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I.
Wissenschaft
der
Phänomenologie
des
Geistes
.

[][]
System
der
Wissenschaft


Erster Theil,
die
Phänomenologie des Geistes.

Bamberg und Würzburg,:
bey Joseph Anton Goebhardt,
1807.

[][]

Inhalt.


Vorrede: Vom wiſſenſchaftlichen Erkennen.
Das Element des Wahren iſt der Begriff und ſeine
wahre Geſtalt das wiſſenſchaftliche Syſtem S. vii. Jtzi-
ger Standpunkt des Geiſtes S. viii. Das Princip iſt
nicht die Vollendung, gegen den Formalismus S. xv.
Das Abſolute iſt Subject S. xx. und was dieſes iſt.
S. xxi. Element des Wiſſens S. xxix. Die Erhe-
bung in daſſelbe iſt die Phänomenologie des Geiſtes
S. xxxii. Verwandlung des Vorgeſtellten und Be-
kannten in den Gedanken, S. xxxvi. und dieſes in
den Begriff S. xxxix. Inwiefern iſt die Phänom.
des Geiſtes negativ oder enthält das Falſche S.
xliv. Hiſtoriſche und mathematiſche Wahrheit S.
xlviii. Natur der philoſophiſchen Wahrheit und
ihrer Methode S. lv. gegen den ſchematiſirenden
Formalismus S. lix. Erforderniſs beym Stu-
[]Inhalt.
dium der Philoſophie S. lxxi. Das räſonnirende
Denken in ſeinem negativen Verhalten S. lxxii.
in ſeinem poſitiven; ſein Subject S. lxxiv. Das natür-
liche Philoſophiren als geſunder Menſchenverſtand und
als Genialität S. lxxxiv. Beſchluſs, Verhältniſs des
Schriftſtellers zum Publicum S. lxxxviii.


  • Einleitung. S. 3.
  • (A) Bewuſstſeyn S. 22 — 100.
  • I. Die ſinnliche Gewiſsheit, das Dieſes und das
    Meynen. S. 22 — 37.
  • II. Die Wahrnehmung, das Ding und die Täuſchung.
    S. 38 — 58.
  • III. Krafft und Verſtand, Erſcheinung und überſinn-
    liche Welt. S. 59 — 100.
  • (B) Selbſtbewuſstſeyn. S 101 — 161.
  • IV. Die Wahrheit der Gewiſsheit ſeiner ſelbſt. S. 101.
  • A. Selbſtſtändigkeit und Unſelbſtſtändigkeit des
  • Selbſtbewuſstſeyns; Herrſchaft und Knechtſchaft.
    S. 114 — 128.

[]Inhalt.
  • B. Freyheit des Selbſtbewuſstſeyns; S. 129 — 161.
  • Stoicismus, S 131. Skepticismus, S. 134. und
    das unglückliche Bewuſstſeyn. S. 140.
  • (C) (AA) Vernunft S. 172 — 375.
  • V. Gewiſsheit und Wahrheit der Vernunft. S. 162.
  • A. Beobachtende Vernunft. S. 174 — 286.
  • a.) Beobachtung der Natur 177 — 233. Beſchrei-
    ben überhaupt. S. 178. Merkmale. S. 179
  • Geſetze. S. 183.
  • Beobachtung des Organiſchen. S. 189.
  • α) Beziehung deſſelben auf das Unorganiſche.
    S. 190. β) Teleologie. S. 192. γ) Innres
    und Aeuſſeres. S. 198. αα) Das Innre. S.
    200. Geſetze ſeiner reinen Momente, der
    Senſibilität u. ſ. w. S. 203. Das Innre und
    ſein Aeuſſeres. S. 208. ββ) Das Innre und
    das Aeuſſere als Geſtalt. S. 209. γγ) Das
    Aeuſſere ſelbſt als Innres und Aeuſſeres oder
    die organiſche Idee übergetragen auf das Un-
    organiſche. S. 220. Das Organiſche nach
    dieſer Seite; ſeine Gattung, Art und Indivi-
    dualität. S. 225.
  • b.) Beobachtung des Selbſtbewuſstſeyns in ſeiner
    Reinheit und in ſeiner Beziehung auf äuſſere
    Wirklichkeit. S. 234 — 342. Logiſche S. 235
    und pſychologiſche Geſetze. S. 237.

[]Inhalt.
  • c.) In ſeiner Beziehung auf ſeine unmittelbare
    Wirklichkeit. S. 245 — 286. Phyſiognomik.
    S. 243. und Schädellehre. S. 259 — 286.
  • B. Die Verwirklichung des vernünftigen Selbſtbe-
    wuſstſeyns durch ſich ſelbſt. S. 287.
  • a. Die Luſt und die Nothwendigkeit. S 298 — 304.
  • b. Das Geſetz des Herzens und der Wahnſinn des
    Eigendünkels. S. 305 — 317.
  • c. Die Tugend und der Weltlauff. S. 317 — 329.
  • C. Die Individualität, welche ſich an und für ſich
    reell iſt. S. 330.
  • a. Das geiſtige Thierreich und der Betrug oder die
    Sache ſelbſt. S. 333 — 358.
  • b. Die geſetzgebende Vernunft. S. 358 — 365.
  • c. Die geſetzprüffende Vernunft. S. 365 — 370.
  • (BB) Der Geist. S. 376 — 624.
  • VI. Der Geiſt. S. 376.
  • A. Der wahre Geiſt. Die Sittlichkeit. S. 382.
  • a. Die ſittliche Welt. Das menſchliche und
    göttliche Geſetz, der Mann und das Weib.
    S. 383 — 403.

[]Inhalt.
  • b. Die ſittliche Handlung. Das menſchliche und
    göttliche Wiſſen, die Schuld und das Schick-
    ſal. S. 403 — 421.
  • c. Der Rechtszuſtand. S. 422 — 428.
  • B. Der ſich entfremdete Geiſt. Die Bildung. S 429.
  • I. Die Welt des ſich entfremdeten Geiſtes. S. 434.
  • a. Die Bildung und ihr Reich der Wirklich-
    keit. S. 435 — 474.
  • b. Der Glauben und die reine Einſieht. S.
    474 — 485.
  • II. Die Aufklärung. S. 486.
  • a. Der Kampf der Aufklärung mit dem Aber-
    glauben. S. 488 — 522.
  • b. Die Wahrheit der Aufklärung. S. 522 — 532.
  • III. Die abſolute Freyheit und der Schrecken
    S. 533 — 547.
  • C. Der ſeiner ſelbſt gewiſſe Geiſt. Die Moralität.
    S. 548.
  • a. Die moraliſche Weltanſchauung. S. 550 — 564
  • b. Die Verſtellung. S. 565 — 581.
  • c. Das Gewiſſen. Die ſchöne Seele, das Böſe und
    ſoine Verzeyhung. S. 581 — 624.

[]Inhalt.
  • (CC) Die Religion. S. 625 — 741.
  • VII. Die Religion. S. 625.
  • A. Die natürliche Religion. S. 637.
  • a. Das Lichtweſen. S. 640 — 642.
  • b. Die Pflanze und das Thier. S. 643 — 644.
  • c. Der Werkmeiſter. S. 645 — 650.
  • B. Die Kunſt - Religion. S. 651.
  • a. Das abſtracte Kunſtwerk. S. 655 — 660.
  • b. Das lebendige Kunſtwerk. S. 669 — 676.
  • c. Das geiſtige Kunſtwerk. S. 676 — 698.
  • C. Die offenbare Religion. S. 699 — 741.
  • (DD) Das abſolute Wiſſen S. 741 bis Ende.
  • VIII. Das abſolute Wiſſen. S. 741.

[]

Vorrede.


Eine Erklärung, wie ſie einer Schrifft in ei-
ner Vorrede nach der Gewohnheit vorausge-
ſchickt wird, — über den Zweck, den der Ver-
faſſer ſich in ihr vorgeſetzt, ſo wie über die
Veranlaſſungen und das Verhältniſs, worin er
ſie zu andern frühern oder gleichzeitigen Be-
handlungen deſſelben Gegenſtandes zu ſtehen
glaubt, — ſcheint bey einer philoſophiſchen Schrifft
nicht nur überflüſsig, ſondern um der Natur
der Sache willen, ſogar unpaſſend und zweck-
widrig zu ſeyn. Denn wie und was von Philo-
ſophie in einer Vorrede zu ſagen ſchicklich
wäre, — etwa eine hiſtoriſche Angabe der Ten-
denz und des Standpunkts des allgemeinen In-
halts und der Reſultate, eine Verbindung von
hin und her ſprechenden Behauptungen und
*
[II] Verſicherungen über das Wahre — kann nicht
für die Art und Weiſe gelten, in der die philo-
ſophiſche Wahrheit darzuſtellen ſey. — Auch
weil die Philoſophie weſentlich im Elemente der
Allgemeinheit iſt, die das Beſondere in ſich
ſchlieſst, ſo findet bey ihr mehr als bey andern
Wiſſenſchafften der Schein ſtatt, als ob in dem
Zwecke oder den letzten Reſultaten, die Sache
ſelbſt und ſogar in ihrem vollkommenen Weſen
ausgedrückt wäre, gegen welches die Ausfüh-
rung eigentlich das unweſentliche ſey. In der
allgemeinen Vorſtellung hingegen, zum Beyſpiel
was Anatomie ſey, etwa die Kenntniſs der Thei-
le des Körpers nach ihrem unlebendigen Da-
ſeyn betrachtet, iſt man überzeugt, die Sache
ſelbſt, den Inhalt dieſer Wiſſenſchafft, noch nicht
zu beſitzen, ſondern auſserdem um das Beſon-
dere ſich bemühen zu müſſen. — Ferner iſt bey
einem ſolchen Aggregate von Kenntniſſen, das
den Nahmen Wiſſenſchafft nicht mit Recht führt,
eine Converſation über Zweck und dergleichen
Allgemeinheiten nicht von der hiſtoriſchen und
begriffloſen Weiſe verſchieden, worin von dem
Inhalte ſelbſt, dieſen Nerven, Muskeln und ſo
fort, geſprochen wird. Bey der Philoſophie
hingegen würde die Ungleichheit entſtehen,
daſs von einer ſolchen Weiſe Gebrauch gemacht,
[III] und dieſe doch von ihr ſelbſt als unfähig, die
Wahrheit zu faſſen, [aufgezeigt] würde.


So wird auch durch die Beſtimmung des
Verhältniſſes, das ein philoſophiſches Werk zu
andern Beſtrebungen über denſelben Gegenſtand
zu haben glaubt, ein fremdartiges Intereſſe herein-
gezogen, und das, worauf es bey der Erkennt-
niſs der Wahrheit ankommt, verdunkelt. So feſt
der Meynung der Gegenſatz des Wahren und des
Falſchen wird, ſo pflegt ſie auch entweder Bey-
ſtimmung oder Widerſpruch gegen ein vorhan-
denes philoſophiſches Syſtem zu erwarten, und
in einer Erklärung über ein ſolches nur ent-
weder das eine oder das andre zu ſehen. Sie
begreifft die Verſchiedenheit philoſophiſcher Sy-
ſteme nicht ſo ſehr als die fortſchreitende Ent-
wiklung der Wahrheit, als ſie in der Verſchie-
denheit nur den Widerſpruch ſieht. Die Knoſ-
pe verſchwindet in dem Hervorbrechen der
Blüthe, und man könnte ſagen, daſs jene von
dieſer widerlegt wird, eben ſo wird durch die
Frucht die Blüthe für ein falſches Daſeyn der
Pflanze erklärt, und als ihre Wahrheit tritt jene
an die Stelle von dieſer. Dieſe Formen unter-
ſcheiden ſich nicht nur, ſondern verdrängen ſich
auch als unverträglich mit einander. Aber ihre
flüſsige Natur macht ſie zugleich zu Momenten
[IV] der organiſchen Einheit, worin ſie ſich nicht
nur nicht widerſtreiten, ſondern eins ſo noth-
wendig als das andere iſt, und dieſe gleiche
Nothwendigkeit macht erſt das Leben des Gan-
zen aus. Aber der Widerſpruch gegen ein
philoſophiſches Syſtem pflegt theils ſich ſelbſt
nicht auf dieſe Weiſe zu begreiffen, theils auch
weiſs das auffaſſende Bewuſstſeyn gemeinhin
nicht, ihn von ſeiner Einſeitigkeit zu befreyen
oder frey zu erhalten, und in der Geſtalt des
ſtreitend und ſich zuwider ſcheinenden gegen-
ſeitig nothwendige Momente zu erkennen.


Die Foderung von dergleichen Erklärungen
ſo wie die Befriedigungen derſelben ſcheinen
vielleicht das Weſentliche zu betreiben. Worin
könnte mehr das Innere einer philoſophiſchen
Schrift ausgeſprochen ſeyn, als in den Zwecken
und Reſultaten derſelben, und wodurch dieſe
beſtimmter erkannt werden, als durch ihre Ver-
ſchiedenheit von dem, was das Zeitalter ſonſt
in derſelben Sphäre hervorbringt? Wenn aber
ein ſolches Thun für mehr als für den Anfang des
Erkennens, wenn es für das wirkliche Erken-
nen gelten ſoll, iſt es in der That zu den Er-
findungen zu rechnen, die Sache ſelbſt zu um-
gehen, und dieſes beydes zu verbinden, den
Anſchein des Ernſtes und Bemühens um ſie,
[V] und die wirkliche Erſparung deſſelben. —
Denn die Sache iſt nicht in ihrem Zwecke er-
ſchöpft, ſondern in ihrer Ausführung, noch iſt
das Reſultat das wirkliche Ganze, ſondern es
zuſammen mit ſeinem Werden; der Zweck für
ſich iſt das unlebendige Allgemeine, wie die
Tendenz das bloſse Treiben, das ſeiner Wirk-
lichkeit noch entbehrt, und das nakte Reſultat
iſt der Leichnam, der ſie hinter ſich gelaſſen. —
Ebenſo iſt die Verſchiedenheit vielmehr die Grän-
ze
der Sache; ſie iſt da, wo die Sache aufhört,
oder ſie iſt das, was dieſe nicht iſt. Solche
Bemühungen mit dem Zwecke oder den Reſul-
taten, ſo wie mit den Verſchiedenheiten und
Beurtheilungen des einen und des andern, ſind
daher eine leichtere Arbeit, als ſie vielleicht
ſcheinen. Denn ſtatt mit der Sache ſich zu be-
faſſen, iſt ſolches Thun immer über ſie hinaus,
ſtatt in ihr zu verweilen und ſich in ihr zu ver-
geſſen greifft ſolches Wiſſen immer nach einem
Andern, und bleibt vielmehr bey ſich ſelbſt,
als daſs es bey der Sache iſt und ſich ihr hin-
gibt. — Das leichteſte iſt, was Gehalt und
Gediegenheit hat, zu beurtheilen, ſchwerer,
es zu faſſen, das ſchwerſte, was beydes verei-
nigt, ſeine Darſtellung hervorzubringen.


[VI]

Der Anfang der Bildung und des Heraus-
arbeitens aus der Unmittelbarkeit des ſubſtan-
tiellen Lebens wird immer damit gemacht wer-
den müſſen, Kenntniſſe allgemeiner Grundſätze
und Geſichtspunkte zu erwerben, ſich nur erſt
zu dem Gedanken der Sache überhaupt herauf
zu arbeiten, nicht weniger ſie mit Gründen zu
unterſtützen oder zu widerlegen, die concrete
und reiche Fülle nach Beſtimmtheiten aufzufaſ-
ſen, und ordentlichen Beſcheid und ernſthaftes
Urtheil über ſie zu ertheilen zu wiſſen. Dieſer
Anfang der Bildung wird aber zunächſt dem
Ernſte des erfüllten Lebens Platz machen, der
in die Erfahrung der Sache ſelbſt hineinführt,
und wenn auch diſs noch hinzukommt, daſs der
Ernſt des Begriffs in ihre Tiefe ſteigt, ſo wird
eine ſolche Kenntniſs und Beurtheilung in der
Converſation ihre ſchickliche Stelle behalten.


Die wahre Geſtalt, in welcher die Wahr-
heit exiſtirt, kann allein das wiſſenſchafftliche
Syſtem derſelben ſeyn. Daran mitzuarbeiten,
daſs die Philoſophie der Form der Wiſſenſchaft
näher komme, — dem Ziele, ihren Nahmen der
Liebe zum Wiſſen ablegen zu können und wirk-
liches Wiſſen
zu ſeyn, — iſt es, was ich mir vor-
geſetzt. Die innere Nothwendigkeit, daſs das
Wiſſen Wiſſenſchaft ſey, liegt in ſeiner Natur,
[VII] und die befriedigende Erklärung hierüber iſt
allein die Darſtellung der Philoſophie ſelbſt.
Die äuſſere Nothwendigkeit aber, in ſo fern ſie,
abgeſehen von der Zufälligkeit der Perſon und
der individuellen Veranlaſſungen, auf eine all-
gemeine Weiſe gefaſst wird, iſt daſſelbe, was
die innere, in der Geſtalt wie die Zeit das Da-
ſeyn ihrer Momente vorſtellt. Daſs die Erhe-
bung der Philoſophie zur Wiſſenſchaft an der
Zeit iſt, diſs aufzuzeigen würde daher die ein-
zig wahre Rechtfertigung der Verſuche ſeyn,
die dieſen Zweck haben, weil ſie die Nothwen-
digkeit deſſelben darthun, ja weil ſie ihn zu-
gleich ausführen würde.


Indem die wahre Geſtalt der Wahrheit in
die Wiſſenſchaftlichkeit geſetzt wird, — oder
was daſſelbe iſt, indem die Wahrheit behauptet
wird, an dem Begriffe allein das Element ihrer
Exiſtenz zu haben, — ſo weiſs ich, daſs diſs im
Widerſpruch mit einer Vorſtellung und deren
Folgen zu ſtehen ſcheint, welche eine ſo groſse
Anmaſsung als Ausbreitung in der Ueberzeugung
des Zeitalters hat. Eine Erklärung über dieſen
Widerſpruch ſcheint darum nicht überflüſsig;
wenn ſie auch hier weiter nichts, als gleichfalls
eine Verſicherung, wie das, gegen was ſie geht,
ſeyn kann. Wenn nemlich das Wahre nur in
[VIII] demjenigen oder vielmehr nur als dasjenige exi-
ſtirt, was bald Anſchauung, bald unmittelbares
Wiſſen des Abſoluten, Religion, das Seyn —
nicht im Centrum der göttlichen Liebe, ſondern
das Seyn deſſelben ſelbſt — genannt wird, ſo wird
von da aus zugleich für die Darſtellung der
Philoſophie vielmehr das Gegentheil der Form
des Begriffs gefodert. Das Abſolute ſoll nicht
begriffen, ſondern gefühlt und angeſchaut, nicht
ſein Begriff, ſondern ſein Gefühl und Anſchau-
ung ſollen das Wort führen und ausgeſprochen
werden.


Wird die Erſcheinung einer ſolchen Fode-
rung nach ihrem allgemeinern Zuſammenhange
aufgefaſst, und auf die Stuffe geſehen, worauf der
ſelbſtbewuſste Geiſt gegenwärtig ſteht, ſo iſt er
über das ſubſtantielle Leben, das er ſonſt im
Elemente des Gedankens führte, hinaus, — über
dieſe Unmittelbarkeit ſeines Glaubens, über die
Befriedigung und Sicherheit der Gewiſsheit,
welche das Bewuſstſeyn von ſeiner Verſöhnung
mit dem Weſen und deſſen allgemeiner, der
innern und äuſſern, Gegenwart beſaſs. Er iſt
nicht nur darüber hinausgegangen, in das an-
dere Extrem der ſubſtanzloſen Reflexion ſeiner
in ſich ſelbſt, ſondern auch über dieſe. Sein
weſentliches Leben iſt ihm nicht nur verloren,
[IX] er iſt auch dieſes Verluſtes, und der Endlich-
keit, die ſein Inhalt iſt, bewuſst. Von den
Trebern ſich wegwendend, daſs er im Argen
liegt, bekennend und darauf ſchmähend, ver-
langt er nun von der Philoſophie nicht ſowohl
das Wiſſen deſſen, was er iſt, als zur Herſtel-
lung jener Subſtantialität und der Gediegenheit
des Seyns erſt wieder durch ſie zu gelangen.
Dieſem Bedürfniſſe ſoll ſie alſo nicht ſo ſehr
die Verſchloſſenheit der Subſtanz aufſchlieſſen,
und dieſe zum Selbſtbewuſstſeyn erheben, —
nicht ſo ſehr ihr chaotiſches Bewuſs[t]ſeyn zur
gedachten Ordnung und zur Einfachheit des
Begriffes zurückbringen, als vielmehr die Son-
derungen des Gedankens zuſammenſchütten, den
unterſcheidenden Begriff unterdrücken und das
Gefühl des Weſens herſtellen, nicht ſowohl
Einſicht als Erbauung gewähren. Das Schöne,
Heilige, Ewige, die Religion und Liebe ſind
der Köder, der gefodert wird, um die Luſt
zum Anbeiſſen zu erwecken, nicht der Begriff,
ſondern die Ekſtaſe, nicht die kalt fortſchrei-
tende Nothwendigkeit der Sache, ſondern die
gährende Begeiſterung ſoll die Haltung und fort-
leitende Ausbreitung des Reichthums der Sub-
ſtanz ſeyn.


[X]

Dieſer Foderung entſpricht die angeſtreng-
te und faſt eifernd und gereizt ſich zeigende
Bemühung, die Menſchen aus der Verſunken-
heit ins Sinnliche Gemeine und Einzelne her-
auszureiſſen und ihren Blick zu den Sternen auf-
zurichten; als ob ſie des Göttlichen ganz vergeſ-
ſend, mit Staub und Waſſer, wie der Wurm,
auf dem Punkte ſich zu befriedigen ſtünden.
Sonſt hatten ſie einen Himmel mit weitläuffigem
Reichthume von Gedanken und Bildern ausge-
ſtattet. Von allem, was iſt, lag die Bedeutung
in dem Lichtfaden, durch den es an den Him-
mel geknüpft war; an ihm, ſtatt in dieſer Ge-
genwart zu verweilen, glitt der Blick über ſie
hinaus, zum göttlichen Weſen, zu einer, wenn
man ſo ſagen kann, jenſeitigen Gegenwart hin-
auf. Das Auge des Geiſtes muſste mit Zwang
auf das Irdiſche gerichtet und bey ihm feſtge-
halten werden; und es hat einer langen Zeit
bedurft, jene Klarheit, die nur das Ueberirdi-
ſche hatte, in die Dumpfheit und Verworren-
heit, worin der Sinn des Diſſeitigen lag, hinein-
zuarbeiten, und die Aufmerkſamkeit auf das
Gegenwärtige als ſolches, welche Erfahrung
genannt wurde, intereſſant und geltend zu ma-
chen. — Jetzt ſcheint die Noth des Gegentheils
vorhanden, der Sinn ſo ſehr [i]n das Irdiſche
[XI] feſtgewurzelt, daſs es gleicher Gewalt bedarf,
ihn darüber zu erheben. Der Geiſt zeigt ſich
ſo arm, daſs er ſich, wie in der Sandwüſte der
Wanderer nach einem einfachen Trunk Waſ-
ſers, nur nach dem dürftigen Gefühle des Gött-
lichen überhaupt für ſeine Erquickung zu ſeh-
nen ſcheint. An dieſem, woran dem Geiſte
genügt, iſt die Gröſse ſeines Verluſtes zu er-
meſſen.


Dieſe Genügſamkeit des Empfangens oder
Sparſamkeit des Gebens ziemt jedoch der Wiſ-
ſenſchaft nicht. Wer nur Erbauung ſucht,
wer ſeine irdiſche Mannichfaltigkeit des Da-
ſeyns und des Gedankens in Nebel einzuhüllen
und nach dem unbeſtimmten Genuſſe dieſer un-
beſtimmten Göttlichkeit verlangt, mag zuſehen,
wo er diſs findet; er wird leicht ſelbſt ſich
etwas vorzuſchwärmen und damit ſich aufzu-
ſpreitzen die Mittel finden. Die Philoſophie
aber muſs ſich hüten, erbaulich ſeyn zu wollen.


Noch weniger muſs dieſe Genügſamkeit,
die auf die Wiſſenſchaft Verzicht thut, dar-
auf Anſpruch machen, daſs ſolche Begeiſterung
und Trübheit etwas höheres ſey als die Wiſ-
ſenſchaft. Dieſes prophetiſche Reden meynt
gerade ſo recht im Mittelpunkte und der Tiefe
zu bleiben, blickt verächtlich auf die Be[sti]mmt-
[XII] heit (den Horos) und hält ſich abſichtlich
von dem Begriffe und der Nothwendigkeit ent-
fernt, als von der Reflexion, die nur in der
Endlichkeit hauſse. Wie es aber eine leere
Breite gibt, ſo auch eine leere Tiefe, wie eine
Extenſion der Subſtanz, die ſich in endliche
Mannichfaltigkeit ergieſst, ohne Kraft ſie zu-
ſammenzuhalten, — ſo iſt diſs eine gehaltloſe
Intenſität, welche als lautere Kraft ohne Aus-
breitung ſich haltend, daſſelbe iſt, was die
Oberflächlichkeit. Die Kraft des Geiſtes iſt nur
ſo groſs als ihre Aeuſſerung, ſeine Tiefe nur
ſo tief als er in ſeiner Auslegung ſich auszu-
breiten und ſich zu verlieren getraut. — Zu-
gleich wenn diſs begriffloſe ſubſtantielle Wiſſen
die Eigenheit des Selbſts in dem Weſen ver-
ſenkt zu haben und wahr und heilig zu philo-
ſophiren vorgibt, ſo verbirgt es ſich, daſs es
ſtatt dem Gotte ergeben zu ſeyn, durch die
Verſchmähung des Maſses und der Beſtimmung
vielmehr nur bald in ſich ſelbſt die Zufälligkeit
des Inhalts, bald in ihm die eigne Willkühr
gewähren läſst. — Indem ſie ſich dem unge-
bändigten Gähren der Subſtanz überlaſſen, mey-
nen ſie, durch die Einhüllung des Selbſtbewuſst-
ſeyns und Aufgeben des Verſtands, die Seinen
zu ſeyn, denen Gott die Weisheit im Schlafe
[XIII] gibt; was ſie ſo in der That im Schlafe
empfangen und gebähren, ſind darum auch
Träume.


Es iſt übrigens nicht ſchwer, zu ſehen, daſs
unſre Zeit eine Zeit der Geburt und des Ueber-
gangs zu einer neuen Periode iſt. Der Geiſt
hat mit der bisherigen Welt ſeines Daſeyns und
Vorſtellens gebrochen, und ſteht im Begriffe,
es in die Vergangenheit hinab zuverſenken, und
in der Arbeit ſeiner Umgeſtaltung. Zwar iſt
er nie in Ruhe, ſondern in immer fortſchrei-
tender Bewegung begriffen. Aber wie beym
Kinde nach langer ſtiller Ernährung der erſte
Athemzug jene Allmähligkeit des nur vermeh-
renden Fortgangs abbricht, — ein qualitativer
Sprung — und itzt das Kind gebohren iſt, ſo
reifft der ſich bildende Geiſt langſam und ſtille
der neuen Geſtalt entgegen, löſst ein Theilgen
des Baues ſeiner vorgehenden Welt nach
dem andern auf, ihr Wanken wird nur durch
einzelne Symptome angedeutet; der Leichtſinn
wie die Langeweile, die im Beſtehenden ein-
reiſſen, die unbeſtimmte Ahnung eines Unbe-
kannten ſind Vorboten, daſs etwas Anderes im
Anzuge iſt. Diſs allmählige Zerbrökeln, das
die Phyſiognomie des Ganzen nicht veränderte,
wird durch den Aufgang unterbrochen, der ein
[XIV] Blitz in einemmahle das Gebilde der neuen
Welt hinſtellt.


Allein eine vollkommne Wirklichkeit hat
diſs Neue ſo wenig als das eben gebohrne Kind;
und diſs iſt weſentlich nicht auſſer Acht zu laſ-
ſen. Das erſte Auftreten iſt erſt ſeine Unmit-
telbarkeit oder ſein Begriff. So wenig ein Ge-
bäude fertig iſt, wenn ſein Grund gelegt wor-
den, ſo wenig iſt der erreichte Begriff des
Ganzen das Ganze ſelbſt. Wo wir eine Eiche
in der Krafft ihres Stammes und in der Aus-
breitung ihrer Aeſte und den Maſſen ihrer Be-
laubung zu ſehen wünſchen, ſind wir nicht zu-
frieden, wenn uns an dieſer Stelle eine Eichel
gezeigt wird. So iſt die Wiſſenſchaft, die Krone
einer Welt des Geiſtes, nicht in ihrem Anfange
vollendet. Der Anfang des neuen Geiſtes iſt
das Product einer weitläuffigen Umwälzung von
mannichfaltigen Bildungsformen, der Preis eines
vielfach verſchlungnen Weges und eben ſo viel-
facher Anſtrengung und Bemühung. Er iſt das
aus der Succeſsion wie aus ſeiner Ausdeh-
nung in ſich zurückgegangene Ganze, der ge-
wordne einfache Begriff deſſelben. Die Wirk-
lichkeit dieſes einfachen Ganzen aber beſteht
darin, daſs jene zu Momenten gewordne Ge-
ſtaltungen ſich wieder von neuem, aber in ihrem
[XV] neuen Elemente, in dem gewordenen Sinne
entwickeln und Geſtaltung geben.


Indem einerſeits die erſte Erſcheinung der
neuen Welt nur erſt das in ſeine Einfachheit
verhüllte Ganze oder ſein allgemeiner Grund
iſt, ſo iſt dem Bewuſstſeyn dagegen der Reich-
thum des vorhergehenden Daſeyns noch in der
Erinnerung gegenwärtig. Es vermiſst an der
neu erſcheinenden Geſtalt die Ausbreitung und
Beſonderung des Inhalts; noch mehr aber ver-
miſst es die Ausbildung der Form, wodurch
die Unterſchiede mit Sicherheit beſtimmt und
in ihre feſten Verhältniſſe geordnet ſind. Ohne
dieſe Ausbildung entbehrt die Wiſſenſchaft der
allgemeinen Verſtändlichkeit, und hat den
Schein, ein eſoteriſches Beſitzthum einiger Ein-
zelnen zu ſeyn; — ein eſoteriſches Beſitzthum:
denn ſie iſt nur erſt in ihrem Begriffe oder ihr
Innres vorhanden; einiger Einzelnen: denn
ihre unausgebreitete Erſcheinung macht ihr Da-
ſeyn zum Einzelnen. Erſt was vollkommen be-
ſtimmt iſt, iſt zugleich exoteriſch, begreifflich,
und fähig, gelernt und das Eigenthum Aller zu
ſeyn. Die verſtändige Form der Wiſſenſchaft
iſt der Allen dargebotene und für Alle gleich-
gemachte Weg zu ihr, und durch den Verſtand
zum vernünftigen Wiſſen zu gelangen iſt die
[XVI] gerechte Foderung des Bewuſstſeyns, das zur
Wiſſenſchaft hinzutritt; denn der Verſtand iſt
das Denken, das reine Ich überhaupt; und das
Verſtändige iſt das ſchon bekannte und das ge-
meinſchaftliche der Wiſſenſchaft und des un-
wiſſenſchaftlichen Bewuſstſeyns, wodurch die-
ſes unmittelbar in jene einzutreten vermag.


Die Wiſſenſchaft, die erſt beginnt, und es
alſo noch weder zur Vollſtändigkeit des Details
noch zur Vollkommenheit der Form gebracht
hat, iſt dem Tadel darüber ausgeſetzt. Aber
wenn dieſer ihr Weſen treffen ſoll, ſo würde
er ebenſo ungerecht ſeyn, als es unſtatthaft iſt,
die Foderung jener Ausbildung nicht anerken-
nen zu wollen. Dieſer Gegenſatz ſcheint der
hauptſächlichſte Knoten zu ſeyn, an dem die
wiſſenſchaftliche Bildung ſich gegenwärtig zer-
arbeitet und worüber ſie ſich noch nicht gehö-
rig verſteht. Der eine Theil pocht auf den
Reichthum des Materials und die Verſtändlich-
keit, der andre verſchmäht wenigſtens dieſe
und pocht auf die unmittelbare Vernünftigkeit
und Göttlichkeit. Wenn auch jener Theil, es
ſey durch die Kraft der Wahrheit allein oder
auch durch das Ungeſtüm des andern zum Still-
ſchweigen gebracht iſt, und wenn er in An-
ſehung des Grunds der Sache ſich überwältigt
fühlte,
[XVII] fühlte, ſo iſt er darum in Anſehung jener Fo-
derungen nicht befriedigt, denn ſie ſind ge-
recht, aber nicht erfüllt. Sein Stillſchweigen
gehört nur halb dem Siege, halb aber der Lan-
geweile und Gleichgültigkeit, welche die Folge
einer beſtändig erregten Erwartung und nicht
erfolgten Erfüllung der Verſprechungen zu ſeyn
pflegt.


In Anſehung des Inhalts machen die Andern
ſich es wohl zuweilen leicht genug, eine groſse
Ausdehnung zu haben. Sie ziehen auf ihren
Boden eine Menge Material, nemlich das ſchon
Bekannte und Geordnete, herein, und indem ſie
ſich vornemlich mit den Sonderbarkeiten und
Curioſitäten zu thun machen, ſcheinen ſie um
ſo mehr das übrige, womit das Wiſſen in ſei-
ner Art ſchon fertig war, zu beſitzen, zugleich
auch das noch ungeregelte zu beherrſchen, und
ſomit alles der abſoluten Idee zu unterwerfen,
welche hiemit in Allem erkannt, und zur ausge-
breiteten Wiſſenſchaft gediehen zu ſeyn ſcheint.
Näher aber dieſe Ausbreitung betrachtet, ſo
zeigt ſie ſich nicht dadurch zu Stande gekom-
men, daſs ein und daſſelbe ſich ſelbſt verſchie-
den geſtaltet hätte, ſondern ſie iſt die geſtaltloſe
Wiederhohlung des Einen und Deſſelben, das
nur an das verſchiedene Material äuſſerlich an-
**
[XVIII] gewendet iſt, und einen langweiligen Schein
der Verſchiedenheit erhält. Die für ſich wohl
wahre Idee bleibt in der That nur immer in
ihrem Anfange ſtehen, wenn die Entwicklung
in nichts als in einer ſolchen Wiederholung
derſelben Formel beſteht. Die Eine unbeweg-
te Form vom wiſſenden Subjecte an dem Vor-
handenen herumgeführt, das Material in diſs
ruhende Element von auſſenher eingetaucht,
diſs iſt ſo [wenig,] als willkührliche Einfälle über
den Inhalt, die Erfüllung deſſen, was gefodert
wird, nemlich der aus ſich entſpringende Reich-
thum und ſich ſelbſt beſtimmende Unterſchied
der Geſtalten. Es iſt vielmehr ein einfärbiger
Formalismus, der nur zum Unterſchiede des
Stoffes und zwar dadurch kommt, weil dieſer
ſchon bereitet und bekannt iſt.


Dabey behauptet er dieſe Eintönigkeit
und die abſtracte Allgemeinheit für das Abſo-
lute; er verſichert, daſs die Ungenügſamkeit
mit ihr eine Unfähigkeit ſey, ſich des abſolu-
ten Standpunktes zu bemächtigen und auf ihm
feſt zu halten. Wenn ſonſt die leere Möglich-
keit ſich etwas auf eine andere Weiſe vorzu-
ſtellen hinreichte, um eine Vorſtellung zu wi-
derlegen, und dieſelbe bloſſe Möglichkeit, der
allgemeine Gedanke, auch den ganzen poſitiven
[XIX] Werth des wirklichen Erkennens hatte, ſo ſe-
hen wir hier ebenſo der allgemeinen Idee in
dieſer Form der Unwirklichkeit allen Werth
zugeſchrieben, und die Auflöſung des Unter-
ſchiedenen und Beſtimmten, oder vielmehr das
weiter nicht entwickelte noch an ihm ſelbſt ſich
rechtfertigende Hinunterwerfen deſſelben in den
Abgrund des Leeren für ſpeculative Betrach-
tungsart gelten. Irgend ein Daſeyn, wie es im
Abſoluten iſt, betrachten, beſteht hier in nichts
anderem, als daſs davon geſagt wird, es ſey
zwar jetzt von ihm geſprochen worden, als von
einem Etwas, im Abſoluten, dem A = A, je-
doch gebe es dergleichen gar nicht, ſondern
darin ſey alles Eins. Diſs Eine Wiſſen, daſs im
Abſoluten Alles gleich iſt, der unterſcheidenden
und erfüllten oder Erfüllung ſuchenden und fo-
dernden Erkenntniſs entgegenzuſetzen, — oder
ſein Abſolutes für die Nacht auszugeben, wo-
rin, wie man zu ſagen pflegt, alle Kühe ſchwarz
ſind; iſt die Naivität der Leere an Erkennt-
niſs. — Der Formalismus, den die Philoſophie
neuerer Zeit verklagt und geſchmäht, und der
ſich in ihr ſelbſt wieder erzeugte, wird, wenn
auch ſeine Ungenügſamkeit bekannt und gefühlt
iſt, aus der Wiſſenſchaft nicht verſchwinden,
bis das Erkennen der abſoluten Wirklichkeit
[XX] ſich über ſeine Natur vollkommen klar gewor-
den iſt. — In der Rückſicht, daſs die allge-
meine Vorſtellung, wenn ſie dem, was ein Ver-
ſuch ihrer Ausführung iſt, vorangeht, das Auf-
faſſen der letztern erleichtert, iſt es dienlich
das Ungefähre derſelben hier anzudeuten, in
der Abſicht zugleich, bey dieſer Gelegenheit ei-
nige Formen zu entfernen, deren Gewohnheit
ein Hinderniſs für das philoſophiſche Erken-
nen iſt.


Es kömmt nach meiner Einſicht, welche
ſich durch die Darſtellung des Syſtems ſelbſt
rechtfertigen muſs, alles darauf an, das Wahre
nicht als Subſtanz, ſondern eben ſo ſehr als
Subject aufzufaſſen und auszudrücken. Zu-
gleich iſt zu bemerken, daſs die Subſtantialität
ſo ſehr das Allgemeine, oder die Unmittelbar-
keit des Wiſſens
, als diejenige, welche Seyn oder
Unmittelbarkeit für das Wiſſen iſt, in ſich
ſchlieſst. — Wenn, Gott als die Eine Subſtanz zu
faſſen, das Zeitalter empörte, worin dieſe Be-
ſtimmung ausgeſprochen wurde, ſo lag theils
der Grund hievon in dem Inſtincte, daſs darin
das Selbſtbewuſstſeyn nur untergegangen, nicht
erhalten iſt, theils aber iſt das Gegentheil, wel-
ches das Denken als Denken feſthält, die Allge-
meinheit
, dieſelbe Einfachheit oder ununter-
[XXI] ſchiedne, unbewegte Subſtantialität, und wenn
drittens das Denken das Seyn der Subſtanz als
ſolche mit ſich vereint und die Unmittelbarkeit
oder das Anſchauen als Denken erfaſst, ſo kömmt
es noch darauf an, ob dieſes intellectuelle An-
ſchauen nicht wieder in die träge Einfachheit
zurückfällt, und die Wirklichkeit ſelbſt auf eine
unwirkliche Weiſe darſtellt.


Die lebendige Subſtanz iſt ferner das Seyn,
welches in Wahrheit Subject, oder was daſſelbe
heiſst, welches in Wahrheit wirklich iſt, nur
inſofern ſie die Bewegung des ſich ſelbſt Setzens,
oder die Vermittlung des ſich anders Werdens
mit ſich ſelbſt iſt. Sie iſt als Subject die reine
einfache Negativität, ebendadurch die Entzwey-
ung des Einfachen, oder die entgegenſetzende
Verdopplung, welche wieder die Negation die-
ſer gleichgültigen Verſchiedenheit und ihres Ge-
genſatzes iſt; nur dieſe ſich wiederherſtellende
Gleichheit oder die Reflexion im Andersſeyn
in ſich ſelbſt — nicht eine urſprüngliche Ein-
heit als ſolche, oder unmittelbare als ſolche, iſt
das Wahre. Es iſt das Werden ſeiner ſelbſt,
der Kreis, der ſein Ende als ſeinen Zweck vor-
ausſetzt und zum Anfange hat, und nur durch
die Ausführung und ſein Ende wirklich iſt.


[XXII]

Das Leben Gottes und das göttliche Er-
kennen mag alſo wohl als ein Spielen der Liebe
mit ſich ſelbſt ausgeſprochen werden; dieſe
Idee ſinkt zur Erbaulichkeit und ſelbſt zur Fad-
heit herab, wenn der Ernſt, der Schmerz, die
Geduld und Arbeit des Negativen darin fehlt.
An ſich iſt jenes Leben wohl die ungetrübte
Gleichheit und Einheit mit ſich ſelbſt, der es
kein Ernſt mit dem Andersſeyn und der Ent-
fremdung, ſo wie mit dem Ueberwinden dieſer
Entfremdung iſt. Aber diſs An ſich iſt die abſtrac-
te Allgemeinheit, in welcher von ſeiner Natur,
für ſich zu ſeyn, und damit überhaupt von der
Selbſtbewegung der Form abgeſehen wird.
Wenn die Form als dem Weſen gleich ausge-
ſagt wird, ſo iſt es ebendarum ein Miſsverſtand,
zu meynen, daſs das Erkennen ſich mit dem
Anſich oder dem Weſen begnügen, die Form
aber erſparen könne; — daſs der abſolute
Grundſatz oder die abſolute Anſchauung, die
Ausführung des erſtern oder die Entwicklung
der andern entbehrlich mache. Gerade weil
die Form dem Weſen ſo weſentlich iſt, als es
ſich ſelbſt, iſt es nicht bloſs als Weſen, d. h.
als unmittelbare Subſtanz, oder als reine Selbſt-
anſchauung des Göttlichen zu faſſen und aus-
zudrücken, ſondern ebenſoſehr als Form und
[XXIII] im ganzen Reichthum der entwickelten Form;
dadurch wird es erſt als Wirkliches gefaſst und
ausgedrückt.


Das Wahre iſt das Ganze. Das Ganze aber
iſt nur das durch ſeine Entwicklung ſich vol-
lendende Weſen. Es iſt von dem Abſoluten zu
ſagen, daſs es weſentlich Reſultat, daſs es erſt
am Ende das iſt, was es in Wahrheit iſt; und
hierin eben beſteht ſeine Natur, Wirkliches,
Subject, oder ſich ſelbſt Werden, zu ſeyn. So
widerſprechend es ſcheinen mag, daſs das Ab-
ſolute weſentlich als Reſultat zu begreiffen ſey,
ſo ſtellt doch eine geringe Ueberlegung dieſen
Schein von Widerſpruch zurecht. Der Anfang,
das Princip, oder das Abſolute, wie es zuerſt
und unmittelbar ausgeſprochen wird, iſt nur
das Allgemeine. So wenig, wenn ich ſage: alle
Thiere, diſs Wort für eine Zoologie gelten kann,
ebenſo fällt es auf, daſs die Worte des Göttli-
chen, Abſoluten, Ewigen u. ſ. w. das nicht aus-
ſprechen, was darin enthalten iſt; — und nur
ſolche Worte drücken in der That die Anſchau-
ung als das Unmittelbare aus. Was mehr iſt,
als ein ſolches Wort, der Uebergang auch nur
zu einem Satze, iſt ein Anderswerden, das zu-
rückgenommen werden muſs, iſt eine Vermitt-
lung. Dieſe aber iſt das, was perhorreſcirt
[XXIV] wird, als ob dadurch, daſs mehr aus ihr gemacht
wird denn nur diſs, daſs ſie nichts abſolutes
und im Abſoluten gar nicht ſey, die abſolute
Erkenntniſs aufgegeben wäre.


Diſs Perhorreſciren ſtammt aber in der That
aus der Unbekanntſchaft mit der Natur der
Vermittlung und des abſoluten Erkennens ſelbſt.
Denn die Vermittlung iſt nichts anders als die
ſich bewegende Sichſelbſtgleichheit, oder ſie iſt
die Reflexion in ſich ſelbſt, das Moment des
fürſichſeyenden Ich, die reine Negativität oder
das einfache Werden. Das Ich, oder das Wer-
den überhaupt, dieſes Vermitteln iſt um ſeiner
Einfachheit willen eben die werdende Unmittel-
barkeit und das Unmittelbare ſelbſt. — Es iſt
daher ein Verkennen der Vernunft, wenn die
Reflexion aus dem Wahren ausgeſchloſſen und
nicht als poſitives Moment des Abſoluten erfaſst
wird. Sie iſt es, die das Wahre zum Reſultate
macht, aber dieſen Gegenſatz gegen ſein Wer-
den ebenſo aufhebt, denn diſs Werden iſt eben-
ſo einfach und daher von der Form des Wah-
ren, im Reſultate ſich als einfach zu zeigen,
nicht verſchieden; es iſt vielmehr eben diſs Zu-
rückgegangenſeyn in die Einfachheit. — Wenn
der Embryo wohl an ſich Menſch iſt, ſo iſt er
es aber nicht für ſich; für ſich iſt er es nur,
[XXV] als gebildete Vernunft, die ſich zu dem gemacht
hat, was ſie an ſich iſt. Diſs erſt iſt ihre
Wirklichkeit. Aber diſs Reſultat iſt ſelbſt ein-
fache Unmittelbarkeit, denn es iſt die ſelbſtbe-
wuſste Freyheit, die in ſich ſelbſt ruht, und
den Gegenſatz nicht auf die Seite gebracht hat
und ihn da liegen läſst, ſondern mit ihm ver-
ſöhnt iſt.


Das Geſagte kann auch ſo ausgedrückt
werden, daſs die Vernunft das zweckmäſsige
Thun
iſt. Die Erhebung der vermeinten Na-
tur über das miskannte Denken, und zu-
nächſt die Verbannung der äuſſern Zweckmäſsig-
keit hat die Form des Zwecks überhaupt in
Miſskredit gebracht. Allein, wie auch Ariſto-
teles die Natur als das zweckmäſsige Thun be-
ſtimmt, der Zweck iſt das Unmittelbare, das
Ruhende, welches ſelbſt bewegend, oder Sub-
ject iſt. Seine abſtracte Krafft zu bewegen iſt
das Fürſichſeyn oder die reine Negativität. Das
Reſultat iſt nur darum daſſelbe, was der An-
fang, weil der Anfang Zweck iſt; — oder das
Wirkliche iſt nur darum daſſelbe, was ſein Be-
griff, weil das Unmittelbare als Zweck das
Selbſt oder die reine Wirklichkeit in ihm ſelbſt
hat. Der ausgeführte Zweck oder das daſeyen-
de Wirkliche iſt die Bewegung und das entfaltete
[XXVI] Werden; eben dieſe Unruhe aber iſt das Selbſt;
und jener Unmittelbarkeit und Einfachheit des
Anfangs iſt es darum gleich, weil es das Reſul-
tat, das in ſich Zurückgekehrte, — das in ſich Zu-
rückgekehrte aber eben das Selbſt, und das Selbſt
die ſich auf ſich beziehende Gleichheit und Ein-
fachheit iſt.


Das Bedürfniſs, das Abſolute als Subject
vorzuſtellen, bediente ſich der Sätze: Gott iſt
das Ewige, oder die moraliſche Weltordnung
oder die Liebe u. ſ. f. In ſolchen Sätzen iſt
das Wahre nur geradezu als Subject geſetzt,
nicht aber als die Bewegung des ſich in ſich
ſelbſt Reflectirens dargeſtellt. Es wird in einem
Satze der Art mit dem Worte: Gott, angefangen.
Diſs für ſich iſt ein ſinnloſer Laut, ein bloſſer
Nahme; erſt das Prädicat ſagt, was er iſt, iſt
ſeine Erfüllung und Bedeutung; der leere An-
fang wird nur in dieſem Ende ein wirkliches
Wiſſen. Inſofern iſt nicht abzuſehen, warum
nicht vom Ewigen, der moraliſchen Weltord-
nung u. ſ. f. oder wie die Alten thaten, von
reinen Begriffen, dem Seyn, dem Einen u. ſ. f.
von dem, was die Bedeutung iſt, allein geſpro-
chen wird, ohne den ſinnloſen Laut noch hin-
zuzufügen. Aber durch daſs Wort wird eben
bezeichnet, daſs nicht ein Seyn oder Weſen
[XXVII] oder Allgemeines überhaupt, ſondern ein in ſich
reflectirtes, ein Subject geſetzt iſt. Allein zu-
gleich iſt diſs nur anticipirt. Das Subject iſt
als feſter Punkt angenommen, an den als ihren
Halt die Prädicate geheftet find, durch eine
Bewegung, die dem von ihm Wiſſenden ange-
hört, und die auch nicht dafür angeſehen wird,
dem Punkte ſelbſt anzugehören; durch ſie aber
wäre allein der Inhalt als Subject darge-
ſtellt. In der Art, wie dieſe Bewegung be-
ſchaffen iſt, kann ſie ihm nicht angehören; aber
nach Vorausſetzung jenes Punkts kann ſie auch
nicht anders beſchaffen, kann ſie nur äuſſerlich
ſeyn. Jene Anticipation, daſs das Abſolute
Subject iſt, iſt daher nicht nur nicht die Wirk-
lichkeit dieſes Begriffs, ſondern macht ſie ſogar
unmöglich, denn jene ſetzt ihn als ruhenden
Punkt, dieſe aber iſt die Selbſtbewegung.


Unter mancherley Folgerungen, die aus
dem Geſagten flieſsen, kann dieſe herausgeho-
ben werden, daſs das Wiſſen nur als Wiſſen-
ſchafft oder als Syſtem wirklich iſt, und darge-
ſtellt werden kann. Daſs ferner ein ſogenann-
ter Grundſatz oder Princip der Philoſophie,
wenn es wahr iſt, ſchon darum auch falſch iſt,
weil er Grundſatz oder Princip iſt. — Es iſt
deſswegen leicht ihn zu widerlegen. Die Wi-
[XXVIII] derlegung beſteht darin, daſs ſein Mangel auf-
gezeigt wird; mangelhaft aber iſt er, weil er
nur das Allgemeine oder Princip, der Anfang,
iſt. Iſt die Widerlegung gründlich, ſo iſt ſie
aus ihm ſelbſt genommen und entwickelt, —
nicht durch entgegengeſetzte Verſicherungen und
Einfälle von auſſenher bewerkſtelligt. Sie wür-
de alſo eigentlich ſeine Entwicklung und ſomit
die Ergänzung ſeiner Mangelhaftigkeit ſeyn,
wenn ſie ſich nicht darin verkännte, daſs ſie
ihre negative Seite allein beachtet, und ihres
Fortgangs und Reſultates nicht auch nach ſeiner
poſitiven Seite bewuſst wird. — Die eigentliche
poſitive Ausführung des Anfangs iſt zugleich um-
gekehrt ebenſoſehr ein negatives Verhalten gegen
ihn, nemlich gegen ſeine einſeitige Form, erſt
unmittelbar oder Zweck zu ſeyn. Sie kann ſo-
mit eben ſo ſehr als die Widerlegung desjenigen
genommen werden, was den Grund des Syſtems
ausmacht, beſſer aber, als ein Aufzeigen, daſs
der Grund oder das Princip des Syſtems in der
That nur ſein Anfang iſt.


Daſs das Wahre nur als Syſtem wirklich,
oder daſs die Subſtanz weſentlich Subject iſt,
iſt in der Vorſtellung ausgedrückt, welche das
Abſolute als Geiſt ausſpricht, — der erhabenſte
Begriff, und der der neuern Zeit und ihrer
[XXIX] Religion angehört. Das Geiſtige allein iſt das
Wirkliche; es iſt das Weſen oder an ſich ſey-
ende, — das ſich Verhaltende oder beſtimmte,
das Andersſeyn und Fürſichſeyn — und in dieſer
Beſtimmtheit oder ſeinem Auſſerſichſeyn in ſich
ſelbſt bleibende; — oder es iſt an und für ſich. —
Diſs an und für ſich ſeyn aber iſt es erſt für
uns oder an ſich, oder es iſt die geiſtige Sub-
ſtanz
. Es muſs diſs auch für ſich ſelbſt, — muſs
das Wiſſen von dem Geiſtigen und das Wiſſen
von ſich als dem Geiſte ſeyn; das heiſst, es muſs
ſich als Gegenſtand ſeyn, aber eben ſo unmit-
telbar als vermittelter das heiſst aufgehobener,
in ſich reflectirter Gegenſtand. Er iſt für ſich
nur für uns, in ſo fern ſein geiſtiger Inhalt
durch ihn ſelbſt erzeugt iſt; in ſo fern er aber
auch für ſich ſelbſt für ſich iſt, ſo iſt dieſes
Selbſterzeugen, der reine Begriff, ihm zugleich
das gegenſtändliche Element, worin er ſein Da-
ſeyn hat; und er iſt auf dieſe Weiſe in ſeinem
Daſeyn für ſich ſelbſt in ſich reflectirter Gegen-
ſtand. — Der Geiſt, der ſich ſo als Geiſt weiſs,
iſt die Wiſſenſchaft. Sie iſt ſeine Wirklichkeit
und das Reich, das er ſich in ſeinem eigenen
Elemente erbaut.


Das reine Selbſterkennen im abſoluten An-
dersſeyn, dieſer Aether als ſolcher, iſt der Grund
[XXX] und Boden der Wiſſenſchaft oder das Wiſſen im
Allgemeinen
. Der Anfang der Philoſophie macht
die Vorausſetzung oder Foderung, daſs das Be-
wuſstſeyn ſich in dieſem Elemente befinde. Aber
dieſes Element hat ſeine Vollendung und Durch-
ſichtigkeit ſelbſt nur durch die Bewegung ſeines
Werdens. Es iſt die reine Geiſtigkeit, oder das
Allgemeine, das die Weiſe der einfachen Un-
mittelbarkeit hat. Weil es die Unmittelbarkeit
des Geiſtes, weil die Subſtanz überhaupt der
Geiſt iſt, iſt ſie die verklärte Weſenheit, die Re-
flexion, die ſelbſt einfach oder die Unmittelbar-
keit iſt, das Seyn, das die Reflexion in ſich
ſelbſt iſt. Die Wiſſenſchaft von ihrer Seite
verlangt vom Selbſtbewuſstſeyn, daſs es in die-
ſen Aether ſich erhoben habe, um mit ihr und
in ihr leben zu können und zu leben. Umge-
kehrt hat das Individuum das Recht zu fodern,
daſs die Wiſſenſchaft ihm die Leiter wenigſtens
zu dieſem Standpunkte reiche. Sein Recht
gründet ſich auf ſeine abſolute Selbſtſtändigkeit,
die es in jeder Geſtalt ſeines Wiſſens zu beſit-
zen weiſs, denn in jeder, ſey ſie von der Wiſ-
ſenſchaft anerkannt oder nicht, und der Inhalt
ſey welcher er wolle, iſt es die abſolute Form
zugleich oder hat die unmittelbare Gewiſsheit
ſeiner ſelbſt; und, wenn dieſer Ausdruck vor-
[XXXI] gezogen würde, damit unbedingtes Seyn. Wenn
der Standpunkt des Bewuſstſeyns, von gegen-
ſtändlichen Dingen im Gegenſatze gegen ſich
ſelbſt, und von ſich ſelbſt im Gegenſatze ge-
gen ſie zu wiſsen, der Wiſſenſchafft als das
Andre gilt, — das, worin es bey ſich ſelbſt iſt,
vielmehr, als der Verluſt des Geiſtes, — ſo iſt ihm
dagegen das Element der Wiſſenſchaft eine jen-
ſeitige Ferne, worin es nicht mehr ſich ſelbſt
beſitzt. Jeder von dieſen beyden Theilen ſcheint
für den andern das Verkehrte der Wahrheit zu
ſeyn. Daſs das natürliche Bewuſstſeyn ſich der
Wiſſenſchaft unmittelbar anvertraut, iſt ein
Verſuch, den es, es weiſs nicht von was ange-
zogen, macht, auch einmal auf dem Kopfe zu
gehen; der Zwang dieſe ungewohnte Stellung
anzunehmen und ſich in ihr zu bewegen iſt ei-
ne ſo unvorbereitete als unnöthig ſcheinende
Gewalt, die ihm angemuthet wird, ſich anzu-
thun. — Die Wiſſenſchaft ſey an ihr ſelbſt,
was ſie will, im Verhältniſſe zum unmittelba-
ren Selbſtbewuſstſeyn ſtellt ſie ſich als ein Ver-
kehrtes gegen es dar, oder weil das unmittel-
bare Selbſtbewuſstſeyn das Princip der Wirk-
lichkeit iſt, trägt ſie, indem es für ſich auſſer
ihr iſt, die Form der Unwirklichkeit. Sie hat
darum jenes Element mit ihr zu vereinigen,
[XXXII] oder vielmehr zu zeigen, daſs und wie es ihr
ſelbſt angehört. Der Wirklichkeit entbehrend,
iſt ſie nur das An ſich, der Zweck, der erſt
noch ein Innres, nicht als Geiſt, nur erſt gei-
ſtige Subſtanz iſt. Sie hat ſich zu äuſſern und
für ſich ſelbſt zu werden, diſs heiſst nichts an-
ders, als ſie hat das Selbſtbewuſstſeyn als eins
mit ſich zu ſetzen.


Diſs Werden der Wiſſenſchaft überhaupt,
oder des Wiſſens, iſt es, was dieſe Phänomeno-
logie
des Geiſtes, als der erſte Theil des Sys-
tems derſelben, darſtellt. Das Wiſſen, wie es
zuerſt iſt, oder der unmittelbare Geiſt iſt das
geiſtloſe, oder iſt das ſinnliche Bewuſstſeyn.
Um zum eigentlichen Wiſſen zu werden, oder das
Element der Wiſſenſchaft, was ihr reiner Begriff
iſt, zu erzeugen, hat er durch einen langen
Weg ſich hindurch zu arbeiten. — Dieſes Wer-
den, wie es in ſeinem Inhalte und den Geſtal-
ten, die ſich in ihm zeigen, aufgeſtellt iſt, er-
ſcheint als etwas anderes, denn als die Anlei-
tung des unwiſſenſchaftlichen Bewuſstſeyns zur
Wiſſenſchaft; auch etwas anderes, als die Be-
gründung der Wiſſenſchaft; — ſo ohnehin, als
die Begeiſterung, die wie aus der Piſtole mit
dem abſoluten Wiſſen unmittelbar anfängt, und
mit andern Standpunkten dadurch ſchon fertig
iſt
[XXXIII] ist, daſs ſie keine Notiz davon zu nehmen er-
klärt.


Die Aufgabe aber, das Individuum von sei-
nem ungebildeten Standpunkte aus zum Wiſſen
zu führen, war in ihrem allgemeinen Sinn zu
faſſen, und das allgemeine Individuum, der
Weltgeiſt, in seiner Bildung zu betrachten. —
Was das Verhältniſs beyder betrifft, so zeigt
ſich in dem allgemeinen Individuum jedes Mo-
ment, wie es die concrete Form und eigne Ge-
ſtaltung gewinnt. Das besondre Individuum aber
iſt der unvollſtändige Geiſt, eine concrete Ge-
ſtalt, deren ganzes Daseyn Einer Bestimmtheit
zufällt, und worin die andern nur in verwisch-
ten Zügen vorhanden sind. In dem Geiſte, der
höher ſteht als ein anderer, iſt das niedrigere
eoncrete Daseyn zu einem unscheinbaren Mo-
mente herabgesunken; was vorher die Sache
selbſt war, iſt nur noch eine Spur; ihre Ge-
ſtalt iſt eingehüllt und eine einfache Schattirung
geworden. Diese Vergangenheit durchläufft das
Individuum, deſſen Subſtanz der höher ſtohen-
de Geiſt ist, auf die Art, wie der eine höhere
Wiſſenschaft vornimmt, die Vorbereitungskennt-
niſſe, die er längſt inne hat, um ſich ihren In-
halte gegenwärtig zu machen, durchgeht; er
rufſt die Erinnerung deſſelben zurück, ohne da-
***
[XXXIV] rin sein Intereſſe und Verweilen zu haben. So
durchlaufft jeder einzelne auch die Bildungs-
ſtuffen des allgemeinen Geiſtes, aber als vom
Geiſte schon abgelegte Geſtalten, als Stuffen ei-
nes Wegs, der ausgearbeitet und geebnet iſt;
wie wir in Ansehung der Kenntniſſe das, was
in frühern Zeitaltern den reifen Geiſt der Män-
ner beschäfftigte, zu Kenntniſſen, Uebungen und
selbſt Spielen des Knabensalters herabgesunken
sehen, und in dem pädagogischen Fortschreiten
die wie im Schattenriſſe nachgezeichnete Ge-
schichte der Bildung der Welt erkennen wer-
den. Diſs vergangne Daseyn iſt schon er-
worbnes Eigenthum des allgemeinen Geiſtes,
der die Subſtanz des Individuums oder seine
unorganische Natur ausmacht. — Die Bildung
des Individuums in dieser Rückſicht beſteht,
von seiner Seite aus betrachtet, darin, daſs es
diſs Vorhandne erwerbe, seine unorganische
Natur in ſich zehre und für ſich in Beſitz neh-
me. Diſs iſt aber ebensosehr nichts anders,
als daſs der allgemeine Geiſt oder die Subſtanz
ſich ihr Selbſtbewuſstseyn gibt, oder ihr Wer-
den und Reflexion in ſich.


Die Wiſſenſchaft ſtellt diese bildende Be-
wegung sowohl in ihrer Ausführlichkeit und
Nothwendigkeit, als das, was schon zum Mo-
[XXXV] mente und Eigenthum des Geists herabgesun-
ken ist, in seiner Gestaltung dar. Das Ziel ist
die Einsicht des Geistes in das, was das Wis-
sen ist. Die Ungeduld verlangt das Unmögli-
che, nemlich die Erreichung des Ziels ohne die
Mittel. Einestheils ist die Länge dieses Wegs
zu ertragen, denn jedes Moment ist nothwen-
dig, — anderntheils bey jedem ſich zu verwei-
len
, denn jedes ist selbst eine individuelle gan-
ze Gestalt, und wird nur absolut betrachtet,
insofern seine Beſtimmtheit als Ganzes oder
Concretes, oder das Ganze in der Eigenthüm-
lichkeit dieser Bestimmung betrachtet wird. —
Weil die Substanz des Individuums, weil der
Weltgeist die Geduld gehabt, diese Formen in
der langen Ausdehnung der Zeit zu durchge-
hen und die ungeheure Arbeit der Weltgeschichte
zu übernehmen, und weil er dusch keine ge-
ringere das Bewuſstseyn über sich erreichen
konnte, so kann zwar das Individuum nicht mit
weniger séine Substanz begreiffen. Inzwischen
hat es zugleich geringere Mühe, weil an ſich
diſs vollbracht, — der Inhalt schon die zur
Möglichkeit getilgte Wirklichkeit und die be-
zwungne Unmittelbarkeit ist. Schon ein gedach-
tes
, ist er Eigenthum der Individualität; es ist
nicht mehr das Daseyn in das Anſichseyn, son-
[XXXVI] dern nur das Anſich in die Form des Fürſich-
seyns umzukehren, deſſen Art näher zu bestim-
men ist.


Was dem Individuum an dieser Bewegung
erspart ist, ist das Aufheben des Daseyns; was
aber noch übrig ist, ist die Vorſtellung und die
Bekanntschaft mit den Formen. Das in die
Substanz zurückgenommne Daseyn ist durch
jene erste Negation nur erst unmittelbar in das
Element des Selbsts versetzt; es hat also noch
denselben Charakter dér unbegriffnen Unmit-
telbarkeit oder unbewegten Gleichgültigkeit als
das Daseyn selbst, oder es ist nur in die Vor-
ſtellung
übergegangen. — Zugleich ist es da-
durch ein Bekanntes, ein solches, mit dem der
Geist fertig geworden, worin daher seine Thä-
tigkeit und somit sein Intereſſe nicht mehr ist.
Wenn die Thätigkeit, die mit dem Daseyn fer-
tig wird, die unmittelbare oder daseyende Ver-
mittlung, und hiemit die Bewegung nur des be-
sondern ſich nicht begreiffenden Geistes ist, so
ist dagegen das Wiſſen gegen die hiedurch zu
Stande gekommne Vorstellung, gegen diſs Be-
kanntseyn gerichtet, ist das Thun des allgemei-
nen Selbsts und das Intereſſe des Denkens.


Das Bekannte überhaupt ist darum, weil
es bekannt ist, nicht erkannt. Es ist die gewöhn-
[XXXVII] lichste Selbsttäuschung wie Täuschung anderer,
beym Erkennen etwas als bekannt voraus zu se-
tzen, und es sich ebenso gefallen zu laſſen; mit
allem Hin- und Herreden kommt solches Wiſſen,
ohne zu wiſſen wie ihm geschieht, nicht von der
Stelle. Das Subject und Object, u. s. f. Gott,
Natur, der Verstand, die Sinnlichkeit u. s. f.
werden unbesehen als bekannt und als etwas
gültiges zu Grunde gelegt, und machen feste
Punkte sowohl des Ausgangs als der Rückkehr
aus. Die Bewegung geht zwischen ihnen, die
unbewegt bleiben, hin und her, und somit nur
auf ihrer Oberfläche vor. So besteht auch das
Auffaſſen und Prüſſen darin, zu sehen, ob jeder
das von ihnen gesagte auch in seiner Vorstellung
findet, ob es ihm so scheint und bekannt ist
oder nicht.


Das Analyſiren einer Vorstellung, wie es
sonst getrieben worden, war schon nichts ande-
res, als das Aufheben der Form ihres Bekannt-
seyns. Eine Vorstellung in ihre ursprünglichen
Elemente auseinanderlegen, ist das Zurückgehen
zu ihren Momenten, die wenigstens nicht die
Form der vorgefundenen Vorstellung haben,
sondern das unmittelbare Eigenthum des Selbsts
ausmachen. Diese Analyse kömmt zwar nur zu
Gedanken, welche selbst bekannte, feste und ru-
[XXXVIII] hende Bestimmungen sind. Aber ein wesentliches
Moment ist diſs Geschiedne, Unwirkliche selbst;
denn nur darum, daſs das Concrete sich schei-
det, und zum Unwirklichen macht, ist es das
sich bewegende. Die Thätigkeit des Scheidens
ist die Krafft und Arbeit des Verstandes, der
verwunderſamsten und gröſsten, oder vielmehr
der absoluten Macht. Der Kreis, der in sich
geschloſſen ruht, und als Substanz seine Momen-
te hält, ist das unmittelbare und darum nicht
verwundersame Verhältniſs. Aber daſs das von
seinem Umfange getrennte Accidentelle als sol-
ches, das gebundne und nur in seinem Zusam-
menhange mit anderm Wirkliche ein eigenes Da-
seyn und abgesonderte Freyheit gewinnt, ist die
ungeheure Macht des Negativen; es ist die En-
ergie des Denkens, des reinen Ichs. Der Tod,
wenn wir jene Unwirklichkeit so nennen wollen,
ist das furchtbarste, und das Todte fest zu hal-
ten, das, was die gröſste Krafft erfodert. Die
kraftlose Schönheit haſst den Verstand, weil er
ihr diſs zumuthet was sie nicht vermag. Aber
nicht das Leben, das sich vor dem Tode scheut
und von der Verwüstung rein bewahrt, sondern
das ihn erträgt, und in ihm sich erhält, ist das
Leben des Geistes. Er gewinnt seine Wahrheit
nur, indem er in der absoluten Zerriſſenheit
[XXXIX] sich selbst findet. Diese Macht ist er nicht, als
das Positive, welches von dem Negativen weg-
ſieht, wie wenn wir von etwas sagen, diſs ist
nichts oder ſalsch, und nun, damit fertig,
davon weg zu irgend etwas anderem übergehen;
sondern er ist diese Macht nur, indem er dem
Negativen ins Angesicht schaut, bey ihm ver-
weilt. Dieses Verweilen ist die Zauberkraft,
die es in das Seyn umkehrt. — Sie ist daſſelbe,
was oben das Subject genannt worden, welches
darin, daſs es der Bestimmtheit in seinem Ele-
mente Daseyn gibt, die abstracte d. h. nur über-
haupt seyende Unmittelbarkeit aufhebt, und da-
durch die wahrhafte Substanz ist, das Seyn
oder die Unmittelbarkeit, welche nicht die Ver-
mittlung auſſer ihr hat, sondern diese selbst ist.


Daſs das vorgestellte Eigenthum des reinen
Selbstbewuſstseyns wird, diese Erhebung zur
Allgemeinheit überhaupt ist nur die Eine Seite,
noch nicht die vollendete Bildung. — Die Art
des Studiums der alten Zeit hat diese Verschie-
denheit von dem der neuern, daſs jenes die ei-
gentliche Durchbildung des natürlichen Bewuſst-
seyns war. An jedem Theile seines Daseyns sich
besonders versuchend und über alles vorkom-
mende philosophirend, erzeugte es sich zu einer
durch und durch bethätigten Allgemeinheit. In
[XL] der neuern Zeit hingegen findet das Individuum
die abstracte Form vorbereitet; die Anstrengung
sie zu ergreiffen und sich zu eigen zu machen, ist
mehr das unvermittelte Hervortreiben des Innern
und abgeschnittne Erzeugen des Allgemeinen,
als ein Hervorgehen deſſelben aus dem Concreten
und der Mannichfaltigkeit des Daseyns. Itzt be-
steht darum die Arbeit nicht sosehr darin, das In-
dividuum aus der unmittelbaren sinnlichen Weise
zu reinigen und es zur gedachten und denken-
den Substanz zu machen, als vielmehr in dem
entgegengesetzten, durch das Aufheben der fe-
sten bestimmten Gedanken das Allgemeine zu ver-
wirklichen und zu begeisten. Es ist aber weit
schwerer, die festen Gedanken in Flüſſigkeit zu
bringen, als das sinnliche Daseyn. Der Grund
ist das vorhin angegebene; jene Bestimmungen
haben das Ich, die Macht des Negativen oder die
reine Wirklichkeit zur Substanz und zum Ele-
ment ihres Daseyns; die sinnlichen Bestimmun-
gen dagegen nur die unmächtige abstracte Un-
mittelbarkeit oder das Seyn als solches. Die
Gedanken werden flüſſig, indem das reine Den-
ken, diese innere Unmittelbarkeit, sich als Mo-
ment erkennt oder indem die reine Gewiſsheit
seiner selbst von sich abstrahirt; — nicht sich
wegläſst, auf die Seite setzt, sondern das Fixe
[XLI] ihres Sichselbſtsetzens aufgibt, sowohl das Fixe
des reinen Concreten, welches Ich selbst im Ge-
gensatze gegen unterschiedenen Inhalt ist, — als
das Fixe von Unterschiedenen, die im Elemente
des reinen Denkens gesetzt an jener Unbedingt-
heit des Ich Antheil haben. Durch diese Bewe-
gung werden die reinen Gedanken Begriffe, und
sind erst, was sie in Wahrheit sind, Selbſtbewe-
gungen, Kreise, das was ihre Substanz ist, gei-
stige Wesenheiten.


Diese Bewegung der reinen Wesenheiten
macht die Natur der Wiſſenschaftlichkeit über-
haupt aus. Als der Zusammenhang ihres Inhalts
betrachtet, ist sie die Nothwendigkeit und Aus-
breitung deſſelben zum organischen Ganzen. Der
Weg, wodurch der Begriff des Wiſſens erreicht
wird, wird durch sie gleichfalls ein nothwendi-
ges und vollständiges Werden, so daſs diese Vor-
bereitung aufhört, ein zufälliges Philosophiren
zu seyn, das sich an diese und jene Gegenstände,
Verhältniſſe und Gedanken des unvollkommenen
Bewuſstseyns, wie die Zufälligkeit es mit sich
bringt, anknüpft, oder durch ein hin und her-
gehendes Räsonnement, Schlieſſen und Folgern
aus bestimmten Gedanken das Wahre zu begrün-
den sucht; sondern dieser Weg wird durch die
Bewegung des Begriffs die vollständige Weltlich-
[XLII] keit des Bewuſstseyns in ihrer Nothwendigkeit
umfaſſen.


Eine solche Darstellung macht ferner den
ersten Theil der Wiſſenschaft darum aus, weil
das Daseyn des Geistes als Erstes nichts anderes
als das Unmittelbare oder der Anfang, der An-
fang aber noch nicht seine Rückkehr in sich ist.
Das Element des unmittelbaren Daseyns ist daher
die Bestimmtheit, wodurch sich dieser Theil der
Wiſſenschaft von den andern unterscheidet. — Die
Angabe dieses Unterschiedes führt zur Erörte-
rung einiger festen Gedanken, die hiebey vorzu-
kommen pflegen.


Das unmittelbare Daseyn des Geistes, das
Bewuſstseyn, hat die zwey Momente, des Wiſſens
und der dem Wiſſen negativen Gegenständlich-
keit. Indem in diesem Elemente sich der Geist
entwickelt und seine Momente auslegt, so kommt
ihnen dieser Gegensatz zu, und sie treten alle als
Gestalten des Bewutstseyns auf. Die Wiſſen-
schaft dieses Wegs ist Wiſſenschaft der Erfah-
rung
, die das Bewuſstseyn macht; die Substanz
wird betrachtet, wie sie und ihre Bewegung sein
Gegenstand ist. Das Bewuſstseyn weiſs und de-
greift nichts, als was in seiner Erfahrung ist;
denn was in dieser ist, ist nur die geistige Sub-
stanz, und zwar als Gegenstand ihres Selbsts.
[XLIII] Der Geist wird aber Gegenstand, denn er ist
diese [Bewegung], sich ein anderes, d. h. Gegen-
stand seines Selbsts
zu werden, und dieses An-
dersſeyn aufzuheben. Und die Erfahrung wird
eben dieſe Bewegung genannt, worin das Un-
mittelbare, das Unerfahrne, d. h. das abſtrac-
te, es ſey des ſinnlichen Seyns oder des nur
gedachten Einfachen, ſich entfremdet, und dann
aus dieſer Entfremdung zu ſich zurückgeht,
und hiemit itzt erſt in ſeiner Wirklichkeit und
Wahrheit dargeſtellt, wie auch Eigenthum des
Bewuſstſeyns iſt.


Die Ungleichheit, die im Bewuſstſeyn zwi-
ſchen dem Ich und der Subſtanz, die ſein Ge-
genſtand iſt, ſtatt findet, iſt ihr Unterſchied,
das Negative überhaupt. Es kann als der Man-
gel
beyder angeſehen werden, iſt aber ihre Seele
oder das Bewegende derſelben; weſswegen ei-
nige Alte das Leere als das Bewegende begrif-
fen, indem ſie das Bewegende zwar als das
Negative, aber dieſes noch nicht als das Selbſt
erfaſsten. — Wenn nun diſs Negative zunächſt
als Ungleichheit des Ichs zum Gegenſtande er-
ſcheint, ſo iſt es ebenſoſehr die Ungleichheit
der Subſtanz zu ſich ſelbſt. Was auſſer ihr vor-
zugehen, eine Thätigkeit gegen ſie zu ſeyn
ſcheint, iſt ihr eigenes Thun und ſie zeigt ſich
[XLIV] weſentlich Subject zu ſeyn. Indem ſie diſs voll-
kommen gezeigt, hat der Geiſt ſein Daſeyn ſei-
nem Weſen gleich gemacht; er iſt ſich Gegen-
ſtand, wie er iſt, und das abſtracte Element
der Unmittelbarkeit und der Trennung des
Wiſſens und der Wahrheit iſt überwunden.
Das Seyn iſt abſolut vermittelt; — es iſt ſub-
ſtantieller Inhalt, der ebenſo unmittelbar Ei-
genthum des Ich, ſelbſtiſch oder der Begriff iſt.
Hiemit beſchlieſst ſich die Phänomenologie des
Geiſtes. Was er in ihr ſich bereitet, iſt das
Element des Wiſſens. In dieſem breiten ſich
nun die Momente des Geiſtes in der Form der
Einfachheit
aus, die ihren Gegenſtand als ſich
ſelbſt weiſs. Sie fallen nicht mehr in den Ge-
genſatz des Seyns und Wiſſens auseinander,
ſondern bleiben in der Einfachheit des Wiſſens,
ſind das Wahre in der Form des Wahren, und
ihre Verſchiedenheit iſt nur Verſchiedenheit des
Inhalts. Ihre Bewegung, die ſich in dieſem
Elemente zum Ganzen organiſirt, iſt die Logik
oder ſpeculative Philoſophie.


Weil nun jenes Syſtem der Erfahrung des
Geiſtes nur die Erſcheinung deſſelben befaſst,
ſo ſcheint der Fortgang von ihm zur Wiſſen-
ſchaft des Wahren, das in der Geſtalt des Wah-
ren
iſt, bloſs negativ zu ſeyn, und man könnte
[XLV] mit dem Negativen als dem Falſchen verſchont
bleiben wollen, und verlangen ohne weiteres
zur Wahrheit geführt zu werden; wozu ſich
mit dem Falſchen abgeben? — Wovon ſchon
oben die Rede war, daſs ſogleich mit der Wiſ-
ſenſchaft ſollte angefangen werden, darauf iſt
hier nach der Seite zu antworten, welche Be-
ſchaffenheit es mit dem Negativen als Falſchem
überhaupt hat. Die Vorſtellungen hierüber hin-
dern vornemlich den Eingang zur Wahrheit.
Diſs wird Veranlaſſung geben, vom mathema-
tiſchen Erkennen zu ſprechen, welches das un-
philoſophiſche Wiſſen als das Ideal anſieht, das
zu erreichen die Philoſophie ſtreben müſste,
bisher aber vergeblich geſtrebt habe.


Das Wahre und Falſche gehört zu den be-
ſtimmten Gedanken, die bewegungslos für eig-
ne Weſen gelten, deren eines drüben, das and-
re hüben ohne Gemeinſchaft mit dem andern
iſolirt und feſt ſteht. Dagegen muſs behauptet
werden, daſs die Wahrheit nicht eine ausge-
prägte Münze iſt, die fertig gegeben, und ſo
eingeſtrichen werden kann. Noch gibt es ein
Falſches ſo wenig es ein Böſes gibt. So ſchlimm
zwar als der Teufel iſt das Böſe und Falſche
nicht, denn als dieſer ſind ſie ſogar zum be-
ſondern Subjecte gemacht; als Falſches und Bö-
[XLVI] ſes ſind ſie nur allgemeine, haben aber doch
eigne Weſenheit gegeneinander. — Das Falſche,
denn nur von ihm iſt hier die Rede, wäre das
Andre, das Negative der Subſtanz, die als In-
halt des Wiſſens das Wahre iſt. Aber die Sub-
ſtanz iſt ſelbſt weſentlich das Negative, theils
als Unterſcheidung und Beſtimmung des Inhalts,
theils als ein einfaches Unterſcheiden, d. h. als
Selbſt und Wiſſen überhaupt. Man kann wohl
falſch wiſſen. Es wird etwas falſch gewuſst,
heiſst, das Wiſſen iſt in Ungleichheit mit ſeiner
Subſtanz. Allein eben dieſe Ungleichheit iſt das
Unterſcheiden überhaupt, das weſentliches Mo-
ment iſt. Es wird aus dieſer Unterſcheidung
wohl ihre Gleichheit, und dieſe gewordene
Gleichheit iſt die Wahrheit. Aber ſie iſt nicht
ſo Wahrheit, als ob die Ungleichheit wegge-
worfen worden wäre, wie die Schlacke vom
reinen Metall, auch nicht einmal ſo, wie das
Werkzeug von dem fertigen Gefäſſe wegbleibt,
ſondern die Ungleichheit iſt als das Negative,
als das Selbſt im Wahren als ſolchem ſelbſt noch
unmittelbar vorhanden. Es kann jedoch darum
nicht geſagt werden, daſs das Falſche ein Mo-
ment oder gar einen Beſtandtheil des Wahren
ausmache. Daſs an jedem Falſchen etwas Wah-
res ſey, — in dieſem Ausdrucke gelten beyde,
[XLVII] wie Oel und Waſſer, die unmiſchbar nur äuſ-
ſerlich verbunden ſind. Gerade um der Bedeu-
tung willen, das Moment des vollkommenen An-
dersſeyns
zu bezeichnen, müſſen ihre Ausdrücke
da, wo ihr Andersſeyn aufgehoben iſt, nicht
mehr gebraucht werden. So wie der Ausdruck
der Einheit des Subjects und Objects, des End-
lichen und Unendlichen, des Seyns und Den-
kens u. ſ. f. das ungeſchickte hat, daſs Object
und Subject u. ſ. f. das bedeuten, was ſie auſſer
ihrer Einheit
ſind, in der Einheit alſo nicht als
das gemeynt ſind, was ihr Ausdruck ſagt, eben
ſo iſt das Falſche nicht mehr als Falſches ein
Moment der Wahrheit.


Der Dogmatiſmus der Denkungsart im Wiſ-
ſen und im Studium der Philoſophie iſt nichts
anderes, als die Meynung, daſs das Wahre in
einem Satze, der ein feſtes Reſultat oder auch
der unmittelbar gewuſst wird, beſtehe. Auf
ſolche Fragen: wann Cäſar geboren worden,
wie viele Toiſen ein Stadium und welches be-
trug u. ſ. f. ſoll eine nette Antwort gegeben
werden, ebenſo wie es beſtimmt wahr iſt, daſs
das Quadrat der Hypotenuſe gleich der Summe
der Quadrate der beyden übrigen Seiten des
rechtwinklichten Dreyecks iſt. Aber die Natur
einer ſolchen ſogenannten Wahrheit iſt ver-
[XLVIII] ſchieden von der Natur philoſophiſcher Wahr-
heiten.


In Anſehung der hiſtoriſchen Wahrheiten,
um ihrer kurz zu erwähnen, inſofern nemlich
das rein hiſtoriſche derſelben betrachtet wird,
wird leicht zugegeben, daſs ſie das einzelne
Daſeyn, einen Inhalt nach der Seite ſeiner Zu-
fälligkeit und Willkühr, Beſtimmungen deſſel-
ben, die nicht nothwendig ſind, betreſſen. —
Selbſt aber ſolche nakte Wahrheiten wie die als
Beyſpiel angeführte, ſind nicht ohne die Be-
wegung des Selbſtbewuſstſeyns. Um eine der-
ſelben zu kennen, muſs viel verglichen, auch in
Büchern nachgeſchlagen oder auf welche Weiſe
es ſey unterſucht werden; auch bey einer un-
mittelbaren Anſchauung wird erſt die Kenntniſs
derſelben mit ihren Gründen für etwas gehal-
ten, das wahren Werth habe, obgleich eigent-
lich nur das nakte Reſultat das ſeyn ſoll, um
das es zu thun ſey.


Was die mathematiſchen Wahrheiten be-
trift, ſo würde noch weniger der für einen Geo-
meter gehalten werden, der die Theoreme Eu-
klids auswendig wüſste, ohne ihre Beweiſe, ohne
ſie, wie man im Gegenſatze ſich ausdrücken könne,
inwendig zu wiſſen. Ebenſo würde die Kennt-
niſs, die einer durch Meſſung vieler rechtwink-
lichten
[XLIX] lichten Dreyecke ſich erwürbe, daſs ihre Seiten
das bekannte Verhältniſs zu einander haben,
für unbefriedigend gehalten werden. Die We-
ſentlichkeit
des Beweiſes hat jedoch auch beym
mathematiſchen Erkennen noch nicht die Be-
deutung und Natur, Moment des Reſultates ſelbſt
zu ſeyn, ſondern in dieſem iſt er vielmehr vor-
bey und verſchwunden. Als Reſultat iſt zwar
das Theorem ein als wahr eingeſehenes. Aber
dieſer hinzugekommene Umſtand betrifft nicht
ſeinen Inhalt, ſondern nur das Verhältniſs zum
Subject; die Bewegung des mathematiſchen Be-
weiſes gehört nicht dem an, was Gegenſtand
iſt, ſondern iſt ein der Sache äuſſerliches Thun.
So zerlegt ſich die Natur des rechtwinklichten
Dreyecks nicht ſelbſt ſo, wie es in der Con-
ſtruction dargeſtellt wird, die für den Beweis
des Satzes, der ſein Verhältniſs ausdrückt, nö-
thig iſt; das ganze Hervorbringen des Reſultats
iſt ein Gang und Mittel des Erkennens. — Auch
im philoſophiſchen Erkennen iſt das Werden des
Daſeyns als Daſeyns verſchieden von dem Wer-
den des Weſens oder der innern Natur der
Sache. Aber das philoſophiſche Erkennen ent-
hält erſtens beydes, da hingegen das mathema-
tiſche nur das Werden des Daſeyns, d. h. des
Seyns der Natur der Sache im Erkennen als ſol-
****
[L] chem darſtellt. Fürs andre vereinigt jenes auch
dieſe beyden beſondern Bewegungen. Das innre
Entſtehen oder das Werden der Subſtanz iſt un-
getrennt Uebergehen in das Aeuſſere oder in
das Daſeyn, Seyn für anderes; und umgekehrt
iſt das Werden des Daſeyns das ſich Zurück-
nehmen ins Weſen. Die Bewegung iſt ſo der
gedoppelte Proceſs und Werden des Ganzen,
daſs zugleich ein jedes das andre ſetzt und jedes
darum auch beyde als zwey Anſichten an ihm
hat; ſie zuſammen machen dadurch das Ganze,
daſs ſie ſich ſelbſt auflöſen und zu ſeinen Mo-
menten machen.


Im mathematiſchen Erkennen iſt die Ein-
ſicht ein für die Sache äuſſerliches Thun; es
folgt daraus, daſs die wahre Sache dadurch
verändert wird. Das Mittel, Conſtruction und
Beweis, enthält daher wohl wahre Sätze; aber
ebenſoſehr muſs geſagt werden, daſs der Inhalt
falſch iſt. Das Dreyeck wird in dem obigen
Beyſpiele zerriſſen, und ſeine Theile zu andern
Figuren, die die Conſtruction an ihm entſtehen
läſst, geſchlagen. Erſt am Ende wird das Dreyeck
wieder hergeſtellt, um das es eigentlich zu thun
iſt, das im Fortgange aus den Augen verloren
wurde, und nur in Stücken, die andern Ganzen
angehörten, vorkam. — Hier ſehen wir alſo
[LI] auch die Negativität des Inhalts eintreten, welche
eine Falſchheit deſſelben eben ſo gut genannt
werden müſste, als in der Bewegung des Begriffs
das Verſchwinden der feſtgemeynten Gedanken.


Die eigentliche Mangelhaftigkeit dieſes Er-
kennens aber betrifft ſowohl das Erkennen ſelbſt,
als ſeinen Stoff überhaupt. — Was das Erken-
nen betrifft, ſo wird vors erſte die Nothwendig-
keit der Conſtruction nicht eingeſehen. Sie geht
nicht aus dem Begriffe des Theorems hervor,
ſondern wird geboten, und man hat dieſer Vor-
ſchrift, gerade dieſe Linien, deren unendliche
andere gezogen werden könnten, zu ziehen,
blindlings zu gehorchen, ohne etwas weiter zu
wiſſen, als den guten Glauben zu haben, daſs
diſs zu Führung des Beweiſes zweckmäſsig ſeyn
werde. Hintennach zeigt ſich denn auch dieſe
Zweckmäſsigkeit, die deſswegen nur eine äuſſer-
liche iſt, weil ſie ſich erſt hintennach, beym
Beweiſe, zeigt. — Ebenſo geht dieſer einen
Weg, der irgendwo [anfängt], man weiſs noch
nicht in welcher Beziehung auf das Reſultat,
das herauskommen ſoll. Sein Fortgang nimmt
dieſe Beſtimmungen und Beziehungen auf, und
läſst andre liegen, ohne daſs man unmittelbar
einſehe, nach welcher Nothwendigkeit; ein
äuſſerer Zweck regiert dieſe Bewegung.


[LII]

Die Evidenz dieſes mangelhafften Erken-
nens, auf welche die Mathematik ſtolz iſt, und
womit ſie ſich auch gegen die Philoſophie brü-
ſtet, beruht allein auf der Armuth ihres Zwecks
und der Mangelhaftigkeit ihres Stoffs, und iſt
darum von einer Art, die die Philoſophie ver-
ſcmähen muſs. — Ihr Zweck oder Begriff iſt die
Gröſse. Diſs iſt gerade das unweſentliche, be-
griffloſe Verhältnics. Die Bewegung des Wiſ-
ſens geht darum auf der Oberfläche vor, be-
rührt nicht die Sache ſelbſt, nicht das Weſen
oder den Begriff, und iſt deſswegen kein Be-
greiffen. — Der Stoff, über den die Mathema-
tik den erfreulichen Schatz von Wahrheiten ge-
währt, iſt der Raum und das Eins. Der Raum
iſt das Daſeyn, worin der Begriff ſeine Unter-
ſcheide einſchreibt, als in ein leeres, todtes
Element, worin ſie ebenſo unbewegt und leblos
ſind. Das Wirkliche iſt nicht ein Räumliches,
wie es in der Mathematik betrachtet wird; mit
ſolcher Unwirklichkeit, als die Dinge der Ma-
thematik ſind, gibt ſich weder das concrete ſinn-
liche Anſchauen, noch die Philoſophie ab. In
ſolchem unwirklichen Elemente gibt es denn
auch nur unwirkliches Wahres, d. h. fixirte,
todte Sätze; bey jedem derſelben kann aufge-
hört werden; der folgende fängt für ſich von
[LIII] neuem an, ohne daſs der erſte ſich ſelbſt zum
andern fortbewegte und ohne daſs auf dieſe
Weiſe ein nothwendiger Zuſammenhang durch
die Natur der Sache ſelbſt entſtünde. — Auch
läufft um jenes Princips und Elements willen —
und hierin beſteht das formelle der mathema-
tiſchen Evidenz — das Wiſſen an der Linie
der Gleichheit fort. Denn das todte, weil es
ſich nicht ſelbſt bewegt, kommt nicht zu Unter-
ſchieden des Weſens, nicht zur weſentlichen
Entgegenſetzung oder Ungleichheit, daher nicht
zum Uebergange des Entgegengeſetzten in das
Entgegengeſetzte, nicht zur qualitativen, im-
manenten, nicht zur Selbſtbewegung. Denn es
iſt die Gröſſe, der unweſentliche Unterſchied,
den die Mathematik allein betrachtet. Daſs es
der Begriff iſt, der den Raum in ſeine Dimen-
ſionen entzweyt, und die Verbindungen derſel-
ben und in denſelben beſtimmt, davon abſtra-
hirt ſie; ſie betrachtet z. B. nicht das Verhält-
niſs der Linie zur Fläche; und wo ſie den
Durchmeſſer des Kreiſes mit der Peripherie
vergleicht, ſtöſst ſie auf die Incommenſurabili-
tät derſelben, d. h. ein Verhältniſs des Begriffs,
ein Unendliches, das ihrer Beſtimmung entflieht.


Die immanente, ſogenannte reine Mathe-
matik ſtellt auch nicht die Zeit als Zeit dem
[LIV] Raume gegenüber, als den zweyten Stoff ihrer
Betrachtung. Die angewandte handelt wohl
von ihr, wie von der Bewegung, auch ſonſt
andern wirklichen Dingen, ſie nimmt aber die
ſynthetiſchen, d. h. Sätze ihrer Verhältniſſe,
die durch ihren Begriff beſtimmt ſind, aus der
Erfahrung auf, und wendet nur auf dieſe Vor-
ausſetzungen ihre Formeln an. Daſs die ſoge-
nannten Beweiſe ſolcher Sätze, als der vom
Gleichgewichte des Hebels, dem Verhältniſſe
des Raums und der Zeit in der Bewegung des
Fallens u. ſ. f. welche ſie häuffig gibt, für Be-
weiſe gegeben und angenommen werden, iſt
ſelbſt nur ein Beweis, wie groſs das Bedürfniſs
des Beweiſens für das Erkennen iſt, weil es,
wo es nicht mehr hat, auch den leeren Schein
deſſelben achtet und eine Zufriedenheit dadurch
gewinnt. Eine Kritik jener Beweife würde eben
ſo merkwürdig als belehrend ſeyn, um die Ma-
thematik theils von dieſem falſchen Putze zu
reinigen, theils ihre Gräntze zu zeigen, und
daraus die Nothwendigkeit eines andern Wiſ-
ſens. — Was die Zeit betrifft, von der man
meynen ſollte, daſs ſie, zum Gegenſtücke gegen
den Raum, den Stoff des andern Theils der rei-
nen Mathematik ausmachen würde, ſo iſt ſie
der daſeyende Begriff ſelbſt. Das Princip der
[LV]Gröſe, des begreiffloſen Unterſchiedes, und das
Princip der Gleichheit, der abſtracten unleben-
digen Einheit, vermag es nicht, ſich mit jener
reinen Unruhe des Lebens und abſoluten Un-
terſcheidung zu befaſſen. Dieſe Negativität wird
daher, nur als paralyſirt, nemlich als das Eins
zum zweyten Stoffe dieſes Erkennens, das, ein
äuſſerliches Thun, das ſich ſelbſtbewegende zum
Stoffe herabſetzt, um nun an ihm einen gleich-
gültigen, äuſſerlichen unlebendigen Inhalt zu
haben.


Die Philoſophie dagegen betrachtet nicht
unweſentliche Beſtimmung, ſondern ſie in ſofern
ſie weſentliche iſt; nicht das Abſtracte oder Un-
wirkliche iſt ihr Element und Inhalt, ſondern
das Wirkliche, ſich ſelbſt ſetzende und in ſich
lebende, das Daſeyn in ſeinem Begriffe. Es
iſt der Proceſs, der ſich ſeine Momente erzeugt
und durchläufft, und dieſe ganze Bewegung
macht das Poſitive und ſeine Wahrheit aus.
Dieſe ſchlieſst alſo ebenſoſehr das Negative in
ſich, dasjenige, was das Falſche genannt wer-
den würde, wenn es als ein ſolches betrach-
tet werden könnte, von dem zu abſtrahiren ſey.
Das Verſchwindende iſt vielmehr ſelbſt als we-
ſentlich zu betrachten, nicht in der Beſtimmung
eines Feſten, das vom Wahren abgeſchnitten,
[LVI] auſſer ihm, man weiſs nicht wo, liegen zu laſ-
ſen ſey, ſo wie auch das Wahre nicht als das
auf der andern Seite ruhende, todte Poſitive.
Die Erſcheinung iſt das Entſtehen und Verge-
hen, das ſelbſt nicht entſteht und vergeht, ſon-
dern an ſich iſt, und die Wirklichkeit und Be-
wegung des Lebens der Wahrheit ausmacht.
Das Wahre iſt ſo der bachantiſche Taumel, an
dem kein Glied nicht trunken iſt, und weil je-
des, indem es ſich abſondert, ebenſo unmittel-
bar auflöſst, — iſt er ebenſo die durchſichtige
und einfache Ruhe. In dem Gerichte jener
Bewegung beſtehen zwar die einzemen Geſtal-
ten des Geiſtes, wie die beſtimmten Gedanken
nicht, aber ſie ſind ſoſehr auch poſitive noth-
wendige Momente, als ſie negativ und ver-
ſchwindend ſind. — In dem Ganzen der Bewe-
gung, es als Ruhe aufgefaſst, iſt dasjenige,
was ſich in ihr unterſcheidot und beſonderes
Daſeyn gibt, als ein ſolches, das ſich erinnert,
aufbewahrt, deſſen Daſeyn das Wiſſen von ſich
ſelbſt iſt, wie dieſes ebenſo unmittelbar Da-
ſeyn iſt.


Von der Methode dieſer Bewegung oder der
Wiſſenſchaft könnte es nöthig ſcheinen, voraus
das Mehrere anzugeben. Ihr Begriff liegt aber
ſchon in dem Geſagten, und ihre eigentliche
[LVII] Darſtellung gehört der Logik an oder iſt viel-
mehr dieſe ſelbſt. Denn die Methode iſt nichts
anderes als der Bau des Ganzen in ſeiner rei-
nen Weſenheit aufgeſtellt. Von dem hierüber
bisher gangbaren aber müſſen wir das Bewuſst-
ſeyn haben, daſs auch das Syſtem der ſich auf
das, was philoſophiſche Methode iſt, bezie-
henden Vorſtellungen, einer verſchollenen Bil-
dung angehören. — Wenn diſs etwa renommi-
ſtiſch oder revolutionär lauten ſollte, von wel-
chem Tone ich mich entfernt weiſs, ſo iſt zu
bedenken, daſs der wiſſenſchaftliche Staat, den
die Mathematik herlieh, — von Erklärungen,
Eintheilungen, Axiomen, Reihen von Theore-
men, ihren Beweiſen, Grundſätzen und dem
Folgern und Schlieſſen aus ihnen, — ſchon in
der Meynung ſelbſt wenigſtens veraltet iſt. Wenn
auch ſeine Untauglichkeit nicht deutlich einge-
ſehen wird, ſo wird doch kein oder wenig Ge-
brauch mehr davon gemacht, und wenn er nicht
an ſich gemisbilligt wird, doch nicht geliebt.
Und wir müſſen das Vorurtheil für das Vor-
treffliche haben, daſs es ſich in den Gebrauch
ſetze, und beliebt mache. Es iſt aber nicht
ſchwer einzuſehen, daſs die Manier, einen Satz
aufzuſtellen, Gründe für ihn anzuführen, und
den entgegengeſetzten durch Gründe ebenſo zu
[LVIII] widerlegen, nicht die Form iſt, in der die
Wahrheit auftreten kann. Die Wahrheit iſt
die Bewegung ihrer an ihr ſelbſt, jene Metho-
de aber iſt das Erkennen, das dem Stoffe äuſ-
ſerlich iſt. Darum iſt ſie der Mathematik,
die, wie bemerkt, das begriffsloſe Verhältniſs
der Gröſse zu ihrem Princip, und den todten
Raum, wie das ebenſo todte Eins, zu ihrem
Stoffe hat, eigenthümlich und muſs ihr gelaſſen
werden. Auch mag ſie in freyerer Manier, das
heiſst, mehr mit Willkühr und Zuſälligkeit ge-
miſcht, im gemeinem Leben, in einer Conver-
ſation oder hiſtoriſchen Belehrung mehr der
Neugierde, als der Erkenntniſs, wie ungefähr
auch eine Vorrede iſt, bleiben. Im gemeinen
Leben hat das Bewuſstſeyn Kenntniſſe, Er-
fahrungen, ſinnliche Concretionen, auch Ge-
danken, Grundsätze, überhaupt ſolches zu ſei-
nem Inhalte, das als ein Vorhandenes oder als
ein feſtes ruhendes Seyn oder Weſen gilt. Es
läufft theils daran fort, theils unterbricht es
den Zuſammenhang durch die freye Willkühr
über ſolchen Inhalt, und verhält ſich als ein
äuſſerliches Beſtimmen und Handhaben deſſel-
ben. Es führt ihn auf irgend etwas gewiſſes,
ſey es auch nur die Empfindung des Augen-
blicks, zurück, und die Ueberzeugung iſt be-
[LIX] friedigt, wenn ſie auf einem ihr bekannten
Ruhepunkte angelangt iſt.


Wenn aber die Nothwendigkeit des Be-
griffs den loſern Gang der räſonnirenden Con-
verſation, wie den ſteifern des wiſſenſchafftli-
chen Gepränges verbannt, ſo iſt ſchon oben
erinnert worden, daſs ſeine Stelle nicht durch
die Unmethode des Ahndens und der Begeiſte-
rung und die Willkühr des prophetiſchen Re-
dens erſetzt werden ſoll, welches nicht jene
Wiſſenſchafftlichkeit nur, ſondern die Wiſſen-
ſchafftlichkeit überhaupt verachtet.


Ehenſowenig iſt, nachdem die kantiſche,
noch erſt durch den Inſtinct wiedergeſunden,
noch todte, noch unbegriffne Triplicität zu ih-
rer abſoluten Bedeutung erhoben, damit die
wahrhaffte Form in ihrem wahrhafften Inhalte
zugleich aufgeſtellt und der Begriff der Wiſſen-
ſchaft hervorgegangen iſt, — derjenige Gebrauch
dieſer Form für etwas wiſſenſchafftliches zu hal-
ten, durch den wir ſie zum lebloſen Schema,
zu einem eigentlichen Schemen, und die wiſ-
ſenſchafftliche Organiſation zur Tabelle herab-
gebracht ſehen. — Dieſer Formalismus, von
dem oben ſchon im Allgemeinen geſprochen,
und deſſen Manier wir hier näher angeben
wollen, meynt die Natur und das Leben einer
[LX] Geſtalt begriffen und ausgeſprochen zu haben,
wenn er von ihr eine Beſtimmung des Sche-
ma’s als Prädicat ausgeſagt, — es ſey die Sub-
jectivität, oder Objectivität, oder auch der
Magnetismus, die Electricität und ſo fort, die
Contraction, oder Expanſion, den Oſten oder
Weſten und dergleichen, was ſich ins unend-
liche vervielfältigen läſst, weil nach dieſer Weiſe
jede Beſtimmung oder Geſtalt bey der andern
wieder als Form oder Moment des Schema’s
gebraucht werden, und jede dankbar der an-
dern denſelben Dienſt leiſten kann; — ein Cir-
kel von Gegenſeitigkeit, wodurch man nicht er-
fährt, was die Sache ſelbſt, weder was die eine
noch die andre iſt. Es werden dabey theils
ſinnliche Beſtimmungen aus der gemeinen An-
ſchauung aufgenommen, die freylich etwas an-
deres bedeuten ſollen, als ſie ſagen, theils wird
das an ſich bedeutende, die reinen Beſtimmun-
gen des Gedankens, wie Subject, Object, Sub-
ſtanz, Urſache, das Allgemeine u. ſ. f. gerade
ſo unbeſehen und unkritiſch gebraucht wie im
gemeinen Leben und wie Stärken und Schwä-
chen, Expanſion und Contraction; ſo daſs jene
Metaphyſik ſo unwiſſenſchaftlich iſt, als dieſe
ſinnlichen Vorſtellungen.


[LXI]

Statt des innern Lebens und der Selbſtbe-
wegung ſeines Daſeyns wird nun eine ſolche ein-
fache Beſtimmtheit von der Anſchauung, das
heiſst hier, dem ſinnlichen Wiſſen, nach einer
oberflächlichen Analogie ausgeſprochen und die-
ſe äuſſerliche und leere Anwendung der For-
mel die Conſtruction genannt. — Es iſt mit ſol-
chem Formalismus derſelbe Fall, als mit jedem.
Wie ſtumpf müſste der Kopf ſeyn, dem nicht
in einer Viertelſtunde die Theorie, daſs es aſt-
heniſche, ſtheniſche und indirectaſtheniſche
Krankheiten, und ebenſo viele Heilplane gebe,
beygebracht, und der nicht, da ein ſolcher Un-
terricht noch vor kurzem dazu hinreichte, aus
einem Routinier in dieſer kleinen Zeit in einen
theoretiſchen Arzt verwandelt werden zu können?
Wenn der naturphiloſophiſche Formalismus et-
wa lehrt, der Verſtand ſey die Electricität oder
das Thier ſey der Stikſtoff, oder auch gleich
dem Süd oder Nord und ſo fort, oder repre-
ſentire ihn, ſo nakt wie es hier ausgedrückt
iſt oder auch mit mehr Terminologie zuſam-
mengebraut, ſo mag über ſolche Krafft, die das
weit entlegen ſcheinende zuſammengreifft, und
über die Gewalt, die das ruhende Sinnliche
durch dieſe Verbindung erleidet, und die ihm
dadurch den Schein eines Begriffes ertheilt, die
[LXII] Hauptſache aber, den Begriff ſelbſt oder die
Bedeutung der ſinnlichen Vorſtellung auszuſpre-
chen erſpart, — es mag hierüber die Uner-
fahrenheit in ein bewunderndes Staunen gera-
then, darin eine tiefe Genialität verehren; ſo
wie an der Heiterkeit ſolcher Beſtimmungen,
da ſie den abſtracten Begriff durch Anſchauli-
ches erſetzen und erfreulicher machen, ſich er-
götzen, und ſich ſelbſt zu der geahndeten See-
lenverwandſchafft mit ſolchem herrlichem Thun
glückwünſchen. Der Pfiff einer ſolchen Weis-
heit iſt ſobald erlernt, als es leicht iſt, ihn
auszuüben; ſeine Wiederhohlung wird, wenn er
bekannt iſt, ſo unerträglich als die Wiederhoh-
lung einer eingeſehenen Taſchenſpielerkunſt.
Das Inſtrument dieſes gleichtönigen Formalis-
mus iſt nicht ſchwerer zu handhaben, als die
Palette eines Mahlers, auf der ſich nur zwey
Farben befinden würden, etwa Roth und Grün,
um mit jener eine Fläche anzufärben, wenn ein
hiſtoriſches Stück, mit dieſer, wenn eine Land-
ſchaft verlangt wäre. — Es würde ſchwer zu
entſcheiden ſeyn, was dabey gröſſer iſt, die
Behaglichkeit, mit der alles, was im Himmel,
auf Erden und unter der Erden iſt, mit ſol-
cher Farbenbrühe angetüncht wird, oder die
Einbildung auf die Vortrefflichkeit dieſes Uni-
[LXIII] verſalmittels; die eine unterſtützt die andere.
Was dieſe Methode, allem himmliſchen und
irrdiſchen, allen natürlichen und geiſtigen Ge-
ſtalten die paar Beſtimmungen des allgemeinen
Schema’s aufzukleben, und auf dieſe Weiſe Al-
les einzurangiren, hervorbringt, iſt nichts gerin-
geres, als ein ſonnenklarer Bericht über den
Organismus des Univerſums, nemlich eine Ta-
belle, die einem Skelette mit angeklebten Zet-
telchen oder den Reihen verſchloſſner Büchſen
mit ihren aufgeheſteten Etiketten in einer Ge-
würzkrämerbude gleicht, die ſo deutlich als das
eine und das andre iſt, und wie dort von den
Knochen Fleiſch und Blut weggenommen, hier
aber die eben auch nicht lebendige Sache in
den Büchſen verborgen iſt, auch das lebendige
Weſen der Sache weggelaſſen oder verborgen
hat. — Daſs ſich dieſe Manier zugleich zur
einfärbigen abſoluten Mahlerey vollendet, in-
dem ſie auch, der Unterſchiede des Schema’s
ſich ſchämend, ſie als der Reflexion angehörig
in der Leerheit des Abſoluten verſenkt, auf daſs
die reine Identität, das formloſe Weiſse herge-
ſtellt werde, iſt oben ſchon bemerkt worden. Jene
Gleichfärbigkeit des Schema’s und ſeiner leblo-
ſen Beſtimmungen, und dieſe abſolute Identi-
tät, und das Uebergehen von einem zum an-
[LXIV] dern, iſt eines gleich todter Verſtand, als das
andere, und gleich äuſſerliches Erkennen.


Das Vortreffliche kann aber dem Schick-
ſale nicht nur nicht entgehen, ſo entlebt, und
entgeiſtet zu werden, und ſo geſchunden ſeine
Haut vom lebloſen Wiſſen und deſſen Eitelkeit
umgenommen zu ſehen. Vielmehr iſt noch in
dieſem Schickſale ſelbſt die Gewalt, welche es
auf die Gemüther, wenn nicht auf Geiſter, aus-
übt, zu erkennen, ſo wie die Herausbildung
zur Allgemeinheit und Beſtimmtheit der Form,
in der ſeine Vollendung beſteht, und die es
allein möglich macht, daſs dieſe Allgemeinheit
zur Oberflächlichkeit gebraucht wird.


Die Wiſſenſchafft darf ſich nur durch das
eigne Leben des Begriffs organiſiren; in ihr iſt
die Beſtimmtheit, welche aus dem Schema äuſ-
ſerlich dem Daſeyn aufgeklebt wird, die ſich
ſelbſt bewegende Seele des erfüllten Inhalts.
Die Bewegung des Seyenden iſt, ſich eines-
theils ein Anders und ſo zu ſeinem immanen-
ten Inhalte zu werden; anderntheils nimmt es
dieſe Entfaltung oder diſs ſein Daſeyn in ſich
zurück, das heiſst, macht ſich ſelbſt zu einem
Momente und vereinfacht ſich zur Beſtimmtheit.
In jener Bewegung iſt die Negativität das Un-
terſcheiden und das Setzen des Daſeyns; in
die-
[LXV] dieſem Zurückgehen in ſich iſt ſie das Werden
der bestimmten Einfachheit. Auf dieſe Weiſe
ist es, daſs der Inhalt ſeine Beſtimmtheit nicht
von einem andern empfangen und aufgehefftet
zeigt, ſondern er gibt ſie ſich ſelbſt, und ran-
girt ſich aus ſich zum Momente und zu einer
Stelle des Ganzen. Der tabellariſche Verſtand
behält für ſich die Nothwendigkeit und den Be-
griff des Inhalts, das, was das Concrete, die
Wirklichkeit und lebendige Bewegung der Sache
ausmacht, die er rangirt, oder vielmehr behält
er diſs nicht für ſich, ſondern kennt es nicht;
denn wenn er dieſe Einſicht hätte, würde er
ſie wohl zeigen. Er kennt nicht einmal das
Bedürfniſs derſelben; ſonſt würde er ſein Sche-
matiſiren unterlaſſen oder wenigſtens ſich nicht
mehr damit wiſſen, als mit einer Inhaltsan-
zeige; er gibt nur die Inhaltsanzeige, den
Inhalt ſelbſt aber liefert er nicht. — Wenn die
Beſtimmtheit auch eine ſolche, wie zum Bey-
ſpiel Magnetismns, eine an ſich concrete oder
wirkliche iſt, ſo iſt ſie doch zu etwas todtem
herabgeſunken, da ſie von einem andern Da-
ſeyn nur prädicirt, und nicht als immanentes
Leben dieſes Daſeyns, oder wie ſie in dieſem
ihre einheimiſche und eigenthümliche Selbſter-
zeugung und Darſtellung hat, erkannt iſt. Dieſe
*****
[LXVI] Hauptſache hinzuzufügen überläſst der formelle
Verſtand den Andern. — Statt in den imma-
nenten Inhalt der Sache einzugehen, überſieht
er immer das Ganze, und ſteht über dem ein-
zelnen Daſeyn, von dem er ſpricht, das heiſst,
er ſieht es gar nicht. Das wiſſenſchafftliche
Erkennen erfodert aber vielmehr, ſich dem
Leben des Gegenſtandes zu übergeben, oder
was daſſelbe iſt, die innere Nothwendigkeit deſ-
ſelben vor ſich zu haben und auszuſprechen.
Sich ſo in ſeinen Gegenſtand vertieffend, ver-
giſst es jener Ueberſicht, welche nur die Re-
flexion des Wiſſens aus dem Inhalte in ſich
ſelbſt iſt. Aber in die Materie verſenkt und in
deren Bewegung fortgehend, kommt es in ſich
ſelbſt zurück, aber nicht eher als darin daſs
die Erfüllung oder der Inhalt ſich in ſich zu-
rücknimmt, zur Beſtimmtheit vereinfacht, ſich
ſelbſt zu Einer Seite eines Daſeyns herabſetzt,
und in ſeine höhere Wahrheit übergeht. Da-
durch emergirt das einfache ſich überſehende
Ganze ſelbſt aus dem Reichthume, worin ſei-
ne Reflexion verloren ſchien.


Dadurch überhaupt, daſs wie es oben aus-
gedrückt wurde, die Subſtanz an ihr ſelbſt Sub-
ject iſt, iſt aller Inhalt ſeine eigene Reflexion
in ſich. Das Beſtehen oder die Subſtanz eines
[LXVII] Daſeyns iſt die Sichſelbſtgleichheit; denn ſeine
Ungleichheit mit ſich wäre ſeine Auflöſung.
Die Sichſelbſtgleichheit aber iſt die reine Ab-
ſtraction; dieſe aber iſt das Denken. Wenn
ich ſage Qualität, ſage ich die einfache Be-
ſtimmtheit; durch die Qualität iſt ein Daſeyn
von einem andern unterſchieden, oder iſt ein
Daſeyn; es iſt für ſich ſelbſt, oder es beſteht
durch dieſe Einfachheit mit ſich. Aber dadurch
iſt es weſentlich der Gedanke. — Hierin iſt es
begriffen, daſs das Seyn Denken iſt; hierein fällt
die Einſicht, die dem gewöhnlichen begriffloſen
Sprechen von der Identität des Denkens und
Seyns abzugehen pflegt. — Dadurch nun, daſs
das Beſtehen des Daſeyns die Sichſelbſtgleich-
heit oder die reine Abſtraction iſt, iſt es die
Abſtraction ſeiner von sich ſelbſt, oder es ist
ſelbſt ſeine Ungleichheit mit sich und ſeine Auf-
lösung, — ſeine eigne Innerlichkeit und Zurück-
nahme in sich, — ſein Werden. — Durch dieſe
Natur des Seyenden und inſofern das Seyende
dieſe Natur für das Wiſſen hat, iſt dieſes nicht
die Thätigkeit, die den Inhalt als ein Fremdes
handhabt, nicht die Reflexion in sich aus dem
Inhalte heraus; die Wiſſenſchaft ist nicht jener
Idealismus, der an an die Stelle des behaupten-
den
Dogmatismus als ein verſichernder Dogma-
[LXVIII] tismus
oder der Dogmatismus der Gewiſsheit
ſeiner ſelbſt
trat, — ſondern indem das Wiſſen
den Inhalt in ſeine eigne Innerlichkeit zurück-
gehen ſieht, ist ſeine Thätigkeit vielmehr ſo-
wohl verſenkt in ihn, denn sie ist das imma-
nente Selbſt des Inhalts, als zugleich in sich
zurückgekehrt, denn sie ist die reine Sichſelbſt-
gleichheit im Andersſeyn; ſo ist sie die List,
die der Thätigkeit sich zu enthalten ſeheinend,
zuſieht, wie die Beſtimmtheit und ihr conere-
tes Leben, darin eben daſs es ſeine Selbſterhal-
tung und beſonderes Intereſſe zu treiben ver-
meynt, das Verkehrte, sich ſelbst auflöſendes und
zum Momente des Ganzen machendes Thun ist.


Wenn oben die Bedeutung des Verſtandes
nach der Seite des Selbstbewuſstseyns der Sub-
stanz angegeben wurde, ſo erhellt aus dem hier
geſagten ſeine Bedeutung nach der Beſtimmung
derſelben als Seyender. — Das Daſeyn ist Qua-
lität, sich ſelbſt gleiche Bestimmtheit oder be-
ſtimmte Einfachheit, beſtimmter Gedanke; diſs
ist der Verſtand des Daſeyns. Dadurch ist es
Nus, als für welchen Anaxagoras zuerſt das
Weſen erkannte. Die nach ihm, begriffen be-
ſtimmter die Natur des Daſeyns als Eidos
oder Idea; das Leiſst, beſtimmte Allgemeinheit,
Art
. Der Ausdruck Art ſcheint etwa zu gemein
[LXIX] und zu wenig für die Ideen, für das Schöne
und Heilige und Ewige zu ſeyn, die zu dieſer
Zeit graſsiren. Aber in der That drückt die
Idee nicht mehr noch weniger aus, als Art. Al-
lein wir ſehen itzt oft einen Ausdruck, der ei-
nen Begriff beſtimmt bezeichnet, verſchmäht und
einen andern vorgezogen, der, wenn es auch
nur darum ist, weil er einer fremden Sprache
angehört, den Begriff in Nebel einhüllt, und
damit erbaulicher lautet. — Eben darin daſs
das Daſeyn, als Art beſtimmt ist, ist es einfa-
cher Gedanke; der Nus, die Einfachheit ist die
Subſtanz. Um ihrer Einfachheit oder Sichſelbſt-
gleichheit willen erſcheint sie als feſt und blei-
bend. Aber dieſe Sichſelbſtgleichheit ist eben-
ſo Negativität; dadurch geht jenes feſte Daſeyn
in ſeine Auflöſung über. Die Beſtimmtheit
ſcheint zuerſt es nur dadurch zu ſeyn, daſs sie
sich auf Andres bezieht, und ihre Bewegung ihr
durch eine fremde Gewalt angethan zu werden;
aber daſs sie ihr Andersſeyn ſelbſt an ihr hat und
Selbſtbewegung ist, diſs ist eben in jener Einfach-
heit
des Denkens ſelbſt enthalten; denn dieſe ist
der sich ſelbst bewegende und unterſcheidende Ge-
danke, und die eigene Innerlichkeit, der reine
Begriff. So ist also die Verſtändigkeit ein Wer-
den, und als diſs Werden ist sie die Vernünftigkeit.


[LXX]

In dieſer Natur deſſen, was ist, in seinem
Seyn ſein Begriff zu ſeyn, ist es, daſs über-
haupt die logiſche Nothwendigkeit beſteht; sie
allein ist das vernünftige und der Rythmus des
organischen Ganzen, sie ist eben so sehr Wiſſen
des Inhalts, als der Inhalt Begriff und Wesen
ist, — oder sie allein ist das Speculative. —
Die concrete Gestalt sich selbst bewegend macht
sich zur einfachen Bestimmtheit, damit erhebt
sie sich zur logischen Form und ist in ihrer
Wesentlichkeit; ihr concretes Daseyn ist nur
diese Bewegung und ist unmittelbar logisches
Daseyn. Es ist darum unnöthig, dem concre-
ten Inhalt den Formalismus äuſserlich anzu-
thun; jener ist an ihm selbst das Uebergehen
in diesen, der aber aufhört, dieser äuſserliche
Formalismus zu seyn, weil die Form das ein-
heimische Werden des concreten Inhalts selbst ist.


Diese Natur der wiſſenschafftlichen Metho-
de, theils von dem Inhalte ungetrennt zu seyn,
theils sich durch sich selbst ihren Rythmus zu
bestimmen, hat, wie schon erinnert, in der ſpe-
culativen Philosophie ihre eigentliche Darstel-
lung. — Das hier gesagte drückt zwar den Be-
griff aus, kann aber für nicht mehr als für eine
anticipirte Versicherung gelten. Ihre Wahrheit
liegt nicht in dieser zum theils erzählenden Ex-
[LXXI] position; und ist darum auch eben so wenig
widerlegt, wenn dagegen versichert wird, dem
sey nicht so, sondern es verhalte sich damit so
und so, wenn gewohnte Vorstellungen, als aus-
gemachte und bekannte Wahrheiten in Erinn-
rung gebracht und hererzählt, oder auch aus
dem Schreine des innern göttlichen Ansehauens
Neues aufgetischt und versichert wird. — Eine
solche Aufnahme pflegt die erste Reaction des
Wiſſens, dem etwas unbekannt war, dagegen
zu seyn, um die Freyheit und eigne Einsicht,
die eigne Autorität gegen die fremde, denn un-
ter dieser Gestalt erscheint das itzt zuerst auf-
genommene, zu retten, — auch um den Schein
und die Art von Schande, die darin liegen soll,
daſs etwas gelernt worden sey, wegzuschaffen,
so wie bey der Beyfall gebenden Annahme des
Unbekannten die Reaction derselben Art in dem
besteht, was in einer andren Sphäre das ultra-
revolutionäre Reden und Handeln war.


Worauf es deswegen bey dem Studium der
Wiſſenschaft ankommt, ist die Anstrengung des
Begriffs auf sich zu nehmen. Sie erfodert die
Aufmersamkeit auf ihn als solchen, auf die ein-
fachen Bestimmungen, zum Beyſpiel, des An-
ſichseyns
, des Fürſichseyns, der Sichselbſtgleich-
heit
, und sofort; denn diese sind solche reine
[LXXII] Selbstbewegungen, die man Seelen nennen könn-
te, wenn nicht ihr Begriff etwas höheres be-
zeichnete als diese. Der Gewohnheit an Vor-
stellungen fortzulauffen, ist die Unterbrechung
derselben durch den Begriff eben so lästig, als
dem formalen Denken, das in unwirklichen Ge-
danken hin und her räſonnirt. Jene Gewohn-
heit ist ein materielles Denken zu nennen, ein
zufälliges Bewuſstseyn, das in den Stoff nur
versenkt ist, welchem es daher sauer ankömmt,
aus der Materie zugleich sein Selbst rein her-
auszuheben und bey sich zu seyn. Das andere,
das Räsonniren, hingegen ist die Freyheit von
dem Inhalt, und die Eitelkeit über ihn; ihr
wird die Anstrengung zugemuthet, diese Frey-
heit aufzugeben, und statt das willkührlich be-
wegende Princip des Inhalts zu seyn, diese
Freyheit in ihn zu versenken, ihn durch seine
eigne Natur, das heiſst, durch das Selbst als
das seinige, sich bewegen zu laſſen, und diese
Bewegung zu betrachten. Sich des eignen Ein-
fallens in den immanenten Rythmus der Be-
griffe entschlagen, in ihn nicht durch die Will-
kühr und sonst erworbene Weisheit eingreif-
fen, diese Enthaltsamkeit ist selbst ein wesent-
liches Moment der Aufmerksamkeit auf den
Begriff.


[LXXIII]

Es sind an dem räsonnirenden Verhalten
die beyden Seiten bemerklicher zu machen,
nach welchen das begreiffende Denken ihm ent-
gegengesetzt ist. — Theils verhält sich jenes
negativ gegen den aufgefaſsten Inhalt, weiſs ihn
zu widerlegen und zu nichte zu machen. Daſs
dem nicht so sey, diese Einsicht ist das bloſs
Negative, es ist das Letzte, das nicht selbst
über sich hinaus zu einem neuen Inhalt geht,
sondern um wieder einen Inhalt zu haben, muſs
etwas Anderes irgendwoher vorgenommen
werden. Es ist die Reflexion in das leere
Ich, die Eitelkeit seines Wiſſens. — Dieſe
Eitelkeit drückt aber nicht nur diſs aus, daſs
dieser Inhalt eitel, sondern auch, daſs diese
Einsicht selbst es ist; denn sie ist das Negative,
das nicht das positive in sich erblickt. Da-
durch daſs diese Reflexion ihre Negativität
selbst nicht zum Inhalte gewinnt, ist sie über-
haupt nicht in der Sache, ſondern immer dar-
über hinaus; sie bildet sich deſswegen ein, mit
der Behauptung der Leere immer weiter zu
seyn, als eine inhaltsreiche Einsicht. Dagegen,
wie vorhin gezeigt, gehört im begreiffenden
Denken das Negative dem Inhalte selbst an,
und ist sowohl als seine immanente Bewegung
und Bestimmung, wie als Ganzes derselben das
[LXXIV]Poſitive. Als Resultat aufgefaſst, ist es das aus
dieser Bewegung herkommende, das beſtimmte Ne-
gative, und hiemit ebenso ein positiver Inhalt.


In Ansehung deſſen aber, daſs solches Den-
ken einen Inhalt hat, es sey der Vorstellungen
oder Gedanken, oder der Vermischung beyder,
hat es eine andre Seite, die ihm das Begreif-
fen erschwert. Die merkwürdige Natur der-
selben hängt mit dem oben angegebenen We-
sen der Idee selbst enge zusammen, oder drückt
sie vielmehr aus, wie sie als die Bewegung er-
scheint, die denkendes Auffaſſen ist. — Wie
nemlich in seinem negativen Verhalten, wovon
so eben die Rede war, das räsonnirende Denken
selber das Selbst ist, in das der Inhalt zurück-
geht, so ist dagegegen in seinem positiven Er-
kennen das Selbst ein vorgestelltes Subject,
worauf sich der Inhalt als Accidens und Prä-
dicat bezieht. Diſs Subject macht die Basis
aus, an die er geknüpft wird, und auf der
die Bewegung hin und wieder läufft. Anders
verhält es sich im begreiffenden Denken. In-
dem der Begriff das eigene Selbst des Gegen-
standes ist, das sich als ſein Werden darstellt,
ist es nicht ein ruhendes Subject, das unbe-
wegt die Accidenzen trägt, sondern der sich
bewegende und seine Bestimmungen in sich zu-
[LXXV] rücknehmende Begriff. In dieser Bewegung
geht jenes ruhende Subject selbst zu Grunde;
es geht in die Unterschiede und Inhalt ein,
und macht vielmehr die Bestimmtheit, das
heiſst, den unterschiednen Inhalt wie die Be-
wegung deſſelben aus, statt ihr gegenüberstehen
zu bleiben. Der feste Boden, den das Räson-
niren an dem ruhenden Subjecte hat, ſchwankt
also, und nur diese Bewegung selbst wird der
Gegenstand. Das Subject, das seinen Inhalt
erfüllt, hört auf, über dieſen hinaus zu gehen,
und kann nicht noch andre Prädicate oder Ac-
cidenzen haben. Die Zerstreutheit des Inhalts
ist umgekehrt dadurch unter das Selbst gebun-
den; es ist nicht das allgemeine, das frey vom
Subjecte mehrern zukäme. Der Inhalt ist so-
mit in der That nicht mehr Prädicat des Sub-
jects, sondern ist die Substanz, ist das Wesen
und der Begriff deſſen, wovon die Rede ist.
Das vorstellende Denken, da seine Natur ist,
an den Accidenzen oder Prädicaten fortzulauf-
fen, und mit Recht, weil sie nicht mehr als
Prädicate und Accidenzen sind, über sie hin-
auszugehen, wird, indem das, was im Satze
die Form eines Prädicats hat, die Substanz
selbst ist, in seinem Fortlauffen gehemmt. Es
erleidet, es so vorzustellen, einen Gegenstoſs.
[LXXVI] Vom Subjecte anfangend, als ob dieses zum
Grunde liegen bliebe, findet es, indem das Prä-
dicat vielmehr die Substanz ist, das Subject
zum Prädicat übergegangen und hiemit aufge-
hoben; und indem so das, was Prädicat zu
seyn scheint, zur ganzen und selbstständigen
Maſſe geworden, kann das Denken nicht frey
herumirren, sondern ist durch diese Schwere
aufgehalten. — Sonst ist zuerst das Subject als
das gegenſtändliche fixe Selbst zu Grunde ge-
legt; von hier aus geht die nothwendige Bewe-
gung zur Mannichfaltigkeit der Bestimmungen
oder der Prädicate fort; hier tritt an die Stelle
jenes Subjects das wiſſende Ich selbst ein, und
ist das Verknüpfen der Prädicate und das sie
haltende Subject. Indem aber jenes erste Sub-
ject in die Bestimmungen selbst eingeht und
ihre Seele ist, findet das zweyte Subject, nem-
lich das wiſſende, jenes, mit dem es schon fer-
tig seyn und worüber hinaus es in sich zu-
rückgehen will, noch im Prädicate vor, und
statt in dem Bewegen des Prädicats das Thu-
ende, als Räsonniren, ob jenem diſs oder jenes
Prädicat beyzulegen wäre, seyn zu können, hat
es vielmehr mit dem Selbst des Inhalts noch
zu thun, soll nicht für sich, sondern mit die-
sem zusammenseyn.


[LXXVII]

Formell kann das Gesagte so ausgedrückt
werden, daſs die Natur des Urtheils oder Sat-
zes überhaupt, die den Unterschied des Sub-
jects und Prädicats in sich schlieſst, durch den
speculativen Satz zerstört wird, und der iden-
tische Satz, zu dem der erstere wird, den Ge-
genstoſs zu jenem Verhältniſſe enthält. — Die-
ser Conflict der Form eines Satzes überhaupt,
und der sie zerstörenden Einheit des Begriffs ist
dem ähnlich, der im Rythmus zwischen dem
M[e]trum und dem Accente statt findet. Der
Rythmus resultirt aus der schwebenden Mitte
und Vereinigung beyder. So soll auch im philo-
sophischen Satze die Identität des Subjects und
Prädicats den Unterschied derselben, den die
Form des Satzes ausdrückt, nicht vernichten,
sondern ihre Einheit als eine Harmonie her-
vorgehen. Die Form des Satzes ist die Erschei-
nung des bestimmten Sinnes oder der Accent,
der seine Erfüllung unterscheidet; daſs aber das
Prädicat die Substanz ausdrückt, und das Sub-
ject selbst ins Allgemeine fällt, ist die Einheit,
worin jener Accent verklingt.


Um das gesagte durch Beyspiele zu erläu-
tern, so ist in dem Satz; Gott ist das Seyn, das
Prädicat das Seyn; es hat substantielle Bedeu-
tung, in der das Subject zerflieſst. Seyn soll
[LXXVIII] hier nicht Prädicat, sondern das Wesen seyn;
dadurch scheint Gott aufzuhören das zu seyn,
was er durch die Stellung des Satzes ist, nem-
lich das feſte Subject. — Das Denken, statt im
Uebergange von Subjecte zum Prädicate weiter
zu kommen, fühlt sich, da das Subject verlo-
ren geht, vielmehr gehemmt, und zu dem Ge-
danken des Subjects, weil es daſſelbe vermiſst,
zurückgeworfen; oder es findet, da das Prädi-
cat selbst als ein Subject, als das Seyn, als das
Weſen ausgesprochen ist, welches die Natur des
Subjects erschöpft, das Subject unmittelbar auch
im Prädicate; und nun statt daſs es im Prädi-
cate in sich gegangen die freye Stellung des
Räsonnirens erhielte, ist es in den Inhalt noch
vertieft oder wenigſtens ist die Foderung vor-
handen, in ihn vertieſt zu seyn. — So auch
wenn gesagt wird, das Wirkliche ist das Allge-
meine
, so vergeht das Wirkliche als Subject, in
seinem Prädicate. Das Allgemeine soll nicht
nur die Bedeutung des Prädicats haben, so daſs
der Satz diſs ausſagte, das Wirkliche ſey all-
gemein, ſondern das Allgemeine ſoll das Weſen
des Wirklichen ausdrücken. — Das Denken ver-
liert daher ſo ſehr ſeinen festen gegenständli-
chen Boden, den es am Subjecte hatte, als es
in Prädicate darauf zurückgeworfen wird, und
[LXXIX] in dieſem nicht in sich, ſondern in das Subject
des Inhalts zurückgeht.


Auf dieſem ungewohnten Hemmen beruhen
groſsen Theils die Klagen über die Unverständ-
lichkeit philoſophiſcher Schriften, wenn anders
im Individuum die ſonſtigen Bedingungen der
Bilgung, sie zu verstehen, vorhanden sind.
Wir ſehen in dem Geſagten den Grund des
ganz bestimmten Vorwurſs, der ihnen oft ge-
macht wird, daſs Mehreres erst wiederhohlt ge-
leſen werden müſſe, ehe es verstanden werden
könne; — ein Vorwurf, der etwas ungebührli-
ches und letztes enthalten ſoll, ſo daſs er, wenn
er gegründet, weiter keine Gegenrede zulaſſe. —
Es erhellt aus dem Obigen, welche Bewandniſs
es damit hat. Der philoſophiſche Satz, weil
er Satz ist, erweckt die Meynung des gewöhn-
lichen Verhältniſſes des Subjects und Prädicats,
und des gewöhnten Verhaltens des Wiſſens.
Diſs Verhalten und die Meynung deſſelben zer-
stört ſein philoſophiſcher Inhalt; die Meynung
erfährt, daſs es anders gemeynt ist, als sie
meynte, und dieſe Correction ſeiner Meynung
nöthigt das Wiſſen auf den Satz zurückzukom-
men und ihn nun anders zu faſſen.


Eine Schwierigkeit, die vermieden werden
ſollte, macht die Vermiſchung der ſpeculativen
[LXXX] und der räſonnirenden Weiſe aus, wenn ein-
mal das vom Subjecte geſagte die Bedeutung
ſeines Begriffs hat, das anderemal aber auch
nur die Bedeutung ſeines Prädicats oder Acci-
dens. — Die eine Weiſe stört die andere, und
erst diejenige philosophische Exposition würde
es erreichen, plastiſch zu ſeyn, welche strenge
die Art des gewöhnlichen Verhältniſſes der Theile
eines Satzes ausſchlöſſe.


In der That hat auch das nicht ſpeculative
Denken ſein Recht, das gültig aber in der Weiſe
des ſpeculativen Satzes nicht beachtet ist. Daſs
die Form des Satzes aufgehoben wird, muſs
nicht nur auf unmittelbare Weiſe geſchehen,
nicht durch den bloſſen Inhalt des Satzes. Son-
dern dieſe entgegengeſetzte Bewegung muſs
ausgeſprochen werden; sie muſs nicht nur jene
innerliche Hemmung, ſondern diſs Zurückgehen
des Begriffs in sich muſs dargeſtellt ſeyn. Dieſe
Bewegung, welche das ausmacht, was ſonſt der
Beweis leiſten ſollte, ist die dialektiſche Bewe-
gung des Satzes ſelbst. Sie allein ist das wirk-
liche
Speculative, und nur das Ausſprechen der-
ſelben ist ſpeculative Darſtellung. Als Satz ist
das Speculative nur die innerliche Hemmung und
die nichtdaſeyende Rückkehr des Weſens in ſich.
Wir ſehen uns daher oft von philoſophiſchen
Expo-
[LXXXI] Expofitionen an dieſes innre Anſchauen verwie-
ſen, und dadurch die Darſtellung der dialekti-
ſchen Bewegung des Satzes erſpart, die wir
verlangten. — Der Satz ſoll ausdrücken, was
das Wahre iſt, aber weſentlich iſt es Subject;
als dieſes iſt es nur die dialektiſche Bewegung,
dieſer ſich ſelbſt erzeugende, fortleitende und
in ſich zurückgehende Gang. — Bey dem ſon-
ſtigen Erkennen macht der Beweis dieſe Seite
der ausgeſprochnen Innerlichkeit aus. Nach-
dem aber die Dialektik vom Beweiſe getrennt
worden, iſt in der That der Begriff des phi-
loſophiſchen Beweiſens verloren gegangen.


Es kann hierüber erinnert werden, daſs
die dialektiſche Bewegung gleichfalls Sätze zu
ihren Theilen oder Elementen habe; die auf-
gezeigte Schwierigkeit ſcheint daher immer zu-
rückzukehren, und eine Schwierigkeit der Sache
ſelbſt zu ſeyn. — Es iſt diſs dem ähnlich,
was beym gewöhnlichen Beweiſe ſo vorkommt,
daſs die Gründe, die er gebraucht, ſelbſt wie-
der einer Begründung bedürfen, und ſo fort
ins unendliche. Dieſe Form des Begründens
und Bedingens gehört aber jenem Beweiſen,
von dem die dialektiſche Bewegung verſchieden
iſt, und ſomit dem äuſſerlichen Erkennen an
Was dieſe ſelbſt betrifft, ſo iſt ihr Element der
******
[LXXXII] reine Begriff, hiemit hat ſie einen Inhalt, der
durch und durch Subject an ihm ſelbſt iſt. Es
kommt alſo kein ſolcher Inhalt vor, der als
zum Grunde liegendes Subject ſich verhielte,
und dem ſeine Bedeutung als ein Prädicat zu-
käme; der Satz iſt unmittelbarbar eine nur leere
Form. — Auſſer dem ſinnlich angeſchauten oder
vorgeſtellten Selbſt iſt es vornemlich der Nah-
me als Nahme, der das reine Subject, das leere
begriffloſe Eins bezeichnet. Aus dieſem Grunde
kann es zum Beyſpiel dienlich ſeyn, den Nah-
men: Gott, zu vermeiden, weil diſs Wort nicht
unmittelbar zugleich Begriff, ſondern der ei-
gentliche Nahme, die feſte Ruhe des zum Grun-
de liegenden Subjects iſt. Da hingegen z. B.
das Seyn, oder das Eine, die Einzelnheit, das
Subject, ſelbſt auch, u. ſ. f. unmittelbar Begriffe
andeuten. — Wenn auch von jenem Subjecte
ſpeculative Wahrheiten geſagt werden, ſo ent-
behrt doch ihr Inhalt des immanenten Begriffs,
weil er nur als ruhendes Subject vorhanden iſt,
und ſie bekommen durch dieſen Umſtand leicht
die Form der bloſſen Erbaulichkeit. — Von
dieſer Seite wird alſo auch das Hinderniſs, das
in der Gewohnheit liegt, das ſpeculative Prä-
dicat nach der Form des Satzes, nicht als Be-
griff und Weſen zu faſſen durch die Schuld des
[LXXXIII] philoſophiſchen Vortrags ſelbſt vermehrt, und
verringert werden können. Die Darſtellung
muſs, der Einſicht in die Natur des Speculati-
ven getreu, die dialektiſche Form behalten und
nichts hereinnehmen, als in ſo fern es begriffen
wird und der Begriff iſt.


So ſehr als das räſonnirende Verhalten,
iſt dem Studium der Philoſophie die nicht rä-
ſonnirende Einbildung auf ausgemachte Wahr-
heiten hinderlich, auf welche der Beſitzer es
nicht nöthig zu haben meynt zurückzukommen,
ſondern ſie zu Grunde legt und ſie ausſprechen
zu können glaubt, ſo wie durch ſie richten und
abſprechen. Von dieſer Seite thut es beſon-
ders Noth, daſs wieder ein ernſthafftes Ge-
ſchäffte aus dem Philoſophiren gemacht werde.
Von allen Wiſſenſchaften, Künſten, Geſchick-
lichkeiten, Handwerken gilt die Ueberzeugung,
daſs, um ſie zu beſitzen, eine vielfache Be-
mühung des Erlernens und Uebens derſelben
nöthig iſt. In Anſehung der Philoſophie dage-
gen ſcheint itzt das Vorurtheil zu herrſchen,
daſs, wenn zwar jeder Augen und Finger hat,
und wenn er Leder und Werkzeug bekommt,
er darum nicht im Stande ſey, Schuhe zu ma-
chen, — jeder doch unmittelbar zu philofo-
phiren, und die Philoſophie zu beurtheilen ver-
[LXXXIV] ſtehe, weil er den Maſsſtab an ſeiner natürli-
chen Vernunft dazu beſitze, — als ob er den
Maſsſtab eines Schuhes nicht an ſeinem Fuſſe
ebenfalls beſäſſe. — Es ſcheint gerade in den
Mangel von Kenntniſſen und von Studium der
[Beſitz] der Philoſophie geſetzt zu werden, und
dieſe da aufzuhören, wo jene anfangen. Sie
wird häuffig für ein formelles inhaltsleeres Wiſ-
ſen gehalten, und es fehlt ſehr an der Einſicht,
daſs was, auch dem Inhalte nach, in irgend ei-
ner Kenntniſs und Wiſſenſchafft Wahrheit iſt,
dieſen Nahmen allein dann verdienen kann,
wenn es von der Philoſophie erzeugt worden;
daſs die andern Wiſſenſchafften, ſie mögen es
mit Räſonniren, ohne die Philoſophie, verſu-
chen, ſo viel ſie wollen, ohne ſie nicht Leben,
Geiſt, Wahrheit in ihnen zu haben vermögen.


In Anſehung der eigentlichen Philoſophie
ſehen wir für den langen Weg der Bildung,
für die eben ſo reiche als tiefe Bewegung, durch
die der Geiſt zum Wiſſen gelangt, die unmit-
telbare Offenbarung des Göttlichen und den
geſunden Menſchenverſtand, der ſich weder mit
andrem Wiſſen noch mit dem eigentlichen Phi-
loſophiren bemüht und gebildet hat, ſich un-
mittelbar als ein vollkommenes Equivalent und
ſo gutes Surrogat anſehen, als etwa die Cichorie
[LXXXV] ein Surrogat des Coſſees zu ſeyn gerühmt wird.
Es iſt nicht erfreulich, zu bemerken, daſs die
Unwiſſenheit und die form — wie geſchmackloſe
Rohheit ſelbſt, die unfähig iſt, ihr Denken auf
einen abſtracten Satz, noch weniger auf den
Zuſammenhang mehrerer feſtzuhalten, bald die
Freyheit und Toleranz des Denkens, bald aber
Genialität zu ſeyn verſichert. Die letztere,
wie itzt in der Philoſophie, graſsirte bekannt-
lich einſt ebenſo in der Poëſie; ſtatt Poëſie aber,
wenn das Produciren dieſer Genialität einen
Sinn hatte, erzeugte es triviale Proſe oder
wenn es über dieſe hinausging, verrückte Re-
den. So itzt ein natürliches Philoſophiren, das
ſich zu gut für den Begriff und durch deſſen
Mangel für ein anſchauendes und poëtiſches
Denken hält, bringt willkührliche Combinatio-
nen einer durch den Gedanken nur desorgani-
ſirten Einbildungskrafft zu Markte, — Gebilde,
die weder Fiſch noch Fleiſch, weder Poëſie
noch Philoſophie ſind.


Dagegen im ruhigern Bette des geſunden
Menſchenverſtandes fortflieſſend gibt das natür-
liche Philoſophiren eine Rhetorik trivialer
Wahrheiten zum Beſten. Wird ihm die Un-
bedeutenheit derſelben vorgehalten, ſo verſi-
chert es dagegen, daſs der Sinn und die Erfül-
[LXXXVI] lung in ſeinem Herzen vorhanden ſey, und
auch ſo bey Andern vorhanden ſeyn müſſe,
indem es überhaupt mit der Unſchuld des Her-
zens und der Reinheit des Gewiſſens und der-
gleichen, letzte Dinge geſagt zu haben meynt,
wogegen weder Einrede ſtatt finde, noch et-
was weiteres gefodert werden könne. Es war
aber darum zu thun, daſs das Beſte nicht im
Innern zurückbliebe, ſondern aus dieſem Schach-
te zu Tage gefördert werde. Letzte Wahrhei-
ten jener Art vorzubringen, dieſe Mühe konn-
te längſt erſparrt werden, denn ſie ſind längſt
etwa im Katechismus, in den Sprichwörtern
des Volks u. ſ. f. zu finden. — Es iſt nicht
ſchwer, ſolche Wahrheiten an ihrer Unbeſtimmt-
heit oder Schiefheit zu faſſen, oft die gerade
entgegengeſetzte ihrem Bewuſstſeyn in ihm
ſelbſt aufzuzeigen. Es wird, indem es ſich aus
der Verwirrung, die in ihm angerichtet wird,
zu ziehen bemüht, in neue verfallen und wohl
zu dem Ausbruche kommen, daſs ausgemach-
termaſſen dem ſo und ſo, jenes aber Sophiſte-
reyen
ſeyen; — ein Schlagwort des gemeinen
Menſchenverſtandes gegen die gebildete Ver-
nunft, wie den Ausdruck: Träumereyen, die
Unwiſſenheit der Philoſophie ſich für dieſe ein
für allemal gemerkt hat. — Indem jener ſich auf
[LXXXVII] das Gefühl, ſein inwendiges Orakel, berufft,
iſt er gegen den, der nicht übereinſtimmt, fer-
tig; er muſs erklären, daſs er dem weiter
nichts zu ſagen habe, der nicht daſſelbe in ſich
finde und fühle; — mit andern Worten, er
tritt die Wurzel der Humanität mit Füſſen.
Denn die Natur dieſer iſt auf die Ueberein-
kunft mit andern zu dringen, und ihre Exi-
stenz nur in der zu Stande gebrachten Gemein-
ſamkeit der Bewuſstſeyn. Das widermenſchli-
che, das thieriſche beſteht darin, im Gefühle
ſtehen zu bleiben und nur durch dieſes ſich
mittheilen zu können.


Wenn nach einem königlichen Wege zur
[Wiſſenſchaft] gefragt würde, ſo kann kein be-
quemerer angegeben werden, als der ſich auf
den geſunden Menſchenverſtand zu verlaſſen,
und um übrigens auch mit der Zeit und mit
der Philoſophie fortzuſchreiten, Recenſionen
von philoſophiſchen Schriften, etwa gar die
Vorreden und erſten Paragraphen derſelben zu
leſen, denn dieſe geben die allgemeine Grund-
ſätze, worauf alles ankommt, und jene neben
der hiſtoriſchen Notiz noch die Beurtheilung,
die ſogar, weil ſie Beurtheilung iſt, über das
Beurtheilte hinaus iſt. Dieſer gemeine Weg
macht ſich im Hausrocke, aber im hohenprie-
[LXXXVIII] ſterlichen Gewande ſchreitet das Hochgefühl
des Ewigen, Heiligen, Unendlichen einher —
einen Weg, der vielmehr ſchon ſelbſt das un-
mittelbare Seyn im Centrum, die Genialität
tiefer origineller Ideen und hoher Gedanken-
blitze iſt. Wie jedoch ſolche Tiefe noch nicht
den Quell des Weſens offenbart, ſo ſind dieſe
Raketen noch nicht das Empyreum. Wahre Ge-
danken und wiſſenſchaftliche Einſicht iſt nur in
der Arbeit des Begriffes zu gewinnen. Er al-
lein kann die Allgemeinheit des Wiſſens her-
vorbringen, welche weder die gemeine Unbe-
ſtimmtheit und Dürſtigkeit des gemeinen Men-
ſchenverſtands, ſondern gebildete und vollſtän-
dige Erkenntniſs, — noch die ungemeine All-
gemeinheit der durch Trägheit und Eigendün-
kel von Genie ſich verderbenden Anlage der
Vernunft, ſondern die zu ihrer einheimiſchen
Form gediehene Wahrheit, welche fähig iſt,
das Eigenthum aller ſelbſtbewuſsten Vernunft
zu ſeyn.


Indem ich das, wodurch die Wiſſenſchaft
exiſtirt, in die Selbſtbewegung des Begriffes
ſetze, ſo ſcheint die Betrachtung, daſs die an-
geführten und noch andre äuſſre Seiten der
Vorſtellungen unſerer Zeit über die Natur und
Geſtalt der Wahrheit hievon abweichen, ja
[LXXXIX] ganz entgegen ſind, einem Verſuche, das Sys-
tem der Wiſſenſchaft in jener Beſtimmung dar-
zuſtellen, keine günſtige Aufnahme zu verſpre-
chen. Inzwiſchen kann ich bedenken, daſs,
wenn z. B. zuweilen das Vortreffliche der Phi-
loſophie Plato’s in ſeine wiſſenſchaftlich werth-
loſen Mythen geſetzt wird, es auch Zeiten ge-
geben, welche ſogar Zeiten der Schwärmerey
genannt werden, worin die Ariſtoteliſche Phi-
loſophie um ihrer ſpeculativen Tiefe willen ge-
achtet und der Parmenides des Plato, wohl das
gröſste Kunſtwerk der alten Dialektik, für die
wahre Enthüllung und den poſitiven Ausdruck
des göttlichen Lebens
gehalten wurde, und ſo-
gar bey vieler Trübheit deſſen, was die Ekſtaſe
erzeugte, dieſe misverſtandne Ekſtaſe in der
That nichts andres als der reine Begriff ſeyn
ſollte, — daſs ferner das Vortreffliche der Phi-
loſophie unſerer Zeit ſeinen Werth ſelbſt in
die Wiſſenſchaftlichkeit ſetzt, und wenn auch
die Andern es anders nehmen, nur durch ſie
in der That ſich geltend macht. Somit kann
ich auch hoffen, daſs dieſer Verſuch, die Wiſ-
ſenſchaft dem Begriffe zu vindiciren und ſie in
dieſem ihrem eigenthümlichen Elemente darzu-
ſtellen, ſich durch die innre Wahrheit der Sa-
che Eingang zu verſchaffen wiſſen werde. Wir
*******
[XC] müſſen überzeugt ſeyn, daſs das Wahre die
Natur hat, durchzudringen, wenn ſeine Zeit
gekommen, und daſs es nur erſcheint, wenn
dieſe gekommen, und deſswegen nie zu früh
erſcheint noch ein unreifes Publicum findet;
auch daſs das Individuum dieſes Effects bedarf
um das, was noch ſeine einſame Sache iſt,
daran ſich zu bewähren und die Ueberzeugung,
die nur erſt der Beſonderheit angehört, als et-
was allgemeines zu erfahren. Hiebey aber iſt
häuffig das Publicum von denen zu unterſchei-
den, welche ſich als ſeine Repreſentanten und
Sprecher betragen. Jenes verhält sich in man-
chen Rückſichten anders als dieſe, ja ſelbſt ent-
gegengeſetzt. Wenn es gutmüthigerweiſe die
Schuld, daſs ihm eine philoſophiſche Schrift
nicht zuſagt, eher auf ſich nimmt, ſo ſchieben
hingegen dieſe, ihrer Competenz gewiſs, alle
Schuld auf den Schriftſteller. Die Wirkung iſt
in jenem ſtiller als das Thun dieſer Todten,
wenn ſie ihre Todten begraben. Wenn itzt
die allgemeine Einſicht überhaupt gebildeter,
ihre Neugierde wachſamer und ihr Urtheil
ſchneller beſtimmt iſt, ſo daſs die Füſſe derer,
die dich hinaustragen werden, ſchon vor der
Thüre ſtehen, ſo iſt hievon oft die langſa-
mere Wirkung zu unterſcheiden, welche die
[XCI] Aufmerkſamkeit, die durch imponirende Ver-
ſicherungen erzwungen wurde, ſo wie den weg-
werfenden Tadel, berichtigt, und einem Theile
eine Mitwelt erſt in einiger Zeit gibt, während
ein anderer nach dieſer keine Nachwelt mehr
hat.


Weil übrigens in einer Zeit, worin die
Allgemeinheit des Geiſtes ſo ſehr erſtarkt und
die Einzelnheit, wie ſich gebührt, um ſo viel
gleichgültiger geworden iſt, auch jene an ihrem
vollen Umfang und gebildeten Reichthum hält
und ihn fodert, der Antheil, der an dem ge-
ſammten Werke des Geiſtes auf die Thätigkeit
des Individuums fällt, nur gering ſeyn kann, ſo
muſs dieſes, wie die Natur der Wiſſenſchaft
ſchon es mit ſich bringt, ſich um ſo mehr ver-
geſſen, und zwar werden und thun, was es
kann, aber es muſs ebenſo weniger von ihm
gefordert werden, wie es ſelbſt weniger von
ſich erwarten und für ſich fordern darf.


[]

Nachſtehende bedeutendere Druckfehler,
beſonders die den Sinn ganz entſtellenden mit * bezeich-
neten, wird der geneigte Leſer erſucht, vor dem Leſen zu
verbeſſern, ſolche aber wie Tavtalogie, Geſete, auf dem
Bogen S öfters tod, tode u. ſ. f. zu überſchen.


  • S. 5. Z. 8. Statt in lies im
  • * S. 11. Z. 1. — welcher — welche
  • S. 25. Z. 8. Nach nach iſt zu ſetzen: zu
  • S. 26. Z. 20. Statt ist; — ist:
  • S. 45. Z. 8. del. ſo
  • S. 53. Z. 3. v. u. — heben — haben.
  • S. 56. Z. 11. — weist — erweiſst
  • S. 59. Z. 9. — nicht — nichts
  • * S. 70. Z. 9. v. u. — unterſch — ununterſch
  • S. 74. Z. 6. v. u. Vor wahr iſt als einzuſchalten.
  • * S. 148. Z. 18. — Nebenerfüllung — Nebelerfüllung
  • S. 152. Z. 4. v. u. — nur daher — daher nur
  • S. 164 Z. 8. — Begriffe — Begriff
  • S. 177. Z. 6. v. u. nach thun ſetze ſey,
  • S. 205. Z. 14. — der — des
  • S. 211. Z. 2. v. u. — die — der
  • S. 224. Z. 10. — nur — nun
  • S. 226. Z. 13. — allgemeine — allgemein
  • * S. 244. Z. 3. v. u. Nach welche iſt einzuſchalten:
    die Beobachtung.

[]Verbesserungen.
  • S. 249. l. Z. u. S. 250. Z. 1. ſind die Worte das
    Thun als Thun gegenwärtig einmal auszuſtreichen.
  • S. 259. Z. 3. v. u. ſtatt welcher lies das
  • S. 278. Z. 4. v. u. vor was — comma — ſemicolon
  • S. 280. Z. 10. v. u. — seyendes — seyenden
  • * S. 294. Z. 2. — Ist — Ich
  • — Z. 13. — sich diesen — sich als Diesen
  • * S. 300 Z. 9. — Luft — Luft
  • S. 305. Z. 13. del. für
  • S, 324. Z. 6. v. u. — ihm — ihn
  • S. 335. Z. 6. — er — es
  • S. 400. Z. 12. — abstracte — abstracten
  • S. 402. Z. 4. v. u. — unmittelbarer substantieller —
    unmittelbaren substantiellen
  • * S. 414. Z. 12. — dergleichen — der gleichen
  • — — Z. 16. — Schicksale — Schicksal.
  • S. 417. Z. 1. Nach Aller comma
  • S. 426. Z. 1. Statt Puncte lies Punct
  • * S. 428. Z. 10. — einzige — einseitige
  • * S. 455. Z. 6. v. u. — beyden — beyde
  • S. 494. Z. 3. — bestimmten — bestimmtem
  • * S. 501. Z. 17. — Wesen — Weisen
  • S. 506. Z. 5. — welche — welcher
  • * S. 516. Z. 7. — entgegengesetzten — entgegengesetzte
  • * S. 517. Z. 9. — kein — ein
  • S. 542. Z. 17. del. darin
  • S. 552. Z. 10. v. u. del. aus
  • S. 557. Z. 1del. . zu
  • S. 574. Z. 8. del. will

[]Verbesserungen.
  • S. 598. Z. 2. del. ist
  • * S. 602. l. Z. ſtatt nun lies nur
  • * S. 607. Z. 3. — also — als
  • * — — Z. 8. — nach — noch
  • ** S. 619. Z. 9. Vor für das wahre iſt nicht einzuſetzen
  • S. — Z. 2. v. u. ſtatt seiner lies einer
  • S. 623. Z. 3. v. u. Nach Insichseyns iſt willen ein-
    zuſetzen
    .
  • S. 642. Z. 6. v. u. Nach über comma
  • S. — Z. 3. v. 3. ſtatt sie lies sich
  • S. 651. l. Z. — Selbstbewuſstseyn — Selbstbewuſstseyns
  • S. 695. Z. 12. v. u. — er — es
  • S. 702. Z. 5. — Bewandnisses — Bewandniſs es
  • S. 704. Z. 17. — Erinnerung — Er-Innerung.
  • S. 719. Z. 5. v. u. Nach dem erſten ſich comma.
  • S. 731. Z. 4. v. u. Nach an ſich comma.
  • S. 740. Z. 12. Nach Menſch comma.
  • * S. 746. Z. 6. v. u. Statt Hülfe lies Hülſe.
  • S. 748. Z. 13. — das — daſs
  • * S. 751. Z. 4. v. u. — welche — welchen
[]

Erster Theil.
Wissenschaft
der
Erfahrung
des
Bewuſstseyns
.


A
[][]

Es ist eine natürliche Vorstellung, daſs, eh in der
Philosophie an die Sache selbst, nemlich an das wirk-
liche Erkennen dessen, was in Wahrheit ist, gegan-
gen wird, es nothwendig ſey, vorher über das Er-
kennen sich zu verständigen, das als das Werkzeug,
wodurch man des Absoluten sich bemächtige, oder
als das Mittel, durch welches hindurch man es er-
blicke, betrachtet wird. Die Besorgniſs scheint ge-
recht, theils daſs es verschiedene Arten der Erkennt-
niſs geben, und darunter eine geschickter als eine an-
dere zur Erreichung dieses Endzwecks seyn möchte,
hiemit durch falsche Wahl unter ihnen, — theils
auch daſs, indem das Erkennen ein Vermögen von
bestimmter Art und Umfange iſt, ohne die genauere
Bestimmung seiner Natur und Gräntze, Wolken des
Irrthums statt des Himmels der Wahrheit erfaſst
werden. Dieſe Besorgniſs muſs sich wohl sogar in
die Ueberzeugung verwandeln, daſs das ganze Begin-
nen, dasjenige, was An-sich ist, durch das Erken-
nen dem Bewuſstseyn zu erwerben, in seinem Be-
griffe widersinnig sey, und zwischen das Erkennen
und das Absolute eine sie schlechthin scheidende
Gräntze falle. Denn ist das Erkennen das Werk-
zeug, sich des absoluten Wesens zu bemächtigen,
so fällt sogleich auf, daſs die Anwendung eines
Werkzeugs auf eine Sache, sie vielmehr nicht läſst,
A 2
[4] wie sie für sich ist, sondern eine Formirung und
Veränderung mit ihr vornimmt. Oder ist das Er-
kennen nicht Werkzeug unserer Thätigkeit, sondern
gewissermaſsen ein passives Medium, durch welches
hindurch das Licht der Wahrheit an uns gelangt,
so erhalten wir auch so sie nicht, wie sie an sich,
sondern wie sie durch und in diesem Medium ist.
Wir gebrauchen in beyden Fällen ein Mittel, wel-
ches unmittelbar das Gegentheil seines Zwecks her-
vorbringt; oder das Widersinnige ist vielmehr, daſs
wir uns überhaupt eines Mittels bedienen. Es scheint
zwar, daſs diesem Uebelstande durch die Kenntniſs
der Wirkungsweise des Werkzeugs abzuhelfen steht,
denn sie macht es möglich, den Theil, welcher in
der Vorstellung, die wir durch es vom Absoluten
erhalten, dem Werkzeuge angehört, im Resultate
abzuziehen, und so das Wahre rein zu erhalten.
Allein, diese Verbesserung würde uns in der That
nur dahin zurückbringen, wo wir vorher waren.
Wenn wir von einem formirten Dinge das wieder
wegnehmen, was das Werkzeug daran gethan hat,
so ist uns das Ding, — hier das Absolute — gerade
wieder so viel als vor dieser somit überflüssiger
Bemühung. Sollte das Absolute durch das Werk-
zeug uns nur überhaupt näher gebracht werden,
ohne etwas an ihm zu verändern, wie etwa durch
die Leimruthe der Vogel, so würde es wohl, wenn
es nicht an und für sich schon bey uns wäre und seyn
wollte, dieser List spotten; denn eine List wäre in
[5] diesem Falle das Erkennen, da es durch sein vielfa-
ches Bemühen ganz etwas anderes zu treiben sich die
Miene gibt, als nur die unmittelbare und somit mü-
helose Beziehung hervor zu bringen. Oder wenn
die Prüffung des Erkennens, das wir als ein Medium
uns vorstellen, uns das Gesetz seiner Strahlenbre-
chung kennen lehrt, so nützt es eben so nichts, sie
in Resultate abzuziehen; denn nicht das Brechen des
Strahls, sondern der Strahl selbst, wodurch die Wahr-
heit uns berührt, ist das Erkennen, und dieses ab-
gezogen, wäre uns nur die reine Richtung, oder der
leere Ort bezeichnet worden.


Inzwischen wenn die Besorgniſs in Irrthum zu
gerathen, ein Miſstrauen in die Wissenschaft ſetzt,
welche ohne dergleichen Bedenklichkeiten ans Werk
selbst geht und wirklich erkennt, so ist nicht ab-
zusehen, warum nicht umgekehrt ein Miſstrauen in
diſs Miſstrauen gesetzt, und beſorgt werden soll, daſs
diese Furcht zu irren schon der Irrthum selbst ist.
In der That setzt sie etwas und zwar manches als
Wahrheit voraus, und stützt darauf ihre Bedenklich-
keiten und Consequenzen, was selbst vorher zu prüf-
fen ist, ob es Wahrheit sey. Sie setzt nemlich Vor-
stellungen
von dem Erkennen als einem Werkzeuge und
Medium, auch einen Unterschied unserer selbst von die-
sem Erkennen
voraus; vorzüglich aber diſs, daſs das
Absolute auf einer Seite stehe, und das Erkennen auf
der andern Seite
für sich und getrennt von dem Ab-
soluten doch etwas reelles, oder hiemit, daſs das Er-
[6] kennen, welches, indem es auſser dem Absoluten,
wohl auch auſser der Wahrheit ist, doch wahrhaft
sey; eine Annahme, wodurch das, was sich Furcht
vor dem Irrthume nennt, sich eher als Furcht vor
der Wahrheit zu erkennen gibt.


Diese Consequenz ergibt sich daraus, daſs das
Absolute allein wahr, oder das Wahre allein abso-
lut ist. Sie kann abgelehnt werden, durch den Un-
terschied, daſs ein Erkennen, welches zwar nicht,
wie die Wissenschaft will, das Absolute erkennt,
doch auch wahr; und das Erkennen überhaupt, wenn
es dasselbe zu fassen zwar unfahig sey, doch anderer
Wahrheit fähig seyn könne. Aber wir sehen nach-
gerade, daſs solches hin- und herreden, auf einen
trüben Unterschied zwischen einem absoluten Wah-
ren, und einem sonstigen Wahren hinaus läufft,
und das Absolute, das Erkennen, und so fort,
Worte sind, welche eine Bedeutung voraus setzen,
um die zu erlangen es erst zu thun ist.


Statt mit dergleichen unnützen Vorstellungen
und Redensarten, von dem Erkennen, als einem
Werkzeuge, des Absoluten habhafft zu werden,
oder als einem Medium, durch das hindurch
wir die Wahrheit erblicken und so fort, — Ver-
hältnisse, worauf wohl alle diese Vorstellungen
von einem Erkennen, das vom Absoluten, und
einem Absoluten, das von dem Erkennen getrennt
ist, hinauslauffen, — statt mit den Ausreden, wel-
che das Unvermögen der Wissenschaft aus der Vor-
[7] aussetzung solcher Verhältnisse schöpft, um von
der Mühe der Wissenschaft zugleich sich zu be-
freyen, und zugleich sich das Ansehen eines ernst-
haften und eifrigen Bemühens zu geben, — so wie
statt mit Antworten auf alles dieses sich herumzu-
placken, könnten sie als zufällige und willkührliche
Vorstellungen geradezu verworfen, und der damit
verbundne Gebrauch von Worten als dem Absolu-
ten, dem Erkennen, auch dem Objectiven und Sub-
jectiven, und unzähligen andern, deren Bedeutung
als allgemem bekannt vorausgesetzt wird, sogar als
Betrug angesehen werden. Denn das Vorgeben,
theils daſs ihre Bedeutung allgemein bekannt ist,
theils auch, daſs man selbst ihren Begriff hat, scheint
eher nur die Hauptsache ersparen zu sollen, nem-
lich diesen Begriff zu geben. Mit mehr Recht da-
gegen könnte die Mühe gespart werden, von solchen
Vorstellungen und Redensarten, wodurch die Wis-
senschaft selbst abgewehrt werden soll, überhaupt
Notitz zu nehmen, denn sie machen nur eine leere
Erscheinung des Wissens aus, welche vor der auf-
tretenden Wissenschaft unmittelbar verschwindet.
Aber die Wissenschaft darin, dass sie auftritt, ist
sie selbst eine Erscheinung; ihr Auftreten ist noch
nicht sie in ihrer Wahrheit ausgeführt und ausge-
breitet. Es ist hiebey gleichgültig, sich vorzustel-
len, daſs sie die Erscheinung ist, weil sie neben an-
derem
auftritt, oder jenes andere unwahre Wissen
ihr Erscheinen zu nennen. Die Wissenschaft muſs
[8] sich aber von diesem Scheine befreyen; und sie kann
diſs nur dadurch, daſs sie sich gegen ihn wendet.
Denn sie kann ein Wissen, welches nicht wahrhafft
ist, weder als eine gemeine Ansicht der Dinge nur
verwerfen, und versichern, daſs sie eine ganz andere
Erkenntniſs, und jenes Wissen für sie gar nichts
ist; noch sich auf die Ahndung eines bessern in ihm
selbst beruffen. Durch jene Versicherung erklärte
sie ihr Seyn für ihre Krafft; aber das unwahre Wis-
sen berufft sich eben so darauf, daſs es ist, und ver-
sichert
, daſs ihm die Wissenschaft nichts ist; ein
trockenes Versichern gilt aber gerade so viel als ein
anderes. Noch weniger kann sie sich auf die bessere
Ahndung beruffen, welche in dem nicht wahrhafften
Erkennen vorhanden, und in ihm selbst die Hinwei-
sung auf sie sey; denn einestheils berieffe sie sich
ebenso wieder auf ein Seyn; anderntheils aber auf
sich, als auf die Weise, wie sie im nicht wahrhaff-
ten Erkennen ist, das heiſst, auf eine schlechte
Weise ihres Seyns, und auf ihre Erscheinung viel-
mehr, als darauf, wie sie an und für sich ist. Aus
diesem Grunde soll hier die Darstellung des erschei-
nenden Wissens vorgenommen werden.


Weil nun diese Darstellung nur das erschei-
nende Wissen zum Gegenstande hat, so scheint sie
selbst nicht die freye, in ihrer eigenthümlichen Ge-
stalt sich bewegende Wissenschafft zu seyn, sondern
sie kann von diesem Standpunkte aus, als der Weg
des natürlichen Bewuſstseyns, das zum wahren Wis-
[9] sen dringt, genommen werden; oder als der Weg
der Seele, welche die Reihe ihrer Gestaltungen, als
durch ihre Natur ihr vorgesteckter Stationen durch-
wandert, daſs sie sich zum Geiste läutere, indem sie
durch die vollständige Erfahrung ihrer selbst zur
Kenntniſs desjenigen gelangt, was sie an sich
selbst ist.


Das natürliche Bewuſstseyn wird sich erweisen,
nur Begriff des Wissens, oder nicht reales Wissen
zu seyn. Indem es aber unmittelbar sich vielmehr
für das reale Wissen hält, so hat dieser Weg für es
negative Bedeutung, und ihm gilt das vielmehr für
Verlust seiner selbst was die Realisirung des Begriffs
ist; denn es verliert auf diesem Wege seine Wahr-
heit. Er kann deſswegen als der Weg des Zweifels
angesehen werden, oder eigentlicher als Weg der
Verzweiflung; auf ihm geschieht nemlich nicht das,
was unter zweifeln verstanden zu werden pflegt, ein
Rütteln an dieser oder jener vermeynten Wahrheit,
auf welches ein gehöriges wiederverschwinden des
Zweifels und eine Rückkehr zu jener Wahrheit er-
folgt, so daſs am Ende die Sache genommen wird
wie vorher. Sondern er ist die bewuſste Einsicht
in die Unwahrheit des erscheinenden Wissens, dem
dasjenige das reellste ist, was in Wahrheit vielmehr
nur der nichtrealisirte Begriff ist. Dieser sich voll-
bringende Stepticismus ist darum auch nicht dasje-
nige, womit wohl der ernsthafte Eifer um Wahr-
heit und Wissenschafft sich für diese fertig gemacht
[10] und ausgerüstet zu haben wähnt; nemlich mit dem
Vorsatze, in der Wissenschaft auf die Autorität sich
den Gedanken anderer nicht zu ergeben, sondern al-
les selbst zu prüffen und nur der eigenen Ueberzeu-
gung zu folgen, oder besser noch, alles selbst zu
produciren, und nur die eigne That für das Wahre
zu halten. Die Reihe seiner Gestaltungen, welche
das Bewuſstseyn auf diesem Wege durchläufft, ist
vielmehr die ausführliche Geschichte der Bildung des
Bewuſstseyns selbst zur Wissenschafft. Jener Vor-
satz stellt die Bildung in der einfachen Weise des
Vorsatzes als unmittelbar abgethan und geschehen
vor; dieser Weg aber ist gegen dieſe Unwahrheit
die wirkliche Ausführung. Der eigenen Ueberzeu-
gung folgen, ist allerdings mehr als sich der Auto-
rität ergeben; aber durch die Verkehrung des Dafür-
haltens aus Autorität, in Dafürhalten aus eigener Ue-
berzeugung, ist nicht nothwendig der Innhalt dessel-
ben geändert und an die Stelle des Irrthums Wahr-
heit getreten. Auf die Autorität anderer oder aus
eigener Ueberzeugung im Systeme des Meynens und
des Vorurtheils zu stecken, unterscheidet sich von
einander allein durch die Eitelkeit, welche der letz-
tern Weise beywohnt. Der sich auf den ganzen
Umfang des erscheinenden Bewuſstseyns richtende
Skepticismus macht dagegen den Geist erst geschickt
zu prüffen, was Wahrheit ist, indem er eine Ver-
zweiflung an den sogenannten natürlichen Vorstel-
lungen, Gedanken und Meynungen zustande bringt,
[11] welcher es gleichgültig ist, eigene oder fremde zu
nennen, und mit welchen das Bewuſstseyn, das ge-
radezu
ans Prüffen geht, noch erfüllt und behaftet,
dadurch aber in der That dessen unfähig ist, was es
unternehmen will.


Die Vollständigkeit der Formen des nicht realen
Bewuſstseyns, wird sich durch die Nothwendigkeit
des Fortganges und Zusammenhanges selbst ergeben.
Um diſs begreiflich zu machen, kann im Allgemei-
nen zum voraus bemerkt werden, daſs die Darstel-
lung des nicht wahrhaften Bewuſstseyns in seiner
Unwahrheit, nicht eine bloſs negative Bewegung ist.
Eine solche einseitige Ansicht hat das natürliche Be-
wuſstseyn überhaupt von ihr; und ein Wissen, wel-
ches diese Einseitigkeit zu seinem Wesen macht, ist
eine der Gestalten des unvollendeten Bewuſstseyns,
welche in den Verlauff des Weges selbst fällt, und
darin sich darbieten wird. Sie ist nemlich der Skep-
ticismus, der in dem Resultate nur immer das reine
Nichts
sicht, und davon abstrahirt, daſs diſs Nichts,
bestimmt das Nichts dessen ist, woraus es resultirt.
Das Nichts ist aber nur, genommen als das Nichts
dessen, woraus es herkömmt, in der That das wahr-
hafte Resultat; es ist hiemit selbst ein bestimmtes
und hat einen Innhalt. Der Skepticismus, der mit
der Abstraction des Nichts oder der Leerheit endigt,
kann von dieser nicht weiter fortgehen, sondern
muſs es erwarten, ob, und was ihm etwa neues sich
darbietet, um es in denselben leeren Abgrund zu
[12] werfen. Indem dagegen das Resultat, wie es in
Wahrheit ist, aufgefaſst wird, als bestimmte Nega-
tion, so ist damit unmittelbar eine neue Form ent-
sprungen, und in der Negation der Uebergang ge-
macht, wodurch sich der Fortgang durch die voll-
ständige Reihe der Gestalten von selbst ergibt.


Das Ziel aber ist dem Wissen ebenso nothwen-
dig, als die Reihe des Fortganges, gesteckt; es ist
da, wo es nicht mehr über sich selbst hinaus zu ge-
hen nöthig hat, wo es sich selbst findet, und der
Begriff dem Gegenstande, der Gegenstand dem Be-
griffe entspricht. Der Fortgang zu diesem Ziele ist
daher auch unaufhaltsam, und auf keiner frühern
Station Befriedigung zu finden. Was auf ein natür-
liches Leben beschränkt ist, vermag durch sich selbst
nicht über sein unmittelbares Daseyn hinauszuge-
hen; aber es wird durch ein anderes darüber hin-
ausgetrieben, und diſs hinausgerissen werden ist sein
Tod. Das Bewuſstseyn aber ist für sich selbst sein
Begriff, dadurch unmittelbar das hinausgehen über
das Beschränkte, und, da ihm diſs Beschränkte an-
gehört, über sich selbst; mit dem Einzelnen ist ihm
zugleich das Jenseits gesetzt, wäre es auch nur, wie
im räumlichen Anschauen, neben dem Beschränkten.
Das Bewuſstseyn leidet also diese Gewalt, sich die
beschränkte Befriedigung zu verderben, von ihm
selbst. Bey dem Gefühle dieser Gewalt mag die
Angst vor der Wahrheit wohl zurücktreten, und
sich dasjenige, dessen Verlust droht, zu erhalten stre-
[13] ben. Sie kann aber keine Ruhe finden; es sey daſs
sie in gedankenloser Trägheit stehen bleiben will;
der Gedanke verkümmert die Gedankenlosigkeit, und
seine Unruhe stört die Trägheit; oder daſs sie als
Empfindsamkeit sich befestigt, welche alles in sei-
ner Art gut
zu finden versichert; diese Versicherung
leidet eben so Gewalt von der Vernunft, welche ge-
rade darum etwas nicht gut findet, in so fern es eine
Art ist. Oder die Furcht der Wahrheit mag sich
vor sich und andern hinter dem Scheine verbergen,
als ob gerade der heiſse Eifer für die Wahrheit selbst
es ihr so schwer, ja unmöglich mache, eine andere
Wahrheit zu finden, als die einzige der Eitelkeit,
immer noch gescheuter zu seyn, als jede Gedanken,
welche man aus sich selbst oder von andern hat; diese
Eitelkeit, welche sich jede Wahrheit zu vereiteln,
daraus in sich zurückzukehren versteht, und an die-
sem eignen Verstande sich weidet, der alle Gedan-
ken immer aufzulösen und statt alles Innhalts nur
das trockne Ich zu finden weiſs, ist eine Befriedi-
gung, welche sich selbst überlassen werden muſs, denn
sie flieht das Allgemeine, und sucht nur das Fürsich-
seyn.


Wie dieses vorläuffig und im allgemeinen über
die Weise und Nothwendigkeit des Fortgangs gesagt
worden ist, so kann noch über die Methode der Aus-
führung
etwas zu erinnern dienlich seyn. Diese
Darstellung als ein Verhalten der Wissenschaft
zu dem erscheinenden Wissen, und als Untersuchung
[14] und Prüffung der Realität des Erkennens vorgestellt,
scheint nicht ohne irgend eine Voraussetzung, die
als Maſsstab zu Grunde gelegt wird, statt finden zu
können. Denn die Prüffung besteht in dem Anlegen
eines angenommenen Maſsstabes, und in der sich
ergebenden Gleichheit oder Ungleichheit dessen, was
geprüfft wird, mit ihm, die Entscheidung, ob es
richtig oder unrichtig ist; und der Maſsstab über-
haupt, und ebenso die Wissenschaft, wenn sie der
Maſsstab wäre, ist dabey als das Wesen oder als das
an sich
angenommen. Aber hier, wo die Wissen-
schaft erst auftritt, hat weder sie selbst, noch was
es sey, sich als das Wesen oder als das an sich ge-
rechtfertigt; und ohne ein solches scheint keine Prüf-
fung statt finden zu können.


Dieser Widerspruch und seine Wegräumung
wird sich bestimmter ergeben, wenn zuerst an die
abstracten Bestimmungen des Wissens und der Wahr-
heit erinnert wird, wie sie an dem Bewuſstseyn vor-
kommen. Dieses unterscheidet nemlich etwas von
sich, worauf es sich zugleich bezieht; oder wie diſs
ausgedrückt wird, es ist etwas für dasselbe; und die
bestimmte Seite dieses Beziehens, oder des Seyns von
Etwas für ein Bewuſstseyn ist das Wissen. Von die-
sem Seyn für ein anderes, unterscheiden wir aber,
das an sich seyn; das auf das Wissen bezogene wird
eben so von ihm unterschieden, und gesetzt als sey-
end
auch ausser dieser Beziehung; die Seite dieses an
sich heiſst Wahrheit. Was eigentlich an diesen Be-
[15] stimmungen sey, geht uns weiter hier nichts an, denn
indem das erscheinende Wissen unser Gegenstand
ist, so werden auch zunächst seine Bestimmungen
aufgenommen, wie sie sich unmittelbar darbieten;
und so wie sie gefaſst worden sind, ist es wohl, daſs
sie sich darbieten.


Untersuchen wir nun die Wahrheit des Wis-
sens, so scheint es, wir untersuchen, was es an sich
ist. Allein in dieser Untersuchung ist es unser Ge-
genstand, es ist für uns; und das an sich desselben,
welches sich ergäbe, wäre so vielmehr sein Seyn
für uns; was wir als sein Wesen behaupten würden,
vielmehr nicht seine Wahrheit, sondern nur unser
Wissen von ihm. Das Wesen oder der Maſsstab
fiele in uns, und dasjenige, was mit ihm verglichen,
und über welches durch diese Vergleichung ent-
schieden werden sollte, hätte ihn nicht nothwendig
anzuerkennen.


Aber die Natur des Gegenstandes, den wir un-
tersuchen, überhebt dieser Trennung oder dieses
Scheins von Trennung und Voraussetzung. Das Be-
wuſstseyn gibt seinen Maſsstab an ihm selbst, und
die Untersuchung wird dadurch eine Vergleichung
seiner mit sich selbst seyn; denn die Unterscheidung,
welche so eben gemacht worden ist, fällt in es. Es
ist in ihm eines für ein anderes, oder es hat über-
haupt die Bestimmtheit des Moments des Wissens an
ihm; zugleich ist ihm diſs andere nicht nur für es,
sondern auch auſser dieser Beziehung oder an sich;
[16] das Moment der Wahrheit. An dem also, was das
Bewuſstseyn innerhalb seiner für das an sich oder das
Wahre erklärt, haben wir den Maſsstab, den es selbst
aufstellt, sein Wissen daran zu messen. Nennen wir
das Wissen den Begriff, das Wesen oder das Wahre
aber, das Seyende oder den Gegenstand, so besteht
die Prüffung darin, zuzusehen, ob der Begriff dem
Gegenstande entspricht. Nennen wir aber das We-
sen
oder das an sich des Gegenstandes den Begriff, und
verstehen dagegen unter dem Gegenstande, ihn als
Gegenstand, nemlich wie er für ein anderes ist, so be-
steht die Prüffung darin, daſs wir zusehen, ob der
Gegenstand seinem Begriff entspricht. Man sieht
wohl, daſs beydes dasselbe ist; das wesentliche aber
ist, diſs für die ganze Untersuchung festzuhalten,
daſs diese beyden Momente, Begriff und Gegenstand,
für ein anderes
, und an sich selbst seyn, in das Wis-
sen, das wir untersuchen, selbst fallen, und hiemit
wir nicht nöthig haben, Maſsstäbe mitzubringen, und
unsere Einfälle und Gedanken bey der Untersuchung
zu appliciren; dadurch, daſs wir diese weglassen,
erreichen wir es, die Sache, wie sie an und für sich
selbst ist, zu betrachten.


Aber nicht nur nach dieser Seite, daſs Begriff
und Gegenstand, der Maſsstab und das zu Prüffende,
in dem Bewuſstseyn selbst vorhanden sind, wird eine
Zuthat von uns überflüssig, sondern wir werden
auch der Mühe der Vergleichung beyder, und der
eigentlichen Prüffung überhoben, so daſs indem das
[17] Bewuſstseyn sich selbst prüfft, uns auch von dieser
Seite nur das reine Zusehen bleibt. Denn das Be-
wuſstseyn ist einerseits Bewuſstseyn des Gegenstan-
des, anderseits Bewuſstseyn seiner selbst; Be-
wuſstseyn dessen, was ihm das Wahre ist, und Be-
wuſstseyn seines Wissens davon. Indem beyde für
dasselbe
sind, ist es selbst ihre Vergleichung; es wird
für dasselbe, ob sein Wissen von dem Gegenstande
diesem entspricht oder nicht. Der Gegenstand
scheint zwar für dasselbe nur so zu seyn, wie es
ihn weiſs; es scheint gleichsam nicht dahinter kom-
men zu können, wie er, nicht für dasselbe, sondern
wie er an sich ist, und also auch sein Wissen nicht
an ihm prüffen zu können. Allein gerade darin, daſs
es überhaupt von einem Gegenstande weiſs, ist
schon der Unterschied vorhanden, daſs ihm etwas
das an sich, ein anderes Moment aber das Wissen,
oder das Seyn des Gegenstandes für das Bewuſstseyn
ist. Auf dieser Unterscheidung, welche vorhanden
ist, beruht die Prüffung. Entspricht sich in dieser
Vergleichung beydes nicht, so scheint das Bewuſst-
seyn sein Wissen ändern zu müssen, um es dem Ge-
genstande gemäſs zu machen, aber in der Verände-
rung des Wissens ändert sich ihm in der That auch
der Gegenstand selbst; denn das vorhandene Wis-
sen war wesentlich ein Wissen von dem Gegen-
stande; mit dem Wissen wird auch er ein anderer,
denn er gehörte wesentlich diesem Wissen an. Es
wird hiemit dem Bewuſstseyn, daſs dasjenige, was
B
[18] ihm vorher das an sich war, nicht an sich ist, oder
daſs es nur für es an sich war. Indem es also an
seinem Gegenstande sein Wissen diesem nicht ent-
sprechend findet, hält auch der Gegenstand selbst
nicht aus; oder der Maſsstab der Prüffung ändert
sich, wenn dasjenige, dessen Maſsstab er seyn sollte,
in der Prüffung nicht besteht; und die Prüffung ist
nicht nur eine Prüffung des Wissens, sondern auch
ihres Maſsstabes.


Diese dialektische Bewegung, welche das Bewuſst-
seyn an ihm selbst, sowohl an seinem Wissen, als
an seinem Gegenstande ausübt, in sofern ihm der neue
wahre Gegenstand
daraus entspringt, ist eigentlich das-
jenige, was Erfahrung genannt wird. Es ist in die-
ser Beziehung an dem so eben erwähnten Verlauffe
ein Moment noch näher herauszuheben, wodurch
sich über die wissenschafftliche Seite der folgenden
Darstellung ein neues Licht verbreiten wird. Das
Bewuſstseyn weiſs Etwas, dieser Gegenstand ist das
Wesen oder das an sich; er ist aber auch für das
Bewuſstseyn das an sich; damit tritt die Zweydeutig-
keit dieses Wahren ein. Wir sehen, daſs das Be-
wuſstseyn itzt zwey Gegenstände hat, den einen das
erste an sich, den zweyten, das für es seyn dieses an
sich
. Der letztere scheint zunächst nur die Reflexion
des Bewuſstseyns in sich selbst zu seyn, ein Vor-
stellen, nicht eines Gegenstandes, sondern nur sei-
nes Wissens von jenem ersten. Allein wie vorhin
gezeigt worden, ändert sich ihm dabey der erste
[19] Gegenstand; er hört auf das an sich zu seyn, und
wird ihm zu einem solchen, der nur für es das an sich
ist; somit aber ist dann diſs: das für es seyn dieses an
sich
, das wahre, das heiſst aber, diſs ist das Wesen,
oder sein Gegenstand. Dieser neue Gegenstand ent-
hält die Nichtigkeit des ersten, er ist die über ihn
gemachte Erfahrung.


An dieser Darstellung des Verlauffs der Erfah-
rung ist ein Moment, wodurch sie mit demjenigen
nicht übereinzustimmen scheint, was unter der Er-
fahrung verstanden zu werden pflegt. Der Ueber-
gang nemlich, vom ersten Gegenstande und dem
Wissen desselben, zu dem andern Gegenstande, an
dem
man sagt, daſs die Erfahrung gemacht worden
sey, wurde so angegeben, daſs das Wissen vom er-
sten Gegenstande, oder das für das Bewuſstseyn des
ersten an sich, der zweyte Gegenstand selbst werden
soll. Dagegen es sonst scheint, daſs wir die Erfah-
rung von der Unwahrheit unseres ersten Begriffs, an
einem andern
Gegenstande machen, den wir zufäl-
liger Weise und äuſserlich etwa finden, so daſs über-
haupt nur das reine Auffassen dessen, was an und
für sich ist, in uns falle. In jener Ansicht aber zeigt
sich der neue Gegenstand als geworden, durch eine
Umkehrung des Bewuſstseyns selbst. Diese Betrach-
tung der Sache ist unsere Zuthat, wodurch sich die
Reihe der Erfahrungen des Bewuſstseyns zum wis-
senschaftlichen Gange erhebt, und welche nicht für
das Bewuſstseyn ist, das wir betrachten. Es ist aber
B 2
[20] diſs in der That auch derselbe Umstand, von wel-
chem oben schon in Ausehung des Verhältnisses
dieser Darstellung zum Skepticismus die Rede war,
daſs nemlich das jedesmahlige Resultat, welches sich
an einem nicht wahrhafften Wissen ergibt, nicht in
ein leeres Nichts zusammenlauffen dürfe, sondern
nothwendig als Nichts desjenigen, dessen Resultat es
ist, aufgefaſst werden müsse; ein Resultat, welches
das enthält, was das vorhergehende Wissen Wahres
an ihm hat. Diſs bietet sich hier so dar, daſs, in-
dem das, was zuerst als der Gegenstand erschien,
dem Bewuſstseyn zu einem Wissen von ihm her-
absinkt, und das an sich, zu einem: für das Bewuſstseyn
seyn des an sich wird
, diſs der neue Gegenstand ist,
womit auch eine neue Gestalt des Bewuſstseyns auf-
tritt, welcher etwas anderes das Wesen ist, als der
vorhergehenden. Dieser Umstand ist es, welcher
die ganze Folge der Gestalten des Bewuſstseyns in
ihrer Nothwendigkeit leitet. Nur diese Nothwen-
keit selbst, oder die Entstehung des neuen Gegen-
standes, der dem Bewuſstseyn, ohne zu wissen, wie
ihm geschieht, sich darbietet, ist es, was für uns
gleichsam hinter seinem Rücken vorgeht. Es kommt
dadurch in seine Bewegung ein Moment des
an sich, oder für uns seyns, welches nicht für das
Bewuſstseyn, das in der Erfahrung selbst begriffen
ist, sich darstellt; der Inhalt aber dessen, was uns
entsteht, ist für es, und wir begreiffen nur das for-
melle desselben, oder sein reines Entstehen; für es
[21] ist diſs entstandene nur als Gegenstand, für uns zu-
gleich als Bewegung und Werden.


