤpfflein.
Sag an wie gehet es zu/ wenn in ein Troͤpffelein

Jn mich/ das gantze Meer Gott gantz und gar fleuſtein?

154. GOtt iſt allenthalben gantz.
O Weſen dem nichts gleich! GOtt iſt gantz auſſer mir/

Und inner mir auch gantz/ gantz dort/ und gantz auch hier.

155. Wie Gott im Menſchen.
Mehr als die Seel im Leib/ Verſtand in dem Gemuͤtte/

Jſt GOttes Weſenheit in dir und deiner Huͤtte.

156. Noch darvon.
GOtt iſt noch mehr in mir/ als wann das gantze Meer

Jn einem kleinen Schwamm gantz und beyſam̄en waͤr.

157. GOtt
[155[154]]Joh: Angeli vierdtes Buch
157. GOtt iſt in und umb mich.
Jch bin der Gottheit Faß in welchs ſie ſich ergeuſt/

Sie iſt mein tieffes Meer das mich inſich beſchleuſt.

158. Das groſſe iſt im kleinen verborgen.
Der Umbkraiß iſt im Punckt/ im Saamen liegt die

Frucht/

GOtt in der Welt: wie Klug iſt der jhn drinne ſucht!

159. Alles in allem.
Wie ſah S. Benedict die Welt in einem ſtrahl?

Es iſt (weiſtus noch nicht?) in allem alls zumahl.

160. GOtt iſt ber uͤall Herꝛlich.
Kein Staͤublein iſt ſo ſchlecht/ kein Stuͤpffchin iſt ſo klein:

eDr Weiſe ſihet GOtt gantz herꝛlich drinne ſeyn.

161. Alles in einem.
Jn einem Senffkoͤrnleind/ ſou’s verſtehen wilt/

Jſt aller oberern und untrern dinge Bild.

162 Eins iſt im andren.
Das Ey iſt in der Henn/ die Henn iſt in dem Ey:

Die zwey im Eins/ und auch das Eines in der Zwey.

163 Alles komt auß dem verborgenen.
Wer haͤtte das vermeint! auß Finſternuͤß komts Licht/

Das Leben auß dem Tod/ das etwas auß dem Nicht.

164. Das Conterfect GOttes.
Jch weiß GOtts Conterfect: Er hat ſich Abgebildt/

Jn ſeinen Crew datonrn/ u’ s erkennen wilt.

165. GOtt
[156[155]]Geiſtr. Sinn und ſchlußr.
165. GOtt ſchafft die Welt noch.
GOtt ſchafft die Welt annoch: komt dir diß Fremde fuͤr?

So wiſſ’ es iſt bey jhm kein Vor noch nach/ wie hier.

166. Die Ruh und Wuͤrkung GOttes.
GOtt hat ſich nie bemuͤht/ auch nie geruht/ das merk:

Sein Wirken iſt ſein [r]uhn/ und ſeine Ruh ſein Werk.

167. Deß Kriſten Joch iſt leichte.
Kriſt es kan ja dein Joch dir nie beſchwerlich ſeyn:

Denn GOtt und ſeine Lieb die ſpannt ſich mit dir ein.

168. Das Unbeſtaͤndigſte.
Nichts Unbeſtaͤndigers im wol ſeyn und im Schmertz/

Jſt/ daͤnke hin und her/ als/ Menſch dein eigen Hertz.

169. Die Klugheit wird gelobt.
Verwirff nicht was du haſt: Ein Kauffman der ſein

Wol an zulegen weiß/ den lobet alle Welt. (Geld

170. Artzney der Kranken Liebe.
Ein Hertz das Krank fuͤr Lieb/ wird eher nicht geſund/

Biß es GOtt gantz und gar durchſtochen und verwundt.

171. Die Liebe iſt zerſchmeltzende.
Die Liebe ſchmeltzt das Hertz/ und machts wie Wachs zer-

flieſſen:

Erfahr es wo du wilt die ſuͤſſe Wuͤrkung wiſſen.

172. Der Adel deß geruhigen Hertzen.
Mein Hertze wenns GOtt ruht/ iſts’ Braut Bett ſeines

Sohns:

Wanns dann ſein Geiſt bewegt/ die ſaͤnffte Solomons.

173. Der
[157[156]]Joh: Angeli vierdtes Buch.
173. Der hoͤchſte Friede.
Der hoͤchſte Friede den die Seele kan genieſſen/

Jſt ſich aufs moͤglichſt’ eins mit GOttes willen wiſſen

174. Der Uberſluß der ſeeligen.
GOtt ſchenkt den ſeeligen ſo uͤberfluͤſſig ein/

Daß ſie mehr in dem Trank/ als der in jhnen/ ſeyn.

175. Die wunderbahrlichſte Heyrath.
Schaut doch die Heyrath an! der Herꝛ der Herꝛligkeit

Hat eines Sclaven Magd deß Menſchen Seel gefreit!

176. Die Hochzeit deß Lammes.
Wenn ich zu GOtt eingeh/ und kuͤſſ’ jhn mit begier/

Dann iſt es daß das Lamb die Hochzeit haͤlt in mir.

177. Verwunderung uͤber der Gemein-
ſchafft GOttes.

Es iſt erſtaunungs voll/ daß ich Staub Aſch und Koth/

So freundlich und gemein mich machen darf mit GOtt!

178. Was die Creatur gegen GOtt.
Was iſt ein Staͤubelein in anſchauung der Welt?

Und was bin ich/ wenn man Gott gegen dir mich haͤlt?

179. Wie GOtt ſo hertzlich liebt.
GOtt liebt ſo hertzlich dich; Er wuͤrde ſich betruͤben/

Jm fall es moͤglich waͤr/ daß du Jhn nicht wilt lieben.

180. Der Tag und Morgenroͤth der
Seelen.

Der Seelen Morgenroͤth iſt GOtt in dieſer Zeit:

Jhr Mittag wird er ſeyn im Stand der Herꝛlichkeit.

181. Vom
[158[157]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
181. Vom Seeligen.
Die ſeelge Seele weiß nichts mehr von Anderheit:

Sie iſt ein Licht mit GOtt und eine Herrlichkeit.

182. Gleichnuͤß der Freud in GOtt.
Freund was der Hoͤnig dir iſt gegen Koth und wuſt:

Das iſt die Freud in GOtt auch gegens Fleiſchesluſt.

183. Was du wilſt iſt alles in dir.
Menſch alles was du wilt/ iſt ſchon zu vor in dir:

Es lieget nur an dem daß du s’ nicht wuͤrkſt herfuͤr.

184. Das wunderlichſte Geheimnuͤß.
Menſch kein Geheimnuͤß kan ſo wunderbahrlich ſeyn:

Als daß die heilige Seel mit GOtt ein Einges ein.

185. Wie die Creatur in GOtt.
Wie du das Feur im Kieß/ den Baum im Kern ſichſt

ſeyn:

So bild dir das Geſchoͤpff in GOtt dem Schoͤpffer ein.

186. Nichts iſt jhm ſelber.
Der Regen faͤllt nicht jhm/ die Sonne ſcheint nicht jhr:

Du auch biſt anderen geſchaffen/ und nicht dir.

187. Man ſoll den Geber nehmen.
Menſch laß die Gaben GOtts/ und eyl Jhm ſelbſten zu:

Wo du ann Gaben bleibſt/ ſo koͤmſtu nicht zur Ruh.

188. Wer der Freudigſte Menſch iſt.
Kein Menſch iſt freudiger als der zu aller Stund

Von Gott und ſeiner Lieb entzuͤndt wird und verwundt.

189. Der
[169[158]]Joh: Angeli vierdtes Buch
189. Der Suͤnder iſt nie gantz froͤlich.
Die Suͤnder ob ſie gleich in lauter Freude leben/

So muß doch jhre Seel in groͤſten Furchten ſchweben

190. Das Kreutz offenbahrt was ver-
borgen.

Jn Troſt und ſuͤſſigkeit kennſtu dich ſelbſt nicht Kriſt:

Das Kreutze zeigt dir erſt wer du im jnnern biſt.

191. Wie man alles auf einmal laͤſt.
Freund wenn du auf Einmal die gantze Welt wilt laſſen/

So ſchau nur daß du kanſt die eygne Liebe haſſen.

192. Der weiſeſte Menſch.
Kein Menſch kan weiſer ſeyn/ als der das Ewge Gutt

Fuͤr allem andren liebt und ſucht mit gantzem Mutt.

193. Das geruffe der Creaturen.
Menſch alles ſchreyt dich an/ und predigt dir von GOtt/

Hoͤrſtu nicht daß es rufft lieb jhn/ ſo biſtu todt.

194. Was GOtt am liebſten thut.
Das liebſte Werck das GOtt ſo jnniglich liegt an/

Jſt daß er ſeinen Sohn in dir gebehren kan.

195. Der weſentliche Danck.
Der weſentlichſte Danck den GOtt liebt wie ſein Leben/

Jſt wenn du dich bereitſt daß Er ſich ſelbſt kan geben.

196. Der Heiligen groͤſte Arbeit.
Der Heilgen groͤſtes Werck und arbeit auf der erden

Jſt GOtt gelaſſen ſeyn und jhm gemeiner werden

197. Was
[170[159]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
197. Was GOtt vom Menſchen fordert.
GOtt fordert nichts von dir alß daß du ihm ſolt ruhn:

Thuſtu diß/ ſo wird Er das andere ſelber thun:

198. Was die geiſtliche Ruh iſt.
Die Ruh die GOtt begehrt/ die iſt von ſuͤnden rein/

Begiyr-und willen-loß/ gelaſſen/ innig ſeyn.

199. Wie das Hertze muß beſchaffen
ſeyn.

Chriſt wo der Ewge GOtt dein Hertz ſol nehmen ein/

So muß kein bildnuͤß drinn/ alß ſeines Sohnes ſeyn.

200. Wie man die Zeit verkuͤrtzt.
Menſch wenn dir auf der Welt zu lang wird weil und

zeit;

So kehr dich nur zu GOtt ins Nun der Ewigkeit.

201. Warumb die Seele ewig.
GOtt iſt die Ewge Sonn’/ ich bin ein ſtrahl von jhme:

Drumb iſt mirs von natur/ daß ich mich ewig ruͤhme.

202. Der Strahl ohne die Sonne.
Der Strahl iſt nichts wen̄ er ſich von der Sonn abbricht;

Du gleichfalls/ laͤſtu GOtt dein weſentliches licht.

203. Wie man ſucht ſo findet man.
Du findeſt wie du ſuchſt: Wie du auch klopffeſt an/

Und bitteſt/ ſo wird dir geſchenckt und auffgethan.

204. Wer
[160]Joh. Angeli vierdtes Buch
204. Wer nicht von GOtt geſchieden
kan werden.

Wen GOtt zu ſeinem Sohn gebohren hat auff erden/

Der Menſch kan nimmermehr von GOTT geſchieden

werden.

205. Der punct der Seeligkeit.
Der Punct der Seeltgkeit beſteht in dem allein:

Daß man muß weſentlich auß GOtt gebohren ſeyn.

206. Jn wem der Sohn GOttes ge-
bohren iſt.

Wem alle ding ein ding und lauter Friede ſind/

Jn dem iſt wahrlich ſchon gebohrn das Jungfraun Kind.

207. Kennzeichen deß Sohns GOtts.
Wer ſtaͤts in GOtte bleibt/ verliebt/ gelaſſen iſt:

Der Menſch wird allermeiſt fuͤr GOttes Sohn erkieſt.

208. Nach der zeit iſt keine wuͤrckung.
Menſch wuͤrcke weil du kanſt dein Hell und Seeligkeit:

Das wuͤrcken hoͤret auf mit endung dieſer zeit.

209. Wer zuviel glaubt.
Es iſt zwar wahr daß GOtt dich ſeelig machen wil:

Glaubſtu Er wils ohn dich/ ſo glaubeſtu zu viel.

210. Was die Armuth deß Geiſtes iſt.
Die Armuth unſres Geiſts beſteht in jnnigkeit/

Da man ſich aller ding’ und ſeiner ſelbſt verzeiht.

211. Der aͤrmeſte der Freyeſte.
Der Armuth eigenthum iſt freyheit allermeiſt:

Drumb iſt kein Menſch ſo frey/ als der recht arm im

Geiſt.

212. Armuth
[159[161]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
212. Armuth iſt das weſen aller tugenden.
Die laſter ſind beſtrickt/ die Tugenden gehn frey:

Sag ob die Armuth nicht jhr aller weſen ſey?

213. Der Alleredleſte Menſch.
Der Alleredelſte den man erſinnen kan/

Jſt ein gantz lauterer und wahrer armer Man.

214. Der herrliche Tod.
Chriſt/ der iſt herrlich todt/ der allem abgeſtorben/

Und jhm dadurch den Geiſt der armuth hat erworben.

215. Die zeit begreifft nicht die ewigkeit.
So lange dir mein Freund im ſinn liegt ort und zeit:

So faßſtu nicht was GOtt iſt und die ewigkeit.

216. Die empfaͤngliche Seel.
Die Seel die Juugfrau iſt/ und nichts als GOtt em-

pfaͤngt/

Kan GOttes ſchwanger ſeyn/ ſo offt ſie dran gedaͤnckt.

217. Der aufgeſpannte Geiſt.
Der Geiſt der allezeit in GOtt ſteht aufgericht/

Empfaͤngt ohn underlaß in ſich das ewge licht.

218. Kennzeichen der Braut GOttes.
Die Braut verliebet ſich inn Braͤutigam allein:

Liebſtu was neben GOtt/ ſchau wie du Braut kanſt ſeyn.

219. Das wandelnde gezelt GOttes.
Die Seel in der GOtt wohnt/ die iſt (O Seeligkeit!)

Ein wandelndes Gezelt der ewgen Hevrligkeit

220. Gott
[161[162]]Joh: Angeli vierdtes Buch
220. GOtt verſorgt alle Creaturen.
GOtt der verſorget alls/ und doch ohn alle muͤh/

Ein’ jede Creatur bedenckt er ſpat und fruͤh.

221. Auch das kleinſte Wuͤrmelein.
Kein Wuͤrmlein iſt ſo tief verborgen in der Erden/

GOtt ordnets daß jhm da kan ſeine Speyſe werden.

222. GOtt iſt die allvorſichtigkeit leichte.
Menſch glaubſtu GOtts deß Herrn allgegenwaͤrtigkeit/

So ſieheſtu wie leicht Jhm die vorſichtigkeit.

223. GOtt ſoll der Seelen bekandt ſeyn.
Ein HErꝛ in ſeinem Hauß/ ein Fuͤrſt in ſeinem Land:

Jn jhrem Erbtheil GOtt ſol ſeyn die Seel bekandt.

224. Wie man zur Einigkeit gelangt.
Wenn ſich der Menſch entzieht der mannigfaltigkeit/

Und kehrt ſich ein zu GOtt; kombt er zur Einigkeit.

225. Der Luſtgarten GOttes.
Die ewge Luſtbarkeit ſehnt ſich in mir zu ſeyn:

Warumb? ich bin (O hoͤrt!) jhr Blum-und Wuͤrtz-

gaͤrtlein.

226. Die Majeſtaͤt deß Menſchen.
Jch bin (O Majeſtaͤt!) ein Sohn der Ewigkeit/

Ein Koͤnig von natur/ ein Thron der Herꝛligkeit.

227. Wer auß Adelichem Gebluͤtte.
Der ſo auß GOtt gebohrn/ ſein Fleiſch hat un̄ Gemuͤtte:

Fuͤrwahr er iſt allein auß adlichem Gebluͤtte.

228. GOtt
[162[163]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
227. GOtt ſieht die ankunfft an.
Die ankunfft hilfft doch viel: Weil Chriſtus gnug ge-

than/

So ſieht GOtt ſein Verdienſt und Adel in unß an.

229. Wer GOtt dient iſt hoch Adelich.
Mir dient die gantze Welt: Jch aber dien’ allein

Der ewgen Majeſtaͤt: Wie edel muß ich ſeyn!


Fuͤnfftes Buch.
Geiſtreicher Sinn-und
Schluß-reimen.


1. Alles muß wider in Eins.
Alls kombt auß einem her/ und muß in Eines ein:

Wo es nicht wil gezweyt/ und in der vielheit ſeyn.

2. Wie die zahlen auß dem Eins/ ſo die
Geſchoͤpffe auß GOtt.

Die zahlen alle gar ſind auß dem Eins gefloſſen;

Und die Geſchoͤpff zumahl auß GOTT dem Einß ent-

ſproſſen.

3. GOtt iſt in allen wie die Einheit inn
Zahlen,

Gleich wie die Einheit iſt in einer jeden Zahl;

So iſt auch GOtt der Ein’ inn Dingen uͤber all.

4. Nichts kan ohn das Eins beſtehn.
Wie all’ und jede zahln ohns eines nicht beſtehn;

So muͤſſen die Geſchoͤpff ohn GOtt das Einsvergehn.

5. Die
[461[164]]Joh: Angeli fuͤnfftes Buch
5. Die Nulle gilt vornen an nichts.
Das Richts die Creatur/ wenn ſichs Gott vorgeſetzt/

Gilt nichts: ſteht’ s hinter Jhm/ dann wird es erſt ge-

ſchaͤtzt.

6. Jm Eins iſt alles Eins.
Jm Eins iſt alles Eins: kehrt zwey zu ruck hinein/

So iſt es weſentlich mit jhm ein einges Ein.

7. Alle Heiligen ſind ein Heiliger.
Die Heilgen alle ſind ein Heiliger allein:

Weil ſie ein Hertz/ Geiſt/ Sinn/ in einem Leibe ſeyn.

8. Die geheime Kronenzahl.
Zehn iſt die Kronneuzahl; ſie wird aus eins und nichts:

Wenn GOtt und Creatur zuſam̄en kommn/ geſchichts.

9. Es muß ein jeder Chriſtus ſeyn.
Der wahre GOttes Sohn iſt Chriſtus nur allein:

Doch muß ein jeder Chriſt derſelbe Chriſtus ſeyn.

10. GOttes Pallaſt.
GOtt iſt Jhm ſelbſt ſein Thron/ der Himmel iſt ſein

Saal/

Der Vorhoff’s Paradeiß/ der Erdkreiß iſt der Stal.

11. Die Suͤnd’ iſt allein das uͤbel.
Kein uͤbel iſt alß Suͤnd’: und waͤren keine Suͤnden/

So waͤr’ in ewigkeit kein uͤbel auch zu finden.

12. Ein wachendes Auge ſiehet.
Das licht der Herrligkeit ſcheint mitten in der Nacht/

Wer kan es ſehn? Ein Hertz das Augen hat und wacht.

13. Das
[163[165]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
13. Das jrrdiſche Gutt iſt ein Miſt.
Das jrrdſche Gutt iſt Miſt; die Armen ſind der Akker:

Wer’s außfuͤhrt und zerſtreut/ geneuſts zur Erndte wak-

ker.

14. Der außgang geſchicht umb den ein-
gang.

Kein außgang der geſchicht/ als umb deß eingangs willen

Mein Hertz entſchuͤttet ſich/ daß es GOtt an ſol fuͤllen.

15. Verdamnuͤß iſt im weſen.
Koͤnt’ ein Verdambter gleich im hoͤchſten Him̄el ſeyn:

So fuͤhlet’ er doch ſtaͤts die Hoͤll/ und jhre Peyn.

16. Durch dich entwird GOtt nichts.
Menſch woͤhle was du wilt Verdamnuͤß oder Ruh:

Eß gehet GOtt durch dich nichts ab und auch nichts zu.

17. Das groͤſte Wunder.
Der Wunder hat es viel/ kein groͤſſers kan ich ſehen/

Als daß das auferſtehn deß Fleiſches wird geſchehen.

18. Die geiſtliche Jahrszeiten.
Der Winter iſt die Suͤnd/ die Buſſe Fruͤlingszeit/

Der Sommer Gnadenſtand/ der Herbſt vollkommenheit.

19. Auch von demſelben.
Jm Winter iſt man todt/ im Fruͤling ſteht man auf/

Jm Sommer und im Herbſt verbringt man ſeinen lauf.

20. Der ſteiffe Felſenſtein.
Ein tugendthaffter Menſch iſt wie ein Felſenſtein:

Es ſtuͤrme wie es wil/ er faͤllet doch nicht ein.

21. Der
[163[166]]Joh: Angeli fuͤnfftes Buch
21. Der Suͤnd’ und Tugend eigenſchafft.
Die Buſſe ruͤchet wol/ die Suͤnden alle ſtincken:

Die Tugenden gehn recht/ die Laſter aber hincken.

22. Die Keuſchheit bleibt verſchloſſen.
Die Keuſchheit iſt ein Schloß das niemand auf kan-

ſchlieſſen.

Was ſie im innern iſt/ das mag kein fremder wiſſen.

23. Die zeit die iſt nicht ſchnell.
Man ſagt die Zeit iſt ſchnell: wer hat ſie ſehen fliegen?

Sie bleibt ja unverruckt im Welt-begrieffe liegen!

24. GOtt ſieht man nicht mit Augen.
Wann du denkſt GOtt zu ſchaun/ bild dir nichts ſinn-

lichs ein:

Das ſchaun wird inner uns/ nicht außerhalb uns ſeyn.

25. Was das beſte an der Seeligkeit.
Was an der Seeligkeit mein Hertz fuͤrs beſt’ erkieſt/

Jſt daß ſie weſentlich/ und nicht von auſſen iſt.

26. GOtt wird wie wir.
GOtt gibt dir wie du nimbſt/ du ſelbſt ſchenkſt auß und

ein/

Er wird dir wie du wilt/ wie nach dem faß der Wein.