Durch diese Nothwendigkeit ist dieser Weg zur
Wissenschaft selbst schon Wissenschaft, und nach
ihrem Inhalte hiemit Wissenschafft der Erfahrung
des Bewuſstseyns
.


Die Erfahrung, welche das Bewuſstseyn über
sich macht, kann ihrem Begriffe nach nichts weni-
ger in sich begreiffen, als das ganze System dessel-
ben, oder das ganze Reich der Wahrheit des Gei-
stes, so daſs die Momente derselben in dieser ei-
genthümlichen Bestimmtheit sich darstellen, nicht
abstracte, reine Momente zu seyn, sondern so, wie
sie für das Bewuſstseyn sind, oder wie dieses selbst,
in seiner Beziehung auf sie auftritt, wodurch die
Momente des Ganzen, Gestalten des Bewuſstseyns sind.
Indem es zu seiner wahren Existenz sich forttreibt,
wird es einen Punkt erreichen, auf welchem es sei-
nen Schein ablegt, mit fremdartigem, das nur für
es und als ein anderes ist, behafftet zu seyn, oder
wo die Erscheinung dem Wesen gleich wird, seine
Darstellung hiemit mit eben diesem Punkte der ei-
gentlichen Wissenschafft des Geistes zusammenfällt,
und endlich, indem es selbst diſs sein Wesen er-
faſst, wird es die Natur des absoluten Wissens selbst
bezeichnen.


[22]

I.
Die sinnliche Gewiſsheit;
oder das Diese und das Meynen.


Das Wissen, welches zuerst oder unmittelbar
unser Gegenstand ist, kann kein anderes seyn,
als dasjenige, welches selbst unmittelbares Wissen,
Wissen des unmittelbaren oder Seyenden ist. Wir
haben uns ebenso unmittelbar oder aufnehmend zu ver-
halten, also nichts an ihm, wie es sich darbietet, zu
verändern, und von dem Auffassen das Begreiffen
abzuhalten.


Der concrete Inhalt der sinnlichen Gewiſsheit
läſst sie unmittelbar als die reichste Erkenntniſs, ja
als eine Erkenntniſs von unendlichem Reichthum er-
scheinen, für welchen eben so wohl, wenn wir im
Raume und in der Zeit, als worin er sich ausbreitet,
hinaus, — als wenn wir uns ein Stück aus dieser Fülle
nehmen, und durch Theilung in dasselbe hineinge-
hen
, keine Gräntze zu finden ist. Sie erscheint aus-
serdem als die wahrhaffteste; denn sie hat von dem
Gegenstande noch nichts weggelassen, sondern ihn
in seiner ganzen Vollständigkeit vor sich. Diese
Gewiſsheit aber gibt in der That sich selbst für die
[23] abstracteste und ärmste Wahrheit aus. Sie sagt von
dem, was sie weiſs, nur diſs aus: es ist; und ihre
Wahrheit enthält allein das Seyn der Sache; das Be-
wuſstseyn seinerseits ist in dieſer Gewiſsheit nur als
reines Ich; oder Ich bin darin nur als reiner dieser,
und der Gegenstand ebenso nur als reines dieses.
Ich, dieser, bin dieser Sache, nicht darum gewiſs,
weil Ich als Bewuſstseyn hiebey mich entwickelte
und mannichfaltig den Gedanken bewegte. Auch
nicht darum, weil die Sache, deren ich gewiſs bin,
nach einer Menge unterschiedener Beschaffenheiten,
eine reiche Beziehung an ihr selbst, oder ein viel-
faches Verhalten zu andern wäre. Beydes geht die
Wahrheit der sinnlichen Gewiſsheit nichts an; we-
der Ich, noch die Sache hat darin die Bedeutung ei-
ner mannichfaltigen Vermittlung; Ich, nicht die Be-
deutung eines mannichfaltigen Vorstellens oder Den-
kens, noch die Sache die Bedeutung mannichfaltiger
Beschaffenheiten; sondern die Sache ist; und sie ist,
nur weil sie ist; sie ist, diſs ist dem sinnlichen Wis-
sen das Wesentliche, und dieses reine Seyn oder
diese einfache Unmittelbarkeit macht ihre Wahrheit
aus. Eben so ist die Gewiſsheit als Beziehung unmit-
telbare
reine Beziehung; das Bewuſstseyn ist Ich,
weiter nichts, ein reiner dieser; der einzelne weiſs,
reines dieses, oder das einzelne.


An dem reinen Seyn aber, welches das Wesen
dieſer Gewiſsheit ausmacht, und welches sie als
ihre Wahrheit aussagt, spielt, wenn wir zusehen,
[24] noch vieles andere beyher. Eine wirkliche sinnliche
Gewiſsheit ist nicht nur diese reine Unmittelbarkeit,
sondern ein Beyspiel derselben. Unter den unzähli-
gen dabey vorkommenden Unterschieden finden wir
allenthalben die Hauptverschiedenheit, daſs nemlich
in ihr sogleich aus dem reinen Seyn, die beyden schon
genannten Diesen, ein Dieser als Ich, und ein
Dieses als Gegenstand herausfallen. Reflectiren wir
über diesen Unterschied, so ergibt sich, daſs weder
das Eine noch das Andere nur unmittelbar, in der
sinnlichen Gewiſsheit ist, sondern zugleich als ver-
mittelt;
Ich habe die Gewiſsheit durch ein anderes,
nemlich die Sache; und diese ist eben so in der Ge-
wiſsheit durch ein anderes, nemlich durch Ich.


Diesen Unterschied des Wesens und des Bey-
spiels, der Unmittelbarkeit und der Vermittlung,
machen nicht nur wir, sondern wir finden ihn an
der sinnlichen Gewiſsheit selbst; und in der Form,
wie er an ihr ist, nicht wie wir ihn so eben bestimm-
ten, ist er aufzunehmen. Es ist in ihr eines als das
einfache unmittelbar seyende, oder als das Wesen
gesetzt, der Gegenstand; das andere aber, als das un-
wesentliche und vermittelte, welches darin nicht an
sich
, sondern durch ein anderes ist, Ich, ein Wissen,
das den Gegenstand nur darum weiſs, weil er ist, und
das seyn oder auch nicht seyn kann. Der Gegenstand
aber ist, das Wahre, und das Wesen; er ist, gleich-
gültig dagegen ob er gewuſst wird oder nicht; er
bleibt, wenn er auch nicht gewuſst wird; das Wis-
[25] sen aber ist nicht, wenn nicht der Gegenstand
ist.


Der Gegenstand ist also zu betrachten, ob er in
der That, in der sinnlichen Gewiſsheit selbst, als
solches Wesen ist, für welches er von ihr ausgegeben
wird; ob dieser sein Begriff, Wesen zu seyn, dem
entspricht, wie er in ihr vorhanden ist. Wir haben
zu dem Ende nicht über ihn zu reflectiren und nach-
denken, was er in Wahrheit seyn möchte, sondern
ihn nur zu betrachten, wie ihn die sinnliche Ge-
wiſsheit an ihr hat.


Sie ist also selbst zu fragen: Was ist das Diese?
Nehmen wir es in der gedoppelten Gestalt seines
Seyns, als das Itzt, und als das Hier, so wird die
Dialektik, die es an ihm hat, eine so verständliche
Form erhalten, als es selbst ist. Auf die Frage:
was ist das Itzt? antworten wir also zum Beyspiel:
Das Itzt ist die Nacht. Um die Wahrheit dieser sinn-
lichen Gewiſsheit zu prüffen, ist ein einfacher Ver-
such hinreichend. Wir schreiben diese Wahrheit
auf; eine Wahrheit kann durch Auſschreiben nicht
verlieren; eben so wenig dadurch, daſs wir sie auf-
bewahren. Sehen wir Itzt, diesen Mittag, die auf-
geschriebene Wahrheit wieder an, so werden wir
sagen müssen, daſs sie schaal geworden ist.


Das Itzt, welches Nacht ist, wird aufbewahrt,
das heiſst, es wird behandelt, als das, für was es
ausgegeben wird, als ein seyendes; es erweist sich
aber vielmehr, als ein nicht seyendes. Das Itzt
[26] selbst erhält sich wohl, aber als ein solches, das nicht
Nacht ist; ebenso erhält es sich gegen den Tag, der
es Itzt ist, als ein solches, das auch nicht Tag ist;
oder als ein negatives überhaupt. Dieses sich erhal-
tende Itzt ist daher nicht ein unmittelbares; sondern
ein vermitteltes, denn es ist als ein bleibendes und
sich erhaltendes dadurch bestimmt, daſs anderes,
nemlich der Tag und die Nacht, nicht ist. Dabey
ist es eben noch so einfach als zuvor, Itzt, und in
dieser Einſachheit gleichgültig gegen das, was noch
bey ihm herspielt; so wenig die Nacht und der Tag
sein Seyn ist, ebensowohl ist es auch Tag und Nacht;
es ist durch diſs sein andersseyn gar nicht afficirt.
Ein solches einfaches, das durch Negation ist, we-
der dieses noch jenes, ein nicht dieses, und ebenso
gleichgültig, auch dieses wie jenes zu seyn, nen-
nen wir ein allgemeines; das allgemeine ist also in
der That das wahre der sinnlichen Gewiſsheit.


Als ein allgemeines sprechen wir auch das sinnli-
che aus; was wir sagen, ist; Dieses, das heiſst das
allgemeine Diese; oder: es ist; das heiſst das Seyn
überhaupt
. Wir stellen uns dabey freylich nicht das
allgemeine Diese, oder das Seyn überhaupt vor, aber
wir sprechen das allgemeine aus; oder wir sprechen
schlechthin nicht, wie wir es in dieser sinnlichen
Gewiſsheit meynen. Die Sprache aber ist, wie wir
sehen, das wahrhaftere; in ihr widerlegen wir selbst
unmittelbar unsere Meynung, und da das allgemeine
das wahre der sinnlichen Gewiſsheit ist, und die
[27] Sprache nur dieses wahre ausdrückt, so ist es gar
nicht möglich, daſs wir ein sinnliches Seyn, das
wir meynen, je sagen können.


Es wird derselbe Fall seyn mit der andern Form
des Dieses, mit dem Hier. Das Hier ist zum Bey-
spiel der Baum. Ich wende mich um, so ist diese
Wahrheit verschwunden, und hat sich in die entge-
gengesetzte verkehrt: Das Hier ist nicht ein Baum,
sondern vielmehr ein Haus. Das Hier selbst ver-
schwindet nicht; sondern es ist bleibend im Ver-
schwinden des Hauses, Baumes und so fort, und
gleichgültig Haus, Baum zu seyn. Das Dieses zeigt
sich also wieder als vermittelte Einfachheit, oder als
Allgemeinheit.


Dieser sinnlichen Gewiſsheit, indem sie an ihr
selbst das allgemeine als die Wahrheit ihres Gegen-
standes erweist, bleibt also das reine Seyn als ihr We-
sen, aber nicht als unmittelbares, sondern ein sol-
ches, dem die Negation und Vermittlung wesentlich
ist; hiemit nicht als das, was wir unter dem Seyn
meynen
, sondern das Seyn mit der Bestimmung, daſs
es die Abstraction oder das rein Allgemeine ist, und
unsere Meynung, für welche das wahre der sinnli-
chen Gewiſsheit nicht das Allgemeine ist, bleibt
allein diesem leeren oder gleichgültigen Itzt und
Hier gegenüber noch übrig.


Vergleichen wir das Verhältniſs, in welchem
das Wissen und der Gegenstand zuerst auftrat, mit
dem Verhältnisse derselben, wie sie in diesem Re-
[28] sultate zu stehen kommen, so hat es sich umgekehrt.
Der Gegenstand, der das Wesentliche seyn sollte,
ist nun das unwesentliche der sinnlichen Gewiſsheit,
denn das Allgemeine, zu dem er geworden ist, ist
nicht mehr ein solches, wie er für sie wesentlich
seyn sollte, sondern sie ist itzt in dem entgegenge-
setzten, nemlich in dem Wissen, das vorher das un-
wesentliche war, vorhanden. Ihre Wahrheit ist in
dem Gegenstande, als meinem Gegenstande, oder im
Meynen, er ist, weil Ich von ihm weiſs. Die sinn-
liche Gewiſsheit ist also zwar aus dem Gegenstande
vertrieben, aber dadurch noch nicht aufgehoben,
sondern nur in das Ich zurückgedrängt; es ist zu
sehen, was uns die Erfahrung über diese ihre Rea-
lität zeigt.


Die Kraft ihrer Wahrheit liegt also nun im
Ich, in der Unmittelbarkeit meines Sehens, Hörens,
und so fort; das Verschwinden des einzelnen Itzt,
und Hier, das wir meynen, wird dadurch abgehal-
ten, daſs Ich sie fest halte. Das Itzt ist Tag, weil
ich ihn sehe; das Hier ein Baum, eben darum. Die
sinnliche Gewiſsheit erfährt aber in diesem Verhält-
nisse dieselbe Dialektik an ihr, als in dem vorigen.
Ich, dieses sehe den Baum, und behaupte den Baum
als das Hier;
ein anderer Ich sieht aber das Haus,
und behauptet, das Hier sey nicht ein Baum, son-
dern vielmehr ein Haus. Beyde Wahrheiten haben
dieselbe Beglaubigung, nemlich die Unmittelbarkeit
des Sehens, und die Sicherheit und Versicherung
[29] beyder über ihr Wissen; die eine verschwindet aber
in der andern.


Was darin nicht verschwindet, ist Ich, als all-
gemeines
, dessen Sehen weder ein Sehen des Baums
noch dieses Hauses, sondern ein einfaches Sehen ist,
das durch die Negation dieses Hauses und so fort
vermittelt, darin eben so einfach und gleichgültig
gegen das, was noch beyher spielt, gegen das Haus,
den Baum ist. Ich ist nur allgemeines, wie Itzt,
Hier oder Dieses
überhaupt; ich meyne wohl einen
einz[e]lnen Ich, aber so wenig ich das, was ich bey
Itzt, Hier meyne, sagen kann, so wenig bey Ich.
Indem ich sage, dieses Hier, Itzt oder ein einzelnes,
sage ich alle diese, alle Hier, Itzt, einzelne; ebenso
indem ich sage, Ich, dieser einzelne Ich, sage ich
überhaupt, alle Ich; jeder ist das was ich sage; Ich,
dieser, einzelne, Ich
. Wenn der Wissenschafft diese
Forderung, als ihr Probierstein, auf dem sie schlecht-
hin nicht aushalten könnte, vorgelegt wird, ein so-
genanntes dieses Ding, oder einen diesen Menschen, zu
deduciren, construiren, à priori zu finden oder wie
man diſs ausdrücken will, so ist billig, daſs die Forde-
rung sage, welches dieses Ding oder welchen diesen
Ich, sie meyne; aber diſs zu sagen ist unmöglich.


Die sinnliche Gewiſsheit erfährt also, daſs ihr
Wesen, weder in dem Gegenstande, noch in dem
Ich, und die Unmittelbarkeit weder eine Unmittel-
barkeit des einen noch des andern ist, denn an bey-
den ist das was Ich meyne, vielmehr ein unwesent-
[30] liches, und der Gegenstand und Ich sind allgemeine,
in welchen dasjenige Itzt und Hier und Ich, das ich
meyne, nicht bestehen bleibt, oder ist. Wir kom-
men hiedurch dahin, das Ganze der sinnlichen Ge-
wiſsheit selbst als ihr Wesen zu setzen, nicht mehr
nur ein Moment derselben, wie in den beyden Fäl-
len geschehen ist, worin zuerst der dem Ich entge-
gengesetzte Gegenstand, dann Ich ihre Realität seyn
sollte. Es ist also nur die ganze sinnliche Gewiſs-
heit selbst, welche an ihr als Unmittelbarkeit festhält,
und hiedurch alle Entgegensetzung, die im vorheri-
gen statt fand, aus sich ausschlieſst.


Diese reine Unmittelbarkeit geht also das An-
dersseyn des Hier, als Baums, welches in ein Hier,
das Nichtbaum ist, das Andersseyn des Itzt, als Ta-
ges, das in ein Itzt, das Nacht ist, übergeht, oder
ein anderes Ich, dem etwas anderes Gegenstand ist,
nichts mehr an. Ihre Wahrheit erhält sich als sich
selbst gleichbleibende Beziehung, die zwischen dem
Ich, und dem Gegenstande keinen Unterschied der
Wesentlichkeit und Unwesentlichkeit macht, und
in die daher auch überhaupt kein Unterschied ein-
dringen kann. Ich dieses behaupte also, das Hier
als Baum, und wende mich nicht um, so daſs mir
das Hier zu einem Nichtbaume würde; ich neh-
me auch keine Notiz davon, daſs ein anderer Ich
das Hier, als Nichtbaum sieht, oder daſs Ich selbst,
ein anderesmal, das Hier als Nichtbaum, das Itzt
als Nicht-Tag nehme, sondern Ich bin reines An-
[31] schauen; Ich für mich bleibe dabey, das Itzt ist Tag,
oder auch dabey, das Hier ist Baum; vergleiche auch
nicht das Hier und Itzt selbst miteinander, sondern
halte an Einer unmittelbaren Beziehung fest: das
Itzt ist Tag.


Da hiemit diese Gewiſsheit nicht mehr herzutre-
ten will, wenn wir sie auf ein Itzt, das Nacht ist,
oder auf einen Ich, dem es Nacht ist, aufmerksam
machen, so treten wir zu ihr hinzu, und lassen uns
das Itzt zeigen, das behauptet wird. Zeigen müssen
wir es uns lassen, denn die Wahrheit dieser unmit-
telbaren Beziehung ist die Wahrheit dieses Ich, der
sich auf ein Itzt oder ein Hier einschränkt. Würden
wir nachher diese Wahrheit vornehmen, oder entfernt
davon stehen, so hätte sie gar keine Bedeutung, denn
wir höben die Unmittelbarkeit auf, die ihr wesent-
lich ist. Wir müssen daher in denselben Punkt der
Zeit oder des Raums eintreten, sie uns zeigen, d. h.
uns zu demselben diesen Ich, welches das Gewiſs-
wissende ist, machen lassen. Sehen wir also, wie das
unmittelbare beschaffen ist, das uns aufgezeigt wird.


Es wird das Itzt gezeigt; dieses Itzt. Itzt; es
hat schon aufgehört zu seyn, indem es gezeigt wird;
das Itzt, das ist, ist ein anderes, als das gezeigte,
und wir sehen, daſs das Itzt eben dieses ist, indem
es ist, schon nicht mehr zu seyn. Das Itzt, wie es
uns gezeigt wird, ist es ein gewesenes; und diſs ist
seine Wahrheit; es hat nicht die Wahrheit des
Seyns. Es ist also doch diſs wahr, daſs es gewesen
[32] ist. Aber was gewesen ist, ist in der That kein We-
sen; es ist nicht
, und um das Seyn war es zu thun.


Wir sehen also in diesem Aufzeigen nur eine
Bewegung und folgenden Verlauff derselben: 1) Ich
zeige das Itzt auf, es ist als das wahre behauptet; ich
zeige es aber als gewesenes, oder als ein aufgehobe-
nes, hebe die erste Wahrheit auf, und 2) Itzt be-
haupte Ich als die zweyte Wahrheit, daſs es gewe-
sen
, aufgehoben ist. 3) Aber das gewesene ist nicht;
Ich hebe das gewesen- oder aufgehobenseyn, die
zweyte Wahrheit auf, negire damit die Negation
des Itzt, und kehre so zur ersten Behauptung zu-
rück: daſs Itzt ist. Das Itzt und das Aufzeigen des Itzt
ist also so beschaffen, daſs weder das Itzt, noch das
Aufzeigen des Itzt ein unmittelbares Einfaches ist,
sondern eine Bewegung, welche verschiedene Mo-
mente an ihr hat; es wird dieses gesetzt, es wird aber
vielmehr ein anderes gesetzt, oder das diese wird auf-
gehoben: und dieses Andersseyn, oder Aufheben des
ersten wird selbst wieder aufgehoben, und so zu dem
Ersten zurückgekehrt. Aber dieses in sich reflectirte
Erste ist nicht ganz genau dasselbe, was es zuerst,
nemlich ein unmittelbares war; sondern es ist eben
ein in sich reflectirtes, oder einfaches, welches ein
Andersseyn bleibt, was es ist; ein Itzt, welches
absolut viele Itzt ist; und diſs ist das wahr-
haffte Itzt; das Itzt als einfacher Tag, das viele
Itzt in sich hat, Stunden; ein solches Itzt, eine
Stunde, ist eben so viele Minuten, und diese Itzt
[33] gleichfalls viele Itzt und so fort. — Das Aufzeigen
ist also selbst die Bewegung, welche es ausspricht,
was das Itzt in Wahrheit ist; nemlich ein Resultat,
oder eine Vielheit von Itzt zusammengefaſst; und das
Aufzeigen ist das Erfahren, daſs Itzt Allgemeines ist.


Das aufgezeigte Hier, das ich festhalte, ist eben-
so ein dieses Hier, das in der That nicht dieses Hier
ist, sondern ein Vornen und Hinten, ein Oben und
Unten, ein Rechts und Links ist. Das Oben ist
selbst, ebenso dieses vielfache anders-seyn in Oben,
Unten, und so fort. Das Hier, welches aufgezeigt
werden sollte, verschwindet in andern Hier, aber
diese verschwinden ebenso; das aufgezeigte, fest-
gehaltene und bleibende ist ein negatives Dieses,
das nur so ist, indem die Hier, wie sie sollen, ge-
nommen werden, aber darin sich aufheben; es ist
eine einfache Complexion vieler Hier. Das Hier,
das gemeynt wird, wäre der Punkt; er ist aber nicht,
sondern, indem er als seyend aufgezeigt wird, zeigt
sich das Aufzeigen nicht unmittelbares Wissen, son-
dern eine Bewegung, von dem gemeynten Hier aus
durch viele Hier, in das allgemeine Hier, zu seyn,
welches wie der Tag eine einfache Vielheit der Itzt,
so eine einfache Vielheit der Hier ist.


Es erhellt, daſs die Dialektik der sinnlichen Ge-
wiſsheit nichts anders, als die einfache Geschichte
ihrer Bewegung oder ihrer Erfahrung, und die sinn-
liche Gewiſsheit selbst nichts anders als nur diese
Geschichte ist. Das natürliche Bewuſstseyn geht
C
[34] deſswegen auch zu diesem Resultate, was an ihr das
Wahre ist, immer selbst fort, und macht die Er-
fahrung darüber; aber vergiſst es nur ebenso immer
wieder, und fängt die Bewegung von vorne an. Es
ist daher zu verwundern, wenn gegen diese Erfah-
rung, als allgemeine Erfahrung, auch als philoso-
phische Behauptung, und gar als Resultat des Skep-
ticismus aufgestellt wird, die Realität oder das Seyn
von äussern Dingen als diesen, oder sinnlichen, habe
absolute Wahrheit für das Bewuſstseyn; eine solche
Behauptung weiſs zugleich nicht, was sie spricht,
weiſs nicht, daſs sie das Gegentheil von dem sagt,
was sie sagen will. Die Wahrheit des sinnlichen
Diesen für das Bewuſstseyn soll allgemeine Erfahrung
seyn; aber vielmehr ist das Gegentheil allgemeine
Erfahrung; jedes Bewuſstseyn hebt eine solche
Wahrheit, wie zum Beyspiel: das Hier ist ein
Baum
, oder das Itzt ist Mittag, selbst wieder auf,
und spricht das Gegentheil aus: das Hier ist nicht
ein Baum, sondern ein Haus; und was in dieser die
erste aufhebenden Behauptung wieder eine eben solche
Behauptung eines sinnlichen Diesen ist, hebt es so
fort ebenso auf; und wird in aller sinnlichen Ge-
wiſsheit in Wahrheit nur diſs erfahren, was wir
gesehen haben, das dieses nemlich als ein allgemeines,
das Gegentheil dessen, was jene Behauptung all-
gemeine Erfahrung zu seyn versichert. — Bey dieser
Beruffung auf die allgemeine Erfahrung kann es er-
laubt seyn, die Rüchsicht auf das praktische zu an-
[35] ticipiren. In dieser Rücksicht kann denjenigen, wel-
che jene Wahrheit und Gewiſsheit der Realität der
sinnlichen Gegenstände behaupten, gesagt werden,
daſs sie in die unterste Schule der Weisheit, nem-
lich in die alten Eleusischen Mysterien der Ceres und
des Bacchus zurückzuweisen sind, und das Geheim-
niſs des Essens des Brodes und des Trinkens des
Weines erst zu lernen haben; denn der in diese Ge-
heimnisse eingeweihte gelangt nicht nur zum Zwei-
fel an dem Seyn der sinnlichen Dinge, sondern zur
Verzweiflung an ihm; und vollbringt in ihnen theils
selbst ihre Nichtigkeit, theils sieht er sie vollbrin-
gen. Auch die Thiere sind nicht von dieser Weisheit
ausgeschlossen, sondern erweisen sich vielmehr am tief-
sten in sie eingeweiht zu seyn, denn sie bleiben nicht
vor den sinnlichen Dingen als an sich seyenden ste-
hen, sondern verzweifelnd an dieser Realität und in
der völligen Gewiſsheit ihrer Nichtigkeit langen sie
ohne weiteres zu, und zehren sie auf; und die ganze
Natur feyert, wie sie, diese offenbare Mysterien, welche
es lehren, was die Wahrheit der sinnlichen Dinge ist.


Die, welche solche Behauptung aufstellen,
sagen aber, gemäſs vorhergehenden Bemerkun-
gen, auch selbst unmittelbar das Gegentheil dessen,
was sie meynen; eine Erscheinung, die vielleicht am
fähigsten ist, zum Nachdenken über die Natur der
sinnlichen Gewiſsheit zu bringen. Sie sprechen von
dem Daseyn äusserer Gegenstände, welche noch ge-
nauer, als wirkliche absolut einzelne, ganz persönliche,
C 2
[36]individuelle Dinge, deren jedes seines absolutgleichen
nicht mehr hat, bestimmt werden können; diſs Da-
seyn habe absolute Gewiſsheit und Wahrheit. Sie
meynen dieses Stück Papier, worauf ich diſs schrei-
be, oder vielmehr geschrieben habe; aber was sie
meynen, sagen sie nicht. Wenn sie wirklich die-
ses Stück Papier, das sie meynen, sagen wollten,
und sie wollten sagen, so ist diſs unmöglich, weil
das sinnliche Diese, das gemeynt wird, der Sprache,
die dem Bewuſstseyn, dem an sich allgemeinen, an-
gehört, unerreichbar ist. Unter dem wirklichen Ver-
suche, es zu sagen, würde es daher vermodern; die
seine Beschreibung angefangen, könnten sie nicht
vollenden, sondern müſsten sie andern überlassen,
welche von einem Dinge zu sprechen, das nicht ist,
zuletzt selbst eingestehen würden. Sie meynen also
wohl dieses Stück Papier, das hier ein ganz anderes
als das obige ist; aber sie sprechen wirkliche Dinge,
äuſsere
oder sinnliche Gegenstande, absolut einzelne We-
sen, und so fort, das heiſst, sie sagen von ihnen nur
das allgemeine; daher, was das Unaussprechliche ge-
nannt wird, nichts anderes ist, als das Unwahre,
Unvernünftige, bloſs Gemeynte. — Wird von et-
was weiter nichts geſagt, als daſs es ein wirkliches
Ding
, ein äuſserer Gegenstand ist, so ist es nur als
das allerallgemeinste, und damit vielmehr seine
Gleichheit mit allem, als die Unterschiedenheit ausge-
sprochen. Sage ich ein einzelnes Ding, so sage ich
es vielmehr ebenso als ganz allgemeines, denn Alle
[37] sind ein einzelnes Ding; und gleichfalls dieses Ding
ist alles, was man will. Genauer bezeichnet, als
dieses Stück Papier, so ist alles und jedes Papier,
ein dieses Stück Papier, und ich habe nur immer
das Allgemeine gesagt. Will ich aber dem Spre-
chen, welches die göttliche Natur hat, die Mey-
nung unmittelbar zu verkehren, zu etwas anderem
zu machen, und so sie gar nicht zum Worte kom-
men
zu lassen, dadurch nachhelfen, daſs ich diſs
Stück Papier aufzeige, so mache ich die Erfahrung,
was die Wahrheit der sinnlichen Gewiſsheit in der
That ist; ich zeige es auf, als ein Hier, das ein
Hier anderer Hier, oder an ihm selbst ein einfa-
ches Zusammen
vieler Hier, das heiſst, ein allge-
meines ist, ich nehme so es auf, wie es in Wahr-
heit ist, und statt ein unmittelbares zu wissen, neh-
me ich wahr
.


[38]

II.
Die Wahrnehmung;
oder das Ding, und die Täuschung.


Die unmittelbare Gewiſsheit nimmt sich nicht das
Wahre, denn ihre Wahrheit ist das Allgemeine, sie
aber will das Diese nehmen. Die Wahrnehmung
nimmt hingegen das, was ihr das seyende ist, als
Allgemeines. Wie die Allgemeinheit ihr Princip
überhaupt, so sind auch ihre in ihr unmittelbar sich
unterscheidenden Momente, Ich ein allgemeines, und
der Gegenstand ein allgemeiner. Jenes Princip ist
uns entstanden, und unser Aufnehmen der Wahrneh-
mung daher nicht mehr ein erscheinendes Aufnehmen,
wie der sinnlichen Gewiſsheit, sondern ein noth-
wendiges. In dem Entstehen des Princips sind zu-
gleich die beyden Momente, die an ihrer Erschei-
nung nur herausfallen, geworden; das eine nemlich
die Bewegung des Aufzeigens, das andere dieselbe
Bewegung, aber als Einfaches; jenes das Wahrneh-
men
, diſs der Gegenstand. Der Gegenstand ist dem
Wesen nach dasselbe, was die Bewegung ist, sie
die Entfaltung und Unterscheidung der Momente, er
das Zusammengefaſstseyn derselben. Für uns oder
[39] an sich ist das Allgemeine als Princip das Wesen der
Wahrnehmung; und gegen diese Abstraction, die
beyden unterschiednen, das Wahrnehmende und
das Wahrgenommene das Unwesentliche. Aber in
der That, weil beyde selbst das Allgemeine oder das
Wesen sind, sind sie beyde wesentlich; indem sie
aber sich als entgegengesetzte auf einander beziehen,
so kann in der Beziehung nur das eine das wesent-
liche seyn; und der Unterschied des Wesentlichen
und Unwesentlichen muſs sich an sie vertheilen.
Das Eine als das einfache bestimmt, der Gegenstand,
ist das Wesen, gleichgültig dagegen ob er wahrge-
nommen wird, oder nicht; das Wahrnehmen aber
als die Bewegung ist das unbeständige, das seyn
kann, oder auch nicht, und das unwesentliche.


Dieser Gegenstand ist nun näher zu bestimmen,
und diese Bestimmung aus dem Resultate das sich
ergeben, kurz zu entwickeln; die ausgeführtere Ent-
wicklung gehört nicht hierher. Da sein Princip das
Allgemeine, in seiner Einfachheit ein vermitteltes ist,
so muſs er diſs als seine Natur an ihm ausdrücken;
er zeigt sich dadurch als das Ding von vielen Eigen-
schafften
. Der Reichthum des sinnlichen Wissens
gehört der Wahrnehmung, nicht der unmittelbaren
Gewiſsheit an, an der er nur das beyherspielende
war, denn nur jene hat die Negation, den Unter-
schied oder die Mannigfaltigkeit an ihrem Wesen.


Das Dieses ist also gesetzt, als nicht dieses, oder
als aufgehoben; und damit nicht Nichts, sondern
[40] ein bestimmtes Nichts, oder ein Nichts von einem In-
halte
, nemlich dem Diesen. Das Sinnliche ist hiedurch
selbst noch vorhanden, aber nicht, wie es in der un-
mittelbaren Gewiſsheit seyn sollte, als das gemeynte
Einzelne, sondern als Allgemeines, oder als das,
was sich als Eigenschafft bestimmen wird. Das [Auf-
heben]
stellt seine wahrhafte gedoppelte Bedeutung
dar, welche wir an dem Negativen gesehen haben;
es ist ein Negiren und ein Aufbewahren zugleich; das
Nichts, als Nichts des Diesen, bewahrt die Unmit-
telbareit auf, und ist selbst sinnlich, aber eine allge-
moine Unmittelbarkeit. — Das Seyn aber ist ein All-
gemeines dadurch, daſs es die Vermittlung oder das
negative an ihm hat; indem es diſs an seiner Unmit-
telbarkeit ausdrückt, ist es eine unterschiedene, be-
stimmte
Eigenschafft. Damit sind zugleich viele sol-
che Eigenschafften, eine die negative der an-
dern, gesetzt. Indem sie in der Einfachheit
des Allgemeinen ausgedrückt sind, beziehen sich
diese Bestimmtheiten, die eigentlich erst durch eine
ferner hinzukommende Bestimmung Eigenschafften
sind, auf sich selbst, sind gleichgültig gegen einander,
jede für sich, frey von der andern. Die einfache
sich selbst gleiche Allgemeinheit selbst aber, ist wie-
der von diesen ihren Bestimmtheiten unterschieden,
und frey; sie ist das reine sich auf sich beziehen,
oder das Medium, worin diese Bestimmtheiten alle
sind, sich also in ihr als in einer einfachen Einheit
durchdringen, ohne sich aber zu berühren; denn eben
[41] durch die Theilnahme an dieser Allgemeinheit sind
sie gleichgültig für sich. — Diſs abstracte allgemeine
Medium, das die Dingheit überhaupt oder das reine
Wesen
genannt werden kann, ist nichts anderes als
das Hier und Itzt, wie es sich erwiesen hat, nemlich
als ein einfaches zusammen von vielen, aber die vie-
len sind in ihrer Bestimmtheit selbst einfach allgemeine.
Diſs Saltz ist einfaches Hier, und zugleich vielfach;
es ist weiſs, und auch scharf, auch kubisch gestaltet,
auch von bestimmter Schwere, und so weiter. Alle
diese vielen Eigenschafften sind in Einem einfachen
Hier, worin sie sich also durchdringen; keine hat
ein anderes Hier, als die andere, sondern jede ist
allenthalben, in demselben, worin die andere ist;
und zugleich, ohne durch verschiedene Hier geschie-
den zu seyn, afficiren sie sich in dieser Durchdrin-
gung nicht; das weise afficirt oder verändert das
kubische nicht, beyde nicht das scharfe, und so wei-
ter, sondern da jede selbst einfaches sich auf sich be-
ziehen
ist, läſst sie die andern ruhig und bezieht sich
nur durch das gleichgültige Auch auf sie. Dieses
Auch ist also das reine Allgemeine selbst, oder das
Medium, die sie so zusammenfassende Dingheit.


In diesem Verhältnisse, das sich ergeben hat,
ist nur erst der Charakter der positiven Allgemein-
heit beobachtet und entwickelt; es bietet sich aber
noch eine Seite dar, welche auch hereingenommen
werden muſs. Nemlich wenn die vielen bestimm-
ten Eigenschafften schlechterdings gleichgültig wären,
[42] und sich durchaus nur auf sich selbst bezögen, so
wären sie keine bestimmte; denn sie sind diſs nur in
sofern sie sich unterscheiden, und sich auf andere als
entgegengesetzte beziehen. Nach dieser Entgegense-
tzung aber können sie nicht in der einfachen Einheit
ihres Mediums zusammen seyn, die ihnen eben so
wesentlich ist als die Negation; die Unterscheidung
derselben, insofern sie nicht eine gleichgültige, son-
dern ausschlieſsende, anderes negirende ist, fallt also
auſser diesem einfachen Medium; und dieses ist da-
her nicht nur ein Auch, gleichgültige Einheit, son-
dern auch Eins, ausschlieſsende Einheit. — Das Eins
ist das Moment der Negation, wie es selbst auf eine ein-
fache Weise sich auf sich bezieht, und Anderes aus-
schlieſst; und wodurch die Dingheit, als Ding be-
stimmt ist. An der Eigenschafft ist die Negation als
Bestimmtheit, die unmittelbar eins ist mit der Un-
mittelbarkeit des Seyns, welche durch diese Einheit
mit der Negation, Allgemeinheit ist; als Eins aber
ist sie, wie sie von dieser Einheit mit dem Gegen-
theil befreyt, und an und fur sich selbst ist.


In diesen Momenten zusammen ist das Ding als
das Wahre der Wahrnehmung vollendet, so weit
es nöthig ist, es hier zu entwickeln. Es ist α) die
gleichgültige passive Allgemeinheit, das Auch der
vielen Eigenschafften, oder vielmehr Materien, β)
die Negation ebenso als einfach; oder das Eins,
das Ausschlieſsen entgegengesetzter Eigenschafften,
und γ) die vielen Eigenschafften selbst, die Bezie-
[43] hung der zwey ersten Momente; die Negation, wie
sie sich auf das gleichgültige Element bezieht, und
sich darin als eine Menge von Unterschieden aus-
breitet; der Punkt der Einzelnheit in dem Medium
des Bestehens in die Vielheit ausstrahlend. Nach
der Seite, daſs diese Unterschiede dem gleichgül-
tigen Medium angehören, sind sie selbst allgemein,
beziehen sich nur auf sich, und afficiren sich nicht;
nach der Seite aber, daſs sie der negativen Einheit
angehören, sind sie zugleich ausschlieſsend; haben
aber diese entgegengesetzte Beziehung nothwendig
an Eigenschafften, die aus ihrem Auch entfernt sind.
Die sinnliche Allgemeinheit, oder die unmittelbare
Einheit des Seyns und des Negativen, ist erst so Ei-
genschaft
, insofern das Eins und die reine Allge-
meinheit aus ihr entwickelt, und von einander un-
terschieden sind, und sie diese miteinander zusam-
menschlieſst; diese Beziehung derselben auf die rei-
nen wesentlichen Momente vollendet erst das Ding.


So ist nun das Ding der Wahrnehmung beschaf-
fen; und das Bewuſstseyn ist als Wahrnehmendes
bestimmt, insofern diſs Ding sein Gegenstand ist;
es hat ihn nur zu nehmen, und sich als reines Auf-
fassen zu verhalten; was sich ihm dadurch ergibt,
ist das Wahre. Wenn es selbst bey diesem Neh-
men etwas thäte, würde es durch solches hinzuse-
tzen oder weglassen die Wahrheit verändern. In-
dem der Gegenstand das Wahre und Allgemeine, sich
selbst Gleiche, das Bewuſstseyn sich aber das ver-
[44] anderliche und unwesentliche ist, kann es ihm gesche-
hen, daſs es den Gegenstand unrichtig auffaſst, und
sich täuscht. Das Wahrnehmende hat das Bewuſst-
seyn der Möglichkeit der Täuschung; denn in der
Allgemeinheit, welche das Princip ist, ist das Anders-
seyn
selbst unmittelbar für es, aber als das nichtige,
aufgehobene. Sein Kriterium der Wahrheit ist da-
her die Sichselbstgleichheit, und sein Verhalten, als
sich selbst gleiches aufzufassen. Indem zugleich das
verschiedene für es ist, ist es ein Beziehen der ver-
schiedenen Momente seines Auffassens auf einan-
der; wenn sich aber in dieser Vergleichung eine Un-
gleichheit hervorthut, so ist diſs nicht eine Unwahr-
heit des Gegenstandes, denn er ist das sich selbst
gleiche, sondern des Wahrnehmens.


Sehen wir nun zu, welche Erfahrung das Be-
wuſstseyn in seinem wirklichen Wahrnehmen macht.
Sie ist für uns in der so eben gegebenen Entwicklung
des Gegenstandes und des Verhaltens des Bewuſst-
seyns zu ihm schon enthalten; und wird nur die
Entwicklung der darin vorhandenen Widersprüche
seyn. — Der Gegenstand, den Ich aufnehme, bie-
tet sich als rein Einer dar; auch werde ich die Eigen-
schafft an ihm gewahr, die allgemein ist, dadurch
aber über die Einzelnheit hinausgeht. Das erste
Seyn des gegenständlichen Wesens als eines Einen,
war also nicht sein wahres Seyn; da er das Wahre
ist, fällt die Unwahrheit in mich, und das Auffas-
sen war nicht richtig. Ich muſs um der Allgemeinheit
[45] der Eigenschafft willen das gegenständliche Wesen,
vielmehr als eine Gemeinschafft überhaupt nehmen.
Ich nehme nun ferner die Eigenschafft wahr als be-
stimmte
, anderem entgegengesetzte, und es ausschlie-
ſsende. Ich faſste das gegenständliche Wesen also
in der That nicht richtig auf, als Ich es als eine Ge-
meinschafft
mit Andern oder als die Continuität
so bestimmte, und muſs, vielmehr um der Be-
stimmtheit
der Eigenschaft willen, die Continuität
trennen, und es als ausschlieſsendes Eins setzen.
An dem getrennten Eins finde ich viele solche Ei-
genschafften, die einander nicht afficiren, sondern
gleichgültig gegeneinander sind; ich nahm den Ge-
genstand also nicht richtig wahr, als ich ihn als ein
ausschlieſsendes auffaſste, sondern er ist, wie vorhin
nur Continuität überhaupt, so itzt ein allgemeines
gemeinschafftliches Medium, worin viele Eigenschaff-
ten als sinnliche Allgemeinheiten, jede für sich ist,
und als bestimmte die andern ausschlieſst. Das ein-
fache und wahre, das ich wahrnehme, ist aber hie-
mit auch nicht ein allgemeines Medium, sondern die
einzelne Eigenschafft für sich, die aber so weder Ei-
genschafft, noch ein bestimmtes Seyn ist; denn sie
ist nun weder an einem Eins, noch in Beziehung auf
andere. Eigenschafft ist sie aber nur am Eins, und
bestimmt nur in Beziehung auf andere. Sie bleibt
als diſs reine sich auf sich selbst beziehen, nur sinn-
liches Seyn
überhaupt, da sie den Charakter der Ne-
gativität nicht mehr an ihr hat; und das Bewuſstseyn
[46] für welches itzt ein sinnliches Seyn ist, ist nur ein
Meynen, das heiſst, es ist aus dem Wahrnehmen
ganz heraus und in sich zurückgegangen. Allein das
sinnliche Seyn und Meynen geht selbst in das Wahr-
nehmen über; ich bin zu dem Anfang zurückgewor-
fen, und wieder in denselben, sich in jedem Mo-
mente und als Ganzes aufhebenden, Kreislauff hin-
eingerissen.


Das Bewuſstseyn durchlaufft ihn also nothwen-
dig wieder, aber zugleich nicht auf dieselbe Weise
wie das erstemal. Es hat nemlich die Erfahrung
über das Wahrnehmen gemacht, daſs das Resultat
und das Wahre desselben seine Auflösung, oder die
Reflexion in sich selbst aus dem Wahren ist. Es
hat sich hiemit für das Bewuſstseyn bestimmt, wie
sein Wahrnehmen wesentlich beschaffen ist, nem-
lich nicht ein einfaches reines Auffassen, son-
dern in seinem Auffassen zugleich aus dem Wah-
ren heraus in sich reflectirt zu seyn. Diese Rückkehr
des Bewuſstseyns in sich selbst, die sich in das reine
Auffassen unmittelbar, — denn sie hat sich als dem
Wahrnehmen wesentlich gezeigt, — einmischt, ver-
ändert das Wahre. Das Bewuſstseyn erkennt diese
Seite zugleich als die seinige, und nimmt sie auf
sich, wodurch es also den wahren Gegenstand rein
erhalten wird. — Es ist hiemit itzt, wie es bey
der sinnlichen Gewiſsheit geschah, an dem Wahr-
nehmen die Seite vorhanden, daſs das Bewuſstseyn
in sich zurückgedrängt wird, aber zunächst nicht in
[47] dem Sinne, in welchem diſs bey jener der Fall war;
als ob in es die Wahrheit des Wahrnehmens fiele,
sondern vielmehr erkennt es, daſs die Unwahrheit,
die darin vorkömmt, in es fällt. Durch diese Er-
kenntniſs aber ist es zugleich fähig, sie aufzuheben;
es unterscheidet sein Auffassen des Wahren von
der Unwahrheit seines Wahrnehmens, corrigirt
diese, und insofern es diese Berichtigung selbst
vornimmt, fällt allerdings die Wahrheit, als Wahr-
heit des Wahrnehmens in dasselbe. Das Verhalten
des Bewuſstseyns, das nunmehr zu betrachten ist, ist
also so beschaffen, daſs es nicht mehr bloſs wahr-
nimmt, sondern auch seiner Reflexion in sich be-
wuſst ist, und diese von der einfachen Auffassung
selbst abtrennt.


Ich werde also zuerst des Dings als Eines ge-
wahr, und habe es in dieser wahren Bestimmung fest
zu halten; wenn in der Bewegung des Wahrneh-
mens etwas dem Widersprechendes vorkommt, so
ist diſs als meine Reflexion zu erkennen. Es kom-
men nun in der Wahrnehmung auch verschiedene
Eigenschafften vor, welche Eigenschafften des Dings
zu seyn scheinen; allein, das Ding ist Eins und von
dieser Verschiedenheit, wodurch es aufhörte, Eins
zu seyn, sind wir uns bewuſst, daſs sie in uns fällt.
Diſs Ding ist also in der That nur weiſs, an unser
Auge gebracht, scharf auch, an unsre Zunge, auch
kubisch an unser Gefühl, und so fort. Die gänzliche
Verschiedenheit dieser Seiten nehmen wir nicht aus
[48] dem Dinge, sondern aus uns; sie fallen uns an un-
serem von der Zunge ganz unterschiedenen Auge
und so fort, so auseinander. Wir sind somit das
allgemeine Medium, worin solche Momente sich ab-
sondern, und für sich sind. Hiedurch also, daſs
wir die Bestimmtheit allgemeines Medium zu seyn,
als unsre Reflexion betrachten, erhalten wir die
Sichselbstgleichheit und Wahrheit des Dinges, Eins
zu seyn.


Diese verschiedenen Seiten, welche das Bewuſst-
seyn auf sich nimmt, sind aber, jede so für sich, als
in dem allgemeinen Medium sich befindend betrach-
tet, bestimmt; das Weiſse ist nur in Entgegensetzung
gegen das Schwarze, und so fort, und das Ding
Eins gerade dadurch, daſs es andern sich entge-
gensetzt. Es schlieſst aber andere nicht, insofern es
Eins ist, von sich aus; denn Eins zu seyn ist das
allgemeine auf sich selbst beziehen, und dadurch,
daſs es Eins ist, ist es vielmehr allen gleich; son-
dern durch die Bestimmtheit. Die Dinge selbst also
sind an und für sich bestimmte; sie haben Eigenschaff-
ten, wodurch sie sich von andern unterscheiden.
Indem die Eigenschafft die eigene Eigenschafft des
Dinges, oder eine Bestimmtheit an ihm selbst ist,
hat es mehrere Eigenschafften. Denn vors erste ist
das Ding das wahre, es ist an sich selbst; und was
an ihm ist, ist an ihm als sein eigenes Wesen,
nicht um anderer willen; also sind zweytens die
bestimmten Eigenschafften nicht nur um anderer
[49] Dinge willen, und für andere Dinge, sondern an ihm
selbst; sie sind aber bestimmte Eigenschafften an ihm
nur, indem sie mehrere sich von einander unter-
scheidende sind; und drittens, indem sie so in der
Dingheit sind, sind sie an und für sich und gleich-
gültig gegen einander. Es ist also in Wahrheit das
Ding selbst, welches weiſs, und auch kubisch, auch
scharf, und so fort ist, oder das Ding ist das Auch,
oder das allgemeine Medium, worin die vielen Eigen-
schaften auſser einander bestehen, ohne sich zu be-
rühren und aufzuheben; und so genommen wird es
als das wahre genommen.


Bey diesem Wahrnehmen nun ist das Bewuſstseyn
zugleich sich bewuſst, daſs es sich auch in sich selbst
reflectirt und in dem Wahrnehmen das dem Auch
entgegengesetzte Moment vorkommt. Diſs Moment
aber ist Einheit des Dings mit sich selbst, welche
den Unterschied aus sich ausschlieſst. Sie ist es dem-
nach, welche das Bewuſstseyn auf sich zu nehmen
hat; denn das Ding selbst ist das Bestehen der vielen
verschiedenen
und unabhängigen Eigenschafften. Es
wird also von dem Dinge gesagt, es ist weiſs, auch
kubisch, und auch scharf u. s. f. Aber insofern es
weiſs ist, ist es nicht kubisch, und insofern es ku-
bisch und auch weiſs ist, ist es nicht scharf u. s. f.
Das in eins setzen dieser Eigenschafften kommt nur
dem Bewuſstseyn zu, welches sie daher an dem Ding
nicht in Eins fallen zu lassen hat. Zu dem Ende
bringt es das Insofern herbey, wodurch es sie aus-
D
[50] einander, und das Ding als das Auch erhält. Recht
eigentlich wird das Einsseyn von dem Bewuſstseyn
erst so auf sich genommen, daſs dasjenige, was Ei-
genschafft genannt wurde, als freye Materie vorge-
stellt wird. Das Ding ist auf diese Weise zum
wahrhafften Auch erhoben, indem es eine Samm-
lung von Materien, und statt Eins zu seyn zu einer
bloſs umschlieſsenden Oberfläche wird.


Sehen wir zurück auf dasjenige, was das Be-
wuſstseyn vorhin auf sich genommen, und itzt auf
sich nimmt; was es vorhin dem Dinge zuschrieb,
und itzt ihm zuschreibt, so ergibt sich daſs es ab-
wechslungsweise, ebensowohl sich selbst als auch
das Ding zu beydem macht, zum reinen vielheits-
losen Eins, wie zu einem in selbstständige Mate-
rien aufgelösten Auch. Das Bewuſstseyn findet also
durch diese Vergleichung, daſs nicht nur sein Neh-
men des Wahren, die Verschiedenheit des Auffassens
und des in sich Zurückgehens an ihm hat, sondern daſs
vielmehr das Wahre selbst, das Ding, sich auf diese
gedoppelte Weise zeigt. Es ist hiemit die Erfah-
rung vorhanden, daſs das Ding sich für das auffas-
sende Bewuſstseyn auf eine bestimmte Weise dar-
stellt
, aber zugleich aus der Weise, in der es sich
darbietet, heraus und in sich reflectirt ist, oder an
ihm selbst eine entgegengesetzte Wahrheit hat.


Das Bewuſstseyn ist also auch aus dieser zwey-
ten Art, sich im Wahrnehmen zu verhalten, nem-
lich das Ding als das wahre sich selbst gleiche,
[51] sich aber für das ungleiche, für das aus der Gleich-
heit heraus in sich zurückgehende, zu nehmen, selbst
heraus, und der Gegenstand ist ihm itzt diese ganze
Bewegung, welche vorher an den Gegenstand und
an das Bewuſstseyn vertheilt war. Das Ding ist
Eins, in sich reflectirt; es ist für sich; aber es ist
auch für ein anderes; und zwar ist es ein anderes für
sich, als es für anderes ist. Das Ding ist hienach für
sich, und auch für ein anderes, ein gedoppeltes ver-
schiedenes Seyn; aber es ist auch Eins; das Einsseyn
aber widerspricht dieser seiner Verschiedenheit; das
Bewuſstseyn hätte hienach diſs in einssetzen wieder
auf sich zu nehmen, und von dem Dinge abzuhal-
ten. Es müſste also sagen, daſs das Ding, insofern
es für sich ist, nicht für anderes ist. Allein dem
Dinge selbst kommt auch das Einsseyn zu, wie das
Bewuſstseyn erfahren hat; das Ding ist wesentlich
in sich reflectirt. Das Auch, oder der gleichgültige
Unterschied fällt also wohl ebenso in das Ding, als
das Einsseyn; aber da beydes verschieden, nicht
in dasselbe, sondern in verschiedene Dinge; der Wi-
derspruch, der an dem gegenständlichen Wesen über-
haupt ist, vertheilt sich an zwey Gegenstände. Das
Ding ist also wohl an und für sich, sich selbst gleich;
aber diese Einheit mit sich selbst wird durch andere
Dinge gestört; so ist die Einheit des Dings erhalten,
und zugleich das Andersseyn auſser ihm, so wie
auſser dem Bewuſstseyn.


D 2
[52]

Ob nun zwar so der Widerspruch des gegen-
ständlichen Wesens an verschiedene Dinge vertheilt
ist, so wird darum doch an das abgesonderte einzelne
Ding selbst der Unterschied kommen. Die verschie-
denen Dinge
sind also für sich gesetzt; und der Wi-
derstreit fällt in sie so gegenseitig, daſs jedes nicht
von sich selbst, sondern nur von dem andern
verschieden ist. Jedes ist aber hiemit selbst als ein
unterschiedenes
bestimmt, und hat den wesentlichen
Unterschied von den andern an ihm; aber zugleich
nicht so, daſs diſs eine Entgegensetzung an ihm selbst
wäre, sondern es für sich ist einfache Bestimmtheit,
welche seinen wesentlichen es von andern unterschei-
denden Charakter ausmacht. In der That ist zwar,
da die Verschiedenheit an ihm ist, dieselbe noth-
wendig als wirklicher Unterschied mannichfaltiger
Beschaffenheit an ihm. Allein weil die Bestimmt-
heit das Wesen des Dinges ausmacht, wodurch es
von andern sich unterscheidet und für sich ist, so ist
diese sonstige mannichfaltige Beschaffenheit das un-
wesentliche
. Das Ding hat hiemit zwar in seiner Ein-
heit das gedoppelte Insofern an ihm, aber mit unglei-
chem Werthe;
wodurch diſs Entgegengesetztseyn
also nicht zur wirklichen Entgegensetzung des Dings
selbst wird, sondern insofern diſs durch seinen ab-
soluten
Unterschied
in Entgegensetzung kommt, hat
es sie gegen ein anderes Ding auſser ihm. Die
sonstige Mannichfaltigkeit aber ist zwar auch
nothwendig an dem Dinge, so daſs sie nicht von
[53] ihm wegbleiben kann, aber sie ist ihm unwesent-
lich
.


Diese Bestimmtheit, welche den wesentlichen
Charakter des Dings ausmacht, und es von allen
andern unterscheidet, ist nun so bestimmt, daſs das
Ding dadurch im Gegensatze mit andern ist, aber
sich darin für sich erhalten soll. Ding aber, oder
für sich seyendes Eins ist es nur, insofern es nicht
in dieser Beziehung auf andere steht; denn in dieser
Beziehung ist vielmehr der Zusammenhang mit an-
derem gesetzt; und Zusammenhang mit anderem ist
das Aufhören des für sich seyns. Durch den abso-
luten Charakter
gerade, und seine Entgegensetzung
verhält es sich zu andern, und ist wesentlich nur diſs
Verhalten; das Verhältniſs aber ist die Negation sei-
ner Selbstständigkeit, und das Ding geht vielmehr
durch seine wesentliche Eigenschafft zu Grunde.


Die Nothwendigkeit der Erfahrung für das Be-
wuſstseyn, daſs das Ding eben durch die Bestimmt-
heit, welche sein Wesen und sein für sich seyn aus-
macht, zu Grunde geht, kann kurz dem einfachen
Begriffe nach so betrachtet werden. Das Ding ist
gesetzt als für sich seyn, oder als absolute Negation
alles Andersseyns; daher absolute, nur sich auf
sich beziehende Negation; aber die sich auf sich be-
ziehende Negation ist Aufheben seiner selbst, oder
sein Wesen in einem andern zu heben.


In der That enthält die Bestimmung des Gegen-
standes, wie er sich ergeben hat, nichts anderes; er
[54] soll eine wesentliche Eigenschafft, welche sein ein-
faches für sich seyn ausmacht, bey dieser Einfach-
heit aber auch die Verschiedenheit an ihm selbst
haben, welche zwar nothwendig seyn, aber nicht die
wesentliche Bestimmtheit ausmachen soll. Aber diſs
ist eine Unterscheidung, welche nur noch in den
Worten liegt; das unwesentliche, welches doch zu-
gleich nothwendig seyn soll, hebt sich selbst auf,
oder ist dasjenige, was so eben die Negation seiner
selbst genannt wurde.


Es fällt hiemit das letzte Insofern hinweg, wel-
ches das für sich seyn, und das seyn für anderes
trennte; der Gegenstand ist vielmehr in einer und der-
selben Rücksicht das Gegentheil seiner selbst, für sich in-
sofern er für anderes
, und für anderes insofern er für
sich ist
. Er ist für sich, in sich reflectirt, Eins; aber
diſs für sich, in sich reflectirt, Eins seyn ist mit sei-
nem Gegentheile dem Seyn für ein anderes in einer
Einheit, und darum nur als aufgehobenes gesetzt;
oder diſs für sich seyn ist eben so unwesentlich, als
dasjenige, was allein das unwesentliche seyn sollte,
nemlich das Verhältniſs zu anderem.


Der Gegenstand ist hiedurch in seinen reinen
Bestimmtheiten oder in den Bestimmtheiten, welche
seine Wesenheit ausmachen sollten, eben so aufge-
hoben, als er in seinem sinnlichen Seyn zu einem
aufgehobenen wurde. Aus dem sinnlichen Seyn
wird er ein allgemeines; aber diſs allgemeine ist,
da es aus dem sinnlichen herkommt, wesentlich durch
[55] dasselbe bedingt, und daher überhaupt nicht wahr-
hafft sich selbst gleiche, sondern mit einem Gegen-
satze afficirte
Allgemeinheit, welche sich darum in
die Extreme der Einzelnheit und Allgemeinheit, des
Eins der Eigenschafften und des Auchs der freyen
Materien trennt. Diese reinen Bestimmtheiten schei-
nen die Wesenheit selbst auszudrücken, aber sie sind
nur ein für sich seyn, welches mit dem Seyn für ein
anderes
behafftet ist; indem aber beyde wesentlich
in einer Einheit sind, so ist itzt die unbedingte absolute
Allgemeinheit vorhanden, und das Bewuſstseyn tritt
hier erst wahrhafft in das Reich des Verstandes ein.


Die sinnliche Einzelnheit also verschwindet zwar
in der dialektischen Bewegung der unmittelbaren Ge-
wiſsheit und wird Allgemeinheit, aber nur sinnliche
Allgemeinheit
. Das Meynen ist verschwunden, und
das Wahrnehmen nimmt den Gegenstand, wie er
an sich
ist; oder als Allgemeines überhaupt; die Ein-
zelnheit tritt daher an ihm, als wahre Einzelnheit,
als an sich seyn des Eins hervor, oder als reflectirt-
seyn in sich
selbst. Es ist aber noch ein bedingtes für
sich seyn, neben welchem ein anderes für sich seyn,
die der Einzelnheit entgegengesetzte, und durch sie
bedingte Allgemeinheit vorkommt; aber diese bey-
den widersprechenden Extreme sind nicht nur neben
einander
, sondern in Einer Einheit, oder, was das-
selbe ist, das gemeinschafftliche beyder, das für sich
seyn ist
mit dem Gegensatze überhaupt behafftet, das
heiſst, es ist zugleich nicht ein für sich seyn. Diese
[56] Momente sucht die Sophisterey des Wahrnehmens
von ihrem Widerspruche zu retten, und durch die
Unterscheidung der Rücksichten, durch das Auch und
Insofern festzuhalten, so wie endlich durch die Un-
terscheidung des unwesentlichen, und eines ihm ent-
gegengesetzten Wesens, das Wahre zu ergreiffen.
Allein diese Auskunftsmittel, statt die Täuschung
in dem Auffassen abzuhalten, erweisen sich vielmehr
selbst als nichtig, und das Wahre, das durch diese
Logik des Wahrnehmens gewonnen werden soll,
weist sich in Einer und derselben Rücksicht das Ge-
gentheil zu seyn, und hiemit zu seinem Wesen die
unterscheidungs- und bestimmungslose Allgemein-
heit zu haben.


Diese leeren Abstractionen der Einzelnheit, und
der ihr entgegengesetzten Allgemeinheit, so wie des
Wesens, das mit einem unwesentlichen verknüpft, ei-
nes unwesentlichen, das doch zugleich nothwendig ist,
sind die Mächte, deren Spiel der wahrnehmende,
oft sogenannte gesunde Menschenverstand ist; er,
der sich für das gediegne reale Bewuſstseyn nimmt,
ist im Wahrnehmen nur das Spiel dieser Abstra-
ctionen;
er ist überhaupt immer da am ärmsten, wo
er am reichsten zu seyn meynt. Indem er von die-
sen nichtigen Wesen herumgetrieben, von dem ei-
nen dem andern in die Arme geworfen wird und
durch seine Sophisterey abwechslungsweise itzt das
eine, dann das geradentgegengesetzte festzuhalten
und zu behaupten bemüht, sich der Wahrheit wi-
[57] dersetzt, meynt er von der Philosophie, sie habe
es nur mit Gedankendingen zu thun. Sie hat in der
That auch damit zu thun, und erkennt sie für die
reinen Wesen, für die absoluten Elemente und
Mächte; aber damit erkennt sie dieselben zugleich
in ihrer Bestimmtheit, und ist darum Meister über sie,
während jener wahrnehmende Verstand sie für das
Wahre nimmt, und von ihnen aus einer Irre in die
andere geschickt wird. Er selbst kommt nicht zu
dem Bewuſstseyn, daſs es solche einfache Wesen-
heiten sind, die in ihm walten, sondern er meynt
es immer mit ganz gediegnem Stoffe und Inhalte zu
thun zu haben, so wie die sinnliche Gewiſsheit nicht
weiſs, daſs die leere Abstraction des reinen Seyns ihr
Wesen ist; aber in der That sind sie es, an wel-
chen er durch allen Stoff und Inhalt hindurch und
hin und her läufft; sie sind der Zusammenhalt und
die Herrschafft desselben, und allein dasjenige, was
das sinnliche als Wesen für das Bewuſstseyn ist, was
seine Verhältnisse zu ihm bestimmt, und woran die
Bewegung des Wahrnehmens und seines Wahren
abläufft. Dieser Verlauff, ein beständig abwechseln-
des Bestimmen des Wahren und Aufheben dieses
Bestimmens, macht eigentlich das tägliche und be-
ständige Leben und Treiben des Wahrnehmenden
und in der Wahrheit sich zu bewegen meynenden
Bewuſstseyns aus. Es geht darin unaufhaltsam zu
dem Resultate des gleichen Aufhebens aller dieser
wesentlichen Wesenheiten oder Bestimmungen fort,
[58] ist aber in jedem einzelnen Momente nur dieser Ei-
nen Bestimmtheit
als des Wahren sich bewuſst, und
dann wieder der entgegengesetzten. Es wittert wohl
ihre Unwesenheit; sie gegen die drohende Gefahr zu
retten, geht es zur Sophisterey über, das was es
selbst so eben als das Nichtwahre behauptete, itzt
als das Wahre zu behaupten. Wozu diesen Ver-
stand eigentlich die Natur dieser unwahren Wesen
treiben will, die Gedanken von jener Allgemeinheit
und Einzelnheit, vom Auch und Eins, von jener We-
sentlichkeit
, die mit einer Unwesentlichkeit nothwendig
verknüpft ist, und von einem Unwesentlichen, das
doch nothwendig ist, — die Gedanken von diesen Un-
wesen zusammen zu bringen und sie dadurch aufzu-
heben, dagegen sträubt er sich durch die Stützen des
Insofern und der verschiedenen Rücksichten, oder da-
durch, den einen Gedanken auf sich zu nehmen, um
den andern getrennt, und als den wahren zu erhalten.
Aber die Natur dieser Abstractionen bringt sie an und
für sich zusammen, der gesunde Verstand ist der
Raub derselben, die ihn in ihrem wirbelnden Kreise
umhertreiben. Indem er ihnen die Wahrheit dadurch
geben will, daſs er bald die Unwahrheit derselben auf
sich nimmt, bald aber auch die Täuschung einen Schein
der unzuverlässigen Dinge nennt und das Wesentliche
von einem ihnen nothwendigen, und doch unwesent-
lich seyn sollenden abtrennt, und jenes als ihre Wahr-
heit gegen dieses festhält, erhält er ihnen nicht ihre
Wahrheit, sich aber gibt er die Unwahrheit.


[59]

III.
Krafft und Verstand,
Erscheinung und übersinnliche Welt.


Dem Bewuſstseyn ist in der Dialektik der sinnli-
chen Gewiſsheit das Hören und Sehen u. s. w. ver-
gangen, und als Wahrnehmen ist es zu Gedanken
gekommen, welche es aber erst im unbedingt allge-
meinen zusammenbringt. Diſs unbedingte wäre nun
selbst wieder nicht anders, als das auf eine Seite tre-
tende Extrem des für sich seyns, wenn es als ruhiges
einfaches Wesen genommen würde, denn so träte
ihm das Unwesen gegenüber; aber auf dieses bezo-
gen wäre es selbst unwesentlich, und das Bewuſst-
seyn nicht aus der Täuschung des Wahrnehmens
herausgekommen; allein es hat sich als ein solches
ergeben, welches aus einem solchen bedingten für
sich seyn in sich zurückgegangen ist. — Diſs unbe-
dingte Allgemeine, das nunmehr der wahre Ge-
genstand des Bewuſstseyns ist, ist noch als Gegen-
stand
desselben; es hat seinen Begriff als Begriff noch
nicht erfaſst. Beydes ist wesentlich zu unterschei-
den; dem Bewuſstseyn ist der Gegenstand aus dem
Verhältnisse zu einem andern in sich zurück gegan-
[60] gen, und hiemit an sich Begriff geworden; aber das
Bewuſstseyn ist noch nicht für sich selbst der Be-
griff, und deſswegen erkennt es in jenem reflectir-
ten Gegenstande nicht sich. Für uns ist dieser Ge-
genstand durch die Bewegung des Bewuſstseyns so
geworden, daſs dieses in das Werden desselben ver-
flochten, und die Reflexion auf beyden Seiten die-
selbe, oder nur Eine ist. Weil aber das Bewuſst-
seyn in dieser Bewegung nur das gegenständliche
Wesen, nicht das Bewuſstseyn als solches zu sei-
nem Inhalte hatte, so ist für es das Resultat in ge-
genständlicher Bedeutung zu setzen, und das Be-
wuſstseyn noch von dem gewordenen zurücktretend,
so daſs ihm dasselbe als gegenständliches das We-
sen ist.


Der Verstand hat damit zwar seine eigne Un-
wahrheit und die Unwahrheit des Gegenstandes auf-
gehoben; und was ihm dadurch geworden, ist der
Begriff des Wahren; als an sich seyendes Wahres,
das noch nicht Begriff ist, oder das des für sich seyns
des Bewuſstseyns entbehrt, und das der Verstand,
ohne sich darin zu wissen, gewähren läſst. Dieses
treibt sein Wesen für sich selbst; so daſs das Be-
wuſstseyn keinen Antheil an seiner freyen Realisi-
rung hat, sondern ihr nur zusieht, und sie rein auf-
faſst. Wir haben hiemit noch vors erste an seine
Stelle zu treten, und der Begriff zu seyn, welcher
das ausbildet, was in dem Resultate enthalten ist;
an diesem ausgebildeten Gegenstande, der dem Be-
[61] wuſstseyn als ein seyendes sich darbietet, wird es
sich erst zum begreiffenden Bewuſstseyn.


Das Resultat war das unbedingt allgemeine, zu-
nächst in dem negativen und abstracten Sinne, daſs
das Bewuſstseyn seine einseitigen Begriffe negirte,
und sie abstrahirte, nemlich sie aufgab. Das Re-
sultat hat aber an sich die positive Bedeutung, daſs
darin die Einheit, des für sich seyns und des für ein
anderes seyns
, oder der absolute Gegensatz unmittel-
bar als dasselbe Wesen gesetzt ist. Es scheint zu-
nächst nur die Form der Momente zu einander zu
betreffen; aber das für sich seyn und das für ande-
res seyn ist eben sowohl der Inhalt selbst, weil der
Gegensatz in seiner Wahrheit keine andere Natur
haben kann, als die sich im Resultate ergeben hat,
daſs nemlich der in der Wahrnehmung für wahrge-
haltene Inhalt, in der That nur der Form ange-
hört, und in ihre Einheit sich auflöst. Dieser In-
halt ist zugleich allgemein; es kann keinen andern
Inhalt geben, der durch seine besondere Beschaffen-
heit sich dem entzöge, in diese unbedingte Allge-
meinheit zurückzugehen. Ein solcher Inhalt wäre ir-
gend eine bestimmte Weise für sich zu seyn, und
zu anderem sich zu verhalten. Allein für sich zu
seyn
, und zu anderem sich zu verhalten überhaupt,
macht seine Natur und Wesen aus, deren Wahr-
heit ist, unbedingt allgemeines zu seyn; und das Re-
sultat ist schlechthin allgemein.


[62]

Weil aber diſs unbedingt Allgemeine Gegenstand
für das Bewuſstseyn ist, so tritt an ihm der Unter-
schied der Form und des Inhalts hervor, und in
der Gestalt des Inhalts haben die Momente das Aus-
sehen, in welchem sie sich zuerst darboten, einer-
seits allgemeines Medium vieler bestehender Mate-
rien, und anderseits in sich reflectirtes Eins, worin
ihre Selbstständigkeit vertilgt ist, zu seyn. Jenes ist
die Auflösung der Selbstständigkeit des Dinges, oder
die Paſſivität, die ein Seyn für ein anderes ist, diſs
aber das für sich seyn. Es ist zu sehen, wie diese
Momente in der unbedingten Allgemeinheit, die ihr
Wesen ist, sich darstellen. Es erhellt zunächst, daſs
sie dadurch, daſs sie nur in dieser sind, überhaupt
nicht mehr auseinander liegen, sondern wesentlich
an ihnen selbst sich aufhebende Seiten sind, und nur
das Uebergehen derselben in einander gesetzt ist.


Das eine Moment erscheint also als das auf die Seite
getretene Wesen, als allgemeines Medium oder als
das Bestehen selbstständiger Materien. Die Selbst-
ständigkeit
dieser Materien aber ist nichts anders als
diſs Medium; oder diſs allgemeine ist durchaus die
Vielheit solcher verschiedenen Allgemeinen. Das
Allgemeine ist an ihm selbst in ungetrennter Ein-
heit mit dieser Vielheit, heiſst aber, diese Materien
sind, jede wo die andere ist, sie durchdringen sich
gegenseitig, — ohne aber sich zu berühren, weil
umgekehrt das viele unterschiedene eben so selbst-
ständig ist. Damit ist zugleich auch ihre reine Po-
[63] rosität oder ihr Aufgehobenseyn gesetzt. Diſs Auf-
gehobenseyn wieder, oder die Reduction dieser Ver-
schiedenheit zum reinen für sich seyn ist nichts an-
ders als das Medium selbst und diſs die Selbststandig-
keit
der Unterschiede. Oder die selbstständig gesetz-
ten gehen unmittelbar in ihre Einheit, und ihre Ein-
heit unmittelbar in die Entfaltung über, und diese
wieder zurück in die Reduction. Diese Bewegung
ist aber dasjenige was Krafft genannt wird; das eine
Moment derselben, nemlich sie als Ausbreitung der
selbstständigen Materien in ihrem Seyn ist ihre Aeu-
ſserung
; sie aber als das Verschwundenseyn dersel-
ben ist die in sich aus ihrer Aeuſserung zurückge-
drangte
, oder die eigentliche Krafft. Aber erstens die
in sich zurückgedrängte Krafft muſs sich auſsern; und
zweytens in der Aeuſserung ist sie ebenso in sich selbst
seyende Krafft, als sie in diesem in sich selbstseyn
Aeuſserung ist. — Indem wir so beyde Momente in
ihrer unmittelbaren Einheit erhalten, so ist eigent-
lich der Verstand, dem der Begriff der Krafft an-
gehört, der Begriff, welcher die unterschiedenen
Mornente, als unterschiedene trägt; denn an ihr selbst
sollen sie nicht unterschieden seyn; der Unterschied
ist hiemit nur im Gedanken. — Oder es ist im obigen
nur erst der Begriff der Krafft, nicht ihre Realität
gesetzt worden. In der That aber ist die Krafft das
unbedingt allgemeine, welches, was es für ein ande-
res
, eben so an sich selbst ist; oder welches den
Unterschied — denn er ist nichts anderes, als das
[64] für ein anderes seyn, — an ihm selbst hat. Daſs
also die Krafft in ihrer Wahrheit sey, muſs sie
ganz vom Gedanken frey gelassen und als die Sub-
stanz dieser Unterschiede gesetzt werden, das heiſst
einmal, sie als diese ganze Krafft wesentlich an und
für sich
bleibend, und dann ihre Unterschiede als sub-
stantiell
, oder als für sich bestehende Momente. Die
Krafft als solche, oder als in sich zurückgedrängte
ist hiemit für sich als ein ausschlieſsendes Eins, wel-
chem die Entfaltung der Materien ein anderes beste-
hendes Wesen
ist, und es sind so zwey unterschiedn[e]
selbstständige Seiten gesetzt. Aber die Krafft ist auch
das Ganze, oder sie bleibt was sie ihrem Begriffe
nach ist, nemlich diese Unterschiede bleiben reine
Formen, oberflächliche verschwindende Momente. Die
Unterschiede
der in sich zurückgedrängten eigentlichen
Krafft, und der Entfaltung der selbstständigen Ma-
terien, wären zugleich gar nicht, wenn sie nicht
ein Bestehen hätten, oder die Krafft wäre nicht,
wenn sie nicht auf diese entgegengesetzte Weise exi-
stirte
; aber, sie existirt auf diese entgegengesetzte
Weise, heiſst nichts anderes, als beyde Momente
sind selbst zugleich selbstständig. — Diese Bewegung
des sich beständig verselbstständigens der beyden Mo-
mente und ihres sich wieder aufhebens, ist es also,
was zu betrachten ist. — Es erhellt im allgemeinen,
daſs diese Bewegung nichts anderes ist, als die Be-
wegung des Wahrnehmens, worin die beyden Sei-
ten, das wahrnehmende und das wahrgenommene
[65] zugleich, einmal als das Auffassen des Wahren eins
und ununterschieden, dabey aber ebensowohl jede
Seite in sich reflectirt oder für sich ist. Hier sind
diese beyden Seiten Momente der Krafft; sie
sind ebensowohl in einer Einheit, als diese Einheit,
welche gegen die für sich seyenden Extreme als die
Mitte erscheint, sich immer in eben diese Extreme
zersetzt, die erst dadurch sind. — Die Bewegung,
welche sich vorhin als das sich selbst Vernichten wi-
dersprechender Begriffe darstellte, hat also hier die
gegenständliche Form, und ist Bewegung der Krafft,
als deren Resultat das unbedingt allgemeine als un-
gegenständliches
, oder als Innres der Dinge hervorgeht.


Die Krafft ist, wie sie bestimmt worden, indem
sie als solche, oder als in sich reflectirt vorgestellt wird,
die eine Seite ihres Begriffs; aber als ein substan-
tiirtes Extrem, und zwar das unter der Bestimmt-
heit des Eins gesetzte. Hiemit ist das Bestehen der
entfalteten Materien aus ihr ausgeschlossen, und ein
anderes als sie. Indem es nothwendig ist, daſs sie
selbst
dieses Bestehen sey, oder daſs sie sich äuſsere,
so stellt sich ihre Aeuſserung so vor, daſs jenes an-
dere
zu ihr hinzutritt, und sie sollicitirt. Aber in der
That, indem sie nothwendig sich äuſsert, hat sie
diſs, was als ein anderes Wesen gesetzt war, an ihr
selbst. Es muſs zurückgenommen werden, daſs sie
als ein Eins, und ihr Wesen, sich zu äuſsern, als
ein anderes zu ihr von auſsen hinzutretendes ge-
setzt wurde; sie ist vielmehr selbst diſs allgemeine
E
[66] Medium des Bestehens der Momente als Materien;
oder sie hat sich geäuſsert, und was das andere solli-
citirende seyn sollte, ist sie vielmehr. Sie existirt
also itzt als das Medium der entfalteten Materien.
Aber sie hat gleich wesentlich die Form des Aufge-
hobenseyns der bestehenden Materien, oder ist we-
sentlich Eins; diſs Eins-seyn ist hiemit itzt, da sie
gesetzt ist als das Medium von Materien, ein anderes
als sie
, und sie hat diſs ihr Wesen auſser ihr. In-
dem sie aber nothwendig diſs seyn muſs, als was sie
noch nicht gesetzt ist, so tritt diſs andere hinzu und sol-
licitirt sie zur Reflexion in sich selbst, oder hebt ihre
Aeuſserung auf. In der That aber ist sie selbst die-
ses in sich reflectirt-seyn, oder diſs aufgehobenseyn
der Aeuſserung; das Einsseyn verschwindet, wie es
erschien, nemlich als ein anderes; sie ist es selbst, sie
ist in sich zurückgedrängte Krafft.


Das, was als anderes auftritt, und sie sowohl
zur Aeuſserung als zur Rückkehr in sich selbst sol-
licitirt, ist, wie sich unmittelbar ergibt, selbst Krafft;
denn das andre zeigt sich ebensowohl als allgemei-
nes Medium, wie als Eins; und so daſs jede dieser
Gestalten zugleich nur als verschwindendes Moment
auftritt. Die Krafft ist hiemit dadurch, daſs ein an-
deres für sie, und sie für ein anderes ist, überhaupt
noch nicht aus ihrem Begriffe herausgetreten. Es
sind aber zugleich zwey Kr[ä]ffte vorhanden; der Be-
griff beyder zwar derselbe, aber aus seiner Einheit
in die Zweyheit herausgegangen. Statt daſs der Ge-
[67] gensatz durchaus wesentlich nur Moment bliebe,
scheint er sich durch die Entzweyung in ganz selbst-
ständige Kraffte
, der Herrschafft der Einheit entzo-
gen zu haben. Was es mit dieser Selbstständigkeit
für eine Bewandniſs hat, ist näher zu sehen. Zu-
nächst tritt die zweyte Krafft, als das sollicitirende
und zwar als allgemeines Medium seinem Inhalte
nach gegen die auf, welche als sollicitirte bestimmt
ist; indem aber jene wesentlich Abwechslung
dieser beyden Momente und selbst Krafft ist, so ist
sie in der That gleichfalls nur erst allgemeines Me-
dium, indem sie dazu sollicitirt wird, und ebeuso auch
nurnegative Einheit, oder zum zurückgehen der Krafft
sollicitirendes, dadurch, daſs sie sollicitirt wird. Es
verwandelt sich hiemit auch dieser Unterschied, der
zwischen beyden statt fand, daſs das eine das solliciti-
rende
, das andere das sollicitirte seyn sollte, in diesel-
be Austauschung der Bestimmtheiten gegeneinander.


Das Spiel der beyden Kräffte besteht hie-
mit in diesem entgegengesetzten Bestimmtseyn bey-
der, ihrem füreinander seyn in dieser Bestimmung,
und der absoluten [unmittelbaren] Verwechslung der
Bestimmungen, — einem Uebergange, wodurch al-
lein diese Bestimmungen sind, in denen die Kräffte
selbstständig aufzutreten scheinen. Das sollicitirende
ist, zum Beyspiel, als allgemeines Medium, und da-
gegen das sollicitirte als zurückgediängte Krafft ge-
setzt; aber jenes ist allgemeines Medium selbst nur
dadurch daſs das andere zurückgedrängte Krafft ist;
E 2
[68] oder diese ist vielmehr das sollicitirende für jenes,
und macht dasselbe erst zum Medium. Jenes hat
nur durch das andere seine Bestimmtheit, und ist
sollicitirend, nur insofern es vom andern dazu solli-
citirt wird, sollicitirend zu seyn; und es verliert
eben so unmittelbar diese ihm gegebene Bestimmt-
heit; denn diese geht an das andere über oder viel-
mehr ist schon an dasselbe übergegangen; das fremde
die Kraft sollicitirende tritt als allgemeines Medium
auf, aber nur dadurch, daſs es von ihr dazu sollici-
tirt worden ist; das heiſst aber, sie setzt es so und ist
vielmehr selbst wesentlich allgemeines Medium; sie
setzt das sollicitirende so, darum weil diese andere
Bestimmung ihr wesentlich, das heiſst, weil sie viel-
mehr sie selbst ist
.


Zur Vervollständigung der Einsicht in den Be-
griff dieser Bewegung kann noch darauf aufmerk-
sam gemacht werden, daſs sich die Unterschiede
selbst in einem gedoppelten Unterschiede zeigen, ein-
mal
als Unterschiede des Inhalts, indem das eine
Extrem in sich reflectirte Krafft, das andere aber
Medium der Materien ist; das andremal als Unter-
schiede der Form, indem das eine sollicitirendes,
das andre sollicitirtes, jenes thätig, diſs passiv ist.
Nach dem Unterschiede des Inhalts sind sie über-
haupt, oder für uns unterschieden; nach dem Un-
terschiede der Form aber sind sie selbstständig, in
ihrer Beziehung sich von einander selbst abschei-
dend und entgegengesetzt. Daſs so die Extreme nach
[69] diesen beyden Seiten nichts an sich, sondern diese
Seiten, worin ihr unterschiedenes Wesen bestehen
sollte, nur verschwindende Momente, ein unmittel-
bares Uebergehen jeder in die entgegengesetzte sind,
diſs wird für das Bewuſstseyn in der Wahrnehmung
der Bewegung der Krafft. Für uns aber war, wie
oben erinnert, auch noch diſs, daſs an sich die Un-
terschiede, als Unterschiede des Inhalts und der Form
verschwanden, und auf der Seite der Form, dem
Wesen nach das thätige, sollicitirende oder für sich
seyende
dasselbe, was auf der Seite des Inhalts als
in sich zurückgedrängte Krafft; das passive, soliicitirte,
oder für ein anderes seyende auf der Seite der Form
dasselbe, was auf der Seite des Inhalts als allgemei-
nes Medium der vielen Materien sich darstellte.


Es ergibt sich hieraus, daſs der Begriff der Krafft
durch die Verdopplung in zwey Kräffte wirklich wird,
und wie er diſs wird. Diese zwey Kräfte existiren
als für sich seyende Wesen; aber ihre Existenz ist
eine solche Bewegung gegeneinander, daſs ihr Seyn
vielmehr ein reines Gesetztseyn durch ein anderes ist,
das heiſst, daſs ihr Seyn vielmehr die reine Bedeu-
tung des Verschwindens hat. Sie sind nicht als Ex-
treme, die etwas festes für sich behielten, und nur
eine äuſsere Eigenschafft gegen einander in die Mitte
und in ihre Berührung schickten; sondern was sie
sind, sind sie nur in dieser Mitte und Berührung.
Es ist darin unmittelbar ebensowohl das in sich zu-
rückgedrängt- oder das für sich seyn der Krafft, wie
[70] die Aeuſserung, das sollicitiren, wie das sollicitirt-
seyn; diese Momente hiemit nicht an zwey selbst-
ständige Extreme vertheilt, welche sich nur eine
entgegengesetzte Spitze böten, sondern ihr Wesen
ist diſs schlechthin, jedes nur durchs andere, und
was jede so durchs andre ist, unmittelbar nicht mehr
zu seyn, indem sie es ist. Sie haben hiemit in der
That keine eignen Substanzen, welche sie trügen
und erhielten. Der Begriff der Krafft erhält sich
vielmehr als das Wesen in seiner Wirklichkeit selbst;
die Krafft als wirkliche ist schlechthin nur in der
Aeuſserung, welche zugleich nichts anders, als ein
sich selbst aufheben ist. Diese wirkliche Krafft vor-
gestellt als frey von ihrer Aeuſserung und für sich
seyend, ist sie die in sich zurückgedrängte Krafft,
aber diese Bestimmtheit ist in der That, wie sich
ergeben hat, selbst nur ein Moment der Aeuſserung.
Die Wahrheit der Krafft bleibt also nur der Ge-
danke
derselben; und haltungslos stürzen die Mo-
mente ihrer Wirklichkeit, ihre Substanzen und ihre
Bewegung in eine unterschiedene Einheit zusammen,
welche nicht die in sich zurückgedrängte Krafft ist,
denn diese ist selbst nur ein solches Moment, son-
dern diese Einheit ist ihr Begriff, als Begriff. Die
Realisirung der Krafft ist also zugleich Verlust der
Realität; sie ist darin vielmehr ein ganz anderes ge-
worden, nemlich diese Allgemeinheit, welche der
Verstand zuerst oder unmittelbar als ihr Wesen
erkennt, und welche sich auch als ihr Wesen an
[71] ihrer seynsollenden Realitat an den wirklichen Sub-
stanzen erweist.


Insofern wir das erste allgemeine als den Begriff
des Verstandes obetrachten, worin die Krafft noch
nicht für sich ist, so ist das zweyte itzt ihr Wesen,
wie es sich an und für sich darstellt. Oder umge-
kehrt, betrachten wir das erste allgemeine als das un-
mittelbare
, das ein wirklicher[Gegenstand] für das Be-
wuſstseyn seyn sollte, so ist diſs zweyte als das ne-
gative
der sinnlich gegenständlichen Krafft bestimmt;
es ist sie, wie sie in ihrem wahren Wesen nur als
Gegenstand des Verstandes ist; jenes erste wäre die
in sich zurückgedrängte Krafft oder sie als Substanz;
diſs zweyte aber ist das Innere der Dinge, als Inne-
res
, welches mit dem Begriffe als Begriff dasselbe ist.


Dieses wahrhaffte Wesen der Dinge hat sich itzt
so bestimmt, daſs es nicht unmittelbar für das Be-
wuſstseyn ist, sondern daſs dieses ein mittelbares
Verhältniſs zu dem Innern hat, und als Verstand
durch diese Mitte des Spiets der Kräffte in den wahren
Hintergrund der Dinge blickt
. Die Mitte, welche die
beyden Extreme, den Verstand und das Innere, zu-
sammenschlieſst, ist das entwickelte Seyn der Krafft,
das für den Verstand selbst nunmehr ein Verschwin-
den
ist. Es heiſst darum Erscheinung; denn Schein
nennen wir das Seyn, das unmittelbar an ihm selbst
ein Nichtseyn ist. Es ist aber nicht nur ein Schein,
sondern Erscheinung, ein Ganzes des Scheins. Diſs
Ganze als Ganzes oder Allgemeines, ist es, was das
[72]Innere ausmacht, das Spiel der Kräffte, als Reflexion
desselben in sich selbst. In ihm sind für das Be-
wuſstseyn auf gegenständliche Weise die Wesen der
Wahrnehmung so gesetzt, wie sie an sich sind,
nemlich als unmittelbar in das Gegentheil ohne
Ruhe und Seyn sich verwandelnde Momente, das
Eins unmittelbar in das Allgemeine, das Wesentliche
unmittelbar in das unwesentliche und umgekehrt.
Diſs Spiel der Kräffte ist daher das entwickelte ne-
gative, aber die Wahrheit desselben ist das posi-
tive, nemlich das Allgemeine, der an sich seyende
Gegenstand. — Das Seyn desselben für das Bewuſst-
seyn ist vermittelt durch die Bewegung der Erscheinung,
worin das Seyn der Wahrnehmung, und das sinnlich
gegenständliche überhaupt nur negative Bedeutung
hat, das Bewuſstseyn also daraus sich in sich als
in das Wahre reflectirt, aber als Bewuſstseyn wieder
diſs Wahre zum gegenständlichen Innern macht,
und diese Reflexion der Dinge von seiner Reflexion
in sich selbst unterscheidet; wie ihm die vermit-
telnde Bewegung ebenso noch eine gegenständliche
ist. Diſs Innere ist ihm daher ein Extrem gegen es;
aber es ist ihm darum das Wahre, weil es darin als
in dem an sich zugleich die Gewiſsheit seiner selbst
oder das Moment seines Fürsichseyns hat; aber die-
ses Grundes ist es sich noch nicht bewuſst, denn das
Fürsichseyn, welches das Innre an ihm selbst haben
sollte, wäre nichts anderes als die negative Bewegung,
aber diese ist dem Bewuſstseyn noch die gegenständ-
[73] liche
verschwindende Erscheinung, noch nicht sein
eignes Fürsichseyn; das Innre ist ihm daher wohl Be-
griff, aber es kennt die Natur des Begriffes noch nicht.


In diesem innern Wahren, als dem absolut all-
gemeinen
, welches vom Gegensatze des Allgemeinen
und Einzelnen gereinigt und für den Verstand ge-
worden ist, schlieſst sich erst über der sinnlichen als
der erscheinenden Welt, nunmehr eine übersinnliche
als die wahre Welt auf, über dem verschwindenden
Disseits das bleibende Jenseits; ein Ansich, welches die
erste und darum selbst unvollkommene Erscheinung
der Vernunft, oder nur das reine Element ist, wo-
rin die Wahrheit ihr Wesen hat.


Unser Gegenstand ist hiemit nunmehr der Schluſs,
welcher zu seinen Extremen, das Innere der Dinge,
und den Verstand, und zu seiner Mitte die Erschei-
nung hat; die Bewegung dieses Schlusses aber gibt
die weitere Bestimmung dessen, was der Verstand
durch die Mitte hindurch im Innern erblickt, und
die Erfahrung, welche er über dieses Verhältniſs
des Zusammengeschlossenseyns macht.


Noch ist das Innere reines Jenseits für das Be-
wuſstseyn, denn es findet sich selbst in ihm noch
nicht; es ist leer, denn es ist nur das Nichts der Er-
scheinung und positiv das einfache Allgemeine. Diese
Weise des Innern zu seyn, stimmt unmittelbar den-
jenigen bey, welche sagen, daſs das Innre der Dinge
nicht zu erkennen sey; aber der Grund würde an-
ders gefaſst werden müssen. Von diesem Innern,
[74] wie es hier unmittelbar ist, ist allerdings keine
Kenntniſs vorhanden, aber nicht deſswegen, weil
die Vernunft zu kurzsichtig, oder beschränkt, oder
wie man es sonst nennen will, wäre; worüber hier
noch nichts bekannt ist, denn so tief sind wir noch
nicht eingedrungen; sondern um der einfachen Na-
tur der Sache selbst willen, weil nemlich im Lee-
ren
nichts erkannt wird, oder von der andern Seite
ausgesprochen, weil es eben als das Jenseits des Be-
wuſstseyns bestimmt ist. — Das Resultat ist frey-
lich dasselbe, wenn ein Blinder in den Reichthum
der übersinnlichen Welt, — wenn sie einen hat, er
sey nun eigenthümlicher Inhalt derselben, oder das
Bewuſstseyn selbst sey dieser Inhalt, — und wenn
ein Sehender in die reine Finsterniſs, oder wenn
man will, in das reine Licht, wenn sie nur dieses
ist, gestellt wird; der Sehende sieht in seinem rei-
nen Lichte so wenig als in seiner reinen Finsterniſs,
und gerade so viel als der Blinde in der Fülle des
Reichthums, der vor ihm läge. Wenn es mit dem
Innern und dem Zusammengeschlossenseyn mit ihm
durch die Erscheinung weiter nichts wäre, so bliebe
nichts übrig, als sich an die Erscheinung zu halten,
das heiſst, etwas wahr zu nehmen, von dem wir
wissen, daſs es nicht wahr ist; oder damit doch in
dem leeren, welches zwar erst als Leerheit von ge-
genständlichen Dingen geworden, aber als Leerheit
an sich
, auch für die Leerheit aller geistigen Ver-
hältnisse [u]nd der Unterschiede des Bewuſstseyns als
[75] Bewuſstseyns genommen werden muſs, — damit also
in diesem so ganz Leeren, welches auch das Heilige
genannt wird, doch etwas sey, es mit Träumereyen,
Erscheinungen, die das Bewuſstseyn sich selbst er-
zeugt, zu erfüllen; es müſste sich gefallen lassen,
daſs so schlecht mit ihm umgegangen wird, denn
es wäre keine[s] bessern würdig, indem Träume-
reyen selbst noch besser sind, als seine Leerheit.


Das Innere oder das übersinnliche Jenseits ist
aber entstanden, es kommt aus der Erscheinung her,
und sie ist seine Vermittlung; oder die Erscheinung
ist sein Wesen
, und in der That seine Erfällung.
Das Uebersinnliche ist das sinnliche und wahrge-
nommene gesetzt, wie es in Wahrheit ist; die Wahr-
heit
des sinnlichen und wahrgenommenen aber ist, Er-
scheinung
zu seyn. Das Uebersinnliche ist also die
Erscheinung, als Erscheinung. — Wenn dabey gedacht
wird, das Uebersinnliche sey also die sinnliche Welt,
oder die Welt, wie sie für die unmittelbare sinnliche
Gewiſsheit und Wahrnehmung ist
, so ist diſs ein ver-
kehrtes Verstehen; denn die Erscheinung ist viel-
mehr nicht die Welt des sinnlichen Wissens und
Wahrnehmens als seyende, sondern sie als aufgeho-
bene
oder in Wahrheit als innere gesetzt. Es pflegt
gesagt zu werden, das übersinnliche sey nicht die Er-
scheinung; dabey wird aber unter der Erscheinung
nicht die Erscheinung verstanden, sondern viel-
mehr die sinnliche Welt, als selbst reelle Wirk-
lichkeit.


[76]

Der Verstand, welcher unser Gegenstand ist,
befindet sich auf eben dieser Stelle, daſs ihm das In-
nere nur erst als das allgemeine noch unerfüllte An-
sich
geworden; das Spiel der Kräffte hat nur eben
diese negative Bedeutung, nicht an sich und nur diese
positive, das Vermittelnde, aber auſser ihm zu seyn.
Seine Beziehung auf das Innre durch die Vermittlung
aber ist seine Bewegung, durch welche es sich ihm
erfüllen wird. — Unmittelbar für ihn ist das Spiel der
Kräffte; das Wahre aber ist ihm das einfache Innre;
die Bewegung der Krafft ist daher ebenso nur als ein-
faches
überhaupt das Wahre. Von diesem Spiele
der Kräffte haben wir aber gesehen, daſs es diese
Beschaffenheit hat, daſs die Krafft, welche sollicitirt
wird von einer andern Krafft, ebenso das sollicitirende
für diese andere ist, welche selbst erst hierdurch sol-
licitirende wird. Es ist hierin ebenso nur der unmit-
telbare Wechsel oder das absolute Austauschen der
Bestimmtheit vorhanden, welche den einzigen In-
halt
des auftretenden ausmacht; entweder allgemei-
nes Medium, oder negative Einheit zu seyn. Es
hört in seinem bestimmten Auftreten selbst unmit-
telbar auf, das zu seyn als was es auftritt; es solli-
citirt durch sein bestimmtes Auftreten die andere
Seite, die sich hiedurch äuſsert; das heiſst, diese
ist unmittelbar itzt das, was die erste seyn sollte.
Diese beyden Seiten, das Verhältniſs des Solliciti-
rens und das Verhältniſs des bestimmten entgegenge-
setzten Inhalts ist jedes für sich die absolute Ver-
[77] kehrung und Verwechslung. Aber diese beyden
Verhältnisse sind selbst wieder dasselbe, und der
Unterschied der Form, das sollicitirte und das sol-
licitirende zu seyn ist dasselbe, was der Unterschied
des Inhalts ist, das sollicitirte als solches, nemlich
das passive Medium; das sollicitirende hingegen das
thätige, die negative Einheit oder das Eins. Hiedurch
verschwindet aller Unterschied besonderer Kräffte, die
in dieser Bewegung vorhanden seyn sollten, gegen
einander überhaupt; denn sie beruhten allein auf je-
nen Unterschieden; und der Unterschied der Kräffte
fällt ebenso mit jenen beyden nur in einen zusam-
men. Es ist alo weder die Krafft noch das solliciti-
ren und sollicitirt werden, noch die Bestimmtheit,
bestehendes Medium und in sich reflectirte Einheit
zu seyn, weder einzeln für sich etwas, noch sind es
verschiedene Gegensätze; sondern was in diesem ab-
soluten Wechsel ist, ist nur der Unterschied als all-
gemeiner
oder als ein solcher, in welchen sich die
vielen Gegensätze reducirt haben. Dieser Unter-
schied als allgemeiner
ist daher das einfache an dem
Spiele der Krafft selbst
, und das Wahre desselben;
er ist das Gesetz der Krafft.


Zu dem einfachen Unterschiede wird die absolut
wechselnde Erscheinung, durch ihre Bezichung auf
die Einfachheit des Innern oder des Verstandes.
Das Innre ist zunächst nur das an sich Allgemeine:
diſs an sich einfache Allgemeine ist aber wesentlich
ebenso absolut der allgemeine Unterschied; denn es ist
[78] das Resultat des Wechsels selbst, oder der
Wechsel ist sein Wesen; aber der Wechſel,
als im Innern gesetzt, wie er in Wahrheit
ist, in dasselbe hiemit als ebenso absolut allge-
meiner, beruhigter, sich gleich bleibender Un-
terschied aufgenommen. Oder die Negation ist we-
sentliches Moment des Allgemeinen, und sie oder
die Vermittlung also im Allgemeinen ist allgemei-
ner Unterschied
. Er ist im Gesetze ausgedrückt, als
dem beständigen Bilde der unstäten Erscheinung. Die
übersinnliche Welt ist hiemit ein ruhiges Reich von Ge-
setzen
, zwar jenseits der wahrgenommenen Welt,
denn diese stellt das Gesetz nur durch beständige
Veränderung dar, aber in ihr eben so gegenwärtig,
und ihr unmittelbares stilles Abbild.


Diſs Reich der Gesetze ist zwar die Wahrheit
des Verstandes, welche an dem Unterschiede, der in
dem Gesetze ist, den Inhalt hat; es ist aber zugleich
nur seine erste Wahrheit, und füllt die Erscheinung
nicht aus. Das Gesetz ist in ihr gegenwärtig, aber es
ist nicht ihre ganze Gegenwart; es hat unter immer
andern Umständen eine immer andere Wirklichkeit.
Es bleibt dadurch der Erscheinung für sich eine Seite,
welche nicht im Innern ist; oder sie ist in Wahr-
noch nicht als Erscheinung, als aufgehobenes für sich
seyn gesetzt. Dieser Mangel des Gesetzes muſs sich
an ihm selbst ebenso hervorthun. Was ihm zu man-
geln scheint, ist daſs es zwar den Unterschied selbst
an ihm hat, aber als allgemeinen, unbestimmten.
[79] Insofern es aber nicht das Gesetz überhaupt, son-
dern ein Gesetz ist, hat es die Bestimmtheit an
ihm; und es sind damit unbestimmt viele Gesetze vor-
handen. Allein diese Vielheit ist vielmehr selbst ein
Mangel; sie widerspricht nemlich dem Princip des
Verstandes, welchem als Bewuſstseyn des einfachen
Innern, die an sich allgemeine Einheit das Wahre
ist. Die vielen Gesetze muſs er darum vielmehr in
Ein Gesetz zusammenfallen lassen. Wie zum Bey-
spiel, das Gesetz, nach welchem der Stein fällt, und
das Gesetz, nach welchem die himmlischen Sphären
sich bewegen, als Ein Gesetz begriffen worden ist.
Mit diesem ineinanderfallen aber verlieren die Gesetze
ihre Bestimmtheit; das Gesetz wird immer oberfläch-
licher, und es ist damit in der That nicht die Ein-
heit dieser bestimmten Gesetze, sondern ein ihre Be-
stimmtheit weglassendes Gesetz gefunden; wie das
Eine Gesetz, welches die Gesetze des Falles der
Körper an der Erde, und der himmlischen Bewe-
gung in sich vereint, sie beyde in der That nicht
ausdrückt. Die Vereinigung aller Gesetze in der all-
gemeinen Attraction
drückt keinen Inhalt weiter aus,
als eben den bloſsen Begriff des Gesetzes selbst, der
darin als seyend gesetzt ist. Die allgemeine Attra-
ction sagt nur diſs, daſs Alles einen bestandigen Un-
terschied
zu anderem hat. Der Verstand meynt da-
bey, ein al gemeines Gesetz gefunden zu haben, wel-
ches die allgemeine Wirklichkeit als solche ausdru-
cke; aber hat in der That nur den Begriff des Ge-
[80] setzes selbst
gefunden; jedoch so, daſs er zugleich
diſs damit aussagt, alle Wirklichkeit ist an ihr selbst
gesetzmäſsig. Der Ausdruck der allgemeinen Attra-
ction
hat darum insofern groſse Wichtigkeit, als er
gegen das gedankenlose Vorstellen gerichtet ist, wel-
chem alles in der Gestalt der Zufälligkeit sich dar-
bietet, und welchem die Bestimmtheit die Form der
sinnlichen Selbstständigkeit hat.


Es steht somit den bestimmten Gesetzen, die
allgemeine Attraction, oder der reine Begriff des
Gesetzes, gegenüber. Insofern dieser reine Begriff,
als das Wesen, oder als das wahre Innere betrach-
tet wird, gehört die Bestimmtheit des bestimmten
Gesetzes selbst noch der Erscheinung oder vielmehr
dem sinnlichen Seyn an. Allein der reine Begriff
des Gesetzes geht nicht nur über das Gesetz, wel-
ches, selbst ein bestimmtes, andern bestimmten Gese-
tzen gegenübersteht, sondern er geht auch über das
Gesetz
als solches hinaus. Die Bestimmtheit, von
welcher die Rede war, ist eigentlich selbst nur ver-
schwindendes Moment, welches hier nicht mehr als
Wesenheit vorkommen kann; denn es ist nur das Ge-
setz als das Wahre vorhanden; aber der Begriff des
Gesetzes ist gegen das Gesetz selbst gekehrt. An dem
Gesetze nemlich ist der Unterschied selbst unmittel-
bar
aufgefaſst und in das Allgemeine aufgenommen,
damit aber ein Bestehen der Momente, deren Bezie-
hung es ausdrückt, als gleichgültiger und an sich
seyender Wesenheiten. Diese Theile des Unter-
[81] schieds am Gesetze, sind aber zugleich selbst be-
stimmte Seiten; der reine Begriff des Gesetzes, als
allgemeine Attraction muſs in seiner wahren Bedeu-
tung so aufgefaſst werden, daſs in ihm als absolut
einfachem die Unterschiede, die an dem Gesetze als
solchem vorhanden sind, selbst wieder in das Innre
als einfache Einheit zurückgehen;
sie ist die innre
Nothwendigkeit des Gesetzes.


Das Gesetz ist dadurch auf eine gedoppelte Weise
vorhanden, das einemal als Gesetz, an dem die Un-
terschiede als selbstständige Momente ausgedrückt
sind; das anderemal in der Form des einfachen in
sich zurückgegangenseyns, welche wieder Kraft ge-
nannt werden kann, aber so daſs sie nicht die zu-
rückgedrängte, sondern die Kraft überhaupt oder
als der Begriff der Krafft ist, eine Abstraction, wel-
che die Unterschiede dessen, was attrahirt und at-
trahirt wird, selbst in sich zieht. So ist, zum Bey-
spiel, die einfache Electricität, die Kraft; der Aus-
druck des Unterschieds aber fallt in das Gesetz; die-
ser Unterschied ist positive und negative Electrici-
tät. Bey der Bewegung des Falles ist die Kraft das
einfache, die Schwere, welche das Gesetz hat, daſs
die Gröſsen der unterschiedenen Momente der Be-
wegung, der verflossenen Zeit, und des durchlauf-
fenen Raums, sich wie Wurzel und Quadrat zu
einander verhalten. Die Electricität selbst ist nicht
der Unterschied an sich oder in ihrem Wesen das
Doppelwesen von positiver und negativer Electrici-
F
[82] tät; daher man zu sagen pflegt, sie habe das Ge-
setz, auf diese Weise zu seyn, auch wohl, sie habe
die Eigenschafft
, so sich zu äuſsern. Diese Eigen-
schafft ist zwar wesentliche und einzige Eigenschafft
dieser Krafft, oder sie ist ihr nothwendig. Aber die
Nothwendigkeit ist hier ein leeres Wort; die Kraft
muſs eben, weil sie muſs, so sich verdoppeln. Wenn
freylich positive Elektricität gesetzt ist, ist auch ne-
gative an sich
nothwendig; denn das positive ist nur als
Beziehung auf ein negatives, oder das positive ist an
ihm selbst
der Unterschied von sich selbst, wie eben
so das negative. Aber daſs die Electricität als sol-
che, sich so theile, diſs ist nicht an sich das noth-
wendige; sie als einfache Krafft ist gleichgültig ge-
gen ihr Gesetz, als positive und negative zu seyn;
und wenn wir jenes ihren Begriff, diſs aber ihr
Seyn nennen, so ist ihr Begriff gleichgültig gegen
ihr Seyn; sie hat nur diese Eigenschafft; d. h. eben,
es ist ihr nicht an sich nothwendig. — Diese Gleich-
gültigkeit erhält eine andere Gestalt, wenn gesagt
wird, daſs es zur Definition der Electricität gehört,
als positive und negative zu seyn, oder daſs diſs
schlechthin ihr Begriff und Wesen ist. Alsdenn hie-
ſse ihr Seyn ihre Existenz überhaupt; in jener Defi-
nition liegt aber nicht die Nothwendigkeit ihrer Exi-
stenz;
sie ist entweder, weil man sie findet, das
heiſst, sie ist gar nicht nothwendig; oder ihre Exi-
stenz ist durch andere Kräffte, das heiſst, ihre Noth-
wendigkeit ist eine äuſsere. Damit aber, daſs die
[83] Nothwendigkeit, in die Bestimmtheit des Seyns durch
anderes
gelegt wird, fallen wir wieder in die Vielheit
der bestimmten Gesetze zurück, die wir so eben
verlieſsen, um das Gesetz als Gesetz zu betrach-
ten; nur mit diesem ist sein Begriff als Begriff, oder
seine Nothwendigkeit zu vergleichen, die sich aber
in allen diesen Formen nur noch als ein leeres Wort
gezeigt hat.


Noch auf andere als die angezeigte Weise ist die
Gleichgültigkeit des Gesetzes und der Krafft, oder
des Begriffs und des Seyns vorhanden. In dem Ge-
setze der Bewegung z. B. ist es nothwendig, daſs die
Bewegung in Zeit und Raum sich theile, oder dann
auch in Entfernung und Geschwindigkeit. Indem die
Bewegung nur das Verhältniſs jener Momente ist, so
ist sie, das Allgemeine, hier wohl an sich selbst ge-
theilt; aber nun drücken diese Theile, Zeit und
Raum, oder Entfernung und Geschwindigkeit, nicht
an ihnen diesen Ursprung aus Einem aus; sie sind
gleichgültig gegeneinander, der Raum wird vorge-
stellt ohne die Zeit, die Zeit ohne den Raum, und
die Entfernung wenigstens ohne die Geschwindig-
heit seyn zu können, — so wie ihre Gröſsen gleich-
gültig gegeneinander sind; indem sie sich nicht wie po-
sitives
und negatives verhalten, hiemit nicht durch ihr
Wesen
aufeinander beziehen. Die Nothwendigkeit der
Theilung ist also hier wohl vorhanden; aber nicht der
Theile als solcher füreinander. Darum ist aber auch
jene erste selbst nur eine vorgespiegelte falsche Noth-
F 2
[84] wendigkeit; die Bewegung ist nemlich nicht selbst
als einfaches oder als reines Wesen vorgestellt; son-
dern schon als getheilt; Zeit und Raum sind ihre
selbststandigen Theile oder Wesen an ihnen selbst,
oder Entfernung und Geschwindigkeit Weisen des
Seyns oder Vorstellens, deren eine wohl ohne die
andere seyn kann, und die Bewegung daher nur ihre
oberflächliche Beziehung, nicht ihr Wesen. Als ein-
faches Wesen, oder als Krafft vorgestellt ist sie wohl
die Schwere, welche aber diese Unterschiede über-
haupt nicht in ihr enthält.


Der Unterschied also ist in beyden Fällen kein
Unterschied an sich selbst; entweder ist das Allgemei-
ne, die Krafft, gleichgültig gegen die Theilung, wel-
che im Gesetze ist, oder die Unterschiede, Theile
des Gesetzes sind es gegen einander. Der Verstand
hat aber den Begriff dieses Unterschiedes an sich, eben
darin, daſs das Gesetz einestheils das Innre an sich
seyende, aber an ihm zugleich unterschiedne ist; daſs
dieser Unterschied hiemit innrer Unterschied sey,
ist darin vorhanden, daſs das Gesetz einfache Krafft,
oder als Begriff desselben ist, also ein Unterschied des
Begriffes
. Aber dieser innre Unterschied fällt nur erst
noch in den Verstand; und ist noch nicht an der Sa-
che selbst gesetzt
. Es ist also nur die eigne Nothwen-
digkeit, was der Verstand ausspricht; einen Unter-
schied, den er also nur so macht, daſs er es zu-
gleich ausdrückt, daſs der Unterschied kein Unter-
schied der Sache selbst
sey. Diese Nothwendigkeit,
[85] die nur im Worte liegt, ist hiemit die Hererzäh-
lung der Momente, die den Kreis derselben ausma-
chen; sie werden zwar unterschieden, ihr Unter-
schied aber zugleich, kein Unterschied der Sache
selbst zu seyn, ausgedrückt, und daher selbst so-
gleich wieder aufgehoben; diese Bewegung heiſst Er-
klaren
. Es wird also ein Gesetz ausgesprochen, von
diesem wird sein an sich allgemeines, oder der Grund,
als die Krafft, unterschieden; aber von diesem Un-
terschiede wird gesagt, daſs er keiner, sondern viel-
mehr der Grund ganz so beschaffen sey, wie das
Gesetz. Die einzelne Begebenheit des Blitzes zum
Beyspiel wird als allgemeines aufgefaſst, und diſs
allgemeine als das Gesetz der Electricität ausgespro-
chen: die Erklärung faſst alsdenn das Gesetz in die
Krafft zusammen, als das Wesen des Gesetzes. Diese
Krafft ist dann so beschaffen, daſs wenn sie sich äu-
ſsert, entgegengesetzte Electricitäten hervortreten,
die wieder ineinander verschwinden, das heiſst, die
Krafft ist gerade so beschaffen, wie das Gesetz;
es
wird gesagt, daſs beyde gar nicht unterschieden seyen.
Die Unterschiede sind die reine allgemeine Aeuſse-
rung oder das Gesetz, und die reine Krafft; beyde
haben aber denselben Inhalt, dieselbe Beschaffenheit;
der Unterschied als Unterschied des Inhalts, d. h.
der Sache wird also auch wieder zurückgenommen.


In dieser tautologischen Bewegung beharrt, wie
sich ergibt, der Verstand bey der ruhigen Einheit
seines Gegenstandes und die Bewegung fällt nur
[86] in ihn selbst, nicht in den Gegenstand; sie ist ein
Erklären, das nicht nur Nichts erklärt, sondern so
klar ist, daſs es, indem es Anstalten macht, etwas
unterschiedenes von dem schon Gesagten zu sagen,
vielmehr nichts sagt, sondern nur dasselbe wieder-
hohlt. An der Sache selbst entsteht durch diese Be-
wegung nichts neues, sondern sie kommt als Bewe-
gung des Verstandes in Betracht. In ihr aber er-
kennen wir nun eben dasjenige, was an dem Gesetze
vermiſst wurde, nemlich den absoluten Wechsel
selbst, denn diese Bewegung, wenn wir sie näher be-
trachten, ist unmittelbar das Gegentheil ihrer selbst.
Sie setzt nemlich einen Unterschied, welcher nicht
nur für uns kein Unterschied ist, sondern welchen sie
selbst als Unterschied aufhebt. Es ist diſs dersel-
be Wechsel, der sich als das Spiel der Kräffte
darstellte; es war in ihm der Unterschied des sol-
licitirenden und sollicitirten, der sich äuſsernden,
und der in sich zurückgedrängten Krafft; aber es
waren Unterschiede, die in Wahrheit keine waren,
und sich darum auch unmittelbar wieder aufhoben.
Es ist nicht nur die bloſse Einheit vorhanden, so daſs
kein Unterschied gesetzt wäre, sondern es ist diese Be-
wegung
, daſs allerdings ein Unterschied gemacht, aber,
weil er keiner ist, wieder aufgehoben wird. — Mit dem
Erklären also ist der Wandel und Wechsel, der vor-
hin auſser dem Innern nur an der Erscheinung war,
in das Uebersinnliche selbst eingedrungen; unser Be-
wuſstseyn ist aber aus dem Innern als Gegenstande auf
[87] die andere Seite in den Verstand herübergegangen,
und hat in ihm den Wechsel.


Dieser Wechsel ist so noch nicht ein Wechsel
der Sache selbst, sondern stellt sich vielmehr eben
dadurch als reiner Wechsel dar, daſs der Inhalt der
Momente des Wechsels derselbe bleibt. Indem aber
der Begriff als Begriff des Verstandes dasselbe ist,
was das Innre der Dinge, so wird dieser Wechsel als
Gesetz des Innern
für ihn. Er erfahrt also, daſs es
Gesetz der Erscheinung selbst ist, daſs Unterschiede
werden, die keine Unterschiede sind; oder daſs das
Gleichnamige sich von sich selbst abstöſst; und eben
so daſs die Unterschiede nur solche sind, die in
Wahrheit keine sind, und sich aufheben; oder daſs
das Ungleichnamige sich anzieht. — Ein zweytes Ge-
setz
, dessen Inhalt demjenigen, was vorher Gesetz
genannt wurde, nemlich dem sich beständigen
gleichbleibenden Unterschiede entgegengesetzt ist;
denn diſs neue drückt vielmehr das Ungleichwerden
des Gleichen
, und das Gleichwerden des Ungleichen aus.
Der Begriff muthet der Gedankenlosigkeit zu, beyde
Gesetze zusammenzubringen, und ihrer Entgegense-
tzung bewuſst zu werden. — Gesetz ist das zweyte
freylich auch, oder ein inneres sichselbstgleiches
Seyn, aber eine Sichselbstgleichheit vielmehr der
Ungleichheit, eine Beständigkeit der Unbeständig-
keit. — An dem Spiele der Kräffte ergab sich dieses
Gesetz als eben dieses absolute Uebergehen, und als
reiner Wechsel; das gleichnamige, die Krafft zer-
[88] setzt
sich in einen Gegensatz, der zunächst als ein
selbstständiger Unterschied erscheint, aber welcher
sich in der That keiner zu seyn erweist; denn es ist das
gleichnamige, was sich von sich selbst abstöſst, und
diſs abgestoſsene zieht sich daher wesentlich an, denn
es ist dasselbe; der gemachte Unterschied, da er kei-
ner ist, hebt sich also wieder auf. Er stellt sich
hiemit als Unterschied der Sache selbst, oder als
absoluter Unterschied dar, und dieser Unterschied
der Sache ist also nichts anders als das Gleichna-
mige, das sich von sich abgestoſsen hat, und da-
her nur einen Gegensatz setzt, der keiner ist.


Durch diſs Princip wird das erste Uebersinnli-
che, das ruhige Reich der Gesetze, das unmittelbare
Abbild der wahrgenommenen Welt in sein Gegen-
theil umgekehrt; das Gesetz war überhaupt das sich
gleichbleibende, wie seine Unterschiede; itzt aber ist
gesetzt, daſs beydes vielmehr das Gegentheil seiner
selbst ist; das sich gleiche stöſst sich vielmehr von
sich ab, und das sich ungleiche setzt sich vielmehr
als das sich gleiche. In der That ist nur mit dieser Be-
stimmung der Unterschied der innre, oder Unterschied
an sich selbst, indem das gleiche sich ungleich, das
ungleiche sich gleich ist. — Diese zweyte übersinnliche
Welt
ist auf diese Weise die verkehrte Welt; und zwar,
indem eine Seite schon an der ersten übersinnlichen
Welt vorhanden ist, die verkehrte dieser ersten. Das
Innere ist damit als Erscheinung vollendet. Denn die
erste übersinnliche Welt war nur die unmittelbare Erhe-
[89] bung der wahrgenommenen Welt in das allgemeine
Element; sie hatte ihr nothwendiges Gegenbild an
dieser, welche noch für sich das Princip des Wech-
sels
und der Veränderung behielt; das erste Reich der
Gesetze entbehrte dessen, erhält es aber als ver-
kehrte Welt.


Nach dem Gesetze dieser verkehrten Welt ist also
das Gleichnamige der ersten das ungleiche seiner selbst,
und das Ungleiche derselben ist eben so ihm selbst ungleich,
oder es wird sich gleich. An bestimmten Momenten
wird diſs sich so ergeben, daſs was im Gesetze der
ersten süſs, in diesem verkehrten Ansich sauer; was
in jenem schwartz, in diesem weiſs ist. Was im Ge-
setz der erstern, am Magnete Nordpol, ist in sei-
nem andern übersinnlichen Ansich, (in der Erde
nemlich), Südpol; was aber dort Südpol ist, hier
Nordpol. Ebenso was im ersten Gesetze der Elec-
tricität Sauerstoffpol ist, wird in seinem andern
übersinnlichen Wesen Wasserstoffpol; und umge-
kehrt, was dort der Wasserstoffpol ist, wird hier
der Sauerstoffpol. In einer andern Sphäre, ist nach
dem unmittelbaren Gesetze, Rache an dem Feinde, die
höchste Befriedigung der verletzten Individualität.
Dieses Gesetz aber, dem, der mich nicht als Selbst-
wesen behandelt, mich als Wesen gegen ihn zu zei-
gen, und ihn vielmehr als Wesen aufzuheben, verkehrt
sich durch das Princip der andern Welt in das ent-
gegengesetzte
, die Wiederherstellung meiner als des
Wesens durch das Aufheben des fremden Wesens
[90] in Selbstzerstörung. Wenn nun diese Verkehrung,
welche in der Straffe des Verbrechens dargestellt
wird, zum Gesetze gemacht ist, so ist auch sie wie-
der nur das Gesetz der einen Welt, welche eine ver-
kehrte
übersinnliche Welt sich gegenüberstehen hat, in
welcher das, was in jener verachtet ist, zu Ehren,
was in jener in Ehren steht, in Verachtung
kommt. Die nach dem Gesetze der ersten den Men-
schen schändende und vertilgende Straffe verwan-
delt sich in ihrer verkehrten Welt in die sein Wesen
erhaltende, und ihn zu Ehren bringende Begnadi-
gung.


Oberflächlich angesehen ist diese verkehrte Welt
so das Gegentheil der ersten, daſs sie dieselbe au-
ſser ihr hat, und jene erste als eine verkehrte Wirk-
lichkeit
von sich abstöſst, die eine die Erscheinung, die
andere aber das Ansich, die eine sie ist, wie sie für
ein anderes
, die andere dagegen, wie sie für sich ist;
so daſs um die vorigen Beyspiele zu gebrauchen,
was süſs schmeckt, eigentlich, oder innerlich am Din-
ge, sauer, oder was am wirklichen Magnete der Er-
scheinung Nordpol ist, am innern oder wesentlichen
Seyn
Südpol wäre; was an der erscheinenden Elec-
tricität als Sauerstoffpol sich darstellt, an der nicht-
erscheinenden Wasserstoffpol wäre. Oder eine Hand-
lung, die in der Erscheinung Verbrechen ist, sollte
im innern eigentlich gut seyn (eine schlechte Hand-
lung eine gute Absicht haben) können; die Straffe
nur in der Erscheinung Straffe, an sich oder in einer
[91] andern Welt aber Wohlthat für den Verbrecher seyn.
Allein solche Gegensätze von Innerem und Aeuſse-
rem, von Erscheinung und Uebersinnlichem, als von
zweyerley Wirklichkeiten, sind hier nicht mehr
vorhanden. Die abgestoſsenen Unterschiede verthei-
len sich nicht von neuem an zwey solche Substan-
zen, welche sie trügen und ihnen ein getrenntes
Bestehen verliehen; wodurch der Verstand aus dem
Innern heraus wieder auf seine vorige Stelle zurück-
fiele. Die eine Seite oder Substanz wäre wieder die
Welt der Wahrnehmung, worin das eine der bey-
den Gesetze sein Wesen triebe, und ihr gegenüber
eine innre Welt, gerade eine solche sinnliche Welt, wie
die erste, aber in der Vorstellung; sie könnte nicht
als sinnliche Welt aufgezeigt, nicht gesehen, gehört,
geschmeckt werden, und doch würde sie vorgestellt,
als eine solche sinnliche Welt. Aber in der That,
wenn das eine gesetzte ein wahrgenommenes ist, und
sein Ansich, als das verkehrte desselben, ebenso ein
sinnlich vorgestelltes, so ist das Saure was das Ansich
des süſsen Dinges wäre, ein so wirkliches Ding, wie
es, ein saures Ding; das Schwarze, welches das An-
sich des Weiſsen wäre, ist das wirkliche Schwarze;
der Nordpol, welcher das Ansich des Südpols ist,
ist der an demselben Magnete vorhandne Nordpol; der
Sauerstoffpol, der das Ansich des Wasserstoffpols
ist, der vorhandne Sauerstoffpol derselben Säule.
Das wirkliche Verbrechen aber hat seine Verkehrung,
und sein Ansich als Möglichkeit in der Absicht als sol-
[92] cher, aber nicht in einer guten; denn die Wahrheit
der Absicht ist nur die That selbst. Das Verbre-
chen seinem Inhalte nach aber, hat seine Refle-
xion in sich oder seine Verkehrung an der wirkli-
chen
Straffe; diese ist die Aussöhnung des Gesetzes
mit der ihm im Verbrechen entgegengesetzten Wirk-
lichkeit. Die wirkliche Straffe endlich hat so ihre verkehrte
Wirklichkeit an ihr, daſs sie eine solche Verwirk-
lichung des Gesetzes ist, wodurch die Thätigkeit, die
es als Straffe hat, sich selbst aufhebt, es aus thäti-
gem wieder ruhiges und geltendes Gesetz wird, und
die Bewegung der Individualität gegen es, und sei-
ner gegen sie erloschen ist.


Aus der Vorstellung also der Verkehrung, die
das Wesen der einen Seite der übersinnlichen Welt
ausmacht, ist die sinnliche Vorstellung von der Be-
festigung der Unterschiede in einem verschiedenen
Elemente des Bestehens zu entfernen, und dieser
absolute Begriff des Unterschieds, als innrer Unter-
schied, Abstoſsen des Gleichnamigen als gleichna-
migen von sich selbst, und Gleichseyn des Unglei-
chen als ungleichen rein darzustellen und aufzu-
fassen. Es ist der reine Wechsel, oder die Entgegen-
setzung in sich selbst, der Widerspruch zu denken
. Denn
in dem Unterschiede, der ein innerer ist, ist das ent-
gegengesetzte nicht nur eines von zweyen; — sonst wäre
es ein seyendes, und nicht ein entgegengesetztes; —
sondern es ist das ontgegengesetzte eines entgegenge-
[93] setzten, oder das andere ist in ihm unmittelbar selbst
vorhanden. Ich stelle wohl das Gegentheil hieher,
und dorthin das andere, wovon es das Gegentheil ist;
also das Gegentheil auf eine Seite, an und für sich
ohne das andere. Ebendarum aber, indem ich hier
das Gegentheil an und für sich habe, ist es das Gegen-
theil seiner selbst, oder es hat in der That das andere
unmittelbar an ihm selbst. — So hat die übersinnliche
Welt, welche die verkehrte ist, über die andere
zugleich ubergriffen, und sie an sich selbst; sie ist
für sich die verkehrte, d. h. die verkehrte ihrer
selbst; sie ist sie selbst, und ihre entgegengesetzte
in Einer Einheit. Nur so ist sie der Unterschied
als innerer, oder Unterschied an sich selbst, oder ist
als Unendlichkeit.


Durch die Unendlichkeit sehen wir das Gesetz
zur Nothwendigkeit an ihm selbst vollendet, und
alle Momente der Erscheinung in das Innre aufge-
nommen. Das einfache des Gesetzes ist die Unend-
lichkeit, heiſst nach dem, was sich ergeben hat, α)
es ist ein sich selbstgleiches, welches aber der Unter-
schied
an sich ist; oder es ist gleichnamiges, wel-
ches sich von sich selbst abstöſst, oder sich entzweyt.
Dasjenige was die einfache Krafft genannt wurde, ver-
doppelt
sich selbst, und ist durch ihre Unendlichkeit
das Gesetz. β) Das entzweyte, welches die in dem
Gesetze vorgestellten Theile ausmacht, stellt sich als
Bestehendes dar; und sie ohne den Begriff des in-
nern Unterschiedes betrachtet, ist der Raum und die
[94] Zeit, oder die Entfernung und die Geschwindigkeit,
welche als Momente der Schwere auftreten, sowohl
gleichgültig und ohne Nothwendigkeit für einander,
als für die Schwere selbst, so wie diese einfache
Schwere gegen sie, oder die einfache Electricität ge-
gen das positive und negative ist. γ) Durch den Be-
griff des innern Unterschiedes aber ist diſs ungleiche
und gleichgültige, Raum und Zeit u. s. f. ein Unter-
schied
, welcher kein Unterschied ist, oder nur ein
Unterschied des Gleichnamigen, und sein Wesen
die Einheit; sie sind als positives und negatives ge-
geneinander begeistet, und ihr Seyn ist dieses viel-
mehr, sich als Nichtseyn zu setzen, und in der
Einheit aufzuheben. Es bestehen beyde unterschied-
ne, sie sind an sich, sie sind an sich als entgegenge-
setzte
, d. h. das entgegengesetzte ihrer selbst, sie ha-
ben ihr Anderes an ihnen und sind nur Eine Einheit.


Diese einfache Unendlichkeit, oder der absolute
Begriff ist das einfache Wesen des Lebens, die Seele
der Welt, das allgemeine Blut zu nennen, welches
allgegenwärtig durch keinen Unterschied getrübt noch
unterbrochen wird, das vielmehr selbst alle Unterschie-
de ist, sowie ihr Aufgehobenseyn, also in sich pulsirt,
ohne sich zu bewegen, in sich erzittert, ohne unruhig zu
seyn. Sie ist sich selbstgleich, denn die Unterschiede sind
tavtologisch, es sind Unterschiede, die keine sind.
Dieses sichselbstgleiche Wesen bezieht sich daher
nur auf sich selbst; auf sich selbst, so ist diſs ein an-
deres, worauf die Beziehung geht, und das beziehen
[95] auf sich selbst
ist vielmehr das Entzweyen, oder eben
jene Sichselbstgleichheit ist innerer Unterschied
Diese Entzweyten sind somit an und für sich selbst,
jedes ein Gegentheil — eines andern, so ist darin
schon das Andere mit ihm zugleich ausgesprochen;
oder es ist nicht das Gegentheil eines andern son-
dern nur das reine Gegentheil, so ist es also an ihm
selbst das Gegentheil seiner; oder es ist überhaupt
nicht ein Gegentheil, sondern rein für sich, ein rei-
nes sich selbst gleiches Wesen, das keinen Unter-
schied an ihm hat, so brauchen wir nicht zu fra-
gen, noch weniger das Gequäle mit solcher Frage
für die Philosophie anzusehen, oder gar sie ihr für
unbeantwortlich halten — wie aus diesem reinen We-
sen, wie aus ihm heraus der Unterschied oder das
Andersseyn komme; denn es ist schon die Ent-
zweyung geschehen, der Unterschied ist aus dem
sich selbst gleichen ausgeschlossen, und ihm zur
Seite gestellt worden; was das sich selbst gleiche
seyn sollte, ist also schon eins der entzweyten
vielmehr, als daſs es das absolute Wesen wäre. Das
sich selbst gleiche entzweyt sich, heiſst darum eben so
sehr, es hebt sich als schon entzweytes, es hebt
sich als Andersseyn auf. Die Einheit, von welcher
gesagt zu werden pflegt, daſs der Unterschied nicht
aus ihr herauskommen könne, ist in der That selbst
nur das Eine Moment der Entzweyung; sie ist die
die Abstraction der Einfachheit, welche dem Un-
terschiede gegenüber ist. Aber indem sie die Ab-
[96] straction, nur das eine der entgegengesetzten ist, so
ist es schon gesagt, daſs sie das Entzweyen ist; denn
ist die Einheit ein negatives, ein entgegengesetztes, so
ist sie eben gesetzt als das, welches die Entgegense-
tzung an ihm hat. Die Unterschiede von Entzweyung,
und sichselbstgleich werden sind darum eben so nur
diese Bewegung des sich Aufhebens; denn indem das
sichselbstgleiche, welches sich erst entzweyen
oder zu seinem Gegentheile werden soll, eine Ab-
straction oder schon selbst ein entzweytes ist, so ist
sein Entzweyen hiemit ein Aufheben dessen, was
es ist, und also das Aufheben seines Entzweytseyns.
Das sichselbstgleich werden ist ebenso ein Entzweyen;
wassichselbst gleich wird, tritt damit der Entzwey-
ung gegenüber; das heiſst, es stellt selbst sich da-
mit auf die Seite, oder es wird vielmehr ein Ent-
zweytes
.


Die Unendlichkeit oder diese absolute Unruhe
des reinen sich selbst Bewegens, daſs, was auf ir-
gend eine Weise, zum Beyspiel als Seyn, bestimmt
ist, vielmehr das Gegentheil dieser Bestimmtheit ist,
ist zwar schon die Seele alles bisherigen gewesen,
aber im Innern erst ist sie selbst frey hervorgetreten.
Die Erscheinung oder das Spiel der Kräffte stellt sie
selbst schon dar, aber als Erklären tritt sie zunächst
frey hervor; und indem sie endlich für das Bewuſst-
seyn Gegenstand ist, als das, was sie ist, so ist das
Bewuſstseyn Selbstbewuſstseyn. Das Erklären des Ver-
standes macht zunächst nur die Beschreibung dessen,
[97] was das Selbstbewuſstseyn ist. Er hebt die im Ge-
setze vorhandenen schon reingewordenen, aber noch
gleichgültigen Unterschiede auf, und setzt sie in Ei-
ner Einheit, der Krafft. Diſs gleichwerden ist aber
ebenso unmittelbar ein Entzweyen, denn er hebt die
Unterschiede nur dadurch auf, und setzt dadurch das
Eins der Krafft, daſs er einen neuen Unterschied
macht, von Gesetz und Krafft, der aber zugleich
kein Unterschied ist; und hiezu daſs dieser Unter-
schied ebenso kein Unterschied ist, geht er selbst
darin fort, daſs er diesen Unterschied wieder aufhebt,
indem er die Krafft eben so beschaffen seyn läſst,
als das Gesetz. — Diese Bewegung oder Nothwendig-
keit ist aber so noch Nothwendigkeit, und Bewegung
des Verstandes, oder sie als solche ist nicht sein Gegen-
stand
, sondern er hat in ihr positive und negative
Electricität, Entfernung, Geschwindigkeit, Anzie-
hungskrafft, und tausend andere Dinge zu Gegen-
ständen, welche den Inhalt der Momente der Bewe-
gung ausmachen. In dem Erklären ist eben darum
so viele Selbstbefriedigung, weil das Bewuſstseyn
dabey, es so auszudrücken, in unmittelbarem Selbst-
gespräche mit sich, nur sich selbst genieſst, dabey
zwar etwas anderes zu treiben scheint, aber in der
That sich nur mit sich selbst herumtreibt.


In dem entgegengesetzten Gesetze als der Ver-
kehrung des ersten Gesetzes, oder in dem innern
Unterschiede wird zwar die Unendlichkeit selbst Ge-
genstand
des Verstandes, aber er verfehlt sie als sol-
G
[98] che wieder, indem er den Unterschied an sich, das
sich selbst abstoſsen des Gleichnamigen, und die
Ungleichen, die sich anziehen, wieder an zwey Wel-
ten, oder an zwey substantielle Elemente vertheilt;
die Bewegung, wie sie in der Erfahrung ist, ist ihm
hier ein Geschehen, und das gleichnamige und das
ungleiche Prädicate, deren Wesen ein seyendes Sub-
strat ist. Dasselbe, was ihm in sinnlicher Hülle
Gegenstand ist, ist es uns in seiner wesentlichen Ge-
stalt, als reiner Begriff. Diſs Auffassen des Unter-
schieds, wie er in Wahrheit ist, oder das Auffas-
sen der Unendlichkeit als solcher, ist für uns,
oder an sich. Die Exposition ihres Begriffs gehört
der Wissenschaft an; das Bewuſstseyn aber, wie es
ihn unmittelbar hat, tritt wieder als eigne Form
oder neue Gestalt des Bewuſstseyns auf, welche in
dem vorhergehenden ihr Wesen nicht erkennt, son-
dern es für etwas ganz anderes ansieht. — In-
dem ihm dieser Begriff der Unendlichkeit Gegen-
stand ist, ist es also Bewuſstseyn des Unterschieds als
eines unmittelbar ebenso sehr aufgehobenen; es ist
für sich selbst, es ist Unterscheiden des Ununterschiedenen,
oder Selbstbewuſstseyn. Ich unterscheide mich von mir
selbst
, und es ist derin unmittelbar für mich, daſs diſs
unterschiedene nicht unterschieden ist
. Ich, das Gleich-
namige stoſse mich von mir selbst ab; aber diſs un-
terschiedne, ungleichgesetzte, ist unmittelbar, in-
dem es unterschieden ist, kein Unterschied für mich.
Das Bewuſstseyn eines Andern, eines Gegenstandes
[99] überhaupt, ist zwar selbst nothwendig Selbstbewuſst-
seyn
, reflectirt seyn in sich, Bewuſstseyn seiner selbst,
in seinem Andersseyn. Der nothwendige Fortgang
von den bisherigen Gestalten des Bewuſstseyns, wel-
chen ihr Wahres ein Ding, ein anderes war, als sie
selbst, drückt eben diſs aus, daſs nicht allein das Be-
wuſstseyn vom Dinge nur für ein Selbstbewuſstseyn
möglich ist, sondern daſs diſs allein die Wahrheit je-
ner Gestalten ist. Aber für uns nur ist diese Wahr-
heit vorhanden, noch nicht für das Bewuſstseyn. Das
Selbstbewuſstseyn aber ist erst für sich geworden, noch
nicht als Einheit mit dem Bewuſstseyn überhaupt.


Wir sehen, daſs im Innern der Erscheinung der
Verstand in Wahrheit nicht etwas anders, als die
Erscheinung selbst, aber nicht wie sie als Spiel der
Kräffte ist, sondern dasselbe in seinen absolut-all-
gemeinen Momenten und deren Bewegung, und in
der That nur sich selbst erfahrt. Erhoben über die
Wahrnehmung stellt sich das Bewuſstseyn mit dem
Uebersinnlichen durch die Mitte der Erscheinung zu-
sammengeschlossen dar, durch welche es in diesen
Hintergrund schaut. Die beyden Extreme, das ei-
ne, des reinen Innern, das andere, des in diſs reine
Innre schauenden Innern, sind nun zusammengefal-
len, und wie sie als Extreme, so ist auch die Mitte
als etwas anders als sie, verschwunden. Dieser Vor-
hang ist also vor dem Innern weggezogen, und das
Schauen des Innern in das Innere vorhanden; das
Schauen des ununterschiedenen Gleichnamigen, wel-
G 2
[100] ches sich selbst abstöſst, als unterschiedenes Innres
setzt, aber für welches ebenso unmittelbar die Unun-
terschiedenheit
beyder ist, das Selbstbewuſstseyn. Es
zeigt sich, daſs hinter dem sogenannten Vorhange,
welcher das Innre verdecken soll, nichts zu sehen
ist, wenn wir nicht selbst dahintergehen, ebensosehr
damit gesehen werde, als daſs etwas dahinter sey, das
gesehen werden kann. Aber es ergibt sich zugleich,
daſs nicht ohne alle Umstände geradezu dahinter ge-
gangen werden könne; denn diſs Wissen, was die
Wahrheit der Vorstellung der Erscheinung und ihres
Innern ist, ist selbst nur Resultat einer umständli-
chen Bewegung, wodurch die Weisen des Bewuſst-
seyns, Meynen, Wahrnehmen und der Verstand
verschwinden; und es wird sich ebenso ergeben, daſs
das Erkennen dessen, was das Bewuſstseyn weiſs, in-
dem es sich selbst weiſs
, noch weiterer Umstände be-
darf, deren Auseinanderlegung das Folgende ist.


[101]

IV.
Die Wahrheit
der Gewiſsheit seiner selbst.


In den bisherigen Weisen der Gewiſsheit ist dem
Bewuſstseyn das Wahre, etwas anderes, als es
selbst. Der Begriff dieses Wahren verschwindet
aber in der Erfahrung von ihm; wie der Gegen-
stand unmittelbar an sich war, das Seyende der sinn-
lichen Gewiſsheit, das concrete Ding der Wahrneh-
mung, die Krafft des Verstandes, so erweist er sich
vielmehr nicht in Wahrheit zu seyn, sondern diſs
Ansich ergibt sich als eine Weise, wie er nur für
ein anderes ist; der Begriff von ihm hebt sich an dem
wirklichen Gegenstande auf, oder die erste unmit-
telbare Vorstellung in der Erfahrung, und die Ge-
wiſsheit ging in der Wahrheit verloren. Nunmehr
aber ist diſs entstanden, was in diesen frühern Ver-
hältnissen nicht zu Stande kam, nemlich eine Gewiſs-
heit, welche ihrer Wahrheit gleich ist, denn die Ge-
wiſsheit ist sich selbst ihr Gegenstand, und das Be-
wuſstseyn ist sich selbst das Wahre. Es ist darin
zwar auch ein Andersseyn; das Bewuſstseyn unter-
scheidet nemlich, aber ein solches, das für es zu-
[102] gleich ein nicht unterschiedenes ist. Nennen wir Be-
griff
, die Bewegung des Wissens, den Gegenstand
aber, das Wissen als ruhige Einheit, oder als Ich,
so sehen wir, daſs nicht nur für uns, sondern für
das Wissen selbst, der Gegenstand dem Begriffe ent-
spricht. — Oder auf die andere Weise, den Begriff
das genannt, was der Gegenstand ansich ist, den Ge-
genstand aber das, was er als Gegenstand, oder für ein
anderes ist, so erhellt, daſs das Ansichseyn, und
das für ein anderes seyn dasselbe ist; denn das Ansich
ist das Bewuſstseyn; es ist aber ebenso dasjenige, für
welches
ein anderes (das Ansich) ist; und es ist für
es, daſs das Ansich des Gegenstandes, und das Seyn
desselben für ein anderes dasselbe ist; Ich ist der
Inhalt der Beziehung, und das Beziehen selbst; es
ist es selbst gegen ein anderes, und greifft zugleich
über diſs andre über, das für es ebenso nur es
selbst ist.


Mit dem Selbstbewuſstseyn sind wir also nun in
das einheimische Reich der Wahrheit eingetreten.
Es ist zu sehen, wie die Gestalt des Selbstbewuſst-
seyns zunächst auftritt. Betrachten wir diese neue
Gestalt des Wissens, das Wissen von sich selbst, im
Verhältnisse zu dem Vorhergehenden, dem Wissen
von einem Andern, so ist diſs zwar verschwunden;
aber seine Momente haben sich zugleich eben so auf-
bewahrt; und der Verlust besteht darin, daſs sie hier
vorhanden sind, wie sie an sich sind. Das Seyn der
Meynung, die Einzelnheit und die ihr entgegenge-
[103] setzte Allgemeinheit der Wahrnehmung, so wie das
leere Innere
des Verstandes, sind nicht mehr als We-
sen sondern als Momente des Selbstbewuſstseyns, das
heiſst als Abstractionen oder Unterschiede, welche
für das Bewuſstseyn selbst zugleich nichtig, oder
keine Unterschiede und rein verschwindende Wesen
sind. Es scheint also nur das Hauptmoment selbst
verloren gegangen zu seyn, nemlich das einfache
selbstständige Bestehen
für das Bewuſstseyn. Aber in
der That ist das Selbstbewuſstseyn die Reflexion aus
dem Seyn der sinnlichen und wahrgenommenen
Welt, und wesentlich die Rückkehr aus dem An-
dersseyn
. Es ist als Selbstbewuſstseyn Bewegung;
aber indem es nur sich selbst als sich selbst von sich
unterscheidet, so ist ihm der Unterschied, unmittel-
bar
als ein Andersseyn aufgehoben; der Unterschied
ist nicht, und es nur die bewegungslose Tavtologie
des: Ich bin Ich; indem ihm der Unterschied nicht
auch die Gestalt des Seyns hat, ist es nicht Selbst-
bewuſstseyn. Es ist hiemit für es das Andersseyn,
als ein Seyn, oder als unterschiedenes Moment; aber
es ist für es auch die Einheit seiner selbst mit die-
sem Unterschiede, als zweytes unterschiedenes Moment.
Mit jenem ersten Momente ist das Selbstbewuſstseyn
als Bewuſstseyn, und für es die ganze Ausbreitung der
sinnlichen Welt erhalten; aber zugleich nur als auf
das zweyte Moment, die Einheit des Selbstbewuſst-
seyns mit sich selbst, bezogen; und sie ist hiemit für
es ein Bestehen, welches aber nur Erscheinung, oder
[104] Unterschied ist, der an sich kein Seyn hat. Dieser
Gegensatz seiner Erscheinung und seiner Wahrheit
hat aber nur die Wahrheit, nemlich die Einheit des
Selbstbewuſstseyns mit sich selbst, zu seinem We-
sen; diese muſs ihm wesentlich werden; das heiſst,
es ist Begierde überhaupt. Das Bewuſstseyn hat als
Selbstbewuſstseyn nunmehr einen gedoppelten Ge-
genstand, den einen, den unmittelbaren, den Ge-
genstand der sinnlichen Gewiſsheit, und des Wahr-
nehmens, der aber für es mit dem Charakter des ne-
gativen
bezeichnet ist, und den zweyten, nemlich
sich selbst, welcher das wahre Wesen, und zunächst
nur erst im Gegensatze des ersten vorhanden ist.
Das Selbstbewuſstseyn stellt sich hierin als die Be-
wegung dar, worin dieser Gegensatz aufgehoben,
und ihm die Gleichheit seiner selbst mit sich
wird.


Der Gegenstand, welcher für das Selbstbewuſst-
seyn das negative ist, ist aber seinerseits für uns oder
an sich ebenso in sich zurückgegangen als das Be-
wuſstseyn andererseits. Er ist durch diese Reflexion
in sich Leben geworden. Was das Selbstbewuſstseyn
als seyend von sich unterscheidet, hat auch insofern,
als es seyend gesetzt ist, nicht bloſs die Weise der
sinnlichen Gewiſsheit und der Wahrnehmung an
ihm, sondern es ist in sich reflectirtes Seyn, und
der Gegenstand der unmittelbaren Begierde ist ein
Lebendiges. Denn das Ansich, oder das allgemeine
Resultat des Verhältnisses des Verstandes zu dem
[105] Innern der Dinge, ist das Unterscheiden des Nicht-
zuunterscheidenden, oder die Einheit des Unter-
schiednen. Diese Einheit aber ist ebensosehr, wie
wir gesehen, ihr Abstoſsen von sich selbst, und
dieser Begriff entzweyt sich in den Gegensatz des
Selbstbewuſstseyns und des Lebens; jenes die Ein-
heit, für welche die unendliche Einheit der Unter-
schiede ist; dieses aber ist nur diese Einheit selbst,
so daſs sie nicht zugleich für sich selbst ist. So selbst-
ständig also das Bewuſstseyn, ebenso selbstständig
ist ansich sein Gegenstand. Das Selbstbewuſstseyn,
welches schlechthin fürsich ist, und seinen Gegen-
stand unmittelbar mit dem Charakter des negativen
bezeichnet, oder zunächst Begierde ist, wird daher
vielmehr die Erfahrung der Selbständigkeit dessel-
ben machen.


Die Bestimmung des Lebens, wie sie sich aus
dem Begriffe oder dem allgemeinen Resultate ergibt,
mit welchem wir in diese Sphäre eintreten, ist hin-
reichend es zu bezeichnen, ohne daſs seine Natur
weiter daraus zu entwickeln wäre; ihr Kreis be-
schlieſst sich in folgenden Momenten. Das Wesen
ist die Unendlichkeit als das Aufgehobenseyn aller Un-
terschiede, die reine achsendrehende Bewegung, die
Ruhe ihrer selbst als absolutunruhigen Unendlich-
keit; die Selbstständigkeit selbst, in welcher die Un-
terschiede der Bewegung aufgelöst sind; das ein-
fache Wesen der Zeit, das in dieser Sichselbstgleich-
heit die gediegene Gestalt des Raumes hat. Die
[106]Unterschiede sind aber an diesem einfachen allgemeinen
Medium ebensosehr, als Unterschiede; denn diese all-
gemeine Flüssigkeit hat ihre negative Natur, nur in-
dem sie ein Aufheben derselben ist; aber sie kann die
unterschiednen nicht aufheben, wenn sie nicht ein
Bestehen haben. Ebendiese Flüssigkeit ist als die
sichselbstgleiche Selbstständigkeit, selbst das Beste-
hen
, oder die Substanz derselben, worin sie al-
so als unterschiedene Glieder und fürsichseyende
Theile sind. Das Seyn hat nicht mehr die Be-
deutung der Abstraction des Seyns, noch ihre reine
Wesenheit, der Abstraction der Allgemeinheit; son-
dern ihr Seyn ist eben jene einfache flüssige Sub-
stanz der reinen Bewegung in sich selbst. Der Un-
terschied
dieser Glieder gegeneinander aber als Unter-
schied besteht überhaupt in keiner anderer Bestimmt-
heit
, als der Bestimmtheit der Momente der Unend-
lichkeit oder der reinen Bewegung selbst.


Die selbststandigen Glieder sind fürsich; dieses
Fürsichseyn ist aber vielmehr ebenso unmittelbar ihre
Reflexion in die Einheit, als diese Einheit die Ent-
zweyung in die selbstständigen Gestalten ist. Die
Einheit ist entzweyt, weil sie absolut negative
oder unendliche Einheit ist; und weil sie das Be-
stehen
ist, so hat auch der Unterschied Selbst-
ständigkeit nur an ihr. Diese Selbständigkeit der
Gestalt erscheint als ein bestimmtes, für anderes,
denn sie ist ein entzweytes; und das Aufheben der
Entzweyung geschieht insofern durch ein anderes.
[107] Aber es ist ebensosehr an ihr selbst; denn eben jene
Flüssigkeit ist die Substanz der selbstständigen Ge-
stalten; diese Substanz aber ist unendlich; die Ge-
stalt ist darum in ihrem Bestehen selbst die Ent-
zweyung, oder das Aufheben ihres Fürsichseyns.


Unterscheiden wir die hierin enthaltenen Mo-
mente näher, so sehen wir, daſs wir zum ersten
Momente das Bestehen der selbstständigen Gestalten;
oder die Unterdrückung dessen haben, was das un-
terscheiden an sich ist, nemlich nicht an sich zu
seyn und kein Bestehen zu haben. Das zweyte Mo-
ment aber ist die Unterwerfung jenes Bestehens unter
die Unendlichkeit des Unterschiedes. Im ersten Mo-
mente ist die bestehende Gestalt; als fürsichseyend,
oder in ihrer Bestimmtheit unendliche Substanz tritt
sie gegen die allgemeine Substanz auf, verläugnet
diese Flüssigkeit und Continuität mit ihr und be-
hauptet sich als nicht in diesem Allgemeinen aufge-
löst, sondern vielmehr als durch die Absonderung
von dieser ihrer unorganischen Natur, und durch das
Aufzehren derselben sich erhaltend. Das Leben in
dem allgemeinen flüssigen Medium, ein ruhiges aus-
einanderlegen des Gestaltens wird eben dadurch zur
Bewegung derselben, oder zum Leben als Proceſs.
Die einfache allgemeine Flüssigkeit ist das Ansich,
und der Unterschied der Gestalten, das Andere. Aber
diese Flässigkeit wird selbst durch diesen Unter-
schied das Andere; denn sie ist itzt für den Unter-
schied
, welcher an und für sich selbst, und daher
[108] die unendliche Bewegung ist, von welcher jenes ru-
hige Medium aufgezehrt wird, das Leben als Leben-
diges
. — Diese Verkehrung aber ist darum wieder die
Verkehrtheit an sich selbst; was aufgezehrt wird, ist
das Wesen; die auf Kosten des Allgemeinen sich er-
haltende, und das Gefühl ihrer Einheit mit sich
selbst sich gebende Individualität hebt gerade damit
ihren Gegensatz des Andern, durch welchen sie für sich
ist
, auf; die Einheit mit sich selbst, welche sie sich
gibt, ist gerade die Flüssigkeit der Unterschiede, oder
die allgemeine Auflösung. Aber umgekehrt ist das
Aufheben des individuellen Bestehens ebenso das Er-
zeugen desselben. Denn da das Wesen der individuel-
len Gestalt, das allgemeine Leben, und das für sich
seyende an sich einfache Substanz ist, so hebt es, in-
dem es das Andre in sich setzt, diese seine Einfach-
heit
, oder sein Wesen auf, d. h. es entzweyt sie, und
diſs Entzweyen der unterschiedslosen Flüssigkeit ist
eben das Setzen der Individualität. Die einfache
Substanz des Lebens also ist die Entzweyung ihrer
selbst in Gestalten, und zugleich die Auflösung die-
ser bestehenden Unterschiede; und die Auflösung
der Entzweyung ist ebensosehr Entzweyen oder ein
Gliedern. Es fallen damit die beyden Seiten der gan-
zen Bewegung, welche unterschieden wurden, nem-
lich die in dem allgemeinen Medium der Selbststän-
digkeit ruhig auseinandergelegte Gestaltung, und der
Proceſs des Lebens ineinander; der letztere ist eben
so sehr Gestaltung, als er das Aufheben der Gestalt
[109] ist; und das erste, die Gestaltung ist eben so sehr
ein Aufheben, als sie die Gliederung ist. Das flüs-
sige Element ist selbst nur die Abstraction des We-
sens, oder es ist nur als Gestalt wirklich; und daſs
es sich gliedert, ist wieder ein Entzweyen des Ge-
gliederten, oder ein Auflösen desselben. Dieser ganze
Kreislauff macht das Leben aus, weder das, was zu-
erst ausgesprochen wird, die unmittelbare Continui-
tät und Gediegenheit seines Wesens, noch die be-
stehende Gestalt und das für sich seyende Discrete,
noch der reine Proceſs derselben, noch auch das ein-
fache zusammenfassen dieser Momente, sondern das
sich entwickelnde, und seine Entwicklung auflö-
sende und in dieser Bewegung sich einfach erhal-
tende Ganze.


Indem von der ersten unmittelbaren Einheit aus-
gegangen, und durch die Momente der Gestaltung
und des Processes hindurch zur Einheit dieser bey-
den Momente, und damit wieder zur ersten einfa-
chen Substanz zurückgekehrt wird, so ist diese re-
flectirte Einheit
eine andere, als die erste. Gegen
jene unmittelbare, oder als ein Seyn ausgesproche-
ne, ist diese zweyte, die allgemeine, welche alle
diese Momente als aufgehobne in ihr hat. Sie ist
die einfache Gattung, welche in der Bewegung des
Lebens selbst nicht für sich als diſs einfache existirt;
sondern in diesem Resultate verweist das Leben auf
ein anderes, als es ist, nemlich auf das Bewuſstseyn,
für welches es als diese Einheit, oder als Gattung, ist.


[110]

Diſs andere Leben aber, für welches die Gattung
als solche und welches für sich selbst Gattung ist,
das Selbstbewuſstseyn, ist sich zunächst nur als die-
ses einfache Wesen, und hat sich als reines Ich zum
Gegenstande; in seiner Erfahrung, die nun zu be-
trachten ist, wird sich ihm dieser abstracte Gegen-
stand bereichern, und die Entfaltung erhalten, wel-
che wir an dem Leben gesehen haben.


Das einfache Ich ist diese Gattung oder das ein-
fache allgemeine, für welches die Unterschiede keine
sind, nur, indem es negatives Wesen der gestalteten
selbstständigen Momente ist; und das Selbstbewuſst-
seyn hiemit seiner selbst nur gewiſs, durch das Auf-
heben dieses andern, das sich ihm als selbstständiges
Leben darstellt; es ist Begierde. Der Nichtigkeit
dieses andern gewiſs setzt es für sich dieselbe als seine
Wahrheit, vernichtet den selbstständigen Gegen-
stand und gibt sich dadurch die Gewiſsheit seiner
selbst, als wahre Gewiſsheit, als solche, welche ihm
selbst auf gegenständliche Weise geworden ist.


In dieser Befriedigung aber macht es die Erfah-
rung von der Selbstständigkeit seines Gegenstandes.
Die Begierde und die in ihrer Befriedigung erreichte
Gewiſsheit seiner selbst ist bedingt durch ihn, denn
sie ist durch Aufheben dieses Andern; daſs diſs Auf-
heben sey, muſs diſs Andere seyn. Das Selbstbe-
wuſstseyn vermag also durch seine negative Bezie-
hung, ihn nicht aufzuheben; es erzeugt ihn darum
vielmehr wieder, so wie die Begierde. Es ist in der
[111] That ein anderes, als das Selbstbewuſstseyn, das We-
sen der Begierde; und durch diese Erfahrung ist ihm
selbst diese Wahrheit geworden. Zugleich aber ist
es ebenso absolut für sich, und ist diſs nur durch
aufneben des Gegenstandes, und es muſs ihm seine
Befriedigung werden, denn es ist die Wahrheit.
Um der Selbstständigkeit des Gegenstandes willen
kann es daher zur Befriedigung nur gelangen, in-
dem dieser selbst die Negation an ihm vollzieht; und
er muſs diese Negation seiner selbst an sich vollzie-
hen, denn er ist an sich das negative, und muſs für
das andre seyn, was er ist. Indem er die Negation
an sich selbst ist, und darin zugleich selbstständig
ist, ist er Bewuſstseyn. An dem Leben, welches der
Gegenstand der Begierde ist, ist die Negation entwe-
der an einem andern, nemlich an der Begierde, oder als
Bestimmtheit gegen eine andere gleichgültige Gestalt,
oder als seine unorganische allgemeine Natur. Diese
allgemeine selbstständige Natur aber an der die Ne-
gation als absolute ist, ist die Gattung als solche,
oder als Selbstbcwuſstseyn. Das Selbstbewuſstseyn er-
reicht seine Befriedigung nur in einem andern Selbstbe-
wuſstseyn
.


In diesen drey Momenten ist erst der Begriff des
Selbstbewuſstseyns vollendet; a) reines ununterschie-
denes Ich ist sein erster unmittelbarer Gegenstand.
b) Diese Unmittelbarkeit ist aber selbst absolute
Vermittlung, sie ist nur als Aufheben des selbststän-
digen Gegenstandes, oder sie ist Begierde. Die Be-
[112] friedigung der Begierde ist zwar die Reflexion des
Selbstbewuſstseyns in sich selbst, oder die zur Wahr-
heit gewordene Gewiſsheit. c) Aber die Wahrheit
derselben ist vielmehr die gedoppelte Reflexion, die
Verdopplung des Selbstbewuſstseyns. Es ist ein Ge-
genstand für das Bewuſstseyn, welcher an sich selbst
sein Andersseyn oder den Unterschied als einen nich-
tigen setzt, und darin selbstständig ist. Die unter-
schiedene nur lebendige Gestalt hebt wohl im Processe
des Lebens selbst auch ihre Selbstständigkeit auf,
aber sie hört mit ihrem Unterschiede auf, zu seyn,
was sie ist; der Gegenstand des Selbstbewuſstseyns
ist aber ebenso selbstständig in dieser Negativität
seiner selbst; und damit ist er für sich selbst Gat-
tung, allgemeine Flüssigkeit in der Eigenheit sei-
ner Absonderung; er ist lebendiges Selbstbewuſst-
seyn.


Es ist ein Selbstbewuſstseyn für ein Selbstbewuſst-
seyn
. Erst hiedurch ist es in der That; denn erst
hierin wird für es die Einheit seiner selbst in sei-
nem Andersseyn; Ich, das der Gegenstand seines
Begriffs ist, ist in der That nicht Gegenstand; der
Gegenstand der Begierde aber ist nur selbstständig,
denn er ist die allgemeine unvertilgbare Substanz,
das flüssige sichselbstgleiche Wesen. Indem ein
Sebstbewuſstseyn der Gegenstand ist, ist er ebenso
wohl Ich, wie Gegenstand. — Hiemit ist schon der
Begriff des Geistes für uns vorhanden. Was für das
Bewuſstseyn weiter wird, ist die Erfahrung, was der
[113] Geist ist, diese absolute Substanz, welche in der
vollkommenen Freyheit und Selbstständigkeit ihres
Gegensatzes, nemlich verschiedener für sich seyen-
der Selbstbewuſstseyn, die Einheit derselben ist;
Ich, das Wir, und Wir, das Ich ist. Das Bewuſst-
seyn hat erst in dem Selbstbewuſstseyn, als dem
Begriffe des Geistes, seinen Wendungspunkt, auf
dem es aus dem farbigten Scheine des sinnlichen
Disseits, und aus der leeren Nacht des übersinnli-
chen Jenseits in den geistigen Tag der Gegenwart
einschreitet.


H
[114]

A.
Selbstständigkeit und Unselbstständigkeit
des Selbstbewuſstseyns;
Herrschafft und Knechtschafft.


Das Selbstbewuſstseyn ist an und für sich, indem,
und dadurch, daſs es für ein anderes an und für sich
ist; d. h. es ist nur a[l]s ein Anerkanntes. Der Be-
griff dieser seiner Einheit in seiner Verdopplung,
der sich im Selbstbewuſstseyn realisirenden Unend-
lichkeit, ist eine vielseitige und vieldeutige Ver-
schränkung, so daſs die Momente derselben theils
genau auseinandergehalten, theils in dieser Unter-
scheidung zugleich auch als nicht unterschieden,
oder immer in ihrer entgegengesetzten Bedeutung
genommen und erkannt werden müssen. Die Dop-
pelsinnigkeit des unterschiedenen liegt in dem We-
sen des Selbstbewuſstseyns, unendlich, oder unmit-
telbar das Gegentheil der Bestimmtheit, in der es
gesetzt ist, zu seyn. Die Auseinanderlegung des
Begriffs dieser geistigen Einheit in ihrer Verdopp-
lung stellt uns die Bewegung des Anerkennens dar.


Es ist für das Selbstbewuſstseyn ein anderes
Selbstbewuſstseyn; es ist auſser sich gekommen.
[115] Diſs hat die gedoppelte Bedeutung, erstlich, es hat
sich selbst verloren, denn es findet sich als ein an-
deres
Wesen; zweytens, es hat damit das Andere auf-
gehoben, denn es sicht auch nicht das andere als
Wesen, sondern sich selbst im andern.


Es muſs diſs sein andersseyn aufheben; diſs ist das
Aufheben des ersten Doppelsinnes, und darum selbst
ein zweyter Doppelsinn; erstlich, es muſs darauf ge-
hen, das andere selbstständige Wesen aufzuheben,
um dadurch seiner als des Wesens gewiſs zu wer-
den; zweytens geht es hiemit darauf, sich selbst auf-
zuheben, denn diſs andere ist es selbst.


Diſs doppelsinnige Aufheben seines doppelsin-
nigen Andersseyns ist ebenso eine doppelsinnige Rück-
kehr in sich selbst; denn erstlich erhält es durch das
Aufheben sich selbst zurück; denn es wird sich wie-
der gleich durch das Aufheben seines Andersseyns;
zweytens aber gibt es das andere Selbstbewuſstseyn
ihm wieder ebenso zurück, denn es war sich im
andern, es hebt diſs sein Seyn im andern auf, ent-
läſst also das andere wieder frey.


Diese Bewegung des Selbstbewuſstseyns in der
Beziehung auf ein anderes Selbstbewuſstseyn ist aber
auf diese Weise vorgestellt worden, als das Thun des
Einen;
aber dieses Thun des einen hat selbst die ge-
doppelte Bedeutung, ebensowohl sein Thun als das
Thun des Andern
zu seyn; denn das andere ist ebenso
selbstständig, in sich beschlossen, und es ist nichts
in ihm, was nicht durch es selbst ist. Das erste
H 2
[116] hat den Gegenstand nicht vor sich, wie er nur für
die Begierde zunächst ist, sondern einen für sich
seyenden selbstständigen, über welchen es darum
nichts für sich vermag, wenn er nicht an sich selbst
diſs thut, was es an ihm thut. Die Bewegung ist also
schlechthin die gedoppelte beyder Selbstbewuſstseyn.
Jedes sieht das andre dasselbe thun, was es thut; je-
des thut selbst, was es an das andre fodert; und thut
darum was es thut, auch nur insofern als das andre
dasselbe thut; das einseitige Thun wäre unnütz; weil,
was geschehen soll, nur durch beyde zu Stande kom-
men kann.


Das Thun ist also nicht nur insofern doppelsin-
nig, als es ein Thun ebensowohl gegen sich als ge-
gen das andre
, sondern auch insofern, als es un-
getrennt ebensowohl das Thun des Einen als des An-
dern
ist.


In dieser Bewegung sehen wir sich den Proceſs
wiederholen, der sich als Spiel der Kräffte dar-
stellte, aber im Bewuſstseyn. Was in jenem für
uns war, ist hier für die Extreme selbst. Die Mitte
ist das Selbstbewuſstseyn, welches sich in die Ex-
treme zersetzt, und jedes Extrem ist diese Austau-
schung seiner Bestimmtheit, und absoluter Ueber-
gang in das entgegengesetzte. Als Bewuſstseyn aber
kommt es wohl auſser sich, jedoch ist es in seinem
auſsersichseyn zugleich in sich zurückgehalten, für
sich
, und sein Auſsersich ist für es. Es ist für es,
daſs es unmittelbar anderes Bewuſstseyn ist, und
[117]nicht ist; und ebenso, daſs diſs Andere nur für sich
ist, indem es sich als für sich seyendes aufhebt, und
nur im Fürsichseyn des andern für sich ist. Jedes
ist dem andern die Mitte, durch welche jedes sich
mit sich selbst vermittelt und zusammenschlieſst, und
jedes sich und dem andern unmittelbares für sich
seyendes Wesen, welches zugleich nur durch diese
Vermittlung so für sich ist. Sie anerkennen sich, als
gegenseitig sich anerkennend.


Dieser reine Begriff des Anerkennens, der Ver-
dopplung des Selbstbewuſstseyns in seiner Einheit,
ist nun zu betrachten, wie sein Proceſs für das Selbst-
bewuſstseyn erscheint. Er wird zuerst die Seite der
Ungleichheit beyder darstellen, oder das Heraustre-
ten der Mitte in die Extreme, welche als Extreme
sich entgegengesetzt, und das eine nur anerkanntes,
der andre nur anerkennendes ist.


Das Selbstbewuſstseyn ist zunächst einfaches Für-
sichseyn, sichselbstgleich durch das Ausschlieſsen
alles andern aus sich; sein Wesen und absoluter Ge-
genstand ist ihm Ich; und es ist in dieser Unmittel-
barkeit
, oder in diesem Seyn seines Fürsichseyns,
Einzelnes. Was anderes für es ist, ist als unwe-
sentlicher, mit dem Charakter des negativen be-
zeichneter Gegenstand. Aber das Andre ist auch
ein Selbstbewuſstseyn; es tritt ein Individuum, ei-
nem Individuum gegenüber auf. So unmittelbar auf-
tretend sind sie für einander in der Weise gen ei-
ner Gegenstände; selbstständige Gestalten, in das Seyn
[118] des Lebens, — denn als Leben hat sich hier der sey-
ende Gegenstand bestimmt — versenkte Bewuſstseyn,
welche für einander die Bewegung der absoluten Ab-
straction, alles unmittelbare Seyn zu vertilgen, und
nur das rein negative Seyn des sichselbstgleichen Be-
wuſstseyns zu seyn, noch nicht vollbracht, oder sich
einander noch nicht als reines Fürsichseyn, das heiſst,
als Selbstbewuſstseyn dargestellt haben. Jedes ist
wohl seiner selbst gewiſs, aber nicht des andern,
und darum hat seine eigne Gewiſsheit von sich noch
keine Wahrheit; denn seine Wahrheit wäre nur,
daſs sein eignes Fürsichseyn, sich ihm als selbststän-
diger Gegenstand, oder, was dasselbe ist, der Ge-
genstand sich als diese reine Gewiſsheit seiner selbst
dargestellt hätte. Diſs aber ist nach dem Begriffe
des Anerkennens nicht möglich, als daſs wie der an-
dere für ihn, so er für den andern, jeder an sich
selbst durch sein eigenes Thun, und wieder durch
das Thun des andern, diese reine Abstraction des
Fürsichseyns vollbringt.


Die Darstellung seiner aber als der reinen Ab-
straction des Selbstbewuſstseyns besteht darin, sich
als reine Negation seiner gegenständlichen Weise zu
zeigen, oder es zu zeigen, an kein bestimmtes Da-
seyn
geknüpft, an die allgemeine Einzelnheit des Da-
seyns überhaupt nicht, nicht an das Leben geknüpft
zu seyn. Diese Darstellung ist, das gedoppelte Thun;
Thun des andern, und Thun durch sich selbst. In-
sofern es Thun des andern ist, geht also jeder auf
[119] den Tod des andern. Darin aber ist auch das
zweyte, das Thun durch sich selbst, vorhanden; denn
jenes schlieſst das daransetzen des eignen Lebens in
sich. Das Verhältniſs beyder Selbstbewuſstseyn ist
also so bestimmt, daſs sie sich selbst und einander
durch den Kampf auf Leben und Tod bewähren. —
Sie müssen in diesen Kampf gehen, denn sie müssen
die Gewiſsheit ihrer selbst, für sich zu seyn, zur Wahr-
heit an dem andern, und an ihnen selbst erheben.
Und es ist allein das daransetzen des Lebens, wo-
durch die Freyheit, wodurch es bewährt wird, daſs
dem Selbstbewuſstseyn nicht das Seyn, nicht die un-
mittelbare
Weise, wie es auftritt, nicht sein Ver-
senktseyn in die Ausbreitung des Lebens, — das
Wesen, sondern daſs an ihm nichts vorhanden, was
für es nicht verschwindendes Moment wäre, daſs
es nur reines Fürsichseyn ist. Das Individuum, wel-
ches das Leben nicht gewagt hat, kann wohl als
Person anerkannt werden; aber es hat die Wahr-
heit dieses Anerkanntseyns als eines selbstständigen
Selbstbewuſstseyns nicht erreicht. Ebenso muſs je-
des auf den Tod des andern gehen, wie es sein Le-
ben daransetzt; denn das Andre gilt ihm nicht mehr
als es selbst; sein Wesen stellt sich ihm als ein An-
dres dar, es ist auſser sich; es muſs sein Auſsersich-
seyn aufheben; das Andre ist mannichfaltig befan-
genes und seyendes Bewuſstseyn; es muſs sein An-
dersseyn als reines Fürsichseyn oder als absolute
Negation anschauen.


[120]

Diese Bewährung aber durch den Tod hebt eben
so die Wahrheit, welche daraus hervorgehen sollte,
als damit auch die Gewiſsheit seiner selbst über-
haupt auf; denn wie das Leben die natürliche Posi-
tion des Bewuſstseyns, die Selbstständigkeit ohne die
absolute Negativität, ist, so ist er die natürliche Ne-
gation desselben, die Negation ohne die Selbständig-
keit, welche also ohne die geforderte Bedeutung des
Anerkennens bleibt. Durch den Tod ist zwar die
Gewiſsheit geworden, daſs beyde ihr Leben wagten,
und es an ihnen und an dem andern verachteten;
aber nicht für die, welche diesen Kampf bestanden,
Sie heben ihr in dieser fremden Wesenheit, wel-
ches das natürliche Daseyn ist, gesetztes Bewuſst-
seyn, oder sie heben sich, und werden, als die für
sich seyn wollenden Extreme aufgehoben. Es ver-
schwindet aber damit aus dem Spiele des Wechsels
das wesentliche Moment, sich in Extreme entgegen-
gesetzter Bestimmtheiten zu zersetzen; und die Mitte
fällt in eine todte Einheit zusammen, welche in
todte, bloſs seyende, nicht entgegengesetzte Extreme
zersetzt ist; und die beyden geben und empfangen
sich nicht gegenseitig von einander durch das
Bewuſstseyn zurück, sondern lassen einander nur
gleichgültig, als Dinge, frey. Ihre That ist die ab-
stracte Negation, nicht die Negation des Bewuſst-
seyns, welches so aufhebt, daſs es das aufgehobene
auftewahrt und erhält, und hiemit sein Aufgehoben-
werden überlebt.


[121]

In dieser Erfahrung wird es dem Selbstbewuſst-
seyn, daſs ihm das Leben so wesentlich als das reine
Selbstbewuſstseyn ist. Im unmittelbaren Selbstbe-
wuſstseyn ist das einfache Ich der absolute Gegen-
stand, welcher aber für uns oder an sich die abso-
lute Vermittlung ist, und die bestehende Selbststän-
digkeit zum wesentlichen Momente hat. Die Auf-
lösung jener einfachen Einheit ist das Resultat der
ersten Erfahrung; es ist durch sie ein reines Selbst-
bewuſstseyn, und ein Bewuſstseyn gesetzt, welches
nicht rein für sich, sondern für ein anderes, das
heiſst, als seyendes Bewuſstseyn oder Bewuſstseyn
in der Gestalt der Dingheit ist. Beyde Momente sind
wesentlich; — da sie zunächst ungleich und entge-
gengesetzt sind, und ihre Reflexion in die Einheit sich
noch nicht ergeben hat, so sind sie als zwey ent-
gegengesetzte Gestalten des Bewuſstseyns; die eine
das selbstständige, welchem das Fürsichseyn, die
andere das unselbstständige, dem das Leben oder
das Seyn für ein anderes, das Wesen ist; jenes ist
der Herr, diſs der Knecht.


Der Herr ist das für sich seyende Bewuſstseyn,
aber nicht mehr nur der Begriff desselben, sondern
für sich seyendes Bewuſstseyn, welches durch ein
anderes Bewuſstseyn mit sich vermittelt ist, nemlich
durch ein solches, zu dessen Wesen es gehört, daſs
es mit selbststäntligem Seyn oder der Dingheit über-
haupt synthesirt ist. Der Herr bezieht sich auf
diese beyden Momente, auf ein Ding, als solches,
[122] den Gegenstand der Begierde, und auf das Bewuſst-
seyn, dem die Dingheit das wesentliche ist; und,
indem er a) als Begriff des Selbstbewuſstseyns, un-
mittelbare Beziehung des Fürsichseyns ist, aber b)
nunmehr zugleich als Vermittlung, oder als ein Für-
sichseyn, welches nur durch ein anderes für sich
ist, so bezieht er sich a) unmittelbar auf beyde, und
b) mittelbar auf jedes durch das andere. Der Herr
bezieht sich auf den Knecht mittelbar durch das selbst-
standige Seyn;
denn eben hieran ist der Knecht ge-
halten; es ist seine Kette, von der er im Kampfe
nicht abstrahiren konnte, und darum sich als un-
selbstständig, seine Selbstständigkeit in der Dingheit
zu haben, erwies. Der Herr aber ist die Macht über
diſs Seyn, denn er erwies im Kampfe, daſs es ihm
nur als ein negatives gilt; indem er die Macht darü-
ber, diſs Seyn aber die Macht über den Andern ist,
so hat er in diesem Schlusse diesen andern unter sich.
Ebenso bezieht sich der Herr mittelbar durch den
Knecht auf das Ding;
der Knecht bezieht sich als
Selbstbewuſstseyn überhaupt, auf das Ding auch ne-
gativ und hebt es auf; aber es ist zugleich selbststän-
dig für ihn, und er kann darum durch sein Negi-
ren nicht bis zur Vernichtung mit ihm fertig wer-
den, oder er bearbeitet es nur. Dem Herrn dagegen
wird durch diese Vermittlung die unmittelbare Bezie-
hung als die reine Negation desselben, oder der Ge-
nuſs;
was der Begierde nicht gelang, gelingt ihm,
damit fertig zu werden, und im Genusse sich zu be-
[123] frietligen. Der Begierde gelang diſs nicht wegen der
Selbstständigkeit des Dinges; der Herr aber, der den
Knecht zwischen es und sich eingeschoben, schlieſst
sich dadurch nur mit der Unselbstständigkeit des
Dinges zusammen, und genieſst es rein; die Seite der
Selbstständigkeit aber überläſst er dem Knechte, der
es bearbeitet.


In diesen beyden Momenten wird für den
Herrn sein Anerkanntseyn durch ein anderes Be-
wuſstseyn; denn dieses setzt sich in ihnen als un-
wesentliches, einmal in der Bearbeitung des Dings,
das anderemal in der Abhängigkeit von einem be-
stimmten Daseyn; in beyden kann es nicht über das
Seyn Meister werden und zur absoluten Negation ge-
langen. Es ist also hierin diſs Moment des Aner-
kennens vorhanden, daſs das andere Bewuſstseyn
sich als Fürsichseyn aufhebt, und hiemit selbst das
thut, was das erste gegen es thut. Ebenso das an-
dere Moment, daſs diſs Thun des Zweyten das eigne
Thun des ersten ist; denn, was der Knecht thut,
ist eigentlich Thun des Herrn; diesem ist nur das
Fürsichseyn, das Wesen; er ist die reine negative
Macht, der das Ding Nichts ist, und also das reine
wesentliche Thun in diesem Verhältnisse; der Knecht
aber ein nicht reines, sondern unwesentliches Thun.
Aber zum eigentlichen Anerkennen fehlt das Mo-
ment, daſs was der Herr gegen den andern thut, er
auch gegen sich selbst, und was der Knecht gegen
sich, er auch gegen den andern thue. Es ist da-
[124] durch ein einseitiges und ungleiches Anerkennen ent-
standen.


Das unwesentliche Bewuſstseyn ist hierin für
den Herrn der Gegenstand, welcher die Wahr-
heit
der Gewiſsheit seiner selbst ausmacht. Aber es
erhellt, daſs dieser Gegenstand seinem Begriffe nicht
entspricht, sondern daſs darin, worin der Herr sich
vollbracht hat, ihm vielmehr ganz etwas anderes ge-
worden, als ein selbstständiges Bewuſstseyn. Nicht
ein solches ist für ihn, sondern vielmehr ein unselbst-
ständiges; er also nicht des Fürsichseyns, als den
Wahrheit gewiſs, sondern seine Wahrheit ist viel-
mehr das unwesentliche Bewuſstseyn, und das un-
wesentliche Thun desselben.


Die Wahrheit des selbstständigen Bewuſstseyns
ist demnach das knechtische Bewuſstseyn. Dieses er-
scheint zwar zunächst auſser sich und nicht als die
Wahrheit des Selbstbewuſstseyn. Aber wie die Herr-
schafft zeigte, daſs ihr Wesen das verkehrte dessen
ist, was sie seyn will, so wird auch wohl die Knecht-
schafft vielmehr in ihrer Vollbringung zum Gegen-
theile dessen werden, was sie unmittelbar ist; sie wird
als in sich zurückgedrängtes Bewuſstseyn in sich ge-
hen, und zur wahren Selbstständigkeit sich um-
kehren.


Wir sahen nur, was die Knechtschafft im Ver-
hältnisse der Herrschafft ist. Aber sie ist Selbstbe-
wuſstseyn, und was sie hienach an und für sich selbst
ist, ist nun zu betrachten. Zunächst ist für die
[125] Knechtschafft der Herr das Wesen; also das selbst-
standige für sich seyende Bewuſstseyn
ist ihr die Wahr-
heit
, die jedoch für sie noch nicht an ihr ist. Al-
lein sie hat diese Wahrheit der reinen Negativität
und des Fürsichseyns in der That an ihr selbst; denn
sie hat dieses Wesen an ihr erfahren. Diſs Bewuſst-
seyn hat nemlich nicht um dieses oder jenes, noch
für diesen oder jenen Augenblick Angst gehabt, son-
dern um sein ganzes Wesen; denn es hat die Furcht
des Todes, des absoluten Herrn, empfunden. Es ist
darin innerlich aufgelöst worden, hat durchaus in
sich selbst erzittert, und alles fixe hat in ihm ge-
bebt. Diese reine allgemeine Bewegung, das abso-
lute flüssigwerden alles Bestehens ist aber das ein-
fache Wesen des Selbstbewuſstseyns, die absolute
Negativität, das reine Fürsichseyn, das hiemit an die-
sem Bewuſstseyn ist. Diſs Moment des reinen Für-
sichseyn ist auch für es, denn im Herrn ist es ihm
sein Gegenstand. Es ist ferner nicht nur diese all-
gemeine Auflösung überhaupt, sondern im Dienen
vollbringt es sie wirklich; es hebt darin in allen ein-
zelnen
Momenten seine Anhänglichkeit an natürliches
Daseyn auf, und arbeitet dasselbe hinweg.


Das Gefuhl der absoluten Macht aber überhaupt,
und im einzelnen des Dienstes ist nur die Auflösung
an sich, und ob zwar die Furcht des Herrn der An-
fang der Wei heit ist, so ist das Bewuſstseyn darin
für es selbst, nicht das fürsichseyn. Durch die Ar-
beit kömmt es aber zu sich selbst. In dem Momente,
[126] welches der Begierde im Bewuſstseyn des Herrn
entspricht, schien dem dienenden Bewuſstseyn zwar
die Seite der unwesentlichen Beziehung auf das Ding
zugefallen zu seyn, indem das Ding darin seine Selbst-
ständigkeit behält. Die Begierde hat sich das reine
Negiren des Gegenstandes, und dadurch das un-
vermischte Selbstgefühl vorbehalten. Diese Befrie-
digung ist aber deſswegen selbst nur ein Verschwin-
den, denn es fehlt ihr die gegenständliche Seite oder
das Bestehen. Die Arbeit hingegen ist gehemmte Be-
gierde, aufgehaltenes Verschwinden, oder sie bildet.
Die negative Beziehung auf den Gegenstand wird zur
Form desselben, und zu einem bleibenden; weil eben
dem arbeitenden der Gegenstand Selbstständigkeit
hat. Diese negative Mitte oder das formirende Thun,
ist zugleich die Einzelnheit oder das reine Fürsichseyn
des Bewuſstseyns, welches nun in der Arbeit auſser
es in das Element des Bleibens tritt; das arbeitende
Bewuſstseyn kommt also hiedurch zur Anschauung
des selbstständigen Seyns, als seiner selbst.


Das Formiren hat aber nicht nur diese positive
Bedeutung, daſs das dienende Bewuſstseyn sich darin
als reines Fürsichseyn zum Seyenden wird; sondern
auch die negative, gegen sein erstes Moment, die
Furcht. Denn in dem Bilden des Dinges wird ihm
die eigne Negativität, sein Fürsichseyn, nur dadurch
zum Gegenstande, daſs es die entgegengesetzte seyende
Form aufhebt. Aber diſs gegenständliche Negative
ist gerade das fremde Wesen, vor welchem es ge-
[127] zittert hat. Nun aber zerstört es diſs fremde Nega-
tive, setzt sich als ein solches in das Element des Blei-
bens; und wird hiedurch für sich selbst, ein für sich
seyendes
. Im Herrn ist ihm das Fürsichseyn ein un-
deres
oder nur für es; in der Furcht ist das Für-
sichseyn an ihm selbst; in dem Bilden wird das Für-
sichseyn als sein eignes für es, und es kömmt zum Be-
wuſstseyn, daſs es selbst an und für sich ist. Die
Form wird dadurch, daſs sie hinausgesetzt wird, ihm
nicht ein anderes als es; denn eben sie ist sein reines
Fürsichseyn, das ihm darin zur Wahrheit wird.
Es wird also durch diſs Wiederfinden seiner durch
sich selbst eigner Sinn, gerade in der Arbeit, worin
es nur fremder Sinn zu seyn schien. — Es sind zu die-
ser Reflexion die beyden Momente, der Furcht und
des Dienstes überhaupt, so wie des Bildens nothwen-
dig, und zugleich beyde auf eine allgemeine Weise.
Ohne die Zucht des Dienstes und Gehorsams bleibt
die Furcht beym formellen stehen, und verbreitet
sich nicht über die bewuſste Wirklichkeit des Da-
seyns. Ohne das Bilden bleibt die Furcht innerlich
und stumm, und das Bewuſstseyn wird nicht für es
selbst. Formirt das Bewuſstseyn ohne die erste ab-
solute Furcht, so ist es nur ein eitler eigner Sinn;
denn seine Form oder Negativität ist nicht die Ne-
gativität an sich; und sein Formiren kann ihm daher
nicht das Bewuſstseyn seiner als des Wesens geben. Hat
es nicht die absolute Furcht, sondern nur einige Angst
ausgestanden, so ist das negative Wesen ihm ein äu-
[128] ſserliches geblieben, seine Substanz ist von ihm nicht
durch und durch angesteckt. Indem nicht alle Er-
füllungen seines natürlichen Bewuſstseyns wankend
geworden, gehört es an sich noch bestimmtem Seyn
an; der eigne Sinn ist Eigensinn, eine Freyheit, wel-
che noch innerhalb der Knechtschafft stehen bleibt.
So wenig ihm die reine Form zum Wesen werden
kann, so wenig ist sie, als Ausbreitung über das
einzelne betrachlet, allgemeines Bilden, absoluter
Begriff, sondern eine Geschicklichkeit, welche nur
über einiges, nicht über die allgemeine Macht und
das ganze gegenständliche Wesen mächtig ist.