27. Die Wegeſcheide zur Ewigkeit.
Die Wegeſcheid’ iſt hier: Wo lenkſtu dich nu hin?

Zur Lincken iſt verluſt/ zur Rechten iſt gewien.

28. Was GOtt den Tag durch thut.
Des Morgens geht GOtt auß/ zu mittag ſchlaͤffet er/

Deß Nachts iſt er erwacht/ reiſt’ Abends ohn beſchwehr.

29. Man
[178[167]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
29. Man muß die Tieffe auf der Hoͤhe
betrachten.

Ein ungrund iſt zwar Gott/ doch wem er ſich ſoll zeigen/

Der muß biß auf die Spitz der ewgen Berge ſteigen.

30. Der Teuffel der iſt gut.
Der Teuffel iſt ſo gutt dem weſen nach als du.

Waß gehet jhm dann ab? Geſtorbner will’ und ruh.

31. Die ichheit und verlaͤugnung.
Der ichheit iſt GOtt feind/ verlaugnung iſt er hold:

Er ſchaͤtzt ſie beyde ſo/ wie du den Koth unds Gold.

32. Der eigene Wille ſtuͤrtzt alles.
Auch Chriſtus/ waͤr’ in jhm ein kleiner eigner Wille/

Wie ſeelig er auch iſt/ Menſch glaube mir erfielle.

33. Wenn GOtt am liebſten bey uns iſt.
GOtt deſſen wolluſt iſt bey dir O Menſch zu ſeyn/

Kehrt/ wenn du nicht daheim/ am liebſten bey dir ein.

34. GOtt liebt nichts als ſich.
GOtt hat ſich ſelbſt ſo lieb/ bleibt jhm ſo zugethan;

Daß er auch nimmermehr was anders lieben kan.

35. GOtt kan mehr viel als wenig.
Nichts iſt das GOtt nicht kan. Hoͤr Spoͤtter auf zulach[ẽ].

Er kan zwar keinen GOtt/ wol aber Goͤtter machen.

36. Viel Goͤtter/ un̄ nur einer. 1. Cor. 8. 5.
Ein einger GOtt/ und viel/ wie ſtimbt diß uͤber ein?

Gar ſchoͤne: Weil ſie all’ in einem Einer ſeyn.

H37. GOtt
[179[168]]Joh. Angeli fuͤnfftes Buch
37. GOtt ſchaut auf den Grund.
GOtt ſchaͤtzt nicht was du guts/ nur wie du es gethan:

Er ſchaut die Fruͤchte nicht/ nur Kern und Wurtzel an.

38. GOtt bricht vonn Diſteln Feigen.
GOtt liſt vonn Dornen Wein/ vonn Diſteln bricht er

Feigen/

Wenn er dein ſuͤndigs Hertz zur Buſſe komt zu neigen.

39. Die Seeligen ſind nie ſatt.
Die Seelgen duͤrffen ſich daß ſie nie ſatt ſind freun!

Es muß ein ſuͤſſer Durſt/ und lieber Hunger ſeyn!

40. Chriſtus iſt ein Felß.
Wer ſich an Chriſtum ſtoͤſt/ (er iſt ein Felßenſtein)

Zerſchoͤllt: wer ihn ergreifft/ kan ewig ſicher ſeyn.

41. Je mehr erkandnuͤß je weniger ver-
ſtandnuͤß.

Je mehr du GOtt erkennſt/ je mehr wirſtu bekennen/

Daß du je weniger Jhn/ was er iſt/ kanſt nennen.

42. GOtt muß ſich ſelber lieben.
GOtt iſt das hoͤchſte Gutt/ er muß jhm ſelbſt gefallen/

Sich ſelber auf ſich kehrn/ ſich lieben/ ehrn/ fuͤr allen.

43. Wie GOtt ſo ſehr gerecht.
Schau GOtt iſt ſo gerecht: Waͤr’ etwas uͤber jhn/

Er ehrt, es mehr als ſich/ und kniete fuͤr dem hin.

44. GOtt liebt ſich nicht als ſich.
GOtt liebt ſich nicht als ſich/ nur als das Hoͤchſte gut/

Drumb ſchau/ daß er auch ſelbſt/ was er befihlet/ thut.

45. Die
[180[169]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
45. Die Laſter ſcheinen nur.
Die Laſter gehn bekleidt/ die Tugend ſtehet Bloß/

Die iſt warhafftiglich/ ien’ aber ſcheinen groß.

46. Du biſt der erſte Suͤnder.
Schweig Suͤnder/ ſchreyhe nicht dir Ev’ und Adaman:

Waͤrn ſie nicht vorgefalln̄/ du haͤtteſt’s ſelbſt gethan.

47. Der Geiſtliche Fenerzeug.
Mein Hertz iſts Feuerzeug/ der Zunder gutter Wille:

Schlaͤgt GOtt ein Fuͤnklein drein/ ſo bren̄ts und leuchts

die voͤlle.

48. Eins kans nicht ohn das andre.
Zwey muſſen es vollziehn: ich kans nicht ohne GOtt/

Und GOtt nicht ohne mich: das ich entgeh dem Tod.

49. Die ſchoͤnſte Weißheit.
Menſch ſteig nicht allzu hoch/ bild dir nichts uͤbrigs ein:

Die ſchoͤnſte Weißheit iſt nicht gar zu weiſe ſeyn.

50. GOtt iſt nicht tugendhafft.
GOtt iſt nicht tugendhafft: Auß jhm kombt tugend her/

Wie auß der Sonn die Strahln/ und Waſſer auß dem

Meer.

51. Nach GOtt iſt alles gebilldet.
GOtt iſt von anbegin der Bildner aller dinge/

Und auch jhr Muſter ſelbſt. Drumb iſt ja keins geringe.

52. Du muſt der Himmel ſeyn.
Jnn Himmel komſt du nicht/ (laß nur von dem getuͤm-

mel)

Du ſeyſt dann ſelbſt zuvor ein lebendiger Himmel.

H 253. Die
[181[170]]Joh: Angeli fuͤnfftes Buch
53. Die ewige Erwaͤhlung.
GOtt waͤhlt dich wie du biſt: Boͤß iſt bey jhm verlohrn/

Gut iſt von ewigkeit zum Leben außerkohrn.

54. Der Tugenden und Laſter befchaf-
fenheit.

Die Tugend liegt in ruh/ die laſter ſtehn im ſtreit:

Sie haben Pein in ſich/ jen’ aber Seeligkeit.

55. GOtt ſtrafft nicht die Suͤnder.
GOtt ſtrafft die Suͤnder nicht. Die Suͤnd’ iſt ſelbſt jhr

Hohn/

Jhr Angſt/ Pein/ Marter/ Tod: Wie Tugend ſelbſt jhr

Lohn.

56. GOtte thut deine Verdamnuͤß nicht
weh.

Der Sonne thuts nicht weh/ wenn du von ihr dich kehrſt/

Alſo auch GOtte nicht/ wenn du in Abgrund faͤhrſt.

57. Wann du wilt/ wirſtu ſeelig.
GOtt laͤſt dich jede zeit gar gern inn Himmel ein:

Es ſtehet nur bey dir ob du wilt ſeelig ſeyn.

58. Wie du biſt/ ſo wirſtu gewuͤrket.
Die Sonn erweicht das Wachß/ und machet hart den

Koth.

So wirkt auch GOtt nach dir das Leben und den Tod.

59. Herren gunſt wehret jmmer.
Daß Herꝛn gunſt ewiglich/ und nicht nur kurtz beſteht/

Beweiß ich mit der gunſt des Herren in der Hoͤhe.

60. Der
[182[171]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
60. Der Weg zum Himmel.
Wenn du mein Pilger wilt inn Himmel dich erhoͤhen/

So muſtu nahe zu/ grad uͤbern Kreutzweg gehen.

61. Alles iſt vollkommen.
Menſch nichts iſt unvolkommn: der Kieß gleicht dem

Rubin;

Der Froſch iſt ja ſo ſchoͤn alß Engel Seraphin.

62. Des Menſchen groͤſter Schatz.
Der groͤſte Schatz nach GOtt iſt gutter will’ auf erden:

Jſt alles gleich verlorn; Durch jhn kans wider werden.

63. Bey GOtt ſind keine Jahre.
Fuͤr GOtt ſind tauſend Jahr wie ein vergangner Tag.

Darumb iſt gar kein Jahr bey jhm/ wers faſſen mag.

64. Wir dienen uns/ nicht GOtt.
Menſch/ Gott iſt nichts gedient/ mit faſten bethen wach[ẽ]:

Du dienſt mehr dir damit/ weils dich kan heilig machen.

65. GOtt kan ſich nicht verbergen.
GOtt kan ſich nimmermehr verbergen wie du ſprichſt:

Es ſey dann daß du auch fuͤr jhn ein Loch erdichſt.

66. GOtt iſt in unß ſelbſt.
GOtt iſt ſo nah hey dir mit ſeiner Gnad und Guͤtte/

Er ſchwebt dir weſentlich im Hertzen und Gemuͤtte.

67. Wie weit der Weg in Himmel.
Chriſt ſchaͤtze dir die Reiß inn Himmel nicht ſo weit:

Der gantze Weg hinein iſt keines Schrittes breit.

H 368. Der
[183[172]]Joh: Angeli fuͤnfftes Buch
68. Der weiſe begehrt nicht in Himmel.
Der Weiſe wann er ſtirbt/ begehrt inn Himmel nicht:

Er iſt zuvor darinn eh jhm das Hertze bricht.

69. Deß boͤſen und gutten Unterſcheid.
Ein Jrꝛliecht iſt der boͤß’; ein gutter Menſch ein ſtern:

Er brennet von ſich ſelbſt/ der leuchtet von dem Herꝛn.

70. Man darff nicht viel zur Seeligkeit.
Chriſt du bedarffſt/ nicht viel zur ewgen Seeligkeit:

Es huͤlfft ein eintzigs Kraut das heiſt gelaſſenheit.

71. Die Buß’ iſt leicht zu thun.
Die Buß’ iſt hald gethan/ daß dich GOtt loß muß ſagen/

Du darffſt nur an die Bruſt wie jener Suͤnder ſchlagen.

72. GOtt iſt allem gleich nahe.
GOtt iſt dem Belzebub nah mie dem Serayhim:

Es kehrt nur Belzebub den Ruͤkken gegen jhm.

73. GOtt kan ſich nicht entziehn.
GOtt kan ſich nicht entziehn/ er wuͤrket fuͤr und fuͤr.

Fuͤhlſtu nicht ſeine Krafft/ ſo gib die Schuld nur dir.

74. Jn der Hoͤlle iſt keine Ewigkeit.
Betracht’ es eigendlich: bey GOtt iſt Ewigkeit/

Beym Teuffel in der Hoͤll da iſt ein ewges leid.

75. Nichts beſteht ohne genuß.
Nichts dauret ohn genuß. GOtt muß ſich ſelbſt genieſſen;

Sein weſen wuͤrde ſonſt wie Graß verdorren muͤſſen.

76. Wie
[184[173]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
76. Wie die Geſellſchafft/ ſo der geſellte.
Zu wem du dich geſellſt/ deß weſen ſaufſtu ein:

Bey Gotte wirſtu Gott/ beym Teuffel Teuffel ſeyn.

77. An den Suͤnder.
Du ſchreieſt auf den Dieb/ und ſchiltſt jhn unverholen:

Schweig/ du haſt GOtt viel mehr alß er der Welt ge-

ſtohlen.

78. Warumb wenig zur Thuͤr deß Lebens
eingehn.

Daß nach der Him̄elthuͤr ſo wenig Menſchen greiffen!

Es wil jhm keiner dran den alten Balg abſtreiffen.

79. Am Creutz am ſicherſten.
Man ligt ach ſeeligſten in Leyden Creutz und Pein:

Wo aber ſind die gern auf diſem Bette ſeyn?

80. Die Armut iſt am Reichſten.
Die Armuth iſt ein Schatz dem keine Schaͤtze gleichen:

Der aͤrmſte Menſch im Geiſt hat mehr als alle Reichen.

81. Jm Reinen erſcheinet GOtt.
Menſch daͤnkſtu GOtt zuſchaun/ dort oder hier auf Er-

den:

So muß dein Hertz zu vor ein reiner Spiegel werden.

82. Am Creutz iſt die lieb’ am Liebſten.
Sag wo die Liebe wird am liebeſten gefunden?

Am Creutz/ wenn ſie umb deß geliebten willn gebunden.

83. Freud’ und Leid beyſammen.
Ein Chriſt erfreuet ſich in Leyden Creutz und Pein:

So kan ja freud’ und Leyd gar wol beyfaͤmmen ſeyn!

H 484. Eins
[185[174]]Joh: Angeli fuͤnfftes Buch
84. Eins wiſſen hat den Preyß.
Viel wiſſen blaͤhet auf: dem geb ich lob und preyß/

Der den Gekreutzigten in ſeiner Seele weiß.

85. Wer nichts weiß/ iſt geruhig.
Haͤtt’ Adam nie vom Baum der wiſſenſchafften geſſen/

Er waͤr’ im Paradeiß in ewger Ruh geſeſſen.

86. Der Schoͤpffer im Geſchoͤpffe.
Die Schoͤpffung iſt ein Buch; Wer’ s weißlich leſen kan/

Dem wird darinn gar fein der Schoͤpffer kundt gethan.

87. Eins iſt das beſte Buch.
Viel Buͤcher viel beſchwehr: Wer eines recht geleſen/

(Jch meine JEſum Chriſt)/ iſt ewiglich geneſen.

88. Du muſt dich uͤber ſetzen.
Der Leib muß ſich inn Geiſt/ der Geiſt inn Gott erheben/

Wo du in Jhm mein Menſch wilt ewig ſeelig leben.

89. Du muſt es hier erwerben.
Hier muß es ſeyn gethan: Jch bilde mir nicht ein/

Daß der kein Reich erwirbt dort wird ein Koͤnig ſeyn.

90. Nichts zeitlichs iſt in GOtt.
Ein Augenblik iſt kurtz: Noch kan ich kuͤhnlich ſagen/

Daß GOtt ſo lange nicht geweſt vor Zelt und Tagen.

91. Jn welchem Jahr die Welt er-
ſchaffen.

Da GOtt die Welt erſchuf/ waß ſchrieb man fuͤr ein

Jahr?

Kein anders nicht alß das ſeins Urſtands erſtes war.

92. GOtt
[186[175]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
92. GOtt ſiht nichts zuvor.
*GOtt ſihetnichts zuvor: Drumb leugſtu wenn du jhn

Mit der Vorſehung mißt nach deinem bloͤden Sjnn.


93. GOtt kan nicht zoͤrnen.
GOtt zoͤrnet nie mit unß/ wir dichtens jhm nur an:

Unmoͤglich iſt es jhm daß er je zoͤrnen kan.

94. GOtt iſt nicht beweglich.
Wer ſaget daß ſich GOtt vom Suͤnder abewendt/

Der giebet klar ann Tag daß er GOtt noch nicht kennt.

Merk. GOtt wendet ſich nicht ab/ ſondern der Suͤnder

wendt ſich von GOtt.

95. Was GOtt den Seeligen und Ver-
dambten iſt.

GOtt iſt den Seeligen ein ewger freuden Gaſt/

Und den Verdammeten ein’ewge uͤberlaſt.

96. Das Hoͤlliſche brennt nur.
Die Hoͤlle ſchadt mir nichts/ waͤr’ ich gleich ſtaͤts in jhr:

Daß dich jhr Feuer brennt/ das lieget nur an dir.

97. Der weiſe klagt nur Suͤnde.
Der Weiſe wann er ſol von Pein und Ungluͤk ſagen/

Wird dir ſonſt uͤber nichts als uͤber Suͤnde klagen.

98. GOtt kan dem Willn nicht ſteuren.
Nichts ſtaͤrkers iſt als GOtt: doch kan er nicht verweh-

ren/*

Daß ich nicht was ich wil ſol wollen und begehren.

H 5*Durch
[187[176]]Joh: Angeli fuͤnfftes Buch

99. Was GOtt gern jſſet.
GOtt jſſt die Hertzen gern: Wiltu jhn ſtattlich ſpeiſen/

So richt’ jhm deines zu: Er wird es ewig preiſen.

100. Wie GOtt das Hertz wil zubereitet
haben.

Wie Kocht man Gott das Hertz? Es muß geſtoſſen ſeyn/

Gepreſt/ und ſtark verguldt: Sonſt geht es jhm nicht ein.

101. GOtt wil ein gantzes Hertze.
Chriſt mit dem halben theil wirſtu GOtt nicht begaben:

Er wil das Hertze gantz und nicht die helffte haben.

102. Warumb niemand vonn Engeln
beſeſſen wird.

Wie daß keln heilges Hertz vonn Engeln wird beſeſſen?

Sie thuns nicht weil es GOtt fuͤr ſich hat abgemeſſen.

103. GOtt iſt nicht’s erſtemahl am Creutz
geſtorben.

GOtt iſt nicht’s erſte mahl am Creutz getoͤdtet worden:

Denn ſchau er ließ ſich ja in Abel ſchon ermorden.

104. Chriſtus iſt geweſen/ eh’ er war.
Daß Chriſtus lang zuvor/ eh daß er war geweſen/

Jſt klaͤr: Weil man jhn aß und tranck/ daß man geneſt.

105. Den Himmel kan man ſtehlen.
Wer heimblich guttes wuͤrckt/ ſein Geld außtheilt ver-

holen/

Der hat das Himmelreich gar meiſterlich geſtohlen.

106. Das
[188[177]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
106. Das Leben muß dir ſelbſt einge-
geſchrieben ſeyn.

Menſch wird dein Hertze nicht das Buch deß Lebens ſeyn:

So wirſtu nimmermehr zu Gott gelaſſen ein.

107. Chriſtus geſtern/ heut/ und Morgen.
Meſſias der iſt heut/ iſt geſtern/ und iſt Morgen/

Und biß in ewigkeit/ entdekket und verborgen.

108. Der glaub’ allein iſt ein holes Faß.
Der glaub’/ ohn lieb’/ allein/ (wie ich mich wol beſinne)

Jſt wie ein holes Faß: Eß klingt und hat nichts drinne.

109. Wer GOtt hat hat alles mit jhm.
Bey GOtt iſt alls und jeds: Wer neben Jhm traͤgt ein/

Der muß ein rechter Narr/ und tummer Geitzhalß ſeyn.

110. Dem Schoͤpffer lauffen alle Ge-
ſchoͤpffe nach.

Wenn du den Schoͤpffer haſt/ ſo laufft dir alles nach/

Menſch/ Engel/ Sonn und Mond/ Lufft/ Feuer/ Erd/

und Bach.

111. Auſſer GOtt leben iſt Todt ſeyn.
Menſch glaube diß gewiß: Wo du nicht lebſt in GOtt/

Lebſtu gleich tauſend Jahr/ du biſt ſo lange todt.

112. Nicht alles gutte iſt gut.
Nicht alles gut’ iſt gut: Menſch uͤberred dich nicht:

Waß nicht im Lieboͤl brent das iſt ein falſches Licht.

113. Gewien iſt verluſt.
Der Reiche dieſer Welt was hat er vor gewin?

Daß er muß mit verluſt von ſeinem Reichthumb ziehn.

H 6114. Nach
[189[178]]Joh: Angeli fuͤnfftes Buch
114. Nach Ehre ſtreben iſt thoͤricht.
Wie thoͤricht ſind wir doch daß wir nach Ehre ſtreben!

GOtt wil ſie ja nur dem/ der ſie verſchmaͤhet/ geben.

115. Erfahrung iſt beſſer als wiſſenſchafft.
Jß doch/ waß redſtu viel von krafft der Wurtzel Jeſſe:

Mir ſchmaͤkket nichts ſo gut als was ich ſelber eſſe.

116. Du muſt der erſte im Himmel ſeyn.
Chriſt lauffe was du kanſt/ wiltu in Himmel ein:

Es heiſt nicht ſtille ſtehn/ du muſt der erſte ſeyn.

117. Der Demuͤtige wird nicht gericht.
Wer ſtaͤts in demut lebt/ wird nie von GOtt gericht:

Warumb? er richtet auch niemand und ſuͤndigt nicht.

118. GOtt iſt nicht mehr barmhertzig als
Gerecht.

Gott der wird nicht fuͤr Gott vom weiſen Mann erkieſt:

Wo er barmhertzjger mehr als gerechter iſt.

119. Die wuͤrckung deß heiligen Sa-
craments.

Das Brodt der Herꝛ in uns wirkt wie der weiſen ſtein;

Es machet uns zu Gold/ wo wir geſchmoltzen ſeyn.

120. Der menſch iſt zwey Menſchen.
Zwey Menſchen ſind in mir: Der eine wil was GOtt;

Der andre was die Welt der Teuffel und der Tod.

121. Nichts iſt herrlicher als die Seele.
Solt’ auch was herꝛlichers alß meine Seele ſeyn/

Weil GOtt die herꝛligkeit ſich ſelbſt verwandelt drein?

122. Es
[190[179]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
122. Es ſind nicht Heiligen.
Es koͤnnen/ wie du ſprichſt/ nicht viel der Heilgen ſeyn.

Warumb? denn JEſus iſt der Heilge ja allein.

123. Gleichnuß der H. Dreyeinigkeit.
GOtt Vatter iſt der Brunn der Quall der iſt der Sohn/

Der heilge Geiſt der iſt der ſtrom ſo fleuſt davon.

124. Von GOtt wird mehr gelogen als
war geredt.

Was du von GOtt verjahſt/ daſſelb iſt mehr erlogen/

Als wahr: weil du Jhn nur nach dem geſchoͤpff erwogen.