[129]

B.
Freyheit des Selbstbewuſstseyns;
Stoicismus, Skepticismus,
und das unglückliche Bewuſstseyn.


Dem selbstständigen Selbstbewuſstseyn ist einestheils
nur die reine Abstraction des Ich sein Wesen, und
anderntheils, indem sie sich ausbildet und sich Un-
terschiede gibt, wird diſs Unterscheiden ihm nicht
zum gegenständlichen ansichseyenden Wesen; diſs
Selbstbewuſstseyn wird also nicht ein in seiner Ein-
fachheit sich wahrhafft unterscheidendes, oder in die-
ser absoluten Unterscheidung sich gleichbleibendes
Ich. Das in sich zurückgedrängte Bewuſstseyn hin-
gegen wird sich im Formiren als Form der gebilde-
ten Dinge zum Gegenstande, und an dem Herrn
schaut es das Fürsichseyn zugleich als Bewuſstseyn
an. Aber dem dienenden Bewuſstseyn als solchem
fallen diese beyden Momente, — seiner selbst als selbst-
ständigen Gegenstandes, und dieses Gegenstandes als
eines Bewuſstseyns, und hiemit seines eigenen We-
sens auseinander. Indem aber für uns oder an sich
die Form und das Fürsichseyn dasselbe ist, und im
I
[130] Begriffe des selbstständigen Bewuſstseyns das Ansich-
seyn das Bewuſstseyn ist, so ist die Seite des Ansich-
seyns oder der Dingheit, welche die Form in der Ar-
beit erhielt, keine andere Substanz, als das Bewuſst-
seyn, und es ist uns eine neue Gestalt des Selbstbe-
wuſstseyns geworden; ein Bewuſstseyn, welches
sich als die Unendlichkeit, oder reine Bewegung des
Bewuſstseyns das Wesen ist; welches denkt, oder
freyes Selbstbewuſstseyn ist. Denn nicht als abstractes
Ich
, sondern als Ich, welches zugleich die Bedeu-
tung des Ansichseyns hat, sich Gegenstand seyn,
oder zum gegenständlichen Wesen sich so verhalten,
daſs es die Bedeutung des Fürsichseyns des Bewuſst-
seyns hat, für welches es ist, heiſst denken. — Dem
Denken bewegt sich der Gegenstand nicht in Vorstel-
lungen, oder Gestalten, sondern in Begriffen, das
heiſst in einem unterschiednen Ansichseyn, welches
unmittelbar für das Bewuſstseyn kein unterschiednes
von ihm ist. Das Vorgestellte, Gestaltete, Seyende, als
solches, hat die Form etwas anders zu seyn, als das
Bewuſstseyn; ein Begriff aber ist zugleich ein Seyen-
des
, — und dieser Unterschied, insofern er an ihm
selbst ist, ist sein bestimmter Inhalt, — aber darin
daſs dieser Inhalt ein begriffener zugleich ist, bleibt
es sich seiner Einheit mit diesem bestimmten und
unterschiedenen Seyenden unmittelbar bewuſst; nicht
wie bey der Vorstellung, worin es erst noch beson-
ders sich zu erinnern hat, daſs diſs seine Vorstellung
sey; sondern der Begriff ist mir unmittelbar mein
[131] Begriff. Im Denken bin Ich frey, weil ich nicht in
einem Andern bin, sondern schlechthin bey mir
selbst bleibe, und der Gegenstand, der mir das We-
sen ist, in ungetrennter Einheit mein Fürmichseyn
ist; und meine Bewegung in Begriffen ist eine Be-
wegung in mir selbst. — Es ist aber in dieser Be-
stimmung dieser Gestalt des Selbstbewuſstseyns, we-
sentlich diſs festzuhalten, daſs sie denkendes Bewuſst-
seyn überhaupt oder ihr Gegenstand, unmittelbare Ein-
heit des Ansichseyns und des Fürsichseyns ist. Das
sich gleichnamige Bewuſstseyn, das sich von sich
selbst abstöſst, wird sich ansichseyendes Element; aber
es ist sich diſs Element nur erst als allgemeines We-
sen überhaupt, nicht als diſs gegenständliche Wesen
in der Entwicklung und Bewegung seines mannich-
faltigen Seyns.


Diese Freyheit des Selbstbewuſstseyns hat be-
kanntlich, indem sie als ihrer bewuſste Erscheinung
in der Geschichte des Geistes aufgetreten ist, Stoi-
cismus
geheiſsen. Sein Princip ist, daſs das Bewuſst-
seyn denkendes Wesen, und etwas nur Wesenheit
für dasselbe hat, oder wahr und gut für es ist, als
das Bewuſstseyn sich darin als denkendes Wesen
verhält.


Die vielfache sich in sich unterscheidende Aus-
breitung, Vereinzelung und Verwicklung des Le-
bens ist der Gegenstand, gegen welchen die Begierde
und die Arbeit thätig ist. Diſs vielfache Thun hat
sich nun in die einfache Unterscheidung zusam-
I 2
[132] mengezogen, welche in der reinen Bewegung des
Denkens ist. Nicht der Unterschied, welcher sich
als bestimmtes Ding, oder als Bewuſstseyn eines be-
stimmten natürlichen Daseyns
, als ein Gefühl, oder als
Begierde und Zweck für dieselbe, ob er durch das ei-
gene
oder durch ein fremdes Bewuſstseyn gesetzt sey,
hat mehr Wesenheit, sondern allein der Unter-
schied, der ein gedachter, oder unmittelbar nicht von
Mir unterschieden ist. Diſs Bewuſstseyn ist somit
negativ gegen das Verhältniſs der Herrschafft und
Knechtschafft; sein Thun ist, in der Herrschafft
nicht seine Wahrheit an dem Knechte zu haben,
noch als Knecht seine Wahrheit an dem Willen des
Herrn und an seinem Dienen, sondern wie auf dem
Throne so in den Fesseln, in aller Abhängigkeit sei-
nes einzelnen Daseyns frey zu seyn, und die Leb-
losigkeit sich zu erhalten, welche sich beständig aus
der Bewegung des Daseyns, aus dem Wirken wie
aus dem Leiden, in die einfache Wesenheit des Gedan-
kens zurückzieht
. Der Eigensinn ist die Freyheit,
die an eine Einzelnheit sich befestigt und innerhalb
der Knechtschafft steht, der Stoicismus aber die Frey-
heit, welche unmittelbar immer aus ihr her, und in
die reine Allgemeinheit des Gedankens zurückkömmt;
als allgemeine Form des Weltgeistes nur in der Zeit
einer allgemeinen Furcht und Knechtschafft, aber
auch einer allgemeinen Bildung auftreten konnte,
welche das Bilden bis zum Denken gesteigert
hatte.


[133]

Ob nun zwar diesem Selbstbewuſstseyn weder
ein anderes als es, noch die reine Abstraction des
Ich das Wesen ist, sondern Ich, welches das An-
dersseyn, aber als gedachten Unterschied an ihm
hat, so daſs es in seinem Andersseyn unmittelbar in
sich zurückgekehrt ist; so ist diſs sein Wesen zu-
gleich nur ein abstractes Wesen. Die Freyheit des
Selbstbewuſstseyns ist gleichgültig gegen das natür-
liche Daseyn, hat darum dieses ebenso frey entlassen,
und die Reflexion ist eine gedoppelte. Die Freyheit im
Gedanken hat nur den reinen Gedanken zu ihrer Wahr-
heit, die ohne die Erfüllung des Lebens ist; und ist
also auch nur der Begriff der Freyheit, nicht die le-
bendige Freyheit selbst; denn ihr ist nur erst das
Denken überhaupt das Wesen, die Form als solche,
welche von der Selbstständigkeit der Dinge weg, in
sich zurückgegangen ist. Indem aber die Individua-
lität als handelnd sich lebendig darstellen, oder als
denkend die lebendige Welt als ein System des Ge-
dankens fassen sollte, so müſste in dem Gedanken
selbst
für jene Ausbreitung ein Inhalt dessen, was gut,
für diese, was wahr ist, liegen; damit durchaus, in
demjenigen, was für das Bewuſstseyn ist, kein an-
deres Ingrediens wäre, als der Begriff, der das We-
sen ist. Allein so wie er hier als Abstraction von der
Mannichfaltigkeit der Dinge sich abtrennt, hat er
keinen Inhalt an ihm selbst, sondern einen gegebenen.
Das Bewuſstseyn vertilgt den Inhalt wohl als ein
fremdes Seyn, indem es ihn denkt; aber der Be-
[134] griff ist bestimmter Begriff, und diese Bestimmtheit
desselben ist das Fremde, das er an ihm hat. Der
Stoicismus ist darum in Verlegenheit gekommen,
als er, wie der Ausdruck war, nach dem Kriterium
der Wahrheit überhaupt gefragt wurde, d. h. ei-
gentlich nach einem Inhalte des Gedankens selbst.
Auf die Frage an ihn, was gut und wahr ist, hat
er wieder das inhaltslose Denken selbst zur Antwort
gegeben; in der Vernünftigkeit soll das wahre und
gute bestehen. Aber diese Sichselbstgleichheit des
Denkens ist nur wieder die reine Form, in wel-
cher sich nichts bestimmt; die allgemeinen Worte
von dem Wahren und Guten, der Weisheit und
der Tugend, bey welchen er stehen bleiben muſs,
sind daher wohl im allgemeinen erhebend, aber
weil sie in der That zu keiner Ausbreitung des In-
halts kommen können, fangen sie bald an, Lange-
weile zu machen.


Dieses denkende Bewuſstseyn so, wie es sich
bestimmt hat, als die abstracte Freyheit, ist also
nur die unvollendete Negation des Andersseyns; aus
dem Daseyn nur in sich zurückgezogen hat es sich
nicht als absolute Negation desselben an ihm voll-
bracht. Der Inhalt gilt ihm zwar nur als Gedanke,
aber dabey auch als bestimmter, und die Bestimmt-
heit als solche zugleich.


Der Skepticismus ist die Realisirung desjenigen,
wovon der Stoicismus nur der Begriff, — und die
wirkliche Erfahrung, was die Freyheit des Gedankens
[135] ist; sie ist ansich das negative, und muſs sich so
darstellen. Mit der Reflexion des Selbstbewuſstseyns
in den einfachen Gedanken seiner selbst, ist ihr ge-
genüber in der That, aus der Unendlichkeit, das
selbstständige Daseyn oder die bleibende Bestimmt-
heit herausgefallen; im Skepticisma wird nun für
das Bewuſstseyn
die gänzliche Unwesentlichkeit und
Unselbstständigkeit dieses Andern; der Gedanke wird
zu dem vollständigen das Seyn der vielfachbestimm-
ten
Welt vernichtenden Denken, und die Negativi-
tät des freyen Selbstbewuſstseyns wird sich an die-
ser mannichfaltigen Gestaltung des Lebens zur rea-
len Negativität. — Es erheilt, daſs wie der Stoi-
cismus dem Begriffe des selbstständigen Bewuſstseyns,
das als Verhältniſs der Herrschafft und Knechtschafft
erschien, entspricht, so entspricht der Skepticismus
der Realisirung desselben, als der negativen Rich-
tung auf das Andersseyn, der Begierde und der Ar-
beit. Aber wenn die Begierde und die Arbeit die
Negation nicht für das Selbstbewuſstseyn ausführen
konnten, so wird dagegen diese polemische Rich-
tung gegen die vielfache Selbstständigkeit der Dinge
von Erfolg seyn, weil sie als in sich vorher vollen-
detes freyes Selbstbewuſstseyn sich gegen sie kehrt;
bestimmter, weil sie das Denken, oder die Unend-
lichkeit, an ihr selbst hat, und hierin die Selbst-
ständigkeiten nach ihrem Unterschiede ihr nur als
verschwindende Gröſsen sind. Die Unterschiede,
welche im reinen Denken seiner selbst nur die Ab-
[136] straction der Unterschiede sind, werden hier zu al-
len
Unterschieden, und alles unterschiedene Seyn zu
einem Unterschiede des Selbstbewuſstseyns.


Hiedurch hat sich das Thun des Skepticismus
überhaupt, und die Weise desselben bestimmt. Er
zeigt die dialektische Bewegung auf, welche die sinn-
liche Gewiſsheit, die Wahrnehmung und der Ver-
stand ist; so wie auch die Unwesenheit desjenigen,
was in dem Verhältnisse des Herrschens und des
Dienens, und was für das abstracte Denken selbst,
als bestimmtes gilt. Jenes Verhältniſs faſst eine be-
stimmte Weise
zugleich in sich, in welcher auch
sittliche Gesetze als Gebote der Herrschafft vor-
handen sind; die Bestimmungen im abstracten
Denken aber sind Begriffe der Wissenschafft, in
welche sich das inhaltslose Denken ausbreitet, und
den Begriff auf eine in der That nur äuſserliche
Weise an das ihm selbstständige Seyn, das seinen
Inhalt ausmacht, hängt und nur bestimmte Begriffe
als geltende hat, es sey, daſs sie auch reine Ab-
stractionen sind.


Das dialektische als negative Bewegung, wie sie
unmittelbar ist, erscheint dem Bewuſstseyn zunächst
als etwas, dem es preisgegeben, und das nicht durch
es selbst ist. Als Skepticismus hingegen ist sie Mo-
ment des Selbstbewuſstseyns, welchem es nicht ge-
schieht
, daſs ihm, ohne zu wissen wie, sein Wahres
und Reelles verschwindet, sondern welches in der
Gewiſsheit seiner Freyheit, diſs andere für reell sich
[137] gebende selbst verschwinden läſst; nicht nur das ge-
genständliche als solches, sondern sein eignes Ver-
halten zu ihm, worin es als gegenständlich gilt, und
geltend gemacht wird, also auch sein Wahrnehmen,
so wie sein Befestigen dessen, was es in Gefahr ist
zu verlieren, die Sophisterey, und sein aus sich be-
stimmtes
und festgesetztes Wahres; durch welche
selbstbewuſste Negation es die Gewiſsheit seiner Frey-
heit
sich für sich selbst verschafft, die Erfahrung der-
selben hervorbringt, und sie dadurch zur Wahrheit
erhebt. Was verschwindet, ist das Bestimmte, oder
der Unterschied, der auf welche Weise, und woher
es sey, als fester und unwandelbarer sich aufstellt.
Er hat nichts bleibendes an ihm, und muſs dem
Denken verschwinden, weil das unterschiedne eben
diſs ist, nicht an ihm selbst zu seyn, sondern seine
Wesenheit nur in einem Andern zu haben; das Den-
ken aber ist die Einsicht in diese Natur des Unter-
schiednen, es ist das negative Wesen als einfaches.


Das skeptische Selbstbewuſstseyn erfährt also in
dem Wandel alles dessen, was sich für es befestigen
will, seine eigne Freyheit als durch es selbst sich
gegeben und erhalten; es ist sich diese Ataraxie des
sich selbst Denkens, die unwandelbare und wahr-
haffte Gewiſsheit seiner selbst
. Sie geht nicht aus ei-
nem Fremden, das seine vielfache Entwicklung in
sich zusammenstürtzte, als ein Resultat hervor,
welches sein Werden hinter sich hätte; sondern das
Bewuſstseyn selbst ist die absolute dialektische Unruhe,
[138] dieses Gemische von sinnlichen und gedachten Vor-
stellungen, deren Unterschiede zusammenfallen, und
deren Gleichheit sich ebenso, — denn sie ist selbst
die Bestimmtheit gegen das Ungleiche — wieder auf-
löst. Diſs Bewuſstseyn ist aber eben hierin in der
That, statt sichselbstgleiches Bewuſstseyn zu seyn,
nur eine schlechthin zufällige Verwirrung, der
Schwindel einer sich immer erzeugenden Unord-
nung. Es ist diſs für sich selbst; denn es selbst er-
hält und bringt diese sich bewegende Verwirrung
hervor. Es bekennt sich darum auch dazu, es be-
kennt ein ganz zufälliges, einzelnes Bewuſstseyn zu
seyn, — ein Bewuſstseyn, das empirisch ist, sich nach
dem richtet, was keine Realität für es hat, dem ge-
horcht, was ihm kein Wesen ist, das thut und zur
Wirklichkeit bringt, was ihm keine Wahrheit hat.
Aber ebenso wie es sich auf diese Weise als einzelnes,
zufälliges
und in der That thierisches Leben, und
verlornes Selbstbewuſstseyn gilt, macht es sich
im Gegentheile auch wieder zum allgemeinen sich-
selbstgleichen;
denn es ist die Negativität aller Ein-
zelnheit und alles Unterschieds. Von dieser Sich-
selbstgleichheit oder in ihr selbst vielmehr fällt es
wieder in jene Zufälligkeit und Verwirrung zurück,
denn eben diese sich bewegende Negativität hat es
nur mit einzelnem zu thun, und treibt sich mit zu-
fälligem herum. Diſs Bewuſstseyn ist also diese be-
wuſstlose Faseley, von dem einen Extreme des sich-
selbstgleichen Selbstbewuſstseyns zum andern des
[139] zufälligen, verworrenen, und verwirrenden Bewuſst-
seyns hinüber und herüber zu gehen. Es selbst bringt
diese beyden Gedanken seiner selbst nicht zusam-
men; es erkennt seine Freyheit einmal als Erhebung
über alle Verwirrung und alle Zufälligkeit des Da-
seyns, und bekennt sich ebenso das andremal wie-
der als ein Zurückfallen in die Unwesentlichkeit und
als ein Herumtreiben in ihr. Es läſst den unwe-
sentlichen Inhalt in seinem Denken verschwinden,
aber eben darin ist es das Bewuſstseyn eines unwe-
sentlichen; es spricht das absolute Verschwinden aus,
aber das Aussprechen ist, und diſs Bewuſstseyn ist
das ausgesprochne Verschwinden; es spricht die
Nichtigkeit des Sehens, Hörens, und sofort aus, und
es sieht, hört, und sofort, selbst; es spricht die Nich-
tigkeit der sittlichen Wesenheiten aus, und macht
sie selbst zu den Mächten seines Handelns. Sein
Thun und seine Worte widersprechen sich immer,
und ebenso hat es selbst das gedoppelte widerspre-
chende Bewuſstseyn der Unwandelbarkeit und
Gleichheit, und der völligen Zufälligkeit und Un-
gleichheit mit sich. Aber es hält diesen Wider-
spruch seiner selbst auseinander; und verhält sich
darüber wie in seiner rein negativen Bewegung über-
haupt. Wird ihm die Gleichheit aufgezeigt, so zeigt
es die Ungleichheit auf; und indem ihm diese, die es
eben ausgesprochen hat, itzt vorgehalten wird, so
geht es zum aufzeigen der Gleichheit über; sein Ge-
rede ist in der That ein Gezänke eigensinniger Jun-
[140] gen, deren einer A ſagt, wenn der andere B, und
wieder B, wenn der andere A, und die sich durch
den Widerspruch mit sich selbst die Freude erkauf-
fen, miteinander im Widerspruche zu bleiben.


Im Skepticismus erfährt das Bewuſstseyn in
Wahrheit sich als ein in sich selbst widersprechen-
des Bewuſstseyn; es geht aus dieser Erfahrung eine
neue Gestalt hervor, welche die zwey Gedanken zu-
sammenbringt, die der Skepticismus auseinander
hält. Die Gedankenlosigkeit des Skepticismus über
sich selbst muſs verschwinden, weil es in der That
Ein Bewuſstseyn ist, welches diese beyden Weisen
an ihm hat. Diese neue Gestalt ist hiedurch ein sol-
ches, welches für sich das gedoppelte Bewuſstseyn
seiner, als des sich befreyenden, unwandelbaren und
sichselbstgleichen, und seiner als des absolut sich
verwirrenden und verkehrenden, — und das Be-
wuſstseyn dieses seines Widerspruchs ist. — Im
Stoicismus ist das Selbstbewuſstseyn die einfache
Freyheit seiner selbst; im Skepticismus realisirt sie
sich, vernichtet die andere Seite des bestimmten Da-
seyns, aber verdoppelt sich vielmehr, und ist sich
nun ein zweyfaches. Hiedurch ist die Verdopplung,
welche früher an zwey einzelne, an den Herrn und
den Knecht, sich vertheilte, in eines eingekehrt; die
Verdopplung des Selbstbewuſstseyns in sich selbst,
welche im Begriffe des Geistes wesentlich ist, ist hie-
mit vorhanden, aber noch nicht ihre Einheit und
das unglückliche Bewuſstseyn ist das Bewuſstseyn sei-
[141] ner als des gedoppelten nur widersprechenden We-
sens.


Dieses unglückliche, in sich entzweyte Bewuſstseyn
muſs also, weil dieser Widerspruch seines Wesens
sich Ein Bewuſstseyn ist, in dem einen Bewuſstseyn
immer auch das andere haben, und so aus jedem
unmittelbar, indem es zum Siege und zur Ruhe der
Einheit gekommen zu seyn meynt, wieder daraus
ausgetrieben werden. Seine wahre Rückkehr aber
in sich selbst, oder seine Versöhnung mit sich wird
den Begriff des lebendig gewordenen und in die Exi-
stenz getretenen Geistes darstellen, weil an ihm
schon diſs ist, daſs es als Ein ungetheiltes Bewuſst-
seyn ein gedoppeltes ist; es selbst ist das Schauen ei-
nes Selbstbewuſstseyns in ein anderes, und es selbst
ist beyde, und die Einheit beyder ist ihm auch das
Wesen, aber es für sich ist sich noch nicht dieses
Wesen selbst, noch nicht die Einheit beyder.


Indem es zunächst nur die unmittelbare Einheit
beyder ist, aber für es nicht beyde dasselbe, sondern
entgegengesetzte sind, so ist ihm das eine, nemlich
das einfache unwandelbare, als das Wesen; das an-
dere aber, das vielfache wandelbare, als das Unwe-
sentliche
. Beyde sind für es einander fremde We-
sen; es selbst, weil es das Bewuſstseyn dieses Wi-
derspruchs ist, stellt sich auf die Seite des wandel-
baren Bewuſstseyns, und ist sich das unwesentliche;
aber als Bewuſstseyn der Unwandelbarkeit, oder des
einfachen Wesens, muſs es zugleich darauf gehen,
[142] sich von dem unwesentlichen, das heiſst, sich von
sich selbst zu befreyen. Denn ob es für sich wohl
nur das wandelbare, und das unwandelbare ihm ein
Fremdes ist, so ist es selbst einfaches, und hiemit un-
wandelbares Bewuſstseyn, dessen hiemit als seines
Wesens sich bewuſst, jedoch so, daſs es selbst für
sich wieder nicht diſs Wesen ist. Die Stellung, wel-
che es beyden gibt, kann daher nicht eine Gleichgül-
keit derselben gegeneinander, d. i. nicht eine Gleich-
gültigkeit seiner selbst gegen das Unwandelbare seyn;
sondern es ist unmittelbar selbst beyde, und es ist für
es die Beziehung beyder als eine Beziehung des Wesens
auf das Unwesen, so daſs diſs letztere aufzuheben ist,
aber indem ihm beyde gleichwesentlich und wider-
sprechend sind, ist es nur die widersprechende Be-
wegung, in welcher das Gegentheil nicht in seinem
Gegentheil zur Ruhe kommt, sondern in ihm nur
als Gegentheil sich neu erzeugt.


Es ist damit ein Kampf gegen einen Feind vor-
handen, gegen welchen der Sieg vielmehr ein Un-
terliegen, das eine erreicht zu haben vielmehr der
Verlust desselben in seinem Gegentheile ist. Das
Bewuſstseyn des Lebens, seines Daseyns und Thuns
ist nur der Schmerz über dieses Daseyn und Thun,
denn es hat darin nur das Bewuſstseyn seines Ge-
gentheils als des Wesens, und der eignen Nich-
tigkeit. Es geht in die Erhebung hieraus zum Un-
wandelbaren über. Aber diese Erhebung ist selbst
diſs Bewuſstseyn; sie ist also unmittelbar das Be-
[143] wuſstseyn des Gegentheils, nemlich seiner selbst als
der Einzelnheit. Das Unwandelbare, das in das Be-
wuſstseyn tritt, ist ebendadurch zugleich von der
Einzelnheit berührt, und nur mit dieser gegenwär-
tig; statt diese im Bewuſstseyn des Unwandelba-
ren vertilgt zu haben, geht sie darin immer nur
hervor.


In dieser Bewegung aber erfährt es eben dieses
Hervortreten der Einzelnheit am Unwandelbaren, und
des Unwandelbaren an der Einzelnheit. Es wird für es
die Einzelnheit überhaupt am unwandelbaren Wesen,
und zugleich die seinige an ihm. Denn die Wahr-
heit dieser Bewegung ist eben das Einsseyn dieses
gedoppelten Bewuſstseyns. Diese Einheit wird ihm,
aber zunächst selbst eine solche, in welcher noch die
Verschiedenheit
beyder das Herrschende ist. Es ist
dadurch die dreyfache Weise für dasselbe vorhan-
den, wie die Einzelnheit mit dem Unwandelbaren
verknüpft ist; einmal geht es selbst sich wieder her-
vor als entgegengesetzt dem unwandelbaren Wesen;
und es ist in den Anfang des Kampfs zurückgewor-
fen, welcher das Element des ganzen Vorhältnisses
bleibt. Das andremal aber hat das Unwandelbare
selbst an ihm die Einzelnheit für es; so daſs sie Ge-
stalt des Unwandelbaren ist, an welches hiemit die
ganze Weise der Existenz hinübertritt. Das dritte-
mal
findet es sich selbst als dieses Einzelne im Un-
wandelbaren. Das erste Unwandelbare ist ihm nur
das fremde die Einzelnheit verurtheilende Wesen;
[144] indem das andre eine Gestalt der Einzelnheit wie
es selbst ist, so wird es drittens zum Geiste, hat
sich selbst darin zu finden die Freude, und wird sich
seine Einzelnheit mit dem Allgemeinen versöhnt zu
seyn bewuſst.


Was sich hier als Weise und Verhältniſs des
Unwandelbaren darstellt, ergab sich als die Erfah-
rung
, welche das entzweyte Selbstbewuſstseyn in sei-
nem Unglücke macht. Diese Erfahrung ist nun
zwar nicht seine einseitge Bewegung, denn es ist
selbst unwandelbares Bewuſstseyn, dieses hiemit zu-
gleich auch einzelnes Bewuſstseyn, und die Bewe-
gung ebensowohl Bewegung des unwandelbaren Be-
wuſstseyns, das in ihr so sehr wie das andere auf-
tritt; denn sie verläufft sich durch diese Momente,
einmal unwandelbares dem einzelnen überhaupt,
dann selbst einzelnes dem andern einzelnen entge-
gengesetzt, und endlich mit ihm Eins zu seyn.
Aber diese Betrachtung, insofern sie uns angehört,
ist hier unzeitig, denn bis itzt ist uns nur die Un-
wandelbarkeit als Unwandelbarkeit des Bewuſst-
seyns, welche deswegen nicht die wahre, sondern
noch mit einem Gegensatze behafftete ist, nicht das
Unwandelbare an und für sich selbst entstanden; wir
wissen daher nicht, wie dieses sich verhalten wird.
Was hier sich ergeben hat, ist nur diſs, daſs dem
Bewuſstseyn, das hier unser Gegenstand ist, diese
angezeigten Bestimmungen an dem Unwandelbaren
erscheinen.


[145]

Aus diesem Grunde behält also auch das unwan-
delbare Bewuſstseyn in seiner Gestaltung selbst den
Charakter und die Grundlage des Entzweyt- und
des Fürsichseyns gegen das einzelne Bewuſstseyn.
Es ist hiemit für dieses, überhaupt ein Geschehen,
daſs das Unwandelbare die Gestalt der Einzelnheit
erhält; so wie es sich auch ihm entgegengesetzt nur
findet, und also durch die Natur diſs Verhältniſs hat;
daſs es sich endlich in ihm findet, erscheint ihm zum
Theil zwar durch es selbst hervorgebracht, oder
darum Statt zu haben, weil es selbst einzeln ist; aber
ein Theil dieser Einheit als dem Unwandelbaren zu-
gehörend, sowohl nach ihrer Entstehung, als inso-
fern sie ist; und der Gegensatz bleibt in dieser Ein-
heit selbst. In der That ist durch die Gestaltung des
Unwandelbaren das Moment des Jenseits nicht nur
geblieben, sondern vielmehr noch befestigt; denn
wenn es durch die Gestalt der einzelnen Wirklich-
keit ihm einerseits zwar näher gebracht zu seyn
scheint, so ist es ihm andererseits nunmehr als ein
undurchsichtiges sinnliches Eins, mit der ganzen
Sprödigkeit eines Wirklichen, gegenüber; die Hoff-
nung mit ihm Eins zu werden, muſs Hoffnung,
das heiſst, ohne Erfüllung und Gegenwart bleiben,
denn zwischen ihr und der Erfüllung steht gerade die
absolute Zufälligkeit oder unbewegliche Gleichgül-
tigkeit, welche in der Gestaltung selbst, dem be-
gründenden der Hoffnung, liegt. Durch die Natur
des seyenden Eins, durch die Wirklichkeit, die es
K
[146] angezogen, geschieht es nothwendig, daſs es in der
Zeit verschwunden, und im Raume und ferne ge-
wesen ist, und schlechthin ferne bleibt.


Wenn zuerst der bloſse Begriff des entzweyten
Bewuſstseyns sich so bestimmte, daſs es auf das Auf-
heben seiner als einzelnen und auf das Werden zum
unwandelbaren Bewuſstseyn gehe, so hat sein Stre-
ben nunmehr diese Bestimmung, daſs es vielmehr
sein Verhältniſs zu dem reinen ungestalteten Unwan-
delbaren aufhebe, und sich nur die Beziehung auf
den gestalteten Unwandelbaren gebe. Denn das Eins-
seyn
des Einzelnen mit dem Unwandelbaren ist ihm
nunmehr Wesen und Gegenstand, wie im Begriffe
nur das gestaltlose, abstracte Unwandelbare der we-
sentliche Gegenstand war; und das Verhältniſs die-
ses absoluten Entzweytseyns des Begriffes ist nun
dasjenige, von welchem es sich wegzuwenden hat.
Die zunächst auſsere Beziehung aber zu dem gestal-
teten Unwandelbaren als einem fremden Wirkli-
chen hat es zum absoluten Einswerden zu erheben.


Die Bewegung, worin das unwesentliche Be-
wuſstseyn diſs Einsseyn zu erreichen strebt, ist selbst
die dreyfache, nach dem dreyfachen Verhältnisse,
welche es zu seinem gestalteten Jenseits haben wird;
einmal als reines Bewuſstseyn; das andremal als ein-
zelnes Wesen
, welches sich als Begierde und Arbeit
gegen die Wirklichkeit verhält; und zum dritten als
Bewuſstseyn seines Fürsichseyns. — Wie diese drey
Weisen seines Seyns in jenem allgemeinen Ver-
[147] hältnisse vorhanden und bestimmt sind, ist nun zu
sehen.


Zuerst also es als reines Bewuſstseyn betrachtet,
so scheint der gestaltete Unwandelbare, indem er für
das reine Bewuſstseyn ist, gesetzt zu werden, wie
er an und für sich selbst ist. Allein wie er an und
für sich selbst ist, diſs ist, wie schon erinnert, noch
nicht entstanden. Daſs er im Bewuſstseyn wäre, wie
er an und für sich selbst ist, diſs müſste wohl von
ihm vielmehr ausgehen, als von dem Bewuſstseyn;
so aber ist diese seine Gegenwart hier nur erst ein-
seitig durch das Bewuſstseyn vorhanden, und eben
darum nicht vollkommen und wahrhafftig, sondern
bleibt mit Unvollkommenheit oder einem Gegensatze
beschwert.


Obgleich aber das unglückliche Bewuſstseyn also
diese Gegenwart nicht besitzt, so ist es zugleich über
das reine Denken, insofern dieses das abstracte von
der Einzelnheit überhaupt wegsehende Denken des
Stoicismus, und das nur unruhige Denken des Skep-
ticismus, — in der That nur die Einzelnheit als der
bewuſstlose Widerspruch und dessen rastlose Bewe-
gung — ist; es ist über diese beyde hinaus, es bringt
und hält das reine Denken und die Einzelnheit zu-
sammen, ist aber noch nicht zu demjenigen Den-
ken erhoben, für welches die Einzelnheit des Be-
wuſstseyns mit dem reinen Denken selbst ausgesöhnt
ist. Es steht vielmehr in dieser Mitte, worin das
abstracte Denken die Einzelnheit des Bewuſstseyns
K 2
[148] als Einzelnheit berührt. Es selbst ist diese Berüh-
rung; es ist die Einheit des reinen Denkens und der
Einzelnheit; es ist auch für es diese denkende Ein-
zelnheit, oder das reine Denken, und das Unwan-
delbare wesentlich selbst als Einzelnheit. Aber es
ist nicht für es, daſs dieser sein Gegenstand, das Un-
wandelbare, welches ihm wesentlich die Gestalt der
Einzelnheit hat, es selbst ist, es selbst, das Einzeln-
heit des Bewuſstseyns ist.


Es verhält sich daher in dieser ersten Weise,
worin wir es als reines Bewuſstseyn betrachten, zu sei-
nem Gegenstande
nicht denkend, sondern indem es
selbst zwar an sich reine denkende Einzelnheit und
sein Gegenstand eben dieses, aber nicht die Bezie-
hung aufeinander selbst reines Denken
ist, geht es, so
zu sagen, nur an das Denken hin, und ist Andacht.
Sein Denken als solche bleibt das gestaltlose Sausen
des Glockengeläutes oder eine warme Nebenerfül-
lung, ein musicalisches Denken, das nicht zum Be-
griffe, der die einzige immanente gegenständliche
Weise wäre, kommt. Es wird diesem unendlichen
reinen innern Fühlen wohl sein Gegenstand; aber so
eintretend, daſs er nicht als begriffner, und darum
als ein Fremdes eintritt. Es ist hiedurch die inner-
liche Bewegung des reinen Gemüths vorhanden, wel-
ches sich selbst, aber als die Entzweyung schmerz-
hafft fühlt; die Bewegung einer unendlichen Sehn-
sucht
, welche die Gewiſsheit hat, daſs ihr Wesen
ein solches reines Gemüth ist, reines Denken, wel-
[149] ches sich als Einzelnheit denkt; daſs sie von diesem
Gegenstande, ebendarum, weil er sich als Einzeln-
heit denkt, erkannt, und anerkannt wird. Zugleich
aber ist diſs Wesen das unerreichbare Jenseits, wel-
ches im Ergreiffen entflieht, oder vielmehr schon
entflohen ist. Es ist schon entflohen; denn es ist
einestheils das sich als Einzelnheit denkende Un-
wandelbare, und das Bewuſstseyn erreicht sich selbst
daher unmittelbar in ihm, sich selbst, aber als das
dem Unwandelbaren entgegengesetzte;
statt das Wesen
zu ergreiffen fühlt es nur, und ist in sich zurückge-
fallen; indem es im Erreichen sich als diſs entge-
gengesetzte nicht abhalten kann, hat es statt das We-
sen ergriffen zu haben, nur die Unwesentlichkeit er-
griffen. Wie es so auf einer Seite, indem es sich im
Wesen
zu erreichen strebt, nur die eigne getrennte
Wirklichkeit ergreifft, so kann es auf der andern
Seite das Andere nicht als einzelnes, oder als wirkli-
ches
ergreiffen. Wo es gesucht werde, kann es
nicht gefunden werden, denn es soll eben ein Jenseits,
ein solches seyn, welches nicht gefunden werden
kann. Es als einzelnes gesucht, ist nicht eine all-
gemeine
, gedachte Einzelnheit, nicht Begriff, son-
der einzelnes als Gegenstand, oder ein wirkliches; Ge-
genstand der unmittelbaren sinnlichen Gewiſsheit;
und ebendarum nur ein solches, welches ver-
schwunden ist. Dem Bewuſstseyn kann daher nur
das Grab seines Lebens zur Gegenwart kommen.
Aber weil diſs selbst eine Wirklichkeit und es gegen
[150] die Natur dieser ist, einen dauernden Besitz zu ge-
währen; so ist auch diese Gegenwart des Grabes
nur der Kampf eines Bemühens, der verloren wer-
den muſs. Allein indem es diese Erfahrung gemacht,
daſs das Grab seines wirklichen unwandelbaren We-
sens keine Wirklichkeit hat, daſs die verschwundene Ein-
zelnheit
als verschwundne nicht die wahre Einzeln-
heit ist, wird es die unwandelbare Einzelnheit als
wirkliche aufzusuchen, oder als verschwundne fest-
zuhalten aufgeben, und erst hiedurch ist es fähig
die Einzelnheit als wahrhafſte oder als allgemeine
zu finden.


Zunächst aber ist die Rückkehr des Gemüths in
sich selbst
so zu nehmen, daſs es sich als einzelnes
Wirklichkeit
hat. Es ist das reine Gemüth, welches
für uns oder an sich, sich gefunden und in sich er-
sättigt ist, denn ob für es in seinem Gefühle sich
wohl das Wesen von ihm trennt, so ist an sich
diſs Gefühl Selbstgefühl, es hat den Gegenstand sei-
nes reinen Fühlens gefühlt, und dieser ist es selbst;
es tritt also hieraus als Selbstgefühl oder für sich
seyendes Wirkliches auf. In dieser Rückkehr in
sich ist für uns sein zweytes Verhältniſs geworden,
das der Begierde und Arbeit, welche dem Bewuſst-
seyn die innerliche Gewiſsheit seiner selbst, die es
für uns erlangt hat, durch Aufheben und Genieſsen
des fremden Wesens, nemlich desselben in der
Form der selbstständigen Dinge bewährt. Das un-
glückliche Bewuſstseyn aber findet sich nur als be-
[151] gehrend
und arbeitends es ist für es nicht vorhan-
den, daſs sich so zu finden, die innre Gewiſsheit
seiner selbst zum Grunde liegt, und sein Gefühl
des Wesens diſs Selbstgefühl ist. Indem es sie für
sich selbst
nicht hat, bleibt sein Innres vielmehr
noch die gebrochne Gewiſsheit seiner selbst; die
Bewährung, welche es durch Arbeit und Genuſs
erhalten würde, ist darum eine ebensolche gebroch-
ne;
oder es muſs sich vielmehr selbst diese Bewäh-
rung vernichten, so daſs es in ihr wohl die Bewäh-
rung, aber nur die Bewährung desjenigen, was
es für sich ist, nemlich seiner Entzweyung
findet.


Die Wirklichkeit, gegen welche sich die Be-
gierde und die Arbeit wendet, ist diesem Bewuſst-
seyn nicht mehr ein an sich nichtiges, von ihm nur
aufzuhebendes und zu verzehrendes, sondern ein
solches, wie es selbst ist, eine entzwey gebrochene
Wirklichkeit
, welche nur einerseits an sich nichtig,
andererseits aber auch eine geheiligte Welt ist; sie
ist Gestalt des Unwandelbaren, denn dieses hat die
Einzelnheit an sich erhalten, und weil es als das
Unwandelbare Allgemeines ist, hat seine Einzeln-
heit überhaupt die Bedeutung aller Wirklichkeit.


Wenn das Bewuſstseyn für sich selbstständiges
Bewuſstseyn und ihm die Wirklichkeit an und für sich
nichtig wäre, würde es in der Arbeit und in dem
Genusse zum Gefühle seiner Selbstständigkeit gelan-
gen, dadurch daſs es selbst es wäre, welches die Wirk-
[152] lichkeit aufhöbe. Allein indem diese ihm Gestalt
des Unwandelbaren ist, vermag es nicht sie durch
sich aufzuheben. Sondern indem es zwar zur Ver-
nichtung der Wirklichkeit und zum Genusse gelangt,
so geschieht für es diſs wesentlich dadurch, daſs das
Unwandelbare selbst seine Gestalt preisgibt, und ihm
zum Genusse überlaſst. — Das Bewuſstseyn tritt
hierin seinerseits gleichfalls als Wirkliches auf, aber
ebenso als innerlich gebrochen, und diese Entzweyung
stellt sich in seinem Arbeiten und Genieſsen dar, in
ein Verhaltniſs zur Wirklichkeit oder das Fürsichseyn
und in ein Ansichseyn sich zu brechen. Jenes Ver-
hältniſs zur Wirklichkeit ist das Verändern oder das
Thun, das Fürsichseyn, das dem einzelnen Bewuſst-
seyn als solchem angehört. Aber es ist darin auch
an sich; diese Seite gehört dem Unwandelbaren Jen-
seits an; sie sind die Fähigkeiten und Kräffte, eine
fremde Gabe, welche das Umwandelbare ebenso dem
Bewuſstseyn überläſst, um sie zu gebrauchen.


In seinem Thun ist demnach das Bewuſstseyn zu-
nächst in dem Verhältnisse zweyer Extreme; es steht
als das thätige Disseits auf einer Seite, und ihm gegen-
über die passive Wirklichkeit, beyde in Beziehung
auf einander aber auch beyde in das Unwandelbare
zurückgegangen, und an sich festhaltend. Von bey-
den Seiten löst sich nur daher eine Oberfläche gegen-
einander ab, welche in das Spiel der Bewegung ge-
gen die andre tritt. — Das Extrem der Wirklich-
keit wird durch das thätige Extrem aufgehoben; sie
[153] von ihrer Seite kann aber nur darum aufgehoben
werden, weil ihr unwandelbares Wesen sie selbst
aufhebt, sich von sich abstöſst, und das abgestoſsene
der Thätigkeit preisgibt. Die thätige Krafft er-
scheint als die Macht, worin die Wirklichkeit sich
auflöst; darum aber ist für dieses Bewuſstseyn, wel-
chem das Ansich oder das Wesen ein ihm Andres ist,
diese Macht, als welche es in der Thätigkeit auf-
tritt, das Jenseits seiner selbst. Statt also aus sei-
nem Thun in sich zurückzukehren, und sich für sich
selbst bewährt zu haben, reflectirt es vielmehr diese
Bewegung des Thuns in das andre Extrem zurück,
welches hiedurch als rein allgemeines, als die abso-
lute Macht dargestellt ist, von der die Bewegung
nach allen Seiten ausgegangen, und die das Wesen
sowohl der sich zersetzenden Extreme, wie sie zu-
erst auftraten, als des Wechsels selbst sey.


Daſs das unwandelbare Bewuſstseyn auf seine
Gestalt Verzicht thut und sie preisgibt, dagegen das
einzelne Bewuſstseyn dankt, d. h. die Befriedigung
des Bewuſstseyns seiner Selbstständigkeit sich versagt,
und das Wesen des Thuns von sich ab dem Jenseits
zuweist, durch diese beyde Momente des gegenseiti-
gen
sich aufgebens beyder Theile entsteht hiemit al-
lerdings dem Bewuſstseyn seine Einheit mit dem
Unwandelbaren. Allein zugleich ist diese Einheit
mit der Trennung afficirt, in sich wieder gebrochen,
und es tritt aus ihr der Gegensatz des allgemeinen
und einzelnen wieder hervor. Denn das Bewuſst-
[154] seyn entsagt zwar zum Scheine, der Befriedigung sei-
nes Selbstgefühls; erlangt aber die wirkliche Befrie-
digung desselben; denn es ist Begierde, Arbeit und
Genuſs gewesen; es hat als Bewuſstseyn gewollt, ge-
than
und genossen. Sein Danken ebenso, worin es das
andre Extrem als das Wesen anerkennt, und sich
aufhebt, ist selbst sein eignes Thun, welches das
Thun des andern Extrems aufwiegt, und der sich
preisgebenden Wohlthat ein gleiches Thun entgegen-
stellt; wenn jenes ihm seine Oberfläche überläſst, so
dankt es aber auch, und thut darin, indem es sein
Thun, d. h. sein Wesen, selbst aufgibt, eigentlich
mehr als das andere, das nur eine Oberfläche
von sich abstöſst. Die ganze Bewegung reflectirt
sich also nicht nur im wirklichen Begehren, Arbeiten
und Genieſsen, sondern sogar selbst im Danken, wor-
in das Gegentheil zu geschehen scheint, in das Ex-
trem der Einzelnheit
. Das Bewuſstseyn fühlt sich
darin als dieses einzelne, und läſst sich durch den
Schein seines Verzichtleistens nicht täuschen, denn
die Wahrheit desselben ist, daſs es sich nicht auf-
gegeben hat; was zu Stande gekommen, ist nur die
gedoppelte Reflexion in die beyden Extreme, und das
Resultat die wiederholte Spaltung in das entgegenge-
setzte Bewuſstseyn des Unwandelbaren und in das Be-
wuſstseyn des gegenüberstehenden Wollens, Vollbrin-
gens, Genieſsens, und des auf sich Verzichtleistens
selbst, oder der fürsichseyenden Einzelnheit überhaupt.


[155]

Es ist damit das dritte Verhältniſs der Bewegung
dieses Bewuſstseyns eingetreten, welches aus dem
zweyten als ein solches hervortritt, das in Wahr-
heit durch sein Wollen und Vollbringen sich als
selbstständiges erprobt hat. Im ersten Verhältnisse
war es nur Begriff des wirklichen Bewuſstseyns,
oder das innre Gemüth, welches im Thun und Ge-
nusse noch nicht wirklich ist; das zweyte ist diese
Verwirklichung, als äuſseres Thun und Genieſsen;
hieraus aber zurückgekehrt ist es ein solches, wel-
ches sich als wirkliches und wirkendes Bewuſstseyn
erfahren, oder dem es wahr ist, an und für sich zu
seyn. Darin ist aber nun der Feind in seiner eigen-
sten Gestalt aufgefunden. Im Kampfe des Gemüths
ist das einzelne Bewuſstseyn nur als musicalisches,
abstractes Moment; in der Arbeit und dem Genusse,
als der Realisirung dieses wesenlosen Seyns, kann es
unmittelbar sich vergessen, und die bewuſste Eigen-
heit
in dieser Wirklichkeit wird durch das dankende
Anerkennen niedergeschlagen. Dieses Niederschla-
gen ist aber in Wahrheit eine Rückkehr des Be-
wuſstseyns in sich selbst, und zwar in sich als die
ihm wahrhaffte Wirklichkeit.


Diſs dritte Verhältniſs, worin diese wahrhaffte
Wirklichkeit das Eine Extrem ist, ist die Beziehung
derselben auf das allgemeine Wesen, als der Nich-
tigkeit; und die Bewegung dieser Beziehung ist
noch zu betrachten.


[156]

Was zuerst die entgegengesetzte Beziehung des
Bewuſstseyns betrifft, worin ihm seine Realität un-
mittelbar das Nichtige
ist, so wird also sein wirkli-
ches Thun zu einem Thun von Nichts, sein Genuſs
Gefühl seines Unglücks. Hiemit verlieren Thun
und Genuſs allen allgemeinen Inhalt und Bedeutung,
denn dadurch hätten sie ein an und fürsichseyn, und
beyde ziehen sich in die Einzelnheit zurück, auf wel-
che das Bewuſstseyn, sie aufzuheben, gerichtet ist.
Seiner als dieses wirklichen Einzelnen, ist das Be-
wuſstseyn sich in den thierischen Functionen be-
wuſst. Diese, statt unbefangen, als etwas, das an
und für sich nichtig ist, und keine Wichtigkeit und
Wesenheit für den Geist erlangen kann, gethan zu
werden, da sie es sind, in welchen sich der Feind
in seiner eigenthümlichen Gestalt zeigt, sind sie
vielmehr Gegenstand des ernstlichen Bemühens, und
werden gerade zum Wichtigsten. Indem aber die-
ser Feind in seiner Niederlage sich erzeugt, das Be-
wuſstseyn, da es sich ihn fixirt, vielmehr statt frey
davon zu werden, immer dabey verweilt, und sich
immer verunreinigt erblickt, zugleich dieser Inhalt
seines Bestrebens, statt eines wesentlichen das nie-
drigste, statt eines allgemeinen das einzelnste ist, so
sehen wir nur eine auf sich und ihr kleines Thun be-
schränkte, und sich bebrütende, eben so unglück-
liche als ärmliche Persönlichkeit.


Aber an beydes, das Gefühl seines Unglücks,
und die Aermlichkeit seines Thuns knüpft sich
[157] ebenso das Bewuſstseyn seiner Einheit mit dem Un-
wandelbaren. Denn die versuchte unmittelbare Ver-
nichtung seines wirklichen Seyns ist vermittelt durch
den Gedanken des Unwandelbaren, und geschieht in
dieser Beziehung. Die mittelbare Beziehung macht
das Wesen der negativen Bewegung aus, in wel-
cher es sich gegen seine Einzelnheit richtet, welche
aber ebenso als Beziehung an sich positiv ist, und für
es selbst diese seine Einheit hervorbringen wird.


Diese mittelbare Beziehung ist hiemit ein Schluſs,
in welchem die sich zuerst als gegen das Ansich ent-
gegengesetzt fixirende Einzelnheit, mit diesem an-
dern Extreme nur durch ein drittes zusammenge-
schlossen ist. Durch diese Mitte ist das Ex-
trem des unwandelbaren Bewuſstseyns für das
unwesentliche Bewuſstseyn, in welchem zugleich
auch diſs ist, daſs es ebenso für jenes nur durch
diese Mitte sey, und diese Mitte hiemit eine sol-
che, die beyde Extreme einander vorstellt, und der
gegenseitige Diener eines jeden bey dem andern ist.
Diese Mitte ist selbst ein bewuſstes Wesen, denn sie
ist ein das Bewuſstseyn als solches vermittelndes
Thun; der Inhalt dieses Thuns ist die Vertilgung,
welche das Bewuſstseyn mit seiner Einzelnheit vor-
nimmt.


In ihr also befreyt dieses sich von dem Thun
und Genusse als dem seinen; es stöſst von sich als
fürsichseyendem Extreme das Wesen seines Willens
ab, und wirft auf die Mitte oder den Diener die Ei-
[158] genheit und Freyheit des Entschlusses, und damit
die Schuld seines Thuns. Dieser Vermittler, als
mit dem unwandelbaren Wesen in unmittelbarer Be-
ziehung, dient mit seinem Rathe über das Rechte.
Die Handlung, indem sie Befolgung eines fremden
Beschlusses ist, hört nach der Seite des Thuns oder
des Willens auf, die eigne zu seyn. Es bleibt aber
noch ihre gegenständliche Seite dem unwesentlichen
Bewuſstseyn, nemlich die Frucht seiner Arbeit und
der Genuſs. Diesen stöſst es also ebenso von sich
ab, und leistet, wie auf seinen Willen so auf seine
in der Arbeit und Genusse erhaltene Wirklichkeit Ver-
zicht; auf sie, theils als auf die erreichte Wahrheit
seiner selbstbewuſsten Selbstständigkeit, — indem es
etwas ganz Fremdes ihm sinnloses vorstellend und
sprechend sich bewegt; — theils auf sie als äuſser-
liches Eigenthum
, — indem es von dem Besitze, den
es durch die Arbeit erworben, etwas abläſst; theils
auf den gehabten Genuſs, — indem es ihn im Fasten
und Kasteyen auch wieder ganz sich versagt.


Durch diese Momente des Aufgebens des eig-
nen Entschlusses, dann des Eigenthumes und
Genusses, und endlich das positive Moment des
Treibens eines unverstandenen Geschäfftes nimmt
es sich in Wahrheit und vollständig das Bewuſst-
seyn der innern und äuſsern Freyheit, der Wirk-
lichkeit als seines Fürsichseyns; es hat die Gewiſs-
heit in Wahrheit seines Ich sich entäuſsert, und
sein unmittelbares Selbstbewuſstseyn zu einem Din-
[159] ge
, zu einem gegenständlichen Seyn gemacht zu ha-
ben. — Die Verzichtleistung auf sich konnte es al-
lein durch diese wirkliche Aufopferung bewähren;
denn nur in ihr verschwindet der Betrug, welcher
in dem innern Anerkennen des Dankens durch Herz,
Gesinnung und Mund liegt, einem Anerkennen, wel-
ches zwar alle Macht des Fürsichseyns von sich
abwälzt, und sie einem Geben von oben zuschreibt,
aber in diesem Abwälzen selbst sich die äuſsere Ei-
genheit in dem Besitze, den es nicht aufgibt, die
innre aber in dem Bewuſstseyn des Entschlusses,
den es selbst gefaſst, und in dem Bewuſstseyn sei-
nes durch es bestimmten Inhalts, den es nicht ge-
gen einen fremden es sinnlos erfüllenden umge-
tauscht hat, behält.


Aber in der wirklich vollbrachten Aufopferung
hat an sich, wie das Bewuſstseyn das Thun als das
seinige aufgehoben, auch sein Unglück von ihm ab-
gelassen. Daſs diſs Ablassen an sich geschehen ist,
ist jedoch ein Thun des andern Extrems des Schlus-
ses, welches das ansichseyende Wesen ist. Jene Auf-
opferung des unwesentlichen Extrems war aber zu-
gleich nicht ein einseitiges Thun, sondern ent-
hielt das Thun des andern in sich. Denn das
Aufgeben des eignen Willens ist nur einerseits ne-
gativ, seinem Begriffe nach oder an sich, zugleich
aber positiv, nemlich das Setzen des Willens als
eines Andern, und bestimmt des Willens als eines
nicht einzelnen, sondern allgemeinen. Für diſs Be-
[160] wuſstseyn ist diese positive Bedeutung des negativ
gesetzten einzelnen Willens der Willen des andern
Extrems, der ihm, weil er eben ein anderes für es
ist, nicht durch sich, sondern durch das Dritte, den
Vermittler als Rath, wird. Es wird daher für es
sein Willen wohl zum allgemeinen, und an sich sey-
enden Willen, aber es selbst ist sich nicht diſs an sich;
das Aufgeben des seinigen als einzelnen ist ihm nicht
dem Begriffe nach das positive des allgemeinen Wil-
lens. Ebenso sein Aufgeben des Besitzes und Ge-
nusses hat nur dieselbe negative Bedeutung, und
das Allgemeine, das für es dadurch wird, ist ihm
nicht sein eignes Thun. Diese Einheit des gegenständ-
lichen und des fürsichseyns, welche im Begriffe des
Thuns ist, und welche darum dem Bewuſstseyn als
das Wesen und Gegenstand wird, — wie sie ihm
nicht der Begriff seines Thuns ist, so ist ihm auch
diſs nicht, daſs sie als Gegenstand für es wird, un-
mittelbar und durch es selbst, sondern es läſst sich
von dem vermittelnden Diener diese selbst noch ge-
brochne Gewiſsheit aussprechen, daſs nur an sich
sein Unglück das verkehrte, nemlich sich in sei-
nem Thun selbstbefriedigendes Thun, oder seeliger
Genuſs; sein ärmliches Thun ebenso an sich das
verkehrte, nemlich absolutes Thun; dem Begriffe
nach, das Thun nur als Thun des Einzelnen über-
haupt Thun ist. Aber für es selbst bleibt das Thun,
und sein wirkliches Thun ein ärmliches, und sein
Genuſs der Schmerz, und das Aufgehobenseyn der-
[161] selben, in der positiven Bedeutung ein Jenseits. Aber
in diesem Gegenstande, worin ihm sein Thun und
Seyn als dieses einzelnen Bewuſstseyns, Seyn und
Thun an sich ist, ist ihm die Vorstellung der Ver-
nunft
geworden, der Gewiſsheit des Bewuſstseyns
in seiner Einzelnheit absolut an sich, oder alle Rea-
lität zu seyn.


L
[162]

V.
Gewiſsheit und Wahrheit
der Vernunft.


Das Bewuſstseyn geht in dem Gedanken, welchen
es erfaſst hat, daſs das einzelne Bewuſstseyn an sich
absolutes Wesen ist, in sich selbst zurück. Für das
unglückliche Bewuſstseyn ist das Ansichseyn das Jen-
seits
seiner selbst. Aber seine Bewegung hat diſs an
ihm vollbracht, die Einzelnheit in ihrer vollständi-
gen Entwicklung, oder die Einzelnheit, die wirkli-
ches Bewuſstseyn
ist, als das negative seiner selbst,
nämlich als das gegenständliche Extrem gesetzt, oder
sein Fürsichseyn aus sich hinausgerungen, und es
zum Seyn gemacht zu haben; darin ist für es auch
seine Einheit mit diesem Allgemeinen geworden, wel-
che für uns, da das aufgehobne einzelne das Allge-
meine ist, nicht mehr auſser ihm fällt; und da das
Bewuſstseyn in dieser seiner Negativität sich selbst
erhält, an ihm als solchem sein Wesen ist. Seine
Wahrheit ist dasjenige, welches in dem Schlusse,
worin die Extreme absolut auseinander gehalten auf-
traten, als die Mitte erscheint, welche es dem un-
wandelbaren Bewuſstseyn ausspricht, daſs das ein-
[163] zelne auf sich Verzicht gethan, und dem einzelnen,
daſs das Unwandelbare kein Extrem mehr für es,
sondern mit ihm versöhnt ist. Diese Mitte ist die
beyde unmittelbar wissende und sie beziehende Ein-
heit, und das Bewuſstseyn ihrer Einheit, welche sie
dem Bewuſstseyn und damit sich selbst ausspricht,
die Gewiſsheit alle Wahrheit zu seyn.


Damit daſs das Selbstbewuſstseyn Vernunft ist,
schlägt sein bisher negatives Verhältniſs zu dem An-
dersseyn in ein positives um. Bisher ist es ihm nur
um seine Selbstständigkeit und Freyheit zu thun ge-
wesen, um sich für sich selbst auf Kosten der Welt
oder seiner eignen Wirklichkeit, welche ihm beyde
als das negative seines Wesens erschienen, zu ret-
ten und zu erhalten. Aber als Vernunft, seiner
selbst versichert, hat es die Ruhe gegen sie em-
pfangen, und kann sie ertragen; denn es ist
seiner selbst als der Realität gewiſs; oder daſs
alle Wirklichkeit nichts anders ist, als es; sein
Denken ist unmittelbar selbst die Wirklichkeit;
es verhält sich also als Idealismus zu ihr. Es ist
ihm, indem es sich so erfaſst, als ob die Welt erst
itzt ihm würde; vorher versteht es sie nicht; es be-
gehrt, und bearbeitet sie; zieht sich aus ihr in sich
zurück, und vertilgt sie für sich, und sich selbst als
Bewuſstseyn, als Bewuſstseyn derselben als des We-
sens, so wie als Bewuſstseyn ihrer Nichtigkeit. Hier-
in erst, nachdem das Grab seiner Wahrheit verlo-
ren, das Vertilgen seiner Wirklichkeit selbst ver-
L 2
[164] tilgt, und die Einzelnheit des Bewuſstseyns ihm an
sich absolutes Wesen ist, entdeckt es sie als seine neue
wirkliche Welt, die in ihrem Bleiben Interesse für
es hat, wie vorhin nur in ihrem Verschwinden; denn
ihr Bestehen wird ihm seine eigne Wahrheit und Ge-
genwart;
es ist gewiſs, nur sich darin zu erfahren.


Die Vernunft ist die Gewiſsheit des Bewuſst-
seyns alle Realität zu seyn: so spricht der Idealis-
mus ihren Begriffe aus. Wie das Bewuſstseyn,
das als Vernunft auftritt, unmittelbar jene Gewiſsheit
an sich hat, so spricht auch der Idealismus sie un-
mittelbar
aus: Ich bin Ich, in dem Sinne, daſs Ich,
welches mir Gegenstand ist, nicht wie im Selbst-
bewuſstseyn überhaupt, noch auch wie im freyen
Selbstbewuſstseyn, dort nur leerer Gegenstand über-
haupt, hier nur Gegenstand, der sich von den An-
dern zurückzieht, welche neben ihm noch gelten, son-
dern Gegenstand mit dem Bewuſstseyn des Nicht-
seyns
irgend eines andern, einziger Gegenstand, alle
Realität und Gegenwart ist. Das Selbstbewuſstseyn
ist aber nicht nur für sich, sondern auch an sich alle
Realität, erst dadurch, daſs es diese Realität wird,
oder vielmehr sich als solche erweist. Es erweist sich
so in dem Wege, worin zuerst in der dialektischen
Bewegung des Meynens, Wahrnehmens und des
Verstandes das Andersseyn als an sich und dann in
der Bewegung durch die Selbstständigkeit des Be-
wuſstseyns in Herrschafft und Knechtschafft, durch
den Gedanken der Freyheit, die skeptische Be-
[165] freyung, und den Kampf der absoluten Befreyung des in
sich entzweyten Bewuſstseyns, das Andersseyn insofern
es nur für es ist, für es selbst verschwindet. Es traten
zwey Seiten nach einander auf, die eine, worin das
Wesen oder das Wahre für das Bewuſstseyn, die
Bestimmtheit des Seyns, die andere die hatte nur für
es
zu seyn. Aber beyde reducirten sich in Eine
Wahrheit, daſs was ist, oder das Ansich nur ist, in-
sofern es für das Bewuſstseyn, und was für es ist,
auch an sich ist. Das Bewuſstseyn, welches diese
Wahrheit ist, hat diesen Weg im Rücken und ver-
gessen, indem es unmittelbar als Vernunft auftritt,
oder diese unmittelbar auftretende Vernunft tritt
nur als die Gewiſsheit jener Wahrheit auf. Sie ver-
sichert
so nur, alle Realität zu seyn, begreift diſs
aber selbst nicht; denn jener vergessene Weg ist
das Begreiffen dieser unmittelbar ausgedrückten Be-
hauptung. Und ebenso ist dem, der ihn nicht gemacht
hat, diese Behauptung, wenn er sie in dieser reinen
Form hört. — denn in einer concreten Gestalt macht
er sie wohl selbst, — unbegreiflich.


Der Idealismus, der jenen Weg nicht darstellt,
sondern mit dieser Behauptung anfängt, ist daher
auch reine Versicherung, welche sich selbst nicht be-
greift, noch sich andern begreiflich machen kann.
Er spricht eine unmittelbare Gewiſsheit aus, welcher
andere unmittelbare Gewiſsheiten gegenüberstehen,
die allein auf jenem Wege verloren gegangen sind.
Mit gleichem Rechte stellen daher neben der Versi-
[166] cherung
jener Gewiſsheit sich auch die Versicherungen
dieser andern Gewiſsheiten. Die Vernunft beruft
sich auf das Selbstbewuſstseyn eines jeden Bewuſst-
seyns: Ich bin Ich; mein Gegenstand und Wesen
ist Ich; und keines wird ihr diese Wahrheit ableug-
nen. Aber indem sie sie auf diese Beruffung gründet,
sanctionirt sie die Wahrheit der andern Gewiſsheit
nemlich der: es ist Anderes für mich; Anderes als
Ich ist mir Gegenstand und Wesen, oder indem Ich
mir Gegenstand und Wesen bin, bin ich es nur,
indem Ich mich von dem Andern überhaupt zurück-
ziehe, und als eine Wirklichkeit neben es trete. —
Erst wenn die Vernunft als Refiexion aus dieser ent-
gegengesetzten Gewiſsheit auftritt, tritt ihre Be-
hauptung von sich nicht nur als Gewiſsheit und Ver-
sicherung, sondern als Wahrheit auf; und nicht ne-
ben
andern, sondern als die einzige. Das unmittel-
bare Auftreten
ist die Abstraction ihres Vorhanden-
seyns
, dessen Wesen und Ansichseyn absoluter Begriff,
d. h. die Bewegung seines Gewordenseyns ist. — Das
Bewuſstseyn wird sein Verhältniſs zum Andersseyn
oder seinem Gegenstande auf verschiedene Weise
bestimmen, je nachdem es gerade auf einer Stuffe
des sich bewuſstwerdenden Weltgeistes steht. Wie
er sich und seinen Gegenstand jedesmal unmittelbar
findet und bestimmt, oder wie es für sich ist, hängt
davon ab, was er schon geworden oder was er schon
an sich ist.


[167]

Die Vernunft ist die Gewiſsheit alle Realität zu
seyn. Dieses Ansich oder diese Realitat ist aber noch
ein durchaus allgemeines, die reine Abstraction der
Realität. Es ist die erste Positivität, welche das
Selbstbewuſstseyn an sich selbst, für sich ist, und
Ich daher nur die reine Wesenheit des Seyenden, oder
die einfache Kategorie. Die Kategorie, welche sonst
die Bedeutung hatte, Wesenheit des Seyenden zu
seyn, unbestimmt des Seyenden überhaupt oder des
Seyenden gegen das Bewuſstseyn, ist itzt Wesenheit
oder einfache Einheit des Seyenden nur als den-
kende Wirklichkeit; oder sie ist diſs, daſs Selbst-
bewuſstseyn und Seyn dasselbe Wesen ist; dasselbe,
nicht in der Vergleichung, sondern an und für sich.
Nur der einseitige schlechte Idealismus läſst diese
Einheit wieder als Bewuſstseyn auf die eine Seite,
und ihr gegenüber ein Ansich treten. — Diese Kate-
gorie nun oder einfache Einheit des Selbstbewuſst-
seyns und des Seyns hat aber an sich den Unterschied;
denn ihr Wesen ist eben dieses, im Andersseyn oder
im absoluten Unterschiede unmittelbar sich selbst
gleich zu seyn. Der Unterschied ist daher; aber
vollkommen durchsichtig, und als ein Unterschied,
der zugleich keiner ist. Er erscheint als eine Viel-
heit
von Kategorien. Indem der Idealismus, die ein-
fache Einheit
des Selbstbewuſstseyns als alle Realität
ausspricht, und sie unmittelbar, ohne sie als absolut
negatives Wesen, — nur dieses hat die Negation,
die Bestimmtheit oder den Unterschied an ihm
[168] selbst, — begriffen zu haben, zum Wesen macht,
so ist noch unbegreifflicher, als das erste, diſs zwey-
te, daſs in der Kategorie Unterschiede oder Arten
seyn. Diese Versicherung überhaupt, so wie die
Versicherung von irgend einer bestimmten Anzahl der
Arten derselben, ist eine neue Versicherung, welche
es aber an ihr selbst enthält, daſs man sie sich nicht
mehr als Versicherung gefallen lassen müsse. Denn
indem im reinen Ich, im reinen Verstande selbst der
Unterschied
anfängt, so ist damit gesetzt, daſs hier
die Unmittelbarkeit, das Versichern und Finden aufge-
geben werde, und das Begreiffen anfange. Die Viel-
heit der Kategorien aber auf irgend eine Weise wie-
der als einen Fund, zum Beyspiel aus den Urtbeilen,
aufnehmen, und sich dieselben so gefallen lassen, ist
in der That als eine Schmach der Wissenschaft an-
zusehen; wo sollte noch der Verstand eine Noth-
wendigkeit aufzuzeigen vermögen, wenn er diſs
an ihm selbst, der reinen Nothwendigkeit, nicht
vermag.


Weil nun so der Vernunft die reine Wesenheit
der Dinge, wie ihr Unterschied, angehört, so könnte
eigentlich überhaupt nicht mehr von Dingen die Rede
seyn, das heiſst, einem solchen, welches für das Be-
wuſstseyn nur das negative seiner selbst wäre. Denn
die vielen Kategorien sind Arten der reinen Katego-
rie, heiſst, sie ist noch ihre Gattung oder Wesen,
nicht ihnen entgegengesetzt. Aber sie sind schon
das Zweydeutige, welches zugleich das Andersseyn
[169]gegen die reine Kategorie in seiner Vielheit an sich
hat. Sie widersprechen ihr durch diese Vielheit in
der That, und die reine Einheit muſs sie an sich
aufheben, wodurch sie sich als negative Einheit der
Unterschiede constituirt. Als negative Einheit aber
schlieſst sie ebensowohl die Unterschiede als solche,
so wie jene erste unmittelbare reine Einheit als sol-
che von sich aus; und ist Einzelnheit; eine neue Ka-
tegorie, welche ausschlieſsendes Bewuſstseyn, das
heiſst, diſs ist, daſs ein anderes für es ist. Die Ein-
zelnheit ist ihr Uebergang aus ihrem Begriffe zu ei-
ner auſsern Realität; das reine Schema, welches eben-
sowohl Bewuſstseyn, wie damit, daſs es Einzelnheit
und ausschlieſsendes Eins ist, das hindeuten auf ein
anderes ist. Aber diſs Andere dieser Kategorie sind
nur die andern ersten Kategorien, nemlich reine We-
senheit
, und der reine Unterschied; und in ihr, d. h.
eben in dem Gesetztseyn des Andern, oder in die-
sem Andern selbst das Bewuſstseyn ebenso es selbst.
Jedes dieser verschiedenen Momente verweist auf ein
anderes; es kommt aber in ihnen zugleich zu keinem
Andersseyn. Die reine Kategorie verweist auf
die Arten, welche in die negative Kategorie, oder
die Einzelnheit übergehen; die letztere weist aber auf
jene zurück; sie ist selbst reines Bewuſstseyn, wel-
ches in jeder sich diese klare Einheit mit sich bleibt,
eine Einheit aber, die ebenso auf ein anderes hinge-
wiesen wird, das indem es ist, verschwunden, und
indem es verschwunden, auch wieder erzeugt ist.


[170]

Wir sehen hier das reine Bewuſstseyn auf eine
gedoppelte Weise gesetzt, einmal als das unruhige hin-
und hergehen
, welches alle seine Momente durchläufft,
in ihnen das Andersseyn vorschweben hat, das im
Erfassen sich aufhebt; das anderemal vielmehr als
die ruhige ihrer Wahrheit gewisse Einheit. Für diese
Einheit ist jene Bewegung das Andere; für diese Be-
wegung aber jene ruhige Einheit; und Bewuſstseyn
und Gegenstand wechseln in diesen gegenseitigen
Bestimmungen ab. Das Bewuſstseyn ist sich also
einmal das hin- und hergehende Suchen, und sein
Gegenstand das reine Ansich und Wesen; das andre-
mal ist sich jenes die einfache Kategorie, und der
Gegenstand die Bewegung der Unterschiede. Das
Bewuſstseyn aber als Wesen ist dieser ganze Verlauff
selbst, aus sich als einfacher Kategorie in die Ein-
zelnheit und den Gegenstand überzugehen, und an
diesem diesen Verlauff anzuschauen, ihn als einen
unterschiednen aufzuheben, sich zuzueignen, und
sich als diese Gewiſsheit, alle Realität, sowohl es
selbst als sein Gegenstand zu seyn, auszuspre-
chen.


Sein erstes Aussprechen ist nur dieses abstracte
leere Wort, daſs alles sein ist. Denn die Gewiſsheit
alle Realität zu seyn ist erst die reine Kategorie.
Diese erste im Gegenstande sich erkennende Ver-
nunft drückt der leere Idealismus aus, welcher die
Vernunft nur so auffaſst wie sie sich zunächst ist, und
[171] darin, daſs er in allem Seyn dieses reine Mein des
Bewuſstseyns aufzeigt und die Dinge als Empfindun-
gen oder Vorstellungen ausspricht, es als vollendete
Realität aufgezeigt zu haben wähnt. Er muſs darum
zugleich absoluter Empirismus seyn, denn für die
Erfüllung des leeren Meins, das heiſst für den Un-
terschied und alle Entwicklung und Gestaltung des-
selben bedarf seine Vernunft eines fremden Ansto-
ſses, in welchem erst die Mannigfaltigkeit des Em-
pfindens oder Vorstellens liege. Dieser Idealismus
wird daher eine ebensolche sich widersprechende
Doppelsinnigkeit, als der Skepticismus, nur daſs wie
dieser sich negativ, jener sich positiv ausdrückt, aber
ebensowenig seine widersprechenden Gedanken des
reinen Bewuſstseyns als aller Realität, und ebenso
des fremden Anstoſses oder des sinnlichen Empfin-
dens und Vorstellens, als einer gleichen Realität,
zusammenbringt, sondern von dem einen zu dem
andern sich herüber und hinüber wirft und in
die schlechte, nemlich in die sinnliche Unendlichkeit,
gerathen ist. Indem die Vernunft alle Realität in der
Bedeutung des abstracten Meins, und das Andere ihm
ein gleichgültiges Fremdes ist, so ist darin gerade das-
jenige Wissen der Vernunft von einem Anderen ge-
setzt, welches als Meynen, Wahrnehmen und der das
gemeynte und wahrgenommene auffassende Ver-
stand
vorkam. Ein solches Wissen wird zugleich,
nicht wahres Wissen zu seyn, durch den Begriff
[172] dieses Idealismus selbst behauptet, denn nur die
Einheit der Apperception ist die Wahrheit des Wis-
sens. Die reine Vernunft dieses Idealismus wird
also durch sich selbst um zu diesem Andern, das ihr
wesentlich, das heiſst also, das Ansich ist, das sie
aber nicht in ihr selbst hat, zu gelangen, an das-
jenige Wissen zurückgeschickt, das nicht ein Wis-
sen des Wahren ist; sie verurtheilt sich so mit Wis-
sen und Willen zu einem unwahren Wissen, und
kann vom Meynen und Wahrnehmen, die für sie
selbst keine Wahrheit haben, nicht ablassen. Sie
befindet sich in unmittelbarem Widerspruche, ein
gedoppeltes schlechthin entgegengesetztes als das
Wesen zu behaupten, die Einheit der Apperception
und ebenso das Ding, welches wenn es auch frem-
der Anstoſs
, oder empirisches Wesen, oder Sinn-
lichkeit
, oder das Ding an sich genannt wird, in
seinem Begriffe dasselbe jener Einheit fremde
bleibt.


Dieser Idealismus ist in diesem Widerspruche,
weil er den abstracten Begriff der Vernunft als das
Wahre behauptet; daher ihm unmittelbar eben-
sosehr die Realität, als eine solche entsteht, wel-
che vielmehr nicht die Realität der Vernunft ist,
während die Vernunft zugleich alle Realität seyn
sollte; diese bleibt ein unruhiges Suchen, welches
in dem Suchen selbst die Befriedigung des Fin-
dens für schlechthin unmöglich erklärt. — So in-
[173] consequent aber ist die wirkliche Vernunft nicht;
sondern nur erst die Gewiſsheit, alle Realität zu
seyn, ist sie in diesem Begriffe sich bewuſst als
Gewiſsheit, als Ich noch nicht die Realität in Wahr-
heit zu seyn, und ist getrieben, ihre Gewiſsheit
zur Wahrheit zu erheben, und das leere Mein zu
erfüllen.


[174]

A.
Beobachtende Vernunft.


Dieses Bewuſstseyn, welchem das Seyn die Bedeu-
tung des Seinen hat, sehen wir nun zwar wieder in
das Meynen und Wahrnehmen hineingehen, aber
nicht als in die Gewiſsheit eines nur Andern, son-
dern mit der Gewiſsheit, diſs andere selbst zu seyn.
Früher ist es ihm nur geschehen, manches an dem
Dinge wahrzunehmen und zu erfahren; hier stellt
es die Beobachtungen und die Erfahrung selbst an.
Meynen und Wahrnehmen, das für uns früher sich
aufgehoben, wird nun von dem Bewuſstseyn für es
selbst aufgehoben; die Vernunft geht darauf, die
Wahrheit zu wissen; was für das Meynen und Wahr-
nehmen ein Ding ist, als Begriff zu finden, das
heiſst, in der Dingheit nur das Bewuſstseyn ihrer
selbst zu haben. Die Vernunft hat daher itzt ein all-
gemeines Interesse an der Welt, weil sie die Gewiſs-
heit ist, Gegenwart in ihr zu haben, oder daſs die
Gegenwart vernünftig ist. Sie sucht ihr Anderes,
indem sie weiſs, daran nichts Anders als sich selbst
zu besitzen; sie sucht nur ihre eigne Unendlich-
keit.


[175]

Zuerst sich in der Wirklichkeit nur ahndend,
oder sie nur als das ihrige überhaupt wissend, schrei-
tet sie in diesem Sinne zur allgemeinen Besitzneh-
mung des ihr versicherten Eigenthums, und pflanzt
auf alle Höhen und in alle Tiefen das Zeichen ih-
rer Souverainität. Aber dieses oberflächliche Mein
ist nicht ihr letztes Interesse; die Freude dieser
allgemeinen Besitznehmung findet an ihrem Eigen-
thume noch das fremde Andre, das die ab-
stracte Vernunft nicht an ihr selbst hat. Die
Vernunft ahndet sich als ein tieferes Wesen, denn
das reine Ich ist, und muſs fodern, daſs der Un-
terschied, das mannichfaltige Seyn, ihm als das
seinige selbst werde, daſs es sich als die Wirklichkeit
anschaue, und sich als Gestalt und Ding gegenwär-
tig finde. Aber wenn die Vernunft alle Ein-
geweide der Dinge durchwühlt, und ihnen alle
Adern öffnet, daſs sie sich daraus entgegenspringen
möge, so wird sie nicht zu diesem Glücke gelangen,
sondern muſs an ihr selbst vorher sich vollendet ha-
ben, um dann ihre Vollendung erfahren zu können.


Das Bewuſstseyn beobachtet; d. h. die Vernunft
will sich als seyenden Gegenstand, als wirkli-
che, sinnlich-gegenwärtige
Weise finden, und haben.
Das Bewuſstseyn dieses Beobachtens meynt und sagt
wohl, daſs es nicht sich selbst, sondern im Gegentheil
das Wesen der Dinge als der Dinge erfahren wolle.
Daſs diſs Bewuſstseyn diſs meynt und sagt, liegt dar-
in, daſs es Vernunft ist aber ihm die Vernunft
[176] noch nicht als solche Gegenstand ist. Wenn es die
Vernunft als gleiches Wesen der Dinge und sei-
ner selbst wüſste, und daſs sie nur in dem Bewuſst-
seyn in ihrer eigenthümlichen Gestalt gegenwärtig
seyn kann, so würde es vielmehr in seine eigne Tiefe
steigen und sie darin suchen, als in den Dingen.
Wenn es sie in dieser gefunden hätte, würde sie von
da wieder heraus an die Wirklichkeit gewiesen wer-
den, um in dieser ihren sinnlichen Ausdruck anzu-
schauen, aber ihn sogleich wesentlich als Begriff neh-
men. Die Vornunft, wie sie unmittelbar als die Ge-
wiſsheit des Bewuſstseyns alle Realität zu seyn, auf-
tritt, nimmt ihre Realität in dem Sinne der Unmit-
telbarkeit des Seyns
, und ebenso die Einheit des Ich
mit diesem gegenständlichen Wesen in dem Sinne
einer unmittelbaren Einheit, an der sie die Momente
des Seyns und Ich noch nicht getrennt, und wieder
vereinigt, oder die sie noch nicht erkannt hat. Sie
geht daher als beobachtendes Bewuſstseyn an die
Dinge, in der Meynung, daſs sie diese als sinnliche,
dem Ich entgegengesetzte Dinge in Wahrheit neh-
me; allein ihr wirkliches Thun widerspricht dieser
Meynung; denn sie erkennt die Dinge, sie verwandelt
ihre Sinnlichkeit in Begriffe, d. h. eben in ein Seyn,
welches zugleich Ich ist, das Denken somit in ein
seyendes Denken, oder das Seyn in ein gedachtes
Seyn, und behauptet in der That, daſs die Dinge
nur als Begriffe Wahrheit haben. Für diſs beobach-
tende Bewuſstseyn wird darin nur diſs, was die Dinge
[177] sind, für uns aber, was es selbst ist; das Resultat sei-
ner Bewegung aber wird diſs seyn, für sich selbst
diſs zu werden, was es an sich ist.


Das Thun der beobachtenden Vernunft ist in den
Momenten seiner Bewegung zu betrachten, wie sie
die Natur, den Geist, und endlich die Beziehung bey-
der als sinnliches Seyn aufnimmt, und sich als sey-
ende Wirklichkeit sucht.


a.
Beobachtung der Natur.

Wenn das gedankenlose Bewuſstseyn das Beob-
ten und Erfahren als die Quelle der Wahrheit aus-
spricht, so mögen wohl ihre Worte so lauten, als ob
es allein um ein Schmecken, Riechen, Fühlen, Hö-
ren und Sehen zu thun sey; es vergiſst in dem Eifer,
womit es das Schmecken, Riechen, u. s. f. empfiehlt,
zu sagen, daſs es in der That auch ebenso wesent-
lich den Gegenstand dieses Empfindens sich schon be-
stimmt hat, und diese Bestimmung ihm wenigstens
soviel gilt, als jenes Empfinden. Es wird auch so-
gleich eingestehen, daſs es ihm nicht so überhaupt
nur ums Wahrnehmen zu thun, und z. B. die Wahr-
nehmung, daſs diſs Federmesser neben dieser Ta-
backsdose liegt, nicht für eine Beobachtung gelten
lassen. Das wahrgenommene soll wenigstens die Be-
deutung eines Allgemeinen, nicht eines sinnlichen die-
sen
haben.


M
[178]

Diſs Allgemeine ist so nur erst das sich gleich
bleibende;
seine Bewegung nur das gleichförmige Wie-
derkehren desselben Thuns. Das Bewuſstseyn, wel-
ches insofern im Gegenstande nur die Allgemeinheit
oder das abstracte Mein findet, muſs die eigentliche
Bewegung desselben auf sich selbst nehmen; indem
es noch nicht der Verstand desseiben ist, wenig-
stens sein Gedächtniſs seyn, welches das was in der
Wirklichkeit nur auf einzelne Weise vorhanden ist,
auf allgemeine Weise ausdrückt. Diſs oberflächli-
che Herausheben aus der Einzelnheit, und die eben-
so oberflächliche Form der Allgemeinheit, worein
das sinnliche nur aufgenommen wird, ohne an sich
selbst allgemeines geworden zu seyn, das Beschreiben
der Dinge hat noch in dem Gegenstande selbst die
Bewegung nicht; sie ist vielmehr nur in dem Be-
schreiben. Der Gegenstand, wie er beschrieben ist,
hat daher das Interesse verloren; ist der eine be-
schrieben, so muſs ein anderer vorgenommen, und
immer gesucht werden, damit das Beschreiben nicht
ausgehe. Ist es nicht so leicht mehr neue ganze
Dinge zu finden, so muſs zu den schon gefundenen
zurückgegangen werden, sie weiter zu theilen, aus-
einander zu legen, und neue Seiten der Dingheit
an ihnen noch aufzuspüren. Diesem rastlosen, un-
ruhigen Instinkte kann es nie an Material gebre-
chen; eine neue ausgezeichnete Gattung zu finden,
oder gar einen neuen Planeten, dem ob er zwar ein
ein Individuum ist, doch die Natur eines Allgemei-
[179] nen zukommt, zu finden, kann nur Glücklichen zu
theil werden. Aber die Gräntzen dessen, was wie
der Elephant, die Eiche, das Gold, ausgezeichnet,
was Gattung und Art ist, geht durch viele Stuffen
in die unendliche Besonderung der chaotischen Thiere
und Pflanzen, der Gebirgsarten, oder der durch
Gewalt und Kunst erst darzustellenden Metalle, Er-
den u. s. f. über. In diesem Reiche der Unbestimmt-
heit des Allgemeinen, worin die Besonderung wie-
der der Vereinzelung sich nähert, und in sie hie und
da auch wieder ganz herabsteigt, ist ein unerschopf-
licher Vorrath fürs Beobachten und Beschreiben auf-
gethan. Hier aber, wo ihm ein unübersehbares
Feld sich eröffnet, an der Gräntze des Allgemeinen
kann es vielmehr statt eines unermeſslichen Reich-
thums nur die Schrancke der Natur und seines eig-
nen Thuns gefunden haben; es kann nicht mehr
wissen, ob das an sich zu seyn scheinende nicht
eine Zufälligkeit ist; was das Geprage eines ver-
wirrten oder unreifen, schwachen und der elemen-
tarischen Unbestimmtheit kaum sich entwickelnden
Gebildes an sich trägt, kann nicht darauf Anspruch
machen, auch nur beschrieben zu werden.


Wenn es diesem Suchen und Beschreiben nur
um die Dinge zu thun zu seyn scheint, so sehen
wir es in der That nicht an dem sinnlichen Wahr-
nehmen
fortlauffen, sondern das, woran die Dinge
erkannt werden, ist ihm wichtiger als der übrige
Umfang der sinnlichen Eigenschafften, welche das
M 2
[180] Ding selbst wohl nicht entbehren kann, aber deren
das Bewuſstseyn sich entübrigt. Durch diese Unter-
scheidung in das wesentliche und unwesentliche erhebt
sich der Begriff aus der sinnlichen Zerstreuung ein-
por, und das Erkennen erklärt darin, daſs es ihm
wenigstens ebenso wesentlich um sich selbst, als um
die Dinge zu thun ist. Es geräth bey dieser gedop-
pelten Wesentlichkeit in ein Schwanken, ob das,
was für das Erkennen das wesentliche und nothwen-
dige ist, es auch an den Dingen sey. Einestheils sollen
die Merkmahle nur dem Erkennen dienen, wodurch
es die Dinge von einander unterscheide; aber an-
derntheils nicht das unwesentliche der Dinge erkannt
werden, sondern das wodurch sie selbst aus der all-
gemeinen Continuität des Seyns überhaupt sich los-
reiſsen
, sich von dem Andern abscheiden und für sich
sind. Die Merkmahle sollen nicht nur wesentliche
Beziehung auf das Erkennen haben, sondern auch
die wesentlichen Bestimmtheiten der Dinge, und das
künstliche System dem Systeme der Natur selbst ge-
mäſs seyn, und nur dieses ausdrücken. Aus dem
Begriffe der Vernunft ist diſs nothwendig, und der
Instinkt derselben, — denn sie verhält sich nur als
solcher in diesem Beobachten, — hat auch in sei-
nen Systemen diese Einheit erreicht, wo nemlich
ihre Gegenstände selbst so beschaffen sind, daſs sie
eine Wesentlichkeit oder ein Fürsichseyn an ihnen
haben, und nicht nur Zufall dieses Augenblicks oder
dieses Hier sind. Die Unterscheidungsmerkmahle
[181] der Thiere z. B. sind von den Klauen und Zähnen
genommen; denn in der That unterscheidet nicht nur
das Erkennen dadurch ein Thier von dem andern;
sondern das Thier scheidet sich dadurch selbst ab;
durch diese Waffen erhält es sich für sich, und ge-
sondert von dem Allgemeinen. Die Pflanze dage-
gen kommt nicht zum Fürsichseyn, sondern berührt
nur die Gräntze der Individualität; an dieser Grän-
tze, wo sie den Schein der Entzweyung in Geschlech-
ter aufzeigt, ist sie deſswegen aufgenommen und un-
terschieden worden. Was aber weiter hinuntersteht,
kann sich nicht mehr selbst von anderem unterschei-
den, sondern geht verloren, indem es in den Ge-
gensatz kommt. Das ruhende Seyn, und das Seyn im
Verhältnisse
kommt in Streit miteinander, das Ding
ist in diesem etwas anders, als nach jenem, da hin-
gegen das Individuum diſs ist, im Verhältnisse zu
anderem sich zu erhalten. Was aber diſs nicht ver-
mag, und chemischerweise ein anderes wird, als es
empirischerweise ist, verwirrt das Erkennen, und
bringt es in denselben Streit, ob es sich an die eine
und andere Seite halten soll, da das Ding selbst
nichts gleichbleibendes ist, und sie an ihm ausein-
anderfallen.


In solchen Systemen des allgemeinen sich
gleichbleibenden, hat also dieses die Bedeutung,
ebensowohl das sich gleichbleibende des Erkennens,
wie der Dinge selbst zu seyn. Allein diese Aus-
breitung der gleichbleibenden Bestimmtheiten, deren
[182] jede ruhig die Reihe ihres Fortgangs beschreibt, und
Raum erhält, um für sich zu gewähren, geht we-
sentlich ebensosehr in ihr Gegentheil über, in die
Verwirrung dieser Bestimmtheiten; denn das Merk-
mahl, die allgemeine Bestimmtheit, ist die Einheit des
entgegengesetzten, des Bestimmten und des an sich All-
gemeinen; sie muſs also in diesen Gegensatz ausein-
andertreten. Wenn nun die Bestimmtheit nach ei-
ner Seite das Allgemeine, worin sie ihr Wesen hat,
besiegt, so erhält dieses dagegen auf der andern Seite
ebenso sich seine Herrschafft über sie, treibt die
Bestimmtheit an ihre Gräntze, vermischt da ihre
Unterschiede und Wesentlichkeiten. Das Beobach-
ten, welches sie ordentlich auseinanderhielt und an
ihnen etwas festes zu haben glaubte, sieht über ein
Princip die andern herübergreiffen, Uebergänge und
Verwirrungen sich bilden, und in diesem das ver-
bunden, was es zuerst für schlechthin getrennt nahm,
und getrennt, was es zusammenrechnete; so daſs diſs
Festhalten an dem ruhigen, sich gleichbleibenden
Seyn sich hier gerade in seinen allgemeinsten Bestim-
mungen, z. B. was das Thier, die Pflanze für we-
sentliche Merkmahle habe, mit Instanzen geneckt
sehen muſs, die ihm jede Bestimmung rauben, die
Allgemeinheit, zu der es sich erhob, zum Ver-
stummen bringen, und es auſs gedankenlose Beob-
achten und Beschreiben zurücksetzen.


Dieses sich auf das Einfache einschränkende oder
die sinnliche Zerstreuung durch das Allgemeine be-
[183] schränkende Beobachten findet also an seinem Ge-
genstande die Verwirrung seines Princips, weil das
Bestimmte durch seine Natur sich in seinem Gegen-
theile verlieren muſs; die Vernunft muſs darum
vielmehr von der tragen Bestimmtheit, die den Schein
des Bleibens hatte, zur Beobachtung derselben, wie
sie in Wahrheit ist, nemlich sich auf ihr Gegentheil
zu beziehen
, fortgehen. Was wesentliche Merkmahle
genannt werden, sind ruhende Bestimmtheiten, wel-
che so, wie sie als einfache sich ausdrücken und auf-
gefaſst werden, nicht das, was ihre Natur ausmacht,
verschwindende Momente der sich in sich zurückneh-
menden Bewegung zu seyn, darstellen. Indem itzt
der Vernunftinstinkt dazu kömmt, die Bestimmt-
heit ihrer Natur gemäſs, wesentlich nicht für sich
zu seyn, sondern in das entgegengesetzte über-
zugehen, aufzusuchen, sucht er nach dem Gesetze
und dem Begriffe desselben; zwar nach ihnen ebenso
als seyender Wirklichkeit, aber diese wird ihm in
der That verschwinden, und die Seiten des Gesetzes
zu reinen Momenten, oder Abstractionen werden,
so daſs das Gesetz in der Natur des Begriffes her-
vortritt, welcher das gleichgültige Bestehen der sinn-
lichen Wirklichkeit an sich vertilgt hat.


Dem beobachtenden Bewuſstseyn ist die Wahr-
heit des Gesetzes
in der Erfahrung, als in der Weise,
daſs sinnliches Seyn für es ist; nicht an und für sich
selbst. Wenn aber das Gesetz nicht in dem Be-,
griffe seine Wahrheit hat, so ist es etwas zufälliges
[184] nicht eine Nothwendigkeit, oder in der That nicht
ein Gesetz. Aber daſs es wesentlich als Begriff ist,
widerstreitet nicht nur dem nicht, daſs es für die
Beobachtung vorhanden ist, sondern hat darum viel-
mehr nothwendiges Daseyn, und ist für die Beob-
achtung. Das allgemeine, im Sinne der Vernunftall-
gemeinheit
, ist auch allgemein in dem Sinne, den je-
ner an ihm hat, daſs es für das Bewuſstseyn, sich
als das Gegenwärtige und Wirkliche, oder daſs der
Begriff sich in der Weise der Dingheit und des sinn-
lichen Seyns darstellt; — aber ohne darum seine
Natur zu verlieren, und in das träge Bestehen oder
die gleichgültige Aufeinanderfolge hinabgefallen zu
seyn. Was allgemein gültig ist, ist auch allge-
mein geltend; was seyn soll, ist in der That auch,
und was nur seyn soll, ohne zu seyn, hat keine Wahr-
heit. Hierau bleibt der Instinkt der Vernunft mit
Recht seinerseits fest hängen, und läſst sich nicht
durch die Gedankendinge, die nur seyn sollen, und
als Sollen Wahrheit haben sollen, ob sie schon in
keiner Erfahrung angetroffen werden, — durch die
Hypothesen so wenig als durch alle andere Unsicht-
barkeiten eines perennirenden Sollens irre machen;
denn die Vernunft ist eben diese Gewiſsheit, Reali-
tät zu haben, und was nicht als ein Selbstwesen für
das Bewuſstseyn ist, das heiſst, was nicht erscheint,
ist für es gar Nichts.


Daſs die Wahrheit des Gesetzes wesentlich Rea-
lität
ist, wird zwar diesem bey dem Beobachten blei-
[185] benden Bewuſstseyn, wieder zu einem Gegensatze
gegen den Begriff, und gegen das an sich allgemei-
ne, oder ein solches wie sein Gesetz ist, ist ihm
nicht ein Wesen der Vernunft; es meynt darin et-
was Fremdes zu erhalten. Allein es widerlegt diese
seine Meynung durch die That, in welcher es selbst
seine Allgemeinheit nicht in dem Sinne nimmt, daſs
alle einzelnen sinnlichen Dinge ihm die Erscheinung
des Gesetzes gezeigt haben müſsten, um die Wahr-
heit desselben behaupten zu können. Daſs die Steine
von der Erde aufgehoben und freygelassen, fallen,
dazu fodert es gar nicht, daſs mit allen Steinen die-
ser Versuch gemacht werde; es sagt vielleicht wohl,
daſs diſs wenigstens mit sehr vielen müsse versucht
worden seyn, woraus dann auf die übrigen mit gröſs-
ter Wahrscheinlichkeit, oder mit vollem Rechte
nach der Analogie geschlossen werden könne. Allein
die Analogie gibt nicht nur kein volles Recht, son-
dern sie widerlegt, um ihrer Natur willen, sich so
offt, daſs nach der Analogie selbst zu schlieſsen, die
Analogie vielmehr keinen Schluſs zu machen erlaubt.
Die Wahrscheinlichkeit, auf welche sich das Resultat
derselben reduciren würde, verliert gegen die Wahr-
heit
allen Unterschied von geringerer und gröſserer
Wahrscheinlichkeit; sie sey so groſs, als sie will,
ist sie nichts gegen die Wahrheit. Der Instinkt der
Vernunft nimmt aber in der That solche Gesetze für
Wahrheit an, und erst in Beziehung auf ihre Noth-
wendigkeit, die er nicht erkennt, geräth er in diese
[186] Unterscheidung, und setzt die Wahrheit der Sache
selbst zur Wahrscheinlichkeit herab, um die unvoll-
kommene Weise, in welcher die Wahrheit für das
Bewuſstseyn, das die Einsicht in den reinen Begriff
noch nicht erreicht hat, vorhanden ist, zu bezeich-
nen; denn die Allgemeinheit ist nur als einfache un-
mittelbare
Allgemeinheit vorhanden. Aber zugleich
um ihrer willen hat das Gesetz für das Bewuſstseyn
Wahrheit; daſs der Stein fällt, ist ihm darum
wahr, weil ihm der Stein schwer ist, das heiſst’
weil er in der Schwere an und für sich selbst die we-
sentliche Beziehung auf die Erde hat, die sich als Fall
ausdrückt. Es hat also in der Erfahrung das Seyn
des Gesetzes, aber ebenso dasselbe als Begriff und
nur um beyder Umstände willen zusammen ist es ihm
wahr; es gilt darum als Gesetz, weil es in der Er-
scheinung sich darstellt, und zugleich an sich selbst
Begriff ist.


Der Vernunftinstinckt dieses Bewuſstseyns geht,
weil das Gesetz zugleich an sich Begriff ist, nothwen-
dig, aber ohne zu wissen, daſs er diſs will, selbst
darauf, das Gesetz und seine Momente zum Begriffe
zu reinigen
. Er stellt Versuche über das Gesetz an.
Wie das Gesetz zuerst erscheint, stellt es sich un-
rein, umhüllt von einzelnem sinnlichem Seyn, der
Begriff, der seine Natur ausmacht, im empirischen
Stoff versenkt dar. Der Vernunftinstinkt geht in
seinen Versuchen darauf, zu finden was unter die-
sen und jenen Umständen erfolge. Das Gesetz
[187] scheint hiedurch nur um so mehr in sinnliches Seyn
getaucht zu werden; allein diſs geht darin vielmehr
verloren. Diese Forschung hat die innere Bedeu-
tung, reine Bedingungen des Gesetzes zu finden;
was nichts anderes sagen will, wenn auch das Be-
wuſstseyn, das sich so ausdrückt, meynen sollte, es
sage damit etwas anderes, als das Gesetz ganz in die
Gestalt des Begriffs zu erheben, und alle Gebunden-
heit seiner Momente an bestimmtes Seyn zu tilgen. Die
negative Electricität, zum Beyspiel, welche etwa zu-
erst als Harzelectricität so wie die positive als Glas-
electricität sich ankündigt, verliert durch die Versu-
che ganz diese Bedeutung, und wird rein zur posi-
tiven
und negativen Electricität, deren jede nicht ei-
ner besonderen Art von Dingen mehr angehört; und
es hört auf, gesagt werden zu können, daſs es Kör-
per gibt, die positiv electrisch, andere, die negativ
electrisch sind. So macht auch das Verhältniſs von
Säure und Base und deren Bewegung gegeneinander
ein Gesetz aus, worin diese Gegensätze als Körper
erscheinen. Allein diese abgesonderten Dinge haben
keine Wirklichkeit; die Gewalt, welche sie ausein-
ander reiſst, kann sie nicht hindern, sogleich in ei-
nen Proceſs wieder einzutreten; denn sie sind nur
diese Beziehung. Sie können nicht wie ein Zahn
oder eine Klaue für sich bleiben, und so aufgezeigt
werden. Daſs diſs ihr Wesen ist, unmittelbar in
ein neutrales Product überzugehen, macht ihr Seyn
zu einem an sich aufgehobenen, oder zu einem all-
[188] gemeinen, und Säure und Base haben Wahrheit nur
als Allgemeine. Wie also Glas und Harz ebenso-
wohl positiv als negativ elektrisch seyn kann, so ist
Säure und Base nicht als Eigenschafft an diese oder
jene Wirklichkeit gebunden, sondern jedes Ding ist
nur relativ sauer oder basisch; was decidirte Base
oder Säure zu seyn scheint, erhält in den sogenann-
ten Synsomatien die entgegengesetzte Bedeutung zu
einem andern. — Das Resultat der Versuche hebt
auf diese Weise die Momente oder Begeistungen als
Eigenschafften der bestimmten Dinge auf, und be-
freyt die Prädicate von ihren Subjecten. Diese Prä-
dicate werden, wie sie in Wahrheit sind, nur als all-
gemeine gefunden; um dieser Selbstständigkeit wil-
len erhalten sie daher den Nahmen von Materien,
welche weder Körper, noch Eigenschafften sind, und
man hütet sich wohl Sauerstoff u. s. f. positive und ne-
gative Electricität, Wärme u. s. w. Körper zu nennen.


Die Materie ist hingegen nicht ein seyendes Ding,
sondern das Seyn als allgemeines, oder in der Weise
des Begriffs. Die Vernunft, welche noch Instinkt,
macht diesen richtigen Unterschied, ohne das Be-
wuſstseyn, daſs sie, indem sie das Gesetz an allem
sinnlichen Seyn versucht, eben darin sein nur sinn-
liches Seyn aufhebt, und, indem sie seine Momente
als Materien auffaſst, ihre Wesenheit ihm zum All-
gemeinen geworden, und in diesem Ausdrucke als
ein unsinnliches Sinnliches, als ein körperloses, und
doch gegenständliches Seyn, ausgesprochen ist.


[189]

Es ist nun zu sehen, welche Wendung für ihn
sein Resultat nimmt, und welche neue Gestalt sei-
nes Beobachtens damit auftritt. Als die Wahrheit
dieses versuchenden Bewuſstseyns sehen wir das
reine Gesetz, welches sich vom sinnlichen Seyn be-
freyt, wir sehen es als Begriff, der im sinnli-
chen Seyn vorhanden, aber in ihm selbstständig und
ungebunden sich bewegt, in es versenkt frey davon
und einfacher Begriff ist. Diſs was in Wahrheit das
Resultat und Wesen ist, tritt für diſs Bewuſstseyn
nun selbst, aber als Gegenstand auf, und zwar indem
er eben für es nicht Resultat und ohne die Beziehung
auf die vorhergehende Bewegung ist, als eine besondere
Art
von Gegenstand, und sein Verhältniſs zu die-
sem als ein anderes Beobachten.


Solcher Gegenstand, welcher den Proceſs in der
Einfachheit des Begriffes an ihm hat, ist das Organi-
sche
. Es ist diese absolute Flüssigkeit, worin die Be-
stimmtheit, durch welche es nur für anderes wäre,
aufgelöst ist. Wenn das unorganische Ding die Be-
stimmtheit zu seinem Wesen hat, und deſswegen
nur mit einem andern Dinge zusammen die Voll-
ständigkeit der Momente des Begriffs ausmacht, und
daher in die Bewegung tretend verloren geht; so
sind dagegen an dem organischen Wesen alle Be-
stimmtheiten, durch welche es für anderes offen ist,
unter die organische einfache Einheit gebunden; es
tritt keine als wesentlich auf, welche sich frey auf
[190] anderes bezöge; und das Organische erhält sich da-
her in seiner Beziehung selbst.


Die Seiten des Gesetzes, auf dessen Beobachtung
hier der Vernunftinstinkt geht, sind, wie aus die-
ser Bestimmung folgt, zunächst die organische Natur
und die unorganische in ihrer Beziehung aufeinander.
Diese letztere ist für die organische eben die ihrem
einfachen Begriffe entgegengesetzte Freyheit der los-
gebundenen
Bestimmtheiten, in welchen die indivi-
duelle Natur zugleich aufgelöst, und aus deren Con-
tinuität sie zugleich sich absondert und für sich ist.
Luft, Wasser, Erde, Zonen und Klima sind sol-
che allgemeine Elemente, die das unbestimmte ein-
fache Wesen der Individualitäten ausmachen, und
worin diese zugleich in sich reflectirt sind. Weder
die Individualität ist schlechthin an und für sich,
noch das Elementarische, sondern in der selbststän-
digen Freyheit, in welcher sie für die Beobachtung
gegeneinander auftreten, verhalten sie sich zugleich
als wesentliche Beziehungen, aber so daſs die Selbst-
ständigkeit und Gleichgültigkeit beyder gegeneinan-
der das Herrschende ist, und nur zum Theil in die
Abstraction übergeht. Hier ist also das Gesetz, als
die Beziehung eines Elements auf die Bildung des
Organischen vorhanden, welches das elementarische
Seyn einmal gegen sich über hat, und das andremal
es an seiner organischen Reflexion darstellt. Allein
solche Gesetze, daſs die Thiere, welche der Luft an-
gehören, von der Beschaffenheit der Vögel, welche
[191] dem Wasser, von der Beschaffenheit der Fische
sind, nordische Thiere, ein dickbehaartes Fell ha-
ben und so fort, zeigen sogleich eine Armuth, wel-
che der organischen Mannigfaltigkeit nicht ent-
spricht. Auſserdem daſs die organische Freyheit die-
sen Bestimmungen ihre Formen wieder zu entziehen
weiſs, und nothwendig allenthalben Ausnahmen sol-
cher Gesetze oder Regeln, wie man sie nennen
wollte, darbietet, so bleibt diſs an denjenigen selbst,
welche unter sie fallen, eine so oberflächliche Be-
stimmung, daſs auch der Ausdruck ihrer Nothwen-
digkeit nicht anders seyn kann, und es nicht über
den groſsen Einfluſs hinausbringt; wobey man nicht
weiſs, was diesem Einflusse eigentlich angehört,
und was nicht. Dergleichen Beziehungen des or-
ganischen auf das elementarische sind daher in der
That nicht Gesetze zu nennen, denn theils erschöpft,
wie erinnert, eine solche Beziehung, ihrem Inhalte
nach, gar nicht den Umfang des Organischen, theils
bleiben aber auch die Momente der Beziehung selbst
gleichgültig gegeneinander, und drücken keine Noth-
wendigkeit aus. Im Begriffe der Säure liegt der Be-
griff
der Base, wie im Begriffe der positiven, die
negative Electricität; aber so sehr auch das dickbe-
haarte Fell mit dem Norden, oder der Bau der Fi-
sche mit dem Wasser, der Bau der Vögel mit der
Luft zusammen, angetroffen werden mag, so liegt im
Begriffe des Nordens nicht der Begriff dicker Behaa-
rung, des Meeres nicht der des Baues der Fische
[192] der Luft, nicht der des Baus der Vögel. Um die-
ser Freyheit beyder Seiten gegeneinander willen gibt
es auch Landthiere, welche die wesentlichen Cha-
raktere eines Vogels, des Fisches haben u. s. f. Die
Nothwendigkeit, weil sie als keine innere des We-
sens begriffen werden kann, hört auch auf, sinnli-
ches Daseyn zu haben, und kann nicht mehr an der
Wirklichkeit beobachtet werden, sondern ist aus ihr
herausgetreten. So an dem realen Wesen selbst sich
nicht findend, ist sie das, was teleologische Bezie-
hung genannt wird, eine Beziehung, die den bezo-
genen äuſserlich, und daher vielmehr das Gegentheil
eines Gesetzes ist. Sie ist der von der nothwendigen
Natur ganz befreyte Gedanke, welcher sie verläſst,
und über ihr sich für sich bewegt.


Wenn die vorhin berührte Beziehung des Or-
ganischen auf die elementarische Natur, das Wesen
desselben nicht ausdrückt, so ist es dagegen in
dem Zweckbegriffe enthalten. Diesem beobachten-
den Bewuſstseyn zwar, ist er nicht das eigne We-
sen
des Organischen, sondern fällt ihm auſser dem-
selben, und ist dann nur jene äuſserliche, te-
leologische
Beziehung. Allein wie vorhin das Or-
ganische bestimmt worden, ist es in der That der
reale Zweck selbst; denn indem es sich in der Be-
ziehung auf Anderes selbst erhält, ist es eben dasje-
nige natürliche Wesen, in welchem die Natur sich
in den Begriff reflectirt, und die an der Nothwen-
digkeit auseinandergelegten Momente einer Ursache
[193] und einer Wirkung, eines thätigen und eines leiden-
den, in Eins zusammengenommen; so daſs hier et-
was nicht nur als Resultat der Nothwendigkeit auf-
tritt; sondern, weil es in sich zurückgegangen ist, ist
das Letzte oder das Resultat, ebensowohl das Erste,
welches die Bewegung anfängt, und sich der Zweck,
den es verwirklicht. Das Organische bringt nicht
etwas hervor, sondern erhält sich nur, oder das was
hervorgebracht wird, ist ebenso schon vorhanden,
als es hervorgebracht wird.


Diese Bestimmung ist, wie sie an sich und wie
sie für den Vernunftinstinkt ist, näher zu erörtern,
um zu sehen, wie er sich darin findet, sich aber in
seinem Funde nicht erkennt. Der Zweckbegriff
also, zu dem die beobachtende Vernunft sich erhebt,
wie es ihr bewuſster Begriff ist, ist eben so sehr als
ein wirkliches vorhanden; und ist nicht nur eine äu-
ſsere Beziehung
desselben, sondern sein Wesen. Die-
ses Wirkliche, welches selbst ein Zweck ist, bezieht
sich zweckmäſsig auf anderes, heiſst, seine Bezie-
hung ist eine zufällige, nach dem, was beyde unmit-
telbar sind;
unmittelbar sind beyde selbstständig,
und gleichgültig gegeneinander. Das Wesen ihrer
Beziehung aber ist ein anderes, als sie so zu seyn
scheinen, und ihr Thun hat einen andern Sinn, als
es unmittelbar für das sinnliche Wahrnehmen ist; die
Nothwendigkeit ist an dem, was geschieht, verbor-
gen, und zeigt sich erst am Ende, aber so, daſs eben
diſs Ende zeigt, daſs sie auch das Erste gewesen ist.
N
[194] Das Ende aber zeigt diese Priorität seiner selbst da-
durch, daſs durch die Veränderung, welche das
Thun vorgenommen hat, nichts anders herauskommt,
als was schon war. Oder wenn wir vom Ersten
anfangen, so geht dieses an seinem Ende oder in
dem Resultate seines Thuns nur zu sich selbst zu-
rück; und eben hiedurch erweist es sich, ein sol-
ches zu seyn, welches sich selbst zu seinem Ende
hat, also als Erstes schon zu sich zurückgekommen,
oder an und für sich selbst ist. Was es also durch
die Bewegung seines Thuns erreicht, ist es selbst;
und daſs es nur sich selbst erreicht, ist sein Selbst-
gefühl
. Es ist hiemit zwar der Unterschied dessen
was es ist, und was es sucht, vorhanden, aber diſs
ist nur der Schein eines Unterschieds, und hiedurch
ist es Begriff an ihm selbst.


Ebenso ist aber das Selbstbewuſstseyn beschaffen,
sich auf eine solche Weise von sich zu unterschei-
den, worin zugleich kein Unterschied herauskömmt.
Es findet daher in der Beobachtung der organischen
Natur nichts anders als diſs Wesen, es findet sich
als ein Ding, als ein Leben, macht aber noch einen
Unterschied, zwischen dem, was es selbst ist, und
was es gefunden, der aber keiner ist. Wie der
Instinkt des Thieres das Futter sucht, und verzehrt,
aber damit nichts anders herausbringt, als sich, so
findet auch der Instinkt der Vernunft in seinem Su-
chen nur sie selbst. Das Thier endigt mit dem
Selbstgefühle. Der Vernunftinstinkt hingegen ist
[195] zugleich Selbstbewuſstseyn; aber weil er nur In-
stinkt ist, ist er gegen das Bewuſstseyn auf die Seite
gestellt, und hat an ihm seinen Gegensatz. Seine
Befriedigung ist daher durch diesen entzweyt, er
findet wohl sich selbst, nemlich den Zweck, und
ebenso diesen Zweck als Ding. Aber der Zweck
fallt ihm erstlich auſser dem Dinge, welches sich
als Zweck darstellt. Dieser Zweck als Zweck ist
zweytens zugleich gegenständlich, er fällt ihm daher
auch nicht in sich als Bewuſstseyn, sondern in ei-
nen andern Verstand.


Näher betrachtet, so liegt diese Bestimmung
ebensowohl in dem Begriffe des Dinges, daſs es
Zweck an ihm selbst ist. Es nemlich erhält sich;
d. h. zugleich, es ist seine Natur, die Nothwen-
digkeit zu verbergen und in der Form zufälliger Be-
ziehung darzustellen; denn seine Freyheit oder für-
sichseyn
ist eben dieses, sich gegen sein nothwen-
diges als ein gleichgültiges zu verhalten; es stellt
sich also selbst als ein solches dar, dessen Begriff
auſser seinem Seyn falle. Ebenso hat die Vernunft
die Nothwendigkeit, ihren eigenen Begriff als au-
ſser ihr fallend, hiemit als Ding anzuschauen, als
ein solches, gegen das sie, und das hiemit gegen-
seitig gegen sie, und gegen seinen Begriff gleichgül-
tig
ist. Als Instinkt bleibt sie auch innerhalb die-
ses Seyns, oder der Gleichgültigkeit stehen, und das
Ding, welches den Begriff ausdrückt, bleibt ihm
ein anderes, als dieser Begriff, der Begriff ein an-
N 2
[196] deres als das Ding. So ist das organische Ding für
sie nur so Zweck an ihm selbst, daſs die Nothwen-
digkeit, welche in seinem Thun als verborgen sich
darstellt, indem das Thuende darin als ein gleich-
gültiges für sich seyendes sich verhält, auſser dem
Organischen selbst fällt. — Da aber das Organische
als Zweck an ihm selbst sich nicht anders verhalten
kann, denn als ein solches, so ist auch diſs erschei-
nend und sinnlich gegenwärtig, daſs es Zweck an
ihm selbst ist, und es wird so beobachtet. Das Or-
ganische zeigt sich als ein sich selbst erhaltendes und in
sich zurückkehrendes und zurückgekehrtes. Aber in die-
sem Seyn erkennt diſs beobachtende Bewuſstseyn den
Zweckbegriff nicht, oder diſs nicht, daſs der Zweck-
begriff nicht sonst irgendwo in einem Verstande, son-
dern eben hier existirt, und als ein Ding ist. Es
macht einen Unterschied, zwischen dem Zweckbe-
griffe, und zwischen dem fürsichseyn und sich selbst
erhalten, welcher keiner ist. Daſs er keiner ist, ist
nicht für es, sondern ein Thun, das zufällig und
gleichgültig gegen das, was durch dasselbe zustande
kommt, erscheint, und die Einheit, welche doch
beydes zusammenknüpft, — jenes Thun, und dieser
Zweck fällt ihm auseinander.


Was in dieser Ansicht dem Organischen selbst
zukommt, ist das zwischen seinem Ersten und Letz-
ten mitten inne liegende Thun, insofern es den Cha-
rakter der Einzelnheit an ihm hat. Das Thun aber,
insofern es den Charakter der Allgemeinheit hat, und
[197] das Thuende demjenigen, was dadurch hervorge-
bracht wird, gleich gesetzt, das zweckmäſsige Thun
als solches, käme nicht ihm zu. Jenes einzelne Thun,
das nur Mittel ist, tritt durch seine Einzelnheit un-
ter die Bestimmung einer durchaus einzelnen oder
zufälligen Nothwendigkeit. Was das Organische
zur Erhaltung seiner selbst als Individuums, oder
seiner als Gattung thut, ist daher diesem unmittel-
baren Inhalte nach ganz gesetzlos, denn das Allge-
meine und der Begriff fällt auſser ihm. Sein Thun
wäre sonach die leere Wirksamkeit ohne Inhalt an
ihr selbst; sie wäre nicht einmal die Wirksamkeit
einer Maschine, denn diese hat einen Zweck, und
ihre Wirksamkeit hiedurch einen bestimmten In-
halt. So verlassen von dem Allgemeinen würde sie
Thätigkeit nur eines seyenden, als seyenden, d. h.
eine nicht zugleich in sich reflectirte seyn, wie die
einer Säure oder Base ist; eine Wirksamkeit, die
von ihrem unmittelbaren Daseyn sich nicht abtren-
nen, noch dieses, das in der Beziehung auf sein
entgegengesetztes verloren geht, aufgeben, sich aber
erhalten könnte. Das Seyn aber, dessen Wirksam-
keit die hier betrachtete ist, ist gesetzt als ein in sei-
ner Beziehung [auf] sein entgegengesetztes sich erhal-
tendes
Ding; die Thätigkeit als solche ist nichts als die
reine wesenlose Form seines Fürsichseyns, und ihre
Substanz, die nicht bloſs bestimmtes Seyn, sondern
das Allgemeine ist, ihr Zweck fällt nicht auſser ihr;
sie ist an ihr selbst in sich zurückgehende, nicht
[198] durch irgend ein fremdes in sich zurückgelenkte
Thätigkeit.


Diese Einheit der Allgemeinheit und der Thätig-
keit ist aber darum nicht für diſs beobachtende Bewuſst-
seyn, weil jene Einheit wesentlich die innre Bewegung
des Organischen ist, und nur als Begriff aufgefaſst
werden kann; das Beobachten aber sucht die Mo-
mente in der Form des Seyns und Bleibens; und
weil das organische Ganze wesentlich diſs ist, so
die Momente nicht an ihm zu haben und nicht an
ihm finden zu lassen, verwandelt das Bewuſstseyn in
seiner Ansicht den Gegensatz in einer solchen, als
er ihr gemäſs ist.


Es entsteht ihm auf diese Weise das organische
Wesen als eine Beziehung zweyer seyender und fester
Momente, — eines Gegensatzes, dessen beyde Sei-
ten ihm also einestheils in der Beobachtung gegeben
zu seyn scheinen, anderntheils ihrem Inhalte nach
den Gegensatz des organischen Zweckbegriffs, und
der Wirklichkeit ausdrücken; weil aber der Begriff
als solcher daran getilgt ist, auf eine dunkle und
oberflächliche Weise, worin der Gedanke in das
Vorstellen herabgesunken ist. So sehen wir den er-
sten ungefähr unter dem Innern, die andere unter
dem Aeuſsern gemeynt, und ihre Beziehung erzeugt
das Gesetz, daſs das Aeuſsere der Ausdruck des In-
nern ist
.


Diſs Innere mit seinem Entgegengesetzten, und
ihre Beziehung aufeinander näher betrachtet, ergibt
[199] sich, daſs vors erste die beyden Seiten des Gesetzes
nicht mehr wie bey frühern Gesetzen lauten, worin
sie als selbstständige Dinge jede als ein besonderer
Körper, erschienen, noch auch fürs andere so, daſs
das Allgemeine irgend sonst auſser dem Seyenden seine
Existenz haben sollte. Sondern das organische We-
sen ist ungetrennt überhaupt zu Grunde gelegt, als
Inhalt des Innern und Aeuſsern, und für beyde das-
selbe; der Gegensatz ist dadurch nur noch ein rein
formeller, dessen reale Seiten dasselbe Ansich zu ih-
rem Wesen, zugleich aber, indem Inneres und Aeu-
ſseres auch entgegengesetzte Realität und ein für das
Beobachten verschiedenes Seyn sind, scheinen sie
ihm jedes einen eigenthumlichen Inhalt zu haben.
Dieser eigenthümliche Inhalt, da er dieselbe Sub-
stanz oder organische Einheit ist, kann aber in der
That nur eine verschiedene Form derselben seyn;
und diſs wird von dem beobachtenden Bewuſstseyn
darin angedeutet, daſs das Aeuſsere nur Ausdruck
des Innern ist. — Dieselben Bestimmungen des Ver-
hältnisses, nemlich die gleichgültige Selbstständigkeit
der verschiedenen, und in ihr ihre Einheit, worin
sie verschwinden, haben wir an dem Zweckbegriffe
gesehen.


Es ist nun zu sehen, welche Gestalt das Innere
und Aeuſsere in seinem Seyn hat. Das Innere als
solches muſs ebensosehr ein äuſseres Seyn, und eine
Gestalt haben, wie das Aeuſsere als solches, denn es
[200] ist Gegenstand oder selbst als seyendes und für die
Beobachtung vorhanden gesetzt.


Die organische Substanz als innere ist sie die ein-
fache
Seele, der reine Zweckbegriff oder das Allge-
meine
, welches in seiner Theilung ebenso allgemeine
Flüssigkeit bleibt, und daher in seinem Seyn als das
Thun oder die Bewegung der verschwindenden Wirk-
lichkeit erscheint; da hingegen das Aeuſsere entge-
gengesetzt jenem seyenden Innern in dem ruhenden
Seyn
des Organischen besteht. Das Gesetz als die
Beziehung jenes Innere auf diſs Aeuſsere drückt hie-
mit seinen Inhalt, einmal in der Darstellung allge-
meiner Momente oder einfacher Wesenheiten, und das
anderemal in der Darstellung der verwirklichten We-
senheit oder der Gestalt aus. Jene ersten einfachen
organischen Eigenschafften, um sie so zu nennen,
sind Sensibilität, Irritabilität und Reproduction. Diese
Eigenschafften, wenigstens die beyden ersten schei-
nen sich zwar nicht auf den Organismus überhaupt,
sondern nur auf den animalischen zu beziehen. Der
vegetabilische drückt auch in der That nur den ein-
fachen Begriff des Organismus aus, der seine Mo-
mente nicht entwickelt; daher wir uns in Ansehung
ihrer, insofern sie für die Beobachtung seyn sollen,
an denjenigen halten müssen, der ihr entwickeltes
Daseyn darstellt.


Was nun sie selbst betrifft, so ergeben sie sich
unmittelbar aus dem Begriffe des Selbstzwecks. Denn
die Sensibilität drückt überhaupt den einfachen Be-
[201] griff der organischen Reflexion in sich, oder die all-
gemeine Flüssigkeit desselben aus; die Irritabilität
aber die organische Elasticität, sich in der Reflexion
zugleich reagirend zu verhalten, und die dem ersten
ruhigen in sich seyn entgegengesetzte Verwirklichung,
worin jenes abstracte für sich seyn ein Seyn für an-
deres
ist. Die Reproduction aber ist die Action die-
ses ganzen in sich reflectirten Organismus, seine Thä-
tigkeit als Zwecks an sich oder als Gattung, worin
also das Individuum sich von sich selbst abstöſst,
entweder seine organischen Theile, oder das ganze
Individuum erzeugend wiederholt. In der Bedeu-
tung der Selbsterhaltung überhaupt genommen drückt
die Reproduction den formalen Begriff des Organi-
schen oder die Sensibilitat aus; aber sie ist eigentlich
der reale organische Begriff, oder das Ganze, das
als Individuum entweder durch die Hervorbringung
der einzelnen Theile seiner selbst oder als Gattung
durch die Hervorbringung von Individuen in sich
zurückkehrt.


Die andere Bedeutung dieser organischen Ele-
mente, nemlich als des Aeuſseren, ist ihre gestaltete
Weise, nach welcher sie als wirkliche, aber zugleich
auch als allgemeine Theile oder organische Systeme
vorhanden sind; die Sensibilität etwa als Nervensy-
stem, die Irritabilität als Muskelsystem, die Re-
production als Eingeweide der Erhaltung des Indi-
viduums und der Gattung.


[202]

Eigenthümliche Gesetze des Organischen betref-
fen demnach ein Verhältniſs der organischen Mo-
mente in ihrer gedoppelten Bedeutung, einmal ein
Theil der organischen Gestaltung, das andremal all-
gemeine flüssige
Bestimmtheit zu seyn, welche durch
alle jene Systeme hindurchgeht. In dem Ausdrucke
eines solchen Gesetzes hätte also zum Beyspiel eine
bestimmte Sensibilität als Moment des ganzen Orga-
nismus ihren Ausdruck an einem bestimmt gebilde-
ten Nervensystem, oder sie wäre auch mit einer be-
stimmten Reproduction der organischen Theile des
Individuums, oder Fortpflanzung des ganzen ver-
knüpft, und so fort. — Die beyden Seiten eines
solchen Gesetzes können beobachtet werden. Das Aeu-
ſsere
ist seinem Begriffe nach das Seyn für anderes;
die Sensibilität hat z. B. in dem sensibeln Systeme ihre
unmittelbar verwirklichte Weise; und als allgemeine
Eigenschafft
ist sie in ihren Aeuſserungen ebenso ein
gegenständliches. Die Seite, welche das Innere heiſst,
hat ihre eigene äuſsere Seite, die unterschieden ist von
dem, was im Ganzen das äuſsere heiſst.


Die beyden Seiten eines organischen Gesetzes wä-
ren also zwar wohl zu beobachten, allein nicht Gese-
tze der Beziehung derselben; und die Beobachtung
reicht nicht darum nicht zu, weil sie, als Beobachtung,
zu kurzsichtig wäre, und nicht empirisch verfahren,
sondern von der Idee ausgegangen werden sollte; denn
solche Gesetze, wenn sie etwas reelles wären, müſsten
in der That wirklich vorhanden, und also zu beobach-
[203] ten seyn; sondern weil der Gedanke von Gesetzen
dieser Art keine Wahrheit zu haben sich erweist.


Es ergab sich für ein Gesetz das Verhältniſs,
daſs die allgemeine organische Eigenschafft an einem
organischen Systeme sich zum Dinge gemacht und an
ihm seinem gestalteten Abdruck hätte, so daſs beyde
dasselbe Wesen wären, das einmal als allgemeines
Moment, das andremal als Ding vorhanden. Aber
auſserdem ist auch die Seite des Innern für sich ein
Verhältniſs mehrerer Seiten, und es bietet sich da-
her zuerst der Gedanke eines Gesetzes an, als eine
Beziehung der allgemeinen organischen Thätigkeiten
oder Eigenschafften auf einander. Ob ein solches
möglich ist, muſs sich aus der Natur einer solchen
Eigenschafft entscheiden. Sie ist aber, als eine all-
gemeine Flüssigkeit, theils nicht etwas, das nach
nach der Weise eines Dinges beschränkt und in dem
Unterschiede eines Daseyns sich hält, das seine Ge-
stalt ausmachen sollte, sondern die Sensibilität geht
über das Nervensystem hinaus, und durch alle an-
dere Systeme des Organismus hindurch, — theils ist
sie allgemeines Moment, das wesentlich ungeschie-
den und unzertrennlich von Reaction oder Irritabi-
lität und Reproduction ist. Denn als Reflexion in
sich, hat sie schlechthin die Reaction an ihr. Nur
in sich reflectirtseyn ist Passivität, oder todtes Seyn,
nicht eine Sensibilität, so wenig als Action, was das-
selbe ist als Reaction, ohne in sich reflectirtseyn Ir-
ritabilität ist. Die Reflexion in der Action oder Re-
[204] action, und die Action oder Reaction in der Refle-
xion ist gerade diſs, dessen Einheit das organische
ausmacht, eine Einheit, welche mit der organischen
Reproduction gleichbedeutend ist. Es folgt hieraus,
daſs in jeder Weise der Wirklichkeit dieselbe Gröſse
der Sensibilität, — indem wir zuerst das Verhältniſs
derselben und der Irritabilität zu einander betrach-
ten, — vorhanden seyn muſs, als der Irritabilität,
und daſs eine organische Erscheinung ebensosehr
nach der einen als nach der andern aufgefaſst und be-
stimmt, oder wie man will, erklärt werden kann.
Dasselbe, was der eine etwa für hohe Sensibilität
nimmt, kann ein anderer ebenso gut für hohe Irri-
tabilität, und Irritabilität von derselben Höhe betrach-
ten. Wenn sie Factoren genannt werden, und diſs
nicht ein bedeutungsloses Wort seyn soll, so ist eben
damit ausgesprochen, daſs sie Momente des Begriffs
sind, also der reale Gegenstand, dessen Wesen die-
ser Begriff ausmacht, sie auf gleiche Weise an ihm
hat, und wenn er auf die eine bestimmt wird, als
sehr sensibel, er ebenso auf die andere, als ebenso-
sehr irritabel auszusagen ist.


Werden sie unterschieden, wie nothwendig ist,
so sind sie es dem Begriffe nach, und ihr Gegensatz
ist qualitativ. Aber auſser diesem wahren Unter-
schiede auch noch als seyend, und für die Vorstel-
lung, wie sie Seiten des Gesetzes seyn könnten, ver-
schieden gesetzt, so erscheinen sie in quantitativer
Verschiedenheit. Ihr eigenthümlicher qualitativer
[205] Gegensatz tritt somit in die Gröſse, und es entstehen
Gesetze der Art, daſs zum Beyspiel Sensibilität und
Irritabilität in ungekehrtem Verhältnisse ihrer Grö-
ſse stehen, so daſs wie die eine wächst, die andere
abnimmt; oder besser gleich die Gröſse selbst zum
Inhalte genommen, daſs die Gröſse von Etwas zu-
nimmt, wie seine Kleinheit abnimmt. — Wird die-
sem Gesetze aber ein bestimmter Inhalt gegeben, et-
wa so, daſs die Gröſse eines Loches zunimmt, jemehr
das abnimmt, was seine Erfüllung ausmacht, so kann
diſs umgekehrte Verhältniſs ebenso in ein gerades
verwandelt und ausgedrückt werden, daſs die Grö-
ſse des Loches in geradem Verhältnisse der Menge
der weggenommenen zunimmt; — ein tavtalogischer
Satz, er mag als directes oder umgekehrtes Verhält-
niſs ausgedrückt werden, der in seinem eigenthüm-
lichen Ausdrucke nur dieses heiſst, daſs eine Gröſse
zunimmt, wie diese Gröſse zunimmt. Wie das
Loch und das, was es erfüllt und weggenommen
wird, qualitativ entgegengesetzt, aber wie das reale
derselben, und dessen bestimmte Gröſse in beyden,
ein und dasselbe, und ebenso Zunahme der Gröſse,
und Abnahme der Kleinheit dasselbe ist, und ihre
bedeutungsleere Entgegensetzung in eine Tavtalogie
hinausläufft, so sind die organischen Momente gleich
unzertrennlich in ihrem Realen, und in ihrer Grö-
ſse, die die Gröſse desselben ist; eines nimmt nur
mit dem andern ab und nimmt nur mit ihm zu, denn
eines hat schlechthin nur Bedeutung, insoweit das
[206] andere vorhanden ist; — oder vielmehr es ist gleich-
gültig eine organische Erscheinung als Irritabilität,
oder als Sensibilität zu betrachten, schon überhaupt,
und ebenso wenn von ihrer Gröſse gesprochen wird.
So gleichgültig es ist, die Zunahme eines Lochs, als
Vermehrung seiner als der Leerheit, oder als Ver-
mehrung der herausgenommenen Fülle auszuspre-
chen. Oder eine Zahl, z. B. drey, bleibt gleich groſs,
ich mag sie positiv oder negativ nehmen; und wenn
ich die drey zu vier vergröſsere, so ist das positive
wie das negative zu vier geworden; — wie der Süd-
pol an einem Magnete gerade so stark ist, als sein
Nordpol, oder eine positive Eleklricität, oder eine
Säure, gerade so stark als ihre negative, oder als die
Base, worauf sie einwirkt. — Ein solches Groſses,
als jene drey, oder ein Magnet u. s. f. ist ein orga-
nisches Daseyn; es ist dasjenige, das vermehrt und
vermindert wird, und wenn es vermehrt wird, wer-
den beyde Factoren desselben vermehrt, so sehr als
beyde Pole des Magnets, oder als die beyden Elektri-
citäten, wenn ein Magnet u. s. f. verstärkt wird, zu-
nehmen. — Daſs beyde eben so wenig nach Inten-
sion
und Extension verschieden seyn, das eine nicht
an Extension ab, dagegen an Intension zunehmen
kann, während das andere umgekehrt seine Inten-
sion vermindern, dagegen an Extension zuneh-
men sollte, fällt unter denselben Begriff leerer
Entgegensetzung; die reale Intension ist ebenso
[207] schlechthin so groſs als die Extension, und umge-
kehrt.


Es geht, wie erhellt, bey diesem Gesetzgeben
eigentlich so zu, daſs zuerst Irritabilität und Sen-
sibilität den bestimmten organischen Gegensatz aus-
macht; dieser Inhalt verliert sich aber und der Ge-
gensatz verläufft sich in den Formalen des Zu- und
Abnehmens der Gröſse, oder der verschiedenen In-
tension und Extension; — ein Gegensatz, der die
Natur der Sensibilität und der Irritabilität weiter
nichts mehr angeht, und sie nicht mehr ausdrückt.
Daher solches leeres Spiel des Gesetzgebens nicht an
die organischen Momente gebunden ist, sondern es
kann allenthalben mit allem getrieben werden, und
beruht überhaupt auf der Unbekanntschafft mit der
logischen Natur dieser Gegensätze.


Wird endlich statt der Sensibilität und Irritabi-
lität die Reproduction mit der einen oder der andern
in Beziehung gebracht, so fällt auch die Veranlas-
sung zu diesem Gesetzgeben hinweg; denn Repro-
duction steht mit jenen Momenten nicht in einem
Gegensatze, wie siegegeneinander; und da auf ihm
diſs Gesetzgeben beruht, so fällt hier auch der
Schein seines Stattfindens hinweg.


Das so eben betrachtete Gesetzgeben enthält die
Unterschiede des Organismus in ihrer Bedeutung
von Momenten seines Begriffs, und sollte eigent-
lich ein apriorisches Gesetzgeben seyn. Es liegt aber
[208] in ihm selbst wesentlich dieser Gedanke, daſs sie die
Bedeutung von Vorhandenen haben, und das bloſs
beobachtende Bewuſstseyn hat sich ohnehin nur an
ihr Daseyn zu halten. Die organische Wirklichkeit
hat nothwendig einen solchen Gegensatz an ihr, als
ihr Begriff ausdrückt, und der als Irritabilität und
Sensibilität bestimmt werden kann, sowie sie beyde
wieder von der Reproduction verschieden erschei-
nen. — Die Aeuſserlichkeit, in der die Momente des
organischen Begriffs hier betrachtet werden, ist die
eigne unmittelbare Aeuſserlichkeit des Innern, nicht
das Aeuſsere, welches Aeuſseres im Ganzen, und Ge-
stalt
ist, und mit welchem das Innre nachher in Be-
ziehung zu betrachten ist.


Aber den Gegensatz der Momente so aufgefaſst
wie er an dem Daseyn ist, so sinken Sensibilität,
Irritabilität, Reproduction zu gemeinen Eigenschaff-
ten
herunter, die gegeneinander ebenso gleichgültige
Allgemeinheiten sind, als specifische Schwere, Far-
be, Härte, und so fort. In diesem Sinne kann wohl
beobachtet werden, daſs ein organisches sensibler,
oder irritabler, oder von gröſserer Reproductions-
kraft sey als ein anderes; — so wie daſs die Sensibilität
u. s. f. des einen der Art nach von der eines andern
verschieden sey, eins sich gegen bestimmte Reitze
anders verhalte, als ein anderes, wie das Pferd an-
ders gegen Hafer als gegen Heu, und der Hund wie-
der anders gegen beyde, u. s. f. so sehr, als beob-
achtet werden kann, daſs ein Körper härter ist als
[209] ein anderer, und so fort. — Allein diese sinnlichen
Eigenschafften, Härte, Farbe, und so fort, so wie
die Erscheinungen der Reitzempfänglichkeit für Ha-
fer, der Irritabilität für Lasten, oder der Anzahl und
Art Junge zu gebähren, auf einander bezogen und
mit einander verglichen, widerstreiten wesentlich ei-
ner Gesetzmäſsigkeit. Denn die Bestimmtheit ihres
sinnlichen Seyns besteht eben darin, vollkommen
gleichgültig gegeneinander zu existiren, und die des
Begriffs entbundne Freyheit der Natur vielmehr dar-
zustellen, als die Einheit einer Beziehung, vielmehr
ihr unvernünftiges hin- und herspielen auf der Lei-
ter der zufälligen Gröſse zwischen den Momenten des
Begriffs, als diese selbst.


Die andere Seite, nach welcher die einfachen
Momente des organischen Begriffs mit den Momen-
ten der Gestaltung verglichen werden, würde erst
das eigentliche Gesetz geben, welches das wahre Aeu-
ſsere
als Abdruck des Innern ausspräche. — Weil
nun jene einfachen Momente durchdringende flüs-
sige Eigenschafften sind, so haben sie an dem orga-
nischen Dinge nicht einen solchen ausgeschiedenen
realen Ausdruck, wie das ist, was ein einzelnes Sy-
stem der Gestalt genannt wird. Oder wenn die ab-
stracte Idee des Organismus in jenen drey Momenten
nur darum wahrhafft ausgedrückt ist, weil sie nichts
stehendes, sondern nur Momente des Begriffs und
der Bewegung sind, so ist er dagegen als Gestaltung
nicht in solchen drey bestimmten Systemen befaſst,
O
[210] wie die Anatomie sie auseinander legt. Insofern sol-
che Systeme in ihrer Wirklichkeit gefunden, und
durch diſs Finden legitimirt werden sollen, muſs
auch erinnert werden, daſs die Anatomie nicht nur
drey dergleichen Systeme, sondern viel mehrere auf-
weist. — Alsdenn muſs abgesehen hievon, über-
haupt das sensible System etwas ganz anderes be-
deuten, als das was Nervensystem genannt wird, so
das irritable System etwas anderes als das Muskelsystem,
das reproductive System etwas anders als die Einge-
weide
der Reproduction. In den Systemen der Ge-
stalt
als solcher ist der Organismus nach der ab-
stracten Seite der todten Existenz aufgefaſst; seine
Momente so aufgenommen gehören der Anatomie
und dem Kadaver, nicht der Erkenntniſs und dem
lebendigen Organismus an. Als solche Theile ha-
ben sie vielmehr aufgehört, zu seyn, denn sie hören
auf Processe zu seyn. Da das Seyn des Organismus
wesentlich Allgemeinheit oder Reflexion in sich
selbst ist, so kann das Seyn seines Ganzen, wie sei-
ne Momente nicht in einem anatomischen Systeme
bestehen, sondern der wirkliche Ausdruck und ihre
Aeuſserlichkeit ist vielmehr nur als eine Bewegung
vorhanden, die sich durch die verschiedenen Theile
der Gestaltung verlaufft, und worin das, was als ein-
zelnes System herausgerissen und fixirt wird, sich
wesentlich als flieſsendes Moment darstellt, so daſs
nicht jene Wirklichkeit, wie die Anatomie sie fin-
det, als ihre Realität gelten darf, sondern nur sie
[211] als Proceſs, in welchem auch die anatomischen
Theile allein einen Sinn haben.


Es ergibt sich also, daſs weder die Momente des
organischen Innern für sich genommen, Seiten eines
Gesetzes des Seyns abzugeben fähig sind; indem sie in
einem solchen Gesetze von einem Daseyn ausgespro-
chen, von einander unterschieden, und nicht jede auf
gleiche Weise anstatt der andern sollte genannt wer-
den können; noch daſs sie auf die eine Seite gestellt,
in der andern an einem festen Systeme ihre Realisi-
rung haben; denn diſs letztere ist so wenig etwas,
das überhaupt organische Wahrheit hätte, als es der
Ausdruck jener Momente des Innern ist. Das wesent-
liche des Organischen, da es an sich das Allgemeine
ist, ist vielmehr überhaupt, seine Momente in der
Wirklichkeit ebenso allgemein, das heiſst, als durch-
lauffende Processe zu haben, nicht aber an einem iso-
lirten Dinge ein Bild des Allgemeinen zu geben.


Auf diese Weise geht an dem Organischen die
Vorstellung eines Gesetzes überhaupt verloren. Das
Gesetz will den Gegensatz als ruhende Seiten auffas-
sen und ausdrücken, und an ihnen die Bestimmtheit,
welche ihre Beziehung aufeinander ist. Das Innere,
welchem die erscheinende Allgemeinheit, und das
Aeuſsere, welchem die Theile der ruhenden Gestalt
angehören, sollten die sich entsprechenden Seiten
des Gesetes ausmachen, verlieren aber so auseinan-
dergehalten ihre organische Bedeutung; und die
Vorstellung des Gesetzes legt gerade diſs zum Grun-
O 2
[212] de, daſs seine beyden Seiten ein für sich seyendes
gleichgültiges Bestehen hätten, und an sie die Be-
ziehung, als eine gedoppelte sich entsprechende Be-
stimmtheit vertheilt wäre. Jede Seite des Organi-
schen ist vielmehr diſs an ihr selbst, einfache All-
gemeinheit, in welcher alle Bestimmungen aufgelöst
sind, und die Bewegung dieses Auflösens zu
seyn.


Die Einsicht in den Unterschied dieses Gesetz-
gebens gegen frühere Formen wird seine Natur vol-
lends aufhellen. — Sehen wir nemlich zurück auf
die Bewegung des Wahrnehmens und des darin sich
in sich reflectirenden und seinen Gegenstand hie-
durch bestimmenden Verstandes, so hat dieser da-
bey an seinem Gegenstande die Beziehung dieser ab-
stracten Bestimmungen, des Allgemeinen und Ein-
zelnen, des Wesentlichen und des Aeuſserlichen,
nicht vor sich, sondern ist selbst das Uebergehen,
dem dieses Uebergehen nicht gegenständlich wird.
Hier hingegen ist die organische Einheit, d. h. eben
die Beziehung jener Gegensätze, und diese Beziehung
ist reines Uebergehen, selbst der Gegenstand. Diſs
Uebergehen in seiner Einfachheit ist unmittelbar All
gemeinheit
, und indem sie in den Unterschied tritt,
dessen Beziehung das Gesetz ausdrücken soll, so sind
seine Momente als allgemeine Gegenstände dieses Be-
wuſstseyns, und das Gesetz lautet, daſs das Aeuſsere
Ausdruck des Innern sey. Der Verstand hat hier
den Gedanken des Gesetzes selbst erfaſst, da er vor-
[213] her nur überhaupt Gesetze suchte, und die Mo-
mente derselben ihm als ein bestimmter Inhalt,
nicht als die Gedanken derselben vorschwebte. —
In Ansehung des Inhalts sollen hiemit hier nicht
solche Gesetze erhalten werden, welche nur
ein ruhiges Aufnehmen rein seyender Unterschiede
in die Form der Allgemeinheit sind, sondern Gese-
tze, die unmittelbar an diesen Unterschieden auch
die Unruhe des Begriffes, und damit zugleich die
Nothwendigkeit der Beziehung der Seiten haben.
Allein weil eben der Gegenstand, die organische
Einheit, das unendliche Aufheben oder die absolute
Negation des Seyns mit dem ruhigen Seyn unmittel-
bar vereinigt, und die Momente wesentlich reines
Uebergehen
sind, so ergeben sich keine solche seyende
Seiten, als für das Gesetz erfodert werden.


Um solche zu erhalten muſs der Verstand sich
an das andre Moment des organischen Verhältnisses
halten; nemlich an das Reflectirtseyn des organischen
Daseyns in sich selbst. Aber dieses Seyn ist so voll-
kommen in sich reflectirt, daſs ihm keine Bestimmt-
heit gegen anderes übrig bleibt. Das unmittelbare
sinnliche Seyn ist unmittelbar mit der Bestimmtheit
als solcher eins, und drückt daher einen qualitati-
ven Unterschied an ihm aus; wie z. B. Blau gegen
Roth, Saures gegen Alkalisches u. s. f. Aber das in
sich zurückgekommene organische Seyn ist vollkom-
men gleichgültig gegen anderes, sein Daseyn ist die
einfache Allgemeinheit, und verweigert dem Beob-
[214] achten bleibende sinnliche Unterschiede, oder was
dasselbe ist, zeigt seine wesentliche Bestimmtheit nur
als den Wechsel seyender Bestimmtheiten. Wie sich
daher der Unterschied als seyender ausdrückt, ist
ebendiſs, daſs er ein gleichgültiger ist, d. h. als Gröſse.
Hierin ist aber der Begriff getilgt, und die Nothwen-
digkeit verschwunden. — Der Inhalt aber und Er-
füllung dieses gleichgültigen Seyns, der Wechsel der
sinnlichen Bestimmungen, in die Einfachheit einer
organischen Bestimmung zusammengenommen drückt
dann zugleich diſs aus, daſs er eben jene — der un-
mittelbaren Eigenschafft — Bestimmtheit nicht hat,
und das qualitative fällt allein in die Gröſse, wie
wir oben gesehen.


Ob also schon das Gegenständliche, das als or-
ganische Bestimmtheit aufgefaſst wird, den Begriff
an ihm selbst hat, und sich hiedurch von dem un-
terscheidet, das für den Verstand ist, der sich als
rein wahrnehmend bey dem Auffassen des Inhaltes
seiner Gesetze verhält, so fällt jenes Auffassen doch
ganz in das Princip und die Manier des bloſs wahr-
nehmenden Verstandes darum zurück, weil das Auf-
gefaſste zu Momenten eines Gesetzes gebraucht wird;
denn hiedurch erhält es die Weise einer festen Be-
stimmtheit, die Form einer unmittelbaren Eigen-
schafft oder einer ruhenden Erscheinung, wird fer-
ner in die Bestimmung der Gröſse aufgenommen,
und die Natur des Begriffs ist unterdrückt. — Die
Umtauschung eines bloſs wahrgenommenen gegen
[215] ein in sich reflectirtes, einer bloſs sinnlichen Be-
stimmtheit gegen eine organische verliert also
wieder ihren Werth, und zwar dadurch daſs der
Verstand das Gesetzgeben noch nicht aufgehoben
hat.


Um die Vergleichung in Ansehung dieses Um-
tausches an einigen Beyspielen anzustellen, so wird
etwa etwas, das für die Wahrnehmung ein Thier
von starken Muskeln ist, — als thierischer Orga-
nismus von hoher Irritabilität, oder was für die
Wahrnehmung ein Zustand groſser Schwäche ist, —
als Zustand hoher Sensibilität oder wenn man lieber
will als eine innormale Affection und zwar eine Po-
tenzirung derselben (Ausdrücke, welche das sinnliche,
statt in den Begriff, in ein Deutschlatein übersetzen)
bestimmt. Daſs das Thier starke Muskeln habe, kann
vom Verſtande auch so ausgedrückt werden, das Thier
besitze eine groſse Muskelkraft, — wie die groſse Schwä-
che als eine geringe Krafft. Die Bestimmung durch
Irritabilität hat vor der Bestimmung als Krafft voraus,
daſs diese die unbestimmte Reflexion in sich, jene
aber die bestimmte ausdrückt, denn die eigenthüm-
liche
Krafft des Muskels ist eben Irritabilität, — und
vor der Bestimmung als starke Muskeln, daſs wie schon
in der Krafft die Reflexion in sich zugleich darin
enthalten ist. So wie die Schwäche oder die ge-
ringe Krafft, die organische Passivität bestimmt durch
Sensibilität ausgedrückt wird. Aber diese Sensibilität
so für sich genommen und fixirt, und noch mit der
[216] Bestimmung der Gröſse verbunden, und als gröſse-
re oder geringere Sensibilität einer gröſsern oder ge-
ringern Irritabilität entgegengesetzt, ist jede ganz
in das sinnliche Element, und zur gemeinen Form
einer Eigenschafft herabgesetzt, und ihre Beziehung
nicht der Begriff, sondern im Gegentheil die Gröſse,
in welche nun der Gegensatz fällt, und ein gedan-
kenloser Unterschied wird. Wenn hiebei zwar das
unbestimmte der Ausdrücke von Krafft und Stärke
und Schwäche entfernt wurde, so entsteht itzt das
ebenso leere und unbestimmte Herumtreiben in den
Gegensätzen einer höhern und niedern Sensibilität,
Irritabilität in ihrem Auf- und Absteigen an und
gegeneinander. Nicht weniger als Stärke und Schwä-
che ganz sinnliche gedankenlose Bestimmungen sind,
ist die gröſsere oder geringere Sensibilität, Irritabi-
lität, die gedankenlos aufgefaſste und ebenso ausge-
sprochene sinnliche Erscheinung. An die Stelle je-
ner begriffslosen Ausdrücke ist nicht der Begriff ge-
treten, sondern Stärke und Schwäche durch eine Be-
stimmung erfüllt worden, die für sich allein ge-
nommen auf dem Begriffe beruht und ihn zum In-
halte hat, aber diesen Ursprung und Charakter gänz-
lich verliert. — Durch die Form der Einfachheit und
Unmittelbarkeit also, in welcher dieser Inhalt zur
Seite eines Gesetzes gemacht wird, und durch die
Gröſse, welche das Element des Unterschiedes sol-
cher Bestimmungen ausmacht, behält das ursprüng-
lich als Begriff seyende und gesetzte Wesen die
[217] Weise des sinnlichen Wahrnehmens, und bleibt von
dem Erkennen so entfernt, als in der Bestimmung
durch Stärke und Schwäche der Krafft, oder durch
unmittelbare sinnliche Eigenschafften.


Es ist itzt auch noch dasjenige für sich allein zu
betrachten übrig, was das Aeuſsere des Organischen
ist, und wie an ihm der Gegensatz seines Innern und
Aeuſsern sich bestimmt; so wie zuerst das Innere des
Ganzen in der Beziehung auf sein eignes Aeuſseres
betrachtet wurde.


Das Aeuſsere für sich betrachtet, ist die Gestal-
tung
überhaupt, das System des sich im Elemente des
Seyns gliedernden Lebens, und wesentlich zugleich
das Seyn des organischen Wesens für ein anderes, —
gegenständliches Wesen in seinem für sich seyn. —
Diſs Andere erscheint zunächst als seine äuſsere un-
organische Natur. Diese beyden in Beziehung auf
ein Gesetz betrachtet, kann, wie wir oben sahen, die
unorganische Natur nicht die Seite eines Gesetzes ge-
gen das organische Wesen ausmachen, weil dieses
zugleich schlechthin für sich ist, und eine allge-
meine und freye Beziehung auf sie hat.


Das Verhältniſs dieser beyden Seiten aber an der
organischen Gestalt selbst näher bestimmt, so ist sie
also nach einer Seite gegen die unorganische Natur
gekehrt, auf der andern aber für sich und in sich
reflectirt. Das wirkliche organische Wesen ist die
Mitte, welche das für sich seyn des Lebens mit dem
Aeuſsern überhaupt oder dem Ansichseyn zusammen-
[218] schlieſst. — Das Extrem des Fürsichseyns ist aber
das Innere als unendliches Eins, welches die Mo-
mente der Gestalt selbst aus ihrem Bestehen und dem
Zusammenhange mit dem Aeuſsern in sich zurück-
nimmt, das inhaltslose, das an der Gestalt sich sei-
nen Inhalt gibt, und an ihr als ihr Proceſs erscheint.
In diesem Extreme als einfacher Negativität oder
reiner Einzelnheit hat das Organische seine absolute
Freyheit, wodurch es gegen das Seyn für anderes,
und gegen die Bestimmtheit der Momente der Gestalt
gleichgültig und gesichert ist. Diese Freyheit ist zu-
gleich Freyheit der Momente selbst, sie ist ihre Mög-
lichkeit als daseyende zu erscheinen und aufgefaſst zu
werden, und wie gegen äuſseres sind sie darin auch
gegen einander befreyt und gleichgültig, denn die
Einfachheit dieser Freyheit ist das Seyn oder ihre
einfache Substanz. Dieser Begriff oder reine Frey-
heit ist ein und dasselbe Leben, die Gestalt oder das
Seyn für anderes mag in noch so mannigfaltigem
Spiele umherschweiffen; es ist diesem Strome des
Lebens gleichgültig, welcher Art die Mühlen sind,
die er treibt. — Vors erste ist nun zu bemerken,
daſs dieser Begriff hier nicht wie vorhin bey der Be-
trachtung des eigentlichen Innern in seiner Form des
Processes, oder der Entwicklung seiner Momente
aufzufassen ist, sondern in seiner Form als einfaches
Innres
, welches die rein allgemeine Seite gegen das
wirkliche lebendige Wesen ausmacht, oder als das
Element des Bestehens der seyenden Glieder der Ge-
[219] stalt; denn diese betrachten wir hier, und an ihr ist
das Wesen des Lebens als die Einfachheit des Be-
stehens. Alsdenn ist das Seyn für anderes oder die
Bestimmtheit der wirklichen Gestaltung, in diese
einfache Allgemeinheit aufgenommen, die ihr We-
sen ist, eine ebenso einfache allgemeine unsinnliche
Bestimmtheit, und kann nur die seyn, welche als
Zahl ausgedrückt ist. — Sie ist die Mitte der Ge-
stalt, welche das unbestimmte Leben mit dem wirk-
chen verknüpft, einfach wie jenes, und bestimmt
wie dieses. Was an jenem, dem Innern als Zahl
wäre, müſste das Aeuſsere nach seiner Weise als
die vielförmige Wirklichkeit, Lebensart, Farbe und
so fort ausdrücken, überhaupt als die ganze Menge
der Unterschiede, welche in der Erscheinung sich
entwickeln.


Die beyden Seiten des organischen Ganzen — die
eine das Innere, die andere aber das Aeuſsere, so daſs
jede wieder an ihr selbst ein Inneres und Aeuſseres
hat — nach ihrem beyderseitigen Innern verglichen,
so war das Innere der ersten der Begriff, als die Un-
ruhe der Abstraction; die zweyte aber hat zu dem
ihrigen die ruhende Allgemeinheit, und darin auch
die ruhende Bestimmtheit, die Zahl. Wenn daher
jene, weil in ihr der Begriff seine Momente entwi-
ckelt, durch den Schein von Nothwendigkeit der Be-
ziehung täuschend Gesetze verhieſs, so thut diese
sogleich Verzicht darauf, indem sich die Zahl als
die Bestimmung der einen Seite ihrer Gesetze zeigt.
[220] Denn die Zahl ist eben die gänzlich ruhende, todte
und gleichgültige Bestimmtheit, an welcher alle Be-
wegung und Beziehung erloschen ist, und welche die
Brücke zu dem lebendigen der Triebe, der Lebens-
art und dem sonstigen sinnlichen Daseyn abgebro-
chen hat.


Diese Betrachtung der Gestalt des Organischen
als solcher, und des Innern als eines Innern bloſs
der Gestalt ist aber in der That nicht mehr eine Be-
trachtung des Organischen. Denn die beyden Seiten,
die bezogen werden sollten, sind nur gleichgültig
gegeneinander gesetzt, und dadurch die Reflexion in
sich, welche das Wesen des Organischen ausmacht,
aufgehoben. Sondern es wird hier vielmehr auf die
unorganische Natur die versuchte Vergleichung des
Innern und Aeuſsern übergetragen; der unendli-
che Begriff ist hier nur das Wesen, das inwendig ver-
borgen, oder auſsen in das Selbstbewuſstseyn fällt,
und nicht mehr, wie am Organischen seine gegen-
ständliche Gegenwart hat. Diese Beziehung des In-
nern und Aeuſsern ist also noch in ihrer eigentlichen
Sphäre zu betrachten.


Zuerst ist jenes Innere der Gestalt als die ein-
fache Einzelnheit eines unorganischen Dinges, die
specifische Schwere. Sie kann als einfaches Seyn eben-
sowohl, wie die Bestimmtheit der Zahl, deren sie
allein fähig ist, beobachtet oder eigentlich durch Ver-
gleichung von Beobachtungen gefunden werden, und
scheint auf diese Weise die eine Seite des Gesetzes
[221] zu geben. Gestalt, Farbe, Härte, Zähigkeit und
eine unzählige Menge anderer Eigenschafften wür-
den zusammen die äuſsere Seite ausmachen, und die
Bestimmtheit des Innern, die Zahl, auszudrücken
haben, so daſs das eine am andern sein Gegenbild
hätte.


Weil nun die Negativität hier nicht als Bewegung
des Processes, sondern als beruhigte Einheit oder ein-
faches für sich seyn
aufgefaſst ist, so erscheint sie viel-
mehr als dasjenige, wodurch das Ding sich dem Pro-
cesse widersetzt, und sich in sich und als gleichgül-
tig gegen ihn erhält. Dadurch aber daſs diſs einfache
Fürsichseyn eine ruhige Gleichgültigkeit gegen an-
deres ist, tritt die specifische Schwere als eine Eigen-
schafft neben
andere; und damit hört alle nothwen-
dige Beziehung ihrer auf diese Vielheit, oder alle
Gesetzmäſsigkeit auf. — Die specifische Schwere als
diſs einfache Innere, hat nicht den Unterschied an
ihr selbst
, oder sie hat nur den unwesentlichen; denn
eben ihre reine Einfachheit hebt alle wesentliche Un-
terscheidung auf. Dieser unwesentliche Unterschied,
die Gröſse, müſste also an der andern Seite, welche
die Vielheit der Eigenschafften ist, sein Gegen-
bild oder das Andere haben, indem er dadurch
überhaupt erst Unterschied ist. Wenn diese Viel-
heit selbst in die Einfachheit des Gegensatzes zusam-
mengefaſst, und etwa als Kohäsion bestimmt wird,
so daſs diese das für sich im Andersseyn, wie die spe-
cifische Schwere das reine Fürsichseyn ist, so ist diese
[222] Kohäsion zuerst diese reine im Begriffe gesetzte Be-
stimmtheit gegen jene Bestimmtheit, und die Ma-
nier des Gesetzgebens wäre die, welche oben bey der
Beziehung der Sensibilität auf die Irritabilität be-
trachtet worden. — Alsdenn ist sie ferner als Begriff
des Fürsichseyns im Andersseyn nur die Abstra-
ction
der Seite, die der specifischen Schwere gegen-
über steht, und hat als solche keine Existenz. Denn
das Fürsichseyn im Andersseyn ist der Proceſs, wor-
in das unorganische sein Fürsichseyn als eine Selbst-
erhaltung
auszudrücken hätte, welche es dagegen be-
wahrte aus dem Processe als Moment eines Products
herauszutreten. Allein diſs eben ist gegen seine Na-
tur, welche nicht den Zweck oder Allgemeinheit an
ihr selbst hat. Sein Proceſs ist vielmehr nur das be-
stimmte Verhalten, wie sein Fürsichseyn, seine spe-
cifische Schwere sich aufhebt. Diſs bestimmte Ver-
halten, worin seine Kohäsion in ihrem wahren Be-
griffe bestehen würde, aber selbst, und die bestimmte
Gröſse seiner specifischen Schwere sind ganz gleich-
gültige Begriffe gegeneinander. Wenn die Art des
Verhaltens ganz auſser Acht gelassen, und auf
die Vorstellung der Gröſse eingeschränkt würde, so
könnte etwa diese Bestimmung gedacht werden, daſs
das gröſsere specifische Gewicht, als ein höheres In-
sichseyn dem Eingehen in den Proceſs mehr wider-
stände, als das geringere. Allein umgekehrt be-
währt die Freyheit des Fürsichseyns sich nur in der
Leichtigkeit, mit allem sich einzulassen und sich in
[223] dieser Mannichfaltigkeit zu erhalten. Jene Intensi-
tät ohne Extension der Beziehungen ist eine gehalt-
lose Abstraction, denn die Extension macht das Da-
seyn
der Intensität aus. Die Selbsterhaltung aber des
Unorganischen in seiner Beziehung fällt, wie erin-
nert, auſser der Natur derselben, da es das Princip
der Bewegung nicht an ihm selbst hat, oder da sein
Seyn nicht die absolute Negativität und Begriff
ist.


Diese andre Seite des Unorganischen dagegen
nicht als Proceſs, sondern als ruhendes Seyn be-
trachtet, so ist sie die gemeine Kohäsion, eine ein-
fache
sinnliche Eigenschafft auf die Seite getreten ge-
gen das freygelassene Moment des Andersseyn, wel-
ches in vielen gleichgültigen Eigenschafften ausein-
ander liegt, und unter diese selbst, wie die specifi-
sche Schwere, tritt; die Menge der Eigenschafften
zusammen macht dann die andre Seite zu dieser aus.
An ihr aber, wie an den andern ist die Zahl die ein-
zige Bestimmtheit, welche eine Beziehung und Ue-
bergang dieser Eigenschafften zu einander nicht nur
nicht ausdrückt, sondern eben wesentlich diſs ist,
keine nothwendige Beziehung zu haben, sondern die
Vertilgung aller Gesetzmäſsigkeit darzustellen, denn
sie ist der Ausdruck der Bestimmtheit als einer un-
wesentlichen
. So daſs also eine Reihe von Körpern,
welche den Unterschied als Zahlenunterschied ihrer
specifischen Schweren ausdrückt, durchaus nicht ei-
ner Reihe des Unterschieds der andern Eigenschaff-
[224] ten parallel geht, wenn auch, um die Sache zu er-
leichtern, von ihnen nur eine einzelne oder etliche
genommen werden. Denn in der That könnte es nur
das ganze Konvolut derselben seyn, was in dieser
Parallele die andere Seite auszumachen hätte. Die-
ses in sich zu ordnen und zu einem Ganzen zu
verbinden, sind die Gröſsenbestimmtheiten dieser
vielerley Eigenschafften für die Beobachtung einer-
seits vorhanden, andererseits aber treten ihre Un-
terschiede als qualitativ ein. Was nur in diesem
Hauffen als positiv oder negativ bezeichnet werden
müſste und sich gegenseitig aufhöbe, überhaupt die
innre Figuration und Exposition der Formel, die
sehr zusammengesetzt seyn würde, gehörte dem Be-
griffe an, welcher eben in der Weise, wie die Ei-
genschafften als seyende daliegen und aufgenommen
werden sollen, ausgeschlossen ist; in diesem Seyn
zeigt keine den Charakter eines negativen gegen die
andere, sondern die eine ist so gut als die andere,
noch deutet sie sonst ihre Stelle in der Anordnung
des Ganzen an. — Bey einer Reihe, die in paral-
lelen Unterschieden, — das Verhältniſs möchte als
auf beyden Seiten zugleich steigend, oder nur auf der
einen und auf der andern abnehmend gemeynt wer-
den, — ist es nur um den letzten einfachen Ausdruck
dieses zusammengefaſsten Ganzen zu thun, welches
die eine Seite des Gesetzes, gegen die specifische Schwere
ausmachen sollte; aber diese eine Seite, als seyendes
Resultat
ist eben nichts anders als was schon erwähnt
[225] worden, nemlich einzelne Eigenschafft, wie etwa
auch die gemeine Kohäsion, neben welcher die an-
dern und darunter auch die specifische Schwere,
gleichgültig vorhanden sind, und jede andre mit
dem gleichen Rechte, d. h. mit dem gleichen Un-
rechte zum Representanten der ganzen andern Seite
gewählt werden kann; eine wie die andre würde das
Wesen nur representiren, auf deutsch: vorstellen,
aber nicht die Sache selbst seyn. So daſs der Ver-
such Körper-Reihen zu finden, welche an der ein-
fachen Parallele zweyer Seiten fortlieffen, und die
wesentliche Natur der Körper nach einem Gesetze
dieser Seiten ausdrückten, für einen Gedanken ge-
nommen werden muſs, welcher seine Aufgabe und
die Mittel, wodurch sie ausgeführt werden sollte,
nicht kennt.


Es wurde vorhin die Beziehung des Aeuſsern
und Innern an der Gestalt, welche der Beobachtung
sich darstellen soll, sogleich zu der Sphäre des Un-
organischen herübergenommen; die Bestimmung,
welche sie hieher zieht, kann itzt näher angegeben
werden, und es ergibt sich von da noch eine andere
Form und Beziehung dieses Verhältnisses. Bey dem
Organischen nemlich fällt überhaupt das hinweg, was
bey dem Unorganischen die Möglichkeit einer sol-
chen Vergleichung des Innern und Aeuſsern darzu-
bieten scheint. Das unorganische Innere ist ein ein-
faches Inneres, das für die Wahrnehmung als seyende
Eigenschafft sich darbietet; seine Bestimmtheit ist
P
[226] daher wesentlich die Gröſse, und es erscheint als
seyende Eigenschafft gleichgültig gegen das Aeuſse-
re, oder die vielen andern sinnlichen Eigenschaff-
ten. Das Fürsichseyn des Organisch-lebendigen
aber tritt nicht so auf die Seite gegen sein Aeuſse-
res, sondern hat das Princip des Andersseyns an ihm
selbst. Bestimmen wir das Fürsichseyn als einfache
sich erhaltende Beziehung auf sich selbst
, so ist sein
Andersseyn die einfache Negativität, und die orga-
nische Einheit ist die Einheit des sichselbstgleichen
sich auf sich Beziehens, und der reinen Negativi-
tät. Diese Einheit ist als Einheit das Innere des
Organischen; diſs ist hiedurch an sich allgemeine,
oder es ist Gattung. Die Freyheit der Gattung ge-
gen ihre Wirklichkeit aber ist eine andere als die
Freyheit der specifischen Schwere gegen die Gestalt.
Die der letztern ist eine seyende Freyheit, oder daſs
sie als besondere Eigenschafft auf die Seite tritt.
Aber weil sie seyende Freyheit ist, ist sie auch nur
Eine Bestimmtheit, welche dieser Gestalt wesentlich
angehört, oder wodurch diese als Wesen ein be-
stimmtes ist. Die Freyheit der Gattung aber ist
eine allgemeine, und gleichgültig gegen diese Ge-
stalt oder gegen ihre Wirklichkeit. Die Bestimmt-
heit
, welche dem Fürsichseyn des Unorganischen als
solchem
zukommt, tritt daher an dem Organischen
unter sein Fürsichseyn; wie sie an dem Unorgani-
schen nur unter das Seyn desselben tritt; ob sie da-
her schon an diesem zugleich nur als Eigenschafft
[227] ist, so fällt ihr doch die Würde des Wesens zu,
weil sie als das einfache Negative dem Daseyn als
dem Seyn für anderes gegenübersteht; und diſs ein-
fache Negative ist in seiner letzten einzelnen Be-
stimmtheit eine Zahl. Das Organische aber ist eine
Einzelnheit, welche selbst reine Negativität und da-
her die fixe Bestimmtheit der Zahl, welche dem
gleichgültigen Seyn zukommt, in sich vertilgt. Inso-
fern es das Moment des gleichgültigen Seyns und
darin der Zahl an ihm hat, kann sie daher nur als
ein Spiel an ihm, nicht aber als das Wesen seiner
Lebendigkeit genommen werden.


Wenn nun aber schon die reine Negativität,
das Princip des Processes, nicht auſser dem Orga-
nischen fällt, und es sie also nicht als eine Be-
stimmtheit in seinem Wesen hat, sondern die Ein-
zelnheit selbst an sich allgemein ist, so ist doch
diese reine Einzelnheit nicht in ihren Momenten als
selbst abstracten oder allgemeinen an ihm entwickelt
und wirklich. Sondern dieser Ausdruck tritt auſser
jener Allgemeinheit, welche in die Innerlichkeit zu-
rückfällt, und zwischen die Wirklichkeit oder Ge-
stalt, d. h. die sich entwickelnde Einzelnheit und
zwischen das organische Allgemeine, oder die Gat-
tung, das bestimmte Allgemeine, die Art. Die Exi-
stenz, zu welcher die Negativität des Allgemeinen
oder der Gattung gelangt, ist nur die entwickelte Be-
wegung eines Processes, welcher sich an den Theilen
der seyenden Gestalt
verläufft. Hätte die Gattung an
P 2
[228] ihr als ruhender Einfachheit die unterschiedenen
Theile, und wäre somit ihre einfache Negativität als
solche zugleich Bewegung, welche sich durch ebenso
einfache, unmittelbar an ihnen allgemeine Theile
verlieffe, die als solche Momente hier wirklich wä-
ren, so wäre die organische Gattung Bewuſstseyn.
So aber ist die einfache Bestimmtheit, als Bestimmt-
heit der Art, an ihr auf eine geistlose Weise vor-
handen; die Wirklichkeit fängt von ihr an, oder was
in die Wirklichkeit tritt, ist nicht die Gattung als
solche, d. h. überhaupt nicht der Gedanke. Diese
als wirkliches Organisches ist nur durch einen Re-
präsentanten vertreten. Dieser aber, die Zahl, welche
den Uebergang aus der Gattung in die individuelle
Gestaltung zu bezeichnen, und der Beobachtung die
beyden Seiten der Nothwendigkeit, einmal als einfa-
che Bestimmtheit, das anderemal sie als entwickelte
zur Mannigfaltigkeit herausgeborne Gestalt zu ge-
ben scheint, bezeichnet vielmehr die Gleichgültig-
keit und Freyheit des Allgemeinen und Einzelnen
gegeneinander, das von der Gattung dem wesenlo-
sen Unterschiede der Gröſse preisgegeben wird, selbst
aber als lebendiges von diesem Unterschiede sich
ebenso frey erweist. Die wahre Allgemeinheit, wie
sie bestimmt worden, ist hier nur innres Wesen; als
Bestimmtheit der Art ist sie formale Allgemeinheit,
und dieser gegenüber tritt jene wahre Allgemein-
heit auf die Seite der Einzelnheit, die dadurch eine
lebendige ist, und sich durch ihr Inneres über ihre
[229] Bestimmtheit als Art
hinwegsetzt. Aber diese Ein-
zelnheit ist nicht zugleich allgemeines Individuum,
d. h. an dem die Allgemeinheit ebenso äuſsere Wirk-
lichkeit hätte, sondern diſs fällt auſser dem Or-
ganisch-lebendigen. Dieses allgemeine Individuum
aber, wie es unmittelbar das Individuum der natür-
lichen Gestaltungen ist, ist nicht das Bewuſstseyn
selbst; sein Daseyn als einzelnes organisches leben-
diges Individuum
müſste nicht auſser ihm fallen, wenn
es dieses seyn sollte.


Wir sehen daher einen Schluſs, worin das eine
Extrem das allgemeine Leben als allgemeines, oder als
Gattung, das andre Extrem aber dasselbe als Ein-
zelnes
, oder als allgemeines Individuum ist; die Mitte
aber ist aus beyden zusammengesetzt, das erste
scheint in sie sich als bestimmte Allgemeinheit oder
als Art, das andre aber als eigentliche oder einzelne
Einzelnheit zu schicken. — Und da dieser Schluſs
überhaupt der Seite der Gestaltung angehört, so ist
unter ihm ebenso dasjenige begriffen, was als un-
organische Natur unterschieden wird.


Indem nun das allgemeine Leben als das einfa-
che Wesen der Gattung
von seiner Seite die Unter-
schiede des Begriffs entwickelt, und sie als eine
Reihe der einfachen Bestimmtheiten darstellen muſs,
so ist diese ein Sytem gleichgültig gesetzter Unter-
schiede, oder eine Zahlreihe. Wenn vorhin das Or-
ganische in der Form der Einzelnheit diesem wesen-
losen Unterschiede gegenübergesetzt wurde, der ihre
[230] lebendige Natur nicht ausdrückt und enthält — und
wenn in Ansehung des Unorganischen nach seinem
ganzen in der Menge seiner Eigenschafften entwickel-
ten Daseyn ebendiſs gesagt werden muſs, — so ist
es itzt das allgemeine Individuum, welches nicht nur
als frey von jeder Gliederung der Gattung, sondern
auch als ihre Macht zu betrachten ist. Die Gattung,
welche sich in Arten nach der allgemeinen Bestimmt-
heit
der Zahl zerlegt, oder auch einzelne Bestimmt-
heiten ihres Daseyns, z. B. die Figur, Farbe u. s. f.
zu ihrem Eintheilungsgrunde nehmen mag, erleidet
in diesem ruhigen Geschäffte Gewalt von der Seite
des allgemeinen Individuums, der Erde, welches als
die allgemeine Negativität, die Unterschiede, wie
sie dieselben an sich hat und deren Natur um der
Substanz willen, der sie angehören, eine andere ist als
die Natur jener, gegen das Systematisiren der Gattung
geltend macht. Dieses Thun der Gattung wird zu
einem ganz eingeschränkten Geschäffte, das sie nur
innerhalb jener mächtigen Elemente treiben darf,
und das durch die zügellose Gewalt derselben al-
lenthalben unterbrochen, lückenhaft und verküm-
mert wird.


Es folgt hieraus, daſs der Beobachtung an dem
gestalteten Daseyn nur die Vernunft als Leben über-
haupt
werden kann, welches aber in seinem Unter-
scheiden keine vernünftige Reihung und Geglie-
derung an sich selbst wirklich hat, und nicht ein in
sich gegründetes System der Gestalten ist. — Wenn
[231] im Schlusse der organischen Gestaltung die Mitte,
worein die Art und ihre Wirklichkeit als ei[nz]elne
Individualität fällt, an ihr selbst die Extreme der
innern Allgemeinheit und der allgemeinen Individua-
lität hätte, so würde diese Mitte an der Bewegung ihrer
Wirklichkeit den Ausdruck und die Natur der Allge-
meinheit haben, und die sich selbst systematisirende
Entwicklung seyn. So hat das Bewuſstseyn, zwischen
dem allgemeinen Geiste und zwischen seiner Ein-
zelnheit oder dem sinnlichen Bewuſstseyn, zur Mitte
das System der Gestaltungen des Bewuſstseyns, als
ein zum Ganzen sich ordnendes Leben des Geistes,
— das System, das hier betrachtet wird, und welches
als Weltgeschichte sein gegenständliches Daseyn hat.
Aber die organische Natur hat keine Geschichte; sie
fällt von ihrem Allgemeinen, dem Leben, unmit-
telbar in die Einzelnheit des Daseyns herunter, und
die in dieser Wirklichkeit vereinigten Momente der
einfachen Bestimmtheit und der einzelnen Lebendig-
heit bringen das Werden nur als die zufällige Bewe-
gung hervor, worin jedes an seinem Theile thätig
ist und das Ganze erhalten wird, aber diese Regsam-
keit ist für sich selbst nur auf ihren Punkt beschränkt,
weil das Ganze nicht in ihm vorhanden ist, und diſs
ist nicht darin vorhanden, weil es nicht als Ganzes
hier für sich ist.


Auſserdem also, daſs die beobachtende Ver-
nunft in der organischen Natur nur zur Anschauung
ihrer selbst als allgemeines Leben überhaupt kommt,
[232] wird ihr die Anschauung seiner Entwicklung und
Realisirung nur nach ganz allgemein unterschiede-
nen Systemen, deren Bestimmung ihr Wesen nicht
in dem Organischen als solchem, sondern in dem all-
gemeinen Individuum liegt; und unter diesen Un-
terschieden der Erde, nach Reihungen, welche die
Gattung versucht.


Indem also in seiner Wirklichkeit die Allgemein-
heit des organischen Lebens
sich, ohne die wahrhaffte
fürsichseyende Vermittlung, unmittelbar in das Ex-
trem der Einzelnheit herunterfallen läſst, so hat das
beobachtende Bewuſstseyn nur das Meynen als Ding
vor sich; und wenn die Vernunft das müssige In-
teresse haben kann, dieses Meynen zu beobachten,
ist sie auf das Beschreiben und Hererzählen von
Meynungen und Einfällen der Natur beschränkt,
Diese geistlose Freyheit des Meynens wird zwar al-
lenthalben Anfänge von Gesetzen, Spuren von Noth-
wendigkeit, Anspielungen auf Ordnung und Rei-
hung, witzige und scheinbare Beziehungen darbie-
ten. Aber die Beobachtung kommt in der Beziehung
des Organischen auf die seyenden Unterschiede des
Unorganischen, die Elemente, Zonen und Klimate,
in Ansehung des Gesetzes und der Nothwendigkeit
nicht über den groſsen Einfluſs hinaus. So auf der
andern Seite, wo die Individualität nicht die Be-
deutung der Erde, sondern das dem organischen Le-
ben immanenten Eins hat, diſs aber mit dem All-
gemeinen in unmittelbarer Einheit zwar die Gattung
[233] ausmacht, aber deren einfache Einheit ebendarum
nur als Zahl sich bestimmt, und daher die qualita-
tive Erscheinung freyläſst, — kann es die Beobach-
tung nicht über artige Bemerkungen, interessante Bezie-
hungen, freundliches Entgegenkommen dem Begriffe
,
hinausbringen. Aber die artigen Bemerkungen sind
kein Wissen der Nothwendigkeit, die interessanten Be-
ziehungen bleiben bey dem Interesse stehen, das In-
teresse ist aber nur noch die Meynung von der Ver-
nunft; und die Freundlichkeit des individuellen, mit
der es an einen Begriff anspielt, ist eine kindliche
Freundlichkeit, welche kindisch ist, wenn sie an
und für sich etwas gelten will oder soll.


[234]
b.
Die Beobachtung des Selbstbewuſstseyns
in seiner Reinheit und seiner Beziehung auf
äuſsre Wirklichkeit;
logische und psychologische Gesetze.

Die Naturbeobachtung findet den Begriff in der un-
organischen Natur realisirt, Gesetze, deren Mo-
mente Dinge sind, welche sich zugleich als Ab-
stractionen verhalten; aber dieser Begriff ist nicht
eine in sich reflectirte Einfachheit. Das Leben der
organischen Natur ist dagegen nur diese in sich re-
flectirte Einfachheit, der Gegensatz seiner selbst, als
des Allgemeinen und des Einzelnen tritt nicht im
Wesen dieses Lebens selbst auseinander; das We-
sen ist nicht die Gattung, welche in ihrem unter-
schiedslosen Elemente sich trennte und bewegte, und
in ihrer Entgegensetzung für sich selbst zugleich un-
unterschieden wäre. Die Beobachtung findet diesen
freyen Begriff, dessen Allgemeinheit die entwickelte
Einzelnheit ebenso absolut in ihr selbst hat, nur in
dem als Begriff existirenden Begriffe selbst, oder in
dem Selbstbewuſstseyn.


[235]

Indem sie sich nun in sich sellst kehrt, und
auf den als freyen Begriff wirklichen Begriff rich-
tet, findet sie zuerst die Gesetze des Denkens. Diese
Einzelnheit, welche das Denken an ihm selbst ist,
ist die abstracte, ganz in die Einfachheit zurückge-
nommene Bewegung des Negativen, und die Gese-
tze sind auſserhalb der Realität. — Sie haben keine
Realität, heiſst überhaupt nichts anders, als sie sind
ohne Wahrheit. Sie sollen auch zwar nicht ganze,
aber doch formelle Wahrheit seyn. Allein das rein
formelle ohne Realität ist das Gedankending, oder
die leere Abstraction ohne die Entzweyung an ihr,
welche nichts anders als der Inhalt wäre. — Auf
der andern Seite aber, indem sie Gesetze des rei-
nen Denkens sind, dieses aber das an sich Allge-
meine, und also ein Wissen ist, welches unmittel-
bar das Seyn und darin alle Realität an ihm hat, sind
diese Gesetze absolute Begriffe und ungetrennt die We-
senheiten der Form wie der Dinge. Da die sich in
sich bewegende Allgemeinheit der entzweyte einfache
Begriff ist; hat er auf diese Weise Inhalt an sich,
und einen solchen, welcher aller Inhalt, nur nicht
ein sinnliches Seyn ist. Es ist ein Inhalt, der we-
der im Widerspruche mit der Form noch überhaupt
von ihr getrennt, sondern vielmehr wesentlich sie
selbst ist, denn diese ist nichts anderes als das in
seine reinen Momente sich trennende Allgemeine.


Wie aber diese Form oder Inhalt für de Reob-
achtung
als Beobachtung ist, erhält sie die Bestim-
[236] mung eines gefundenen, gegebenen, d. i. nur seyenden
Inhalts. Er wird ruhiges Seyn von Beziehungen, eine
Menge abgesonderter Nothwendigkeiten, die als ein
fester Inhalt an und für sich, in ihrer Bestimmtheit,
Wahrheit haben sollen, und so in der That der Form
entzogen sind. — Diese absolute Wahrheit fixer
Bestimmtheiten oder vieler verschiedener Gesetze,
widerspricht aber der Einheit des Selbstbewuſstseyns,
oder des Denkens und der Form überhaupt. Was
für festes an sich bleibendes Gesetz ausgesagt wird,
kann nur ein Moment der sich in sich reflectirenden
Einheit seyn, nur als eine verschwindende Gröſse
auftreten. Aus diesem Zusammenhange der Bewegung
aber von der Betrachtung herausgerissen und einzeln
hingestellt, fehlt ihnen nicht der Inhalt, denn sie
haben vielmehr einen bestimmten Inhalt, sondern sie
entbehren vielmehr der Form, welche ihr Wesen
ist. In der That nicht darum, weil sie nur formell
seyn und keinen Inhalt haben sollen, sondern viel-
mehr aus dem entgegengesetzten Grunde, weil sie
in ihrer Bestimmtheit, oder eben als ein Inhalt, dem
die Form genommen ist, für etwas absolutes gelten
sollen, sind diese Gesetze nicht die Wahrheit des
Denkens. In ihrer Wahrheit, als in der Einheit
des Denkens verschwindende Momente, müſsten sie
als Wissen, oder denkende Bewegung, nicht aber
als Gesetze des Wissens genommen werden. Das
Beobachten aber ist nicht das Wissen selbst, und
kennt es nicht, sondern verkehrt seine Natur in die
[237] Gestalt des Seyns, d. h. faſst seine Negativität nur
als Gesetze desselben auf. — Es ist hier hinreichend,
die Ungültigkeit der sogenannten Denkgesetze aus
der allgemeinen Natur der Sache aufgezeigt zu ha-
ben. Die nähere Entwicklung gehört in die spe-
culative Philosophie, worin sie sich als dasjenige zei-
gen, was sie in Wahrheit sind, nemlich einzelne
verschwindende Momente, deren Wahrheit nur
das Ganze der denkenden Bewegung, das Wissen
selbst ist.


Diese negative Einheit des Denkens ist für sich
selbst, oder vielmehr sie ist das Fürsichselbstseyn, das
Princip der Individualität, und in seiner Realität,
thuendes Bewuſstseyn. Zu ihm als der Realität jener
Gesetze wird daher das beobachtende Bewuſstseyn
durch die Natur der Sache fortgeführt. Indem die-
ser Zusammenhang nicht für es ist, so meynt es,
das Denken in seinen Gesetzen bleibe ihm auf der
einen Seite stehen, und auf der andern Seite erhalte
es ein anderes Seyn an dem, was ihm itzt Gegenstand
ist, nemlich das thuende Bewuſstseyn, welches so
für sich ist, daſs es das Andersseyn aufhebt, und in
dieser Anschauung seiner selbst als des negativen
seine Wirklichkeit hat.


Es eröffnet sich also für die Beobachtung ein
neues Feld an der handelnden Wirklichkeit des Bewuſst-
seyns
. Die Psychologie enthält die Menge von Ge-
tzen, nach welchen der Geist gegen die verschiede-
nen Weisen seiner Wirklichkeit, als eines vorgefun-
[238] denen Andersseyns
, sich verschieden verhält; theils
diese in sich zu empfangen, und den vorgefundenen
Gewohnheiten, Sitten und Denkungsart, als worin
er sich als Wirklichkeit Gegenstand ist, gemäſs zu
werden
, — theils gegen sie sich selbstthätig zu wis-
sen, mit Neigung und Leidenschaft nur besonderes
daraus für sich herauszugreiffen, und das gegen-
ständliche sich gemäſs zu machen; dort sich gegen
sich selbst als Einzelnheit, hier gegen sich als all-
gemeines Seyn negativ zu verhalten. — Die
Selbstständigkeit gibt dem Vorgefundenen nach der
ersten Seite nur die Form bewuſster Individuali-
tät überhaupt, und bleibt in Ansehung des Inhalts
innerhalb der vorgefundenen allgemeinen Wirklich-
keit stehen; nach der andern Seite aber gibt sie ihr
wenigstens eine eigenthümliche Modification, die
ihrem wesentlichen Inhalte nicht widerspricht, oder
auch eine solche, wodurch das Individuum als be-
sondere Wirklichkeit und eigenthümlicher Inhalt
sich ihr entgegensetzt, — und zum Verbrechen wird,
indem es sie auf eine nur einzelne Weise aufhebt,
oder indem es diſs auf eine allgemeine Weise und da-
mit für alle thut, eine andere Welt, anderes Recht,
Gesetz und Sitten an die Stelle der vorhandenen bringt.


Die beobachtende Psychologie, welche zuerst
ihre Wahrnehmungen von den allgemeinen Weisen,
die ihr an dem thätigen Bewuſstseyn vorkommen,
ausspricht, findet mancherley Vermögen, Neigun-
gen und Leidenschafften, und indem sich die Er-
[239] innerung an die Einheit des Selbstbewuſstseyns bey
der Hererzählung dieser Collection nicht unterdrü-
cken läſst, m[u]ſ[s] sie wenigstens bis zur Verwunde-
rung fortgehen, daſs in dem Geiste, wie in einem
Sacke, so vielerley und solche heterogene einander
zufällige Dinge beysammen seyn können, beson-
ders auch da sie sich nicht als todte ruhende Dinge,
sondern als unruhige Bewegungen zeigen.


In der Hererzählung dieser verschiedenen Ver-
mögen ist die Beobachtung in der allgemeinen Seite;
die Einheit dieser vielfachen Fähigkeiten ist die die-
ser Allgemeinheit entgegengesetzte Seite die wirkliche
Individualität. — Die unterschiednen wirklichen
Individualitäten wieder so aufzufassen und zu erzäh-
len, daſs der eine Mensch mehr Neigung zu diesem,
der andere mehr zu jenem, der eine mehr Verstand
als der andere habe, hat aber etwas viel uninteres-
santeres, als selbst die Arten von Insekten, Moo-
sen, und so fort aufzuzählen; denn diese geben der
Beobachtung das Recht, sie so einzeln und begriff-
los zu nehmen, weil sie wesentlich dem Elemente
der zufälligen Vereinzelung angehören. Die be-
wuſste Individualität hingegen, geistlos als einzelne
seyende Erscheinung zu nehmen, hat das widerspre-
chende, daſs ihr Wesen das Allgemeine des Geistes
ist. Indem aber das Auffassen sie zugleich in die
Form der Allgemeinheit eintreten läſst, findet es ihr
Gesetz
, und scheint itzt einen vernünftigen Zweck zu
haben, und ein nothwendiges Geschäffte zu treiben.


[240]

Die Momente, die den Inhalt des Gesetzes aus-
machen, sind einerseits die Individualität selbst, an-
derseits ihre allgemeine unorganische Natur, nem-
lich die vorgefundenen Umstände, Lage, Gewohn-
heiten, Sitten, Religion, und so weiter; aus diesen
ist die bestimmte Individualität zu begreiffen. Sie
enthalten Bestimmtes ebensowohl als Allgemeines,
und sind zugleich Vorhandenes, das sich der Beob-
achtung darbietet, und sich an der andern Seite in
der Form der Individualität ausdrückt.


Das Gesetz dieses Verhältnisses der beyden Sei-
ten müſste nun diſs enthalten, was diese bestimmten
Umstände für eine Wirkung und Einfluſs auf die
Individualität ausüben. Diese Individualität aber ist
gerade diſs, ebensowohl das Allgemeine zu seyn, und
daher auf eine ruhige unmittelbare Weise mit dem
vorhandenen Allgemeinen, den Sitten, Gewohnheiten
u. s. f. zusammen zu flieſsen und ihnen gemäſs zu wer-
den, als sich entgegengesetzt gegen sie zu verhalten,
und sie vielmehr zu verkehren, — sowie gegen sie
in ihrer Einzelnheit ganz gleichgültig sich zu ver-
halten, sie nicht auf sich einwirken zu lassen, und
nicht gegen sie thätig zu seyn. Was auf die Indi-
vidualität Einfluſs und welchen Einfluſs es haben
soll, — was eigentlich gleichbedeutend ist, — hängt
darum nur von der Individualität selbst ab; dadurch
ist diese Individualität diese bestimmte geworden, heiſst
nichts anders, als sie ist diſs schon gewesen. Um-
stände, Lage, Sitten und so fort, welche einerseits
[241] gezeigt werden als vorhanden, und anderseits in die-
ser bestimmten Individualität
, drücken nur das unbe-
stmmte Wesen derselben aus, um welches es nicht
zu thun ist. Wenn diese Umstände, Denkungsart,
Sitten, Weltzustand überhaupt nicht gewesen wäre,
so wäre allerdings das Individuum nicht geworden,
was es ist; denn diese allgemeine Substanz sind alle,
welche in diesem Weltzustande sich befinden. —
Wie er sich aber in diesem Individuum, — und ein
solches soll begriffen werden, — particularisirt hat,
so müſste er sich an und für sich selbst particulari-
sirt, und in dieser Bestimmtheit, welche er sich ge-
geben, auf ein Individuum eingewirkt haben; nur
so hätte er es zu diesem bestimmten gemacht, das es
ist. Wenn das Aeuſsere sich an und für sich so be-
schaffen hat, wie es an der Individualität erscheint,
wäre diese aus jenem begriffen. Wir hätten eine ge-
doppelte Gallerie von Bildern, deren eine der Wie-
derschein der andern wäre; die eine die Gallerie der
völligen Bestimmtheit und Umgränzung äuſserer Um-
stände, die andere dieselbe übersetzt in die Weise,
wie sie in dem bewuſsten Wesen sind; jene die Ku-
gelfläche, dieses der Mittelpunkt, welcher sie in sich
vorstellt.


Aber die Kugelfläche, die Welt des Indivi-
duums, hat unmittelbar die zweydeutige Bedeutung,
an und für sich seyende Welt und Lage, and Welt des
Individuums entweder
insofern zu seyn, als dieses mit
ihr nur zusammengeflossen wäre, sie so wie sie ist
Q
[242] in sich hineingehen lassen, und gegen sie sich nur
als formelles Bewuſstseyn verhalten hätte; — oder
aber Welt des Individuums so zu seyn, wie das Vor-
handene von ihm verkehrt worden ist. — Da um
dieser Freyheit willen die Wirklichkeit dieser ge-
doppelten Bedeutung fahig ist, so ist die Welt des
Individuums nur aus diesem selbst zu begreiffen, und
der Einfluſs der Wirklichkeit, welche als an und
für sich seyend vorgestellt wird, auf das Individuum,
erhält durch dieses absolut den entgegengesetzten
Sinn, daſs es entweder den Strom der einflieſsenden
Wirklichkeit an ihm gewähren läſst, oder daſs es ihn
abbricht und verkehrt. Hiedurch aber wird die psycho-
logische Nothwendigkeit
ein so leeres Wort, daſs von
dem, was diesen Einfluſs soll gehabt haben, die ab-
solute Möglichkeit vorhanden ist, daſs es ihn auch
hätte nicht haben können.


Es fallt hiemit das Seyn hinweg, welches an und
für sich
wäre, und die eine und zwar die allgemeine
Seite eines Gesetzes ausmachen sollte. Die Individua-
lität ist, was ihre Welt als die ihrige ist; sie selbst ist
der Kreis ihres Thuns, worin sie sich als Wirklich-
keit dargestellt hat, und schlechthin nur Einheit des
vorhandenen und des gemachten Seyns; eine Einheit,
deren Seiten nicht, wie in der Vorstellung des psy-
chologischen Gesetzes als an sich vorhandne Welt,
und als für sich seyende Individualität auseinander-
ſullen; oder wenn sie so jede für sich betrachtet wird,
so ist keine Nothwendigkeit und Gesetz ihrer Bezie-
hung füreinander vorhanden.


[243]
c.
Beobachtung
der Beziehung des Selbstbewuſstseyns
auf seine unmittelbare Wirklichkeit;
Physiognomik und Schädellehre.

Die psychologische Beobachtung findet kein Gesetz
des Verhältnisses des Selbstbewuſstseyns zu der
Wirklichkeit, oder der ihm entgegengesetzten Welt,
und ist durch die Gleichgültigkeit beyder gegenein-
ander auf die eigenthümliche Bestimmtheit der realen
Individualität zurückgetrieben, welche an und für
sich
selbst ist, oder den Gegensatz des Fürsichseyns
und des Ansichseyns in ihrer absoluten Vermittlung
getilgt enthält. Sie ist der Gegenstand, der itzt der
Beobachtung geworden, oder zu dem sie übergeht.


Das Individuum ist an und für sich selbst: es ist
für sich oder es ist ein freyes Thun; es ist aber auch
an sich; oder es selbst hat ein ursprüngliches bestimm-
tes Seyn, — eine Bestimmtheit, welche dem Begriffe
nach dasselbe ist, was die Psychologie auſser ihm
finden wollte. An ihm selbst tritt also der Gegensatz
hervor, diſs Gedoppelte, Bewegung des Bewuſst-
Q 2
[244] seyns, und das feste Seyn einer erscheinenden Wirk-
lichkeit, zu seyn, einer solchen, welche an ihm
unmittelbar die seinige ist. Diſs Seyn, der Leib der
bestimmten Individualität, ist die Ursprünglichkeit
derselben, ihr nicht gethan haben. Aber indem das
Individuum zugleich nur ist, was es gethan hat, so
ist sein Leib, auch der von ihm hervorgebrachte Aus-
druck seiner selbst; zugleich ein Zeichen, welches
nicht unmittelbare Sache geblieben, sondern woran
es nur zu erkennen gibt, was es in dem Sinne ist,
daſs es seine ursprüngliche Natur ins Werk richtet.


Betrachten wir die hier vorhandenen Momente
in Beziehung auf die vorhergehende Ansicht, so ist
hier eine allgemeine menschliche Gestalt, oder we-
nigstens die allgemeine eines Klimas, Welttheils,
eines Volks, wie vorhin dieselben allgemeinen Sit-
ten und Bildung. Hiezu kommen die besondern Um-
stände und Lage innerhalb der allgemeinen Wirk-
lichkeit; hier ist diese besondere Wirklichkeit als
besondere Formation der Gestalt des Individuums. —
Auf der andern Seite, wie vorhin das freye Thun
des Individuums und die Wirklichkeit als die seinige
gegen die vorhandne gesetzt war, steht hier die Ge-
stalt, als Ausdruck seiner durch es selbst gesetzten
Verwirklichung, die Züge und Formen seines selbst-
thätigen Wesens. Aber die sowohl allgemeine als
besondere Wirklichkeit, welche vorhin auſser dem
Individuum vorfand, ist hier die Wirklichkeit des-
selben, sein angebohrner Leib, und in eben diesen
[245] fällt der Ausdruck, der seinem Thun angehört. In
der psychologischen Betrachtung sollte die an und für
sich seyende Wirklichkeit und die bestimmte Indi-
vidualität aufeinander bezogen werden; hier aber ist
die [ganze] bestimmte Individualität Gegenstand der
Beobachtung; und jede Seite seines Gegensatzes ist
selbst diſs Ganze. Zu dem äuſsern Ganzen gehört
also nicht nur das ursprüngliche Seyn, der angebohrne
Leib, sondern ebenso die Formation desselben, die
der Thätigkeit des Innern angehört; er ist Einheit
des ungebildeten und des gebildeten Seyns, und die
von dem Fürsichseyn durchdrungne Wirklichkeit
des Individuums. Dieses Ganze, welches die be-
stimmten ursprünglichen festen Theile, und die Zü-
ge, die allein durch das Thun entstehen, in sich faſst,
ist, und diſs Seyn ist Ausdruck des Innern, des als
Bewuſstseyn und Bewegung gesetzten Individuums. —
Diſs Innre ist ebenso nicht mehr die formelle, inhalt-
lose oder unbestimmte Selbstthätigkeit, deren Inhalt
und Bestimmtheit, wie vorhin, in den äuſsern Um-
ständen läge, sondern es ist ein an sich bestimmter
ursprünglicher Charakter, dessen Form nur die Thä-
tigkeit ist. Zwischen diesen beyden Seiten also wird
hier das Verhältniſs betrachtet, wie es zu bestim-
men, und was unter diesem Ausdrucke des Innern
im Aeuſsern zu verstehen ist.


Diſs Aeuſsere macht zuerst nicht als Organ das
Innere sichtbar oder überhaupt zu einem Seyn für
anderes; denn das Innere, insofern es in dem Or-
[246] gane ist, ist es die Thätigkeit selbst. Der sprechende
Mund, die arbeitende Hand, wenn man will auch
noch die Beine dazu, sind die verwirklichenden und
vollbringenden Organe, welche das Thun als Thun,
oder das Innre als solches an ihnen haben; die Aeu-
ſserlichkeit aber, welche es durch sie gewinnt, ist
die That, als eine von dem Individuum abgetrennte
Wirklichkeit. Sprache und Arbeit sind Aeuſserun-
gen, worin das Individuum nicht mehr an ihm selbst
sich behält und besitzt, sondern das Innre ganz au-
ſser sich kommen läſst, und dasselbe Anderem preis-
gibt. Man kann darum ebensosehr sagen, daſs diese
Aeuſserungen das Innere zu sehr, als daſs sie es zu
wenig ausdrücken; zu sehr, — weil das Innere selbst
in ihnen ausbricht, bleibt kein Gegensatz zwischen
ihnen und diesem; sie geben nicht nur einen Aus-
druck
des Innern, sondern es selbst unmittelbar; zu
wenig
, — weil das Innere in Sprache und Handlung
sich zu einem Andern macht, so gibt es sich damit
dem Elemente der Verwandlung preis, welches das
gesprochene Wort und die vollbrachte That ver-
kehrt, und etwas anders daraus macht, als sie an
und für sich als Handlungen dieses bestimmten In-
dividuums sind. Nicht nur verlieren die Werke der
Handlungen durch diese Aeuſserlichkeit von dem
Einwirken Anderer den Charakter, etwas bleibendes
gegen andere Individualitäten zu seyn; sondern in-
dem sie sich zum Innern, das sie enthalten, als ab-
gesondertes, gleichgültiges Aeuſseres verhalten, kön-
[247] nen sie als Innres durch das Individuum selbst ein
anders seyn, als sie erscheinen, — entweder daſs es
sie mit Absicht für die Erscheinung zu etwas ande-
rem macht, als sie in Wahrheit sind, — oder daſs
es zu ungeschickt ist sich die Auſsenseite zu geben,
die es eigentlich wollte, und sie so zu befestigen, daſs
ihm von Andern sein Werk nicht verkehrt werden
kann. Das Thun also, als vollbrachtes Werk, hat
die doppelte entgegengesetzte Bedeutung, entweder
die innere Individualität und nicht ihr Ausdruck, oder
als Aeuſseres eine von dem Innern freye Wirklich-
keit zu seyn, welche ganz etwas anderes ist, als je-
nes. — Um dieser Zweydeutigkeit willen müssen wir
uns nach dem Innern umsehen, wie es noch, aber
sichtbar oder äuſserlich an dem Individuum selbst ist.
Im Organe aber ist es nur als unmittelbares Thun
selbst, das seine Aeuſserlichkeit an der That er-
langt, die entweder das Innre vorstellt oder auch
nicht. Das Organ nach diesem Gegensatze betrach-
tet gewährt also nicht den Ausdruck, der gesucht
wird.


Wenn nun die äuſsere Gestalt nur, insofern sie
nicht Organ oder nicht Thun, hiemit als ruhendes
Ganzes ist, die innre Individualität ausdrücken könn-
te, so verhielte sie sich also als ein bestehendes
Ding, welches das Innre als ein Fremdes in sein pas-
sives Daseyn ruhig empfinge, und hiedurch das Zei-
chen desselben würde; — ein äuſserer, zufälliger
Ausdruck, dessen wirkliche Seite für sich bedeutungs-
[248] los, — eine Sprache, deren Töne und Tonverbin-
dungen nicht die Sache selbst, sondern durch die
freye Willkühr mit ihr verknüpft und zufällig für
sie sind.


Eine solche willkührliche Verbindung von sol-
chen, die ein Aeuſseres für einander sind, gibt kein
Gesetz. Die Physiognomik soll sich aber von an-
dern schlechten Künsten und heillosen Studien da-
durch unterscheiden, daſs sie die bestimmte Indivi-
dualität in dem nothwendigen Gegensatze eines Innern
und Aeuſsern, des Charakters als bewuſsten Wesens,
und ebendesselben als seyender Gestalt betrachtet,
und diese Momente so auf einander bezieht, wie sie
durch ihren Begriff aufeinander bezogen sind, und
daher den Inhalt eines Gesetzes ausmachen müssen.
In der Astrologie, Chiromantie und dergleichen Wis-
senschafſten hingegen scheint nur Aeuſseres auf
Aeuſseres, irgend etwas auf ein ihm fremdes, bezo-
gen zu seyn. Diese Constellation bey der Geburt,
und wenn diſs Aeuſsere näher auf den Leib selbst ge-
rückt wird, diese Züge der Hand sind äuſsere Mo-
mente für das lange oder kurze Leben, und das
Schicksal des einzelnen Menschen überhaupt. Als
Aeuſserlichkeiten verhalten sie sich gleichgültig zu-
einander und haben nicht die Nothwendigkeit für-
einander, welche in der Beziehung eines Aeuſsern
und Innern liegen soll.


Die Hand freylich scheint nicht so sehr etwas äu-
ſseres für das Schicksal zu seyn, sondern vielmehr
[249] als Inneres zu ihm sich zu verhalten. Denn das
Schicksal ist auch wieder nur die Erscheinung des-
sen, was die bestimmte Individualität an sich als innre
ursprüngliche Bestimmtheit ist. — Zu wissen nun,
was sie an sich ist, dazu kommt der Chiromante wie
auch der Physiognomiker auf eine kürzere Weise,
als zum Beyspiel Solon, der erst aus und nach dem
Verlauffe des ganzen Lebens diſs wissen zu können
erachtete; er betrachtete die Erscheinung, jene aber
das Ansich. Daſs aber die Hand das Ansich der In-
dividualität in Ansehung ihres Schicksals darstellen
muſs, ist leicht daraus zu sehen, daſs sie nächst dem
Organ der Sprache am meisten es ist, wodurch der
Mensch sich zur Erscheinung und Verwirklichung
bringt. Sie ist der beseelte Werkmeister seines
Glücks; man kann von ihr sagen, sie ist das, was
der Mensch thut, denn an ihr als dem thätigen Or-
gane seines sich selbst vollbringens ist er als besee-
lender gegenwärtig, und indem er ursprünglich sein
eignes Schicksal ist, wird sie also diſs Ansich aus-
drücken.


Aus dieser Bestimmung, daſs das Organ der
Thätigkeit ebensowohl ein Seyn als das Thun in ihm
ist, oder daſs das innre Ansichseyn selbst an ihm ge-
genwärtig
und ein Seyn für andre hat, ergibt sich eine
andre Ansicht desselben, als die vorherige. Wenn
nemlich die Organe überhaupt darum nicht als Aus-
drücke
des Innern genommen werden zu können sich
zeigten, weil in ihnen das Thun als Thun gegenwär-
[250] tig, das Thun als Thun gegenwärtig, das Thun als
That
aber nur äuſseres ist, und Inneres und Aeu-
ſseres auf diese Weise auseinander fällt und fremde
gegen einander sind oder seyn können, so muſs nach
der betrachteten Bestimmung das Organ auch wie-
der als Mitte beyder genommen werden, indem eben
diſs, daſs das Thun an ihm gegenwartig ist, zugleich
eine Aeuſserlichkeit desselben ausmacht, und zwar
eine andere als die That ist, jene nemlich bleibt dem
Individuum und an ihm. — Diese Mitte und Ein-
heit des Innern und Aeuſsern ist nun vors erste selbst
auch äuſserlich; alsdenn aber ist diese Aeuſserlich-
keit zugleich in das Innere aufgenommen; sie steht
als einfache Aeuſserlichkeit der zerstreuten entgegen,
welche entweder nur ein einzelnes für die ganze In-
dividualität zufälliges Werk oder Zustand, oder aber
als ganze Aeuſserlichkeit, das in eine Vielheit von
Werken und Zuständen zersplitterte Schicksal ist.
Die einfachen Züge der Hand also, ebenso Klang und
Umfang der Stimme, als die individuelle Bestimmt-
heit der Sprache, — auch dieselbe wieder, wie sie
durch die Hand eine festere Existenz als durch die
Stimme bekommt, die Schrifft, und zwar in ihrer
Besonderheit als Handschrifft — alles dieses ist Aus-
druck
des Innern, so daſs er als die einfache Aeuſser-
lichkeit
sich wieder gegen die vielfache Aeuſserlichkeit
des Handelns und des Schicksals, sich als Inneres ge-
gen diese verhält. — Wenn also zuerst die be-
stimmte Natur und angebohrne Eigenthümlichkeit
[251] des Individuums zusammen mit dem, was sie durch
die Bildung geworden, als das Innere, als das We-
sen des Handelns und des Schicksals genommen
wird, so hat es seine Erscheinung und Aeuſserlich-
keit zuerst au seinem Munde, Hand, Stimme, Hand-
schrifft, so wie an den übrigen Organen, und deren
bleibenden Bestimmtheiten; und alsdann erst drückt
es sich weiter hinaus noch auſsen an seiner Wirklich-
keit in der Welt aus.


Weil nun diese Mitte sich als die Aeuſserung
bestimmt, welche zugleich ins Innere zurückgenom-
men ist, ist ihr Daseyn nicht auf das unmittelbare
Organ des Thuns eingeschränkt, sie ist vielmehr die
nichts vollbringende Bewegung und Form des Ge-
sichts und der Gestaltung überhaupt. Diese Züge
und ihre Bewegung sind nach diesem Begriffe das
zurückgehaltne an dem Individuum bleibende Thun,
und nach seiner Beziehung auf das wirkliche Thun
das eigene Beauſsichtigen und Beobachten desselben,
Aeuſserung als Reflexion über die wirkliche Aeuſse-
rung. — Das Individuum ist zu und bey seinem äu-
ſsern Thun darum nicht stumm, weil es dabey zu-
gleich in sich reflectirt ist, und es äuſsert diſs in sich
reflectirtseyn; diſs theoretische Thun oder die Spra-
che des Individuums mit sich selbst darüber ist auch
vernehmlich für andere, denn sie ist selbst eine
Aeuſserung.


An diesem Innern, welches in seiner Aeuſse-
rung Inneres bleibt, wird also das Reflectirtseyn des
[252] Individuums aus seiner Wirklichkeit beobachtet, und
es ist zu sehen, welche Bewandtniſs es mit dieser
Nothwendigkeit hat, die in dieser Einheit gesetzt
ist. — Diſs reflectirtseyn ist zuerst verschieden von
der That selbst, und kann also etwas anderes seyn und
für etwas anderes genommen werden, als sie ist;
man sieht es einem am Gesicht an, ob es ihm Ernst
mit dem ist, was er sagt oder thut. — Umgekehrt
aber ist dieses, was Ausdruck des Innern seyn soll,
zugleich seyender Ausdruck, und fällt hiemit selbst in
die Bestimmung des Seyns herunter, das absolut zu-
fällig für das selbstbewuſste Wesen ist. Es ist da-
her wohl Ausdruck, aber zugleich auch nur wie ein
Zeichen, so daſs dem ausgedrückten Inhalte die Be-
schaffenheit dessen, wodurch es ausgedrückt wird,
vollkommen gleichgültig ist. Das Innere ist in die-
ser Erscheinung wohl sichtbares Unsichtbares, aber
ohne an sie geknüpft zu seyn; es kann ebensowohl
in einer andern Erscheinung seyn, als ein anderes
Inneres in derselben Erscheinung seyn kann. —
Lichtenberg sagt daher mit Recht: Gesetzt der Phy-
siognom haschte den Menschen einmal, so käme es nur
auf einen braven Entschluſs an, sich wieder auf Jahrtau-
sende unbegreiflich zu machen
. — Wie in dem vor-
hergehenden Verhältnisse die vorliegenden Umstände
ein Seyendes waren, woraus die Individualität sich
das nahm, was sie vermochte und wollte, entweder
sich ihm ergebend oder es vorkohrend, aus welchem
Grunde es die Nothwendigkeit und das Wesen der
[253] Individualität nicht enthielt, — ebenso ist hier das
erscheinende unmittelbare Seyn der Individualität
ein solches, das entweder ihr Reflectirtseyn aus der
Wirklichkeit und ihr Insichseyn ausdrückt, oder
das für sie nur ein Zeichen ist, das gleichgültig ge-
gen das bezeichnete, und darum in Wahrheit nichts
bezeichnet; es ist ihr ebensowohl ihr Gesicht als ihre
Maske, die sie ablegen kann. — Sie durchdringt
ihre Gestalt, bewegt sich, spricht in ihr; aber diſs
ganze Daseyn tritt ebenso als ein gleichgültiges Seyn
gegen den Willen und die Handlung über; sie tilgt
an ihm die Bedeutung, die es vorhin hatte, ihr Re-
flectirtseyn in sich oder ihr wahres Wesen an ihm
zu haben, und legt es umgekehrt vielmehr in den
Willen und in die That.


Die Individualität gibt dasjenige in sich reflectirt-
seyn auf
, welches in den Zügen ausgedrückt ist, und
legt ihr Wesen in das Werk. Hierin widerspricht sie
dem Verhältnisse, welches von dem Vernunftin-
stinkte, der sich auf das Beobachten der selbstbe-
wuſsten Individualität legt, in Ansehung dessen,
was ihr Inneres und Aeuſseres seyn soll, festgesetzt
wird. Dieser Gesichtspunkt führt uns auf den ei-
gentlichen Gedanken, der der physiognomischen
— wenn man so will — Wissenschafft zum Grunde
liegt. Der Gegensatz, auf welchen diſs Beobachten
gerathen, ist der Form nach der Gegensatz von prak-
tischem und theoretischem, beydes nemlich inner-
halb des praktischen selbst gesetzt, — von der sich
[254] im Handeln, diſs im allgemeinsten Sinne genommen,
verwirklichenden Individualität, — und derselben,
wie sie in diesem Handeln zugleich daraus heraus,
in sich reflectirt, und es ihr Gegenstand ist. Das
Beobachten nimmt diesen Gegensatz nach demselben
verkehrten Verhältnisse auf, worin er sich in der
Erscheinung bestimmt. Für das unwesentliche Aeu-
ſsere
gilt ihm die That selbst und das Werk, es sey
der Sprache oder einer befestigtern Wirklichkeit,
— für das wesentliche Innre aber, das Insichseyn der
Individualität. Unter den beyden Seiten, welche das
praktische Bewuſstseyn an ihm hat, dem Beabsich-
ten und der That, — dem Meynen über seine Hand-
lung, und der Handlung selbst wählt die Beobach-
tung jene Seite zum wahren Innern; — dieses soll
seine mehr oder weniger unwesentliche Aeuſserung an
der That, seine wahre aber an seiner Gestalt haben.
Die letztere Aeuſserung ist unmittelbare sinnliche
Gegenwart des individuellen Geistes; die Innerlich-
keit, die die wahre seyn soll, ist die Eigenheit der
Absicht und die Einzelnheit des Fürsichseyns; bey-
des der gemeynte Geist. Was das Beobachten zu sei-
nen Gegenständen hat, ist also gemeyntes Daseyn, und
zwischen solchem sucht es Gesetze auf.


Das unmittelbare Meynen über die gemeynte Ge-
genwart des Geistes ist die natürliche Physiognomik,
das vorschnelle Urtheil über die innre Natur und
den Charakter ihrer Gestalt bey ihrem ersten An-
blicke. Der Gegenstand dieser Meynung ist von der
[255] Art, daſs es in seinem Wesen liegt, in Wahrheit
etwas anderes zu seyn, als nur sinnliches unmittel-
bares Seyn. Es ist zwar auch eben dieses im Sinn-
lichen aus ihm in sich Reflectirtseyn, was gegenwär-
tig, die Sichtbarkeit als Sichtbarkeit des Unsichtba-
ren, was Gegenstand des Beobachtens ist. Aber eben
diese sinnliche unmittelbare Gegenwart ist Wirklich-
keit
des Geistes, wie sie nur für die Meynung ist;
und das Beobachten treibt sich nach dieser Seite mit
seinem gemeynten Daseyn, mit der Physiognomie,
Handschrifſt, Ton der Stimme u. s. f. herum. — Es
bezieht solches Daseyn auf eben solches gemeyntes
Innres
. Es ist nicht der Mörder, der Dieb, welcher
erkannt werden soll, sondern die Fähigkeit, es zu
seyn;
die feste abstracte Bestimmtheit verliert sich
dadurch in die concrete unendliche Bestimmtheit des
einzelnen Individuums, die nun kunstreichere Schil-
dereyen erfordert, als jene Qualificationen sind.
Solche kunstreichen Schildereyen sagen wohl mehr
als die Qualification durch Mörder, Diehe, oder gut-
herzig, unverdorben u. s. f., aber für ihren Zweck
das gemeynte Seyn, oder die einzelne Individualität
auszusprechen, bey weitem nicht genug; so wenig
als die Schildereyen der Gestalt, welche über die fla-
che Stirne, lange Nase u. s. f. hinausgehen. Denn
die einzelne Gestalt wie das einzelne Selbstbewuſst-
seyn ist als gemeyntes Seyn unaussprechlich. Die
Wissenschafft der Menschenkenntniſs, welche auf
den vermeynten Menschen, so wie der Physiogno-
[256] mik, die auf seine vermeynte Wirklichkeit geht und
das bewuſstlose Urtheilen der natürlichen Physiogno-
mik zu einem Wissen erheben will, ist daher etwas
end- und bodenloses, das nie dazu kommen kann,
zu sagen, was es meynt, weil es nur meynt, und
sein Inhalt nur gemeyntes ist.


Die Gesetze, welche diese Wissenschafft zu fin-
den ausgeht, sind Beziehungen dieser beyden ge-
meynten Seiten, und können daher selbst nichts als
ein leeres Meynen seyn. Auch da diſs vermeynte
Wissen, das mit der Wirklichkeit des Geistes sich
zu thun macht, gerade diſs zu seinem Gegenstan-
de hat, daſs er aus seinem sinnlichen Daseyn heraus
sich in sich reflectirt, und das bestimmte Daseyn für
ihn eine gleichgültige Zufälligkeit ist, so muſs es bey
seinen aufgefundenen Gesetzen unmittelbar wissen,
daſs nichts damit gesagt ist, sondern eigentlich rein
geschwatzt oder nur eine Meynung von sich gegeben
wird; ein Ausdruck, der die Wahrheit hat diſs als
dasselbe auszusprechen, — seine Meynung zu sagen
und damit nicht die Sache, sondern nur eine Mey-
nung von sich beyzubringen. Dem Inhalte nach aber
können diese Beobachtungen nicht von denen ab-
weichen: „Es regnet allemal, wenn wir Jahrmarkt
haben, sagt der Krämer; und auch allemal wenn ich
Wäsche trockne, sagt die Hausfrau.“


Lichtenberg, der das physiognomische Beobach-
ten so charakterisirt, sagt auch noch diſs: „wenn je-
mand sagte, du handelst zwar, wie ein ehrlicher
[257] Mann, ich sehe es aber aus deiner Figur, du zwingst
dich, und bist ein Schelm im Herzen; fürwahr eine
solche Anrede wird bis ans Ende der Welt von je-
dem braven Kerl mit einer Ohrfeige erwiedert wer-
den.“ — Diese Erwiederung ist deswegen treffend,
weil sie die Widerlegung der ersten Voraussetzung
einer solchen Wissenschafft des Meynens ist, daſs
nemlich die Wirklichkeit des Menschen, sein Gesicht
u. s. f. sey. — Das wahre Seyn des Menschen ist
vielmehr seine That; in ihr ist die Individualität wirk-
lich
, und sie ist es, welche das Gemeynte in seinen
beyden Seiten aufhebt. Einmal das Gemeynte als
ein leibliches ruhendes Seyn; die Individualität stellt
sich vielmehr in der Handlung als das negative We-
sen dar, welches nur ist, insofern es Seyn aufhebt.
Alsdenn hebt die That die Unaussprechlichkeit der
Meynung ebenso in Ansehung der selbstbewuſsten
Individualität auf, welche in der Meynung eine un-
endlich bestimmte und bestimmbare ist. In der voll-
brachten That ist diese schlechte Unendlichkeit ver-
nichtet. Die That ist ein einfach bestimmtes, allge-
meines, in einer Abstraction zu befassendes; sie ist
Mord, Diebstahl, oder Wohlthat, tapfere That und
so fort, und es kann von ihr gesagt werden, was sie
ist
. Sie ist diſs, und ihr Seyn ist nicht nur ein Zei-
chen, sondern die Sache selbst. Sie ist diſs, und der
individuelle Mensch ist, was sie ist; in der Einfach-
heit dieses Seyns ist er für andere seyendes, allgemei-
nes Wesen, und hört auf nur gemeyntes zu seyn.
R
[258] Er ist zwar darin nicht als Geist gesetzt; aber indem
von seinem Seyn als Seyn die Rede, und einerseits
das gedoppelte Seyn, der Gestalt und der That, sich
gegenübersteht, und jene wie diese seine Wirklich-
keit seyn soll, so ist vielmehr nur die That als sein
ächtes Seyn zu behaupten, — nicht seine Figur, welche
das ausdrücken sollte, was er zu seinen Thaten
meynt, oder was man meynte, daſs er thun nur
könnte. Ebenso indem andererseits sein Werk und
seine innre Möglichkeit, Fähigkeit oder Absicht, ent-
gegengesetzt werden, ist jenes allein für seine wahre
Wirklichkeit anzusehen, wenn auch er selbst sich
darüber täuscht, und aus seiner Handlung in sich
gekehrt, in diesem Innern ein, anderes zu seyn
meynt, als in der That. Die Individualität, die
sich dem gegenständlichen Elemente anvertraut, in-
dem sie zum Werke wird, gibt sich damit wohl dem
Preis, verändert und verkehrt zu werden. Aber den
Charakter der That macht ebendiſs aus, ob sie ein
wirkliches Seyn ist, das sich hält, oder ob nur ein
gemeyntes Werk, das in sich nichtig vergeht. Die
Gegenständlichkeit verändert nicht die That selbst,
sondern zeigt nur, was sie ist, das heiſst, ob sie ist,
oder ob sie nichts ist. — Die Zergliederung dieses
Seyns in Absichten, und dergleichen Feinheiten,
wodurch der wirkliche Mensch, d. h. seine That,
wieder in ein gemeyntes Seyn zurück erklärt wer-
den soll, wie er wohl selbst auch, sich besondere Ab-
ischten über seine Wirklichkeit erschaffen mag, müs-
[259] sen dem Müssiggange der Meynung überlassen blei-
ben, der, wenn er seine thatenlose Weisheit ins
Werk richten, den Charakter der Vernunft am
Handelnden ableugnen und ihn auf diese Weise miſs-
handeln will, daſs er statt der That vielmehr die Fi-
gur und die Züge für das Seyn desselben erklären will,
die obige Erwiederung zu befahren hat, die ihm er-
weist, daſs Figur nicht das Ansich ist, sondern viel-
mehr ein Gegenstand der Behandlung seyn kann.


Sehen wir nun auf den Umfang der Verhältnisse
überhaupt, in welchen die selbstbewuſste Individua-
lität zu ihrem Aeuſsern stehend beobachtet werden
kann, so wird eines zurück seyn, welches die Beob-
achtung sich noch zu ihrem Gegenstande machen
muſs. In der Psychologie ist es die äuſsere Wirklich-
keit
der Dinge, welche an dem Geiste ihr sich be-
wuſstes Gegenbild haben und ihn begreifflich machen
soll. In der Physiognomik dagegen soll er in seinem
eignen Aeuſsern als in einem Seyn, welches die Spra[-]
che
— die sichtbare Unsichtbarkeit seines Wesens —
sey, erkannt werden. Noch ist die Bestimmung der
Seite der Wirklichkeit übrig, daſs die Individualität
an ihrer unmittelbaren, festen, rein daseyenden
Wirklichkeit ihr Wesen ausspreche. — Diese
letzte Beziehung unterscheidet sich also von der phy-
siognomischen dadurch, daſs diese die sprechende Ge-
genwart des Individuums ist, welcher in seiner han-
delnden
Aeuſserung zugleich die sich in sich reflecti-
rende
und betrachtende darstellt, eine Aeuſserung, wel-
R 2
[260] che selbst Bewegung ist, ruhende Züge, welche selbst
wesentlich ein vermitteltes Seyn sind. In der noch
zu betrachtenden Bestimmung aber ist endlich das
Aeuſsere eine ganz ruhende Wirklichkeit, welche
nicht an ihr selbst redendes Zeichen, sondern ge-
trennt von der selbstbewuſsten Bewegung sich für
sich darstellt und als bloſses Ding ist.


Zunächst erhellt über die Beziehung des Innern
auf diſs sein Aeuſseres, daſs sie als Verhältniſs des
Causalzusammenhangs begriffen werden zu müssen
scheint, indem die Beziehung eines an sich seyen-
den auf ein anderes an sich seyendes, als eine noth-
wendige
, diſs Verhältniſs ist.


Daſs nun die geistige Individualität auf den Leib
Wirkung habe, muſs sie als Ursache selbst leiblich
seyn. Das Leibliche aber, worin sie als Ursache ist,
ist das Organ, aber nicht des Thuns gegen die äu-
ſsere Wirklichkeit, sondern des Thuns des selbstbe-
wuſsten Wesens in sich selbst, nach auſsen nur ge-
gen seinen Körper; es ist nicht sogleich abzuse-
hen, welches diese Organe seyn können. Würde
nur an die Organe überhaupt gedacht, so würde
das Organ der Arbeit überhaupt leicht bey der
Hand seyn, ebenso das Organ des Geschlechts-
triebes und so fort. Allein solche Organe sind
als Werkzeuge oder als Theile zu betrachten, wel-
che der Geist als Ein Extrem zur Mitte gegen das
andere Extrem, das äuſserer Gegenstand ist, hat.
[261] Hier aber ist ein Organ verstanden; worin das
selbstbewuſste Individuum als Extrem gegen seine
eigne ihm entgegengesetzte Wirklichkeit sich für sich
erhält, nicht zugleich nach auſsen gekehrtes, sondern
in seiner Handlung reflectirtes, und woran die Seite
des Seyns nicht ein Seyn für anderes ist. In der phy-
siognomischen Beziehung wird das Organ zwar auch
als in sich reflectirtes, und das Thun besprechendes
Daseyn betrachtet; aber diſs Seyn ist ein gegenständ-
liches, und das Resultat der physiognomischen Beob-
achtung ist dieses, daſs das Selbstbewuſstseyn ge-
gen eben diese seine Wirklichkeit, als gegen etwas
gleichgültiges gegenübertritt. Diese Gleichgültigkeit
verschwindet darin, daſs diſs in sich reflectirtseyn
selbst wirkend ist; dadurch erhält jenes Daseyn eine
nothwendige Beziehung auf es; daſs es aber auf das
Daseyn wirkend sey, muſs es selbst ein aber nicht
eigentlich gegenständliches Seyn haben, und als diſs
Organ soll es aufgezeigt werden.


Im gemeinen Leben nun wird der Zorn zum
Beyspiel, als ein solches inneres Thun, in die Le-
ber verlegt; Plato gibt ihr sogar noch etwas höhe-
res, das nach einigen sogar das Höchste ist, zu,
nemlich die Prophozeihung, oder die Gabe das Hei-
lige und Ewige unvernünftiger Weise auszusprechen.
Allein die Bewegung, welche das Individuum in der
Leber, dem Herzen und so fort hat, kann nicht als
die ganz in sich reflectirte Bewegung desselben an-
[262] gesehen werden, sondern sie ist darin vielmehr so,
daſs sie ihm schon in den Leib geschlagen ist, und
ein animalisches heraus gegen die Aeuſserlichkeit
sich wendendes Daseyn hat.


Das Nervensystem hingegen ist die unmittelbare
Ruhe des Organischen in seiner Bewegung. Die
Nerven selbst sind zwar wieder die Organe des schon
in seine Richtung nach Auſsen versenkten Bewuſst-
seyns; Gehirn und Rückenmark aber dürfen als die
in sich bleibende — die nicht gegenständliche, die
auch nicht hinausgehende, — unmittelbare Gegen-
wart des Selbstbewuſstseyns betrachtet werden. In-
sofern das Moment des Seyns, welches diſs Organ
hat, ein Seyn für anderes, Daseyn ist, ist es todtes
Seyn, nicht mehr Gegenwart des Selbstbewuſstseyns.
Diſs in sich selbst seyn ist aber seinem Begriffe nach
eine Flüssigkeit, worin die Kreise, die darein ge-
worfen werden, sich unmittelbar auflösen, und kein
Unterschied als seyender sich ausdrückt. Inzwischen
wie der Geist selbst nicht ein abstract-einfaches ist,
sondern ein System von Bewegungen, worin er sich
in Momente unterscheidet, in dieser Unterscheidung
selbst aber frey bleibt, und wie er seinen Körper
überhaupt zu verschiedenen Verrichtungen gliedert,
und einen einzelnen Theil desselben nur Einer be-
stimmt, so kann auch sich vorgestellt werden, daſs
das flüssige Seyn seines Insichseyns ein gegliedertes
ist; und es scheint so vorgestellt werden zu müssen,
weil das in sich reflectirte Seyn des Geistes im Ge-
[263] hirn selbst wieder nur eine Mitte seines reinen We-
seus und seiner körperlichen Gegliederung ist, eine
Mitte, welche hiemit von der Natur beyder und also
von der Seite der letztern auch die seyende Gegliede-
rung wieder an ihr haben muſs.


Das geistig ‒ organische Seyn hat zugleich die
nothwendige Seite eines ruhenden bestehenden Da-
seyns; jenes muſs als Extrem des Fürsichseyns
zurücktreten, und diese als das andere Extrem ge-
genüber haben, welches alsdenn der Gegenstand ist,
worauf jenes als Ursache wirkt. Wenn nun Gehirn
und Rückenmark jenes körperliche Fürsichseyn des
Geistes ist, so ist der Schädel und die Rückenwir-
belsäule das andere ausgeschiedne Extrem hinzu,
nemlich das feste ruhende Ding. — Indem aber je-
dem, wenn er an den eigentlichen Ort des Daseyns
des Geistes denkt, nicht der Rücken, sondern nur
der Kopf einfallt, so können wir uns in der Unter-
suchung eines Wissens, als das vorliegende ist, mit
diesem — für es nicht zu schlechten — Grunde be-
gnügen, um diſs Daseyn auf den Schädel einzu-
schränken. Sollte einem der Rücken insofern ein-
fallen, als auch wohl zuweilen durch ihn Wissen
und Thun zum Theil ein- zum Theil aber ausgetrie-
ben wird, so würde diſs dafür, daſs das Rückenmark
mit zum innwohnenden Orte des Geistes, und seine
Säule zum gegenbildlichen Daseyn genommen wer-
den müsse, darum nichts beweisen, weil es zuviel
bewiese; denn man kann ebenso sich erinnern, daſs
[264] auch andere äuſserliche Wege, der Thätigkeit des
Geistes beyzukommen, um sie zu erwecken oder zu-
rückzuhalten, beliebt werden. — Die Rückenwir-
belsäule fällt also, wenn man will, mit Recht hin-
weg; und es ist so gut, als viele andere naturphilo-
sophische Lehren, construirt, daſs der Schädel allein
zwar nicht die Organe des Geistes enthalte. Denn diſs
wurde vorhin aus dem Begriffe dieses Verhältnisses
ausgeschlossen, und deſswegen der Schädel zur Seite
des Daseyns genommen; oder wenn nicht an den Be-
griff
der Sache erinnert werden dürfte, so lehrt ja
die Erfahrung, daſs wie mit dem Auge als Organe
gesehen, so nicht mit dem Schädel gemordet, ge-
stohlen, gedichtet, u. s. w. wird. — Es ist sich
deſswegen auch des Ausdrucks Organ für diejenige
Bedeutung des Schädels zu enthalten, von welcher
noch zu sprechen ist. Denn ob man gleich zu sagen
pflegt, daſs es vernünftigen Menschen nicht auf das
Wort, sondern auf die Sache ankomme, so ist dar-
aus doch nicht die Erlaubniſs zu nehmen, eine Sa-
che mit einem ihr nicht zugehörigen Worte zu be-
zeichnen, denn diſs ist Ungeschicklichkeit zugleich
und Betrug, der nur das rechte Wort nicht zu ha-
ben meynt und vorgibt, und es sich verbirgt, daſs
ihm in der That die Sache, d. h. der Begriff, fehlt;
wenn dieser vorhanden wäre, würde er auch sein
rechtes Wort haben. — Zunächst hat sich hier nur
diſs bestimmt, daſs wie das Gehirn der lebendige
Kopf, der Schädel das caput mortuum ist.


[265]

In diesem todten Seyn hätten also die geistigen
Bewegungen und bestimmten Weisen des Gehirns
ihre Darstellung äuſserer Wirklichkeit, die jedoch
noch an dem Individuum selbst ist, sich zu geben.
Für das Verhältniſs derselben zu ihm, der als tod-
tes Seyn den Geist nicht in sich selbst innwohnen
hat, bietet sich zunächst das oben festgesetzte, das
äuſsere mechanische dar, so daſs die eigentlichen
Organe, — und diese sind am Gehirne, — ihn hier
rund ausdrücken, dort breit schlagen oder platt sto-
ſsen, oder wie man sonst diese Einwirkung darstel-
len mag. Selbst ein Theil des Organismus, muſs in
in ihm zwar, wie in jedem Knochen, eine lebendige
Selbstbildung gedacht werden, so daſs, hiernach be-
trachtet, er von seiner Seite vielmehr das Gehirn
drückt und dessen äuſsere Beschränkung setzt; wozu
er auch als das härtere eher das Vermögen hat. Da-
bey aber würde noch immer dasselbe Verhältniſs in
der Bestimmung der Thätigkeit beyder gegeneinan-
der bleiben; denn ob der Schädel das bestimmende,
oder das bestimmte ist, diſs änderte an dem Cau-
salzusammenhange überhaupt nichts, nur daſs dann
der Schädel zum unmittelbaren Organe des Selbstbe-
wuſstseyns gemacht würde, weil in ihm als Ursache
sich die Seite des Fürsichseyns fände. Allein indem
das Fürsichseyn als organische Lebendigkeit in beyde
auf gleiche Weise fällt, fällt in der That der Kau-
salzusammenhang zwischen ihnen hinweg. Diese
Fortbildung beyder aber hinge im Innern zusammen,
[266] und wäre eine organische prästabilirte Harmonie,
welche die beyden sich aufeinander beziehenden Sei-
ten frey gegeneinander und jeder ihre eigene Gestalt
läſst, der die Gestalt der andern nicht zu entspre-
chen braucht; und noch mehr die Gestalt und die
Qualität gegeneinander, — wie die Form der Wein-
beere und der Geschmack des Weines frey gegen-
einander sind. — Indem aber auf die Seite des Ge-
hirns die Bestimmung des Fürsichseyns, auf die Seite
des Schädels aber die Bestimmung des Deseyns fällt,
so ist innerhalb der organischen Einheit auch ein Kau-
salzusammenhang derselben zu setzen; eine noth-
wendige Beziehung derselben als äuſsere füreinan-
der, d. h. eine selbst äuſserliche, wodurch also ihre
Gestalt durcheinander bestimmt würde.


In Ansehung der Bestimmung aber, in welcher
das Organ des Selbstbewuſstseyns auf die gegenü-
berstehende Seite thätige Ursache wäre, kann auf
mancherley Weise hin und her geredet werden;
denn es ist von der Beschaffenheit einer Ursache die
Rede, die nach ihrem gleichgültigen Daseyn, ihrer
Gestalt und Gröſse betrachtet wird, einer Ursache,
deren Innres und Fürsichseyn gerade ein solches
seyn soll, welches das unmittelbare Daseyn nichts
angeht. Die organische Selbstbildung des Schädels
ist zuerst gleichgültig gegen die mechanische Ein-
wirkung, und das Verhältniſs dieser beyden Ver-
hältnisse ist, da jenes das sich auf sich selbst Be-
ziehen ist, eben diese Unbestimmtheit und Gren-
[267] zenlosigkeit selbst. Alsdenn wenn auch das Gehirn
die Unterschiede des Geistes zu seyenden Unter-
schieden in sich aufnähme und eine Vielheit inne-
rer einen verschiedenen Raum einnehmenden Or-
gane wäre — was der Natur widerspricht, welche
den Momenten des Begriffs ein eigenes Daseyn gibt,
und daher die flüssige Einfachheit des organischen
Lebens rein auf eine Seite, und die Articulation und
Eintheilung desselben ebenso in seinen Unterschie-
den auf die andere Seite stellt, so daſs sie, wie sie
hier gefäſst werden sollen, als besondere anatomische
Dinge sich zeigen, — so würde es unbestimmt seyn,
ob ein geistiges Moment, je nachdem es ursprüng-
lich stärker oder schwächer wäre, entweder in je-
nem Fälle ein expandirteres, in diesem ein contra-
hirteres
Gehirnorgan besitzen müſste, oder auch ge-
rade umgekehrt. — Ebenso ob seine Ausbildung das
Organ vergröſserte oder verkleinerte, ob es dasselbe
plumper und dicker, oder feiner machte. Dadurch,
daſs es unbestimmt bleibe, wie die Ursache beschaf-
fen ist, ist es ebenso unbestimmt gelassen, wie die
Einwirkung auf den Schädel geschieht, ob sie ein
Erweitern oder Verengern und Zusammenfallenlas-
sen ist. Wird diese Einwirkung etwa vornehmer als
ein Erregen bestimmt, so ist es unbestimmt, ob es
nach der Weise eines Canthariden Pflasters auftrei-
bend, oder eines Essigs einschrumpfend geschieht. —
Für alle dergleichen Ansichten lassen sich plausible
Gründe vorbringen, denn die organische Beziehung,
[268] welche ebensosehr eingreifft, läſst den einen so gut
passiren als den andern, und ist gleichgültig gegen
allen diesen Verstand.


Dem beobachtenden Bewuſstseyn ist es aber
nicht darum zu thun, diese Beziehung bestimmen zu
wollen. Denn es ist ohnehin nicht das Gehirn, was
als animalischer Theil auf der einen Seite steht, son-
dern dasselbe als Seyn der selbstbewuſsten Individua-
lität. — Sie als stehender Charakter und sich be-
wegendes bewuſstes Thun ist für sich und in sich;
diesem Für- und Insichseyn steht ihre Wirklichheit
und Daseyn für anderes entgegen; das Für- und In-
sichseyn ist das Wesen und Subject, welches am Ge-
hirne ein Seyn hat, das unter es subsumirt ist, und
seinen Werth nur durch die innwohnende Bedeutung
erhält. Die andre Seite der selbstbewuſsten Indivi-
dividualität aber, die Seite ihres Daseyns ist das Seyn
als selbstständig und Subject, oder als ein Ding,
nemlich ein Knochen; die Wirklichkeit und Daseyn
des Menschen ist sein Schädelknochen
. — Diſs ist das
Verhältniſs und der Verstand, den die beyden Seiten
dieser Beziehung in dem sie beobachtenden Bewuſst-
seyn haben.


Diesem ist es nun um die bestimmtere Beziehung
dieser Seiten zu thun; der Schädelknochen hat wohl
im Allgemeinen die Bedeutung, die unmittelbare
Wirklichkeit des Geistes zu seyn. Aber die Viel-
seitigkeit des Geistes gibt seinem Daseyn eine eben-
solche Vieldeutigkeit; was zu gewinnen ist, ist die
[269] Bestimmtheit der Bedeutung der einzelnen Stellen, in
welche diſs Daseyn getheilt ist, und es ist zu sehen,
wie sie das Hinweisen darauf an ihnen haben.


Der Schädelknochen ist kein Organ der Thätig-
keit, noch auch eine sprechende Bewegung; es wird
weder mit dem Schädelknochen gestohlen, gemordet
u. s. f., noch verzieht er zu solchen Thaten im ge-
ringsten die Miene, so daſs er sprechende Gebehrde
würde. — Noch hat auch dieses Seyende den Werth
eines Zeichens. Miene und Gebehrde, Ton, auch
eine Säule, ein Pfahl, der auf einer öden Insel ein-
geschlagen ist, kündigen sich sogleich an, daſs noch
irgend etwas anderes damit gemeynt ist, als das, was
sie unmittelbar nur sind. Sie geben sich selbst sogleich
für Zeichen aus, indem sie eine Bestimmtheit an ih-
nen haben, welche auf etwas anderes dadurch hin-
weist, daſs sie ihnen nicht eigenthümlich angehört.
Man kann sich wohl auch bey einem Schädel, wie
Hamlet bey Yoriks, vielerley einfallen lassen, aber
der Schädelknochen für sich ist ein so gleichgültiges,
unbefangenes Ding, daſs an ihm unmittelbar nichts
anderes zu sehen und zu meynen ist, als nur er
selbst; er erinnert wohl an das Gehirn und seine
Bestimmtheit, an Schädel von anderer Formation,
aber nicht an eine bewuſste Bewegung, indem er
weder Miene und Gebehrde, noch etwas an ihm
eingedrückt hat, das von einem bewuſsten Thun
herkommend sich ankündigte; denn er ist diejenige
Wirklichkeit, welche an der Individualität eine sol-
[270] che andere Seite darstellen sollte, die nicht mehr sich
in sich reflectirendes Seyn, sondern rein unmittelba-
res Seyn
wäre.


Da er ferner auch nicht selbst fühlt, so scheint
sich eine bestimmtere Bedeutung für ihn etwa noch
so ergeben zu können, daſs bestimmte Empfindun-
gen durch die Nachbarschafft erkennen lieſsen, was
mit ihm gemeynt sey; und indem eine bewuſste
Weise des Geistes bey einer bestimmten Stelle des-
selben ihr Gefühl hat, wird etwa dieser Ort in sei-
ner Gestalt sie und ihre Besonderheit andeuten. Wie
zum Beyspiel manche bey dem angestrengten Den-
ken oder auch schon beym Denken überhaupt, eine
schmerzliche Spannung irgendwo im Kopfe zu füh-
len klagen, konnte auch das Stehlen, das Morden, das
Dichten und so fort, jedes mit einer eigenen Empfin-
dung begleitet seyn, die auſserdem noch ihre beson-
dere Stelle haben müſste. Diese Stelle des Gehirns,
die auf diese Art mehr bewegt und bethätigt wäre,
würde wahrscheinlich auch die benachbarte Stelle des
Knochens mehr ausbilden; oder diese würde aus
Sympathie oder Consensus auch nicht träge seyn,
sondern sich vergröſsern oder verkleinern, oder auf
welche Weise es sey sich formiren. — Was jedoch
diese Hypothese unwahrscheinlich macht, ist diſs,
daſs das Gefühl überhaupt etwas unbestimmtes ist,
und das Gefühl im Kopfe als dem Centrum das all-
gemeine Mitgefühl alles Leidens seyn möchte, so
daſs sich mit dem Diebs-Mörders-Dichters Kopf-
[271] Kitzel, oder Schmerz andere vermischen, und sich
von einander so wie von denen, die man bloſs kör-
perlich nennen kann, so wenig unterscheiden lassen
würden, als aus dem Symptome des Kopfwehs, wenu
wir seine Bedeutung nur auf das körperliche ein-
schränken, sich die Krankheit bestimmen läſst.


Es fällt in der That, von welcher Seite die Sa-
che betrachtet werde, alle nothwendige gegenseitige
Beziehung, so wie deren durch sich selbst sprechende
Andeutung, hinweg. Es bleibt, wenn denn die Be-
ziehung doch statt finden soll, eine begrifflose freye
prästabilirte Harmonie der entsprechenden Bestim-
mung beyder Seiten übrig und nothwendig; denn die
eine soll geistlose Wirklichkeit, bloſses Ding seyn. —
Es stehen also eben auf einer Seite eine Menge ru-
hender Schädelstellen, auf der andern eine Menge
Geistes-Eigenschafften, deren Vielheit und Bestim-
mung von dem Zustande der Psychologie abhängen
wird. Je elender die Vorstellung von dem Geiste
ist, um so mehr wird von dieser Seite die Sache er-
leichtert; denn theils werden die Eigenschafften um
so weniger, theils um so abgeschiedener, fester und
knöcherner, hiedurch Knochenbestimmungen um
so ähnlicher und mit ihnen vergleichbarer. Allein
obzwar durch die Elendigkeit der Vorstellung von
dem Geiste vieles erleichtert ist, so bleibt doch im-
mer eine sehr groſse Menge auf beyden Seiten; es
bleibt die gänzliche Zufälligkeit ihrer Beziehung für
die Beobachtung. Wenn von den Kindern Israels
[272] aus dem Sand am Meere, dem sie entsprechen sol-
len, jedes das Körnchen, dessen Zeichen es ist, sich
nehmen sollte, so ist diese Gleichgültigkeit und
Willkühr, welche jedem das seine zutheilte, ebenso
stark, als die, welche jeder Seelenfähigkeit, Leiden-
schafft, und was hier gleichfalls betrachtet werden
müſste, den Schattirungen von Charakteren, von
welchen die feinere Psychologie und Menschenkennt-
niſs zu sprechen pflegt, ihre Schädelstätten und Kno-
chenformen zuweist. — Der Schädel des Mörders
hat dieses — nicht Organ, auch nicht Zeichen, son-
dern diesen Knorren; aber dieser Mörder hat noch
eine Menge anderer Eigenschafften, so wie andere
Knorren, und mit den Knorren auch Vertieffungen;
man hat die Wahl unter Knorren und Vertieffungen.
Und wieder kann sein Mordsinn, auf welchen Knor-
ren oder Vertieffung es sey, und hinwiederum diese,
auf welche Eigenschafft es sey, bezogen werden;
denn weder ist der Mörder nur diſs Abstractum ei-
nes Mörders, noch hat er nur Eine Erhabenheit und
Eine Vertieffung. Die Beobachtungen, welche hier-
über angestellt werden, müssen darum gerade auch
so gut lauten, als der Regen des Krämers und der
Hausfrau am Jahrmarkte und bey der Wäsche.
Kramer und Hausfrau konnten auch die Beobach-
tung machen, daſs es immer regnet, wenn dieser
Nachbar vorbeygeht, oder wenn Schweinsbraten ge-
gessen wird. Wie der Regen gegen diese Umstände
so gleichgültig ist für die Beobachtung diese Bestimmt-
[273] heit des Geistes gegen dieses bestimmte Seyn des
Schädels. Denn von den beyden Gegenständen die-
ses Beobachtens ist der eine ein trockenes für sich
seyn
, eine knöcherne Eigenschafft des Geistes, wie
der andere ein trockenes an sich ſeyn; ein so knö-
chernes Ding als beyde sind, ist vollkommen gleich-
gültig gegen alles andere; es ist dem hohen Knor-
ren eben ſo gleichgültig, ob ein Mörder in seiner
Nachbarschafft, als dem Mörder, ob die Platt-
heit in seiner Nähe ist.


Es bleibt allerdings die Möglichkeit, daſs mit ir-
gend einer Eigenschafft, Leidenschafft u. s. f. ein
Knorren an irgend einer Stelle verbunden sey, un-
überwindlich übrig. Man kann sich den Mörder mit
einem hohen Knorren hier an dieser Schädelstelle,
den Dieb mit einer dort, vorstellen. Von dieser
Seite ist die Schädelwissenschafft noch groſser Er-
weiterung fähig; denn zunächst scheint sie sich nur
auf die Verbindung eines Knorren mit einer Ei-
genschafft an demselben Individuum, so daſs dieses
beyde besitzt, einzuschränken. Aber schon die na-
türliche Schädelwissenschafft, — denn es muſs so
gut eine solche, als eine natürliche Physiognomik
geben, — geht über diese Schranke hinaus; sie ur-
theilt nicht nur, daſs ein schlauer Mensch einen
faustdicken Knorren hinter den Ohren sitzen habe,
sondern sie stellt auch vor, daſs die untreue Ehe-
frau nicht selbst, sondern das andre ehliche Indi-
viduum Knorren an der Stirne habe. — Ebenso
S
[274] kann man sich auch den, der mit dem Mörder un-
ter einem Dache wohnt, oder auch ſeinen Nachbar,
und weiter hinaus seine Mitbürger u. s. f. mit ho-
hen Knorren an irgend einer Schädelstelle vorstellen,
ſo gut als die fliegende Kuh, die zuerst von dem
Krebs, der auf dem Esel ritt, geliebkost und her-
nach u. s. f. wurde. — Wird aber die Möglichkeit
nicht im Sinne der Möglichkeit des Vorstellens, son-
dern der innern Möglichkeit, oder des Begriffs ge-
nommen, so ist der Gegenstand eine solche Wirk-
lichkeit, welche reines Ding und ohne dergleichen
Bedeutung ist und seyn soll, und sie also nur
in der Vorstellung haben kann.


Schreitet, ungeachtet der Gleichgültigkeit der
beyden Seiten, der Beobachter jedoch ans Werk,
Beziehungen zu bestimmen, theils frisch gehalten
durch den allgemeinen Vernunftgrund, daſs das Aeu-
ſsere der Ausdruck des Innern
sey, theils sich unterstü-
tzend mit der Analogie von Schädeln der Thieren, —
welche zwar wohl einen einfachern Charakter ha-
ben mögen, als die Menschen, von denen es aber
zugleich um ebenso schwerer zu sagen wird, wel-
chen sie haben, indem es nicht der Vorstellung ei-
nes jeden Menschen so leicht seyn kann, sich in
die Natur eines Thieres recht hineinzubilden, —
so findet der Beobachter bey der Versicherung der
Gesetze, die er entdeckt haben will, eine vorzüg-
liche Hülfe
an einem Unterschiede, der uns hier
nothwendig auch einfallen muſs. — Das Seyn des
[275] Geistes kann wenigstens nicht als so etwas schlecht-
hin unverrücktes und unverrückbares genommen
werden. Der Mensch ist frey; es wird zugegeben,
daſs das ursprüngliche Seyn nur Anlagen sind, über
welche er viel vermag, oder welche günstiger Um-
stände bedürfen, um entwickelt zu werden, d. h.
ein ursprüngliches Seyn des Geistes ist eben sowohl
als ein solches auszusprechen, das nicht als Seyn exi-
stirt. Widersprächen also Beobachtungen demjeni-
gen, was irgend einem als Gesetz zu versichern ein-
fällt, — wäre es schön Wetter am Jahrmarkte oder
bey der Wäsche, so könnten Krämer und Hausfrau
sprechen, daſs es eigentlich regnen sollte, und die
Anlage doch dazu vorhanden sey; ebenso das Schä-
delbeobachten, — daſs diſs Individuum eigentlich so
seyn sollte, wie der Schädel nach dem Gesetze aus-
sagt, und eine ursprüngliche Anlage habe, die aber
nicht ausgebildet worden sey; vorhanden ist diese
Qualität nicht, aber sie sollte vorhanden seyn. —
Das Gesetz und das Sollen gründet sich auf das Be-
obachten des wirklichen Regens, und des wirkli-
chen Sinnes bey dieser Bestimmtheit des Schädels;
ist aber die Wirklichkeit nicht vorhanden; so gilt die
leere Möglichkeit für eben soviel. — Diese Möglich-
keit, d. i. die Nichtwirklichkeit des aufgestellten Ge-
setzes und hiemit ihm widersprechende Beobach-
tungen müssen eben dadurch hereinkommen, daſs
die Freyheit des Individuums und die entwickeln-
den Umstände gleichgültig gegen das Seyn über-
S 2
[276] haupt sind sowohl gegen es als ursprüngliches inne-
res wie als äuſseres knöchernes, und daſs das Indi-
viduum auch etwas anderes seyn kann, als es inner-
lich ursprünglich und noch mehr als ein Kno-
chen ist.


Wir erhalten also die Möglichkeit, daſs dieser
Knorren oder Vertiefung des Schädels sowohl et-
was wirkliches als auch nur eine Anlage, und zwar
unbestimmt zu irgend etwas, daſs er etwas nicht-
wirkliches bezeichne; wir sehen es einer schlechten
Ausrede wie immer ergehen, daſs sie wider dasje-
nige, dem sie aufhelffen soll, selbst zu gebrauchen
steht. Wir sehen das Meynen durch die Natur der
Sache dahin gebracht, das Gegentheil dessen aber
gedankenlos selbst zu sagen, was es fest hält; — zu
sagen, es wird durch diesen Knochen irgend etwas
angedeutet, aber eben so gut auch nicht.


Was der Meynung selbst bey dieser Ausrede
vorschwebt ist der wahre, sie gerade vertilgende
Gedanke, daſs das Seyn als solches überhaupt nicht
die Wahrheit des Geistes ist. Wie schon die An-
lage ein ursprüngliches Seyn ist, das an der Thätig-
keit des Geistes keinen Antheil hat, ein eben sol-
ches ist seinerseits auch der Knochen. Das Seyen-
de ohne die geistige Thätigkeit ist ein Ding für das
Bewuſstseyn, und ſo wenig sein Wesen, daſs es
vielmehr das Gegentheil desselben und das Bewuſst-
seyn sich allein wirklich ist, durch die Negation
und Vertilgung eines solchen Seyns. — Es ist von
[277] dieser Seite für völlige Verläugnung der Vernunft
anzusehen, für das wirkliche Daseyn des Bewuſstseyns
einen Knochen auszugeben; und dafür wird er aus-
gegeben, indem er als das Aeuſsere des Geistes
betrachtet wird, denn das Aeuſsere ist eben die
seyende Wirklichkeit. Es hilft nichts zu sagen,
daſs von diesem Aeuſsern nur auf das Innere, das
etwas anders sey, geschlossen werde, das Aeuſsere
nicht das Innere selbst, sondern nur dessen Aus-
druck
sey. Denn in dem Verhältnisse beyder zu-
einander, fällt eben auf die Seite des Innern, die
Bestimmung der sich denkenden und gedachten, auf
die Seite des Aeuſsern aber die der seyenden Wirk-
lichkeit
. — Wenn also einem Menschen gesagt
wird, du (dein Inneres) bist diſs, weil dein Kno-
chen
so beschaffen ist; so heiſst es nichts anderes,
als ich sehe einen Knochen für deine Wirklichkeit
an. Die bey der Physiognomik erwähnte Erwiede-
rung eines solchen Urtheils durch die Ohrfeige
bringt zunächst die weichen Theile aus ihrem Au-
sehen und Lage, und erweist nur, daſs diese kein
wahres Ansich, nicht die Wirklichkeit des Geistes
sind; — hier müſste die Erwiederung eigentlich so
weit gehen, einem, der so urtheilt, den Schädel
einzuschlagen, um gerade so greiflich, als seine
Weisheit ist, zu erweisen, daſs ein Knochen für
den Menschen nichts Ansich, viel weniger seine
wahre Wirklichkeit ist. —


[278]

Der rohe Instinkt der selbstbewuſsten Vernunft
wird eine solche Schädelwissenschaft unbesehen
verwerfen, — diesen andern beobachtenden Instinkt
derselben, der zur Ahndung des Erkennens gediehen,
es auf die geistlose Weise, daſs das Aeuſsere
Ausdruck des Innern sey, erfaſst hat. Aber je
schlechter der Gedanke ist, desto weniger fällt es
zuweilen auf, worin bestimmt seine Schlechtigkeit
liegt, und desto schwerer ist es, sie auseinander
zu legen. Denn der Gedanke heiſst um so schlech-
ter, je reiner und leerer die Abstraction ist, wel-
che ihm für das Wesen gilt. Der Gegensatz aber,
auf den es hier ankömmt, hat zu seinen Gliedern,
die ihrer bewuſste Individualität, und die Abstrac-
tion der ganz zum Dinge gewordene Aeuſserlich-
keit, — jenes innre Seyn des Geistes als festes geist-
loses Seyn aufgefaſst, eben solchem Seyn entgegen-
geſetzt. — Damit scheint aber auch die beobach-
tende Vernunft in der That ihre Spitze erreicht zu
haben, von welcher sie sich selbst verlassen, und
sich überſchlagen muſs; denn erst das ganz schlechte
hat die unmittelbare Nothwendigkeit an sich, sich
zu verkehren. — Wie von dem jüdischen Volke ge-
sagt werden kann, daſs es gerade darum, weil es
unmittelbar vor der Pforte des Heils stehe, das
Verworfenste sey, und gewesen sey, was es an und
für sich seyn sollte, diese Selbstwesenheit ist es
sich nicht, sondern verlegt sie jenseits seiner; es
macht sich durch diese Entäuſserung ein höheres
[279] Daseyn möglich, wenn es seinen Gegenstand wieder
in sich zurücknehmen könnte, als wenn es inner-
halb der Unmittelbarkeit des Seyns stehen geblie-
ben; weil der Geist um so gröſser ist, aus je grös-
serem Gegensatze er in sich zurück kehrt; diesen
Gegensatz aber macht er sich in dem Aufheben
seiner unmittelbaren Einheit und in der Entäuſserung
seines Fürsichseyns. Allein wenn ein solches Be-
wuſstseyn sich nicht reflectirt, ist die Mitte, worin
es steht, die unselige Leere, indem dasjenige,
was sie erfüllen sollte, zum festen Extreme gewor-
den ist. So ist diese letzte Stuffe der beobachten-
den Vernunft ihre schlechteste, aber darum ihre
Umkehrung nothwendig,


Denn die Uebersicht der bisher betrachteten Reihe
von Verhältnissen, welche den Inhalt und Gegenstand
der Beobachtung ausmachen, zeigt, daſs in ihrer
ersten Weise, in der Beobachtung der Verhältnisse der
unorganischen Natur ihr schon das sinnliche Seyn ver-
schwindet
; die Momente ihres Verhältnisses, stellen
sich als reine Abstractionen und als einfache Be-
griffe dar, welche an das Daseyn von Dingen fest
geknüpft seyn sollten, das aber verlohren geht, so,
daſs das Moment sich als reine Bewegung und als
allgemeines erweist. Dieser freye in sich vollen-
dete Proceſs behält die Bedeutung eines gegenständ-
lichen; tritt aber nun als ein Eins auf; im Pro-
ceſse des Unorganischen ist das Eins das nicht exi-
stirende Innere; als Eins aber existirend ist er das
[280] Organiſche. — Das Eins steht als Fürsichseyn oder
negatives Wesen dem Allgemeinen gegenüber, ent-
zieht sich diesem und bleibt frey für sich, so daſs
der Begriff, nur im Elemente der absoluten Verein-
zelung realisirt, in der organischen Existenz seinen
wahrhafften Ausdruck, als Allgemeines da zu seyn,
nicht findet, sondern ein Aeuſseres oder, was das-
selbe ist, ein Inneres der organischen Natur bleibt.
— Der organische Proceſs ist nur frey an sich, ist
es aber nicht für sich selbst; im Zwecke tritt das
Fürsichseyn seiner Freyheit ein; existirt als ein an-
deres Wesen, als eine ihrer selbst bewuſste Weis-
heit, die auſser jenem ist. Die beobachtende Ver-
nunft wendet sich also an diese, an den Geist,
den als Allgemeinheit existirenden Begriff oder als
Zweck existirenden Zweck, und ihr eignes Wesen
ist ihr nunmehr der Gegenstand.


Sie wendet sich zuerst an seine Reinheit; aber
indem sie Auffassen des in seinen Unterschieden
sich bewegenden Gegenstandes als eines seyendes
ist, werden ihr Gesetze des Denkens, Beziehungen
von Bleibendem auf Bleibendes; aber da der Inhalt
dieser Gesetze nur Momente sind, verlauffen sie
sich in das Eins des Selbstbewuſstseyns. — Dieser
neue Gegenstand ebenso als seyendes genommen, ist
das einzelne, zufällige Selbstbewuſstseyn; das Beob-
achten steht daher innerhalb des gemeynten Gei-
stes, und des zufälligen Verhältnisses von bewuſs-
ter Wirklichkeit auf unbewuſste. Er an sich selbst
[281] nur ist die Nothwendigkeit dieser Beziehung; die
Beobachtung rückt ihm daher näher auf den Leib,
und vergleicht seine wollende und thuende Wirk-
lichkeit mit seiner in sich reflectirten und betrach-
tenden Wirklichkeit, die selbst gegenständlich ist.
Dieses Aeuſsre, ob zwar eine Sprache des Indivi-
duums, die es an ihm selbst hat, ist zugleich als
Zeichen etwas gleichgültiges gegen den Inhalt, den
es bezeichnen sollte, so wie das, welches sich das
Zeichen setzt, gleichgültig gegen dieses.


Von dieser wandelbaren Sprache geht darum
die Beobachtung endlich zum festen Seyn zurück,
und spricht ihrem Begriffe nach aus, daſs die Aeus-
serlichkeit, nicht als Organ, auch nicht als Sprache
und Zeichen, sondern als todes Ding die äuſsere
und unmittelbare Wirklichkeit des Geistes sey.
Was von der allerersten Beobachtung der unorga-
nischen Natur aufgehoben wurde, daſs nemlich der
Begriff als Ding vorhanden seyn sollte, stellt diese
letzte Weise so her, daſs sie die Wirklichkeit des
Geistes selbst zu einem Dinge macht, oder umge-
kehrt ausgedrückt, dem toden Seyn die Bedeutung
des Geistes giebt. — Die Beobachtung ist damit da-
zu gekommen, es auszusprechen, was unser Begriff
von ihr war, daſs nemlich die Gewiſsheit der Ver-
nunft sich selbst als gegenständliche Wirklichkeit
sucht. — Man meynt zwar dabey wohl nicht, daſs
der Geist, der von einem Schädel vorgestellt wird,
als Ding ausgesprochen werde; es soll kein Mate-
[282] rialismus, wie man es nennt, in diesem Gedanken
liegen, sondern der Geist vielmehr noch etwas an-
ders als diese Knochen seyn; aber er ist, heiſst
selbst nichts anders, als, er ist ein Ding. Wenn
das Seyn als solches oder Dingseyn von dem Gei-
ste prädicirt wird, so ist darum der wahrhaffte
Ausdruck hievon, daſs er ein solches wie ein Kno-
chen ist
. Es muſs daher für höchst wichtig ange-
sehen werden, daſs der wahre Ausdruch davon daſs
vom Geiste rein gesagt wird, er ist, sich gefunden
hat. Wenn sonst vom Geiste gesagt wird, er ist,
hat ein Seyn, ist ein Ding, eine einzelne Wirklich-
keit
, so wird damit nicht etwas gemeynt, das man
sehen, oder in die Hand nehmen, stoſsen und so
fort, kann, aber gesagt wird ein solches, und was
in Wahrheit gesagt wird, drückt sich hiemit so
aus, daſs das Seyn des Geistes ein Knochen ist.


Diſs Resultat hat nun eine doppelte Bedeutung,
einmal seine wahre, insofern es eine Ergänzung des
Resultates der vorhergehenden Bewegung des Selbst-
bewuſstseyns ist. Das unglückliche Selbstbewuſst-
seyn entäuſserte sich seiner Selbstständigkeit und
rang sein Fürsichseyn zum Dinge heraus. Es kehrte
dadurch aus dem Selbstbewuſstseyn in das Bewuſst-
seyn zurück, d. h. in das Bewuſstseyn, für welches
der Gegenstand ein Seyn, ein Ding ist; — aber diſs,
was Ding ist, ist das Selbstbewuſstseyn; es ist also
die Einheit des Ich und des Seyns, die Kategorie.
Indem der Gegenstand für das Bewuſstseyn so be-
[283] stimmt ist, hat es Vernunft. Das Bewuſstseyn, so
wie das Selbstbewuſstseyn ist an sich eigentlich Ver-
nunft; aber nur von dem Bewuſstseyn, dem der
Gegenstand als die Kategorie sich bestimmt hat,
kann gesagt werden, daſs es Vernunft habe; — hie-
von aber ist noch das Wissen, was Vernunft ist,
unterschieden. — Die Kategorie, welche die unmit-
telbare
Einheit des Seyns und des Seinen ist, muſs
beyde Formen durchlauffen, und das beobachtende
Bewuſstseyn ist eben dieses, dem sie sich in der
Form des Seyns darstellt. In seinem Resultate spricht
das Bewuſstseyn dasjenige, dessen bewuſstlose Ge-
wiſsheit es ist, als Satz aus, — den Satz, der im
Begriffe der Vernunft liegt. Er ist das unendliche
Urtheil
, daſs das Selbst ein Ding ist, — ein Urtheil,
das sich selbst aufhebt. — Durch dieses Resultat
ist also bestimmt zur Kategorie diſs hinzugekommen,
daſs sie dieser sich aufhebende Gegensatz ist. Die
reine Kategorie, welche in der Form des Seyns oder
der Unmittelbarkeit für das Bewuſstseyn ist, ist der
noch unvermittelte, nur vorhandne Gegenstand, und
das Bewuſstseyn ein eben so unvermitteltes Verhal-
ten. Das Moment jenes unendlichen Urtheils ist
der Uebergang der Unmittelbarkeit in die Vermitt-
lung oder Negativität. Der vorhandne Gegenstand
ist daher als ein negativer bestimmt, das Bewuſst-
seyn aber als Selbstbewuſstseyn gegen ihn, oder die
Kategorie, welche die Form des Seyns im Beobach-
ten durchlauffen hat, ist jetzt in der Form des
[284] Fürsichseyns gesetzt; das Bewuſstseyn will sich
nicht mehr unmittelbar finden, sondern durch seine
Thätigkeit sich selbst hervorbringen. Es selbst ist
sich der Zweck seines Thuns, wie es ihm im Be-
obachten nur um die Dinge zu thun war.


Die andere Bedeutung des Reſultats ist die schon
betrachtete des begrifflosen Beobachtens. Dieses
weiſs sich nicht anders zu fassen und auszuspre-
chen, als daſs es unbefangen den Knochen, wie er
sich als sinnliches Ding findet, das seine Gegenständ-
lichkeit für das Bewuſstseyn nicht zugleich verliert,
für die Wirklichkeit des Selbstbewuſstseyns aussagt.
Es hat aber auch darüber, daſs es diſs sagt, keine
Klarheit des Bewuſstseyns, und faſst seinen Satz
nicht in der Bestimmtheit seines Subjects und Prä-
dicats und der Beziehung derselben, noch weniger
in dem Sinne des unendlichen sich selbst anflöſen-
den Urtheils, und des Begriffs. — Es verbirgt sich
vielmehr aus einem tieferliegenden Selbstbewuſst-
seyn des Geistes, das hier als eine natürliche Hon-
netetät erscheint, die Schmählichkeit des begrifflo-
sen nackten Gedankens, für die Wirklichkeit des
Selbstbewuſstseyns einen Knochen zu nehmen, und
übertüncht ihn durch die Gedankenlosigkeit selbst,
mancherley Verhältnisse von Ursache und Wir-
kung, von Zeichen, Organ u. s. w., die hier keinen
Sinn haben, einzumischen, und durch Unterschei-
dungen, die von ihnen hergenommen sind, das Grel-
le des Satzes zu verstecken.


[285]

Gehirnfieber und dergleichen als das Seyn des
Geistes betrachtet, sind schon eine gedachte nur
hypothetische, — nicht daseyende, nicht gefühlte,
gesehene, nicht die wahre Wirklichkeit; wenn sie
da sind, wenn sie gesehen werden, sind sie tode
Gegenstände und gelten dann nicht mehr für das
Seyn des Geistes. Aber die eigentliche Gegenständ-
lichkeit muſs eine unmittelbare, sinnliche seyn, so
daſs der Geist in dieser als toden, — denn der
Knochen ist das tode insofern es am Lebendigen
selbst ist, — als wirklich gesetzt wird. — Der Be-
griff dieser Vorstellung ist, daſs die Vernunft sich
alle Dingheit, auch die rein gegenständliche selbst ist;
sie ist aber diſs im Begriffe, oder der Begriff nur
ist ihre Wahrheit, und je reiner der Begriff selbst
ist, zu einer desto albernern Vorstellung sinkt er
herab, wenn sein Inhalt nicht als Begriff, sondern
als Vorstellung ist, — wenn das sich selbst aufheben-
de Urtheil nicht mit dem Bewuſstseyn dieser sei-
ner Unendlichkeit genommen wird, sondern als ein
bleibender Satz, und dessen Subject und Prädicat
jedes für sich gelten, das Selbst als Selbst, das
Ding als Ding fixirt und doch eins das andre seyn
soll. — Die Vernunft, wesentlich der Begriff, ist
unmittelbar in sich selbst und ihr Gegentheil ent-
zweyt, ein Gegensatz der ebendarum ebenso un-
mittelbar aufgehoben ist. Aber sich so als sich
selbst und als ihr Gegentheil darbietend, und fest-
gehalten in dem ganz einzelnen Momente dieses
[286] Auseinandertretens, ist sie unvernünftig aufgefaſst;
und je reiner die Momente desselben sind, desto
greller ist die Erscheinung dieses Inhalts, der allein
entweder für das Bewuſstseyn ist, oder von ihm
unbefangen allein ausgesprochen wird. — Das Tiefe,
das der Geist von innen heraus, aber nur bis in
sein vorstellendes Bewuſstseyn treibt und es in diesem
stehen läſst — und die Unwissenheit dieses Bewuſst-
seyns, was das ist, was es sagt, ist dieselbe Ver-
knüpfung des Hohen und Niedrigen, welche an
dem Lebendigen die Natur in der Verknüpfung des
Organs seiner höchsten Vollendung, des Organs der
Zeugung, — und des Organs des Pissens naiv
ausdrückt. — Das unendliche Urtheil als unend-
liches wäre die Vollendung des sich selbst erfassen-
den Lebens, das in der Vorstellung bleibende Be-
wuſstseyn desselben aber verhält sich als Pissen.


[]

B.
Die Verwirklichung
des vernünftigen Selbstbewuſstseyns
durch sich selbst.


Das Selbstbewuſstseyn fand das Ding als sich, und
sich als Ding; d, h. es ist für es, daſs es ansich die
gegenständliche Wirklichkeit ist. Es ist nicht mehr
die unmittelbare Gewiſsheit, alle Realität zu seyn;
sondern eine solche, für welche das Unmittelbare
überhaupt die Form eines aufgehobenen hat, so
daſs seine Gegenständlichkeit nur noch als Oberfläche
gilt, deren Inneres und Wesen es selbst ist. — Der
Gegenstand, auf welchen es sich positiv bezieht, ist
daher ein Selbstbewuſstseyn; er ist in der Form der
Dingheit, d. h. er ist selbstständig; aber es hat die
Gewiſsheit, daſs dieser selbstständige Gegenstand
kein fremdes für es ist; es weiſs hiemit, daſs es
an sich von ihm anerkannt ist; es ist der Geist, der
die Gewiſsheit hat in der Verdopplung seines Selbst-
bewuſstseyns und in der Selbstständigkeit beyder
seine Einheit mit sich selbst zu haben. Diese Ge-
wiſsheit hat sich ihm nun zur Wahrheit zu erhe-
ben; was ihm gilt, daſs es an sich und in seiner in-
[288] nern
Gewiſsheit sey, soll in sein Bewuſstseyn treten,
und für es werden.


Was die allgemeinen Stationen dieser Ver-
wirklichung seyn werden, bezeichnet sich im all-
gemeinen schon durch die Vergleichung mit dem
bisherigen Wege. Wie nemlich die beobachtende
Vernunft, in dem Elemente der Kategorie, die Be-
wegung des Bewuſstseyns, nemlich die sinnliche Ge-
wiſsheit, das Wahrnehmen und den Verstand wie-
derhohlte, so wird diese auch die doppelte Bewegung
des Selbstbewuſstseyns wieder durchlauffen, und aus
der Selbstständigkeit in seine Freyheit übergehen.
Zuerst ist diese thätige Vernunft ihrer selbst nur
als eines Individuums bewuſst, und muſs als ein
solches seine Wirklichkeit im andern fodern und
hervorbringen — alsdenn aber, indem sich sein Be-
wuſstseyn zur Allgemeinheit erhebt, wird es allge-
meine
Vernunft, und ist sich seiner als Vernunft,
als an und für sich schon anerkanntes bewuſst,
welches in seinem reinen Bewuſstseyn alles Selbst-
bewuſstseyn vereinigt; es ist das einfache geistige We-
sen, das indem es zugleich zum Bewuſstseyn kommt,
die reale Substanz ist, worein die frühern For-
men als in ihren Grund zurückgehen, so daſs sie
gegen diesen nur einzelne Momente seines Wer-
dens sind, die sich zwar losreissen, und als eigne
Gestalten erscheinen, in der That aber nur von ihm
getragen, Daseyn und Wirklichkeit, aber ihre Wahrheit
nur haben, insofern sie in ihm selbst sind und bleiben.


[289]

Nehmen wir dieses Ziel, das der Begriff ist,
der uns schon entstanden, nemlich das anerkannte
Selbstbewuſstseyn, das in dem andern freyen Selbst-
bewuſstseyn die Gewiſsheit seiner selbst, und eben
darin seine Wahrheit hat — in seiner Realität auf,
oder heben wir diesen noch innern Geist als die
schon zu ihrem Daseyn gediehene Substanz heraus,
so schlieſst sich in diesem Begriffe das Reich der
Sittlichkeit
auf. Denn diese ist nichts anders als in
der selbstständigen Wirklichkeit der Individuen die
absolute geistige Einheit ihres Wesens; ein an sich
allgemeines Selbstbewuſstseyn, das sich in einem
andern Bewuſstseyn so wirklich ist, daſs dieses voll-
kommene Selbstständigkeit hat, oder ein Ding für
es, und daſs es ebendarin der Einheit mit ihm sich
bewuſst ist, und in dieser Einheit mit diesem gegen-
ständlichen Wesen erst Selbstbewuſstseyn ist. Diese
sittliche Substanz in der Abstraction der Allgemeinheit,
ist sie nur das gedachte Gesetz; aber sie ist ebenso-
sehr unmittelbar wirkliches Selbstbewuſstseyn oder sie
ist Sitte. Das einzelne Bewuſstseyn ist umgekehrt nur
dieses seyende Eins, indem es des allgemeinen Be-
wuſstseyns in seiner Einzelnheit als seines Seyns
sich bewuſst, indem sein Thun und Daseyn die
allgemeine Sitte ist.


In dem Leben eines Volks hat in der That der
Begriff der Verwirklichung der selbstbewuſsten Ver-
nunft, in der Selbstständigkeit des Andern die voll-
ständige Einheit mit ihm anzuschauen, oder diese
T
[290] von mir vorgefundene frey Dingheit eines andern,
welche das negative Meinerselbst ist, als mein für
mich seyn zum Gegenstande zu haben, — seine vol-
lendete Realität. Die Vernunft ist als die flüssige
allgemeine Substanz, als die unwandelbare einfa-
che Dingheit vorhanden, welche ebenso in viele
vollkommen selbstständige Wesen wie das Licht
in Sterne als unzählige für sich leuchtende Punkte
zerspringt, die in ihrem absoluten Fürsichseyn nicht
nur an sich in der einfachen selbstständigen Substanz
aufgelöst sind, sondern für sich selbst; sie sind sich
bewuſst diese einzelne selbstständige Wesen dadurch
zu seyn, daſs sie ihre Einzelnheit aufopfern und
diese allgemeine Substanz ihre Seele und Wesen
ist; so wie diſs Allgemeine wieder das Thün ihrer
als einzelner oder das von ihnen hervorgebrachte
Werk ist.


Das rein einzelne Thun und Treiben des Indi-
viduums bezieht sich auf die Bedürfnisse, welche
es als Naturwesen, das heiſst, als seyende Einzeln-
heit
hat. Daſs selbst diese seine gemeinsten Func-
tionen nicht zunichte werden, sondern Wirklichkeit
haben, geschieht durch das allgemeine erhaltende
Medium, durch die Macht des ganzen Volks. —
Nicht nur aber diese Form des Bestehens seines
Thuns überhaupt hat es in der allgemeinen Sub-
stanz, sondern ebensosehr seinen Inhalt; was es thut,
ist die allgemeine Geschicklichkeit und Sitte aller.
Dieser Inhalt, insofern er sich vollkommen verein-
[291] zelt, ist in seiner Wirklichkeit in das Thun Aller
verschränkt. Die Arbeit des Individuums für seine
Bedürfnisse ist ebensosehr eine Befriedigung der
Bedürfnisse der andern als seiner eignen, und die
Befriedigung der seinigen erreicht es nur durch die
Arbeit der andern. — Wie der Einzelne in sei-
ner einzelnen Arbeit schon eine allgemeine Arbeit
bewuſstlos vollbringt, so vollbringt er auch wieder
die allgemeine als seinen bewuſsten Gegenstand; das
Ganze wird als Ganzes sein Werk, für das er sich
aufopfert, und ebendadurch sich selbst von ihm zu-
rückerhält. — Es ist hier nichts, das nicht gegen-
seitig wäre, nichts, woran nicht die Selbstständig-
keit des Individuums sich in der Auflösung ihres
Fürsichseyns, in der Negation ihrer selbst ihre po-
ſitive
Bedeutung, für sich zu seyn, sich gäbe. Diese
Einheit des Seyns für anderes oder des sich zum
Dinge Machens, und des Fürsichseyns, diese all-
gemeine Substanz redet ihre allgemeine Sprache in
den Sitten und Gesetzen seines Volks; aber diſs
seyende unwandelbare Wesen ist nichts anders,
als der Ausdruck der ihr entgegengesetzt scheinen-
den einzelnen Individualität selbst; die Gesetze spre-
chen das aus, was jeder Einzelne ist, und thut;
das Individuum erkennt sie nicht nur als seine all-
gemeine
gegenständliche Dingheit, sondern ebenso-
sehr sich in ihr, oder als vereinzelt in seiner eig-
nen Individualität und in jedem seiner Mitbürger.
In dem allgemeinen Geiste hat daher jeder nur die
T 2
[292] Gewiſsheit seiner selbst, nichts anders in der seyen-
den Wirklichkeit zu finden, als sich selbst; er ist
der andern so gewiſs als seiner. — Ich schaue es
in allen an, daſs sie für sich selbst nur diese selbst-
ständigen Wesen sind, als Ich es bin; Ich schaue
die freye Einheit mit den andern in ihnen so an,
daſs sie wie durch Mich, so durch die Andern selbst
ist. Sie als Mich, Mich als Sie.


In einem freyen Volke ist darum in Wahrheit
die Vernunft verwirklicht; sie ist gegenwärtiger le-
bendiger Geist, worin das Individuum seine Be-
stimmung
, das heiſst, sein allgemeines und einzel-
nes Wesen, nicht nur ausgesprochen und als Ding-
heit vorhanden findet, sondern selbst dieses Wesen
ist, und seine Bestimmung auch erreicht hat. Die
weisesten Männer des Alterthums haben darum den
Ausspruch gethan: daſs die Weisheit und die Tugend
darin bestehen, den Sitten seines Volks gemäſs zu leben
.


Aus diesem Glücke aber, seine Bestimmung er-
reicht zu haben, und in ihr zu leben, ist das Selbst-
bewuſstseyn, welches zunächst nur unmittelbar und
dem Begriffe nach Geist ist, herausgetreten, oder
auch, — es hat es noch nicht erreicht; denn bey-
des kann auf gleiche Weise gesagt werden.


Die Vernunft muſs aus diesem Glücke heraustre-
ten
; denn nur an sich oder unmittelbar ist das Le-
ben eines freyen Volks die reale Sittlichkeit, oder
sie ist eine seyende, und damit ist auch dieser all-
gemeine Geist selbst ein einzelner, das Ganze der
[293] Sitten und Gesetze, eine bestimmte sittliche Substanz,
welche erst in dem höhern Momente, nemlich im
Bewuſstseyn über ihr Wesen, die Beschränkung aus-
zieht, und nur in diesem Erkennen ihre absolute
Wahrheit hat, nicht aber unmittelbar in ihrem
Seyn; in diesem ist sie theils eine beschränkte, theils
ist die absolute Beschränkung eben diſs, daſs der
Geist in der Form des Seyns ist.


Ferner ist daher das einzelne Bewuſstseyn, wie
es unmittelbar seine Existenz in der realen Sitt-
lichkeit oder in dem Volke hat, ein gediegenes
Vertrauen, dem sich der Geist nicht in seine ab-
stracte
Momente aufgelöst hat, und das sich also
auch nicht als reine Einzelnheit für sich zu seyn weiſs.
Ist es aber zu diesem Gedanken gekommen, wie es
muſs, so ist diese unmittelbare Einheit mit dem Gei-
ste oder sein Seyn in ihm, sein Vertrauen verlo-
ren; es für sich isolirt, ist sich nun das Wesen,
nicht mehr der allgemeine Geist. Das Moment die-
ser Einzelnheit des Selbstbewuſstseyns
ist zwar in dem
allgemeinen Geiste selbst, aber nur als eine ver-
schwindende Gröſse, die wie sie für sich auftritt,
in ihm eben so unmittelbar sich auflöst und nur als
Vertrauen zum Bewuſstseyn kommt. Indem es sich
so fixirt, — und jedes Moment, weil es Moment des
Wesens ist, muſs selbst dazu gelangen, als Wesen
sich darzustellen, — so ist das Individuum den Ge-
setzen und Sitten gegenübergetreten; sie sind nur
ein Gedanke ohne absolute Wesenheit, eine abstracte
[294] Theorie ohne Wirklichkeit; es aber ist als dieses
Ist sich die lebendige Wahrheit.


Oder das Selbstbewuſstseyn hat dieses Glück noch
nicht erreicht
, sittliche Substanz, der Geist eines
Volks zu seyn. Denn aus der Beobachtung zurück-
gekehrt, ist der Geist zuerst noch nicht als solcher
durch sich selbst verwirklicht; er ist nur als innres
Wesen oder als die Abstraction gesezt. — Oder er
ist erst unmittelbar; unmittelbar seyend aber ist er
einzeln; er ist das practische Bewuſstseyn, das in
seine vorgefundene Welt mit dem Zwecke einschrei-
tet, sich in dieser Bestimmtheit eines Einzelnen zu
verdoppeln, sich diesen als sein seyendes Gegen-
bild zu erzeugen und dieser Einheit seiner Wirk-
lichkeit mit dem gegenständlichen Wesen bewuſst
zu werden. Es hat die Gewiſsheit dieser Einheit;
es gilt ihm, daſs sie an sich oder daſs diese Ueber-
einstimmung seiner und der Dingheit schon vorhan-
den ist, nur ihm noch durch es zu werden hat,
oder daſs sein Machen ebenso das Finden derselben
ist. Indem diese Einheit Glück heiſst, wird diſs
Individuum hiemit sein Glück zu suchen von seinem
Geiste in die Welt hinausgeschickt.


Wenn also die Wahrheit dieses vernünftigen
Selbstbewuſstseyns für uns die sittliche Substanz
ist, so ist hier für es der Anfang seiner sittlichen
Welterfahrung. Von der Seite, daſs es noch nicht
zu jener geworden, dringt diese Bewegung auf sie,
und das, was in ihr sich aufhebt, sind die einzelnen
[295] Momente, die ihm isolirt gelten. Sie haben die
Form eines unmittelbaren Wollens, oder Natur-
triebs
, der seine Befriedigung erreicht, welche
selbst der Inhalt eines neuen Triebes ist. — Von
der Seite aber, daſs das Selbstbewuſstseyn das Glück
in der Substanz zu seyn verloren, sind diese Na-
turtriebe mit Bewuſstseyn ihres Zweckes als der
wahren Bestimmung und Wesenheit verbunden; die
sittliche Substanz ist zum selbstlosen Prädicate her-
abgesunken, dessen lebendige Subjecte die Indivi-
duen sind, die ihre Allgemeinheit durch sich selbst
zu erfüllen, und für ihre Bestimmung aus sich zu
sorgen haben. — In jener Bedeutung also sind jene
Gestalten das Werden der sittlichen Substanz, und
gehen ihr vor; in dieser folgen sie, und lösen es
für das Selbstbewuſstseyn auf, was seine Bestim-
mung sey; nach jener Seite geht in der Bewegung,
worin erfahren wird, was ihre Wahrheit ist, die
Unmittelbarkeit oder Rohheit der Triebe verloren,
und der Inhalt derselben in einen höhern über;
nach dieser aber die falſche Vorstellung des Be-
wuſstseyns, das in sie seine Bestimmung setzt.
Nach jener ist das Ziel, das sie erreichen, die un-
mittelbare sittliche Substanz; nach dieser aber das
Bewuſstseyn derselben, und zwar ein solches, das
sie als sein eignes Wesen weiſs; und insofern wäre
diese Bewegung das Werden der Moralität, einer
höhern Gestalt als jene. Allein diese Gestalten ma-
chen zugleich nur Eine Seite ihres Werdens aus,
[296] nemlich diejenige, welche in das Fürsichseyn fällt,
oder worin das Bewuſstseyn seine Zwecke aufhebt;
nicht die Seite, nach welcher sie aus der Substanz
selbst hervorgeht. Da diese Momente noch nicht
die Bedeutung haben können, im Gegensatze gegen
die verlorne Sittlichkeit zu Zwecken gemacht zu
werden, so gelten sie hier zwar nach ihrem unbe-
fangenen Inhalte, und das Ziel, nach welchem sie
dringen, ist die sittliche Substanz. Aber indem
unsern Zeiten jene Form derselben näher liegt,
in welcher sie erscheinen, nachdem das Bewuſst-
seyn sein sittliches Leben verloren und es suchend
jene Formen wiederholt, so mögen sie mehr in
dem Ausdrucke dieser Weise vorgestellt werden.


Das Selbstbewuſstseyn, welches nur erst der
Begriff des Geistes ist, tritt diesen Weg in der Be-
stimmtheit an, sich als einzelner Geist das Wesen
zu seyn, und sein Zweck ist also, sich als einzel-
nes die Verwirklichung zu geben und als dieses in
ihr sich zu genieſsen.


In der Bestimmung sich als für sich seyendes
das Wesen zu seyn, ist es die Negativität des An-
dern; in seinem Bewuſstseyn tritt daher es selbst
als das positive einem solchen gegenüber, das zwar
ist, aber für es die Bedeutung eines nicht an sich
seyenden hat; das Bewuſstseyn erscheint entzweyt in
diese vorgefundene Wirklichkeit, und in den Zweck,
den es durch Aufheben derselben vollbringt, und
statt jener vielmehr zur Wirklichkeit macht. Sein
[297] erster Zweck ist aber sein unmittelbares abstractes
Fürsichseyn, oder sich als dieses Einzelne in einem
andern oder ein anderes Selbstbewuſstseyn als sich
anzuschauen. Die Erfahrung, was die Wahrheit
dieses Zwecks ist, stellt das Selbstbewuſstseyn hö-
her, und es ist sich nunmehr Zweck, insofern es
zugleich allgemeines ist, und das Gesetz unmittelbar
an ihm hat. In der Vollbringung dieses Gesetzes
seines Herzens erfährt es aber, daſs das einzelne We-
sen hiebey sich nicht erhalten, sondern das Gute
nur durch die Aufopferung desselben ausgeführt
werden kann, und es wird zur Tugend. Die Er-
fahrung, welche sie macht, kann keine andre seyn,
als daſs ihr Zweck an sich schon ausgeführt ist,
das Glück unmittelbar im Thun selbst sich findet,
und das Thun selbst das Gute ist. Der Begriff die-
ser ganzen Sphäre, daſs die Dingheit das Fürsich-
seyn
des Geistes selbst ist, wird in ihrer Bewegung
für das Selbstbewuſstseyn. Indem es ihn gefunden,
ist es sich also Realität als unmittelbar sich aus-
sprechende Individualität, die keinen Widerstand
an einer entgegengesetzten Wirklichkeit mehr fin-
det, und der nur diſs Aussprechen selbst Gegen-
stand und Zweck ist.


[298]
a.
Die Luſt und die Nothwendigkeit.

Das Selbstbewuſstseyn, welches sich überhaupt
die Realität ist, hat seinen Gegenstand an ihm selbst,
aber als einen solchen, welchen es nur erst für sich
hat, und der noch nicht seyend ist; das Seyn steht
ihm als eine andere Wirklichkeit, denn die seinige
ist, gegenüber; und es geht darauf durch Vollfüh-
rung seines Fürsichseyns sich als anderes selbst-
ständiges Wesen anzuschauen. Dieser erste Zweck
ist, seiner als einzelnen Wesens in dem andern
Selbstbewuſstseyn bewuſst zu werden, oder diſs
Andre zu sich selbst zu machen; es hat die Gewiſs-
heit, daſs an sich schon diſs andre es selbst ist. —
Insofern es aus der sittlichen Substanz und dem ru-
higen Seyn des Denkens zu seinem Fürsichseyn sich
erhoben, so hat es das Gesetz der Sitte und des
Daseyns, die Kenntnisse der Beobachtung und die
Theorie, als einen grauen eben verschwindenden
Schatten hinter sich, denn diſs ist vielmehr ein
Wissen von einem solchen, dessen Fürsichseyn und
Wirklichkeit eine andere, als die des Selbstbewuſst-
seyns ist. Es ist in es statt des himmlisch scheinenden
Geistes der Allgemeinheit des Wissens und Thuns,
worin die Empfindung und der Genuſs der Einzeln-
heit schweigt, der Erdgeist gefahren, dem das Seyn
nur, welches die Wirklichkeit des einzelnen Be-
wuſstseyns ist, als die wahre Wirklichkeit gilt.


[299]
Es verachtet Verstand und Wissenschaft

des Menschen allerhöchste Gaben —

es hat dem Teufel sich ergeben

und muſs zu Grunde gehn.

Es stürzt also ins Leben, und bringt die reine
Individualität, in welcher es auftritt, zur Ausfüh-
rung. Es macht sich weniger sein Glück, als daſs
es dasselbige unmittelbar nimmt und genieſst. Die
Schatten von Wissenschaft, Gesetzen und Grund-
sätzen, die allein zwischen ihm und seiner eignen
Wirklichkeit stehen, verschwinden, als ein leblo-
ser Nebel, der es nicht mit der Gewiſsheit seiner
Realität aufnehmen kann; es nimmt sich das Le-
ben, wie eine reife Frucht gepflückt wird, welche
ebensosehr selbst entgegen kommt, als sie genom-
men wird.


Sein Thun ist nur nach einem Momente ein
Thun der Begierde; es geht nicht auf die Vertil-
gung des ganzen gegenständlichen Wesens, sondern
nur auf die Form seines Andersseyns oder seiner
Selbstständigkeit, die ein wesenloser Schein ist;
denn an sich gilt es ihm für dasselbe Wesen, oder
als seine Selbstheit. Das Element, worinn die Be-
gierde und ihr Gegenstand gleichgültig gegeneinan-
der und selbstständig bestehen, ist das lebendige
Daseyn
; der Genuſs der Begierde hebt diſs, inso-
fern es ihrem Gegenstande zukommt, auf. Aber
hier ist diſs Element, welches beyden die abgeson-
derte Wirklichkeit gibt, vielmehr die Kategorie,
[300] ein Seyn, das wesentlich ein vorgestelltes ist; es ist
daher das Bewuſstseyn der Selbstständigkeit; — sey es
nun das natürliche, oder das zu einem System von
Gesetzen ausgebildete Bewuſstseyn, welches die In-
dividuen jedes für sich erhält. Diese Trennung ist
nicht an sich für das Selbstbewuſstseyn, welches
als seine eigne Selbstheit das andre weiſs. Es ge-
gelangt also zum Genuſse der Lust, zum Bewuſst-
seyn seiner Verwirklichung in einem als selbst-
ständig erscheinenden Bewuſstseyn, oder zur An-
schauung der Einheit beyder selbstständigen Selbst-
bewuſstseyn. Es erreicht seinen Zweck, erfährt
aber eben darin, was die Wahrheit desselben ist.
Es begreifft sich als dieses einzelne Fürsichseyende
Wesen, aber die Verwirklichung dieses Zwecks
ist selbst das Aufheben desselben, denn es wird
sich nicht Gegenstand als dieses einzelne, sondern
vielmehr als Einheit seiner selbst und des andern
Selbstbewuſstseyns, hiemit als aufgehobnes Einzel-
nes oder als Allgemeines.


Die genossene Luft hat wohl die positive Be-
deutung, sich selbst als gegenständliches Selbstbe-
bewuſstseyn geworden zu seyn, aber ebensosehr
die negative, sich selbst aufgehoben zu haben; und
indem es seine Verwirklichung nur in jener Bedeu-
tung begriff, tritt seine Erfahrung als Widerspruch
in sein Bewuſstseyn ein, worin die erreichte Wirk-
lichkeit seiner Einze nheit sich von dem negativen
Wesen vernichtet werden sieht, das Wirklichkeits-
[301] los jener leer gegenübersteht und doch die verzeh-
rende Macht desselben ist. Dieses Wesen ist nichts
anders als der Begriff dessen, was diese Individua-
lität an sich ist. Sie ist aber noch die ärmste Ge-
stalt des sich verwirklichenden Geistes; denn sie
ist sich erst die Abstraction der Vernunft, oder die
Unmittelbarkeit der Einheit des Fürsich und des An-
sichseyns
; ihr Wesen ist also nur die abstracte Ka-
tegorie. Jedoch hat sie nicht mehr die Form des
unmittelbaren, einfachen Seyns, wie dem beobachten-
den Geiste, wo sie das abstracte Sein, oder als
fremdes gesetzt, die Dingheit überhaupt ist. Hier
ist in diese Dingheit, das Fürsichseyn und die Ver-
mittlung getreten. Sie tritt daher als Kreis auf,
dessen Inhalt die entwickelte reine Beziehung der
einfachen Wesenheiten ist. Die erlangte Verwirk-
lichung dieser Individualität besteht daher in nichts
anderem, als daſs sie diesen Kreis von Abstractio-
nen aus der Eingeschlossenheit des einfachen Selbst-
bewuſstseyns, in das Element des Für es seyns, oder
der gegenständlichen Ausbreitung herausgeworfen
hat. Was dem Selbstbewuſstseyn also in der ge-
nieſsenden Lust als sein Wesen zum Gegenstande
wird, ist die Ausbreitung jener leeren Wesenhei-
ten, der reinen Einheit, des reinen Unterschiedes,
und ihrer Beziehung; weiter hat der Gegenstand,
den die Individualität als ihr Wesen erfährt, kei-
nen Inhalt. Er ist das, was die Nothwendigkeit
genannt wird; denn die Nothwendigkeit, das Schick-
[302] sal
und dergleichen, ist eben dieses, von dem man
nicht zu sagen weiſs, was es thue, welches seine
bestimmten Gesetze und positiver Inhalt seye, weil
es der absolute als Seyn angeschaute reine Begriff
selbst ist, die einfache und leere aber unaufhaltsa-
me und unstörbare Beziehung, deren Werk nur
das Nichts der Einzelnheit ist. Sie ist dieser feste
Zusammenhang
, weil das Zusammenhängende die
reinen Wesenheiten oder die leeren Abstractionen
sind; Einheit, Unterschied und Beziehung sind
Kategorien, deren jede nichts an und für sich, nur
in Beziehung auf ihr Gegentheil ist, und die daher
nicht auseinander kommen können. Sie sind durch
ihren Begriff aufeinander bezogen, denn sie sind
die reinen Begriffe selbst; und diese absolute Bezie-
hung
und abstracte Bewegung macht die Nothwen-
digkeit aus. Die nur einzelne Individualität, die
nur erst den reinen Begriff der Vernunft zu ihrem
Inhalte hat, statt aus der toden Theorie in das
Leben sich gestürzt zu haben, hat sich also viel-
mehr nur in das Bewuſstseyn der eignen Leblosig-
keit gestürtzt, und wird sich nur als die leere und
fremde Nothwendigkeit, als die tode Wirklichkeit
zu Theil.


Der Uebergang geschieht aus der Form des
Eins in die der Allgemeinheit, aus einer absoluten
Abstraction in die andere; aus dem Zwecke des rei-
nen Fürsichseyns, das die Gemeinschafft mit Andern
abgeworfen, in das reine Gegentheil, das dadurch
[303] ebenso abstracte Ansichseyn. Diſs erscheint hiemit
so, daſs das Individuum nur zu Grunde gegangen,
und die absolute Sprödigkeit der Einzelnheit, an
der ebenso harten, aber continuirlichen Wirklich-
keit zerstäubt ist. — Indem es als Bewuſstseyn die
Einheit seiner selbst und seines Gegentheils ist, ist
dieser Untergang noch für es; sein Zweck und
seine Verwirklichung, so wie der Widerspruch
dessen, was ihm das Wesen war, und was an sich
das Wesen ist; — es erfährt den Doppelsinn, der in
dem liegt, was es that, nemlich sein Leben sich
genommen zu haben; es nahm das Leben, aber viel-
mehr ergriff es damit den Tod.


Dieser Uebergang seines lebendigen Seyns in
die leblose Nothwendigkeit erscheint ihm daher als
eine Verkehrung, die durch nichts vermittelt ist.
Das Vermittelnde müſste das seyn, worin beyde
Seiten eins wären, das Bewuſstseyn also das eine
Moment im andern erkännte, seinen Zweck und
Thun in dem Schicksale, und sein Schicksal in sei-
nem Zwecke und Thun, sein eigenes Wesen in die-
ser Nothwendigkeit. Aber diese Einheit ist für diſs
Bewuſstseyn eben die Lust selbst, oder das einfa-
che, einzelne
Gefühl, und der Uebergang von dem
Momente dieses seines Zwecks in das Moment sei-
nes wahren Wesens für es ein reiner Sprung in
das Entgegengesezte; denn diese Momente sind
nicht im Gefühle enthalten und verknüpft, sondern
nur im reinen Selbst, das ein Allgemeines oder das
[304] Denken ist. Das Bewuſstseyn ist sich daher durch
seine Erfahrung, worin ihm seine Wahrheit werden
sollte, vielmehr ein Räthsel geworden, die Folgen
seiner Thaten sind ihm nicht seine Thaten selbst;
was ihm wiederfährt, für es nicht die Erfahrung
dessen, was es an sich ist; der Uebergang nicht
eine blose Formänderung desselben Inhalts und
Wesens, einmal vorgestellt, als Inhalt und Wesen
des Bewuſstseyns, das anderemal als Gegenstand
oder angeschautes Wesen seiner selbst. Die ab-
stracte Nothwendigkeit
gilt also für die nur negative,
unbegriffene Macht der Allgemeinheit, an welcher die
Individualität zerschmettert wird.


Bis hieher geht die Erscheinung dieser Gestalt
des Selbstbewuſstseyns; das letzte Moment ihrer
Existenz ist der Gedanke ihres Verlusts in der Noth-
wendigkeit, oder der Gedanke ihrer selbst als ei-
nes sich absolut fremden Wesens. Das Selbstbe-
wuſstseyn an sich hat aber diesen Verlust überlebt;
denn diese Nothwendigkeit, oder reine Allgemein-
heit ist sein eignes Wesen. Diese Reflexion des Be-
wuſstseyns in sich, die Nothwendigkeit als sich zu
wissen, ist eine neue Gestalt desselben.


[305]
b.
Das Gesetz des Herzens, und der Wahn-
sinn des Eigendünkels.

Was die Nothwendigkeit in Wahrheit am Selbst-
bewuſstseyn ist, diſs ist sie für seine neue Gestalt,
worin es sich selbst als das Nothwendige ist; es
weiſs unmittelbar das Allgemeine, oder das Gesetz in
sich zu haben; welches um dieser Bestimmung wil-
len, daſs es unmittelbar in dem Fürsichseyn des Be-
wuſstseyns ist, das Gesetz des Herzens heiſst. Diese
Gestalt ist für sich als Einzelnheit Wesen, wie die
vorige, aber sie ist um die Bestimmung reicher,
daſs ihr diſs für Fürsichseyn als nothwendiges oder
allgemeines gilt.


Das Gesetz also, das unmittelbar das eigne des
Selbstbewuſstseyns ist, oder ein Herz, das aber ein
Gesetz an ihm hat, ist der Zweck, den es zu ver-
wirklichen geht. Es ist zu ſehen, ob seine Ver-
wirklichung diesem Begriffe entsprechen, und ob es
in ihr diſs sein Gesetz als das Wesen erfahren
wird.


Diesem Herzen steht eine Wirklichkeit gegen-
über; denn im Herzen ist das Gesetz nur erst für
sich
, noch nicht verwirklicht und also zugleich et-
was Anderes, als der Begriff ist. Dieses Andere
bestimmt sich dadurch als eine Wirklichkeit, die
das entgegengesetzte des zu verwirklichenden, hie-
mit der Widerspruch des Gesetzes und der Ein
U
[306]zelnheit ist. Sie ist also einerseits ein Gesetz, von
dem die einzelne Individualität gedrückt wird, eine
gewaltthätige Ordnung der Welt, welche dem Ge-
setze des Herzens widerspricht; — und andererseits
eine unter ihr leidende Menschheit, welche nicht dem
Gesetze des Herzens folgt, sondern einer fremden
Nothwendigkeit unterthan ist. — Diese Wirklich-
keit, die der itzigen Gestalt des Bewuſstseyns ge-
genüber
erscheint, ist, wie erhellt, nichts anders als
das vorhergehende entzweyte Verhältniſs der Indi-
vidualität und ihrer Wahrheit, das Verhältniſs ei-
ner grausamen Nothwendigkeit, von welcher jene
erdrückt wird. Für uns tritt die vorhergehende
Bewegung darum der neuen Gestalt gegenüber, weil
diese an sich aus ihr entsprungen, das Moment,
woraus sie herkommt, also nothwendig für sie ist;
ihr aber erscheint es als ein vorgefundenes, indem
sie kein Bewuſstseyn über ihren Ursprung hat, und
ihr das Wesen ist, vielmehr für sich selbst oder das
negative gegen diſs positive Ansich zu seyn.


Diese dem Gesetze des Herzens widersprechen-
de Nothwendigkeit, so wie das durch sie vorhan-
dene Leiden, aufzuheben, darauf ist also diese In-
dividualität gerichtet. Sie ist hiemit nicht mehr der
Leichtsinn der vorigen Gestalt, die nur die einzel-
ne Lust wollte, sondern die Ernsthaftigkeit eines
hohen Zwecks, die ihre Lust in der Darstellung
ihres vortrefflichen eigenen Wesens und in der Her-
vorbringung des Wohls der Menschheit sucht. Was
[307] sie verwirklicht, ist selbst das Gesetz, und ihre Lust
daher zugleich die Allgemeine aller Herzen. Bey-
des ist ihr ungetrennt; ihre Lust das gesetzmäſsige,
und die Verwirklichung des Gesetzes der allgemei-
nen Menschheit, Bereitung ihrer einzelnen Lust.
Denn innerhalb ihrer selbst ist unmittelbar die Indi-
vidualität und das Nothwendige Eins; das Gesetz,
Gesetz des Herzens. Die Individualität ist noch
nicht aus ihrer Stelle gerückt, und die Einheit bey-
der nicht durch die vermittelnde Bewegung dersel-
ben, noch nicht durch die Zucht zu Stande gekom-
men. Die Verwirklichung des unmittelbaren unge-
zogenen
Wesens gilt für Darstellung einer Vortref-
flichkeit und für Hervorbringung des Wohls der
Menschheit.


Das Gesetz dagegen, welches dem Gesetze des
Herzens gegenübersteht, ist vom Herzen getrennt,
und frey für sich. Die Menschheit, die ihm ange-
hört, lebt nicht in der beglückenden Einheit des
Gesetzes mit dem Herzen, sondern entweder in
grausamer Trennung und Leiden, oder wenigstens
in der Entbehrung des Genusses seiner selbst bey der
Befolgung des Gesetzes, und in dem Mangel des
Bewuſstseyns der eignen Vortrefflichkeit bey der
Ueberschreitung desselben. Weil jene gewalthabende
göttliche und menschliche Ordnung von dem Her-
zen getrennt ist, ist sie diesem ein Schein, welcher
das verlieren soll, was ihm noch zugesellt ist, nem-
lich die Gewalt und die Wirklichkeit. Sie mag in
U 2
[308] ihrem Inhalte wohl zufälligerweise mit dem Gesetze
des Herzens übereinstimmen, und dann kann sich
dieses sie gefallen lassen; aber nicht das gesetzmä-
ſsige rein als solches ist ihm das Wesen, sondern
daſs es darin das Bewuſstseyn seiner selbst, daſs es
sich darin befriedigt habe. Wo der Inhalt der all-
gemeinen Nothwendigkeit aber nicht mit dem Her-
zen übereinstimmt, ist sie auch ihrem Inhalte nach
nichts an sich, und muſs dem Gesetze des Herzens
weichen.


Das Individuum vollbringt also das Gesetz sei-
nes Herzens; es wird allgemeine Ordnung, und die
Lust zu einer an und für sich gesetzmäſsigen Wirk-
lichkeit. Aber in dieser Verwirklichung ist es ihm
in der That entflohen; es wird unmittelbar nur das
Verhältniſs, welches aufgehoben werden sollte.
Das Gesetz des Herzens hört eben durch seine Ver-
wirklichung auf, Gesetz des Herzens zu seyn. Denn
es erhält darin die Form des Seyns, und ist nun
allgemeine Macht, für welche dieses Herz gleichgül-
tig ist, so daſs das Individuum, seine eigene Ordnung
dadurch, daſs es sie aufstellt, nicht mehr als die
seinige findet. Durch die Verwirklichung seines Ge-
setzes bringt es daher nicht sein Gesetz, sondern
indem sie an sich die seinige, für es aber eine frem-
de ist, nur diſs hervor, in die wirkliche Ordnung
sich zu verwickeln; und zwar in sie als eine ihm
nicht nur fremde, sondern feindliche Uebermacht. —
Durch seine That setzt es sich in oder vielmehr
[309]als das allgemeine Element der seyenden Wirklich-
keit, und seine That soll selbst nach seinem Sinne
den Werth einer allgemeinen Ordnung haben. Aber
damit hat es sich von sich selbst frey gelassen, es
wächst als Allgemeinheit für sich fort und reinigt
sich von der Einzelnheit; das Individuum, welches
die Allgemeinheit nur in der Form seines unmit-
telbaren Fürsichseyns erkennen will, erkennt sich
also nicht in dieser freyen Allgemeinheit, während
es ihr zugleich angehört, denn sie ist sein Thun.
Diſs Thun hat daher die verkehrte Bedeutung, der
allgemeinen Ordnung zu widersprechen, denn seine
That soll That seines einzelnen Herzens, nicht freye
allgemeine Wirklichkeit seyn; und zugleich hat es sie
in der That anerkannt, denn das Thun hat den Sinn,
sein Wesen als freye Wirklichkeit zu setzen, das heiſst
die Wirklichkeit als sein Wesen anzuerkennen.


Das Individuum hat durch den Begriff seines
Thuns die nähere Weise bestimmt, in welcher die
wirkliche Allgemeinheit, der es sich angehörig ge-
macht, sich gegen es kehrt. Seine That gehört als
Wirklichkeit dem Allgemeinen an; ihr Inhalt aber
ist die eigene Individualität, welche sich als diese
einzelne dem Allgemeinen entgegengesetzte erhalten
will. Es ist nicht irgend ein bestimmtes Gesetz, von
dessen Aufstellung die Rede wäre, sondern die un-
mittelbare Einheit des einzelnen Herzens mit der
Allgemeinheit, ist der zum Gesetze erhobene und
geltensollende Gedanke, daſs in dem, was Gesetz
[310] ist, jedes Herz sich selbst erkennen muſs. Aber nur
das Herz dieses Individuums hat seine Wirklich-
keit in seiner That, welche ihm sein Fürsichseyn
oder seine Lust ausdrückt, gesetzt. Sie soll unmittel-
bar als allgemeines gelten, das heiſst, sie ist in
Wahrheit etwas Besonderes, und hat nur die Form
der Allgemeinheit, sein besonderer Inhalt soll als
solcher
für allgemein zu gelten. Daher finden in die-
sem Inhalte die andern nicht das Gesetz ihres Her-
zens, sondern vielmehr das eines andern vollbracht,
und eben nach dem allgemeinen Gesetze, daſs in
dem, was Gesetz ist, jedes sein Herz finden soll,
kehren sie sich ebenso gegen die Wirklichkeit,
welche es aufstellte, als es sich gegen die ihrige
kehrte. Das Individuum findet also, wie zuerst nur
das starre Gesetz, itzt die Herzen der Menschen
selbst seinen vortrefflichen Absichten entgegen und
zu verabscheuen.


Weil diſs Bewuſstseyn die Allgemeinheit nur
erst als unmittelbare, und die Nothwendigkeit als
Nothwendigkeit des Herzens kennt, ist ihm die Na-
tur der Verwirklichung und der Wirksamkeit un-
bekannt, daſs sie als das Seyende in ihrer Wahr-
heit vielmehr das an sich allgemeine ist, worin die
Einzelnheit des Bewuſstseyns, die sich ihr anver-
traut, um als diese unmittelbare Einzelnheit zu seyn,
vielmehr untergeht; statt dieses seines Seyns erlangt
es also in dem Seyn die Entfremdung seiner selbst.
Dasjenige, worin es sich nicht erkennt, ist aber
[311] nicht mehr die todte Nothwendigkeit, sondern die
Nothwendigkeit als belebt durch die allgemeine In-
dividualität. Es nahm diese göttliche und mensch-
liche Ordnung, die es geltend vorfand, für eine
todte Wirklichkeit, worin, wie es selbst, das sich
als dieses für sich seyende dem allgemeinen entge-
gengesetzte Herz fixirt, so die ihr angehören, das
Bewuſstseyn ihrer selbst nicht hätten; es findet sie
aber vielmehr von dem Bewuſstseyn aller belebt,
und als Gesetz aller Herzen. Es macht die Erfah-
rung, daſs die Wirklichkeit belebte Ordnung ist,
zugleich in der That eben dadurch, daſs es das Ge-
setz seines Herzens verwirklicht; denn diſs heiſst
nichts anders, als daſs die Individualität sich als all-
gemeines zum Gegenstande wird, worin es sich
aber nicht erkennt.


Was also dieser Gestalt des Selbstbewuſstseyns
aus ihrer Erfahrung als das Wahre hervorgeht,
widerspricht dem, was sie für sich ist. Was sie aber
für sich ist, hat selbst die Form absoluter Allge-
meinheit für sie, und es ist das Gesetz des Herzens,
welches mit dem Selbstbewuſstseyn unmittelbar Eins
ist. Zugleich ist die bestehende und lebendige Ord-
nung eben so sein eigenes Wesen und Werk, es
bringt nichts anders hervor, als sie; sie ist in gleich
unmittelbarer Einheit mit dem Selbstbewuſstseyn.
Dieses ist auf diese Weise, einer gedoppelten ent-
gegengesetzten Wesenheit angehörend, an sich selbst
widersprechend, und im Innersten zerrüttet. Das
[312] Gesetz dieses Herzens ist nur dasjenige, worin das
Selbstbewuſstseyn sich selbst erkennt; aber die all-
gemeine gültige Ordnung ist durch die Verwirkli-
chung jenes Gesetzes, ebenso ihm sein eigenes We-
sen
und seine eigene Wirklichkeit geworden; was in
seinem Bewuſstseyn sich also widerspricht, ist bey-
des in der Form des Wesens und seiner eignen
Wirklichkeit für es.


Indem es diſs Moment seines sich bewuſsten
Untergangs und darin das Resultat seiner Erfah-
rung ausspricht, zeigt es sich als diese innere Ver-
kehrung seiner selbst, als die Verrücktheit des Be-
wuſstseyns, welchem sein Wesen unmittelbar Un-
wesen, seine Wirklichkeit unmittelbar Unwirklich-
keit ist. — Die Verrücktheit kann nicht dafür ge-
halten werden, daſs überhaupt etwas wesenloses
für wesentlich, etwas nichtwirkliches für wirklich
gehalten werde, so daſs das, was für den einen
wesentlich oder wirklich ist, es für einen andern
nicht wäre, und das Bewuſstseyn der Wirklichkeit
und Nichtwirklichkeit, oder der Wesenheit und
Unwesenheit auseinander fielen. — Wenn etwas in
der That für das Bewuſstsein überhaupt wirklich
und wesentlich, für mich aber nicht ist, so habe
ich in dem Bewuſstseyn seiner Nichtigkeit, zugleich
da ich Bewuſstseyn überhaupt bin, das Bewuſstseyn
seiner Wirklichkeit, — und indem sie beyde fixirt
sind, so ist diſs eine Einheit, welche der Wahn-
sinn im Allgemeinen ist. In diesem ist aber nur
[313] ein Gegenstand für das Bewuſstseyn verrückt; nicht
das Bewuſstseyn als solches in und für sich selbst.
In dem Resultate des Erfahrens, das sich hier er-
geben hat, ist aber das Bewuſstseyn in seinem Ge-
setze sich seiner selbst, als dieses wirklichen bewuſst;
und zugleich indem ihm ebendieselbe Wesenheit,
dieselbe Wirklichkeit entfremdet ist, ist es als Selbst-
bewuſstseyn, als absolute Wirklichkeit sich seiner
Unwirklichkeit bewuſst, oder die beyden Seiten gel-
ten ihm nach ihrem Widerspruche unmittelbar als
sein Wesen, das also im innersten verrückt ist.


Das Herzklopfen für das Wohl der Mensch-
heit geht darum in das Toben des verrückten Ei-
gendünkels über; in die Wuth des Bewuſstseyns,
gegen seine Zerstörung sich zu erhalten, und diſs
dadurch, daſs es die Verkehrtheit, welche es selbst
ist, aus sich herauswirfft, und sie als ein Anderes
anzusehen und auszusprechen sich anstrengt. Es
spricht also die allgemeine Ordnung aus, als eine
von fanatischen Priestern, schwelgenden Despoten
und für ihre Erniedrigung hinabwärts durch Er-
niedrigen und Unterdrücken sich entschädigenden
Dienern derselben erfunden, und zum namenlosen
Elende der betrognen Menschheit gehandhabte Ver-
kehrung des Gesetzes des Herzens und seines Glü-
ckes. — Das Bewuſstseyn spricht in dieser seiner
Verrücktheit die Individualität als das verrückende
und verkehrte aus, aber eine fremde und zufällige.
Aber das Herz, oder die [un]mittelbar, allgemeinseyn-
[314] wollende Einzelnheit des Bewuſstseyns
ist diſs Verrü-
ckende und Verkehrte selbst, und sein Thun nur
die Hervorbringung dessen, daſs dieser Widerspruch
seinem Bewuſstseyn wird. Denn das Wahre ist ihm
das Gesetz des Herzens, — ein bloſs gemeyntes, das
nicht, wie die bestehende Ordnung, den Tag aus-
gehalten hat, sondern vielmehr wie es sich diesem
zeigt, zu Grunde geht. Diſs sein Gesetz sollte Wirk-
lichkeit
haben; hierin ist ihm das Gesetz als Wirk-
lichkeit
, als geltende Ordnung Zweck und Wesen,
aber unmittelbar ist ihm ebenso die Wirklichkeit,
eben das Gesetz als geltende Ordnung, vielmehr das
Nichtige. — Ebenso seine eigne Wirklichkeit, es
selbst
als Einzelnheit des Bewuſstseyns ist sich das
Wesen; aber es ist ihm Zweck sie seyend zu setzen;
es ist ihm also unmittelbar vielmehr sein Selbst als
Nichteinzelnes das Wesen, oder Zweck als Gesetz,
ebendarin als eine Allgemeinheit, welche es für
sein Bewuſstseyn selbst sey. — Dieser sein Begriff
wird durch sein Thun zu seinem Gegenstande; sein
Selbst erfährt es also vielmehr als das Unwirkliche,
und die Unwirklichkeit als seine Wirklichkeit. Es
ist also nicht eine zufällige und fremde Individua-
lität, sondern eben dieses Herz nach allen Seiten
in sich das Verkehrte und Verkehrende.


Indem aber die unmittelbar allgemeine Indivi-
dualität das Verkehrte und Verkehrende ist, ist
nicht weniger diese allgemeine Ordnung, da sie das
Gesetz aller Herzen, das heiſs, des Verkehrten ist,
[315] selbst an sich das Verkehrte, wie die tobende Ver-
rücktheit es ausſprach, Einmal erweist sie sich in
dem Widerstande, welcher das Gesetz eines Her-
zens an den andern Einzelnen findet, Gesetz aller Her-
zen zu seyn. Die bestehenden Gesetze werden ge-
gen das Gesetz eines Individuums vertheidigt, weil
sie nicht bewuſstlose, leere und todte Nothwendig-
keit, sondern geistige Allgemeinheit und Substanz
sind, worin diejenigen, an denen sie ihre Wirk-
lichkeit hat, als Individuen leben, und ihrer selbst
bewuſst sind; so daſs wenn sie auch über diese Ord-
nung als ob sie dem innern Gesetze zuwiderlaufe,
klagen und die Meynungen des Herzens gegen sie
halten, in der That mit ihrem Herzen an ihr als
ihrem Wesen hängen; und wenn diese Ordnung
ihnen genommen wird, oder sie selbst sich daraus-
setzen, sie alles verlieren. Indem hierin eben die
Wirklichkeit und Macht der öffentlichen Ordnung
besteht, erscheint also diese als das sich selbst glei-
che allgemein belebte Wesen, und die Individuali-
tät als die Form derselben. — Aber diese Ordnung
ist eben so das Verkehrte.


Denn darin, daſs sie das Gesetz aller Herzen
ist, daſs alle Individuen unmittelbar dieses Allgemei-
ne sind, ist sie eine Wirklichkeit, welche nur die
Wirklichkeit der für sich seyenden Individualität,
oder des Herzens ist. Das Bewuſstseyn, welches
das Gesetz seines Herzens aufstellt, erfährt also
Widerstand von andern, weil es den ebenso einzel-
[316] nen
Gesetzen ihres Herzens widerspricht, und diese
thun in ihrem Widerstande nichts anders, als ihr
Gesetz aufstellen und geltend machen. Das Allge-
meine
, das vorhanden ist, ist daher nur ein allge-
meiner Widerstand und Bekämpfung aller gegen
einander, worin jeder seine eigene Einzelnheit gel-
tend macht, aber zugleich nicht dazu kommt, weil
sie denselben Widerstand erfährt, und durch die
andern gegenseitig aufgelöst wird. Was öffentliche
Ordnung scheint, ist also diese allgemeine Befehdung,
worin jeder an sich reiſst, was er kann, die Ge-
rechtigkeit an der Einzelnheit der Andern ausübt
und die seinige festsetzt, die ebenso durch andere
verschwindet. Sie ist der Weltlauff, der Schein ei-
nes bleibenden Ganges, der nur eine gemeynte All-
gemeinheit
, und dessen Inhalt vielmehr das wesen-
lose Spiel der Festsetzung der Einzelnheiten und
ihrer Auflösung ist.


Betrachten wir beyde Seiten der allgemeinen
Ordnung gegen einander, so hat die letztere Allge-
meinheit zu ihrem Inhalte die unruhige Individua-
lität, für welche die Meynung, oder die Einzeln-
heit Gesetz, das Wirkliche unwirklich, und das Un-
wirkliche das Wirkliche ist. Sie ist aber zugleich
die Seite der Wirklichkeit der Ordnung, denn ihr ge-
hört das Fürsichseyn der Individualität an. — Die
andere Seite ist das Allgemeine als ruhiges Wesen,
aber eben darum nur als ein Inneres, das nicht
gar nicht, aber doch keine Wirklichkeit ist, und
[317] nur durch Aufhebung der Individualität, welche
sich die Wirklichkeit angemaſst hat, selbst wirklich
werden kann. Diese Gestalt des Bewuſstseyns, sich
in dem Gesetze, in dem An sich Wahren und Gu-
ten nicht als die Einzelnheit, sondern nur als We-
sen
zu werden, die Individualität aber als das Ver-
kehrte und Verkehrende zu wissen, und daher die
Einzelnheit des Bewuſstseyns aufopfern zu müssen,
ist die Tugend.


c.
Die Tugend und der Weltlauff.

In der ersten Gestalt der thätigen Vernunft war
das Selbstbewuſstseyn sich reine Individualität, und
ihr gegenüber stand die leere Allgemeinheit. In
der zweyten hatten die beyden Theile des Gegen-
satzes, jeder die beyden Momente, Gesetz und Indi-
vidualität an ihnen; der eine aber, das Herz, war
ihre unmittelbare Einheit, der andere ihre Entge-
gensetzung. Hier im Verhältnisse der Tugend und
des Weltlaufs, sind beyde Glieder, jedes Einheit
und Gegensatz dieser Momente, oder eine Bewe-
gung des Gesezes und der Individualität gegenein-
ander, aber eine entgegengesetzte. Dem Bewuſst-
seyn der Tugend ist das Gesetz das Wesentliche und
die Individualität das aufzuhebende, und also sowohl
[318] an ihrem Bewuſstseyn selbst als an dem Weltlauffe.
An jenem ist die eigne Individualität in die Zucht
unter das Allgemeine, das an sich Wahre und Gute,
zu nehmen; es bleibt aber darin noch persönliches
Bewuſstseyn; die wahre Zucht ist allein die Aufopf-
rung der ganzen Persönlichkeit, als die Bewährung,
daſs es in der That nicht noch an Einzelnheiten
festgeblieben ist. In dieser einzelnen Aufopfrung
wird zugleich die Individualität an dem Welilauffe
vertilgt, denn sie ist auch einfaches beyden ge-
meinschaftliches Moment. — In diesem verhält sich
die Individualität auf die verkehrte Weise, als sie
am tugendhaften Bewuſstseyn gesetzt ist, nemlich
sich zum Wesen zu machen, und dagegen das an
sich
Gute und Wahre sich zu unterwerfen. — Der
Weltlauff ist ferner ebenso für die Tugend nicht
nur diſs durch die Individualität verkehrte Allgemeine;
sondern die absolute Ordnung ist gleichfalls gemein-
schaftliches Moment, an dem Weltlauffe nur nicht
als seyende Wirklichkeit für das Bewuſstseyn vorhan-
den, sondern das innere Wesen desselben. Sie ist
daher nicht erst durch die Tugend eigentlich her-
vorzubringen, denn das Hervorbringen ist, als Thun,
Bewuſstseyn der Individualität, und diese vielmehr
aufzuheben; durch dieses Aufheben aber wird dem
An sich des Weltlauffs gleichsam nur Raum gemacht,
an und für sich selbst in die Existenz zu treten.


Der allgemeine Inhalt des wirklichen Welt-
lauffs hat sich schon ergeben; näher betrachtet, ist
[319] er wieder nichts anders als die beyden vorherge-
henden Bewegungen des Selbstbewuſstseyns. Aus
ihnen ist die Gestalt der Tugend hervorgegangen;
indem sie ihr Ursprung sind, hat sie sie vor sich;
sie geht aber darauf, ihren Ursprung aufzuheben,
und sich zu realisiren, oder für sich zu werden.
Der Weltlauff ist also einerseits die einzelne Indi-
vidualität, welche ihre Lust und Genuſs sucht,
darin zwar ihren Untergang findet, und hiemit das
Allgemeine befriedigt. Aber diese Befriedigung selbst
so wie die übrigen Momente dieses Verhältnisses
ist eine verkehrte Gestalt und Bewegung des All-
gemeinen. Die Wirklichkeit ist nur die Einzelnheit
der Lust und des Genusses, das Allgemeine aber ihr
entgegengesetzt; eine Nothwendigkeit, welche nur
die leere Gestalt desselben, eine nur negative Rück-
wirkung und inhaltsloses Thun ist. — Das andere
Moment des Weltlauffs ist die Individualität, wel-
che an und für sich Gesetz seyn will, und in die-
ser Einbildung die bestehende Ordnung stört; das
allgemeine Gesetz erhält sich zwar gegen diesen Ei-
gendünkel, und tritt nicht mehr als ein dem Be-
wuſstseyn Entgegengesetztes und Leeres, nicht als
eine todte Nothwendigkeit auf, sondern als Noth-
wendigkeit in dem Bewuſstseyn selbst
. Aber wie es als
die bewuſste Beziehung der absolut widersprechen-
den Wirklichkeit existirt, ist es die Verrücktheit;
wie es aber als gegenstandliche Wirklichkeit ist, ist
es die Verkehrtheit überhaupt. Das Allgemeine stellt
[320] sich also wohl in beyden Seiten als die Macht ihrer
Bewegung dar, aber die Existenz dieser Macht ist
nur die allgemeine Verkehrung.


Von der Tugend soll es nun seine wahrhafte
Wirklichkeit erhalten, durch das Aufheben der In-
dividualität, des Princips der Verkehrung; ihr Zweck
ist, hiedurch den verkehrten Weltlauff wieder zu
verkehren und sein wahres Wesen hervorzubrin-
gen. Diſs wahre Wesen ist an dem Weltlauffe nur
erst als sein Ansich, es ist noch nicht wirklich; und
die Tugend glaubt es daher nur. Diesen Glauben
geht sie zum Schauen zu erheben, ohne aber der
Früchte ihrer Arbeit und Aufopferung zu genieſsen.
Denn insofern sie Individualität ist, ist sie das Thun
des Kampfes, den sie mit dem Weltlauffe eingeht;
ihr Zweck und wahres Wesen aber ist die Besie-
gung der Wirklichkeit des Weltlauffs; die dadurch
bewirkte Existenz des Guten, ist hiemit das Auf-
hören ihres Thuns, oder des Bewuſstseyns der Indi-
vidualität. — Wie dieser Kampf selbst bestanden
werde, was die Tugend in ihm erfährt, ob durch
die Aufopferung, welche sie über sich nimmt, der
Weltlauff unterliege, die Tugend aber siege, — diſs
muſs sich aus der Natur der lebendigen Waffen
entscheiden, welche die Kämpfer führen. Denn
die Waffen sind nichts anderes, als das Wesen der
Kämpfer selbst, das nur für sie beyde gegenseitig
hervortritt. Ihre Waffen haben sich hiemit schon
aus dem ergeben, was an sich in diesem Kampfe
vorhanden ist.


[321]

Das Allgemeine ist für das tugendhaffte Bewuſst-
seyn im Glauben, oder an sich wahrhafft; noch nicht
eine wirkliche, sondern eine abstracte Allgemein-
heit; an diesem Bewuſstseyn selbst ist es als Zweck,
an dem Weltlauffe als Inneres. In eben dieser Be-
stimmung stellt das Allgemeine sich auch an der Tu-
gend für den Weltlauff dar; denn sie will das Gute
erst ausführen, und gibt selbst es noch nicht für
Wirklichkeit aus. Diese Bestimmtheit kann auch
so betrachtet werden, daſs das Gute, indem es in
dem Kampf gegen den Weltlauff auftritt, damit
sich darstellt, als seyend für ein anderes; als etwas,
das nicht an und für sich selbst ist, denn sonst würde
es nicht durch Bezwingung seines Gegentheils sich
erst seine Wahrheit geben wollen. Es ist nur erst
für ein anderes, heiſst dasselbe, was vorher von ihm
in der entgegengesetzten Betrachtung sich zeigte,
nemlich es ist erst eine Abstraction, welche nur in
dem Verhältnisse, nicht an und für sich, Realität hat.


Das Gute oder Allgemeine, wie es also hier
auftritt, ist dasjenige, was die Gaben, Fähigkei-
ten, Kräffte
genannt wird. Es ist eine Weise des
Geistigen zu seyn, worin es als ein Allgemeines vor-
gestellt wird, das zu seiner Belebung und Bewegung
des Princips der Individualität bedarf, und in dieser
seine Wirklichkeit hat. Von diesem Princip, inso-
fern es am Bewuſstseyn der Tugend ist, wird diſs
Allgemeine gut angewendet, von ihm aber, insofern es
am Weltlauff ist, misbraucht; — ein passives Werk-
X
[322] zeug, das von der Hand der freyen Individualität
regiert, gleichgültig gegen den Gebrauch, den sie
von ihm macht, auch zur Hervorbringung einer
Wirklichkeit misbraucht werden kann, die seine
Zerstörung ist; eine leblose, eigner Selbstständigkeit
entbehrende Materie, die so oder auch anders, und
selbst zu ihrem Verderben geformt werden kann.


Indem diſs Allgemeine dem Bewuſstseyn der
Tugend, wie dem Weltlauffe auf gleiche Weise zu
Gebote steht, so ist nicht abzusehen, ob so ausge-
rüstet, die Tugend das Laster besiegen werde. Die
Waffen sind dieselben; sie sind diese Fähigkeiten
und Kräffte. Zwar hat die Tugend ihren Glauben
an die ursprüngliche Einheit ihres Zweckes und des
Wesens des Weltlauffes in den Hinterhalt gelegt,
welche dem Feinde während des Kampfes in den
Rücken fallen, und an sich ihn vollbringen soll; so
daſs hiedurch in der That für den Ritter der Tugend
sein eignes Thun und Kämpfen eigentlich eine Spie-
gelfechterey ist, die er nicht für Ernst nehmen kann,
weil er seine wahrhaffte Stärke darein setzt, daſs das
Gute an und für sich selbst sey, d. h. sich selbst voll-
bringe, — eine Spiegelfechterey, die er auch nicht
zum Ernste werden lassen darf. Denn dasjenige, was
er gegen den Feind kehrt, und gegen sich gekehrt
findet, und dessen Abnutzung und Beschädigung er
sowohl an ihm selbst, als seinem Feinde daran wagt,
soll nicht das Gute selbst seyn; denn für dessen Be-
wahrung und Ausführung kämpft er; sondern was
[323] daran gewagt wird, sind nur die gleichgültigen Ga-
ben und Fähigkeiten. Allein diese sind in der That
nichts anderes, als eben dasjenige individualitätslose
Allgemeine selbst, welches durch den Kampf erhal-
ten und verwirklicht werden soll. — Es ist aber
zugleich durch den Begriff des Kampfs selbst unmit-
tellbar bereits verwirklicht; es ist das Ansich, das All-
gemeine;
und seine Verwirklichung heiſst nur die-
ses, daſs es zugleich für ein anderes sey. Die bey-
den oben angegebenen Seiten, nach deren jeder es
zu einer Abstraction wurde, sind nicht mehr getrennt,
sondern in und durch den Kampf ist das Gute auf
beyde Weisen zumal gesetzt. — Das tugendhaffte
Bewuſstseyn tritt aber in den Kampf gegen den Welt-
lauff als gegen ein dem Guten entgegengesetztes; was
er ihm hierin darbietet, ist das Allgemeine, nicht
nur als abstractes allgemeines, sondern als ein von
der Individualität belebtes, und für ein anderes sey-
endes, oder das wirkliche Gute. Wo also die Tugend
den Weltlauff anfaſst, trifft sie immer auf solche
Stellen, die die Existenz des Guten selbst sind, das
in alle Erscheinung des Weltlauffs, als das Ansich
des Weltlauffs, unzertrennlich verschlungen ist, und
in der Wirklichkeit desselben auch sein Daseyn
hat; er ist also für sie unverwundbar. Ebensolche
Existenzen des Guten, und hiemit unverletzliche
Verhältnisse, sind alle Momente, welche von der
Tugend selbst an ihr darangesetzt und aufgeopfert
werden sollten. Das Kämpfen kann daher nur ein
X 2
[324] Schwanken zwischen Bewahren und Aufopfern seyn;
oder vielmehr kann weder Aufopferung des Eignen,
noch Verletzung des Fremden stattfinden. Die Tu-
gend gleicht nicht nur jenem Streiter, dem es im
Kampfe allein darum zu thun ist, sein Schwerdt
blank zu erhalten, sondern sie hat auch den Streit
darum begonnen, die Waffen zu bewahren; und
nicht nur kann sie die ihrigen nicht gebrauchen, son-
dern muſs auch die des Feindes unverletzt erhalten,
und sie gegen sich selbst schützen, denn alle sind edle
Theile des Guten, für welches sie in den Kampf
ging.


Diesem Feinde dagegen ist nicht das Ansich, son-
dern die Individualität das Wesen; seine Krafft also
das negative Princip, welchem nichts bestehend und
absolut heilig ist, sondern welches den Verlust von
Allem und Jedem wagen und ertragen kann. Hie-
durch ist ihm der Sieg ebensosehr an ihm selbst ge-
wiſs, als durch den Widerspruch, in welchen sich
sein Gegner verwickelt. Was der Tugend ansich
ist, ist dem Weltlauffe nur für ihn; er ist frey von
jedem Momente, das für sie fest und woran sie ge-
bunden ist. Er hat ein solches Moment dadurch,
daſs es für ihm nur als ein solches gilt, das er eben-
sowohl aufheben als bestehen lassen kann, in seiner
Gewalt; und damit auch den daran befestigten tu-
gendhafften Ritter. Dieser kann sich davon nicht als
von einem äuſserlich umgeworffenen Mantel los-
wickeln, und durch Hinterlassung desselben sich
[325] frey machen; denn es ist ihm das nicht aufzuge-
bende Wesen.


Was endlich den Hinterhalt betrifft, aus wel-
chem das gute Ansich dem Weltlauffe listigerweise in
den Rücken fallen soll, so ist diese Hoffnung an
sich nichtig. Der Weltlauff ist das wache sei-
ner selbst gewisse Bewuſstseyn, das nicht von hin-
ten an sich kommen läſst, sondern allenthalben die
Stirne bietet; denn er ist dieses, daſs alles für ihn
ist, daſs alles vor ihm steht. Das gute Ansich aber,
ist es für seinen Feind, so ist es in dem Kampfe, den
wir gesehen haben; insofern es aber nicht für ihn,
sondern ansich ist, ist es das passive Werkzeug der
Gaben und Fähigkeiten, die wirklichkeitslose Mate-
rie; als Daseyn vorgestellt, wäre es ein schlafendes
und dahinten, man weiſs nicht wo, bleibendes Be-
wuſstseyn.


Die Tugend wird also von dem Weltlauffe be-
siegt, weil das abstracte, unwirkliche Wesen in der
That ihr Zweck ist, und weil in Ansehung der
Wirklichkeit ihr Thun auf Unterschieden beruht, die
allein in den Worten liegen. Sie wollte darin be-
stehen, durch Aufopferung der Individualität das Gute
zur Wirklichkeit zu bringen, aber die Seite der Wirk-
lichkeit
ist selbst nichts anders, als die Seite der Indi-
vidualität
. Das Gute sollte dasjenige seyn, was an
sich
, und dem, was ist, entgegengesetzt ist, a[ber] das
Ansich ist, nach seiner Realität und Wahrheit ge-
nommen, vielmehr das Seyn selbst. Das Ansich ist
[326] zunächst die Abstraction des Wesens gegen die Wirk-
lichkeit; aber die Abstraction ist eben dasjenige,
was nicht wahrhafft, sondern nur für das Bewuſst-
seyn
ist; das heiſst aber, es ist selbst dasjenige, was
wirklich genannt wird; denn das Wirkliche ist, was
wesentlich für ein anderes ist, oder es ist das Seyn.
Das Bewuſstseyn der Tugend aber beruht auf diesem
Unterschiede des Ansich und des Seyns, der keine
Wahrheit hat. — Der Weltlauff sollte die Verkeh-
rung des Guten seyn, weil er die Individualität zu
seinem Princip hatte; allein diese ist das Princip der
Wirklichkeit; denn eben sie ist das Bewuſstseyn, wo-
durch das Ansichseyende ebensosehr für ein anderes
ist; er verkehrt das Unwandelbare, aber er verkehrt
es in der That aus dem Nichts der Abstraction in das
Seyn der Realität
.


Der Weltlauff siegt also über das, was die Tu-
gend im Gegensatze gegen ihn ausmacht; er siegt
über sie, der die wesenlose Abstraction das Wesen
ist. Er siegt aber nicht über etwas reales, sondern
über das Erschaffen von Unterschieden, welche keine
sind, über diese pomphafften Reden vom Besten der
Menschheit, und der Unterdrückung derselben, von
der Aufopferung fürs Gute, und dem Misbrauche
der Gaben; — solcherley ideale Wesen und Zwecke
sinken als leere Worte zusammen, welche das Herz
erheben und die Vernunft leer lassen; erbauen, aber
nichts aufbauen; Declamationen, welche nur diesen
Inhalt bestimmt aussprechen, daſs das Individuum,
[327] welches für solche edle Zwecke zu handeln vorgibt,
und solche vortreffliche Redensarten führt, sich für
ein vortreffliches Wesen gilt; — eine Aufschwel-
lung, welche sich und andern den Kopf groſs macht,
aber groſs von einer leeren Aufgeblasenheit. — Die
antike Tugend hatte ihre bestimmte sichere Bedeu-
tung, denn sie hatte an der Substanz des Volks ihre
inhaltsvolle Grundlage, und ein wirkliches schon existi-
rendes
Gutes zu ihrem Zwecke; sie war daher auch
nicht gegen die Wirklichkeit als eine allgemeine Ver-
kehrtheit
und gegen einen Weltlauff gerichtet. Die be-
trachtete aber ist aus der Substanz heraus, eine we-
senlose Tugend, eine Tugend nur der Vorstellung
und der Worte, die jenes Inhalts entbehren. —
Diese Leerheit der mit dem Weltlauffe kämpfenden
Rednerey würde sich sogleich aufdecken, wenn gesagt
werden sollte, was ihre Redensarten bedeuten; —
sie werden daher als bekannt vorausgesetzt. Die For-
derung, diſs bekannte zu sagen, würde entweder
durch einen neuen Schwall von Redensarten erfüllt,
oder ihr die Beruffung auf das Herz entgegengesetzt,
welches innerhalb es sage, was sie bedeuten, das
heiſst, die Unvermögenheit, es in der That zu sagen,
würde eingestanden. — Die Nichtigkeit jener Red-
nerey scheint auch auf eine bewuſstlose Art für die
Bildung unsers Zeitalters Gewiſsheit erlangt zu ha-
ben; indem aus der ganzen Masse jener Redensar-
ten, und der Weise sich damit aufzuspreitzen, al-
les Interesse verschwunden ist; ein Verlust, der
[328] sich darin ausdrückt, daſs sie nur Langeweile ma-
chen.


Das Resultat also, welches aus diesem Gegen-
satze hervorgeht, besteht darin, daſs das Bewuſst-
seyn die Vorstellung von einem an sich guten, das
noch keine Wirklichkeit hätte, als einen leeren Man-
tel fahren läſst. Es hat in seinem Kampfe die Er-
fahrung gemacht, daſs der Weltlauff so übel nicht
ist, als er aussah; denn seine Wirklichkeit ist die
Wirklichkeit des Allgemeinen. Es fällt mit dieser
Erfahrung das Mittel, durch Aufopferung der Indi-
vidualität das Gute hervorzubringen, hinweg; denn
die Individualität ist gerade die Verwirklichung des
Ansichseyenden; und die Verkehrung hört auf, als
eine Verkehrung des Guten angesehen zu werden,
denn sie ist vielmehr eben die Verkehrung desselben
als eines bloſsen Zwecks in die Wirklichkeit; die Be-
wegung der Individualität ist die Realität des Allge-
meinen.


In der That ist hiemit aber ebenso dasjenige be-
siegt worden und verschwunden, was als Weltlauff
dem Bewuſstseyn des Ansichseyenden gegenüber-
stand. Das Fürsichseyn der Individualität war daran
dem Wesen oder Allgemeinen entgegengesetzt, und
erschien als eine von dem Ansichseyn getrennte Wirk-
lichkeit. Indem aber sich gezeigt hat, daſs die Wirk-
lichkeit in ungetrennter Einheit mit dem Allgemei-
nen ist, so erweiſst sich das Fürsichseyn des Welt-
lauffs ebenso, wie das Ansich der Tugend nur eine
[329]Ansicht ist, auch nicht mehr zu seyn. Die Indivi-
dualität des Weltlauffs mag wohl nur für sich oder
eigennützig zu handeln meynen; sie ist besser als sie
meynt, ihr Thun ist zugleich ansichseyendes, allge-
meines
Thun. Wenn sie eigennützig handelt, so
weiſs sie nur nicht, was sie thut, und wenn sie ver-
sichert, alle Menschen handeln eigennützig, so be-
hauptet sie nur, alle Menschen haben kein Bewuſst-
seyn darüber, was das Thun ist. — Wenn sie für
sich
handelt, so ist diſs eben die Hervorbringung des
nur erst ansichseyenden zur Wirklichkeit; der Zweck
des Fürsichseyns also, der dem Ansich sich entgegen-
gesetzt meynt, — seine leere Pfiffigkeit, so wie
seine feinen Erklärungen, die den Eigennutz überall
aufzuzeigen wissen, sind ebenso verschwunden, als
der Zweck des Ansich und seine Rednerey.


Es ist also das Thun und Treiben der Individuali-
tät, Zweck an sich selbst; der Gebrauch der Kräffte, das
Spiel ihrer Aeuſserungen ist es
, was ihnen, die sonst
das todte Ansich wären, Leben gibt, das Ansich
nicht ein unausgeführtes, existenzloses und abstra-
ctes Allgemeines, sondern es selbst ist unmittelbar
diese Gegenwart und Wirklichkeit des Processes der
Individualität.


[330]

C.
Die Individualität, welche sich an und
für sich selbst reell ist.


Das Selbstbewuſstseyn hat itzt den Begriff von sich
erfaſst, der erst nur der unsrige von ihm war, nem-
lich in der Gewiſsheit seiner selbst alle Realität zu
seyn, und Zweck und Wesen ist ihm nunmehr die
sich bewegende Durchdringung des Allgemeinen, —
der Gaben und Fähigkeiten, — und der Individuali-
tät. — Die einzelnen Momente dieser Erfüllung und
Durchdringung vor der Einheit, in welche sie zu-
sammengegangen, sind die bisher betrachteten Zwe-
cke. Sie sind als Abstractionen und Chimären ver-
schwunden, die jenen ersten schalen Gestalten des
geistigen Selbstbewuſstseyns angehören, und ihre
Wahrheit nur in dem gemeynten Seyn des Her-
zens, der Einbildung und der Reden haben, nicht
in der Vernunft, die itzt an und für sich ihrer Rea-
lität gewiſs, sich nicht mehr als Zweck im Gegensa-
tze
gegen die unmittelbarseyende Wirklichkeit erst
hervorbringen sucht, sondern zum Gegenstande ih-
res Bewuſstseyns die Kategorie als solche hat. —
Es ist nämlich die Bestimmung des für sich seyenden
[331] oder negativen Selbstbewuſstseyns, in welcher die
Vernunft auftrat, aufgehoben; es fand eine Wirk-
lichkeit
vor, die das negative seiner wäre, und durch
deren Aufheben es erst sich seinen Zweck verwirk-
lichte. Indem aber Zweck und Ansichseyn als das-
selbe sich ergeben hat, was das Seyn für anderes und
die vorgefundene Wirklichkeit ist, trennt sich die
Wahrheit nicht mehr von der Gewiſsheit; es werde
nun der gesetzte Zweck für die Gewiſsheit seiner
selbst, und die Verwirklichung desselben für die
Wahrheit, oder aber der Zweck für die Wahrheit,
und die Wirklichkeit für die Gewiſsheit genom-
men; sondern das Wesen und der Zweck an und
für sich selbst ist die Gewiſsheit der unmittelbaren
Realität selbst, die Durchdringung des Ansich und
Fürsichseyns, des Allgemeinen und der Individuali-
tät; das Thun ist an ihm selbst seine Wahrheit und
Wirklichkeit, und die Darstellung odes das Ausspre-
chen der Individualität
ist ihm Zweck an und für sich
selbst.


Mit diesem Begriffe ist also das Selbstbewuſst-
seyn aus den entgegengesetzten Bestimmungen, welche
die Kategorie für es, und sein Verhalten zu ihr, als
beobachtendes und dann als thätiges hatte, in sich
zurückgegangen. Es hat die reine Kategorie selbst
zu seinen Gegenstande, oder es ist die Kategorie,
welche ihrer selbst bewuſst geworden. Die Rech-
nung ist dadurch mit seinen vorherigen Gestalten
abgeschlossen; sie liegen hinter ihm in Vergessen-
[332] heit, treten nicht als seine vorgefundne Welt ge-
genüber, sondern entwickeln sich nur innerhalb sei-
ner selbst als durchsichtige Momente. Doch treten
sie noch in seinem Bewuſstseyn als eine Bewegung
unterschiedner Momente auseinander, die sich noch
nicht in ihre substantielle Einheit zusammengefaſst
hat. Aber in allen hält es die einfache Einheit des
Seyns und des Selbsts fest, die ihre Gattung ist. —


Das Bewuſstseyn hat hiemit allen Gegensatz und
alle Bedingung seines Thuns abgeworfen; es geht
frisch von sich aus, und nicht auf ein anderes, sondern
auf sich selbst. Indem die Individualität die Wirk-
lichkeit an ihr selbst ist, ist der Stoff des Wirkens
und der Zweck des Thuns an dem Thun selbst. Das
Thun hat daher das Ansehen der Bewegung eines
Kreises, welcher frey im Leeren sich in sich selbst
bewegt, ungehindert bald sich erweitert, bald veren-
gert, und vollkommen zufrieden nur in und mit sich
selbst spielt. Das Element, worin die Individualität
ihre Gestalt darstellt, hat die Bedeutung eines reinen
Aufnehmens dieser Gestalt; es ist der Tag über-
haupt, dem das Bewuſstseyn sich zeigen will. Das
Thun verändert nichts, und geht gegen nichts; es ist
die reine Form des Uebersetzens aus dem nicht gese-
hen
werden in das gesehen werden, und der Inhalt, der
zu Tage ausgebracht wird, und sich darstellt, nichts
anderes, als was dieses Thun schon an sich ist. Es
ist an sich, — diſs ist seine Form als gedachter Ein-
heit; und es ist wirklich, — diſs ist seiner Form als
[333]seyender Einheit; es selbst ist Inhalt nur in dieser
Bestimmung der Einfachheit gegen die Bestimmung
seines Uebergehens und seiner Bewegung.


a.
Das geistige Thierreich und der Betrug,
oder die Sache selbs’.

Diese an sich reale Individualität ist zuerst wie-
der eine einzelne und bestimmte; die absolute Realität,
als welche sie sich weiſs, ist daher, wie sie derselben
sich bewuſst wird, die abstracte allgemeine, welche ohne
Erfüllung und Inhalt, nur der leere Gedanke dieser
Kategorie ist. — Es ist zu sehen, wie dieser Be-
griff der an sich selbst realen Individualität in seinen
Momenten sich bestimmt, und wie ihr ihr Begriff
von ihr selbst in das Bewuſstseyn tritt.


Der Begriff dieser Individualität, wie sie als sol-
che für sich selbst alle Realität ist, ist zunächst Re-
sultat;
sie hat ihre Bewegung und Realität noch
nicht dargestellt, und ist hier unmittelbar als einfa-
ches Ansichseyn
gesetzt. Die Negativität aber, wel-
che dasselbe ist, was als Bewegung erscheint, ist an
dem einfachen Ansich als Bestimmtheit; und das Seyn
oder das einfache Ansich wird ein bestimmter Um-
[334] fang. Die Individualität tritt daher als ursprüngliche
bestimmte Natur auf, — als ursprüngliche Natur, denn
sie ist an sich, — als ursprünglich — bestimmte, denn
das Negative ist am Ansich, und dieses ist dadurch
eine Qualität. Diese Beschränkung des Seyns jedoch
kann das Thun des Bewuſstseyns nicht beschränken,
denn dieses ist hier ein vollendetes sich auf sich selbst
beziehen; die Beziehung auf Anderes ist aufgehoben,
welche die Beschränkung desselben wäre. Die ur-
sprüngliche Bestimmtheit der Natur ist daher nur
einfaches Princip, — ein durchsichtiges allgemeines
Element, worin die Individualität ebenso frey und
sich selbst gleich bleibt, als sie darin ungehindert ihre
Unterschiede entfaltet, und reine Wechselwirkung
mit sich in ihrer Verwirklichung ist. Wie das un-
bestimmte Thierleben etwa dem Elemente des Was-
sers, der Luft, oder der Erde, und innerhalb dieser
wieder bestimmtern Principien, seinen Odem ein-
bläst, alle seine Momente in sie eintaucht, aber sie
jener Beschränckung des Elements ungeachtet in seiner
Macht und sich in seinem Eins erhält, und als diese
besondere Organisation dasselbe allgemeine Thierle-
ben bleibt.


Diese bestimmte ursprüngliche Natur des in ihr
frey und ganz bleibenden Bewuſstseyns erscheint als
der unmittelbare und einzige eigentliche Inhalt des-
sen, was dem Individuum Zweck ist; er ist zwar be-
stimmter
Inhalt, aber er ist überhaupt Inhalt nur,
insofern wir das Ansichseyn isolirt betrachten; in
[335] Wahrheit aber ist er die von der Individualität
durchdrungene Realität; die Wirklichkeit, wie sie
das Bewuſstseyn als einzelnes an ihm selbst hat, und
zunächst als seyend, noch nicht als thuend gesetzt ist.
Für das Thun aber ist einestheils jene Bestimmtheit
darum nicht Beschränkung, über welche er hinaus-
wollte, weil sie als seyende Qualität betrachtet die
einfache Farbe des Elements ist, worin es sich be-
wegt; anderntheils aber ist die Negativität Bestimmt-
heit
nur am Seyn; aber das Thun ist selbst nichts
anderes als die Negativität; an der thuenden Indivi-
dualität ist also die Bestimmtheit aufgelöst in Nega-
tivität überhaupt, oder den Inbegriff aller Bestimmt-
heit.


Die einfache ursprüngliche Natur nun tritt in
dem Thun und dem Bewuſstseyn des Thuns in den
Unterschied, welcher diesem zukommt. Es ist zu-
erst
als Gegenstand, und zwar als Gegenstand, wie er
noch dem Bewuſstseyn angehört, als Zweck vorhan-
den, und somit entgegengesetzt einer vorhandenen
Wirklichkeit. Das andere Moment ist die Bewegung
des als ruhend vorgestellten Zwecks, die Verwirkli-
chung, als die Beziehung des Zwecks auf die ganz
formelle Wirklichkeit, hiemit die Vorstellung des
Ueberganges selbst, oder das Mittel. Das dritte ist
endlich der Gegenstand, wie er nicht mehr Zweck,
dessen das thuende unmittelbar als des seinigen sich
bewuſst ist, sondern wie er aus ihm heraus und für
es
als ein Anderes ist. — Diese verschiedenen Sei-
[336] ten sind nun aber nach dem Begriffe dieser Sphäre
so festzuhalten, daſs der Inhalt in ihnen derselbe
bleibt, und kein Unterschied hereinkommt, weder
der Individualität und des Seyns überhaupt, noch
des Zwecks gegen die Individualität als ursprüngliche
Natur
, noch gegen die vorhandne Wirklichkeit,
ebenso nicht des Mittels gegen sie als absoluten
Zweck, noch der bewirkten Wirklichkeit gegen den
Zweck, oder die ursprüngliche Natur, oder das
Mittel.


Vors erste also ist die ursprünglich bestimmte
Natur der Individualität, ihr unmittelbares Wesen
noch nicht als thuend gesetzt, und heiſst so besondere
Fähigkeit, Talent, Charakter u. s. f. Diese eigen-
thümliche Tinctur des Geistes ist als der einzige In-
halt des Zwecks selbst, und ganz allein als die Rea-
lität zu betrachten. Stellte man sich das Bewuſstseyn
vor, als darüber hinausgehend, und einen andern
Inhalt zur Wirklichkeit bringen wollend, so stellte
man es sich vor, als ein Nichts in das Nichts hinar-
beitend. — Diſs ursprüngliche Wesen ist ferner nicht
nur Inhalt des Zwecks, sondern an sich auch die
Wirklichkeit, welche sonst als gegebener Stoff des
Thuns, als vorgefundene und im Thun zu bildende
Wirklichkeit erscheint. Das Thun ist nemlich nur
reines übersetzen aus der Form des noch nicht dar-
gestellten in die des dargestellten Seyns; das Ansich-
seyn jener dem Bewuſstseyn entgegengesetzten Wirk-
lichkeit ist zum bloſsen leeren Scheine herabgesun-
[337] ken. Diſs Bewuſstseyn, indem es sich zum han-
deln bestimmt, läſst sich also durch den Schein
der vorhandenen Wirklichkeit nicht irre machen,
und ebenso hat es sich aus dem herumtreiben in lee-
ren Gedanken und Zwecken auf den ursprünglichen
Inhalt seines Wesens zusammenzuhalten. — Dieser
ursprüngliche Inhalt ist zwar erst für das Bewuſst-
seyn, indem es ihn verwirklicht hat; der Unterschied
aber eines solchen, das für das Bewuſstseyn nur in-
nerhalb seiner
, und einer auſser ihm an sich seyen-
den Wirklichkeit ist hinweggefallen. — Nur daſs
für es sey, was es an sich ist, muſs es handeln, oder
das Handeln ist eben das Werden des Geistes als Be-
wuſstseyn
. Was es an sich ist, weiſs es also aus sei-
ner Wirklichkeit. Das Individuum kann daher
nicht wissen, was es ist, eh es sich durch das Thun
zur Wirklichkeit gebracht hat. — Es scheint aber
hiemit den Zweck seines Thuns nicht bestimmen zu
können, eh es gethan hat; aber zugleich muſs es, in-
dem es Bewuſstseyn ist, die Handlung vorher als die
ganz seinige, das heiſst, als Zweck vor sich haben.
Das ans handeln gehende Individuum scheint sich al-
so in einem Kreise zu befinden, worin jedes Mo-
ment das andere schon voraussetzt, und hiemit kei-
nen Anfang finden zu können, weil es sein ursprüng-
liches Wesen, das sein Zweck seyn muſs, erst aus
der That
kennen lernt, aber um zu thun, vorher den
Zweck
haben muſs. Ebendarum aber hat es unmit-
telbar
anzufangen, und unter welchen Umständen
Y
[338] es sey, ohne weiteres Bedenken um Anfang, Mittel
und Ende zur Thätigkeit zu schreiten; denn sein
Wesen und ansichseyende Natur ist alles in Einem,
Anfang, Mittel und Ende. Als Anfang ist sie in den
Umstanden des Handelns vorhanden, und das Inter-
esse
, welches das Individuum an etwas findet, ist
die schon gegebene Antwort auf die Frage: ob und
was hier zu thun ist. Denn was eine vorgefundene
Wirklichkeit zu seyn scheint, ist an sich seine ur-
sprüngliche Natur, welche nur den Schein eines
Seyns hat, — einen Schein, der in dem Begriffe des
sich entzweyenden Thuns liegt — aber als seine ur-
sprüngliche Natur sich in dem Interesse, das es an
ihr findet, ausspricht. — Ebenso ist das Wie, oder
die Mittel an und für sich bestimmt. Das Talent ist
gleichfalls nichts anders, als die bestimmte ursprung-
liche Individualität, betrachtet als inneres Mittel, oder
Uebergang des Zwecks zur Wirklichkeit. Das wirk-
liche
Mittel aber und der reale Uebergang ist die Ein-
heit des Talents, und der im Interesse vorhandenen
Natur der Sache; jenes stellt am Mittel die Seite des
Thuns, dieses die Seite des Inhalts vor, beyde sind
die Individualität selbst, als Durchdringung des
Seyns und des Thuns. Was also vorhanden ist, sind
vorgefundene Umstande, die an sich die ursprüngli-
che Natur des Individuums sind; als denn das In-
teresse, welches sie eben als das seinige oder als Zweck
setzt; endlich die Verknüpfung und Aufhebung die-
ses Gegensatzes im Mittel. Diese Verknüpfung fällt
[339] selbst noch innerhalb des Bewuſstseyns, und das so
eben betrachtete Ganze ist die eine Seite eines Ge-
gensatzes. Dieser noch übrige Schein von Entgegen-
setzung wird durch den Uebergang selbst oder das
Mittel aufgehoben; — denn es ist Einheit des Aeu-
ſsern und Innern, das Gegentheil der Bestimmtheit,
welche es als innres Mittel hat, es hebt sie also auf
und setzt sich, diese Einheit des Thuns und des
Seyns ebenso als äuſseres, als die wirklich gewordene
Individualität selbst; d. i. die für sie selbst als das sey-
ende
gesetzt ist. Die ganze Handlung tritt auf diese
Weise weder als die Umstände, noch als Zweck noch
Mittel noch a[l]s Werk aus sich heraus.


Mit dem Werke aber scheint der Unterschied
der ursprünglichen Naturen einzutreten; das Werk
ist wie die ursprüngliche Natur, welche es ausdrückt,
ein bestimmtes, denn vom Thun frey entlassen als
seyende Wirklichkeit, ist die Negativität als Qualität an
ihm. Das Bewuſstseyn aber bestimmt sich ihm ge-
genüber als dasjenige, welches die Bestimmtheit als
Negativität überhaupt, als Thun, an ihm hat; es ist
also das allgemeine gegen jene Bestimmtheit des
Werks, kann es also mit andern vergleichen und hier-
aus die Individualitäten selbst als verschiedene fassen;
das in seinem Werke weiter übergreiffende Indivi-
duum entweder als stärkere Energie des Willens,
oder als reichere Natur, das heiſst, eine solche, de-
ren ursprüngliche Bestimmtheit weniger beschränkt
ist; — eine andere hingegen als eine schwächere [und]
[340] dürftigere Natur. Gegen diesen unwesentlichen Un-
terschied der Gröſse würde das Gute und Schlechte
einen absoluten Unterschied ausdrücken; aber hier
findet dieser nicht statt. Was auf die eine oder an-
dere Weise genommen würde, ist auf gleiche Weise
ein Thun und Treiben, ein sich Darstellen und
Aussprechen einer Individualität, und darum alles
gut, und es wäre eigentlich nicht zu sagen, was
das schlechte seyn sollte. Was ein schlechtes Werk
genannt würde, ist das individuelle Leben einer be-
stimmten Natur, die sich darin verwirklicht; zu
einem schlechten Werke würde es nur durch den ver-
gleichenden Gedanken verdorben, der aber etwas
leeres ist, da er über das Wesen des Werks, ein
sich Aussprechen der Individualität zu seyn, hin-
ausgeht und sonst, man weiſs nicht was, daran
sucht und fodert. — Er könnte nur den vorhin
angeführten Unterschied betreffen; dieser ist aber
an sich, als Gröſseunterschied, ein unwesentlicher;
und hier bestimmt darum, weil es verschiedene Werke
oder Individualitäten wären, die miteinander ver-
glichen würden; aber diese gehen einander nichts
an; jedes bezieht sich nur auf sich selbst. Die ur-
sprüngliche Natur ist allein das Ansich, oder das,
was als Maſsstab der Beurtheilung des Werks und
umgekehrt zu Grunde gelegt werden könnte; bey-
des aber entspricht sich einander, es ist nichts für
die Individualität, was nicht durch sie, oder es gibt
keine Wirklichkeit, die nicht ihre Natur und ihr
[341] Thun, und kein Thun noch Ansich derselben, das
nicht wirklich ist, und nur diese Momente sind zu
vergleichen.


Es findet daher überhaupt weder Erhebung, noch
Klage, noch Reue statt; denn dergleichen alles
kömmt aus dem Gedanken her, der sich einen an-
dern Inhalt und ein anderes Ansich einbildet, als
die ursprüngliche Natur des Individuums und ihre
in der Wirklichkeit vorhandene Ausführung ist.
Was es sey, daſs es thut, und ihm wiederfährt, diſs
hat es gethan, und ist es selbst; es kann nur das
Bewuſstseyn des reinen Uebersetzens seiner selbst aus
der Nacht der Möglichkeit in den Tag der Gegen-
wart, des abstracten Ansich in die Bedeutung des
wirklichen Seyns, und die Gewiſsheit haben, daſs
was in diesem ihm vorkommt, nichts anders ist,
als was in jener schlief. Das Bewuſstseyn dieser
Einheit ist zwar ebenfalls eine Vergleichung, aber,
was verglichen wird, hat eben nur den Schein des
Gegensatzes; ein Schein der Form, der für das
Selbstbewuſstseyn der Vernunft, daſs die Individua-
lität an ihr selbst die Wirklichkeit ist, nichts mehr
als Schein ist. Das Individuum kann also, da es
weiſs, daſs es in seiner Wirklichkeit nichts ande-
res finden kann, als ihre Einheit mit ihm, oder
nur die Gewiſsheit seiner selbst in ihrer Wahrheit,
und daſs es also immer seinen Zweck erreicht, nur
Freude an sich erleben
.


[342]

Diſs ist der Begriff, welchen das Bewuſstseyn,
das sich seiner als absoluter Durchdringung der In-
dividualität und des Seyns gewiſs ist, von sich
macht; sehen wir, ob er sich ihm durch die Er-
fahrung bestätigt, und seine Realität damit überein-
stimmt. Das Werk ist die Realität, welche das Be-
wuſstseyn sich gibt; es ist dasjenige, worin das In-
dividuum das für es ist, was es an sich ist, und so
daſs das Bewuſstseyn, für welches es in dem Werke
wird, nicht das besondere, sondern das allgemeine
Bewuſstseyn ist; es hat sich im Werke überhaupt
in das Element der Allgemeinheit, in den bestimmt-
heitslosen Raum des Seyns hinausgestellt. Das von
seinem Werke zurücktretende Bewuſstseyn ist in der
That das allgemeine, — weil es die absolute Negativi-
tät
oder das Thun in diesem Gegensatze wird, —
gegen sein Werk, welches das bestimmte ist; es
geht also über sich als Werk hinaus, und ist selbst
der bestimmtheitslose Raum, der sich von seinem
Werke nicht erfüllt findet. Wenn vorhin im Be-
griffe sich doch ihre Einheit erhielt, so geschah diſs
ebendadurch, daſs das Werk als seyendes Werk auf-
gehoben wurde. Aber es soll seyn, und es ist zu
sehen, wie in seinem Seyn die Individualität seine
Allgemeinheit erhalten, und sich zu befriedigen wis-
sen wird. — Zunächst ist das gewordene Werk für
sich zu betrachten. Es hat die ganze Natur der
Individualität mitempfangen; sein Seyn ist daher
selbst ein Thun, worin sich alle Unterschiede durch-
[343] dringen und auflösen; das Werk ist also in ein Be-
stehen
[hinausgeworfen], worin die Bestimmtheit der
ursprünglichen Natur in der That gegen andere be-
stimmte Naturen sich herauskehrt, in sie eingreifft,
wie diese andere in sie, und sich als verschwin-
dendes Moment in dieser allgemeinen Bewegung
verliert. Wenn innerhalb des Begriffs der an und
für sich selbst realen Individualität alle Momente,
Umstände, Zweck, Mittel, und die Verwirklichung
einander gleich sind, und die ursprüngliche be-
stimmte Natur nur als allgemeines Element gilt, so
kömmt dagegen, indem diſs Element gegenständli-
ches Seyn wird, seine Bestimmtheit als solche in
dem Werke an den Tag, und erhalt ihre Wahr-
heit in ihrer Auflösung. Näher stellt diese Auflö-
sung sich so dar, daſs in dieser Bestimmtheit das
Individuum, als dieses sich wirklich geworden ist;
aber sie ist nicht nur Inhalt der Wirklichkeit, son-
dern ebenso Form derselben, oder die Wirklich-
keit als solche überhaupt ist eben diese Bestimmt-
heit, dem Selbstbewuſstseyn entgegengesetzt zu seyn.
Von dieser Seite zeigt sie sich als die aus dem Be-
griffe verschwundene, nur vorgefundene fremde Wirk-
lichkeit. Das Werk ist, d. h. es ist für andere In-
dividualitäten, und für sie eine fremde Wirklich-
keit, an deren Stelle sie die ihrige setzen müssen,
um durch ihr Thun sich das Bewuſstseyn ihrer Ein-
heit mit der Wirklichkeit zu geben; oder ihr durch
ihre ursprüngliche Natur gesetztes Interesse an je-
[344] nem Werke ist ein anderes als das eigenthümliche In-
teresse dieses Werks, welches hiedurch zu etwas an-
derem gemacht ist. Das Werk ist also überhaupt et-
was vergängliches, das durch das Widerspiel an-
derer Kräffte und Interesse ausgelöscht wird, und
vielmehr die Realität der Individualität als verschwin-
dend, denn als vollbracht darstellt.


Es entsteht dem Bewuſstseyn also in seinem
Werke der Gegensatz des Thuns und des Seyns,
welcher in den frühern Gestalten des Bewuſstseyns
zugleich der Anfang des Thuns war, hier nur Resul-
tat
ist. Er hat aber in der That gleichfalls zu Grunde
gelegen, indem das Bewuſstseyn als an sich reale In-
dividualität ans Handeln ging; denn dem Handeln
war die bestimmte ursprüngliche Natur als das Ansich
voraus gesetzt, und das reine Vollbringen um des
Vollbringens willen, hatte sie zum Inhalte. Das
reine Thun ist aber die sich selbst gleiche Form, wel-
cher hiemit die Bestimmtheit der ursprünglichen Na-
tur ungleich ist. Es ist hier, wie sonst, gleichgültig,
welches von beyden Begriff, und welches Realität ge-
nannt wird; die ursprüngliche Natur ist das Gedachte
oder das Ansich gegen das Thun, worin sie erst ihre
Realität hat; oder die ursprüngliche Natur ist das
Seyn ebensowohl der Individualität als solcher, wie
ihrer als Werk, das Thun aber ist der ursprüngli-
che Begriff, als absoluter Uebergang, oder als das
Werden. Diese Unangemessenheit des Begriffs und
der Realität, die in seinem Wesen liegt, erfährt das
[345] Bewuſstseyn in seinem Werke; in diesem wird es
sich also, wie es in Wahrheit ist, und sein leerer
Begriff von sich selbst verschwindet.


In diesem Grundwiderspruche des Werks, das
die Wahrheit dieser sich an sich realen Individuali-
tät ist, treten somit wieder alle Seiten derselben als
widersprechend auf; oder das Werk, als der Inhalt
der ganzen Individualität aus dem Thun, welches die
negative Einheit ist, und alle Momente gefangen hält,
in das Seyn herausgestellt, läſst sie nun frey; und im
Elemente des Bestehens werden sie gleichgültig ge-
geneinander. Begriff und Realität trennen sich also
als Zweck, und als dasjenige, was die ursprüngliche
Wesenheit
ist. Es ist zufällig, daſs der Zweck wahr-
hafftes Wesen habe, oder daſs das Ansich zum Zwe-
cke gemacht werde. Ebenso treten wieder Begriff
und Realität als Uebergang in die Wirklichkeit, und
als Zweck auseinander; oder es ist zufällig, daſs das
den Zweck ausdrückende Mittel gewählt werde. Und
endlich diese innere Momente zusammen, sie mögen
in sich eine Einheit haben oder nicht, das Thun des
Individuums ist wieder zufällig gegen die Wirklichkeit
überhaupt; das Glück entscheidet, ebensowohl für
einen schlecht bestimmten Zweck und schlechtge-
wählte Mittel, als gegen sie.


Wenn nun hiemit dem Bewuſstseyn an seinem
Werke der Gegensatz des Wollens und Vollbringens,
des Zwecks und der Mittel und wieder dieses inner-
lichen zusammen, und der Wirklichkeit selbst wird,
[346] was überhaupt die Zufälligkeit seines Thuns in sich
befaſst, so ist eber ebenso auch die Einheit und die
Nothwendigkeit desselben vorhanden; diese Seite
greifft über jene über, und die Erfahrung von der
Zufalligkeit des Thuns ist selbst nur eine zufollige Er-
fahrung
. Die Nothwendigkeit des Thuns besteht dar-
in, daſs Zweck schlechthin auf die Wirklichkeit bezo-
gen ist, und diese Einheit ist der Begriff des Thuns;
es wird gehandelt, weil das Thun an und für sich
selbst das Wesen der Wirklichkeit ist. In dem
Werke ergibt sich zwar die Zufälligkeit, welche das
Vollbrachtseyn gegen das Wollen und Vollbringen hat,
und diese Erfahrung, welche als die Wahrheit gel-
ten zu müssen scheint, widerspricht jenem Begriffe
der Handlung. Betrachten wir jedoch den Inhalt
dieser Erfahrung in seiner Vollständigkeit, so ist er
das verschwindende Werk; was sich erhalt, ist nicht
das Verschwinden, sondern das Verschwinden ist
selbst wirklich und an das Werk geknüpft, und
verschwindet selbst mit diesem; das negative geht
mit dem positiven, dessen Negation es ist, selbst zu
Grunde
.


Diſs Verschwinden des Verschwindens liegt in
dem Begriffe der an sich realen Individualität selbst;
denn dasjenige, worin das Werk, oder was an ihm
verschwindet, und was demjenigen, was Erfahrung
genannt worden, seine Uebermacht über den Be-
griff, den die Individualität von sich selbst hat,
geben sollte, ist die gegenständliche Wirklichkeit; sie
[347] aber ist ein Moment, welches auch in diesem Be-
wuſstseyn selbst keine Wahrheit mehr für sich hat,
diese besteht nur in der Einheit desselben mit dem
Thun, und das wahre Werk ist nur jene Einheit des
Thuns und des Seyns, des Wollens und Vollbringens.
Dem Bewuſstseyn ist also um der seinem Handeln
zu Grunde liegenden Gewiſsheit, die ihr entgegenge-
setzte
Wirklichkeit selbst ein solches, welches nur für
es
ist; ihm als in sich zurückgekehrten Selbstbewuſst-
seyn, dem aller Gegensatz verschwunden ist, kann
er nicht mehr in dieser Form seines Fürsichseyns ge-
gen die Wirklichkeit werden; sondern der Gegensatz
und die Negativität, die an dem Werke zum Vor-
schein kommt, trifft hiemit nicht nur den Inhalt des
Werks oder auch des Bewuſstseyns, sondern die
Wirklichkeit als solche, und damit den nur durch
sie und an ihr vorhandenen Gegensatz und das Ver-
schwinden des Werks. Auf diese Weise reflectirt
sich also das Bewuſstseyn in sich aus seinem vergäng-
lichen Werke, und behauptet seinen Begriff und Ge-
wiſsheit als das Seyende und Bleibende, gegen die Er-
fahrung von der Zufalligkeit des Thuns; es erfährt
in der That seinen Begriff, in welchem die Wirk-
lichkeit nur ein Moment, etwas für es, nicht das An
und für sich ist; es erfährt sie als verschwindendes
Moment, und sie gilt ihm daher nur als Seyn über-
haupt, dessen Allgemeinheit mit dem Thun dasselbe
ist. Diese Einheit ist das wahre Werk; es ist die
Sache selbst, welche sich schlechthin behauptet und
[348] als das bleibende erfahren wird, unabhängig von der
Sache, welche die Zufälligkeit des individuellen Thuns
als eines solchen, der Umstände, Mittel und der
Wirklichkeit ist.


Die Sache selbst ist diesen Momenten nur inso-
fern entgegengesetzt, als sie isolirt gelten sollen, ist
aber wesentlich als Durchdringung der Wirklich-
keit und der Individualität die Einheit derselben;
ebensowohl ein Thun, und als Thun reines Thun
überhaupt, damit ebensosehr Thun dieses Individuums,
und diſs Thun als ihm noch angehörig im Gegensa-
tze gegen die Wirklichkeit, als Zweck; ebenso ist sie
der Uebergang aus dieser Bestimmtheit in die entge-
gengesetzte; und endlich eine Wirklichkeit, welche
für das Bewuſstseyn vorhanden ist. Die Sache selbst
drückt hiemit die geistige Wesenheit aus, worin alle
diese Momente aufgehoben sind als fürsichgeltende,
also nur als allgemeine gelten, und worin dem Be-
wuſstseyn seine Gewiſsheit von sich selbst gegen-
ständliches Wesen, eine Sache, ist; der aus dem
Selbstbewuſstseyn als der seinige herausgeborne Ge-
genstand, ohne aufzuhören freyer, eigentlicher Ge-
genstand zu seyn. — Das Ding der sinnlichen Gewiſs-
heit und des Wahrnehmens hat nun für das Selbst-
bewuſstseyn allein seine Bedeutung durch es; hierauf
beruht der Unterschied eines Dings und einer Sa-
che
. — Es wird eine der sinnlichen Gewiſsheit
und Wahrnehmung entsprechende Bewegung daran
durchlauffen.


[349]

In der Sache selbst also, als der gegenständlich
gewordnen Durchdringung der Individualität und der
Gegenständlichkeit selbst ist dem Selbstbewuſstseyn
sein wahrer Begriff von sich geworden, oder es ist
zum Bewuſstseyn seiner Substanz gekommen. Es ist
zugleich, wie es hier ist, ein so eben gewordenes und
daher unmittelbares Bewuſstseyn derselben, und diſs
ist die bestimmte Weise, in welcher das geistige
Wesen hier vorhanden, und noch nicht zur wahrhafft
realen Substanz gediehen ist. Die Sache selbst hat
in diesem unmittelbaren Bewuſstseyn derselben die
Form des einfachen Wesens, welches als allgemeines
alle seine verschiedenen Momente in sich enthält, und
ihnen zukommt, aber auch wieder gleichgültig gegen
sie als bestimmte Momente und frey für sich ist, und
als diese freye einfache, abstracte Sache selbst, als
das Wesen gilt
. Die verschiedenen Momente der ur-
sprünglichen Bestimmtheit oder der Sache dieses In-
dividuums, seines Zwecks, der Mittel, des Thuns
selbst und der Wirklichkeit, sind für dieses Bewuſst-
seyn einerseits einzelne Momente, welche es gegen
die Sache selbst verlassen und aufgeben kann; ande-
rerseits aber haben sie alle die Sache selbst nur so
zum Wesen, daſs sie als das abstracte Allgemeine
derselben an jedem dieser verschiedenen Momente
sich findet und Prädicat derselben seyn kann. Sie
selbst ist noch nicht das Subject, sondern dafür gel-
ten jene Momente, weil sie auf die Seite der Ein-
zelnheit
überhaupt fallen, die Sache selbst aber nur
[350] erst das einfach allgemeine ist. Sie ist die Gattung,
welche sich in allen diesen Momenten als ihren Ar-
ten
findet, und ebenso frey davon ist.


Das Bewuſstseyn heiſst ehrlich, welches eines-
theils zu diesem Idealismus gekommen, den die
Sache selbst
ausdrückt, und anderntheils an ihr
als dieser formalen Allgemeinheit das Wahre hat;
dem es immer nur um sie zu thun ist, das sich da-
her in ihren verschiedenen Momenten oder Arten
herumtreibt, und indem es sie in einem derselben
oder in einer Bedeutung nicht erreicht, ebendadurch
in dem andern ihrer habhafft wird, somit die Be-
friedigung in der That immer gewinnt, welche die-
sem Bewuſstseyn seinem Begriffe nach zu Theil wer-
den sollte. Es mag gehen, wie es will, so hat es
die Sache selbst vollbracht und erreicht, denn sie ist
als diese allgemeine Gattung jener Momente Prädi-
cat Aller.


Bringt es einen Zweck nicht zur Wirklichkeit, so
hat es ihn doch gewollt, das heiſst, es macht den
Zweck als Zweck, das reine Thun, welches nichts
thut, zur Sache selbst; und kann sich daher so aus-
drücken und trösten, daſs doch immer etwas gethan
und getrieben worden ist. Da das Allgemeine selbst
das negative oder das Verschwinden unter sich ent-
hält, so ist auch diſs, daſs das Werk sich vernich-
tet, selbst sein Thun; es hat die andern dazu ge-
reitzt, und findet in dem Verschwinden seiner Wirk-
lichkeit noch die Befriedigung, wie böse Jungen in
[351] der Ohrfeige, die sie erhalten, sich selbst genieſsen,
nemlich als Ursache derselben. Oder es hat die Sa-
che selbst auszuführen auch nicht einmal versucht, und
gar nichts gethan, so hat es nicht gemocht; die Sache
selbst
ist ihm eben Einheit seines Entschlusses und der
Realitat
; es behauptet, daſs die Wirklichkeit nichts
anders wäre als sein Mögen. — Es ist endlich [...]
was ihm interessantes überhaupt ohne sein Zuthun
geworden, so ist ihm diese Wirklichkeit die Sache
selbst eben in dem Interesse, das es daran findet,
ob sie gleich nicht von ihm hervorgebracht worden
ist; ist es ein Glück, das ihm persönlich wider-
fahren, so hält es darauf als auf seine That und Ver-
dienst;
ist es sonst eine Weltbegebenheit, die es wei-
ter nichts angeht, so macht es sie ebenso zu der sei-
nigen, und thatloses Interesse gilt ihm für Parthey,
die es dafur oder dawider genommen, und bekämpft
oder gehalten hat.