125. Zeit iſt edler alß Ewigkeit.
Die Zeit iſt edeler alß tauſend Ewjgkeiten:

Jch kan mich hier dem Herꝛn/ dort aber nicht bereiten.

126. Der Jchheit Tod ſtaͤrckt in dir Gott.
So viel mein Jch in mir verſchmachtet und abnimbt/

So viel deß Herren Jch darfuͤr zu kraͤfften koͤm̄bt.

127. Die Seel iſt über Zeit.
Die Seel ein ewger Geiſt iſt uͤber alle Zeit:

Sie lebt auch in der Welt ſchon in der Ewigkeit.

128. Der Seelen wird es nie Nacht.
Mich wundert daß du darffſt den tag ſo ſehr verlangen!

Die Sonn iſt meiner Seel noch niemals untergangen.

129. Das jnnere bedarf Nicht deß aͤuſeren.
Wer ſeine Sinnen hat ins jnnere gebracht/

Der hoͤrt was man nicht redt/ und ſiehet in der Nacht.

130. Der
[191[180]]Joh: Angeli fuͤnfftes Buch
130. Der geiſtliche Magnet und Stahl.
GOtt der iſt ein Magnet/ mein Hertz das iſt der Sthal:

Eß kehrt ſich ſtaͤts nach jhm/ wenn ers beruͤhrt einmahl.

131. Der Menſch iſt etwas groſſes.
Der Menſch muß doch was ſeyn! GOtt niembt ſein we

ſen an:

Umb aller Engel willn haͤtt’ er ſolchs nicht gethan.

132. Der gelaſſene leidet keinen ſchaden.
Wer nich[t]s mit eigenthum beſitzet in der Welt/

Der leidet nicht verluſt wann jhm gleich’s Hauß ein-

faͤllt.

133. Der Weiſe graͤmt ſich nie.
Der Weiſe wird ſich nie in Pein und Ungluͤk graͤmen:

Er bitt GOtt nicht einmahl/ daß ers von jhm ſoll neh-

men.

Er bettet nur Herꝛ dein Wille geſchehe.

134. Ein Koͤnig und ein knecht iſt GOtt
gerecht.

Menſch allererſt biſtu fuͤr GOtt geſchikt und recht:

Wenn du zugleiche biſt ein Koͤnig und ein Knecht.

135. Vorbereitung macht weniger emp-
findligkeit.

Wie daß den Weiſen nie betruͤbet Weh und Leid?

Er hat ſich laug zuvor auf ſolchen Gaſt bereit.

136. Dem Weiſen gilt alles gleiche.
Alls gilt dem Weiſen gleich; er ſitzt in ruh und ſtille:

Geht es nach ſeinem nicht/ ſo gehts nach GOttes wille.

137. GOtt
[192[181]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
137. GOtt hoͤret auch die Stum̄en.
Menſch wo du GOtt umb gnad nicht kanſt mit worten

ehren/

So ſteh nur ſtum fuͤr jhm/ er wird dich ſchon erhoͤren.

138. Wen GOtt nicht ewig verdammen
kan.

Den Suͤnder/ welcher ſich nicht ewig wendt von GOtt/

Kan GOtt auch nicht verdam̄n zur ewgen Pein un̄ Tod.

139. Das Alleradelichſte.
Bin ich nicht adelich! die Engel dienen mir/

Der Schoͤpffer buhlt umb mich/ und wart fuͤr meiner

Thuͤr.

140. Der Weiſe fehlt nie deß Ziehls.
Der Weiſe fehlet nie: er trifft allzeit des Ziehl;

Er hat ein augenmaß/ das heiſſet wie GOtt wiel.

141. Der Welt thun iſt ein Trauer ſpiel.
Freund goͤnn’ es doch der Welt/ jhr gehts zwar wie ſie

wil:

Doch iſt jhr gantzes thun nichts als ein Trauerſpiel?

142. Jm Himmel mag man thun was
man wil.

Menſch zaͤhme doch ein kleins auf erden deinen willen:

Jm Himmel wirſtu ihn wie du wirſt wolln erfuͤllen.

143. Der Unempfindliche iſt mehr als
Engliſch.

Wer in dem Fleiſche lebt/ und fuͤhlt nicht deſſen pein:

Der muß ſchon auf der Welt weit mehr als Engliſch

ſeyn.

144. Die
[193[182]]Joh: Angeli fuͤnfſtes Buch
144. Die Jchheit ſchadt mehr als tau-
ſend Teuffel.

Menſch huͤtte dich fuͤr dir. Wirſtu mit dir beladen/

Du wirſt dir ſelber mehr als tauſend Teuffel ſchaden.

145. Chriſtus verurſacht nur haß und ſtreit.
Meinſtu daß Chriſtus dir bringt Fried und Einigkeit?

Nein wahrlich: wo er iſt entſtehet haß und ſtreit.

146. Die Welt iſt von Ewigkeit.
Weil GOtt der ewige die Welt ſchuf auſſer zeit:

So iſts ja Sonnen-klar daß ſie von ewigkeit.

147. Jn GOtt iſt alles gleiche.
Jn GOtt iſt alles eins. Der minſt im Himmelreich

Jſt Chriſto unſrem Herꝛn und ſeiner Mutter gleich.

148. Jn der Ewigkeit geſchicht alles zu-
gleiche.

Dort in der Ewigkeit geſchihet alls zugleich

Es iſt kein vor noch nach/ wie hier im Zeitenreich.

149. Alle Menſchen muͤſſen ein Menſch
werden.

Der vielheit iſt GOtt feind; Drumb zieht er uns ſo ein:

Daß alle Menſchen ſolln in Chriſto einer ſeyn.

150. Jm Himmel iſt alles gemein.
Jm Himmel lebt man wol; Niemand hat was allein:

Was einer hat/ das iſt den Seelgen alln gemein.

151. Ein jeder geneuſt des andrē Seeligkeit.
MArien Seeligkeit/ und jhres Sohns deß ſuͤſſen/

Werd’ ich ſo voͤlliglich alß beyde ſelbſt genieſſen.

152. Was
[194[183]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
152. Was ein Heiliger hat/ das iſt der
andern auch.

Was hier die Heiligen mit groſſer muͤh erlangt/

Wird in der Seeligkeit mir alls umb ſonſt geſchankt.

153. Ein jeder im Himmel freuet ſich ob
dem andern.

Der groͤſte Heilige wird ſich ſo hoch erfreun

Ob mir; als ſehr ob jhm ich werde froͤlich ſeyn.

154. Wer friede ſucht muß vil uͤberſ[e]hn.
Menſch wenn du ſo genau das deine wilt beſchuͤtzen/

So wirſtu nimmermehr im wahren friede ſitzen.

155. Chriſtus iſt der erſte und letzte Menſch.
Der erſt und letzte Menſch iſt Chriſtus ſelbſt allein/

Weil all’auß jhm entſtehn/ in jhm beſchloſſen ſeyn.

156. Wer viel begehrt dem mangelt vil.
Wer gnugſam reich/ hat alls. Wer viel begehrt und wil/

Der giebet zu verſtehn daß jhm noch mangeit viel.

157. Der Reiche iſt wahrhafftig arm.
Der Reiche wann er viel von ſeiner Armuth ſpricht/

So glaub es ihm nur gern: er leugt warhafftig nicht.

158. Die abgeſtorbenheit iſt eine Wittib.
Die abgeſtorbenheit muß eine Wittib ſeyn;

Denn ſie hat keinen Mann/ und gehet ſtaͤts allein.

159. Das Leiden Chriſti iſt noch nicht gar
vollbracht.

Das Leiden Chriſti iſt am Creutz nicht gar vollbracht:

Er leidet heute noch bey Tag und auch bey Nacht.

160. Der
[195[184]]Joh: Angeli fuͤnfftes Buch
160. Der Menſch muß daß Leiden
Chriſti erfuͤllen.

Menſch du ſolſt Paulus ſeyn/ und in dir ſelbſt erfuͤllen/

Was Chriſtus nicht gethan/ wo ſich der zorn ſol ſtillen.

161. Niemand liegt an der bruſt Chriſti
als Johannes.

Kind bilde dir nicht ein/ eb du Johannes biſt/

Daß du ligſt an der Bruſt deß Herren JEſu Chriſt.

162. Das Lob deß Suͤnders.
Das Lob das GOtt dem Herꝛn ein Ungerechter giebt.

Wird weniger von jhm als Hundsgebell geliebt.

163. GOtt huͤlfft dem groͤſten Suͤnder am
liebſken.

Die Suͤnder liegen krank/ jhr artzt iſt JEſus Chriſt:

Am liebſten hilfft er dir wo du der groͤſte biſt.

164. GOtt nimbt nur die Laͤmmer an.
GOtt wil daß alle ſolln zu ſeinem Sohne kommen:

Und dennoch werden nur die Laͤmmer angenommen.

165. Wer GOtt ſiehet.
GOtt iſt ein ewger Blitz/ wer kan jhn ſehn und leben?

Wer ſich in ſeinen Sohn ſein Ebenbild begeben.

166. Wer boͤſe bleibt/ hat nichts an
Chriſto.

Menſch bleibeſtu verboſt/ ſo iſt dir nichts erworben:

GOtt iſt nur fuͤr das Schaf nicht fuͤr den Bok geſtorben.

167. Die Sünde bringt was Guttes.
Die Suͤnd bringt doch was gutts: Sie muß den Fromen

dienen/

Daß ſie viel edeler fuͤr GOtt dem Herren gruͤnen.

168. Der
[196[185]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
168. Der Sünder thut nichts gut.
Menſch ſpeiſe wen du wilt/ zeuch tauſend Armen an;

Wo du ein Suͤnder biſt/ du haſt nicht wol gethan.

169. Wie man fuͤr die Majeſtaͤt gehet.
Wer fuͤr der Majeſtaͤt wil unerſchrokken ſtehn/

Der muß gewaſchen ſeyn/ und tief gebukket gehn.

170. GOtt ſind alle Werke gleich.
GOtt ſind die Werke gleich/ der Heilge wann er trinkt/

Gefaͤllet Jhm ſo wol als wann er Beth und ſingt.

171. Die Tugenden haͤngen alle anein-
ander.

Die Tugenden ſind ſo verknuͤpffet und verbunden/

Wer ein’ alleine hat der hat ſie alle funden.

172. Alle Tugeden ſind eine Tugend.
Schau alle Tugenden iſt ein’ ohn unterſcheid:

Wiltu den Rahmen hoͤrn? ſie heiſt Gerechtigkeit.

173. GOtt hat keine Gedanken.
Menſch GOtt gedaͤnket nichts. Ja waͤrn in Jhm

Gedanken (wanken

So koͤnt’ Er hin und her/ welchs Jhm nicht zuſteht/

174. Was der Heilige thut/ thut GOtt
in ihm.

Gott thut im Heilgen ſelbſt alls was der Heilge thut:

GOtt geht/ ſteht/ liegt/ ſchlaͤfft/ wacht/ ißt/ trinkt/ hat

gutten Muth.

171. Das Gewiſſen iſt ein Wegweiſer.
Menſch wenn du jrre gehft ſo frage dein Gewiſſen;

Du wirſt ohn alln Verzug die Straſſ’ erkennen muͤſſen.

177. Wer
[197[186]]Joh: Angeli fuͤnfftes Buch
177. Wer das Buch deß Lebens lieſet.
Menſch wer dem HErren folgt in ſeinem Thun und

laſſen/

Der lieſt deß Lebens Buch/ und kan die Meinung faſſen.

178. Chriſtus war was Er redet.
Was Chriſtus auf der Welt geredthat und gethan/

Das iſt Er ſelbſt geweſt: wie ers auch zeiget an.

179. GOtt macht nichts Neues.
Gott macht kein neues Ding/ obs uns zwar neue ſcheint

Fuͤr Jhm iſt ewiglich was man erſt werden meint.

180. GOtt kombt nur in keuſche Hertzen.
Den Braͤutgam deiner Seel verlanget ein zu ziehen/

Bluͤh auf; er kommet nicht biß daß die Lilgen bluͤhen.

181. Das allergeitzigſte.
Wie Geitzig iſt ein Hertz! wenn tauſend Welten waͤren/

Es wuͤrde ſie geſambt/ und mehr darzu begehren.

182. Das Hertz muß auß dem Hertzen.
Schuͤtt auß dein Hertz fuͤr GOtt: Erzeucht nicht bey

dir ein;

Wenn er dein Hertze nicht ſieht auſſrem Hertzen ſeyn.

183. Deß Chriſten Natur.
Umb boͤſes guttes thun/ umb Schmach ſich nicht ent-

ruͤſten:

Vor undank dank ertheiln/ iſt die Natur der Kriſten.

184. Ein Heiliger ſicht ſich im andern.
Ein jeder Heiliger wird ſich in allen ſehn:

Wann nicht all’ einer waͤrn/ ſo koͤnt es nicht geſchehn.

185. Der
[198[187]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
185. Der Weiſe weil er nichts hat ver-
liehrt nichts.

Der weiſe Mann iſt nie umb einen Heller kommen:

Er hat nie nichts gehabt/ man hat ihm nichts genom̄en.

186. Die Eigenheit iſt alles uͤbels Urſache.
Mittheilen ſchaffet Ruh: Bloß auß der Eigenheit

Entſtehet alles Weh/ Verfolgung Krieg und Streit.

187. Der groͤſte Troſt nach GOtt.
Der groͤſte Troſt nach GOtt duͤnkt mich im Him̄el ſeyn:

Daß man einander gleich ins Hertze ſiht hinein.

188. Es ſind viel Seeligkeiten.
Es ſind viel Wohnungen/ und auch viel Seeligkeiten:

Ach thaͤteſtu dich doch zu einer recht bereiten!

189. GOtt iſt Ewig in ſeine Schoͤnheit
verliebt.

GOtt iſt ſo uͤberſchoͤn/ daß Jhn auch ſelber gantz

Von Ewigkeit verzukt ſeins Angeſichtes Glantz.

190. Die Seeligkeit in der Zeit.
Dem Heilgen geht nichts ab; er hat ſchon in der Zeit

An GOttes wollgefalln die gantze Seeligkeit.

191. Der Seeligen und Verdampten
eigenſchafft.

Der Seelgen Eigenſchafft iſt gantz nach GOtte leben?

Und der Verdampten art Jhm gaͤntzlich wiederſtreben.

192. GOtt macht mit Huͤlffe der Crea-
tur das beſte.

Den erſten Adam den hat GOtt allein gemacht:

Den anderen hat er mit mir zu wege bracht.

193. GOtt
[199[188]]Joh: Angeli fuͤnfftes Buch
193. GOtt liebet einen wie alle.
GOtt liebet mich ſo ſehr als alles was auf Erden;

Waͤr’ er nicht Menſch gebohrn/ er wuͤrde mirs noch wer-

den.

194. Aller Heiligen Werke ſind nur ein
Wert.

Was alle Heilgen thun/ das kan ein Menſch allein:

Ja? ſchau ſie thun ſonſt nichts als GOtt gelaſſen ſeyn.

195. GOtt wird im muͤſſig ſeyn gefunden.
GOtt wird viel eher dem der gaͤntzlich muͤſſig ſitzt;

Als dem der nach Jhm laufft daß Leib und Seele ſchwitzt.

196. GOtt hat alle Nahmen/ und keinen.
Man kan den hoͤchſten GOtt mit allen Nahmen nen̄en:

Man kan jhm widerumb nicht einen zu erkennen.

197. GOtt iſt nichts und alles.
GOtt der iſt nichts und alls ohn alle deuteley:

Dann nenn was das Er iſt? auch was das Er nicht ſey?

198. Chriſtus iſt unſer Muſter.
Menſch wenn du dich wilt GOTT zum Tempel aufer-

bauen/

Muſtu das rechte Maß an Chriſto dir abſchauen.

199. Der Liebe gegenwurf.
Der Liebe gegen-wurff iſts hoͤſte Gutt allein:

Liebt ſie was auſſer dem/ ſo muͤß ſie Naͤrriſch ſeyn.

200. Was man liebt/ in das verwandelt
man ſich. auß
S. Auguſtino.

Menſch was du liebſt in das wirſtu verwandelt werden/

GOtt wirſtu liebſtu GOtt/ und Erde liebſtu Erden

201. Die
[200[189]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
201. Die wohlgeordnete Liebe.
Liebſtu GOtt uͤber dich/ den Naͤchſten wie dein Leben/

Was ſonſt iſt/ unter dir: ſo liebſtu recht und eben.

202. Die Vereinigung mit GOtt ma-
chet alles Edeler.

Kriſt alles was du thuſt/ muß dir zu Gulde werden:

Wo dus Vereinigeſt mit Chriſti thun auf Erden.

203. Der Welt-Menſch iſt Verblendt.
Menſch thu die Augen auf/ der Himmel ſteht ja offen:

Du haſt dich mit der Welt/ wo dus nicht ſiehſt beſoffen.

204. GOtt iſt guͤttiger als wir vermeinen.
GOtt iſt ſo gut auf unß/ daß ichs nicht ſagen kan:

Begehrn wir Jhn gleich nicht/ er bieth ſich ſelber an.

205. Auf GOttes ſeiten iſt kein Mangel.
GOtt wirkt ohn unterlaß: Er goͤſſe tauſend Freuden

Jn dich auf einmal ein/ wo du Jhn koͤnteſt leyden.

206. GOtt kan ſich keinem Demuͤtigen
entziehn.

GOtt koͤnte ſich auch gar den Teufeln nicht entziehn/

Wo ſie nur umbgekehrt fuͤr Jhn hin wolten knien.

207. Das groͤſte Werk.
Das allergroͤſte Werk das du fuͤr GOtt kanſt thun/

Jſt ohn ein eintzigs Werk GOtt leiden und Gott ruhn.

208. Die Neue Creatur.
Menſch allererſt biſtu die neue Creatur/

Wenn Chriſti froͤmigkeit iſt deines G[ei]ſts Natur.

209. Das
[201[190]]Joh: Angeli fuͤnfftes Buch
209. Das allerhoͤchſte Leben.
Freund wo du’s wiſſen wilt/ das allerhoͤchſte Leben/

Jſt abgeſchieden ſeyn/ und GOtt ſtehn uͤbergeben.

210. Die Neue und alte Liebe.
Die Liebe wenn ſie neu/ prauſt wie ein junger Wein:

Je mehr ſie alt und Klar/ je ſtiller wird ſie ſeyn.

211. Die Seraphiſche Liebe.
Die Liebe welche man Seraphiſch pflegt zunennen/

Kan man kaum aͤuſerlich weil ſie ſo ſtill iſt kennen.

212. Der liebe Mittelpunct und Umb-
kreiß.

Der liebe Mittelpunct iſt GOtt und auch jhr Kreiß:

Jn Jhm ruht ſie/ liebt alls in jhme gleicherweiß.

213. Der Thron GOttes iſt im Friede.
Jn wem die Majeſtaͤt ſol ruhen wie inn Thronen/

Muß zu Jeruſalem auf Sions Berge wohnen.

214. GOtt iſt in allem alles.
Jn Chriſto iſt GOtt GOtt/ inn Engeln Engliſch Bild/

Jnn Menſchen Menſch/ und alls in allen was du wilt.

215. GOtt thut alles in allem.
GOtt thut in allen alls. Er liebt inn Seraphinen/

Jnn Thronen herꝛſchet Er/ beſchaut inn Cherubinen.

216. GOtt iſt ein Brunn.
Gott gleicht ſich einem Brun̄/ Er fleuſt gantz mildiglich

Herauß in ſein Geſchoͤpff/ und bleibet doch in ſich

217. Jn
[202[191]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
217. Jn GOtt ſchaut man alles auf
einmahl.

Freund wann man Gott beſchaut/ ſchaut man auf

einmahl an/

Was man ſonſt ewig nicht ohn jhn durchſchauen kan.

218. Gott kan nichts boͤſes wolln.
GOtt kan nichts boͤſes wolln: wolt’ Er deß Suͤnders

Tod/

Und unſer Ungeluͤk/ Er waͤre gar nicht Gott.

219. Der Menſch ſol nicht ein Menſch
bleiben.

Menſch bleib doch nicht ein Menſch: man muß aufs

hoͤchſte kommen.

Bey Gotte werden nur die Goͤtter angenommen.

220. Wie Gott gefunden wird.
Wer Gott recht finden wil/ muß ſich zuvor verliehrn/

Und biß in Ewigkeit nicht wieder ſehn noch ſpuͤrn.

221. Der Todte hoͤret nicht.
Ein abgeſtorbner Menſch/ ob man jhm uͤbel ſpricht/

Bleibt unbewegt. Warumb? die Todten hoͤren nicht.

222. Vor den Freuden muß mann
leyden.

Menſch wo du dich mit Gott im Himmel daͤnkſt zu

freun/

Muſtu vor auf der Welt ſeyns Tods gefaͤhrte ſeyn.

J223. Wan
[203[192]]Joh: Angeli fuͤnfftes Buch.
223. Wann der Menſch ſo gerecht wie
Chriſtus.

Wann du vollkommen Eins mit GOTT dem HErren

biſt/

So biſtu ſo gerecht als unſer Jeſus Chriſt.

224 Dem Todten iſt alles Tod.
Wenn du geſtorben biſt/ ſo ſcheinet dir von Noth

Mein Menſch die gantze Welt unnd alls Geſchoͤpffe

Todt.

225. Die ungekreutzigten Kreutze.
Viel ſind der Welt ein Kreutz/ die Welt iſt aber jhnen/

Nicht dieſes widerumb: weil ſie die noch bedienen.