Die Ehrlichkeit dieses Bewuſstseyns, sowie die
Befriedigung, die es allenthalben erlebt, besteht,
wie erhellt, in der That darin, daſs es seine Gedan-
ken
, die es von der Sache selbst hat, nicht zusam-
menbringt. Die Sache selbst
ist ihm ebensowohl seine
Sache, wie gar kein Werk, oder das reine Thun und
der leere Zweck, oder auch eine thatlose Wirklichkeit;
es macht eine Bedeutung nach der andern zum Sub-
jecte dieses Prädicats, und vergiſst die eine nach
der andern. Itzt im bloſsen Gewollt-, oder auch im
Nichtgemocluhaben, hat die Sache selbst die Bedeu-
[352] tung des leeren Zwecks, und der gedachten Einheit des
Wollens und Vollbringens. Der Trost über die
Vernichtung des Zwecks, doch gewollt, oder doch
rein gethan, so wie die Befriedigung, den andern et-
was zu thun gegeben zu haben, macht das reine Thun
oder das ganz schlechte Werk zum Wesen, denn
dasjenige ist ein schlechtes zu nennen, welches gar
keines ist. Endlich beym Glücksfall, die Wirklich-
keit vorzufinden, wird dieses Seyn ohne That zur
Sache selbst.


Die Wahrheit dieser Ehrlichkeit aber ist, nicht
so ehrlich zu seyn, als sie aussieht. Denn sie kann
nicht so gedankenlos seyn, diese verschiedenen Mo-
mente in der That so auseinanderfallen zu lassen,
sondern sie muſs das unmittelbare Bewuſstseyn über
ihren Gegensatz haben, weil sie sich schlechthin auf-
einander beziehen. Das reine Thun ist wesentlich
Thun dieses Individuums, und dieses Thun ist eben-
so wesentlich eine Wirklichkeit, oder eine Sache. Um-
gekehrt ist die Wirklichkeit wesentlich nur als sein
Thun, so wie als Thun überhaupt; und sein Thun ist
zugleich nur wie Thun überhaupt, so auch Wirk-
lichkeit. Indem es ihm also nur um die Sache selbst
als abstracte Wirklichkeit zu thun scheint, ist auch diſs
vorhanden, daſs es ihm um sie als sein Thun zu thun
ist. Aber ebenso, indem es ihm nur ums Thun und
Treiben zu thun ist, ist es ihm damit nicht Ernst,
sondern es ist ihm um eine Sache zu thun, und um
die Sache als die seinige. Indem es endlich nur seine
[353] Sache und sein Thun zu wollen scheint, ist es wieder
um die Sache überhaupt, oder die an und für sich
bleibende Wirklichkeit zu thun.


Wie die Sache selbst und ihre Momente hier als
Inhalt erscheinen, eben so nothwendig sind sie auch
als Formen an dem Bewuſstseyn. Sie treten als Inhalt
nur auf, um zu verschwinden, und jedes macht dem
andern Platz. Sie müssen daher in der Bestimmt-
heit, als aufgehobene, vorhanden seyn; so aber sind
sie Seiten des Bewuſstseyns selbst. Die Sache selbst
ist als das Ansich oder seine Reflexion in sich vorhan-
den, die Verdrängung der Momente aber durcheinan-
der drückt sich an ihm so aus, daſs sie nicht an sich,
sondern nur für ein anderes an ihm gesetzt sind. Das
eine der Momente des Inhalts wird von ihm dem
Tage ausgesetzt, und für andere vorgestellt; das Be-
wuſstseyn ist aber zugleich daraus in sich reflectirt,
und das entgegengesetzte ebenso in ihm vorhanden;
es behält es für sich, als das seinige. Es ist zugleich
auch nicht irgend eines derselben, welches allein nur
hinausgestellt, und ein anderes, das nur im Innern
behalten würde, sondern das Bewuſstseyn wechselt
mit ihnen ab; denn es muſs das eine wie das andere
zum wesentlichen für sich und für die andere ma-
chen. Das Ganze ist die sich bewegende Durchdrin-
gung der Individualität und des Allgemeinen; weil
aber diſs Ganze für diſs Bewuſstseyn nur als das ein-
fache
Wesen und damit als die Abstraction der Sache
selbst
vorhanden ist, fallen seine Momente als ge-
Z
[354] trennte auſser ihr und auseinander; und als Ganzes
wird es nur durch die trennende Abwechslung des
Ausstellens und des Fürsichbehaltens erschöpft und
dargestellt. Indem in dieser Abwechslung das Be-
wuſstseyn Ein Moment für sich und als wesentliches
in seiner Reflexion, ein anderes aber nur äuſserlich an
ihm oder für die andern hat, tritt damit ein Spiel der
Individualitäten miteinander ein, worin sie sowohl
sich selbst als sich gegenseitig, sowohl betrügen, als
betrogen finden.


Eine Individualität geht also, etwas auszuführen;
sie scheint damit etwas zur Sache gemacht zu haben;
sie handelt, wird darin für andere, und es scheint
ihr um die Wirklichkeit zu thun zu seyn. Die Andern
nehmen also das Thun derselben für ein Interesse an
der Sache als solcher, und für den Zweck, daſs die
Sache an sich ausgeführt sey;
gleichgültig, ob von der
ersten Individualität, oder von ihnen. Indem sie
hienach diese Sache schon von ihnen zu Stande ge-
bracht aufzeigen, oder wo nicht, ihre Hülffe anbie-
ten und leisten, so ist jenes Bewuſstseyn vielmehr da
heraus, wo sie meynen, daſs es sey; es ist sein Thun
und Treiben, was es bey der Sache interessirt, und
indem sie inne werden, daſs diſs die Sache selbst war,
finden sie sich also getäuscht. — Aber in der That
war ihr Herbeyeilen, um zu helffen, selbst nichts an-
ders, als daſs sie ihr Thun, nicht die Sache selbst, se-
hen und zeigen wollten; d. h. sie wollten das andere
auf eben die Weise betrügen, als sie sich betrogen
[355] worden zu seyn beschweren. — Indem es nun itzt
herausgekehrt ist, daſs das eigne Thun und Treiben
das Spiel seiner Kräffte für die Sache selbst gilt, so
scheint das Bewuſstseyn, sein Wesen für sich, nicht
für die andern, zu treiben, und nur bekümmert um
das Thun als das seinige, nicht um es als ein Thun
der Andern, hiemit die andern ebenso in ihrer Sache
gewähren zu lassen. Allein sie irren sich wieder;
es ist schon da heraus, wo sie es zu seyn meynten.
Es ist ihm nicht um die Sache als diese seine einzelne
zu thun, sondern um sie als Sache, als allgemeines,
das für alle ist. Es mischt sich also in ihr Thun und
Werk, und wenn es ihnen dasselbe nicht mehr aus
der Hand nehmen kann, interessirt es sich wenig-
stens dadurch dabey, daſs es sich durch Urtheilen
zu thun macht; drückt es ihm den Stempel seiner
Billigung und seines Lobes auf, so ist diſs so ge-
meynt, daſs es am Werke nicht nur das Werk selbst
lobt, sondern zugleich seine eigne Groſsmuth und Mä-
ſsigung, das Werk nicht als Werk und auch nicht
durch seinen Tadel verdorben zu haben. Indem es
ein Interesse am Werke zeigt, genieſst es sich selbst
darin; ebenso ist ihm das Werk, das von ihm geta-
delt wird, willkommen für eben diesen Genuſs seines
eignen
Thuns, der ihm dadurch verschafft wird. Die
aber sich durch diese Einmischung für betrogen hal-
ten oder ausgeben, wollten vielmehr selbst auf glei-
che Weise betrügen. Sie geben ihr Thun und Trei-
ben für etwas aus, das nur für sie selbst ist, worin sie
Z 2
[356] nur sich und ihr eignes Wesen bezweckten. Allein
indem sie etwas thun, und hiemit sich darstellen und
dem Tage zeigen, widersprechen sie unmittelbar
durch die That ihrem Vorgeben, den Tag selbst, das
allgemeine Bewuſstseyn und die Theilnahme Aller
ausschlieſsen zu wollen; die Verwirklichung ist viel-
mehr eine Ausstellung des Seinigen in das allgemeine
Element, wodurch es zur Sache Aller wird, und wer-
den soll.


Es ist also ebenso Betrug seiner selbst und der an-
dern, wenn es nur um die reine Sache zu thun seyn
soll; ein Bewuſstseyn, das eine Sache aufthut, macht
vielmehr die Erfahrung, daſs die Andern, wie die
Fliegen zu frischaufgestellter Milch, herbeyeilen und
sich dabey geschäfftig wissen wollen; und sie an
ihm, daſs es ihm ebenso nicht um die Sache als Ge-
genstand, sondern als um die seinige zu thun ist.
Hingegen, wenn nur das Thun selbst, der Gebrauch
der Kräffte und Fähigkeiten oder das Aussprechen
dieser Individualität, das wesentliche seyn soll, so
wird ebenso gegenseitig die Erfahrung gemacht, daſs
alle sich rühren und für eingeladen halten, und statt
eines reinen Thuns, oder eines einzelnen eigenthüm-
lichen Thuns vielmehr etwas, das ebensowohl für
andere
ist, oder eine Sache selbst aufgethan wurde.
Es geschieht in beyden Fällen dasselbe, und hat nur
einen verschiedenen Sinn gegen denjenigen, der da-
bey angenommen wurde und gelten sollte. Das Be-
wuſstseyn erfährt beyde Seiten als gleich wesentliche
[357] Momente, und hierin was die Natur der Sache selbst
ist, nemlich weder nur Sache, welche dem Thun
überhaupt und dem einzelnen Thun, noch Thun,
welches dem Bestehen entgegengesetzt und die von
diesen Momenten als ihren Arten freye Gattung wäre,
sondern ein Wesen, dessen Seyn das Thun des ein-
zelnen
Individuums und aller Individuen, und des-
sen Thun unmittelbar für andre, oder eine Sache ist,
und nur Sache ist als Thun Aller und Jeder; das We-
sen, welches das Wesen aller Wesen, das geistige
Wesen
ist. Das Bewuſstseyn erfährt, daſs keins je-
ner Momente Subject ist, sondern sich vielmehr in
der allgemeinen Sache selbst auflöst; die Momente der
Individualität, welche der Gedankenlosigkeit dieses Be-
wuſstseyns nach einander als Subject galten, nehmen
sich in die einfache Individualität zusammen, die als
diese ebenso unmittelbar allgemein ist. Die Sache
selbst verliert dadurch das Verhältniſs des Prädicats,
und die Bestimmtheit lebloser abstracter Allgemein-
heit, sie ist vielmehr die von der Individualität
durchdrungene Substanz; das Subject, worin die In-
dividualität ebenso als sie selbst oder als diese, wie als
alle Individuen ist, und das allgemeine, das nur als
diſs Thun Aller und Jeder ein Seyn ist, eine Wirk-
lichkeit darin, daſs dieses Bewuſstseyn sie als seine
einzelne Wirklichkeit und als Wirklichkeit Aller
weiſs. Die reine Sache selbst ist das, was sich oben
als die Kategorie bestimmte, das Seyn das Ich, oder
Ich das Seyn ist, aber als Denken welches vom wirk-
[358] lichen Selbstbewuſstseyn
sich noch unterscheidet; hier
aber sind die Momente des wirklichen Selbstbewuſst-
seyns, insofern wir sie seinen Inhalt, Zweck, Thun
und Wirklichkeit, wie insofern wir sie seine Form
nennen, Fürsichseyn und Seyn für anderes, mit
der einfachen Kategorie selbst als eins gesetzt, und
sie ist dadurch zugleich aller Inhalt.


b.
Die gesetzgebende Vernunfft.

Das geistige Wesen ist in seinem einfachen Seyn
reines Bewuſstseyn und dieses Selbstbewuſstseyn. Die
ursprünglich-bestimmte Natur des Individuums hat
ihre positive Bedeutung, an sich das Element und der
Zweck seiner Thätigkeit zu seyn, verloren; sie ist
nur aufgehobnes Moment, und das Individuum ein
Selbst; als allgemeines Selbst. Umgekehrt hat die
formale Sache selbst ihre Erfüllung an der thuenden
sich in sich unterscheidenden Individualität; denn die
Unterschiede dieser machen den Inhalt jenes Allge-
meinen aus. Die Kategorie ist an sich, als das All-
gemeine des reinen Bewuſstseyns; sie ist ebenso für
sich
, denn das Selbst des Bewuſstseyns ist ebenso ihr
Moment. Sie ist absolutes Seyn, denn jene Allge-
meinheit ist die einfache Sichselbstgleichheit des Seyns.


Was also dem Bewuſstseyn der Gegenstand ist,
hat die Bedeutung das Wahre zu seyn; es ist und gilt
[359] in dem Sinne, an und für sich selbst zu seyn und gel-
ten;
es ist die absolute Sache, welche nicht mehr von
dem Gegensatze der Gewiſsheit und ihrer Wahrheit,
des Allgemeinen und des Einzelnen, des Zwecks und
seiner Realität leidet, sondern deren Daseyn die
Wirklichkeit und das Thun des Selbstbewuſstseyns ist;
diese Sache ist daher die sittliche Substanz; das Be-
wuſstseyn derselben sittliches Bewuſstseyn. Sein Ge-
genstand gilt ihm ebenso als das Wahre, denn es ver-
einigt Selbstbewuſstseyn und Seyn in Einer Einheit;
es gilt als das Absolute, denn das Selbstbewuſstseyn
kann und will nicht mehr über diesen Gegenstand
hinausgehen, denn es ist darin bey sich selbst; es
kann nicht, denn er ist alles Seyn und Macht; — es
will nicht, denn er ist das Selbst oder der Willen die-
ses Selbsts. Er ist der reale Gegenstand an ihm selbst
als Gegenstand, denn er hat den Unterschied des
Bewuſstseyns an ihm; er theilt sich in Massen, wel-
che die bestimmten Gesetze des absoluten Wesens sind.
Diese Massen aber trüben den Begriff nicht, denn in
ihm bleiben die Momente des Seyns und reinen
Bewuſstseyns und des Selbsts eingeschlossen, — eine
Einheit, welche das Wesen dieser Massen ausmacht,
und in diesem Unterschiede diese Momente nicht
mehr auseinander treten läſst.


Diese Gesetze oder Massen der sittlichen Sub-
stanz sind unmittelbar anerkannt; es kann nicht nach
ihrem Ursprunge und Berechtigung gefragt und nach
einem andern gesucht werden, denn ein anderes als
[360] das an und für sich seyende Wesen wäre nur das
Selbstbewuſstseyn selbst; aber es ist nichts anderes
als diſs Wesen, denn es selbst ist das Fürsichseyn
dieses Wesens, welches ebendarum die Wahrheit
ist, weil es ebensosehr das Selbst des Bewuſstseyns,
als sein Ansich oder reines Bewuſstseyn ist.


Indem das Selbstbewuſstseyn sich als Moment
des Fürsichseyns dieser Substanz weiſs, so drückt es
also das Daseyn des Gesetzes in ihm so aus, daſs die
gesunde Vernunft unmittelbar weiſs, was recht und
gut ist. So unmittelbar sie es weiſs, so unmittelbar
gilt es ihr auch, und sie sagt unmittelbar: diſs ist recht
und gut. Und zwar diſs; es sind bestimmte Gesetze,
es ist erfüllte, inhaltsvolle Sache selbst.


Was sich so unmittelbar gibt, muſs ebenso un-
mittelbar aufgenommen und betrachtet werden; wie
von dem, was die sinnliche Gewiſsheit unmittelbar
als seyend ausspricht, ist auch von dem Seyn, wel-
ches diese sittliche unmittelbare Gewiſsheit ans-
spricht, oder von den unmittelbar seyenden Massen
des sittlichen Wesens zu sehen, wie sie beschaffen
sind. Die Beyspiele einiger solcher Gesetze werden
diſs zeigen, und indem wir sie in der Form von Aus-
sprüchen der wissenden, gesunden Vernunft nehmen,
haben wir nicht erst das Moment herbeyzubringen,
welches an ihnen, sie als unmittelbare sinnliche Ge-
setze betrachtet, geltend zu machen ist.


Jeder soll die Wahrheit sprechen.“ — Bey die-
ser als unbedingt ausgesprochnen Pflicht wird so-
[361] gleich die Bedingung zugegeben werden; wenn er die
Wahrheit weiſs. Das Gebot wird hiemit jetzt so
lauten; jeder soll die Wahrheit reden, jedesmal nach
seiner Kenntniſs und Ueberzeugung
davon. Die gesunde
Vernunft, eben diſs sittliche Bewuſstseyn, welches
unmittelbar weiſs, was recht und gut ist, wird auch
erklären, daſs diese Bedingung mit seinem allgemei-
nen Ausspruche schon so verbunden gewesen sey,
daſs sie jenes Gebot so gemeynt habe. Damit gibt sie
aber in der That zu, daſs sie vielmehr schon unmit-
telbar im Aussprechen desselben dasselbe verletzte;
sie sprach; jeder soll die Wahrheit sprechen; sie
meynte aber, er solle sie sprechen nach seiner Kennt-
niſs und Ueberzeugung davon; das heiſst, sie sprach
anders als sie meynte;
und anders sprechen als man
meynt, heiſst die Wahrheit nicht sprechen. Die ver-
besserte Unwahrheit oder Ungeschicklichkeit drückt
sich nun so aus: jeder solle die Wahrheit nach seiner
jedesmaligen Kenntniſs und Ueberzeugung davon spre-
chen.
— Damit aber hat sich das allgemein-nothwen-
dige an sich
geltende, welches der Satz aussprechen
wollte, vielmehr in eine vollkommne Zufälligkeit
verkehrt. Denn daſs die Wahrheit gesprochen wird,
ist dem Zufalle, ob ich sie kenne und mich davon
überzeugen kann, anheimgestellt; und es ist weiter
nichts gesagt, als daſs Wahres und Falsches durch-
einander, wie es kommt, daſs es einer kennt, meynt
und begreifft, gesprochen werden solle. Diese Zu-
fälligkeit des Inhalts
hat die Allgemeinheit nur an der
[362]Form eines Satzes, in der sie ausgedrückt ist; aber als
sittlicher Satz verspricht er einen allgemeinen und
nothwendigen Inhalt, und widerspricht so durch die
Zufälligkeit desselben sich selbst. — Wird endlich
der Satz so verbessert: daſs die Zufälligkeit der
Kenntniſs und Ueberzeugung von der Wahrheit
wegfallen und die Wahrheit auch gewuſst werden
solle; so wäre diſs ein Gebot, welches dem geradezu
widerspricht, wovon ausgegangen wurde. Die ge-
sunde Vernunft sollte zuerst unmittelbar die Fähigkeit
haben, die Wahrheit auszusprechen; itzt aber ist
gesagt, daſs sie sie wissen sollte, das heiſst, sie nicht
unmittelbar auszusprechen wisse. — Von Seite des
Inhalts betrachtet, so ist er in der Foderung, man
solle die Wahrheit wissen, hinweggefallen; denn sie
bezieht sich auf das Wissen überhaupt: man soll wis-
sen; was gefodert ist, ist also vielmehr das von al-
lem bestimmten Inhalte freye. Aber hier war von
einem bestimmten Inhalt, von einem Unterschiede an
der sittlichen Substanz die Rede. Allein diese unmit-
telbare
Bestimmung derselben ist ein solcher Inhalt,
der sich vielmehr als eine vollkommene Zufälligkeit
zeigte, und in die Allgemeinheit und Nothwendig-
keit erhoben, so daſs das Wissen als das Gesetz aus-
gesprochen wird, vielmehr verschwindet.


Ein anderes berühmtes Gebot ist: Liebe deinen
Nächsten, als dich selbst
. Es ist an den Einzelnen im
Verhältnisse zu den Einzelnen gerichtet, und behaup-
tet es als ein Verhaltniſs des Einzelnen
zum Einzelnen,
[363] oder als Verhältniſs der Empfindung. Die thätige
Liebe, — denn eine unthätige hat kein Seyn, und
ist darum wohl nicht gemeynt, — geht darauf, Ue-
bel von einem Menschen abzusondern, und ihm Gu-
tes zuzufügen. Zu diesem Behuff muſs unterschie-
den werden, was an ihm das Uebel, was gegen diſs
Uebel das zweckmäſsige Gute, und was überhaupt
sein Wohl ist; das heiſst, ich muſs ihn mit Verstand
lieben; unverständige Liebe wird ihm schaden, viel-
leicht mehr als Haſs. Das verständige wesentliche
Wohlthun ist aber in seiner reichsten und wichtig-
sten Gestalt, das verständige allgemeine Thun des
Staats, — ein Thun, mit welchem verglichen das Thun
des Einzelnen als eines Einzelnen etwas überhaupt so
geringfügiges wird, daſs es fast nicht der Mühe werth
ist, davon zu sprechen. Jenes Thun ist dabey von
so groſser Macht, daſs, wenn das einzelne Thun sich
ihm entgegensetzen, und entweder geradezu für
sich Verbrechen seyn oder einem andern zu Lie-
be das Allgemeine um das Recht und den An-
theil, welchen es an ihm hat, betrügen wollte, es
überhaupt unnütz seyn, und unwiderstehlich zer-
stört werden würde. Es bleibt dem Wohlthun, wel-
ches Empfindung ist, nur die Bedeutung eines ganz
einzelnen Thuns, einer Nothhülffe, die ebenso zu-
fällig als augenblicklich ist. Der Zufall bestimmt
nicht nur seine Gelegenheit, sondern auch diſs, ob
es überhaupt ein Werk ist, ob es nicht sogleich wie-
der aufgelöst, und selbst vielmehr in Uebel verkehrt
[364] wird. Dieses Handeln also zum Wohl anderer, das
als nothwendig ausgesprochen wird, ist so beschaf-
fen, daſs es vielleicht existiren kann, vielleicht auch
nicht; daſs, wenn der Fall zufälliger Weise sich
darbietet, es vielleicht ein Werk, vielleicht gut ist,
vielleicht auch nicht. Diſs Gesetz hat hiemit eben-
sowenig einen allgemeinen Inhalt als das erste, das
betrachtet wurde, und drückt nicht, wie es als ah-
solutes Sittengesetz sollte, etwas aus, das an und für
sich
ist. Oder solche Gesetze bleiben nur beym Sollen
stehen, haben aber keine Wirklichkeit; sie sind nicht
Gesetze, sondern nur Gebote.


Es erhellt aber in der That aus der Natur der
Sache selbst, daſs auf einen allgemeinen absoluten In-
halt
Verzicht gethan werden muſs; denn der einfachen
Substanz, und ihr Wesen ist diſs einfache zu seyn,
ist jede Bestimmtheit, die an ihr gesetzt wird, unge-
mäſs
. Das Gebot in seiner einfachen Absolutheit
spricht selbst unmittelbares sittliches Seyn aus; der Un-
terschied, der an ihm erscheint, ist eine Bestimmt-
heit, und also ein Inhalt, der unter der absoluten
Allgemeinheit dieses einfachen Seyns steht. Indem
hiemit auf einen absoluten Inhalt Verzicht gethan
werden muſs, kann ihm nur die formale Allgemeinheit,
oder diſs, daſs es sich nicht widerspreche, zukommen,
denn die inhaltslose Allgemeinheit ist die formale,
und absoluter Inhalt heiſst selbst soviel, als ein Un-
terschied, der keiner ist, oder als Inhaltslosigkeit.


[365]

Was dem Gesetzgeben übrig bleibt, ist also die
reine Form der Allgemeinheit oder in der That die
Tavtologie des Bewuſstseyns, welche dem Inhalt ge-
genübertritt, und ein Wissen nicht von dem seyenden,
oder eigentlichen Inhalte, sondern von dem Wesen
oder der Sichselbstgleichheit desselben ist.


Das sittliche Wesen ist hiemit nicht unmittelbar
selbst ein Inhalt, sondern nur ein Maſsstab, ob ein
Inhalt fähig sey, Gesetz zu seyn oder nicht, indem er
sich nicht selbst widerspricht. Die gesetzgebende
Vernunft ist zu einer nur prüffenden Vernunft her-
abgesetzt.


c.
Gesetzprüffende Vernunfft.

Ein Unterschied an der einfachen sittlichen Sub-
stanz ist eine Zufälligkeit für sie, welche wir an dem
bestimmten Gebote als Zufälligkeit des Wissens, der
Wirklichkeit und des Thuns hervortreten sahen. Die
Vergleichung jenes einfachen Seyns und der ihm nicht
entsprechenden Bestimmtheit fiel in uns; und die ein-
fache Substanz hat sich darin formale Allgemeinheit
oder reines Bewuſstseyn zu seyn gezeigt, das frey von
dem Inhalte ihm gegenübertritt, und ein Wissen von
ihm als dem bestimmten ist. Diese Allgemeinheit
bleibt auf diese Weise dasselbe, was die Sache selbst
war. Aber sie ist im Bewuſstseyn ein anderes; sie
ist nemlich nicht mehr die gedankenlose träge Gat-
[366] tung, sondern bezogen auf das Besondere, und gel-
tend für dessen Macht und Wahrheit. — Diſs Be-
wuſstseyn scheint zunächst dasselbe Prüffen, welches
wir vorhin waren, und sein Thun nichts anderes seyn
zu können, als schon geschehen ist, eine Verglei-
chung des allgemeinen mit dem bestimmten, woraus
sich ihre Unangemessenheit wie vorhin ergäbe. Aber
das Verhältniſs des Inhalts zum Allgemeinen ist hier
ein anderes, indem dieses eine andere Bedeutung
gewonnen hat; es ist formale Allgemeinheit, deren
der bestimmte Inhalt fähig ist, denn in ihr wird er
nur in Beziehung auf sich selbst betrachtet. Bey un-
serm Prüffen stand die allgemeine gediegene Substanz,
der Bestimmtheit gegenüber, welche sich als Zufäl-
ligkeit des Bewuſstseyns, worein die Substanz ein-
trat, entwickelte. Hier ist das eine Glied der Ver-
gleichung verschwunden; das Allgemeine ist nicht
mehr die seyende und geltende Substanz, oder das an
und für sich rechte, sondern einfaches Wissen oder
Form, welche einen Inhalt nur mit sich selbst ver-
gleicht, und ihn betrachtet, ob er eine Tavtologie
ist. Es werden Gesetze nicht mehr gegeben, sondern
geprüfft; und die Gesetze sind für das prüffende Be-
wuſstseyn schon gegeben; es nimmt ihren Inhalt auf,
wie er einfach ist, ohne in die Betrachtung der sei-
ner Wirklichkeit anklebenden Einzelnheit und Zu-
fälligkeit einzugehen, wie wir thaten, sondern bleibt
bey dem Gebote als Gebote stehen, und verhält sich
ebenso einfach gegen es, als es sein Maſsstab ist.


[367]

Diſs Prüffen reicht aber aus diesem Grunde nicht
weit; eben indem der Maſsstab, die Tavtologie und
gleichgültig gegen den Inhalt ist, nimmt er ebenso
gut diesen, als den entgegengesetzten in sich auf. —
Es ist die Frage, soll es an und für sich Gesetz seyn,
daſs Eigenthum sey; an und für sich, nicht aus Nütz-
lichkeit für andere Zwecke; die sittliche Wesenheit
besteht eben darin, daſs das Gesetz nur sich selbst
gleiche, und durch diese Gleichheit mit sich also in
seinem eigenen Wesen gegründet, nicht ein beding-
tes sey. Das Eigenthum an und für sich widerspricht
sich nicht; es ist eine isolirte, oder nur sich selbst
gleich gesetzte Bestimmtheit. Nichteigenthum, Her-
renlosigkeit der Dinge, oder Gütergemeinschafft, wi-
derspricht sich gerade ebensowenig. Daſs etwas Nie-
mand gehört, oder dem Nächsten Besten, der sich
in Besitz setzt, oder Allen zusammen, und Jedem
nach seinem Bedürfnisse oder zu gleichen Theilen, ist
eine einfache Bestimmtheit, ein formaler Gedanke, wie
sein Gegentheil, das Eigenthum. — Wenn das her-
renlose Ding freylich betrachtet wird als ein nothwen-
diger Gegenstand
des Bedürfnisses, so ist es nothwen-
dig, daſs es der Besitz irgend eines einzelnen werde;
und es wäre widersprechend, vielmehr die Freyheit
des Dinges zum Gesetze zu machen. Unter der Her-
renlosigkeit des Dinges ist aber auch nicht eine ab-
solute Herrenlosigkeit gemeynt, sondern es soll in
Besitz kommen, nach dem Bedürfnisse des einzelnen;
und zwar nicht um aufbewahrt, sondern um unmit-
[368] telbar gebraucht zu werden. Aber so ganz nur nach
der Zufälligkeit für das Bedürfniſs zu sorgen, ist der
Natur des bewuſsten Wesens, von dem allein die
Rede ist, widersprechend; denn es muſs sich sein
Bedürfniſs in der Form der Allgemeinheit vorstellen,
für seine ganze Existenz sorgen, und sich ein blei-
bendes Gut erwerben. So stimmte also der Gedanke,
daſs ein Ding dem nächsten selbstbewuſsten Leben
nach seinem Bedürfnisse zufälligerweise zu Theil
werde, nicht mit sich selbst überein. — In der
Gütergemeinschafft, worin auf eine allgemeine und
bleibende Weise dafür gesorgt wäre, wird jedem
entweder soviel zu Theil, als er braucht, so wider-
spricht diese Ungleichheit und das Wesen des Be-
wuſstseyns, dem die Gleichheit der Einzelnen Prin-
cip ist, einander. Oder es wird nach dem letztern
Princip gleich ausgetheilt, so hat der Antheil nicht
die Beziehung auf das Bedürfniſs, welche doch al-
lein sein Begriff ist.


Allein wenn auf diese Weise das Nichteigen-
thum widersprechend erscheint, so geschieht es nur
darum, weil es nicht als einfache Bestimmtheit ge-
lassen worden ist. Dem Eigenthum geht es ebenso,
wenn es in Momente aufgelöst wird. Das einzelne
Ding, das mein Eigenthum ist, gilt damit für ein
allgemeines, befestigtes, bleibendes; diſs widerspricht
aber seiner Natur, die darin besteht, gebraucht zu
werden und zu verschwinden. Es gilt zugleich für
das Meinige, das alle andern anerkennen, und sich
[369] davon ausschlieſsen. Aber darin, daſs ich anerkannt
bin, liegt vielmehr meine Gleichheit mit Allen, das
Gegentheil der Ausschlieſsung. — Was ich besitze,
ist ein Ding, d. h. ein Seyn für Andre überhaupt,
ganz allgemein und unbestimmt nur für mich zu seyn;
daſs Ich es besitze, widerspricht seiner allgemeinen
Dingheit. Eigenthum widerspricht sich daher nach
allen Seiten ebensosehr als Nichteigenthum; jedes
hat diese beyden entgegengesetzten, sich widerspre-
chenden Momente der Einzelnheit und Allgemein-
heit an ihm. — Aber jede dieser Bestimmtheiten
einfach vorgestellt, als Eigenthum oder Nichteigen-
thum, ohne weitere Entwicklung, ist eine so einfach,
als die andere, das heiſst, sich nicht widersprechend.
— Der Maſsstab des Gesetzes, den die Vernunft an
ihr selbst hat, paſst daher allem gleich gut, und ist
hiemit in der That kein Maſsstab. — Es müſste
auch sonderbar zugehen, wenn die Tavtologie, der
Satz des Widerspruchs, der für die Erkenntniſs theo-
retischer Wahrheit nur als ein formelles Kriterium
zugestanden wird, das heiſst, als etwas, das gegen
Wahrheit und Unwahrheit ganz gleichgültig sey,
für die Erkenntniſs praktischer Wahrheit mehr seyn
sollte
.


In den beyden so eben betrachteten Momenten
der Erfüllung des vorher leeren geistigen Wesens hat
sich das Setzen von unmittelbaren Bestimmtheiten
an der sittlichen Substanz, und dann das Wissen von
ihnen, ob sie Gesetze sind, aufgehoben. Das Resul-
A a
[370] tat scheint hiemit dieses zu seyn, daſs weder be-
stimmte Gesetze noch ein Wissen derselben statt
finden könne. Allein die Substanz ist das Bewuſst-
seyn
von sich als der absoluten Wesenheit, welches
hiemit weder den Unterschied an ihr, noch das Wis-
sen
von ihm aufgeben kann. Daſs das Gesetzgeben
und Gesetzprüffen sich als nichtig erwies, hat diese
Bedeutung, daſs beydes einzeln und isolirt genom-
men, nur haltungslose Momente des sittlichen Be-
wuſstseyns sind; und die Bewegung, in welcher sie
auftreten, hat den formalen Sinn, daſs die sittliche
Substanz sich dadurch als Bewuſstseyn darstellt.


Insofern diese beyden Momente nähere Bestim-
mungen des Bewuſstseyns der Sache selbst sind, kön-
nen sie als Formen der Ehrlichkeit angesehen wer-
den, die, wie sonst mit ihren formalen Momenten,
sich itzt mit einem seynsollenden Inhalt des Guten
und Rechten und einem Prüffen solcher festen
Wahrheit herumtreibt, und in der gesunden Ver-
nunft und verständigen Einsicht die Krafft und
Gültigkeit der Gebote zu haben meynt.


Ohne diese Ehrlichkeit aber gelten die Gesetze
nicht als Wesen des Bewuſstseyns und das Prüffen
ebenso nicht als Thun innerhalb desselben; sondern
diese Momente drücken, wie sie jedes für sich un-
mittelbar
als eine Wirklichkeit auftreten, das eine ein
ungültiges Aufstellen und Seyn wirklicher Gesetze,
und das andre eine ebenso ungültige Befreyung von
denselben aus. Das Gesetz hat als bestimmtes Ge-
[371] setz einen zufälligen Inhalt, — diſs hat hier die Be-
deutung, daſs es Gesetz eines einzelnen Bewuſst-
seyns von einem willkührlichen Inhalt ist. Jenes
unmittelbare Gesetzgeben ist also der tyrannische
Frevel, der die Willkühr zum Gesetze macht, und
die Sittlichkeit zu einem Gehorsame gegen sie, — ge-
gen Gesetze, die nur Gesetze, nicht zugleich Gebote
sind. So wie das zweyte Moment, insofern es iso-
lirt ist, das Prüffen der Gesetze, das Bewegen des
Unbewegbaren und den Frevel des Wissens bedeu-
tet, der sich von den absoluten Gesetzen frey
räsonnirt, und sie für eine ihm fremde Willkühr
nimmt.


In beyden Formen sind diese Momente ein ne-
gatives Verhältniſs zur Substanz oder dem realen
geistigen Wesen; oder in ihnen hat die Substanz
noch nicht ihre Realität, sondern das Bewuſstseyn
enthält sie noch in der Form seiner eignen Unmit-
telbarkeit, und sie ist nur erst ein Willen und Wis-
sen
dieses Individuums, oder das Sollen eines un-
wirklichen Gebots, und ein Wissen der formalen
Allgemeinheit. Aber indem diese Weisen sich auf-
hoben, ist das Bewuſstseyn in das Allgemeine zu-
rückgegangen, und jene Gegensätze sind verschwun-
den. Das geistige Wesen ist dadurch wirkliche Sub-
stanz, daſs diese Weisen nicht einzeln gelten, son-
dern nur als aufgehobne, und die Einheit, worin
sie nur Momente sind, ist das Selbst des Bewuſst-
seyns, welches nunmehr in dem geistigen Wesen
A a 2
[372] gesetzt, dasselbe zum wirklichen, erfüllten und
selbstbewuſsten macht.


Das geistige Wesen ist hiemit vors erste für das
Selbstbewuſstseyn als an sich seyendes Gesetz; die
Allgemeinheit des Prüffens, welche die formale
nicht an sich seyende war, ist aufgehoben. Es ist
ebenso ein ewiges Gesetz, welches nicht in dem
Will n dieses Individuums seinen Grund hat, sondern
es ist an und fur sich, der absolute reine Willen Aller,
der die Form des unmittelbaren Seyns hat. Er ist
auch nicht ein Gebot, das nur seyn soll, sondern er
ist und gilt; es ist das allgemeine Ich der Kategorie,
das unmittelbar die Wirklichkeit ist, und die Welt
ist nur diese Wirklichkeit. Indem aber dieses seyende
Gesetz
schlechthin gilt, so ist der Gehorsam des
Selbstbewuſstseyns nicht der Dienst gegen einen
Herrn, dessen Befehle eine Willkühr wäre, und
worin es sich nicht erkennte. Sondern die Gesetze
sind Gedanken seines eignen absoluten Bewuſstseyns,
welche es selbst unmittelbar hat. Es glaubt auch nicht
an sie, denn der Glauben schaut wohl auch das We-
sen, aber ein fremdes an. Das sittliche Selbstbe-
wuſstseyn ist durch die Allgemeinheit seines Selbsts
unmittelbar
mit dem Wesen eins; der Glauben hin-
gegen fängt von dem einzelnen Bewuſstseyn an, er ist
die Bewegung desselben, immer dieser Einheit zuzu-
gehen, ohne die Gegenwart seines Wesens zu er-
reichen. — Jenes Bewuſstseyn hingegen hat sich als
einzelnes aufgehoben, diese Vermittlung ist voll-
[373] bracht, und nur dadurch, daſs sie vollbracht ist,
ist es unmittelbares Selbstbewuſstseyn der sittlichen
Substanz.


Der Unterschied des Selbstbewuſstseyns von dem
Wesen ist also vollkommen durchsichtig. Dadurch
sind die Unterschiede an dem Wesen selbst nicht zu-
fällige Bestimmtheiten, sondern um der Einheit des
Wesens und des Selbstbewuſstseyns willen, von wel-
chem allein die Ungleichheit kommen könnte, sind
sie die Massen ihrer von ihrem Leben durchdrun-
genen Gegliederung, sich selbst klare unentzweyte
Geister, mackellose himmlische Gestalten, die in
ihren Unterschieden die unentweihte Unschuld und
Einmüthigkeit ihres Wesens erhalten. — Das Selbst-
bewuſstseyn ist ebenso einfaches, klares Verhältniſs
zu ihnen. Sie sind, und weiter nichts, — macht das
Bewuſstseyn seines Verhältnisses aus. So gelten sie
der Antigone des Sophokles als der Götter ungeschrieb-
nes
und untrügliches Recht
nicht etwa jetzt und gestern, sondern immerdar
lebt es, und keiner weiſs, von wannen es erschien.

Sie sind. Wenn ich nach ihrer Entstehung frage,
und sie auf den Punkt ihres Ursprungs einenge, so
bin ich darüber hinausgegangen; denn ich bin nun-
mehr das Allgemeine, sie aber das bedingte und be-
schränkte. Wenn sie sich meiner Einsicht legitimi-
ren sollen, so habe ich schon ihr unwankendes An-
sichseyn bewegt, und betrachte sie als etwas, das
vielleicht wahr, vielleicht auch nicht wahr für mich
[374] sey. Die sittliche Gesinnung besteht eben darin, un-
verrückt in dem fest zu beharren, was das Rechte ist,
und sich alles Bewegens, Rüttelns und Zurückfüh-
rens desselben zu enthalten. — Es wird ein Depo-
situm bey mir gemacht; es ist das Eigenthum eines
Andern, und ich anerkenne es, weil es so ist, und
erhalte mich umwankend in diesem Verhältnisse.
Behalte ich für mich das Depositum, so begehe ich
nach dem Principe meines Prüffens, der Tavtologie,
ganz und gar keinen Widerspruch; denn alsdenn
sehe ich es nicht mehr für das Eigenthum eines An-
dern an; etwas behalten, das ich nicht für das Ei-
genthum eines Andern ansehe, ist vollkommen con-
sequent. Die Aenderung der Ansicht ist kein Wider-
spruch, denn es ist nicht um sie als Ansicht, son-
dern um den Gegenstand und Inhalt zu thun, der
sich nicht widersprechen soll. So sehr ich — wie
ich thue, wenn ich etwas wegschenke — die An-
sicht, daſs etwas mein Eigenthum ist, in die An-
sicht, daſs es das Eigenthum eines Andern ist, ver-
ändern kann, ohne dadurch eines Widerspruches
schuldig zu werden, ebensosehr kann ich den um-
gekehrten Weg gehen. — Nicht darum also, weil
ich etwas sich nicht widersprechend finde, ist es
Recht; sondern weil es das Rechte ist, ist es Recht.
Daſs etwas das Eigenthum des Andern ist, diſs liegt
zum Grunde; darüber habe ich nicht zu räsonniren,
noch mancherley Gedanken, Zusammenhänge, Rück-
sichten aufzusuchen oder mir einfallen zu lassen; we-
[375] der ans Gesetzgeben, noch ans Prüffen zu denken;
durch solcherley Bewegungen meines Gedankens ver-
rückte ich jenes Verhältniſs, indem ich in der That
nach Belieben meinem unbestimmten tavtologischen
Wissen das Gegentheil ebensowohl gemäſs, und es
also zum Gesetze machen könnte. Sondern ob diese
oder die entgegengesetzte Bestimmung das Rechte
sey, ist an und für sich bestimmt; ich für mich könnte,
welche ich wollte, und ebenso gut keine zum Gesetze
machen, und bin, indem ich zu prüffen anfange,
schon auf unsittlichem Wege. Daſs das Rechte mir
an und für sich ist, dadurch bin ich in der sittlichen
Substanz; so ist sie das Wesen des Selbstbewuſstseyns;
dieses aber ist ihre Wirklichkeit und Daseyn, ihr Selbst
und Willen.


[376]

VI.
Der Geist.


Die Vernunft ist Geist, indem die Gewiſsheit, alle
Realität zu seyn, zur Wahrheit erhoben, und sie
sich ihrer selbst als ihrer Welt, und der Welt als
ihrer selbst bewuſst ist. — Das Werden des Geistes
zeigte die unmittelbar vorhergehende Bewegung auf,
worin der Gegenstand des Bewuſstseyns, die reine
Kategorie, zum Begriffe der Vernunft sich erhob.
In der beobachtenden Vernunft ist diese reine Einheit
des Ich und des Seyns, des Fürsich und des Ansich-
seyns, als das Ansich oder als Seyn bestimmt, und
das Bewuſstseyn der Vernunft findet sich. Aber die
Wahrheit des Beobachtens ist vielmehr das Aufhe-
ben dieses unmittelbaren findenden Instinkts, dieses
bewuſstlosen Daseyns derselben. Die angeschaute Ka-
tegorie, das gefundne Ding tritt in das Bewuſstseyn
als das Fürsichseyn des Ich, welches sich nun im ge-
genständlichen Wesen als das Selbst weiſs. Aber
diese Bestimmung der Kategorie, als des Fürsich-
seyns entgegengesetzt dem Ansichseyn, ist ebenso
einseitig und ein sich selbst aufhebendes Moment.
Die Kategorie wird daher für das Bewuſstseyn be-
stimmt, wie sie in ihrer allgemeinen Wahrheit ist,
[377] als an und fürsichseyendes Wesen. Diese noch ab-
stracte
Bestimmung, welche die Sache selbst ausmacht,
ist erst das geistige Wesen, und sein Bewuſstseyn ein
formales Wissen von ihm, das sich mit mancherley
Inhalt desselben herumtreibt; es ist von der Sub-
stanz in der That noch als ein einzelnes unterschie-
den, gibt entweder willkührliche Gesetze, oder meynt
die Gesetze, wie sie an und für sich sind, in seinem
Wissen als solchem zu haben; und hält sich für die
beurtheilende Macht derselben. — Oder von der
Seite der Substanz betrachtet, so ist diese das an und
fürsichseyende geistige Wesen, welches noch nicht Be-
wuſstseyn
seiner selbst ist. — Das an und fürsich-
seyende
Wesen aber, welches sich zugleich als Bewuſst-
seyn wirklich und sich sich selbst vorstellt, ist der Geist.


Sein geistiges Wesen ist schon als die sittliche Sub-
stanz
bezeichnet worden; der Geist aber ist die sitt-
liche Wirklichkeit
. Er ist das Selbst des wirklichen Be-
wuſstseyns, dem er oder vielmehr das sich als gegen-
ständliche wirkliche Welt gegenübertritt, welche
aber ebenso für das Selbst alle Bedeutung eines Frem-
den, so wie das Selbst alle Bedeutung eines von ihr
getrennten, abhängigen oder unabhängigen Fürsich-
seyns verloren hat. Die Substanz und das allgemei-
ne, sichselbstgleiche, bleibende Wesen, — ist er der
unverrückte und unaufgelöste Grund und Ausgangs-
punkt
des Thuns Aller, — und ihr Zweck und Ziel,
als das gedachte Ansich aller Selbstbewuſstseyn. —
Diese Substanz ist ebenso das allgemeine Werk, das
[378] sich durch das Thun Aller und Jeder als ihre Einheit
und Gleichheit erzeugt, denn sie ist das Fursichseyn,
das Selbst, das Thun. Als die Substanz ist der Geist
die unwankende gerechte Sichselbstgleichheit; aber als
Fürsichseyn ist sie das aufgelöste, das sich aufopfernde
gütige Wesen, an dem Jeder sein eignes Werk
vollbringt, das allgemeine Seyn zerreiſst und sich
seinen Theil davon nimmt. Diese Auflösung und
Vereinzelung des Wesens ist eben das Moment des
Thuns und Selbsts Aller; es ist die Bewegung und
Seele der Substanz, und das bewirkte allgemeine
Wesen. Gerade darin daſs sie das im Selbst aufge-
löste Seyn ist, ist sie nicht das todte Wesen, son-
dern wirklich und lebendig.


Der Geist ist hiemit das sich selbsttragende ab-
solute reale Wesen. Alle bisherigen Gestalten des
Bewuſstseyns sind Abstractionen desselben; sie sind
diſs, daſs er sich analysirt, seine Momente unter-
scheidet, und bey einzelnen verweilt. Diſs Isoliren
solcher Momente hat ihn selbst zur Voraussetzung
und zum Bestehen, oder es existirt nur in ihm, der
die Existenz ist. Sie haben so isolirt den Schein, als
ob sie als solche wären; aber wie sie nur Momente
oder verschwindende Gröſsen sind, zeigte ihre Fort-
wälzung und Rückgang in ihren Grund und Wesen;
und diſs Wesen eben ist diese Bewegung und Auf-
lösung dieser Momente. Hier, wo der Geist, oder
die Reflexion derselben in sich selbst gesetzt ist, kann
unsre Reflexion an sie nach dieser Seite kurz erin-
[379] nern; sie waren Bewuſstseyn, Selbstbewuſstseyn und
Vernunft. Der Geist ist also Bewuſstseyn überhaupt,
was sinnliche Gewiſsheit, Wahrnehmen und den
Verstand in sich begreifft, insofern er in der Ana-
lyse seiner selbst, das Moment festhält, daſs er sich
gegenständliche, seyende Wirklichkeit ist, und davon
abstrahirt, daſs diese Wirklichkeit sein eignes Für-
sichseyn ist. Hält er im Gegentheil das andre Mo-
ment der Analyse fest, daſs sein Gegenstand sein
Fürsichseyn ist, so ist er Selbstbewuſstseyn. Aber
als unmittelbares Bewuſstseyn des an und fürsichseyns,
als Einheit des Bewuſstseyns und des Selbstbewuſst-
seyns ist er das Bewuſstseyn, das Vernunft hat, das,
wie das Haben es bezeichnet, den Gegenstand hat
als an sich vernünftig bestimmt, oder vom Werthe
der Kategorie, aber so, daſs er noch für das Bewuſst-
seyn desselben den Werth der Kategorie nicht hat. Er
ist das Bewuſstseyn, aus dessen Betrachtung wir so
eben herkommen. Diese Vernunft, die er hat, end-
lich als eine solche von ihm angeschaut, die Ver-
nunft ist, oder die Vernunft, die in ihm wirklich
und die seine Welt ist, so ist er in seiner Wahr-
heit; er ist der Geist, er ist das wirkliche sittliche
Wesen.


Der Geist ist das sittliche Leben eines Volks,
insofern er die unmittelbare Wahrheit ist; das Indi-
viduum, das eine Welt ist. Er muſs zum Be-
wuſstseyn über das, was er unmittelbar ist, fort-
gehen, das schöne sittliche Leben aufheben, und
[380] durch eine Reihe von Gestalten zum Wissen sei-
ner selbst gelangen. Diese unterscheiden sich aber
von den vorhergehenden dadurch, daſs sie die rea-
len Geister sind, eigentliche Wirklichkeiten, und
statt Gestalten nur des Bewuſstseyns, Gestalten ei-
ner Welt.


Die lebendige sittliche Welt ist der Geist in sei-
ner Wahrheit; wie er zunächst zum abstracten Wis-
sen
seines Wesens kommt, geht die Sittlichkeit in
der formalen Allgemeinheit des Rechts unter. Der
in sich selbst nunmehr entzweyte Geist beschreibt
in seinem gegenständlichen Elemente als in einer
harten Wirklichkeit die eine seiner Welten, das
Reich der Bildung, und ihr gegenüber im Elemente
des Gedankens die Welt des Glaubens, das Reich des
Wesens
. Beyde Welten aber von dem Geiste, der
aus diesem Verluste seiner selbst in sich geht, von
dem Begriffe erfaſst, werden durch die Einsicht
und ihre Verbreitung, die Aufklärung, verwirrt
und revolutionirt, und das in das Disseits und
Jenseits vertheilte und ausgebreitete Reich kehrt
in das Selbstbewuſstseyn zurück, das nun in der
Moralität sich als die Wesenheit, und das We-
sen als wirkliches Selbst erfaſst, seine Welt und
ihren Grund nicht mehr aus sich heraussetzt, son-
dern alles in sich verglimmen läſst, und als Gewis-
sen
der seiner selbst gewisse Geist ist.


[381]

Die sittliche Welt, die in das Disseits und Jen-
seits zerrissene Welt und die moralische Weltan-
schauung sind also die Geister, deren Bewegung
und Rückgang in das einfache fürsichseyende Selbst
des Geistes sich entwickeln, und als deren Ziel und
Resultat das wirkliche Selbstbewuſstseyn des abso-
luten Geistes hervortreten wird.


[382]

A.
Der wahre Geist,
die Sittlichkeit.


Der Geist ist in seiner einfachen Wahrheit Bewuſst-
seyn, und schlägt seine Momente auseinander. Die
Handlung trennt ihn in die Substanz und das Bewuſst-
seyn derselben; und trennt ebensowohl die Substanz
als das Bewuſstseyn. Die Substanz tritt als allge-
meines Wesen und Zweck, sich als der vereinzelnten
Wirklichkeit gegenüber; die unendliche Mitte ist
das Selbstbewuſstseyn, welches an sich Einheit sei-
ner und der Substanz, es nun für sich wird, das
allgemeine Wesen und seine vereinzelnte Wirklich-
keit vereint, diese zu jenem erhebt, und sittlich
handelt, — und jenes zu dieser herunterbringt, und
den Zweck, die nur gedachte Substanz ausführt;
es bringt die Einheit seines Selbsts und der Substanz
als sein Werk und damit als Wirklichkeit hervor.


In dem Auseinandertreten des Bewuſstseyns hat
die einfache Substanz den Gegensatz theils gegen das
Selbstbewuſstseyn erhalten, theils stellt sie damit
ebensosehr an ihr selbst die Natur des Bewuſstseyns,
[383] sich in sich selbst zu unterscheiden, als eine in ihre
Massen gegliederte Welt dar. Sie spaltet sich also
in ein unterschiednes sittliches Wesen, in ein mensch-
liches und göttliches Gesetz. Ebenso das ihr gegen-
übertretende Selbstbewuſstseyn theilt sich nach sei-
nem Wesen der einen dieser Mächte zu, und als
Wissen in die Unwissenheit dessen, was es thut,
und in das Wissen desselben, das deſswegen ein be-
trognes Wissen ist. Es erfährt also in seiner That
sowohl den Widerspruch jener Mächte, worein die
Substanz sich entzweyte, und ihre gegenseitige
Zerstörung, wie den Widerspruch seines Wis-
sens von der Sittlichkeit seines Handelns — mit
dem, was an und für sich sittlich ist, und findet sei-
nen eignen
Untergang. In der That aber ist die sitt-
liche Substanz durch diese Bewegung zum wirklichen
Selbstbewuſstseyn
geworden, oder dieses Selbst zum an
und fürsichseyenden, aber darin ist eben die Sittlich-
keit zu Grunde gegangen.


a.
Die sittliche Welt,
das menschliche und göttliche Gesetz,
der Mann und das Weib.

Die einfache Substanz des Geistes theilt sich als
Bewuſstseyn. Oder wie das Bewuſstseyn des abstracten,
des sinnlichen Seyns in die Wahrnehmung übergeht,
[384] so auch die unmittelbare Gewiſsheit des realen, sitt-
lichen Seyns; und wie für die sinnliche Wahrneh-
mung das einfache Seyn ein Ding von vielen Eigen-
schafften wird, so ist für die sittliche der Fall des
Handelns eine Wirklichkeit von vielen sittlichen Be-
ziehungen. Jener zieht sich aber die unnütze Vielheit
der Eigenschafften in den wesentlichen Gegensatz
der Einzelnheit und Allgemeinheit zusammen, und
noch mehr dieser, die das gereinigte, substantielle
Bewuſstseyn ist, wird die Vielheit der sittlichen Mo-
mente das Zwiefache eines Gesetzes der Einzelnheit
und eines der Allgemeinheit. Jede dieser Massen der
Substanz bleibt aber der ganze Geist; wenn in der
sinnlichen Wahrnehmung die Dinge keine andre
Substanz als die beyden Bestimmungen der Einzeln-
heit und der Allgemeinheit haben, so drücken sie
hier nur den oberflächlichen Gegensatz der beyden
Seiten gegeneinander aus.


Die Einzelnheit hat an dem Wesen, das wir
hier betrachten, die Bedeutung des Selbstbewuſstseyns
überhaupt, nicht eines einzelnen zufälligen Bewuſst-
seyns. Die sittliche Substanz ist also in dieser Be-
stimmung die wirkliche Substanz, der absolute Geist
in der Vielheit des daseyenden Bewuſstseyns realisirt;
er ist das Gemeinwesen, welches für uns bey dem Ein-
tritt in die praktische Gestaltung der Vernunft über-
haupt das absolute Wesen war, und hier in seiner
Wahrheit für sich selbst als bewuſstes sittliches We-
sen, und als das Wesen für das Bewuſstseyn, das
[385] wir zum Gegenstande haben, hervorgetreten ist. Es
ist Geist, welcher für sich, indem er im Gegenschein
der Individuen
sich, — und an sich oder Substanz ist,
indem er sie in sich erhält. Als die wirkliche Substanz
ist er ein Volk, als wirkliches Bewuſstseyn, Bürger des
Volkes. Diſs Bewuſstseyn hat an dem einfachen
Geiste sein Wesen, und die Gewiſsheit seiner selbst
in der Wirklichkeit dieses Geistes, dem ganzen Vol-
ke, und unmittelbar darin seine Wahrheit, also nicht
in etwas, das nicht wirklich ist, sondern in einem
Geiste, der existirt und gilt.


Dieser Geist kann das menschliche Gesetz ge-
nannt werden, weil er wesentlich in der Form der
ihrer selbstbewuſsten Wirklichkeit ist. Er ist in der Form
der Allgemeinheit das bekannte Gesetz und die vorhan-
dene
Sitte; in der Form der Einzelnheit ist er die
wirkliche Gewiſsheit seiner selbst in dem Individuum
überhaupt, und die Gewiſsheit seiner als einfacher
Individualität
ist er als Regierung; seine Wahrheit ist
die offene an dem Tag liegende Gültigkeit; eine Exi-
stenz
, welche für die unmittelbare Gewiſsheit in
die Form des freyentlassenen Daseyns tritt.


Dieser sittlichen Macht und Offenbarkeit tritt
aber eine andere Macht, das göttliche Gesetz, gegen-
über. Denn die sittliche Staatsmacht hat als die
Bewegung des sich bewuſsten Thuns an dem einfachen
und unmittelbaren Wesen der Sittlichkeit ihren Ge-
gensatz; als wirkliche Allgemeinheit ist sie eine Gewalt
gegen das individuelle fürsichseyn; und als Wirk-
B b
[386] lichkeit überhaupt hat sie an dem innern Wesen noch
ein Anders, als sie ist.


Es ist schon erinnert worden, daſs jede der
entgegengesetzten Weisen der sittlichen Substanz zu
existiren sie ganz und alle Momente ihres Inhalts
enthält. Wenn also das Gemeinwesen sie als das
seiner bewuſste wirkliche Thun ist, so hat die an-
dere Seite die Form der unmittelbaren oder seyen-
den Substanz. Diese ist so einerseits der innre Be-
griff oder die allgemeine Möglichkeit der Sittlich-
keit überhaupt, hat aber anderseits das Moment
des Selbstbewuſstseyns ebenso an ihr. Dieses in die-
sem Elemente der Unmittelbarkeit oder des Seyns die
Sittlichkeit ausdrückend, oder ein unmittelbares Be-
wuſstseyn seiner wie als Wesens so als dieses Selbsts
in einem Andern, das heiſst, ein natürliches sittli-
liches
Gemeinwesen, — ist die Familie. Sie steht
als der bewuſstlose noch innre Begriff, seiner sich be-
wuſsten Wirklichkeit, als das Element der Wirk-
lichkeit des Volks, dem Volke selbst, als unmittel-
bares
sittliches Seyn, — der durch die Arbeit für das
Allgemeine sich bildenden und erhaltenden Sittlich-
keit, die Penaten dem allgemeinen Geiste gegen-
über.


Ob sich aber wohl das sittliche Seyn der Fami-
lie als das unmittelbare bestimmt, so ist sie inner-
halb ihrer, sittliches Wesen nicht insofern sie das
Verhältniſs der Natur ihrer Glieder, oder deren Be-
ziehung die unmittelbare einzelner wirklicher ist; denn
[387] das sittliche ist an sich allgemein, und diſs Verhält-
niſs der Natur ist wesentlich ebensosehr ein Geist,
und nur als geistiges Wesen sittlich. Es ist zu se-
hen, worin seine eigenthümliche Sittlichkeit be-
steht. — Zunächst, weil das Sittliche das an sich
allgemeine ist, ist die sittliche Beziehung der Fa-
milienglieder nicht die Beziehung der Empfindung
oder das Verhältniſs der Liebe. Das Sittliche scheint
nun in das Verhältniſs des einzelnen Familiengliedes
zur ganzen Familie als der Substanz gelegt werden
zu müssen; so daſs sein Thun und Wirklichkeit
nur sie zum Zweck und Inhalt hat. Aber der be-
wuſste Zweck, den das Thun dieses Ganzen, inso-
fern er auf es selbst geht, hat, ist selbst das Ein-
zelne. Die Erwerbung und Erhaltung von Macht
und Reichthum geht theils nur auf das Bedürfniſs
und gehört der Begierde an; theils wird sie in ih-
rer höhern Bestimmung etwas nur mittelbares. Diese
Bestimmung fällt nicht in die Familie selbst, son-
dern geht auf das wahrhafft Allgemeine, das Ge-
meinwesen; sie ist vielmehr negativ gegen die Fa-
milie, und besteht darin, den Einzelnen aus ihr
herauszusetzen, seine Natürlichkeit und Einzelnheit
zu unterjochen, und ihn zur Tugend, zum Leben
in und fürs Allgemeine zu ziehen. Der der Fami-
lie eigenthümliche, positive Zweck ist der Einzelne
als solcher. Daſs nun diese Beziehung sittlich sey,
kann er nicht, weder der, welcher handelt, noch
der, auf welchen sich die Handlung bezieht, nach
B b 2
[388] einer Zufälligkeit auftreten, wie etwa in irgend ei-
ner Hülffe oder Dienstleistung geschieht. Der Inhalt
der sittlichen Handlung muſs substantiell oder ganz
und allgemein seyn; sie kann sich daher nur auf den
ganzen Einzelnen, oder auf ihn als allgemeinen be-
ziehen. Auch diſs wieder nicht etwa so, daſs sich
nur vorgestellt wäre, eine Dienstleistung fördere sein
ganzes Glück, während sie so, wie sie unmittelbare
und wirkliche Handlung ist, nur etwas einzelnes an
ihm thut; — noch daſs sie auch wirklich als Erzie-
hung, in einer Reihe von Bemühungen, ihn als Gan-
zes zum Gegenstand hat und als Werk hervorbringt;
wo auſser dem gegen die Familie negativen Zwecke
die wirkliche Handlung nur einen beschränkten Inhalt
hat; — ebensowenig endlich, daſs sie eine Noth-
hülffe ist, wodurch in Wahrheit der ganze Einzelne
errettet wird; denn sie ist selbst eine völlig zufällige
That, deren Gelegenheit eine gemeine Wirklichkeit
ist, welche seyn und auch nicht seyn kann. Die
Handlung also, welche die ganze Existenz des Bluts-
verwandten umfaſst, und ihn, — nicht den Bürger,
denn dieser gehört nicht der Familie an, noch den,
der Bürger werden und aufhören soll, als dieser Ein-
zelne
zu gelten, — sondern ihn, diesen der Familie
angehörigen Einzelnen, als ein allgemeines, der sinn-
lichen, d. i. einzelnen Wirklichkeit enthobenes We-
sen zu ihrem Gegenstande und Inhalt hat, betrifft
nicht mehr den Lebenden, sondern den Todten, der
aus der langen Reihe seines zerstreuten Daseyns sich
[389] in die vollendete Eine Gestaltung zusammengefaſst,
und aus der Unruhe des zufälligen Lebens sich in die
Ruhe der einfachen Allgemeinheit erhoben hat. —
Weil er nur als Bürger wirklich und substantiell ist, so
ist der Einzelne, wie er nicht Bürger ist, und der
Familie angehört, nur der Unwirkliche marklose
Schatten.


Diese Allgemeinheit, zu der der Einzelne als
solcher gelangt, ist das reine Seyn, der Tod; es ist das
unmittelbare natürliche Gewordenseyn, nicht das Thun
eines Bewuſstseyns. Die Pflicht des Familiengliedes
ist deſswegen, diese Seite hinzuzufügen, damit auch
sein letztes Seyn, diſs allgemeine Seyn, nicht allein
der Natur angehöre und etwas unvernünftiges bleibe,
sondern daſs es ein gethanes, und das Recht des Be-
wuſstseyns in ihm behauptet sey. Oder der Sinn der
Handlung ist vielmehr, daſs, weil in Wahrheit die
Ruhe und Allgemeinheit des seiner selbstbewuſsten
Wesens nicht der Natur angehört, der Schein eines
solchen Thuns hinwegfalle, den sich die Natur an-
gemaſst, und die Wahrheit hergestellt werde. —
Was die Natur an ihm that, ist die Seite, von wel-
cher sein Werden zum Allgemeinen sich als die Be-
wegung eines Seyenden darstellt. Sie fällt zwar
selbst innerhalb des sittlichen Gemeinwesens und hat
dieses zum Zwecke; der Tod ist die Vollendung
und höchste Arbeit, welche das Individuum als sol-
ches für es übernimmt. Aber insofern es wesentlich
einzelnes ist, ist es zufällig, daſs sein Tod unmittel-
[390] bar mit seiner Arbeit fürs Allgemeine zusammen-
hing, und Resultat derselben war, theils wenn ers
war, ist er die natürliche Negativität und die Bewe-
gung des Einzelnen als Seyenden, worin das Bewuſst-
seyn nicht in sich zurückkehrt, und Selbstbewuſst-
seyn wird; oder indem die Bewegung des Seyenden
diese ist, daſs es aufgehoben wird und zum Fürsich-
seyn
gelangt, ist der Tod die Seite der Entzweyung,
worin das Fürsichseyn, das erlangt wird, ein An-
deres ist, als das Seyende, welches in die Bewegung
eintrat. — Weil die Sittlichkeit der Geist in seiner
unmittelbaren Wahrheit ist, so fallen die Seiten, in
die sein Bewuſstseyn auseinandertritt, auch in diese
Form der Unmittelbarkeit, und die Einzelnheit tritt in
diese abstracte Negativität herüber, welche ohne
Trost und Versöhnung an sich selbst, sie wesentlich
durch eine wirkliche und äuſserliche Handlung em-
pfangen muſs. — Die Blutsverwandschafft ergänzt
also die abstracte natürliche Bewegung dadurch, daſs
sie die Bewegung des Bewuſstseyns hinzufügt, das
Werk der Natur unterbricht, und den Blutsverwand-
ten der Zerstörung entreiſst, oder besser, weil die
Zerstörung, sein Werden zum reinen Seyn, noth-
wendig ist, selbst die That der Zerstörung über sich
nimmt. — Es kömmt hiedurch zu Stande, daſs auch
das todte, das allgemeine Seyn ein in sich zurückge-
kehrtes, ein Fürsichseyn, oder die krafftlose reine
einzelne Einzelnheit zur allgemeinen Individualität er-
hoben wird. Der Todte, da er sein Seyn von seinem
[391]Thun oder negativen Eins frey gelassen, ist die leere
Einzelnheit, nur ein passives Seyn für anderes, aller
niedrigen vernunftlosen Individualität und den Kräff-
ten abstracter Stoffe preisgegeben, wovon jene um
des Lebens willen, das sie hat, diese um ihrer nega-
tiven Natur willen itzt mächtiger sind, als er. Diſs
ihn entehrende Thun bewuſstloser Begierde und ab-
stracter Wesen hält die Familie von ihm ab, setzt
das ihrige an die Stelle, und vermahlt den Verwand-
ten dem Schoſse der Erde, der elementarischen un-
vergänglichen Individualität; sie macht ihn hierdurch
zum Genossen eines Gemeinwesens, welches viel-
mehr die Kräffte der einzelnen Stoffe und die nie-
drigen Lebendigkeiten, die gegen ihn frey werden
und ihn zerstören wollten, überwältigt und gebun-
den hält.


Diese letzte Pflicht macht also das vollkommene
göttliche Gesetz, oder die positive sittliche Handlung
gegen den Einzelnen aus. Alles andre Verhältniſs
gegen ihn, das nicht in der Liebe stehen bleibt, son-
dern sittlich ist, gehört dem menschlichen Gesetze
an, und hat die negative Bedeutung, den Einzelnen
über die Einschlieſsung in das natürliche Gemein-
wesen zu erheben, dem er als wirklicher angehört.
Wenn nun aber schon das menschliche Recht zu sei-
nem Inhalte und Macht die wirkliche ihrer bewuſste
sittliche Substanz, das ganze Volk, hat; das göttliche
Recht und Gesetz aber den Einzelnen, der jenseits
der Wirklichkeit ist, so ist er nicht ohne Macht;
[392] seine Macht ist das abstracte rein Allgemeine; das ele-
mentarische
Individuum, welches die Individualität,
die sich von dem Elemente losreiſst, und die ihrer
bewuſste Wirklichkeit des Volks ausmacht, in die
reine Abstraction als in sein Wesen ebenso zurück-
reiſst, als es ihr Grund ist. — Wie diese Macht
am Volke selbst sich darstellt, wird sich noch wei-
ter entwickeln.


Es gibt nun in dem einen Gesetze, wie in dem
andern, auch Unterschiede und Stuffen. Denn indem
beyde Wesen das Moment des Bewuſstseyns an ih-
nen haben, entfaltet sich innerhalb ihrer selbst der
Unterschied; was ihre Bewegung und eigenthümli-
ches Leben ausmacht. Die Betrachtung dieser Un-
terschiede zeigt die Weise der Bethätigung und des
Selbstbewuſstseyns der beyden allgemeinen Wesen der
sittlichen Welt, so wie ihren Zusammenhang und
Uebergang ineinander.


Das Gemeinwesen, das obere und offenbar an der
Sonne geltende Gesetz hat seine wirkliche Lebendig-
keit in der Regierung, als worin es Individuum ist.
Sie ist der in sich reflectirte wirkliche Geist, das einfa-
che Selbst der ganzen sittlichen Substanz. Diese ein-
fache Krafft erlaubt dem Wesen zwar in seine Ge-
gliederung sich auszubreiten, und jedem Theile Be-
stehen und eigenes Fürsichseyn zu geben. Der Geist
hat hieran seine Realität oder sein Daseyn, und die
Familie ist das Element dieser Realität. Aber er ist
zugleich die Krafft des Ganzen, welche diese Theile
[393] wieder in das negative Eins zusammenfaſst, ihnen
das Gefühl ihrer Unselbstständigkeit gibt, und sie
in dem Bewuſstseyn erhält, ihr Leben nur im Gan-
zen zu haben. Das Gemeinwesen mag sich also ei-
nerseits in die Systeme der persönlichen Selbst-
ständigkeit und des Eigenthums, des persönlichen
und dinglichen Rechts, organisiren; ebenso die Wei-
sen des Arbeitens für die zunächst einzelnen Zwecke,
— des Erwerbs und Genusses, — zu eigenen Zusam-
menkünften, gliedern und verselbstständigen. Der
Geist der allgemeinen Zusammenkunft ist die Ein-
fachheit
und das negative Wesen dieser sich isoliren-
den Systeme. Um sie nicht in dieses Isoliren ein-
wurzeln und festwerden, hiedurch das Ganze aus-
einanderfallen und den Geist verfliegen zu lassen, hat
die Regierung sie in ihrem Innern von Zeit zu Zeit
durch die Kriege zu erschüttern, ihre sich zurecht-
gemachte Ordnung und Recht der Selbstständigkeit
dadurch zu verletzen und zu verwirren, den Indi-
viduen aber, die sich darin vertieffend vom Ganzen
losreiſsen und dem unverletzbaren Fürsichseyn und
Sicherheit der Person zustreben, in jener auferlegten
Arbeit ihren Herrn, den Tod, zu fühlen zu geben.
Der Geist wehrt durch diese Auflösung der Form des
Bestehens das Versinken in das natürliche Daseyn
aus dem sittlichen ab, und erhält und erhebt das
Selbst seines Bewuſstseyns in die Freyheit und in seine
Krafft. — Das negative Wesen zeigt sich als die
eigentliche Macht des Gemeinwesens und die Krafft
[394] seiner Selbsterhaltung; dieses hat also die Wahr-
heit und Bekräfftigung seiner Macht an dem We-
sen des göttlichen Gesetzes und dem unterirdischen
Reiche
.


Das göttliche Gesetz, das in der Familie wal-
tet, hat seinerseits gleichfalls Unterschiede in sich,
deren Beziehung die lebendige Bewegung seiner
Wirklichkeit ausmacht. Unter den drey Verhält-
nissen aber, des Mannes und der Frau, der Eltern
und der Kinder, der Geschwister als Bruder und
Schwester, ist zuerst das Verhältniſs des Mannes und
der Frau, das unmittelbare sich Erkennen des einen
Bewuſstseyns im andern, und das Erkennen des
gegenseitigen Anerkanntseyns. Weil es das natürli-
che
sich Erkennen, nicht das sittliche ist, ist es
nur die Vorstellung und das Bild des Geistes, nicht
der wirkliche Geist selbst. — Die Vorstellung oder
das Bild hat aber seine Wirklichkeit an einem an-
dern, als es ist; diſs Verhältniſs hat daher seine
Wirklichkeit nicht an ihm selbst, sondern an dem
Kinde, — einem andern, dessen Werden es ist,
und worin es selbst verschwindet; und dieser Wech-
sel der sich fortwälzenden Geschlechter hat seinen
Bestand in dem Volke. — Die Pietät des Mannes
und der Frau gegeneinander ist also mit natürlicher
Beziehung und mit Empfindung vermischt, und ihr
Verhältniſs hat seine Rückkehr in sich nicht an
ihm selbst; ebenso das zweyte, die Pietät der El-
tern
und Kinder gegeneinander. Die der Eltern ge-
[395] gen ihre Kinder ist eben von dieser Rührung affi-
cirt, das Bewuſstseyn seiner Wirklichkeit in dem
andern zu haben, und das Fürsichseyn in ihm wer-
den zu sehen, ohne es zurück zu erhalten; son-
dern es bleibt eine fremde, eigne Wirklichkeit; —
die der Kinder aber gegen die Eltern umgekehrt
mit der Rührung, das Werden seiner selbst oder das
Ansich an einem andern verschwindenden zu ha-
ben, und das Fürsichseyn und eigene Selbstbewuſst-
seyn zu erlangen, nur durch die Trennung von
dem Ursprung, — eine Trennung, worin dieser ver-
siegt.


Diese beyden Verhältnisse bleiben innerhalb des
Uebergehens und der Ungleichheit der Seiten ste-
hen, die an sie vertheilt sind. — Das unvermischte
Verhältniſs aber findet zwischen Bruder und Schwe-
ster
statt. Sie sind dasselbe Blut, das aber in ihnen
in seine Ruhe und Gleichgewicht gekommen ist. Sie
begehren daher einander nicht, noch haben sie diſs
Fürsichseyn eins dem andern gegeben, noch em-
pfangen, sondern sie sind freye Individualität ge-
geneinander. Das Weibliche hat daher als Schwe-
ster die höchste Ahndung des sittlichen Wesens;
zum Bewuſstseyn und der Wirklichkeit desselben
kommt es nicht, weil das Gesetz der Familie das
ansichseyende, innerliche Wesen ist, das nicht am
Tage des Bewuſstseyns liegt, sondern innerliches
Gefühl und das der Wirklichkeit enthobne Göttli-
che bleibt. An diese Penaten ist das Weibliche ge-
[396] knüpft, welches in ihnen theils seine allgemeine Sub-
stanz, theils aber seine Einzelnheit anschaut, so jedoch
daſs diese Beziehung der Einzelnheit zugleich nicht
die natürliche der Lust sey. — Als Tochter muſs
nun das Weib die Eltern mit natürlicher Bewegung
und mit sittlicher Ruhe verschwinden sehen, denn
nur auf Unkosten dieses Verhältnisses kommt sie zu
dem Fürsichseyn, dessen sie fähig ist; sie schaut in
den Eltern also ihr Fürsichseyn nicht auf positive
Weise an. — Die Verhältnisse der Mutter und der
Frau aber haben die Einzelnheit theils als etwas na-
türliches, das der Lust angehört, theils als etwas ne-
gatives, das nur sein Verschwinden darin erblickt,
theils ist sie ebendarum etwas zufälliges, das durch
eine andere ersetzt werden kann. Im Hause der
Sittlichkeit ist es nicht dieser Mann, nicht dieses
Kind, sondern ein Mann, Kinder überhaupt, — nicht
die Empfindung, sondern das Allgemeine, worauf
sich diese Verhältnisse des Weibes gründen. Der
Unterschied seiner Sittlichkeit von der des Mannes
besteht eben darin, daſs es in seiner Bestimmung für
die Einzelnheit und in seiner Lust unmittelbar all-
gemein und der Einzelnheit der Begierde fremd
bleibt; dahingegen in dem Manne diese beyden
Seiten auseinandertreten, und indem er als Bürger
die selbstbewuſste Krafft der Allgemeinheit besitzt, er-
kauft er sich dadurch das Recht der Begierde, und
erhält sich zugleich die Freyheit von derselben. In-
dem also in diſs Verhältniſs der Frau die Einzelnheit
[397] eingemischt ist, ist seine Sittlichkeit nicht rein; in-
sofern sie aber diſs ist, ist die Einzelnheit gleichgül-
tig
, und die Frau entbehrt das Moment, sich als die-
ses
Selbst im andern zu erkennen. — Der Bruder
aber ist der Schwester das ruhige gleiche Wesen
überhaupt, ihre Anerkennung in ihm rein und un-
vermischt mit natürlicher Beziehung; die Gleichgül-
tigkeit der Einzelnheit und die sittliche Zufälligkeit
derselben ist daher in diesem Verhältnisse nicht vor-
handen; sondern das Moment des anerkennenden und
anerkannten einzelnen Selbsts darf hier sein Recht be-
haupten, weil es mit dem Gleichgewichte des Blutes
und begierdeloser Beziehung verknüpft ist. Der Ver-
lust des Bruders ist daher der Schwester unersetzlich,
und ihre Pflicht gegen ihn die höchste.


Diſs Verhältniſs ist zugleich die Gräntze, an der
sich die in sich beschlossene Familie auflöst, und au-
ſser sich geht. Der Bruder ist die Seite, nach wel-
cher ihr Geist zur Individualität wird, die gegen
anderes sich kehrt, und in das Bewuſstseyn der All-
gemeinheit übergeht. Der Bruder verläſst diese un-
mittelbare, elementarische
und darum eigentlich nega-
tive
Sittlichkeit der Familie, um die ihrer selbsthe-
wuſste, wirkliche Sittlichkeit zu erwerben und her-
vorzubringen.


Er geht aus dem göttlichen Gesetz, in dessen
Sphäre er lebte, zu dem menschlichen über. Die
Schwester aber wird, oder die Frau bleibt der Vor-
stand des Hauses und die Bewahrerin des göttlichen
[398] Gesetzes. Auf diese Weise überwinden die beyden
Geschlechter ihr natürliches Wesen, und treten in
ihrer sittlichen Bedeutung auf, als Verschiedenhei-
ten, welche die beyden Unterschiede, die die sittli-
che Substanz sich gibt, unter sich theilen. Diese
beyden allgemeinen Wesen der sittlichen Welt haben
ihre bestimmte Individualität darum an natürlich un-
terschiedenen Selbstbewuſstseyn, weil der sittliche
Geist die unmittelbare Einheit der Substanz mit dem
Selbstbewuſstseyn ist; — eine Unmittelbarkeit, wel-
che also nach der Seite der Realität und des Unter-
schieds zugleich als das Daseyn eines natürlichen Un-
terschieds erscheint. — Es ist diejenige Seite, wel-
che sich an der Gestalt der sich selbst realen Indivi-
dualität, in dem Begriffe des geistigen Wesens, als
ursprünglich bestimmte Natur zeigte. Diſs Moment
verliert die Unbestimmtheit, die es dort noch hat,
und die zufällige Verschiedenheit von Anlagen und
Fähigkeiten. Es ist itzt der bestimmte Gegensatz der
zwey Geschlechter, deren Natürlichkeit zugleich die
Bedeutung ihrer sittlichen Bestimmung erhält.


Der Unterschied der Geschlechter und ihres sitt-
lichen Inhalts bleibt jedoch in der Einheit der Sub-
stanz, und seine Bewegung ist eben das bleibende
Werden derselben. Der Mann wird vom Familien-
geiste in das Gemeinwesen hinausgeschickt, und fin-
det in diesem sein selbstbewuſstes Wesen; wie die
Familie hiedurch in ihm ihre allgemeine Substanz
und Bestehen hat, so umgekehrt das Gemeinwesen
[399] an der Familie das formale Element seiner Wirklich-
keit und an dem göttlichen Gesetze seine Krafft und
Bewährung. Keins von beyden ist allein an und für
sich; das menschliche Gesetz geht in seiner lebendi-
gen Bewegung von dem göttlichen, das auf Erden
geltende von dem unterirdischen, das bewuſste vom
bewuſstlosen, die Vermittlung von der Unmittelbar-
keit aus, und geht ebenso dahin zurück, wovon es
ausging. Die unterirdische Macht dagegen hat auf
der Erde ihre Wirklichkeit; sie wird durch das Be-
wuſstseyn Daseyn und Thätigkeit.


Die allgemeinen sittlichen Wesen sind also die Sub-
stanz als allgemeines, und sie als einzelnes Bewuſstseyn;
sie haben das Volk und die Familie zu ihrer allgemei-
nen Wirklichkeit, den Mann aber und das Weib zu
ihrem natürlichen Selbst und der bethätigenden Indivi-
dualität. In diesem Inhalt der sittlichen Welt sehen wir
die Zwecke erreicht, welche die vorhergehenden sub-
stanzlosen Gestalten des Bewuſstseyn sich machten;
was die Vernunft nur als Gegenstand auffaſste, ist
Selbstbewuſstseyn geworden, und was dieses nur in
ihm selbst hatte, als wahre Wirklichkeit vorhan-
den. — Was die Beobachtung als ein vorge-
fundenes
wuſste, an dem das Selbst keinen Theil hätte,
ist hier vorgefundene Sitte, aber eine Wirklichkeit,
die zugleich That und Werk des Findenden ist. —
Der Einzelne die Lust des Genusses seiner Einzelnheit
suchend, findet sie in der Familie, und die Nothwen-
digkeit, worin die Lust vergeht, ist sein eignes Selbst-
[400] bewuſstseyn als Bürgers seines Volks; — oder es ist
dieses, das Gesetz des Herzens als das Gesetz aller
Herzen, das Bewuſstseyn des Selbsts als die aner-
kannte allgemeine Ordnung zu wissen; — es ist die
Tugend, welche der Früchte ihrer Aufopferung ge-
nieſst; sie bringt zu Stande, worauf sie geht, nem-
lich das Wesen zur wirklichen Gegenwart herauszu-
heben, und ihr Genuſs ist diſs allgemeine Leben. —
Endlich das Bewuſstseyn der Sache selbst wird in der
realen Substanz befriedigt, die auf eine positive Weise
die abstracte Momente jener leeren Kategorie enthält
und erhält. Sie hat an den sittlichen Mächten einen
wahrhafften Inhalt, der an die Stelle der substanz-
losen Gebote getreten, die die gesunde Vernunft ge-
ben und wissen wollte; — so wie hiedurch einen in-
haltsvollen, an ihm selbstbestimmten Maſsstab der
Prüffung nicht der Gesetze, sondern dessen, was ge-
than wird.


Das Ganze ist ein ruhiges Gleichgewicht aller
Theile, und jeder Theil ein einheimischer Geist, der
seine Befriedigung nicht jenseits seiner sucht, son-
dern sie in sich darum hat, weil er selbst in diesem
Gleichgewichte mit dem Ganzen ist. — Diſs Gleich-
gewicht kann zwar nur dadurch lebendig seyn, daſs
Ungleichheit in ihm entsteht, und von der Gerechtig-
keit
zur Gleichheit zurückgebracht wird. Die Gerech-
tigkeit ist aber weder ein fremdes jenseits sich befin-
dendes Wesen, noch die seiner unwürdige Wirk-
lichkeit einer gegenseitigen Tücke, Verraths, Un-
[401] danks u. s. f., die in der Weise des gedankenlosen
Zufalls als ein unbegriffner Zusammenhang und ein
bewuſstloses Thun und Unterlassen das Gericht voll-
brächte, sondern als Gerechtigkeit des menschlichen
Rechts, welche das aus dem Gleichgewichte tretende
Fürsichseyn, die Selbstständigkeit der Stände und In-
dividuen in das Allgemeine zurückbringt, ist sie die
Regierung des Volks, welche die sich gegenwärtige
Individualität des allgemeinen Wesens und der eigne
selbstbewuſste Willen Aller ist. — Die Gerechtig-
keit aber, welche das über den Einzelnen übermäch-
tig werdende Allgemeine zum Gleichgewichte zu-
rückbringt, ist ebenso der einfache Geist desjenigen,
der Unrecht erlitten; — nicht zersetzt in ihn, der es
erlitten, und ein jenseitiges Wesen; er selbst ist die
unterirrdische Macht, und es ist seine Erinnye, wel-
che die Rache betreibt; denn seine Individualität,
sein Blut, lebt im Hause fort; seine Substanz hat
eine dauernde Wirklichkeit. Das Unrecht, welches im
Reiche der Sittlichkeit dem Einzelnen zugefügt wer-
den kann, ist nur dieses, daſs ihm rein etwas ge-
schieht
. Die Macht, welche diſs Unrecht an dem Be-
wuſstseyn verübt, es zu einem reinen Dinge zu ma-
chen, ist die Natur, es ist die Allgemeinheit nicht
des Gemeinwesens, sondern die abstracte des Seyns;
und die Einzelnheit wendet sich in der Auflösung
des erlittenen Unrechts nicht gegen jenes, denn von
ihm hat es nicht gelitten, sondern gegen dieses. Das
Bewuſstseyn des Bluts des Individuums löst diſs Un-
C c
[402] recht, wie wir gesehen, so auf, daſs was geschehen
ist, vielmehr ein Werk wird, damit das Seyn, das
Letzte, auch ein gewolltes und hiemit erfreulich sey.


Das sittliche Reich ist auf diese Weise in sei-
nem Bestehen eine unbefleckte durch keinen Zwie-
spalt verunreinigte Welt. Ebenso ist seine Bewe-
gung ein ruhiges Werden der einen Macht dessel-
ben zur andern, so daſs jede die andere selbst erhält
und hervorbringt. Wir sehen sie zwar in zwey
Weseen und deren Wirklichkeit sich theilen; aber ihr
Gegensatz ist vielmehr die Bewährung des Einen
durch das Andere, und, worin sie sich unmittelbar
als wirkliche berühren, ihre Mitte und Element ist die
unmittelbare Durchdringung derselben. Das eine
Extrem, der allgemeine sich bewuſste Geist, wird
mit seinem andern Extrem, seiner Krafft und sei-
nem Element, mit dem bewuſstlosen Geiste, durch
die Individualitat des Mannes zusammen geschlossen.
Dagegen hat das göttliche Gesetz seine Individualisi-
rung, oder der bewuſstlose Geist des Einzelnen sein
Daseyn an dem Weibe, durch welches als die Mitte
er aus seiner Unwirklichkeit in die Wirklichkeit,
aus dem Unwissenden und Ungewuſsten in das be-
wuſste Reich herauftritt. Die Vereinigung des Man-
nes und des Weibes macht die thätige Mitte des Gan-
zen und das Element aus, das, in diese Extreme des
göttlichen und menschlichen Gesetzes entzweyt,
ebenso ihre unmittelbare Vereinigung ist, welche
jene beyden ersten Schlüsse zu demselben Schlusse
[403] macht, und die entgegengesetzte Bewegung, der
Wirklichkeit hinab zur Unwirklichkeit, — des
menschlichen Gesetzes, das sich in selbstständige
Glieder organisirt, herunter zur Gefahr und Bewäh-
rung des Todes; — und des unterirdischen Gesetzes
herauf zur Wirklichkeit des Tages und zum bewuſs-
ten Daseyn, — deren jene dem Manne, diese dem
Weibe zukommt, — in Eine vereinigt.


b.
Die sittliche Handlung,
das menschliche und göttliche Wissen,
die Schuld und das Schicksal.

Wie aber in diesem Reiche der Gegensatz be-
schaffen ist, so ist das Selbstbewuſstseyn noch nicht
in seinem Rechte als einzelne Individualität aufgetre-
ten; sie gilt in ihm auf der einen Seite nur als all-
gemeiner Willen
, auf der andern als Blut der Fami-
lie; dieser Einzelne gilt nur als der unwirkliche Schat-
ten
. — Es ist noch keine That begangen; die That
aber ist das wirkliche Selbst. — Sie stört die ruhige
Organisation und Bewegung der sittlichen Welt.
Was in dieser als Ordnung und Uebereinstimmung
ihrer beyden Wesen erscheint, deren eins das an-
dere bewährt und vervollständigt, wird durch die
That zu einem Uebergange entgegengesetzter, worin
jedes sich vielmehr als die Nichtigkeit seiner selbst
C c 2
[404] und des andern beweiſst, denn als die Bewährung; —
es wird zu der negativen Bewegung oder der ewigen
Nothwendigkeit des furchtbaren Schicksals, welche
das göttliche, wie das menschliche Gesetz, so wie
die beyden Selbstbewuſstseyn, in denen diese Mächte
ihr Daseyn haben, in den Abgrund seiner Einfach-
heit
verschlingt, — und für uns in das absolute Fürsich-
seyn
des rein einzelnen Selbstbewuſstseyns übergeht.


Der Grund, von dem diese Bewegung aus — und
auf dem sie vorgeht, ist das Reich der Sittlichkeit;
aber die Thätigkeit dieser Bewegung ist das Selbst-
bewuſstseyn. Als sittliches Bewuſstseyn ist es die ein-
fache reine Richtung
auf die sittliche Wesenheit, oder
die Pflicht. Keine Willkühr, und ebenso kein Kampf,
keine Unentschiedenheit ist in ihm, indem das Geben
und das Prüffen der Gesetze aufgegeben worden, son-
dern die sittliche Wesenheit ist ihm das Unmittel-
bare, Unwankende, Widerspruchslose. Es gibt da-
her nicht das schlechte Schauspiel, sich in einer Col-
lision von Leidenschafft und Pflicht, noch das Ko-
mische, in einer Collision von Pflicht und Pflicht zu
befinden, — einer Collision, die dem Inhalte nach
dasselbe ist, als die zwischen Leidenschafſt und Pflicht;
denn die Leidenschafft ist ebenso fähig als Pflicht
vorgestellt zu werden, weil die Pflicht, wie sich das
Bewuſstseyn aus ihrer unmittelbarer substantieller
Wesenheit in sich zurückzieht, zum formell-allge-
meinen wird, in das jeder Inhalt gleich gut paſst,
wie sich oben ergab. Komisch aber ist die Collision
[405] der Pflichten, weil sie den Widerspruch, nemlich
eines entgegengesetzten Absoluten, also Absolutes und
unmittelbar die Nichtigkeit dieses sogenannten Ab-
soluten oder Pflicht, ausdrückt. — Das sittliche Be-
wuſstseyn aber weiſs, was es zu thun hat; und ist
entschieden, es sey dem göttlichen oder dem mensch-
lichen Gesetze anzugehören. Diese Unmittelbarkeit
seiner Entschiedenheit ist ein ansich seyn, und hat da-
her zugleich die Bedeutung eines natürlichen Seyns wie
wir gesehen; die Natur, nicht das Zufällige der Um-
stände oder der Wahl, theilt das eine Geschlecht dem
einen, das andere dem andern Gesetze zu, — oder
umgekehrt, die beyden sittlichen Mächte selbst ge-
ben sich an den beyden Geschlechtern ihr individuel-
les Daseyn und Verwirklichung.


Hiedurch nun daſs einestheils die Sittlichkeit we-
sentlich in dieser unmittelbaren Entschiedenheit be-
steht, und darum für das Bewuſstseyn nur das Eine
Gesetz das Wesen ist, anderntheils daſs die sittlichen
Mächte in dem Selbst des Bewuſstseyns wirklich sind,
erhalten sie die Bedeutung, sich auszuschliessen und
sich entgegengesetzt zu seyn; — sie sind in dem Selbst-
bewuſstseyn für sich, wie sie im Reiche der
Sittlichkeit nur an sich sind. Das sittliche Be-
wuſstseyn, weil es für Eins derselben entschie-
den
ist, ist wesentlich Charakter; es ist für es nicht
die gleiche Wesenheit beyder; der Gegensatz erscheint
darum als eine unglückliche Collision der Pflicht nur
mit der rechtlosen Wirklichkeit. Das sittliche Bewuſst-
[406] seyn ist als Selbstbewuſstseyn in diesem Gegensatze,
und als solches geht es zugleich darauf, dem Gesetze,
dem es angehört, diese entgegengesetzte Wirklich-
keit durch Gewalt zu unterwerfen, oder sie zu täu-
schen. Indem es das Recht nur auf seiner Seite, das
Unrecht aber auf der andern sieht, so erblickt von
beyden dasjenige, welches dem göttlichen Gesetze
angehört, auf der andern Seite menschliche zufällige
Gewaltthätigkeit; das aber dem menschlichen Gesetze
zugetheilt ist, auf der andern den Eigensinn und den
Ungehorsam des innerlichen Fürsichseyns; denn die
Befehle der Regierung sind der allgemeine, am Tage
liegende öffentliche Sinn; der Willen des andern
Gesetzes aber ist, der unterirrdische, ins Innre ver-
schlossne Sinn, der in seinem Daseyn als Willen
der Einzelnheit erscheint, und im Widerspruche mit
dem ersten der Frevel ist.


Es entsteht hiedurch am Bewuſstseyn der Gegen-
satz des Gewuſsten und des Nichtgewuſsten, wie in der
Substanz, des Bewuſsten und Bewuſstlosen; und das
absolute Recht des sittlichen Selbstbewuſstseyns kommt
mit dem göttlichen Rechte des Wesens in Streit. Für
das Selbstbewuſstseyn als Bewuſstseyn hat die gegen-
ständliche Wirklichkeit als solche Wesen; nach sei-
ner Substanz aber ist es die Einheit seiner und die-
ses Entgegengesetzten; und das sittliche Selbstbe-
wuſstseyn ist das Bewuſstseyn der Substanz; der
Gegenstand als dem Selbstbewuſstseyn entgegenge-
setzt, hat darum gänzlich die Bedeutung verloren,
[407] für sich Wesen zu haben. Wie die Sphären, wo-
rinn er nur ein Ding ist, längst verschwunden, so
auch diese Sphären, worin das Bewuſstseyn etwas
aus sich befestiget und ein einzelnes Moment zum
Wesen macht. Gegen solche Einseitigkeit hat die
Wirklichkeit eine eigene Krafft; sie steht mit der
Wahrheit im Bunde gegen das Bewuſstseyn, und
stellt diesem erst dar, was die Wahrheit ist. Das
sittliche Bewuſstseyn aber hat aus der Schaale der
absoluten Substanz die Vergessenheit aller Einseitig-
keit des Fürsichseyns, seiner Zwecke und eigenthüm-
lichen Begriffe getrunken, und darum in diesem sty-
gischen Wasser zugleich alle eigne Wesenheit und
selbststandige Bedeutung der gegenständlichen Wirk-
lichkeit ertränkt. Sein absolutes Recht ist daher,
daſs es, indem es nach dem sittlichen Gesetze han-
delt, in dieser Verwirklichung nicht irgend etwas
anderes finde, als nur die Vollbringung dieses Ge-
setzes selbst, und die That nichts anders zeige, als das
sittliche Thun ist. — Das Sittliche, als das ab-
solute Wesen und die absolute Macht zugleich kann
keine Verkehrung seines Inhalts erleiden. Wäre es
nur das absolute Wesen ohne die Macht, so könnte
es eine Verkehrung durch die Individualität erfah-
ren; aber diese als sittliches Bewuſstseyn hat mit
dem Aufgeben des einseitigen Fürsichseyns dem Ver-
kehren entsagt; so wie die bloſse Macht umgekehrt
vom Wesen verkehrt werden würde, wenn sie noch
ein solches Fürsichseyn wäre. Um dieser Einheit
[408] willen ist die Individualität reine Form der Sub-
stanz, die der Inhalt ist, und das Thun ist das Ueber-
gehen aus dem Gedanken in die Wirklichkeit, nur
als die Bewegung eines wesenlosen Gegensatzes, des-
sen Momente keine besondern von einander verschie-
denen Inhalt und Wesenheit haben. Das absolute
Recht des sittlichen Bewuſstseyns ist daher, daſs die
That, die Gestalt seiner Wirklichkeit, nichts anders
sey, als es weiſs.


Aber das sittliche Wesen hat sich selbst in zwey
Gesetze gespalten, und das Bewuſstseyn als unent-
zweytes Verhalten zum Gesetze, ist nur Einem zu-
getheilt. Wie diſs einfache Bewuſstseyn auf dem ab-
soluten Rechte besteht, daſs ihm als sittlichem das
Wesen erschienen sey, wie es an sich ist, so besteht
dieses Wesen auf dem Rechte seiner Realität, oder
darauf gedoppeltes zu seyn. Diſs Recht des Wesens
steht aber zugleich dem Selbstbewuſstseyn nicht ge-
genüber, daſs es irgendwo anders wäre, sondern e[s]
ist das eigne Wesen des Selbstbewuſstseyns; es hat
darin allein sein Daseyn und seine Macht, und sein
Gegensatz ist die That des letztern. Denn dieses,
eben indem es sich als Selbst ist und zur That schrei-
tet, erhebt sich aus der einfachen Unmittelbarkeit und
setzt selbst die Entzweyung. Es gibt durch die That
die Bestimmtheit der Sittlichkeit auf, die einfache
Gewiſsheit der unmittelbaren Wahrheit zu seyn,
und setzt die Trennung seiner selbst, in sich als das
Thätige und in die gegenüberstehende für es negative
[409] Wirklichkeit. Es wird also durch die That zur
Schuld. Denn sie ist sein Thun, und das Thun sein
eigenstes Wesen; und die Schuld erhält auch die Be-
deutung des Verbrechens: denn als einfaches sittliches
Bewuſstseyn hat es sich dem einen Gesetze zuge-
wandt, dem andern aber abgesagt, und verletzt die-
ses durch seine That. — Die Schuld ist nicht das
gleichgültige doppelsinnige Wesen, daſs die That,
wie sie wirklich am Tage liegt, Thun ihres Selbsts
seyn könne oder auch nicht, als ob mit dem Thun
sich etwas Aeuſserliches und Zufälliges verknüpfen
könnte, das dem Thun nicht angehörte, von
welcher Seite das Thun also unschuldig wäre. Son-
dern das Thun ist selbst diese Entzweyung, sich für
sich, und diesem gegenüber eine fremde äuſserliche
Wirklichkeit zu setzen: daſs eine solche ist, gehört
dem Thun selbst an und ist durch dasselbe. Un-
schuldig ist daher nur das Nichtthun wie das Seyn
eines Steines, nicht einmal eines Kindes. — Dem
Inhalte nach aber hat die sittliche Handlung das Moment
des Verbrechens an ihr, weil sie die natürliche Ver-
theilung der beyden Gesetze an die beyden Ge-
schlechter nicht aufhebt, sondern vielmehr als un-
entzweyte
Richtung auf das Gesetz innerhalb der na-
türlichen Unmittelbarkeit
bleibt, und als Thun die-
se Einseitigkeit zur Schuld macht, nur die eine
der Seiten des Wesens zu ergreifen, und gegen die
andre sich negativ zu verhalten, d. h. sie zu verlet-
zen. Wohin in dem allgemeinen sittlichen Leben
[410] Schuld und Verbrechen, Thun und Handeln fällt,
wird nachher bestimmter ausgedrückt werden; es er-
hellt unmittelbar soviel, daſs es nicht dieser Einzelne
ist, der handelt und schuldig ist; denn er als dieses
Selbst ist nur der unwirkliche Schatten, oder er ist
nur als allgemeines Selbst, und die Individualität rein
das formale Moment des Thuns überhaupt, und der
Inhalt die Gesetze und Sitten, und bestimmt für den
Einzelnen, die seines Standes; er ist die Substanz als
Gattung, die durch ihre Bestimmtheit zwar zur Art
wird, aber die Art bleibt zugleich das Allgemeine
der Gattung. Das Selbstbewuſstseyn steigt innerhalb
des Volkes vom Allgemeinen nur bis zur Besonder-
heit, nicht bis zur einzelnen Individualität herab,
welche ein ausschlieſsendes Selbst, eine sich negative
Wirklichkeit in seinem Thun setzt; sondern seinem
Handeln liegt das sichre Vertrauen zum Ganzen
zu Grunde, worin sich nichts Fremdes, keine Furcht
noch Feindschafft einmischt.


Die entwickelte Natur des wirklichen Handelns
erfährt nun das sittliche Selbstbewuſstseyn an seiner
That, ebensowohl wenn es dem göttlichen als wenn
es dem menschlichen Gesetze sich ergab. Das ihm
offenbare Gesetz ist im Wesen mit dem entgegenge-
setzten verknüpft; das Wesen ist die Einheit beyder;
die That aber hat nur das Eine gegen das Andere
ausgeführt. Aber im Wesen mit diesem verknüpft,
rufft die Erfüllung des Einen das Andere hervor,
und, wozu die That es machte, als ein verletztes,
[411] und nun feindliches, Rache forderndes Wesen. Dem
Handeln liegt nur die eine Seite des Entschlusses
überhaupt an dem Tage; er ist aber an sich das Ne-
gative, das ein ihm Anderes, ein ihm, der das Wis-
sen ist, Fremdes gegenüberstellt. Die Wirklichkeit
hält daher die andere dem Wissen fremde Seite in
sich verborgen, und zeigt sich dem Bewuſstseyn
nicht, wie sie an und für sich ist, — dem Sohne nicht
den Vater in seinem Beleidiger, den er erschlägt; —
nicht die Mutter in der Königin, die er zum Weibe
nimmt. Dem sittlichen Selbstbewuſstseyn stellt auf
diese Weise eine lichtschene Macht nach, welche
erst, wenn die That geschehen, hervorbricht und es
bey ihr ergreifft; denn die vollbrachte That ist der auf-
gehobne Gegensatz des wissenden Selbst, und der
ihm gegenüberstehenden Wirklichkeit. Das Han-
delnde kann das Verbrechen und seine Schuld nicht
verleugnen; — die That ist dieses, das Unbewegte zu
bewegen und das nur erst in der Möglichkeit ver-
schlossene hervor zu bringen, und hiemit das Un-
bewuſste dem Bewuſsten, das Nichtseyende dem Seyn
zu verknüpfen. In dieser Wahrheit tritt also die
That an die Sonne; — als ein solches, worin ein Be-
wuſstes einem Unbewuſsten, das Eigne einem Frem-
den verbunden ist, als das entzweyte Wesen, des-
sen andere Seite das Bewuſstseyn, und auch als die
seinige erfährt, aber als die von ihm verletzte und
feindlich erregte Macht.


[412]

Es kann seyn, daſs das Recht, welches sich im
Hinterhalte hielt, nicht in seiner eigenthümlichen
Gestalt für das handelnde Bewuſstseyn, sondern nur
an sich, in der innern Schuld des Entschlusses und
des Handelns vorhanden ist. Aber das sittliche Be-
wuſstseyn ist vollständiger, seine Schuld reiner,
wenn es das Gesetz und die Macht vorher kennt, der
es gegenüber tritt, sie für Gewalt und Unrecht, für
eine sittliche Zufälligkeit nimmt, und wissentlich,
wie Antigone, das Verbrechen begeht. Die voll-
brachte That verkehrt seine Ansicht; die Vollbrin-
gung
spricht es selbst aus, daſs was sittlich ist, wirk-
lich
seyn müsse; denn die Wirklichkeit des Zwecks
ist der Zweck des Handelns. Das Handeln spricht
gerade die Einheit der Wirklichkeit und der Substanz
aus, es spricht aus, daſs die Wirklichkeit dem We-
sen nicht zufällig ist, sondern mit ihm im Bunde
keinem gegeben wird, das nicht wahres Recht ist.
Das sittliche Bewuſstseyn muſs sein Entgegengesetz-
tes um dieser Wirklichkeit willen, und um seines
Thuns willen, als die seinige, es muſs seine Schuld
anerkennen;
weil wir leiden, anerkennen wir, daſs wir gefehlt


Diſs Anerkennen drückt den aufgehobenen Zwie-
spalt des sittlichen Zweckes und der Wirklichkeit, es
drückt die Rückkehr zur sittlichen Gesinnung aus,
die weiſs, daſs nichts gilt, als das Rechte. Damit
aber gibt das Handelnde seinen Charakter und die
Wirklichkeit seines Selbsts auf, und ist zu Grunde ge-
[413] gangen. Sein Seyn ist dieses, seinem sittlichen Ge-
setze als seiner Substanz anzugehören; in dem An-
erkennen des Entgegengetzten hat diſs aber aufge-
gehört, ihm Substanz zu seyn; und statt seiner
Wirklichkeit hat es die Unwirklichkeit, die Gesin-
nung, erreicht. — Die Substanz erscheint zwar an
der Individualität, als das Pathos derselben, und die
Individualität als das, was sie belebt, und daher
über ihr steht; aber sie ist ein Pathos, das zugleich
sein Charakter ist; die sittliche Individualität ist un-
mittelbar, und an sich eins mit diesem seinem All-
gemeinen, sie hat ihre Existenz nur in ihm, und
vermag den Untergang, den diese sittliche Macht
durch die entgegengesetzte leidet, nicht zu über-
leben.


Sie hat aber dabey die Gewiſsheit, daſs diejeni-
ge Individualität, deren Pathos diese entgegengesetz-
te Macht ist, — nicht mehr Uebel erleidet, als sie zu-
gefügt
. Die Bewegung der sittlichen Mächte gegen-
einander, und der sie in Leben und Handlung set-
zenden Individualitäten hat nur darin ihr wahres
Ende
erreicht, daſs beyde Seiten denselben Unter-
gang erfahren. Denn keine der Mächte hat etwas
vor der andern voraus, um wesentlicheres Moment
der Substanz zu seyn. Die gleiche Wesentlichkeit
und das gleichgültige Bestehen beyder nebeneinan-
der ist ihr selbstloses Seyn; in der That sind sie als
Selbstwesen, aber ein verschiedenes, was der Ein-
heit des Selbsts widerspricht, und ihre Rechtlosigkeit
[414] und nothwendigen Untergang ausmacht. Der Cha-
rakter
gehört ebenso theils nach seinem Pathos oder
Substanz nur der Einen an, theils ist nach der Seite
des Wissens der eine wie der andere in ein Bewuſs-
tes und Unbewuſstes entzweyt; und indem jeder selbst
diesen Gegensatz hervorrufft, und durch die That
auch das Nichtwissen sein Werk ist, setzt er sich in
die Schuld, die ihn verzehrt. Der Sieg der einen
Macht und ihres Charakters, und das Unterliegen der
andern Seite wäre also nur der Theil und das unvol-
lendete Werk, das unaufhaltsam zum Gleichgewichte
beyder fortschreitet. Erst in dergleichen Unterwer-
fung beyder Seiten ist das absolute Recht vollbracht,
und die sittliche Substanz als die negative Macht,
welche beyde Seiten verschlingt, oder das allmächtige
und gerechte Schicksale aufgetreten.


Werden beyde Mächte nach ihrem bestimmten
Inhalte und dessen Individualisation genommen, so
bietet sich das Bild ihres gestalteten Widerstreits,
nach seiner formellen Seite, als der Widerstreit der
Sittlichkeit und des Selbstbewuſstseyns mit der be-
wuſstlosen Natur und einer durch sie vorhandenen
Zufälligkeit, — diese hat ein Recht gegen jenes,
weil es nur der wahre Geist, nur in unmittelbarer
Einheit mit seiner Substanz ist; — und seinem In-
halte nach, als der Zwiespalt des göttlichen und
menschlichen Gesetzes dar. — Der Jüngling tritt aus
dem bewuſstlosen Wesen, aus dem Familiengeiste,
und wird die Individualität des Gemeinwesens; daſs
[415] er aber der Natur, der er sich entriſs, noch angehöre,
erweiſst sich so, daſs er in der Zufälligkeit zweyer
Brüder heraustritt, welche mit gleichem Rechte sich
desselben bemächtigen; die Ungleichheit der frühern
und spätern Geburt hat für sie, die in das sitt-
liche Wesen eintreten, als Unterschied der Natur,
keine Bedeutung. Aber die Regierung, als die
einfache Seele oder das Selbst des Volksgeistes, ver-
trägt nicht eine Zweyheit der Individualität; und der
sittlichen Nothwendigkeit dieser Einheit tritt die Na-
tur als der Zufall der Mehrheit gegenüber auf. Die-
se beyden werden darum uneins, und ihr gleiches
Recht an die Staatsgewalt zertrümmert beyde, die
gleiches Unrecht haben. Menschlicher Weise ange-
sehen, hat derjenige das Verbrechen begangen, wel-
cher, nicht im Besitze, das Gemeinwesen, an dessen
Spitze der andere stand, angreifft; derjenige dage-
gen hat das Recht auf seiner Seite, welcher den an-
dern nur als Einzelnen, abgelöſst von dem Gemein-
wesen, zu fassen wuſste und in dieser Machtlosig-
keit vertrieb; er hat nur das Individuum als sol-
ches, nicht jenes, nicht das Wesen des menschli-
chen Rechts, angetastet. Das von der leeren Ein-
zelnheit angegriffene und vertheidigte Gemeinwesen
erhält sich, und die Brüder finden beyde ihren wech-
selseitigen Untergang durcheinander; denn die Indi-
vidualität, welche an ihr für sich seyn die Gefahr
des Ganzen knüpft, hat sich selbst vom Gemeinwe-
sen ausgestossen, und löſst sich in sich auf. Den
[416] einen aber, der auf seiner Seite sich fand, wird es
ehren; den andern hingegen, der schon auf den
Mauern seine Verwüstung aussprach, wird die Re-
gierung, die wiederhergestellte Einfachheit des Selbsts
des Gemeinwesens, um die letzte Ehre bestraffen;
wer an dem höchsten Geiste des Bewuſstseyns, der
Gemeine, sich zu vergreiffen kam, muſs der Ehre
seines ganzen vollendeten Wesens, der Ehre des
abgeschiedenen Geistes, beraubt werden.


Aber wenn so das Allgemeine die reine Spitze
seiner Pyramide leicht abstöſst, und über das sich
empörende Princip der Einzelnheit, die Familie, zwar
den Sieg davon trägt, so hat es sich dadurch mit dem
göttlichen Gesetze, der seiner selbstbewuſste Geist
sich mit dem Bewuſstlosen nur in Kampf eingelas-
sen; denn dieser ist die andre wesentliche und da-
rum von jener unzerstörte, und nur beleidigte Macht.
Er hat aber gegen das gewalthabende, am Tage lie-
gende Gesetz, seine Hülffe zur wirklichen Ausführung
nur an dem blutlosen Schatten. Als das Gesetz der
Schwäche und der Dunkelheit unterliegt er daher zu-
nächst dem Gesetze des Tages und der Krafft, denn
jene Gewalt gilt unten, nicht auf Erden. Allein das
Wirkliche, das dem Innerlichen seine Ehre und
Macht genommen, hat damit sein Wesen aufgezehrt.
Der offenbare Geist hat die Wurzel seiner Kraft in
der Unterwelt; die ihrer selbst sichere und sich ver-
sichernde Gewiſsheit des Volkes hat die Wahrheit ih-
res Alle in Eins bindenden Eydes, nur in der be-
[417] wuſstlosen und stummen Substanz Aller in den Wäs-
sern der Vergessenheit. Hiedurch verwandelt sich
die Vollbringung des offenbaren Geistes in das Ge-
gentheil, und er erfährt, daſs sein höchstes Recht
das höchste Unrecht, sein Sieg vielmehr sein eige-
ner Untergang ist. Der Todte, dessen Recht ge-
kränkt ist, weiſs darum für seine Rache Werkzeuge
zu finden, welche von gleicher Wirklichkeit und
Gewalt sind mit der Macht, die ihn verletzt. Diese
Mächte sind andere Gemeinwesen, deren Altäre die
Hunde oder Vögel mit der Leiche besudelten, wel-
che nicht durch die ihr gebührende Zurückgabe an
das elementarische Individuum in die bewuſstlose
Allgemeinheit erhoben, sondern über der Erde im
Reiche der Wirklichkeit geblieben, und als die
Krafft des göttlichen Gesetzes, nun eine selbstbe-
wuſste wirkliche Allgemeinheit erhält. Sie machen
sich feindlich auf, und zerstören das Gemeinwesen,
das seine Krafft, die Pietät der Familie, entehrt und
zerbrochen hat.


In dieser Vorstellung hat die Bewegung des
menschlichen und göttlichen Gesetzes den Ausdruck
ihrer Nothwendigkeit an Individuen, an denen das
Allgemeine als ein Pathos und die Thätigkeit der
Bewegung als individuelles Thun erscheint, welches
der Nothwendigkeit derselben den Schein der Zufäl-
ligkeit gibt. Aber die Individualität und das Thun
macht das Princip der Einzelnheit überhaupt aus,
das in seiner reinen Allgemeinheit, das innere gött-
D d
[418] liche Gesetz genannt wurde. Als Moment des of-
fenbaren Gemeinwesens hat es nicht nur jene un-
terirrdische oder — in seinem Daseyn äuſserliche
Wirksamkeit, sondern ein eben so offenbares an
dem wirklichen Volke wirkliches Daseyn und Be-
wegung. In dieser Form genommen, erhält das
was als einfache Bewegung der individualisirten Pa-
thos vorgestellt wurde, ein anderes Aussehen, und
das Verbrechen und die dadurch begründete Zerstö-
rung des Gemeinwesens die eigentliche Form ihres
Daseyns. — Das menschliche Gesetz also in seinem
allgemeinen Daseyn, das Gemeinwesen, in seiner
Bethätigung überhaupt die Männlichkeit, in seiner
wirklichen Bethätigung, die Regierung ist, bewegt
und erhalt sich dadurch, daſs es die Absonderung
der Penaten oder die selbstständige Vereinzelung in
Familien, welchen die Weiblichkeit vorsteht, in
sich aufzehrt, und sie in der Continuität seiner Flüs-
sigkeit aufgelöſst erhält. Die Familie ist aber zu-
gleich überhaupt sein Element, das einzelne Be-
wuſstseyn allgemeiner bethätigender Grund. Indem
das Gemeinwesen sich nur durch die Störung der
Familienglückseligkeit und die Auflösung des Selbst-
bewuſstseyns in das allgemeine, sein Bestehen gibt,
erzeugt es sich an dem, was es unterdrückt und
was ihm zugleich wesentlich ist, an der Weiblich-
keit überhaupt seinen innern Feind. Diese, — die
ewige Ironie des Gemeinwesens — verändert durch
die Intrigue den allgemeinen Zweck der Regierung
[419] in einen Privatzweck, verwandelt ihre allgemeine
Thätigkeit in ein Werk dieses bestimmten Indivi-
duums, und verkehrt das allgemeine Eigenthum des
Staats zu einem Besitz und Putz der Familie. Sie
macht hiedurch die ernsthaffte Weisheit des reifen
Alters, das, der Einzelnheit, — der Lust und dem
Genusse, so wie der wirklichen Thätigkeit — abge-
storben, nur das Allgemeine denkt und besorgt, zum
Spotte für den Muthwillen der unreifen Jugend, und
zur Verachtung für ihren Enthusiasmus; erhebt
überhaupt die Krafft der Jugend zum Geltenden, —
des Sohnes, an dem die Mutter ihren Herrn gebo-
ren, des Bruders, an dem die Schwester den Mann
als ihres gleichen hat, des Jünglings, durch den die
Tochter ihrer Unselbstständigkeit entnommen, den
Genuſs und die Würde der Frauenschaft erlangt. —
Das Gemeinwesen kann sich aber nur durch Unter-
drückung dieses Geistes der Einzelnheit erhalten,
und, weil er wesentliches Moment ist, erzeugt es
ihn zwar eben so, und zwar durch die unterdrü-
kende Haltung gegen denselben als ein feindseliges
Princip. Dieses würde jedoch, da es vom allgemei-
nen Zwecke sich trennend, nur böse und in sich
nichtig ist, nichts vermögen, wenn nicht das Ge-
meinwesen selbst die Krafft der Jugend, die Männ-
lichkeit, welche nicht reiff noch innerhalb der Ein-
zelnheit steht, als die Krafft des Ganzen anerkännte.
Denn es ist ein Volk, es ist selbst Individualität und
wesentlich nur so für sich, daſs andern Individualitä-
D d 2
[420]ten für es sind, daſs es sie von sich ausschlieſst und
sich unabhängig von ihnen weiſs. Die negative Sei-
te des Gemeinwesens, nach innen die Vereinzelung
der Individuen unterdrückend, nach aussen aber
selbstthätig, hat an der Individualität seine Waffen.
Der Krieg ist der Geist und die Form, worin das
wesentliche Moment der sittlichen Substanz, die ab-
solute Freyheit des sittlichen Selbstwesens von allem
Daseyn, in ihrer Wirklichkeit und Bewährung vor-
handen ist. Indem er einerseits den einzelnen Sy-
stemen
des Eigenthums und der persönlichen Selbst-
ständigkeit wie auch der einzelnen Persönlichkeit
selbst, die Krafft des negativen zu fühlen gibt, erhebt
andererseits in ihm eben diſs negative Wesen sich
als das erhaltende des Ganzen; der tapfre Jüngling,
an welchem die Weiblichkeit ihre Lust hat, das un-
terdrückte Princip des Verderbens tritt an den Tag
und ist das Geltende. Nun ist es die natürliche Krafft,
und das, was als Zufall des Glücks erscheint, wel-
che über das Daseyn des sittlichen Wesens und die
geistige Nothwendigkeit entscheiden; weil auf Stärke
und Glück das Daseyn des sittlichen Wesens be-
ruht, so ist schon entschieden, daſs es zu Grunde ge-
gangen. — Wie vorhin nur Penaten im Volksgeiste,
so gehen die lebendigen Volksgeister durch ihre In-
dividualität, itzt in einem allgemeinen Gemeinwesen
zu Grunde, dessen einfache Allgemeinheit geistlos und
todt, und dessen Lebendigkeit das einzelne Individuum,
als einzelnes, ist. Die sittliche Gestalt des Geistes
[421] ist verschwunden, und es tritt eine andere an ihre
Stelle.


Dieser Untergang der sittlichen Substanz, und
ihr Uebergang in eine andere Gestalt ist also dadurch
bestimmt, daſs das sittliche Bewuſstseyn auf das
Gesetz wesentlich unmittelbar gerichtet ist; in dieser
Bestimmung der Unmittelbarkeit liegt, daſs in die
Handlung der Sittlichkeit die Natur überhaupt her-
einkommt. Ihre Wirklichkeit offenbart nur den
Widerspruch und den Keim des Verderbens, den die
schöne Einmüthigkeit und das ruhige Gleichgewicht
des sittlichen Geistes eben an dieser Ruhe und Schön-
heit selbst hat; denn die Unmittelbarkeit hat die
widersprechende Bedeutung, die bewuſstlose Ruhe
der Natur, und die selbstbewuſste unruhige Ruhe
des Geistes zu seyn. — Um dieser Natürlichkeit
willen ist überhaupt dieses sittliche Volk eine durch
die Natur bestimmte und daher beschränkte Indivi-
dualität, und findet also ihre Aufhebung an einer
andern. Indem aber diese Bestimmtheit, die im Da-
seyn gesetzt, Beschränkung, aber ebenso das Nega-
tive überhaupt, und das Selbst der Individualität
ist, — verschwindet, ist das Leben des Geistes und
diese in Allen ihrer selbstbewuſste Substanz, verlo-
ren. Sie tritt als eine formelle Allgemeinheit an ihnen
heraus, ist ihnen nicht mehr als lebendiger Geist in-
wohnend, sondern die einfache Gediegenheit ihrer
Individualität ist in viele Punkte zersprungen.


[422]
c.
Rechtszustand.

Die allgemeine Einheit, in welche die lebendige
unmittelbare Einheit der Individualität und der Sub-
stanz zurückgeht, ist das geistlose Gemeinwesen,
das aufgehört hat, die selbstbewuſstlose Substanz der
Individuen zu seyn, und worin sie itzt nach ihrem
einzelnen Fürsichseyn als Selbstwesen und Substan-
zen gelten. Das Allgemeine in die Atome der abso-
lut vielen Individuen zersplittert, dieser gestorbene
Geist ist eine Gleichheit, worin Alle als Jede, als Per-
sonen
gelten. — Was in der Welt der Sittlichkeit
das verborgene göttliche Gesetz genannt wurde, ist
in der That aus seinem Innern in die Wirklichkeit
getreten; in jener galt und war der Einzelne wirk-
lich, nur als das allgemeine Blut der Familie. Als
dieser Einzelne war er der selbstlose abgeschiedene Geist;
nun aber ist er aus seiner Unwirklichkeit hervorge-
treten. Weil die sittliche Substanz nur der wahre
Geist ist, darum geht er in die Gewiſsheit seiner
selbst zurück; jene ist er als das positive allgemeine,
aber seine Wirklichkeit ist negatives allgemeines Selbst
zu seyn. — Wir sahen die Mächte und die Gestal-
ten der sittlichen Welt in der einfachen Nothwen-
digkeit des leeren Schicksals versinken. Diese ihre
Macht ist die in ihre Einfachheit sich reflectirende
Substanz; aber das in sich reflectirende absolute We-
sen, eben jene Nothwendigkeit des leeren Schick-
[423] sals, ist nichts anders als das Ich des Selbstbe-
wuſstseyns.


Dieses gilt hiemit nunmehr als das an und für
sich
seyende Wesen; diſs anerkanntseyn ist seine Sub-
stantialität; aber sie ist die abstracte Allgemeinheit,
weil ihr Inhalt dieses spröde Selbst, nicht das in der
Substanz aufgelöſste ist.


Die Persönlichkeit ist also hier aus dem Leben
der sittlichen Substanz herausgetreten; sie ist die
wirklich geltende Selbstständigkeit des Bewuſstseyns.
Der unwirkliche Gedanke derselben, der sich durch
Verzichtthun auf die Wirklichkeit wird, ist früher als
stoisches Selbstbewuſstseyn vorgekommen; wie dieses
aus der Herrschafft und Knechtschafft, als dem un-
mittelbaren Daseyn des Selbstbewuſstseyn, so ist die
Persönlichkeit aus dem unmittelbaren Geiste — der
der allgemeine herrschende Willen Aller und ebenso
ihr dienender Gehorsam ist, hervorgegangen. Was
dem Stoicismus nur in der Abstraction das Ansich
war, ist nun wirkliche Welt. Er ist nichts anderes,
als das Bewuſstseyn, welches das Princip des Rechts-
zustands, die geistlose Selbstständigkeit, auf seine
abstracte Form bringt; durch seine Flucht aus der
Wirklichkeit erreichte es nur den Gedanken der Selbst-
ständigkeit; es ist absolut für sich dadurch, daſs es
sein Wesen nicht an irgend ein Daseyn knüpft, son-
dern jedes Daseyn aufgeben, und sein Wesen allein
in die Einheit des reinen Denkens, setzt. Auf die-
selbe Weise ist das Recht der Person weder an ein
[424] reicheres oder mächtigeres Daseyn des Individuums
als eines solchen, noch auch an einen allgemeinen
lebendigen Geist geknüpft, sondern vielmehr an das
reine Eins seiner abstracten Wirklichkeit oder an
es a[l]s Selbstbewuſstseyn überhaupt.


Wie nun die abstracte Selbstständigkeit des Stoi-
cismus ihre Verwirklichung darstellte, so wird auch
diese letztere die Bewegung jener ersten wiederho-
len. Jene geht in die skeptische Verwirrung des
Bewuſstseyns über, in eine Faseley des Negativen,
welche gestaltlos von einer Zufälligkeit des Seyns
und Gedankens zur andern irrt, sie zwar in der ab-
soluten Selbstständigkeit auflöſst, aber eben so sehr
wieder erzeugt; und in der That nur der Wider-
spruch der Selbstständigkeit und Unselbstständigkeit
des Bewuſstseyns ist. — Ebenso ist die persönliche
Selbstständigkeit des Rechts vielmehr diese gleiche
allgemeine Verwirrung und gegenseitige Auflösung.
Denn was als das absolute Wesen gilt, ist das Selbst-
bewuſstseyn als das reine leere Eins der Person. Ge-
gen diese leere Allgemeinheit hat die Substanz die
Form der Erfüllung und des Inhalts, und dieser ist
nun völlig frey gelassen und ungeordnet; denn der
Geist ist nicht mehr vorhanden, der ihn unterjoch-
te, und in seiner Einheit zusammenhielt. — Diſs
leere Eins der Person ist daher in seiner Realität
ein zufälliges Daseyn und wesenloses Bewegen und
Thun, welches zu keinem Bestand kommt. Wie
der Skepticismus, ist der Formalismus des Rechts
[425] also durch seinen Begriff ohne eigenthümlichen In-
halt, findet ein mannichfaltiges Bestehen, den
Besitz, vor, und drückt ihm dieselbe abstracte All-
gemeinheit, wodurch er Eigenthum heiſst, auf, wie
jener. Wenn aber die so bestimmte Wirklichkeit
im Skepticismus Schein überhaupt heiſst, und nur
einen negativen Werth hat, so hat sie im Rechte
einen positiven. Jener negative Werth besteht dar-
in, daſs das Wirkliche die Bedeutung des Selbsts als
Denkens, als des ansich allgemeinen hat, dieser po-
sitive aber darin, daſs es Mein in der Bedeutung
der Kategorie, als ein anerkanntes und wirkliches Gel-
ten ist. — Beydes ist dasselbe abstracte Allgemeine;
der wirkliche Inhalt oder die Bestimmtheit des Mei-
nen — es sey nun eines äusserlichen Besitzes, oder
auch des innern Reichthums oder Armuth des Geis-
tes und Charakters, ist nicht in dieser leeren Form
enthalten und geht sie nichts an. Er gehört also
einer eignen Macht an, die ein anderes als das for-
mal allgemeine, die der Zufall und die Willkühr ist. —
Das Bewuſstseyn des Rechts erfährt darum in sei-
nem wirklichen Gelten selbst, vielmehr den Ver-
lust seiner Realität und seine vollkommne Unwesent-
lichkeit, und ein Individuum als eine Person be-
zeichnen ist Ausdruck der Verachtung.


Die freye Macht des Inhalts bestimmt sich so,
daſs die Zerstreuung in die absolute Vielheit der per-
sönlichen Atome durch die Natur dieser Bestimmt-
heit zugleich in Einen ihnen fremden und ebenso
[426] geistlosen Punkte gesammelt ist, der eines Theils
gleich der Sprödigkeit ihrer Personalität rein ein-
zelne Wirklichkeit ist, aber im Gegensatze gegen
ihre leere Einzelnheit, zugleich die Bedeutung al-
les Inhalts, dadurch des realen Wesens für sie hat,
und gegen ihre vermeynte absolute, an sich aber
wesenlose Wirklichkeit die allgemeine Macht und
absolute Wirklichkeit ist. Dieser Herr der Welt
ist sich auf diese Weise die absolute zugleich alles
Daseyn in sich befassende Person, für deren Be-
wuſstseyn kein höherer Geist existirt. Er ist Per-
son; aber die einsame Person, welche Allen gegen-
übergetreten; diese Alle machen die geltende All-
gemeinheit der Person aus, denn das Einzelne als
solches ist wahr nur als allgemeine Vielheit der
Einzelnheit, von dieser abgetrennt ist das ein-
same Selbst in der That das unwirkliche, krafftlose
Selbst. — Zugleich ist es das Bewuſstseyn des In-
halts, der jener allgemeinen Persönlichkeit gegen
übergetreten ist. Dieser Inhalt aber von seiner ne-
gativen Macht befreyt, ist das Chaos der geistigen
Mächte, die entfesselt als elementarische Wesen in
wilder Ausschweifung sich gegeneinander toll und
zerstörend bewegen; ihr kraftloses Selbstbewuſstseyn
ist die machtlose Umschliessung und der Boden ih-
res Tumultes. Sich so als den Inbegriff aller wirk-
lichen Mächte wissend, ist dieser Herr der Welt
das ungeheure Selbstbewuſstseyn, das sich als den
wirklichen Gott weiſs; indem er aber nur das for-
[427] male Selbst ist, das sie nicht zu bändigen vermag,
ist seine Bewegung und Selbstgenuſs die ebenso un-
geheure Ausschweifung.


Der Herr der Welt hat das wirkliche Bewuſst-
seyn dessen, was er ist, der allgemeinen Macht der
Wirklichkeit, in der zerstörenden Gewalt, die er
gegen das ihm gegenüberstehende Selbst seiner Un-
terthanen ausübt. Denn seine Macht ist nicht die
Einigkeit des Geistes, worin die Personen ihr eige-
nes Selbstbewuſstseyn erkennten, vielmehr sind sie
als Personen für sich und schliessen die Continui-
tät mit Andern aus der absoluten Sprödigkeit ihrer
Punctualität aus; sie sind also in einem nur negati-
ven Verhältnisse wie zu einander so zu ihm, der
ihre Beziehung oder Continuität ist. Als diese Con-
tinuität ist er das Wesen und der Inhalt ihres For-
malismus; aber der ihnen fremde Inhalt, und das
feindliche Wesen, welches gerade dasjenige, was
für sie als ihr Wesen gilt, das inhaltsleere fürsich-
seyn, vielmehr aufhebt; — und als die Continuität
ihrer Persönlichkeit eben diese zerstört. Die recht-
liche Persönlichkeit erfährt also, indem der ihr frem-
de Inhalt sich in ihr geltend macht, und er macht
sich in ihnen geltend, weil er ihre Realität ist, —
vielmehr ihre Substanzlosigkeit. Das zerstörende
Wühlen in diesem wesenlosen Boden gibt sich dage-
gen das Bewuſstseyn seiner Allherrschafft, aber dieses
Selbst ist bloses Verwüsten, daher nur auſser sich, und
vielmehr das Wegwerfen seines Selbstbewuſstseyns.


[428]

So ist die Seite beschaffen, in welcher das Selbst-
bewuſstseyn als absolutes Wesen wirklich ist. Das aus
dieser Wirklichkeit aber in sich zurückgetriebene Be-
wuſstseyn
denkt diese seine Unwesenheit; wir sahen
früher die stoische Selbstständigkeit des reinen Den-
kens, durch den Skepticismus hindurch gehen und in
dem unglücklichen Bewuſstseyn ihre Wahrheit fin-
den, — die Wahrheit, welche Bewandniſs es mit sei-
nem an und für sich seyn hat. Wenn diſs Wissen
damals nur als die einzige Ansicht des Pewuſstseyns
als eines solchen erschien, so ist hier ihre wirkliche
Wahrheit eingetreten. Sie besteht darin, daſs diſs
allgemeine Gelten des Selbstbewuſstseyns, die ihm ent-
fremdete Realität ist. Diſs Gelten ist die allgemeine
Wirklichkeit des Selbsts, aber sie ist unmittelbar eben
so die Verkehrung; sie ist der Verlust seines We-
sens. — Die in der sittlichen Welt nicht vorhandne
Wirklichkeit des Selbsts ist durch ihr Zurückgehen
in die Person gewonnen worden, was in jener einig
war, tritt nun entwickelt aber sich entfremdet auf.


[429]

B.
Der sich entfremdete Geist;
die Bildung
.


Die sittliche Substanz erhielt den Gegensatz in ihr
einfaches Bewuſstseyn eingeschlossen, und dieses in
unmittelbarer Einheit mit seinem Wesen. Das We-
sen hat darum die einfache Bestimmtheit des Seyns
für das Bewuſstseyn, das unmittelbar darauf gerich-
tet, und dessen Sitte es ist; weder gilt das Bewuſst-
seyn sich als dieses ausschlieſsende Selbst, noch hat
die Substanz die Bedeutung eines aus ihm ausgeschlos-
senen Daseyns, mit dem es sich nur durch die Ent-
fremdung seiner selbst eins zu setzen und sie zugleich
hervorzubringen hätte. Aber derjenige Geist, dessen
Selbst das absolut discrete ist, hat seinen Inhalt sich
als eine ebenso harte Wirklichkeit gegenüber, und
die Welt hat hier die Bestimmung, ein äuſserliches,
das negative des Selbstbewuſstseyns, zu seyn. Aber
diese Welt ist geistiges Wesen, sie ist an sich die
Durchdringung des Seyns und der Individualität;
diſs ihr Daseyn ist das Werk des Selbstbewuſstseyns;
aber ebenso eine unmittelbar vorhandne ihm frem-
de Wirklichkeit, welche eigenthümliches Seyn hat,
und worin es sich nicht erkennt. Sie ist das äuſser-
[430] liche Wesen, und der freye Inhalt des Rechts; aber
diese äuſserliche Wirklichkeit, welche der Herr der
Welt des Rechts in sich befaſst, ist nicht nur dieses
zufällig für das Selbst vorhandne elementarische We-
sen, sondern sie ist seine aber nicht positive Arbeit,
— vielmehr seine negative. Sie erhält ihr Da-
seyn durch die eigne Entäuſserung und Entwesung
des Selbstbewuſssteyns, welche ihm in der Ver-
wüstung, die in der Welt des Rechts herrscht, die
äuſserliche Gewalt der losgebundnen Elemente anzu-
thun scheinet. Diese für sich, sind nur das reine
Verwüsten, und die Auflösung ihrer selbst; diese
Auflösung aber, diſs ihr negatives Wesen ist eben
das Selbst; es ist ihr Subject, ihr Thun und Wer-
den. Diſs Thun und Werden aber, wodurch die
Substanz wirklich wird, ist die Entfremdung der
Persönlichkeit, denn das unmittelbar d. h. ohne Ent-
fremdung
an und für sich geltende Selbst ist ohne
Substanz, und das Spiel jener tobenden Elemente;
seine Substanz ist also seine Entäuſserung selbst, und
die Entäuſserung ist die Substanz, oder die zu einer
Welt sich ordnenden und sich dadurch erhaltenden
geistigen Mächte.


Die Substanz ist auf diese Weise Geist, selbst-
bewuſste Einheit des Selbsts und des Wesens, aber
beydes hat auch die Bedeutung der Entfremdung für
einander. Er ist Bewuſstseyn einer für sich freyen
gegenständlichen Wirklichkeit; diesem Bewuſstseyn
aber steht jene Einheit des Selbst und des We-
[431] sens gegenüber, dem wirklichen das reine Bewuſstseyn.
Einerseits geht das wirkliche Selbstbewuſstseyn durch
seine Entäuſserung in die wirkliche Welt über, und
diese in jenes zurück; andrerseits aber ist eben diese
Wirklichkeit, ſowohl die Person, wie die Geständ-
lichkeit, aufgehoben; sie sind rein allgemeine.
Diese ihre Entfremdung ist das reine Bewuſstseyn,
oder das Wesen. Die Gegenwart hat unmittelbar
den Gegensatz an ihrem Jenseits, das ihr Denken
und Gedachtseyn; so wie diſs am Diesseits, das sei-
ne ihm entfremdete Wirklichkeit ist.


Dieser Geist bildet sich daher nicht nur Eine
Welt, sondern eine gedoppelte, getrennte und
entgegengesetzte aus. — Die Welt des sittlichen
Geistes ist seine eigne Gegenwart; und daher jede
Macht derselben in dieser Einheit, und insofern
beyde sich unterscheiden, im Gleichgewichte mit
dem Ganzen. Nichts hat die Bedeutung des negati-
ven des Selbstbewuſstseyns; selbst der abgeschiedne
Geist ist im Blute der Berwandtschafft, im Selbst
der Familie gegenwärtig, und die allgemeine Macht
der Regierung ist der Willen, das Selbst des
Volks. Hier aber bedeutet das Gegenwärtige nur
gegenständliche Wirklichkeit, die ihr Bewuſstseyn jen-
seits hat; jedes einzelne Moment als Wesen empfängt
diſs und damit die Wirklichkeit von einem andern,
und insofern es wirklich ist, ist sein Wesen ein
andres als seine Wirklichkeit. Nichts hat einen
in ihm selbst gegründeten und inwohnenden Geist,
[432] sondern ist auſser sich in einem fremden, -das Gleich-
gewicht des Ganzen nicht die bey sich selbst blei-
bende Einheit und ihre in sich zurückgekehrte Be-
ruhigung, sondern beruht auf der Entfremdung des
Entgegengesetzten. Das Ganze ist daher, wie jedes
einzelne Moment, eine sich entfremdete Realität; es
zerfällt in ein Reich, worin das Selbstbewuſstseyn
wirklich
sowohl es als sein Gegenstand ist, und in
ein anderes, das Reich des reinen Bewuſstseyns,
welches jenselts des Ersten nicht wirkliche Gegen-
wart hat, sondern im Glauben ist. Wie nun die
sittliche Welt aus der Trennung des göttlichen und
menschlichen Gesetzes und ihrer Gestalten, und ihr
Bewuſstseyn aus der Trennung in das Wissen und
in die Bewuſstlosigheit zurück in sein Schicksal, in
das Selbst als die negative Macht dieses Gegensatzes
geht, so werden auch diese beyden Reiche des sich
entfremdeten Geistes in das Selbst zurückkehren;
aber wenn jenes das erste unmittelbar geltende Selbst,
die einzelne Person, war; so wird diſs zweyte, das
aus seiner Entäuſserung in sich zurückkehrt, das all-
gemeine Selbst
, das den Begriff erfassende Bewuſst-
seyn seyn; und diese geistigen Welten, deren alle
Momente eine fixirte Wirklichkeit und ungeistiges
Bestehen von sich behaupten, werden sich in der
reinen Einsicht auflösen. Sie als das sich selbst
erfassende Selbst vollendet die Bildung; sie faſst nichts
als das Selbst, und alles als das Selbst auf, d. h. sie
begreifft alles, tilgt alle Gegenständlichkeit, und verwan-
[433] delt alles Ansichseyn in ein Fürsichseyn. Gegen den
Glauben als das fremde jenseits liegende Reich des
Wesens gekehrt, ist sie die Aufklärung. Diese vol-
lendet auch an diesem Reiche, wohin sich der ent-
fremdete Geist, als in das Bewuſstseyn der sich selbst
gleichen Ruhe rettet, die Entfremdung; sie verwirrt
ihm die Haushaltung, die er hier führt, dadurch,
daſs sie die Geräthschafften der disseitigen Welt hin-
einbringt, die er als sein Eigenthum nicht verläug-
nen kann, weil sein Bewuſstseyn ihr gleichfalls an-
gehört. — In diesem negativen Geschäffte realisirt zu-
gleich die reine Einsicht sich selbst, und bringt ih-
ren eignen Gegenstand, das unerkennbare absolute
Wesen
, und das Nützliche hervor. Indem auf diese
Weise die Wirklichkeit alle Substantialität verloren,
und nichts mehr an sich in ihr ist, so ist wie das
Reich des Glaubens, so auch der realen Welt ge-
stürzt, und diese Revolution bringt die absolute Frey-
heit
hervor, womit der vorher entfremdete Geist
vollkommen in sich zurückgegangen ist, diſs Land
der Bildung verlaſst, und in ein anderes Land, in
das Land des moralischen Bewuſstseyns übergeht.


E e
[434]
I.
Die Welt des sich entfremdeten Geistes.

Die Welt dieses Geistes zerfällt in die gedoppelte;
die erste ist die Welt der Wirklichkeit oder seiner
Entfremdung selbst; die andre aber die, welche er,
über die erste sich erhebend, im Aether des reinen
Bewuſstseyns sich erbaut. Diese, jener Entfrem-
dung entgegengesetzt, ist eben darum nicht frey da-
von, sondern vielmehr nur die andre Form der
Entfremdung, welche eben darin besteht, in zweyer-
ley Welten das Bewuſstseyn zu haben, und beyde
umfaſst. Es ist also nicht das Selbstbewuſstseyn
des absoluten Wesens, wie es an und für sich ist,
nicht die Religion, welche hier betrachtet wird,
sondern der Glauben, insofern er die Flucht aus der
wirklichen Welt und also nicht an und für sich ist.
Diese Flucht aus dem Reiche der Gegenwart ist da-
her an ihr selbst unmittelbar die gedoppelte. Das
reine Bewuſstseyn ist das Element, in welches der
Geist sich erhebt; aber es ist nicht nur das Element
des Glaubens, sondern ebenso des Begriffs; beyde
treten daher zugleich miteinander ein, und jener
kömmt nur in Betracht im Gegensatze gegen diesen.


[435]
a.
Die Bildung
und ihr Reich der Wirklichkeit.

Der Geist dieser Welt ist das von einem Selbst-
bewuſstseyn durchdrungne geistige Wesen, das sich
als dieses für sich seyende unmittelbar gegenwärtig,
und das Wesen als eine Wirklichkeit sich gegenüber
weiſs. Aber das Daseyn dieser Welt, so wie die
Wirklichkeit des Selbstbewuſstseyns beruht auf der
Bewegung, daſs dieses seiner Persönlichkeit sich
entäussert, hiedurch seine Welt hervorbringt, und
sich gegen sie als eine Fremde so verhält, daſs es
sich ihrer nunmehr zu bemächtigen hat. Aber die
Entsagung seines Fürsichseyns ist selbst die Erzeu-
gung der Wirklichkeit, und durch sie bemächtigt es
sich also unmittelbar derselben. — Oder das Selbst-
bewuſstseyn ist nur Etwas, es hat nur Realität, in-
sofern es sich selbst entfremdet; hiedurch setzt es
sich als allgemeines, und diese seine Allgemeinheit
ist sein Gelten und Wirklichkeit. Diese Gleichheit
mit Allen ist daher nicht jene Gleichheit des Rechts,
nicht jenes unmittelbare Anerkanntseyn und Gelten
des Selbstbewuſstseyns, darum weil es ist; sondern
daſs es gelte, ist durch die entfremdende Vermitt-
lung, sich dem Allgemeinen gemäſs gemacht zu ha-
ben. Die geistlose Allgemeinheit des Rechts nimmt
jede natürliche Weise des Charakters wie des Da-
E e 2
[436] seyns in sich auf, und berechtigt sie. Die Allgemein-
heit aber, welche hier gilt, ist die gewordne, und
darum ist sie wirklich.


Wodurch also das Individuum hier Gelten und
Wirklichkeit hat, ist die Bildung. Seine wahre ur-
sprüngliche Natur
und Substanz ist der Geist der Ent-
fremdung
des natürlichen Seyns. Diese Entäusserung
ist daher ebenso Zweck als Daseyn desselben; sie ist
zugleich das Mittel oder der Uebergang sowohl der ge-
dachten Substanz
in die Wirklichkeit, als umgekehrt der
bestimmten Individualität in die Wesentlichkeit. Diese
Individualität bildet sich zu dem, was sie ansich ist,
und erst dadurch ist sie an sich, und hat wirkliches
Daseyn; soviel sie Bildung hat, soviel Wirklichkeit
und Macht. Obwohl das Selbst als dieses sich hier
wirklich weiſs, so besteht doch seine Wirklichkeit
allein in dem Aufheben des natürlichen Selbsts; die
ursprünglich bestimmte Natur reducirt sich daher auf
den unwesentlichen Unterschied der Gröſse, auf eine
gröſsere oder geringere Energie des Willens. Zweck
und Inhalt aber desselben gehört allein der allgemei-
nen Substanz selbst an, und kann nur ein Allgemei-
nes seyn; die Besonderheit einer Natur, die Zweck
und Inhalt wird, ist etwas unmächtiges und unwirk-
liches
; sie ist eine Art, die sich vergeblich und lächer-
lich abmüht, sich ins Werk zu setzen; sie ist der
Widerspruch dem Besondern die Wirklichkeit zu
geben, die unmittelbar das Allgemeine ist. Wenn
daher fälschlicher Weise die Individualität in die Be-
[437] sonderheit
der Natur und des Charakters gesetzt wird,
so finden sich in der realen Welt keine Individuali-
täten und Charaktere, sondern die Individuen haben
ein gleiches Daseyn für einander; jene vermeintliche
Individualität ist eben nur das gemeinte Daseyn, wel-
ches in dieser Welt, worin nur das sich selbst ent-
äussernde und darum nur das Allgemeine Wirklich-
keit erhält, kein Bleiben hat. — Das Gemeynte gilt
darum für das, was es ist, für eine Art. Art ist nicht
ganz dasselbe, was Espece, „von allen Spitznahmen
der fürchterlichste, denn er bezeichnet die Mittel-
mäſsigkeit, und drückt die höchste Stuffe der Ver-
achtung aus.“ Art und in seiner Art gut seyn ist aber
ein deutscher Ausdruck, welcher dieser Bedeutung
die ehrliche Miene hinzufügt, als ob es nicht so
schlimm gemeynt sey, oder auch in der That das
Bewuſstseyn, was Art, und was Bildung und Wirk-
lichkeit ist, noch nicht in sich schlieſst.


Was in Beziehung auf das einzelne Individuum
als seine Bildung erscheint, ist das wesentliche Mo-
ment der Substanz selbst, nemlich das unmittelbare
Uebergehen ihrer gedachten Allgemeinheit in die
Wirklichkeit, oder die einfache Seele derselben, wo-
durch das Ansich Anerkanntes und Daseyn ist. Die
Bewegung der sich bildenden Individualität ist daher
unmittelbar das Werden derselben, als des allge-
meinen gegenständlichen Wesens, d. h. das Werden
der wirklichen Welt. Diese, obwohl geworden durch
die Individualität, ist für das Selbstbewuſstseyn ein
[438] unmittelbar entfremdetes, und hat für es die Form un-
verrückter Wirklichkeit. Aber gewiſs zugleich daſs
sie seine Substanz ist, geht es sich derselben zu be-
mächtigen; es erlangt diese Macht über sie durch die
Bildung, welche von dieser Seite so erscheint, daſs
es sich der Wirklichkeit gemäſs macht, und soviel
als die Energie des ursprünglichen Charakters und
Talents ihm zuläſst. Was hier als die Gewalt des
Individuums erscheint, unter welche die Substanz
komme, und hiemit aufgehoben werde, ist dasselbe,
was die Verwirklichung der letztern ist. Denn die
Macht des Individuums besteht darin, daſs es sich
ihr gemäſs macht, d. h. daſs es sich seines Selbsts ent-
äuſsert, also sich als die gegenständliche seyende Sub-
stanz setzt. Seine Bildung und seine eigne Wirk-
lichkeit ist daher die Verwirklichung der Substanz
selbst.


Das Selbst ist sich nur als aufgehobnes wirklich.
Es macht daher für es nicht die Einheit des Bewuſst-
seyns
seiner selbst, und des Gegenstandes aus; son-
dern dieser ist ihm das Negative seiner. — Durch
das Selbst als die Seele wird die Substanz also so in
ihren Momenten ausgebildet, daſs das Entgegenge-
setzte das Andre begeistet, jedes durch seine Ent-
fremdung dem Andern Bestehen gibt, und es ebenso
von ihm erhält. Zugleich hat jedes Moment seine
Bestimmtheit als ein unüberwindliches Gelten, und
eine feste Wirklichkeit gegen das Andre. Das Den-
ken fixirt diesen Unterschied auf die allgemeinste
[439] Weise durch die absolute Entgegensetzung von Gut
und Schlecht, die, sich fliehend, auf keine Weise das-
selbe werden können. Aber dieses feste Seyn hat zu
seiner Seele den unmittelbaren Uebergang in das Ent-
gegengesetzte; das Daseyn ist vielmehr die Ver-
kehrung jeder Bestimmtheit in ihre entgegenge-
setzte, und nur diese Entfremdung ist das Wesen
und Erhaltung des Ganzen. Diese verwircklichende
Bewegung und Begeistung der Momente ist nun zu
betrachten; die Entfremdung wird sich selbst ent-
fremden, und das Ganze durch sie in seinen Be-
griff sich zurücknehmen.


Zuerst ist die einfache Substanz selbst in der
unmittelbaren Organisation ihrer daseyenden noch
unbegeisteten Momente zu betrachten. — Wie die
Natur sich in die allgemeinen Elemente auslegt,
worunter die Luft das bleibende rein allgemeine durch-
sichtige Wesen ist, — das Wasser aber das Wesen,
das immer aufgeopfert wird, — das Feuer ihre besee-
lende
Einheit, welche ihren Gegensatz ebenso immer
auflöst als ihre Einfachheit in ihn entzweyt, — die
Erde endlich der feste Knoten dieser Gegliederung und
das Subject dieser Wesen wie ihres Processes, ihr
Ausgehen und ihre Rükkehr ist, — so legt sich in
eben solche allgemeine aber geistige Massen das in-
nere Wesen oder der einfache Geist der selbstbe-
wuſsten Wirklichkeit als eine Welt aus, — in die
erste Masse, das an sich Allgemeine, sich selbstgleiche
geistige Wesen; — in die andere, das fürsichseyende
[440] in sich ungleich gewordene, sich aufopfernde und
hingebende Wesen, und in das dritte, welches als
Selbstbewuſstseyn Subject ist, und die Krafft des
Feuers unmittelbar an ihm selbst hat; — im ersten
Wesen ist es seiner als des Ansichseyns bewuſst; in
dem Zweyten aber hat es das Werden des Fürsich-
seyns
durch die Aufopferung des Allgemeinen. Der
Geist aber selbst ist das an und fürsichseyn des Gan-
zen, das sich in die Substanz als Bleibende, und in
sie als sich Aufopfernde entzweyt, und ebenso sie auch
wieder in seine Einheit zurücknimmt, sowohl als die
ausbrechende sie verzehrende Flamme, wie als die
bleibende Gestalt derselben. — Wir sehen, daſs
diese Wesen dem Gemeinwesen und der Familie der
sittlichen Welt entsprechen, ohne aber den heimischen
Geist zu besitzen, den diese haben; dagegen, wenn
diesem das Schicksal fremde ist, so ist und weiſs
sich hier das Selbstbewuſstseyn als die wirkliche
Macht derselben.


Diese Glieder sind sowohl wie sie zunächst in-
nerhalb des reinen Bewuſstseyns als Gedanken oder
ansichseyende, als auch wie sie im wirklichen Be-
wuſstseyn als gegenständliche Wesen vorgestellt wer-
den, zu betrachten. — In jener Form der Einfach-
heit ist das erste, als das sich selbst gleiche, unmit-
telbare und unwandelbare Wesen aller Bewuſstseyn,
das Gute, — die unabhängige geistige Macht des
Ansich, bey der die Bewegung des fürsichseyenden
Bewuſstseyns nur beyherspielt. Das Andere dagegen
[441] ist das passive geistige Wesen, oder das Allgemeine,
insofern es sich preiſsgibt und die Individuen das
Bewuſstseyn ihrer Einzelnheit sich an ihm nehmen
läſst; es ist das nichtige Wesen, das Schlechte. — Dieses
absolute Aufgelöſstwerden des Wesens ist selbst blei-
bend; wie das erste Wesen, Grundlage, Ausgangs-
punkt und Resultat der Individuen und diese rein
allgemein darin sind, so ist das zweyte dagegen ei-
nerseits das sich aufopfernde Seyn für anderes, anderer-
seits eben darum deren beständige Rückkehr zu sich
selbst als das Einzelne und ihr bleibendes Fürsich-
werden
.


Aber diese einfachen Gedanken des Guten und Schlech-
ten sind ebenso unmittelbar sich entfremdet; sie sind
wirklich und im wirklichen Bewuſstseyn als gegen-
ständliche
Momente. So ist das erste Wesen, die
Staatsmacht, das andere der Reichthum. — Die
Staatsmacht ist, wie die einfache Substanz, so das all-
gemeine Werk; — die absolute Sache selbst, worin
den Individuen ihr Wesen ausgesprochen und ihre
Einzelnheit schlechthin nur Bewuſstseyn ihrer All-
gemeinheit
ist; — sie ist ebenso das Werk und ein-
fache Resultat, aus welchem diſs, daſs es aus ihrem
Thun herkommt, verschwindet; es bleibt die absolute
Grundlage und Bestehen alles ihres Thuns. — Diese
einfache ätherische Substanz ihres Lebens ist durch
diese Bestimmung ihrer unwandelbaren Sichselbst-
gleichheit Seyn, und damit nur Seyn für anderes.
Sie ist also an sich unmittelbar das entgegengesetzte
[442] ihrer selbst, Reichthum. Ob er zwar das passive oder
nichtige ist, ist er ebenfalls allgemeines geistiges We-
sen, ebenso das beständig werdende Resultat der Ar-
beit
und des Thuns Aller, wie es sich wieder in den
Genuſs Aller auflöſst. In dem Genuſse wird die In-
dividualität zwar für sich oder als einzelne, aber die-
ser Genuſs selbst ist Resultat des allgemeinen Thuns;
so wie er gegenseitig die allgemeine Arbeit und den
Genuſs aller hervorbringt. Das Wirkliche hat schlecht-
hin die geistige Bedeutung unmittelbar allgemein zu
seyn. Es meynt wohl in diesem Momente jeder
Einzelne eigennützig zu handeln; denn es ist das Mo-
ment, worin er sich das Bewuſstseyn gibt, für sich
zu seyn, und er nimmt es deswegen nicht für etwas
geistiges; allein auch nur äuſserlich angesehen, zeigt
es sich, daſs in seinem Genuſse jeder Allen zu ge-
niessen gibt, in seiner Arbeit ebenso für Alle arbei-
tet als für sich, und alle für ihn. Sein fürsichseyn
ist daher an sich allgemein und der Eigennutz etwas
n[u]r gemeyntes, das nicht dazu kommen kann, das-
jenige wirklich zu machen, was es meynt, nemlich
etwas zn thun, das nicht Allen zu gut käme.


In diesen beyden geistigen Mächten erkennt also
das Selbstbewuſstseyn seine Substanz, Inhalt und
Zweck; es schaut sein Doppelwesen darin an, in
der einen sein Ansichseyn, in der andern sein Für-
sichseyn
. — Es ist aber zugleich als der Geist, die
negative Einheit ihres Bestehens und der Trennung
der Individualität und des Allgemeinen, oder der
[443] Wirklichkeit und des Selbsts. Herrschafft und
Reichthum sind daher für das Individuum als Ge-
genstände vorhanden, d. h. als solche, von denen es
sich frey weiſs und zwischen ihnen und selbst kei-
nes von beyden wählen zu können meynt. Es tritt
als dieses freye und reine Bewuſstseyn dem Wesen
als einem solchen gegen über, das nur für es ist. Es
hat alsdenn das Wesen als Wesen in sich. — In die-
sem remen Bewuſstseyn sind ihm die Momente der
Substanz nicht Staatsmacht und Reichthum, sondern
die Gedanken von Gut und Schlecht. — Das Selbst-
bewuſstseyn ist aber ferner die Beziehung seines rei-
nen Bewuſstseyns auf sein wirkliches, des Gedach-
ten auf das gegenstandliche Wesen, es ist wesentlich
das Urtheil. — Es hat sich zwar schon für die bey-
den Seiten des wirklichen Wesens durch ihre unmit-
telbaren Bestimmungen ergeben, welche das Gute,
und welche das Schlechte sey; jenes die Staatsmacht,
diſs der Reichthum. Allein diſs erste Urtheil kann
nicht als ein geistiges Urtheil angesehen werden;
denn in ihm ist die eine Seite nur als das ansich-
seyende oder positive, die andre nur als das fürsich-
seyende und negative bestimmt worden. Aber sie
sind als geistige Wesen, jedes die Durchdringung
beyder Momente, also in jenen Bestimmungen nicht
erschöpft; und das Selbstbewuſstseyn, das sich auf
sie bezieht, ist an und für sich; es muſs daher sich
auf jedes auf die gedoppelte Weise beziehen, wo-
durch sich ihre Natur, sich selbst entfremdete Be-
stimmungen zu seyn, herauskehren wird.


[444]

Dem Selbstbewuſstseyn ist nun derjenige Gegenstand
gut und an sich, worin es sich selbst, derjenige aber
schlecht, worin es das Gegentheil seiner findet;
das Gute ist die Gleichheit der gegenständlichen
Realität mit ihm; das Schlechte aber ihre Ungleichheit.
Zugleich was für es gut und schlecht ist, ist an sich
gut und schlecht, denn es ist eben dasjenige, worin
diese beyden Momente des an sich und des für es seyn
dasselbe sind; es ist der wirkliche Geist der gegen-
ständlichen Wesen, und das Urtheil der Erweis sei-
ner Macht an ihnen, die sie zu dem macht, was sie
an sich sind. Nicht diſs, wie sie unmittelbar an sich
selbst das Gleiche oder Ungleiche d. h. das abstracte
Ansich oder Fürsichseyn sind, ist ihr Kriterium und
ihre Wahrheit, sondern was sie in der Beziehung
des Geistes auf sie sind; ihre Gleichheit oder Un-
gleichheit mit ihm. Seine Beziehung auf sie, die zu-
erst als Gegenstände gesetzt, durch ihn zum Ansich
werden, wird zugleich ihre Reflexion in sich selbst,
durch welche sie wirkliches geistiges Seyn erhalten,
und was ihr Geist ist, hervortritt. Aber wie ihre
erste unmittelbare Bestimmung sich von der Beziehung
des Geistes auf sie unterscheidet, so wird auch das
dritte, der eigne Geist derselben, sich von dem zwey-
ten unterscheiden. — Das zweyte Ansich derselben
zunächst, das durch die Beziehung des Geistes auf
sie hervortritt, muſs schon anders ausfallen als das
unmittelbare; denn diese Vermittlung des Geistes be-
wegt vielmehr die unmittelbare Bestimmtheit, und
macht sie zu etwas Anderem.


[445]

Hiernach findet nun das an und fürsichseyende
Bewuſstseyn in der Staatsmacht wohl sein einfaches
Wesen
und Bestehen überhaupt, allein nicht seine
Individualität als solche, wohl sein Ansich, nicht
sein Fürsichseyn, es findet darin vielmehr das Thun
als einzelnes Thun verleugnet und zum Gehorsam
unterjocht. Das Individuum reflectirt sich also
vor dieser Macht in sich selbst; sie ist ihm das un-
terdrückende Wesen, und das Schlechte; denn statt
das Gleiche zu seyn, ist sie das der Individualität
schlechthin Ungleiche. — Hingegen der Reichthum
ist das Gute; er geht auf allgemeinen Genuſs, gibt
sich preiſs, und verschafft allen das Bewuſstseyn ih-
res Selbsts. Er ist ansich allgemeines Wohlthun;
wenn er irgend eine Wohlthat versagt, und nicht
jedem Bedürfnisse gefällig ist, so ist diſs eine Zu-
fälligkeit, welche seinem allgemeinen nothwendigen
Wesen, sich allen Einzelnen mitzutheilen und tau-
sendhändiger Geber zu seyn, keinen Eintrag thut.


Diese beyden Urtheile geben den Gedanken von
Gut und Schlecht einen Inhalt, welcher das Ge-
gentheil von dem ist, den sie für uns hatten. —
Das Selbstbewuſstseyn hat sich aber nur erst un-
vollständig auf seine Gegenstände bezogen, nemlich
nur nach dem Maſsstabe des für sich seyns. Aber
das Bewuſstseyn ist ebenso ansichseyendes Wesen,
und muſs diese Seite gleichfalls zum Maſsstabe ma-
chen, wodurch sich erst das geistige Urtheil vol-
lendet. Nach dieser Seite spricht ihm die Staats-
[446]macht sein Wesen aus; sie ist theils ruhendes Gesetz,
theils Regierung und Befehl, welcher die einzelnen
Bewegungen des allgemeinen Thuns anordnet; das
eine die einfache Substanz selbst, das andere ihr
sich selbst und Alle belebendes und erhaltendes Thun.
Das Individuum findet also darin seinen Grund und
Wesen ausgedrückt, organisirt und bethätigt. —
Hingegen durch den Genuſs des Reichthums erfährt
es nicht sein allgemeines Wesen, sondern erhält nur
das vergängliche Bewuſstseyn und den Genuſs seiner
selbst als einer fürsichseyenden Einzelnheit, und der
Ungleichheit mit seinem Wesen. — Die Begriffe von
Gut und Schlecht erhalten also hier den entgegen-
gesetzten Inhalt gegen den vorherigen.


Diese beyden Weisen des Urtheilens finden jede
eine Gleichheit und eine Ungleichheit; das erste
urtheilende Bewuſstseyn findet die Staatsmacht un-
gleich
, den Genuſs des Reichthums gleich mit ihm;
das zweyte hingegen die erstere gleich, und den
letztern ungleich mit ihm. Es ist ein zweyfaches
gleichfinden, und ein zweyfaches ungleichfinden, eine
entgegengesetzte Beziehung auf die beyden realen
Wesenheiten vorhanden. — Wir müssen dieses
verschiedene Urtheilen selbst beurtheilen, wozu wir
den aufgestellten Maſsstab anzulegen haben. Die
gleichfindende Beziehung des Bewuſstseyns ist hienach
das Gute, die ungleichfindende das Schlechte; und
diese beyden Weisen der Beziehung sind nunmehr
selbst als verschiedene Gestalten des Bewuſstseyns fest-
[447] zuhalten. Das Bewuſstseyn kommt dadurch, daſs es
sich auf verschiedene Weise verhält, selbst unter
die Bestimmung der Verschiedenheit gut oder schlecht
zu seyn, nicht darnach, daſs es entweder das für sich
seyn
oder das reine Ansichseyn zum Princip hätte,
denn beyde sind gleich wesentliche Momente; das
gedoppelte Urtheilen, das betrachtet wurde, stellte
die Principien getrennt vor, und enthält daher nur
abstracte Weisen des Urtheilens. Das wirkliche Be-
wuſstseyn hat beyde Principien an ihm und der Un-
terschied fällt allein in sein Wesen, nemlich in die
Beziehung seiner selbst auf das reale.


Die Weise dieser Beziehung ist die entgegen-
gesetzte, die eine ist Verhalten zu Staatsmacht und
Reichthum als zu einem Gleichen, das andere als zu
einem Ungleichen. — Das Bewuſstseyn der gleichfin-
denden Beziehung ist das edelmüthige. In der öffent-
lichen Macht betrachtet es das mit ihm Gleiche,
daſs es in ihr sein einfaches Wesen und dessen Be-
thätigung hat, und im Dienste des wirklichen Ge-
horsams, wie der innern Achtung gegen es steht
Ebenso in dem Reichthume, daſs er ihm das Be-
wuſstseyn seiner andern wesentlichen Seite, des Für-
sichseyns
, verschafft; daher es ihn ebenfalls als Wesen
in Beziehung auf sich betrachtet, und denjenigen,
von welchem es genieſst, als Wohlthäter anerkennt
und sich zum Danke verpflichtet hält.


Das Bewuſstseyn der andern Beziehung dage-
gen ist das niederträchtige, das die Ungleichheit mit
[448] den beyden Wesenheiten festhält; in der Herrscher-
gewalt also eine Fesel und Unterdrückung des Für-
sichseyns
sieht, und daher den Herrscher haſst, nur
mit Heimtücke gehorcht, und immer auf dem Sprunge
zum Aufruhr steht, — im Reichthum, durch den
es zum Genuſse seines Fürsichseyns gelangt, ebenso
nur die Ungleichheit, nemlich mit dem bleibenden
Wesen betrachtet; indem es durch ihn nur zum Be-
wuſstseyn der Einzelnheit und des vergänglichen
Genusses kommt, ihn liebt aber verachtet, und mit
dem Verschwinden des Genusses, des an sich ver-
schwindenden, auch sein Verhältniſs zu dem Rei-
chen für verschwunden ansieht.


Diese Beziehungen drücken nun erst das Ur-
theil
aus, die Bestimmung dessen, was die beyden
Wesen als Gegenstände für das Bewuſstseyn sind,
noch nicht an und für sich. Die Reflexion, die im
Urtheil vorgestellt ist, ist theils erst für uns ein
Setzen der einen so wie der andern Bestimmung und
daher ein gleiches Aufheben beyder, noch nicht die
Reflexion derselben für das Bewuſstseyn selbst. Theils
sind sie erst unmittelbar Wesen, weder diſs gewor-
den
, noch an ihnen Selbstbewuſstseyn; dasjenige,
für welches sie sind, ist noch nicht ihre Belebung;
sie sind Prädicate, die noch nicht selbst Subject sind.
Um dieser Trennung willen fällt auch das Ganze des
geistigen Urtheilens noch an zwey Bewuſstseyn aus-
einander, deren jedes unter einer einseitigen Be-
stimmung liegt. — Wie sich nun zuerst die Gleich-
[449]gültigkeit der beyden Seiten der Entfremdung — der
einen, des Ansich des reinen Bewuſstseyns nemlich
der beſtimmten Gedanken von Gut und Schlecht —
der andern ihres Daseyns als Staatsmacht und Reich-
thum, zur Beziehung beyder, zum Urtheil erhob;
so hat sich diese äuſsere Beziehung zur innern Ein-
heit, oder als Beziehung des Denkens zur Wirk-
lichkeit zu erheben, und der Geist der beyden Ge-
stalten des Urtheils hervorzutreten. Diſs geſchieht,
indem das Urtheil zum Schluſſe wird, zur vermitteln-
den Bewegung, worin die Nothwendigkeit und Mitte
der beyden Seiten des Urtheils hervortritt.


Das edelmüthige Bewuſstseyn findet also im Urtheil
sich so der Staatsmacht gegenüber, daſs sie zwar noch
nicht ein Selbst, sondern erst die allgemeine Substanz,
deren es aber als seines Wesens, als des Zwecks und
abſoluten Inhalts sich bewuſst ist. Sich so positiv
auf sie beziehend, verhält es sich negativ gegen seine
eignen Zwecke, seinen besondern Inhalt und Daseyn,
und läſst sie verschwinden. Es ist der Heroismus
des Dienstes, — die Tugend, welche das einzelne
Seyn dem Allgemeinen aufopfert, und diſs dadurch
ins Daſeyn bringt, — die Person, welche dem Be-
sitze und Genuſse von selbſt entſagt, und für die
vorhandene Macht handelt und wirklich ist.


Durch diese Bewegung wird das Allgemeine mit
dem Daseyn überhaupt zuſammengeſchloſsen, wie
das daſeyende Bewuſstseyn durch dieſe Entäuſserung
sich zur Weſentlichkeit bildet. Weſſen dieſes im
F f
[450] Dienſte sich entfremdet, ist sein in das Daſeyn ver-
ſenkte Bewuſstseyn; das sich entfremdete Seyn ist
aber das Ansich; es bekommt alſo durch dieſe Bil-
dung Achtung vor sich selbſt und bey den Andern.
— Die Staatsmacht aber, die nur erſt das gedachte
Allgemeine, das Ansich war, wird durch eben diese
Bewegung zum seyenden Allgemeinen, zur wirkli-
chen Macht. Sie ist dieſe nur in dem wirklichen
Gehorſam, welchen sie durch das Urtheil des Selbst-
bewuſstseyns, daſs sie das Wesen ist, und durch die
freye Aufopferung deſſelben erlangt. Dieſes Thun,
das das Weſen mit dem Selbst zuſammenſchlieſst,
bringt die gedoppelte Wirklichkeit hervor, sich als
das, welches wahre Wirklichkeit hat, und die Staats-
macht als das Wahre, welches gilt.


Dieſe ist aber durch dieſe Entfremdung noch
nicht ein sich als Staatsmacht wiſſendes Selbstbe-
wuſstseyn; es ist nur ihr Gesetz, oder ihr Ansich,
das gilt; sie hat noch keinen besondern Willen; denn
noch hat das dienende Selbstbewuſstseyn nicht sein
reines Selbſt entäuſsert und die Staatsmacht damit
begeiſtet, sondern erſt mit seinem Seyn; ihr nur
sein Daseyn aufgeopfert, nicht sein Ansichseyn. —
Diſs Selbstbewuſstseyn gilt als ein solches, das dem
Wesen gemäſs ist, es ist anerkannt um seines An-
sichseyns
willen. Die andern finden in ihm ihr We-
sen
bethätigt, nicht aber ihr Fürsichseyn, — ihr Den-
ken oder reines Bewuſstseyn erfüllt, nicht ihre In-
dividualität. Es gilt daher in ihren Gedanken, und
[451] genieſst der Ehre. Es ist der stolze Vasall, der für
die Staatsmacht thätig ist, insofern sie nicht eigner
Willen, sondern wesentlicher ist, und der sich nur
in dieser Ehre gilt, nur in dem wesentlichen Vorſtel-
len der allgemeinen Meynung, nicht in dem dank-
baren
der Individualität, denn dieſer hat er nicht zu
ihrem Fürstchseyn verholffen. Seine Sprache, wenn
es sich zum eignen Willen der Staatsmacht verhiel-
te, der noch nicht geworden ist, wäre der Rath,
den er zum allgemeinen Beſten ertheilt.


Die Staatsmacht ist daher noch willenlos gegen
den Rath, und nicht entſcheidend zwiſchen den ver-
ſchiedenen Meynungen über das allgemeine Beſte.
Sie ist noch nicht Regierung, und somit noch nicht
in Wahrheit wirkliche Staatsmacht. — Das Fürsich-
seyn
, der Willen, der als Willen noch nicht aufge-
opfert ist, ist der innre abgeschiedne Geist der Stände,
der ſeinem Sprechen vom allgemeinen Besten gegen-
über sich sein besondres Bestes vorbehält, und diſs
Geſchwätze vom allgemeinen Beſten zu einem Sur-
rogate für das Handeln zu machen geneigt ist. Die
Aufopferung des Daseyns, die im Dienſte geschieht,
ist zwar vollſtändig, wenn sie bis zum Tode fortge-
gangen ist; aber die beſtandne Gefahr des Todes
selbſt, der überlebt wird, läſst ein beſtimmtes Da-
seyn, und damit ein besonderes Fürsich übrig, wel-
ches den Rath fürs allgemeine Beſste zweydeutig und
verdächtig macht, und sich in der That die eigne
Meynung und den besondern Willen gegen die
F f 2
[452] Staatsgewalt vorbehält. Es verhält sich daher noch
ungleich gegen dieselbe, und fällt unter die Bestim-
mung des niederträchtigen Bewuſstseyns, immer auf
dem Sprunge zur Empörung zu stehen.


Dieſer Widerſpruch, den es aufzuheben hat,
enthält in dieſer Form, in der Ungleichheit des Für-
sichseyns
gegen die Allgemeinheit der Staatsmacht zu
ſtehen, zugleich die Form, daſs jene Entäuſserung
des Daseyns, indem sie sich, im Tode nemlich,
vollendet, selbſt eine seyende, nicht eine ins Be-
wuſstseyn zurückkehrende ist, — daſs dieſes sie nicht
überlebt, und an und für sich ist, sondern nur ins
unverſöhnte Gegentheil übergeht. Die wahre Auf-
opferung des Fürsichseyns ist daher allein die, worin
es sich so vollkommen als im Tode hingibt, aber in
dieser Entäuſserung sich ebensosehr erhält; es wird
dadurch als das wirklich, was es an sich ist, als die
identische Einheit seiner selbſt und seiner als des
Entgegengesetzten. Dadurch daſs der abgeſchiedne
innre Geiſt, das Selbſt als solches, hervortritt und
sich entfremdet, wird zugleich die Staatsmacht zu
eignem Selbst erhoben; so wie ohne dieſe Entfrem-
dung die Handlungen der Ehre, des edeln Bewuſst-
seyns und die Rathschläge seiner Einsicht das Zwey-
deutige bleiben würden, das noch jenen abgeſchied-
nen Hinterhalt der beſondern Absicht und des Ei-
genwillens hätte.


Diese Entfremdung aber geschieht allein in der
Sprache, welche hier in ihrer eigenthümlichen Be-
[453] deutung auftritt. — In der Welt der Sittlichkeit,
Gesetz und Befehl, — in der Welt der Wirklichkeit,
erst Rath, hat sie das Wesen zum Inhalte, und ist
deſſen Form; hier aber erhält sie die Form, welche
sie ist, selbst zum Inhalte, und gilt als Sprache; es
ist die Krafft des Sprechens, als eines solchen, wel-
che das ausführt, was auszuführen ist. Denn sie ist
das Daseyn des reinen Selbsts, als Selbsts; in ihr tritt
die für sichseyende Einzelnheit des Selbstbewuſstseyns
als solche in die Existenz, so daſs sie für andre ist.
Ich als dieses reine Ich ist sonſt nicht da; in jeder
andern Aeuſserung ist es in eine Wirklichkeit ver-
ſenkt, und in einer Geſtalt, aus welcher es sich zu-
rückziehen kann; es ist aus seiner Handlung, wie
aus seinem physiognomischen Ausdrucke in sich re-
flectirt, und läſst solches unvollſtändiges Daseyn,
worin immer ebensosehr zu viel als zu wenig ist,
entseelt liegen. Die Sprache aber enthält es in sei-
ner Reinheit, sie allein spricht Ich aus, es selbſt.
Diſs sein Daseyn ist als Daseyn eine Gegenſtändlich-
keit, welche seine wahre Natur an ihr hat. Ich ist
dieses Ich — aber ebenso allgemeines; sein Erschei-
nen ist ebenso unmittelbar die Entäuſserung und das
Verschwinden dieses Ichs, und dadurch sein Bleiben
in seiner Allgemeinheit. Ich, das sich ausspricht,
ist vernommen; es ist eine Anſteckung, worin es un-
mittelbar in die Einheit mit denen, für welche es
da ist, übergegangen und allgemeines Selbstbewuſst-
seyn ist. — Daſs es vernommen wird, darin ist sein
[454]Daseyn selbſt unmittelbar verhallt; diſs sein Anders-
seyn ist in sich zurückgenommen; und eben diſs
ist sein Daseyn, als selbſtbewuſstes Jetzt, wie es da
ist, nicht da zu seyn, und durch diſs Verschwinden
da zu seyn. Diſs Verſchwinden ist also selbst un-
mittelbar sein Bleiben; es ist sein eignes Wissen
von sich, und sein Wissen von sich als einem, das
in anderes Selbst übergegangen, das vernommen
worden und allgemeines ist.


Der Geist erhält hier dieſe Wirklichkeit, weil
die Extreme, deren Einheit er ist, ebenso unmittel-
bar die Beſtimmung haben, für sich eigne Wirklich-
keiten zu seyn. Ihre Einheit ist zerſetzt in sprö-
de Seiten, deren jede für die andre wirklicher von
ihr ausgeſchloſſener Gegenſtand ist. Die Einheit tritt
daher als eine Mitte hervor, welche von der abge-
schiedenen Wirklichkeit der Seiten ausgeſchloſſen
und unterschieden wird; sie hat daher selbſt eine
wirkliche von ihren Seiten unterschiedne Gegen-
ſtändlichkeit, und ist für sie, d. h. sie ist daseyendes.
Die geistige Substanz tritt als solche in die Exiſtenz,
erst indem sie zu ihren Seiten solche Selbstbewuſst-
seyn gewonnen hat, welche dieſes reine Selbst als
unmittelbar geltende Wirklichkeit wiſſen, und darin
ebenso unmittelbar wiſſen, diſs nur durch die ent-
fremdende Vermittlung zu seyn. Durch jenes sind
die Momente zu der sich selbſt wiſſenden Kategorie
und damit bis dahin geläutert, daſs sie Momente des
Geiſtes sind; durch dieſes tritt er als Geiſtigkeit in
[455] das Daseyn. — Er ist so die Mitte, welche jene
Extreme vorausſetzt, und durch ihr Daseyn erzeugt
wird, — aber ebenſo das zwiſchen ihnen hervor-
brechende geistige Ganze, das sich in sie entzweyt
und jedes erſt durch dieſe Berührung zum Ganzen
in seinem Principe erzeugt. — Daſs die beyden Ex-
treme schon an sich aufgehoben und zerſetzt sind,
bringt ihre Einheit hervor, und dieſe ist die Be-
wegung, welche beyde zuſammenſchlieſst, ihre Be-
ſtimmungen austauſcht, und sie, und zwar in jedem
Extreme
zuſammenſchlieſst. Dieſe Vermittlung ſetzt
hiemit den Begriff eines jeden der beyden Extreme
in seine Wirklichkeit, oder sie macht das, was je-
des an sich ist, zu seinem Geiste.


Die beyden Extreme, die Staatsmacht und das
edelmüthige Bewuſstseyn, sind durch dieſes zerſetzt,
jene in das abſtracte Allgemeine, dem gehorcht
wird, und in den fürsichſeyenden Willen, welcher
ihm aber noch nicht selbst zukömmt; — dieſes in
den Gehorsam des aufgehobnen Daſeyns oder in das
Ansichseyn der Selbſtachtung und der Ehre, — und
in das noch nicht aufgehobene reine Fürsichſeyn,
den im Hinterhalte noch bleibenden Willen. Die
beyden Momente, zu welchen beyden Seiten gerei-
nigt, und die daher Momente der Sprache sind, sind
das abstracte Allgemeine, welches das allgemeine
Beſte heiſst, und in das reine Selbst, das im Dienſte
seinem ins vielfache Daſeyn verſenkten Bewuſstseyn
abſagte. Beyde sind im Begriffe daſſelbe, denn reines
[456] Selbſt ist eben das abſtract allgemeine, und daher
ist ihre Einheit als ihre Mitte geſetzt. Aber das
Selbst ist nur erst am Extreme des Bewuſstseyns
wirklich, — das Ansich aber erst am Extreme der
Staatsmacht; dem Bewuſstseyn fehlt diſs, daſs die
Staatsmacht nicht nur als Ehre, sondern wirklich
an es übergegangen wäre, — der Staatsmacht, daſs
ihr nicht nur als dem sogenannten allgemeinen Bes-
ten
gehorcht würde, sondern als Willen, oder daſs
sie das entscheidende Selbst ist. Die Einheit des
Begriffes, in welchem die Staatsmacht noch steht,
und zu dem das Bewuſstseyn sich geläutert hat,
wird in dieſer vermittelnden Bewegung wirklich, deren
einfaches Daſeyn, als Mitte, die Sprache ist. — Sie
hat jedoch zu ihren Seiten noch nicht zwey als
Selbst vorhandene Selbst; denn die Staatsmacht wird
erst zum Selbst begeiſtet; dieſe Sprache ist daher
noch nicht der Geist, wie er sich vollkommen
weiſs und ausſpricht.


Das edelmüthige Bewuſstseyn, weil es das Ex-
trem des Selbsts ist, erſcheint als dasjenige, von
dem die Sprache ausgeht, durch welche sich die Sei-
ten des Verhältniſſes zu beſeelten Ganzen geſtalten. —
Der Heroismus des stummen Dienſtes wird zum
Heroismus der Schmeicheley. Dieſe ſprechende Re-
flexion des Dienſtes macht die geiſtige sich zerſetzende
Mitte aus, und reflectirt nicht nur ihr eigenes Ex-
trem in sich ſelbſt, sondern auch das Extrem der
allgemeinen Gewalt in dieſes ſelbſt zurück, und macht
[457] sie, die erſt an sich ist, zum fürsichseyn und zur
Einzelnheit des Selbstbewuſstseyns. Es wird hie-
durch der Geiſt dieſer Macht, — ein unumschränk-
ter Monarch
zu seyn; — unumschränkt, die Sprache
der Schmeicheley erhebt die Macht in ihre geläuterte
Allgemeinheit; — das Moment als Erzeugniſs der
Sprache, des zum Geiſte geläuterten Daſeyns, ist eine
gereinigte Sichselbſtgleichheit; — Monarch, sie erhebt
ebenso die Einzelnheit auf ihrer Spitze; dasjenige,
dessen das edelmüthige Bewuſstseyn sich nach dieſer
Seite der einfachen geiſtigen Einheit entäuſſert, ist
das reine Ansich seines Denkens, sein Ich ſelbſt. Be-
ſtimmter erhebt sie die Einzelnheit, die ſonſt nur
ein Gemeyntes iſt, dadurch in ihre daſeyende Rein-
heit, daſs sie dem Monarchen den eignen Nahmen
gibt; denn es ist allein der Nahme, worin der
Unterschied des Einzelnen von allen andern nicht
gemeynt ist, sondern von allen wirklich gemacht
wird; in dem Nahmen gilt der Einzelne als rein
Einzelner nicht mehr nur in seinem Bewuſst-
seyn, sondern im Bewuſstseyn Aller. Durch ihn
alſo wird der Monarch ſchlechthin von Allen abge-
sondert, ausgenommen und einſam; in ihm ist er
das Atom, das von seinem Wesen nichts mittheilen
kann und nicht ſeines Gleichen hat. — Dieſer Nah-
me ist hiemit die Reflexion in sich oder die Wirk-
lichkeit
, welche die allgemeine Macht an ihr selbst
hat; durch ihn ist sie der Monarch. Er, dieser Ein-
zelne
, weiſs umgekehrt dadurch sich diesen Einzelnen
[458] als die allgemeine Macht, daſs die Edeln, nicht nur
als zum Dienſt der Staatsmacht bereit, sondern als
Zierrathen sich um den Thron ſtellen, und daſs sie
dem, der darauf sitzt, es immer sagen, was er ist.


Die Sprache ihres Preiſses ist auf diese Weiſe
der Geiſt, der in der Staatsmacht selbst die beyden
Extreme zuſammenschlieſst; sie reflectirt die ab-
ſtracte Macht in sich und gibt ihr das Moment des
andern Extrems, das wollende und entſcheidende
fürsichseyn, und hiedurch selbſtbewuſste Exiſtenz;
oder dadurch kommt diſs einzelne wirkliche Selbstbe-
wuſstseyn dazu, sich als die Macht gewiſs zu wis-
sen
. Sie ist der Punkt der Selbsts, in den durch die
Entäuſserung der innern Gewiſsheit die vielen Punk-
te zusammengefloſſen sind. — Indem aber dieser
eigne Geiſt der Staatsmacht darin beſteht, seine
Wirklichkeit und Nahrung an dem Opfer des Thuns
und des Denkens des edelmüthigen Bewuſstseyns zu
haben, ist sie die sich entfremdete Selbstſtändigkeit;
das edelmüthige Bewuſstseyn, das Extrem des für-
sichseyns
erhält das Extrem der wirklichen Allge-
meinheit
für die Allgemeinheit des Denkens, der es
sich entäuſſerte, zurück; die Macht des Staats ist
auf es übergegangen. An ihm wird die Staatsgewalt
erſt wahrhaft bethätigt; in seinem Fürsichseyn hört
sie auf, das träge Wesen, wie sie als Extrem des ab-
stracten Ansichseyns erschien, zu seyn. — An sich
betrachtet heiſst die in sich reflectirte Staatsmacht,
oder diſs, daſs sie Geiſt geworden, nichts anderes,
[459] als daſs sie Moment des Selbstbewuſstseyns geworden,
d. h. nur als aufgehobne ist. Hiemit ist sie nun das
Wesen als ein solches, dessen Geist es ist, aufge-
opfert und preiſsgegeben zu seyn, oder sie existirt
als Reichthum. — Sie bleibt zwar dem Reichthume,
zu welchem sie dem Begriffe nach immer wird, ge-
genüber zugleich als eine Wirklichkeit bestehen;
aber eine solche, deren Begriff eben diese Bewegung
ist, durch den Dienſt und die Verehrung, wodurch
sie wird, in ihr Gegentheil, in die Entäuſſerung der
Macht, überzugehen. Für sich wird also das eigen-
thümliche Selbst, das ihr Willen ist, durch die
Wegwerfung des edelmüthigen Bewuſstseyns, zur sich
entäuſſernden Allgemeinheit, zu einer vollkommnen
Einzelnheit und Zufälligkeit, die jedem mächtigern
Willen preiſsgegeben ist; was ihm an allgemein
anerkannter und nicht mittheilb[arer] Selbstständigkeit
bleibt, ist der leere Nahmen.


Wenn also das edelmüthige Bewuſstseyn sich
als dasjenige beſtimmte, welches sich auf die allge-
meine Macht auf eine gleiche Weise bezöge, so ist
die Wahrheit deſſelben vielmehr, in seinem Dienſte
sein eignes Fürsichseyn sich zu behalten, in der ei-
gentlichen Entſagung seiner Persönlichkeit aber das
wirkliche Aufheben und Zerreiſſen der allgemeinen
Subſtanz zu seyn. Sein Geiſt ist das Verhältniſs der
völligen Ungleichheit, einerseits in seiner Ehre sei-
nen Willen zu behalten; andererseits in dem Auf-
geben deſſelben theils seines Innern sich zu ent-
[460] fremden, und zur höchſten Ungleichheit mit sie
selbſt zu werden, theils die allgemeine Subſtanz dar-
in sich zu unterwerfen und diese sich selbſt völlig
ungleich zu machen. — Es erhellt, daſs damit seine
Beſtimmtheit, die es im Urtheile gegen das hatte,
welches niederträchtiges Bewuſstseyn hieſs, und hie-
durch auch dieſes verschwunden ist. Das letztere
hat seinen Zweck erreicht, nemlich die allgemeine
Macht unter das Fürsichseyn zu bringen.


So durch die allgemeine Macht bereichert, exi-
ſtirt das Selbstbewuſstseyn als die allgemeine Wohl-
that
, oder sie ist der Reichthum, der sell[b]ſt wieder
Gegenſtand für das Bewuſstseyn ist. Denn er ist
dieſem das zwar unterworfne Allgemeine, das aber
durch diſs erſte Aufheben, noch nicht abſolut in das
Selbſt zurückgegangen ist. — Das Selbst hat noch
nicht sich als Selbst, sondern das aufgehobne allge-
meine Wesen
zum Gegenſtande. Indem dieſer erſt
geworden, ist die unmittelbare Beziehung des Be-
wuſstseyns auf ihn geſetzt das also noch nicht seine
Ungleichheit mit ihm dargeſtellt hat; es ist das
edelmüthige Bewuſstseyn, welches an dem unwe-
ſentlich gewordenen Allgemeinen sein Fürsichseyn
erhält, daher ih[n] anerkennt und gegen den Wohl-
thäter dankbar ist.


Der Reichthum hat an ihm selbst schon das
Moment des Fürsichseyns. Er ist nicht das selbst-
lose Allgemeine der Staatsmacht, oder die unbefan-
gene unorganische Natur des Geistes, sondern sie,
[461] wie sie durch den Willen an ihr selbst feſthält ge-
gen den, der sich ihrer zum Genuſs bemächtigen
will. Aber indem der Reichthum nur die Form
des Wesens hat, ist diſs einseitige Fürsichseyn, das
nicht an sich, sondern vielmehr das aufgehobne An-
sich ist, die in seinem Genuſse wesenlose Rück-
kehr des Individuums in sich selbſt. Er bedarf al-
so selbst der Belebung; und die Bewegung seiner
Reflexion beſteht darin, daſs er, der nur für sich
ist, zum An und Fürsichseyn, daſs er, der das auf-
gehobene Wesen ist, zum Wesen werde; so erhält
er seinen eigenen Geiſt an ihm selbst. — Da vorhin
die Form dieſer Bewegung auseinandergeſetzt wor-
den, so ist es hinreichend, hier den Inhalt derſel-
ben zu beſtimmen.


Das edelmüthige Bewuſstseyn bezieht sich also
hier nicht auf den Gegenſtand als Wesen überhaupt,
sondern es ist das Fürsichseyn selbſt, das ihm ein
Fremdes ist; es findet sein Selbſt als solches ent-
fremdet vor, als eine gegenſtändliche feſte Wirklich-
keit, die es von einem andern feſten Fürsichseyn
zu empfangen hat. Sein Gegenſtand ist das Fürsich-
seyn; also das seinige; aber dadurch, daſs es Ge-
genſtand ist, ist es zugleich unmittelbar eine fremde
Wirklichkeit, welche eigenes Fürsichseyn, eigner
Willen ist, das heiſst, es sieht sein Selbst in der
Gewalt eines fremden Willens, von dem es ab,
hängt, ob er ihm daſſelbe ablaſſen will.


[462]

Von jeder einzelnen Seite kann das Selbstbe-
wuſstseyn abſtrahiren, und behält darum in einer
Verbindlichkeit, die eine ſolche betrifft, sein An-
erkanntseyn und Ansichgelten als für sich seyenden
Weſens. Hier aber sieht es sich von der Seite sei-
ner reinen eigenſten Wirklichkeit, oder seines Ichs
auſſer sich und einem Andern angehörig, sieht seine
Persönlichkeit als solche abhängig von der zufälligen
Perſönlichkeit eines andern, von dem Zufall eines
Augenbliks, einer Willkühr oder ſonſt des gleich-
gültigſten Umſtandes. — Im Rechtszuſtande erscheint,
was in der Gewalt des gegenſtändlichen Wesens
ist, als ein zufalliger Inhalt, von dem abſtrahirt wer-
den kann, und die Gewalt betrifft nicht das Selbst
als solches, sondern dieſes ist vielmehr anerkannt.
Allein hier sieht es die Gewiſsheit seiner als solche
das weſenloseſte, die reine Persönlichkeit abſolute
Unpersönlichkeit zu seyn. Der Geiſt seines Dankes
ist daher das Gefühl wie dieſer tiefſten Verworfen-
heit so auch der tiefſten Empörung. Indem das
reine Ich selbſt sich auſſer sich und zerriſſen an-
schaut, ist in dieser Zerriſſenheit zugleich alles, was
Continuität und Allgemeinheit hat, was Gesetz, gut
und recht heiſst, auseinander und zu Grunde gegan-
gen; alles gleiche ist aufgelöſt, denn die reinste Un-
gleichheit
, die absolute Unwesentlichkeit des absolut
weſentlichen, das auſſer sich seyn des Fürsichseyns
ist vorhanden; das reine Ich selbſt ist absolut zer-
setzt.


[463]

Wenn alſo von dem Reichthum diſs Bewuſst-
seyn wohl die Gegenſtändlichkeit des Fürsichseyns
zurückerhält und sie aufhebt, so ist es nicht nur
seinem Begriffe nach; wie die vorhergehende Re-
flexion nicht vollendet, sondern für es selbſt unbe-
friedigt; die Reflexion, da das Selbſt sich als ein
gegenſtändliches empfängt, ist der unmittelbare Wi-
derspruch im reinen Ich selbſt gesetzt. Als Selbſt
ſteht es aber zugleich unmittelbar über dieſem Wi-
derspruche, ist die absolute Elaſticität, welche diſs
äufgehoben seyn des Selbſts wieder aufhebt, diese
Verworfenheit, daſs ihm sein fürsichseyn als ein
fremdes werde, verwirft, und gegen diſs Empfangen
seiner selbſt empört, im Empfangen selbſt für sich iſt.


Indem also das Verhältniſs dieses Bewuſstseyns
mit dieser absoluten Zerriſſenheit verknüpft ist,
fällt in seinem Geiſte der Unterschied deſſelben, als
edelmüthiges gegen das niederträchtige beſtimmt zu
seyn, hinweg, und beyde sind daſſelbe. — Der Geiſt
des wohlthuenden Reichthums kann ferner von dem
Geiſte des die Wohlthat empfangenden Bewuſstseyns
unterschieden werden, und ist besonders zu betrach-
ten. — Er war das wesenlose Fürsichseyn, das preiſs-
gegebne Wesen. Durch seine Mittheilung aber wird
er zum Ansich; indem er seine Beſtimmung erfüllte,
sich aufzuopfern, hebt er die Einzelnheit, für sich
nur zu genieſſen, auf, und als aufgehobne Einzeln-
heit ist er Allgemeinheit oder Wesen. — Was er mit-
theilt, was er Andern gibt, ist das Fürsichseyn. Er
[464] gibt sich aber nicht hin als eine selbstlose Natur,
als die unbefangen sich preiſsgebende Bedingung des
Lebens, sondern als selbſtbewuſstes, sich für sich
haltendes Wesen: er ist nicht die unorganische
Macht des Elements, welche von dem empfangen-
den Bewuſstseyn als an sich vergänglich gewuſst
wird, sondern die Macht über das Selbſt, die sich unab-
hängig
und willkührlich weiſs, und die zugleich weiſs,
daſs was sie ausſpendet, das Selbſt eines Andern
ist. — Der Reichthum theilt also mit dem Klienten
die Verworfenheit, aber an die Stelle der Empö-
rung tritt der Uebermuth. Denn er weiſs nach der
einen Seite, wie der Klient, das Fürsichseyn als ein
zufälliges Ding; aber er selbſt ist diese Zufälligkeit,
in deren Gewalt die Persönlichkeit steht. In diesem
Uebermuthe, der durch eine Mahlzeit ein fremdes
Ichselbſt erhalten, und sich dadurch die Unterwer-
fung von deſſen innerſtem Wesen erworben zu ha-
ben meynt, übersieht er die innere Empörung des
andern; er übersieht die vollkommene Abwerfung
aller Feſſel, diese reine Zerriſſenheit, welcher, in-
dem ihr die Sichselbſtgleichheit des Fürsichseyns
schlechthin ungleich geworden, alles Gleiche, alles
Beſtehen zerriſſen ist, und die daher die Meynung
und Ansicht des Wohlthäters an meiſten zerreiſst.
Er ſteht unmittelbar vor diesem innerſten Abgrunde,
vor dieser bodenlosen Tiefe, worinn aller Halt und
Subſtanz verschwunden ist; und er sieht in dieser
Tiefe nichts als ein gemeines Ding, ein Spiel seiner
[465] Laune, einen Zufall seiner Willkühr; ſein Geiſt ist
die ganz wesenlose Meynung, die geiſtverlaſſne Ober-
fläche zu seyn.


Wie das Selbstbewuſstseyn gegen die Staatsmacht
seine Sprache hatte, oder der Geiſt zwischen diesen
Extremen als wirkliche Mitte hervortrat, so hat es
auch Sprache gegen den Reichthum, noch mehr aber
hat seine Empörung ihre Sprache. Jene, welche
dem Reichthum das Bewuſstseyn seiner Wesenheit
gibt, und sich seiner dadurch bemächtigt, ist gleich-
falls die Sprache der Schmeicheley, aber der une-
deln; — denn was sie als Wesen ausſpricht, weiſs
sie als das preiſsgegebne, das nicht an sich seyende
Wesen. Die Sprache der Schmeicheley aber ist,
wie vorhin schon erinnert, der noch einseitige Geist.
Denn seine Momente sind zwar das durch die Bil-
dung des Dienſtes zur reinen Exiſtenz geläuterte
Selbſt, und das Ansichseyn der Macht. Allein der
reine Begriff, in welchem das einfache Selbſt und
das Ansich, jenes reine Ich und diſs reine Weſen
oder Denken daſſelbe sind, — dieſe Einheit beyder
Seiten, zwischen welchen die Wechselwirkung ſtatt
findet, ist nicht in dem Bewuſstseyn dieſer Sprache;
der Gegenſtand ist ihm noch das Ansich im Gegen-
ſatze gegen das Selbſt; oder der Gegenſtand ist ihm
nicht zugleich sein eignes Selbst als solches. — Die
Sprache der Zerriſſenheit aber ist die vollkommne
Sprache und der wahre exiſtirende Geiſt dieſer gan-
zen Welt der Bildung. Diſs Selbstbewuſstseyn, dem
G g
[466] die seine Verworfenheit verwerfende Empörung zu-
kömmt, ist unmittelbar die absolute Sichselbſtgleich-
heit in der absoluten Zerriſſenheit, die reine Ver-
mittlung des reinen Selbstbewuſstseyns mit sich
selbſt. Es ist die Gleichheit des identischen Urtheils,
worin eine und dieſelbe Perſönlichkeit ſowohl Sub-
ject als Pradicat ist. Aber diſs identische Urtheil
ist zugleich das unendliche; denn diese Perſönlichkeit
ist absolut entzweyt, und Subject und Prädicat schlecht-
hin gleichgültige Seyende, die einander nichts angehen,
ohne nothwendige Einheit, sogar daſs jedes die Macht ei-
ner eignen Perſönlichkeit ist. Das Fürsichseyn hat
sein Fürsichseyn zum Gegenſtande, als ein schlecht-
hin Anderes und zugleich ebenso unmittelbar als sich
selbſt
, — sich als ein Anderes, nicht daſs dieſes ei-
nen andern Inhalt hätte, sondern der Inhalt ist daſ-
ſelbe Selbſt in der Form absoluter Entgegensetzung
und vollkommen eignen gleichgültigen Daſeyns. —
Es ist alſo hier der seiner in seiner Wahrheit und
seines Begriffes bewuſste Geiſt dieſer realen Welt der
Bildung vorhanden.


Er ist dieſe abſolute und allgemeine Verkehrung
und Entfremdung der Wirklichkeit und des Gedan-
kens; die reine Bildung. Was in dieſer Welt er-
fahren wird, ist, daſs weder die wirklichen Wesen der
Macht und des Reichthums, — noch ihre beſtimm-
ten Begriffe, Gut und Schlecht, oder das Bewuſst-
seyn des Guten und Schlechten, das edelmüthige und
niederträchtige Wahrheit haben; sondern alle dieſe
[467] Momente verkehren sich vielmehr eins im Andern,
und jedes ist das Gegentheil seiner selbſt. — Die all-
gemeine Macht, welche die Subſtanz ist, indem sie
durch das Princip der Individualität zur eigenen
Geiſtigkeit gelangt, empfängt das eigne Selbſt nur
als den Nahmen an ihr, und ist, indem sie wirkliche
Macht ist, vielmehr das unmächtige Wesen, das
sich selbst aufopfert. — Aber diſs preiſsgegebene
selbstlose Wesen, oder das zum Dinge gewordne
Selbſt ist vielmehr die Rückkehr des Wesens in sich
selbſt; es ist das fürsichseyende Fürsichseyn, die Exis-
tenz des Geiſtes. — Die Gedanken dieser Wesen, des
Guten und Schlechten verkehren sich ebenso in die-
ſer Bewegung; was als gut beſtimmt ist, ist schlecht;
was als schlecht, ist gut. Das Bewuſstseyn eines
jeden dieſer Momente als das edle und niederträch-
tige Bewuſstseyn beurtheilt, sind in ihrer Wahrheit
vielmehr ebensosehr das verkehrte deſſen, was diese
Beſtimmungen seyn sollen, das edelmüthige ebenso
niederträchtig und verworfen, als die Verworfenheit
zum Adel der gebildesten Freyheit des Selbstbe-
wuſstseyns umschlägt. — Alles ist ebenso, formell
betrachtet, nach auſſen das verkehrte deſſen, was es
für sich ist; und wieder was es für sich ist, ist es
nicht in Wahrheit, sondern etwas anderes als es seyn
will, das Fürsichseyn vielmehr der Verluſt seiner
selbſt, und die Entfremdung seiner vielmehr die
Selbſterhaltung. — Was vorhanden ist, ist also diſs,
daſs alle Momente eine allgemeine Gerechtigkeit ge-
G g 2
[468] gen einander ausüben, jedes ebensosehr an sich
selbſt sich entfremdet, als es sich in sein Gegentheil
einbildet und es auf diese Weise verkehrt. — Der
wahre Geist aber ist eben dieſe Einheit der abſolut
getrennten, und zwar kommt er eben durch die
freye Wirklichkeit dieſer selbſtlosen Extreme selbſt als
ihre Mitte zur Exiſtenz. Sein Daseyn ist das allge-
meine Sprechen und zerreiſſende Urtheilen, welchem
alle jene Momente, die als Wesen und wirkliche
Glieder des Ganzen gelten sollen, sich auflöſen, und
welches ebenso diſs sich auflösende Spiel mit sich
selbſt iſt. Diſs Urtheilen und Sprechen ist daher das
Wahre und Unbezwingbare, während es alles über-
wältigt; dasjenige, um welches es in dieser realen
Welt allein wahrhafft zu thun ist. Jeder Theil dieſer
Welt kommt darin dazu, daſs sein Geiſt ausgespro-
chen, oder daſs mit Geiſt von ihm gesprochen und
von ihm geſagt wird, was er ist. — Das ehrliche
Bewuſstseyn nimmt jedes Moment als eine bleibende
Wesenheit und ist die ungebildete Gedankenlosigkeit
nicht zu wiſſen, daſs es ebenso das verkehrte thut.
Das zerriſſene Bewuſstseyn aber ist das Bewuſstseyn
der Verkehrung, und zwar der absoluten Verkeh-
rung; der Begriff ist das herrſchende in ihm, der
die Gedanken zusammenbringt, welche der Ehrlich-
keit weit auseinander liegen, und deſſen Sprache
daher geiſtreich ist.


Der Inhalt der Rede des Geiſtes von und über
sich selbſt ist also die Verkehrung aller Begriffe und
[469] Realitäten, der allgemeine Betrug seiner selbſt und
der andern, und die Schamlosigkeit, dieſen Betrug
zu ſagen, ist ebendarum die gröſste Wahrheit. Dieſe
Rede ist die Verrüktheit des Musikers, „der dreiſsig
Arien, italienische, französiſche, tragische, komische,
von aller Art Charakter, häuffte und vermischte;
bald mit einem tiefen Baſſe ſtieg er bis in die Hölle,
dann zog er die Kehle zuſammen, und mit einem
Fiſtelton zerriſs er die Höhe der Lüffte, wechſels-
weiſe raſend, beſänftigt, gebieterisch und ſpöttisch.” —
Dem ruhigen Bewuſstseyn, das ehrlicherweise die
Melodie des Guten und Wahren in die Gleichheit
der Töne, d. h. in Eine Note ſetzt, erſcheint dieſe
Rede als „eine Faſeley von Weisheit und Tollheit,
als ein Gemische von eben soviel Geſchik als Nie-
drigkeit, von ebenso richtigen als falſchen Ideen,
von einer so völligen Verkehrtheit der Empfindung,
so vollkommener Schändlichkeit, als gänzlicher Of-
fenheit und Wahrheit. Es wird es nicht versagen
können, in alle diese Töne einzugehen, und die ganze
Scale der Gefühle von der [tiefſten] Verachtung und
Verwerfung bis zur höchſten Bewunderung und Rüh-
rung auf und nieder zu lauffen; in dieſe wird ein läch-
erlicher Zug verſchmolzen seyn, der ihnen ihre Na-
tur benimmt;” jene werden an ihrer Offenheit selbſt
einen verſöhnenden, an ihrer erschütternden Tiefe
den allgewaltigen Zug haben, der den Geiſt sich
selbſt gibt.


[470]

Betrachten wir der Rede dieser sich selbſt kla-
ren Verwirrung gegenüber die Rede jenes einfachen
Bewuſstseyns
des Wahren und Guten, so kann sie
gegen die offene und ihrer bewuſste Beredsamkeit
des Geiſtes der Bildung nur einsylbig seyn; denn es
kann diesem nichts ſagen, was er nicht selbſt weiſs
und sagt. Geht es über seine Einsylbigkeit hinaus,
so ſagt es daher daſſelbe, was er ausſpricht, begeht
aber darin noch dazu die Thorheit zu meynen, daſs
es etwas neues und anderes sage. Selbſt seine Syl-
ben, ſchändlich, niederträchtig, sind schon diese Thor-
heit, denn jener sagt sie von sich selbſt. Wenn
dieſer Geiſt in seiner Rede alles eintönige verkehrt,
weil dieſes sich gleiche nur eine Abſtraction, in sei-
ner Wirklichkeit aber die Verkehrung an sich selbſt
ist, und wenn dagegen das gerade Bewuſstseyn, das
Gute und Edle, d. h. das sich in seiner Aeuſſerung
gleichhaltende, auf die einzige Weise, die hier mög-
lich ist, in Schutz nimmt, — daſs es nemlich seinen
Werth nicht darum verliere, weil es an das Schlechte
geknüpft oder mit ihm gemiſcht ſey; denn diſs sey
seine Bedingung und Nothwendigkeit, hierin beſtehe
die Weisheit der Natur; — so hat diſs Bewuſstseyn,
indem es zu widerſprechen meynte, damit nur den
Inhalt der Rede des Geistes in eine triviale Weiſe
zusammengefaſst, welche gedankenlos, indem sie das
Gegentheil des Edeln und Guten zur Bedingung und
Nothwendigkeit des Edeln und Guten macht, etwas
[a]nderes zu sagen meynt, als diſs, daſs das Edel und
[471] Gut genannte in seinem Wesen das Verkehrte seiner
selbſt, so wie das [Schlechte] umgekehrt das Vortreff-
liche ist.


Ersetzt das einfache Bewuſstseyn diesen geist-
losen Gedanken durch die Wirklichkeit des Vortreff-
lichen, indem es daſſelbe in dem Beyspiele eines fin-
girten Falles, oder auch einer wahren Anekdote auf-
führt, und so zeigt, daſs es kein leerer Nahme, son-
dern vorhanden ist, so ſteht die allgemeine Wirklich-
keit des verkehrten Thuns der ganzen realen Welt
entgegen, worin jenes Beyspiel alſo nur etwas ganz
vereinzelntes, eine Espece ausmacht; und das Da-
seyn des Guten und Edeln als eine einzelne Anek-
dote, sie sey fingirt oder wahr, darſtellen, ist das
bitterſte, was von ihm gesagt werden kann. — For-
dert das einfache Bewuſstseyn endlich die Auflöſung
dieſer ganzen Welt der Verkehrung, so kann es
nicht an das Individuum die Entfernung aus ihr fo-
dern, denn Diogenes im Faſſe ist durch sie bedingt,
und die Foderung an den Einzelnen ist gerade das,
was für das Schlechte gilt, nemlich für sich als ein-
zelnen
zu sorgen. An die allgemeine Individualität
aber gerichtet kann die Foderung dieſer Entfernung
nicht die Bedeutung haben, daſs die Vernunft das
geistige gebildete Bewuſstseyn, zu dem sie gekom-
men ist, wieder aufgebe, den ausgebreiteten Reich-
thum ihrer Momente in die Einfachheit des natür-
lichen Herzens zurückverſenke, und in die Wild-
niſs und Nähe des thierischen Bewuſstseyns, welche
[472] Natur, auch Unschuld genannt wird, zurückfalle;
ſondern die Foderung dieſer Auflösung kann nur an
den Geist der Bildung selbst gehen, daſs er aus ſei-
ner Verwirrung als Geist zu sich zurückkehre, und
ein noch höheres Bewuſstseyn gewinne.


In der That aber hat der Geist diſs schon an
sich vollbracht. Die ihrer selbſtbewuſste und sich
ausſprechende Zerriſſenheit des Bewuſstseyns ist das
Hohngelächter über das Daseyn so wie über die
Verwirrung des Ganzen und über sich selbſt; es ist
zugleich das sich noch vernehmende Verklingen die-
ser ganzen Verwirrung. — Dieſe sich selbſt ver-
nehmende Eitelkeit aller Wirklichkeit, und alles be-
ſtimmten Begrifſs, ist die gedoppelte Reflexion der
realen Welt in sich selbſt; einmal in diesem Selbst
des Bewuſstseyns, als diesem, das andermal in der
reinen Allgemeinheit deſſelben oder im Denken. Nach
jener Seite hat der zu sich gekommene Geiſt den
Blick in die Welt der Wirklichkeit hineingerichtet,
und sie noch zu seinem Zwecke und unmittelbaren
Inhalt; nach der andern aber ist sein Blick theils
nur in sich und negativ gegen sie, theils von ihn
weg gen Himmel gewendet und das Jenseits dersel-
ben sein Gegenſtand.


In jener Seite der Rükkehr in das Selbst ist die
Eitelkeit aller Dinge seine eigene Eitelkeit, oder es ist
eitel. Es ist das fürsichseyende Selbst, das alles
nicht nur zu beurtheilen und zu beschwatzen, son-
dern geiſtreich die feſten Wesen der Wirklichkeit
[473] wie die feſten Beſtimmungen, die das Urtheil setzt,
in ihrem Widerspruche zu sagen weiſs, und dieſer
Widerspruch ist ihre Wahrheit. — Nach der Form
betrachtet, weiſs es Alles sich ſelbſt entfremdet; das
Fürsichseyn vom Ansichseyn getrennt; das Gemeynte
und den Zweck von der Wahrheit; und von beyden
wieder das Seyn für anderes, das Vorgegebne von
der eigentlichen Meynung und der wahren Sache
und Absicht. — Es weiſs also jedes Moment gegen
das andere, überhaupt die Verkehrung Aller, rich-
tig auszusprechen, es weiſs beſſer, was jedes ist,
als es ist, es sey beſtimmt wie es wolle. Indem es
das Subſtantielle nach der Seite der Uneinigkeit und
des Widerſtreits, den es in sich einigt, aber nicht
nach der Seite dieser Einigkeit kennt, verſteht es
das Subſtantielle sehr gut zu beurtheilen, aber hat die
Fähigkeit verloren es zu faſſen. — Dieſe Eitelkeit
bedarf dabey der Eitelkeit aller Dinge, um aus ihnen
sich das [Bewuſstseyn] des Selbſts zu geben, erzeugt
sie daher ſelbſt, und ist die Seele, welche sie trägt.
Macht und Reichthum sind die höchsten Zwecke
ſeiner Anſtrengung, es weiſs, daſs es durch Entsagung
und Aufopferung sich zum Allgemeinen bildet, zum
Besitze deſſelben gelangt, und in diesem Besitze all-
gemeine Gültigkeit hat; sie sind die wirklichen an-
erkannten Mächte. Aber dieſes sein Gelten ist selbſt
eitel, und eben indem es sich ihrer bemächtigt, weiſs
es sie nicht Selbſtweſen zu ſeyn, sondern vielmehr
sich als ihre Macht, sie aber als eitel. Daſs es so in
[474] ihrem Besitze selbſt daraus heraus ist, ſtellt es in der
geiſtreichen Sprache dar, die daher sein höchstes
Intereſſe und die Wahrheit des Ganzen ist; in ihr
wird dieses Selbſt, als diſs reine nicht den wirklichen
noch gedachten Beſtimmungen angehörige Selbſt, sich
zum geiſtigen, wahrhafft allgemeingültigen. Es
ist die sich selbſt zerreiſſende Natur aller Verhält-
niſſe und das bewuſste Zerreiſſen derselben; nur als
empörtes Selbstbewuſstseyn aber weiſs es seine eigne
Zerriſſenheit, und in dieſem Wiſſen derselben hat
es sich unmittelbar darüber erhoben. In jener Eitel-
keit wird aller Inhalt zu einem negativen, welches
nicht mehr positiv gefaſst werden kann; der posi-
tive [Gegenſtand] ist nur das reine Ich selbſt, und das
zerriſſne Bewuſstseyn ist an sich dieſe reine Sichſelbſt-
gleichheit des zu sich zurückgekommnen Selbstbe-
wuſstseyns.


b.
Der Glauben und die reine Einsicht.

Der Geiſt der Entfremdung seiner ſelbſt hat in
der Welt der Bildung sein Daseyn; aber indem die-
ſes Ganze sich selbſt entfremdet worden, ſteht jen-
seits ihrer die unwirkliche Welt des reinen Bewuſst-
seyns
oder des Denkens. Ihr Inhalt ist das rein Ge-
dachte, das Denken ihr abſolutes Element. Indem
aber das Denken zunächſt das Element dieser Welt
ist, hat das Bewuſstseyn nur dieſe Gedanken, aber
[475] es denkt sie noch nicht, oder weiſs nicht, daſs es
Gedanken sind; sondern sie sind für es in der Form
der Vorſtellung. Denn es tritt aus der Wirklichkeit
in das reine Bewuſstseyn, aber es ist selbſt über-
haupt noch in der Sphäre und Beſtimmtheit der
Wirklichkeit. Das zerriſſne Bewuſstseyn ist an sich
erſt die Sichselbſtgleichheit des reinen Bewuſstseyns,
für uns, nicht für sich selbſt. Es ist alſo nur die
unmittelbare noch nicht in sich vollendete Erhebung,
und hat sein entgegengesetztes Princip, wodurch es
bedingt ist, noch in sich, ohne durch die vermittelte
Bewegung darüber Meiſter geworden zu seyn. Da-
her gilt ihm das Weſen seines Gedankens nicht als
Wesen nur in der Form des abstracten Ansich, son-
dern in der Form eines gemeinwirklichen, einer Wirk-
lichkeit, die nur in ein anderes Element erhoben
worden, ohne in dieſem die Beſtimmtheit einer nicht
gedachten Wirklichkeit verloren zu haben. — Es
ist weſentlich von dem Ansich zu unterſcheiden,
welches das Weſen des stoiſchen Bewuſstseyns ist;
diesem galt nur die Form des Gedankens, als solchen,
der dabey irgend einen ihm fremden, aus der Wirk-
lichkeit genommnen Inhalt hat; jenem Bewuſstseyn
ist aber nicht die Form des Gedankens das Geltende; —
ebenso von dem Ansich des tugendhafften Bewuſst-
seyns, dem das Wesen zwar in Beziehung auf die
Wirklichkeit ſteht, dem es Weſen der Wirklich-
keit selbst, — aber nur erſt unwirkliches Weſen
ist; — jenem Bewuſstseyn gilt es, ob zwar jenseits
[476] der Wirklichkeit doch wirkliches Weſen zu seyn.
Ebenso hat das an sich Rechte und Gute der geſetz-
gebenden Vernunft und das Allgemeine des gesetz-
prüffenden Bewuſstseyns nicht die Beſtimmung der
Wirklichkeit. — Wenn daher innerhalb der Welt der
Bildung selbſt das reine Denken, als eine Seite der
Entfremdung fiel, nemlich als der Maſsſtab des ab-
ſtracten Guten und Schlechten im Urtheilen, ſo ist
es, hindurchgegangen durch die Bewegung des Gan-
zen, um das Moment der Wirklichkeit und dadurch
des Inhalts bereichert worden. Dieſe Wirklichkeit
des Weſens ist aber zugleich nur eine Wirklich-
keit des reinen, nicht des wirklichen Bewuſstseyns;
in das Element des Denkens zwar erhoben, gilt sie
dieſem Bewuſstseyn noch nicht als ein Gedanke,
sondern vielmehr ist sie ihm jenseits seiner eignen
Wirklichkeit; denn jene ist die Flucht aus dieſer.


Wie hier die Religion — denn es erhellt, daſs
von ihr die Rede ist, — als der Glauben der Welt
der Bildung auftritt, tritt sie noch nicht auf, wie sie
an und für sich ist. — Sie ist uns schon in andern
Bestimmtheiten erſchienen, als unglückliches Bewuſst-
seyn
nemlich, als Gestalt der subſtanzloſen Bewe-
gung des Bewuſstseyns ſelbſt. — Auch an der sitt-
lichen Subſtanz erschien sie als Glauben an die Un-
terwelt, aber das Bewuſstseyn des abgeschiednen
Geistes ist eigentlich nicht Glauben, nicht das We-
ſen im Elemente des reinen Bewuſstseyns jenseits
des wirklichen geſetzt, sondern er hat selbſt unmit-
[477] telbare Gegenwart; sein Element ist die Familie. —
Hier aber ist die Religion theils aus der Substanz
hervorgegangen, und ist reines Bewuſstseyn dersel-
ben; theils ist diſs reine Bewuſstseyn seinem wirk-
lichen, das Wesen seinem Daseyn entfremdet. Sie
ist alſo zwar nicht mehr die ſubſtanzlose Bewegung
des Bewuſstseyns, aber hat noch die Beſtimmtheit
des Gegenſatzes gegen die Wirklichkeit als dieſe
überhaupt, und gegen die des Selbstbewuſstseyns
insbeſondere, sie ist daher wesentlich nur ein Glauben.


Diſs reine Bewuſstseyn des abſoluten Wesens ist
ein entfremdetes. Es ist näher zu sehen, wie das-
jenige sich beſtimmt, deſſen anderes es ist, und es
ist nur in Verbindung mit dieſem zu betrachten.
Zunächſt nemlich scheint diſs reine Bewuſstseyn
nur die Welt der Wirklichkeit sich gegenüber zu
haben; aber indem es die Flucht aus dieſer, und da-
durch die Beſtimmtheit des Gegensatzes ist, so hat
es dieſe an ihm ſelbſt; das reine Bewuſstseyn ist da-
her weſentlich an ihm selbſt sich entfremdet, und
der Glauben macht nur eine Seite deſſelben aus.
Die andre Seite ist uns zugleich schon entſtanden.
Das reine Bewuſstseyn ist nemlich so die Reflexion
aus der Welt der Bildung, daſs die Subſtanz derſel-
ben, so wie die Maſſen, in welche sie sich gliedert,
sich als das zeigten, was sie an sich sind, als gei-
ſtige
Weſenheiten, als abſolut unruhige Bewegun-
gen oder Beſtimmungen, die sich unmittelbar in ih-
rem Gegentheil aufheben. Ihr Weſen, das einfache
[478] Bewuſstseyn ist alſo die Einfachheit des absoluten
Unterschiedes
, der unmittelbar kein Unterschied ist.
Es ist hiemit das reine Fürsichseyn, nicht als dieſes
Einzelnen
, sondern das in sich allgemeine Selbſt als
unruhige Bewegung, die das ruhige Weſen der Sache
angreifft, und durchdringt. In ihm ist alſo die Ge-
wiſsheit, welche sich selbſt unmittelbar als Wahr-
heit weiſs, das reine Denken, als der abſolute [Be-
griff]
in der Macht seiner Negativität vorhanden, die
alles gegenſtändliche, dem Bewuſstseyn gegenüber-
seyn sollende Wesen vertilgt, und es zu einem Seyn
des Bewuſstseyns macht. — Diſs reine Bewuſstseyn
ist zugleich ebenſoſehr einfach, weil eben sein Un-
terſchied kein Unterſchied ist. Als dieſe Form der
einfachen Reflexion in sich aber ist es das Element
des Glaubens, worin der Geiſt die Beſtimmtheit der
poſitiven Allgemeinheit
, des Anſichseyns gegen jenes
Fürsichſeyn des Selbstbewuſstſeyns hat. — Aus der
weſenloſen ſich nur auflöſenden Welt in sich zurück
gedrängt, ist der Geiſt, nach der Wahrheit, in un-
getrennter Einheit ſowohl die abſolute Bewegung und
Negativität ſeines Erſcheinens, wie ihr in sich be-
friedigtes
Weſen, und ihre poſitive Ruhe. Aber
überhaupt unter der Beſtimmtheit der Entfremdung
liegend, treten dieſe beyden Momente als ein gedop-
peltes Bewuſstseyn auseinander. Jenes ist die reine
Einsicht
, als der sich im Selbſtbewuſstseyn zuſam-
menfaſſende geiſtige Proceſs, welcher das Bewuſst-
ſeyn des poſitiven, die Form der Gegenſtändlichkeit
[479] oder des Vorſtellens sich gegenüber hat und sich
dagegen richtet; ihr eigner Gegenſtand aber ist nur
das reine Ich. — Das einfache Bewuſstseyn des posi-
tiven oder der ruhigen Sichſelbſtgleichheit hat hin-
gegen das innere Wesen als Weſen zum Gegenſtande.
Die reine Einsicht hat daher zunächſt an ihr ſelbſt
keinen Inhalt, weil sie das negative Fürsichſeyn ist;
dem Glauben dagegen gehört der Inhalt an, ohne
Einsicht. Wenn jene nicht aus dem Selbſtbewuſst-
seyn heraustritt, so hat dieſer ſeinen Inhalt zwar
ebenfalls im Element des reinen Selbſtbewuſstſeyns,
aber im Denken, nicht in Begriffen, im reinen Be-
wuſstſeyn, nicht im reinen Selbſtbewuſstſeyn
. Er ist
hiemit zwar reines Bewuſstſeyn des Wesens, das
heiſst, des einfachen Innern und ist alſo Denken; —
das Hauptmoment in der Natur des Glaubens, das
gewöhnlich überſehen wird. Die Unmittelbarkeit, mit
der das Weſen in ihm ist, liegt darin, daſs sein
Gegenſtand Wesen, das heiſst, reiner Gedanke ist.
Dieſe Unmittelbarkeit aber, inſofern das Denken ins
Bewuſstſeyn oder das reine Bewuſstſeyn in das Selbſt-
bewuſstseyn eintritt, erhält die Bedeutung eines ge-
genſtändlichen Seyns, das jenſeits des Bewuſstseyns
des Selbſts liegt. Durch dieſe Bedeutung, welche
die Unmittelbarkeit und Einfachheit des reinen Den-
kens
im Bewuſstseyn erhält, ist es, daſs das Weſen
des Glaubens in die Vorstellung aus dem Denken her-
abfällt, und zu einer überſinnlichen Welt wird,
welche weſentlich ein Anders des Selbſtbewuſstseyn[s]
[480] ſey. — In der reinen Einsicht hingegen hat der
Uebergang des reinen Denkens ins Bewuſstſeyn die
entgegengeſetzte Beſtimmung; die Gegenſtändlichkeit
hat die Bedeutung eines nur negativen, sich aufhe-
benden und in das Selbſt zurückkehrenden Inhalts,
d. h. nur das Selbſt ist sich eigentlich der Gegen-
ſtand, oder der Gegenſtand hat nur Wahrheit, in-
ſofern er die Form des Selbſts hat.


Wie der Glauben und die reine Einsicht ge-
meinſchafftlich dem Elemente des reinen Bewuſst-
ſeyns angehören, so sind sie auch gemeinſchafftlich
die Rückkehr aus der wirklichen Welt der Bildung.
Sie bieten sich daher nach drey Seiten dar. Das
einemal ist jedes auſſer allem Verhältniſſe an und für
sich
; das andremal bezieht jedes sich auf die wirk-
liche
dem reinen Bewuſstseyn entgegengeſetzte Welt,
und zum dritten bezieht sich jedes innerhalb des
reinen Bewuſstseyns auf das andre.


Die Seite des an und für sich seyns im glaubenden
Bewuſstseyn ist sein abſoluter Gegenſtand, deſſen In-
halt und Beſtimmung sich ergeben hat. Denn er
ist nach dem Begriffe des Glaubens nichts anders
als die in die Allgemeinheit des reinen Bewuſstseyns
erhobne reale Welt. Die Gegliederung der letztern
macht daher auch die Organiſation der erſtern aus,
nur daſs die Theile in dieſer in ihrer Begeiſtung
sich nicht entfremden, ſondern an und für sich
seyende Weſen, in sich zurückgekehrte und bey
sich ſelbſt bleibende Geiſter sind. — Die Bewegung
[481] ihres Uebergehens ist daher nur für uns eine Ent-
fremdung der Beſtimmtheit, in der sie in ihrem
Unterſchiede sind, und nur für uns eine nothwendige
Reihe; für den Glauben aber ist ihr Unterſchied
eine ruhige Verſchiedenheit, und ihre Bewegung ein
Geschehen.


Sie nach der äuſſern Beſtimmung ihrer Form
kurz zu nennen, so ist, wie in der Welt der Bildung
die Staatsmacht oder das Gute das erſte war, auch
hier das Erſte, das absolute Wesen, der an und für
sichseyende Geiſt, inſofern er die einfache ewige
Substanz ist. In der Realiſirung ihres Begriffes, Geiſt
zu seyn, aber geht sie in das Seyn für anderes über;
ihre Sichſelbſtgleichheit wird zum wirklichen sich auf-
opfernden
abſoluten Weſen; es wird zum Selbſt, aber
zum vergänglichen Selbſt. Daher ist das Dritte die
Rükkehr dieſes entfremdeten Selbſts und der ernie-
drigten Substanz in ihre erſte Einfachheit, erſt auf
dieſe Weiſe ist sie als Geiſt vorgeſtellt. —


Dieſe unterſchiednen Weſen, aus dem Wandel der
wirklichen Welt durch das Denken in sich zurück-
genommen, sind sie wandelloſe ewige Geiſter, deren
Seyn ist, die Einheit, welche sie ausmachen, zu
denken. So entrükt dem Selbstbewuſstseyn, greiffen
dieſe Weſen jedoch in es ein; wäre das Wesen unverrükt
in der Form der erſten einfachen Subſtanz, so bliebe
es ihm fremde. Aber die Entäuſſerung dieſer Sub-
stanz und dann ihr Geiſt hat das Moment der Wirk-
lichkeit an ihm, und macht sich hiedurch des glau-
H h
[482] benden Selbstbewuſstseyns theilhafftig, oder das glau-
bende Bewuſstseyn gehört der realen Welt an.


Nach dieſem zweyten Verhältniſſe hat das glau-
bende Bewuſstseyn theils selbſt seine Wirklichkeit
in der realen Welt der Bildung, und macht ihren
Geiſt und ihr Daſeyn aus, das betrachtet worden
ist; theils aber tritt es dieſer ſeiner Wirklichkeit als
dem Eiteln gegenüber, und ist die Bewegung sie auf-
zuheben. Dieſe Bewegung beſteht nicht darin, daſs
es ein geiſtreiches Bewuſstseyn über ihre Verkehrung
hätte; denn es ist das einfache Bewuſstseyn, welches
das Geiſtreiche zum Eiteln zählt, weil dieſes noch
die reale Welt zu seinem Zwecke hat. Sondern dem
ruhigen Reiche ſeines Denkens ſteht die Wirklichkeit
als ein geiſtloſes Daseyn gegenüber, das daher auf
eine äuſſerliche Weiſe zu überwinden ist. Dieſer
Gehorſam des Dienſtes und des Preiſses bringt durch
das Aufheben des sinnlichen Wiſſens und Thuns,
das Bewuſstseyn der Einheit mit dem an und fürsich-
seyenden Wesen hervor, doch nicht als angeſchaute
wirkliche Einheit, ſondern dieſer Dienſt ist nur das
fortwährende Hervorbringen, das sein Ziel in der
Gegenwart nicht vollkommen erreicht. Die Ge-
meine gelangt zwar dazu, denn sie ist das allgemei-
ne Selbſtbewuſstſeyn; aber dem einzelnen Selbſtbe-
wuſstseyn bleibt nothwendig das Reich des reinen
Denkens ein Jenseits seiner Wirklichkeit, oder in-
dem dieſes durch die Entäuſſerung des ewigen We-
sens in die Wirklichkeit getreten, ist sie eine unbegriffne
[483] sinnliche Wirklichkeit; eine sinnliche Wirklichkeit
aber bleibt gleichgültig gegen die andre, und
das Jenseits hat nur die Bestimmung der Entfernung
in Raum und Zeit noch dazu erhalten. — Der Be-
griff aber, die sich selbſt gegenwärtige Wirklichkeit
des Geiſtes, bleibt im glaubenden Bewuſstseyn das
Innre, welches Alles ist und wirkt, aber nicht selbſt
hervortritt.


In der reinen Einsicht aber ist der Begriff das
allein wirkliche; und dieſe dritte Seite des Glaubens,
Gegenſtand für die reine Einsicht zu ſeyn, ist das
eigentliche Verhältniſs, in welchem er hier auftritt. —
Die reine Einsicht selbſt ist ebenso theils an und für
sich, theils im Verhältniſſe zur wirklichen Welt,
insofern sie noch positiv, nemlich als eitles Bewuſst-
seyn, vorhanden ist, theils endlich in jenem Ver-
hältniſſe zum Glauben zu betrachten.


Was die reine Einsicht an und für sich ist, ha-
ben wir gesehen; wie der Glauben das ruhige reine
Bewuſstseyn des Geistes, als des Wesens, so ist sie
das Selbstbewuſstseyn deſſelben; sie weiſs das Wesen
daher nicht als Wesen, sondern als absolutes Selbſt.
Sie geht also darauf, alle dem Selbstbewuſstseyn andre
Selbstständigkeit, es sey des Wirklichen oder Ansich-
seyenden, aufzuheben, und sie zum Begriffe zu ma-
chen. Sie ist nicht nur die Gewiſsheit der selbstbe-
wuſsten Vernunft, alle Wahrheit zu seyn; sondern
sie weiſs, daſs sie diſs ist.


H h 2
[484]

Wie aber der Begriff [derselben] auftritt, ist er
noch nicht realisirt. Sein Bewuſstseyn erscheint hier-
nach noch als ein zufälliges, einzelnes, und das, was
ihm das Wesen ist, als Zweck, den es zu verwirk-
lichen hat. Es hat erst die Absicht, die reine Einsicht
allgemein
, das heiſst, alles, was wirklich ist, zum
Begriffe, und zu einem Begriffe in allen Selbstbe-
wuſstseyn zu machen. Die Absicht ist rein, denn
sie hat die reine Einsicht zum Inhalte; und diese
Einsicht ist ebenso rein, denn ihr Inhalt ist nur der
absolute Begriff, der keinen Gegensatz an einem Ge-
genstande hat, noch an ihm selbst beschränkt ist-
In dem unbeschränkten Begriffe liegen unmittelbar
die beyden Seiten, daſs alles gegenständliche nur die
Bedeutung des fürsichseyns, des Selbstbewuſstseyns,
und daſs dieses die Bedeutung eines allgemeinen habe,
daſs die reine Einsicht Eigenthum aller Selbſtbe-
wuſstseyn werde. Diese zweyte Seite der Absicht
ist insofern Resultat der Bildung, als darin, wie die
Unterschiede des gegenſtändlichen Geistes, die Theile
und Urtheilsbestimmungen seiner Welt, so auch die
Unterschiede, welche als ursprünglich beſtimmte
Naturen erscheinen, zu Grunde gegangen sind.
Genie, Talent, die besondern Fähigkeiten überhaupt,
gehören der Welt der Wirklichkeit an, insofern sie
an ihr noch die Seite hat, geistiges Thierreich zu
seyn, welches in gegenseitiger Gewaltthätigkeit und
Verwirrung sich um die Wesen der realen Welt be-
kämpft und betrügt. — Die Unterschiede haben
[485] in ihr zwar nicht als ehrliche Especen Platz; we-
der begnügt sich die Individualität mit der un-
wirklichen Sache selbſt, noch hat sie besondern Inhalt
und eigne Zwecke. Sondern sie gilt nur als ein
allgemeingültiges, nemlich als gebildetes; und der
Unterschied reducirt sich auf die geringere oder
gröſſere Energie; — einen Unterschied der Gröſse,
d. h. den unwesentlichen. Diese letzte Verschie-
denheit aber ist darin zu Grunde gegangen, daſs
der Unterschied in der vollkommnen Zerriſſenheit
des Bewuſstseyns zum absolutqualitativen umschlug.
Was darin dem Ich das Andre ist, ist nur das Ich
selbst. In diesem unendlichen Urtheile ist alle Ein-
seitigkeit und Eigenheit des ursprünglichen Fürsich-
seyns getilgt; das Selbst weiſs sich als reines Selbſt
sein Gegenſtand zu seyn; und diese absolute Gleich-
heit beyder Seiten ist das Element der reinen Ein-
sicht. — Sie ist daher das einfache in sich ununter-
schiedne Wesen, und ebenso das allgemeine Werk
und allgemeiner Besitz. In dieser einfachen geiſtigen
Subſtanz gibt und erhält sich das Selbſtbewuſstseyn
ebenso in allem Gegenſtande das Bewuſstseyn dieser
seiner Einzelnheit oder des Thuns, als umgekehrt
die Individualität deſſelben darin sich selbſt gleich
und allgemein ist. — Diese reine Einsicht ist also
der Geiſt, der allem Bewuſstseyn zurufft: seyd für
euch selbſt
, was ihr Alle an euch selbſt seyd, — ver-
nünftig
.


[486]
II.
Die Aufklärung.

Der eigenthümliche Gegenſtand, gegen welchen die
reine Einsicht die Krafft des Begriffes richtet, ist
der Glauben, als die ihr in demselben Elemente ge-
genüberſtehende Form des reinen Bewuſstseyns. Sie
hat aber auch Beziehung auf die wirkliche Welt,
denn sie ist wie jener, die Rückkehr aus derselben
in das reine Bewuſstseyn. Es ist zuerſt zu sehen,
wie ihre Thätigkeit gegen die unlautern Absichten
und verkehrten Einsichten derſelben beschaffen ist.


Oben wurde schon des ruhigen Bewuſstseyns er-
wähnt, das diesem sich in sich auflösenden und wie-
der erzeugenden Wirbel gegenüberſteht; es macht die
Seite der reinen Einsicht und Absicht aus. In diſs
ruhige Bewuſstseyn fällt aber, wie wir sahen, keine
besondere Einsicht über die Welt der Bildung; diese
hat vielmehr selbſt das schmerzlichſte Gefühl und
die wahrſte Einsicht über sich selbſt, — das Gefühl,
die Auflösung alles sich befeſtigenden, durch alle
Momente ihres Daseyns hindurch gerädert, und an
allen Knochen zerschlagen zu seyn; — ebenso ist
sie die Sprache dieses Gefühls und die beurtheilende
[487] geiſtreiche Rede über alle Seiten ihres Zuſtands.
Die reine Einsicht kann daher hier keine eigene
Thätigkeit und Inhalt haben, und sich also nur als
das formelle treue Auffaſſen dieser eignen geistrei-
chen Einsicht der Welt und ihrer Sprache verhalten.
Indem diese Sprache zerſtreut, die Beurtheilung ei-
ne Faſeley des Augenbliks, die sich sogleich wieder
vergiſst, und ein Ganzes nur für ein drittes Bewuſst-
seyn ist, so kann sich dieses als reine Einsicht nur
dadurch unterscheiden, daſs es jene sich zerſtreuen-
den Züge in ein allgemeines Bild zusammenfaſst,
und sie dann zu einer Einsicht aller macht.


Sie wird durch diſs [einfache] Mittel die Verwir-
rung dieser Welt zur Auflösung bringen. Denn es
hat sich ergeben, daſs nicht die Maſſen, und die be-
stimmten Begriffe und Individualitäten das Wesen
dieser Wirklichkeit sind, sondern daſs sie ihre Sub-
ſtanz und Halt allein in dem Geiſte hat, der als
Urtheilen und Besprechen exiſtirt, und daſs das In-
dreſſe, für diſs Räsonniren und Schwatzen einen In-
halt zu haben, allein das Ganze und die Maſſen sei-
ner Gegliederung erhält. In dieser Sprache der Ein-
sicht ist ihr Selbstbewuſstseyn sich noch ein für sich
seyendes, dieſes Einzelne
; aber die Eitelkeit des Inhalts
ist zugleich Eitelkeit des ihn eitel wiſſenden Selbſts.
Indem nun das ruhig auffaſſende Bewuſstseyn von
diesem ganzen geistreichen Geschwätze der Eitelkeit
die treffendſten und die Sache durchschneidenden
Faſſungen in eine Sammlung bringt, geht zu der
[488] übrigen Eitelkeit des Daseyns die das Ganze noch
erhaltende Seele, die Eitelkeit des geiſtreichen Be-
urtheilens, zu Grunde. Die Sammlung zeigt den
Meiſten einen beſſern, oder allen wenigſtens einen
vielfachern Witz, als der ihrige ist, und das Beſſer-
wiſſen und Beurtheilen überhaupt, als etwas allge-
meines und nun allgemein bekanntes; damit tilgt sich
das einzige Intereſſe, das noch vorhanden war, und
das einzelne Einsehen löſst sich in die allgemeine
Einsicht auf.


Noch aber ſteht über dem eiteln Wiſſen das
Wiſſen von dem Wesen feſt, und die reine Einsicht
erscheint erſt in eigentlicher Thätigkeit, insofern sie
gegen den Glauben auftritt.


a.
Der Kampf
der Aufklärung mit dem Aberglauben.

Die verschiednen Weisen des negativen Ver-
haltens des Bewuſstseyns, theils des Skepticismus,
theils des theoretischen und praktischen Idealismus
sind untergeordnete Geſtalten gegen diese der reinen
Einsicht
, und ihrer Verbreitung, der Aufklärung;
denn sie ist aus der Subſtanz geboren, weiſs das
reine Selbſt des Bewuſstseyns als absolut, und nimmt
es mit dem reinen Bewuſstseyn des absoluten We-
sens aller Wirklichkeit auf. — Indem Glauben und
[489] Einsicht daſſelbe reine Bewuſstseyn, der Form nach
aber entgegengesetzt sind, dem Glauben das Wesen
als Gedanke, nicht als Begriff, und daher ein dem
Selbſtbewuſstseyn schlechthin entgegengesetztes — der
reinen Einsicht aber das Wesen das Selbſt ist — sind
sie füreinander das Eine das schlechthin negative
des Andern. — Dem Glauben kommt, wie beyde
gegen einander auftreten, aller Inhalt zu, denn in
seinem ruhigen Elemente des Denkens gewinnt jedes
Moment Beſtehen; — die reine Einsicht aber ist zu-
nächst ohne Inhalt, und vielmehr reines Verschwin-
den deſſelben; durch die negative Bewegung gegen
das ihr Negative aber wird sie sich realisiren und
einen Inhalt geben.


Sie weiſs den Glauben als das ihr, der Vernunft
und Wahrheit, entgegengesetzte. Wie er ihr im
Allgemeinen ein Gewebe von Aberglauben, Vorur-
theilen und Irrthümern ist, so organisirt sich ihr
weiter das Bewuſstseyn dieses Inhalts in ein Reich
des Irrthums, worin die falsche Einsicht einmal als
die allgemeine Maſſe des Bewuſstseyns, unmittelbar,
unbefangen, und ohne Reflexion in sich selbſt ist;
aber das Moment der Reflexion in sich oder des
Selbſtbewuſstseyns, getrennt von der Unbefangenheit,
auch an ihr hat, als eine im Hintergrunde für sich
bleibende Einsicht und böse Absicht, von welcher
jenes bethört wird. Jene Maſſe ist das Opfer des
Betrugs einer Prieſterschafft, die ihre neidische Ei-
telkeit, allein im Besitze der Einsicht zu bleiben,
[490] so wie ihren sonſtigen Eigennutz ausführt, und zu-
gleich mit dem Despotismus sich verschwört, der als
die synthetische, begrifflose Einheit des realen und
dieses idealen Reichs, — ein seltsam inconsequen-
tes Wesen, — über der schlechten Einsicht der
Menge, und der schlechten Absicht der Prieſter
ſteht, und beydes auch in sich vereinigt, aus der
Dummheit und Verwirrung des Volks durch das
Mittel der betriegenden Prieſterschafft, beyde ver-
achtend, den Vortheil der ruhigen Beherrschung
und der Vollführung seiner Lüfte und Willkühr
zieht, zugleich aber dieselbe Dumpfheit der Einsicht,
der gleiche Aberglauben und Irrthum ist.


Gegen dieſe drey Seiten des Feindes läſst die Auf-
klärung sich nicht ohne Unterschied ein; denn in-
dem ihr Wesen reine Einsicht, das an und für sich
allgemeine ist, so ist ihre wahre Beziehung auf das
andere Extrem diejenige, in welcher sie auf das
Gemeinschafftliche und Gleiche beyder geht. Die Seite
der aus dem allgemeinen unbeſangenen Bewuſstseyn
sich isolirenden Einzelnheit ist das ihr entgegenge-
setzte, das sie nicht unmittelbar berühren kann.
Der Willen der betriegenden Priesterschafft und des
unterdrückenden Despoten ist daher nicht unmittel-
barer Gegenſtand ihres Thuns, sondern die willen-
lose, nicht zum Fürsichseyn sich vereinzelnde Ein-
sicht, der Begriff des vernünftigen Selbstbewuſst-
seyns, der an der Maſſe sein Daseyn hat, aber in
ihr noch nicht als Begriff vorhanden ist. Indem
[491] aber die reine Einsicht diese ehrliche Einsicht und
ihr unbefangenes Wesen den Vorurtheilen und Irr-
thümern entreiſst, windet sie der schlechten Ab-
sicht die Realität und Macht ihres Betrugs aus den
Händen, deren Reich an dem begrifflosen Bewuſst-
seyn der allgemeinen Masse seinen Boden und Ma-
terial
— das Fürsichseyn an dem einfachen Bewuſstseyn
überhaupt seine Subſtanz hat.


Die Beziehung der reinen Einsicht auf das un-
befangene Bewuſstseyn des absoluten Wesens hat
nun die gedoppelte Seite, daſs sie eines Theils an sich
daſſelbe mit ihm ist, andern Theils aber daſs dieſes
in dem einfachen Elemente seines Gedankens das
absolute Wesen so wie seine Theile gewähren, und
sich Beſtehen geben, und sie nur als sein Ansich
und darum in gegenſtändlicher Weise gelten läſst,
sein Fürsichseyn aber in diesem Ansich verleugnet. —
Insofern nach der erſten Seite dieser Glauben an sich
für die reine Einsicht reines Selbſtbewuſstseyn ist,
und er diſs nur für sich werden soll, so hat sie an
diesem Begriffe deſſelben das Element, worin sie
statt der falschen Einsicht sich realisirt.


Von dieser Seite, daſs beyde wesentlich daſſelbe
sind und die Beziehung der reinen Einsicht durch
und in demselben Elemente geschieht, ist ihre Mit-
theilung eine unmittelbare, und ihr Geben und Em-
pfangen ein ungeſtörtes Ineinanderflieſſen. Was
auch sonſt weiter in das Bewuſstseyn für Pflöcke
eingeschlagen seyen, es ist an sich diese Einfachheit,
[492] in welcher alles aufgelöſst, vergeſſen und unbefan-
gen, und die daher des Begriffs schlechthin empfäng-
lich ist. Die Mittheilung der reinen Einsicht ist
deſswegen einer ruhigen Ausdehnung oder dem Ver-
breiten
wie eines Dufftes in der widerſtandslosen At-
mosphäre zu vergleichen. Sie ist eine durchdringen-
de Anſteckung, welche sich nicht vorher gegen das
gleichgültige Element, in das sie sich insinuirt, als
entgegengesetztes bemerkbar macht, und daher nicht
abgewehrt werden kann. Erſt wenn die Anstek-
kung sich verbreitet hat, ist sie für das Bewuſstseyn,
das sich ihr unbesorgt überlieſs. Denn es war zwar
das einfache sich und ihm gleiche Wesen, was es
in sich empfing, aber zugleich die Einfachheit der
in sich reflectirten Negativität, welche nachher auch
sich nach ihrer Natur als entgegengeseztes entfaltet,
und das Bewuſstseyn hiedurch an seine vorige Weise
erinnert; sie ist der Begriff, der das einfache Wis-
sen ist, welches sich selbst und zugleich sein Gegen-
theil, aber dieses in ihm als aufgehoben weiſs. So
wie daher die reine Einsicht für das Bewuſstseyn
ist, hat sie sich schon verbreitet; der Kampf gegen
sie verräth die geschehene Anſteckung; er ist zu
spät, und jedes Mittel verschlimmert nur die Krank-
heit, denn sie hat das Mark des geistigen Lebens
ergriffen, nemlich das Bewuſstseyn in seinem Be-
griffe oder sein reines Wesen selbſt; es gibt darum
auch keine Kraft in ihm, welche über ihr wäre.
Weil sie im Wesen selbſt ist, laſſen sich ihre noch
[493] vereinzelnten Aeuſſerungen zurückdrängen und die
oberflächlichen Symptome dämpfen. Es ist ihr diſs
höchst vortheilhafft; denn sie vergeudet nun nicht
unnütz die Krafft, noch zeigt sie sich ihres Wesens
unwürdig, was dann der Fall ist, wenn sie in Symp-
tome und einzelne Eruptionen gegen den Inhalt des
Glaubens und gegen den Zuſammenhang seiner äus-
sern Wirklichkeit hervorbricht. Sondern nun ein un-
sichtbarer und unbemerkter Geiſt, durchschleicht sie
die edeln Theile durch und durch, und hat sich bald
aller Eingeweide und Glieder des bewuſstlosen Götzen
gründlich bemächtigt, und „an einem schönen Morgen
gibt sie mit dem Ellbogen dem Kameraden einen
Schubb und Bautz! Baradautz! der Götze liegt am Bo-
den.“ — An einem schönen Morgen, deſſen Mittag nicht
blutig ist, wenn die Anſteckung alle Organe des gei-
ſtigen Lebens durchdrungen hat; nur das Gedächt-
niſs bewahrt dann noch als eine, man weiſs nicht
wie, vergangene Geschichte, die todte Weise der vo-
rigen Geſtalt des Geiſtes auf; und die neue für die
Anbetung erhöhte Schlange der Weisheit hat auf dieſe
Weiſe nur eine welke Haut schmerzlos abgeſtreifft.


Aber dieses ſtumme Fortweben des Geiſtes im
einfachen Innern seiner Subſtanz, der sich sein Thun
verbirgt, ist nur Eine Seite der Realisirung der rei-
nen Einsicht. Ihre Verbreitung beſteht nicht nur
darin, daſs Gleiches mit Gleichem zusammengeht;
und ihre Verwirklichung ist nicht nur eine gegen-
satzlose Ausdehnung. Sondern das Thun des nega-
[494] tiven Wesens ist ebenso wesentlich eine entwickelte
sich in sich unterſcheidende Bewegung, welche als
bewuſstes Thun ihre Momente in beſtimmten offen-
barem Daseyn aufſtellen, und als ein lauter Lärm
und gewaltsamer Kampf mit Entgegengesetztem als
solchem vorhanden ſeyn muſs.


Es ist daher zu sehen, wie die reine Einsicht und
Absicht gegen das andere ihr entgegengesetzte, das
sie vorfindet, sich negativ verhält. — Die reine Ein-
sicht und Absicht, welche sich negativ verhält, kann,
da ihr Begriff alle Wesenheit, und nichts auſser ihr
ist, nur das negative ihrer selbſt seyn. Sie wird da-
her als Einsicht zum negativen der reinen Einsicht,
sie wird Unwahrheit und Unvernunft, und als Ab-
sicht zum negativen der reinen Absicht, zur Lüge
und Unlauterkeit des Zwecks.


In dieſen Widerspruch verwickelt sie sich da-
durch, daſs sie sich in Streit einläſst, und etwas
Anderes zu bekämpfen meynt. — Sie meynt diſs nur,
denn ihr Wesen als die absolute Negativität ist die-
ſes, das Andersſeyn an ihr ſelbſt zu haben. Der ab-
solute Begriff ist die Kategorie; er ist diſs, daſs das
Wiſſen und der Gegenſtand des Wiſſens daſſelbe ist.
Was hiemit die reine Einsicht als ihr Andres, was
sie als Irrthum oder Lüge ausſpricht, kann nichts
andres seyn, als sie selbſt; sie kann nur das ver-
dammen, was sie ist. Was nicht vernünftig ist, hat
keine Wahrheit, oder was nicht begriffen ist, ist
nicht; indem also die Vernunft von einem Andern
[495] ſpricht, als sie ist, ſpricht sie in der That nur von
sich ſelbſt; sie tritt darin nicht aus sich heraus. —
Dieſer Kampf mit dem Entgegengeſetzten vereinigt
darum die Bedeutung in sich, ihre Verwirklichung zu
seyn. Dieſe beſteht nemlich eben in der Bewegung,
die Momente zu entwickeln, und sie in sich zurück-
zunehmen; ein Theil dieſer Bewegung ist die Unter-
scheidung, in welcher die begreiffende Einsicht sich
selbſt als Gegenſtand gegenüberſtellt; so lange sie in
dieſem Momente verweilt, ist sie sich entfremdet.
Als reine Einsicht ist sie ohne allen Inhalt; die Be-
wegung ihrer Realisirung beſteht darin, daſs sie selbſt
sich als Inhalt wird, denn ein anderer kann ihr nicht
werden, weil sie das Selbstbewuſstseyn der Kategorie
ist. Aber indem sie ihn zuerſt in dem Entgegen-
ſetzen nur als Inhalt, und ihn noch nicht als sich
selbſt weiſs, verkennt sie sich in ihm. Ihre Vol-
lendung hat daher diesen Sinn, den ihr zuerſt ge-
genſtändlichen Inhalt als den ihrigen zu erkennen.
Ihr Reſultat wird dadurch aber weder die Wieder-
herſtellung der Irrthümer, welche sie bekämpft, noch
nur ihr erſter Begriff seyn, sondern eine Einsicht
welche die absolute Negation ihrer selbſt als ihre
eigne Wirklichkeit, als sich selbſt erkennt, oder ihr
sich selbſt erkennender Begriff. — Dieſe Natur des
Kampfs der Aufklärung mit den Irrthümern, in
ihnen sich selbſt zu bekämpfen, und das darin zu
verdammen, was sie behauptet, ist für uns, oder
was sie und ihr Kampf ansich ist. Die erſte Seite
[496] deſſelben aber, ihre Verunreinigung durch die Auf-
nahme des negativen Verhaltens in ihre sichſelbſt-
gleiche Reinheit ist es, wie sie für den Glauben Ge-
genſtand
ist; der sie alſo als Lüge, Unvernunft und
schlechte Absicht erfährt, so wie er für sie Irrthum
und Vorurtheil iſt. — In Rücksicht auf ihren In-
halt ist sie zunächst die leere Einsicht, der ihr In-
halt als ein Anderes erſcheint, sie findet ihn daher
in dieser Geſtalt, daſs er noch nicht der ihrige ist,
vor, als ein von ihr ganz unabhängiges Daseyn, in
dem Glauben.


Die Aufklärung faſst alſo ihren Gegenſtand zu-
erſt und allgemein so auf, daſs sie ihn als reine Ein-
sicht
nimmt und ihn so, sich selbst nicht erkennend,
für Irrthum erklärt. In der Einsicht als solcher faſst
das [Bewuſstseyn] einen Gegenſtand so, daſs er ihm
zum Wesen des Bewuſstseyns oder zu einem Gegen-
ſtande wird, den es durchdringt, worin es sich er-
hält, bey sich selbſt und sich gegenwärtig bleibt,
und indem es hiemit seine Bewegung ist, ihn her-
vorbringt. Als eben dieses spricht die Aufklärung
den Glauben richtig aus, indem sie von ihm sagt,
daſs das, was ihm das abſolute Wesen ist, ein Seyn
seines eignen Bewuſstseyns, sein eigner Gedanke,
ein vom Bewuſstseyn hervorgebrachtes sey. Sie er-
klärt ihn hiemit für Irrthum und Erdichtung über
daſſelbe, was sie ist. — Sie, die den Glauben die
neue Weisheit lehren will, sagt ihm damit nichts
neues; denn sein Gegenſtand ist ihm auch gerade
[497] dieſes, nemlich reines Weſen seines eignen Bewuſst-
seyns, so daſs dieses darin sich nicht verloren und
negirt setzt, sondern ihm vielmehr vertraut, das
heiſst eben, in ihm sich als dieſes Bewuſstseyn, oder
als Selbſtbewuſstseyn findet. Wem ich vertraue,
deſſen Gewiſsheit seiner selbſt, ist mir die Gewiſsheit
meiner
selbſt; ich erkenne mein Fürmichseyn in ihm,
daſs er es anerkennt, und es ihm Zweck und We-
sen ist. Vertrauen ist aber der Glauben, weil sein
Bewuſstseyn sich unmittelbar auf seinen Gegenſtand
bezieht, und alſo auch diſs anſchaut, daſs es eins mit
ihm, in ihm ist. — Ferner indem dasjenige mir
Gegenſtand ist, worin ich mich selbſt erkenne, bin
ich mir darin zugleich überhaupt als anderes Selbst-
bewuſstseyn, das heiſst, als ein solches, welches
darin seiner beſondern Einzelnheit, nemlich seiner
Natürlichkeit und Zufälligkeit entfremdet worden,
aber theils darin Selbstbewuſstseyn bleibt, theils eben
darin weſentliches Bewuſstseyn, wie die reine Einsicht
ist. — In dem Begriffe der Einsicht liegt nicht nur
diſs, daſs das Bewuſstseyn in seinem [eingesehenen]
Gegenſtande sich selbſt erkennt, und ohne das Ge-
dachte zu verlaſſen und daraus in sich erſt zurück
zu gehen, sich unmittelbar darin hat, sondern es ist
seiner selbſt als auch der vermittelnden Bewegung oder
seiner als des Thuns oder Hervorbringens bewuſst;
dadurch ist in dem Gedanken für es dieſe Einheit
seiner als des Selbſts und des Gegenſtandes. — Eben
diſs Bewuſstseyn ist auch der Glauben; der Gehorſam
I i
[498]und das Thun ist ein nothwendiges Moment, durch
welches die Gewiſsheit des Seyns in dem absoluten
Wesen, zu Stande kommt. Diſs Thun des Glaubens
erſcheint zwar nicht so, daſs das abſolute Wesen
selbſt dadurch hervorgebracht werde. Aber das ab-
ſolute Wesen des Glaubens ist weſentlich nicht das
abſtracte Wesen, das jenſeits des glaubenden Bewuſst-
seyns ſey, ſondern es ist der Geist der Gemeinde,
es ist die Einheit des abſtracten Wesens und des
Selbstbewuſstseyns. Daſs es dieſer Geiſt der Gemeine
sey, darin ist das Thun der Gemeine ein wesentli-
ches Moment; er ist es nur durch das Hervorbringen
des Bewuſstseyns; — oder vielmehr nicht ohne vom
Bewuſstseyn hervorgebracht zu ſeyn; denn so we-
ſentlich das Hervorbringen ist, so wesentlich ist es
auch nicht der einzige Grund des Wesens, sondern
es ist nur ein Moment. Das Wesen ist zugleich an
und für sich selbſt.


Von der andern Seite ist der Begriff der reinen
Einsicht, sich ein Anderes als sein Gegenſtand; denn
eben dieſe negative Bestimmung macht den Gegen-
ſtand aus. So ſpricht sie also von der andern Seite
auch das Wesen des Glaubens aus, als ein dem
Selbstbewuſstseyn Fremdes, das nicht sein Wesen,
sondern als ein Wechſelbalg ihm unterſchoben sey.
Allein die Aufklärung ist hier völlig thör icht;
der Glauben erfährt sie als ein Sprechen, das nicht
weiſs, was es ſagt, und die Sache nicht verſteht,
wenn es von Pfaffenbetrug und Volkstäuſchung redet.
[499] Sie ſpricht hievon, als ob durch ein Hokuspokus
der taſchenſpielerischen Prieſter dem Bewuſstseyn et-
was abſolut Fremdes und Anderes für das Wesen
untergeſchoben würde, und ſagt zugleich, daſs diſs
ein Wesen des Bewuſstseyns ſey, daſs es daran
glaube, ihm vertraue und sich es geneigt zu machen
suche; — das heiſst, daſs es darin sein reines Wesen
ebensosehr als seine einzelne und allgemeine Indivi-
dualität
anſchaue, und durch sein Thun dieſe Ein-
heit seiner selbſt mit seinem Wesen, hervorbringe.
Sie sagt unmittelbar das, was sie als ein dem Be-
wuſstseyn Fremdes ausſagt, als das eigenſte deſſelben
aus. — Wie mag alſo sie von Betrug und Täuſchung
ſprechen? Indem sie unmittelbar das Gegentheil des-
sen, was sie vom Glauben behauptet, selbſt von ihm
ausſpricht, zeigt sie diesem vielmehr sich als die be-
wuſste Lüge. Wie soll Täuſchung und Betrug da
ſtatt finden, wo das Bewuſstseyn in seiner Wahr-
heit unmittelbar die Gewiſsheit seiner selbſt hat; wo
es in seinem Gegenſtande sich selbſt besitzt, indem
es sich ebensowohl darin findet als hervorbringt.
Der Unterſchied ist sogar in den Worten nicht
mehr vorhanden. — Wenn die allgemeine Frage
aufgeſtellt worden ist: ob es erlaubt sey, ein Volk zu
täuſchen
, so müſste in der That die Antwort ſeyn,
daſs die Frage nichts tauge; weil es unmöglich ist,
hierin ein Volk zu täuſchen. — Meſsing ſtatt Golds,
nachgemachte Wechsel ſtatt ächter mögen wohl ein-
zeln verkauft, eine verlorne Schlacht als eine ge-
I i 2
[500] wonnene Mehrern aufgehefftet, und ſonſtige Lügen
über ſinnliche Dinge und einzelne Begebenheiten auf
eine Zeitlang glaubhaft gemacht werden; aber in dem
Wiſſen von dem Weſen, worin das Bewuſstſeyn die
unmittelbare Gewiſsheit ſeiner ſelbſt hat, fällt der Ge-
danke der Täuſchung ganz hinweg.


Sehen wir weiter, wie der Glauben die Aufklä-
rung in den unterſchiedenen Momenten ſeines Bewuſst-
ſeyns erfährt, auf welches die aufgezeigte An-
ſicht nur erſt im Allgemeinen ging. Dieſe Momente
aber [ſind], das reine Denken, oder als Gegenſtand,
das abſolute Weſen an und für ſich ſelbſt; dann ſeine
[Beziehung] als ein Wiſſen darauf, der Grund ſeines Glau-
bens
, und endlich ſeine Beziehung darauf in ſeinem
Thun, oder ſein Dienſt. Wie die reine Einſicht ſich
im Glauben überhaupt verkennt und verleugnet hat’
ſo wird ſie in dieſen Momenten ebenſo verkehrt ſich
verhalten.


Die reine Einſicht verhält ſich zu dem abſoluten
Weſen
des glaubenden Bewuſstſeyns negativ. Diſs
Weſen iſt reines Denken, und das reine Denken inner-
halb ſeiner ſelbſt als Gegenſtand oder als das Weſen
geſetzt; im glaubenden Bewuſstſeyn erhält diſs Anſich
des Denkens zugleich für das für ſich ſeyende Bewuſst-
ſeyn die Form, aber auch nur die leere Form der Ge-
genſtändlichkeit; es iſt in der Beſtimmung eines Vor-
geſtellten
. Der reinen Einſicht aber, indem ſie das rei-
ne Bewuſstſeyn nach der Seite des für ſich ſeyenden
Selbſts
iſt, erſcheint das Andre als ein negatives des
[501]Selbſtbewuſstſeyns. Diſs könnte noch entweder als das
reine Anſich des Denkens oder auch als das Seyn der
ſinnlichen Gewiſsheit genommen werden. Aber indem
es zugleich für das Selbſt, und dieſes als Selbſt, das ei-
nen Gegenſtand hat, wirkliches Bewuſstſeyn iſt, ſo iſt
ihr eigenthümlicher Gegenſtand als ſolcher ein ſeyen-
des gemeines Ding
der ſinnlichen Gewiſsheit. Dieſer ihr
Gegenſtand erſcheint ihr an der Vorſtellung des Glau-
bens. Sie verdammt dieſe und in ihr ihren eignen Ge-
genſtand. Gegen den Glauben aber begeht ſie ſchon
darin das Unrecht, ſeinen Gegenſtand ſo [aufzufaſſen],
daſs er der ihrige iſt. Sie ſagt hiernach über den Glau-
ben, daſs ſein abſolutes Weſen ein Steinſtück, ein
Holzblock ſey, der Augen habe und nicht ſehe, oder
auch etwas Brodteig, der auf dem Acker gewachſen,
von Menſchen verwandelt darauf zurückgeſchickt wer-
de; — oder nach welchen Weſen ſonſt der Glauben’
das Weſen anthropomorphoſire, ſich gegenſtändlich
und vorſtellig mache.


Die Aufklärung, die ſich für das reine ausgiebt, macht
hier das, was dem Geiſte ewiges Leben und heiliger
Geiſt iſt, zu einem wirklichen vergänglichen Dinge,
und beſudelt es mit der an ſich nichtigen Anſicht der
ſinnlichen Gewiſsheit, — mit einer Anſicht, welche
dem anbetenden Glauben gar nicht vorhanden iſt, ſo
daſs ſie ihm dieſelbe rein anlügt. Was er verehrt, iſt
ihm durchaus weder Stein, oder Holz, oder Brodteig’
noch ſonſt ein zeitliches ſinnliches Ding. Wenn es
der Aufklärung einfällt, zu ſagen, ſein Gegenſtand
[502] ſey doch diſs auch, oder gar, er ſey dieſes an ſich
und in Wahrheit, ſo kennt theils der Glauben eben ſo
wohl jenes Auch, aber es iſt ihm auſſer ſeiner Anbe-
tung; theils aber iſt ihm überhaupt nicht ſo etwas,
wie ein Stein und ſofort an ſich, ſondern an ſich iſt ihm
allein das Weſen des reinen Denkens.


Das zweyte Moment iſt die Beziehung des Glaubens
als wiſſenden Bewuſstſeyns auf dieſes Weſen. Als den-
kendem reinem Bewuſstſeyn iſt ihm diſs Weſen un-
mittelbar; aber das reine Bewuſstſeyn iſt ebenſoſehr
vermittelte Beziehung der Gewiſsheit auf die Wahrheit;
eine Beziehung, welche den Grund des Glaubens aus-
macht. Dieſer Grund wird für die Aufklärung eben
ſo zu einem zufälligen Wiſſen von zufälligen Begeben-
heiten. Der Grund des Wiſſens aber iſt das wiſſende
Allgemeine, und in ſeiner Wahrheit der abſolute
Geiſt, der in dem abſtracten reinen Bewuſstſeyn, oder
dem Denken als ſolchem nur abſolutes Weſen, als
Selbſtbewuſstſeyn aber das Wiſſen von ſich iſt. Die rei-
ne Einſicht ſetzt diſs wiſſende Allgemeine, den ein-
fachen ſich ſelbſt wiſſenden Geiſt
, ebenſo als negatives
des Selbſtbewuſstſeyns. Sie iſt zwar ſelbſt das reine
vermittelte
, d. h. ſich mit ſich vermittelnde Denken, ſie
iſt das reine Wiſſen; aber indem ſie reine Einſicht, rei-
nes Wiſſen
iſt, das ſich ſelbſt noch nicht weiſs, d. h.
für welches es noch nicht iſt, daſs ſie dieſe reine ver-
mittelnde Bewegung iſt, erſcheint ſie ihr, wie alles, was
ſie ſelbſt iſt, als ein Anderes. In ihrer Verwirklichung
alſo begriffen, entwickelt ſie diſs ihr weſentliches Mo-
[503] ment, aber es erſcheint ihr als dem Glauben angehö-
rend, und in ſeiner Beſtimmtheit, ein ihr äuſſeres zu
ſeyn, als ein zufälliges Wiſſen eben ſolcher gemein
wirklicher Geſchichten. Sie dichtet alſo hier dem re-
ligiöſen Glauben an, daſs ſeine Gewiſsheit ſich auf ei-
nige einzelne hiſtoriſche Zeugniſſe gründe, welche als hi-
ſtoriſche Zeugniſſe betrachtet, freylich nicht den Grad
von Gewiſsheit über ihren Inhalt gewähren würden,
den uns Zeitungsnachrichten über irgend eine Bege-
benheit geben; — daſs ſeine Gewiſsheit ferner auf dem
Zufall der Aufbewahrung dieſer Zeugniſſe beruhe, —
der Aufbewahrung durch Papier einerſeits, [und] ande-
rerſeits durch die Geſchicklichkeit und Ehrlichkeit der
Uebertragung von einem Papier auf ein anderes, und
endlich auf der richtigen Auffaſſung des Sinnes todter
Worte und Buchſtaben. In der That aber fällt es dem
Glauben nicht ein, an ſolche Zeugniſſe und Zufällig-
keiten seine Gewiſsheit zu knüpfen; er iſt in ſeiner Ge-
wiſsheit unbefangenes Verhältniſs zu ſeinem abſolu-
ten Gegenſtande, ein reines Wiſſen deſſelben, wel-
ches nicht Buchſtaben, Papier und Abſchreiber in
ſein Bewuſstſeyn des abſoluten Weſens einmiſcht, und
nicht durch ſolcherley Dinge ſich damit vermittelt
Sondern diſs Bewuſstſeyn iſt der ſich [ſelbſt] vermitteln-
de Grund ſeines Wiſſens; es iſt der Geiſt ſelbſt, der
das Zeugniſs von ſich iſt, eben ſo im Innern des einzel-
nen
Bewuſstſeyns, als durch die allgemeine Gegenwart
des Glaubens Aller an ihn. Wenn der Glauben ſich
aus dem Geſchichtlichen auch jene Weiſe von Begrün-
[504] dung oder wenigſtens Beſtättigung ſeines Inhaltes, von
der die Aufklärung ſpricht, ſich geben will, und ernſt-
haft meynt und thut, als ob es darauf ankäme, ſo hat
er ſich ſchon von der Aufklärung verführen laſſen; und
ſeine Bemühungen ſich auf ſolche Weiſe zu begrün-
den oder zu befeſtigen, ſind nur Zeugniſſe, die er von
ſeiner Anſteckung gibt.


Noch iſt die dritte Seite übrig, die Beziehung des Bewuſst-
ſeyns auf das abſolute Weſen
, als ein Thun. Diſs Thun
iſt das Aufheben der Beſonderheit des Individuums oder
der natürlichen Weiſe ſeines fürſichſeyns, woraus ihm
die Gewiſsheit hervorgeht, reines Selbſtbewuſstſeyn,
nach ſeinem Thun d. h. als fürſichſeyendes einzelnes
Bewuſstſeyn eins mit dem Weſen zu ſeyn. — Indem
an dem Thun Zweckmäſſigkeit und Zweck ſich unter-
ſcheidet, und die reine Einſicht ebenſo in Beziehung
auf dieſes Thun ſich negativ verhält, und wie in den
andern Momenten ſich ſelbſt verleugnet, ſo muſs ſie in
Anſehung der Zweckmäſſigkeit als Unverſtand ſich dar-
ſtellen, indem die Einſicht mit der Abſicht verbunden,
Uebereinſtimmung des Zwecks und des Mittels, ihr
als Anderes, vielmehr als das Gegentheil erſcheint,
— in Anſehung des Zwecks aber das Schlechte, Genuſs
und Beſitz zum Zwecke machen, und ſich hiemit als
die unreinſte Abſicht beweiſen, indem die reine Ab-
ſicht ebenſo, als Andres, unreine Abſicht iſt.


Hienach ſehen wir in Anfehung der Zweckmäſ-
ſigkeit
die Aufklärung es thörigt finden, wenn das glau-
bende Individuum ſich das höhere Bewuſstſeyn, nicht
[505] un den natürlichen Genuſs und Vergnügen gefeſſelt zu
ſeyn, dadurch gibt, daſs es ſich natürlichen Genuſs
und Vergnügen wirklich verſagt, und durch die That
erweiſst, daſs es die Verachtung derſelben nicht lügt,
ſondern daſs ſie wahr iſt. — Eben ſo findet ſie es thö-
rigt, daſs das Individuum von ſeiner Beſtimmtheit, ab-
ſolut einzelnes, alle andern ausſchlieſſendes und Ei-
genthum beſitzendes zu ſeyn, ſich dadurch abſolvirt,
daſs es von ſeinem Eigenthume ſelbſt abläſst; womit
es in Wahrheit zeigt, daſs es mit ſeinem Iſoliren nicht
Ernſt, ſondern daſs es über die Naturnothwendigkeit,
ſich zu vereinzeln, und in dieſer abſoluten Vereinze-
lung des Fürſichſeyns die Andern als daſſelbe mit ſich
zu verleugnen, erhaben iſt. — Die reine Einſicht fin-
det beydes ſowohl unzweckmäſſig, als unrecht, —
[unzweckmäſſig], um von Vergnügen und Beſitz ſich frey
zu erweiſen, ſich Vergnügen zu verſagen und einen
Beſitz weg zu geben; ſie wird alſo im Gegentheil den
für einen Thoren erklären, der um zu eſſen, das Mit-
tel ergreift, wirklich zu eſſen. — Sie findet es auch
unrecht, ſich eine Mahlzeit zu verſagen, und Butter,
Eyer nicht gegen Geld, oder Geld nicht gegen But-
ter und Eyer, ſondern geradezu, ohne ſo was dafür
zurück zu erhalten, wegzugeben; ſie erklärt eine Mahl-
zeit oder den Beſitz von dergleichen Dingen für einen
Selbſtzweck, und ſich damit in der That für eine ſehr
unreine Abſicht, der es um ſolchen Genuſs und Beſitz
ganz weſentlich zu thun iſt. Sie behauptet als reine
Abſicht auch wieder die Nothwendigkeit der Erhebung
[506] über die natürliche Exiſtenz und über die Habſucht
um ihre Mittel; nur findet ſie es thörigt und unrecht,
daſs dieſe Erhebung durch die That bewieſen werden
ſoll, oder dieſe reine Abſicht iſt in Wahrheit Betrug,
welche eine innerliche Erhebung vorgibt und fodert,
aber Ernſt daraus zu machen, ſie wirklich ins Werk zu
richten, und ihre Wahrheit zu erweiſen für überflüſſig,
thörigt, und ſelbſt für unrecht ausgibt. — Sie ver-
leugnet ſich alſo ſowohl als reine Einſicht, denn ſie
verläugnet das unmittelbar zweckmäſſiige Thun, wie
als reine Abſicht, denn ſie verleugnet die Abſicht, ſich
von den Zwecken der Einzelnheit befreyt zu er-
weiſen.


So gibt die Aufklärung ſich dem Glauben zu erfah-
ren. Sie tritt in dieſem ſchlechten Ausſehen auf, weil
ſie eben durch das Verhältniſs zu einem andern ſich
eine negative Realität gibt, oder ſich als das Gegentheil
ihrer ſelbſt darſtellt; die reine Einſicht und Abſicht
muſs ſich aber diſs Verhältniſs geben, denn es iſt ihre
Verwirklichung. — Dieſe erſchien zunächſt als nega-
tive Realität. Vielleicht iſt ihre poſitive Realität beſſer
beſchaffen; ſehen wir, wie dieſe ſich verhält. — Wenn
alles Vorurtheil und Aberglauben verbannt worden,
ſo tritt die Frage ein, was nun weiter? Welches iſt die
Wahrheit, welche die Aufklärung ſtatt jener verbreitet
hat?
— Sie hat dieſen poſitiven Inhalt in ihrem Aus-
rotten des Irrthums ſchon ausgeſprochen, denn jene Ent-
fremdung ihrer ſelbſt iſt ebenſoſehr ihre poſitive Rea-
lität. — An demjenigen, was dem Glauben abſoluter
[507] Geiſt iſt, faſst ſie, was ſie von Beſtimmung daran ent-
deckt, als Holz, Stein und ſo fort, als einzelne wirk-
liche Dinge auf; indem ſie überhaupt alle Beſtimmtheit,
das heiſst, allen Innhalt und Erfüllung deſſelben auf
dieſe Weiſe als eine Endlichkeit, als menſchliches We-
ſen und Vorſtellung
begreifft, wird ihr das abſolute We-
ſen
zu einen Vacuum, dem keine Beſtimmungen, kei-
ne Prädicate beygelegt werden können. Ein ſolches
Beylager wäre an ſich ſträflich, und es iſt es eben, in
welchem die Ungeheuer des Aberglaubens erzeugt wor-
den ſind. Die Vernunft, die reine Einſicht iſt wohl
ſelbſt nicht leer, indem das negative ihrer ſelbſt für ſie
und ihr Inhalt iſt, ſondern reich, aber nur an Ein-
zelnheit und Schranke; dem abſoluten Weſen derglei-
chen nichts zukommen zu laſſen noch beyzulegen,
iſt ihre einſichtsvolle Lebensart, welche ſich und ih-
ren Reichthum der Endlichkeit an ihren Ort zu ſtel-
len, und das abſolute würdig zu behandeln weiſs.


Dieſem leeren Weſen gegenüber ſteht als zweytes
Moment
der poſitiven Wahrheit der Aufklärung, die
aus einem abſoluten Weſen ausgeſchloſſene Einzeln-
heit
überhaupt, des Bewuſstſeyns und alles Seyns, als
abſolutes an und für ſich ſeyn. Das Bewuſstſeyn, wel-
ches in ſeiner allererſten Wirklichkeit ſinnliche Gewiſs-
heit
und Meynung iſt, kehrt hier aus dem ganzen We-
ge ſeiner Erfahrung dahin zurück, und iſt wieder ein
Wiſſen von rein negativem ſeiner ſelbſt, oder von ſinnli-
chen Dingen
, d. h. ſeyenden, welche ſeinem Fürſichſeyn
gleichgültig gegenüberſtehen. Es iſt hier aber nicht
[508]unmittelbares natürliches Bewuſstſeyn, ſondern es iſt
ſich ſolches geworden. Zuerſt preisgegeben aller Ver-
wicklung, worein es durch ſeine Entfaltung geſtürzt
wird, itzt durch die reine Einſicht auf ſeine erſte Ge-
ſtalt zurückgeführt, hat es ſie als das Reſultat erfahren.
Auf die Einſicht der Nichtigkeit aller andern Geſtal-
ten des Bewuſstſeyns, und ſomit alles Jenſeits der ſinn-
lichen Gewiſsheit gegründet, iſt dieſe ſinnliche Gewiſs-
heit nicht mehr Meynung, ſondern ſie iſt vielmehr die
abſolute Wahrheit. Dieſe Nichtigkeit alles deſſen,
was über die ſinnliche Gewiſsheit hinausgeht, iſt zwar
nur ein negativer Beweis dieſer Wahrheit; aber ſie iſt
keines andern fähig, denn die poſitive Wahrheit der
ſinnlichen Gewiſsheit an ihr ſelbſt, iſt eben das unver-
mittelte
fürſichſeyn des Begriffes ſelbſt als Gegenſtands,
und zwar in der Form des Andersſeyns, — daſs es jedem
Bewuſstſeyn ſchlechthin gewiſs iſt, daſs es iſt, und ande-
re wirkliche Dinge
auſſer ihm, und daſs es in ſeinem
natürlichen Seyn, ſo wie dieſe Dinge, an und für ſich
oder abſolut iſt.


Das dritte Moment der Wahrheit der Aufklärung
endlich iſt das Verhältniſs der einzelnen Weſen zum
abſoluten Weſen, die Beziehung der beyden erſten.
Die Einſicht als reine Einſicht des Gleichen oder Unbe-
ſchränkten geht
auch über das ungleiche, nemlich die
endliche Wirklichkeit, oder über ſich als bloſſes An-
dersſeyn hinaus. Sie hat zum Ienſeits deſſelben
das Leere, auf welches ſie alſo die ſinnliche Wirklich-
[509] keit bezieht. In die Beſtimmung dieſes Verhältniſſes
treten nicht die beyden Seiten als Inhalt ein, denn die
eine iſt das Leere, und ein Inhalt iſt alſo nur durch
die andere, die ſinnliche Wirklichkeit, vorhanden.
Die Form der Beziehung aber, in deren Beſtimmung
die Seite des Anſich mithilft, kann nach Belieben ge-
macht werden; denn die Form iſt das an ſich negative,
und darum das ſich entgegengeſetzte; Seyn ſowohl als
Nichts; Anſich, wie das Gegentheil; oder was daſſelbe,
die Beziehung der Wirklichkeit auf Anſich als das Jen-
ſeits
iſt eben ſowohl ein Negiren als ein Setzen derſel-
ben. Die endliche Wirklichkeit kann daher eigent-
lich, wie man es gerade braucht, genommen werden.
Das Sinnliche wird alſo itzt auf das Abſolute als auf
das Anſich poſitiv bezogen, und die ſinnliche Wirk-
lichkeit iſt ſelbſt an ſich; das Abſolute macht, hegt
und pflegt ſie. Wiederum iſt ſie auch darauf als auf
das Gegentheil, als auf ihr Nichtſeyn bezogen; nach
dieſem [Verhältniſſe] iſt ſie nicht an ſich, ſondern nur
für ein anderes. Wenn in der vorhergehenden Geſtalt
des Bewuſstſeyns die Begriffe des Gegenſatzes ſich als
Gut und Schlecht beſtimmten, ſo werden ſie dagegen
der reinen Einſicht zu den reinern Abſtractionen, des
an ſich und für ein anderes ſeyn.


Beyde Betrachtungsweiſen, der poſitiven wie der ne-
gativen Beziehung des Endlichen auf das Anſich, ſind
aber in der That gleichnothwendig, und alles iſt alſo ſo
ſehr an ſich, als es für ein anderes iſt; oder alles iſt nütz-
[510] lich
. — Alles gibt ſich andern preis, läſst ſich itzt von an-
dern gebrauchen, und iſt für ſie; und itzt ſtellt es ſich,
es ſo zu ſagen, wieder auf die Hinterbeine, thut ſprö-
de gegen anderes, iſt für ſich und gebraucht das ande-
re ſeinerſeits. — Für den Menſchen, als das dieſer
Beziehung bewuſste Ding, ergibt ſich daraus ſein We-
ſen und ſeine Stellung. Er iſt, wie er unmittelbar iſt,
als natürliches Bewuſstſyen an ſich, gut, als einzelnes
abſolut, und anderes iſt für ihn; und zwar da für ihn
als das ſeiner bewuſste Thier die Momente die Bedeu-
tung der Allgemeinheit haben, iſt Alles für ſein Ver-
gnügen und Ergötzlichkeit, und er geht, wie er aus
Gottes Hand gekommen, in der Welt als einem
für ihn gepflanzten Garten umher. — Er muſs auch
vom Baume der Erkenntniſs des Guten und des Böſen
gepflückt haben; er beſitzt darin einen Nutzen, der
ihn von allem Andern unterſcheidet, denn zufälliger-
weiſe iſt ſeine an ſich gute Natur auch ſo beſchaffen,
daſs ihr das Uebermaſs der Ergötzlichkeit Schaden
thut, oder vielmehr ſeine Einzelnheit hat auch ihr
Jenſeits
an ihr, kann über ſich ſelbſt hinausgehen und
ſich zerſtören. Hiegegen iſt ihm die Vernunft ein nütz-
liches Mittel, diſs Hinausgehen gehörig zu beſchrän-
ken, oder vielmehr im Hinausgehen über das Beſtimm-
te ſich ſelbſt zu erhalten; denn diſs iſt die Kraft des
Bewuſstſeyns. Der Genuſs des bewuſsten an ſich all-
gemeinen
Weſens muſs nach Mannichfaltigkeit und
Dauer ſelbſt nicht ein beſtimmtes, ſondern allgemein
ſeyn; das Maſs hat daher die Beſtimmung, zu ver-
[511] hindern, daſs das Vergnügen in ſeiner Mannigfaltig-
keit und Dauer abgebrochen werde; das heiſst die Be-
ſtimmung des Maſses iſt die Unmäſſigkeit. — Wie
dem Menſchen alles nützlich iſt, ſo iſt er es ebenfalls,
und ſeine Beſtimmung ebenſoſehr ſich zum gemein-
nützlichen und allgemein brauchbaren Mitgliede des
Trupps zu machen. So viel er für ſich ſorgt, gerade
ſo viel muſs er ſich auch hergeben für die Andern,
und ſo viel er ſich hergibt, ſo viel ſorgt er für ſich
ſelbſt, eine Hand wäſcht die andere. Wo er aber ſich
befindet, iſt er recht daran, er nützt andern und wird
genützt.


Anders iſt auf andere Weiſe einander nützlich;
alle Dinge aber haben dieſe nützliche Gegenſeitigkeit
durch ihr Weſen, nemlich auf das Abſolute auf die
gedoppelte Weiſe bezogen zu ſeyn, die poſitive, —
dadurch an und für ſich ſelbſt zu ſeyn, die negative,
dadurch für andere zu ſeyn. Die Beziehung auf das ab-
ſolute Weſen oder die Religion iſt daher unter aller
Nützlichkeit, das allernützlichſte; denn ſie iſt der rei-
ne Nutzen ſelbſt
, ſie iſt diſs [Beſtehen] aller Dinge, oder
ihr An und für ſich ſeyn, und das Fallen aller Dinge,
oder ihr Seyn für anderes.


Dem Glauben freylich iſt dieſes poſitive Reſultat
der Aufklärung, ſo ſehr ein Greuel, als ihr negatives
Verhalten gegen ihn. Dieſe Einſicht in das abſolute
Weſen, die nichts in ihm ſieht, als eben das abſolute
Weſen, das être ſupreme, oder das Leere, — dieſe Abſicht,
daſs alles in ſeinem unmittelbaren Daſeyn an ſich oder
[512] gut iſt, daſs endlich die Beziehung des einzelnen be-
wuſsten Seyns auf das abſolute Weſen, die Religion,
der Begriff der Nützlichkeit erſchöpfend ausdrückt,
iſt dem Glauben ſchlechthin abſcheulich. Dieſe eigne
Weisheit der Aufklärung erſcheint ihm nothwendig
zugleich als die Plattheit ſelbſt, und als das Geſtändniſs
der Plattheit; weil ſie darin beſteht, vom abſoluten
Weſen nichts oder was daſſelbe iſt, von ihm dieſe ganz
ebne Wahrheit zu wiſſen, daſs es eben nur das abſo-
lute Weſen
iſt, dagegen nur von der Endlichkeit und
zwar ſie als das Wahre und diſs Wiſſen von derſelben
als dem Wahren, als das Höchſte zu wiſſen.


Der Glauben hat das göttliche Recht, das Recht
der abſoluten Sichſelbſtgleichheit oder des reinen Den-
kens, gegen die Aufklärung, und erfährt von ihr durch-
aus Unrecht; denn ſie verdreht ihn in allen ſeinen
Momenten, und macht ſie zu etwas anderem, als ſie
in ihm ſind. Sie aber hat nur menſchliches Recht ge-
gen ihn und für ihre Wahrheit; denn das Unrecht
das ſie begeht, iſt das Recht der Ungleichheit, und be-
ſteht in dem Verkehren und Verändern, ein Recht,
das der Natur des Selbſtbewuſstſeyns im Gegenſatze ge-
gen das einfache Weſen oder das Denken angehört
Aber indem ihr Recht, das Recht des Selbſtbewuſst-
ſeyns iſt, wird ſie nicht nur auch ihr Recht behalten,
ſo daſs zwey gleiche Rechte des Geiſtes einander gegen-
über ſtehen blieben, und keins das andere befriedi-
gen könnte, ſondern ſie wird das abſolute Recht be-
haupten, weil das Selbſtbewuſstſeyn die Negativität
[513] des Begriffs iſt, die nicht nur für ſich iſt, ſondern
auch über ihr Gegentheil übergreifft; und der Glau-
ben ſelbſt, weil er Bewuſstſeyn iſt, wird ihr ihr Recht
nicht verweigern können.


Denn die Aufklärung verhält ſich gegen das glau-
bende Bewuſstſeyn nicht mit eigenthümlichen Prin-
cipien, ſondern mit ſolchen, welche dieſes ſelbſt an
ihm hat. Sie bringt ihm nur ſeine eigenen Gedanken
zuſammen, die ihm bewuſstlos auseinanderfallen; ſie
erinnert es nur bey der einen ſeiner Weiſen an die
andern, die es auch hat, aber deren eine es immer bey
der andern vergiſst. Sie erweiſst ſich eben dadurch
gegen es als reine Einſicht, daſs ſie bey einem be-
ſtimmten
Momente das Ganze ſieht, alſo das auf jenes
Moment ſich beziehende Entgegengeſetzte herbeybringt,
und eines im andern verkehrend das negative Weſen
beyder Gedanken, den Begriff, hervortreibt. Sie er-
ſcheint dem Glauben darum als Verdrehung und Lü-
ge, weil ſie das Andersſeyn ſeiner Momente aufzeigt;
ſie ſcheint ihm damit unmittelbar etwas anderes aus
ihnen zu machen, als ſie in ihrer Einzelnheit ſind;
aber diſs Andere iſt ebenſo weſentlich, und es iſt in
Wahrheit in dem glaubenden Bewuſstſeyn ſelbſt vor-
handen, nur daſs dieſes daran nicht denkt, ſondern es
ſonſt wo hat; daher iſt es ihm weder fremde noch
kann es von ihm abgeleugnet werden.


Die Aufklärung ſelbſt aber, welche den Glauben
an das entgegengeſetzte ſeiner abgeſonderten Momente
K k
[514] erinnert, iſt eben ſo wenig über ſich ſelbſt aufgeklärt.
Sie verhält ſich rein negativ gegen den Glauben, inſo-
fern ſie ihren Inhalt aus ihrer Reinheit ausſchlieſst, und
ihn für das negative ihrer ſelbſt nimmt. Sie erkennt
daher weder in dieſem negativen, in dem Inhalte des
Glaubens ſich ſelbſt, noch bringt auch ſie aus dieſem
Grunde, die beyden Gedanken zuſammen, den wel-
chen ſie herbeybringt, und den, gegen welchen ſie ihn
herbeybringt. Indem ſie nicht erkennt, daſs dasjeni-
ge, was ſie am Glauben verdammt, unmittelbar ihr
eigener Gedanken iſt, ſo iſt ſie ſelbſt in der Entgegen-
ſetzung der beyden Momente, deren eines, nemlich je-
desmal das dem Glauben entgegengeſetzte, ſie nur an-
erkennt, das andere aber gerade wie der Glauben thut,
davon trennt. Sie bringt daher nicht die Einheit bey-
der als Einheit derſelben, d. i. den Begriff hervor; aber
er entſteht ihr für ſich oder ſie findet ihn nur als vor-
handen
. Denn an ſich iſt ebendiſs die Realiſirung der
reinen Einſicht, daſs ſie, deren Weſen der Begriff iſt,
zuerſt ſich ſelbſt als ein abſolut Anderes wird und ſich
verleugnet, denn der Gegenſatz des Begriffes iſt der
abſolute, und aus dieſem Andersſeyn zu ſich ſelbſt,
oder zu ihrem Begriffe kommt. — Die Aufklärung iſt
aber nur dieſe Bewegung, ſie iſt die noch bewuſstloſe
Thätigkeit des reinen Begriffes, die zwar zu ſich ſelbſt,
als Gegenſtand kommt, aber dieſen für ein Anderes
nimmt, auch die Natur des Begriffes nicht kennt, daſs
nemlich das Nichtunterſchiedne es iſt, was ſich abſo-
lut trennt. — Gegen den Glauben alſo iſt die Einſicht
[515] inſofern die Macht des Begriffes als ſie die Bewegung
und das Beziehen der in ſeinem Bewuſstseyn ausein-
ander liegenden Momente ist, ein Beziehen, worin
der Widerſpruch derſelben zum Vorſchein kömmt.
Hierin liegt das abſolute Recht der Gewalt, welche
sie über ihn ausübt; die Wirklichkeit aber, zu der
sie dieſe Gewalt bringt, ebendarin, daſs das glau-
bende Bewuſstseyn ſelbſt der Begriff ist, und alſo
das Entgegengeſetzte, das ihm die Einsicht herbey-
bringt, ſelbſt anerkennt. Sie behält darum gegen es
Recht, weil sie an ihm das geltend macht, was ihm
ſelbſt nothwendig ist, und was es an ihm ſelbſt hat.


Zuerſt behauptet die Aufklärung das Moment
des Begriffs, ein Thun des Bewuſstſeyns zu ſeyn; sie
behauptet diſs gegen den Glauben, — daſs ſein ab-
ſolutes Wesen, Wesen ſeines Bewuſstseyn als eines
Selbſts, oder daſs es durch das Bewuſstseyn hervor-
gebracht
ſey. Dem glaubenden Bewuſstseyn ist sein
abſolutes Wesen, ebenſo wie es ihm Ansich ist, zu-
gleich nicht wie ein fremdes Ding, welches darin,
man weiſs nicht wie und woher, ſtünde, ſondern
ſein Vertrauen beſteht gerade darin, sich als dieſes
perſönliche Bewuſstseyn darin zu finden, und sein
Gehorſam und Dienſt darin, es als sein abſolutes
Wesen durch sein Thun hervorzubringen. Hieran
erinnert eigentlich nur den Glauben die Aufklärung,
wenn er rein das Ansich des abſoluten Weſens jen-
seits
des Thuns des Bewuſstseyns ausſpricht. — Aber
indem sie zwar der Einseitigkeit des Glaubens das
K k 2
[516] entgegengeſetzte Moment des Thuns deſſelben gegen
das Seyn, an das er hier allein denkt, herbey, ſelbſt
aber ihre Gedanken ebenso nicht zuſammenbringt,
iſolirt sie das reine Moment des Thuns, und ſpricht
von dem Ansich des Glaubens aus, daſs es nur ein
hervorgebrachtes des Bewuſstseyns ſey. Das iſolirte
dem Ansich entgegengeſetzten Thun ist aber ein zu-
fälliges Thun, und als ein vorſtellendes ein Erzeu-
gen von Fictionen, — Vorſtellungen, die nicht an
sich
sind; und ſo betrachtet sie den Inhalt des Glau-
bens. — Umgekehrt aber ſagt die reine Einsicht
ebenso das Gegentheil. Indem sie das Moment des
Andersſeyns, das der Begriff an ihm hat, behauptet,
ſpricht sie das Weſen des Glaubens als ein solches
aus, welches das Bewuſstseyn nichts angehe, jenſeits
deſſelben, ihm fremd und unerkannt ſey. Dem Glau-
ben, ist es ebenſo wie er einerſeits ihm vertraut, und
darin die Gewiſsheit seiner selbſt hat, andererſeits in
ſeinen Wegen unerforſchlich, und in ſeinem Seyn
unerreichbar.


Ferner behauptet die Aufklärung gegen das glau-
bende Bewuſstseyn darin ein Recht, das es ſelbſt
einräumt, wenn sie den Gegenſtand seiner Vereh-
rung, als Stein und Holz, oder ſonſt als eine end-
liche anthropomorphiſche Beſtimmtheit betrachtet.
Denn da es diſs entzweyte Bewuſstseyn ist, ein Jen-
seits
der Wirklichkeit und ein reines Diſſeits von je-
nem Jenſeits zu haben, ſo ist in ihm in der That
auch dieſe Ansicht des sinnlichen Dinges vorhanden,
[517] nach welcher es an und für sich gilt; es bringt aber
dieſe beyden Gedanken des an und für sich seyenden
das ihm einmal das reine Weſen, das anderemal ein
gemeines sinnliches Ding ist, nicht zuſammen. —
Selbſt sein reines Bewuſstseyn ist von der letztern
Ansicht afficirt, denn die Unterſchiede seines über-
sinnlichen Reichs sind, weil es des Begriffs entbehrt,
eine Reihe von ſelbstſtändigen Geſtalten und ihre
Bewegung kein Geſchehen, das heiſst, sie sind nur in
der Vorſtellung, und haben die Weiſe des sinnlichen
Seyns an ihnen. — Die Aufklärung iſolirt ihrerſeits
ebenſo die Wirklichkeit, als ein vom Geiſte verlaſſe-
nes Weſen, die Beſtimmtheit als eine unverrückte
Endlichkeit, welche nicht in der geiſtigen Bewe-
gung des Weſens ſelbſt ein Moment wäre, nicht
Nichts, auch nicht ein an und für sichseyendes Et-
was, ſondern ein verschwindendes.


Es ist klar, daſs daſſelbe bey dem Grunde des
Wiſſens der Fall ist. Das glaubende Bewuſstseyn an-
erkennt ſelbſt ein zufälliges Wiſſen, denn es hat ein
Verhältniſs zu Zufälligkeiten, und das abſolute We-
sen selbſt ist ihm in der Form einer vorgeſtellten
gemeinen Wirklichkeit; hiemit ist das glaubende
Bewuſstseyn auch eine Gewiſsheit, welche nicht die
Wahrheit an ihr ſelbſt hat, und es bekennt sich als
ein ſolches unweſentliches Bewuſstseyn, diſſeits des
sich selbſt vergewiſſernden und bewährenden Geis-
tes. — Diſs Moment vergiſst es aber in seinem gei-
ſtigen unmittelbaren Wiſſen von dem abſoluten
[518] Weſen. — Die Aufklärung aber, welche es dar-
an erinnert, denkt wieder nur an das zufällige Wis-
sen, und vergiſst das andere, — denkt nur an die
Vermittlung, welche durch ein fremdes Drittes ge-
ſchieht, nicht an die, worin das Unmittelbare sich
selbſt das Dritte ist, wodurch es sich mit dem An-
dern, nemlich mit sich ſelbſt, vermittelt.


Endlich findet sie in ihrer Ansicht des Thuns
des Glaubens das Wegwerfen des Genuſſes und der
Habe unrecht und unzweckmäſsig. — Was das Un-
recht betrifft, ſo erhält sie die Uebereinſtimmung des
glaubenden Bewuſstseyns darin, daſs dieſes ſelbſt die-
ſe Wirklichkeit anerkennt, Eigenthum zu besitzen,
feſtzuhalten, und zu genieſsen; es beträgt sich in der
Behauptung des Eigenthums um so isolirter und hart-
nackiger, so wie in seinem Genuſse um ſo roher
dahingegeben, da jenseits dieſer Wirklichkeit sein
religiöſes — Besitz und Genuſs aufgebendes — Thun
fällt und ihm die Freyheit für jene Seite erkaufft.
Dieſer Dienſt der Aufopferung des natürlichen Trei-
bens und Genieſſens hat durch dieſen Gegenſatz in
der That keine Wahrheit; die Beybehaltung hat ne-
ben
der Aufopferung ſtatt; dieſe ist nur ein Zeichen,
das die wirkliche Aufopferung nur an einem klei-
nen Theile vollbringt, und sie daher in der That
nur vorſtellt.


In Ansehung der Zweckmäſsigkeit findet die Auf-
klärung das Wegwerfen einer Habe, um von der
Habe, die Verſagung eines Genuſſes, um von dem
[519] Genuſſe sich befreyt zu wiſſen und zu erweiſen, für
ungeſchickt. Das glaubende Bewuſstseyn ſelbſt faſst
das abſolute Thun als ein allgemeines Thun; nicht
nur das Handeln ſeines abſoluten Weſens als seines
Gegenſtandes ist ihm ein allgemeines, ſondern
auch das einzelne Bewuſstseyn ſoll sich ganz
und allgemein von seinem sinnlichen Wesen be-
freyt erweiſen. Das Wegwerfen einer einzelnen
Habe oder das Verzichtthun auf einen einzelnen Ge-
nuſs ist aber nicht dieſe allgemeine Handlung; und
indem in der Handlung weſentlich der Zweck, der
ein allgemeiner, und die Ausführung, die eine ein-
zelne ist, vor dem Bewuſstseyn in ihrer Unange-
meſſenheit ſtehen müſste, so erweiſst sie sich als
ein solches Handeln, woran das Bewuſstseyn keinen
Antheil hat, und hiemit diſs Handeln eigentlich als
zu naiv, um eine Handlung zu ſeyn; es ist zu naiv
zu faſten, um von der Luſt der Mahlzeit sich [be-
freyt]
, — zu naiv, sich, wie Origines, andere Luſt
vom Leibe wegzuſchaffen, um sie abgethan zu er-
weiſen. Die Handlung ſelbſt erweiſst sich als ein
äuſſerliches und einzelnes Thun; die Begierde aber ist
innerlich eingewurzelt, und ein allgemeines; ihre Luſt
verſchwindet weder mit dem Werkzeuge, [noch] durch
einzelne Entbehrung.


Die Aufklärung aber iſolirt ihrerſeits hier das
innerliche, unwirkliche gegen die Wirklichkeit, wie
sie gegen die Innerlichkeit des Glaubens in seiner
Anschauung und Andacht, die Aeuſſerlichkeit der
[520] Dingheit feſthielt. Sie legt das Weſentliche in die
Absicht, in den Gedanken, und erſpart dadurch das
wirkliche Vollbringen der Befreyung von den natür-
lichen Zwecken; im Gegentheil ist dieſe Innerlich-
keit ſelbſt das formale, das an den natürlichen Trie-
ben ſeine Erfüllung hat, welche eben dadurch ge-
rechtfertigt sind, daſs sie innerlich, daſs sie dem
allgemeinen Seyn, der Natur angehören.


Die Aufklärung hat alſo über den Glauben da-
rum eine unwiderſtehliche Gewalt, daſs sich in ſei-
nem Bewuſstseyn ſelbſt die Momente finden, welche
sie geltend macht. Die Wirkung dieſer Krafft nä-
her betrachtet, ſo ſcheint ihr Verhalten gegen ihn
die schöne Einheit des Vertrauens und der unmittel-
baren Gewiſsheit zu zerreiſſen, sein geiſtiges Bewuſst-
seyn durch niedrige Gedanken der sinnlichen Wirk-
lichkeit zu verunreinigen, sein in seiner Unterwer-
fung beruhigtes und sicheres Gemüth durch die Ei-
telkeit
des Verſtandes und des eigenen Willens und
Vollbringens zu zerſtören. Aber in der That lei-
tet sie vielmehr die Aufhebung der gedankenloſen
oder vielmehr begrifflosen Trennung ein, welche in
ihm vorhanden ist. Das glaubende Bewuſstseyn
führt doppeltes Maſs und Gewicht, es hat zweyer-
ley Augen, zweyerley Ohren, zweyerley Zunge und
Sprache, es hat alle Vorſtellungen vordoppelt, ohne
dieſe Doppelsinnigkeit zu vergleichen. Oder der
Glauben lebt in zweyerley Wahrnehmungen, der
einen, der Wahrnehmung des schlaffenden rein in
[521] begrifflosen Gedanken, der andern des wachen, rein
in der sinnlichen Wirklichkeit lebenden Bewuſst-
seyns, und in jeder führt er eine eigene Haushal-
tung. — Die Aufklärung beleuchtet jene himmli-
sche Welt mit den Vorſtellungen der sinnlichen;
und zeigte jener dieſe Endlichkeit auf, die der Glau-
ben nicht verleugnen kann, weil er Selbstbewuſst-
seyn und hiemit die Einheit ist, welcher beyde Vor-
ſtellungsweiſen angehören, und worin sie nicht aus-
einander fallen, denn sie gehören demſelben un-
trennbaren einfachen Selbſt an, in welches er über-
gegangen iſt.


Der Glauben hat hiedurch den Inhalt, der sein
Element erfüllte, verloren, und sinkt in ein dump-
fes Weben des Geiſtes in ihm ſelbſt zuſammen. Er
ist aus ſeinem Reiche vertrieben, oder diſs Reich ist
ausgeplündert, indem alle Unterscheidung und Aus-
breitung deſſelben das wache Bewuſstseyn an sich
riſs, und ſeine Theile alle der Erde als ihr Eigen-
thum vindicirte und zurückgab. Aber befriedigt ist
er darum nicht, denn durch dieſe Beleuchtung ist
allenthalben nur einzelnes Weſen entſtanden, so daſs
den Geiſt nur weſenloſe Wirklichkeit und von ihm
verlaſſne Endlichkeit anſpricht. — Indem er ohne
Inhalt ist und in dieſer Leere nicht bleiben kann,
oder indem er über das Endliche, das der einzige
Inhalt iſt, hinausgehend nur das Leere findet, ist er
ein reines Sehnen; seine Wahrheit ein leeres Jenseits,
dem sich kein gemäſser Inhalt mehr finden läſst,
[522] denn alles ist anders verwandt. — Der Glauben ist
in der That hiemit daſſelbe geworden, was die Auf-
klärung, nemlich das Bewuſstseyn der Beziehung des
ansichseyenden Endlichen auf das prädicatlose, uner-
kannte und unerkennbare Abſolute; nur daſs sie die
befriedigte, er aber die unbefriedigte Aufklärung ist.
Es wird sich jedoch an ihr zeigen, ob sie in ihrer
Befriedigung bleiben kann; jenes Sehnen des trüben
Geiſtes, der über den Verluſt seiner geiſtigen Welt
trauert, ſteht im Hinterhalte. Sie ſelbſt hat dieſen
Makel des unbefriedigten Sehnens an ihr, — als rei-
nen Gegenſtand
, an ihrem leeren abſoluten Wesen, —
als Thun und Bewegung, an dem Hinausgehen über
ihr Einzelweſen zum unerfüllten Jenseits, — als er-
füllten Gegenſtand
an der Selbſtlosigkeit des Nützlichen.
Sie wird diesen Makel aufheben; aus der nähern
Betrachtung des positiven Resultates, das ihr die
Wahrheit ist, wird sich ergeben, daſs er an sich
darin schon aufgehoben ist.


b.
Die Wahrheit der Aufklärung.

Das dumpfe nichts mehr in sich unterscheiden-
de Weben des Geiſtes ist alſo in sich ſelbſt jenseits
des Bewuſstseyns getreten, welches dagegen sich klar
geworden ist. — Das erſte Moment dieser Klarheit
ist in seiner Nothwendigkeit und Bedingung dadurch
[523] beſtimmt, daſs die reine Einsicht, oder sie, die an sich
Begriff ist, sich verwirklicht; sie thut diſs, indem
sie das Andersſeyn oder die Beſtimmtheit an ihr setzt.
Auf diese Weiſe ist sie negative reine Einsicht, d. i.
Negation des Begriffs; diese ist ebenſo rein; und es
ist damit das reine Ding, das abſolute Weſen, das ſonſt
keine weitere Beſtimmung hat, geworden. Diſs nä-
her beſtimmt, ſo ist sie als abſoluter Begriff, ein
Unterſcheiden von Unterſchieden, die keine mehr
sind, von Abſtractionen oder reinen Begriffen, die
sich selbſt nicht mehr tragen, sondern nur durch
das Ganze der Bewegung Halt und Unterſcheidung
haben. Dieſes Unterſcheiden des Nichtunterſchied-
nen beſteht gerade darin, daſs der abſolute Begriff
sich ſelbſt zu seinem Gegenſtande macht, und jener
Bewegung gegenüber sich als das Wesen ſetzt. Diſs
entbehrt hiedurch der Seite, worin die Abſtractionen
oder Unterschiede auseinandergehalten werden, und
wird daher das reine Denken als reines Ding. — Diſs
ist alſo eben jenes dumpfe bewuſstlose Weben des
Geiſtes in ihm ſelbſt, zu dem der Glauben herab-
ſank, indem er den unterſchiednen Inhalt verlor; —
es ist zugleich jene Bewegung des reinen Selbstbe-
wuſstseyns, der es das abſolut fremde Jenseits ſeyn
soll. Denn weil diſs reine Selbstbewuſstseyn die Be-
wegung in reinen Begriffen, in Unterſcheiden ist,
die keine sind, ſo fällt es in der That in das bewuſst
lose Weben, d. i. in das reine Fühlen oder in die
reine Dingheit zuſammen. — Der sich ſelbſt entfrem-
[524] dete Begriff — denn er ſteht hier noch auf der Stuffe
dieſer Entfremdung — aber erkennt nicht diſs gleiche
Wesen
beyder Seiten, der Bewegung des Selbstbe-
wuſstseyns und seines abſoluten Weſens, — nicht das
gleiche Wesen derſelben, welches in der That ihre Sub-
stanz und Beſtehen ist. Indem er dieſe Einheit nicht
erkennt, ſo gilt ihm das Weſen nur in der Form
des gegenſtändlichen Jenseits, das unterſcheidende
Bewuſstseyn aber, das auf dieſe Weiſe das Ansich
auſser ihm hat, als ein endliches Bewuſstseyn.


Ueber jenes abſolute Weſen geräth die Aufklä-
rung ſelbſt mit sich in den Streit, den sie vorher mit
dem Glauben hatte, und theilt sich in zwey Par-
theyen. Eine Parthey bewährt sich erst dadurch als
die Siegende, daſs sie in zwey Partheyen zerfällt; denn
darin zeigt sie das Princip, das sie bekämpfte, an
ihr ſelbſt zu besitzen, und hiemit die Einseitigkeit
aufgehoben zu haben, in der sie vorher auftrat. Das
Intereſſe, das sich zwiſchen ihr und der andern
theilte, fällt nun ganz in sie und vergiſst der andern,
weil es in ihr ſelbſt den Gegenſatz findet, der es
beſchäfftigt. Zugleich aber ist er in das höhere sie-
gende Element erhoben worden, worin er geläutert
sich darſtellt. So daſs alſo die in einer Parthey ent-
ſtehende Zwietracht, welche ein Unglück ſcheint,
vielmehr ihr Glück beweiſst.


Das reine Weſen ſelbſt hat keinen Unterſchied
an ihm, daher kommt er ſo an daſſelbe, daſs sich
zwey ſolche reine Weſen für das Bewuſstseyn, oder
[525] ein zweyfaches Bewuſstseyn desſelben hervorthut. —
Das reine abſolute Weſen ist nur in dem reinen
Denken, oder vielmehr es ist das reine Denken
ſelbſt, alſo ſchlechthin jenseits des endlichen, des Selbſt-
bewuſstseyns, und nur das negative Weſen. Aber
auf dieſe Weiſe ist es eben das Seyn, das negative
des Selbſtbewuſstseyns. Als negatives deſſelben ist es
auch darauf bezogen; es ist das äuſsere Seyn, welches
auf es, worin die Unterſchiede und Bestimmungen fal-
len, bezogen die Unterſchiede an ihm erhält, ge-
ſchmeckt, geſehen, und ſo fort zu werden; und das
Verhältniſs ist die sinnliche Gewiſsheit und Wahr-
nehmung.


Wird von dieſem sinnlichen Seyn, worein jenes
negative Jenſeits nothwendig übergeht, ausgegangen,
aber von dieſen beſtimmten Weiſen der Beziehung
des Bewuſstseyns abſtrahirt, ſo bleibt die reine Ma-
terie
übrig als das dumpfe Weben und Bewegen in
sich ſelbſt. Es ist hiebey weſentlich, daſs zu be-
trachten, daſs die reine Materie nur das ist, was übrig
bleibt, wenn wir vom Sehen, Fühlen, Schmecken
und ſo fort abſtrahiren, das heiſst, sie ist nicht das
geſehene, geſchmeckte, gefühlte, und ſo fort; es ist
nicht die Materie, die geſehen, gefühlt, geſchmeckt
wird, ſondern die Farbe, ein Stein, ein Salz u. ſ. f.;
sie ist vielmehr die reine Abſtraction; und dadurch
ist das reine Weſen des Denkens, oder das reine Den-
ken ſelbſt vorhanden, als das nicht in sich unter-
ſchiedene, nicht beſtimmte, prädicatloſe Abſolute.


[526]

Die eine Aufklärung nennt das abſolute Weſen
jenes prädicatloſe Abſolute, das jenſeits des wirkli-
chen Bewuſstseyns im Denken ist, von welchem aus-
gegangen wurde; — die andere nennt es Materie.
Wenn sie als Natur, und Geiſt oder Gott unterſchie-
den würden, ſo würde, dem bewuſstloſen We-
ben in sich ſelbſt, um Natur zu ſeyn, der Reich-
thum des entfalteten Lebens fehlen; — dem Geiſte
oder Gotte das sich in sich unterſcheidende Be-
wuſstseyn. Beydes ist, wie wir geſehen, ſchlechthin
derſelbe Begriff; der Unterſchied liegt nicht in der
Sache, ſondern rein nur in dem verſchiedenen Aus-
gangspunkte beyder Bildungen, und darin, daſs jede
auf einem eigenen Punkte in der Bewegung des
Denkens ſtehen bleibt. Wenn sie darüber hinweg-
ſetzten, würden sie zuſammentreffen und als daſſelbe
erkennen, was der einen, wie sie vorgibt, ein Greuel,
der andern eine Thorheit ist. Denn der einen ist
das abſolute Weſen in ihrem reinen Denken oder
unmittelbar für das reine Bewuſstseyn, auſſer dem
endlichen Bewuſstseyn, das negative Jenseits deſſel-
ben. Würde sie darauf reflectiren, daſs theils
jene einfache Unmittelbarkeit des Denkens nichts
anderes ist als das reine Seyn, theils das was negativ
für das Bewuſstseyn ist, sich zugleich darauf bezieht,
daſs im negativen Urtheile das ist (copula) beyde
getrennten ebenſo zuſammenhält, — ſo würde sich
die Beziehung dieſes Jenseits in der Bestimmung
eines äuſſern Seyenden auf das Bewuſstseyn ergeben,
[527] und hiemit als daſſelbe, was reine Materie genannt
wird; das fehlende Moment der Gegenwart wäre ge-
wonnen. — Die andere Aufklärung geht von dem
sinnlichen Seyn aus, abſtrahirt dann von der sinnli-
chen Beziehung des Schmeckens, Sehens und so
fort, und macht es zum reinen Ansich, zur abſoluten
Materie
, dem nicht gefühlten, noch geſchmeckten;
diſs Seyn ist auf dieſe Weise das prädicatlose Ein-
fache, Wesen des reinen Bewuſstseyns geworden; es
ist der reine Begriff als an sich seyend, oder das rei-
ne Denken in sich selbſt
. Diese Einsicht macht in ih-
rem Bewuſstseyn nicht den entgegengesetzten Schritt
vom Seyenden, welches rein seyendes ist, zum Ge-
dachten, das daſſelbe ist, als das reinſeyende, oder
nicht vom rein Positiven zum rein Negativen; in-
dem doch das Positive rein schlechthin nur durch
die Negation ist; das rein Negative aber als reines,
sich in sich selbſt gleich und eben dadurch positiv
ist. — Oder beyde sind nicht zum Begriffe der Car-
tesiſchen Metaphysik gekommen, daſs an sich Seyn
und Denken daſſelbe ist, nicht zu dem Gedanken,
daſs Seyn, reines Seyn, nicht ein concretes wirkliches
ist, sondern die reine Abſtraction; und umgekehrt das
reine Denken, die Sichselbstgleichheit, oder das
Wesen, theils das Negative des Selbstbewuſstseyns
und hiemit Seyn, theils als unmittelbare Einfachheit
ebenso nichts anderes als Seyn ist; das Denken ist
Dingheit, oder Dingheit ist Denken.


[528]

Das Weſen hat hier die Entzweyung erſt ſo an
ihm, daſs es zwey Arten der Betrachtungsweise an-
gehört; theils muſs das Wesen den Unterſchied an
ihm selbst haben, theils gehen eben darin die bey-
den Betrachtungsarten in Eine zusammen; denn die
abſtracten Momente des reinen Seyns und des Ne-
gativen, wodurch sie sich unterscheiden, sind als-
denn in dem Gegenſtande dieſer Betrachtungsweiſen
vereinigt. — Das gemeinschafftliche Allgemeine ist
die Abſtraction des reinen Erzitterns in sich ſelbſt,
oder des reinen sich ſelbſt Denkens. Diese einfache
achsendrehende Bewegung muſs sich auseinander
werfen, weil sie ſelbſt nur Bewegung ist, indem sie
ihre Momente unterscheidet. Diese Unterscheidung
der Momente läſst das Unbewegte als die leere Hülſe
des reinen Seyns, das kein wirkliches Denken, kein
Leben in sich selbst mehr ist, zurück; denn sie ist
als der Unterſchied aller Inhalt. Sie, die sich auſſer
jener Einheit setzt, ist aber hiemit der nicht in sich
zurückkehrende
Wechsel der Momente, des ansich und
des für ein anderes und des fürsichſeyns; — die Wirk-
lichkeit, wie sie Gegenſtand für das wirkliche Be-
wuſstseyn der reinen Einsicht ist, — die Nützlich-
keit
.


So schlecht die Nützlichkeit dem Glauben, oder
der Empfindſamkeit, oder auch der sich Speculation
nennenden Abſtraction, welche sich das ansich fixirt,
ausſehen mag, so ist sie es, worin die reine Einsicht
ihre Realisirung vollendet, und sich selbſt ihr Ge-
[529] genſtand
ist, den sie nun nicht mehr verleugnet,
und der auch nicht den Werth des Leeren oder des
reinen Jenseits für sie hat. Denn die reine Einsicht
ist, wie wir ſahen, der seyende Begriff selbſt, oder
die sich selbſt gleiche reine Persönlichkeit, so sich in
sich unterscheidend, daſs jedes der unterſchiedenen
selbst reiner Begriff, das heiſst unmittelbar nicht
unterschieden ist; sie ist einfaches reines [Selbſtbe-
wuſstseyn]
, welches ebensowohl für sich als an sich
in einer unmittelbaren Einheit ist. Sein Ansichseyn
ist daher nicht bleibendes Seyn, sondern hört unmit-
telbar auf, in ſeinem Unterschiede etwas zu ſeyn;
ein solches Seyn aber, das unmittelbar keinen Halt
hat, ist nicht an sich, sondern weſentlich für ein an-
ders
, das die Macht ist, die es abſorbirt. Aber diſs
zweyte dem ersten, dem Ansichseyn, entgegengesetz-
te Moment verschwindet ebenso unmittelbar als das
erſte, oder als Seyn nur für anderes ist es vielmehr
das Verſchwinden ſelbſt, und es ist das in sich zurück-
gekehrt
, das für sich seyn geſetzt. Diſs einfache für sich
seyn ist aber als die Sichselbſtgleichheit vielmehr ein
Seyn
, oder damit für ein anderes. — Dieſe Natur der
reinen Einsicht in der Entfaltung ihrer Momente, oder
sie als Gegenſtand drückt das Nützliche aus. Es ist
ein an sich beſtehendes oder Ding, diſs Ansichseyn
ist zugleich nur reines Moment; es ist somit abſolut
für ein anderes, aber es ist ebenso nur für ein ande-
res, als es an sich ist; dieſe entgegengeſetzten Mo-
mente sind in die unzertrennliche Einheit des Für-
L l
[530] sichseyns zurückgekehrt. Wenn aber das Nützliche
wohl den Begriff der reinen Einsicht ausdrückt, so
ist es jedoch nicht als solche, ſondern sie als Vor-
ſtellung
oder als ihr Gegenſtand; es ist nur der raſt-
loſe Wechsel jener Momente, deren eines zwar das
in sich ſelbſt zurückgekehrtseyn ſelbſt ist, aber nur
als fürsichseyn, d. h. als ein abſtractes gegen die an-
dern auf die Seite tretendes Moment. Das nützliche
selbſt ist nicht das negative Wesen, diese Momente
in ihrer Entgegensetzung zugleich ungetrennt in ein
und derselben Rücksicht, oder als ein Denken an sich
zu haben, wie sie als reine Einsicht sind; das Mo-
ment des Fürsichseyns ist wohl an dem Nützlichen,
aber nicht ſo, daſs es über die andern Momente, das
Ansich und das Seyn für anderes, übergreift, und somit
das Selbst wäre. Die reine Einsicht hat alſo an dem
Nützlichen ihren eigenen Begriff in ſeinen reinen
Momenten zum Gegenſtande; sie ist das Bewuſstseyn
dieser Metaphysik, aber noch nicht das Begreiffen der-
selben; es ist noch nicht zu der Einheit des Seyns und
des Begriffs selbst gekommen. Weil das Nützliche
noch die Form eines Gegenſtandes für sie hat, hat
sie eine zwar nicht mehr an und für sich seyende,
aber doch noch eine Welt, welche sie von sich un-
terscheidet. Allein indem die Gegensätze auf die
Spitze des Begriffes herausgetreten sind, wird diſs
die nächste Stuffe seyn, daſs sie zuſammenſtürzen,
und die Aufklärung die Früchte ihrer Thaten er-
fährt.


[531]

Den erreichten Gegenſtand in Beziehung auf dieſe
ganze Sphäre betrachtet, ſo hatte die wirkliche Welt
der Bildung sich in die Eitelkeit des Selbstbewuſst-
seyns zuſammengefaſst, — in das Fürsichseyn, das
ihre Verworrenheit noch zu ſeinem Inhalte hat, und
noch der einzelne Begriff, noch nicht der für sich all-
gemeine
ist. In sich aber zurückgekehrt ist er die
reine Einsicht, — das reine Bewuſstseyn als das reine
Selbſt, oder die Negativität, wie der Glauben eben-
daſſelbe als das reine Denken oder die Positivität.
Der Glauben hat in jenem Selbſt das ihn vervoll-
ſtändigende Moment; — aber durch diese Ergäntzung
untergehend, ist es nun an der reinen Einsicht, daſs
wir die beyden Momente ſehen, als das abſolute
Weſen, das rein gedacht oder negatives — und als
Materie, die das positive seyende ist. — Es fehlt die-
ser Vollständigkeit noch jene Wirklichkeit des Selbſt-
bewuſstſeyns, welche dem eiteln Bewuſstseyn ange-
hört, — die Welt, aus welcher das Denken sich zu sich
erhob. Diſs Fehlende ist in der Nützlichkeit insofern
erreicht, als die reine Einsicht daran die positive
Gegenſtändlichkeit erlangte; sie ist dadurch wirkli-
ches in sich befriedigtes Bewuſstseyn. Diese Ge-
genſtändlichkeit macht nun ihre Welt aus; sie ist
die Wahrheit der vorhergehenden ganzen der ideel-
len wie der reellen Welt geworden. Die erste Welt
des Geiſtes ist das ausgebreitete Reich seines sich
zerſtreuenden Daſeyns und der vereinzelnten Gewiſs-
heit
ſeiner ſelbſt; wie die Natur ihr Leben in
L l 2
[532] unendlich mannichfaltige Geſtalten zerſtreut, ohne
daſs die Gattung derſelben vorhanden wäre. Die
zweyte enthält die Guttung, und ist das Reich des
Ansichseyns, oder der Wahrheit entgegengeſetzt jener
Gewiſsheit. Das dritte aber, das Nützliche ist die
Wahrheit, welche ebenſo die Gewiſsheit ſeiner ſelbſt
ist. Dem Reiche der Wahrheit des Glaubens fehlt
das Princip der Wirklichkeit oder Gewiſsheit ſeiner
ſelbſt als dieſes Einzelnen. Der Wirklichkeit aber
oder Gewiſsheit ſeiner selbſt als dieſes einzelnen fehlt
das Ansich. In dem Gegenſtande der reinen Einsicht
sind beyde Welten vereinigt. Das Nützliche ist der
Gegenſtand, inſofern das Selbſtbewuſstſeyn ihn durch-
ſchaut, und die einzelne Gewiſsheit seiner selbſt, sei-
nen Genuſs, (sein Fürsichseyn) in ihm hat; es sicht
ihn auf dieſe Weiſe ein, und dieſe Einsicht enthält
das wahre Weſen des Gegenſtandes; (ein durch-
ſchautes oder für ein anderes zu ſeyn) sie ist alſo
selbſt wahres Wissen, und das Selbſtbewuſstseyn hat
ebenſo unmittelbar die allgemeine Gewiſsheit ſeiner
selbst, sein reines Bewuſstseyn in diesem Verhältniſſe,
in welchem also ebenso Wahrheit, wie Gegenwart
und Wirklichkeit vereinigt sind. Beyde Welten sind
versöhnt, und der Himmel auf die Erde herunter
verpflanzt.


[533]
III.
Die abſolute Freyheit
und der Schrecken
.

Das Bewuſstſeyn hat in der Nützlichkeit ſeinen Be-
griff geſunden. Aber er iſt theils noch Gegenſtand,
theils ebendarum noch Zweck, in deſſen Beſitze es ſich
noch nicht unmittelbar befindet. Die Nützlichkeit iſt
noch Prädicat des Gegenſtandes, nicht Subject ſelbſt,
oder ſeine unmittelbare und einzige Wirklichkeit. Es
iſt daſſelbe, was vorhin ſo erſchien; daſs das Fürſich-
ſeyn
noch nicht ſich als die Subſtanz der übrigen Mo-
mente erwieſen, wodurch das Nützliche unmittelbar
nichts anderes als das Selbſt des Bewuſstſeyns und
dieſes hiedurch in ſeinem Beſitze wäre. — Dieſe
Rücknahme der Form der Gegenſtändlichkeit des Nütz-
lichen iſt aber an ſich ſchon geſchehen, und aus dieſer
innern Umwälzung tritt die wirkliche Umwälzung der
Wirklichkeit, die neue Geſtalt des Bewuſstſeyns, die
abſolute Freyheit hervor.


Es iſt nemlich in der That nicht mehr als ein lee-
rer Schein von Gegenſtändlichkeit vorhanden, der das
[534] Selbſtbewuſstſeyn von dem Beſitze trennt. Denn
theils iſt überhaupt alles Beſtehen und Gelten der be-
ſtimmten Glieder der Organiſation der wirklichen und
geglaubten Welt in dieſe einfache Beſtimmung als in
ihren Grund und Geiſt zurückgegangen; theils aber
hat dieſe nichts eignes mehr für ſich, ſie iſt viel-
mehr reine Metaphyſik, reiner Begriff oder Wiſſen
des Selbstbewuſstseyns. Von dem an und für ſich ſeyn
des Nützlichen als Gegenſtandes erkennt nemlich das
Bewuſstseyn, daſs ſein Anſichſeyn weſentlich Seyn für
anderes
iſt; des Anſichſeyn als das Selbſtloſe iſt in Wahr-
heit das paſſive, oder was für ein anderes Selbſt iſt.
Der Gegenſtand iſt aber für das Bewuſstseyn in die-
ſer abſtracten Form des reinen Anſichſeyns, denn es iſt
reines Einſehen, deſſen Unterſchiede in der reinen.
Form der Begriffe ſind. — Das Fürſichſeyn aber, in
welches das Seyn für anderes zurückgeht, das Selbſt,
iſt nicht ein von dem Ich verſchiednes, eignes Selbſt
deſſen, was Gegenſtand heiſst; denn das Bewuſstseyn
als reine Einſicht iſt nicht einzelnes Selbſt, dem der
Gegenſtand ebenſo als eignes Selbſt gegenüberſtünde,
ſondern es iſt der reine Begriff, das Schauen des
Selbſts in das Selbſt, das abſolute ſich ſelbſt doppelt
ſehen; die Gewiſsheit ſeiner iſt das allgemeine Sub-
ject und ſein wiſſender Begriff das Weſen aller Wirk-
lichkeit. Wenn alſo das Nützliche nur der nicht in
ſeine eigne Einheit zurückkehrende Wechsel der Mo-
mente, und daher noch Gegenſtand für das Wiſſen
war, ſo hört er auf dieſes zu ſeyn, denn das Wiſſen
[535] iſt ſelbſt die Bewegung jener abſtracten Momente,
es iſt das allgemeine Selbſt, das Selbſt ebenſo ſeiner
als des Gegenſtandes, und als allgemeines, die in ſich
zurückkehrende Einheit dieſer Bewegung.


Hiemit iſt der Geiſt als abſolute Freyheit vorhan-
den; er iſt das Selbstbewuſstseyn, welches ſich er-
faſst, daſs ſeine Gewiſsheit ſeiner ſelbſt, das Weſen
aller geiſtigen Maſſen der realen ſo wie der überſinn-
lichen Welt, oder umgekehrt, daſs Weſen und Wirk-
lichkeit das Wiſſen des Bewuſstseyns von ſich iſt. —
Es iſt ſeiner reinen Perſönlichkeit und darinn aller
geiſtigen Realität bewuſst, und alle Realität iſt nur
geiſtiges; die Welt iſt ihm ſchlechthin ſein Willen,
und dieſer iſt allgemeiner Willen. Und zwar iſt er
nicht der leere Gedanke des Willens, der in ſtill-
ſchweigende oder repreſentirte Einwilligung geſetzt
wird, ſondern reell allgemeiner Willen, Willen al-
ler einzelner als ſolcher. Denn der Willen iſt an ſich
das Bewuſstſeyn der Perſönlichkeit oder eines Jeden,
und als dieſer wahrhafte wirkliche Willen ſoll er ſeyn,
als ſelbſtbewuſstes Weſen aller und jeder Perſönlich-
keit, ſo daſs jeder immer ungetheilt Alles thut, und
was als Thun des Ganzen auftritt, das unmittelbare
und bewuſste Thun eines Jeden iſt.


Dieſe ungetheilte Subſtanz der abſoluten Freyheit
erhebt ſich auf den Thron der Welt, ohne daſs ir-
gend eine Macht ihr Widerſtand zu leiſten vermöch-
te. Denn indem in Wahrheit das Bewuſstseyn allein
das Element iſt, worinn die geiſtigen Weſen oder
[536] Mächte ihre Subſtanz haben, ſo iſt ihr ganzes Sy-
ſtem, das ſich durch die Theilung in Maſſen organi-
ſirte und erhielt, zuſammengefallen, nachdem das ein-
zelne Bewuſstseyn den Gegenſtand ſo erfaſst, daſs er
kein anderes Weſen habe, als das Selbſtbewuſstseyn
ſelbſt, oder daſs er abſolut der Begriff iſt. Was den
Begriff zum ſeyenden Gegenſtande machte, war ſeine
Unterſcheidung in abgeſonderte beſtehende Maſſen; in-
dem aber der Gegenſtand zum Begriffe wird, iſt nichts
beſtehendes mehr an ihm; die Negativität hat alle
ſeine Momente durchdrungen. Er tritt ſo in die Exi-
ſtenz, daſs jedes einzelne Bewuſstſeyn aus der Sphä-
re, der es zugetheilt war, ſich erhebt, nicht mehr
in dieſer beſonderten Maſſe ſein Weſen und ſein
Werk findet, ſondern ſein Selbſt als den Begriff des
Willens, alle Maſſen als Weſen dieſes Willens er-
faſst, und ſich hiemit auch nur in einer Arbeit ver-
wirklichen kann, welche ganze Arbeit iſt. In die-
ſer abſoluten Freyheit ſind alſo alle Stände, welche
die geiſtigen Weſen ſind, worein ſich das Ganze glie-
dert, getilgt; das einzelne Bewuſstſeyn, das einem
ſolchen Gliede angehörte, und in ihm wollte und
vollbrachte, hat ſeine Schranke aufgehoben; ſein Zweck
iſt der allgemeine Zweck, ſeine Sprache das allge-
meine Geſetz, ſein Werk das allgemeine Werk.


Der Gegenſtand und der Unterſchied hat hier die Be-
deutung der Nützlichkeit, die Prädicat alles realen Seyns
war, verloren; das Bewuſstseyn fängt ſeine Bewegung
nicht an ihm an als einem fremden, von dem aus es
[537] erſt in ſich zurückkehrte, ſondern der Gegenſtand iſt
ihm das Bewuſstseyn ſelbſt; der Gegenſatz beſteht al-
ſo allein in dem Unterſchiede des einzelnen und allge-
meinen
Bewuſstseyns; aber das einzelne iſt ſich unmit-
telbar ſelbſt dasjenige, was nur den Schein des Gegen-
ſatzes hatte, es iſt allgemeines Bewuſstſeyn und Wil-
len. Das Jenſeits dieſer ſeiner Wirklichkeit ſchwebt
über dem Leichname der verſchwundnen Selbſtſtän-
digkeit des realen oder geglaubten Seyns nur als die
Ausdünſtung eines faden Gaſes, des leeren Etre ſu-
prême.


Es iſt nach Aufhebung der unterſchiedeneu geiſti-
gen Maſſen, und des beſchränkten Lebens der Indivi-
duen, ſo wie ſeiner beyden Welten alſo nur die Be-
wegung des allgemeinen Selbſtbewuſstseyns in ſich
ſelbſt vorhanden, als eine Wechſelwirkung deſſelben
in der Form der Allgemeinheit und des perſönlichen Be-
wuſstſeyns; der allgemeine Willen geht in ſich, und
iſt einzelner Willen, dem das allgemeine Geſetz und
Werk gegenüberſteht. Aber diſs einzelne Bewuſstſeyn
iſt ſich ſeiner ebenſo unmittelbar als allgemeinen Wil-
lens bewuſst; es iſt ſich bewuſst, daſs ſein Gegenſtand
von ihm gegebenes Geſetz und von ihm vollbrachtes
Werk iſt; in Thätigkeit übergehend und Gegenſtänd-
lichkeit erſchaffend, macht es alſo nichts einzelnes,
ſondern nur Geſetze, und Staatsactionen.


Dieſe Bewegung iſt hiedurch die Wechſelwirkung
des Bewuſstseyns mit ſich ſelbſt, worinn es nichts in
der Geſtalt eines freyen ihm gegenüber tretenden Ge-
[538] genſtandes
entläſst. Es folgt daraus, daſs es zu keinem
poſitiven Werke, weder zu allgemeinen Werken der
Sprache noch der Wirklichkeit, weder zu Geſetzen
und allgemeinen Einrichtungen der bewuſsten — noch
zu Thaten und Werken der wollenden Freyheit kom-
men kann. — Das Werk, zu welchem die ſich Be-
wuſstſeyn
gebende Freyheit ſich machen [könnte], wür-
de darin beſtehen, daſs ſie als allgemeine Subſtanz ſich
zum Gegenſtande und bleibenden Seyn machte. Diſs An-
dersſeyn wäre der Unterſchied an ihr, wornach ſie ſich
in beſtehende geiſtige Maſſen und in die Glieder ver-
ſchiedener Gewalten theilte; theils daſs dieſe Maſſen
die Gedankendinge einer geſonderten geſetzgebenden,
richterlichen und ausübenden Gewalt wären, theils
aber die realen Weſen, die ſich in der realen Welt der
Bildung ergaben, und indem der Inhalt des allgemei-
nen Thuns näher beachtet würde, die beſondern Maſ-
ſen des Arbeitens, welche weiter als ſpeciellere Stän-
de
unterſchieden werden. — Die allgemeine Freyheit,
die ſich auf dieſe Weiſe in ihre Glieder geſondert,
und ebendadurch zur ſeyenden Subſtanz gemacht hätte,
wäre dadurch frey von der einzelnen Individualität
und theilte die Menge der Individuen unter ihre ver-
ſchiedenen Glieder. Das Thun und Seyn der Perſön-
lichkeit ſande ſich aber dadurch auf einen Zweig des
Ganzen, auf eine Art des Thuns und Seyns beſchränkt;
in das Element des Seyns geſetzt, erhielte ſie die Bedeu-
tung einer beſtimmten; ſie hörte auf in Wahrheit all-
gemeines Selbſtbewuſstseyn zu ſeyn. Dieſes läſst ſich
[539] dabey nicht durch die Vorſtellung des Gehorſams un-
ter ſelbſtgegebenen Geſetzen, die ihm einen Theil zu-
wieſen, noch durch ſeine Repreſentation beym Geſetz-
geben und allgemeinen Thun um die Wirklichkeit be-
triegen, — nicht um die Wirklichkeit, ſelbſt das
Geſetz zu geben, und nicht ein einzelnes Werk,
ſondern das allgemeine ſelbſt zu vollbringen; denn
wobey dae Selbſt nur repreſentirt und vorgeſtellt iſt,
da iſt es nicht wirklich; wo es vertreten iſt, iſt es nicht.


Wie in dieſem allgemeinen Werke der abſoluten
Freyheit als daſeyender Subſtanz ſich das einzelne
Selbſtbewuſstſeyn nicht findet, eben ſo wenig in ei-
gentlichen Thaten und individuellen Handlungen ihres
Willens. Daſs das Allgemeine zu einer That kom-
me, muſs es ſich in das Eins der Individualität zu-
ſammennehmen, und ein einzelnes Selbſtbewuſstſeyn
an die Spitze ſtellen; denn der allgemeine Willen
iſt nur in einem Selbſt, das Eines iſt, wirklicher Wil-
len. Dadurch aber ſind alle andern Einzelnen von dem
Ganzen dieſer That ausgeſchloſſen, und haben nur ei-
nen beſchränkten Antheil an ihr, ſo daſs die That
nicht That des wirklichen allgemeinen Selbſtbewuſstſeyns
seyn würde. — Kein poſitives Werk noch That kann alſo
die allgemeine Freyheit hervorbringen; es bleibt ihr
nur das negative Thun; ſie iſt nur die Furie des Ver-
ſchwindens.


Aber die höchſte und der allgemeinen Freyheit
entgegengeſetzteſte Wirklichkeit oder vielmehr der
einzige Gegenſtand, der für ſie noch wird, iſt die
[540] Freyheit und Einzelnheit des wirklichen Selbſtbe-
wuſstſeyns ſelbſt. Denn jene Allgemeinheit, die ſich
nicht zu der Realität der organiſchen Gegliederung
kommen läſst, und in der ungetheilten Continuität
ſich zu erhalten den Zweck hat, unterſcheidet ſich
in ſich zugleich, weil ſie Bewegung oder Bewuſstſeyn
überhaupt iſt. Und zwar um ihrer eignen Abſtrac-
tion willen, trennt ſie ſich in eben ſo abſtracte Ex-
treme, in die einfache unbiegſame kalte Allgemein-
heit, und in die discrete abſolute harte Sprödigkeit
und eigenſinnige Punctualität des wirklichen Selbſt-
bewuſstſeyns. Nachdem ſie mit der Vertilgung der
realen Organiſation fertig geworden, und nun für
ſich beſteht, iſt diſs ihr einziger Gegenſtand; — ein
Gegenſtand, der keinen andern Inhalt, Beſitz, Da-
ſeyn und [äuſſerliche] Ausdehnung mehr hat, ſondern
er iſt nur diſs Wiſſen von ſich als abſolut reinem
und freyem einzelnem Selbſt. An was er erfaſst
werden kann, iſt allein ſein abſtractes Daſeyn über-
haupt. — Das Verhältniſs alſo dieſer beyden, da ſie
untheilbar abſolut für ſich ſind, und alſo keinen Theil
in die Mitte ſchicken können, wodurch ſie ſich ver-
knüpften, iſt die ganz unvermittelte reine Negation;
und zwar die Negation des Einzelnen als Seyenden
in dem Allgemeinen. Das einzige Werk und That
der allgemeinen Freyheit iſt daher der Tod, und
zwar ein Tod, der keinen innern Umfang und Er-
füllung hat, denn was negirt wird, iſt der unerfüll-
te Punkt des abſolutfreyen Selbſts; er iſt alſo der
[541] kälteſte, platteſte Tod, ohne mehr Bedeutung, als
das Durchhauen eines Kohlhaupts oder ein Schluck
Waſſers.


In der Plattheit dieſer Sylbe beſteht die Weis-
heit der Regierung, der Verſtand des allgemeinen
Willens ſich zu vollbringen. Die Regierung iſt ſelbſt
nichts anders, als der ſich feſtſetzende Punkt oder
die Individualität des allgemeinen Willens. Sie, ein
Wollen und Vollbringen, das aus einem Punkte aus-
geht, will und vollbringt zugleich eine beſtimmte
Anordnung und Handlung. Sie ſchlieſst damit ei-
nerſeits die übrigen Individuen aus ihrer That aus,
andererſeits conſtituirt ſie ſich dadurch als eine ſol-
che, die ein beſtimmter Willen, und dadurch dem
allgemeinen Willen entgegengeſetzt iſt; ſie kann da-
her ſchlechterdings nicht anders, denn als eine Fac-
tion
ſich darſtellen. Die ſiegende Faction nur heiſst
Regierung, und ebendarin daſs ſie Faction iſt, liegt
unmittelbar die Nothwendigkeit ihres Untergangs;
und daſs ſie Regierung iſt, diſs macht ſie umgekehrt
zur Faction und ſchuldig. Wenn der allgemeine
Willen ſich an ihr wirkliches Handeln als an das
Verbrechen hält, das ſie gegen ihn begeht, ſo hat
ſie dagegen nichts Beſtimmtes und Aeuſſeres, wo-
durch die Schuld des ihr entgegengeſetzten Willens
ſich darſtellte; denn ihr als dem wirklichen allgemei-
nen Willen ſteht nur der unwirkliche reine Willen,
die Abſicht, gegenuber. Verdächtig werden tritt daher
an die Stelle, oder hat die Bedeutung und Wirkung
[542] des Schuldigſeyns, und die äuſſerliche Reaction gegen
dieſe Wirklichkeit, die in dem einfachen Innern der
Abſicht liegt, beſteht in dem trocknen Vertilgen die-
ſes ſeyenden Selbſts, an dem nichts ſonſt wegzuneh-
men iſt, als nur ſein Seyn ſelbſt.


In dieſem ihrem eigenthümlichen Werke wird
die abſolute Freyheit ſich zum Gegenſtande, und
das Selbſtbewuſstſeyn erfahrt, was ſie iſt. Anſicht iſt
ſie eben diſs abſtracte Selbſtbewuſstseyn, welches allen
Unterſchied und alles Beſtehen des Unterſchiedes in
ſich vertilgt. Als dieſes iſt ſie ſich der Gegenſtand;
der Schrecken des Todes iſt die Anſchauung dieſes
ihres negativen Weſens. Dieſe ſeine Realitat findet
aber das abſolutfreye Selbſtbewuſstſeyn ganz anders
als ihr Begriff von ihr ſelbſt war, daſs nemlich der
allgemeine Willen nur das poſitive Weſen der Per-
ſönlichkeit ſey, und dieſe in ihm ſich darin nur po-
ſitiv oder erhalten wiſſe. Sondern hier iſt für es,
das als reine Einſicht ſein poſitives und negatives
Weſen, — das prädicatloſe Abſolute als reines Den-
ken
, und als reine Materie ſchlechthin trennt, — der
abſolute Uebergang von dem einen in das andere, in
ſeiner Wirklichkeit vorhanden. — Der allgemeine
Willen, als abſolut poſitives wirkliches Selbſtbewuſst-
ſeyn, ſchlagt, weil es dieſe zum reinen Denken oder
zur abſtracten Materie geſteigerte selbſtbewuſste Wirk-
lichkeit iſt, in das negative Weſen um, und erweiſst
ſich ebenſo Aufheben des ſich ſelbſt Denkens oder des
Selbſtbewuſstſeyns zu ſeyn.


[543]

Die abſolute Freyheit hat alſo als reine Sichſelbſt-
gleichheit des allgemeinen Willens die Negation,
damit aber den Unterſchied überhaupt an ihr, und
entwickelt dieſen wieder als wirklichen Unterſchied.
Denn die reine Negativität hat an dem ſich ſelbſtglei-
chen allgemeinen Willen das Element des Beſtehens
oder die Subſtanz, worin ihre Momente ſich realiſi-
ren, ſie hat die Materie welche ſie in ihre Beſtimmt-
heit verwenden kann; und inſofern dieſe Subſtanz
ſich als das negative für das einzelne Bewuſstseyn
gezeigt hat, bildet ſich alſo wieder die Organiſation
der geiſtigen Maſſen aus, denen die Menge der in-
dividuellen Bewuſstseyn zugetheilt wird. Dieſe, wel-
che die Furcht ihres abſoluten Herrn, des Todes
empfunden, laſſen ſich die Negation und die Un-
terſchiede wieder gefallen, ordnen ſich unter die Maſ-
ſen, und kehren zu einem getheilten und beſchrank-
ten Werke, aber dadurch zu ihrer ſubſtantiellen
Wirklichkeit zurück.


Der Geiſt wäre aus dieſem Tumulte zu ſeinem
Ausgangspunkte, der ſittlichen und realen Welt der
Bildung, zurückgeſchleudert, welche durch die Furcht
des Herrn, die wieder in die Gemüther gekommen,
nur erfriſcht und verjüngt worden. Der Geiſt müſste
dieſen Kreislauf der Nothwendigkeit von neuem durch-
lauffen und immer wiederhohlen, wenn nur die voll-
kommne Durchdringung des Selbſtbewuſstseyns und
der Subſtanz, das Reſultat wäre, — eine Durchdrin-
gung, worin das Selbſtbewuſstseyn, das die gegen es
[544] negative Krafft ſeines allgemeinen Weſens erfahren,
ſich nicht als dieſes Beſondre, ſondern nur als Allge-
meines wiſſen und finden wollte, und daher auch die
gegenſtändliche es als Beſonders ausſchlieſſende Wirk-
lichkeit des allgemeinen Geiſtes ertragen könnte. —
Aber in der abſoluten Freyheit war nicht, weder das
Bewuſstseyn, das in mannichfaltiges Daſeyn verſenkt
iſt, oder das ſich beſtimmte Zwecke und Gedanken
feſtſetzt, — noch eine äuſſere geltende Welt, es ſey
der Wirklichkeit oder des Denkens, miteinander in
Wechſelwirkung, ſondern die Welt ſchlechthin in
der Form des Bewuſstseyns, als allgemeiner Willen
und ebenſo das [Selbſtbewuſstseyn] zuſammengezogen
aus allem ausgedehnten Daſeyn oder mannichfaltigem
Zweck und Urtheil in das einfache Selbſt. Die Bil-
dung, die es in der Wechſelwirkung mit jenem We-
ſen erlangt, iſt daher die erhabenſte und letzte, ſeine rei-
ne einfache Wirklichkeit unmittelbar verſchwinden
und in das leere Nichts übergehen zu ſehen. In der
Welt der Bildung ſelbſt, kommt es nicht dazu, ſeine
Negation oder Entfremdung in dieſer Form der reinen
Abſtraction anzuſchauen; ſondern ſeine Negation iſt
die erfüllte; entweder die Ehre oder der Reichthum,
die es an die Stelle des Selbſts, deſſen es ſich entfrem-
dete, gewinnt; — oder die Sprache des Geiſtes und
der Einſicht, die das zerriſſene Bewuſstſeyn erlangt,
oder ſie iſt der Himmel des Glaubens, oder das Nütz-
liche der Aufklärung. Alle dieſe Beſtimmungen ſind
in dem Verluſte, den das Selbſt in der abſoluten
[545] Freyheit erfährt, verloren; ſeine Negation iſt der
bedeutungslose Tod, der reine Schrecken des Negati-
ven, das nichts poſitives, nichts erfüllendes in ihm
hat. — Zugleich aber iſt dieſe Negation in ihrer Wirk-
lichkeit nicht ein Fremdes, ſie iſt weder die allgemeine
jenſeits liegende Nothwendigkeit, worin die ſittliche Welt
untergeht, noch der einzelne Zufall des eignen Beſi-
tzes oder der Laune des Beſitzenden, von dem das [zer-
riſſne]
Bewuſstſeyn ſich abhängig ſieht, — ſondern ſie
iſt der allgemeine Willen, der in dieser seiner letzten
Abſtraction nichts poſitives hat, und daher nichts für
die Aufopferung zurückgeben kann, — aber eben-
darum iſt er unvermittelt eins mit dem Selbstbewuſst-
seyn, oder er iſt das rein poſitive, weil er das rein ne-
gative iſt; und der bedeutungslose Tod, die unerfüll-
te Negativität des Selbſts schlägt im innern Begriffe
zur absoluten Poſitivität um. Für das Bewuſstſeyn ver-
wandelt ſich die unmittelbare Einheit seiner mit dem
allgemeinen Willen, [seine] Foderung ſich als diesen
beſtimmten Punkt im allgemeinen Willen zu wiſſen,
in die schlechthin entgegengesetzte Erfahrung um.
Was ihm darin verschwindet, ist das abstracte Seyn
oder die Unmittelbarkeit des subſtanzlosen Punkts,
und diese verschwundne Unmittelbarkeit ist der allge-
meine Willen selbst, als welchen es sich nun weiſs,
insofern es aufgehobne Unmittelbarkeit, insofern es rei-
nes Wissen oder reiner Willen iſt. Hiedurch weiſs
es ihn als sich selbst und sich als Wesen, aber nicht
M m
[546] als das unmittelbarſeyende Wesen, weder ihn als die re-
volutionäre Regierung oder als die die Anarchie zu con-
stituiren strebende Anarchie, noch sich als Mittel-
punkt dieser Faction oder der ihr entgegengesetzten,
sondern der allgemeine Willen ist sein reines Wissen und
Wollen
, und es ist allgememer Willen, als dieses rei-
ne Wissen [und] Wollen. Es verliert darin nicht sich
selbst
, denn das reine Wissen und Wollen iſt vielmehr
es, als der atome Punkt des Bewuſstseyns. Es ist al-
so die Wechselwirkung des reinen Wissens mit sich
selbst; das reine Wissen als Wesen ist der allgemeine
Willen; aber dieses Wesen ist schlechthin nur das
reine Wissen. Das Selbstbewuſstseyn ist also das rei-
ne Wissen von dem Wesen als reinem Wissen. Es
ferner als einzelnes Selbst ist nur die Form des Subjects
oder wirklichen Thuns, die von ihm als Form ge-
wuſst wird; ebenso ist für es die gegenständliche Wirk-
lichkeit, das Seyn, schlechthin selbstlose Form; denn
sie wäre das nicht gewuſste; diſs Wissen aber weiſs
das Wissen als das Wesen.


Die abſolute Freyheit hat also den Gegenſatz des
allgemeinen und einzelnen Willens mit sich ſelbst aus-
geglichen; der sich entfremdete Geiſt, auf die Spitze
seines Gegensatzes getrieben, in welchem das reine
Wollen und das rein Wollende noch unterschieden
sind, setzt ihn zur durchsichtigen Form herab, und
findet darin sich selbst. — Wie das Reich der wirkli-
chen Welt in das Reich des Glaubens und der Einsicht
übergeht, so geht die absolute Freyheit aus ihrer sich
[547] selbst zerstörenden Wirklichkeit in ein anderes Land
des selbſtbewuſtsen Geiſtes über, worin sie in dieser
Unwirklichkeit als das Wahre gilt, an dessen Gedan-
ken er sich labt, insofern er Gedanke iſt und bleibt,
und dieses in das Selbstbewuſstseyn eingeschlossene
Seyn als das vollkommne und vollſtändige Wesen
weiſs. Es ist die neue Gestalt des moralischen Geistes
entstanden.


M m 2
[548]

C.
Der seiner selbst gewiſse Geist.
Die Moralität
.


Die sittliche Welt zeigte den in ihr nur abgeschied-
nen Geiſt, das einzelne Selbſt, als ihr Schicksal und
ihre Wahrheit. Dieſe Person des Rechts aber hat
ihre Subſtanz und Erfüllung auſſer ihr. Die Bewe-
gung der Welt der Bildung und des Glaubens hebt
diese Abſtraction der Person auf, und durch die vol-
lendete Entfremdung, durch die höchſte Abſtraction,
wird dem Selbſt des Geiſtes die Subſtanz zuerſt zum
allgemeinen Willen, und endlich zu seinem Eigen-
thum. Hier also scheint das Wissen endlich seiner
Wahrheit vollkommen gleich geworden zu seyn;
denn seine Wahrheit ist diſs Wissen selbſt, und
aller Gegensatz beyder Seiten verschwunden; und
zwar nicht für uns, oder an sich, sondern für das
Selbstbewuſstseyn selbſt. Es ist nemlich über den
Gegensatz des Bewuſstseyns selbſt Meister geworden,
Dieses beruht auf dem Gegensatze der Gewiſsheit
seiner selbſt und des Gegenſtandes; nun aber ist der
Gegenſtand ihm selbſt die Gewiſsheit seiner, das
Wiſien — so wie die Gewiſsheit seiner selbst als
[549] solche nicht mehr eigne Zwecke hat, also nicht
mehr in der Bestimmtheit, sondern reines Wiſſen
ist.


Das Wiſſen des Selbstbewuſstseyns ist ihm alſo
die Subſtanz selbſt. Sie ist für es ebenso unmittelbar
als abſolut vermittelt in einer ungetrennten Einheit.
Unmittelbar — wie das sittliche Bewuſstseyn weiſs
und thut es selbſt die Pflicht und gehört ihr als sei-
ner Natur an; aber es ist nicht Charakter, wie die-
ses, das um seiner Unmittelbarkeit willen ein be-
ſtimmter Geiſt ist, nur Einer der sittlichen Wesen-
heiten angehört, und die Seite hat, nicht zu wiſſen. —
Es ist absolute Vermittlung, wie das sich bildende
und das glaubende Bewuſstseyn; denn es ist weſent-
lich die Bewegung des Selbſts, die Abstraction des
unmittelbaren Daseyns aufzuheben, und sich allge-
meines zu werden; — aber weder durch reine Ent-
fremdung und Zerreiſſung seines Selbſts und der
Wirklichkeit, — noch durch die Flucht. Sondern es
ist sich unmittelbar in seiner Subſtanz gegenwärtig,
denn sie ist sein Wiſſen, sie ist die angeschaute
reine Gewiſsheit seiner selbſt; und eben dieſe Unmit-
telbarkeit
, die seine eigne Wirklichkeit ist, ist alle
Wirklichkeit, denn das Unmittelbare ist das Seyn
selbſt, und als die reine durch die absolute Negati-
vität geläuterte Unmittelbarkeit ist sie reines, ist sie
Seyn überhaupt oder alles Seyn.


Das abſolute Wesen ist daher nicht in der Be-
ſtimmung erschöpft, das einfache Wesen des Denkens
[550] zu seyn, sondern es ist alle [Wirklichkeit], und dieſe
Wirklichkeit ist nur als Wiſſen; was das Bewuſst-
seyn nicht wüſste, hätte keinen Sinn und kann kei-
ne Macht für es seyn; in seinen wiſſenden Willen
hat sich alle Gegenſtändlichkeit und Welt zurückge-
zogen. Es ist abſolut frey, darin daſs es seine Frey-
heit weiſs, und eben diſs Wiſſen seiner Freyheit ist
seine Subſtanz und Zweck und einziger Inhalt.


a.
Die moralische Weltanschauung.

Das Selbſtbewuſstſeyn weiſs die Pflicht, als das
abſolute Wesein; es ist nur durch sie gebunden, und
dieſe Subſtanz ist sein eignes reines Bewuſstseyn;
die Pflicht kann nicht die Form eines Fremden für
es erhalten. So aber in sich selbſt beschloſſen ist
das moralische Selbſtbewuſstseyn noch nicht als Be-
wuſstseyn
gesetzt und betrachtet. Der Gegenſtand ist
unmittelbares Wiſſen, und so rein von dem Selbſt
durchdrungen ist er nicht Gegenſtand. Aber we-
ſentlich die Vermittlung und Negativität, hat es in
seinem Begriffe die Beziehung auf ein Andersſeyn;
und ist Bewuſstseyn. Diſs Andersſeyn ist einerseits,
weil die Pflicht seinen einzigen wesentlichen Zweck
und Gegenſtand ausmacht, für es eine völlig bedeu-
tungslose
Wirklichkeit. Weil diſs Bewuſstseyn aber so
vollkommen in sich beſchloſſen ist, so verhält es
sich gegen diſs Audersſeyn vollkommen frey und
[551] gleichgültig, und das Daseyn ist daher andererseits
ein vom Selbstbewuſstseyn völlig freygelaſſenes, sich
ebenso nur auf sich beziehendes Daſeyn; je freyer
das Selbſtbewuſstseyn wird, deſto freyer auch der
negative Gegenſtand ſeines Bewuſstseyns. Er ist hie-
durch eine zur eignen Individualität in sich vollen-
dete Welt, ein selbſtständiges Ganzes eigenthümli-
cher Gesetze, so wie ein selbſtständiger Gang und
freye Verwirklichung derselben, — eine Natur über-
haupt, deren Geſetze wie ihr Thun ihr ſelbſt ange-
hören, als einem Weſen, das unbekümmert um das
moralische Selbstbewuſstseyn ist, wie dieſes um sie.


Von dieſer Beſtimmung an bildet sich eine mo-
ralische Weltanschauung
aus, die in der Beziehung des
moralischen An ‒ und Fürsichſeyns und des natür-
lichen
An ‒ und Fürsichſeyns beſteht. Dieſer Be-
ziehung liegt zum Grunde ſowohl die völlige
Gleichgültigkeit und eigne Selbſtständigkeit der Natur,
und der moralischen Zwecke und Thätigkeit gegen-
einander, als auf der andern Seite das Bewuſstseyn
der alleineinigen Weſenheit der Pflicht und der völ-
ligen Unselbſtständigkeit und Unweſenheit der Na-
tur. Die moralische Weltanschauung enthält die
Entwicklung der Momente, die in dieſer Beziehung so
ganz widerſtreitender Vorausſetzungen enthalten sind.


Zuerſt also ist das moralische Bewuſstseyn über-
haupt vorausgeſetzt; die Pflicht gilt ihm als das We-
ſen, ihm, das wirklich und thatig ist, und in ſeiner
Wirklichkeit und That die Pflicht erfüllt. Für diſs
[552] moraliſche Bewuſstseyn ist aber zugleich die vor-
ausgeſetzte Freyheit der Natur, oder es erfährt, daſs
die Natur unbekümmert darum ist, ihm das Be-
wuſstseyn der Einheit ſeiner Wirklichkeit mit der
ihrigen zu geben, und es alſo vielleicht glücklich
werden läſst, vielleicht auch nicht. Das unmoralische
Bewuſstseyn dagegen findet vielleicht zufälligerweiſe
ſeine Verwirklichung, wo das moralische nur Ver-
anlaſſung
zum Handeln, aber durch daſſelbe nicht
das Glück der Ausführung und des Genuſſes der
Vollbringung ihm zu Theil werden sieht. Es findet
daher vielmehr Grund zu Klagen über ſolchen Zu-
ſtand der Unangemeſſenheit ſeiner und des Daſeyns,
und der Ungerechtigkeit, die es darauf einſchränkt,
ſeinen Gegenſtand nur als reine Pflicht zu haben,
aber ihm denſelben, und sich verwirklicht zu ſehen
verſagt.


Das moralische Bewuſstſeyn kann nicht auf die
Glückseligkeit Verzicht thun, und diſs Moment aus
aus ſeinem abſoluten Zwecke weglaſſen. Der Zweck,
der als reine Pflicht ausgeſprochen wird, hat weſent-
lich diſs an ihm, dies einzelne Selbſtbewuſstſeyn zu
enthalten; die individuelle Ueberzeugung und das Wiſ-
ſen von ihr machten ein abſolutes Moment der Mo-
ralität aus. Dieſes Moment an dem gegenſtändlich
gewordenen Zwecke, an der erfüllten Pflicht, iſt das
sich als verwirklicht anſchauende einzelne Bewuſst-
seyn, oder der Genuſs, der hiemit im Begriffe zwar
nicht unmittelbar der Moralität als Gesinnung be-
[553] trachtet liegt, allein im Begriffe der Verwirklichung
derſelben. Hiedurch aber liegt er auch in ihr als
Gesinnung; denn dieſe geht darauf, nicht Gesinnung
im Gegenſatze des Handelns zu bleiben, ſondern zu
handeln, oder sich zu verwirklichen. Der Zweck
als das Ganze mit dem Bewuſstſeyn ſeiner Momente
ausgeſprochen, ist alſo diſs, daſs die erfüllte Pflicht
ebenſowohl reinmoraliſche Handlung, als realisirte
Individualität ſey, und die Natur, als die Seite der
Einzelnheit gegen den abſtracten Zweck, eins ſey mit
dieſem. — So nothwendig die Erfahrung von der
Disharmonie beyder Seiten iſt, weil die Natur frey
ist, ebenſo iſt auch die Pflicht allein das Weſentliche,
und die Natur gegen sie das Selbſtloſe. Jener ganze
Zweck, den die Harmonie ausmacht, enthält die
Wirklichkeit ſelbſt in sich. Er ist zugleich der Ge-
danke
der Wirklichkeit. Die Harmonie der Moralität
und der Natur, — oder indem die Natur nur inſofern
in Betracht kömmt, als das Bewuſstseyn ihre Ein-
heit mit ihm erfährt, — die Harmonie der Morali-
tät und der Glückſeligkeit ist gedacht als nothwendig
ſeyend, oder sie ist poſtulirt. Denn Fodern drückt aus,
daſs etwas ſeyend gedacht wird, das noch nicht wirk-
lich iſt; eine Nothwendigkeit nicht des Begriffes, als
Begriffes, ſondern des Seyns. Aber die Nothwendig-
keit ist zugleich weſentlich die Beziehung durch den
Begriff. Das gefoderte Seyn gehört alſo nicht dem
Vorſtellen des zufälligen Bewuſstseyns an, ſondern
es liegt im Begriffe der Moralität ſelbſt, deſſen wah-
[554] rer Inhalt die Einheit des reinen und einzelnen Be-
wuſstseyns iſt; dem letztern gehört diſs an, daſs
dieſe Einheit für es als eine Wirklichkeit ſey, was
im Inhalte des Zwecks Glückſeligkeit, in seiner Form
aber Daſeyn überhaupt iſt. — Diſs gefoderte Daſeyn
oder die Einheit beyder iſt darum nicht ein Wunſch,
oder als Zweck betrachtet, nicht ein ſolcher, deſſen
Erreichung noch ungewiſs wäre, ſondern er iſt eine
Foderung der Vernunft, oder unmittelbare Gewiſs-
heit und Vorausſetzung derſelben.


Jene erste Erfahrung und diſs Poſtulat iſt nicht
das einzige, ſondern es thut sich ein ganzer Kreis
von Poſtulaten auf. Die Natur ist nemlich nicht
nur diese ganz freye äuſſerliche Weise, in welcher
als einem reinen Gegenſtan e das Bewuſstseyn ſei-
nen Zweck zu realisiren hätte. Dieſes ist an ihm
selbſt
weſentlich ein ſolches, für welches diſs andere
freye Wirkliche ist, d. h. es ist selbst ein zufälliges
und natürliches. Diese Natur, die ihm die seinige
ist, ist die Sinnlichkeit, die in der Geſtalt des Wol-
lens, als Triebe und Neigungen, für sich eigene be-
ſtimmte
Wesenheit oder einzelne Zwecke hat, also dem
reinen Willen und seinem reinen Zwecke entgegen-
geſetzt ist. Gegen dieſe Entgegensetzung aber ist
dem reinen Bewuſstseyn vielmehr die Beziehung der
Sinnlichkeit auf es, ihre absolute Einheit mit ihm
das Wesen. Beydes, das reine Denken und die
Sinnlichkeit des Bewuſstseyns, sind an sich Ein Be-
wuſtseyn
, und das reine Denken ist eben dieses, für
[555] welches und in welchem diese reine Einheit ist; für
es aber als Bewuſstseyn ist der Gegensatz seiner
selbst und der Triebe. In diesem Widerſtreit der
Vernunft und der Sinnlichkeit ist für jene diſs das
Wesen, daſs er sich auflöse, und als Reſultat die
Einheit beyder hervorgehe, die nicht jene ursprüng-
liche
, daſs beyde in Einem Individuum sind, sondern
eine solche ist, die aus dem gewuſsten Gegenſatze
beyder hervorgeht. Solche Einheit erst ist die wirk-
liche
Moralität, denn in ihr ist der Gegensatz, wo-
durch das Selbst Bewuſstseyn oder erst wirkliches
und in der That Selbſt und zugleich allgemeines iſt,
enthalten; oder es ist diejenige Vermittlung darin aus-
gedrückt, welche der Moralität, wie wir ſehen, we-
sentlich ist. — Indem unter den beyden Momenten
des Gegenſatzes die Sinnlichkeit ſchlechthin das An-
dersſeyn
oder das Negative, hingegen das reine Den-
ken der Pflicht das Weſen ist, von welchem nichts
aufgegeben werden kann, ſo ſcheint die hervorge-
brachte Einheit nur durch das Aufheben der Sinn-
lichkeit zu Stande kommen zu können. Da sie aber
ſelbſt Moment dieſes Werdens, das Moment der
Wirklichkeit ist, so wird man sich für die Einheit
zunächst mit dem Ausdrucke begnügen müſſen, daſs
die Sinnlichkeit der Moralität gemäſs ſey. — Diese
Einheit ist gleichfalls ein poſtulirtes Seyn, sie ist nicht
da; denn was da ist, ist das Bewuſstſeyn, oder der
Gegensatz der Sinnlichkeit und des reinen Bewuſst-
ſeyns. Sie ist aber zugleich nicht ein An sich, wie
[556] das erſte Poſtulat, worin die freye Natur eine Seite
ausmacht, und die Harmonie derſelben mit dem mo-
raliſchen Bewuſstſeyn daher auſſer dieſem fällt; ſon-
dern die Natur ist hier diejenige, welche an ihm
ſelbſt, und es ist hier um die Moralität als ſolche
zu thun, um eine Harmonie, welche die eigne des
thnenden Selbsts ist; das Bewuſstſeyn hat sie daher
selbst zu Stande zu bringen, und in der Moralität
immer Fortſchritte zu machen. Die Vollendung der-
ſelben aber ist ins unendliche hinauszuſchieben; denn
wenn sie wirklich einträte, so höhe sich das mora-
lische Bewuſstseyn auf. Denn die Moralität ist nur
moraliſches Bewuſstseyn als das negative Weſen,
für deſſen reine Pflicht die Sinnlichkeit nur eine ne-
gative
Bedeutung, nur nicht gemäſs ist. In der Har-
monie aber verſchwindet die Moralität als Bewuſstseyn
oder ihre Wirklichkeit, wie in dem moraliſchen Be-
wuſstſeyn
oder der Wirklichkeit ihre Harmonie ver-
ſchwindet. Die Vollendung ist darum nicht wirklich
zu erreichen, sondern nur als eine abſolute Aufgabe
zu denken, das heiſst als eine ſolche, welche ſchlecht-
hin Aufgabe bleibt. Zugleich ist jedoch ihr Inhalt
als ein ſolcher zu denken, der ſchlechthin ſeyn
müſſe, und nicht Aufgabe bleibe; es ſey nun, daſs
man sich in dieſem Ziele das Bewuſstseyn ganz auf-
gehoben, oder auch nicht, vorſtelle; wie es eigent-
lich damit zu halten, läſst sich in der dunkeln Ferne
der Unendlichkeit, wohin eben deſswegen die Er-
reichung des Ziels zu ſchieben ist, nicht mehr deut-
[557] lich zu unterſcheiden. Es wird eigentlich gesagt
werden müſſen, daſs die beſtimmte Vorſtellung nicht
intereſſiren und nicht geſucht werden ſoll, weil diſs
auf Widerſprüche führt, — einer Aufgabe, die Auf-
gabe bleiben, und doch erfüllt werden, — einer Morali-
tät, die nicht Bewuſstseyn, nicht wirklich mehr ſeyn
ſoll. Durch die Betrachtung aber, daſs die vollen-
dete Moralität einen Widerſpruch enthielte, würde
die Heiligkeit der moraliſchen Weſenheit leiden, und
die abſolute Pflicht als etwas unwirkliches erſcheinen.


Das erſte Poſtulat war die Harmonie der Mo-
ralität und der gegenſtändlichen Natur, der End-
zweck der Welt; das andere die Harmonie der Mo-
ralität und des sinnlichen Willens, der Endzweck
des Selbſtbewuſstseyns als ſolchen; das erſte alſo die
Harmonie in der Form des Ansich, das andere in der
Form des Fürsichſeyns. Was aber dieſe beyden ex-
tremen Endzwecke, die gedacht sind, als Mitte ver-
bindet, ist die Bewegung des wirklichen Handelns
ſelbſt. Sie sind Harmonien, deren Momente in ihrer
abſtracten Unterſchiedenheit noch nicht zum Gegen-
ſtande geworden; diſs geſchieht in der Wirklichkeit,
worin die Seiten im eigentlichen Bewuſstseyn, jede
als die Andre der Andern auftritt. Die hiedurch ent-
ſtehenden Poſtulate enthalten, wie vorher nur die
getrennten an sich und für sich ſeyende Harmonien, itzt
an und fürsichſeyende.


Das moraliſche Bewuſstseyn ist als das einfache
Wiſſen
und Wollen der reinen Pflicht im Handeln
[558] auf den ſeiner Einfachheit entgegengeſetzten Gegen-
ſtand — auf die Wirklichkeit des mannichfaltigen Fal-
les
bezogen, und hat dadurch ein mannichfaltiges
moraliſches Verhaltniſs. Es entſtehen hier dem In-
halte nach die vielen Geſetze überhaupt, und der Form
nach die widerſprechenden Mächte des wiſſenden
Bewuſstſeyns und des Bewuſstlosen. — Was fürs erſte
die vielen Pflichten betrifft, ſo gilt dem moraliſchen
Bewuſstſeyn überhaupt nur die reine Pflicht in ih-
nen; die vielen Pflichten als viele, sind beſtimmte und
daher als ſolche für das moraliſche Bewuſstſeyn nichts
heiliges. Zugleich aber durch den Begriff des Han-
delns
, das eine mannichfaltige Wirklichkeit, und da-
her eine mannichfaltige moraliſche Beziehung in sich
ſchlieſst, nothwendig, müſſen sie als an und für sich
ſeyend betrachtet werden. Da sie ferner nur in ei-
nem moraliſchen Bewuſstſeyn ſeyn können, sind sie
zugleich in einem andern als jenem, dem nur die
reine Pflicht als die reine an und für sich und hei-
lig ist.


Es ist alſo poſtulirt, daſs ein anderes Bewuſstſeyn
ſey, welches sie heiligt, oder welches sie als Pflich-
ten weiſs und will. Das erſte erhält die reine Pflicht
gleichgültig gegen allen beſtimmten Inhalt, und die
Pflicht ist nur dieſe Gleichgültigkeit gegen ihn. Das
andere aber enthält die ebenſo weſentliche Beziehung
auf das Handeln, und die Nothwendigkeit des beſtimm-
ten
Inhalts; indem ihm die Pflichten als beſtimmte
Pflichten gelten, ſo ist ihm damit der Inhalt als ſol-
[559] cher ebenſo weſentlich als die Form, wodurch er
Pflicht iſt. Diſs Bewuſstſeyn ist hiedurch ein ſol-
ches, worin das Allgemeine und das Beſondere
ſchlechthin eins ist, ſein Begriff alſo derſelbe, als
der Begriff der Harmonie der Moralität und Glück-
ſeligkeit. Denn dieſer Gegenſatz drückt ebenſo die
Trennung des ſich ſelbſt gleichen moraliſchen Bewuſst-
ſeyns von der Wirklichkeit aus, die als das vielfache
Seyn
dem einfachen Weſen der Pflicht widerſtreitet.
Wenn aber das erſte Poſtulat nur die ſeyende Har-
monie der Moralität und der Natur ausdrückt, weil
die Natur darin diſs negative des Selbſtbewuſstſeyns,
das Moment des Seyns ist, ſo ist hingegen itzt diſs
Ansich weſentlich als Bewuſstſeyn geſetzt. Denn das
Seyende hat nun die Form des Inhalts der Pflicht,
oder ist die Beſtimmtheit an der beſtimmten Pflicht.
Das Ansich ist alſo die Einheit ſolcher, welche als
einfache Weſenheiten, Weſenheiten des Denkens, und
daher nur in einem Bewuſstseyn sind. Dieſes iſt
alſo nunmehr ein Herr und Beherrſcher der Welt,
der die Harmonie der Moralität und der Glückſe-
ligkeit hervorbringt, und zugleich die Pflichten als
Viele heiligt. Das letztere heiſst ſoviel, daſs dem
Bewuſstseyn der reinen Pflicht die beſtimmte nicht
unmittelbar heilig ſeyn kann; weil sie aber um des
wirklichen Handelns, das ein beſtimmtes iſt, gleich-
falls nothwendig iſt, ſo fällt ihre Nothwendigkeit auſ-
ſer jenem Bewuſstseyn in ein anderes, das ſomit
das vermittelnde der beſtimmten und reinen Pflicht
und der Grund ist, daſs jene auch gilt.


[560]

In der wirklichen Handlung aber verhält ſich
das Bewuſstseyn als dieſes Selbſt, als ein vollkom-
men einzelnes; es ist auf die Wirklichkeit als ſol-
che gerichtet, und hat sie zum Zwecke; denn es
will vollbringen. Es fällt alſo die Pflicht überhaupt
auſſer es in ein anderes Weſen, das Bewuſstseyn
und der heilige Geſetzgeber der reinen Pflicht ist.
Dem handelnden, eben weil es Handelndes ist, gilt
das Andere der reinen Pflicht unmittelbar, dieſe iſt
alſo Inhalt eines andern Bewuſstseyns und nur mit-
telbar, nemlich in dieſem, jenem heilig.


Weil es hiemit geſetzt iſt, daſs das Gelten der
Pflicht als des an und für sich heiligen, auſſerhalb
des wirklichen Bewuſstseyns fallt, ſo ſteht dieſes
hiedurch überhaupt als das unvollkommne moraliſche
Bewuſstseyn auf der einen Seite. Sowohl seinem
Wiſſen nach weiſs es sich alſo als ein ſolches, deſſen
Wiſſen und Ueberzeugung unvollſtändig und zufällig
iſt; ebenſo ſeinem Wollen nach als ein ſolches, deſ-
ſen Zwecke mit Sinnlichkeit afficirt ſind. Um ſeiner
Unwürdigkeit willen kann es daher die Glückseligkeit
nicht nothwendig, ſondern als etwas Zufälliges an-
ſehen, und sie nur aus Gnade erwarten.


Ob aber ſchon seine Wirklichkeit unvollkom-
men iſt, so gilt doch ſeinem reinen Willen und Wiſ-
ſen die Pflickt als das Weſen; im Begriffe, inſofern
er der Realität entgegengeſetzt iſt, oder im Denken
iſt es alſo vollkommen. Das abſolute Weſen aber iſt
eben diſs Gedachte, und jenſeits der Wirklichkeit
[561] poſtulirte; es iſt daher der Gedanke, in welchem
das moraliſch unvollkommne Wiſſen und Wollen
für vollkommen gilt, hiemit auch, indem es daſ-
ſelbe für vollwichtig nimmt, die Glückseligkeit nach
der Würdigkeit, nemlich nach dem ihm zugeſchrie-
benen Verdienſt
ertheilt.


Die Weltanschauung iſt hierin vollendet; denn
in dem Begriffe des moraliſchen Selbstbewuſstseyns
sind die beyden Seiten reine Pflicht und Wirklich-
keit in Einer Einheit geſetzt, und dadurch die eine
wie andre nicht als an und für sich seyend, ſondern
als Moment oder als aufgehoben. Diſs wird in dem
letzten Theile der moraliſchen Weltanschauung für
das Bewuſstseyn; die reine Pflicht nemlich ſetzt es
in ein andres Weſen, als es ſelbſt ist, d. h. es ſetzt
sie theils als ein vorgeſtelltes, theils als ein ſolches,
das nicht das ist, was an und für sich gilt, ſondern
das nichtmoraliſche gilt vielmehr als vollkommen.
Ebenso sich selbst ſetzt es als ein ſolches, deſſen
Wirklichkeit, die der Pflicht unangemeſſen ist, auf-
gehoben, und als aufgehobne oder in der Vorſtellung
des absoluten Weſens, der Moralität nicht mehr
widerſpricht.


Für das moraliſche Bewuſstseyn ſelbſt hat jedoch
seine moralische Weltanſchauung nicht die Bedeu-
tung, daſs es in ihr seinen eignen Begriff entwickelt,
und ihn sich zum Gegenſtande macht; es hat we-
der ein Bewuſstſeyn über diesen Gegensatz der Form,
noch auch über den Gegenſatz dem Inhalte nach,
N n
[562] deſſen Theile es nicht untereinander bezieht und ver-
gleicht, ſondern in ſeiner Entwicklung sich, ohne
der zuſammenhaltende Begriff der Momente zu ſeyn,
fortwälzt. Denn es weiſs nur das reine Weſen, oder
den Gegenſtand, inſofern er Pflicht, inſofern er ab-
ſtracter
Gegenſtand ſeines reinen Bewuſstseyns ist,
als reines Wiſſen oder als sich ſelbſt. Es verhält
sich alſo nur denkend, nicht begreiffend. Daher iſt
ihm der Gegenſtand ſeines wirklichen Bewuſstseyns
noch nicht durchsichtig; es iſt nicht der abſolute
Begriff, der allein das Andersſeyn als ſolches, oder
sein absolutes Gegentheil als sich selbst erfaſst. Sei-
ne eigne Wirklichkeit, ſo wie alle gegenſtändliche
Wirklichkeit gilt ihm zwar als das unweſentliche;
aber ſeine Freyheit ist die Freyheit des reinen Den-
kens, welcher darum zugleich die Natur gegenüber
als ein ebenſo freyes entſtanden iſt. Weil beydes
auf gleiche Weiſe in ihm ist, die Freyheit des Seyns
und das Eingeſchloſſenſeyn deſſelben in das Bewuſst-
seyn, ſo wird ſein Gegenſtand als ein ſeyender, der
zugleich nur gedacht; in dem letzten Theile seiner An-
ſchauung wird der Inhalt weſentlich ſo geſetzt, daſs
ſein Seyn ein vorgeſtelltes iſt, und dieſe Verbindung
des Seyns und des Denkens als das ausgeſprochen,
was sie in der That ist, das Vorſtellen.