226. Die Natur der Heyligkeit.
Der Heyligkeit Natur iſt lautre Lieb O Chriſt:

Je lauterer du liebſt/ je heyliger du biſt.

227. Die Gleichheit.
Der Heilge nimbt es gleich: laͤſt jhn GOtt liegen

Krank/

Er ſaget Jhm ſo gern als vor Geſundheit dank.

228. Der Menſch ſtekt in einem Thier.
Kreuch doch herauß mein Menſch/ du ſtekts in einem

Thier/

Wo du darinnen bleibſt/ kombſtu bey Gott nicht fuͤr.

229. Anmaſſung iſt der Fall.
Menſch iſt was guts in dir/ ſo maſſe dichs nicht an:

So bald du dirs ſchreibſt zu/ ſo iſt der Fall gethan.

230. Das
[204[193]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
230. Das boͤſe iſt deine.
Das gutte kom̄t auß Gott/ drum̄ iſts auch ſeyn’ allein:

Das boͤſ’ entfteht auß dir: das laß du deine ſeyn.

231. Wahre Liebe iſt beſtaͤndig.
Laß doch nicht ab von Gott/ ob du ſolſt elend ſeyn:

Wer jhn von Hertzen liebt/ der liebt Jhn auch in

Pein.

232. Das Schoͤnſte Ding.
Kein Ding iſt hier noch dort/ das ſchoͤner iſt als ich:

Weil Gott die Schoͤnheit ſelbſt ſich hat verliebt in

mich.

233. Wenn der Menſch Gott iſt.
Eh’ als ich ich noch war/ da war ich Gott in Gott:

Drum̄ kan ichs wieder ſeyn wen̄ ich nur mir bin Todt.

234. Alles kehrt wieder in ſeinen Vr-
ſprung.

Der Leib von Erde her wird widerumb zur Erden:

Sag weil die Seel von Gott/ ob ſie nicht Gott wird

werden?

235. Die Ewigkeit iſt unß angebohrn.
Die Ewigkeit iſt unß ſo jnnig und gemein:

Wir wolln gleich oder nicht/ wir muͤſſen Ewig ſeyn.

236. Eins haͤlt das ander.
Mein Geiſt der traͤgt den Lieb/ der Leib der traͤgt jhn

wieder:

Laͤſt eins vom andern ab/ ſo falln ſie beyde nieder.

237. Das Kreutze bringt Freud und Leid.
Das Kreutze bringet Pein/ das Kreutze bringet Freud.

Pein einen Augenblik/ und Freud in Ewigkeit.

J 2238. Daß
[205[194]]Joh: Angeli fuͤnfftes Buch
238. Daß mein vnd dein Verdammet.
Nichts anders ſtuͤrtzet dich in Hoͤllenſchlund hinein/

Als das verhaſſte Wort (merks wol!) das mein unnd

dein.

239. Gott hat kein Muſter als ſich ſelbſt.
Fragſtu warumb mich Gott nach ſeinem Bildnuͤß

Machte?

Jch ſag’ es war niemands der jhm ein anders brachte.

240. Wann der Menſch gaͤntzlich wieder-
bracht iſt.

Wenn iſt der Menſch zu Gott vollkommlich wieder-

bracht?

Wenn er das Muſter iſt darnach jhn Gott gemacht.

241. Der Liebe iſt alles Vnterthan.
Die Lieb beherꝛſchet alls; auch die Dreyeinigkeit/

Jſt ſelbſt jhr Unterthan geweſt von Ewigkeit.

242. Die Lieb iſts hoͤchſte Gutt.
Es iſt vom hoͤchſten Gutt viel redens und Geſchrey:

Jch ſchwere daß diß Gutt allein die Liebe ſey.

243. Die Natur Gottes.
Die Lieb’ iſt Gotts Natur’/ er kan nichts anders thun.

Drumb wo du Gott wilt ſeyn/ Lieb auch in jedem nun.

244. Die Liebe macht auch Gott-ſeelig.
Die Lieb beſeeligt alls/ auch Gott den Herꝛn darzu;

Haͤtt’ er die Liebe nicht/ er ſaͤſſe nicht in Ruh.

245. Gott
[210[195]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
245. GOtt hat keinen eignern Nahmen
als Liebe.

Kein Nahm iſt welcher Gott recht eigen waͤr’/ allein

Die Liebe heiſt man Jhn: ſo werth iſt ſie und fein.

246. Gott wil was Er iſt.
Gott iſt die Liebe ſelbſt/ und thut auch nichts als lieben.

Drumb wil er auch daß wir die Liebe ſtaͤts ſolln uͤben.

247. Gott kan nichts haſſen.
Menſch rede recht von Gott; Er haſſt nicht ſeyn Ge-

ſchoͤpffe:

(Unmoͤglich iſt es jhm/) auch nicht die Teuffels Koͤpffe.

248. Dreyerley Schlaff.
Der Schlaff iſt dreyerley; Der Suͤnder ſchlaͤfft im Tod/

Der muͤd’ in der Natur/ und der verliebt’ in Gott.

249. Die dreyerley Geburt.
Maria die gebiehrt den Sohn Gottes aͤuſſerlich/

Jch jnner mir im Geiſt/ Gott Vatter ewiglich.

250 Die geiſtliche un̄ Ewge geburt ſind eines
Die geiſtliche Geburt/ die ſich in mir eraͤugt/

Jſt eins mit der durch die den Sohn Gott Vatter zeugt.

251. Die Geburt Gottes wehret jmmer.
Gott zeuget ſeinen Sohn/ und weil es auſſer Zeit/

So wehret die Geburt auch biß in Ewigkeit.

252. Der Sohn GOttes wird in dir ge-
bohren.

Menſch ſchikſtu dich darzu/ ſo zeugt Gott ſeinen Sohn/

All’ Augenblik in dir/ gleich wie in ſeinem Thron.

J 3253
[207[196]]Joh: Angeli fuͤnfftes Buch
253. Jedes iſt in ſeinem Vrſprung am
beſten.

Das Waſſer in dem Brunn/ die Roſ’ auf jhrem ſtam̄:

Am beſten iſt die Seel in Gott/ im Feur die Flamm.

254. Die Seel ohne Gott.
Ein Hirtenloſes Schaf/ ein Coͤrper welcher Todt/

Ein Brunnen ohne qual/ diß iſt die Seel ohn Gott.

255/ Auf wethun folgt wolthun.
Der Krieg gewinnt dir Frid/ mit Streit erlangſtu

Freuͤd:

Verdamnuß deiner ſelbſt bringt dir die Seeligkeit.

256. Zuruͤkke ſehn iſt wieder Verlohren
werden.

Wenn du auß Sodom gehſt/ und dem Gericht ent-

flieheſt/

So ſteht dein Heil darauf daß du nicht rukwerts ſieheſt.

257. Das allerſuͤſſeſte Leben.
Der Himmel auff der Welt/ das allerſuͤſſte Leben/

Jſt der beſchauligkeit auß Liebe ſeyn ergeben.

258. Gott und die Seeligkeit iſt ein Ding.
Die Seeligkeit iſt Gott/ und Gott die Seeligkeit:

Waͤr’ eins das ander nicht/ ich lebte ſtaͤts in Leid.

259. Gott wird ich/ weil ich vor Er war.
Gott wird was ich itz bin/ nim̄t meine Menſcheit an:

Weil ich vor Er geweſt/ drumb hat er es gethan.

260. Wie
[208[197]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
260. Wie GOtt/ HErꝛ/ Vatter/ und
Braͤutigam.

Den Knechten iſt Gott Herr/ dir Vatter wo du Kind/

Mir iſt Er Braͤutigam/ wenn er mich Jungfrau findt.

261. GOtt iſt in allen Dingen/ und doch
deinem Gemein.

Das weſen Gottes macht ſich keinem Ding gemein:

Und muß nothwendig doch auch in den Teuffeln ſeyn.

262. Die tiffe der Demut.
Die Demut ſenket ſich in ſolchen Abgrund ein/

Daß ſie ſich ſchnoͤder ſchaͤtzt als alle Teuffel ſeyn.

263. Die Hoͤlle muß man ſchmekken.
Kriſt/ einmal muß man doch im Schlund der Hoͤllen

ſeyn:

Gehſtu nicht lebendig/ ſo muſtu Tod hinein.

294. Wen̄ Jeſus ins Hertze gebildet wird.
Menſch wenn dein Hertz fuͤr Gott wie Wachs iſt weich

vnd rein:

So drukt der Heilge Geiſt daß Bildnuͤß JEſu drein.

265. Wer von der Liebe Gottes gebunden.
Die Seel die nichts als Gott gedaͤnkt zu allen ſtunden/

Die iſt von ſeiner Lieb beſtrikket und gebunden.

266. Das rechte Leben der Seele.
Dann lebt die Seele recht/ wenn Gott jhr Geiſt unnd

Leben

Sie gantz erfuͤllet hat/ und ſie Jhm Raum gegeben.

J 4267.
[213[198]]Joh. Angeli fuͤnfftes Buch
267. Wie die ſchule ſo die Lehre.
Jnn Schulen dieſer Welt wird Gott unß nur beſchrie-

ben: (lieben

Jns Heilgen Geiſtes Schul lernt man Jhn ſchaun und

268. Man ſol ohne Verdruß wirken.
Die Sonne ſcheint unnd wirkt ohn alln Verdruß unnd

Pein:

So ſol auch deiner Seel/ im fall jhr recht iſt ſeyn.

269. Wer Gott fuͤr[-]bey/ ſchaut Gott.
Braut/ ſucheſtu zu ſchaun deß Braͤutgams Angeſicht/

Geh Gott und alls Fuͤrbey/ ſo fehlet dir es nicht.

270. Alles Heyl von Gott.
Auß Liebe wird Gott ich/ ich auß Genaden Er:

So kommt ja all mein Heyl nur bloß von jhme her.

271. Wen̄ du nicht Menſch biſt/ iſt es Gott.
Wenn du nicht Menſch mehr biſt/ und dich verlaͤugnet

So iſt Gott ſelber Menſch/ un̄ traͤget deine Laſt. (haſt/

272 Das Antlitz Gottes iſt ſeeligmachend.
Das Antlitz Gottes zeucht an ſich wie Eiſenſtein:

Nur einen Blik es ſchaun macht ewig ſeelig ſeyn.

273. Wo Chriſtus nicht wirkt da iſt er nicht
Freund wo nicht Chriſtus wirkt/ da iſt er auch noch nicht/

Ob gleich der Menſch von jhm viel ſinget oder ſpricht.

274. Der Seelige auff der Welt.
Wer ſich in Kreutz un̄ Pein von Hertzengrund erfreut/

Der iſt noch hier ein Kind der ewgen Seeligkeit.

275.
[214[199]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
275. Leiden iſt nutzlicher als Freude.
Menſch wuͤſteſtu wie gut und nutzlich’s Leiden iſt/

Du haͤtteſt’s dir vorlaͤngſi fuͤr aller Luſt erkieſt.

278. Der Heilige thut nicht nach den Ge-
botten.

Der Heilge was er thut/ thut nichts nach dem Gebot:

Er thut es lauterlich auß Liebe gegen Gott.

277. Der Gerechte hat kein Geſetz.
Fuͤr boͤſ’ iſt das Geſetz: waͤr kein Gebot geſchreiben/

Die Frommen wuͤrden doch Gott und den Naͤchſten

lieben.

278. Der Geiſtliche Krebsgang.
Menſch ſenke dich herab/ ſo ſteigeſtu hinauf.

Laß ab von deinem gehn/ ſo faͤngt ſich an dein Lauf.

279. Was im Orte der Welt vor der
Welt geweſt.

Eh Gott die Welt erſchuf was war in dieſem Ort?

Es war der Ort ſelb ſelbſt/ Gott und ſein Ewges Wort.

280. Gott kan ſich ſelbſt nicht meſſen.
Gott iſt ſo hoch und groß/ wolt’ Er ſich ſelber meſſen/

Er wuͤrd/ ob er gleich Gott/ deß Maßſtabs zahl ver-

geſſen.

281. Das wunderlichſte/ beſte/ und Schoͤn-
ſte an Gott.

Das wunderlichſt’ an Gott iſt die Vorſichtigkeit/

Langmuͤttigkeit das beſt’ und’s ſchoͤnſte gerechtigkeit.

J 5282.
[215[200]]Joh: Angeli fuͤnfftes Buch
282. Gott iſt wie die Sonne.
Gott iſt der Sonne gleich: wer ſich zu Jhme kehrt/

Der wird erleucht/ und ſtraks ſeins Angeſichts gewehrt.

283. Warumb Gott ruh und Freude hat.
Weil Gott Dreyeinig iſt/ ſo hat Er ruh und Luſt:

Ruh komt von Einheit her/ Luſt von der Dreyheit

Bruſt.

284. Gott komt eh du jhn begehreſt.
Wenn dich nach Gott verlangt/ und wuͤntſchſt ſein

Kind zu ſeyn/

Jſt Er ſchon vor in dir/ und giebt dir ſolches ein.

285. Die Geiſtliche Turteldaube.
Jch bin die Turteldaub/ die Welt iſt meine Wuͤſte/

Gott mein Gemahl iſt weg: drumb ſitz ich ohn geniſte.

286. Die Einfalt muß witzig ſeyn.
Die Einfalt ſchaͤtz’ ich hoch der Gott hat Witz beſchert.

Die aber den nicht hat/ iſt nicht deß Nahmens wehrt.

287. Der Einfalt Eigenſchafft.
Der Einfalt eigenſchafft iſt nichts von Schalkheit wiſſen

Aufs gutte Bloß allein in Demutt ſeyn befliſſen.

288. Der Weltlichen unnd Goͤttlichen Lie-
be Natur.

Die Welt-Lieb hat die Art daß ſie ſich abwerts neigt:

Der Goͤttlichen Natur iſt daß ſie aufwerts ſteigt.

289. Die Tugend ohne Liebe gilt nichts.
Die Tugend nakt und bloß kan nicht fuͤr Gott beſtehn:

Sie muß mit Liebe ſeyn geſchmuͤkt/ Dann iſt ſie ſchoͤn.

290. Die
[216[201]]Geiſtr. Sinn-und ſchlußr.
290. Die Liebe iſt Feuer und Waſſer.
Die Lieb iſt Flutt und Glutt: kan ſie dein Hertz emp-

finden/ (Suͤnden.

So loͤſch ſie Gottes Zorn/ unnd brennt hinweg die

291. Die Wuͤrdigkeit komt von Liebe.
Ach lauf doch nicht nach witz und Weißheit uͤber Meer:

Der Seelen Wuͤrdigkeit kombt bloß von Liebe her.

292. Die Schoͤnheit komt von Liebe.
Die Schoͤnheit komt von Lieb’; auch Gottes Angeſicht

Hat ſeine Lieblichkeit von jhr: ſonſt glaͤntzt’ es nicht.

293. Der Liebe belohnung.
Die Liebe hat Gott ſelbſt zum weſentlichen Lohn/

Er bleibet ewiglich jhr Ruhm und Ehren Kron.

294. Weißheit ohne Liebe iſt nichts.
Menſch wo du weiſe biſt/ und liebſt nicht Gott darbey:

So ſag ich daß ein Narr dir vorzuziehen ſey.

295. Je liebender je Seeliger.
Das Maß der Seeligkeit miſt dir die Liebe ein:

Je Voͤller du von Lieb/ je Seelger wirſtu ſeyn.

296. Die Liebe Gottes in unß/ iſt der Hei.
lige Geiſt.

Die Liebe welche ſich zu Gott in dir beweiſt/

Jſt Gottes ewge Krafft/ ſein Feur und Heilger Geiſt.

297. Man kan Gott nicht lieben ohne Gott.
Menſch liebete ſich Gott nicht ſelbſt durch dich in dir/

Du koͤnteſt nimm̄ermehr Jhn lieben nach gebuͤhr.

J 6298.
[217[202]]Joh: Angeli fuͤnfftes Buch
298. Die Liebe hat keine Furcht.
Die Liebe fuͤrcht ſich nicht/ ſie kan auch nicht verderben:

Es muͤſte Gott zuvor ſambt ſeiner Gottheit ſterben.

299. Wie die Perſon ſo das Verdienſt.
Die Braut verdient ſich mehr mit einem Kuß umb

Gott/

Als alle Mittlinge mit Arbeit biß in Tod.

300. Wer Gott recht liebet.
Menſch nie mand liebt Gott recht als der ſich ſelbſt

Veracht.

Schau ob du es auch ſo mit deiner Lieb gemacht.

301. Was das freundlichſte nach Gott.
Das freundlichſte nach Gott iſt die verliebte Seele:

Drumb hat er ſeine Luſt zu ſeyn in jhrer Hoͤle.

302. Das Schnelleſte.
Die Lieb iſt’s ſchnellſte Ding: Sie kan fuͤr ſich allein

Jn einem Augenblik im hoͤchſten Himmel ſeyn.

303. Kennzeichen der falſchen Liebe.
Wiltu die falſche Lieb von wahrer unterſcheiden/

So ſchau ſie ſucht ſich ſelbſt/ und faͤllet ab jun Leiden.

304 Das Kreutz probirt die liebe.
Jm Feuer wird das Gold obs reine ſey probirt/

Und deine Lieb im Kreutz/ wie lauter ſie/ geſpuͤrt.

305. Die Liebe Gottes iſt weſentlich.
Die Liebe gegen Gott ſteht nicht in ſuͤſsigkeit/

Suͤſſ iſt ein zufall nur: ſie ſteht in Weſenheit.

306.
[218[203]]Geiſtr: Sinn und ſchlußr:
306. Ein unverwundtes Hertz iſt unge-
ſund.

Ein Hertze welches nicht von GOttes Lieb iſt Wund:

Jſt/ ob es zwar nicht ſcheint/ gantz Krank und ungeſund.

307. Die Liebe iſt GOtt gemeiner als
Weißheit.

Die Liebe geht zu GOtt unangeſagt hinein:

Verſtand und hoher Witz/ muß lang’ im Vorhof ſeyn.

308. Wie GOtt ſo allgemein.
Wie allgemein iſt GOtt! Er hat der Bauer Magd

Die Kunſt wie man jhn Kuͤſt/ ſo wol als dir geſagt.

309. Das erfreulichſte der Seelen.
Diß iſt’s erfreulichſte/ wie meiner Seel faͤllt ein/

Daß ſie wird jmmer Braut mit ewger Hochzeit ſeyn.

310. Was der Kuß GOttes iſt.
Der Kuß deß Braͤutgams GOtts/ iſt die Empfind-

lichkeit

Seins gnaͤdgen Angeſichts/ und ſeiner ſuͤſſigkeit.

311. Die Seele kan nichts ohne GOtt.
So ſchoͤn die Laute ſich auß eignen Kraͤfften ſchlaͤgt/

So ſchoͤn klingt auch die Seel die nicht der HERR be-

wegt.

312. Der guldene Begrief.
Der guldene Begrief durch den man alles kan/

Jſt Liebe: Liebe nur/ ſo haſtu s’ kurtz gethan.

313. Das Edleſte Gemuͤtte.
Kein Edleres Gemuͤtt iſt auf der gantzen Welt/ (haͤlt.

Als welchs mit GOtt vereint/ fuͤr einen Wurm ſich

J 7314. Barm-
[219[204]]Joh: Angeli ſuͤnfftes Buch
314. Barmhertzigkeit ſchleuſt den Him-
mel auf.

Kind mache dich gemein mit der Barmhertzigkeit:

Sie iſt die Pfoͤrtnerinn im Schloß der Seeligkeit.

315. Verkleinerung erhebt.
Verkleinere dich ſelbſt/ ſo wirſtu groß mein Chriſt/

Je ſchnoͤder du dich ſchaͤtzſt/ je wuͤrdiger du biſt.

316. Der Evangeliſche Hirte.
Der Hirt’ iſt GOttes Sohn/ die GOttheit iſt die Wuͤſte/

Jch bin das Schaf das Er fuͤr andren ſucht’ und kuͤſte.

317. Die Fruͤchte der der Tugenden.
Die Demut die erhebt/ die Armuth machet Reich/

Die Keuſchheit Engeliſch/ die Liebe GOtte gleich.

318. Wie man inn Himmel ſieht.
Man darf kein Ferngeſicht inn Himmel einzuſehen/

Kehr dich nur von der Welt/ und ſchau: ſo wirds ge-

ſchehen.

319. Die groͤſte Seeligkeit.
Die groͤſte Seeligkeit die ich mir kan erſinnen/ (nen.

Jſt/ daß man GOtt wie ſuͤſſ’ Er iſt wird ſchmekken koͤn-

320. Der naͤchſte Weg zu GOtt.
Der naͤchſte Weg zu GOtt iſt durch der Liebe Thuͤr:

Der Weg der wiſſenſchafft bringt dich gar langſam fuͤr.

321. Worinn die Ruhe deß Gemuͤttes
beſtehe.

Die Ruhe deß Gemuͤtts beſteht in dem allein/

Daß es Vollkoͤm̄lich iſt mit GOtt ein einges Ein.

322. Die
[220[205]]Geiſtr. Sinn- und ſchlußr.
322. Die Seeligkeit iſt in dem hoͤchſten
Gutt.

Kein Menſch kanſeelig ſeyn/ als in dem hoͤchſten Gutt;

Wie daß mans dann verlaͤſt/ und’s kleine ſuchen thut?

323. Warumb GOtt ewigen Lohn giebt.
GOtt muß die Heiligen mit ewgem Lohn belohnen:

Weil ſie jhm/ wo Er wolt’/ auch ewig wuͤrden frohnen.