Indem wir die moraliſche Weltanſchauung ſo
betrachten, daſs dieſe gegenſtändliche Weiſe nichts
anderes ist, als der Begriff des moraliſchen Selbstbe-
wuſstseyns ſelbſt, den es sich gegenſtändlich macht,
[563] ſo ergibt sich durch diſs Bewuſstseyn über die Form
ihres Urſprungs eine andere Geſtalt ihrer Darſtel-
lung. — Das Erſte nemlich, wovon ausgegangen
wird, ist das wirkliche moraliſche Selbſtbewuſstſeyn,
oder daſs es ein ſolches gibt. Denn der Begriff ſetzt
es in der Beſtimmung, daſs ihm alle Wirklichkeit
überhaupt Weſen nur inſofern hat, als sie der Pflicht
gemäſs iſt, und er ſetzt diſs Weſen als Wiſſen, d.
h. in unmittelbarer Einheit mit dem wirklichen Selbſt;
dieſe Einheit ist ſomit ſelbſt wirklich, sie iſt ein mo-
raliſches wirkliches Bewuſstseyn. — Dieſes nun als
Bewuſstseyn ſtellt sich ſeinen Inhalt als Gegenſtand
vor, nemlich als Endzweck der Welt, als Harmonie
der Moralität und aller Wirklichkeit. Indem es aber
dieſe Einheit als Gegenſtand vorſtellt, und noch nicht
der Begriff ist, der die Macht über den Gegenſtand
als solchen hat, so ist sie ihm ein Negatives des
Selbstbewuſstseyns, oder sie fällt auſſer ihm, als ein
Jenseits seiner Wirklichkeit, aber zugleich als ein
ſolches, das auch als ſeyend, aber nur gedacht wird.


Was ihm, das als Selbſtbewuſstseyn ein anderes,
denn der Gegenſtand iſt, hiemit übrig bleibt, iſt die
Nichtharmonie des Pflichtbewuſstseyns und der Wirk-
lichkeit, und zwar seiner eignen. Der Satz lautet
hiemit itzt ſo; es gibt kein moraliſch vollendetes wirk-
liches
Selbſtbewuſstseyn; — und da das moraliſche
überhaupt nur iſt, inſofern es vollendet iſt, denn die
Pflicht iſt das reine unvermiſchte Ansich, und die
Moralität beſteht nur in der Angemeſſenheit zu die-
N n 2
[564] ſem Reinen, — ſo heiſst der zweyte Satz überhaupt
ſo, daſs es kein moralisch wirkliches gibt.


Indem es aber drittens Ein Selbſt iſt, ſo iſt es
an sich die Einheit der Pflicht und der Wirklichkeit;
diese Einheit wird ihm alſo Gegenſtand, als die vol-
lendete Moralität, — aber als ein Jenseits seiner
Wirklichkeit, — aber das doch wirklich seyn soll.


In diesem Ziele der ſynthetischen Einheit der
beyden erſten Sätze, ist die selbstbewuſste Wirklichkeit
ſowohl als die Pflicht nur als aufgehobnes Moment
gefetzt; denn keines iſt einzeln, aber ſie, in deren we-
ſentlichen Beſtimmung ist, frey von dem andern zu ſeyn,
sind somit jedes in der Einheit nicht mehr frey von
dem andern, also jedes [aufgehoben], und ſomit wer-
den sie dem Inhalt nach als ſolche Gegenſtand, deren
jedes für das andre gilt, und der Form nach, ſo daſs
dieſe Austauschung derſelben zugleich nur vorgeſtellt
ist. — Oder das wirklich nicht moralische, weil es
ebenso reines Denken und über seine Wirklichkeit
erhaben ist, ist in der Vorſtellung doch moraliſch,
und wird für vollgültig genommen. Es wird hie-
durch der erſte Satz, daſs es ein moraliſches Selbſt-
bewuſstseyn gibt, hergeſtellt, aber verbunden mit
dem zweyten, daſs es keines gibt, nemlich es gibt
eines, aber nur in der Vorſtellung; oder es gibt
zwar keines, aber es wird von einem andern doch
dafür gelten gelaſſen.


[565]
b.
Die Verstellung.

In der moralischen Weltanschauung sehen wir
einestheils das Bewuſstseyn ſelbſt ſeinen Gegenſtand
mit Bewuſstseyn erzeugen; wir sehen es denselben
weder als ein Fremdes vorfinden, noch auch ihn
bewuſstlos ihm werden, ſondern es verfährt überall
nach einem Grunde, aus welchem es das gegenſtänd-
liche Weſen ſetzt
; es weiſs daſſelbe alſo als sich ſelbſt,
denn es weiſs sich als das thätige, das es erzeugt.
Es scheint somit hier zu seiner Ruhe und Befriedi-
gung zu kommen, denn diese kann es nur da finden,
wo es über seinen Gegenſtand nicht mehr hinauszu-
gehen braucht, weil dieser nicht mehr über es hin-
ausgebt. Auf der andern Seite aber ſetzt es selbst
ihn vielmehr auſſer sich hinaus, als ein Jenseits sei-
ner. Aber diſs an und fürsichseyende ist ebenso als
ein solches gesetzt, das nicht frey vom Selbſtbewuſst-
seyn, sondern zum Behuf des letztern und durch
daſſelbe ſey.


Die moralische Weltanschauung ist daher in der
That nichts anderes, als die Ausbildung dieses zum
Grunde liegenden Widerspruchs nach seinen ver-
schiedenen Seiten; sie ist, um einen kantischen Aus-
druck hier, wo er am paſſendſten ist, zu gebrau-
chen, ein ganzes Neſt gedankenloser Widersprüche.
Das Bewuſstseyn verhält sich in dieser Entwicklung
so, daſs es ein Moment feſtsetzt, und von da un-
[566] mittelbar zum andern übergeht, und das erſte auf-
hebt; wie es aber nun diſs zweyte aufgeſtellt hat,
verſtellt
es auch daſſelbe wieder, und macht vielmehr
das Gegentheil zum Wesen. Zugleich ist es sich
seines Widerſpruches und Verſtellens auch bewuſst,
denn es geht von einem Momente unmittelbar in Be-
ziehung auf dieſes ſelbſt
zu dem entgegengesetzten
über; weil ein Moment keine Realität für es hat,
setzt es eben daſſelbe als reell, oder was daſſelbe iſt,
um ein Moment als an sich seyend zu behaupten,
behauptet es das entgegengeſetzte als das ansichseyende.
Es bekennt damit, daſs es ihm in der That mit kei-
nen derselben Ernst ist. Diſs ist in den Momenten
dieser schwindelnden Bewegung näher zu betrachten.


Laſſen wir die Voraussetzung, daſs es ein wirk-
liches moralisches Bewuſstseyn gibt, zuerſt auf sich
beruhen, weil sie unmittelbar nicht in Beziehung auf
etwas vorhergehendes gemacht wird, und wenden uns
an die Harmonie der Moralität und der Natur, das
erste Poſtulat. Sie soll ansich seyn, nicht für das
wirkliche Bewuſstseyn, nicht gegenwärtig, sondern
die Gegenwart ist vielmehr nur der Widerspruch
beyder. In der Gegenwart ist die Moralität als vor-
handen
angenommen, und die Wirklichkeit so ge-
ſtellt, daſs sie nicht in Harmonie mit ihr sey. Das
wirkliche moralische Bewuſstseyn aber ist ein handeln-
des
; darin beſteht eben die Wirklichkeit seiner Mo-
ralität. Im Handeln selbſt aber ist jene Stellung un-
mittelbar verſtellt; denn das Handeln ist nichts an-
[567] deres als die Verwirklichung des innern moralischen
Zwecks, nichts anderes, als die Hervorbringung
einer durch den Zweck beſtimmten Wirklichkeit, oder
der Harmonie des moralischen Zwecks und der
Wirklichkeit selbſt. Zugleich iſt die Vollbringung
der Handlung für das Bewuſstseyn, sie ist die Ge-
genwart
dieser Einheit der Wirklichkeit und des
Zweckes; und weil in der vollbrachten Handlung
das Bewuſstseyn sich als dieſes Einzelne verwirklicht’
oder das Daseyn in es zurückgekehrt anschaut, und
der Genuſs hierin beſteht, so iſt in der Wirklich-
keit des moralischen Zwecks zugleich auch diejenige
Form derselben enthalten, welche Genuſs und Glück-
seligkeit genannt wird. — Das Handeln erfüllt also
in der That unmittelbar dasjenige, was nicht ſtatt
zu finden aufgeſtellt war, und nur ein Poſtulat, nur
Jenseits seyn sollte. Das Bewuſstseyn spricht es
also durch die That aus, daſs es mit dem Poſtuliren
nicht Ernſt iſt, weil der Sinn des Handelns viel-
mehr dieſer iſt, das zur Gegenwart zu machen, was
nicht in der Gegenwart seyn sollte. Und indem um
des Handelns willen die Harmonie poſtulirt wird,
— was nemlich durch das Handeln wirklich werden
soll, muſs an sich so seyn, sonst wäre die Wirk-
lichkeit nicht möglich, so ist der Zuſammenhang des
Handelns und des Poſtulats so beschaffen, daſs um
des Handelns d. h. um der wirklichen Harmonie des
Zwecks und der Wirklichkeit willen diese Harmonie
als nicht wirklich, als jenſeits, gesetzt wird.


[568]

Indem gehandelt wird, iſt es alſo mit der Unan-
gemeſſenheit
des Zwecks und der Wirklichkeit über-
haupt nicht Ernſt; dagegen ſcheint es mit dem Han-
peln
ſelbſt Ernſt zu seyn. Aber in der That iſt die
wirkliche Handlung, nur Handlung des einzelnen
Bewuſstseyns, alſo selbſt nur etwas einzelnes und das
Werk zufällig. Der Zweck der Vernunfft aber als
der allgemeine, alles umfaſſende, Zweck iſt nichts
geringeres als die ganze Welt; ein Endzweck,
der weit über den Inhalt dieser einzelnen Handlung
hinausgeht, und daher überhaupt über alles wirk-
liche handeln hinauszuſtellen ist. Weil das allgemei-
ne Beſte ausgeführt werden ſoll, wird nichts Gutes
gethan. In der That aber iſt die Nichtigkeit des
wirklichen Handelns, und die Realität nur des ganzen
Zwecks, die itzt aufgeſtellt sind, nach allen Seiten
auch wieder verſtellt. Die moralische Handlung iſt
nicht etwas zufälliges, und beſchränktes, denn sie
hat die reine Pflicht zu ihrem Wesen; diese macht
den einzigen ganzen Zweck aus; und die Handlung
also als Verwirklichung deſſelben iſt bey aller ſonſti-
gen Beschränkung des Inhalts die Vollbringung des
ganzen absoluten Zwecks. Oder wenn wieder die
Wirklichkeit als Natur, die ihre eignen Geſetze hat
and der reinen Pflicht entgegengeſetzt ist, genom-
men wird, ſo daſs also die Pflicht ihr Geſetz nicht
in ihr realisiren kann, ſo ist es, indem die Pflicht
als solche das Weſen iſt, in der That nicht um die
Vollbringung
der reinen Pflicht, welche der ganze
[569] Zweck iſt, zu thun; denn die Vollbringung hätte
vielmehr nicht die reine Pflicht, ſondern das ihr
entgegengeſetzte, die Wirklichkeit, zum Zwecke.
Aber daſs es nicht um die Wirklichkeit zu thun
sey, iſt wieder verſtellt; denn nach dem Begriffe des
moralischen Handelns, iſt die reine Pflicht wesent-
lich thätiges Bewuſstseyn; es soll also allerdings ge-
handelt, die absolute Pflicht in der ganzen Natur
ausgedrückt und das Moralgesetz Naturgesetz werden.


Laſſen wir also dieſes höchste Gut als das Weſen
gelten, ſo iſt es dem Bewuſstseyn mit der Moralität
überhaupt nicht Ernſt. Denn in dieſem höchsten
Gute hat die Natur nicht ein anderes Geſetz, als die
Moralität hat. Somit fällt das moralische Handeln
ſelbſt hinweg, denn das Handeln iſt nur unter der
Vorausſetzung eines negativen, das durch die Hand-
lung aufzuheben iſt. Iſt aber die Natur dem Sitten-
geſetze gemäſs, ſo würde ja dieſes durch das Han-
deln, durch das Aufheben des Seyenden verletzt. —
Es wird alſo in jener Annahme als der weſentliche
Zuſtand ein ſolcher eingeſtanden, worin das morali-
sche Handeln überflüſsig iſt, und gar nicht ſtatt fin-
det. Das Poſtulat der Harmonie der Moralität und
der Wirklichkeit, einer Harmonie, die durch den
Begriff des moraliſchen Handelns, beyde in Ueberein-
ſtimmung zu bringen, geſetzt iſt, — drückt sich alſo
auch von dieſer Seite ſo aus: weil das moraliſche
Handeln der abſolute Zweck iſt, ſo iſt der abſolute
Zweck, daſs das moraliſche Handeln gar nicht vor-
handen ſey.


[570]

Stellen wir diese Momente, durch die das Bewuſst-
seyn sich in seinem moralischen Vorſtellen fortwälzte,
zusammen, so erhellt, daſs es jedes wieder in seinem
Gegentheile aufhebt. Es geht davon aus, daſs für es
die Moralität und Wirklichkeit nicht harmonire, aber
es ist ihm damit nicht Ernſt, denn in der Handlung
ist für es die Gegenwart dieser Harmonie. Es ist ihm
aber auch mit diesem Handeln, da es etwas einzelnes
ist, nicht Ernst; denn es hat einen so hohen Zweck,
das höchste Gut. Diſs ist aber wieder nur eine Verstel-
lung der Sache, denn darin fiele alles Handeln und al-
le Moralität hinweg. Oder es iſt ihm eigentlich mit
dem moralischen Handeln nicht Ernst, sondern das
wünschenswertheste, absolute ist, daſs das höchſte Gut
ausgeführt und das moralische Handeln überflüſſig
wäre.


Von diesem Resultate muſs das Bewuſstſeyn in
seiner widersprechenden Bewegung sich weiter fort-
wälzen, und das Aufheben des moralischen Handelns
nothwendig wieder verstellen. Die Moralität ist das
Ansich; daſs sie statt habe, kann der Endzweck der
Welt nicht ausgeführt ſeyn, sondern das moralische
Bewuſstseyn muſs fürsich seyn, und eine ihm entge-
gengesetzte Natur
vorfinden. Aber es an ihm selbst
muſs vollendet seyn. Diſs führt zum zweyten Postu-
late der Harmonie seiner und der Natur, welche an
ihm unmittelbar ist, der Sinnlichkeit. Das moralische
Selbstbewuſstseyn stellt seinen Zweck als rein, als von
Neigungen und Trieben unabhängig auf, so daſs er
[571] die Zwecke der Sinnlichkeit in sich vertilgt hat. —
Allein diese aufgestellte Aufhebung des sinnlichen We-
sens verstellt es wieder. Es handelt, bringt seinen
Zweck zur Wirklichkeit, und die selbstbewuſste Sinn-
lichkeit, welche aufgehoben seyn soll, ist gerade die-
se Mitte zwischen dem reinen Bewuſstseyn, und der
Wirklichkeit, — sie ist das Werkzeug des erstern zu
seiner Verwirklichung oder das Organ, und das, was
Trieb, Neigung genannt wird. Es ist daher nicht
Ernst mit dem Aufheben der Neigungen und Triebe,
denn eben sie sind das sich verwirklichende Selbstbewuſst-
seyn
. Aber sie sollen auch nicht unterdrückt, sondern der
Vernunft nur gemäſs seyn. Sie sind ihr auch gemäſs,
denn das moralische Handeln iſt nichts anderes, als das
sich verwirklichende, also sich die Gestalt eines Trie-
bes
gebende Bewuſstseyn, das heiſst, es ist unmittel-
bar die gegenwärtige Harmonie des Triebs und der
Moralität. Aber in der That ist der Trieb nicht nur
diese leere Gestalt, die eine andere Feder, als er selbst
ist, in sich haben und von ihr getrieben werden könn-
te. Denn die Sinnlichkeit ist eine Natur, die ihre ei-
genen Gesetze und Springfedern an ihr selbst hat; es
kann der Moralität daher nicht Ernst damit seyn, die
Triebfeder der Triebe, der Neigungswinkel der Nei-
gungen zu seyn. Denn indem diese ihre eigne feſte
Bestimmtheit und eigenthümlichen Inhalt haben, so
wäre vielmehr das Bewuſstseyn, dem sie gemäſs wä-
ren, ihnen gemäſs; eine Gemäſsheit, welche sich das
moralische Selbstbewuſstseyn verbittet. Die Harmo-
[572] nie beyder ist also nur an sich und poſtulirt. — In dem
moralischen Handeln war so eben die gegenwärtige Har-
monie der Moralität und der Sinnlichkeit aufgeſtellt,
diſs aber ist nun verstellt; sie iſt jenseits des Bewuſst-
seyns in einer neblichten Ferne, worin nichts mehr
genau zu unterscheiden noch zu begreiffen ist; denn
mit dem Begreiffen dieser Einheit, das wir so eben
versuchten, ging es nicht. — In diesem Ansich gibt
aber überhaupt das Bewuſstseyn sich auf. Dieses Ansich
ist seine moralische Vollendung, worin der Kampf
der Moralität und der Sinnlichkeit aufgehört hat, und
die letztere der erstern auf eine Weise gemäſs ist,
die nicht zu fassen iſt. — Darum ist diese Vollendung
wieder nur eine Verstellung der Sache, denn in der
That gäbe in ihr vielmehr die Moralität selbst sich auf,
denn sie ist nur Bewuſstseyn des abſoluten Zwecks
als des reinen, also im Gegensatze gegen alle andern
Zwecke; sie ist ebenso die Thatigkeit dieses reinen
Zwecks, als sie sich der Ernebung über die Sinnlich-
keit, der Einmischung derselben und ihres Gegensatzes
und Kampfes mit ihr bewuſst ist. — Daſs es mit der
moralischen Vollendung nicht Ernſt ist, ſpricht das
Bewuſstseyn unmittelbar selbst darin aus, daſs es sie
in die Unendlichkeit hinausverstellt, das heiſst, sie als
niemals vollendet behauptet.


Vielmehr ist ihm also nur dieser Zwischenzustand
der Nichtvollendung das gültige; ein Zustand, der
aber doch ein Fortſchreiten zur Vollendung wenigſtens
seyn soll. Allein er kann auch diſs nicht seyn, denn
[573] das Fortschreiten in der Moralität wäre vielmehr ein
Zugehen zum Untergang derselben. Das Ziel nemlich
wäre das obige Nichts oder Aufheben der Moralität
und des Bewuſstseyns selbst; dem Nichts aber immer
näher und näher kommen, heiſst abnehmen. Ausser-
dem nähme Fortschreiten überhaupt ebenso, wie Ab-
nehmen
, Unterschiede der Gröſſe in der Moralität an;
allein von diesen kann in ihr keine Rede seyn. In ihr
als dem Bewuſstseyn, welchem der sittliche Zweck
die reine Pflicht ist, ist an eine Verschiedenheit über-
haupt nicht, am wenigsten an den oberflächlichen der
Grösse zu denken; es gibt nur Eine Tugend, nur Ei-
ne reine Pflicht, nur Eine Moralität.


Indem es also mit der moralischen Vollendung
nicht Ernst iſt, sondern vielmehr mit dem Mittelzu-
stande, d. h. wie so eben erörtert, mit der Nichtmo-
ralität, so kommen wir von einer andern Seite auf den
Inhalt des ersten Postulats zurück. Es ist nemlich
nicht abzusehen, wie Glückseligkeit für diſs morali-
sche Bewuſstseyn um seiner Würdigkeit willen zu fo-
dern ist. Es ist seiner Nichtvollendung sich bewuſst,
und kann daher die Glückseligkeit in der That nicht
als Verdienst, nicht als etwas, dessen es würdig wä-
re, fodern, sondern sie nur aus einer freyen Gnade,
das heiſst, die Glückseligkeit als solche an und für sich
selbst verlangen, und nicht aus jenem abſoluten Grun-
de, sondern nach Zufall und Willkühr erwarten. —
Die Nichtmoralität ſpricht eben hierin aus, was sie
ist, — daſs es nicht um die Moralität, sondern um die
[574] Glückseligkeit an und für sich ohne Beziehung auf je-
ne zu thun ist.


Durch diese zweyte Seite der moralischen Welt-
anschauung wird auch noch die andere Behauptung
der erstern aufgehoben, worin die Disharmonie der Mo-
ralität und Glückseligkeit vorausgesetzt wird. — Es
will nemlich die Erfahrung gemacht werden, daſs es
in dieser Gegenwart dem Moralischen oft ſchlecht will,
dem Unmoralischen hingegen oft glücklibh gehe. Al-
lein der Zwischenzustand der unvollendeten Morali-
tät, der sich als das wesentliche ergeben hat, zeigt of-
fenbar, daſs diese Wahrnehmung und seynsollende
Erfahrung nur eine Verstellung der Sache ist. Denn
da die Moralität unvollendet, das heiſst, die Moralität
in der That nicht ist, was kann an der Erfahrung seyn,
daſs es ihr schlecht gehe? — Indem es zugleich heraus-
gekommen, daſs es um die Glückseligkeit an und für
sich zu thun ist, so zeigt es sich, daſs bey Beurthei-
lung, es gehe dem unmoralischen gut, nicht ein Un-
recht gemeynt war, das hier statt finde. Die Bezeich-
nung eines Individuums als eines unmoralischen fällt,
indem die Moralität überhaupt unvollendet ist, an sich
hinweg, hat also nur einen willkührlichen Grund.
Der Sinn und Inhalt des Urtheils der Erfahrung ist
dadurch allein dieser, daſs einigen die Glückseligkeit
an und für sich nicht zukommen sollte, das heiſst, er
ist Neid, der sich zum Deckmantel die Moralität
nimmt. Der Grund aber, warum Andern das
sogenannte Glück zu Theil werden sollte, ist die gu-
[575] te Freundschaft, die ihnen und sich selbst, diese Gna-
de d. h. diesen Zufall gönnt und wünscht.


Die Moralität also im moralischen Bewuſstseyn
ist unvollendet, diſs ist es, was itzt aufgestellt wird,
aber es ist ihr Wesen nur das vollendete reine zu seyn;
die unvollendete Moralität ist daher unrein, oder sie
ist Immoralität. Die Moralität selbst ist also in einem
andern Wesen, als in dem wirklichen Bewuſstseyn;
es ist ein heiliger moralischer Gesetzgeber. — Die im
Bewuſstseyn unvollendete Moralität, welche der Grund
dieses Postulirens iſt, hat zunächst die Bedeutung, daſs
die Moralitat, indem sie im Bewuſstseyn als wirklich
gesetzt wird, in der Beziehung auf ein Anderes, auf
ein Daseyn steht, also selbst an ihr das Andersseyn
oder den Unterschied erhält, wodurch eine vielfache
Menge von moralischen Geboten entsteht. Das mo-
ralische Selbstbewuſstseyn hält aber zugleich diese vie-
len
Pflichten für unwesentlich; denn es ist nur um die
Eine reine Pflicht zu thun, und für es haben sie, in-
sofern sie beſtimmte sind, keine Wahrheit. Sie kön-
nen ihre Wahrheit also nur in einem Andern ha-
ben, und sind, was sie für es nicht sind, heilig
durch einen heiligen Gesetzgeber. — Allein diſs ist
selbst wieder nur eine Verstellung der Sache. Denn
das moralische Selbstbewuſstseyn ist sich das abso-
lute, und Pflicht schlechthin nur das, was es als
Pflicht weiſs. Es weiſs aber nur die reine Pflicht als
Pflicht; was ihm nicht heilig ist, ist an sich nicht
heilig, und was an sich nicht heilig iſt, kann durch
[576] das heilige Wesen nicht geheiliget werden. Es ist
dem moralischen Bewuſstſeyn auch überhaupt damit
nicht Ernst, etwas durch ein anderes Bewuſstseyn,
als es selbst ist, heiligen zu laſſen; denn es ist ihm
schlechthin nur das heilig, was ihm durch sich selbst
und in ihm
heilig ist. — Es ist also ebensowenig da-
mit Ernst, daſs diſs andere Wesen ein heiliges sey,
denn in ihm sollte etwas zur Wesenheit gelangen,
was für das moralische Bewuſstseyn d. h. an sich kei-
ne Wesenheit hat.


Wenn das heilige Wesen postulirt wurde, daſs
in ihm die Pflicht nicht als reine Pflicht, sondern
als eine Vielheit bestimmter Pflichten ihre Gültigkeit
hätte, so muſs also dieses wieder verstellt, und das
andere Wesen allein insofern heilig seyn, als in ihm
nur die reine Pflicht Gültigkeit hat. Die reine Pflicht
hat auch in der That Gültigkeit nur in einem an-
dern Wesen, nicht in dem moralischen Bewuſst-
seyn. Obschon in ihm die reine Moralität allein
zu gelten scheint, so muſs doch dieses anders gestellt
werden, denn es ist zugleich natürliches Bewuſst-
seyn. Die Moralität ist in ihm von der Sinnlichkeit
afficirt und bedingt, also nicht an und für sich, son-
dern eine Zufälligkeit des freyen Willens; in ihm
aber als reinem Willen eine Zufälligkeit des Wiſſens;
an und für sich ist die Moralität daher in einem andern
Wesen.


Dieses Wesen ist also hier die rein vollen-
dete Moralität darum, weil sie in ihm nicht in Be-
[577] ziehung auf Natur und Sinnlichkeit steht. Allein die
Realität der reinen Pflicht ist ihre Verwirklichung in
Natur und Sinnlichkeit. Das moralische Bewuſst-
seyn setzt seine Unvollkommenheit darein, daſs in
ihm die Moralität eine positive Beziehung auf die Na-
tur und Sinnlichkeit hat, da ihm diſs für ein wesent-
liches Moment derselben gilt, daſs sie schlechthin
nur eine negative Beziehung darauf habe. Das reine
moralische Wesen dagegen, weil es erhaben über
den Kampf mit der Natur und Sinnlichkeit ist, steht
nicht in einer negativen Beziehung darauf. Es bleibt
ihm also in der That nur die positive Beziehung da-
rauf übrig, d. h. eben dasjenige, was so eben als das
unvollendete, als das unmoralische galt. Die reine
Moralität
aber ganz getrennt von der Wirklichkeit, so
daſs sie ebensosehr ohne positive Beziehung auf diese
wäre, wäre eine bewuſstlose, unwirkliche Abstrac-
tion, worinn der Begriff der Moralität, Denken der
reinen Pflicht und ein Willen und Thun zu ſeyn,
schlechthin aufgehoben wäre. Dieses so rein morali-
sche Wesen ist daher wieder eine Verstellung der Sa-
che, und aufzugeben.


In diesem rein moralischen Wesen aber nähern
sich die Momente des Widerspruchs, in welchem diſs
synthetische Vorstellen sich herumtreibt, und die ent-
gegengesetzten Auchs, die es, ohne diese seine Gedan-
ken zusammenzubringen, aufeinander folgen, und ein
Gegentheil immer durch das andere ablösen läſst, so
O o
[578] sehr, daſs das Bewuſstseyn hier seine moralische Welt-
anschauung aufgeben, und in sich zurückfliehen muſs.


Es erkennt seine Moralität darum als nicht
vollendet, weil es von einer ihr entgegengesetz-
ten Sinnlichkeit und Natur afficirt ist, welche theils
die Moralität selbst als solche trübt, theils eine Menge
von Pflichten entſtehen macht, durch die es im con-
creten Falle des wirklichen Handeln in Verlegenheit
geräth; denn jeder Fall ist die Concretion vieler mora-
lischen Beziehungen, wie ein Gegenstand der Wahr-
nehmung überhaupt, ein Ding von vielen Eigenschaf-
ten ist; und indem die bestimmte Pflicht Zweck ist,
hat sie einen Inhalt, und ihr Inhalt ist ein Theil des
Zwecks, und die Moralität nicht rein. — Diese hat
also in einem andern Wesen ihre Realität. Aber die-
se Realität heiſst nichts anderes, als daſs die Morali-
tät hier an und für sich sey, — für sich d. h. Morali-
tät eines Bewuſstseyns sey, an sich, das heiſst, Daseyn
und Wirklichkeit habe. — In jenem ersten unvollende-
ten Bewuſstseyn ist die Moralität nicht ausgeführt; sie
ist darin das Ansich im Sinne eines Gedankendinges;
denn sie ist mit Natur und Sinnlichkeit, mit der Wirk-
lichkeit des Seyns und des Bewuſstseyns vergesell-
schaftet, die ihren Innhalt ausmacht, und Natur und
Sinnlichkeit ist das moralisch nichtige. — In dem
zweyten ist die Moralität als vollendet, und nicht als
ein unausgeführtes Gedankending vorhanden. Aber
diese Vollendung besteht eben darin, daſs die Moralität
in einem Bewuſstseyn, Wirklichkeit, so wie freye Wirklich-
[579] keit
, Daseyn überhaupt hat, nicht das leere, sondern
erfüllte inhaltsvolle ist; — das heiſst, die Vollendung
der Moralität wird darin gesetzt, daſs das, was so
eben als das moralischnichtige bestimmt wurde, in
ihr und an ihr vorhanden ist. Sie soll das einemal
schlechthin nur als das unwirkliche Gedankending der
reinen Abstraction Gültigkeit, aber ebensowohl in
dieser Weise keine Gültigkeit haben; ihre Wahrheit
soll darin bestehen, der Wirklichkeit entgegengesetzt,
und von ihr ganz frey und leer, und wieder darin,
Wirklichkeit zu seyn.


Der Synkretismus dieser Widersprüche, der in
der moralischen Weltanschauung auseinandergelegt
ist, fallt in sich zusammen, indem der Unterschied,
worauf er beruht, von solchem, das nothwendig ge-
dacht und gesetzt werden müſſe, und doch zugleich
unwesentlich sey, zu einem Unterschiede wird, der
nicht einmal mehr in den Worten liegt. Was am En-
de als ein verschiedenes geſetzt wird, sowohl als das
Nichtige, wie als das Reelle iſt ein und eben das-
selbe, das Daseyn und die Wirklichkeit; und was ab-
solut nur als das Jenseits des wirklichen Seyns und
Bewuſstseyns, und ebensowohl nur in ihm und als ein
Jenseits das nichtige seyn soll, ist die reine Pflicht,
und das Wiſſen derselben als des Wesens. Das Be-
wuſstseyn, das diesen Unterschied macht, der keiner
ist, die Wirklichkeit, für das nichtige und das reale
zugleich, — die reine Moralität ebenso für das wahre
O o 2
[580] Wesen so wie für das wesenlose ausſagt, spricht die
Gedanken, die es vorher trennte, zusammen aus,
spricht es selbst aus, daſs es ihm mit dieser Bestim-
mung und der Auseinanderstellung der Momente des
Selbſts, und des Anſichs nicht Ernst ist, sondern daſs
es das, was es als das absolute auſſer dem Bewuſstseyn
Seyende ausſagt, vielmehr in dem Selbst des Selbstbe-
wuſstseyns eingeschloſſen behält, und was es als das
absolut Gedachte oder das absolute Anſich ausſagt, eben
darum für ein nicht Wahrheit habendes nimmt. —
Es wird für das Bewuſstseyn, daſs das Auseinander-
stellen dieser Momente eine Verstellung ist, und es
wäre Heucheley, wenn es sie doch beybehielte. Aber
als moralisches reines Selbstbewuſstseyn flieht es aus
dieser Ungleichheit seines Vorſtellens mit dem, was
sein Wesen ist, aus dieser Unwahrheit, welche das
für wahr ausſagt, was ihm für unwahr gilt, mit Ab-
scheu in sich zurück. Es ist reines Gewiſſen, welches
eine solche moralische Weltvorstellung verschmäht;
es ist in ſich ſelbſt der einfache seiner gewiſſe Geiſt,
der ohne die Vermittlung jener Vorstellungen un-
mittelbar gewiſſenhafft handelt, und in dieser Un-
mittelbarkeit seine Wahrheit hat. — Wenn aber die-
se Welt der Verstellung nichts anders als die Ent-
wiklung des moralischen Selbſtbewuſstseyns in sei-
nen Momenten, und hiemit seine Realität ist, so wird
es durch sein Zurückgehen in sich, seinem Wesen
nach nichts anderes werden; sein Zurückgehen, in
sich ist vielmehr nur das erlangte Bewuſstseyn, daſs
[581] seine Wahrheit eine vorgegebene ist. Es müſste sie
noch immer für seine Wahrheit ausgeben, denn es
müſste sich als gegenständliche Vorstellung ausſpre-
chen und darstellen, aber wüſste, daſs diſs nur eine
Verstellung ist; er wäre hiemit in der That die Heu-
cheley, und jenes Verschmähen jener Verstellung
schon die erste Aeuſſerung der Heucheley.


c.
Das Gewiſſen,
die ſchöne Seele,
das Böſe und ſeine Verzeyhung
.

Die Antinomie der moralischen Weltanschauung,
daſs es ein moralisches Bewuſstseyn gibt, und daſs
es keines gibt, — oder das das Gelten der Pflicht
ein Jenseits des Bewuſstseyns ist, und umgekehrt nur
in ihm statt findet, war in die Vorstellung zusam-
mengefaſst worden, worin das nichtmoralische Be-
wuſstseyn für moralisch gelte, sein zufälliges Wis-
sen und Wollen für vollwichtig angenommen, und
die Glückseligkeit ihm aus Gnade zu Theil werde.
Diese sich selbst widersprechende Vorstellung nahm
das moralische Selbſtbewuſstseyn nicht über sich,
sondern verlegte sie in ein ihm andres Wesen. Aber
diſs Hinausſetzen deſſen, was es als nothwendig den-
ken muſs, auſſer sich selbst, ist ebenso der Wider-
spruch der Form nach, wie jener es dem Inhalte
[582] nach ist. Weil aber an sich eben das, was als wi-
dersprechend erscheint, und in deſſen Tronnung und
Wiederauflösung die moralische Weltanschäuung sich
herumtreibt, daſſelbe ist, die reine Pflicht nemlich
als das reine Wiſſen, nichts anders als das Selbſt des
Bewuſstseyns, und das Selbst des Bewuſstseyns das
Seyn und Wirklichkeit; — ebenso was jenseits des wirk-
lichen
Bewuſstſeyns seyn soll, nicht anders als das
reine Denken, also in der That das Selbst ist, so
geht für uns oder an ſich das Selbſtbewuſstſeyn in
sich zurück, und weiſs dasjenige Wesen als sich
selbst, worin das Wirkliche zugleich reines Wiſſen und
reine Pflicht ist. Es selbst ist sich das in seiner Zu-
fälligkeit vollgültige, das seine unmittelbare Einzeln-
heit als das reine Wiſſen und Handeln, als die wah-
re Wirklichkeit und Harmonie weiſs.


Diſs Selbſt des Gewiſſens, der seiner unmittelbar
als der absoluten Wahrheit und des Seyns gewiſſe
Geist, ist das dritte Selbſt, das uns aus der dritten
Welt des Geistes geworden ist, und ist mit den vor-
herigen kurz zu vergleichen. Die Totalität oder Wirk-
lichkeit, welche sich als die Wahrheit der sittlichen
Welt darstellt, ist das Selbſt der Perſon; ihr Dasein
ist das Anerkanntſeyn. Wie die Person das substanzleere
Selbst ist, so ist diſs ihr Daseyn ebenso die abstrac-
te Wirklichkeit; die Person gilt und zwar unmittel-
bar; das Selbſt ist der in dem Elemente seines Seyns
unmittelbar ruhende Punkt; er ist ohne die Abtren-
nung von seiner Allgemeinheit, beyde daher nicht
[583] in Bewegung und Beziehung aufeinander, das allge-
meine ist ohne Unterscheidung in ihm, und weder
Inhalt des Selbſts, noch ist das Selbſt durch sich selbst
erfüllt. — Das zweyte Selbſt ist die zu ihrer Wahr-
heit gekommne Welt der Bildung oder der sich wie-
dergegebne Geist der Entzweyung, — die absolute
Freyheit. In diesem Selbſt tritt jene erſte unmittel-
bare Einheit der Einzelnheit und Allgemeinheit aus-
einander; das Allgemeine, das ebenso rein geistiges
Wesen, Anerkanntseyn oder allgemeiner Willen und
Wiſſen bleibt, ist Gegenſtand und Inhalt des Selbſts
und seine allgemeine Wirklichkeit. Aber es hat nicht
die Form des vom Selbſt freyen Daseyns; es kommt
in diesem Selbſt daher zu keiner Erfüllung und zu
keinem positiven Inhalt, zu keiner Welt. Das mo-
ralische Selbſtbewuſstſeyn läſst seine Allgemeinheit
zwar frey, so daſs sie eine eigne Natur wird, und
ebenso hält es sie in sich als aufgehoben fest. Aber
es ist nur das verstellende Spiel der Abwechslung
dieser beyden Bestimmungen. Als Gewiſſen erst hat
es in seiner Selbſtgewiſsheit den Inhalt für die vor-
hin leere Pflicht so wie für das leere Recht und den
leeren allgemeinen Willen; und weil diese Selbſtge-
wiſsheit ebenso das unmittelbare ist, das Daseyn selbst.


Zu dieser seiner Wahrheit gelangt verläſst also
oder hebt das moralische Selbstbewuſstseyn vielmehr
die Trennung in sich selbstauf, woraus die Verstel-
lung entsprungen, die Trennung des Anſich und des
Selbſts, der reinen Pflicht als des reinen Zwecks,
[584] und der Wirklichkeit als einer dem reinen Zwecke
entgegengesetzten Natur und Sinnlichkeit. Es ist so
in sich zurückgekehrt, concreter moralischer Geist,
der nicht am Bewuſstseyn der reinen Pflicht sich ei-
nen leeren Maſsſtab gibt, welcher dem wirklichen
Bewuſstseyn entgegengesetzt wäre, sondern die rei-
ne Pflicht ebenso wie die ihr entgegengesetzte Na-
tur sind aufgehobne Momente; er ist in unmittelba-
rer Einheit sich verwirklichendes moralisches Wesen,
und die Handlung unmittelbar concrete moralische
Gestalt.


Es ist ein Fall des Handelns vorhanden; er ist
eine gegenſtändliche Wirklichkeit für das wiſſende
Bewuſstſeyn. Dieses als Gewiſſen weiſs ihn auf un-
mittelbare concrete Weise, und er ist zugleich nur
wie es ihn weiſs. Zufällig ist das Wiſſen, insofern
es ein anderes ist, als der Gegenſtand; der seiner
selbſt gewiſſe Geiſt aber iſt nicht mehr ein solches
zufälliges Wiſſen und Erschaffen von Gedanken in
sich, von denen die Wirklichkeit verschieden wäre,
sondern indem die Trennung des Anſich und des
Selbſts aufgehoben ist, so ist der Fall unmittelbar in
der sinnlichen Gewiſsheit des Wiſſens, wie er anſich
ist, und er ist nur so anſich, wie er in diesem Wiſſen
ist. — Das Handeln als die Verwirklichung ist hie-
durch die reine Form des Willens; die bloſſe Um-
kehrung der Wirklichkeit als eines seyenden Falles,
in eine gethane Wirklichkeit, der bloſſen Weise des
gegenſtändlichen Wiſſens in die Weise des Wiſſens
[585] von der Wirklichkeit als einem von Bewuſstſeyn her-
vorgebrachten. Wie die sinnliche Gewiſsheit unmit-
telbar in das Anſich des Geiſtes aufgenommen oder
vielmehr umgekehrt ist, so ist auch diese Umkeh-
rung einfach und unvermittelt, ein Uebergang durch
den reinen Begriff ohne Aenderung des Inhalts, der
durch das Intereſſe des von ihm wiſſenden Bewuſst-
seyns beſtimmt ist. — Das Gewiſſen ſondert ferner
die Umſtände des Falles nicht in verschiedene Pflich-
ten ab. Es verhält sich nicht als poſitives allgemeines
Medium
, worin die vielen Pflichten, jede für ſich,
unverrückte Subſtantialität erhielten, so daſs entwe-
der
gar nicht gehandelt werden könnte, weil jeder
concrete Fall die Entgegensetzung überhaupt, und
als moralischer Fall die Entgegensetzung der Pflich-
ten enthält, in der Beſtimmung des Handelns also
Eine Seite, Eine Pflicht immer verletzt würde; —
oder daſs, wenn gehandelt wird, die Verletzung einer
der entgegengesetzten Pflichten wirklich einträte. Das
Gewiſſen ist vielmehr das negative Eins oder ab-
solute Selbſt, welches diese verschiedenen morali-
schen Subſtanzen vertilgt; es ist einfaches pflicht-
mäſſiges Handeln, das nicht diese oder jene Pflicht
erfüllt, sondern das concrete Rechte weiſs und thut.
Es ist daher überhaupt erst das moralische Handeln
als Handeln; worein das vorhergehende thatlose Be-
wuſstseyn der Moralität übergegangen ist. — Die con-
crete Geſtalt der That mag vom unterscheidenden
Bewuſstſeyn in verschiedene Eigenschafften, d. h. hier
[586] in verschiedene moralische Beziehungen analysirt,
und diese entweder jede, wie es seyn muſs, wenn
sie Pflicht seyn soll, für absolut geltend ausgesagt,
oder auch verglichen und geprüft werden. In der
einfachen moralischen Handlung des Gewiſſens sind
die Pflichten so verschüttet, daſs allen diesen einzel-
nen Wesen unmittelbar Abbruch gethan wird, und
das prüffende Rütteln an der Pflicht in der unwan-
kenden Gewiſsheit des Gewiſſens gar nicht ſtatt
findet.


Ebensowenig ist im Gewiſſen jene hin und her-
gehende Ungewiſsheit des Bewuſstseyns vorhanden,
welches bald die sogenannte reine Moralität auſſer
sich in ein anderes heiliges Wesen setzt, und sich
selbst als das unheilige gilt, bald aber auch wieder
die moralische Reinheit in sich, und die Verknüp-
fung des Sinnlichen mit dem Moralischen in das an-
dere Wesen setzt.


Es entsagt allen diesen Stellungen und Verſtellun-
gen der moralischen Weltanschauung, indem es dem
Bewuſstseyn entsagt, das die Pflicht und die Wirklich-
keit als widersprechend faſst. Nach diesem letztern
handle ich moralisch, indem ich mir bewuſst bin, nur
die reine Pflicht zu vollbringen, nicht irgend etwas an-
ders
, diſs heiſst in der That, indem ich nicht handle.
Indem ich aber wirklich handle, bin ich mir eines
andern, einer Wirklichkeit, die vorhanden ist, und einer
die ich hervorbringen will, bewuſst, habe einen be-
ſtimmten
Zweck und erfülle eine beſtimmte Pflicht; es
[587] ist was anderes darin, als die reine Pflicht, die allein
beabsichtiget werden sollte. — Das Gewiſſen ist da-
gegen das Bewuſstseyn darüber, daſs, wenn das mora-
lische Bewuſstseyn die reine Pflicht als das Wesen
seines Handelns ausſagt, dieser reine Zweck eine Ver-
stellung der Sache ist; denn die Sache selbst ist, daſs
die reine Pflicht in der leeren Abſtraction des reinen
Denkens besteht, und ihre Realität und Inhalt nur an
einer bestimmten Wirklichkeit hat, einer Wirklich-
keit, welche Wirklichkeit des Bewuſstseyns selbst,
und desſelben nicht als eines Gedankendings, sondern
als eines Einzelnen ist. Das Gewiſſen hat für ſich ſelbſt,
seine Wahrheit an der unmittelbaren Gewiſsheit seiner
selbst. Diese unmittelbare concrete Gewiſsheit seiner
selbst ist das Wesen; sie nach dem Gegensatze des
Bewuſstseyns betrachtet, so ist die eigne unmittelba-
re Einzelnheit der Inhalt des moralischen Thuns; und
die Form deſſelben ist eben dieses Selbſt als reine Be-
wegung, nemlich als das Wiſſen oder die eigne Ueber-
zeugung
.


Diſs in seiner Einheit und in der Bedeutung der
Momente näher betrachtet, so erfaſste das moralische
Bewuſstseyn sich nur als das Anſich oder Wesen; als
Gewiſſen aber erfaſst es sein Fürſichseyn oder sein
Selbſt. — Der Widerspruch der moralischen Welt-
anschauung löst sich auf, d. h. der Unterschied, der
ihm zu Grunde liegt, zeigt sich kein Unterschied zu
seyn, und er läufft in die reine Negativität zusammen;
diese aber ist eben das Selbſt; ein einfaches Selbſt,
[588] welches ebensowohl reines Wiſſen, als Wiſſen seiner
als dieses einzelnen Bewuſstseyns ist. Diſs Selbſt macht
daher den Inhalt des vorher leeren Wesens aus, denn
es ist das wirkliche, welches nicht mehr die Bedeutung
hat, eine dem Wesen fremde und in eignen Gesetzen
selbstständige Natur zu seyn. Es ist als das Negative
der Unterſchied der reines Wesens, ein Inhalt und
zwar ein solcher, welcher an und für sich gilt.


Ferner ist diſs Selbſt als reines sich selbstgleiches
Wiſſen das schlechthin Allgemeine, so daſs eben diſs
Wiſſen als sein eignes Wiſſen, als Ueberzeugung die
Pflicht ist. Die Pflicht ist nicht mehr das dem Selbſt
gegenübertretende Allgemeine, sondern ist gewuſst,
in dieser Getrenntheit kein Gelten zu haben; es ist
itzt das Gesetz, das um des Selbſts willen, nicht um des-
sen willen das Selbſt ist. Das Gesetz und die Pflicht
hat aber darum nicht allein die Bedeutung des Furſich-
ſeyns
, sondern auch des Anſichſeyns, denn diſs Wiſſen
ist um seiner Sichselbſtgleichheit willen eben das An-
ſich
. Diſs Anſich trennt sich auch im Bewuſstseyn von
jener unmittelbaren Einheit mit dem Fürſichseyn; so
gegenübertretend ist es Seyn, Seyn für anderes. — Die
Pflicht eben wird itzt als Pflicht, die vom Selbſt ver-
laſſen iſt, gewuſst, nur Moment zu seyn, ſie iſt von
ihrer Bedeutung, abſolutes Wesen zu seyn, zum Seyn,
das nicht Selbſt, nicht für ſich iſt, herabgesunken und
also Seyn für anderes. Aber diſs Seyn für anderes bleibt
ebendarum wesentliches Moment, weil das Selbſt als
Bewuſstseyn den Gegensatz des Fürſichseyns und des
[589] Seyns für anderes ausmacht, und itzt die Pflicht an
ihr unmittelbar wirkliches, nicht mehr bloſs das abſtrac-
te reine Bewuſstseyn iſt.


Diſs Seyn für anderes ist also die anſichseyende vom
Selbſt unterschiedne Subſtanz. Das Gewiſſen hat die
reine Pflicht oder das abſtracte Anſich nicht aufgege-
ben, sondern sie ist das wesentliche Moment, als All-
gemeinheit
sich zu andern zu verhalten. Es ist das ge-
meinschaftliche Element der Selbstbewuſstseyn, und
dieses die Subſtanz, worin die That Beſtehen und Wirk-
lichkeit
hat; das Moment des Anerkanntwerdens von den
andern. Das moralische Selbſtbewuſstseyn hat diſs
Moment des Anerkanntseyns, des reinen Bewuſstſeyns,
welches da iſt, nicht; und ist dadurch überhaupt nicht
handelndes, nicht verwirklichendes. Sein Anſich ist
ihm entweder das abſtracte unwirkliche Wesen, oder
das Seyn als eine Wirklichkeit, welche nicht geiſtig iſt.
Die seyende Wirklichkeit des Gewiſsens aber ist eine sol-
che, welche Selbſt iſt, d. h. das seiner bewuſste Da-
seyn, das geiſtige Element des Anerkanntwerdens.
Das Thun ist daher nur das Uebersetzen seines einzel-
nen
Inhalts in das gegenſtändliche Element, worin er
allgemein und anerkannt ist, und eben diſs, daſs er
anerkanrt ist, macht die Handlung zur Wirklichkeit.
Anerkannt und dadurch wirklich ist die Handlung’
weil die daseyende Wirklichkeit unmittelbar mit der
Ueberzeugung oder dem Wiſſen verknüpft, oder das
Wiſſen von seinem Zwecke unmittelbar das Element
des Daseyns, das allgemeine Anerkennen iſt. Denn
[590] das Weſen der Handlung, die Pflicht beſteht in der
Ueberzeugung des Gewiſſens von ihr; diese Ueberzeu-
gung iſt eben das Anſich selbſt; es iſt das an ſich allge-
meine
Selbſtbewuſstseyn, oder das Anerkanntseyn und
hiemit die Wirklichkeit. Das mit der Ueberzeugung
von der Pflicht gethane iſt also unmittelbar ein solches,
das Beſtand und Daseyn hat. Es iſt also da keine Rede
mehr davon, daſs die gute Abſicht nicht zu Stande kom-
me, oder daſs es dem Guten schlecht geht; sondern das
als Pflicht gewuſste vollführt ſich und kommt zur
Wirklichkeit, weil eben das Pflichtmäſſige das All-
gemeine aller Selbſtbewuſstseyn, das anerkannte und
also Seyende iſt. Getrennt und allein genommen,
ohne den Inhalt des Selbſts aber iſt diese Pflicht das
Seyn für anderes, das durchſichtige, das nur die Bedeu-
tung gehaltloser Wesenheit überhaupt hat.


Sehen wir auf die Sphäre zurück, mit der über-
haupt die geiſtige Realität eintrat, so war es der Be-
griff, daſs das Ausſprechen der Individualität das An-
und für ſich ſey
. Aber die Geſtalt, welche diesen Be-
griff unmittelbar ausdrückte, war das ehrliche Bewuſst-
seyn
, das ſich mit der abſtracten Sache ſelbſt herumtrieb.
Diese Sache selbſt, war dort Prädicat; im Gewiſſen
aber erſt iſt ſie Subject, das alle Momente des Bewuſst-
seyns an ihm gesetzt hat, und für welches alle diese
Momente, Subſtantialität überhaupt, äuſſeres Daseyn
und Wesen des Denkens, in dieser Gewiſsheit seiner
selbſt enthalten sind. Subſtantialität überhaupt hat die
Sache selbſt in der Sittlichkeit, äuſſeres Daseyn in der
[591] Bildung, ſich ſelbſtwiſſende Weſenheit des Denkens
in der Moralität, und im Gewiſſen iſt ſie das Subject,
das dieſe Momente an ihm ſelbſt weiſs. Wenn das
ehrliche Bewuſstseyn nur immer die leere Sache ſelbſt
ergreifft, ſo gewinnt dagegen das Gewiſſen ſie in ih-
rer Erfüllung, die es ihr durch ſich gibt. Es iſt dieſe
Macht dadurch, daſs es die Momente des Bewuſst-
seyns als Momente weiſs, und als ihr negatives We-
ſen, ſie beherrſcht.


Das Gewiſſen in Beziehung auf die einzelnen
Beſtimmungen des Gegenſatzes, der am Handeln
erſcheint, und ſein Bewuſstſeyn über die Natur der-
ſelben betrachtet, ſo verhält es sich zuerſt als Wiſſen-
des
zur Wirklichkeit des Falles, worin zu handeln iſt.
Insofern das Moment der Allgemeinheit an dieſem
Wiſſen ist, gehört zum Wiſſen des gewiſſenhafften
Handelns, die vorliegende Wirklichkeit auf unein-
geſchränkte Weiſe zu umfaſſen, und alſo die Um-
ſtände des Falles genau zu wiſſen und in Erwägung
zu ziehen. Diſs Wiſſen aber, da es die Allgemein-
heit als ein Moment kennt, iſt daher ein ſolches Wiſ-
ſen von dieſen Umſtänden, das sich bewuſst ist, sie
nicht zu umfaſſen oder darin nicht gewiſſenhafft zu
ſeyn. Die wahrhafft allgemeine und reine Beziehung
des Wiſſens wäre eine Beziehung auf ein nicht ent-
gegengeſetztes
, auf sich ſelbſt; aber das Handeln durch
den Gegenſatz, der in ihm weſentlich ist, bezieht
sich auf ein Negatives des Bewuſstseyns, auf eine an
sich ſeyende Wirklichkeit
. Gegen die Einfachheit des
[592] reinen Bewuſstseyns, das abſolut andere, oder die
Mannichfaltigkeit an sich, ist sie eine abſolute Viel-
heit der Umſtände, die sich rückwärts in ihre Be-
dingungen, seitwärts in ihrem Nebeneinander, vor-
wärts in ihren Folgen unendlich theilt und ausbrei-
tet. — Das gewiſſenhaffte Bewuſstseyn iſt dieſer Na-
tur der Sache und ſeines Verhältniſſes zu ihr be-
wuſst, und weiſs, daſs es den Fall, in dem es han-
delt, nicht nach dieſer gefoderten Allgemeinheit
kennt, und daſs ſein Vorgeben dieſer gewiſſenhafften
Erwägung aller Umſtände nichtig iſt. Dieſe Kennt-
niſs und Erwägung aller Umſtände aber iſt nicht gar
nicht vorhanden; allein nur als Moment, als etwas,
das nur für andere ist; und sein unvollſtändiges Wiſ-
ſen, weil es ſein Wiſſen ist, gilt ihm als hinreichen-
des vollkommenes Wiſſen.


Auf gleiche Weiſe verhält es sich mit der All-
gemeinheit des Weſens, oder der Beſtimmung des In-
halts durchs reine Bewuſstseyn. — Das zum Handeln
schreitende Gewiſſen bezieht sich auf die vielen Sei-
ten des Falles. Dieſer schlägt sich auseinander, und
ebenso die Beziehung des reinen Bewuſstseyns auf
ihn, wodurch die Mannichfaltigkeit des Falles eine
Mannichfaltigkeit von Pflichten ist. — Das Gewiſſen
weiſs, daſs es unter ihnen zu wählen und zu ent-
ſcheiden hat; denn keine ist in ihrer Beſtimmtheit
oder in ihrem Inhalte abſolut, ſondern nur die reine
Pflicht
. Aber diſs Abſtractum hat in ſeiner Realität
die Bedeutung des selbstbewuſsten Ich erlangt. Der
[593] seiner ſelbſt gewiſſe Geiſt ruht als Gewiſſen in sich,
und ſeine reale Allgemeinheit, oder ſeine Pflicht liegt
in ſeiner reinen Ueberzeugung von der Pflicht. Dieſe
reine Ueberzeugung iſt als ſolche ſo leer als die reine
Pflicht, rein in dem Sinne, daſs nichts in ihr, kein
beſtimmter Inhalt Pflicht ist. Es ſoll aber gehandelt,
es muſs von dem Individuum beſtimmt werden; und
der ſeiner ſelbſt gewiſſe Geiſt, in dem das Ansich die
Bedeutung des ſelbſtbewuſsten Ich erlangt hat, weiſs
dieſe Beſtimmung und Inhalt in der unmittelbaren
Gewiſsheit ſeiner ſelbſt zu haben. Dieſe ist als Be-
ſtimmung und Inhalt das natürliche Bewuſstseyn, das
heiſst, die Triebe und Neigungen. — Das Gewiſſen
erkennt keinen Inhalt für es als abſolut, denn es iſt
abſolute Negativität alles Beſtimmten. Es beſtimmt
aus sich ſelbſt; der Kreis des Selbsts aber, worein die
Beſtimmtheit als solche fällt, iſt die ſogenannte Sinn-
lichkeit; einen Inhalt aus der unmittelbaren Gewiſs-
heil ſeiner ſelbſt zu haben, findet sich nichts bey der
Hand, als sie. — Alles, was in frühern Geſtalten,
als Gut oder Schlecht, als Geſetz und Recht sich dar-
ſtellte, iſt ein Anderes als die unmittelbare Gewiſs-
heit ſeiner ſelbſt; es iſt ein Allgemeines, das jetzt ein
Seyn für anderes iſt; oder anders betrachtet, ein Ge-
genſtand, welcher das Bewuſstseyn mit sich selbſt
vermittelnd, zwiſchen es und ſeine eigene Wahrheit
tritt und es vielmehr von sich abſondert, als daſs er
ſeine Unmittelbarkeit wäre. — Dem Gewiſſen aber
iſt die Gewiſsheit ſeiner ſelbſt die reine unmittelbare
P p
[594] Wahrheit; und dieſe Wahrheit iſt alſo ſeine als In-
halt
vorgeſtellte unmittelbare Gewiſsheit ſeiner ſelbſt,
das heiſst, überhaupt die Willkühr des Einzelnen
und die Zufälligkeit ſeines bewuſstlosen natürlichen
Seyns.


Dieſer Inhalt gilt zugleich als moraliſche We-
ſenheit
oder als Pflicht. Denn die reine Pflicht ist, wie
ſchon bey dem Prüffen der Geſetze sich ergab, ſchlecht-
hin gleichgültig gegen jeden Inhalt, und verträgt je-
den Inhalt. Hier hat sie zugleich die weſentliche
Form des Fürsichſeyns, und dieſe Form der indivi-
duellen Ueberzeugung ist nichts anderes als das Be-
wuſstseyn von der Leerheit der reinen Pflicht, und
davon daſs sie nur Moment, daſs ſeine Subſtantialität
ein Prädicat ist, welches ſein Subject an dem Indivi-
duum hat, deſſen Willkühr ihr den Inhalt gibt, je-
den an dieſe Form knüpfen, und ſeine Gewiſſenhaff-
tigkeit an ihn heſſten kann. — Ein Individuum ver-
mehrt ſein Eigenthum auf eine gewiſſe Weiſe; es iſt
Pflicht, daſs jedes für die Erhaltung ſeiner ſelbſt wie
auch ſeiner Familie, nicht weniger für die Möglich-
keit
ſorgt, ſeinen Nebenmenschen nützlich zu wer-
den, und Hülfsbedürftigen gutes zu thun. Das In-
dividuum ist sich bewuſst, daſs diſs Pflicht iſt, denn
dieſer Inhalt iſt unmittelbar in der Gewiſsheit ſeiner
ſelbſt enthalten; es sieht ferner ein, daſs es dieſe
Pflicht in dieſem Falle erfüllt. Andere halten viel-
leicht dieſe gewiſſe Weiſe für Betrug; ſie halten ſich
an andere Seiten des concreten Falles, es aber hält
[595] dieſe Seite dadurch feſt, daſs es ſich der Vermehrung
des Eigenthums als reiner Pflicht bewuſst ist. — So
erfüllt das, was andere Gewaltthätigkeit und Unrecht
nennen, die Pflicht gegen Andere ſeine Selbſtständigkeit
zu behaupten, was sie Feigheit nennen, — die Pflicht,
sich das Leben und die Möglichkeit der Nützlich-
heit für die Nebenmenſchen zu erhalten; was sie
aber die Tapferkeit nennen, verletzt vielmehr beyde
Pflichten. Die Feigheit darf aber nicht ſo unge-
ſchickt ſeyn, nicht zu wiſſen, daſs die Erhaltung des
Lebens und der Möglichkeit, andern nützlich zu ſeyn,
Pflichten sind, nicht von der Pflichtmäſsigkeit ihres
Handels überzeugt zu ſeyn und nicht zu wiſſen, daſs
in dem Wiſſen das Pflichtmäſsige beſteht; ſonſt be-
gienge ſie die Ungeſchicklichkkeit, unmoralisch zu
ſeyn. Da die Moralität in dem Bewuſstseyn, die
Pflicht erfüllt zu haben, liegt, ſo wird dem Han-
deln, das Feigheit, eben ſo wenig als dem, das Tap-
ferkeit genannt wird, diſs nicht fehlen; das Abſtrac-
tum, das Pflicht heiſst, iſt wie jedes, ſo auch die-
ſes Inhalts fähig, es weiſs alſo, was es thut, als
Pflicht, und indem es diſs weiſs und die Ueberzeu-
gung von der Pflicht das Pflichtmäſsige ſelbſt iſt, ſo
iſt es anerkannt von den Andern; die Handlung gilt
dadurch und hat wirkliches Daſeyn.


Gegen dieſe Freyheit, die jeden beliebigen In-
halt in das allgemeine paſſive Medium der reinen
Pflicht und Wiſſens einlegt, ſo gut als einen andern,
hilfft es nichts, zu behaupten, daſs ein anderer In-
P p 2
[596] halt eingelegt werden ſollte; denn welcher es ſey,
jeder hat den Makel der Beſtimmtheit an ihm, von
der das reine Wiſſen frey iſt, die es verſchmähen,
ebenſo wie es jede aufnehmen kann. Aller Inhalt
ſteht darin, daſs er ein beſtimmter iſt, auf gleicher
Linie mit dem andern, wenn er auch gerade den
Charakter zu haben ſcheint, daſs in ihm das Beſon-
dere aufgehoben ſey. Es kann ſcheinen, daſs indem
an dem wirklichen Falle die Pflicht sich überhaupt
in den Gegenſatz und dadurch den der Einzelnheit und
Allgemeinheit entzweyt, diejenige Pflicht, deren In-
halt das Allgemeine ſelbſt iſt, dadurch unmittelbar
die Natur der reinen Pflicht an ihr habe, und Form
und Inhalt hiemit sich ganz gemäſs werden; ſo daſs
alſo z. B. die Handlung für das allgemeine Beſte,
der für das individuelle vorzuziehen ſey. Allein dieſe
allgemeine Pflicht iſt überhaupt dasjenige, was als
an und für sich seyende Subſtanz, als Recht und
Geſetz vorhanden iſt, und unabhängig von dem Wiſ-
ſen und der Ueberzeugung wie von dem unmittel-
baren Intereſſe des Einzelnen gilt; es iſt alſo gerade
dasjenige, gegen deſſen Form die Moralität überhaupt
gerichtet iſt. Was aber ſeinen Inhalt betrifft, ſo iſt
auch er ein beſtimmter, inſofern das allgemeine Beſte
dem einzelnen entgegengeſetzt iſt; hiemit iſt ſein Ge-
ſetz ein ſolches, von welchem das Gewiſſen ſich
ſchlechthin frey weiſs und hinzu und davonzuthun,
es zu unterlaſſen, ſo wie zu erfüllen, ſich die abſo-
lute Befugniſs gibt. — Alsdenn iſt ferner jene Unter-
[597] ſcheidung der Pflicht gegen dzs Einzelne und gegen
das Allgemeine, der Natur des Gegenſatzes über-
haupt nach nichts feſtes. Sondern vielmehr was der
Einzelne für sich thut, kommt auch dem Allgemei-
nen zu gute; je mehr er für sich geſorgt hat, deſto
gröſſer iſt nicht nur ſeine Möglichkeit, andern zu nü-
tzen; ſondern ſeine Wirklichkeit ſelbſt iſt nur diſs,
im Zuſammenhange mit andern zu ſeyn und zu le-
ben; ſein einzelner Genuſs hat weſentlich die Be-
deutung, damit andern das ſeinige preiszugeben, und
ihnen zum Erwerb ihres Genuſſes zu verhelffen.
In der Erfüllung der Pflicht gegen den Einzelnen,
alſo gegen ſich, wird alſo auch die gegen das All-
gemeine erfüllt. — Die Erwägung und Vergleichung
der Pflichten, welche hier einträte, lieffe auf die Be-
rechnung des Vortheils hinaus, den das Allgemeine
von einer Handlung hätte, aber theils fällt die Mo-
ralität hiedurch der nothwendigen Zufälligkeit der
Einsicht anheim, theils iſt es gerade das Weſen des
Gewiſſens diſs Berechnen und Erwägen abzuſchneiden,
und ohne ſolche Gründe aus ſich zu entſcheiden.


Auf dieſe Weiſe handelt und erhält ſich alſo
das Gewiſſen in der Einheit des Anſich und des Für-
ſichſeyns
, in der Einheit des reinen Denkens und der
Individualität, und iſt der ſeiner gewiſſe Geiſt, der
ſeine Wahrheit an ihm ſelbſt, in ſeinem Selbſt,
in ſeinem Wiſſen, und darin als dem Wiſſen von
der Pflicht hat. Er erhält sich eben dadurch darin,
daſs was poſitives in der Handlung iſt, ſowohl der
[598] Inhalt, als die Form der Pflicht und das Wiſſen
von ihr iſt, dem Selbſt, der Gewiſsheit ſeiner, an-
gehört; was aber dem Selbſt als eignes Anſich gegen-
übertreten
will, als nicht wahres, nur als aufgehob-
nes, nur als Moment gilt. Es gilt daher nicht das
allgemeine Wiſſen überhaupt, ſondern ſeine Kenntniſs
von den Umſtänden. In die Pflicht, als das allge-
meine Anſichſeyn, legt es den Inhalt ein, den es aus
ſeiner natürlichen Individualität nimmt; denn er iſt
der an ihm ſelbſt vorhandne; dieſer wird durch das
allgemeine Medium, worin er iſt, die Pflicht, die es
ausübt, und die leere reine Pflicht iſt ebenhiedurch
als aufgehobnes oder als Moment geſetzt; dieſer In-
halt iſt ihre aufgehobne Leerheit oder die Erfüllung.
— Aber ebenſo iſt das Gewiſſen von jedem Inhalt
überhaupt frey; es abſolvirt ſich von jeder beſtimm-
ten Pflicht, die als Geſetz gelten ſoll; in der Krafft
der Gewiſsheit ſeiner ſelbſt, hat es die Majeſtät der
abſoluten Avtarkie, zu binden und zu löſen. — Dieſe
Selbſtbeſtimmung iſt darum unmittelbar das ſchlecht-
hin pflichtmäſſiige; die Pflicht iſt das Wiſſen ſelbſt;
dieſe einfache Selbſtheit aber iſt das Anſich; denn
das Anſich ist die reine Sichſelbſtgleichheit; und dieſe
iſt in dieſem Bewuſstſeyn. —


Diſs reine Wiſſen iſt unmittelbar Seyn für an-
deres;
denn als die reine Sichſelbſtgleichheit iſt es die
Unmittelbarkeit, oder das Seyn. Diſs Seyn iſt aber
zugleich das reine Allgemeine, die Selbſtheit Aller;
oder das Handeln iſt anerkannt und daher wirklich.
[599] Diſs Seyn iſt das Element, wodurch das Gewiſſen
unmittelbar mit allen Selbſtbewuſstseyn in der Be-
zichung der Gleichheit ſteht; und die Bedeutung die-
ſer Beziehung iſt nicht das ſelbſtloſe Geſetz, ſondern
das Selbſt des Gewiſſens.


Darin aber, daſs diſs Rechte, was das Gewiſſen
thut, zugleich Seyn für anderes iſt, ſcheint eine Un-
gleichheit an es zu kommen. Die Pflicht, die es
vollbringt, iſt ein beſtimmter Inhalt; er iſt zwar das
Selbſt des Bewuſstſeyns, und darin ſein Wiſſen von
ſich, ſeine Gleichheit mit ſich ſelbſt. Aber vollbracht,
in das allgemeine Medium des Seyns geſtellt, iſt dieſe
Gleichheit nicht mehr Wiſſen, nicht mehr dieſes
Unterſcheiden, welches ſeine Unterſchiede ebenſo
unmittelbar aufhebt; ſondern im Seyn iſt der Un-
terſchied beſtehend geſetzt, und die Handlung eine
beſtimmte, ungleich mit dem Elemente des Selbſtbe-
wuſstseyns Aller, alſo nicht nothwendig anerkannt.
Beyde Seiten, das handelnde Gewiſſen und das all-
gemeine dieſe Handlung als Pflicht anerkennende
Bewuſstſeyn sind gleich frey von der Beſtimmtheit
dieſes Thuns. Um dieſer Freyheit willen iſt die Be-
ziehung in dem gemeinſchafftlichen Medium des Zu-
ſammenhangs vielmehr ein Verhältniſs der voll-
kommen Ungleichheit; wodurch das Bewuſstseyn,
für welches die Handlung iſt, ſich in vollkommner
Ungewiſsheit über den handelnden ſeiner ſelbſt ge-
wiſſen Geiſt befindet. Er handelt, er ſetzt eine Be-
ſtimmtheit als ſeyend; an diſs Seyn als an ſeine
[600] Wahrheit halten ſich die andern, und ſind darin ſei-
ner gewiſs; er hat darin ausgeſprochen, was ihm als
Pflicht gilt. Allein er iſt frey von irgend einer be-
ſtimmten
Pflicht; er iſt da heraus, wo ſie meynen,
daſs er wirklich ſey; und diſs Medium des Seyns
ſelbſt, und die Pflicht als an ſich ſeyend, gilt ihm
nur als Moment. Was er ihnen alſo hinſtellt, ver-
ſtellt er auch wieder, oder vielmehr hat es unmit-
telbar verſtellt. Denn ſeine Wirklichkeit iſt ihm nicht
dieſe hinausgeſtellte Pflicht und Beſtimmung, ſon-
dern diejenige, welche er in der abſoluten Gewiſs-
heit ſeiner ſelbſt hat.


Sie wiſſen alſo nicht, ob diſs Gewiſſen mora-
liſch gut oder ob es böſe iſt, oder vielmehr ſie kön-
nen es nicht nur nicht wiſſen, ſondern müſſen es
auch für böſe nehmen. Denn wie es frey von der
Beſtimmtheit der Pflicht, und von der Pflicht als an
ſich
ſeyender iſt, sind sie es gleichfalls. Was es ih-
nen hinſtellt, wiſſen ſie ſelbſt zu verſtellen; es iſt ein
ſolches, wodurch nur das Selbſt eines andern ausge-
drückt iſt, nicht ihr eignes; ſie wiſſen ſich nicht nur
frey davon, ſondern müſſen es in ihrem eignen Be-
wuſstſeyn auflöſen, durch Urtheilen und Erklären
zu nichte machen, um ihr Selbſt zu erhalten.


Allein die Handlung des Gewiſſens iſt nicht nur
dieſe von dem reinen Selbſt verlaſſne Beſtimmung
des Seyns. Was als Pflicht gelten und anerkannt
werden ſoll, iſt es allein durch das Wiſſen und die
Ueberzeugung davon als von der Pflicht, durch das
[601] Wiſſen ſeiner Selbſt in der That. Wenn die That
aufhört, dieſes Selbſt an ihr zu haben, hört ſie auf
das zu ſeyn, was allein ihr Weſen iſt. Ihr Daſeyn
von dieſem Bewuſstſeyn verlaſſen, wäre eine ge-
meine Wirklichkeit, und die Handlung erſchiene uns
als ein Vollbringen ſeiner Luſt und Begierde. Was
da ſeyn ſoll, iſt hier allein Weſenheit dadurch,
daſs es als sich ſelbſt ausſprechende Individualität ge-
wuſst
wird; und diſs gewuſstſeyn iſt es, was das aner-
kannte iſt, und was als ſolches, Daſeyn haben ſoll.


Das Selbſt tritt ins Daſeyn, als Selbſt; der ſeiner
gewiſſe Geiſt exiſtirt als ſolcher für andre; ſeine
unmittelbare Handlung iſt nicht das, was gilt und wirk-
lich ist; nicht das beſtimmte, nicht das anſichſeyende
iſt das anerkannte, ſondern allein das ſich wiſſende
Selbſt als ſolches. Das Element des Beſtehens iſt das
allgemeine Selbſtbewuſstseyn; was in dieſes Element
tritt, kann nicht die Wirkung der Handlung ſeyn,
dieſe hält nicht darin aus, und erhält kein Bleiben,
ſondern nur das Selbſtbewuſstſeyn iſt das anerkannte
und gewinnt die Wirklichkeit.


Wir ſehen hiemit wieder die Sprache als das
Daſeyn des Geiſtes. Sie iſt das für andre ſeyende
Selbſtbewuſstſeyn, welches unmittelbar als ſolches vor-
handen
und als dieſes allgemeines iſt. Sie iſt das ſich
von ſich ſelbſt abtrennende Selbſt, das als reines Ich — Ich
sich gegenſtändlich wird, in dieſer Gegenſtänd-
lichkeit ſich ebenſo als dieſes Selbſt erhält, wie es un-
mittelbar mit den Andern zuſammenflieſst und ihr
[602] Selbstbewuſstseyn iſt; es vernimmt ebenſo ſich, als
es von den andern vernommen wird, und das Ver-
nehmen iſt eben das zum Selbſt gewordne Daſeyn.


Der Inhalt, den die Sprache hier gewonnen, iſt
nicht mehr das verkehrte und verkehrende und zer-
riſſne Selbſt der Welt der Bildung; ſondern der in
ſich zurückgekehrte, ſeiner und in ſeinem Selbſt ſei-
ner Wahrheit oder seines Anerkennens gewiſſe, und
als dieſes Wiſſen anerkannte Geiſt. Die Sprache des
sittlichen Geiſtes iſt das Geſetz und der einfache Be-
fehl, und die Klage, die mehr eine Thräne über die
Nothwendigkeit iſt; das moralische Bewuſstseyn hin-
gegen iſt noch ſtumm, bey ſich in seinem Innern ver-
schloſſen, denn in ihm hat das Selbſt noch nicht Daseyn,
sondern das Daseyn und das Selbſt ſtehen erſt in äus-
serer Beziehung aufeinander. Die Sprache aber tritt
nur als die Mitte selbſtſtändiger und anerkannter Selbſt-
bewuſstseyn hervor, und das daseyende Selbſt iſt un-
mittelbar allgemeines, vielfaches und in dieser Viel-
heit einfaches Anerkanntseyn. Der Inhalt der Spra-
che des Gewiſſens iſt das ſich als Wesen wiſſende Selbſt.
Diſs allein spricht sie aus, und dieses Ausſprechen iſt
die wahre Wirklichkeit des Thuns und das Gelten der
Handlung. Das Bewuſstseyn spricht seine Ueberzeu-
gung
aus; diese Ueberzeugung ist es, worin allein die
Handlung Pflicht iſt; ſie gilt auch allein dadurch als
Pflicht, daſs die Ueberzeugung ausgesprochen wird.
Denn das allgemeine Selbſtbewuſstseyn iſt frey von
der nun seyenden beſtimmten Handlung; ſie als Daſeyn
[603] gilt ihm nichts, sondern die Ueberzeugung, daſs ſie
Pflicht iſt; und diese iſt in der Sprache wirklich. —
Die Handlung verwirklichen heiſst hier nicht ihren
Inhalt aus der Form des Zwecks oder Fürſichſeyns in
die Form der abſtracten Wirklichkeit übersetzen, son-
dern aus der Form der unmittelbaren Gewiſsheit seiner
selbſt, die ihr Wiſſen oder Fürſichseyn als das Wesen
weiſs, in die Form der Verſicherung, daſs das Bewuſst-
seyn von der Pflicht überzeugt iſt, und die Pflicht als
Gewiſſen aus ſich ſelbſt weiſs; diese Verſicherung ver-
ſichert also, daſs es davon überzeugt iſt, daſs seine
Ueberzeugung das Wesen iſt.


Ob die Verſicherung, aus Ueberzeugung von der
Pflicht zu handeln, wahr iſt, ob es wirklich die Pflicht
iſt, was gethan wird, — diese Fragen oder Zweifel
haben keinen Sinn gegen das Gewiſſen. — Bey jener
Frage, ob die Verſicherung wahr iſt, würde vorausge-
setzt, daſs die innere Abſicht von der vorgegebnen
verschieden sey, d. h. daſs das Wollen des einzelnen
Selbſts, ſich von der Pflicht, von dem Willen des all-
gemeinen und reinen Bewuſstſeyns trennen könne;
der letztre wäre in die Rede gelegt, das erſtere aber
eigentlich die wahre Triebfeder der Handlung. Al-
lein dieser Unterschied des allgemeinen Bewuſstseyns
und des einzelnen Selbſts iſt es eben, der ſich aufge-
hoben, und deſſen Aufheben das Gewiſſen ist. Das
unmittelbare Wiſſen des seiner gewiſſen Selbſts iſt Ge-
setz und Pflicht; seine Abſicht iſt dadurch, daſs ſie
seine Abſicht iſt, das Rechte; es wird nur erfodert,
[604] daſs es diſs wiſſe und diſs, daſs es die Ueberzeugung
davon, sein Wiſſen und Wollen sey das Rechte, sa-
ge. Das Ausſprechen dieser Verſicherung hebt an
ſich selbſt die Form seiner Besonderheit auf; es aner-
kennt darinn die nothwendige Allgemeinheit des Selbſts;
indem es ſich Gewiſſen nennt, nennt es ſich reines ſich
selbſt Wiſſen und reines abſtractes Wollen, d. h. es
nennt ſich ein allgemeines Wiſſen und Wollen, das
die Andern anerkennt, ihnen gleich iſt, denn ſie ſind
eben diſs reine ſich Wiſſen und Wollen, und das da-
rum auch von ihnen anerkannt wird. In dem Wollen
des ſeiner gewiſſen Selbſts, in dieſem Wiſſen, daſs
das Selbſt das Weſen iſt, liegt das Weſen des Rech-
ten. — Wer alſo ſagt, er handle ſo aus Gewiſſen,
der ſpricht wahr, denn ſein Gewiſſen iſt das wiſſen-
de und wollende Selbſt. Er muſs diſs aber weſent-
lich ſagen, denn diſs Selbſt muſs zugleich allgemei-
nes
Selbſt ſeyn. Diſs iſt es nicht in dem Inhalt der
Handlung, denn dieſer iſt um ſeiner Beſtimmtheit
willen an ſich gleichgültig: ſondern die Allgemein-
heit liegt in der Form derſelben; dieſe Form iſt es,
welche als wirklich zu ſetzen iſt; ſie iſt das Selbſt,
das als ſolches in der Sprache wirklich iſt, ſich als
das Wahre ausſagt, eben darin alle Selbſt anerkennt
und von ihnen anerkannt wird.


Das Gewiſſen alſo, in der Majeſtät ſeiner Erha-
benheit über das beſtimmte Geſetz und jeden Inhalt
der Pflicht, legt den beliebigen Inhalt in ſein Wiſ-
ſen und Wollen; es iſt die moraliſche Genialität,
[605] welche die innere Stimme ihres unmittelbaren Wiſ-
ſens als göttliche Stimme weiſs, und indem ſie an
dieſem Wiſſen ebenſo unmittelbar das Daſeyn weiſs,
iſt ſie die göttliche Schöpferkrafft, die in ihrem Be-
griffe die Lebendigkeit hat. Sie iſt ebenſo der Got-
tesdienſt in ſich ſelbſt; denn ihr Handeln iſt das An-
ſchauen dieſer ihrer eignen Göttlichkeit.


Dieſer einſame Gottesdienſt iſt zugleich weſent-
lich der Gottesdienſt einer Gemeinde, und das reine
innere ſich ſelbſt Wiſſen und Vernehmen geht zum
Momente des Bewuſstseyns fort. Die Anſchauung
ſeiner iſt ſein gegenſtändliches Daſeyn, und diſs ge-
genſtändliche Element iſt das Ausſprechen ſeines
Wiſſens und Wollens als eines Allgemeinen. Durch
diſs Ausſprechen wird das Selbſt zum geltenden und
die Handlung zur ausführenden That. Die Wirklich-
keit und das Beſtehen ſeines Thuns iſt das allgemei-
ne Selbſtbewuſstseyn; das Ausſprechen des Gewiſ-
ſens aber ſetzt die Gewiſsheit ſeiner ſelbſt als rei-
nes und dadurch als allgemeines Selbſt; die andern
laſſen die Handlung um dieſer Rede willen, worin
das Selbſt als das Weſen ausgedrückt und anerkannt
iſt, gelten. Der Geiſt und die Subſtanz ihrer Ver-
bindung iſt alſo die gegenſeitige Verſicherung von
ihrer Gewiſſenhafftigkeit, guten Abſichten, das Er-
freuen über dieſe wechſelſeitige Reinheit und das La-
ben an der Herrlichkeit des Wiſſens und Ausſpre-
chens, des Hegens und Pflegens ſolcher Vortrefflich-
keit. — Inſofern diſs Gewiſſen ſein abſtractes Bewuſst-
[606] ſeyn noch von ſeinem Selbſtbewuſstſeyn unterſcheidet,
hat es ſein Leben nur verborgen in Gott; er iſt zwar
unmittelbar ſeinem Geiſt und Herzen, ſeinem Selbſt
gegenwärtig; aber das offenbare, ſein wirkliches Be-
wuſstseyn und die vermittelnde Bewegung deſſelben
iſt ihm ein Anderes als jenes verborgene Innere und
die Unmittelbarkeit des gegenwärtigen Weſens. Al-
lein in der Vollendung des Gewiſſens hebt ſich der
Unterſchied ſeines abſtracten und ſeines Selbſtbe-
wuſstſeyns auf. Es weiſs, daſs das abſtracte Bewuſst-
seyn eben dieſes Selbſt, dieſes ſeiner gewiſſe Fürsich-
ſeyn iſt, daſs in der Unmittelbarkeit der Beziehung
des Selbſts auf das Ansich, das auſſer dem Selbſt ge-
ſetzt das abſtracte Weſen und das ihm verborgene
iſt, eben die Verſchiedenheit aufgehoben iſt. Denn die-
jenige Beziehung iſt eine vermittelnde, worin die be-
zognen nicht ein und daſſelbe, ſondern ein Anderes
für einander und nur in einem dritten eins sind;
die unmittelbare Beziehung aber heiſst in der That
nichts anderes als die Einheit. Das Bewuſstseyn über
die Gedankenloſigkeit, dieſe Unterſchiede, die keine
sind, noch für Unterſchiede zu halten, erhoben,
weiſs die Unmittelbarkeit der Gegenwart des We-
ſens in ihm als Einheit des Weſens und ſeines Selbſts,
ſein Selbſt also als das lebendige Ansich, und diſs
ſein Wiſſen als die Religion, die als angeſchautes
oder daſeyendes Wiſſen das Sprechen der Gemeinde
über ihren Geiſt iſt.


[607]

Wir ſehen hiemit hier das Selbstbewuſstseyn in ſein
Innerſtes zurückgegangen, dem alle Aeuſſerlichkeit
also ſolche verschwindet, — in die Anschauung des
Ich = Ich, worin dieſes Ich alle Wesenheit und Daseyn
iſt. Es verſinkt in dieſem Begriffe seiner selbſt, denn
es iſt auf die Spitze seiner Extreme getrieben, und
zwar so daſs die unterschiednen Momente, wodurch
es real oder nach Bewuſstſeyn iſt, nicht für uns nur die-
se reinen Extreme ſind, sondern das, was es für sich,
und was ihm an ſich und was ihm Daſeyn iſt, zu Ab-
ſtractionen verflüchtigt, die keinen Halt, keine Sub-
ſtanz mehr für diſs Bewuſstseyn selbſt haben; und al-
les, was bisher für das Bewuſstseyn Wesen war, iſt
in diese Abſtractionen zurückgegangen. — Zu dieser
Reinheit geläutert, iſt das Bewuſstseyn seine ärmſte
Geſtalt, und die Armuth, die seinen einzigen Beſitz
ausmacht, iſt selbſt ein Verschwinden; diese abſolute
Gewiſsheit, in welche ſich die Subſtanz aufgelöſt hat,
iſt die absolute Unwahrheit, die in sich zusammen-
fallt; es iſt das absolute Selbſtbewuſstseyn, in dem das
Bewuſstseyn verſinkt.


Diſs Verſinken innerhalb ſeiner ſelbſt betrachtet,
ſo iſt für das Bewuſstseyn die anſichſeyende Subſtanz
das Wiſſen als ſein Wiſſen. Als Bewuſstseyn iſt es
in den Gegenſatz ſeiner und des Gegenſtandes, der für
es das Weſen iſt, getrennt; aber dieser Gegenſtand
eben iſt das vollkommen durchſichtige, es iſt sein Selbſt,
und sein Bewuſstſeyn iſt nur das Wiſſen von ſich.
Alles Leben, und alle geiſtige Weſenheit iſt in diſs
[608] Selbſt zurückgegangen, und hat ſeine Verſchiedenheit
von dem Ichſelbſt verloren. Die Momente des Be-
wuſstſeyns ſind daher dieſe extremen Abſtractionen,
deren keine ſteht, ſondern in der andern ſich verliert,
und ſie erzeugt. Es iſt der Wechsel des unglücklichen
Bewuſstseyns mit ſich, der aber für es ſelbſt innerhalb
ſeiner vorgeht, und der Begriff der Vernunft zu ſeyn
ſich bewuſst iſt, der jenes nur an ſich iſt. Die abſolu-
te Gewiſsheit ſeiner ſelbſt ſchlägt ihr alſo als Bewuſst-
ſeyn unmittelbar in ein Austönen, in Gegenſtändlich-
keit ſeines Fürſichſeyns um; aber dieſe erſchaffne
Welt iſt ſeine Rede, die es ebenſo unmittelbar vernom-
men, und deren Echo nur zu ihm zurückkommt. Dieſe
Rückkehr hat daher nicht die Bedeutung, daſs es an
und für ſich darin iſt; denn das Weſen iſt ihm kein an-
ſich
, ſondern es ſelbſt; ebenſowenig hat es Daſeyn,
denn das Gegenſtändliche kommt nicht dazu ein Ne-
gatives des wirklichen Selbſts zu ſeyn; ſo wie dieſes
nicht zur Wirklichkeit. Es fehlt ihm die Kraft der
Entäuſſerung, die Kraft ſich zum Dinge zu machen,
und das Seyn zu ertragen. Es lebt in der Angſt die
Herrlichkeit ſeines Innern durch Handlung und Da-
ſeyn zu beflecken, und um die Reinheit ſeines Her-
zens zu bewahren, flieht es die Berührung der Wirk-
lichkeit, und beharret in der eigenſinnigen Kraftloſig-
keit, ſeinem zur letzten Abſtraction zugeſpitzten Selbſt
zu entſagen, und ſich Subſtantialität zu geben, oder
ſein Denken in Seyn zu verwandeln, und ſich dem ab-
ſoluten Unterſchiede anzuvertrauen. Der hohle Ge-
[609] genſtand, den es ſich erzeugt, erfüllt es daher nun mit
dem Bewuſstseyn der Leerheit; ſein Thun iſt das Seh-
nen, das in dem Werden ſeiner ſelbſt zum weſenloſen
Gegenſtande ſich nur verliert, und über dieſen Verluſt
hinaus und zurück zu ſich fallend, ſich nur als verlor-
nes findet; — in dieſer durchſichtigen Reinheit ſeiner
Momente eine unglückliche ſogenannte ſchöne Seele,
verglimmt ſie in ſich, und ſchwindet als ein geſtaltloſer
Dunſt, der ſich in Luft auflöſt.


Diſs ſtille Zuſammenflieſſen der marklosen We-
ſenheiten des verflüchtigten Lebens iſt aber noch in
der andern Bedeutung der Wirklichkeit des Gewiſſens,
und in der Erſcheinung ſeiner Bewegung zu nehmen,
und das Gewiſſen als handelnd zu betrachten — Das
gegenſtändliche Moment in dieſem Bewuſstseyn hat ſich
oben als allgemeines Bewuſstseyn beſtimmt; das ſich
ſelbſtwiſſende Wiſſen iſt als dieſes Selbſt unterſchieden
von andern Selbſt; die Sprache, in der ſich alle ge-
genſeitig als gewiſſenhaft handelnd anerkennen, dieſe
allgemeine Gleichheit, zerfällt in die Ungleichheit des
einzelnen Fürſichſeyns, jedes Bewuſstſeyn iſt aus ſei-
ner Allgemeinheit ebenſo ſchlechthin in ſich reflectirt;
hiedurch tritt der Gegenſatz der Einzelnheit gegen
die andern Einzelnen und gegen das Allgemeine noth-
wendig ein, und dieſes Verhältniſs und ſeine Bewe-
gung iſt zu betrachten. — Oder dieſe Allgemeinheit
und die Pflicht hat die ſchlechthin entgegengeſetzte Be-
deutung der beſtimmten von dem Allgemeinen ſich
Q q
[610] ausnehmenden Einzelnheit, für welche die reine Pflicht
nur die an die Oberfläche getretene und nach auſſen
gekehrte Allgemeinheit iſt; die Pflicht liegt nur in den
Worten, und gilt als ein Seyn für anderes. Das Ge-
wiſſen zunächſt nur negativ gegen die Pflicht als dieſe
beſtimmte vorhandne
gerichtet, weiſs ſich frey von ihr;
aber indem es die leere Pflicht mit einem beſtimmten
Inhalte aus ſich ſelbſt anfüllt, hat es das poſitive Bewuſst-
ſeyn darüber, daſs es als dieſes Selbſt ſich den Inhalt
macht; ſein reines Selbſt, als leeres Wiſſen iſt das in-
halts- und beſtimmungslose; der Inhalt, den es ihm
gibt, iſt aus ſeinem Selbſt als dieſem beſtimmten, aus
ſich als natürlicher Individualität genommen, und in
dem Sprechen von der Gewiſſenhaftigkeit ſeines Han-
delns iſt es ſich wohl ſeines reinen Selbſts, aber,
im Zwecke ſeines Handelns als wirklichem Inhalt, ſei-
ner als dieſes beſondern Einzelnen und des Gegenſatzes
desjenigen bewuſst, was es für ſich und was es für an-
dere iſt, des Gegenſatzes der Allgemeinheit oder
Pflicht und ſeines Reflectirtſeyns aus ihr.


Wenn ſich ſo der Gegenſatz, in den das Gewiſſen als
handelnd eintritt, in ſeinem Innern ausdrückt, ſo iſt
er zugleich die Ungleichheit nach Auſſen in dem Ele-
mente des Daſeyns, die Ungleichheit ſeiner beſon-
dern Einzelnheit gegen anderes Einzelnes. — Seine
Beſonderheit beſteht darin, daſs die beyden ſein Be-
wuſstseyn conſtituirenden Momente, das Selbſt und
das Anſich mit ungleichem Werthe und zwar mit der
Beſtimmung in ihm gelten, daſs die Gewiſsheit ſeiner
[611] ſelbſt das Weſen iſt, gegen das Anſich oder das Allge-
meine
, das nur als Moment gilt. Dieſer innerlichen
Beſtimmung ſteht alſo das Element des Daſeyns oder
das allgemeine Bewuſstseyn gegenüber, welchem viel-
mehr die Allgemeinheit, die Pflicht, das Weſen, da-
gegen die Einzelnheit, die gegen das Allgemeine für
ſich iſt, nur als aufgehobnes Moment gilt. Dieſem
Feſthalten an der Pflicht gilt das erſte Bewuſstſeyn
als das Böſe, weil es die Ungleichheit ſeines Inſich-
ſeyns
mit dem Allgemeinen iſt, und indem dieſes zu-
gleich ſein Thun als Gleichheit mit ſich ſelbſt, als
Pflicht und Gewiſſenhaftigkeit ausſpricht, als Heu
cheley
.


Die Bewegung dieſes Gegenſatzes iſt zunächſt die
formelle Herſtellung der Gleichheit zwiſchen dem,
was das Böſe in ſich iſt, und was es ausſpricht; es
muſs zum Vorſchein kommen, daſs es böſe und ſo ſein
Daſeyn ſeinem Weſen gleich, die Heucheley muſs ent-
larvt
werden. — Dieſe Rückkehr der in ihr vorhand-
nen Ungleichheit in die Gleichheit iſt nicht darin ſchon
zu Stande gekommen, daſs die Heucheley, wie man
zu ſagen pflegt, ebendadurch ihre Achtung für Pflicht
und Tugend beweiſe, daſs ſie den Schein derſelben
annehme und als Maske für ihr eignes nicht weniger
als für fremdes Bewuſstſeyn gebrauche; in welchem
Anerkennen des Entgegengeſetzten an ſich die Gleich-
heit und Uebereinſtimmung enthalten ſey. — Allein
ſie iſt zugleich aus dieſem Anerkennen der Sprache
Q q 2
[612] ebenſoſehr heraus und in ſich reflectirt, und darin,
daſs ſie das Anſichſeyende nur als ein Seyn für ande-
res
gebraucht, iſt vielmehr die eigne Verachtung
deſſelben und die Darſtellung ſeiner Weſenloſigkeit
für Alle enthalten. Denn was ſich als ein äuſſerli-
ches Werkzeug gebrauchen läſst, zeigt ſich als ein
Ding, das keine eigne Schwere in ſich hat.


Auch kommt dieſe Gleichheit weder durch das
einſeitige Beharren des böſen Bewuſstseyns auf ſich,
noch durch das Urtheil des allgemeinen zu Stande. —
Wenn jenes ſich gegen das Bewuſstseyn der Pflicht
verleugnet, und was dieſes für Schlechtigkeit, für
abſolute Ungleichheit mit dem Allgemeinen, ausſagt,
als ein Handeln nach dem innern Geſetze und Ge-
wiſſen behauptet, ſo bleibt in dieser einſeitigen Ver-
ſicherung der Gleichheit ſeine Ungleichheit mit dem
Andern, da ja dieſes ſie nicht glaubt und nicht an-
erkennt. — Oder da das einſeitige Beharren auf Ei-
nem
Extreme ſich ſelbſt auflöſt, ſo würde das Böſe
ſich zwar dadurch als Böſes eingeſtehen, aber darin,
ſich unmittelbar aufheben und nicht Heucheley ſeyn
noch als ſolche ſich entlarven. Es geſteht ſich in
der That als Böſes durch die Behauptung ein, daſs
es, dem anerkannten Allgemeinen entgegengeſetzt,
nach ſeinem innern Geſetze und Gewiſſen handle. Denn
wäre diſs Geſetz und Gewiſſen nicht das Geſetz ſei-
ner Einzelnheit und Willkühr, ſo wäre es nicht etwas
Innres, Eignes, ſondern das allgemein anerkannte.
Wer darum ſagt, daſs er nach ſeinem Geſetze und Ge-
[613] wiſſen gegen die Andern handle, ſagt in der That,
daſs er ſie mishandle. Aber das wirkliche Gewiſſen
iſt nicht dieſes Beharren auf dem Wiſſen und Wil-
len, der dem Allgemeinen ſich entgegenſetzt, ſondern
das Allgemnine iſt das Element ſeines Daſeyns, und
ſeine Sprache ſagt ſein Thun als die anerkannte
Pflicht aus.


Ebenſowenig iſt das Beharren des allgemeinen
Bewuſstseyns auf ſeinem Urtheile Entlarvung und
Auflösung der Heucheley. — Indem es gegen ſie,
ſchlecht, niederträchtig u. ſ. f. ausruft, beruft es ſich
in ſolchem Urtheil auf ſein Geſetz, wie das böſe Be-
wuſstſeyn auf das ſeinige. Denn jenes tritt im Gegen-
ſatz gegen dieſes, und dadurch als ein beſonderes Ge-
ſetz auf. Es hat alſo nichts vor dem andern voraus,
legitimirt vielmehr dieſes, und dieſer Eifer thut gera-
de das Gegentheil deſſen, was er zu thun meynt —
nemlich das, was er wahre Pflicht nennt und das all-
gemein
anerkannt ſeyn ſoll, als ein nichtanerkanntes zu
zeigen, und hiedurch dem andern das gleiche Recht
des Fürſichſeyns einzuräumen.


Diſs Urtheil aber hat zugleich eine andre Seite,
von welcher es die Einleitung zur Auflöſung des vor-
handnen Gegenſatzes wird. — Das Bewuſstseyn des
Allgemeinen
verhält ſich nicht als wirkliches und han-
delndes
gegen das Erſte, denn dieſes iſt vielmehr das
wirkliche, — ſondern ihm entgegengeſetzt, als das-
enige, das nicht in dem Gegenſatze der Einzelnheit
und Allgemeinheit befangen iſt, welcher in dem Han-
[614] deln eintritt. Es bleibt in der Allgemeinheit des
Gedankens, verhält ſich als auffaſſendes, und ſeine erſte
Handlung iſt nur das Urtheil. — Durch diſs Urtheil
ſtellt es ſich nun, wie ſo eben bemerkt wurde, neben
das Erſte, und dieſes kommt durch dieſe Gleichheit zur
Anſchauung ſeiner ſelbſt in dieſem andern Bewuſst-
seyn. Denn das Bewuſstſeyn der Pflicht verhält ſich
auffaſſend, paſſiv; es iſt aber hiedurch im Widerſpru-
che mit ſich als dem abſoluten Willen der Pflicht,
mit ſich, dem ſchlechthin aus ſich ſelbſt beſtimmen-
den. Es hat gut ſich in der Reinheit bewahren, denn es
handelt nicht; es iſt die Heucheley, die das Urtheilen
für wirkliche That genommen wiſſen will, und ſtatt
durch Handlung, durch das Ausſprechen vortreffli-
cher Geſinnungen die Rechtſchaffenheit beweiſst. Es
iſt alſo ganz ſo beſchaffen wie dasjenige, dem der
Vorwurf gemacht wird, daſs es nur in ſeine Rede
die Pflicht legt. In beyden iſt die Seite der Wirk-
lichkeit gleich unterſchieden von der Rede, in dem
einen durch den eigennützigen Zweck der Handlung,
in dem andern durch das Fehlen des Handelns über-
haupt, deſſen Nothwendigkeit in dem Sprechen von
der Pflicht ſelbſt liegt, denn dieſe hat ohne That gar
keine Bedeutung.


Das Urtheilen iſt aber auch als poſitive Hand-
lung des Gedankens zu betrachten und hat einen po-
ſitiven Inhalt; durch dieſe Seite wird der Wider-
ſpruch, der in dem auffaſſenden Bewuſstseyn vorhan-
den iſt, und ſeine Gleichheit mit dem Erſten noch
[615] vollſtändiger. — Das handelnde Bewuſstseyn ſpricht
diſs ſein beſtimmtes Thun als Pflicht aus, und das
beurtheilende kann ihm diſs nicht ableugnen; denn
die Pflicht ſelbſt iſt die jeden Inhalts fähige, inhalts-
loſe Form, — oder die concrete Handlung, in ihrer
Vielſeitigkeit an ihr ſelbſt verſchieden, hat die all-
gemeine Seite, welche die iſt, die als Pflicht genom-
men wird, ebenſoſehr an ihr, als die beſondere, die
den Antheil und das Intereſſe des Individuums aus-
macht. Das beurtheilende Bewuſstseyn bleibt nun
nicht bey jener Seite der Pflicht und bey dem Wiſ-
ſen des Handelnden davon, daſs diſs ſeine Pflicht,
das Verhältniſs und der Stand ſeiner Wirklichkeit
ſey, ſtehen. Sondern es hält ſich an die andre Sei-
te, ſpielt die Handlung in das Innre hinein, und er-
klärt ſie aus ihrer von ihr ſelbſt verſchiednen Abſicht
und eigennützigen Triebfeder. Wie jede Handlung
der Betrachtung ihrer Pflichtgemäſsheit fähig iſt,
ebenſo dieſer andern Betrachtung der Beſonderheit;
denn als Handlung iſt ſie die Wirklichkeit des Indi-
viduums. — Dieſes Beurtheilen ſetzt alſo die Hand-
lung aus ihrem Daſeyn heraus und reflectirt ſie in
das Innre oder in die Form der eignen Beſonder-
heit. — Iſt ſie von Ruhme begleitet, ſo weiſs es diſs
Innre als Ruhmſucht; — iſt ſie dem Stande des In-
dividuums überhaupt angemeſſen, ohne über dieſen
hinauszugehen, und ſo beſchaffen, daſs die Indivi-
dualität den Stand nicht als eine äuſſere Beſtimmung
an ihr hängen hat, ſondern dieſe Allgemeinheit durch
[616] ſich ſelbſt ausfüllt und ebendadurch ſich als eines hö-
hern fähig zeigt, ſo weiſs das Urtheil ihr Innres
als Ehrbegierde u. ſ. f. Indem in der Handlung
überhaupt das Handelnde zur Anſchauung ſeiner ſelbſt
in der Gegenſtändlichkeit, oder zum Selbſtgefühl ſei-
ner in ſeinem Daseyn und also zum Genuſſe ge-
langt; ſo weiſs das Urtheil das Innre als Trieb nach
eigner Glückſeligdeit, beſtünde ſie auch nur in der
innern moralischen Eitelkeit, dem Genuſſe des Be-
wuſstſeyns der eignen Vortrefflichkeit, und dem Vor-
schmacke der Hoffnung einer künftigen Glückselig-
keit. — Es kann ſich keine Handlung ſolchem Beur-
theilen entziehen, denn die Pflicht um der Pflicht
willen, dieser reine Zweck, iſt das unwirkliche; ſei-
ne Wirklichkeit hat er in dem Thun der Individua-
lität, und die Handlung dadurch die Seite der Be-
sondernheit an ihr. — Es gibt keinen Helden für den
Kammerdiener; nicht aber weil jener nicht ein Held,
ſondern weil dieser — der Kammerdiener iſt, mit
welchem jener nicht als Held, ſondern als eſſender,
trinkender, ſich kleidender, überhaupt in der Ein-
zelnheit des Bedürfniſſes und der Vorſtellung zu thun
hat. So gibt es für das Beurtheilen keine Handlung,
in welcher es nicht die Seite der Einzelnheit der In-
dividualität, der allgemeinen Seite der Handlung ent-
gegensetzen, und gegen den Handelnden den Kam-
merdiener der Moralität machen könnte.


Diſs beurtheilende Bewuſstseyn iſt hiemit ſelbſt
niederträchtig, weil es die Handlung theilt, und ihre
[617] Ungleichheit mit ihr ſelbſt hervorbringt und feſt-
hält. Es iſt ferner Heucheley, weil es ſolches Beur-
theilen nicht für eine andre Manier, böse zu seyn,
sondern für das rechte Bewuſstseyn der Handlung aus-
gibt, in dieser seiner Unwirklichkeit und Eitelkeit
des gut und beſſerwiſſens ſich selbſt über die herun-
tergemachten Thaten hinaufsetzt, und sein thatloses
Reden für eine vortreffliche Wirklichkeit genommen
wiſſen will. — Hiedurch also dem Handelnden, wel-
ches von ihm beurtheilt wird, ſich gleich machend,
wird es von diesem als daſſelbe mit ihm erkannt.
Dieses findet sich von jenem nicht nur aufgefaſst als
ein Fremdes und mit ihm Ungleiches, sondern viel-
mehr jenes nach deſſen eigner Beſchaffenheit mit ihm
gleich. Diese Gleichheit anschauend und sie ausſpre-
chend, geſteht
es ſich ihm ein, und erwartet ebenso,
daſs das Andre, wie es ſich in der That ihm gleich
geſtellt hat, so auch seine Rede erwiedern, in ihr
seine Gleichheit ausſprechen und das anerkennende
Daseyn eintreten werde. Sein Geſtändniſs iſt nicht
eine Erniedrigung, Demüthigung, Wegwerfung im
Verhältniſſe gegen das Andre; denn dieses Ausſpre-
chen iſt nicht das einseitige, wodurch es seine Un-
gleichheit
mit ihm setzte, sondern allein um der An-
schauung der Gleichheit des andern willen mit ihm spricht
es sich, es spricht ihre Gleichheit von seiner Seite in
seinem Geſtändniſſe aus, und spricht sie darum aus,
weil die Sprache das Daseyn des Geiſtes als unmit-
telbaren Selbſts iſt; es erwartet also, daſs das Andre
das seinige zu diesem Daseyn beytrage.


[618]

Allein auf das Eingeſtändniſs des Bösen: Ich
bins
, erfolgt nicht diese Erwiederung des gleichen
Geſtändniſſes. So war es mit jenem Urtheilen nicht
gemeynt; im Gegentheil! Es ſtöſst diese Gemeinschaft
von ſich, und iſt das harte Herz, das für ſich iſt
und die Continuität mit dem andern verwirſt. —
Hiedurch kehrt ſich die Scene um. Dasjenige, das
ſich bekannte, ſieht ſich zurückgeſtoſſen, und das
andere im Unrecht, welches das Heraustreten seines
Innern in das Daseyn der Rede verweigert, und dem
Bösen die Schönheit seiner Seele, dem Bekenntniſſe
aber den ſteifen Nacken des ſich gleich bleibenden
Charakters und die Stummheit, ſich in ſich zu be-
halten und ſich nicht gegen einen andern wegzuwer-
fen, entgegensetzt. Es iſt hier die höchſte Empö-
rung des seiner selbſt gewiſſen Geiſtes gesetzt; denn er
schaut sich als dieses einfache Wiſſen des Selbſts im An-
dern an, und zwar so, daſs auch die äuſſere Geſtalt
dieses Andern nicht wie ein Reichthume das Wesen-
lose, nicht ein Ding iſt, sondern es ist der Gedanke,
das Wiſſen selbſt, was ihm entgegengehalten, es ist
diese absolutflüſſige Continuität des reinen Wiſſens,
die ſich verweigert, ihre Mittheilung mit ihm zu se-
tzen, — mit ihm, der schon in seinem Bekenntniſſe
dem abgeſonderten Fürſichseyn entsagte, und ſich als auf-
gehobne Besonderheit und hiedurch als die Continui-
tät mit dem Andern, als Allgemeines setzte. Das And-
re aber behält an ihm selbſt sich sein sich nicht mitthei-
lendes Fürſichseyn bevor; an dem bekennenden behält
[619] es ebendaſſelbe, was aber von diesem schon abgewor-
fen iſt. Es zeigt sich dadurch als das geiſtverlaſſne
und den Geiſt verleugnende Bewuſstseyn, denn es er-
kennt nicht, daſs der Geiſt in der absoluten Gewiſs-
heit seiner selbst über alle That und Wirklichkeit Mei-
ster, und sie abwerfen und ungeschehen machen kann.
Zugleich erkennt es nicht den Widerspruch, den es
begeht, die Abwerfung, die in der Rede geschehen ist,
für das wahre Abwerfen gelten zu laſſen, während es
selbst die Gewiſsheit seines Geistes nicht in einer wirk-
lichen Handlung, sondern in seinem Innern und des-
sen Daseyn in der Rede seines Urtheils hat. Es ist es
also selbst, das die Rückkehr des Andern aus der That
in das geiſtige Daseyn der Rede und in die Gleichheit
des Geistes hemmt und durch diese Härte die Un-
gleichheit hervorbringt, welche noch vorhanden ist.


Insofern nun der seiner selbst gewiſſe Geist, als
schöne Seele, nicht die Krafft der Entäuſſerung des an
sich haltenden Wiſſens ihrer selbst besitzt, kann sie
nicht zur Gleichheit mit dem zurückgeſtoſſnen Bewuſst-
seyn und also nicht zur angeschauten Einheit ihrer
selbst im Andern, nicht zum Daseyn gelangen; die
Gleichheit kommt daher nur negativ, als ein geistlo-
ses Seyn, zu Stande. Die wirklichkeitslose schöne
Seele, in dem Widerspruche ihres reinen Selbsts,
und der Nothwendigkeit deſſelben, sich zum Seyn zu
entäuſſern und in Wirklichkeit umzuschlagen, in der
Unmittelbarkeit dieses feſtgehaltnen Gegensatzes, — sei-
ner Unmittelbarkeit, die allein die Mitte und Versöh-
[620] nung des auf seine reine Abſtraction geſteigerten Ge-
gensatzes, und die reines Seyn oder das leere Nichts
iſt, — iſt also als Bewuſstseyn dieses Widerspruches
in seiner unversöhnten Unmittelbarkeit, zur Verrükt-
heit zerrüttet, und zerflieſst in sehnsüchtiger Schwind-
sucht. Es gibt damit in der That das harte Feſthalten
seines Fürsichseyns auf, bringt aber nur die geiſtlose
Einheit des Seyns hervor.


Die wahre, nemlich die selbſtbewuſste und daseyen-
de
Ausgleichung ist nach ihrer Nothwendigkeit schon
in dem vorhergehenden enthalten. Das Brechen des
harten Herzens und seine Erhebung zur Allgemeinheit
iſt dieselbe Bewegung, welche an dem Bewuſstseyn
ausgedrükt war, das sich selbſt bekannte. Die Wun-
den des Geiſtes heilen, ohne daſs Narben bleiben; die
That ist nicht das unvergängliche, sondern wird von
dem Geiſte in sich zurückgenommen, und die Seite
der Einzelnheit, die an ihr, es sey als Absicht oder
als daseyende Negativität und Schranke derselben vor-
handen iſt, iſt das unmittelbar verschwindende. Das
verwirklichende Selbſt, die Form seiner Handlung,
iſt nur ein Moment des Ganzen, und ebenso das durch
Urtheil beſtimmende und den Unterschied der einzel-
nen und allgemeinen Seite des Handelns feſtsetzende
Wiſſen. Jenes Böse setzt diese Entäuſſerung seiner
oder sich als Moment, hervorgelockt in das bekennen-
de Daseyn durch die Anschauung seiner selbſt im An-
dern. Diesem andern aber muſs, wie jenem sein ein-
seitiges nicht anerkanntes Daseyn des besondern Für-
[621] sichseyns, so ihm sein einseitiges nicht anerkanntes
Urtheil brechen; und wie jenes die Maeht des Gei-
ſtes über seine Wirklichkeit darstellt, so diſs die Macht
über seinen bestimmten Begriff.


Dieses entsagt aber dem theilenden Gedanken und
der Härte des an ihm festhaltenden Fürsichseyns, da-
rum weil es in der That sich selbst im Erſten anschaut.
Diſs, das seine Wirklichkeit wegwirft, und sich zum
aufgehobnen Diesen macht, ſtellt sich dadurch in der
That als allgemeines dar; es kehrt aus seiner äuſſern
Wirklichkeit in sich als Wesen zurück; das allgemei-
ne Bewuſstseyn erkennt also darin sich selbſt. — Die
Verzeyhung, die es dem erſten wiederfahren läſst, ist
die Verzichtleistung auf sich, auf sein unwirkliches We-
sen, dem es jenes andere, das wirkliches Handeln war,
gleichsetzt, und es, das von der Bestimmung, die das
Handeln im Gedanken erhielt, Böses genannt wurde,
als gut anerkennt, oder vielmehr diesen Unterschied
des bestimmten Gedankens und sein fürsichseyendes
bestimmendes Urtheil fahren läſst, wie das Andre das
fürsichseyende Beſtimmen der Handlung. — Das Wort
der Versöhnung ist der daseyende Geist, der das reine
Wiſſen seiner selbst als allgemeinen Wesens in seinem
Gegentheile, in dem reinen Wiſſen seiner als der ab-
solut in sich seyenden Einzelnheit anschaut, — ein ge-
genseitiges Anerkennen, welches der abſolute Geiſt iſt.


Er tritt ins Daseyn nur auf der Spitze, auf wel-
cher sein reines Wiſſen von sich selbſt der Gegensatz
und Wechsel mit sich selbst ist. Wiſſend, daſs sein
[622]reines Wiſſen das abstracte Wesen ist, ist er diese wis:
sende Pflicht im absoluten Gegensatze gegen das Wis-
sen, das sich als absolute Einzelnheit des Selbſts das
Wesen zu seyn weiſs. Jenes ist die reine Continuität
des Allgemeinen, welches die sich als Wesen wiſſende
Einzelnheit, als das an sich nichtige, als das Böse
weiſs. Diſs aber ist die absolute Diseretion, welche
sich selbst in ihrem reinen Eins absolut, und jenes All-
gemeine als das unwirkliche weiſs, das nur für andre
iſt. Beyde Seiten sind zu dieser Reinheit geläutert,
worin kein selbstloses Daseyn, kein negatives des Be-
wuſstseyns mehr an ihnen ist, sondern jene Pflicht ist
der sich gleichbleibende Charakter seines sich selbſt
Wiſſens, und dieses Böse hat ebenso seinen Zweck
in seinem inſichſeyn, und seine Wirklichkeit in seiner
Rede; der Inhalt dieser Rede, ist die Substanz seines
Bestehens; sie ist die Versicherung von der Gewiſs-
heit des Geistes in sich selbst. — Beyde ihrer selbst
gewiſſen Geiſter haben keinen andern Zweck als ihr
reines Selbst, und keine andre Realität und Daseyn
als eben dieses reine Selbst. Aber sie sind noch ver-
schieden, und die Verschiedenheit ist die absolute,
weil sie in diesem Elemente des reinen Begriffes ge-
setzt ist. Sie ist es auch nicht nur für uns, sondern
für die Begriffe selbst, die in diesem Gegensatze ſte-
hen. Denn diese Begriffe sind zwar beſtimmte gegen-
einander, aber zugleich an sich allgemeine, so daſs
sie den ganzen Umfang des Selbsts ausfüllen, und diſs
Selbst keinen andern Inhalt als diese seine Bestimmt-
[623] heit hat, die weder über es hinausgeht, noch beschränk-
ter ist, als es; denn die eine, das absolut Allgemeine,
ist ebenso das reine sich selbst Wiſſen, als das andre,
die absolute Discretion der Einzelnheit, und beyde
sind nur diſs reine sich Wiſſen. Beyde Bestimmt-
heiten sind also die wiſſenden reinen Begriffe, deren
Bestimmtheit selbst unmittelbar Wiſſen, oder deren
Verhältniſs und Gegensatz das Ich ist. Hiedurch sind
sie füreinander diese schlechthin Entgegengesetzten;
es ist das vollkommen Innre, das so sich selbst ge-
genüber und ins Daseyn getreten ist; sie machen das
reine Wiſſen aus, das durch diesen Gegensatz als Be-
wuſstseyn
gesetzt ist. Aber noch ist es nicht Selbst-
bewuſstseyn
. Diese Verwirklichung hat es in der Be-
wegung dieses Gegensatzes. Denn dieser Gegensatz
ist vielmehr selbst die indiscrete Continuitat und Gleich-
heit
des Ich = Ich; und jedes für sich eben durch
den Widerspruch seiner reinen Allgemeinheit, wel-
che zugleich seiner Gleichheit mit dem andern noch
widerstrebt und sich davon absondert, hebt an
ihm selbst sich auf. Durch diese Entäuſſerung kehrt
diſs in seinem Daseyn entzweyte Wiſſen in die Ein-
heit des Selbſts zurück; es ist das wirkliche Ich, das
allgemeine ſich selbſt Wiſſen in seinem absoluten Ge-
gentheile
, in dem inſichſeyenden Wiſſen, das um der
Reinheit seines abgesonderten Insichseyns selbſt das
vollkommen allgemeine iſt. Das versöhnende Ja,
worin beyde Ich von ihrem entgegengesetzten Da-
[624] seyn
ablaſſen, ist das Daseyn des zur Zweyheit aus-
gedehnten Ichs, das darin sich gleich bleibt, und in
seiner vollkommnen Entäuſſerung und Gegentheile
die Gewiſsheit seiner selbst hst; — es ist der er-
scheinende Gott mitten unter ihnen, die sich als das
reine Wiſſen wiſſen.


[625]

VII.
Die Religion.


In den bisherigen Geſtaltungen, die sich im allge-
meinen als Bewuſstseyn, Selbſtbewuſstseyn, Vernunft
und Geiſt unterſcheiden, ist zwar auch die Religion,
als Bewuſstseyn des abſoluten Weſens überhaupt vor-
gekommen; allein vom Standpunkte des Bewuſstseyns
aus, das ſich des abſoluten Weſens bewuſst ist; nicht
aber ist das abſolute Weſen an und für sich ſelbſt,
nicht das Selbſtbewuſstseyn des Geiſtes in jenen For-
men erſchienen.


Schon das Bewuſstseyn wird, insofern es Verſtand
iſt, Bewuſstſeyn des Uebersinnlichen oder Innern des
gegenſtändlichen Daſeyns. Aber das Uebersinnliche,
Ewige, oder wie man es ſonſt nennen mag, ist ſelbſt-
los
; es ist nur erſt das Allgemeine, das noch weit ent-
fernt ist, der sich als Geiſt wiſſchde Geiſt zu ſeyn. —
Alsdenn war das Selbſtbewuſstseyn, das in der Geſtalt
des unglücklichen Bewuſstſeyns ſeine Vollendung hat,
nur der sich zur Gegenſtändlichkeit wieder heraus-
ringende aber sie nicht erreichende Schmerz des Gei-
ſtes. Die Einheit des einzelnen Selbſtbewuſstseyns und
R r
[626] ſeines unwandelbaren Weſens, zu der jenes sich bringt,
bleibt daher ein Jenſeits deſſelben. — Das unmittel-
bare Daſeyn der Vernunft, die für uns aus jenem
Schmerz hervorging, und ihre eigenthümlichen Ge-
ſtalten haben keine Religion, weil das Selbſtbewuſst-
seyn derſelben sich in der unmittelbaren Gegenwart
weiſs oder ſucht.


Hingegen in der sittlichen Welt ſahen wir eine
Religion, und zwar die Religion der Unterwelt; sie
iſt der [Glauben] an die furchtbare unbekannte Nacht
des Schickſals, und an die Eumenide des abgeſchiednen
Geiſtes
; — jene die reine Negativität in der Form der
Allgemeinheit, dieſe dieſelbe in der Form der Ein-
zelnheit. Das abſolute Weſen ist in der letztern Form
alſo zwar das Selbſt, und gegenwärtiges, wie das Selbſt
nicht anders ist; allein das Einzelne Selbst ist dieſer
einzelne Schatten, der die Allgemeinheit, welche
das Schickſal ist, getrennt von sich hat. Er ist zwar
Schatten, aufgehobner Dieſer, und ſomit allgemeines
Selbſt; aber noch ist jene negative Bedeutung nicht
in dieſe poſitive umgeſchlagen, und daher bedeutet
zugleich das aufgehobne Selbſt noch unmittelbar die-
ſen beſondern und weſenloſen. — Das Schickſal aber
ohne das Selbſt bleibt die bewuſstloſe Nacht, die nicht
zur Unterſcheidung in ihr noch zur Klarheit des ſich
ſelbſt Wiſſens kommt.


Dieſer Glauben an das Nichts der Nothwendig-
keit und an die Unterwelt wird zum Glauben an den
Himmel, weil das abgeſchiedne Selbſt mit ſeiner All-
[627] gemeinheit sich vereinen, in ihr das, was es ent-
hält, auseinanderſchlagen und ſo ſich klar werden
muſs. Dieſes Reich des Glaubens aber ſahen wir nur
im Elemente des Denkens ſeinen Inhalt ohne den Be-
griff entfalten, und es darum in ſeinem Schickſale,
nemlich in der Religion der Aufklärung, untergehen.
In dieſer ſtellt sich das übersinnliche Jenſeits des
Verſtandes wieder her, aber ſo daſs das Selbſtbe-
wuſstſeyn diſſeits befriedigt ſteht, und das übersinn-
liche, das leere nicht zu erkennende noch zu fürch-
tende Jenſeits weder als Selbſt noch als Macht weiſs.


In der Religion der Moralität ist endlich diſs
wiederhergeſtellt, daſs das abſolute Weſen ein poſi-
tiver Inhalt ist, aber er ist mit der Negativität der
Aufklärung vereinigt. Er iſt ein Seyn, das ebenſo ins
Selbſt zurückgenommen und darin eingeſchloſſen
bleibt, und ein unterſchiedner Inhalt, deſſen Theile
ebenſo unmittelbar negirt, als sie aufgeſtellt ſind.
Das Schickſal aber, worin dieſe widerſprechende Be-
wegung verſinkt, ist das ſeiner, als des Schickſals der
Weſenheit und Wirklichkeit, bewuſste Selbſt.


Der sich selbſt wiſſende Geiſt iſt in der Religion
unmittelbar sein eignes reines Selbſtbewuſstseyn. Die-
jenigen Geſtalten deſſelben, die betrachtet worden, —
der wahre, der ſich entfremdete, und der ſeiner ſelbſt
gewiſſe Geiſt, — machen zuſammen ihn in seinem
Bewuſstseyn aus, das seiner Welt gegenübertretend
in ihr ſich nicht erkennt. Aber im Gewiſſen unter-
wirft er ſich wie seine gegenſtändliche Welt über-
R r 2
[628] haupt, ſo auch seine Vorſtellung und seine beſtimm-
ten Begriffe, und ist nun bey sich seyendes Selbst-
bewuſstseyn. In diesem hat er für sich, als Gegen-
ſtand vorgeſtellt
, die Bedeutung, der allgemeine Geiſt
zu seyn, der alles Wesen und alle Wirklichkeit in
sich enthält; ist aber nicht in der Form freyer Wirk-
lichkeit oder der selbſtständig erscheinenden Natur.
Er hat zwar Geſtalt oder die Form des Seyns, indem
er Gegenſtand seines Bewuſstſeyns ist, aber weil die-
ses in der Religion in der wesentlichen Beſtimmung
Selbſtbewuſstſeyn zu seyn, geſetzt ist, ist die Geſtalt
sich vollkommen durchsichtig; und die Wirklichkeit,
die er enthält, ist in ihm eingeschloſſen oder in ihm
aufgehoben, gerade auf die Weise, wie wenn wir alle
Wirklichkeit
sprechen; sie ist die gedachte, allgemeine
Wirklichkeit.


Indem also in der Religion die Beſtimmung des
eigentlichen Bewuſstſeyns des Geiſtes nicht die Form
des freyen Andersſeyns hat, so ist sein Daſeyn von
seinem Selbſtbewuſstseyn unterschieden, und seine ei-
gentliche Wirklichkeit fallt auſſer der Religion; es
ist wohl Ein Geiſt beyder, aber sein Bewuſstseyn
umfaſst nicht beyde zumal, und die Religion erscheint
als ein Theil des Daſeyns und Thuns und Treibens,
deſſen anderer Theil das Leben in seiner wirklichen
Welt ist. Wie wir nun es wiſſen, daſs der Geiſt
in seiner Welt und der seiner als Geiſt bewuſste
Geiſt oder der Geiſt in der Religion daſſelbe sind,
so beſteht die Vollendung der Religion darin, daſs
[629] beydes einander gleich werde, nicht nur daſs ſeine
Wirklichkeit von der Religion befaſst ist, sondern
umgekehrt, daſs er ſich als seiner selbstbewuſster
Geiſt wirklich und Gegenſtand ſeines Bewuſstseyns
werde. — Insofern der Geiſt in der Religion sich
ihm selbſt vorſtellt, ist er zwar Bewuſstseyn, und die
in ihr eingeſchloſſne Wirklichkeit ist die Geſtalt und
das Kleid seiner Vorſtellung. Der Wirklichkeit wi-
derfährt aber in dieser Vorſtellung nicht ihr voll-
kommnes Recht, nemlich nicht nur Kleid zu ſeyn,
sondern selbſtständiges freyes Daſeyn; und umgekehrt
ist sie, weil ihr die Vollendung in ihr selbſt man-
gelt, eine beſtimmte Geſtalt, die nicht dasjenige er-
reicht, was sie darſtellen ſoll, nemlich den seiner
selbſtbewuſsten Geiſt. Daſs seine Geſtalt ihn selbſt
ausdrückte, müſste sie selbst nichts anderes ſeyn als
er, und er sich so erſchienen oder wirklich ſeyn,
wie er in seinem Wesen ist. Dadurch allein würde
auch das erreicht, was die Foderung des Gegentheils
zu seyn ſcheinen kann, nemlich daſs der Gegenſtand
seines Bewuſstseyns die Form freyer Wirklichkeit
zugleich hat; aber nur der Geiſt, der sich als abſo-
luter Geiſt Gegenſtand iſt, iſt ſich eine ebenso freye
Wirklichkeit, als er darin seiner selbſt bewuſst
bleibt.


Indem zunächst das Selbstbewuſstseyn und das
eigentliche Bewuſstseyn, die Religion und der Geiſt in
seiner Welt oder das Daſeyn des Geistes unterſchieden
wird, ſo beſteht das letztere in dem Ganzen des Geiſtes,
[630] insofern ſeine Momente als auseinandertretend und
jedes für sich sich darſtellt. Die Momente aber ſind
das Bewuſstseyn, das Selbſtbewuſstseyn, die Vernunft
und der Geiſt; — der Geiſt nemlich als unmittelba-
rer Geiſt, der noch nicht das Bewuſstseyn des Gei-
ſtes iſt. Ihre zusammengefaſste Totalitat macht den
Geiſt in seinem weltlichen Daſeyn überhaupt aus; der
Geiſt als solcher enthält die bisherigen Geſtaltungen
in den allgemeinen Beſtimmungen, den so eben ge-
nannten Momenten. Die Religion ſetzt den ganzen
Ablauf derselben voraus, und ist die einfache Tota-
lität oder das abſolute Selbſt derſelben. — Der Verlauf
derſelben ist übrigens im Verhältniſſe zur Religion
nicht in der Zeit vorzuſtellen. Der ganze Geiſt
nur iſt in der Zeit, und die Geſtalten, welche Ge-
ſtalten des ganzen Geiſtes als ſolchen sind, ſtellen ſich
in einer Aufeinanderfolge dar; denn nur das Ganze
hat eigentliche Wirklichkeit, und daher die Form
der reinen Freyheit gegen anderes, die ſich als Zeit
ausdrückt. Aber die Momente deſſelben, Bewuſstseyn,
Selbstbewuſstseyn, Vernunft und Geiſt haben, weil
ſie Momente ſind, kein von einander verſchiednes
Daſeyn. — Wie der Geiſt von ſeinen Momenten un-
terſchieden wurde, ſo ist noch drittens von dieſen
Momenten ſelbſt ihre vereinzelnte Beſtimmung zu
unterſcheiden. Jedes jener Momente ſahen wir nem-
lich wieder an ihm selbst sich in einem eignen Ver-
lauffe unterscheiden und verschieden geſtalten; wie
z. B. am Bewuſstseyn, die ſinnliche Gewiſsheit
[631] Wahrnehmung sich unterschied. Diese letztern Sei-
ten treten in der Zeit auseinander, und gehören ei-
nem beſondern Ganzen an. — Denn der Geiſt ſteigt
aus ſeiner Allgemeinheit durch die Beſtimmung zur
Einzelnheit herab. Die Beſtimmung oder Mitte ist
Bewuſstseyn, Selbſtbewuſstseyn u. ſ. f. Die Einzelnheit
aber machen die Geſtalten dieser Momente aus
Diese stellen daher den Geist in seiner Einzelnheit
oder Wirklichkeit dar, und unterscheiden sich in der
Zeit, so jedoch, daſs die folgende die vorhergehen-
den an ihr behält.


Wenn daher die Religion die Vollendung des
Geistes ist, worin die einzelnen Momente deſſelben,
Bewuſstseyn, Selbſtbewuſstseyn, Vernunft und Geiſt,
als in ihren Grund zurückgehen und zurückgegangen
sind, so machen sie zuſammen die daſeyende Wirk-
lichkeit
des ganzen Geiſtes aus, welcher nur ist, als
die unterſcheidende und in sich zurückgehende Be-
wegung dieſer seiner Seiten. Das Werden der Reli-
gion überhaupt
ist in der Bewegung der allgemeinen
Momente enthalten. Indem aber jedes dieser Attri-
bute, wie es nicht nur im allgemeinen sich beſtimmt,
sondern wie es an und für sich ist, d. h. wie es in
sich selbst sich als Ganzes verlaufft, dargeſtellt wur-
de, so ist damit auch nicht nur das Werden der Re-
ligion überhaupt entſtanden, sondern jene vollſtändigen
Verläuffe der einzelnen Seiten enthalten zugleich die
Beſtimmtheiten der Religion selbſt. Der ganze Geist,
der Geiſt der Religion, ist wieder die Bewegung,
[632] aus seiner Unmittelbarkeit zum Wiſſen deſſen zu ge-
langen, was er an sich oder unmittelbar ist, und es
zu erreichen, daſs die Geſtalt, in welcher er für sein
Bewuſstseyn erscheint, seinem Wesen vollkommen
gleiche, und er sich anschaue, wie er ist — In die-
sem Werden ist er also ſelbſt in beſtimmten Geſtal-
ten, welche die Unterschiede dieser Bewegung aus-
machen; zugleich hat damit die bestimmte Religion
ebenso einen bestimmten wirklichen Geist. Wenn al-
ſo dem sich wiſſenden Geiste überhaupt Bewuſstseyn,
Selbstbewuſstseyn, Vernunft und Geist angehören,
so gehören den beſtimmten Gestalten des sich wiſſen-
den Geistes die beſtimmten Formen an, welche sich
innerhalb des Bewuſstseyns, Selbstbewuſstſeyns der
Vernunft und des Geistes an jedem besonders ent-
wickelten. Die beſtimmte Gestalt der Religion greifft
für ihren wirklichen Geist aus den Gestalten eines
jeden seiner Momente diejenige heraus, welche ihr
entspricht. Die Eine Bestimmtheit der Religion
greifft durch alle Seiten ihres wirklichen Daseyns
hindurch und drückt ihnen diſs gemeinschafftliche
Gepräge auf.


Auf diese Weise ordnen sich nun die Gestalten,
die bis hieher auftraten, anders, als sie in ihrer Reihe
erschienen, worüber vorher noch das nöthige kurz
zu bemerken ist. — In der betrachteten Reihe bil-
dete sich jedes Moment, sich in sich vertiefend, zu
einem Ganzen in ſeinem eigenthümlichen Princip
aus; und das Erkennen war die Tiefe, oder der
[633] Geist, worin sie, die für sich kein Beſtehen haben,
ihre Subſtanz hatten. Diese Substanz ist aber nun-
mehr herausgetreten; sie ist die Tiefe des seiner
selbst gewiſſen Geiſtes, welche es dem einzelnen
Princip nicht gestattet, ſich zu isoliren und in sich
selbst zum Ganzen zu machen, sondern diese Mo-
mente alle in sich versammelnd und zusammenhal-
tend, schreitet sie in diesem gesammten Reichthum
ihres wirklichen Geistes fort, und alle seine beson-
dern Momente nehmen und empfangen gemeinschaft-
lich die gleiche Bestimmtheit des Ganzen in sich. —
Dieser seiner ſelbſt gewiſſe Geist und seine Bewe-
gung ist ihre wahrhaffte Wirklichkeit, und das an
und für sich
ſeyn, das jedem einzelnen zukommt. —
Wenn alſo die bisherige Eine Reihe in ihrem Fort-
ſchreiten durch Knoten die Rückgänge in ihr be-
zeichnete, aber aus ihnen sich wieder in Eine Län-
ge fortsetzte, so ist sie nunmehr gleichſam an die-
ſen Knoten, den allgemeinen Momenten, gebrochen
und in viele Linien zerfallen, welche in Einen Bund
zusammengefaſst, sich zugleich ſymmetrisch vereinen,
so daſs die gleichen Unterſcheide, in welche jede
beſondre innerhalb ihrer sich gestaltete, zusammen-
treffen. — Es erhellt übrigens aus der ganzen Dar-
stellung von selbſt, wie diese hier vorgestellte Bey-
ordnung der allgemeinen Richtungen zu verſtehen
ist, daſs es überflüſsig wird, die Bemerkung zu ma-
chen, daſs diese Unterschiede wesentlich nur als Mo-
mente des Werdens nicht als Theile zu faſſen sind;
[634] an dem wirklichen Geiſte sind sie Attribute seiner
Substanz; an der Religion aber vielmehr nur Prädi-
cate des Subjects. — Ebenso sind an sich oder für uns
wohl alle Formen überhaupt im Geiste und in je-
dem enthalten; aber es kommt bey seiner Wirklick-
keit überhaupt allein darauf an, welche Beſtimmt-
heit für ihn in seinem Bewuſstſeyn ist, in welcher er
sein Selbst ausgedrückt oder in welcher Gestalt er
sein Wesen weiſs.


Der Unterschied, der zwischen dem wirklichen
Geiſte und ihm der sich als Geist weiſs, oder zwi-
schen sich selbst als Bewuſstseyn und als Selbstbe-
wuſstseyn gemacht wurde, ist in dem Geiſte aufge-
hoben, der sich nach seiner Wahrheit weiſs; sein
Bewuſstseyn und sein Selbstbewuſstseyn sind ausge-
glichen. Wie aber hier die Religion erst unmittelbar
ist, ist dieser Unterschied noch nicht in den Geiſt
zurückgegangen Es ist nur der Begriff der Religion
gesetzt; in diesem ist das Wesen das Selbstbewuſst-
seyn
, das sich alle Wahrheit ist, und in dieser alle
Wirklichkeit enthält. Dieses Selbstbewuſstseyn hat
als Bewuſstſeyn sich zum Gegenstande; der erst sich
unmittelbar wiſſende Geist ist sich alſo Geist in der
Form der Unmittelbarkeit, und die Bestimmtheit der
Gestalt, worin er sich erscheint, ist die des Seyns.
Diſs Seyn ist zwar weder mit der Empfindung oder
dem mannichfaltigen Stoffe, noch mit sonstigen ein-
seitigen Momenten, Zwecken und Bestimmungen er-
füllt
, sondern mit dem Geiste, und wird von sich
[635] als alle Wahrheit und Wirklichkeit gewuſst. Dieſe
Erfüllung ist auf diese Weise ihrer Geſtalt, er als
Wesen seinem Bewuſstſeyn nicht gleich. Er ist erst
als absoluter Geist wirklich, indem er, wie er in
der Gewiſsheit ſeiner ſelbſt, sich auch in seiner Wahr-
heit
ist, oder die Extreme, in die er sich als Be-
wuſstſeyn theilt, in Geistsgestalt für einander sind.
Die Gestaltung, welche der Geist als Gegenstand sei-
nes Bewuſstseyns annimmt, bleibt von der Gewiſs-
heit des Geistes, als von der Substanz erfüllt; durch
diesen Inhalt verschwindet diſs, daſs der Gegenſtand
zur reinen Gegenständlichkeit, zur Form der Nega-
tivität des Selbstbewuſstseyns herabsänke. Die un-
mittelbare Einheit des Geistes mit sich selbst ist die
Grundlage oder reines Bewuſstſeyn, innerhalb deſſen
das Bewuſstſeyn auseinander tritt. Auf diese Weiſe
in sein reines Selbstbewuſstseyn eingeschloſſen, exis-
tirt er in der Religion nicht als der Schöpfer einer
Natur überhaupt; sondern was er in dieser Bewe-
gung hervorbringt, sind seine Gestalten als Geister,
die zusammen die Vollständigkeit seiner Erscheinung
ausmachen, und diese Bewegung selbst ist das Wer-
den seiner vollkommnen Wirklichkeit durch die
einzelnen Seiten derselben, oder seine unvollkomm-
nen Wirklichkeiten.


Die erste Wirklichkeit deſſelben ist der Begriff
der Religion selbst, oder sie als unmittelbare und also
natürliche Religion; in ihr weiſs der Geist sich als
seinen Gegenstand in natürlicher oder unmittelbarer
[636] Gestalt. Die Zweyte aber ist nothwendig diese, sich
in der Geſtalt der aufgehobnen Natürlichkeit oder des
Selbſts zu wiſſen. Sie ist also die künſtliche Religion;
denn zur Form des Selbſts erhebt sich die Gestalt
durch das Hervorbringen des Bewuſstseyns, wodurch
dieses in seinem Gegenſtande sein Thun oder das
Selbst anschaut. Die dritte endlich hebt die Einsei-
tigkeit der beyden erſten auf; das Selbſt ist ebenso-
wohl ein unmittelbares als die Unmittelbarkeit Selbſt ist.
Wenn in der erſten der Geiſt überhaupt in der Form
des Bewuſstseyns, in der Zweyten — des Selbstbe-
wuſstseyns iſt, so iſt er in der dritten in der Form
der Einheit beyder; er hat die Geſtalt des an und
fürſichſeyns; und indem er also vorgeſtellt iſt, wie er
an und für sich ist, so iſt diſs die offenbare Religion.
Ob er aber in ihr wohl zu seiner wahren Geſtalt ge-
langt, so ist eben die Geſtalt selbſt und die Vorſtel-
lung
noch die unüberwundne Seite, von der er in
den Begriff übergehen muſs, um die Form der Ge-
genſtändlichkeit in ihm ganz aufzulösen, in ihm, der
ebenso diſs sein Gegentheil in sich schlieſst. Als-
dann hat der Geiſt den Begriff seiner selbſt erfaſst,
wie wir nur erſt ihn erfaſst haben, und seine Ge-
ſtalt oder das Element seines Daseyns, indem sie der
Begriff iſt, iſt er ſelbſt.


[637]

A.
Natürliche Religion.


Der den Geist wiſſende Geist ist Bewuſstseyn seiner
selbst, und ist sich in der Form des Gegenſtändlichen,
er iſt; und ist zugleich das Fürſichseyn. Er ist für sich,
er ist die Seite des Selbſtbewuſstseyns, und zwar gegen
die Seite seines Bewuſstſeyns, oder des sich auf sich
als Gegenſtand beziehens. In seinem Bewuſstseyn ist
die Entgegensetzung und hiedurch die Beſtimmtheit der
Gestalt, in welcher er sich erscheint und weiſs. Um
diese ist es in dieser Betrachtung der Religion allein
zu thun, denn sein ungestaltetes Wesen, oder sein
reiner Begriff hat sich schon ergeben. Der Unter-
schied des Bewuſstseyns und Selbstbewuſstseyns fällt
aber zugleich innerhalb des letztern; die Gestalt der
Religion enthält nicht das Daseyn des Geistes, wie er
vom Gedanken freye Natur, noch wie er vom Daseyn
freyer Gedanke ist; sondern sie ist das im Denken
erhaltne Daseyn, so wie ein Gedachtes, das sich da
ist. — Nach der Beſtimmtheit dieser Gestalt, in wel-
cher der Geist sich weiſs, unterscheidet sich eine Re-
[638] ligion von einer andern; allein es ist zugleich zu be-
merken, daſs die Darſtellung dieses seines Wiſſens
von sich nach dieser einzelnen Beſtimmtheit in der That
nicht das Ganze einer wirklichen Religion erschöpft.
Die Reihe der verschiednen Religionen, die sich er-
geben werden, stellt ebensosehr wieder nur die ver-
schiednen Seiten einer einzigen, und zwar jeder einzel-
nen
dar, und die Vorſtellungen, welche eine wirkliche
Religion vor einer andern auszuzeichnen scheinen,
kommen in jeder vor. Allein zugleich muſs die Ver-
schiedenheit auch als eine Verschiedenheit der Reli-
gion betrachtet werden. Denn indem der Geist sich
im Unterschiede seines Bewuſstseyns und seines Selbst-
bewuſstseyns befindet, so hat die Bewegung das Ziel,
diesen Hauptunterschied aufzuheben, und der Geſtalt,
die Gegenſtand des Bewuſstſeyns iſt, die Form des
Selbstbewuſstseyns zu geben. Dieser Unterschied ist
aber nicht dadurch schon aufgehoben, daſs die Ge-
ſtalten, die jenes enthält, auch das Moment des Selbsts
an ihnen haben, und der Gott als Selbſtbewuſstseyn vor-
geſtellt
wird. Das vorgeſtellte Selbst ist nicht das wirk-
liche
; daſs es, wie jede andre nähere Bestimmung der
Gestalt, dieser in Wahrheit angehöre, muſs es theils
durch das Thun des Selbstbewuſstseyns in sie gesetzt
werden, theils muſs die niedrige Bestimmung von der
höhern aufgehoben und begriffen zu seyn sich zeigen.
Denn das Vorgestellte hört nur dadurch auf, vorge-
stelltes und seinem Wiſſen fremd zu seyn, daſs das
Selbst es hervorgebracht hat, und also die Bestim-
[639] mung des Gegenstandes als die seinige, somit sich in
ihm anschaut. — Durch diese Thätigkeit ist die nie-
drigere Bestimmung zugleich verschwunden; denn
das Thun ist das negative, das sich auf Kosten eines
Andern ausführt; insofern sie auch noch vorkommt,
so ist sie in die Unwesentlichkeit zurückgetreten; so
wie dagegen, wo die niedrigere noch herrschend ist,
die höhere aber auch vorkommt, die eine selbstlos ne-
ben der andern Platz hat. Wenn daher die verschied-
nen Vorstellungen innerhalb einer einzelnen Religion
zwar die ganze Bewegung ihrer Formen darstellen, so
iſt der Charakter einer jeden durch die besondre Ein-
heit des Bewuſstseyns und des Selbstbewuſstseyns be-
stimmt, das ist, dadurch daſs das letztere die Bestim-
mung des Gegenstands des erstern in sich gefaſst, sie
durch sein Thun sich vollkommen angeeignet und sie
als die wesentliche gegen die andern weiſs. — Die
Wahrheit des Glaubens an eine Bestimmung des reli-
giösen Geistes zeigt sich darin, daſs der wirkliche Geist
so beschaffen ist, wie die Gestalt, in der er sich in der
Religion anschaut, — wie z. B. die Menschwerdung
Gottes, die in der morgenländischen Religion vor-
kommt, keine Wahrheit hat, weil ihr wirklicher Geist
ohne diese Versöhnung ist. — Hieher gehört es
nicht, von der Totalität der Bestimmungen zu der
einzelnen zurückzukehren, und zu zeigen, in welcher
Gestalt innerhalb ihrer und ihrer besondern Religion
die Vollständigkeit der übrigen enthalten iſt. Die hö-
here Form unter eine niedrigere zurückgestellt ent-
[640] behrt ihrer Bedeutung für den selbstbewuſsten Geist,
gehört ihm nur oberflächlich und seiner Vorstellung
an. Sie ist in ihrer eigenthümlichen Bedeutung
und da zu betrachten, wo sie Prineip dieser beson-
dern Religion und durch ihren wirklichen Geist be-
währt ist.


a,
Das Lichtwesen.

Der Geist, als das Wesen, welches Selbſtbewuſst-
seyn
ist, — oder das selbſtbewuſste Wesen, welches
alle Wahrheit ist und alle Wirklichkeit als sich ſelbst
weiſs, ist gegen die Realität, die er in der Bewegung
seines Bewuſstseyns sich gibt, nur erst sein Begriff,
und dieser Begriff ist gegen den Tag dieser Entfaltung
die Nacht seines Wesens, gegen das Daseyn seiner
Momente als selbstständiger Gestalten das schöpferische
Geheimniſs seiner Geburt. Diſs Geheimniſs hat in
sich selbst seine Offenbarung; denn das Daseyn hat in
diesem Begriffe seine Nothwendigkeit, weil er der sich
wiſſende Geist ist, also in seinem Wesen das Moment
hat, Bewuſstseyn zu seyn und sich gegenständlich vor-
zustellen. — Es ist das reine Ich, das in seiner Ent-
äuſſerung, in sich als allgemeinem Gegenſtande die Ge-
wiſsheit seiner selbst hat, oder dieser Gegenstand ist
für es die Durchdringung alles Denkens und aller
Wirklichkeit.


[641]

In der unmittelbaren ersten Entzweyung des sich wis-
senden absoluten Geistes hat seine Gestalt diejenige
Bestimmung, welche dem unmittelbaren Bewuſstseyn
oder der sinnlichen Gewiſsheit zukommt. Er schaut
sich in der Form des Seyns an, jedoch nicht des geist-
losen mit zufälligen Bestimmungen der Empfindung
erfüllten Seyns, das der sinnlichen Gewiſsheit ange-
hört, sondern es ist das mit dem Geiste erfüllte Seyn.
Es schlieſst ebenso die Form in sich, welche an dem
unmittelbaren Selbſtbewuſstseyn vorkam, die Form des
Herrn gegen das von seinem Gegenstande zurücktre-
tende Selbstbewuſstseyn des Geistes. — Diſs mit dem
Begriffe des Geistes erfüllte Seyn ist also die Geſtalt
der einfachen Beziehung des Geistes auf sich selbst,
oder die Gestalt der Gestaltlosigkeit. Sie ist vermö-
ge dieser Bestimmung das reine, alles enthaltende
und erfüllende Lichtwesen des Aufgangs, das sich in
seiner formlosen Substantialität erhält. Sein Anders-
seyn ist das ebenso einfache Negative, die Finſter-
niſs
; die Bewegungen seiner eignen Entäuſſerung,
seine Schöpfungen in dem widerstandslosen Elemen-
te seines Andersſeyns sind Lichtgüſſe, sie sind in
ihrer Einfachhett zugleich sein Fürsichwerden und
Rückkehr aus seinem Daseyn, die Gestaltung ver-
zehrende Feuerströme. Der Unterschied, den es sich
gibt, wuchert zwar in der Subſtanz des Daseyns fort
und geſtaltet sich zu den Formen der Natur; aber
die wesentliche Einfachheit seines Denkens schweift
bestandlos und unverständig in ihnen umher, erwei-
S s
[642] tert ihre Gräutzen zum Maſslosen, und löſst ihre
zur Pracht geſteigerte Schönheit in ihrer Erhaben-
heit auf.


Der Inhalt, den diſs reine Seyn entwickelt, oder
sein Wahrnehmen iſt daher ein wesenloses Beyher-
spielen an dieser Substanz, die nur aufgeht, ohne in
sich niederzugehen, Subject zu werden und durch das
Selbst ihre Unterschiede zu befestigen Ihre Bestim-
mungen sind nur Attribute, die nicht zur Selbst-
ständigkeit gedeihen, sondern nur Nahmen des viel-
nahmigen Einen bleiben. Dieses ist mit den man-
nichfachen Kräfften des Daseyns und den Geſtalten
der Wirklichkeit als mit einem selbstlosen Schmucke
angekleidet; sie sind nur eignen Willens entbehren-
de Boten seiner Macht, Anschauungen seiner Herr-
lichkeit und Stimmen seines Preises.


Diſs taumelnde Leben aber muſs sich zum Für-
ſichseyn
beſtimmen, und seinen verschwindenden Ge-
stalten Bestehen geben. Das unmittelbare Seyn, in
welchem es sich seinem Bewuſstseyn gegenüberſtellt,
iſt selbſt die negative Macht, die seine Unterschiede
auflöst. Es ist also in Wahrheit das Selbſt; und der
Geist geht darum dazu über sich in der Form des
Selbsts zu wiſſen. Das reine Licht wirft seine Ein-
fachheit als eine Unendlichkeit von Formen ausein-
ander und gibt sie dem Fürsichseyn zum Opfer
dar, daſs das Einzelne sich das Bestehen an seiner
Substanz sich nehme.


[643]
b.
Die Pflanze und das Thier.

Der selbstbewuſste Geist, der aus dem gestaltlosen
Wesen in sich gegangen, oder seine Unmittelbarkeit
zum Selbst überhaupt erhoben, bestimmt seine Ein-
fachheit als eine Mannichfaltigkeit des Fürsichseyns,
und ist die Religion der geistigen Wahrnehmung, wo-
rin er in die zahllose Vielheit schwächerer und kräfti-
gerer, reicherer und ärmerer Geister zerfällt. Die-
ser Pantheismus, zunächst das ruhige Bestehen dieser
Geisteratomen, wird zur feindseligen Bewegung in sich
selbst. Die Unschuld der Blumenreligion, die nur selbst-
lose Vorstellung des Selbsts ist, geht in den Ernst des
kämpfenden Lebens, in die Schuld der Thierreligion,
die Ruhe und Ohnmacht der anschauenden Individua-
lität in das zerstörende Fürsichseyn über. — Es hilft
nichts, den Dingen der Wahrnehmung den Tod der
Abſtraction
genommen, und sie zu Wesen geistiger
Wahrnehmung erhoben zu haben; die Beseelung die-
ses Geisterreichs hat ihn durch die Bestimmtheit und
die Negativität an ihr, die über die unschuldige Gleich-
gültigkeit derselben übergreifft. Durch sie wird die
Zerstrenung in die Mannichfaltigkeit der ruhigen
Pflanzen Gestalten eine feindselige Bewegung, worin
sie der Haſs ihres Fürsichseyns aufreibt. — Das
wirkliche Selbſtbewuſstseyn dieses zerstreuten Geistes
S s 2
[644] ist eine Menge vereinzelnter ungeselliger Völkergei-
ster, die in ihrem Haffe sich auf den Tod bekämpfen,
und bestimmter Thiergestalten als ihres Wesens sich
bewuſst werden, denn sie sind nichts anderes als Thier-
geister, sich absondernde ihrer ohne Allgemeinheit
bewuſste Thierleben.


In diesem Haffe reibt sich aber die Bestimmtheit
des rein negativen Fürsichseyns auf, und durch diese
Bewegung des Begriffs tritt der Geist in eine andere
Gestalt. Das aufgehobne Fürsichseyn ist die Form des
Gegenstandes, die durch das Selbst hervorgebracht oder
die vielmehr das hervorgebrachte, sich aufreibende
d. h. zum Dinge werdende Selbst ist. Ueber die nur
zerreiffenden Thiergeister behält daher der Arbeitende
die Oberhand, deſſen Thun nicht nur negativ, sondern
beruhigt und positiv ist. Das Bewuſstseyn des Gei-
stes ist also nunmehr die Bewegung, die über das un-
mittelbare Ansichseyn wie über das abstrachte Fürsichseyn
hinaus ist. Indem das Ansich zur einer Bestimmtheit
durch den Gegensatz herabgesetzt ist, ist es nicht
mehr die eigne Form des absoluten Geistes, sondern
eine Wirklichkeit, die sein Bewuſstseyn sich entge-
gengesetzt als das gemeine Daseyn vorfindet, sie auf-
hebt, und ebenso nicht nur diſs aufhebende Fürsich-
seyn ist, sondern auch seine Vorstellung, das zur
Form eines Gegenstandes herausgesetzte Fürsichseyn
hervorbringt. Diſs Hervorbringen ist jedoch noch nicht
das vollkommne, sondern eine bedingte Thätigkeit und
das Formiren eines Vorhandnen.


[645]
c.
Der Werkmeister.

Der Geist erscheint also hier als der Werkmeister,
und sein Thun, wodurch er sich selbst als Gegen-
stand hervorbringt, aber den Gedanken seiner noch
nicht erfaſst hat, ist ein instinctartiges Arbeiten, wie
die Bienen ihre Zellen bauen.


Die erste Form, weil sie die unmittelbare ist, ist
sie die abstracte des Verstandes, und das Werk noch
nicht an ihm selbst vom Geiste erfüllt. Die Kryſtalle
der Pyramiden und Obelisken, einfache Verbindun-
gen gerader Linien, mit ebnen Oberflächen und glei-
chen Verhältniſſen der Theile, an denen die Incommen-
surabilität des Runden vertilgt ist, sind die Arbeiten
dieses Werkmeisters der strengen Form. Um der
bloſsen Verständigkeit der Form willen ist sie nicht
ihre Bedeutung an ihr selbst, nicht das geistige Selbst.
Die Werke empfangen also nur den Geist entweder
in sich, als einen fremden abgeschiednen Geist, der
seine lebendige Durchdringung mit der Wirklichkeit
verlaffen, selbst todt in diese des Lebens entbehrende
Kryſtallc einkehrt; — oder sie beziehen sich äuffer-
lich auf ihn als auf einen solchen, der selbst äuſſerlich
und nicht als Geist da ist — als auf das aufgehende
Licht, das seine Bedeutung auf sie wirft.


Die Trennung, von welcher der arbeitende Geist
ausgeht, des Ansichseyns, das zum Stoffe wird, den er
[646] verarbeitet, — und des Fürsichseyns, welche die Seite
des arbeitenden Selbstbewuſstseyns ist, ist ihm in sei-
nem Werke gegenständlich geworden. Seine fernere
Bemühung muſs dahin gehen, diese Trennung der
Seele und des Leibs aufzuheben, jene an ihr selbst zu
bekleiden und zu ges[ta]lten, diesen aber zu beseelen.
Beide Seiten, indem sie einander näher gebracht wer-
den, behalten dabey die Bestimmtheit des vorgestellten
Geistes, und seiner umgebenden Hülle gegeneinander;
seine Einigkeit mit sich selbst enthält diesen Gegen-
satz der Einzelnheit und Allgemeinheit. Indem das
Werk in seinen Seiten sich selbst nähert, so geschieht
dadurch zugleich auch das andre, daſs es dem arbeiten-
den Selbſtbewuſstseyn naher tritt, und dieses zum
Wiſſen seiner, wie es an und für sich ist, in dem
Werke gelangt. So aber macht es nur erst die abstrac-
te Seite der Thätigkeit des Geistes aus, welche nicht in
sich selbst noch ihren Inhalt, sondern an seinem Wer-
ke, das ein Ding ist, weiſs. Der Werkmeister selbst
der ganze Geist, ist noch nicht erschienen, sondern
ist das noch innre verborgne Wesen, welches als Gan-
zes, nur zerlegt in das thätige Selbstbewuſstseyn
und in seinen hervorgebrachten Gegenstand, vorhan-
den ist.


Die umgebende Behausung also, die äuſſere Wirk-
lichkeit, die nur erst in die abstracte Form des Ver-
standes erhoben ist, arbeitet der Werkmeister zur be-
seeltern Form aus. Er verwendet das Pflanzenleben
dazu, das nicht mehr, wie dem frühern unmächtigen
[647] Pantheismus heilig ist, sondern von ihm, der sich als
das fürsichseyende Wesen erfaſst, als etwas brauch-
bares genommen und zur Auffenseite und Zierde zu
rückgesetzt wird. Es wird aber nicht unverändert
verwendet, sondern der Arbeiter der selbstbewuſs-
ten Form vertilgt zugleich die Vergänglichkeit, wel-
che die unmittelbare Existenz dieses Lebens an ihm
hat, und nähert seine organischen Formen den stren-
gern und allgemeinern des Gedankens. Die organi-
sche Form, die freygelaſſen in der Besonderheit fort-
wuchert, ihrerseits von der Form des Gedankens
unterjocht, erhebt andererseits diese geradlmigten und
ebnen Gestalten zur beseeltern Rundung, — eine
Vermischung, welche die Wurzel der freyen Archi-
tectur wird.


Diese Wohnung, die Seite des allgemeinen Ele-
ments
oder der unorganischen Natur des Geistes
schlieſst nun auch eine Gestalt der Einzelnheit in sich,
die den vorher von dem Daseyn abgeschiednen ihm
innern oder äuſſerlichen Geist der Wirklichkeit nä-
her bringt, und dadurch das Werk dem thätigen
Selbſtbewuſstseyn gleicher macht. Der Arbeiter greift
zuerst zur Form des Fürsichseyns überhaupt, zur
Thiergestalt. Daſs er sich seiner nicht mehr unmit-
telbar im Thierleben bewuſst ist, beweiſst er da-
durch, daſs er gegen dieses sich als die hervorbrin-
gende Kraft constituirt und in ihm als seinem Wer-
ke sich weiſs; wodurch sie zugleich eine aufgehobne
und die Hieroglyphe einer andern Bedeutung, eines
[648] Gedankens wird. Daher wird sie auch nicht mehr
allein und ganz vom Arbeiter gebraucht, sondern
mit der Gestalt des Gedankens, mit der menschli-
chen, vermischt. Noch fehlt dem Werke aber die
Gestalt und Daseyn, worin das Selbst als Selbst exi-
stirt; — es fehlt ihm noch diſs, an ihm selbst es
auszusprechen, daſs es eine innre Bedeutung in sich
schlieſst, es fehlt ihm die Sprache, das Element,
worin der erfüllende Sinn selbst vorhanden ist. Das
Werk daher, wenn es sich von dem Thierischen
auch ganz gereinigt, und die Gestalt des Selbstbe-
wuſstseyns allein an ihm trägt, ist die noch tonlose
Gestalt, die des Strahls der aufgehenden Sonne be-
darf, um Ton zu haben, der vom Lichte erzeugt,
auch nur Klang und nicht Sprache ist, nur ein äus-
seres Selbst, nicht das innre zeigt.


Diesem äuſſern Selbst der Gestalt steht die an-
dere gegenüber, welche anzeigt, ein Innres an ihr
zu haben. Die in ihr Wesen zurückgehende Natur
setzt ihre lebendige sich vereinzelnde und in ihrer
Bewegung sich verwirrende Mannichfaltigkeit zu ei-
nem unwesentlichen Gehäuse herab, das die Decke
des Innern
ist; und dieses Innre ist zunächst noch die
einfache Finsterniſs, das Unbewegte, der schwarze
formlose Stein.


Beyde Darstellungen enthalten die Innerlichkeit
und das Daseyn, — die beyden Momente des Gei-
stes; und beyde Darstellungen beyde zugleich in ent-
gegengesetztem Verhältniſſe, das Selbst sowohl als In-
[649] res wie als Aeuſſeres. Beydes ist zu vereinigen. —
Die Seele der menschlich geformten Bildsäule kommt
noch nicht aus dem Innern, ist noch nicht die Spra-
che, das Daseyn, das an ihm selbst innerlich ist, —
und das Innre des vielformigen Daseyns ist noch das
tonlose sich nicht in sich selbst unterscheidende, und
von seinem Aeuffern, dem alle Unterschiede gehö-
ren, noch getrennte. — Der Werkmeister vereint
daher beydes in der Vermischung der natürlichen
und der selbstbewuſsten Gestalt, und diese zwey-
deutigen sich selbst räthselhaften Wesen, das bewuſs-
te ringend mit dem bewuſstlosen, das einfache Innre
mit dem vielgestalteten Aeuſſern, die Dunkelheit des
Gedankens mit der Klarheit der Aeuſſerung paarend,
brechen in die Sprache tiefer schwerverständlicher
Weisheit aus.


In diesem Werke hört die instinctartige Arbeit
auf, die dem Selbstbewuſstſeyn gegenüber das be-
wuſstlose Werk erzeugte; denn in ihm kommt der
Thätigkeit des Werkmeisters, welche das Selbstbe-
wuſstseyn ausmacht, ein ebenso selbstbewuſstes, sich
ausſprechendes Innres entgegen. Er hat sich darin
zu der Entzweyung seines Bewuſstseyns emporgear-
beitet, worin der Geist dem Geiste begegnet. In
dieser Einheit des selbstbewuſsten Geistes, mit sich
selbst, insofern er sich Gestalt und Gegenstand sei-
nes Bewuſstſeyns ist, reinigen sich also seine Ver-
mischungen mit der bewuſstlosen Weise der unmit-
telbaren Naturgestalt. Diese Ungeheuer an Gestalt
[650] Rede und That lösen sich zur geistigen Gestaltung
auf, — einem Aeuſſern das in sich gegangen, — ei-
nem Innern das sich aus sich und an sich selbst äus-
sert; zum Gedanken, der sich gebährendes und seine
Gestalt ihm gemäſs erhaltendes und klares Daseyn
ist. Der Geist ist Künſtler.


[651]

B.
Die Kunst-Religion.


Der Geist hat seine Gestalt, in welcher er für sein
Bewuſstseyn ist, in die Form des Bewuſstſeyns selbst
erhoben, und bringt eine solche sich hervor. Der
Werkmeister hat das synthetische Arbeiten, das Ver-
mischen
der fremdartigen Formen des Gedankens und
des Natürlichen aufgegeben; indem die Gestalt die
Form der selbstbewuſsten Thätigkeit gewonnen, ist
er geistiger Arbeiter geworden.


Fragen wir darnach, welches der wirkliche Geist
ist, der in der Kunstreligion das Bewuſstseyn seines
absoluten Wesens hat, so ergibt sich, daſs es der
sittliche oder der wahre Geist ist. Er ist nicht nur die
allgemeine Substanz aller Einzelnen, sondern indem
sie für das wirkliche Bewuſstſeyn die Gestalt des
Bewuſstſeyns hat, so heiſst diſs soviel, daſs sie, die
Individualisation hat, von ihnen als ihr eignes
Wesen und Werk gewuſst wird. Weder ist sie so
für sie das Lichtwesen, in deſſen Einheit das Für-
sichseyn des Selbstbewuſstseyn nur negativ, nur ver-
[652] gehend enthalten ist, und den Herrn seiner Wirk-
lichkeit auschaut, — noch ist sie das rastlose Ver-
zehren sich haſſender Völker, — noch die Unterjo-
chung derselben zu Kasten, die zusammen den Schein
der Organisation eines vollendeten Ganzen ausma-
chen, dem aber die allgemeine Freyheit der In-
dividuen fehlt. Sondern er ist das freye Volk, wo-
rin die Sitte die Substanz aller ausmacht, deren Wirk-
lichkeit und Daseyn alle und jeder einzelne als sei-
nen Willen und That weiſs.


Die Religion des sittlichen Geistes ist aber seine
Erhebung über seine Wirklichkeit, das Zurückge-
hen aus seiner Wahrheit in das reine Wiſſen seiner
selbſt
. Indem das sittliche Volk in der unmittel-
baren Einheit mit seiner Substanz lebt, und das Prin-
cip der reinen Einzelnheit des Selbstbewuſstseyns
nicht an ihm hat, so tritt seine Religion in ihrer Vol-
lendung erst im Scheiden von seinem Bestehen auf.
Denn die Wirklichkeit der sittlichen Substanz beruht
theils auf ihrer ruhigen Unwandelbarkeit gegen die
absolute Bewegung des Selbstbewuſstseyns, und hie-
mit darauf daſs dieses noch nicht aus seiner ruhigen
Sitte und seinem festen Vertrauen in sich gegangen
ist; — theils auf seiner Organisation in eine Vielheit
von Rechten und Pflichten, so wie in die Verthei-
lung in die Maſſen der Stände und ihres besondern
Thuns, das zum Ganzen zusammenwirkt; — hiemit
darauf daſs der Einzelne mit der Beschrankung sei-
nes Daseyns zufrieden ist, und den schrankenlosen
[653] Gedanken seines freyen Selbsts noch nicht erfaſst hat.
Aber jenes ruhige unmittelbare Vertrauen zur Sub-
stanz geht in das Vertrauen zu sich und in die Ge-
wiſsheit seiner selbst
zurück, und die Vielheit der Rech-
te und Pflichten wie das beschränkte Thun ist die-
selbe dialektische Bewegung des Sittlichen, als die
Vielheit der Dinge und ihrer Bestimmungen, — eine
Bewegung, die nur in der Einfachheit des seiner
gewiſſen Geistes ihre Ruhe und Festigkeit findet. —
Die Vollendung der Sittlichkeit zum freyen Selbst-
bewuſstseyn und das Schicksal der sittlichen Welt
ist daher die in sich gegangene Individualität, der ab-
solute Leichtsinn des sittlichen Geistes, der alle festen
Unterschiede seines Bestehens und die Maſſen seiner
organischen Gegliederung in sich aufgelöst, und voll-
kommen seiner sicher zur schrankenlosen Freudigkeit
und zum freysten Genuſſe seiner selbst gelangt ist.
Diese einfache Gewiſsheit des Geistes in sich ist das
Zweydeutige, ruhiges Bestehen und feste Wahrheit,
— so wie absolute Unruhe und das Vergehen der
Sittlichkeit zu seyn. Sie schlägt aber in das letztre
um, denn die Wahrheit des sittlichen Geistes ist
nur erst noch diſs substantielle Wesen und Ver-
trauen, worin das Selbst sich nicht als freye Einzel-
heit weiſs, und das daher in dieser Innerlichkeit
oder in dem Freywerden des Selbsts zu Grunde geht.
Indem also das Vertrauen gebrochen, die Substanz
des Volks in sich geknickt ist, so ist der Geist, der
die Mitte von bestandlosen Extremen war, nunmehr
[654] in das Extrem des sich als Wesen erfaſſenden
Selbstbewuſstseyns herausgetreten. Dieses ist der in
sich gewiſſe Geist, der über den Verlust seiner Welt
trauert und sein Wesen, über die Wirklichkeit er-
hoben, nun aus der Reinheit des Selbsts hervorbringt.


In solcher Epoche tritt die absolute Kunst hervor;
früher ist sie das instinctartige Arbeiten, das ins
Daseyn versenkt aus ihm heraus und in es hineinar-
beitet, nicht an der freyen Sittlichkeit seine Substanz,
und daher auch zum arbeitenden Selbst nicht die freye
geistige Thätigkeit hat. Später ist der Geist über die
Kunst hinaus, um seine höhere Darstellung zu gewin-
nen; — neinlich nicht nur die aus dem Selbst geborne
Substanz, sondern in seiner Darstellung als Gegen-
stand, dieses Selbst zu seyn, nicht nur aus seinem Be-
griffe sich zu gebähren, sondern seinen Begriff selbst
zur Gestalt zu haben, so daſs der Begriff und das er-
zeugte Kunstwerk sich gegenseitig als ein und daſſel-
be wiſſen.


Indem also die sittliche Substanz aus ihrem Da-
seyn sich in ihr reines Selbstbewuſstseyn zurückge-
nommen, so ist dieses die Seite des Begriffs oder der
Thätigkeit, mit welcher der Geist sich als Gegenstand
hervorbringt. Sie ist reine Form, weil der Einzelne
im sittlichen Gehorsam und Dienste sich alles bewuſst-
lose Daseyn und feste Bestimmung so abgearbeitet hat,
wie die Substanz selbst diſs flüſſige Wesen geworden
ist. Diese Form ist die Nacht, worin die Substanz
verrathen ward, und sich zum Subjecte machte; aus
[655] dieser Nacht der reinen Gewiſsheit seiner selbst ist es,
daſs der sittliche Geist als die von der Natur und sei-
nem unmittelbaren Daseyn befreyte Gestalt aufer-
steht.


Die Exiſtenz des reinen Begriffs, in den der
Geiſt aus seinem Körper geflohen, ist ein Individuum,
das er sich zum Gefäſſe seines Schmerzens erwählt.
Er ist an diesem, als sein Allgemeines und seine Macht,
von welcher es Gewalt leidet, — als sein Pathos, dem
hingegeben sein Selbstbewuſstseyn die Freyheit ver-
liert. Aber jene positive Macht der Allgemeinheit
wird vom reinen Selbst des Individuums, als der ne-
gativen Macht, bezwungen. Diese reine Thätigkeit,
ihrer unverlierbaren Krafft bewuſst, ringt mit dem
ungestalteten Wesen; Meister darüber werdend hat
sie das Pathos zu ihrem Stoffe gemacht und sich ih-
ren Inhalt gegeben, und diese Einheit tritt als Werk
heraus, der allgemeine Geist individualisirt und vor-
gestellt.


a.
Das abstracte Kunstwerk.

Das erste Kunstwerk ist als das unmittelbare, das
abstracte und einzelne. Seinerseits hat es sich aus der
unmittelbaren und gegenständlichen Weise dem Selbſt-
bewuſstseyn entgegen zu bewegen, wie andererseits
dieses für sich im Cultus darauf geht, die Unterschei-
[656] dung aufzuheben, die es sich zuerst gegen seinen Geist
gibt, und hiedurch das an ihm selbst belebte Kunst-
werk hervorzubringen.


Die erste Weiſe, in welcher der künstlerische
Geist seine Gestalt und sein thätiges Bewuſstſeyn am
weitesten voneinander entfernt, ist die unmittelbare,
daſs jene als Ding überhaupt da ist. — Sie zerfällt an
ihr in den Unterschied der Einzelnheit, welche die
Gestalt des Selbsts an ihr hat, — und der Allgemein-
heit, welche das unorganische Wesen in Bezug auf die
Gestalt, als seine Umgebung und Behausung, darstellt.
Diese gewinnt durch die Erhebung des Ganzen in den
reinen Begriff, ihre reine dem Geiste angehörige
Form. Sie ist weder der verständige Krystall, der
das todte behauſst, oder von der äuſſerlichen Seele be-
schienen wird, — noch die aus der Pflanze erst her-
vorgehende Vermischung der Formen der Natur und
des Gedankens, deſſen Thätigkeit hierin noch ein
Nachahmen ist. Sondern der Begriff streifft das ab,
was von der Wurzel, dem Geäſte und Geblätter den
Formen noch anklebt, und reinigt sie zu Gebilden,
worin das Geradlinigte und Ebne des Krystalls in in-
commensurable Verhältniſſe erhoben ist, so daſs die
Beseelung des Organischen in die abstracte Form des
Verstandes aufgenommen und zugleich ihr Wesen,
die Incommensurabilität für den Verstand erhalten
wird.


Der innwohnende Gott aber ist der aus dem Thier-
gehäuse hervorgezogne schwarze Stein, der mit dem
[657] Lichte des Bewuſstseyns durchdrungen ist. Die
menschliche Gestalt ſtreifft das thierische. mit der ſie
vermischt war, ab; das Thier ist für den Gott nur ei-
ne zufällige Verkleidung; es tritt neben seine wahre
Gestalt, und gilt für sich nichts mehr, sondern ist zur
Bedeutung eines andern, zum bloſſen Zeichen, herab-
gesunken. Die Geſtalt des Gottes ſtreift ebenda-
durch an ihr ſelbſt auch die Bedürftigkeit der natürli-
chen Bedingungen des thieriſchen Daseyns ab, und
deutet die innerlichen Anſtalten des organischen Le-
bens in ihre Oberfläche verſchmolzen und nur die-
ser angehörig an. — Das Weſen des Gottes aber iſt die
Einheit des allgemeinen Daſeyns der Natur und des
ſelbſtbewuſsten Geiſtes, der in ſeiner Wirklichkeit
jenem gegenüberſtehend erſcheint. Zugleich zunächſt
eine einzelne Geſtalt, iſt ſein Daſeyn eines der Ele-
mente der Natur, ſo wie ſeine ſelbſtbewuſste Wirk-
lichkeit ein einzelner Volksgeiſt. Aber jenes iſt in
dieſer Einheit das in den Geiſt reflectirte Element,
die durch den Gedanken verklärte, mit dem ſelbſtbe-
wuſsten Leben geeinte Natur. Die Göttergeſtalt hat
darum ihr Naturelement als ein aufgehobnes, als ei-
ne dunkle Erinnerung in ihr. Das wüſte Weſen und
der verworrene Kampf des freyen Daſeyns der Ele-
mente, das unſittliche Reich der Titanen, iſt beſiegt,
und an den Saum der ſich klar gewordnen Wirk-
lichkeit, an die trüben Gräntzen der ſich im Geiſte
[findenden] und beruhigten Welt verwieſen. Diese al-
T t
[658] ten Götter, in welche das Lichtwesen, mit der Fin-
ſterniſs zeugend, ſich zunächſt beſondert, der Him-
mel, die Erde, der Ocean, die Sonne, das blinde
typhoniſche Feuer der Erde u. s. f. ſind durch Ge-
ſtalten erſetzt, die an ihnen nur noch den dunkel
erinnernden Anklang an jene Titanen haben, und
nicht mehr Naturweſen, ſondern klare ſittliche Gei-
ſter der ſelbſtbewuſsten Völker sind.


Dieſe einfache Geſtalt hat alſo die Unruhe der
unendlichen Vereinzelung — ihrer ſowohl als des
Naturelements, das nur als allgemeines Weſen noth-
wendig, in ſeinem Daſeyn und Bewegung aber ſich
zufällig verhält, — wie ihrer als des Volks, das in
die beſondere Maſſen des Thuns und in die indivi-
duellen Punkte des Selbſtbewuſstseyns zerſtreut ein
Daſeyn mannichfaltigen Sinnes und Thuns hat —
an ſich vertilgt und in ruhige Individualität zuſam-
menbefaſst. Es ſteht ihr daher das Moment der Un-
ruhe, ihr — dem Weſen das Selbſtbewuſstſeyn gegen-
über, das als die Geburtsſtätte derſelben für ſich nichts
übrig behielt, als die reine Thätigkeit zu ſeyn. Was
der Subſtanz angehört, gab der Künſtler ganz ſei-
nem Werke mit, ſich ſelbſt aber als einer beſtimm-
ten Individualität in ſeinem Werke keine Wirklich-
keit; er konnte ihm die Vollendung nur dadurch er-
theilen, daſs er ſeiner Beſonderheit ſich entäuſſerte,
und zur Abſtraction des reinen Thuns ſich entkör-
perte und ſteigerte. — In dieſer erſten unmittelbaren
Erzeugung iſt die Trennung des Werks, und ſeiner
[659] ſelbſtbewuſsten Thätigkeit noch nicht wieder verei-
nigt; das Werk iſt daher nicht für ſich das wirklich
beſeelte, ſondern es iſt Ganzes nur mit ſeinem Wer-
den
zuſammen. Das gemeine an dem Kunſtwerke,
daſs es im Bewuſstseyn erzeugt, und von Menſchen-
händen gemacht iſt, iſt das Möment des als Begriff
exiſtirenden Begriffes, der ihm gegenübertritt. Und
wenn dieſer, als Künſtler oder als Betrachter, das
Kunſtwerk als an ihm ſelbſt abſolnt beſeelt auszuſpre-
chen, und ſich; den thuenden oder ſchauenden, zu
vergeſſen uneigennützig genug iſt, ſo muſs hiegegen
der Begriff des Geiſtes feſtgehalten werden, der des
Moments nicht entbehren kann, ſeiner ſelbſt bewuſst
zu ſeyn. Diſs Moment aber ſteht dem Werke gegen-
über, weil er in dieſer ſeiner erſten Entzweyung bey-
den Seiten ihre abſtracten Beſtimmungen des Thuns
und Dingſeyns gegeneinander gibt, und ihre Rück-
kehr in die Einheit, von der ſie ausgingen, noch nicht
zu Stande gekommen iſt.


Der Künſtler erfährt alſo an ſeinem Werke, daſs
er kein ihm gleiches Weſen hervorbrachte. Es kommt
ihm zwar daraus ein Bewuſstseyn ſo zurück, daſs eine
bewundernde Menge es als den Geiſt, der ihr Weſen
iſt, verehrt. Aber dieſe Beſeelung, indem ſie ihm
ſein Selbſtbewuſstſeyn nur als Bewunderung erwie-
dert, iſt vielmehr ein Bekenntniſs, das dieſe Beſee-
lung an den Künſtler ablegt, nicht ſeines gleichen zu
ſeyn. Indem es ihm als Freudigkeit überhaupt zu-
T t 2
[660] rückkommt, findet er darin nicht den Schmerz ſeiner
Bildung und Zeugung, nicht die Anſtrengung ſeiner
Arbeit. Sie mögen das Werk auch noch beurtheilen,
oder ihm Opfer bringen, auf welche Art es ſey, ihr Be-
wuſstseyn darein legen, — wenn ſie ſich mit ihrer
Kenntniſs darüber ſetzen, weiſs er, wie viel mehr ſei-
ne That als ihr Verſtehen und Reden iſt; — wenn ſie
ſich darunter ſetzen und ihr ſie beherrſchendes Weſen
darin erkennen, weiſs er ſich als den Meiſter des-
ſelben.


Das Kunſtwerk erfodert daher ein anderes Element
ſeines Daſeyns, der Gott einen andern Hervorgang,
als dieſen, worin er aus der Tiefe ſeiner ſchöpferiſchen
Nacht in das Gegentheil in die Aeuſſerlichkeit, die
Beſtimmung des ſelbſtbewuſstlosen Dinges herabfällt.
Diſs höhere Element iſt die Sprache, — ein Daſeyn,
das unmittelbar ſelbſtbewuſste Exiſtenz iſt. Wie
das einzelne Selbſtbewuſstſeyn in ihr da iſt, iſt es eben-
ſo unmittelbar als eine allgemeine Anſteckung; die voll-
kommne Beſonderung des Fürſichſeyns iſt zugleich die
Flüſſigkeit und die allgemein mitgetheilte Einheit der vie-
len Selbſt; ſie iſt die als Seele exiſtirende Seele. Der Gott
alſo, der die Sprache zum Elemente ſeiner Geſtalt hat, iſt
das an ihm ſelbſt beſeelte Kunſtwerk, das die reine
Thätigkeit, die ihm, der als Ding exiſtirte, gegenü-
ber war, unmittelbar in ſeinem Daſeyn hat. Oder
das Selbſtbewuſstseyn bleibt in dem gegenſtändlich wer-
den ſeines Weſens unmittelbar bey ſich. Es iſt, ſo
[661] in ſeinem Weſen bey ſich ſelbſt ſeyend, reines Denken
oder die Andacht, deren Innerlichkeit in der Hymne
zugleich Daſeyn hat. Sie behält die Einzelnheit des
Selbſtbewuſstseyns in ihr, und vernommen iſt dieſe
Einzelnheit zugleich als allgemeine da; die Andacht in
allen angezündet iſt der geiſtige Strom, der in der Viel-
fachheit des Selbſtbewuſstſeyns, ſeiner als eines glei-
chen Thuns Aller, und als einfaches Seyn bewuſst iſt;
der Geiſt hat als dieſes allgemeine Selbſtbewuſstseyn
Aller ſeine reine Innerlichkeit ebenſowohl als das
Seyn für Andre und das Fürſichſeyn der Einzelnen in
Einer Einheit.


Dieſe Sprache unterſcheidet ſich von einer andern
Sprache des Gottes, die nicht die des allgemeinen Selbſt-
bewuſstseyns iſt. Das Orakel ſowohl des Gottes der
künſtleriſchen, als der vorhergehenden Religionen iſt
die nothwendige erſte Sprache deſſelben, denn in ſei-
nem Begriffe liegt ebenſowohl, daſs er das Weſen der
Natur als des Geiſtes iſt, und daher nicht nur natür-
liches ſondern auch geiſtiges Daſeyn hat. Inſofern diſs
Moment erſt in ſeinem Begriffe liegt, und noch nicht
in der Religion realiſirt iſt, ſo iſt die Sprache für das reli-
giöſe Selbſtbewuſstseyn Sprache eines fremden Selbſtbe-
wuſstseyns. Das ſeiner Gemeine noch fremde Selbſt-
bewuſstſeyn iſt noch nicht so da, wie ſein Begriff
fodert. Das Selbſt iſt das einfache und dadurch
ſchlechthin allgemeine Fürſichſeyn; jenes aber, das von
dem Selbſtbewuſstſeyn der Gemeine getrennt iſt, iſt
nur erſt ein einzelnes. — Der Inhalt dieſer eignen und
[662] einzelnen Sprache ergibt ſich aus der allgemeinen Be-
ſtimmtheit, in welcher der abſolute Geiſt überhaupt
in ſeiner Religion geſetzt iſt. — Der allgemeine Geiſt
des Aufgangs, der ſein Daſeyn noch nicht beſondert
hat, ſpricht alſo ebenſo einfache und allgemeine Sä-
tze vom Weſen aus, deren ſubſtantieller Inhalt in ſei-
ner einfachen Wahrheit erhaben iſt, aber um dieſer.
Allgemeinheit willen, dem weiter ſich fortbildenden
Selbſtbewuſstseyn zugleich trivial erſcheint.


Das weiter gebildete Selbſt, das ſich zum Fürſichſeyn er-
hebt, iſt über das reine Pathos der Subſtanz, über die Ge-
genſtändlichkeit des aufgehenden Lichtweſens Mei-
ſter, und weiſs jene Einfachheit der Wahrheit,
als das anſichſeyende, das nicht die Form des zufälligen
Daſeyns durch eine fremde Sprache hat, ſondern als
das ſichre und ungeſchriebene Geſetze der Götter das ewig
lebt, und von dem niemand weiſs, von wannen es erſchien
.
— Wie die allgemeine Wahrheit, die vom Lichtwe-
ſen geoffenbart wurde, hier ins Innre oder Untre zu-
rückgetreten, und damit der Form der zufälligen Er-
ſcheinung enthoben iſt, ſo iſt dagegen in der Kunſtre-
ligion, weil die Geſtalt des Gottes das Bewuſstseyn
und damit die Einzelnheit überhaupt angenommen
hat, die eigne Sprache des Gottes, der der Geiſt des
ſittlichen Volkes iſt, das Orakel, das die beſondern An-
gelegenheiten deſſelben weiſs, und das Nützliche da-
rüber kund thut. Die allgemeinen Wahrheiten aber,
weil ſie als das anſichſeyende gewuſst werden, vindicirt
ſich das wiſſende Denken, und die Sprache derſelben iſt
[663] ihm nicht mehr eine fremde, ſondern die eigne. Wie,
jener Weiſe des Alterthums, was gut und schön ſey
in ſeinem eignen Denkenſuchte, dagegen den ſchlech-
ten zufälligen Inhalt des Wiſſens, ob es ihm gut ſey
mit dieſem oder jenem umzugehen, oder einem Be-
kannten gut, dieſe Reiſe zu machen und dergleichen
bedeutungsloſe Dinge, dem Dämon zu wiſſen überlieſs,
ebenſo hohlt das allgemeine Bewuſstseyn das Wiſſen
vom Zufälligen von den Vögeln, oder von den Bäu-
men oder von der gährenden Erde, deren Dampf dem
Selbſtbewuſstseyn ſeine Beſonnenheit nimmt; denn das
Zufällige iſt das Unbeſonnene und Fremde, und das
ſittliche Bewuſstseyn läſst ſich alſo auch, wie durch
ein Würfeln, auf eine unbeſonnene und fremde Wei-
ſe darüber beſtimmen. Wenn der Einzelne durch ſei-
nen Verſtand ſich beſtimmt und mit Ueberlegung das
wählt, was ihm nützlich ſey, ſo liegt dieſer Selbſtbe-
ſtimmung die Beſtimmtheit des beſondern Charakters
zum Grunde; ſie iſt ſelbſt das Zufällige; und jenes
Wiſſen des Verſtands, was dem Einzelnen nützlich
iſt, daher ein eben ſolches Wiſſen als das jener Ora-
kel oder des Looſes; nur daſs der das Orakel oder
Loos befragt, damit die ſittliche Geſinnung der Gleich-
gültigkeit gegen das Zufällige ausdrückt, da jenes hin-
gegen das an ſich zufällige als weſentliches Intereſſe
ſeines Denkens und Wiſſens behandelt. Das höhere als
beyde aber iſt zwar die Ueberlegung, zum Orakel des zu-
falligen Thuns zu machen, aber dieſe überlegte Hand
lung selbſt wegen ihrer Seite der Beziehung auf das Be-
[664] ſondre und ihrer Nützlichkeit als etwas Zufälliges
zu wiſſen.


Das wahre ſelbſtbewuſste Daſeyn, das der
Geiſt in der Sprache, die nicht die Sprache des frem-
den, und alſo zufälligen, nicht allgemeinen Selbſtbe-
wuſstſeyns iſt, erhält, iſt das Kunſtwerk, das wir vor-
hin geſehen. Es ſteht dem dinglichen der Bildſäule ge-
genüber. Wie dieſe das ruhende, ſo iſt jenes das ver-
ſchwindende Daſeyn; wie in dieſem die Gegenſtänd-
lichkeit frey entlaſſen des eignen unmittelbaren Selbſts
entbehrt, ſo bleibt ſie dagegen in jenem zu ſehr in das
Selbſt eingeſchloſſen, kommt zu wenig zur Geſtaltung,
und iſt, wie die Zeit, unmittelbar nicht mehr da, in-
dem ſie da iſt.


Die Bewegung beyder Seiten, in der die im rei-
nen empfindenden Elemente des Selbſtbewuſstseyns
bewegte, und die im Elemente der Dingheit ruhende
göttliche Geſtalt gegenſeitig ihre verſchiedne Beſtim-
mung aufgeben und die Einheit zum Daſeyn kommt,
die der Begriff ihres Weſens iſt, macht der Cultus
äus. In ihm gibt ſich das Selbſt das Bewuſstſeyn des
Herabſteigens des göttlichen Weſens aus ſeiner Jen-
ſeitigkeit zu ihm, und dieſes, das vorher das un-
wirkliche und nur gegenſtändliche iſt, erhält dadurch
die eigentliche Wirklichkeit des Selbſtbewuſstſeyns.


Dieſer Begriff des Cultus iſt an ſich ſchon in dem
Strome des hymniſchen Geſänges enthalten und vor-
handen. Dieſe Andacht iſt die unmittelbare reine Be-
friedigung des Selbſts durch und in ſich ſelbſt. Es
[665] iſt die gereinigte Seele, welche in dieſer Reinheit
unmittelbar nur Weſen und eins mit dem Weſen
iſt. Sie iſt um ihrer Abſtraction willen, nicht das
ſeinen Gegenſtand von ſich unterſcheidende Bewuſst-
ſeyn, und alſo nur die Nacht ſeines Daſeyns und die
bereitete Stätte ſeiner Geſtalt. Der abſtracte Cultus er-
hebt daher das Selbſt dazu, dieſes reine göttliche Ele-
ment
zu ſeyn. Die Seele vollbringt dieſe Läuterung
mit Bewuſstseyn; doch iſt ſie noch nicht das Selbſt,
das in ſeine Tiefen hinabgeſtiegen, ſich als das Böſe
weiſs, ſondern es iſt ein ſeyendes, eine Seele, welche
ihre Aeuſſerlichkeit mit Waſchen reinigt, ſie mit
weiſſen Kleidern anthut, und ihre Innerlichkeit den
vorgeſtellten Weg der Arbeiten, Straſſen und Beloh-
nungen, den Weg der die Beſonderheit entäuſſern-
den Bildung überhaupt durchführt, durch welchen
ſie in die Wohnungen und die Gemeinſchaft der
Seeligkeit gelangt.