324. Die Kroͤnende Tugend.
Die Tugend die dich Kroͤnt mit ewger Seeligkeit/

(Ach halte ſie doch feſt!) iſt die beharꝛligkeit.

325. Wenn die Himmelfahrt verhanden.
Wenn GOtt in dir gebohrn/ geſtorben/ und erſtanden:

So freue dich daß bald die Himmelfahrt verhanden.

326. Unterſchiedliche Gelegenheit der Seele.
Deß Suͤnders Seele ligt/ deß Buͤſſers richt ſich auf/

Und deß Gerechten ſteht geſchikt zum Tugend lauf.

327. Warumb GOtt deß Regiments nicht
muͤde wird.

GOtts und ſeins Geiſtesreich iſt Liebe/ Freude/ Fride:

Drumb wird Er deß Regierns in Ewigkeit nicht muͤde.

328. GOtt betruͤbt die Suͤnde nicht.
GOtt thut die Suͤnde weh in dir als ſeinem Sohn:

Jn ſeiner GOttheit ſelbft/ da fuͤhlt Er nichts davon.

329. Die gantze Dreyfaltigkeit hufft zur
Seeligkeit.

Die Allmacht zeucht mich auf/ die Weißheit weiſt mich an/

Die Guͤtte hilffet mir/ daß ich inn Himmel kan.

330. Wenn
[221[206]]Joh: Angeli fuͤnfftes Buch
330. Wenn man GOtt reden hoͤrt.
Wenn du an GOtt gedaͤnkſt/ ſo hoͤrſtu Jhn in dir:

Schwiegſtu/ und waͤreſt ſtill’/ Er redte fuͤr und fuͤr.

331. Was GOtt nicht thut/ gefaͤllt ihm
nicht.

GOtt muß der Anfang ſeyn/ das Mittel und das Ende/

Wo Jhm gefallen ſolln die Werke deiner Haͤnde.

332. Wo der Menſch hinkomt/ wann er
in GOtt vergeht.

Wenn ich in GOtt vergeh/ ſo kom̄ ich wider hin

Wo ich von Ewigkeit vor mir geweſen bin.

333. Deß Teuffels Schlacht Vieh.
Die Seele welche ſich die Suͤnde laͤſt ermorden/

Die iſt (O groſſer Spot!) deß Teuffels Schlacht Vieh

worden.

334. GOtt ſchaͤtzt die Werke nach dem
weſen.

Menſch deß Gerechten Schlaf iſt mehr bey Gott geacht/

Als was der Suͤnder Beht und ſingt die gantze Nacht.

335. Unterſcheid der drey Lichter.
Das Licht der Herꝛligkeit laſſ’ ich die Sonne ſeyn/

Die Gnade gleicht den Strahln/ Natur dem Wider-

ſchein.

336. Mit einem Auge muß man zihlen.
Die Seele welche GOtt das Hertze treff’en wil/

Seh nur mit einem Aug/ dem rechten/ auf das zihl.

337. Das Geſchoͤpff iſt deß Schoͤpffers
Troſt.

Jch ſein Geſchoͤpffe bin deß Sohnes GOttes Kron/

Die Ruhe ſeines Geiſts/ und ſeiner Leidenlohn.

338. Die
[222[207]]Geiſtr. Sinn- und ſchlußr.
338. Die Ewigkeit iſt je laͤnger je undurch-
ſchaulicher.

Das Meer der Ewigkeit je mehr’s der Geiſt beſchifft

Je undurchfchifflicher und weiter ers betrifft.

339. Die GOttheit gruͤndet kein Geſchoͤpffe.
Wie tief die Gottheit ſey kan kein Geſchoͤpff ergruͤnden:

Jn jhren Abgrund muß auch Chriſti Seel verſchwinden.

340. Auch GOtt muß ſich verdienen.
Daß ich den hoͤchſten GOtt zum Braͤutgam angenom̄en/

Hat Er umb mich verdient/ daß Er iſt zu mir kommen.

341. Wo die Zeit am laͤngſten.
Je weiter man von GOtt/ je tieffer in der Zeit:

Drumb iſt den Hoͤlliſchen ein Tag ein’ Ewigkeit.

342. Wo man die Goͤttliche Hoͤffligkeit
lernt.

Kind wer in GOttes Hof gedaͤnket zubeſtehn/

Der muß zum Heilgen Geiſt hier in die Schule gehn.

343. Das geiſtliche Orgelwerk.
GOtt iſt ein Organiſt/ wir ſind das Orgelwerk/

Sein Geiſt blaͤſt jedem ein/ und gibt zum thon die ſtaͤrk.

344. Die Armut iſt im Geiſt.
Die Armut ſteht im Geiſt: ich kan ein Kaiſer werden/

Und doch ſo Arm ſeyn als ein Heiliger auf Erden.

345. Wer inn Wunden Chriſti wohnt.
Der Geiſt der voller Freud’ in Leiden wird gefunden/

Und ruhe hat in Pein/ der wohnt in Chriſti Wunden.

346. Den
[223[208]]Joh: Angeli fuͤnfftes Buch
346. Den Kindern gebuͤhret Milch.
Den Maͤnnern giebet GOtt zu trinken ſtarken Wein:

Dieweil du noch ein Kind/ floͤſt Er dir ſuͤſſes ein.

347. Wer eine tieffe mit GOtt.
Der Geiſt/ der nunmehr iſt mit Gott ein Einges Ein/

Muß eben ſolcher Hoͤh’/ und ſolcher tieffe ſeyn.

348. Wie Gott zumeſſen.
Unmeßlich iſt zwar GOtt: jedoch kanſtu Jhn meſſen/

Wo du mein Hertze mißt: denn’s iſt von Jhm beſeſſen.

349. Du muſt der Gnade Lufft machen.
Raͤum weg/ und mache Lufft; das Fuͤnklein ligt in dir:

Du flammeſt es leicht auf mit heilger Liebsbegiehr.

350. Du muſt dich ſelbſt ermuntern.
Mein Chriſt du muſt dich ſelbſt durch GOtt vom Schlaf

erwekken:

Ermunterſt du dich nicht/ du bleibſt im Traume ſtekken.

351. Jm jnnern ſind alle Sinnen ein Sin̄.
Die Sinnen ſind im Geiſt all’ ein Sinn und gebrauch.

Wer GOtt beſchaut/ der ſchmaͤkt/ fuͤhlt/ reucht/ und hoͤrt

Jhn auch.

352. Was das ſuͤſſeſte und ſeeligſte.
Nichts ſuͤſſers iſt als GOtt ein Menſchen Kind zuſehn:

Nichts Seelgers als in ſich fuͤhln die Gedurt geſchehn.

353. Das Antlitz Gottes macht trunken.
Das Antlitz Gotts macht voll. Saͤhſtu einmal ſein

Licht:

Du wuͤrdeſt trunken ſeyn von dieſem Angeſicht.

354.
[224[209]]Geiſtr. Sinn- und ſchlußr.
354. Ungekreutzigt komt niemand inn
Himmel.

Chriſt flieh doch nicht das Kreutz; du muſt gekreutzigt

ſeyn:

Du komſt ſonſt nimmermehr ins Himmelreich hinein.

355. Woher die Ungleichheit der Heiligen.
GOtt wirkt nach der Natur: diß macht den unterſcheid/

Daß dieſer Heilige ſich kraͤnkt/ der andre freut.

356. Das Vollkomne vertreibt das Vn-
Vollkomne.

Wenn das Vollkommne koͤmt/ faͤllt’s Unvollkommne

Das Menſchliche vergeht/ wen̄ ich vergoͤttet bin. (hin:

357. Wenn ſich GOtt ins Hertz ergeuſt.
Menſch wenn dein Hertz ein Thal/ muß GOtt ſich drein

ergieſſen:

Und zwar ſo mildiglich daß es muß uͤberflieſſen.

358. GOtt wird was Er wil.
GOtt iſt ein Ewger Geiſt/ der alls wird was Er wil/

Und bleibt doch wie Er iſt Unformlich und ohn Ziehl.

359. Gleichnuͤß der H. Dreyfaltigkeit mit
der Sonne.

GOTT Vatter iſt der Leib/ und GOtt der Sohn

das Licht/

Die Strahln der heilge Geiſt/ der beiden iſt ver-

pflicht.

360. Wenn man jhm den Tod deß HEr-
ren zueignet.

Freund/ wenn ich ſelber mir abſterbe hier und nu/

Dann eign’ ich mir den Tod deß Herren erſt recht zu.

361.
[225[210]]Joh: Angeli fuͤnfftes Buch
361. Die Gnade Gottes fleuſt allzeit auß.
Die Gnade fleuſt von Gott wie Waͤrmde von dem Feur.

Nahſtu dich nur zu Jhm/ ſie komt dir bald zu Steur.

362. Die hoͤchſte Seeligkeit.
Die hoͤchſte Seeligkeit die mir GOtt ſelbſt kan geben/

Jſt daß er mich wie ſich wird machen und erheben.

363. Deß Weiſen verrichtung.
Ein Narr iſt viel bemuͤht: deß Weiſen gantzes thun/

Das zehnmal Edeler/ iſt Lieben/ ſchauen/ ruhn.

364. Wer in dem Wirken ruht.
Der Weiſe welcher ſich hat uͤberſich gebracht/

Der ruhet wenn er laufft und wirkt wenn er betracht.

365. Der Larven Menſch.
Ein Menſch der wie das Vieh in alle Luſt außbricht/

Jſt nur ein Larven Menſch er ſcheint und iſts doch

nicht.

366. Das Lauttenſpiel GOttes.
Ein Hertze das zu Grund GOtt ſtill iſt wie er wil/

Wird gern von Jhm beruͤhrt: es iſt ſein Lautenſpil.

367. Wer auf alle Faͤlle geſchikt iſt.
Wer Gott ſo leicht entbehrn/ als leicht empfangen kan/

Der iſt auff allen Fall ein rechter Helden Mann.

368. Bey welchem GOtt gerne iſt.
Menſch wenn du Gottes Geiſt biſt wie dir deine Hand/

Macht die Dreyfaltigkeit ſich gern mit dir bekandt.

369.
[226[211]]Geiſtr. Sinn- und ſchlußr.
369. Die Seele auſſer jhrem Vrſprung/
Ein fuͤnklein auſſrem Feur/ ein tropffen auſſrem Meer:

Was biſtu doch O Menſch ohn deinen wiederkehr?

370. Jn GOtt iſt alles.
Was deine Seel begehrt/ bekommt ſie alls in GOtt:

Nimbt ſie es auſſer Jhm/ ſo wird es jhr zum Tod.

371. Wen GOtt nicht loß kan bitten.
Menſch ſtirbſtu ohne GOtt: es kan nicht anders ſeyn/

Baͤth’ auch GOtt ſelbſt fuͤr dich/ du muſt in Pful hinein.

372. Die Braut ſol wie der Braͤutgam̄
ſeyn.

Jch muß verwundet ſeyn. Warumb? weil voller

Wunden.

Mein ewger Braͤutigam der Heyland wird gefunden:

Was Nutzen bringt es dir? Es ſtehet gar nicht feyn:

Wenn Braut und Braͤutigam einander ungleich ſeyn.

373. Daß allerſeeligſte Hertze.
Ein reines Hertz ſchaut Gott/ ein heilges ſchmaͤket Jhn:

Jn ein Verliebetes wil er zu Wohnen ziehn.

Wie ſeelig iſt der Menſch der ſich befleiſt und uͤbt/

Daß Jhm ſein Hertze wird rein Heilig und verliebt!

374. Man uͤberkoͤmt mit meiden.
Freund meide was dir Lieb/ fleuch was dein Sin̄ begehrt.

Du wirſt ſonſt nimmermehr geſaͤttigt vnd gewehrt.

Viel waͤren zum Genuß der ewgen Wolluſt kommen/

Wenn ſie mit Zeittlicher ſich hier nicht uͤbernommen.


Sech-
[227[212]]

Sechſtes Buch.
Geiſtreicher Sinn- unnd
Schluß reimen.


1. Wie Gott in der Heiligen Seele
Fragſtu wie Gott das Wort in einer Seele wohne?

So wiſſe wie das Licht der Sonnen in der Welt/

Und wie ein Braͤutgam ſich in ſeiner Kammer haͤlt:

Und wie ein Koͤnig ſitzt in ſeinem Reich und Throne:

Ein Lehrer in der Schul/ ein Vatter bey dem Sohne:

Und wie ein theurer Schatz in̄ einem Akkerfeld:

Und wie ein lieber Gaſt in einem ſchoͤnen Zelt:

Und wie ein Kleinod iſt in einer guldnen Krone.

Wie eine Lilie in einem Blumenthal/

Und wie ein Seitenſpiel bey einem Abendmahl:

Und wie ein Zimmet-oͤl in einer Lamp’ entzuͤnden:

Und wie das Himmelbrodt in einem reinen Schrein:

Und wie ein Garten Brun̄/ und wie ein kuͤhler Wein.

Sag ob er anderſt wo ſo ſchoͤne wird gefunden?

2. An die Jungfrau Maria/ die geheime
Lilie.

Du Edle Lilie wer findet deines gleichen?

Solt’ er auch alles Feld im Paradeiß durch ſtreichen.

Du glaͤntzeſt wie der Schnee/ wann jhn zu ſchoͤner Zeit

Der Himmel mit dem Gold deß Phaethons beſpreit:

Fuͤr dir muß Sonn und Mond un̄ alle Stern’erbleichen.

Dein
[228[213]]Joh: Angeli ſechſtes Buch
Dein anſehn/ deine Pracht iſt ſchoͤner alls das Kleid

Des Koͤnigs Salamons in ſeiner Herrigkeit/

Dir muß der klare Blitz der Seraphine weichen:

Dein Edeler Geruch erquikt die gantze Welt/

Und was ſonſt unſrem GOtt dem Herrn zu Fuſſe faͤllt.

Jn dir findt man allein die Schoͤnheit der Jungfrauen/

Der Maͤrterer beſtand/ und aller Heilgen Ziehr.

Drumb Edle Lilie komm und erquik mich hier/

Daß ich moͤg ewig dich und deinen Saamen ſchauen.

3. Die gefallne Seele.
Jhr war ein Engliſch Bild: nu bin ich gleich den

Thieren.

Jch ſchwebt’ im Paradeiß in lautrer Froͤlichkeit:

Nu ſitz’ ich auf der Erd’ in lauter Angſt und Leid.

Es konte mich kein Grimm der untren Welt beruͤhren:

Nu ſchmeltz’ ich faſt fuͤr Hitz’/ und muß fuͤr Froſt er-

frieren/

Und fuͤhle tauſend Weh. Jch war ein Herꝛ der Zeit:

Nu meiſtert ſie mich ſelbſt. Jch war mir ſelbſt mein

Kleid:

Nu muß ich mich auß Noth mit frembden Federn

ziehren.

GOtt ſah mich freundlich an/ und hieß mich liebes Kind:

Nu ſchroͤkket mich ſein zorn/ und ſtoͤſt mich weg die ſuͤnd.

Jch bin mit ſtaͤter Furcht erfuͤllet und umbgeben:

Jch ſchau mein Ungeluͤk mit eignen Augen an:

Der Teuffel und der Tod die ſtehn mir nach dem Leben.

Ach ach ich arme Seel! Was hab ich doch gethan!

4. Der Gerechtfertigte Suͤnder.
Jch war deß Teuffels Sclav/ unnd gieng in ſeinen

Banden:

Jch war mit Suͤnden-Wuſt verſtellt und bluttig roth:

Jn Wolluſt weltzt’ ich mich wie eine Sau im Koth:

Jch
[229[214]]Geiſtr. Sinn- und ſchlußr.
Jch ſtank fuͤr Eitelkeit die haͤuffig war verhanden:

Jch war dem Abgrund nah/ und fieng ſchon anzu-

ſtranden.

Jch lebte wie ein Vieh/ und fragte nicht nach GOtt/

Jch war ein Schatten Menſch/ und noch lebendig Todt.

Nu bin ich widernmb in Chriſto auferſtanden/

Und lebendig gemacht: die Ketten ſind entzwey/

Der Teuffel iſt verjagt/ und ich bin loß und frey.

Jch ſuche GOtt allein mit eifrigem Gemuͤtte/

Und gebe mich Jhm auf. Was Er mir jmmer thut/

Jn Zeit und Ewigkeit/ das ſprech’ ich alles gut.

Ach daß Er mich doch nur fuͤr mehrerm fall behuͤtte!

5. Der Außſpruch uͤber die Verdambten.
Geht ihr Verfluchten geht/ ihr Teuffels Rottgeſellen/

Jhr Raben die jhr mich nie habt getraͤnkt/ geſpeiſt/

Bekleidt/ beſucht/ getroͤft/ noch eingen Dienſt geleiſt:

Geht in das Ewge Feur und in den Schlund der Hoͤllen.

Empfahet euren Lohn in jhren grimmen Wellen/

Blitz/ Donner/ Peſtilentz und alls was boͤſe heiſt.

Gebt und bleibt ewiglich von meinem Reich verweiſt.

Jhr werdt nu Heuln und ſchreihn/ und wie die Hunde

bellen/

Jn Durſt unnd Hunger ſtehn: Eur Wurm der

ſtirbet nicht/

Das Feuer loͤſcht nicht auß das euch iſt zugericht.

Jhr muͤſſet ewiglich in Peineu ſein gerochen/

Wie jhr verdienet habt: Denn was jhr habt gethan/

Den Gliedern meines Leibs/ nehm ich mich ſelber an.

Geht jhr Verfluchten geht/ das Vrtheil iſt geſprochen.

6. Vberſchrifft der Verdamnuͤß/
Hter iſt ein’ Ewge Nacht: man weiß von keinem

lachen/

Ein Jam̄er Ach und Weh/ ach ewig ſeyn verlohrn!

Wird jm̄er fort geſchriehn/ und waͤrn wir nie gebohrn!

Beyne-
[230[215]]Joh: Angeli ſechtes Buch.
Beyneben hoͤrt man nichts als Donnern/ Hageln/

Krachen.

Man ſieht den Baſiliſchk mit Kroͤten/ Schlangen/

Drachen/

Und tauſend ungeheur: Man iſt fuͤr Kaͤlt’ erfrohrn/

Und ſchmeltzt fuͤr groſſer Glutt: man ſchilt ſich Narꝛn

und Thorn.

Und kombt doch nimmermehr auß dieſem Teufels

rachen.

Man ſtirbt/ und ſtirbt doch nie/ man ligt im ewgen Tod/

Man wuͤttet tobt und zoͤrnt/ man flucht und laͤſtert

GOtt.

Man beiſt und Hadert ſich/ man lebt wie Hund’ unnd

Katzen:

Man muß ſich ewiglich mit allen Teuffeln kratzen.

Man friſſet Huͤttenrauch/ Pech/ Schweffel/ Teuffels-

miſt:

Ach Suͤnder thu doch Buſſ’/ eh du darinnen biſt!

7. Der verdambte Ubelthaͤter.
Ach weh! wo bin ich nu? bey lauter hoͤllſchen Mohren/

Bey teuffliſchem Geſind: in Leviathans Schlund:

Jn einem feurgen Pful/ der ohne Maß und grund!

Ach weh! verfluchter Tag in dem ich bin gebohren!

Jch war zur Seeligkeit erſehen und erkohren;

Der Himmel ſtund mir frey; ich wuſte kurtz und rund

Was GOttes wille war: und hilt doch nicht den Bund!

Nu muß ewig ſein verſtoſſen und verlohren!

O du verfluchter Leib/ zu was haſtu mich bracht!

O du verfluchte Seel was haſtu mir gemacht!

Ach tauſend Ach und Weh! Was hilfft mich nu mein

Prangen/

Mein Geitz und boͤſe Luſt! Ach haͤtt ich guts gethan!

Nu iſt die Reu zu ſpaͤt/ Gott nimbt ſie nicht mehr an:

Jch bleib in Ewigkeit mit hoͤllſcher Qual umbfangen.

K8. Der
[231[216]]Geiſt: Sinn- und ſchlußr:
8. Der Spruch uͤber die Seeligen.
Kombt jhr geſegneten/ embfahet eure Kronen

Die jhr erworben habt durch meinen Lauf und Tod:

Kombt und beſitzt daß Reich der Herꝛligkeit mit GOtt:

Jch wil euch ewiglich fuͤr eure Gutthat lohnen.

Jhr habet mich getroͤſt/ und bey euch laſſen wohnen/

Jhr habet mich geſpeiſt/ getraͤnkt/ beſucht in Noth.

Bekleidet und bedekt nach meinem Liebsgeboth/

Nu ſolt jhr auch mit mir beſitzen eure Thronen/

Und ewig triumphirn. Jhr ſollet euch nu freun

Fuͤr eure Trew und Muͤh/ und jmmer bey mir ſein.

Den̄ was jhr habt gethan dem kleinſten auf der Erden/

Daſſelb’ iſt mir geſchehn/ und ſol in Ewigkeit/

Mit allem was ihr nur euch wuͤntſcht/ vergolten werden.

Kombt und genieſt mich ſelbſt und alle Seeligkeit.

9. Uberſchrifft der Seeligkeit
Hier iſt es jmmer Tag/ hier ſcheint die Ewge Sonne/

Hier weiß man nicht von Weh/ von Kummer Angſt

und Leid.

Man lebt in gantzer Luſt und gantzer Seeligkeit.

Man ſicht unnd hoͤret nichts als lauter Freud nnnd

Wonne.

Man trinkt ſich ſatt und Voll beym ſuͤſſen JEſus-

Bronne.

Man ſitzt in ſtoltzer Ruh/ man daͤnkt an keine Zeit/

Man leget niemals ab daß Kleid der Herꝛlichkeit.

Hier rauſchet wie ein Strom was vor nur tropffweiß

ronne.

Hier ſchaut man GOttes glantz und ſuͤſſes Angeſicht/

Hier wird man uͤberformt mit ſeiner GOttheit Licht.

Hier ſenkt man ſich in Jhn/ und giebt jhm tauſendkuͤſſe.

Man liebt und wird geliebt/ man ſchmekt jhn wie er iſt.

Man ſingt ſein Lob und alls worzu man iſt erkieſt.

Ach JEſu hilff mir doch damit auch ichs genieſſe!

10. Der
[232[217]]Joh: Angeli ſechtes Buch.
10 Der Abgeleibte Seelige.
O GOtt wiewol iſt mir! mein Leiden iſt verſchwunden

Die Schmertzen ſind dahin/ die Truͤbſal hat ein End’

Und alles Hertzeleid iſt von mir abgewend:

Jch bin nu Kaͤrkerloß und ſeeliglich entbunden:

Jch habe Freudenreich geſiegt und uͤberwunden:

Kein Feind beruͤhrt mich mehr/ und was man boͤſe nen̄t:

Es wird mit keinem Weh mein froͤlich ſeyn getrent.

Jch habe wahre Ruh/ und wahre Luſt gefunden.

Der Himmel lacht mich an/ die Engel nehmen mich

Sambt allen Heiligen mit Freuden unter ſich.

Jch bin ſo voller Troſts daß ich faſt uͤberflieſſe:

Jch habe was ich wil/ und wil was ich genieſſe:

Jch habe nu genug: man fuͤhrt mich wie ich bin

Zu meinem Braͤutigam und ſuͤſſen JEſu hin.

11 Der Seelige weiſe.
Wie Seelig iſt der Menſch/ der alle ſeine zeit

Mit anders nichts verbringt/ als mit der Ewigkeit!

Der jung und alt allein betrachtet und beſchaut

Der Weißheit Schloß/ das GOtt ſein Vater hat gebaut.

Der ſich auf ſeinen Stab/ das ewge Wort/ aufſtuͤtzt/

Und nicht/ wie mancher Thor/ im frembden ſande ſitzt.

Der nicht nach Hauß und Hoff/ nach Gold und Silber

ſieht/

Noch ſeines Lebens zeit zu zehlen ſich bemuͤht.

Jhn wird das blinde Gluͤk nicht hin und her vexirn/

Noch etwann eitler Durſt zu frembden Waſſern fuͤhrn.

Er weiß von keinem Zang/ er liebt nicht kraͤmerey/

Er trachtet nicht darnach/ daß er geſehen ſey/

Er iſt der Welt ein kind/ die allernaͤchſte ſtadt

Jſt ihm ſo viel bekand/ als die der Tagus hat.

Er ſchaut nur uͤber ſich/ ſo frey er immer kan/

Sein rechtes Vaterland/ den lieben Himmel an.

Sein alter rechnet er nicht nach der Jahre zahl/

K 2Jn
[233[218]]Geiſtr. Sinn- und ſchlußr.
Jn GOtt vollkommen ſeyn/ das heiſt er Alt zumahl.

Die Sonne leuchtet jhm in ſeinen Aker ein/

Und wenns gleich abend wird/ ſo bleibt ihm doch ihr

Schein.

Er ſiht des Lebens Baum im Geiſt begierlich an/

Und geht mit allem fleiß zu ihm die naͤchſte bahn.

Er kuͤmmert ſich umb nichts; was neben ihm geſchieht/

Jſt ihm ſo frembt und klar/ als was ein blinder ſieht/

Doch iſt er ſtark und friſch/ er ſcheuet keinen Feind/

Wenn gleich Welt/ Teuffel/ Fleiſch/ und mehr beyſam-

men ſeind.

Ein ander lauffe hin/ zerſtrew ſich mit der Welt/

Diß iſt das Leben und die bahn/ ſo mir gefaͤllt.

12. Der geheime Hirſch und ſein Bronn.
Der Hirſch der laufft und ſucht ein kuͤhles Bruͤnnelein/

Damit ſein Hertz erquikt und ruhig moͤge ſeyn.

Die Seele die GOtt liebt/ die eilet zu dem Bronnen/

Auß dem die ſuͤſſe Bach deß Lebens kombt geronnen.

Der Bronn iſt JEſus Chriſt/ der unß mit ſeinem quall

Jm wahren Glauben traͤnkt/ und ſtaͤrkt fuͤr Suͤnden

fall.

Bleibſtu bey dieſem quall/ und trinkſt offt auß dem Bron-

nen/

So haſtu meine Seel gantz Seeliglich gewonnen.

13. Die Suͤndige Seele.
Ein außgebrandte Stadt/ ein Schloß/ das gantz zerſtoͤhrt/

Ein Reich/ das durch und durch zerrůtt iſt und entboͤhrt;

Ein Koͤnigliches Weib/ die nu zur Sclavin worden/

Jſt eine Seel/ die ſich die Suͤnde laͤſt ermorden.

14. Die heilige Seele.
Ein Neus Jeruſalem/ ein außgebautes Schloß/

Ein Reich/ das jedem Feind zu ſtark iſt und zu groß/

Ein
[234[219]]Joh: Angeli ſechſtes Buch
Ein Maͤgdlein/ die verſetzt in der goͤttinnen Orden/

Jſt Jungfrau deine Seel/ die GOtts gemahlin worden.

15. Der Sohn fuͤhret des Vaters Nahmē.
Sag was unß endlich GOtt fuͤr einen Nahmen giebt/

Die er in ſeinem Sohn fuͤr Sohn’ aufnihmt und Liebt?

Fragſtu und nenſt ihn GOtt/ ſo muſtu ja bekennen/

Daß er unß anderſt nicht alß Goͤtter koͤnne nennen.

16. Die geheime Auferſtehung.
Durch Hoffart/ Fleiſches luſt/ und durch begiehr der

Welt/

Hat Geiſt/ Leib/ Seel der Feind geſtuͤrtzet und gefaͤllt/

Durch Demutt und Caſteyn/ und durch Allmoſen geben/

Steht auf Geiſt Leib und Seel zu einem neuen leben.

17. Eine Begierde loͤſcht die andere auß.
Je mehr ein Menſch ſich freut auf zeitlich Ehr und Gutt/

Je weniger hat er zu ewgen dingen mutt.

Jemehr hingegen er wartt auf die ewge dinge/

Jemehr und mehr wird ihm das Zlitliche geringe.

18. Die Ewigkeit wird fuͤr nichts geſchaͤtzt.
O Thorheit/ umb die zeit wagt man ſich biß inn Tod!

Und auf die Ewigkeit ſetzt man nur einen Spott!

19. Der groͤſte Narr.
Du ſchlaͤgſt umbs Zeitliche das Ewig’ in den wind:

Richt’/ ob die Welt auch wol einen groͤſſern Rarren findt?

20. Das zeitliche iſt Rauch.
Alls zeitlich’ iſt ein Rauch. Laͤſtu es in dein Hauß/

So beiſt es dir fuͤrwahr des Geiſtes Augen auß.

K 321. Das
[235[220]]Geiſtr. Sinn- und ſchlußr.
21. Das ewige ſol man ſuchen.
Die Ehre dieſer Welt vergeht in kurtzer zeit:

Ach ſuche doch die Ehr der ewgen Seeligkeit!

22. Einen Dunſt umbfaſſen iſt thoͤricht.
Wie thoͤricht thut der Mann/ der einen Dunſt umbfaſſt!

Wie thoͤricht/ der du Freud an eitler Ehre haſt!

23. Sich nicht erkennen macht eitles ren̄en.
Wie daß der Menſch ſo toll nach eitlen Ehren rennt?

Es kommet/ weil er nicht ſein’ Ehr in GOtt erkennt.

24. Was man in ſich hat/ ſucht man nicht
drauſſen.

Wer in ſich Ehre hat/ der ſucht ſie nicht von auſſen.

Suchſtu ſie in der Welt/ ſo haſtu ſie noch drauſſen.

25. Der Weiſe ſucht keinen auͤſern Ehren
Stand.

Der Weiſe ſtrebet nicht nach auͤſrem Ehren ſtand:

Es iſt ihm Ehr genug/ daß er GOtt nah verwandt.

26. Der Weiſſe iſt voller Ehrn.
Der Weiß’ iſt voller Ehrn. Wie da? er iſt erkiſt/

Daß er der wahren Ehr (GOtts) ewger Tempel iſt.

27. Der Suͤnder hat keine Ehre.
Der Suͤnder iſt des Thiers und aller Teuffel ſtall:

Drumb faͤhlts ihm doch ann Ehren/ haͤtt’ er ſie uͤberall.

28. Ein reicher Suͤnder ein vergoldter Koth.
Menſch kein vergoldter Koth iſt reich geehrt und ſchoͤn:

Die Suͤnder auch/ die gleich in lautrem Golde ſtehn.

29. Der
[236[221]]Joh. Angeli ſechſtes Buch
29. Der Suͤnder wird zu Koth.
Der Heilge ſteiget auf/ und wird ein GOtt in GOtt:

Der Suͤnder faͤllt herab und wird zu Miſt und Koth.

30. Wer hochgeehrt wil ſeyn/ muß GOtt
werden.

Nichts iſt geehrt wie GOtt im Himmel und auf Erden:

Streb/ daß du wirſt was er/ wo du geehrt wild werden.

31. Der Menſch muß das ſeinige thun.
Mein richte dich doch auf. Wie ſol dich GOtt erheben/

Weil du mit gantzer macht bleibſt an der Erde kleben.

32. Ein Wurm beſchaͤmet unß.
O ſpott! ein ſeiden Wurm der wirkt/ biß er kan fliegen:

Und du bleibſt/ wie du biſt/ nur auf der Erde liegen!

33. Man muß ſich verwandeln.
Menſch alls verwandelt ſich. Wie kanſt denn du allein

Ohn’ einge beſſerung das alte Fleiſch Klotz ſeyn?

34. Wer das ewige Licht ſieht.
Das Licht der ewigkeit/ das leucht auch in der Nacht.

Wer ſihts? der jenge Geiſt/ ders heiliglich betracht.

35. Die zuekehr machet ſchaun.
Wiltu die Sonn und Mond am hellen Himmel ſehn/

So muſtu ihnn fuͤrwahr ja nicht den Ruͤken drehn.

36 Das offne Auge ſieht.
Ein offnes Auge ſieht/ thuſtu deins zue O Kind/

So biſtu GOtt zu ſchawn muttwillig Maulwnꝛffs blind.

K 437. Nichts
[237[222]]Geiſtr. Sinn- uͤnd ſchlußr.
37. Nichts leuchtet ohne die Sonne.
Rauh iſt der Mond geſtalt ohn ſeiner Sonne licht:

Rauh ohne deine Sonn dein ſeelen Angeſicht.

38. So viel zukehr/ ſo viel erleuchtung.
So viel der Monde ſich zu ſeiner Sonne kehrt/

Zu deiner du; ſo viel werdt ihr eurs Lichts gewehrt.

39. Der geiſtliche Mond mit ſeiner Sonne.
Jch wil der Monde ſeyn/ ſey JESU du die Sonne/

So wird mein angeſicht voll ewger Freud und Wonne.

40. Die Sonne muß erleuchten.
Die Sonne muß ihr Licht alln/ die es woln gewehrn:

Der Teuffel wuͤrd’ erleucht/ wolt’ er zu SOtt ſich kehrn.

41. Wer die Sonne nicht merckt/ der iſt
nicht.

Die Sonn erwaͤrmet alls/ ja auch den kaͤltſten ſtein:

Fuͤhlſtu die wirkung nicht/ ſo muſtu nicht mehr ſeyn.

42. Wer nicht bewegt wird/ gehoͤrt nicht zum
gantzen.

Die Sonn erreget alls/ macht alle ſterne Tantzen/

Wirſtu nicht auch bewegt/ ſo g’hoͤrſtu nicht zum gantzen.

43. Wer vergeht/ der iſt nicht.
Der Suͤnder iſt nicht mehr. Wie? ſeh ich ihn doch ſtehn!

haͤttſtu das rechte Licht/ du ſaͤheſt ihn vergehn.

44. Was verdirbt/ wird zu nichts.
Was fort un̄ fort verdirbt/ das kan nicht ſtehn noch ſeyn/

Es eilt zum untergang und wird dem nichts gemein.

45. Eigen-
[238[223]]Joh. Angeli ſechſtes Buch
45. Eigenſinnigkeit reiſt von GOtt ab.
Was nicht am Leibe bleibt/ wird nicht vom Haubt gekuͤſt:

Merks eigenſinniger/ daß du nicht Chriſti biſt.

46. Das abgeſunderte hat nichts mit dem
gantzen gemein.

Ein abgefallnes Laub/ ein ſaures troͤpfflein Wein/

Was hat es mit dem Baum/ was mit dem Moſt gemein?

47. Es iſt noch zeit zum Heil.
Kehr umb verirrtes Schaf/ zeuch ſafft verdorrter Aſt?

Du kanſt wol kom̄n un̄ ziehn/ weil du den trieb noch haſt.

48. Das beyſpiel reitzet an.
Dein feld Herꝛ geht vor an/ er ſtreit fuͤr dich mein Chriſt:

Jſts moͤglich daß du noch ein fauler Eſel biſt?

49. Das veraͤchtlichſte Aß.
Wer ſich den Teuffel laͤſt erſchlagen und ermorden/

Der iſt ein todter Hund des ſchnoͤdſten ſchinders worden.

50. Der ſchaͤndliche Gefangene.
Pfuy dich/ das dich ein Weib die nichtigkeit der Welt

Mit ihrem ſpinneweb ſo lang gefangen haͤlt!

51. Die ſchnoͤdſte Dirne.
Menſch laͤſtu dich dein Fleiſch beherſchn und nehmen ein/

So muß wol deine Seel die ſchnoͤdſte Dirne ſeyn.

52. Der ſchaͤndliche Fall.
Halt auß Welt/ Teuffel/ Fleiſch/ du biſt ja Chriſt ein

Held:

Wie ſchaͤndlich iſts/ wenn man fuͤr dieſem Buben faͤllt.

K 553. Die
[239[224]]Geiſtr. Sinn- und ſchlußr.
53. Die ſiegreiche Waffen.
Der Teuffel durchs Gebeth/ das Fleiſch kaͤ durch Caſteyn/

Die Welt/ wenn man ſie laͤſt/ gar leicht bezwungen ſeyn.

54. Der ſieg folgt erſt hernach.
Chriſt niemand hat den ſieg un̄ deſſen Troſt embfunden/

Der nicht zuvor im ſtreit den Feind hat uberwunden.

55. Kein Kron ohn Kampff.
Ein Kampffplatz iſt die Welt. Das Kraͤntzlein und

die Kron

Traͤgt keiner/ der nicht Kaͤmpfft/ mit Ruhm und Ehrn

darvon.

56. Der erſte Kriegt den Preiß.
Lauff nach dem Ehren preiß/ du muſt der erſte ſeyn/

Du traͤgeſt nichts davon/ kriegſtu ihn nicht allein.

57. Eins iſt die Ehre.
Der Feld-Herꝛ triumphirt/ er hat die ehr allein:

Erhaͤltſt auch du die ſchlacht/ ſo wird ſie deine ſeyn.

58. Kurtzer ſtreit/ ewiger Triumph.
Wie kurtz iſt doch der Streit! wie gluͤklich iſt der Held/

Der ewig triumphirt den Teuffel/ Fleiſch/ und Welt!

59. Man muß nach Ehren ſtreben.
Die Ehr iſt doch nicht nichts. Die nie nach Ehren ſtre-

ben/

Die kommen nie zur ruh/ auch nicht im andren Leben.

60. Wo Ehr und Schande iſt.
Der Himmel iſt voll ruhm/ voll Ehr und Herꝛligkeit;

Die Hoͤlle voller ſpott/ ſchmach und muͤhſeeligkeit.

61. Nicht
[240[225]]Joh: Angeli ſechſtes Buch
61. Nicht ſtreiten wollen iſt ſpoͤttlich.
Ein ſpott wird der Soldat des Feinds/ fuͤr dem er zagt/

Ein ſpott des ewgen Feinds der Chriſt/ der ihn nicht jagt.

62. Das beſte iſt zuerwaͤhlen.
Auf auf Soldat zum ſtreit! dir wird ja lieber ſeyn

Die Ruhe nach dem ſieg/ als nach der ruh die Pein?

63. Deß Suͤnders Seele iſt die Naͤrriſchte.
Du laͤſt die ewge Luſt und kieſeſt ewge Pein/

Kan auch was naͤrriſchers als deine Seele ſeyn?

64. Der groͤſte Narr.
Chriſt wenn du einen ſihſt ſo ſtark zur Hoͤllen rennen/

Den magſtu ohn hedacht den groͤſten Narren nennen.

65. Die zwey wunderliche Thoren.
Ach jammer/ jener rennt/ daß er in Abgrund koͤmt;

Und dieſer regt ſich kaum/ daß er GOtts burg einnihmt!

66. Das zeitliche macht ungeſchikt.
Ach mein/ wie magſtu doch die Welt ſo in dich ſauffen?

Du wirſt ja ungeſchikt den Ehrn Krantz zuerlauffen!

67. Das weltliche Gutt beſchwehrt.
Wirff das gebuͤndle weg. Wer ſtreiten ſol und kriegen/

Dem muß kein ſak voll Geld auf ſeinen Achſeln liegen.

68. Der ſelbſt Tadel.
Du lachſt den Krieger auß/ der ſich mit raub beſchwehrt:

Fuͤrwahr mein Euclio du biſt des lachens wehrt.

K 669. Kein
[241[226]]Geiſtr. Sinn- und ſchlußt.
69. Kein ungeſchikter Menſch kombt inn
Himmel.

Geh Faſt’ und zehr dich auß/ die Himmels-Thuͤr iſt klein/

Wirſtu nicht wol geſchikt/ du koͤmmeſt nicht hinein.

70. Stille ſtehn iſt zuruͤke gehn.
Je Bruder geh doch fort/ was bleibſtu ſtille ſtehn?

Stehn auf dem wege GOtts heiſt man zuruͤke gehn.

71. Das gutte und uͤble zuruͤke gehn.
Wie wol geht der zuruͤk/ der von dem Feind weg faͤhrt;

Wie uͤbel/ welcher GOtt den ruͤken endlich kehrt!

72. Die Fanlheit uͤberkomt nicht den
Himmel.

Ach Fauler reg dich doch! wie bleibſtu immer liegen?

Fuͤrwahr der Him̄el wird dir nicht ins Maul einfliegen.

73. Man hat nichts umbſonſt.
Menſch umb die Hoͤlle muß der Suͤnder ſo viel leyden:

Wie ſol dann GOt umb nichts dir geben ſeine Freuden?

74. Gewalt nihmt den Himmel ein.
Gewalt geht uͤber Recht. Wer nur gewalt kan uͤben/

Von dem wird auch die Thuͤr des Himmels aufgetrieben.

75. Allein die uͤberwindung beruhigt.
Freund ſtreiten iſt nicht gnug/ du muſt auch uͤberwindē/

Wo du wilt ewge Ruh und ewgen Frieden finden.

76. Die Welt erwaͤhlt das aͤrgſte.
GOtt reicht die kron der Ehrn/ der Teuffel ſpott und

Hohn.

Und dennoch greifft die Welt nicht nach der ehren Kron/

77. Der
[242[227]]Joh Angeli ſechſtes Buch
77. Der Suͤnder wil ſeinen Tod.
Ach Suͤnder iſts dann wahr? du wilſt dich eh verliehren/

Als ewiglich mit GOtt ein GOtt ſeyn und regiern?

78. Was verlobren ſeyn iſt.
Was iſt verlohren ſeyn? frag das verlohrne Lamm/

Frag die verlohrne Braut vom ewgen Braͤutigam.

79. Die ewige verlohrenheit.
Das Schaf iſt gaͤntzlich hin/ das nie wird wieder funden;

Die Seel die GOtt nicht find/ bleibt ewiglich verſchwun-

den.

80. GOtt ſucht nicht was ewig verlohrn.
Findt GOtt nicht was er ſucht? er ſucht in ewigkeit/

Richt/ was ſich hat von ihm verlohren in der zeit.

81. GOtt find die Verdammten nicht.
GOtt kan ſchon ewiglich nicht die Verdammten finden;

Weil ſie ſtaͤts durch ihrn willn fuͤr ihm inn Pful ver-

ſchwinden.

82. Der Wille macht verlohren ſeyn.
Der Will macht dich verlohrn/ der Will macht dich ge-

funden/

Der Will der macht dich frey/ gefaͤſſelt und gebunden.

83. An den Geld ſuchenden.
O Narr was renſtu ſo nach reichthum in der Welt/

Und weiſt doch/ daß man wird dardurch inn Pful gefaͤlt?

84. Das groͤſte Reichthum und gewien.
Das groͤſte Reichthum iſt nach keinem Reichthum ſtꝛeben/

Der groͤſſeſte Gewin/ ſich deſſen gantz begeben.

K 785. Man
[243[228]]Geiſtr Sinn- und ſchlußr.
85. Man thut nicht was man Lobt.
Man lobt den gutten Mann der ihm genuͤgen laͤſt;

Und friſſet doch umb ſich gleich wie der Krebs und Peſt.

86. Wer alles verlanget/ hat noch nichts.
Wer nichts verlangt hat alls. Wer alles thut verlan-

gen.

Der hat in wahrheit noch nicht einen ſtiel empfangen.

87. Wer der Sonne und GOtte gleicht.
Wer alln ſein gutt mittheilt/ alln nutzt und alle Liebt/

Jſt wie der Sonnen Licht/ und GOtt der alln ſich giebt.