Dieſer Cultus iſt nur erſt ein geheimes, d. h. ein
nur vorgeſtelltes, unwirkliches Vollbringen; er muſs
wirkliche Handlung ſeyn, eine unwirkliche Handlung
widerſpricht ſich ſelbſt. Das eigentliche Bewuſstſeyn
erhebt ſich dadurch in ſein reines Selbſtbewuſstſeyn.
Das Weſen hat in ihm die Bedeutung eines freyen
Gegenſtands, durch den wirklichen Cultus kehrt die-
ſer in das Selbſt zurück — und inſofern er im rei-
nen Bewuſstseyn die Bedeutung des reinen jenſeits
der Wirklichkeit wohnenden Weſens hat, ſteigt diſs
Wesen von ſeiner Allgemeinheit durch dieſe Ver-
[666] mittlung zur Einzelnheit herunter und ſchlieſst ſich
ſo mit der Wirklichkeit zuſammen.


Wie beyde Seiten in die Handlung eintreten,
beſtimmt ſich ſo, daſs für die ſelbſtbewuſste Seite,
inſofern ſie wirkliches Bewuſstseyn iſt, das Weſen ſich
als die wirkliche Natur darſtellt; einestheils gehört ſie
ihm als Beſitz und Eigenthum und gilt als das nicht-
anſichſeyende Daſeyn; — anderntheils iſt ſie ſeine eigne
unmittelbare Wirklichkeit und Einzelnheit, die von
ihm ebenſo als Nichtweſen betrachtet und aufgeho-
ben wird. Zugleich aber hat für ſein reines Bewuſst-
ſeyn jene äuſſere Natur die entgegengeſetzte Bedeutung,
nemlich das anſichſeyende Weſen zu ſeyn, gegen wel-
ches das Selbſt ſeine Unweſentlichkeit aufopfert, wie
es umgekehrt die unweſentliche Seite der Natur ſich
ſelbſt aufopfert. Die Handlung iſt dadurch geiſtige
Bewegung, weil ſie diſs doppelſeitige iſt, die Abſtrac-
tion des Weſens, wie die Andacht den Gegenſtand
beſtimmt, aufzuheben und es zum Wirklichen zu
machen, und das Wirkliche, wie das Handelnde den
Gegenſtand und ſich beſtimmt, auf- und in die All-
gemeinheit zu erheben.


Die Handlung des Cultus ſelbſt beginnt daher
mit der reinen Hingabe eines Beſitzes, das der Eigen-
thümer ſcheinbar für ihn ganz nutzlos vergieſst oder
in Rauch aufſteigen läſst. Er thut hierin vor dem
Weſen ſeines reinen Bewuſstseyns auf Beſitz und
Recht des Eigenthumes und des Genuſſes deſſelben,
auf die Perſönlichkeit und die Rückkehr des Thuns
[667] in das Selbſt Verzicht, und reflectirt die Handlung
vielmehr in das Allgemeine oder in das Weſen,
als in ſich. — Umgekehrt aber geht darin ebenſo
das ſeyende Weſen zu Grunde. Das Thier, das auf-
geopfert wird, iſt das Zeichen eines Gottes; die Früch-
te, die verzehrt werden, ſind die lebendige Ceres und
Bacchus ſelbſt; — in jenem ſterben die Mächte des
obern Rechts, welches Blut und wirkliches Leben
hat; in dieſen aber die Mächte des untern Rechts,
das blutlos die geheime liſtige Macht beſitzt. — Die
Aufopferung der göttlichen Subſtanz gehört, inſofern
ſie Thun iſt, der ſelbſtbewuſsten Seite an; daſs dieſes
wirkliche Thun möglich ſey, muſs das Weſen ſich
ſelbſt ſchon an ſich aufgeopfert haben. Diſs hat es
darin gethan, daſs es ſich Daſeyn gegeben und zum
einzelnen Thiere und zur Frucht gemacht hat. Dieſe
Verzichtleiſtung, die alſo das Weſen ſchon an ſich
vollbracht, ſtellt das handelnde Selbſt im Daſeyn,
und für ſein Bewuſstseyn dar, und erſetzt jene un-
mittelbare
Wirklichkeit des Weſens durch die höhe-
re, nemlich die ſeiner ſelbſt. Denn die entſtandne
Einheit, die das Reſultat der aufgehobnen Einzeln-
heit und Trennung beyder Seiten iſt, iſt nicht das
nur negative Schikſal, ſondern hat poſitive Bedeu-
tung. Nur dem abſtracten unterirdiſchen Weſen
wird das ihm aufgeopferte ganz hingegeben, und da
mit die Reflexion des Beſitzes und des Fürſichſeyns
in das Allgemeine, von dem Selbſt als ſolchem un-
terſchieden bezeichnet. Zugleich aber iſt diſs nur
[668] ein geringer Theil, und das andre Opfern iſt nur die
Zerſtörung des Unbrauchbaren und vielmehr die Zu-
bereitung des Geopferten zum Mahle, deſſen Schmauſs
die Handlung um ihre negative Bedeutung betriegt.
Der Opfernde behält bey jenem erſten Opfer das Mei-
ſte, und von dieſem das Nutzbare ſeinem Genuſſe auf.
Dieſer Genuſs iſt die negative Macht, welche das We-
ſen
ſowie die Einzelnheit aufhebt, und zugleich iſt er
die poſitive Wirklichkeit, worin das gegenſtändliche
Daſeyn des Weſens in ſelbſtbewuſstes verwandelt, und
das Selbſt das Bewuſstſeyn ſeiner Einheit mit dem
Weſen hat.


Dieſer Cultus iſt übrigens zwar eine wirkliche
Handlung, ihre Bedeutung liegt jedoch mehr nur in
der Andacht; was dieſer angehört, iſt nicht gegen-
ſtändlich hervorgebracht, ſo wie das Reſultat, im Ge-
nuſſe
ſich ſelbſt ſeines Daſeyns beraubt. Der Kultus
geht daher weiter, und erſetzt dieſen Mangel zunächſt
dadurch, daſs er ſeiner Andacht ein gegenſtändliches Be-
ſtehen
gibt, indem er die gemeinſame oder einzelne jedem
thunliche Arbeit iſt, welche die Wohnung und den Putz
des Gottes, ihm zu Ehren hervorbringt. — Es wird da-
durch theils die Gegenſtändlichkeit der Bildſäule auf-
gehoben, denn durch dieſe Weyhung ſeiner Geſchen-
ke und Arbeiten macht der Arbeitende den Gott ſich
geneigt, und ſchaut ſein Selbſt ihm angehörig an; theils
auch iſt diſs Thun nicht das einzelne Arbeiten des
Künſtlers, ſondern dieſe Beſonderheit iſt in der Allge-
meinheit aufgelöſt. Es iſt aber nicht nur die Ehre des
[669] Gottes, die zu Stande kommt, und der Segen ſeiner
Geneigtheit flieſst nicht nur in der Vorſtellung auf den
Arbeiter, ſondern die Arbeit hat auch die umgekehrte
Bedeutung gegen die erſte der Entäuſſerung und der
fremden Ehre. Die Wohnungen und Hallen des Got-
tes ſind für den Gebrauch des Menſchen, die Schä-
tze, die in jenen aufbewahrt ſind, im Nothfalle die
Seinigen; die Ehre, die jener in ſeinem Schmucke
genieſst, iſt die Ehre des kunſtreichen und groſsmü-
thigen Volkes. Am Feſte ſchmückt dieſes ebenſo ſei-
ne eignen Wohnungen und Bekleidungen, ſo wie
ſeine Verrichtungen mit zierlichem Geräthe. Es em-
pfängt auf dieſe Weiſe für ſeine Gaben die Erwie-
derung von dem dankbaren Gotte und die Beweiſe
ſeiner Geneigtheit, in der es ſich mit ihm durch die
Arbeit verband, nicht in der Hoffnung und einer
ſpäten Wirklichkeit, ſondern hat in der Ehrenbe-
zeugung und Darbringung der Gaben unmittelbar den
Genuſs ſeines eignen Reichthumes und Putzes.


b.
Das lebendige Kunſtwerk.

Das Volk, das in dem Cultus der Kunſtreligion
ſich ſeinem Gotte naht, iſt das ſittliche Volk, das
ſeinen Staat und die Handlungen deſſelben als den
Willen und das Vollbringen ſeiner ſelbſt weiſs. Die-
ſer Geiſt, dem ſelbſtbewuſsten Volke gegenübertre-
[670] tend, iſt daher nicht das Lichtweſen, das ſelbſtlos
nicht die Gewiſsheit der Einzelnen in ſich enthält;
ſondern vielmehr nur ihr allgemeines Weſen und die
herriſche Macht iſt, worin ſie verſchwinde… Der
[Cultus] der Religion dieſes einfachen geſtaltloſen We-
ſens gibt ſeinen Angehörigen daher nur diſs im Allge-
meinen zurück, daſs ſie das Volk ihres Gottes ſind;
er erwirbt ihnen nur ihr Beſtehen und einfache Sub-
ſtanz überhaupt, nicht aber ihr wirkliches Selbſt, das
vielmehr verworfen iſt. Denn ſie verehren ihren Gott
als die leere Tiefe, nicht als Geiſt. Der Cultus aber
der Kunſtreligion entbehrt andererſeits jener abſtracten
Einfachheit des Weſens, und daher der Tiefe deſſel-
ben. Das Weſen aber, das mit dem Selbſt unmittelbar
geeinigt iſt
, iſt an ſich der Geiſt und die wiſſende Wahr-
heit
, ob zwar noch nicht die gewuſste, oder die ſich
ſelbſt in ihrer Tiefe wiſſende. Weil das Weſen alſo
hier das Selbſt an ihm hat, ſo iſt ſeine Erſchei-
nung dem Bewuſstseyn freundlich, und im Cultus er-
hält dieſes nicht nur die allgemeine Berechtigung ſei-
nes Beſtehens, ſondern auch ſein in ihm ſelbſtbewuſs-
tes Daſeyn; ſo wie umgekehrt das Weſen nicht in ei-
nem verworfnen Volke, deſſen Subſtanz nur anerkannt
wird, ſelbſtloſe Wirklichkeit hat, ſondern in dem Vol-
ke, deſſen Selbſt in ſeiner Subſtanz anerkannt iſt.


Aus dem Cultus tritt alſo das in ſeinem Weſen
befriedigte Selbſtbewuſstſeyn und der Gott eingekehrt
in es als in ſeine Stätte. Dieſe Stätte iſt für ſich die
Nacht der Subſtanz oder ihre reine Individualität,
[671] aber nicht mehr die geſpannte des Künſtlers, die noch
nicht mit ihrem gegenſtändlich werdenden Weſen ſich
ausgeſöhnt hat, ſondern die befriedigte Nacht, wel-
che ihr Pathos unbedürftig an ihr hat, weil sie aus
der Anſchauung, der aufgehobnen Gegenſtändlichkeit
zurückkehrt. — Dieſes Pathos iſt für ſich das
Weſen des Aufgangs, das aber nunmehr in ſich un-
tergegangen
iſt, und ſeinen Untergang, das Selbſtbe-
wuſstſeyn und damit Daſeyn und Wirklichkeit an
ihm ſelbſt hat. — Es hat hier die Bewegung ſeiner
Verwirklichung durchlaufen. Sich aus ſeiner rei-
nen Weſenheit herabſetzend zu einer gegenſtändlichen
Naturkraft und deren Aeuſſerungen, iſt es ein Da-
ſeyn für das Andere, für das Selbſt, von dem es
verzehrt wird. Das ſtille Weſen der ſelbſtloſen Na-
tur gewinnt in ſeiner Frucht die Stuffe, worin ſie,
ſich ſelbſt zubereitend und verdaut, ſich dem ſelbſti-
ſchen Leben darbietet; ſie erreicht in der Nützlich-
keit, gegeſſen und getrunken werden zu können, ih-
re höchſte Vollkommenheit; denn ſie iſt darin die
Möglichkeit einer höhern Exiſtenz, und berührt das
geiſtige Daſeyn; — theils zur ſtillkräftigen Subſtanz
theils aber zur geiſtigen Gährung, iſt der Erdgeiſt in
ſeiner Metamorphoſe dort zum weiblichen Principe
der Ernährung, hier zum männlichen Principe der
ſich treibenden Krafft des ſelbſtbewuſsten Daſeyns
gediehen.


In dieſem Genuſſe iſt alſo jenes aufgehende Licht-
weſen verrathen, was es iſt; er iſt das Myſterium
[672] deſſelben. Denn das Myſtiſche iſt nicht Verborgen-
heit eines Geheimniſſes oder Unwiſſenheit, ſondern
beſteht darin, daſs das Selbſt ſich mit dem Weſen
Eins weiſs, und dieſes alſo geoffenbart iſt. Nur das
Selbſt iſt ſich offenbar, oder was offenbar iſt, iſt es
nur in der unmittelbaren Gewiſsheit ſeiner. In die-
ſer aber iſt durch den Cultus das einfache Weſen
geſetzt worden; es hat als brauchbares Ding nicht
nur das Daſeyn, das geſehen, gefühlt, gerochen
geſchmeckt wird, ſondern iſt auch Gegenſtand der
Begierde, und wird durch den wirklichen Genuſs eins
mit dem Selbſt und dadurch vollkommen an dieſes
verrathen und ihm offenbar. — Dasjenige, von dem
geſagt wird, es ſey der Vernunft, dem Herzen of-
fenbar, iſt in der That noch geheim, denn es fehlt
noch die wirkliche Gewiſsheit des unmittelbaren Da-
ſeyns ſowohl die gegenſtändliche als die genieſſende
welche in der Religion aber nicht nur die gedanken-
loſe unmittelbare, ſondern zugleich die rein wiſſende
des Selbſts iſt.


Was hiemit durch den Cultus dem ſelbſtbewuſsten
Geiſte in ihm ſelbſt offenbar geworden, iſt das ein-
fache
Weſen, als die Bewegung, theils aus ſeiner
nächtlichen Verborgenheit herauf in das Bewuſstſeyn
zu treten, deſſen ſtillernährende Subſtanz zu ſeyn, theils
aber ſich ebenſo wieder in die unterirdiſche Nacht,
in das Selbſt, zu verlieren und oben nur mit ſtiller
Mutterſehnſucht zu verweilen. — Der lautre Trieb
aber iſt das vielnahmige Lichtweſen des Aufgangs
[673] und ſein taumelndes Leben das von ſeinem abſtrac-
ten Seyn ebenso abgelaſſen, ſich zuerſt in das gegen-
ſtändliche Daſeyn der Frucht befaſst, dann dem Selbſt-
bewuſstſeyn ſich hingebend, in ihm zur eigent-
lichen Wirklichkeit gelangt, — nun als ein Hauffen
ſchwärmender Weiber umherſchweift, der ungebän-
digte Taumel der Natur in ſelbſtbewuſster Geſtalt.


Noch iſt aber dem Bewuſstſeyn nur der abſolute
Geiſt, der dieſes einfache Weſen, und nicht der als
der Geiſt an ihm ſelbſt iſt, verrathen, oder nur der
unmittelbare Geiſt, der Geiſt der Natur. Sein ſelbſtbe-
wuſstes Leben iſt daher nur das Myſterium des Bro-
des und des Weines, der Ceres und des Bacchus,
nicht der andern, der eigentlich obern Götter, deren
Individualität als weſentliches Moment das Selbſtbe-
wuſstſeyns als ſolches in ſich ſchlieſst. Noch hat ſich
ihm alſo der Geiſt als ſelbſtbewuſster Geiſt nicht geo-
pfert, und das Myſterium des Brods und Weins iſt
noch nicht Myſterium des Fleiſches und Blutes.


Dieſer unbefeſtigte Taumel des Gottes muſs ſich
zum Gegenſtande beruhigen, und die Begeiſterung,
die nicht zum Bewuſstseyn kam, ein Werk her-
vorbringen, das ihr, wie der Begeiſterung des vor-
hergehenden Künſtlers die Bildſäule, zwar als ein
ebenſo vollendetes Werk gegenübertritt, aber nicht
als ein an ihm lebloſes, ſondern als ein lebendiges
Selbſt. — Ein ſolcher Cultus iſt das Feſt, das der
Menſch zu ſeiner eignen Ehre ſich gibt, jedoch in ei-
U u
[674] nen ſolchen noch nicht die Bedeutung des abſoluten
Weſens legt; denn das Weſen iſt ihm erſt offenbar,
noch nicht der Geiſt; nicht als ſolches, das weſent-
lich
menſchliche Geſtalt annimmt. Aber dieſer Cul-
tus legt den Grund zu dieſer Offenbarung, und legt
ihre Momente einzeln auseinander. So hier das ab-
ſtracte
Moment der lebendigen Körperlichkeit des We-
ſens, wie vorhin die Einheit beyder in bewuſstloſer
Schwärmerey. Der Menſch ſtellt alſo an die Stelle
der Bildfäule ſich ſelbſt, als zur vollkommen freyen
Bewegung erzogene und ausgearbeitete Geſtalt, wie
jene die vollkommen freye Ruhe iſt. Wenn jeder
einzelne wenigſtens als Fackelträger ſich darzuſtellen
weiſs, ſo hebt ſich Einer aus ihnen hervor, der die
geſtaltete Bewegung, die glatte Ausarbeitung und flüſ-
ſige Krafft aller Glieder iſt; — ein beſeeltes lebendi-
ges Kunſtwerk, das mit ſeiner Schönheit die Stärke
paart und dem der Schmuck, womit die Bildſäule ge-
ehrt wurde, als Preis ſeiner Krafft, und die Ehre un-
ter ſeinem Volke, ſtatt des ſteinernen Gottes, die
höchſte leibliche Darſtellung ihres Weſens zu ſeyn,
zu Theil wird.


In den beyden Darſtellungen, die ſo eben vorka-
men, iſt die Einheit des Selbſtbewuſstseyns und des
geiſtigen Weſens vorhanden, es fehlt ihnen aber noch
ihr Gleichgewicht. In der bacchiſchen Begeiſterung
iſt das Selbſt auſſer ſich, in der ſchönen Körperlich-
keit aber das geiſtige Weſen. Jene Dumpfheit des
Bewuſstſeyns und ihr wildes Stammeln muſs in das
[675] klare Daſeyn der letztern, und die geiſtloſe Klarheit
des letztern in die Innerlichkeit der Erſtern aufge-
nommen werden. Das vollkommne Element, worin
die Innerlichkeit ebenſo äuſſerlich, als die Aeuſſer-
lichkeit innerlich iſt, iſt wieder die Sprache, aber
weder die in ihrem Inhalte ganz zufällige und einzel-
ne des Orakels, noch die empfindende und nur den
einzelnen Gott preiſende Hymne, noch das inhaltslo-
se Stammeln der bacchischen Raſerey. Sondern ſie
hat ihren klaren und allgemeinen Inhalt gewonnen;
ihren klaren Inhalt, denn der Künſtler hat ſich aus der
erſten ganz ſubſtantiellen Begeiſterung heraus zur Ge-
ſtalt gearbeitet, die eignes in allen ſeinen Regungen
von der ſelbſtbewuſsten Seele durchdrungenes und mit-
lebendes Daſeyn iſt; — ihren allgemeinen Inhalt, denn in
dieſem Feſte, das die Ehre des Menſchen iſt, ver-
schwindet die Einſeitigkeit der Bildſäulen, die nur ei-
nen Nationalgeiſt, einen beſtimmten Charakter der
Göttlichkeit enthalten. Der ſchöne Fechter iſt zwar
die Ehre ſeines beſondern Volkes, aber er iſt eine kör-
perliche Einzelnheit, worin die Ausführlichkeit und
Ernſt der Bedeutung, und der innere Charakter des
Geiſtes, der das beſondere Leben, Anliegen, Bedürfniſſe
und Sitten ſeines Volkes trägt, untergegangen iſt. In
dieſer Entäuſſerung zur völligen Körperlichkeit hat
der Geiſt die beſondern Eindrücke und Anklän-
ge der Natur abgelegt, die er als der wirkliche
Geiſt des Volks in ſich ſchloſs. Sein Volk iſt ſich da-
U u 2
[676] her nicht mehr ſeiner Beſonderheit in ihm, ſondern
vielmehr der Ablegung derſelben und der Allgemein-
heit ſeines menſchlichen Daſeyns bewuſst.


c.
Das geiſtige Kunſtwerk.

Die Volksgeiſter, die der Geſtalt ihres Weſens
in einem beſondern Thiere bewuſst werden, gehen in
Einen zuſammen; ſo vereinigen ſich die beſondern ſchö-
nen Volksgeiſter in Ein Pantheon, deſſen Element und
Behausung die Sprache iſt. Die reine Anſchauung sei-
ner ſelbſt als allgemeiner Menſchlichkeit hat an der Wirk-
lichkeit des Volksgeiſtes die Form, daſs er ſich mit den
andern, mit denen er durch die Natur Eine Nation
ausmacht, zu einer gemeinſchaftlichen Unternehmung
verbindet, und für dieſes Werk ein Geſammtvolk,
und damit einen Geſammthimmel bildet. Dieſe All-
gemeinheit, zu der der Geiſt in seinem Daseyn gelangt,
iſt jedoch nur diese erſte, die von der Individualität
des Sittlichen erſt ausgeht, ihre Unmittelbarkeit noch
nicht überwunden, nicht Einen Staat aus diesen Völ-
kerschaften gebildet hat. Die Sittlichkeit des wirkli-
chen Volksgeiſtes beruht theils auf dem unmittelbaren
Vertrauen der Einzelnen zu dem Ganzen ihres Vol-
kes, theils auf dem unmittelbaren Antheil, den Alle,
des Unterſchiedes von Ständen unerachtet, an den Ent-
[677] ſchlüſſen und Handlungen der Regierung nehmen.
In der Vereinigung, zunächſt nicht in eine bleibende
Ordnung ſondern nur zu einer gemeinſamen Hand-
lung, iſt jene Freyheit des Antheils Aller und Jeder
einſtweilen auf die Seite geſtellt. Diese erſte Ge-
meinschaftlichkeit iſt daher mehr eine Versammlung
der Individualitäten als die Herrschaft des abstracten
Gedankens, der die Einzelnen ihres selbstbewuſsten
Antheils an Willen und That des Ganzen berauben
würde.


Die Versammlung der Volksgeister macht einen
Kreis von Gestalten aus, der itzt die ganze Natur wie
die ganze ſittliche Welt befaſst. Auch sie stehen un-
ter dem Oberbefehl mehr des Einen, als seiner Oberherr-
schafft
. Für sich sind sie die allgemeinen Substanzen
deſſen, was das selbstbewuſste Wesen ansich ist und thut.
Dieses aber macht die Krafft und zunächst den Mittel-
punkt wenigstens aus, um den jene allgemeinen We-
sen sich bemühen, der nur erst zufälligerweise
ihre Geschäfte zu verbinden scheint. Aber die Rück-
kehr des göttlichen Wesens in das Selbstbewuſstſeyn
ist es, die schon den Grund enthält, daſs dieses den
Mittelpunkt für jene göttlichen Kräffte bildet, und die
wesentliche Einheit zunächst unter der Form einer
freundlichen äuſſerlichen Beziehung beyder Welten
verbirgt.


Dieſelbe Allgemeinheit, welche diesem Inhalte
zukommt, hat nothwendig auch die Form des Bewuſst-
[678] seyns, in welcher er auftritt. Es ist nicht mehr das
wirkliche Thun des Cultus, sondern ein Thun, das
zwar noch nicht in den Begriff, sondern erst in die
Vorstellung, in die synthetische Verknüpfung des selbst-
bewuſsten und des äuſſern Daseyns erhoben iſt.
Das Daseyn dieser Vorstellung, die Sprache, iſt die
erste Sprache, das Epos als ſolches, das den allgemei-
nen Inhalt, wenigstens als Vollſtändigkeit der Well, ob
zwar nicht als Allgemeinheit des Gedankens enthält. Der
Sänger ist der Einzelne und Wirkliche, aus dem als Sub-
ject dieser Welt sie erzeugt und getragen wird. Sein Pa-
thos ist nicht die betäubende Naturmacht ſondern die
Mnemosne, die Besinnung und gewordne Innerlichkelt,
die Erinnerung des vorhin unmittelbaren Wesens. Er
ist das in seinem Inhalte verschwindende Organ,
nicht sein eignes Selbst gilt, sondern seine Muse,
sein allgemeiner Gesang. Was aber in der That vor-
handen ist, ist der Schluſs, worin das Extrem der All-
gemeinheit, die Götterwelt, durch die Mitte der Be-
sonderheit mit der Einzelnheit, dem Sänger, verknüpft
ist. Die Mitte ist das Volk in seinen Helden, welche
einzelne Menschen sind, wie der Sänger, aber nur
vorgestellte und dadurch zugleich allgemeine, wie das
freye Extrem der Allgemeinheit, die Götter.


In diesem Epos stellt sich also überhaupt dem Be-
wuſstseyn dar, was im Cultus an sich zu Stande kommt,
die Beziehung des Göttlichen auf das Menschliche.
Der Inhalt ist eine Handlung des seiner selbstbewuſs-
ten Wesens. Das Handeln stört die Ruhe der Sub-
[679] stanz und erregt das Wesen, wodurch seine Einfach-
heit getheilt und in die mannichfaltige Welt der na-
türlichen und sittlichen Kräffte aufgeschloſſen ist. Die
Handlung ist die Verletzung der ruhigen Erde, die
Grube, die durch das Blut beseelt, die abgeschied-
nen Geister hervorrufft, welche nach Leben dur-
stend, es in dem Thun des Selbstbewuſstseyns erhal-
ten. Das Geschäſſte, um welches die allgemeine Be-
mühung geht, bekommt die zwey Seiten, die selbsti-
sche
, von einer Gesammtheit wirklicher Völker und
den an ihrer Spitze stehenden Individualitäten, und
die allgemeine, von ihren substantiellen Mächten voll
bracht zu werden. Die Beziehung beyder aber be-
stimmte sich vorhin so, daſs sie die synthetische Verbin-
dung des Allgemeinen und Einzelnen, oder das Vor-
ſtellen
ist. Von dieser Bestimmtheit hängt die Beur-
theilung dieser Welt ab. — Das Verhältniſs beyder
ist dadurch eine Vermischung, welche die Ein-
heit des Thuns inconsequent vertheilt, und die Hand-
lung überflüſſigerweise von der einen Seite zur an-
dern herüberwirft. Die allgemeinen Mächte haben
die Gestalt der Individualität und damit das Princip
des Handelns an ihnen; ihr Wirken erscheint daher
als ein ebenso freyes von ihnen ganz ausgehendes Thun,
als das der Menschen. Ein und daſſelbe haben da-
her ebensowohl die Götter als die Menschen gethan.
Der Ernst jener Mächte ist ein lächerlicher Ueber-
fluſs, da diese in der That die Krafft der handeln-
den Individualität sind; — und die Anstrengung und
[680] Arbeit dieser ist eine ebenso unnütze Bemühung, da
jene vielmehr alles lenken. — Die übertägigen Sterb-
lichen, die das Nichts sind, sind zugleich das mäch-
tige Selbst, das die allgemeinen Wesen sich unter-
wirft, die Götter verletzt und ihnen überhaupt die
Wirklichkeit und ein Intereſſe des Thuns verschafft;
wie umgekehrt diese unmächtigen Allgemeinheiten,
die sich von den Gaben der Menschen nähren und
durch sie erst etwas zu thun bekommen, das natür-
liche Wesen und der Stoff aller Begebenheiten, und
ebenso die sittliche Materie und das Pathos des Thuns
sind. Wenn ihre elementarischen Naturen durch
das freye Selbſt der Individualität erst in Wirklich-
keit und bethätigtes Verhältniſs gebracht werden, so
sind sie ebensosehr das Allgemeine, das sich dieser
Verbindung entzieht, in seiner Bestimmung unbe-
schränkt bleibt und durch die unüberwindliche Ela-
sticität seiner Einheit die Punctualität des Thatigen
und seine Figurationen auslöscht, sich selbst rein er-
hält, und alles individuelle in seiner Flüſſigkeit
auflöst.


Wie sie mit der entgegenstehenden selbstischen
Natur in diese wiedersprechende Beziehung fallen,
ebenso geräth ihre Allgemeinheit mit ihrer eignen
Bestimmung und deren Verhältniſs zu andern in Wi-
derstreit. Sie sind die ewigen schönen Individuen,
die in ihrem eignen Daseyn ruhend, der Vergäng-
lichkeit und fremder Gewalt enthoben sind. — Abei
sie sind zugleich bestimmte Elemente, besondre Göt-
[681] ter, die sich also zu andern verhalten. Aber das
Verhältniſs zu andern, das nach seiner Entgegense-
tzung ein Streit mit ihnen ist, ist eine komische
Selbstvergeſſenheit ihrer ewigen Natur. — Die Be-
stimmtheit ist in das göttliche Bestehen eingewurzelt
und hat in seiner Begräntzung, die Selbstständigkeit
der ganzen Individualität; durch diese verlieren ihre
Charaktere zugleich die Schärfe der Eigenthümlich-
keit und vermischen sich in ihrer Vieldeutigkeit. —
Ein Zweck der Thätigkeit und ihre Thätigkeit selbst,
da sie gegen ein Anderes, und somit gegen eine unbe-
siegbare göttliche Kraft gerichtet ist, ist ein zufälliges
leeres Aufspreitzen, das ebenso zerflieſst und den an-
scheinenden Ernst der Handlung in ein gefahrloses,
seiner selbst sichres Spiel ohne Resultat und Erfolg
verwandelt. Wenn aber an der Natur ihrer Göttlich-
keit das Negative oder die Bestimmtheit derselben nur
als die Inconsequenz ihrer Thätigkeit und der Wider-
spruch des Zwecks und des Erfolgs erscheint, und je-
ne selbstständige Sicherheit über das Bestimmte das
Uibergewicht behält, so tritt ihr ebendadurch die reine
Krafft
des Negativen gegenüber und zwar als ihre
letzte Macht, über welche sie nichts vermögen. Sie
sind das Allgemeine und Positive gegen das einzelne
Selbſt
der Sterblichen, das nicht gegen ihre Macht
aushält; aber das allgemeine Selbst schwebt darum über
ihnen und über dieser ganzen Welt der Vorstellung,
welcher der ganze Inhalt angehört; als die begrifflose
Leere
der Nothwendigkeit, — ein Geschehen, gegen
[682] das sie sich selbstlos und traurend verhalten, denn die-
se beſtimmten Naturen finden sich nicht in dieser Rein-
heit.


Diese Nothwendigkeit aber ist die Einheit des Be-
griffes
, der die widersprechende Substantialität der ein-
zelnen Momente unterworfen ist, worin die Inconse-
quenz und Zufälligkeit ihres Thuns sich ordnet und
das Spiel ihrer Handlungen seinen Ernst und Werth
an ihnen selbst erhält. Der Inhalt der Welt der Vor-
stellung spielt losgebunden für sich in der Mitte
seine Bewegung, versammelt um die Individualität ei-
nes Helden, der aber in seiner Krafft und Schönheit sein
Leben gebrochen fühlt und einem frühen Tod entge-
gensehend trauert. Denn die in sich feste und wirkliche
Einzelnheit
ist an die Extremität ausgeschloſſen, und
in ihre Momente entzweyt, die sich noch nicht gefun-
den und vereint. Das eine Einzelne, das abstracte un-
wirkliche ist die Nothwendigkeit, die an dem Leben der
Mitte nicht Antheil hat, so wenig als das andre, das
wirkliche Einzelne, der Sänger, der sich auſſer ihm
halt, und in seiner Vorstellung untergeht. Beyde
Extreme müſſen sich dem Inhalte nähern; das ei-
ne, die Nothwendigkeit hat sich mit dem Inhalte zu
erfüllen, das andre, die Sprache des Sängers, muſs
Antheil an ihm haben; und der sich selbst vorher
überlaſſene Inhalt, die Gewiſsheit und feste Bestim-
mung des Negativen an ihm erhalten.


[683]

Diese höhere Sprache, die Tragödie, faſst also die
Zerstreuung der Momente der wesentlichen und han-
delnden Welt näher zusammen; die Substanz des Gött-
lichen tritt nach der Natur des Begriffes in ihre Gestal-
ten auseinander, und ihre Bewegung ist gleichfalls ihm
gemäſs. In Ansehung der Form, hört die Sprache,
dadurch daſs sie in den Inhalt hereintritt, auf, erzäh-
lend zu seyn, wie der Inhalt ein vorgestellter. Der
Held ist selbst der sprechende, und die Vorstellung
zeigt dem Zuhörer, der zugleich Zuschauer ist, selbst-
bewuſste
Menschen, die ihr Recht und ihren Zweck,
die Macht und den Willen ihrer Bestimmtheit wiſſen
und zu sagen wiſſen. Sie sind Künstler, die nicht
wie die das gemeine Thun im wirklichen Leben be-
gleitende Sprache, bewuſstlos, natürlich und naiv das
Aeuſſere ihres Entschluſſes und Beginnens ausſprechen,
sondern das innre Wesen äuſſern, das Recht ihres
Handelns beweisen, und das Pathos, dem ſie angehö-
ren, frey von zufälligen Umständen und von der Be-
sonderheit der Persönlichkeiten in seiner allgemeinen
Individualität, besonnen behaupten und bestimmt aus-
sprechen. Das Daseyn dieser Charaktere sind endlich
wirkliche Menschen, welche die Personen der Helden
anlegen, und diese in wirklichem nicht erzählendem,
sondern eignem Sprechen darstellen. So wesentlich
es der Bildsäule ist, von Menschenhänden gemacht zu
seyn, eben so wesentlich ist der Schauspieler seiner
Maske, — nicht als äuſſerliche Bedingung, von der
die Kunstbetrachtung abstrahiren müſſe, — oder insofern
[684] davon in ihr allerdings zu abstrahiren ist, so ist eben-
diſs damit gesagt, daſs die Kunſt das wahre eigentliche
Selbſt noch nicht in ihr enthält.


Der allgemeine Boden, worauf die Bewegung die-
ser aus dem Begriffe erzeugten Gestalten vorgeht, ist
das Bewuſstſeyn der ersten vorstellenden Sprache und
ihres selbstlosen auseinandergelaſſnen Inhalts. Es ist
das gemeine Volk überhaupt, deſſen Weisheit in dem
Chore des Alters zur Sprache kömmt; es hat an deſſen
Krafftlosigkeit seinen Representanten, weil es selbst
nur das positive und paſſive Material der ihm gegenü-
bertretenden Individualität der Regierung ausmacht. Der
Macht des Negativen entbehrend, vermag es den Reich-
thum und die bunte Fülle des göttlichen Lebens nicht
zusammen zu halten und zu bändigen, sondern läſst es
auseinanderlauffen, und preiſst jedes einzelne Moment
als einen selbstſtändigen Gott, bald diesen, bald wie-
der einen andern, in seinen verehrenden Hymnen.
Wo es aber den Ernst des Begriffes, wie er über die-
se Gestalten sie zertrümmernd einherschreitet, ver-
spürt, und es zu sehen bekömmt, wie schlecht es sei-
nen gepriesenen Göttern geht, die sich auf diesen Bo-
den, worauf der Begriff herrscht, wagen, ist es nicht
selbst die negative Macht, die handelnd eingreifft, son-
dern hält sich im selbstlosen Gedanken derselben, im
Bewuſstseyn des fremden Schicksals, und bringt den
leeren Wunsch der Beruhigung und die schwache Re-
de der Besänftigung herbey. In der Furcht vor den
höhern Mächten, welche die unmittelbaren Arme der
[685] Substanz sind, vor ihrem Kampfe miteinander, und
vor dem einfachen Selbst der Nothwendigkeit, das
auch sie wie die Lebendigen, die an sie geknüpft sind,
zermalmt; — in dem Mitleiden mit diesen, die es zu-
gleich als daſſelbe mit sich selbst weiſs, ist für es nur
der unthätige Schrecken dieser Bewegung, das eben-
so hilflose Bedauern, und als Ende die leere Ruhe der
Ergebung in die Nothwendigkeit, deren Werk nicht
als die nothwendige Handlung des Charakters, und
nicht als das Thun des absoluten Wesens in sich selbst
erfaſst wird.


Auf diesem zuschauenden Bewuſstseyn als auf
dem gleichgültigen Boden des Vorstellens tritt der
Geist in seiner nicht zerstreuten Mannichfaltigkeit,
sondern in der einfachen Entzweyung des Begriffes
auf Seine Substanz zeigt sich daher nur in ihre
zwey extremen Mächte auseinandergeriſſen. Diese
elementarischen allgemeinen Wesen sind zugleich selbst-
bewuſste Individualitäten, — Helden, welche in eine
dieser Mächten ihr Bewuſstseyn setzen, an ihr die Be-
stimmtheit des Charakters haben, und ihre Bethäti-
gung und Wirklichkeit ausmachen. — Diese allge-
meine Individualisirung steigt, wie erinnert, noch zur
unmittelbaren Wirklichkeit des eigentlichen Daseyns
herunter, und stellt sich einer Menge von Zuschauern
dar, die an dem Chore ihr Gegenbild oder vielmehr
ihre eigne sich ausſprechende Vorstellung hat.


Der Inhalt und die Bewegung des Geistes, der
sich hier Gegenstand ist, ist bereits als die Natur und
[686] Realisirung der sittlichen Substanz betrachtet worden.
In seiner Religion erlangt er das Bewuſstseyn über
sich, oder stellt sich seinem Bewuſstseyn in seiner rei-
nern Form und einfachern Gestaltung dar. Wenn
also die sittliche Substanz sich durch ihren Begriff,
ihrem Inhalte nach, in die beyden Mächte entzweyte-
die als göttliches und menschliches, oder unterirdisches
und oberes Recht bestimmt wurden, — jenes die Fa-
milie
, diſs die Staatsmacht, — und deren das erstere
der weibliche, das andre der männliche Charakter war,
so schränkt sich der vorher vielformige und in seinen
Bestimmungen schwankende Götterkreis auf diese
Mächte ein, die durch diese Bestimmung der eigen-
lichen Individualität genähert sind. Denn die frühere
Zerstreuung des Ganzen in die vielfachen und abstrac-
ten Kräfte, die substantiirt erscheinen, ist die Auflö-
sung
des Subjects, das sie nur als Momente in seinem
Selbst begreifft, und die Individualität iſt daher nur die
oberflächliche Form jener Wesen. Umgehehrt iſt ein
weiterer Unterschied der Charaktere, als der genannte,
zur zufälligen und an sich äuſſerlichen Persönlich-
keit zu rechnen.


Zugleich theilt sich das Wesen seiner Form oder
dem Wiſſen nach. Der handelnde Geist tritt als Be-
wuſstseyn dem Gegenstande gegenüber, auf den es
thätig, und der somit als das negative des Wiſſenden
bestimmt ist; der handelnde befindet sich dadurch im
Gegensatze des Wiſſens und Nichtwiſſens. Er nimmt
aus seinem Charakter seinen Zweck und weiſs ihn
[687] als die sittliche Wesenheit; aber durch die Bestimmt-
heit des Charakters weiſs er nur die Eine Macht der
Substanz, und die andre ist für ihn verborgen. Die
gegenwärtige Wirklichkeit ist daher ein anderes an-
ſich
, und ein anderes für das Bewuſstseyn; das obe-
re und das untere Recht erhalten in dieser Beziehung
die Bedeutung der wiſſenden und dem Bewuſstseyn
sich offenbarenden, und der sich verbergenden und
im Hinterhalte lauernden Macht. Die Eine ist die
Lichtseite, der Gott des Orakels, der nach seinem
natürlichen Momente aus der alles beleuchtenden
Sonne entsprungen, älles weiſs und offenbart, —
Phöbus, und Zevs, der deſſen Vater iſt. Aber die
Befehle dieses wahrredenden Gottes, und seine Be-
kanntmachungen deſſen, was ist, sind vielmehr trü-
gerisch. Denn diſs Wiſſen iſt in seinem Begriffe un-
mittelbar das Nichtwiſſen, weil das Bewuſstseyn an
sich selbst im Handeln dieser Gegensatz ist. Der,
welcher die räthselhafte Sphinx selbſt aufzuschlieſsen
vermochte, wie der kindlich Vertrauende, werden da-
rum durch das, was der Gott ihnen offenbart, ins
Verderben geschickt. Diese Prieſterin, aus der der
schöne Gott spricht, ist nichts anders als die dop-
pelſinnigen Schicksalsschweſtern, die durch ihre Ver-
heiſſungen zum Verbrechen treiben, und in der
Zweyzüngigkeit deſſen, was sie als Sicherheit anga-
ben, den, der sich auf den offenbaren Sinn verlieſs,
betriegen. Daher das Bewuſstseyn, das reiner iſt, als
das letztere, das den Hexen glaubt, und besonnener
[688] und gründlicher als das erstere, das der Prieſterin und
dem schönen Gotte traut, auf die Offenbarung, die
der Geiſt des Vaters selbſt über das Verbrechen, das
ihn mordete, machte, mit der Rache zaudert, und
andre Beweise noch veranſtaltet, — aus dem Grun-
de, weil dieser offenbarende Geiſt auch der Teufel
seyn könnte.


Diſs Miſstrauen iſt darum gegründet, weil das
wiſſende Bewuſstseyn sich in den Gegensatz der Ge-
wiſsheit seiner selbſt und des gegenſtändlichen We-
sens setzt. Das Recht des sittlichen, daſs die Wirk-
lichkeit nichts an ſich iſt im Gegensatze gegen das
absolute Gesetz, erfährt, daſs sein Wiſſen einseitig,
sein Gesetz nur Gesetz seines Charakters iſt, daſs es
nur die eine Macht der Substanz ergriff. Die Hand-
lung selbſt iſt diese Verkehrung des gewuſsten in sein
Gegentheil, das Seyn, ist das Umschlagen des Rechts
des Charakters und des Wiſſens in das Recht des
entgegengesetzten, mit dem jenes im Wesen der Sub-
ſtanz verknüpft iſt, — in die Erinnye der andern
feindlich erregten. Macht und Charakters. Diſs untre
Recht sitzt mit Zevs auf dem Throne, und genieſst
mit dem offenbaren Rechte und dem wiſſenden Got-
te gleiches Ansehen.


Auf diese drey Wesen wird von der handeln-
den Individualität die Götterwelt des Chors einge-
schränkt. Das Eine iſt die Subſtanz, ebensowohl die
Macht des Heerdes und der Geiſt der Familienpietät,
wie die allgemeine Macht des Staats und der Regie-
[689] rung. Indem der Subſtanz als solcher dieser Unter-
schied angehört, individualisirt er sich der Vorstel-
lung nicht zu zwey unterschiednen Gestalten, sondern
hat in der Wirklichkeit die zwey Personen seiner Cha-
raktere. Hingegen der Unterschied des Wiſſens und
Nichtwiſſens fällt in ein jedes der wirklichen Selbstbe-
wuſstseyn
— und nur in der Abſtraction, im Elemente
der Allgemeinheit vertheilter sich an zwey individuel-
le Gestalten. Denn das Selbſt der Heros, hat nur Da-
seyn als ganzes Bewuſstseyn und iſt daher wesentlich
der ganze Unterschied, der der Form angehört; aber
seine Subſtanz iſt beſtimmt, und es gehört ihm nur
die eine Seite des Unterschieds des Inhalts an. Daher
erhalten die beyden Seiten des Bewuſstseyns, die in
der Wirklichkeit keine getrennte, einer jeden eigne
Individualität haben, in der Vorſtellung jede ihre be-
sondere Geſtalt; die eine die des offenbarenden Gottes,
die andre der sich verborgen haltenden Erinnye. Bey-
de genieſſen theils gleicher Ehre, theils iſt die Geſtalt
der Subſtanz, Zevs, die Nothwendigkeit der Beziehung
beyder aufeinander. Die Subſtanz iſt die Beziehung,
daſs das Wiſſen für ſich iſt, aber seine Wahrheit an
dem Einfachen, der Unterschied, wodurch das wirk-
liche Bewuſstseyn iſt, seinen Grund an dem ihn til-
genden innern Wesen, die sich klare Verſicherung der
Gewiſsheit ihre Beſtätigung an der Vergeſſenheit hat.


Das Bewuſstseyn schloſs diesen Gegensatz durch
das Handeln auf; nach dem offenbaren Wiſſen han-
X x
[690] delnd, erfährt es den Betrug deſſelben, und dem In-
halte nach dem Einen Attribute der Subſtanz ergeben,
verletzte es das andre und gab diesem dadurch das
Recht gegen sich. Dem wiſſenden Gotte folgend, er-
griff es vielmehr das nicht offenbare, und büſst dafür,
dem Wiſſen vertraut zu haben, deſſen Zweydeutig-
keit, da sie seine Natur iſt, auch für es, und eine War-
nung
dafür vorhanden seyn muſste. Die Raserey der
Prieſterin, die unmenschliche Geſtalt der Hexen, die
Stimme des Baumes, des Vogels, der Traum u. ſ. f.
sind nicht die Weisen, in welchen die Wahrheit er-
scheint, sondern warnende Zeichen des Betrugs, der
Nichtbesonnenheit, der Einzelnheit und Zufälligkeit
des Wiſſens. Oder was daſſelbe iſt, die entgegenge-
setzte Macht, die von ihm verletzt wird, iſt als ausge-
sprochenes Gesetz und geltendes Recht vorhanden; es
sey das Gesetz der Familie oder des Staats; das Be-
wuſstseyn folgte dagegen dem eignen Wiſſen, und
verbarg sich selbst das offenbare Die Wahrheit aber
der gegeneinander auftretenden Mächte des Inhalts und
Bewuſstſeyns iſt das Resultat, daſs beyde gleiches Recht
und darum in ihrem Gegensatz, den das Handeln her-
vorbringt, gleiches Unrecht haben. Die Bewegung
des Thuns erweiſt ihre Einheit in dem gegenseitigen
Untergange beyder Mächte und der selbſtbewuſsten
Charaktere. Die Versöhnung des Gegensatzes mit
sich iſt die Lethe der Unterwelt im Tode, — oder die
Lethe der Oberwelt, als Freysprechung, nicht von der
Schuld, denn diese kann das Bewuſstſeyn, weil es
[691] handelte, nicht verlängnen, sondern vom Verbrechen
und seine sühnende Beruhigung. Beyde sind die Ver-
geſſenheit
, das Verschwundenseyn der Wirklichkeit
und des Thuns der Mächte der Subſtanz, ihrer Indivi-
dualitäten, und der Mächte des abſtracten Gedankens
des Guten und des Bösen, denn keine für sich iſt das
Wesen, sondern dieses iſt die Ruhe des Ganzen in
sich selbſt, die unbewegte Einheit des Schicksals, das
ruhige Daseyn und damit die Unthätigkeit und Unle-
bendigkeit der Familie und der Regierung, und die
gleiche Ehre und damit die gleichgültige Unwirklich-
keit Apolls und der Erinnye, und die Rückkehr ih-
rer Begeiſtung und Thätigkeit in den einfachen
Zevs.


Dieses Schicksal vollendet die Entvölkerung des
Himmels, — der gedankenlosen Vermischung der In-
dividualität und des Wesens, — einer Vermischung,
wodurch das Thun des Wesens als ein inconsequen-
tes, zufälliges, seiner unwürdiges erscheint; denn
dem Wesen nur oberflächlich anhängend iſt die Indi-
vidualität die unwesentliche. Die Vertreibung solcher
wesenlosen Vorſtellungen, die von Philosophen des
Alterthums gefodert wurde, beginnt also schon in der
Tragödie überhaupt dadurch, daſs die Eintheilung der
Subſtanz von dem Begriffe beherrscht, die Individua-
lität hiemit die wesentliche und die Beſtimmungen die
absoluten Charaktere sind. Das Selbſtbewuſstſeyn,
das in ihr vorgeſtellt iſt, kennt und anerkennt deſswe[-]
X x 2
[692] gen nur Eine höchſte Macht, und diesen Zevs nur als
die Macht des Staats oder des Heerdes, und im Ge-
gensatze des Wiſſens nur als den Vater des zur Ge-
ſtalt werdenden Wiſſens des Besondern, — und als
den Zevs des Eydes und der Erinnye, des Allgemei-
nen
, im Verborgnen wohnenden Innern. Die weiter
aus dem Begriffe in die Vorſtellung sich zerſtreuenden
Momente, die der Chor nacheinander gelten läſst, sind
hingegen nicht das Pathos des Helden, sondern sinken
ihm zur Leidenschafft herunter, — zu zufälligen, we-
senlosen Momenten, die der selbſtlose Chor wohl
preiſst, aber die nicht fähig sind, den Charakter
der Helden auszumachen, noch von ihnen als ihr We-
sen ausgesprochen und geachtet zu werden.


Aber auch die Persönen des göttlichen Wesens
selbſts, so wie die Charaktere seiner Subſtanz, gehen
in die Einfachheit des Bewuſstlosen zusammen. Diese
Nothwendigkeit hat gegen das Selbſtbewuſstseyn die
Beſtimmung, die negative Macht aller auftretenden
Geſtalten zu seyn, in ihr sich selbſt nicht zu erken-
nen, sondern darin vielmehr unterzugehen. Das Selbſt
tritt nur den Charakteren zugetheilt auf, nicht als die
Mitte der Bewegung. Aber das Selbſtbewuſstseyn, die
einfache Gewiſsheit seiner, ist in der That die nega-
tive Macht, die Einheit des Zevs, des subſtantiellen
Wesens, und der abſtracten Nothwendigkeit, es iſt
die geiſtige Einheit, worein alles zurückgeht. Weil das
wirkliche Selbſtbewuſstſeyn noch von der Subſtanz und
dem Schicksale unterschieden wird, iſt es theils der Chor
[693] oder vielmehr die zuschauende Menge, welche diese
Bewegung des göttlichen Lebens als ein Fremdes mit
Furcht erfüllt, oder in der ſie als ein Nahes nur die Rüh-
rung des nicht handelnden Mitleidens hervorbringt.
Theils insofern das Bewuſstseyn mithandelt und den
Charakteren angehört, iſt diese Vereinigung, weil die
wahre, die des Selbſts, des Schickſals und der Sub-
ſtanz noch nicht vorhanden iſt, eine äuſſerliche, eine
Hyprokriſie; der Held, der vor dem Zuſchauer auf-
tritt, zerfällt in seine Maske und in den Schauspieler,
in die Person und das wirkliche Selbſt.


Das Selbſtbewuſstseyn der Helden muſs aus sei-
ner Maske hervor treten, und sich darſtellen, wie es
ſich als das Schickſal ſowohl der Götter des Chors,
als der absoluten Mächte selbſt weiſs, und von dem
Chore, dem allgemeinen Bewuſstseyn nicht mehr ge-
trennt iſt.


Die Komödie hat also vorerſt die Seite, daſs das
wirkliche Selbstbewuſstseyn ſich als das Schicksal der
Götter darſtellt. Diese elementarischen Wesen sind
als allgemeine Momente, kein Selbſt und nicht wirk-
lich. Sie sind zwar mit der Form der Individualität
ausgeſtattet, aber diese iſt ihnen nur eingebildet, und
kommt ihnen nicht an und für sich selbſt zu; das wirk-
liche Selbſt hat nicht ein solches abſtractes Moment
zu seiner Subſtanz und Inhalt. Es, das Subject, iſt
daher über ein solches Moment, als über eine einzelne
Eigenschafft erhoben, und angethan mit dieser Maske
spricht es die Ironie derselben aus, die für sich etwas
[694] seyn will. Das Aufspreitzen der allgemeinen We-
senheit iſt an das Selbſt verrathen; es zeigt sich in ei-
ner Wirklichkeit [gefangen] und läſst die Maske fallen,
eben indem es etwas rechtes seyn will. Das Selbſt
hier in seiner Bedeutung als Wirkliches auftretend,
spielt es mit der Maske, die es einmal anlegt, um
seine Person zu seyn, — aber aus diesem Scheine
thut es sich ebenso bald wieder in seiner eignen
Nacktheit und Gewöhnlichkeit hervor, die es von dem
eigentlichen Selbſt, dem Schauspieler so wie von dem
Zuschauer, nicht unterschieden zu seyn zeigt.


Diese allgemeine Auflösung der geſtalteten We-
senheit überhaupt in ihrer Individualität wird in ih-
rem Inhalte ernſthafter und dadurch muthwilliger
und bittrer, insofern er seine ernſtere und nothwen-
digere Bedeutung hat. Die göttliche Subſtanz ver-
einigt in ihr die Bedeutung der natürlichen und sitt-
lichen Wesenheit. In Ansehung des Natürlichen
zeigt das wirkliche Selbſtbewuſstseyn schon in der
Verwendung deſſelben zu seinem Putze, Wohnung
u. s. f. und im Schmauſſe seines Opfers sich als das
Schicksal, dem das Geheimniſs verrathen iſt, wel-
che Bewandniſs es mit der Selbſtwesenheit der Na-
tur hat; in dem Myſterium des Brodes und Weines
macht es dieselbe zusammen mit der Bedeutung des
innern Wesens sich zu eigen, und in der Komödie
iſt es sich der Ironie dieser Bedeutung überhaupt be-
wuſst. — Insofern nun diese Bedeutung die sittliche
Wesenheit enthält, iſt sie theils das Volk, in seinen
[695] beyden Seiten, des Staats oder eigentlichen Demos,
und der Familien-Einzelnheit; — theils aber das
selbſtbewuſste reine Wiſſen, oder das vernünftige
Denken des Allgemeinen. — Jener Demos, die all-
gemeine Maſſe, die sich als Herrn und Regent, so
wie als den zu reſpectirenden Verſtand und Einsicht
weiſs, zwingt und bethört sich durch die Besonder-
heit seiner Wirklichkeit, und ſtellt den lächerlichen
Contraſt seiner Meynung von sich und seines unmit-
telbaren Daseyns, seiner Nothwendigkeit und Zufäl-
ligkeit, seiner Allgemeinheit und Gemeinheit dar.
Wenn das Princip seiner vom Allgemeinen getrenn-
ten Einzelnheit, in der eigentlichen Geſtalt der Wirk-
lichkeit, sich hervorthut und des Gemeinwesens’
deſſen geheimer Schaden es iſt, sich offenbar anmaſst
und es einrichtet, so verräth sich unmittelbarer der
Contraſt des Allgemeinen als einer Theorie und des-
sen, um was er in der Praxis zu thun iſt, die gänz-
liche Befreyung der Zwecke der unmittelbaren Ein-
zelnheit von der allgemeinen Ordnung und der Spott
jener über dieſe.


Das vernünftige Denken enthebt das göttliche
Wesen seiner zufälligen Geſtalt, und entgegengesetzt
der begrifflosen Weisheit des Chors, die mancherley
Sittensprüche vorbringt, und eine Menge von Ge-
setzen und beſtimmten Pflicht- und Rechtsbegriffen
gelten läſst, hebt es sie in die einfachen Ideen des
Schönen und Guten empor. — Die Bewegung dieser
[696] Abſtraction iſt das Bewuſstseyn der Dialectik, wel-
che diese Maximen und Gesetze an ihnen haben,
und hiedurch des Verschwindens der absoluten Gül-
tigkeit, in der sie vorher erschienen. Indem die zu-
fällige Beſtimmung und oberflächliche Individualität,
welche die Vorſtellung den göttlichen Wesenheiten
lieh, verschwindet, haben sie nach ihrer natürlichen
Seite nur noch die Naktheit ihres unmittelbaren Da-
seyns, sie sind Wolken, ein verschwindender Dunſt,
wie jene Vorſtellungen. Nach ihrer gedachten We-
sentlichkeit zu den einfachen Gedanken des Schönen
und Guten geworden, vertragen diese es. mit jedem
beliebigen Inhalt erfüllt zu werden. Die Krafft des
dialektischen Wiſſens gibt die beſtimmten Gesetze
und Maximen des Handelns, der Luſt und dem Leicht-
sinne der — hiemit — verführten Jugend Preis, und der
Aengſtlichkeit und Sorge des auf die Einzelnheit des
Lebens beschränkten Alters Waffen zum Betrug an
die Hand. Die reinen Gedanken des Schönen und
Guten zeigen also das komische Schauspiel, durch
die Befreyung von der Meynung, welche sowohl ih-
re Beſtimmtheit als Inhalt, wie ihre absolute Be-
ſtimmtheit, das Feſthalten des Bewuſstseyns enthält,
leer, und ebendadurch das Spiel der Meynung und
der Willkühr der zufälligen Individualität zu wer-
den.


Hier iſt also das vorher bewuſstlose Schicksal,
das in der leeren Ruhe und Vergeſſenheit beſteht,
[697] und von dem Selbstbewuſstseyn getrennt iſt, mit die-
sem vereint. Das einzelne Selbſt iſt die negative Kraft,
durch und in welcher die Götter, so wie deren Mo-
mente, die daseyende Natur und die Gedanken ih-
rer Beſtimmungen, verschwinden; zugleich iſt es
nicht die Leerheit des Verschwindens, sondern er-
hält sich in dieser Nichtigkeit selbſt, iſt bey sich
und die einzige Wirklichkeit. Die Religion der
Kunſt hat sich in ihm vollendet und iſt vollkommen
in sich zurückgegangen. Dadurch daſs das einzelne
Bewuſstseyn in der Gewiſsheit seiner selbſt es iſt,
das als diese absolute Macht sich darſtellt, hat diese
die Form eines Vorgeſtellten, von dem Bewuſstseyn
überhaupt getrennten und ihm fremden, verloren,
wie die Bildsäule, auch die lebendige schöne Kör-
perlichkeit oder der Inhalt des Epos und die Mäch-
te und Personen der Tragödie waren; — auch iſt
die Einheit nicht die bewuſstlose des Cultus und der My-
ſterien; — sondern das eigentliche Selbſt des Schau-
spielers fällt mit seiner Person zusammen, so wie
der Zuschauer, der in dem, was ihm vorgeſtellt wird,
vollkommen zu Hause iſt und sich selbſt spielen sieht.
Was diſs Selbſtbewuſstſeyn anschaut, iſt, daſs in
ihm, was die Form von Wesenheit gegen es an-
nimmt, in seinem Denken, Daseyn und Thun sich
vielmehr auflöſt und preisgegeben iſt, es iſt die Rük-
kehr alles Allgemeinen in die Gewiſsheit seiner
selbſt, die hiedurch diese vollkommne Furcht- und
[698] Wesenlosigkeit alles Fremden, und ein Wohlseyn
und Sich-wohlseyn-laſſen des Bewuſstseyns iſt, wie
sich auſſer dieser Komödie keins mehr findet.


[699]

C.
Die offenbare Religion.


Durch die Religion der Kunſt iſt der Geiſt aus der
Form der Subſtanz in die des Subjects getreten, denn
sie bringt seine Geſtalt hervor, und setzt also in ihr
das Thun oder das Selbſtbewuſstseyn, das in der furcht-
baren Subſtanz nur verschwindet, und im Vertrauen
sich nicht selbſt erfaſst. Diese Menschwerdung des
göttlichen Wesens geht von der Bildsäule aus,
die nur die äuſſere Geſtalt des Selbſts an ihr hat, das
innre aber, ihre Thätigkeit, fällt auſſer ihr; im Cul-
tus aber sind beyde Seiten eins geworden, in dem Re-
sultate der Religion der Kunſt iſt diese Einheit in ih-
rer Vollendung zugleich auch auf das Extrem des
Selbſts herübergegangen; in dem Geiſte, der in der
Einzelnheit des Bewuſstseyns seiner vollkommen ge-
wiſs iſt, iſt alle Wesenheit versunken. Der Satz, der
diesen Leichtsinn ausſpricht, lautet so: das Selbſt iſt
das absolute Wesen
; das Wesen, das Subſtanz und an
[700] dem das Selbst die Accidentalität war, iſt zum Prädi-
cate heruntergesunken, und der Geiſt hat in diesem
Selbſtbewuſstseyn
, dem nichts in der Form des Wesens
gegenübertritt, sein Bewuſstseyn verloren.


Dieser Satz: das Selbſt iſt das absolute Wesen, ge-
hört, wie von selbſt erhellt, dem nichtreligiösen, dem
wirklichen Geiſte an, und es iſt sich zu erinnern, wel-
ches die Geſtalt deſſelben iſt, die ihn ausdrückt. Sie
wird zugleich die Bewegung und die Umkehrung des-
selben enthalten, welche das Selbſt zum Prädicate her-
unterſtimmt, und die Subſtanz zum Subjecte erhebt.
So nämlich, daſs der umgekehrte Satz nicht an sich
oder für uns die Subſtanz zum Subjecte macht, oder
was daſſelbe iſt, die Subſtanz so wieder herſtellt, daſs
das Bewuſstseyn des Geiſtes zu seinem Anfange, der
natürlichen Religion zurückgeführt wird, sondern so
daſs diese Umkehrung für und durch das Selbſtbewuſst-
seyn
selbſt zu Stande gebracht wird. Indem dieses sich
mit Bewuſstseyn aufgibt, so wird es in seiner Entäus-
serung erhalten, und bleibt das Subject der Subſtanz,
aber als sich ebenso entäuſſertes hat es zugleich das Be-
wuſstseyn derselben; oder indem es durch seine Auf-
opferung die Subſtanz als Subject hervorbringt, bleibt
dieses sein eignes Selbſt. Es wird hiedurch erreicht,
daſs, wenn in den beyden Sätzen, — in dem der er-
ſten Subſtantialität das Subject nur verschwindet, —
und in dem zweyten die Subſtanz nur Prädicat iſt, und
beyde Seiten also in jedem mit der entgegengesetzten
Ungleichheit des Werthes vorhanden sind, — daſs die
[701] Vereinigung und Durchdringung beyder Naturen her-
vorgeht, in der beyde mit gleichem Werthe ebenso
wesentlich, als auch nur Momente sind; hiedurch iſt
also der Geiſt ebenso Bewuſstseyn seiner als seiner ge-
genſtändlichen
Subſtanz, wie einfaches in sich bleiben-
des Selbſtbewuſstseyn.


Die Religion der Kunſt gehört dem sittlichen
Geiſte an, den wir früher in dem Rechtszuſtande unter-
gehen sahen, d. h. in dem Satze: das Selbſt als solches,
die abſtracte Person iſt absolutes Wesen. Im sittlichen
Leben iſt das Selbſt in dem Geiſte seines Volks ver-
senkt, es iſt die erfüllte Allgemeinheit. Die einfache
Einzelnheit
aber erhebt sich aus diesem Inhalte, und
ihr Leichtsinn reinigt sie zur Person zur abſtracten All-
gemeinheit des Rechts. In dieser iſt die Realität des
sittlichen Geiſts verloren, die inhaltsleeren Geiſter der
Völkerindividuen sind in Ein Pantheon versammelt,
nicht in ein Pantheon der Vorſtellung, deren unmäch-
tige Form jeden gewähren läſst, sondern in das Pan-
theon der abſtracten Allgemeinheit, des reinen Ge-
dankens, der sie entleibt, und dem geiſtlosen Selbſt,
der einzelnen Person das an und fürsichseyn ertheilt.


Aber diſs Selbſt hat durch seine Leerheit den In-
halt freygelaſſen; das Bewuſstseyn iſt nur in sich das
Wesen; sein eignes Daseyn, das rechtliche Anerkannt-
seyn der Person, iſt die unerfüllte Abſtraction; es be-
sitzt also vielmehr nur den Gedanken seiner selbſt,
oder wie es da iſt und sich als Gegenſtand weiſs, iſt es
das unwirkliche. Es iſt daher nur die ſtoische Selbſtſtän-
[702] digkeit
des Denkens, und diese findet durch die Bewe-
gung des skeptischen Bewuſstseyns hindurchgehend,
seine Wahrheit in derjenigen Geſtalt, die das unglück-
liche Selbſtbewuſstseyn
genannt wurde.


Dieses weiſs, welche Bewandniſſes mit dem wirk-
lichen Gelten der abſtracten Person und ebenso mit
dem Gelten derselben in dem reinen Gedanken hat.
Es weiſs ein solches Gelten vielmehr als den voll-
kommnen Verluſt, es selbſt iſt dieser seiner bewuſs-
te Verluſt und die Entäuſſerung seines Wiſſens von
sich. — Wir sehen, daſs diſs unglückliche Bewuſst-
seyn die Gegenseite und Vervollſtändigung des in
sich vollkommen glücklichen, des komischen Be-
wuſstſeyns ausmacht. In das letztere geht alles gött-
liche Wesen zurück, oder es ist die vollkommne
Entäuſſerung der Subſtanz. Jenes hingegen ist umge-
kehrt, das tragische Schicksal der an und fürsich-
seyn sollenden Gewiſsheit seiner selbſt. Es iſt das Be-
wuſstseyn des Verluſtes aller Wesenheit in dieser Ge-
wiſsheit
seiner und des Verluſtes eben dieses Wis-
sens von sich — der Subſtanz wie des Selbſts, es iſt
der Schmerz, der sich als das harte Wort ausspricht,
daſs Gott geſtorben iſt.


In dem Rechtszuſtande iſt also die sittliche Welt
und die Religiou derselben in dem komischen Be-
wuſstseyn versunken, und das unglückliche das Wis-
sen dieses ganzen Verluſts. Sowohl der Selbſtwerth
seiner unmittelbaren Persönlichkeit, iſt ihm verlo-
ren, als seiner vermittelten, der gedachten. Ebenso
[703] iſt das Vertrauen in die ewigen Gesetze der Götter,
wie die Orakel, die das Besondre zu wiſſen thaten,
verſtummt. Die Bildsäulen sind nun Leichname, denen
die belebende Seele, so wie die Hymne Worte, de-
ren Glauben entflohen iſt; die Tische der Götter oh-
ne geiſtige Speise und Trank, und aus seinen Spie-
len und Feſten kommt dem Bewuſstseyn nicht die
freudige Einheit seiner mit dem Wesen zurück. Den
Werken der Muse fehlt die Krafft des Geiſtes, dem
aus der Zermalmung der Götter und Menschen die
Gewiſsheit seiner selbſt hervorging. Sie sind nun
das, was ſie für uns sind, — vom Baume gebrochne
schöne Früchte, ein freundliches Schicksal reichte
sie uns dar, wie ein Mädchen jene Früchte präsen-
tirt; es gibt nicht das wirkliche Leben ihres Daseyus,
nicht den Baum, der sie trug, nicht die Erde und
die Elemente, die ihre Subſtanz, noch das Klima,
das ihre Beſtimmtheit ausmachte; oder den Wech-
sel der Iahreszeiten, die den Proceſs ihres Werdens
beherrschten. — So gibt das Schicksal uns mit den
Werken jener Kunſt, nicht ihre Welt, nicht den
Frühling und Sommer des sittlichen Lebens, worin
sie blühten und reifften, sondern allein die einge-
hüllte Erinnerung dieser Wirklichkeit. — Unser
Thun in ihrem Genuſſe iſt daher nicht das gottes-
dienſtliche, wodurch unserem Bewuſstseyn seine voll-
kommne es ausfüllende Wahrheit würde, sondern es
iſt das äuſſerliche Thun, das von diesen Früchten etwa
[704] Regentropfen oder Stäubchen abwischt, und an die
Stelle der innern Elemente der umgebenden, erzeu-
genden und begeiſtenden Wirklichkeit des Sittlichen,
das weitläufige Gerüſte der todten Elemente ihrer
äuſſerlichen Exiſtenz, der Sprache, des Geschichtli-
chen u. s. f. errichtet, nicht um sich in sie hinein
zu leben, sondern nur um sie in sich vorzuſtellen.
Aber wie das Mädchen, das die gepflückten Früch-
te darreicht, mehr iſt, als die in ihre Bedingungen
und Elemente, den Baum, Lufft, Licht u. s. f. aus-
gebreitete Natur derselben, welche sie unmittelbar
darbot, indem es auf eine höhere Weise diſs alles
in den Strahl des selbſtbewuſsten Auges und der dar-
reichenden Gebehrde zusammenfaſst, so iſt der Geiſt
des Schicksals, der uns jene Kunſtwerke darbietet,
mehr als das sittliche Leben und Wirklichkeit jenes
Volkes, denn er iſt die Erinnerung des in ihnen
noch veräuſſerten Geiſtes, — er iſt der Geiſt des tra-
gischen Schicksals, das alle jene individuelle Göt-
ter und Attribute der Subſtanz in das Eine Pantheon
versammelt, in den seiner als Geiſt selbſtbewuſs-
ten Geiſt.


Alle Bedingungen seines Hervorgangs sind vor-
handen, und diese Totalität seiner Bedingungen macht
das Werden, den Begriff, oder das ansichseyende Her-
vorgehen deſſelben aus. — Der Kreis der Hervorbrin-
gungen der Kunſt umfaſst die Formen der Entäuſſe-
rungen der absoluten Subſtanz, sie iſt in der Form der
Individualität, als ein Ding, als seyender Gegenſtand
[705] des sinnlichen Bewuſstseyns, — als die reine Sprache
oder das Werden der Geſtalt, deren Daseyn nicht aus
dem Selbſt heraustritt, und rein verschwindender Ge-
genſtand iſt; — als unmittelbare Einheit mit dem all-
gemeinen Selbſtbewuſstseyn in seiner Begeiſterung und
als vermittelte in dem Thun des Cultus; — als schöne
selbſtische Körperlichkeit, und endlich als das in die Vor-
ſtellung
erhobne Daseyn und die Ausbreitung deſſelben
zu einer Welt, die sich zuletzt in die Allgemein-
heit, die ebenso reine Gewiſsheit ihrer selbſt ist, zusam-
mennimmt. — Dieſe Formen, und auf der andern die
Welt der Person und des Rechts, die verwüſtende
Wildheit der freygelaſſenen Elemente des Inhalts, eben-
so die gedachte Person des Stoicismus und die baltlose
Unruhe des ſkeptiſchen Bewuſstseyns, machen die Pe-
ripherie der Geſtalten aus, welche erwartend und
drängend um die Geburtsſtätte des als Selbstbewuſst-
seyn werdenden Geiſtes umherſtehen, der alle durch-
dringende Schmerz und Sehnsucht des unglücklichen
Selbstbewuſstseyns iſt ihr Mittelpunkt und das gemein-
ſchaftliche Geburtswehe ſeines Hervorgangs, — die
Einfachheit des reinen Begriffs, der jene Geſtalten als
ſeine Momente enthält.


Er hat die zwey Seiten an ihm, die oben als die
beyden umgekehrten Sätze vorgeſtellt sind; die
eine iſt dieſe, daſs die Subſtanz sich ihrer selbſt ent-
äuſſert und zum Selbſtbewuſstſeyn wird, die andre
umgekehrt, daſs das Selbſtbewuſstſeyn ſich ſeiner entäuſ-
Y y
[706] ſert und zur Dingheit oder zum allgemeinen Selbſt
macht. Beyde Seiten sind sich auf dieſe Weiſe ent-
gegen gekommen, und hiedurch ihre wahre Vereini-
gung entſtanden. Die Entäuſſerung der Subſtanz, ihr
Werden zum Selbſtbewuſstſeyn drückt den Uebergang
ins Entgegengeſetzte, den bewuſsiloſen Uebergang der
Nothwendigkeit, oder diſs aus, daſs sie an sich Selbſt-
bewuſstſeyn iſt. Umgekehrt, die Entäuſſerung des
Selbſtbewuſsſeyns diſs, daſs es an sich das allgemeine
Weſen ist, oder weil das Selbſt das reine Fürsich-
ſeyn iſt, das in seinem Gegentheile bey sich bleibt,
diſs, daſs für es es iſt, daſs die Subſtanz Selbſtbewuſst-
seyn, und ebendadurch Geiſt iſt. Es kann daher von
dieſem Geiſte, der die Form der Subſtanz verlaſſen,
und in der Geſtalt des Selbſtbewuſstseyns in das Da-
ſeyn tritt, geſagt werden, — wenn man sich der aus
der natürlichen Zeugung hergenommenen Verhältniſſe
bedienen will, — daſs er eine wirkliche Mutter, aber
einen anſichſeyenden Vater hat; denn die Wirklichkeit
oder das Selbstbewuſstseyn, und das Anſich als die
Substanz sind seine beyden Momente, durch deren ge-
genseitige Entäuſſerung, jedes zum andern werdend,
er als diese ihre Einheit ins Daseyn tritt.


Inſofern das Selbſtbewuſstſeyn einſeitig nur seine
eigne
Entäuſſerung erfaſst, wenn ihm ſchon ſein Ge-
genstand alſo ebensowohl Seyn als Selbſt iſt und es
alles Daſeyn als geiſtiges Wesen weiſs, ſo ist da-
durch dennoch noch nicht für es der wahre Geiſt
geworden, inſofern nemlich das Seyn überhaupt oder
[707] die Substanz nicht an ſich ebenso ihrerseits ſich ih-
rer ſelbst entäuſſerte und zum Selbſtbewuſstſeyn wur-
de. Denn alsdann ist alles Daſeyn nur vom Stand-
punkte des Bewuſstſeyns aus
geiſtiges Weſen, nicht an
sich selbſt. Der Geiſt iſt auf diese Weiſe dem Da-
ſeyn nur eingebildet; dieſes Einbilden iſt die Schwär-
merei
, welche der Natur sowohl, als der Geschichte,
wie der Welt so den mythiſchen Vorstellungen der
vorhergehenden Religionen einen andern innern Sinn
unterlegt, als sie in ihrer Erscheinung dem Bewuſst-
ſeyn unmittelbar darbieten, und in Anſehung der Re-
ligionen, als das Selbstbewuſstseyn, deſſen Religionen
sie waren, darin wuſste. Aber diese Bedeutung ist
eine geliehene, und ein Kleid, das die Blöſſe der Er-
ſcheinung nicht bedeckt und sich keinen Glauben und
Verehrung erwirbt, ſondern die trübe Nacht und eig-
ne Verzückung des Bewuſstſeyns bleibt.


Daſs diese Bedeutung des Gegenſtändlichen also
nicht bloſſe Einbildung ſey, muſs sie an. ſich ſeyn, das
heiſst, einmal dem Bewuſstſeyn aus dem Begriffe ent-
ſpringen und in ihrer Nothwendigkeit hervorgehen.
So iſt uns durch das Erkennen des unmittelbaren Be-
wuſstſeyns
, oder des Bewuſstſeyns des ſeyenden Gegen-
ſtandes durch ſeine nothwendige Bewegung der ſich
ſelbst wiſſende Geiſt entſprungen. Dieſer Begriff, der
als unmittelbarer auch die Gestalt der Unmittelbarkeir
für ſein Bewuſstſeyn hatte, hat ſich zweytens die Gestalt
des Selbstbewuſstſeyns an ſich d. h. nach eben de[r]
Y y 2
[708] Nothwendigkeit des Begriffes gegeben, als das Seyn
oder die Unmittelbarkeit, die der innhaltslose Gegenstand
des sinnlichen Bewuſstſeyns ist, sich ſeiner entäuſſert,
und Ich für das Bewuſstſeyn wird. — Von dem
denkenden Anſich oder dem Erkennen der Nothwendig-
keit
ist aber das unmittelbare Anſich oder die ſeyende
Nothwendigkeit
ſelbst unterſchieden; — ein Unterſchied,
der zugleich aber nicht auſſer dem Begriffe liegt,
denn die einfache Einheit des Begriffes ist das unmittel-
bare Seyn
ſelbst; er ist ebenso das sich ſelbst entäuſſern-
de oder das Werden der angeſchauten Nothwendigkeit,
als er in ihr bey sich ist und sie weiſs und begreift.
— Das unmittelbare Anſich des Geistes, der sich die Ge-
stalt des Selbstbewuſstſeyns gibt, heiſst nichts ande-
res, als daſs der wirkliche Weltgeist zu dieſem Wiſ-
ſen von ſich gelangt ist; dann erst tritt diſs Wiſſen
auch in sein Bewuſstſeyn, und als Wahrheit ein. Wie
jenes geſchehen, hat ſich oben ergeben.


Diſs daſs der absolute Geist sich die Gestalt des
Selbstbewuſstſeyns an ſich und damit auch für sein
Bewuſstſeyn gegeben, erſcheint nun so, daſs es der
Glauben der Welt ist, daſs der Geist als ein Selbstbe-
wuſstseyn d. h. als ein wirklicher Mensch da iſt,
daſs er für die unmittelbare Gewiſsheit ist, daſs
das glaubende Bewuſstseyn diese Göttlichkeit ſieht
und fühlt und hört. So iſt es nicht Einbildung, ſon-
dern es iſt wirklich an dem. Das Bewuſstseyn geht
dann nicht aus ſeinem Innern, von dem Gedanken aus,
und schlieſst in sich den Gedanken des Gottes mit dem
[709] Daseyn zuſammen, sondern es geht von dem unmit-
telbaren gegenwärtigen Daseyn aus, und erkennt den
Gott in ihm. — Das Moment des unmittelbaren Seyns
ist in dem Inhalte des Begriffes so vorhanden, daſs
der religiöse Geist in der Rückkehr aller Wesenheit
in das Bewuſstseyn, einfaches positives Selbſt gewor-
den iſt, ebenso wie der wirkliche Geist als solcher
im unglücklichen Bewuſstseyn eben diese einfache
ſelbſtbewuſste Negativität. Das Selbſt des daseyen-
den Geistes hat dadurch die Form der vollkommnen
Unmittelbarkeit; es iſt weder als gedachtes oder vor-
gestelltes noch hervorgebrachtes gesetzt, wie es mit
dem unmittelbaren Selbst theils in der natürlichen
theils in der Kunst-Religion der Fall ist. Sondern
dieser Gott wird unmittelbar als Selbſt, als ein wirk-
licher einzelner Mensch, sinnlich angeschaut; ſo nur
iſt er Selbſtbewuſstseyn.


Diese Menſchwerdung des göttlichen Weſens,
oder daſs es weſentlich und unmittelbar die Gestalt
des Selbſtbewuſstseyns hat, ist der einfache Inhalt
der absoluten Religion. In ihr wird das Wesen als
Geist gewuſst, oder sie ist sein Bewuſstseyn über
sich, Geist zu seyn. Denn der Geist ist das Wiſſen
seiner selbst in seiner Entäuſſerung; das Wesen, das
die Bewegung ist, in seinem Andersſeyn die Gleich-
heit mit sich selbſt zu behalten. Diſs aber ist die
Subſtanz, insoſern sie in ihrer Accidentalität ebenso
in sich reflectirt, nicht dagegen als gegen ein unwe-
sentliches und somit in einem fremden sich befin-
[710] dendes gleichgültig, sondern darin in sich, d. h. in-
sofern sie Subject oder Selbſt iſt. — In dieser Reli-
gion ist deſswegen das göttliche Wesen geoffenbart.
Sein Offenbarseyn besteht offenbar darin, daſs ge-
wuſst wird, was es ist. Es wird aber gewuſst, eben
indem es als Geist gewuſst wird, als Wesen, das
wesentlich Selbſtbewuſstseyn iſt. — Dem Bewuſstseyn
ist in seinem Gegenſtand dann etwas geheim, wenn
er ein Anderes oder Fremdes für es ist, und wenn es
ihn nicht als sich selbſt weiſs. Diſs Geheimseyn hört
auf, indem das absolute Wesen als Geiſt Ge-
genstand des Bewuſstseyns iſt; denn so ist er als
Selbſt in seinem Verhältniſſe zu ihm; d. h. dieses
weiſs unmittelbar sich darin, oder es ist sich in ihm
offenbar. Es selbst ist sich nur in der eignen Ge-
wiſsheit seiner offenbar; jener sein Gegenstand iſt
das Selbſt, das Selbſt aber iſt kein Fremdes, sondern
die untrennbare Einheit mit sich, das unmittelbar all-
gemeine. Es iſt der reine Begriff, das reine Denken
oder Fürſichſeyn, das unmittelbar Seyn, und damit Seyn
für anderes
, und als dieſes Seyn für anderes unmittel-
bar in sich zurückgekehrt, und bey sich ſelbſt; es iſt
alſo das wahrhaft und allein offenbare. Das Gütige,
Gerechte, Heilige, Schöpfer Himmels und der Erde
u. s. f. sind Prädicate eines Subjects, — allgemeine
Momente, die an diesem Puncte ihren Halt haben,
und nur erſt im Rückgehen des Bewuſstseyns ins Den-
ken sind. — Indem sie gewuſst werden, ist ihr Grund
und Wesen, das Subject selbst, noch nicht offenbar
[711] und ebenſo ſind die Beſtimmungen des Allgemeinen,
nicht diſs Allgemeine ſelbſt. Das Subject ſelbſt, und
damit auch diſs reine Allgemeine iſt aber oſſenbar als
Selbſt, denn diſs iſt eben diſs in ſich reflectirte Innre,
das unmittelbar da, und die eigne Gewiſsheit desjeni-
gen Selbſts iſt, für welches es da ist. Diſs — seinem Be-
griffe
nach das offenbare zu ſeyn, — ist alſo die wah-
re Geſtalt des Geiſtes, und dieſe ſeine Geſtalt, der Be-
griff, iſt ebenso allein ſein Weſen und Subſtanz. Er
wird gewuſst als Selbſtbewuſstseyn und iſt dieſem un-
mittelbar offenbar, denn er iſt dieſes ſelbſt; die göttli-
che Natur iſt daſſelbe, was die menschliche ist, und
dieſe Einheit iſt es, die angeſchaut wird.


Hier alſo iſt in der That das Bewuſstſeyn oder die
Weiſe, wie das Weſen für es ſelbſt iſt, ſeine Geſtalt,
ſeinem Selbſtbewuſstſeyn gleich; dieſe Geſtalt iſt selbſt
ein Selbſtbewuſstſeyn; ſie iſt damit zugleich ſeyender
Gegenſtand und dieſes Seyn hat ebenso unmittelbar die
Bedeutung des reinen Denkens, des abſoluten Weſens.
— Das absolute Weſen, welches als ein wirkliches
Selbſtbewuſstſeyn da iſt, ſcheint von ſeiner ewigen
Einfachheit herabgeſtiegen zu ſeyn, aber in der That
hat es damit erſt ſein höchſtes Weſen erreicht. Denn
der Begriff des Weſens, erſt indem er ſeine einfache
Reinheit erlangt hat, iſt er die abſolute Abſtraction
welche reines Denken und damit die reine Einzelnheit
des Selbſts, ſo wie um ſeiner Einfachheit willen das
Unmittelbare oder Seyn ist. — Was das ſinnliche Bewuſst-
seyn genannt wird, iſt eben dieſe reine Abſtraction,
[712] es iſt diſs Denken, für welches das Seyn, das Unmittel-
bare
iſt. Das niedrigſte iſt alſo zugleich das höchſte,
das ganz an die Oberfläche herausgetretene Offenbare
iſt eben darin das Tiefſte. Daſs das höchſte Weſen als
ein ſeyendes Selbſtbewuſstſeyn geſehen, gehört u. s. f.
wird, diſs iſt also in der That die Vollendung ſeines
Begriffes; und durch dieſe Vollendung iſt das Weſen
ſo unmittelbar da, als es Weſen iſt.


Diſs unmittelbare Daſeyn iſt zugleich nicht allein
und bloſs unmittelbares Bewuſstſeyn, ſondern es iſt re-
ligiöſes Bewuſstſeyn; die Unmittelbarkeit hat unge-
trennt die Bedeutung nicht nur eines ſeyenden Selbſt-
bewuſstſeyns, ſondern des rein gedachten oder abſolu-
ten Weſens. Weſſen wir uns in unſerem Begriffe be-
wuſst ſind, daſs das Seyn Weſen iſt, iſt das religiöſe
Bewuſstſeyn ſich bewuſst. Dieſe Einheit des Seyns und
Weſens, des Denkens, das unmittelbar Daſeyn iſt, iſt
wie es der Gedanke dieſes religiöſen Bewuſstſeyns oder
ſein vermitteltes Wiſſen iſt, ebenſo ſein unmittelbares
Wiſſen; denn dieſe Einheit des Seyns und Denkens
iſt das Selbſtbewuſstſeyn, und iſt ſelbſt da, oder die ge-
dachte
Einheit hat zugleich dieſe Geſtalt deſſen, was
ſie iſt. Gott iſt alſo hier offenbar, wie er iſt; er iſt ſo
da, wie er an ſich iſt; er iſt da, als Geiſt. Gott iſt al-
lein im reinen ſpeculativen Wiſſen erreichbar, und
iſt nur in ihm und iſt nur es ſelbſt, denn er iſt der
Geiſt; und dieſes ſpeculative Wiſſen iſt das Wiſſen
der offenbaren Religion. Jenes weiſs ihn als Denken
oder reines Weſen, und diſs Denken als Seyn und als
[713] Daſeyn, und das Daſeyn als die Negativität ſeiner
ſelbſt hiemit als Selbſt, dieſes und allgemeines Selbſt;
ebendiſs weiſs die offenbare Religion. — Die Hoffnun-
gen und Erwartungen der vorhergehenden Welt dräng-
ten ſich allein auf dieſe Offenbarung hin, anzuſchauen,
was das abſolute Weſen iſt, und ſich ſelbſt in ihm zu
finden; dieſe Freude wird dem Selbſtbewuſstſeyn
und ergreifſt die ganze Welt, im abſoluten We-
ſen ſich zu ſchauen, denn es iſt Geiſt, es iſt die
einfache Bewegung jener reinen Momente, die diſs
ſelbſt ausdrükt, daſs das Weſen dadurch erſt, daſs es
als unmittelbares Selbſtbewuſstſeyn angeſchaut wird,
als Geiſt gewuſst wird.


Dieſer Begriff des ſelbſt ſich ſelbſt als Geiſt wiſſen-
den Geiſtes iſt ſelbſt der unmittelbare, und noch nicht
entwickelt. Das Weſen iſt Geiſt, oder es iſt erſchie-
nen, es iſt offenbar; diſs erſte Offenbarſeyn iſt ſelbſt
unmittelbar; aber die Unmittelbarkeit ist ebenso reine
Vermittlung oder Denken; ſie muſs daher an ihr ſelbſt
als ſolcher diſs darstellen. — Bestimmter diſs betrach-
tet, ſo ist der Geist in der Unmittelbarkeit des Selbſt-
bewuſstſeyns dieſes einzelne Selbſtbewuſstſeyn, dem all-
gemeinen
entgegengeſetzt; er ist ausſchlieſſendes Eins,
das für das Bewuſstſeyn, für welches es da ist, die
noch unaufgelöste Form eines ſinnlichen Andern hat;
dieſes weiſs den Geiſt noch nicht als den ſeinen, oder
der Geist ist noch nicht wie er einzelnes Selbst ist, eben-
ſowohl als allgemeines, als Alles Selbſt da. Oder die
Gestalt hat noch nicht die Form des Begriffs; d. h. des
[714] allgemeinen Selbſts, des Selbſts, das in seiner unmit-
telbaren Wirklichkeit ebenso aufgehobnes, Denken,
Allgemeinheit iſt, ohne in dieſer jene zu verlieren. —
Die nächste und selbſt unmittelbare Form dieſer All-
gemeinheit ist aber nicht ſchon die Form des Denkens
ſelbſts, des Begriffes als Begriffes, ſondern die Allge-
meinheit der Wirklichkeit, die Allheit der Selbſt,
und die Erhebung des Daſeyns in die Vorſtellung; wie
überall, und um ein bestimmtes Beyſpiel anzuführen,
das aufgehobne ſinnliche Dieſes, erſt das Ding der Wahr-
nehmung
, noch nicht das Allgemeine des Verſtan-
des iſt.


Dieſer einzelne Menſch alſo, als welcher das ab-
ſolute Wesen offenbar iſt, vollbringt an ihm als Ein-
zelnem die Bewegung des finnlichen Seyns. Er iſt der
unmittelbar gegenwärtige Gott; dadurch geht ſein Seyn
in Geweſenſeyn über. Das Bewuſstſeyn, für welches
er dieſe ſinnliche Gegenwart hat, hört auf, ihn zu ſe-
hen, zu hören; es hat ihn geſehen und gehört; und
erſt dadurch, daſs es ihn nur geſehen, gehört hat, wird
es ſelbſt geiſtiges Bewuſstſeyn oder wie er vorher als
ſinnliches Daſeyn für es auſſtand, ist er itzt im Geiſte
aufgestanden. — Denn als solches, das ihn ſinnlich
ſieht und hört, ist es ſelbst nur unmittelbares Bewuſst-
seyn, das die Ungleichheit der Gegenständlichkeit
nicht aufgehoben, nicht ins reine Denken zurückge-
nommen hat, ſondern dieſen gegenſtändlichen Einzel-
nen, nicht aber ſich ſelbst als Geist weiſs. In dem Ver-
ſchwinden des unmittelbaren Daſeyns des als abſolu-
[715] ten Weſens gewuſsten erhält das Unmittelbare ſein
negatives Moment; der Geist bleibt unmittelbares
Selbst der Wirklichkeit, aber als das allgemeine Selbſt-
bewuſstſeyn
der Gemeine, das in ſeiner eignen Substanz
ruht, ſo wie dieſe in ihm allgemeines Subject ist; nicht
der Einzelne für ſich, sondern zusammen mit dem
Bewuſstseyn der Gemeine, und das was er für dieſe
ist, iſt das vollständige Ganze deſſelben.


Vergangenheit und Entfernung ſind aber nur die
unvollkommne Form, wie die unmittelbare Weiſe
vermittelt oder allgemein geſetzt ist; dieſe ist nur
oberflächlich in das Element des Denkens getaucht,
ist als ſinnliche Weiſe darin aufbewahrt, und mit
der Natur des Denkens ſelbst nicht in Eins geſetzt.
Es ist nur in das Vorſtellen erhoben, denn diſs ist die
ſynthetiſche Verbindung der ſinnlichen Unmittelbar-
keit, und ihrer Allgemeinheit oder des Denkens.


Diese Form des Vorſtellens macht die Bestimmt-
heit aus, in welcher der Geist in dieſer ſeiner Ge-
meine, ſeiner bewuſst wird. Sie iſt noch nicht das
zu ſeinem Begriffe als Begriffe gediehene Selbſtbe-
wuſstſeyn deſſelben; die Vermittelung ist noch un-
vollendet. Es ist alſo in dieſer Verbindung des Seyns
und Denkens der Mangel vorhanden, daſs das gei-
stige Wesen noch mit einer unversöhnten Ent-
zweyung in ein Diſſeits und Jenſeits behaftet ist. Der
Inhalt ist der wahre, aber alle seine Momente haben
in dem Elemente des Vorstellens geſetzt, den Cha-
rakter, nicht begriffen zu ſeyn, ſondern als vollkom-
[716] men ſelbstständige Seiten zu erscheinen, die sich äus-
serlich
aufeinander beziehen. Daſs der wahre Inhalt
auch ſeine wahre Form für das Bewuſstſeyn erhalte,
dazu ist die höhere Bildung des letztern nothwen-
dig, ſeine Anſchauung der abſoluten Substanz in den
Begriff zu erheben, und für es ſelbſt ſein Bewuſst-
ſeyn mit ſeinem Selbstbewuſstſeyn auszugleichen, wie
diſs für uns oder an ſich geſchehen ist.


Dieſer Inhalt ist in der Weiſe, wie er in ſei-
nem Bewuſstſeyn ist, zu betrachten. — Der abſolute
Geist ist Inhalt, ſo ist er in der Gestalt ſeiner Wahr-
heit
. Aber ſeine Wahrheit ist nicht nur die Sub-
stanz der Gemeinde, oder das Anſich derſelben zu
ſeyn, noch auch nur aus dieſer Innerlichkeit in die
Gegenständlichkeit des Vorſtellens heraufzutreten,
ſondern wirkliches Selbst zu werden, ſich in ſich zu
reflectiren und Subject zu seyn. Diſs ist also die
Bewegung, welche er in seiner Gemeine vollbringt,
oder diſs ist das Leben deſſelben. Was dieſer ſich
offenbarende Geist an und für ſich ist, wird daher
nicht dadurch herausgebracht, daſs ſein reiches Le-
ben in der Gemeine, gleichſam aufgedreht und auf
ſeinen erſten Faden zurückgeführt wird, etwa auf
die Vorstellungen der ersten unvollkommnen Gemei-
ne, oder gar auf das, was der wirkliche Mensch
gesprochen hat. Dieſer Zurückführung liegt der In-
stinct zu Grunde, auf den Begriff zu gehen; aber sie
verwechselt den Ursprung als das unmittelbare Daseyn
der ersten Erscheinung mit der Einfachheit des Be-
[717] griffes
. Durch diese Verarmung des Lebens des Gei-
stes, durch das Wegräumen der Vorstellung der Ge-
meine und ihres Thuns gegen ihre Vorstellung, ent-
steht daher statt des Begriffes vielmehr die bloſſe
Aeuſſerlichkeit und Einzelnheit, die geschichtliche
Weiſe der unmittelbaren Erscheinung und die geist-
lose Erinnerung einer einzelnen gemeynten Gestalt
und ihrer Vergangenheit.


Der Geist ist Inhalt ſeines Bewuſstseyns zuerst
in der Form der reinen Subſtanz, oder ist Inhalt sei-
nes reinen Bewuſstſeyns. Diſs Element des Denkens
ist die Bewegung, zum Daſeyn oder der Einzelnheit
herunter zu steigen. Die Mitte zwiſchen ihnen ist
ihre ſynthetiſche Verbindung, das Bewuſstſeyn des
Anderswerdens oder das Vorstellen als ſolches. Das
dritte ist die Rückkehr aus der Vorstellung und dem
Andersſeyn oder das Element des Selbstbewuſstſeyns
ſelbst. — Dieſe drey Momente machen den Geist
aus; ſein Auseinandertreten in der Vorstellung be-
steht darin, auf eine beſtimmte Weise zu seyn; dieſe
Bestimmtheit aber ist nichts anderes, als eines ſeiner
Momente. Seine ausführliche Bewegung ist alſo die-
se, in jedem seiner Momente, als in einem Elemen-
te ſeine Natur auszubreiten; indem jeder dieſer
Kreiſe ſich in ſich vollendet, ist diese seine Refle-
xion in ſich zugleich der Uebergang in den Andern.
Die Vorſtellung macht die Mitte zwiſchen dem rei-
nen Denken und dem Selbstbewuſsseyn als solchem
aus, und ist nur eine der Bestimmtheiten; zugleich
[718] aber, wie ſich gezeigt, ist ihr Charakter, die ſynthe-
tiſche Verbindung zu seyn, über alle dieſe Elemente
ausgebreitet, und ihre gemeinſchaftliche Bestimmt-
heit.


Der Inhalt ſelbst, der zu betrachten ist, ist zum
Theil ſchon als die Vorstellung des unglücklichen und
glaubenden Bewuſstseyns vorgekommen; — in jenem
aber in der Bestimmung des aus dem Bewuſstſeyn her-
vorgebrachten
und erſehnten Inhalts, worin der Geiſt
sich nicht erſättigen noch Ruhe finden kann, weil er
noch nicht an ſich oder als ſeine Subſtanz ſein Inhalt
iſt; — in dieſem dagegen iſt er als das ſelbſtloſe We-
ſen
der Welt oder als weſentlich gegenſtändlicher In-
halt des Vorstellens betrachtet worden, — eines Vor-
ſtellens, das der Wirklichkeit überhaupt entflieht,
und daher ohne die Gewiſsheit des Selbſtbewuſstſeyns iſt,
die ſich theils als Eitelkeit des Wiſſens theils als reine
Einſicht von ihm trennt. — Das Bewuſstseyn der Ge-
meine hingegen hat ihn zu ſeiner Subſtanz, ebenſo als
er ihre Gewiſsheit des eignen Geiſtes iſt.


Der Geist zuerst als Subſtanz im Elemente des rei-
nen Denkens
vorgeſtellt, iſt er hiemit unmittelbar das
einfache ſich ſelbſtgleiche, ewige Weſen, das aber nicht
dieſe abſtracte Bedeutung des Weſens, ſondern die Be-
deutung des abſoluten Geiſtes hat. Allein der Geiſt
iſt diſs, nicht Bedeutung, nicht das Innre, ſondern
das Wirkllche zu ſeyn. Das einfache ewige Weſen
daher würde nur dem leeren Worte nach Geiſt ſeyn,
wenn es bey der Vorſtellung und dem Ausdrucke des
[719] einfachen ewigen Wesens bliebe. Das einfache We-
ſen aber, weil es die Abſtraction ist, ist es in der
Tha das negative an ſich ſelbſt, und zwar die Nega-
tivität des Denkens oder ſie wie ſie im Weſen an ſich
iſt; d. h. es iſt der abſolute Unterſchied von ſich, oder
ſein reines Anderswerden. Als Weſen iſt es nur an
ſich
oder für uns; aber indem dieſe Reinheit eben
die Abſtraction oder Negativität iſt, iſt es für ſich
ſelbſt
, oder das Selbſt, der Begriff. — Es iſt alſo ge-
genſtändlich;
und indem die Vorſtellung die ſo eben
ausgeſprochne Nothwendigkeit des Begriffs als ein Ge-
ſchehen
auffaſst und ausſpricht, ſo wird geſagt wer-
den, daſs das ewige Weſen ſich ein Anderes erzeugt.
Aber in dieſem Andersſeyn iſt es ebenſo unmittel-
bar in ſich zurückgekehrt; denn der Unterſchied iſt
der Unterſchied an ſich, d. h. er iſt unmittelbar nur
von ſich ſelbſt unterſchieden, er iſt alſo die in ſich
zurückgekehrte Einheit.


Es unterſcheiden ſich alſo die drey Momente,
des Weſens, des Fürſichſeyns, welches das Anders-
ſeyn des Weſens iſt und für welches das Weſen iſt,
und des Fürſichſeyns oder ſich ſelbſt Wiſſens im An-
dern
. Das Weſen ſchaut nur ſich ſelbſt in ſeinem
Fürſichſeyn an; es iſt in dieſer Entäuſſerung nur bey
ſich das Fürſichſeyn, das ſich von dem We-
ſen ausſchlieſst, iſt das Wiſſen des Weſens ſeiner ſelbſt;
es iſt das Wort, das ausgeſprochen den Ausſprechen-
den entäuſſert und ausgeleert zurückläſst, aber eben-
ſo unmittelbar vernommen iſt, und nur dieſes ſich
[720] ſelbſt Vernehmen iſt das Daſeyn des Wortes. So daſs
die Unterſchiede, die gemacht ſind, ebenſo unmittel-
bar aufgelöst als ſie gemacht, und ebenſo unmittel-
bar gemacht als ſie aufgelöst ſind, und das Wahre
und Wirkliche eben dieſe in ſich kreiſende Bewe-
gung iſt.


Dieſe Bewegung in ſich ſelbſt ſpricht das abſo-
lute Weſen als Geiſt aus; das abſolute Weſen, das
nicht als Geiſt erfaſst wird, iſt nur das abſtracte
Leere, ſo wie der Geiſt, der nicht als dieſe Bewe-
gung erfaſst wird, nur ein leeres Wort iſt. Indem
ſeine Momente in ihrer Reinheit gefaſst werden, ſind
ſie die ruheloſen Begriffe, die nur ſind ihr Gegen-
theil an ſich ſelbſt zu ſeyn und ihre Ruhe im Gan-
zen zu haben. Aber das Vorſtellen der Gemeine iſt
nicht diſs begreiffende Denken; ſondern hat den Inhalt
ohne ſeine Nothwendigkeit, und bringt ſtatt der
Form des Begriffes die natürlichen Verhältniſſe von
Vater und Sohn in das Reich des reinen Bewuſst-
seyns. Indem es ſo im Denken ſelbſt ſich vorſtellend
verhält, iſt ihm das Weſen zwar offenbar, aber die
Momente deſſelben treten ihm um dieſer ſyntheti-
ſchen Vorſtellung willen theils ſelbſt auseinander, ſo
daſs ſie nicht durch ihren eiguen Begriff ſich aufein-
ander bezichen, theils tritt es von dieſem ſeinem rei-
nen Gegenſtand zurück, bezieht ſich nur äuſſerlich
auf ihn; er iſt ihm von einem Fremden geoffenbart,
und in dieſem Gedanken des Geiſtes erkennt es nicht ſich
ſelbſt, nicht die Natur des reinen Selbstbewuſstseyns.
[721] Inſofern über die Form des Vorſtellens und jener Ver-
hältniſſe, die aus dem Natürlichen hergenommen ſind,
und damit beſonders auch darüber hinausgegangen wer-
den muſs, die Momente der Bewegung, die der Geiſt
iſt, für iſolirte nichtwankende Substanzen oder Sub-
jecte, statt für übergehende Momente zu nehmen, —
ist diſs Hinausgehen, wie vorhin bey einer andern Sei-
te erinnert wurde, für ein Drängen des Begriffes an-
zusehen; aber indem es nur Inſtinkt ist, verkennt es
ſich, verwirft mit der Form auch den Inhalt, und,
was daſſelbe ist, ſetzt ihn zu einer geſchichtlichen Vor-
stellung und einem Erbstücke der Tradition herab;
hierin ist das rein Aeuſſerliche des Glaubens nur bey-
behalten, und damit als ein erkenntniſsloses Todtes,
das Innerliche deſſelben aber ist verschwunden, weil
diſs der Begriff wäre, der ſich als Begriff weiſs.


Der abſolute Geist, im reinen Weſen vorgestellt,
ist zwar nicht das abſtracte reine Weſen, ſondern die-
ſes ist vielmehr ebendadurch, daſs es im Geiste nur
Moment ist, zum [Elemente] herabgeſunken. Die Dar-
stellung des Geistes aber in dieſem Elemente hat den-
ſelben Mangel der Form nach an ſich, den das Weſen
als Weſen hat. Das Weſen ist das abſtracte, und da-
rum das negative ſeiner Einfachheit, ein anderes;
ebenſo der Geiſt im Elemente des Weſens ist die Form
der einfachen Einheit, die darum ebenſo weſentlich ein
Anderswerden ist. — Oder was daſſelbe ist, die Be-
ziehung des ewigen Weſens auf ſein Fürſichseyn ist
Z z
[722] die unmittelbar-einfache des reinen Denkens; in die-
sem einfachen Anſchauen ſeiner ſelbſt im Andern ist
alſo das Andersſeyn nicht als ſolches geſetzt; es ist der
Unterſchied, wie er im reinen Denken unmittelbar
kein Unterſchied ist; ein Anerkennen der Liebe, worin
die beyden nicht ihrem Weſen nach ſich entgegenſetz-
ten
. — Der Geist, der im Elemente des reinen Den-
kens ausgeſprochen ist, ist weſentlich ſelbst dieſes,
nicht in ihm nur, ſondern Wirklicher zu ſeyn, denn
in ſeinem Begriffe liegt ſelbst das andersſeyn, d. h. das
Aufheben des reinen nur gedachten Begriffes.


Das Element des reinen Denkens, weil es das ab-
stracte ist, ist ſelbst vielmehr das Andre ſeiner Ein-
fachheit, und geht daher in das eigentliche Element
des Vorſtellens über, — das Element, worin die Mo-
mente des reinen Begriffes ein ſubſtantielles Daſeyn
ebenſo gegeneinander erhalten, als ſie Subjecte ſind, die
nicht für ein drittes die Gleichgültigkeit des Seyns ge-
geneinander haben, ſondern in ſich reflectirt ſich
ſelbst voneinander abſondern und entgegen ſtellen.


Der alſo nur ewige oder abstracte Geist wird ſich
ein Anders oder tritt in das Daſeyn und unmittelbar in
das unmittelbare Daſeyn. Er erſchafft alſo eine Welt.
Dieſes Erſchaffen ist das Wort der Vorſtellung für
den Begriff ſelbst nach ſeiner abſoluten Bewegung,
oder dafür daſs das als abſolut ausgeſagte Einfache oder
reine Denken, weil es das abstracte ist, vielmehr das
negative und hiemit ſich entgegengeſetzte oder Andre
ist; — oder weil um daſſelbe noch in einer andern
[723] Form zu ſagen, weil das als Weſen geſetzte die einfa-
che Unmittelburkeit oder das Seyn ist, aber als Unmit-
telbarkeit oder Seyn, des Selbsts entbehrt, und alſo,
der Innerlichkeit ermangelnd paſſiv oder Seyn für an-
deres
ist. — Diſs Seyn für anderes ist zugleich eine Welt;
der Geiſt, in der Bestimmung des Seyns für anderes ist
das ruhige Bestehen der vorhin in das reine Denken
eingeſchloſſenen Momente, alſo die Auflösung ihrer
einfachen Allgemeinheit und das Auseinandergehen
derſelben in ihre eigne Beſonderheit.


Die Welt ist aber nicht nur dieſer auseinander in
die Vollständigkeit und deren auſſere Ordnung gewor-
fene Geist, ſondern da er weſentlich das einfache Selbſt
ist, ist dieſes an ihr ebenso vorhanden; der daſeyende
Geist, der das einzelne Selbst ist, welches das Bewuſst-
ſeyn hat, und ſich als Andres oder als Welt von ſich
unterſcheidet. — Wie dieſes einzelne Selbst ſo unmit-
telbar erst geſetzt ist, ist es noch nicht Geist für ſich;
es iſt alſo nicht als Geiſt, es kann unſchuldig, aber nicht
wohl gut genannt werden. Daſs es in der That Selbst
und Geist ſey, muſs es ebenſo, wie das ewige Wesen
ſich als die Bewegung in ſeinem Andersſeyn ſich ſelbſt
gleich zu ſeyn darstellt, zunächst ſich ſelbst ein Ande-
res
werden. Indem dieſer Geist bestimmt ist, als erst
unmittelbar daſeyend oder als in die Mannichfaltigkeit
ſeines Bewuſstseyns zerstreut, so ist ſein Anderswer-
den das inſich gehen des Wiſſens überhaupt. Das un-
mittelbare Daſeyn ſchlägt in den Gedanken, oder das
Z z 2
[724] nur ſinnliche Bewuſstseyn in das Bewuſstseyn des Ge-
dankens um, und zwar, weil er der aus der Unmit-
telbarkeit herkommende oder bedingte Gedanke ist, ist
er nicht das reine Wiſſen, ſondern der Gedanke, der
das Andersſeyn an ihm hat, und alſo der ſich ſelbſt
entgegengeſetzte Gedanke des Guten und Böſen. Der
Menſch wird ſo vorgestellt, daſs es geſchehen ist, als
etwas nicht nothwendiges, — daſs er die Form der
Sichſelbſtgleichheit durch das Pflücken vom Baume
des Erkenntniſſes des Guten und Böſen verlor, und aus
dem Zustande des unſchuldigen Bewuſstseyns, aus der
arbeitlos ſich darbietenden Natur und dem Para-
dieſe, dem Garten der Thiere, vertrieben wurde.


Indem diſs Infichgehen des daſeyenden Bewuſst-
seyns ſich unmittelbar als das ſich ſelbst ungleich wer-
den bestimmt, so erscheint das Böſe als das erste Da-
ſeyn des in ſich gegangenen Bewuſstseyns; und weil
die Gedanken des Guten und Böſen ſchlechthin entge-
gengeſetzte, und dieſe Entgegenſetzung noch nicht auf-
gelöst ist, ſo ist diſs Bewuſstseyn weſentlich nur das
Böſe. Zugleich aber ist um eben dieſer Entgegenſe-
tzung willen auch das gute Bewuſstseyn gegen es vor-
handen, und ihr Verhältniſs zu einander. — Inſofern
das unmittelbare Daſeyn in den Gedanken umſchlägt,
und das inſichſeyn theils ſelbst Denken, theils das Mo-
ment des Anderswerdens des Weſens damit näher be-
ſtimmt iſt, ſo kann das Böſewerden, weiter rückwärts
aus der daseyenden Welt hinaus schon in das erste
Reich des Denkens verlegt werden. Es kann alſo ge-
[725] ſagt werden, daſs ſchon der erstgebohrne Lichtſohn,
als in ſich gehend es ſey, der abgefallen aber an deſ-
ſen Stelle ſogleich ein anderer erzeugt worden. Solche
bloſs der Vorstellung nicht dem Begriff angehörige
Form, wie Abfallen; ebenſo wie Sohn, ſetzt übri-
gens die Momente des Begriffs ebenſo umgekehrt in
das Vorstellen herab, oder trägt das Vorstellen in das
Reich des Gedankens hinüber. — Ebenso gleichgültig
ist es, dem einfachen Gedanken des Andersſeyns im
ewigen Weſen noch eine Mannichfaltigkeit anderer
Geſtalten beyzuordnen, und das Inſichgehen in dieſe
zu verlegen. Dieſe Beyordnung muſs darum zugleich
gut geheiſſen werden, weil dadurch diſs Moment des
Andersſeyns, wie es ſoll, die Verſchiedenheit zugleich
ausdrückt; und zwar nicht als Vielheit überhaupt,
ſondern zugleich als beſtimmte Verſchiedenheit, ſo
daſs der eine Theil, der Sohn, das einfache ſich ſelbſt
als Weſen wiſſende iſt, der andre Theil aber, die Ent-
äuſſerung des Fürſichſeyns, die nur im Preiſſe des We-
ſens lebt; in dieſen Theile kann dann auch wieder das
Zurücknehmen des entäuſſerten Fürſichſeyns und das
Inſichgehen des Böſen gelegt werden. Insofern das An-
dersſeyn in zwey zerfällt, wäre der Geist in ſeinen Mo-
menten bestimmter, und wenn ſie gezählt werden, als
Viereinigkeit, oder weil die Menge wieder ſelbſt in
zwey Theile, nemlich in gutgebliebne und böſe ge-
wordne zerfällt, gar als Fünfeinigkeit ausgedrückt. —
Die Momente aber zu zählen kann überhaupt als unnütz
angeſehen werden, indem theils das Unterſchiedne
[726] ſelbſt ebenſoſehr nur Eines iſt, nemlich eben der Ge-
danke
des Unterſchiedes, der nur Ein Gedanke ist,
als er dieſes Unterſchiedne, das zweyte gegen das Erſte
iſt, — theils aber weil der Gedanke, der das Viele in
Eines befaſst, aus ſeiner Allgemeinheit aufgelöst und
in mehr als drey oder vier Unterſchiedne unterſchie-
den werden muſs; — welche Allgemeinheit gegen
die abſolute Beſtimmtheit des abſtracten Eins, des
Princips der Zahl, als Unbeſtimmtheit in der Bezie-
hung auf die Zahl ſelbſt erſcheint, ſo daſs nur von
Zahlen überhaupt, d. h, nicht von einer Anzahl der
Unterſchiede die Rede ſeyn könnte, alſo hier über-
haupt an Zahl und ans Zählen zu denken ganz über-
flüſſig, wie auch ſonſt der bloſſe Unterſchied der Gröſ-
ſe und Menge begrifflos und nichts ſagend iſt.


Das Gute und das Böſe waren die beſtimmten
Unterſchiede des Gedankens, die ſich ergaben. In-
dem ihr Gegenſatz ſich noch nicht aufgelöſt, und ſie
als Weſen des Gedankens vorgeſtellt werden, deren
jedes für ſich ſelbſtſtändig iſt, ſo iſt der Menſch das
weſenloſe Selbſt und der ſynthetiſche Boden ihres
Daſeyns und Kampfs. Aber dieſe allgemeinen Mäch-
te gehören ebenſoſehr dem Selbſt an oder das Selbſt
iſt ihre Wirklichkeit. Nach dieſem Momente ge-
ſchieht es alſo, daſs wie das Böſe nichts anderes iſt,
als das Inſichgehen des natürlichen Daſeyns des Gei-
ſtes, umgekehrt das Gute in die Wirklichkeit tritt und
als ein daſeyendes Selbſtbewuſstſeyn erſcheint. — Was
im rein gedachten Geiſte als das Anderswerden des
[727] göttlichen Weſens überhaupt nur angedeutet iſt, tritt
hier ſeiner Realiſirung für das Vorſtellen näher; ſie
beſteht ihm in der Selbſterniedrigung des göttlichen
Weſens, das auf ſeine Abſtraction und Unwirklich-
keit Verzicht thut. — Die andere Seite, das Böſe,
nimmt das Vorſtellen als ein dem göttlichen Wesen
fremdes Geſchehen; es in demſelben ſelbſt, als ſeinen
Zorn
zu faſſen, iſt die höchſte, härteſte Anſtrengung
des mit ſich ſelbſt ringenden Vorſtellens, die, da ſie
des Begriffs entbehrt, fruchtlos bleibt.


Die Entfremdung des göttlichen Weſens ist al-
ſo auf ihre gedoppelte Weiſe geſetzt; das Selbſt des
Geiſtes und ſein einfacher Gedanke ſind die beyden
Momente, deren abſolute Einheit der Geist ſelbſt iſt;
ſeine Entfremdung beſteht darin, daſs ſie auseinan-
dertreten und das eine einen ungleichen Werth ge-
gen das andre hat. Dieſe Ungleichheit iſt darum die
gedoppelte, und es entſtehen zwey Verbindungen,
deren gemeinſchaftliche Momente die angegebnen
ſind. In der einen gilt das göttliche Weſen als das
Weſentliche, das natürliche Daſeyn aber und das
Selbſt als das unweſentliche und aufzuhebende; in der
andern gilt dagegen das Fürſichſeyn als das Weſentli-
che, und das einfache Göttliche als das unweſentli-
che. Ihre noch leere Mitte ist das Daſeyn überhaupt,
die bloſſe Gemeinſchafftlichkeit der beyden Momente
derſelben.


Die Auflöſung dieſes Gegenſatzes geſchieht nicht
ſowohl durch den Kampf der beyden, die als getrenn-
[728] te und ſelbſtſtändige Weſen vorgeſtellt ſind. In ihrer
Selbſtſtändigkeit liegt es, daſs an ſich, durch ſeinen Be-
griff, jedes an ihm ſelbſt ſich auflöſen muſs; der Kampf
fällt erſt dahin, wo beyde aufhören, dieſe Vermiſchun-
gen des Gedankens und des ſelbſtſtändigen Daſeyns zu
ſeyn, und wo ſie nur als Gedanken einander gegenü-
berſtehen. Denn alsdenn ſind ſie als beſtimmte Be-
griffe weſentlich nur in der entgegengeſetzten Bezie-
hung; als ſelbſtſtändige hingegen haben ſie auſſer der
Entgegenſetzung ihre Weſentlichkeit; ihre Bewegung
iſt alſo die freye und eigne ihrer ſelbſt. Wie alſo die
Bewegung beyder, die Bewegung an ſich iſt, weil ſie
an ihnen ſelbſt zu betrachten iſt, ſo fängt ſie auch das-
jenige von beyden an, welches als das Anſichſeyende ge-
gen das andre beſtimmt ist. Es wird diſs als ein frei-
williges Thun vorgeſtellt; aber die Nothwendigkeit
ſeiner Entäuſſerung liegt in dem Begriffe, daſs das
Anſichſeyende, welches nur im Gegenſatze ſo beſtimmt
iſt, ebendarum nicht wahrhaftes Beſtehen hat; — das-
jenige alſo, dem nicht das Fürſichſeyn, ſondern das
[Einfache] als das Weſen gilt, ist es, das ſich ſelbst ent-
äuſſert, in den Tod geht, und dadurch das abſolute
Weſen mit ſich ſelbſt verſöhnt. Denn in dieſer Be-
wegung ſtellt es ſich als Geiſt dar; das abſtracte We-
ſen iſt ſich entfremdet, es bat natürliches Daſeyn und
ſelbſtiſche Wirklichkeit; diſs ſein Andersſeyn oder
ſeine ſinnliche Gegenwart wird durch das zweyte An-
derswerden zurückgenommen, und als aufgehobne,
als allgemeine geſetzt; dadurch iſt das Weſen in ihr
[729] ſich ſelbſt geworden; das unmittelbare Daſeyn der
Wirklichkeit hat aufgehört ein ihm fremdes oder äuſ-
ſerliches zu ſeyn, indem es aufgehobnes, allgemeines
ist; dieſer Tod ist daher ſein Erſtehen als Geiſt.


Die aufgehobne unmittelbare Gegenwart des
ſelbſtbewuſsten Weſens iſt es als allgemeines Selbſtbe-
wuſstſeyn; dieſer Begriff des aufgehobnen einzelnen
Selbſts, das abſolutes Weſen iſt, drückt daher unmit-
telbar die Conſtituirung einer Gemeinde aus, die bis-
her im Vorſtellen verweilend itzt in ſich als in das
Selbſt zurückkehrt; und der Geiſt geht ſomit aus dem
zweiten Elemente ſeiner Beſtimmung, dem Vorſtel-
len, in das dritte, das Selbſtbewuſstseyn als ſolches
über. — Betrachten wir noch die Art, wie jenes Vor-
ſtellen ſich in ſeinem Fortgange benimmt, ſo ſehen
wir zuerſt diſs ausgedrückt, daſs das göttliche Weſen
die menſchliche Natur annimmt. Darin iſt es ſchon
ausgeſprochen, daſs an ſich beyde nicht getrennt ſind;
— wie darin, daſs das göttliche Weſen ſich ſelbſt von
Anfang
entäuſſert, ſein Daſeyn in ſich geht und böſe
wird, es nicht ausgeſprochen, aber darin enthalten iſt,
daſs anſich diſs böſe Daſeyn nicht ein ihm Fremdes iſt;
das abſolute Weſen hätte nur dieſen leeren Nahmen,
wenn es in Wahrheit ein ihm Anderes, wenn es ei-
nen Abfall von ihm gäbe; — das Moment des Inſich-
ſeyns
macht vielmehr das weſentliche Moment des
Selbsts des Geistes aus. — Daſs das Inſichſeyn und da-
mit erſt Wirklichkeit dem Weſen ſelbſt angehöre, diſs
was für uns Begriff ist, und inſofern es Begriff iſt,
[730] erſcheint dem vorſtellenden Bewuſstſeyn als ein unbe-
greiffliches Geſchehen; das Anſich nimmt die Form des
gleichgültigen Seyns für es an. Der Gedanke aber, daſs
jene ſich zu fliehen ſcheinende Momente, des abſolu-
ten Weſens und des fürſichſeyenden Selbſts, nicht ge-
trennt ſind, erſcheint dieſem Vorſtellen auch, — denn
es beſitzt den wahren Inhalt, — aber nachher, — in
der Entäuſſerung des göttlichen Weſens, das Fleiſch
wird. Dieſe Vorſtellung, die auf dieſe Weiſe noch
unmittelbar und daher nicht geiſtig iſt, oder die menſch-
liche Geſtalt des Weſens nur erſt als eine beſondre,
noch nicht allgemeine weiſs, wird für diſs Bewuſst-
ſeyn geiſtig in der Bewegung des geſtalteten Weſens
ſein unmittelbares Daſeyn wieder aufzuopfern, und
zum Weſen zurückzukehren; das Weſen als in ſich re-
flectirtes
iſt erſt der Geiſt. — Die Verſohnung des gött-
lichen Weſens mit dem Andern überhaupt und be-
ſtimmt mit dem Gedanken deſſelben, dem Böſen, iſt
alſo hierin vorgeſtellt. — Wenn dieſe Verſöhnung
nach ihrem Begriffe ſo ausgedrückt wird, daſs ſie darin
beſtehe, weil an ſich das Böſe daſſelbe ſey, was das
Gute, oder auch das göttliche Weſen daſſelbe, was die
Natur in ihrem ganzen Umfange, ſo wie die Natur
getrennt vom göttlichen Weſen nur das Nichts, — ſo
iſt diſs als eine ungeiſtige Weiſe ſich auszudrücken anzu-
ſehen, die nothwendig Misverſtändniſſe erwecken muſs.
— Indem das Böſe daſſelbe iſt, was das Gute, iſt eben das
Böſe nicht Böſes noch das Gute Gutes, ſondern beyde
ſind vielmehr aufgehoben, das Böſe überhaupt das
[731] inſichſeyende Fürſichſeyn, und das Gute das ſelbſtloſe
Einfache. Indem ſo beyde nach ihrem Begriffe ausge-
ſprochen werden, erhellt zugleich ihre Einheit; denn
das inſichſeyende Fürſichſeyn iſt das einfache Wiſſen;
und das ſelbſtloſe Einfache iſt ebenſo das reine in
ſich ſeyende Fürſichſeyn. — Soſehr daher geſagt wer-
den muſs, daſs nach dieſem ihrem Begriffe das Gu-
te und Böſe, d. h. inſofern ſie nicht das Gute und
das Böſe ſind, daſſelbe ſeyen, ebenſoſehr muſs also
geſagt werden, daſs ſie nicht daſſelbe, ſondern ſchlecht-
hin verſchieden ſind, denn das einfache Fürſichſeyn,
oder auch das reine Wiſſen ſind gleicherweiſe die
reine Negativität, oder der abſolute Unterſchied an
ihnen ſelbſt. — Erſt dieſe beyden Sätze vollenden
das Ganze, und dem Behaupten und Verſichern des
erſten muſs mit unüberwindlicher Hartnäckigkeit das
Feſthalten an dem andern gegenübertreten; indem
beyde gleich Recht haben, haben beyde gleich Un-
recht, und ihr Unrecht beſteht darin, ſolche abſtrac-
te Formen, wie daſſelbe, und nicht daſſelbe, die Iden-
tität
und die Nichtidentität für etwas wahres, feſtes,
wirkliches zu nehmen, und auf ihnen zu beruhen.
Nicht das eine oder das andre hat Wahrheit, ſon-
dern eben ihre Bewegung, daſs das einfache Daſſelbe
die Abſtraction und damit der abſolute Unterſchied,
dieſer aber als Unterſchied an ſich von ſich ſelbſt
unterſchieden alſo die Sichſelbſtgleichheit iſt. Eben-
diſs iſt der Fall mit der Dieſelbigkeit des göttlichen
Weſens und der Natur überhaupt und der meuſch-
[732] lichen insbeſondre; jenes iſt Natur, inſofern es nicht
Weſen iſt; dieſe iſt göttlich nach ihrem Weſen; —
aber es iſt der Geiſt, worin beyde abſtracte Seiten
wie ſie in Wahrheit ſind, nemlich als aufgehobne ge-
ſetzt ſind, — ein Setzen, das nicht durch das Ur-
theil, und das geiſtloſe iſt, die copula deſſelben, aus-
gedrückt werden kann. — Ebenso iſt die Natur
Nichts auſſer ihrem Weſen; aber diſs Nichts ſelbſt
iſt ebenſoſehr; es iſt die abſolute Abſtraction, alſo
das reine Denken oder inſichſeyn, und mit dem Mo-
mente ſeiner Entgegenſetzung gegen die geiſtige Ein-
heit iſt es das Böſe. Die Schwierigkeit, die in die-
ſen Begriffen ſtatt findet, iſt allein das Feſthalten am;
iſt, und das Vergeſſen des Denkens, worin die Mo-
meute ebenſo ſind als nicht ſind, — nur die Bewe-
gung ſind, die der Geiſt iſt. — Dieſe geiſtige Einheit
oder die Einheit, worin die Unterſchiede nur als
Momente oder als aufgehobne ſind, iſt es, die für
das vorſtellende Bewuſstseyn in jener Verſöhnung
geworden, und indem ſie die Allgemeinheit des Selbſt-
bewuſstseyns iſt, hat dieſes aufgehört, vorſtellendes
zu ſeyn; die Bewegung iſt in es zurückgegangen.


Der Geiſt iſt alſo in dem dritten Elemente, im
allgemeinen Selbſtbewuſstseyn geſetzt; er iſt seine Ge-
meinde
. Die Bewegung der Gemeinde als des Selbſt-
bewuſstſeyns, das ſich von ſeiner Vorſtellung unter-
ſcheidet, iſt das hervorzubringen, was an ſich gewor-
den iſt. Der geſtorbne göttliche Menſch, oder menſch-
liche Gott iſt an ſich das allgemeine Selbſtbewuſst-
[733] ſeyn; er hat diſs für diſs Selbſtbewuſstseyn zu werden.
Oder indem es die Eine Seite des Gegenſatzes der
Vorstellung ausmacht, nemlich die Böſe, der das
natürliche Daſeyn und das einzelne Fürſichſeyn als
das Wesen gilt, so hat diese, die als selbstständig,
noch nicht als Moment vorgeſtellt ist, um ihrer Selbſt-
ſtändigkeit willen an und für ſie ſelbſt ſich zum Geiſte
zu erheben, oder die Bewegung deſſelben an ihr dar-
zuſtellen.


Sie iſt der natürliche Geiſt; das Selbſt hat aus die-
ſer Natürlichkeit ſich zurückzuziehen und in ſich zu
gehen, das hieſſe, böſe zu werden. Aber ſie iſt ſchon
an ſich böſe; das inſichgehen beſteht daher darin ſich zu
überzeugen
, daſs das natürliche Daſeyn das Böse iſt.
In das vorstellende Bewuſstſeyn fällt das daseyende Bö-
sewerden und Böseseyn der Welt, so wie die daseyen-
de
Versöhnung des absoluten Wesens; in das Selbſt-
bewuſstseyn
aber als solches, fällt der Form nach die-
ses Vorgestellte nur als aufgehobnes Moment, denn
das Selbſt ist das Negative; also das Wiſſen, — ein Wis-
sen, das ein reines Thun des Bewuſstseyns in sich selbst
ist. — An dem Inhalte muſs diſs Moment des Negativen
gleichfalls sich ausdrücken. Indem nemlich das We-
sen an ſich mit sich schon versöhnt, und geistige Ein-
heit ist, worin die Theile der Vorstellung aufgehobne
oder Momente sind, so stellt sich diſs dar, daſs jeder
Theil der Vorstellung hier die entgegengesetzte Bedeu-
tung erhält, als er vorher hatte; jede Bedeutung ver-
vollständigt sich dadurch an der andern, und der In-
[734] halt ist erst dadurch ein geistiger; indem die Bestimmt-
heit ebensosehr ihre entgegengesetzte ist, ist die Ein-
heit im Andersſeyn, das geistige, vollendet; wie sich
für uns oder an ſich vorhin die entgegengesetzten Be-
deutungen vereinigten, und selbst die abstracten For-
men des deſſelben und des nicht deſſelben, der Identität
und Nichtidentität aufhoben.


Wenn also in dem vorstellenden Bewuſstſeyn das
Innerlichwerden des natürlichen Selbſtbewuſstseyns,
das daseyende Böse war, so ist das Innerlichwerden im
Elemente des Selbstbewuſstſeyns das Wiſſen von dem
Bösen
als einem solchen, das anſich im Daseyn ist,
Diſs Wiſſen ist also allerdings ein Bösewerden, aber
nur Werden des Gedankens des Bösen, und ist darum
als das erste Moment der Versöhnung anerkannt. Denn
als ein Zurückgehen in ſich aus der [Unmittelbarkeit]
der Natur, die als das Böse bestimmt ist, ist es ein
Verlaſſen derselben, und das Absterben der Sünde.
Nicht das natürliche Daseyn als solches wird von dem
Bewuſstſeyn verlaſſen, sondern es zugleich als ein sol-
ches, das als Böses gewuſst wird. Die unmittelbare
Bewegung des insichgehens ist ebensosehr eine vermit-
telte; — sie setzt sich selbst voraus oder ist ihr eigner
Grund; der Grund des insichgehens ist nemlich, weil
die Natur schon an sich insichgegangen ist; um des
Bösen willen muſs der Mensch in sich gehen, aber
das Böse ist selbst das insichgehen. — Diese erste Be-
wegung ist eben darum selbst nur die unmittelbare,
oder ihr einfacher Begriff, weil sie daſſelbe, was ihr
[735] Grund ist. Die Bewegung oder das Anderswerden
muſs daher in seiner eigentlichern Form erst noch
eintreten.


Auſſer dieser Unmittelbarkeit ist also die Vermitt-
lung
der Vorstellung nothwendig. Anſich ist das Wis-
sen
von der Natur als dem unwahren Daseyn des Gei-
stes, und diese insich gewordne Allgemeinheit des
Selbsts die Versöhnung des Geistes mit sich selbst.
Diſs Anſich erhält für das nicht begreiffende Selbstbe-
wuſstſeyn die Form eines Seyenden und ihm vorgeſtell-
ten
. Das Begreiffen also ist ihm nicht ein Ergreiſſen
dieses Begriffes, der die aufgehobne Natürlichkeit als
allgemeine also als mit sich selbst versöhnte weiſs,
sondern ein Ergreiffen jener Vorstellung, daſs durch
das Geschehen der eignen Entäuſſerung des göttlichen
Wesens, durch seine geschehene Menschwerdung und
seinen Tod das göttliche Wesen mit seinem Daseyn
versöhnt ist. — Das Ergreiffen dieser Vorstellung
drückt nun bestimmter dasjenige aus, was vorhin in
ihr das geistige Auferstehen genannt wurde, oder
das Werden seines einzelnen Selbſtbewuſstseyns zum
allgemeinen oder zur Gemeinde. — Der Tod des gött-
lichen Menschen als Tod ist die abstracte Negativität,
das unmittelbare Resultat der Bewegung, die nur in
die natürliche Allgemeinheit sich endigt. Diese na-
türliche Bedeutung verliert er im geistigen Selbstbe-
wuſstseyn, oder er wird sein so eben angegebner Be-
griff; der Tod wird von dem, was er unmittelbar
bedeutet, von dem Nichtseyn dieses Einzelnen ver-
[736] klärt zur Allgemeinheit des Geistes, der in seiner Ge-
meine lebt, in ihr täglich stirbt und aufersteht.


Dasjenige, was dem Elemente der Vorstellung an-
gehört, daſs der absolute Geist, als ein einzelner oder
vielmehr als ein besonderer an seinem Daseyn die
Natur des Geistes vorstellt, ist also hier in das Selbſt-
bewuſstseyn selbst versetzt, in das in seinem Anders-
seyn
sich erhaltende Wiſſen; diſs ſtirbt daher nicht
wirklich, wie der Besondere vorgeſtellt wird, wirklich
gestorben zu seyn, sondern seine Besonderheit er-
stirbt in seiner Allgemeinheit, das heiſst, in seinem
Wiſſen, welches das sich mit sich versöhnende We-
sen ist. Das zunächst vorhergehende Element des Vor-
ſtellens
ist also hier als aufgehobnes gesetzt, oder es
ist in das Selbst, in seinen Begriff, zurückgegangen;
das in jenem nur Seyende ist zum Subjecte gewor-
den. — Ebendamit ist auch das erſte Element, das
reine Denken
und der in ihm ewige Geist nicht mehr
jenſeits des vorstellenden Bewuſstseyns noch des Selbſts,
sondern die Rückkehr des Ganzen in sich ist ebendiſs
alle Momente in sich zu enthalten. — Der vom Selbſt
ergriffne Tod des Mittlers ist das Aufheben seiner
Gegenſtändlichkeit oder seines besondern Fürſichseyns;
diſs [besondre] Fürsichseyn ist allgemeines Selbſtbewuſst-
seyn geworden. — Auf der andern Seite ist das All-
gemeine
ebendadurch Selbſtbewuſstseyn, und der rei-
ne oder unwirkliche Geiſt des bloſſen Denkens wirk-
lich
geworden. — Der Tod des Mittlers ist Tod nicht
nur der natürlichen Seite deſſelben oder seines beson-
[737] dern Fürſichſeyns, es ſtirbt nicht nur die vom We-
sen abgezogne schon todte Hülle, sondern auch die
Abſtraction des göttlichen Wesens. Denn er ist, in-
ſofern ſein Tod die Verſöhnung noch nicht vollen-
det hat, das einseitige, welches das einfache des Den-
kens als das Wesen weiſs im Gegensatze gegen die Wirk-
lichkeit; diſs Extrem des Selbſts hat noch nicht glei-
chen Werth mit dem Wesen; diſs hat das Selbſt erſt
im Geiſte. Der Tod dieser Vorstellung enthält also
zugleich den Tod der Abſtraction des göttlichen Weſens,
das nicht als Selbst gesetzt iſt. Er iſt das schmerzliche
Gefühl des unglücklichen Bewuſstſeyns, daſs Gott
ſelbſt geſtorben
ist. Dieser harte Ausdruck ist der Aus-
druck des innerſten ſich einfach Wiſſens, die Rück-
kehr des Bewuſstſeyns in die Tiefe der Nacht des
Ich = Ich, die nichts auſſer ihr mehr unterscheidet und
weiſs. Diſs Gefühl ist also in der That der Verluſt
der Subſtanz und ihres Gegenübertretens gegen das Be-
wuſstseyn; aber zugleich iſt es die reine Subjectivität
der Subſtanz, oder die reine Gewiſsheit ſeiner ſelbst, die
ihr als dem Gegenſtande oder dem Unmittelbaren oder
dem reinen Wesen fehlte. Diſs Wiſſen also iſt die
Begeiſtung, wodurch die Substanz Subject, ihre Ab-
ſtraction und Lebloſigkeit gestorben, ſie also wirklich
und einfaches und allgemeines Selbſtbewuſstſeyn ge-
worden iſt.


So ist also der Geiſt ſich ſelbſt wiſſender Geiſt; er
weiſs ſich, das was ihm Gegenſtand iſt, iſt, oder seine
A a a
[738] Vorſtellung ist der wahre absolute Inhalt; er drückt,
wie wir sahen, den Geist selbst aus. Er ist zugleich
nicht nur Inhalt des Selbſtbewuſstseyns und nicht nur
für es Gegenſtand, ſondern er ist auch wirklicher Geiſt.
Er ist diſs, indem er die drey Elemente seiner Natur
durchlaufft; diese Bewegung durch sich selbſt hindurch
macht seine Wirklichkeit aus; — was sich bewegt,
iſt er, er ist das Subject der Bewegung, und er ist eben-
so das Bewegen ſelbſt, oder die Subſtanz, durch wel-
che das Subject hindurchgeht. Wie uns der Begriff
des Geistes geworden war, als wir in die Religion ein-
traten, nemlich als die Bewegung des seiner ſelbſt ge-
wiſſen Geistes, der dem Bösen verzieht und darin zu-
gleich von seiner eignen Einfachheit und harten Un-
wandelbarkeit abläſst, oder die Bewegung, daſs das
absolut entgegengeſetzte ſich als daſſelbe erkennt und
diſs Erkennen als das Ja zwischen dieſen Extremen
hervorbricht, — dieſen Begriff schaut das religiöse
Bewuſstseyn, dem das absolute Wesen offenbar, an,
und hebt die Unterſcheidung ſeines Selbſts von ſeinem
Angeſchauten auf, ist wie es das Subject ist, so
auch die Substanz, und iſt also selbſt der Geiſt, eben
weil und inſofern es diese Bewegung ist.


Vollendet aber ist diese Gemeinde noch nicht in
diesem ihrem Selbſtbewuſstseyn; ihr Inhalt iſt über-
haupt in der Form des Vorſtellens für ſie, und dieſe
Entzweyung hat auch die wirkliche Geiſtigkeit derſelben,
ihre Rückkehr aus ihrem Vorſtellen, noch an ihr, wie
das Element des reinen Denkens ſelbſt damit behaftet
[739] war, Sie hat nicht auch das Bewuſstseyn über das,
was ſie iſt; ſie iſt das geiſtige Selbſtbewuſstseyn, das
ſich nicht als dieſes Gegenſtand iſt, oder ſich nicht zum
Bewuſstſeyn ſeiner ſelbſt aufschlieſst; ſondern insofern
ſie Bewuſstseyn iſt, hat sie Vorſtellungen, die betrach-
tet wurden. — Wir ſehen das Selbſtbewuſstseyn auf
ſeinem letzten Wendungspunkte ſich innerlich werden
und zum Wiſſen des Inſichſeyns gelangen; wir ſehen
es sein natürliches Daseyn entäuſſern, und die reine
Negativität gewinnen. Aber die poſitive Bedeutung,
daſs nemlich diese Negativität oder reine Innerlichkeit
des Wiſſens ebensosehr das ſichſelbſtgleiche Weſen iſt, —
oder daſs die Subſtanz hierin dazu gelangt, abſolutes
Selbſtbewuſstseyn zu seyn, diſs iſt ein anderes für das
andächtige Bewuſstseyn. Es ergreifft diese Seite, daſs
das reine Innerlichwerden des Wiſſens anſich die ab-
ſolute Einfachheit oder die Substanz ist, als die Vor-
stellung von Etwas, das nicht dem Begriffe nach so iſt,
ſondern als die Handlung einer fremden Genugthuung.
Oder es ist nicht diſs für es, daſs diese Tiefe des rei-
nen Selbſts die Gewalt ist, wodurch das abſtracte We-
ſen
aus seiner Abſtraction herabgezogen und durch die
Macht dieſer reinen Andacht zum Selbſt erhoben wird.
— Das Thun des Selbsts behält dadurch diese negati-
ve Bedeutung gegen es, weil die Entäuſſerung der Sub-
ſtanz von ihrer Seite ein Anſich für jenes iſt, das es
nicht ebenso erfaſst und begreift, oder nicht in seinem
Thun als solchem findet. — Indem anſich dieſe Ein-
A a a 2
[740] heit des Weſens und des Selbſts zu Stande gekommen,
so hat das Bewuſstſeyn auch noch diese Vorſtellung
seiner Verſöhnung, aber als Vorſtellung. Es erlangt
die Befriedigung dadurch, daſs es seiner reinen Nega-
tivität die poſitive Bedeutung der Einheit ſeiner mit
dem Wesen äuſſerlich hinzufügt; ſeine Befriedigung
bleibt also ſelbſt mit dem Gegenſatze eines Jenſeits be-
hafftet. Seine eigne Versöhnung tritt daher als ein
Fernes in ſein Bewuſstseyn ein, als ein Fernes der Zu-
kunft
, wie die Verſöhnung, die das andere Selbſt voll-
brachte, als eine Ferne der Vergangenheit erſcheint.
So wie der einzelne göttliche Mensch einen anſich-
ſeyenden Vater, und nur eine wirkliche Mutter hat,
ſo hat auch der allgemeine göttliche Menſch die Ge-
meinde, ihr eignes Thun und Wiſſen zu ihrem Va-
ter, zu ihrer Mutter aber die ewige Liebe, die sie nur
fühlt, nicht aber in ihrem Bewuſstseyn als wirkli-
chen unmittelbaren Gegenſtand anschaut. Ihre Ver-
ſöhnung iſt daher in ihrem Herzen, aber mit ihrem
Bewuſstseyn noch entzweyt, und ihre Wirklichkeit
noch gebrochen. Was als das Anſich oder die Seite
der reinen Vermittlung, in ihr Bewuſstſezu tritt, iſt
die jenseits liegende Verſöhnung; was aber als gegen-
wärtig
, als die Seite der Unmittelbarkeit und des Da-
ſeyns
, ist die Welt, die ihre Verklärung noch zu ge-
warten hat. Sie iſt wohl anſich versöhnt mit dem
Weſen; und vom Weſen wird wohl gewuſst, daſs es
den Gegenſtand nicht mehr als ſich entfremdet er-
kennt, ſondern in ſeiner Liebe als ſich gleich. Aber
[741] für das Selbſtbewuſstſeyn hat diese unmittelbare Ge-
genwart noch nicht Geiſtsgeſtalt. Der Geiſt der Ge-
meinde iſt so in seinem unmittelbaren Bewuſstsseyn
getrennt von seinem religiösen, das zwar es aus-
spricht, daſs sie anſich nicht getrennt seyen, aber
ein Anſich, das nicht realifirt, oder noch nicht eben-
so abſolutes Fürſichseyn geworden.


[742]

VIII.
Das abſolute Wiſſen.


Der Geiſt der offenbaren Religion hat sein Bewuſst-
seyn als solches noch nicht überwunden, oder, was
daſſelbe ist, sein wirkliches Selbſtbewuſstseyn iſt nicht
der Gegenſtand seines Bewuſstseyns; er selbſt über-
haupt und die in ihm ſich unterſcheidenden Momen-
te fallen in das Vorſtellen und in die Form der Ge-
genſtändlichkeit. Der Inhalt des Vorſtellens iſt der
absolute Geiſt; und es ist allein noch um das Auf-
heben dieser bloſſen Form zu thun, oder vielmehr
weil sie dem Bewuſstseyn als solchem angehört, muſs
ihre Wahrheit schon in den Geſtaltungen deſſelben
ſich ergeben haben. — Diese Ueberwindung des Ge-
genſtandes des Bewuſstseyns iſt nicht als das einſei-
tige zu nehmen, daſs er sich als in das Selbſt zu-
rückkehrend zeigte, ſondern beſtimmter ſo, daſs er
sowohl als solcher ſich ihm als verschwindend dar-
ſtellte, als noch vielmehr, daſs die Entäuſſerung des
[743] Selbſtbewuſstseyns es ist, welche die Dingheit setzt,
und daſs diese Entäuſſerung nicht nur negative, ſon-
dern poſitive Bedeutung, ſie nicht nur für uns oder
anſich, ſondern für es selbſt hat. Für es hat das ne-
gative des Gegenſtandes, oder deſſen ſich selbſt Auf-
heben dadurch die poſitive Bedeutung, oder es weiſs
diese Nichtigkeit deſſelben dadurch einerseits, daſs
es ſich selbſt entäuſſert, — denn in dieser Entäuſſe-
rung setzt es ſich als Gegenſtand, oder den Gegen-
ſtand um der untrennbaren Einheit des Fürſichſeyns
willen als ſich ſelbſt. Andererseits liegt hierin zu-
gleich diſs andre Moment, daſs es diese Entäuſſerung
und Gegenſtändlichkeit ebensosehr auch aufgehoben
und in ſich zurückgenommen hat, also in seinem An-
dersſeyn als solchem bey ſich iſt. — Diſs iſt die Be-
wegung des Bewuſstseyns, und dieses iſt darin die To-
talität seiner Momente. — Es muſs sich ebenso zu
dem Gegenſtande nach der Totalität seiner Bestim-
mungen verhalten, und ihn nach jeder derselben so
erfaſst haben. Dieſe Totalität seiner Bestimmungen
macht ihn an ſich zum geiſtigen Wesen, und für das
Bewuſstseyn wird er diſs in Wahrheit durch das Auf-
faſſen einer jeden einzelnen derselben, als des Selbſts,
oder durch das ebengenannte geiſtige Verhalten zu
ihnen.


Der Gegenstand ist also theils unmittelbares Seyn,
oder ein Ding überhaupt — was dem unmittelbaren
Bewuſstseyn entspricht; theils ein Anderswerden sei-
ner, sein Verhältniſs, oder Seyn für anderes, und
[744]Fürſichſeyn, die Beſtimmtheit — was der Wahrneh-
mung
— theils Wesen oder als Allgemeines, — was
dem Verſtande entspricht. Er iſt, als Ganzes, der
Schluſs oder die Bewegung des Allgemeinen durch
die Beſtimmung zur Einzelnheit, wie die umgekehr-
te, von der Einzelnheit durch ſie als aufgehobne
oder die Bestimmung zum Allgemeinen. — Nach die-
sen drey Bestimmungen also muſs das Bewuſstseyn
ihn als sich selbſt wiſſen. Es iſt diſs jedoch nicht
das Wiſſen als reines Begreiffen des Gegenſtandes,
von dem die Rede ist; ſondern diſs Wiſſen soll nur
in seinem Werden oder in seinem Momenten nach
der Seite aufgezeigt werden, die dem Bewuſstseyn
als solchem angehört, und die Momente des eigent-
lichen Begriffes oder reinen Wiſſens in der Form
von Geſtaltungen des Bewuſstseyns. Darum erscheint
der Gegenſtand im Bewuſstseyn als solchem noch
nicht als die geiſtige Wesenheit, wie sie von uns so
eben ausgesprochen wurde, und sein Verhalten zu
ihm ist nicht die Betrachtung deſſelben in dieser To-
talität als solcher, noch in ihrer reinen Begriffsform,
ſondern theils Geſtalt des Bewuſstseyns überhaupt,
theils eine Anzahl solcher Geſtalten, die wir zuſam-
mennehmen, und in welchen die Totalität der Mo-
mente des Gegenstandes und des Verhaltens des Be-
wuſstseyns nur aufgelöst in ihre Momente aufge-
zeigt werden kann.


Es ist hiemit für diese Seite des Erfaſſens des
Gegenſtandes wie es in der Geſtalt des Bewuſstseyns
[745] ist, nur an die frühern Gestalten deſſelben zu ertn-
nern, die schon vorgekommen ſind. — In Ansehung
des Gegenstandes also, insofern er unmittelbar, ein
gleichgültiges Seyn ist, ſo sahen wir die beobachten-
de Vernunft, in dieſem gleichgültigen Dinge ſich
selbst suchen und finden, d. h. ſich ihres Thuns als
eines ebenso äuſſerlichen ſich bewuſst seyn, als sie
des Gegenstands nur als eines unmittelbaren bewuſst
iſt. — Wir sahen auch auf ihrer Spitze ihre Bestim-
mung in dem unendlichen Urtheile ausſprechen,
daſs das Seyn des Ich ein Ding iſt. — Und zwar ein
ſinnliches unmittelbares Ding: wenn Ich Seele genannt
wird, so ist es zwar auch als Ding vorgestellt, aber
als ein unſichtbares, unfühlbares u. s. f. in der That
also nicht als unmittelbares Seyn, und nicht als das,
was man unter einem Dinge meynt. — Jenes Urtheil
so genommen wie es unmittelbar lautet, iſt es geiſtlos
oder vielmehr das geiſtlose selbſt. Seinem Begriffe nach
aber iſt es in der That das geiſtreichſte, und dieses
Innre deſſelben, das an ihm noch nicht vorhanden iſt,
iſt es, was die beyden andern zu betrachtenden Momen-
te ausſprechen.


Das Ding iſt Ich; in der That ist in diesem un-
endlichen Urtheile das Ding aufgehoben; es iſt nichts
an sich; es hat nur Bedeutung im Verhältniſſe, nur
durch Ich und seine Beziehung auf daſſelbe. — Diſs
Moment hat sich für das Bewuſstſeyn in der reinen
Einſicht und Aufklärung ergeben. Die Dinge ſind
schlechthin nützlich, und nur nach ihrer Nützlich-
[746] keit zu betrachten. — Das gebildete Selbſtbewuſstſeyn,
das die Welt des ſich entfremdeten Geistes durch-
lauffen, hat durch ſeine Entäuſſerung das Ding als
ſich ſelbſt erzeugt, behält daher in ihm noch ſich
selbſt, und weiſs die Unselbstständigkeit deſſelben,
oder daſs das Ding weſentlich nur Seyn für anderes iſt;
oder vollständig das Verhältniſs, d. h. das, was die
Natur des Gegenſtandes hier allein ausmacht, ausge-
drückt, so gilt ihm das Ding als ein fürſichſeyendes,
es spricht die sinnliche Gewiſsheit als absolute Wahr-
heit aus, aber diſs Fürſichseyn selbſt als Moment, das
nur verschwindet, und in sein Gegentheil, in das
preisgegebne Seyn für anderes übergeht.


Hierin iſt aber das Wiſſen des Dinges noch nicht
vollendet; es muſs nicht nur nach der Unmittelbar-
keit des Seyns und nach der Bestimmtheit, sondern
auch als Wesen oder Inneres, als das Selbſt gewuſst
werden. Diſs iſt in dem moralischen Selbſtbewuſstseyn
vorhanden, Diſs weiſs sein Wiſſen als die absolute
Wesenheit
, oder das Seyn schlechthin als den reinen
Willen oder Wiſſen; es iſt nichts, als nur dieser
Willen und Wiſſen; anderem kommt nur unwesent-
liches Seyn, d. h. nicht anſichseyendes, nur seine lee-
re Hülfe zu. Insofern das moralische Bewuſst-
seyn das Daseyn in seiner Weltvorſtellung aus dem
Selbſt entläſst, nimmt es daſſelbe ebensosehr wieder
in ſich zurück. Als Gewiſſen ist es endlich nicht
mehr dieses noch abwechselnde Stellen und Verſtellen
des Daseyns und des Selbſts, sondern es weiſs, daſs sein
[747]Daseyn als solches diese reine Gewiſsheit seiner selbſt
iſt; das gegenſtändliche Element, in welches es als
handelnd sich hinausſtellt, iſt nichts anderes, als das
reine Wiſſen des Selbſts von sich.


Diſs sind die Momente, aus denen sich die Ver-
söhnung des Geiſtes mit seinem eigentlichen Bewuſst-
seyn zuſammenſetzt; ſie für ſich ſind einzeln, und ih-
re geiſtige Einheit allein iſt es, welche die Krafft
dieser Versöhnung ausmacht. Das letzte dieser Mo-
mente iſt aber nothwendig diese Einheit selbſt, und
verbindet, wie erhellt, sie in der That alle in sich.
Der seiner selbſt in seinem Daseyn gewiſſe Geiſt hat
zum Elemente des Daseyns nichts anderes, als diſs
Wiſſen von sich; das Ausſprechen, daſs was er thut,
er nach Ueberzeugung von der Pflicht thut, diese
seine Sprache iſt das Gelten seines Handelns. — Das Han-
deln iſt das erſte anſichſeyende Trennen der Einfach-
heit des Begriffs und die Rückkehr aus dieser Tren-
nung. Diese erſte Bewegung schlägt in die zweyte
um, indem das Element des Anerkennens sich als
einfaches Wiſſen von der Pflicht gegen den Unter-
ſchied
und die Entzweyung ſetzt, die im Handeln als
solchem liegt, und auf diese Weise eine eiserne Wirk-
lichkeit gegen das Handeln bildet. In der Verzeihung
sahen wir aber, wie diese Härte von sich selbſt ab-
läſst, und sich entäuſſert. Die Wirklichkeit hat also
hier für das Selbſtbewuſstseyn sowohl als unmittelbares
Daseyn
keine andere Bedeutung, als das reine Wiſſen
zu seyn; — ebenso als beſtimmtes Daſeyn, oder als
[748] Verhältniſs, ist das sich gegenüberſtehende ein Wis-
sen theils von diesem rein einzelnen Selbſt, theils von
dem Wiſſen als allgemeinem. Hierin ist zugleich diſs
gesetzt, daſs das dritte Moment, die Allgemeinheit oder
das Wesen jedem der beyden gegenüberſtehenden, nur
als Wiſſen gilt; und den leeren noch übrigen Gegen-
satz, heben sie endlich ebenso auf, und sind das Wis-
sen des Ich — Ich; dieses einzelne Selbſt, das unmittelbar
reines Wiſſen oder allgemeines iſt.


Diese Versöhnung des Bewuſstseyns mit dem
Selbstbewuſstseyn zeigt ſich hiemit von der gedoppel-
ten Seite zu Stande gebracht, das einemal im religiö-
sen Geiſte, das anderemal im Bewuſstseyn selbſt als
solchem. Sie unterscheiden sich beyde so voneinan-
der, das jene diese Versöhnung in der Form des An-
ſich
seyns, diese in der Form des Fürſichseyns iſt. Wie
sie betrachtet worden, fallen sie zunächſt auseinander;
das Bewuſstseyn iſt in der Ordnung, in der uns seine
Geſtalten vorkamen, theils zu den einzelnen Momen-
ten derselben, theils zu ihrer Vereinigung längſt ge-
kommen, ehe auch die Religion ihrem Gegenſtande
die Geſtalt des wirklichen Selbſtbewuſstſeyns gab. Die
Vereinigung beyder Seiten iſt noch nicht aufgezeigt;
ſie iſt es, welche diese Reihe der Geſtaltungen des Gei-
ſtes beschlieſst; denn in ihr kommt der Geiſt dazu,
sich zu wiſſen nicht nur wie er an ſich, oder nach sei-
nem absoluten Inhalte, noch nur wie er für ſich nach
seiner inhaltslosen Form oder nach der Seite des Selbſt-
bewuſstseyns, sondern wie er an und für ſich iſt.


[749]

Diese Vereinigung aber iſt an ſich schon gesche-
hen, zwar auch in der Religion, in der Rückkehr der
Vorſtellung in das Selbstbewuſstseyn, aber nicht nach
der eigentlichen Form, denn die religiöse Seite iſt die
Seite des Anſich, welche der Bewegung des Selbſtbe-
wuſstseyns gegenüberſteht. Die Vereinigung gehört
daher dieser andern Seite an, die im Gegensatze die
Seite der Reflexion in sich, also diejenige iſt, die sich
selbſt und ihr Gegentheil, und nicht nur an ſich oder
auf eine allgemeine Weise, sondern für ſich oder ent-
wickelt und unterschieden enthält. Der Inhalt, so wie
die andre Seite des ſelbſtbewuſsten Geiſtes, insofern
ſie die andre Seite iſt, iſt in ihrer Vollſtändigkeit vor-
handen und aufgezeigt worden; die Vereinigung, wel-
che noch fehlt, iſt die einfache Einheit des Begriffs.
Dieser iſt an der Seite des Selbſtbewuſstseyns selbſt
auch schon vorhanden; aber wie er im Vorhergehen-
den vorgekommen, hat er, wie alle übrigen Momen-
te die Form, eine besondere Geſtalt des Bewuſstseyns zu
seyn. — Er iſt also derjenige Theil der Geſtalt des sei-
ner selbſt gewiſſen Geiſtes, der in seinem Begriffe ſte-
hen bleibt, und die schöne Seele genannt wurde. Sie
iſt nemlich sein Wiſſen von sich selbſt, in seiner rei-
nen durchſichtigen Einheit, — das Selbſtbewuſstseyn,
das dieses reine Wiſſen von dem reinen Inſichſeyn, als
den Geiſt weiſs, — nicht nur die Anschauung des
Göttlichen, sondern die Selbſtanschauung deſſelben.
— Indem dieser Begriff sich seiner Realisirung ent-
gegengesetzt feſthält, iſt er die einseitige Geſtalt, de-
[750] ren Verschwinden in leeren Dunſt, aber auch ihre
positive Entäuſſerung und Fortbewegung wir sahen.
Durch diese Realisirung hebt sich das auf sich Be-
harren dieses gegenſtandslosen Selbſtbewuſstseyns,
die Beſtimmtheit des Begriffs gegen seine Erfüllung,
auf; sein Selbſtbewuſstseyn gewinnt die Form der
Allgemeinheit, und was ihm bleibt, iſt sein wahr-
haffter Begriff, oder der Begriff, der seine Realiſi-
rung gewonnen; es iſt er in seiner Wahrheit, nehm-
lich in der Einheit mit seiner Entäuſſerung; — das
Wiſſen von dem reinen Wiſſen, nicht als abſtractem
Weſen, welches die Pflicht iſt, — sondern von ihm
als Wesen, das dieses Wiſſen, dieses reine Selbſtbe-
wuſstseyn, das also zugleich wahrhaffter Gegenſtand
iſt, denn er iſt das fürſichseyende Selbſt.


Seine Erfüllung gab sich dieser Begriff, eines-
theils im handelnden seiner selbſt gewiſſen Geiſt, an-
derntheils in der Religion: in der letztern gewann er
den absoluten Inhalt als Inhalt oder in der Form der
Vorſtellung, des Andersſeyns für das Bewuſstſeyn;
hingegen in jener Geſtalt iſt die Form das Selbſt sel-
ber, denn sie enthält den Handelnden seiner selbſt
gewiſſen Geiſt, das Selbst führt das Leben des ab-
soluten Geiſtes durch. Diese Geſtalt iſt, wie wir se-
hen, jener einfache Begriff, der aber sein ewiges We-
ſen
aufgibt, da iſt, oder handelt. Das Entzweyen oder
Hervortreten hat er an der Reinheit des Begriffs,
denn ſie iſt die absolute Abſtraction oder Negativi-
tät. Ebenso hat er das Element seiner Wirklichkeit
[751] oder des Seyns in ihm, an dem reinem Wiſſen selbſt
denn es iſt die einfache Unmittelbarkeit, die eben so
Seyn und Daseyn, als Wesen iſt, jenes das negative
Denken, diſs das poſitive Denken selbſt. Diſs Da-
seyn iſt endlich ebensosehr das aus ihm, wie als Da-
seyn so als Pflicht, — in ſich reflectirt oder böſe
seyn. Diſs inſich gehen macht den Gegensatz des Be-
griffs
aus, und iſt damit das Auftreten des nichthan-
delnden, nichtwirklichen
reinen Wiſſens des Wesens.
Diſs sein Auftreten in diesem Gegensatze aber iſt die
Theilnahme daran; das reine Wiſſen des Wesens hat
sich an ſich seiner Einfachheit entäuſſert, denn es iſt
das Entzweyen oder die Negativität, die der Begriff
iſt; sofern diſs Entzweyen das für ſich werden iſt, iſt es
das Böse; sofern es das Anſich iſt, iſt es das gutbleiben-
de. — Was nun zuerſt an ſich geschieht, iſt zugleich
für das Bewuſstseyn, und ebenso selbst gedoppelt, so-
wohl für es als es sein fürſichſeyn oder sein eignes Thun
ist. Daſſelbe was schon anſich gesetzt ist, wiederholt
sich also itzt als Wiſſen des Bewuſstseyns von ihm,
und bewuſstes Thun. Jedes läſst für das andere von
der Selbstständigkeit der Bestimmtheit, in der es ge-
gen es auftritt, ab. Diſs Ablaſſen ist daſſelbe Verzicht-
thun auf die Einseitigkeit des Begriffs, das an ſich den
Anfang ausmachte, aber es ist nunmehr sein Verzicht-
thun, so wie der Begriff, auf welche es Verzicht thut,
der seinige ist. — Jenes Anſich des Anfangs ist als Ne-
gativität in Wahrheit ebensosehr das vermittelte; so wie
es in Wahrheit ist, setzt es sich also itzt, und das ne-
[752] gative
ist als Beſtimmtheit eines jeden für das andere
und an sich das sich selbst aufhebende. Der eine der
beyden Theile des Gegensatzes ist die Ungleichkeit des
inſich-in seiner Einzelnheit-seyns gegen die Allgemein-
heit, — der andere die Ungleichheit seiner abstracten
Allgemeinheit gegen das Selbst; jenes stirbt seinem
Fürsichseyn ab, und entäuſſert, bekennt sich; dieses
entſagt der Härte seiner abstracten Allgemeinheit, und
stirbt damit seinem unlebendigen Selbst und seiner un-
bewegten Allgemeinheit ab; so daſs also jenes durch
das Moment der Allgemeinheit, die Wesen ist, und
dieses durch die Allgemeinheit, die Selbst ist, sich er-
gänzt hat Durch diese Bewegung des Handelns ist
der Geist, — der so erst Geist ist, daſs er da ist, sein
Daseyn in den Gedanken und dadurch in die absolute
Entgegensetzung erhebt, und aus dieser eben durch sie
und in ihr selbst zurückkehrt, — als reine Allgemein-
heit des Wiſſens, welches Selbstbewuſstseyn ist, —
als Selbstbewuſstseyn, das einfache Einheit des Wiſſens
ist, hervorgetreten.


Was also in der Religion Inhalt oder Form des
Vorstellens eines andern war, daſſelbe ist hier eignes
Thun des Selbſts; der Begriff verbindet es, daſs der In-
halt
eignes Thun des Selbſts ist; — denn dieser Begriff
ist, wie wir sehen, das Wiſſen des Thuns des Selbsts
in sich als aller Wesenheit und alles Daseyns, das
Wiſſen von dieſem Subjecte als der Subſtanz, und von
der Substanz als diesem Wiſſen seines Thuns. — Was
wir hier hinzugethan, ist allein theils die Versammlung
[753] der einzelnen Momente, deren jedes in seinem Prin-
cipe das Leben des ganzen Geiſtes darſtellt, theils das
Feſthalten des Begriffes in der Form des Begriffes, des-
sen Inhalt sich in jenen Momenten, und der sich in
der Form einer Geſtalt des Bewuſstseyns schon selbſt er-
geben hätte.


Diese letzte Geſtalt des Geiſtes, der Geiſt, der sei-
nem vollſtändigen und wahren Inhalte zugleich die
Form des Selbſts gibt, und dadurch seinen Begriff
ebenso realiſirt als er in dieser Realisirung in seinem
Begriffe bleibt, iſt das absolute Wiſſen; es iſt der sich
in Geiſtsgeſtalt wiſſende Geiſt oder das begreiffende Wiſ-
ſen
. Die Wahrheit iſt nicht nur anſich vollkommen der
Gewiſsheit gleich, sondern hat auch die Geſtalt der Ge-
wiſsheit seiner selbſt, oder sie iſt in ihrem Daseyn, das
heiſst, für den wiſſenden Geiſt in der Form des Wis-
sens seiner selbſt. Die Wahrheit iſt der Inhalt, der
in der Religion seiner Gewiſsheit noch ungleich iſt.
Diese Gleichheit aber iſt darin, daſs der Inhalt die Ge-
ſtalt des Selbſts erhalten. Dadurch iſt dasjenige zum
Elemente des Daseyns, oder zur Form der Gegenſtänd-
lichkeit
für das Bewuſstseyn geworden, was das We-
sen selbſt iſt; nemlich der Begriff. Der Geiſt in die-
sem Elemente dem Bewuſstseyn erscheinend, oder was
hier daſſelbe iſt, darin von ihm hervorgebracht, iſt die
Wiſſenschaft
.


Die Natur, Momente und Bewegung dieses Wis-
sens hat sich also so ergeben, daſs es das reine Fürſich-
B b b
[754]seyn des Selbſtbewuſstseyns iſt; es iſt Ich, das dieses
und kein anderes Ich und das ebenso unmittelbar ver-
mittelt
oder aufgehobenes allgemeines Ich iſt. — Es hat
einen Inhalt, den es von sich unterscheidet; denn es iſt
die reine Negativität oder das sich Entzweyen; es iſt
Bewuſstseyn. Dieser Inhalt iſt in seinem Unterschiede
selbſt das Ich, denn er ist die Bewegung des sich selbſt
Aufhebens, oder dieselbe reine Negativität die Ich iſt.
Ich iſt in ihm als unterschiedenem in sich reflectirt;
der Inhalt iſt allein dadurch begriffen, daſs Ich in sei-
nem Andersſeyn bey sich selbſt iſt. Dieser Inhalt
beſtimmter angegeben, iſt er nichts anders, als die so
eben ausgesprochene Bewegung selbſt; denn er iſt der
Geiſt, der sich selbſt und zwar für ſich als Geiſt durch-
läufft, dadurch daſs er die Geſtalt des Begriffes in sei-
ner Gegenſtändlichkeit hat.


Was aber das Daseyn dieses Begriffs betrifft, so
erscheint in der Zeit und Wirklichkeit die Wiſſen-
ſchaft
nicht eher, als bis der Geiſt zu diesem Bewuſst-
seyn über ſich gekommen iſt. Als der Geiſt, der weiſs,
was er iſt, exiſtirter früher nicht, und sonſt nirgends
als nach Vollendung der Arbeit, seine unvollkomme-
ne Geſtaltung zu bezwingen, ſich für sein Bewuſstseyn
die Geſtalt seines Wesens zu verschaffen, und auf die-
se Weise sein Selbſtbewuſstseyn mit seinem Bewuſstseyn
auszugleichen. — Der an und für ſich seyende Geiſt
in seinen Momenten unterschieden, iſt fürſichseyendes
Wiſſen, das Begreiffen überhaupt, das als ſolches die
[755]Subſtanz noch nicht erreicht hat oder nicht an sich
selbſt absolutes Wiſſen iſt.


In der Wirklichkeit iſt nun die wiſſende Subſtanz
früher da, als die Form oder Begriffsgeſtalt derselben.
Denn die Subſtanz iſt das noch unentwickelte Anſich,
oder der Grund und Begriff in seiner noch unbeweg-
ten Einfachheit, also die Innerlichkeit oder das Selbſt
des Geiſtes, das noch nicht da iſt. Was da iſt, iſt als
das noch unentwickelte Einfache und Unmittelbare,
oder der Gegenſtand des vorſtellenden Bewuſstseyns über-
haupt. Das Erkennen, weil es das geiſtige Bewuſst-
ſeyn iſt, dem, was an ſich iſt, nur insofern iſt, als es
Seyn für das Selbſt, und Seyn des Selbſtes oder Begriff
iſt, — hat aus diesem Grunde zuerſt nur einen armen
Gegenſtand, gegen welchen die Subſtanz, und deren Be-
wuſstſeyn reicher iſt. Die Offenbarkeit, die ſie in die-
ſem hat, iſt in der That Verborgenheit, denn ſie iſt das
noch ſelbſtlose Seyn, und offenbar iſt ſich nur die Ge-
wiſsheit ſeiner ſelbſt. Zuerſt gehören dem Selbſtbe-
wuſstſeyn daher von der Subſtanz nur die abstracten
Momente
an; aber indem dieſe als die reinen Bewegun-
gen ſich ſelbſt weiter treiben, bereichert es ſich, bis
es die ganze Subſtanz dem Bewuſstſeyn entriſſen, den
ganzen Bau ihrer Weſenheiten in ſich geſogen, und
indem dieſes negative Verhalten zur Gegenſtändlich-
keit ebenſoſehr poſitiv, Setzen iſt, — ſie aus ſich er-
zeugt und damit für das Bewuſstseyn zugleich wieder
hergeſtellt hat. In dem Begriffe, der ſich als Begriff
B b b 2
[756] weiſs, treten hiemit die Momente früher auf, als das
erfüllte Ganze, deſſen Werden die Bewegung jener
Momente iſt. In dem Bewuſstſeyn dagegen iſt das Gan-
ze, aber unbegriffne, früher als die Momente. — Die
Zeit iſt der Begriff ſelbſt, der da iſt, und als leere An-
ſchauung ſich dem Bewuſstſeyn vorſtellt; deſswegen
erſcheint der Geiſt nothwendig in der Zeit, und er er-
ſcheint ſolange in der Zeit als er nicht ſeinen reinen
Begriff erfaſst, das heiſst, nicht die Zeit tilgt. Sie iſt
das äuſſere angeſchaute vom Selbſt nicht erfaſste reine
Selbſt, der nur angeſchaute Begriff; indem dieſer ſich
ſelbſt erfaſst, hebt er ſeine Zeitform auf, begreift das
Anſchauen, und iſt begriffnes und begreiffendes An-
ſchauen. — Die Zeit erſcheint daher als das Schickſal
und die Nothwendigkeit des Geiſtes, der nicht in ſich
vollendet iſt, — die Nothwendigkeit, den Antheil,
den das Selbſtbewuſstſeyn an dem Bewuſstseyn hat,
zu bereichern, die Unmittelbarkeit des Anſich, — die
Form, in der die Subſtanz im Bewuſstseyn iſt, — in
Bewegung zu ſetzen oder umgekehrt das Anſich als das
Innerliche genommen, das was erſt innerlich iſt, zu
realiſiren und zu offenbaren, — d. h. es der Gewiſs-
heit ſeiner ſelbſt zu vindiciren.


Es muſs aus dieſem Grunde geſagt werden, daſs
nichts gewuſst wird, was nicht in der Erfahrung iſt,
oder wie daſſelbe auch ausgedrückt wird, was nicht
als gefühlte Wahrheit, als innerlich geoffenbartes Ewiges,
als geglaubtes Heiliges, oder welche Ausdrücke ſonſt
gebraucht werden, — vorhanden iſt. Denn die Er-
[757] fahrung iſt ebendiſs, daſs der Inhalt — und er iſt der
Geiſt — an ſich, Subſtanz und alſo Gegenſtand des Be-
wuſstſeyns
iſt. Dieſe Subſtanz aber, die der Geiſt iſt,
iſt das Werden ſeiner zu dem, was er an ſich iſt; und
erſt als diſs ſich in ſich reflectirende Werden iſt er
an sich in Wahrheit der Geiſt. Er iſt an sich die Be-
wegung, die das Erkennen iſt, — die Verwandlung je-
nes Anſichs in das Fürſich, der Subſtanz in das Subject,
des Gegenſtands des Bewuſstſeyns in Gegenſtand des
Selbſtbewuſstſeyns, d. h. in ebenſoſehr aufgehobnen Ge-
genſtand, oder in den Begriff. Sie ist der in sich zu-
rückgehende Kreis, der ſeinen Anfang vorausſetzt,
und ihn nur im Ende erreicht. — Insofern der Geist
also nothwendig dieses Unterscheiden in ſich ist, tritt
sein Ganzes angeschaut seinem einfachen Selbſtbe-
wuſstſeyn gegenüber, und da also jenes das unterschie-
dene ist, so ist es unterschieden in seinen angeschau-
ten reinen Begriff, in die Zeit, und in den Inhalt oder
in das Anſich; die Substanz hat, als Subject, die erſt
innere
Nothwendigkeit an ihr, sich an ihr selbſt als das
darzuſtellen, was sie an sich iſt, als Geiſt. Die vol-
lendete gegenständliche Darstellung ist erst zugleich die
Reflexion derselben oder das Werden derselben zum
Selbst. — Eh daher der Geist nicht anſich, nicht als
Weltgeist sich vollendet, kann er nicht als ſelbſtbe-
wuſster
Geist seine Vollendung erreichen. Der Inhalt
der Religion spricht darum früher in der Zeit, als die
Wiſſenschaft, es aus, was der Geiſt iſt, aber diese ist
allein sein wahres Wiſſen von ihm selbst.


[758]

Die Bewegung, die Form seines Wiſſens von sich
hervorzutreiben, iſt die Arbeit, die er als wirkliche Ge-
ſchichte
vollbringt. Die religiöse Gemeine, insofern
sie zuerst die Substanz des absoluten Geistes ist, ist
das rohe Bewuſstſeyn, das ein um so barbarischeres
und härteres Daseyn hat, je tiefer sein innerer Geist
ist, und sein dumpfes Selbſt eine um so härtere
Arbeit mit seinem Wesen, dem ihm fremden Inhalte
seines Bewuſstseyns. Erſt nachdem es die Hoffnung
aufgegeben, auf eine äuſſerliche d. h. fremde Weise
das Fremdseyn aufzuheben, wendet es sich, weil die
aufgehobne fremde Weise die Rückkehr ins Selbſtbe-
wuſstseyn ist, an sich selbſt, an seine eigne Welt und
Gegenwart, entdekt sie als sein Eigenthum und hat
somit den ersten Schritt gethan aus der Intellectualwelt
herabzuſteigen, oder vielmehr deren abstractes Ele-
ment mit dem wirklichen Selbſt zu begeiſten. Durch
die Beobachtung einerseits findet es das Daſeyn als Ge-
danken, und begreifft daſſelbe, und umgekehrt in sei-
nem Denken das Daseyn. Indem es so zunächſt die
unmittelbare Einheit des Denkens und Seyns, des ab-
stracten Wesens und des Selbſts, selbſt abſtract ausge-
sprochen und das erſte Lichtwesen reiner, nemlich als
Einheit der Ausdehnung und des Seyns, — denn Aus-
dehnung ist die dem reinen Denken gleichere Einfach-
heit, denn das Licht iſt, — und hiemit im Gedanken
die Substanz des Aufgangs wieder erweckt hat, schau-
dert der Geist zugleich von dieser abstracten Einheit,
von dieser ſelbſtlosen Substantialität zurück, und be-
[759] hauptet die Individualität gegen sie. Erſt aber nach-
dem er diese in der Bildung entäuſſert, dadurch sie
zum Daseyn gemacht und in allem Daseyn sie durch-
gesetzt, — zum Gedanken der Nützlichkeit gekom-
men, und in der absoluten Freyheit das Daseyn als
seinen Willen erfaſst, kehrt er somit den Gedan-
ken seiner innerſten Tiefe heraus, und spricht das
Wesen als Ich = Ich aus. Diſs Ich = Ich ist aber die
sich in sich selbst reflectirende Bewegung; denn in-
dem diese Gleichheit als abſolute Negativität der abſo-
lute Unterschied ist, so steht die Sichselbstgleichheit
des Ich diesem reinen Unterschiede gegenüber, der als
der reine und zugleich dem sich wiſſenden Selbſt ge-
genständliche, als die Zeit auszusprechen ist, so daſs
wie vorhin das Wesen als Einheit des Denkens und der
Ausdehnung ausgeſprochen wurde, es als Einheit des
Denkens und der Zeit zu faſſen wäre; aber der sich
selbst überlaſſne Unterschied, die ruhe- und haltlose
Zeit fällt vielmehr in sich selbst zusammen; sie ist die
gegenständliche Ruhe der Ausdehnung, diese aber ist
die reine Gleichheit mit sich selbst, das Ich. — Oder
Ich ist nicht nur das Selbſt, sondern es ist die Gleich-
heit des Selbſts mit ſich
; diese Gleichheit aber ist die
vollkommne und unmittelbare Einheit mit sich selbst
oder diſs Subject ist ebensosehr die Subſtanz. Die Sub-
stanz für sich allein, wäre das inhaltsleere Anschauen
oder das Anschauen eines Inhalts, der als bestimmter
nur Accidentalität hätte, und ohne Nothwendigkeit
wäre; die Substanz gälte nur in sofern als das Abso-
[760] lute, als sie als die abſolute Einheit gedacht oder an-
geschaut wäre, und aller Inhalt müſste nach seiner
Verschiedenheit auſſer ihr in die Reflexion fallen, die
ihr nicht angehört, weil sie nicht Subject, nicht das
über sich und sich in sich reflectirende oder nicht als
Geist begriffen wäre. Wenn doch von einem Inhalte
gesprochen werden sollte, so wäre es theils nur, um
ihn in den leeren Abgrund des Absoluten zu werfen,
theils aber wäre er äuſſerlich aus der sinnlichen Wahr-
nehmung aufgerafft; das Wiſſen schiene zu Dingen,
dem Unterschiede von ihm selbst, und dem Unter-
schiede mannichfaltiger Dinge gekommen zu seyn,
ohne daſs man begriffe, wie und woher.


Der Geist aber hat sich uns gezeigt, weder nur
das Zurückziehen des Selbſtbewuſstſeyns in seine rei-
ne Innerlichkeit zu seyn, noch die bloſſe Versenkung
deſſelben in die Substanz und das Nichtseyn seines
Unterschiedes, sondern diese Bewegung des Selbsts, das
sich seiner selbst entäuſſert und sich in seine Substanz
versenkt, und ebenso als Subject aus ihr in sich ge-
gangen ist, und sie zum Gegenstande und Inhalte
macht, als es diesen Unterschied der Gegenständlich-
keit und des Inhalts aufhebt. Jene erste Reflexion aus
der Unmittelbarkeit ist das sich [Unterscheiden] des
Subjects von seiner Substanz, oder der sich entzweyen-
de Begriff, das Insichgehen und Werden des reinen
Ich. Indem dieser Unterschied das reine Thun des
Ich = Ich ist, ist der Begriff die Nothwendigkeit und
das Aufgehen des Daseyns, das die Substanz zu seinem
[761] Wesen hat, und für sich besteht. Aber das Bestehen
des Daseyns für sich ist der in der Bestimmtheit ge-
setzte Begriff und dadurch ebenso seine Bewegung an
ihm selbst
, nieder in die einfache Substanz zu gehen,
welche erst als diese Negativität und Bewegung Sub-
ject ist. — Weder hat Ich sich in der Form des Selbſt-
bewuſstseyns
gegen die Form der Substantialität und Ge-
genständlichkeit festzuhalten, als ob es Angst vor
seiner Entäuſſerung hätte; die Kraft des Geistes ist viel-
mehr, in seiner Entäuſſerung sich selbst gleich zu blei-
ben, und als das an und fürſichseyende, das Fürſichseyn
ebensosehr nur als Moment zu setzen, wie das An-
sichseyn, — noch ist es ein Drittes, das die Unter-
schiede in den Abgrund des Absoluten zurückwirft,
und ihre Gleichheit in demselben ausſpricht, sondern das
Wiſſen besteht vielmehr in dieser scheinbaren Unthätig-
keit, welche nur betrachtet, wie das Unterschiedne sich
an ihm selbst bewegt, und in seine Einheit zurückkehrt.


In dem Wiſſen hat also der Geist die Bewegung
seines Gestaltens beschloſſen, insofern daſſelbe mit dem
unüberwundnen Unterschiede des Bewuſstseyns be-
haftet ist. Er hat das reine Element seines Daseyns,
den Begriff, gewonnen. Der Inhalt ist nach der Frey-
heit
seines Seyns das sich entäuſſernde Selbſt, oder die
unmittelbare Einheit des sich selbst wiſſens. Die reine
Bewegung dieser Entäuſſerung macht, sie am Inhalte
betrachtet, die Nothwendigkeit deſſelben aus. Der ver-
schiedne Inhalt ist als bestimmter im Verhältniſſe, nicht
an sich, und seine Unruhe sich selbst aufzuheben
[762] oder die Negativität; also ist die Nothwendigkeit oder
Verschiedenheit, wie das freye Seyn, ebenso das Selbſt,
und in dieser selbstischen Form, worin das Daseyn un-
mittelbar Gedanke ist, ist den Inhalt Begriff. Indem
also der Geist den Begriff gewonnen, entfaltet er das
Daseyn und Bewegung in diesem Aether seines Le-
bens, und ist Wiſſenschaft. Die Momente seiner Be-
wegung stellen sich in ihr nicht mehr als bestimmte
Geſtalten des Bewuſstseyns dar, sondern indem der Unter-
schied deſſelben in das Selbſt zurück gegangen, als be-
ſtimmte Begriffe
, und als die organische in sich selbſt
gegründete Bewegung derselben. Wenn in der Phäno-
menologie des Geistes jedes Moment der Unterschied
des Wiſſens und der Wahrheit, und die Bewegung
iſt, in welcher er sich aufhebt, so enthält dagegen die
Wiſſenschaft diesen Unterschied und deſſen Aufheben
nicht, sondern indem das Moment die Form des Be-
griffs hat, vereinigt es die gegenständliche Form der
Wahrheit und des wiſſenden Selbſts in unmittelbarer
Einheit. Das Moment tritt nicht als diese Bewegung
auf, aus dem Bewuſstſeyn oder der Vorſtellung in das
Selbſtbewuſstſeyn und umgekehrt herüber und hin-
über zu gehen, sondern seine reine von seiner Er-
scheinung im Bewuſstſeyn befreyte Geſtalt, der reine
Begriff, und deſſen Fortbewegung hängt allein an sei-
ner reinen Beſtimmtheit. Umgekehrt entspricht jedem
abſtracten Momente der Wiſſenschaft eine Geſtalt des
erscheinenden Geiſtes überhaupt. Wie der daseyende
Geiſt nicht reicher iſt, als sie, so iſt er in seinem In-
[763] halte auch nicht ärmer. Die reinen Begriffe der Wis-
senschaft in dieser Form von Geſtalten des Bewuſst-
seyns zu erkennen, macht die Seite ihrer Realität aus,
nach welcher ihr Wesen, der Begriff, der in ihr in
seiner einfachen Vermittlung als Denken gesetzt ist, die
Momente dieser Vermittlung auseinanderſchlägt und
nach dem innern Gegensatze sich darſtellt.


Die Wiſſenſchaft enthält in ihr selbſt diese Noth-
wendigkeit, der Form des reinen Begriffs sich zu ent-
äuſſern und den Uebergang des Begriffes ins Bewuſst-
ſeyn
. Denn der sich selbſt wiſſende Geiſt, ebendarum
daſs er seinen Begriff erfaſst, ist er die unmittelbare
Gleichheit mit sich selbſt, welche in ihrem Unterschie-
de die Gewiſsheit vom Unmittelbaren iſt, oder das sinnli-
che Bewuſstseyn
, — der Anfang, von dem wir ausge-
gangen; dieses Entlaſſen seiner aus der Form seines
Selbſts iſt die höchste Freyheit und Sicherheit seines
Wiſſens von sich.


Doch ist diese Entäuſſerung noch unvollkommen;
sie drückt die Beziehung der Gewiſsheit seiner selbſt
auf den Gegenſtand aus, der eben darin, daſs er in der
Beziehung ist, seine völlige Freyheit nicht gewonnen
hat. Das Wiſſen kennt nicht nur sich, sondern auch
das negative seiner selbſt, oder seine Gräntze. Seine
Gräntze wiſſen, heiſst sich aufzuopfern wiſſen. Diese
Aufopferung iſt die Entäuſſerung, in welcher der Geiſt
sein Werden zum Geiſte, in der Form des freyen zufäl-
ligen Geschehens
darſtellt, sein reines Selbſt, als die Zeit
auſſer ihm, und ebenso sein Seyn als Raum anschauend.
Dieses sein letzteres Werden, die Natur, iſt sein le-
[764] bendiges unmittelbares Werden; sie, der entäuſſerte
Geiſt, iſt in ihrem Daſeyn nichts, als diese ewige
Entäuſſerung ihres Beſtehens und die Bewegung, die
das Subject herſtellt.


Die andere Seite aber seines Werdens, die Ge-
schichte
, iſt das wiſſende sich vermittelnde Werden — der
an die Zeit entäuſſerte Geiſt; aber diese Entäuſſerung
ist ebenso die Entäuſſerung ihrer selbſt; das Negative
ist das negative seiner selbst. Diſs Werden ſtellt eine
träge Bewegung und Aufeinanderfolge von Geiſtern
dar, eine Gallerie von Bildern, deren jedes mit dem
vollſtändigen Reichthume des Geiſtes ausgeſtattet, eben-
darum sich so träge bewegt, weil das Selbſt dieſen
ganzen Reichthum seiner Subſtanz zu durchdringen
und zu verdauen hat. Indem seine Vollendung darin
beſteht, das was er iſt, seine Subſtanz, vollkommen zu
wiſſen, so ist diſs Wiſſen sein Inſichgehen, in welchem
er sein Daseyn verläſst und seine Gestalt der Erinne-
rung übergibt. In seinem Insichgehen ist er in der
Nacht seines Selbſtbewuſstseyns versunken, sein ver-
schwundnes Daseyn aber ist in ihr aufbewahrt, und
diſs aufgehobne Daseyn, — das vorige, aber aus dem
Wiſſen neugeborne, — ist das neue Daseyn, eine neue
Welt und Geistesgestalt. In ihr hat er ebenso unbe-
fangen von vornen bey ihrer Unmittelbarkeit anzu-
fangen, und sich von ihr auf wieder groſs zu ziehen,
als ob alles vorhergehende für ihn verloren wäre, und
er aus der Erfahrung der frühern Geister nichts ge-
lernt hätte. Aber die Er-Innerung hat sie aufbewahrt
und ist das Innre und die in der That höhere Form
[765] der Subſtanz. Wenn also dieser Geist seine Bildung
von sich nur auszugehen scheinend wieder von vor-
nen anfängt, so ist es zugleich auf einer höhern Stuffe
daſs er anfängt. Das Geisterreich, das auf diese Weise
sich in dem Daseyn gebildet, macht eine Aufeinander-
folge aus, worin einer den andern ablöſte, und
jeder das Reich der Welt von dem vorhergehenden
übernahm. Ihr Ziel ist die Offenbarung der Tiefe,
und diese ist der absolute Begriff; diese Offenbarung ist
hiemit das Aufheben seiner Tiefe oder seine Ausdehnung,
die Negativität dieses insichseyenden Ich, welche sei-
ne Entäuſſerung oder Subſtanz ist, — und seine Zeit,
daſs diese Entäuſſerung sich an ihr selbst entäuſſert
und so in ihrer Ausdehnung ebenso in ihrer Tiefe,
dem Selbſt iſt. Das Ziel, das absolute Wiſſen, oder
der sich als Geist wiſſende Geist hat zu seinem Wege
die Erinnerung der Geister, wie sie an ihnen selbst
sind und die Organisation ihres Reiches vollbringen
Ihre Aufbewahrung nach der Seite ihres freyen in der
Form der Zufälligkeit erscheinenden Daseyns, ist die
Geschichte, nach der Seite ihrer begriffnen Organisa-
tion aber die Wiſſenschaft des erſcheinenden Wiſſens;
beyde zusammen, die begriffne Geschichte, bilden die
Erinnerung und die Schädelſtätte des absoluten Geistes,
die Wirklichkeit, Wahrheit und Gewiſsheit seines
Throns, ohne den er das leblose Einſame wäre; nur —
aus dem Kelche dieses Geisterreiches
schäumt ihm seine Unendlichkeit.


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Appendix A

Bamberg
gedruckt mit Reindlischen Schriften
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Lizenz
CC-BY-4.0
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2025). Hegel, Georg Wilhelm Friedrich. Die Phänomenologie des Geistes. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bjw6.0