88. Allmoſen geben macht reich.
Der Arme/ giebſtu ihm/ macht dich dem Reichen gleich:

Wie da? er traͤgt dir alls voran ins Himmelreich.

89. An den Kargen.
Pfuy dich du karger Filtz/ GOtt hat dir alls gegeben;

Noch wenn Er zu dir komt/ giebſtu ihm kaum zuleben.

90. Der Reiche ſiehet GOtt nicht gern.
Der Arme Chriſt iſt GOtt: doch ſieht des reichen Hauß

Gemeiniglich nicht gern den GOtt geyn ein und auß.

91. Anderſt geglaubt/ anderſt gethan.
Man glaubt es ſeeger ſeyn zu geben als zu nehmen;

Und doch wil man gar ſchlecht zum geben ſich bequaͤmen.

92. Thue was du dir gethan wilt.
Menſch weil du gerne ſiehſt daß man dir Gaben giebt;

So mache doch auch dich im geben wol geuͤbt.

93. Weiſe
[244[229]]Joh: Angeli ſechſtes Buch
93. Weiſe und Narriſche ſammlung.
Der Geitz-Halß iſt ein Narr/ er ſammlet was ver geht:

Der Mild’ ein weiſer Mann/ er ſuchet was beſteht.

94. Mildigkeit iſt frey/ Geitz gebunden.
Ein Milder breitt ſich auß/ ein Geitz-Halß krippt ſich ein:

Der faͤht ſchon an beſtrikt/ und jener frey zu ſeyn.

95. Wo der Schatz/ da das Hertze.
Der Weiſe hat ſein Hertz bey GOtt und in dem Him̄el:

Der Geitzige beym Geld und in dem Welt getuͤmmel.

96. Der Weltſuchende zieht am Narren ſeil.
Wo du auch kluge ſiehſt ſich umb die Welt bemuͤhn/

So ſage daß auch ſie im Narren ſeile ziehn.

97. Das ewge hat ſchlaͤchten verdrang.
Man ſieht faſt alle Welt mit Juden ſpiſſen lauffen;

Und doch umbs Himmelreich ſo wenig Leute kauffen!

98. Giefft wird fuͤr Zuker gelegt.
GOtt ſtreuet zuker auff/ der Teuffel gifft und galle:

Den Zuker laͤſt mau ſtehn und lekt die Gifft zum falle!

99. Des Weiſen und Geitzigen gelt kam0303;er.
Der Weiß iſt kluͤglich reich; er hat das Gelt im kaſten/

Der Geitzhals im gemuͤth/ drumb laͤſts ihn niemahls

raſten.

100. Der Weiſe kombt den Dieben vor.
Der Weiſe wartet nicht/ biß ihm was wird genommen:

Er nihmt ihm alles ſelbſt/ den Dieben vorzukommen.

101. Begierde
[245[230]]Geiſtr. Sinn- und ſchlußr.
101. Begierde benom̃en alles benom̃en.
Menſch nihm dir nur die Lieb und die begiehr der dinge/

So ſeind die dinge ſelbſt benommen und geringe.

102. Das Auge und Hertze leiden nichts.
Das Hertz iſt wie das Aug’/ ein eintzigs graͤnelein/

Wo du’s im Hertzen haſt/ verurfacht dir ſchon Pein.

103. Beſchwehrt komt niemand fort.
Der Schiffer wirfft im ſturm die ſchwerſten Wahren

auß:

Meinſtu mit Gold beſchwehrt zu kommn ins Himmels

Hauß?

104. Alles Weltliche muß weg.
Menſch wuͤrffeſtu nicht weg dein liebſtes auf der Erden/

So kan dir nimmermehr des Himmels hafen werden.

105. Alles umb alles.
Die Seeligkeit iſt alls. Wer alles wil erheben/

Der muß auch zuvoran hier alls umb alles geben.

106. Nichts gewinnt nichts.
Umb nichts gewind man nichts. Wo du nichts auf wilt

ſetzen.

So wirſtu dich fuͤrwahr auch ewig nichts ergoͤtzen.

107. Der thoͤrichte verluſt.
Mit hundert wil GOtt eins bezahln im ewgen Leben:

Wie thoͤricht ſeind wir doch/ daß wir nicht alls hin geben!

108. Mit der Begierde hat man.
Freund ſchmeichle dir nicht viel: haſtu noch die Begiehr/

So haſtu noch die Welt und alle ding’ in dir.

109. Der
[246[231]]Joh. Angeli ſechſtes Buch
109. Der ſein ſelbſt Sclave.
Du wilt nicht Sclave ſeyn; un̄ doch iſts wahr mein Chriſt/

Daß deiner ſelbſt begiehr du vielmahl Sclave biſt.

110. Die ſchnoͤdeſte Sclaverey.
Die ſchnoͤdſte Sclaverey iſt gerne Sclave ſeyn.

Wie bildſtu Suͤnden-Sclav dir denn was ehrlichs ein?

111. Die geiſtliche Hunds Huͤtte.
Nichts ſchaͤndlichs/ nichts gerings ſteigt in ein groß ge-

muͤtte:

Hat deins an Suͤnden luſt/ ſo iſts ein Hundes Huͤtte-

112. Die ſchmaͤlichſte Dienſtbarkeit.
Das ſchmaͤhlichſt’ iſt die Suͤnd. Daͤnk Suͤnder was fuͤr

ſchmach/

Der du als wie ein Hund ihr dienſt/ dir folget nach!

113. Der willige Betrogene.
Die Suͤnd iſt voll Betrugs. Laͤſt du dich ſie regiern/

So laͤſtu dich mit willn inn ſchlund der Hoͤllen fuͤhrn.

114. Der Stok-Knecht liebt den Stok.
Kein edler Geiſt iſt gern gefangen und umbſchraͤnkt.

Du muſt ein Stok-Knecht ſeyn/ wo dich dein Leib nicht

kraͤnkt.

115. Nachlaͤſſigkeit komt nicht zu GOtt.
Du ſprichſt/ du wirſt noch wohl GOTT ſehen und ſein

Licht:

O Narr du ſiehſt ihn nie/ ſiehſtu ihn heute nicht.

116. Nicht verlangen nicht embfangen.
Wer GOttes angeſicht hier nicht ſieht mit begier/

Der komt in ewigkeit darnach nicht bey ihm fuͤr.

117. Ohne
[247[232]]Geiſtr. Sinn- und ſchlußr.
117. Ohne Liebes pein ohne Liebe.
Verzug urſacht verdruß: fuͤhlſtu umb GOtt nicht Pein/

So glaub ich nicht dein Hertz in ihn entzuͤnd zu ſeyn.

118. Die Liebe zeucht zum geliebten.
Die Lieb iſt das gewicht: iſts wahr das wir GOtt Lieben/

So werden wir von ihr ſtets hin zu GOtt getrieben.

119. Das Goͤttliche und Ungoͤttliche ge-
muͤtte.

Ein Goͤttliches gemuͤtt ſteht ſtaͤtts nach GOtt gericht:

Nichts Goͤttlichs iſt an dir verlangt dich nach ihm nicht.

120. Nicht begehren iſt nicht Lieben.
Du haſt gern deinen Hund/ der dir beliebt/ bey dir:

Wie Liebeſtu denn GOtt mit lauter unbegier?

121. Nicht ſterben wollen nicht Leben
wollen.

Menſch ſtirbeſtu nicht gern/ ſo wiltu nicht dein Leben:

Das Leben wird dir nicht als durch den Tod gegeben.

122. Die doppelte Thorheit.
Du renſt in Tods gefahr ſchnoͤd’ Ehre zuerwerben;

Umb ewge Herꝛligkeit hoͤrſtu nicht gern vom Sterben.

123. Der Narr erkieſt das aͤrgſte.
Ein Narr iſt/ der den Stok fuͤrs Kaiſers Burg erkieſt;

Der lieber in der Welt als in dem Himmel iſt.

124. Erkuͤſung benennung.
Ein Knecht iſt gern im Stall/ ein ſchwein hirt gern umb

Schweine:

Waͤrſtu ein edler Herꝛ du waͤreſt gern wo’s reine.

125. Was
[748[233]]Joh: Angeli ſechſtes Buch
125. Was man iſt das Liebt man.
Jedes Liebet was es iſt/ der Kaͤfer ſeinen miſt/

Den unflat liebeſtu weil du ein unflat biſt.

126. Geſellſchafft zeigt den Mann.
Die loſung der geſpan. Wers gern mit Narren haͤlt/

Der iſt kein kluger Mann: nicht groß/ wer mit der

Welt.

127. Der Liebe Todt und Pein.
GOtt iſt mein einge Lieb: ihm nicht gemeine ſeyn.

Jſt meiner Seelen Todt/ meins Hertzens einge Pein.

128. Wer zu GOTT wil/ muß GOTT
werden.

Werd GOtt wiltu zu GOtt: GOtt macht ſich nicht

gemein/

Wer nicht mit ihm wil GOtt und das was er iſt ſeyn.

129. Wer wil wird GOtt gebohrn.
Von GOtt wird GOtt gebohrn: ſol er dich den gebehrn/

So muſtu ihm zuvor den Willn darzu gewehrn.

130. Nichts werden iſt GOTT werden.
Nichts wird was zuvor iſt: wirſtu nicht vor zu nicht/

So wirſtu nimmermehr gebohrn vom ewgen Licht.

131. Hoͤchſte Geburth/ hoͤchſte Freude.
Die hoͤchſte Freud und Luſt die GOtt mir kan gewehrn/

Jſt das er Ewig wird mich ſeinen Sohn gebehrn.

132. GOttes einige Seeligkeit.
Gebehrn iſt Seelig ſeyn. GOtts einge Seeligkeit

Jſt daß er ſeinen Sohn gebtehrt von Ewigkeit.

133. Wie
[249[234]]Geiſtr. Sinn- und ſchlußr.
133. Wie man ſo Seelig als Gott wird.
GOtt iſt das Seeligſte. Wiltu ſo Seelig ſeyn/

So dring in die Geburth deß Sohnes GOttes ein.

134. Von Gott gebohren werden iſt gaͤntz-
lich GOtt ſeyn.

GOtt zeuget nichts als GOTT: zeugt er dich ſeinen

Sohn/

So wirſtu GOtt in GOtt/ Herr auf deß Herren Thron.

135. GOtt mit GOtt werden iſt alles mit
ihm ſeyn.

Wer GOtt mit GOtt gewird/ iſt mit ihm eine Freud

Ein Ewge Majeſtaͤt/ ein Reich und Herrligkeit.

136. Ewge Ehre und Schande.
O Ehr O Seeligkeit/ das Ewig ſeyn was GOtt!

Das was der Teuffel iſt/ O ewge Schand und Spott.

137. Der Narriſche Unheilige.
Du wilt kein Heiliger ſeyn/ gleichwohl inn Himmel

kommen.

O Narr/ es werden nur die Heiligen eingenommen.

138. Der groͤbſte Baur.
Du ſchmuͤckſt dich wenn du ſolt nachs Kayſer Hofe

gehn/

Und daͤnckſt O graͤbſter Baur/ ohn Schmuck fuͤr GOtt

zuſtehn!

139. Kein
[250[235]]Joh: Angeli ſechſtes Buch
139. Kein Hoͤffling kein Himmling.
Menſch wirſtu nicht gehoͤft unnd klebſt am Kloß der

Erden/

Wie ſol der Himmel dir/ der keinem Pflock wird/ werden.

140. Wer nicht haſſt hat nicht verlaſſen.
Du ſtaͤkſt im falſchen Wahn; kanſtu die Welt nicht

haſſen/

Fuͤrwahr du haſt nicht ſie/ ſie hat nur dich verlaſſen.

141. An den gezwungenen Creutzleidenden.
Menſch wer dem Creutz nicht kan entwerden und ent-

gehn/

Der muß auch wiedern Willn daran gehaftet ſtehn.

142. An den Welt verlaſſenen.
Mauch ding thut man auß Noth. Auch du verlaͤſt die

Welt.

Weil dirs dein Hertze ſagt/ daß ſie nichts von dir haͤlt.

143. An den Hoffaͤrtigen.
Es heiſt ſich einen Wurm auß Demutt GOttes Sohn/

Du Wurm miſt dir wohl zu auß Hoffart ſeinen Thron.

144. Die ſelbſt Schaͤtzung iſt verwerflich.
Der Himmel ſchaͤtzt ſich nicht/ ob er gleich alls ernaͤhrt:

Schaͤtzſt du dich ſelber hoch/ ſo biſtu wohl nichts wehrt.

145. Die ſeltzame Tugend.
GOtt ſpricht/ wer ſich verſenckt der wird erhaben/

werden:

Und doch iſt dieſes thun das ſeltzamſt’ auf der Erden!

146. Das
[251[236]]Geiſtr. Sinn- und ſchlußr.
146. Das Werck bewehrt den Meiſter.
Freund weil du ſitzſt und daͤnckſt/ biſtu ein Mann voll

Tugend:

Wenn du ſie wircken ſolſt/ ſiehſt du erſt deine Jngend.

147. Traurigkeit bringt Freude.
Wer Heilge Traurigkeit hier hat zum Veſper Brodt.

Dem wart das Abendmahl/ die ewge Freud in GOtt.

148. Wer hier ſatt wird/ kan dort nicht eſſen.
Wie daß der Fraß nicht kommt zum ewgen Abendeſſen/

Er mag nicht weil er hier ſich hat zu ſatt gefreſſen.

149. Den Trunckenpold kan GOtt nicht
traͤncken.

GOtt wil den ſaͤttigen den hungert und den duͤrſt/

Dir kan ers nimmer thun der du nie nuͤchtern wirſt.

150. Nichts umbſonſt.
Niemand hat was umbſonſt/ wie bildſtu dir den ein/

Daß auch das Himmelreich umbſonſt wird deine ſeyn.

151. GOttes Kaufmanſchafft.
GOtt treibet Kauffmanſchafft/ er bitht den Him̄el feil.

Wie theuer giebt er ihn? umb einen Liebes-Pfeil.

152. GOtt iſt unſer Ziehl.
Was macht nicht GOtt auß ſich[!] Er iſt meins Hertzens

Ziel/

Jch ſchuͤſſe ſtaͤts nach ihm/ ich treff’ ihn wenn ich wil.

153. Das uͤberunmoͤglichſte iſt moͤglich.
Du kanſt mit deinem Pfeil die Sonne nicht erreichen/

Jch kan mit meinem wol die ewge Sonn beſtreichen.

154. GOtt
[252[237]]Joh: Angeli ſechſtes Buch
154. GOtt thut ſelbſt alles.
GOtt legt den Pfeil ſelbſt auf/ GOtt ſpannet ſelbſt den

Bogen.

GOtt druͤcket ſelber ab: drumb iſts ſo wol gezogen.

155. Je naͤher beym Ziel/ je gewiſſer.
Je naͤher bey dem Ziehl/ je naͤher beym Gewien;

Meinſtu das Hertze GOttes/ ſo thrit nur nahe hin.

156. Des Suͤnders Gebeth iſt umbſonſt.
Der Suͤnder ziehlt nach Gott/ und wendt ſich von ihm

weg/

Wie ſols denn moͤglich ſeyn/ daß er beruͤhr den Zweg?

157. Wie man ſich zu GOtt kehrt.
Mit Heiliger Begihr/ und nicht mit bloſſem bethen;

Mit Heilgem Lebenslauff komt man zu GOtt gethreten.

158. Der Geiſtliche Schuͤtze-Zeug.
Das Hertz iſt unſer Rohr/ die Liebe Kraut und Loth/

Der Zun der gutter Will: Zieh loß ſo triffſtu GOtt.

159. Das Hertze muß ſcharff geladen ſeyn.
Ey lad doch recht und ſcharff/ was paffſtu in die Lufft?

Was blind geladen iſt das heiſſet nur gepufft.

160. Es muß auß dem Hertzen gehn.
Das Mundloch giebt nicht Feur/ im Fall du je wild

ſchuͤſſen/

Muſtu die Kammer ja zuvor geladen wiſſen.

161. Das Hertze muß geraͤumt und rein
ſeyn.

Chriſt iſt das Rohr nicht rein/ die Kam̄er nicht geraumt

Und du druͤckſt gleichwol loß/ ſo halt’ ich daß dir traumt.

162. Ein
[253[238]]Geiſtr. Sinn- und ſchlußr.
162. Ein vergifftes Hertze treibt nicht in
die Hoͤhe.

Halt/ du verletzeſt dich/ das Gifft muß auß dem Rohr/

Sonſt ſpringts fuͤrwahr entzwey und treibet nicht emb-

por.

163. Haaß macht ſich verhaſt.
Menſch wer mit Haß und Neid fuͤr Gott den Herren

wil threten.

Der wird ihm anders nichts als Haß und Neid erbethen.

164. Erlaß wie wir erlaſſen.
Was du dem naͤchſten wilt/ das bithtſt du dir von Gott.

Wiltu nicht ſeyn gedeyn/ ſo bithſt du dir den Tod.

165. Gieb wie du begehrſt.
Menſch du begehrſt von GOtt das gantze Himmelreich:

Bitht man von dir ein Brodt/ ſo wirſtu Blaß und Bleich.

166. Wer das Himmelreich hat kan nicht
Arm werden.

Das Reich Gotts iſt in unß. Haſtu ſchon hier auf Erden

Ein gantzes Reich in dir/ was fuͤrchſtu arm zuwerden?

167. Wer wahrhafftig Reich.
Viel haben macht nicht Reich Der iſt ein reicher Mann/

Der alles was er hat ohn Leid verliehren kan.

168. Der Weiſe hat nichts im Kaſten.
Ein weiſer Mann hat nichts im Kaſten oder Schreyn:

Was er verliehren kan/ ſchaͤtzt er nicht ſeine ſeyn.

169. Man
[263[239]]Joh: Angeli ſechſtes Buch.
169. Man muß ſeyn/ was man nicht verlih-
ren wil.

Der Weis’ iſt was er hat. Wiltu das Feinperlein.

Des Himmels nicht verliehrn/ ſo muſtu s’ ſelber ſeyn.

170. Zweyerley ſeiner ſelbſt verliehrung.
Jch kan mich ſelbſt verliehrn. Ja? boͤß iſts wenn in tod/

Gluͤckſeelig Preiß ich dich/ verliehrſtu dich in GOtt.

171. Jm Meer werden alle tropffen Meer.
Das Troͤpfflein wird das Meer/ wenn es ins Meer ge-

kommen:

Die Seele GOtt/ wenn ſie in GOtt iſt aufgenommen.

172. Jm Meer kan man kein troͤpfflein un-
terſcheiden.

Wenn du das Truͤpfflein wirſt im groſſen Meer nen̄en.

Denn wirſtu meine Seel im groſſen GOtt erkennen.

173. Jm Meer iſt auch ein troͤpfflein Meer.
Jm Meer iſt alles Meer auchs kleinſte Troͤpffelein:

Sag welche Heilge Seel in GOtt nicht Gott wird ſein.

174. Jm Meer ſeind viel eins.
Viel Koͤrnlein ſeind ein Brodt/ ein Meer viel troͤpffelein

So ſeind auch unſer viel in GOtt ein einges ein.

175. Die Vereinigung mit Gott iſt leicht.
Menſch du kanſt dich mit GOtt viel leichter eines ſehn/

Als man ein aug’ auffthut/ wil nur/ ſo iſts geſchehn.

176. Gott verlangen macht Ruh und Pein.
Die Seele die nichts ſucht als eins mit GOtt zuſeyn.

Die lebt in ſteter Ruh/ und hat doch ſtaͤte Pein.

177. Des Narren und Weiſen Gemein-
ſchafft.

Ein Narr iſt gern zerſtreut/ ein Weiſer gern allein:

Er macher ſich mit alln/ der nur mit GOtt gemein.

L178. Mehr
[264[240]]Geiſtr. Sinn- und ſchlußr.
178. Mehr ſeind Todt als Lebendig/
Alls lebt und reget ſich: doch zweiffel ich ob die Welt

Mehr der (GOtt) lebenden als Todten in ſich haͤlt.

179. Der Geitzigen und Weiſen wirkung
Der Geitzhals muß darvon/ laͤſt anderen ſein Geld;

Der Weiſe ſchickts fuͤr ſich voran in jene Welt.

180. Eben von derſelben
Der Weiſe ſtreuet auß fuͤr ſeine Freind in GOtt;

Der Geitzhalß ſam̄let ein fuͤrn Teuffel und fuͤrn Tod.

181. Der Narren und Weiſen ſchaͤtzung.
Der Rarr haͤlt ſich vor Reich bey einem Sak voll Geld/

Der Weiſe ſchaͤtzt ſich arm auch bey der gantzen Welt.

182. Der Vnglaube haͤgt den Geitz.
Wer giebt dem giebet GOtt mehr als der giebt und wil:

Was geitzt die Welt denn ſo? ſie glaubet GOtt nit viel.

183. Der Weiſe ſucht nichts.
Der weiſe ſuchet nichts er hat den ſtillſten Orden:

Warumb? er iſt in GOtt ſchon alles ſelber worden.

184. Alles verdirbt und was wir nit ſeind.
Chriſt werde was du ſuchſt: wo du ’s nicht ſelber biſt/

So komſtu nie zur Ruh/ und wird dir alls zu Miſt.

185. Das Reichthum muß inner uns ſeyn.
Jn dir muß ’s Reichthum ſeyn/ was du nicht in dir haſt/

Waͤrs auch die gautze Welt/ iſt dir nur eine Laſt.

186. Gott
[265[241]]Joh: Angeli ſechſtes Buch
186. GOtt iſt das Reichthum.
GOtt iſt das Reichthum gar/ gnuͤgt er dir in der Zeit/

So ſteheſt du ſchon hier im Stand der Seeligkeit.

187. Der thumme Geitzhaltz.
Haſtu an GOtt nicht gnug/ und ſuchſt nicht ihn allein

So muſtu wol ein Thor und thummer Geitzhaltz ſeyn.

188. Der thoͤrichte ſuchend[e]
Suchſtu was und vermeinſt das GOtt nicht alles ſey/

So gehſtu GOtt und alls in Ewigkeit fuͤrbey.

189. Alles begehren iſt nichts haben.
Menſch glaube diß gewiß/ haſtu nach allm Begihr/

So biſtu bettel arm und haſt noch nichts in dir.

190. Auſſer GOtt iſt alles nichts.
Menſch wem GOtt alles iſt/ dem iſt ſonſt alles nichts:

Haſtu nicht alls an GOtt/ fuͤrwahr ihm nichts gebrichts.

191. Welt verlaſſen wenig verlaſſen.
Die gantze Welt iſt nichts; Du haſt nicht viel veracht/

Wenn du gleich haſt die Welt auß deinem Sin̄ gebracht.

192. Sich verlaſſen iſt etwas verlaſſen.
Du ſelber muſt auß dir. Wenn du dich ſelbſt wirſt haſ-

ſen/

Dann ſchaͤtz ich dich/ daß du erſt etwas haſt verlaſſen.

193. Man muß getoͤdtet ſeyn.
Alls muß geſchlachtet ſeyn. Schlachſtu dich nicht fuͤr

GOtt/

So ſchlachtet dich zu letzt fuͤrn Feind der ewge Tod.

L 2194. Wir-
[266[242]]Geiſtr. Sinn- und ſchlußr.
194. Wirkung der Abtoͤdtung und Lebens der
ſelbſtheit.

Durch toͤdtung deiner ſelbſt wirſtu Gotts Lamb darſtellē/

Mit Leben bleibſtu ein todter Hund der Hoͤllen.

195. Viel Ixiones.
Ixion iſt allein beſchrihn auf allen Gaſſen:

Und ſieh viel tauſend ſeind die eine Wolk umbfaſſen/

196. An den Stoͤhrfriede.
Wenn du an einem Pflug wilt mit Ixion pfluͤgen/

So wirſtu auch mit ihm auf einem Rade liegen.

197. Wie die Arbeit/ ſo der Lohn.
Freund wie die Arbeit iſt/ ſo iſt auch drauf der Lohn:

Auf boͤſe folgen Streich’/ auf gutte Preiß und Kron.

198. Eingezogenheit verhüttet viel.
Braut iſts daß du nicht gern laͤſt frembde Buhler fuͤt;

So halt die Fenſter zue und ſteh nicht in der Thuͤr.

199. Behuttſambkeit iſt Noth.
Behuttſamkeit iſt Noth. Viel waͤrn nicht umbgekom-

men/

Wenn ſie der Sinnen Thur in beſſre Hutt genommen.

200. Vermaͤſſenheit iſt ſchaͤdlich.
Vermiß dich Jungfrau nicht/ wer in Gefahr ſich giebt/

Der wird gemeiniglich gefaͤhret und betruͤbt.

201. Sicherheit macht verliehrn.
Steh wache faſt’ und beth; in einer Sicherheit/

Hat mancher gahr verlohrn das Schloß der Ewigkeit.

202. Drey
[267[243]]Joh: Angeli ſechſtes Buch
202. Drey dinge ſeind zuflihn.
Kind ſchaue meide fleuch den Wein das Weib die Nacht:

Sie haben manchen Mann umb Leib und Seele bracht.

203. Ein finſteres Hertze ſieht nicht.
Gieb achtung auf das Feur. Wo nicht die Lampen

brennen/

Wer wil den Braͤutgam wenn er wird kom̄n erkennen.

204. Das Geiſtliche Loſungs Wort.
Das Loſungs Wort iſt Lieb: haſtu s ’nicht eingenom-

men.

So darffſtu nimmermer ans Himmels Graͤntzen kom̄en.

205. Die verlohrne Schildwacht.
Die Schildwach iſt verlohrn/ die ſich in Schlaff verſenkt:

Die Seel iſt gaͤntzlich hin die nie ann Feind gedaͤnkt.

206. Man muß den Feind nicht auf den
Leib laſſen.

Freind wach und ſchau dich umb/ der Teuffel geht ſtets

runten/

Kommt er dir auf den Leib/ ſo liegeſtu ſchon unten.

207. Der Teuffel mird leicht uͤberwunden.
Chriſt biß nur nicht verzagt/ mit wachen faſten bethen

Kanſtu das gantze Heer der Teuffel unterthreten.

208. Die kluge und thaͤrichte Schoͤnheit.
Die kluge Jungfrau hat ihrn Schmuck in ſich allein:

Die Thoͤrin denkt ſich ſchoͤn in ſchoͤnen Kleidern ſeyn.

209. Das aͤuſerleche macht nicht wehrter.
Menſch alls was auſſer dir/ das gibt dir keinen wehrt:

Das Kleid macht keinen Mann/ der Sattel macht kein

Pferd.

L 3210. Was
[268[244]]Geiſtr: Sinn und ſchlußr:
210. Was man innwendig iſt ſucht man
nicht außwendig.

Mann/ wer in Tugenden von innen Reich und ſchoͤn/

Der wird von auſſen nicht nach Schmuck und Reichthum

ſtehn.

211. Die Welt iſt verblendt.
Wie das die Welt ſo ſehr nach eitlen Dingen tennt?

Verwunder dich nicht Freund/ ſie raſt und iſt verblend.

212. Anderſt thun als glauben iſt naͤrriſch.
Chriſt biſtu nicht ein Narr? du glaubſt die Ewigkeit/

Und haͤngſt mit Leib und Seel verblendet an der Zeit!

213. Dem kleinen iſt alles kleine groß.
Kind wachs und werde groß; ſo lange du noch klein/

So lange duͤnckt dich alls was klein iſt groß zuſeyn.

214. Nichts iſt groß als GOtt.
Nichts iſt mir groß als GOtt. Ein Goͤttlichs Gemuͤtte

Schaͤtzt auch den Himmel ſelbſt fuͤr eine kleine Huͤtte.

215. Man muß ſich von oben herab anſehn.
Du duͤnckſt dich viel zu ſeyn: ach waͤrſtu uͤber dir/

Und ſchauteſt dich dann an/ du ſaͤhſt ein ſchlaͤchtes Thier.

216. Jn der naͤhe ſieht mans recht.
Mein nah dich doch zu GOtt/ alls iſt von ferne klein/

Thritſtu hinzue/ er wird bald groß genug dir ſeyn.

217. Das Ameiß Gemille.
Die Erd ſcheint dir breit/ ein kluͤmplein groß mein Chriſt/

Ein Maulwurfs Hauff ein Berg/ weil du ein Ameiß biſt.

218. Nichts
[269[245]]Joh: Angeli ſechſtes Buch
218. Nichts iſt groß auf der Erde.
Zum Himmel iſt die Erd’ ein eintzigs Staͤubelein:

O Naar wie kan in ihr etwas groſſes ſeyn?

219. Nichts beſchaut nichts geſchaͤtzt.
Wie das die Welt nichts ſchaͤtzt die ſchoͤnen Himmels

Auen?

Man ſchaͤtzt nichts unbeſchaut/ es mangelt am bſchauen.

220. Auß dem beſchaun entſteht die Liebe.
Die Liebe folgt aufs ſchaun. Schau an die ewge dinge/

So liebſtu ſie als bald und haͤlſt ſonſt alls geringe.

221. Die Welt ſol man nicht anſchaun.
Wend ab dein Angeſicht/ die Welt nur angeblikt/

Hat manches edles Blut verzaubert und beruͤkt.

222. Die Welt muß beſchaut ſeyn.
Kehr hin dein Angeſicht/ und ſchau die eitle Welt/

Wer ſie nicht recht betracht/ der wird fuͤrwahr gefaͤllt

223. Die Welt muß belacht und beweint
werden.

Fuͤrwahr wer bieſe Welt recht nihmt in Augenſchein/

Muß bald Democritus/ bald Heraclitus ſeyn.

224. Die Kinder weinen umb die token.
Du lacheſt daß das Kind umb ſeine Token weint/

Umb die du dich betruͤbſt/ ſag obs nicht Token ſeind?

225. Den Weiſen nihmt man nichts als
Token.

Der Weiſe lacht darzu wenn man ihn alls genom̄en.

Warumb? er iſt umb nichts als nur umb Token kom̄en.

226. Rechte
[270[246]]Geiſtr. Sinn- und ſchlußr.
226. Rechte Schaͤtzung bringt kein Leid.
Chriſt wer die Dinge weiß nach ihrem Wehrt zuſchaͤtzē/

Wird umb kein Zeitliches ſich in Betruͤbnuß ſetzen.

227. Der Weiſen Kraͤnkung.
Der Weiß’ iſt ſtaͤts in Freud/ er wird von nichts betruͤbt.

Diß einge kraͤnkt ihn nur daß GOtt nicht wird geliebt.

228. GOttes Schmiede Feuer.
Der Eifer iſt ein Fenr/ brent er umbs Naͤchſten Heil/

So ſchmiedet GOtt darbey/ der Liebe Donnerkeil.

229. Der Weiſe hat alles gemein.
Der Weiſe was er hat/ hat alls mit alln gemein/

Wie da? er ſchaͤtzet alls/ ſich ſelbſt auch nicht fuͤr ſein.

230. Des Weiſen und Narren Werk.
Des Weiſen gantzes Werk/ iſt das er werde GOtt:

Der Narr bemuͤhet ſich biß er wird Erd und Koth.

231. Deß Weiſen Adel.
Des Weiſen Adel iſt ſein Goͤttliches Gemuͤtte/

Sein tugendhaffter Lauff/ ſein Chriſtliches Gebluͤtte.

232. Des Weiſen ahnen.
Des Weiſen ahnen ſeind Gott Vater Sohn und Geiſt:

Von denen ſchreibt er ſich/ wenn er ſein Ankunfft preiſt.

233. Die geheiſne Adeliche Geburth
Auß GOtt bin ich gebohrn/ erzeugt in ſeinem Sohn/

Geheiliget im Geiſt/ diß iſt mein adels Kron!

244. Wir.
[271[247]]Joh. Angeli ſechſtes Buch
234. Wuͤrkung der H. Dreifaltigkeit.
Der Sohn erloͤſet unß/ der Geiſt der macht unß leben/

Deß Vaters Allmacht wird uns die Vergoͤttung geben.

235. Noch von dieſer.
Jn Chriſto ſterben wir/ ſtehn auf im Heilgen Geiſt/

Jm Vater werden wir fuͤr Kinder Gotts gepreiſt.

236. Nichts hoͤhers iſt als GOttes Sohn
ſeyn.

GOttes Sohn iſt GOtt/ mit Gott regiert auf einem

Thron/

Nichts hoͤhers iſt als ich/ wenn ich bin dieſer Sohn.

237. Wie man Gottes Tochter Mutter un̄
Braut wird.

GOtts Tochter Mutter Braut kan jede Seele werden/

Die Gott zum Vater Sohn und Braͤutgam nihmt auff

Erden.

238. Der Kuß der Gottheit.
GOtt kuͤſt ſich in ſich ſelbſt/ ſein Kuß der iſt ſein Geiſt/

Der Sohn iſt den er kuͤſt/ der Vater ders geleiſt.

239. Seufftzer zu GOtt.
Gott iſt ein ſtarcker Strom der hinnihmt Geiſt un̄ Sin̄/

Ach das ich noch nicht gar von ihm verſchwemmet bin.

240 Allein der Weiſe iſt Reich.
Allein der Weiß iſt Reich? die Tugenden in GOtt/

Die er ſtat goldes hat/ nihmt ihm auch nicht der Tod.

241. Der Weiſe ſtirbt nicht.
Der Weiſe ſtirbt nicht mehr? er iſt zuvor ſchon Tod:

Todt aller Eitelkeit/ Tod allem was nicht GOtt.

242. Der
[272[248]]Geiſtr. Sinn- und ſchlußr.
Der Weiſe iſt nie allein.
Der Weiß iſt nie allein/ geht er gleich ohne dich:

So hat er doch den Herrn der dinge (GOtt) mit ſich

243. Der Weiſe iſt alleine Gott gemein.
Groß iſt deß Weiſen mutt/ er machet ſich allein/

Dem Herren der Herrligkeit ſo viel er kan gemein.

244. Man muß ſich erkuͤhnen
Erkuͤhn dich junger Chriſt: wer ſich nich: wil erheben/

Der bleibt wol wie ein Wurm am Erde kloſſe kleben.

245. Die Liebe macht kuͤhn.
Die Liebe macht uns kuͤhn/ wer Gott den Herrn wil kuͤſ-

ſen/

Der faͤllet ihm nur bloß mit ſeiner Lieb zufuͤſſen.

246. Die Liebe durch dringt das innerſte.
Die Lieb durchdringet alls; ins innerſte Gemach/

Welchs Gott fuͤr alln verſchleuſt/ geht ihm die liebe nach.

247. Die Beſchauligkeit iſt Seeligkeit.
Gluͤkſeelig iſt wer ſteht auf der beſchauer Bahn/

Er ſaͤhet ſchon allhier das Seelge Leben an.

248. GOtt nicht ſehn iſt nichts ſehn.
Du reiſeſt vielerley zu ſehn und außzuſpaͤhn:

Haſtu nicht GOtt erblikt/ ſo haſtu nichts geſehn.

249. Die ſeeligſte Wiſſenſchafft.
Gluͤkſeelig iſt der Menſch der nichts als Jeſum weiß/

Unſeelig wer ſonſt allm und dieſem nicht giebt Preiß.

250. Was
[273[249]]Joh Angeli ſechſtes Buch
250. Was glükſeelig ſeyn iſt.
Gluͤkſeelig ſeyn iſt nicht viel Ehr und Gutt geniſſen/

Es iſt viel Tugenden in ſeiner Seele wiſſen

251. An den Sonderling.
Die Meinungen ſeind Sand/ ein Narr der bauet drein/

Du bauſt auf Meinungen/ wie kanſtu weiſe ſein?

252. Die Heiligen ſeind keinem klugen tod.
Du ſprichſt die Heiligen ſeind Tod zu unſrer Noth:

Der weiſe Mann der ſpricht den Narren ſeind ſie Tod.

253. Allein der Catholiſche Chriſt iſt weiſe.
Miß dir nicht Weißheit zue/ wie klug du dir auch biſt:

Niemand iſt Weiß in Gott als ein Catholiſcher Chriſt.

254. Der Weiſe nihmt nichts als von Gott.
Der Weiß iſt hoch geſinnt/ wird ihm was zuegeſand/

So nihmt ers niemahls an als nur von Gottes Hand.

255. Der Weiſe ſuͤndigt nicht.
Der Weiſe fuͤndigt nicht/ die richtige Uernunfft/

Nach der er wirkt/ haͤlt ihn in der gerechten Zunfft.

256. Der Weiſe irret nie.
Der Weiſe geht nie irr/ er haͤngt auf jeder Bahn/

Der Ewgen Wahrheit (GOtt) mit allen kraͤfften an.

257. Wer Weiſe iſt.
Der iſt der Weiſe Mann/ der ſich und GOtt wol kennt/

Wem dieſes Licht gebricht/ iſt unweiß’ und verblend.

258. Wie
[254[250]]Geiſtr. Sinn- und ſchlußr.
258. Wie man Weiſe Wird.
Menſch wiltu Weiſe ſeyn/ wilt Gott und dich erkennen/

So muſtu vor in dir die Welt begihr verbrennen.

359. Was deß Menſchen Weißheit iſt.
Deß Menſchen Weißheit iſt Gottſeelig ſeyn auf Erden/

Gleichfoͤrmig GOttes Sohn an Sitten und Gebehrden.

260. Rein macht GOtt Gemein.
Nichts unreins komt zu Gott! biſtu nicht fuͤnkel rein

Von aller Creatur/ ſo wirſt ihm nie gemein.

261. Die Warheit macht Weiſe ſeyn.
Die Wahrheit giebt das ſeyn: wer ſie nicht recht erken̄t/

Der wird mit keinem recht ein Weiſer Mann genennt.

262. Die Welt iſt ein Sandkorn.
Wie daß denn bey der Welt GOtt nicht geſchaut kan

ſeyn?

Sie kraͤnkt das Auge ſtaͤts/ ſie iſt ein Sandkaͤrnlein.

263. Beſchluß.
Freund es iſt auch genug. Jm fall du mehr wilt leſen/

So geh und werde ſelbſt die Schrifft und ſelbſt das

Weſen.

ENDE.


[[251]]

Appendix A Geliebter Leſer.


Weil die groͤſte Trukfehler auf die letztein
litt.
K. und L. eingeſchlichen/ als wolleſtu
dieſelbe von pag. 230. an wie folgt corrígiren.


Nŏ. 7 v. 8. ließ/ Nu muß ich n. 19. v. 2. pro einen l.
einn. n. 26 l. weiſe. n 52. v. 2. p. dieſem l. dieſen. n. 91.
v. 1. l.
ſeelger. n. 125. v. 1. p. Jedes l. Jeds u. 137. v. 1.
\& 2. l.
heilger und heilgen. n 172. v. 1. p. Meer l. Meere.
n 178. v. 1. p. zweiffel l. zweiffl’ ich. n. 184. p. und l unß.
n. 190. v. 2. p ihm l. im. n. 194. v. 2. p. bleibſtu l bleibeſtu.
n. 202. p. ſchaue l. ſcheue. n. 203. p. brauͤrgam l. brauͤti-
gam. n. 211. p raſt l. raſ’t. n. 214. p. goͤttlichs l. goͤtt-
liches. n. 217. p gemille l. gemuͤtte/ und v. 1. l. erde.
n. 218. v. 2. l. in ihr dann etwas. n 233. p. geheiſne l ge-
heime. n. 236 l. Gottsſohn iſt Gott mit Gott. n. 243.
p.
Herren l. Herrn. Die uͤbrigen muͤſſen zum beſten ge-
deutet werden.


[[252]][][]
Notes
(a)
(a)
Thaul. inſtit. ſpir. c. 39.
(b)
b.
uͤber alles das man an GOTT
erkennt oder von jhm gedaͤnken kan/ nach der ver-
neinnenden beſchawung/ von welcher ſuche bey
den Mijſticis.
*
*
Schawe in der Vorrede.
(a)
a.
Vid. no. 7.
*
*
Denotatur hic Oratio ſilentij, de qua vide
Maximil. Sandæ. Theol. myſtic. lib. 2. com-
ment.
3.
*
*
i. e. Zeit und Ort.
*
i. e. Umb GOttes willen auch Leib vnd Seel
ins aͤuſerſte verderben hingeben: Wie Moſes
und Paulus ſich erbotten/ und vil andere
Heiligen.
*
*
myſtice i. e. reſignare.
(a)
(a)
Quia originaliter ab ipſo profluit vir-
tus mortificationis. Item ſecundum Paul: 2.
cor. 3. 10. mortificationem Iesu. b. vivo,
jam non ego, ſed Chriſtus in me,
*
*
Joh. 1. Quod factum eſt in ipſo vita erat.
*
*
Warhafftig/ gaͤntzlich/ jnniglich/ alſo
Weſentliche einkehrung beym Bloſio inſtit.
c. 3. num.
8.
*
*
idealiter.
*
*
Chriſtus iſt unſer hoͤchſtes Ziehl.
a
a.
Denn ſie nehmen ſich jhrer ſchoͤnheit
nicht an.
*
*
Verſteh einen zufaͤlligen willen: denn was
GOtt wil/ das wil Er weſentlich.
*
*
alluſio ad Nomen Dei Ebraicum IAH.
*
*
A \& Omega.
*
*
A B B A
*
*
Henoch heiſt ein GOtt ergebener.
*
*
Gold der Liebe.
*
*
Verſteheaccidencialiteroder zufaͤlliger
weiſe; dann was Gott wil und weiß/ das wil
und weiß er weſentlich. Alſo hat er auch
nichts (mit Eigenſchafft.)
*
*
intellige creaturaliter.
*
*
Weil GOtt jhm Gnade
und Kraht darzu gegeben; oder es ſelbſt durch
ſeinen Geiſt in jhm dem Menſchen gethan.
(a)
(a)
Und GOtt ſahe daß es alles gutt war/ was
Er gemacht hatte.
*
*
denotatur hic gula Spiritualis.
*
*
annihilatur, â ſeipſo difflut, deficit \&c.
ſc: moraliter.
*
*
Der Weißheit.
*
*
Epheſ. 3.
*
*
Maria und Johannes.
*
*
Jn GOtt iſt kein vor oder darnach ſehen: ſondern Er
ſiehet von Ewigkeit alles gegenwertig fuͤr jhm/ wie es ge-
ſchiehet/ nicht wie es geſchehen wirdt oder geſchehen iſt.
*
*
*
Durch ſeine vorhin der Seelen eingeſchaffene gewalt.
Er kan aber wol verhindern daß der Wille das Werk
nicht verbringe/ welches er wil.

Dieses Werk ist gemeinfrei.


Rechtsinhaber*in
Kolimo+

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2025). Collection 1. Cherubinischer Wandersmann oder Geist-Reiche Sinn- und Schluß-Reime zur Göttlichen beschauligkeit anleitende. Cherubinischer Wandersmann oder Geist-Reiche Sinn- und Schluß-Reime zur Göttlichen beschauligkeit anleitende. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bjwf.0